Monotheismus
im Alten Israel
und seiner Umwelt
Mit Beiträgen von Benedikt Hartmann,
Erik Hornung, Hans-Peter Müller,
Giovanni Pettinato und Fritz Stolz
.. Ay 5
ara
ey N
(ars
BIBLISCHE BEITRÄGE 14
Othmar Keel, Herausgeber
‘Monotheismus im Alten
Israel, und seiner Umwelt
Mit Beiträgen von B S
Benedikt Hartmann 2/1 3
Erik Hornung ee
Hans-Peter Müller =
Giovanni Pettinato AT ]
Fritz Stolz He+r I ö;
Verlag
Schweizerisches Katholisches
Bibelwerk
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek:
Theology Library
ON,
California
R Einleitung 50
II. Über das Quellenmaterial 55
IH. Schlussfolgerungen 67
Monotheismus im pharaonischen Ägypten (Erik Hornung) 83
1. Echnatons Gottesglaube 84
2. Vorläufer von Echnatons Gottesidee 89
3. Auswirkungen von Echnatons Gottesidee in Ägypten
und in seiner Umwelt 94
6
Verzeichnis der Abkürzungen
Syr eriz,P
ThA
4 N, Müıı }
ThL2 TH € na » “ } '
ıT IERW j 18 I* uı x at f j f
» ot | 10651
*
> ’ ’ % is En es
' R * oz si;
w r
Gedanken zur Beschäftigung mit dem Monotheismus
12
einer schwarzen Wolke, die ihn umhüllte, aus der ihm Gottes Gebote ent-
gegendröhnten, Jesus, in der unermesslichen Wüste kauernd, ihm gegen-
über jener, der ihn versuchte, von dem wir nicht wissen, wer er war, soll
doch gebetet werden: “Führe uns nicht in Versuchung”, Mohammed, von
Offenbarungen umpgellt, so dass er erzitterte, samt dem Kamel, auf dem
er sass: der Gott der Wüste lässt sich weder konzipieren noch entmytho-
logisieren — wäre das möglich, müsste er etwas anderes sein, als Konzep-
tion eine Funktion, als Mythos eine Projektion —, er lässt sich nur erleben
in der Erschütterung, so dass denn Glauben nicht ein Für-wahr-Halten,
sondern ein Erschüttertsein bedeutet, das durch nichts bewiesen werden
muss, eine Einsicht, die mir erst aufging — neun Monate nach unserem
Flug nach Elath.’”
Im gleichen Band spürt F. DÜRRENMATT auch der Bedeutung des Mono-
theismus nach und führt dabei u.a. aus:
“Die Entdeckung (des monotheistischen) Gottes ist wohl die folgen-
schwerste Entdeckung des Menschen, unabhängig davon, ob es Gott gibt
oder nicht, sind doch die wichtigsten Entdeckungen nach jener Gottes
die Entdeckungen des Punktes, der Null, der Geraden, der rationalen und
der irrationalen Zahl usw. Gedankendinge, über deren Existenz oder
Nichtexistenz zu diskutieren ebenso sinnlos ist, sind sie doch unabhängig
von dieser Frage wirksam. Indem die Juden einen Gott konzipierten, der
von einem Stammesgott, von einem Gott unter Göttern zum Gott wurde,
zum Schöpfergott, traten sie in die komplizierteste Dialektik ein, die der
menschliche Geist kennt, in die wohl fruchtbarste geistige Dramatik.
Nicht nur Gott selbst, dessen Konzeption ständig verändert und aufs
neue durchdacht wurde, auch das Verhältnis der Gotteskonzeption zum
Volk und zum Einzelnen nahm immer neue Aspekte an, wobei in diesem
bis heute dauernden Denkprozess das Volk und der Einzelne immer wie-
der neu bestimmt wurden”?.
Eine ebenso grosse Rolle wie im Dürrenmatt Essay spielt der Monotheismus
in GEORGE STEINER’s unheimlichen Anmerkungen zur Neudefinition der
Kultur“. STEINER reflektiert über die Verbrechen epochalen Ausmasses,
die in den dreissiger und vierziger Jahren in Europa verübt wurden, und stellt
die These auf:
2 F. DÜRRENMATT, Zusammenhänge. Essay über Israel. Eine Konzeption, Zürich
1976, 186f.
3 Ebd. 31f.
4 In Blaubarts Burg (Suhrkamp Taschenbuch 77) Frankfurt a.M. 1972.
13
“Keines der historischen oder sozialpsychologischen Modelle, die man
bisher aufgestellt hat, keine Psychopathologie des Verhaltens der Massen
und der psychischen Anfälligkeit ihrer einzelnen Führer oder Mordgesel-
len, keine Diagnose gelenkter Hysterie vermag es, gewisse ins Auge sprin-
gende Züge des Gesamtproblems zu erklären. Diese umfassen zum einen
die aktive Indifferenz — “aktiv”, weil “kollaborativ unwissend” — der
europäischen Bevölkerung in grösster Majorität und ferner den wohler-
wogenen Entschluss des nationalsozialistischen Regimes, sogar noch im
letzten Stadium wirtschaftlicher Kriegführung die Juden lieber zu liqui-
dieren, anstatt sie im Interesse der so offensichtlichen produktiven und
finanziellen Vorteile auszubeuten. Am rätselhaftesten von alldem jedoch
mutet wohl die Persistenz eines virulenten Antisemitismus überall dort
an, wo es gar keine Juden mehr gibt, oder wo höchstens noch eine Hand-
voll davon überleben (wie beispielsweise im heutigen Osteuropa)!”°
STEINER glaubt den Schlüssel für dieses Mysterium eines Hasses ohne greif-
bares Objekt mit Hitler’s höhnischer Bemerkung “das Gewissen ist eine jü-
dische Erfindung” bezeichnen zu können. Gewissen ist für ihn so gut wie syn-
onym mit Monotheismus. Über die Entstehung dieses Glaubens an einen
Gott “so leer wie die Luft über der Wüste”® , “vielleicht in der Oase von Ka-
desch”” meint STEINER, sei kaum mehr etwas Sicheres auszumachen. Die
Tatsächlichkeit aber, so meint er, ist gesichert, denn das Licht strahlt bis zu
uns herüber.
“Was wir uns aufs neue einprägen müssen, und zwar so einfach und un-
verhüllt wie möglich, ist die Einzigartigkeit, die hirnzermürbende Unfass-
lichkeit der neuen, monotheistischen Idee. Religionshistoriker versichern
uns, das Auftreten der mosaischen Gottesauffassung sei innerhalb des
menschlichen Erfahrungsbereiches ein beispiellos dastehendes Faktum,
und man treffe nirgendwo, in keiner Epoche, auf eine wahrhaft vergleich-
bare Idee. Durch die Abruptheit der mosaischen Offenbarung, durch die
Endgültigkeit der Glaubenssatzung zu Sinai ist die menschliche Psyche
samt ihren ältesten Wurzeln aus dem vertrauten Boden gerissen worden.
Solcher Bruch ist nie mehr vollständig verheilt.
Die an den Geist gestellten Anforderungen sind, ebenso wie der Name
Gottes, unaussprechlich. Gehirn und Gewissen sind aufgerufen, sich dem
Glauben, dem Gehorsam und einer Liebe anheimzugeben, die in ihrer
5 Ebd. 43f.
6 Ebd. 47.
7
Ebd. 45.
14
Abstraktion reiner und dem gewöhnlichen Menschensinn noch weniger
zugänglich ist als die höchste Mathematik”®.
“Historisch gesehen, haben die Forderungen des absoluten Monotheismus
sich als nahezu untragbar erwiesen. Das Alte Testament ist ein Bericht
von Auflehnung und von immer wieder versuchter Rückkehr zu den alten
Göttern, welche mit Händen zu greifen und mit dem Verstand zu fassen
waren. Erst das Paulinische Christentum hat solchem Konflikt die brauch-
bare Lösung gefunden: indem es manche Züge vom Idiom und von der
auf die eine Mitte bezogenen, symbolischen Eigenart des Monotheismus
beibehielt, gewährte es doch auch Spielraum für die pluralistischen, aufs
Bildhafte gerichteten Bedürfnisse der Psyche. Ob im Trinitätsaspekt, ob
in der wuchernden Vorstellung eines Himmels, darin es wimmelt von Hei-
ligen und von Engeln, oder aber in der lebensvollen Materialisation von
Gott-Vater, Christus und Maria — die christlichen Kirchengemeinschaften
sind mit ganz wenigen Ausnahmen sämtlich Bastard-Gebilde aus mono-
theistischen Idealen und polytheistischen Praktiken gewesen. Eben dieser
Umstand aber hat ihre Geschmeidigkeit und synkretistische Kraft bewirkt.
Dergestalt hat der einzige, unvorstellbare, ja strenggenommen “undenk-
bare” Gott des Dekalogs nichts mehr gemein mit der Dreifaltigkeit — die-
sem durch und durch visualisierten Pantheon der christlichen Kirchen”.
STEINER meint, dieses Ausweichen in den Kompromiss hätte auf die Dauer
nicht befriedigen können. Denn
“die Überforderung, immens und unbarmherzig, bleibt weiterhin beste-
hen. Sie zermürbt das menschliche Gewissen und und verlangt von ihm,
dass es hinauswachse über sich bis in das Licht einer Erkenntnis, deren
Strahlung uns mit Blindheit schlägt. So wenden wir uns ab und kehren
zurück in die Vergröberung und — was noch folgenschwerer ist — in die
Selbstanklage. Denn das Ideal besteht ja noch immer, und das Licht legt
sich uns auf das Hirn, ganz wie in Blakes graphischer Abbreviatur von der
Tyrannei alles Offenbarten. Im Polytheismus, sagt Nietzsche, lag die Frei-
heit und schöpferische Vielfalt des Menschengeistes. Die Lehre von dem
einen Gott, den die Menschen nicht länger ausspielen können gegen ande-
re Götter, so dass sie nicht mehr fähig sind, Platz zu schaffen für die eige-
nen Ziele, ist, wie Nietzsche sagt, ‘die ungeheuerlichste aller menschli-
chen Verirrungen’”'®.
8 Ebd.
9 Ebd. 47.
10 Ebd. 46.
15
NIETZSCHE versuchte den Druck durch die Verkündigung vom Tode Gottes
loszuwerden.
“Indes, es gab eine leichter vollziehbare Rache, einen simpleren Weg, all
die Jahrhunderte der mauvaise foi, der nur zum Teil bewussten, doch boh-
renden Ressentiments gegen das unerreichbare Ideal des einen Gottes
wiedergutzumachen: durch die Tötung der Juden würde die westliche
Kultur diejenigen austilgen, die da Gott “erfunden” hatten und, bei aller
Unvollkommenheit und Auflehnung gegen Sein Gebot, doch die Verkün-
der Seiner unerträglichen Absenz gewesen waren. Der Massenmord — er
ist ein lange zurückgedrängter und deshalb um so vollständigerer Reflex
des von Natur sensorischen Bewusstseins, der instinktiven, polytheisti-
schen und animistischen Bedürfnisse. Er kommt aus einer Welt, die so-
wohl älter als die von Sinai als auch jünger als jene von Nietzsche ist.
Und als Freud in den ersten Jahren der Naziherrschaft den Versuch unter-
nahm, die Verantwortung für die “Erfindung” Gottes auf einen Ägypter
abzuwälzen, hat er, vielleicht ohne es im vollen Ausmass zu erkennen,
einen verzweifelten Sühne- und Opferschritt getan: er wollte den Händen
des jüdischen Volks jenen Blitzableiter entwinden. Aber es war schon zu
spät”!!.
Ich habe diese beiden Stimmen so ausführlich zu Worte kommen lassen, um
eindringlich zu zeigen, mit welcher Vehemenz man ausserhalb der alttesta-
mentlichen Fachwelt das Phänomen Monotheismus mancherorts traktiert
und wie zentral man es da einsetzt.
Der Alttestamentler ist versucht, auf solche Stimmen statt mit Dankbarkeit
dafür, hier einmal ein grösseres Forum gefunden zu haben, vorerst mit De-
tailkritik zu antworten. Dabei bezieht sich diese oft gerade auf Punkte, die
die Essayisten, wenn auch mit Verspätung, der alttestamentlichen Fachlite-
ratur entnommen haben. So war das Verständnis der Entstehung des Mono-
theismus aus dem Erlebnis der Wüste eine Lieblingsidee E.RENAN’s (1823—
1892)"?. Sie kann mit dem einfachen Hinweis als brüchig abgetan werden,
11 Ebd. 48£.
12 Vgl. dazu Anm. 29 des Beitrags von F. STOLZ in diesem Band und E. RENAN,
Oeuvres completes (hrsg. von L. PSICHARI) Bd. 8, Paris 1958, 147. Zu neueren dif-
ferenzierteren Beschäftigungen mit dem Zusammenhang zwischen Prophetie, Mono-
theismus und Landschaft siehe G. LANCZKOWSKI, Altägyptischer Prophetismus
(Ägyptologische Abhandlungen 4) Wiesbaden 1960, 52-57 (Lit.!) und vor allem
D. BALY, The Geography of Monotheism, in: Translating and Understanding the
Old Testament. Essays in Honor of H.G. MAY ‚Nashville 1970, 253-278. BALY sieht
16
Wüste hätte es nicht nur im Nahen Osten gegeben, wo sie in der Regel nicht
als Manifestation des Einen, sondern der Unterwelt und einer Vielzahl dä-
monischer Mächte erfahren worden sei'”. Ausserdem steht, wie die Beiträge
von H.-P. MÜLLER und F. STOLZ zeigen, der mosaische Ursprung des
Monotheismus kaum mehr zur Diskussion, und die Abstraktheit des israeli-
tisch-jüdischen Monotheismus (“weniger zugänglich als die höchste Mathe-
matik” G. STEINER) wird stark übertrieben'*.
Über solche Kritik am Detail hinaus wird der Fach-Alttestamentler einzuwen-
den haben, dass der Monotheismus im Sinne der genannten Essays in Israel
gar nicht existiert, bzw. für Israel nicht die Rolle gespielt habe, die ihm hier
zugemessen werde. So nimmt das Stichwort Monotheismus bei den neueren
Darstellungen der Grundstrukturen und Grundzüge, der Grundbotschaft und
des Grundrisses der alttestamentlichen Theologie einen marginalen Platz ein.
Er taucht entweder in Sätzen auf wie: “Einen theoretischen Monotheismus
kennt Israel nicht”'°. Oder es wird, wenn auch nicht dem theoretischen Mo-
notheismus, so doch der praktischen Ausrichtung an einem Gott zwar grund-
sätzlich eine zentrale Rolle eingeräumt, ihre Implikationen werden dann
aber nicht, bzw. nur sehr knapp entfaltet'®.
Die eben angedeuteten Reaktionen der Alttestamentler auf die Beschäfti-
gung von Nichtfachleuten mit dem Problem des alttestamentlichen Mono-
theismus befriedigen aber doch nicht, insofern man den Eindruck nicht
ganz los wird, eine wichtige Frage werde hier durch den Hinweis auf Kunst-
und Formfehler abgeblockt. Und noch störender ist die weitgehende Absenz
vor allem im verschiedentlichen Wechsel vom Kulturland in die Wüste und umge-
kehrt einen wichtigen Faktor bei der Entstehung des Glaubens an einen Gott, der
sich nicht in der Natur, sondern in der souveränen Verfügung darüber offenbart.
13 A. HALDAR, The Notion of the Desert in Sumero-Accadian and West Semitic Reli-
gions, Uppsala 1950; O. KEEL, Erwägungen zum Sitz im Leben des vormosaischen
Pascha und zur Etymologie von päsach, in: ZAW 84 (1972) 416-420; DERS., Jah-
wes Entgegnung an Ijob (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und
Neuen Testaments 121) Göttingen 1978, 63-81.
14 Vgl. z.B. O. KEEL, Jahwe-Visionen und Siegelkunst (Stuttgarter Bibel-Studien 84/
85) Stuttgart 1977, bes. 321-327, oder die Ausführungen von H.P. MÜLLER zum
frühkulturellen Mythos in diesem Band.
15 W. ZIMMERLI, Grundriss der alttestamentlichen Theologie (Theologische Wissen-
schaft 3), Stuttgart 1972, 34.
16 Vgl. etwa C. WESTERMANN, Theologie des Alten Testaments in Grundzügen
(Grundrisse zum Alten Testament 6) Göttingen 1978, 26. Eine Ausnahme macht
A. DEISSLER, Die Grundbotschaft des Alten Testaments. Ein theologischer Durch-
blick, Freiburg i.Br. ?1972, 25ff. und passim.
17
dieses Themas in der alttestamentlichen Fachliteratur neueren Datums. Denn
die israelitisch-jüdische Religion der Zeitenwende, und d.h. jene Religion,
die das Alte Testament als Kanon geschaffen hat, hat im Monotheismus ja
doch eines ihrer Hauptcharakteristika gesehen'’, auch wenn bei dessen un-
angefochtener Selbstverständlichkeit das Gesetz und das Ringen um seine
rechte Auslegung oft stärker im Vordergrund des Bewusstseins standen.
Aber die tägliche Rezitation des monotheistisch verstandenen “Schema“”
und seine Präsenz in der Mesusa und den Tefillin haben die frühjüdische
Frömmigkeit doch grundlegend geprägt'®. Die ungeteilte Liebe zum einen
und einzigen Gott gilt im Neuen Testament als das jüdische (christliche)
Hauptgebot (Mk 12,28ff. Parr). In der Einzigkeit Gottes war das der Antike
auffällige Phänomen eines einzigen Tempels begründet: “Ein Tempel, der
allen gemeinsam ist, für den einen Gott, der allen gemeinsam ist, denn jeder
liebt stets das ihm Ähnliche”!?. Aber nicht nur den Juden selber, sondern
auch der heidnischen Umwelt stach dieses Phänomen in die Augen. TACITUS,
der kritiklos eine Menge Mist aus dem Stall des alexandrinischen Antisemi-
tismus vor seinen Lesern ausbreitet, hält unter den wenigen positiven Zügen,
die er den Juden zubilligt, fest:
“Die Juden haben einen rein geistigen Gottesbegriff und kennen nur ein
göttliches Wesen.”
“Tudaei mente sola unumque numen intellegunt” (Historien 5,5).
Niemand zweifelt daran, dass der für das Judentum der Zeitenwende typische
Glaube an die Einheit und Einzigkeit Gottes im Alten Testament grundge-
legt ist. Wie der Beitrag von H.-P. MÜLLER zeigt, kündigt sich die Herauf-
kunft des einen Gottes mit seinem Ausschliesslichkeitsanspruch sogar schon
recht früh im Alten Testament an. Bei der in den letzten Jahrzehnten immer
wieder — im Zusammenhang mit allen möglichen Details (z.B. den Formen
des Rechts) — gestellten Frage nach dem spezifisch Israelitischen, wobei das
spezifisch Israelitische dann gleichzeitig das Offenbarte, das Wahre, das
Wichtige und Verbindliche ist?°, — eine gar nicht so selbstverständliche An-
17 Y. AMIR, Die Begegnung des biblischen und des philosophischen Monotheismus als
Grundthema des jüdischen Hellenismus, in: Evangelische Theologie 38 (1978) 2-19.
18 H.L. STRACK / P. BILLERBECK, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud
und Midrasch IV, 1, München ?1961, 189-207, 250-276.
19 FLAVIUS JOSEPHUS, Contra Apionem 2, 193; vgl. weiter J. MAIER, Geschichte
der jüdischen Religion, Berlin 1972, 160f.
20 So werden z.B. in H. HAAG, Teufelsglaube (Tübingen 1974) die biblischen Zeugnis-
se für Dämonenglaube durch die Metapher “Strandgut umweltlichen Dämonenglau-
bens” als irrelevant präsentiert.
18
nahme?! —, käme dem alttestamentlichen Monotheismus, seinem Entstehen,
Funktionieren und Wirken eigentlich eine ganz entscheidende Bedeutung zu.
Denn weder die Geschichtsmächtigkeit seines Gottes”, noch dessen ethi-
sches Engagement”, noch die Bildlosigkeit seines Kultes?* unterscheiden
Israel mit der gleichen Radikalität und Konsequenz von seiner Umwelt wie
die in alle Lebensbereiche wirkende Orientierung an einem Gott.
Aber nicht nur zum Verständnis der Eigenart des Alten Testaments, sondern
auch zu einer präzisen Erfassung des je eigenen Wesens von Judentum, Hei-
dentum und Christentum ist die Beschäftigung mit dem Monotheismus zen-
tral, ob man nun wie ERIK PETERSON dem Judentum den Monotheismus,
dem Heidentum den Polytheismus und dem Christentum den dreieinigen
Gott zuweist, der “jenseits von Judentum und Heidentum, von Monotheis-
mus und Polytheismus steht”?° , oder ob man wie CLEMENS THOMA im
jüdischen Monotheismus mit seinem entrückt erhabenen und seinem mitlei-
dend anwesenden Gott eine Zwei-Setzung Gottes und eine Affinität zum
himmlischen und zum menschgewordenen Gott des Neuen Testaments
(Phil 2,6—11) sieht und so den Abgrund zwischen jüdischem und christli-
chem Gottesverständnis durch die Betonung einer Art Schizophrenie im mo-
nolithisch-monotheistischen Gott, deren Nähe zu zwei Personen evident ist,
zu überbrücken versucht”, in jedem Falle handelt es sich um das Wesens-
verständnis der betroffenen Grössen.
Wenn die schwache Präsenz des Problems “Monotheismus” in der alttesta-
mentlichen Fachliteratur nicht durch seine geringe Relevanz erklärt werden
kann, so auch nicht dadurch, dass es schon gelöst wäre.
21 An und für sich könnte man ja auch argumentieren, das Wahre, Wichtige und Ver-
bindliche seien gerade jene ewigen und allgemeinen Grössen, die Israel mit allen sei-
nen Nachbarn gemeinsam habe, wie gewisse Formen des Schöpfungsglaubens oder
weisheitlichen Ordnungsdenkens, während das Spezifische das Geschichtliche, Zu-
fällige, Kontingente und Unverbindliche sei.
22 Vgl. z.B. B. ALBREKTSON, History and the Gods. An Essay on the Idea of Histor-
ical Events as Divine Manifestations in the Ancient Near East and in Israel, Gleerup
1967.
23 Vgl. z.B. A. GAMPER, Gott als Richter in Mesopotamien und im Alten Testament,
Innsbruck 1966.
24 Vgl. z.B. O. KEEL, Jahwe-Visionen und Siegelkunst (Stuttgarter Bibel-Studien
84/85) Stuttgart 1977, 37-45.
25 Der Monotheismus als politisches Problem, in: E. PETERSON, Theologische Trak-
tate, München 1951, 47.
26 C. THOMA, Christliche Theologie des Judentums (Der Christ in der Welt. Eine En-
zyklopädie VI, 4a/b) Aschaffenburg 1978, 186-196.
19
Der Beitrag von E. HORNUNG zu Echnaton und die Ausführungen von F.
STOLZ zu Zarathustra und Mohammed zeigen deutlich, dass die Ablösung
des Polytheismus durch den Monotheismus nicht als organische Entwick-
lung, als fugenloser allmählicher Übergang, sondern nur als Revolution, min-
destens als tiefgreifende Reform zu verstehen ist. Ohne führenden Kopf oder
führende Köpfe, der oder die deren Anspruch artikulieren, ist eine solche
nicht denkbar.
Nun ist der alttestamentliche Religionsgeschichtler im Gegensatz zu S.
FREUD, A. SCHÖNBERG (Mose und Aaron), F. DÜRRENMATT, G.
STEINER und anderen Nicht-Fachleuten aber nicht (mehr) in der Lage,
einen Namen zu nennen, mit dem diese Revolution verbunden werden könn-
te. Da das biologische Entwicklungsmodell aber auch keine Chance hat,
bleibt wohl nur die Annahme einer Reihe von zunehmend radikaleren Re-
formen und Revolutionen. Die Aufgabe des alttestamentlichen Religionsge-
schichtlers wäre es darın, diese Phasen genauer zu beschreiben, vielleicht vor-
erst ohne sich dabei klassischer Begriffe wie Monolatrismus, Henotheismus?”
usw. zu bedienen (vgl. dazu H.-P. MÜLLER in diesem Band oder den Auf-
satz von D. BALY in Anm. 12). Denn wenn wir spätestensseit A. ALT’s Auf-
satz “Das Gottesurteil auf dem Karmel” (1935)?® wissen, dass es in 1 Kön
18 nicht einfach um Monotheismus geht, so ist mit dieser negativen Fest-
stellung das Anliegen des Elija noch lange nicht adäquat beschrieben”.
27 Vgl. dazu etwa den von A. VAN SELMS eingeführten Begriff des zeitweiligen Heno-
theismus (oder besser: Monolatrismus), den man anscheinend gelegentlich in Zeiten
der Not ausgerufen hat. A. VAN SELMS nennt als besonders eindrücklich Belege
Atrachasis I 376-383 (W.G. LAMBERT / A.R. MILLARD, Atra-hasis. The Baby-
lonian Story of the Flood, Oxford 1969, 68f.) und Dan 6,8. Letztere Stelle handelt
allerdings nicht von Göttern, sondern vom persischen König. Die joschijanische Re-
form (vgl. auch Jer 44,18), so meint VAN SELMS, sei vielleicht als zeitlich be-
schränkte Massnahme in einer Zeit der Not gedacht gewesen (Temporary Henotheism,
in: Symbolae Biblicae et Mesopotamicae F.M.T. DE LIAGRE BÖHLdedicatae, Lei-
den 1973, 341-348). Diesen Literaturhinweis verdanke ich B. LANG. Vgl. seinen
demnächst erscheinenden Literaturbericht “Vor einer Wende im Verständnis des
israelitischen Gottesglaubens?”’ in der Tübinger Theologischen Quartalschrift.
28 Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel II, München 1959, 135-149.
29 Gegen N. LOHFINK, Polytheistisches und monotheistisches Sprechen von Gott, in:
DERS., Unsere grossen Wörter, Freiburg i. Br. 1977, 136. Vgl. etwa die Polemik des
Elija dagegen, im Krankheitsfall bei einem fremden Gott Hilfe zu holen (2 Kön
1,1-8), eine im altorientalischen Polytheismus ganz und gar übliche und weit ver-
breitete Praxis (H. RANKE, Istar als Heilgöttin in Ägypten, in: Studies presented
to F. Ll. GRIFFITH, London 1932, 412-418).
20
Und ob die Gottesvorstellungen der Revolutionäre Amos und Hosea und
ihrer grossen Nachfolger Jesaja und Jeremia mit Monolatrismus adäquat be-
schrieben sind, scheint mir mehr als fraglich”.
Was war genau der Skopus der Reformen des Hiskija und Joschija, die ver-
mehrt im Zusammenhang mit dem umfangreicher werdenden archäologischen
Material zu studieren wären (siehe dazu unten)?
Wenn Deuterojesaja der grosse Revolutionär mit einer ganz neuen Botschaft
gewesen wäre, wie hätte er da anonym, als “verlängerter Jesaja” auftreten
können?
Das Modell einer Kette relativ rasch aufeinanderfolgender, sukzessiver Revo-
lutionen in Richtung Monotheismus scheint mir unausweichlich®!.
Angesichts der Bedeutung dieser Revolutionen für umfangreiche Teile des
Alten Testaments und angesichts der zentralen Bedeutung, die dem Mono-
theismus für das Verständnis des fertigen Alten Testaments und der von ihm
abhängigen Religionen des Judentums, des Christentums und des Islam zu-
kommt und besonders angesichts des Interesses, das dem Phänomen Mono-
21
theismus von Kreisen ausserhalb des engen Fachbereichs entgegengebracht
wird, ist es zu bedauern, dass dem Thema von uns Alttestamentlern in den
letzten Jahrzehnten nicht mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht worden
ist. Nicht nur fristet es, wie gesagt, in den Schul- und Handbüchern ein kärg-
liches Dasein. Die letzte veröffentlichte Monographie zum Thema als Gan-
zem ist vor 40 Jahren geschrieben worden”. Und das will angesichts der alt-
testamentlichen Gesamtproduktion etwas heissen.
Dieser Sachverhalt verlangt eine Erklärung. Sie ist wahrscheinlich im Gang
zu suchen, den die alttestamentliche Exegese inunserem Jahrhundert in gros-
sen Zügen genommen hat.
Die Anfänge waren von der Entdeckung der ägyptischen und besonders der
mesopotamischen Hochkultur geprägt. Aus der Bibel, als dem ältesten Buch
der Menschheit, wurde dadurch fast schlagartig ein relativ junges Zeugnis
altorientalischen Geisteslebens und altorientalischer Theologie. Die Rezep-
tion dieser Entdeckung gipfelte im Babel-Bibel-Streit. Weniger spektakulär,
aber fruchtbarer war der erste Versuch ihrer positiven Aufarbeitung durch
die religionsgeschichtliche Schule, vor allem durch ihren bedeutsamsten Ver-
treter im alttestamentlichen Bereich, HERMANN GUNKEL®.
In der Blütezeit der religionsgeschichtlichen Schule, bei der die Beschäfti-
gung mit den Umweltreligionen des alten Israel fester Bestandteil alttesta-
mentlichen Forschens war, bildete die Auseinandersetzung mit dem Mono-
theismus als der grossen Besonderheit Israels ein selbstverständliches The-
ma”.
22
Die religionsgeschichtliche Schule in der alttestamentlichen Exegese war mit
der liberalen Theologie eng verbunden und hatte so einen wachen Sinn für
jene Aspekte am Alten Testament, die mittels allgemein menschlicher Kate-
gorien religiöser, ethischer, ästhetischer und ähnlicher Art nicht nur dem
Gläubigen, sondern jedem offenen Menschen zu vermitteln sind. Diese theo-
logische Tendenz wurde nach dem Ersten Weltkrieg durch politische Bewe-
gungen liberaler und sozialistischer Richtung mit ihrer Affinität zum inter-
nationalen, allgemein Menschlichen noch verstärkt. In England und in Skan-
dinavien führte dies in den zwanziger und dreissiger Jahren zu einer sach-
fremden Nivellierung alttestamentlicher Aussagen”.
Die Reaktion liess nicht auf sich warten. Auf der politischen Ebene wurden
in den zwanziger und frühen dreissiger Jahren inEuropa die demokratischen,
internationalen und rational bis rationalistischen Kräfte durch emotional be-
stimmte irrationale, national-nationalistische Bewegungen verdrängt, die das
demokratische Element verwarfen und an seine Stelle das vertikale Führer-
prinzip setzten. Dem Glauben an die Menschheit wurde der Glaube an die
Sendung des eigenen Volkes entgegengesetzt. Der Intensität dieses Auf-
bruchs stand die liberale Theologie mit ihrem Horizontalismus und ihrem
stark verweltlichten Gott ziemlich hilflos gegenüber.
Die dialektische Theologie, allen voran KARL BARTH, spürte die Erforder-
nisse der Stunde und setzte der Intensität der neuen Pharaonen die des
himmlischen Pharao entgegen, so wie seinerzeit die Geheime Offenbarung
dem römischen Kaiser den himmlischen Hof entgegengestellt und den An-
spruch des römischen Kaisertums als monströse Anmassung hingestellt
hatte” .Die Sendung der arischen Rasse wurde mit der Auserwählung Israels
gekontert. Das Interesse an allgemeinen Menschheitsüberlieferungen im Alten
Testament wurde durch das Interesse an den spezifisch israelitischen Volks-
traditionen abgelöst, in denen das machtvoll anwesende Wort Gottes betont
wurde?”. Das heute als relativ spätes Erzeugnis erkannte, sogenannte kleine
geschichtliche Credo (Dtn 26, 5-9; 6,20-24) wurde zum Urbekenntnis
Israels®. Ww. ZIMMERLI, der wie viele andere Mitarbeiter des Biblischen
Kommentars (H.J. KRAUS; H. WILDBERGER; H.W. WOLFF) bis heute
23
stark den Impulsen verpflichtet ist, die von der dialektischen Theologie aus-
gegangen sind, setzt in seinem “Grundriss der alttestamentlichen Theologie”
mit Ex. 20, 2f ein: “Ich bin Jahwe dein Gott, der ich dich aus Ägypterland,
dem Knechtshaus, herausgeführt habe.”
Von grundlegender Bedeutung für diese ganze Betrachtungsweise war die
kleine, 1938 publizierte Studie von G. von RAD’s “Das formgeschichtliche
Problem des Hexateuchs””. Hier werden die in regelmässig sich wieder-
holenden Feiern aktualisierten Sinaibundesschluss- und Auszugstraditionen
zum nucleus des Pentateuch, bzw. Hexateuch. Die uralten Sagen und Le-
genden, die nach der Vorstellung Gunkels zu gegebener Zeit gesammelt und
mehr oder weniger geschickt überarbeitet und redigiert wurden, verblassen“".
Die Urgeschichtsüberlieferungen in Gen 1-11, die das Folgende unter das
Vorzeichen der Menschheitsüberlieferung setzen, werden zu einem späten
Vorspann, zu einem letzten blossen Ausziehen der Heilsgeschichte Israels
nach hinten. Diese Sicht hat sich in den letzten dreissig Jahren so stark
durchgesetzt, dass heute manche Kinderbibeln und ähnliche Produkte frühe-
stens mit Abraham einsetzen.
“Monotheismus” war bei dieser stark systemintern orientierten Betrachtungs-
weise, bei der die Besonderheit Israels in allen Bereichen oft behauptet und
selten bewiesen wurde, kein Thema, denn Monotheismus ist nur sinnvoll als
Antipode zum Polytheismus, und der spielt in den “nationalen” Überliefe-
rungen Israels keine grosse Rolle.
Aber auch diese Sicht hatte ihre Zeit. Mit dem Zusammenbruch der grossen
nationalistischen Bewegungen 1945, dem Abflauen des kalten Krieges und
dem Entstehen der grossräumigen internationalen Kontakte wurde ein Kli-
ma geschaffen, in dem eine stärker horizontale Theologie, Gott und die Welt
(statt Gott und die Gemeinde) und im Rahmen des Alten Testaments all-
gemeine Menschheitsüberlieferungen wieder stärker interessierten.
So betont C. WESTERMANN in seinem grossen Genesiskommentar, der von
1966 an erschien*” ,die theologische Bedeutung der Urgeschichte sei bisher,
d.h. in der von der dialektischen Theologie bestimmten Auslegung, als eine
Art Vorspann zur Geschichte Israels gesehen worden. So legitim diese Betrach-
tungsweise sei, so sei doch zu beachten, dass J und P im Gegensatz zu E mit
der Urgeschichte nicht nur die Geschichte Israels hätten einleiten wollen, son-
39 Stuttgart 1972.
40 Jetzt in: G. von RAD, Gesammelte Studien zum Alten Testament
(Theologische
Bücherei 8) München 1961, 9-86.
41 H.J. KRAUS, a.a.0., 446.
42 Neukirchen, 89-95,
24
dern damit auch die Absicht verbänden, Menschheitstraditionen aufzuneh-
men und in der Jahwegemeinde zu Gehör zu bringen. 10 Jahre bevor Wester-
mann dieses programmatische Wort schrieb, hatte V. MAAG, der durch die
ganze Blütezeit der dialektischen Theologie das Fähnlein der liberalen Theo-
logie hochgehalten hatte, den biblischen Schöpfungserzählungen im Rahmen
der altorientalischen Schöpfungsüberlieferungen zwei bedeutsame Aufsätze
gewidmet**. Vor allem aber haben dann die Werke eines Schülers von V.
MAAG, nämlich H.H. SCHMIDS, die neuerliche Trendwende unüberhörbar
signalisiert und mitgetragen. Die Weisheitsliteratur mit ihrem breiten Rekurs
auf menschliche Erfahrungen war eines der Stiefkinder der dialektischen
Theologie und deren Exegese gewesen“. Im Vorwort seiner 1966 erschiene-
nen Dissertation“ stellt SCHMID aber fest: “Die Frage nach der Weisheit
liegt heute in der Luft: Man erkennt Beziehungen zwischen Prophetie und
43 V. MAAG, Sumerische und babylonische Mythen von der Erschaffung des Men-
schen, Asiatische Studien 1-4 (1954) 85-106; DERS., Alttestamentliche Anthro-
pogonie in ihrem Verhältnis zur altorientalischen Mythologie, Ebd. 9 (1955) 15-44.
44 Vgl. dazu W. ZIMMERLI, Ort und Grenze der Weisheit im Rahmen der alttestament-
lichen Theologie (1963) jetzt in: DERS., Gottes Offenbarung. Gesammelte Auf-
sätze (Theologische Bücherei 19) München 1963, 300-315. Viel radikaler als die
Stellungnahmen ZIMMERLIS (vgl. auch Anm. 45) sind diejenigen von H.D.PREUSS,
der in einer gewandelten Welt kompromisslos, wenn nicht gar verschärft, die Hal-
tung der dialektischen Theologie vertritt und so als eine Art Findling vom BARTH’
schen Urgebirge in der exegetischen Landschaft steht. Die alttestamentlichen Zeug-
nisse für eine weisheitliche Haltung sind für ihn“ Texte,die am eigentlichen biblischen
Kerygma vorbeiführen’”” (Erwägungen zum theologischen Ort alttestamentlicher
Weisheitsliteratur, in: Evangelische Theologie 30 (1970) 393-417; DERS., Das
Gottesbild der älteren Weisheit Israels, in: Vetus Testamentum Supplementum 23
(1972) 117-145; DERS., Alttestamentliche Weisheit in christlicher Theologie?
in: Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 33 (1974) 165-181.
Die Frage ist, ob man in der Bibel einen Wohnblock oder ein Einfamilienhaus sieht.
45 Wesen und Geschichte der Weisheit. Eine Untersuchung zur altorientalischen und
israelitischen Weisheitsliteratur (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche
Wissenschaft 101). Kurz vor dem Ende seines fruchtbaren Lebens hat sich auch G.
von RAD noch ausführlich mit der Weisheit befasst: Weisheit in Israel, Neukirchen
1970. Schon der Titel deutet an, dass Israel nach Meinung von RADS “das Aben-
teuer der Freisetzung der Vernunft auf eine ganz eigene Weise bestehen” musste
(Ebd. 8). Dennoch stellt W. ZIMMERLI in seiner Rezension des Buches mit Ver-
wunderung fest: “Es ist kaum zu übersehen, welches Gewicht in alledem die von der
Schöpfung her den Menschen angehende Uroffenbarung in der Sicht G. von RADS
erhält. Es ist nicht weniger als eine volle Heilsbotschaft”. Gegenüber der Wirklich-
keit, ja Möglichkeit dieser Heilsbotschaft hat ZIMMERLI beachtliche Vorbehalte
anzubringen (Evangelische Theologie 31 (1971) 680-695, bes. 685).
25
Weisheit, zwischen Recht und Weisheit, Jesus Logien und Weisheit, Paulus-
Texten und Weisheit u.ä.m. Doch selten wird ausgeführt, was dabei unter
“Weisheit” zu verstehen ist. Eine grundsätzliche Beschreibung des Phäno-
mens “Weisheit” fehlt seit J. FICHTNER, Die altorientalische Weisheit in
ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung, Beihefte zur Zeitschrift für die alt-
testamentliche Wissenschaft 62, Giessen 1933.
Konsequenter als in diesem Erstlingswerk macht sich die Abkehr von der
Erwählungs- und Bundestheologie und das neu erwachte Interesse an Mensch-
heitstraditionen in der Habilitationsschrift H.H. SCHMIDS bemerkbar, die
den provokativen Titel trägt: “Gerechtigkeit als Weltordnung. Hintergrund
und Geschichte des alttestamentlichen Gerechtigkeitsbegriffs”* . Provokativ
ist der Titel, weil der Begriff sädäqg bzw. sedägah von den Leuten des Bibli-
schen Kommentars wie H.J. KRAUS, G. von RAD, H.W. WOLFF mit Vor-
liebe als Verhältnisbegriff aufgefasst wurde, d.h. als Begriff, der das rechte
Verhältnis zwischen zwei (durch einen Bund verbundenen) Personen be-
zeichne und nie das Verhältnis zwischen einem Vorgang und einer abstrak-
ten Idee*®. SCHMID verwirft das von der “dialektischen” Exegese bevorzug-
te Gerechtigkeitsverständnis nicht einfach rundweg, wie denn viele Vertreter
des neuen Trends sich generell stärker bemühen, die Resultate der dialekti-
schen Theologie zu ergänzen als sie über den Haufen zu werfen*”. Nur bei
einem Teil der alttestamentlichen Belegstellen will Schmid “Gerechtigkeit”
analog zur ägyptischen maat als Weltordnung verstehen, bei anderen lässt er
das alte Verständnis durchaus gelten. In seinem Sammelband “Altorientali-
sche Welt in der alttestamentlichen Theologie”°° wird dann allerdings wie-
46 Fünf Jahre vor der letzten Arbeit zum Monotheismus, vgl. Anm. 32.
47 Tübingen 1968.
48 Ebd. 183.
49 Vgl. dazu besonders K. KOCH, Wort und Einheit des Schöpfergottes in Memphis
und Jerusalem, Zeitschrift für Theologie und Kirche 62 (1965) 251-293. Die in-
teressante Arbeit leidet etwas an der damals noch allgemein angenommenen frühen
Datierung des sogenannten “Denkmals memphitischer Theologie”. Die heute sich
durchsetzende Datierung in die 25. (nubische) Dynastie (um 700 v. Chr.; vgl. F.
JUNGE, Zur Fehldatierung des sogenannten Denkmals memphitischer Theologie
oder Der Beitrag der ägyptischen Theologie zur Geistesgeschichte der Spätzeit, in:
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Abteilung Kairo 29 (1973)
195-204), bzw. in die Ramessidenzeit (13. Jahrhundert v. Chr.; vgl. die demnächst
in der Reihe Orbis Biblicus et Orientalis, Göttingen und Freiburg/Schweiz erschei-
nende Basler Dissertation von H.A. SCHLÖGL, Der Gott Tatenen nach Texten und
Bildern des Neuen Reiches, 1979) macht den Text für den Bibliker nur interessanter.
50 Zürich 1977.
26
derholt anstelle der Erwählung Israels die Schöpfungstheologie als Gesamt-
horizont biblischer Theologie beschrieben.
Ein anderer Punkt, an dem sich die Abkehr von der “dialektischen” Exegese
ebenfalls deutlich zeigt, ist die Akzentverlagerung von dem durch die “Dia-
lektiker” stark strapazierten Begriff “Historisierung des Mythos” auf den
der “Mythisierung der Geschichte”°!. Der Auszug aus Ägypten und der
Kampf Jahwes gegen die Ägypter spricht — so formuliert — ein historisch-
geschichtliches Ereignis von zeitlich und räumlich sehr begrenzter Relevanz
an. Um ihm eine praktisch unbegrenzte Relevanz zu sichern, wird er von
zahlreichen alttestamentlichen Stellen in den Bereich des zeitlosen Kampfes
zwischen Chaos und Kosmos transponiert. Jahwe kämpft nicht mehr gegen
Ägypten, sondern gegen das Meer (vgl. z.B. Ps 77,16-21; 114; Jes 51,9ff.).
Damit wird dieses Geschehen aber aufgrund eines Denkmodells verstanden,
das im Alten Orient weiteste Verbreitung genoss. Leitsätze wie “Schöpfungs-
theologie als Gesamthorizont biblischer Theologie”, “Mythisierung der Ge-
schichte” bringen den Exegeten unweigerlich wieder in intensiven Kontakt
mit den Religionen des Alten Orients und damit mit dem Problem Mono-
theismus - Polytheismus. Und so kann es eigentlich nicht verwundern, dass
in letzter Zeit wenigstens einige Aufsätze zu einzelnen Aspekten des Mono-
theismus-Problems°” und auch eine bedeutende Monographie zu einem
dieser Aspekte erschienen ist”. Wie das Monolatrie-Monotheismus-Problem
im alten Israel nur bei einer engeren Berührung mit dem Polytheismus
(Elija, Exil, Konflikt mit der griechisch-römischen Welt) ausdrücklich the-
matisiert wurde, so auch in der Wissenschaft vom Alten Testament nur da,
wo diese Israel nicht in seinem Innenleben, sondern im Miteinander und
Gegeneinander zu seiner Umwelt ins Auge fasst.
51 Vgl. O. KEEL, Vögel als Boten (Orbis Biblicus et Orientalis 14) Göttingen-Freiburg/
Schweiz 1977, 21ff.
52 Vgl. z.B. H. WILDBERGER, Der Monotheismus Deuterojesajas, in: Beiträge zur alt-
testamentlichen Theologie. Festschrift für Walther Zimmerli zum 70. Geburtstag,
Göttingen 1977, 506-530; W. STROLZ, Der Einzige, in: Orientierung 42 (1978)
89--91.94.
53 M. ROSE, Der Ausschliesslichkeitsanspruch Jahwes. Deuteronomische Schultheo-
logie und die Volksfrömmigkeit in der späten Königszeit (Beiträge zur Wissenschaft
vom Alten und Neuen Testament 106) Stuttgart 1975; vgl. DERS., Jahwe. Zum
Streit um den alttestamentlichen Gottesnamen (Theologische Studien 122) Zürich
1978. ROSE deutet darin das Tetragramm als Signum der joschijanischen Reform
gegenüber dem älteren jhw (Vgl. dazu auch S. NORIN, J6-Namen und J°hö-Namen,
in: VT 29 (1979) 87-97). ROSES These scheint mir durch die beiden Inschriften
von Abb. 13 und 14 zusätzlich problematisch geworden zu sein.
2
Das neu erwachte Interesse am Monotheismus-Thema wird um so frucht-
barer sein, je konsequenter es nicht einfach in die Bahnen der alten religions-
geschichtlichen Schule zurückkehrt und den israelitischen Monotheismus
vom Polytheismus der Umwelt abhebt (oder ihn in diesen einebnet), son-
dern das von den “Dialektikern” Erarbeitete mitbedenkt und vor allem das
innere Funktionieren des Monotheismus in Israel in seine Überlegungen ein-
bezieht. Im übrigen wird die Hinwendung zum Monotheismus-Thema nicht
die letzte Bewegung im grossen Spiel der Gezeiten sein.
Jede Wissenschaft steht im Banne des Zeitgeists und ihrer Eigengesetzlich-
keit und muss und darf das auch — bis zu einem gewissen Grad. Dieser Grad ist
dort erreicht, wo sie die übrigen Wissenschaften und die nicht branchenspe-
zifisch denkende Menschheit vergisst und ausschliesslich systeminternen Fra-
gestellungen verfällt, deren Relevanz dem Rest der Menschheit kaum mehr
sichtbar gemacht werden kann. Bei der Intensität des fachinternen Betriebs
ist die Versuchung, darin zu verharren, sehr gross, besonders für junge For-
scher, die vorerst einmal ihre fachliche Kompetenz unter Beweis stellen müs-
sen. Dennoch scheint es mir vital, das Forum gelegentlich zu öffnen.
Bei diesem Bemühen ist es m.E. wichtig, sich von den Aussenstehenden
nicht nur Methoden (literaturwissenschaftliche, soziologische), sondern auch
Fragen und Themen geben zu lassen. Die Methode, denn Methode ist “wei-
ter nichts als Sachverständnis””*, haben wir wohl meist selber zu finden,
aber die Fragen müssen wir uns auch von aussen, und zwar nicht nur von
den Gläubigen, geben lassen, wenn wir im Gespräch bleiben und uns nicht
in einem Monolog ohne Zuhörer verpuffen wollen.
Dabei besteht das Problem der Kommunikation nicht nur zwischen alttesta-
mentlichen Spezialisten und Nicht-Spezialisten. Es besteht auch zwischen
den Nachbardisziplinen Altes Testament, Ägyptologie, Assyriologie usw.
S. FREUDS berühmtes Alterswerk “Der Mann Moses und die monotheisti-
sche Religion”°® ist wahrscheinlich eines der wenigen Werke, durch das zahl-
reiche gebildete Zeitgenossen mit (wenn auch veralteten) Ergebnissen alt-
testamentlicher Fachliteratur konfrontiert werden. Die These von Mose als
einem nach Palästina versprengten Anhänger Echnatons geistert bei Psycho-
logen°°, Ägyptologen und Ägyptophilen immer noch herum und neulich
glauben anscheinend gewisse Ägyptologen, ihn in König Amenmesse ding-
28
fest gemacht zu haben°’, dem R. KRAUSS vor kurzem eine längere Studie
gewidmet hat°®. Ohne eine solche Emigration annehmen zu wollen, besteht
für den Ägyptologen die Frage, ob der Monotheismus des Echnaton nicht auf
die Entstehung des israelitischen Monotheismus eingewirkt haben könnte°®.
Die alttestamentlichen Beiträge fangen den zugespielten Ball nicht auf. Für
uns Alttestamentler existiert die Frage nicht. Aber vielleicht müssten wir,
um den eingangs angedeuteten Kommunikationsschwierigkeiten zu begeg-
nen, doch kurz auf sie eingehen. Die Unterschiede zwischen dem Sonnen-
lichtmonotheismus des Echnaton und dem Jahwe-Monotheismus der prophe-
tischen Revolution in Israel wären nicht schwer zu skizzieren.
Ähnliche Kommunikationsschwierigkeiten bestehen zwischen der alttesta-
mentlichen Wissenschaft und der Assyriologie. Die von G. WIDENGREN
in seinem grossen Werk “The Accadian and Hebrew Psalms of Lamentation
as religious Documents. A comparative Study”’°® vorgetragene These, Nabo-
nid hätte ernsthaft versucht, mindestens eine Sin-Monolatrie in Mesopota-
mien einzuführen, die sich von der Jahwe-Monbolatrie der biblischen Psalmen
in nichts unterscheide, wird vom Beitrag “Monotheismus in Mesopotamien”
nicht erwähnt.
Aber nicht nur zwischen Cousin und Cousinen hapert die Kommunikation,
sondern selbst zwischen Geschwistern wie der Palästina-Archäologie und der
religionsgeschichtlichen Arbeit am Alten Testament. So ist etwa der Zusam-
menhang zwischen der prophetischen Monotheismus-Revolution, wie sie
sich in den Texten des Alten Testaments niederschlägt, einerseits und dem
Verschwinden der Siegel mit Bilddekorationen zugunsten der reinen Namens-
siegel oder der Zerstörung der Heiligtümer von Arad und Beerscheba anderer-
seits bis heute nicht systematisch untersucht worden“.
57 Mündliche Mitteilung von Prof. E. HORNUNG; vgl. dazu A. RUPP, Amarnaglaube
und Jahwemonotheismus, in: Studies in the History of Religion 31 (1975) 48£.,
der glaubt, der Aton-Monotheismus könnte via Kanaan z.B. im Ps 104 in Israel
nachgewirkt haben.
58 Untersuchungen zu König Amenmesse, in: Studien zur altägyptischen Kultur 4
(1976) 161-199; 5 (1977) 131-174.
59 Siehe den Schluss des Beitrags von E. HORNUNG in diesem Band.
60 Uppsala 1936, 56-69. Vgl. auch M. WEINFELD, Cult Centralization in Israel in the
Light of aNeobabylonian Analogy, JNES 23 (1964) 202-212.
61 Eine Skizze zur Deutung der Zerstörung der Heiligtümer bietet Y. AHARONI, Israe-
lite Temples in the Period of the Monarchy, in: Proceedings of the Fifth World Con-
gress of Jewish Studies I, Jerusalem 1972,69-74;
dazu V. FRITZ, Tempel und Zelt.
Studien zum Tempelbau in Israel und zu dem Zeltheiligtum der Priesterschrift (Wis-
senschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 47) Neukirchen
1977, 708.
29
Diese paar Bemerkungen haben, so hoffe ich, neben den Schwierigkeiten
auch das Verdienst der folgenden Beiträge deutlich gemacht, die es unter-
nehmen, sich mit ihren Nachbardisziplinen an einen Tisch zu setzen und sich
einem Thema zu widmen, mit dem sie sich der Zugluft eines weiteren Publi-
kums aussetzen. Bei allem, was diese Beiträge klären und bieten, sollten sie
aber auch eine Anregung sein, sich besonders innerhalb der alttestamentli-
chen Wissenschaft erneut mit dem ergiebigen Thema und den damit zusam-
menhängenden Fragen (etwa dem Problem des Bösen angesichts der Orien-
tierung an einem Gott, Ijob“°, Apokalyptik oder dem Problem des Selbst-
wertgefühls der Frau angesichts des einen ausgesprochen männlich gezeichne-
ten Gottes? ) zu befassen.
Das Erscheinen in den Biblischen Beiträgen, die sich ja nicht nur an Fach-
bibliker richten, soll den fünf Aufsätzen helfen, die ihnen zugedachte Rolle
zu spielen. Abschliessend sei dem Verlagsleiter, Herrn Peter Casetti, für seine
einsatzbereite und speditive Zusammenarbeit ganz herzlich gedankt.
62 Vgl. dazu O. KEEL, Jahwes Entgegnung an Ijob (Forschungen zur Religion und Li-
teratur des Alten und Neuen Testaments 121) Göttingen 1978, bes. 158.
63 Vgl. dazu O. KEEL, Die Stellung der Frau in Genesis 2 und 3, in: Orientierung 39
(1975) 74-76. Das Problem wird von U. WINTER in einer Dissertation mit dem
Arbeitstitel “Frau und Göttin” untersucht, deren Fertigstellung für 1980/81 vorge-
sehen ist.
30
Polytheismus und Henotheismus in der
Religion von Ebla
32
gesagt: als solche identifiziert wurde? , gehört zur Gruppe der nordwest-se-
mitischen Sprachen kanaanäischen Typs und steht dem Ugaritischen, dem
Phönizischen und dem Hebräischen sehr nahe, wobei diese Sprachen erst ein
gutes Jahrtausend später bezeugt sind. Die Verwandtschaft dieser Sprachen
mit dem Eblaitischen ist, sowohl was ihre Struktur als auch was den Wort-
schatz betrifft, so eng, dass von jetzt an kein Semitist oder Bibliker Ebla
ausser Acht lassen kann?.
Der bedeutendste Beitrag von Ebla betrifft allerdings das Gebiet der Reli-
gion: in der Tat waren die Eblaiter nicht nur Begründer eines sehr modernen
Staatswesens und Schöpfer eines bewundernswerten ökonomischen Systems,
sie waren gleichzeitig auch tief religiöse Menschen. Dies zeigen uns ihre lite-
rarischen Texte religiösen Inhalts, die Schultexte, die ökonomischen Texte,
welche Opfer an die Götter registrieren, sowie die vielfältigen Personen-
namen.
In diesem Beitrag zu den Akten des Symposiums über “Gott in der Bibel
und den Kulturen ihrer Umwelt” werden zunächst einige Gedanken vorge-
tragen zur eblaitischen Religion im allgemeinen und zum Pantheon des drit-
ten Jahrtausends im besonderen. Dabei soll speziell auf die henotheistische
Tendenz Bezug genommen werden, die sich schon im Anfangsstadium der
Untersuchung des riesigen epigraphischen Materials von Ebla mit genügender
Deutlichkeit abzeichnet. Der zweite Teil enthält Ausführungen zum Hymnus
an den “Herrn des Himmels und der Erde”, der in gut drei Exemplaren in
der Bibliothek von Ebla aufgefunden wurde. Aufgrund dieses religiösen Tex-
tes rein henotheistischer Ausprägung erweist sich die Religion von Ebla un-
bedingt als eine der markantesten Erscheinungen im Entwicklungsprozess,
der die Menschheit zum Gipfel des biblischen Monotheismus geführt hat.
Wer die mesopotamische Welt des dritten Jahrtausends kennt, weiss, wie re-
ligiös die Sumerer waren und wie ausgeprägt ihre religiösen Anschauungen
waren, er weiss aber gleichzeitig auch um den politischen Charakter der reli-
33
giösen Zentren und um ihre ökonomisch-administrative Tätigkeit, was für
diese ganze Epoche zur Bezeichnung “sumerischer Tempelstaat” geführt
hat!°.
In Sumer durchdrang die religiöse Macht tatsächlich die politische und nahm
deren Stellung in der Führung der gesamten Wirtschaft ein: der König ist
nichts anderes als der Vertreter des Staatsgottes, des einzigen Herrn des
städtischen Grundbesitzes. Wollte man eine gewiss anachronistische Termi-
nologie verwenden, könnte man sagen, Sumer habe die “weltliche Herr-
schaft” des Klerus gekannt.
Nun, ich gebe es zu, etwas Ähnliches erwartete ich auch in Ebla. Doch ein-
mal mehr haben uns die Eblaiter die Brüchigkeit solcher Schreibtischhypothe-
sen vor Augen geführt: soweit ich die Texte der königlichen Bibliothek bis
jetzt verstehen kann, gab es in Ebla eine klare Scheidung zwischen politischer
und religiöser Sphäre — oder, wenn es mir gestattet ist, expliziter zu reden:
ich bin überzeugt, dass die Kultur von Ebla wesentlich laizistisch war.
Damit ist nicht etwa geleugnet, dass die Eblaiter tief religiös waren, sondern
nur, dass Klerus und Tempel in ihrer Politik und Wirtschaft eine zentrale
Rolle gespielt haben!!. So wie Ebla nun von Mesopotamien unabhängig ist
in der Organisierung des Königtums'?, im Gebrauch seiner Sprache!? und
in seinem wirtschaftlichen Modell!*, so ist es auch — so erstaunlich das sein
mag — unabhängig in seinen religiösen Auffassungen.
1. Das Pantheon
Bis anhin war über die westsemitischen Götter des dritten Jahrtausends nur
wenig bekannt, da in Syrien/Palästina schriftliche Quellen fehlten. Was das
Namensgut mesopotamischer Texte an fragmentarischen Hinweisen hergab,
erlaubte keine Gesamtschau. Diese wird erst durch das Material von Ebla
möglich".
34
Von jetzt an besteht in zwei wesentlichen Punkten kein Zweifel mehr:
1) die Eblaiter waren Polytheisten, 2) die Götter des eblaitischen Pan-
theons waren vorherrschend kanaanäische Gottheiten. Während der erste
Punkt keine Überraschung darstellt, ist der zweite für die Religionsgeschich-
te des Alten Orients von beachtlicher Relevanz. Götter, die bis anhin als
jung galten, wie etwa BaCal!®, entpuppen sich jetzt als sehr alt; andere, wie
z.B. Kamosch!”, deren Ursprung unbekannt war, finden jetzt ihre natürliche
Umgebung in Ebla; wieder andere, die, wie im Fall von Dabir'®,, in der Bibel
nicht sicher als göttlich bezeichnet werden, enthüllen sich in der Tat als
Götter.
35
namens oder eines andern spezifizierenden Elementes, was die zentrale Be-
deutung Dagans im dritten Jahrtausend nur bestätigt””. Wenn der Beiname
“Herr der Stadt X” in der Tat ein enges Band zwischen Dagan und einer be-
stimmten Stadt verrät, insofern er ihre Schutzgottheit ist”° , erheben ihn an-
dere Ausdrücke, wie “Herr des Landes”** oder “Herr Kanaans”?”° zum wirk-
lichen Hauptgott des Reiches Ebla oder des Landes Kanaan. Wenn wir ihn
als “Herr der Götter”?® antreffen, bleiben keine Zweifel mehr über seine
Rolle als Hauptgott des eblaitischen Pantheons. Abschliessend sei an seinen
Beinamen ri-lu ma-tim, “Tau des Landes”?’, erinnert, der für den Namen
“Dagan” selbst die Bedeutung “Wolke, Regen” nahelegt”®.
Von den andern männlichen Gottheiten verdienen Sipisch (sumerisch UTU),
der Sonnengott, und Ada, der Wettergott, besondere Erwähnung. Zusam-
men mit Kura, einem äusserst wichtigen, aber noch nicht identifizierten Gott,
und mit Kakkab, dem Sternengott, sind sie die Garanten der internationalen
Verträge?” und im allgemeinen der wichtigen Entscheidungen”.
Nicht übergehen dürfen wir ferner Götter wie Kamisch?' , den Hauptgott
von Moab, Rasap, den Gott Reschef der späteren Tradition” , Aschtar, den
männlichen Gott der Liebe, des Krieges und der Herden®” , Lim, den grossen
amoritischen Gott”, BaCal, den berühmtesten kanaanäischen Gott”, Ka-
scharu, der auch in Ugarit bezeugt ist”, Malik und Damu, die im Eigen-
namengut von Ebla geläufigsten Götter”’. Hierhin gehören auch zwei ver-
göttlichte Flüsse, der Euphrat und der Balich: der erste wird Ipara-du ma-ad,
36
“der starke Kalte” genannt, was gut das unverständliche purattu/furat der
mesopotamischen und arabischen Tradition” erklärt; der zweite heisst
Ipa-li-ha?” und spielt zusammen mit Kamisch eine nicht unwichtige Rolle
bei der Beschwörung böser Geister”.
Bis jetzt habe ich Götter erwähnt, die fast alle aus der kanaanäischen Tradi-
tion des zweiten und ersten Jahrtausends bekannt sind. Es ist jedoch klar,
dass in Ebla bis anhin völlig unbekannte Götter bezeugt sind. An erster
Stelle steht hier Dabir, der in der Bibel als “die Pest” erscheint*! und zu-
sammen mit Reschef als Unglücksbringer auftritt. Dieser Dabir ist nun der
Stadtgott Eblas. Er ist bezeugt als dda-bi-ir dingir-eb-Iakl, “Dabir, der Gott
von Ebla”“, d.h. der Schutzgott der Stadt und vielleicht auch von deren
Dynastie. Es folgen zweitrangige Götter wie da-gu, d “-ma-ri.gü, Ida-i-in,
daga-lum, dga-ra-i-nu, dNE-Ia, dı.da-ra, dgy-bi, dni-da-kul usw., deren spezi-
fische Züge uns entgehen und bei denen in gewissen Fällen sogar die Lesung
des Namens nicht bekannt ist. Hauptsächlich der letztgenannte Ani-da-kul
muss eine sehr wichtige Gottheit gewesen sein, da er Opfergaben bekam. Er
entzieht sich aber noch jeder Identifikation*®.
Was Dagan betrifft, wurde auf die Tatsache hingewiesen, dass er oft von
einem Stadtnamen begleitet ist, was darauf hinweist, dass es sich hier um
den Schutzgott der betreffenden Stadt handelt. Wir haben auch festgestellt,
dass der Gott in diesen Fällen mit dem generischen Appellativum “Herr”
in Erscheinung tritt, was darauf hinweist, dass wir es hier folglich mit einer
Art spezifischer Hypostase oder allgemeiner mit einer besonderen Mani-
festation des Gottes zu tun haben. Dieses Phänomen ist uns durchaus ver-
traut. Es genügt, an die unendlich vielen Erscheinungsformen der Madonna
zu denken. Dass auch schon der Alte Orient etwas Ähnliches kannte, zeigen
etwa die mesopotamische Ischtar** oder der syro-palästinensische BaCal® .
Das Neue in Ebla besteht darin, dass schon im 3. Jahrtausend dieselbe gött-
liche Figur auf bestimmte Städte bezogen wurde. Hier einige Beispiele, die
sich auf Dagan, Rasap und Nidakul beziehen:
38 TM.75.G.2075.
39 TM.75.G.2075.
40 TM.75.G.2038.
41 Siehe Anm. 18.
42 TM.75.G.1464.
43 Siehe G. PETTINATO, AfO 25(1974—1977) 27 ad r.IIl 5.
44 D.O. EDZARD, WdM I 83f.
45 Marvin A. POPE — W. RÖLLIG, WdM 1 253ff.
37
1) Dagan:
— dhe bü-la-nukl “Herr von Bulanu”*
— dpe du-du-lukl “Herr von Tuttul”*”
— dhe ka-na-na “Herr von Kanaan”*
— dpe Irumki “Herr von Irum”*”
— Ape kalam!iM “Herr des Landes”
— dpema-NER® “Herr von Mane”!
— dhe si-wa-dukl ’ “Herr von Siwad””?
— dpe ug-güa-askl “Herr von Uguasch””?
— dbhe zär-a “Herr von Zarat””*
2) Rasap:
dra-sa-ap 0-ta-nikl “Rasap von Atanni””
ra-sa-ap ar-mikl ar-mikl “Rasap der Städte””®
ze DRS
ra-sa-ap gü-nu “Rasap von Gunu’”””’
Qura-sa-ap sa-MI+SI TA „ri “Rasap der Provinz „58
3) dni-da-kul:
| Ani-da-kul a-ru,-ga-tukl “Nidakul von Arugatu”®!
Ani-da-kul e-ma-tukl “Nidakul von Chama”?
— Ani-da-kul lu-ba-ankl “Nidakul von Luban””“°
— Ani-da-kul sa-MI+SITA,K “Nidakul der Provinz”
Von den weiblichen Gottheiten des Pantheons von Ebla ist an erster Stelle
die Paredra Dagans zu nennen, die den Namen belatu, “Herrin” trägt. Dies
ist ein eher generischer Ausdruck, der eine weitere Identifikation mit einer
38
bestimmten Göttin nicht zulässt‘. Es folgen der Wichtigkeit nach Aschtarte,
die dieselben Charakteristika aufweist wie der männliche Aschtar“ ,Isatu,
die Feuergöttin®” und Tiamat, die Göttin des Urmeeres, die in den in Ebla
aufgefundenen Mythen eine wichtige Rolle spielt” , so dass wir nunmehr
den endgültigen Beweis haben, dass ihre ursprüngliche Heimat tatsächlich
Syrien ist®.
Die weiblichen Gottheiten, die bisher im eblaitischen Pantheon identifiziert
worden sind, sind verhältnismässig wenig zahlreich, da sie nicht mehr als
3% der Gesamtzahl der Götter ausmachen. Das ist vielleicht darauf zurück-
zuführen, dass eine Göttin nicht immer unter einem weiblichen Namen er-
scheint, so dass das Geschlecht einiger Gottheiten vorläufig noch gar nicht
bestimmt werden kann.
In diesen Abschnitt gehören ohne weiteres auch zwei Gottheiten, die in der
eblaitischen Namengebung sehr verbreitet sind, Il und Ya. Auf diese werden
wir im nächsten Abschnitt eingehen, bevor wir das Problem des Henotheis-
mus in Ebla in Angriff nehmen.
65 TM.75.G.1417.
66 Diese Gottheit ist bis jetzt nur in zweisprachigen Wortlisten bezeugt, siehe Anm. 82.
67 TM.75.G.1764; Siehe auch Anm. 84.
68 TM.75.G.2421.
69 Th. JACOBSEN, JAOS 88(1968) 104ff.
70 G.PETTINATO, Ebla und Sumer: kulturelle und wirtschaftspolitische Beziehungen,
CRAI XXV, 1978.
39
men. Andere fanden sie den eigenen Gottheiten so ähnlich, dass sie sich er-
laubten, diese mit jenen zu identifizieren.
Es ist nicht nötig zu unterstreichen, dass man hier vor einem hochentwickel-
ten Denkprozess steht, der als Vorläufer des religiösen Synkretismus gelten
muss. Bisher glaubte man zwar die ersten Formen von Synkretismus in Me-
sopotamien zu finden”! ,, zur Zeit als die Semiten mit den Sumerern in Be-
rührung gekommen waren. Doch jetzt muss man auch diese hochbedeutsame
Erstleistung Ebla zusprechen.
In den zweisprachigen Wortverzeichnissen wird in der Tat ein ganzer Ab-
schnitt den sumerischen Gottheiten und ihren Entsprechungen im eblaiti-
schen Pantheon vorbehalten. Es zeigt sich allerdings, dass die eblaitischen
Gelehrten nur nach gründlichem Studium solche Listen einander entspre-
chender Gottheiten aufstellten: einige sumerische Gottheiten werden mit kei-
ner eblaitischen Gottheit identifiziert, was ein Zeichen dafür ist, dass man
bei ihnen keine auch entfernte Ähnlichkeit mit einer eigenen Gottheit ent-
decken konnte. Der in dieser Hinsicht interessanteste Fall ist der von den-Hl,
dem Hochgott des sumerischen Pantheons. Im zweiten Jahrtausend wird
den-Iil mit dda-gan, dem Hauptgott des westsemitischen Pantheons”? iden-
tifiziert. Von daher schiene eine solche Identifizierung auch schon im drit-
ten Jahrtausend naheliegend. In Ebla wird sie aber nicht vorgenommen, was
heisst, dass die Eblaiter Enlil nicht wie Dagan sahen, sondern ihn als verschie-
den empfanden. Statt der entsprechenden semitischen Gottheit finden wir
für Enlil eine syllabische Wiedergabe seines sumerischen Namens.
Hier nun eine Liste von Gleichsetzungen sumerischer und semitischer Gott-
heiten, wie sie aufgrund der zweisprachigen Wortlisten aufgestellt werden
kann:
dak = qur-du-um”?
dpahar = wa-pi-um”
dpahar-ak = te-ri-iS-tu
dBARA]gra = iS-ha-ra”°
Adingir-kalam!im = be-lu ma-tim””
71 J. VAN DIJK, Les contacts ethniques dans la M&sopotamie et les syncretismes de
la
religion sum£rienne, in: “Syncretism”, Äbo 1969, 171ff.
72 D.O. EDZARD, WdM I 50 s.v. Dagan.
73 TM.75.G.2000 v. X 21-22.
74 TM.75.G.2001 v. II 27-28.
75 TM.75.G.1825 v. IV 3’-4°,
76 TM.75.G.2001 v. II 30-31.
77 TM.75.G.3171r. 11 7°’-8°.
40
den > ma-e-um”
den-en = tu-uS-ta-i-i-lum”
den-zu = zu-i-nu®
den-ki = e-um,!
den-te — as-tär-ta”
inanna = as-tar®
8 rs % \ 84
1zı = 1-sa-tü
Amul = kak-kab®5
mul-mul = kö-ma-tü8®
dnz-erijg = ra-sa-ap®”
Von all diesen Gleichsetzungen waren einige selbstverständlich, wie Nergal
= Rasap, Inanna = Aschtar, Enki = Ea, Izi = Isatu und Mul = Kakkab. Ande-
re hingegen sind durchaus neu und um so interessanter für die Problematik
des religiösen Synkretismus im dritten Jahrtausend v. Chr. Es wurde schon
angetönt, dass einige sumerische Gottheiten mit keinem Gott des eblaiti-
schen Pantheons gleichgesetzt wurden. Hier einige Beispiele dazu:
den-Il = i-li-1u®®
dnin-kar-du = ni-ga-ra-du®?
dgsnan ge a-sa-na-an”
78 TM.75.G.11244 12’-3’.
79 TM.75.G.2000 v. X 8°-9”,
80 TM.75.G.3171 r. II 10°-11”.
81 TM.75.G.1825 v. V 3-4.
82 TM.75.G.4295 II 4’-5’.
83 TM.75.G.1825 v. V 7’-8’.
84 TM.75.G.2001 v.133—34.
85 TM.75.G.1825 v. IV 5’-6°.
86 TM.75.G.2001 v. II 5-6.
87 TM.75.G.1825 v. V 9’-10’.
88 TM.75.G.2000 v. X 10-11.
89 TM.75.G.2000 v.X 2-3.
90 TM.75.G.3131 r. II’ 4’-5.
41
c. Anleihen bei anderen Religionen
91 G. PETTINATO, Elementi hurriti ad Ebla nel III. millennio, RAI XXIV, 1976.
92 AfO 25(1974-1977) 35.
93 TM.75.G.1273, 1764. v
42
spielt”. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen scheint es, dass die Ebla-
iter churritische und sumerische Gottheiten in ihr Pantheon aufgenommen
haben. Künftigen Studien wird es womöglich vorbehalten sein, Gottheiten
anderer Völker zu identifizieren und so das Spektrum unserer Kenntnisse in
diesem so interessanten Gebiet zu verbreitern.
43
In diesen paar Zeilen hatte ich versucht, das Problem zusammenzufassen
und offen auf die möglichen Lösungen hinzuweisen. Ich ahnte nicht, dass
ich, indem ich diese Sätze schrieb, in ein Wespennest gestochen hatte: ver-
schiedene Kollegen, Assyriologen und Bibliker, haben, bald in gemässigten
Worten, bald mit mehr Heftigkeit, bestritten, dass der Ausdruck Ya in den
Personennamen etwas anderes sein könne als eine an Kurzformen von Na-
men angefügte Endung, die ihnen eventuell die Bedeutung von Kosenamen
verleiht (Hypochoristikon).
96 Für die Bibliographie siehe H.B. HUFFMON, Amorite Personal Names in the Mari
Texts, Baltimore 1965, 134, Anm. 20.
97 TM.75.G.1338 v. IX 2 et passim.
98 OA 16(1977) 335.
99 Reflexions sur l’onomastique de Mari et le Dieu des Hebreux, in: A. DESTREE
(Hrsg.), Melanges Armand Abel, Leiden 1978, 64-78.
100 TM.75.G.1348 (MEE 1,n. 786).
44
Ob dann weiter der Yaw der Texte von Ebla mit dem Gott Israels zu identi-
fizieren ist oder nicht, ist gewiss ein interessantes Problem, das es aber ganz
ohne jedes Vorurteil irgendwelcher Art zu untersuchen und zu lösen gilt. Ich
für meine Person wäre wie A. FINET geneigt, gewisse psychologische Bar-
rieren zu überwinden und den Tatsachen ins Auge zu sehen, gemäss der Fra-
ge: “Autant de coincidences fortuites, de vaines homonymies?”!01
Aus der Analyse, die im letzten Abschnitt unternommen wurde, tritt der
polytheistische Charakter der Religion Eblas mit vollkommener Klarheit zu
Tage. Trotzdem fehlt es, besonders in der Namengebung, aber auch in lite-
rarischen Texten und in Opferlisten, nicht an Elementen, die darauf hinwei-
sen, dass sich die Eblaiter auf dem Weg zu einem betonten Henotheismus
befanden.
In diesem Abschnitt sollen zunächst solche Elemente kurz aufgezählt wer-
den, dann wird auf den Hymnus an den “König des Himmels und der Erde”,
den vielleicht bezeichnendsten Ausdruck des eblaitischen Henotheismus,
einzugehen sein.
1. Henotheistische Elemente
45
Dagan wird, obwohl er der Hauptgott des Pantheons ist, oder gerade weil er
es ist, nicht namentlich genannt, sondern mit Herr’ bezeichnet. Befinden
wir uns hier vor einer religiösen Überzeugung, dergemäss der Name des Gottes
nicht ausdrücklich ausgesprochen werden konnte, wie dies — gewiss nicht in
Mesopotamien, doch in andern wichtigen Religionen der Antike der Fall
tr
Die Lösung des Problems, das in dieser Frage verborgen liegt, führt uns un-
weigerlich in einen religiösen Bereich, der sich zum Henotheismus hinneigt.
Ich bin mir jedoch bewusst, dass eine solche Folgerung nur möglich ist,
wenn man annimmt, dass die Eblaiter die Kategorie des Göttlichen als etwas
unendlich Erhabenes und von der menschlichen Wirklichkeit völlig Verschie-
denes empfanden.
Damit stehen wir wiederum vor dem Problem der theophoren Namen mit
Il und Ya: es wurde bereits unterstrichen, dass der Grossteil der Personen-
namen diese zwei Elemente enthält, es wurde auch gesagt, dass Il historisch
vor Ya erscheint und dass beide Elemente praktisch gleichwertig sind. Kon-
kret heisst das, dass der Name derselben Person auf derselben Tafel einmal
mit dem Element Il und einmal mit dem Element Ya vorkommen kann!®.
Ist diese Feststellung richtig und ist sie auch auf andere Fälle anwendbar,
dann kann man nur eine einzige Erklärung annehmen: Il und Ya bezeichnen
in der eblaitischen Namengebung nicht den Gott Il oder den Gott Ya in ihrer
persönlichen Ausprägung, sondern den Gott schlechthin, die Kategorie des
Göttlichen.
Was bis jetzt gesagt wurde, erlaubt freilich nicht, bei den westsemitischen
Völkern von einem Urmonotheismus zu reden. Es genügt aber, um den
Schluss zu erlauben, dass zumindest die Eblaiter ein sehr entwickeltes Got-
tesbild hatten und dass sie dem Henotheismus schliesslich sehr nahe standen.
Unter den literarischen Texten der königlichen Bibliothek von Ebla habe ich
drei Tafeln identifizieren können, die denselben Text enthalten, bald in ideo-
grammatischem und bald in syllabischem Sumerisch!*.
46
Inhaltlich kann man diesen Text als “Hymnus” bezeichnen, und er gehört
ganz bestimmt in die Gattung der religiösen Literatur.
Der Text ist für unser Problem so wichtig, dass ich es angebracht finde, da-
von eine Übersetzung folgen zu lassen, die gewiss noch vorläufig ist, aber
doch als genügend abgesichert gelten kann. Die Neuheit dieses Dokumentes
erschöpft sich aber nicht in seiner Bedeutung für das Henotheismusproblem.
Die Einleitung zum eigentlichen Hymnus enthält in der Tat eine Anspielung
auf die Erschaffung der Welt, die terminologisch dem Schöpfungsbericht
von Gen 1 so nahe steht, dass sich eine Gegenüberstellung aufdrängt.
Der Text spricht aus sich selbst: im Gewand einer Litanei zeigen uns die ebla-
itischen Denker ihr Bild von Gott, dem Herrn des Himmels und der Erde
und damit des Kosmos.
Gott wird gesehen als höheres Wesen, das aber auch in der Welt gegenwärtig
ist und dies nicht nur im Augenblick der Schöpfung, sondern fortwährend,
an jedem Tag und in jedem einzelnen Tun des täglichen Lebens. Gott ist in
der Tat beständig am Werk, unermüdlich, heldenhaft, wirksam — freilich
durch das Wort, weil er Gott ist, doch mit dem Ziel, Gutes zu wirken, indem
er das Leben angenehm und gedeihlich macht, ja indem er erlöst.
Hier können wir wirklich sagen, dass der Eblaiter tief religiös war und an
seine Götter glaubte, ja, gerade angesichts dieses Hymnus wird die Hypo-
these plausibel, dass die eblaitische Kultur, so polytheistisch sie auch war,
auf dem Weg zu einem ziemlich prononcierten Henotheismus war. Denn wer
ist der Herr des Himmels und der Erde? Gewiss nicht Dagan oder Rasap
oder Sipisch, sondern GOTT schlechthin.
47
[Bemerkung des Herausgebers: Zwei der hier vorgetragenen Thesen sind zu-
letzt von A. ARCHI kritisiert worden: The Epigraphic Evidence from Ebla
and the Old Testament, in: Biblica 60 (1979) 556-566, besonders 556-560
und 560f. Zur Frage, ob ya am Wortanfang oder -ende ein theophores Ele-
ment sei, bringt ARCHI die alten und begründeten Bedenken vor (vgl. dazu
auch die Anm. 54 im Beitrag von H.P. MÜLLER in diesem Band). Zum
Namen 4ya-ra-mu “Ya ist erhaben” äussert sich ARCHI, soweit ich sehe,
nicht. Ein Problem ist, dass Ya(w) in den von PETTINATO eben veröffent-
lichten Opferlisten nicht erscheint. Vgl. G. PETTINATO, Culto ufficiale ad
Ebla durante il regno di Ibbi-Sipis, in: Oriens Antiquus 18 (1979) 85—132
mit prächtigen Photographien der behandelten Texte. Der Aufsatz ist als
Separatdruck mit dem gleichen Titel in der Reihe Orientis Antiqui Collectio
XVI, Roma 1979 erschienen. Zum Hymnus an den “König des Himmels und
der Erde” bemerkt ARCHI, dass es sich um eine Komposition handle, die
sehr schwer zu verstehen sei. Auch PETTINATO betont die Schwierigkeiten
und die Vorläufigkeit seiner Übersetzung. ARCHI macht einige neue Vor-
schläge und bestreitet die Ähnlichkeit mit Gen. 1.]
48
Monotheismus in Mesopotamien?
I. Einleitung
1 Eigentlich müsste man von Religionen sprechen, da zum mindesten ein Unterschied
zwischen sumerischer und akkadischer Religion gemacht werden sollte; vgl. ASMUS-
SEN, Handbuch I: VAN DIJK, Sumerische Religion und LAESSOE, Babylonische
Religion; dagegen Historia Religionum, wo RÖMER beide Religionen unter einem
Titel “Religion of Ancient Mesopotamia” behandelt und ebenso JACOBSEN, The
Treasure of Darkness, a History of Mesopotamian Religion.
2 Diese Studie ist eine stark erweiterte und umgearbeitete Herausgabe meines Artikels
“Monotheistische stromingen in de Babylonische godsdienst”, NTT 20 (1965/66)
328-338.
3 ANEPNTr. 538,
4 Vgl. aber VON SODEN, AnBi 12, 356ff.
50
Götter zu entthronen, sind jämmerlich missraten. Die assyrischen Könige
Tukultininurta I. (1235—1198) und Sanherib (704-681) trachteten nämlich
vergeblich darnach, aus politischen Gründen den Nationalgott der Babylonier,
Marduk, zugunsten des assyrischen Nationalgottes, Assur, auszuschalten.
Das ganze Manoeuvre endigte für die Initianten katastrophal.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Anzahl der babylonischen Götter durch
diese offene Haltung ins Unermessliche gestiegen ist. Nicht nur Berechnun-
gen,sondern auch babylonische literarische Quellen beweisen, dass die An-
zahl der Götter weit über das hinausging, was wir uns vorstellen können,
auch wenn wir an die etymologische Bedeutung des Wortes Polytheismus
denken. Inı “Enuma £lisch”, dem babylonischen Schöpfungsmythus, ist
in der sechsten Tafel die Rede von der Rangordnung der Götter durch Mar-
duk.
“Er setzte 300 (Götter) in den Himmel, um dort zu wachen.
Er machte nachher auf gleiche Weise die Wege der Erde.
Im Himmel und auf Erden (setzte er) 600 (Götter) ein.”°
Das bedeutet natürlich, dass sowohl im Himmel als auf Erden je 300 Götter
die Wache übernehmen mussten. In der grossen babylonischen Götterliste
aus kassitischer Zeit werden 2500 Namen genannt. In zwei modernen Samm-
lungen babylonischer Götternamen liegt die Zahl noch höher. In seinem
“Pantheon Babylonicum” von 1914 hat P. DEIMEL 3300 Götternamen ge-
sammelt, und K. TALLQUIST kommt in seinem Werk “Akkadische Götter-
epitheta” von 1938 immerhin noch auf 2400 Namen. Wir können mit Si-
cherheit annehmen, dass ein Teil dieser Namen nur Epitheta ornantia eines
bestimmten Gottes sind. Obschon aus diesen Gründen, und weil wir oft
nicht mehr genau ausmachen können, wie diese Namen zueinander gehören,
was echte Namen und was nur Beinamen sind, die Zahl der Götter verringert
wird, so bleibt doch immer noch eine bedeutende Anzahl von einander
unterschiedenen Göttergestalten übrig. Jedenfalls weisen auch in den Texten
immer wiederkehrende Andeutungen, wie “die Totalität der Götter” oder
“die Götterschar” deutlich auf eine Vielzahl hin. Nach neuesten Berechnun-
gen kann aufgrund der bisher erschienenen Publikationen angenommen wer-
den, dass in mittelgrossen und grossen sumerischen Städten ungefähr 100 bis
200 Götter verehrt wurden.°
Wenn wir nun noch einen speziellen Text auf diese Frage hin untersuchen,
der auf eine Person zurückgeht, nämlich der Prolog und Epilog des berühm-
51
ten Codex Hammurabi,” so können wir feststellen, dass Hammurabi darin
doch noch 20 verschiedene babylonische Götter erwähnt, die durch ihn
selbst und durch seine Zeitgenossen apart verehrt wurden.
Dass es bei dieser grossen Zahl von Göttern für den individuellen Babylo-
nier kein Kinderspiel gewesen ist, die Namen von all diesen einzelnen Gott-
heiten im Kopf zu haben, mag auch trotz des hochgepriesenen besseren Ge-
dächtnisses der Menschen früherer Zeiten nicht verwundern. Dass die Kennt-
nis der grossen Anzahl Götter etwas Unmögliches war, beweist auch ein Aus-
druck in babylonischen Gebeten und Beschwörungen, in denen es darauf an-
kam, keinen einzigen Gott zu vergessen, mämlich die Erwähnung des “unbe-
kannten Gottes.” In einer “Herzberuhigung für jeden Gott” lesen wir:
“Möge sich der Zorn meines Herrn mir legen,
möge sich der Gott, den ich nicht kenne, mir beruhigen,
möge sich die Göttin, die ich nicht kenne, mir beruhigen,
möge sich der Gott, den ich kenne oder nicht kenne, mir beruhigen,
möge sich die Göttin, die ich kenne oder nicht kenne, mir beruhigen!”®
Der unbekannte Gott ist eine Schöpfung des Polytheismus und ein Ventil
in der Not dieser Menschen, in ihrer Angst, durch Unwissenheit den einen
oder andern Gott zu erzürnen. Andere Bedeutungen müssen dem unbekann-
ten Gott nicht zugeschrieben werden.
Dieses unzweideutige Zeugnis für einen mesopotamischen Polytheismus ist
sicher keine günstige Voraussetzung für unsere Fragestellung; und doch sind
einige Versuche gemacht worden, Monotheismus in Mesopotamien nachzu-
weisen.?
A. JEREMIAS!® dürfte der erste gewesen sein, der sich dem Thema “Mono-
theismus in Mesopotamien” zugewandt hat. Durch den Titel“Monotheistische
Strömungen” weist JEREMIAS also bereits darauf hin, dass es sich nicht um
reinen Monotheismus handelt, sondern um Zeugnisse, die zu Monotheismus
leiten könnten.
B. BAENTSCH!! stellt das Thema in einen breiteren Rahmen. Er erkennt
durchaus, dass das, was in Mesopotamien an Material gefunden werden
kann, eigentlich nicht Monotheismus, sondern Henotheismus ist.: “Aber bei
32
diesen Zeugen einer Annäherung an den Monotheismus ist es bei den from-
men Babyloniern auch geblieben. Es ist nicht zu einem wirklichen begriff-
lichen Monotheismus in ihrer Religion gekommen.”!? Diese vorsichtige und
wohl auch richtige Beurteilung der Quellen hindert ihn nicht, später zu sa-
gen: “Aber auch dort, wo sich eine eigentlich monotheistische Lehre nicht
urkundlich belegen lässt — was nicht ausschliesst, dass sie den betreffenden
Priesterschaften bekannt gewesen ist —, lassen sich in der monarchischen
Heraushebung gewisser Gottheiten Ansätze zu einer konzentrierten Gottes-
vorstellung aufweisen, an die eine monotheistische Lehre ohne weiteres hät-
te anknüpfen können.”'?
M. JASTROW"* ist im ersten Band (1905) noch sehr ablehnend gegen den
Gedanken eines Monotheismus in Babylonien: “Ist dem aber so, so drängt
sich in Anbetracht der gewichtigen Tatsache, dass in den historischen In-
schriften, selbst der spätesten Zeit, Marduk nur als Hauptgott Babyloniens
erscheint, und dass die ganze Tendenz religiösen Glaubens wie des Kultes,
wie er sich in Babylonien allmählich entwickelte, eine monotheistische
Weltauffassung ausschliesst.”!° Ein verklausuliertes Zugeständnis macht er
höchstens für Assyrien: “Wenn überhaupt von einem Drang zu einem wirk-
lichen Monotheismus im alten Zweistromland die Rede sein kann, so gilt
dies viel mehr von Assyrien als von Babylonien.”! Im zweiten Band (1912)
urteilt er, zwar mit viel Skepsis, unter dem Einfluss von A. JEREMIAS etwas
positiver: “Eine ausgeprägte Annäherung an einen wirklichen Monotheis-
mus ist, wie wir bereits hervorgehoben haben (I 421f.), in der babylonischen
Literatur nicht zu finden, und noch viel weniger in dem praktischen Kult.
Man ist höchstens berechtigt, von monotheistischen Strömungen in Babylo-
nien zu reden, wie A. JEREMIAS in seiner anregenden Broschüre getan hat.” '”
Etwas weiter unten spricht er von “einem monotheistischen Anstrich.”'® Er
spricht aber auch von der “Richtung, die die monotheistische Strömung in
Babylonien einschlug”, um gleich nachher “die Grenze der monotheistischen
Strömung” zu nennen, und dass “wir von einer wirklichen monotheistischen
Weltauffassung noch weit entfernt sind.”'?
1208,17;
13 o.c. 42.
14 JASTROW, Die Religionen Babyloniens und Assyriens.
13708814422,
16 o.c. 1, 524.
17 o.c. II, 105.
18 o.c. II, 106.
1970:c- 1L; 132.
53
J. HEHN?® äussert sich auch vorsichtig: “Wenn auch die Frage nach der
Alleinberechtigung eines Gottes in Babel überhaupt nicht gestellt werden
konnte, so finden sich in der babylonischen Religionsentwicklung eine Rei-
he von Formen und Strömungen, die wir als monotheistische Motive und
Ansätze bezeichnen können.”?! Eigentlich gibt es nur drei Stellen, an denen
eventuell von monotheistischen Zügen gesprochen werden kann: “Es herrscht
praktisch in Babylonien ein gewisser solarer Monotheismus.” “Wir beobach-
ten einen gewissen politisch-nationalen Monotheismus.” “Hierzu kommt der
affektive Monotheismus, die Vorliebe eines Herrschers oder einer Zeit für
eine bestimmte Gottheit.””?
W. VON SODEN?? äussert sich negativ: “Die letztliche gedankliche Konse-
quenz dieser späten Stufe babylonischer Gleichsetzungstheologie wäre der
Monotheismus gewesen, die babylonischen Theologen sind dazu aber nicht
durchgedrungen, da ihre Wissenschaft über eine oft sehr stark umdeutende
Erläuterung der Überlieferung und deren Aufbau nicht hinauskam.”?*
Ähnlich äussert sich VON SODEN auch an anderer Stelle:”® “Besonders
tiefe Denker haben es mehrfach vorgezogen, nicht mehr von bestimmten
Gottheiten, sondern einfach von ‘dem Gott’ bzw. ‘Gott’ zu sprechen; sie
brachten damit zum Ausdruck, dass hinter den verschiedenen Namen als
Realität doch nur eine Göttlichkeit stehe, legten sich aber nicht auf einen
bestimmten Namen fest. Von einer solchen Anschauung aus könnte der
Durchbruch zum Monotheismus fast als zwangsläufig erscheinen; er ist
aber doch nicht erfolgt, weil die zunächst das babylonische Denken so be-
fruchtende sumerische Überlieferung nun zum Bleigewicht wurde, das das
Denken in bestimmten Bahnen festhielt.”?®
F.M.TH. DE LIAGRE BÖHL?’ weist mit Vehemenz die Meinungeiner even-
tuellen monotheistischen Strömung in Babylonien ab: “Het zou een misver-
stand zijn in verband met zulke gegevens van een monotheistische strekking
van deze godsdienst te willen spreken.”®
54
H. SCHMÖKEL? erklärt sich zunächst für eine monolatrische Tendenz:
“Der wachsende Synkretismus — die Vermischung und Gleichsetzung der
Göttergestalten und der sie betreffenden Vorstellungen — förderte anderer-
seits eine monolatrische Tendenz der Art, dass der Gläubige seine Verehrung
auf den Gott seiner Stadt, seiner Familie oder seiner freien Wahl konzentrier-
te und in ihm mehr oder weniger alle andern Götter anschaute und umfass-
te.”?® “Und die monotheisierende theologische Spekulation seiner (=Mar-
duks) Priester führt dazu, die einzelnen Eigenschaften und Fähigkeiten ihres
Gottes mit dem Wesen der anderen Götter zu identifizieren.””! “Tatsächlich
handelt es sich in jenen Fällen (= prononcierte Hervorhebung eines bestimm-
ten Gottes) eher um Monolatrie, man verehrt nur den erwählten Gott und
lässt die anderen ausser Acht.””?* “Indes haben wir mit Begriffen von Mono-
latrie, Henotheismus und Monotheismus keine ausreichende Kriterien zur
Bestimmung echter Frömmigkeit.””” Schmökel arbeitet also mit verschie-
denen Termini: Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus, und verteilt
sie, ohne dass deutlich wird, welches die Unterschiede sind. Wir werden auf
diese Begriffe später zurückkommen.
B. HARTMANN” spricht nur von monotheistischen Strömungen und weist
darauf hin, dass es in Babylonien nie zu einem echten Monotheismus gekom-
men ist.”
Diese Beispiele mögen genügen, um uns zu zeigen, dass in der Frage des
Monotheismus in Mesopotamien die Meinungen stark auseinander gehen, Be-
fürworter gegen entschiedene Gegner. Verschiedene Begriffe, wie Monotheis-
mus, monotheistische Strömungen, Monolatrie und Henotheismus wurden
zur Erklärung bestimmter babylonischer Quellen herangezogen.
Die Quellen, die uns zum Studium des Problems Monotheismus in Mesopo-
tamien zur Verfügung stehen, sind von verschiedener Art: theologische Spe-
56
“Der Allererste der Anunnaku”°® werden Ninurta und Nergal genannt,
“Alleinherrscher der Anunnaku” ist Marduk, “Herr der Anunnaku” Scha-
masch, “Allmächtiger der Götter” ist Nergal. “Gewaltig grosser Herrscher
der Götter” ist Assur und “der höchste der Götter, der seinesgleichen nicht
hat” ist wiederum Marduk. “Die grösste der Igigu”” ist ein Beiname der
Ischtar. “Herr der Igigu” ist aber Schamasch. Von Schamasch wird ferner ge-
sagt, dass keiner der Götter der ganzen Welt so aussergewöhnlich wie er ist.
Und Nabu ist “König der Welt ohne Rivalen”. Also sind alle diese Götter:
Ninurta und Nergal, Marduk und Assur, Schamasch und Enlil, Ischtar und
Nabu in den Augen der babylonischen Beter allmächtig, alles beherrschend,
Könige des Alls und der Götter. Von Sin, Marduk und Anu wird darüberhin-
aus noch berichtet, dass vor jedem von ihnen die grossen Götter niederknien.
Die grossen Taten der Ischtar sind herrlich und von einer alle anderen Göt-
ter überragenden Wichtigkeit. Soweit ein Blumenstrauss von Allmachtsaus-
drücken von verschiedenen babylonischen Göttern. Wie das im Zusammen-
hang der Texte klingt, mögen drei grössere Zitate aus babylonischen Gebe-
ten deutlich machen.
38 Anunnaku ist ein Totalbegriff für alle Götter, später nur für die Götter des Toten-
reiches, WbMy. 142.
39 Name für die grossen Himmelsgötter, WbMy.I 80.
40 SAHG 222f.
57
Mutterschoss, der alles gebiert, der unter den Menschen auf hohem Sitz
thront,
gnädiger Vater, der das Leben des ganzen Landes in seine Hand genom-
men hat:
Herr, deine Göttlichkeit ist wie der ferne Himmel, das weite Meer, voll
des Schreckens.
Gebet an Enlil*!
Beschwörung. Gewaltig grosser Herr, / Berg der Igigu,
Beherrscher der Anunnaku, / umsichtiger Fürst:
Ellil, gewaltig grosser Herr, / Berg der Igigu,
Beherrscher der Anunnaku, / umsichtiger Fürst,
der sich immer wieder erneuert, / dessen Ausspruch nicht geändert wer-
den kann,
dem kein Gott das Geheiss seiner Lippen / umstossen kann!
Herr der Herren, König der Könige, / leiblicher Vater der grossen Götter,
Herr der Schicksale und der Fügungen,
der Himmel und Erde Anordnungen gibt, / Herr der Länder,
der den Rechtsspruch vollstreckt, / dessen Befehl unabänderlich ist,
der die Schicksale bestimmt / für die Götter allzumal!
Auf dein Befehlswort hin / werden die Menschen geboren;
von König und Statthalter / nennst du die Namen.
Gebet an Nergal**
Auch in diesen drei breiter zitierten Gebeten an Sin, Enlil und Nergal ist die
allgemeine Stimmung “Allmacht” und darum wird der Unterschied zwischen
41 SAHG 296f.
42 SAHG 313.
58
diesen Göttern untereinander getrübt. Nach unseren Auffassungen ist es
merkwürdig, dass mehrere voneinander unterschiedene Götter zugleich all-
mächtig sein können. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass babylonische
Menschen anders empfunden haben als wir, dass für sie diese Diskrepanz
nicht bestanden hat.
Die Beurteilung dieser Texte hat zu allerlei Schwierigkeiten und Fragen ge-
führt. Handelt es sich wirklich nur um Zeugnisse frommer Übertreibungen
von Betern, um die angerufene Gottheit für die eigenen Wünsche so günstig
wie möglich zu stimmen? Müssen darum alle diese Aussagen gar nicht ernst
genommen werden? Sind sie darum für das Studium der Gottesauffassung
jener Zeit völlig unbrauchbar? Wenn wir die Sache so anpacken würden, wür-
den wir uns das Verständnis der Texte gänzlich verunmöglichen. Und dar-
überhinaus, woher nehmen wir das Recht dazu? Warum sollten wir diesen
Menschen Wahrhaftigkeit absprechen? Ich möchte diese Texte als Zeugnis-
se echter Frömmigkeit verstehen.
Neben den bereits zitierten Aussagen stehen solche, die auf ganz und gar un-
missverständliche Weise zeigen, wie sehr in dieser polytheistischen, babylo-
nischen Welt bei Einzelnen der Wunsch lebte, von der Vielheit zum Einen
vorzustossen. Auf einer Nabustele aus dem 8. Jahrhundert steht z.B. der
Ausspruch “Lasst uns auf Nabu vertrauen, und nicht auf einen anderen
Gott.”* In einem Busspsalm finden wir eine noch deutlichere “monotheisti-
sche” Formulierung: “Es gibt keinen Gott, der uns auf dem rechten Weg
führt, ausser dir.”** Diese beiden Texte gehören wohl zum Extremsten, was
in Mesopotamien in Richtung auf Monotheismus zu finden ist. Wir werden
auf ihre Beurteilung im nächsten Kapitel zurückkommen.
Dass sich in einer polytheistischen Welt der eine mehr zu einem bestimmten
Gott, der andere mehr zu einem anderen hingezogen fühlt und diesen darum
auf eine ganz besondere Weise verehrt, ist sehr wahrscheinlich. Ob in diesem
Fall die Verehrung ausschliesslich einem Gott zukommt und die anderen
Götter dadurch für diesen bestimmten Menschen an Bedeutung verlieren,
wollen wir erst später beurteilen. Denn wenn wir zwei Hymnen Assurbani-
pals an die beiden Nationalgötter Assur und Marduk miteinander verglei-
chen, so werden wir in seiner allgemeinen Haltung ihnen gegenüber kaum
einen wesentlichen Unterschied feststellen können.
59
An Marduk®
Ich huldige deinem Namen, / Marduk, überlegen-starker unter den Göt-
tern, / Deichgraf von Himmel und Erde,
der schön erzeugt ward, / ganz allein hoch ist.
Du bist Träger der Anuschaft, / Ellilschaft und Easchaft, / der Herrschaft
(und) des Königtums;
du vereinigst alle Weisheit, /Vollkommener an Kraft!
Gehegter Berater, / hocherhabener Herrscher, / allgewaltiger, überaus
grosser,
(der) seine Herrschaft prächtig gestaltete, / den Widerstand für Anu
organisierte!
Im Himmel bist du hocherhaben, / auf der Erde König, / kunstreicher,
überlegtester der Götter,
der allen Wohnstätten Bestand gibt, / den Gesamtumfang des Firma-
ments und der Erdfeste umfasst.
Gewaltig gross bis du unter den Göttern.
An Assur”*
45 SAHG 249f.
46 SAHG 254.
60
Es handelt sich bei Marduk und Assur gerade um die Schutz- und Hauptgöt-
ter der zwei Reichshälften, Babylonien und Assyrien, um die nationalen
Götter von Babylon und Assur. Politische Gründe des Gleichgewichtes könn-
ten also Assurbanipal zu diesen zwei im Tenor gleichlautenden Hymnen ver-
anlasst haben.
Obschon diese beiden Texte einander besonders stark gleichen, schliessen
sie die Möglichkeit nicht aus, dass jemand nur zu einem Gott in einem per-
sönlichen Verhältnis steht.*” Hier ist es der Sänger Assurbanipal, der König,
der durch sein Amt zur Huldigung an alle Götter verpflichtet ist. Aber sei
es wie es will, den anderen Göttern wird ihre Göttlichkeit nicht aberkannt,
wie es in einem reinen Monotheismus der Fall sein müsste.
47 Siehe Textgruppe 3.
48 VON SODEN, SAHG 50 und Wissenschaft 447 = Zweisprachigkeit 13.
49 SAHG 258f., 385.
61
Kriegerischer Ninurta, / du.....
(den, der) sammelt in ihrer Macht /.....
Du namst ihre Ämter, du..... ?
das Königtum über die Herren / ist in deine Hand (übergeben).
Herr, dein Zorn / ist ein (tobender) Flutsturm;
du bist hoch, kriegerischster der Götter, /.....
Herr, dein Gesicht ist die Sonne, / dein Scheitel...... e
deine beiden Augen, Herr, / sind Ellil und (Ninlil),
die Schutzgottheit deiner beiden Augen / Gula, Belet-ili.....
Die Regenbogenhaut deiner Augen Herr, /ist..... des Sin
oo... 9
Dein Kopf ist Adad, / der Himmel (und) Erde wie ein Werkmeister
(bildete),
deine Stirn Schala, die geliebte Gattin, / die (das Herz) erfreut.
Dein Hals ist Marduk, der Richter von Himmel (und Erde), / (du) Flut-
sturm (des Ellil),
deine Kehle Ssarpanitu die Schöp(ferin der Men)schen, / die De 72 2,25
Hier sind die Götter Körperteile des einen Gottes Ninurta. So ist eine ein-
zige Gottheit entstanden.
62
Eine Hymne an Baba lautet folgendermassen: ”°
In diesem Text wird die eine und einzige Göttin Baba auf geographische
Weise mit Göttinnen einer anderen Stadt oder einem anderen Tempel gleich-
gestellt.
b. Die zweite Entwicklungsphase stellt die Funktionen der Götter in den
Vordergrund. Diese ist uns in der babylonischen Götterliste “An-Anum” aus
kassitischer Zeit überliefert. Der in der ersten Spalte genannte Gott wird mit
dem in der zweiten genannten Gott identifiziert und das mit Bezug auf die in
63
der dritten Spalte erwähnten Funktionen. Ältere sumerische Listen haben
nur eine Spalte und liefern eine Übersicht von Götternamen, ohne dass ge-
genseitige Verbindungen genannt wären. Als Beispiel aus der babylonischen
Götterliste mögen einige Identifikationen von Marduk dienen:
64
Allein schon die Vergleichung in bezug auf den Mondgott Sin und auf den
Wettergott Adad zeigt wie gross der geistige Abstand zwischen unseren bei-
den letzten Quellen ist. In dem ersten Text ist Sin als Erleuchter der Nacht
und Adad als Regenspender beschrieben. In dem zweiten Text sind sie durch
Göttlichkeit und überlegene Stärke charakterisiert. Noch viel grösser ist der
Abstand von dem groben Anthropomorphismus der Ninurtahymne zur ver-
geistigten Welt unseres letzten Beispiels. In all diesen Fällen sind die einzel-
nen Götter keine selbständigen Personen mehr, sondern allein noch Hypo-
stasen des einen Gottes.
Diese Gruppe von Quellen ist, soweit ich sehe, bis jetzt noch nicht systema-
tisch zur Behandlung unseres Themas herangezogen worden, und doch liegt
gerade hier wertvolles Material. Die wohl beste Materialsammlung dürfte
H. VORLÄNDER °° gesammelt und publiziert haben. TH. JACOBSEN geht
in seiner Religionsgeschichte°* breit auf dieses Thema ein. Er will die Ver-
ehrung eines persönlichen Gottes in das zweite Jahrtausend v. Chr. datieren.
Ihr Beginn dürfte aber schon früher angesetzt werden müssen. JACOBSEN
zitiert nämlich selbst einen Text aus der Zeit von Urnansche von Lagasch:
“Schulutula, der Gott des Königs, trug den heiligen Tragkorb, Urnansche,
der König von Lagasch, der Sohn des Gunidu, der Sohn des Gurschar, baute
den Tempel des Girschu.”°°
Bei der grossen Anzahl der Götter hatte der babylonische Mensch das Be-
dürfnis, zu einer der Gottheiten in ein besonderes Vertrauens- und Schutz-
verhältnis zu treten. Jeder Gott kann diese Funktion ausüben. Daneben hat
aber der Babylonier die Existenz anderer Götter nicht verneint und ihre Ver-
ehrung keineswegs vernachlässigt.
Die gängigste und gebräuchlichste Bezeichnung für diesen Gott war das
Appellativ “Gott” verbunden mit einem Possessivpronomen: “Meines Got-
tes Antlitz ist nach einem anderen Ort gewendet.”°° Unter anderen möchte
ich noch zwei weitere Bezeichnungen erwähnen, “Gott meines/deines etc.
Vaters” und “mein Vater und meine Mutter”:
53 VORLÄNDER, Mein Gott.
54 o.c. 145-64; vgl. auch OBERHUBER, Sumer 9£. und VAN DIJK, Sumerische
Religion 493ff.
55 VORLÄNDER, Mein Gott 156; Urnansche regierte ca. 2500 v. Chr.
56 o.c. 101.
65
“Aschur und llabrat, der Gott meines Vaters, sollen hierin nicht verhan-
deln.”°?
“Mein Gott, du bist mein Vater, der mich geschaffen hat. „58
Dass nicht nur ein Einzelner, sondern auch eine ganze Familie denselben per-
sönlichen Gott haben konnte””, wird durch den Ausdruck “Gott der Fami-
lie” bewiesen.
“Der Gott der Familie meines Herrn wird auf der Seite seiner Truppen mar-
schieren, so dass niemand sich querstellt.”°
Der Schützling bezeichnet sich als “Sohn/Mann/Knecht seines Gottes.”
Das Phänomen des persönlichen Gottes zeigt sich auch in der Namengebung:
Waradilischu = Knecht seines Gottes
Irimanili Mein Gott hat sich meiner erbarmt
Ininnadingirmu Ininna ist meine Göttin.!
Der persönliche Gott tritt auch in Namen als Beschützer auf:
Adadschumausur = Adad schützt den Erben.
Der persönliche Gott sorgt auch fürs Wohlergehen:
“Der Gott des Menschen ist ein Hirte, der gute Weide für den Mensch
sucht.”°°
“Der dich beschützende Gott möge sich um dich zum Guten kümmern.”*
“Nicht Reichtum ist deine Unterstützung,
es ist dein Gott.
Du mögest klein oder gross sein,
dein Gott ist deine Unterstützung. »65
Eine der wichtigsten Funktionen des persönlichen Gottes ist die des Mittlers
und Fürsprechers. Er vermittelt zwischen seinem Schützling und einem ande-
ren Gott. Dafür sind auch in der Glyptik besonders schöne Beispiele erhal-
ten. Der persönliche Gott führt seinen Schützling bei einem anderen Gott
DIENCH SE
38 0.01%
59 Hier möchte ich nur auf dieselbe Erscheinung in der alt-südarabischen Religion hin-
weisen, HÖFNER, Südarabien 339 passim.
60 VORLÄNDER, Mein Gott 14, vgl. 39f.
61 o.c. A9ff.
62 0.c. 86.
63 o.c. 70.
64 o0.c. 72.
G9L0:CH7%
66 o.c. BTff.
66
eine” (Abb. 1-10). Die Störung des Verhältnisses zum persönlichen Gott
verursacht Unglück und Elend.
“Wer keinen Gott hat, wenn er auf der Strasse geht, wird das Kopfweh wie
ein Gewand einhüllen.””®
“Du hast mit mir entzweit meinen Gott und meine Göttin,
du hast mit mir entzweit Freund, Freundin, Bruder, Schwester, Genossen,
Gefährten und Dienerschaft.”?
Darum ist rasche Wiederversöhnung mit dem persönlichen Gott ein Gebot
der Stunde.
“Möge der Gott, der mich verworfen hat, mir Hilfe geben,
möge die Göttin, die mich verlassen hat, Erbarmen zeigen.” 70
“Wie durch Gold mögen mein Gott und meine Göttin sich mit mir versöh-
nen.””!
Material zum Thema des persönlichen Gottes findet sich in vielen Literatur-
gattungen: Briefe, Namengebung, Weisheitsliteratur,” Königsinschriften,
Omina, Gebeten und Hymnen.”
IH. Schlussfolgerungen
Dieses oben vorgelegte Material muss nun an den in früheren Arbeiten er-
wähnten Termini geprüft werden, wobei es uns darum geht, ob die im Titel
gestellte Frage mit “ja” oder “nein” beantwortet werden muss, d.h. ob in
der mesopotamischen Religion in der Tat Monotheismus zu finden ist oder
nicht, ob es sich im negativen Fall wenigstens um monotheistische Strömun-
gen handelt, um Monolatrie oder um Henotheismus. Ich will das Material
also an den Definitionen von Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus
prüfen. Die Definitionen entnehme ich dem religionsgeschichtlichen Wörter-
buch von A. BERTHOLET.”
67 ANEP Nr. 697, 700; KEEL, Bildsymbolik Abb. 272, 414; VAN DIJK, Sumerische
Religion 486.
68 VORLÄNDER, Mein Gott 94.
69 o.c. 98.
10.9.5 111
10.0.1172,
72 z.B. VAN DIJK,Sumerische Religion 493ff.
73 VORLÄNDER, Mein Gott 70ff.
74 BERTHOLET, Wörterbuch der Religionen.
67
1. Monotheismus: Monotheismus ist “der Glaube an einen einzigen Gott,
der im Unterschied zu Monolatrie und Henotheismus den Glauben an die
Existenz anderer Götter grundsätzlich ausschliesst””.”°
Das oben gesammelte Material entspricht in keiner Weise der hier genannten
Definition des Monotheismus. In keinem der Beispiele wird die Existenz an-
derer Götter ausgeschlossen. Selbst in der Nabustele: “lasst uns auf Nabu
vertrauen und nicht auf einen anderen Gott””° , oder in dem Busspsalm, wo
es heisst: “es gibt keinen Gott, der uns auf dem rechten Weg führt, ausser
dir”””, wird die Existenz anderer Götter anerkannt. Auch die theologischen
Spekulationen” enthalten keinen Ausdruck, der die Existenz anderer Göt-
75 o.c. 369.
76 RAWLINSON, Cuneiform Inscriptions, I, 35, 2.
77 JEREMIAS, Monotheistische Strömungen 35.
78 cf. oben II 2.
Schon in der Akkadzeit (2350-2150 v. Chr.) finden wir häufig Beter darge-
stellt, die von einer niedrigen Gottheit bei einer der grossen Gottheiten des
Pantheons eingeführt werden (vgl. R. BOEHMER, Die Entwicklung der
Glyptik während der Akkadzeit, Berlin 1965, 110-114).
Abb. 1
bietet die Abrollung eines Siegels, das einem Beamten des Naramsin gehörte.
Das Siegel zeigt ihn, wie er vor einer thronenden Vegetationsgöttin steht.
Aus ihren Schultern spriessen Pflanzen. In der Hand hält sie ein Gefäss mit
sprudelndem Wasser. Hinter der Göttin ist ihre Statue. Hinter dem Beter
steht eine Schutzgottheit (L. DELAPORTE, Musee du Louvre. Catalogue
des cylindres, cachets et pierres gravees de style orientale, Paris 1920, S. 11,
Nr. T. 103).
Abb. 2
zeigt die Abrollung eines Siegels des Lugaluschumgal, der zur Zeit des Na-
ramsin und seines Nachfolgers Scharkalischarri Ensi von Lagasch war. Mit
einem Böcklein als Gabe tritt er vor den Sonnengott, der zwischen den Ber-
gen aufsteigt. Vor dem Beter steht grüssend ein Gott mit lang über die Schul-
ter herabhängender Locke. Es dürfte sich dabei um einen der Pförtner des
Himmelstores handeln, die sehr oft diese Haartracht tragen (R. Boehmer,
aa0.S.75f., L. DELAPORTE, aa0.,S. 12,Nr. T. 106).
68
Abb. 1
69
ter ausschlösse. Die mesopotamische Religion ist eben immer polytheistisch
gewesen und auch geblieben. Monotheismus ist also in der babylonischen
Religion nicht zu finden und damit könnten wir diese Studie abbrechen, da
die in der Überschrift gestellte Frage mit “nein” beantwortet ist. Was ist es
aber dann?”
79 Die von LANDSBERGER, Eigenbegrifflichkeit 369, vorgetragene Theorie von
einem Monotheiotetismus ist für unser Problem nicht von Belang; denn “nam und
me können beliebig von einem Gott auf den anderen übergehen, also wohl kein Mo-
notheismus, sondern ein Monotheiotetismus, Lehre von einer Göttlichkeit”. Dies
setzt einen Polytheismus voraus. Seine These wäre für eine Studie über “to theion”
oder über die Entstehung des Polytheismus in Babylonien von Belang. Er wird u.a.
von RÖMER, Religion 168, und OBERHUBER, Sumer 27, zitiert.
In der Ur-III-Zeit (2150—ca. 2000 v. Chr.) wurde die Einführung des Beters
durch eine Schutzgottheit bei einem der grossen Götter zum Haupt- und
zeitweilig fast einzigen Thema der Glyptik. Es behielt auch in der anschlies-
senden Isin-Larsa-Zeit grosse Bedeutung.
Abb. 3
zeigt den Priester Urdun in kultischer Nacktheit vor seinem Gott, dem Herrn
von Girsu = Lagasch (Ningirsu), dessen furchterregender Aspekt durch die
Löwenprotome an seinen Schultern, den Löwen unter seinen Füssen und an
seinem Thron und durch die Waffen (Krummaxt, fächerartige Mehrfachkeu-
le) in seinen Händen dargestellt ist. Hinter dem Priester steht ein bärtiger
Gott mit mehrfacher Hörnerkrone und ärmellosem Stufenkleid, der für den
Beter Fürsprache einlegt, wie die Haltung der Arme ausdrückt (L. DELA-
PORTE, Muse du Louvre. Catalogue des cylindres, cachets et pierres gra-
vees de style orientale, Paris 1920, S. 13, Nr. T. 110).
Abb. 4
zeigt den Boten Kudaschum, der von seiner persönlichen Schutzgöttin vor
einen thronenden bärtigen Gott geführt wird. Zwischen der Göttin und dem
Gott ist ein Skorpion eingraviert, das Schutzsymbol der Göttin Ischchara.
Die Inschrift lautet: “Göttlicher Schulgi, mächtiger Held, König von Ur,
Kudaschum der Bote ist dein Diener” (E. SOLLBERGER, Inscriptions voti-
ves babyloniennes, in: Geneva, Gen®ve 1954, S. 241; Zeichnung: Hildi
KEEL-LEU).
70
INN INN =
[N Suse:
ER a
KIT
Abb. 4
71
2. Monolatrie: “Monolatrie (Verehrung eines Einzigen) bedeutet, dass nur
einem Gott gedient wird, ohne dass damit die Existenz anderer Götter ge-
leugnet würde.”®° Auch diese Lösung ist im mesopotamischen Material
nicht anzutreffen, da keiner der Texte aussagt, dass nur ein Gott verehrt
werde, d.h. wir haben keine Beweise, auch nicht in der oben erwähnten Na-
bustele oder in dem Busspsalm, dass trotz Anerkennung der Existenz vieler
Götter nur einem einzigen Gott gedient worden wäre. Dies gilt auch für die
Belege aus dem Kreis der Verehrer eines persönlichen Gottes. Monolatrie
kann im strengen Sinne des Wortes und der Definition also auch nicht die
Lösung sein.
Abb. 5
Der thronende Gott ist durch 8 Gefässe, aus denen Wasser sprudelt, als Gott
der Quelltiefen und des Grundwassers, als Enki-Ea, charakterisiert. In seine
Gegenwart wird “Gudea, der Ensi von Lagasch” (Inschrift) durch den Gott
Ningischzida geführt, der durch die Köpfe der Schlangendrachen auf seinen
Schultern kenntlich gemacht wird. Hinter dem kahlköpfigen, in einen Fran-
senmantel gehüllten Gudea folgt seine persönliche Schutzgöttin mit fürbit-
tend erhobenen Händen. Links aussen ist der Schlangendrache des Ningisch-
zida zu sehen (L. DELAPORTE, Mus£e du Louvre. Catalogue des cylindres,
cachets et pierres gravees de style orientale, Paris 1920, S. 12, Nr. T. 108).
Abb. 6
Die thronende Gestalt ist hier sehr wahrscheinlich der vergöttlichte König.
Das legt nicht nur die Tracht, sondern auch die Beischrift nahe. Sie lautet:
“Ur-Nammu, der mächtige Held, König von Ur; Haschhamer, der Gouver-
neur von Ischkun-Sin, sein Diener.” Haschhamer wird von einer Schutz-
göttin vor den thronenden König geführt, während eine weitere Schutzgöt-
tin fürbittend hinter ihm steht (D.J. WISEMAN / W.B. FORMAN, Götter
und Menschen im Rollsiegel Westasiens, Prag 1958, Abb. 40; Zeichnung:
Hildi KEEL-LEU),
RR
3. Monotheismus und Monolatrie haben übrigens gegenüber allen anderen
Gottesvorstellungen Eines gemeinsam, d.h. die ausschliessliche Verehrung
eines einzigen Gottes. Der Unterschied liegt darin, ob die Existenz anderer
In der altbabylonischen Zeit (um 2000-1600 v.Chr.) wird das Motiv der
persönlichen Schutzgottheit, die für den Beter eintritt, beibehalten (H.
FRANKFORT, Cylinder Seals. A Documentary Essay on the Art and Reli-
gion of the Ancient Near East, London 1939, 149f.). Häufig wird der Beter
nur noch von einer hinter ihm stehenden Schutzgottheit begleitet (Ebd.
Taf. XXVII a,b, d, e, g; XXVIII d; vgl. W.H. WARD, The Seal Cylinders of
Western Asia, Washington 1910, 108-122).
Typisch für diese Zeit aber ist, dass das Bild des Beters oft ganz wegfällt und
dieser nur noch durch seinen Namen auf dem Siegel oder live, als Träger des
Siegels, präsent ist.
Abb. 7
Die Inschrift lautet: “Apil-Sin, Sohn des Silli-Ischtar, Diener des Nin-Schu-
bur”. Nin-Schubur ist eine bald männliche, bald weibliche Botengottheit.
Das Bild zeigt den Gott Nergal, den rechten Fuss auf einen kauernden Lö-
wen gesetzt, in der rechten Hand den dreifachen Streitkolben, in der gesenk-
ten Linken einen Stock. Vor ihm steht nebst der fürbittenden Göttin ein
Mann mit einem Streitkolben. Ob es sich dabei um den Götterboten Nin-
Schubur (akk. Ilabrat) oder um einen vergöttlichten König handelt, ist nicht
klar. Auf manchen Siegeln, wie auf diesem, scheint die Figur ähnlich wie die
fürbittende Göttin Mittlerfunktion zu haben. Doch ist auch das nicht sicher
(D.J. WISEMAN / W.B. FORMAN, Götter und Menschen im Rollsiegel
Westasiens, Prag 1958, Abb. 43; Zeichnung: Hildi KEEL-LEU).
Abb. 8
Zur fürbittenden Göttin und der Heldengestalt von Abb. 7 tritt auf altbaby-
lonischen Siegeln häufig die nackte Göttin mit verschränkten Händen. Da es
sich bei ihr um eine sehr volkstümliche Figur handelt, könnte sie die Funk-
tionen einer Mittlerin haben. Über ihr ist ein Ziegenfisch, das Symbol des
Gottes Ea (vgl. Abb. 5), zu sehen (D.J. WISEMAN / W.B. FORMAN, aaO,
Abb. 45; Zeichnung: Hildi KEEL-LEU).
74
Götter ausgeschlossen wird oder nicht. Für die monotheistische Idee ist das
islamische Glaubensbekenntnis: “es gibt keinen Gott ausser Allah” immer
noch das prägnanteste Beispiel.
Wir können den Unterschied Monotheismus — Monbolatrie durch folgendes
Modell ganz gut illustrieren:
intern extern
Abb. 9
Nicht selten sind in der altbabylonischen Zeit Siegel, die neben der Inschrift
nur eine oder zwei Schutzgöttinnen zeigen. Dabei handelt es sich bei den
einander gegenüberstehenden vielleicht nur um eine der Symmetrie zuliebe
vorgenommene Verdoppelung einer einzigen Gestalt. Die Inschrift lautet:
“Nabi-ilischu, Sohn des Iddin-Nana, Diener der Nin-Schubur” (E. PORADA,
Corpus of Ancient Near Eastern Seals in North American Collections I.
The Collection of the Pierpont Morgan Library, New York 1948, Nr. 558;
Zeichnung: Hildi KEEL-LEU).
Abb. 10
Um die Darstellung eines persönlichen Schutzgottes könnte es sich bei der
Figur rechts oben auf diesem Bruchstück einer Amulett-Tafel aus dem neu-
assyrischen (9.—7. Jh. v. Chr.) Assur handeln (H. VORLÄNDER, Mein Gott.
Die Vorstellungen vom persönlichen Gott im Alten Orient und im Alten Te-
stament, Kevelaer/Neukirchen 1975, S. 67). Mit vorgestreckter Faust und
zum Schlag erhobenem Arm ist er bereit, jede feindliche Macht vom Bett
seines kranken Schützlings fern zu halten. Am Bett des Kranken sind zwei
Priester mit Reinigungsriten beschäftigt (H. KLENGEL, Neue Lamaschtu-
Amulette aus dem Vorderasiatischen Museum zu Berlin und dem British
Museum, in: Mitteilungen des Instituts für Orientforschung 7 (1959/60)
S. 344).
76
al Y
IKTG ISES
Abb. 9
&n 0 NS z
| SEREE Nu
ZESEE
N
nRn—ES
Volk, eine Stadt, ein Stamm, eine Familie oder ein Individuum etc. verstan-
den werden, d.h. Monolatrie ist nur intern, innerhalb des eigenen Religions-
systems eingottgläubig. Der Monotheismus aber geht über die Grenzen der
eigenen Religion hinaus.
5. Diese vierte Möglichkeit ist nun nicht mehr aus BERTHOLETS Wörter-
buch oder aus einer anderen Enzyklopädie der Religion zu belegen. Sie er-
gibt sich aber aus dem Studium des oben vorgelegten mesopotamischen Ma-
terials. Es geht um die Texte zum Thema des persönlichen Gottes (II3). Sie
sind Zeugnisse einer polytheistischen Gottesauffassung, also weder mono-
theistisch noch monolatrisch zu erklären. Sie sind aber auch nicht mit dem
Schlagwort “Henotheismus” zu fangen. Im Unterschied zum Henotheismus
ist die Verehrung eines bestimmten Gottes der polytheistischen Welt in die-
sem Material nicht eine Angelegenheit des Affektes noch des Augenblickes.
Der Mesopotamier verehrt seinen persönlichen Gott nicht nur in einer be-
stimmten Situation. Das persönliche Verhältnis zu seinem Schutzgott ist
dauerhaft. Wahrscheinlich verehrt er denselben Schutzgott sein ganzes Le-
ben lang. Die Mittlerfunktion des persönlichen Gottes ist aber ohne andere
Götter und deren Verehrung unmöglich. Der Unterschied von dieser vierten
78
Möglichkeit gegenüber der dritten, dem Henotheismus, liegt also allein in
der Dauer der Verehrung.
Die Definition der vierten Möglichkeit könnte also etwa folgendermassen
lauten: “Dauerhafte besondere Verehrung eines bestimmten Gottes innerhalb
einer polytheistischen Religion”. Ich möchte diese vierte Möglichkeit “He-
nolatrie” nennen.
6. Henotheismus und Henolatrie sind also Erscheinungsformen einer poly-
theistischen Theologie. Sie sind gegenüber Monotheismus und Monolatrie
grundsätzlich polytheistisch. Sie unterscheiden sich nur durch die Dauer der
Verehrung eines, im Rahmen eines Vielgötterglaubens, bestimmten Gottes.
Ein Unterschied “internextern” kann natürlich nicht gemacht werden.
Modell: Henotheismus: Zeitlich gebundene Verehrung eines bestimmten
Gottes.
Henolatrie: unbeschränkte Verehrung eines bestimmten Gottes.
7. Wir können also sagen, dass die mesopotamische Religion nur Zeugnisse
für Henotheismus und Henolatrie liefert. Die Verehrung eines persönlichen
Gottes (II 3) ist sicher henolatrisch zu nennen. Die sogenannten Zeugnisse
persönlicher Frömmigkeit (II 1) und theologischer Spekulation (II 2) dürften
wohl eher henotheistisch verstanden werden, obschon ich nochmals darauf
aufmerksam machen will, dass im einzelnen Fall eventuell auch Henolatrie
die richtige Interpretation sein kann. Monotheismus und Monolatrie sind
auszuschliessen, weil die mesopotamische Religion immer polytheistisch ge-
blieben ist.®'
81 Zum Problem des persönlichen Gottes liegt jetzt auch eine weitere wertvolle Studie
vor: R. ALBERTZ, Persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion, Calwer theo-
logische Monographien 9, Stuttgart 1978. Dieses Buch ist leider erst nach Abschluss
des Manuskriptes in meine Hände gekommen und konnte darum nicht mehr berück-
sichtigt werden.
79
Benützte Literatur
80
LAESSOE, babyloni- J. LAESSOE, Babylonische und Assyrische Religion, in:
sche Religion Asmussen, Handbuch I, 497-525
LANDSBERGER, B. LANDSBERGER, Die Eigenbegrifflichkeit der babylo-
Eigenbegrifflichkeit nischen Welt, in: Islamica 2 (1926) 355-372 = Libelli
142 (1965) 1-19
DE LIAGRE BÖHL F.M.TH. DE LIAGRE BÖHL, De babylonisch-assyrische
godsdienst, in: G. VAN DER LEEUW/C.J. BLEEKER,
De Godsdiensten der Wereld II, Amsterdam °1956
Libelli Libelli, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
LUCKENBILL D.D. LUCKENBILL, Ancient Records of Assyria and Ba-
Ancient Records bylonia I, Chicago 1926/7
MANN, Theologie U. MANN, (Herausgeber) Theologie und Religionswissen-
schaft, Darmstadt 1973
8l
"7 fr de
pnMe + rEn= uaElaae =
Br ; - Pe
= 7, nu... Bu 3;
“ Dur Weka uuail zu u AB E
Rir® Mer
RT or er ae u re ee _
u t Er-M NER)
' n“ weg -
mn A bs
ri»
Pr
Ri
zur an nannte abc „uk nt RT BERN JE = a
a F
Po ; IA ui bau Inml
"ze pe nit Yen) ww
i 'TmT, i e
"ran ah Pr
Tol nun FE FE
(ae Hr vDA am" h How oben.
NH mW
Kar ri I
zus ee Si
Monotheismus im pharaonischen Ägypten
1. Echnatons Gottesglaube
Texte und Darstellungen der Amarnazeit stellen uns nach den Umwälzungen
in Echnatons viertem und fünftem Regierungsjahr (um 1350 v. Chr.) einen
Gottesglauben vor, auf den wohl auch die schärfste Definition von “Mono-
theismus” zutrifft. Objekt der kultischen Verehrung ist ein einziger Gott,
den man abgekürzt Aton nennt. Offiziell führt dieser Aton einen ausgeklügel-
ten und ausführlichen Namen, der in der Art eines königlichen Thronnamens
festgelegt und in zwei Königskartuschen eingeschlossen wird; er feiert sogar
königliche Erneuerungsfeste (Sedfest) und übt auch in anderer Hinsicht eine
Königsherrschaft über die Welt aus. Hier ist eine Religion tatsächlich und
vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte gestiftet worden; und während
vorher in der ägyptischen Religion alle im Laufe der Geschichte erwachse-
nen Vorstellungen miteinander vereinbar schienen, wird jetzt die Kategorie
der Unvereinbarkeit, wird eine orthodoxe Strenge in den neu gestifteten
Glauben hineingenommen!. Die grossen ägyptischen Götter wurden bisher
gern als ein Gott “ohne seinesgleichen” gepriesen, der Aton aber ist in seiner
Ausschliesslichkeit ein Gott “ohne einen anderen ausser ihm”?, sein könig-
licher Prophet ganz entsprechend einer “ohne einen anderen Grossen ausser
ihm”?. Das waren in ägyptischen Ohren neue, bisher nicht gehörte Formu-
lierungen.
Dabei ist es bezeichnend, dass dieser erste Monotheismus von einem König ent-
worfen wurde. Auch wenn neben Echnaton Personen seiner engsten Umge-
1 Dazu vor allem J. ASSMANN, Die “Häresie” des Echnaton. Aspekte der Amarna-
Religion, in: Saeculum 23 (1972) 109-126, und DERS. in: W, Helck/E. Otto
(Hrsg.), Lexikon der Ägyptologie I s. v. Aton; zur besonderen Gottesvorstellung
Echnatons auch E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen 240-246.
2 M. SANDMAN, Texts from the Time of Akhenaten 7,7.
3 Ibid. 99f. Vgl. auch die Formulierung “Kein anderer ist, der dich kennt” im Gros-
sen Atonhymnus des Königs (ibid. 95, 16; zu Übersetzungen siehe Anm. 7).
84
bung an der Gestaltung der neuen Religion mitgewirkt haben (worüber wir
nichts Sicheres wissen), so ist es nach aussen allein der König, der das Wesen
des neuen Gottes kennt und verkündet. Es wäre sicher lohnend, die Amarna-
Religion unter dem Gesichtspunkt ihrer engen Verflechtung mit der ägypti-
schen Königsideologie des Neuen Reiches zu untersuchen. Eine wichtige
Voraussetzung war der Aufbau einer neuen, sorgfältig abgestuften Hierarchie
der ägyptischen Gesellschaft im Laufe der 18. Dynastie, mit einer immer
schärferen Betonung der königlichen Spitze, die aus der Welt der Menschen
in die der Götter emporragt und sich, im Gegensatz zu den sehr menschli-
chen Aspekten des Mittleren Reiches, wieder stärker mit göttlicher Macht-
fülle vermischt*.
So konnte die Idee wachsen, dass nur einer über die Welt herrscht, so wie
der ägyptische König einer ist, und der Aton wurde ganz bewusst als kö-
niglich herrschender Gott definiert, sogar ein ausgeklügelter Thronname für
ihn festgelegt, den man wie die Namen der Pharaonen in zwei Kartuschen
einschliesst. Damit ist die Königsherrschaft eines Gottes, wie der Ägypter
des Neuen Reiches sie am Anfang der Welt, unmittelbar nach der Schöpfung
ansetzt°, in die Gegenwart hereingeholt — der Aton herrscht jetzt und hier
über die ganze Welt, die in bisher beispielloser Weise allein von ihm abhängig
ist. Der Aton ist dabei, wie Jan ASSMANN besonders klar zeigen konnte®,
nicht einfach ein “Sonnengott”, sondern konkret das Licht, das von der
Sonne ausgeht; das von Echnaton verbindlich festgelegte Gottesbild (der
“Strahlenaton” mit Händen), das alle anderen Erscheinungsformen aus-
schliesst, entspricht der ägyptischen Hieroglyphe für “Licht”. Die Welt exi-
stiert nur, wenn und soweit sie am Licht teilhat, sie besitzt kein Eigenleben.
“Bist du aufgegangen, so leben sie, gehst du unter, so sterben sie; du bist die
Lebenszeit selbst, man lebt durch dich” formuliert in einprägsamer Kürze
der Grosse Atonhymnus des Königs’.
Ne-
4 Beispiele für die Abstufung und Wandlung dieser Hierarchie in den königlichen
g
kropolen Thebens gab ich in meinem Leipziger Vortrag: Struktur und Entwicklun
der Gräber im Tal der Könige, ZÄS 105 (1978) 59-66.
Himmelskuh
5 Bezeugt u.a. durch den Turiner Königspapyrus und das Buch von der
(das in den Aegyptiaca Helvetica neu vorgelegt wird). Zu den lehrhaften Königs-
des Aton vor allem G. FECHT, ZÄS 85 (1960) 99-117 und R. ANTHES
namen
ZÄS 90 (1963) 1-6.
6 In seinem Anm. 1 genannten Aufsatz: Saeculum 23 (1972) 118£. Zur Rolle des
Lichtes in den Hymnen: J. ASSMANN, Ägyptische Hymnen und Gebete 56f.
7 Jüngste Übersetzungen J. ASSMANN, Ägyptische Hymnen und Gebete Nr. 92 und
E. HORNUNG, Meisterwerke altägyptischer Dichtung 69-73.
85
Dieses Lichtwesen des einzigen Gottes prägt sogar die sakrale Architektur —
die Tempel in Amarna sind offen und übersät mit Tausenden von Altären,
damit die Lichtstrahlen überall, wo sie hintreffen, Nahrung finden. Denn
Opfer braucht auch dieser Gott, und die nunmehr einzige Kultszene der
Tempel zeigt die Königsfamilie, die unter dem Strahlenaton anbetet oder
opfert (Abb. 11). Hier und in den lebenspendenden Händen des Aton ist
ein letzter Rest von Anthropomorphismus geblieben, der in jeder anderen
Beziehung radikal getilgt wurde. Denn dieser Gott hat keine menschliche
oder tierische Erscheinung, nur das abstrakte Lichtsymbol der strahlenden
Sonne; und, um eine derart abstrakte Gottesvorstellung noch auf die Spitze
zu treiben: dieser Gott spricht auch nicht, mit ihm lässt sich keine Zwie-
sprache halten, nirgends treffen wir auf die sonst so typischen Wechselreden
zwischen Gott und König, die ägyptische Opferszenen oder Kulthandlungen
begleiten.
Ansprechbar für den Menschen ist nicht mehr der Gott, sondern nur der Kö-
nig, sein Prophet. Der Verabsolutierung des einen und einzigen Gottes, des-
sen Anspruch zur Tilgung der übrigen Götter führt, entspricht die Verabsolu-
tierung des Königs, der nunmehr einziger Mittler wird. Die Vielzahl anderer
Abb. 11
zeigt ein Relief aus dem Grab des Staatssekretärs (“königlichen Schreibers”)
Ipi in El-Amarna mit der Darstellung eines Opfers vor dem Strahlenaton.
Echnaton und Nofretete bringen jeder dem Aton eine Weihgabe dar: den
Namen des Gottes, in zwei Königskartuschen eingeschlossen und von zwei
Prinzessinnen bzw. der Königin angebetet. Hinter dem Königspaar folgen
drei der sechs Töchter, jede mit einem Bügelsistrum in der Hand. Die Strah-
len des Aton, in menschliche Hände endigend, umfassen das Königspaar und
zugleich die materiellen Opfer, die auf dem grossen Altar und auf zwei klei-
nen Räucherständern aufgebaut sind; Echnaton erhält zusätzlich das Zei-
chen “Leben” an die Nase gereicht (N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of
El Amarna. Part IV. The Tombs of Penthu, Mahu, and Others (Archaeo-
logical Survey of Egypt 16), London 1906, Taf. XXXT).
86
e e > I
—®— ı
N. DU Nllı
= TINHESRTUCE
ah
—S
sr]
PE
Dr Ali N I enLe \WiSD —|
an NE E Zdld Ale
In ‘= IS,
as) NOBH
ABXEN SEE
KAzRı ‚au)piee
He | NS)
ee ee
] 3
Sch
>>
EEE I
INES \ ;
/
or
Me]
Des
EI
11
Abb.
Mittler, die vor und nach der Amarnazeit so deutlich hervortritt (heilige
Tiere, vergöttlichte Menschen), wird ebenso ausgeschaltet wie die Vielzahl
der Götter. Das wirkt bis in Grab und Jenseits hinein, denn auch das Fort-
leben des Menschen nach dem Tod ist jetzt ganz und gar vom Lichtgott und
von seinem Mittler abhängig. Die Achse der Gräber wird gerade, damit das
Licht ungehinderten Zugang hat, von Osiris und all den anderen Totengöt-
tern ist keine Rede mehr. Auch der im Neuen Reich so tief ausgestaltete
Gedanke von der Regeneration des Toten in den Tiefen der Unterwelt wird
mit seiner reichen Bildsymbolik aus der offiziellen Religion verdrängt; in
Amarna werden offenbar keine Skarabäen mehr hergestellt, obwohl dieses
wichtigste Siegelamulett, wie die Figuren des volkstümlichen Gottes Bes, im-
mer noch getragen wird.
In dieser neuen Religion fehlt auch das weibliche Element, wie es vorher
und nachher die grossen Göttinnen Mut, Isis, Hathor, Nut und andere ver-
körpern; aber es kommt durch eine andere Tür wieder herein, denn Nofret-
ete, die Gemahlin Echnatons, ist die neue “Göttin”. Sie tritt, etwa am Sar-
kophag des Königs, an die Stelle der bisherigen Schutzgottheiten. Zusammen
mit dem Königspaar und seinen Töchtern bildet der eine, einzige Aton eine
Konstellation, wie sie auch ausserhalb Amarnas zu einer ägyptischen Gott-
heit gehört®.
Die geistige Revolution Echnatons bedeutet in der ägyptischen Geschichte
einen deutlichen Bruch in der Entwicklung, eine schroffe Reaktion auf alle
Tendenzen, die sich vorher abzuzeichnen beginnen und dann in der Rames-
sidenzeit wieder voll wirksam werden. Der Hang zum Monumentalen findet
seine Antwort in den kleinformatigen Blöcken (“Talatat”) Echnatons, der
Tierkult in der Verfemung der Tiergestalt, das Hervortreten menschlicher,
auch nichtköniglicher Mittler in der übersteigerten Rolle des Königs. Auch
in der Aussen- und Innenpolitik geht Echnaton neue Wege, und die Verle-
gung der Königsresidenz nach Mittelägypten bedeutet einen weiteren radi-
kalen Bruch mit der Tradition. Mit der Einführung des Neuägyptischen als
Schriftsprache ist Echnaton überdies zum Reformator der Sprache gewor-
den, und gerade diese Neuerung hat alle Rückschläge überdauert?.
8 Von J. ASSMANN als “Sphäre des Seinigen” bezeichnet, siehe z.B. seinen Artikel
“Gott” in: W. Helck/W. Westendorf (Hrsg.), Lexikon der Ägyptologie u.
9 Dabei ist die Frage noch nicht untersucht und bisher nicht einmal gestellt, ob auch
in sprachlicher Hinsicht nach dem Tod Echnatons oder wenig später eine Reaktion
erfolgt ist. Die Verwendung des Neuägyptischen scheint jedenfalls vorübergehend
wieder eingeschränkt zu werden.
88
Aber bei genauerer Betrachtung der Details stösst man immer wieder auf
Vorläufer für die einzelnen Schritte und Neuerungen des Königs, auch für
die zunächst so ungewöhnlichen ikonographischen Eigenheiten der Amarna-
kunst!?. Aus der Verallgemeinerung solcher Beobachtungen konnte sogar
die extreme Ansicht entstehen, es fehle Echnaton an jeglicher Originalität,
er wandle überall in vorgeprägten Bahnen!". Ist er letztlich auch auf religiö-
sem Gebiet kein Neuerer, führt er begonnene Entwicklungen weiter? Wir fra-
gen konkret nach möglichen Vorläufern seines monotheistischen Gottes-
glaubens.
10 Einiges davon bei W. WOLF, Vorläufer der Reformation Echnatons, in: ZÄS 59
(1924) 109-119 und E. HORNUNG, Gedanken zur Kunst der Amarnazeit, ZÄS
97 (1971) 74-78.
11 So bei F.J. GILES, Ikhnaton. Legend and History, London 1970.
12 Beispiele gibt F. JUNGE, in: G. Wiessner, Synkretismusforschung — Theorie und
Praxis, Wiesbaden 1978, 95f.
89
ein. Für den falkengestaltigen Horus liesse sich eine lange Liste ganz unter-
schiedlicher Horus-Gestalten zusammenstellen; manche von ihnen, wie der
“horizontische Horus” Harachte, wären zugleich Erscheinungsformen des
Sonnengottes Re, der jedoch auch als Atum, Chepri, Amun-Re und in vielen
anderen Gestalten auftreten kann. Neben Ptah treten Ptah-Sokar, Ptah-
Tatenen und andere Sonderformen, dazu die vielen lokalen, an bestimmte
Kulte gebundenen Erscheinungsformen der grossen Götter und ihre Beina-
men, die ein Eigenleben entfalten und oft zu selbständigen Göttergestalten
werden. Selbst dann also, wenn ein einzelner Gott an der Spitze des ägypti-
schen Pantheons steht und über alle anderen Gottheiten hinausgehoben
wird, erscheint dieser höchste und mächtigste Gott nicht als Einer, sondern
in vielen Formen und Namen, inmitten einer ganzen Konstellation ihn um-
gebender, mit ihm verbundener Mächte, einer “Sphäre des Seinigen”, wie
Jan ASSMANN es nennt. Eine solche Stellung ist etwas ganz anderes als die
einsame Königsherrschaft des Aton, und nur am Anfang seiner Regierung
versucht Echnaton, den Aton in mehreren Formen und Namen zu sehen,
nimmt er auf traditionelle Formen der Götterverbindung noch Rücksicht.
Der strenge Monotheismus seiner späteren Phase hat sich von allen überkom-
menen Formen gelöst und bleibt ohne Vorläufer.
In bestimmten ägyptischen Quellen, vor allem in Personennamen, Titeln und
in den “Lehren” der Weisen, wird seit alter Zeit anonym von “Gott” gespro-
chen'?. In dieser Redeweise einen Gott hinter und über allen Göttern nach-
zuweisen, ist bisher nicht gelungen, und die Grenzen zum Gebrauch konkre-
ter Gottesnamen oder zum gleichen anonymen Gebrauch der weiblichen
Form “Göttin” sind fliessend. Ziel solcher Aussagen scheint vielmehr eine
Allgemeinverbindlichkeit, wie sie der einzelne Gottesname niemals haben
kann, wie man sie aber gerade in den Lehren erstrebte, die der Nachwelt ver-
bindliche Einsichten in die Struktur der Welt übermitteln sollten. Eine unbe-
stimmte Aussage über “Gott” (wobei das Ägyptische ja vor Echnaton keinen
Artikel verwendet) passte in jede beliebige Situation, auf jeglichen Ortsgott,
an den ein Leser gerade denken konnte'*. Ein “Monotheismus für Einge-
weihte”, ein spezieller Monotheismus der Weisheitslehrer ist in diesen Tex-
ten nicht nachzuweisen. Auch für Echnaton war der Begriff “Gott” (netjer)
in keiner Weise monotheistisch geprägt, sondern aufs engste mit der einsti-
13 Beispiele und Problematik bei E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen 30-49.
14 Wie MORENZ (Die Heraufkunft des transzendenten Gottes in Ägypten 8) betont
jetzt auch W. BARTA, ZÄS 103 (1976) 79-88 die Gleichsetzung von “Gott” und
jeweiligem Ortsgott, doch ist in vielen Fällen deutlich der Sonnengott als universaler
Schöpfer gemeint.
90
gen Göttervielfalt verbunden, weshalb er lieber vom “lebendigen Aton” statt
von “Gott” spricht.
Verschiedentlich hat man von “monotheistischen Tendenzen” in der ägypti-
schen Religion gesprochen!® und eine schliessliche Einmündung dieser Ten-
denzen in den “reinen” Monotheismus Echnatons angenommen. Auch diese
Deutung der religionsgeschichtlichen Entwicklung, die vor allem von be-
stimmten Beinamen von Göttern ausgeht, hält einer genauen Prüfung nicht
stand!®. Monotheismus entsteht nicht durch allmähliche Addition von
“Tendenzen” in dieser Richtung, sondern erfordert einen radikalen Um-
schlag des Denkens, wie er unter Echnaton erfolgt ist.
Wenn dagegen König Pianchi (um 740-713 v. Chr.) auf einem Denkstein
vom Gebel Barkal betont “Götter sind es, die einen König machen, und
Menschen sind es, die einen König machen — aber Amun ist es, der mich ge-
macht hat”!”’, so ist das Henotheismus, der einen Gott über alle anderen
emporhebt und die ganze Verehrung auf ihn häuft, ohne die Fülle der übri-
gen Götter deswegen zu leugnen. Diese Art von Henotheismus hat es in
Ägypten immer gegeben, vor Echnaton wie nach ihm, auch in der Form
einer gegenseitigen “Erwählung” von Gott und König"? die in der Bezogen-
heit des Aton und seines königlichen Propheten auf die Spitze getrieben
wird; schon im ausgehenden Mittleren Reich (18. Jahrhundert v. Chr.) be-
tont König Neferhotep I., dass er den Osiris “mehr als alle (anderen) Götter”
liebt, und entsprechende Formulierungen finden sich, meist auf Amun be-
zogen, in den Königsinschriften des Neuen Reiches häufig'”.
Daneben steht seit alter Zeit das Phänomen des Synkretismus, das in Ägyp-
ten in erstaunlicher Vielgestaltigkeit und sorgfältiger Abstufung begegnet”.
Wir wollen hier nur ein Beispiel kurz beleuchten, das bereits über den Rah-
15 So E. OTTO, Welt des Orients 2 (1955) 99-110.
16 Siehe E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen 231ff. und jetzt noch P. VERNUS,
Le dieu personnel dans l’Egypte pharaonique, in: Colloques de la Societe Ernest-
Renan, Orsay 1977, 143-157.
17 G.A. REISNER, ZÄS 66 (1931) 90 Zeile 22f. ..
18 S. MORENZ, Die Erwählung zwischen Gott und König in Ägypten, in: Sino-Japo-
nica (Festschrift A. Wedemeyer) Leipzig 1956, 118-137, neu abgedruckt in:
DERS., Religion und Geschichte des alten Ägypten. Gesammelte Aufsätze, Weimar
1975, 120-138.
19 Ibid. 127£.
20 Überblicke bei E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen 82-90 und J. LECLANT,
Points de vue recents dur le syncretisme dans la religion de l’Egypte pharaonique,
in: F. DUNAND undP. LEVEQUE, Les syncretismes dans les religions de l’antiqui-
te, Leiden 1975, 1-18, dazu jetzt noch Veröffentlichungen des Göttinger Sonder-
forschungsbereiches “Synkretismus”.
91
men des Synkretismus hinausführt und eine weitere, noch differenziertere
Möglichkeit der Verbindung von Göttern aufzeigt, nämlich das Verhältnis
von Re und Osiris. Dadurch, dass der Sonnengott Re jeden Abend hinab
muss in die Tiefen der Unterwelt, dort aber eigentlich Osiris als König der
Toten herrscht, stellt sich für den Ägypter das Problem, wie diese beiden ge-
waltigen Götter sich zusammenfinden, wie der eine in die Herrschaft des
anderen eintritt; an diesem Problem haben die ägyptischen Theologen jahr-
hundertelang ihren Scharfsinn erprobt und dabei ausgewogene, sehr diffe-
renzierte Formeln für eine Lösung gefunden. Unserer heutigen Denkweise
mag es scheinen, dass sie gerade an diesem Beispiel eine Ahnung davon er-
halten mussten, dass alle Götter nur Formen des Einen sind. Welche Lösung
wäre auch einfacher, als zu sagen: Re und Osiris sind ein einziger Gott — so
wie Echnaton dann den gordischen Knoten durchhauen und Osiris ganz eli-
miniert hat, indem er nur noch den Sonnen- und Lichtgott Aton für das jen-
seitige Fortleben gelten liess.
Aber diese einfache Gewaltlösung passte nicht in die differenzierten Formen
ägyptischen Denkens. Mit der eindeutig simpelsten Erklärung “Es ist alles
eins” lässt sich im Grunde nichts erklären, das Problem wird nur verschoben.
Die ägyptischen Denker des Neuen Reiches sahen es anders: Re und Osiris
vereinigen sich jede Nacht, sie werden sogar zu einem Wesen, das mit einem
Munde spricht, aber sie bleiben doch unterscheidbare und unterschiedene
Wesenheiten, die sich immer wieder auch aufs neue trennen. Es entsteht in
diesem Fall keine synkretistische Einheit “Osiris-Re” analog zu Amun-Re,
sondern eine neue Gottesgestalt “der Vereinigte” (Demedj), im Text der
Sonnenlitanei durch die Formel definiert “Re ist das, der in Osiris eingegan-
gen ist; Osiris ist das, der in Re eingegangen ist”. Im Grab der Königin Nefer-
tari (um 1260 v. Chr.), der zweiten Hauptgemahlin Ramses’ II., findet sich
die bekannteste Darstellung dieser “vereinigten” Gottesgestalt, und als Bei-
schrift ist die gleiche Formel vom “Eingehen” des einen in den anderen ver-
wendet (Abb. 12). In dieser komplexen Figur ist der Gedanke der nächtlichen
Vereinigung von Re und Osiris zum Bildzeichen, zur Hieroglyphe verdichtet;
die Mumiengestalt mit ihren Bändern, von Isis und Nephthys umfasst, weist
auf den Totenherrscher Osiris, der Widderkopf mit Sonnenscheibe auf die
Nachtgestalt des Sonnengottes, die im Mittelpunkt der Unterweltsbücher
steht. Der Widder (Ba) ist neben dem Storch oder dem menschenköpfigen
Vogel aber auch ein weiteres Bildzeichen für die Ba-Seele und deutet so zu-
sätzlich an, dass die Vereinigung von Re und Osiris zugleich eine Vereini-
gung des Ba mit seinem Körper darstellt, wie sie die Verstorbenen Nacht
für Nacht erstreben.
92
Abb. 12
zeigt die Darstellung des “Vereinigten” (Re-Osiris) im Grab der Nefertari,
der Gemahlin Ramses II. (A. PIANKOFF / N. RAMBOVA, The Tomb of
Ramesses VI (Bollingen Series XL,1) New York 1954, S. 34, Fig. 5).
93
In die eine Gottesgestalt des “Vereinigten” gehen nicht nur Re und Osiris,
Ba und Körper ein, sondern die ganze Gestaltenfülle des nächtlichen Sonnen-
gottes, die zugleich in den 76 Götterfiguren der Sonnenlitanei auseinander-
gefächert wird?!. Ich habe selber vor Jahren den Fehler gemacht, hier eine
Vorstufe für den solaren Monotheismus Echnatons zu sehen, da der Dichter
der Sonnenlitanei auf den ersten Blick “alle bedeutenden Gottheiten Ägyp:
tens als Erscheinungsformen des einen Sonnengottes Re begreift”? ; bei ge-
nauerer Analyse zeigt sich, dass nur ein Ausschnitt aus der göttlichen Fülle
des Sonnengottes gemeint ist — der nächtlich-unterweltliche Sonnengott in
seinen Funktionen und Eigenschaften, an dem zugleich auch Osiris Anteil
hat, nicht aber Amun.
Hier wird deutlich, wie differenziert der traditionelle ägyptische Glaube im
Gegensatz zu Echnaton das Gottesproblem sieht. Er erkennt in den Struk-
turen der Welt bestimmte Götter — aber diese Strukturen können sich über-
schneiden, so dass in einem Phänomen mehrere Gottheiten anwesend sind;
sie können sich bei genauem Hinsehen auch in Teilaspekte desselben Gottes
aufspalten, und auch diese Teilaspekte können miteinander verbunden wer-
den, in unzähligen Möglichkeiten der Kombination. Hier drängt sich gerade-
zu ein Vergleich mit dem periodischen System der Elemente auf, und auf
dieser Vergleichsebene liesse sich das, was Echnaton erstrebte, als ein Ver-
such kennzeichnen, alle Elemente des periodischen Systems mit allen ihren
Isotopen auf ein einziges zu reduzieren und damit Chemie in Alchemie zu
verwandeln.
Dieser Versuch war in Ägypten zum Scheitern verurteilt, und doch bedeutet
die Revolution Echnatons nicht eine Episode, sondern einen tiefen Ein-
schnitt in der ägyptischen Geschichte, der vieles auf Dauer verändert hat.
Nicht nur im politischen Leben, in Sprache, Kunst und Ikonographie wir-
94
ken die Neuerungen weiter, auch im Gottesglauben lassen sich die Auswir-
kungen der Amarnazeit spüren. Der Aton verschwindet zwar schon mit
Tutanchamun und Haremhab aus dem Pantheon, aber die Rolle der Son-
nenscheibe, die z.B. in den jüngeren Unterweltsbüchern an die Stelle der
Sonnenbarke tritt?” , wirkt doch wie ein Nachklang seiner Verehrung.
Für unsere Fragestellung ist eine andere Auswirkung besonders wichtig.
Amun-Re hat niemals wieder die überragende Bedeutung zurückerlangt,
die er vor Echnaton besass, so wie sein Hauptkultort Theben niemals wieder
Königsresidenz geworden ist. Die Spitze des Pantheons wird in Zukunft
“kollegial”” durch drei Götter besetzt — Amun, Re und Ptah, zu denen noch
Osiris oder Seth als vierter tritt, dazu ein Kreis von begleitenden Göttinnen
oder Göttersöhnen. Die Spannung zwischen der Einheit des Anfangs und der
Vielheit der Entfaltung wird neu aufgebaut und findet jetzt in der Formel
“Der Eine, der sich zu Millionen macht” prägnanten Ausdruck”. Ansätze zu
einem ägyptischen Monotheismus hat es nach dem gescheiterten Versuch
Echnatons bis zur Übernahme des Christentums nicht mehr gegeben.
Auch auf der Ebene der Mittler zwischen Menschen und Göttern Konnte
sich die Verabsolutierung der einen Möglichkeit nicht halten. Das Königtum
hat trotz aller Anstrengung der frühen Ramessiden seine einstige Stellung
und religiöse Bedeutung nicht wieder erreicht, und der Vielheit der Götter
entspricht wieder die Vielheit der möglichen Mittler. Die königlichen Hand-
werker von Deir el-Medine setzen ihr Heil nicht auf Pharao, ihren unzuver-
lässigen Brotgeber, sondern vertrauen auf andere Instanzen — auf die “gros-
sen” Götter wie Amun und Ptah direkt, oder auf die vielen Mittler, die jetzt
wieder bereitstehen. Dazu gehören lokale Gottesformen, vergöttlichte Köni-
ge oder Königinnen, und in der Spätzeit gewinnen neben den ee Tie-
ren die berühmten Weisen der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung?®
Darüber, wie die Revolution Echnatons auf die damalige Umwelt An
gewirkt hat, kann der Ägyptologe eigentlich keine Aussage machen, da ägyp-
tische Quellen dafür fehlen. Aber er kann darauf hinweisen, dass zur Zeit
Echnatons und noch für weitere zwei Jahrhunderte nach ihm überall in Pa-
96
Verzeichnis der in den Anmerkungen nur mit Kurztiteln zitierten Literatur
ASSMANN J., Ägyptische Hymnen und Gebete (Die Bibliothek der alten Welt), Zürich/
München 1975
HELCK W. / OTTO E. / WESTENDORF W. (Hrsg.), Lexikon der Ägyptologie, Wies-
baden 1972ff.
HORNUNG E., Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt
1971, 2. Aufl. 1973.
— Meisterwerke altägyptischer Dichtung (Lebendige Antike), Zürich/München 1978
MORENZ S., Die Heraufkunft des transzendenten Gottes in Ägypten (Sitzungsberichte
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Abtei-
lung 109/2), Berlin 1964
SANDMAN M., Texts from the Time of Akhenaten (Bibliotheca aegyptiaca 8), Bruxel-
les 1938
97
ner Be 6 PYWE „2 5, SEZura u 255
N Pa Sn u A
+ R-"3 R' ‚ P
EEE ER rn
An > - rn Du
Isis Pz
een
P + u ’ mh
7 ze
“ - “ :
ee ya ui BR ey 2 2 => u
A pie nn EB NE 2
R-x
7oe
5
2 a
f
. u
j ze
Eh
- ne;
Ber
$
R.'
a en re a, Ba I h
Gott und die Götter in den Anfängen der biblischen Religion
Zur Vorgeschichte des Monotheismus
100
einer Mehrzahl von Motiven hervor, der Multikausalität aller geistigen Er-
scheinungen entsprechend. Auch die aus der Orientierung an einer einzigen
Gottheit am Ende resultierende ‘monotheistische’ Überzeugung, dass es nur
einen einzigen Gott geben könne oder gibt, ist das Produkt einer Faktoren-
vielfalt, aus der im folgenden drei vor- bzw. frühgeschichtliche Motive näher
beschrieben werden sollen.
Ihre altertümlichste Gestalt hat die für die Entstehung der Religion Israels
relevante Orientierung an einem Gott in den Urgeschichtserzählungen des
Jahwisten gefunden. Die literarische Gattung eines frühkulturellen Mythos
kristallisiert sich hier auf eigentümliche, bisher kaum beachtete Weise an
einem einzigen göttlichen Handlungsträger, ohne dass dadurch die für das
Mythische bezeichnende Dynamik und Dramatik wesentliche Einbussen er-
litte. Um darüber zur Klarheit zu gelangen, bedarf es freilich der Definition,
was (1.) unter Mythos, speziell unter Mythen der Frühkulturen zu verstehen
ist; erst dann kann (2.) an Gen 2,4b-3,24 als Paradigma der jahwistischen
Erzählungen von Gen 2-11* gezeigt werden, wie deren Herkunft aus den
einfachen Gesellschaftverhältnissen und der spannungsarmen Weltvorstellung
von ursprünglichen Wüstenbewohnern eine spezifische Form der Mythik her-
vorgebracht hat, die als frühkulturell zu bestimmen ist.
e
1. Wird Mythos als literarische Gattung definiert, so ist dabei an mündlich
immer nur zu er-
Literatur zu denken, wie sie aus späteren Verschriftungen
g
schliessen ist. Die formgeschichtlichen Merkmale der mythischen Erzählun
Handlung sbe-
liegen dabei a) bei der Art ihres Handlungsträgers, b) ihres
ang
reichs und c) bei der Funktion, die der Mythos für den Wirklichkeitsumg
seiner Tradenten hat.
schon H.
a) Was den Handlungsträger des Mythos anbetrifft, so hat ihn
Personen Men-
GUNKEL “im Unterschied von den Sagen, deren handelnde
weiter, wel-
schen sind”, als “Göttergeschichte” definiert?. Fragen wir aber
en, von
che Elemente im Sinne des Mythos die Figur des Gottes ausmach
Beschrei-
dem eine Göttergeschichte erzählt werden kann, so ergibt sich die
und der
bung der Mythen als Erzählungen von den Willensverwirklichungen
101
Schicksalbetroffenheit namentlich genannter numinoser Gestalten’, die im
Verhältnis zueinander oder im Verhältnis zum Menschen eine Geschichte
haben. Die göttliche Schicksalbetroffenheit setzt dabei voraus, dass die Gott-
heit als Handlungsträger ihrem Handlungsraum nicht immer mit voller Sou-
veränität gegenübersteht, ein Umstand, der dem Mythos gelegentlich hu-
moristisch-ironische Züge entlockt. B
Freilich ist damit nur erst ein grösserer Rahmen abgesteckt. Schon F. HEI-
LER rechnete damit, dass “die Mythen der primitiven Religionswelt .... in
den antiken Religionen erweitert und dichterisch und theologisch gestaltet
worden sind”*; sachlich ist damit freilich nur das Verhältnis von mündli-
chem und literarischem Mythos beschrieben und auf den Gegensatz von
primitivem und hochkulturellem Mythos übertragen worden’. Weiter führt
darum m.E. eine Differenzierung, die C. WESTERMANN beiläufig in seinen
Genesis-Kommentar eingebracht hat; sie fragt nach der Zahl der göttlichen
Handlungsträger und der Art ihrer Handlungspartner. Danach ist “zu unter-
scheiden zwischen den Mythen der Hochkulturen, für die charakteristisch ist
ein dramatisches Geschehen zwischen mehreren Göttern mit den beiden
Hauptthemen Kampf und Liebe und den Mythen’ der Frühkulturen, in
denen gewöhnlich nur ein Gott oder überirdisches Wesen handelt, der andere
Partner des Geschehens aber Menschen sind’.
b) Der Handlungsbereich des Mythos ist in beiden Fällen die Urzeit, d.h.
eine Zeit, die im Verhältnis zur Gegenwart, ihren Instanzen und wiederkeh-
renden Vorgängen, etwas Stiftendes und Normatives hat. Der Mythos han-
delt nämlich von den Ursprüngen der Gegenwartswelt: er führt sie auf Taten
und Schicksale von Gott bzw. von Göttern und Menschen zurück, welche
sich in der Urzeit, in illo tempore”, abgespielt haben.
3 Zur Funktion der Gestalt Gottes, seines Namens, Willens und Schicksals in
der my-
thischen Erzählung, vgl. H.-P. MÜLLER, Jenseits der Entmythologisierung 16-34.
4 Erscheinungsformen 286.
5 Wenige Seiten vorher nämlich unterscheidet HEILER “die volkstümli
chen Mythen
. .. von den literarisch-theologischen, durch Priester bearbeiteten Mythen”
(283).
6 Genesis II, 45.
7 Mit dieser Formel wird der Handlungsbereich der mythischen Erzählung
häufig von
M. ELIADE bezeichnet, etwa in: Die Religionen und das Heilige 470/1:
“Mythisch
ist nicht nur alles, was man von Ereignissen und Personen in illo
tempore erzählt,
sondern auch alles, was einen direkten oder mittelbaren Bezug auf
diese primorda-
102
c) Die Funktion der mythischen Erzählung ist es dann ursprünglich, zum
Bestehen und zum Bestehenbleiben der durch die Göttergeschichte gestifte-
ten und normierten Gegebenheiten beizutragen. Zwar ist ein Sitz-im-Leben
der Gattung Mythos und deren soziokultureller Ursprung nicht pauschal an-
gebbar; insbesondere die Schöpfungserzählungen des Alten Vorderen Orients
scheinen sich schon in sehr frühen Stadien von den mit ihnen verbundenen
Begehungen gelöst zu haben, um bei verschiedenen Gelegenheiten Verwen-
dung zu finden. Häufig aber sind anthropogonische und kosmogonische My-
thenmotive im Alten Orient wie in vielen primitiven Kulturen mit initiato-
rischen Vorgängen des menschlichen Lebens wie Geburten? oder Heilun-
gen, mit restitutiven Vorgängen des Gemeinschaftslebens wie dem jährli-
chen Akitu-Fest!® oder der gelegentlichen Wiederherstellung von Tempeln'"
verbunden worden. Das Erzählen eines Mythos ist also selbst ein rituelles
Umgehen mit der Wirklichkeit”, bei dem der Mensch, berechenbarer wie er
ende Rückkehr zu
len Ereignisse und Personen hat”. Erzählungen, die die entsprech
, sollte
einer prototypischen Urzeit ohne Bezug auf ‘Göttergeschichten’ vollführen
bezeichnen. —
man allerdings nur mit Vorbehalt oder besser gar nicht als Mythen
Formeln ug-ri-a
Eine geradezu exakte Entsprechung zu “in illo tempore’ bieten die
gig-ri-a “in jener Nacht” und mu-ri-a “in jenem Jahre” in mythi-
“an jenem Tage”,
bei J. VAN DIJK, AOH 28 (1964/5) 16ff.
schen Erzählungen aus Sumer; Beispiele
34, vgl. R.D. BIGGS, JCS 20 (1966) 81.
er grundsätzlich für die
8 So vermutet K. HECKER (Untersuchungen 14£.), obwohl
n des Atramhasis
Priorität des Mythos gegenüber den Riten eintritt, dass die Rezitatio
in der zweiten Hälfte der altbabylonischen
wegen der Erschaffung des Menschen
I als Beschwör ung bei schwerer Geburt gedient habe. — Von besonderem In-
Tafel
(vgl. jetzt W.G. LAMBERT/
teresse ist dabei auch der Hinweis (15' ), dassnach K 761
Mangel an Regen
A.R. MILLARD, Atra-Hasis 27f.) Tafel II 2, 11-13.16.19 gegen
rituelle Verwendung fand.
Beispiel ist die Beschwörung gegen Zahnweh CT
9 Das bekannteste babylonische
XVII, 50 (vgl. HKL 1,547; 2,290); auch M. ELIADE, Paideuma 6 (1956) 194—
204.
Akitu-Fest findet sich bei F. THUREAU-DANGIN, Rituels acca-
10 Das Ritual zum
diens 127-154 (vgl. HKL 1, 567; 2,297).
11 Beispiel wieder bei THUREAU-DANGIN, aaO 44-59, besonders 46/7, Z. 23, wo-
nach der Schöpfungsmythos Z. 24ff. zitiert werden soll.
ist zugleich deutlich, dass
12 Stellt der Vorgang des Erzählens selbst einen Ritus dar, so
des Mythos — besonders in den Frühkulturen — nicht auf den
sich die Funktion
ist nicht primär Ätio-
Kult im engeren Sinne begrenzen lässt: das rituelle Erzählen
kann es selbst von
logie oder blosses verbales Begleitspiel anderer Riten; natürlich
anderen Riten begleitet werden.
103
im Vergleich mit der Natur nun einmal zu sein scheint, seine eigene Stabili-
tät auf die aussermenschliche Welt überträgt"?.
2. Angesichts der Kennzeichnung eines frühkulturellen Mythos durch C.
WESTERMANN ist es dann freilich inkonsequent, wenn derselbe Autor die
Urzeiterzählungen des Alten Testaments nicht zu den Mythen im strengen
Sinne rechnen will!*. Vielmehr gehört ein Grossteil der jahwistischen Erzäh-
lungen von Gen 2-11* eben in den Bereich des Mythos der Frühkulturen;
V. MAAG nämlich hat die Erzählung von der Erschaffung Evas, ja die ge-
samte “Paradiesvorstellung” von Gen 2,4bff. auf einen “Ursprung in der
Pflanzerkultur der Oase” zurückgeführt!°. Mit einer Herkunft aus dem Le-
bensraum von Wüstenbewohnern!® ist auch noch für einige andere ‘Erzäh-
lungen von Schuld und Strafe’ in Gen 2-11* zu rechnen!”. Im folgenden
13 Tatsächlich liegt für den Primitiven, wie F. NIETZSCHE schon treffend formuliert
hat, das ungefähr Sichere, Berechenbare allein beim Menschen: “Der Mensch ist die
Regel, die Natur die Regellosigkeit”. Die Träger ursprungnaher Religionsformen
sind ja noch aufs stärkste durch Gesetz und Herkommen, durch die umfassende Ri-
tualisierung ihres Daseins geprägt; demgegenüber erscheint die Natur als “das Reich
der Freiheit, der Willkür, der höheren Macht”. So geht das Nachdenken des frühen
Menschen — wie im tiefsten wohl immer auch noch das unsere — dahin, der Natur
ein Gesetz aufzuerlegen, das dem eigenen Wesen entspricht (Menschliches — Allzu-
menschliches, in: Werke in 3 Bd. 1 [1966] 522).
14 aaO. (vgl. Anm. 6). — Da auch die Mythen der Frühkulturen die Gottheit, was
ihr
Verhältnis zu den Menschen und deren Welt anbetrifft, in eine schicksalbeladene
Dramatik von stiftender und normativer Kraft verwickeln, muss von ‘Mythen’
der
Frühkulturen durchaus nicht im einschränkenden Sinn die Rede sein. Der gleiche
Einwurf gilt, wenn WESTERMANN (Genesis I, 335) im Blick auf Texte wie
Gen 2
(f.) sagt, dass es “nicht ohne weiteres möglich” sei, sie “als einen Mythos
zu be-
zeichnen”; der Vergleich von Gen 3 mit Hes 28,11 —19, an welchem Text
WESTER-
MANN mit G. FOHRER deutlich babylonische Züge wahrnimmt, schlägt
gerade
fehl, wenn man doch frühkulturelle von hochkulturellen Mythen
unterscheiden
muss. Tatsächlich vermag ja auch WESTERMANN die jahwistischen Erzählungen
von Schuld und Strafe’ innerhalb Gen 2-11* zu den “Urstandsmythen in Afrika
und in vielen anderen primitiven Kulturen” in ein Verhältnis der Entsprechung
, ja
der strukturellen Übereinstimmung zu bringen (Genesis I, 75).
15 AsSt 9 (1955) 23,
16 Zum Verhältnis von Oasengärtnern und Nomaden vgl. die Beobachtu
ng J. HENNIN-
GERS, die sich freilich auf gegenwärtige Verhältnisse bezieht:“Les nomades
vivent
souvent en symbiose avec une ou plusieurs oasis qui sont aussi leurs
centres reli-
gieux .. . Ce que nous savons sur les culies de l’Arabie
preislamique concerne sur-
tout les cultes des oasis auxquelles les Bedouins venaient en pelerins
en s’associant
aux pratiques religieuses des sedentaires’”’; Studi semitici II (1959) 120£.
17 Zum Begriff ‘Erzählung von Schuld und Strafe’ vgl. C. WESTERMANN, Genesis
I,
66-77.
104
soll nun für Gen 2,4b--3,24 paradigmatisch a) der Lebensraum aufgewiesen
werden, dem die meisten jahwistischen Erzählungen in Gen 2—11* entstam-
men; sodann soll b) ihr Charakter als frühkultureller Mythos dargestellt
werden. Ziel dieses Teils der Untersuchung ist es endlich, c) die für diese Ge-
schichten, ihre Gesellschaftsverhältnisse und Weltvorstellungen charakteri-
stische Form der Orientierung an einer einzigen Gottheit herauszuarbeiten.
a) Landschaft und Atmosphäre von Gen 2,4b-3,24 sind tatsächlich die der
Wüste mit einer Oase'®.
Der der Schöpfung vorangehende Urzustand wird in 2,5f. als der einer vege-
tations- und wasserlosen, dazu menschenleeren Öde bezeichnet, eben der
Wüste, in der — noch ohne das Zutun Gottes — eine Quelle entspringt. Was
immer das wohl gewollt rätselhafte ed (V. 6) für sich genommen besagt, die
Parallele von weöd ja@ ld min-häaräs (6 a) mit w@nahar jöse me edän (10'°)
interpretiert &d als die Bezeichnung einer starken Quelle?® bzw. des durch
sie gespeisten Stromes: “LH (6 a) meint also das Aufsteigen der Quelle, die
danach die Erde “tränkt” (6 b?'). In diese Weltvorstellung passt die Erschaf-
fung des Menschen aus dem Staub, der überall auf der “%damä “Erde” liegt
(7), — ganz im Gegensatz zu dem vom Abzu abgekniffenen Ton, aus dem
nach sumerischen bzw. akkadischen Texten eine Göttin den Menschen
formt??. JHWH "@1öhim pflanzt darauf einen Baumgarten an, dessen essbare
Früchte den Menschen ernähren sollen (8.9a?”), wofür dieser ihn nicht nur
als Oasengärtner zu bearbeiten, sondern auch zu bewachen hat (15b);
unter den fruchttragenden Bäumen war nach 3,7 auch der Feigenbaum. —
Da die Erzählung in der vorliegenden Form aus palästinensischer Sicht
dargeboten ist, wird der Oasengarten “im Osten” (miggädäm 2,8) lokalisiert;
105
von dort offenbar stammt die Geschichte her”*. @dän, nach V. 8 die Land-
schaft, in der der Garten scheinbar genauer zu lokalisieren ist, nach V. 15
(3,23f.) aber sein eigener Name, meint im Zusammenhang mit dem unbe-
stimmten gädäm dagegen doch nur ein fernes Wunderland, wie es auch das
Märchen im Überall und Nirgends belässt; ursprünglich wie @dän 2Kön 19,12
u.ö. oder bet ädän Am 1,5 mit bit Adini, der Landschaft am oberen Lauf
des Euphrat, identisch, hätte @dän II durch seinen Gleichklang (oder An-
klang) mit &dän I “Wonne” seine topographische Denotation eingebüsst””.
Die Erzählung vom verbotenen Baum (Gen 3) setzt die Anthropogonie von
Gen 2,4b--9a.15bß.18-24 (= Gen 2*)”° zwar voraus, entwickelt aus ihr aber
ein Gegenmodell, in dem die Einzelelemente von Gen 2* z.T. andere Funk-
tionen annehmen und Wandlungen erfahren.
Das Ambiente von Gen 2* ist eigenständig weitergestaltet. Der Garten, nach
2,8.9a noch für die Versorgung des Menschen gepflanzt, wird in 3,8 zum
Gottesgarten?”, in dem JHWH "älöhim sich lerü@h hajjöm “im Morgenwind
(?)”?® ergeht, um dabei die nächtliche Übertretung der Menschen?” wahr-
24 Bestätigt sich also die Vermutung MAAGS vom Ursprung der bezeichneten Erzähl-
elemente, die freilich nicht sogleich einer “Paradiesvorstellung” subsumiert wer-
den müssen, in einer Oasenkultur, so bleibt allerdings unverständlich, warum MAAG
dann hinter der Schöpfung Adams Gen 2,7f.15 und Evas V. 18-24 sowie in dem
Mythos, der das Material zu Gen 3 geliefert habe, kanaanäisches Gut sehen will;
so AsSt 9 (1955) 26, vgl. 18.27.
25 Nach 2,10 vollends scheint “edän sogar ausserhalb des Gartens zu liegen. Nach 3,24
sieht es so aus, als befände sich der “‘Garten Eden” im Westen, so dass die Cherubim
östlich von ihm lagern müssen, um den Menschen den Zutritt zu verwehren. Wieder
eine andere Vorstellung läge 4,16 vor, wenn die Lokalisierungen überhaupt topogra-
phisch zu verstehen wären.
26 Zur Abgrenzung der Anthropogonie vgl. Anm. 23.
27 H. GUNKEL (Genesis 7) bemerkt mit Recht, dass in 3,8 für Jahwe die Rolle eines
genius loci im Garten vorausgesetzt wird; dort weitere alttestamentliche Belege zur
Vorstellung vom Gottesgarten.
28 Zum Ausdruck vgl. “ad säjjapü@h hajjom “bis der Tag(eswind) weht” Cant. 2,17;
4,6, wobei an die Stunde gedacht ist, da sich die Liebenden trennen; vgl. H. GUN-
KEL, Genesis 19.
29 Dass die Vorstellung von der Übertretung des Menschen mehrfach sexuelle Konno-
tationen habe, also am Modell der ersten ““Versündigung” des Adoleszierenden dar-
gestellt wird, ist mehrfach beobachtet worden (H. GUNKEL, R. GORDIS u.a.).
Der Verlust der sexuellen “Unschuld” wird im Laufe der Überlieferungs- und Inter-
pretationsgeschichte der Erzählung zur Metapher für immer wieder andere Muster
menschlichen Schuldverhaltens; die Erzählung und ihre tragenden Begriffe unterlie-
gen insoweit einer Polysemie.
106
zunehmen. Der “Garten in Eden” bzw. “Garten Eden” erinnert nun an
einen heiligen Hain, etwa an ein sakrales hima, wie es die Araber kennen.
Dieses ist nicht nur durch Wasserreichtum und auffällige Vegetation ausge-
zeichnet”, sondern enthält auch tabuisierte Bäume, wie sie in 2,9b.16f.
nachgetragen werden (vgl. 3,3)” ;auch die Schlange würde in diese Umge-
bung passen”. Mit anderen Worten: nun erst wird die Oase, die ihren Gärt-
ner nährte, zu einem “Paradies”, aus dem der Mensch vertrieben werden
kann, ohne dass Gott für seine Versorgung anderweitige Vorkehrungen
treffen müsste (3,23).
Dem Wandel der Erzählung scheint eine Veränderung in den Lebensverhält-
nissen ihrer Träger zu entsprechen: der Oasengärtner im Wüstenbereich wird
zum Bauern des palästinensischen Berglands. Die Flüche nämlich, mit denen
Gott Gen 3,16—19 die Menschen straft”® ‚ verhalten sich zu deren Vertreibung
(V. 23£.) z.T. korrelativ: der verfluchte Acker ist die "*dämä ausserhalb der
zum Gottesgarten erhobenen Oase, aus der der Mensch verjagt wird. Auf
dem steinigen Boden Palästinas aber wird die Arbeit des Bauern durch das
ständige Emporschiessen von “Dorn und Distel” erschwert (18a). Statt von
paradiesischen Oasenfrüchten nährt er sich vom “Kraut des Feldes” und
Brot — beides “mit Schmerz”, wie ihn auch die Frau bei der Schwanger-
schaft durchleidet (17b.18b.19aa). Die Herkunft vom “Staub”, in 2,7 noch
eine natürliche Milieubedingtheit, erhält jetzt etwas Demütigendes: sie
dient 3,19 als Todesätiologie”. — Schliesslich scheinen noch zwei kleine
30 Zum Wasserreichtum und zur Vegetation eines hima vgl. J. WELLHAUSEN, Reste
51.105; M. HÖFNER, WdM 1,447.
31 Zum Zusammenhang des himä mit dem Baumkult vgl. A. GROHMANN, Arabien 82.
32 J. WELLHAUSEN (Reste 108f.) erinnert in diesem Zusammenhang an die folgende
Episode: “Der Quraischit Harb b. Umaija und der Sulaimit Mirdäs verbrannten den
von Menschen bis dahin unberührten Wald von alQuraija, um das Land urbar zu
machen; wimmernd und wehklagend flogen weisse Schlangen aus dem Brande.”
33 Die Flüche 3,15-19 setzen ein Konvergenzverhältnis zwischen Schuld und Strafe
voraus, wenn damit auch die Fülle der eingeflochtenen Ätiologien nicht ganz abge-
deckt ist. Immerhin wird “Feindschaft” zwischen der Schlange und der Frau bewirkt
(15), weil die Schlange die Frau verführt hat; die Unterwerfung der Frau gegenüber
dem Mann (16) ist in der entsprechenden Verführung durch die Frau begründet. Das
Essen von “Kraut des Feldes” und Brot “mit Schmerz” und “im Schweiss des Ange-
sichts” wird dem Mann auferlegt (17-19), weil er von dem verbotenen Baum eben
auch gegessen hat.
34 In diesem Sinn wird das Motiv später auch in der Weisheitsliteratur gebraucht:
Ijob 4,19f. bringt den Ton als Material und den Staub als Fundament des menschli-
chen “Hauses”, seines Leibes nämlich, mit der Vergänglichkeit von dessen Bewoh-
107
Züge von einem Wandel der Lebensformen her verständlich. Während
hinter 2,24 eine Erinnerung an matriarchalische Sozialverhältnisse durch-
schimmert?”° — der Bräutigam geht in die Familie der Frau ein wie Jakob in
den Clan des Laban und vor allem Simson anlässlich seiner sadiga-Ehe?® mit
Delila —, bringt der Regenfeldbau die volle Herrschaft des Mannes (3,16).
Der aber hat auch noch einen anderen Vorteil: er braucht den Boden nur
noch zu bearbeiten (3,24), nicht mehr zu bewachen, d.h. zu verteidigen
(2,15b).
Die Übersiedlung aus den fruchtbaren Oasen des Ostens in das vergleichs-
weise unergiebige Ackerland Palästinas aber geschieht offenbar unter dem
Zwang übermächtiger Verhältnisse?’. Aus dieser Perspektive ist dann wohl
auch Gen 2* übermalt worden: wegen der Unfreiwilligkeit des Ortswech-
sels?® erscheint das Zurückgelassene in einem rosigen Licht; so wird die Oase
zum Gottesgarten mit Wunderbäumen (2,9b.16f.), ja zum verlorenen Para-
dies (Kap. 3).
Von besonderem Interesse ist es, dass auch noch spätere Überlieferungen eine Land-
schaft wie die von Gen 2(f.) als Oase zu erkennen scheinen. Einer der Bileamsprüche fi-
xiert Jahwe auf die Rolle, kostbare Bäume in den Gärten einer Flussoase (gannöt “@Je
ner in einen Folgezusammenhang vgl. Ps 90,3; Koh 3,20; 12,7. Dagegen scheint Ijob
10,9 noch vorauszusetzen, dass die Formung des Menschen “wie Ton’ etwas Günsti-
geres erwarten lässt als die Rückkehr “zum Staub”.
35 So zuerst R. SMITH, Kinship and Marriage in Ancient Arabia 176; zitiert bei H.
GUNKEL, Genesis 13.
36 Die Lebensverhältnisse Jakobs erinnern an die assyrische erebu-Ehe. Die sadiga-
Ehe der Araber setzt dagegen kein ständiges Zusammenwohnen der Partner voraus
(R. DE VAUX, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen I, 60).
37 Vgl. dazu immer noch A. MENES, ZAW 43 (1925) 33-62, der u.a. einer Anregung
von E. ALBERT, ZAW 33 (1913) 1-19, folgt.
38 Erschwerend mochte etwa hinzukommen, dass kanaanäische Stadtkönige Neuan-
siedlern das Wohnrecht oft nur gegen die Übernahme von Arbeitsverpflichtungen
zugestanden; diese akkadisch ilku genannten Leistungen sind u.a. aus Alalach, Mari
(selten) und Nuzi belegt, während in Ugarit der gleiche Vorgang als pilku (anders
M. DIETRICH / O. LORETZ, UF 4 [1972] 165f.) bezeichnet wurde. Zur Veran-
schaulichung der gleichen Verhältnisse in Palästina steht für die Städte Sunem, Japu
und Nuribda ein Amarnabrief aus der Zeit um 1360 zur Verfügung, der den akkadi-
schen Terminus massu “Dienstverpflichteter” verwendet (A.F. RAINEY, EI Amar-
na Tablets 359-379; vgl. A. ALT, Kleine Schriften III, 169ff.). Anspielungen auf
die betreffende Abhängigkeit der israelitischen Stämme Sebulon und Issachar bzw.
Dan und Asser finden sich Gen 49,13-15 bzw. Ri 5,17; der Name Issachar lässt
sich als ”i$ sakar “Lohnarbeiter” erklären; vgl. S. HERRMANN, Geschichte Israels
128f., und mit weiterreichenden sozialgeschichtlichen Folgerungen A.H.J. GUNNE-
WEG, Geschichte Israels 34f. 38f.
108
nähär) zu pflanzen (Num 24,6°°). Noch Jes 51,3 stellt midbar “Steppe” und “@raba
“Wüste” oppositiv zu ganJHWH “Jahwe-Garten” und Eden, setzt also voraus, dass
das als Jahwe-Garten aufgefasste &dän sich von der Öde einer Wüste abhebt. Umgekehrt
wird nach Joel 2,3 ein Land, das vorher wie der gan-edän “Eden-Garten” war, durch
Jahwes Gerichtstag zur midbar semämä ““öden Steppe” (vgl. auch Gen 13,10): die Oase
verwandelt sich in Wüste zurück®.
39 Hier liesse sich für die Flussoase sogar an bit Adini denken; der nahar wäre wie Gen
31, 21; 36, 37 der Euphrat.
40 Auf Gen 13,10; Jes 51,3; Jo 2,3 macht auch H. GUNKEL (Genesis 7) aufmerksam.
41 Genesis I, 63.
42 Auch C. WESTERMANN (Genesis I, 304) sieht einen Zug des Urzeitlichen darin,
“dass Gott in Rufweite ist und daher die Anrede ‘du wirst nicht essen’ unmittelbar,
mündlich und direkt ist”.
109
nis zu essen (2,17a), soll allein die Grenze zwischen JHWH ‘4jöhim und dem
Menschen aufrichten: die Begründung in 17b will nicht etwa besagen, dass
der Mensch vor unabsichtlichem Schaden in Schutz genommen werden müss-
te*?, wie es die Frau, indem sie arglos oder mit grossmütigem Selbstbetrug
den Gott in Schutz nimmt, hinterher gegenüber der Schlange darzustellen
versucht (3,3). Die Begründung ist vielmehr lediglich eine Sanktion, die den
Menschen vor dem, was Gott sich selbst vorbehalten hat, zurückschrecken
soll. Die Schlange aber ist — als das der Sprache mächtige, auch im Vergleich
zum törichten Menschen klügere Tier** — dem Wissen, zumindest den Wor-
ten der Frau® überlegen: sie durchschaut Gottes heimlichen Egoismus und
enthüllt dem Menschen dessen Befürchtungen. So ist sie zwar nicht Gottes
Gegenspieler in einem dualistischen System; sie hat nichts Dämonisches.
Wohl aber eröffnet sie einen seltsam unwillentlichen Konflikt, in den nun
der Mensch mit dem Gotte gerät: durch sie wird er nämlich zu dessen Kon-
fliktpartner in einer mythischen Erzählung. Natürlich will Adam “das Gute
und Böse wissen”: der Baum als magische Pflanze, die übernatürliche Mög-
lichkeiten erschliesst, steht dabei zunächst pars pro toto für die Vielzahl der
Zaubermittel, mit deren Hilfe der Magier die Grenze zur Gottheit überschrei-
tet“. röb warä‘, die heilsamen und die schädlichen Kräfte, über die der
Zauberer verfügt, entspricht dem “Bitteren und Süssen”, das nach 1. Hen
69,9 Penemue, einer der gefallenen Engel von Gen 6,1—4, dem Menschen
gezeigt hat und womit er “ihnen alle Geheimnisse ihrer (scil. magischen)
Weisheit kundgetan hat”*’. Eine magisch-mantische “Weisheit” ist es denn
auch, durch die sich der göttergleiche Urmensch von Ez 28,3 mehr als der
43 Gegen WESTERMANN (Genesis I, 303), wonach das “Verbot den Menschen vor
dem Tode bewahren soll”; aber auch WESTERMANN betont, dass das Gebot “nicht
einsichtig zu sein braucht” (304), und spricht sodann von einer Todesstrafe “bei
Übertreten des Gebotes” (305), wobei er auf das formelhafte möt tamüt verweist
(306).
44 Die Schlange ist als solche eine Märchenfigur; vgl. H. GUNKEL, Genesis, 15; C.
WESTERMANN, Genesis I, 324.
45 Aus der Bezeichnung des Baums als “Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen”
in dem Verbot 2,17 lässt sich, was die Schlange 3,4f. verrät, ja schon halbwegs ent-
nehmen.
46 Vgl. J. WELLHAUSEN, Prolegomena 307', und die etwas einlässigeren Erörterun-
gen des Verfassers in: ZThK 69 (1972) 282£.
47 Zum Begriff der magischen Weisheit vgl. H.-P. MÜLLER, ThWAT II, 935-937.
110
sagenhafte Daniel auszeichnet”. — Lag also eine ältere Bedeutung des Wis-
sens um Gut und Böse im Bereich des Magischen, so war das Motiv doch
weitgehend sublimierbar: der Gedanke an Magie und Hexerei führte metony-
misch auf die viel weiter greifende menschliche Sehnsucht, “das Geheimnis
der Dinge, das Geheimnis der Welt zu ergründen, Gott gleichsam in die Kar-
ten zu gucken, wie er es bei seinem lebendigen Wirken anfängt, um es ihm
etwa abzusehen und nachzumachen””®.
Adam ist freilich in seine Elohimhaftigkeit eher hineingetorkelt, als dass er
sie sich regelrecht gestohlen (Phil 2,6) oder gar in einem Akt hybriden Him-
melssturmes erstritten hätte. Allenfalls könnte man an Eva, deren Name als
der einer punischen Unterweltsgöttin wiederkehrt°” , so etwas wie eine gött-
liche Gegenspielerin sehen°! .Dennoch fühlt sich JHWH ’@Iöhim von nun an
durch beide Menschen bedroht: die Äusserung göttlicher Angst Gen 3,22
zeigt, auch wenn der Vers sein Entstehen erst nachträglicher Verknüpfung
divergierender Motive aus mündlicher Überlieferung verdankt, dass man die
Enthüllung der Hintergedanken Gottes durch die Schlange (V. 4£.) nicht ein-
fach als erlogen ansah; auch andere der jahwistischen ‘Erzählungen von
Schuld und Strafe’ kennen die göttliche Angst (6,3; 11,6).
So entsteht zwischen JHWH ’@löhim und den von der Schlange ‘aufgeklärten’
Menschen dennoch ein echter Konflikt, der sich denjenigen der Götter unter-
einander in den hochkulturellen Mythen durchaus an die Seite stellen lässt.
Dabei aber handelt es sich gleichsam nur um die Oberfläche der Handlung;
im Hintergrund ist es ein Konflikt in Gott: JHWH "löhim, der ja doch aus
Gen 2* als der Menschenschöpfer bekannt ist, begibt sich in einen Wider-
spruch zu sich selbst, wenn er seinem Geschöpf die Erkenntnis verwehrt und
angesichts ihres Gewinns von Ängsten ergriffen wird°”. Der Gegensatz von
Willensverwirklichung und Schicksalbetroffenheit, der im polytheistischen
Mythos den Konfliktstoff verschiedener Götter ausmacht, ist in einen ein-
111
zigen agierenden Gott verlegt; hier letztlich finden wir den Grund dafür,
warum auch frühkulturelle Gottesgeschichten wie die vorliegende ‘Mythen’
genannt werden können.
c) Gen 2* und 3 verhalten sich dann zueinander wie Mythos und Anti-
mythos. — Ist unsere Herkunftsbestimmung für den anthropogonischen My-
thos Gen 2* auch nur in Grundzügen richtig, so ergibt sich daraus, dass das
Thema ‘Schöpfung’ nicht ausschliesslich aus kanaanäisch-polytheistischem
Milieu in die Jahwe-Religion aufgenommen worden ist’. Angesichts der
wachsenden Information über die Verbreitung des Jahwenamens schon in
vorisraelitischer Zeit“ ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass zumin-
dest eine Anthropogonie von der Art deren in Gen 2* — vielleicht im Gegen-
satz zu einer an EI orientierten Erdschöpfung”° — schon früh oder gar ur-
sprünglich mit dem Jahwenamen verknüpft war. — Als Antimythos°® steht
die Erzählung vom verbotenen Baum (ebenso wie die darauf folgenden ‘Er-
zählungen von Schuld und Strafe”) mit der Sintfluterzählung Gen 6--8* in
Konkurrenz. Während die Erzählung von der Menschenschöpfung wenig-
stens nach ihrer ursprünglichen Funktion zum Bestehen und zum Beste-
henbleiben des Menschen und seiner Welt beiträgt, bannen die ‘Erzählungen
von Schuld und Strafe’ und die Flutgeschichte je verschiedene Gegeben-
heiten und Mächte, die dieses Bestehen bedrohen. Zwar suchen die biblischen
Erzähler auch die Flut mit einer Schuld des Menschen zu begründen (6,5 J.
53 Natürlich ist nicht auszuschliessen, dass das Schöpfungsmotiv frühzeitig aus seden-
tären Kulturen in die Wüste abgewandert ist; die Orientierung der Anthropogonie an
einem Gott würde dann gegenüber älteren polytheistischen Anthropogonien “gesun-
kenes Kulturgut” darstellen, wie es W. CASKEL überhaupt für die Götter der No-
maden annehmen will (Studi semitici I, 104). Entsprechend ist der spätere "Elgönera“
von Palmyra offenbar kanaanäischen Ursprungs; M. HÖFNER, WdM 1, 435.
54 Vgl. zu der in ägyptischen Texten bezeugten Konsonantenfolge jhwx (jj-h-w; -w)
M. GÖRG, Biblische Notizen 1 (1976) 4-14; Kairos 18 (1976) 256-264, zum na-
batäischen Personennamen “bd ’hjw S. HERRMANN, Geschichte Israels 108, zu
“Jahwe” in nordwestsemitischer Konsonantenschrift und in Keilschrifttexten M.
WEIPPERT, Art. Jahwe, RLA V 3/4, 1977, 246-253.
Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen eines Gottesnamens Ja oder
Jau in Ebla, wie es G. PETTINATO (zuletzt in: Ebla 269) vermutet, doch sehr ge-
ring; dazu H.-P. MÜLLER, Gab es in Ebla einen Gottesnamen Ja? in der nächsten.
Nummer der ZA.
55 Vgl. neben Gen 14,18f.22 jetzt ’/Jqr’rs auf der Scherbe eines Vorratskrugs aus dem
Jerusalem des 7. Jh. v. Chr. (N. AVIGAD IEJ 22 [1972] 195f.), ”Iqn’rs KAI 26A
III 18; 129,1, palmyrenisch °Elgonera“(Anm. 53) und hethitisch (El) Kunirsa (E.
VON SCHULER, WdM I, 162f.).
56 Zum Begriff A. JOLLES, Einfache Formen 124f.
112
12 P). Beide Erklärungen aber verdecken nur mit Mühe, dass für eine Schuld,
die zur Sintflut führt, ein konkreter Erzählstoff, wie ihn die anderen ‘Erzäh-
lungen von Schuld und Strafe’ kennen, nun einmal nicht vorliegt; der alt-
babylonische Mythos von Atramhasis, zweifellos einer der Vorbilder auch
für die biblische Erzählung, begründet die Flut denn ja auch mit dem Lärm,
den die Menschen durch ihre Arbeit verursachen und womit sie den Schlaf
Enlils stören”. In der biblischen Flutgeschichte wird dann der Götterkon-
flikt des ursprünglich polytheistischen Mythos noch einmal zu einem Wi-
derspruch in Jahwe selbst: es reut ihn, den Menschen geschaffen zu haben
(6,6); am Ende aber wird eben derjenige Grund, der anfangs das Kommen
der Flut legitimierte, zum Motiv, sie nicht wiederkehren zu lassen (8,21).
Dennoch besteht zwischen der Bedrohung des menschlichen Daseins, die
Gen 3 artikuliert, und derjenigen in der Flutgeschichte Gen 6—-8* ein we-
sentlicher Unterschied: der Widerspruch in Jahwe hat dort am Erkenntnis-
streben des Menschen, einer Bedrohung von innen, hier am Verhängnis einer
Naturkatastrophe von aussen Anlass und Auswirkung. Mithin variieren die
konkurrenziellen Antimythen bei einem gleichbleibenden innergöttlichen
Grundmotiv doch die Art der Daseinsbedrohung.
So sind in der jahwistischen Urgeschichte Mythos und Antimythos an einer
einzigen Gottheit orientiert. Damit scheinen sie sogleich etwas vom Erfolgs-
geheimnis des späteren Monotheismus vorwegzunehmen: es liegt in der Ein-
fachheit seiner Reduktion; das Lebensfördernde und das Bedrohende wer-
den auf den gleichen göttlichen Ursprung zurückgeführt.
Angesichts der natürlichen Komplexität der das Leben steuernden Gegeben-
heiten liegt in der Einfachheit einer‘monotheistischen’ Reduktion zwar eine
Einschränkung der empirischen Totalität und der möglichen Fülle ihr abzu-
gewinnender Bedeutungen; dieser Verlust aber wird ausgeglichen durch
einen gleichsam logischen Gewinn, der die Einheit einer divergenten Wirk-
lichkeit verbürgt, eine Einheit, deren blosses Vorhandensein letztlich wich-
tiger ist als ihre Beschaffenheit. Wird der Vielfalt der Wirklichkeit etwas ab-
gewonnen, das ihr Einheit gibt, so braucht darin freilich noch kein Wirk-
lichkeitsverlust begründet zu liegen: den Widerspruch, den der Mensch in
seinem Dasein wie im Wesen Gottes wahrnimmt, vermag er auf diese Weise
— anders als in dualistischen Systemen — ja auch zu neutralisieren;, das
Dunkle wird nämlich zu einem integrierbaren, letztlich depotenzierten Aspekt
113
des Seins, an dessen Bestand Mythos und Antimythos je auf ihre Weise mit-
wirken.
Leider ist die in Gen 2-11* bezeugte an einer einzigen Gottheit orientierte Religio-
sität nur in diesen Erzählungen greifbar. Mag ihre singulare Orientierung den einfachen
Gesellschaftsverhältnissen und den spannungsarmen Weltvorstellungen einstiger Wüsten-
bewohner, späterer palästinensischer Bauern noch so gut entsprechen: sie ist eben doch
auch als Ergebnis jüngerer theologischer Überformung — etwa des Jahwisten oder der
hinter ihm stehenden Tradenten — erklärbar. So kann es nicht verwundern, dass die
Orientierung von Gen 2f. an JHWH "?löhim zumeist nicht als ein eigenständiges reli-
giöses Phänomen angesehen worden ist°®. — Am deutlichsten heben sich die Erzäh-
lungen von Gen 2-11*, insbesondere Kap. 2f., noch durch ihren Charakter als früh-
kulturelle Mythen von den einschlägigeren Ausformungen der Jahweobservanz im
Alten Testament ab; die grundsätzliche Eigenständigkeit, die die Texte allein durch ihre
Gattungszugehörigkeit haben, wird in der Forschung freilich viel zu wenig beachtet.
114
Die These ALTS ist seither, auch was diesen Aspekt anbetrifft, wiederholt
und bestritten worden; V. MAAG etwa hat die Väterfrömmigkeit als ‘mono-
latrisch’ bezeichnet“?.
Wir glauben, die These ALTS in dreifacher Hinsicht modifizieren bzw. diffe-
renzieren zu müssen: 1. beruht, was wir als eine ausschliessliche Orientie-
rung der Väter an ihrem Familiengott zu erkennen vermögen, überwiegend
auf dem Ausschliesslichkeitsanspruch eines altbeduinischen EI, der in
den sog. Vätergöttern gruppenbezogene Individuationen aus sich entlassen
hat: 2. sind wir über die monolatrische Ausrichtung dieser Gruppen an den
ihnen jeweils zugeordneten El-Individuationen wieder vor allem durch le-
bensintensive Erzählungen unterrichtet und 3. steht gerade auch bei den
offenkundig älteren Erzählungen aus der Väterzeit die Orientierung an einer
einzigen Gottheit im spannungsvollen Gegensatz zu Spuren des gleichzeiti-
gen Anerkennens einer begrenzten Göttervielheit.
1. Eine erste Schwäche der These A. ALTS liegt zweifellos darin, dass er in
Genitivverbindungen von der Struktur ’@bir ja’@qöb “zwar nicht die Form,
wohl aber die Funktion von Eigennamen” finden wollte“, danach wären
die Vätergötter eigentlich namenlos gewesen, was ihrem Charakter als per-
sonhaften Gottheiten, wie ihn gerade ALT herausgearbeitet hat, doch eigent-
lich widerspricht.
a) Tatsächlich aber begegnen Genitivverbindungen dieses Typs einige Male
appositionell oder parallel mit dem Gottesnamen El. Zumindest wenn in
Gen 33,20 E dabei für Sichem eine durch eine Mazzebe(?)°° geehrte Gott-
heit als 8] @löne jisrä el “EI der Gott Israels” bezeugt ist, kann &/ wegen des
appositionell gebrauchten appellativischen "@Iöhe nur Name sein .Dagegen
liegt umgekehrt eine appellativische Konnotation vor, wenn der Gott Isaaks,
der nach Gen 46,1 aßbE in Beerscheba Opfer empfängt, sich als hä’el ’@Iöhe
’äbika “der El, Gott deines Vaters” vorstellt (V. 3); der Gebrauch des Arti-
kels in hä’el hat in der entsprechenden Figur Gen 33,20 kein Pendant. —
115
Ob in @li Ex 15, 2ba ein Name oder eine Gattungsbezeichnung vorliegt, ist
freilich schwerer zu entscheiden. Auch hier hat die Deutung als Name aber
einige Wahrscheinlichkeit: offenbar kommt es dem Text auf die Identifika-
tion der beiden mit jäh (V. 2a)und ’el “mein EI” (2ba) bezeichneten Göt-
ter an’, wobei “mein EI” traditionell als “Gott meines Vaters” bezeichnet
wird (2b); nur so bekämen die nebeneinander stehenden Lexeme El und
‘üjöhim eine differentielle Bedeutung. Gottesnamen sind wohl auch die
theophoren Elemente in “Israel”, “Ismael” und in “Eliezer”, dem Namen
des Mosesohnes, wobei die Ätiologie des letzteren Ex 18,4 wieder @Jöhe äbi,
den “Gott meines Vaters”, benennt. R
Ehe man mit A. ALT annimmt, dass die Bestimmung Els als @Jöhim einer
Vätergestalt und seiner Gruppe das Ergebnis einer nachträglichen Identifi-
kation durchaus strukturverschiedener Gottheiten infolge eines Wechsels
der Lebensform der betreffenden Gemeinschaft ist®® ‚sollte geprüft werden,
ob nicht der Name El auch unmittelbar mit dem Genitiv des Verehrers ver-
bunden werden kann; dies würde zeigen, dass nicht erst sekundär — etwa in
Sichem‘? oder Beerscheba — ein kanaanäischer El auf die Väter und deren
Gruppen bezogen worden ist. Tatsächlich fehlt es nicht an Hinweisen, dass
es die Vätergruppen schon in ihrer präsedentären Phase mit dem Gott El zu
tun hatten.
Dazu fällt zunächst die Verbindung &/ @bikäa Gen 49,25 ins Auge: einerseits
bietet sie eine gemeinsame, auch als Appellativ sinnvolle Kategorie für die
vorangehenden Gottesbezeichnungen @bir ja @göb, rö’E (cj.) bzw. 'äbän
jisra’el (V. 24b); andererseits leitet sie hinüber zu dem Gottesnamen Schad-
daj” in der parallelen Vershälfte, was wiederum eine Übersetzung von ’]
67 Vgl. “@dat ’el Ps 82,2 wo ’el wie ein anderer Eigenname Jahwes gebraucht wird, für
den im elohistischen Psalter ”@Iöhim eingetreten ist (F. M. CROSS, ThWAT 1,272);
Jahwe hat nach der Identifikation mit El dessen “da übernommen, wie er denn
auch Ex 15,11 als unvergleichlich unter den ”2lim dazustehen scheint.
68 ALT denkt bekanntlich an eine Identifikation der persongebundenen, aber ursprüng-
lich namenlosen Vätergötter mit ortsgebundenen Elim im Zusammenhang mit der
Landnahme der Vätergruppen.
69 Die Vermutung, dass ?21 ’@Jöhe jisra’el Gen 33,20 lediglich ein spätes Stadium der
Väterreligion repräsentiere, verliert einige Wahrscheinlichkeit, wenn man in “Is-
rael” zugleich eine eigene Vätergestalt sieht (vgl. H. SEEBASS, Der Erzvater Israel):
/sril ist in Ugarit (C.H.GORDON,UT 19.1164), is-ra-il in Ebla belegt (G. PETTINATO,
BA 39 [1976] 48). Das ähnlich klingende ?asri’el ist Num 26,31, Jos 17,2 der Name
einer Sippe im Stamm Manasse.
70 In V.25a entsprechend ö Yeös 6 &uös LXX w@’el Saddaj statt MT w@’ör Saddaj zu
lesen, besteht kein Anlass: ”et ist hier wie die parallelen Partikeln mifn)- (V.24b)
116
als Name wahrscheinlicher macht. Schaddaj wird auch sonst parallel zu dem
Namen EI gebraucht: Num 24,16 (4) entsprechen ’imre € “El-Worte” und
mahl'ze Saddaj “der (visionäre) Anblick Schaddajs””! einander, wozu als
Drittes “die Kenntnis Eljons” kommt. Der Name El parallel mit Schaddaj
findet sich häufig im Buch Ijob”, allermeist unter Voranstellung Els”.
Dann will Gen 49,24b.25a offenbar besagen, dass die in V.24b mit Genitiv-
Verbindungen bezeichneten Numina mit dem “EI deines Vaters” und
Schaddaj identisch sind.
Dem appellativischen Gebrauch des status constructus ’djöhe Gen 33,20; 46,3 ent-
spricht in der aramäischen Königsinschrift KAI 217,3 der allerdings pluralische Aus-
druck ’Ihj bjt ’bj “Götter des Hauses meines Vaters’ bzw. der jaudische Singular KAI
214,29 ’Ih bh “Gott seines Vaters””* ; die göttlichen Patrone des Sippenvaters werden
hier lediglich als die einer Dynastie identifiziert, wobei diese offenbar die Tradition von
Nomadenfamilien übernimmt. Bekanntlich hat H. HIRSCH die allein oder appositionell
für grosse Götter verwendete Bezeichnung “Gott meines / deines / unseres Vaters /
unserer Väter” unlängst als “ein typisches Phänomen der ‘altassyrischen Religion’ ” be-
zeichnet” ,wozu sich freilich aus anderen Bereichen Mesopotamiens und Nordsyriens
die Beispiele vermehren lassen” ;die persönliche Gottesbeziehung ist hier nicht auf
Dynastien beschränkt, sondern vielmehr auch dem gemeinen Manne zugänglich””.
und me- (25) Präposition der Herkunft; vgl. vor Gottesbezeichnungen ?ät-JHWH
Gen 4,1 ’ät-rü@h JHWH Mi 3,8, fragend auch in ’ät-mi ljob 26,4 sowie vor einem Per-
sonennamen ’ät-“@züba 1. Chr. 2,18, wo ’ät- wie min- bzw. me- in 8,9.11 verwendet
wird. Umgekehrt würde man bei der Lesung w€’el Saddaj eine dem m£- im vorange-
henden Halbvers entsprechende Präposition vermissen.
Ihn
71 Dass $addaj hier genitivus objectivus ist, legt die Prädizierung Bileams als’5.h2h
“Mann, der die Götter sieht,” in der neugefundenen Tinteninschrift aus Deir-“Alla
(J. HOFTIJZER / G. VAN DER KOOIJ, Aramaic Texts) I 1 nahe.
72 8,3.5;,13,3; 15,25; 22,17; 23,16; 27,2.11.13; 33,4; 34,11.12; 35,13.
73 Ausnahme nur 13,3; vgl. K. KOCH, VT 26 (1976) 310.
74 Vgl. für David und seine Dynastie 2 Kön 20,5.
75 AfO 21 (1966) 56.
76 Lit. beiR. ALBERTZ, Persönliche Frömmigkeit 88.
77 Das Appellativ “Gott” kann in dieser Verbindung durch 5°] oder mr “Herr” ersetzt
werden: ersteres in der Apposition 5“] b{j)t für den Gott Rakib-El von Zingirli KAI
24,16; 215,22, letzteres in der Apposition (nabatäisch) Imr bjt’ für den ’Ih tljmw]
(zur Ergänzung M. LIDZBARSKI, Ephemeris III, 270, A. ALT, Kleine Schriften I,
71) Zu b“] als Bezeichnung des Beschützers von Familien und Sippen bringt W.
CASKEL Beispiele aus dem vorislamischen Arabien (Studi Semitici I, 110).
Zu den in Personennamen aus sargonischer Zeit bezeugten Gottesbezeichnungen
DINGIR.AB und i-a-ba4 und ihrer möglichen Beziehung zu ugar. ilib vgl. J.J.M.
ROBERTS, The Earliest Semitic Pantheon 34f.; U-a-bag dürfte aber eher aus einer
Gottesprädikation “Il ist Vater” hervorgegangen sein.
117
Vor allem aber hat die Namensspezifikation ’@/ abika “El meines Vaters”
Gen 49,25 an ugaritisch ilib = DINGIR a-bi” “El des Vaters” eine Parallele.
Dabei wird ilib KTU 1.47 2; 1.91 5; 1.109 12, 15,19, 35; 1.148 1, 10, 23
und DINGIR a-bi RS 20.24.1” in Aufzählungen von Götternamen — näm-
lich in Götterlisten und liturgischen Texten — oft zusammen mit anderen
El-Individuationen erwähnt.
Zudem steht ilib meist noch vor dem unspezifizierten Gottesnamen i/ (EI),
nämlich 1.47 2£., 1.109 12f., 19-21; 1.148 10 (? anders 23); RS 20.24 1f.,
oder vor anderen EI-Individuationen 1.91 5f. El kann dabei auch durch Per-
sonennamen (il bldn 1.91 6°) oder topographische Bezeichnungen [il spn
1.47 1 [vgl. 1.148 1]) spezifiziert werden. Ebenso wie ilib erscheint in der
hurritischen Götterliste RS 1929, 166°! die syntaktisch freilich nicht voll
vergleichbare Gottesbezeichnung in atn “Gott-Vater” an erster Stelle vor
il kmrb “El (und) Kumarbi”*.
Da die oben genannten Listen offenbar eine alte Gestalt der Religion Ugarits
repräsentieren, mag der von ihnen bezeugte Vorrang des ilib die ursprüngli-
che Einzigartigkeit der Beziehung zwischen dem El und der mit ib (a-bi) be-
zeichneten Vatergestalt erkennen lassen.
Dagegen scheint bei der mehrmaligen Erwähnung des ilib mit Personalsuffix
im Aght-Epos KTU 1.17 I 26,44; II 16 der Gebrauch von ilib als Name mit
dem als Gattungsbezeichnung zu verfliessen; ja, die ursprüngliche Genitiv-
Verbindung ilib wird ihrerseits zu einem neuen appellativischen Komposi-
tum, dessen Begriff zugleich mit dem einer numinosen Verkörperung der
parallel genannten Königssippe verschwimmt; “seinem ilib (ilibh)” gebührt
eine Stele®®, sowie seiner Sippe (‘mh) ein Denkmal (?)®* zukommt.
78 /i/ in der zweiten Silbe von ilib<ilfi) abi* kommt durch rückschreitende Vokalassi-
milation (C.H.GORDON, UT5. 19, F.GRÖNDAHL, Personennamen aus Ugarit 17)
oder Sandhi-Aussprache (E. LIPINSKI, UF 5, [1973] 198 mit Anm. 50.51) zustande.
79 J. NOUGAYROL, Ugaritica V, 44ff.; zur Wiedergabe von a-bi mit “des Vaters”
(du p£re) als “la traduction la plus Angina’ du texte accadien” das. 46.
80 C. VIROLLEAUD, PRU V, 8;C. H. GORDON, UT 19.472.
81 E. LAROCHE, Ugaritica V, 518-527.
82 Zum syntaktischen Verhältnis der beiden Elemente in und atr vgl. neben LAROCHE
(aa0., 523) E. LIPINSKI, UF 5 (1973) 199; seine Interpretation des in atn als
“Yancestre divinise du clan” steht angesichts des häufigen sekundären Verfliessens
religiöser Vorstellungen zu dem ugaritischen Begriff eines ilfi) abi* in keinem aus-
schliessenden Gegensatz.
83 LIPINSKI (aa0., 197) will skn freilich als “intendant (d’une divinite)” übersetzen;
dagegen M. DIETRICH /O.LORETZ /J. SANMARTIN, UF 6 (1974) 43.
84 A. CAQUOT /M. SZNYCER / A. HERDNER (Textes Ougaritiques I, 421) erwägen
für ztr die Übersetzung “monument”.,
118
An den aramäischen Plural ”/hj bjt ’bj “Götter des Hauses meines Vaters” KAI 217,3
erinnert dagegen der hurritische Dativ-Plural enna-sta attanna-[sta]-ma* “den (als nu-
minosen Verkörperungen der Sippe zu denkenden) Gott-Vätern” RS 24.261 12°°, vor
allem aber enna attani-bi-na*, entsprechend akkadischem DINGIR"®S a-bi, hethiti-
schem atta5 DINGIR"®S.a$ “die/den (näher bei den semitischen Familiengöttern ste-
henden) Götter(n) des Vaters/der Väter” in hurritischen Götterlisten aus Anatolien®®.
Sowohl in RS 24.261, als auch in drei von den vier hurritischen Götterlisten aus Anato-
lien erscheinen die “Gott-Väter” bzw. “Vätergötter” vor EI®”.
119
’el abika “der El meines Vaters” und der ranghohe ilib aus Ugarit repräsen-
tieren eine frühe Spezifikation des Namens Els durch den Genitiv seiner pa-
triarchalischen Verehrer.
b) Die Gottesbezeichnungen in Form von Genitiv-Verbindungen, auf die
A. ALT hingewiesen hatte, sind dann lediglich Epitheta der Namen EI oder
Schaddaj. Dabei dürfte ihre Originalität und ihre nomadische Herkunft un-
abweisbar sein, wie die folgenden Hinweise noch zu bekräftigen vermögen.
Die Bezeichnung pahad jishaq bzw. pahad äbir jishäq Gen 31 42.53 ist im
Alten Testament nicht so singulär, wie A. ALT annahm”?. Dass pahad dabei
den numinosen “Schrecken” bezeichnet, ist wohl doch das Naheliegendste;
man denke nur an pahad JHWH 1 Sam 11,7 oderpahad ’Älöhim sowie an den
absoluten Gebrauch von pahad Ex 15,16°*. Der von einem Gott ausgehende
panische Schrecken hätte sich in pahad jishäq zu einer eigenständigen Ge-
stalt hypostasiert. pahad meint danach den panikbewirkenden Gott, der
Isaak zugehört, dessen “Schrecken” etwa an Isaaks Feinden wirksam wird”,
so dass Isaak und seine Gruppe selbst ihn als schützend empfinden”. Dass es
sich bei pahad tatsächlich um eine rettende Gottheit handelt, drückt sich
noch in dem Personennamen sel pahad* nach LXX ZaAraad “(schützender)
Schatten des Pahad” aus””, der Namensträger erscheint in den genealogischen
Texten Num 26,33; 27,1; 36,10; Jos 17,3, wobei als seine “Töchter” Lokali-
täten in Mittelpalästina genannt werden. Für ein spätes Bewusstsein muss die
mit pahad bezeichnete Gottheit allerdings ins Gespenstische abgesunken
93 Kleine Schriften I, 24.
94 Gegen die Deutung von pahad als “kinsman” durch W. F. ALBRIGHT (Steinzeit,
248.434°*) vgl. D. R. HILLERS, JBL 91 (1972) 90-92.
Vgl. aber auch K. KOCH, pahäd Jishaq — eine Gottesbezeichnung? FS Westermann,
1979, 107-115.
95 Gemeint ist also nicht ein Numen, das Isaak selbst in Schrecken setzt, gegen H.
GUNKEL, Genesis 349/50, A. ALT aaO. — Dass wir uns die Verhältnisse der
Väterzeit nicht völlig unkriegerisch vorstellen dürfen, ergibt sich auch aus der mut-
masslichen Bezeichnung mägen ’abräm “Schild Abrams” (Gen 15,1); der friedliche
Charakter der Vätererzählung geht auf nachträgliche Übermalung zurück (vgl.
M. ROSE, BZ 20 [1976] 197-211, anders zuletzt R. ALBERTZ, Persönliche Fröm-
migkeit, 79.90). — Zum kriegerischen Charakter Schaddajs vgl. Ps 68,15, allgemein
zum Krieg im Leben der Beduinen J. HENNINGER, Studi Semitici 11,69-94, vgl.
Ders., Lebensraum und Lebensformen.
96 haja li Gen 31,42 ist oppositiv zu der vom Subjekt pahad “Schrecken” 2 Chr 14,13;
17,10; 20,29 gebrauchten Wendung HJH “al “wirksam sein gegen”.
97 Also nicht: “shadow (= protector) from terror”, wie TH. NÖLDEKE, Encyclopae-
dia Biblica 3287, wollte, womit auch das Bedenken M. NOTHS (Personennamen
256) gegen die Vokalisation fortfällt.
120
sein, wofür pahad lailä bzw. pahad ballelöt Ps 91,5” ;Cant 3,8 Zeugnisse
sind; gegen den pahad ballelöt wird dabei von Kriegskundigen das Schwert
geführt, als ginge es immer noch um die schreckenverbreitende Gottheit eines
feindlichen Heerbanns.
Zur Prädizierung des Gottes Jakobs als @bir ist der ugaritische Personen-
namen [bn.) ibrd “ein Stier (?) ist Had(ad = Ba‘1)” KTU 4.33 26; 4.628 5
zu vergleichen”; offenbar ist ibr, sofern es wirklich “Stier” bedeutet, hier
dem jüngeren Ba‘l vorbehalten, während die Stiergestalt Els mit fr bezeich-
net wird!®,
Eine Multiplikation von Gottheiten, die mit dem gleichen Appellativ bezeichnet werden,
liegt offenbar in den a@bbirim von Ps 68,31; 78,25 vor: in Ps 68,31 scheinen die abbirim
negativwertig als k@ ägle (cj.) ‘ammim (!) identifiziert; nach Ps 78,25 waren sie die
Spender des Manna. Zur Mehrzahl von Vätergöttern sind die “Götter des Hauses mei-
nes Vaters” KAI 217,3 und die hurritischen enna attanni-bi-na* der oben genannten
anatolischen Götterlisten zu vergleichen. Die Plurale zeigen, dass offenbar die gleiche
Familie bzw. die gleiche Dynastie nacheinander mehrere Familien- bzw. Dynastiegötter
mit gleicher Bezeichnung verehrt hat, die dann im Rückblick, aus der Perspektive spä-
terer Sesshaftigkeit, zu einer Einheit zusammengewachsen sind. Auch Gen 35,4; Jos
24,2 scheint sich auf eine Mehrzahl von Vätergöttern zu beziehen, die hier aus der glei-
chen Perspektive als Götzen angesehen werden.
Strukturparallelen zu den von A. ALT interpretierten Genitiv-Verbindungen, die später
selbständige Gottesbezeichnungen geworden sind, lassen sich — abgesehen von den na-
batäischen und palmyrenischen Entsprechungen, deren Beweiskraft angezweifelt wor-
den ist!!, — aus dem vorislamischen Arabien belegen. So findet sich in nabatäischen
und safaischen Inschriften ein $-’I-gqwm'” bzw. $“h-qm!® “Führer des Stammes’”’'”*,
Aus dem Haurän ist ein gad- awid “Glück(sgott) des (Stammes) Awid’” bekannt!”°.
121
Keines dieser Numina hat es freilich mit El zu tun, der in Altarabien viel stärker die
Funktion eines Hochgottes, eines deus otiosus, hatte; keines auch geniesst irgendeinen
Vorrang!”,
106 D. NIELSEN (aaO.) ordnet die Gruppen anderen Göttern zu, die als Herren eines
Ortes, eines Tempels oder einer Stadt Geltung haben.
107 Vgl. etwa altakkadische Personennamen wie 1-li-DINGIR-lum “mein Gott ist
Ilum”; I. J. GELB, Glossary of Old Akkadian, Chicago 1957, 36.
108 Zu ’elro’f “El des Sehens /Gesehen-Werdens” ist der ugaritische Ortsname ilstm‘/
Ilistam’i “El des Hörens” zu vergleichen; Belege bei L. R. FISHER (ed.), Ras
Shampra Parallels II, 1975, 264.352.
109 Auch in ’/ w“ljn der Sfire-Stele KAI 222 A 11 kann es sich um eine einzelne, mit
Doppelnamen wie ugar. qds-w-amrr u.ä. bezeichnete Gottheit handeln: die vor-
anstehende Aufzählung von Göttern nennt lauter Einzelgestalten; freilich folgt das
dualische “Himmel und Erde”. Dagegen nennt Num 24,16; Ps 73,11 u.ö. Elund
Eljon einander parallel; PHILO BYBLIOS (bei EUSEB, Praeparatio Evangelica I
10.14) meint mit ’EAwüv kaAovuevos "Yyıorws einen gegenüber El eigenständigen,
älteren Gott (R. RENDTORFF, ZAW 78 [1966] 282). — Immerhin scheint sich
eine Parallele für den attributiven Gebrauch des zweiten Elements der Gottesbe-
zeichnung in gatabanisch ’I 1 zu finden, wo der offenbar archaische Gott, hinter
’Anbaj, in den beschliessenden Formeln von Urkunden über den Kauf von Grund-
stücken und deren Bebauung mit Häusern oder Gräbern begegnet (bAg ’nbj w’I
t“]j “nach der Satzung des ’Anbaj und des Il ta “aläj”; W. CASKEL, Studi Semitici
I, 112). Freilich kann I t]j an dieser Stelle auch als eine Art Stossgebet “und Il
ist erhaben” gedeutet werden (M. HÖFNER, WdM I, 511).
122
sich; weil El schon nach Verehrergruppen individualisiert war, konnten diese
Individuationen mit denen der lokalgebundenen Elim übereinkommen.
Was aber für unsere Thematik wichtiger ist: die Determination von Gottes-
bezeichnungen durch Personennamen gibt dem durch die Genitiv-Verbindung
bezeichneten Gesamtbegriff etwas Ausschliessendes: es ist entweder ein El
der “El deines Vaters” Gen 49,25, oder diese Individuation ist nicht der-
jenige El, der durch die Nennung des Verehrers schon hinreichend bestimmt
wäre. Entsprechend kommt neben dem pahad jishaq für Isaak jedenfalls
kein anderer Schreckenerreger in Frage. Verallgemeinernde Gottesbezeich-
nungen mit appellativischem nomen regens vollends wie ‘äjöhe "äbi Gen
31,42, ’@Iöhe abräham 31,53 oder ’@Iöhe abrähäm “äbikä 26,24 bezeichnen
eine Ausschliesslichkeit der Gottesbeziehung seitens des betreffenden Ver-
ehrers überhaupt; allerdings müssen diese blasseren Gottesbezeichnungen
schon durch eine Systematisierung der geschichtlichen Erinnerung, durch
Distanz von der erinnerten Gottheit bedingt sein!
c) Der El oder Schaddaj der Patriarchen ist freilich nirgends als deus otiosus
zu denken — wie der ll!!! , Iläh, Alläh und Läh'!? der vorislamischen Araber.
Tatsächlich scheint ihm diese Rolle im ganzen syrisch-palästinensischen Raum
erst infolge einer langsamen Verdrängung durch jüngere Götter wie “Aschtar,
Dagan und vor allem Baal zugefallen zu sein. Noch in einem älteren ugariti-
schen Mythos wie dem von Schahr und Schalim KTU 1.23 entfaltet EI dra-
matische Aktivitäten; nach dem Krt-Epos ist es ausschliesslich El, der den
König aus Gefahren errettet!'?. Els Unvergleichlichkeit wird schliesslich von
so alten Personennamen wie eblaitisch mi-ka-il!'* und von so jungen wie he-
bräisch mikä @l in gleicher Weise gepriesen!"°.
110 Anders im Blick auf die Bezeichnung “Gott meines / deines Vaters” H.G. MAY,
JBR 9 (1941) 155-158. 199£.; K.T. ANDERSEN, StTh 16 (1962) 170-188; vgl.
W.H. SCHMIDT, Alttestamentlicher Glaube 19f., R. ALBERTZ, Persönliche
Frömmigkeit 88.
111 M. HÖFNER, WdM 1, 435f£. 511; vgl. Anm. 109.
112 HÖFNER, aaO. 420-422; T. FAHD, Le panth&on 41-44. — Die Stellung der alt-
arabischen El-Gottheiten als dei otiosi ist durch das Hervortreten eines Polydämo-
nismus bedingt, der bei den Vätern Israels, soviel wir wissen, keine Entsprechung
hat.
113 Vgl. S.B. PARKER, ZAW 89 (1977) 161-175.
114 G. PETTINATO, BA 39 (1976) 48.
115 Vgl. zur Sache C.J. LABUSCHAGNE, The Incomparability z18
123
Die Verdrängung Els durch jüngere Götter scheint sich im Zentrum des
syrisch-palästinensischen Kulturraums rascher und nachhaltiger als an seinen
Rändern vollzogen zu haben. Am deutlichsten macht sich die Depotenzie-
rung Els bei den Phöniziern bemerkbar: während der Gott in der Götter-
genealogie des PHILO BYBLIOS noch einen bescheidenen Platz behauptet,
tritt er in den phönizischen und punischen Inschriften stark zurück!!*. Um-
gekehrt aber vermissen wir Baal in den Vätergeschichten offenbar deshalb,
weil ihre Träger sich an den Kulturlandrändern und in den Nischen des
bäuerlichen Lebensraums Palästinas aufhielten, wo El noch keine Aktiv-
funktionen an andere Götter abgetreten hatte. Später ist El das Korrelat
Jahwes in dem peripheren Juda, Baal dagegen sein Konkurrent in dem nach
Phönizien hin orientierten Israel der Omridenzeit!!’. Vollends ist El —
neben Eljon und Schaddaj — der Gott des ostjordanischen Sehers Bileam
(Num 24,4.16); sein Spruch nennt 24,8 EI sogar als den Gott, der Israel aus
Ägypten geführt hat!!®. Combination II der Tinteninschrift aus Deir “Allä
(750-650 v. Chr.)'!? spricht von EI als einem richtenden Gott, dessen Ein-
greifen Bileam ankündigt: “El wird Gräber machen in J[...]”Z. 6'2°; ne-
ben ihm wird in Combination II kein anderer Gott erwähnt. An einen akti-
ven, kriegerischen EI lässt schliesslich auch der Name “Israel” denken, falls
er mit der Wurzel SRH I “streiten” in Verbindung zu bringen ist (Gen 32,
29, Hos 12,4f.), ebenso wie die offenbar im Kriege beheimatete Formel
immänü-’el (Jes 7,14). Und wenn unter den Titeln des Messias Jes 9 oe
gibbör erscheint, hat man wie in 10,21 oder bei ha’el öse pälä’ “der El, der
Wunder tut” Ps 77,15 eine alte Funktion Els als Kämpfer im Auge!*!.
d) Die Religion der Patriarchen hat an der frühen familiaren Sozialstruk-
tur des Nomaden ihren Lebenszusammenhang; während aber beim Übergang
zur Staatlichkeit die Familie nur noch eine untergeordnete Organisations-
116 An Belegen wären zu nennen: EUSEB, Praep. ev. 110,16; RES 504 A, CISI 4943,
KAI 26 A III 18; 129, 1, dazu jaudisch KAI 214, 2.11.18; 215,22 und die Sfire-
Stele KAI222A 11.
117 Dazu H.-P. MÜLLER, Religionsgeschichtliche Beobachtungen zu den Texten von
Ebla, demnächst in ZDPV.
118 Appellativische Funktion von ’öl liegt hier schwerlich vor: ’&/ wird nicht nur in
Num 24,16 (vgl. V. 4) zusammen mit “äljön und $addaj gebraucht; Num 23,21f.
119 J. HOFTIJZER / G. VAN DER KOOIJ, Aramaic Texts.
120 So HOFTIJZER / VAN DER KOOIJ, aaO. 180, 223-225, E. HAMMERSHAIMB,
DTT 40 (1977) 231; anders A. CAQUOT /A. LEMAIRE, Syr 54 (1977) 203, vgl.
dazu H.-P. MÜLLER, ZDPV 94 (1978) 632,
121 P. W. MILLER, HThR 60 (1967) 411-431;F.M. CROSS, ThWAT I, 276.
124
form darstellt, behauptet die an den alten Familiengottheiten orientierte
Religiosität noch in der Dynastie!?? , vor allem aber in der Privatsphäre einen
Verwirklichungsraum. Hier leben dementsprechend, neben und unter ande-
ren offiziellen Kulten, die alten Familiengötter weiter. Spuren davon zeigt in
Israel die Sprache der Individualpsalmen: die Gebetsanrede von Ps 22,2 ist
statt des erwartenden ’löhaj die alte Namensbildung li “mein El”; unter
den formelhaften Ausdrücken des ‘Bekenntnisses der Zuversicht’ spielt
’eli ’atta “mein El bist du”'?? eine Rolle!?*. Für den persönlichen Gott des
Privatbereichs scheint man in später Zeit auch den Namen Schaddaj verwen-
det zu haben: wie K. KOCH jüngst gezeigt hat, ist Schaddaj im Buche Ijob
“eine spezifische Entfaltung, ein Aspekt Gottes, der dem Menschen als In-
dividuum zugeordnet ist, ihm körperlich nahekommt”"?°; die individuelle
Orientierung an einem einzigen Gott tritt hier gleichsam neben die Ausrich-
tung an dem °2Jö@h des weisheitlichen Monotheismus, der die religiösen Be-
dürfnisse des Privatlebens offenbar doch nicht voll befriedigt. War Schaddaj
also noch im nachexilischen Israel Name eines persönlichen Gottes, so er-
klärt sich auch, warum LXX 2] Saddaj fast regelmässig durch deos mit einem
Possessivpronomen wiedergibt'?°; freilich fehlt diese Übersetzung bei iso-
liert gebrauchtem saddaj.
e) Die Analyse der Gottesbezeichnungen aus dem Umkreis der Väterüber-
lieferungen erbringt folgendes Ergebnis.
Erste Hinweise auf eine ausschliessliche Orientierung von Vätergestalten an
ihren Familiengöttern lassen sich aus der häufigen Stellung von (ugar.) ilib
bzw. (hurr.) enna attanni-bi-na* vor der unspezifischen El-Gottheit entneh-
men. Signifikant ist ferner die Determination von Gottesbezeichnungen durch
den Namen des Verehrers, die ursprüngliche Funktionenvielfalt des syrisch-
palästinensischen EI und die späte private Monolatrie des El bzw. Schaddaj
im Psalter und im Buch Ijob. Diejenige El-Gestalt, die in besonderer Bezie-
hung zu der betreffenden Familie stand, erhob auf diese so etwas wie einen
Absolutheitsanspruch; freilich war dem Verehrerkreis einer einzelnen EI-
Individuation wohlbekannt, dass andere Verehrerkreise ebenso ausschlies-
sende Beziehungen zu ihren El-Gottheiten hatten, wie denn offenbar auch
125
nacheinander in der gleichen Familie die Vätergötter wechseln konnten und
so für den Rückblick zu einer Pluralität anwuchsen. Die emotional-affektive
Ausrichtung auf eine einzige Gottheit ist dann — anders als die artikulierte
Vorstellung, die reflektierte Überzeugung, dass es nur einen einzigen Gott
geben könne und gibt — nicht erst das Ergebnis einer relativ späten inner-
israelitischen Entwicklung, sondern vielmehr eine religiöse Grunderfahrung,
wie sie in einfachen Kulturen offenbar polygenetisch immer wieder entsteht.
a) Der Name ‘abram “der Vater ist erhaben” deutet an, dass der durch die
Verwandtschaftsbezeichnung ’@b “Vater” benannte EI'?® für den Namens-
spender eine einzigartige Rolle spielt: wenn man von gelehrten mythologi-
126
schen Spekulationen absieht!?”, kann es eine Vaterbeziehung nur zu einem
einzigen Gott geben; man mag freilich gleichzeitig andere Gottheiten seine
Brüder, Onkel etc. nennen.
129 Wenn der ugaritische Baal zugleich ein Sohn des Dagan und des EI ist, mag er letz-
teren Rang mit allen Göttern als “El-Söhnen” gemeinsam haben.
130 Das Urteil H.H. SCHMIDS, “dass die Verheissung in keinem einzigen Fall Konsti-
tutiver Bestandteil eines alten Überlieferungsstückes ist” (Der sog. Jahwist 119),
ist zu pauschal: gerade die Erzählung Gen 18 verlöre mit den Verheissungen V.
10.14 jeden Belang; vgl. zur “überlieferungsgeschichtliche(n) Priorität der Sohnes-
verheissung gegenüber der Mehrungsverheissung” SCHMID, aaO. 128f.
131 C. WESTERMANN, Forschung I, 19-24; Die Verheissungen 123-127.
132 Daneben Gen 21,10.22; 48,21.
133 Gen 30, 27.30; 32, 27.30. — In den Kreis der Abraham-Erzählungen ist das Motiv
wohl erst sekundär eingedrungen, angezogen durch die sachlich ähnliche Sohnes-
verheissung; von dort gelangte es dann wieder in andere Vätererzählungen.
127
— sowie die Führung und den Schutz beim Weidewechsel, was den Gott
zum “Hirten Israels” Gen 49,24 macht, wie dieser Hirte seiner Tiere ist!*.
Geschlossenheit und Widerspruchsarmut ihrer Lebenswelt unterscheidet die
Väterreligion aber auch von dem späteren, offenbar rezessiven Kult von Dy-
nastiegöttern und vor allem der Orientierung an den ‘persönlichen Göttern’
einer privaten Frömmigkeit: die nomadische Familie hat ihre geschichtlich-
politischen Funktionen noch nicht an grössere Organisationsformen abge-
treten; ihrer politischen Autarkie entspricht die wirtschaftliche und religiö-
se!3°,. Da der Sozialfaktor Familie die ganze Lebenswelt weithin abdeckt,
braucht der Familiengott noch nicht nach seinem Platz in einer differenzier-
ten Göttergesellschaft zu suchen; die nomadische Lebensform der Väter
macht insofern doch “das Charakteristikum der Patriarchenreligion” mit
ihrer El-Orientierung gegenüber der im Orient weit verbreiteten Verehrung
eines ‘persönlichen Gottes’ aus!**.
128
was man als eine frühe Gottunmittelbarkeit der Väter vermuten könnte!”®,
hat seine Eindeutigkeit verloren; gegenüber den kleinen Göttervielheiten
der einfachen Agrargesellschaft Palästinas macht man die ersten Zugeständ-
nisse.
Die dreifache bzw. zweifache Gestalt des Gottes scheint nämlich dem Reli-
gionstyp kultureller Randzonen zu entsprechen, wie er — im Gegensatz zu
den mesopotamischen Hochkulturen, aber auch zu Ebla und dem späteren
Ugarit — für Stadtstaaten nahe der Wüste charakteristisch ist sowie re-
zessiv in zentraleren Bereichen fortlebt. A. JIRKU!? hat zu Gen 18 auf eine
Stelle des Krt-Epos hingewiesen, wo der Ausdruck dt.ilm “die Versamm-
lung der Götter” durch die Apposition flth “ihre Triade(n?)” aufgenom-
men ist KTU 1.15 II 7; freilich ist das Maskulinum lt statt desnach dr zu
erwartenden fltf ebenso auffällig wie die Inkongruenz der Dreiheit gegen-
über einer grösseren Anzahl vorher (Z. 2-6) aufgezählter Gottheiten”.
Triadendarstellungen finden sich noch auf der Balu ‘a-Stele sowie in Bogaz-
köj'*!. Die primitive Trias von “tr, Mondgott und Sonnengöttin, letztere
beide mit verschiedenen Namen, spielt auch in Schlussvokationen offizieller
altsüdarabischer Inschriften eine Rolle!*. Vielleicht lässt sich das relativ ge-
ringe Urbanisierungsniveau altsüdarabischer Siedlungen mit denen der Agrar-
gesellschaften am Rande Syrien-Palästinas vergleichen. Die oben genannte
Deir- “Allä-Tinteninschrift setzt nämlich ebenfalls eine Götterdreiheit von
El, “Aschtar und Schagar (weiblich) voraus; dazu wäre auch die Trias Jähü,
’smbjt’l und “ntbjt’l / ntihw aus den Elephantinepapyri zu verweisen, deren
Mythologie vermutlich auf Traditionen von Bet-El zurückgeht”.
138 C. WESTERMANN, Genesis II, 125-127; vgl. Die Verheissungen 164, wo auch
auf die Gottesoffenbarungen in den ugaritischen Epen von Aght und Krt hinge-
wiesen wird.
139 MUSJ 49 (1969) 111-117.
140 JIRKU bietet sodann literarische und archäologische Belege für Zweier- und Dreier-
gottheiten. Doch handelt es sich dabei meist um Gestaltengruppen im Hintergrund
des Pantheon; bei den Zweiergottheiten sind dazu echte Götterpaare wie Gapn
und Ugar, Schahr und Schalim von Gottheiten mit Doppelnamen wie qds-w-amrr,
ktr-w-hss und sSgr-w-itm (KTU 1. 148 30f.) und Götteridentifikationen wie “Str-
kms KAlI 181, 17 zu unterscheiden.
141 P. WELTEN, in K. GALLING (ed.): Biblisches Reallexikon? 120.
142 M. HÖFNER, WdM 1, 507.
143 Eine phänomenologische Entsprechung auf einem ähnlich gelagerten sozio-ÖKo-
nomischen Hintergrund mag man in der Verehrung der drei “Töchter Allahs”
durch die Qurai$ und die Mekkaner sehen, auf die Sure 53,19ff. zu sprechen
kommt.
129
b) Im Hintergrund der überirdischen Welt steht Gen 28,12 E und 32,2f. E
noch eine anonyme Pluralität von mal’@ke ’älöhim “Engeln Gottes”. Gehö-
ren diese Gen 28 auch zum mythischen Inventar des Kulturlandheiligtums
von Bet-El, so haben wir es Gen 32 doch eher mit derelohistischen Adaption
einer aussersedentären Vorstellung zu tun, wie denn das Alter der Überlie-
ferung schon aus dem rudimentären Charakter der Szenen zu ersehen ist.
Die undifferenzierte Mehrzahl der ‘Engel Gottes” hat jetzt an derjenigen der Sdjn in
der Deir- Allä-Inschrift I 8f. eine Parallele'**. Ist Schaddaj tatsächlich einer der Namen
der Vätergötter, so sind die Sdjn vermutlich aus einer Egalisierung ursprünglich verschie-
“dener Individuationen Schaddajs erwachsen, wobei der Plural des Namens'*® zur appella-
tivischen Bezeichnung einer blossen Mehrzahl seiner Individuationen geworden ist. In
einem solchen Vorgang könnte sich der Zusammenschluss der die betreffenden Schad-
daj-Spezifikationen verehrenden Familien oder Gruppen zu einer grösseren Einheit wi-
derspiegeln. Anders als bei der alttestamentlichen Identifikation Schaddajs mit Jahwe
wären die Sdjn im Ostjordanland in einer Pluralität verblieben. — Eine grammatische
Mehrzahl von $addaj findet sich wohl noch Ijob 19,29: ma‘an ted@ün SDIN “damit
ihr die SDJN kennenlernt”'* ;gedacht ist an die Freunde, an denen die Sdjn ihren
Schützling Hiob rächen sollen. Wehren sie damit Unheil von diesem ab, so entspricht
das der Funktion der $djn von Deir-Allä, die einen Gerichtsbeschluss der Göttin Ser
144 Die Zeilenzählung wird hier nach J. HOFTIJZER / G. VAN DER KOOIJ, Ara-
maic Texts, wiedergegeben. A. CAQUOT / A. LEMAIRE (Syr 54 [1977] 189—
208) haben freilich richtig gesehen, dass die Fragmente la und 1b einerseits so-
wie 1c und 1d andrerseits um zwei Zeilen näher aneinander gerückt werden müs-
sen. Die erste Zeile von 1 c (Anfang der Zeile 3 nach der Zählung HOFTIJZERS)
mit ihren Spuren roter Schrift gelangt dann auf die gleiche Höhe wie die erste Zei-
le von 1 a und 1 b, deren Anfang gleichfalls in roter Schrift ausgeführt ist. Ent-
sprechend sind die zweite und dritte Zeile von 1 c (Anfang der Z. 4 und 5 bei
HOFTIJZER) mit der zweiten und dritten Zeile von 1 a und 1 b zu verbinden.
Rückt dann auch Fragment 1 d um zwei Zeilen herauf, so werden HOFTIJZERS
Z. 6-18 nun zu Z. 4-16.
HOFTIJZER will am Ende von I 7 $dj]? lesen, so dass vor die Versammlung der
männlichen sdjn noch eine weibliche Entsprechung zu stehen käme; vgl. dazu
H.-P. MÜLLER, ZDPV 94 (1978) 65°.
145 Der aus dem Gottesnamen Schaddaj gebildete Plural sdjn hat insofern einen ande-
ren religionsgeschichtlichen Hintergrund als die Plurale von Appellativen wie
abbirim Ps 68, 31; 78,25 oder aramäisch ’/hj bjt ’bj bzw. hurritisch enna attanni-
bi-na*; vgl. S.
146 Das masoretische $DJN wäre, wenn die Radikale $DJ zugrundeliegen, nach Ana-
logie der biblisch-aramäischen Pluralbildungen banajin Esr 4,12 u.ö., hazajin Dan
3,27; 5,23 und $@rajin Dan 3, 25 zu vokalisieren, also: Saddajin; erst im jüdischen
Aramäisch wird /j/ bei den Nomina III: j im Plural verdoppelt.
130
unwirksam machen I 9'47, Schliesslich kennen wir den mutmasslichen Plural $dj’!*® aus
einem palmyrenischen Votivtext, der wsdj’ zweimal mit dem Gottesnamen bwi 'str in
Verbindung bringt, wobei zu dem Gottesnamenelement ‘str wieder der ‘str von Deir-
“Allä I 16 zu vergleichen ist; bw/‘str und die (?) sdj’ oder die $dj’ allein werden dabei
in einer Apposition °Ihj’ tbj’ “die guten Götter” genannt, worin angesichts der Rolle
der sdjn von Deir-Allä vielleicht doch kein Euphemismus liegt'*.
Ohne Signifikanz für einen Polydämonismus der Väter sind dagegen der Tera-
phim Gen 31, 19.34f. und die nächtliche Begegnung Jakobs mit dem Fluss-
geist vom Jabbok 32, 22-23: in der ersten humoristisch gefärbten Erzäh-
lung handelt es sich schon wegen der Erwähnung des Kamels 31,34 um
einen Anachronismus, der eine späte ‘aufgeklärte’ Haltung gegenüber den
Idolen verrät!”°; das Numen der anderen Stelle aber wird bekämpft, allen-
falls überlistet, nicht aber verehrt.
147 Anders CAQUOT / LEMAIRE, aaO. 196f.; dazu H.-P. MÜLLER, ZDPV 94
(1978) 65°.
148 Text, Transkription, Übersetzung und Kommentar bei J. CANTINEAU, Syr 12
(1931) 130-132. — Für ein Verständnis von $dj’als Plural spricht die Determina-
tion, die bei einem Eigennamen im Singular funktionslos wäre. Zur Bildung des
Plur. masc. det. bei Nomina III: j im Palmyrenischen vgl. J. CANTINEAU, Gram-
maire du Palmyrönien Epigraphique, Kairo 1935, 123f.
149 Gegen CANTINEAU, Syr 14 (1933) 194. E
150 Wenn f£räpim mit hethitisch-hurritisch tarpis “Geist, Dämon” zusammenhängen
sollte, so ist die Erzählung von dem in den Nuzi-Texten bezeugten hurritischen
Brauch her verständlich, das Recht auf Familienbesitz mit dem Eigentum an den
Familienidolen zu verknüpfen (K. SEYBOLD, THAT II, 1057f.). Die Rechtsrele-
vanz der Idole bedeutet freilich nicht, dass diese nur noch profane Funktionen ge-
habt hätten; das ist schon durch das Element des religiösen Spottes in Gen 31,34f.
ausgeschlossen, der unter jeder anderen Voraussetzung gegenstandslos wäre.
131
nicht mehr die Schwächen einer allzu einfachen Reduktion, wie sie freilich
umgekehrt auch zum Erfolgsgeheimnis des Monotheismus werden konnte.
Vielmehr entspricht sie mit ihrer Mobilität der grösseren Vielfalt eines Le-
bens von Kulturen, welche zu einer höheren Landwirtschaft und ihren Folge-
errungenschaften, vor allem aber zu einer stärkeren gesellschaftlichen Diffe-
renzierung übergegangen sind'°'. Zwar hat es in Israel niemals ein so span-
nungsreiches Wirklichkeitsbild gegeben, wie es sich in den Götterantagonis-
men des babylonischen oder griechischen Mythos spiegelt. Wenn aber Jahwe
Gen 18 die drei Gottheiten, die offenbar vor ihm in Mamre verehrt worden
‚sind, nicht voll in seine eigene Einzigkeit integrieren konnte, so erweist sich
darin, dass die Welt der Hüter dieses Heiligtums nur im Bewusstsein ihrer un-
reduzierbaren Vielfalt sanktionierbar ist. Selbst die Gestalt Jahwes bleibt
gleichsam in einer gegliederten Pluralität zurück!”?.
Allerdings ist auch bei den Sagen von Gen 12ff., wie bei den Mythen von Kap. 2-11*,
die Vermutung nicht ganz auszuschliessen, dass ihre monolatrischen Züge ein Ergeb-
nis der Identifikation der Vätergötter mit Jahwe darstellen. Freilich konnten wir beob-
achten, inwieweit die enge Verknüpfung religionsgeschichtlicher Motive mit den Gege-
benheiten der Lebenswirklichkeit — sowohl was die Monolatrie der Väter, als auch
was deren Inkonsequenz angeht — den Gedanken an eine blosse Retroprojektion spä-
terer Verhältnisse ausschliesst'°®; dennoch kann auch hier eine theologische Überfor-
mung im Zusammenhang mit den Verschriftungen der Stoffe vereinheitlichend gewirkt
haben. — Da aber die Gattung Sage, anders als die des frühkulturellen Mythos in Gen
2-11*, innerhalb der Jahwe-Observanz im ganzen kein hervorstechendes Merkmal
ist — auch die Richter- und Daviderzählungen sind sagenhaft —, gewinnt die Kumula-
tion historischer Argumente letztlich erst durch die innere Geschlossenheit und Ein-
fühlbarkeit des dabei herausgearbeiteten Frömmigkeitstyps ihre Überzeugungskraft.
Was wir bisher erörterten, gehört nicht nur zur Vorgeschichte des Monotheis-
mus, sondern auch zur Vorgeschichte der Jahwereligion: zumindest für die
historische Väterreligion gilt, dass ihr Gegenüber nicht “Jahwe” heisst;
erst das nun zu erörternde dritte Motiv der Orientierung an einem einzigen
Gott hat es mit frühgeschichtlichen Jahweerfahrungen zu tun!°*.
132
1. Eine erste Explikation findet die Ausschliesslichkeit Jahwes in alten hym-
nischen Reaktionen auf das, was als sein Kommen und Eingreifen in die Ge-
schichte erlebt bzw. interpretiert wurde. Subjektiv steht hinter dieser Expli-
kation eine augenblickliche Betroffenheit, die das eine theophore Ereignis
für das Ganze von Raum und Zeit relevant erscheinen lässt. Nach der her-
kömmlichen Terminologie könnte man hier cum grano salis von Henotheis-
mus sprechen: im Gegensatz zur Monolatrie, die die ständige Bindung einer
Gruppe an eine einzige Gottheit beinhaltet, einer Gottheit, die für die Grup-
penbelange alles bedeutet, verstehen wir unter Henotheismus mit G. VAN
DER LEEUW eine Orientierung, bei der es der Mensch nicht “mit einer gött-
lichen Gesellschaft zu tun” hat, mit “einem fremden überlegenen Staat, zu
dem er in Beziehung tritt, sondern... nur mit Macht, Wille und Gestalt, wie
sie in einem bestimmten Augenblick aktuell, eingreifend, sichtbar wer-
den”!5°; auch die henotheistische Orientierung gibt sich nicht damit ab, die
Existenz der im Augenblick beiseite gedrängten anderen Götter zu leugnen.
Die Betroffenheit von der Weltüberlegenheit des einen soeben erlebten Jah-
we spiegelt sich dabei an einer Gegenstandswelt, deren Beschränktheit dem
empfangenen Eindruck entgegensteht und darum aufgesprengt wird; am
Durchbrechen der welthaften Dimensionen wird die schlechthinnige Unver-
gleichlichkeit, die Einzigkeit des Gottes ablesbar, der in diesen Dimensio-
nen handelt. — Die Erfahrung einer tendenziellen Endgültigkeit, zu der sol-
che Augenblicksbetroffenheit ein einzelnes Ereignis erhebt, ist aber auch hi-
storisch motiviert: der Ausdruck der Augenblicksbetroffenheit durch den
weltüberlegenen Gott bringt in den bereits reflektierten Texten die Summe
der Erfahrung von Generationen zu einer abschliessenden Gültigkeit; was
immer wieder erfahren wurde, findet jetzt seine gemässe Ausdrucksform.
Tatsächlich ist also die Endgültigkeit, die der Text von dem einen berichte-
ten Ereignis aussagt, die Endgültigkeit seines Berichtens, mit anderen Wor-
ten: sie bewegt sich auf der Metaebene des Ausdrucks.
haften Betroffenheit in: Ursprünge und Strukturen 15-31, und in: EvTh 32 (1972)
97-115 (wieder abgedruckt in H.D. PREUSS [ed.], Eschatologie im Alten Te-
stament, 1978, 415-443) bereits genauer beschrieben hat; zum Verhältnis tran-
szendenter Augenblicksbetroffenheit und Mythos noch: Jenseits der Entmytholo-
gisierung 48-57.
155 Phänomenologie, 189. — MAX MÜLLER, der den Begriff des Henotheismus gebil-
det hat, definierte ihn im Blick auf die Religion der Veden noch etwas vorsichtiger
als “ein(en) Glauben an einzelne abwechselnd als höchste hervortretende Götter”
(Vorlesungen über den Ursprung und die Entwicklung der Religion, 1880, 31 2).
133
Der Rahmen des Deboraliedes etwa, der sich durch seinen psalmistischen
Charakter vom episch-rhapsodischen Kern des Liedes als sekundär abhebt!” ,
lässt beim Kommen Jahwes Himmel und Erde, Wolken und Berge, also
gleichsam das ganze räumliche Universum, erbeben, triefen und niedersin-
ken!’ (Ri 5,4f.). Schon nach dem Textkern aber wird der Kampf gegen
Sisera zugleich zur Auseinandersetzung mit den “Königen Kanaans” schlecht-
hin (V. 19). Das Ergebnis des einmaligen Eingreifens Gottes in die Geschich-
te, von dem das Lied berichtet, setzt schliesslich — wiederum nach seinem
Rahmen — voraus, dass von nun an auf diese Weise alle Feinde Jahwes um-
kommen müssen (V. 31); von dem gegenwärtigen einen Ereignis wird hin-
"fort die ‘Welt’ für alle Zukunft bestimmt. So verlässt ein partikulares Ge-
schehen für das Bewusstein derer, die von ihm augenblicklich beeindruckt
sind, den begrenzten Raum und die begrenzende Zeit; es entzieht sich und
seinen Träger damit zugleich jeder Möglichkeit einer mythischen Gestal-
tung, wie sie etwa in Gen 3 oder 18 noch verwirklicht war.
Die Beispiele für ein solches Aufsprengen der Dimensionen durch den Ein-
druck der Weltüberlegenheit eines Gottes lassen sich zwar auch aus meso-
potamischen Gebetsbeschwörungen, vor allem aber aus dem biblischen
Psalter reichlich vermehren'°®. Das geschichtsbezogene Lob des kommen-
den und eingreifenden Jahwe ist nämlich das spezifische Ausdrucksmedium
eben der von der Gemeinschaft Israel verinnerlichten Urerfahrung seiner
Frühgeschichte, einer Erfahrung, die nun bei Gelegenheit vieler neuerer
Rettungen sowohl des Volkes wie des einzelnen strukturanalog wiederholt
wird. — Auch darin erweist sich die Erfahrung des Kommens und Eingrei-
fens Gottes als endgültig, dass sie nunmehr für alle Zukunft prototypische
Bedeutung gewinnt: nachfolgende Rettungen werden in den Bewusstseins-
156 Zu Aufbau und sukzessiver Entstehung des Deboraliedes vgl. H.-P. MÜLLER, VT
16 (1966) 446-459.
157 Die hebräische Wurzel NZL scheint nach Analogie des arabischen nazala “nieder-
sinken” zu bedeuten; so E. LIPINSKI, Bibl. 48 (1967) 195.
158 Zum einzelnen H.-P. MÜLLER, Ursprünge und Strukturen 15-31; zu einem ägyp-
tischen Beispiel: Jenseits der Entmythologisierung 53. — Den unbegrenzten Wir-
kungen des göttlichen Handelns folgt die der menschlichen Antwort darauf, die
die Klage im Lobgelübde bereits vorwegnimmt. So finden sich auch in den baby-
lonischen Gebetsbeschwörungen Vorwegnahmen des Gotteslobes nach der erwar-
teten Errettung; in ihnen wird vorausgesetzt, dass diese ana nisi rapsati “den weit-
verbreiteten Menschen” und ana däräti “für alle Zeit” verkündigt werden wird
(W. MAYER, Formensprache der babylonischen ‘'Gebetsbeschwörungen’ 340—
343).
134
spuren der früheren erlebt; frühgeschichtliche Erinnerungen lösen das my-
thische illud tempus in seiner stiftenden und normativen Funktion ab.
Das zitierte Deboralied lässt dabei den sozialgeschichtlichen Ort dieser früh-
israelitischen Gotteserfahrung differenziert erkennen. — Das Ereignis, von
dem der episch-rhapsodische Kemtext berichtet, liegt in einer Periode, da
die einzelnen Stämme zwar noch ein selbständiges Dasein und eine eigene
Geschichte hatten, sich die Nötigung zu einer politischen Stabilisierung ihrer
Einheit unter einer ‘offiziellen’ Religion aber schon abzeichnete. Zugleich
freilich zeigt das Schilfmeer-Lied Ex 15,21, dass die ersten Erfahrungen
eines geschichtlichen Eingreifens Jahwes aus einer früheren Zeit stammen'*”:
schon damals war freilich die das Leben bestimmende soziale Organisations-
form nicht mehr die blutmässig-naturhaft verbundene Familie!, sondern
eine Gruppierung, deren Identität bereits in einer geschichtlich-politischen
Gegebenheit begründet war, nämlich in der gemeinsamen Bedrohung durch
die Ägypter. In der durch Ex 15 einerseits, Ri 5 andererseits begrenzten Pe-
riode büsst die Familie immer mehr an Autarkie ein, erst zugunsten des
Stammes, dann zugunsten des Staats, jedesmal aber auf komplizierten We-
gen durch Übergangsphasen'®!. Schliesslich gehört der psalmistische Rah-
men des Deboraliedes offenbar zu so etwas wie einer Jerusalemer ‘Redak-
tion’ des älteren Liedkerns!®: die Explikation der Augenblicksbetroffenheit
in der Vorstellung vom Erbeben eines Universums setzt die Staatsbildung
voraus, die Israel seinen Platz in einer Völkergesellschaft anwies; damit war
die Voraussetzung geschaffen, sich einen neuen, umfassenderen Begriff von
‘Welt’ zu geben. Vermutlich ist die Objektivierung des Weltbegriffes für eine
Fixierung des Ausschliesslichkeitsanspruches Jahwes wichtiger als der grund-
sätzlich unveränderte Umstand, dass der Jahwekult in Konkurrenz zu ande-
ren religiösen Bindungen stand.
Dass sich die Orientierung an einer einzigen Gottheit als tragende Grösse
der vor- und frühisraelitischen Religion in frühkulturell-mythischen, mono-
159 Für das hohe Alter von Ex 15,21 spricht nicht nur das Fehlen eines parallelismus
membrorum, sondern auch der andeutende Stil des Liedes, der die Bekanntschaft
der Hörer mit den Umständen voraussetzt; vgl. F. CRÜSEMANN, Formgeschich-
te von Hymnus und Danklied 20f.
Fami-
160 Charakteristischerweise erscheint Sieghaftigkeit nun nicht mehr wie in der
lienreligion der Patriarchen als Auswirkung des Segens (Gen 24,60; 49,24) oder
des Mit-Seins Gottes, wie es allerdings erst in späteren Formulierungen (Dtn 20,
1.4; Jes 7,14; 8,10; Ps 46,8.12) genannt wird.
161 Dazu zuletzt W. THIEL, Altorientalische Forschungen IV, 1976, 151-165.
162 H.-P. MÜLLER, VT 16 (1966) 458f.
135
latrischen und henotheistischen Vorstellungsformen jeweils variabel verwirk-
lichte, hängt insoweit an beitragenden sozio-kulturellen Faktoren: die Punk-
tualität einer henotheistischen Artikulation von Jahwes Ausschliesslichkeit
etwa entspricht der Jeweiligkeit kriegerischer Triumphe nach der Landnah-
me, für die das vorläufige Einmal kompensatorisch zum Für-alle-Mal wird.
Wenn freilich gerade die Erfahrung geschichtlicher Rettungen für die Reli-
gion Israels so beherrschend wurde, wie sie es auch später blieb, so ist dies
umgekehrt nur erklärlich, weil sich die entsprechende Erfahrung innerhalb
einer längeren Zeitstrecke tatsächlich mehrmals und in so tiefgreifender
Weise aufdrängte, dass sie für alle künftige Zeit prägend war. Eine solche
Vielfalt und Durchschlagskraft der religiösen Geschichtserfahrung aber hat
ihre Ursache wiederum in Israels ungewöhnlich langem Verharren bei der
Organisationsform in einzelnen Stämmen, d.h. in einer ungewöhnlichen
Hinauszögerung seiner endgültigen Landnahme durch eine politische Konso-
lidierung, wie sie allein die Staatlichkeit gewährleistet!®.
2. Die ältere Königszeit dürfte darum auch der terminus a quo für die ur-
sprüngliche Form des Fremdgötterverbotes sein!*, Erst jetzt ist die Voraus-
setzung gegeben, eine unpolemische Monolatrie, einen augenblicksgebunde-
nen Henotheismus durch die artikulierte und reflektierte Überzeugung von
der Ausschliesslichkeit des Anspruchs Jahwes zu ersetzen.
Um die ursprüngliche Form des Fremdgötterverbots zu gewinnen, ist zu-
nächst gegenüber dem allen Bibellesern geläufigen Text des ‘elohistischen
Dekalogs’ Ex 20,2f. (Din 5,6f.) eine doppelte Subtraktion erforderlich:
einerseits dient die — wieder deuteronomistisch erweiterte — Selbstvorstel-
lung Jahwes Ex 20,2 (Dtn 5,6) einer nachträglichen Begründung der ersten
beiden Gebote'“°, die in ihrer älteren kürzesten Form einmal für sich selbst
sprachen; andererseits ist aus dem verbleibenden Prohibitivsatz Ex 20,3
136
(Dtn 5,7) das abschliessende @/ pänäj “zu meinen Ungunsten”! zu eli-
minieren, da es als Element der Ich-Rede Jahwes den Er-Stil der übrigen Ge-
bote, insbesondere des nahestehenden Namenmissbrauchverbots Ex 20,7,
verlässt und wohl infolge der Hinzufügung der göttlichen Selbstvorstellung
hierher geraten ist. Aber auch der verbleibende Text stellt noch nicht den
ältesten erreichbaren Gebotswortlaut dar: der Plural @öhim aherim ““ande-
re Götter” gehört der deuteronomistischen Sprache an!”;vielleicht ist er
an die Stelle eines ursprünglichen Singulars, nämlich @] aher “anderer Gott”,
getreten, wie er auch in der Parallelformulierung des ‘jahwistischen Dekalogs’
Ex 34,14a begegnet, wo der für den Prohibitiv verwendete S7-Stamm HWH
“niederfallen” zudem grössere Konkretion aufweist (vgl. Ps 81,10)1®.
Auch Formulierungen wie 7, 7,17 exz 2] ahör Ex 20,38 ci.
“du sollst keinen anderen Gott haben”
oder
16 tistah@wä l@’el’aher Ex 34,14a
“du sollst vor keinem anderen Gott niederfallen”
sind allerdings immer noch kein eindeutiger Ausdruck des Monotheismus
im Sinne einer Bestreitung der Existenz anderer Götter. Die Prohibitive
lö jihjä ICka und lö tistah@wä geben wie entsprechenden Formeln in Ex
22,19; 23,13; Dtn 32,12; Hos 13,4; Ps 81,10 Verhaltensregeln; sie machen
keine Aussagen über Sein oder Nichtsein einer sprachlich benennbaren, also
vorgestellten Grösse. Das Fremdgötterverbot besagt lediglich, dass die Ange-
redeten allein Jahwe als Gott verehren dürfen; allein ihnen als dem Gottes-
volk ist es verwehrt, das Prädikat der Gottheit einer anderen Gestalt zuzu-
erkennen. Insofern gehört das erste Gebot noch auf die Seite der Monola-
trie — freilich einer viel grösseren Menschengruppe als in der Väterzeit —;
auch das erste Gebot ist ein Teil der Vorgeschichte des Monotheismus. Das
in Jahwes Ausschliesslichkeitsanspruch auch hier enthaltene subjektiv-
situationelle Implikat ist durchaus der modernen Erfahrung konform, dass
das Reden von Gott der Ausdruck einer Bewegung des menschlichen Lebens,
ein Hinweis auf den alles entscheidenden Bezugspunkt unseres Handelns
ist.
166 Zur Übersetzung A. JEPSEN, ZAW 79 (1967) 287, der dazu auf Dtn 21,16 ver-
weist. Dagegen wurde von E. KÖNIG und L. KÖHLER “mir zum Trotz” von M.
NOTH und R. KNIERIM (ZAW 77 [1969] 24f.) “mir (räumlich) gegenüber” vor-
geschlagen, letzteres im Blick auf Verhältnisse, wie sie etwa 2 Kön 23,4.11f. für
den Jerusalemer Tempel vorausgesetzt werden.
167 Vgl. J. HALBE, Das Privilegrecht Jahwes 119f.
168 Vgl. H. GESE, Vom Sinai zum Zion 67''%.
137
LITERATURVERZEICHNIS
138
— Der kanaanäische El als Geber der den israelitischen Erzvätern geltenden Nach-
kommenschaft- und Landverheissung, Kleine Schriften 5, 1973, 50-62.
Eliade, M., Die Religionen und das Heilige, 1954.
— Kosmogonische Mythen und magische Heilungen, Paideuma 6 (1956) 194-204.
Jastrow, M., A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the
Midrashic Literature, 2 Bde, Nachdruck 1967.
Jaussen, J.A. / Savignac, R., Mission arch&ologique en Arabie, 1 1909, 2 1920, 3 1922.
Jepsen, A., Beiträge zur Auslegung und Geschichte des Dekalogs, ZAW 79 (1967)
277-304.
139
Jirku, A., Zweier-Gottheit und Dreier-Gottheit im altorientalischen Palästina-Syrien,
MUSJ 49 (1969) 111-117.
Jolles, A., Einfache Formen, 1968*.
140
Nielsen, D. u. a., Handbuch der altarabischen Altertumskunde, 1927.
Nielsen, E., Die Zehn Gebote, 1965.
Noth, M., Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namen-
gebung, 1928, Nachdruck 1965.
— Das zweite Buch Mose/Exodus, 1974°.
Nougayrol, J. / Laroche, E. / Virolleaud, Ch. / Schaeffer, C.F.-A., Ugaritica V, 1968.
Parker, S.B., The Historical Composition of KRT and the Cult of El, ZAW 89 (1977)
161-175.
Pettinato, G., Die Bestrafung des Menschengeschlechts durch die Sintflut, Or 37 (1968)
165-200.
— Das altorientalische Menschenbild und die sumerischen und akkadischen Schöp-
fungsmythen, 1971.
— Royal Archives of Tell Mardikh-Ebla, BA 39 (1976) 44-52.
— Ebla. Un impero inciso nell’ argilla, 1979.
141
Vaux, R. de, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, 2 Bde, 1960.
Virolleaud, Ch., Le Palais royal d’Ugarit V, 1965 («= PRU V).
Virolleaud, Ch., siehe: Nougayrol, J. / Laroche, E. / Virolleaud,
Ch. / Schaeffer, C.F.-A.
Vorländer, H., Mein Gott. Die Vorstellung vom persönlichen Gott im Alten Orient und
im Alten Testament, 1975.
142
Monotheismus in Israel
144
theismusproblems unzulässig vermischt. Natürlich haben sich die mono-
theistischen Religionen, besonders Christentum und Islam, als “erfolgreich”
erwiesen im Sinne der Verdrängung anderer Religionsformen; aber Erfolg
ist gewiss kein Wahrheitskriterium.
Die normative Behandlung des Monotheismus-Problems (und natürlich auch
anderer Probleme) drückt sich in Kategorien gegenwärtiger Welterfahrung
aus; sie deutet, ordnet und wertet diese Erfahrung im Hinblick auf einen an-
hand dieser Erfahrungen zu beschreibenden Begriff des Monotheismus.
Sucht man nach einer Vermittlung zwischen normativer und historischer Be-
handlung des Monotheismus-Problems, so hat man zunächst die Wertfrage
historisch zu stellen; sie verschiebt sich dann zur Frage nach der Bedeutung,
präziser nach der Leistung eines bestimmten Monotheismus im Rahmen der
damaligen gesamten Welterfahrung. Was leistet einem Monotheisten sein
Monotheismus, einem Polytheisten sein Polytheismus? Unter Leistung ver-
stehe ich, was sich an Implikationen für das Selbstverständnis des Menschen,
für das Verständnis seiner sozialen Umgebung, seiner Welt und seiner Bezie-
hung zum Heiligen ergibt. Alle diese Bereiche bilden einen kulturellen Zu-
sammenhang, sie sind durch ein Gesamtsystem von Normen miteinander ver-
bunden; Monotheismus ist also weniger als isoliertes Element eines bestimm-
ten Religionstypus zu erfassen denn vielmehr als religiös-kulturelles Gesamt-
system. Dabei wird man ebensowenig behaupten können, dass bestimmte
kulturelle und historische Gegebenheiten oder aber bestimmte religiöse Er-
fahrungen für die Ausbildung eines derartigen Systems allein ausreichen. Es
ist wichtig, dass alle Faktoren gebührend beachtet werden?.
Die historische Beschreibung von religiös-kulturellen Gesamtsystemen er-
gibt normative Geltungen, welche vergangene Erfahrungen prägen; da sich
diese Beschreibung aber notwendig der Kategorien gegenwärtiger Welterfah-
rung bedient, ergibt sich von selbst ein Beitrag zur normativen Behandlung
des Monotheismus, die ich keineswegs ausklammern möchte und auf die ich
am Schluss kurz zurückkomme.
3 Es ist häufig zu beobachten, dass von seiten einzelner Disziplinen (etwa der Reli-
gionssoziologie oder der Religionspsychologie) implizite Ausschliesslichkeitsan-
sprüche in der Interpretationskompetenz religiöser Phänomene angemeldet werden.
Vgl. zum Problem U. BIANCHI, Probleme 8ff. und B1ff.; G. LANCZKOWSKI,
Begegnung 37f.
145
2. Das Problem der Entwicklung
146
Aber sofern man überhaupt damit rechnet, dass Phänomene der Religionsge-
schichte, zu denen man nicht einen unmittelbaren, durch die eigene Ge-
schichte vermittelten Kontakt hat, verstehbar sind, ist man auf das Verglei-
chen und das Verzeichnen von Analogien angewiesen; und dabei ergibt sich
von selbst die Frage, ob sich im religionsgeschichtlichen Wandel Konstanzen
zeigen, auch wenn man nicht gleich universale und einlinige Entwicklungs-
tendenzen postuliert. Vor allem darf der Wandel religiöser Vorstellungen
nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr ist er im Zusammenhang mit
Kulturwandel und geschichtlichen Vorgängen zu untersuchen”. Die gesamte
Problemdimension, die sich bei der Frage nach der Leistung eines religiösen
Phänomens zeigt, ist auch bei der Beschreibung von Analogien, Konstanzen
und Entwicklungstendenzen zu berücksichtigen. In dieser Weise wird unten
nach der Entwicklung vom Polytheismus zum Monotheismus zu fragen sein.
147
Solche Differenzierungen in der Phänomenbeschreibung sind gewiss sinnvoll;
aber sie reichen doch nur an die Oberfläche der Phänomene. Auch hier ist
nach der Leistung einer spezifischen Konzeption der Einzahl Gottes zu fra-
gen. Es gilt also, die Funktion einer spezifischen Einzigkeit Gottes im Rah-
men ihres religiös-kulturellen Gesamtsystems zu beschreiben. Erst dann ist
es sinnvoll, Analoges zu gruppieren, die Analogien zu benennen und allen-
falls Entwicklungslinien aufzuzeigen.
11 Zur Struktur des Polytheismus insgesamt vgl. A. BRELICH, Numen 7 (1960) 123ff.;
G. MENSCHING, Die Religion 156ff.; G. WIDENGREN, Religionsphänomenologie
113ff. Speziell zum Polytheismus im semitischen Bereich: S. MOSCATI, Studi Se-
mitici 1 (1958) 136. Interessante Hinweise zum Zustandekommen des polytheisti-
schen Systems im sumerischen Gebiet gibt M. LAMBERT, RHR 79 (1960) 1ff.
148
ren Ausschnitten der Wirklichkeit zugeordnet'?. Andererseits kann das Alter
eines Gottes auch Symptom seiner geschwundenen Bedeutung und damit
Reflex eines religionsgeschichtlichen Umschichtungsprozesses sein!?; beide
Möglichkeiten haben ihre Analogie in der gesellschaftlichen Wirklichkeit des
Menschen. Auch die Rivalität hat ihren Ort im Göttergefüge'*.
Herrschaftsausübung und Dienstleistung sind so aufeinander abgestimmt,
dass ein geordneter Kosmos gewährleistet ist: Die Götter nehmen ihre Auf-
gaben wahr im Auftrag eines Götterkönigs oder jedenfalls einer durch Göt-
ter vertretenen zentralen Machtinstanz!*; dem Kosmos steht ein Chaos gegen-
über, ein ungeordnetes Gewirr lebensfeindlicher Mächte, welches den Kos-
mos in Frage stellt!°. Entsprechend hat der König als Zentralfigur der Macht
und als Hüter des Rechts die lebensgefährdenden Mächte, welche dem Ge-
meinwesen drohen, abzuwenden.
Was leistet dieser Polytheismus? Der Mensch, welcher mit seinen Göttern
umgehen kann, vermag gleichzeitig mit seiner Welt bewusst umzugehen. Er
kann die Mächte, welche sich in Natur und Geschichte manifestieren, un-
terscheiden, in ein wechselseitiges Verhältnis bringen, in ihrer Hierarchie
durchschauen. Im geregelten kultischen Umgang, der den Göttern zuteil
wird, werden diese Mächte auch ein Stück weit bewältigt, der Mensch ge-
langt in eine gewisse Distanz zu den elementaren Lebensfaktoren, die ihn be-
stimmen.
12 Dies zeigt sich etwa in der Theogonie HESIODs, wenn die Erde den Himmel und die-
ses Urpaar den ganzen übrigen Kosmos aus sich heraussetzt; ganz entsprechend auch
“Enüma eli$”.
13 Zu vergleichen ist wiederum “Enüma elis”: Die Götter der vergangenen sumerischen
Hochkultur vermögen das Chaos nicht zu bändigen — aber der junge Marduk, Ex-
ponent des neu erstarkten Babylon, ist dazu im Stande; vgl. F. STOLZ, Strukturen
21ff.
14 Vgl. etwa das sumerische Streitgespräch zwischen dem Hirten Dumuzi und dem
Bauern Enkimdu (ANET 41f.). Hier spiegelt sich die kulturelle Vielfalt, in welcher
es zu ordnen und zu werten gilt, wider, vielleicht sogar ein Umwertungsvorgang (so
M. LAMBERT, RHR 79 [1960] 7ff.).
15 Ob man freilich so weit gehen kann, die Religion etwa der Sumerer als “monola-
trisch” zu bezeichnen in dem Sinne, dass nur ein einziger Gott wirklich verehrt wor-
den wäre, scheint mir zweifelhaft; gegen M. LAMBERT, RHR 79 (1960) 19. In
einem Frühstadium mag dieses Urteil vielleicht noch einen höheren Berechtigungs-
grad gehabt haben als in der Zeit, in welcher sich die sumerische Kultur als Einheit
fühlte und sich dieser Einheit bewusst war.
16 Dazu V. MAAG, an verschiedenen Stellen;z.B. NTT 21 (1966/67) 173ff.;F.STOLZ,
Strukturen 14ff.
149
In diesem Polytheismus zeigt sich somit bereits ein grundlegendes Bewusst-
sein in einer Kulturwelt, das sowohl um die Möglichkeiten wie um die Ge-
fährdungen dieser Kultur weiss. Das Thema “Chaos” und die damit gegebe-
ne Reflexion der Gefährdungen des historisch und zivilisatorisch weit ent-
wickelten Lebens stellt die Kehrseite des durch die gegliederte Götterwelt
vertretenen Kosmos dar.
Die sogenannten “monotheistischen Tendenzen” innerhalb des Polytheis-
mus stellen Komplementärerscheinungen dar, welche das System als ganzes
nicht in Frage stellen und ihre je spezifischen Leistungen innerhalb der Ge-
‚samtleistung des Polytheismus haben. Wenn etwa in Hymnen ein Gott im
Lob über die andern Götter ins Unvergleichliche und Einzige hinausgehoben
wird, entspricht dies einem Schwinden der Distanz unter dem unmittelbaren
Eindruck des überwältigenden Heiligen; hat der Beter das Heiligtum verlas-
sen, so tritt der Gott ins Glied zurück, die Überschaubarkeit der Welt der
Götter und die Möglichkeit des Vergleichens kehrt wieder!’. Wenn ein ein-
zelner oder eine ganze Familie einen Schutzgott verehrt, zu dem sie ein ganz
exklusives Verhältnis pflegt, so drückt sich darin das Bewusstsein um die
eigene Individualität aus, die auch im Umgang mit dem Heiligen ihre Gestal-
tung finden will: Der von der Gemeinschaft getragene Gottesdienst reicht
nicht aus, um alle Erfahrungen und Bedürfnisse des einzelnen (der im selben
Masse Distanz zur Gemeinschaft empfinden lernt, wie die Kultur als ganze
ihre gefährdete Distanz zur Natur empfindet) zu erfassen. Es ist bezeichnend,
dass dieser persönliche Schutzgott eine Vermittlerfunktion den Hauptgöt-
tern, damit dem Pantheon als Ganzem, der Göttergesamtheit der Gemein-
schaft gegenüber hat'!®. Wenn priesterliche Spekulation Götter als Aspekte
150
eines grösseren Gottes identifiziert oder als Glieder eines einzigen, umfas-
senden Gottes beschreibt, so ist dies ein Produkt theologischer Bemühung
um die Beschreibung der Einheit der Welt (der Menschen wie der Götter —
eine Tatsache, die der naive Kultteilnehmer ganz selbstverständlich voraus-
setzt; wie so oft rekonstruiert der Theologe etwas, was dem Durchschnitts-
menschen bereits ganz selbstverständlich ist)!?. Wenn in weisheitlichen Tex-
ten neutral von “dem Gott” die Rede ist, ist diese Einheit in der lebensprak-
tischen Suche nach den der Welt innewohnenden Ordnungen in genau dieser
Weise vorausgesetzt?°. Und wenn schliesslich die Ugariter in höchster Not
nur noch zu EI klagen oder die Sumerer in ihren Städteklagen nur noch die
als Einheit gesehenen Götter An und Enlil für das Unheil verantwortlich
machen, steht eben diese Ordnung der gegliederten Welt im ganzen zur Fra-
ge — darum erscheinen Götter, welche (mindestens in dieser Situation) jen-
seits der Vielheit des Pantheons stehen und mit der Weltordnung als ganzer
befasst sind?!.
Alle diese “monotheistischen Tendenzen” sprengen den Rahmen des Poly-
theismus also nicht, sondern setzen ihn voraus und thematisieren in dieser
oder jener Weise die Einheit der Welt der Menschen und Götter; auf die Ver-
wendung des Begriffs “monotheistisch” verzichtet man m.E. in diesem Zu-
sammenhang besser.
Anders verhält es sich mit historischen Einbrüchen, welche wohl an Gegeben-
heiten des Polytheismus anknüpfen, diese aber radikal und revolutionär um-
gestalten, einen antipolytheistischen Zug aufweisen und insofern sinnvoll
22 Zum Ablauf der Ereignisse vgl. den Überblick bei E. OTTO, Ägypten, 159ff.
23 Zum Ablauf der Ereignisse vgl. W. HINZ, Zarathustra 77ff.
24 Zum Ablauf der Ereignisse vgl. R. PARET, Mohammed, bes. 62ff.
152
Weder Echnaton noch Zarathustra noch Mohammed haben einen neuen, bis-
her unbekannten Gott verkündigt?°. Aber sie haben einen altbekannten Gott
in völlig neuer Weise sehen gelernt und gelehrt, ihn gegen die Vielgestaltig-
keit der Götterwelt ausgespielt, damit eine Vielzahl von Aspekten bisherigen
Lebens als illegitim abgewiesen, die bis dahin harmonisch in die Gemeinsam-
keit der Lebensvollzüge integriert waren. Diese Vorgänge verdienen die Be-
zeichnung “Revolution”. Bei Echnaton handelt es sich um eine Revolution
von oben, die sich zunächst durchsetzt, mit der alten Ordnung radikal zu
brechen versucht, aber nur für kurze Zeit lebensfähig bleibt. Zarathustras
Revolution hat zunächst keinen Erfolg; der Prophet muss fliehen, seine an-
gestammte Umgebung erträgt die umwälzenden Ideen nicht. Er findet bei
einem andern Stamm Zuflucht, von hier aus scheint sich seine Lehre dann
ausgebreitet zu haben. Mohammeds Revolution nimmt anfänglich einen ähn-
lichen Verlauf wie die Zarathustras: Auch Mohammed muss aus seiner Va-
terstadt Mekka fliehen. Erst später gelingt ihm der Durchbruch, der zur
Herrschaft in Arabien und zur Liquidation des altarabischen “Heidentums”
führt.
Alle diese monotheistischen Revolutionen stellen also Neuerungen dar, wel-
che die überlieferte Vielgestaltigkeit in ihrer differenzierten Ordnung nicht
akzeptieren und dementsprechend von dieser Ordnung (die normalerweise
25 Relativ deutlich lassen sich Kontinuität und Diskontinuität bei den monotheisti-
schen Revolutionen in Ägypten und Arabien aufzeigen. Zu Echnaton vgl. z.B.
S. MORENZ, Ägyptische Religion 154f.; E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen
240ff. Zu Mohammed: C. BROCKELMANN, ARW 21 (1922) 99ff.; zuletzt W.
MONTGOMERY WATT, Numen Suppl. 31(1975) 228ff.
Viel schwieriger liegen die Dinge bei Zarathustra. Umstritten ist zunächst, ob der
Gott Ahura Mazda (unter diesem Namen) bereits vor Zarathustra in Persien verehrt
wurde. Dies bejaht H.S. NYBERG, Religionen 95ff.; er interpretiert das Werk des
Propheten als Reaktion auf das Aufeinanderprallen zweier verschiedener religiöser
Systeme (bes. 188ff.). Seine Modellvorstellung ist derjenigen, die unten zur Inter-
pretation des israelitischen Monotheismus verwendet wird, nicht unähnlich.
Dagegen meint HINZ, Zarathustra 91ff., der Prophet hätte einen völlig neuen Gott
verkündigt. — Man wird wohl davon auszugehen haben, dass der Ahura Mazda des
Zarathustra die neu verstandene Varuna-Gestalt darstellt (vgl. WIDENGREN, Re-
ligionen 11ff.). Es ist aber festzuhalten, dass in der Verkündigung Zarathustras
nicht einfach eine ursprünglichere Gottesverehrung wiederhergestellt würde — so
etwa R. MAYER, BZ NF 1 (1957) 38ff., der eine Rückkehr zum ursprünglichen
Hochgottglauben (und damit zum postulierten Urmonotheismus) annimmt. Es han-
delt sich um eine Umbildung, die viel mehr Neues bringt, als sie Altes erhält.
153
neue religiöse und kulturelle Impulse integriert und in einem veränderten
Gleichgewicht der Kräfte auffängt) nicht akzeptiert werden?°. Die mono-
theistischen Revolutionen zeitigen ein Ungleichgewicht, das zur Auseinander-
setzung führt; und diese Auseinandersetzungen können, wie das Christentum
und der Islam zeigen, zu weltgeschichtlichen Umschichtungen führen.
26 Alle “organischen” Modelle der Entwicklung zum Monotheismus sind also ungenü-
gend — so etwa das (früher stark benützte) Monarchie-Modell: Die monarchische
Gesellschaftsstruktur und die entsprechende Strukturierung des Pantheons laufe ge-
wissermassen von selbst auf die Exklusivrolle des Königs und also Gottes heraus
(vgl. etwa W. ROBERTSON SMITH, Religion 51). Die Diskontinuität monotheisti-
scher Einbrüche ist von der Religionswissenschaft mit Recht betont worden, vgl.
etwa R. PETTAZZONI, Der allwissende Gott 114ff.; G. MENSCHING, Die Reli-
gion 168f.; sehr differenziert U. BIANCHI, Probleme 44ff.
27 Rechnet man nicht mit mosaischem Ursprung des 1. Gebotes (vgl. die unter Anmer-
kung 76 angegebene Literatur), so ist man unter den Alttestamentlern doch ziem-
lich einhellig der Meinung, dass in der Vorzeit vor der Landnahme das erste Gebot
entweder implizit wirksam oder doch nach der Landnahme sofort selbstverständlich
gewesen wäre; vgl. z.B. R. KNIERIM, ZAW 77 (1965) 27£f.; W.H. SCHMIDT, Das
erste Gebot 12f.
154
1. Vorprägung durch die nomadische Religion?
Zwei Göttertypen haben den Hintergrund für Versuche abgegeben, eine Ein-
Gott-Struktur für die Religion der nomadischen Gruppen Frühisraels nach-
zuweisen: der Hochgott und der Sippengott; zuweilen wird auch eine Mi-
schung beider Typen angenommen.
a) Die noch nicht sesshaften Gruppen, deren Nachfahren später wesentli-
chen Anteil an der Bildung des Volkes Israel hatten, waren Kleinviehzüchter
mit wenig differenzierter, nicht arbeitsteiliger Kultur. In ähnlich strukturier-
ten Kulturen stösst man häufig auf ein “Höchstes Wesen”, das im Bereich
der numinosen Mächte eine gewisse Exklusivstellung einnimmt”®; anderer-
seits fehlt ein Pantheon im Sinne des Polytheismus, also eine gegliederte und
durch mannigfache Beziehungen durchstrukturierte Götterwelt; der einfachen
Welt, die durch eine einfache Kultur bewältigt wird, entspricht eine unkom-
plizierte und undifferenzierte Manifestation des Heiligen und eine entspre-
chende Ordnung im Bereich des Göttlichen. Das eine Höchste Wesen ent-
spricht der Einheit der Welt, wie sie sich der Lebensgemeinschaft darstellt.
Im einzelnen sind dann immer noch viele Unterschiede zwischen den ver-
schiedenen Kulturen zu beobachten. Manchmal steht das Höchste Wesen
dem Menschen recht fern, zwischen ihm und dem Menschen stehen andere
Höhere Wesen mit bestimmten spezialisierteren Funktionen; manchmal hat
es auch eine recht unmittelbare Bedeutung für den es verehrenden Men-
schen.
Es lag nahe, die Gestalt Els, der an manchen Orten persönlich abgegrenzte
Gottheit ist, gleichzeitig aber fast überall im semitischen Bereich mit seinem
Namen als Bezeichnung für die Götter schlechthin dient, als “Höchstes We-
sen” einer semitischen Frühzeit, die vor dem Polytheismus liegt, zu bestim-
men??. El scheint freilich ein eher hintergründiges Höchstes Wesen gewesen
28 Vgl. etwa den Überblick von J. HAEKEL, in: H. TRIMBORN, Völkerkunde 97ff.
Über die grosse Bedeutung des Höchsten Wesens im Bereich der Hirtenkulturen
Afrikas und Asiens handelt W. SCHMIDT, Ursprung XII/3 (wobei freilich unter
“Hirtenkultur” im einzelnen doch recht verschiedene Kulturformen subsumiert
werden; auf die antik-vorislamische Nomadenkultur Vorderasiens geht der Ethnolo-
ge Schmidt natürlich nicht ein).
29 Die Beurteilung des Ursprungs der EI-Figur schwankt in der Forschung beträchtlich.
die ara-
Klassisch ist einerseits das Urteil WELLHAUSENS, das sich auf Allah, also
bische Erscheinungsform Els, bezieht: “Die Sprache ist es wohl überhaupt gewesen,
Gott
die Allah zunächst geschaffen hat,ich meine nicht bloss das Wort, sondern den
der
selber.” (Reste 218). WELLHAUSEN argumentiert in der Weise, dass innerhalb
Sippengötte r weniger mit dem (durchaus vorhandenen ) Eigennamen als
Sippen die
155
zu sein; sonst wäre er wohl nicht so schnell als persönlich abgegrenzte Figur
an vielen Orten verschwunden”
Auch wenn man die Einordnung Els unter die “Höchsten Wesen” akzeptiert,
so bedeutet dies keineswegs, dass es in einer Frühzeit semitischer Religions-
geschichte (die ohnehin nur hypothetisch auszumachen ist und die man nur
sehr begrenzt als eine Epoche mit einer einheitlichen “ursemitischen Reli-
gion” voraussetzen darf) nur El als göttliche Figur gegeben hätte. Neben die-
sem Höchsten Wesen gab es gewiss — nicht nur in dem Bereich, der einen
Polytheismus ausbildete — noch andere Höhere Wesen?!. So ist an der The-
vielmehr einfach mit “Gott” bezeichnet worden wären; mit der Zeit hätte sich so
im Zusammenleben der Sippen die Vorstellung eines Gottes herausgebildet: “Die
Sprache hat wie so oft dem Denken vorgearbeitet.” (Ebd. 219). Wellhausen hat mit
dieser These bis in die Gegenwart hinein Nachfolger gefunden, z.B.G. RYCKMANS,
Religions, 47.
Andererseits war bereits im 19. Jahrhundert die Idee eines semitischen Urmono-
theismus ganz geläufig; sie war mit grossem Enthusiasmus von E. RENAN vertreten
worden, z.B. JA 5/13 (1859) 214ff. 417ff. RENAN spricht von einem “mono-
theistischen Instinkt” der Semiten und ordnet ihn dem monotonen Landschafts-
erleben zu. Wenngleich diese Überlegungen im einzelnen wenig Anklang fanden,
war doch die Monotheismus-Vorstellung als solche populär; mit der El-Figur war sie
leicht in Zusammenhang zu bringen. So meint M.-J. LAGRANGE, Etudes 70, El sei
der “dieu commun, primitif et tres probablement unique des S&mites”. Die andern
Götter wären dann im Rahmen der Ausbildung der Stammesorganisation durch Ab-
spaltung entstanden. Die Hypothese Wellhausens ist also geradewegs umgedreht.
Auch von andern Argumentationen, etwa sprachlichen, her, wurde ein Urmono-
theismus postuliert; vgl. FRIEDR. DELITZSCH, Babel und BibelI, bes. 49. Mit Ka-
tegorien der Allgemeinen Religionewissenschaft neuerer Prägung wie “Urheber”,
“Höchstes Wesen” usw. argumentieren dann u.a. C. BROCKELMANN, ARW 21
(1922) 119; R. MAYER, BZ NF 1 (1957) 27ff.; S. MOSCATI, Studi Semitici1
(1958) 121; N.H. SNAITH, ALUOS 5 (1963/65) 100ff.
30 Zur Geschichte Els in den verschiedenen semitischen Kulturräumen vgl. F. STOLZ,
Strukturen 126ff. — In den neu gefundenen Texten von Ebla scheint Ei ausserhalb
theophorer Namen keine Rolle gespielt zu haben (nach dem Überblick von P.
MATTHIAE, Ebla 203ff.).
3 jean Damit rechnet übrigens auch W. SCHMIDT; “Urmonotheismus” heisst für ihn nur,
dass das Höchste Wesen eine exklusive Stellung innehat und die “Höheren Wesen”
dann aber ganz und gar als vom Höchsten Wesen abhängig gelten (Geschaffensein,
Beauftragung und Beaufsichtigung durch das Höchste Wesen; vgl. W. SCHMIDT,
Handbuch 255f.) SCHMIDT behauptet einen wirklichen Monotheismus bei einer
Vielzahl höherer Wesen, was vielfach nicht beachtet worden ist. Aber auch unter
Berücksichtigung von Schmidts (problematischer) Definition wird man gewiss nicht
von einem El-Urmonotheismus sprechen können, die Unterordnung anderer Höhe-
rer Wesen lässt sich in diesem Sinne kaum nachweisen. Allgemein zum Verhältnis
von Höheren Wesen und Höchstem Wesen: W. HOLSTEN, RGG? IV, 1109f.
156
se, die semitische Religion sei ursprünglich eine Astralreligion, wenigstens so
viel richtig, dass sich überall im semitischen Bereich eine Verehrung gewisser
astraler Wesen belegen lässt; diese werden neben dem Hochgott ihre im ein-
zelnen ganz unterschiedlich zu bestimmende Position eingenommen haben.
Und ausserdem gab es natürlich jede Menge niederer, aber doch “mächtiger”
Wesen, mit denen der Mensch sich auseinanderzusetzen hatte”.
Der Übergang Els in ein polytheistisches System scheint konfliktlos vor sich
gegangen zu sein. In Mesopotamien wurde das Wort einfach zum Appella-
tiv und verlor die Kraft des Eigennamens. In Ugarit erscheint El als ferner
Gott, der teils über, teils neben den nahen Göttern rangiert”. Andernorts
mögen nochmals andere Verhältnisse zu beobachten sein; nirgends aber sehe
ich, dass El in irgendeiner Weise eine exklusive Rolle spielte.
Ähnlich vielgestaltig mag die Entwicklung des Höchsten Wesens El im Be-
reich nomadischer Kultur verlaufen sein; aber sie lässt sich hier, im schrift-
losen Raum, noch viel weniger fassen als in den Hochkulturen. Die Reli-
gion der Nomaden generell als El-Religion zu bezeichnen, ist sicherlich nicht
gerechtfertigt?” ;noch viel weniger geht es an, einer nomadischen EI-Vereh-
rung einen ausschliesslichen Charakter zuzubilligen.
b) Bereits im 19. Jahrhundert rechnete man mit Sippengöttern, welchen
von seiten ihrer Verehrer eine gewisse exklusive Verehrung (“Monbolatrie”)
157
zugekommen sei‘. In den Vordergrund der Diskussion gelangten die Sippen-
oder “Väter”-Götter erst durch die Arbeit von A. ALT °?”. ALT arbeitet In-
halte heraus, welche für den Glauben an den Vätergott bedeutsam sein sol-
len: Dieser begleitet seine Verehrer in Wüste und Kulturland, sorgt für sie, ist
für die Gemeinschaft in ihrem geschichtlichen Leben zuständig, und zwar
als einziger Gott. So zeigt der Vätergott wesentliche Merkmale, die später
Jahwes Verhältnis zu Israel auszeichnen”®. ALTS Rekonstruktion des Väter-
158
gottglaubens basiert fast ausschliesslich auf der Analyse alttestamentlicher
Texte; das religionsgeschichtliche Vergleichsmaterial, das er beibringt, ist
recht fragwürdig”.
Nun ist freilich die Existenz eines Numens, das der Sippe, der elementaren
Lebensgemeinschaft also, zugeordnet ist, von vornherein wahrscheinlich,
denn die Zuordnung von unmittelbarer Lebenswelt und religiöser Weltdeu-
tung gilt für diese einfachen Kulturen natürlich genau so wie für die differen-
zierten polytheistischen Religionen. In welcher Weise aber solche Stammes-
numina verehrt wurden, ist sehr viel schwieriger zu beurteilen und darf nicht
allein aus alttestamentlichen Texten erschlossen werden®. M.E. besitzen
beispielsweise Gegenstände wie die Lade als mögliche Sippennumina einen
mindestens ebenso hohen Wahrscheinlichkeitswert wie die in personaler Zu-
wendung sich zeigenden Vätergötter; rezente Beduinenstämme kennen im-
merhin ähnliche Gegenstände, die gleichzeitig mit dem Stammesahnen in
Zusammenhang gebracht werden, als Identifikationssymbol des Stammes
dienen und in der Auseinandersetzung, in welcher der Bestand des Stammes
auf dem Spiel steht, eine Rolle spielen®'. Natürlich wären dies sehr viel
handfestere, dem Gott des Alten Testaments ferner stehende Figuren als
ein Vätergott, wie ALT ihn dargestellt hat.
Dass Sippengott und Höchstes Wesen auch einmal identisch sein Konnten, ist
nicht auszuschliessen. Dass aber El grundsätzlich der eine und jeweilige
159
Stammesgott der einzelnen nomadischen Sippen gewesen wäre, ist durch
nichts wahrscheinlich zu machen.
Zwei zusätzliche Überlegungen scheinen mir sehr wichtig zu sein:
42 B. BALSCHEIT, Alter und Aufkommen 48ff., bezeichnet den Sippengott als eine
Erscheinungsform des Hochgottes, was sich nicht halten lässt. — Besonders El
Schaddaj ist immer wieder als Figur genannt worden, welche Hoch- und Sippengott-
züge in sich vereinige (vgl. z.B. V. HAMP, BEThL 12 (1959) 517f.; F.M. CROSS,
Myth 9ff.; E.L. ABEL, Numen 20 (1973) 48ff.; K. KOCH, VT 26 (1976) 299ff.).
Bekanntlich erscheint der Gottesname in der Priesterschrift auf der Offenbarungs-
stufe Jahwes, die den Erzvätern zuteil wird (ab Gen 17). Auch Ijob macht ausgie-
big Gebrauch vom Titel. Weder dieser spätalttestamentliche Gebrauch noch die frü-
heren Verwendungen von Schaddaj scheinen mir ein sicheres Indiz für die ursprüng-
liche Funktion des Gottes zu liefern, die unsichere Etymologie gibt erst recht kei-
nen Aufschluss (vgl. M. WEIPPERT, THAT II, 873ff.). Die “Kernstelle” Gen 49,25
deutet eher auf die kanaanäische Kultur als auf die Hirtenkultur hin (s. F.STOLZ,
Strukturen 158f.). Das Problem ist nochmals verwickelter geworden durch die In-
schriften von Deir “Alla, wo ein Plural $djn erscheint (J. HOFTIJZER / G. VAN
DER KOOI, Aramaic Texts 173; hier 1,8). Der Herausgeber vermutet neben Sdjn
noch ein entsprechendes Femininum; diese Götter erscheinen als untergeordnete
Göttergruppe. Bemerkenswert ist, dass im Text Bileam eine Hauptrolle spielt, wie
auch im Alten Testament Bileam von Schaddaj (parallel andere Gottesnamen!) eine
Offenbarung empfängt. Ob sich hier nomadisches Erbe widerspiegelt, ist natürlich
ganz fraglich.
43 Vgl. H. VON WISSMANN, EI? I, 874ff.; C. WESTERMANN, BK 1/2, 74ff.
44 W. SCHMIDT, Ursprung XII/3, 875, siedelt die Hirtenkultur noch recht nahe bei
der Urkultur an, die in unangemessener Weise hochstilisiert wird: Es ist eine “ver-
trauliche Periode”, in welcher “Gott zuerst unter den Menschen weilte”. Ähnliches
deutet sich bei C. WESTERMANN an, wenn er von der Autarkie der nomadischen
Familie redet, die noch nicht den Krieg, sondern erst den Streit kennt (BK 1/2, 81)
und religiös ganz von der Zuwendung des einen Sippengottes lebt (120ff.).
160
meverbänden zu organisieren wussten und in ihrem unbändigen Durchset-
zungswillen manch einem Herrscher eines wohl organisierten Reiches ge-
fährlich werden konnten“. Aber daneben gab es mit Sicherheit auch ein
schiedlich-friedliches Nebeneinanderleben beider Kulturgruppen. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass die nomadisierenden Gruppen auf ihren Wanderungen
hie und da auch die Heiligtümer der Sesshaften besucht haben. Gewiss
hatten die hier verehrten Gottheiten im Leben der Nomaden einen andern
Stellenwert als in dem der dort dauernd ansässigen Bevölkerung; für sie ging
es wohl um die Reverenz gegenüber Gottheiten einer bestimmten Region, in
der man sich eben auch ab und zu aufhielt, und deren Lebensregeln man
wahrzunehmen und zu beachten hatte. Darüber hinaus scheint es sogar spe-
zifisch nomadische Heiligtümer gegeben zu haben; dies ist jedenfalls die ein-
leuchtendste Deutung von archäologischen Befunden, die Kultstätten ohne
zugehörige Siedlung nachgewiesen haben’. So haben Nomaden also teil-
161
weise sogar Kultformen der Sesshaften übernommen; ihre Heiligtümer haben
sie gewiss an bedeutsamen Punkten ihrer Weidewechsel eingerichtet**.
Auch diese Überlegungen deuten darauf hin, dass die Nomaden nicht auf die
Verehrung eines einzigen Gottes fixiert waren. Sie kannten auch ortsfeste
Götter — unter anderem (jedenfalls im Bereich der nachmaligen Israeliten)
auch jenen Jahwe vom Sinai, in dessen Gegend manche Sippen ab und zu ge-
kommen sein mögen und den man von da her offenbar weit herum kannte.
b) In der nomadischen Religion spielen in der Praxis der Religion wahr-
scheinlich Heilige Personen eine wichtigere Rolle als Götter. Deren Funktion
ist dabei so allgemein, wie die Kultur undifferenziert ist. Bekanntlich ist
etwa der kahin Altarabiens gleichzeitig Seher, Dichter, Zauberer, Opferer
usw.; je nach persönlicher Eigenart wirkt er in dieser oder jener Weise, be-
dient sich beispielsweise beim Wahrsagen eher technischer Mittel oder ver-
traut auf seine Inspiration®”. Solche Gestalten wurden nicht nur in schwie-
rigen Situationen individueller Natur zu Rate gezogen, sondern auch im
Falle einer Bedrohung der Sippe oder des Stammes. Dass man sich im mili-
tärischen Konflikt der Fluchmacht des Sehers versichert, ist gut belegt;
manchmal hatten Seher auch eigentliche Führerfunktionen.
V. MAAG hat auf eine ethnologische Parallele zu den vorisraelitischen Klein-
viehnomaden aufmerksam gemacht, die in diesem Zusammenhang wesent-
lich ist. Er vergleichtdie Transmigration eines Bachtiarenstammes (einer Ge-
birgsbevölkerung im südwestpersischen Gebiet) mit ähnlichen Wanderungen
präisraelitischer Sippen°°; auch sie hatten ja derartige Transmigrationen
durchzustehen, wenn es darum ging, neue Weidewechsel auszumachen. Bei
dieser Bachtiarengruppe hat ein Seher die Führung inne. Natürlich verdankt
er seine Führungsqualitäten einer inspirierenden Macht, die man dem Sip-
pennumen wird gleichsetzen dürfen. Ob diese Führungsstruktur auf Dauer
institutionalisiert war, ist nicht bekannt. Die kulturgeschichtliche Parallele
klärt jedenfalls primär die Rolle einer inspirierten Autorität, nicht aber die
des Sippengottes.
Als Fazit ist festzuhalten, dass eine wie auch immer geartete Vorprägung des
antipolytheistischen Monotheismus aus der Religion der nomadisierenden
48 Die Meinung, Nomaden könnten ihrer Lebensweise wegen sich gar nicht an ortsfesten
Heiligtümern orientiert haben, ist schon dadurch widerlegt, dass Familiengräber
immer wieder besucht werden und vielfach einen eigentlichen Kult erhalten. Vgl.
J. WELLHAUSEN, Reste 183ff.
49 Vgl. J. WELLHAUSEN, Reste 130ff.; F. STOLZ, Kriege 178ff. (Lit.)
50 SThU 28 (1958) 14f.; SVT 7 (1960) 138£.;, NTT 21 (1966/67) 167f.
162
Vorfahren Israels nicht angenommen werden kann. Gewiss ist die göttliche
Welt der Nomaden einfach strukturiert; gewiss ist jeder Sippe ein Numen
ganz besonders zugeordnet; aber von dieser einfachen Religionsstruktur führt
kein direkter Weg zur komplexen Einheit Jahwes, wie er sich am Ende der
Religionsgeschichte Israels zeigt. Man sollte sich davor hüten, in einer hoch-
stilisierten Hirtenkultur zu viel von dem entdecken zu wollen, was später
die Eigenheiten der biblischen Religion ausmacht°'. Im Gefolge der Unter-
suchungen ALTS ist vielfach versucht worden, dort in nuce alles zu entdek-
ken, was sich später entfaltet hat. Forschungsgeschichtlich empfiehlt es sich
eher, die Arbeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts
wieder ernster zu nehmen”. Die Distanz zwischen den Religionsformen der
präisraelitischen Nomaden und Anschauungen etwa der klassischen Prophe-
tie oder der Deuteronomistik ist gewiss nicht geringer als die zwischen der
polytheistischen Weltsicht und den Zentren alttestamentlichen Glaubens°*.
Die Zeit, in welcher Israel zu einem Volk wird, also die Epoche der soge-
nannten Landnahme, hat prägenden Charakter für die gesamte weitere Ent-
wicklung. So weit die Texte dies erkennen lassen, ist die Zusammengehörig-
keit zwischen diesem werdenden Volk Israel und Jahwe von Anfang an ge-
51 Die Einschätzung der “Frömmigkeit” der Nomaden variiert in der Forschung cha-
rakteristisch. Während die Theologen unter dem Eindruck von A. ALT dazu neigen,
den (historischen!) Erzvätern eine besonders enge Bindung an ihren Gott zuzuschrei-
ben (beispielhaft etwa H. PEUCKER, Fschr. NOTH 171ff.; auch G. FOHRER, Ge-
schichte 21), gelten für die Arabisten seit J. WELLHAUSEN (Reste 228) die religiö-
sen Verhaltensweisen der Beduinen zur Zeit Mohammeds für alle Nomaden als ty-
pisch: Sie sind religiös gleichgültig, die Ehre der Sippe ist ihnen höchstes Gut. Vgl.
etwa I. GOLDZIHER, Muhammedanische Studien I, 3ff.;W. MONTGOMERY WATT,
EI? I, 889ff. (“The real religion of the Badw was a tribal humanism”, 892).
52 Dabei verdienen für die Erhellung der nomadischen Komponente altorientalischer
Kultur die altarabischen und ethnologischen Quellen viel mehr Beachtung als die
Zeugnisse der Hochkulturen; das Urteil M. VON OPPENHEIMS, dass sich die no-
madische Kultur während Jahrtausenden kaum gewandelt hätte, ist gewiss zutref-
fend (Die Beduinen I, 26ff.).
53 Das UrteilO.EISSFELDTS, dass die frühen Israeliten ihre nomadischen Numina viel
eher als “abgöttisch” empfunden hätten als den kanaanäischen EI, verdient Beach-
tung (Kleine Schriften III, 364)!
163
geben, obwohl die geschichtlichen und religionsgeschichtlichen Vorgänge im
einzelnen dunkel bleiben. Immerhin sind einige charakteristische Abläufe,
die sich in ähnlicher Form mehrfach abgespielt haben und das Gesamtge-
schehen der “Landnahme” prägen, deutlich.
Einerseits ist diese Landnahme als umfassender Konflikt zu beurteilen. Zwar
ist die alttestamentliche Darstellung, welche einen umfassenden Eroberungs-
krieg Israels mit späteren Abwehrkämpfen beschreibt, natürlich hochgradig
stilisiert; es bleibt dabei, dass in erster Linie nicht militärische Auseinander-
setzung, sondern langsame Infiltration und allmähliche Umwälzung das poli-
tische Geschehen bestimmt”*. Aber die kriegerischen Auseinandersetzungen
zwischen den nicht voll sesshaften, in erster Linie auf der Kleinviehzucht ba-
sierenden Elementen und den Angehörigen der Stadtkultur haben doch das
damalige Bewusstsein und die spätere Erinnerung geprägt°°. Die kriegerischen
Ereignisse (von denen natürlich fast nur die mit positivem Ausgang überlie-
fert blieben) waren Symptome für das Aufeinanderprallen zweier Bevölke-
rungsgruppen mit unterschiedlichen kulturellen Eigenheiten. Nach späterem
Bewusstsein sind “die Kanaanäer” der Feind des frühen Israel; dies ist inso-
fern zutreffend, als die Träger der Stadtkultur als einheitliche, den noch
nicht fest angesiedelten Gruppen allenthalben widerständige Grösse empfun-
den wurden. Diesen Stadtkulturen aber gehörte, wie skizziert, die polytheisti-
sche Religion als Element zu. Wie es dazu kam, dass sich auf der Gegenseite,
im Bereich der kulturell viel einfacher strukturierten Sippen und Stämme,
Jahwe als führende Kraft durchsetzte, lässt sich schwer sagen; möglich, dass
allein er allen Gruppen bekannt war, im Süden wie im Norden°®. Jedenfalls
ist es deutlich, dass Jahwe als Exponent des Kampfes gegen “die Kanaanäer”
zum Gott des Volkes Israel wurde, das aus diesem Kampf hervorging. Die
“Kriege Jahwes”, die aus der Zeit der Staatenbildung bekannt sind, haben
sich an verschiedenen Orten abgespielt, sie sind von verschiedenen Stämmen
ee ton worden, gegen verschiedene Gegner, ohne innern Zusammen-
hang°”. Wo immer die kulturelle Konfliktsituation in einen offenen Krieg
164
ausmündete, da wurde dies als “Krieg Jahwes” erlebt. Jahwe hat eine einzig-
artige Stellung, indem er allein diesen Kampf vertritt und den Göttern des
Polytheismus so gegenübersteht. Dabei ist es deutlich, dass in dieser Phase
die “heiligen Personen” der undifferenzierten Kultur noch eine entscheiden-
de nn spielen und ihre Funktionen als Beauftragung durch Jahwe verste-
hen”.
Andererseits steht dieser Auseinandersetzung zwischen Jahwe und den Göt-
tern des Polytheismus ein gegenläufiger Vorgang gegenüber. Mit zunehmen-
der Sesshaftigkeit zeigt sich eine immer stärkere Tendenz, die Lebensform
und Kultur der “Kanaanäer” zu übernehmen. Dies hat seine Konsequenzen
natürlich auch auf dem Felde der Religion”.
Diese Konsequenzen werden herkömmlicherweise als “Synkretismus” be-
zeichnet°®. Dazu gehören Identifikations- und Integrationserscheinungen.
Einerseits ist Jahwe offenbar problemlos mit Sippennumina der nomadischen
Vorzeit identifiziert worden®!. Auch mit dem EI der Kanaanäer ergab sich
eine schnelle Vereinigung, nur ganz vereinzelt scheint noch die Unterschei-
dung zwischen EI und Jahwe durchzuschimmern®; desgleichen wohl mit
andern Göttern. Im einzelnen ist es schwierig zu beurteilen, wie weit es zu
Identifikationen kam und wo es bei Zuordnungen kanaanäischer Götter zu
Jahwe blieb. Dies ist insbesondere bei Baal nicht sicher auszumachen. Dass
er in der Zeit der Staatenbildung sogar in der Umgebung Sauls eine Rolle
spielte (bekanntlich tragen Söhne dieses gewiss vorbildlichen Führers der
Jahwe-Kriege theophore Namen mit Baal als Element°?), ist bemerkenswert.
Natürlich wurden Jahwe nicht nur andere Götter, sondern auch zahlreiche
kanaanäische Kultpraktiken zugeordnet. Mit der Kanaanäerstadt Jerusalem
als Zentrum war das neu formierte Reich, das nun ein vielfältiges kulturelles
165
Erbe zu verarbeiten hatte ‚in die Reihe der Grossmächte getreten. Die Aus-
bildung differenzierter Lebensformen in diesem Staatswesen war unbedingt
nötig, die Kultur der hochentwickelten Regionen drängte sich geradezu auf.
Man hat in diesem Zusammenhang von einem “planmässigen Synkretismus”
der Davidszeit gesprochen.
Synkretismus kennzeichnet dann auch die weitere Geschichte der israeliti-
schen Religion. So wird etwa die Religionspolitik der Omriden entsprechend
qualifiziert, desgleichen das kultische Verhalten der in assyrische Abhängig-
keit geratenen judäischen Könige°°. Am Ende dieses synkretistischen Weges
steht dann der jüdische Tempel von Elephantine, in welchem nicht nur Jah-
we, sondern, diesem zugeordnet, auch andere Götter bzw. Göttinnen verehrt
werden“,
Problematisch an der unter Alttestamentlern üblichen Verwendung des Aus-
drucks “Synkretismus” ist nun freilich, dass man darunter die Verfälschung
eines vorher “reinen” und in den Grundzügen jedenfalls ausgebildeten spe-
zifisch israelitisch-jahwistischen Religionssystems sieht, die das kanaanäische
Element höchstens noch um diese oder jene (jedenfalls nicht grundlegenden)
Züge angereichert hätte. Insbesondere setzt man in der Regel eine ausschliess-
liche Verehrung Jahwes vor der Begegnung mit dem Polytheismus Kanaans
voraus; gerade diese Voraussetzung ist nach allem Gesagten ganz unwahr-
scheinlich. Jahwe ist zwar im Konflikt der Landnahmeepoche Exponent der
Gegnerschaft zu einer Kultur, der die Götter des Polytheismus angehören;
aber in dem Masse, wie Israel (notgedrungen!) die Kultur Kanaans (und da-
mit auch dessen religiöse Strukturen) übernimmt, rückt Jahwe in den Be-
reich des Polytheismus ein”. Der “Synkretismus” Israels ist also nichts an-
deres als die natürliche Konsequenz des Lebens in einer differenzierten Hoch-
kultur.
Natürlich ist die Übernahme der polytheistischen Religionsstruktur nicht
überall im selben Ausmass erfolgt. In ländlichen Gebieten, die womöglich
durch Israeliten neu besiedelt worden waren, wird sie in viel geringerem
166
Masse wirksam geworden sein als in den Regionen, die bereits stark von der
alteingesessenen kanaanäischen Struktur geprägt war, zumal in den Städten.
Hier ist mit Gegensätzen zu rechnen, die sich noch stark bemerkbar machen
sollten.
Im einzelnen bleibt manches undeutlich wegen der starken Zensur, welche
die alttestamentliche Überlieferung späterer Zeit den früheren Zuständen
gegenüber geübt hat. Archäologische Befunde klären jedoch einiges; so sind
neuerdings beispielsweise, um das deutlichste polytheistische Zeugnis der
israelitischen Religionsgeschichte der Königszeit zu nennen, Belege aus
Kuntillet Ajrud bekannt geworden, die Jahwe “und seine Aschera” nennen
(Abb. 13-14)°®. Aufschlussreich ist auch das Detail der Verwendung theo-
phorer Namen; in den Ostraka von Samaria spielt das Namenselement Baal
eine wichtige Rolle — im Gegensatz zu den im Alten Testament überliefer-
ten Namen jener Zeit und Region“. Auch in solchen Einzelheiten zeigt sich,
wie sorgfältig man die Erinnerungen an die polytheistische Vergangenheit
getilgt hat; und wo sie erhalten sind, erscheinen sie — in schulprophetisch-
deuteronomistischer Interpretation — als Abfall und Götzendienst Israels.
So ist nicht bekannt, in welchem Masse die nicht mit Jahwe identifizierten
Götter ihren eigenen Charakter, auch ihren eigenen kultischen Bezirk be-
hielten”. Es ist ganz unsicher, wie weit der Mythus, welcher das Verhältnis
der Götter untereinander erzählend regelt, in Kraft blieb”'. Dass Jahwe
68 Z.MESHEL, Kuntillet “Ajrud, Tafel 12. Zu einer ganz ähnlichen Inschrift von der
Chirbet el-Qöm, 14 km, westlich von Hebron, vgl. A. LEMAIRE, RB 84 (1977) 595—
608; vgl. Abb. 14. Allgemein zu Aschera: R. PATAI, JNES 24 (1965) 37ff.
69 Darauf verweist bereits M. NOTH, Personennamen 120. Im Ganzen ist es aber auf-
fällig, wie selten auch inschriftlich Namen erscheinen, deren theophores Element
nicht Jahwe (oder EI) bezeichnet. Im Bereich der Südstämme erscheint immerhin
einige Male Schalem: A. LEMAIRE, Inscriptions, Arad 59,4; Lahis@t 1 27,924; 18,3%
70 Immerhin redet das Jeremiabuch von einem Gottesdienst der Himmelskönigin ge-
genüber, der in Jerusalem zu Hause ist (Jer 7,18; 44,17£f.) und Ezechiel sieht in
einer Vision Kulte im Jerusalemer Tempel, die nicht zu Jahwe gehören (Ez 8).
M. ROSE, Ausschliesslichkeitsanspruch 194ff., interpretiert dies als Äusserungen
einer Volksfrömmigkeit, die natürlich Jahwe im Zentrum hat, in einer gewissen Band-
breite aber andern Kulten einen Raum lässt, wo Jahwe nicht zuständig sein kann.
Problematisch an ROSES Arbeit ist die Grundvoraussetzung: das Postulat einer ur-
sprünglichen “naiven” ausschliesslichen Jahweverehrung. Gerade was “offiziell” in
Geltung war, ist aus den biblischen Texten eben nicht mit Sicherheit zu entneh-
men.
7
— Immerhin hat der Mythus m.E. noch deutliche Spuren hinterlassen — etwa in Ps 82,
einem zur Bitte umstilisierten Mythenrest.
167
Abb. 13
zeigt eine Zeichnung in roter Farbe auf einem Vorratskrug aus der Festung
Kuntillet “Ajrud, ca. 50 km südlich von Kadesch, auf der Grenze zwischen
dem Negev und der Sinaihalbinsel, aus der Zeit um 800 v.Chr. (Z. MESHEL,
Kuntillet ‘Ajrud. A religious Centre from the Time of the Judaean Monar-
chy on the Border of Sinai, Jerusalem 1978, Abb. 12). Rechts oben ist eine
sitzende Leierspielerin zu sehen. Den zentralen Raum nehmen zwei Gestal-
ten ein, die an den ägyptischen Bes erinnern. H. ALTENMÜLLER charakte-
risiert Bes wie folgt: “Er ist... von zwergenhaftem Wuchs und wird in der
Regel en face dargestellt... . Sein meist bärtiges Gesicht, das oft durch eine
heraushängende Zunge fratzenhaft entstellt ist oder das gar löwenartige Züge
annehmen kann, ist von einer Mähne umrahmt. Abstehende Tierohren ver-
unstalten den Kopf. Der gedrungene, meist unbekleidete Körper, der gele-
gentlich mit Ballonbauch und Hängebrüsten gezeigt wird, ruht auf nach aus-
sen geknickten Beinen, auf die sich häufig die Hände stützen. Ein Tier-
schwanz oder Phallus hängt zwischen den gekrümmten Beinen herab ....
Attribut des Bes ist die hohe Federkrone, die aus mehreren steil aufragen-
den Straussenfedern besteht .... Wichtig erscheint, dass die Formen des Got-
tes oft vervielfacht gleichzeitig nebeneinander stehen können” (in: W.
HELCK /E. OTTO, Lexikon der Ägyptologie I, Wiesbaden 1975, Sp. 721).
Bes war im Einflussbereich der phönizischen Kunst weit verbreitet (Ebd.
Sp. 723 Anm. 4; E. STERN, New Types of Phoenician Style decorated Pot-
tery Vases from Palestine, in: Palestine Exploration Quarterly 110 (1978)
S. 19).
Die Interpretation der beiden Bes-Figuren auf unserer Abb. erschwert die
Tatsache, dass der Vorratskrug offensichtlich nicht überlegt dekoriert, son-
dern als eine Art Notiz- und Skizzenblatt benützt worden ist. So haben die
Leierspielerin rechts und das Tierprotom und das Band mit den drei Lotos-
blüten links der Besgruppe mit dieser offensichtlich nichts zu tun. Von
daher muss man sich fragen, ob die Inschrift über den beiden Besgestalten in
irgendeiner Form auf diese zu beziehen ist, ja ob die Blüte, bzw. das Blätter-
bündel auf dem Kopf der Figur links zu dieser gehört. Während ich ersteres
wegen der Überschneidung (wie beim Blütenband links der Figur) für ganz
unwahrscheinlich halte, möchte ich letzteres bejahen, da der Bes-Figur
links das vegetative Element genau in der gleichen Weise auf den Kopf ge-
setzt ist, wie derjenigen rechts die traditionell stilisierten Federn. Beide Attri-
bute haben Parallelen auf Ostraka des 13./12. Jahrhunderts v. Chr. aus Deir
el Medineh in Oberägypten (Abb. 13a und b; J. VANDIER D’ABBADIE,
Ostraca figures de Deir el Medineh II, Le Caire 1937, Taf. LIV Nr. 2363 und
Taf. LXXIX Nr. 2621).
168
P
7ER
|a|
SCHEN
uch
En
17
A el
g° N
N Eu N
>;
ENINT N
N0:
, In
'gqVeI —
V. FRITZ charakterisiert die Gesichter der beiden Figuren als Kuhgesich-
ter (Biblische Notizen 9 (1979) S. 49). Eine solche Charakterisierung schei-
nen mir weder die Ikonographie des Bes im allgemeinen, noch unsere Zeich-
nungen im besonderen nahe zu legen. Erstere weist eine solche Vielfalt von
Fratzen (nur keine Kuhgesichter) auf, und letztere sind so grob und wenig
charakteristisch, dass mir die Präzisierung besonders bei der Figur rechts
sehr willkürlich vorkommt. Gegen V. FRITZ (aa0.) möchte ich den Körper-
teil zwischen den Beinen bei beiden nicht als Schwanz, sondern als Phallus
identifizieren, denn bei beiden scheint mir der Hodensack zusätzlich ge-
zeichnet, und wo Bes einen Schwanz trägt, ist er in der Regel als Löwen-
‚schwanz spezifiziert und erheblich länger als auf unserem Bild. Die Andeutung
der Brüste bei demjenigen rechts hat wenig zu bedeuten, denn Bes wird oft
mit sehr ausgeprägten Brüsten, wenn nicht gar deutlich bisexuell dargestellt
(vgl. den eingangs genannten Artikel von H.ALTENMÜLLER, Sp. 723 Anm.
8). Es ist also nicht möglich, die eine Gestalt als synkretistische Darstellung
JHWH’s, die andere als solche Aschera’s anzusprechen. Jede der beiden Ge-
stalten hat ein männliches (Phallus) und ein Attribut, das besser zu Aschera
passen würde (Pflanzenelement auf dem Kopf, Brüste). Völlig abwegig ist die
Deutung von M. GILULA, der in der Figur links eine Kuh oder einKalb,als
Symbol des JHWH von Samaria sehen will (To Yahweh Shomron and his
Asherah, in: Shnaton. An Annual for Biblical and Ancient Near Eastern
Studies 3 (1978/79) 129-137 hebr.). GILULA beachtet eine der elementar-
sten Regeln altorientalischer Bildkunst nicht, nämlich die, einen Körper
(oder Körperteil) stets von der charakteristischsten Seite darzustellen (Auge
von vorn, Nase von der Seite usw.). Unter den Hunderten von altorientali-
schen Rinderdarstellungen findet sich m. W. keine einzige, die ein Rind von
vorne darstellt. Darüber hinaus sprechen gegen GILULAS Deutung alle ge-
gen die von V. FRITZ geltend gemachten Gründe.
Die Inschrift, die aus den oben genannten formalen und inhaltlichen Grün-
den nichts mit den Bildern zu tun haben dürfte, lautet, soweit erhalten:
’mr. °...h...k. ’mr.ljhl... wljw'sh. w... brkt ’tkm lijhwh. Smrn.
w Prth
“Die Inschrift zeigt ein auch sonst vertretenes Formular, das mit ’mr einge-
leitet wird. Von den Angeredeten ist nur der Name Joascha vollständig er-
halten. Der folgende Segenswunsch ist dann vollständig: ‘Ich will euch seg-
nen durch Jahwe meinen (unseren) Beschützer, und durch seine Aschera’.”
(V. FRITZ, in: Biblische Notizen 9 (1979) S. 49). Das Suffix bei Aschera
macht es mindestens fraglich, ob mit Aschera die Göttin Aschirat gemeint
ist (vgl. den in der Legende zu Abb. 14 genannten Aufsatz von A. LE-
MAIRE).
170
im Kreise der Götter ganz stark dominiert hat, ist sicher. Aber ebenso deut-
lich erscheint es mir, dass andere Götter neben Jahwe ihren Platz hatten”.
Die Zustände in Elephantine wären dann nichts anderes als eine Fortsetzung
72 Treffend sagt O. EISSFELDT, Kleine Schriften II, 145: “Zu den wichtigsten Auf-
gaben der alttestamentlichen Wissenschaft gehört die Erkenntnis der mannigfachen
Gottheiten, die das vorexilische Israel neben Jahwe verehrt hat.”
Abb. 14
zeigt eine Inschrift aus einer Grabkammer vom Südabhang des Hügels der
Chirbet el Qöm, 14 km westlich von Hebron. Die Inschrift ist wahrschein-
lich in die Zeit um 750 v. Chr. zu datieren. Die ersten drei Zeilen sind zu
lesen:
1. ’rihw. h‘sr. ktbh
2. brk. ’rihw. ljhwh.
3. wmsrjh. V’srth. hws‘Ih
A. LEMAIRE übersetzt: “Urijahu, der Reiche (Vornehme) hat sie schreiben
lassen (Pi“el). Gesegnet sei Urijahu durch JHWH und durch seine Aschera
(Umstellung). Von seinen Feinden hat er ihn errettet”,; bzw. “Gesegnet sei
Urijahu durch JHWH. Von seinen Feinden hat er ihn durch seine Aschera
errettet” (Les inscriptions de Khirbet el-Qöm et l’Asherah de YHWH, in:
Revue Biblique 84 (1977) S. 597-603 Lit.!).
Die Hand unter der Inschrift ist als ein Abwehrmittel gegen Feinde in ägyp-
tischen Zaubertexten und auf Skarabäen spätestens seit der Hyksoszeit häu-
fig belegt (E. HORNUNG /E. STAEHELIN, Skarabäen und andere Siegel-
amulette aus Basler Sammlungen, Mainz 1976, S. 124-126; vgl. dazu
S.H. HORN, Scarabs and Scarab Impressions from Shechem II, in: Journal
of Near Eastern Studies 25 (1966) S. 54f.; A. LEMAIRE, aaO,., S. 599
Anm. 18). Besfiguren, wie die von Abb. 13, und Hände, wie die von Abb.
14, erscheinen nicht selten gemeinsam auf Skarabäen, häufig noch mit wei-
teren Unheil abwehrenden Zeichen wie Rinderkopf und Krokodil zusam-
men (Abb. 14a; E. HORNUNG /E. STAEHELIN, aa0., Nr. 698 und
S.
124-126).
1/2
der religiösen Überlieferungen in Israel, wenngleich natürlich sich auch Ge-
stalten finden, die nicht in Israel ihren Ursprung haben”°. Aber der interna-
tionale Austausch von Göttern ist ja gerade ein Kennzeichen des Polytheis-
mus’,74
174
Die politische Bewegung der Landnahmezeit, in welcher Jahwe den Göttern
des Polytheismus gegenüberstand, ist schon eher als Wurzel des antipoly-
theistischen Denkens anzusprechen. Sie bedeutet freilich noch keine inner-
liche Auseinandersetzung zwischen Jahwe und den andern Göttern, sondern
spiegelt erst einen kulturellen und politischen Konflikt wider. Zur eigentli-
chen Auseinandersetzung um den Polytheismus kommt es erst da, wo sie als
Streit um Jahwe erscheint, wo also die beiden unter III,2 skizzierten gegen-
läufigen Bewegungen zum Konflikt führen.
Dies lässt sich historisch erstmals im 9. Jahrhundert aufweisen, und zwar in
der Konfrontation zwischen dem Propheten Elija und dem Königshaus. Mit
Recht hat man darauf hingewiesen, dass Elija aus einer Gegend stammt, die
von kanaanäischer Kultur relativ unberührt war und einen von den Israeli-
ten erschlossenen Siedlungsraum darstellt”’. Der kulturelle Kontext, von
dem her Elija Jahwe kennengelernt hat, ist also nicht in der Weise differen-
ziert wie die höfische Umgebung. Man wird davon ausgehen können, dass
der kulturelle Gegensatz als Spannung empfunden wurde — sicher in weit
stärkerem Masse noch als heute etwa der Gegensatz Stadt/Land empfunden
wird. Es ist bezeichnend, dass Elija in einen Konflikt eingreift, der zwischen
dem König und dem Bauern Nabot entbrannt ist, weil der Herrscher ange-
stammtes Besitztum beschlagnahmen will”®. Den aus dem Streit hervorge-
gangenen Mord an Nabot belegt der Gottesmann mit einer Unheilsankündi-
gung, die dem König den Tod ansagt. Viel wichtiger ist in unserm Zusam-
menhang aber das Auftreten Elijas gegen das friedliche Nebeneinander zwi-
schen dem (zweifellos vom König als Staats- und Hauptgott, also wohl als
Götterkönig unbedingt respektierten)”” Jahwe und andern Göttern®®. Der
werden. Die älteren Überlieferungen zeigen noch nichts von diesem Vorgang —
historisch hat K. KOCH recht, wenn er vom “Tod des Religionsstifters’” redet in
bezug auf Mose, KuD 8 (1962) 100f. Der “Stiftungsakt”, d.h. die revolutionäre
Neuprägung, ist später anzusiedeln und geht nicht auf eine einzelne Persönlichkeit
zurück.
77 Vgl. M. NOTH, Aufsätze I, 519 ff.
78 Dazu K. BALTZER, WuD 8 (1965) 73ff.; P. WELTEN, Ev Th 33 (1973) 18ff., und
zum weiteren soziologischen Umfeld des Konflikts F. STOLZ, ZEE 17 (1973) bes.
149f.
79 Dies ist häufig und mit Recht betont worden, vgl. z.B. M. NOTH Geschichte, 221;
S. HERRMANN, Geschichte 259ff.
80 Zwei Überlieferungen erhellen diesen Konflikt: diejenige vom Gottesurteil auf dem
Karmel (dazu R. SMEND, SVT 28 (1974) 173ff.) und die von der Orakeleinholung
Ahasjas bei einem ausländischen, offenbar auf Krankheiten spezialisierten Gott (da-
zu O.H. STECK, EvTh 27 (1967) 546ff.).
175
Konflikt zwischen zwei kulturellen und sozialen Systemen ist als Konflikt
zwischen Göttern interpretiert. Dem bedingungslosen Auftreten gegen die
Ansprüche des Königs, die dieser von den in der Stadt geltenden Ordnungen
ableitet, entspricht der bedingungslose Kampf für Jahwe und gegen andere
Götter.
Es wäre verfehlt, Elija nur als Kämpfer für eine alte und durch das omridi-
sche Königtum gefährdete Ordnung verstehen zu wollen. Das Aufeinander-
treffen zweier soziokultureller Systeme innerhalb des Volkes Israel und da-
mit der innerisraelitische Streit um Jahwe stellt ja ein völliges Novum dar?!.
-Mit seinem Kampf für den einen Jahwe und der Ablehnung der dominieren-
den Gesellschafts- und Staatsordnung kommt Elija in die Nähe der mono-
theistischen Revolutionäre. So undeutlich manches an der Person Elijas auf-
grund der schwierigen Quellenlage ist, auf jeden Fall ist er Ausdruck eines
Impulses, der in der Prophetie weiter wirksam bleiben sollte.
Dies zeigt sich bei den Unheilspropheten des 8. Jahrhunderts. Das Thema,
das Amos, Hosea, Jesaja und Micha gemeinsam ist, hat auf den ersten Blick
freilich mit einer antipolytheistischen Reaktion wenig zu tun. Vielmehr geht
es allen um einen globalen Schuldaufweis, aus dem eine ebenso globale Un-
heilsankündigung abgeleitet ist®?. Während Elija allein gegen den König auf-
tritt, sagen die Propheten des 8. Jahrhunderts ein Unheil an, welches das
ganze Volk trifft. Die Erfahrung der Schuld ist offenbar so umfassend und
allgemein, dass nur mit dem totalen Untergang des Volkes gerechnet werden
kann. Schon dies zeigt an, dass diese Propheten in ihrer Aktivität nicht mehr
als Vertreter einer bestimmten Kulturschicht erklärt werden können, wie
dies bei Elija noch halbwegs zutrifft. Zudem kommen sie aus verschiedenen
Regionen und Schichten; während Amos beispielsweise der ländlichen Be-
völkerung entstammt, in dieser Hinsicht also mit Elija zu vergleichen wäre,
gehört Jesaja der Jerusalemer Oberschicht an.
81 Natürlich hat es schon in früherer Zeit Widerstand gegen die kanaanäische Kultur, ins-
besondere deren politische Gestalt, das Königtum, gegeben; man denke an die Erin-
nerungen, welche (historisch sicher zuverlässig) in I Sam 10,27; II Sam 20 erhalten
sind. Auch Abschalom macht sich bei seinem Aufstand offensichtlich die Unzufrie-
denheit der Stämme (im Süden wie im Norden) zunutze. Aber all diese Bewegungen
treten nicht mit dem Anspruch auf, im Namen Jahwes zu handeln.
82 Diese sachliche Ordnung scheint mir wahrscheinlicher zu sein als die üblichere Auf-
fassung, welche mit einer Vorordnung der prophetischen Zukunftsgewissheit rech-
net. Vgl. F. STOLZ, WuD 12 (1973) 9ff.; O. KEEL, BZ 21 (1977) 200-218.
176
Das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturformen mit den einander
zum Teil widerstreitenden Ordnungsvorstellungen hat die Propheten offen-
bar dem Phänomen der göttlich gesetzten Ordnung überhaupt schärfer nach-
zudenken gelehrt®”. Und das Resultat dieses Denkprozesses zielt nicht mehr
auf die Diskrepanz verschiedener Ordnungssysteme, die sich je auf Jahwe als
ihren Garanten berufen, sondern auf die Diskrepanz zwischen göttlich gesetz-
ter Ordnung und menschlich realisierter Unordnung. Der globale Schuldauf-
weis zeigt die Welt (d.h. die von Israel gestaltete Welt) umfassend als Un-
Welt, als Jahwe entgegenstehende Welt. Der eine Gott steht der ganzen, an-
geblich funktional gegliederten, tatsächlich aber heillos gestörten Welt gegen-
über. Wird das polytheistische Pantheon und wird auch Jahwe im durch-
schnittlichen vorexilischen Israel ganz selbstverständlich in Analogie zur
Welt verstanden, gedacht und behandelt (dieser Satz gilt unabhängig davon,
in welcher Weise andere Götter neben Jahwe ihren mehr oder weniger gros-
sen Eigenbereich hatten!), so beginnt die Prophetie des 8. Jahrhunderts, sich
an der Differenz zwischen Gott und Welt zu orientieren. Hatte der Polytheis-
mus eine umfassende Möglichkeit gebracht, eine kompliziert gewordene Welt
in ihrer Ordnung zu begreifen und entsprechend mit ihr umzugehen, so ergibt
sich jetzt die weitergehende Möglichkeit, die Welt an dieser Ordnung zu
messen. Entsprechend heisst die Elementarunterscheidung dieser Prophetie
jetzt nicht mehr (wie im Polytheismus) Kosmos/ Chaos, sondern Gott/Welt,
wobei die beiden Unterscheidungen natürlich nicht in Parallele zu setzen sind.
Der Totalbegriff der Welt entsteht überhaupt erst in diesem Zusammenhang,
und der Gott, welcher dieser Welt gegenübersteht, ist etwas ganz anderes als
die sich im Kosmos der Lebenswelt sich manifestierenden Götter des Poly-
theismus.
Es ist selbstverständlich, dass sich der Machtbereich Jahwes im Verständnis
dieser Prophetie erweitert. Jahwe verfügt souverän über die Fremdvölker
und herrscht über die Bereiche des Chaotischen®*, all dies gehört jetzt zur
Größe “Welt”, der Gott gegenüber steht.
Dabei wird die Auseinandersetzung im Hinblick auf den Problemkreis der
Konkurrenz zwischen Jahwe und andern Göttern explizit nur bei Hosea
thematisiert: Nur hier findet sich die Polemik gegen fremde Götter und Kult-
formen, die sich mit Jahwe nicht vertragen, nur hier spielt also das erste Ge-
83 Dazu F. STOLZ, WuD 12 (1973), bes. 27f£.; H.H. SCHMID, Altorientalische Welt
49ff.
84 Vgl. z.B. Am 9,3; Jes 8,7f.; 10,5ff.
177
bot in seinem Wortlaut eine dominierende Rolle®®. Die häufig zu hörende
Auskunft, mit dem Problem der Fremdgötterkulte hätte sich nur das Nord-
reich auseinanderzusetzen gehabt, im Südreich dagegen hätte der Synkre-
tismus keine Rolle gespielt, verfängt nicht; Amos tritt ja im Nordreich auf,
und zwar nicht viel früher als Hosea. Gewiss hat das kultische Treiben zu
seiner Zeit nicht viel anders ausgesehen als ein paar Jahre später. Kultprak-
tiken und ‘“Synkretismus” stören ihn offenbar gar nicht. Was oben als “mo-
notheistische Reaktion” gegen die polytheistische Struktur des alten Israel
beschrieben worden ist, spielt sich also zunächst in partiellen Bereichen der
Welterfahrung ab und gar nicht primär im Bereich des Kultischen, wo es
um den geregelten Umgang mit dem Göttlichen geht”.
Die Impulse der Unheilsprophetie des 8. Jahrhunderts haben dann freilich
eine nachhaltige Wirkung hinterlassen und offenbar zur Bildung einer pro-
phetischen Tradition geführt, in welcher man das Erbe von Amos, Hosea,
Jesaja und Micha verarbeitete und damit auch systematisierte®”. So wenig
85 Vgl. H.W. WOLFF, Gesammelte Studien 422ff. zu Hosea. — Bei Jesaja wird man zu-
nächst auf 2,7—22 verweisen (vgl. WOLFF, ebd. 426ff.); hier ist in V. 8.18. 20 von
“Götzen” ( ”@lilim) die Rede. V. 20 stellt dabei ganz deutlich einen Nachtrag dar
(vgl. H. WILDBERGER, BK X/1l, z.St.), und auch V. 8. 18 erweisen sich bei nähe-
rem Zusehen als Nachinterpretation. V. 8 passt stilistisch nicht in den Kontext (be-
zeichnenderweise nimmt man gern einen ausgefallenen Halbvers an, um dies auszu-
gleichen) und zeigt Anklänge an die Götzenpolemik Deuterojesajas; auch V. 18 ist
ganz isoliert. Die Anklagen Jesajas sind sekundär im Sinne eines Verstosses gegen
das 1. Gebot interpretiert. Genau denselben Vorgang findet man übrigens in Jes
10,10f.
86 Was hier dargestellt ist, steht in einer gewissen Nähe zu dem, was früher gern als
“ethischer Monotheismus” bezeichnet wurde. Dieser Ausdruck stammt nach B.
BALSCHEIT, Alter und Aufkommen 101f., von ABRAHAM KUENEN; er findet
sich dann sofort in vielen Arbeiten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahr-
hunderts (z.B. J. WELLHAUSEN, Grundrisse 48f.; K. MARTI, Geschichte 149f.;
W. ROBERTSON-SMITH, Religion 52). Gemeint ist, dass die Unbedingtheit des
sittlichen Willens, mit der diese Propheten der Welt als Ganzer begegnen, nach der
Einheit Gottes verlangen. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass vor und neben diesen
Propheten, innerhalb und ausserhalb Israels, Gott bzw. die Götter Exponenten einer
Weltordnung sind, von welcher natürlich auch ein sittlicher Anspruch an den Men-
schen ergeht. Neu an den Propheten des 8. Jahrhunderts ist nicht nur der sittliche
Ernst, sondern auch die Schärfe der Realitätsprüfung, die differenzierte Betrachtung
der Wirklichkeit.
87 In der Erforschung der Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte der Prophetie ist
bisher das Augenmerk vorwiegend auf die Aspekte der Nachinterpretation gerichtet
worden, welche zeitgeschichtliche Neuaktualisierungen verdeutlichen. Genau so
dringend aber wäre die Frage nach neuen theologischen Akzenten der Nachinterpre-
tation.
178
über diese prophetische Schulbildung im einzelnen bekannt ist, sicher ist,
dass die prophetischen Gestalten der spätvorexilischen und exilischen Zeit
ganz stark von ihren Vorläufern, die ein Jahrhundert früher gewirkt haben,
beeinflusst worden sind. Jetzt ist der Zusammenhang zwischen den verschie-
denen Aspekten der antipolytheistischen Reaktion durchwegs sichergestellt:
“Sozialkritik” und “Monotheismus” (um diese üblichen, jedoch ganz und
gar unzulänglichen Ausdrücke zu gebrauchen) bilden eine unlösbare Einheit.
Doch mit dem Exil tritt die Entwicklung des Monotheismus in eine völlig
neue Phase ein, die für sich betrachtet werden muss.
Die prophetischen Erfahrungen mit Jahwe setzen sich im Exil durch; sie bil-
den überhaupt die einzige Möglichkeit für Israel, den Verlust der nationalen
Identität zu verarbeiten und sich weiterhin als “Volk Jahwes” zu behaupten,
auch ohne die üblichen Merkmale volksmässiger Existenz der Nachbarn im
altorientalischen Raum. Es ist bezeichnend, dass dieses neuartige, nicht in
Analogie zu andern Völkern sich ausbildende Volkstum eigener Zeichen und
Ausweise bedarf, etwa der Beschneidung und des Sabbats; beides sind Ele-
mente, die ehedem ganz in die natürlich empfundene Lebensordnung hin-
eingehörten, jetzt aber als Ausdruck des exklusiven Verhältnisses zu Jahwe
gelten®®.
Deuterojesaja gilt im Allgemeinen als eigentlicher Schöpfer des Monotheis-
mus in Israel; tatsächlich bildet er nur die Ansätze der vorexilischen Prophe-
tie in veränderter Umwelt weiter®”. Bei ihm wird besonders deutlich, dass
nicht mehr Kosmos/Chaos, sondern Gott/Welt die theologische Elementar-
unterscheidung bildet. Instruktiv ist etwa die Stelle Jes 45,5ff. Hier ist das
Thema der Einzigkeit Gottes (V. 5f.) mit dem der Schöpfung (V. 6) ver-
bunden. Als Schöpfungswerke werden Licht und Finsternis, Heil und Un-
heil genannt. Die priesterschriftliche Schöpfungsgeschichte kennt — weni-
ger konsequent und extrem monotheistisch als Deuterojesaja — das Ele-
ment der Finsternis zwar nicht gerade als Chaosmacht, aber doch auch nicht
179
als Schöpfungswerk (Gen 1,2)”. Deuterojesaja aber rückt Kosmos und
Chaos, auf das Ergehen des Menschen bezogen: Heil und Unheil, zusammen
und qualifiziert sie als Schöpfung, die dem Schöpfer gegenübersteht?'. Ent-
sprechend wird die absolute Unterschiedenheit von menschlicher und gött-
licher Sphäre betont. Die Pläne Gottes, welche Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft als qualitativ voneinander zu trennende Grössen umfassen (ein
Kategoriengefüge übrigens, welches im polytheistisch-kosmologischen Den-
ken keinen Platz hat), sind dem Menschen grundsätzlich nicht einsichtig;
allein die Prophetie vermag den Menschen über Gott zu orientieren, die
Welt hat jede massgebliche Orientierungsfunktion verloren.
Natürlich spielt für die Götzenpolemik Deuterojesajas auch die aktuelle
Situation seiner Verkündigung eine wichtige Rolle: Seine Hörer sind in Ge-
fahr, zur Religion Babyloniens abzufallen, damit ihre Bürgerschaft im israeli-
tischen Volksverband aufzugeben und Jahwe zu verlassen. Deuterojesaja
kann von seinem Standort aus die polytheistische Religion der Lächerlich-
keit preisgeben; die Götter der Babylonier sind nicht ernst zu nehmen”.
Dies gilt freilich nur für den, welcher den Schritt zum Monotheismus vollzo-
gen hat und, gegen den Anschein der unmittelbaren Erfahrung und die dar-
aus sich ergebende Wirklichkeitsordnung, sich zunächst an der Wirklichkeit
der Offenbarung orientiert und von da aus die Welt deutet. Wie weit Deu-
terojesaja mit dieser Verkündigung Erfolg hatte, lässt sich nicht beurteilen.
Die Diskussionsworte, in welchen sich die Auseinandersetzung zwischen
dem Propheten und seinen Hörern niedergeschlagen haben, zeigen jedenfalls,
dass seine Botschaft keineswegs als selbstverständlich aufgenommen wurde.
Der vielleicht entscheidendste Unterschied zwischen Deuterojesaja und den
vorexilischen Propheten besteht darin, dass diese ihren Monotheismus als
Kritik vorgebracht haben, jener aber als Konstruktion. Im achten Jahrhun-
dert dominiert das “Nein” zur Welt — bei Amos und Micha ausschliesslich,
bei Hosea und Jesaja überwiegend: Die Entgegensetzung Jahwes zur Welt
knüpft an die auch dem polytheistisch strukturierten Israel selbstverständ-
liche Voraussetzung an, dass Jahwe der Welt seine Ordnung gegeben hat;
180
die Diastase zwischen Gott und Welt ergibt sich aus der Analyse der Unver-
einbarkeit zwischen der faktischen Wirklichkeit und der ihr vorgegebenen
Ordnung. Im Exil ist diese Voraussetzung in die Brüche gegangen. Am näch-
sten liegt es ja für die Israeliten, Jahwe überhaupt nicht mehr als Garanten
der Ordnung dieser Welt zu akzeptieren, sondern sich andern Göttern zuzu-
wenden. So muss Deuterojesaja gleichzeitig die ehemals gültige Weltdeutung
in Erinnerung rufen und sie in der Weise der vorexilischen Prophetie mono-
theistisch interpretieren. So erklärt sich die eigenartige Erscheinung, dass
Deuterojesaja in gleicher Weise in der Nachfolge der vorexilischen Kult- und
Heilsprophetie wie der Unheilsprophetie steht — zwei Grössen, deren Ver-
treter sich in vorexilischer Zeit bis aufs Blut befehdeten”?.
Deuteronomium und Deuteronomistik sind auch aus der prophetischen Tra-
dition zu verstehen, bilden aber den Monotheismus mit andern Akzenten
aus als Deuterojesaja. Hier liegt das Hauptgewicht auf dem Programm der
Neugestaltung, die für Israel nach dem totalen Zusammenbruch möglich
wird?*. Als Ursache des Zusammenbruchs gilt — entsprechend den Vorstel-
lungen der vorexilischen Prophetie — Israels übergrosse Schuld, die jetzt frei-
lich konsequent als Verstoss gegen das erste Gebot dargestellt wird; die Man-
nigfaltigkeit des prophetischen Messens der Welt an dem ihr gegebenen Mass-
stab wird also normiert und damit verkürzt. Hatte sich in der schulpropheti-
schen Überlieferung der Ausschliesslichkeitsanspruch Jahwes als grundlegen-
de Konsequenz des Schuldaufweises, der zwischen Gott und Welt unter-
scheiden lehrte, ergeben, so droht dieser Ausschliesslichkeitsanspruch jetzt
fast von seinen Wurzeln abgelöst zu werden. Das Deuteronomium selbst
zeigt zwar noch einen organischen Zusammenhang von Ordnungssetzung (im
Gesetzeskorpus) und Reflexion der Einzigkeit Jahwes; aber an manchen
Stellen deuteronomistischer Geschichtsschreibung scheint die Ausschliess-
lichkeitsforderung Jahwes doch eher zu einer Leerformel geworden zu sein.
Das Programm des Deuteronomiums lässt sich auf die Kurzformel bringen:
Ein Gott — ein Volk — ein Gottesdienst. Jede Lebensregung ist auf diese
Einheit hin ausgerichtet; zwischen Gott und Israel besteht ein strenges Ge-
genüber, das sich schon dadurch zeigt, dass die Einheit eine bedingte ist”.
181
Israel hat jederzeit die Möglichkeit, aus dem Verhältnis auszusteigen, den
Dienst Gottes nicht wahrzunehmen und damit das Unheil, den Untergang
zu wählen — damit also faktisch erneut die Situation des Exils zu realisieren.
Die ständigen Ermahnungen, sich von den andern Völkern abzusondern, sich
nicht mit ihnen zu vermischen und so ein von der Umwelt völlig unterschie-
denes Stück Welt zu bilden, verstehen sich nach allem Gesagten von selbst.
Es ist aufschlussreich, dass das Deuteronomium in der mosaischen Vorzeit
handelt. Die Gegenwart kommt als Orientierungsrahmen nicht in Frage, da
die jetzt erkennbare Welt die Ordnungssetzung Gottes nicht widerspiegelt.
Es ist also ein typisches Symptom des Monotheismus, wenn eine Epoche der
Nicht-Gegenwart, der nicht anschaubaren Zeit als Offenbarungszeit stilisiert
wird; für eine vergangene, der Gegenwart gegenüber qualitativ andersartige
Zeit kann eine Annäherung zwischen Gott und der von ihm so verschiede-
nen Welt gedacht werden. Dasselbe gilt natürlich auch für die Zukunft, wel-
che in den meisten Ausprägungen des Monotheismus eine wesentlichere Rol-
le spielt als die Vergangenheit: In einer zukünftigen, der gegenwärtigen ge-
genüber völlig veränderten Welt wird es zu einer Annäherung zwischen Gott
und Welt kommen. Auch die Eschatologie ordnet sich so dem Monotheis-
mus Zu.
Die Gegenwart bedarf also einer Vermittlung zwischen der vergangenen oder
kommenden Offenbarungszeit, in welcher Gott der Welt nahe ist (systemati-
siert ist im Urzeit-Endzeit-Syndrom auch die Kombination beider Möglich-
keiten zu beobachten) und der Gegenwart; diese Vermittlung läuft über ver-
schiedene Medien: Bei Deuterojesaja versteht sich der Prophet als Mittler
zwischen den Zeiten, an andern Stellen nimmt das Gesetz diese Funktion
wahr. In der Apokalyptik mischen sich die verschiedensten vermittelnden
Funktionen in vielfältiger Weise. In jedem Falle aber ist eine Qualität der
Offenbarung nötig, welche die unverständliche Gegenwart und den von die-
ser Gegenwart her erst recht verborgenen Gott verstehbar macht.
182
Das Auseinandertreten zwischen Gott und Welt führt zu einer Entgötterung
der Welt. Man hat dies häufig als grundlegendes Merkmal der israelitischen
Religion allgemein dargestellt; richtiger ist es, dies als Merkmal des Resultats
israelitischer Religionsentwicklung aufzufassen (auch des Alten Testaments,
das ja Ausdruck dieses Resultats ist). Es gilt aber genau so für den Islam. Der
entgötterten Welt gegenüber kann sich der Mensch in ganz verschiedener Art
und Weise verhalten. Die Welt kann für ihn uninteressant werden, da sie
nicht das Feld darstellt, auf dem man es mit Gott zu tun hat. Die Konse-
quenz ist Weltflucht und Askese. Aber auch die gegenteilige Haltung ist
ebensogut möglich: Die entgötterte Welt steht dem Menschen bedingungslos
zur Verfügung, sie kann von ihm umgestaltet und nach Gutdünken ausgebeu-
tet werden; von seiten Gottes bestehen keine Schranken. Der Welt wohnen
auch keine ewigen Normen inne (dies ein wichtiger Unterschied zum ganz
anders strukturierten “Monotheismus” etwa des Griechentums, der struk-
turell aus der spekulativen Hinterfragung des Polytheismus entstanden ist?”),
sie kann deshalb nach menschlichem Gutdünken verändert werden. Es ist
bezeichnend, dass Christentum und Islam gleich nach ihrem Entstehen eine
unbändige geschichtliche Dynamik entwickelt haben.
Der Entgötterung der Welt entspricht die Entweltlichung Gottes. Sie ist in
ihrer Wirkung auf den Menschen ambivalent. Gott gewinnt auf der einen
Seite eine Weltüberlegenheit, die natürlich den Göttern des Polytheismus
nicht zukommt. Geschichtlich-politisches Geschehen tangiert ihn nicht,
auch nicht das Verhalten der Menschen, weder derer, die ihn respektieren
noch der übrigen. Andererseits besteht für diesen Gott natürlich die Möglich-
keit, überflüssig zu werden. Die von Gott wesenhaft unterschiedene Welt
kann in die Eigengesetzlichkeit abgleiten und braucht Gott nicht mehr —
nicht einmal mehr als Urheber, als deus otiosus.
Der monotheistisch geprägte Mensch ist seiner Welt gegenüber zunächst ein-
mal disstabilisiert. Die natürlichen Ordnungen gelten für ihn nur relativ, sie
haben keine absolute Verbindlichkeit. Die Offenbarung setzt ihre eigenen
97 Der durch die Philosophie ins Leben gerufene Monotheismus hat in Griechenland
nie die revolutionäre Stossrichtung, wie dies hier beschrieben wurde; am ehesten
noch in den Anfängen, bei XENOPHANES, der die herkömmlichen Götter scharfer
Kritik unterzieht. Aber auch hier ist die Welt, sogar die Polis, dem einen Gott zuge-
ordnet, und später gibt es gar keinen Gegensatz mehr zwischen dem Einen Gott, der
sich dem Denken erschliesst, und den vielen Göttern, die der Mensch verehren kann.
Vgl. jüngst Y. AMIR, EvTh 38 (1978) 2£f. Griechischer und jüdischer Monotheis-
mus sind ihrem Wesen nach ganz unvergleichbar. — Anders N. LOHFINK, Theol.
Akademie 6, 64ff.
183
Ordnungen, welche sich der Welt gegenüber häufig sperrig verhalten, den ge-
schichtlichen Entwicklungen gegenüber abweisend sind und so aus der natür-
lichen Welt ausgliedern. Natürlich kommt es im Lauf der Entwicklung dann
auch wieder zu gewissen gegenläufigen Tendenzen, wenn der Monotheismus
sich durchsetzt, zur Volks- und Staatsreligion wird und gewissermassen eini-
ge polytheistische Strukturen zurückgewinnt”®. Doch zeigt sich in der Ge-
schichte der monotheistischen Religionen immer wieder die ursprüngliche
Kraft des Monotheismus, die bestehenden Ordnungen revolutionär zu durch-
brechen.
Andererseits wird dem monotheistisch geprägten Menschen zugemutet, das
Bekenntnis zu Gott gegen den Anschein der Wirklichkeit durchzuhalten.
Keine Analogie führt ihn von der Erfahrung der Welt zu Gott, er hat sich
ganz auf die durch die Offenbarung erschlossene Wirklichkeit zu verlassen.
Die neutestamentlichen Erfahrungen setzen übrigens dem reinen Monotheis-
mus gegenüber ein gewisses Gegengewicht, indem sie von der Anschaulich-
keit Gottes im Leben und Wirken Jesu ausgehen; und auch nach Jesu Tod
ist dessen Gegenwart im Leben der Gemeinde eine konstitutive Erfahrung
Gottes. Die Trinitätslehre kleidet diese Erfahrungen in die Kategorien grie-
chischen Denkens; darin werden die genannten Erfahrungen der Einheit
Gottes zugeordnet. So ist gleichzeitig die absolute Unterschiedenheit Gottes
von der Welt, seine völlige Selbstdarstellung im Geschick Jesu und seine dem
Glauben sich erschliessende Gegenwart festgehalten. Wie schwierig eine zu-
sammenfassende sprachliche Bewältigung dieser komplexen Erfahrungen
war, zeigen die trinitarischen und die christologischen Streitigkeiten.
Jedenfalls hat der Islam mit seinem Vorwurf, das Christentum habe keinen
reinen Monotheismus, nicht unrecht, es handelt sich hier keineswegs nur um
grobe Missverständnisse der Trinitätslehre. Aber ob Monotheismus wirklich
das höchste Gut ist, ist ja nicht ausgemacht.
184
Literaturverzeichnis
ABEL E.L., The Nature of the Patriarchal God El Saddaj, Numen 20 (1973), 48ff.
AHLSTRÖM, G.W., Aspects of Syncretism in Israelite Religion (1963)
ALBERTZ R., Persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion (1978)
ALT A., Der Gott der Väter, Kleine Schriften I (1953), 1ff. (1929)
AMIR Y., Die Begegnung des biblischen und des philosophischen Monotheismus als
Grundthema des jüdischen Hellenismus, EvTh 38 (1978), 2ff.
ANTES P., Der eine allmächtige Gott und das Böse, Studies in the History of Religions
(Numen Suppl.) 31 (1975), 221ff.
185
GÖRG M., Die Anfänge des israelitischen Gottesglaubens, Kairos 18 (1976), 256ff.
GOLDZIHER I., Muhammedanische Studien I (1888)
GRESSMANN H., Mose und seine Zeit (1913)
HAEKEL J., Religion, in: H. TRIMBORN, Lehrbuch der Völkerkunde (1971?)
HAMP V., Monotheismus im Alten Testament, BEThL 12 (1959), 516ff.
HARTMANN B,., Es gibt keinen Gott ausser Jahwe. Zur generellen Verneinung im He-
bräischen, ZDMG 110 (1961), 229ff.
DERS., Monotheistische stromingen in de Babylonische Godsdienst, NTT 20 (1965/66),
328ff.
HENNINGER J,., Der Glaube an den einen Gott, BiKi 27 (1972), 13ff.
DERS., La religion bedouine preislamique, in: F. GABRIELI, L’antica societä beduina
(1959)
HERRMANN S,., Geschichte Israels (1973)
DERS., Das Werden Israels, ThLZ 87 (1962), 561ff.
HEUSSI K., Kompendium der Kirchengeschichte (1960'?)
HINZ W., Zarathustra (1961)
HOFTIJZER J., Religio Aramaica (1968)
DERS., Die Verheissungen an die drei Erzväter (1956)
HOFTIJZER J. /VAN DER KOOI G., Aramaic Texts from Deir “Alla (1976)
HOLSTEN W., Monotheismus und Polytheismus, RGG? IV, 1109ff.
HORNUNG E., Der Eine und die Vielen (1971)
186
LOHFINK N., Gott und Götter im Alten Testament, in: Theologische Akademie 6
(1969)
DERS,., Unsere grossen Wörter, 1977, 127-144
MAAG V., Das Gottesverständnis des Alten Testaments, NTT 21 (1966/67), 161ff.
DERS,., Der Hirte Israels, SThU 28 (1958), 2ff.
DERS., Malkut JHWH, SVT 7 (1960), 129ff.
DERS,., Sichembund und Vätergötter, Fschr. Baumgartner, SVT 16 (1967), 205ff.
MARTI K.., Geschichte der israelitischen Religion (1903 )
MATTHIAE P., Ebla (1977)
MAYER R., Monotheismus in Israel und in der Religion Zarathustras, BZNF 1 (1957),
23ff.
MENSCHING G,., Die Religion (Goldmann-Taschenbuchausgabe 882/83)
MESHEL ZEEV, Kuntillet “Ajrud, The Israel Museum, Cat. 175 (1978)
MONTGOMERY WATT W., Belief in a “High God” in Pre-Islamic Mekka, Studies in
the History of Religions (Numen Suppl.) 31 (1975)
DERS., Badw., EI? I, 889ff.
MORENZ S., Ägyptische Religion (1977?)
MOSCATI S., Le antiche divinita Semitiche, Studi Semitici 1 (1958), 119ff.
DERS., Die altsemitischen Kulturen (1961)
MÜHLEMANN W.E., Das Problem des Ur-Monotheismus, ThLZ 78 (1953), 705ff.
NIELSEN D., Der dreieinige Gott in religionsgeschichtlicher Beleuchtung I (1927);
II/1 (1942)
NOTH M., Geschichte Israels (1950)
DERS., Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namen-
gebung (1928)
DERS., Gilead und Gad, Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde (1971),
489ff. (= ZDPV 75 (1959), 14ff.)
NYBERG H.S., Die Religionen des alten Iran (1938)
RENAN E., Nouvelles considerations sur le caractere general des peuples semitiques et
en particulier sur leur tendence au monotheisme, JA 5/13 (1859), 214ff. 417£f.
RENDTORFF R., Mose als Religionsstifter?, Gesammelte Studien zum AT (1975),
152ff.
187
ROBERTSON SMITH W., Die Religion der Semiten (1899)
ROSE M., Der Ausschliesslichkeitsanspruch Jahwes (1975)
ROST L., Die Gottesverehrung der Patriarchen im Lichte der Pentateuchquellen, SVT
7 (1960), 346ff.
ROWLEY H.H., Mose und der Monotheismus, ZAW 69 (1957), 1ff.
RUPRECHT E., Die Religion der Väter, DBAT 11 (1976), 2ff.
RYCKMANS G., Les religions arabes preislamiques (1961?)
SAUER G,., Die Tafeln von Deir “Alla, ZAW 81 (1969), 145ff.
SCHARBERT J., Patriarchentradition und Patriarchenreligion, VuF 19 (1974), 2ff.
SCHMID H.H., Altorientalische Welt in der alttestamentlichen Theologie (1974)
DERS., Wesen und Geschichte der Weisheit (1966)
SCHMIDT W., Handbuch der vergleichenden Religionsgeschichte. Ursprung und Wer-
den der Religion (1930)
DERS., Der Ursprung der Gottesidee, XII/3 (1955)
SCHMIDT W.H., Das erste Gebot (1969)
DERS., Jahwe in Ägypten, Kairos 18 (1976), 43ff.
DERS., Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift (1973?)
SMENDR., Jahwekrieg und Stämmebund (1963)
DERS., Der biblische und der historische Elia, SVT 28 (1974), 16 7ff.
SMENDR., Lehrbuch der alttestamentlichen Religionsgeschichte, 1899?
SMITH M., The Common Theology of the Ancient Near East, JBL 71 (1952), 135ff.
IN DER SMITTEN W., Vordeuteronomistischer Jahwismus in Elephantine?, BiOr 28
(1971), 173£.
SNAITH N.H., The Advent of Monotheism in Israel, ALUOS 5 (1963/65), 100ff.
SOGGIN J.A., Der offiziell geförderte Synkretismus in Israel, ZAW 78 (1966), 1798.
STECK O.H., Die Erzählung von Jahwes Einschreiten gegen die Orakelbefragung Ahas-
jas, EvTh 27 (1967), 546ff.
DERS., Der Schöpfungsbericht der Priesterschrift (1975)
STOLZ F., Aspekte religiöser und sozialer Ordnung im alten Israel, ZEE 17 (1973),
145ff.
DERS., Jahwes und Israels Kriege (1972)
DERS., Sabbat, Schöpfungswoche und Herbstfest, WuD 11 (1971), 159ff.
DERS., Der Streit um die Wirklichkeit in der Südreichsprophetie des 8. Jahrhunderts,
WuD 12 (1973), 9£f.
DERS,., Strukturen und Figuren im Kult von Jerusalem (1970)
DERS., Jahwes Unvergleichlichkeit und Unergründlichkeit, WuD 14 (1977), 9£f.
188
WESTERMANN C., Das Buch Jesaja Kap. 40-66, ATD 19 (1966)
DERS,., Genesis, BK 1/2 (1977£f.)
WIDENGREN G., Die Religionen Irans, (1965)
DERS,, Religionsphänomenologie (1969)
WILDBERGER H., Jesaja, BK X/1 (1965ff.)
DERS,., Der Monotheismus Deuterojesajas, in: Beiträge zur alttestamentlichen Theo-
logie, Fschr. Zimmerli (1977), 506ff.
WISSMANN, H. v., Badw, EI? I, 874ff.
WOLFF H.W., Jahwe und die Götter in der alttestamentlichen Prophetie, Gesammel-
te Studien (1973? ), 418ff. (= EvTh 29 (1969) 397£f.).
YADIN Y., Hazor (1976)
189
Autorenregister
Vgl. dazu die partiellen Abkürzungs- und Literaturverzeichnisse auf den Seiten 7-9,
80-81, 97, 138-142, 185-189
ABEL A. 45 CAGNIL. 34
ABELE.L. 160 CAMPBELLE.F. 161
AHARONIY. 29 CANTINEAUJ. 131
AHLSTRÖM G.W. 165 CAQUOTA. 35,118, 124, 130f., 150
ALBERTE. 108 CASKELW. 112,117, 122,126
"ALBERTZR. 79,117,120,123,128, COON C.S. 161
150,159 CROSS F.M. 115f., 119, 124, 157, 160
ALBREKTSONB. 19 CRÜSEMANNF. 135
ALBRIGHT W.F. 119f. CUSS D. 23
ALTA. 20, 108, 114-117, 120ff.,
158f., 163 DAHOODM. 32f., 38
ALTENMÜLLER H. 168, 170 DAVIESN.deG. 86
AMIR Y. 18,183 DEIMELP. 51
ANDERSENK.T. 123 DEISSLER A. 17
ANTESP. 180 DELAPORTEL. 68, 70,72
ANTHESR. 85 DELITZSCHF. 156
ARCHIA. 48 DESTREE A. 44
ASMUSSEN J. 50 DIEBNER B. 159
ASSMANN J. 84f., 88, 90, 95 DIETRICHM. 108, 118
AVIGADN. 112 van DIJK J. 40, 50, 65, 67,103, 105
DONGALA KODIJ.B. 22
BAENTSCH B. 22, 52, 150f. DRIVER G.R. 52
BALSCHEIT B. 22, 160, 174, 178,181 DROWER H.S. 32
BALTZERK. 175 DUNANDF. 91
BALYD. 16, 20 DÜRRENMATTF. 12f., 20
BARTAW. 90 DUSSAUDR. 119
BARTHK. 23, 25
BAUMGÄRTELF. 174 EBELINGE. 63
BAUMGARTNERW. 165 EDZARD D.O. 37,40
BERTHOLET A. 67,72, 78,150 EISSFELDT O. 119, 121,128, 151,
BIANCHIU. 145, 147,154 157,163, 109,272
BIGGSR.D. 103 ELIADEM. 102f.
BILLERBECKP. 18 EUSEBIUS 122,124
BOEHMERR. 68
BORGERR. 174 FAHDT. 123
van den BRANDEN A. 35 FALKENSTEIN A. 34,56
BRELICH A. 132, 148 FECHTG. 85
BROCKELMANNC. 153, 156 FICHTNER J. 26
BRODBECK A. 94 FINET A. 44f.
BUHLF. 161 FISHER L.R. 122
BURCHARDTM. 119 FOHRER G. 104,158, 163, 174
190
FORMAN W.B. 72, 74 HÖFNERM. 66, 107, 112, 121ff., 129
FRANKFORTH. 74 HOFTIJZER J. 117,124, 130, 159ff.
FREUDS. 16, 20, 28 HOLSTEN W. 156
FRITZ V. 29, 170 HORN S.H. 172
HORNUNGE. 20, 29, 84f., 89ff., 94,
GABRIELIF. 157,159 1517133172
GALLINGK. 129 L’HOUR J. 114
GAMPER A. 19 HUFFMONH.B. 44
GARBINIG. 33
GARCIA CARDEROM. 157
JACOBSEN Th. 39, 50, 65, 150
GEHLENA. 182
JASTROWM. 53,111
GELB]1.J. 33, 122
JAUSSEN J.A. 121
GEMSER B. 119
JEPSEN A. 137
GESEHN. 115,137
JEREMIAS A. 52f., 59, 68
GILES F.J. 89
JIRKUA. 129
GILULAM. 170
JOLLESA. 112
GOLDZIHER I. 161,163 JOSEPHUS FLAVIUS 18
GORDISR. 106 JUNGEF. 26, 89
GORDON C.H. 116,118, 121,126
GÖRGM. 105, 112,159, 165 KAISER O. 181
GRESSMANNH. 64, 119,157 KEELO. 17,19, 27, 30, 67, 176
GRIFFITHF. Lil. 20 KITTELR. 119
GROHMANNA. 107,121 KLATTW. 22
GRÖNDAHLF. 118, 121,126 KLENGELH. 76, 159, 161
GUNKELH. 22, 101, 106, 108ff., 120f. KNIERIMR. 137, 154
GUNNEWEG A.H.J. 108 KOCHK®26.117..1205 125, 13213
160, 175
HAAGH. 18 KÖHLER L. 137
HAEKEL J. 155 KÖNIGE. 137
HALBE J. 137 van der KOOIJG. 117, 124, 130, 160
HAMMERSHAIMBE. 124 KRAUSH.J. 23£., 26
HAMPV. 160,174 KRAUSSR. 29
HARTMANNB. 55, 150f. KUENEN A. 178
HECKERK. 103 KUPPER J.-R. 161
HEHN J. 54
HEILER F. 102 LABUSCHAGNE C.J. 123
HELCKW. 84, 88, 96, 168 LAESSOE J. 50
HENNINGER J. 104, 115,120, 157, LAGRANGE M.-J. 156
159 LAMBERTM. 148f.
HERDNER A. 118 LAMBERT W.G. 20, 103, 113
HERRMANNS. 108, 112, 164, 166, LANCZKOWSKIG. 16, 145f.
175 LANDSBERGER B. 70
HEUSSIK. 144 LANGB. 20ff.
HILLERS D.R. 120 LAROCHEE. 118f.
HINZW. 152f. van de LEEUWG. 100
HIRSCHH. 117 LEMAIRE A. 124, 130f., 167,170, 172
191
LEVEQUEP. 91 PATAIR. 167
LEVYT. 111 PERLITTL. 181
LEWYJ. 119 PETERSONE. 19
de LIA RE — BÖHLF.M.T. 20, 54 PETTAZONIR. 146, 154
LIDZBARSKIM. 111,117 PETTINATO G. 12, 32-39, 42,48,
LIPINSKIE. 34, 118, 134 105, 112£., 116,123
LITTMANNE. 121 PEUCKER H. 163
LOHFINKN. 20,119, 144, 183 PHILO BYBLIOS 122,124
LORETZ O. 108, 118 PIANKOFF A. 93
LUCKENBILL D.D. 59 POMPONIOF. 44
POPEM. 35ff., 157
MAAGV. 25,104ff., 115,128, 143, PORADAE. 76
149,159, 162, 165 PORTENB. 166
MAIER J. 18 PREUSS H.D. 25,133, 180
MARTIK. 22,178 PSICHARIL. 16
MATTHIAEP. 156
MAY H.G. 16, 123
vonRADG. 23-26
MAYERR. 22,153, 156
RAINEY A.F. 108
MAYERW. 134
RAMBOVAN. 93
MENES A. 108
RANKEH. 20
MENSCHINGG. 148, 154, 184
RAWLINSONH. 59,68
MESHEL Z. 167f.
REISNER G.A. 91
MILES J.C. 52
RENANE. 16, 156
MILLARDA.R. 20,103, 113
RENDTORFFR. 122,174
MILLER P.W. 124
ROBERTS J.J.M. 34,117
MONTGOMERY WATTW. 153, 163
ROBERTSON SMITHW. 154,158, 178
MORENZ S. 90f., 153
RÖLLIG W. 35ff., 111
MOSCATIS. 148, 156f.
ROEMER W.H.Ph. 50, 70
MÜHLMANN W.E. 146
ROSE M. 27,120, 147,167, 181
MÜLLER H.-P. 17£., 20,48, 102, 105,
ROSTL. 159
110ff., 124, 130£., 135f.
ROWLEY H.H. 174
MÜLLERM. 78,133
RUPP A. 29
RUPPRECHTE. 159
NIELSEN D. 121f., 136, 157 RYCKMANSG. 156
NIETZSCHE F. 15f., 104
NÖLDEKE Th. 120
NORINS. 27 SANDMANM. 84
NOTHM. 120, 136f., 163£f., 175 SANMARTIN J. 118
NOUGAYROL J. 118 SAUER G. 161
NYBERG H.S. 153 SAVIGNACR. 121
OBERHUÜBERK. 65, 70 SCHARBERT J. 159
VON OPPENHEIMM. 163 SCHLÖGL H.A. 26
OTTOE. 84, 91,152, 168 SCHMID H.H. 25f., 121,127, 151,177
SCHMIDT W. 146, 155f., 160
PARETR. 152 SCHMIDT W.H. 123, 154, 174, 180
PARKER S.B. 123 SCHMÖKELH. 35,55
192
SCHÖNBERGA. 20 VANDIER D’ABBADIE J. 168
von SCHULERE. 112 de VAUXR. 108
SEEBASSH. 116 VERNUSP. 91
van SELMS A. 20 VINCENT A. 166
SEYBOLDK. 131 VIROLLEAUDC. 118
SMENDR. 158, 164, 175 VORLÄNDER H. 65ff., 76,125, 150,
SMITHM. 21,150 159
SMITHR. 108
in der SMITTEN W. 166 WARDW.H. 74
SNAITHN.H. 156 WEDEMEYER A. 91
von SODEN W. 50f., 54, 56, 61, 64, WEIDMANNH. 159
113 WEINFELDM. 29
SOGGIN J.A. 166 WEIPPERTM. 112,119, 136, 160
SOLLBERGERE. 70 WELLHAUSEN J. 28, 107, 110f., 155,
STADELMANNR. 96 158, 162ff., 178
STAEHELINE. 172 WELTENP. 129,175
STECK O.H. 175,180 WESTENDORFW. 88
STEINER G. 13-17, 20 WESTERMANNC. 17, 24, 102, 104f.,
STERNE. 168 109f., 120, 126-129, 159f., 181
STOLZF. 16f., 20, 149ff., 156, 159f., WIDENGRENG. 23,29, 148, 153
162, 164ff., 175ff., 179 WIESENHÜTTERE. 28
STRACKH.L. 18 WILDBERGERH. 23, 27, 178f.
STROLZW. 27 WILDUNGD. 95
SZNYCERM. 118 WINTER U. 30
WISEMAN D.J. 72,74
von WISSMANNH. 160
WOLFW. 89
TACITUS 18 WOLFF H.W. 23, 26, 178
TALLQUISTK. 51 WRIGHT G.E. 161
THIELW. 135
THOMAC. 19 XENOPHANES 183
THOMAS D.W. 21
THUREAU — DANGINF. 103 YADIN Y. 161
TRIMBORNH. 155
TYLORE.B. 146 ZIMMERLIW. 17,23, 25
Joy42837 193
THLEOLOGSY LIBRARY
CLAREMONT. CALIR
Lieferbare Bände der Reihe Biblische Beiträge (Neue Folge):
5 Johannes Schildenberger
Literarische Arten der Geschichtsschreibung im Alten Testament
68 Seiten. Broschiert 5.80
Othmar Keel
Zurück von den Sternen
68 Seiten. Broschiert 4.90
12 Josef Breuss
Das Kanawunder
Hermeneutische und pastorale Überlegungen aufgrund einer
phämomenologischen Analyse von Joh 2,1—12
80 Seiten. Broschiert 9.80
13 Adrian Schenker
Das Abendmahl Jesu als Brennpunkt des Alten Testaments
Begegnung zwischen den beiden Testamenten — eine
bibeltheologische Skizze
158 Seiten. Broschiert 18.—
Zu dieser Arbeit
Der Monotheismus ist das Herzstück der Glaubensbekenntnisse von Judentum (“Höre
Israel, der Herr unser Gott ist der Einzige”), Christentum (“Ich glaube an den einen
Gott”) und Islam (“Es ist kein Gott ausser Gott”’). Trotzdem geht die alttestamentliche
Wissenschaft diesem Problem seit Jahrzehnten aus dem Weg.
Hier setzen sich nun erstmals kompetente Vertreter von Theologie, Religionswissen-
schaft und Altorientalistik zusammen, um in einem knappen, gut verständlichen und
umfassenden Überblick die Bedeutung des biblischen Ein-Gott-Glaubens herauszu-
arbeiten und seinen Wurzeln in Ägypten, Mesopotamien und Altsyrien (Ebla!) nach-
zugehen.
be
Ba Te
eseieei u
etrandeer DieZn
vr ale Mile.
u
”
Re
=
ae
j
"
ei
msn RN. sie Fat, ge“Kaees ie
fen . 4 12 Paptiemunt tune - a 5%f} Vu
ri Fragurgih h Kr sh
L Fri “ ur ie en käse “i Teen: an u
u gr MN: ae Netz Zur Bremse Fa
pn Alte Teams ie im Papiıuen (1973,3. a Pier =;
& e er s ji
»
v4 . i « 7 ii f En € ve m Yu N you T $ “
0 4 i Tai HB - b 4 %
’
.> & ke la ö © “
e i
<
r . Foss 1 sach a efnanzg;
n \
[1 =
> a a
u nr u Ko ae ie,
=
p unit r i Zn .r
\ j u.
2 % D
kur uw
zZ een Li a
4 D
BS
413 Monotheismus im alten Israel und seiner
Umwelt / Qthmar Keel; Herausgeber ;
.538
mit Beitragen von Benedikt Hartmann
neFe
Heft 14 oo. [et al.]e -- Fribourg : Verlag
Schweizerisches Katholisches
Bibelwerk ;s Einsiedeln : Auslieferung
fur die Schweiz, Benziger;, c1980.
193 ,p- : ill. ; cm» -——- (Biblische
Beitrage ; BB 14)
üyier der =... Beitrage wurden
ursprunglich in Form von Kurzvoten an
der Tagung "Probleme des Monotheismus!
der 'Schweizerischen Gesellschaft fur
Orientalische Altertumswigsenschaft"
vom 2. Dezember 1978 in Zurich
vorgetragen. Sie sind «+. teilweise
stark erweite rt und mit Fussnoten
Der funfte ++. ist
Ao423837 versehen word en.
die schriftli che Fassung eines
834 76315 24 CSTMx c SEE NEXT CRD
CCSC 20 MAR
ae
IE
=
NER
eeleaneLause
Er t
2 it
Baer SEHE Are dern
BE
BenEeEe
el
Ge