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Annette von Droste-Hülshoff

Annette von Droste-Hülshoff war eine deutsche Schriftstellerin und Komponistin. Sie gehört zu den
bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern des 19. Jahrhunderts.

Leben
Annette von Droste-Hülshoff gehörte aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Westfalens. Sie waren als
Erbmännerfamilie nicht nur Ritter und Gutsbesitzer gewesen, sondern viele hatten schon im Mittelalter
Ämter als Bürgermeister und Ratsherren bekleidet und trieben Handel in der Hansestadt Münster. Auch
gab es in ihrer Familie bereits seit Generationen eine Musiktradition. Annette selbst wurde zunächst von
ihrer gebildeten Mutter, dann von einem Hauskaplan, der später Professor am Gymnasium Paulinum
(Münster) wurde, und von einer französischen Kinderfrau unterrichtet. Auf diese Weise erwarb das sehr
wissbegierige Kind eine Bildung, die für die damalige Mädchenerziehung außergewöhnlich war und z. B.
Literatur in lateinischer, griechischer, französischer und englischer Sprache sowie geschichtliche,
geografische und naturkundliche Kenntnisse umfasste.

Die Lebensspanne von Annette von Droste-Hülshoff fiel in eine Zeit der politischen Umbrüche und
wirtschaftlicher Einschränkungen, die als Biedermeier in die Geschichte einging. Auf die Säkularisation des
Hochstifts Münster (1803) folgten in ihrer Heimat die politischen Herrschaftswechsel zu Preußen (1803–
1806 und ab 1815) – unterbrochen durch das Intermezzo des napoleonischen Großherzogtums Berg (1806–
1815). Ihr weiteres Leben verbrachte sie in den preußischen Provinzen Westphalen und Rheinland sowie
dem Großherzogtum Baden, wo sie im Revolutionsjahr 1848 starb.

Seit ihrer Kindheit und Jugend war Annette kränklich, bedingt durch ihre frühe Geburt. Mit ihrer Mutter
und ihrer Schwester Jenny besuchte Annette mehrfach für längere Zeit die mütterliche Familie von
Haxthausen in Ostwestfalen. In der Familie Haxthausen erzählte man gerne Gruselgeschichten – eine davon
verarbeitete die Dichterin später zu ihrer berühmten Novelle Die Judenbuche. Eine erste größere und
längere Reise allein führte sie 1825, ein Jahr vor dem Tod ihres Vaters. Nach dem Tod ihres Vaters 1826
wurde der Familienbesitz von ihrem Bruder Werner-Constantin übernommen, sodass sie und ihre ältere
Schwester Jenny mit ihrer Mutter auf deren Witwensitz übersiedelten, das Haus Rüschhaus bei Gievenbeck.
1835/36, während der Schwangerschaft ihrer Schwester, lebte sie fast ein Jahr lang in der Schweiz auf dem
damaligen Besitz ihres Schwagers, Schloss Eppishausen. In Meersburg fand die Droste die Balance zwischen
Gesellschaft und Einsamkeit. Sie fühlte sich dort freier von Konventionen. Als sie ihre Bücher verkaufte,
konnte sie sich ein Haus kaufen. Am Nachmittag des 24. Mai 1848 verstarb Annette von Droste-Hülshoff in
ihrer Wohnung auf Schloss Meersburg am Bodensee, vermutlich an einer schweren Lungenentzündung.

Die Judenbuche
Die Judenbuche – Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen ist eine Novelle von Annette von
Droste-Hülshoff, die erstmals 1842 im Cotta’schen Morgenblatt für gebildete Leser erschien. Die Handlung
spielt in dem entlegenen westfälischen „Dorf B.“ in einem deutschen Kleinstaat des 18. Jahrhunderts, noch
vor der Zeit der großen Umwälzungen, die die Französische Revolution für Europa mit sich brachte. Die
Novelle handelt von einem unaufgeklärten Mord, erläutert dessen Vor- und Nachgeschichte und wird nicht
nur als Kriminalgeschichte, sondern vor allem als Milieustudie verstanden.

Handlung
In seiner Familie herrschen „viel Unordnung und böse Wirtschaft“. Seine Mutter Margreth war in ihrer
Jugend zu stolz und hat spät geheiratet, und das nicht aus Liebe, sondern nur, um nicht als alte Jungfer ins
soziale Abseits zu geraten. Sein Vater Hermann Mergel, ein starker Alkoholiker, nahm Margreth Semmler
zur Frau, nachdem ihm seine erste Braut in der Hochzeitsnacht davongelaufen und später gestorben war.
Als Friedrich neun Jahre alt ist, kommt sein Vater in einer stürmischen Winternacht ums Leben, nachdem er
betrunken im Wald einschläft und dabei erfriert. Wenige Jahre später adoptiert ihn sein Onkel Simon, stellt
ihn bei sich ein und verhilft ihm mit obskuren Geschäften zu etwas Geld und Ansehen. Friedrich macht
Bekanntschaft mit Simons unehelichem Sohn, dem Schweinehirten Johannes Niemand. Holzdiebstähle
finden im Dorf statt, Forster verstärken die Kontrollen. Als dieses eines Nachts dem Oberförster Brandis zu
gelingen scheint, wird er von den Blaukitteln brutal erschlagen. Friedrich fühlt sich, obwohl er vor Gericht
alles ableugnet und man ihm nichts beweisen kann, mitschuldig an Brandis' Tod. hat er doch in jener Nacht
Schmiere gestanden, die Blaukittel durch einen Pfiff vor der Ankunft des Försters gewarnt und diesen dann
in einen Hinterhalt geschickt. Sein Oheim drängt ihn durch das Verdrehen der Zehn Gebote zum Schweigen:
du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten. Im Oktober 1760 wird Friedrich auf einer
Hochzeitsfeier vom Juden Aaron bloßgestellt. Aarons Leiche wird wenig später im Brederwald unter einer
Buche aufgefunden. Sofort gerät Friedrich in Verdacht. Als man sein Haus umzingelt, um ihn festzunehmen,
flieht er zusammen mit Johannes Niemand durchs Fenster. Der Verdacht wird später zwar offiziell durch
das Geständnis eines Dritten entkräftet, es bleibt jedoch ungeklärt, ob sich dessen Aussage tatsächlich auf
den Mord an Aaron bezieht. Friedrich und Johannes aber bleiben verschwunden. Eine Delegation der Juden
des Dorfes kauft die Buche, unter der Aaron gefunden wurde, und ritzt mit hebräischen Schriftzeichen in
deren Rinde den Satz „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.“
Fortan wird diese Buche von den Dorfbewohnern „die Judenbuche“ genannt. Der Mord ist längst verjährt
und vergessen, als nach achtundzwanzig Jahren, am Heiligen Abend des Jahres 1788, ein Mann in das Dorf
B. zurückkehrt, der sich als Johannes Niemand ausgibt. Neun Monate später kehrt er eines Tages nicht
mehr aus dem Brederwald zurück. Als man nach ihm sucht, findet der junge Brandis, Sohn des ermordeten
Oberförsters, den Vermissten in der Judenbuche erhängt. Der Gutsherr untersucht die Leiche und entdeckt
zu seiner Überraschung eine alte Halsnarbe, die den Toten als Friedrich Mergel identifiziert. Ohne
geistlichen Beistand wird er auf dem Schindanger verscharrt.

Friedrich Mergel (Hauptfigur) Er arbeitet sich durch Holzfrevel und dunkle Geschäfte. Seine Rolle als
„Dorfelegant“ verteidigt er oft mit Fäusten. Trotzdem bescheinigt ihm die Autorin eine „nicht unedle Natur“
und schreibt seine Fehler teilweise dem Onkel zu.

Interpretation
Recht und Gerechtigkeit
Die Gesetze sind einfach und teilweise unzulänglich. Neben dem gesetzlichen Recht hat sich ein zweites
Recht gebildet: das Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und entstandenen Verjährung.
Gutsbesitzer wie Volk handeln frei nach ihrem Gewissen, nur den Unterlegenen sind bisweilen die
geschriebenen Gesetze wichtig. Alle Dorfbewohner sind fromm, fast alle sind aber auch in irgendeiner Form
am Holz- und Wilddiebstahl beteiligt. Ein Beispiel sind Margreth Mergel und ihr Bruder Simon Semmler.
Man kann dieses Gewohnheitsrecht als Zeichen der Rückständigkeit des Dorfes interpretieren, die die
Autorin am Anfang des Buches anspricht. Bezeichnenderweise wird diese Rückständigkeit 1789 beendet:
Etwa zwei Monate nach Ausbruch der Französischen Revolution wird der echte Schuldige bestraft, zuvor
können Adel und Volk über Recht und Gerechtigkeit entscheiden. Bemerkenswert ist, dass die Natur in der
Novelle stets als Richter und Zeuge auftritt. Die Verbindung zwischen den Taten der Dorfeinwohner und der
sie umgebenden Natur zeigt, dass sie dann, wenn sie ihr „inneres Rechtsgefühl“ verlieren, auch die
Gemeinsamkeit von Mensch und Natur zerstören, die durch die göttliche Seinsordnung festgelegt ist. Alle
negativen Ereignisse der Novelle geschehen in der Nähe der Buche im Brederwald, und zwar immer nachts
oder während der Dämmerung, nie am Tage. So wird der Brederwald zu einer Art „magischem Raum“, die
Buche zum „Dingsymbol für ein Geschehen des Unheils“.

Judenfeindlichkeit
Das Buch ist voller sozialer Vorurteile. Friedrichs Mutter belehrt ihren Sohn schon früh, dass die Juden „alle
Schelme“ und Betrüger seien, und spricht von Aaron als „dem verfluchten Juden“.
Ebenso offen zeigen später auch einige angetrunkene Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft, auf der Aaron
von Friedrich sein Geld zurückverlangt und ihn damit vor allen Gästen kompromittiert, ihren
Antisemitismus, indem sie den Gläubiger verspotten und ihm nachrufen: „Packt den Juden! Aarons Witwe
wird respektlos als „die Judenfrau“ apostrophiert, die sich am Ende getröstet und einen anderen Mann
genommen habe.

Historische Hintergründe
Als Kind war Annette von Droste-Hülshoff regelmäßig bei ihren Verwandten mütterlicherseits auf Schloss
Bökerhof in der ostwestfälischen Ortschaft Bökendorf, einem unmittelbaren Nachbarort des „Dorfes B.“, zu
Besuch. Dort erfuhr sie von einer wahren Begebenheit, die ihr Onkel August von Haxthausen unter dem
Titel Geschichte eines Algierer Sklaven nach Gerichtsakten aufgezeichnet und 1818 veröffentlicht hatte: Im
Kleinstaat Fürstbistum Paderborn hatte Hermann Georg (oder Johannes) Winckelhan im Jahr 1782 von dem
jüdischen Händler Soistmann Berend Stoff für ein Hemd erhalten, jedoch nicht bezahlt. In einem deshalb
1783 stattfindenden Prozess unter der Leitung des Lichtenauer Drosten Werner Adolph von Haxthausen
wurde Winckelhan zur Zahlung verurteilt, woraufhin dieser gegen Soistmann Berend Morddrohungen
aussprach. Am selben Abend sah ein Förster sowohl Winckelhan, mit einem Knüppel bewaffnet, als auch
kurz darauf Soistmann Berend in den Wald gehen. Zwei Tage später wurde Soistmann Berend von seiner
Frau an einer Buche im Wald erschlagen aufgefunden; in die Buche ritzte die jüdische Gemeinschaft des
Ortes anschließend ein Zeichen in hebräischer Schrift ein. Um seiner Verhaftung zu entkommen, floh
Winckelhan ins Ausland, wo er in Gefangenschaft geriet und versklavt wurde. Erst nach fast 25 Jahren
kehrte er in seinen Heimatort zurück. achdem von einer weiteren Strafverfolgung aufgrund seines
erlittenen Leides während der Versklavung abgesehen worden war, gestand er den Mord. Winckelhan lebte
fortan als Tagelöhner und Bettler und erhängte sich 1806 an der Buche, an der Soistmann Berend
erschlagen aufgefunden worden war. Der Baum wurde zwei Jahre später gefällt. Annette von Droste-
Hülshoff setzte diese Begebenheit literarisch um und entwickelte dazu eine Vorgeschichte, mit der es ihr
gelang, „das Geschehen als Folge einer Störung der menschlichen Gemeinschaft darzustellen“.

Der Judenbaum im Reinhardswald


Neben dem oben geschilderten Verbrechen an der Buche, in die hebräische Schriftzeichen eingeritzt
worden waren, könnte Annette von Droste-Hülshoff auch vom so genannten Judenbaum im Reinhardswald
inspiriert worden sein. Dort soll ein jüdischer Händler 1668 Opfer eines Raubmordes geworden sein.
Seitdem war die dort stehende Eiche (also keine Buche) als Judenbaum bekannt. Zum anderen spricht
dafür, dass es zu dieser Zeit in den Dörfern des Reinhardswaldes einen Förster namens Friedrich Mergell
und einen weiteren mit Namen Carl Friedrich Mergell gab. Die Ähnlichkeit mit dem Namen der
Hauptperson der Judenbuche, Friedrich Mergel, kann kaum zufällig sein.

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