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Axel Theobald

Praxis Online-
Marktforschung
Grundlagen – Anwendungsbereiche –
Durchführung
Praxis Online-Marktforschung
Axel Theobald

Praxis
Online-Marktforschung
Grundlagen – Anwendungsbereiche –
Durchführung
Axel Theobald
Nürnberg, Deutschland

ISBN 978-3-658-10202-9 ISBN 978-3-658-10203-6 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-10203-6

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Geleitwort

Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung! Wenn wir die Geschichte der Menschheit
anhand der unterschiedlichen Zeitalter betrachten, waren diese meist so lang und das
Veränderungspotenzial so langsam in der Durchdringung, dass die Menschen sich dem
stattfindenden Wandel physisch, psychisch und intellektuell anpassen konnten bzw. die
Geschwindigkeit der Durchdringung immer der Anpassungsfähigkeit der Menschen
unterlag. Dies unterscheidet alle früheren Epochen grundsätzlich vom Digitalen Zeitalter,
in dem die Technologie uns immer kürzere Innovationszyklen auferlegt und sich selbst zu
überholen scheint, ohne darauf zu warten, ob der Mensch willens und in der Lage ist, ihr
zu folgen.
Wenn die Online-Marktforschung in den vergangenen 15 Jahren durch die Fragen
nach den Internet-Reichweiten und der Erreichbarkeit relevanter Zielgruppen geprägt
war, so stehen wir heute immer mehr vor der Aufgabe, aus den vielschichtigen und schier
endlosen Datenströmen des nahezu vollständig vernetzten „Homo Digitalis“ die relevan-
ten Informationen herauszulesen und sie intelligent mit aktuellen und relevanten Frage-
stellungen zu verknüpfen.
Denn wir User bzw. Verbraucher hängen vielfach längst am digitalen Tropf und sind
nahezu vollständig und 24stündig vernetzt. Dies beginnt bei der privaten und beruflichen
Internetnutzung, geht weiter mit unseren Social Media-Aktivitäten, dem bargeldlosen
Zahlungsverkehr und Bewegungsdaten, welche über Navigationssysteme oder unsere
unbewussten Handy-Einwahlen in Sendezonen entstehen, bis hin zur Smart Watch und
zum Fitness-Armband, das kontinuierlich Mitteilungen über unseren Puls, die Hautfeuch-
tigkeit, die Atemfrequenz bis hin zur Schlafintensität misst und sendet. Hier gilt es, diese
gewonnenen Informationen über unseren Tagesablauf sinnvoll auf relevante Metadaten zu
filtern und intelligent mit qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen und -ergeb-
nissen zu verbinden.
Die Digitalisierung bietet aber nicht nur ungeahnte Chancen hinsichtlich der Erreich-
barkeit von Personen und der beschriebenen Hintergrund- bzw. Metadaten, sondern
sie stellt uns auch vor bisher nicht gekannte Herausforderungen im Umgang mit diesen

5
6 Geleitwort

Datenströmen, bezüglich der Wahrung von Persönlichkeitsrechten und der Unversehrt-


heit der persönlichen Intimsphäre und nicht zuletzt auch in Bezug auf heterogene Daten-
schutzbestimmungen der unterschiedlichen Gesellschafts- und Rechtssysteme.
War es vor wenigen Jahren noch die mangelnde Erreichbarkeit einzelner Zielgruppen
oder deren Identifikation im Netz, das uns Kopfzerbrechen bereitete, so ist es heute zum
einen zweifellos die übermäßige und tsunami-artige Informationsflut, besser bekannt als
„Big Data“, die bewältigt werden möchte und zum anderen die gleichzeitige Fokussierung
auf das mobile Internet und den App-Store als Baukasten für nahezu alle Anforderun-
gen des täglichen Lebens. Im Rahmen dieser Entwicklung müssen wir immer wieder die
Frage stellen, welche Relevanz die zur Verfügung stehenden Daten für den jeweiligen For-
schungsansatz haben und wie sie sich sinnvoll, sicher und legal verknüpfen lassen.
Bei all diesen schier unendlichen Informations- und Nutzungsdaten aus unserem täg-
lichen Leben als moderne Menschen haben sich qualitative und quantitative Fragestel-
lungen für spezifische Forschungsansätze hingegen meist nur geringfügig angepasst oder
optimiert, sich aber sehr wohl mehr und mehr ins Internet verlagert. Der Anspruch der
Online-Marktforschung an Repräsentativität, Validität und Reliabilität hat sich dabei nicht
geändert und ist auch nicht anderen Anforderungen gewichen. Vielmehr sind zusätzliche
Ansprüche bei der Verknüpfung und beim Umgang mit Informationen und Befragungs-
ergebnissen erwachsen und die dieser Entwicklung geschuldeten Datenschutzfragen sind
komplexer geworden.
Umso wichtiger betrachte ich das vorliegende Buch, das trotz ständig neuer Phäno-
mene des digitalen „Informationsvernetzungs-Zeitalters“ viele praktische Hinweise und
Hilfestellungen liefert und anhand zahlreicher Erfahrungsberichte aus dem Marktfor-
scher-Alltag ein Standardwerk für die Online-Marktforschung sein wird. Axel Theobald
hat es mit diesem Band erneut geschafft, als profunder Wissenschaftler und kompetenter
Online-Marktforscher – allen zeitgeistigen Strömungen zum Trotz und gleichwohl am Puls
unserer Zeit – wichtige und weiterhin gültige Forschungsansätze verständlich zu beschrei-
ben und dies mit spannenden Praxisbeispielen aus seinem Berufsalltag und dem seines
beruflichen Netzwerks anzureichern und zu veranschaulichen. Durch seine mittlerweile
fast 20jährige Erfahrung als Online-Marktforscher kennt er das Spannungsfeld zwischen
solidem Forschungsansatz, den immer engeren Innovationszyklen der Technologieent-
wicklung und der Medienverlagerung bei den Nutzungspräferenzen der zu Befragenden
aus erster Hand und gibt mit diesem Buch dem Leser wertvolle Erfahrungen und Tipps
sowie wissenschaftliche Ansätze und sein Hintergrundwissen weiter.

Johannes Hercher, Vorstand Rogator AG Juni 2016


Vorwort

Eine Trivialität vorweg, vor allem an die jüngeren Leserinnen und Leser: Ja, es gab einmal
eine Zeit ohne Internet! Auch wenn man sich das heute kaum noch vorstellen kann. Und
sie ist noch gar nicht so lange her. Ende der 1990er Jahre wurde das Internet erst langsam
salonfähig und gewann zunehmend an Bedeutung. Ich selbst war zu Beginn jener Zeit –
es sei mir heute verziehen – noch ziemlich skeptisch und hielt die ganze Sache für eine
Modeerscheinung. Zur Marktforschung kam ich durch eine glückliche Fügung. Und als
ich entdeckte, dass einige „verrückte Wissenschaftler“ mit den ersten Fragebögen im Netz
experimentierten, war meine Begeisterung schnell geweckt. Sie hält bis heute an.
Schnell wurde die Online-Marktforschung zu meinem Steckenpferd, zu meinem For-
schungsthema und schließlich zu meinem Beruf. Gemeinsam mit zwei ehemaligen Kol-
legen entstand Anfang der 2000er Jahre im Gabler Verlag der Herausgeberband „Online-
Marktforschung – Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen“, mit dem es uns
in zwei Auflagen gelang, zahlreiche namhafte Personen aus dem Fachgebiet mit einem
bunten Strauß an Themen zu versammeln. Das Buch wurde ein schöner Erfolg. Die von
allen Seiten gewünschte und geplante Fortsetzung des Bandes in einer dritten Auflage
scheiterte jedoch leider aus Zeitgründen.
Parallel reifte in mir über Jahre hinweg aber wiederholt die Idee und der Entschluss, ein
eigenes Buch zum Thema zu schreiben, eine Art Kompendium, welches in möglichst ein-
fachen Worten und in einer gewissen Detailtiefe erklären würde, worauf es in der Online-
Marktforschung ankommt. 2014 war es endlich soweit und das „Handbuch Online-Markt-
forschung“ konnte erscheinen. Viele spannende Themen im Kontext des Themas konnten
darin jedoch mangels Zeit und eigener Expertise nicht berücksichtigt werden. So nahm
der Gedanke langsam Gestalt an, den bereits vorhandenen Text nicht nur zu überarbei-
ten und zu aktualisieren, sondern darüber hinaus noch um verschiedene Gastbeiträge
anzureichern. Zu meiner großen Freude ließen sich zahlreiche anerkannte Experten auf
ihren Fachgebieten rasch für das Projekt begeistern und erklärten sich bereit, jeweils einen
konzentrierten Fachartikel zum Buch beizusteuern. Meinen Gastautorinnen und -autoren
gilt mein herzlichster Dank an dieser Stelle. Ebenso dankbar bin ich dafür, dass das neue

7
8 Vorwort

Buchkonzept bei meinen langjährigen Kontakten im Springer Gabler Verlag spontan auf
fruchtbaren Boden fiel.
Ich hoffe – gemeinsam mit meinen Gastautorinnen und -autoren – mit dem vorliegen-
den Buch einen aktuellen Überblick und ein effektives Nachschlagewerk zu den wichtigs-
ten Fragestellungen aus der Praxis der Online-Marktforschung bereitstellen zu können.
Für Vorschläge und Kritik bin ich jederzeit offen. Sie erreichen mich per E-Mail unter
online-marktforschung@gmx.de oder telefonisch bei der Rogator AG in Nürnberg.

Axel Theobald im Juni 2016


Inhaltsverzeichnis

Geleitwort ....................................................................................................................................... 5
Vorwort ........................................................................................................................................... 7

1. Einleitung .................................................................................................. 13
1.1 Entwicklung der Online-Marktforschung .......................................................... 15
1.1.1 Von der Seifenblase zur Revolution ..................................................... 15
1.1.2 Status Quo der Online-Marktforschung ............................................. 16
1.1.3 Automatisierung vs. menschliche Leistungen .................................... 20
1.2 Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung ................................. 22
1.2.1 Stärken und Schwächen der Online-Marktforschung ...................... 24
1.2.2 Kosten für Online-Marktforschung..................................................... 26
1.3 Dienstleister für Online-Marktforschung ........................................................... 31

2. Aufbau einer Online-Befragung ............................................................... 37


2.1 Einladung und Einleitung ..................................................................................... 37
2.2 Fragenteil ................................................................................................................. 49
2.2.1 Verschiedene Fragetypen ...................................................................... 49
2.2.2 Abfolge von Fragen und Antworten .................................................... 65
2.2.3 Kontrollmechanismen ........................................................................... 71
2.2.4 Fragebogenlänge..................................................................................... 77
2.2.5 Antwortskalen ........................................................................................ 79
2.2.6 Einsatz von Multimedia ........................................................................ 93
2.3 Abschluss der Befragung ....................................................................................... 97

9
10 Inhaltsverzeichnis

2.4 Reminder ................................................................................................................. 98


2.5 Fragebogen-Design ..............................................................................................103
2.5.1 Aktuelle Praxis ......................................................................................103
2.5.2 Empfehlungen ......................................................................................104

3. Einsatzgebiete der Online-Marktforschung ........................................... 113


3.1 Online-Kundenbefragung ...................................................................................113
3.1.1 Online-Konsumentenbefragung ........................................................114
3.1.2 Online-B2B-Kundenbefragung ..........................................................119
3.2 Online-Mitarbeiterbefragung .............................................................................123
3.2.1 Typische Fallstricke ..............................................................................125
3.2.2 Erfolgsfaktoren .....................................................................................128
3.2.3 Technik und Organisation ..................................................................134
3.2.4 Datenmanagement und Datenschutz ................................................142
3.2.5 360°-Feedback / Führungskräfte-Feedback ......................................144
3.3 Marketing-orientierte Online-Befragung .........................................................149
3.3.1 Website-Befragung...............................................................................149
3.3.2 Produkt- und Preistest.........................................................................151
3.3.3 Werbewirkungsforschung ...................................................................155
3.3.4 Markenforschung und Employer Branding......................................157
3.3.5 Online-Conjoint ...................................................................................159

4. Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung ...................................... 163


4.1 Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung
im Kontext aktueller Trends ...............................................................................165
Frank Knapp

4.2 Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung ......174


Ulrich Schäfer-Newiger und Andrea Schweizer

4.3 Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung ......................188


Marco Ottawa

4.4 Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung .....................203


Gabriele Herrmann und Walter Freese

4.5 Datenqualität von Online-Panels .......................................................................215


Marcus Dreyer und Alexandra Wachenfeld-Schell

4.6 Speeder und Faker in Online-Befragungen ......................................................228


Yvonne Prill
Inhaltsverzeichnis 11

4.7 Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung ...........................240


Thomas Starsetzki, Oliver Kern und Martin Grupe

4.8 Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung .....................253
Anna-Maria Zahn

4.9 Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich .....269
Jochen Knöller und Philipp Scholz

4.10 Grundlagen der Conjoint-Analyse ....................................................................279


João Filipe Baigger

5. Rekrutierung, Motivation und Verhalten


von Befragungsteilnehmern.................................................................... 291
5.1 Website Sampling .................................................................................................292
5.2 Einladung per E-Mail ..........................................................................................297
5.3 Einladung per Post ...............................................................................................300
5.4 Hybrid-Befragungen ............................................................................................303
5.5 Mobile Befragungen.............................................................................................304
5.6 Access Panels.........................................................................................................312
5.6.1 Qualitätskriterien für Panel-Dienstleister.........................................318
5.6.2 Ablauf einer Studie im Access Panel..................................................321
5.6.3 Aufbau eines eigenen Online-Panels .................................................325
5.7 Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung ................................329
5.8 Sicherstellung von Teilnehmer-Anonymität.....................................................336
5.9 Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten .............................................340
5.9.1 Motivations-Faktoren ..........................................................................341
5.9.2 Incentives ..............................................................................................346
5.9.3 Teilnahmeverhalten bei Online-Befragungen ..................................351

6. Studienabwicklung und -qualität in der Praxis...................................... 359


6.1 Typische Projektphasen in der Online-Marktforschung ................................359
6.1.1 Designphase ..........................................................................................360
6.1.2 Erstellungsphase ...................................................................................361
6.1.3 Testphase ...............................................................................................362
6.1.4 Feldphase ...............................................................................................363
6.1.5 Analyse- und Anwendungsphase.......................................................364
6.2 Internationale Online-Befragungen ..................................................................366
6.3 Datensicherheit und Datenschutz bei Online-Befragungen ..........................371
12 Inhaltsverzeichnis

6.4 Qualität von Online-Marktforschung ...............................................................373


6.4.1 Objektivität von Online-Befragungen...............................................374
6.4.2 Reliabilität von Online-Befragungen.................................................375
6.4.3 Validität von Online-Befragungen.....................................................376
6.4.4 Repräsentativität von Online-Befragungen ......................................378
6.4.5 Warum funktioniert Online-Marktforschung? ................................383

7. Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler ..................................... 387


7.1 Do‘s .........................................................................................................................389
7.2 Don’ts .....................................................................................................................392
7.3 10 Tipps zur inhaltlichen Verbesserung Ihrer Online-Befragung .................395
7.4 Standesregeln und Richtlinien............................................................................397

Glossar ........................................................................................................................................399
Zum Autor ..................................................................................................................................411
Einleitung
1

Vom Kanadier Marshall McLuhan stammt die Aussage: „The new electronic interdepen-
dence recreates the world in the image of a global village.“ (McLuhan 1962) [4]. Dieses
Zitat aus den 1960er Jahren scheint heute aktueller denn je. Zwar kannte der Medien-
wissenschaftler die heutigen technischen Möglichkeiten noch nicht. Er war jedoch in der
Lage, die durch menschlich-soziale wie wirtschaftliche und unternehmerische Bedürfnisse
getriebenen, technischen Entwicklungen zu projizieren. Hieraus kreierte er das Bild vom
„globalen Dorf “, dessen Umsetzung wir heute mit dem Internet erleben, durch das eine
weltweite mediale, unmittelbare und interaktive Verknüpfung geschaffen wurde.
Das Internet hat sich seit Ende der 1990er Jahre in zunehmendem Maße als globales
Informations- und Kommunikationsmedium etabliert. Auf eine mehr oder weniger aktu-
elle Statistik zum Anteil der Internetnutzer in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und
Ländern wird an dieser Stelle bewusst verzichtet. Denn die weltweite Vernetzung ist längst
Realität und umfasst immer mehr berufliche, private und öffentliche Lebensbereiche der
Menschen. Aufgrund seiner technischen Möglichkeiten lag es mit dem stetigen Anwach-
sen der Nutzergemeinde auf der Hand, das Internet – bzw. in diesem Kontext genauer: das
World Wide Web – sowohl für die sozialwissenschaftliche Forschung als auch im engeren
Sinne für die Marktforschung von Unternehmen einzusetzen.
Besonders verwunderlich ist dies nicht, denn von Anfang an war klar, dass die Online-
Befragung einige ganz spezifische Vorteile hat. Bereits 1997 wurden von Prof. James H.
Watt von der Universität Connecticut/USA hierfür seine beiden „Powerful Reasons“, näm-
lich „Speed“ und „Cost“ genannt, also die Geschwindigkeit der Erstellung und Durchfüh-
rung sowie die potenziell geringeren Kosten, die damit verbunden sind (Watt 1997) [9].

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 13


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_1
14 1 Einleitung

Dass diese beiden Gründe wirklich mächtig sind, hat die Entwicklung seit Beginn der
2000er Jahre bewiesen, in denen sich die Online-Befragung als Säule im Instrumentarium
der Marktforschung durchgesetzt hat.
Trotzdem darf in keinem Fall vergessen werden, dass die Online-Befragung den glei-
chen methodischen Grundlagen unterliegt wie die traditionelle Marktforschung auch. Es
soll weder der Eindruck vermittelt werden, dass „online“ immer alles einfacher, schneller
und billiger ginge, noch dass man mit einer rein operativ orientierten Umsetzung metho-
dische Probleme lösen und quasi automatisch für hohe Datenqualität sorgen könne. Die
Ergebnisse der Online-Marktforschung müssen an den Ansprüchen gemessen werden, die
man objektiv an sie stellen kann, nicht mehr, aber auch nicht weniger! Methodisch frag-
würdige Online-Studien können nicht nur zu falschen Ergebnissen und daraus folgend
den falschen Schlussfolgerungen und Handlungsanweisungen führen, sondern letzten
Endes auch die Methode der Online-Befragung als Ganzes in Verruf bringen.
Zum Themenkomplex „Online-Marktforschung“ gibt es bereits vielfältige wissen-
schaftliche Texte, Artikel, Zeitschriftenbeiträge, Bücher und Herausgeberbände, sowohl
auf internationaler Ebene als auch auf deutschsprachiger Basis. Aus diesen kann der inte-
ressierte bzw. potenzielle Anwender der Forschungsmethode seinen Wissensbedarf mehr
oder weniger mühevoll decken. Was bisher allerdings weitgehend fehlte, ist eine konkrete,
auch für den Laien verständliche und umfassende Anleitung zu den notwendigen Hand-
lungsabläufen der Online-Marktforschung, zu den aktuellen Anwendungsbereichen sowie
zu den vielen kleinen Details, die im Praxisfall eine große Rolle spielen können. Diese
Lücke soll mit dem vorliegenden Buch geschlossen werden. Der Anspruch besteht darin,
trotz der recht hohen Komplexität des Themenbereiches und der Fülle von Einzelaspekten,
die es bei der Anlage und Durchführung von Online-Befragungen zu beachten gilt, einen
umsetzbaren Leitfaden zu bieten, bei dem es in erster Linie um die verständliche Darstel-
lung der Problemgebiete und den Bezug zur Praxis geht.
Aus fachlichen und organisatorischen Gründen konzentriert sich Text des Autors im
vorliegenden Buch in erster Linie auf die am häufigsten eingesetzte Form der Online-
Marktforschung, nämlich auf die eher quantitativ ausgerichtete Online-Befragung. Eine
ganze Reihe weiterer, spannender Themen, die ebenfalls unter der Online-Marktforschung
zu subsummieren sind, werden deshalb von den Gastautorinnen und -autoren abgedeckt,
die in ihren Texten sehr spezifische Aspekte aufgreifen und mit ihrem Expertenwissen
behandeln. Hierzu gehört beispielsweise die mobile Online-Marktforschung, die quali-
tative Online-Marktforschung in Foren und Communities sowie die Marktforschung in
Form der Analyse sozialer Medien (Social Media). Diese Expertenbeiträge sind in Kapitel
4 des Bandes zusammengestellt.
Die Disziplin der Marktforschung ist nicht immer eine exakte und deterministische
Wissenschaft. Insofern mögen andere Vertreter unserer Zunft bei den präsentierten The-
men auch einmal anderer Meinung sein. Dies gehört zum wissenschaftlichen Diskurs dazu
und oftmals führen durchaus auch mehrere Weg nach Rom, wie man so schön sagt. Es
versteht sich, dass im Rahmen des Haupttextes des Buches in erster Linie die empirisch
Entwicklung der Online-Marktforschung 15

fundierten Ansichten des Autors vertreten werden. In den Expertenbeiträgen vertreten die
Autorinnen und Autoren natürlich ihre eigenen Standpunkte.
Einige Aspekte, die in diesem Buch behandelt werden, beziehen sich auf mehrere The-
mengebiete. Je nach Sinnhaftigkeit werden diese Aspekte dann auch mehrfach und kon-
textbezogen im Buch angesprochen oder es wird auf eine andere Stelle verwiesen. Am Ende
jedes Kapitels bzw. Expertenbeitrages finden sich Angaben zu den verwendeten Quellen
sowie teilweise auch weiterführende Literaturhinweise und Internet-Links, die zur Lek-
türe empfohlen werden. Die dort aufgeführten Online-Quellen waren zum jeweils ange-
gebenen Datum frei im Internet verfügbar. Die Autoren können aber keine Garantie dafür
übernehmen, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt auch noch der Fall ist. Anzumerken
ist noch, dass in diesem Buch bei der Bezeichnung von Personen auf die Anführung der
jeweiligen weiblichen Form – zum Beispiel im Stile von „der/die Befragte“ oder „der/die
ProbandIn“ – lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit weitgehend verzichtet wurde.
Gemeint sind natürlich immer beide Geschlechter.

1.1 Entwicklung der Online-Marktforschung

Online-Befragungen hatten Mitte der 1990er Jahre im universitären und sozialwissen-


schaftlichen Bereich ihren Ursprung. Im Januar 1994 wurde mit der sogenannten GVU-
Befragung wohl die erste, größere Studie als Fragebogen im Internet öffentlich zugänglich
gemacht (GVU = Graphics, Visualization, & Usability Center am Georgia Institute of Tech-
nology). Etwa Mitte 1995 wurde auch der erste Internet-Fragebogen in Deutschland ange-
boten. Immer mehr Wissenschaftler – und zu diesem Zeitpunkt auch einige interessierte
und aufgeschlossene Praktiker aus den Marktforschungsinstituten – begannen damit, die
technischen, methodischen und konzeptionellen Grundlagen der Online-Befragung zu
entschlüsseln und zu erweitern. Bereits 1997 schrieb James Watt (1997) [9]: „If you haven’t
done internet survey research – you will.“ Frei übersetzt bedeutet dies: „Wenn Sie bisher
noch keine Befragungen im Internet durchgeführt haben, dann werden Sie irgendwann
damit anfangen.“ Hiermit meinte er nicht nur Sozialwissenschaftler an den Hochschu-
len, sondern vor allem auch Institute und Unternehmen, die schon jahrzehntelang mit
den klassischen Methoden – schriftlich, mündlich-persönlich und telefonisch – Marktfor-
schung betrieben haben.

1.1.1 Von der Seifenblase zur Revolution

Aber würde das Internet nun ein Fluch oder ein Segen für die Marktforschungsindust-
rie sein? Diese Frage stellten sich wohl viele zum Beginn der 2000er Jahre. Die Einschät-
zung hing, wie so häufig, vom Standpunkt ab! Einige sahen im Internet die lange gesuchte
Möglichkeit, um Marktforschung besser, schneller und vor allem billiger zu betreiben.
Und sie waren der Meinung, das Internet würde die Branche vor weiterhin sinkenden
16 1 Einleitung

Rücklaufquoten bewahren, indem die Marktforschung unterhaltender und interessanter


für die Teilnehmer gestaltet wird. Das Lager der Internetgegner war sich hingegen einig,
dass Online-Marktforschung zwangläufig voll von nicht kontrollierbaren Verzerrungen
sein würde. Hinzu kam eine unterschwellig spürbare Verärgerung darüber, dass das Inter-
net zum Sammelbecken für „Datensammler“ jeglicher Art mutieren könnte, welche ihre
mehr oder weniger ungenaue Vorgehensweise geschickt hinter einer glanzvollen „High-
Tech-Maske“ verbergen und sich den wissenschaftlichen Prinzipien der Marktforschungs-
institute einfach nicht verpflichtet fühlen würden.
Wie vielfach bei Debatten solcher Art, hat die Realität die Diskussion schnell über-
holt und ihre eigenen Fakten geschaffen. Denn die beschriebene Entwicklung fiel schon
zu Beginn auf einen fruchtbaren Boden: In den 1990er Jahren waren bereits Tendenzen
festzustellen, die in den heutigen Online-Befragungen ihre logische Fortsetzung fanden.
So nahm in Deutschland nach den Zahlen des ADM (2016) [1] beispielsweise innerhalb
eines Jahrzehntes der Anteil von persönlich-mündlichen Interviews in Deutschland von
ca. zwei Dritteln auf ca. ein Drittel um die Jahrtausendwende ab, während telefonische
und schriftliche Befragungen jeweils deutlich im Anteil zulegten (siehe Abbildung 1.1).
Hier wurden wiederum die beiden generellen Tendenzen von James Watt deutlich: zum
einen der Aspekt eines stärkeren Kostenbewusstseins – persönlich-mündliche Interviews
sind aufgrund des Einsatzes von Interviewern eher teuer, schriftliche dagegen relativ güns-
tig – sowie zum anderen der Wunsch nach kürzeren Feldzeiten – mit Telefonbefragungen
können bei entsprechendem Aufwand auch sehr schnell Ergebnisse erzielt werden.
Die Online-Befragung hat sich in Deutschland und Europa, jedenfalls in ihren ange-
stammten Einsatzgebieten, seit Mitte der 2000er Jahre als mindestens gleichberechtigte
Form der Datenerhebung in der Marktforschung etablieren können. Herrschte bis Anfang
der 2000er Jahre allenthalben eher noch Skepsis und Zurückhaltung – und dies weniger
bei den Marktforschungskunden als bei den großen Instituten – so kann man nun beob-
achten, dass die Online-Methode die Form der schriftlichen Befragung längst überholt hat
und auch den klassischen Face-to-Face-Interviews den Rang abläuft. Von einer vermeintli-
chen Seifenblase spricht nun schon lange niemand mehr. Wenn man sich die Entwicklung
der Forschungsmethode einmal in aller Ruhe im Rückblick betrachtet, dann kann man
wohl eher von einer Revolution der Marktforschung sprechen.

1.1.2 Status Quo der Online-Marktforschung

Keine Frage: Online-Befragungen sind beliebt, ihr Einsatzspektrum ist mannigfaltig, man
begegnet ihnen mittlerweile beinahe auf Schritt und Tritt im Internet. Der breiten Öffent-
lichkeit bekannt und vertraut sind hierbei vor allem Mini-Abstimmungen oder sogenannte
„Votings“ auf vielbesuchten Webseiten. Deren Ergebnisse werden nicht selten dann auch
noch über andere Medien weiter verbreitet, zum Beispiel in Live-Fernsehsendungen, im
Printbereich oder im Radio. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um wirkliche Marktfor-
schung. Belastbare Daten zur Entscheidungsunterstützung erfordern eine genauer definierte
Entwicklung der Online-Marktforschung 17

Stichprobenauswahl sowie einen intelligenten Fragenkatalog mit aufeinander abgestimm-


ten Inhalten und einer durchdachten Dramaturgie, der verschiedene Fragestellungen auch
zueinander in Beziehung setzen und damit Erkenntnisgewinne gewährleisten kann.
Von diesen Entwicklungen einmal abgesehen, die wohlgemerkt nichts mit echter For-
schung zu tun haben, ist die Abwicklung von Markt- und Meinungsforschungs-Studien
über das Medium „online“ in Deutschland mittlerweile zu einer gleichberechtigten Erhe-
bungsmethode neben den klassischen Pfaden herangereift. Auch große Marktforschungs-
institute können diesen Trend schon lange nicht mehr ignorieren, da Online-Befragungen
längst auch von den Marktforschungskunden aktiv nachgefragt oder aus Effizienz- bzw.
Kostengründen bereits selbst von diesen durchgeführt werden. In der Prä-Onlinezeit
war „Do-It-Yourself “ für Unternehmen nämlich allenfalls im Rahmen von postalischen
Umfragen möglich. Denn welche Firma leistete sich schon ein eigenes CATI-Studio für
Telefonumfragen oder einen eigenen Stamm von Interviewern für persönliche Befragun-
gen? Auf die Leistung der Institute war man mehr oder weniger angewiesen. Durch die
Nutzung des Internet ist dies nun in vielen Fällen nicht mehr zwingend notwendig.
Diese und andere Entwicklungen tragen dazu bei, dass sich die Marktforschung immer
stärker in Richtung der Online-Medien orientiert. So erfreut sich die Online-Marktfor-
schung in vielen Ländern einer stetigen Aufwärtsentwicklung. In Abbildung 1.1 sind die
offiziellen Zahlen der Mitglieder des ADM (2016) [1] dargestellt. Sie zeigen, wie sich bei
den deutschen Instituten die verschiedenen Methoden seit Beginn der 1990er Jahre ent-
wickelt haben. Abgetragen ist zwar nicht die Anzahl der Studien, sondern die Anzahl der
Interviews. Dennoch zeigen die Zahlen einen klaren Trend auf, der sich in anderen Län-
dern ähnlich manifestiert – insbesondere in den USA.

Abb. 1.1: Verwendung der Umfragemethoden im Zeitverlauf


18 1 Einleitung

Auch wenn die reine Anzahl von Interviews bei Online-Befragungen meist höher ist
als beispielsweise bei einer Face-to-Face-Umfrage, so wird die Entwicklung doch mehr
als deutlich: Online-Interviews nehmen rasant zu, und zwar zu Ungunsten der teureren
persönlichen Interviews sowie der langsameren schriftlichen Interviews. Hier werden
erneut die beiden bereits zuvor genannten Aspekte „Speed“ und „Cost“ deutlich. Telefon-
interviews bleiben seit Mitte der 1990er Jahre hingegen auf dem in etwa gleichen Niveau.
So lange es keine ähnlich schnelle Methode gibt, auf der Grundlage von Zufallsstichpro-
ben bevölkerungs-repräsentative Umfragen durchzuführen, wird dies vermutlich auch so
bleiben.
Es gibt jedoch auch ein paar Wölkchen am vermeintlich allzu blauen Himmel der
Online-Marktforschung. Mitunter wird befürchtet, dass das Internet zu einer Art Sam-
melsurium für Umfragen aller Art mehr oder weniger seriösen Ursprungs werden könnte.
Votings auf Webseiten einzusetzen und deren Ergebnisse medial weiter zu verwenden, ist
eine Sache. Genauer zu betrachten sind jedoch beispielsweise Direktmarketing-Maßnah-
men, die im Deckmantel einer Umfrage daherkommen und von dem allgemeinen Serio-
sitäts-Niveau der Befragungen echter Marktforscher profitieren wollen. Leider haben sich
beispielsweise Papier- und Online-Befragungen eingebürgert, die etwa ein vergünstigtes
(meist noch nicht einmal kostenloses) Probe-Abo einer Zeitschrift als Belohnung für die
Teilnahme versprechen. Und – wie praktisch! – das Abonnement verlängert sich automa-
tisch nach einigen Monaten, wenn man es nicht wieder kündigt. Dieses dann natürlich zum
Normalpreis. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Oder es gibt die Gaunereien umtriebi-
ger Firmen, die in nicht-statthafter Weise mit den Privatadressen von Panel-Teilnehmern
handeln. In nicht wenigen Fällen wurden in den vergangenen Jahren entsprechende Rügen
vom Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung (2016) [7] ausgesprochen.
Mit der möglichen Zunahme solcher Machenschaften werden fraglos auch negative
Image-Effekte für die Marktforschung an sich auftreten, und zwar sowohl bei den poten-
ziellen Teilnehmern als auch bei den Marktforschungskunden. Wie reagiert beispielsweise
ein potenzieller Auftraggeber einer Online-Befragung, wenn er im Netz Seiten entdeckt,
auf denen man sich für hunderte von Online-Panels gleichzeitig anmelden und damit
angeblich gehaltsähnliche Summen pro Monat verdienen kann? Was denkt ein anderer
Auftraggeber, der die Ergebnisse einer Online-Umfrage mit 10.000 Teilnehmern oder
mehr findet, die allein aufgrund der Stichprobengröße einen Repräsentativitätsanspruch
suggeriert? Bringen Dinge dieser Art die seriöse Online-Marktforschung in Verruf? Füh-
ren sie dazu, dass man auf Kundenseite den vermeintlich sichereren Weg traditioneller
Erhebungen präferiert?
In diesem Zusammenhang muss es zum einen die Aufgabe der Verbände sein, gesetz-
liche Bestimmungen gegen den missbräuchlichen Einsatz von Befragungen jeglicher Art
voranzutreiben. Zum anderen kommt es aber auch auf eine differenzierte Argumentation
an, um die Online-Marktforschung bei den Kunden nicht in einem schlechten Licht daste-
hen zu lassen. In der Kommunikation muss deutlich gemacht werden, dass „Umfrage nicht
gleich Umfrage“ ist, nur weil sie über das gleiche Medium läuft.
Entwicklung der Online-Marktforschung 19

Auch in der Online-Marktforschung sind also erfahrene Marktforscher gefragt, die die
Anwendbarkeit der Instrumente beurteilen und die Ergebnisse auch inhaltlich interpre-
tieren können. Die Marktforscher „alter Schule“ dürfen sich jedoch nicht zurücklehnen,
sondern müssen neue Methoden proaktiv annehmen, sinnvoll anwenden und in diesem
Prozess neue Erfahrungen sammeln. Nur dann werden sie bzw. ihre Unternehmen auch
zukünftig noch gefragt sein, wenn es um das Fällen wichtiger strategischer Entschei-
dungen auf der Grundlage empirischer Daten geht. Mittlerweile wird die beschriebene
Personengruppe rapide kleiner, aber noch in den mittleren 2000er Jahren ließen sich die
tatsächlichen und potenziellen Anwender von Online-Marktforschung etwas pointiert in
drei Gruppen einteilen, die sich durch folgende Aussagen charakterisieren lassen:

Heute existiert eine schon nicht mehr überschaubare Anzahl von Firmen, die sich
die besonderen Stärken des Internet zunutze machen und diese auf die Marktforschung
anwenden. Diese Unternehmen bieten entsprechende Forschungs-Dienstleistungen wie
Fragebogenentwicklung, Programmierung von Online-Befragungen, Bereitstellung von
Teilnehmern oder die Anfertigung von Auswertungen an. Aber das bedeutet nicht, dass
auch alle genau wissen, was sie tun! Denn die Eintrittsbarrieren für dieses Geschäft sind
häufig recht niedrig. Es gehört also auch zu den Pflichten der Auftraggeber, die Aktionen
ihrer Dienstleister zu kontrollieren und einzuordnen. Dies wird nur auf der Grundlage
eines bestimmten Kenntnisstands bzw. Erfahrungswissens möglich sein.
In der heutigen Zeit kann nur wenig als dauerhaft gesichert angenommen werden.
Denn die Entwicklung und Anwendung der Online-Medien hat uns in den vergangenen
Jahren immer wieder überrascht. An Dinge, die für viele heute selbstverständlich sind, hat
man beispielsweise vor fünf Jahren noch gar nicht gedacht, weil es sie schlicht noch nicht
gab bzw. man sich nicht vorstellen konnte, dass es sie geben würde. Neue Technologien,
neue Geräte, neue Angebote überraschen uns jedes Jahr. Manche davon verändern teilweise
auch die „Spielregeln“ im Internet wie beispielsweise die rasante Entwicklung des mobilen
Internet und dessen Nutzung über Smartphones und Tablets. Oder die Entwicklung von
Social Media-Plattformen wie facebook und twitter (siehe hierzu auch den Expertenbei-
trag von Anna-Maria Zahn in Kapitel 4 dieses Buches). Hinzu kommen dann auch noch
20 1 Einleitung

diverse Hypes, bei denen der weitere Verlauf völlig offen ist. Viele dieser Dinge haben auch
Einfluss auf die Marktforschung und insbesondere auf die Online-Marktforschung, wel-
che sich solcherlei Entwicklungen teils sehr schnell zunutze macht. Die Marktforschung
„online“ ist trotz aller Dynamik zwar eine noch recht junge Disziplin. Aber die Anzahl
der Menschen, die bereits Erfahrungen damit gemacht haben, dürfte mittlerweile ähnlich
hoch sein wie die der Anwender klassischer Marktforschungsmethoden. Und sowohl die
Quantität als auch die Qualität des gesammelten Wissens nehmen ständig zu.
Jedoch kommt ein anderer Aspekt hinzu: die vermeintliche Einfachheit einer Online-
Datenerhebung lässt die Anzahl der möglichen und interessierten Anwender im Vergleich
zu denen klassischer Methoden stark ansteigen. Letztere verlangen in aller Regel danach,
dass ein Telefonstudio vorhanden ist, dass geschulte Interviewer bereitstehen oder dass ein
Auswertungsteam greifbar ist. Darum wird hierfür meist ein Institut von den Marktfor-
schungs-Nachfragern mit der Durchführung beauftragt. Diese Voraussetzungen sind in
der Online-Marktforschung – je nach Anforderung und Aufgabenstellung – meist deutlich
geringer. Die technischen Hürden sind durch die Software-Produkte verschiedener Her-
steller mehr oder weniger verschwunden. Letztendlich bleibt dem Forscher meist „nur“
noch die Entwicklung eines sinnvollen Fragebogens sowie die Bereitstellung von bzw.
die Suche nach Teilnehmern, also der richtigen Stichprobe für eine Befragung. Aus den
genannten Gründen gibt es immer mehr Unternehmen, die auf der Suche nach Potenzi-
alen zur Kosteneinsparung bei geeigneten Projekten die Marktforschungsinstitute quasi
umschiffen, wenngleich diese auch im Online-Bereich glänzende Dienstleistungen erbrin-
gen können, jedoch meist zu deutlich höheren Preisen. Die „make or buy“-Entscheidung,
die zuvor im Bereich der klassischen Marktforschung nur sehr selten überhaupt ange-
strengt wurde bzw. fast immer mit dem „buy“ endete, fällt nun bei Online-Befragungen
immer häufiger zugunsten des „make“ aus.

1.1.3 Automatisierung vs. menschliche Leistungen

So mancher alteingesessene Marktforscher mag sich mit dem Aufkommen der Online-
Marktforschung verständlicherweise durchaus etwas bedroht gefühlt und sich gefragt
haben, ob die in vielen Jahren gesammelten Erfahrungen auch zukünftig noch etwas wert
sein würden. Ob eine fundierte Expertise überhaupt noch benötigt würde. Oder ob in
absehbarer Zeit vielleicht sogar alles irgendwie „automatisch“ abliefe. Die Erfahrungen des
vergangenen Jahrzehnts haben allerdings gezeigt, dass Befürchtungen dieser Art sich nicht
wirklich in der Realität zeigen. Sicher gab es durch das neue Medium einige Umwälzungen
in der Branche. Zentral ist jedoch, dass der Marktforscher nach wie vor gebraucht wird.
Denn auch bei der Online-Marktforschung gibt es unverzichtbare, menschliche Leistun-
gen. Diese sind unter anderem:
Entwicklung der Online-Marktforschung 21

• Fragebogenkonstruktion
Marktforschung kann immer nur so gut sein wie der verwendete Fragebogen. Hierfür
ist fachliches Know-How unverzichtbar.
• Projektleitung und -organisation
Auch wenn manche Dinge automatisch ablaufen, so müssen sie doch auch angestoßen,
gemanagt und kontrolliert werden. Hierzu gehört auch die Koordination der vorhan-
denen Ressourcen.
• Stichprobenauswahl
Die richtige Stichprobe ist zentral für die Aussagefähigkeit (Repräsentativität) von
Online-Marktforschung. Die Auswahl der Teilnehmer erfordert gerade in der Online-
Welt entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen.
• Auswertung und Interpretation
Die Auswertung von Umfragedaten kann nur auf unterer Ebene automatisiert werden.
Das Aufdecken von Sinnzusammenhängen (Ursache-Wirkungs-Beziehungen) über
die automatische Berechnung von Kennwerten hinaus sowie die Ableitung von Hand-
lungsempfehlungen bleibt die Aufgabe des Forschers.

Auf der anderen Seite ist Online-Marktforschung ja gerade deshalb so beliebt und
erfolgreich, weil sie – im Vergleich zu traditioneller Marktforschung – in hohem Maße
darauf baut, dass notwendige Vorgänge automatisiert oder rationalisiert ablaufen:

• Ansprache der Teilnehmer


Erfolgt in der Regel durch personalisierte Massen-E-Mail. Personen werden parallel
rekrutiert (nicht sequentiell wie zum Beispiel bei CATI).
• Dateneingabe und -prüfung
Teilnehmer geben ihre Daten selbsttätig ein. Es wird kein Interviewer benötigt, der
die Daten aufzeichnet (wie zum Beispiel bei Face-to-Face, CATI oder CAPI). Darüber
hinaus können viele Eingaben (wie beispielsweise ein Zahlenwert in einem definierten
Wertebereich) einer sofortigen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden.
• Datensatz für die Auswertung
Die Daten liegen bereits in elektronischem Format vor und können in der Regel schnell
für das gewünschte Auswertungsformat aufbereitet werden. Häufig beinhalten die ver-
wendeten Online-Tools bereits eigene Auswertungs-Funktionalitäten.

Zweifellos entwickelt sich die Disziplin der Marktforschung ständig weiter und dies
stellt entsprechende Anforderungen an die handelnden Personen. Aber die Technologie
kann – zumindest bisher – nur Mittel zum Zweck sein und nicht selbstständig agieren.
Hinzu kommt, dass trotz aller technischen Unterstützung in vielen Anwendungsfällen
nach wie vor ein hoher Anteil von Kontrolltätigkeiten und manuellen Eingriffen not-
wendig ist. Es ist und bleibt relativ simpel, schlechte Marktforschung zu betreiben. Viel-
leicht wurde dies mit Hilfe der Online-Marktforschung sogar noch etwas leichter. Aber
es braucht einzelne oder Gruppen von Menschen, um gute Marktforschung mit Sinn und
22 1 Einleitung

Kontext herzustellen. Abschließend seien an dieser Stelle noch die allgemein notwendigen
bzw. hilfreichen Kompetenzen für einen Marktforscher erwähnt, damit dieser selbsttätig
erfolgreich Online-Studien durchzuführen vermag (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag
von Marco Ottawa in Kapitel 4 dieses Buches):

• Marktforschungskompetenz traditioneller Methoden


• Know-How zur Fragebogenkonstruktion und zur Auswahl und Beurteilung von
Stichproben
• Kenntnis einiger online-spezifischer Besonderheiten
• Technisches Grundverständnis (Funktionsweise des Internet, Details zur E Mail-Funk-
tion, einfache HTML-Befehle, Browser-Funktionen etc.)
• Anwenderkompetenzen bezüglich Software im Allgemeinen
• Gesunde Skepsis gegenüber verallgemeinernden Aussagen jeglicher Art bezüglich der
passenden Methodik
• Mut zur Durchführung sowie eine Prise Experimentierfreude

1.2 Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung

Marktforschung ist laut Friedhelm Bliemel (1999) [2] die „systematische Sammlung, Auf-
bereitung, Analyse und Interpretation von Daten über Märkte und Marktbeeinflussungs-
möglichkeiten zum Zweck der Informationsgewinnung für Marketing-Entscheidungen“.
Wobei in diesem Fall „Marketing“ nicht reduziert auf Werbung und Unternehmens-
kommunikation verstanden sein soll, sondern als gesamtwirtschaftlicher Prozess des
Austauschs von Wirtschaftsgütern. Die Zweckorientierung steht bei der Marktforschung
damit ganz klar im Fokus, denn es geht um die entscheidungsorientierte Erhebung von
Informationen. Wie bei vielen anderen wissenschaftlich orientierten Disziplinen sollte im
Mittelpunkt der Überlegungen also zunächst immer das Forschungsproblem stehen und
nicht die Form der Durchführung. Das bedeutet, es ist mehr oder weniger vorurteilsfrei
zu prüfen, wie die gewünschten Informationen denn am besten ermittelt werden können.
Die Entscheidung hierüber hängt letztlich von verschiedenen Faktoren ab, von denen die
wichtigsten im Folgenden angeführt werden:

• Zeitliche Dringlichkeit
• Kosten-Nutzen-Relation der Informationsbeschaffung
• Erreichbarkeit der gewünschten Zielgruppe(n)
• Reaktion der Testpersonen auf die geplante Erhebungsform
• Methodische Notwendigkeit bestimmter Testverfahren
• Erfahrungswissen der Auftraggeber zu verschiedenen Methoden
• Bereits vorhandene Ressourcen zur Durchführung von Erhebungen
• Glaubwürdigkeit des gesamten Erhebungsdesigns
Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung 23

Bezüglich der Anwendungsmöglichkeiten von Online-Befragungen lassen sich zum


einen situationsabhängige und zum anderen themenabhängige Unterscheidungen anstel-
len. Eine sinnvolle Einteilung nach der Erhebungssituation sowie dem verwendeten Netz-
werk liefert Tabelle 1.1. Hierbei ist zu beachten, dass Online-Befragungen nicht nur über
das Internet, sondern auch in sogenannten Intranets durchgeführt werden können, also
innerhalb von geschlossenen Unternehmens-Netzwerken, die auf der Technologie und
den Protokollen des Internet basieren.
Bei vielen Befragungsprojekten müssen die Erhebungssituation und/oder das verwen-
dete Netzwerk in die Überlegungen mit einbezogen werden. Es ist ein Unterschied, ob bei-
spielsweise die Teilnehmer einer Mitarbeiterbefragung alleine an ihren eigenen Arbeits-
PCs teilnehmen können oder gemeinsam in einem Schulungsraum mit vielen PCs. Und
es ist ein Unterschied, ob ein Teilnehmer gerade in einem Internet-Café sitzt (eventuell
noch mit anderen Personen am gleichen PC) oder ob er in aller Ruhe zu Hause an einer
Konsumentenbefragung teilnimmt.
Neben der Klassifizierung nach der gerade beschriebenen Form lassen sich natürlich
auch ganz konkrete Anwendungszwecke für Online-Befragungen als sinnvoll identifizie-
ren. Diese sind themen- oder zielgruppenorientiert nach Tabelle 1.2 unterscheidbar. Die
jeweiligen Anwendungen stellen nur einen Ausschnitt dar, die Themengebiete für Online-
Befragungen werden ständig in kreativer Weise erweitert.
In diesem Zusammenhang wird klar, dass Online-Befragungen meist dann eine beson-
ders gut geeignete Methode zur Erfüllung eines Forschungsgegenstandes sind, wenn
entweder die gewünschte Zielgruppe mit diesem Medium gut erreichbar ist und/oder
im Medium Personen angetroffen bzw. angesprochen werden können, die sich in Bezug
auf das jeweilige Forschungsthema in besonderer Weise eignen. An dieser Stelle muss
allerdings betont werden, dass die dynamische Entwicklung der Online-Marktforschung
gerade in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass immer häufiger neue Zielgruppen und
Themen aufgedeckt werden. Projekte, die aus methodischer Sicht bis vor kurzem noch
unmöglich erschienen – zum Beispiel Befragungen von Senioren – können nun auf relativ
einfache Weise realisiert werden.

Tab. 1.1 Systematik Online-Befragungen nach Erhebungssituation und Netzwerk

Netz
proprietär öffentlich
Privat Unternehmensnetzwerk Internet, Intranet
(alleine) (LAN) (Arbeitsplatz, Heim-PC)
Erhebungssituation Terminal, Schulungsraum,
Öffentlich Internet, Intranet
Großraumbüro in
(gemeinsam) (Internet-Café, Uni-PC-Raum)
Unternehmen
24 1 Einleitung

Tab. 1.2 Systematik Online-Befragungen nach Themen und Zielgruppen

Unterscheidung nach Themen Unterscheidung nach Zielgruppen


Kundenzufriedenheit Kundenbefragungen
Produkttests, Preistests, Konzepttests Business to Business-Befragungen
Bedarfs-, Potenzial-, Marktanalysen Expertenbefragungen
Markenbekanntheit, Image Website- / On Site-Befragungen
Qualitäts- / Beschwerdemanagement Mitarbeiterbefragungen
Werbewirkungstests Befragungen in Online-Panels
Werbeerfolgsmessung Mobile Befragungen
Website-Nutzeranalysen Newsletter-Befragungen
Explorative Befragungen Geschlossene Netzwerke / Nutzergruppen
Online-Fokusgruppen Akademische Kreise
Online-Diskussionsforen Jugendliche Zielgruppen
Early Adopters neuer Technologien

1.2.1 Stärken und Schwächen der Online-Marktforschung

Zu den Vor- und Nachteilen von Online-Befragungen gibt es mannigfaltige Ansichten


und Quellen. In diesem Rahmen sollen nicht alle einzelnen Aspekte ausdiskutiert werden,
zumal sie zum Großteil implizit in den folgenden Kapiteln und Abschnitten aufgenom-
men werden. Und auch nicht jeder hier genannte Vorteil oder Nachteil ist für alle Arten
von Online-Befragungen zutreffend, manche kommen nämlich eher selten zum Tragen.
Darum an dieser Stelle nur eine tabellarische Übersicht (siehe Tabelle 1.3 und Tabelle 1.4)
der am häufigsten genannten Stärken und Schwächen ohne eine differenzierte Würdigung:
Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung 25

Tab. 1.3 Stärken der Online-Marktforschung

Spezifische Stärken der Online-Marktforschung


Teilnahmebereitschaft / hohe Akzeptanz Keine Interviewereffekte (hohe Objektivität bei
Geringe variable Kosten pro Interview / keine der Durchführung)
Interviewerkosten Möglichkeit komplexer Filterführungen
Wirtschaftlichkeit: Geringe Gesamtkosten Anwendung von Rotations- und
Hohe Geschwindigkeit der Umfrageerstellung Randomisierungsverfahren
und -veröffentlichung Verwendung Algorithmen-basierter
Hohe Rücklauf-Geschwindigkeit durch asyn- Befragungsverfahren (wie Conjoint)
chrone und parallele Teilnahme Regionale / internationale Streuung möglich
Sofortiger Datenzugriff / Möglichkeit der (Alokalität)
Zwischenauswertung Geringer Aufwand für Internationalisierung
Multimedia-Fähigkeit: Präsentation von Personen-individuelle Steuerung der Interviews
Vorlagen (Bilder, Audio, Video etc.) Zeitliche Freiheit der Teilnehmer
Vermeidung von Daten-Erfassungsfehlern Höhere Wahrnehmung der Prozesskontrolle
Hohe Ehrlichkeit und Auskunftsbereitschaft der durch den Teilnehmer (Selbstbestimmung von
Teilnehmer Zeitpunkt und Tempo der Teilnahme)
Einfache Rücklaufkontrolle (Echtzeit-Einblick Geringe Item-Nonresponse (Nicht-Antworten
zum aktuellen Stand der Befragung) auf einzelne Fragen)
Eingabekontrolle / Plausibilitätsprüfungen Hohe Datenqualität
(„saubere Daten“) Ausführliche Antworten auf offene Fragen

Tab. 1.4 Schwächen der Online-Marktforschung

Mögliche Schwächen der Online-Marktforschung


Mangelnde Erreichbarkeit bestimmter Geringere Nachvollziehbarkeit / Kontrolle des
Zielgruppen / schwierige Stichprobenbildung Befragungsprozesses bzw. der Kontextsituation
Problem der Repräsentativität von des Teilnehmers
Befragungsergebnissen für Gesamtbevölkerung Geringe Überprüfbarkeit der
Selbstselektion der Befragungsteilnehmer Teilnehmer-Identität
Keine Möglichkeit für Rückfragen der Auftreten von „professionellen“ Befragten
Teilnehmer Hoher Anteil von Umfrage-Abbrechern
Erstellungs- / Programmieraufwand Technik-Widerstände bei den Teilnehmern
Unterschiedliche Darstellung in verschiedenen Bedenken bezüglich Anonymität bzw.
Browsern Datenschutz
Notwendigkeit der Plug-In-Installation bei Keine direkte Interaktion
bestimmten technischen Verfahren Keine nonverbalen Aufzeichnungen
Limitationen der Bild-Darstellung auf einem Keine Testmöglichkeit physischer Produkte
Bildschirm (Haptik, Geruch, Geschmack etc.)
Mehrfachteilnahmen gleicher Personen „Verführfaktor“ der Technik (zu viele Umfragen)
26 1 Einleitung

Um zu illustrieren, welchen Wandel die Online-Befragung tatsächlich mit sich gebracht


hat, sei auf folgenden Vergleich hingewiesen, der den Ablauf zweier vergleichbarer Studien
in der „Prä-Online-Zeit“ und heute gegenüberstellt:

Praxisbeispiel 1992
– Ein Student sucht nach einer Studienarbeit.
– Der Marketing-Lehrstuhl der Uni bietet im Rahmen eines Drittmittelprojektes die
Auswertung der Kundenbefragung einer Versicherung als Studienarbeit an.
– Die ca. 2.000 vierseitigen Papier-Fragebögen werden von Hand in „SPSS für DOS“
eingetippt. Der Datensatz ist noch mit Variablennamen und Labels aufzubereiten.
Aufwand: über 100 Arbeitsstunden.
– Die Auswertung beginnt …

Praxisbeispiel 2015
– Ein Student sucht nach einer Studienarbeit.
– Der Marketing-Lehrstuhl bietet im Rahmen eines Drittmittelprojektes die Auswer-
tung der Kundenbefragung einer Direkt-Versicherung an.
– Die Einladung zur Online-Befragung wurde per Brief und E-Mail an eine Stich-
probe von 15.000 Kunden verschickt, ca. 3.200 haben geantwortet.
– Der Datensatz wird vom Umfrageserver heruntergeladen und ins SPSS-Format
konvertiert. Variablennamen und Labels sind bereits vorhanden und werden leicht
redigiert. Aufwand: ca. 1,5 Arbeitsstunden.
– Die Auswertung beginnt …

1.2.2 Kosten für Online-Marktforschung

Die Frage „Was kostet eigentlich eine Online-Befragung?“ ist ähnlich gelagert wie die Frage
„Was kostet ein Auto?“. Mit anderen Worten: es kommt darauf an! Aufgrund der offen-
sichtlichen Tatsache, dass keine Interviewer notwendig sind und in aller Regel auch keine
Portokosten anfallen, haben Online-Befragungen natürlich zunächst einmal ein geringe-
res Kostenniveau. Im Einzelfall muss dies jedoch nicht immer so sein. Mitunter kann es
sich lohnen – rein unter Kostengesichtspunkten betrachtet – doch eine andere Methode
anzuwenden.
Im Rahmen der klassischen Marktforschung determiniert meist die Größe der Stich-
probe in hohem Maße die Projektkosten. Bei der Online-Marktforschung ist dies meist
nur bei Befragungen in Panels der Fall, ansonsten gehen die Grenzkosten für einen zusätz-
lichen Teilnehmer – abhängig von der Vorgehensweise bei dessen Rekrutierung – gegen
Null. Demgegenüber sind die Fixkosten für die technische Umsetzung einer Online-Befra-
gung meist etwas höher. Insofern eignet sich selbige zunächst einmal in besonderer Weise
für Umfragen mit größeren Stichproben oder für Umfragen mit einer international ver-
teilten Teilnehmerschaft.
Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung 27

Abbildung 1.2 zeigt einen eher qualitativ zu verstehenden Kostenvergleich zwischen


den Erhebungsmethoden Telefon, Post, Face-to-Face und Internet. Der Vergleich mag
im Einzelfall und unter Rücksichtnahme auf spezifische Anforderungen bei bestimmten
Anwendungen anders ausfallen. Tendenziell ergeben sich jedoch, bei sonst gleichen Bedin-
gungen, in etwa die Kostenverläufe bei den Methoden wie in Abbildung 1.2 dargestellt.
Wie zu erkennen ist, liegt der Break-Even-Punkt mit der postalischen Befragung in
der Abbildung bei ca. 250 Teilnehmern. Dies hängt allerdings in erster Linie davon ab,
welche Kosten für die reine Erstellung einer Online-Befragung entstehen. Falls auf ent-
sprechende Software bzw. Lizenzen zur Durchführung einer Online-Befragung zurück-
gegriffen werden kann, so können die Setup-Kosten hierfür deutlich geringer sein. In
diesen Fällen kann „online“ dann auch für deutlich kleinere Stichproben günstiger sein.
Wie bereits erwähnt, es handelt sich um einen qualitativen Vergleich, der Einzelfall wird
hiervon abweichen. Jedoch ist bei Online-Befragungen zu beobachten, dass Stichproben-
größen unter 100 Teilnehmern recht selten vorkommen, auch deshalb, weil sich Umfragen
mit geringerer Teilnehmerzahl häufiger durch einen recht langen Fragebogen auszeichnen
(zum Beispiel Expertenbefragungen oder B2B-Umfragen), welcher wiederum höhere Pro-
grammierkosten nach sich zieht. Wenn kein besonderer Zeitdruck besteht, so wird es in
diesen Fällen nicht selten günstiger sein, einen gedruckten bzw. kopierten Papierfragebo-
gen einzusetzen.

Abb. 1.2: Kostenabschätzung nach Erhebungsmethode


28 1 Einleitung

Der Kostenaspekt wird umso mehr relevant, als im Zuge der allgemein zu beobachten-
den Globalisierungstendenzen auch der internationalen Marktforschung mehr Bedeutung
zukommt. Entscheidungen zur Unternehmens- bzw. Marketingstrategie müssen in der
heutigen Zeit nicht selten vor dem Hintergrund einer Länder und Kontinente übergreifend
ausgerichteten Unternehmenstätigkeit getroffen werden. Bisher konnten sich nur große
und finanzstarke Unternehmen eine solche Form der Marktforschung leisten. Mit dem
Internet steht nun aber auch kleineren Firmen ein kostengünstiges Medium für diesen
Zweck zur Verfügung, in dem relativ problemlos auch verschiedene Sprachen eingesetzt
werden können. Der jeweilige Proband wird bereits in seiner Landessprache angesprochen
oder wählt zu Beginn die bevorzugte Sprache aus, um zur entsprechenden Fragebogenver-
sion weitergeleitet zu werden.
Entscheidend kann in vielen Fällen auch sein, dass mit der Einführung der Online-
Marktforschung nun auch die Unternehmen selbst viel einfacher als zuvor dazu in der
Lage sind, eigenständig Befragungen durchzuführen. Und die auch hierfür notwendigen
Grundkenntnisse der Marktforschung sind nicht nur in Großunternehmen mit eigenstän-
digen Marktforschungs-Abteilungen anzutreffen. Genauso haben Mitarbeiter, welche im
Produkt- oder Projektmanagement tätig sind, meist Erfahrungswerte oder Ausbildungs-
wissen in diesem Bereich. Das heißt, wenn jetzt noch ein Forschungsfeld – hiermit ist die
Teilnehmerschaft gemeint – zur Verfügung steht, sind die Voraussetzungen für den kosten-
effizienten Einsatz von Online-Befragungen erfüllt. Relativ teure Beratungsleistungen der
Institute sind in vielen Fällen zwar immer noch sehr sinnvoll, jedoch nicht mehr in jedem
Fall unbedingt notwendig. Bezüglich der Marktforschung wird – mehr als jemals zuvor –
aus Kostengründen wieder vermehrt „In-Sourcing“ statt „Out-Sourcing“ betrieben.
Was die absoluten Gesamtkosten für Online-Befragungen angeht, so kann man diese
nicht pauschal mit einer Durchschnittssumme angeben. Wie in der klassischen Markt-
forschung auch, kommt es auf die Details an. Es kann jedoch Sinn ergeben, verschiedene
Kostenträger von Marktforschungs-Studien in ihre Bestandteile aufzulösen und zu diesen
wiederum einen Preisrahmen für die in der Regel anfallenden Beträge zu nennen, was
in Tabelle 1.5 versucht wird. Es werden hier die üblichen, durchschnittlichen Preise bei
gewöhnlichen Studien genannt, zu denen es natürlich immer auch Ausreißer nach oben
und unten gibt. Dies hängt zum einen vom jeweiligen Anbieter sowie dessen Unterneh-
mensgröße und Qualitätsniveau ab, zum anderen von Studien-spezifischen Faktoren.
Anwendungsmöglichkeiten für Online-Marktforschung 29

Tab. 1.5 Preisrahmen für Online-Befragungsprojekte

Fragebogenentwicklung Prinzipiell wie klassische Marktforschung, häufig jedoch schneller und


damit günstiger
Fragebogenerstellung Selbstprogrammierer ohne Arbeitsaufwand mehrere Tage bis
(technisch) Umfrage-Software Wochen
Selbstersteller mit Arbeitsaufwand 0,5 bis 5 Tage,
Umfrage-Software Software 50 - 1.000 Euro
Erstellung durch Dienstleister 500 - 5.000 Euro pro Umfrage, je
nach Länge und Komplexität
Teilnehmer- eigene Website 0 Euro
Rekrutierung E-Mail-Einladung (Feld 0 - 0,50 Euro pro Teilnehmer
vorhanden)
Online-Panel (Feld gemietet) 1 - 20 Euro pro Teilnehmer, je
nach Anforderung
Umfrage-Hosting meist in Softwarepaket enthalten
Dateneingabe und Arbeitsaufwand 0 bis wenige Stunden
-validierung
Auswertung, Prinzipiell wie klassische Marktforschung, häufig jedoch durch
Interpretation Auswertungsfunktionen der Umfrage-Software unterstützt

Im Folgenden sind zur Ergänzung der tabellarischen Übersicht die für die Online-
Marktforschung typischen Kostentreiber aufgeführt. Diese gelten unisono sowohl für den
Fall der Beauftragung als auch für den Fall des Selbsterstellens von Umfragen. Beim Selbs-
terstellen muss man nur gedanklich „Kosten“ durch „Aufwand“ oder „Zeit“ ersetzen.

• Fragebogenlänge, Fragenanzahl
• Komplexität der Befragung / Filterführung
• Anzahl der Sprachversionen
• Ausmaß der Wiederverwendbarkeit früherer Programmierungen
• Besonderes Design / Aussehen der Befragung / Bildbearbeitung
• Besondere Inhalte / Verfahren / Sonderprogrammierungen
• Teilnehmerzahl (wegen Lizenzgebühren und/oder Panelkosten)
• Ausgelobte Incentives

Online-Marktforschung ist immer dann besonders wirtschaftlich, wenn das „Feld“ für
die Befragung bereits adressierbar vorhanden ist, im besten Fall mit E Mail-Adressen. Dies
ist in der Regel der Fall zum Beispiel bei Mitarbeiterbefragungen, B2B-Kundenbefragun-
gen, Website-Befragungen, Newsletter-Befragungen etc. Die besondere Wirtschaftlichkeit
sinkt hingegen, sobald man das Feld „organisieren“ oder „zukaufen“ muss wie beispiels-
weise im Fall der Beauftragung eines Panel-Dienstleisters für eine Konsumentenbefragung
oder der telefonischen Vor-Rekrutierung von Teilnehmern.
30 1 Einleitung

Abb. 1.3: Typischer Projektablauf in Arbeitsteilung

make AND buy: eine attraktive Kombination in der Online-Marktforschung


Online-Befragungsprojekte eignen sich auch besonders gut dafür, einzelne Teilleistungen
an Spezialisten auszulagern. Hiermit werden deren Kompetenzen genutzt, das eigene Zeit-
budget geschont und Kosten kontrolliert. In Abbildung 1.3 ist ein beispielhafter Projektab-
lauf illustriert, wie er etwa im Rahmen einer Kundenbefragung im B2B- bzw. B2C-Bereich
sinnvoll sein könnte.
In diesem in der Praxis recht typischen Ablauf wird zunächst beim durchführenden
Unternehmen ein Fragebogen entwickelt. In vielen Fällen sind die Kompetenzen hierfür
vorhanden. Ein Spezialist für Online-Befragungen führt eventuell noch einen Fragebo-
gen-Check durch und passt diesen, falls notwendig, an die besonderen Bedingungen und
Besonderheiten der Methode „Online-Befragung“ an. Danach erfolgt beim Dienstleister
die technische Erstellung der Online-Version des Fragebogens, was landläufig auch „Pro-
grammierung“ genannt wird, obwohl in aller Regel eine menügesteuerte Software dafür
verwendet wird. Die Feldphase kann, je nach Voraussetzung, entweder mit dem „Eige-
nen Feld“ abgewickelt werden, also zum Beispiel mit den direkten B2B-Kunden. Oder es
kommt ein Panel-Dienstleister zum Einsatz, der etwa eine Stichprobe mit Konsumenten
(B2C-Umfrage) bereitstellt. Technisch wird die Umfrage über die Plattform des Dienstleis-
ters abgewickelt, der nach Abschluss der Feldphase auch die Rohdaten liefert oder noch
einen Schritt der Analyse übernimmt und eine tabellarische Auswertung anbietet. Der
Auftraggeber kann nun wiederum den noch verbleibenden Rest der Auswertungen selbst
übernehmen und die Erkenntnisse im Unternehmen umsetzen.
Dienstleister für Online-Marktforschung 31

1.3 Dienstleister für Online-Marktforschung

Man kann die heute am Markt vertretenen Dienstleister für Online-Marktforschung sehr
grob in sechs Kategorien einteilen, die im folgenden Abschnitt etwas genauer beschrieben
werden:

• Traditionelle Marktforschungsinstitute, die Online-Befragungen als Erhebungsme-


thode in ihr Angebotsspektrum integriert haben
• Relativ junge Marktforschungsinstitute, die sich mehr oder weniger ausschließlich auf
die Online-Methode konzentrieren
• Technisch orientierte Online-Institute mit eigener Technik- bzw. Software-Bereit-
stellung und zusätzlichen Marktforschungs-Dienstleistungen
• Panel-Dienstleister, die feste Teilnehmerpools verwalten und ihren Kunden Stichpro-
ben aus diesen Pools zur Durchführung von Online-Befragungen anbieten
• Reine Technologie-Anbieter, welche die Software zur Durchführung von Online-
Marktforschung liefern
• Sonstige Dienstleistungsunternehmen, die bisher nicht forschend tätig waren und in
der Online-Marktforschung einen Weg zur Diversifikation sehen

Bereits an dieser Stelle sei erwähnt, dass aus mehreren Gründen absichtsvoll auf die
Nennung von Firmennamen verschiedener Anbieter verzichtet wird. Eine schnelle Inter-
net-Recherche in den einschlägigen Suchmaschinen führt jedoch rasch zu Ergebnissen.
Die Durchsicht der Anbieter-Webseiten sowie die Anforderung von Infomaterial per
E-Mail oder Telefon ergeben dann einen ersten Eindruck vom jeweiligen Angebot. Viele
Dienstleister und Software-Anbieter sind – gerade bei namhaften Kunden – auf Nachfrage
auch gerne zu einem unverbindlichen Präsentationstermin vor Ort bereit. Denn nicht
wenigen Marktforschungskunden ist es – online hin oder her – nach wie vor sehr wich-
tig, auch einen persönlichen Kontakt zu pflegen. Zu einem guten Teil ist Marktforschung
schließlich auch Vertrauenssache.

Traditionelle Marktforschungsinstitute
Manche Unternehmen bevorzugen es, auch für die Online-Marktforschung die Hilfe und
Unterstützung eines oder mehrerer Marktforschungsinstitute in Anspruch zu nehmen,
mit denen man vielleicht bereits langjährige Erfahrungen gesammelt hat. Dies ergibt auch
einen gewissen Sinn, da es im Rahmen der Planung von Marktforschungsprojekten eigent-
lich immer so sein sollte, dass zunächst das Forschungsproblem sowie die Zielgruppe
genauer definiert werden und dann die Entscheidung über die anzuwendende Methode
getroffen wird. Diesbezüglich sind traditionelle Marktforschungsinstitute aufgrund ihrer
Ausstattung und Historie in der Regel etwas flexibler und weniger festgelegt, was den Kata-
log der angebotenen Erhebungsmethoden angeht. Und in manchen Fällen ist es schlicht
und ergreifend sinnvoller, keine Online-Befragung zu verwenden, sondern vielleicht lieber
32 1 Einleitung

eine schnelle und repräsentative Telefonumfrage oder persönliche Experteninterviews mit


professionellen und erfahrenen Interviewern.
Auf der anderen Seite sind auch die traditionellen Institute spätestens seit Mitte der
2000er Jahre auf den Online-Zug aufgesprungen, der wegen ihrer anfänglichen Zurück-
haltung fast an ihnen vorbeizufahren schien. Mittlerweile haben fast alle der großen und
etablierten Institute eigene Online Access Panels oder sie haben die früheren Forschungs-
aktivitäten – wie beispielsweise Haushalts-Panels – durch Online-Kommunikation und
Online-Datentransfer ökonomisiert.

Online-Marktforschungsinstitute
Häufig gibt es jedoch auch Anwendungsfälle, in denen von vornherein nur die Alternative
der Online-Befragung in Frage kommt, zum Beispiel aufgrund eines begrenzten Budgets
bei vorgegebener – und meist recht hoher – Teilnehmerzahl. Neben den traditionellen,
alteingesessenen Instituten kommen nun auch die Online-Marktforschungsinstitute als
Partner in Frage, welche sich auf die Durchführung von Studien mit der Online-Methode
spezialisiert haben und die mittlerweile meist ein hohes fachliches Niveau vorweisen kön-
nen. Daneben bieten sie aber noch weitere Dienstleistungen aus dem klassischen Markt-
forschungsbereich an wie Beratung, Fragebogenentwicklung, Projektabwicklung, Auswer-
tung, Interpretation, Ergebnispräsentation etc.

Technisch orientierte Online-Institute


Um die Lücke zwischen den bei vielen Auftraggebern ja bereits vorhandenen allgemeinen
Markforschungskenntnissen und dem häufig noch fehlenden Erfahrungswissen bezüg-
lich Online-Befragungen ohne Einschaltung eines – meist teuren – Instituts zu schließen,
haben sich einige Anbieter sozusagen als „Zwitter“ zwischen Marktforschungsinstitut und
reinem Technologie- bzw. Softwaredienstleister positioniert. Das heißt der Kunde erhält
nicht nur in Form einer Software die technischen Möglichkeiten zur Durchführung von
Online-Datenerhebungen jedweder Form, sondern kann auch bei seinem Anbieter auf das
bisweilen recht umfangreiche Basiswissen aus – je nach Anbieter – Hunderten oder Tau-
senden bereits durchgeführter Online-Befragungen zurückgreifen und dieses mit seinem
eigenen Marktforschungs-Know-How sowie den vorhandenen Spezialkenntnissen bezüg-
lich des gestellten Forschungsproblems oder der jeweiligen Branche verbinden. Auf diese
Weise entsteht in vielen Fällen eine fruchtbare Kombination, was zu erfolgreich durchge-
führten Studien sowie in der Folge auch zu methodischem Erkenntnisgewinn auf Seiten
des Auftraggebers führt.

Online-Panel-Dienstleister
Die bereits mehrfach erwähnten Anbieter von Panel-Dienstleistungen – einfach formuliert
handelt es sich hierbei um Firmen, die eine große Menge an Teilnehmern für Online-
Befragungen temporär vermieten – bieten neben der Bereitstellung des „Feldes“ für die
Marktforschung häufig auch weitere Dienstleistungen in diesem Bereich an. Im Wesent-
lichen handelt es sich hierbei um den Check vorhandener Fragebögen auf Online- und
Dienstleister für Online-Marktforschung 33

Panel-Tauglichkeit, um die technische Programmierung der Online-Befragung sowie


eventuell um eine knappe Auswertung der Daten.
Prinzipiell ist hierzu festzustellen, dass die beschriebenen Marktforschungs-Dienstleis-
tungen neben dem eigentlichen Hauptgeschäft der Vermarktung des eigenen Panels bis-
weilen eher nachrangig entwickelt und betrieben werden. Nicht selten werden diese Leis-
tungen von den Panel-Dienstleistern auch an Sub-Dienstleister ausgelagert, und dies nicht
immer mit dem Wissen der Auftraggeber. Andererseits können auch Panel-Dienstleister
– oder deren Auftragnehmer – in diesem Feld gute Leistungen erbringen. Grundsätzlich
ist diese Herangehensweise aber eher für den Marktforschungskunden empfehlenswert,
der schon ziemlich genaue Vorstellungen von dem hat, was er wirklich möchte, und der
die gelieferten Leistungen auch qualitativ einstufen kann.

Reine Technologie- und Software-Anbieter


Falls ein Auftraggeber bereits über entsprechende Erfahrungen bei der Durchführung von
Online-Befragungen verfügt, kann er eventuell auch auf die Betreuung durch ein Markt-
forschungsinstitut bzw. einen sonstigen Know-How-Träger in diesem Bereich verzichten.
In diesem Fall reicht es aus, die Technologie zur Umsetzung der Befragungen zu kontrol-
lieren. Aus Effizienzgründen kommt die Erstellung von Online-Befragungen durch eigene
Programmierer meist nicht in Frage, es sei denn es handelt sich um immer wiederkeh-
rende und sich nicht verändernde Standard-Befragungen oder um ganz besondere Anfor-
derungen. In der Regel wird darum auf eines der mittlerweile recht zahlreichen Software-
Produkte am Markt zurückgegriffen.
Hierbei kann man sich ohne besonderes Risiko denjenigen Anbietern anvertrauen,
die bereits lange am Markt positioniert sind – teilweise seit Ende der 1990er Jahre – und
die auch über eine entsprechende Kundenliste verfügen. In Deutschland kann man dieser
Kategorie eine gute Handvoll Unternehmen zuordnen. Gerade in der Referenzliste zeigt
sich, ob ein Anbieter auch bei Großkunden entsprechende Leistungen abliefern kann, die
sich in der Marktforschungs-Szene durchaus „herumsprechen“. Auch bei vielen der klei-
neren und viel zahlreicheren Software-Anbieter findet sich der eine oder andere namhafte
Eintrag in der Kundenliste. Diese kommen jedoch nicht selten durch Zufallskontakte oder
auch durch gesponserte Projekte im Rahmen von Diplomarbeiten oder Dissertationen
zustande. Erst eine gewisse Menge von Großkunden gibt einen zuverlässigeren Hinweis
auf die Qualität der Produkte und Services des Anbieters.
Hiermit soll nicht gesagt werden, dass nicht auch die kleineren – und zumeist deutlich
günstigeren – Anbieter für Befragungs-Software gute Arbeit und zuverlässige Software
liefern können. Jedoch steigt für den Kunden, zumindest bei der erstmaligen Software-
Lizenzierung bei einem solchen Unternehmen, das Risiko eines Fehlschlags deutlich an.
Mitunter muss der Auftraggeber erst mehrere dieser Kleinanbieter „austesten“, bis er eine
Software entdeckt, die wirklich seine Anforderungen erfüllt. Hierdurch kann ein eventuel-
ler Kostenvorteil schnell aufgebraucht werden.
Manches Erfordernis wie beispielsweise das Vorhandensein einer bestimmten Funk-
tionalität des Tools kann vorab in Form einer Checkliste geklärt werden. Aufgrund
34 1 Einleitung

unzureichender Erfahrungen mit Online-Befragungen ist es aber gelegentlich fraglich, ob


der zukünftige Kunde zu diesem Zeitpunkt bereits die aktuellen und zukünftigen Anfor-
derungen einigermaßen erschöpfend formulieren kann. Nicht selten werden bestimmte
Features in dieser Phase auch als wichtiger beurteilt, als sie in der späteren Praxis dann
tatsächlich sind. Hinzu kommt, dass viele wichtige Qualitäten eines Software-Systems erst
beim tatsächlichen Einsatz des Tools im Rahmen von größeren Projekten zum Vorschein
kommen, so zum Beispiel die Stabilität und Geschwindigkeit auch bei hohen Teilneh-
merzahlen oder auch ein kompetenter und zuverlässiger Support. Gerade wenn einmal
Schwierigkeiten auftreten, können bereits langjährig am Markt agierende Unternehmen in
der Regel schneller und zuverlässiger reagieren, da sie über mehr Kompetenzen, Erfahrun-
gen und Ressourcen verfügen.
Oftmals handelt es sich bei Billiganbietern von Befragungs-Software auch um Kleinst-
unternehmen mit wenigen Mitarbeitern oder um Zusatzgeschäfte von Software-Häusern,
die ihr eigentliches Kerngeschäft in ganz anderen Bereichen betreiben. Ganz abgesehen
davon, dass hier nur selten auch fundiertes Marktforschungs-Know-How vorhanden ist,
werden nicht wenige dieser Angebote nach wenigen Jahren stillschweigend wieder einge-
stellt. Entsprechend ist das Bemühen um Produktpflege und -weiterentwicklung, Server-
wartung, Kundensupport etc. eher gering ausgeprägt. Insgesamt ist zu sagen, dass die Wahl
eines vermeintlich preisgünstigen Tools für besonders wichtige Umfrageprojekte nur dann
anzuraten ist, wenn damit bereits eine Reihe von positiven Erfahrungen gesammelt und
eine gewisse Vertrauensbasis aufgebaut werden konnte.
Gleichgültig, welches Produkt gewählt wird: Auch die beste Software ist ein schlechtes
Werkzeug in der Hand eines Dilettanten. Das Ergebnis werden unprofessionelle Umfragen
sowie falsche Interpretationen und Prognosen sein, womit nicht nur dem Auftraggeber,
sondern letztlich auch dem beauftragten Dienstleister – wenigstens mittelfristig – nicht
gedient ist.

Sonstige Dienstleistungsunternehmen
Deutlich abzuraten ist von der Beauftragung einer Marketing-Agentur, nur weil die bereits
die Website für das Unternehmen erstellt hat. Zwar starten viele Unternehmen mit einer
Befragung auf der eigenen Homepage in die Welt der Online-Marktforschung, zur Erstel-
lung einer wirklich seriösen Befragung sind jedoch andere Kenntnisse gefragt als zum
Aufbau und Betrieb einer Website. Hinzu kommt, dass solche Projekte meist im Quellcode
neu programmiert und damit letztlich teurer werden als die Durchführung bei einem spe-
zialisierten Anbieter, der hierfür eine bis zu einem bestimmten Ausmaß automatisierte
Software entwickelt hat. Ebenso lässt der Komfort bezüglich Rücklaufverfolgung, Daten-
download und Auswertungsmöglichkeiten meist zu wünschen übrig.

Thema Datenschutz
Ein guter Indikator für die Seriosität eines Anbieters für Dienstleistungen im Bereich der
Online-Marktforschung ist neben der Qualität der Referenzen auch dessen Umgang mit
Belangen des Datenschutzes: Existiert beispielsweise ein stimmiges Datenschutz- und
Dienstleister für Online-Marktforschung 35

Sicherheitskonzept, das auf Nachfrage sofort geliefert wird? Ist das Unternehmen bereit,
eine spezielle Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung abzuschließen? Gibt es bei
dem Dienstleister einen Beauftragten für Datenschutz? Sind entsprechende Zertifikate
vorhanden? An diesen entscheidenden Stellen sollten keine besonderen Kompromisse aus
Sympathie gemacht werden.

Auswahlstrategien für einen Dienstleister


Der eine oder andere Leser dieses Buches wird wohl seine Bedarfe bezüglich Online-
Marktforschung mit der Unterstützung eines „reinen Technologie- und Software-Anbie-
ters“ oder eines „technisch orientierten Online-Institutes“ decken wollen. Darum sei an
dieser Stelle noch auf drei eventuell hilfreiche Strategien zur Auswahl eines solchen Anbie-
ters verwiesen (siehe hierzu Tabelle 1.6).

Tab. 1.6 Auswahlstrategien für Dienstleister

Auswahlstrategie Vorteile Nachteile


Wähle den besten und Leistungsfähige Software für Hohe Kosten für gar nicht
bekanntesten Anbieter mit der alle Anforderungen benötigte Leistungen
größten Reputation und der Software zukunftsfähig, da Hoher Aufwand für
umfangreichsten Software sie (wahrscheinlich) alle auch Einarbeitung / Schulung
zukünftig auftretende Bedarfe Zeitverluste in der
abdeckt Projektarbeit wegen
Risikobegrenzung bei der Komplexität
Auswahl („Nobody ever got Möglicher Frustrationseffekt
fired for buying IBM.“) durch Komplexität
Wähle den billigsten Anbieter, Preisvorteil Neubeschaffung notwendig
der alle mittelfristig benö- In der Regel einfache bei Auftreten bisher nicht
tigten und bekannten Muss- Bedienung und kurzfristige bekannter und nicht erfüllter
Anforderungen erfüllt Einarbeitung Anforderungen

Schneller Start mit den ersten Eventuell Performance-


Projekten Probleme bei größeren
Projekten
Eventuell kurzfristig kein
Support verfügbar
Beschränkte Software
spornt nicht zur kreativen
Entwicklung an, Frustration
Datenschutzniveau unklar
36 1 Einleitung

Auswahlstrategie Vorteile Nachteile


Wähle einen wirtschaftlich Preis richtet sich nach tatsäch- Etwas höherer Aufwand für
günstigen Anbieter, der lich auftretendem Bedarf Einarbeitung / Schulung
alle mittelfristig benötig- Bisher unbekannte Eventuell Fixkostenbelastung
ten und bekannten Muss- Anforderungen können mit
Anforderungen erfüllt, Raum Argument der billigen
höherer Wahrscheinlichkeit Online-Marktforschung etwas
für weitere Entwicklungen umgesetzt werden
lässt, ein flexibles Preissystem verwässert
hat und Support bietet Guter Kompromiss zwischen
Kosten und Leistung

Quellenverzeichnis

[1] ADM (2016). Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V.:


Marktforschung in Zahlen. https://www.adm-ev.de/zahlen/. Zugegriffen: 02. April
2016.
[2] Bliemel, Friedhelm & Kotler, Philip (1999). Marketing-Management.: Analyse,
Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
[3] marktforschung.de: Wiki / Lexikon (2016). Erklärungen zu über 1.000 Fachbegriffen
aus Marktforschung und Marketing. http://www.marktforschung.de/service/wiki-
lexikon. Zugegriffen: 28. Februar 2016.
[4] McLuhan, Marshall (1962). Wikipedia-Eintrag zum Begriff „Globales Dorf “.
http://de.wikipedia.org/wiki/Globales_Dorf. Zugegriffen: 28. Februar 2016.
[5] McLuhan, Marshall (2016). Wikipedia-Eintrag zur Person. http://de.wikipedia.org/
wiki/Marshall_McLuhan. Zugegriffen: 28. Februar 2016.
[6] McLuhan, Marshall & Powers, Bruce R. (1989). The Global Village. Transformations
in World Life and Media in the 21st Century. New York, Oxford: Oxford University
Press.
[7] Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung (2016). Rat der Deutschen Markt-
und Sozialforschung e.V. http://www.rat-marktforschung.de. Zugegriffen: 28. Februar
2016.
[8] Theobald, Elke (2010). Qualitative Online-Marktforschung: Grundlagen, Methoden
und Anwendungen. Baden-Baden: Nomos.
[9] Watt, James (1997). Using the Internet for quantitative survey research. Quirks
Marketing Research Review, June 1997. http://www.quirks.com/articles/a1997/
19970610.aspx?searchID=17777257. Zugegriffen: 28. Februar 2016.
Aufbau einer Online-Befragung
2

Beim Aufbau und der Gestaltung von Online-Befragungen gibt es eine Fülle von wichti-
gen Aspekten zu beachten. Die Übertragung der Prinzipien der Fragebogengestaltung von
Offline-Befragungen ist zwar bis zu einem gewissen Grad möglich, jedoch gibt es spezi-
fische Besonderheiten in der Online-Version, deren Einhaltung teilweise auch über den
Erfolg oder Misserfolg eines Projekts entscheiden kann. Dies betrifft die Einladung und
Einleitung für den Teilnehmer, den eigentlichen Fragenteil, die Länge und das Design des
Fragebogens sowie dessen Abschluss. Teilweise hängen die zu beachtenden Spezifika auch
von der Art der Teilnehmer-Rekrutierung ab, es ist also ein Unterschied, ob eine Person
beispielsweise per E-Mail oder auf einer Unternehmens-Homepage zu einer Befragung
eingeladen wird.

2.1 Einladung und Einleitung

An dieser Stelle muss zunächst danach unterschieden werden, auf welche Weise die Teil-
nehmer zur betreffenden Online-Befragung eingeladen werden. Geschieht dies über ein
anderes Medium – in der Regel per E-Mail oder per Brief – so empfiehlt es sich, die erfor-
derlichen Inhalte sinnvoll aufzuteilen, nämlich auf die Einladung und auf die Einleitung
– also die Startseite der Umfrage. Hier kommt es nun ganz erheblich darauf an, die wesent-
lichen Informationen nicht erst in der Einleitung zu bringen, sondern in der Einladung
selbst. Denn der zuerst gelesene Text entscheidet darüber, ob die eingeladene Person über-
haupt Interesse zeigt. Wird diese Hürde nicht genommen, werden die für eine Teilnah-
meentscheidung eventuell wichtigen Informationen gar nicht erst wahrgenommen, wenn

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 37


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_2
38 2 Aufbau einer Online-Befragung

diese beispielsweise nur in der Einleitung stehen. Andererseits ist dann die Wiederholung
des genau gleichen Inhalts auf der Startseite der Befragung auch nicht zu empfehlen. Wird
direkt im Internet rekrutiert – hier gibt es also kein separates Anschreiben – so müssen die
wesentlichen Aspekte auf die Einleitung der Befragung konzentriert werden.
Für die Gestaltung der Einladung bzw. Einleitung bei Online-Befragungen gilt aber
immer – noch viel mehr als bei Offline-Befragungen – der generelle Grundsatz: „So
umfangreich wie nötig, aber so kurz wie möglich!“ Denn Menschen zeigen an einem Com-
puter-Bildschirm ein weit weniger genaues und gründliches Leseverhalten als in einem
Buch oder auf einem Papier. Es besteht immer die Tendenz auf Seiten des Rezipienten, den
dargebotenen Text nur so weit gewissenhaft zu lesen oder vielleicht auch nur zu überflie-
gen, bis dieser davon überzeugt ist, Sinn und Inhalt schon verstanden zu haben.
Im Falle der Einladung per E-Mail oder Brief gilt es, bereits an dieser Stelle eine wich-
tige Entscheidung zu treffen: die Frage der persönlichen Anrede. Zumeist sind nämlich
neben den E-Mail-Adressen noch weitere Informationen über die Teilnehmer verfügbar,
wie zum Beispiel deren voller Name bzw. Nachname und das Geschlecht. Es besteht also
beim Einsatz eines entsprechenden Mailing-Tools die Möglichkeit, die Probanden direkt
mit „Sehr geehrter Herr Müller“ oder „Guten Tag, Andrea Meier“ anzusprechen. Dies
kann von Vorteil sein, da hierdurch die Individualität und der persönliche „Touch“ der
Einladung erhöht werden. Andererseits kann sich auch ein Nachteil ergeben, weil man-
cher Teilnehmer die explizite Namensnennung mit einem geringeren Grad von Anonymi-
tät in der anschließenden Befragung in Verbindung bringt. Beides muss wiederum unter
Berücksichtigung des Verhältnisses zum Teilnehmer abgewogen werden.
Rein technisch betrachtet, ist die Anonymität eines Teilnehmers keine Frage der
Anrede in der Einladung, sondern der Verknüpfung von Daten mit der Umfrage selbst
(siehe Abschnitte 5.7 und 5.8). Allerdings kann ein potenzieller Teilnehmer diese techni-
schen Aspekte in aller Regel nicht erfassen oder prüfen, insofern ist für eine Teilnahme-
Entscheidung nicht die tatsächliche Anonymität ausschlaggebend, sondern die wahrge-
nommene Anonymität aus Sicht des Teilnehmers. Im Allgemeinen wird eine persönliche
Anrede in der Einladung sehr gut akzeptiert und geschätzt. In der Einleitung zur Umfrage
empfiehlt sie sich – wenngleich technisch in manchen Fällen möglich – aber nicht mehr
oder nur in absoluten Ausnahmefällen, weil hiermit sehr deutlich wird, dass die Umfrage
den Namen des Teilnehmers „kennt“ und somit auch speichern könnte. Die individuelle
Ansprache sollte sich also maximal auf die separate Einladung zur Umfrage beschränken.
Die Einleitung oder auch Startseite der Umfrage beginnt häufig mit einer allgemei-
nen Begrüßungsformel wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „Liebe Homepage-
Besucher“ oder „Willkommen bei der Kundenzufriedenheitsbefragung der Beispiel AG“.
Wie formell bzw. ungezwungen diese Formel ausfällt, hängt von der Art der Beziehung
zwischen dem durchführenden Unternehmen und den angesprochenen Personen ab. Im
Zweifel sollte die Form lieber etwas formeller als zu ungezwungen sein. Wem Formeln
dieser Art etwas zu „schwülstig“ erscheinen, der ist auch mit einer einfachen Überschrift
gut bedient wie beispielsweise „Feedback-Befragung 2016“.
Einladung und Einleitung 39

Die im Folgenden beschriebenen Inhalte beziehen sich nun – je nach Art der Rekru-
tierung – entweder auf Einladung und Einleitung oder ausschließlich auf die Einleitung.
Falls eine separate Einladung existiert, so gilt es, darin alle motivierenden Informationen
unterzubringen, die den Teilnehmer überzeugen sollen. Die darauf folgende Einleitung
zur Umfrage kann dann auf diese Elemente weitgehend verzichten und sich auf technisch-
organisatorische Erläuterungen beschränken. Tabelle 2.1 am Ende dieses Abschnitts gibt
hierzu nochmals einen Überblick. Insgesamt sollte man sämtliche Erläuterungen eher kurz
halten, da Befragte unter Umständen von der Länge dieser Texte auf die mögliche Länge
der Umfrage schlussfolgern. Ebenso werden kurze Absätze eher gelesen als längere. Das
heißt, ein „Weniger“ an Informationen kann durchaus ein „Mehr“ an Rücklauf bedeuten,
denn die Teilnehmer wünschen sich nur selten das Maximum an Informationen. Aller-
dings hängen diese Überlegungen sehr stark von der Zielgruppe und dem Zweck der
Umfrage ab.
Gleich zu Beginn sollte jedenfalls erklärt werden, worum es genau geht, das heißt das
Umfragethema muss kurz aber prägnant erläutert werden. Bereits die Betreffzeile einer
E-Mail-Einladung kann von hoher Bedeutung sein, da sie (neben dem Absender) die erste
Informationsquelle für die Empfänger ist. Das heißt, hier kann bereits die Entscheidung
fallen, ob diese E-Mail vielleicht sogar direkt wieder ungelesen gelöscht wird. An dieser
Stelle empfiehlt sich im Übrigen eher eine neutrale Formulierung im Sinne von „Kunden-
befragung 2016“ als eine solche, die den Vorteil für den Teilnehmer in den Vordergrund
stellt wie zum Beispiel „Teilnehmen und Gewinnen!“.
Umfangreiche Erläuterungen und genaue Spezifikationen zum Anlass der Befragung
sind im weiteren Text meist nicht notwendig, sondern blähen das Ganze nur unnötig auf.
Man kann sie aber eventuell hinter anklickbaren Links auf separaten Seiten platzieren, so
dass Teilnehmer bei Interesse darauf zugreifen können. Manchmal entscheidet man sich
sogar dafür, den kompletten Fragebogen zur Information und Transparenz vorab als pdf-
Download anzubieten. Dies kann verhindern, dass sich der eine oder andere Teilnehmer
erst einmal unter willkürlichen Angaben nur durchklickt, um vor der Teilnahme-Entschei-
dung den Inhalt des Fragebogens zu sehen.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Einladung bzw. Einleitung, der angesproche-
nen Person gute Argumente zu liefern, warum genau sie die Mühe auf sich nehmen sollte,
an der Befragung teilzunehmen. Hierzu gibt es einige bekannte Standardphrasen wie zum
Beispiel:

• „Wir möchten gezielt auf die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden eingehen.“
• „Es ist unser Ziel, unsere Produkte und Services ständig zu verbessern.“
• „Ihre Meinung ist uns wichtig!“

Zwar klingen diese Formulierungen in den Ohren des Forschers mitunter etwas abge-
droschen, hohl und lieblos bzw. erwecken den Eindruck, der Teilnehmer soll weniger
überzeugt als vielmehr überredet werden. Jedoch ist zu beachten, dass sie in den allermeis-
ten Fällen absolut der Wahrheit entsprechen: Die Meinung des Teilnehmers ist tatsächlich
40 2 Aufbau einer Online-Befragung

wichtig, denn genau diese möchte man mit der Befragung ja erfassen! Sonst würde man
sich die ganze Mühe ja gar nicht machen. Trotzdem sollte man Floskeln dieser Art nur
wenige Male im Projekt einsetzen, sonst wirken sie unglaubwürdig. Weiterhin kann es
nicht schaden, eine einmal lieb gewonnene Standardformulierung auch einmal umzustel-
len bzw. mit sinnvollen weiteren Argumenten oder genaueren Spezifikationen zum jeweili-
gen Thema anzureichern. Je genauer damit die Interessengebiete der potenziellen Teilneh-
mer getroffen werden, desto wahrscheinlicher wird deren Umfrageteilnahme.
Die Nennung der die Befragung durchführenden Institution sollte ebenfalls im ersten
Absatz erfolgen, denn der potenzielle Teilnehmer möchte in aller Regel wissen, mit wem
er es eigentlich zu tun hat. Im Fall der Einladung per E-Mail oder Brief kann diese Infor-
mation auch bereits aus der Absenderadresse hervorgehen. Falls es sich um eine Befra-
gung handelt, die von einem fremden (technischen) Dienstleister für das Auftrag gebende
Unternehmen durchgeführt wird, so können an dieser Stelle auch beide beteiligten Par-
teien erwähnt werden. Dies hängt davon ab, inwieweit der Auftraggeber den Dienstleister
zur Vermittlung von Seriosität und Datensicherheit in den Vordergrund stellen möchte
oder nicht. Grundsätzlich ist es aber meistens eher von Vorteil, wenn der Absender (als
Person oder Unternehmen) dem Empfänger auch namentlich bekannt ist, was bei einem
Marktforschungs-Dienstleister häufig nicht unbedingt der Fall ist.
Das Für und Wider des Einsatzes von Incentives in verschiedenen Formen wird in
Abschnitt 5.9.2 detailliert angesprochen. Für den Fall, dass Incentives irgendeiner Art
eingesetzt werden, sollte auch diese Information Teil der Einladung bzw. der Einleitung
sein. Da die geplanten Belohnungen als Teilnahmemotivatoren angesehen werden – sonst
würde man sie nicht einsetzen – sollten selbige auch im oberen Bereich des Textes erwähnt
werden. Nur so werden sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch wahrgenommen
und können ihre gewünschte Wirkung entfalten. Abgesehen von der Frage des Wertes
der Incentives scheint es für seriöse Marktforschung allerdings weniger empfehlenswert,
die Belohnung ganz an den Anfang zu stellen bzw. als zentrale Argumentationslinie für
die Teilnahme zu verwenden, denn hierdurch könnte ein gewisses „Schnäppchenjäger“-
Verhalten gefördert werden. Incentives sollten eine Anerkennung darstellen und nicht das
wichtigste Teilnahmemotiv im Sinne von „Teilnehmen und Gewinnen!“.
Ein weiteres Element der Einladung bzw. Einleitung sollte die möglichst klare und
genaue Darstellung des Zeitbedarfs sein. Die verlockende Methode, hier deutlich zu unter-
treiben, um den Probanden zur Teilnahme an einer vermeintlich kurzen Befragung zu
überreden, ist aber nicht empfehlenswert. Da bei Online-Befragungen kein Interviewer
präsent ist, fällt dem Teilnehmer die Entscheidung, das Interview vor dem Ende des Fra-
gebogens abzubrechen, nämlich überaus leicht. Und ein verärgerter Teilnehmer, der nach
20 Minuten immer noch nicht mit einem angeblichen Zehn-Minuten-Interview fertig ist,
hilft in den meisten Fällen auch nicht weiter.
Allerdings gibt es bei der Bestimmung des ungefähren Zeitbedarfs verschiedene Prob-
leme. Zum einen ist das Lese- und Entscheidungsverhalten inter-individuell verschieden,
zum anderen kann im Fall von Verzweigungen im Fragebogen durch Filterführungen die
Fragenanzahl und damit der Zeitbedarf je Teilnehmer mitunter deutlich variieren. Auch
Einladung und Einleitung 41

die Verwendung von Freitextfeldern, die teilweise mit sehr viel Text ausgefüllt werden,
führt zu einer hohen Spannweite bei der Teilnahmezeit. Häufig wird deshalb in Ergebnis-
berichten der Median als durchschnittliche Teilnahmezeit angegeben und nicht der durch
Ausreißer eventuell verzerrte Mittelwert.
Erfahrene Online-Forscher greifen zur Angabe des Zeitbedarfs meist auf Erfahrungs-
werte zurück, für weniger erfahrene empfiehlt sich eventuell ein kurzer Pretest mit weni-
gen Befragten, um eine durchschnittliche Teilnahmezeit zu ermitteln. Hierbei ist darauf zu
achten, dass die Pretester die Umfrage auch wirklich „bearbeiten“ und echte Entscheidun-
gen treffen und sich nicht nur durch den Fragebogen „durchklicken“. Zur Einschätzung
kann auch auf Faustregeln zurückgegriffen werden wie beispielsweise die Annahme, dass
ein durchschnittlicher Teilnehmer ca. zwei bis drei Fragen pro Minute ausfüllt. Dies gilt
jedoch nur für einen ausgewogenen Fragenmix, da der Arbeitsaufwand pro Einzelfrage
sehr unterschiedlich sein kann.
Bei der Formulierung der Zeitangabe empfiehlt sich eine nicht allzu festgelegte Aus-
sage. Hier können beispielsweise Circa-Angaben oder geringe Zeitspannen verwendet
werden. Eine interessante, wenngleich recht lange Formulierung, welche gelegentlich von
einem renommierten Online-Institut verwendet wird, ist folgende: „Eine Personengruppe
mit durchschnittlichen Befragungserfahrungen hat für die Beantwortung des Fragebogens
etwa 6 bis 8 Minuten benötigt.“
Falls der Teilnehmer den Fragebogen nicht sofort ausfüllen muss – zum Beispiel bei Ein-
ladung per E-Mail – so ist in den meisten Fällen auch die Angabe eines Schlussdatums für
die Umfrage empfehlenswert (eventuell mit Nennung des Wochentages). Die Zeitspanne
sollte zum einen – falls es die Umstände erlauben – lang genug gewählt werden, dass kurz-
fristige Nicht-Erreichbarkeiten durch Urlaub bzw. seltenen E-Mail-Abruf zum Großteil
abgedeckt werden, aber auch kurz genug, dass der Eindruck einer gewissen Dringlichkeit
und Wichtigkeit entsteht. Üblich sind hier – je nach Anwendungszweck der Befragung – ein
bis vier Wochen ab Einladung. Ist die Teilnahmequote kurz vor dem Ende des Zeitraums
noch nicht befriedigend, kann immer noch über das Versenden eines Reminders (Erinne-
rung zur Teilnahme, siehe Abschnitt 2.4) und eventuell sogar eine Verlängerung der Feldzeit
entschieden werden. Zu lange Teilnahmezeiträume – zum Beispiel länger als vier Wochen
– sind nur bei Vorliegen besonderer Gründe gerechtfertigt, denn sie führen nicht selten
dazu, dass das Interview auch von eigentlich teilnahmewilligen Personen zunächst einmal
aufgeschoben und die Einladung dann vergessen oder in der Annahme wieder gelöscht
wird, dass die Befragung doch sicher schon abgeschlossen sei.
Mitunter findet man aber auch Anwendungsfälle, bei denen im Rahmen der Einladung
kein Schlussdatum angegeben wird. Dies wird beispielsweise häufig von Panel-Dienst-
leistern so praktiziert, die allerdings in der Regel auch eher kurze Feldzeiten unter einer
Woche bevorzugen und sich auf die Personen beschränken, die in diesem Zeitraum ohne
eine Erinnerung auch antworten. Ebenso kann auch die Vorgehensweise gewählt werden,
zunächst nur eine „weiche“ Formulierung wie zum Beispiel „in den nächsten Tagen …“
zu verwenden und dann operativ – je nach Rücklaufquote – zu entscheiden, ob noch ein
Reminder versendet wird, der dann ein Schlussdatum enthält.
42 2 Aufbau einer Online-Befragung

Oftmals folgt an dieser Stelle nun bereits der Umfragelink oder ein Start-Button, der
zur ersten Frage führt oder – im Fall der E-Mail-Einladung – den Internet-Browser öff-
net und damit zur Online-Umfrage leitet. Dies hat den Vorteil, dass dem Probanden die
wesentlichen Details nun bekannt sind, während die restlichen Angaben – falls überhaupt
noch welche folgen – nur bei Interesse gelesen werden müssen. Alternativ kann die Ver-
linkung zur Umfrage auch erst am Ende der Einladung bzw. Einleitung platziert werden.
Gelegentlich finden sich auch Texte mit zweifacher Platzierung der Verlinkung, einmal in
der Mitte nach den wichtigsten Elementen und dann nochmals am Ende.
Erfolgt bei Verwendung von E-Mails die Verlinkung nicht mit Hilfe eines referenzie-
renden Links oder Buttons „Umfrage starten“ oder ähnlichem, sondern durch Angabe
einer meist längeren und kryptisch aussehenden URL, so ist darauf zu achten, dass diese
kurz genug gehalten wird, um nicht einem möglichen Zeilenumbruch zum Opfer zu fallen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass versendete E Mails in den verschiedenen E-Mail-Pro-
grammen der Nutzer völlig unterschiedlich dargestellt werden können. Auch die Möglich-
keit, den Link direkt im E-Mail-Programm anzuklicken, ist zwar in den allermeisten Fäl-
len, aber dennoch nicht immer gegeben. Aus diesem Grund wird gelegentlich der Hinweis
für den Teilnehmer angefügt, er könne den Link entweder direkt anklicken oder komplett
in die Adresszeile des Browsers kopieren. Falls die Probanden per Brief angesprochen wer-
den, so ist darauf zu achten, eine möglichst einfache und kurze URL anzugeben, da diese
von Hand in das Adressfeld des Browsers eingetippt werden muss. Hier kann man auch
mit einer automatischen Weiterleitung arbeiten, welche dann zur tatsächlichen Umfrage-
URL führt.
Wird die Befragung als code-geschützte Version durchgeführt – das heißt jeder Pro-
band benötigt zur Teilnahme eine gültige Zeichenkombination als Code, wie in Abschnitt
5.7 genauer beschrieben wird – so bieten viele Software-Tools die Möglichkeit, diesen Code
nach einer bestimmten Syntax in den Umfragelink zu integrieren. Dies hat für die einge-
ladene Person den Vorteil, dass der Zugangscode nicht von Hand oder mit „Copy&Paste“
eingegeben werden muss. Aus organisatorischen oder sonstigen Gründen ist jedoch gele-
gentlich die explizite Angabe des Codes notwendig, welcher vom Teilnehmer dann in ein
dafür vorgesehenes, einzeiliges Texteingabe-Feld auf der Umfrage-Startseite einzugeben
oder hinein zu kopieren ist. Die Angabe des individuellen Codes erfolgt dann in der Ein-
ladung meist direkt unterhalb des Umfragelinks.
Code-geschützte Online-Befragungen haben in der Regel den Vorteil, dass sie eine
Teilnahme „in Etappen“ gestatten, was sich vor allem bei relativ umfangreichen Fragebö-
gen positiv auf die Teilnahmequote auswirkt. Ist diese Möglichkeit bei einer Online-Befra-
gung gegeben, so sollte in der Einladung bzw. in der Einleitung auch darauf hingewiesen
werden. Hiermit wird dem Probanden vermittelt, dass er selbst entscheiden kann, in wel-
chen Zeitabschnitten er das Interview durchführen möchte und dass er auch im Falle einer
unerwarteten Unterbrechung nicht nochmals von vorne beginnen muss.
Gibt es sonstige Details und Hinweise, die beim Ausfüllen der Befragung zu beach-
ten sind, so gehören diese Informationen in die Einleitung und nicht in die Einladung.
Dies kann beispielsweise der Hinweis auf einen mitlaufenden Fortschrittsbalken in der
Einladung und Einleitung 43

Umfrage sein. Oder Informationen zu Fragen, die auch „keine Angabe“ gestatten, wenn
man sie nicht beantworten kann oder möchte. Weiterhin Informationen zum Aufbau des
Fragebogens oder zur Verwendung der Navigations-Funktionen (Weiter und Zurück) in
der Umfrage. Wichtige Details, die sich aber nur auf einzelne Fragen beziehen – wie bei-
spielsweise der Einsatz von speziellen, nicht selbsterklärenden Skalen – sollten hingegen
erst im Verlauf des Interviews an passender Stelle erläutert werden.
Bei Befragungen auf Webseiten wird häufig auf nähere Angaben zu Datenschutz und
Anonymität des Teilnehmers verzichtet, da durch den Charakter des öffentlichen Zugangs
zu diesen Befragungen die Missbrauchsgefahr durch Zuordnung von Daten zur Person
als eher unwahrscheinlich wahrgenommen wird, was tatsächlich auch korrekt ist. Hinzu
kommt, dass in Befragungen dieser Art meist keine „heiklen“ Fragen vorkommen, deren
Beantwortung bei nicht ausreichender Anonymität eventuell als unangenehm empfunden
werden könnte.
Im Rahmen von Befragungen mit persönlicher Teilnehmeransprache (in der Regel per
E Mail) und insbesondere bei Online-Mitarbeiterbefragungen sind verbindliche Angaben
zu diesen Aspekten aber nicht verzichtbar. Es sollten hier in jedem Fall wahrheitsgemäße
Angaben zur Rückverfolgbarkeit eines Teilnehmers bzw. zur eventuellen Verknüpfung von
Personen- und Sachdaten (Thema Anonymität) sowie zu den Maßnahmen zum Schutz
der Daten vor fremden Zugriffen erfolgen (Thema Vertraulichkeit). Wenn bei Online-
Mitarbeiterbefragungen im Vorfeld eine Institution der Arbeitnehmervertretung (in der
Regel Betriebsrat) zur Kontrolle oder Genehmigung der Befragung einbezogen wurde, was
allgemein üblich und empfehlenswert ist, so sollte auch diese Information nun Erwäh-
nung finden. Zentral ist in jedem Fall, dass die entscheidenden Gegebenheiten bezüglich
Datenschutz, Vertraulichkeit und Anonymität kurz beschrieben werden. Allzu ausführ-
liche Erläuterungen in dieser Hinsicht sind eher hinderlich und fördern eventuell sogar
noch das Misstrauen bzw. weisen den Teilnehmer vielleicht erst auf das Thema „Identi-
fizierbarkeit im Internet“ hin. Eine sinnvolle Option ist auch eine kurze Erläuterung plus
die Verlinkung auf ein ausführlicheres Dokument, beispielsweise in Form einer eingebun-
denen pdf-Datei.
Die letzte Angabe in der Einladung oder Einleitung kann die Angabe eines direkten
Ansprechpartners, einer E-Mail-Adresse und/oder einer Telefonnummer für weitere Fra-
gen der Teilnehmer oder für die Meldung technischer Probleme sein. Sinnvoll ist dies
allerdings nur im Rahmen von persönlichen Einladungen. Bei mehr oder weniger öffent-
lich zugänglichen Befragungen wird eine solche Information gegebenenfalls erst auf der
Schlussseite erwähnt. Allzu zahlreiche Anrufe oder E Mails der Teilnehmer braucht man
in aller Regel ohnehin nicht zu befürchten. Die Angabe an dieser Stelle dient eher als „ver-
trauensbildende Maßnahme“. Den Teilnehmern soll vermittelt werden, dass es im Zweifel
oder bei Problemen jemanden gibt, an den man sich wenden kann.
Zum Abschluss der Einladung und/oder Einleitung findet sich meist eine Dankesfor-
mel. Falls nicht bereits zuvor geschehen, sollte spätestens hier die durchführende Institu-
tion erwähnt werden, also zum Beispiel „Bereits an dieser Stelle herzlichen Dank für Ihre
Mühe, Ihre Beispiel AG!“. Erfahrungsgemäß positiv bewertet wird auch die Nennung eines
44 2 Aufbau einer Online-Befragung

Personennamens, eventuell ergänzt um eine eingescannte Unterschrift. Bei Kundenbefra-


gungen kann dies beispielsweise ein hochrangiger Vertreter des betreffenden Unterneh-
mens sein (Geschäftsführung), inklusive der Angabe der Position der Person.
Spätestens am Ende der Einladung bzw. der Einleitung muss nun – falls nicht bereits
zuvor erfolgt – ein Link oder Button zum Aufrufen bzw. Starten der eigentlichen Umfrage
platziert werden. Da nicht wenige Teilnehmer die einleitenden Texte nur überfliegen wer-
den, sollte dieser so gestaltet sein, dass er sofort beim ersten Blick auf den Text deutlich
erkennbar ist.
Die Reihenfolge der Platzierung der hier genannten Inhalte ist nicht in Stein gemeißelt.
Grundsätzlich hat es sich jedoch bewährt, die wichtigsten Informationen jeweils an den
Anfang zu platzieren und Details, die voraussichtlich nur wenige Teilnehmer tatsächlich
interessieren, ans Ende zu stellen. In Tabelle 2.1 werden die in diesem Abschnitt erläu-
terten Elemente einer Einladung bzw. Einleitung nochmals dargestellt und in Bezug auf
verschiedene Konstellationen eingeordnet.

Tab. 2.1 Textelemente der Einladung und Einleitung

Einleitung Einladung Einleitung


Kommunikationselement ohne E-Mail / nach
Einladung Brief Einladung
Persönliche Anrede 2 3 2
Nicht-persönliche Anrede / Grußformel 3 3 3
Umfragethema 3 3 2
Argumente zur Teilnahme / Motivation 3 3 2
Durchführende Institution / Auftragnehmer /
technischer Dienstleister
3 3 2
Incentives 3 3 2
Zeitbedarf 3 3 3
Schlussdatum / Befragungszeitraum 2 3 2
Umfrage-Button / Link 2 3 2
Start-Button / Start-Link 3 2 3
Zugangscode explizit 2 3 %ULHI 2
Hinweis auf Wiedereinstiegsmöglichkeit 2 3 3
Informationen zum Ablauf (Fragebogen-
Gliederung, Navigation, Fortschrittsanzeige)
3 2 3
Anonymität und Datenschutz 3 3 3
Kontaktdaten / Ansprechpartner / Hotline 3 3 2
Dankesformel 3 3 3
Persönlicher Absender 3 3 2
Start-Button / Start-Link 3 3 3
Einladung und Einleitung 45

Der Stil der Ausformulierung einer Befragungs-Einladung oder eines einleitenden


Textes unterliegt am Ende mehr oder weniger den generellen Kommunikationsgepflo-
genheiten bzw. dem Image und der Positionierung des betreffenden Unternehmens. Eine
traditionsreiche Uhren-Firma wird anders zu einer Befragung einladen als ein jugend-
lich orientiertes Modelabel. In dem einen Fall wird man eher altruistische Motive bei den
Teilnehmern ansprechen im Sinne des Nutzens für die Allgemeinheit, in dem anderen
Fall vielleicht eher egoistische, also den Wert für den Teilnehmer selbst. Und insgesamt
sollte die gesamte Kommunikation eine hohe Glaubwürdigkeit aufweisen. Oftmals gibt
es nur eine Chance, potenzielle Befragungsteilnehmer zu überzeugen, und man tut gut
daran, Irritationen durch eine unstimmige oder unglaubwürdige Kommunikation zu ver-
meiden. So oder so, die zuvor beschriebenen Inhalte sollten auf die eine oder andere Weise
größtenteils vorhanden sein. Im Folgenden werden diverse Textbeispiele aufgeführt, und
zwar jeweils eine Einladung und eine Einleitung zu einer Kundenbefragung sowie zu einer
Mitarbeiterbefragung.

Beispielhafte E-Mail-Einladung zu einer Kundenbefragung

Klartextname Absender: Kundenservice Beispiel GmbH


Absenderadresse: kundenbefragung@beispiel-gmbh.de
Betreff: Einladung zur Kundenbefragung - Sagen Sie uns die Meinung!

Sehr geehrter Herr Müller,


als Kunde der Beispiel GmbH erwarten Sie zu Recht hervorragende Leistungen von
Ihrem Dienstleister. Gerne würden wir von Ihnen erfahren, ob diese Erwartungen in
der Zusammenarbeit auch erfüllt werden und wie zufrieden Sie mit den Leistungen
sind. Nur so können wir uns kontinuierlich verbessern und uns konsequent an Ihren
Wünschen und Bedürfnissen als Kunde auszurichten.
Die Beispiel GmbH hat ein unabhängiges Marktforschungsunternehmen mit der
Durchführung dieser Kundenbefragung beauftragt. Ihre Adresse wurde neben vielen
anderen aus dem aktuellen Kundenbestand ausgewählt - und wir laden Sie nun herz-
lich zur Teilnahme ein.
Das Ausfüllen des Fragebogens wird etwa 15 bis 20 Minuten dauern und ist selbstver-
ständlich anonym und freiwillig. Sie haben bis Freitag, den 10. Juni 2016 die Gelegen-
heit zur Teilnahme. Um die Umfrage aufzurufen, klicken Sie bitte auf den folgenden
Button:

Falls Sie die Umfrage zwischenzeitlich unterbrechen müssen, können Sie den Frage-
bogen zu einem späteren Zeitpunkt durch einen erneuten Klick auf diesen Button an
gleicher Stelle fortsetzen.
46 2 Aufbau einer Online-Befragung

Wir versichern Ihnen, dass alle Ihre Antworten absolut anonym und vertraulich
behandelt werden. Ihre Antworten werden lediglich in Form allgemeiner statistischer
Daten zur Auswertung herangezogen, das heißt sie sind in keinem Fall Ihrer Person
zuzuordnen.
Sollten Schwierigkeiten beim Ausfüllen auftreten oder Sie Fragen zur Umfrage haben,
können Sie sich jederzeit per E-Mail an uns wenden (kundenbefragung@beispiel-
gmbh.de).
Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung!
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Silie


Geschäftsführung Beispiel GmbH

Beispielhafte Einleitungsseite zu einer Kundenbefragung

Herzlich willkommen bei der Kundenbefragung der Beispiel GmbH!


Vielen Dank für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Befragung. Sie werden auf
selbsterklärende Weise durch den elektronischen Fragebogen geführt. Klicken Sie mit
dem Mauszeiger einfach auf das jeweilige Kästchen, das Ihrer Meinung am ehesten
entspricht. An vielen Stellen haben Sie auch die Möglichkeit, keine Angabe zu machen,
falls Sie etwas nicht beurteilen können oder eine Frage auf Ihre konkrete Situation
nicht zutreffen sollte.
Anhand einer mitlaufenden Anzeige, die Sie oben links auf jeder Seite sehen, können
Sie sich jederzeit orientieren, welchen Anteil des Fragebogens Sie bereits beantwor-
tet haben. Sollten Sie die Teilnahme unterbrechen müssen, schließen Sie einfach das
Umfrage-Fenster. Sie haben über den Ihnen zugestellten Internet-Link jederzeit die
Möglichkeit, wieder in Ihren Fragebogen einzusteigen und die Beantwortung fortzu-
setzen. Ihre bereits eingetragenen Antworten bleiben natürlich erhalten.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Einladung und Einleitung 47

Beispielhafte E-Mail-Einladung zu einer Mitarbeiterbefragung

Klartextname Absender: Mitarbeiterbefragung Muster Services AG


Absenderadresse: Muster-Services@dienstleistungsinstitut.de
Betreff: Persönlich / Vertraulich - Einladung zur Mitarbeiterbefragung 2016

Sehr geehrte Frau Müller,


wie in den letzten Wochen bereits angekündigt wurde, führen wir im Auftrag der
Muster Services AG eine Mitarbeiterbefragung durch, zu der wir Sie ab heute herzlich
einladen möchten. Ihre Meinung ist wichtig, denn die Muster Services AG möchte
wissen, wie Sie persönlich Ihre Arbeitsplatzsituation anhand verschiedener Kriterien
beurteilen. Sie helfen mit Ihrer freiwilligen Teilnahme, in Ihrem Sinne Anstöße für
Verbesserungen zu geben.
Über den folgenden Button gelangen Sie zu den Fragen, deren Beantwortung ca. 10
bis 15 Minuten in Anspruch nehmen dürfte. Sollten Sie die Bearbeitung unterbrechen
müssen, können Sie zu einem späteren Zeitpunkt über diesen Button wieder einsteigen:

Wichtiger Hinweis: Dieser Zugang darf nur von Anita Müller verwendet wer-
den. Bei Verwendung durch eine andere Person ergeben sich eventuell falsche
Abteilungszuordnungen.
Die Dienstleistungsinstitut GmbH führt diese Mitarbeiterbefragung als externes
Befragungsunternehmen durch. Ihre Angaben werden streng vertraulich und anonym
behandelt. Die Daten werden sowohl für die Muster Services AG insgesamt als auch
nach verschiedenen Organisationseinheiten ausgewertet. Wenn sich eine Organisati-
onseinheit aus weniger als 5 Personen zusammensetzt oder sich weniger als 5 Perso-
nen einer Organisationseinheit an der Befragung beteiligt haben, erfolgt keine separate
Auswertung für diese Gruppe. Die Ergebnisse fließen dann direkt in den übergeordne-
ten Bereich mit ein.
Bitte füllen Sie den Fragebogen bis einschließlich 10. Juni 2016 aus. Bei technischen
Fragen wenden Sie sich bitte unter Muster-Services@dienstleistungsinstitut.de direkt
an uns oder antworten Sie einfach auf diese Einladung.
Für Ihre Teilnahme an der Befragung vorab schon herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen


Dr. Melitta Mann
------------------------------------------------------------------
Dienstleistungsinstitut GmbH
Beispielstraße 11
12345 Musterstadt
48 2 Aufbau einer Online-Befragung

Beispielhafte Einleitungsseite zu einer Mitarbeiterbefragung

Herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, an der Muster Services Mitarbeiterbefra-


gung teilzunehmen. Ihre Meinung ist uns wichtig!
Nach dem Start der Befragung werden Sie auf selbsterklärende Weise durch den elek-
tronischen Fragebogen geführt. Die Antwortstufen sind über jedem Fragenblock auf-
gelistet. Bitte markieren Sie in der Befragung einfach das jeweilige Kästchen, das Ihrer
Meinung am ehesten entspricht. Es kann vorkommen, dass eine Frage für Sie und Ihre
Arbeitssituation nicht von Bedeutung ist oder nicht zu Ihrer Arbeit passt. Klicken Sie
bitte bei diesen Fragen das Kästchen „keine Angabe“ an.
Anhand eines mitlaufenden Fortschrittsbalkens auf jeder Seite können Sie sich jeder-
zeit orientieren, wie viele Fragen Sie bereits beantwortet haben. Sollten Sie die Teil-
nahme unterbrechen müssen, schließen Sie einfach das Umfrage-Fenster. Sie haben
über den Ihnen zugestellten Umfragelink jederzeit die Möglichkeit, wieder in Ihren
Fragebogen einzusteigen und die Beantwortung abzuschließen. Ihre bereits eingetra-
genen Antworten bleiben erhalten.
Ihre Teilnahme erfolgt freiwillig und anonym. Ihre Angaben werden absolut vertrau-
lich behandelt und verlassen zu keinem Zeitpunkt die Dienstleistungsinstitut GmbH,
welche diese Mitarbeiterbefragung im Auftrag der Muster Services AG durchführt.
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Fragebogen jeweils die
„männliche“ Formulierung gewählt (zum Beispiel Mitarbeiter). Gemeint sind aber
selbstverständlich immer beide Geschlechter.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Mitarbeiterbefragung starten

Noch ein abschließender Hinweis zur Gestaltung von E-Mail-Einladungen: Es kann


nicht in allen Fällen davon ausgegangen werden, dass eine mehr oder weniger aufwändig
formatierte Nachricht auch genauso beim Empfänger ankommt. Dies hängt vom jeweils
verwendeten E-Mail-Programm des einzelnen Empfängers ab bzw. von den gewählten
Einstellungen desselben. Es kommt durchaus häufiger vor, dass sogenannte HTML-Mails
nicht dargestellt werden können und somit beispielsweise der gewünschte Fettdruck oder
die erwartete Unterstreichung nicht erscheinen. Wenn dieses noch verschmerzbar ist, so
ist die Technik spätestens dann relevant, wenn der Button nicht angezeigt werden kann,
der den Teilnehmer eigentlich zur Umfrage führen soll. Aus den genannten Gründen
sollte man zur Versendung von Umfrage-Einladungen eine Software verwenden, mit der
die Nachrichten parallel sowohl im HTML-Format als auch im reinen Textformat edi-
tiert und verschickt werden können. Dies gilt in erster Linie dann, wenn es sich um einen
heterogenen Teilnehmerkreis handelt, bei dem keine Informationen über die verwendeten
E-Mail-Programme vorliegen. In Benutzerkreisen, in denen beispielsweise alle Personen
„MS Outlook“ oder ein anderes HTML-fähiges Programm verwenden, kann hierauf even-
tuell auch verzichtet werden.
Fragenteil 49

2.2 Fragenteil

Die wichtigsten Elemente eines Online-Fragebogens sind natürlich die Fragen und Ant-
worten. Diesbezüglich unterscheidet sich die Online-Befragung nicht von anderen Varian-
ten. Die sogenannte „Auszeichnungssprache“ HTML, auf der alle Seiten im Internet basie-
ren, bietet verschiedene Möglichkeiten, Formulare auf dem Bildschirm des Anwenders
darzustellen und damit Daten abzufragen. Hinzu kamen in jüngerer Zeit weitere Kom-
ponenten wie zum Beispiel HTML5-, CSS-, JavaScript- und Ajax-Elemente oder die fast
schon wieder veralteten Flash-Programme, mit denen die ursprünglichen HTML-Funkti-
onen deutlich erweitert werden können. So können online nicht nur die wesentlichen Fra-
getechniken nachgebildet werden, die auch bei anderen Befragungsverfahren zum Einsatz
kommen. Heutige Online-Befragungen gehen mit grafisch animierten Verfahren teilweise
sogar deutlich darüber hinaus und ermöglichen ganz neue Formen der Datenerhebung
bzw. Messung.

2.2.1 Verschiedene Fragetypen

Grundsätzlich ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die am Markt verfügbaren Umfrage-
Software-Produkte im Wesentlichen immer auf die prinzipiell gleichen oder aber sehr
ähnlichen Fragetypen zurückgreifen, auch wenn ihnen bisweilen unterschiedliche Namen
gegeben werden. Über die in diesem Abschnitt erwähnten, grundsätzlichen Typen hinaus
gibt es sicherlich noch Möglichkeiten zur Kombination und Ableitung weiterer Formen.
Die Frage der optischen Gestaltung der Fragetypen ist an dieser Stelle zunächst sekundär,
denn es geht um die grundsätzliche Funktion und Anordnung der angezeigten Texte, der
Klickbuttons, der Eingabefelder und anderer Elemente. Aus diesem Grund sind die auf
den folgenden Seiten gezeigten Umsetzungsbeispiele auch eher einfach gehalten. Ebenso
erheben sie keinen Anspruch auf eine besondere methodische oder semantische Qualität.
Sie sollen lediglich das jeweilige Erhebungsprinzip verdeutlichen.

Einfachauswahl
Bei diesem Fragetyp wird aus allen angebotenen Antworten nur eine einzige zugelassen.
Bei der Auswahl einer Option wird eine andere, zuvor bereits markierte Antwort deakti-
viert. Die Antworten sind in aller Regel vertikal angeordnet und die Buttons finden sich
links von den Antworten, seltener rechts davon. Liegen sehr viele Antwortoptionen vor,
so werden diese häufig auch in mehreren Spalten angeordnet. Einzeilige Matrixfragen in
horizontaler Anordnung könnte man ebenfalls der Einfachauswahl zuordnen. Einfach-
auswahl-Fragen empfehlen sich gegenüber den im Ergebnis mehr oder weniger gleich-
wertigen Dropdown-Feldern immer dann, wenn alle möglichen Antworten bereits beim
Laden der Seite angezeigt werden sollen. Abbildung 2.1 zeigt einige Umsetzungsbeispiele
für Einfachauswahl-Fragen.
50 2 Aufbau einer Online-Befragung

Abb. 2.1: Umsetzungsbeispiele für Einfachauswahl-Fragen

Dropdown-Feld
Das Dropdown-Feld ist vom Charakter her mit der Einfachauswahl gleichzusetzen. Der
Unterschied ist allerdings, dass man es mit einem Klick zunächst „aufklappen“ muss, um
die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zu sehen, von denen man dann mit einem wei-
teren Klick genau eine auswählen kann. Liegen mehr Antwortmöglichkeiten vor als am
Bildschirm vertikal darstellbar, so wird ein zusätzlicher Scrollbalken angezeigt, mit dem
man die weiter unten bzw. oben liegenden Optionen erreichen und auswählen kann. Somit
ist das Ausfüllen insgesamt etwas aufwändiger für den Teilnehmer als bei einer normalen
Einfachauswahl.
Die Tatsache, dass nicht immer sofort alle möglichen Antworten sichtbar sind, ist ein
Nachteil des Dropdown-Feldes. Es hat sich in Experimenten gezeigt, dass dies bei einer
höheren Anzahl von Optionen durchaus einen Einfluss auf die Auswahl haben kann, weil
die zuerst sichtbaren Antworten etwas bevorzugt ausgewählt werden. Der Vorteil des
Fragenteil 51

Dropdown-Feldes ist andererseits, dass gegenüber der Einfachauswahl eine Menge Platz
auf dem Bildschirm „gespart“ werden kann, vor allem dann, wenn auf einer Seite meh-
rere Dropdown-Felder verwendet werden. Aus den genannten Gründen empfiehlt sich
der Einsatz von Dropdown-Feldern zum einen für relativ kurze Antwortlisten oder für
längere Listen, mit denen einfache Fakten zum Teilnehmer abgefragt werden. Hiermit
sind beispielsweise die Angabe des Bundeslandes, des Geburtsmonats oder der Automarke
gemeint. Der Teilnehmer sollte im Idealfall beim Lesen der Frage die für ihn zutreffende
Antwort bereits kennen, bevor er das Dropdown-Feld anklickt. Nur dann wird er in einer
längeren Liste auch zuverlässig nach der korrekten Antwort suchen, scrollen und diese aus-
wählen. Abbildung 2.2 zeigt einige typische Umsetzungsbeispiele für Dropdown-Felder.

Mehrfachauswahl
Bei der Mehrfachauswahl-Frage wird entweder eine beliebige Zahl oder eine bestimmte
Anzahl (größer als 1) von Antwortoptionen aus einer Liste zugelassen. Dieser Fragetyp
ist dann zu wählen, wenn mehr als eine Antwort gleichzeitig auf die Frage zutreffen kann.
Dies ist beispielsweise bei der Abfrage der Bekanntheit verschiedener Marken oder der
Angabe der drei wichtigsten Merkmale eines Produkts der Fall. Im Grunde handelt es sich
also um eine Aneinanderreihung mehrerer Ja/Nein-Entscheidungen. Häufig gibt es auch
eine exklusive Ausweichkategorie wie „keine der genannten“ oder „weiß nicht“, die nicht
gleichzeitig mit einer anderen Option gewählt werden kann, da sie alle anderen Antworten
logisch ausschließt. Abbildung 2.3 illustriert zwei Beispiele zu diesem Fragetyp.

Abb. 2.2: Umsetzungsbeispiele für Dropdown-Felder


52 2 Aufbau einer Online-Befragung

Abb. 2.3: Umsetzungsbeispiele für Mehrfachauswahl-Fragen

Gelegentlich wird die Mehrfachauswahl auch mit dem Begriff „Multiple Choice“
belegt, was jedoch eher verwirrend ist, da hiermit auch ein Prüfungsverfahren beschrieben
wird, das aus vielen verschiedenen Fragen besteht, bei denen jedoch in aller Regel nur eine
einzige Antwort sinnvoll bzw. korrekt ist.
Ein spezifisches Problem der Mehrfachauswahl, welches insbesondere bei längeren Lis-
ten von Auswahlmöglichkeiten vorkommen kann, ist die Gefahr, dass nicht alle Items tat-
sächlich auch gelesen bzw. wahrgenommen werden. Aus diesem Grund ist die Option der
Randomisierung der Antworten bei diesem Fragetyp besonders sinnvoll. Damit wird das
Problem der Nicht-Wahrnehmung zwar im Grunde nicht gelöst, aber wenigstens zufällig
auf alle Antworten verteilt. Ein Lösungsansatz wäre es, bei jedem Item eine bewusste Ja/
Nein-Entscheidung in Form eines Klicks herbeizuführen. Wenn beispielsweise die Kennt-
nis bestimmter Marken gefragt ist, so müsste ein Proband in diesem Fall bei jeder Marke
angeben, ob er sie kennt oder nicht. Abgesehen davon, dass es sich dann nicht mehr um
eine Mehrfachauswahl, sondern um eine Matrixfrage handelte, wäre dieses Vorgehen für
die Teilnehmer natürlich weitaus anstrengender und zeitintensiver.

Auswahllisten
Bei den Auswahllisten handelt es sich rein technisch um Dropdown-Felder, die allerdings
bereits bis zu einem gewissen Grad „aufgeklappt“ sind. Von den möglichen Antwortop-
tionen werden also mehrere oder – je nach Definition – auch alle sofort angezeigt. Im
Unterschied zum Dropdown-Feld können Auswahllisten sowohl mit Option zur Einfach-
auswahl als auch mit Option zur Mehrfachauswahl ausgestaltet werden. Insofern sind sie
methodisch mit den klassischen Einfachauswahl- bzw. Mehrfachauswahl-Fragen gleichzu-
setzen. Der Unterschied ist lediglich, dass es keine Buttons zum Klicken gibt, sondern der
Teilnehmer direkt auf den jeweiligen Antworttext klickt.
Auswahllisten werden in heutigen Online-Befragungen nur noch selten verwendet, da
sie altmodisch aussehen und gegenüber der Einfach- bzw. Mehrfachauswahl auch keine
Fragenteil 53

Abb. 2.4: Umsetzungsbeispiele für Auswahllisten

wirklichen Vorteile bieten. Darüber hinaus muss der Teilnehmer bei einer Auswahlliste
mit Mehrfachauswahl-Option die Strg-Taste der Tastatur gedrückt halten, um mehr als
eine Antwort markieren zu können. Wenngleich man diese Information im Text vorgeben
könnte, ist diese Form der Eingabe eher unkomfortabel und birgt das Potenzial für nicht-
erwünschte Fehleingaben. In Abbildung 2.4 finden sich hierzu zwei Beispiele.

Texteingabe
Die Texteingabe-Frage bietet die Option, einer Online-Befragung offene Fragen hinzu-
zufügen, also Fragen, bei denen die Antworten nicht vorgegeben sind, sondern vom Teil-
nehmer selbst über die Tastatur eingetippt werden müssen. Texteingabe-Felder können
entweder für sich alleine stehen oder auch dazu verwendet werden, eine zuvor angeklickte
Antwort – zum Beispiel in einer Einfachauswahl- oder Mehrfachauswahl-Frage – zu
ergänzen bzw. zu spezifizieren. Eine Anwendung für den letztgenannten Fall findet sich
bereits weiter vorn in diesem Abschnitt bei den Beispielen zur Einfachauswahl-Frage.
Die Höhe und die Breite des Texteingabe-Fensters können normalerweise frei bestimmt
werden. Wobei im Fall der Antwortergänzung einer „Klickfrage“ kaum etwas anderes als
einzeilige Texteingabe-Felder sinnvoll sind. Hier ist dann jedoch eine sinnvolle Breite zu
wählen, das heißt entweder eine Breite, die mit den definierten Formatvorgaben korres-
pondiert (zum Beispiel eine vierstellige Jahreszahl) oder eine Breite, die in etwa der erwar-
teten Textmenge in diesem Feld entspricht. Die Breite des Feldes hat nicht notwendiger-
weise etwas damit zu tun, wie viele Zeichen man eintragen kann. Falls keine Beschränkung
vorliegt, beginnt der eingegebene Text in einzeiligen Texteingabe-Feldern automatisch
horizontal im Fenster zu „fließen“, sobald er die Feldgrenze erreicht hat und weitere Zei-
chen eingegeben werden. Die Option der Textmengenbegrenzung wird in Abschnitt 2.2.3
besprochen.
Die Bereitschaft von Teilnehmern, etwas in ein Sonstiges-Feld einzutragen, sollte aber
nicht überschätzt werden. In Experimenten kann gezeigt werden, dass Teilnehmer deutlich
54 2 Aufbau einer Online-Befragung

lieber eine andere, nur halb zutreffende Antwort wählen, als „Sonstiges“ anzuklicken und
dies in einem Textfeld zu spezifizieren. Die methodische und technische Möglichkeit,
ein solches Feld anzubieten, befreit also nicht von der Pflicht, möglichst von vornherein
erschöpfende Antwortkategorien vorzugeben.
Bei mehrzeiligen Texteingabe-Feldern sollte das Verhältnis von Höhe und Breite zum
einen optisch „gefällig“ eingestellt und zum anderen im Kontext mit eventuellen weiteren
Texteingabe-Feldern auf der gleichen Seite oder im weiteren Verlauf der Umfrage abge-
stimmt werden. Wenn längere Texte zu erwarten sind, so sollte zusätzlich vorab getestet
werden, ob der automatische Zeilenumbruch im Feld bei der Texteingabe noch einen har-
monischen Lesefluss erlaubt. Zu lange oder zu kurze Textzeilen wirken an dieser Stelle für
den Teilnehmer eher unkomfortabel. Wenn bei mehrzeiligen Texteingabe-Feldern keine
Begrenzung der Zeichenanzahl eingestellt ist, so kann auch hier in der Regel beliebig viel
Text eingetragen werden. Sobald der Text die untere Grenze erreicht, wird er automatisch
nach oben gescrollt und ein Scrollbalken wird am rechten Rand des Feldes sichtbar.
Zu guter Letzt ist bei Texteingabe-Feldern zu bedenken, dass die Größe des angebo-
tenen Feldes auch Auswirkungen auf die Textmengen haben kann, die die Teilnehmer als
Antworten eintragen. Kleinere Texteingabe-Felder bewirken zum Teil eher knappere Ant-
worten, größere und unbeschränkte Felder führen nicht selten zu längeren, ausführliche-
ren Beiträgen der Befragten (siehe hierzu auch den Exkurs am Ende von Abschnitt 2.2.5).
Die Feldgröße wird offenbar von Seiten der Teilnehmer als Erwartungshaltung der For-
scher interpretiert. Wenn beispielsweise nur Stichworte zu einem Thema gefragt sind, so
bietet es sich an, mehrere einzeilige und relativ kurze (eventuell nummerierte) Eingabe-
Felder vorzusehen. Wenn eine ausführliche Beschreibung gewünscht ist, dann darf es auch
ein richtig großes Texteingabe-Feld sein. Der Effekt der Abhängigkeit von Feldgröße und
Textmenge ist allerdings sehr stark von der Fragestellung und von der Teilnehmergruppe
abhängig. Noch ein Hinweis: In den neuesten Browsern kann ein Nutzer mitunter die
Größe eines Textfeldes auf einer Internetseite eigenmächtig durch „Ziehen an einer Ecke“
verändern. Abbildung 2.5 legt einige Beispiele für typische Texteingabe-Fragen dar.

AutoComplete-Texteingabe
Bei dieser Frageform handelt es sich quasi um die Verschmelzung eines Texteingabe-Fel-
des mit einem Dropdown-Feld. Die Erscheinung ist zunächst die einer einzeiligen Tex-
teingabe. Sobald die ersten Buchstaben eingetippt werden, sucht ein Algorithmus in einer
zuvor definierten und festen Antwortliste nach den verfügbaren Antwortmöglichkeiten,
die die eingetragenen Buchstaben enthalten. Diese verbleibenden Möglichkeiten werden
als Dropdown-Liste unter dem Texteingabe-Feld eingeblendet, in der man schließlich die
gewünschte Antwort anklicken kann (Beispiel siehe Abbildung 2.6). Das Prinzip ist vielen
Internetnutzern von verschiedenen Anwendungen her bekannt – zum Beispiel einer Orts-
auswahl bei Reisebuchungen – und kann auch in der Marktforschung eingesetzt werden.
Diese Vorgehensweise bietet sich vor allem dann an, wenn die gewünschte Antwortliste
so lang ist, dass sie nicht sinnvollerweise in einem echten Dropdown-Feld unterzubringen
bzw. zu überblicken ist. Ob der erwähnte Algorithmus so einzustellen ist, dass er auch
Fragenteil 55

Abb. 2.5: Umsetzungsbeispiele für Texteingabe-Fragen

Abb. 2.6: Umsetzungsbeispiel für AutoComplete-Texteingabe

Textantworten zulässt, die nicht in der definierten Antwortliste enthalten sind, muss der
Forscher nach Sachlage entscheiden. Das gleiche gilt für die Frage, ob in der dynamisch
generierten Dropdown-Liste nur die Antworten erscheinen, deren Anfangsbuchstaben
mit dem eingetragenen Text übereinstimmen oder ob dieser Text nur irgendwo in der
Antwort enthalten sein muss.

Matrixfrage
Eine Matrixfrage bietet die Möglichkeit, in mehreren Zeilen unterschiedliche Aspekte abzu-
fragen und diese in beliebig vielen Spalten – aber immer mit denselben Antwortoptionen
– bewerten zu lassen. Sie weist also eine tabellenartige Struktur auf. In der Regel bilden die
Spalten eine bestimmte Skala ab, beispielsweise zur Einstufung des Ausmaßes der Zufrie-
denheit, der Zustimmung oder einer Wahrscheinlichkeit. Die abgefragten Aspekte werden
auch „Items“ genannt und weisen gewöhnlich irgendeine inhaltliche Kohärenz auf, der auch
im Fragetext zum Ausdruck kommt, der sich quasi auf alle dargestellten Items bezieht.
56 2 Aufbau einer Online-Befragung

Matrixfragen erscheinen dem Forscher zunächst ungeheuer „praktisch“, aber im


Grunde handelt es sich ja nicht um eine einzige Frage, sondern um mehrere (gleich der
Anzahl der Items), weil der Teilnehmer ja auch mehrere Entscheidungsprozesse durchlau-
fen muss. Nichtsdestotrotz sparen sie gegenüber der Variante, jede Frage einzeln zu stellen,
dem Teilnehmer etwas Zeit ein, was mit der Reduzierung von Text und einem gewissen
Übungseffekt auf Seiten des Teilnehmers zusammenhängt.
Auf der anderen Seite muss jedoch auch bedacht werden, dass Matrixfragen – speziell
wenn sie mehr als ein paar wenige Items aufweisen – beliebte Abbruchstellen in einem
Online-Fragebogen sind, weil sie für den Teilnehmer einen hohen kognitiven Arbeits-
aufwand bedeuten. Hinzu kommt gelegentlich eine Tendenz der Fragebogenentwickler,
Matrixfragen mit zu vielen Items zu überfrachten, weil dies „gefühlt“ die Gesamtzahl der
Fragen nicht erhöht, was de facto natürlich trotzdem der Fall ist. Besonders schwierig wird
es, wenn dann auch noch eine substanzielle Anzahl von Teilnehmern per Smartphone
mitmachen möchte. Hier sind dann geeignete Anpassungsmechanismen für Matrixfragen
einzusetzen, wie sie in Abschnitt 5.5 beschrieben werden.
Eine Empfehlung für die Maximalzahl von Antworten kann kaum gegeben werden.
Dies hängt immer vom Kontext und vor allem von der Teilnehmermotivation an dieser
Stelle ab. In aller Regel ist es ausreichend, bei diesem Thema seinen gesunden Menschen-
verstand entscheiden zu lassen. Nicht selten ist es insgesamt auch günstiger, eine zu lange
Matrixfrage auf zwei oder mehr Bildschirme hintereinander aufzuteilen – am besten mit
jeweils unterschiedlicher Itemzahl zur Vermeidung von Gleichförmigkeit. Aber es gibt
auch Anwendungsfälle, in denen die Teilnehmer eine Matrixfrage mit mehr als 10 Items
anstandslos ausfüllen.
Ein wichtiger Anwendungsfall für Matrixfragen sind die sogenannten Statement-Bat-
terien. Hierbei handelt es sich um einzelne, satzartige Aussagen, zu denen man als Teil-
nehmer jeweils das Ausmaß seiner Zustimmung oder Ablehnung angeben soll (oder des
Zutreffens bzw. Nicht-Zutreffens). Der große Vorteil von Statement-Batterien ist, dass man
meist auch dann immer die gleiche Skala verwenden kann, wenn die einzelnen Fragen
auf jeweils völlig andere Dinge abzielen. Ein kurzes, vereinfachtes Beispiel hierzu zeigt
Tabelle 2.2.

Tab. 2.2 Matrixfragen mit mehreren verschiedenen Skalen

Frage Mögliche Skala


Wie zuverlässig erleben Sie unsere Berater
in Bezug auf das Einhalten von zugesagten absolut zuverlässig <-> absolut unzuverlässig
Terminen und Versprechen?
Wie verständlich werden Sie im Fall von
sehr verständlich <-> völlig unverständlich
Unklarheiten von unseren Beratern informiert?
Wie freundlich erleben Sie unser Berater in der
sehr freundlich <-> absolut unfreundlich
Kommunikation?
Fragenteil 57

Tab. 2.3 Matrixfragen mit einheitlicher Skala

Frage Mögliche Skala


Unsere Berater halten zugesagte Termine und
Versprechen zuverlässig ein.
Im Fall von Unklarheiten sind die Berater in der
stimme absolut zu <-> stimme absolut nicht zu
Lage, mich verständlich zu informieren.
Ich erlebe die Berater in der Kommunikation
als freundlich.

Wie man unschwer erkennt, entsteht hierdurch ein gewisses „Skalenwirrwarr“, das
sich ohne Schwierigkeiten im Fragebogen noch fortsetzen ließe, aber für den Teilnehmer
schlichtweg unkomfortabel ist. Die Statement-Batterie kann hier Abhilfe schaffen, da sie
eine einheitliche Skala verwendet. Nochmals dasselbe Beispiel, aber mit immer der glei-
chen Skala, findet sich in Tabelle 2.3.
Insgesamt kann konstatiert werden, dass Matrixfragen mit einer begrenzten Anzahl
von Zeilen eine sinnvolle Sache sind. Sie nutzen den Bildschirm im Querformat gut aus
und sind einem erfahrenen Befragungs-Teilnehmer beispielweise auch von Papierfrage-
bögen her bekannt und „geübt“. Damit sich ein Proband in der Matrixtabelle optisch ori-
entieren kann, wird die Tabellenstruktur häufig noch mit Hilfe farblicher Hinterlegungen
oder Trennstrichen hervorgehoben. Ein Sonderfall der Matrixfrage ist die Ausführung mit
nur einer Zeile, womit eine solche Matrix der Einfachauswahl gleichkommt. Der Unter-
schied zu selbiger ist rein optischer Natur, weil nun die Antworten horizontal und die
Klickbuttons jeweils darunter und nicht daneben angeordnet sind. Dennoch ist bei der
Anwendung einer Skala diese Matrixform der (in der Regel vertikal orientierten) Einfach-
auswahl vorzuziehen. In Abbildung 2.7 werden noch zwei Beispiele angeführt.

Abb. 2.7: Umsetzungsbeispiele für Matrixfragen


58 2 Aufbau einer Online-Befragung

Eine besondere Form der Matrixfrage ist das sogenannte Semantische Differential, das
auch Polaritätsprofil genannt wird (siehe das Beispiel in Abbildung 2.8). Mit dieser Fra-
geform werden vor allem Image-Komponenten eines Bewertungsobjektes gemessen. Das
Bewertungsobjekt kann eine Marke oder ein Unternehmen sein, eine Person oder ein Pro-
dukt, eine Dienstleistung oder eine Idee. In jedem Fall ist das Objekt vom Teilnehmer auf
diversen, bipolaren Skalen einzustufen. Hier stehen sich immer Paare von gegensätzlichen
Begriffen gegenüber, wobei die Anzahl der Skalenpunkte dazwischen in der Regel zwi-
schen fünf und sieben liegt. Nicht selten fragt man sich jedoch als Teilnehmer, ob die Ska-
len denn auch zum Gegenstand passen. Diese Passung ist beim Semantischen Differential
nicht immer direkt erkennbar. So kann es durchaus vorkommen, dass man beispielsweise
ein Automobil zwischen „kreativ“ und „ideenlos“ oder eine Eismarke zwischen „schnell“
und „langsam“ einordnen muss. Es geht eben um die persönliche Vorstellungswelt, die
man mit dem betreffenden Objekt verbindet.

Schieberegler
Der Schieberegler wird auf Neudeutsch auch „Slider“ genannt und entspricht im Grunde
einer Matrixfrage mit vielen und direkt nebeneinander platzierten Buttons und je einer
Beschriftung auf der linken und auf der rechten Seite. Der Schieberegler wird gerne dann
in Online-Befragungen verwendet, wenn ein optisch ansprechendes und spielerisches Ele-
ment in den Frageprozess eingebracht werden soll. Aber diese Frageform hat nicht nur ihre
Berechtigung durch einen gesteigerten „Fun-Faktor“, sie ist auch dazu geeignet, Meinun-
gen abzubilden, die sich nach Ansicht des Forschers nicht unbedingt – wie bei einer her-
kömmlichen Skala – in eine relativ kleine Anzahl von Stufen unterteilen lassen, sondern
eher ein Kontinuum darstellen.

Abb. 2.8: Umsetzungsbeispiel für Semantisches Differential


Fragenteil 59

Ein Schieberegler ermöglicht es, Antwortoptionen besonders feinstufig in einer zuvor


festgelegten Spannbreite abzubilden. Der gemessene Wert wird durch die relative Posi-
tion des Schiebers zwischen dem Mindest- und dem Höchstwert der Skala bestimmt. Die
Teilnehmer nehmen damit eine eher grafisch orientierte Positionierung zwischen zwei
Extrempunkten vor und weniger eine diskrete und eventuell durch eine Skalenbeschrif-
tung unterstützte, vielleicht aber auch beeinflusste Einstufung. Eine Schieberegler-Frage
eignet sich immer dann, wenn zu erwarten ist, dass die einzelnen Teilnehmer vom Unter-
suchungsgegenstand einen eher diffusen, ungefestigten Eindruck haben. Zu beachten ist
allerdings, dass Teilnehmer mitunter etwas häufiger die Extrempositionen der Skala mei-
den als bei einer äquivalenten Matrixfrage. Abbildung 2.9 enthält noch zwei Beispiele für
Schieberegler.

Rankingfrage / Rangvergabe
Mit Hilfe einer Rankingfrage werden Bewertungsobjekte vom Teilnehmer in der von ihm
gewünschten Reihenfolge angeordnet. Je nach zugehöriger Frage kann die Anordnung
nach Zufriedenheit, Wichtigkeit, Attraktivität oder nach einem anderen Bewertungskri-
terium erfolgen. Im Unterschied zur sogenannten Ratingfrage – zum Beispiel in Form
einer Matrixfrage mit Skala – kann bei einem Ranking zwei Objekten in der Regel aber
nicht dieselbe Position zugeordnet werden, was einen Nachteil dieses Fragetyps darstellt,
der methodisch abgewogen werden muss. Rankingfragen werden aber häufig gerade dann

Abb. 2.9: Umsetzungsbeispiele für Schieberegler-Fragen


60 2 Aufbau einer Online-Befragung

vorgezogen, wenn vermieden werden soll, dass bei Verwendung einer Ratingfrage allzu
gleichförmige Bewertungen abgegeben werden. Ein klassisches Beispiel sind Wichtigkeits-
abfragen, bei denen nicht selten fast alle Aspekte als „sehr wichtig“ eingestuft werden und
somit nur wenig Differenzierung entsteht.
Die Rankingfrage kann technisch auf verschiedene Arten umgesetzt werden. Falls nur
wenige Ränge vergeben werden sollen (zum Beispiel die Plätze 1 bis 3), so empfiehlt sich
eine Rankingmatrix mit den Bewertungsobjekten als Zeilen und den Rängen als Spalten.
Im Unterschied zu einer normalen Matrixfrage kann hier pro Spalte jeweils nur ein Klick
gesetzt, also nur ein Rang vergeben werden (siehe Abbildung 2.10 unten).
Die Rankingmatrix wird bei vielen zu vergebenden Rängen allerdings schnell unüber-
sichtlich, was die Einstufung für den Teilnehmer schwierig macht. Aus diesem Grund wer-
den auch häufig listenbasierte Verfahren angewendet, bei denen in der Regel auf der linken
Seite die Ausgangsliste der Bewertungsobjekte angeordnet ist und auf der rechten Seite
eine zu Beginn leere Box, in der die Objekte dann angeordnet werden können. Die Teil-
nehmer klicken in der Ausgangsliste zuerst den Begriff an, den sie auf den ersten Rang set-
zen möchten, und klicken dann einen entsprechenden Button zwischen den beiden Boxen.
Hierdurch wird das Objekt in die rechte Box verschoben und der Prozess wird fortgesetzt,
bis die vom Forscher gewünschte Zahl von Rängen vergeben ist. Seit einiger Zeit ist dieser
Fragetyp auch mit dem „Drag&Drop-Prinzip“ umsetzbar, das heißt die Objekte werden
zwischen den beiden Boxen einfach mit der Maus hin und her „gezogen“, was für den Teil-
nehmer deutlich angenehmer und schneller ist (siehe Abbildung 2.10 oben).

Abb. 2.10: Umsetzungsbeispiele für Rankingfragen


Fragenteil 61

Ein weiteres, interessantes Ranking-Verfahren stellt das Prinzip des sogenannten Dis-
tance-Based Ranking dar. Im Grunde vereint es die Rating-Frage, also die Anwendung
einer festen Bewertungs-Skala, mit dem normalen Ranking, also der Einordnung von
Bewertungsobjekten in eine bestimmte Reihenfolge. Bei der nun erläuterten Methode geht
es darum, dass man sowohl eine Einstufung vornehmen als auch eine Rangfolge vergeben
und dabei noch Abstände zwischen den Objekten bilden kann.
Das Distance-Based Ranking wird als grafische Animation umgesetzt, die eventuell
eine bestimmte Konfiguration oder Ausstattung des Teilnehmer-Browsers erfordert (häu-
fig die Installation von Flash oder die Kompatibilität mit HTML5). Die Animation kann in
vertikaler oder horizontaler Anordnung umgesetzt werden. Ein Teilnehmer zieht nun mit
der Maus ein entsprechend beschriftetes Kästchen oder Fähnchen in den Ranking-Bereich
und positioniert dieses an der gewünschten Stelle zwischen den beiden Extrempunkten
der vorgegebenen Skala – ähnlich wie auf einem Schieberegler. Dem nächsten Fähnchen
wird auf die gleiche Weise eine Position zugewiesen, aber dieses geschieht nun in einem
relativen Abstand zum ersten Fähnchen, abhängig von der vom Teilnehmer empfunde-
nen Distanz oder Nähe der beiden Bewertungsobjekte. In Abbildung 2.11 findet sich ein
Umsetzungsbeispiel in horizontaler Anordnung.
Der Vorteil beim Distance-Based Ranking ist, dass das Verfahren meist eine bessere
Passung mit den Einstellungen des Befragten ermöglicht. Denn hier können zwei Objekte
auch relativ nahe zueinander eingestuft werden oder sogar gleichwertig. Umgekehrt kön-
nen auch größere Abstände zwischen zwei eigentlich benachbarten Objekten entstehen.
Dies entspricht wohl häufig eher den realen Gegebenheiten und ist beim normalen Ran-
king nicht möglich, weil dort die Abstände zwischen zwei benachbarten Objekten immer
gleich sind. Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass Rankingfragen – gleich welcher
Form – in Online-Befragungen relativ selten vorkommen, da sie für den Teilnehmer kog-
nitiv durchaus anstrengend sein können. In aller Regel wird für entsprechende Anwen-
dungen eher auf Rating-Fragen zurückgegriffen.

Abb. 2.11: Umsetzungsbeispiel für Distance-Based Ranking


62 2 Aufbau einer Online-Befragung

Multimatrixfrage
Die Multimatrix ist dann geeignet, wenn verschiedenen Bewertungsobjekten (wie zum
Beispiel Automarken) Eigenschaften zugeschrieben werden können, von denen jedes
Objekt mehrere erfüllen kann. Abbildung 2.12 zeigt ein Beispiel. Die Multimatrix ersetzt
somit mehrere, gleichförmige Mehrfachauswahl-Fragen, die man ansonsten einzeln nach-
einander stellen müsste. Eine oder mehrere Spalten können dabei als exklusive „Ausweich-
kategorie“ definiert werden. Wird diese geklickt, so werden alle anderen Antworten in der
jeweiligen Zeile deaktiviert.

Doppelmatrixfrage
Die Doppelmatrix bietet die Möglichkeit, diverse Items vom Teilnehmer auf zwei verschie-
denen Skalen einstufen zu lassen. Die beiden entstehenden Matrizen werden nebeneinan-
der dargestellt, die Zeilenbeschriftung steht entweder ganz links oder in der Mitte zwischen
den beiden Skalenbereichen (siehe Beispiel in Abbildung 2.13). Eine Doppelmatrixfrage
bietet sich beispielsweise dann an, wenn zu einem Untersuchungsgegenstand sowohl die
Wichtigkeit der Erfüllung als auch die Zufriedenheit mit einem Aspekt erfasst werden soll.
Für die Teilnehmer der Online-Befragung bedeuten Doppelmatrixfragen – je nach
Anzahl der Items – relativ viel „Arbeit“. Auf den einen oder anderen Probanden kann
die Anordnung der Antworten und der beiden Skalen zunächst auch etwas verwirrend
wirken und zum Abbruch führen. Die Alternative ist, bei gleichem Inhalt, das Stellen von
zwei getrennten Matrixfragen, was wiederum den Vorteil hat – wenn der Forscher dies so
wünscht – dass die Teilnehmer sich zunächst auf die Einstufung der Items auf der ersten
Skala und dann auf die Bewertung nach der zweiten Skala konzentrieren können. Gerade
bei der Frage nach der Wichtigkeit ist es wahrscheinlich, dass Probanden zwischen den
Bewertungsobjekten Abwägungs- und Abstufungsprozesse durchlaufen. Dieser Prozess
kann gestört werden, wenn der Teilnehmer bei einer Doppelmatrix auch die Möglichkeit
hat, zu einem Item erst beide Skalen auszufüllen und sich dann erst dem nächsten Item

Abb. 2.12: Umsetzungsbeispiel für Multimatrixfrage


Fragenteil 63

Abb. 2.13: Umsetzungsbeispiel für Doppelmatrixfrage

zuzuwenden. Dennoch können Doppelmatrixfragen sinnvoll sein und eigenen sich vor
allem für Befragungen, in denen ohnehin von einer gewissen Grundmotivation der Teil-
nehmer ausgegangen werden kann, zum Beispiel bei einer Mitarbeiterbefragung. In die-
sen Fällen ist ein Befragungsabbruch aufgrund einer „wuchtigen“ Doppelmatrix weniger
wahrscheinlich.
Noch viel mehr als bei der normalen Matrixfrage, ist es bei Doppelmatrixfragen von
herausragender Bedeutung, den auf dem kleinsten angenommenen Teilnehmer-Bild-
schirm verfügbaren Platz in horizontaler Hinsicht geschickt auszunutzen. Denn bei der
Doppelmatrix benötigen beispielsweise 2x6 Spalten plus die Items genügend Raum, um
noch optisch ansprechend und ohne die Notwendigkeit des horizontalen Scrollens darge-
stellt werden zu können. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die es erlauben, mit dem verfüg-
baren Platz geschickt hauszuhalten:

• Verwendung möglichst kurzer Items als Stimuli: Längere Sätze erhöhen den Platzbe-
darf. Einfache, kurze Begrifflichkeiten sind besser geeignet.
• Verwendung von Ziffern als Spaltenüberschriften: Bei dieser Option werden beispiels-
weise nur die Ziffern von 1 bis 6 über die Spalten geschrieben und dem Teilnehmer
an anderer Stelle erklärt („1 = sehr gut bis 6 = sehr schlecht“). Dies verlangt aber eine
gewisse kognitive Leistung vom Teilnehmer, weil dieser zum Teil noch damit beschäf-
tigt ist, sich die jeweilige Skala und Zuordnung zu merken.
• Verwendung von hochkant orientierten Spaltenüberschriften: Diese müssen allerdings
als Grafikdateien erstellt werden, da die Hochkant-Darstellung von Text in HTML-
Dokumenten nicht vorgesehen ist. Außerdem ist die Lesbarkeit sicherlich suboptimal.
Ein Beispiel dazu zeigt Abbildung 2.13.

Konstantsummen-Frage / Punktevergabe
Bei der Konstantsummen-Frage muss der Teilnehmer eine feste Anzahl von Punkten auf
die eingeblendeten Items verteilen, um diese nach seinen Vorstellungen zu gewichten oder
die Verteilung einer Häufigkeit in Absolut- oder Prozentwerten anzugeben. Klassisch ist
64 2 Aufbau einer Online-Befragung

geradezu das Zuordnen von Prozentzahlen zu den Antworten, deren Summe dann insge-
samt genau 100 ergeben muss, was entsprechend kontrolliert wird. Die Konstantsummen-
Frage wird gerne eingesetzt für:

• Verteilung von 100 Prozent auf verschiedene Antworten: zum Beispiel die prozentua-
len Anteile von typischen Urlaubsausgaben für Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Aus-
flüge, Einkäufe etc.
• Verteilung einer absoluten Gesamtzahl von Ereignissen auf Detailaspekte: zum Beispiel
der Gesamtzahl von x Arztbesuchen in den letzten 12 Monaten auf Hausarzt, Zahnarzt,
Hautarzt, HNO-Arzt etc.
• Verteilung von Wichtigkeits-Punkten auf eine begrenzte Anzahl von Faktoren: zum
Beispiel die Zuordnung von insgesamt maximal 20 Punkten nach Wichtigkeit auf
verschiedene Eigenschaften eines Autos wie Preis, Zuverlässigkeit, Markenimage,
Umweltfreundlichkeit etc.

Die Konstantsummen-Frage ist am ehesten mit einer normalen Ranking-Frage ver-


gleichbar, jedoch mit dem Unterschied, dass man mehreren Objekten auch die gleiche
Zahl zuordnen kann. Dennoch ist – beispielsweise im Unterschied zum Distance-Based
Ranking – gewährleistet, dass eine Entscheidungssituation hergestellt und eine mögliche
„Anspruchsinflation“ vermieden wird, also das nicht selten bei Rating-Fragen auftretende
Problem, dass alles als „gleich wichtig“ oder „gleich gut“ bewertet wird.
Andererseits sind Konstantsummen-Fragen auch recht arbeitsaufwändig für die Teil-
nehmer, da sie diesem zum einen ein vergleichsweise intensives Nachdenken über den
Untersuchungsgegenstand abverlangen. Zum anderen ist die Eingabe von Zahlen über die
Tastatur und die anschließende Anwahl des jeweils nächsten Feldes mit der Maus (versier-
tere Computernutzer verwenden vermutlich auch die Tabulator-Taste) etwas „arbeitsin-
tensiv“ und somit unkomfortabel. Man sollte diesen Fragetyp also nur „dosiert“ in einem
Fragebogen einsetzen und nur wenn eine relativ geringe Anzahl von Items vorliegt. In
Abbildung 2.14 findet sich ein Beispiel mit der Aufteilung von Ereignissen auf bestimmte
Anlässe.

Abb. 2.14: Umsetzungsbeispiel für Konstantsummen-Frage


Fragenteil 65

2.2.2 Abfolge von Fragen und Antworten

Wenngleich bei einer Online-Befragung kein Interviewer anwesend ist, wird ein Teilneh-
mer dennoch die Art und Weise der Interaktion mit dem Befragungsinstrument bewusst
wahrnehmen und bewerten. Aus der Abfolge der Fragen und Bildschirmseiten ergibt sich
ein dramaturgischer Aufbau, eine Art „Frage-Antwort-Spiel“ mit dem meist unbekannten
Forscher als virtuellem Kommunikationspartner. Die Herausforderung bei der Konstruk-
tion des Fragebogens besteht nun darin, diesen nach Möglichkeit einem gut strukturierten
Gespräch nachzuempfinden. Wenn der Proband diesen Eindruck durch eine geschickte
Aneinanderreihung bzw. sinnvolle Gruppierung der Fragen gewinnt, so wird er die Situa-
tion in der Art eines persönlichen Dialogs positiv bewerten, womit ein wichtiger Baustein
eines gelungen Fragebogens erfüllt ist. Hierauf weist auch Lorenz Gräf (2010, S. 49f.) [3] in
seiner Einführung zur Online-Befragung deutlich hin.
Die genannte Anforderung kann insbesondere dann erfüllt werden, wenn sich aus der
Anordnung der Fragen eine als logisch und stimmig empfundene Reihenfolge ergibt, die
aufeinander aufbaut, und der Teilnehmer nachvollziehen kann, warum bestimmte Fra-
gen gestellt werden bzw. welche Bedeutung sie im Kontext des kompletten Fragekatalogs
haben. Der Idealfall ist erreicht, wenn ein Teilnehmer in dem Moment, in dem er die letzte
Frage abschickt, bereits intuitiv an die Frage bzw. an das Thema denkt, das dann tatsächlich
als nächstes behandelt wird. Es ist leicht einsichtig, dass diese Anforderungen von einem
Fragebogen kaum in Gänze erfüllt werden können. Zum einen denken alle Teilnehmer
unterschiedlich und eine zuverlässige und einheitliche Abschätzung ihrer kognitiven Pro-
zesse ist sehr schwierig anzustellen. Zum anderen stehen den angenommenen Wünschen
des Teilnehmers bezüglich der behandelten Themen und deren Reihenfolge natürlich auch
die Anforderungen des Forschers gegenüber. Schließlich ist es nicht in erster Linie dessen
Absicht, den Geschmack einer interviewten Person zu treffen und dieser eine nette Vier-
telstunde zu bereiten, sondern die Daten in der Form und Qualität zu erheben, die den
gegebenen Forschungsanforderungen entsprechen.
Dennoch ist es möglich, sich dem skizzierten Ideal wenigstens anzunähern. Hier
kommt es in erster Linie auf Erfahrung und gesunden Menschenverstand an. Die Empfeh-
lung, den Fragebogen wie eine Art Zwiegespräch zwischen zwei (anwesenden) Personen
zu gestalten, ist durchaus in der Form zu verwirklichen, dass allzu starke thematische Brü-
che in der Abfolge der Themen vermieden werden. Sollten sie aus inhaltlichen Gründen
doch einmal unvermeidlich sein, so empfiehlt sich der Einsatz von Zwischenseiten mit
einer textlichen Überleitung und Informationen zum nächsten Themengebiet. In einem
echten Gespräch wird es aber auch schnell einmal langweilig, wenn fortwährend und
ohne Abwechslung über das Gleiche gesprochen wird. Ähnlich ist es auch in einer Online-
Befragung: die Motivation der Teilnehmer sinkt erkennbar, sobald mehrere gleichförmige
Fragen hintereinander erscheinen, also beispielsweise drei oder mehr Matrixfragen mit
immer wieder ähnlichen Items. Hier kommt es auf den „richtigen Mix“ an, um die Teil-
nehmer auch durch eine gewisse Abwechslung bei der Stange bzw. im Fragebogen zu hal-
ten, immer vorausgesetzt, es ist auch methodisch vertretbar.
66 2 Aufbau einer Online-Befragung

Sinnvoll ist gleichfalls der überlegt platzierte Einsatz von offenen Textfragen, in denen
die Teilnehmer Gedanken und Kommentare niederschreiben können, die sie eigentlich
gerne noch „loswerden“ wollten, die der Fragebogen an dieser Stelle aber nicht behandelt
hat. Denn auch der versierteste Fragebogen-Ersteller kann nicht alle Gedankenströme aller
Probanden vorausahnen. Umso wichtiger ist die Vermeidung von Frustrationen auf Teil-
nehmerseite, wenn diesem die Angabe einer für ihn wichtigen Information aufgrund eines
zu starren Fragengerüstes verwehrt bleibt. Andererseits sollte vor diesem Hintergrund
aber auch nicht darauf zurückgegriffen werden, quasi zu jeder geschlossenen Frage noch
ein Kommentarfeld zu setzen. Denn dies wirkt eher ermüdend als motivationsförderlich.
Hinzu kommt eine erschwerte Auswertung der solcherart über den ganzen Fragebogen
„verstreuten“ Textdaten. In diesem Sinne ist es meist ausreichend, entweder abschließend
zu jedem Themengebiet des Fragebogens oder erst ganz am Ende ein Kommentarfeld für
weitere Anmerkungen anzubieten.

Filterführung
Ein herausragendes Merkmal der Online-Befragung ist die simple Möglichkeit, einzelne
Fragen, die den jeweiligen Teilnehmer gar nicht betreffen, aus dem Fragebogen gleich-
sam heraus zu löschen, indem sie einfach ausgefiltert werden. Im Gegensatz vor allem
zur papiergestützten Befragung werden die Probanden diese Teile des Fragebogens nie zu
Gesicht bekommen. In den meisten Fällen könnten sie allenfalls durch einen kleinen oder
größeren „Sprung“ in der prozentualen Fortschrittsanzeige einen Hinweis darauf erhalten,
dass eine solche Auslassung gerade passiert ist.
Die Filter-Möglichkeit sollte immer da genutzt werden, wo für den Forscher feststeht,
dass die entsprechende Frage für einen bestimmbaren Teil der Stichprobe nicht relevant ist.
„Bestimmbar“ heißt in diesem Zusammenhang, dass die für die Beurteilung der Relevanz
benötigte Information an dieser Stelle bereits vorliegt. In den meisten Fällen richtet sich
ein Filter danach, ob eine oder mehrere Antworten zuvor im Fragebogen vom Teilnehmer
ausgewählt bzw. nicht ausgewählt worden sind. Dies setzt natürlich eine solcherart konst-
ruierte Fragenabfolge voraus, dass die Fragen mit den Filterkriterien vor der zu filternden
Frage liegen. Bei der Verwendung einer fortgeschrittenen Umfrage-Software kann auf viele
verschiedene Aspekte gefiltert und der Online-Fragebogen damit strukturiert werden wie
zum Beispiel:

• Filter auf vorherige Frage wie zuvor beschrieben.


• Filter auf eine bereits vor dem Interview vorliegende Information, die über einen ver-
gebenen Umfragecode mit Teilnehmerdaten aus der Code-Steuerungsdatei verknüpft
ist (siehe hierzu Abschnitt 5.7).
• Filter auf eine vorherige Text- oder Zahleingabe: die Prüfung eines frei eingebba-
ren Textes (beispielsweise einer Computermarke) ist allerdings relativ schwierig, da
die Programme nicht intelligent sind und somit alle möglichen Rechtschreibungen
berücksichtigt werden müssen.
Fragenteil 67

• Zufallsfilter, der eine Frage oder einen ganzen Frageblock nur mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit anzeigen lässt.
• Filter auf eine Information, die mit dem Umfragelink übergeben wird: diese Option
bietet sich beispielsweise an, wenn die Teilnehmer an einer frei zugänglichen Umfrage
über verschiedene Webseiten rekrutiert werden und diese Information dann als Varia-
ble über den jeweils verwendeten Umfragelink eingesteuert werden kann.
• Filter zur Prüfung, ob für eine bestimmte Frage bzw. einen Frageblock bereits genü-
gend Antworten der bisherigen Teilnehmer vorliegen: in diesem Fall würde der Block
dann übersprungen und in der Regel ein alternativer Frageblock angezeigt. Hierbei
handelt es sich um eine Form der Quotierung.
• Zeitbezogene Filter, die eine Steuerung nach bestimmten Wochentagen, Datumsanga-
ben, Uhrzeiten oder abgelaufener Teilnahmezeit erlauben.
• Filter auf Browser-String: mit diesem Filter können Fragen angezeigt bzw. ausgeblen-
det werden, falls der Teilnehmer mit einem bestimmten Browser an der Umfrage teil-
nimmt. Der Browser-String enthält auch Informationen zum verwendeten Betriebs-
system, so dass hiermit auch darauf gefiltert werden kann, ob das verwendete Gerät
beispielsweise ein Smartphone oder Tablet ist.
• Filter auf Sprachversion: in mehrsprachigen Umfragen ist manchmal ein Filter sinn-
voll, der eine Frage in einer bestimmten Sprache ausfiltert, da diese in der betreffenden
Sprache bzw. im zugehörigen Land nicht relevant ist.

Wenn die wie auch immer technisch realisierten Filter im Vergleich zur Gesamtlänge
des Fragebogens nur wenige Fragen umfassen, so wirkt sich diese Filterung nur unwesent-
lich auf die Fortschrittsanzeige der Umfrage aus, wie bereits erwähnt wurde. Im Idealfall
sollte ein Teilnehmer dieses gar nicht erst bemerken. Etwas anderes ist es, wenn – je nach
den Antworten des Teilnehmers – größere Teile ausgefiltert werden, die noch dazu gegen
Ende des Fragebogens liegen. Diese Situation lässt sich im Marktforschungsalltag mitun-
ter nicht vermeiden und führt dazu, dass die Fortschrittsanzeige, die von dieser Filterung
„nichts weiß“ und sich stur an der Frageposition relativ zur Gesamtzahl der Fragen aus-
richtet, zu Beginn der Befragung langsam „dahinkriecht“, um dann gegen Ende zu „flie-
gen“ und somit für den Teilnehmer ein unrealistisches Abbild zeigt. Im Extremfall kann
dies zu unerwünschten Abbrüchen führen, da ein Proband beispielsweise den Eindruck
hat, erst die Hälfte des Fragebogens bearbeitet zu haben, obwohl er in Wahrheit bei der für
ihn letzten Frage steht, die er in Kenntnis dieser Situation aber sicher gern noch beantwor-
tet hätte. Oder es entsteht beim Teilnehmer eine Frustration, weil er bemerkt, dass seine
Meinung zu bestimmten Themen gar nicht gefragt ist.
Sind solche Effekte im Rahmen einer Befragung zu befürchten, so sollte entweder über-
legt werden, eine alternative Form der Fortschrittsinformation anzubieten, beispielsweise
eine Unterteilung in Gliederungsabschnitte („Block 1 von 5“ etc.). Oder es können die
Fragen sich gegenseitig ausschließender Frageblöcke wechselweise programmiert werden,
was allerdings den Aufwand für das Setzen der Filter etwas erhöht und die Struktur des
sich daraus ergebenden Datensatzes verkompliziert. Für den Teilnehmer, der jeweils nur
68 2 Aufbau einer Online-Befragung

die Fragen aus einem der Blöcke sieht, ergibt sich aber eine Fortschrittsanzeige mit weniger
großen Sprüngen und einem durchgängigeren Verlauf, wie Tabelle 2.4 zu illustrieren ver-
sucht. Sie zeigt zwei verschiedene Möglichkeiten der Programmierung sowie die Prozent-
zahlen der angezeigten Fortschrittsanzeige. Die einzelnen Blöcke unterliegen dabei einer
Filterung nach einem beliebigen Kriterium.
Hier stelle man sich einen Bearbeiter von Frageblock A vor (in der Tabelle kursiv mar-
kiert), der im Falle der konventionellen Programmierung bei Frage 13 erst eine Anzeige
von 37 % erreicht hat und damit rechnen muss, dass der gesamte Fragebogen aus 35 Fragen
besteht und nicht aus 15, was für ihn aber korrekt wäre. Bei der alternativen Programmie-
rung wäre der gleiche Teilnehmer bei Frage 13 bereits auf 83 % fortgeschritten, was auf ins-
gesamt 16 Fragen schließen lassen würde und somit ein deutlich realistischeres Bild abgibt.
Die oben geschilderte Vorgehensweise bietet sich beispielsweise auch dann an, wenn
eine Online-Befragung in Form eines sogenannten monadischen Designs durchgeführt
wird, was häufig bei Produkt- oder Konzepttests der Fall ist. „Monadisch“ bedeutet hierbei,
dass in der Studie insgesamt zwar mehrere Objekte bewertet werden, jedem einzelnen Teil-
nehmer jedoch nur ein einziges davon zur Bewertung anhand von in der Regel mehreren
Fragen vorgelegt wird. Die Aufteilung der Personen auf die Gruppen erfolgt meist rando-
misiert, also in zufälliger Art und Weise.
Das monadische Design wird dann angewendet, wenn zu befürchten ist, dass durch
eine nacheinander erfolgende Beurteilung von mehreren Testobjekten eine Antwortverfäl-
schung durch Lerneffekte oder ähnliche Artefakte entstehen könnte. Ist dies nur in akzep-
tablem Ausmaß zu befürchten, so bietet es sich bei Tests solcher Art dennoch an, durch die
Verwendung einer Fragenrandomisierung oder Blockrandomisierung wenigstens mögli-
che Reihenfolgeeffekte zu neutralisieren. Das heißt, die verschiedenen Testobjekte werden
den einzelnen Teilnehmern nicht in der immer gleichen Reihenfolge präsentiert, sondern
in einer zufälligen, rotierten oder invertierten Anordnung. Damit wird der Lerneffekt von

Tab. 2.4 Beeinflussung der Fortschrittsanzeige bei stark gefilterten Fragebögen

Konventionell programmierte Abfolge Alternative Programmierung der Abfolge


von Frageblöcken von Frageblöcken
Einstieg: 3 Fragen 3 bis 9 % Einstieg: 3 Fragen 3 bis 9 %
Block A: Fragen 1-2 11 bis 14 %
Block A: 10 Fragen 11 bis 37 % Block B: Fragen 1-2 17 bis 20 %
Block C: Fragen 1-2 23 bis 26 %
Block A: Fragen 3-4 29 bis 31 %
Block B: 10 Fragen 40 bis 66 % …
Block C: Fragen 7-8 74 bis 77 %
Block A: Fragen 9-10 80 bis 83 %
Block C: 10 Fragen 69 bis 94 % Block B: Fragen 9-10 86 bis 89 %
Block C: Fragen 9-10 91 bis 94 %
Abschluss: 2 Fragen 97 bis 100 % Abschluss: 2 Fragen 97 bis 100 %
Fragenteil 69

einem zum nächsten Objekt bei jeder einzelnen Person zwar nicht vermieden, aber über
die Vielzahl an Teilnehmern – zumindest theoretisch – gleichmäßig auf die Testobjekte
verteilt, so dass im Mittel überall die gleichen Lerneffekte angenommen werden können.

Anordnung der Antworten


Bei den bisher beschriebenen Filtern ging es um den Sachverhalt, ob eine Frage über-
haupt angezeigt wird. Nun steht noch zur Disposition, welche Antworten eine Frage ent-
hält, wenn sie denn erscheint. Bezüglich der Anzeige und Anordnung von Antworten
zu einzelnen Fragen existieren ähnliche Mechanismen wie für die Fragen selbst. Hier ist
zunächst ein einfacher Antwortfilter zu nennen, der eine Antwortoption in Abhängigkeit
von einer anderen Angabe anzeigt oder nicht anzeigt. Es können die gleichen Prüfaspekte
zur Anwendung kommen wie bei einem Fragefilter, also ein Bezug auf die Auswahl einer
vorherigen Antwort, auf Informationen aus der Code-Steuerungsdatei, Zufallsfilter etc.
Ein sich hieraus ableitender Spezialfall, der in der Praxis häufig angewendet wird und
für den es keine direkte Entsprechung bei den Fragefiltern gibt, ist die Möglichkeit der
Anzeige von Antworten nach den geklickten Antwortpositionen in einer Vorfrage. Dies
wird beispielsweise in der Form angewendet, dass zunächst mit Hilfe einer Mehrfachaus-
wahl-Frage die Bekanntheit von Produktmarken erfragt wird. Hiernach folgt eine wei-
tere Frage, zum Beispiel zur Bewertung der Beliebtheit dieser Marken anhand einer Skala.
In dieser Frage tauchen dann nur noch die Marken auf, die zuvor als bekannt markiert
wurden. Für diesen Mechanismus gibt es bei fortgeschrittenen Software-Tools eine Filter-
Automatik, die sich aber nicht nach einer textlichen Übereinstimmung der korrespondie-
renden Antworten in beiden Fragen richtet, sondern einzig und allein nach der Position
der Antworten. Wird also beispielsweise in Frage 1 (unter anderem) die Antwort an Posi-
tion 5 ausgewählt, so erscheint in Frage 2 ebenfalls die 5. Antwort, unabhängig davon,
welchen Text der Umfrageersteller dort vorgesehen hat.
Eine alphabetische Sortierung von Antworten empfiehlt sich nur dann, wenn die
Zusammenstellung einer für den Teilnehmer offensichtlichen Logik folgt bzw. wenn die-
sem die Antwort bereits klar ist, bevor er die Liste der Antwortmöglichkeiten überhaupt
sieht. Dies kann beispielsweise bei der Auswahl der eigenen Automarke der Fall sein, bei
der Frage nach einem bestimmten Reiseziel oder bei der Angabe des Herkunftslandes.
Eine beliebte Option ist ebenfalls der Einsatz von Antwortrandomisierungen, also der
zufallsbasierten Anordnung der Antworten. Genau wie bei der Fragenrandomisierung
kommen neben der absolut zufälligen „Mischung“ noch die Optionen Rotation und Inver-
tierung in Frage bzw. eine Kombination der beiden Effekte. Bei der Rotation bleibt die
Reihenfolge der Antworten erhalten, das Item an Position 1 wird jedoch zufällig bestimmt.
Bei der Invertierung erscheinen die Antworten einmal in der vorgesehenen und einmal in
genau umgekehrter Reihenfolge.
Sinn einer Antwortrandomisierung ist der Ausgleich von möglichen Reihenfolgeef-
fekten, die dadurch zustande kommen, dass neben dem Inhalt der Antworten auch die
Anordnung derselben einen Stimulus für den Teilnehmer darstellt, auf den er unter
Umständen reagiert. Aus der Marktforschung sind diesbezüglich der Primacy- und der
70 2 Aufbau einer Online-Befragung

Recency-Effekt bekannt. Hierbei geht es um die eventuelle Bevorzugung der zuerst auf-
geführten Antworten (Primacy-Effekt) bzw. der zuletzt genannten Antworten (Recency-
Effekt). Bei Telefonbefragungen ist eher mit einem Recency-Effekt zu rechnen, bei Papier-
und Online-Befragungen unter Umständen mit einem leichten Primacy-Effekt. Es können
auch beide Effekte gleichzeitig auftreten, wobei dann zum Beispiel die ersten und die letz-
ten dargebotenen Antwortmöglichkeiten etwas besser erinnert und damit leicht bevorzugt
werden können. Die beschriebenen Effekte treten in erster Linie bei einer hohen Anzahl
von dargebotenen Antworten oder aber bei textlich sehr umfangreichen Einzelantworten
auf. Darüber hinaus spielt es auch eine Rolle, wie lange sich ein Teilnehmer mit der jeweili-
gen Frage gedanklich beschäftigt. Mit Hilfe der Antwortrandomisierung können mögliche
Effekte zwar nicht beim einzelnen Teilnehmer vermieden, aber über die Vielzahl der Teil-
nehmer hinweg gemildert werden.
Eine Standardfunktion von Software-Tools sollte es im Fall der Beeinflussung der
Anzeige-Reihenfolge von Items sein, einzelne Antworten hiervon auszunehmen und statt-
dessen an den ihnen angestammten Positionen zu fixieren. Dies ist zum Beispiel sinnvoll
bei einer Antwortmöglichkeit wie „Sonstiges“ bzw. einer Ausweichkategorie wie „weiß
nicht“ oder „keine der genannten“. Es ergäbe wenig Sinn, wenn diese Antworten, gleich-
rangig mit den anderen, gleichfalls randomisiert würden. Die Teilnehmer erwarten sie der
Logik entsprechend am Ende der Liste, zumal die Einzelperson die erfolgte Randomisie-
rung ja gar nicht wahrnimmt. Manche Umfrage-Software beherrscht auch die Option, eine
einmal erfolgte Randomisierung von Antworten auf eine folgende Frage zu übertragen.
Dies bietet sich beispielsweise an, wenn nacheinander verschiedene Objekte anhand der
jeweils gleichen Kriterien eingestuft werden sollen. Hierbei könnte eine immer wieder neu
erfolgende Randomisierung der Kriterien verwirrend auf den Teilnehmer wirken.
Zuletzt ergibt sich noch die Frage der optischen Anordnung von Antworten. Bei eini-
gen Fragetypen ist die Anordnung mehr oder weniger „natürlich“ vorgegeben, etwa bei
Matrixfragen, Dropdown-Feldern oder Auswahllisten. Vor allem bei der Einfach- und
Mehrfachauswahl-Frage aber ergeben sich gewisse Freiheitsgrade. So können die Antwor-
ten beispielsweise vertikal bzw. horizontal oder aber auch in mehreren Spalten angeordnet
werden. In diesem Kontext wurden bereits einige Methoden-Experimente angestrengt, um
die bestmögliche Anordnung herauszufinden bzw. entstehende Effekte zu prüfen. Die Pra-
xis zeigt jedoch, dass in den allermeisten Fällen bei der Einfach- und Mehrfachauswahl die
vertikale Anordnung der Antworten mit den Klickbuttons auf der linken Seite der Ant-
worten bevorzugt wird, so wie es auch bei den Beispielen der Fall ist, die weiter vorne in
Abschnitt 2.2.1 angeführt wurden. Die Option der Anordnung in zwei oder mehr Spalten
sollte dann verwendet werden, wenn die Antwortliste ansonsten zu lange und unüber-
sichtlich und der untere Teil der Liste nur durch Scrollen zu sehen wäre.
Fragenteil 71

2.2.3 Kontrollmechanismen

Eines der wichtigsten Merkmale der Methode der Online-Befragung ist die Tatsache,
dass die Umfragen auf einer in bestimmten Grenzen manipulierbaren und bestimmbaren
technischen Basis ablaufen. Insofern kann der Forscher potenziell ein sehr hohes Aus-
maß an Kontrolle über einen Teilnehmer ausüben in dem Sinne, dass er ihm bestimmte
Aktionen erlaubt oder nicht erlaubt. Unsinnige oder formal fehlerhafte Eingaben können
kontrolliert und automatisch oder durch Nachfrage beim Ausfüller korrigiert werden. Die
Vorteile gegenüber einer verwandten Form selbst-administrierter Umfragen, nämlich der
schriftlichen Befragung, liegen auf der Hand: Die Datenqualität wird erhöht und der Auf-
wand für die Datenkontrolle und Vorbereitung der Auswertung verringert. Die typischen
Problemfälle bei Papier-Fragebögen (zum Beispiel Skala zwischen 2 und 3 angekreuzt; eine
Antwort und zusätzlich „weiß nicht“ markiert; Fragebogenteil trotz Filtersprunganwei-
sung ausgefüllt) gehören damit der Vergangenheit an. Die verschiedenen Möglichkeiten
der Teilnehmerkontrolle werden im Folgenden beleuchtet.

Antwortzwang
Es gibt wenige Online-Befragungen, die es dem Teilnehmer erlauben, von einer Frage zur
nächsten zu springen, ohne zuvor eine Antwort bei dieser Frage ausgewählt zu haben. In
aller Regel werden die Probanden nämlich zu einer Antwort auf so gut wie alle Fragen
gezwungen. Selbstverständlich ist dies kein echter Zwang, denn Marktforschung ist – und
das ist gut so – eine für die Teilnehmer freiwillige Veranstaltung. Es ist „nur“ ein Zwang
unter der Bedingung, dass man die nächste Frage sehen oder gar den Fragebogen bis zum
Ende bearbeiten möchte. Wenn man partout keine Antwort geben will, so bleibt nämlich
immer noch die Möglichkeit, die Befragung komplett abzubrechen. Der Antwortzwang
wird insofern technisch herbeigeführt, dass beim Klick auf den Weiter-Button eben nicht
die nächste Frage erscheint, sondern eine optisch hervorgehobene Fehler-/Statusmel-
dung auf der Seite selbst oder in Form eines kleinen Layers vor der Seite. Diese Meldung
beschreibt in der betreffenden Umfragesprache, was zu tun wäre, um zur nächsten Frage
zu gelangen. Im Falle des Antwortzwangs wäre dies das Ausfüllen der entsprechenden Fra-
gen auf der betreffenden Seite. Die Texte dieser Statusmeldungen sind oftmals bereits in
den Umfrage-Softwares in diversen Sprachen eingebaut.
Der Antwortzwang bei Klickfragen ist bei den meisten Umfrage-Softwares die Standar-
deinstellung, die der Forscher allerdings aufheben kann, wenn ihm dies geboten erscheint.
Bei der einen oder anderen Frage mag dies sogar sinnvoll sein, allerdings sollte man den
Teilnehmer in diesem Fall auch darüber informieren. Denn die Erfahrung zeigt, dass
Online-Befragungsteilnehmer quasi instinktiv von einer Antwortpflicht ausgehen und
das Auslassen der Antwort gar nicht erst ausprobieren. Aus diesem Grund ist es in aller
Regel auch unproblematisch, den Antwortzwang einzusetzen. Man sollte allerdings für
den Teilnehmer eine Ausweichkategorie vorsehen, wenn es möglich ist, dass der eine oder
die andere nicht antworten möchte oder gar nicht antworten kann.
72 2 Aufbau einer Online-Befragung

Eine erweiterte Form des Antwortzwangs stellt die Begrenzung der Anzahl gegebener
Antworten nach unten und/oder nach oben dar. Hierfür kommen natürlich nur solche
Fragetypen in Frage, die überhaupt mehr als eine Antwort insgesamt bzw. pro Bewertungs-
objekt erlauben. Dies sind im Wesentlichen die Mehrfachauswahl-Frage, die Matrixfrage,
die Rankingfrage sowie die einzelnen Zeilen einer Multimatrixfrage. Hier kann nun bei-
spielsweise eingeschränkt werden, dass „mindestens eine, aber höchstens drei“ Antwort-
möglichkeiten auswählbar sind, um den Teilnehmer dazu anzuhalten, sich auf die für ihn
wichtigsten Aspekte zu beschränken. In eine ähnliche Richtung geht die bereits erwähnte
Option, bei Fragetypen mit Mehrfachauswahl eine exklusive Antwort zu definieren, die
nicht gleichzeitig mit einer anderen geklickt werden kann.
Zum dritten besteht noch die Möglichkeit, bei einer fehlenden Antwort eine Fehler-
meldung zu produzieren, die hierauf hinweist, die dem Teilnehmer aber zwei Möglich-
keiten bietet: entweder doch noch eine Eingabe vorzunehmen oder eine Option wie etwa
„möchte tatsächlich nicht antworten“ zu klicken und damit trotzdem zur nächsten Frage
weitergeschaltet zu werden.
Bei Texteingabe-Fragen sieht die Sache mit dem Antwortzwang insgesamt etwas anders
aus. Hier ist es nicht selten so, dass der Teilnehmer gar keine Antwort geben möchte, wenn
beispielsweise nach weiteren Kommentaren gefragt wird. Andererseits werden Textfelder
häufig auch dafür eingesetzt, um eine zuvor gewählte Antwort näher erläutern zu lassen.
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn nach den genauen Gründen einer zuvor zum
Ausdruck gebrachten Unzufriedenheit gefragt wird oder eine Angabe „Sonstiges“ spezi-
fiziert werden soll. In solchen Fällen, wenn also das Textfeld erst durch eine vorherige
Antwort angezeigt bzw. aktiviert wird, ist ein Antwortzwang auf die Texteingabe durchaus
empfehlenswert, weil er vom Teilnehmer als sinnvoll akzeptiert wird und in der Regel die
Menge der auswertbaren Textbeiträge deutlich erhöht. Werden mehrere, einzeilige Ein-
gabe-Felder für die gleiche Frage verwendet – weil man zum Beispiel explizit nur nach
Stichpunkten fragt – so setzt man den Antwortzwang normalerweise nur auf das erste
Feld.
Solange die Option des Antwortzwangs bei Texteingabe-Fragen maßvoll eingesetzt
wird, besteht auch nicht die Gefahr der Verärgerung der Teilnehmer und damit des Umfra-
geabbruchs. Diese Empfehlung gilt allerdings nur, falls die entstehenden Textdaten für den
Forscher auch von Bedeutung sind. Ist dies nicht der Fall bzw. wird das Texteingabe-Feld
nur „dem Teilnehmer zuliebe“ eingebaut, damit dieser seine Meinung auch über die Klick-
fragen hinaus zum Ausdruck bringen kann, wenn er dies unbedingt möchte, so darf auf
den Antwortzwang an dieser Stelle natürlich getrost verzichtet werden.
Ein Zwischenweg sei an dieser Stelle noch erwähnt: Teils wird das Verfahren ange-
wendet, neben dem Texteingabe-Feld noch einen Klickbutton mit der Bezeichnung „keine
Antwort“ oder ähnlichem zu platzieren. Der Teilnehmer muss also entweder eine Textein-
gabe vornehmen oder die erwähnte Ausweich-Antwort klicken. Es wird somit in jedem
Fall eine aktive Handlung von ihm erwartet. Ebenso besteht – wie bei den Klickfragen
– auch bei Texteingaben noch die Möglichkeit, eine Fehlermeldung mit Wahlmöglichkeit
(möchte tatsächlich nicht antworten vs. möchte noch antworten) vorzusehen.
Fragenteil 73

Plausibilitätsprüfungen für Texteingabe-Felder


Die möglichen Eintragungen in ein Texteingabe-Feld können in aller Regel kontrolliert
und somit eingeschränkt werden. Dies gilt beispielsweise für die Länge des einzugebenden
Texts (also die Anzahl an Zeichen), für die eine Untergrenze und/oder eine Obergrenze
definiert werden kann. Diese Option erweitert im Fall einer Untergrenze größer als 1 den
zuvor beschriebenen Antwortzwang. Eine Obergrenze kann bei Fließtext dem Zweck die-
nen, den Teilnehmer zu einer gewissen Kürze in seinen Antworten zu zwingen. Dies sollte
vor allem dann erwogen werden, wenn die spätere Verarbeitung und Auswertung größerer
Textmengen nicht sinnvoll gewährleistet werden kann. Oder falls die zugehörige Frage
nur von nachrangiger Wichtigkeit ist und man durch die Erfassung von zu viel Text ihre
„gefühlte“ Bedeutung ungewünscht erhöhen würde.
Im Grunde ist aber immer zu hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll ist, einen auskunfts-
willigen Probanden solcherart zu beschränken und ihm beispielsweise nur 100 Zeichen
zur Erläuterung eines wichtigen Verbesserungsvorschlages zu gestatten. Insofern wird die
Beschränkung der Textmenge von Texteingabe-Feldern an dieser Stelle auch nicht generell
empfohlen, sie muss methodisch abgewogen werden. In vielen Fällen ist es auch völlig
ausreichend, dem Teilnehmer schon mit der Größe des angebotenen Textfeldes zu vermit-
teln, welche ungefähre Textmenge zur Beantwortung der Frage erwartet wird. Sollte sich
der Forscher dennoch für eine Obergrenze entscheiden, so ist dies technisch unbedingt
so umzusetzen, dass die Eingabe von mehr Zeichen als erlaubt erst gar nicht möglich ist.
Nicht sinnvoll wäre eine technische Lösung, die erst beim Versuch des Abschickens der
Antwort die Textlänge prüft. Dies könnte zu extremen Verärgerungen führen, wenn ein
zuvor mühsam eingegebener Text zum Großteil wieder gelöscht werden muss.
Neben der Begrenzung der reinen Textmenge können auch bestimmte Formate als
Inhalte eines Texteingabe-Feldes eingefordert werden, zum Beispiel eine Zahl in einem
bestimmten Wertebereich, eine E-Mail-Adresse, ein Euro-Betrag oder eine Datumsangabe.
Diese Plausibilitätsprüfungen können sehr hilfreich sein, da sie im Endeffekt wiederum für
„saubere Daten“ sorgen. Es ist dann für den Teilnehmer nicht möglich, beispielsweise eine
unsinnige Altersangabe wie „333 Jahre“ oder eine syntaktisch unkorrekte E-Mail-Adresse
einzutragen, sei es nun versehentlich oder absichtlich.
Es sollte aber auch erwähnt werden, dass Plausibilitätsprüfungen dieser Art ihre
Grenzen haben. Zum einen kann selbstverständlich jederzeit eine zwar formal korrekte,
aber faktisch falsche Eintragung gemacht werden. Hier reicht das Spektrum von irrtüm-
lichen Zahlendrehern (etwa Alter „34“ statt „43“) bis zu vorsätzlichen Fehleingaben wie
die Angabe einer erfundenen E-Mail-Adresse (zum Beispiel „sagichnicht@abcdefg.de“).
Zum anderen dient ein erzwungenes Format aber auch nicht immer der Genauigkeit im
Sinne des Abbildens dessen, was ein Teilnehmer eigentlich zum Ausdruck bringen möchte.
Ein gutes Beispiel hierfür sind Schätzungen oder die Frage nach bestimmten Zahlwer-
ten, die man für gewöhnlich nicht so genau reproduzieren kann oder die kurzfristig auch
schwanken können. Hier liegt es in der Natur der Sache, dass der Charakter der relativen
Unklarheit bisweilen mit Zusätzen wie „ca.“ oder „von-bis“-Eintragungen unterstützt wird
(siehe Abbildung 2.15). Werden die Teilnehmer dann aber zur Eingabe einer ganzen Zahl
74 2 Aufbau einer Online-Befragung

Abb. 2.15: Verzicht auf Plausibilitätsprüfung bei Schätzungen

gezwungen, so wird dem Anspruch der Abbildung der kognitiven Prozesse des Teilneh-
mers im Fragebogen, also dessen, was er eigentlich sagen möchte, nicht unbedingt Genüge
getan.
In solchen Fällen kann es durchaus ratsam sein, die Eingabe ins Textfeld zwar ver-
pflichtend zu machen, das Format der Eingabe aber gerade nicht auf „Ganze Zahl“ zu prü-
fen. Hiermit steigt dann zwar voraussichtlich der Nachbearbeitungsaufwand der Daten
für den Forscher, der im dargestellten Fall im Datensatz wohl manuell den Rechenwert
„22.500“ eintragen würde. Allerdings würde es dem Teilnehmer auf diese Weise gestattet,
die für ihn sinnvolle und absolut nachvollziehbare Eintragung zu hinterlassen, womit der
Komfort beim Ausfüllen steigt. Viele Teilnehmer werden ohnehin trotzdem einen ganz-
zahligen Wert angeben.
Neben der Formatprüfung für ein einzelnes Textfeld stehen noch weitere Plausibilitäts-
Checks zur Verfügung, die im Folgenden kursorisch und mit Beispiel beschrieben werden:

• Prüfung, ob eine Zahlangabe größer oder kleiner als eine zuvor bereits genannte Zahl
ist. Beispiel: Frage nach den Gesamtausgaben für Lebensmittel pro Woche vs. Ausga-
ben für Lebensmittel pro Woche in einem bestimmten Supermarkt, wobei die zweite
Zahl kleiner oder höchstens gleich der ersten sein muss.
• Prüfung, ob mehrere eingegebene Zahlen in Summe einer bereits zuvor genannten
Zahl entsprechen. Beispiel: Frage nach dem Unternehmens-Gesamtumsatz vs. Frage
nach den Umsätzen verschiedener Geschäftsbereiche, wobei die Summe der zweitge-
nannten Zahlen gleich der ersten Zahl sein muss.
• Prüfung, ob ein eingegebenes Datum (eventuell auch mit Uhrzeit) zeitlich vor oder
nach einem zuvor angegebenen Datum liegt. Beispiel: Frage nach dem Datum der Hin-
reise sowie der Rückreise des letzten Urlaubs, wobei das zweitgenannte Datum zeitlich
nach dem ersten liegen muss.
• Prüfung, ob sich zwei Eintragungen unterscheiden. Beispiel: Frage nach dem Start-
punkt und dem Ziel der letzten Urlaubsreise, wobei die Eintragungen nicht identisch
sein dürfen.
Fragenteil 75

Rücksprung verhindern
Der Prozess des Ausfüllens einer Online-Befragung verläuft in aller Regel linear von der
ersten bis zur letzten Frage, welche nacheinander am Bildschirm gestellt werden. In vielen
Fällen wird einem Teilnehmer jedoch auch die Möglichkeit eingeräumt, in die entgegen-
gesetzte Richtung des Fragebogens zu navigieren, also zu einer vorherigen Frage zurück
zu springen und eventuell auch die dort gemachten Angaben nochmals zu verändern.
Diese Option, die entweder über Navigations-Buttons in der Umfrage selbst oder über
den Zurück-Knopf des Browsers realisiert wird, verschafft den Teilnehmern eine gewisse
Freiheit, die sie beispielsweise auch beim Ausfüllen eines Papier-Fragebogens haben.
Allerdings muss diese Freiheit nicht immer auch im Sinne des Forschers sein. Es gibt
verschiedene Anwendungen, bei denen es gerade darauf ankommt, dass ein Teilnehmer
die einmal eingetragenen Informationen im Nachhinein nicht mehr korrigieren kann, in
Kenntnis weiterer Informationen, die er im weiteren Verlauf der Befragung erhält. Dieses
Vorgehen ist beispielsweise im Fall der Messung von ungestützter und gestützter Erin-
nerung geboten. Einem Teilnehmer zu gestatten, seine Antworten auf die Frage „Welche
Marken fallen Ihnen als erstes ein, wenn Sie an Mineralwasser denken?“ nochmals zu redi-
gieren, nachdem er auf der Folgeseite aus einer expliziten Liste die ihm bekannten Marken
auswählen konnte, ergibt wenig Sinn. In solchen Fällen muss dann das Zurückspringen
technisch unterdrückt werden, ansonsten kann am Ende nicht mehr zwischen spontan
geäußerten und durch die Liste gestützten und nachgetragenen Antworten unterschieden
werden. Eine ähnliche Situation tritt auf, wenn zum Beispiel eine Werbeanzeige für 10
Sekunden eingeblendet wird und man auf der nächsten Seite angeben soll, an welche Ele-
mente der Anzeige man sich denn noch erinnert oder für welche Marke überhaupt gewor-
ben wurde. Auch in solchen Fällen sollte ein Rücksprung natürlich verhindert werden, da
es ja gerade um die Messung der Erinnerungsleistung nach kurzer Betrachtungszeit geht.
Im Fall von Befragungen, die einen Wiedereinstieg in ein bereits begonnenes, aber
nicht abgeschlossenes Interview gestatten, muss in den oben beschriebenen Anwendungs-
fällen bedacht werden, dass ein Teilnehmer bei der Wiederaufnahme den Fragebogen nicht
nochmals von vorne beginnen können darf. Ansonsten würde dies der Situation des Rück-
sprungs mehr oder weniger gleichen, da den Probanden eventuell Informationen aus dem
ersten Durchlauf bei der Bearbeitung zur Verfügung stehen, die diese nicht haben sollten.

Kontrolle des Antwortverhaltens


Mit verschiedenen Ansätzen wird mitunter versucht, Befragungsteilnehmer dahingehend
zu überprüfen, ob sie denn insgesamt ein plausibles und motiviertes Teilnahmeverhalten
zeigen (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag von Yvonne Prill in Kapitel 4 dieses Buches).
Auf diese Weise sollen Umfragefälscher bzw. „Durchklicker“ – gerne auch „Speeder“
genannt – identifiziert werden, um sie aus der Datenbasis entfernen zu können. Denn diese
Personen haben keine Angaben gemacht, die ihren tatsächlichen Meinungen entsprechen.
Die Frage ist nur, wie man dieses sicher feststellen kann. Eine der einfachsten Möglichkei-
ten ist die Prüfung der Gesamt-Ausfüllzeit des Fragebogens, die in der Regel gemessen und
aufgezeichnet wird. Diesbezüglich werden häufig Faustformeln angewendet, die pauschal
76 2 Aufbau einer Online-Befragung

einen bestimmten Anteil der schnellsten Teilnehmer entfernen oder solche, die unterhalb
einer zu berechnenden Zeitschwelle liegen, was meist sinnvoller ist. Für die Berechnung
sollte zunächst nicht der Mittelwert aller Teilnahmezeiten angesetzt werden, da dieser
durch Ausreißer nach oben ein falsches Bild ergeben kann. Es ist günstiger, an dieser Stelle
auf den Median zurück zu greifen. Als Schwellenwert können dann beispielsweise 30 Pro-
zent des Medians aller Teilnahmezeiten angesetzt werden. Mit anderen Worten: alle Aus-
füller, die 70 Prozent weniger Zeit benötigt haben als der „mittlere Normal-Teilnehmer“,
gelten als unseriöse „Speeder“ und werden entfernt, ganz unabhängig von ihren tatsäch-
lich gegebenen Antworten. Bei diesem Modell kann es rein rechnerisch natürlich auch
dazu kommen, dass die errechnete Schwelle von keinem Teilnehmer unterschritten wird.
Zu bedenken sind eventuell noch Fälle von Personen, die aufgrund der Filterführung deut-
lich weniger Fragen erhalten haben als andere Teilnehmer. Deren Teilnahmezeiten müssen
nämlich vor der Median-Berechnung mit Hilfe des Verhältnisses zwischen der Gesamtzahl
von Fragen und der individuellen Fragenanzahl normiert werden.
Automatische Mechanismen zur Speeder-Kontrolle sind allerdings mit Fehlern behaf-
tet: Erstens könnte auch ein Speeder seriöse Antworten gegeben haben. Es könnte sich um
Personen handeln, die sehr schnell lesen, schnell tippen, schnell die Computermaus bedie-
nen können und die über eine schnelle Internetverbindung verfügen. Und zweitens könn-
ten sich natürlich auch nicht-seriöse Teilnehmer – eventuell sogar absichtsvoll – etwas
mehr Zeit beim Ausfüllen lassen, würden somit nicht von dem erläuterten, starren Raster
erfasst und gingen als normale Teilnehmer durch.
Aus den genannten Gründen werden bisweilen auch inhaltliche Prüfungen der Teil-
nehmerangaben vorgenommen, was ungleich schwieriger und aufwändiger ist. Ziel ist es
hier, bestimmte Antwortmuster zu finden, die ein seriöser Teilnehmer nicht produzieren
dürfte. Vielfach werden hierfür Matrixfragen betrachtet und nach gleichförmigen Klick-
folgen gesucht, also zum Bespiel nach Fällen, in denen über mehrere Seiten hinweg bei
jedem Item immer die gleiche Matrixspalte geklickt wurde oder ein Muster von links nach
rechts und wieder zurück.
Schließlich bietet es sich auch an, sogenannte Kontrollfragen in den Fragebogen einzu-
bauen, um Durchklicker zu identifizieren, die die Fragen nicht gelesen oder richtig beant-
wortet haben können. Dies kann zum Beispiel in Form einiger in der Verneinungsform
formulierter Items in Statement-Batterien erfolgen, die anderen Items ähnlich sind, die
positiv formuliert sind. Ist für beide Items jeweils Zustimmung oder Ablehnung festzustel-
len, so liegt ein inkonsistentes Antwortverhalten und damit der Verdacht der Fälschung
vor. Eine weitere Form von Kontrollfragen ist die Möglichkeit, eine Frage zu stellen, deren
Antwort jeder kennt, beispielsweise die Frage nach der aktuellen Jahreszahl oder eine ein-
fache Rechenaufgabe (wie „25 + 2“), jeweils mit mehreren Auswahlmöglichkeiten. Dahin-
ter steht die (eventuell zweifelhafte) Annahme, dass ein unaufmerksamer Durchklicker
ohne nachzudenken einfach irgendeine Antwort anklickt und sich somit „verrät“.
Die Möglichkeit, nicht-existierende Produktnamen als Kontrolle einzufügen und die
Personen auszuschließen, die angegeben, dieses Produkt zu kennen, ist hingegen nicht
empfehlenswert, worauf Alexander Raulfs (2015) [5] hinweist. Denn Umfrageteilnehmer
Fragenteil 77

gehen grundsätzlich davon aus, dass jede Frage und jede Antwort auch ihren Sinn hat.
Insofern mögen sie in einem solchen Falle vielleicht denken, dass der falsche Name so
ähnlich klingt wie ein Produkt, das sie tatsächlich kennen, und klicken ihn deshalb an. Das
macht diese Personen aber in keiner Weise zu unseriösen Teilnehmern. Im schlimmsten
Fall kann durch diese Taktik sogar die ganze Umfrage in Misskredit geraten, wenn bei-
spielsweise drei oder fünf Prozent der Teilnehmer angeblich dieses fiktive Produkt kennen.
Manche Forschungsdienstleister machen sich sogar die Mühe, aus einer Zusammen-
stellung verschiedener Maßnahmen zur Prüfung des Antwortverhaltens eine Art Plausi-
bilitäts- oder Validitätsindex zu erstellen, der jedem Teilnehmer einen bestimmten Wert
zuordnet, der eine bestimmte Schwelle erreichen muss oder nicht überschreiten darf.
Auf diese Weise können die einzelnen Methoden in ihrer Bedeutung auch untereinander
gewichtet werden. Allerdings ist der Aufwand für solcherlei Vorhaben enorm und es muss
aufgrund der Verschiedenartigkeit der Fragebögen (und damit der Kontrollfragen) immer
wieder adaptiert werden.
Insgesamt haben alle beschriebenen Mechanismen ihre klaren Grenzen. Denn je nach
Motivationslage fälschen Fälscher eben auch clever oder selektiv. Sie wissen möglicher-
weise darum, dass sie bei allzu abstrusen Angaben erkannt und dann beispielsweise von
einer Incentivierung ausgeschlossen werden. Dieses Problem ist bei selbst-administrierten
Befragungen grundsätzlich nicht lösbar.

2.2.4 Fragebogenlänge

„Wie lang darf eigentlich ein Online-Fragebogen sein?“ ist eine Standardfrage von Markt-
forschungskunden im Rahmen der Beratung. Dummerweise gibt es darauf keine pauschale
Antwort. Der allgemein gültige Grundsatz „So lange wie nötig, aber so kurz wie möglich.“
hilft auch nur bedingt weiter. Die erste Einschränkung „so lange wie nötig“ hängt davon
ab, wie viele Informationen zur Erreichung der Forschungsziele abgefragt werden müssen.
Sie liegt somit zwar in den Händen des Forschers, was zunächst einmal von Vorteil ist.
Allerdings ist es meistens doch so, dass hierüber entweder keine vollständige Klarheit zu
erzielen ist oder dass die eigentlich gewünschte Anzahl verschiedener Fragen größer ist,
als es der zweite Teil der Bedingung „so kurz wie möglich“ impliziert. Diese Bedingung
bezieht sich nun auf die Motivation der Teilnehmer zur Bearbeitung eines mehr oder weni-
ger langen Fragekatalogs und bedarf einer begründeten Annahme bzw. Abschätzung. Die
Determinanten der Teilnehmermotivation werden in Abschnitt 5.9.1 genauer diskutiert.
Alexander Raulfs (2015) [5] spricht in diesem Zusammenhang von einer „Aufmerk-
samkeits- und Konzentrationskurve bei den Befragten“, die man mehr oder weniger mit
einer Normalverteilung vergleichen könne. Das bedeutet, die Kurve steigt mit dem Start
der Umfrage an, erreicht irgendwann ihren Höhepunkt und fällt dann wieder ab. Die Frage
ist nun, wann das Maximum der Aufmerksamkeit erreicht wird. Ist dies schon nach weni-
gen Fragen der Fall? Oder irgendwie natürlich zur Mitte des Fragebogens? Oder eher gegen
Ende? Diese Betrachtung hängt wiederum in erster Linie von der schlichten Länge des
78 2 Aufbau einer Online-Befragung

Fragebogens ab sowie von anderen Faktoren, die allgemeiner oder aber auch individueller
Natur sein können.
Einen großen Einfluss auf die mögliche Fragebogenlänge haben in jedem Fall der
Anlass der Umfrage und das Thema. Hier muss man ganz deutlich verschiedene Anwen-
dungszwecke der Online-Befragung unterscheiden. Befragen wir tatsächliche Kunden
oder anonyme Konsumenten? Haben wir diese Personen zufällig auf der Webseite ange-
sprochen oder ihnen eine persönliche Einladung per E-Mail zukommen lassen? In die-
sem Sinne können die beispielhaften Werte in Tabelle 2.5 für typische Fragebogenlängen
in Online-Befragungen (nach Anzahl der Fragen) nur die Erfahrungen widerspiegeln,
die derzeit angewendet werden und die in aller Regel „funktionieren“. Anzumerken ist
noch, dass von einer „gesunden Mischung“ von verschiedenen Frageformen mit jeweils
unterschiedlichen Bearbeitungszeiten ausgegangen wird. Eine einzelne Frage kann dabei
eine einfache Ja/Nein-Frage sein oder auch eine Statement-Batterie mit mehreren Items.
Gemeint ist jeweils die Anzahl an Fragen, die (abhängig von der Filterführung) einem
durchschnittlichen Teilnehmer auch tatsächlich zur Beantwortung präsentiert werden.
Im Regelfall kann man davon ausgehen, dass ein Teilnehmer bei der Beantwortung im
Mittel zwei bis drei Fragen pro Minute „schafft“. Allerdings hängt auch dieses vom Kontext
ab. In Mitarbeiterbefragungen beispielsweise nehmen sich die Befragten meist etwas mehr
Zeit, um genau zu überlegen, wie sie eine Frage beantworten. Was damit zusammenhängt,
dass in diesem Fall mit den eigenen Antworten Auswirkungen erzielt werden können, die
den Befragten selbst wieder unmittelbar betreffen. Letzten Endes spielt es auch eine Rolle,
wie lange sich ein Teilnehmer mit verbal ausformuliertem Feedback „aufhält“. So mancher
Proband macht in Textform sehr ausführliche Vorschläge bzw. berichtet umfangreich von
seinen Erfahrungen mit einem Produkt. Diese Eintragungen kosten natürlich Zeit und
somit steigt dann im Einzelfall auch die Gesamt-Ausfüllzeit für den Teilnehmer meist
deutlich über die zuvor angekündigte, erwartete Ausfüllzeit.
Einen Einfluss auf die Bearbeitungsdauer und vor allem auf die „gefühlte“ Fragebogen-
länge haben darüber hinaus aber noch die pro Frage verwendeten Texte. Allzu langatmige
Frage- und Antwortformulierungen sind bei einer Online-Befragung noch gewissenhafter
als bei anderen Befragungsmethoden zu vermeiden, da von einem wesentlich flüchtigeren

Tab. 2.5 Typische Fragebogenlängen bei Online-Befragungen

Befragungstyp Typische Fragebogenlänge


Website-Befragung 10 bis 20 Fragen
Kundenbefragung B2C 15 bis 30 Fragen
Kundenbefragung B2B 20 bis 40 Fragen
Konsumenten-Befragung im Access Panel 10 bis 50 Fragen
Mitarbeiterbefragung 20 bis 50 Fragen
Mobile Befragung
5 bis 15 Fragen
(insbesondere bei Smartphones)
Fragenteil 79

Leseverhalten am Bildschirm als auf dem Papier ausgegangen werden kann. Die Formu-
lierungen sollten darum möglichst kurz und eindeutig gehalten werden. Auch unnötig
umfangreiche Ausfüllhinweise bei jeder Frage sind zu vermeiden. Oftmals reicht es aus,
einen Ausfüllhinweis einmal bei einem bestimmten Fragetyp zu bringen und dann von
einem Lerneffekt auf Seiten der Teilnehmer für die Folgefragen auszugehen.

2.2.5 Antwortskalen

Unter dem Begriff „Skala“ versteht man – wissenschaftlich betrachtet – den Versuch, Aus-
prägungen einer beim Umfrageteilnehmer vorhandenen Eigenschaft verbal zu beschrei-
ben und in Form der Darbietung verschiedener Antwortalternativen einer Messung
zuzuführen. Im Grunde verwendet also auch eine Ja/Nein-Frage eine Skala, die für die
betreffende Frage absolut angemessen sein kann. Gemeinhin wird der Begriff jedoch etwas
enger gefasst und „Skala“ mehr oder weniger als Synonym für eine Rating-Skala verwen-
det, welche die Abstufung eines Urteils in Form von diskreten Kategorien erlaubt. Der
Einsatz von Skalen zur Messung des Ausmaßes der Ausprägung einer bestimmten Dispo-
sition beim Umfrageteilnehmer ist eine lange geübte Praxis in der Marktforschung. Skalen
dieser Art beschreiben immer eine bestimmte Antwortdimension. Nach Frank Faulbaum
et al. (2009) [2] sind wichtige und in der Marktforschung häufig angewendete Antwort-
bzw. Skalendimensionen die in der folgenden Liste dargestellten. Diese Skalen verwenden
immer ein Adjektiv oder ein Verb, welches durch ein Adverb modifiziert bzw. abgestuft
wird.

• Zustimmungsskalen (Ausmaß der Zustimmung zu einer Aussage)


• Wichtigkeitsskalen (Ausmaß der Bedeutung eines Sachverhaltes)
• Zufriedenheitsskalen (Ausmaß der Zufriedenheit mit einem Sachverhalt)
• Häufigkeitsskalen (Bestimmung der Häufigkeit eines Ereignisses)
• Intensitätsskalen (Grad der Stärke einer Aussage / einer Emotion)
• Zutreffen-Skalen (Ausmaß des Zutreffens einer Aussage)
• Wahrscheinlichkeitsskalen (Wahrscheinlichkeit des Eintreffens)
• Sympathieskalen (Zuordnung eines Sympathiegrades)
• Interessenskalen (Ausmaß des Interesses an einem Sachverhalt)

Die entscheidenden Faktoren bei der Auswahl der richtigen Skala werden von Chrzan
und Griffiths (2005) [1] anschaulich beschrieben. Neben der Erhebungsart – in unserem
Falle immer online – sind Entscheidungen über folgende Aspekte zu treffen: Symmetrie
der Skala, Skalenmittelpunkt, Anzahl der Skalenpunkte (Skalenlänge) sowie die Benen-
nung bzw. Beschriftung der einzelnen Skalenpunkte. Hinzuzufügen wären wohl noch die
Skalenorientierung sowie die Verwendung einer Ausweichkategorie. Diese Faktoren wer-
den im Folgenden etwas genauer betrachtet, am Ende des Abschnitts finden sich noch zwei
Sonderthemen.
80 2 Aufbau einer Online-Befragung

Skalensymmetrie
Als symmetrische Skalen werden solche bezeichnet, die die gleiche Anzahl von positiven
wie negativen Skalenpunkten aufweisen. Das heißt, links von der „gedanklichen“ Mitte
einer solchen Skala gibt es gleich viele Positionen wie rechts, mögliche Ausweichkatego-
rien einmal ausgenommen. Diese Positionen müssen, als zweite Anforderung, auch in
vergleichbaren Abstufungen nach beiden Seiten der Skala hin präsentiert werden. Falls
möglich, können hierfür spiegelbildlich die jeweils gleichen Adverbien zur Modifizierung
zweier gegensätzlicher Adjektive verwenden werden, wie zum Beispiel in der folgenden
Skala: „absolut wichtig / wichtig / eher wichtig / eher unwichtig / unwichtig / absolut
unwichtig“. Skalen dieser Art werden am häufigsten verwendet, da sie die neutralste Platt-
form zur Abgabe einer Meinung darstellen und somit besonders geeignet sind, wenn vorab
keine Einschätzung dazu vorliegt, ob von Seiten der Teilnehmer eine gewisse Grundten-
denz bezüglich ihrer Urteile erwartbar ist.
Asymmetrische Skalen kommen nur dann in Frage, wenn eine solche Tendenz gesi-
chert erscheint. Viele Marktforscher argumentieren dann in der Form, dass es günstiger
sei, die Anzahl der angebotenen Skalenpunkte auf der positiven oder (was aber nur selten
vorkommt) auf der negativen Seite zu erhöhen, damit ein Teilnehmer mehr Möglichkei-
ten hat, seine Meinung genau dort besser zu differenzieren. Man spricht in diesem Fall
auch davon, eine Seite der Skala zu „spreizen“. Dieser vermeintliche Vorteil wird allerdings
dadurch erkauft, dass man es nun strenggenommen nicht mehr mit einer Intervallskala mit
gleichen Abständen zu tun hat, sondern nur noch mit einer Ordinalskala. Dieser Aspekt
wird weiter unten in diesem Abschnitt wieder aufgenommen. Als Alternative könnte man
die Skala auch insgesamt verlängern, so dass sie auf beiden Seiten wiederum gleich viele –
positive wie negative – Ausprägungen hat.
Die Frage von Symmetrie oder Asymmetrie der Skala hat im Übrigen nichts damit zu
tun, dass bestimmte Bereiche einer Skala optisch schmaler oder breiter bzw. niedriger oder
höher dargestellt werden sollten als andere. Gerade im Hinblick auf die Wahrnehmung als
Intervallskala mit jeweils gleichen Abständen durch den Teilnehmer sollten alle Spalten
einer Skala gleich breit bzw. gleich hoch angelegt werden, ganz abgesehen davon, dass es
einfach professioneller und „durchdachter“ aussieht, wenn dies so umgesetzt wird.

Skalenmittelpunkt
In der Marktforschung gibt es unter einigen Vertretern teils hitzige Diskussionen darüber,
ob es denn besser sei, eine explizite, mittlere Skalen-Position mit der Ausprägung „weder
noch“ oder „teils-teils“ oder „unentschieden“ zu verwenden. Dieser Aspekt hängt – auf
jeden Fall bei symmetrischen Skalen – auch mit der Frage der Skalenlänge zusammen.
Die eine Fraktion behauptet, eine angebotene Mittelposition würde dazu verführen, bei
einer nur schwach ausgeprägten Meinung reflexartig eben diese Mitte als Ausweichkate-
gorie auszuwählen, was zu einer Verzerrung führen würde. Die andere Fraktion ist der
Meinung, man dürfe einen Teilnehmer auch nicht dazu zwingen, sich für eine Tendenz in
eine der beiden Skalenrichtungen zu entscheiden, was aber de facto der Fall wäre, wenn
Fragenteil 81

keine Mittelposition angeboten würde. Auch dies könne eine Verfälschung der tatsächli-
chen Meinung der Probanden darstellen (siehe hierzu auch den Exkurs am Ende dieses
Abschnitts).
Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, hierbei handele es sich um eine Glaubens-
frage. Was von der Wahrheit nicht allzu weit entfernt sein dürfte, denn Methodenexperi-
mente erbrachten entweder sich widersprechende Ergebnisse oder es sind einfach keine
substanziellen Unterschiede in den Antworttendenzen zwischen der einen und der ande-
ren Methode zu finden.

Skalenlänge
Ähnlich langanhaltende und mehr oder weniger fruchtlose Diskussionen gibt es in der
Marktforschung über die Frage der zu empfehlenden Anzahl von Skalenpunkten. Bei
Online-Befragungen werden in der Praxis in aller Regel Skalen mit vier bis sieben Aus-
prägungs-Stufen eingesetzt und hiervon die 5-Punkt- und 6-Punkt-Skalen am häufigsten.
Eine kleine Ausnahme ist die Skala des sogenannten Net Promoter Score (NPS), welche
standardisiert ist und 11 Punkte (0 bis 10) aufweist (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag
von Jochen Knöller und Philipp Scholz in Kapitel 4 dieses Buches). Bei der Entscheidung
über die Skalenlänge ist zunächst die Frage am wichtigsten, wie differenziert die Meinun-
gen zu den abgefragten Themen denn wohl bei den Teilnehmern vorliegen bzw. wie hoch
die Fähigkeit zur Diskriminierung (Unterscheidung) zwischen zwei benachbarten Skalen-
punkten ausgeprägt ist. Denn letzten Endes ist eine Skala nichts anderes als der Versuch,
das abzubilden, was der Teilnehmer bezüglich der jeweiligen Frage „im Kopf hat“. Je besser
diese Abstufungen mit der kognitiven Realität übereinstimmen, desto adäquater ist die
Messung.
Jedoch gibt es in einem Fragebogen ja in aller Regel mehr als eine Frage. Insofern muss
diese Überlegung prinzipiell für jede einzelne davon durchgeführt werden. Hinzu kommt,
dass es ratsam ist, innerhalb eines Fragebogens nicht ständig die Skalenlänge zu wechseln,
also beispielsweise von einer 4-Punkt-Skala plötzlich auf eine 6-Punkt-Skala zu springen
und dann auf eine 5-Punkt-Skala etc. Man muss also einen guten Kompromiss finden, der
für möglichst viele der Fragen stimmig erscheint.
Ein weiterer wichtiger Entscheidungsfaktor bezüglich der Skalenlänge ist die mögliche
Historie einer Befragung. Wurde die gleiche oder eine ähnliche Umfrage bereits in der
Vergangenheit durchgeführt und möchte der Forscher eventuell die zeitlichen Entwick-
lungen dokumentieren oder die Ergebnisse auf sonstige Weise miteinander vergleichen?
Dann empfiehlt sich nur in Ausnahmefällen ein Wechsel der Skalenlänge, denn diese ist
ein entscheidender Punkt bei der Einschätzung der Vergleichbarkeit. Sicher kann man
– rein mathematisch – ältere Daten aus zum Beispiel einer 5-Punkt-Skala auf eine neue
Skalenlänge mit sechs Punkten interpolieren. Allerdings ist es fraglich, ob dies wirklich
so zulässig ist. Die Erfahrung zeigt, dass dieses Vorgehen die Ergebnisse angreifbar macht.
Falls also eine historische Vergleichbarkeit wichtig ist, sollte man die Skalenlänge nur bei
Vorliegen anderer, wichtigerer Beweggründe antasten.
82 2 Aufbau einer Online-Befragung

Ein letzter Punkt zur Skalenlänge ist die Frage der beabsichtigten Art der Auswertung.
Forscher in Deutschland, die gerne mit Mittelwerten arbeiten, werden sich leicht mit der
Verwendung einer 6-Punkt-Skala anfreunden können, da sie die hieraus resultierenden
Mittelwerte – theoretisch zwischen 1 und 6 – sehr intuitiv gedanklich einordnen können.
Dies resultiert aus der „gelernten“ Schulnotenskala, mithin aus der Prägung aus unserer
Schulzeit und ist im Übrigen völlig unabhängig davon, ob diese Zahlen dem Teilnehmer
bei der Darbietung der Skala auch angezeigt werden oder nicht. Absolventen des deutschen
Schulsystems (bzw. jedes anderen, das das gleiche Notensystem verwendet) können einen
Mittelwert von zum Beispiel 2,5 instinktiv einordnen, während man bei Mittelwerten von
2,2 aus einer 5-Punkt-Skala oder 2,8 aus einer 7-Punkt-Skala deutlich länger braucht, um
diese qualitativ einschätzen zu können, obwohl sie rein rechnerisch für die gleiche Mei-
nungsausprägung stehen. Dieser Vorteil einer 6-Punkt-Skala ist natürlich nicht nur beim
Forscher selbst vorhanden, sondern gilt vor allem auch für die potenziellen Empfänger der
Auswertungen.

Beschriftung der Skalenpunkte


Im Gegensatz zu Telefon-Befragungen besteht bei der Online-Umfrage in jedem Fall der
Vorteil, dass ein Teilnehmer das Erhebungsinstrument (den Fragebogen) und damit auch
die verwendeten Skalen visuell vor sich hat. Er muss sich also keine – wie auch immer
geartete – Vorstellung davon bilden, um sicher die seiner Meinung entsprechende Ant-
wort abgeben zu können. Dies führt dazu, dass bei Online-Befragungen viele verschiedene
Skalenformen zum Einsatz kommen bzw. aus methodischen Überlegungen heraus mehr
oder weniger „ausprobiert“ werden. Bei der Beschriftung bzw. Bezeichnung der einzelnen
Skalenpunkte sind Entscheidungen zu folgenden Aspekten zu treffen:

• Verwendung einer unipolaren oder bipolaren Beschriftung


• Verwendung von Ziffern zur Beschriftung
• Beschriftung jedes Skalenpunktes oder nur der Skalenpole (Extrempunkte)

Bipolare Skalen stellen zwei gegensätzliche Adjektive oder Verben an den beiden Polen
der Skala gegenüber, also beispielsweise „zufrieden“ vs. „unzufrieden“ oder „wichtig vs.
„unwichtig“ oder „stimme ich zu“ vs. „lehne ich ab“. Die einzelnen Skalenstufen kön-
nen wiederum auf beiden Seiten mit Hilfe eines vorangestellten Adverbs ausdifferenziert
werden. Eine unipolare Skala verwendet hingegen nur ein einziges Adjektiv oder Verb
und differenziert dieses mit Hilfe der Adverbien feiner aus, also zum Beispiel von „wenig
zufrieden“ bis „außerordentlich zufrieden“. In diesem Fall wird also keine Unzufriedenheit
gemessen, sondern nur die Abwesenheit bzw. ein sehr geringes Ausmaß von Zufrieden-
heit. Ob die Unterscheidung zwischen „unipolar“ und „bipolar“ in der Praxis tatsächlich
relevant ist, sei einmal dahingestellt. Die Erfahrung zeigt, dass sich Forscher hierüber meist
wenige Gedanken machen und im gleichen Fragebogen gern einmal unipolare und einmal
bipolare Skalen verwenden. Letzten Endes geht es um die Verständlichkeit der Skala aus
Sicht des Teilnehmers.
Fragenteil 83

Bei der Beschriftung und/oder Bezifferung der Skalenpunkte gibt es unterschiedliche


Möglichkeiten. Hierbei sollte zum einen bedacht werden, dass durch die Verwendung
von Ziffern Kontexteffekte entstehen können, weil beispielsweise bei einer entsprechen-
den Zielgruppe und der Beschriftung „1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6“ die deutsche Schulnotenskala
als Äquivalent gedanklich verglichen wird, was etwa bei der Frage nach einer Wichtigkeit
nicht immer unbedingt angemessen erscheint. Darüber hinaus kann das Problem entste-
hen, dass ein Teilnehmer an hiervon abweichende Schulnoten gewöhnt ist. So bedeutet
zum Beispiel in der Schweiz eine 6 die Note „sehr gut“ und eine 1 ein „sehr schlecht“.
Auch in vielen anderen europäischen Ländern wird – im Gegensatz zu Deutschland – der
besseren Leistung auch eine höhere Zahl zugeordnet. Hier besteht also, je nach Herkunft
der Teilnehmer, ein Potenzial für Messfehler, das in die Betrachtungen mit einbezogen
werden muss.
Zum anderen hat die Beschriftung einer Skala mit Zahlen aber einen großen Vorteil, da
sie die Abstände zwischen den einzelnen Skalenpunkten quasi gedanklich harmonisiert.
Dass diese Abstände von Skalenpunkt zu Skalenpunkt von den Teilnehmern kognitiv als
gleich lange Intervalle wahrgenommen werden sollten, ist eine Anforderung, die das Aus-
maß der später möglichen Auswertungsverfahren determiniert. Man spricht hier auch von
der gewünschten „Äquidistanz“ von einem Skalenpunkt zum nächsten. Denn nur wenn
die Bedingung der Äquidistanz erfüllt ist, darf die betreffende Skala nicht mehr nur als
Ordinalskala, sondern auch als Intervallskala betrachtet werden. Dies eröffnet mannig-
faltige statistische Möglichkeiten der Weiterverarbeitung der Daten, von der einfachen
Berechnung des Mittelwertes bis zur multivariaten Regressionsanalyse. Um Missverständ-
nisse zu vermeiden: die Beschriftung mit Zahlen veranschaulicht die intendierte Äquidi-
stanz der Skalenpunkte für den Teilnehmer, sie ist aber keine Voraussetzung dafür. Man
kann gleiches auch mit der Semantik erreichen.

Praxisbeispiel
Bei der Online-Befragung eines Verlages unter Kunden in Deutschland und in der
Schweiz wurde zur Bewertung verschiedener Leistungsfaktoren eine Skala mit 6 Punk-
ten verwendet, wobei die Skalenpole mit „sehr gut“ bzw. „ungenügend“ beschriftet und
dazwischen nur die Ziffern „1 bis 6“ angezeigt wurden. Bei den deutschen Kunden gab
es keine erkennbaren Probleme. Bei einigen Schweizer Kunden jedoch wurde die Skala
offensichtlich falsch interpretiert, was nur dadurch erkannt wurde, dass bei negativer
Bewertung einzelner Aspekte die Nachfrage erfolgte, warum man denn nicht zufrieden
sei. Einige Teilnehmer antworteten hierauf mit einer Anmerkung der Art „Ich bin doch
zufrieden, warum diese Frage?“.
Diese Teilnehmer (und wahrscheinlich noch einige andere mehr) hatten aufgrund
ihres erlernten Notensystems offensichtlich die 6 mit „sehr gut“ verbunden und die 1
mit „ungenügend“. Ohne die Verwendung der erwähnten Fragesystematik hätte man
diese methodische Schwäche möglicherweise nicht entdeckt.
84 2 Aufbau einer Online-Befragung

Statt der Zahlen kann auch eine optische Unterstützung in Form eines stetig und gleich-
förmig höher werdenden Balkens verwendet werden. Dies bringt den gleichen Vorteil der
gedanklichen „Harmonisierung“ des Skalenverlaufs beim Teilnehmer, vermeidet aber den
bereits beschriebenen, eventuellen Nachteil, der von der Abbildung der konkreten Zahlen
ausgehen kann. Eine weitere Möglichkeit, die allerdings selten angewendet wird, ist die
Abbildung von positiven und negativen Zahlen, also beispielsweise in der Form „-3 / -2 / -1
/ 0 / +1 / +2 / +3“. Diese kann dabei helfen, den bipolaren Charakter einer Skala mit einer
negativen und einer positiven Seite zu unterstreichen.
Eine komplette Verbalisierung der Skala, also die Beschriftung aller Skalenpunkte mit
einem Text, wird umso schwieriger, je mehr Stufen vorhanden sind. Jenseits von sechs
oder sieben Ausprägungen ist sie nicht mehr sinnvoll möglich und es sollten nur mehr die
beiden Pole der Skala beschriftet werden, eventuell unterstützt von einer zahlenmäßigen
Abstufung. Wenn allerdings jeder einzelne Skalenpunkt verbal beschrieben werden soll,
dann ist wegen des erhöhten Leseaufwands nicht nur auf die Kürze und Prägnanz der
Beschreibung, sondern in besonderer Weise auf die Semantik zu achten. Denn nun ist es
entscheidend für die Verwendung als Intervallskala, dass die Abstufungen zwischen allen
Skalenpunkten als semantisch sehr ähnlich (also äquidistant) wahrgenommen werden.
Dies gilt auch dann, wenn zusätzlich eine Bezifferung der Skala eingesetzt wird. Die Frage,
ob eine Beschriftung der Pole oder aller Skalenpunkte eingesetzt wird, und die Entschei-
dung über die Verwendung von Ziffern können mehr oder weniger unabhängig vonein-
ander getroffen werden, wie die Beispiele von Online-Befragungen aus der Praxis in den
Abbildungen zeigen (Abbildung 2.16, Abbildung 2.17, Abbildung 2.18, Abbildung 2.19,
Abbildung 2.20, Abbildung 2.21, Abbildung 2.22, Abbildung 2.23, Abbildung 2.24, Abbil-
dung 2.25).

Abb. 2.16: 5-Punkt-Skala mit Bezifferung und Beschriftung der Skalenpole

Abb. 2.17: 7-Punkt-Skala mit Bezifferung und Beschriftung der Skalenpole


Fragenteil 85

Abb. 2.18: 10-Punkt-Skala mit Bezifferung, Beschriftung der Skalenpole und Ausweichkategorie

Abb. 2.19: 11-Punkt-Skala mit Bezifferung und Beschriftung der Skalenpole sowie der Skalenmitte

Abb. 2.20: 6-Punkt-Skala ohne Bezifferung, mit Beschriftung aller Skalenpositionen und
Ausweichkategorie

Abb. 2.21: 7-Punkt-Skala mit Bezifferung und Beschriftung aller Skalenpositionen

Abb. 2.22: 6-Punkt-Skala mit Bezifferung und übergeordneter Beschriftung der Skalenpole
86 2 Aufbau einer Online-Befragung

Abb. 2.23: 5-Punkt-Skala mit grafischer Illustration, Beschriftung der Skalenpole und
Ausweichkategorie

Abb. 2.24: Asymmetrische 5-Punkt-Skala ohne Bezifferung, mit Beschriftung aller Skalenpositionen

Abb. 2.25: 5-Punkt-Smiley-Skala

Skalenorientierung
Die Frage, ob die als negativ empfundene Seite der Skala – die generell übliche horizontale
Anordnung einmal vorausgesetzt – besser auf der linken oder besser auf der rechten Seite
verortet sein sollte, wurde zur Frühzeit der Online-Befragung gelegentlich in Methoden-
experimenten überprüft. Ohne jedoch bahnbrechende Erkenntnisse zu bringen, die eine
unumstößliche Empfehlung für die eine oder andere Variante rechtfertigen würden. Dies
kommt auch in der aktuellen Praxis zum Ausdruck, in der beide Formen gleichermaßen
verwendet werden, wie in den zuvor abgebildeten Beispielen gezeigt wurde.
Letzten Endes hängt die Entscheidung hierüber wohl am stärksten von der persön-
lichen Präferenz des Forschers oder dem „Geschmack“ der darüber hinaus beteiligten
Personen ab. Zu bedenken ist allerdings, dass die Skalenorientierung innerhalb eines
Fragenteil 87

Fragebogens nicht einfach einmal – quasi „zur Abwechslung“ – umgedreht werden sollte.
Eine einmal eingeschlagene Richtung sollte beibehalten werden, es sei denn, es liegt ein
sehr guter Grund dafür vor und es gibt unmissverständliche Hinweise für den Teilneh-
mer. Dies wird in der Praxis im Übrigen auch über verschiedene Fragebögen und Projekte
eines Unternehmens hinweg beibehalten, weil es auch Vorteile in Bezug auf eine eventuell
gewünschte Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen diversen Gruppen oder über ver-
schiedene Erhebungswellen hinweg mit sich bringt.
Gleichfalls gut überlegt sollte es sein, zwischendurch mit negativ formulierten Items zu
arbeiten, bei der die Zustimmung eines Teilnehmers die „schlechte Antwort“ wäre. Wenn
sich ein solches Item zwischen mehreren positiv formulierten befindet, so kann es bei ein-
zelnen Teilnehmern und flüchtigem Leseverhalten durchaus zur Zustimmung führen in
dem Glauben, eine positive Antwort gegeben zu haben, was aber semantisch betrachtet
nicht der Fall war.

Ausweichkategorien
Die Verwendung von Ausweichkategorien in Skalenfragen ist bei Online-Befragungen
üblich und sinnvoll, vor allem dann, wenn auf jeder Frage ein Antwortzwang liegt. Ein
Forscher wird niemals ein vollständiges Bild aller möglichen Konstellationen, Vorausset-
zungen und Dispositionen aller Teilnehmer vor Augen haben können, so dass eine pau-
schale Aussage wie „Also das müssten doch wirklich alle beantworten können, da brau-
chen wir keine Ausweichkategorie.“ gefährlich sein kann. Immer wieder zeigt sich auch bei
vermeintlich allgemeingültigen Fragen, dass es eben doch solche Ausnahmen gibt, die für
sich genommen und aus Sicht des betreffenden Teilnehmers absolut nachvollziehbar sind.
Insofern empfiehlt sich das Einfügen einer Ausweichkategorie in eine Skalenfrage
eigentlich fast immer. Ausnahmen können bzw. sollten nur da gemacht werden, wo eine
Frage eine ganz zentrale Stellung im Fragekatalog einnimmt und eine inhaltliche Antwort
unverzichtbar erscheint, beispielsweise bei der Gesamtzufriedenheit mit einem Produkt
oder einem Service. Eine solche Frage wird im Rahmen der Auswertung häufig dazu ver-
wendet, um Detailfragen daran zu messen bzw. andere Bewertungen besser einordnen
zu können. Ein Weglassen der Ausweichkategorie ist aber nur dann zulässig, wenn nach
gesundem Menschenverstand davon ausgegangen werden kann, dass alle Teilnehmer die
Frage auch einigermaßen sinnvoll beantworten können.
Für den Fall, dass sich eine Ausweichkategorie aus technischen oder optischen Grün-
den nicht einfügen lässt, kann auch auf die Alternative zurückgegriffen werden, bei der
betreffenden Frage den Antwortzwang aufzuheben. Dies ist beispielsweise häufig beim
sogenannten Semantischen Differential der Fall, bei dem sich gegensätzliche Adjektiv-
Paare gegenüberstehen und wo eine Ausweichkategorie störend wirken würde. Ein Bei-
spiel hierfür findet sich in Abschnitt 2.2.1. Da die meisten Teilnehmer allerdings damit
rechnen, dass sie antworten müssen, sollte auf die Möglichkeit des Auslassens von Antwor-
ten auch explizit hingewiesen werden. Ansonsten erscheint die Gefahr zu hoch, dass unter
dem „gefühlten Antwortzwang“ bei Nichtwissen einfach „irgendwelche“ Skalenpositionen
ausgewählt werden, die mit der empfundenen Realität aber nichts zu tun haben.
88 2 Aufbau einer Online-Befragung

Die Befürchtung, beim Angebot einer Ausweichkategorie oder durch Aufheben des
Antwortzwanges eine substanzielle Anzahl von Antworten zu „verlieren“, ist im Übrigen
in aller Regel unbegründet. Dies hängt mit der unterschiedlichen Motivationslage von Teil-
nehmer an Online-Befragungen gegenüber Teilnehmern an anderen Befragungsformen
zusammen. Bei Online-Umfragen sind nicht-motivierte Befragte eher selten, die ein „weiß
nicht“ wählen, um nicht länger über etwas nachdenken zu müssen. Denn es besteht ja jeder-
zeit die sanktionslose Freiheit, einfach abzubrechen oder gar nicht erst mitzumachen. Zwei-
stellige Prozentanteile auf einer Ausweichkategorie sind eigentlich nur dann festzustellen,
wenn aufgrund der Fragestellung von vornherein klar ist, dass sie nicht alle Teilnehmer
beantworten können. Ansonsten liegt – außer bei sehr persönlichen und damit „heiklen“
Fragestellungen – der entsprechende Anteil maximal um ca. fünf Prozent oder darunter.
In jedem Fall müssen Ausweichkategorien in Skalenfragen optisch in irgendeiner Form
von der eigentlichen Skala abgesetzt werden, damit sie gedanklich getrennt von dieser
wahrgenommen werden. Diese Richtlinie hängt damit zusammen, dass ein Teilnehmer
eine dargebotene Skala nicht nur anhand ihrer verbalen Beschreibung und/oder Beziffe-
rung interpretiert, sondern auch anhand ihrer optischen Breite. Alle Informationen auf
einer Seite werden vom Befragten dazu genutzt, seine Antworten zu geben bzw. richtig
einzuordnen. Ein mögliches Vorgehen von Seiten eines Probanden wäre es beispielsweise,
sich immer an der (neutralen) Mitte der Skala zu orientieren – unabhängig davon, ob eine
gerade oder ungerade Anzahl von Skalenpunkten vorliegt – und von der Mitte aus jeweils
seine Urteile nach links bzw. rechts abzustufen. In diesem Fall wäre es essentiell, dass die
Skalenmitte semantisch-begrifflich auch wirklich dort liegt, wo sie empfunden wird. Wenn
hingegen die Spaltenformatierung der Ausweichkategorie nicht von der der eigentlichen
Skala abweicht und eventuell noch ein gleicher Klickbutton für diese Antworten verwen-
det wird, so kann dies dazu führen, dass die Ausweichkategorie als ein weiterer Punkt der
Skala und diese somit als breiter empfunden wird, als sie eigentlich ist. Somit kann ein
Teilnehmer dazu verleitet werden, tendenziell einen Skalenpunkt etwas weiter rechts aus-
zuwählen, der aber eigentlich nicht mehr exakt seiner Meinung entspricht.
Folgende (gerne auch kombinierbaren) Möglichkeiten bestehen zur optischen Abtren-
nung einer Ausweichkategorie von einer Skala:

• Verwendung einer anderen Schriftformatierung und/oder Hintergrundfarbe in der


Spaltenüberschrift
• Verwendung einer anderen Hintergrundfarbe für die Spalte selbst
• Einfügen eines größeren Abstands zwischen der letzten Spalte der Skala und der
Ausweichkategorie
• Anwendung alternativer Buttons für die Spalte der Ausweichkategorie

Die Verwendung eines alternativen Klickbuttons oder eines größeren Abstandes für
die Ausweichkategorie wird im Übrigen bei Matrixfragen umso wichtiger, je mehr Items
in dieser Matrix abgefragt werden, je weiter also die Spaltenüberschriften und die Klick-
buttons auf dem Bildschirm voneinander entfernt sein können.
Fragenteil 89

Sonderthema: Smiley-Skalen
Zwei besondere Themen sollen am Ende dieses Abschnitts noch besprochen werden. Eines
davon ist der Einsatz von Skalen, bei denen eine positive oder negative Färbung der Ant-
wort durch die Darbietung entsprechend „lächelnder“ Smiley-Grafiken verkörpert werden
soll, wobei Krümmungsrichtung und Krümmungsgrad des stilisierten Mundes die Inten-
sität der abgefragten Meinung illustrieren. Ein Beispiel für eine solche Skala findet sich
in den Abbildungen wenige Seiten zuvor. Smiley-Skalen werden in der Praxis in Online-
Befragungen nicht sehr häufig eingesetzt, eignen sich aber durchaus auch selektiv bei spe-
ziellen, eher emotional orientierten Themen eines Fragebogens. Sie haben den Vorteil, dass
sie eine gewisse Abwechslung mit sich bringen, dass man nichts zu lesen braucht (zumin-
dest nicht bei der Skala) und dass sie sich universell auf diverse Sachverhalte anwenden
lassen, zum Beispiel für eine Frage nach der Zufriedenheit oder nach der Zustimmung.
Mitunter kann man aber auch beobachten, dass Smiley-Skalen für Fälle eingesetzt wer-
den, in denen die abgefragte Eigenschaft nur wenig bis gar nichts mit einem Lächeln oder
mit einer grimmigen Stimmung zu tun hat. Wenn etwa nach der Wichtigkeit eines Aspek-
tes gefragt wird oder nach der Häufigkeit des Eintretens eines Ereignisses, so ist ein Smi-
ley sicher nicht die geeignete Darstellungsform für einen Skalenpunkt. Warum sollte man
ein lachendes Gesicht gedanklich unbedingt damit verknüpfen, dass etwas von erhöhter
Wichtigkeit ist oder relativ häufig vorkommt? In diesen Fällen wäre die vom Teilnehmer zu
erbringende Transferleistung wohl eher zu hoch angesetzt bzw. es wäre nicht ausreichend
sichergestellt, dass die Befragten die Skala intersubjektiv einheitlich interpretieren.
Es stellt sich allerdings auch bei korrektem Einsatz die Frage, in welcher Weise die
Teilnehmer überhaupt die kleinen Grafiken interpretieren. Ist es denn so, dass bei gleicher
Intensität der Meinung zweier Probanden auch wirklich jeweils das gleiche Smiley ausge-
wählt wird, um diese Meinung zum Ausdruck zu bringen? Nun, es darf zumindest daran
gezweifelt werden, dass dies immer so sein muss. Besonders problematisch wird es aber,
wenn die Umfrage sich – wenn auch nur zum Teil – an Personen richtet, die nicht in einer
westlich-orientierten Gesellschaft aufgewachsen sind. Hier kann das Smiley schnell zur
Falle werden, weil nicht jeder etwas damit anfangen kann. Manche Menschen empfinden
ein „lachendes“ Smiley vielleicht als „verrückte Fratze“ (also eher negativ konnotiert) und
umgekehrt ein „grimmiges“ Smiley als ernsthaft und seriös (eher positiv konnotiert). Ins-
gesamt kann also festgehalten werden, dass Smiley-Skalen zur Abfrage von Meinungen nur
bei einigermaßen homogenen Teilnehmerkreisen verwendet werden sollten. Und wenn
man die entsprechende Praxis-Erfahrung vorweisen kann und genau weiß, was man tut.

Sonderthema: Die Likert-Skala


Ein weiteres Sonderthema ist das der sogenannten Likert-Skala. Da der Begriff „Likert-
Skala“ häufig falsch verwendet wird, soll er hier in aller Kürze erläutert werden. Vielfach
wird nämlich von Forschern entweder einfach jede Rating-Skala als Likert-Skala bezeich-
net oder aber eine solche, die als Extrempunkte die Zustimmung und die Nicht-Zustim-
mung bzw. Ablehnung einer Aussage verwendet. Die „eigentliche“ Likert-Skala ist aller-
dings mehr als das. Es handelt sich um ein Verfahren zur Messung von Einstellungen, das
90 2 Aufbau einer Online-Befragung

Abb. 2.26: Beispiel für eine Skala des Likert-Typs

zwar tatsächlich die soeben beschriebene Skala zur Einstufung von Aussagen verwendet.
Aber es gehört noch ein ganzes Modell zur Messung von Einstellungen dazu.
Die Likert-Skala ist also nicht nur die Skala an sich, sondern ein Messinstrument, das
aus diversen positiv oder negativ formulierten Aussagen (auch Statements oder Items
genannt) besteht, zu denen die Befragten ihre Zustimmung oder Ablehnung in einer
bestimmten Abstufung äußern sollen. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass ein Teil-
nehmer die Aussage eines Items umso mehr ablehnt, je weiter seine Einstellung von der
Formulierung des Items abweicht und umgekehrt. Durch die Vielzahl von Items soll die
zu messende Einstellung quasi „von verschiedenen Seiten“ beleuchtet werden. Hier gibt es
keine festgelegte Anzahl von zu verwendenden Aussagen, meist sind es aber zwischen fünf
und zehn Aussagen zu einem Thema, die zu beurteilen sind.
Als tatsächliche Mess-Skala für die Items wird in aller Regel eine Zustimmungs-Skala
mit einer ungeraden Anzahl von Skalenpunkten verwendet. Eine klassische Skalen-Ver-
sion des Likert-Typs zeigt Abbildung 2.26.

Exkurs – Methodenexperiment zum Einfluss von Skalentypen und Textfeldgrößen


In der Marktforschung generell und in der Online-Marktforschung im Speziellen
werden Skalen diverser Art und Länge verwendet. Manche Praktiker haben bezüg-
lich der Entscheidung über Skalenlänge und -beschriftung eine pragmatische Ein-
stellung, die impliziert, dass es innerhalb vernünftiger Grenzen keine große Rolle
spielt, wofür man sich genau entscheidet. Andere Marktforscher messen den
genannten Aspekten wiederum eine sehr viel höhere Bedeutung zu. Grund genug,
sich einmal die Realität zu betrachten und anhand eines Methodenexperiments
empirisch zu messen, inwieweit verschiedene Skalentypen tatsächlich einen Einfluss
auf die Ergebnisse bzw. auf das Antwortverhalten haben. Eine weitere Fragestellung
im Rahmen dieses Experiments ist die Auswirkung der Größe von Textfeldern auf
die Bereitwilligkeit des Ausfüllens sowie auf die entstehenden Textmengen.
Zur Datengewinnung wurde im Hause Rogator zwischen 2010 und 2015 eine kurze
Online-Umfrage benutzt, mit deren Hilfe bei vielen verschiedenen Projekten im
Anschluss an den normalen Fragebogen ein generelles, übergeordnetes Feedback
Fragenteil 91
1

zur Bedienbarkeit der jeweiligen Online-Befragung erbeten wurde. Auf diese Weise
gelangten über die Jahre fast 4.000 Ausfüller zur Feedback-Umfrage, welche aber aus
ganz verschiedenen Quellen stammten (zufällig verteilt). Diese Umfrage war ganz
bewusst neutral im Design gehalten und enthielt keine Logos oder ähnliche Elemente.
Insgesamt führten im Betrachtungszeitraum 3.958 Personen die Befragung durch,
sie wurden zufällig zu annähernd gleichen Teilen auf die 8 Experimentgruppen ver-
teilt (479 bis 516 Teilnehmer je Gruppe), wobei den Teilnehmern nicht mitgeteilt
wurde, dass sie eigentlich an einem Experiment teilnahmen.
Der Feedback-Fragebogen enthielt für jeden Teilnehmer zunächst eine Matrixfrage
mit Zustimmungs-Skala und vier Bewertungsitems zur zuvor absolvierten Umfrage.
Die vier Matrix-Items lauteten wie folgt, ihr Inhalt ist allerdings für das Experiment
mehr oder weniger unbedeutend:
• Die Umfrage war leicht zu beantworten.
• Die Teilnahme an der Umfrage war schnell erledigt.
• Die Beantwortung der Fragen hat Spaß gemacht.
• Insgesamt bin ich mit der Teilnahme an dieser Umfrage zufrieden.
Durch Zufallssteuerung wurden die Teilnehmer zunächst einer von acht verschiede-
nen Kombinationen von Skalentypen zugewiesen (Experimentgruppen), wobei jede
Skala eine zusätzliche Spalte „keine Angabe“ enthielt:
• 5stufige Skala vs. 6stufige Skala
• Skala mit Zahlenbeschriftung vs. ohne Zahlenbeschriftung
• Textbeschriftung jeder Spalte vs. Textbeschriftung der äußeren Spalten (Pole)
Auf der zweiten Umfrageseite wurde ein Textfeld für sonstige Anmerkungen und
„Hinweise zur Gestaltung oder Bedienbarkeit der Umfrage“ angeboten, das in einer
zufällig gesteuerten Größe erschien, von 40x3 Zeichen bis 60x9 Zeichen (ebenso 8
Varianten). Die erlaubte Textmenge wurde jeweils nicht begrenzt.
Im Rahmen der Auswertung wurden die Ergebnisse der 5stufigen Skala entspre-
chend interpoliert, um sie mit jenen der 6stufigen Skala vergleichen zu können.
Die Analyse1 erbrachte bezüglich der meisten geprüften Aspekte aber nur minimale
Ergebnisunterschiede zwischen den Skalen. Die deutlichsten Erkenntnisse ergaben
sich bezüglich der Antwortbereitschaft. Im Folgenden werden die Folgerungen kur-
sorisch dokumentiert:
• Zwischen den 5stufigen und den 6stufigen Skalengruppen konnten praktisch
keine systematischen Mittelwertunterschiede (nach Interpolation) festgestellt
werden. Beide Skalenformen führten zu exakt denselben Interpretationen.
• Die Frage der Zahlenbeschriftung hat einen minimalen Effekt: Werden Zahlen
als Beschriftung zusätzlich angeboten („1 bis 5“ bzw. „1 bis 6“), so ergaben sich
leicht erhöhte (schlechtere) Mittelwerte (um 0,03 bis 0,09 Skalenpunkte höher,
interpoliert auf die 6er-Skala).

1
Mit herzlichem Dank an Yvonne Koch für die Durchführung der Auswertungen.
92 2 Aufbau einer Online-Befragung

• Die Beschriftung jeder Spalte bzw. lediglich der Skalenpole hatte auf die gemes-
senen Mittelwerte keinen systematischen Einfluss.
• Entgegen der vorherigen Annahme zeigten die Probanden bei den 5stufigen Ska-
len (mit Mittelposition) das höchste Ausmaß an Antwortverweigerung in Form
der Auswahl von „keine Angabe“. Dieser Effekt lag zwischen 0,5% und 1%, zeigte
sich aber systematisch.
• Ähnliche Effekte zeigen sich zwischen den voll- und teilbeschrifteten Skalen: eine
Textbeschriftung auf jeder Spalte führt zu einem vergleichbar erhöhten Anteil
von „keine Angabe“.
• Die Verwendung von Zahlen hatte auf die Antwortbereitschaft hingegen keinen
Einfluss.
Die Variation der Textfeldgrößen war durch die Annahme motiviert, dass größere
Textfelder die Teilnehmer zur Eingabe von mehr Text veranlassen würden. Im Fol-
genden die zentralen Erkenntnisse hierzu:
• Die Größe des dargebotenen Textfeldes hatte keinen systematischen Einfluss auf
die Antwortbereitschaft. Diese lag konstant bei ca. einem Drittel der Ausfüller,
die überhaupt Text eingetragen haben.
• Die Textfeldbreite hatte bei diesem Experiment keinen messbaren Einfluss auf
die Textmenge, wobei an dieser Stelle eventuell der Breitenunterschied von 40 vs.
60 Zeichen in den Experimentgruppen zu gering gewählt wurde.
• Die Textfeldhöhe hatte hingegen einen messbaren Effekt von knapp 10% mehr
eingegebenen Zeichen bei den höchsten Textfeldern im Vergleich zu den
niedrigsten.
Das durchgeführte Experiment erbrachte im Großen und Ganzen die erwarte-
ten Ergebnisse, dass nämlich insbesondere von der Gestaltung der Skala nur sehr
geringe ergebnisrelevante Effekte ausgehen und man somit bei der Auswahl einer
bestimmten (vernünftigen) Form kaum einen besonderen Fehler machen kann. Es
kann somit auf die folgenden Empfehlungen hingewiesen werden:
• Bezüglich der Wahl von 5 oder 6 Stufen kann allein auf der Grundlage des Expe-
riments keine Empfehlung abgegeben werden. Es müssen andere Kriterien für
die Entscheidung herangezogen werden.
• Die Beschriftung einer Skala mit Zahlen kann einen geringfügigen (negativen)
Ergebniseffekt haben (im getesteten Fall war immer die 1 der Wert der höchsten
Zustimmung). Eine Empfehlung für oder gegen die Zahlenbeschriftung kann
allerdings nicht gegeben werden. Hinzu kommt, dass dieser Effekt wahrschein-
lich nur für Deutschland gilt (Stichwort: Schulnotensystem).
• Die 5stufige Skala bzw. eine solche mit durchgängiger Spaltenbeschriftung kann
etwas mehr Antwortverweigerer zur Folge haben.
• Sind größere Textmengen das Ziel, so sollten Textboxen vor allem in der Höhe
vergrößert werden. Ähnliches gilt umgekehrt, falls weniger Text gewünscht ist.
Dies kann vor allem mit flacheren Textboxen erreicht werden.
Fragenteil 93

2.2.6 Einsatz von Multimedia

Unter Multimedia-Elementen sollen in diesem Zusammenhang Animationen, Filme und


Tonsequenzen verstanden werden, die im Rahmen einer Befragung zum Einsatz kommen
können. Wichtig ist es hier, diese Elemente nicht um ihrer selbst willen einzusetzen, son-
dern nur dann, wenn es für die Befragung auch notwendig oder sinnvoll ist, also wenn
zum Beispiel eine Zeitschriftenanzeige oder ein Werbespot für Radio bzw. Fernsehen
getestet werden soll. Denn ein Teilnehmer interpretiert die gestellten Fragen nicht nur
rein inhaltlich, sondern auch im Kontext mit allen auf der jeweiligen Seite vorhandenen
Elementen. Ein mehr oder weniger grundlos verwendeter Bestandteil kann darum bereits
eine nicht-erwünschte Beeinflussung des Teilnehmerverhaltens bzw. der gegebenen Ant-
worten bewirken.
Andererseits kann gesagt werden, dass Befragungen, welche Vorlagen der genannten
Art einsetzen, von den Teilnehmern in der Regel als abwechslungsreicher wahrgenommen
werden als solche, die rein auf dem Einsatz von Text basieren. Es ist also auch der Fak-
tor „Spaß beim Ausfüllen“ zu bedenken, vorausgesetzt, er schränkt nicht die Validität des
Erhebungsinstrumentes ein, also die Frage, ob überhaupt noch das gemessen wird, was
eigentlich gemessen werden soll.

Flash
Eine besondere Möglichkeit, die seit einigen Jahren besteht, ist der Einsatz von sogenann-
ten „Flash-Elementen“ im Rahmen von Befragungen. Beim „Flash Player“ handelt es sich
um eine auf vielen Rechnern vorhandene Software, welche die Darstellung von Anima-
tionen im Internet ermöglicht. Im Rahmen von Befragungen kann Flash zum Beispiel
verwendet werden, um bestimmte Frageformen mit grafischen Elementen zu program-
mieren, zum Beispiel in Form von Schieberegler-Fragen. Flash kommt häufig dann zum
Einsatz, wenn Objekte auf dem Bildschirm mit Hilfe des Mauszeigers in irgendeiner Weise
auf einer vorgegebenen Oberfläche bzw. relativ zu anderen Objekten positioniert werden
sollen. Weiterhin ist Flash sehr gut dazu geeignet, die Zeitdauer einer Anzeige genau zu
kontrollieren, weil es – im Gegensatz zu einer reinen HTML-Seite, die immer wieder neu
geladen werden kann – einen genauen, programmgesteuerten Ablauf gewährleistet.
Auf der Minusseite muss allerdings auch beachtet werden, dass die Verbreitung der
Flash-Software auf den Rechnern der Internetnutzer noch nie auch nur nahe bei 100 Pro-
zent lag. Hinzu kommt, dass beispielsweise Personen mit einem Apple-Rechner, -Tablet
oder -Smartphone unter Verwendung des dort standardmäßigen Safari-Browsers ohnehin
ausgeschlossen sind, da Apple die Flash-Technologie per se nicht unterstützt. Außerdem
ist der Flash Player in letzter Zeit etwas in Verruf geraten, als Sicherheitslücken entdeckt
wurden, denen man sich mit der Installation des Programms möglicherweise aussetzt. Und
die Entwicklung zeigt, dass das Ausmaß der Verwendung von Flash-Programmierungen
auf den Websites eher rückläufig ist, so dass diese Technologie sich mittelfristig wohl eher
auf dem absteigenden Ast befindet.
94 2 Aufbau einer Online-Befragung

Wie es auch kommt: es muss damit gerechnet werden, dass bei einer normalen Online-
Befragung ein Teil der Stichprobe (wenngleich dies derzeit in aller Regel noch der gerin-
gere Anteil sein wird) den Abschnitt einer Befragung, in dem Flash eingesetzt wird, nicht
bearbeiten kann. Natürlich kann man diese Nutzer an dieser Stelle dann darum bitten,
Flash herunterzuladen und zu installieren, jedoch stellt sich die Frage, wie viele Teilneh-
mer diesen Aufwand betreiben werden. Die Bereitschaft hierfür dürfte sehr stark von der
allgemeinen Teilnahmemotivation abhängen sowie dem Vertrauen, das dem Umfragever-
anstalter entgegen gebracht wird.
Zusätzlich ist zu bedenken, dass mit der Erstellung einer neuen Flash-Frageform ein
ganz erheblicher Programmier- und Testaufwand verbunden ist. Einige Anbieter von
Umfrage-Software bieten ihren Kunden diesbezüglich zwar auch verschiedene Standard-
Typen zur Nutzung an. Falls der Forscher allerdings ein eigenes Format oder ein neues
Verfahren anwenden möchte, so müssen entsprechend Zeit und Kosten für die Erstellung
eingeplant werden.

HTML5
Die genannten Einschränkungen von Flash als Programmierbasis zur Erstellung von
besonderen Fragetypen sollen nun von der Weiterentwicklung „HTML5“ behoben wer-
den. Es handelt sich dabei aber nicht um eine separate Programmiersprache oder eine
zusätzliche Software (Plugin), die installiert werden muss. Vielmehr werden die gewünsch-
ten Inhalte bzw. Animationen direkt in einem normalen, aber weiterentwickelten HTML-
Code beschrieben und können somit sofort vom verwendeten Browser – falls dieser aktu-
ell genug ist – interpretiert und ausgeführt werden.
Mit HTML5 lassen sich ähnliche grafische Anwendungen und Animationen erstellen
wie mit Flash, jedoch ist hierfür kein Herunterladen eines Plug-Ins erforderlich, sondern
die Befehle werden direkt vom Browser interpretiert. Aber auch hier kann es ein Kompati-
bilitätsproblem geben, denn die Voraussetzung für das korrekte Funktionieren ist, dass der
Internetnutzer auch einen Browser installiert hat, der HTML5 bereits verarbeiten kann.
Das muss nicht immer der Fall sein und kommt auch auf die Art der gewünschten Anwen-
dungen an. So oder so, vor der Durchführung einer entsprechenden Studie müssen die
technischen Voraussetzungen bei der geplanten Teilnehmerschaft geklärt werden.
Egal ob Flash oder HTML5 oder eine andere Technologie zur alternativen Darstellung
von Fragen verwendet wird: es muss immer auch darüber nachgedacht werden, ob nicht
die Darstellung selbst einen ergebnisrelevanten Effekt auslöst, vor allem im Vergleich zu
einer „normalen“ Darstellung der entsprechenden Fragen. Hierzu wurde vom Autor in
2014 ein Methodenexperiment durchgeführt, dessen wesentliche Ergebnisse im Folgenden
kurz erläutert werden.

Methodenexperiment „Gamification“
Im Rahmen des Experiments wurden 2.000 Panel-Teilnehmer zufällig auf zwei Expe-
rimentgruppen verteilt. Eine Gruppe bearbeitete einen konventionellen Fragebogen
mit „normalen“ Fragetypen, während die zweite Gruppe die gleichen Fragen erhielt,
Fragenteil 95

welche aber mit Hilfe diverser grafischer Animationen abgebildet wurden. Zentrale
Erkenntnisse aus der Untersuchung waren:
– Die verwendete Technologie (hier Flash) kann einen deutlichen Einfluss auf die
Zusammensetzung der Stichprobe nehmen.
– Teilnehmer an der animierten Version benötigen etwas mehr Zeit für ein Interview.
Sie haben dafür (nach eigener Aussage) aber etwas mehr Spaß bei der Teilnahme
und sind zufriedener.
– Die Ergebnisse aus beiden Versionen weisen ein sehr hohes Maß an Übereinstim-
mung auf.
– Die animierte Version wird nicht zum „Herumspielen“ missbraucht.
– Einzelne Elemente in den Animationen können zu erhöhter Item-Nonresponse
führen.
– Ergebnisrelevante Effekte (hier Verschiebung des Mittelwertes) können insbeson-
dere dann auftreten, wenn „Fähnchen“ auf einer Skala positioniert werden müssen
und die Fähnchen nicht mittig zum Markierungspunkt stehen.
– Neu konstruierte, animierte Fragetypen sollten vor ihrem Einsatz mit Hilfe von
Vergleichs-Experimenten getestet werden.

3D-Animationen
Der Einsatz von mit dem Mauszeiger greif- und in alle Richtungen drehbaren 3D-Ani-
mationen, zum Beispiel für Verpackungstests, ist zwar technisch ebenfalls längst möglich,
wird aber in der Praxis nur äußerst selten realisiert. Dies hängt vermutlich damit zusam-
men, dass auch eine drehbare Darstellung letztlich doch nicht die gleichen Informationen
vermittelt wie das tatsächliche Produkt, wenn man es in der Hand hält. Hinzu kommen
die zusätzlichen Kosten für die Programmierung einer solchen Animation. Beide Aspekte
führen dazu, dass in diesen Fällen die Durchführung von persönlichen Interviews und/
oder Studiotests unter Verwendung des echten Produkts meist die sinnvollere Alterna-
tive ist. Online-Befragungen sind in diesem Zusammenhang nur dann geboten, wenn eine
sehr große Teilnehmerzahl gewünscht ist. Ähnliche Überlegungen gelten zum Beispiel
auch für den Einsatz von Online-Animationen im Rahmen von Regaltests. Zur Erstellung
von Animationen dieser Art wird ebenfalls häufig Flash verwendet, womit gleichfalls die
bereits erwähnten Einschränkungen bezüglich der Zugänglichkeit für bestimmte Teilneh-
mergruppen gelten.

Video und Audio


Der Einsatz von Video- und Audio-Komponenten ist im Internet mittlerweile gang und
gäbe. Bestanden zum Beispiel die allgegenwärtigen Werbebanner früher noch aus stati-
schen Bildern, so wird nun allenthalben direkt ein Werbeclip eingespielt, wenn die Inter-
netverbindung des betreffenden Internetnutzers es denn zulässt. Wir sind außerdem längst
daran gewöhnt, den Computer als Gerät zur Wiedergabe bzw. zum Download von Musik
zu verwenden oder ihn als TV-Ersatz einzusetzen.
96 2 Aufbau einer Online-Befragung

Also bietet es sich auch an, Video und Audio im Rahmen von Online-Befragungen zu
verwenden. Die technischen Einschränkungen früherer Zeiten mit entsprechend langen
Ladezeiten für solche Dateien gehören der Vergangenheit an. Aus diesen Gründen stünde
der Bewertung eines Radio- oder TV-Werbespots über Online-Medien eigentlich nichts
in Wege. Allerdings sind Befragungen dieser Art in der Realität eher selten anzutreffen.
Möglicherweise hat dies damit zu tun, dass man Spots lieber in einer kontrollierten und
gesicherten Umgebung testen möchte, bevor diese an eine – wenn auch eingeschränkte
– Öffentlichkeit gelangen. Ist der Spot erst einmal online, und sei es auch nur in einer
Umfrage mit relativ wenigen Teilnehmern, dann kann prinzipiell nicht mehr verhindert
werden, dass dieser von Dritten entweder heruntergeladen oder aber einfach „mitge-
filmt“ und so möglicherweise einem Wettbewerber früher als unbedingt nötig zugänglich
gemacht wird.
Video- und Audiodaten sollten auch nicht ausschließlich aus Imagegründen in eine
Online-Befragung eingebaut werden, sondern nur die zweckgebundene Verwendung
ergibt einen Sinn. Ebenso ist zu bedenken, dass vor allem längere Videosequenzen, unab-
hängig von den Ladezeiten, den Probanden auch ermüden können. Darüber hinaus muss
natürlich gewährleistet sein, dass die notwendige technische Ausstattung sowie eine geeig-
nete Software zum Abspielen der Audio- und Videodateien beim Teilnehmer vorhanden
sind. Das heißt, der betreffende Computer muss über eine Tonausgabe sowie Lautsprecher
verfügen, die eingeschaltet und auf eine passende Lautstärke eingestellt sind.
Um genau dieses zu kontrollieren, gibt es aber keine technische Möglichkeit, sondern
nur eine inhaltliche Prüfung. Hier hat es sich bewährt, eine Audiodatei mit einem Geräusch
abzuspielen, das jeder kennt, und den Teilnehmer danach zu fragen, was für ein Geräusch
das denn war. Nur jemand, der die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, kann die
Frage dann korrekt beantworten. Um auch die Möglichkeit einzugrenzen, dass man zufäl-
lig die richtige Antwort auswählt, wird die Tonausgabe gelegentlich noch mit einem Bild
unterstützt, das jedoch einen falschen Hinweis gibt. Abbildung 2.27 illustriert ein Beispiel
dazu, bei dem allerdings kein Vogelgezwitscher eingespielt wird, sondern Hundegebell.

Abb. 2.27: Prüfung auf Tonausgabe mit falschem Hinweis


Abschluss der Befragung 97

Die Benutzung der Sprache des Teilnehmers zur Dateneingabe durch den Probanden
selbst ist über das Medium Internet zur Zeit noch nicht sinnvoll realisierbar. Zwar gibt es
bereits im Smartphone-Bereich die Möglichkeit der Sprachsteuerung bzw. Spracherken-
nung, diese ist jedoch noch mit einer relativ großen Fehlerwahrscheinlichkeit behaftet.
Hinzu kommt die Problematik, dass viele normale Computer nicht über ein eingebautes
Mikrofon verfügen. Insofern bietet sich diese Option momentan höchstens für sehr spe-
zielle Anwendungszwecke an. Sie steht jedoch mit der zunehmenden Weiterentwicklung
der Hard- und Softwarekomponenten mittelfristig als Möglichkeit im Raum und wäre zum
Beispiel bei Antworten auf offene Fragen sinnvoll, die bisher mit höherem Eingabeauf-
wand per Tastatur vom Teilnehmer übermittelt werden müssen. Andererseits wäre dann
wiederum mit noch mehr Texten zu rechnen, als sie bei Online-Befragungen in aller Regel
ohnehin schon anfallen. Hierfür müssen dann auch vorab entsprechenden Auswertungs-
möglichkeiten entwickelt und bereitgestellt werden.

2.3 Abschluss der Befragung

Bei manchen Befragungsprojekten – und zwar insbesondere bei Mitarbeiterbefragungen


– ist es ratsam, vor der endgültigen Abschluss-Seite noch einen Bildschirm zu platzieren,
der darauf hinweist, dass die Fragen nun beantwortet sind, man den Fragebogen mit dem
nächsten Klick auf „weiter“ oder auch „Absenden“ endgültig schließt und dass danach
keine Änderungen mehr vorgenommen werden können. Diese Option ist besonders dann
zu empfehlen, wenn für den Teilnehmer die Möglichkeit besteht, nach einem Abbruch
nochmals in den Fragebogen einzusteigen und die Antworten zu prüfen bzw. zu korri-
gieren. Gelegentlich wird dies noch mit einer expliziten „Freigabe der Daten“ durch den
Teilnehmer für die Verwendung in der Auswertung verbunden. Vor allem in diesen Fällen
sollte dann von Seiten des Forschers aber auch darauf geachtet werden, dass vor dem Pro-
jektende nicht zu viele Personen noch auf dieser Seite verblieben sind, weil sie sich noch
die Option für eventuelle Korrekturen offenhalten wollten, diese dann aber doch nicht
mehr wahrgenommen haben. Denn im Zweifelsfall wären diese Daten dann zwar aufge-
zeichnet, aber mangels Freigabe durch den Teilnehmer nicht verwendbar.
Die wirklich letzte Seite des Fragebogens sollte auf jeden Fall irgendeine Dankesformel
enthalten. Auf diese Weise wird der bereits erwähnte Charakter eines Gespräches bzw.
einer freundlichen Kommunikation nochmals zum Ausdruck gebracht, den ein guter Fra-
gebogen insgesamt verkörpern sollte. Außerdem empfiehlt sich natürlich ein Hinweis, dass
die Befragung damit für den Teilnehmer abgeschlossen ist. Mitunter ist auch ratsam zum
Ausdruck zu bringen, dass die vom Teilnehmer angegebenen Daten erfolgreich übertragen
und aufgezeichnet wurden. Dies bewahrt den Forscher eventuell vor mitunter auftreten-
den, besorgten E-Mails weniger erfahrener Befragungsteilnehmer, ob denn „der Fragebo-
gen auch angekommen“ sei.
Darüber hinaus wird auf der Schlussseite häufig nochmals darauf hingewiesen, wie die
Daten anschließend (anonym) ausgewertet und wofür die Ergebnisse verwendet werden.
98 2 Aufbau einer Online-Befragung

Falls irgendeine Form der Ergebnis-Rückspiegelung vorgesehen ist, sollte auch dieses
Erwähnung finden, zumal wenn dieses Vorhaben zuvor als motivierendes Argument
gegenüber den Befragten verwendet wurde. Die Angabe einer Kontakt-E-Mail-Adresse
und/oder -Telefonnummer für eventuelle Rückfragen kann als Rückversicherung der Seri-
osität und des professionellen Umgangs mit den erhobenen Daten gegenüber dem Teilneh-
mer wirken. Oftmals wird noch ein Link angeboten, der etwa zur Homepage des durch-
führenden oder Auftrag gebenden Unternehmens führt, wenngleich man hierbei darauf
achten sollte, dass dieses nicht als Marketing-Maßnahme verstanden wird. Gelegentlich
findet man auch den Hinweis „Sie können jetzt das Browserfenster schließen.“ In älteren
Online-Befragungen verwendete man häufig noch einen Link oder Button, der beim Klick
das Umfragefenster selbstständig schloss. Diese Möglichkeit besteht heute allerdings nicht
mehr, da die modernen Browserversionen es technisch verhindern, dass eine Seite quasi
durch einen Befehl „aus sich selbst heraus“ geschlossen werden kann. Insofern ist der Ein-
bau dieser Funktion nicht mehr ratsam. Da sie in aller Regel nicht funktioniert, würde sie
mehr Verwirrung als Nutzen stiften.
Je nach verwendeter Umfrage-Software sollte vom Forscher noch geprüft werden, ob
denn die Möglichkeit besteht, von der Abschluss-Seite wieder zur letzten Frage zurück zu
klicken. Mitunter funktioniert dies, weil die Cache-Funktion des Browsers diese Seite noch
gespeichert hat. Meist kann zwar an den eingegebenen Daten nichts mehr verändert wer-
den, da das Interview bereits abgeschlossen wurde. Dennoch sollte man das Zurückklicken
von der Endseite technisch verhindern, um mögliche Irritationen zu vermeiden.
Wenn vom Teilnehmer noch persönliche Daten aufgezeichnet werden sollen, etwa für
ein Gewinnspiel oder für die Kommunikation von Ergebnissen, dann ist die Abschluss-
Seite eine gute Gelegenheit hierfür. Alternativ kann hier auch nochmals ein Link platziert
werden, der zu einer weiteren Seite für die Adress- oder E Mail-Angabe führt. In der Regel
sollte in solchen Fällen darauf geachtet werden, dass diese Daten getrennt von den eigentli-
chen Umfragedaten abgespeichert werden und dass der Teilnehmer auch dann als vollstän-
diger Ausfüller gilt, wenn er sich dafür entscheidet, keine Kontaktdaten zu hinterlassen.

2.4 Reminder

Beim Reminder handelt es sich schlicht und einfach um ein Erinnerungsschreiben zur
Teilnahme an einer Online-Befragung, zu der man zu einem früheren Zeitpunkt schon
einmal eingeladen worden ist. Bedingung hierfür ist natürlich, dass die ausgewählte Stich-
probe auch adressierbar vorliegt, was nicht bei allen Online-Umfragen der Fall ist. Die
Voraussetzungen sind am besten, wenn die Teilnehmerschaft persönlich per E-Mail ange-
schrieben werden kann, wie zum Beispiel bei vielen Kundenbefragungen und den meisten
Mitarbeiterbefragungen. Im Fall von frei zugänglichen Befragungen ohne direkte Adres-
sierung bzw. ohne Codeschutz auf der Umfrage (siehe hierzu Abschnitt 5.7) kann häu-
fig auch eine Erinnerung durchgeführt werden. Allerdings ist dann zumeist nicht mehr
kontrollierbar, dass eine angesprochene Person auch nur einmalig teilnimmt. In diesen
Reminder 99

Fällen kann durch einen Reminder auch die Gefahr von (durchaus auch unabsichtlichen)
Mehrfachteilnahmen ansteigen. In der Regel werden Reminder per E-Mail versendet, es ist
aber auch ein Reminder per Brief oder Postkarte oder Telefon möglich, je nach Anlage der
entsprechenden Befragung. Wobei die Methode „E-Mail“ am meisten Erfolg verspricht.
Zunächst stellt sich aber die Frage, warum man eigentlich eine Erinnerung versenden
sollte: Man könnte als Forscher ja auch der Meinung sein, dass man die werten Befragten
nicht unbedingt auch noch zweimal bitten muss und dass sie sich bei der ersten Einla-
dung schon beteiligt hätten, wenn es denn ihr Wunsch gewesen wäre. Andererseits zeigt
aber die Erfahrung, dass ein Reminder in aller Regel nochmals einen substanziellen Anteil
von Personen „überzeugen“ kann, sich an der Online-Befragung doch noch zu beteiligen.
Manchmal kann man den Rücklauf damit um 10 oder 15 Prozent steigern, manchmal
auch um 30 Prozent. Es gibt sogar Fälle, in denen die Anzahl der erst nach der Erinnerung
antwortenden Personen höher ist als davor. Das bedeutet, dass diese Menschen durch den
Reminder in irgendeiner Form davon überzeugt werden, eigentlich mitmachen zu wollen.
Sie haben es – aus welchen Gründen auch immer – nach der ersten Einladung nicht getan.
Jetzt, wo die Umfrage bald geschlossen wird, ergreifen sie die letzte Chance. Allein aus die-
sem Grund hat ein Reminder schon seine Berechtigung, dann diese Personen hätten ohne
ihn zum Großteil wohl nicht ihre Meinung abgegeben.
Ein weiterer Grund, der für den Einsatz eines Reminders spricht, ist die Tatsache,
dass man sich als Forscher in aller Regel eine hohe Fallzahl bzw. eine hohe Rücklaufquote
wünscht, da diese zunächst einmal eine höhere „gefühlte Wertigkeit“ des Gesamtprojekts
ausstrahlt. Dies muss – oberhalb einer gewissen Mindestzahl – zwar nicht zwingend auch
eine höhere Qualität zur Folge haben, aber eine hohe Antwortquote wirkt de facto erst ein-
mal beruhigend, und zwar auf Forscher und Auftraggeber bzw. Adressaten der Ergebnisse
gleichermaßen. Denn letzten Endes ist es so, dass man die ausgewählte Stichprobe so weit
wie möglich ausschöpfen will. Vor allem bei eher heterogenen Grundgesamtheiten spricht
es für die Qualität der Stichprobe bzw. der Teilnehmer-Rekrutierung, wenn sich auch aus
allen identifizierten Subgruppen möglichst viele der angedachten Personen beteiligen.
Und zwar insbesondere solche Personengruppen, die sich vielleicht nur schwer dazu moti-
vieren lassen. Je mehr Teilnehmer man aus diesen „schwierigen“ Gruppen gewinnt, desto
höher ist in der Regel die Aussagekraft der Stichprobe für die Grundgesamtheit, da sie
diese wegen der höheren Ausschöpfung besser beschreiben kann. Der Fehler, der dadurch
entsteht, dass die angesprochenen Personen nun einmal nicht gezwungen werden können,
wird geringer.
Der für den Reminder-Versand optimale Zeitpunkt liegt bei normalen Konstellatio-
nen in der Regel zu Beginn des letzten Drittels der definierten Feldzeit. Häufig ist dies ca.
eine Woche vor dem Feldende. Durch den Zeitpunkt der Erinnerung muss einerseits eine
gewisse Dringlichkeit zum Ausdruck kommen. Es ist eher kontraproduktiv, wenn beim
Teilnehmer der Eindruck erweckt wird, er habe ohnehin noch mehr als genug Zeit, um
später noch mitzumachen. Andererseits sollte aber auch der persönlichen Zeitplanung
der angesprochenen Personen Rechnung getragen werden. Diese hängt auch von der Art
des Projektes ab. Im Fall einer Mitarbeiterbefragung empfiehlt es sich, als Zeitraum nach
100 2 Aufbau einer Online-Befragung

der Erinnerung nochmals eine komplette Arbeitswoche vorzusehen. Nicht selten kann es
hier auch ratsam sein, den darauf folgenden Montag noch hinzuzunehmen, um Personen
noch eine Chance zu geben, die in der Vorwoche im Urlaub, auf Dienstreise oder erkrankt
waren. Ähnliches gilt für Kundenbefragungen im B2B-Bereich. Bei Konsumentenbefra-
gungen ist es häufig hilfreich, wenn die noch verbleibende Feldzeit einige Wochentage
sowie ein Wochenende inkludiert, da nicht wenige Privatpersonen eher an arbeitsfreien
Tagen „mal ins Internet gehen“.
Im Normalfall beschränkt man sich auf die Durchführung eines einzigen Reminders.
Dieser erfüllt zum einen die Aufgabe der Erinnerung derjenigen, die eigentlich gern noch
teilnehmen wollten und schließt zum anderen eine allzu große Verärgerung der Menschen
aus, die sich nicht beteiligen möchten. Das vorhandene Potenzial der Verärgerung der
angesprochenen Personen durch mehrfache Reminder muss im Einzelfall abgewogen wer-
den. Handelt es sich etwa um Kunden, die man gerne auch noch länger als Kunden hätte?
Oder steht man in keiner besonderen Beziehung zur Teilnehmerschaft und kann einzelne
davon im Zweifelsfall also auch „verlieren“, ohne irgendwelche Nachteile davon zu haben.
Nicht zuletzt sollte auch das Gebot der Fairness und der höflichen Behandlung gegenüber
einem potenziellen Befragungsteilnehmer in die Waagschale geworfen werden.
Kommt man zu dem Schluss, dass man den möglichen Verdruss von zum dritten Mal
angesprochenen Personen in Kauf nehmen möchte, so kann es sogar eine Option sein,
ganz kurz vor dem Feldende noch eine allerletzte Erinnerung zu versenden, also beispiels-
weise in den letzten zwei Tagen oder gar erst am Morgen des letzten Feldtages. Eine sol-
che Nachricht sollte aber äußerst kurz gehalten werden, damit die Empfänger sie in aller
Schnelle lesen und sich rasch dafür oder dagegen entscheiden können. Eventuell kann
man eine solche Nachricht auch als Dankes- bzw. Informationsschreiben an alle eingelade-
nen Personen „verpacken“. Und wie nebenbei erwähnen, dass man „heute noch die letzte
Chance“ nutzen könne, falls gewünscht. Der Umfragelink sollte dann aber als einfacher
Textlink im Fließtext untergebracht werden, um den gewünschten, positiven Charakter
der Nachricht nicht zu beeinflussen.
Bei per E-Mail persönlich rekrutierten Kundenbefragungen wird beim Reminder in der
Regel so vorgegangen, dass nur noch diejenigen Personen überhaupt angeschrieben wer-
den, die den Fragebogen entweder noch gar nicht aufgerufen oder noch nicht vollständig
bearbeitet haben. Auf diese Weise werden die „braven“ Teilnehmer, die bereits die Mühe
des Ausfüllens hinter sich gebracht haben, vom Reminder „verschont“. Bei Befragungspro-
jekten hingegen, in denen es auf eine hohe Perzeption von Anonymität ankommt (siehe
hierzu auch Abschnitt 5.9.1), wie zum Beispiel ganz besonders bei Mitarbeiterbefragun-
gen, sieht die Sache etwas anders aus. Um mögliche Zweifel bezüglich der tatsächlich rea-
lisierten Anonymität der Teilnahme zu vermeiden – und diese können bereits aufkeimen,
wenn von mehreren Kollegen in einem Büro nur einige den Reminder bekommen – wird
eine Erinnerung in solchen Fällen nochmals an alle Personen versendet. Man sollte dann
aber gleich in den ersten Sätzen genau hierauf hinweisen, den Grund für dieses Vorgehen
nennen und erklären, dass die Erinnerung für die Ausfüller gegenstandslos ist. An dieser
Stelle fragt sich vielleicht der geneigte Leser, wie man nur die bisherigen Nicht-Ausfüller
Reminder 101

anschreiben und trotzdem die Teilnehmer-Anonymität gewährleisten kann. Die Vorge-


hensweise hierfür wird in Abschnitt 5.8 erläutert.
Inhaltlich sollte ein Reminder so angelegt sein, dass er „möglichst schnell zur Sache“
kommt. Es sollte nach Möglichkeit erneut die persönliche Ansprache verwendet werden,
danach ein Bezug auf die Einladung und eventuell der Hinweis zum Ignorieren der Nach-
richt, falls man schon teilgenommen hat. In den folgenden zwei bis drei Sätzen sollte betont
werden, dass man die Person noch um ihre Teilnahme bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
bittet und warum. An dieser Stelle können in aller Kürze die Argumente zur Teilnahme
aus der vorherigen Einladung verwendet werden. Gelegentlich verwendet man hier auch
einen Hinweis auf die bisherige Teilnehmerzahl bzw. Teilnahmequote, je nachdem, wie
hoch diese ist und welche Wirkung man hiermit zu erzielen glaubt. Den persönlichen oder
nicht-persönlichen Link zur Umfrage muss man nun in jedem Fall noch einmal aufneh-
men und darf sich nicht darauf verlassen, dass die erinnerte Person die ursprüngliche Ein-
ladung noch gespeichert hat bzw. gewillt ist, diese zu suchen. Der Link sollte im Reminder
möglichst weit oben platziert werden, damit Personen, die unmittelbar verstehen, worum
es geht, weil sie bereits die vorherige Einladung gelesen haben, sofort darauf klicken kön-
nen (im Fall der Erinnerung per E-Mail) und nicht erst umständlich nach unten scrol-
len müssen. Bei code-geschützten Befragungen ist darauf zu achten, dass es sich um den
gleichen Link handelt, der bereits mit der Einladung an die betreffende Person zugestellt
worden ist. Es dürfen keine neuen Links kreiert werden, da die Personen dann ja zweimal
teilnehmen könnten.
Nach dem Link kann man die bisher nicht platzierten Elemente aus der Einladung
nochmals aufnehmen für den Fall, dass die Einladung nicht so aufmerksam studiert oder
die Inhalte zwischenzeitlich wieder vergessen wurden. Hier können der Zeitbedarf ange-
führt und eventuelle Incentives erwähnt werden. Es kann noch einmal der Umfrageanlass
aufgegriffen und die durchführende Institution genannt werden. Das Thema Anonymität
und Datenschutz sollte man gleichfalls auch im Reminder nicht unerwähnt lassen. Zum
Abschluss eine Kontaktmöglichkeit, eine Dankesformel und am besten eine Person als
Absender. An dieser Stelle soll aber nochmals betont werden, dass diese starre Abfolge
nicht sklavisch einzuhalten ist. Sie ist lediglich als Vorschlag anzusehen, der sich bewährt
hat. Im Einzelfall kann man natürlich – je nach Anlage des Projektes – hiervon abweichen.
Ein sinnvolles Beispiel aus der Praxis ist hier angeführt:
102 2 Aufbau einer Online-Befragung

Beispielhafter E-Mail-Reminder zu einer unternehmensinternen Befragung

Klartextname Absender: Superservice AG


Absenderadresse: interne-kundenbefragung@superservice-ag.de
Betreff: Erinnerung an die interne Zufriedenheitsbefragung der Superservice AG

WICHTIGER HINWEIS: Diese Erinnerung wird zu Wahrung Ihrer Anonymität noch-


mals an alle Personen versendet.

Liebe Frau Meierdiercks,


Mitte des vergangenen Monats haben wir Sie zu unserer internen Zufriedenheitsbefra-
gung eingeladen. Falls Sie bereits vollständig daran teilgenommen haben: Herzlichen
Dank!
Sollten Sie die Befragung noch nicht vollständig bearbeitet haben, so haben Sie bis
einschließlich Montag, den 13.06.2016 noch die Gelegenheit dazu. Auch nach einer
Unterbrechung können Sie jederzeit wieder einsteigen. Über den nachfolgenden Link
gelangen Sie zum Fragebogen, der nur wenige Minuten Ihrer Zeit in Anspruch nehmen
dürfte:
Link zur internen Zufriedenheitsbefragung
Die Umfrage befasst sich mit Themen rund um Ihren Arbeitsplatz (PC, Monitor, Dru-
cker) sowie mit der Bewertung unserer internen Serviceangebote. Ihre Rückmeldung
ist uns wichtig: Sie helfen uns bei der Weiterentwicklung unserer Services, mit denen
wir Ihre Arbeit unterstützen. Je mehr Personen an der Befragung teilnehmen, umso
aussagefähiger wird das Ergebnis als Basis für sinnvolle Folgeaktivitäten und ziel-
führende Verbesserungen sein. Wir werden Sie über die Umfrageergebnisse zeitnah
informieren.
Mit der Durchführung dieser Online-Befragung und der Auswertung der Ergebnisse
haben wir das Dienstleistungsunternehmen „Forscher GmbH“ beauftragt. Von der
technischen Bereitstellung über das Einladungs-Management bis zur Auswertung der
Befragung ist hundertprozentig sichergestellt, dass kein Rückschluss der von Ihnen
gemachten Angaben auf Ihre Person möglich ist.
Ihre Teilnahme findet also in jedem Fall anonym und vertraulich statt. Die Befragung
ist mit dem Betriebsrat und unserer Datenschutzbeauftragten abgestimmt.
Sollten Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an den HelpDesk, er steht Ihnen unter
089/1234-5678 bzw. per Mail (helpdesk@superservice-ag.de) zur Verfügung.
Für Ihre Teilnahme an der Befragung vorab schon herzlichen Dank!
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rainer Zufall


Vorstandsvorsitzender Superservice AG
Fragebogen-Design 103

2.5 Fragebogen-Design

Spätestens wenn die Inhalte feststehen, stellt sich die Frage: Wie sollte eine gute Online-
Befragung eigentlich aussehen? Zur optischen Gestaltung gibt es erstaunlicherweise keine
speziellen Richtlinien oder allgemeinen Empfehlungen, obwohl man vermuten könnte,
dass sie doch einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Teilnahmebereitschaft oder
sogar die Ergebnisse einer Online-Befragung haben könnte. Wie allein schon durch die
Anzahl der zu beachtenden Punkte gezeigt wird, ist die Frage der Gestaltung von Online-
Befragungen eine sehr vielfältige. Bei allen Betrachtungen muss aber bedacht werden, dass
gutes Design zwar als intuitiv erscheint, dieses aber nur auf individueller Ebene wirklich
der Fall ist. Eine Überprüfung des „eigenen Geschmacks“ bei einer größeren Menge von
Personen kann sich in jedem Fall als durchaus lohnend erweisen.
Im Folgenden wird versucht, verschiedene Aspekte der Gestaltung von Online-Fragebö-
gen näher zu beleuchten, um (angehende) Praktiker der Online-Marktforschung in die Lage
zu versetzen, qualitativ hochwertige Online-Fragebögen zu erstellen und dabei die wich-
tigsten Einflussfaktoren zu beachten. Vorab sei allerdings gesagt: es gibt nicht „DIE beste
Lösung“, sondern es können sehr viele Gestaltungsvarianten zu ähnlichem Erfolg führen.
Es muss an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass sich die folgenden Abschnitte
zu großen Teilen auf Online-Befragungen beziehen, bei denen die Teilnehmer den Fra-
gebogen an einem Desktop-PC, Laptop oder eventuell noch an einem Tablet ausfüllen.
Auf die Besonderheiten von Befragungen auf Smartphones wird in Abschnitt 5.5 sowie
im Expertenbeitrag von Gabriele Herrmann und Walter Freese in Kapitel 4 dieses Buches
eingegangen.

2.5.1 Aktuelle Praxis

Einer der prominentesten Aspekte der Gestaltung eines Online-Fragebogens liegt offen-
sichtlich in der reinen Optik, also der Frage des Zusammenspiels von Farben, Bildern,
Logos, Schriftarten und -größen etc. Hierfür bieten die Auszeichnungssprache HTML,
mit der im Internet agiert wird, sowie zusätzliche Komponenten wie JavaScript oder Flash
beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, ein Fragebogen-Layout zu gestalten. Bei all diesen
Möglichkeiten sollten jedoch zwei Punkte beachtet werden:

1. Der schmale Grat zwischen „professionell“ und „übertrieben“: Wann ist der Punkt
erreicht, an dem das Design wichtiger wird als der Inhalt des Fragebogens? Ab wann ist
das Design mehr Ablenkung als Teilnahmemotivation?
2. Die Abwägung zwischen Ergebnis und Aufwand: Welcher Aufwand und damit wel-
che Kosten sind für die Erstellung eines elaborierten und pixelgenauen Designs einer
Online-Befragung gerechtfertigt und sinnvoll, wenn diese ohnehin nur von vergleichs-
weise wenigen Personen (zum Beispiel im Vergleich zur Anzahl der Besucher einer
großen Website) und nur innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums gesehen wird?
104 2 Aufbau einer Online-Befragung

Sieht man sich die Online-Befragungen an, die von Marktforschungsinstituten durch-
geführt werden (beispielsweise im Rahmen von Panelbefragungen), so ist in der Regel
festzustellen, dass diese zwar optisch sauber und meist professionell aussehend präsentiert
werden, dass aber ansonsten auf den Aspekt der Gestaltung nicht das Hauptaugenmerk
gelegt wird. Hinzu kommt, dass viele Umfrageveranstalter, vermutlich auch aus Kosten-
gründen, ihre Umfragen teils über Jahre hinweg im gleichen Design einsetzen, was ande-
rerseits natürlich auch für einen Wiedererkennungseffekt und eine gewisse Vertrautheit
mit dem Unternehmen auf Seiten der Teilnehmer sorgt.
Ein etwas anderes Bild zeigt sich, wenn man Online-Befragungen aus dem Bereich der
betrieblichen Marktforschung betrachtet, beispielsweise Umfragen zur Kundenzufrieden-
heit. Hier ist zu erkennen, dass ein deutlich größerer Wert auf die Gestaltung gelegt wird.
Die entsprechende Umfrage kommt zumeist im „Look&Feel“ des betreffenden Unterneh-
mens daher. Dies betrifft traditionelle Unternehmensfarben, Schriftarten und -größen,
Logos, Bilder, Anordnung der Elemente etc. Sinn dieses Vorgehens ist es, bei den Pro-
banden zum einen die Motivation zur Teilnahme und zum anderen den Bezug zu dem
Unternehmen zu unterstützen, um das es in der Befragung geht.

2.5.2 Empfehlungen

Wie bereits angedeutet wurde, erweist es sich immer wieder, dass die Frage nach dem „guten
Design“ einer Online-Befragung ab einem gewissen Punkt vielfach zur Geschmackssache
wird. Konsultiert man fünf Personen zum Designvorschlag für eine bestimmte Umfrage,
erhält man mindestens drei verschiedene Meinungen. An dieser Stelle muss zwar zum
einen bedacht werden, dass auch Umfragen für die Unternehmen eine bestimmte Form
der Kommunikation (mit ihren Kunden, ihren Mitarbeitern, ihren Lieferanten etc.) dar-
stellen und darum im Rahmen bestehender Kosten- und Zeiteinschränkungen zu optimie-
ren sind, dass zum anderen aber in den Reihen der vielen hundert oder einigen tausend
Teilnehmer einer Umfrage wiederum eine Vielzahl verschiedener „Geschmäcker“ exis-
tiert, die nicht selten mit der eigenen Einschätzung des Forschers wenig gemein haben.
Mit anderen Worten: man wird es ohnehin nicht allen recht machen können.
Aus der Erfahrung kann die allgemeine Empfehlung „Zurückhaltend, aber trotzdem
professionell!“ abgeleitet werden. Denn zunächst wird einem Teilnehmer vor allem über
die Optik eine bestimmte Wertigkeit vermittelt. Diese Wertigkeit kann sehr „hochwer-
tig“ sein oder auch als „billig“ wahrgenommen werden. Sie übermittelt nicht zuletzt auch
ein Ausmaß an Glaubwürdigkeit des Veranstalters sowie einen Ausdruck der Wertschät-
zung gegenüber den Probanden. Unter anderem sollte über das Aussehen einer Umfrage
wenigstens vermittelt werden, dass jemand ein Mindestmaß an Mühe darin investiert hat.
Vom Design hängt wiederum auch das Vertrauen der Teilnehmer in die Seriosität der
Online-Befragung ab.
Die wichtigste Frage, die sich dann noch stellt, ist die nach den möglichen Auswir-
kungen eines gewählten Designs. Zahlreiche Praxis-Erfahrungen bestätigen jedoch
Fragebogen-Design 105

immer wieder, dass die optische Gestaltung eines Online-Fragebogens letzten Endes nur
sehr wenig Einfluss auf das Teilnehmerverhalten oder die Ergebnisse ausübt, solange ein
bestimmter Mindest-Standard eingehalten wird. Dennoch muss es in erster Linie das Ziel
sein, für jeden Teilnehmer ein vergleichbares „Umfrage-Erlebnis“ zu erzeugen, damit bei-
spielsweise eine von zwei verschiedenen Personen abgegebene, identische Antwort auch
als identisch im Sinne der vom Teilnehmer erlebten Wirklichkeit interpretiert werden
kann. Umgekehrt können auch nur unter dieser Voraussetzung die festgestellten Ergeb-
nisunterschiede auf abweichende Meinungen und Erfahrungen der Probanden zurückge-
führt werden und nicht etwa auf Artefakte des Fragebogens.

Optische Gestaltung
Kommerzielle Online-Befragungen werden – als eine Form der Unternehmens-Kommuni-
kation – häufig an das Corporate Design des jeweiligen Auftraggebers angepasst, falls die-
ser dem Teilnehmer in der betreffenden Studie überhaupt kenntlich gemacht werden soll.
Die Verwendung der entsprechenden Unternehmensfarben sowie die Implementierung
von Logos sind hier der Standard. Jedoch muss auch in diesem Rahmen darauf geachtet
werden, dass zum einen der Platz auf dem Bildschirm noch für eine komplette Darstellung
der Einzelfragen ausreicht und zum anderen die Lesbarkeit von Fragen und Antworten
gewährleistet ist und nicht durch die gewählten Farb-Kombinationen beeinträchtigt wird.
Insgesamt sollten die einzelnen Bestandteile des Layouts aufeinander abgestimmt sein und
„harmonieren“, wobei diese Anforderung natürlich wieder einer subjektiven Beurteilung
unterliegt.
Der Hintergrund wird bei den meisten Befragungen in weiß gewählt, gelegentlich fin-
det sich auch eine sonstige helle (aber nicht grelle) Hintergrundfarbe. Die Fragen werden
dementsprechend meist in schwarz oder in einer sonstigen dunklen Farbe dargestellt. Die
Antworten sind in der Regel durch eine andere Hintergrundfarbe abgesetzt. Hier ist sowohl
die Kombination „dunkle Schriftfarbe auf hellem Hintergrund“ als auch umgekehrt üblich,
auch hier korrespondierend mit der dem Teilnehmer bereits bekannten Unternehmens-
darstellung. Im Fall von längeren Antwortlisten oder auch bei Matrixfragen wird darüber
hinaus gelegentlich mit abwechselnden Hintergrundfarben im Antwortbereich gearbei-
tet, um dem Teilnehmer die optische Unterscheidung zwischen den einzelnen Items zu
erleichtern. Dieses Prinzip sollte bei geringer Antwortanzahl – zum Beispiel bei einer Ja/
Nein-Frage – aber nicht angewendet werden, da in diesem Fall die Vergabe der Hinter-
grundfarbe eine unbewusste Bevorzugung einer der Antworten nach sich ziehen könnte.
Bei Papier-Fragebögen spricht man im Kontext der Fragebogengestaltung gelegentlich
auch vom „White Space“ und meint damit den Anteil an weißer, nicht bedruckter Fläche
auf dem Papier. Diese Betrachtungsweise ist auch auf eine Online-Befragung übertragbar.
Der White Space wäre hier der Anteil an nicht belegter Bildschirmfläche, wobei diese nicht
unbedingt weiß sein muss. Dieser Anteil sollte eine gewisse Schwelle nicht unterschrei-
ten, wobei auch dies natürlich wiederum subjektiv unterschiedlich eingeschätzt wird.
Erschwerend kommt bei Online-Befragungen noch hinzu, dass die adressierten Teilneh-
mer in aller Regel über ganz unterschiedliche Bildschirme in verschiedenen Größen und
106 2 Aufbau einer Online-Befragung

Auflösungsstufen verfügen und man darum keinesfalls von einer einheitlichen Erschei-
nung des Online-Fragebogens sprechen kann.
Bei allen Designfragen ist jederzeit zu bedenken, dass der Zweck der Umfrage im Vor-
dergrund stehen sollte und nicht das Design. Aus diesem Grund sind alle Optionen zu
vermeiden, die von der eigentlichen Aufgabe des Teilnehmers ablenken könnten. Dazu
gehören zum Beispiel der Einsatz von allzu grellen Farben bzw. Farbkombinationen oder
auch die Verwendung von zu großen oder zu kleinen Schriftgrößen. Ein wichtiges Thema
in dieser Hinsicht ist auch der Einsatz von Bildern. Hierbei ist Vorsicht geboten, denn
die Darbietung einer bildlichen Darstellung, die ausschließlich motivierenden Charakter
haben soll, kann auch einen erheblichen Einfluss auf die Antworten der Teilnehmer haben.
Wenn beispielsweise nach der Wahrscheinlichkeit dafür gefragt wird, sich in nächster Zeit
einen Hund anzuschaffen, so ist es gut möglich, dass deutlich höhere Wahrscheinlichkei-
ten erreicht werden, wenn bei dieser Frage das Bild eines oder mehrerer Hunde angezeigt
wird. Bilder sollten also nicht deshalb eingesetzt werden, weil es „besser aussieht“ oder
„mehr Spaß macht“, sondern nur dann Verwendung finden, wenn sie selbst Gegenstand
der jeweiligen Frage sind.

Buttons
Seit vielen Jahren werden als Design-Elemente auch die sogenannten Buttons verwendet.
Wurden in der Frühzeit der Online-Befragung lediglich die in der Programmiersprache
HTML verfügbaren Formular-Elemente „Radiobutton“ und „Checkbox“ eingesetzt, so
hat sich mittlerweile die Verwendung von grafischen Buttons etabliert, die in beliebiger
Weise per Grafikprogramm in den passenden Farben und Formen hergestellt werden kön-
nen. Größter Vorteil der grafischen Buttons ist es, dass sie in jeder Größe erzeugbar sind.
Damit wird es dem Teilnehmer im Vergleich zu den recht kleinen HTML-Buttons leich-
ter gemacht, die gewünschten Klicks zu tätigen, insbesondere wenn dieser keine Maus,
sondern ein Touchpad oder einen Touchscreen (etwa an einem Tablet-PC) zur Eingabe
verwendet. Man sollte sich jedoch bei den Buttons nicht zu Experimenten in der Form
verleiten lassen, darin beispielsweise das Unternehmenslogo als angeklickten Zustand zu
verarbeiten. Spielereien solcher Art lenken nur ab, es sollte dem Teilnehmer eine Form
angeboten werden, die dieser auch erwartet, im Normalfall ein Kreuz oder ein Häkchen.
In Abbildung 2.28 finden sich ein paar Beispiele dazu.

Abb. 2.28: Grafische Klickbuttons


Fragebogen-Design 107

Usability
Beim Stichwort „Usability“ von Online-Befragungen ist zunächst zu beachten, dass es sich
bei den Teilnehmern einer Befragung – ob nun online oder offline durchgeführt – in aller
Regel nicht um eine homogene Masse von Menschen mit annähernd gleichen Eigenschaf-
ten handelt. Meist ist das genaue Gegenteil der Fall: die Probanden bringen einen sehr
heterogenen Strauß von Hintergründen, Bildungswegen, persönlichen Dispositionen,
Erfahrungen und Motivationen mit. Der Forscher sollte in diesem Zusammenhang immer
von der kleinsten Minderheit ausgehen, deren Größe ihm noch beachtenswert erscheint.
Das bedeutet nicht, dass die Befragung für wirklich jeden potenziellen Teilnehmer zugäng-
lich gemacht werden muss (zum Beispiel für Menschen, die nicht lesen können), sondern
dass Aufwand für und Nutzen der Gestaltung in einem erträglichen Verhältnis zueinander
stehen müssen.
Immer wieder gibt es natürlich Ausnahmen, so zum Beispiel der Fall einer Expertenbe-
fragung unter Softwareprogrammierern, bei denen mehr oder weniger durchgängig eine
hohe Computer-Affinität unterstellt werden kann. Hiervon abgesehen ist es meist hilfreich,
sicherheitshalber von einer Teilnehmergruppe mit relativ geringen Erfahrungen in Bezug
auf die Computer- und Internetnutzung bzw. auf das Ausfüllen von Online-Fragebögen
auszugehen. Diese Gruppe sollte durch die Gestaltung in die Lage versetzt werden, ohne
größere Probleme an der Online-Befragung teilzunehmen. Die nötigen Fertigkeiten zum
Ausfüllen sollten während der Teilnahme vermittelt bzw. erlernt werden können. Ein vor-
gelagertes Training zur Unterweisung der Teilnehmer ist lediglich im Fall von bestimmten
Frageformaten oder nicht-traditionellen Erhebungstechniken angebracht, etwa bei Blick-
verlaufsmessungen per Mausklick oder der Online-Kaufsimulation an einem Warenregal.
Zur Anleitung während der Befragung können knappe und sparsam eingesetzte Erläu-
terungs- und Vorbereitungstexte verwendet werden, am besten optisch abgetrennt von
den eigentlichen Fragen. Zu umfangreiche Erläuterungen sind eher kontraproduktiv, da
mit erhöhtem Leseaufwand auch die Abbruchrate steigt. Mit Hilfe von sinnvollen Fehler-
meldungen kann der Teilnehmer ebenfalls während des Ausfüllens die Fragebogentechnik
erleben und erlernen. Hierbei ist zu beachten, dass für den Probanden der Bezug zwischen
Frage und Fehlermeldung erhalten bleibt und verständlich erläutert wird, in welcher Weise
die Eingabe erfolgen muss, um die Bearbeitung fortsetzen zu können.
Zur Erzielung einer möglichst hohen Rücklaufquote bzw. genauer zum Erreichen einer
möglichst geringen Abbrecherquote ist es essenziell, den Teilnehmern verschiedene Infor-
mationen zu liefern bzw. Möglichkeiten zu bieten, die einen Befragungsabbruch verhin-
dern können. Zum einen ist in diesem Zusammenhang irgendeine Form der Fortschritt-
sanzeige im Fragebogen unbedingt notwendig. Es muss für den Teilnehmer jederzeit
transparent sein, an welcher Stelle der Bearbeitung er sich gerade befindet und mit wel-
chem Aufwand er bis zum Ende des Fragebogens noch rechnen muss. Die Erfahrung zeigt,
dass Abbrüche im letzten Drittel eines Fragebogens, unabhängig von der Länge desselben,
außerordentlich selten sind, wenn der Fortschritt angezeigt wird. Ist dies aber nicht der
Fall, kann ein Teilnehmer es nicht erkennen, wenn er beispielsweise nur noch zwei oder
drei Fragen vom Ende entfernt ist und nur noch einen vergleichsweise geringen Aufwand
108 2 Aufbau einer Online-Befragung

zur Vollendung investieren müsste. Die nicht vorhandene Information führt dann häufiger
zu Frustrations-Abbrüchen. Letzten Endes ist die Anzeige eines Fortschrittsbalkens nach
Meinung des Autors auch ein Gebot der Fairness gegenüber den Ausfüllern.
Eine weitere Möglichkeit, zum Komplettausfüllen von einmal begonnenen Fragebögen
zu motivieren, ist das Angebot eines Wiedereinstiegs in den persönlichen Fragebogen an
der vorherigen Abbruchstelle. Diese ist jedoch nur dann anzubieten, wenn der Fragebogen
nicht aus methodischen Gründen in einer Sitzung von Anfang bis Ende durchlaufen wer-
den muss, was gelegentlich vorkommt (zum Beispiel beim Testen von Erinnerungsleistun-
gen zu eingeblendeten Werbeanzeigen). Außerdem bedingt dieses Vorgehen entweder die
persönliche Ansprache jedes einzelnen Teilnehmers und die Verwendung von personen-
individuellen Umfragecodes (siehe hierzu auch Abschnitt 5.7). Oder es wird in der Befra-
gung die Möglichkeit angeboten, sich den Umfragelink zum Wiedereinstieg nach Eingabe
einer entsprechenden Adresse per E-Mail zusenden zu lassen. Abbildung 2.29 zeigt ein
Beispiel für die Gestaltung des Wiedereinstiegs, bei dem der Teilnehmer selbst aus drei
möglichen Optionen auswählen kann.
Ein nicht zu unterschätzender Punkt bezüglich der Usability eines Online-Fragebogens
ist die Verwendung einer „Smartclick“-Option. Hierunter versteht man die technische
Möglichkeit, zur Auswahl einer Antwort mit der Maus nicht unbedingt direkt auf den
zugeordneten Button klicken zu müssen, sondern hierfür auch einen Klick auf den Ant-
worttext selbst anwenden zu können. Dies wird von Umfrageteilnehmern in aller Regel als
sehr angenehm empfunden. Moderne Umfrage-Software bietet diese Möglichkeit meist
standardmäßig an.
Bezüglich der Darstellung der einzelnen Seiten bzw. des gesamten Fragebogens auf
dem Bildschirm des Teilnehmers ist weniger die Größe dieses Bildschirms als vielmehr
dessen Auflösung entscheidend. In den ersten Jahren der Online-Befragung ist man in
diesem Zusammenhang noch von einem kleinsten gemeinsamen Nenner von 800x600
bzw. später von 1024x768 Bildpunkten (Pixel) ausgegangen. Mittlerweile hat sich jedoch
die technische Ausstattung sowohl bei Privatpersonen als auch in Unternehmen allgemein
sehr stark verbessert. Die gängigsten Auflösungen betragen nunmehr 1280 bis 1366 Pixel
in der Breite bzw. 768 bis 1080 in der Höhe, wobei man bei nicht-bekannten Zielgruppen

Abb. 2.29: Übliche Wiedereinstiegs-Optionen für Online-Befragungen


Fragebogen-Design 109

sicherheitshalber vom jeweils geringeren Standard ausgehen sollte. Auf einem Bildschirm
mit dieser angenommenen Auflösung und bei maximiertem Browserfenster sollte jede
einzelne Frage des Fragebogens möglichst ohne Scrollbalken gänzlich sichtbar erscheinen.
Eventuell sind noch zusätzliche platzbeanspruchende Elemente wie Menübalken des Brow-
sers und Windows-Taskleiste einzuplanen. Der Teilnehmer kann durchaus auch darum
gebeten bzw. instruiert werden, zum Start der Befragung die Fenstergröße zu maximieren.
Vor allem auf Matrixfragen mit vielen Items oder auch Auswahlfragen mit langen Lis-
ten sollte besonderes Augenmerk gelegt werden. Hier kann mit einer geschickten Ausnut-
zung des Bildschirms, der Aufteilung auf mehrere Seiten oder der Darstellung in mehre-
ren Spalten viel erreicht werden. Sinn dieser Vorgehensweise ist die Gewährleistung, dass
alle Teilnehmer eine Frage in annähernd identischer Art und Weise angezeigt bekommen.
Auf diese Weise sollen ergebnisrelevante Effekte vermieden werden, die durch möglicher-
weise voneinander abweichende Darstellungen bei unterschiedlichen Teilnehmergruppen
erzeugt werden. Dies kann zum Beispiel bei Nicht-Sichtbarkeit bestimmter Elemente des
Fragebogens der Fall sein, wie das Negativbeispiel in Abbildung 2.30 zeigt.
Ein mit der Bildschirmauflösung verknüpfter Punkt ist der Aspekt, wie viele einzelne
Fragen denn auf einer Bildschirmseite platziert werden sollten. In jedem Fall sollte die
vorherige Empfehlung in der Regel eingehalten werden, dass beim Laden der betreffen-
den Bildschirmseite auch alle darauf platzierten Elemente sichtbar sind und nicht gescrollt

Abb. 2.30: Negativbeispiel für Umfragegestaltung


110 2 Aufbau einer Online-Befragung

werden muss. Dieses Prinzip gilt vor allem bei Sachfragen zum eigentlichen Thema der
Befragung. Zwei oder mehr Fragen sollten auch nur dann auf einer einzigen Seite gestellt
werden, wenn sie thematisch miteinander zusammenhängen bzw. wenn die Antworten auf
die Fragen ganz bewusst „im Kontext“ miteinander abgegeben werden sollen.
Allerdings hat sich bei den meisten Umfrage-Veranstaltern über die letzten Jahre der
Quasi-Standard des Prinzips „Eine-Frage-pro-Seite“ etabliert. Dieses scheint den Bedürf-
nissen der Teilnehmer nach der Konzentration auf jeweils ein einzelnes Thema am besten
gerecht zu werden. Hinzu kommt der Erfahrungswert, dass möglichst wenig Text auf einer
einzelnen Seite weniger abschreckend auf die Teilnehmer wirkt, weil dies einen geringe-
ren Zeitaufwand mit dem Fragebogen suggeriert – zuvor wurde diesbezüglich schon vom
„White Space“ gesprochen. In diesem Zusammenhang kann es beispielsweise auch güns-
tiger sein, Statement-Batterien auf mehrere Seiten zu verteilen, auch wenn dadurch die
Fragenanzahl steigt. Es sollte allerdings beachtet werden, dass Abbrüche auch dadurch
provoziert werden können, dass mehrere Fragen des gleichen Typs hintereinander gestellt
werden, also zum Beispiel drei aufeinander folgende Bildschirme mit Statement-Batterien
oder auch mehrere Textfragen. Falls es methodisch vertretbar ist, kann in diesen Fällen
zwischendurch eine Abwechslung oder „Auflockerung“ in Form eines abweichenden, kur-
zen Fragentyps mit wenig Text eingebaut werden.
An geeigneten Stellen kann das Prinzip der kompletten Darstellung jeder Frage auf
einer Seite durchaus etwas aufgeweicht werden, vor allem bei demographischen Fragen
gegen Ende eines Fragebogens, die keinen Interpretationsspielraum bieten und die ein
Teilnehmer auch ohne großes Nachdenken korrekt beantworten kann. In diesem Fall sind
keine ergebnisrelevanten Effekte der Positionierung zu befürchten und ein – je nach Bild-
schirmauflösung – eventuell nötiges Scrollen wird, da man sich ja dem Ende des Fragebo-
gens nähert und demnächst damit fertig ist, kaum als Ärgernis wahrgenommen werden.
Letztlich ist noch die Software-Voraussetzung der verwendeten Internet-Browser zu
beachten. Technisch sollte ein Online-Fragebogen auf möglichst vielen Plattformen aus-
füllbar sein. Allerdings ist diese Problematik aufgrund der fast flächendeckenden Vertei-
lung der gängigsten Browser Internet Explorer, Firefox und Chrome mittlerweile recht
überschaubar, wenngleich die kontinuierlichen Updates der Browser mitunter Überra-
schungen bringen können. Diese betreffen dann allerdings meist nur Spezialanwendun-
gen und Sonderformen der Datenabfrage. Insgesamt ist man schon auf der sicheren Seite,
wenn man seine Umfrage mit der jeweils aktuellsten Version der drei genannten Browser
testet sowie mit Installationen der jeweiligen vorherigen (ganzzahligen) Versionsnummer.
Wer ganz sichergehen möchte, testet noch auf den Browsern „Safari“ sowie „Opera“. Der
Safari-Browser von Apple ist als Standard-Installation auf dem „iPad“ vor allem dann rele-
vant, wenn eine größere Anzahl von Tablet-Nutzern in der angesprochenen Stichprobe
zu erwarten ist. Die gängigen Softwares zur Erstellung von Online-Befragungen bieten
bezüglich der Browser-Kompatibilität natürlich einen gewissen Standard, so dass bei ganz
normalen Frageformen eigentlich die rein technische Funktionalität vorausgesetzt werden
kann. In solchen Fällen ist ein expliziter Test eventuell nur noch im Fall von Sonderpro-
grammierungen notwendig.
Fragebogen-Design 111

Getrennt von diesem Thema ist dann eventuell noch die Funktion und Usability des
Fragebogens auf extrem kleinen Internetgeräten zu beachten, spricht auf den mobilen
Smartphones. Die Notwendigkeit hierfür hängt von der Zielgruppe der jeweiligen Befra-
gung und vom Rekrutierungsweg für die Teilnehmer ab. Ideal ist hierbei ein sogenanntes
„Responsive Design“, das von vielen Umfrage-Softwares angeboten wird, das jedoch auch
rasch an Grenzen geraten kann. Dies wird in Abschnitt 5.5 näher beschrieben.

Teilnehmerführung
Ein Umfrageteilnehmer muss stets auf einfache Weise durch den Fragebogen navigieren
können. Es sollte daher jederzeit klar erkennbar sein, welche Elemente des Fragebogen-
designs ausschließlich für die Navigation zuständig sind. Die Dramaturgie eines üblichen
Fragebogens ist dabei immer nach vorne gerichtet, ähnlich wie der Ablauf einer Intervie-
wer-gestützten Befragung. Die Möglichkeit, im Fragebogen auch wieder zurück klicken
zu können, muss nicht unbedingt eingeräumt werden. Aus methodischen Gründen ist es
manchmal sogar erforderlich, diese Option (für den gesamten Fragebogen oder bei aus-
gewählten Fragen) softwareseitig zu unterdrücken. Dieser Sachverhalt wurde bereits in
Abschnitt 2.2.3 erläutert. Wird ein Zurück-Button angeboten, so hat es sich eingebürgert
und bewährt, diesen links neben dem Weiter-Button anzuordnen, entsprechend der Lese-
richtung der meisten Sprachen. Außerdem sollten die Navigations-Buttons relativ nahe zu
den Antworten positioniert werden, da dies aufgrund kurzer Mausbewegungen den Kom-
fort erhöht. Wenn beispielsweise die Antwortmöglichkeiten ganz links auf dem Bildschirm
platziert werden, so ist es ungünstig, die Funktion „weiter“ ganz rechts anzuordnen.
Zu Beginn der Anwendung von Online-Befragungen in der Marktforschung wurde
noch mit weiteren Aspekten der Teilnehmerführung „experimentiert“. So war es zum Bei-
spiel eine Zeitlang nicht unüblich, Befragungen teilweise so zu programmieren, dass ein
Weiter-Button gar nicht nötig ist. Das ist bei allen Fragetypen möglich, die eine exakte
Anzahl von Klicks erfordern, also zum Beispiel bei einer Einfachauswahl- oder einer Mat-
rixfrage. Die Software schaltet dann einfach in dem Moment weiter, in dem der letzte Klick
erfolgt, mit dem die jeweilige Frage vollständig bearbeitet ist. Man hatte angenommen, dass
dies für die Ausfüller eventuell angenehmer sei, weil es Zeit spart. Letzten Endes wurde
jedoch erkannt, dass es wichtiger ist, dem Teilnehmer ein Gefühl der Situationskontrolle
zu vermitteln. Dieser sollte mit dem bewussten Klick auf „weiter“ selbst entscheiden, wann
die Antworten abgeschickt werden. Die Funktion der automatischen Weiterschaltung wird
darum heute nur noch sehr selten eingesetzt.
Für den Einsatz in der Online-Marktforschung weniger geeignet sind Übersichtsseiten
mit den Themen des Fragebogens, von wo aus die einzelnen Sektionen direkt angesprun-
gen werden können. Dies ist nur dann empfehlenswert, wenn es sich um sehr viele Fragen
handelt, die sich thematisch gut gliedern lassen und wenn die Reihenfolge des Ausfüllens
der Teile keine Rolle spielt. Außerdem sollte die Bearbeitung eines Abschnitts dann auch
auf der Übersichtsseite dokumentiert und der Gesamt-Ausfüllgrad kontrolliert werden.
Bei normalen Fragebögen ist diese Vorgehensweise eher hinderlich bzw. verwirrend für
den Teilnehmer, vom erhöhten Aufwand der technischen Erstellung einer solchen Proze-
dur einmal ganz abgesehen.
112 2 Aufbau einer Online-Befragung

Quellenverzeichnis

[1] Chrzan, Keith & Griffiths, Jeremy (2005). Maß vieler Dinge – Antwortskalen in
Kundenzufriedenheitsstudien. In: Research & Results. 2/2005, S. 38. http://www.
research-results.de/fachartikel/2005/ausgabe2/ma-vieler-dinge.html. Zugegriffen: 02.
März 2014.
[2] Faulbaum, Frank, Prüfer, Peter & Rexroth, Margrit (2009). Was ist eine gute Frage?.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[3] Gräf, Lorenz (2010). Online-Befragung. Eine praktische Einführung für Anfänger.
Berlin: LIT Verlag Dr. Hopf.
[4] Poynter, Ray (2010). The Handbook of Online and Social Media Research. Chichester:
John Wiley.
[5] Raulfs, Alexander (2015). Entwicklung von Fragebögen für Umfragen. http://www.
online-research.de. Zugegriffen: 02. April 2016.
[6] Theobald, Axel (2000). Das World Wide Web als Befragungsinstrument. Wiesbaden:
Gabler.
[7] Theobald, Axel, Dreyer, Marcus & Starsetzki, Thomas (Hrsg.) (2003). Online-
Marktforschung - Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, 2. Auflage.
Wiesbaden: Gabler.
Einsatzgebiete der Online-Marktforschung
3

Ganz allgemein betrachtet, ist die Marktforschung über die Jahre eine recht umfangreiche
Disziplin geworden. Neben den naheliegenden Themen, also der Befragung von Konsu-
menten, wurde das Anwendungsgebiet ihrer Methoden mittlerweile auf zahlreiche andere
Felder ausgedehnt. Es geht schon lange nicht mehr nur um den Konsumenten an sich,
sondern vielmehr um den „Kunden“ im weitesten Sinne. Das kann ein Kunde sein, der
selbst wiederum ein anderes Unternehmen vertritt oder es kann auch ein Mitarbeiter
sein, der vor seinem eigenen Arbeitgeber gleichsam als Kunde auftritt und der von diesem
„erforscht“ wird.
Sicherlich gibt es nach wie vor Anwendungsgebiete der Marktforschung, für die eine
Online-Befragung völlig ungeeignet ist, und das wird sich möglichweise auch nie ändern.
Andererseits werden bereits heute Online-Befragungen erfolgreich in Bereichen durchge-
führt, wie man es noch vor wenigen Jahren kaum für möglich gehalten hätte, zum Beispiel
für mittlerweile seriöse Wahlprognosen. Allein dieses Beispiel zeigt, dass die Anwender
zweifellos „mutiger“ werden. Und mit der Erfahrung in der Umsetzung der Methode stei-
gen die Experimentierfreude sowie das Selbstbewusstsein der Forscher. In diesem Kapitel
werden die derzeit wichtigsten Einsatzgebiete der Online-Befragung näher beleuchtet.

3.1 Online-Kundenbefragung

Es ist kein großes Geheimnis, dass kaum ein Unternehmen langfristig ohne einigerma-
ßen zufriedene Kunden bestehen kann. Gerade Bestands- bzw. Stammkunden stellen häu-
fig einen kostbaren Unternehmenswert dar. Sie verkörpern durch Wiederholungskäufe

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 113


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_3
114 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

und Cross-Buying-Aktivitäten ein mehr oder weniger fixes Gewinnpotenzial, das gerade
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein wichtiges Asset eines Unternehmens sein kann.
Kundenbefragungen dienen nun zur Gewinnung von Informationen über aktuelle oder
potenzielle Kunden, zum Beispiel zu deren Zufriedenheit, ihren Erwartungen oder den
Kaufgewohnheiten. Etwas über seine Kunden und über deren zukünftiges Kaufverhalten
zu wissen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Effektivität und Effizienz des gesamten
Marketingplans eines Unternehmens sowie der einzelnen Marketinginstrumente. Nach
Berekoven et al. (2009) [1] sind bei Kundenbefragungen vor allem folgende Themenberei-
che besonders wichtig:

• Alle Leistungen und Leistungsprozesse des Anbieters (zum Beispiel Produkte, Preise,
bis zur Freundlichkeit und Zuverlässigkeit der Mitarbeiter mit Kundenkontakt).
• Besondere (positive oder negative) Erlebnisse bzw. Erfahrungen (sogenannte critical
incidents), aus denen man Rückschlüsse auf die Verbesserung des Leistungsangebotes
ziehen kann.
• Die Bereitschaft des Kunden, den Anbieter zu wechseln (Kundenloyalität).
• Die Kundenerwartungen (zum Beispiel über zusätzliche Leistungen oder
Neuentwicklungen).
• Das Image des Anbieters und eventuell auch das seiner Wettbewerber.
• Die Überprüfung von Annahmen über die Qualität der angebotenen Leistungen
(Fremdbild).

Je nachdem, auf welche Erkenntnisinteressen eine Kundenbefragung ausgerichtet ist,


werden sich verschiedene Fragen bzw. Fragengruppen aus diesen thematischen Bereichen
über den Fragebogen verteilen. Dies gilt sowohl für die Befragung von „echten“ Konsu-
menten, also von Käufern und Nachfragern, die als Privatperson agieren, als auch für
Umfragen im B2B-Bereich, wo der Kunde de facto ein anderes Unternehmen ist, das aller-
dings wiederum von Menschen verkörpert wird. In manchen Punkten sind reine Konsu-
mentenbefragungen und B2B-Kundenbefragungen gleich oder ähnlich, in anderen unter-
scheiden sie sich sehr stark. Diese Aspekte werden in den beiden folgenden Abschnitten
beschrieben.

3.1.1 Online-Konsumentenbefragung

Die Befragung von Konsumenten ist in der Marktforschung eigentlich ein angestamm-
tes Feld für die Methode der Telefon-Befragung. Dies hängt damit zusammen, dass die
Auftrag gebenden Unternehmen im B2C-Bereich (Business to Consumer) in aller Regel
keinen direkten Kontakt zu den Endkunden ihrer Produkte und Dienstleistungen haben
und diese darum – möglichst repräsentativ – zuerst aus der Gesamtbevölkerung isolieren
müssen, um sie auch befragen zu können. In diesem Kontext kann die Teilnehmerauswahl
im Rahmen einer zufalls-basierten Telefon-Stichprobe nach wie vor exzellente Leistungen
Online-Kundenbefragung 115

erbringen. Allerdings tun sich hier auch ein paar Nachteile auf. Da ist zum einen der Kos-
tenaspekt: bei leidlich großen Stichproben und einer normalen Fragebogenlänge können
alleine die Interviewkosten bereits einen mindestens 4stelligen Euro-Betrag ausmachen.
Hinzu kommt noch der Nachteil, dass man am Telefon nicht in der Lage ist, einfach einmal
ein Bild eines neuen Produkts zu zeigen. Und die im Rahmen von offenen Fragen ermit-
telbaren Details sind meist ebenfalls sehr dünn. Diese und andere Faktoren führten dazu,
dass Online-Konsumentenbefragungen – vor allem mit der Verfügbarkeit entsprechender
Access Panels – sehr stark an Bedeutung gewinnen konnten.

Erreichbarkeit / Adressatenkreis
Gegenüber Kundenbefragungen im B2B-Bereich stehen bei Konsumentenbefragungen die
Kunden eines Unternehmens in aller Regel nicht direkt ansprechbar zur Verfügung. Es gibt
zwar Behelfsmaßnahmen wie zum Beispiel die Verwendung von Adressen aus Newslettern
oder das Sampling auf der facebook-Seite, allerdings wird über diese Mechanismen natür-
lich auch eine – zumeist unbekannte – Anzahl von Nicht-Kunden angesprochen. Hier
kann es also zum einen zu Verzerrungen durch die eigentlich falsche Klientel kommen und
zum anderen dadurch, dass eventuell nur eine bestimmte Art von Kunden den Newsletter
abonniert bzw. in facebook aktiv ist.
Aus diesen Gründen wird häufig der „Umweg“ über ein Access Panel beschritten, also
ein Dienstleister eingeschaltet, der einem forschenden Unternehmen gegen Bezahlung
Konsumenten für eine Online-Befragung zur Verfügung stellt. Der Umgang mit Access
Panels wird in Abschnitt 5.6 genauer beschrieben. Hier kann zwar nun die Stichprobe
etwas enger auf eine bestimmte Zielgruppe konzentriert werden, beispielsweise im Sinne
einer vorgegebenen Alters- und Geschlechterverteilung. Allerdings muss in den allermeis-
ten Fällen auch ein Screening durchgeführt werden. Das heißt es werden Fragen gestellt,
die festzustellen versuchen, ob eine über das Access Panel eingeladene Person überhaupt
Kunde bei dem Auftrag gebenden Unternehmen ist oder nicht. Je nachdem, um welches
Produkt oder um welche Leistung es sich handelt, kann der „Schrotflinteneffekt“ gewaltig
sein. Es ist beispielsweise gar nicht ungewöhnlich, dass für einen einzigen echten Teilneh-
mer 50 oder mehr nicht-geeignete Personen abgelehnt werden müssen. Ein solches Vorge-
hen ist natürlich wiederum mit höheren Kosten verbunden. Darum werden Access Panels
besonders häufig dann eingesetzt, wenn entweder das fragliche Produkt eine gewisse
Mindestverbreitung aufweist oder wenn aufgrund der vorhandenen Personenmerkmale
im Panel direkt oder indirekt auf eine mögliche bzw. wahrscheinliche Zugehörigkeit zur
Zielgruppe geschlossen und damit bereits zielgenauer eingeladen werden kann.
Eine andere Möglichkeit, echte Kunden direkt für eine Online-Befragung einzuladen,
besteht direkt bei der Kaufhandlung. Findet diese außerhalb des Internet statt, also zum
Beispiel in einem Geschäft, so kann beispielsweise mit dem Kaufbeleg ein kleines Kärtchen
übergeben werden, auf dem zur Teilnahme per Internet-Link und Teilnahmecode einge-
laden wird (siehe zu code-geschützten Umfragen Abschnitt 5.7). Gelegentlich findet man
eine solche Aufforderung auch auf dem Kaufbeleg selbst, wo sie allerdings weniger Auf-
merksamkeit erzeugt. Aber auch hier sind die Streuverluste sehr hoch und das Kärtchen
116 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

kann natürlich auch an eine andere Person weitergegeben werden, die gar kein Kunde ist.
Dies ist insbesondere dann zu befürchten, wenn für die Teilnahme ein interessantes Incen-
tive ausgelobt wird (siehe hierzu Abschnitt 5.9.2).
Am allerbesten sind die Voraussetzungen dann, wenn die Dienstleistung des betreffen-
den Unternehmens selbst über das Internet abgewickelt wird. Dies ist heutzutage häufig
der Fall, zum Beispiel beim Online-Shopping oder bei der Buchung von Reiseleistungen
im Internet. Hier können die Kunden unmittelbar nach dem Kauf bzw. der Buchung in
einer gesicherten Umgebung angesprochen und zu einer Bewertung aufgefordert werden.
Es gibt überhaupt keine Streuverluste in Form von angesprochenen Nicht-Kunden. Darü-
ber hinaus muss ein Online-Kunde in aller Regel eine E-Mail-Adresse hinterlassen. Diese
Adressen können – wenn mit dem „Kleingedruckten“ die Genehmigung hierfür gegeben
worden ist – dazu verwendet werden, um zu einem einheitlichen Zeitpunkt sehr viele Kun-
den zu einer Online-Befragung einzuladen.
Eine „hybride“ Situation entsteht dann, wenn ein Teil der Kunden Online-Käufer sind
und ein anderer Teil nicht. Diese Kombination von traditionellem Handel bzw. traditionel-
ler Dienstleistung mit Online-Komponenten ist im gegenwärtigen Wirtschaftsgeschehen
ziemlich häufig und trägt dem Wunsch vieler Kunden Rechnung, schnell und unkompli-
ziert eine Ware zu erwerben oder ein Ticket zu buchen, während andere Konsumenten die-
sen Weg scheuen oder gar nicht „online“ sind. Was die Anwendung einer B2C-Befragung
betrifft, sollte jedoch nicht der Fehler gemacht werden, die Ansprüche der Online-Kunden
mit denen der Offline-Kunden gleichzusetzen. Um ein Gesamtbild zu erhalten, müssen
die Offline-Kunden gleichermaßen in das Untersuchungsdesign eingebaut werden. In
manchen Fällen kann man zwar durch Parallel-Untersuchungen eine große Übereinstim-
mung bei beiden Kundengruppen feststellen und bei Vorliegen dieser Erfahrungswerte
unter Umständen nur den online günstiger erreichbaren Teil der Kunden für bestimmte
Ableitungen heranziehen. Dieser Rückschluss muss jedoch mit aller gebotenen Vorsicht
erfolgen und seine Rechtfertigung anhand von sich wiederholenden Vergleichsmessungen
über die Zeit immer wieder einer Prüfung unterzogen werden.

Kommunikationsmaßnahmen
Besondere Kommunikationsmaßnahmen sind bei Online-Konsumentenbefragungen
in aller Regel eigentlich nicht notwendig bzw. nicht üblich. Die Vermittlung der nötigen
Informationen erfolgt in den Moment, in dem der potenzielle Teilnehmer auf die Umfrage
hingewiesen und zur Teilnahme eingeladen wird. Maßnahmen wie Vorankündigungen
oder persönliche Information durch einen Kundenbetreuer sind nur in Ausnahmefällen
bzw. bei sehr engen Kundenbeziehungen sinnvoll.

Befragungsinhalte
Bezüglich der Inhalte einer B2C-Kundenbefragung gibt es keine Blaupause, die man immer
wieder anwenden könnte. Es kommt auf die aktuellen Informationsbedürfnisse und den
Anlass an: Bei der einen Befragung geht es um eine Gesamtsicht der Kundenbeziehung, bei
der nächsten um ein ganz bestimmtes Produkt. Thema kann aber auch die Zufriedenheit
Online-Kundenbefragung 117

mit dem Service eines Unternehmens sein oder die Reaktion auf eine Beschwerde. Motive
für eine Befragung gibt es in aller Regel nie zu wenige. Aus diesen Gründen sind die im
Folgenden genannten, typischen Inhalte einer Online-Befragung zur allgemeinen Kun-
denzufriedenheit nur als Beispiel zur Orientierung zu sehen und nicht als alternativlose
Empfehlung:
• Frage zur Gesamtzufriedenheit („Wenn Sie einmal alle Fakten und Erfahrungen zusam-
mennehmen, …“)
• Fragen zur Kundenloyalität
– Weiterempfehlungsabsicht
– Wiederkaufsabsicht
– Cross Selling-Absicht
• Weitere, übergeordnete Themen
– Bekanntheit / Image
– Angebotsvielfalt / Produktpalette
– Preis- / Leistungsverhältnis
• Nutzungs- / Kaufhäufigkeit bestimmter Produkte / Dienstleistungen
• Zufriedenheit mit bestimmten Produkten / Dienstleistungen
– gesamt sowie nach diversen Kriterien
– Wichtigkeit einzelner Kriterien
– Verbesserungsvorschläge
• Service-Zufriedenheit
– gesamt sowie nach diversen Kriterien
– Wichtigkeit einzelner Kriterien
– Verbesserungsvorschläge
• Abwicklung von Beschwerden
– Beschwerdeanlässe
– Schweregrad
– Zufriedenheit mit der Abwicklung
• Fragen zur Geschäftsbeziehung
– bisherige Dauer
– Umsatz pro Zeiteinheit
– Beziehungen zu Wettbewerbern
• Demographische Fragen
• Abschließende Kommentare
– Lob / Kritik / Verbesserungsvorschläge

Einfluss der Kundenbeziehungen


Bei B2C-Befragungen ist es den Kunden des betreffenden Unternehmens häufig sehr
klar, dass sie jeweils nur einer unter sehr vielen Kunden sind. Sie schätzen darum ihren
persönlichen Einfluss wohl als eher gering ein. Dementsprechend ist in aller Regel auch
die persönliche Motivation geringer, welche durch die Möglichkeit des Feedbacks und
der Einflussnahme entsteht. Teilnehmer an Online-Konsumentenbefragungen erwarten
118 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

auch keine besondere Rückmeldung auf ihre Antworten, sondern geben diese – im Fall
der Unzufriedenheit – eher auf der Hoffnung basierend ab, dass andere Kunden eventuell
ähnlich antworten und ein mögliches Problem darum vom betreffenden Unternehmen
auch ernstgenommen wird.
Persönliche Beziehungen zwischen Angestellten des Unternehmens und den Kunden,
die eine emotionale Färbung des Antwortverhaltens bewirken könnten, sind auch eher
selten. Insofern ist die Online-Konsumentenbefragung zunächst einmal ein sehr gutes Ins-
trument, um wirklich wahrhaftige Antworten zu erhalten. Dies gilt aber nur für den Fall,
dass nicht sonstige Faktoren einwirken, zum Beispiel eine besonders verlockende Form
der Incentivierung oder methodische Fehler bei der Teilnehmeransprache bzw. im gesam-
ten Aufbau des Befragungsprozesses.

Gewicht der Stammkunden


Konsumenten, die häufiger ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Leistung eines
Anbieters in Anspruch nehmen, werden auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an
dessen Kundenbefragung teilnehmen. Somit entsteht in aller Regel auch ein „natürlicher
Überhang“ dieser Kundengruppe in der Netto-Stichprobe, also in der Menge von Perso-
nen, deren Daten letztlich für die Auswertung zur Verfügung stehen. Deren Meinungen
werden für das durchführende Unternehmen gewöhnlich auch die „wichtigeren“ Meinun-
gen sein, da sie den größeren Teil des Umsatzes ausmachen. Dennoch sollten seltener kau-
fende Kunden nicht vernachlässigt werden, da sie möglicherweise ein Umsatzpotenzial
darstellen, das noch gehoben werden könnte. In jedem Fall sollte dieser Umstand bei der
Datenanalyse in Betracht gezogen werden. Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn über
alle Teilnehmer auch entsprechende Daten zur Kaufhäufigkeit oder zum Kaufvolumen
vorliegen. In der Regel wird dies so gelöst, dass in der Befragung einfach entsprechende
Fragen hierzu gestellt werden.

Beteiligung
Das Ausmaß der Beteiligung an einer Online-Konsumentenbefragung hängt in hohem
Maße vom Involvement der angesprochenen Personen ab. Sind die Produkte oder die
Dienstleistungen, um die es geht, für einen Teilnehmer im täglichen Leben oder auf-
grund einer speziellen Lebenssituation oder wegen einer bestimmten Neigung von hoher
Bedeutung? Oder handelt es sich um „Allerweltskäufe“, denen keine spezielle Beachtung
geschenkt wird. Für Online-Befragungen im B2C-Bereich gibt es deshalb eine sehr breite
Spanne von Erfahrungswerten bezüglich des Rücklaufs. Diese reichen im Extremfall von
2 Prozent bis zu 50 Prozent der angesprochenen Personen. Die typischen Rücklaufquoten
liegen allerdings meist zwischen 5 Prozent und 20 Prozent.
Wichtig ist an dieser Stelle, dass mit der vorhandenen Befragungs-Ressource „Kunde“
vorsichtig umgegangen und kein „Over-Fishing“ betrieben wird. Auch der gewogenste
Kunde kann sich bei der dritten oder vierten Befragung innerhalb eines Jahres genervt
fühlen. Je nach Teilnehmeransprache kann dies mit einer intelligenten Steuerung aber
häufig vermieden werden, da die Kundenbasis oftmals sehr groß ist. Es ist dann durch
Online-Kundenbefragung 119

Ziehung von Stichproben eben zu vermeiden, einen bereits befragten Kunden innerhalb
eines definierten Zeitraumes nochmals anzuschreiben.

Nachbereitung
Die persönliche Information über die wichtigsten Ergebnisse stellt im B2B-Bereich einen
nicht zu unterschätzenden Motivationsfaktor dar. Bei Konsumenten ist dies nicht der Fall,
insofern werden Maßnahmen dieser Art in aller Regel auch nicht durchgeführt. Manche
Unternehmen entscheiden sich jedoch dafür, im Rahmen von Newslettern oder sonstigen
Kommunikationswegen über eine durchgeführte Befragung, ausgewählte Ergebnisse und
daraus abgeleitete Maßnahmen zu berichten. Dies kann für die tatsächlichen Teilnehmer,
so sie diese Kommunikation überhaupt erhalten und wahrnehmen, eine nachträgliche
Bestärkung der Teilnahme bewirken und dem Rest der Kundschaft die Botschaft vermit-
teln, dass das Unternehmen (im weitesten Sinne) auf seine Kunden „hört“.

3.1.2 Online-B2B-Kundenbefragung

Die Durchführung von Online-Kundenbefragungen im Konsumentenbereich ist häufig


eine große Herausforderung, da den Unternehmen ihre Endkunden oft gar nicht direkt
bekannt sind. Im B2B-Bereich (Business to Business) ist die Situation meist deutlich güns-
tiger: Man befindet sich in der Regel im direkten Austausch mit den Kunden und kennt
diese oft persönlich. Gute Voraussetzungen also für eine Befragung! Im Folgenden werden
die spezifischen Erfolgsfaktoren und Vorteile sowie die wichtigsten Herausforderungen
und Fallstricke dieser Befragungsform diskutiert.

Erreichbarkeit / Adressatenkreis
B2B-Kundenbefragungen lassen sich häufig sehr effizient in Form von Online-Befragun-
gen durchführen. Denn die Grundgesamtheit, also die Menge von Personen, über die man
etwas wissen möchte, steht in aller Regel vollständig adressierbar zur Verfügung. Häu-
fig findet ein regelmäßiger, direkter Austausch statt, in den meisten Fällen sind von den
Kunden auch noch E-Mail-Adressen verzeichnet, was die Voraussetzungen nochmals
verbessert.
Gerade die Online-Befragung bietet vielleicht erstmals die Möglichkeit, eine Voller-
hebung unter allen aktuellen Kunden durchzuführen, wo zuvor aus Wirtschaftlichkeits-
gründen nur eine Stichprobe gezogen und befragt werden konnte. Das Ziehen einer Stich-
probe bzw. ein entsprechender Mechanismus hierfür ist daher meist nicht notwendig. Die
Aufbereitung der für die Einladung zur Befragung notwendigen Adressdaten (wie E-Mail-
Adresse, Anrede, Name etc.) gestaltet sich in manchen Fällen aber schwieriger, als von
dem betreffenden Unternehmen erwartet. Mitunter zeigt sich nämlich, dass die Kunden-
daten leider doch nicht so gut gepflegt und aktuell sind, wie man gedacht hatte. Oder die
Daten sind zwar vorhanden, es gibt aber technische oder organisatorische Hürden, diese
aus dem CRM-System – oder nicht selten auch aus mehreren, getrennten Systemen – zu
120 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

exportieren und zusammenzustellen. Diese Punkte sollten im Rahmen der Projektvorbe-


reitung unbedingt geklärt werden.
Zusätzlich muss bedacht werden, dass es pro Kunde eines Unternehmens nicht selten
mehrere Ansprechpartner bei diesem Kunden gibt, was meist von der Unternehmens-
größe des Kunden abhängig ist. Diese Ansprechpartner haben auch noch verschiedene
Funktionen, von der Geschäftsleitung, die größere Investitionsentscheidungen trifft, über
den Einkauf, der diese umsetzt, bis hin zu den operativen Ansprechpartnern, die die Leis-
tungen dann tatsächlich empfangen und schlussendlich auch am besten bewerten können.
Durch die Befragung aller Gruppen entsteht zwar sicherlich ein facettenreiches Gesamt-
bild, aber dennoch muss auf der Grundlage der Befragungsziele eine intelligente Auswahl
der beim Kunden anzusprechenden Personen getroffen und der Fragebogen eventuell
nach verschiedenen Teilnehmer-Rollen unterteilt werden.

Kommunikationsmaßnahmen
Einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg einer B2B-Kundenbefragung ist die
Kommunikation mit den Teilnehmern. So bietet es sich beispielsweise an, zunächst in
Form eines Mailings durch die Geschäftsführung über das Projekt zu informieren und
für die Teilnahme zu werben. Eine Woche danach kann dann die konkrete Einladung per
E-Mail vom beauftragten Dienstleister oder einer Fachabteilung des Unternehmens ver-
sendet werden.
In manchen Fällen wird auch erwogen, die vor Ort tätigen Kundenbetreuer einzube-
ziehen, die die potenziellen Teilnehmer vorab persönlich auf die anstehende Befragung
hinweisen sollen. Es ist jedoch zu bedenken, dass hierdurch bereits eine Beeinflussung ent-
stehen kann und die Teilnehmer sich veranlasst sehen könnten, eher „Gefälligkeitsurteile“
abzugeben. Der Einsatz dieses Mittels sollte also gut abgewogen werden bzw. in standar-
disierter Form erfolgen, beispielsweise mit Hilfe eines vorgegebenen Gesprächsleitfadens.

Befragungsinhalte
Ein Online-Fragebogen für B2B-Kunden kann viele verschiedene Themen behandeln
(einige wurden bereits im vorherigen Abschnitt im Kontext von B2C-Kundenbefragungen
genannt) und die Themenblöcke können je nach Kundenstatus entsprechend gesteuert
werden. Dies ist bei großen Unternehmen mit verschiedenen Leistungs- oder Geschäftsbe-
reichen auch sehr sinnvoll, damit auch nur das bewertet wird, was von den teilnehmenden
Kunden auch bewertet werden kann. Problematisch kann es aber in solchen Konstellatio-
nen sein, übergreifende Urteile abzugeben, etwa zur Gesamtzufriedenheit oder zur Wei-
terempfehlungsabsicht. Es bleibt eventuell unklar, ob ein solches Urteil quasi „gleichmäßig
verteilt“ auf alle Leistungen gelten kann oder ob es vom Eindruck eines bestimmten Leis-
tungsbereichs dominiert wird. Sind derlei Effekte zu befürchten, so ist in jedem Fall mit
leistungsspezifischen Fragestellungen zu arbeiten.
Online-Kundenbefragung 121

Individuelles Feedback
Teilnehmer an Kundenbefragungen im B2B-Bereich reagieren in aller Regel eher positiv
darauf, dass sie überhaupt einmal gefragt werden. Außerdem geben sie gerne auch persön-
liche bzw. individuelle Rückmeldungen in den Umfragen ab. Teils werden ganz spezifische
Probleme aus einer Kundenbeziehung adressiert. Dies ist einerseits positiv zu bewerten,
da es für eine hohe Motivation auf Seiten der Teilnehmer spricht. Andererseits nehmen
diese Befragungsteilnehmer dann aber mitunter auch eine gewisse Erwartungshaltung ein,
dass das geschilderte Problem auch gelöst wird bzw. sie möchten irgendeine Rückmeldung
erhalten. Diesem im Grunde nachvollziehbaren Wunsch steht allerdings in der Regel die
dem Teilnehmer garantierte und über technische Maßnahmen (siehe hierzu Abschnitt 5.8)
realisierte Anonymität gegenüber. Das heißt, ein persönliches Feedback kann im Einzelnen
gar nicht gegeben werden. Dieser geschilderten Anspruchshaltung mancher Kunden kann
nur durch eine klare Kommunikation an dieser Stelle begegnet werden, die beschreibt,
dass individuelles Feedback am besten auf anderem Wege (zum Beispiel per E-Mail) gege-
ben werden sollte. In manchen Fällen kann man auch ganz bewusst die Möglichkeit geben,
Kontaktdaten zu hinterlassen, so dass sich der Teilnehmer auf Wunsch freiwillig „ent-ano-
nymisieren“ kann. Diese Option wird dann auch meist von einem nicht geringen Anteil
der Teilnehmer wahrgenommen.

Einfluss der Kundenbeziehungen


B2B-Kunden haben häufig ein viel engeres Verhältnis zum befragenden Unternehmen
bzw. zu den dortigen Kundenbetreuern und sonstigen Ansprechpartnern. Somit kann
zunächst von einer höheren Teilnahmemotivation ausgegangen werden, verglichen mit
einer Umfrage im Konsumentenbereich. Allerdings können persönliche Beziehungen –
zum Beispiel zwischen einem Key Accounter beim durchführenden Unternehmen und
dem antwortenden Ingenieur auf der Kundenseite – auch nicht-erwünschte Einflüsse
haben, da sie im Fall von Unzufriedenheit eine wirklich ehrliche Antwort weniger wahr-
scheinlich machen. Sind solche engeren Beziehungen die Regel, so ist eine Kundenbefra-
gung kommunikativ davon abzukoppeln, beispielsweise auch durch die Übertragung der
Durchführung an einen externen Dienstleister.

Gewicht der Stammkunden


Die Erfahrung bestätigt die intuitive Annahme, dass Kunden mit einer sehr engen Bezie-
hung zum Anbieter häufiger bzw. wahrscheinlicher an einer B2B-Kundenbefragung teil-
nehmen werden als solche mit einer weniger engen Beziehung. Besonders dann, wenn die
Dienstleistungen oder die gelieferten Waren beim Kunden wiederum integrierter Bestand-
teil seiner eigenen Leistungskette sind, wird der Kunde mit einer Umfrageteilnahme einen
höheren Eigenvorteil verbinden und wahrscheinlicher teilnehmen.
Im ungewichteten Endergebnis einer Befragung werden damit diese Stammkunden im
Vergleich zu ihrem tatsächlichen Anteil an der Kunden-Gesamtzahl zumeist eher überre-
präsentiert sein. Dieser Effekt kann sich in vielen Fällen durch eine möglicherweise höhere
Zahl von Ansprechpartnern bei diesen Kunden noch verstärken. Durch eine intelligente
122 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Stichprobenauswahl im Vorfeld oder in Form einer Datengewichtung im Nachhinein kann


dem begegnet werden. Zentral ist hierbei die Frage, welche Zusammenstellung von Ein-
zelmeinungen man denn tatsächlich bekommen möchte, oder mit anderen Worten: „Wer
sind eigentlich unsere Kunden?“ Ist es dem betreffenden Unternehmen wichtig, vor allem
die besten Kunden abzubilden oder möchte es einen Gesamtüberblick erhalten, in dem
auch weniger starke Kunden repräsentiert sind? Die Antworten auf diese Fragen deter-
minieren dann die Vorgehensweise bei der Teilnehmerauswahl bzw. bei der Auswertung.

Beteiligung
Die Beteiligung an B2B-Kundenbefragungen ist sehr unterschiedlich und hängt in nicht
unerheblichem Ausmaß von der Aktualität des Adressmaterials ab. Darüber hinaus spielt
das Involvement der eingeladenen Personen die Hauptrolle und dieses wiederum hängt
eng mit der Natur der Kundenbeziehung zusammen. Ist das befragende Unternehmen nur
ein Lieferant unter vielen? Oder gibt es eine enge Zusammenarbeit, eventuell sogar mit
integrierten Prozess- und Leistungsketten? Dementsprechend liegen die Erfahrungswerte
zwischen 10 Prozent und 40 Prozent Rücklaufquote, wobei Vorab-Prognosen wie üblich
sehr schwierig sind.
Negativ auf die Rücklaufquote wirkt sich aus, dass B2B-Kundenbefragungen eine
gewisse Beliebtheit erlangt haben und somit von vielen Unternehmen durchgeführt wer-
den. Dementsprechend werden potenzielle Teilnehmer auch häufig von Dienstleistern und
Lieferanten hierzu angesprochen. In nicht wenigen Betrieben gibt es deshalb mittlerweile
Richtlinien, die die Teilnahme an solchen Befragungen explizit verbieten. Neben dem
Aspekt der hierauf verwendeten Arbeitszeit, die ja vom Kundenunternehmen bezahlt wird,
spielt vor allem auch die Geheimhaltung von Interna eine Rolle bei diesen Regularien.

Nachbereitung
Die beste nachträgliche Bestätigung der Sinnhaftigkeit der Teilnahme an einer B2B-Kun-
denbefragung ist die Kommunikation der Ergebnisse bzw. deren Umsetzung durch das
befragende Unternehmen. Dies kann zum Beispiel in Form einer Informationsmail oder
eines gedruckten Infoflyers erfolgen. Es ist vollkommen ausreichend, sich dabei auf ausge-
wählte Ergebnisse zu konzentrieren. Entscheidend ist: die Kunden sollen es spüren, dass
überhaupt etwas geschieht und die Ergebnisse ernstgenommen und umgesetzt werden.
Die Ergebnisrückmeldung darf allerdings – auch wenn dies in guter Absicht erfolgt – nicht
so weit getrieben werden und so ausführlich und detailliert sein, dass Wettbewerber mög-
licherweise mit Hilfe dieser Informationen Vorteile erlangen könnten. Das durchführende
Unternehmen muss immer davon ausgehen, dass Informationen dieser Art auf irgendeine
Weise letztlich auch bei der Konkurrenz landen.
Online-Mitarbeiterbefragung 123

3.2 Online-Mitarbeiterbefragung

Es lässt sich gut und gerne trefflich darüber streiten, ob Mitarbeiterbefragungen überhaupt
eine Disziplin der Marktforschung sind. Man könnte semantisch argumentieren, dass ein
Arbeitsmarkt ja auch ein „Markt“ ist, auch wenn es sich um den internen Markt innerhalb
einer Organisation handelt. Und bei einer Mitarbeiterbefragung geht es eben zum Beispiel
um die Einstellungen und Präferenzen von Marktteilnehmern, nämlich in diesem Falle der
Mitarbeiter. Diskussionen dieser Art sind allerdings weitgehend unnötig, denn die Realität
ist, dass sehr viele Marktforschungsinstitute auch Befragungen in Unternehmen anbieten
und durchführen. Sie erweitern damit ihr Angebotsspektrum und sind letztlich auch dafür
prädestiniert, da sie die Methoden und Prozesse der Erhebung von Einstellungen, Mei-
nungen und Befindlichkeiten beherrschen.
Ob online oder offline – zum Thema „Mitarbeiterbefragungen“ ließen sich ganze Bücher
schreiben (und wurden auch geschrieben). Es gibt eine Fülle von einzelnen Aspekten und
kleinen Details zu beachten, von der Planung bis zur Verwertung der Ergebnisse. Bei der
Durchführungsart „online“ kommen noch diverse technisch-organisatorische Feinheiten
hinzu. Aus diesem Grund nimmt dieser Abschnitt im Kapitel auch einen deutlich größe-
ren Raum ein, als vermeintlich gerechtfertigt wäre. Für andere Anwendungsgebiete sind
diese Aspekte zwar nicht unbedingt relevant. Allerdings war die Mitarbeiterbefragung von
Beginn an eine Art „Killer-Anwendung“ für die Online-Befragung und sie steht somit für
hoffentlich substanzielle Teile der Leserschaft auch im Fokus des Interesses.
Wenn es sich nicht gerade um sehr triviale Projekte handelt, dann sollten Befragungen
in Unternehmen – im weitesten Sinn also Mitarbeiterbefragungen – in aller Regel nicht
ausschließlich vom Unternehmen selbst durchgeführt und administriert werden. Zumin-
dest bei der Aufzeichnung und Verwaltung der Daten sowie bei der Auswertung ist es
mehr als sinnvoll, die Unterstützung durch einen entsprechenden Dienstleister zu suchen.
Bei Online-Befragungen kommt darüber hinaus noch die technische Umsetzung hinzu,
wobei die Gewährleistung der Anonymität der Teilnehmer sowie der Vertraulichkeit ihrer
Daten zentral ist. In vielen Fällen kann man sich auch die Aufgaben teilen und ein Institut
bzw. einen vergleichbaren Dienstleister nur für bestimmte Komponenten des Gesamtpa-
ketes beauftragen.
Traditionell wurden und werden nach wie vor Befragungen in Unternehmen in vielen
Fällen als schriftliche Befragung durchgeführt, das heißt unter Verwendung von Papier-
Fragebögen. Hiermit sind gewisse Nachteile verbunden wie etwa ein üblicherweise länge-
rer Erhebungszeitraum, Druck- und eventuell Portokosten, hoher Papierverbrauch oder
die eingeschränkte Möglichkeit der Durchführung von Erinnerungen. Aus diesen Grün-
den wurde es seit Anfang der 2000er Jahre immer beliebter und entsprechend häufiger,
dass Befragungen in Unternehmen online über das Internet bzw. Intranet durchgeführt
wurden. Für nicht wenige Unternehmen, die sich früh auf den Bereich der Online-Markt-
forschung spezialisiert haben, waren solche Mitarbeiterbefragungen ein wichtiges Stand-
bein, um die ersten Jahre der Online-Befragung wirtschaftlich überhaupt überleben zu
können. Die später noch zu erläuternden Voraussetzungen waren auch damals in vielen
124 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Unternehmen bereits vorhanden, vor allem im Dienstleistungssektor wie beispielsweise


bei Banken und Versicherungen.
Befragungen von Unternehmensangehörigen online durchzuführen, birgt gegenüber
anderen Methoden enorme Vorteile. So lassen sich etwa die Erhebungszeiträume in aller
Regel deutlich verkürzen. Es kann außerdem sehr effizient die gesamte Belegschaft befragt
werden, wo vorher eventuell nur die Erhebung von Stichproben möglich war. Eine sol-
che Vollerhebung erhöht vor allem die Akzeptanz der Befragung auf Seiten der Mitarbei-
ter, auch im Hinblick auf mögliche Nachfolgemaßnahmen, die auf Basis der Ergebnisse
beschlossen werden und die nicht immer für alle angenehm sind. In der Regel herrscht
auch eine hohe Teilnehmermotivation durch die Modernität der Methode vor. Und es sind
auch kleinere Projekte sinnvoll und ökonomisch umsetzbar, was die Geschäftsleitung –
zumindest theoretisch – in die Lage versetzt, die Situation im Unternehmen mehr oder
weniger ständig zu verfolgen und somit auch zu steuern.
Einige der Probleme allgemeiner Online-Befragungen sind für online durchgeführte
Mitarbeiterbefragungen nicht relevant. So sind etwa alle Elemente der Grundgesamtheit,
also die Mitarbeiter selbst, identifizierbar und individuell adressierbar (per Hauspost,
Telefon, persönlich etc.). In besonders günstigen Fällen sind sie auch alle direkt über das
Medium „online“ zu erreichen, also per E-Mail. Diese Voraussetzung ist heutzutage in
vielen Unternehmen gegeben. Weiterhin sind die Rücklaufquoten aufgrund einer hohen
Motivation zur Teilnahme in der Regel ebenfalls zufriedenstellend. Mehrfachteilnahmen
können technisch ausgeschlossen werden, was äußerst wichtig ist für die Glaubwürdigkeit
der Ergebnisse. Und – last but not least – die Anonymität kann durch verschiedene techni-
sche und organisatorische Maßnahmen gewährleistet werden (siehe hierzu auch Abschnitt
5.8).
Die Durchführung einer geplanten Mitarbeiterbefragung online anzugehen, ist dann
besonders sinnvoll, wenn …

• alle potenziellen Teilnehmer per E-Mail erreichbar sind.


• die Arbeitsplätze über einen Computer mit Internet- / Intranet-Zugang verfügen.
• ausreichende PC-Fähigkeiten zum Ausfüllen des Fragebogens bei den Mitarbeitern
vorausgesetzt werden können.
• eine hohe Anzahl von Personen befragt werden soll.
• die Belegschaft regional breit gestreut ist (zum Beispiel diverse Standorte, internatio-
nale Konzerne).
• kontinuierliche Befragungen geplant sind (Längsschnittanalysen).
• ein Standardinstrument (Fragebogen) zur Anwendung kommen soll.
• die Befragungsmethode zur Unternehmenskultur passt.
Online-Mitarbeiterbefragung 125

3.2.1 Typische Fallstricke

Wie bei vielen Vorhaben, so gibt es auch bei Mitarbeiterbefragungen typische Fehler und
Fallstricke, die „immer wieder gerne“ gemacht werden, weil die entsprechende Erfah-
rung fehlt. Fehler dieser Art sind allerdings bei Mitarbeiterbefragungen mitunter umso
schmerzlicher, da sie in der Folge erst sehr mühsam wieder behoben und „geheilt“ werden
müssen. Das liegt daran, dass hier wiederholt die gleichen Teilnehmer für Befragungen
herangezogen werden. Bei der Befragung von Konsumenten kann in der Regel jedes Mal
eine neue Stichprobe rekrutiert werden, bei der Mitarbeiterbefragung geht das nicht. Die
Belegschaft wird sich mittelfristig an eventuelle Fehler und Unstimmigkeiten erinnern,
was sich somit selbstverständlich auf die jeweils nächste Befragung (und eventuell darüber
hinaus) auswirken wird.
Entscheidende Fehler bei Mitarbeiterbefragungen werden häufig schon bei der Kon-
zeption und Organisation eines solchen Projektes gemacht. Hier wird mitunter eine viel
zu ehrgeizige Zeitplanung angelegt, mit den Vorbereitungen wird zu spät begonnen und
das Ganze wird „übers Knie gebrochen“. Quelle eines solchen Fehlers sind nicht selten
Geschäftsführer und Vorstände, gerade von mittelständischen Unternehmen. Diese kom-
men – meist durchaus aus gegebenen und nachvollziehbaren Anlässen – plötzlich auf die
Idee, eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen, geben der zuständigen Fachabteilung
aber zu wenig Zeit zur adäquaten Umsetzung. Wenn diese dann noch den schieren Zeit-
aufwand für die notwendigen Abstimmungen unterschätzt und die Vorbereitungen ein-
fach zu spät angeht, steht das Projekt von Beginn an unter einem unnötigen Zeitdruck.
Hinzu kommt, dass gerade in hierarchisch strukturierten Unternehmen die meiste Zeit für
interne Abstimmungen verbraucht wird, da viele Schritte von bestimmten Gremien und/
oder Vorgesetzten freigegeben werden müssen.
Ein besonders wichtiger Punkt ist die in aller Regel notwendige Absprache mit den
Arbeitnehmervertretungen bzw. Betriebsräten, gerade wenn die Mitarbeiterbefragung
zum ersten Mal online erfolgen soll. Nicht selten gibt es bei Mitarbeiterbefragungen Verzö-
gerungen in der Umsetzung, weil genau die Freigabe durch diese Institution nicht vorliegt,
diese aber zum Beispiel nur alle vier Wochen zusammentritt und nur dann beschlussfähig
ist. Entsprechend ihrer Aufgabe wollen die Vertreter in den Betriebsräten dann aber meist
nicht einfach nur die Befragung „abnicken“, sondern völlig zurecht auch etwas über die
Inhalte, die Datensicherheit und die geplanten Folgeprozesse erfahren. Aus diesen Grün-
den sollten Betriebsräte bei einer geplanten Mitarbeiterbefragung von Beginn an nicht nur
informiert, sondern mit „ins Boot geholt“ und einbezogen werden. Wenn sich die Arbeit-
nehmervertreter ernstgenommen fühlen und mit sinnvollen Argumenten vom Projekt
überzeugt werden, dann ziehen sie in aller Regel auch gerne mit „an einem Strang“, machen
sinnvolle Verbesserungsvorschläge, geben den Weg frei für die notwendigen Schritte und
können sogar als „Promotoren“ des gesamten Projektes auftreten. In solch vertrauensvoller
Atmosphäre hat eine Mitarbeiterbefragung von Beginn viel höhere Chancen auf Erfolg.
Neben der Vertretung der Arbeitnehmer sollte aber natürlich auch die Belegschaft
selbst zu einem gewissen Zeitpunkt über das Vorhaben „Mitarbeiterbefragung“ informiert
126 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

werden. Auf diese Weise können eventuell auftretende Fragen, Einwände oder Missver-
ständnisse bereits im Vorfeld thematisiert und ausgeräumt werden. Wenn die Mitarbei-
ter erst mit der Einladung von dem Projekt erfahren und sich erst dann einen Überblick
hierzu verschaffen bzw. eine Meinung bilden können, ist es möglicherweise bereits zu spät.
Bei nicht wenigen wird der Eindruck entstehen, dass die Befragung irgendwie „durchge-
drückt“ werden soll, ohne allzu viel Information darüber preisgeben zu wollen. Wie man
sich vorstellen kann, leistet eine solche Vorgehensweise der mangelnden Akzeptanz und
somit einer geringeren Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter unnötig Vorschub.
Misstrauen bei der Belegschaft kann aber nicht nur durch eine verspätete oder unge-
eignete Kommunikationspolitik entstehen, sondern ganz allgemein durch eine unprofessi-
onell wirkende Umsetzung des gesamten Projektes. Sobald die angesprochenen Personen
bemerken, dass sich die durchführende Institution nicht wirklich Mühe bei der Umset-
zung gibt, wirkt sich dieses auf den Erfolg aus. Eine unprofessionelle Umsetzung kann an
vielen Stellen zum Ausdruck kommen, zum Beispiel durch …

• einen inhaltlich „lieblos“ aufgestellten Fragebogen mit ganz offensichtlichen methodi-


schen Schwächen wie der Dopplung von Fragethemen oder zweideutig formulierten
Fragen.
• eine Einladung zur Umfrage, die wichtige Aspekte außer Acht lässt wie beispielsweise
das Thema Datenschutz und Anonymität.
• vermehrt auftretende orthographische oder Grammatik-Fehler.
• unklare Aussagen zur späteren Auswertung und Verwendung der Daten.
• eine unprofessionell wirkende Optik des Online-Fragebogens.
• technische Schwächen der Online-Befragung wie zum Beispiel nicht geladene Grafiken
oder plötzlich auftauchende Warnmeldungen.

Um es nochmals klarzustellen: Es geht nicht darum, eine Online-Mitarbeiterbefragung


möglichst aufwändig, teuer und „in Hochglanzoptik“ umzusetzen. Dieses andere Extrem
wird bei der Belegschaft auch nicht unbedingt goutiert, da allen bewusst ist, dass ein sol-
ches Projekt auch Geld kostet, für das es eventuell bessere Verwendungszwecke gäbe. Es
darf beispielsweise nicht der Eindruck entstehen, dass es sich auch um ein Prestigeprojekt
des Personalleiters oder des Geschäftsführers handeln könnte. Zwischen „professionell“
und „übertrieben“ gibt es einen feinen Unterschied, für den Mitarbeiter nicht selten ein
sensibles Gespür haben.
Eine weitere, häufiger auftretende Problematik ist die Versuchung der beteiligten Per-
sonen, möglichst viele Aspekte in eine Mitarbeiterbefragung „hineinzupacken“. Nicht sel-
ten liegt das daran, dass in der Konzeptionsphase zu viele Menschen am Projekt betei-
ligt sind, die alle ihre „Wünsche“ für den Fragebogen haben. An dieser Stelle bewährt es
sich, vorab klare Ziele für die Befragung abzustecken und die auftretenden Wunschfragen
immer wieder an diesen Zielen zu messen. Denn ein zu langer Fragebogen wirkt ab einem
gewissen Umfang einfach abschreckend auf die Teilnehmerschaft. Die Mitarbeiter sehen
ab einer gewissen Stelle keinen Sinn mehr darin, auch noch die x-te kleinteilige Detailfrage
Online-Mitarbeiterbefragung 127

zum Thema M und N zu beantworten. Ein hoher Bearbeitungsaufwand spricht sich inner-
halb der Belegschaft auch schnell herum. Vor allem in den Ohren derjenigen, die sich die
Befragung noch gar nicht angesehen haben, wird diese dann bereits diskreditiert. All diese
Dinge wirken sich dann natürlich auf den Rücklauf aus.
Ein Fallstrick, der eher bei Unternehmen auftritt, die bisher noch keine Erfahrungen
mit Online-Mitarbeiterbefragungen gemacht haben, ist eine möglicherweise mangelhafte
Qualität der E-Mail-Adressen der eigenen Belegschaft. Vielfach wird von der beauftragten
Personalabteilung einfach ungeprüft davon ausgegangen, dass die entsprechenden Listen
auf einfache Weise erstellbar oder beschaffbar sind. Das ist jedoch nicht überall der Fall.
Gerade wenn eine Organisation auf viele Standorte verteilt ist, eventuell sogar internati-
onal, dann ist es gut möglich, dass die Stammdaten der Mitarbeiter dezentral verwaltet
werden. Manchmal sind die Listen auch schlicht veraltet bzw. schlecht gepflegt, so dass
beispielsweise viele „Karteileichen“ und Dubletten vorkommen oder relativ neu hinzuge-
kommene Mitarbeiter darin fehlen.
Eine im Einzelfall besonders fehlerbehaftete Methode ist es, die E-Mail-Adressen
automatisiert nach einer bestimmten Syntax zusammenzusetzen (zum Beispiel vorname.
nachname@firma.com), die angeblich für alle Adressen des Unternehmens gilt. Bei kleine-
ren Adressbeständen kann man die mit einiger Sicherheit auftretenden Unstimmigkeiten
meist noch von Hand ausgleichen. Ab einigen tausend Adressen, möglicherweise noch
mit einer großen Menge Namen nicht-deutscher Herkunft, wird es aber zum ernsthaften
Problem, wenn beispielsweise für Menschen mit Vornamen wie „Hans-Werner“ oder mit
Nachnamen wie „von der Au“ oder mit Namen wie „Jorge Maria Hernandez da Silva“ die
Syntax für die E-Mail-Adressen eben doch nicht genau genug definiert ist. Diese Personen
werden dann von der Befragung quasi ausgeschlossen bzw. die Fehlermeldungen beim
E-Mail-Versand müssen mühsam nachbearbeitet werden. Besonders perfide sind in die-
sem Kontext echte Namensdopplungen: So dürfte es in jedem Großkonzern mindestens
zwei „Peter Müller“ und zwei „Claudia Meier“ geben, wovon dann in der Regel eine Person
als Ausnahmefall eine Adresse mit abweichender Syntax wie zum Beispiel peter.mueller2@
firma.com hat.
Wenn Mitarbeiterbefragungen zu häufig durchgeführt werden, egal ob dies online oder
auf andere Weise geschieht, dann sinkt in aller Regel nach kurzer Zeit bereits die Teil-
nahmebereitschaft der Belegschaft. Vor allem mit den neuen Möglichkeiten der Online-
Befragung war es eine Zeitlang nicht unüblich, die Mitarbeiterbefragung im jährlichen
Rhythmus oder noch häufiger auszurollen, um sozusagen jederzeit „am Puls des Mitarbei-
ters“ zu fühlen und immer ein aktuelles Bild des Unternehmensklimas zur Verfügung zu
haben. Man musste jedoch bald feststellen, dass die Motivierbarkeit Grenzen hat. Spürbar
sinkende Rücklaufquoten waren die Folge. In aller Regel ist ein solcher Rhythmus auch
zu kurz, um nach einer Befragung die Ergebnisse nicht nur auswerten, sondern vor allem
auch in sinnvolle Maßnahmen umsetzen und dies auch kommunizieren zu können. So
entsteht bei der Belegschaft leicht der Eindruck, dass „ohnehin nichts geschieht“, egal wie
sehr man in der Mitarbeiterbefragung auf Missstände hinweist bzw. wie fleißig man sich
daran beteiligt.
128 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

3.2.2 Erfolgsfaktoren

Welche Aspekte entscheiden nun über das „Wohl und Wehe“ einer Online-Mitarbeiter-
befragung? Im Folgenden werden die wichtigsten Elemente illustriert. Es geht dabei um
ähnliche Aspekte wie bei den zuvor diskutierten Fallstricken. Aber es verhält sich wie bei
vielen anderen Projekten auch: Es geht nicht nur darum, Dinge nicht falsch zu machen,
sondern Dinge besonders gut und korrekt auszuführen. Im Wesentlichen betrifft dies
die Planung und Kommunikation zum Projekt, die Inhalte des Fragebogens, die Art und
Weise der Teilnehmeransprache sowie die Themen Vertraulichkeit und Anonymität. Diese
vier Komponenten sind erfahrungsgemäß wesentliche Erfolgsfaktoren einer Online-Mit-
arbeiterbefragung. Das bedeutet nicht, dass man nicht auch auf andere Dinge Acht geben
muss. Aber die folgenden Aspekte haben potenziell die größten Auswirkungen, positiv wie
negativ.

Planung und Kommunikation


Bei Planung und Kommunikation einer Online-Mitarbeiterbefragung ist ein frühzeitiger
Beginn der Prozesse anzuraten, gerade bei Unternehmen, die damit bisher keine Erfah-
rungen gemacht haben. In manchen Fällen sind Hürden zu überwinden, an die zuvor
nicht gedacht worden ist. Bei Erstprojekten beginnt der Zeitplan im Idealfall mindestens
ca. sechs Monate vor der angedachten Feldzeit, mindestens aber drei Monate vorher. Dies
hängt nicht unwesentlich auch von den Hierarchiestufen und vom generellen Entschei-
dungsverhalten des betreffenden Unternehmens ab. Falls es sich nicht um ein Erstprojekt
handelt, kann man in aller Regel bereits auf Erfahrungswerte zurückgreifen und etwas
kurzfristiger planen. Alle beteiligten Gremien sollten aber genügend Zeit erhalten, um sich
angemessen an dem Projekt beteiligen zu können.
Wichtig ist vor allem das richtige Maß begleitender Kommunikationsmaßnahmen im
Vorfeld der Mitarbeiterbefragung. Hier geht es nicht darum, über alle möglichen Kanäle
eine möglichst große Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es sollte aber gewährleistet werden,
dass alle Teile der Belegschaft nicht nur Zugang zu den gewünschten Informationen erhal-
ten, wenn sie danach suchen, sondern dass sie auch aktiv auf die Befragung hingewiesen
werden. Das Ziel besteht darin, so gut wie alle Kolleginnen und Kollegen zu „erwischen“,
die mit einem durchschnittlichen Informations-Suchverhalten agieren.
Die sich hierfür bietenden Möglichkeiten hängen auch vom Aufbau und der Ausgestal-
tung der internen Medien des Unternehmens ab. Nahezu ideal ist es, wenn es ein eigenes
Magazin für die Belegschaft gibt, über das informiert werden kann. Dazu noch einige Aus-
hänge, Aufsteller oder Handzettel an strategisch günstigen Stellen wie beispielsweise in den
Kantinen und weitere Informationen im Intranet, das reicht in vielen Fällen bereits aus,
um eine passende „Propaganda“ zu erzeugen, die sich durch positiven „Flurfunk“ noch
verstärken kann. Gibt es keine Mitarbeiterzeitschrift, so kann zum Beispiel auch auf einer
Betriebsversammlung oder mit einem kleinen Flyer über das Projekt informiert werden,
der der Gehaltsabrechnung beigelegt wird. Zentral ist bei allen Aktionen, dass ein ausrei-
chendes Maß an Transparenz erzeugt wird. Der Belegschaft muss der stimmige Eindruck
Online-Mitarbeiterbefragung 129

vermittelt werden, dass ihr keine wichtigen Informationen vorenthalten werden. Kurz
gesagt: Sie will sich erstgenommen fühlen und nicht als „Stimmvieh“ behandelt werden.
Ein wesentlicher Faktor in dieser Phase sind nicht zuletzt auch die Führungskräfte
des Unternehmens. Die proaktive Unterstützung durch die Entscheidungsträger auf ver-
schiedenen Ebenen in Form entsprechender Kommunikation ist mit-entscheidend für
den Erfolg. Es macht eben einen deutlichen Unterschied, ob eine Führungskraft zu ihren
Mitarbeitern sagt „Ja wenn Sie Zeit haben, machen Sie in Gottes Namen halt mit.“ Oder
ob sie sagt „Ich würde mich sehr freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen
ihr ehrliches Feedback abgeben würden. Nur so können wir gemeinsam besser werden.“
Dieses Verhalten kann durchaus auch gefördert werden. In vielen Unternehmen gibt es
Führungskreise oder ähnliche Veranstaltungen, bei denen die maßgeblichen Personen,
wenn schon nicht mit dem Herzen begeistert, dann wenigstens mit dem Verstand für die
Befragung gewonnen werden und überzeugt werden können, dass die Meinungen der Mit-
arbeiter aktiv nachgefragt werden sollten.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die zu häufige Durchführung einer Mitar-
beiterbefragung eher kontraproduktive Wirkungen hat. Im Allgemeinen hat sich für eine
großangelegte Befragung der gesamten Belegschaft ein Wiederholungszeitraum von zwei
bis maximal drei Jahren etabliert. Dazwischen können eventuell noch kleinräumigere Pro-
jekte bestimmter Funktionsbereiche untergebracht werden, die aber weniger allgemein-
gültige als spezielle Themen behandeln. Dies kann beispielsweise auch ein Führungskräfte-
Feedback sein, wie es in Abschnitt 3.2.5 noch angesprochen wird. In jedem Fall ist eine
mittelfristig abgestimmte und übergreifende Kommunikations- und Zeitplanung für alle
Projekte erfolgsentscheidend, die zum einen die Ressource „Mitarbeiter“ nicht überbean-
sprucht und sich zum anderen auch auf die Vermittlung der Sinnhaftigkeit jeder einzelnen
Befragung konzentriert.

Praxisbeispiel
Die Anfang der 2000er Jahre im jährlichen Rhythmus begonnene Online-Mitarbei-
terbefragung einer mittelgroßen Bank verzeichnete kontinuierlich sinkende Rück-
laufquoten. Erschwerend kam hinzu, dass im gleichen Zeitraum auch noch zusätzliche
Führungskräfte-Feedbacks veranstaltet wurden. Nach dem dritten Jahr der Mitarbei-
terbefragung wurde darum Bilanz gezogen und festgestellt, dass aufgrund der Struktu-
ren die Zeit zur Umsetzung der Ergebnisse jeweils zu kurz gewesen ist und sich die Mit-
arbeiter zunehmend die Frage stellten, warum sie eigentlich noch mitmachen sollten.
Die Mitarbeiterbefragung wurde für ein Jahr ausgesetzt. In diesem Zeitraum konnte
sich die Umsetzung der aus den Ergebnissen abgeleiteten Maßnahmen auch strukturell
etablieren und die Mitarbeiter waren in der Lage – bei kleinen wie bei größeren Dingen
– den Effekt der Befragung auch zu sehen. In der Folge stieg die Teilnahmebereitschaft
bei der Folgebefragung wieder deutlich an, weshalb an der zweijährigen Abfolge fest-
gehalten wurde.
130 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Neben der Häufigkeit der Durchführung spielt es auch eine große Rolle, in welcher
Weise im Anschluss an eine Befragung mit den Erkenntnissen umgegangen wird. Nur
wenn die erzielten Ergebnisse tatsächlich auch angewendet werden bzw. wenigstens
eine bewusste Entscheidung über ihre Verwendung getroffen wird, ergibt die Forschung
überhaupt einen Sinn. Bei Mitarbeiterbefragungen trifft dies in mehrfacher Hinsicht zu,
denn …

• die Durchführung einer Online-Mitarbeiterbefragung kostet Geld, Ressourcen,


Arbeitszeit der Durchführenden und vor allem auch die Arbeitszeit der Teilnehmer.
• eine Mitarbeiterbefragung weckt Erwartungshaltungen bei den Mitarbeitern, und zwar
teils berechtigte und teils übersteigerte.
• die wichtigsten Ergebnisse nicht in sichtbare Prozesse münden zu lassen bzw. nicht zu
kommunizieren, demotiviert die Belegschaft.
• die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung ohne Berücksichtigung der Ergeb-
nisse ist ökonomischer Unsinn und dient bestenfalls noch als unternehmerisches
„Feigenblatt“.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die nächste Befragung hängt also von der Frage ab,
inwieweit auch der Belegschaft die Möglichkeit gegeben wird, etwas von den Resultaten
der gerade durchgeführten Umfrage zu erfahren. Hierbei sollte ein gewisses Maß an Offen-
heit und Transparenz von Seiten der Geschäftsführung bzw. der Personalabteilung herr-
schen. Das bedeutet nicht, dass man nun unbedingt jede einzelne Zahl aus der Auswer-
tung veröffentlichen sollte, denn damit würde man auch über das Ziel hinausschießen und
möglichen Fehlinterpretationen Vorschub leisten. Vielmehr ist es ratsam, eine vernünftige
Auswahl der wichtigsten, übergeordneten Ergebnisse, Schlussfolgerungen und eventuell
bereits erste Maßnahmen zugänglich zu machen, sei es im Rahmen einer Betriebsver-
sammlung, über eine Mitarbeiterzeitschrift oder im Intranet. Detailliertere Ergebnisse für
einzelne Geschäftsfelder oder Abteilungen dürfen hingegen nur an die entsprechenden
Stellen bzw. Bereichs- und Abteilungsleiter gehen, um nicht den Eindruck zu vermitteln,
dass einzelne Bereiche bewusst „an den Pranger gestellt“ werden. Dort kann im Rahmen
von Workshops und Coachings – häufig auch unter Beteiligung des gesamten Teams – wei-
ter mit den Ergebnissen gearbeitet werden.
Neben der reinen Veröffentlichung geht es natürlich auch um die Umsetzung der
Erkenntnisse aus einer Online-Mitarbeiterbefragung. Und auch hierüber sollte durch-
aus berichtet werden, denn so manche sinnvolle Maßnahme, die von den Mitarbeitern
begrüßt wird und die auf eine Mitarbeiterbefragung zurückgeht, wird von der Belegschaft
gar nicht damit in Verbindung gebracht. Deshalb gehen Unternehmen immer mehr dazu
über, nach einer angemessenen Zeit einen Umsetzungs-Report zur Mitarbeiterbefragung
zu veröffentlichen, vielleicht unter dem Motto: „Ein Jahr danach: Was ist geschehen?“. Eine
solche Maßnahme dient in erster Linie der Motivation für die nächste Befragung, immer
unter der Voraussetzung natürlich, dass auch tatsächlich „etwas geschehen“ ist.
Online-Mitarbeiterbefragung 131

Praxisbeispiel
Eine behördliche Organisation führte eine allgemeine Mitarbeiterbefragung durch, die
jedoch von Beginn an auf diverse Widerstände auf verschiedenen Ebenen stieß. Insbe-
sondere die oberste Führungsebene äußerte zahlreiche Bedenken, die Furcht vor nega-
tiven Ergebnissen war greifbar. Dennoch erzielte die Befragung einen hohen Rücklauf
und es wurden differenzierte Ergebnisse erzielt, die klare Handlungsfelder vorgaben.
Jedoch wurden diese nicht zum Anlass genommen, an den identifizierten Problembe-
reichen zu arbeiten. Stattdessen verschwanden die Resultate mehr oder weniger „in der
Schublade“. Zahlreiche Textbeiträge der Mitarbeiter wurden gar nicht erst ausgewertet.
Das gesamte Projekt wurde somit ad absurdum geführt.

Ein letzter Faktor der Planung ist der Durchführungszeitraum für eine Online-Mit-
arbeiterbefragung. Aus guten Gründen werden diese in der Regel nicht zur Urlaubs- und
Ferienzeit im Hochsommer oder in der Weihnachtszeit durchgeführt. In manchen Unter-
nehmen gibt es auch noch weitere jahreszeitliche Besonderheiten zu berücksichtigen wie
etwa eine besonders hohe Arbeitsbelastung der Belegschaft in bestimmten Monaten, bei-
spielsweise aufgrund eines traditionellen „Frühjahrshochs“ oder des bilanziellen Jahresab-
schlusses im November. Sind solche Dinge bereits bekannt, ist es hilfreich, eine großange-
legte Mitarbeiterbefragung nicht gerade in diesem Zeitraum anzusetzen.
Als Empfehlung für die Länge des Teilnahmezeitraums können – von Ausnahmefällen
einmal abgesehen – drei bis vier Wochen angesehen werden. Dies wird der weit überwie-
genden Mehrzahl der angeschriebenen Personen ausreichend Gelegenheit zur Beteiligung
geben, auch wenn im Einzelfall noch ein Urlaub, Krankheitstage oder Dienstreisen dazwi-
schenkommen. Noch längere Teilnahmezeiträume sorgen nicht für einen höheren Rück-
lauf, sondern wegen der geringeren „Dringlichkeitswirkung“ eher für das Gegenteil. Und
jemand, der den Fragebogen nach drei oder vier Wochen nicht ausgefüllt hat, wird dies mit
hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mit sechs Wochen Zeit tun.

Fragebogen
Zwar darf gerade bei Online-Mitarbeiterbefragungen der zum Einsatz kommende Fra-
gebogen etwas länger sein als beispielsweise im Rahmen einer Kundenbefragung. Jedoch
sollte auch hier nicht der Grundsatz gelten: „Viel hilft viel“. Es muss nicht immer alles
auf einmal erfragt werden, denn gerade die Online-Methode erlaubt es ja, bestimmte
Randthemen auch einmal „unterjährig“ im Rahmen einer kleineren Befragung nachzu-
schieben. Die Konzentration auf die zentralen Themen ist nicht zuletzt auch eine Höflich-
keit gegenüber den Mitarbeitern. In gewisser Weise sollte man sich auch die Frage stellen,
welche Aspekte den Angestellten selbst denn wichtig sein könnten: Was möchten diese im
Rahmen einer Mitarbeiterbefragung wohl vermitteln? Welche Dinge möchten sie endlich
einmal „loswerden“? Eine Mitarbeiterbefragung darf von der Belegschaft zwar nicht als
eine Art „Wunschzettel“ angesehen werden. Es darf durchaus klar kommuniziert werden,
dass der Informationsbedarf grundsätzlich vom Management definiert wird. Nur ist darauf
132 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

zu achten, dass nicht der Anschein entsteht, man wolle die „wirklich heißen“ Themen ganz
einfach nicht ansprechen und somit stillschweigend „unter den Teppich kehren“.
Bei der optischen Gestaltung einer Online-Mitarbeiterbefragung gibt es immer unter-
schiedliche „Geschmäcker“. Die einen finden es so besser und die anderen so. Hierbei
sollte man sich eventuell auf die Erfahrungswerte eines zuverlässigen Dienstleisters verlas-
sen. Diese wissen am besten, was „funktioniert“ und was nicht. Er kann auch dazu beraten,
in welchen Fällen die Umsetzung im „Corporate Look“ des Auftraggebers oder die Gestal-
tung im Design des Dienstleisters sich günstiger auswirkt. Dies hängt davon ab, wie die
gesamte Kommunikation zum Projekt ausgestaltet ist.
Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Online-Umfrage übersichtlich und leicht
bedienbar ist, auch für Menschen mit eher geringer Computererfahrung. Technisch
sollte eine Online-Mitarbeiterbefragung also so wenige Hürden wie möglich bieten. Dies
beginnt mit der Frage, ob man eventuell einen Link oder ein Passwort abtippen muss oder
alles einfach anklicken kann. Und es geht über den Aspekt der möglichst kurzen Lade-
zeiten für die Frageseiten bis zum Angebot des Fragebogens in verschiedenen Sprachen
mit Sprachauswahl, falls dies notwendig erscheint. Absolut empfehlenswert ist auch eine
SSL-Verschlüsselung der Online-Mitarbeiterbefragung. Diese erzeugt zwar de facto nur
einen geringen Zugewinn an Datensicherheit, da bei modernen Umfragesystemen niemals
alle Angaben einer Person auf einmal übermittelt werden. Sie kann aber vermitteln, dass
„jemand mitgedacht“ hat und die Wahrnehmung von Sicherheit verstärken, die dann aller-
dings zusätzlich mit anderen Mechanismen noch unterstützt werden muss. Dies bezieht
sich dann vor allem auf das Thema Server-Sicherheit, auf das in Abschnitt 3.2.4 kurz ein-
gegangen wird.

Teilnehmeransprache / Mailings
Einer der wichtigsten Aspekte einer Online-Mitarbeiterbefragung ist die Gestaltung und
Umsetzung der direkt an die Teilnehmer versendeten Kommunikationselemente. In der
Regel sind dies eine Vorankündigung, die Einladung zur Umfrage sowie ein Reminder.
Diese Nachrichten werden meist per E-Mail verschickt. In Ausnahmefällen kann man sie
auch als Brief gestalten, der mit der Hauspost an jeden Teilnehmer zugestellt wird. Eine
weitere Methode ist es, pro Abteilung je nach Mitarbeiterzahl die richtige Menge von nicht
persönlich adressierten Einladungsbriefen an den Abteilungsleiter zu geben und von die-
sem austeilen zu lassen. Diese Form kann auch so gestaltet werden, dass die Angehörigen
einer Abteilung ihre Briefe – und damit ihre darin enthaltenen Umfragecodes – unterei-
nander vertauschen können, was besonders überzeugend den Charakter der Anonymität
vermittelt.
Die konkrete Gestaltung dieser Kommunikationselemente sollte immer berücksich-
tigen, dass es sich möglicherweise um die einzigen Kontaktpunkte eines Mitarbeiters
mit der Befragung handelt, auf deren alleiniger Grundlage er die Entscheidung darüber
trifft, ob er sich daran beteiligt oder nicht. Darum müssen hier in komprimierter Form
alle Elemente der Projektbeschreibung und Motivation enthalten sein. Näheres hierzu
wird in Abschnitt 2.1 erläutert. Für die potenziellen Teilnehmer sind diese Schreiben wie
Online-Mitarbeiterbefragung 133

„Informationsfenster“ zur Umfrage zu sehen. Auf der Grundlage von Inhalt und Gestal-
tung dieser Fenster wird er noch vor einem Klick in die Umfrage eine Einschätzung zur
Qualität des gesamten Projektes vornehmen. Insbesondere die Art und Weise der Einla-
dung zur Online-Mitarbeiterbefragung ist entscheidend für das Urteil, ob die ganze Sache
auch „Hand und Fuß“ hat, ob sie seriös und vertrauenswürdig ist und ob sie professionell
umgesetzt wurde.

Anonymität und Vertraulichkeit


Ein Teilnehmer an einer Befragung – noch dazu einer Online-Befragung – dürfte in der
Regel kaum dazu in der Lage sein, das Ausmaß der Anonymität seiner Teilnahme an eben
dieser Umfrage wirklich objektiv abzuschätzen. Denn er kann die vermittelten Informa-
tionen keiner wirklichen Prüfung unterziehen, er muss sie mehr oder weniger einfach
glauben. Dementsprechend ist es vor allem bei Online-Mitarbeiterbefragungen höchst
relevant, den Teilnehmern eine gewisse subjektive Sicherheit gegenüber einem möglichen
Datenmissbrauch zu vermitteln. Neben der tatsächlich in technisch-organisatorischer
Hinsicht realisierten Anonymität geht es darum vor allem um die perzipierte, also wahr-
genommene Anonymität.
Dies muss mit Hilfe verbindlicher und seriöser Erläuterungen der technischen und orga-
nisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung von Anonymität geschehen. Ein wesentli-
cher Punkt zur Glaubwürdigkeit ist an dieser Stelle das Einbeziehen bzw. die Beauftragung
eines externen Dienstleisters, der die Anonymität der beteiligten Personen garantiert. Mit
diesem sollten verbindliche Vereinbarungen bzw. Datenschutzerklärungen abgeschlossen
werden, die möglichst klar definieren, was mit den erhobenen Daten geschieht und vor
allem, was nicht. Eine solche Erklärung kann beispielsweise auch als Link zu einer pdf-
Datei zur Ansicht in die Umfrage-Einladung eingebunden werden. Möglich und sinnvoll
kann auch die transparente Dokumentation sein, welche Angaben zum Teilnehmer über
den Umfragecode mit dem einzelnen Datensatz verknüpft werden und welche nicht – also
in der Regel die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisationseinheit oder die Zuord-
nung einer bestimmten Führungskraft, aber keine personenbezogenen Angaben. Weitere
Vertrauen bildende Maßnahmen sind etwa das frühzeitige Einbeziehen des Betriebsrates,
die transparente Kommunikation zum gesamten Projekt oder – im Ausnahmefall – der
Einbau eines Zufallselementes, beispielsweise durch das „Ziehen“ eines Fragebogens bzw.
eines Umfragecodes aus einer Urne durch den Teilnehmer.
Von Bedeutung ist auch das Festlegen, die Kommunikation und das konsequente Ein-
halten einer sogenannten Auswertungsschwelle. Dabei handelt es sich um die Anzahl von
Umfrageteilnehmern aus einer wie auch immer definierten Gruppe von Mitarbeitern, die
mindestens erreicht werden muss, damit für die betreffende Gruppe auch eine Datenaus-
wertung vorgenommen werden darf. Diese Mindestzahl soll gewährleisten, dass sich jeder
einzelne Teilnehmer hinter einer bestimmten Menge anderer Personen „verstecken“ kann,
deren Daten gemeinsam ausgewertet und dargestellt werden. Ohne eine solche Auswer-
tungsschwelle wäre es sonst eventuell möglich, auf die Angaben von Einzelnen zurück-
zuschließen. Die Auswertungsschwelle liegt in der Regel bei einer Gruppenstärke von
134 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

mindestens fünf Personen. Dieser Wert hat sich sowohl in Bezug auf die Anwendbarkeit
für Auswertungen als auch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit auf Seiten der Belegschaft
vielfach bewährt.
In Ausnahmefällen wird auch mit einem niedrigeren Schwellenwert gearbeitet, aber
dann beispielsweise dafür gesorgt, dass keine Antwort-Verteilungen, sondern ausschließ-
lich Mittelwerte dargestellt werden. Oder es wird die Genehmigung aller Personen aus einer
Gruppe eingeholt, dass eine Auswertung auch unterhalb der Auswertungsschwelle vorge-
nommen werden darf. In solchen Fällen ist allerdings darauf zu achten, dass kein Grup-
pendruck auf Einzelpersonen ausgeübt wird, der Auswertung doch noch zuzustimmen.
Zu beachten wäre auch noch der mögliche Vergleich zwischen hierarchisch definierten
Berichten: Wenn eine Organisationseinheit zum Beispiel 17 Teilnehmer aufweist, so kann
hierfür in jedem Fall ein Bericht erstellt werden. Nehmen wir an, dieser Bereich besteht
aus drei Abteilungen mit acht, sieben und zwei Teilnehmern, so wäre für die ersten beiden
ebenfalls je ein Bericht unter Einhaltung der üblichen Auswertungsschwelle (fünf Perso-
nen) möglich, für die letzte allerdings nicht. Würde man nun aber die drei verfügbaren
Berichte nebeneinander legen, so könnte man die Antworten dieser beiden Teilnehmer
zweifelsfrei ausrechnen, was eindeutig gegen die Auswertungsschwelle verstoßen würde.
Konstellationen dieser Art werden unterschiedlich gehandhabt, man sollte sich jedoch
deren Existenz bewusstmachen, um sich vor Überraschungen zu schützen.
Die glaubwürdige Gewährleistung der Anonymität der Teilnehmer ist im konkreten
Anwendungsfall als notwendige, jedoch nicht unbedingt hinreichende Bedingung für
befriedigende Teilnahmequoten zu sehen. Man könnte sagen, es handelt sich um einen
„Hygienefaktor“, der als eigentlich selbstverständliche Voraussetzung betrachtet wird. Die
Glaubwürdigkeit der Erklärungen zur Anonymität hängt außerdem auch von früheren
Erfahrungen der Belegschaft mit entsprechenden Projekten sowie nicht zuletzt vom all-
gemeinen Betriebsklima ab. Organisationen, in denen eine eher misstrauische oder gar
konspirative Atmosphäre herrscht bzw. ein restriktiver Umgang mit Informationen an der
Tagesordnung ist, weisen in dieser Hinsicht keine guten Voraussetzungen zur Durchfüh-
rung einer Mitarbeiterbefragung auf.

3.2.3 Technik und Organisation

Dass die Durchführung einer Online-Mitarbeiterbefragung in gewissem Maße eine tech-


nische Seite hat, ist offensichtlich. In der Tat ist es erfahrungsgemäß so, dass mit der tech-
nisch-organisatorischen Abwicklung gewisse Feinheiten und Notwendigkeiten verknüpft
sind, die es unbedingt zu beachten gilt. Auch wenn man mit der Durchführung einen
Dienstleister beauftragt, ist es sicher auch für den Auftraggeber hilfreich, diese Details zu
kennen und „mitreden“ zu können.
Online-Mitarbeiterbefragung 135

Erreichbarkeit
Ein erster Punkt, den es möglichst frühzeitig zu klären gilt, ist die Frage der Erreichbar-
keit der Belegschaft über eine Online-Mitarbeiterbefragung. Grundsätzlich müssen die
potenziellen Teilnehmer hierfür einen Zugang zu einem Computer haben oder es muss ein
solcher bereitgestellt werden. In vielen Dienstleistungsunternehmen ist es heute so, dass
beinahe jeder Mitarbeiter über einen PC am Arbeitsplatz verfügt. Hier sind die Vorausset-
zungen in der Regel günstiger als beispielsweise in einem produzierenden oder industri-
ellen Unternehmen. Gibt es größere Gruppen der Belegschaft, für die die Voraussetzung
nicht ohnehin schon erfüllt ist, so lassen sich die nötigen Bedingungen schaffen, indem
beispielweise PCs oder auch sogenannte Terminals in designierten Teilnahme-Räumen
hierfür bereitgestellt und die Personen per Brief zur Befragung eingeladen werden. Es kön-
nen etwa ohnehin vorhandene Schulungsräume benutzt werden oder eine Räumlichkeit in
der Nähe der Kantine, an der sowieso viele Kollegen täglich vorbei kommen. Zur Gewähr-
leistung der Vertraulichkeit sollte in diesen Fällen allerdings immer eine „blicksichere“
Teilnahme ermöglicht werden. Bei Problemen können hierfür abgestellte, neutrale Hilfs-
kräfte sofort vor Ort weiterhelfen. In Ausnahmesituationen kann auch auf die Möglichkeit
hingewiesen werden, die Befragung am heimischen PC auszufüllen, falls es sich um eine
echte Internet- und keine Intranet-Umfrage handelt. Diese Situation entsteht beispiels-
weise für Beschäftigte im Außendienst, die oftmals gar keinen eigenen Arbeitsplatz im
Unternehmen selbst haben oder nur selten dort auftauchen.
Die Frage der Erreichbarkeit reicht allerdings noch weiter: Die Verfügbarkeit eines
Rechners, in welcher Form auch immer, ist eine nötige Voraussetzung. Doch dieser Com-
puter muss auch online mit dem Befragungsserver kommunizieren können. Im einfachs-
ten Fall steht der betreffende Server beim Umfragedienstleister und alle in Frage kom-
menden PCs haben einen generellen Internetzugriff. Letzteres ist jedoch nicht immer
gewährleistet. Gerade in größeren Unternehmen ist der Internetzugriff für Mitarbeiter
häufig über sogenannte Proxyserver auf bestimmte Seiten eingeschränkt. Oder es besteht
nur ein Zugriff auf das unternehmensinterne Intranet. In vielen Fällen kann allerdings die
Erreichbarkeit des Umfrageservers über das Internet per Einstellung am Proxyserver im
Vorfeld erlaubt und für alle etabliert werden. Sollte dies nicht möglich sein, so verbleibt
nur die Möglichkeit, einen Umfrageserver im Intranet selbst zu platzieren bzw. dort einzu-
richten. Dieses ist allerdings mit zusätzlichem Aufwand und Kosten sowie eventuell auch
mit einer geringeren Glaubwürdigkeit verbunden, da die Daten nun rein physikalisch im
Unternehmen selbst lagern.
Unabhängig davon, welche Lösung gefunden wird, ist es gerade bei Erstprojekten
außerordentlich ratsam, die Online-Mitarbeiterbefragung von verschiedenen Unterneh-
mensstandorten aus zu testen. Nicht selten kommt es vor, dass der Internetzugriff über
verschiedene Proxyserver läuft, gerade bei internationalen Standorten. Schon die Ver-
teilung der Mitarbeiter auf verschiedene Gebäude kann ein Problem darstellen, das im
Vorfeld unbedingt geprüft werden sollte. Die gesamte Reputation und die professionelle
Wirkung des Projektes kann von solchen Faktoren negativ beeinflusst werden. Schließlich
ist auch zu verifizieren, welcher bzw. welche Internet-Browser auf den Mitarbeiter-PCs
136 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

installiert sind und über welche Standard-Einstellungen diese verfügen. Auch hier kann es
zu Überraschungen kommen, wenn die verwendete Umfrage-Software einen bestimmten
Mindest-Standard benötigt, der aber beim Gros der Teilnehmer gar nicht vorhanden ist,
weil beispielsweise die Internet-Browser seit vielen Jahren nicht mehr aktualisiert worden
sind.
Zu guter Letzt muss ein Mitarbeiter – je nach Ausgestaltung der Kommunikation – in
aller Regel auch per E-Mail von außen erreichbar sein, damit er die notwendigen Nach-
richten wie zum Beispiel die Vorankündigung, die Einladung und die Erinnerung auch
erhält. Dies setzt zum einen ein E-Mail-Konto im Unternehmen voraus sowie die Möglich-
keit bzw. Gewohnheit, dass diese E-Mails von den Personen auch regelmäßig abgerufen
werden. Es gibt durchaus Fälle, in denen jeder Kollege, rein technisch, mit dem Eintritt
ins Unternehmen ein eigenes E-Mail-Postfach „verpasst“ bekommt, dieses aber mangels
eigenem Rechner am Arbeitsplatz überhaupt nicht benutzt. Im Ergebnis kann die entspre-
chende E-Mail zwar verschickt und zugestellt werden, der potenzielle Empfänger wird aber
de facto von der Umfrage ausgeschlossen, da er sie niemals zu Gesicht bekommen wird.
Ähnlich wie beim Umfrageserver gilt auch hier die Notwendigkeit der Vorab-Prüfung,
ob die Mail-Einladungen tatsächlich ins interne Netz des Unternehmens „durchgelassen“
und nicht vielleicht als Spam abgewehrt werden. Diesbezüglich empfiehlt es sich, im Vor-
feld Kontakt zu den Netzwerk-Administratoren aufzunehmen und den zu verwendenden
E-Mail-Absender bzw. die IP-Adresse des verwendeten Mailservers auf eine sogenannte
„White List“ setzen zu lassen. Auch über den Tag der Mailings selbst sollten die Admins
informiert werden, so dass sie im Notfall reagieren können, wenn die Nachrichten an
irgendeiner Stelle „steckenbleiben“ sollten. Auch hier gilt, dass das Gelingen dieser Pro-
zesse für eine positive Wahrnehmung der Online-Mitarbeiterbefragung auf Seiten der
Belegschaft sehr wichtig ist. Dementsprechend kann ein Nicht-Gelingen entsprechend
negativ wirken, vor allem dann, wenn das Projekt durch diverse Ankündigungen bereits
eine gewisse „Prominenz“ im Unternehmen gewonnen hat.

Einladungs-Management
Eine gewisse Sicherheit vor unliebsamen Überraschungen beim Versenden einer Massen-
mail in ein Unternehmen hinein bietet der sogenannte Soft Launch, der gerade bei Online-
Mitarbeiterbefragungen sehr empfehlenswert ist. Das bedeutet zum einen, dass nicht alle
Einladungen per E-Mail auf einmal verschickt werden, sondern zunächst einmal nur ein
Teil davon, zum Beispiel an ein Zwanzigstel oder ein Zehntel der Belegschaft. In aller Regel
ist es so, dass dann innerhalb der ersten Minuten schon Zugriffe auf die Befragung erfol-
gen, was online verfolgt werden kann. Auf diese Weise kann sehr einfach geprüft werden,
ob der gesamte Prozess der Befragung auch wirklich funktioniert, ob eventuelle Login-
Prozeduren oder Code-Übergaben korrekt ablaufen etc. Sollte in dieser Phase tatsächlich
ein Problem auftreten, so hat man dieses Problem dann wenigstens nicht bei Hunder-
ten oder gar Tausenden Mitarbeitern, die alle die nicht funktionierende Einladung schon
bekommen haben, sondern nur bei vergleichsweise wenigen Personen. Erst wenn mehrere
Online-Mitarbeiterbefragung 137

erfolgreiche Zugriffe vorliegen, sollte mit dem Mailing fortgefahren und der Rest der Ein-
ladungen zugestellt werden.
Zum anderen bedeutet ein „weicher Start“ auch, dass die Nachrichten mit einer gewis-
sen Latenz von zum Beispiel einer bis fünf Sekunden versendet werden. Falls etwa 1.000
Mitarbeiter eingeladen werden sollen, so empfiehlt sich eine Latenz von mindestens 3
Sekunden, bei der alle Einladungen sogar noch innerhalb einer Stunde verschickt werden.
Auf diese Weise vermeidet man unnötige Belastungsspitzen sowohl beim empfangenden
Mailserver des Unternehmens als auch beim Umfrageserver, auf den die Teilnehmer über
den Umfragelink dann zeitlich etwas entzerrt zugreifen. Wobei der zuletzt genannte Punkt
beim heutigen Stand der Servertechnik eigentlich nur noch bei wirklich großen Unterneh-
men und entsprechend außergewöhnlich hohen Teilnehmerzahlen eine Bedeutung haben
sollte.
Auf jeden Fall vermeiden sollte man eine Konstellation, bei der die Einladungen am
Starttag vor dem allgemeinen Arbeitsbeginn oder gar am Sonntag zuvor verschickt wer-
den. Dies führt regelmäßig zu einer ebenso massiven wie unnötigen Teilnahmespitze zwi-
schen 8 und 10 Uhr am Morgen. Hinzu kommt die viel größere Auswirkung möglicher
Fehler im Prozess, die dann alle und nicht nur wenige betreffen. Dass die Einladungen
nicht alle zeitgleich, sondern innerhalb eines Zeitraums von einer oder auch von mehreren
Stunden verschickt werden, wird allgemein von den Mitarbeitern problemlos akzeptiert.
Es sollte lediglich gewährleistet werden, dass alle Personen tatsächlich am angekündigten
Starttag der Online-Mitarbeiterbefragung zur Teilnahme eingeladen werden. Wenn die
letzte Einladung aber noch zu einer „vernünftigen“ Uhrzeit verschickt wird, also maximal
am Nachmittag, dann sollten hierdurch keine Akzeptanzprobleme entstehen. Die Gründe
für den „langsamen“ Versand sind im Übrigen durchaus auch als ein Merkmal von Serio-
sität kommunizierbar.

Praxisbeispiel
Im Jahr 2000, also noch zur Anfangszeit der Online-Befragung, führte ein europäi-
sches Dienstleistungsunternehmen eine großangelegte Online-Mitarbeiterbefragung
durch. Für jede Person sollte der Teilnahmezeitraum unbedingt zur faktisch gleichen
Zeit beginnen, so die unverrückbare Vorgabe des Auftraggebers. Trotz der Einwände
des Technik-Dienstleisters wurden die ca. 30.000 E-Mail-Einladungen darum komplett
an einem Sonntag versendet.
Es kam, wie es kommen musste: Am Montagmorgen versuchten Tausende Mitarbeiter
gleichzeitig, die Befragung zu erreichen. Auf diesen Ansturm war die damalig verfüg-
bare Servertechnologie nicht ausgerichtet, es kam zu einem mehrstündigen Ausfall.
Nach der Problembehebung verlief die Umfrage aufgrund der nun deutlich geringeren
Zugriffsraten ohne weitere Schwierigkeiten. Der Reminder wurde dann kontinuierlich
und problemlos während eines Arbeitstages versendet. Das Gesamtprojekt wurde ins-
gesamt noch zum Erfolg, die negative Konotation bezüglich des unrühmlichen Start-
tages blieb aber bestehen.
138 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Der Start der Einladung ist entweder zwischen 9 und 10 Uhr am Morgen zu empfeh-
len. Auf diese Weise geht die E-Mail nicht in der (kleinen oder größeren) Flut von sonsti-
gen Nachrichten „unter“, die oftmals zu Beginn eines Arbeitstages in die Mailbox geladen
werden. Oder es wird ganz bewusst zur Mittagszeit eingeladen, so dass viele Mitarbeiter
direkt nach der Rückkehr aus der Mittagspause die Einladung sehen und die Gelegen-
heit zur Teilnahme wahrnehmen können. Ganz genau betrachtet führen bestimmte Start-
zeitpunkte aber nicht wirklich zu einem höheren Gesamtrücklauf an Teilnehmern an der
Mitarbeiterbefragung. Die Effekte der gerade beschriebenen Strategien nivellieren sich bis
zum Ende eines solchen Projektes in aller Regel längst wieder aus.

Sprachvarianten
Gerade in internationalen oder international tätigen Unternehmen ist es gang und gäbe,
eine Mitarbeiterbefragung auch in verschiedenen Sprachvarianten anzubieten (siehe zu
diesem Punkt auch Abschnitt 6.2). Ziel hierbei ist es, den meisten Personen die Befragung
in ihrer Muttersprache auszuliefern. Denn nur in diesem Fall kann für die Teilnehmer
zweifelsfrei gewährleistet werden, dass sie die Fragen semantisch auch wirklich korrekt
verstehen. Das bedeutet nicht, dass wirklich jede einzelne Muttersprache jedes einzel-
nen Mitglieds der Belegschaft zu berücksichtigen ist. Es sollte allerdings auch nicht der
Eindruck entstehen, dass durch ein eingeschränktes Angebot entsprechender Sprachen
bestimmte Personenkreise mehr oder weniger systematisch ausgeschlossen werden sollen.
In manchen Unternehmen oder bei manchen Zielgruppen kann es auch ausreichend sein,
die Mitarbeiterbefragung ausschließlich in Englisch durchzuführen. Oder in Englisch plus
der Landessprache des jeweiligen Unternehmensstandortes.
Bei online durchgeführten Mitarbeiterbefragungen ist es vergleichsweise einfach, ver-
schiedene Sprachen anzubieten. Im Gegensatz dazu ist es bei einer Papier-Befragung etwas
komplexer, weil eventuell verschiedene Versionen (rein physisch) gedruckt und vorgehal-
ten werden müssen. Oder eine vorab festgelegte Sprachversion für einen Teilnehmer ist im
Ausnahmefall dann doch nicht die korrekte oder die vom Teilnehmer gewünschte. Welche
Sprachen wirklich für bestimmte Teilgruppen notwendig sind, kann in aller Regel sehr
gut von der Personalabteilung festgelegt werden, eventuell auch in Absprache mit dem
Betriebsrat. Hierbei sollte jedoch in jedem Fall die Kosten-Nutzen-Relation beachtet wer-
den. Es ergibt kaum Sinn, eine Übersetzung beispielsweise nur für einige wenige Mitarbei-
ter anzufertigen.
Das Management der Übersetzungen wird auch gern einmal zum echten „Flaschen-
hals“ für ein zeitkritisches Projekt. Nicht selten ist es nämlich so, dass für den eigentlichen
Fragebogen intensive und vor allem zeitraubende Abstimmungsrunden durchlaufen wer-
den, mit oftmals aber nur geringfügig korrigierten Kleinigkeiten. Nichtsdestotrotz führen
diese Runden zum Zeitverzug, denn erst nach Vorliegen des finalen Fragenkataloges ergibt
die Anfertigung der Übersetzungen einen Sinn. Bei internationalen Unternehmen kön-
nen Übersetzungen häufig auch von internen Abteilungen durchgeführt oder von diesen
nochmals geprüft werden, was absolut empfehlenswert ist, da dort die unternehmenstypi-
sche Sprachwahl geläufig ist und auch Fachbegriffe korrekt übersetzt werden können. Das
Online-Mitarbeiterbefragung 139

Zwischenschalten eines fachfremden Übersetzungsbüros bzw. die ungeprüfte Verwendung


dieser Übersetzungen birgt hingegen das Potenzial für unliebsame Überraschungen, da
dort die genannten Aspekte schlicht unbekannt sind und darum auch keine Berücksichti-
gung finden können.
Rein technisch wird einem Teilnehmer entweder eine Einladung per E-Mail in allen
verfügbaren und untereinander angeordneten Sprachen zugestellt, wobei im Kopf der
E-Mail – eventuell mit klickbaren Ankerlinks – auf die darunter folgenden, weiteren Spra-
chen verwiesen werden sollte. Oder ein Mitarbeiter bekommt die Einladung in der für ihn
als korrekt angenommenen Sprachversion, was allerdings die Gefahr von Fehlzuordnun-
gen einschließt. Mehr oder weniger unabhängig davon wird es dem Eingeladenen dann
nach Aufruf des entsprechenden Umfragelinks per Auswahl gestattet, die für ihn passende
Sprachversion für den Fragebogen auszusuchen. Bei manchen Programmen ist es möglich,
die Sprache während der Teilnahme zu wechseln bzw. nach einem Neustart immer wieder
anders auszuwählen. Bei anderen Programmen gibt es die Festlegung, dass eine einmal
ausgewählte Sprache nicht mehr verändert werden kann, worauf der Teilnehmer an die-
ser Stelle natürlich hingewiesen werden sollte. Eine eindeutige Präferenz für die eine oder
andere Methode gibt es nicht. Die einmalige Festlegung erscheint unflexibel, ist aber dafür
konsequent und zielorientiert, während die Wechselmöglichkeit möglicherweise komfor-
tabler ist, aber eventuell auch zum „Herumspielen“ verleitet. In jedem Falle muss es aber
technisch verhindert werden, dass der Fragebogen mehrfach in verschiedenen Sprachen
ausgefüllt werden kann.

Hybrid-Befragung
Wie bei kaum einer anderen Zielgruppe wird im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen
recht häufig ein sogenannter hybrider Ansatz gewählt, auch wenn dieser mit höheren
Kosten verbunden ist. In diesem Kontext bedeutet „Hybrid-Befragung“, dass ein Teil der
Belegschaft wie zuvor beschrieben per E-Mail eingeladen wird und online am PC teil-
nehmen kann. Ein zweiter Teil wird hingegen postalisch per Brief angesprochen und
erhält stattdessen einen ausgedruckten Papier-Fragebogen zur Bearbeitung. Dieses Vor-
gehen wird immer dann gewählt, wenn ein substanzieller Anteil von Personen gar nicht
per E-Mail erreichbar ist und auch keine Teilnahmemöglichkeit an PCs oder Terminals
eingerichtet werden kann. In manchen Fällen gibt es auch die Befürchtung, dass nicht
alle Kollegen über die Fähigkeit und das Vertrauen verfügen, einen Fragebogen am Bild-
schirm überhaupt auszufüllen. Das Prinzip der Aufteilung auf zwei verschiedene Medien
funktioniert auch deshalb so gut, weil das Teilnahme- und Antwortverhalten zwischen
Online- und Papierbefragung sehr ähnlich ist und weil die Papierversion eine ähnliche
Wahrnehmung von Anonymität vermittelt. Allerdings kann man erfahrungsgemäß davon
ausgehen, dass die Beteiligungsquoten bei „Papier“ um 10 bis 20% geringer ausfallen als
für die Online-Version.
In der Regel wird für jeden per Brief adressierten Mitarbeiter ein C4-Umschlag
mit dem Anschreiben, dem hiervon getrennten Fragebogen sowie einem Rücksende-
Umschlag im Format C5 befüllt. Das Anschreiben enthält ähnliche Informationen wie die
140 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Einladungs-E-Mail der Online-Version sowie hiervon abweichende Instruktionen zum


Ausfüllen und Rücksenden des Fragebogens. Außerdem ist in das Anschreiben per Serien-
brief-Funktion die Zustelladresse und der Name des Teilnehmers eingedruckt. Aus diesem
Grund ist es auch so wichtig, das Anschreiben und den Papier-Fragebogen nicht zusam-
men zu tackern. Als Adresse kann je nach Notwendigkeit die Privatadresse der Mitarbeiter
oder aber die unternehmensinterne Anschrift verwendet werden. Letzteres hat den Vorteil
geringerer Portokosten, da die „Umfragepakete“ dann in der Regel einfach in die Hauspost
gegeben werden können. Auf dem Rücksende-Umschlag muss entweder die Adresse des
Umfrage-Dienstleisters zur portofreien Zustellung oder der Standort einer zentral aufge-
stellten Urne aufgedruckt sein.
Um auch den ausgefüllten Papier-Fragebogen fehlerfrei und missbrauchssicher einer
bestimmten Organisationseinheit zuordnen zu können, muss dieser in irgendeiner Weise
sichtbar gekennzeichnet sein. Dies kann entweder in Form des direkten Aufdrucks der
Bezeichnung der Organisationseinheit geschehen oder – ähnlich wie bei der Online-
Version – durch einen aufgedruckten Umfragecode oder auch durch beides. Vor allem
das Verwenden individueller Codes muss den Mitarbeitern gut erklärt und durch trans-
parente, vertragliche Regelungen mit dem Forschungs-Dienstleister abgesichert werden.
Geschieht dieses aber in ausreichendem Maße und in seriöser Weise, so wird das Vorgehen
in aller Regel auch ohne besondere Probleme akzeptiert. Die Akzeptanz kann noch gestei-
gert werden, indem als Zufallselement die Möglichkeit des Austauschens der Fragebögen
unter den Angehörigen der gleichen Organisationseinheit angeboten wird.
Das Erscheinungsbild des Papier-Fragebogens kann durchaus eine einfache und güns-
tige Qualität aufweisen. Gewöhnlich genügt ein simpler Schwarz-Weiß-Druck mit ein-
facher Heftung. Notwendig ist allerdings ein seriöses Design des Bogens mit genügend
„White Space“ und einer klaren und übersichtlichen Aufmachung. Ein Teilnehmer sollte
sich sofort auf dem Fragebogen „zurechtfinden“ können. Im Übrigen kann bei einer Hyb-
rid-Befragung auch den für die Papierversion vorgesehenen Personen die Möglichkeit ein-
geräumt werden, alternativ die Online-Version auszufüllen, eventuell am heimischen PC.
Die Erfahrung zeigt zwar, dass die Ausweich-Option zum Online-Ausfüllen dann eher
selten gewählt wird. Falls die Online-Befragung aber ohnehin auch in der entsprechenden
Sprache existiert, ist mit der Option andererseits auch nur ein geringer Zusatzaufwand
verbunden. In diesem Fall muss allerdings zur Aufdeckung eventueller Doppelteilnahmen
ein echter Umfragecode vergeben werden, der sowohl auf dem Papierbogen abgedruckt
als auch in der Online-Befragung gültig ist. Da dieser dann von Hand eingegeben werden
muss, empfiehlt sich meist die Verwendung einer acht- bis zehnstelligen Zahl. Diese ist ein-
facher abzutippen als eine gleichfalls mögliche Kombination von Großbuchstaben, Klein-
buchstaben und Ziffern. Um die möglichen Doppelteilnahmen zu identifizieren, müssen
die für „online“ und „Papier“ verbrauchten Codes unbedingt später abgeglichen werden.

Implikationen der Teilnahmequoten


Mit welchem Teilnahmeverhalten und welchen Rücklaufquoten bei Online-Mitarbeiter-
befragungen zu rechnen ist, wird in Abschnitt 5.9.3 beschrieben. Ein hoher Anteil an sich
Online-Mitarbeiterbefragung 141

beteiligenden Mitarbeitern hat zunächst natürlich eine reine Imagewirkung, in deren Glanz
sich auch Geschäftsführer gerne einmal „sonnen“, da er als Beleg für eine gute Unterneh-
menskultur angesehen wird. Darüber hinaus haben im Kontext des Teilnahmeverhaltens
die folgenden Aspekte Implikationen für die Aussagekraft der Ergebnisse:

• Gesamt-Rücklaufquote (Ausschöpfung der Stichprobe)


Die allgemeine Rücklaufquote macht eine Aussage darüber, für wie viele Personen aus
der Belegschaft des Unternehmens die erhobenen Daten ohne Einschränkung gelten.
• Item-Nonresponse
Ein höheres Maß von Nichtantworten (auch „keine Angabe“, falls erlaubt) auf spezifi-
sche Fragen bedeutet, dass viele die betreffenden Fragen entweder nicht beantworten
konnten oder aber nicht beantworten wollten.
• Rücklaufquoten über verschiedene Einheiten hinweg
Unterscheiden sich die Rücklaufquoten in verschiedenen Unternehmensbereichen
oder Standorten deutlich voneinander, so kann mitunter von unterschiedlichen Kul-
turen ausgegangen werden.
• Ausschöpfung in kleineren Auswertungs-Zellen
Nicht selten kommt es bei ansonsten recht hohen Rücklaufquoten zu Ausreißern nach
unten in eher kleinräumigen Konstellationen, also beispielsweise in einer einzelnen
Abteilung mit 15 Personen. Häufig ist dieses dann auf ein mangelndes Vertrauen zur
Führungskraft zurückzuführen. So kann dann bei einer eigentlich ausreichend großen
Abteilung die Auswertungsschwelle auch unterschritten werden. Es gibt auch Fälle, in
denen sich die Mitarbeiter einer Abteilung offenbar absprechen und die Teilnahme
gemeinschaftlich verweigern, möglicherweise um damit ein „Signal“ an die Unterneh-
mensleitung zu senden.
• Rücklaufquoten unterschiedlicher Funktions- und Altersgruppen
Häufig ist auch zu beobachten, dass beispielsweise ältere bzw. langjährige Mitarbei-
ter weniger gerne an Mitarbeiterbefragungen teilnehmen, möglicherweise aufgrund
schlechter Erfahrungen aus der Vergangenheit. Es kommt ebenfalls vor, dass zum
Beispiel die Führungskräfte seltener mitmachen als deren Mitarbeiter oder umge-
kehrt. Dies führt zu kleineren oder größeren Verschiebungen im Datensatz und (ohne
Gewichtung) zur Über- bzw. Unterrepräsentation der entsprechenden Gruppen im
Gesamtergebnis.

Gibt es auffällige Schwankungen in den Rücklaufquoten nach den oben genannten Kri-
terien, so ist mit höherer Wahrscheinlichkeit von systematischen (also nicht-zufälligen)
Auswahlprozessen auszugehen, wie in den zugeordneten Beispielen bereits beschrieben
wurde. Sind die Quoten in diversen Gruppen sehr ähnlich, so hat man es eher mit einem
zufallsbasierten Auswahlprozess zu tun, was sich wiederum positiv im Hinblick auf die
Möglichkeit zur Verallgemeinerung der Ergebnisse auf die gesamte Belegschaft auswirkt.
Mehr zu diesem Thema findet sich in Abschnitt 6.4.4.
142 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Risikominderung durch Institutsunterstützung


Es wurde bereits mehrfach erwähnt, dass es sich bei Online-Mitarbeiterbefragungen ganz
besonders empfiehlt, die Unterstützung eines erfahrenen Dienstleisters zu suchen, vor
allem für die technisch-organisatorische Abwicklung. Dieses Vorgehen garantiert in aller
Regel die folgenden Vorteile:

• Seriöse Zeit- und Ablaufplanung auf der Grundlage der in vielen Unternehmen gesam-
melten Erfahrungen
• Fragebogenentwicklung bzw. Fragebogencheck, eventuell Prüfung auf Eignung als
Online-Fragebogen
• Stabile Programmierung mit Testlauf
• Durchführung der Einladung und des Reminders
• Technische Betreuung während der Feldphase (eventuell Hotline)
• Vertraglich garantierte Anonymität der Teilnehmer
• Wahrung der Datenschutzvorgaben
• Bessere Akzeptanz des Projektes in der Belegschaft
• Erhöhung der Rücklaufquoten

3.2.4 Datenmanagement und Datenschutz

Dass die Gewährleistung von Anonymität und Vertraulichkeit der Daten eines der obers-
ten Prinzipien einer Online-Mitarbeiterbefragung sein muss, sollte selbstverständlich sein
und wurde bereits mehrfach angesprochen. Es reicht aber natürlich nicht aus, dies ein-
fach nur zu erwähnen, sondern es müssen auch in technisch-organisatorischer Hinsicht
die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Nur einer der Aspekte ist diesbezüglich die
SSL-Verschlüsselung der Daten, wenngleich es sich hierbei de facto bis zu einem gewissen
Grad nur um eine „kosmetische“ Angelegenheit handelt, die für sich allein genommen
kaum das Datenschutz-Niveau verbessert.
Deutlich wichtiger ist hingegen beispielsweise die Frage, wo die erhobenen Daten
denn gespeichert werden und wer einen Zugriff auf diese Daten hat. Nicht unmöglich,
aber weniger günstig kommunizierbar ist die Verwendung eines internen Servers des
Unternehmens selbst. An dieser Stelle kann jederzeit ein gewisses Misstrauen in Teilen der
Belegschaft aufkeimen, dass die Daten einer Person im Zweifelsfall eben doch direkt vom
Vorgesetzten eingesehen werden können. Um diesem Eindruck entgegen zu wirken, ist in
den allermeisten Fällen die Beauftragung eines externen Dienstleisters zur Erhebung und
Speicherung der Befragungsdaten sinnvoll. Darüber hinaus sollte schriftlich vereinbart
werden, dass dem Auftraggeber kein direkter Zugriff auf diese Daten gewährt und dass
auch keine sogenannten Rohdaten – also Daten auf der Einzelfallebene – ausgeliefert wer-
den, die wiederum Rückschlüsse durch die Kombination verschiedener Personenmerk-
male gestatten könnten.
Online-Mitarbeiterbefragung 143

Neben der Regelung erwünschter und notwendiger Datenzugriffe ist es andererseits


auch essenziell, Umfrageserver gegen nicht-erwünschte, kriminelle Zugriffe zu sichern.
Ein Unternehmen, das solcherlei Dienstleistungen zur Durchführung von Online-Befra-
gungen anbietet, muss sich darum entsprechende Nachfragen bzw. das Einfordern von
Sicherheitskonzepten und weiteren Unterlagen zur Gewährleistung der Datensicherheit
gefallen lassen (siehe hierzu auch Abschnitt 6.3). An dieser Stelle sollte vom Auftraggeber
ein erhöhtes Sicherheitsniveau verlangt werden mit einer aktuellen Sicherheitsarchitektur,
regelmäßigen Sicherheitschecks und –updates sowie ausreichenden Backup-Verfahren.
Wenngleich hierzu auch gesagt werden muss, dass dies mit entsprechenden Kosten ver-
bunden ist. Darum macht dieser Aspekt auch häufig den Unterschied aus zwischen einem
sehr günstigen und einem teureren Anbieter entsprechender Dienstleistungen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der Übermittlung der Auswertungen zu einer
Online-Mitarbeiterbefragung. Es sollte vorab geklärt sein, eventuell auch unter Beteiligung
des Betriebsrates, welche Personen beispielsweise Zugriff auf die Gesamtauswertungen
erhalten sollen oder auf die Bewertungen in bestimmten Organisationseinheiten. Gibt es
für die Geschäftsführung ein Zugriffsrecht auf alle Berichte? Oder werden Auswertungen,
die eine bestimmte Führungskraft betreffen, nur an diese geliefert? Verteilt die Personalab-
teilung alle Berichte in elektronischer oder in gedruckter Form? Von der Definition dieser
Aspekte kann nicht zuletzt auch die Bereitschaft betroffener Personen zur Unterstützung
des Projektes abhängen. Darum sollte diesbezüglich von Beginn an Transparenz und Ver-
bindlichkeit über die geplante Vorgehensweise herrschen.
Die konkrete Lieferung von Auswertungen und Berichten an den Auftraggeber einer
Online-Mitarbeiterbefragung erfolgt in aller Regel ebenfalls online über gesicherte Aus-
tauschplattformen. Dies ist vor allem dann interessant, wenn eine Vielzahl von Dateien
an eine größere Zahl von Empfängern ausgegeben werden soll. Hier bietet sich eine tech-
nische Lösung an, bei der die Empfänger per E-Mail mit den nötigen Zugängen versorgt
werden. Eine Problematik an dieser Stelle ist allerdings, dass Informationen dieser Art
auch abgefangen werden können. Nicht selten ist es sogar der Fall, dass gerade hoch-
rangige Führungskräfte ihre E-Mails gar nicht mehr selbst lesen bzw. ein Assistent sich
darum kümmert. Wenn diese Person alle Zugangsinformationen per E-Mail erhält, so ist
sie natürlich auch in der Lage, den eigentlich vertraulichen Bericht einzusehen. In diesen
Fällen muss dann ein Teil der Zugangsinformationen (in der Regel das Zugangs-Passwort)
über andere Wege übermittelt werden, etwa per Telefon, per SMS oder in einem als „Per-
sönlich“ gekennzeichneten Brief. Ein anderer Kompromiss stellt die zeitverzögerte Zustel-
lung dar, beispielsweise an Tag 1 die URL der Download-Plattform sowie der Login-Name
und an Tag 2 dann das benötigte Passwort.
Zu guter Letzt stellt sich an dieser Stelle noch die Frage, wie von einem Umfrage-
Dienstleister bei einer Online-Mitarbeiterbefragung denn nun tatsächlich die Anonymität
der Teilnehmer gewahrt werden kann, wo doch jede Person einen eindeutigen Umfra-
gelink bzw. Teilnahmecode erhält, mit dessen Kenntnis man wohl auf den ausfüllenden
Mitarbeiter rückschließen könnte. Nun, wie in anderen Bereichen der Marktforschung
auch, arbeitet man hier mit einer Pseudonymisierung sowie einer Schlüsselliste. Diese
144 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Vorgehensweise lässt sich auch auf andere Anwendungszwecke der Online-Befragung


übertragen. Darum sei an dieser Stelle auf Abschnitt 5.8 verwiesen.

3.2.5 360°-Feedback / Führungskräfte-Feedback

Führungskräfte-Feedbacks oder auch die etwas umfassenderen 360°-Feedbacks sind


interessante Instrumente, um speziell die leitenden Positionen eines Unternehmens zu
beleuchten und diesen Hilfsmittel an die Hand zu geben, um ihre Leistungen zu verbes-
sern. Projekte dieser Art werden aus verschiedenen Gründen besonders gerne in Form
von Online-Befragungen abgewickelt, es gibt auch entsprechende Software-Produkte, die
genau diese Beziehungen zwischen Führungskräften und Einfluss nehmenden Personen
abbilden und die eingespielten Daten mehr oder weniger automatisiert verarbeiten kön-
nen. Der Anlage nach handelt es sich bei Projekten dieser Art um spezielle Formen der
Mitarbeiterbefragung. Die Online-Mitarbeiterbefragung wurde in den Abschnitten zuvor
bereits ausführlich besprochen, diese Themen gelten größtenteils analog auch für die nun
zu besprechenden Feedback-Prozesse. Darüber hinaus gibt es allerdings noch einige wei-
tere Faktoren, die zusätzlich zu beachten sind.
Das 360°-Feedback ist ein Instrument der Personalentwicklung zur Messung der Füh-
rungsleistung von Fach- und Führungskräften. Es gestattet eine ganzheitliche Betrachtung
der Leistungen der beurteilten Person (des Feedbacknehmers), da neben die Beurteilung
durch einen oder mehrere Vorgesetzte noch das Feedback von Kollegen auf gleicher Hie-
rarchieebene (sogenannte „Peers“) sowie die Einschätzungen der untergeordneten Mitar-
beiter der Zielperson gestellt wird. Ergänzt wird diese „Rundumsicht“ der Feedbackgeber
durch eine Selbsteinschätzung der Führungskraft (siehe Abbildung 3.1) und gelegentlich
auch noch durch Kundenbeurteilungen. Im Gegensatz zum 360°-Feedback konzentriert
sich ein „normales“ Führungskräfte-Feedback in aller Regel nur auf die Rückmeldung der
Mitarbeiter, eventuell ergänzt um ein Selbstbild der Führungskraft. Die beiden Begriffe
werden allerdings nicht immer einheitlich verwendet, so dass hinter einem „Führungs-
kräfte-Feedback“ durchaus auch ein „vollwertiges“ 360°-Feedback stecken kann. Im Rah-
men der folgenden Erläuterungen werden sie deshalb als Synonyme betrachtet.
Ein 360°-Feedback umfasst in der Regel verschiedene Dimensionen der Beurteilung,
die allerdings auch an die jeweilige Unternehmensstruktur und -kultur angepasst werden
müssen. Abzufragende Aspekte zur Einstufung der Feedback erhaltenden Führungskraft
können zum Beispiel sein:

• Kommunikationsfähigkeit / Informationssteuerung
• Führungsstil / Führungskompetenz / Entscheidungsfähigkeit
• Zusammenarbeit / Management von Interessen
• Kritik- und Konfliktverhalten
• Fachkompetenz / Lernfähigkeit
• Unternehmerisches / strategisches Denken
Online-Mitarbeiterbefragung 145

Abb. 3.1: Rundumsicht beim 360°-Feedback

• Innovationsstreben / Kreativität / Management von Veränderungen


• Fähigkeit zur Delegation / Aufgabenüberwachung
• Aufgaben- und Zielorientierung / Motivation
• Produktivität / Leistungsorientierung / Ergebnisorientierung
• Unterstützung / Weiterentwicklung der Mitarbeiter
• Kundenorientierung / Internationalität
• Verkörperung der Unternehmenskultur
• Leidenschaft / Teamgeist
• ...

Wie bereits angedeutet, kein 360°-Feedback besteht aus all diesen Dimensionen. Es
handelt sich vielmehr um die üblichen Themenbereiche, aus denen sich ein Unternehmen
bzw. ein Forschungsdienstleister bedient, je nach der Schwerpunktsetzung des aktuellen
Projekts. Jede der gewünschten Dimensionen wird anhand von 4 bis 8 Items abgebildet, die
sich immer auf den Feedbacknehmer beziehen. Üblicherweise werden hierfür Statements
(Aussagen) gebildet, denen der Beurteiler auf einer Skala jeweils zustimmen oder die er
natürlich auch abgestuft ablehnen kann. Insgesamt handelt es sich normalerweise um ca.
40 bis 80 Statements, die ein Teilnehmer beantworten muss. In der Regel erhalten die Feed-
backgeber aus allen Perspektiven ein gleiches Set an Fragen. Dieses wird gelegentlich fall-
weise ergänzt um filtergesteuerte Einzelaspekte, die beispielsweise nur die Mitarbeiter oder
146 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

nur die Vorgesetzten beurteilen können. Für die Selbsteinschätzung des Feedbacknehmers
werden die Statements bisweilen sinngemäß in die Ich-Perspektive umformuliert.
Die Abwicklung eines Führungskräfte- bzw. 360°-Feedbacks erfolgt aufgrund der
erhöhten technischen Anforderungen in der Regel mit Computerunterstützung und mitt-
lerweile meist online über das Internet. Mit Hilfe entsprechender Programme und Vor-
lagen können auch komplexe Organisationsstrukturen abgebildet werden. Die Auswer-
tung der Daten erfolgt in jedem Falle individuell pro Feedbacknehmer sowie zumeist auch
ergänzend auf aggregierter Ebene. Mit Hilfe geeigneter Schaubilder können die Beurtei-
lungen aus den verschiedenen Perspektiven effizient verglichen werden, einzeln für jede
der zuvor genannten Dimensionen. Somit erhält die Führungskraft ein strukturiertes und
qualifiziertes Feedback aus den genannten Perspektiven und kann auf diese Weise sowie
im Idealfall durch regelmäßige Wiederholung des Prozesses einen kontinuierlichen und
inhaltlich abgestimmten Prozess zur Verbesserung der Führungsleistung beginnen.

Erfassung der Feedbackgeber


Eine der wichtigsten und oftmals schwierigsten Aufgaben im Rahmen eines Führungs-
kräfte- bzw. 360°-Feedbacks ist die korrekte Erfassung und Auflistung geeigneter Feed-
backgeber aus den verschiedenen Perspektiven. An dieser Stelle sind Personen gesucht, die
nicht nur laut Organigramm eine Beziehung zum Feedbacknehmer haben, sondern die-
sem auch auf der Grundlage echter persönlicher Erfahrungen ein qualifiziertes Feedback
geben können. Hier gibt es auf allen Ebenen immer wieder Ausnahmen und Sonderfälle,
wenn beispielsweise eine als Feedbackgeber ausgewählte Person im täglichen Arbeitsum-
feld de facto gar keinen oder erst seit kurzer Zeit Kontakt zum Feedbacknehmer hat. Diese
Fälle sind jedoch noch relativ harmlos, da die betreffenden Personen dann in aller Regel
einfach kein Feedback abgeben. Wenn allerdings Personen als Feedbackgeber nicht vorge-
sehen werden, die tatsächlich aber aufgrund ihrer Arbeitsbeziehung zum Feedbacknehmer
gut dafür geeignet wären, dann entsteht im Grunde ein Auswahlfehler und es kommt zu
eventuell systematischen Verzerrungen der Ergebnisse. Gerade in großen und komple-
xen Strukturen von Konzernen werden die tatsächlichen Arbeitsbeziehungen nicht immer
1:1 in den Organigrammen abgebildet und die Wirklichkeit spricht in den kleinräumigen
Verhältnissen einzelner Abteilungen und Führungsbeziehungen eine ganz andere Sprache.
Aus den genannten Gründen wird der eigentlichen 360°-Feedback-Befragung in vielen
Fällen eine Definitionsphase bzw. Vorab-Befragung vorgeschaltet. In einer solchen Erfas-
sungsbefragung werden die späteren Feedbacknehmer zu ihren aktuellen Arbeitsbezie-
hungen zu den bereits laut Organigramm vorgesehenen Personen aus den verschiedenen
Feedbackperspektiven befragt, in der Regel also zu ihren Mitarbeitern, Kollegen auf glei-
cher Ebene sowie eventuell zu ihren Vorgesetzten. An dieser Stelle ist es vor allem wichtig,
den Feedbacknehmern die Gelegenheit zu geben, zusätzliche Personen als Feedbackgeber
zu bestimmen. Die entsprechende Frage sollte als sogenanntes AutoComplete-Texteinga-
befeld (siehe Abschnitt 2.2.1) gestaltet werden, für das im Hintergrund die komplette Mit-
arbeiterliste des Unternehmens angeboten wird, am besten inklusive einer zugeordneten
Abteilungs- oder Standortangabe zur einfacheren Identifikation von Personen.
Online-Mitarbeiterbefragung 147

Die Anzahl der zusätzlich möglichen Feedbackgeber ist in aller Regel auf wenige zu
beschränken, um einen gewissen „Wildwuchs“ und Missbrauch zu verhindern. Insge-
samt sollte aus allen Perspektiven aber eine gewisse Mindestanzahl von Feedbackgebern
definiert sein, abhängig auch von einer eventuell definierten Auswertungsschwelle pro
Gruppe. Ob man dem Feedbacknehmer auch die Möglichkeit geben möchte, eigentlich
vorgesehene Personen als Feedbackgeber wieder „abzuwählen“, ist eine Entscheidung, die
gut überlegt sein sollte. Gäbe sie doch dem Feedbacknehmer die Möglichkeit der Beein-
flussung, indem dieser diejenigen Personen vom Verfahren ausschließt, von denen er eher
ein negatives Feedback erwartet. Um die Gefahr dieser nicht-erwünschten Beeinflussung
zu verringern, können auch Möglichkeiten gewählt werden, in denen der jeweilige Vorge-
setzte des Feedbacknehmers und/oder die Personalabteilung an dieser Auswahl beteiligt
werden bzw. diese nachträglich „absegnen“ müssen. Durch die technische Software-Unter-
stützung sind diese Prozesse relativ schnell und flexibel online abbild- und durchführbar.

Durchführung des 360°-Feedbacks


Sind die Arbeitsbeziehungen ausreichend geklärt bzw. festgelegt – sei es per Definition
durch die Personalabteilung oder per Kontrolle durch eine Erfassungsbefragung – dann
steht dem Start des Online-Feedbacks nichts mehr im Wege. Zu beachten ist allerdings,
gegenüber einer gewöhnlichen Online-Mitarbeiterbefragung, die etwas höhere Komple-
xität der Abwicklung, die nicht nur mehr Ansprüche an die dahinter liegende Software-
Technologie stellt, sondern auch auf die befragten Mitarbeiter einwirkt, vor allem auf
mittleren Führungsebenen. Diese werden eventuell dazu aufgefordert, jeweils mehreren
Personen ein Feedback zu geben, zum Beispiel in ihrer Rolle als Mitarbeiter ihres Vorge-
setzten sowie als Peer ihrer Kollegen auf der gleichen Ebene. Hinzu kommt eventuell noch
die Selbsteinschätzung. Führungskräfte auf höheren Ebenen müssen hingegen oftmals
zahlreiche, untergeordnete Personen bewerten. Alles in allem handelt es sich also um eine
relativ arbeitsintensive Angelegenheit für viele Beteiligte, die auch eine gewisse Kapazität
an Arbeitskraft und -zeit bindet. Dieser Zusammenhänge sollte sich das durchführende
Unternehmen bewusst sein.
Um es den Feedbackgebern möglichst einfach zu machen, sollten diese nicht für alle
Feedback-Einladungen eine separate E-Mail mit dem entsprechenden Befragungslink
erhalten, sondern nur eine einzige E-Mail mit allen notwendigen Links, tabellarisch nach
Perspektive gegliedert und mit den Namen der jeweiligen Feedbacknehmer pro Link ver-
sehen. Je nach verwendeter Software wird diese Steuerung eventuell auch online auf einer
Übersichtsseite für den betreffenden Feedbackgeber dargestellt, inklusive Hinweis, welche
Feedbacks bereits vollständig abgegeben worden sind. Der Nachteil dieser Darstellung im
Hinblick auf die Teilnahmemotivation besteht allerdings darin, dass sie einen ersten Klick
des Feedbackgebers erfordert, noch bevor dieser weiß, welche Personen er eigentlich beur-
teilen soll.
Einen weiteren Freiheitsgrad stellt die Frage dar, ob das 360°-Feedback auf einen relativ
kurzen, festgelegten Zeitraum von zum Beispiel drei Wochen fixiert wird – nur dann besteht
die im vorherigen Absatz beschriebene übersichtliche Einladungs-Option – oder aber als
148 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

kontinuierlicher Prozess durchgeführt werden soll, bei dem über eine längere Periode hin-
weg immer wieder neue Feedbacks von den Führungskräften oder der Personalabteilung
angestoßen werden. Die letztgenannte Option ist für eine Organisation wegen der zeitli-
chen Entzerrung weniger „belastend“, bringt aber auch organisatorische Schwierigkeiten
und einen noch höheren Kontrollaufwand mit sich. Allerdings gibt es auch hierfür bereits
entsprechende Software-Tools, welche die vorab definierten Feedbacknehmer beständig
per E-Mail auf ihre Verpflichtung hinweist, innerhalb von zum Beispiel sechs Monaten
ihren eigenen Feedback-Prozess durch Definition der Feedbackgeber anzustoßen.
Durch den skizzierten Ablauf wird außerdem deutlich, dass ein Online-Führungs-
kräfte-Feedback eine etwas andere „Tonalität“ bezüglich der Anonymität der beteiligten
Personen aufweist. Das heißt selbstverständlich nicht, dass man hier komplett auf entspre-
chende Datenschutzmaßnahmen verzichten kann. Allerdings gibt es diverse Stellen, an
denen Anonymität schlicht nicht gewährleistet werden kann bzw. Daten aufgrund des gan-
zen Erhebungsdesigns einer Quelle, mithin einer Person, zugeordnet werden müssen. Dies
ist beispielsweise im trivialen Kontext der Selbsteinschätzung des Feedbacknehmers der
Fall, die ohne die Zuordnung zur Person gar keinen Sinn ergäbe. Außerdem kann die Ano-
nymität des Vorgesetzten als Feedbackgeber nicht gewährleistet werden, da es sich in aller
Regel nur um eine einzige Person handelt. Bei den restlichen Feedback-Perspektiven sieht
es etwas günstiger aus: Die Angaben von Mitarbeitern, Peers oder auch Kunden, falls sie
in den Feedback-Prozess einbezogen werden, müssen nicht auf ihren Ursprung zurückge-
führt, sondern lediglich der Person des Feedbacknehmers zugeordnet und können darum
anonym erhoben werden. Zusätzlich wird, wie bei normalen Online-Mitarbeiterbefragun-
gen, für diese Gruppen üblicherweise eine Auswertungsschwelle von beispielsweise fünf
oder drei teilnehmenden Personen definiert, unterhalb derer das Feedback nicht ausge-
wertet bzw. weitergegeben werden darf.

Fallstricke
Ähnlich wie bei einer Online-Mitarbeiterbefragung spielt es auch bei 360°-Befragungen
eine große Rolle, wie im Nachgang mit den Feedback-Auswertungen umgegangen wird.
Die insgesamt günstigste Konstellation ergibt sich, wenn garantiert ist, dass das Feedback
direkt an den Feedbacknehmer und eventuell noch an dessen Vorgesetzten geliefert wird.
Je mehr „Stationen“ die Auswertungen aber durchlaufen, desto höher ist die Wahrschein-
lichkeit, dass der Feedbacknehmer sich in irgendeiner Art vorab zum gesamten Projekt
anders „positioniert“, als wenn es sich um ein direktes Feedback handeln würde. Und der
Feedbacknehmer kann durch aktive Nachfrage einerseits oder durch passives und „lustlo-
ses“ Abwarten andererseits einen erheblichen, persönlichen Einfluss darauf nehmen, wie
viele Personen ihm überhaupt ein Feedback geben möchten.
Das strikte Einhalten der bereits erwähnten Auswertungsschwelle ist vor allem aus der
Perspektive der Mitarbeiter essenziell. Gerade wenn es um mögliche Kritik an der eigenen
Führungskraft geht, müssen sie sich auf diesen Mechanismus verlassen können. An die-
ser Stelle dürfen nachträglich keine Kompromisse gemacht werden. Auch die gelegentlich
praktizierte Nachfrage bei den betroffenen Feedbackgebern, ob die Auswertung mit ihrer
Marketing-orientierte Online-Befragung 149

Genehmigung auch bei vier oder drei Antwortern erstellt werden dürfe, ist nicht unbe-
dingt zielführend, da sich der eine oder andere Mitarbeiter dann qua Gruppendruck zu
einer positiven Antwort gedrängt fühlen könnte.
Wie bei vielen Projekten dieser Art ist der größte Fallstrick aber darin zu sehen, dass
der Prozess der nachträglichen Aufarbeitung und Verwendung der Feedback-Ergebnisse
vernachlässigt wird. In irgendeiner formalen Weise muss dafür gesorgt werden, dass eine
solche Anwendung des Feedbacks geschieht, sei es durch ein verpflichtendes Gespräch
mit der Führungskraft, durch einen gecoachten Workshop mit dem gesamten Team oder
durch individuelles Coaching der Führungskraft durch einen erfahrenen Trainer.

3.3 Marketing-orientierte Online-Befragung

Marketing-orientierte Online-Befragungen behandeln Befragungsthemen rund um die


Aufgabengebiete des Marketing. Den 4 P des Marketing-Mixes nach McCarthy (1960) [3]
folgend, geht es also um die Produkt-, Preis-, Distributions- sowie Kommunikationspolitik
eines Unternehmens (Product, Price, Place, Promotion) oder ganz allgemein formuliert
um das rechtzeitige Erkennen von Chancen und Risiken für den Unternehmenserfolg, die
mit Marketingaktivitäten verbunden sind. Die Marktforschung zu diesen Themen ist für
viele Unternehmen – vor allem im Konsumgüterbereich – ein wichtiger Baustein.
Einer der wichtigsten Vertriebskanäle bzw. Distributionsinstrumente ist heutzutage in
vielen Fällen die Website eines Unternehmens. Folgerichtig gibt es auch Website-Befra-
gungen, die diesen Kanal einer Prüfung durch die Nutzer unterziehen. Produkt- und Preis-
tests, online durchgeführt, decken zwei weitere P’s des Marketing-Mixes forschungsmäßig
ab. Werbemitteltests beschäftigen sich mit einem spezifischen Element der Kommunikati-
onspolitik. Diese beliebten und bewährten Einsatzgebiete der Online-Befragung sollen im
Folgenden näher beleuchtet werden.

3.3.1 Website-Befragung

Schnell setzte sich bereits in den 90er Jahren die Erkenntnis durch, dass es sich beim
Internet im besten Marketing-Sinne um einen zusätzlichen Kommunikations- und Ver-
triebskanal handelt. Viele Unternehmen verknüpfen heute sehr effektiv und effizient die
„klassischen“ Kanäle mit Online-Medien, um auf diese Weise mehr Zielgruppen nutze-
radäquat ansprechen zu können. Wie andere Kommunikations- und Vertriebswege auch,
sollte „online“ gleichfalls marktforscherisch aktiv begleitet werden.
Die Durchführung von Befragungen direkt auf den Webseiten von im Internet vertre-
tenen Unternehmen war in der Frühzeit der Online-Befragung auch eine der häufigsten
Anwendungen der damals noch jungen Umfragemethode. Was eindeutig damit zusam-
menhing, dass es mangels Verfügbarkeit geeigneter Stichproben nicht sonderlich viele
sonstige Anwendungszwecke gab, die wirklich Sinn ergaben. Auf einer Website nämlich
150 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

liegt die zu befragende Grundgesamtheit quasi natürlicherweise vor und schaut sogar frei-
willig vorbei. Jedenfalls dann, wenn man unter „Website-Befragung“ nicht nur technisch
„Befragung auf der Website“, sondern auch inhaltlich „Befragung zur Website“ meint. Zur
reinen Rekrutierung von Teilnehmern für beliebige Umfragen über Websites, also dem
Website Sampling, wird in Abschnitt 5.1 Stellung genommen.
Ein Teil der von den Website-Besuchern benötigten Informationen kann nicht-reaktiv
über Untersuchungen der Besuchshäufigkeit, des Besuchsverlaufs oder der Besuchsdauer
gewonnen werden. Ob die Website allerdings auch nutzerfreundlich gestaltet ist und wo
eventuell noch Verbesserungspotenziale liegen, kann auf diese Weise höchstens rudimen-
tär geklärt werden. Hierfür ist der Kontakt zu den Website-Nutzern unumgänglich. Vor
allem beim Aufbau einer Website werden hierzu häufig entsprechende Tests in Labors mit
begrenzten Teilnehmerzahlen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eher qualitativ
orientierte Ansätze. Auf bereits laufenden Websites bietet sich hingegen die Befragung und
Bewertung durch die mehr oder weniger zahlreichen Website-Besucher selbst an. Hier
liegt dann meist ein eher quantitativ orientierter Fragebogen vor, der die statistische Mes-
sung bei einer größeren Anzahl von Personen in den Vordergrund stellt.
Ein wesentlicher Punkt bei der Durchführung von Website-Befragungen ist die Frage,
in welcher Weise potenzielle Befragungsteilnehmer rein technisch angesprochen bzw.
angeworben werden können. Hierfür existieren verschiedene Möglichkeiten mit spezifi-
schen Stärken und Schwächen. Diese reichen von der Verwendung eines Werbebanners
oder Umfragelinks zum Klicken durch den Teilnehmer bis zur zufallsgesteuerten Einblen-
dung eines sogenannten Layers, also eines Informationsfensters, in dem für die Teilnahme
an der Befragung geworben wird. Auf diese Verfahren sowie auch auf die Möglichkeiten
der zeitlichen Steuerung (Wann genau wird ein potenzieller Teilnehmer angesprochen?)
wird ausführlicher in Abschnitt 5.1 eingegangen.

Typische Inhalte einer Website-Befragung


Inhaltlich geht es bei Website-Befragungen eben um die Website selbst als Untersuchungs-
gegenstand. Im weiteren Sinne sind hierunter auch Shop-Befragungen zu fassen, bei denen
die Abläufe auf einer internet-basierten Verkaufsplattform untersucht werden. Typische
Fragestellungen sind in beiden Fällen folgende:

• Design / Layout / Optik


• Inhalte / Informationsgehalt
• Aktualität / Unterhaltungswert
• Verständlichkeit / Themenaufteilung
• Navigation / Benutzerführung / Bedienerfreundlichkeit
• Seriosität / Vertrauenswürdigkeit
• Usability / Geschwindigkeit
• Imagewirkung der Website auf die Marke
• Bestellprozess / Produktpräsentation
• Auftragsabwicklung / Lieferung / Verpackung
Marketing-orientierte Online-Befragung 151

• Zahlungsabwicklung
• Stärken / Schwächen / Wünsche
• Besuchshäufigkeit / Besuchsdauer / Nutzungsanlässe
• Generelle Zufriedenheit / Weiterempfehlungsabsicht
• Demographische Daten zur Erstellung von Nutzerprofilen

Sinnvolle Befragungszeitpunkte für Website-Befragungen


Strategisch eingesetzte Website-Befragungen können dazu beitragen, das Wettbewerbs-
umfeld kennen und einschätzen zu lernen, sie können der Erfolgskontrolle dienen und
sie können eine gleichbleibende bzw. kontinuierlich zunehmende Qualität der Website
gewährleisten, da auf Veränderungen in den Bewertungen kurzfristig reagiert werden
kann. Besonders sinnvoll ist der Einsatz einer Website-Befragung zu folgenden Zeitpunk-
ten bzw. Anlässen:

• Während der Konzeptions- bzw. Einführungsphase einer Website zum Test der Eignung
derselben für die Zielgruppe und zur Überprüfung der wesentlichen Marketingzwecke.
• Im Nachgang zu umfangreichen Aktualisierungen bzw. Änderungen der Website
(Relaunch) hinsichtlich Bedienung, Optik und/oder Inhalten zur Evaluation der
durchgeführten Neuerungen.
• Wenn die Website schon länger nicht mehr auf eventuell geänderte Nutzerpräferenzen
getestet wurde.
• Ständiger Einsatz der Website-Befragung mit Zufallssteuerung sowie relativ geringen
Teilnehmerzahlen zum Zwecke des Monitoring, zur Gewinnung von Benchmarks und
Zeitreihen sowie als Alarm-Funktion bei auffälligen Abweichungen.

3.3.2 Produkt- und Preistest

Je passgenauer Produkte oder Dienstleistungen den Bedürfnissen und Wünschen der Kun-
den entsprechen, desto größer sind ihre Marktchancen, so sagt es jedenfalls die Theorie.
Im Einzelfall gibt es hiervon vermeintlich Abweichungen, wenn beispielsweise ein Pro-
dukt einen ungemeinen Hype auslöst, aber scheinbar gar keinen besonderen Nutzen hat,
der es von ähnlichen Produkten abheben würde. In solchen Fällen kann es aber auch das
Bedürfnis des Kunden sein, dieses Produkt mehr oder weniger unabhängig von seinen
objektivierbaren Eigenschaften zu besitzen. Es stellt sich also die Frage, welche Produktei-
genschaften eigentlich von den Kunden verlangt und nachgefragt werden. Außerdem ist
zu bestimmen, in welcher Weise die Produktmerkmale zu einem oder mehreren Produk-
ten kombiniert werden sollten, damit sie eventuell unterschiedlichen Anforderungen ver-
schiedener Kundengruppen dienen können. In diesem Kontext ist in erster Linie das Con-
joint-Verfahren als Erhebungsmethode zu nennen, das weiter hinten in Abschnitt  3.3.5
sowie im Expertenbeitrag von João Filipe Baigger in Kapitel 4 dieses Buches erläutert wird.
Von Gewicht ist natürlich auch die Produktmarke. Ihre Bedeutung für die Absatzchancen
152 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

des Produkts wird im Rahmen der Markenforschung untersucht, welche in Abschnitt 3.3.4
beschrieben wird.
Themenbereiche, die über Online-Produkttests abgedeckt werden können, sind bei-
spielsweise die folgenden:

• Beurteilung von Produktkonzepten


• Präferenzurteile zwischen mehreren Produktvarianten
• Wichtigkeit von Produkteigenschaften
• Verpackungsbeurteilung
• Namenstest
• Ideengenerierung zur Weiterentwicklung von Produkten
• Produktwahrnehmung
• Art und Häufigkeit der Produktnutzung
• Aktuelle und zukünftige Kaufbereitschaft
• Preistest

Praxisbeispiel
Ein Hersteller von Auto-Schiebedächern stellte die Aufgabe, inwieweit das Konzept
eines nachträglich in ein Fahrzeug eingebauten Schiebedaches marktfähig ist und
unter welchen Voraussetzungen. Die Stichprobe hierfür wurde in mehreren relevan-
ten Märkten weltweit über Access Panels rekrutiert. Auf der Grundlage der Erhebung
konnte ermittelt werden, inwieweit an dem Konzept überhaupt Interesse besteht, bei
welchen Bevölkerungsgruppen und mit welchen Motivationen. Darüber hinaus wur-
den verschiedene Schiebedach-Modelle auf ihre Attraktivität hin getestet. Aus den
Ergebnissen wurden erste Erkenntnisse für die Entwicklung individueller Marktstrate-
gien in den verschiedenen Ländern abgeleitet.

Auch die Kombination von Online- und Offline-Komponenten im Rahmen von Pro-
dukttests ist mittlerweile erfolgreich umgesetzt worden. So können den Teilnehmern
beispielsweise Produkte physisch im Rahmen eines klassischen Home-Use-Tests zur Ver-
fügung gestellt werden, während das konkrete Feedback hierzu dann über strukturierte
Online-Fragebögen erfasst wird. Dies geschieht beispielsweise bei Kosmetika oder auch
in Form sogenannter Degustationstests, bei denen Neuprodukte im Lebensmittelbereich
getestet werden.
Auch die Entscheidung über den Preis des Produkts bzw. der Dienstleistung, zu dem
diese dem Markt angeboten werden soll, hat weitreichende Konsequenzen sowohl für die
aktuellen und mittelfristigen Marktchancen als auch für die generelle preisliche Positionie-
rung der Marke sowie für die Profitabilität bzw. den Deckungsbeitrag, der mit dem Ange-
bot verwirklicht werden kann. Die Verwendung der Online-Marktforschung für Produkt-
und Preistests bietet sich in erster Linie im Zuge von Produkt-Neuentwicklungen bzw.
-Neueinführungen an, vielfach bereits in der Konzeptions- und Entwicklungsphase. Aber
auch im Rahmen einer Weiterentwicklung oder Neupositionierung kann sie ein sinnvolles
Marketing-orientierte Online-Befragung 153

Mittel sein. Denn die Einführung neuer oder aktualisierter Produkte bzw. Dienstleistun-
gen birgt nicht wenige unternehmerische Risiken, die mit Hilfe vorgelagerter Produkt-
und Preistests verringert werden können.

Adressatenkreis
Produkt-, Produktkonzept- oder Preistests werden in den meisten Fällen unter Konsu-
menten durchgeführt. Im B2B-Bereich sind sie eher ungewöhnlich bzw. die entsprechen-
den Informationen werden partiell über Kundenzufriedenheitsbefragungen mit erfasst.
Um Konsumenten online befragen zu können, bietet es sich in erster Linie an, auf die
Anbieter von Access Panels zuzugehen, die in sehr vielen Fällen passgenaue Stichproben
von ganz normalen Verbrauchern mit bestimmten Merkmalen liefern können. Gelegent-
lich kann das durchführende Unternehmen auch auf andere Teilnehmer zurückgreifen, die
beispielsweise im Rahmen eines Kundenclubs oder eines Newsletter-Verzeichnisses zur
Verfügung stehen. Dies geschieht bei Produkt- und Preisthemen jedoch eher selten, da es
sich hierbei vielfach bereits um echte Kunden des Unternehmens oder Produktanwender
handelt, die nicht unbedingt eine neutrale Meinung abgeben können.

Visualisierungen
Je nach Art des zu testenden Produkts bietet es sich natürlich auch an, neben textlichen
Beschreibungen entsprechende Visualisierungen zu verwenden. Im einfachsten Fall han-
delt es sich schlicht um Bilder der Testprodukte, die eingespielt werden können. Die heu-
tigen Internetnutzer sind auch geübt im Umgang mit Zoom-Funktionen, mit deren Hilfe
man Bilder auf Klick vergrößern kann, um mehr Details zu sehen. Des Weiteren kann
eine Online-Befragung multimedial um Video- und/oder Audiosequenzen zum Produkt
ergänzt werden. Auch dies kennen die allermeisten Befragungsteilnehmer vom Besuch
anderer Internetseiten und sind im Umgang damit geübt. Der Einsatz dieser Optionen
wird in Abschnitt 2.2.6 näher beschrieben.
Allerdings haben Visualisierungen im Internet auch ihre Grenzen. Sie können nämlich
keinerlei Haptik oder Geschmäcke oder Gerüche vermitteln. Wie sich ein Produkt anfühlt,
wenn man es in der Hand hält bzw. wenn man es benutzt, kann auf diese Weise kaum ver-
mittelt werden. Insofern darf die Bezeichnung „Produkttest“ auch nicht missverstanden
werden im Sinne von „Anwendungstest“. Dennoch ist in ganz vielen Fällen das Zeigen von
Bildern im Rahmen eines Online-Produkttests bereits völlig ausreichend. Hierbei kann es
sich jeweils um das Produkt selbst handeln oder aber um eine Produktverpackung.

Preismodell nach van Westendorp


Das Preismodell von Peter van Westendorp (2016) [5] wird in der Regel unter seiner eng-
lischen Bezeichnung „Price Sensitivity Meter“ geführt und ist vor allem aufgrund seiner
Einfachheit – und zwar sowohl für den Forscher als auch für die befragten Personen – in
der Marktforschung sehr beliebt. Da es auch im Rahmen von Online-Erhebungen sehr
gut geeignet ist und auch recht häufig einsetzt wird, soll es hier kurz beschrieben werden.
Grundlage des Modells ist zunächst die inhärente Annahme, dass die befragten Personen
154 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

den fraglichen Produkten auch einen spezifischen Wert oder Nutzen zuordnen können,
der sich unter anderem am Preis bemisst.
In der Umsetzung beruht das Modell im Grunde auf nur vier preisbezogenen Fragen
zum jeweilig vorgestellten Produkt. Die Teilnehmer sollen dabei angeben, ab welchen
Preisschwellen sie ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung als zu teuer,
teuer, billig oder zu billig ansehen. Damit das Modell auch funktioniert, ist noch zu prüfen,
dass die Angaben jedes einzelnen Befragten auch logisch konsistent sind. Das heißt, dass
beispielsweise die vom Teilnehmer wahrgenommene Preisschwelle für „zu teuer“ größer
oder mindestens gleich der Preisschwelle für „teuer“ ist etc. Bei einer online durchgeführ-
ten Befragung kann dies von der Software im Hintergrund automatisch geprüft und der
Teilnehmer auf eventuelle Eingabefehler mit der Bitte um Korrektur hingewiesen werden.
Die erwähnten vier Fragen werden von den Marktforschern immer etwas abweichend for-
muliert, auch in Abhängigkeit von den getesteten Produkten. Im Allgemeinen weisen sie
aber in etwa die folgende Form auf:

• Zu welchem Preis würden Sie das gezeigte Produkt für so teuer halten, dass Sie einen
Kauf gar nicht in Erwägung ziehen würden?
• Zu welchem Preis würden Sie das gezeigte Produkt für so billig halten, dass Sie Zweifel
an der Qualität des Produkts hätten?
• Zu welchem Preis würden Sie das gezeigte Produkt für teuer halten, das heißt ein Kauf
käme zwar grundsätzlich in Frage, allerdings erst nach reiflicher Überlegung?
• Zu welchem Preis würden Sie das gezeigte Produkt für billig halten, das heißt es wäre
ein sehr gutes Angebot oder ein Schnäppchen?

Mit Hilfe der Angaben der gesamten Stichprobe einer Befragung werden aus den vier
Fragen dann die Verteilungen der Antworten errechnet und kumuliert in ein Schaubild
übertragen. Hierbei müssen die Linien für „zu billig“ und „billig“ invertiert dargestellt
werden, wie Abbildung 3.2 zeigt. Durch dieses grafische Verfahren kristallisieren sich
gewisse Preispunkte heraus, nämlich:

• Optimaler Preis: gleiche Anzahl von Personen, die das Produkt als „zu billig“ bzw. als
„zu teuer“ erachten. Wird das Produkt zu diesem Preis angeboten, so hat das Produkt
mengenmäßig die besten Absatzchancen.
• Indifferenter Preis: gleiche Anzahl von Personen, die das Produkt als „billig“ bzw.
als „teuer“ erachten. Das heißt, an diesem Punkt gibt es die größte Anzahl an unent-
schiedenen Kunden. Er wird auch als „normaler Preis“ oder „Preis des Marktführers“
beschrieben.
• Schwelle relativer Preiswürdigkeit: gleiche Anzahl von Personen, die das Produkt als
„zu billig“ bzw. als „teuer“ erachten. Unterhalb dieses Punktes würde das Kaufinteresse
wegen zu geringer wahrgenommener Qualität deutlich abnehmen, der Preis wäre nicht
mehr glaubwürdig.
Marketing-orientierte Online-Befragung 155

Abb. 3.2: Die vier Preiskurven beim Modell nach van Westendorp

• Schwelle relativer Teure: gleiche Anzahl von Personen, die das Produkt als „billig“ bzw.
als „zu teuer“ erachten. Oberhalb dieses Punktes würde gleichfalls das Kaufinteresse
deutlich zurückgehen, da der Preis bei den meisten nicht mehr akzeptabel wäre.

Der letztlich vom durchführenden bzw. beauftragenden Unternehmen festgelegte Preis


für das Produkt sollte sich in jedem Fall zwischen den äußeren beiden Schwellenwerten
bewegen. Nicht automatisch muss dies aber der „Optimale Preis“ aus dem Modell sein,
denn an dieser Stelle sind auch Fragen der marketing-technischen Positionierung von Pro-
dukt und Marke zu beachten. Diesbezüglich müssen die im Diagramm abgebildeten Kur-
ven möglicherweise für unterschiedliche Zielgruppen innerhalb der Gesamt-Stichprobe
isoliert und getrennt voneinander betrachtet werden.

3.3.3 Werbewirkungsforschung

Die Werbewirkungsforschung ist ein sehr weites Feld in der Marktforschung, in dem viele
unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen. Grundsätzlich geht es immer um
die Überprüfung und Feststellung, ob die gewünschte Kommunikation auf verschiedenen
Ebenen auch so bei der beabsichtigten Zielgruppe von Menschen ankommt und ob sie
in der Art rezipiert wird, wie es gewünscht ist. Schwachstellen der Kommunikationspoli-
tik hängen häufig mit einer unklaren Positionierung des Unternehmens bzw. der Marke,
mit der Wahl ungeeigneter Kommunikationskanäle oder mit der falschen Tonalität einer
Werbemaßnahme zusammen. Als sicher gilt, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz
eines eingesetzten Werbebudgets ohne unmittelbare oder auch nur mittelfristige Wirkung
156 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

bleibt, weil entweder an falscher Stelle oder in falscher Weise geworben wird. Durch eine
optimale Gestaltung von Kampagnen sollte diese Quote möglichst gering gehalten werden.
Werbewirkungsanalysen auf verschiedenen Ebenen sind in der Lage, ganz spezifische
Schwachstellen aufzudecken. Je nach Ansatz ist die Betrachtung nur ex post oder auch
ex ante möglich, also entweder eine Messung der tatsächlich auftretenden Wirkung nach
einer Kommunikationsmaßnahme oder die Analyse der Eignung einer Maßnahme im
Vorfeld. Die Werbewirkungsforschung kann die gesamte Kommunikationspolitik eines
Unternehmens erfassen, im engeren Sinne Werbemaßnahmen, Public Relations oder
Verkaufsförderung, im weiteren Sinne aber auch das Unternehmensleitbild im Sinne der
Corporate Identity nach innen und nach außen. Fraglich ist in unserem Kontext nun, wel-
che Formen und Spielarten der Werbewirkungsanalyse sich online durchführen lassen.
Zunächst ist hierzu festzustellen, dass uns das Internet diesbezüglich einmal mehr durch
seine Multimedia-Fähigkeit entgegenkommt. Es gibt kaum eine Werbeform, die sich nicht
in Form der Kombination von Text, Bild, Audio und/oder Video online vermitteln ließe.
Diese Möglichkeiten können genutzt werden, um beispielsweise die Wirkung einer
Werbung unmittelbar nach der Wahrnehmung derselben in einer Online-Testsituation zu
prüfen. Hier kann es zum Beispiel darum gehen, die Teilnehmer ihre spontanen Eindrü-
cke zu einem gezeigten Werbespot oder zu einem Werbeplakat schildern zu lassen bzw.
ihre Empfindungen und Eindrücke zu messen. Oder es kann die Erinnerungsleistung an
bestimmte Elemente der gezeigten Werbung geprüft werden, zum Beispiel die Erinnerung
an die zentrale Aussage oder auch nur an die beworbene Marke. Oder es geht darum, ob
die Werbung des beauftragenden Unternehmens zwischen den Werbeanzeigen anderer
Marken überhaupt noch wahrgenommen wird (Copy-Test). Bei den skizzierten Verfah-
ren kann entweder die quantitative Forschung im Vordergrund stehen, also die Erhebung
repräsentativer, statistischer Daten. Oder es werden qualitative Aspekte betont, die inten-
siver die Reaktionen von Einzelpersonen beschreiben.
Die soeben beschriebenen Forschungsansätze sind Testverfahren, die im Vorfeld
des Einsatzes der Werbemittel in Frage kommen und eine Aussage über deren poten-
zielle Eignung erlauben. Wichtig ist jedoch auch die nachträgliche Überprüfung, ob eine
durchgeführte Werbung auch den gewünschten Erfolg erbracht hat, das heißt ob sich
die Konsumenten nachträglich auch noch daran erinnern. Auch diesbezüglich kann die
Online-Befragung mittlerweile gute Dienste leisten, wenngleich es in diesem Zusammen-
hang sehr viel stärker als zuvor darauf ankommt, möglichst zielgruppen-repräsentative
Stichproben einzusetzen.
In diesem Kontext wird häufig in der Weise vorgegangen, dass zunächst die ungestützte
Erinnerung erfasst wird. Hierbei kann beispielsweise gefragt werden, ob man sich daran
erinnert, in letzter Zeit Werbung für eine bestimmte Produktkategorie gesehen zu haben,
und falls das der Fall ist, für welche Marke. Je höher der Anteil derjenigen ist, die ohne
weitere Hinweise die Marke des Auftraggebers nennen können, desto besser blieb die Wer-
bung offensichtlich beim Konsumenten haften, eine korrekte Stichprobenauswahl einmal
vorausgesetzt. In der Regel wird auch noch die gestützte Erinnerung erfasst, wobei die ent-
sprechende Marke genannt oder gar die Werbung selbst am Bildschirm eingeblendet bzw.
Marketing-orientierte Online-Befragung 157

eingespielt und die Frage gestellt wird, ob man sich nun daran erinnert. Meist folgen wei-
tere Fragen dazu, wo genau die Werbung gesehen oder gehört wurde und was man von der
Werbung und dem Produkt generell hält. Nochmals zusammengefasst, typische Inhalte
und Fragestellungen der Werbewirkungsforschung wären zum Beispiel die Folgenden:

• Verwendung Produktkategorie
• Markenkenntnis (gestützt / ungestützt) und Markenwahrnehmung
• Werbeerinnerung für Produktkategorie / Marke (ungestützt / gestützt)
• Erinnerung an Inhalte / Elemente der Werbung (ungestützt / gestützt)
• Erinnerung an Slogan(s) (ungestützt / gestützt)
• Gestützte Werbeerinnerung über Einspielung Werbemittel
• Ort / Anlass der Wahrnehmung
• Bewertung des Werbemittels nach Kriterien (quantitativ / qualitativ)
– Gesamtbewertung
– Sympathie / Attraktivität
– Verständlichkeit
– Einzigartigkeit / Auffälligkeit / Wiedererkennungswert
– Seriosität / Vertrauenswürdigkeit
– Authentizität
– Unterhaltsamkeit / Modernität
– Interessensteigerung / Kaufwahrscheinlichkeit
– Passung zur Marke
• Bewertung einzelner Elemente des Werbemittels
• Einstellungen zu Produktkategorie / Produkt / Marke
• Nutzungs- / Kaufhäufigkeit zu Produktkategorie / Produkt / Marke
• Kaufabsicht / Kaufbereitschaft zu Produktkategorie / Produkt / Marke
• Image der Marke
• Demographische Fragen

3.3.4 Markenforschung und Employer Branding

Unternehmen in allen Branchen vertrauen auf die Wirkung ihrer Marke. Sie wird über
lange Zeiträume bewusst aufgebaut und gepflegt und stellt dann häufig auch einen erhebli-
chen Teil des Unternehmenswertes dar. Die Markenforschung beschäftigt sich mit Marken
als wissenschaftlichen Erkenntnisobjekten. Denn ein effektives Management der eigenen
Marke wird in der heutigen Zeit immer wichtiger. Die Kaufentscheidungen von Kon-
sumenten werden häufig nicht mehr nur von den objektiven Qualitätsmerkmalen eines
Produkts determiniert, sondern vielmehr auch davon, welcher Charakter der jeweiligen
Marke zugeschrieben wird und welche Emotionen und Erinnerungen sie hervorruft. Die
Wirkung der Marke kann somit einen erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung aus-
üben. Diese erfolgt nicht nur rational auf der Grundlage klarer Fakten, sondern zu einem
gewissen Teil auch unbewusst und emotional.
158 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Um den Erfolg und die Wirksamkeit des Markenmanagements online zu ermitteln,


wird beispielsweise gemessen, in welcher Art und Weise, bei welchen Gelegenheiten und
in welchen Kontexten eine Marke überhaupt wahrgenommen wird und welche Bedeutung
und Funktion sie dabei beim Konsumenten einnimmt. Ebenso ist relevant, zu welchen
Assoziationen die Marke sowie ihre Symbole veranlassen und welches Image mit ihr ver-
knüpft wird.
Neben der Markenwirkung ist selbstverständlich auch die allgemeine Bekanntheit einer
Marke von Interesse. Denn Marken, die dem Konsumenten bereits bekannt sind, werden
bei Kaufentscheidungsprozessen eher berücksichtigt, weil die Qualität eines Produkts unter
anderem auch an der Marke festgemacht wird. Markenbekanntheit ist andererseits auch
die Voraussetzung dafür, dass ein Konsument einer Marke überhaupt ein Image zuordnen
und positive Assoziationen mit ihr verknüpfen kann. Einer zunächst unbekannten Marke
gelingt dies kaum oder nur mit einem hohen Kommunikations-/Werbeaufwand.
Bei Online-Befragungen zur Messung der Markenbekanntheit unterscheidet man zwi-
schen der aktiven, ungestützten Erinnerung (Brand Recall) und der passiven, gestützten
Wiedererkennung einer Marke (Brand Recognition). So werden die Umfrageteilnehmer
beispielsweise dazu aufgefordert, alle Marken zu nennen, die ihnen in Bezug auf eine
bestimmte Produktkategorie in den Sinn kommen. Die Marken, die an dieser Stelle ohne
weitere Hilfe relativ häufig genannt werden, sind in der Regel die stärksten und prominen-
testen der betreffenden Kategorie. Bei der gestützten Erinnerung klickt ein Teilnehmer
hingegen in einer vorgegebenen Liste diejenigen Marken an, von denen er schon einmal
gehört hat. Hier werden nun häufiger auch die weniger bedeutenden Marken ausgewählt.
Neben der reinen Bekanntheit einer Marke spielt allerdings auch noch das Wissen der
Verbraucher über die Marke und zu den Produkten des Unternehmens sowie das mit der
Marke verknüpfte Image eine Rolle. Bekanntheit alleine ist nicht unbedingt ausreichend
für den Markterfolg.
Image bezeichnet das gesamte Stimmungsbild, das Konsumenten von einem Unter-
nehmen oder einer Marke haben. Das Image ist somit eine subjektive Kategorie, es entsteht
vor allem auf der Gefühlsebene und besteht aus positiven und negativen Assoziationen,
Erfahrungen und Emotionen. Das Image entzieht sich oftmals der Frage, ob es auch objek-
tiv richtig oder wünschenswert ist. Allerdings beeinflusst und steuert das Unternehmens-
oder Markenimage ganz eindeutig das Kaufverhalten und ist somit immer wieder ein
wichtiger Gegenstand von Online-Befragungen zur Markenforschung.
Das sogenannte Employer Branding kann auch als Teil der Markenstrategie eines
Unternehmens verstanden werden. Ziel ist es hierbei, dass ein Unternehmen auch als
Arbeitgeber selbst zur Marke wird und ein gewünschtes Image aufbaut. Beim Employer
Branding geht es also darum, ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber
darzustellen und von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben. Das
Ergebnis ist die „Arbeitgebermarke“ (Employer Brand). Mit der erhofften Markenwirkung
soll die Effizienz der Personalbeschaffung, aber auch die Qualität der Bewerber dauerhaft
gesteigert werden. Langfristiges Ziel ist auch der Aufbau einer höheren Identifikation und
einer emotionalen Bindung der Mitarbeiter.
Marketing-orientierte Online-Befragung 159

Wie bei der eigentlichen Markenpolitik ist es auch beim Employer Branding bedeut-
sam, die gesteckten Ziele einer strukturierten Überprüfung zu unterziehen. Hierbei stellt
sich die Frage, ob das gewünschte Image überhaupt bei aktuellen und potenziellen Mitar-
beitern erreicht wird, ob es auch realistisch und glaubwürdig ist und ob zusätzliche Fak-
toren „von außen“ die Wahrnehmung als Arbeitgeber beeinflussen. Wichtig ist an dieser
Stelle die Messung aus zwei Perspektiven, zum einen bei der aktuellen Belegschaft, zum
anderen am Arbeitsmarkt selbst. Nur auf diese Weise entsteht ein komplettes Bild und es
wird vor allem die Frage beantwortet, ob das nach außen verkörperte Image im Inneren
des Unternehmens auch gelebt wird. All diese Fragestellungen können mit geeigneten Fra-
gebögen auf effiziente Weise online abgebildet und gemessen werden.

3.3.5 Online-Conjoint

In den 1970er Jahren wurde die Conjoint-Analyse (auch Conjoint Measurement genannt)
als Erhebungsinstrument bzw. als Frageprinzip in die Marktforschung eingeführt. Mit
Hilfe dieses Verfahrens kann untersucht werden, in welchem Ausmaß die einzelnen Merk-
male eines Produkts von einem Produktnutzer bzw. potenziellen Käufer als wichtig erach-
tet bzw. bevorzugt werden. Da es ein Wesenszug des Conjoint-Verfahrens ist, dass die
Merkmale, die ein bestimmtes Produkt auszeichnen, nicht nur einzeln abgefragt, sondern
in diversen Merkmalskombinationen vorgelegt werden, entspricht dieses Testverfahren in
hohem Maße dem tatsächlichen Bewertungsprozess einer realen Kaufsituation. Darin steht
ein Konsument ebenfalls ganzheitlichen Produkten gegenüber, die er ebenso ganzheitlich
einschätzen muss, also in der Kombination aller für ihn wesentlichen Produktmerkmale.
Eine genauere Herleitung zum Conjoint-Verfahren liefert der Expertenbeitrag von João
Filipe Baigger in Kapitel 4 dieses Buches.
Jedes Produkt bzw. jedes Produktmerkmal hat aus der Sicht eines Käufers bzw. in die-
sem Falle des Befragten sowohl gewisse Vorteile als auch gewisse Nachteile oder es ist ohne
Bedeutung. Beim Conjoint-Verfahren wird man nun dazu veranlasst, die verschiedenen
Eigenschaften eines Produkts relativ zueinander abzuwägen und sich auf diese Weise die
tatsächliche Bedeutung der einzelnen Merkmale bewusst zu machen. Somit dient die Con-
joint-Analyse der Entwicklung von Produkten, die möglichst stark an den Bedürfnissen
der Kunden ausgerichtet sind. Der Begriff „Conjoint“ ist im Übrigen ein Kunstwort, das
sich aus „CONsidered JOINTly“, also „ganzheitlich betrachtet“ ergibt.
Mittlerweile hat sich die Conjoint-Analyse auch zu einer recht beliebten Methode in
der Online-Marktforschung entwickelt. Denn sie zeigt auf, welche Kombinationen von
Eigenschaften ein Produkt oder eine Dienstleistung haben muss, um den größten Kun-
dennutzen zu erzielen und damit – zumindest in der Theorie – die größte Kaufmotiva-
tion auszulösen. Grundsätzlich beruht die Conjoint-Analyse darauf, dass den Probanden
eine bestimmte Anzahl hypothetischer Produkte präsentiert wird, bezüglich derer sie
dann eine Auswahl des attraktivsten Produkts treffen oder auf einer Skala eine Auswahl-
wahrscheinlichkeit angeben müssen. Ein hypothetisches Produkt wird dabei textlich und
160 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

eventuell auch bildlich anhand verschiedener Ausprägungen der getesteten Produktmerk-


male zusammengestellt. Bei der Conjoint-Analyse gibt es zwei wesentliche Online-Varian-
ten: die Choice Based Conjoint-Analyse und die Adaptive Conjoint-Analyse. Im Folgen-
den werden sie kurz gegenübergestellt:

Choice Based Conjoint-Analyse (CBC)


Für die CBC wird aus den zu testenden Merkmalen und ihren jeweiligen Ausprägungen
vor der Befragung einmalig eine bestimmte Anzahl von festen Designs errechnet. Das
bedeutet, die Zusammenstellung der Paarvergleiche (Tasks) ist zwar für jeden Teilnehmer
unterschiedlich – es sei denn, es gibt mehr Teilnehmer als Designs – allerdings passt sich
der einzelne Fragebogen (im Gegensatz zur ACA) nicht während der Erhebung aufgrund
der bereits gegebenen Antworten an. Durch die Vielzahl an Designs wird zwar die Belast-
barkeit des Modells insgesamt erhöht, allerdings können keine Analysen auf Individual-
ebene mehr erfolgen, da jeder Teilnehmer faktisch einen anderen Fragebogen erhält.
Die CBC wird allgemein als das realistischere Verfahren angesehen, da der Teilnehmer
immer wieder aus mehreren Produkten auswählen und somit eine tatsächliche Entschei-
dung für eines der Produkte treffen muss. Genau wie bei einer echten Kaufentscheidung
werden immer alle zur Verfügung stehenden Produktmerkmale präsentiert und es gibt als
Alternative immer auch noch die Möglichkeit, keines der dargebotenen Produkte auszu-
wählen. Aufgrund dieser Realitätsnähe eignet sich die CBC besonders zur Erstellung von
Marktsimulationen oder zur Ableitung von Preis-Absatz-Funktionen. Einen Eindruck von
einer CBC-Online-Befragung vermittelt Abbildung 3.3.

Adaptive Conjoint-Analyse (ACA)


Bei der ACA passt sich der Fragebogen während der Befragung aufgrund der vom ein-
zelnen Teilnehmer jeweils bekundeten Präferenzen automatisch an. Aus diesem Grund
kann eine ACA auch nur rechnergestützt durchgeführt werden. Während bei der CBC
im Grunde immer nur der gleiche Fragetyp auftaucht (Entscheidung zwischen mehreren
hypothetischen Produkten), ist eine ACA etwas abwechslungsreicher für die Umfrage-
teilnehmer, da es drei bis fünf aufeinander folgende Befragungsphasen gibt, darunter die
vorab erfolgende Einstufung der Wichtigkeit der Produktmerkmale, die Angabe eines Prä-
ferenzurteils zwischen jeweils zwei Produktalternativen auf einer Skala oder die separate
Angabe einer Auswahlwahrscheinlichkeit zwischen 0 und 100 Prozent für einige einzeln
vorgegebene Produktkonzepte.
Mit Hilfe einer ACA können deutlich mehr Produktmerkmale und Merkmalsausprä-
gungen getestet werden als mit einer CBC, da die Produktalternativen nicht immer mit
allen Merkmalen angezeigt, sondern Bildschirm für Bildschirm immer auch einige Merk-
male ausgelassen werden. Auf diese Weise werden die Probanden nicht überfordert. Da
sich der Fragebogen dynamisch anpasst, sind bei einer ACA auch personen-individuelle
Präferenzdaten ermittelbar, wodurch sich dieses Verfahren einfacher für Segmentierungen
einsetzen lässt (beispielsweise Stammkunden vs. Neukunden). Abbildung 3.4 zeigt ein Bei-
spiel einer ACA-Befragung.
Marketing-orientierte Online-Befragung 161

Abb. 3.3: Beispiel für eine CBC-Online-Befragung (Sawtooth 2014) [4]

Abb. 3.4: Beispiel für eine ACA-Online-Befragung (Sawtooth 2014) [4]


162 3 Einsatzgebiete der Online-Marktforschung

Die Entscheidung für eine der beiden Methoden ist eine Frage der Aufgabenstellung.
Die ACA empfiehlt sich in der Regel eher dann, wenn erst ein geringer Kenntnisstand über
ein Produkt vorliegt und deshalb relativ viele Merkmale und Merkmalsausprägungen in
das Erhebungsdesign einbezogen werden müssen. Soll aber vor allem die Preisbereitschaft
eines bereits gereiften Produkts evaluiert oder eine Marktsimulation erstellt werden, dann
empfiehlt sich eher die CBC. Neben CBC und ACA gibt es noch eine ganze Reihe weiterer
Spielarten und Varianten der Conjoint-Analyse. Das Grundprinzip der Darstellung und
Bewertung von Merkmalskombinationen bleibt aber immer ähnlich. Als typische Einsatz-
gebiete der Conjoint-Analyseverfahren gelten zum Beispiel:

• Produktkonzeption / Konzepttests
• Produktentwicklung / Produkttests
• Preisbestimmung / Preistests
• Marktsegmentierung

Conjoint-Befragungen wurden vor der Einführung der Online-Befragung in aller


Regel stationär als computergestützte Befragungen in Teststudios oder nicht-stationär von
Interviewern mit Laptops durchgeführt. Eine papiergestützte Version käme allenfalls für
eine CBC in Frage, wäre aber aufwändig in der Durchführung. Ein Telefoninterview wäre
aufgrund der kognitiv anspruchsvollen Testgestaltung ebenfalls kaum durchführbar, da
sich ein Teilnehmer alle Merkmale für jeweils mehrere Produkte merken müsste. Inso-
fern führte die Online-Befragung dazu, dass für Conjoint-Befragungen nun völlig andere
Erhebungssituationen und Stichproben generiert und die Befragungen außerdem auch
noch günstiger durchgeführt werden können. Andererseits gibt es für die Durchführung
von Online-Conjoint-Befragungen nur wenige Software-Produkte am Markt. Dies ist
offensichtlich mit der vergleichsweise doch geringen Anwendungshäufigkeit zu begrün-
den sowie mit dem nötigen Entwicklungsaufwand für die notwendigen mathematischen
Berechnungen.

Quellenverzeichnis

[1] Berekoven, Ludwig, Eckert, Werner & Ellenrieder, Peter (2009). Marktforschung:
Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: Gabler.
[2] Borg, Ingwer (2003). Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung. Göttingen et al.:
Hogrefe-Verlag.
[3] McCarthy, Jerome (1960). Basic Marketing: A managerial approach.
[4] Sawtooth (2014). Sawtooth Software. http://www.sawtoothsoftware.com. Zugegriffen:
02 März 2014.
[5] Van Westendorp, Peter (2016). Van Westendorp’s Price Sensitivity Meter. http://
en.wikipedia.org/wiki/Van_Westendorp%27s_Price_Sensitivity_Meter. Zugegriffen:
02. April 2014.
Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung
4

In diesem Kapitel kommen nun die bereits in der Einleitung erwähnten Experten mit
ihren Fachbeiträgen zu Wort. Sie behandeln jeweils ein gesondertes Thema im Umfeld der
Online-Marktforschung und bereichern auf diese Weise den Band um neue Themen zur
Diskussion. Bei den Gastautorinnen und -autoren handelt es sich ausnahmslos um lang-
jährige Marktforschungs-Praktiker aus dem institutionellen Bereich sowie aus der betrieb-
lichen Marktforschung.
Dr. Frank Knapp geht in seinem Beitrag auf Normen und Richtlinien ein, die von diver-
sen nationalen und internationalen Institutionen veröffentlicht wurden und bewertet diese
im Kontext der aktuellen Entwicklungen. Ulrich Schäfer-Newiger und Andrea Schweizer
nehmen sich wichtiger Fragen des Datenschutzes an, soweit sie die Online-Marktforschung
betreffen. Marco Ottawa stellt die Ergebnisse seiner Branchenerhebung zu den notwendi-
gen Kompetenzen und Fertigkeiten eines modernen Online-Marktforschers vor.
Gabriele Herrmann und Walter Freese schildern ihre Erfahrungen mit mobilen Befra-
gungen und stellen Szenarien für zukünftige Entwicklungen auf. Marcus Dreyer und
Alexandra Wachenfeld-Schell beleuchten das wichtige Thema der Datenqualität bei der
Verwendung der allgegenwärtigen Access Panels und dokumentieren in ihrem Beitrag die
interessanten Ergebnisse ihrer Vergleichsuntersuchung. Ein weiteres Qualitätsthema greift
Yvonne Prill auf, nämlich die Aufdeckung und den Umgang mit nicht-seriösen Umfrage-
teilnehmern sowie die Auswirkungen dieser Phänomene.
Thomas Starsetzki, Oliver Kern und Martin Grupe berichten von ihren Erfahrungen
beim Aufbau von Online-Communities, wobei sie möglichen Anwendern zahlreiche
Praxistipps mitgeben. Anna-Maria Zahn geht auf das Social Media Monitoring ein und

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 163


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_4
164 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

beschreibt hier die aktuellen Möglichkeiten, auf diesem Feld Marktforschung zu betreiben
und wertvolle Erkenntnisse über die Marktteilnehmer zu erzielen.
Jochen Knöller und Philipp Scholz erklären Vor- und Nachteile des Net Promoter Score
und veranschaulichen seine Praxisanwendung im B2B-Kontext. João Filipe Baigger refe-
riert schließlich zur Online-Anwendung verschiedener Verfahren der Conjoint-Analyse.
Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im Kontext aktueller Trends 165

4.1 Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im


Kontext aktueller Trends

Frank Knapp

Einführung

Normen – einschließlich Richtlinien – sind für die einen wertvolle Richtschnur, für andere
unliebsame Restriktionen. Tatsächlich sind sie in der Regel Umsetzungen gesetzlicher Vor-
gaben, (berufsethische) Garanten für verlässliche Forschungsergebnisse sowie Schutz der
Befragtenrechte als fairer Partner. Sie sind historisch gewachsenes Wissen, wie verlässliche
und verantwortungsbewusste Marktforschung zu betreiben ist.
Dieser Beitrag umfasst sowohl Rechtsnormen, die sich aus den Gesetzen ergeben, als
auch berufsethische Normen, die mit oder ohne gesetzliche Regelung gelten. Er hält sich
an die eingeführte Terminologie und Unterscheidung. Im Fokus dieses Beitrags stehen
Begründung und Nutzen dieser Prinzipien sowie Hinweise für die Umsetzung in der Pra-
xis. Insbesondere soll gezeigt werden, dass diese Prinzipien auch angesichts der immer
schnelleren technischen und methodischen Weiterentwicklungen nach wie vor relevant
sind und ihr Regelungszweck flexibel in Methoden, Technologien und Forschungs-/Nut-
zungssituationen umsetzbar sind. Das heißt, sie werden weder obsolet noch unbrauchbar,
eben weil sie auch ursprünglich nicht als spezielle Regelungen, sondern als Grundprin-
zipien angelegt waren. Sie sind jedoch, wie alle Normen, zeitgemäß anzuwenden und zu
entwickeln.
Neben Befragungen werden auch andere Datenquellen wie Verhaltensdaten (digital
oder ethnographisch) oder Social Media-Inhalte behandelt. Nicht behandelt werden inter-
nationale Problemfälle wie Safe Harbor oder nationales Hosting von Befragungsinforma-
tionen, soweit zum Zeitpunkt des Verfassens keine hinreichend verlässlichen Aussagen
getroffen werden können – auch und insbesondere durch die Unbestimmtheit aktueller
Bestimmungen.

Bereits die Annahmeerklärung des ESOMAR-Kodex (Erklärung zum ICC/ESOMAR


Kodex 2008) [2] benennt als Grundpfeiler:

• Wissenschaftlichkeit
• Anonymisierung
• Trennung von forschungsfremden Tätigkeiten.

Aus ihnen ergeben sich weitere Normen, so etwa aus dem Grundpfeiler der Wissen-
schaftlichkeit das Prinzip der Freiwilligkeit der Teilnahme und der Nicht-Irreführung von
166 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Befragten (siehe unter anderem ICC/ESOMAR KODEX 20071, Artikel 3(a)). Dies ent-
spricht dem Bestreben, verlässliche, nicht rein-zufällige Ergebnisse zu produzieren sowie
durch Anonymität und fairen Umgang mit Befragten ehrliche Antworten und generelle
Teilnahmebereitschaft zu erreichen.
Der ICC / ESOMAR-Kodex und die deutsche Annahmeerklärung definieren unsere
Berufsethik als Leitlinie für verantwortliches Handeln. Hinzu kommen darüber hinaus
gehende einschlägige Gesetze und Verordnungen auf nationaler Ebene (wie Bundesdaten-
schutzgesetz, Telemediengesetz und andere) sowie europäischer Ebene als rechtliche Rah-
menbedingungen. Wie stets, können Rechts- und ethische Normen einander entsprechen,
sich aber auch überschneiden.
Richtlinien für die Online-Forschung möchten jedoch für ihren Anwendungsfall
Umsetzungsschritte der genannten Kodices und gesetzlichen Grundlagen definieren
(etwa: Was sind personenbezogene Daten im Internet / in sozialen Medien?) und damit
Fehlinterpretationen vorbeugen. Zu diesen speziellen Richtlinien (siehe http://bvm.org/
recht-berufskodizes/ für eine Übersicht) gehören:

• ESOMAR/GRBN GUIDELINE FOR ONLINE RESEARCH, 2015


• ESOMAR Guideline on Research via Mobile Phone, 2010
• ADM/ASI/BVM/DGOF Richtlinie für Online-Befragungen, 2007
• ADM/ASI/BVM/DGOF Richtlinie für Untersuchungen in den und mittels der sozialen
Medien, 2014

Wissenschaftlichkeit

Die Wissenschaftlichkeit der Vorgehensweise wird im ICC / ESOMAR Kodex im Arti-


kel 1(a) gefordert: „Marktforschung muss […] wahrheitsgemäß und objektiv sein und in
Übereinstimmung mit angemessenen wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführt wer-
den.“ (ICC/ESOMAR KODEX 2007 [1]. Siehe auch Artikel 4 – Transparenz, insbesondere
(e)). Eines der dortigen „Grundprinzipien“ lautet entsprechend: „Marktforscher müssen
sicherstellen, dass Projekte und Tätigkeiten genau, transparent und objektiv konzipiert,
ausgeführt, berichtet und dokumentiert werden.“ (ebenda, S. 2, 7. Grundprinzip). Entspre-
chend findet sich diese Anforderung auch in der deutschen Annahmeerklärung (Erklä-
rung zum ICC/ESOMAR Kodex 2008 [2], 3. Wissenschaftlichkeit der Vorgehensweise).
Marktforschung muss oft auch pragmatischen Erkenntnisinteressen gerecht werden.
Das sollte uns jedoch nicht davon abhalten, die angesichts der jeweiligen Ressourcen
am besten geeignete Methode auszuwählen und diese Auswahl sauber zu begründen –
einschließlich der Einschränkungen der gewählten Methode (zum Beispiel Genauigkeit
oder für welche Gesamtheit die getroffenen Aussagen gelten) – und damit weiter der

1
Danken möchte der Autor der Kanzlei Prof. Schweizer, insbesondere Prof. Robert Schweizer, für
Hinweise zur Präzisierung des Beitrags.
Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im Kontext aktueller Trends 167

Wissenschaftlichkeit zu entsprechen (ESOMAR/GRBN Online Research Guideline 2015


[3], 6. METHODOLOGICAL QUALITY für eine Zusammenstellung relevanter Gesichts-
punkte und Qualitätskriterien). Daher muss insbesondere für Auswahl und Gewich-
tung der Untersuchungseinheiten ein wissenschaftliches Verfahren zugrunde liegen und
angemessen dokumentiert sein. Eine zentrale Rolle spielt das Thema „Repräsentativität“
(Richtlinie für Online-Befragungen 2007 [5], 3. Wissenschaftlichkeit der Vorgehensweise).
Das hat auch nichts mit traditionellen oder modernen Verfahren zu tun, diese können
gleichermaßen (un)angemessen sein.
So sind Befragungen über Social Media nicht besonders hilfreich, um bevölkerungsre-
präsentative Aussagen zu treffen (auch wegen kaum verfügbarer, verlässlicher Metadaten),
aber sehr wohl für (thematisch) enger gefasste Zielgruppen (zu berücksichtigen sind aber
bereits Verzerrungswirkungen durch den Unterschied zwischen aktiv beitragenden und
passiv nutzenden Social Media-Teilnehmern). Insoweit sind Transparenz / Kommunika-
tion der Vorgehensweise sowie Kenntnis des aktuellen Methodenspektrums (bzw. seiner
Stärken und Schwächen) unabdingbare Voraussetzungen.
Auch wenn Ausfälle bei Zufallsstichproben deren Aussagekraft ebenfalls beeinflussen,
so sind Selbstselektion / Selbstrekrutierung nach wie vor eine wesentliche Problemquelle
(Richtlinie für Online-Befragungen 2007 [5], 3. Wissenschaftlichkeit der Vorgehens-
weise). Befragtenpools (klassische Access Panel oder app-basierte Mobilnutzer) können in
wesentlichen Kriterien verzerrt sein (zum Beispiel Bildungsniveau, Regionalität, Technik-
Affinität), nach denen man auch nur bei Bekanntheit und stabiler Zellenbelegung quotie-
ren oder gewichten könnte.
Als „Unsitte“ müssen sogenannte „nicht-repräsentative Befragungen“ bezeichnet wer-
den, die gelegentlich gerne in den Medien zitiert werden. Nicht-repräsentative Befragun-
gen sind aussagefrei und dürfen daher überhaupt nicht interpretiert werden. Zulässig ist
nur der Hinweis, dass die Ergebnisse lediglich für einen bestimmten Definitionsbereich
gültig sind (etwa für einen bestimmten Personenkreis). Insoweit genügt auch nicht der
Hinweis auf mögliche Einschränkungen, sondern es muss klar sein, in welchem Rah-
men Forschungsergebnisse überhaupt gültig sind (positiver Geltungsbereich). Neben den
forschungs-ethischen Anforderungen ist presse-ethisch Richtlinie 2.1 des Pressekodex
für die Publikation von Umfrageergebnissen zu beachten (siehe http://www.presserat.de/
pressekodex/pressekodex/#panel-ziffer_2____sorgfalt).
Standesregeln können jedoch auch durch jedes andere irreführende Verhalten verletzt
sein, also zum Beispiel auch durch Fehlinformationen über die Dauer einer Befragung
(ESOMAR/GRBN Online Research Guideline 2015 [3], 3.3. Ensuring no harm).

Anonymisierung

Als Marktforschung erhobene Daten müssen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anonymi-


siert werden (§30a BDSG). Zunächst sind Marktforschungsdaten fast immer personenbe-
zogen, etwa weil sie auf Befragungen mit einer 1:1-Relation beruhen. Daher gibt es in der
168 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Marktforschung meist per se keine Anonymität, diese muss erst hergestellt werden. Der
(identifizierbare / nicht-anonyme) Personenbezug ist dabei nur Mittel zum Zweck (näm-
lich Datenerhebung oder Datenverknüpfung), kein Selbstzweck (genau über diese Person
mehr zu wissen).
Anonymisierung bedeutet Trennung der (dann anonymen) Befragungsdaten von zum
Beispiel Adressdaten oder anderen Identifikatoren. Letztere können für der Zweckbindung
entsprechende Zwecke weiter genutzt werden (zum Beispiel Incentivierung oder Folgebe-
fragung), müssen aber getrennt und mit einer höheren Sicherheitsanforderung gespeichert
werden (siehe Anlage zu §9 Satz 1 BDSG).
Häufigste Konsequenz ist, dass keine personenbezogenen Marktforschungsergeb-
nisse an den Auftraggeber übermittelt werden dürfen – und zwar unabhängig von einer
möglichen Einwilligung der Befragten (Erklärung zum ICC/ESOMAR Kodex 2008 [2], 4.
Anonymisierungsgebot und Übermittlung). Insgesamt gilt: Einmal für Marktforschungs-
zwecke erhobene nicht-anonyme Daten dürfen auch nur für Marktforschungszwecke wei-
terverwendet werden,2 während marktforschungsfremd erhobene nicht-anonyme Daten
auch durch die Marktforschung grundsätzlich verwendet werden dürfen (dies ergibt sich
wiederum aus §30a BDSG). Für die Anonymisierung sprechen dabei folgende Gründe:

1. Erklärtes Ziel der Marktforschung ist es sicherzustellen, dass Befragte als unmittel-
bare Folge ihrer Teilnahme an einem Marktforschungsprojekt nicht geschädigt oder
benachteiligt werden dürfen (ICC/ESOMAR KODEX 2007 [1], Grundprinzipien des
Kodex: 5). Sind die Teilnehmer an einem Projekt aber nicht bekannt bzw. nicht adres-
sierbar (also nicht identifizierbar), so ist dies von vorneherein ausgeschlossen.
2. „Marktforschung muss […] wahrheitsgemäß und objektiv sein“. (ebenda, Artikel 1(a)).
Dies ist jedoch eine völlig andere Zielstellung als etwa Kundenbindung, bei der der
einzelne Kunde / Kundin individuell zufriedengestellt / gebunden werden soll und
die Interaktion wesentlicher Bestandteil des Prozesses ist. Marktforschung dient aber
dem Erkenntnisgewinn, und dieser profitiert von einer möglichst unverfälschten und
unverzerrten Testsituation. Anonymität stellt dabei sicher, dass es weder zu positiven
noch negativen Rückkopplungen kommt und somit wenig Anreize für strategisches
Antwortverhalten bestehen. Im Gegensatz dazu ist die Interaktion des Kunden mit
einem Anbieter auf beiden Seiten mit dem Erreichen eines konkreten Ziels verbunden
(zum Beispiel der Kunde zielt auf den Erhalt eines persönlichen Vorteils ab, der Anbie-
ter auf Loyalität / Wiederkauf des Kunden).

2
Das ergibt sich (neben § 30a BDSG) sowohl aus den ESOMAR-Kodices und -Guidelines als
auch aus der deutschen Annahmeerklärung und den deutschen Standesregeln. Auch die ESOMAR/
GRBN Online Research Guideline 2015 [3] erlaubt eine Weitergabe an den Auftraggeber nur zu
Forschungszwecken (bei Vorliegen einer Einwilligung – siehe 4.2. Protecting personal data), wobei
es sich hier eigentlich nur um den Aufbau von Kundenpanels handeln kann.
Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im Kontext aktueller Trends 169

Es wäre wünschenswert, mehr belastbare Forschungsergebnisse zu unterschiedlichen


Umgebungsbedingungen für Umfragen zu erhalten, insbesondere was das Framing durch
spezifische Leistungsevents vs. generelle, anonyme Umfragen betrifft.
Vor allem bei sozialen Medien besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Anonymi-
sierungsgebot einerseits und Urheber-, Verwertungs- und Markenrechten andererseits
(Richtlinie Soziale Medien 2014 [4], 5. und 9.). Zunächst ist auch hier der Personenbezug
bei Übermittlung an den Auftraggeber unkenntlich zu machen (dies ist gegebenenfalls ein
weites Feld, da jedes personenbezogene Datum im Internet zurückverfolgt werden kann).
Die Soziale Medien Richtlinie geht allerdings davon aus, dass vorhandene Rechte eine
Verwertung ohne Einwilligung verhindern. Nach Meinung des Autors ist aber eher der
umgekehrte Fall gegeben, das heißt eine Verwertung kann die Angabe des Ursprungs (zum
Beispiel Zitat) voraussetzen (zum Beispiel bei Twitter bei bekannten Persönlichkeiten).

Trennung von forschungsfremden Tätigkeiten

Das Trennungsgebot ergibt sich aus Artikel 1(d) des ICC/ESOMAR-Kodex und wird in
der deutschen Annahmeerklärung aufgegriffen. Ziel ist insbesondere die Vermeidung der
Irreführung (Erklärung zum ICC/ESOMAR Kodex 2008 [2], 5. Abgrenzung gegenüber
anderen Tätigkeiten) bzw. unmittelbarer (negativer) Folgen wie im vorigen Abschnitt
geschildert. Das heißt es soll gegenüber Dritten (also Befragten, der Öffentlichkeit, Auf-
traggebern) klar sein, dass es sich um Marktforschung handelt, die immer auf wissen-
schaftlicher Basis steht und damit auch dem Anonymisierungsgebot unterliegt.3
In jedem Fall sind jegliche Aspekte der Kaufanbahnung unvereinbar mit einem Markt-
forschungsprojekt. Diese können etwa umfassen:

• Unmittelbare Werbung für den Auftraggeber: Bei Produkt- oder Kommunikationstests


geht es um Konzeptverständnis oder Impact, nicht um eine unmittelbare Beeinflus-
sung des Befragten für Leistungen oder Marken. Es dürfen den Befragten keine Wer-
bematerialien oder Produktproben überlassen werden, soweit dies nicht aus methodi-
schen Gründen geboten ist. Ebenso sind bei digitalen Interaktionen Weiterleitungen
auf Angebote des Auftraggebers (inklusive Unternehmenswebsites) zu unterlassen.

3
Dies wird auch in den ESOMAR-Guidelines explizit gefordert und mit dem Anonymisierungsgebot
verknüpft: “Researchers must ensure that research purposes are clearly distinguished from other
non-research online activities. In addition, they must not allow any personal data they collect to be
used for any other purpose than market research. To clearly communicate this distinction to research
participants, the researcher must present the research services and the organisation or company car-
rying them out in such a way that they are clearly differentiated from any non-research activities.”
(ESOMAR/GRBN Online Research Guideline 2015 [3], 3.1 Distinguishing market, social and opin-
ion research from other data collection activities).
170 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

• Interessentenakquise: Aufnahme in eine Datenbank als Interessenten oder die Anmel-


dung eines Beratungsbedarfs sind – selbst als Nebenaspekt – kein Bestandteil eines
Forschungsprojekts.
• Kauf / Kaufanbahnung: Selbstverständlich stellt die Anbahnung eines Kaufs innerhalb
einer Marktforschungsbefragung einen groben Vertrauensbruch dar.

Insbesondere gibt es zwei – selbstverständlich standeswidrige – Klassiker der Online-


„Forschung“ (die Standeswidrigkeit ergibt sich unmittelbar aus Richtlinie für Online-
Befragungen 2007 [5], 7. Trennung von Forschung und forschungsfremden Tätigkeiten):

• Am Ende der Befragung wird – gegebenenfalls sogar noch automatisch bei Klick auf
„Beenden“ – eine Weiterleitung auf die Website des Auftraggebers vorgenommen
(unzulässige Werbung). Verlinkungen wären nur zulässig auf rechtlich oder metho-
disch erforderliche Datenschutz- und Kontaktinformationen des durchführenden
Instituts oder auf Stimulusmaterial. Und selbstverständlich muss darüber aufgeklärt
werden, was sich hinter einem Link verbirgt. Insoweit kann auch auf die Website des
durchführenden Instituts verwiesen werden, aber nur als zusätzlicher Link und nicht
automatisch bei Abschluss der Umfrage.
• Die Incentivierung wird vom Auftraggeber durchgeführt und dazu werden ihm die
Adressdaten der Befragungsteilnehmer übermittelt. Dies ist nur in engen Grenzen
zulässig, nämlich wenn dies unvermeidlich ist (etwa Gutschrift von Bonuspunkten)
und die Adressdaten nur für diesen Zweck verwendet werden (das heißt der Auftrag-
geber darf die Teilnahme an der Umfrage nicht als Information speichern).4

Im Übrigen ist eine etwaige Einwilligung des Befragten dazu unmaßgeblich. Mindes-
tens mag sich der Befragte durch das Gespräch / die Umfrage verpflichtet fühlen. Wären
die oben genannten Aspekte jedoch zulässig, so darf man sich keinen Illusionen hingeben,
dass eine entsprechende Umfrage von vornherein so gestaltet wäre, um die entsprechenden
vertrieblichen Leads zu produzieren. Damit wäre einerseits aus Befragtensicht Marktfor-
schung nicht mehr von Verkaufsgesprächen zu unterscheiden und andererseits wäre das
Forschungsdesign so kompromittiert, dass keine validen Ergebnisse mehr erwartet wer-
den können. Entsprechend stellen auch nicht-anonyme, eventbezogene Kundenzufrieden-
heitsbefragungen oder direkte Interaktionen in Social Media schon rein inhaltlich keine
Marktforschung dar, weil hier die Zufriedenstellung / Bindung des jeweiligen Kunden im
Vordergrund steht und allgemeiner Erkenntnisgewinn höchstens als „Abfallprodukt“ ent-
steht (formal/methodisch bereits durch die Verletzung des Anonymisierungsgebots).

4
Auch nach der ESOMAR/GRBN Online Research Guideline 2015 [3] dürfen Incentivierungsdaten
nur für Incentivierungszwecke verwendet werden (3.6. Incentives: “Researchers must ensure that
data collected in order to administer incentives is not used for any other purpose, e.g. database
building.”).
Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im Kontext aktueller Trends 171

Die genannten Richtlinien bleiben jedoch wenig konkret hinsichtlich genauer Krite-
rien der Abgrenzung – meist muss eine Irreführung / Verwechslungsgefahr ausgeschlos-
sen werden. Diese Irreführung kann aber hinsichtlich mehrerer Zielgruppen erfolgen
(Befragte, Öffentlichkeit, Auftraggeber).
Minimalkriterien sollten für die Kommunikation nach außen sein: Marktforschung
tritt unter einem eigenständigen, verwechslungsfreien Namen mit entsprechend eigen-
ständigen, verwechslungsfreien Kommunikationskanälen auf (also verschiedene Websi-
tes). Nach Meinung des BVM ist dies nur in einem eigenständigen Unternehmen mit ver-
wechslungsfreiem Namen möglich (und daher die Regelung der Mitgliedschaft in http://
bvm.org/satzung-des-bvm, §5). Dabei ist es sicher möglich, sich Ressourcen mit anderen
Unternehmen zu teilen (zum Beispiel Administration, IT), jedoch muss eine organisatori-
sche Trennung mit konkreten Zugriffsrechten bzw. –verweigerungen auf schützenswerte
Daten (wie personenbezogene Befragungsdaten) erfolgen. Zudem sollte die Wirkung die-
ser Ressourcen auf den Innenbereich beschränkt sein.
Zusammenfassend dient das Trennungsgebot folgenden Zielen:

• Erhöhung der Teilnahmebereitschaft durch das Fehlen eines werblichen Charakters /


keine Verkaufsansprache.
• Unverzerrtheit der Antworten und entsprechend Zuverlässigkeit der Ergebnisse man-
gels – auch durch die Anonymisierung bedingter – Rückkopplungseffekte (das heißt
keine Vor- und/oder Nachteile durch bestimmte Antworten).
• Sicherung der Privilegien der Marktforschung (im Vergleich etwa zum Direktmarketing).

Freiwilligkeit der Teilnahme

Der Teilnahme an Marktforschung muss zugestimmt werden – meist schon alleine deswe-
gen, weil die Teilnehmer ja aktiv Informationen beitragen müssen (die Befragung ist ja hier
das Paradebeispiel). Meist handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten
(Adressdaten oder Befragung natürlicher Personen), so dass §4a BDSG hier einschlägig ist.
In der Regel muss hier die Zustimmung schriftlich erfolgen, dies kann jedoch in begründe-
ten Ausnahmefällen unterbleiben (§4a (1) Satz 3 – insbesondere wenn dies aus Forschungs-
gründen geboten ist). Es wird weit überwiegend oder sogar allgemein anerkannt, dass
Umfragen von Markt- und Meinungsforschungsinstituten regelmäßig nach §4a (1) Satz 3
aus methodischen Gründen keiner schriftlichen Einwilligung des Befragten bedürfen. Für
die digitale Marktforschung sind dabei folgende Anwendungsbereiche von Bedeutung:

1. Sollen Befragungs- und Verhaltensdaten verknüpft werden, so ist eine konkrete


Zustimmung auch für die Verhaltensdaten sowie die Verknüpfung erforderlich (Richt-
linie für Online-Befragungen 2007 [5], 4. Freiwilligkeit der Teilnahme).
2. Eine Zustimmung ist auch einzuholen, wenn angebotsübergreifende Verhaltensdaten
erfasst werden sollen (zum Beispiel über mehrere Websites hinweg), was ja nur bei
172 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

bestimmbaren Personen möglich ist (ESOMAR/GRBN Online Research Guideline


2015 [3], 3.2.1. Passive Data. Genannt werden hier Panel-Mitglieder oder App-Nutzer).
Selbst wenn eine Identifikation des Nutzers nicht möglich ist (was jedoch in vielen Fäl-
len rein durch Merkmalsverknüpfungen mit hinreichender Genauigkeit machbar sein
dürfte) und solche Daten nur über Cookies / Adserver-Technologien erfasst werden, so
dürften für Forschungszwecke höhere Maßstäbe anzulegen sein.5
3. Insbesondere das Herunterladen von Software / einer Applikation / Anwendung erfor-
dert immer die direkte Einwilligung von Forschungsteilnehmern (ESOMAR/GRBN
Online Research Guideline 2015 [3], 7.11 Unacceptable practices). Software ist hier
mutmaßlich als ausführbares / ausführendes Programm / Skript zu verstehen (im
Gegensatz etwa zu Textcookies als Ergebnis eines solchen Vorgangs).

Eine Einwilligung ist jedoch nicht erforderlich, wenn etwa technische Informationen
zur wissenschaftlich ordnungsgemäßen Administration einer Umfrage (und zwar aus-
schließlich dafür) benötigt werden, etwa zur Umfragesteuerung (Auswahl bestimmter
Befragter oder Vermeidung von Wiederholungsteilnahmen) oder der Anpassung eines
Fragebogens an Endgerät und Bildschirmgröße.
Grundsätzlich ist daher immer die bestmögliche Information der Testpersonen sowie
deren möglichst konkrete Einwilligung anzustreben, da in den meisten Fällen Eingriffe in
die Privatsphäre vermieden werden sollten – abgesehen von Spezialfällen wie groben Zäh-
lungen oder Beobachtungen, wo Einzelpersonen gar keine Rolle spielen (aber Fahrzeuge,
digitale und physische Einkaufswagen etc.). Im Falle sozialer Medien ist eine Information
und Einwilligung dann nicht erforderlich, wenn es sich um offene Medien handelt, die
datenschutzrechtlich allgemein zugängliche Quellen darstellen (Richtlinie Soziale Medien
2014 [4], 4.1).
Die Transparenz der Abläufe und der Art der Datenverarbeitung – auch anonymer
Daten – spielt in allen Standesregeln und Guidelines eine hervorgehobene Rolle (etwa im
ICC/ESOMAR-Kodex, Artikel 7 b) und e)). Zum einen kann sich die Einwilligung von
Teilnehmern ja nur auf die ihnen verständlich gewordene Situation beziehen (also: welche
Daten werden erhoben und zu welchem Zweck). Allerdings findet die Transparenz ihre
Grenze in den methodischen Anforderungen. Und zum anderen ist man ja auf die Freiwil-
ligkeit der Teilnehmer angewiesen und eine möglichst vollumfängliche Information sollte
sich positiv auf die Teilnahmebereitschaft auswirken.

5
Cross-site Techniken sind ja nicht zum Betrieb eines Angebots zwingend erforderlich – ent-
sprechend wäre eigentlich eine Einwilligung erforderlich. Ohne direkte Einwilligung bzw.
Nutzungsbedingungen (deren Zulässigkeit bei Cross-Site-Daten aber fraglich wäre) können
Verhaltensdaten nur aggregiert berichtet oder weitergegeben werden (ESOMAR/GRBN Online
Research Guideline 2015 [3], 7.2.1 Specific technologies and requirements for use in research).
Die Richtlinie für Online-Befragungen nennt dazu als einen Fall die Cookie-Setzung für die
Umfragesteuerung. Die Regelung ist auch analog zu §4a (2) BDSG zu verstehen.
Normen und Richtlinien für die Online-Marktforschung im Kontext aktueller Trends 173

Verzeichnis der verwendeten Standesregeln


[1] ICC/ESOMAR INTERNATIONALEN KODEX FÜR DIE MARKT- UND
SOZIALFORSCHUNG (2007). http://bvm.org/fileadmin/pdf/Recht_Berufskodizes/
Esomar/ICCESOMAR__20Code_German_NEU.pdf. Zugegriffen: 31. Januar 2016.
[2] Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum ICC/ESOMAR
Internationalen Kodex für die Markt- und Sozialforschung (2008). http://bvm.org/
fileadmin/pdf/Recht_Berufskodizes/Esomar/Erklaerung_2008.pdf. Zugegriffen: 31.
Januar 2016.
[3] ESOMAR/GRBN Online Research Guideline (2015). https://www.esomar.org/
knowledge-and-standards/codes-and-guidelines/online-research-guideline.php.
Zugegriffen: 31. Januar 2016.
[4] Richtlinie für Untersuchungen in den und mittels der Sozialen Medien (Soziale
Medien Richtlinie) (2014). http://bvm.org/fileadmin/pdf/Recht_Berufskodizes/
Richtlinien/RL_2014_RDMS-Soziale_Medien.pdf. Zugegriffen: 31. Januar 2016.
[5] Richtlinie für Online-Befragungen (2007). http://bvm.org/fileadmin/pdf/Recht_
Berufskodizes/Richtlinien/RL_2007_Online_Befragung.pdf. Zugegriffen: 31. Januar
2016.

Dr. Frank Knapp ist Vorstandsmitglied der Psyma Group AG und Geschäftsführer
der Psyma Research+Consulting GmbH mit dem Schwerpunkt E-Business, IT &
Telekommunikation. Weiter ist er Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands deut-
scher Markt- und Sozialforscher e.V. (BVM). Seine berufliche Karriere begann er
1994 als wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Statistik und empirische
Wirtschaftsforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1998 kam er zu Psyma
und baute dort zunächst den Methodenbereich, dann die Onlineforschung auf, die
sich rasch zu einem wichtigen Marktforschungsbereich für Psyma entwickelte. Seine
Spezialisierung liegt heute in der Beforschung digitaler Kommunikation / Medien
/ Technologien. Als CIO verantwortet er die weltweite Methodenentwicklung der
Psyma. Psyma ist das größte deutsche inhaber-geführte Marktforschungsinstitut.
174 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

4.2 Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen


Online-Marktforschung

Ulrich Schäfer-Newiger und Andrea Schweizer

Einführung

Durch das Internet wurde der Zugriff auf eine große Masse an Informationen eröffnet und
gleichzeitig ist das Bewusstsein der Bevölkerung über die Verwendung ihrer Daten gestie-
gen. Das Internet ist jedoch kein rechtsfreier Raum. In diesem Beitrag wird ein kurzer
Überblick über die relevanten gesetzlichen Vorschriften gegeben und auf mögliche Gefah-
ren hingewiesen.6 Der Beitrag beschränkt sich auf die Darstellung, welche Daten gesam-
melt werden dürfen, wann eine Einwilligung erforderlich ist, wie man eine rechtswirksame
Einwilligung einholt und was im Anwendungsfall einer Kundenbefragung zu beachten ist.

Welche Daten dürfen gesammelt werden?

Grundsätzlich dürfen bei Online-Befragungen oder überhaupt bei Social Media Research
alle Daten und Informationen gesammelt und zu Markt- und Sozialforschungszwecken
verwendet werden, die auch in der „klassischen“ Marktforschung erhoben und verwendet
werden dürfen. Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen müssen bei der digitalen
Kommunikation und Datenerhebung genauso beachtet werden wie bei der „klassischen“
Marktforschung.
Werden Daten und andere Informationen online oder im Internet erhoben, ergeben
sich Besonderheiten. Sie folgen nicht nur aus der Tatsache, dass die digitale Kommunika-
tion und das Internet in der Regel „grenzenlos“ sind, also Ländergrenzen keinerlei Hinder-
nis darstellen, sondern auch daraus, dass es insbesondere für den Datenschutz – jedenfalls
in Deutschland und Europa für den Telemedienbereich (also: Internet, digitale Kommuni-
kation) – Sonderregelungen gibt, die zum Teil das Bundesdatenschutzgesetz ersetzen. So
gilt § 30a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht für alle personenbezogenen Daten, die
bei der Online-Marktforschung eine Rolle spielen. Es kann zum Beispiel auch das Teleme-
diengesetz (TMG) eingreifen.

6
Aufgrund des begrenzten Umfangs des Beitrags können nicht alle für die Online-Marktforschung
praxisrelevanten Normen dargestellt werden. Auf die Besonderheiten der Datenerhebung aus sozi-
alen Medien, Web-Tracking, Social Media Plug-Ins, Mobile Apps, die Datensicherheit und die
Datenerhebung und -weiterleitung in Drittstatten kann deshalb nicht eingegangen werden.
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 175

Wann handelt es sich um personenbezogene Daten?


Die Frage, wann im Online-Bereich oder überhaupt personenbezogene Daten vorliegen,
ist nicht banal oder rhetorisch. Von ihrer Beantwortung hängt ab, ob derjenige, der Daten
erhebt und verwenden will, den gesetzlichen Datenschutz beachten muss oder nicht.
Beachtet er, obwohl er dazu verpflichtet ist, die Datenschutzgesetze nicht, drohen erhebli-
che Bußgelder.7

Definition
In Deutschland definiert § 3 Abs. 1 BDSG, was personenbezogene Daten sind: „Perso-
nenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.“ Für den Online- und Internetbereich
gibt es keine andere Begriffsbestimmung. Erhebt ein deutscher Marktforscher im Aus-
land Daten – egal auf welchem Weg – und hat er das Datenschutzrecht des Drittlandes zu
beachten, muss er auch prüfen, ob dort nicht zusätzlich Einzelangaben zu juristischen Per-
sonen, anders als in Deutschland, unter den Begriff „personenbezogene Daten“ fallen. Auf
juristische Personen wird zum Beispiel in der Schweiz und in Österreich, aber auch noch
in anderen Ländern der Begriff erweitert. Solange die vorgesehene Datenschutzgrundver-
ordnung der EU (Definition der personenbezogenen Daten in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) noch
nicht in Kraft gesetzt ist, gibt es nicht einmal eine einheitliche Definition des personenbe-
zogenen Datums innerhalb der EU.
Personenbezogene Daten sind zunächst solche, die eine direkte Identifizierung der
betreffenden Person ermöglichen wie der Name. Eine direkte Identifizierung ist immer
dann möglich, wenn es keines weiteren Zusatzwissens bedarf, um zu wissen, um welche
Person es sich handelt. Die direkte Identifizierung ist aber nicht Voraussetzung für den
Personenbezug eines Datums oder einer Information. Es reicht, wenn der Personenbe-
zug mit Hilfe weiterer zusätzlicher Informationen herstellbar ist und somit die Person
„bestimmbar“ ist. Es kommt nicht darauf an, ob dieser Bezug tatsächlich hergestellt wird,
sondern ob er mit einem nicht „unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und
Arbeitskraft“ (Rückschluss aus dem Begriff des „Anonymisierens“, § 3 Abs. 6 BDSG) mög-
lich ist. Wenn er auf diese Weise – und sei es eben ganz abstrakt – möglich ist, handelt es
sich um ein personenbezogenes Datum, falls nicht, ist die betreffende Information kein
personenbezogenes Datum. Der Begriff des Anonymisierens ist natürlich auslegungsfähig
und bietet deswegen in Zweifelsfällen keine Sicherheit für denjenigen, der nun entscheiden
muss, ob eine Information ein personenbezogenes Datum ist oder nicht.

7
Nach der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung können höhere Bußgelder verhängt werden.
Zum Teil sind Bußgelder bis zu 4% des Jahresumsatzes des vorangegangen Geschäftsjahres zulässig
oder bis zu 20.000.000,00 Euro (Art. 83 DS-GVO). Diese VO wurde am 14.04.2016 verabschiedet. Sie
wird im Jahre 2018, zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, anwendbar sein.
176 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Beispiele
Aus dem Gesagten ergibt sich aber, dass zu den personenbezogenen Daten insbesondere
zählen (die Aufzählung ist nicht abschließend):

• Name
• Anschrift (wenn sich dahinter eine Wohnung, oder ein Wohnhaus verbirgt)
• Telefonnummer, E-Mail-Adresse (eine Bestimmbarkeit ist grundsätzlich ohne unver-
hältnismäßig großen Zeitaufwand möglich, weil das Telekommunikationsunterneh-
men oder der Provider weiß, wer sich hinter der Nummer oder Bezeichnung verbirgt)
• IP-Adresse (nach Ansicht deutscher Datenschützer auch die dynamische IP-Adresse;
es gilt das gleiche, wie das zur E-Mail-Adresse Gesagte)
• Personalausweisnummer, Sozialversicherungsnummer, Fahrgestellnummer eines
Autos
• Konto- und Kreditkartennummern
• Die Abbildung (Foto) eines Menschen (vor allem ein Portraitfoto, Video- und
Filmaufnahmen)
• Mikrogeografische Angaben (die Rückschlüsse auf Einzelpersonen erlauben, zum Bei-
spiel „Zweifamilienhaus in der Schumannstraße“)
• IMSI-Nr. (internationale Mobilfunkteilnehmerkennung; den Personenbezug dieser
Nummer hat sogar das Bundesverfassungsgericht schon bestätigt)
• IMEI-Nr. (International Mobile Station Equipment Identity)
• Cookies (hängt von den Daten ab, die im Einzelfall vom Cookie ermittelt und verar-
beitet werden: Ist ein Nutzer, bei dem ein Cookie abgelegt wird, anhand von Bestands-
daten bestimmt oder bestimmbar, handelt es sich bei dem Cookie um ein personenbe-
zogenes Datum)
Personenbezogene Daten können auch sein:
• Social Plug-Ins (wie zum Beispiel Facebook „Like Button“, Tell-a-friend-Funktion oder
Social Bookmarking Systeme)
• Browser Fingerprints (sofern der Diensteanbieter aus den vom Browser fortlaufend
übermittelten Daten einen Personenbezug herstellen kann)

Auskunftsrecht des Betroffenen


Das Auskunftsrecht des Nutzers eines Telemediendienstes (wozu zum Beispiel Online-
Befragungen jeder Art gehören) ist in § 13 Abs. 8 des Telemediengesetzes (TMG) geregelt.
Diese Vorschrift lautet: „(8) Der Diensteanbieter hat dem Nutzer nach Maßgabe von § 34 des
Bundesdatenschutzgesetzes auf Verlangen Auskunft über die zu seiner Person oder zu seinem
Pseudonym gespeicherten Daten zu erteilen. Die Auskunft kann auf Verlangen des Nutzers
auch elektronisch erteilt werden.“
Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf Daten, die nach den Bestimmungen
des TMG erhoben und verarbeitet werden, also auf Bestandsdaten gemäß § 14 und auf
Nutzungsdaten gemäß § 15 TMG (Erläuterung weiter unten). Der Nutzer muss seinen
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 177

Auskunftsanspruch nicht begründen, er kann anlasslos Auskunft verlangen, es sei denn, er


handelt rechtsmissbräuchlich. Eine besondere Form des Auskunftsverlangens ist nicht vor-
geschrieben. Auskunft kann schriftlich, telefonisch oder auch per E-Mail oder anderweitig
elektronisch verlangt werden. Die Antwort muss unverzüglich erfolgen, auch wenn § 34
BDSG, auf den verwiesen wird, keine Frist vorschreibt. Dass die Auskunft unverzüglich
erteilt werden muss, wird aus dem Schutzzweck der Vorschrift geschlossen. In der Regel
wird „unverzüglich“ höchstens zwei Wochen bedeuten.

Muss immer eine Einwilligung (Opt-In) eingeholt werden?

Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, die Grundsätze des Datenschutzes zu
kennen, wie sie im BDSG und im TMG geregelt sind. Denn eine eindeutige, für alle Fall-
konstellationen zutreffende Antwort auf die Frage gibt es nicht. Vielmehr gibt es eine Reihe
gesetzlicher Regelungen, die für bestimmte Datenarten und Dateninhalte verschiedene
Antworten auf die oben gestellte Frage bereithalten.

Grundsatz des Datenschutzes: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt


Der Grundsatz des in Deutschland und in der EU geltenden Datenschutzes lautet: Grund-
sätzlich ist der Umgang mit personenbezogenen Daten verboten. Oder anders formuliert:
Alles, was im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten von einer Rechtsvorschrift
nicht erlaubt ist, ist verboten. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 BDSG, einem Eckpfeiler des
Datenschutzrechts, der bestimmt: „Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbe-
zogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.“
Zulässig ist der Umgang mit personenbezogenen Daten demnach ausschließlich nur
dann, wenn der Betroffene rechtswirksam eingewilligt hat oder in einem Gesetz oder
einer anderen Rechtsvorschrift ein Erlaubnistatbestand festgeschrieben ist. Wenn es einen
Erlaubnistatbestand gibt, bedarf es keiner Einwilligung des Betroffenen. Wenn es keinen
Erlaubnistatbestand gibt, muss eine rechtswirksame Einwilligung des Betroffenen vorlie-
gen, bevor die ihn betreffenden Daten erhoben und genutzt werden können.

Gesetzliche Erlaubnistatbestände mit Bedeutung für die


Online-Marktforschung
Telemediengesetz (TMG)
Für die Online-Marktforschung sind zuerst das TMG und die darin enthaltenen Daten-
schutzregelungen (§§ 11 bis 15a TMG) zu beachten. Denn die Institute, die Markt- und
Sozialforschung online betreiben, sind alle Telemediendiensteanbieter im Sinne des TMG.
Telemediendienste sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste,
soweit sie nicht Telekommunikationsdienste oder Rundfunkunternehmen sind. Auch das
TMG beinhaltet in § 12 ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezüglich personenbezogener
178 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Daten. Geregelt wird im Gesetz der Umgang mit den personenbezogenen Daten, die
gerade zur Bereitstellung und Durchführung des Telemediendienstes erhoben und ver-
wendet werden. Personenbezogene Daten, die anderen Zwecken dienen, unterfallen nicht
der Regelung des TMG, sondern dem BDSG. Das TMG unterscheidet dabei zwischen
sogenannten „Bestandsdaten“ (§ 14 TMG) und „Nutzungsdaten“ (§ 15 TMG).
Die Unterschiede lassen sich am Beispiel eines Online-Panels am besten verdeutlichen.
Die schon für die Einladung zur Teilnahme und später für die Versendung von Frage-
bögen und weiteren Informationen verwendete E-Mail-Adresse des Panel-Teilnehmers
ist ein Bestandsdatum, weil die E-Mail-Adresse für die Begründung, inhaltliche Ausge-
staltung oder Änderung der Beziehung zwischen Institut und Panelteilnehmer benötigt
wird. Zu den Bestandsdaten gehören auch Benutzername, Passwörter und ähnliches. Wird
zu Kontrollzwecken die IP-Adresse des Teilnehmer-Rechners verwendet, handelt es sich
dabei auch um ein Bestandsdatum im Sinne des TMG. Bei Panelteilnehmern zählen zu
den Bestandsdaten beispielsweise auch diejenigen Daten, die für die Vergabe von Incen-
tives oder die Versendung von Produkten für Produkttests benötigt werden.
Die Bestandsdaten darf der Diensteanbieter zu nichts anderem verwenden als den von
ihm angebotenen Dienst zu begründen, durchzuführen oder zu beenden (§§ 12, 14 TMG).
Diese Daten dürfen also zum Beispiel nicht zur Versendung eines Newsletters des Institu-
tes, zur Erstellung von Nutzungsprofilen verwendet oder an Dritte weitergegeben werden
(auch nicht zu Marktforschungszwecken).
Soll auch zu Markt- und Sozialforschungszwecken das Surfverhalten des Teilnehmers
ermittelt und analysiert werden, sind alle dazu verwendeten Daten und Informationen, die
die Individualisierung des Panelteilnehmers ermöglichen (also vor allem die IP-Adresse
und Informationen, die in einem zu diesem Zweck gesetzten Cookie enthalten sind) per-
sonenbezogene Nutzungsdaten und keine Bestandsdaten. Das gilt auch, wenn das Institut
dazu die Dienste Dritter nutzt. Nutzungsdaten sind vor allem Merkmale, die den Nut-
zer identifizieren oder zu seiner Identifikation beitragen, Angaben über Beginn und Ende
sowie des Umfangs der jeweiligen Nutzung (zum Beispiel einer Website) sowie Angaben
über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien.
§ 15 TMG schreibt genau vor, was der Diensteanbieter mit diesen Nutzungsdaten
machen darf, sofern eine Einwilligung zu Ihrer Verwendung nicht vorliegt. Zu Marktfor-
schungszwecken (sowie Werbung und bedarfsgerechter Gestaltung des Telemediendiens-
tes) dürfen Nutzungsdaten nur in Form von Pseudonymen verwendet werden und dies
nur, sofern der Nutzer dem zuvor nicht widersprochen hat. Er muss also darüber infor-
miert werden, dass sein Nutzungsverhalten beobachtet und analysiert wird und dafür ein
Pseudonym anstatt eines personenbezogenen Datums verwendet wird. Das Erheben und
Verwenden von Nutzungsdaten setzt kein Vertragsverhältnis (wie es etwa die Vereinba-
rung zur Teilnahme an einem Online-Panel darstellt) voraus. Die Nutzungsprofile dür-
fen nicht für den Zweck erstellt werden, sie an Dritte zu übermitteln. Pseudonymisieren
bedeutet das Ersetzen des Namens oder anderer Identifikationsmerkmale (etwa der IP-
Adresse) durch ein Kennzeichen (Nummer, Buchstabenfolge oder dergleichen) zu dem
Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder zu erschweren (§ 3 Abs. 6a
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 179

BDSG). Der Nutzer muss darüber informiert werden, dass er einer Profilbildung auch
unter einem Pseudonym widersprechen kann (§ 13 Abs. 3 Satz 2 TMG).8
Alle personenbezogenen Daten, die bei einem Telemediendienst darüber hinaus anfal-
len, sind sogenannte „Inhaltsdaten“, für die wiederum das BDSG gilt. „Inhaltsdaten“ sind
solche, die mit Hilfe des jeweiligen Telemediums transportiert werden. Darunter fallen
zum Beispiel personenbezogene Daten, die im Rahmen einer Online-Befragung vom
Nutzer erfragt werden. Auch freiwillige Angaben, die ein Nutzer im Rahmen von Social
Community Plattformen macht (zum Bespiel bei Facebook) gehören zu den Inhaltsdaten.
Da über sie im TMG nichts geregelt ist, unterfallen sie dem BDSG. Um sie zu Marktfor-
schungszwecken verwenden zu können, gilt demnach § 30a BDSG.

§ 30a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)


Für die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zum Zwecke der Markt-
und Sozialforschung bildet bekanntlich § 30a BDSG den gesetzlichen Erlaubnistatbestand.
§ 30a BDSG definiert nicht, was Marktforschung ist. Es handelt sich vielmehr um eine
Rechtsfolgeregelung. Sie besagt, wenn personenbezogene Daten zu „Markt- und Mei-
nungsforschungszwecken“ verwendet werden sollen, dann hat die verantwortliche Stelle
bestimmte Voraussetzungen zu beachten. Sie muss zuerst eine Interessenabwägung vor-
nehmen und prüfen, ob Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutz-
würdiges Interesse daran hat, dass seine Daten nicht zu Marktforschungszwecken verwen-
det werden.
Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Nut-
zung liegt in der Regel nicht vor, weil die Ergebnisse nur anonymisiert genutzt werden
und ein gesetzliches Widerspruchsrecht besteht. Im Prinzip stand diese Rechtslage seit
den 80er-Jahren in den internen rechtsanwaltlichen Arbeiten für die Institute mit im
Vordergrund.
Die Daten müssen gemäß § 30a Abs. 3 BDSG anonymisiert werden, sobald der For-
schungszweck dies zulässt. Der Anonymisierungszwang bezieht sich auf personenbezo-
gene Daten natürlicher Personen. Die Berufsstandesregeln der Markt- und Sozialforscher9,
insbesondere die „Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum ICC/
ESOMAR Internationalen Kodex für die Markt- und Sozialforschung“, gehen darüber hin-
aus und verlangen die Anonymisierung der Daten eines jeden Befragten, egal ob es eine
natürliche oder eine juristische Person oder die Abteilung oder sonst abgrenzbare Einheit
eines Unternehmens oder einer Behörde betrifft.
§ 30a BDSG schreibt unter anderem weiter vor:

• Daten, die aus allgemein zugänglichen Quellen (Quellen, die ohne Hindernis für
jedermann zugänglich sind, wie Telefonverzeichnisse, Branchenverzeichnisse,

8
§ 13 TMG bestimmt eine umfassende Unterrichtungspflicht für den Diensteanbieter und ist vor
allem für die Einholung einer elektronischen Einwilligung (siehe unten) von Bedeutung.
9
Abrufbar unter https://www.adm-ev.de/kodex/ und http://bvm.org/recht-berufskodizes/
180 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Internetinformationen, die ohne Passwort oder ähnliche Hindernisse abgerufen wer-


den können) dürfen auch für Marktforschungszwecke verwendet werden, für die sie
nicht unmittelbar erhoben wurden. Daten, die aus nicht allgemein zugänglichen Quel-
len stammen (zum Beispiel generierte Telefonstichproben oder grundsätzlich Daten,
die erst nach Nennung eines Passwortes zugänglich sind) dürfen nur für den konkreten
Forschungszweck verwendet werden, zu dem sie erhoben wurden.
• Besondere Arten personenbezogener Daten gemäß § 3 Abs. 9 BDSG zu Marktfor-
schungszwecken dürfen nur für den konkreten Forschungszweck verwendet werden,
zu dem sie erhoben wurden (§ 30a Abs. 1 BDSG). Das gilt zum Beispiel für Krankheits-
daten, Daten zur Religionszugehörigkeit, Daten über die ethnische Herkunft, politi-
sche Meinungen, Gewerkschaftszugehörigkeit.10
• Für Arbeitnehmerdaten gilt § 32 BDSG, nicht § 30a, mit der Folge, dass sie für Markt-
forschungszwecke nur mit Einwilligung der Betroffenen verwendet werden dürfen
(Simitis, Bundesdatenschutzgesetz 8. Auflage (2014), § 30a Rn. 52ff.).

Telekommunikationsgesetz (TKG)
Adressaten des TKG sind Unternehmen, die Dienste anbieten, welche „ganz oder überwie-
gend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen“, § 3 Nr. 24
TKG. Darunter sind im Wesentlichen Telefongesellschaften zu verstehen. Dazu gehören
aber auch E-Mail-Dienste, SMS-Dienste, Internetzugangsdienste oder Internet-Telefonie-
Dienste. Bei komplexen Anwendungsbereichen und kombinierten Geschäftsmodellen
sind sowohl das TMG als auch das TKG zu beachten.
Im TKG ist der Datenschutz der Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Telekommu-
nikationsteilnehmer in den §§ 91ff. geregelt. Marktforschungsinstitute, auch wenn sie
Online-Marktforschung oder Social Media Research betreiben, gehören in der Regel nicht
zu den Adressaten des TKG.

Cookie-Richtlinie, rechtliche Situation in Deutschland


Bei der sogenannten „Cookie-Richtlinie“ handelt es sich um eine Neufassung der E-Pri-
vacy-Richtlinie.11 Deren Artikel 5 verlangt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass
die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die im Endgerät
des Nutzers gespeichert sind, nur mit Einwilligung gestattet ist (wenn sie nicht allein zur
Erbringung des Dienstes erforderlich sind). Die EU-Kommission und die Bundesregie-
rung sind der Ansicht, dass diese Vorschrift durch die in § 13 TMG geregelte umfassende
Unterrichtungspflicht bereits umgesetzt sei.

10
Weitere Einschränkungen oder Verbote der Verwendung personenbezogener Daten ohne
Einwilligung, die sich zum Beispiel aus § 203 Abs. 1 Nr. 6 des Strafgesetzbuches oder dem
Bankgeheimnis ergeben, können aus Platzgründen hier nicht dargestellt werden.
11
Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die
Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen
Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 181

Die konsequente Umsetzung der Cookie-Richtlinie verlangt zunächst eine Unterrich-


tung des Nutzers darüber, dass Cookies gesetzt sind. Es muss ihm sodann Gelegenheit
gegeben werden, dem ausdrücklich zu widersprechen. Wer absolut rechtlich sichergehen
will, muss stattdessen eine Einwilligung zur Verwendung der Cookies einholen und darf
sich nicht mit dem Hinweis auf das Widerspruchsrecht begnügen. Dies empfiehlt sich vor
allem, wenn Telemediendienste nicht nur in Deutschland, sondern auch im EU-Ausland
angeboten werden, da die Richtlinie in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich umge-
setzt worden ist. Beispielsweise in Großbritannien wird für die Verwendung von Cookies
eine Einwilligung verlangt.

Wie hole ich eine rechtswirksame Einwilligung ein?

Voraussetzungen einer Einwilligung


Wer nicht über den Zweck der Einwilligung informiert wird, kann insofern nicht wirk-
sam einwilligen. Die Betroffenen müssen bei jeder Verwendung personenbezogener Daten
grundsätzlich rechtzeitig und umfassend über die beabsichtigte Verwendung (Verwen-
dungszweck, die gewünschten Daten, Verarbeitungsbedingungen, potenzielle Übermitt-
lungsempfänger, Übermittlung in einen Drittstaat außerhalb der EU) unterrichtet werden
und über die Verweigerungsfolgen (Simitis, Bundesdatenschutzgesetz 8. Auflage (2014),
§ 4a Rn. 70ff.). Oder kurz und bündig ausgedrückt: Was auf der Basis einer Einwilligung
getan werden soll, darin muss der Betroffene auch wirklich – für ihn bewusst – eingewilligt
haben. Der Wortlaut der Einwilligung muss dementsprechend unmissverständlich sein.
Konsequent ist: Wenn besondere Arten von personenbezogenen Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG)
verarbeitet werden sollen, dann muss sich die Einwilligung auch ausdrücklich auf diese
Daten beziehen.
Die Einwilligung ist grundsätzlich schriftlich einzuholen, außer die Daten sind von
Anfang an anonymisiert, da die Daten dann nicht in den Anwendungsbereich des BDSG
fallen. Sobald die Daten zumindest kurzfristig nicht-anonymisiert gespeichert werden, ist
eine schriftliche Einwilligung grundsätzlich erforderlich. Soweit die Einwilligung gemein-
sam mit anderen Erklärungen eingeholt werden soll, muss auf die Einwilligung besonders
hingewiesen werden (§ 4a Abs. 1 BDSG), zum Beispiel durch eine zutreffende, auffällige
und hervorgehobene Überschrift.
Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 TMG kann die Einwilligung auch in elek-
tronischer Form eingeholt werden: Der Nutzer muss bewusst und eindeutig eingewilligt
haben, die Einwilligung muss protokolliert werden, der Nutzer muss den Inhalt der Ein-
willigung jederzeit abrufen und die Einwilligung muss mit Wirkung für die Zukunft jeder-
zeit widerrufen werden können.
Die von der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung Betroffenen müssen
nach § 28 Abs. 4 BDSG „bei der Ansprache“ über die Verwendung ihrer Daten informiert
werden. Das beinhaltet genaue Angaben zu den konkret gewünschten Daten, dem Ver-
wendungszweck, zur verantwortlichen Stelle und woher die Angaben stammen (Simitis,
182 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Bundesdatenschutzgesetz 8. Auflage (2014), § 28 Rn. 257). Betroffene haben jederzeit nach


§ 28 Abs. 4 BDSG das „Recht, der Verarbeitung oder Nutzung ihrer Daten für Zwecke der
Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung zu widersprechen“. Das gilt anders als
beim Berichtigungs- und Löschungsrecht (§ 35 BDSG) unabhängig davon, ob die Daten
rechtmäßig verwendet worden sind. Der Widerspruch muss zwar grundsätzlich indivi-
duell für eine bestimmte Nutzung erklärt werden, so dass zum Beispiel die Eintragung
in die Robinson-Liste nicht ausreicht, jedoch sind Markt- und Meinungsforschungsun-
ternehmen verpflichtet, sich vorab zu vergewissern, ob Betroffene widersprochen haben
(Simitis, Bundesdatenschutzgesetz 8. Auflage (2014), § 28 Rn. 259f.), zum Beispiel über
die zentrale Sperrdatei des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute
e.V. (ADM e.V.).
Wenn der Betroffene der Verwendung seiner Daten für die Markt- und Meinungsfor-
schung widersprochen hat, dann darf er für diese Zwecke nicht mehr kontaktiert werden
(Scheja/Haag, Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 5 Datenschutzrecht, Rn. 183).
Wenn widerrufen worden ist, sind die Daten zu löschen, da der Verarbeitung die rechtliche
Grundlage entzogen worden ist (Simitis, Bundesdatenschutzgesetz 8. Auflage (2014), § 28
Rn. 281).
Wenn es zur Beachtung des Widerrufes notwendig ist, ist es erlaubt, das entsprechende
personenbezogene Datum zu speichern, etwa eine Telefonnummer in einer Sperrdatei
(zum Beispiel in der ADM-Sperrdatei oder einer internen Sperrdatei eines Marktfor-
schungsinstitutes). Zweck der Speicherung ist es in solchen Fällen, dass die Telefonnummer
gerade nicht mehr zu Telefonanrufen genutzt wird. Berechtigte Interessen des Betroffenen
sind dadurch nicht beeinträchtigt; sein Persönlichkeitsrecht ist nicht verletzt. Jedenfalls
müssen Beeinträchtigungen und Verletzungen des Persönlichkeitsrechts vom Betroffenen
ausdrücklich dargelegt und glaubhaft gemacht werden, wenn er die Löschung seiner Tele-
fonnummer aus der Sperrdatei erreichen will. Es sind dann die schützenswerten Interessen
des Betroffenen und des Marktforschungsinstitutes gegeneinander abzuwägen.
Die Einwilligung muss freiwillig erteilt werden. Das bedeutet, dass der Betroffene frei
entscheidet. Mit anderen Worten: Er muss davon ausgehen, dass er seine Daten nicht
mitteilen muss und dass er weder getäuscht noch gezwungen wurde einzuwilligen und er
durch die Nichterteilung der Einwilligung keine Nachteile erleidet, die er zwangsweise in
Kauf nimmt.
Die Einwilligung muss nachgewiesen werden können. Im elektronischen Rechtsver-
kehr hat sich das Double-Opt-In-Verfahren durchgesetzt, um diesen Nachweis zu erbrin-
gen. Das bedeutet, dass sich der Betroffene zunächst registriert (Single-Opt-In), zum Bei-
spiel bei einem Online-Panel. Die Einwilligung ist aber noch weiter zu verifizieren, da
beim Single-Opt-In nicht nachgewiesen werden kann, dass es sich wirklich um den Betrof-
fenen bzw. seine E-Mail-Adresse handelt. Um die E-Mail-Adresse zu verifizieren, erhält
der Betroffene im Anschluss an seine Registrierung eine E-Mail an die von ihm angege-
bene E-Mail-Adresse mit der Bitte, die Registrierung durch einen Klick auf den in der
E-Mail enthaltenen Link zu bestätigen (Double-Opt-In). Durch das Anklicken des Links
kann die Einwilligung – auch mit einem Zeitstempel – protokolliert werden. Der „Prozess“
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 183

muss so genau dokumentiert werden, dass die Einwilligung – insbesondere auch, dass der
Link an den Betroffenen geschickt worden ist – nachgewiesen werden kann (BGH, Urteil
vom 10.02.2011, Az. I ZR 164/09).

Prüfpflicht bei der Überlassung von Adressen mit Einwilligung


Wenn Adressen für eine Befragung übermittelt werden, dann sollte man sich unbedingt
glaubwürdig zusichern lassen, dass die Einwilligungen, soweit sie erforderlich sind, rechts-
wirksam eingeholt worden sind und in der Zwischenzeit auch nicht widerrufen worden
sind. Das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 29.10.2012, Az. 5 W 107/12)
hat entschieden, dass selbst eine solche Zusicherung nicht ausreichend sein kann. Um ein
Ordnungsgeld zu umgehen, muss man sich nach diesem Urteil die Einwilligungen zeigen
lassen und diese prüfen.

Darf ich meine Kunden per E-Mail zu einer Kundenbefragung einladen?

Für die Marktforscher besteht das Problem zur Zeit darin, dass Gerichte Kundenbefragun-
gen als Werbung ansehen, und zwar auch dann, wenn die Befragung nach den allgemein
anerkannten Methoden der Markt- und Sozialforscher durchgeführt wird und die Befrag-
tenangaben ausschließlich anonymisiert an den Auftraggeber weitergegeben werden.12
Kundenbefragungen sind nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des OLG Köln und
der überwiegenden Ansicht aller Datenschutzkommentare und Wettbewerbsjuristen (ent-
gegen unserer Auffassung, siehe unten) nicht nur Marktforschung, sondern auch zugleich
Werbung, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

• Es werden ausschließlich Kundenadressen des Auftraggebers bzw. des Unternehmers


verwendet,
• bei den Befragten handelt es sich also ausschließlich um Kunden des die Marktfor-
schung (Kundenbefragung) in Auftrag gebenden oder durchführenden Unternehmers
und
• diese werden ausschließlich nach den Waren und Dienstleistungen des Auftraggebers
befragt.

Weitere Indizien für die Einordnung als Werbung durch Gerichte sind Weiterempfeh-
lungsfragen und zum Beispiel Ankündigungen wie „Es ist unser Ziel, Produkte und Services
ständig zu verbessern“. In einem solchen Falle soll sich, nach Ansicht der Rechtsprechung

12
Urteile des OLG Köln vom 12.12.2008 (Az. 6 U 41/08), vom 30.03.2012 (Az. 6 U 191/11) und vom
19.04.2013 (Az. 6 U 222/12). Neuerdings differenzierter: Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom
28.04.2014, http://www.schweizer.eu/bibliothek/neu/index.html?suchworte=Amtsgericht Frankfurt
a.M. grenzt positiv Marktforschung von der Werbung ab.
184 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

und der überwiegenden Ansicht in der Literatur, das Marktforschungsinstitut nicht auf
§ 30a BDSG berufen können.
Daraus folgt, dass ein Unternehmen oder ein vom ihm beauftragtes Marktforschungs-
institut seine Kunden nicht einfach anmailen und zu einer Kundenbefragung einladen darf.
Es muss – sofern nicht schon eine ausdrückliche Einwilligung dafür vorliegt – vorher prü-
fen, ob ein Anschreiben per E-Mail an den Kunden nach dem Gesetz gegen den Unlauteren
Wettbewerb (UWG) als auch nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erlaubt ist.
Für die Verwendung einer E-Mail-Adresse des Kunden zu einer Kundenbefragung oder
Einladung zu einer Kundenbefragung bedarf es nach dieser Rechtsprechung eines anderen
gesetzlichen Erlaubnistatbestandes als des § 30a BDSG oder einer Einwilligung. Im Teleme-
diengesetz (TMG) gibt es eine solche gesetzliche Erlaubnis wie § 30a BDSG nicht.
In § 28 Abs. 3 BDSG fehlt bei der Aufzählung der personenbezogenen Daten, die ohne
Einwilligung zur Werbung verwendet werden dürfen, die E-Mail-Adresse (und auch die
Telefonnummer). Aber sie darf nach § 28 Abs. 3 Satz 3 BDSG „hinzugespeichert“ und für
„Werbung“ genutzt werden, wenn die verantwortliche Stelle sie rechtmäßig, etwa aus der
Kundenbeziehung erhalten hat (vgl. zum Beispiel Taeger/Gabel (HRSG) BDSG, § 28 Rn 201).
Nach dem UWG, § 7 Abs. 3 gibt es eine Ausnahme des Erfordernisses einer Einwilli-
gung für die Verwendung von E-Mail Adressen zu Werbezwecken. Diese Ausnahme liegt
jedoch nur dann vor, wenn folgende vier Voraussetzungen gegeben sind:

a. der Unternehmer, der die Kundenbefragung durchführen will, muss die E-Mail-
Adresse selbst im zeitlichen Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienst-
leistung erhalten haben,
b. der Unternehmer muss diese Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren
oder Dienstleistungen verwenden,
c. der Kunde darf der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nicht wider-
sprochen haben (Opt-Out); er muss also vorher darüber aufgeklärt worden sein und
d. der Kunde muss bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deut-
lich darauf hingewiesen werden, dass er der Verwendung der E-Mail Adresse zu Wer-
bezwecken jederzeit kostenfrei widersprechen kann.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, also alle vier gleichzeitig. Dessen
muss sich der Unternehmer – und entsprechend ein von ihm beauftragtes Institut – der die
E-Mail-Adressen seiner Kunden (egal ob selbst wieder Unternehmer oder Verbraucher, da
gibt es keinen Unterschied) für eine Kundenbefragung verwenden will, völlig sicher sein.
Rechtssicher kann eine solche Kundenbefragung, unter den oben dargestellten Voraus-
setzungen, vorerst, nach dem aktuellen Stand der deutschen Rechtsprechung, deswegen
nur durchgeführt werden, wenn zuvor schriftlich eine Einwilligung des Betroffenen dazu
eingeholt wird, seine E-Mail-Adresse für Werbezwecke zu verwenden.
Dabei darf die E-Mail-Adresse selbst nicht dazu benutzt werden, den Betroffenen
anzuschreiben und um eine Einwilligung für die Verwendung dieser gerade angeschriebe-
nen E-Mail-Adresse zu Werbezwecken zu ersuchen. Etwas anderes gilt nur, wenn die oben
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 185

genannten vier Voraussetzungen vorliegen (aber dann benötigt man eigentlich auch keine
Einwilligung mehr). Der Kunde darf auch nicht telefonisch um eine Einwilligung gebeten
werden, wenn er zuvor nicht für einen solchen Telefonanruf seinerseits eine Einwilligung
erklärt hat. Das Double-Opt-In Verfahren ist hingegen nur dann anwendbar, wenn der
Betroffene (also der zu Befragende) selbst, etwa aus Anlass eines Gewinnspiels und der
damit verbundenen Aufforderung, in Werbe-E-Mails einzuwilligen, seine E-Mail-Adresse
angegeben hat. Die Einwilligung kann rechtswirksam deswegen nur auf postalischem
Wege eingeholt werden.
Für die Leser, die von der Gleichsetzung einer klassischen Kundenbefragung mit Wer-
bung nicht überzeugt sind: In der Tat ist das letzte Wort über diese vom OLG Köln erfun-
dene Gleichsetzung noch nicht gesprochen. Der Bundesgerichtshof und der Europäische
Gerichtshof (EuGH) haben darüber noch nicht entschieden. Gegen eine solche Gleichset-
zung spricht nämlich gerade die Behauptung des Gerichts, bei einer Datenerhebung (zum
Beispiel per Telefon, nur darüber wurde bisher geurteilt, gilt logisch aber auch für Daten-
erhebung per E-Mail-Adresse) handele es sich um eine „geschäftliche Handlung“ im Sinne
des UWG. Denn nur über diesen Begriff kann man überhaupt zur „Werbung“ gelangen.
Die geschäftliche Handlung, auf die sich § 7 Abs. 1 UWG bezieht, ist in § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG definiert. Der dort verwendete zentrale Begriff des „objektiven Zusammen-
hangs“ zwischen dem Verhalten des Werbenden (konkret desjenigen, der die Daten für die
Befragung erhebt) und der Förderung des Absatzes seiner Waren und Dienstleistungen in
der deutschen Formulierung soll keine inhaltliche Abweichung von der Richtlinie über
unlautere Geschäftspraktiken darstellen (Ohly, Piper/Ohly/Sosnitza UWG § 2 Rn. 24). Im
Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken wird die
geschäftliche Handlung wie folgt beschrieben: Geschäftliche Handlungen sind solche „die
in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des
Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. Sie bezieht sich nicht auf Geschäftspraktiken, die
vorrangig anderen Zielen dienen…“.
Der deutsche Gesetzgeber hat „diese anderen Ziele“ für die Marktforschung in der
Regierungsbegründung zu einer aktuellen Novellierung sogar und mit Recht ausdrücklich
anerkannt: „Dienen sie nur der Information der Leserschaft oder der die Anonymität der
befragten Personen wahrenden Markt- und Meinungsforschung, fehlt es an einem objekti-
ven Zusammenhang zum Warenabsatz, so dass eine geschäftliche Handlung nicht vorliegt.“
(BT-Drucksache 16/10145 S. S. 21)13 Der Wille des Gesetzgebers ist rechtsmethodisch als
wichtiges, teilweise als das entscheidende Auslegungskriterium anerkannt. Der Europäi-
sche Gerichtshof hat – wie erwähnt – ebenfalls noch nicht entschieden, obwohl Grundlage
des hier anzuwendenden Rechts eine EU-Richtlinie ist.

13
Zum Ganzen ausführlich, auch mit weiteren Nachweisen: R. Schweizer, „Grundsätzlich keine
Anwendbarkeit des UWG auf die Medien- und insgesamt auf die Markt- und Meinungsforschung“
in ZUM 2010, 400 ff.
186 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Dürfen Newsletter-Abonnenten zu einer Kundenbefragung eingeladen


werden?

Zu einem solchen Zweck darf die E-Mail-Adresse des Newsletter-Abonnenten nicht ver-
wendet werden, unterstellt, dass es sich – anders als von uns für den Regelfall angenom-
men – bei der Kundenzufriedenheitsforschung um Werbung handelt (siehe oben). Denn
ein Newsletter-Bezug ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Werbung in Form einer
Kundenbefragung, auch wenn der Inhalt des Newsletters Werbung für den Newsletter-
Versender beinhalten mag. Rechtssicher ist auch hier nur eine Werbeeinwilligung des
Betroffenen.

Dürfen ehemalige Kunden zum Zwecke einer Befragung angemailt


werden?

Der Begriff des „Kunden“ ist in keinem Gesetz definiert. Hilfreich zur Bestimmung dessen,
was ein Kunde ist, kann die Formulierung „Begründung, Durchführung oder Beendigung
eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses“ in § 28 Abs. 1.
Nr. 1 BDSG sein. Deswegen kann auch eine Person, die sich für einen Bankkredit interes-
siert, ihn nach einem Gespräch aber nicht in Anspruch genommen hat und also eigentlich
nicht Bankkunde geworden ist, unter den Kundenbegriff fallen. Es ist nicht ausgeschlos-
sen, dass auch die nachträgliche Zufriedenheitsbefragung solcher Personen durch die
Gerichte – wie die Kundenzufriedenheitsbefragungen nach der erwähnten umstrittenen
Rechtsprechung (siehe oben) – als Werbung angesehen werden kann. Ehemalige Kunden
fallen jedenfalls dann unter den Kundenbegriff, wenn zum Beispiel eine Glasschadenrepa-
ratur durchgeführt und bezahlt wurde und der Betroffene dann in einem engen zeitlichen
Zusammenhang (ein bis zwei Wochen später) nach der Reparatur zu seiner Zufrieden-
heit über die Reparatur befragt wird.14 Feedback-Befragungen, die unmittelbar nach der
Durchführung einer Reparatur oder der Erbringung einer Leistung durchgeführt werden,
sind nach Ansicht des OLG Köln auch Werbeanrufe.15
Für alle oben beschriebenen Umfragen gilt: Liegt keine rechtwirksame Einwilligung zur
„Werbung“ vor, soweit es sich um eine solche handelt (siehe oben ausführlicher), verstößt
der Auftraggeber und gegebenenfalls auch das von ihm beauftragte Marktforschungsinsti-
tut gegen § 7 Abs. 2 UWG und gegen § 28 Abs. 3 BDSG. Beides kann mit einem Bußgeld
von bis zu 300.000 Euro geahndet werden.

14
Das war der Fall, den das OLG Köln in seinem Urteil vom 30.03.2012 (Az. 6 U 191/11) zu ent-
scheiden hatte.
15
Einen solchen Fall entschied das OLG Köln in seinem Urteil vom 19.04.2013 (Az. 6 U 222/12).
Relevante Datenschutzfragen in der aktuellen Online-Marktforschung 187

RA Ulrich Schäfer-Newiger ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Prof. Schweizer Rechts-


anwaltsgesellschaft mbH in München. Er hat Jura, Germanistik und Soziologie
(Vordiplom) in Frankfurt am Main studiert und arbeitet seit fast 30 Jahren in der
Kanzlei Prof. Schweizer. Herr Schäfer-Newiger ist insbesondere auf den Gebieten
des Rechts der Markt- und Sozialforschung sowie der Markt- und Sozialforschung
für das Recht, Datenschutzrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Presse- und Medienrecht,
Wettbewerbsrecht, Werbe- und Vertriebsrecht tätig.
RAin Andrea Schweizer ist Rechtsanwältin und geschäftsführende Gesellschafte-
rin der Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München. Sie
hat an der LMU (München) und am University College (London) Jura studiert.
Frau Schweizer ist zertifizierte Datenschutzbeauftrage (DSB-TÜV) und zertifizierte
Datenschutzauditorin (DSA-TÜV). Sie ist insbesondere auf den folgenden Gebieten
tätig: Datenschutzrecht, Vertragsrecht, Recht der Markt- und Sozialforschung sowie
der Markt- und Sozialforschung für das Recht, Europarecht, Verbraucherrecht,
Arbeits- und Sozialrecht sowie Presse- und Medienrecht.
188 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

4.3 Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung

Marco Ottawa

Einführung

Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich die Marktforschung mit Onlineforschung (Poynter
2010, S. xiii; Seiffert und Degen 2010) [23] [24]. Anfangs nur als Randerscheinung wahr-
genommen, hat sich diese Forschungsmethode inzwischen, wenn es um die Anzahl erho-
bener Interviews geht, mit 43% (adm 2015) [6] an die Spitze gesetzt. Der Anteil online-
gestützter Fokusgruppen an der qualitativen Forschung macht allerdings auch 2014 erst
1% aus (adm 2015a) [7]. Die Methodik hat sich vom einfachen quantitativen Fragebogen
der Anfangsjahre über die qualitative Onlineforschung hin zu „neuen interaktiven Tools
wie Online-Gruppendiskussionen, Chats und Communities“ (Seiffert und Degen 2010)
[24] weiterentwickelt und deutlich diversifiziert. Trotz der rasant gestiegenen Bedeutung
der Onlineforschung in Instituten, aber auch betrieblichen Marktforschungen existiert bis
heute kein klarer Kanon von Qualifikationen und Kompetenzen, die ein Onlineforscher
mitbringen sollte. Noch weniger existiert eine klare Ausbildung oder gar ein eigener Aus-
bildungs- oder Studiengang zum Onlineforscher.
Die bisherigen Darstellungen von Qualifikationen in der Marktforschung beziehen
sich weitgehend auf die Marktforschung an sich und entbehren empirischer Grundlagen.
Als Beispiele dazu, auf die im Folgenden noch näher eingegangen werden wird, seien Vri-
ens und Grover (2006, S. 24) [28] oder Ottawa und Rietz (2015, S. 24-42) [20] genannt. Um
diese und andere Forschungslücken zu schließen, hat der Autor im Frühjahr 2015 zusam-
men mit Rochus Winkler eine dreistufige Branchenerhebung durchgeführt, deren empiri-
sche Ergebnisse die Basis dieses Beitrags bilden. Bevor auf diese Studie näher eingegangen
wird, gilt es jedoch zunächst zu definieren, was an dieser Stelle unter Onlineforschung
verstanden wird. adm/ASI/BVM/DGOF (2007) [8] definieren sie als:
f
„Der Begriff „Online-Befragungen“ schließt in der hier gebrauchten Definition
Befragungen ein, bei denen die Teilnehmer den Fragebogen…
 auf dem Server des Forschungsinstituts oder eines Providers mittels Internet
online ausfüllen,
 vom Server mittels Internet herunterladen und per E-Mail zurücksenden oder
 in eine E-Mail integriert zugeschickt bekommen und auf die gleiche Weise
zurücksenden.“

Behandelt werden in Folge „klassische“ quantitative und qualitative Onlineforschung


im oben genannten Sinn. Dazu gehören zum Beispiel nicht Social Media Analysen, Web-
site Research oder Reichweitenmessung im Internet. Abbildung 4.1 soll diese Abgrenzung
verdeutlichen.
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 189

Abb. 4.1: Abgrenzung der Online-Marktforschung von anderen Formen der Internet-Forschung

Bisheriger Forschungsstand und empirische Befunde

Bisheriger Forschungsstand
Wie schon zuvor erwähnt, gibt es bislang kein verbindliches Modell der Kompetenzen
eines Marktforschers, geschweige denn eines Online-Marktforschers. Als Einführung in
diese Thematik sollen an dieser Stelle zwei unterschiedliche Modelle kurz vorgestellt wer-
den. Das erste stammt von Vriens und Grover (2006, S. 24) [28] und umfasst folgende
Kategorien:

• Research Knowledge
• Internal Client’s Needs, Power, and Process Knowledge
• Business Discipline Knowledge
• Product-Market Knowledge
• People Management Skills

Die Autoren legen großen Wert auf das Verständnis dessen, was man erforschen will
und derjenigen, für die man forscht. Das zweite, neuere Modell stammt von Ottawa und
Rietz (2015, S. 25) [20] und führt folgende Kompetenzfelder an:

• Ausbildung und methodische Kenntnisse


• Kennen des eigenen Unternehmens
• Kennen der Marktforschungsbranche
• Soft Skills
190 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Es geht sehr detailliert auf die einzelnen Kompetenzfelder ein, hat aber für die vorlie-
gende Forschungsfrage den Nachteil, sich explizit nur mit betrieblichen Marktforschern
und deren Kompetenzen zu beschäftigen. Gemein ist den vorliegenden Ansätzen eine
Trias aus den Kompetenzfeldern

1. Forschung und Methodik


2. Kennen und Verstehen der Kunden, Branchen und Produkte
3. Soft Skills

An dieser Dreiteilung orientiert sich auch die im Folgenden vorgestellte Studie von
Ottawa und Winkler (2015) [21].

Empirische Befunde
Die folgenden Ausführungen beruhen auf den im Frühjahr 2015 erhobenen, bislang noch
nicht vollständig vorgestellten Forschungsergebnissen von Ottawa und Winkler. Hauptziel
dieser Studie war es, empirisch belastbare Aussagen zu (zukünftigen) Qualifikationen und
Kompetenzen von Marktforschern zu erhalten. Dazu wurde nach einer Sekundäranalyse
und einer qualitativen Vorstudie eine Onlinebefragung unter mehreren Tausend deutsch-
sprachigen Marktforschern durchgeführt, die 553 vollständig ausgefüllte Fragebögen
erbrachte. Die Frage nach dem persönlichen Methodenschwerpunkt beantworteten 167
Probanden mit „Onlineforschung quantitativ“ und 57 mit „Onlineforschung qualitativ“.
Da bei dieser Frage Mehrfachantworten zulässig waren, ergaben sich netto 189 Proban-
den, deren persönlicher Methodenschwerpunkt auf der Onlineforschung liegt. Aufgrund
der geringen Fallzahl von 57 mit dem Schwerpunkt qualitativer Onlineforschung bezie-
hen sich die folgenden Aussagen auf Onlineforscher allgemein, unabhängig von ihrer eher
qualitativen oder quantitativen Ausrichtung.
Nach den einleitenden Befunden werden nun die Kompetenzen der Onlineforscher
vorgestellt. Es wurden jeweils die Wichtigkeit der Kompetenzen (geschlossen) und ihr
Ausbaubedarf (offen) abgefragt. Hinsichtlich der fachlichen Kompetenzen ergeben sich
für die Onlineforscher folgende Top 3:

1. Quantitative Methoden
2. Präsentations-Software
3. Excel

Die wesentlichen fachlichen Qualifikationen werden von Online-Marktforschern und


der Gesamtheit der Marktforscher weitgehend gleich gesehen, jedoch von ersteren spürbar
wichtiger bewertet. Das gilt auch für Stichprobenziehung, statistische Datenanalyse, Excel
und Statistik-Software. Nach eigener Einschätzung der befragten Onlineforscher besteht
folgender Ausbaubedarf bei den fachlichen Kompetenzen:

1. Höhere Statistik/multivariate Verfahren


2. Big Data
3. Datenanalyse
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 191

Im Ausbaubedarf an fachlichen Qualifikationen unterscheiden sich die Onlineforscher


von der Gesamtheit der Marktforscher nur geringfügig. Bei den sozialen Komponenten
oder Soft Skills ergeben sich hinsichtlich ihrer Wichtigkeit folgende Favoriten:

1. Komplexe Sachverhalte einfach darstellen


2. Kundenorientierung
3. Flexibilität
3. Zeit- und Projektmanagement

Die Einschätzung der wichtigsten sozialen Kompetenzen divergiert zwischen Online-


forschern und der Gesamtheit der Marktforscher nur marginal. Das gilt auch für die übri-
gen abgefragten sozialen Kompetenzen. Auffallend ist, dass die Top 3 der sozialen Kompe-
tenzen erheblich wichtiger eingeschätzt werden als die Top 3 der fachlichen Kompetenzen.
Ausbaubedarf sehen die Online-Marktforscher bei ihren sozialen Kompetenzen wie folgt:

1. Netzwerken
2. Konfliktfähigkeit
3. Englisch

Auch beim Ausbaubedarf der sozialen Kompetenzen unterscheiden sich die Onlinefor-
scher nur unwesentlich von der Gesamtheit der Marktforscher.
Als letzte Kompetenzkategorie haben Ottawa und Winkler die sonstigen Kompetenzen
abgefragt. Dabei ergibt sich bei der Gesamtheit der Marktforscher folgende Reihenfolge
der Wichtigkeit:

1. Analytisches Denken
2. Ableitung von Handlungsempfehlungen
3. Neugierde
3. Wissen um Kunden/Märkte/Branchen/Produkte

Wie schon bei den beiden zuvor vorgestellten Kompetenzkategorien ergeben sich auch
bei den sonstigen Kompetenzen keine wesentlichen Unterschiede in der Wichtigkeit für
Onlineforscher und die Gesamtheit der Marktforscher. Das gilt gleichermaßen für die
Top 3 wie auch für die sonstigen abgefragten Kompetenzen. Vom Niveau der Wichtigkeit
bewegen sich die sonstigen Kompetenzen auf dem der sozialen Kompetenzen und damit
über dem der fachlichen Kompetenzen. Der Ausbaubedarf an sonstigen Kompetenzen hat
Folgendes ergeben, wobei hier aufgrund der geringen Rückmeldungen nur auf die Top 2
referenziert wird:

1. Kontinuierliche Fortbildung
2. Wissen um Kunden/Märkte/Branchen/ Produkte
192 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Hier erweist sich der Punkt, mehr über das zu erfahren, was man für seine Kunden
erforscht, als wichtigster Ausbaubedarf der sonstigen Kompetenzen (Vriens und Grover
2006, S. 24) [28].

Kompetenzmodell

Basierend auf den Erhebungen von Ottawa und Winkler und den bisherigen Kompetenz-
modellen für Marktforscher aus der Literatur (siehe vorherige Abschnitte) soll im Folgen-
den ein eigenständiges Modell für die Kompetenzen von Online-Marktforschern vorgestellt
werden. Im Gegensatz zu den bisherigen Modellen umfasst es vier Kompetenzbereiche,
nämlich fachliche, soziale, IT- und sonstige Kompetenzen. Die IT-Kompetenzen werden
hierbei als gesondertes Kompetenzfeld behandelt, da die Onlineforschung maßgeblich von
der IT abhängt und deshalb spezielle IT-Kenntnisse unabdingbar sind (Poynter 2010, S.
347-350; Welker 2007, S. 32) [23] [29]. Die Abbildung 4.2 verdeutlicht graphisch die für
eine erfolgreiche Onlineforschung erforderlichen Kompetenzbereiche.

Fachliche Kompetenzen
Aufgrund der separaten Behandlung der IT-Kompetenzen ist an dieser Stelle mit fachli-
chen Kompetenzen in erster Linie marktforscherisches Handwerkszeug im engeren Sinne
gemeint. Die Reihung der einzelnen Kompetenzen orientiert sich in Folge mit Ausnahme
der IT-Kompetenzen an der von Ottawa und Winkler (2015) [21] erhobenen Wichtigkeit:

• Methodik
- Quantitative Methodik
- Stichprobenziehung
- Qualitative Methodik
- Sekundärforschung
- Big Data

Abb. 4.2: Kompetenzfelder der Onlineforschung


Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 193

• Datenanalyse
- Excel
- Extraktion und Deutung von Kernergebnissen aus verschiedenen Quellen
- Statistische Datenanalyse, insb. multivariate Verfahren
- Muster in Datenmengen erkennen
- Statistik-Software
• Präsentation
- Visualisierung von Ergebnissen
- Ableitung von Handlungsergebnissen
- Präsentations-Software
• Rahmenkompetenzen
- Wissen um Marketing und Medien
- Ethik und Recht der Marktforschung
- Datenschutz
- Standesrecht
- Mitbestimmungsrecht

Die fachlichen Kompetenzen lassen sich unabhängig von ihrer wahrgenommenen


Wichtigkeit in mehrere Cluster gruppieren. Hierzu zählt in erster Linie die Methodik,
also das grundlegende marktforscherische Handwerkszeug. Möglicherweise aufgrund der
quantitativen Wurzeln der Onlineforschung wird auch heute noch die quantitative weit-
aus wichtiger eingeschätzt als die qualitative Methodik. Big Data als ein Hoffnungsträger
der Marktforschungsbranche gehört ebenfalls zum methodischen Kompetenzspektrum.
Dem Cluster Methodik ist zudem die Stichprobenziehung zuzurechnen (Theobald und
Neundorfer 2010, S. 160f.) [26].
Das zweite Cluster umfasst die Datenanalyse. Dazu zählt vor allem die statistische
Datenanalyse, zum Beispiel in Gestalt multivariater Verfahren. Sie stellt die Grundlage
dar, in den analysierten Datenmengen Muster zu erkennen. Um überhaupt analysieren
zu können, muss der Onlineforscher entsprechende Software wie SPSS oder R, aber auch
in erstaunlich hohem Maß Excel beherrschen. Wichtiger als die eigentliche statistische
Datenanalyse wird die Extraktion und Deutung von Kernergebnissen aus verschiedenen
Quellen eingeordnet.
Im Marktforschungsprozess der Datenanalyse nachgelagert folgt als drittes Kompe-
tenzbündel die Präsentation der Forschungsergebnisse. Sie wird als sehr wichtig wahrge-
nommen, wobei sich die Teilaspekte Visualisierung, Ableitung von Handlungsempfehlun-
gen und Beherrschen gängiger Präsentations-Software wie Powerpoint oder Prezi in ihrer
Wichtigkeit die Waage halten.
Das vierte Cluster umfasst Rahmenkompetenzen. Dazu zählt nach Wahrnehmung
der stark mit dem Datenschutz konfrontierten Onlineforscher in erstaunlich geringer
Ausprägung das Wissen um Ethik und Recht der Marktforschung. Zu diesem Themen-
komplex gehört neben dem allgemeinen Standesrecht der Marktforschung vor dem Hin-
tergrund interner Befragungen wie Mitarbeiterbefragungen auch das Wissen um das
194 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Mitbestimmungsrecht und seine innerbetrieblichen Auswirkungen, wie etwa Betriebsver-


einbarungen über den Einsatz von Onlinebefragungs-Softwares. Deutlich wichtiger schät-
zen die Onlineforscher das Wissen um Marketing und Medien ein. Das mag darauf beru-
hen, dass der größte Anteil an Marktforschungsstudien vom Marketing beauftragt wird
(Verführt 2014, S. 74) [27].

Soziale Kompetenzen
Unter sozialer Kompetenz, von Greenspan und Granfield (1992, S. 447) [16] in intellektu-
elle und non-intellektuelle Aspekte unterschieden, verstehen wir die
f
„Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, welche
die Qualität eigenen Sozialverhaltens – im Sinne der Definition sozial kompe-
tenten Verhaltens – fördert.“ (Kanning 2002, S. 155) [17]

Sie „kann als ein Metakonstrukt verstanden werden, das mehrere allgemeine und
(bereichs-) spezifische Kompetenzen unter einem Dach zusammenfasst“ (Kanning 2002,
S. 161) [17]. Sozial kompetentes Verhalten „versucht demzufolge einen Ausgleich der Inte-
ressen zwischen den von einer Interaktion betroffenen Parteien herzustellen“ (Kanning
2002) [17]. Dieses Zitat verdeutlicht indirekt die zuvor bereits konstatierte, in Relation zu
den Fachkenntnissen hohe Bedeutung der sozialen Kompetenz.
Online-Marktforschung ist „people business“. Das beinhaltet eine hohe Anzahl von
Interaktionen zwischen Marktforschern, Auftraggebern, Probanden und Informations-
empfängern. Einschränkend muss mit Kanning (2002) [17] jedoch auch festgestellt wer-
den: „Eine vorhandene Kompetenz liefert somit keine Garantie für ein kompetentes Ver-
halten in jedweder Situation.“ Nichtsdestotrotz benötigt ein Online-Marktforscher ein
unten näher beschriebenes Repertoire an sozialen Kompetenzen (vgl. auch FH Wien 2015)
[14], die er im Idealfall situationsadäquat einsetzen kann.
Da soziale Kompetenz ein „multidimensionales Konstrukt“ (FH Wien 2015, S. 157)
[14] ist, soll sie im Folgenden strukturiert werden. Dabei werden die von Ottawa und
Winkler (2015) [21] erhobenen sozialen Kompetenzen der Gliederung von Bastians und
Kluge (1998) [10] zugeordnet.

• Soziale Wahrnehmungskompetenzen
• Eigenes Selbst- und Stimmungsmanagement
- Flexibilität
- Belastbarkeit
- Frustrationstoleranz
- Geduld
• Übernahme einer aktiven Rolle
- Überzeugungskraft, Selbstbewusstsein, Beziehen eigener Standpunkte
- Kreativität/Innovationsfähigkeit
- Durchsetzungsfähigkeit
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 195

• Kommunikationsfähigkeit
- Komplexe Sachverhalte einfach darstellen
- Rhetorik
- Aus Daten Geschichten machen
- Moderation
- Infotainment
- Multitasking
• Konflikt- und Kritikfähigkeit
- Konfliktfähigkeit
• Beziehungsmanagement
- Kundenorientierung/Dienstleistungsmentalität
- Empathie
- Intellektueller Sparringspartner
- Netzwerken
- Kontaktfreude
• Teamkompetenzen
- Zeit- und Projektmanagement
- Teamfähigkeit, gerade auch in cross-funktionalen Teams
- Interdisziplinäres Denken
- Fachsprachen der Kunden
• Führungskompetenzen
- Führung

Die sozialen Wahrnehmungskompetenzen stellen eine Grundtugend des Marktfor-


schers dar, denn es gilt im Laufe einer Studie, permanent sensibel aufzunehmen und ein-
zuschätzen, was einzelne an der Studie Beteiligte fühlen und dem Marktforscher mitteilen
möchten, unter Umständen ohne dies explizit verbal oder schriftlich zu äußern.
Gerade jüngere Online-Marktforscher äußerten sich in der Studie von Ottawa und
Winkler – vielfach in Verbindung mit als eher gering empfundenen Gehältern – negativ
hinsichtlich der mentalen und zeitlichen Belastung durch ihren Beruf. Um diese Belastun-
gen Kunden und Vorgesetzten nicht über Gebühr zu zeigen, bedarf es eines belastbaren
Selbst- und Bestimmungsmanagements, das vor allem die Komponenten Flexibilität und
Belastbarkeit, aber auch Geduld und Frustrationstoleranz im Sinne von Eigenmotivation
erfordert.
Sehr wichtig für einen erfolgreichen (Online-)Marktforscher ist es auch, eine aktive
Rolle im Forschungsprozess zu übernehmen. Von guten Marktforschern werden Kreati-
vität, Überzeugungskraft und Durchsetzungsfähigkeit erwartet. Hoch geschätzt wird von
(Online)-Marktforschern auch das Beziehen eigener Standpunkte und eine Portion Selbst-
bewusstsein im Sinn eines intellektuellen Sparringspartners.
Als wichtigste soziale Kompetenz wurde zuvor die einfache Darstellung komplexer
Sachverhalte dargestellt. Empfänger von Marktforschungsinformationen erwarten heut-
zutage mehr als eine bloße Ergebnispräsentation. Sie wollen vielmehr das Wesentliche
196 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

einfach oder am besten in Gestalt einer Geschichte dargestellt bekommen. Dabei unter-
stützen rhetorische Fertigkeiten und eine gute Moderation, zum Beispiel von Ergebnisprä-
sentationen und Briefings. Auf Kenntnisse von Net Jargon und Emoticons weisen Theo-
bald und Neundorfer (2010, S. 162) [26] hin, um den speziellen Sprachgebrauch im Netz
verstehen zu können.
Im Rahmen von Onlinestudien kann es immer wieder zu kritischen Momenten
kommen, in denen die Kunden Kritik an der Arbeit der Onlineforscher äußern. Damit
umgehen zu können und auf Basis (berechtigter) Kritik die Studiendurchführung zu opti-
mieren, ist eine weitere wichtige Kompetenz, die ein (Online-)Marktforscher mitbringen
muss. Es geht hierbei nicht darum, jegliche Kritik kommentarlos zu schlucken und eine
möglichst hohe Frustrationstoleranz zu zeigen, sondern in den Dialog mit Kritikern zu
treten, berechtigte Kritik zu akzeptieren, aber auch unberechtigte Kritik zurückzuweisen.
Der Online-Marktforscher muss bei der Studiendurchführung in Beziehung zu unter
Umständen heterogenen Personen treten. Grundvoraussetzung dafür sind Empathie
einerseits und andererseits, bei Ottawa und Winkler noch wichtiger als sie, Kundenorien-
tierung und Dienstleistungsmentalität. Ein guter (Online-)Marktforscher muss kontakt-
freudig und empathisch sein, um auf Dauer erfolgreich mit anderen Menschen zusam-
menarbeiten zu können. Auch das Netzwerken wird von Ottawa und Winkler als wichtige
Kompetenz erwähnt. Dazu gehört etwa der Austausch mit Kollegen, Fachverbänden oder
Hochschulen, um die eigene Gesamtkompetenz auszubauen.
Online-Marktforschung findet in aller Regel in Teams statt. Diese Arbeit in unter
Umständen häufig wechselnden Teams bedingt eine Reihe von Schlüsselkompetenzen.
Hier ist an erster Stelle ein funktionierendes Zeit- und Projektmanagement zu nennen,
um den Zeitplan einer Studie einhalten zu können. Des Weiteren muss ein erfolgreicher
Onlineforscher interdisziplinär denken und insbesondere die Fachsprachen der Beteilig-
ten – seien es nun Kunden aus der Pharmabranche, PHP-Programmierer oder Netzwerk-
spezialisten – zumindest ansatzweise verstehen und gegebenenfalls für Dritte übersetzen.
Das ist für Onlineforscher besonders wichtig, da sie sich in einem nicht allen Kunden
verständlichen technischen Umfeld mit seiner speziellen Terminologie bewegen.
Letztendlich ist jeder Marktforscher, der als Projektleiter eine Onlinestudie leitet, per
Definition eine Führungskraft. Hierbei muss es sich nicht um eine formale Führungsfunk-
tion handeln. Vielmehr wird es in der Regel eine laterale oder informelle Führungsaufgabe
sein (Ottawa und Rietz 2015, S. 38) [20].

IT-Kompetenzen
Das dritte vorgestellte Kompetenzfeld betrifft die IT. Hierzu liegen aus der Studie von
Ottawa und Winkler keine empirischen Befunde vor. Da dem Autor auch keine ander-
weitigen empirischen Erhebungen zu diesem Thema bekannt sind, beruhen die folgen-
den Aussagen zum einen auf einschlägiger nicht-empirischer Literatur (Flick 2007, S. 335;
Theobald 2014, S. 168-170; Theobald und Neundorfer 2010, S. 162) [15] [25] [26], zum
anderen auf der langjährigen Erfahrung des Autors als Onlineforscher.
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 197

Für den Onlineforscher ist die Beherrschung einer oder mehrerer Onlinebefragungs-
Softwares unabdingbar. Als Beispiele seien hier professionelle Standard-Softwares wie
Rogator oder Questback, aber auch einfache wie SurveyMonkey genannt. Daneben exis-
tieren diverse spezielle Softwares, etwa für Online-Gruppendiskussionen oder die Pflege
von Online-Panels.
Nicht in jedem Fall wird die eingesetzte Software alle Kundenanforderungen ad hoc
umsetzen können. Gleichwohl lässt sich manche Anforderung durch individuelle Skripte
umsetzen, die in die bestehende Software eingebaut werden. Dazu kann es durchaus sinn-
voll sein, zumindest die grundlegenden Befehle von HTML (Theobald 2014, S. 108f.) [25]
oder Flash (Theobald 2014, S. 107f.) [25] zu beherrschen.
Online-Marktforschung benötigt IT-seitig aber nicht nur spezielle Softwares und mög-
lichst breitbandige Internetzugänge, sondern auch die eine technische Basis bildende Ser-
ver- und Netzwerkarchitektur. Der durchschnittliche Online-Marktforscher, zumal wenn
er wie die Mehrheit der Marktforscher keinen Studienhintergrund in Informatik besitzt
(marktforschung.de/tivian 2014, S. 10) [19], wird diese Architekturen in aller Regel nicht
selbst aufbauen. Er muss aber in der Lage sein, sie zumindest in ihren Grundzügen zu
verstehen. Bei der Serverarchitektur muss beispielsweise darauf geachtet werden, ob die
Server-Kapazitäten ausreichen, um eine für die Probanden akzeptable Performanz zu
gewährleisten. Eine weitere wichtige Frage bezieht sich auf die Sicherheit der Server. Hier
gilt es zum einen zu beachten, ob der Server, unabhängig von seinem Standort, hinrei-
chend gegen Angriffe von außen gesichert ist. Zum anderen muss jeder Onlineforscher für
sich und seine Kunden abwägen, wo sein Server physikalisch steht. Soll es on-, near- oder
off-shore sein (Ottawa und Rietz 2015, S. 132f.) [20]? Vor dem Hintergrund der aktuellen
Rechtsprechung zum Safe Harbor Abkommen kann diese Frage ein gravierender Wettbe-
werbsvor-, aber auch -nachteil sein (marktforschung.de 2015) [18]. Ein weiterer Aspekt,
den ein Onlineforscher berücksichtigen muss, ist die Erreichbarkeit des Befragungs-Ser-
vers. Bei Mitarbeiterbefragungen muss er wissen, ob alle relevanten Probanden aus dem
Kreis der Mitarbeiter überhaupt Zugang zum Inter- bzw. Intranet haben.
Nicht zu vernachlässigen sind des Weiteren Kenntnisse der Netzwerkarchitektur. Die-
ser Punkt ist vorwiegend für Mitarbeiterbefragungen relevant. Größere, aus heterogenen
Teilen zusammengewachsene, aber auch international aufgestellte Firmen und Konzerne
verfügen zum Teil über eine Vielzahl von Subnetzen, die zum Beispiel unterschiedliche
Sicherheitseinstellungen haben. Einladungen zu internen Onlinebefragungen können
so unter Umständen als Spam klassifiziert werden und gelangen so erst gar nicht zum
Probanden.
Kurz erwähnt sie auch noch das Thema Barrierefreiheit. Gerade Onlinebefragungen
stellen behinderte Probanden, wenn sie nicht explizit barrierefrei angelegt sind, eventuell
vor unüberwindbare Probleme bei der Bearbeitung des Fragebogens (Aktion Mensch 2011)
[9]. Deshalb müssen sich Onlineforscher auch dieser Thematik annehmen, um möglichst
vielen Probanden die Möglichkeit zur Teilnahme an ihren Befragungen zu ermöglichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Onlineforscher kein expliziter IT-Experte
sein muss, jedoch über solide, für die Onlineforschung einschlägige IT-Kenntnisse verfügen
198 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

sollte. Je intensiver die Beschäftigung mit der Onlineforschung ist, desto tiefgehender müs-
sen diese Kenntnisse sein. Das gilt insbesondere für qualitative Onlineforschung, da sie
in der Regel für Probanden komplexer als quantitative Forschung ist. Das beruht etwa
auf dem Hochladen von Bildern oder mehr Texteingabe (Theobald und Neundorfer 2010,
S. 163f.) [26].

Sonstige Kompetenzen
Die sonstigen Kompetenzen lassen sich in drei Kategorien unterteilen, nämlich Meta-
Kompetenzen, Umfeldkenntnisse und andere Kompetenzen. Die folgende Auflistung ver-
anschaulicht, welche Kompetenzen in diese drei Kategorien fallen.

• Meta-Kompetenzen
- Analytisches Denken
- Neugierde
- Neutralität/Objektivität
- Bereitschaft zur dauerhaften Fortbildung
• Umfeldkenntnisse
- Wissen um den Forschungsgegenstand
- Branchen
- Kunden
- Konkurrenten
- Produkte
- Interkulturelle Kompetenz
- Allgemeinbildung
- Wissen um andere Kulturen
- Englisch
- Kennen der Marktforschungs-Branche
• Anderes
- Beratung
- Kalkulation von Kosten und Angeboten
- Mitentscheider
- Projektmanagement

Die primäre Meta-Kompetenz analytisches Denken wurde bei Ottawa und Winkler
(2015) [21] von allen abgefragten Kompetenzen als die wichtigste genannt. Der Kompe-
tenzatlas der FH Wien (2015) [14] definiert analytische Fähigkeiten wie folgt:
f
„Analytische Fähigkeiten erfassen das Vermögen, ein komplexes System
gedanklich oder physisch in seine Elemente bzw. Subsysteme zu zerlegen, diese
zu klassifizieren, sowie zwischen ihnen kausale und finale Zusammenhänge
aufzudecken.“
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 199

Insbesondere das Aufdecken kausaler und finaler Zusammenhänge ist eine wichtige
Grundvoraussetzung der marktforscherischen Datenanalyse. Hohe Bedeutung besitzt
auch die Neugierde, also die Offenheit, Neues zu entdecken, zu erlernen und zu verstehen.
Mit ihr geht, wenn auch auf niedrigerem Niveau, die Bereitschaft zur dauerhaften Fort-
bildung einher. Neugierde bedarf auch gewisser Fähigkeiten, um sie kreativ umsetzen zu
können. Letztlich fallen auch noch Neutralität und Objektivität (ESOMAR 2007) [12] als
Primärtugenden der Marktforschung unter die Meta-Kompetenzen.
Hohe Bedeutung für den Onlineforscher haben auch Umfeldkenntnisse im Sinne von
Wissen um den zu erforschenden Gegenstand. Dabei kann es sich einzeln oder noch bes-
ser in Kombination um Produkte, Kunden, Konkurrenten des Kunden und Branchen han-
deln. Bei letzteren ist noch zu unterscheiden zwischen der Branche, in der der erforschte
Kunde aktuell tätig ist und Branchen, in die er aktiv eindringen will bzw. Konkurrenten,
die aus anderen Branchen in seine originäre Branche eindringen möchten (Ottawa und
Rietz 2015, S. 19) [20]. Interkulturelle Kompetenz ist vor allem im Rahmen internationaler
Onlineforschung von Bedeutung. Ihre Bedeutung für die Übersetzung von Fragebögen,
die Gestaltung von Skalen etc. würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hier sei auf
die einschlägige Fachliteratur verwiesen (zum Beispiel Bauer 2009 oder Ferrari et al. 2013)
[11] [13]. Relativ unwichtig wurden Kenntnisse der englischen Sprache und der Marktfor-
schungsbranche genannt. Letzteres mag damit zusammenhängen, dass gerade betriebliche
Online-Marktforscher ihre Onlinestudien vielfach ohne die Unterstützung von Instituten
durchführen. Die relativ geringe Bedeutung des Englischen ist angesichts der Dominanz
dieser Sprache in IT und Marketing erstaunlich.
Unter den andere Kompetenzen sticht die Beratung heraus. Auch der Onlineforscher
soll seine Arbeit, zumindest nicht in jedem Fall, mit der Ergebnispräsentation beenden,
sondern auf Wunsch und im Rahmen seiner Ressourcen auch für weitere Beratung rund
um den Forschungsgegenstand zur Verfügung stehen (Ottawa und Winkler 2015a, S. 12)
[22]. In ihr Umfeld, wenn auch als nicht so wichtig wie sie beurteilt, fällt auch die Mitent-
scheidungskompetenz des Online-Marktforschers. Er soll nicht nur Ergebnisse liefern und
präsentieren, sondern, da er sie in aller Regel am besten kennt, auch aus ihnen abgeleitete
Entscheidungen mitgestalten und mittragen. Wichtig vor allem für Online-Marktforscher
in Instituten, aber auch in betrieblichen Marktforschungen, die ihre Leistungen intern wei-
terverrechnen, ist die Fähigkeit, die Kosten einer Onlinebefragung sicher abschätzen und
in ein Angebot überführen zu können. Letztlich gehören, zumindest wenn große Online-
studien durchgeführt werden, auch (Grund)kenntnisse des Projektmanagements zu den
Kompetenzen eines Online-Marktforschers.

Ausblick

Die vorstehenden Ausführungen haben vor allem zwei Dinge gezeigt. Zum einen sind die
Anforderungen an Online-Marktforscher sehr umfangreich und heterogen. Die Online-
Marktforschung ist mitnichten die zum Teil auch heute noch manchmal belächelte jüngere
200 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Tochter der „richtigen“ Marktforschung mit ihren Gruppendiskussionen und Telefonin-


terviews. Vielmehr erfordert sie umfangreiche Kompetenzen und mit den IT-Kompeten-
zen ein eigenes Kompetenzfeld, welches außerhalb der Onlineforschung in weitaus gerin-
gerem Maß von Bedeutung ist. Zum anderen ergibt sich der, zumindest für den Autor,
überraschende Befund, dass die fachlichen Kompetenzen wie Methodik oder Stichpro-
benziehung in ihrer Wichtigkeit hinter sozialen und sonstigen Kompetenzen rangieren.
Eine positive Differenzierung von konkurrierenden Online-Marktforschern vollzieht sich
demnach weniger über Fachwissen als vielmehr über soziale Kompetenzen und die Per-
sönlichkeit des Marktforschers an sich. Das bedingt nach Ansicht des Autors vor allem ein
Umdenken in der Lehre. Soziale und sonstige Kompetenzen müssen verstärkt in die Cur-
ricula der Onlineforschung Einzug halten, um dem angehenden Online-Marktforscher auf
allen vier Kompetenzfeldern das nötige Rüstzeug mitzugeben. Daneben bleibt ein eigener
Studiengang für Onlineforschung wünschenswert. In Deutschland gibt es dazu derzeit
kein adäquates Angebot. Seit Kurzem bietet allerdings die Universität Salamanca einen
englischsprachigen Studiengang zum „Master in Webdatametrics“ an (WDM 2016) [30].

Quellenverzeichnis

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adm-ev.de/zahlen/#c245. Zugegriffen: 09. Oktober 2015
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adm-ev.de/zahlen/#c247. Zugegriffen: 09. Oktober 2015.
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[9] Aktion Mensch (2011). Einfach für alle. http://www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bar-
rierefreie-online-umfrage. Zugegriffen: 30. Dezember 2015.
[10] Bastians, Frauke & Kluge, Sandra (1998). Diagnose sozialer Kompetenzen. Entwicklung
eines multimedialen Diagnosesystems zur Erfassung sozialer Kompetenzen. Zitiert
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[11] Bauer, Erich (2009). Internationale Marktforschung. Informationsgewinnung für das
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[12] ESOMAR (2007). ICC/ESOMAR International Code. https://www.esomar.org/
uploads/public/knowledge-and-standards/codes-and-guidelines/ICCESOMAR_
Code_German_.pdf. Zugegriffen: 17. November 2015.
[13] Ferrari, Andrea, Wayrynen, Laura, Behr, Dorothée & Zabal, Anouk (2013).
Translation, Adaptation, and Verification of Test and Survey Materials. In: OECD
(Hrsg.). Technical Report of the Survey of Adult Skills (PIAAC) 2013. S. 1-28, section
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Zugegriffen: 23. Oktober 2015.
Kompetenzen und Soft Skills für die Online-Marktforschung 201

[15] Flick, Uwe (2007). Qualitative Sozialforschung – Eine Einführung. Hamburg:


Rowohlt.
[16] Greenspan, Stephen & Granfield, James M. (1992). Reconsidering the Construct of
Mental Retardation: Implications of a Model of Social Competence. In: American
Journal of Mental Retardation. Vol. 96, No. 4, S. 442-453.
[17] Kanning, Uwe Peter (2002). Sozial Kompetenz – Definition, Strukturen und Prozesse.
In: Zeitschrift für Psychologie. 210(4), S. 154-163.
[18] marktforschung.de (2015). Das Aus für Safe Harbor – und nun? http://www.markt-
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[19] marktforschung.de/tivian (2014). Gehaltsstudie 2014.
[20] Ottawa, Marco & Rietz, Christian (2015). Betriebliche Marktforschung, 2. Auflage.
Berlin: de Gruyter.
[21] Ottawa, Marco & Winkler, Rochus (2015). Marktforschung 2015: Sind wir ausrei-
chend für unsere Zukunft qualifiziert? Teilpublizierte Ergebnisse der gleichnamigen
empirischen Befragung.
[22] Ottawa, Marco & Winkler, Rochus (2015a). Marktforschung 2015: Sind wir ausrei-
chend für unsere Zukunft qualifiziert? Vortrag auf dem BVM-Kongress am 12. Juni
2015.
[23] Poynter, Ray (2010). The Handbook of Online and Social Media Research. West
Sussex: Wiley.
[24] Seiffert, Iris & Degen, Ron (2010). Riesenschritte Richtung Zukunft. Online-
Marktforschung – gestern, heute, morgen. In: Research & Results. Ausgabe 2, S. 32ff.
http://www.research-results.de/fachartikel/2010/ausgabe-2/riesenschritte-richtung-
zukunft.html. Zugegriffen: 09. Oktober 2015.
[25] Theobald, Axel (2014). Handbuch Online-Marktforschung. Ein Leitfaden für die
Praxis. Norderstedt: BOD – Books on Demand.
[26] Theobald, Elke & Neundorfer, Lisa (2010). Qualitative Online-Marktforschung.
Baden-Baden: Nomos.
[27] Verführt, Sebastian (2014). Grundlagen zur betrieblichen Marktforschung. Eine
empirische Untersuchung von Selbstverständnis, Organisation und Arbeitsweise
betrieblicher Marktforscher. Masterarbeit an der Fachhochschule Köln.
[28] Vriens, Marco & Grover, Rajiv (2006). Structuring Market Research Departments and
Processes for Optimal Impact. In: Grover, Rajiv & Vriens, Marco (Hrsg.). Marketing
Research. Uses, Misuses and Future Advances. S. 18-32. Thousand Oaks, London,
New Delhi: SAGE.
[29] Welker, Martin (2007). Was ist Online-Forschung? Eine Tour d’horizon zu einem
erfolgreichen Forschungsfeld. In: Welker, Martin & Wenzel, Olaf (Hrsg.). Online-
Forschung 2007. S. 19-51. Köln: Herbert von Halem Verlag.
[30] WDM (2016). Master in Webdatametrics. http://webdatametrics.usal.es/?page_
id=28. Zugegriffen: 28. Februar 2016.
202 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Marco Ottawa, Jahrgang 1965, hat Verwaltungswissenschaften in Köln und Dieburg


sowie Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Fernuniver-
sität in Hagen studiert. Seit fast 30 Jahren arbeitet er, überwiegend im Marketing, für
die Deutsche Telekom, seit 2002 in der Marktforschung. Dabei hat er unter anderem
Onlineforschung und Social Media Analysen bei der Deutschen Telekom aufgebaut
und etabliert. Ottawas forscherischer Schwerpunkt liegt seit mehreren Jahren auf der
Fernseh- und Breitbandforschung. Seit 2012 hat er einen Lehrauftrag für Marktfor-
schung an der Technischen Hochschule Köln. Daneben publiziert er in verschiede-
nen Medien. Jüngste Publikation ist die Zweitauflage des mit Christian Rietz verfass-
ten Buches „Betriebliche Marktforschung“.
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 203

4.4 Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung

Gabriele Herrmann und Walter Freese

In diesem Beitrag geht es um die derzeitige Rolle und die zukünftige Bedeutung von
Mobile Research, also dem Einsatz von Smartphones in der Marktforschung. Wir als Auto-
ren möchten mit dem folgenden Beitrag weniger eine akademische Auseinandersetzung
mit dem Thema liefern, als mehr eine Art Werkstattbericht, aus dem Sie folgendes mitneh-
men können:

• Warum wir den Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung in drei
Adjektiven beschreiben.
• Wie das Verständnis des Einflusses von Mobile Research aus unserer Sicht die Profes-
sion der Marktforschung verändern wird.

Drei Adjektive
Würden wir versuchen, den Einfluss von Mobile Research auf die Online Forschung in drei
Adjektive zu fassen, dann wären dies:

1. vielfältig
2. einschneidend
3. gut

Warum fangen wir den Beitrag so an und nicht mit einer Erörterung, ob Mobile
Research überhaupt einen Einfluss auf unsere Profession hat? Nun, ganz einfach: Wir
gehören zu der inzwischen immer größer werdenden Gruppe derer, die schlicht von der
hohen Bedeutung von Mobile Research für die Online-Marktforschung überzeugt sind.

Einfluss der Smartphones

Smartphones werden die Online-Marktforschung in vielfältiger Weise beeinflussen. Denn


kurz gesagt: Smartphones bieten uns mehr und vielfältige Möglichkeiten, mit Menschen –
Befragten – in Kontakt zu treten und damit eine andere und neue Art von Insights zu gene-
rieren. Und das birgt sowohl Chance als auch Risiko. Es bedeutet, dass wir künftig stärker
über den Tellerrand schauen werden, um zu sehen, wie Menschen mit ihren Smartphones
umgehen, und auch, was diese Geräte alles können. In der Natur der Smartphones und in
der Art und Weise, wie wir Menschen sie nutzen, verbergen sich mannigfaltige Potenziale:

• Der Bildschirm eines Smartphones ist klein.


• Sie haben unseren Anspruch an gute Darstellungen von Inhalten erhöht.
204 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

• Sie verändern die Art, wie Menschen das Internet nutzen: kürzer, mobiler und situativer.
• Smartphones sind immer dabei.
• Es sind außerordentlich persönliche Geräte.
• Sie werden sehr oft in die Hand genommen, zu jeder Tages- und Nachtzeit und an
jedem Ort.
• Sie wissen ständig, wo sie sich befinden.
• Sie wissen ebenfalls ständig, was der Besitzer gerade mit diesem Gerät oder auf diesem
Gerät tut.

Die folgende Erörterung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir möchten anhand
einiger prägnanter Beispiele bestimmte Facetten des Einflusses von Mobile Research auf
die Online-Marktforschung erörtern.

Forschung der Zukunft

All diese Eigenschaften von Smartphones werden einen einschneidenden Einfluss auf die
Forschung der Zukunft haben. Wenden wir uns zunächst den ersten der oben gelisteten
Eigenschaften zu: Smartphones verändern die Art und Weise, wie wir das Internet nutzen,
und auch, welchen Anspruch wir an eine gute Darstellung von Inhalten auf kleinen Bild-
schirmen haben.
Unser Ziel in der Marktforschung ist, eine möglichst hohe Datenqualität zu generie-
ren, mit einer motivierten und gut rekrutierten Gruppe von Befragten, die bereit sind, an
unseren Umfragen auch auf dem Smartphone teilzunehmen. Wir sind der festen Über-
zeugung, dass damit dem User Centered Design im Bereich der Erstellung guter Online
Forschungsdesigns eine neue und sehr hohe Bedeutung zukommen wird. User Centered
Design beschreibt einen Prozess, bei dem Produkte und Services mit Blick auf den spä-
teren Nutzer entwickelt werden. Also etwas, was unsere Kunden bereits machen und wir
Marktforscher ihnen auch gerne empfehlen. Nun sind wir, die Forscher, gefragt, diesen
Ansatz auf unsere eigene Arbeit anzuwenden.
Zunächst ist damit die sehr bedeutende Frage zu stellen: Wer ist eigentlich der Nutzer?
Ist es der Kunde, der später mit den Daten arbeitet? Ja, aber nicht nur! Marktforschung wird
stets vor dem Hintergrund bestimmter Businessfragen aufgesetzt, daher ist der Kunde ein
sehr wichtiger Nutzer der Ergebnisse. Er ist jedoch nicht der Nutzer der Befragung, dies ist
der Befragte. Mobile Optimierungen von Websites und auch Apps haben neue Standards
an Layout, Design und Informationsarchitektur digitaler Angebote gesetzt, und dies wirkt
sich auch auf die Akzeptanz von Umfragen bei Befragten aus: Sie sind zunehmend weniger
dazu bereit, lange und komplexe Befragungen abends am Desktop-Computer auszufüllen.
Und diese sinkende Bereitschaft von Befragten ist eine einschneidende Herausforderung
für die Online-Marktforschung.
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 205

Wir werden viel stärker darüber nachdenken, wie wir diese beiden Nutzergruppen –
den Kunden und den Befragten – miteinander vereinen. Und beide stehen hier in einem
gewissen Konflikt: Möchte der Kunde möglichst viel wissen (also möglichst viele Fragen
stellen), so möchte der Befragte auf möglichst wenig Fragen so kurz wie möglich antworten.
Dieser Interessenskonflikt ist nicht neu. Schon immer ist der Wissensdurst von Forschern
größer gewesen als die Bereitschaft der Befragten, auf Fragen zu antworten. Die herkömm-
liche Online-Marktforschung auf dem Desktop-Computer hat hier in der Vergangenheit
eher Rücksicht auf den Kunden genommen und weniger auf den Befragten. Somit sind oft
recht lange, teilweise komplex aufgebaute Fragebögen mit viel Text entstanden. In vielen
Fällen hatten solche Fragebögen eine „Face-to-Face-Historie“, bei der sich Interviewer und
Befragter persönlich begegnen und diese Situation längere Befragungen zulässt. Längere
Befragungen auf dem Desktop waren oft noch „im Rahmen des Möglichen“. Wir sagen
dies deshalb so zurückhaltend, da in einigen Studien die Datenqualität über den Befra-
gungsverlauf hin analysiert wurde und sich dabei auch bei Desktop-Befragungen eine
gewisse Befragten-Fatigue gezeigt hat. Als Fatigue bezeichnen wir hier den nachlassenden
Aufmerksamkeitsgrad eines Befragten mit zunehmender Dauer der Befragung und die in
der Folge unaufmerksameren Antworten.
Aber wir hatten Ergebnisse! Immerhin, was will man mehr? Smartphones jedoch sind
hier weniger gnädig als Desktops. Die Abbruchrate bei Befragungen ist auf Smartphones
deutlich höher als auf Desktops. Nun sind wir in der Situation, in der wir statt schlechter(er)
Antworten nun gar keine mehr erhalten. Es ist also an der Zeit, etwas umzudenken.

Deutlich kürzere Befragungen

Wir werden künftig kürzere Befragungen durchführen. Noch hat sich keine Länge offiziell
als Grenze qualifiziert, aber grundsätzlich zeigt sich: Je kürzer, desto besser ist die Moti-
vation der Befragten (und damit die Datenqualität). Für uns Forscher heißt das vor allem,
dass wir effizientere Fragebögen aufsetzen werden, um nach wie vor unseren Kunden mög-
lichst viel Inhalte zur Verfügung stellen zu können. Mehr Antworten in kürzerer Zeit ist
sicherlich eine der zentralen Herausforderungen, vor der wir stehen.
Wir haben ein paar goldene Regeln zusammengetragen, die bei der Entwicklung kur-
zer und prägnanter und damit effizienter Fragebögen helfen können:

1. Spare jedes Wort im Fragentext und den Antworten!


2. Reduziere die Anzahl an Matrixfragen bzw. achte auf eine gute Darstellung dort, wo sie
nicht vermeidbar sind!
3. Beschränke die Anzahl der Antworten in Listen!
4. Verwende einfache Sprache mit wenig erklärenden Texten oder Zusatzinformationen.
Je mehr Text der Befragte sieht, desto eher wird er ihn nicht lesen, sondern überfliegen!
5. Verzichte auf Fragen, die nicht zwingend notwendig sind!
6. Modularisiere Deinen Fragebogen, wenn möglich!
206 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

So banal und einfach diese Regeln sein mögen, so anspruchsvoll sind sie in der tatsäch-
lichen Umsetzung. Die Erfahrung zeigt, dass die gleichzeitige Anwendung all dieser Vor-
gaben von Anfang an sehr schwer ist, da es bedeutet, dass man sich direkt auf die Essenz
der Befragung und jeder einzelnen Frage konzentrieren muss. Und das ist, insbesondere
bei komplett neu aufgesetzten Befragungen, sehr schwer. Im Tagesgeschäft haben wir fest-
gestellt, dass eine iterative Herangehensweise die beste ist:

• Zunächst schreiben wir unsere Fragen „einfach runter“ und versuchen damit, einen
nachvollziehbaren Aufbau und Verlauf der Befragung sicherzustellen.
• Erst danach reduzieren wir schrittweise die Fragen und Texte auf die kürzestmögliche
Form.

Dies erfordert am Anfang ein wenig Übung und auch die enge Zusammenarbeit aller
Beteiligten. Neben dem Willen und der Bereitschaft, auf erklärende oder einleitende Texte
zu verzichten, gehört auch die Bereitschaft dazu, die eine oder andere Frage einfach zu
streichen.
Insbesondere die beiden letzten Punkte auf der oben gezeigten Liste (auf Fragen ver-
zichten bzw. Fragebögen modularisieren) erhöhen die Bedeutung der Konzeption in der
Anfangsphase einer Untersuchung:

• Warum wird diese Untersuchung gemacht?


• Wer wird damit arbeiten?
• Welche Entscheidungen oder Konsequenzen sollen damit möglich werden?

Je mehr Fragen zum Hintergrund und zur Business-Relevanz im Vorfeld bekannt sind,
desto leichter fällt es, den Fokus auf das Wesentliche später beizubehalten. Wir verwenden
hierfür einen systematischen Prozess, mit dem wir im Vorfeld ein möglichst genaues Bild
von dem Ziel und Zweck der Befragung bekommen. Auch das ist nicht neu, auch das
haben wir in der Vergangenheit in der Marktforschung getan. Dennoch blieb etwas mehr
Spielraum bezüglich der Länge und der Komplexität der Befragung. Wir brauchen also
künftig mehr „Mut zur Lücke“ – und aus eigener Erfahrung wissen wir, wie schwer das
oft ist.

Veränderungen am Interface Design

Eine gute mobil-optimierte Befragung beginnt im Kopf des Forschers und nicht bei der
Technik. Keine Software und kein Programmierer eines Fragebogens kann ein nicht
mobil-optimiertes Fragebogenkonzept mobil-optimiert umsetzen. Daher haben wir diesen
Punkt – das Design, das Schreiben des Fragebogens – auch zuerst im vorherigen Abschnitt
behandelt. Technik und visuelle Umsetzung sind aber von gleich großer Bedeutung: Es ist
eben der zweite, nicht der erste Schritt.
Wir versuchen in der täglichen Arbeit, bereits während der Erstellung von Fragebögen
einen Blick für die spätere Darstellung auf dem Bildschirm zu haben. Wir gehen dabei
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 207

nicht so weit, dass wir wie im Bereich der Software-Entwicklung Prototypen erstellen.
Jedoch greifen wir immer mal wieder auf einzelne dieser Techniken zurück und skizzieren
einzelne Fragen auch schon mal früh auf dem Papier. Dies ist insbesondere bei neuen Fra-
gen sehr hilfreich, die wir bisher nicht auf dem Smartphone umgesetzt haben.
Damit wird der Marktforscher stärker als früher in den Bereich der späteren Visuali-
sierung eingebunden. Insgesamt gesehen gibt es einen breiten Spielraum für die visuelle
Umsetzung einer Befragung, jedoch sollte stets der Kontext der Befragung berücksichtigt
werden. Einige Fragen im Vorfeld können bei der visuellen Aufbereitung und Planung
helfen:

• Welche Zielgruppe soll befragt werden?


• Wird die Befragung im Kontext eines bestimmten Events aufgesetzt?
• Hat der Kontext der Befragung Einfluss auf Ladezeiten oder die Sichtbarkeit von
Fragen?

Neben diesen beispielhaften Fragen haben wir dennoch einige grundsätzliche Krite-
rien identifiziert, die beim Design der Umfrage sehr helfen:

1. Entwickle die Fragen stets für den kleinsten Bildschirm! Sie funktionieren dann auto-
matisch auf größeren.
2. Schreibe stets für den „Portrait Mode“ (Smartphone wird dabei hochkant genutzt)!
Dies ist derzeit der häufigste Nutzungsmodus dieser Geräte.
3. Wenn sinnvoll: Setze mehrere einfache Fragen auf einen Screen! Dies verkürzt die
gefühlte Interviewzeit.
4. Die Umsetzung soll den Befragten aktiv bei der Beantwortung der Fragen unterstützen,
achte daher auf Details:
a. große und klare Eingabeoptionen (gut bedienbare Checkboxes oder klickbare
Antworten)
b. großer Vorwärts-Button
c. sinnvolle Unterstützung numerischer Eingaben, zum Beispiel Roll Balls oder auto-
matisches Aufpoppen großer numerischer Tastaturen.
4. Verzichte auf Features oder visuelle Materialien, die entweder nicht auf jedem Smart-
phone-Modell gut darstellbar sind oder die die Ladezeiten des Interviews verlängern!
5. Teste, teste, teste – auf diversen Geräten, mit echten Befragten vor Beginn
der Umfrage in einem kurzen qualitativen Test und mit unterschiedlichen
Verbindungsgeschwindigkeiten!

Praxisbeispiel 1: Mobile first bei einer multi-nationalen Online-Befragung


Zur Illustration ziehen wir nun als Beispiel eine Umfrage heran, die wir in mehr als 50
Ländern optimiert für Smartphones, Desktop-Computer und Tablets aufgesetzt haben.
Unser Ziel war es, den Inhalt einer nicht mobil-optimierten Vorgänger-Umfrage mit mög-
lichst wenig Informationsverlust neu aufzusetzen. Es war dabei jedoch bereits im Vorfeld
208 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

klar vereinbart, dass sich die Fragen, Fragetypen und Antwortoptionen möglicherweise so
stark ändern werden, dass keine Zeitreihe der Daten möglich sein würde.
Neben den bereits diskutieren goldenen Regeln für die Entwicklung mobil-optimierter
Fragebögen haben wir den Kontext, in der die Umfrage stattfinden sollte, in das Design der
Umfrage einbezogen. Diese Befragung wurde in einem großen internationalen Kontext
aufgesetzt, unter anderem mit den folgenden Herausforderungen:

• viele unterschiedliche Sprachen


• viele Kulturen
• unterschiedliche Netzwerkgeschwindigkeiten und damit eine unterschiedliche techni-
sche Länge in den verschiedenen Ländern
• viele unterschiedliche Smartphone-Modelle

Der Kontext war somit sehr komplex. Viele Faktoren beeinflussten die spätere Darstel-
lung der Fragen auf den Bildschirmen. Zunächst haben wir für uns definiert, was wir unter
einem guten Umfrageerlebnis verstehen:

• Der Befragte soll die Fragen möglichst schnell beantworten können.


• Er soll dabei ein angenehmes Befragungserlebnis haben.
• Und dies soll auf vielen unterschiedlichen Geräten und in unterschiedlichen Netzwerk-
geschwindigkeiten möglich sein.

Wir haben uns auf Grundlage dieser Überlegungen für ein sehr schlichtes Design ent-
schieden und insbesondere auf Bilder, Icons oder andere visuelle Stimuli verzichtet, die
kulturell unterschiedlich interpretiert werden oder die Ladezeiten des Interviews negativ
beeinflussen könnten. Wir legten sehr großen Wert darauf, die Darstellung über alle Bild-
schirme – inklusive Computer und Tablets – möglichst ähnlich zu gestalten, und haben
vor allem jedes einzelne Wort und jede Frage auf die „Goldwaage“ gelegt. Wir haben auf
Details geachtet wie große und eingängige Antwort-Checkboxen (siehe Abbildung 4.3),
große und zentrierte Vorwärts-Buttons (siehe Abbildung 4.4) oder das automatische Öff-
nen der großen Zahlen-Tastatur bei numerischen Fragen (siehe Abbildung 4.5).
Der Erfolg gab uns Recht. Wir konnten sehr reichhaltige Inhalte analysieren, die wir
– im Vergleich zur Vorstudie – in deutlich kürzerer Zeit erhoben haben. Die Studie lief
sehr gut durchs Feld mit sehr geringen Abbruchraten über alle Länder und Geräte hinweg.
Was uns vor allem beeindruckt hat: Wir haben die Umfrage die ganze Zeit für den kleins-
ten Bildschirm – für das Smartphone – entwickelt. Ein besonders positiver Aspekt kam
jedoch beim Ausfüllen des Interviews auf dem großen Computer- oder Laptop-Bildschirm
zum Vorschein: Das Interview wirkte wunderbar aufgeräumt und übersichtlich, die Fragen
waren sehr schnell und einfach zu erfassen. Kurz und gut: Die Umfrage wirkte sehr viel
leichter und angenehmer auf den Befragten. Wir haben also mit unserer Optimierung für
den Smartphone-Bildschirm die gesamte Umfrage auf allen Bildschirmen verbessert.
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 209

Abb. 4.3: Mobiloptimierung 1: Kurze Fragen, klare Gestaltung, einfache Buttons

Abb. 4.4: Mobiloptimierung 2: Großer Vorwärts-Button


210 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.5: Mobiloptimierung 3: Öffnen einer Zahlen-Tastatur für numerische Eingaben

Wir sind der Überzeugung, dass damit auch die Datenqualität steigt. Und das ist sehr
wichtig, da die Usability-Forschung der letzten Jahre eine zentrale Erkenntnis gezeigt hat,
dass nämlich Nutzer eine Webseite nicht lesen, sondern lediglich überfliegen. Das haben
wir auch bei unseren Umfragen gelernt: Je mehr Text eine Frage enthält, desto eher wird sie
überflogen statt gelesen. Der kleine Smartphone-Bildschirm verstärkt diesen Effekt. Klare
kurze Fragen helfen unseren Befragten, die Frage schnell zu verstehen und zielgerichtet zu
beantworten.

Der Kontext gewinnt an Bedeutung

Ein weiterer wichtiger Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung liegt
in ihrer Mobilität. Das Internet wird zunehmend mobil, wir beobachten seit Jahren einen
kontinuierlichen Anstieg der Internetnutzung über Smartphones. Das Smartphone ist ein
Gerät mit einem außerordentlich hohen kontextuellen Bezug. Ähnlich wie im Bereich der
Online-Werbung wird somit auch die kontext-abhängige Ansprache und Rekrutierung der
Befragten eine relevante Forschungs-Taktik sein.
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 211

Kontext-abhängige Rekrutierung bedeutet kurz gesagt: Personen unter Einbeziehung


des Kontextes, in dem sie sich gerade befinden, zu einer Befragung einzuladen. Die gängige
Bezeichnung für kontextuelle Marktforschung lautet „In-the-moment Research“ – Befra-
gung genau in dem Moment, auf den sich die Umfrage bezieht. Die Intention für In-the-
moment Research liegt in der angenommenen höheren Datenakkuratesse, da die Befragung
ja tatsächlich genau in dem relevanten Moment stattfindet und nicht erst später, wenn die
Ergebnisse durch verblassende Erinnerung bereits getrübt sind. In vielen Bereichen der
Marktforschung wird dies auch bereits erfolgreich betrieben, beispielsweise im Bereich CRM
mit kurzen Intervallen zwischen Kontakt zum Service und der nachgeschalteten Zufrieden-
heitserhebung. Mobile Research bringt das Ganze also einfach nur auf eine neue Stufe.
Zwei Dimensionen gewinnen somit an Einfluss für das Befragungsgeschäft: Einerseits
die eben erwähnte kontext-abhängige Rekrutierung, also die gezielte Rekrutierung in
bestimmten Situationen. Andererseits natürlich die Situation selbst, die dadurch auf neue
Weisen analysiert werden kann. Diese Kombination bringt gerade eine Vielzahl neuer For-
schungsansätze hervor. Ein Beispiel dafür ist das, was wir „Situational (Brand-) Equity“
nennen – übersetzt „kontext-abhängige Markenpräferenz“. Dieser Ansatz geht davon
aus, dass Markenstärke und -präferenz keine statischen Konstrukte sind, sondern je nach
Kontext, Jahres- oder Tageszeit, Standort oder auch mentaler Verfassung und Stimmung
schwanken können. Für Marken oder Anbieter ist es relevant zu wissen, in welchem Kon-
text ein Konsument besonders offen und erreichbar für die Marke ist, um den Konsumen-
ten in diesen Situationen gezielt anzusprechen. Für Marken bietet sich hiermit die Chance,
genau diese Dynamiken unter Einbeziehung des Kontextes zu erforschen.
Wir möchten gerne ein bestimmtes Beispiel zur Illustration heranziehen: den Einfluss
verschiedener Faktoren auf die Wahl eines Getränkes beim abendlichen Kneipengang.

Abweichende Ergebnisse durch In-the-moment Research

Herkömmliche Befragungen und In-the-moment Research können durchaus unterschied-


liche Ergebnisse liefern. Was sind die Konsequenzen daraus?

Praxisbeispiel 2: In-the-moment-Befragung in der Location


In einem Experiment wurde eine vergleichbare Zielgruppe – junge Menschen, die mindes-
tens einmal pro Woche in den Pub gehen – mit zwei unterschiedlichen Methoden befragt:
Einmal durch eine klassische Online-Befragung (in der Regel) am stationären Rechner
und einmal In-the-moment, also via Smartphone abends im Pub. Kern der Befragung
waren die wesentlichen Faktoren für die Getränkewahl.
Rückwirkend betrachtet sind laut herkömmlicher Befragung durchschnittlich drei
Faktoren für die abendliche Getränkewahl ausschlaggebend: neben der Marke auch noch
Preis und Promotions. Eine vergleichende In-the-moment-Befragung an dem Abend, an
dem die Befragten in einer Bar oder Kneipe waren, ergab nur einen einzigen Auswahlfak-
tor: die Marke. Promotions und Preis spielten kaum eine Rolle. Gleiches Thema, eklatant
212 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

unterschiedliche Ergebnisse! Und was ist jetzt richtig? Die In-the-moment-Befragung, da


näher am Geschehen?
Zunächst einmal ist in einer solchen Situation nicht ein Ergebnis automatisch richtig
und das andere falsch, es ist in einem unterschiedlichen Kontext entstanden. Neben der
Chance, Menschen in genau dem relevanten Kontext zu befragen, kommt nun also die
Herausforderung, den Kontext in die Analyse einzubeziehen. Fassen wir kurz einige Ker-
nergebnisse dieser vergleichenden Erhebungen zusammen:

1. Die Marke ist in beiden Erhebungen von hoher Bedeutung.


2. Der Preis spielt nur in der Online-Umfrage eine Rolle, kaum aber in der
In-the-moment-Erhebung.
a. Bei einer späteren Befragung werden Entscheidungen stärker rationalisiert, so dass
dem Preis hier eine höhere Bedeutung zukommt.
b. In der aktuellen Entscheidungssituation tendieren Menschen zu einer erheblichen
Komplexitätsreduktion und fällen Entscheidungen schneller und basierend auf
weniger Faktoren. Man kann daher die Ergebnisse dahingehend interpretieren,
dass die Marke in einer konkreten Entscheidungssituation eine starke Orientie-
rung bieten kann, inklusive des Wissens bzw. der Annahme, dass der Preis eines
Getränks dieser Marke innerhalb eines akzeptierten Preiskorridors liegt.
3. Promotions spielen in der situativen Erhebung ebenfalls kaum eine Rolle, in der
Online-Erhebung schon.
a. Hier ist natürlich das Wissen um das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein
einer Promotion in der Befragungssituation von großer Bedeutung. Wenn es keine
Promotions gab, dann können sie entsprechend keine Rolle gespielt haben. Ist das
der Fall, so muss dieser Faktor aus der Analyse ausgeklammert werden.

Eine mögliche Interpretation, die sich aus diesem Beispiel ergibt, könnte also lauten:
Die Marke ist in dieser Kategorie das Entscheidungsmaß, auf welches die Mehrheit der
Personen fokussiert. Entsprechend sollte diese Marke konsequent so positioniert werden,
dass sie der Zielgruppe eine sicherere Entscheidungsgrundlage liefert. Zusätzlich ist der
Kontext ein entscheidender Faktor: Welche Peer-Group oder Situation hat in dieser Studie
zu eben diesem Fokus auf die Marke geführt?
Aus unserer Sicht zeigt dieses Beispiel sehr eindrucksvoll die neuen Ebenen, die mit
Mobile Research auf uns zukommen:

• Eine neue Möglichkeit heißt nicht automatisch, dass sie besser ist – zunächst ergänzt
sie das bestehende Instrumentarium.
• Die Ergebnisse, die eine solche – kontextuelle – neue Methode liefert, müssen in den
Kontext, in dem die Befragung stattfand, eingebunden und vor diesem Hintergrund
interpretiert werden.
• Ebenso sollten diese Ergebnisse konstruktiv in die bisher bekannten Erkenntnisse ein-
gebettet werden.
Einfluss von Mobile Research auf die Online-Marktforschung 213

In-the-moment Research liefert uns daher eine sehr sinnvolle Option, zusätzliche
Erkenntnisse zu generieren und mit dieser ergänzenden Information das bestehende Wis-
sen zu erweitern. Das hier genannte Beispiel war eine so genannte „event-getriggerte“
Befragung, bei der die Situation, in der sich der Befragte befand, eine Kurzbefragung aus-
gelöst (getriggert) hat. Natürlich gibt es noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten, die hier
nicht ausführlich diskutiert werden sollen. Dennoch: Was bedeutet das für die Online-
Marktforschung der Zukunft?

Die Bedeutung situativer Rekrutierungsmöglichkeiten

Das Wissen um situative Rekrutierungsmöglichkeiten wird bedeutender: Kurzbefragun-


gen direkt in bestimmten Läden? Nur Nutzer einer bestimmten App? Befragung von Per-
sonen an Flughäfen oder im Urlaub? Nur morgen oder abends?
Wir Forscher werden uns mit diesen Fragen auseinandersetzen und verstehen lernen,
wann die Einbettung einer Befragung in einen anderen Kontext sinnvoll ist. Ähnlich wie
Werbetreibende werden wir versuchen, einen kontextuellen Mehrwert für unsere Befra-
gung und die erhobenen Erkenntnisse zu schaffen, um die mobilen Geschäftsmodelle und
Werbeaktivitäten unserer Kunden mit entsprechend darauf ausgelegten Befragungen sinn-
voll zu ergänzen. Mobile Research eröffnet uns damit die Chance, dort zu befragen, wo die
Kunden unserer Kunden sind. Gleichzeitig werden wir dabei zunehmend die Akzeptanz
unserer Befragungen im Auge haben, damit wir auch qualitativ hochwertige Antworten
bekommen. Zusätzlich haben wir die Aufgabe, den Kontext zu verstehen und diesen als zu
interpretierende Variable in die Analyse einzubinden.
Zusammenfassend können wir also festhalten, dass sich vielfältige neue Ansätze ent-
wickeln werden, die neue Fragen beantworten, aber auch neue Fragen aufwerfen werden.
Es kommen neue und vielfältige Dimensionen in der Planung und auch der Analyse der
Ergebnisse hinzu. Das hier zitierte Beispiel ist aus unserer Sicht nur eines von vielen.

Einfluss von Mobile Research auf die Stichproben

Es gibt auch noch einen weiteren Aspekt, den wir kurz diskutieren möchten. Eine wach-
sende Gruppe von Internet-Nutzern geht entweder ausschließlich oder bevorzugt über das
Smartphone online. Wenn wir diesen Menschen keinen Zugang zu unseren Umfragen bie-
ten, so riskieren wir, diesen Bevölkerungsanteil nicht in unseren Ergebnissen abzubilden.
Da diese Gruppe wächst – und zwar weltweit – bedeutet das, dass wir ohne eine konse-
quente Ausrichtung in Richtung Mobile Research diese Personen mit klassischen Desktop-
Befragungen ausschließen. Neue Panelisten melden sich zunehmend über ihr Smartphone
bei den klassischen Panels an und werden durch mangelnde Optimierung der Fragebögen
im schlimmsten Fall so demotiviert, dass sie das Panel verlassen. Mit mobil-optimierten
Befragungen helfen wir den Online Access Panels, auch weiterhin eine gute Stichproben-
qualität zu liefern.
214 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Warum soll das alles gut sein?

Eingangs hatten wir erwähnt, dass die Auswirkungen von Mobile Research auf die
Online-Marktforschung vielfältig, einschneidend und gut seien. Was genau macht es gut?
Dafür möchten wir die wesentlichen Kernpunkte dieses Beitrags noch einmal Revue pas-
sieren lassen:

• Wir finden es GUT, dass es neue Forschungsansätze geben wird, die uns Zugang zu
neuen Erkenntnissen gewähren.
• Wir finden es auch GUT, dass uns Smartphones in unserer Rolle als Forscher heraus-
fordern und wir uns so stärker als früher darauf besinnen (müssen), die Zumutbarkeit
unserer eigenen Umfragen stärker auf den Prüfstein zu stellen.
• Wir glauben, dass wir somit bessere Daten erzielen – und das ist GUT.
• Wir freuen uns auf vielfältige neue Ansätze und Herausforderungen, da wir einschnei-
dende Veränderungen mögen.

Wir hoffen, dass dieser Aufsatz die Lust auf Mobile Research weckt und wünschen allen
Lesern viel Spaß!

Gabriele Herrmann ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich der Marktforschung tätig.
In ihrer aktuellen Tätigkeit ist sie als Director bei TNS Infratest verantwortlich für
große, globale Umfragen rund um den digitalen Konsumenten. Von Beginn an hat
sie sich mit dem Bereich der Online-Marktforschung und mit immer neuen Metho-
den beschäftigt. Zusätzlich ist sie ausgebildeterer Usability Consultant. Neben ihrer
inhaltlichen Expertise im Bereich der Marktforschung ist ein besonderer Schwer-
punkt die Umsetzung und Auslieferung von Umfragen im internationalen Umfeld
auf mobilen Endgeräten. Hier bringt sie ihre Erfahrung im Bereich der Entwicklung
komplexer Marktforschungs-Projekte mit Design- und UX-Kriterien im Bereich
Interface-Design zusammen.
Walter Freese ist im Digital Centre von TNS Infratest seit 2012 verantwortlich für
den Wachstumsmarkt Mobile. Im Rahmen dieser Aufgabe kümmert er sich um
die Vermarktung aktueller Studien sowie um den Einsatz mobiler Endgeräte in der
modernen Marktforschung. Zuvor hat er bei der TNS Emnid Medienforschung viele
Jahre die Entwicklung innovativer Instrumente zur Erfolgskontrolle im Bereich Cor-
porate Communications und Corporate Publishing vorangetrieben und die Werbe-
trägerforschung für Fachmedien betreut. Bereits seit 1992 beschäftigt sich Walter
Freese mit Kommunikation und Medien – zunächst als wissenschaftlicher Mitarbei-
ter im universitären Umfeld, danach als Projektleiter bei der GfK Fernsehforschung
und seit 1998 bei TNS.
Datenqualität von Online-Panels 215

4.5 Datenqualität von Online-Panels

Marcus Dreyer und Alexandra Wachenfeld-Schell

Im Tagesgeschäft müssen Marktforschungsprojekte häufig schnell und möglichst günstig


abgewickelt werden. Die Budgets auf Kundenseite sollen für viele Projekte im Jahr einge-
setzt werden können und meist branchenferne Einkäufer tragen dazu bei, dass man sich als
Marktforscher schon einmal vorkommt als würde man das sprichwörtliche „1 Kilogramm
Marktforschung am Stück“ verkaufen. Diese Gegebenheiten einmal vorausgesetzt: macht
es dann überhaupt noch Sinn, über die Qualität von Online-Panels nachzudenken? Zumal
Gerüchten zufolge Anbieter inzwischen – sagen wir einmal – pragmatisch mit der Markt-
situation umgehen. So sollen auch Manager von online-rekrutierten Access Panels hinter
vorgehaltener Hand Bedenken hinsichtlich der angebotenen Stichprobenqualität äußern.
Kürzlich hat Lisa Wilding-Brown in einem lesenswerten Beitrag im Greenbookblog auf
die aktuellen Probleme von Panelstichproben hingewiesen und wichtige Kriterien für die
Anbieterauswahl formuliert (Wilding-Brown 2016) [39]. Unter anderem weist sie darauf
hin, dass sich die Marktforschungsbranche einerseits über sinkende Teilnahmeraten, Fake-
Antworten, Durchklicker, Panelpooling und vieles mehr beklagt. Auf der anderen Seite
trägt sie aber durch geforderte Kosteneinsparungen intern als auch auf Endkundenseite
dazu bei, dass nur der kurzfristige Gewinn im Vordergrund steht. Denn die Einsparungen
werden letztlich immer bis ans Ende durchgereicht, also bis zu den Panelteilnehmern und
in der Konsequenz eigentlich bis zum Kunden.
Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen könnte der Artikel eigentlich jetzt
schon zu Ende sein, denn man möchte fast den Eindruck gewinnen, dass der „Kampf “
Qualität versus Kosten bereits entschieden ist, mit allen negativen Folgen für unsere Bran-
che. Aber gerade vor diesem Hintergrund halten wir es für wichtig, für das Thema Daten-
qualität von Online-Panels zu sensibilisieren. Denn Online-Befragungen haben sich eta-
bliert und sind neben telefonischen Interviews die häufigste Datenerhebungsform in der
quantitativen Marktforschung (ADM 2013, S. 22) [31]. Ein Großteil der Online-Interviews
wird über Online-Panels geführt, die befragungsbereite Personen vorhalten. Vor allem aus
methodischer Sicht (und nicht nur wegen oben genannter Rahmenbedingungen) ist zu
hinterfragen, wie die Datenqualität der Panels aufgrund unterschiedlichster Rekrutie-
rungsformen einzuschätzen ist und welche Einflüsse dies auf die Aussagekraft der Ergeb-
nisse von Panelbefragungen hat (Wachenfeld und Funke 2015) [38]:

• Welchen Einfluss hat die Rekrutierungsart auf die Panelstruktur und ist es überhaupt
möglich – wenn schon nicht bevölkerungs-repräsentativ – zumindest internet-reprä-
sentative Stichproben online zu befragen?
• Lohnt sich der Aufwand aktiver und aufwändiger Rekrutierungsverfahren überhaupt
noch und welche Relevanz haben diese Aspekte im Tagesgeschäft? Dies ist ange-
sichts eines tobenden Preiskampfes der Panelanbieter und eines nahezu inflationär
216 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

verwendeten Repräsentativitätsbegriffs zu bewerten, bei dessen Verwendung man sich


des Eindrucks nicht erwehren kann, dass der Begriff seine eigentliche Bedeutung ein-
zubüßen beginnt und eher im Sinne eines Gütekriteriums verwendet wird, das keines
Nachweises bedarf.

Um die oben genannten Fragen beantworten zu können, haben wir im LINK Insti-
tut 2014 eine vergleichende Methodenstudie durchgeführt, in der vier online-rekrutierte
Access Panels mit dem instituts-eigenen CATI-rekrutierten Panel hinsichtlich Datenqua-
lität, Antwortverhalten, Aspekten des Fragebogendesigns und ähnlicher Merkmale ver-
glichen wurden. Als Stichprobenmerkmal wurde Online-Repräsentativität in der Alters-
gruppe von 14 bis 69 Jahren vorgegeben, es wurde quotiert nach Alter und Geschlecht
(Basis: Best4Planning 2013) [33]. Da wir neben dem Stichprobenvergleich ebenfalls Unter-
schiede nach den Endgeräten untersuchen wollten, über die der Zugriff auf die Befra-
gung erfolgte, haben wir neben dem klassischen Online-Fragenbogen auch ein mobiles
Design für den Zugriff über Smartphone und Tablet angeboten. Einer weiteren Gruppe
wurde ein responsives Design zugespielt, bei dem sich die Ausgabe automatisch an das
Endgerät anpasste. Den genauen Studienaufbau und die Stichprobengrößen verdeutlicht
Abbildung 4.6.
Die für uns eher zweitrangigen, eigentlichen Befragungsinhalte behandelten Einstel-
lungen und Meinungen zu den Themenfeldern Energie, Versicherung und Automobil.
Maßgeblich war für uns aber die Überprüfung der nachfolgenden Hypothesen, ergeben
sich doch hieraus Handlungsrichtlinien für den Marktforschungsalltag.

Abb. 4.6: Studiensteckbrief (Studiendesign)


Datenqualität von Online-Panels 217

Hypothesen

• Der Rekrutierungsweg beeinflusst die Zusammensetzung der Stichprobe.


• Die CATI-Rekrutierung erreicht andere Internetnutzertypen.
• Die Internetnutzertypen weisen signifikante Unterschiede auf hinsichtlich Informati-
onsverhalten und Antwortverhalten.
• Die Rekrutierung beeinflusst die Befragungserfahrung.

Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten und der Internetnutzung


Bei einer immer mobiler werdenden Gesellschaft und einem stetigen Wandel der Kommu-
nikationsgewohnheiten sowie der benutzten Endgeräte stellt sich bei quantitativen Erhe-
bungen, die zu repräsentativen Ergebnissen führen sollen, die Frage: Wen befragt man wo
und wie – wen erreicht man wo und wie?
Allein das Smartphone hat zu einer deutlichen Veränderung von selbstverständlichen
Nutzungsgewohnheiten geführt. Haben 2012 noch ca. 43% der 14-29jährigen das mobile
Internet mindestens gelegentlich genutzt, so sind es heute 75% (ARD/ZDF 2015) [32].
Dies vorausgesetzt ergeben sich für die Marktforschung verschiedene Herausforderungen
für Befragungen: Fragebögen müssen in Bezug auf Länge, Design und Funktionalität der
Nutzungssituation und dem Endgerät Rechnung tragen, will man keine systematischen
Verzerrungen provozieren, zum Beispiel weil ein Fragebogen nur unkomfortabel mobil
auszufüllen ist.
Schaut man sich die Gesamtbevölkerung an, so sind immer noch über 20% nicht
online.16 Wen erreicht man also? Bereits die Betrachtung der einzelnen Altersgruppen zeigt
deutliche Unterschiede in der Nutzungsart und -frequenz des Internets. Genauso wich-
tig ist es aber auch, psychographische Merkmale, Wertvorstellungen und die soziale Lage
zu berücksichtigen. Betrachtet man alle Internetnutzer und bildet Typen nach den oben
genannten Merkmalen, dann lag der Anteil defensiver Nutzer (Digital Outsider) – gemäß
der 2013 aktualisierten Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im
Internet (DIVSI) – bei rund 37%, die Gruppe der Digital Immigrants umfasste ca. 19% und
die vielzitierten Digital Natives vertraten ca. 44% der Internetnutzer (DIVSI 2013) [34].
Die digitalen Outsider sind vornehmlich ältere Personen des bürgerlichen Mainstreams
und zeichnen sich durch eine defensive, vorsichtige Internetnutzung aus. Die digitalen
Immigranten lesen eher das Manual eines Gerätes, drucken eine E-Mail aus und fragen
gerne noch einmal nach, ob eine E-Mail denn auch angekommen ist. Sie sind kompetente
Nutzer des Mediums, weisen aber – in Abgrenzung zu den Digital Natives – neben einer
niedrigeren Nutzungsfrequenz auch eine kritisch hinterfragende Haltung hinsichtlich
des Internets auf. Die Digital Natives richten (neue) Geräte intuitiv ein, systematisieren
Mails online und gehen selbstverständlich davon aus, dass der Adressat eine Mail erhalten
und gelesen hat. Man muss kein Marktforscher sein, um nachvollziehen zu können, dass

16
Knapp 80 Prozent der Deutschen sind online – aber die Nutzungsfrequenz ist weiterhin stark
altersabhängig (ARD/ZDF 2015) [32]
218 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

alleine diese Fakten relevant für die tägliche Marktforschungspraxis und die Beurteilung
von Online-Stichproben sind.

Der Rekrutierungsweg beeinflusst die Zusammensetzung der Stichprobe


Unsere These geht davon aus, dass Online-Panels, die rein über das Internet rekrutiert
wurden, eine andere Mitgliederstruktur aufweisen als zum Beispiel telefonisch rekrutierte
Panels. Wo liegen aber nun soziodemographische und psychographische Unterschiede,
die sich über den Rekrutierungsweg ergeben können? Betrachten wir zunächst die sozio-
demographischen Aspekte.
Eine Verzerrung aufgrund der formalen Bildung lässt sich bei Stichproben aus Online-
Access Panels nicht gänzlich vermeiden, denn ältere Personen mit formal niedriger Bil-
dung, die nicht oder kaum online erreichbar sind, sind in diesen Panels keine Mitglieder.
In unserem Vergleich konnten wir aber feststellen, dass sich über eine aktive telefonische
Ansprache – und damit über einen den Personen vertrauten Kommunikationskanal – for-
mal niedriger gebildete Personen und Personen mit einer abgeschlossenen Lehre deutlich
besser erreichen lassen (siehe Abbildung 4.7).
Die durchschnittlich größeren Haushalte, der höhere Anteil an Personen mit abge-
schlossener Lehre sowie ein leicht höheres Durchschnittsalter in der Soziodemographie
der telefonisch rekrutierten Panelisten spiegeln sich in einem höheren Einkommen wider,
das in seiner Verteilung deutlich näher an den verfügbaren Referenzdaten liegt (siehe
Abbildung 4.8).

Abb. 4.7: Stichprobenzusammensetzung (Soziodemographie: Bildung)


Datenqualität von Online-Panels 219

Abb. 4.8: Stichprobenzusammensetzung (Soziodemographie: Haushaltsnettoeinkommen)

Was bedeuten nun diese Erkenntnisse? Um eine bevölkerungs-repräsentative Stich-


probe abzubilden, werden in der Regel Gewichtungen eingesetzt. Dem Einsatz und den
Grenzen von Gewichtungen kann man sicher einen eigenen Artikel widmen, daher an die-
ser Stelle nur der Hinweis, dass statistisch akzeptable Gewichtungsfaktoren zwischen 0,5
und unter 2,0 liegen. In unserer Studie zeigt sich im Vergleich, dass hinsichtlich der Merk-
male Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße und Bildung die CATI-rekrutierte Online-Stich-
probe einer deutlich geringeren Anpassung an die Referenzzahlen per Gewichtung bedarf
als die Stichproben der Access Panels: Betrachtet man die jeweiligen Gewichtungsspannen,
so liegt die Spreizung der Access Panels zwischen 0,25 bis 4,4, in der CATI-rekrutierten
Stichprobe bei 0,6 bis 2,7. Online rekrutiert müssen gut 20% der Fälle mit deutlich höheren
und niedrigeren Gewichten (als 0,5 bis 2,0) versehen werden, CATI rekrutiert sind es nur
2% (siehe Abbildung 4.9).
Da hohe oder sehr tiefe Gewichte grundsätzlich die Gefahr bergen, Verzerrungen zu
potenzieren, sind Gewichtungsfaktoren auch gleichsam ein Gütemaß für die eingesetzte
Auswahlgrundlage. Je näher die Gewichtungsfaktoren um den Wert 1 liegen, desto eher
stellt die Stichprobe ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit dar. Dies gelingt der
aktiv telefonisch rekrutierten Stichprobe an dieser Stelle augenscheinlich besser.
Darüber hinaus gilt es bei Gewichtungen auch immer kritisch zu hinterfragen, was
denn gewichtet wurde. Ein Beispiel: gewichtet man in einem Online-Panel die Altersver-
teilung ausgerichtet an Referenzwerten für die Gesamtbevölkerung, dann gelingt es sicher,
den Anteil älterer Befragter zum Beispiel ab 60 Jahren rechnerisch deutlich zu erhö-
hen. Wird aber die Bildung oder eine mit ihr korrelierende Variable nicht ebenfalls in
die Gewichtung einbezogen, dann ist davon auszugehen, dass der Anteil hochgebildeter
220 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.9: Vergleich Gewichtungsfaktoren

Senioren deutlich überzeichnet wird. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Internet
in dieser Altersgruppe überproportional häufig von höher gebildeten Personen genutzt
wird. Wird dann noch der Forschungsgegenstand durch die Variable Bildung beeinflusst,
wie dies beispielsweise bei der Affinität zu bestimmten Produkten, zu Zeitungen oder zu
Serviceleistungen der Fall ist, dann kann auch schnell eine Schätzung des Marktpotenzi-
als bei Produkt-Launches, die Berechnung einer Kaufwahrscheinlichkeit oder vieles mehr
von dieser Schiefe verzerrt werden. Schon aus diesem Grund ist der Blick auf die Auswahl-
grundlage und die Stichprobe entscheidend.

Die CATI-Rekrutierung erreicht andere Nutzertypen


Besonders deutlich werden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rekrutierungs-
wegen, wenn man die Internetnutzung vergleicht. Insbesondere bei der „mehrfach tägli-
chen“ Nutzung lassen sich deutliche Differenzen in den Stichproben ausmachen. Die CATI-
rekrutierte Stichprobe liegt wesentlich näher an den Referenzwerten (siehe Abbildung 4.10).
Dieser Zusammenhang wird auch durch vergleichbare Ergebnisse bei einer länder-
übergreifenden Studie im Rahmen der digitalen Agenda der europäischen Kommission
gestützt (Statista 2011) [36]. Auch hinsichtlich der Dauer der Internetnutzung ergeben sich
große Unterschiede in den Stichproben, so dass es an dieser Stelle sicher nicht vermessen
ist zu konstatieren, dass die Stichproben der Access Panels tendenziell aus Digital Natives
bestehen – mit allen Vor- und Nachteilen für die Marktforschung (siehe Abbildung 4.11).
Datenqualität von Online-Panels 221

Abb. 4.10: Internetnutzungsfrequenz (Private Internetnutzung)

Unterschiedliche Rekrutierungen führen zu unterschiedlichem


Antwortverhalten
Betrachtet man das Ausfüllverhalten der Online-Befragung, so fällt auf, dass sich die tele-
fonisch rekrutierten Probanden mehr Zeit zum Ausfüllen nehmen (16 Minuten versus
12 Minuten) und mehr Zeichen schreiben (bei Markenfrage im Durchschnitt 21 versus
17 getippte Zeichen). Auch bei den sogenannten „Cheatern“ zeigt der Methodenvergleich
eine andere Stichprobenzusammensetzung (siehe Abbildung 4.12). Gängige Indikatoren
für diese „Qualifails“, die aus den Analysen ausgeschlossen werden müssen, um die Ergeb-
nisse nicht zu verzerren, sind folgende:

Abb. 4.11: Internetnutzungsintensität (Dauer der Internetnutzung)


222 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.12: Antwortverhalten (Bad Cases)17

• Probanden füllen den Fragebogen in einer nicht realistischen Zeit aus (in der durch-
geführten Studie 4 Minuten oder weniger bei 15 Minuten Ausfülldauer im Schnitt)17
• Probanden wählen bei Prüfitems nicht das angewiesene Item
• Probanden weisen in beiden Itembatterien (je 22 Items) keine Varianz auf in Kombina-
tion mit sehr niedriger Ausfüllzeit (hier 6 Minuten)

Unterschiedliche Rekrutierungen führen zu unterschiedlichem


Informationsverhalten
Die Vermutung liegt nahe, dass aufgrund der bisher aufgezeigten Unterschiede auch ein
unterschiedliches Informationsverhalten identifiziert werden kann. Wir können festhal-
ten, dass die CATI-rekrutierten Teilnehmer signifikant öfter ein Tageszeitungs-Abo haben
und signifikant seltener Online-Anwendungen wie Soziale Netzwerke, Online Spiele und
ähnliches nutzen (siehe Abbildung 4.13).

Unterschiedliche Rekrutierungen führen zu unterschiedlicher


Befragungserfahrung
Ein vieldiskutiertes Thema hinsichtlich der Datenqualität von Panelstichproben ist die
Mehrfachmitgliedschaft. Es ist anzunehmen, dass Personen, welche in mehreren Panels
aktiv sind, eine Befragungsroutine entwickeln, die zu einem anderen Antwortverhalten
führt. Die Aussagekraft der Ergebnisse sollte also zumindest hinterfragt werden. Im Ver-
gleich der Stichproben zeigt sich, dass die Befragten aus den Access Panels im Schnitt bei

17
Qualifail definiert anhand verschiedener Prüfitems und Varianzanalyse bei Matrixfragen in
Kombination mit Zeitmessungen
Datenqualität von Online-Panels 223

Abb. 4.13: Informationsverhalten (Unterschiede jenseits der Soziodemographie)

3,2 Panels registriert sind (CATI-rekrutiert 1,3 Panels) und zu knapp 60% an fünf oder
mehr Befragungen in den letzten vier Wochen teilgenommen haben (CATI-rekrutiert
5%). Bei diesen Zahlen liegt einem der Begriff des „Befragungs-Profis“ auf den Lippen,
aber ganz so einfach wollten wir es uns nicht machen. Mit einem Index aus der Anzahl der
Panelmitgliedschaften, der durchschnittlichen privaten Internetnutzung und der Anzahl
an Umfrageteilnahmen der letzten vier Wochen haben wir ein differenzierteres Bild der
„Befragungstypen“ gezeichnet und die Stichproben miteinander verglichen (siehe Abbil-
dung 4.14).

Abb. 4.14: Index Befragungserfahrung


224 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Letztlich werden aber unsere Vermutungen bestätigt, dass im CATI-rekrutierten Panel


kaum Befragungsprofis Mitglied sind, bei den Access Panels nach unserer Indexbildung
aber knapp 50% als Umfrageprofis bezeichnet werden können.
Was bedeutet dieses Ergebnis aber nun für die Ausfüllgüte? Vergleicht man die Typen
hinsichtlich des Ausfüllverhaltens, so können wir festhalten, dass sich Nichtprofis und
Erfahrene nicht voneinander unterscheiden. Die Nichtprofis sind aber signifikant häufiger
„good cases“ als die Befragungsprofis, bei denen mehr als doppelt so viele „bad cases“
identifiziert wurden. Ferner ist festzuhalten, dass sich Nichtprofis und Erfahrene mehr Zeit
für die Befragung nehmen – Profis sind signifikant schneller beim Ausfüllen. Keine Unter-
schiede konnten allerdings bezüglich der Anzahl Zeichen bei offenen Fragen festgestellt
werden.
Beim Medienverhalten sehen Nichtprofis mehr öffentlich-rechtliche TV-Sender und
haben häufiger eine Tageszeitung abonniert. Interessant ist, dass Profis unabhängig vom
Befragungsthema angeben, ein höheres Interesse an dem Thema zu haben, als die Nicht-
profis und die Erfahrenen. Die Frage ist, ob sie wirklich interessierter sind oder ob sie auf-
grund der zahlreichen Befragungsteilnahmen gelernt haben, dass hohe Interessenswerte
zu weniger Screen-Outs führen und somit zu höheren Incentives.

Unterschiede nach Endgeräten


Schließlich determiniert der Aspekt, wen man befragt, auch die Frage, auf welchem Gerät
man ihn oder sie um Antworten bittet und ob sich alleine aus der Nutzung eines Endge-
rätes schon relevante Unterschiede für die Datenqualität ergeben. Wie bereits ausgeführt,
sind Smartphones immer mehr verbreitet in Deutschland (2015: 46% der Mobiltelefone
sind Smartphones (TNS 2013) [37]) und nach unseren Erfahrungen sind Smartphone-
Besitzer in Online-Panels überrepräsentiert. Allerdings nehmen nur 12% per Smartphone
an Befragungen teil. Die Tendenz ist jedoch steigend, wie Abbildung 4.15 auf Basis eigener
Studien zeigt. Es ist also grundsätzlich davon auszugehen, dass immer mehr Probanden
per Smartphone an Befragungen teilnehmen werden, so dass sich an dieser Stelle ein Blick
auf die erreichbaren Personengruppen lohnt.
Im Vergleich der Endgeräte können wir feststellen, dass wir durch Smartphones jün-
gere Befragte und mehr Frauen erreichen. Tablet-Nutzer haben wir in der Übersicht nicht
dargestellt, da sich diese in ihrem Antwortverhalten und ihren Merkmalen nicht von PC-
Nutzern unterscheiden. Interessant ist, dass sich die Teilnehmer per Desktop-PC und per
Smartphone auf Basis des bereinigten Datensatzes (ohne Speeder, Qualifailer, Straightli-
ner) in folgenden Merkmalen nicht unterscheiden:

• Bildung
• Berufsabschluss
• Anzahl Personen im Haushalt
• Vorhandensein von Kindern im Haushalt
• Siedlungsgröße nach BIK
• Bundesland
Datenqualität von Online-Panels 225

Abb. 4.15: Struktur der Smartphone-Teilnehmer (LINK 2014)

• Soziale Schicht (Selbsteinstufung)


• Internetnutzungsfrequenz

Fazit

Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Art der Rekrutierung einen Einfluss
auf die Zusammensetzung der Auswahlgrundlage und damit schließlich der Stichproben
hat. Auch nach einer Gewichtung der soziodemographischen Differenzen bleiben Unter-
scheide, die sowohl auf die Art der Internetnutzung zurückzuführen sind als auch auf die
Befragungserfahrung, mit der ein Panelist an einer Umfrage teilnimmt.
Über eine aktive Rekrutierung und einen vertrauten Kommunikationskanal wie dem
Telefon lassen sich soziodemographisch wie psychographisch andere Personen für ein
Online-Panel gewinnen, als dies über die mehrheitlich auf Selbstanmeldung und Weiter-
empfehlung setzende Online-Rekrutierung der Fall ist. Der Vergleich mit für die privaten
Internetnutzer repräsentativen Referenzzahlen zeigt, dass die CATI-rekrutierte Stichprobe
hier deutlich näher an deren Verteilung liegt. Für welche Forschungsfrage nun aber wel-
ches Panel geeignet ist, sollte letztlich im Sinne des zu erzielenden Erkenntnisinteresses
entschieden werden. Gilt es im Sinne einer Hochrechnung belastbare Zahlen zu erheben,
so zeigt sich die telefonisch rekrutierte Grundlage als die bessere Wahl. Geht es hingegen
beispielsweise um ein rein experimentelles Design, so erscheint es durchaus legitim, auf
Access Panels zurückzugreifen, die über andere Wege rekrutiert wurden. Letztlich muss
man sich aber der oben ausgeführten Einschränkungen bewusst sein.
226 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Die Entwicklung des immer verfügbaren mobilen Internets wird auch zukünftig zu
einer Zunahme der Umfrageteilnahme per Smartphone führen. Dass hier besonders
jüngere Zielgruppen vertreten sind, konnte auch in unserer Studie gezeigt werden und
überrascht nicht. Dieser Veränderung in Bezug auf das genutzte Endgerät muss nun auch
konsequent in der Fragebogengestaltung und -programmierung Rechnung getragen wer-
den, will man nicht gefahrlaufen, über ein unkomfortables Fragebogendesign eine neue
Quelle der Stichprobenverzerrung zu erhalten und Personengruppen von der Befragung
auszuschließen.
Um repräsentative Daten zu erheben, muss also beides erfüllt sein – ein Fragebo-
gendesign, das niemanden ausschließt oder zum vorzeitigen Ausstieg aus der Befragung
verleitet sowie eine (idealerweise) aktiv und telefonisch/persönlich-mündlich rekrutierte
Stichprobengrundlage. Dann sind die Voraussetzungen für die Erhebung belastbarer,
hochrechenbarer Daten gegeben, die eine verlässliche Größe für Entscheidungen des Mar-
ketings darstellen.

Quellenverzeichnis

[31] ADM (2013). Jahresbericht ADM e.V.


[32] ARD/ZDF (2015). ARD/ZDF-Onlinestudie.
[33] Best4Planning (2013). b4p – best for planning. http://www.b4p.media/. Zugegriffen:
27.03.2016.
[34] DIVSI (2013). DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet –
Aktualisierung 2013. https://www.divsi.de/publikationen/studien/divsi-milieu-studie-
zu-vertrauen-und-sicherheit-im-internet-aktualisierung-2013. Zugegriffen: 20.02.2016.
[35] LINK (2014). LINK Institut, interne Analysen.
[36] Statista (2011). Nutzungshäufigkeit des Internets in europäischen Ländern in 2011.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2716/umfrage/internetnutzung-in-laen-
dern-der-eu-in-2008/. Zugegriffen: 27.03.2016.
[37] TNS (2013). TNS Connected Consumer Study.
[38] Wachenfeld, Alexandra & Funke, Frederik (2015). Optimale Bedingungen – Studie
prüft Auswirkungen von Rekrutierung und Fragebogendesign. In: Research &
Results. Nr. 4.
[39] Wilding-Brown, Lisa (2016). Survey Respondents: The Polar Ice Caps of Market
Research. http://www.greenbookblog.org/2016/02/22/survey-respondents-the-polar-
ice-caps-of-market-research/. Zugegriffen: 22.02.2016.
Datenqualität von Online-Panels 227

Marcus Dreyer ist seit 2000 in verschiedenen Führungspositionen auf Instituts-


seite in der Marktforschung tätig. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem in der
Online-Forschung, zu der er verschiedene Artikel veröffentlicht hat. Der diplomierte
Soziologe und gelernte Versicherungskaufmann beschäftigt sich intensiv mit dem
Thema „Digitalisierung der Wirtschaft“ und ist seit April 2016 auf Manager-Ebene
für das Beratungsunternehmen 67rockwell Consulting GmbH in Hamburg tätig.
Alexandra Wachenfeld-Schell war bis März 2016 im LINK Institut als Research
Director tätig und verantwortete seit 1999/2000 den Bereich der Online-Forschung
sowie den Auf- und Ausbau des telefonisch rekrutierten LINK Internet-Panels
am Standort Frankfurt. Sie hat zahlreiche Fachartikel zu verschiedenen Themen
der Online-Forschung veröffentlicht wie zum Beispiel zum Einsatz verschiedener
Frage- und Skalenformate, zur Relevanz der Stichprobengüte sowie zu den Ein-
flüssen der Fragebogendarbietung auf verschiedenen digitalen Endgeräten. Frau
Wachenfeld-Schell ist seit April 2016 Geschäftsführerin der forsa.main und auch
hier unter anderem zuständig für den Bereich der Online-Forschung sowie digitaler
Erhebungsmethoden.
228 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

4.6 Speeder und Faker in Online-Befragungen

Yvonne Prill

Erkenntnisinteresse

Der Diskurs über die Qualität von Ergebnisdaten, die im Rahmen von quantitativen
Online-Befragungen erhoben worden sind, ist nicht neu, jedoch fortwährend aktuell.
Dabei wird in der Marktforschungsbranche weitläufig unterstellt, dass die intrinsische
Motivation der Probanden ein Garant für „wahrhaftiges“ Antwortverhalten ist. Die „Wahr-
haftigkeit“ der Ergebnisse wird dabei als repräsentatives Abbild der jeweiligen Zielgruppe
interpretiert und als Basis für Marktentscheidungen genutzt.
Anhand dieser Annahmen lässt sich folgende Hypothese ableiten: Je repräsentativer
und „wahrhaftiger“ die Antworten der Teilnehmer einer quantitativen Online-Befragung
sind, desto höher ist die Datenqualität der jeweiligen Studie. Dieser Buchbeitrag setzt sich
selbstkritisch mit der „Wahrhaftigkeit“ im Sinne des repräsentativen Abbilds der Gesell-
schaft auseinander. Dafür werden Ergebnisse einer quantitativen Online-Befragung gegen-
über gestellt, die aus der Analyse von unterschiedlichen, im Sinne der gemeinen Standes-
regeln definierten Zielgruppen resultieren (Bauer et al. 2012) [40].

Repräsentatives Abbild der Gesellschaft


Im Allgemeinen wird unter Gesellschaft ein umfassendes System des menschlichen
Zusammenlebens gefasst. Vorherrschend in einer Gesellschaft sind Verhaltenserwar-
tungen, die durch Normen geregelt werden. Ein Individuum verhält sich demnach dann
normkonform, wenn es sein Verhalten an den Erwartungen der Gesellschaft orientiert.
„Konformität“ wird in der Soziologie entsprechend als allgemeine Bezeichnung für die
Befolgung von Normen und Verhaltenserwartungen der Individuen in der Gesellschaft
definiert (Fuchs-Heinritz et al. 1994, S. 358) [43].
Neben den Verhaltenserwartungen der Gesellschaft spielen für die Ausführung jeder
einzelnen Handlung des Individuums aber immer auch die jeweilige Situation und die
individuelle Motivation eine entscheidende Rolle. So können Verhaltensweisen des Indi-
viduums durch situative oder motivationale Faktoren beeinflusst werden und zu non-kon-
formem – sogenanntem devianten – Verhalten führen (Lamnek 1979, S. 11ff.) [47].
Wenn also individuelle Verhaltensweisen den Erwartungen der Gesellschaft mit ihren
vorherrschenden Normen nicht entsprechen, werden diese als deviante Verhaltensweisen
tituliert (Cohen 1959, S. 462) [42]. Diese erwartungsorientierte Definition von Devianz
hat zur Folge, dass alle individuellen Verhaltensweisen, die den Verhaltensanforderungen
widersprechen, als abweichendes Verhalten bezeichnet werden – egal ob diese lediglich
non-konform oder gar delinquent sind (Lamnek 1979, S. 46) [47].
Speeder und Faker in Online-Befragungen 229

Deviantes Verhalten beruht maßgeblich auf Werturteilen, die durch Etikettierung


und Fremdzuschreibung definiert werden. Da sich Werturteile ebenso wie Normen und
Gesetzmäßigkeiten im Laufe der Zeit verändern, ist deviantes Verhalten allein aufgrund
der historischen Entwicklung ein Bestandteil der Gesellschaft. Fortführend wird deviantes
Verhalten als „normal“ und zur Gesellschaft dazugehörig definiert. Ohne Abweichungen
von den Verhaltenserwartungen der Gesellschaft würde demnach das Gesellschaftssys-
tem nicht funktionsfähig bleiben (Durkheim 1961, S. 150ff) [43]. Um ein repräsentatives
Abbild der Gesellschaft zu schaffen, ist neben einer Vielzahl sich konform verhaltender
Individuen auch ein Anteil sich non-konform verhaltender Individuen notwendig.

Standesregeln der Marktforschung


Übertragen auf die Teilnehmer einer quantitativen Online-Befragung bedeutet dies, dass
auch Online-Befragungen unterschiedlichen Normen und Werten unterstellt werden.
Diese wurden im Laufe der vergangenen Jahre in den Standesregeln der Marktforschung
gefestigt und reglementiert (Bauer et al. 2012) [40]. Gemäß den gemeinen Standesregeln
lassen sich vor allem folgende drei Zielgruppen definieren, die innerhalb von quantitativen
Online-Befragungen als deviant gelten:

Speeder
Als Speeder werden die Teilnehmer bezeichnet, deren Verweildauer in der Befragung
darauf hinweist, dass die Fragen lediglich flüchtig gelesen und die gegebenen Antworten
„mehr oder weniger willkürlich“ getroffen wurden (Theobald 2014, S. 228) [49]. Laut der
gemeinen Standesregeln und abhängig von den jeweiligen Qualitätsstandards liegt die
Verweildauer im unteren 10- bis 25-prozentigen Perzentil, gemessen am Median aller voll-
ständig abgeschlossenen Interviews.
Auch Teilnehmer, deren Verweildauer in der Befragung im oberen 10%- bis 25%-Per-
zentil des Medians gemessen wird, können aus Qualitätsgründen aus dem Datensatz aus-
geschlossen werden, da zu vermuten ist, dass sich diese Teilnehmer nicht auf die Befra-
gung konzentriert, sondern zwischendurch andere Aktivitäten ausgeführt haben. Der
Ausschluss der sogenannten Slower ist vor allem von der Länge des Fragebogens sowie der
Möglichkeit abhängig, den Fragebogen im Verlauf der Befragung zu pausieren und obliegt
daher keiner Allgemeingültigkeit.

Faker
Als Faker werden die Teilnehmer in quantitativen Online-Befragungen bezeichnet, deren
Antworten Inkonsistenzen aufweisen oder keinen Bedeutungsgehalt besitzen. Der Bedeu-
tungsgehalt von Antworten lässt sich beispielsweise in Skalenfragen oder offenen Nennun-
gen erkennen. Wenn ein Teilnehmer in Skalenfragen, egal um welches Antwortitem es sich
gerade handelt, gleichförmige und musterhafte Antworten gibt oder aber in offenen Nen-
nungen willkürliche Buchstabenkombinationen und/oder kontextunabhängige Bemer-
kungen eingetragen werden, deutet dies maßgeblich auf einen Faker hin. Inkonsistenzen in
einem Fragebogen lassen sich durch unterschiedliche Algorithmen im Fragebogen testen.
230 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

So können inhaltlich konträre Items abgefragt werden, die gegensätzliche Skalenwerte aus-
weisen müssen.
Aufgrund des beschriebenen musterhaften und inhaltlosen Antwortverhaltens sowie
der damit verbundenen kurzen Interviewdauer überschneiden sich die Zielgruppen der
Speeder und Faker zu großen Teilen. Die Überschneidungen in unserem Fallbeispiel liegen
bei über 90%, so dass beide Zielgruppen gruppiert in der Auswertung betrachtet worden
sind.

Berufspanelisten
Als Berufspanelisten werden die Teilnehmer von quantitativen Online-Befragungen
bezeichnet, die in mehreren Panels angemeldet sind und die Teilnahme an den Befragun-
gen sozusagen als Beruf oder Berufung ansehen. Aufgrund der individuellen Erfahrungs-
werte wird ein professionelles Antwortverhalten unterstellt, das wiederum vornehmlich
durch die monetäre Aufwandsentschädigung motiviert sein soll.
Diese Teilnehmer lassen sich anhand eines einzelnen Datensatzes kaum identifizie-
ren, da das geschulte Vorgehen und das Antwortverhalten zwar im Rahmen der gemeinen
Standesregeln als deviant verstanden werden, sich jedoch innerhalb einer einzelnen Befra-
gung nicht zwangsläufig herausstellen lassen.
Im Rahmen der in diesem Buchbeitrag vorgestellten Eigenstudie wurden die Teilneh-
mer der Befragung direkt nach der Anzahl an Mitgliedschaften im keypanel sowie der
Teilnahme bei alternativen Online-Panelanbietern gefragt. Teilnehmer, die angegeben
haben, entweder in mindestens drei verschiedenen Panels angemeldet zu sein oder aber im
keypanel mehr als einen Account zu besitzen, gelten in dieser Auswertung entsprechend
als Berufspanelisten.

Sanktionen
Das deviante Antwortverhalten in quantitativen Online-Befragungen wird bereits, basie-
rend auf den gemeinen Standesregeln, in unterschiedlicher Form sanktioniert. Berufspa-
nelisten, die Mitglied bei mehreren Online-Panelprovidern sind, können im Vorfeld einer
Befragung durch den Abgleich speziell kombinierter Faktoren (Fingerprint) identifiziert
und an der mehrmaligen Teilnahme an ein und derselben Studie gehindert werden. Eine
Auszahlung des Incentives erfolgt in diesem Falle nicht.
Speeder und Faker lassen sich zumeist erst während oder nach der Befragung identifi-
zieren. Qualitäts- und Plausibilitätschecks sowie die Messung der Verweildauer innerhalb
der Befragung bieten sich an, um die Speeder und Faker bereits im Verlauf der Studie
zu erkennen und durch den Einbehalt des Incentives zu sanktionieren. Bereits beendete
Interviews von Fakern und Speedern, die Inkonsistenzen oder eine geringe Antwortqua-
lität aufweisen, können im Nachgang aus dem Datensatz entfernt werden, um diese nicht
für die Auswertung zu nutzen.
Speeder und Faker in Online-Befragungen 231

Projektspezifikationen und Zielgruppen

Konzeptioniert, durchgeführt und ausgewertet wurde die quantitative Online-Befragung


im Rahmen einer Eigenstudie der keyfacts Onlineforschung GmbH von August bis Okto-
ber 2014.

Projektspezifikationen
• Feldzeit: 16. September bis 25. September 2014
• Zielgruppe: Deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren
• Stichprobe: 2.618 vollständige Interviews
• Inzidenz: 100% (keine Selektionskriterien)
• Interviewlänge: 13 Minuten (Median)

Die ursprüngliche Stichprobe wurde nicht ausschließlich zufällig gezogen, sondern


entsprechend des Erkenntnisinteresses so modifiziert, dass explizit alle aktiven Teilneh-
mer des Online-Panels keypanel eingeladen wurden, die mindestens schon einmal durch
deviantes Antwortverhalten in vorherigen Online-Befragungen auffällig geworden sind.
Die Informationen darüber, ob ein Teilnehmer bereits einmal deviantes Antwortverhalten
gezeigt hat, resultierten sowohl aus Rückmeldungen externer Kunden als auch auf eigens
durchgeführten Studien, bei denen eine Datenbereinigung anhand unterschiedlicher Qua-
litätsstandards vorgenommen wurde.
Die Gesamtstichprobe von 2.618 vollständigen Interviews wurde in vier Zielgruppen
aufgeteilt. Darunter sind zwei konforme Zielgruppen und zwei deviante Zielgruppen:

Konforme Zielgruppen
• 500 Interviews Kontrollgruppe
• 501 Interviews Testgruppe
• Onlinerepräsentativ nach Geschlecht, Alter, Region, Bildung, Haushaltsnettoeinkommen

Deviante Zielgruppen
• 366 Interviews Faker und/oder Speeder
• 299 Interviews Berufspanelisten
• Selektion aus der ursprünglichen Stichprobe anhand der gemeinen Standesregeln

Um die Zielgruppen zu identifizieren und zu separieren, wurden im Rahmen der Befra-


gung vor allem inhaltliche Fragen zum Thema devianten Antwortverhaltens gestellt. So
wurden beispielsweise die Berufspanelisten aufgrund der Anzahl an Accounts im keypanel
sowie der Anzahl an Mitgliedschaften in unterschiedlichen Online-Panels etikettiert.
Die Speeder und Faker waren bereits im Vorfeld dieser Studie als Teilnehmer mit devi-
antem Antwortverhalten auffällig geworden. Diese wurden allerdings nur dann als Speeder
und Faker deklariert, wenn sie auch in dieser Eigenstudie durch verkürzte Verweildauer
im Fragebogen, Musterantworten oder Inkonsistenzen im Datensatz deviantes Antwort-
verhalten gezeigt haben.
232 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Die beiden repräsentativen Stichproben der Test- und Kontrollgruppe weisen keine
Kriterien der devianten Zielgruppen auf und wurden zunächst separat voneinander ausge-
wertet, um mögliche, zufällige Korrelationen in den Ergebnissen ausschließen zu können.
Im Anschluss wurden die Test- und Kontrollgruppe gruppiert ausgewertet.

Fragebogen

Thematisch wurden alle Teilnehmer in dieser Online-Befragung zu folgenden Schwer-


punkten befragt:

• Soziodemographie
Alter, Geschlecht, Region, Bildung, Haushaltsnettoeinkommen
• Mitgliedschaft im keypanel
Dauer der Mitgliedschaft, Kontaktkanal, Gründe für die Anmeldung, Anzahl der
Accounts im Panel, Mitgliedschaft bei anderen Online-Panelprovidern, Zufriedenheit,
Weiterempfehlungsbereitschaft
• Wünsche und Erwartungen an das keypanel
Anzahl der erhaltenen und gewünschten Einladungen im Monat, Relevanz des Incen-
tives, Art des Incentives, Anreize zur Erhöhung der Teilnahmebereitschaft, Relevanz
weiterer Kriterien (abgesehen vom Incentive), Störfaktoren in Online-Befragungen,
Einfluss von Störfaktoren, beliebte Frage- und Befragungsformen
• Fragen zum Antwortverhalten
Gründe für den Abbruch von Online-Befragungen, Fremd- und Selbsteinschätzung
devianten Antwortverhaltens, Gründe für deviantes Antwortverhalten, Wahrheitsge-
halt eigener Antworten, Einflussfaktoren für deviantes Antwortverhalten, Beurteilung
des Einflusses von konformem und deviantem Antwortverhalten, Interesse an Ergeb-
nissen der Online-Befragungen

Ergebnispräsentation

Für die Auswertung wurden die vier Zielgruppen (Testgruppe, Kontrollgruppe, Faker/
Speeder, Berufspanelisten) separiert voneinander betrachtet, um signifikante Abweichun-
gen zwischen den Gruppen aufzeigen zu können. Das Signifikanzniveau basiert auf dem
95%-Konfidenzintervall. Innerhalb der Diagramme werden die Signifikanzen durch fol-
gende Zuordnung hinterlegt:

• K – Kontrollgruppe
• T – Testgruppe
• F – Speeder und Faker
• B – Berufspanelisten
Speeder und Faker in Online-Befragungen 233

Abb. 4.16: Zu welcher Altersgruppe gehören Sie? (Basis: Test- und Kontrollgruppe n=1.001, Spee-
der und Faker n=366, Berufspanelisten n=299)

Alter
Speeder und Faker sind signifikant häufiger im Alter zwischen 20 und 39 Jahren. Personen
mit konformem Verhalten sind signifikant häufiger im Alter über 50 Jahren zu finden. Die-
ses Ergebnis bestätigt sich dabei nicht nur in der Kontroll- und Testgruppe, sondern auch
bei den Berufspanelisten (siehe Abbildung 4.16).

Einkommen
Auch beim Haushaltnettoeinkommen gibt es signifikante Unterschiede zwischen den
unterschiedlichen Zielgruppen. Speeder und Faker sind signifikant häufiger in der Ein-
kommensklasse von 1.000 bis 1.499 Euro monatlich zu finden. In der Kontroll- und Test-
gruppe sowie bei den Berufspanelisten wird hingegen signifikant häufiger ein monatliches
Haushaltsnettoeinkommen von 2.500 bis 4.000 Euro angegeben (siehe Abbildung 4.17).

Abb. 4.17: Wie hoch ist das monatliche Nettoeinkommen Ihres Haushalts? (Basis: Test- und Kont-
rollgruppe n=1.001, Speeder und Faker n=366, Berufspanelisten n=299)
234 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Deviantes Antwortverhalten – Selbsteinschätzung


Der allgemeine Wahrheitsgehalt der eigenen Antworten in quantitativen Online-Befra-
gungen wird von der Test- und Kontrollgruppe sowie den Berufspanelisten mit über 91%
angegeben. Die Speeder und Faker schätzen den Wahrheitsgehalt ihres eigenen Antwort-
verhaltens hingegen mit knapp 85% signifikant geringer ein.
Durchschnittlich 25% aller Teilnehmer gaben an, dass sie selbst schon einmal Antwor-
ten gegeben haben, die im Sinne der gemeinen Standesregeln als deviantes Antwortverhal-
ten definiert werden würden. Dabei liegt zwischen der Selbsteinschätzung der Kontroll-
und Testgruppe und den Fakern und Speedern kein statistisch signifikanter Unterschied
vor, obwohl die Zielgruppe der Speeder und Faker etwas häufiger angab, deviantes Ant-
wortverhalten gezeigt zu haben (siehe Abbildung 4.18).
Die bewusste Entscheidung für ein deviantes Antwortverhalten treffen 11% der Test-
und Kontrollgruppe sowie 14% der Berufspanelisten. Signifikant höhere Werte lassen
sich bei der Zielgruppe der Speeder und Faker mit 23% messen. Beabsichtigtes, deviantes
Antwortverhalten wird über alle Gruppen hinweg vor allem dann ausgeübt, wenn keine
geeignete Antwortoption vorhanden ist. Von der Test- und Kontrollgruppe werden zudem
datenschutzrechtliche Bedenken sowie das Überschreiten des eigenen Toleranzbereichs als
Gründe für bewusst deviante Antworten genannt.

Deviantes Antwortverhalten – Fremdeinschätzung


Bei der Fremdeinschätzung anderer Panelmitglieder hinsichtlich des im Sinne gemeiner
Standesregeln als deviant geltenden Antwortverhaltens variieren die Ergebnisse zwischen
den Gruppen signifikant. Hervorzuheben ist, dass über 93% der Berufspanelisten davon
ausgehen, dass (auch) andere Teilnehmer an Online-Befragungen deviantes Antwort-
verhalten zeigen. 88% der konformen Zielgruppen der Test- und Kontrollgruppe gehen
ebenfalls davon aus. Bei der Selbsteinschätzung des devianten Antwortverhaltens lagen
die Werte lediglich bei etwas mehr als 22%. Bei den Fakern und Speedern gehen hingegen
nur etwas mehr als 66% der Teilnehmer davon aus, dass (auch) andere Teilnehmer nicht
standesgemäße Antworten geben. Dieser Anteil ist signifikant geringer als der Anteil der
anderen beiden Zielgruppen (siehe Abbildung 4.19).

Abb. 4.18: Haben Sie in einer Online-Befragung schon einmal Antworten gegeben, obwohl Sie die
Fragestellung nur flüchtig gelesen oder aber diese nicht richtig verstanden haben? (Basis: Test- und
Kontrollgruppe n=1.001, Speeder und Faker n=366, Berufspanelisten n=299)
Speeder und Faker in Online-Befragungen 235

Abb. 4.19: Glauben Sie, dass es (auch) andere Panelmitglieder gibt, die in Online-Befragungen
schon einmal Antworten gegeben haben, obwohl Sie die Fragestellung nur flüchtig gelesen oder aber
diese nicht richtig verstanden haben? (Basis: Test- und Kontrollgruppe n=1.001, Speeder und Faker
n=366, Berufspanelisten n=299)

Das Verhältnis zwischen dem flüchtigen Lesen und dem nicht richtig verstehen wird
zugunsten des nicht richtigen Verstehens getroffen. Durch diese leichte Verschiebung wird
die oben aufgezeigte, eher deviante Fremdeinschätzung etwas abgemildert (siehe Abbil-
dung 4.20).

Hauptgründe devianten Antwortverhaltens


Auch bei den Hauptgründen, die von den Teilnehmern angegeben wurden, lassen sich
signifikante Unterschiede zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung wahrnehmen. So
werden im Rahmen der Selbsteinschätzung vornehmlich die Fehler in der Logik des Fra-
gebogens sowie der Einfluss der Interviewlänge auf die Konzentration als Hauptgründe
für das deviante Antwortverhalten angegeben. Zwar werden beide Gründe ebenfalls bei
der Fremdeinschätzung genannt, ein signifikanter Unterschied über alle drei Zielgruppen
hinweg lässt sich allerdings bei der monetären Aufwandsentschädigung messen.

Abb. 4.20: Wie würden Sie das flüchtige Lesen und das nicht richtige Verstehen ins Verhältnis set-
zen? (Basis: Test- und Kontrollgruppe n=1.001, Speeder und Faker n=366, Berufspanelisten n=299)
236 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.21: Selbsteinschätzung: Bitte geben Sie zum einen an, was Ihre Hauptgründe dafür sind,
dass Sie in Online-Befragungen zumindest gelegentlich Antworten geben, obwohl Sie die Frage-
stellung nur flüchtig gelesen oder aber diese nicht richtig verstanden haben? / Fremdeinschätzung:
Zum anderen interessiert uns, was Sie glauben, welche Gründe andere Teilnehmer haben, Antworten
zu geben, obwohl Sie die Fragestellung nur flüchtig gelesen oder aber diese nicht richtig verstan-
den haben? (Basis: Test- und Kontrollgruppe n=1.001, Speeder und Faker n=366, Berufspanelisten
n=299)

Anhand der Mittelwerte der drei Zielgruppen lässt sich eine Differenz von über 46
Prozentpunkten festmachen. So sagen lediglich knapp 11% der Befragten über sich selbst
aus, dass sie aufgrund des Erhalts der Belohnung deviante Antworten geben. Dahingegen
glauben jedoch über 57% der Befragten, dass andere Teilnehmer wegen des Incentives
deviantes Antwortverhalten zeigen (siehe Abbildung 4.21).

Zusammenfassung

In der hier vorgestellten Eigenstudie der keyfacts Onlineforschung GmbH wurde unter-
sucht, inwieweit die Datenqualität und einhergehend die Ergebnisse von quantitativen
Online-Befragungen aufgrund devianten Antwortverhaltens beeinflusst werden. Aus-
gangspunkt des Erkenntnisinteresses war dabei die Hypothese, dass je repräsentativer und
„wahrhaftiger“ die Antworten sind, desto höher die Qualität der jeweiligen Studiendaten
ist.

Vergleich der Zielgruppen


Die Ergebnisse der Studie haben aufgezeigt, dass vor allem zwischen der Test- und Kon-
trollgruppe sowie der Zielgruppe der Speeder und Faker signifikante Unterschiede im
Antwortverhalten nachzuweisen sind. So sind Speeder und Faker überdurchschnittlich
häufig zwischen 20 und 39 Jahren alt und haben ein eher geringes Haushaltsnettoein-
kommen. Weitere Ergebnisse zeigen, dass Speeder und Faker generell zufriedener mit den
Umfragethemen sind sowie einen höheren Weiterempfehlungswert (Net Promotor Score)
aufweisen.
Speeder und Faker in Online-Befragungen 237

Die Berufspanelisten sind in Ihrem Antwortverhalten hingegen subtiler und können


innerhalb eines Datensatzes im Prinzip kaum von der Test- und Kontrollgruppe unter-
schieden werden. Hier spielen eher motivationale Faktoren wie das Incentive, die Anzahl
der Einladungshäufigkeit sowie der Rücklauf eine entscheidende Rolle. Die Annahme,
dass aufgrund der monetären Motivation die Datenqualität leidet, konnte in unserer Stu-
die allerdings nicht nachgewiesen werden. Die Teilnehmer sehen die Mitgliedschaft im
keypanel sowie deren Bereitschaft, an unterschiedlichen quantitativen Online-Befragun-
gen teilzunehmen, eher als Beruf an und geben weitestgehend „wahrhaftige“ Antworten
auf die Ihnen gestellten Fragen. Zumindest lassen sich keine signifikanten Unterschiede
zum generellen Antwortverhalten der Test- und Kontrollgruppe ausmachen.
Anhand der Ergebnisauswertung der Test- und Kontrollgruppe wurde zudem ersicht-
lich, dass ein gewisses Potential an deviantem Antwortverhalten auch innerhalb der reprä-
sentativen Zielgruppen in quantitativen Online-Befragungen vorherrscht. Wie bereits
eingangs erläutert, ist ein gewisser Anteil an Devianz in einer Gesellschaft ganz „normal“
und auch essentiell für die Funktionalität der Gesellschaft. Dies spiegelt sich auch in den
Ergebnissen dieser Studie wider.

Selbst- versus Fremdeinschätzung


Ein weiteres Augenmerk ist auf die Selbst- und Fremdeinschätzung der Befragten zu rich-
ten. So sind über alle Zielgruppen hinweg signifikante Unterschiede zwischen den Ant-
worten für die Selbst- und für die Fremdeinschätzung aufzuzeigen. Zum Beispiel wird von
einem Viertel der Befragten über alle Gruppen hinweg angegeben, dass sie schon einmal
deviantes Antwortverhalten in Online-Befragungen gezeigt haben. Im Gegensatz hierzu
nehmen im Mittel über 82% der Befragten an, dass andere Befragungsteilnehmer schon
einmal deviante Antworten gegeben haben.
Gleiches lässt sich bei den Hauptgründen für deviantes Antwortverhalten feststellen:
Während im Mittel lediglich 11% der Befragten ihre eigenen devianten Antworten auf den
Erhalt der Belohnung zurückführen, glauben sie, das deviante Antwortverhalten der ande-
ren Teilnehmer mit über 57% anhand des Erhalts der Belohnung begründen zu können.
Die geringsten Differenzen zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung weist dabei über
alle Fragen hinweg die Zielgruppe der Speeder und Faker auf.
Inwieweit die soziale Erwünschtheit das Antwortverhalten der Selbst- und Fremdein-
schätzung beeinflusst hat, ist aufgrund dieser quantitativen Online-Befragung nicht zu
beantworten. Für die ausführliche Untersuchung dieses Phänomens bedarf es der Durch-
führung weiterer fokussierter Studien.

Fazit

Offen bleiben muss an dieser Stelle, warum es überhaupt möglich gewesen ist, die Anfangs-
hypothese mithilfe der Befragung und Sondierung der Zielgruppe der Speeder und Faker
zu bestätigen. Aufgrund der gemeinen Standesregeln hätte doch davon auszugehen sein
238 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

müssen, dass die Datenqualität dieser Zielgruppe so gering ist, dass keine „wahrhaftigen“
und damit auswertbaren Daten geliefert werden können. Eine Auswertung dieser Ziel-
gruppe dürfte also eigentlich nicht möglich gewesen sein.
Weiterhin wäre zu erwarten gewesen, dass sich keine eindeutigen Tendenzen oder
signifikante Unterschiede zu den Vergleichszielgruppen beispielsweise hinsichtlich der
Einschätzung des Wahrheitsgehalts des Antwortverhaltens oder der Selbst- und Fremd-
einschätzung aufzeigen lassen. Inwieweit benötigen wir in Online-Befragungen eventuell
doch, ebenso wie die Gesellschaft, deviantes (Antwort-)Verhalten, um aussagekräftige Ent-
scheidungen treffen zu können?
Natürlich lässt sich an dieser Stelle kritisch äußern, dass die devianten Antworten für
sich genommen keinen Sinn ergeben oder qualitativ minderwertig sind. Zu überlegen ist
jedoch, ob die devianten Antworten im Gesamtkontext der Befragung nicht dennoch einen
Wert haben, der ein repräsentatives Abbild unserer Gesellschaft widerspiegelt und eventu-
ell sogar eine „wahrhaftigere“ Entscheidung in der Marktforschung ermöglichen können.

Quellenverzeichnis

[40] Bauer, Hans H., Toma, Boris & Heinisch, Daniel (2012). Datenqualität in der Online-
Marktforschung. In: absatzwirtschaft.de. 18.01.2012.
[41] Berekoven, Ludwig, Eckert, Werner & Ellenrieder, Peter (2009). Marktforschung:
Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: GWV Fachverlage.
[42] Cohen, Albert K. (1959). The Study of Social Disorganization and Deviant Behavior.
In: Merton, Robert K., Brown, Leonard & Cottrell, Leonard S. Jr. (Hrsg.). Sociology
Today: Problems and Prospects. New York.
[43] Durkheim, Emile (1961). Regeln der soziologischen Methode. Neuwied/Berlin:
Luchterhand.
[44] Fuchs-Heinritz, Werner, Lautmann, Rüdiger, Rammstedt, Otthein & Wienold, Hanns
(1995). Lexikon zur Soziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
[45] Homburg, Christian & Krohmer, Harley (2003). Marketingmanagement: Strategie –
Instrumente – Umsetzung – Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler Verlag.
[46] Kuß, Alfred, Eisend, Martin (2010). Marktforschung: Grundlagen der Datenerhebung
und Datenanalyse. Wiesbaden: Gabler Verlag.
[47] Lamnek, Siegfried (1979). Theorien abweichenden Verhaltens. München: Wilhelm
Fink Verlag.
[48] Peters, Helge (2002). Soziale Probleme und soziale Kontrolle. Wiesbaden:
Westdeutscher Verlag.
[49] Theobald, Axel (2014). Handbuch Online-Marktforschung: Ein Leitfaden für die
Praxis. Norderstedt: BoD – Books on Demand.
Speeder und Faker in Online-Befragungen 239

Yvonne Prill ist Diplom-Soziologin und hat nach dem Studium zunächst als wis-
senschaftliche Mitarbeiterin in der Kommunikationsforschung an der Universität
Bielefeld gearbeitet. Seit 2011 arbeitet sie als Senior Research Consultant im Bereich
Projektmanagement bei der keyfacts Onlineforschung GmbH in Leipzig.
Seit der Gründung im Jahr 2009 führt keyfacts zahlreiche Marktforschungs- und
Verbraucherstudien über das unternehmenseigene Online-Access-Panel durch. Ein
hochqualifiziertes Team mit langjähriger Erfahrung im Bereich des Online-Samp-
lings und Projektmanagements betreut Projekte von der Fragebogenprogrammie-
rung über die Feldarbeit bis zur Datenbereinigung und -lieferung.
240 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

4.7 Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung

Thomas Starsetzki, Oliver Kern und Martin Grupe

Einleitung

Die größte wirtschaftliche Herausforderung, der sich alle Unternehmen ganz unabhän-
gig von der Branche heute stellen müssen, ist sicherlich die Digitalisierung. Markenbilder
entstehen heute über unzählige Touchpoints. Durch das „Always on“-Verhalten und die
„Jederzeit-und- überall“-Kommunikation ist das Konsumverhalten viel komplexer und für
Unternehmen unüberschaubar geworden. Konnte man die Vorteile eines neuen Produkts
vor 20 Jahren noch durch einen erfolgreichen Marketing-Mix aus Print-, TV- und Radio-
werbung an nahezu jeden kommunizieren, so sind die Möglichkeiten, die gewünschte
Zielgruppe zu erreichen, heute deutlich vielfältiger.
Zeitgleich werden die Produktlebenszyklen immer kürzer. Wenn man in den 80er Jah-
ren einen neuen Fernseher kaufte, beschränkten sich die Neuerungen gegenüber dem 15
Jahre alten Vorgängermodell auf Stereoton und Videotext. Die Entwicklung heute ist viel
rasanter. Nach HD Ready kamen Full HD, 3D, 4K, Curved – und wer weiß, was der Kon-
sument als nächstes unbedingt braucht. Der Innovationsdruck für die Hersteller ist enorm
und somit auch der Bedarf an mehr Konsumenteninformation, sprich Marktforschung,
die immer schneller durchgeführt werden muss.
Ständig neue, disruptive Geschäftsmodelle stellen plötzlich alles in Frage, was in den
letzten Jahrzehnten gesetzt schien. Bekannte Beispiele hierfür sind sicherlich der Com-
munity-Marktplatz airbnb für Buchungen und Vermietungen von Unterkünften oder der
Online-Vermittlungsdienst Uber für Fahrdienstleistungen. Ein besonders interessantes
Beispiel ist die Tatsache, dass Uber mit Mercedes über den Kauf von 100.000 selbstfahren-
den Mercedes-S-Klassen verhandelt (Automobil Produktion 2016) [50]. Beeindruckend
hierbei ist nicht nur die Tatsache, dass es um ein Geschäftsvolumen von ca. 10 Mrd. Euro
geht, sondern vielmehr die Geschäftsidee, die dahinter steckt. Wenn man sich über Uber
zukünftig eine selbstfahrende Limousine der Mercedes-S-Klasse bestellen kann, wozu
braucht man dann noch ein herkömmliches Taxi? Und langfristig stellt sich irgendwann
die Frage, wozu ich überhaupt noch ein eigenes Auto brauche. In einer Studie von Roland
Berger (2016) [54] wird prognostiziert, dass ab 2030 ca. 40% der globalen Profite der Auto-
mobilbranche durch sogenannte Robo-Taxis erwirtschaftet werden. Bei einem geschätz-
ten Gesamtprofit von 550 Mrd. US-$ pro Jahr (in 2030) wird schnell klar, wie groß das
Potenzial des digitalen Wandels tatsächlich ist und welche massiven Umverteilungen der
Automobilbranche bevorstehen.
Wie wichtig das Thema Digitalisierung ist, zeigt ein anderes Beispiel aus der Autobran-
che. Der Börsenwert des Elektrofahrzeugherstellers Tesla liegt derzeit über dem der Marke
Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 241

Audi (manager magazin 2016) [53]. Und das obwohl Tesla gerade einmal 50.000 Autos im
Jahr 2015 verkauft hat. Verglichen mit den knapp 1,8 Millionen Fahrzeugen (2015), die
Audi jährlich absetzt, scheint diese Bewertung geradezu absurd. Wie kann es sein, dass
Tesla eine so hohe Börsenbewertung erreicht? Neben der Batterietechnologie liegt die
Antwort hierfür maßgeblich in den digitalen Prozessen von Tesla. Für ihr neues Model 3
konnte Tesla bereits vor der offiziellen Vorstellung innerhalb von 24 Stunden 117.000 Vor-
bestellungen über Online-Kanäle generieren. Ein solches digitales Verkaufsmodell war für
die deutschen Automobilmanager bisher absolut unvorstellbar und verblüfft die gesamte
Branche nach wie vor.
Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie die Digitalisierung derzeit viele Branchen
grundlegend verändert und Marktanteile umverteilt. Aber was bedeutet das jetzt eigent-
lich für die Marktforschung? Ein guter Startpunkt für die Recherche ist hier sicherlich der
GRIT Report von Greenbook.org (Grit Report 2016) [51]. In einer weltweiten Umfrage
unter betrieblichen und institutionellen Marktforschern werden hier die neuesten Trends
und Herausforderungen der Branche beleuchtet. Bei der Bewertung des Potenzials neuer
Technologien führen Mobile Surveys vor Online-Communities und Social Media Ana-
lytics das Feld an. Besonders interessant – aber auch erschreckend – ist die Tatsache, dass
im Jahr 2016 noch immer über 50% aller Online-Befragungen nicht 100% responsiv (also
mobil optimiert) sind. Da die Mobilfähigkeit digitaler Marktforschungsinstrumente unse-
res Erachtens im Jahr 2016 eine Selbstverständlichkeit sein sollte, gehen wir auf diesen
Punkt weiter unten im Gesamtkontext von Online-Communities nochmals ein.
Eine ganz grundlegende Inspiration für die digitale Marktforschung der Zukunft for-
muliert Prof. Dr. Hans-Willi Schroiff sehr treffend in seinen „Mafo-Spitzen“ in Planung
& Analyse (Schroiff 2015) [55]. Er postuliert, dass in der Marktforschung ein flächende-
ckendes Umparken im Kopf stattfinden muss. Erstens dahingehend, dass man als Unter-
nehmen heute mit dem Konsumenten, nicht für den Konsumenten arbeitet. Und zweitens,
dass Marktforschung die einzige Schnittstelle ist, die dieses Miteinander qualifiziert gestal-
ten kann. Genau in diese Schnittstelle zielen Online-Communities, indem sie einerseits
einen modernen, digitalen Austausch mit den Konsumenten auf Augenhöhe erlauben und
andererseits methodisch sauber durch einen Marktforscher bespielt werden können.
Generell wird der Begriff Online-Community oder Insight Community sehr unter-
schiedlich definiert und gelebt. Wir unterscheiden grundsätzlich drei Community-Typen:

Kurzzeit-Insight Community
Eine Kurzzeit-Community ist eine zeitlich begrenzte Online-Community, mit deren Hilfe
Unternehmen ihre wichtigsten Interessengruppen genau dann in den Entscheidungspro-
zess mit einbeziehen können, wenn konkrete Insights oder Handlungsempfehlungen zu
einer bestimmten Aufgabenstellung benötigt werden. Die Mitglieder einer Kurzzeit-Com-
munity werden für einen zeitlich begrenzten Zeitraum zu Sparringspartnern und sozusa-
gen eine verlängerte Werkbank des Auftraggebers. Sie unterstützen die Produktentwick-
lung, indem sie über ihre Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen berichten und
die Auftraggeber als „normale“ Verbraucher und Nutzer beraten.
242 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Co-Creation Community
Allen klassischen Marktforschungsmethoden zum Trotz scheitern je nach Kategorie noch
immer 50 bis 80 Prozent aller neuen Produkte im Markt. Dies liegt meist nicht an einer
schlechten Produktqualität, sondern vielmehr daran, dass diese neuen Produkte häufig
an den Kundenbedürfnissen vorbei entwickelt wurden und somit keinen ausreichenden
Kundennutzen schaffen. Neue Methoden der „interaktiven Wertschöpfung“, die unter
dem Namen „Co-Creation“ bekannt geworden sind, beziehen die Kunden eines Unterneh-
mens frühzeitig und gezielt in den Produktentwicklungsprozess ein. Während die Markt-
forschung sich schon immer mit den Gewohnheiten, Wünschen, Sorgen und Nöten der
Kunden befasst hat, beziehen Co-Creation-Methoden das Kreativpotenzial der Kunden
in den Entwicklungsprozess ein. Die Kunden werden so zur Quelle der Inspiration und
sind der Startpunkt für Innovationen, so dass ihre Bedürfnisse und Ideen zur Triebfeder
der Neuproduktentwicklung werden. Kunden entwickeln die Produkte selbst mit, die sie
später gerne nutzen werden.

Langzeit-Insight Community
Eine Langzeit-Community ist ebenfalls eine online-basierte Customer Intelligence-Platt-
form, mit der Unternehmen eigene Kunden-Communities zur kontinuierlichen Generie-
rung von Insights zu Produkten und Services aufbauen und betreiben können. Im Gegen-
satz zu Kurzzeit-Communities liegt der Fokus hier meist nicht auf der Bearbeitung einer
einzigen Problemstellung, sondern vielmehr in der Etablierung eines kontinuierlichen
Feedback- und Dialogkanals zwischen Unternehmen und Kunden.

Einsatzgebiete von Langzeit-Insight Communities

Eine dauerhafte Insight Community wird für die kontinuierliche Generierung von Insights
zu Produkten und Services betrieben. Eine solche Community ist nicht nur ein wichti-
ges strategisches Werkzeug, sondern zugleich auch eine Verpflichtung den Teilnehmern
der Community gegenüber, genügend relevante Themen und Fragen einzustellen, um den
Dialog langfristig aufrecht zu halten. Zwar führen schnelle und relevante Antworten auch
immer zu einem höheren Bedarf nach mehr Insights, aber dieses Henne-Ei-Problem kann
nicht erst über die Zeit gelöst werden.
Für die Rekrutierung ist es von entscheidender Bedeutung, den Kunden ein relevantes
Motiv zu bieten, an der Community teilzunehmen. Dieses Versprechen muss nicht nur
von Anfang an klar kommuniziert, sondern vor allem auch erfüllt werden. Entsprechend
müssen vom Start weg genügend relevante Fragen und Diskussionsthemen formuliert wer-
den, sodass jeder Teilnehmer sofort und nahtlos in den Dialog einsteigen kann.
Demnach ist ein entsprechendes Angebot an Research-Aktivitäten eine ganz wichtige
Grundvoraussetzung für den dauerhaften Erfolg einer Community, was einen gewissen
Grundbedarf nach Marktforschung voraussetzt. Offensichtlich ist, dass Unternehmen,
die bisher drei oder vier Marktforschungsstudien im Jahr durchgeführt haben, nicht das
Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 243

benötigte Pensum an relevanten Fragen zur Verfügung stellen können – weder zum Start
noch langfristig. Was aber ist die Mindestmenge an Aktivitäten, die in einer Community
bereitgehalten werden müssen?
Generell lässt sich sagen, dass wohl die meisten Teilnehmer bei mehr als einer Einla-
dungs-E-Mail pro Woche genervt wären. Umgekehrt wird man bei weniger als einer Einla-
dung pro Monat schnell als nicht mehr relevant wahrgenommen. Ein gutes Mittelmaß, das
sich so auch in der Praxis bewährt hat, sind etwa zwei Kontakte pro Monat. Rechnet man
diese Anzahl auf ein Jahr hoch (ca. 24 Kontakte pro Jahr) und legt eine durchschnittliche
Response Rate von etwa 40% zu Grunde, kommt man auf etwa 10 abgeschlossene Aktivi-
täten pro Teilnehmer im Jahr.
Hat man also eine Community von zum Beispiel 1.000 aktiven Teilnehmern, sollte man
der Community ca. 10.000 individuelle Aktivitäten zur Verfügung stellen. Diese Aktivi-
täten können ein Online-Fragebogen, die Teilnahme an einem Online-Forum oder Blog,
eine Videokonferenz oder auch die Teilnahme an einem Offline-Event sein. Einige Aktivi-
täten – wie beispielsweise eine Videokonferenz – werden nur mit einigen wenigen ausge-
wählten Teilnehmern durchgeführt. Andere – wie etwa ein Online-Fragebogen – können
problemlos von allen Teilnehmern bearbeitet und abgeschlossen werden. Bei einer Com-
munity mit 1.000 Teilnehmern und einem guten Mix aus qualitativen und quantitativen
Projekten kommt man so schnell auf 30 bis 40 Research-Aktivitäten, die pro Jahr durchge-
führt werden sollten. Auch wenn eine Community den internen Forschungsbedarf schnell
anschiebt, sollte das bisherige Research-Volumen bei mindestens der Hälfte der angepeil-
ten Zahl liegen, um vom Start weg genügend „Futter“ zu haben.
Projiziert man diesen Forschungsbedarf nun auf das Research-Budget und die damit
verbundene Umsatzgröße des Unternehmens, so stellt man rasch fest, dass die Zielunter-
nehmen für solche Community-Lösungen generell größere Unternehmen mit Jahresum-
sätzen über 100 Mio. Euro sind. In den letzten Jahren ist die durchschnittliche Größe der
Unternehmen, die sich aktiv mit Communities beschäftigen, allerdings kleiner geworden.
Dieser anhaltende Trend wird sicherlich durch die allgemein steigende Akzeptanz von
Online-Communities bestärkt. Zukünftig erwarten wir, dass auch deutlich kleinere Unter-
nehmen ihre Kunden mittels Communities in Geschäftsentscheidungen mit einbeziehen.
Generell eignet sich eine Community für alle Unternehmen, die ihre eigenen Kunden in
die Produkt-, Service- oder Unternehmensentwicklung mit einbeziehen wollen.

Zielgruppen und Branchen für Communities

Für welche Branchen und Zielgruppen sind Communities besonders geeignet? Neben der
Unternehmensgröße gibt es weitere Faktoren, die die Bereitschaft stark beeinflussen, eine
kontinuierliche Community aufzubauen. Da der Fokus nicht auf der Bearbeitung einer
einzelnen Problemstellung liegt, ist die Entscheidung für eine kontinuierliche Community
eher grundsätzlicher und damit strategischer Natur. Diese Entscheidungen werden häufig
im Top-Management getroffen. Auch wenn Communities mittlerweile von immer mehr
244 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Marktforschern genutzt werden, sind es Stand 2016 immer noch die eher innovativen
Unternehmen, die sich für solche Lösungen entscheiden. Viele Unternehmen, die bereits
in der Vergangenheit eher konservative Entscheidungen getroffen haben, werden sich mit
Communities zum jetzigen Zeitpunkt noch schwertun. Schaut man sich einen Technology
Adoption Lifecycle an (siehe Abbildung 4.22), stehen Online Research Communities unse-
rer Einschätzung nach derzeit an der Schwelle zwischen Early Adopters und Early Majority.
Neben der Affinität zu neuen Technologien spielen die Branche bzw. die Zielgruppe,
mit der man in einen Dialog treten möchte, eine entscheidende Rolle. Zielgruppen, die
NIVEA-Creme nutzen oder einen Führerschein besitzen, sind über viele Erhebungsme-
thoden relativ leicht zu erreichen. Auch wenn es noch inhaltliche Argumente für eine
Community gibt, stehen bei solchen Zielgruppen der Aufwand für das dauerhafte Engage-
ment der Teilnehmer und die alternativen Kosten für die Ad-Hoc-Rekrutierung aus exter-
nen Quellen in keinem besonders guten Verhältnis.
Bei schwierig zu erreichenden Zielgruppen – beispielsweise im B2B- oder Luxus-
gütersektor – ist der Einsatz einer Community alleine schon aus ökonomischen Grün-
den ein Argument. Bei einem echten Porsche-Neuwagenkäufer ist es beispielsweise nur
sehr schwer vorstellbar, dass dieser für 50 Cent Incentive in einem Online-Access Panel
an Befragungen teilnimmt. Entsprechend groß sind der Aufwand und damit die Kosten,
wenn man mit solchen Zielgruppen Marktforschung durchführen möchte. Die Kosten, um
den Teilnehmern einen dauerhaften, inhaltlichen Anreiz in einer Community bieten zu
können, fallen hier im direkten Vergleich recht gering aus.
Generell lässt sich also zusammenfassen, dass Communities vor allem bei schwierig
zu erreichenden Zielgruppen einen wirtschaftlichen Vorteil im Marktforschungsprozess
haben und sich deshalb in diesem Bereich voraussichtlich schneller durchsetzen werden.

Abb. 4.22: Innovation Adoption Lifecycle


Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 245

Technische Voraussetzungen

Das Grundprinzip einer Community besteht darin, ein komplexes (Markt-)Forschungs-


problem in mehrere „handliche“ Stücke zu zerteilen, um diese einzeln und nacheinander
in der Community zu bearbeiten und die Daten bei Projektabschluss wieder zusammen-
zuführen. Entsprechend ist eine Datenbank, in der alle Teilnehmer- und Befragungsdaten
gespeichert werden, ein zentraler Baustein. In dieser Datenbank werden alle Registrie-
rungsdaten (Name, E-Mail-Adresse), Stammdaten (zum Beispiel demographische Anga-
ben) und Studienergebnisse zentral verwaltet und für Analyseprozesse zur Verfügung
gestellt.
Weitere unverzichtbare Komponenten sind ein E-Mail-Versandtool, eine Software für
quantitative Online-Befragungen, Tools für qualitative Marktforschung (wie zum Beispiel
eine Software für Online-Foren, Blogs, Video-Chats etc.) sowie ein Community-Portal, auf
dem die Teilnehmer sich einloggen, an Aktivitäten teilnehmen, sich mit Moderatoren und
anderen Teilnehmern austauschen, Ergebnisse einsehen und ihre Daten verwalten können.
Optional empfiehlt sich ein Reporting-Dashboard, mit dem die erhobenen Daten gra-
fisch ansprechend und vor allem live aufbereitet werden können. Dies ist vor allem für ein
Instant Feedback für die Teilnehmer und den Auftraggeber interessant.

Der rechtlich sichere Rahmen: Nutzungsbedingungen und Datenschutz

Die komfortablen Speichermöglichkeiten in einer Community-Datenbank und die gene-


rellen Anforderungen an Marktforschung insbesondere im deutschen Markt erfordern
einen rechtlich sicheren Rahmen. Ohne Zustimmung der Teilnehmer dürfen die persona-
lisierten Daten nicht ohne Weiteres gespeichert und mit anderen Studiendaten verknüpft
werden. Dementsprechend ist es wichtig, gleich bei der Registrierung der Teilnehmer eine
Zustimmung zur Datenschutzerklärung und zu den Nutzungsbedingungen im Double-
Opt-in-Verfahren abzufragen.
Abbildung 4.23 zeigt eine beispielhafte Systemarchitektur. Grundsätzlich erhalten alle
Teilnehmer für die jeweiligen Aktivitäten eine personalisierte Einladung per E-Mail oder
SMS. Im konkreten Beispiel werden alle qualitativen Erhebungen im Mitgliederportal
angezeigt. Bei quantitativen Aufgaben werden die Teilnehmer zum Abschluss der Befra-
gung in den Login-Bereich des Portals weitergeleitet.

Mobile First

Mobile First ist ein Konzept für Webdesign, bei dem eine für mobile Endgeräte optimierte
Version der Anwendung zuerst entsteht, ehe sukzessive Erweiterungen stattfinden. Der
Trend, dass immer mehr Nutzer verschiedenste Aufgaben mit dem Smartphone oder Tablet
lösen, ist längst nicht mehr aufzuhalten. Im Jahr 2015 lag der gemessene Anteil der mobilen
246 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.23: Beispielhafte Systemarchitektur einer Online-Community

Gerätenutzung innerhalb von Communities bei anhaltend schnellen Zuwachsraten bei knapp
über 50 % (interne Auswertungen von Community-Projekten der SKOPOS CONNECT).
Im Gegensatz hierzu stehen leider die Ergebnisse der GRIT Studie 2015, die besagen,
dass über 50% aller online durchgeführten Befragungen immer noch nicht mobil optimiert
sind (Grit Report 2016) [51]. Diese Diskrepanz bringt Prof. Dr. Holger Lütters (2016) [52]
in einem Fachbeitrag für marktforschung.de wie folgt auf den Punkt: „Auch wenn seit
der Ankündigung des mobilen Internets inzwischen fast 20 Jahre ins Land gegangen sind,
scheint die rasante mobile Entwicklung den Marktforscher auch im Jahr 2016 noch zu
überraschen.” Die aktuellen Zahlen aus dem GRIT Report bestätigen, dass diese Aussage
genauso wahr wie traurig ist.
Umso wichtiger ist es demnach für jeden Marktforscher, bestehende Anwendungen
nicht nur mobil-fähig zu gestalten, sondern schon in der Grundkonzeption mit der mobi-
len Darstellung zu starten. Das gilt nicht nur für die Technologie, mit der Befragungen
umgesetzt werden, sondern auch für die Inhalte, die den Teilnehmern präsentiert werden.
Die Fokussierung auf einen kleinen Bildschirm und auf kurze Aufmerksamkeitsspannen
ist vor allem eine Chance für die Marktforschung, sich von bestehenden Standards zu
lösen und einen qualifizierten Dialog neu zu definieren.
Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 247

Besonders schwierig ist die Situation allerdings bei Untersuchungsansätzen, die auf-
grund ihrer Fragestellung und Methodik eine sehr lange Befragung voraussetzen. Ein
30minütiger Fragebogen geht heute leider einfach an der Lebensrealität vieler Proban-
den vorbei. In vielen Fällen wird zwar aus methodischen Gründen noch an derart langen
Befragungen festgehalten. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob der Anteil der Profi-Teil-
nehmer in solchen Befragungen nicht überproportional hoch und das Ergebnis entspre-
chend verfälscht ist, da erwünschte Antworten gegeben werden, um beispielsweise nicht
ausgescreent zu werden und den Incentive-Anspruch zu verlieren. Bei solchen Testdesigns
ist eine Community natürlich im Vorteil, da sich lange Befragungen in gut konsumierbare
und mobilfähige Häppchen aufteilen lassen. Die Datensätze der Teilnehmer können zu
einem späteren Zeitpunkt einfach zusammengefügt werden, da es sich in der Community
um einen geschlossenen und bekannten Personenkreis handelt.

Rekrutierung einer Community

Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Rekrutierung geschlossen oder offen erfol-
gen soll. Bei einer geschlossenen Rekrutierung können Teilnehmer nur per Einladung an
der Community teilnehmen. Diese Methode eignet sich besonders, wenn die Zielgruppe
auf einen ganz bestimmten Personenkreis beschränkt ist oder bestimmte Gruppen gezielt
ausgeschlossen werden sollen. Typische Anwendungsbeispiele sind Communities, die sich
ganz gezielt auf Kunden eines Unternehmens fokussieren sollen.
Eine offene Rekrutierung erlaubt grundsätzlich jedem, sich in der Community zu betei-
ligen. Hierdurch ergeben sich zusätzliche Rekrutierungspotenziale über virale Effekte. Diese
sind allerdings eher als kleine Zusatzquelle zu betrachten. Auch wenn in einer Community
die Marktforschungsaktivitäten für die Teilnehmer deutlich attraktiver verpackt sind, geht
es letztlich um die Beantwortung von Fragen. Entsprechend ist es bei beiden Rekrutierungs-
ansätzen immer wichtig, aktiv und in ausreichender Anzahl um die Teilnehmer zu werben.
Hierfür eignen sich in beiden Fällen ganz unterschiedliche Online- und Offline-Touchpoints.
Die am häufigsten genutzte Rekrutierungsquelle für Communities sind Kundenver-
zeichnisse. Besonders einfach und effizient sind E-Mail-Listen, da die Teilnehmer hier per-
sonalisiert angesprochen werden können und der Erfolg (Response) leicht messbar ist. Ein
weiterer Vorteil der Direktansprache per E-Mail ist die Möglichkeit einer elektronischen
Authentifizierung. So kann zum Beispiel in der E-Mail auch ein personalisierter Rekrutie-
rungslink enthalten sein, der beim Anklicken im Hintergrund automatisch Daten wie etwa
eine Kundennummer an die Community-Datenbank übergibt.
Eine solche automatische Authentifizierung ist bei postalischen Listen kaum mög-
lich. Zwar können persönliche Kundeninformationen beispielsweise in dem Link eines
QR-Codes enthalten sein. Aber ein einfacher, ausgeschriebener Startlink ist in einem
postalischen Anschreiben nach wie vor Pflicht, damit die Adressaten diesen leicht ins
Browserfenster übertragen können. Zwar ist es theoretisch auch möglich, über einen Zah-
lencode im Link Daten zu übergeben. Aber ein zu langer, komplexer Link, der manuell
248 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

in die Adresszeile des Browsers eingetragen werden muss, verringert die Teilnahmequote
deutlich. Entsprechend ist auf eine solche automatische Authentifizierung bei postalischer
Ansprache besser zu verzichten.
Eine weitere sehr effiziente Rekrutierungsmethode ist die Direktansprache auf digita-
len Touchpoints, wie zum Beispiel der Homepage oder dem Facebook-Auftritt des Unter-
nehmens. Einerseits kann so leicht und schnell eine große Anzahl potenzieller Teilneh-
mer angesprochen werden. Andererseits ist diese Methode weniger personalisiert und hat
daher häufig eine geringere Erfolgsrate. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die geringere
Kontrolle über den angesprochenen Personenkreis. Über die Firmenwebsite können sich
beispielsweise sehr leicht Mitbewerber des Unternehmens in der Community anmelden.
Entsprechend eignet sich diese Ansprache nur, wenn man sich bewusst für eine offene
Rekrutierung entscheidet. Ein Sonderfall sind hier sicherlich geschlossene Bereiche einer
Website. Ein Beispiel hierfür wäre die Rekrutierung auf dem Logout-Screen des Online
Banking-Portals einer Bank.
Weitere mögliche Kontaktpunkte sind zum Beispiel ein Kundenmagazin oder Flyer, die
am Point of Sale ausgelegt werden. Einige Unternehmen betreiben Callcenter, um fortlau-
fend Kundenanfragen zu bearbeiten. Hier können Kunden leicht vom Callcenter-Mitar-
beiter angesprochen und auf die Teilnahme an der Community hingewiesen werden und
eine persönliche E-Mail im Nachgang zum Gespräch erhalten. Eine externe Rekrutierung
– zum Beispiel über ein Online-Access Panel – ist je nach Zielgruppe ebenso üblich wie
eine Ansprache über Online-Werbung, die über unterschiedliche Medien gezielt ausge-
spielt werden kann.
Grundsätzlich sind noch viele weitere Varianten der Rekrutierungsansprache denkbar,
je nachdem welche Touchpoints es mit der gewünschten Zielgruppe gibt. Eine pauschale
Aussage, welche Methode am besten funktioniert, gibt es nicht. Besonders gut funktioniert
in der Praxis immer eine Kombination aus mehreren Rekrutierungsquellen. Entscheidend
für die Auswahl ist hierbei die Anzahl der potenziellen Teilnehmer, die erreicht werden
können, und die Zielgenauigkeit, mit der die gewünschte Zielgruppe angesprochen wer-
den kann. Bei der Ansprache ist es wichtig, den Teilnehmern transparent und ehrlich zu
erklären, warum sie an der Community teilnehmen sollen und was von ihnen erwartet
wird. Keinesfalls sollten den Teilnehmern Versprechungen gemacht werden, die später
nicht eingehalten werden können.
Ganz wichtig ist die Formulierung des inhaltlichen Versprechens, also des tatsächli-
chen Grundes dafür, warum die Teilnehmer dauerhaft mitmachen sollen. Stellen Sie sich
am besten einfach selber einmal die Frage, was Sie dazu motivieren würde, sich langfristig
in einer Community zu engagieren. Uns haben Community-Teilnehmer auf diese Frage
schon häufig Antworten gegeben wie „ein offener und ehrlicher Umgang auf Augenhöhe“,
„spannende Themen“ und „die Möglichkeit, wirklich etwas bewegen zu können“. Die Teil-
nehmer stellen also durchaus hohe Anforderungen an die Betreiber einer Community, die
nur über ein aktives Community-Management und ein abwechslungsreiches Research-
Programm erfüllt werden können.
Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 249

Community-Management

Nach unserer Überzeugung ist für die qualifizierte Gestaltung eines interaktiven Mitein-
anders ein aktives Community-Management unerlässlich, das sich aus den drei Elementen
balancierte Auslastung, inhaltlicher Support und Ergebnis-Feedback zusammensetzt.
Für eine balancierte Auslastung ist es wichtig, die Aktivitäten in einer Community
gekonnt so zu dosieren, dass Teilnehmer nicht zu häufig aber auch nicht zu selten befragt
werden. Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir daher stets einen Redaktionsplan,
in dem wir die anstehenden Aktivitäten erfassen und inhaltlich sowie zeitlich aufeinander
abstimmen. Bewährt hat sich zudem ein regelmäßiger Austausch mit unseren Kunden zu
geplanten Studien und zur Entgegennahme von Briefings.
Eine professionelle Community-Management-Software sollte zudem über ein umfas-
sendes Stichprobenziehungs- und Einladungsmanagement-Tool verfügen, das die Selek-
tion und Einladung von Teilnehmern nicht nur über Informationen aus den Profildaten,
sondern auch über individuelle Performance-Daten (zum Beispiel Responseverhalten und
Aktivitätsgrad) ermöglicht. So sollte neben einer echten Zufallsauswahl von Teilnehmern
auch eine Stichprobenziehung über diese verhaltensabhängigen Faktoren möglich sein.
Natürlich hängt eine optimale Auslastung auch vom Forschungsbedarf (Art und Anzahl
der Studien) und von der Teilnehmerzahl der Community ab. Aus diesem Grund haben
erfolgreiche Community-Manager auch stets ein Auge auf die Rekrutierungsaktivitäten
und steuern die Größe der Community bedarfsgerecht aus.
Die Teilnehmer einer Community kommen immer wieder mit inhaltlichen und tech-
nischen Rückfragen auf das Community-Management zu, das hier schnell und unkompli-
ziert Hilfestellung und Auskunft geben muss. Doch der Support in einer Community geht
häufig weit über inhaltliche und technische Fragen im Rahmen der Research-Aktivitäten
hinaus. Es kommen Fragen zur Verwendung und zu Inhaltsstoffen von Konsumgütern
sowie Kommentare zur Qualität von Lebensmitteln und zur Freundlichkeit von Bankbe-
ratern. All diese „Off Topic“-Themen werden von professionellen Community-Managern
bearbeitet, mit den entsprechenden Ansprechpartnern beim Betreiber der Community
diskutiert oder an die Experten beim Auftraggeber weitergeleitet, um den Community-
Teilnehmern schnell und qualifiziert helfen zu können.
Anders als viele „klassische“ Online-Access Panels arbeiten wir in unseren Communities
in der Regel nicht mit einem Incentive-Modell, das auf einem Bonuspunkte-System nach
dem Gießkannenprinzip basiert. Wir setzen voll auf intrinsisch motivierte Teilnehmer, die
wir über inhaltliches Feedback, einen Dialog auf Augenhöhe und spannende Studien bei
der Stange halten. Wenn wir materielle Incentives ausgeben, sollen diese einen Bezug zum
Unternehmen oder der Marke des Auftraggebers haben und möglichst „mit Geld nicht
zu kaufen sein“. Hierzu gehören zum Beispiel Führungen durch die Fabrik oder Zentrale,
ein Essen mit dem Marketing-Team, der Besuch eines Fußballspiels in der Loge oder eine
Ballonfahrt. Wir nutzen diese Incentives gezielt als Belohnung für besonderes Engagement
und verbinden das besondere Erlebnis für den Einzelnen stets mit einem Erlebnisbericht
250 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

für die gesamte Community. So schreiben die Gewinner einen Reisebericht, machen Fotos
und teilen ihren Gewinn auf diese Weise mit den anderen Teilnehmern.
Dabei gilt für alle drei Bereiche, dass der Austausch mit den Teilnehmern der Commu-
nity stets wertschätzend, involvierend, ehrlich und emotional sein soll. Es ist wichtig, mög-
lichst authentisch aufzutreten und auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen. Die
Teilnehmer wünschen Feedback, das deutlich macht, dass ihre Meinung gehört und ernst
genommen wird. Sie möchten spüren, dass sie mit ihrem Input und ihren Ideen etwas
bewegen und wirklich Einfluss nehmen auf die Entscheidungen im Unternehmen. Dabei
muss man den Teilnehmern nicht nach dem Munde reden, und natürlich gibt es häu-
fig gute Gründe, Entscheidungen anders zu treffen als von Kunden gewünscht. Vielmehr
wünschen sich die Teilnehmer einer Community eine Auseinandersetzung mit ihren Bei-
trägen und regelmäßiges Feedback dazu, welche Entscheidungen auf Basis ihrer Beiträge
getroffen wurden.

Von der taktischen Ad-hoc-Marktforschung zur strategischen Beratung

Wir haben in diesem Artikel viel über in unserer unternehmerischen Praxis erprobte „Do’s
and Don’ts“ beim Aufbau und Betrieb von langfristigen Online-Communities berichtet,
um dem interessierten Leser Hilfestellung und wertvolle Tipps bei der Entscheidung für
oder gegen den Aufbau einer eigenen Insight Community zu geben. Dabei haben wir nur
ganz wenig über einen bemerkenswerten Effekt gesprochen, der von den Communities
auf die Wahrnehmung der Marktforschung in vielen Unternehmen ausgeht, mit denen wir
gearbeitet haben und aktuell arbeiten.
Viele unserer Kunden berichten, dass die Einführung einer langfristigen Insight Com-
munity dazu beiträgt, den veränderten Forschungsprozessen in Unternehmen und der
Erwartungshaltung an konsumentenzentrierte Marktforschung besser gerecht zu werden.
Eine Online-Community ist ein agiles, flexibles und leistungsstarkes Instrument, mit des-
sen Hilfe der überwiegende Teil von taktischen Ad-hoc-Fragestellungen ohne großen Auf-
wand abgearbeitet werden kann. Zudem eröffnen sich neue Chancen, die Marktforschung
noch besser als hausinternen Berater zu positionieren, der die Entscheidungsprozesse von
Kunden mit relevanten Insights versorgt und so aktiv gestaltet. Das von Hans-Willi Schro-
iff geforderte Umparken im Kopf (Schroiff 2015) [55] hat bei vielen unserer Kunden also
bereits begonnen. Wir unterstützen Unternehmen, einen großzügigen Parkplatz für ihre
Marktforschung zu finden, damit Marktforschung zur strategischen Beratung der Unter-
nehmensführung reifen kann. Auch wenn der Technologie in Zeiten der Digitalisierung
eine wichtige Rolle zukommt, ist es für die Marktforschung der Zukunft von zentraler
Bedeutung, ihre methodische Kompetenz mit modernen Technologien in Einklang zu
bringen.
Einsatz von Online-Communities für die Marktforschung 251

Quellenverzeichnis
[50] Automobil Produktion (2016). Uber will angeblich 100.000 Mercedes S-Klassen
bestellen. http://www.automobil-produktion.de/hersteller/wirtschaft/uber-will-an-
geblich-100-000-mercedes-s-klassen-bestellen-122.html. Zugegriffen: 08. Mai 2016.
[51] Grit Report (2016). Welcome to the home of the GreenBook Research Industry
Trends Report. https://www.greenbook.org/grit. Zugegriffen: 08. Mai 2016.
[52] Lütters, Holger (2016). Tinder für die Marktforschung? http://www.marktforschung.
de/hintergruende/fachartikel/marktforschung/tinder-fuer-die-marktforschung/.
Zugegriffen: 08. Mai 2016.
[53] manager magazin (2016). Tesla-Aktie steigt weiter. http://www.manager-magazin.de/
unternehmen/artikel/tesla-aktie-im-hoehenflug-60-prozent-kursplus-in-7-wochen-
a-1085372.html. Zugegriffen: 18. Mai 2016.
[54] Roland Berger (2016). Automobilbranche im Wandel. http://www.rolandberger.de/
pressemitteilungen/516-press_archive2016_sc_content/Automotive_sector_in_tran-
sition.html. Zugegriffen: 18. Mai 2016.
[55] Schroiff, Hans-Willi (2015). Umparken im Kopf. In: planung&analyse-Portal. http://
www.planung-analyse.de/news/blog/pages/protected/Umparken-im-Kopf_8807.
html. Zugegriffen: 08. Mai 2016.
[56] Wikipedia (2016). Innovation Adoption Lifecycle. https://en.wikipedia.org/wiki/
File:DiffusionOfInnovation.png. Zugegriffen: 08. Mai 2016.

Thomas Starsetzki ist geschäftsführender Gesellschafter der SKOPOS Institut für


Markt- und Kommunikationsforschung GmbH & Co. KG und der auf Online-Com-
munities spezialisierten Tochtergesellschaft SKOPOS CONNECT. Als Fachautor in
der Marktforschung hat er bereits eine Vielzahl von Artikeln veröffentlicht. Thomas
Starsetzki ist ausgewiesener Experte im Bereich der Online-Marktforschung und
Co-Herausgeber des in zwei Auflagen (2001 und 2003) erschienenen Standardwerks
„Online-Marktforschung – Theoretischen Grundlagen und praktische Erfahrung“
(Gabler Verlag).
Oliver Kern ist Gründungsmitglied und Geschäftsführer der SKOPOS CONNECT
GmbH. Er ist Marktforscher aus Leidenschaft und verfügt über mehr als 16 Jahre
Erfahrung in der Onlineforschung mit den Schwerpunkten Consumer Insight-For-
schung und Innovationsmanagement. Vor seiner Zeit bei SKOPOS CONNECT war
er zwischen 2010 und 2015 Mitglied der Geschäftsleitung der Dialego AG, bei der
er zuvor schon seit 2001 als Projektmanager tätig war. Oliver Kern war dort verant-
wortlich für 30 Mitarbeiter, den Vertrieb innovativer Marktforschungsangebote und
die Beratung der Kunden.
252 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Martin Grupe ist Gründungsmitglied und geschäftsführender Gesellschafter der


SKOPOS CONNECT GmbH. Er verfügt über ausgeprägtes Knowhow und Füh-
rungserfahrung im Bereich Insight Communities, Marktforschung und Software.
In den Jahren 2011 bis 2015 führte er die Geschäfte der Vision Critical GmbH in
Köln und war verantwortlich für den Aufbau und den Vertrieb von Software für
Communities. Zuvor war Martin Grupe 5 Jahre als General Manager bei der Toluna
Germany GmbH tätig, wo er ein Team von über 40 Mitarbeitern im Bereich Feld-
dienstleistung und Kundenpanels für die Online-Marktforschung leitete.
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 253

4.8 Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung

Anna-Maria Zahn

Social Media Monitoring – ein Definitionsversuch

Sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft steht der Begriff Social Media Monito-
ring für die Erhebung, Verarbeitung und Analyse von Inhalten aus dem Social Web, das
heißt aus Foren, Blogs und sozialen Netzwerken. Da der Begriff immer noch in verschie-
denen Zusammenhängen verwendet wird, soll im Folgenden konkret beschrieben werden,
was – rein technisch und fachlich gesehen – zum Begriff Social Media Monitoring gehört.
Dabei wird das Instrument Social Media Monitoring von den verwandten Begriffen Social
(Media) Analytics und Social Media-Forschung abgegrenzt. Im englischen Sprachraum
wird Monitoring häufig als Social Media Listening bezeichnet, was zu weniger Verwechse-
lungen mit anderen Bereichen führt. Monitoring und Listening sind in der Regel synonym
zu verwenden.

Social Media Monitoring vs. Social Media Analytics


Social Media Monitoring ist nur ein Instrument der Social Media-Forschung. Das Instru-
ment beschäftigt sich mit der systematischen Beobachtung, Erfassung, Verarbeitung und
Analyse von Texten aus dem Social Web. Bei diesen Texten in Foren, Blogs, Communities,
sozialen Netzwerken, Presse oder Media-Sharing-Plattformen handelt es sich um unstruk-
turierte Daten, die bevor sie quantitativ analysiert werden können, strukturiert aufberei-
tet werden müssen – zum Beispiel durch Kategorisierungen oder die Vergabe von Meta-
Daten wie Autorenname oder Medientyp. Über das letzte Jahrzehnt wurden spezielle Tools
für das Social Media Monitoring entwickelt, die sowohl die technischen als auch visuellen
Herausforderungen bei der Verarbeitung von Texten lösen. Sowohl in Deutschland wie
auch weltweit ist so eine ganze Branche entstanden, die sich explizit mit der Entwicklung,
dem Betreiben und dem Vertrieb solcher Software beschäftigt.
Im Unterschied zum Social Media Monitoring liegen die Daten, die mit Social Ana-
lytics-Tools wie Socialbakers, Quintly oder Facebook-Karma ausgewertet werden, bereits
in strukturierter Form vor. Im Fokus dieser Tools liegt demnach nicht die Analyse der
Inhalte der Texte, sondern der Aktivitäten und Performance einzelner, von Unterneh-
men und anderen Organisationen betriebener Kanäle. Informationen, die mittels dieser
Social Media Analytics-Tools erfasst werden, sind beispielsweise das Fanwachstum einer
Facebook-Seite, die Reichweite eines Twitter-Kanals oder die Performance eines Youtube-
Channels. Die Textanalyse der Beiträge und Kommentare der Nutzer auf diesen Kanä-
len spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Andersherum bieten manche Social Media
Monitoring-Tools mittlerweile auch die Auswertung dieser quantitativen Performance-
Kennzahlen an. Dies zeigt, dass es bei diesen Tools auch immer einen gewissen Über-
schneidungsgrad gibt.
254 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Neben der Datenart gibt es noch einen weiteren Unterschied dieser zwei verschiedenen
Social Media Analyse-Instrumente. Social Media Analytics-Tools holen sich die entspre-
chenden Performance-Kennzahlen meist über eine von den Plattformen (wie etwa Face-
book Insights, Twitter Analytics oder Youtube Analytics) angebotene API. Social Media
Monitoring-Tools erfassen dagegen auch Inhalte von Webseiten, die keine API zur Verfü-
gung stellen. Sie arbeiten hierfür mit Crawlern, die die Texte auf Blogs oder in Foren nach
vordefinierten Keywords durchsuchen, um sie in einer Datenbank abzuspeichern.

Der Nutzen von Social Media Monitoring für die Marktforschung im


Überblick

Social Media: Neuer Forschungsraum, neue Forschungsinstrumente und


neues Forschungsfeld
Durch die sozialen Medien sind neue Rekrutierungsmöglichkeiten und Orte für die klas-
sische Forschung entstanden (Forschungsraum). Aber auch neue Datenerhebungsinstru-
mente wie das Social Media Monitoring sind unter dem Dach der Social Media-Forschung
entwickelt worden (Forschungsinstrumente). Zusätzlich sind durch die intensive Nutzung
der sozialen Medien sowohl von Konsumenten als auch von Unternehmen neue Fragestel-
lungen aufgetaucht, die es zu untersuchen gilt (Forschungsfeld). Die Marktforschung hat
damit sowohl einen neuen Forschungsraum und neue Forschungsinstrumente als auch
ein komplett neues Forschungsfeld dazu gewonnen. Abbildung 4.24 veranschaulicht diese
Abgrenzung und Einordnung dieser Begrifflichkeiten.

Abb. 4.24: Überblick Social Media-Forschung


Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 255

Vorteile, Möglichkeiten und Nutzen der Social Media-Forschung für die


Marktforschung
Die mangelnde Erreichbarkeit verschiedener Zielgruppen mit den klassischen Instrumen-
ten der Befragung sowie die schwindende Teilnahmebereitschaft und die zunehmende
Resistenz der Bevölkerung gegenüber Befragungen stellen die klassische Marktforschung
vor enorme Herausforderungen. Daher sind neue Formen wie die Social Media-Forschung
in den letzten Jahren zu gefragten Themen in der Marktforschung geworden. Diverse Ziel-
gruppen lassen sich in den sozialen Medien oft sehr einfach in ihren Lebenswelten erfor-
schen – ob nun mittels Befragung oder Beobachtung. Neue Instrumente wie das Social
Media Monitoring werfen nicht nur einen authentischen Blick auf die Meinungs- und
Einstellungswelt der Menschen, sondern zeigen auch das auf, was man durch Befragung
nicht zu Tage fördern kann. So lassen sich mit diesem Instrument sehr gut neue Aspekte
für die Untersuchung unternehmerischer Fragestellungen identifizieren. Zusätzlich kann
ein Marktforscher von den Synergie-Effekten Gebrauch machen, indem er eine qualitative
Social Media-Analyse einer quantitativen Befragung vorschaltet. Auf diese Weise kann er
verhindern, relevante Aspekte im Fragebogen unberücksichtigt zu lassen, ohne eine teure
und aufwändige klassische Vorstudie in Auftrag geben zu müssen.

Anwendungsfelder von Social Media Monitoring


Da im Social Web die unterschiedlichsten Anspruchsgruppen (Stakeholder) eines Unter-
nehmens oder einer Organisation ihre Meinung äußern, Argumente austauschen oder
ihre Bedürfnisse und Anforderungen kundtun, bietet die Beobachtung und das Auswerten
dieser Kommunikation viele Potenziale (siehe Abbildung 4.25). Aus Sicht eines Unterneh-
mens lassen sich hier für jeden Bereich des Management-Kreislaufs wertvolle Informati-
onen gewinnen und damit klassische Marktforschungsinstrumente sinnvoll ergänzen. So
kann etwa zur Planung einer neuen Marketing-Strategie untersucht werden, welcher Teil
der Zielgruppe im Internet am besten zu erreichen ist, welche Sprache und Argumente am
erfolgversprechendsten sind oder wie man sich vom Wettbewerb kommunikativ abgren-
zen kann.
Aber auch für die operative Planung kann mithilfe des Social Media Monitorings wert-
volles Planungswissen gewonnen werden: zum Beispiel welche Bild-Plattform am ehes-
ten zum Zielgruppenschema und zum eigenen Markenkern passt oder welche Themen
aktuell auf der Agenda der Zielgruppe stehen, um entsprechend für diese Themen Inhalte
auf den eigenen Social Media-Kanälen zur Verfügung zu stellen. Während der Umset-
zung einer Social Media-Kampagne können mittels der Beobachtung der Nutzerreaktion
bereits während der Laufzeit Verbesserungen vorgenommen werden, um so den Erfolg
der Kampagne zu optimieren. Zusätzlich lassen sich durch die Messung des Gesprächsvo-
lumens und der Inhalte der Gespräche im Nachhinein ergänzende Erfolgsindikatoren für
eine abschließende Erfolgsmessung generieren. Setzt man das Social Media Monitoring
im Sinne der Überprüfung einer Marketing- bzw. Kommunikationsstrategie ein, können
nützliche Erkenntnisse zur Optimierung der Strategie gewonnen werden.
256 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.25: Anwendungspotenziale des Social Web

Diese Potenziale können nicht nur für die Planung und Steuerung von Kommunika-
tionsmaßnahmen eingesetzt werden, sondern auch für die Gestaltung und Optimierung
interner Prozesse (zum Beispiel Liefermanagement, Bezahlsysteme) oder von Produkt-
und Angebotsstrategien (zum Beispiel Portfolio-Management).
Voraussetzung für die Nutzung dieser Potenziale ist es jedoch, dass die Nutzer sich
über das entsprechende Thema öffentlich äußern. Daher sollte vorab immer durch ein
kurzes Screening entschieden werden, ob quantitativ und qualitativ ausreichend Beiträge
der entsprechenden Zielgruppen in den sozialen Medien zu finden sind. So wird man
beispielsweise über Speziallacke, die nur im B2B-Bereich eingesetzt werden, in der Regel
kaum Social Media-Beiträge finden. Andersherum bieten die sozialen Medien eine Flut an
Konsumenten-Meinungen zu Verbrauchsgütern wie Kosmetika, Lebensmittel, aber auch
zu informationslastigen Produkten wie Autos, Versicherungs- oder Telefontarife. Sobald
genügend Buzz (Social Media-Gespräche) im Netz zu finden ist, bietet sich das Datener-
hebungsinstrument Social Media Monitoring an, denn nur auf diese Weise können die
ohnehin vorhandenen Konsumentenmeinungen erhoben und analysiert werden.
Die Fragestellungen sind hier so vielfältig wie die Gesprächsinhalte der Social Media-
Nutzer. Daher soll an dieser Stelle nur eine Auswahl an Anwendungsszenarien vorgestellt
werden. Eines der häufigsten Einsatzfelder ist die Untersuchung von Marketing-Fragestel-
lungen. Hier wird zum Beispiel das Image der Marke im Social Web untersucht, um einen
Vergleich zu anderen Image-Studien zu ermöglichen bzw. zu ergänzenden Erkenntnissen
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 257

zu gelangen. Fortgeschrittene Ansätze erfassen dabei neben der Tonalität, mit der sich die
Konsumenten über die Marke generell unterhalten, auch die geäußerten Imagedimensio-
nen. Ein weiteres häufiges Anwendungsfeld von Social Media Monitoring ist die Erfolgs-
messung von Kampagnen. Zielt die Kampagne auf das Auslösen von vielen, vor allem
positiven Äußerungen der Konsumenten zu einer Marke oder einem Produkt ab, ist Moni-
toring die beste Wahl, weil nur so Quantität und Qualität der Konsumenten-Äußerungen
im Social Web gemessen werden können.
Auch Influencer – also meinungsbildende Autoren mit einer hohen Reichweite und
Reputation in einer speziellen Zielgruppe – lassen sich gut mittels Social Media Monito-
ring identifizieren und im Zeitverlauf beobachten. Auf diese Weise ermöglicht das Inst-
rument sogar eine Art Trendforschung, wenn es gelingt, die trendbestimmenden Auto-
ren in einer Zielgruppe zu ermitteln. Ein Standard-Anwendungsfall, der weniger für die
Marktforschung, sondern eher für das Issue Management im PR- oder Marketing-Bereich
relevant ist, ist das frühzeitige Erkennen von Risiken und negativen Diskussionen zu
bestimmten Themen. Auf diese Weise gelingt es, sich rechtzeitig auf eine sich anbahnende
Krise vorzubereiten und die geeigneten Kommunikationsmaßnahmen einzuleiten. Aber
auch hierbei ergeben sich Potenziale für die Marktforschung. Möchte man beispielsweise
ermitteln, welchen Einfluss welcher Medienkanal und welche Autorengruppe im Verlauf
eines sogenannten Shitstorms hatten und welche langfristigen Auswirkungen eine sol-
che massenhafte Negativdiskussion hinterlassen hat, reicht das reine Beobachten nicht
mehr aus. Hierfür ist das Analyse-Know-how der Marktforschung gefragt, die die mit-
tels Monitoring erfassten Daten gezielt und methodisch sauber auswertet und gegebenen-
falls mit anderen Marktforschungsergebnissen vergleicht. Denkbar ist hier zum Beispiel
die Messung des Zusammenhangs der negativen Beiträge mit dem Imagewert aus einer
Marken-Tracking-Studie.
Neben Marketing- und PR-Fragestellungen kann – wie oben bereits angerissen – die
Marktforschung auch relevante Fragen für das Produktmanagement und die Produktent-
wicklung mithilfe der Social Media-Gespräche der Konsumenten beantworten. So las-
sen sich beispielsweise durch die Analyse der vielfach vorhandenen Kundenrezensionen
schnell die Produkte identifizieren, mit denen die meisten Konsumenten unzufrieden sind.
Hier gilt es zu evaluieren, ob das Produkt verbessert werden kann oder ob es komplett aus
dem Produktportfolio genommen werden muss, denn Studien haben ergeben, dass die
durchschnittliche Bewertung eines Produkts einen maßgeblichen Einfluss auf den Absatz
des Produkts hat. Dabei bietet es sich an, nicht nur das Abschneiden der eigenen Produkte
zu beobachten und auszuwerten, sondern im Vergleich dazu auch die Wettbewerber im
Blick zu behalten. Schneidet der Wettbewerber weit unter dem Wert des eigenen Produkts
ab, ist der Handlungsbedarf nicht so groß, als wenn das eigene Produkt das Schlusslicht
in der Konsumentenbewertung bildet. Zusätzlich lassen sich durch die Gespräche über
die Produkte wertvolle Erkenntnisse über die Bedürfnisse, Nutzungsgewohnheiten und
Ansprüche der Konsumenten gewinnen, die wiederum in die Verbesserung bestehender
Produkte bzw. in die Neuentwicklung einfließen können.
258 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Aktuell lässt sich zudem der Trend beobachten, dass mehr und mehr Unternehmen
über eine intelligente Verknüpfung der Social Media Monitoring-Daten mit anderen Daten
nachdenken, die das Unternehmen erhebt. Auf diese Weise entsteht ein erheblicher Mehr-
wert, denn weiß man beispielsweise, dass eine Steigerung der positiven Nennungen zum
Produkt auch eine Erhöhung der Verkaufszahlen nach sich zieht, dann kann das Monito-
ring auch für Prognose-Analysen der Absatzzahlen verwendet werden. In der Praxis lassen
sich selbstverständlich weit mehr Fragestellungen untersuchen als die soeben geschilder-
ten. Als Markforscher sollte man sich daher bei jeder neuen Studie die Frage stellen, ob es
sich möglicherweise lohnt, diese Konsumentenmeinungen im Social Web zu untersuchen,
um hilfreiche Informationen in Form einer Vorstudie bzw. ergänzende Informationen zur
Hauptstudie zu erhalten. Gegebenenfalls lässt sich die Fragestellung sogar einfacher und
kostengünstiger mittels einer Social Media-Analyse beantworten.

Qualitätskriterien einer auf Social Media Monitoring-Daten basierenden


Marktforschungsstudie

Studienkonzept
Am Anfang gilt es – wie bei jeder anderen Marktforschungsstudie – darüber nachzuden-
ken, welche Fragestellung konkret mit den Daten aus dem Social Web beantwortet werden
soll. Dabei sollte als erstes geprüft werden, ob überhaupt relevante Kommunikation zum
Untersuchungsgegenstand öffentlich im Social Web verfügbar ist. So kann man bereits im
Vorfeld feststellen, ob die Studie zu verwertbaren Ergebnissen führen wird. Hierfür reicht
es häufig bereits aus, dass man über einschlägige Suchmaschinen und die Suchfunktio-
nen in den großen sozialen Netzwerken nach entsprechenden Schlagwörtern sucht. Findet
sich eine relevante Menge an Gesprächen zu dem Thema, steht dem Forschungsvorhaben
nichts im Wege.
Als zweites sollte der richtige Studienansatz gewählt werden. Dabei gilt es zu über-
legen, ob zur Beantwortung der Frage rein qualitative Aussagen ausreichen oder ob die
Ergebnisse auch quantifiziert werden sollen. Je nachdem ist jeweils ein anderer Studien-
ansatz zu wählen (siehe Abbildung 4.26). Beide Ansätze können dabei eher systematisch
oder unsystematisch durchgeführt werden, wobei nur eine systematische und methodisch
durchdachte Vorgehensweise zu zuverlässigen Ergebnissen führt. Bei der Wahl des Ansat-
zes entscheiden das für die Studie vorhandene Budget, die zeitlichen und personellen Res-
sourcen sowie die Wichtigkeit der Ergebnisse.
Eine Besonderheit im Social Media Monitoring-Bereich ist, dass in vielen Projekten
qualitative und quantitative Methoden gleichermaßen eingesetzt werden. In der Projekt-
planung ist es wichtig, sich den Unterschied zu vergegenwärtigen und zu entscheiden, wel-
cher Teil der Forschungsfragen am besten mit einem quantitativen Design beantwortet
werden kann und welcher eher mit einem qualitativen Design. Zur Veranschaulichung
werden in Abbildung 4.27 die beiden Forschungsrichtungen gegenübergestellt.
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 259

Abb. 4.26: Methodische Ansätze des Social Media Monitoring

Abb. 4.27: Quantitative versus qualitative Social Media-Studien


260 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Quantitative Social Media-Analysen


Möchte man mit einer hohen Treffsicherheit sagen können, wie viel Prozent der Autoren
im Social Web sich zum Beispiel über Marke A oder Marke B unterhalten oder wie viel
Prozent Frauen und wie viel Prozent Männer sich zu einem speziellen Thema äußern, lässt
sich dies nur mit einem quantitativen Studienansatz beantworten. Um hier zu zuverläs-
sigen Aussagen zu kommen, muss eine möglichst vollständige Datenerhebung erfolgen.
Aus der Grundgesamtheit gilt es dann – je nach Umfang der Beiträge – eine repräsenta-
tive Zufallsstichprobe für die sich anschließende quantitative Inhaltsanalyse zu ziehen. Ist
die Beitragsmenge sehr gering, kann auch eine Vollerhebung durchgeführt werden. Die
quantitative Inhaltsanalyse muss mittels eines standardisierten Prozesses stattfinden. Das
heißt, alle Beiträge müssen mit dem gleichen Schema mittels eines Codeplans untersucht
und klassifiziert werden. Arbeiten mehrere Personen an der Klassifizierung, so ist über die
Personen hinweg sicherzustellen, dass sie das gleiche Schema anwenden. Nähere Ausfüh-
rungen dazu erfolgen im Abschnitt „Codierung“.
Neben dem einheitlichen Klassifikationsschema müssen auch die Suchterme (Queries)
gleich aufgebaut sein, wenn man Vergleiche zwischen mehreren Marken oder Produkten
ziehen möchte. Ziel der Suchterm-Logik sollte in diesem Fall sein, jegliche künstliche Ver-
zerrung zu vermeiden. Wird zum Beispiel ein spezielles Produkt bei einer Marke durch
den Ausschlussterm exkludiert, so muss dieses Produkt auch bei den anderen Marken
exkludiert werden. Auch müssen der Betrachtungszeitraum sowie die zu betrachtenden
Quellen bei den zu vergleichenden Marken gleich gewählt werden. Beachtet man diese
wichtigen Punkte bei der Konzeption nicht, erhält man in der Regel Äpfel- und Birnen-
Vergleiche, dies es eigentlich zu vermeiden gilt.

Qualitative Social Media-Analysen


Bei qualitativen Social Media-Studien gilt es nicht, das Maximum an verfügbaren Daten zu
erheben und vollständig zu untersuchen, sondern hier interessieren einige wenige, dafür
umso aussagekräftigere Quellen. In Deutschland sind dies meist Foren, Frage- und Ant-
wortportale oder für den B2C-Bereich auch die Bewertungen auf Bewertungsportalen oder
e-Commerce-Plattformen. Der wichtige Unterschied zu den quantitativen Studien ist, dass
hier die Gesamtheit der Beiträge untersucht wird und nicht nur die Beiträge, die mittels
Suchwörtern ermittelt werden. Das heißt, findet man mittels des Social Media Monitoring
einen über mehrere Seiten langen Thread (Diskussions- oder Gesprächsstrang), werden
alle sich darin befindenden Beiträge untersucht, da so der komplette Kontext der Thematik
herausgearbeitet werden kann. Auch hier ist die Anwendung eines standardisierten Pro-
zesses Grundvoraussetzung für valide Ergebnisse.
Wissenschaftlich kann man sich bei beiden Ansätzen auf die Vorgehensweise der quan-
titativen und qualitativen Inhaltsanalyse stützen, zu denen es bereits ausführliche Lehrbü-
cher und wissenschaftliche Ausführungen gibt (Mayring 2015, Rössler 2010) [63] [64]. In
Tabelle 4.1 findet sich eine Übersicht der wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten
beider Studienansätze.
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 261

Tab. 4.1 Quantitative versus qualitative Social Media-Studien

Quantitative Social Media-Studien Qualitative Social Media-Studien


Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Analyse
– Reduktion von Komplexität durch – Fokus auf Interpretation, Berücksichtigung
Herausarbeitung der zentralen Muster mittels des Kontexts der Situation und
quantifizierender Aussagen Herausarbeitung der latenten Sinnstrukturen
– Durch einen sehr standardisierten Prozess in den Social Media-Äußerungen
systematische Strukturierung aller erhobenen – Ebenfalls standardisierter Prozess
Inhalte mittels automatisiert erhobener Meta- → mittels Kategorienbildung zur Erfassung der
Daten und Codierung Kernaspekte und Interpretationsregeln für die
– Untersuchungsinstrumente sind Suchterm- Textanalyse
Konzept und Codeplan – Instrument der Analyse ist das
Kategoriensystem, mit dem die inhaltlichen
Aussagen paraphrasiert werden
Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich der Gütekriterien
Reliabilitätsmaße Reliabilitätsmaße
– Intersubjektive Nachvollziehbarkeit – Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
→ Intercoder-Reliabilität → Intercoder-Reliabilität
– Intracoder-Reliabilität – Expliziertheit, Eindeutigkeit und Exaktheit
– Forscher-Codierer-Reliabilität der inhaltsanalytischen Regeln und
→ Abhängig von der Qualität des Codeplans, Ablaufmodelle
den Codierer-Schulungen und den → Nach Regeln ablaufend, festgelegte
Qualitätskontrollen Verfahrensschritte, die während der
Textanalyse nicht mehr verändert werden

Validitätsmaße Validitätsmaße
– Analysevalidität – Konstruktvalidität
– Inhaltsvalidität – Materialbezogene Validität
– Kriteriumsvalidität –…
– Inferenzvalidität → Entscheidender Unterschied zu freien inter-
pretativen Ansätzen
Repräsentativität (bei Stichproben)
Typische Anwendungsfälle
Rein deskriptive – Qualitative Vorstudien zu weiterführenden
– KPI-Messung Untersuchungen
– Social Media-Resonanzmessung – Vertiefung von in anderen Studien ermittelten
– Social Media-Ist-Analyse Auffälligkeiten
–… – Exploration tiefergehender Fragestellungen
bzgl. der Bedürfnis-, Motiv-, Meinungs- und
Themenwelt spezieller Zielgruppen
Schlussfolgernd
– Autoren-Analyse von speziellen Communities
– Image-Analysen
(z.B. Social Media-affine Modebloggerinnen
– Bedürfnisanalysen
oder Experten in Technikforen)
– Potenzialanalysen
–…
262 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Der Betrachtungszeitraum als Unterscheidungskriterium von Social


Media-Studien
Eine weitere wichtige Entscheidung, die im Vorfeld der Studie zu treffen ist, ist deren
Betrachtungszeitraum (siehe Abbildung 4.28). Hierbei ist wieder die Untersuchungsfra-
gestellung ausschlaggebend. Möchte man etwa während der Kampagnenlaufzeit bereits
erste Ergebnisse zur Optimierung der Kampagne erhalten, ist ein Tracking-Ansatz unum-
gänglich. Möchte man dagegen erst einmal den bisherigen Status Quo zu einem Untersu-
chungsgegenstand im Social Web erheben, so ist eher einer Adhoc-Analyse der Vorzug
zu gewähren. Je nachdem, welchen Weg man wählt, kann es zu erheblichen Kostenunter-
schieden kommen. Eine Prognose-Analyse lässt sich erst dann durchführen, wenn vorab
geprüft wurde, dass zwischen den im Social Web zu beobachtenden Entwicklungen und
anderen Datenquellen (wie zum Beispiel Verkaufszahlen) tatsächlich nachweisbare Kor-
relationen existieren. Hierzu gibt es etwa im Bankenbereich erste Studien, die Zusam-
menhänge zwischen Volumen sowie Tonalität von Aktiennennungen im Social Web und
den Schwankungen des Aktienkurses untersuchen. Diese Art der Forschungsansätze sind
jedoch bisher sehr selten in der Praxis anzutreffen, wobei bereits jetzt davon auszugehen
ist, dass das Interesse an solchen Analysen in Zukunft steigen wird.

Definition und Operationalisierung von KPIs


Wählt man einen langfristigen Reporting-Ansatz auf Basis eines quantitativen Studi-
endesigns, dann spielt die Konzeption aussagekräftiger Kennzahlen bzw. von Key Per-
formance-Indikatoren eine wichtige Rolle, um aus dem Reporting handlungsleitende
Ergebnisse abzuleiten. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, die gesammelten Daten auf-
zubereiten und mit Hilfe statistischer Kennziffern zu beschreiben. Zu einem echten Key
Performance-Indikator (KPI) wird eine solche Zahl aber erst, wenn anhand dieser Zahl
der Grad der Zielerreichung gemessen werden, also eine tatsächliche Wirkung im Sinne
der vorliegenden Ziele abgelesen werden kann. Dies ist der entscheidende Unterschied
zwischen einer Metrik und einem KPI. Aussagekräftige KPIs zeichnen sich durch folgende
Merkmale aus:

Abb. 4.28: Betrachtungszeitraum von Social Media-Studien


Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 263

1. Sie sind direkt an der Geschäftsstrategie ausgerichtet.


2. Verständlich: Die Bedeutung einer KPI muss jedem klar sein.
3. Actionable: Die KPI muss sich beeinflussen lassen.
4. Valide: Die Datenbasis muss genau und jederzeit verfügbar sein.

Klassische Metriken, die sich aus Social Media Monitoring Daten ermitteln lassen, sind
beispielsweise:

1. Share of Buzz / Share of Voice: Relativer Kommunikationsanteil eines Themas an der


Gesamtkommunikation zuvor definierter Themen (zum Beispiel Share of Buzz der
Marke X am Buzz zu allen betrachteten Marken)
2. Sentiment-Index: Verteilung der Tonalität zu einem Thema (zum Beispiel gemessen
auf einer Skala von 0 für „komplett negativ“ bis zu 1 für „komplett positiv“)
3. Kaufempfehlungsrate: Anteil der Beiträge, die eine direkte Kaufempfehlung enthalten,
am Gesamtbuzz zu einer Marke bzw. einem Produkt
4. Influencer-Rate: Anteil der Beiträge von Influencern, gemessen am Gesamtbuzz zu
einem Thema
5. Produkt-/Service-Zufriedenheitsrate: Anteil der Beiträge mit einer positiven Nennung
zum Produkt oder Service, die auf eine Zufriedenheit des Autors hinweist

So lassen sich je nach Inhalt und Qualität der Beiträge viele sinnvolle und hilfreiche
KPIs formulieren. Rein automatisiert sollten solche KPIs nur dann erhoben werden, wenn
die automatisierte Texterkennung auch zu zuverlässigen Ergebnissen führt. Ein einfaches
Beispiel hierfür ist die Kaufempfehlungsrate: Wenn sich durch die Verwendung aller mög-
lichen textlichen Varianten einer Kaufempfehlung 99% der Empfehlungen ermittelt lassen,
dann ist es vollkommen legitim, diesen Wert mittels eines speziellen Suchterms zu generie-
ren. Stellt man in der Prüfung jedoch fest, dass ein wesentlicher Teil der Kaufempfehlungen
nicht durch die Suchwortlogik erfassbar wird, so kommt man um eine manuelle Codierung
der Beiträge nicht herum. Bezüglich der Tonalität ist letzteres in der Praxis der häufigste
Fall. Längst sind die Algorithmen der Tools noch nicht so ausgereift, dass sie Ironie, Scherze
oder spezifischen Slang erkennen könnten. Ist die Tonalität bei einer Studie von hoher Rele-
vanz, ist heutzutage immer noch die manuell bestimmte Tonalität das bessere Mittel der
Wahl. Dabei gilt es auch hier, ein systematisches, vorab definiertes Klassifizierungs-Schema
anzuwenden, das den Interpretationsspielraum der Analysten bzw. Codierer so weit ein-
schränkt, dass die Arbeit unterschiedlicher Menschen zum gleichen Ergebnis führt.
Ist ein langfristiges Tracking geplant, lohnt es sich in der Anfangsphase, die Beiträge
manuell „tonalisieren“ zu lassen, um so eine ausreichend große Menge an Daten als Trai-
ningsdaten zu erstellen, mit denen dann die automatischen Klassifikatoren bzw. Algorith-
men geschärft und angepasst werden können. Auf diese Weise lässt sich die Qualität der
automatischen Sentiment-Analyse wesentlich erhöhen.
264 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Quellenscreening
Unabhängig davon, welches Studiendesign gewählt wurde, ist es empfehlenswert, nicht
allein auf das Quellenset der gewählten Monitoring-Lösung zu vertrauen. Man sollte vorab
immer mittels verschiedener Suchmaschinen und Aggregatoren-Plattformen ein themen-
spezifisches Screening durchführen, um bisher unentdeckte, aber thematisch relevante
Quellen zu identifizieren. Diese Quellen sollten im besten Fall in die Monitoring-Lösung
integriert und ein historischer Suchlauf über die Quellen gestartet werden. Auf diese Weise
erreicht man eine maximale Vollständigkeit der Daten.
Dabei gilt auch hier ein systematisches Vorgehen. So sollten die für das Screening ver-
wendeten Suchwörter, der Betrachtungszeitraum sowie die Indikatoren für die Relevanz
von Beiträgen vorab vom Studienleiter festgelegt und in allen Suchmaschinen und Aggre-
gatoren gleichermaßen angewendet werden. Zudem sollten die Ergebnisse systematisiert
dokumentiert werden, um die Quellen an den Monitoring-Dienstleister übermitteln und
im Nachhinein ihre vollständige Integration kontrollieren zu können. Neben diesem Quel-
lenscreening bietet es sich in einigen Quellen auch an, mit den entsprechenden Suchwör-
tern die Suchfunktionen der großen Plattformen wie Twitter und Youtube zu verwenden,
um eventuelle Löcher in der Datenbasis der verwendeten Monitoring-Lösung zu identifi-
zieren und gegebenenfalls durch die Integration der Beiträge zu füllen.

Suchterm-Konfiguration
Die Bildung von Suchtermen, das heißt der Suchwortkombinationen, mit denen das Tool
die Beiträge dem entsprechenden Thema zuordnet, ist einer der Erfolgsfaktoren für die
Qualität der Monitoring-Ergebnisse. Wird an dieser Stelle ein wichtiges Wort vergessen
oder unsystematisch vorgegangen, sind die Ergebnisse aus dem Monitoring verzerrt und
damit nicht valide. Daher sollte man sich für die Suchterm-Konfiguration ausreichend Zeit
nehmen und diese wichtige Aufgabe nur von geschultem Personal durchführen lassen.
Ziel der Suchterm-Konfiguration ist die Erfassung möglichst vieler relevanter Beiträge
sowie das Ausschließen möglichst vieler irrelevanter Beiträge. Dies ist gleichzeitig auch die
größte Herausforderung dabei.

Stichprobenziehung
Erhält man eine zu große Treffermenge, so dass eine manuelle Bestimmung der Tonalität
und/oder weiterer Faktoren nicht möglich ist, kann man das aus der klassischen Markt-
forschung bereits bekannte Mittel der Zufallsauswahl anwenden. Die Zufallsauswahl sollte
immer auf einen optimalen Suchterm angewendet werden, da die Stichprobe sonst zu viele
irrelevante Treffer enthält und die übrigbleibende relevante Treffermenge zu klein wird.
Das gilt es bereits bei der Stichprobenziehung zu beachten. Daher sollte die Menge der
gezogenen Beiträge immer um den Faktor an Fehltreffern erweitert sein, die man voraus-
sichtlich erhalten wird. Die Bestimmung der Fehltreffer ist dabei relativ simpel. Man zieht
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 265

hierfür eine ausreichend große Menge an Beispieldaten und ermittelt, wie viel Prozent der
Beiträge pro Thema relevant und wie viele irrelevant sind.
In der Regel sollte die Mindest-Stichprobengröße anhand des Themas mit den wenigs-
ten Beiträgen ermittelt werden, um auch für dieses Thema eine statistisch ausreichend
große Menge an Daten zu erhalten. Gerade wenn man Gruppenvergleiche innerhalb
eines Themas durchführen möchte, sollte darauf geachtet werden, dass die Stichprobe
ausreichend groß ist, um statistisch signifikante Aussagen über Gruppenunterschiede zu
erhalten. Hierfür bietet die Statistik anerkannte Verfahren an, um die Stichprobengröße
zu bestimmen. Mittlerweile haben auch einige der Toolanbieter den wichtigen Anwen-
dungsfall der Zufallsstichprobenziehung erkannt und erlauben es, innerhalb des Tools eine
Zufallsauswahl zu ziehen. Falls dies nicht der Fall ist, so kann in der Praxis die Excel-
Funktion Zufallszahl sehr hilfreich sein.
Hier noch einige wichtige Tipps für die Praxis:

• Jede Stichprobe muss bis zum Ende codiert werden, wenn man Mengenvergleiche zwi-
schen den Themen oder innerhalb eines Themas vornehmen möchte.
• Stellt man am Anfang der Codierung fest, dass wider Erwarten zu viele irrelevante
Treffer vorhanden sind, sollte man überlegen, ob das Fortführen der Codierung und
damit die Investition von Zeit sinnvoll ist oder ob man durch Anpassungen am Such-
term eine bessere Qualität erzielen kann und damit effizienter zu aussagekräftigen
Ergebnissen kommt.
• Die Datenbasis in einem Monitoring-Tool ändert sich ständig, denn kontinuierlich
werden auch für vergangene Zeitabschnitte noch neue Beiträge von den Crawlern
erfasst und in die Datenbank abgespeichert. Somit ist das Volumen für einen Monat
am Tag 1 des Folgemonats ein anderes als am Tag 5 oder Tag 7. Dieses Phänomen muss
auch bei der Stichprobenziehung berücksichtigt werden. Daher ist es empfehlenswert,
die Stichproben für alle Themen am gleichen Tag zu ziehen, da damit für alle Themen
die gleichen Bedingungen gelten.

Codierung
Basisinstrument der quantitativen Inhaltsanalyse ist der Codeplan, anhand dessen Inhalte
der Social Media-Kommunikation strukturiert und quantifiziert werden können. Hier-
für gibt es umfangreiche Literatur in der Kommunikationswissenschaft, die die Planung,
den Aufbau des Codeplans und die Durchführung der Codierung detailliert beschreiben
(zum Beispiel Rössler 2010) [64]. Mittels der Codierung können zum Beispiel auch die
Merkmale der Autoren bestimmt werden (zum Beispiel Geschlecht, Altersgruppe, Fami-
lienstand). Am häufigsten lässt sich das Geschlecht bestimmen, etwa über den Namen
oder die Inhalte des Beitrages. Sehr oft geben die Autoren auch weitere Merkmale offen
preis. Wenn beispielsweise ein Autor sagt, dass er sich für das Produkt interessiert oder
das Produkt bereits gekauft hat, so kann man durch die Erfassung dieses Merkmals Unter-
schiede zwischen Kaufinteressenten und tatsächlichen Kunden herausarbeiten. Neben
266 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

rein statistischen Auswertungen können die so quantifizierten Inhalte in Regressions-


oder Faktorenanalysen einbezogen werden, um Zusammenhänge zwischen verschiedenen
Merkmalen der Kommunikation statistisch zu untersuchen.

Tool-Auswahl
Sowohl die Qualität der Daten als auch die Effizienz des Datenbearbeitungs- und Daten-
analyse-Prozesses hängen maßgeblich vom verwendeten Social Media Monitoring-Tool
ab. Am Markt gibt es mittlerweile eine Fülle an Lösungen, die sich jedoch hinsichtlich der
Vollständigkeit der Daten, des Umfangs der zur Verfügung gestellten Meta-Daten sowie
der Funktionalität der Konfigurations- und Analyse-Oberfläche (in der Regel Dashboard
genannt) unterscheiden. Daher sollte man vor der Tool-Auswahl einen an den eigenen
Zielen und Ansprüchen entwickelten Kriterienkatalog ableiten und überprüfen, ob das
anvisierte Tool diese Kriterien erfüllt. Hierbei gilt es, die eigenen Anforderungen so kon-
kret wie möglich zu skizzieren.
Folgende Bereiche sollte ein Kriterienkatalog zur Auswahl des richtigen Tools für eine
fundierte Social Media-Analyse in jedem Fall berücksichtigen:

• Datenerhebung
- Welche Quellen werden durchsucht?
- Wie vollständig ist die Datenerfassung auf diesen Quellen?
• Datenaufbereitung
- Wie leicht ist die Konfiguration der Suchanfragen (Queries) und welche Operatoren
stehen zur Verfügung?
- Welche eigene Datenbearbeitung lässt das Tool zu?
- Kann man eine Stichprobe aus der Datenmenge ziehen?
• Datenbereitstellung
- Wie korrekt sind die automatisiert zur Verfügung gestellten Meta-Daten (zum
Beispiel Datum, Sprache, Land, Tonalität)?
- Wann stehen die Daten zur Analyse zur Verfügung?
• Datenanalyse
- Welche Analyseansichten bietet das Tool?
- Kann man eigene Ansichten konfigurieren?

Gute Social Media Forschung kostet was

Eine weitverbreitete Annahme ist es, dass durch die Daten im Social Web eine schier
unendliche, kostenlose Datenquelle zur Verfügung steht und diese Daten auf Knopfdruck
Antworten auf alle möglichen Fragen liefern. Diejenigen, die sich bereits intensiv mit der
Erhebung und Untersuchung von Social Media-Gesprächen auseinandergesetzt haben,
wissen, dass dies ein Trugschluss ist. Wer zuverlässige, aussagekräftige und valide Daten
möchte, der muss einiges an Zeit, Personal und Kosten auf sich nehmen. Kostenlose Tools
Einsatz von Social Media Monitoring für die Marktforschung 267

können lediglich als Indikator dafür dienen, ob überhaupt Daten im Social Web zur jewei-
ligen Thematik vorhanden sind. Geht es aber um eine möglichst zuverlässige Erhebung
von Social Media-Daten, kommt man um professionelle Software-Lösungen nicht herum.
Und auch diese liefern nicht auf Knopfdruck die richtigen Antworten. Es benötigt einiges
an Zeit und Know-how, um genau die Daten zu erhalten, die zur Beantwortung der jeweili-
gen Frage wichtig sind. Zwar arbeiten viele Technologiefirmen daran, Tools zu entwickeln,
die diese Prozesse durch Automatisierung unterstützen sollen. Jedoch wird die Kompo-
nente Mensch immer notwendig sein, um die Tools richtig zu bedienen. Denn nur wenn
die Tools richtig bedient werden, werden sie richtige Antworten liefern.
„A fool with a tool, is still a fool!“

Quellenverzeichnis
[57] Aßmann, Stefanie & Pleil, Thomas (2014). Social Media Monitoring: Grundlagen
und Zielsetzungen. In: Zerfaß, A. & Piwinger, M. (Hrsg.). Handbuch Unternehmens-
kommunikation. Wiesbaden: Springer. http://rd.springer.com/referenceworkentry/1
0.1007%2F978-3-8349-4543-3_28. Zugegriffen: 02. April 2016.
[58] Brauckmann, Patrick (2010). Web-Monitoring. Gewinnung und Analyse von Daten
über das Kommunikationsverhalten im Internet. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft
mbH.
[59] BVDW (2013). RICHTLINIE ZUR MEDIENTYPEINTEILUNG. http://www.bvdw.
org/presseserver/bvdw_monitoring_richtlinie/richtlinie_social_media_zur_medien-
typ-einteilung_2013.pdf. Zugegriffen: 30. März 2016.
[60] DragonSearchDigitalMarketing (2013). DIE BEDEUTUNG DER BOOLESCHEN
SUCHABFRAGE IN SOCIAL MEDIA MONITOR INGTOOLS. https://14419-pres-
scdn-0-35-pagely.netdna-ssl.com/de/wp-content/uploads/2013/09/Social-Media-
Monitoring-Tools-Boolesche-Operatoren-DE.pdf. Zugegriffen: 02. April 2016.
[61] Dütsch, Philipp (2014). „Social Media Monitoring“. Chance oder Bedrohung für die
klassische Marktforschung. Bachelor-Arbeit. Nürnberg: Technische Hochschule.
[62] Hofmann, Olaf (2014). Methoden des Social Media Monitoring. In: König, Christian
(Hrsg.). Soziale Medien. Gegenstand und Instrument der Forschung (Schriftenreihe
der ASI – Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute). S. 161–170.
Wiesbaden: Springer VS.
[63] Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 12.
Auflage. Weinheim Basel: Beltz Verlag.
[64] Rössler, Patrick (2010). Inhaltsanalyse, 2. Auflage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft
mbH.
[65] Steffen, Dirk (2014). Verknüpfung von Daten aus Sozialen Medien mit klassischen
Erhebungsmethoden. In: König, Christian (Hrsg.). Soziale Medien. Gegenstand
und Instrument der Forschung (Schriftenreihe der ASI – Arbeitsgemeinschaft
Sozialwissenschaftlicher Institute). S. 97-110. Wiesbaden: Springer VS.
268 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Anna-Maria Zahn beschäftigt sich seit 2008 mit den Themen Social Media Moni-
toring und -Analyse an unterschiedlichen beruflichen Stationen. Aktuell ist sie für
einen der weltweit führenden Hausgeräte-Hersteller als Inhouse-Consultant für das
globale Social Media Monitoring und den Bereich der Social Media-Analyse zustän-
dig. Zuvor übernahm die studierte Kommunikationswissenschaftlerin als Director
Social Media Research drei Jahre lang die fachliche Leitung des Marktforschungs-
und Beratungsunternehmens ForschungsWeb. Die Grundlagen für diese Arbeiten
erlernte sie nach ihrem Studium bei einem der Social Media Monitoring-Pioniere in
Deutschland, der Business Intelligence Group, heute BIG Social Media GmbH. Als
Leiterin der Unit Markt-/Trendforschung im Bundesverband der Digitalen Wirt-
schaft (BVDW) und später als Leiterin der Initiative Digital Analytics & Monito-
ring setzte sie sich auch auf Verbandsebene für die Professionalisierung des Bereichs
Social Media Monitoring & Measurement ein.
Die BSH Hausgeräte GmbH ist mit einem Umsatz von rund 11,4 Mrd. Euro im Jahr
2014 und mehr als 53.000 Mitarbeitern ein weltweit führendes Unternehmen der
Hausgerätebranche. Zum Markenportfolio gehören unter anderem Marken wie
Bosch, Siemens, Neff und Gaggenau. Die BSH produziert in 42 Fabriken und ist mit
über 80 Gesellschaften in rund 50 Ländern vertreten.
Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich 269

4.9 Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im


B2B-Bereich

Jochen Knöller und Philipp Scholz

Einleitung

Der von Frederick F. Reichheld entwickelte Net Promoter Score (NPS)® wird gerne als
Wunderwaffe der Kundenzufriedenheits-Messung betrachtet.18 Mit nur einer Frage – der
„ultimativen Frage“ nach der Weiterempfehlungsbereitschaft (Reichheld 2006) [70] – soll
die Loyalität der Kunden gemessen werden. Manchmal wird zusätzlich noch eine offene
Nachfrage gestellt, in welcher der Kunde seine Bewertung kurz erläutern soll. Dieses Kon-
zept erfüllt damit drei wesentliche Kriterien, das es im Management von Unternehmen
sehr beliebt gemacht hat:

• schnell,
• einfach
• und kostengünstig.

Aber ist der NPS in der Praxis tatsächlich die Wunderwaffe der Kundenzufriedenheits-
Messung? Kann dieses einfache Konzept tatsächlich die Komplexität der Beziehung eines
Kunden mit einem Unternehmen abbilden? Bei einem vor einigen Jahren vom Berufsver-
band Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. in Nürnberg organisierten Vortrag von
Prof. Dr. Oliver Schwarz zum Thema „Absicherung des Net Promoter Score – die Ermitt-
lung von Konfidenzintervallen mit dem Bootstrap Verfahren“ gab es viele Wortmeldun-
gen von anwesenden Marktforschern, die die Grundproblematik des NPS zum Ausdruck
brachten:
Wie kann man aus dem NPS Handlungsempfehlungen ableiten, mit denen das Unterneh-
men letztendlich die Performance des NPS nachhaltig beeinflussen kann?
Der NPS ist eine eindimensionale Kennziffer, die es – betrachtet man ihn isoliert –
unmöglich macht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herzustellen. Nehmen wir an,
der NPS eines Unternehmens hat in einem Monat den Wert 75 und im darauffolgenden
nur noch 50. Die erste Frage des Managements wird sein, wie die deutliche Veränderung
zu erklären ist. Dem Marktforscher wird es schwer fallen, seinem Kunden diese Frage zu
beantworten. So könnte ein unternehmensinternes Qualitätsproblem genauso der Grund
für die Veränderung sein wie ein statistischer Zufallsfehler. Dadurch ist höchstens eine

18
Net Promoter Score and NPS are registered trademarks of Bain & Company, Inc., Fred Reichheld
and Satmetrix Systems, Inc.
270 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Ergebnisinterpretation auf Basis von Mutmaßungen möglich, eine verlässliche Analyse


sollte allerdings auf fundierten Beinen stehen. Dies zeigt, dass der NPS nur im Zusam-
menspiel mit weiteren zu erhebenden Daten interpretierbar wird.
Im Folgenden soll daher ein praxisorientiertes Anwendungsbeispiel des NPS im Vor-
dergrund stehen. Die Methodik des NPS wurde hierbei erweitert und zu einer kontinu-
ierlichen, prozessbezogenen Befragung ausgebaut. Dieser Ansatz hat sich insbesondere
bei Unternehmen bewährt, die im B2B-Bereich tätig sind und einen relativ kleinen, aber
umsatzintensiven Kundenkreis aufweisen. Zunächst wird aber die Methode des NPS nach
Reichheld erläutert, um darauf aufbauend die prozessbezogene NPS-Befragung als Best
Practice-Beispiel vorzustellen.

Der Net Promotor Score nach Reichheld

Methodologie des Net Promotor Score


Für den NPS wird in der Regel die folgende Frage verwendet, die je nach Zielgruppe leicht
abgewandelt werden kann: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen XY an
Freunde oder Bekannte weiterempfehlen würden?“ Zur Messung wird eine „konsistente
Skala für die Antworten verwendet“ (Reichheld 2003) [69], die von 0 = „überhaupt nicht
wahrscheinlich“ bis 10 = „sehr wahrscheinlich“ reicht. Die Skala wird zur Berechnung des
NPS in drei Gruppen aufgeteilt:

• Promotoren (Skalenwert 10 und 9): Dies sind enthusiastische Weiterempfehler, die


vom Unternehmen und dessen Produkten begeistert sind und somit zu Multiplikato-
ren des Unternehmens werden und zukünftiges Wachstum generieren.
• Passive (Skalenwert 7 und 8): Dies sind Kunden, die zwar zufrieden aber nicht enthusi-
astisch genug sind, um das Unternehmen weiterzuempfehlen. Sie sind daher auch offen
für attraktive Konkurrenzangebote.
• Kritiker (Skalenwert ≤ 6): Dies sind unzufriedene Kunden, die dem Unternehmen
durch eine negative Weiterempfehlung schaden und somit das Unternehmenswachs-
tum negativ beeinflussen können.

Auf Basis dieser Skala lässt sich mathematisch sehr einfach der NPS berechnen (siehe
auch Abbildung 4.29):

nP nK
NPS = (  )100
n n

n = Anzahl der befragten Personen, davon:


nP = Anzahl der Promotoren
nK = Anzahl der Kritiker
Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich 271

Abb. 4.29: Berechnung des NPS

Der NPS kann somit Werte zwischen -100 (100% Kritiker) und +100 (100% Promoto-
ren) erreichen. Reichheld argumentiert, dass der NPS ein nützliches Werkzeug zur Vorher-
sage von Unternehmenswachstum ist (Reichheld 2003) [69]. So zeigte er auf, dass Unter-
nehmen mit höherem NPS ein besseres Umsatzwachstum aufweisen als Unternehmen mit
niedrigerem NPS (Reichheld 2006) [70]. Allerdings stützt er diese Aussage lediglich auf
eine einzige Studie, die von Bain & Company durchgeführt wurde.

Kritische Würdigung
Der Charme des NPS liegt – wie bereits erwähnt – sicherlich an der Einfachheit der
Methode. Kunden für Befragungen zu motivieren, wird immer schwieriger und so ist es
attraktiv, einen oftmals langen und diversifizierten Fragebogen durch eine einzige Frage zu
ersetzen, die zudem noch sehr schnell und einfach ausgewertet werden kann. Ob der NPS
die Erwartungen erfüllen kann, die auf ihm beruhen, erscheint allerdings zweifelhaft. Viele
Studien haben sich mit der Methodik und insbesondere dem von Reichheld hergestell-
ten Zusammenhang zwischen NPS und zukünftigem Unternehmenswachstum beschäftigt
und kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen (zum Beispiel Brosius und Ziegeler 2008
[66], Hayes 2008 [67], Marsden et al. 2006 [68] oder Sharp 2008 [72]).
Eines ist jedoch offensichtlich: die Kundenbeziehung ist ein viel zu komplexes und
schwer zu operationalisierendes Konstrukt, als dass die reine Weiterempfehlungsbereit-
schaft dies allumfassend messen könnte. Wichtige Einflussfaktoren wie beispielsweise das
Involvement oder die Alternativmöglichkeiten bleiben unberücksichtigt (Ruf 2007) [71].
Auch ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Personengruppen unterschiedlich auf
die NPS-Frage antworten, ohne zwingend ein anderes Commitment zum Unternehmen
zu haben. So sind Ingenieure vielleicht bei einer Bewertung von 7 eigentlich Promotoren,
wohingegen ein Marketingmanager bei gleicher Begeisterung eher dazu bereit ist, gleich
die vollen 10 Punkte zu vergeben.
Des Weiteren lassen sich aus dem NPS selbst keine Handlungsempfehlungen ableiten.
Er bleibt lediglich eine eindimensionale Kennzahl mit dem Versprechen auf einen Einfluss
auf zukünftig zu erwartende Umsatzentwicklungen. Von daher war es uns wichtig, den
272 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

NPS auszubauen, um auf Individualebene genaue Informationen zu generieren, die dem


Unternehmen helfen, die NPS-Bewertung des Kunden zu verstehen.
So wird der NPS in diesem spezifischen Anwendungsbeispiel zu einem einfachen Ins-
trument, das es ermöglicht, auch konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu können.
Es bleibt hierbei zu berücksichtigen, dass dieses Konzept für ein spezielles Kundensegment
entwickelt wurde und sich nicht unbedingt beliebig auf andere Segmente übertragen lässt.

Anwendung des Net Promoter Score als prozessbezogene Befragung

Wie zuvor aufgezeigt, eignet sich der Net Promoter Score einerseits dafür, ein schnelles
Feedback über die Zufriedenheit der Kunden mit angebotenen Dienstleistungen und Pro-
dukten zu erhalten. Allerdings ist die Rückmeldung oftmals nicht detailliert genug, um
eventuelle Defizite auf den ersten Blick zu erkennen. Im Folgenden möchten wir nun dar-
legen, wie der NPS in einer erweiterten Form als Instrument eingesetzt werden kann, um
einen Projektprozess zu begleiten bzw. abzuschließen und so gezielten Input für die Qua-
litätssicherung in einem Unternehmen zu generieren. In der Praxis wurde diese Methode
unter anderem bei einem Konzern implementiert, dessen Hauptgeschäftsfeld im Maschi-
nen- und Anlagenbau liegt.

Schritt 1: Die Adaptierung des Net Promotor Score


Befragung
Zunächst gilt es, das Grundgerüst des NPS anzupassen und um wenige Detailfragen zu
ergänzen (siehe Abbildung 4.30). Die Basis – die Frage nach der Weiterempfehlungsbe-
reitschaft – bleibt dabei bestehen. Im Anschluss wird der Teilnehmer mittels einer offenen
Textfrage gebeten, seine getätigte Aussage zu begründen. Dabei wird bereits zwischen den
drei Gruppen (Promotoren, Passive und Kritiker) unterschieden und gezielt gefragt, was
die Weiterempfehlungsbereitschaft konkret motiviert bzw. was getan werden könnte, um
diese zu erhöhen.
Bei geringer Weiterempfehlungsbereitschaft bietet es sich zudem an, bestimmte
Aspekte des Projektablaufs beurteilen zu lassen, um zu erfahren, was die Ursachen hierfür
sind. Diese Detailthemen sollten auf den Unternehmensprozess abgestimmt sein und sind
deshalb üblicherweise von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Auch die Posi-
tion des Befragten sollte hierbei berücksichtigt werden. Gerade wenn mehrere Ansprech-
partner im Projektverlauf aufgetreten sind, kann es sein, dass der konkret Befragte nicht
über alle Aspekte des Projekts informiert ist. Diese Eventualitäten gilt es im Vornherein
zu klären und unterschiedliche Themenkomplexe für verschiedene Personengruppen zu
definieren. Übliche Punkte, die in der Regel zum Tragen kommen, sind beispielsweise die
Zufriedenheit mit der Angebotsphase, der Beratung, der Kommunikation sowie der Liefe-
rung und der Qualität der Dienstleistung/des Produkts.
Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich 273

Abb. 4.30: Beispielhafter Verlauf einer NPS Befragung im B2B-Bereich

Sollte der Teilnehmer mit einem oder mehreren der gefragten Aspekte in Bezug auf das
durchgeführte Projekt unzufrieden sein, so wird mit einem offenen Kommentarfeld direkt
nachgefragt, was die konkreten Probleme waren, die zu dieser Beurteilung führten. Diese
Kommentare erlauben es, die Sichtweise des Kunden besser zu verstehen und machen spe-
zifische Optimierungsmöglichkeiten greifbar. Positiv beurteilte Themen werden hingegen
nicht weiter angesprochen, was die Befragung so kurz wie nötig hält.
Darüber hinaus sollte man einem Kritiker die Möglichkeit geben, in einer anschließen-
den offenen Frage zu sonstigen und möglicherweise noch nicht angesprochene Themen
Stellung zu nehmen. Dies soll sicherstellen, ein umfassendes Feedback von einem weniger
zufriedenen Kunden zu erhalten. Denn gerade die gemachten Erfahrungen der Kritiker
geben Aufschluss über die dringlichsten Verbesserungsmöglichkeiten.

Datenschutz
Die beschriebene Art der prozessbezogenen, kontinuierlichen NPS-Befragung, die dar-
auf abzielt, das persönliche Feedback der Kunden direkt auszuwerten und auf das Kun-
denfeedback auch reagieren zu können, hat zur Folge, dass die Anonymität des Umfra-
geteilnehmers aufgehoben werden muss. Dies ruft zunächst Widerstände hervor, da die
Anonymität der Teilnehmer in der Marktforschung zu Recht als eine unantastbare Regel
gilt. Allerdings handelt es sich bei dieser Art der Befragung um einen Sonderfall. Da die
Teilnehmer kontinuierlich (monatlich bis quartalsweise) und zeitnah nach dem Kauf
eines Produkts eingeladen werden sollen, werden nur sehr geringe Fallzahlen (pro Welle
n<30) erreicht, die gegen eine robuste quantitative Auswertung sprechen. Die Befragung
274 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

ist aufgrund ihrer qualitativen Orientierung daher darauf ausgerichtet, das individuelle
Empfinden des Kunden in den Fokus zu rücken und – wie bereits ausgeführt – bei nega-
tiven Erfahrungen direkt mit ihm Kontakt aufnehmen zu können. Dies ist nur durch eine
nicht-anonyme Befragung möglich.
Es ist daher wichtig, den Kunden die größtmögliche Transparenz entgegenzubringen.
Dies beginnt damit, dass vor der Implementierung alle Kunden vom Unternehmen ange-
schrieben werden, um sie vorab über die anstehende neue Art der Kundenbefragung aus-
führlich zu informieren. Auf die Aufhebung der Anonymität und die damit verbundenen
Konsequenzen wird der Teilnehmer ebenfalls in der Einladungsmail zur Befragung aus-
führlich hingewiesen. Darüber hinaus gibt es auf jeder Umfrageseite die Möglichkeit, die
Datenschutzbestimmungen einzusehen, und es wird eine Kontaktadresse im Unterneh-
men genannt, an die man sich bei weiteren Fragen wenden kann.
Geht man offensiv mit diesem Thema um, so wird dieses Vorgehen nach unserer Erfah-
rung von den Kunden sehr positiv aufgenommen. In der gesamten Laufzeit gab es noch
keine einzige Beschwerde von Kunden. Vielmehr sind die Kunden positiv überrascht, dass
ihr Anliegen ernst genommen wird, was bei groß angelegten Kundenbefragungen in die-
ser Form häufig nicht wahrgenommen wird. Bei Vorbehalten gegenüber diesem Vorgehen
gibt es die Möglichkeit, den Befragten am Ende der Befragung die Entscheidung selbst zu
überlassen, ob er seine Anonymität aufheben möchte oder nicht (Opt-in-Verfahren).

Schritt 2: Die Rückmeldung des Kundenfeedbacks


Wie bei anderen Befragungen auch ist es von großer Wichtigkeit, dass das Feedback des
Befragten eine Reaktion hervorruft. Wenn der Teilnehmer merkt, dass sein Input ernst
genommen und wertgeschätzt wird, so beeinflusst dies nicht nur die Kundenbindung posi-
tiv, sondern es erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Person in Zukunft weiteres,
wertvolles Feedback abgeben wird. Dies gilt insbesondere im Falle eines weniger zufriede-
nen Kunden. Relevant ist hierbei auch die Zeitspanne zwischen Befragung und Reaktion.
Die zeitnahe Weitergabe des Kundenfeedbacks an die Verantwortlichen im Unternehmen
ist somit in diesem Zusammenhang ein wichtiger Bestandteil des Befragungsprozesses.

Alert Mail-Funktion und Kontaktaufnahme


Eine einfache und praktikable Lösung ist die sofortige Kommunikation des Feedbacks an
die Verantwortlichen per E-Mail: Sobald ein Kunde die Befragung abgeschlossen hat, wird
automatisch eine „Alert Mail“ an eine oder mehrere im Vorfeld bestimmte Personen aus-
gelöst, die die Aussagen des Teilnehmers direkt auswerten, verarbeiten oder an andere
Verantwortliche weitergeben können. Es können hier auch sogenannte Eskalationsstufen
definiert werden, das heißt die Alert Mail wird je nach Ergebnis der Kundenbefragung an
verschiedene Personengruppen im Unternehmen verschickt. So ist es beispielsweise mög-
lich, dass der entsprechende Projektleiter über alle Umfrageergebnisse informiert wird,
wohingegen die Geschäftsführung nur die Ergebnisse von Kritikern zugesendet bekommt.
Dadurch werden Kommunikationswege verkürzt und es kann bei brisanten Fällen adäquat
Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich 275

reagiert werden. So werden in der Regel Kritiker vom verantwortlichen Mitarbeiter zeit-
nah kontaktiert, um mit ihm die aufgetretenen Probleme zu diskutieren und wenn mög-
lich direkt gemeinsame Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die Konfiguration ist hier-
bei von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Es ist jedoch wichtig zu betonen,
dass der definierte Prozess innerhalb des Unternehmens transparent dargelegt wird, um
keine Irritationen bei den Mitarbeitern hervorzurufen.
Die technischen Möglichkeiten zur inhaltlichen und optischen Gestaltung der beschrie-
benen Alert Mails sind dabei umfangreich und lassen es zu, ausschließlich relevante Infor-
mationen darzustellen (siehe Abbildung 4.31). Ist ein Kunde beispielsweise begeistert vom
durchgeführten Projekt, so wird lediglich sein Grad der Weiterempfehlungsbereitschaft
und seine Begründung abgebildet. Bei weniger zufriedenen Kunden wird darüber hinaus
auch seine (Un-)Zufriedenheit mit einzelnen Detailthemen ausgewiesen. Dadurch erhält
der Empfänger ein unkompliziertes und rasch begreifbares Bild über die Kundenbeurtei-
lung des Projekts.

Abb. 4.31: Beispielhafte Alert Mail


276 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Kundendaten aktualisieren
Um sicherzustellen, dass die Kontaktdaten der betreffenden Person noch auf dem aktuells-
ten Stand sind, bietet es sich an, diese vom Kunden bei der Beantwortung der NPS-Befra-
gung bestätigen oder korrigieren zu lassen. Diese Korrektur der Kontaktdaten lässt sich
technisch problemlos in den Online-Fragebogen implementieren und in die beschriebene
Alert Mail integrieren. Zusätzlich können diese Informationen auch an Verantwortliche
im CRM gesendet werden, sodass die Kundendaten auch im CRM-System des Unterneh-
mens auf aktuellem Stand gehalten werden.

Reporting
Neben dieser Portraitierung einzelner Kunden ist es empfehlenswert, das Feedback im
klassischen Sinne zu quantifizieren. Um hierbei immer auf dem aktuellen Stand zu sein,
bietet es sich an, die überschaubare Variablenzahl mittels Online-Dashboards abzubilden.
Die stetig auflaufenden Umfragedaten werden dabei in Echtzeit in einem Dashboard in
leicht verständlichen Charts verarbeitet und spiegeln ein generelles Stimmungsbild der
Kunden sowie Langzeitverläufe wider. Die verantwortlichen Personen im Unternehmen
können sich somit bei Bedarf über einen Online-Login jederzeit über die allgemeine
Zufriedenheit der Kunden informieren.
Beim Hantieren mit geringen Fallzahlen sollte man allerdings Vorsicht walten lassen
bei der Interpretation von Langzeitentwicklungen. Oftmals können einzelne Ausreißer das
Gesamtbild eines Zeitabschnitts verzerren und zu Fehlschlüssen führen. Das Zeitinter-
vall sollte deshalb nicht zu kurz gewählt werden. Je nach Fallmenge bieten sich vor allem
Quartals- und Jahresvergleiche an. Trotz der bequemen Möglichkeiten zu quantitativen
Analysen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass insbesondere das Feedback aus den
offenen Textnennungen wichtige und konkrete Verbesserungshinweise enthält. Der Fokus
sollte deshalb auf der Verarbeitung der oben geschilderten Alert Mails liegen.

Schritt 3: Die Einbettung der Net Promotor Score-Befragung in den


Projektverlauf
In der Regel ist es naheliegend, die Befragung beim Abschluss eines Projekts durchzu-
führen. Bei besonders umfangreichen Projektabläufen kann es jedoch auch ratsam sein,
weitere Touchpoints zu definieren, zu denen der Kunde um Feedback gebeten wird. In
diesen Fällen kann eine Befragung auch nach Beendigung einzelner Projektabschnitte
durchgeführt werden. Die Auswahl der Touchpoints ist für die Adaption des Erhebungs-
instruments (siehe Schritt 1) relevant, da einzelne Aspekte des Projekts zu bestimmten
Zeitpunkten noch nicht beurteilt werden können. Es ist somit nötig, eine Anpassung der
Befragung an die einzelnen Projektabschnitte vorzunehmen, wobei die Grundstruktur für
jede Befragung übernommen werden kann.
Wird also im Verlauf des Projekts einer dieser Touchpoints erreicht, so lädt man den
Kunden zur NPS-Befragung ein. Die gegebene Beurteilung wird, wie weiter oben bereits
erläutert, direkt an die Verantwortlichen im Unternehmen weitergeleitet und dadurch über
Erfahrungen mit dem Einsatz des Net Promoter Score im B2B-Bereich 277

Abb. 4.32: Workflow der prozessorientierten NPS Befragung

eventuelle Probleme oder Optimierungspotenziale informiert. Diese wiederum werten das


Feedback aus und nehmen bei Bedarf Kontakt zum Kunden auf, um aufgetretene Prob-
leme im Detail zu erfassen und gegebenenfalls Verbesserungsmaßnahmen zu veranlassen.
Dadurch wird automatisch ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eingeleitet mit dem
Ziel, den Qualitätsstandard zu sichern bzw. zu erhöhen (siehe Abbildung 4.32).
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass der Kunde eine persönliche Betreuung erhält und
sein Feedback Gehör findet. Seine dargelegten Bedürfnisse und Anliegen werden ange-
nommen und verarbeitet, was zu einer erhöhten Zufriedenheit und Bindung an das Unter-
nehmen führen kann.

Fazit

Die Wunderwaffe der Kundenzufriedenheitsmessung per Net Promoter Score ist nicht nur
ein „quick and dirty“-Instrument, das zur schnellen Fiebermessung der Kundenloyalität
verwendet werden kann. Angereichert mit weiteren Themenkomplexen und einem ver-
stärkt qualitativen Ansatz, bietet sich der NPS auch im B2B-Bereich an, um als Befra-
gungstool das interne Qualitätsmanagement anzukurbeln und eine enge Kundenbindung
und Kundenfeedback-Kultur im Unternehmen zu etablieren.
Diese prozessorientierte Befragung des NPS bietet somit im Gegensatz zur herkömmli-
chen Methode die Möglichkeit, das Kundenfeedback direkt an verschiedenen Touchpoints
278 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

des Unternehmens zu verarbeiten und einfach und kontinuierlich ins Qualitätsmanage-


ment einfließen zu lassen. Des Weiteren wird durch diesen Ansatz das eingangs aufge-
zeigte Problem der Interpretation des NPS aufgegriffen und durch die Erhebung zusätzli-
cher Informationen erleichtert.

Quellenverzeichnis

[66] Brosius, Felix & Ziegeler, Carina (2008). Der Net Promoter Score: Die ultimative
Frage in der Marktforschung. In: planung&analyse. Nr. 2, S. 80-84.
[67] Hayes, B. E. (2008). Customer loyalty 2.0: The Net Promoter Score debate and the
meaning of customer loyalty. In: Quirk’s Marketing Research Review. October, S.
54-62.
[68] Marsden, Paul, Samson, Alain & Upton, Neville (2006). Advocay Drives Growth. In:
Brand Strategy. Issue 198, S. 45-47.
[69] Reichheld, Fred (2003). The One Number You Need To Grow. In: Harvard Business
Review. December, S. 46-54.
[70] Reichheld, F.F. (2006). The Ultimate Question: Driving Good Profits and True Growth.
Boston: Harvard Business School Press.
[71] Ruf, Stefan (2007). Würden Sie diese Methode einem Freund weiterempfehlen?. In:
Verband Schweizer Markt- und Sozialforscher (Hrsg.). Jahrbuch 2007. S. 38-40.
[72] Sharp, Byron (2008). Net Promoter Score Fails the Test. In: Marketing Research.
20(4), S. 28-30.

Jochen Knöller arbeitet seit 2011 bei der Rogator AG als Projektleiter. Er verfügt über
umfangreiche Kenntnisse in der Datenanalyse und -aufbereitung und kann Erfah-
rungen aus vielen quantitativen Sozialforschungsprojekten sowie internen Unter-
nehmensbefragungen, Fragebogenkonzeptionen und Auswertungen vorweisen. Er
hat bei Rogator bereits zahlreiche Mitarbeiter- sowie Kundenbefragungen als Pro-
jektleiter betreut. Zu seinem persönlich betreuten Kundenkreis gehören Unterneh-
men wie zum Beispiel Airbus, Star Alliance, Bosch oder Metro. Seit 2016 ist Jochen
Knöller stellvertretender Leiter der Abteilung Market Research bei Rogator. Vor sei-
ner Tätigkeit bei der Rogator AG war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg.
Philipp Scholz ist seit 2012 im Consulting der Rogator AG tätig. Er führte als ver-
antwortlicher Projektleiter eine Vielzahl quantitativer Online-Befragungen zu unter-
schiedlichen Themengebieten durch und besitzt weitreichende Erfahrung in der
Datenanalyse, Methodik und Umfragedesign. Seit 2016 ist er stellvertretender Leiter
der Abteilung Employee Research, womit klassische Mitarbeiterbefragungen und
360°-Führungskräftefeedbacks zum Schwerpunkt seiner Arbeit gehören. Zu seinem
persönlich betreuten Kundenkreis gehören Unternehmen wie zum Beispiel Sixt, Tri-
umph, Kärcher und Linde.
Grundlagen der Conjoint-Analyse 279

4.10 Grundlagen der Conjoint-Analyse

João Filipe Baigger

Einleitung

In der täglichen Praxis als (Online-)Marktforscher kommt es recht häufig vor, dass ein
Unternehmer wissen möchte, wie wichtig verschiedene Merkmale eines Produkts für seine
Kunden sind. An diesem Punkt fängt es meistens an, etwas komplizierter zu werden, wie
jeder weiß, der schon häufiger Umfragen durchgeführt hat. Denn die beispielhaft in Abbil-
dung 4.33 gezeigte Lösung ist zwar einfach umzusetzen, führt aber letztlich meist zu einem
unbefriedigendem Ergebnis.
Im gezeigten Beispiel handelt es sich um eine fiktive Studie zum Kauf eines Smart-
phones, die uns durch den Artikel begleiten wird. Für die Teilnehmer ist es natürlich
angenehm und simpel, die verwendete Wichtigkeitsskala zu beantworten. Das Ergebnis
dürfte jedoch wohl kaum der Realität entsprechen. Denn für die meisten Befragten werden
viele Aspekte wichtig und wünschenswert sein, daher werden sie durchgängig mit hohen
Werten antworten. Auf der anderen Seite wird wahrscheinlich die untere Hälfte der Skala
mehr oder weniger unbeantwortet bleiben. Hinzu kommen noch Aspekte wie die eventuell
gegebene soziale Erwünschtheit von Antworten, zum Beispiel betreffend der Recyclingfä-
higkeit eines Produkts. Der einfache Grund für den „Unrealismus“ liegt auf der Hand und
ist bereits jedem kleinen Kind bekannt: Man kann eigentlich nicht „alles“ haben – was in
dieser Art von Abfragen jedoch durchaus möglich ist.
Das heißt für das vorliegende Beispiel, dass in der Realität die Kombination aller Eigen-
schaften in maximaler Ausprägung für den Hersteller des Produkts wohl kaum kostende-
ckend darstellbar sein dürfte und das zu erwartende Umfrageergebnis für ihn nur geringe
Relevanz haben dürfte.

Abb. 4.33: Klassische Wichtigkeitsabfrage in einer fiktiven Befragung zum Kauf eines Smartphones
280 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Die reale Kauf-/Entscheidungssituation sieht natürlich ganz anders aus: Dort ist der
potenzielle Käufer bei der Auswahl der tatsächlich vorhandenen Produkte zu komplexen
Abwägungsprozessen zwischen den verschiedenen Produktalternativen – die jeweils über
bestimmte Merkmale verfügen oder nicht verfügen – gezwungen. Genau an dieser Stelle
setzt der Grundgedanke der Conjoint-Analyse an:
Bei ihr werden die verschiedenen Eigenschaften eines Produkts immer gemeinsam
betrachtet (CONsider JOINTly) und der Teilnehmer der Studie hat stets Auswahlentschei-
dungen zu treffen (sogenannte Trade-offs), bei denen er die verschiedenen Eigenschaften
gegeneinander abwägen muss. Eine solche Methode wird als dekompositioneller Ansatz
bezeichnet, wohingegen die einzelne Abfrage von Eigenschaften und Ausprägungen als
kompositioneller Ansatz bezeichnet wird.

Grundlagen des Conjoint-Verfahrens

Der grundlegende Aufbau des Conjoint-Verfahrens ist hinreichend einfach. Zunächst ist es
nötig, dass sämtliche untersuchungsrelevanten Eigenschaften in der Form „Merkmale – Aus-
prägungen“ vorliegen. Dies könnte für unsere Beispielstudie des Smartphone-Kaufs bedeu-
ten, dass das Betriebssystem eines der Merkmale ist und die möglichen Ausprägungen hierzu
„Android“, „iOs“ und „Windows Mobile“ sind. In Tabelle 4.2 wurde die Wichtigkeitsabfrage
unserer eingangs skizzierten Beispielbefragung für ein Conjoint-Design umgewandelt.
Im vorliegenden Beispiel verfügen drei der Merkmale über jeweils drei Ausprägungen
und ein Merkmal über vier Ausprägungen. Es ist entscheidend – wir werden hierauf später
nochmals eingehen – dass die Anzahl an Ausprägungen je Merkmal nicht allzu hoch ist
(in der Regel drei bis fünf), da sonst die Komplexität der Auswahlentscheidungen deutlich
zunimmt („die Qual der Wahl“) und der Umfrageteilnehmer sich nur noch auf einzelne
Merkmale konzentriert. Des Weiteren ist es wichtig, dass sich die Anzahl der Ausprägun-
gen zwischen verschiedenen Merkmalen nicht zu stark unterscheidet. Denn Merkmale, die
über deutlich mehr Ausprägungen verfügen als die übrigen in der Studie enthaltenen, wer-
den von den Teilnehmern in ihrer Bedeutung als tendenziell wichtiger eingeschätzt, was
wiederum zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen würde. Ebenfalls ist der Anzahl der
abgefragten Merkmale Beachtung zu schenken. Je nach Conjoint-Verfahren gelten unter-
schiedliche Obergrenzen. Als Faustregel kann man hier von vier bis sieben Merkmalen
ausgehen.

Tab. 4.2 Conjoint-Design: Merkmale für den Smartphone-Kauf und deren Ausprägungen

Merkmale Ausprägungen
Akkulaufzeit 5 Tage 3 Tage 1 Tag -
Preis 600 € 400 € 200 € -
Displaygröße 6,0“ 5,5“ 5,0“ 4,7“
Betriebssystem Android iOS Windows Phone -
Grundlagen der Conjoint-Analyse 281

Auf Basis dieser Vorbereitungen werden die Merkmale und deren Ausprägungen zu
verschiedenen fiktiven Produkten kombiniert, zwischen denen sich der Teilnehmer ent-
scheiden muss. Je nach eingesetztem Verfahren unterscheiden sich zwar die Methoden
der Darbietung dieser fiktiven Produkte und somit auch die Form der Auswahl zwischen
ihnen. Der grundlegende Mechanismus ist jedoch bei allen Verfahren gleich: Durch seine
Auswahl zwischen verschiedenen fiktiven Produktvarianten wird der Teilnehmer zu einer
Entscheidung (Trade-off) zwischen mehr oder weniger erwünschten Merkmalsausprä-
gungen gezwungen. Dieses Entscheidungsverhalten wiederum wird gemessen und lässt
präzise Rückschlüsse auf die Präferenzmuster der Umfrageteilnehmer zu.
Die Präferenzmuster der Teilnehmer werden in der Datenanalyse durch sogenannte
Bedeutungsgewichte sowie Teilnutzwerte dargestellt. Die Bedeutungsgewichte sind ein
Indikator für die Bedeutung des Merkmals an der Kaufentscheidung bzw. Präferenzände-
rung. Die Teilnutzwerte repräsentieren den Nutzen der einzelnen Merkmalsausprägungen.
Zur operativen Realisierung einer Conjoint-Analyse ist festzuhalten, dass sie sich je
nach eingesetztem Verfahren zwar auch in Form eines Paper-Pencil-Interviews abwickeln
und mit gängigen Statistikprogrammen analysieren ließe, jedoch die Online-Durchfüh-
rung und -Analyse mit eigens dafür vorgesehener Software wesentlich komfortabler ist.
Die gängige Standard-Software zur Durchführung und Analyse von Conjoint-Studien
aller Art ist Sawtooth SSI Web bzw. Lighthouse Studio. Des Weiteren wird von IBM SPSS
ein spezielles Conjoint-Modul angeboten, das die Durchführung traditioneller Conjoint-
Analysen (TCA) unterstützt.

Grundlagen der Conjoint-Analyse im Überblick


• Untersuchungsrelevante Eigenschaften müssen im Format Merkmal – Ausprägung
vorliegen
• Im Normalfall vier bis sieben Merkmale – jedoch abhängig vom Conjoint-Verfahren
• In der Regel drei bis fünf Ausprägungen je Merkmal
• Anzahl der Ausprägungen zwischen den Merkmalen sollte ähnlich sein
• Umfrageteilnehmer entscheiden sich zwischen fiktiven Komplett-Produkten und nicht
zwischen einzelnen Komponenten

Die gängigsten Conjoint-Verfahren

TCA – Traditionelle Conjoint-Analyse


Hierbei handelt es sich um das klassische und ursprüngliche Conjoint-Verfahren. Bei die-
ser Variante werden die fiktiven Produkte (das heißt die Kombination der verschiedenen
Merkmale und deren Ausprägungen) auf sogenannten Produktkarten dargestellt. Diese
werden von den Teilnehmern in die Rangreihe gebracht, die ihren Präferenzen am besten
entspricht (siehe Abbildung 4.34). Um die Komplexität der Rangreihungs-Aufgabe nicht
zu groß werden zu lassen, ist dringend anzuraten, nicht mehr als 20 Produktkarten (das
heißt fiktive Produkte) vorzulegen.
282 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.34: TCA: Beispiele für Produktkarten zur Anordnung in einer Rangreihe

Aber selbst bei strikter Beschränkung ist ein Umfragedesign, welches alle Kombina-
tionen von Merkmalsausprägungen zeigen würde, nicht umsetzbar. In unserem Smart-
phone-Beispiel müsste ein Teilnehmer 108 mögliche Produktvarianten (3x3x4x3) in eine
Rangordnung bringen. Eine solche Aufgabe wäre schlichtweg überfordernd und würde
keine relevanten Ergebnisse mehr liefern. Daher wird für die TCA ein sogenanntes redu-
ziertes (orthogonales) Design geschätzt, das nur die minimal notwendige Teilmenge an
Eigenschafts-Kombinationen enthält. In unserem Beispiel würde dies zu ca. 16 Produkt-
karten führen. Mit dieser Menge lässt sich eine stabile Schätzung der individuellen Teil-
nehmerpräferenzen durchführen. Die Erstellung eines solchen Untersuchungs-Designs ist
beispielsweise mit dem von SPSS angebotenen Zusatzmodul „Conjoint“ möglich. Als eines
der wenigen Conjoint-Verfahren lässt sich die TCA-Variante theoretisch auch offline in
Form einer Paper-Pencil-Befragung durchführen. Ebenso ist natürlich auch eine Online-
Programmierung möglich, wobei hierbei der Vorteil besteht, dass die verwendete Befra-
gungs-Software aufgrund des fixen Conjoint-Designs selbst keine Conjoint-Fähigkeiten
aufweisen muss.

Vorteile des TCA-Verfahrens


• Durchführung auch offline möglich
• Schätzung der Bedeutungsgewichte und Teilnutzwerte auf individueller Basis
• Keine Mindeststichprobengröße
• Vollständig mit SPSS durchführbar (Voraussetzung: Zusatzmodul Conjoint)

Nachteile des TCA-Verfahrens


• Nur bei relativ geringer Anzahl von Merkmalen sinnvoll einsatzbar (maximal fünf)
• Rangreihung von beispielsweise 20 fiktiven Produkten für den Teilnehmer relativ
komplex
Grundlagen der Conjoint-Analyse 283

CBC – Choice Based Conjoint


Beim Choice Based Conjoint handelt es sich um das wohl gängigste und am häufigsten
eingesetzte Conjoint-Verfahren. Die Gründe hierfür liegen im Konzept, wie dem Teilneh-
mer die Produktvarianten vorgestellt werden. Hier werden einem Probanden meist zwei
oder drei (selten auch mehr) Produktvarianten präsentiert (siehe Abbildung 4.35), zwi-
schen denen er sich entscheiden muss (sogenannte Choice Tasks).
Der Vorteil dieser Methodik ist, dass sie einer realen Kaufsituation ähnelt: Dem Teil-
nehmer stehen Produkte zur Auswahl und er hat nur die Möglichkeit, eines der gezeigten
fiktiven Produkte zu kaufen oder sich gegen einen Kauf zu entscheiden. Wichtig ist es
jedoch, nicht zu viele Merkmale für die Abbildung der fiktiven Produkte zu verwenden.
Stellen wir uns den in Abbildung 4.35 gezeigten Choice Task einmal nicht mit vier, son-
dern mit neun Merkmalen und ihren jeweiligen Ausprägungen vor: Die Entscheidung
zwischen den drei verschiedenen Produkten (und das 10 bis 15mal nacheinander) würde
für den Teilnehmer sehr komplex. Es besteht in solchen Fällen immer die Gefahr, dass
sich die Teilnehmer auf einzelne, für sie besonders relevante Merkmale konzentrieren und
die übrigen Merkmale gar nicht mehr in ihre Entscheidungen mit einbeziehen. Verzerrte
Ergebnisse sind die Folge. Als Faustregel gilt hier – in Abhängigkeit von den vorhandenen
Produktkenntnissen der Teilnehmer – maximal fünf bis acht Merkmale einzusetzen.
Im Rahmen einer CBC-Befragung werden einem Teilnehmer üblicherweise ca. 10 bis
15 individuelle Choice Tasks (ein Taskset) vorgelegt. Aufgrund der geringen Informati-
onsmenge, die je einzelnem Task gesammelt wird, können bei einer CBC daraus jedoch
keine individuellen (persönlichen) Präferenzmuster ermittelt werden, sondern nur aggre-
giert für Populationen. Üblicherweise werden im Vorfeld einer Umfrage 100 bis 300
solcher Tasksets – sozusagen auf Vorrat – erstellt. Diese werden so generiert, dass sie in
ihrer Unterschiedlichkeit bei späterer aggregierter Betrachtung der Ergebnisse optimale
Schlüsse auf die Präferenzmuster zulassen. Die Erstellung dieser Tasksets wird automatisch
von entsprechender Online-Umfrage-Software wie beispielsweise Sawtooth SSI übernom-
men. Bei der späteren Befragung erhält dann jeder Teilnehmer sein individuelles Taskset
zur Bearbeitung zugespielt.

Abb. 4.35: CBC: Beispiel für einen Choice Task


284 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Vorteile des CBC-Verfahrens


• Relativ hoher Realitätsbezug für den Teilnehmer durch fiktive Kaufsituation
• Wird häufig im Rahmen von Preisschätzungen eingesetzt und eignet sich sehr gut dafür
• Deutlich einfachere Entscheidungssituation für den Teilnehmer als beim
TCA-Verfahren

Nachteile des CBC-Verfahrens


• Keine individuelle Präferenzmessung möglich, sondern nur aggregierte Nutzenwerte
für Populationen
• Stichprobengröße sollte für stabile Ergebnisberechnung mindestens 60-80 Teilnehmer
umfassen
• Maximal 5 bis 8 Merkmale je Produkt, andernfalls werden die Choice Tasks zu komplex
• Lässt sich sinnvoll nur online durchführen

ACA – Adaptive Conjoint Analysis


Die Methodik der Adaptiven Conjoint-Analyse unterscheidet sich deutlich vom zuvor
vorgestellten Ansatz der Choice Based-Conjoint-Analyse. Bei der ACA handelt es sich um
ein mehrstufiges Verfahren, bei dem die Teilnehmer drei unterschiedliche Umfragephasen
durchlaufen. Diese drei Phasen sind folgendermaßen aufgebaut:

1. Ermittlung der Präferenzen für die Merkmalsausprägungen


In dieser Phase bekommen die Teilnehmer merkmalsweise deren jeweilige Ausprä-
gungen angezeigt und haben die Möglichkeit anzugeben, inwieweit die jeweilige
Merkmalsausprägung wünschenswert oder nicht wünschenswert ist (siehe Abbildung
4.36). Auf diesem Wege werden die Merkmalsausprägungen in eine Rangreihe ihrer
Erwünschtheit gebracht. Für Ausprägungen, bei denen von vornherein klar ist, wie die
Präferenzurteile der Teilnehmer ausfallen werden (in unserem Beispiel gilt dies sicher
für die Akkulaufzeit und den Preis), kann auf die Abfrage verzichtet und die erwartete
Präferenzreihenfolge im Umfragesystem vorab definiert werden.

Abb. 4.36: ACA: Präferenzermittlung für Merkmalsausprägungen


Grundlagen der Conjoint-Analyse 285

2. Ermittlung der Wichtigkeit der Merkmalsausprägungen


In der nächsten Umfragephase wird die Wichtigkeit der Merkmalsausprägun-
gen ermittelt. Hierzu müssen die Umfrageteilnehmer für jede Ausprägung ange-
ben, wie wichtig ihnen der Unterschied zwischen den von ihnen individuell am
wenigsten und am stärksten präferierten Merkmalsausprägungen ist (siehe Abbil-
dung 4.37). Die Präferenzen wurden in der ersten Phase gemessen und bilden nun
die Grundlage der zweiten Phase. Bei der Abfrage der Wichtigkeit sollen die Teil-
nehmer davon ausgehen, dass alle übrigen Merkmalsausprägungen gleich bleiben.
Die Antworten der Umfrageteilnehmer in dieser Phase der Umfrage dienen vor allem
zur Steuerung der nächsten Umfragephase, da Ausprägungen, die als besonders
unwichtig eingeschätzt werden, in der Folge nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt
berücksichtig werden. Dieser „Trick“ macht es letztlich möglich, dass die ACA mit
vergleichsweise mehr Merkmalen operieren kann als die übrigen Verfahren: Jeder
Teilnehmer wird hauptsächlich zu den Merkmalen befragt, die für ihn jeweils indivi-
duell relevant sind. Durch diese Konzentration auf die persönlich wichtigsten Eigen-
schaften bleibt der Umfrageprozess für den einzelnen Teilnehmer überschaubar und
dennoch werden die für das Studienergebnis relevanten Daten erhoben.

3. Durchführen von Paarvergleichen


In der dritten Umfragephase werden nun Paarvergleiche mit normalerweise drei bis
fünf Ausprägungskombinationen durchgeführt. Ähnlich wie in der CBC hat der Teil-
nehmer auch hier die Aufgabe, in mehreren Runden zwischen – in diesem Fall zwei
– fiktiven Produkten zu wählen. Zur Messung der Auswahlentscheidung steht hier
jedoch eine Skala zur Verfügung (siehe Abbildung 4.38). Die gezeigten fiktiven Pro-
dukte sind nicht auf zufälliger Basis zusammengestellt, sondern basieren auf den Ant-
worten des Teilnehmers aus den ersten beiden Umfragephasen. Des Weiteren reagiert
das Umfragesystem auch auf die Antworten in dieser dritten Phase und passt die Paar-
vergleiche Runde für Runde den vorangegangenen Antworten an. Hierbei versucht das
System, für den Teilnehmer jeweils möglichst „spannungsreiche“ Merkmalskombina-
tionen gegenüberzustellen, das heißt Kombinationen, die einen möglichst ähnlichen
Nutzen stiften (beispielsweise zwei besonders erwünschte Ausprägungen jeweils in
Kombination mit unerwünschten Ausprägungen). Die Anzahl der durchzuführenden
Paarvergleiche liegt üblicherweise bei 12 bis 20.

Abb. 4.37: ACA: Ermittlung der Wichtigkeit von Merkmalsausprägungen


286 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Abb. 4.38: ACA: Präferenzmessung im Paarvergleich

Vorteile des ACA-Verfahrens


• Durch den Fokus auf die für den Teilnehmer individuell relevanten Merkmale insge-
samt betrachtet mehr Merkmale abfragbar als bei den anderen Conjoint-Verfahren;
theoretisch bis zu 30 Merkmale in eine Umfrage integrierbar
• Jeweilige Aufgabenstellungen für den Umfrageteilnehmer vergleichsweise leicht zu
bearbeiten
• ACA lässt eine teilnehmer-individuelle Berechnung der Teilnutzwerte und Bedeu-
tungsgewichte zu

Nachteile des Verfahrens:


• Zeitaufwand zur Bearbeitung in der Regel länger als bei den beiden anderen vorgestell-
ten Verfahren; üblicherweise ist von ca. 20 Bildschirmseiten auszugehen
• Durchführung nur online möglich; benötigt eine speziell dafür vorgesehene
Umfrage-Software
• Messung der Wichtigkeit des Merkmals Preis gilt als Schwachpunkt der ACA; bei
Studien mit Hauptziel Preisbestimmung – sofern möglich – besser ein CBC-Design
vorziehen

Ergebnisse einer Conjoint-Analyse

Allen vorgestellten Conjoint-Verfahren gemein sind die Ergebnisse, die sie liefern. Hierbei
handelt es sich grundsätzlich um zwei Wertegruppen: Teilnutzwerte und Bedeutungsge-
wichte. Diese Ergebnisse können zusätzlich für Produkt- bzw. Absatzsimulationen genutzt
werden.

Teilnutzwerte
Der Beitrag der einzelnen Merkmalsausprägungen zum Gesamtnutzen eines fikti-
ven Produkts wird durch die sogenannten Teilnutzwerte (part worth utilities) ausge-
drückt. Diese erhält man zum Beispiel durch Einsatz des SPSS Conjoint-Moduls oder
durch die Auswertungskomponente SMRT der Sawtooth-Software. Jede der abgefragten
Grundlagen der Conjoint-Analyse 287

Merkmalsausprägungen erhält aus den Umfrageergebnissen einen Teilnutzwert zugewie-


sen (siehe Abbildung 4.39). Durch einfache Addition der Teilnutzwerte lässt sich der theo-
retische Nutzen eines fiktiven Produkts bestimmen. Anhand des folgenden Beispiels wird
die Interpretation der Teilnutzwerte leicht verständlich:
Wenn wir von einem Smartphone mit den folgenden Ausprägungen und Teilnutzwer-
ten (in Klammern) ausgehen:

• 1 Tag Akkulaufzeit (-14,00)


• iOS Betriebssystem (+27,64)
• Preis 600 € (-34,48)
• 5,5“ Displaygröße (+26,40)

…dann ergibt sich ein Gesamtnutzen von 5,56. Dieser ließe sich nun wiederum mit
einer Reihe von Gesamtnutzen anderer fiktiver Produkte vergleichen, um eine möglichst
optimale (das heißt nutzenstiftende) Kombination von Ausprägungen zu ermitteln.

Abb. 4.39: Teilnutzwerte aus einer CBC-Studie zum Smartphone-Kauf


288 4 Expertenbeiträge zur Online-Marktforschung

Hierbei wird davon ausgegangen, dass Produkte mit einem hohen Nutzenwert größere
Verkaufschancen haben als Produkte mit einem niedrigeren Nutzenwert. Besondere Rele-
vanz erlangen solche Überlegungen, wenn sie mit weiteren Informationen – wie beispiels-
weise den Herstellungskosten der einzelnen Merkmale – kombiniert werden. Dadurch
werden herstellungskosten-orientierte Produktkonzeptionen nach folgendem Muster
möglich: „Welches fiktive Produkt stiftet den größtmöglichen Nutzen bei vertretbaren
Kosten?“. Neben den Merkmalsausprägungen, die direkt in einer Conjoint-Studie gemes-
sen werden, sind – bei quantifizierten Merkmalsausprägungen – auch lineare Interpolati-
onen zwischen den Ausprägungen möglich. In unserem vorliegenden Beispiel ließe sich
somit der Nutzenwert für einen angenommenen Preis von beispielsweise 352 € berechnen,
obwohl dieser nicht abgefragt wurde. Hierbei ist natürlich zu beachten, dass derartige line-
are Interpolationen Preisschwelleneffekte (etwa bei 399 €) nicht berücksichtigen.

Bedeutungsgewichte
Zur Interpretation der Bedeutungsgewichte ist festzuhalten, dass es hierbei immer um die
relative Wichtigkeit des Merkmals für die Präferenzveränderung geht. Die Spannbreite der
Merkmalsausprägungen ist zu interpretieren als Indikator für die größtmögliche Nutzenver-
änderung, die durch Änderung der Merkmalsausprägungen eines fiktiven Produkts erzielt
werden kann. Um die hier gezeigten prozentualen Bedeutungsgewichte unseres Smart-
phone-Beispiels (siehe Abbildung 4.40) zu interpretieren, lässt sich festhalten, dass Preis
und Displaygröße den stärksten Einfluss auf die Präferenzänderung der Teilnehmer haben,
wohingegen die Akkulaufzeit und das Betriebssystem wesentlich weniger Einfluss haben.

Simulationen
Simulationen bilden im Rahmen von Conjoint-Studien üblicherweise den Abschluss der
Analysen und können unter anderem sehr komfortabel mit der Auswertungskomponente
SMRT von Sawtooth durchgeführt werden. Im Rahmen einer solchen Simulation lassen
sich etwa Fragen wie diese beantworten: „Wie wird sich der fiktive Absatz zwischen Pro-
dukt A und Produkt B aufteilen?“ Es ist an dieser Stelle besonders darauf hinzuweisen, dass
bei diesen Absatzberechnungen nur ein fiktiver Markt ohne Marketing oder sonstige auf
dem Markt befindliche Konkurrenzprodukte vorausgesetzt werden kann. Es wird hier also
ausschließlich die Wirkung der jeweils simulierten Produkte auf die Stichprobe betrachtet.
Ergebnis der oben aufgeworfenen Frage könnte etwa sein, dass Produkt A (mit spe-
zifischen Eigenschaften, die einem bereits existierenden Konkurrenzprodukt entspre-
chen) einen fiktiven Marktanteil von 70% erzielen könnte, während Produkt B (mit den
geplanten Eigenschaften eines neuen Produkts) nur 30% erreichen würde. In der Folge
könnten nun weitere Simulationen ansetzen, die verschiedene Ausprägungen variieren,
um beispielsweise den fiktiven Marktanteil von Produkt B zu steigern. Durch derartige
Simulationen können gezielt Produktvarianten entworfen und auf ihre Absatzchancen hin
getestet werden.
Grundlagen der Conjoint-Analyse 289

Abb. 4.40: Bedeutungsgewichte einer CBC-Studie zum Smartphone-Kauf

João Filipe Baigger ist seit 2006 für die Rogator AG, Nürnberg im Bereich Markt-
forschung tätig. Er hat Studienabschlüsse im Bereich der Pädagogik sowie der
Betriebswirtschaftslehre.
Rekrutierung, Motivation und Verhalten
von Befragungsteilnehmern 5

In den vorangegangenen Kapiteln wurde erläutert, wie eine Online-Befragung inhaltlich


aufgebaut ist und welches die typischen Einsatzgebiete der Befragungsform sind. Bisher
nur ansatzweise beleuchtet wurde die Frage, woher denn die Teilnehmer für eine Online-
Befragung kommen können. Denn ohne Menschen, die sich an Umfragen beteiligen, blei-
ben alle bisherigen Erläuterungen rein akademischer Natur. Und dabei geht es natürlich
nicht nur darum, einfach irgendwelche Personen zu überreden, sondern in aller Regel
möchte man aus methodischen Gründen auch, dass einer Teilnahme ein hohes Maß an
Freiwilligkeit innewohnt. Und zu guter Letzt soll die gewonnene Stichprobe nach Möglich-
keit auch noch repräsentativ sein für eine größere Grundgesamtheit.
Gerade der zuletzt genannte Aspekt wird heutzutage in der Marktforschung nach wie
vor in erster Linie über Telefoninterviews auf der Grundlage zufallsbasierter Anrufe ver-
wirklicht. In der Online-Welt existiert ein solcher Mechanismus nämlich nicht. Aus die-
sem Grund wurde in der Frühzeit der Online-Marktforschung auch lange angezweifelt,
ob sich die Methode trotz dieser offensichtlichen Schwäche überhaupt würde durchsetzen
können. Mittlerweile hat man das Manko in vielen Fällen mehr oder weniger stillschwei-
gend akzeptiert und behilft sich mit alternativen Lösungen wie beispielsweise den weithin
verfügbaren Access Panels. Diese Wege werden ganz einfach aus pragmatischen Gründen
gewählt und nicht aufgrund eines methodischen Vorteils. Nicht allen gefällt dies, aber es
ist dennoch eine Realität: Marktforschung ist durch „online“ an vielen Stellen ein gutes
Stück pragmatischer und kompromissreicher geworden (siehe hierzu auch den Experten-
beitrag von Marcus Dreyer und Alexandra Wachenfeld-Schell in Kapitel 4 dieses Buches).
In diesem Zusammenhang sollte man aber auch einmal die berühmte Kirche im Dorf
lassen. Denn auch vor der Einführung der Online-Befragung wurde beileibe nicht für alle

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 291


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_5
292 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Umfragen versucht, streng repräsentative Stichproben zu ziehen. Ein Zitat von Dana Ward
aus den 1990er Jahren bringt es mehr oder weniger auf den Punkt: “If studies based on
unrepresentative samples were excluded from social science research, whole sections of
library shelves would begin to look like supermarkets in the former Soviet Union.” (Ward
1996)[21]. Oder etwas weniger blumig ausgedrückt: Die Verwendung nicht-repräsenta-
tiver bzw. nicht zufallsbasierter Stichproben ist im Forschungsalltag eine ganz normale
Angelegenheit und die Forschungsvielfalt sowie die Forschungsmöglichkeiten wären deut-
lich eingeschränkt, wenn man diesen Pragmatismus in keinem Fall mehr zulassen würde.
Damit dies hier niemand falsch versteht: Mit diesen Aussagen soll in keinem Fall dazu
aufgefordert werden, sich über die Repräsentativität einer Umfrage – oder genauer: einer
Stichprobe – nun überhaupt keine Gedanken mehr zu machen. Es geht lediglich darum,
dass eine Forschungsaussage auch dann einen Wert haben kann, wenn man sie nur im
Kontext der für die Befragung motivierbaren bzw. tatsächlich erreichten Stichprobe aus der
jeweiligen Grundgesamtheit sieht (siehe hierzu auch Abschnitt 6.4.4). Kommen wir damit
auf die Online-Befragung zurück, für die ein zufallsbasierter Mechanismus zur repräsen-
tativen Auswahl von Teilnehmern nur in Ausnahmefällen zur Verfügung steht. Trotz die-
ses Umstandes ist zu konstatieren, dass die Online-Marktforschung in den vergangenen
zehn Jahren geradezu einen Boom erlebt hat. Die mit Hilfe von Online-Marktforschung
gewonnenen Ergebnisse müssen also zumindest in irgendeiner Form „verwendbar“ sein.
Ansonsten müssten Online-Befragungen wegen geringer Aussagekraft und nachfolgend
entsprechend sinkender Nachfrage längst wieder ein Schattendasein führen; das genaue
Gegenteil ist der Fall. Diese Erkenntnis befreit uns jedoch keineswegs davon, uns immer
auch Gedanken darüber zu machen, welche Menschen es sind, die unsere Umfragen beant-
worten, und aus welcher Motivation heraus sie es tun. Die verschiedenen Möglichkeiten
der Ansprache und Gewinnung von Teilnehmern für Online-Befragungen werden in den
folgenden Abschnitten genauer beschrieben.

5.1 Website Sampling

In Abschnitt 3.3.1 wurde bereits angedeutet, dass die Möglichkeit der Stichprobenbildung
über Websites direkt im Internet eine recht beliebte ist, da man an dieser Stelle sehr viele
Personen in kurzer Zeit ansprechen kann. Jedenfalls, wenn man Zugriff auf eine Website
hat, die entsprechende Zugriffszahlen aufweist. Hinzu kommt, dass sich die Internetnutzer
in diesem Moment auch gerade in der Nutzungssituation des Mediums befinden, über das
auch die Befragung stattfinden soll. Somit ist zumindest eine gewisse „gedankliche Nähe“
zur interaktiven Kommunikation generell anzunehmen und eine erste eventuelle Hürde
für eine Befragungsteilnahme genommen. Nun stellt sich die Frage, wie man die poten-
ziellen Teilnehmer auf einer Website in eine Befragung lotsen kann. Hierfür bestehen im
Grunde drei verschiedene Möglichkeiten:
Website Sampling 293

Geringer Aufforderungscharakter: Banner und Links


Zu den Rekrutierungsmöglichkeiten mit relativ geringem Aufforderungscharakter zählt
das Einfügen von Werbebannern, Umfragebuttons, Links oder quasi-redaktionellen Bei-
trägen, die ein Website-Besucher zunächst einmal wahrnehmen und anschließend auch
anklicken muss, um zur entsprechenden Online-Befragung zu gelangen. Aus diesem
Grund nennt man einen solchen Ansatz auch „Click-me-Verfahren“. Es ist relativ offen-
sichtlich, dass die mit einer solchen Strategie erreichbaren Teilnahmequoten im Verhältnis
zur Anzahl der Website-Besucher sehr gering sind. Sie liegen in aller Regel noch unter
einem Prozent und sind auch von einer Incentivierung der Teilnehmer abhängig, zum
Beispiel in Form einer ausgeschriebenen Verlosung.
Ihre Berechtigung haben Click-me-Befragungen in erster Linie dort, wo es darum
geht, einer Gruppe von Personen einen Kommunikationskanal zu bieten, die von sich
aus aufgrund eines Anliegens bereits einen solchen suchen. Dies ist beispielsweise im Fall
von möglichen Beschwerden angebracht. Nicht selten werden Click-me-Befragungen
aber leider auch in Fällen angewandt, wo die sogenannte Selbstselektion der Teilnehmer
eher hinderlich ist, beispielsweise für normale Befragungen zur Website selbst (siehe
Abschnitt 3.3.1).

Höherer Aufforderungscharakter: Layer


Ein deutlicher höherer Aufforderungscharakter für eine Umfrage entsteht dann, wenn ein
Element eingeführt wird, das als solches vom Internetnutzer an dieser Stelle nicht erwartet
wird. In früheren Zeiten hat man hierfür gerne sogenannte Popup-Fenster verwendet, also
das Einblenden eines zusätzlichen, kleinen Browserfensters über der eigentlichen Website
mit der Einladung zur Teilnahme an einer Umfrage. Popups sind jedoch seit einigen Jah-
ren praktisch nicht mehr anwendbar, da moderne Internet-Browser als Standard-Einstel-
lung sogenannte Popup-Blocker aktiviert haben, mit denen eigentlich unliebsame Werbe-
Popups unterdrückt werden sollen.
Aus diesem Grund weicht man mittlerweile erfolgreich auf sogenannte Layer aus, die
im Grunde den gleichen Zweck erfüllen: Optisch vor der eigentlichen Website wird eine
Fläche mit Text und eventuell Bildern präsentiert, wo um die Teilnahme an einer Umfrage
gebeten wird, die sich beim Klick auf den entsprechenden Link in aller Regel in einem
zusätzlichen Fenster öffnet. Da es sich bei Layern um einen Inhalt der eigentlichen Website
handelt, werden diese – zumindest bisher – nicht von den Browsern unterdrückt und eig-
nen sich somit gut zur Anwerbung von Befragungsteilnehmern. Die Teilnahmequote liegt
in diesem Fall in aller Regel im unteren Prozentbereich. Abbildung 5.1 zeigt ein Beispiel
hierfür.
Zusätzliche Aufmerksamkeit kann ein Layer auf sich ziehen, wenn es animiert wird,
sich also beispielsweise von oben langsam auf den Bildschirm schiebt. Da Layer aber auch
gern und häufig für Werbezwecke verwendet werden, besteht hier eine gewisse Verwechs-
lungsgefahr, die dazu führen kann, dass der Layer gewohnheitsmäßig sofort weggeklickt
wird, sobald er erscheint, ohne dass der Nutzer dessen Inhalt wirklich wahrgenommen
294 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Abb. 5.1: Layereinblendung auf Webseiten

hat. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine optische bzw. textliche Gestaltung, die sich
möglichst stark von den üblichen Werbeformaten unterscheidet.

Höchster Aufforderungscharakter: Landing Page


Der höchste Aufforderungscharakter wäre einem Verfahren zuzuschreiben, das nach
Kenntnis des Autors heute – jedenfalls in Deutschland – nicht mehr verwendet wird, aber
nach wie vor technisch möglich wäre. Hierbei geht es darum, die Bitte zur Umfrageteil-
nahme nicht zusätzlich zum eigentlichen Inhalt der Website zu präsentieren, sondern
alternativ dazu. Das bedeutet, dass ein Internetnutzer beim Aufruf der Startseite oder auch
einer Unterseite der Website anstatt des erwarteten Inhaltes ganzseitig nur die Informati-
onen zur aktuellen Umfrage bzw. die Möglichkeit zur Teilnahme daran erhält. Selbstver-
ständlich muss diesem Nutzer dann auch die Möglichkeit eingeräumt werden, rasch zur
eigentlich gewünschten Seite weiter zu klicken und nicht an der Umfrage teilzunehmen.
Da das Verfahren nicht mehr eingesetzt wird, können an dieser Stelle auch keine Aus-
sagen zu den Erfolgsaussichten gemacht werden. Die erzielbaren Teilnahmequoten wären
allerdings wahrscheinlich noch höher als im Fall einer Rekrutierung über Layer. Aller-
dings muss auch bedacht werden, dass die Gefahr der Verärgerung von Website-Besu-
chern immer mehr ansteigt, je stärker das eigentlich von diesen erwünschte Navigations-
und Informationsverhalten technisch beeinflusst wird.

Zufalls-Steuerung
Die soeben beschriebenen Verfahren der Rekrutierung von Umfrageteilnehmern auf
Websites können zusätzlich um technische Elemente angereichert werden, insbesondere
in Form einer Zufallssteuerung, welche vor allem bei Layer-Befragungen häufig eingesetzt
wird. Die Zufallssteuerung bedeutet, dass die entsprechende Aufforderung nicht statisch
für jeden Website-Besucher angezeigt wird, sondern zufällig nur für einen Teil der Perso-
nen. Hierbei kann man entweder auf das von Rolf Pfleiderer und Winfried Hagenhoff früh
Website Sampling 295

beschriebene Verfahren „N Viz“ zurückgreifen, bei dem nur jeder n-te Besucher ausge-
wählt und angesprochen wird (Hagenhoff und Pfleiderer 1998) [12]. Oder es bietet sich die
im Resultat mehr oder weniger gleiche, aber technisch einfacher zu realisierende Option
an, die Aufforderung nur mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit erscheinen zu lassen.
Mit Hilfe der Zufallssteuerung werden Effekte der Selbstselektion etwas abgemildert,
die eintreten würden, wenn jede Person auf eigenen Wunsch hin teilnehmen könnte. Von
einer echten Zufallsauswahl aus der Menge der Website-Besucher in einem bestimmten
Zeitraum könnte man jedoch erst dann sprechen, wenn auch gewährleistet wäre, dass
diese Steuerung nicht nur für „Besuche“ gilt, sondern auch für „Personen“. Ohne weitere
Einschränkungen führt die Einführung einer schlichten Ansprache-Wahrscheinlichkeit
nämlich dazu, dass häufige Website-Besucher entsprechend auch eine höhere Auswahl-
wahrscheinlichkeit erlangen. Für das Forschungsergebnis muss das nicht unbedingt
abträglich sein, da nicht selten die Meinung der Häufignutzer auch als wichtiger erachtet
wird. Möchte man dies trotzdem umgehen, so ist dies nur dann möglich, wenn man für
jeden Besucher abspeichert, ob dieser von der Wahrscheinlichkeitsberechnung als „anzu-
sprechender, potenzieller Teilnehmer“ oder als „nicht-anzusprechender Besucher“ ausge-
wählt wurde. Informationen dieser Art können in sogenannten Cookies auf dem Rech-
ner des Nutzers abgespeichert werden. Da Cookies vom Nutzer jedoch auch unterdrückt
bzw. wieder gelöscht werden können und sich weitere Implikationen ergeben, sobald
mehrere Personen einen Rechner benutzen, wird aus pragmatischen Gründen häufig auf
diese beschriebene Option verzichtet. Oder es werden nur solche Personen überhaupt in
Betrachtung gezogen, die das Setzen eines Cookies erlauben. In jedem Fall sollte aber die
Besuchshäufigkeit der Website im anschließenden Fragebogen abgefragt werden, so dass
sie wenigstens bei der Datenanalyse berücksichtigt werden kann, beispielsweise in Form
des Ausweises unterschiedlicher Nutzergruppen oder der Anwendung einer entsprechen-
den Gewichtung.

Steuerung des Befragungszeitpunktes


Eine weitere Steuerungsoption beim Website Sampling ist die Entscheidung, ob eine Per-
son direkt beim Aufruf der Startseite bzw. einer bestimmten Unterseite über Banner oder
Layer angesprochen werden soll oder erst, nachdem sie eine gewisse Zeit auf der Website
verbracht hat oder erst in dem Moment, in dem sie die Website wieder verlassen möchte.
Die Steuerung nach Besuchsdauer, also zum Beispiel die Einblendung eines Banners oder
Layers nach zwei Minuten Anwesenheit auf der Website, ist technisch nicht unbedingt ein-
fach zu implementieren, da ein Internetnutzer während dieser Zeit ja in aller Regel bereits
diverse Unterseiten des Angebots aufgerufen hat. Die Steuerung muss in diesem Fall also
seitenübergreifend erfolgen und kann sich nicht ausschließlich auf die Startseite beschrän-
ken. Ähnliche Schwierigkeiten gelten für die reine Steuerung „on exit“, also die Aufforde-
rung, sobald die Seite verlassen oder geschlossen wird. Denn normalerweise verlassen die
Website-Besucher das Angebot nicht immer über die gleiche Seite. Die technische Steue-
rung muss also auch hier zahlreiche Unterseiten des Angebots abdecken.
296 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Insbesondere dann, wenn es bei der jeweiligen Befragung um die Bewertung der
Website selbst geht, spielt der Aspekt, wann genau jemand befragt werden soll, auch aus
methodischen Gründen eine Rolle. Denn das Bewertungsobjekt muss natürlich zunächst
einmal besucht und erfahren werden, um es anschließend überhaupt bewerten zu können.
Einen Zwischenweg, der auch technisch relativ einfach zu lösen ist, bietet die Möglich-
keit, die Ansprache direkt beim Aufruf der Startseite zu platzieren, dann aber dazu aufzu-
fordern, die Befragung erst nach Abschluss des Website-Besuches zu beginnen. Das sich
beim Klick auf den entsprechenden Link öffnende Fenster geht dann sofort in den Hinter-
grund, so dass der Website-Besuch zunächst einmal fortgesetzt werden kann. Erst wenn
das Website-Angebot verlassen bzw. das primäre Browserfenster geschlossen wird, steht
das Befragungsfenster wieder im Vordergrund und die angesprochene Person kann in der
Befragung direkt ihre gerade gesammelten Eindrücke in strukturierter Form wiedergeben.

Website Sampling im eigentlichen Sinne


Wie bereits beschrieben wurde, wird die Ansprache von Teilnehmern über Websites in der
Regel dann verwendet, wenn es um eine Befragung zu dieser Website bzw. eine Umfrage
der betreibenden Firma geht. Allerdings kann das Website Sampling auch dafür eingesetzt
werden, Online-Befragungen zu bewerben, die nicht im Kontext der jeweiligen Website
stehen, sondern die ganz andere Themen behandeln und für die eine mehr oder weniger
neutrale Stichprobe benötigt wird. Nun ist es hierfür notwendig, sich mit einer der oben
beschriebenen technischen Methoden auf einer oder auf mehreren Websites quasi einzu-
mieten, ähnlich wie es auch bei Bannerwerbung der Fall ist.
Eine solche Form der Stichprobengewinnung kann sehr effektiv sein, wenn es darum
geht, Teilnehmer für ein spezielles Thema zu finden und sich die entsprechenden Websi-
tes mit diesem Thema beschäftigen. Man spricht darum auch von „Special Interest Sites“.
So könnte beispielsweise ein Anbieter von Bio-Lebensmitteln anstreben, eine Umfrage zu
neuen Produkten auf Websites zu schalten, die sich ganz generell mit Lebensmitteln bzw.
Essen beschäftigen. Oder ein Mountainbike-Hersteller versucht, Umfragen auf Sport-Por-
talen zu platzieren. Die thematische Nähe zum Inhalt der Websites verspricht dann auch
entsprechend höheres Interesse an der Teilnahme und somit auch höhere Teilnahmequo-
ten. Eine weitere interessante Spielart des Website Samplings ist der beliebte Einbau ent-
sprechender Links auf Social Media-Plattformen wie zum Beispiel „facebook“. Hier kön-
nen viele Unternehmen auch eigene Kanäle vorweisen, die teilweise von vielen tausend
Nutzern verfolgt werden. Die beschriebene Strategie wird im Übrigen auch dann gerne
gewählt, wenn eine Stichprobe nicht oder nur mit hohen Kosten über einen Panelanbieter
(siehe Abschnitt 5.6) rekrutiert werden kann.
Wenn sich keine Übereinstimmung zwischen Umfragethema, gewünschter Stich-
probe und zur Verfügung stehenden Websites finden lässt, so bietet es sich an, über soge-
nannte „General Interest Sites“ zu rekrutieren. Hierbei handelt es sich um Plattformen, die
eine Vielzahl von unterschiedlichen Personen ansprechen, da sie nicht auf ein bestimm-
tes Thema fokussiert sind. Hierüber lassen sich dann verschiedenste Zielgruppen finden
und somit entsprechend ausgewogenere Stichproben gewinnen. Beliebte Plattformen sind
Einladung per E-Mail 297

diesbezüglich Nachrichtenseiten oder Mailanbieter. Gelegentlich wird die Teilnehmer-Rek-


rutierung auch auf mehreren Websites geschaltet, um die Gefahr der thematischen Ver-
zerrung weiter verringern und eine noch ausgewogenere Stichprobe gewinnen zu können.
Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden: die Platzierung von Umfragen auf
fremden Websites ist natürlich immer nur durch den Website-Betreiber selbst möglich.
Falls diese Betreiber die Durchführung auf ihren Seiten überhaupt gestatten, so lassen sie
sich die Teilnehmergewinnung natürlich auch entsprechend vergüten. Diese Vergütung
kann, muss aber nicht immer geringer sein als die Gebühren, die man für die Teilnehmer-
gewinnung über Access Panels bezahlt (siehe Abschnitt 5.6).

5.2 Einladung per E-Mail

Potenzielle Teilnehmer an einer Online-Befragung per E-Mail einzuladen, verspricht im


Allgemeinen den höchsten Erfolg in dem Sinne, dass der Anteil der letztlichen Teilneh-
mer an der Menge der angesprochenen Personen aller Wahrscheinlichkeit und der Erfah-
rung nach bei dieser Anspracheform am höchsten sein dürfte. Neben der Wirkung der
persönlichen und individuellen Adressierung an eine Person ist dies vermutlich deshalb
so, weil beim Empfang einer E-Mail der sogenannte Medienbruch am geringsten ist. Für
viele Menschen des 21. Jahrhunderts ist es im geschäftlichen wie im privaten Umfeld mitt-
lerweile eine Selbstverständlichkeit, E-Mails zu empfangen, zu lesen und zu schreiben.
Hinzu kommt, dass es ebenso Usus ist, aus einer E-Mail heraus auf einen Link zu klicken,
wodurch sich ein Fenster des als Standardanwendung definierten Browsers öffnet und die
jeweilige Seite über das World Wide Web geladen wird. Beide Dienste, sowohl E-Mail als
auch World Wide Web, haben einen wahrnehmbaren Netzwerk-Charakter und werden
darum in ein und demselben Nutzungszusammenhang gesehen. Insofern handelt es sich
mindestens um ein sehr verwandtes, in der Wahrnehmung vieler sogar um das gleiche
Medium, das auch zu vielen anderen Anlässen assoziiert benutzt wird.
Eine Einladung zur Online-Befragung per E-Mail kommt natürlich nur dann in Frage,
wenn die E-Mail-Adressen der gewünschten Befragungsteilnehmer der durchführenden
Institution auch bekannt und ausreichend gut gepflegt sind. Dies ist bei folgenden Anwen-
dungsmöglichkeiten häufig der Fall:

• Befragungsanwendungen innerhalb von Unternehmen wie klassische Mitarbeiterbe-


fragungen oder Führungskräftefeedbacks.
• Kundenbefragungen im B2B-Bereich: Hier liegen in den Unternehmen in vielen Fällen
Kontaktdaten der Kunden bereits vor.
• Kundenbefragungen im B2C-Bereich: In diesem Fall ist die Lage in der Regel etwas
schwieriger, da in den meisten Fällen zwischen produzierenden Unternehmen oder
Dienstleistern und den Konsumenten kein individueller Kontakt besteht, bei dem sol-
cherlei Daten aufgezeichnet werden. Ausnahmen stellen Dienstleistungen oder Käufe
dar, bei denen auch ein echter Vertrag (schriftlich oder elektronisch) geschlossen wird.
298 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

In anderen Fällen wird Marktforschung auch gerne über den Aufbau von Kundenclubs
oder Bonuskarten-Systemen abgewickelt, welche in aller Regel wiederum die Kom-
munikationsmöglichkeit per E-Mail beinhalten. Gleiches gilt für die Verwendung von
Newsletter-Adressen für die Rekrutierung von Befragungspersonen.
• Konsumentenbefragungen in Panel-Umgebungen: Auf die Verwendung von Access
Panels bzw. auch den Aufbau eigener Panels durch marktforschende Institutionen wird
in Abschnitt 5.6 genauer eingegangen. Bei diesen Anwendungen erfolgt die Einladung
zu Befragungen eigentlich immer per E-Mail.

Immer dann, wenn Personen per E-Mail zur Umfrage eingeladen werden sollen, muss
dem entsprechenden Forscher bzw. der Auftrag gebenden Firma in irgendeiner Form eine
Einverständniserklärung oder Nutzungsberechtigung für die E-Mail-Adressen vorlie-
gen. Dies ist nicht nur aus rechtlichen Gründen relevant, sondern auch deshalb wichtig,
weil das Zusenden einer E-Mail von Empfängern in zunehmendem Maße als Belästigung
wahrgenommen wird, wenn hierfür kein für den Angeschriebenen nachvollziehbarer
Anlass bzw. zum Absender keine wirkliche Beziehung besteht. Dementsprechend kann der
massenhafte Versand von E-Mails an unqualifizierte Adressen (neben einer geringen Teil-
nahmequote und eventuellen Abmahnungen) immer auch einen negativen Image-Effekt
auf das jeweilige Unternehmen werfen. Dies kann auch dann passieren, wenn dem Unter-
nehmen de facto diese Kommunikation gestattet worden ist, sich der Konsument hieran
aber längst nicht mehr erinnert, weil der letzte Kontakt bereits lange zurückliegt. In diesem
Sinne ist es ratsam, vor dem Versand von Einladungen an alle verfügbaren Adressen eine
entsprechende Qualifikation bzw. Prüfung durchzuführen. Dies könnte zum Beispiel die
ausschließliche Einladung an Personen sein, die in den letzten 12 Monaten etwas gekauft
haben oder auf sonstige Weise Kontakt zum Unternehmen hatten.
Die schiere Bekanntheit des E-Mail-Absenders in der angeschriebenen Zielgruppe
spielt ebenfalls eine Rolle in diesem Kontext. Der Effekt, dass eine einmal gegebene Ein-
verständniserklärung den angeschriebenen Personen gedanklich nicht mehr präsent ist,
wird bei bekannten Unternehmen zum Teil kompensiert. So dürfte es – bei sonst gleichen
Bedingungen – großen oder gar internationalen Unternehmen wie beispielsweise „Luft-
hansa“ oder „Amazon“ deutlich leichter fallen, Teilnehmer für eine Online-Befragung per
E-Mail zu gewinnen als einem jungen, unbekannten Marktforschungsinstitut oder einer
kleinen Hotelkette. In gewisser Weise empfindet es der eine oder andere Teilnehmer viel-
leicht auch als eine Art Privileg, von einem Großunternehmen überhaupt nach seiner Mei-
nung gefragt zu werden. Diesen Zusatzbonus haben kleinere Firmen in aller Regel nicht.
Einen gewissen Vertrauensvorschuss als Forscher genießen meist auch öffentliche Ins-
titutionen wie zum Beispiel Hochschulen oder wissenschaftsnahe Forschungsinstitute.
Diese führen entweder ausschließlich der Wissenschaft dienende Online-Befragungen
durch. Oder sie agieren im Rahmen von Diplomarbeiten, Promotionen und Kooperati-
onen zu einem gewissen Ausmaß als forschende Auftragnehmer der Industrie. In beiden
Fällen wird häufig von einer höheren Glaubwürdigkeit des Absenders ausgegangen, was
sich wiederum positiv auf die Antwortraten auswirken kann.
Einladung per E-Mail 299

Adressqualität
Wie bereits angedeutet, kommt der Adresspflege bzw. der Adressqualität bei der Anwen-
dung von E-Mail-Einladungen eine besondere Bedeutung zu. Bei Kundenbefragungen im
B2B- oder B2C-Bereich ist in aller Regel mit einem erkennbaren Ausschuss von mindes-
tens 5 Prozent zu rechnen. Je nach Anwendungsfall kann er aber auch bis zu 20 Prozent der
Gesamtmenge betragen. Dieser Anteil an E-Mails kann entweder gar nicht erst versendet
werden oder er kommt in Form von Fehlermeldungen der empfangenden Mailserver wie-
der zurück. Klassische Gründe hierfür können sein:

• Die Adresse wurde bereits fehlerhaft registriert (zum Beispiel Syntaxfehler,


Rechtschreibfehler).
• Statt der E-Mail-Adresse wurde eine Telefonnummer oder eine WWW-Adresse notiert.
• Die Adresse existiert nicht mehr (vom Eigentümer geändert/gelöscht).
• Die Adresse wurde nach einer Syntaxregel gebildet (zum Beispiel vorname.nachname@
firma.com), existiert aber nicht.
• Eine Adresse kommt mehrfach im Adressbestand vor.

Dubletten oder syntaktisch falsche Adressen können im Vorfeld noch relativ einfach
bzw. auch automatisiert erkannt und eventuell korrigiert oder gelöscht werden. Nicht
vorab erkennbar sind syntaktisch korrekte, aber nicht (mehr) existierende Adressen, die
als solche erst durch eine auf den Versandversuch folgende Fehlernachricht offensicht-
lich werden und dann in vielen Fällen – je nach Menge und falls überhaupt möglich –
aufwändig korrigiert und neu versendet werden müssen. Um den Effekt der ungültigen
Adressen wenigstens informativ in die Analyse einzubringen, wird häufig auch zwischen
einer Brutto- und Netto-Rücklaufquote unterschieden. Die Brutto-Rücklaufquote ist dabei
der Anteil der Ausfüller an der Gesamtmenge zur Verfügung stehender Adressen, wäh-
rend bei der Netto-Rücklaufquote nur die Anzahl der erfolgreich versendeten und nicht
als „Error“ retournierten Einladungen als Basis dient. Fehler in den Adressen werden hier
also herausgerechnet.
Hinzu kommt die nicht-bestimmbare Dunkelziffer der zwar versendeten und empfan-
genen E-Mails, die aber nie gelesen werden, weil das entsprechend Postfach nicht abgeru-
fen oder weil die Nachricht von einem Spamfilter abgefangen wird. Ein weiteres Problem
bei Befragungen im B2B-Bereich sind häufig auch sogenannte „info@-Adressen“. Diese
werden gerne in CRM-Datenbanken notiert, weil es zum Zeitpunkt der Aufnahme in die
Datenbank die einzige E-Mail-Kontaktmöglichkeit ist. Die an solche Postfächer verschick-
ten Nachrichten werden jedoch häufig vorsortiert, so dass nur dem ersten Empfänger bzw.
Leser relevant erscheinende E-Mails tatsächlich an die gewünschte oder eine passende
Ansprechperson weitergeleitet werden. Befragungseinladungen werden in solchen Fällen
erfahrungsgemäß häufig als nicht relevant eingestuft, womit die Entscheidung über die
Befragungsteilnahme oder Nichtteilnahme oft gar nicht bei den eigentlich gewünschten
Personen stattfindet.
300 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Auf die Qualität und Aussagefähigkeit der erreichten Stichprobe wirken sich fehler-
hafte Adressen nur dann aus, wenn die Fehler in den Adressen nicht zufällig verteilt sind,
sondern teilweise von anderen Faktoren abhängen. Diese Situation dürfte in der Reali-
tät durchaus auftreten, wenn beispielsweise davon auszugehen ist, dass die Kontaktdaten
von umsatzstarken Stammkunden besser gepflegt werden als jene von umsatzschwäche-
ren Gelegenheitskunden. Hierauf kann in der Analyse dann mit einer entsprechenden
Gewichtung reagiert werden.

Soft Launch
In den allermeisten Fällen, in denen Einladungen zu einer Online-Befragung per E-Mail
erfolgen, empfiehlt sich zur Vermeidung nicht-erwünschter Überraschungen ein soge-
nannter Soft Launch. Diese Vorgehensweise wurde bereits im Kontext der Mitarbeiterbe-
fragung in Abschnitt 3.2.3 beschrieben. Sie bedeutet zum einen, nicht alle Einladungen auf
einmal zu verschicken, sondern zunächst einmal nur einen Teil davon, zum Beispiel an ein
Zwanzigstel oder ein Zehntel der gesamten Menge. Dann wird auf die ersten Befragungs-
zugriffe gewartet, um zu prüfen, ob alle Prozesse ordnungsgemäß funktionieren. Erst nach
erfolgreicher Prüfung wird dann auch der Rest der Einladungen zugestellt. Zum anderen
werden bei einem Soft Launch meist auch die Einladungen mit einer gewissen Zeitverzö-
gerung nach jeder E-Mail oder aber in zeitlich gestaffelten Paketen versendet, um unnötige
Belastungsspitzen zu vermeiden.

5.3 Einladung per Post

Eine Einladung zu einer Online-Befragung ausgerechnet per Post bzw. Brief zu versen-
den, erscheint bei oberflächlicher Betrachtung zunächst einmal unsinnig. Tatsächlich ist es
aber bei bestimmten Konstellationen eine sinnvolle oder notwendige und durchaus erfolg-
versprechende Methode. In folgenden Fällen ist die Einladung per Post eine ernstzuneh-
mende Alternative, zum Beispiel:

• wenn die potenziellen Teilnehmer nicht über eine eigene E-Mail-Adresse verfü-
gen oder diese nicht bekannt ist (Beispiel: als Freelancer tätige Kollegen bei einer
Mitarbeiterbefragung).
• wenn von potenziellen Teilnehmern nur info@-Adressen und/oder unzureichend
gepflegte E-Mail-Adressen verzeichnet sind (Beispiel: Kundenbefragung unter kleinen
Handwerksbetrieben).
• wenn die Befürchtung besteht, dass die Postfächer vorhandener E-Mail-Adressen
nur unregelmäßig geprüft werden (Beispiel: sozialwissenschaftliche Befragung bei
Vereinen).
• wenn davon auszugehen ist, dass die E-Mails zunächst nicht von der eigentlichen Ziel-
person gelesen werden (Beispiel: Befragung von Geschäftsführern mit SekretärIn).
Einladung per Post 301

• wenn Sicherheitsbedenken bei der Verwendung einer unverschlüsselten E-Mail beste-


hen (Beispiel: Befragung sicherheitssensibler Zielgruppen).
• wenn die Zielgruppe den Umgang mit E-Mails nicht gewohnt ist (Beispiel: Befragung
älterer Personen).
• wenn eine hohe Wertigkeit und/oder Vertraulichkeit der Befragung zum Ausdruck
gebracht werden soll (Beispiel: Nachträgliche Zufriedenheitsbefragung unter Teilneh-
mern einer Luxus-Kreuzfahrt).
• wenn bei Verwendung von E-Mail ein systematischer Verzerrungseffekt auf die Stich-
probe zu befürchten ist (Beispiel: Befragung einer heterogenen Zielgruppe mit stark
unterschiedlichem E-Mail-Nutzungsverhalten).

Zwar fallen beim Postverfahren neben den Kosten bzw. dem Erstellungsaufwand für
die Online-Befragung noch Druck- und meist auch Portokosten an. Dieser Nachteil kann
sich jedoch schnell in einen Vorteil umkehren, wenn hiermit eine deutlich höhere Rück-
laufquote erreicht und die Grundgesamtheit der Befragung somit besser durch die erzielte
Stichprobe abgebildet werden kann. An dieser Stelle kommt eventuell noch ein weiterer
Vorteil hinzu: die Verwendung einer Postadresse ist deutlich fehler-unempfindlicher als
die Verwendung einer E-Mail-Adresse. Eine E-Mail findet in der Regel nur dann ihren
Empfänger, wenn sie zu 100 Prozent korrekt geschrieben ist (wobei die Groß- und Klein-
schreibung entgegen der Überzeugung vieler keine Rolle spielt). Bei der Zustellung von
Briefen ist hingegen nach wie vor ein menschlicher Zusteller beteiligt, der im Bedarfsfall
intelligent reagieren und falsch geschriebene Namen oder sonstige Fehler oftmals noch
ausgleichen kann.
Ein Nachteil ist hingegen, dass im Vergleich zur Verwendung von E-Mail nicht auf
einfache Weise ein kostengünstiger Reminder versendet werden kann. Hierfür würden
dann wiederum Druck- und eventuell Portokosten anfallen, auch wenn man über einen
Abgleich der Teilnahmecodes (siehe hierzu auch Abschnitt 5.8) die Möglichkeit hätte, die
Personen auszuschließen, die bereits ausgefüllt haben. Nur in dem Sonderfall, wenn zuvor
entschieden wurde, trotz Existenz einer E-Mail-Adresse per Brief einzuladen, wäre es
möglich, den Reminder aus Kostengründen dann per E-Mail zu verschicken.
Das Postverfahren kann auch in dem Fall Sinn ergeben, dass die oben genannten
Bedingungen – einzeln oder in Kombination – nur auf einen Teil der angesprochenen
Stichprobe zutreffen. Hier kann es durchaus zweckmäßig sein, lediglich einen Anteil per
E-Mail und den Rest per Brief einzuladen. Dies darf nicht verwechselt werden mit dem
sogenannten Hybrid-Verfahren, das im nächsten Abschnitt 5.4 thematisiert wird. Hierbei
wird ein Teil der Stichprobe nicht nur per Brief eingeladen, sondern auch mit Hilfe eines
Papierfragebogens befragt.
Besonders wichtig bei der Einladung zu einer Online-Befragung per Brief ist es, dass
dem potenziellen Teilnehmer möglichst wenige Hürden in den Weg gestellt werden.
Der auftretende Medienbruch beim geforderten Wechsel zwischen dem Papier und dem
Computer bzw. Internet ist bereits substanziell und sicher in vielen Fällen der Grund für
eine Nichtteilnahme. Wenn sich aber eine Person schon dazu durchgerungen hat, auf der
302 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Grundlage der empfangenen Einladung an ihren PC zu gehen, dann sollten die folgenden,
notwendigen Schritte möglichst einfach gehalten werden. Denn nun muss – im deutlichen
Gegensatz zur E-Mail-Einladung – der Umfragelink sowie eventuell ein Teilnahmecode
manuell eingegeben werden (siehe hierzu auch Abschnitt 5.7). Allein schon aus Höflich-
keit sollte dies einem Teilnehmer nicht zusätzlich dadurch erschwert werden, dass eine
lange und kryptische URL abgedruckt wird, wie sie meist bei Verwendung einer Umfrage-
Software entsteht.
Stattdessen sollte man sich die Mühe machen, eventuell unter der eigenen Firmen-
Domäne ein Unterverzeichnis anlegen zu lassen, welches wiederum als Weiterleitung
zur eigentlichen URL der Umfrage dient (Beispiel: „www.firma.de/umfrage“). Die nahe-
liegende Verwendung eines sogenannten Kurz-URL-Dienstes wie zum Beispiel tinyurl.
com oder goo.gl ist hingegen nicht empfehlenswert, da auf diese Weise doch wieder eine
URL mit einer zwar recht kurzen, aber kryptischen Zeichenfolge mit großen und kleinen
Buchstaben sowie Ziffern entsteht. Darüber hinaus wirkt eine solche URL in aller Regel
eher nicht vertrauenswürdig. Falls die Teilnahme an der Online-Umfrage die Eingabe
eines Teilnahmecodes erfordert, so hat sich hierfür die Verwendung einer Zahlenfolge
mit 8 bis 10 Stellen bewährt. Aufgrund der manuellen Eingabe ist auch hier das Mischen
diverser Zeichenarten nur dann empfehlenswert, wenn damit nochmals eine besonders
hohe Sicherheit und Vertraulichkeit zum Ausdruck gebracht werden soll. In aller Regel ist
jedoch ein Zahlencode der vorgeschlagenen Länge ausreichend sicher.
Eine mit der Einladung per Post verwandte Methode ist die Möglichkeit, die Einla-
dung zu einer Online-Befragung auf Handzetteln, Beilegern, Flyern, Coupons, Quittun-
gen oder sogar auf Produkten selbst abzudrucken. Diese Option ist dann sinnvoll, wenn
man beispielsweise nicht über Adressdaten seiner Kundschaft verfügt, was bei den meis-
ten Kundenbeziehungen im B2C-Bereich der Fall ist. Hier ein paar Beispiele für diese
Vorgehensweise:

• Beileger im Versandpaket beim Online-Kauf


• Ausgabe von Handzetteln nach erfolgter Dienstleistung (zum Beispiel Museumsfüh-
rung, Haarschnitt oder Restaurantbesuch)
• Abdruck auf Kassenzettel nach Einkauf
• Verteilen von Flyern auf einer Veranstaltung

In Kombination mit einer passenden Incentivierung kann ein solches Vorgehen trotz
des zumeist eher geringen Rücklaufs durchaus einen gewissen Erfolg haben. Bei einfachen
und kurzen Befragungen kann zusätzlich oder auch ausschließlich ein sogenannter QR-
Code abgedruckt werden, der die Möglichkeit der direkten Umfrageteilnahme über ein
Smartphone oder Tablet bietet (siehe hierzu auch Abschnitt 5.5). Auf diese Weise kann
ein Teil des Medienbruchs neutralisiert werden, da der Eingabeaufwand für die Umfrage-
URL sowie eventuell auch für einen Teilnahmecode entfällt. Für komplexe und längere
Umfragen empfiehlt sich diese Option jedoch nicht, da diese meist nur unbequem auf
einem Smartphone bearbeitet werden können. Zu bedenken ist bei all diesen Optionen der
Hybrid-Befragungen 303

nicht-persönlichen Ansprache allerdings auch die hier besonders naheliegende Möglich-


keit, dass sich aufgrund der einfachen Weitergabe der notwendigen Informationen auch
eine andere Person als die eigentlich angesprochene an der Befragung beteiligen kann. Vor
allem beim Einsatz attraktiver Incentives läge hier auch eine gewisse Motivation vor. In die-
sem Kontext bietet die persönliche Adressierung über einen Brief etwas mehr Sicherheit.

5.4 Hybrid-Befragungen

Bei einer Hybrid-Befragung werden – entweder simultan oder sukzessiv – zwei verschie-
dene Befragungs- bzw. Erfassungsmethoden innerhalb einer Erhebung verwendet. Grund-
sätzlich kämen hierfür alle möglichen Kombinationen von Papier-Befragung, Online-
Befragung, Telefon-Befragung und persönlicher Befragung in Frage. Weithin angewendet
– und in unserem Kontext entscheidend – ist jedoch die Verbindung von Papier- und
Online-Befragung, was beispielsweise sehr häufig im Rahmen von Mitarbeiterbefragun-
gen zur Anwendung kommt (siehe Abschnitt 3.2.3). Gelegentlich hört man in diesem
Zusammenhang auch die englische Bezeichnung „mixed-mode survey“.
Der Grund für die Durchführung einer Befragung auf zwei verschiedenen Wegen, was
durchaus einigen Zusatzaufwand mit sich bringt, ist in aller Regel das Problem, dass ein
Teil der gewünschten Stichprobe nicht per E-Mail erreicht werden kann und wahrschein-
lich auch nicht über die Möglichkeit verfügt, online an der Umfrage teilzunehmen. Oder
dies kann nicht zugemutet werden, da es sich um eine Mitarbeiterbefragung handelt und
dafür ein privater Internet-Anschluss verwendet werden müsste. Mit einem Methoden-
Mix können die Vorteile der Online-Befragung trotzdem erhalten bleiben, ohne dabei
potenzielle Teilnehmer von der Befragung gänzlich ausschließen zu müssen.
Zumeist werden die Personen der Zielgruppe fest einer der beiden Befragungsmetho-
den zugeordnet und dementsprechend entweder per E-Mail zur Online-Befragung oder
per Brief zur Papierbefragung eingeladen (aber nicht beides). Zur Erhöhung des Rücklaufs
bzw. als Komfortoption gibt es aber auch die Möglichkeit, den Teilnehmern auf Wunsch
den Wechsel zu gestatten. Ein per Brief angesprochener Teilnehmer hätte dann statt dem
mitgelieferten Papier-Fragebogen auch die Möglichkeit, über eine angegebene Umfrage-
URL und einen (auch auf dem Papierbogen gedruckten) Teilnahmecode in die Online-
Befragung einzusteigen. Umgekehrt könnte man es einem designierten Online-Teilneh-
mer anbieten, den Fragebogen als pdf-Datei aus dem Internet zu laden, auszudrucken,
schriftlich auszufüllen, seinen Teilnahmecode darauf zu notieren und per Post an eine
angegebene Adresse zurückzusenden.
In diesen Fällen mit Wechseloption ist die Verwendung eines festen Teilnahmecodes
auch in der Papier-Version unumgänglich, da ansonsten der Möglichkeit der Fälschung
durch Mehrfachteilnahmen Tür und Tor geöffnet wird. Es muss in jedem Fall kontrol-
liert werden können, ob eine Person vielleicht sowohl online als auch an der schriftlichen
Version teilgenommen hat. Gewährt man die Möglichkeit des Wechselns nicht, so kann
auf dem Papier-Fragebogen in aller Regel auch mit einer nur gruppenbezogenen oder gar
304 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

keiner Kennzeichnung gearbeitet werden. Bei Mitarbeiterbefragungen ist dies beispiels-


weise meist die Angabe der Abteilung.
Es ist einer der Vorteile der Kombination einer Online-Umfrage mit einer klassischen
Papierbefragung, dass diese beiden Methoden sich in vielen Aspekten sehr ähnlich sind
und ein vergleichbares Teilnahme- und Ausfüllverhalten aufweisen. Dies hängt damit
zusammen, dass die wahrgenommene Anonymität in beiden Fällen aufgrund der Abwe-
senheit eines Interviewers sehr hoch ist. Dennoch wird bei Hybrid-Befragungen mit der
Online-Version in aller Regel ein etwas höherer Rücklauf erreicht als mit der Papier-Ver-
sion. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass im Online-Fall besser mit Remindern
gearbeitet werden kann und dass es sich schlicht um das direktere und für die Teilnehmer
komfortablere Verfahren handelt. Ein anderer, eventuell ergänzender Erklärungsansatz
würde auf der Annahme beruhen, dass die beiden Teilstichproben auf systematische Weise
unterschiedlich zusammengesetzt sind. Bei hybrid durchgeführten Mitarbeiterbefragun-
gen ist dies sicher häufig der Fall, da es sich bei den Online-Teilnehmern meist um Büro-
tätige handelt und bei den Papier-Teilnehmern meist um Werktätige.
Eine hybrid angelegte Befragung ergibt meist nur dann wirklich Sinn, wenn die
Online-Gruppe auch eine substanzielle Größe aufweist. Wenn es beispielsweise 475 poten-
zielle Papier-Teilnehmer gibt, aber nur 25 potenzielle Online-Teilnehmer, dann wird der
vergleichsweise hohe, relative Aufwand pro Teilnehmer zur technischen Erstellung einer
Online-Version sicher nicht durch deren Nutzen kompensiert. In diesem Fall würde man
sich wohl sinnvollerweise dafür entscheiden, allen 500 Personen einen Papier-Fragebogen
zu senden. Im umgekehrten Fall, also bei vielen Online-, aber nur wenigen Papier-Teil-
nehmern funktioniert dies jedoch nicht. Nicht selten werden die Personen ohne E-Mail-
Adresse dann schlicht gar nicht berücksichtigt. Oder es wird mit einfachen Mitteln doch
ein Papier-Fragebogen entworfen und verschickt, um niemanden aus der angepeilten Ziel-
gruppe von der Befragung ausschließen zu müssen. Manche Online-Befragungs-Software
bietet für Projekte dieser Art auch Unterstützung, indem sie den erstellten Online-Frage-
bogen auch als Papierversion zum Beispiel im Word-Format ausgibt.

5.5 Mobile Befragungen

Kaum ein Thema wird in der Marktforschung seit ein paar Jahren so heiß diskutiert wie
„Mobile Befragungen“ oder auch „mobile surveys“ (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag
von Gabriele Herrmann und Walter Freese in Kapitel 4 dieses Buches oder auch das Werk
von Poynter et al. (2014) [18]). Das hat drei einfache Gründe: Erstens ist es wahrschein-
lich der Idealzustand für einen Marktforscher, wenn die potenziellen Marktforschungs-
teilnehmer mehr oder weniger jederzeit ein elektronisches Gerät mit sich führen, über das
sie fast überall kontaktierbar sind und wenn man über dieses Gerät selbst-administrierte
Befragungen durchführen kann (also Befragungen ohne Interviewer). Zweitens nimmt die
Verbreitung von sogenannten Smartphones mit möglicher Internetverbindung stetig zu,
so dass in den meisten entwickelten Ländern bereits heute mit einer Verbreitung bei über
Mobile Befragungen 305

50 Prozent der Gesamtbevölkerung zu rechnen ist. Bei Jugendlichen und jungen Erwach-
senen gehen die Quoten oftmals nahe an die 100 Prozent. Weltweit gibt es angeblich schon
um die 2 Milliarden Smartphone-Benutzer. Und drittens hat die Entwicklung der „nor-
malen“ Online-Marktforschung gezeigt, dass die Befragungsform an sich gut funktioniert
und innerhalb weniger Jahre eine stetig wachsende Nachfrage ausgelöst hat. Über diese
Entwicklung der vergangenen ca. 15 Jahre hat sich sicher so mancher traditionelle Markt-
forscher bisweilen verwundert die Augen gerieben. Diese drei Punkte zusammengefasst
führen zu einer beinahe greifbaren Grundstimmung in der Marktforschung, dass man
„The Next Big Thing“ auf keinen Fall verpassen möchte. Und dies könnten nun die mobi-
len Befragungen sein.
Halten wir an dieser Stelle kurz inne und betrachten einmal, worum es überhaupt
geht: Bei mobilen Befragungen handelt es sich im Grunde um eine Spielart der Online-
Befragung, die allerdings nicht auf einem stationär verwendeten PC oder auf einem semi-
stationären Laptop ausgefüllt wird, sondern auf einem mobilen und internetfähigen Gerät
wie einem Smartphone oder einem Tablet. Im Grunde genommen kann damit eigentlich
jede Online-Befragung für den einzelnen Teilnehmer auch zur mobilen Befragung wer-
den, wenn dieser beispielsweise die Einladungs-E-Mail zur Umfrage auf seinem Tablet liest
und die Befragung auch direkt auf dem Tablet ausfüllt. Der Unterschied zu einer „echten“
mobilen Befragung ist allerdings, dass diese konsequent darauf ausgelegt ist, dass sie von
allen Personen nur auf einem mobilen Gerät bearbeitet wird.
Zu diesem Zweck werden die Befragungsteilnehmer entweder per SMS zu einer anste-
henden Befragung eingeladen. Oder sie müssen sich vorab in einem Teilnehmer-Pool
anmelden (zum Beispiel in einem Access Panel) und eine App auf ihr Smartphone bzw.
Tablet herunterladen und installieren. Über diese App kann der Betreiber dann soge-
nannte Push-Nachrichten direkt auf die Geräte seines Teilnehmer-Pools senden und somit
die Personen zur Teilnahme an aktuellen Befragungen bitten. Die genannten Verfahren
können auch kombiniert und/oder um eine zusätzliche Nachricht per E-Mail ergänzt wer-
den. Auch der Einsatz von QR-Codes ist möglich, die den potenziellen Teilnehmern etwa
in einer Zeitschrift dargeboten werden können. Die eigentliche Online-Befragung findet
dann, je nach verwendeter Technologie, in der erwähnten App selbst oder in einem Brow-
serfenster des Smartphones bzw. Tablets statt, das automatisch aufgerufen wird, sobald
man die Teilnahmebereitschaft bestätigt hat.

Unterschiede zur klassischen Online-Befragung


Fraglich ist nun, ob die mobile Befragung in der Tat spezifische Vorteile gegenüber einer
gewöhnlichen, wohl schon „klassisch“ zu nennenden Online-Befragung hat, durch welche
sie sozusagen gerechtfertigt wird. Diesbezüglich sind folgende Besonderheiten zu nennen:

• Erreichbarkeit der Teilnehmer


Potenziell sind die für mobile Befragungen vorgesehenen Personen – wenn man sie
zunächst einmal grundsätzlich erfasst hat – sehr gut und schnell für den Forscher
erreichbar. Die Tatsache, dass die meisten Menschen ihr Smartphone so gut wie immer
306 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

dabei haben, unterstützt diesen Punkt noch. Und dies gilt auch für eventuell schwerer
zugängliche Gruppen, zum Beispiel aus bestimmten Berufsbereichen oder auch für
Personen, die keinen oder nur selten Zugang zu einem PC haben.
• Flexibilität der Teilnehmer
Es besteht eine sehr hohe Flexibilität der Probanden hinsichtlich Ort und Zeit der
Beantwortung. Diese ist nun nicht mehr auf einen Computer mit meist festem Standort
reduziert, sondern kann quasi überall stattfinden sowie zu jeder Zeit, in der beispiels-
weise das Smartphone griffbereit ist und eine Internetverbindung hat.
• Kurze Forschungszyklen
Aufgrund der meist unmittelbaren Ansprache und Einladung der Personen lassen
sich mitunter extrem kurze Forschungszyklen umsetzen, vor allem dann, wenn per
SMS oder Push-Nachricht zur Befragung aufgefordert werden kann. Die Zeitspanne
zwischen Versand einer Umfrage-Einladung und deren Empfang bzw. Rezeption sinkt
somit deutlich.
• Befragungen am Ort des Geschehens
Da die Befragung mit Hilfe von mobilen Geräten erfolgt, lassen sich auch Projekte
umsetzen, bei denen es eine Voraussetzung ist, dass sich die Teilnehmer zum Zeitpunkt
des Ausfüllens an einem bestimmten Ort befinden, beispielweise in einem Supermarkt.
Oder es kann aufgrund besserer Erinnerung von einer höheren Forschungsqualität
ausgegangen werden, wenn die Befragung direkt im Anschluss an ein Erlebnis mobil
und unabhängig von der Verfügbarkeit einer sonstigen Infrastruktur durchgeführt
werden kann. Allerdings müssen dann Mechanismen geschaffen (und vom Teilnehmer
erlaubt) werden, die erkennen, wann sich die betreffende Person wo aufhält.

Je nach den Projektvorgaben sind die genannten Vorteile nicht selten Anlass genug
dafür, eine Umfrage entsprechend als mobile Befragung umzusetzen. Allerdings gibt es
auch ein paar Einschränkungen und Nachteile an dieser Stelle zu berichten:

• Heterogenität der technischen Plattformen


Im Laufe der Jahre haben sich die diversen Internet-Browser für Computer und Lap-
tops in ihren Funktionen und individuellen Darstellungsformen immer weiter ange-
glichen, so dass an dieser Stelle für klassische Online-Befragungen in aller Regel quasi
keine substanziellen Hürden mehr existieren, die eine unterschiedliche Behandlung
verschiedener Plattformen erfordern würden. Bei mobilen Befragungen ist dies kei-
neswegs so. Es gibt – gerade international – eine Vielzahl von stark unterschiedlichen
Smartphone- und Tablet-Browsern sowie Betriebssystemen, die eventuell bei der tech-
nischen Umsetzung zu berücksichtigen sind. Finden Befragungen innerhalb einer App
statt, so muss zumindest eine App für die Apple-Produktwelt und eine für das And-
roid-System erstellt und gepflegt werden, was mit entsprechenden Kosten und Zeitbe-
darfen verbunden ist.
Mobile Befragungen 307

• Unkomfortable Dateneingabe
Nicht wenige Menschen tun sich schwer damit, eine Smartphone- oder Tablet-Oberflä-
che mit dem Finger zu bedienen. Bei einer mobilen Befragung ist dies jedoch unerläss-
lich und führt unter anderem dazu, dass die benötigten Ausfüllzeiten für den gleichen
Fragebogen etwas höher sind als bei einer Teilnahme am PC. Bei Smartphones etwa
wurde festgestellt, dass die benötigte Zeit im Mittel 20 bis 25 Prozent länger sein kann.
Hinzu kommt das mühsame Tippen von Texten auf einer virtuellen Tastatur, falls ent-
sprechende Fragen vorkommen. Diese Effekte können auf die Teilnehmer abschre-
ckend wirken und Abbrecher provozieren.
• Befragungslänge
Dies führt dann auch dazu, dass eine mobile Befragung eine bestimmte Länge kaum
überschreiten darf. Als Faustwert werden hier häufig 10 Fragen genannt, die von den
Probanden noch toleriert werden. Es kommt aber – wie so häufig – wohl auf den Ein-
zelfall an. Für längere Fragebögen ist „mobil“ jedenfalls meist keine gute Option. Dann
steigen die Abbrecherraten deutlicher als bei der normalen Online-Befragung, was
sicherlich auch mit der jeweiligen Nutzungssituation und einem höheren Potenzial an
Ablenkungsmöglichkeiten zu tun hat.

Spezielle Anforderungen mobiler Befragungen


Verschiedene technische Restriktionen auf mobilen Geräten – und hierbei insbesondere
auf den kleineren Smartphones – führen zu bestimmten Einschränkungen mobiler Befra-
gungen, auf die in besonderer Weise reagiert werden muss. Im Wesentlichen geht es dabei
um ein für die Anwendung geeignetes Umfragedesign, das zum einen „optisch zurück-
haltend“ sowie ladezeiten-optimiert ist. Und das sich zum anderen mehr oder weniger
flexibel und automatisch an die Verwendung eines relativ kleinen Bildschirms anpasst,
wobei allerdings die Lesbarkeit erhalten werden muss. Diese Anpassung ist auch unter
dem Stichwort „Responsive Design” bekannt, was vor allem dann von hoher Relevanz ist,
wenn nicht von vornherein klar ist, ob die Teilnehmer den Fragebogen am PC oder auf
einem mobilen Gerät ausfüllen werden.
Ein für ein Smartphone gestaltetes Design kann auch recht gut an einem größeren Bild-
schirm funktionieren, also im klassischen Webdesign. Insofern ist es weniger gravierend,
wenn eine eigentlich für das Smartphone gedachte und konzipierte Umfrage dann doch
am größeren Bildschirm bearbeitet wird. Umgekehrt ist dies allerdings ganz und gar nicht
der Fall. Es ist wesentlich einfacher, etwas hoch zu skalieren als es herunter zu skalieren.
Daraus resultiert die Empfehlung für Online-Befragungen, bei denen ein substanzieller
Anteil an Mobil-Ausfüllern zu erwarten ist, das Design zunächst am „kleineren Gerät“
auszurichten, denn es wird dann in aller Regel auch am größeren Gerät „funktionieren“.
Dieses Vorgehen wird in der Marktforschung mitunter als „mobile first“-Strategie bezeich-
net, die mit dem Zwang zur Verkürzung, Verschlankung und Vereinfachung verbunden
ist.
308 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Das Design einer mobilen Umfrage muss ebenso darauf ausgelegt sein, dass die funk-
tionalen Elemente etwas größer gestaltet werden, damit man sie mit dem Finger antippen
kann, und dass gleichzeitig weniger Text verwendet wird. Der Idealzustand ist der, dass
auch bei einer mobilen Befragung nicht vertikal und schon gar nicht horizontal gescrollt
werden muss. Aus diesen Gründen können beispielsweise umfangreiche Matrixfragen
kaum in einer Mobilbefragung verwendet oder sie müssen auf mehrere Seiten verteilt wer-
den, wobei die Skala bei eventuell doch nötigem Scrollen nicht aus dem Bildschirm gleiten
bzw. sich immer wiederholen sollte. Das gleiche gilt für lange Auswahllisten, beispielsweise
von Marken. Werden diese Prinzipien nicht beachtet, so ist bei einer mobilen Befragung
nicht nur mit höheren Drop-outs, sondern wahrscheinlich auch mit einer geringeren Reli-
abilität der Erhebung zu rechnen, also mit mehr Zufallsfehlern, die nur aufgrund eines
mangelhaften Designs entstehen. Ein typisches Beispiel mit kurzen Texten und sich wie-
derholender Skala zeigt Abbildung 5.2.

Abb. 5.2: Smartphone-optimierte Mobilbefragung


Mobile Befragungen 309

Teilnahme- und Antwortverhalten


Vergleicht man das Teilnahmeverhalten bei klassischen Online-Befragungen mit dem von
mobilen Befragungen, so wird deutlich, dass es in gewissem Maße davon abhängt, wo sich
die potenziellen Teilnehmer aufhalten und um was für einen Anlass es sich handelt. So
werden Smartphones gerne nachts und in den frühen Morgenstunden benutzt, während
tagsüber eher das Ausfüllen am PC dominiert. Am Abend werden dann zunehmend auch
Tablets verwendet. Diese Abfolge hängt also mit den Tageszeiten zusammen, zu denen die
genannten Geräte typischerweise (bzw. häufiger als die anderen) genutzt werden. Hierüber
muss sich auch ein Forscher im Klaren sein, denn nicht für jede Studie dürfte es gewünscht
sein, wenn der Fragebogen auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn oder zu Hause vor dem
Fernseher ausgefüllt wird. In vielen Fällen wird hierauf jedoch kaum Wert gelegt bzw. man
ist schon froh, wenn eine Umfrage überhaupt genügend Teilnehmer findet. Hier kommt
dann wiederum das Responsive Design ins Spiel, das es jeder Person ermöglichen sollte,
flexibel das Gerät zu verwenden, welches ihr zum selbst gewünschten Zeitpunkt auch zur
Verfügung steht.
Dennoch sollte der Forscher im Hinterkopf behalten, dass die Motive für eine Umfra-
geteilnahme am Mobiltelefon etwas anders gelagert sein können als die für die Teilnahme
an der normalen Online-Version. Bei der mobilen Befragung können eher auch Aspekte
wie „Zeitvertreib“ oder „Neugier“ eine Rolle spielen, auch aufgrund der relativen Neu-
artigkeit des Verfahrens. Diese Aspekte können – je nach Umfragegegenstand – sicher-
lich auch einen Effekt auf die erzielten Ergebnisse haben. Blickt man auf die Teilnahme-
quoten insgesamt, so gibt es Hinweise darauf, dass man mit einer mobilen Befragung in
den ersten Stunden der Feldzeit schneller Ergebnisse generieren kann. Auf längere Sicht,
also bei Feldzeiten von mindestens einem oder von mehreren Tagen, scheint hingegen
die klassische Online-Version höhere Quoten zu erreichen. Aus diesem Grund werden
es viele Forscher in der heutigen Situation vorziehen, möglichst beide Ausfülloptionen zu
gewährleisten. Einen Eindruck von einem typischen Teilnahmeverlauf beider Methoden
zeigt Abbildung 5.3.
Bezüglich eines möglicherweise unterschiedlichen Antwortverhaltens am PC bzw.
Mobilgerät steht die Forschung nach am Anfang. In vielen Fällen sind die Antworten, die
ein Teilnehmer an einem der beiden technischen Geräte gibt, jeweils gleich bzw. sie hängen
mehr von den Personengruppen ab, die eher das eine oder das andere Gerät zum Ausfüllen
verwenden möchten. Denn bezüglich der Benutzung von Smartphones und Tablets haben
die jüngeren Zielgruppen derzeit noch ein substanzielles Übergewicht. Es gibt aber bis-
her keine Hinweise darauf, dass Mobil-Teilnehmer signifikant anders antworten würden
als „normale“ PC-Teilnehmer. Vorausgesetzt, die Gestaltung der mobilen Befragung rich-
tet sich an den bereits genannten Kriterien aus und produziert nicht selbst irgendwelche
Artefakte.
Ein tatsächlich Geräte-abhängiger Effekt kann nämlich bei der Verwendung von lan-
gen Skalen oder langen Listen auftreten, bei denen auf dem Mobilgerät offenbar diejenigen
Skalenpunkte bzw. Listenpunkte häufiger als Antwort gewählt werden, die beim Aufruf
der Frage auf dem Bildschirm direkt sichtbar sind. Dies gilt vor allem dann, wenn bei
310 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Abb. 5.3: Typischer Teilnahmeverlauf bei Online- und Mobil-Befragung (in Anlehnung an Bosn-
jak 2013) [4]

einer mobilen Befragung der „weiter“-Knopf nicht unter allen Antworten platziert ist,
so dass man also auf jeden Fall nach unten scrollen muss, sondern beispielsweise oben
rechts. Diese Effekte treten in erster Linie bei Smartphones auf und weniger bei Tablets,
die bezüglich des Antwortverhaltens wegen des größeren Bildschirms eher dem PC ähn-
lich sind. Zusammenfassend soll betont werden, dass bei mobilen Befragungen der tech-
nischen Realisierung ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zugewendet werden muss, um
zu erreichen, dass auf verschiedenen Plattformen nach Möglichkeit jede Frage mit allen
Antworten immer komplett sichtbar ist.

Potenzial
Gehört mobilen Befragungen die Zukunft? Der Methodenforscher Michael Bosnjak (2013)
[4] antwortete hierauf bereits vor Jahren: „Ja, zumindest ein bedeutsamer Teil der Zukunft
…“. Diese Antwort ist auch nach Ansicht des Autors heute noch stimmig. Gemessen an
der Aufmerksamkeit und dem allgemein hohen Interesse der Forschung treibenden an der
Methode ist die Anzahl der tatsächlich sinnvollen Anwendungen mobiler Befragungen
zwar noch relativ gering. Allerdings darf nicht vernachlässigt werden, dass ein substanziel-
ler Anteil der klassischen Online-Befragungen schon heute an Tablets und teilweise auch
an Smartphones ausgefüllt wird, in vielen Fällen ohne Wissen der Forscher. Es gibt also
eine Art Dunkelziffer. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen und möglichweise
sukzessive auch stärker als bisher auf Smartphones übergehen. Und eines hat die bisherige
Entwicklung elektronischer und mobiler Medien gezeigt: Diese Entwicklung geht nicht
von den Geräteherstellern oder von den bereitgestellten Inhalten aus, sondern von den
Menschen. Diese werden heute wie in Zukunft individuell festlegen, ob und in welcher
Weise sie von Marktforschern erfasst oder befragt werden wollen. Als Forscher brauchen
Mobile Befragungen 311

wir den Kontakt zu den Teilnehmern und müssen uns nach deren präferierter Mediennut-
zung richten, nicht umgekehrt.

Praxisbeispiel
Beim Aufbau eines neuen Online-Panels für einen Zeitschriften-Verlag war aufgrund
der angestrebten Zielgruppe (junge Menschen im Teenager-Alter) von Beginn an klar,
dass die Option zur mobilen Ansprache und Umfrageteilnahme in jedem Fall gege-
ben sein muss. Alle Prozesse wurden hierauf ausgerichtet und abgestimmt. Eine eigens
programmierte Panel-App wurde bereitgestellt, über die die jungen TeilnehmerInnen
ohne Zeitverlust in Form von Push-Nachrichten zu den meist kurzen Umfragen ein-
geladen werden konnten. Bereits kurz nach dem Start des neuen Panels nahmen die
Panelisten zu ca. 50 Prozent mit einem mobilen Gerät an den Umfragen teil.

Auftraggeber der Marktforschung sehen in mobilen Befragungen vor allem eine Erwei-
terung des bestehenden Methoden-Portfolios und somit den Einsatz in neuen Forschungs-
und Themenfeldern. Im Wesentlichen könnte es dabei vor allem darum gehen, Erinnerun-
gen und andere Dinge messbar zu machen, die parallel oder in enger zeitlicher Abfolge
zu anderen Dingen geschehen, also zum Beispiel beim Fernsehen, bei der Produktnut-
zung oder direkt nach dem Einkaufen. Vielleicht erleben wir über das Smartphone aber
auch einen Trend zu eher nicht-reaktiven Formen der Datenerhebung bzw. aufregende
Kombinationen mit entsprechenden Befragungsformaten. Denn an dieser Stelle kommt
die Tatsache hinzu, dass die heutigen (und erst recht die zukünftigen) Smartphones eine
ganze Menge an Features eingebaut haben, die eine Relevanz für die Forschung besitzen.
Dies ist zum einen Technologie des Geräts selbst, also beispielsweise GPS-Informationen,
Lagesensoren oder die Möglichkeit von Video- und Audioaufzeichnungen. Zum anderen
handelt es sich aber auch um Daten des Nutzers, also etwa aufgespielte Musik, Kalender-
einträge, das Telefonierverhalten oder das Versenden von SMS und E-Mails. Es gibt bereits
die ersten Forschungsansätze, bei denen Smartphone-Nutzer eine App herunterladen
und sich freiwillig und wissentlich solcherart durchleuchten lassen. Bei entsprechender
Nutzung des Smartphones – häufig sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich
– entsteht hierdurch quasi ein elektronisches Faksimile einer Person, das erstaunlich viele
Lebensbereiche erfasst und für Marktforscher sicher interessant ist. Fraglich ist, ob und an
welcher Stelle Marktforscher irgendwann einmal eine Grenze ziehen. Oder werden dies
entsprechende Datenschutzgesetze in der Zukunft tun?
Wie auf zahlreichen anderen Gebieten moderner Technologien wird es auch bei
mobilen Befragungen darauf ankommen, sich nicht ablenken oder blenden zu lassen von
unwichtigen oder sinnlosen Anwendungen der Methode, die eventuell angepriesen wer-
den. Sinnvoll kann nur der Einsatz sein, der unter Beachtung der jeweils wichtigen Krite-
rien insgesamt effektiver und/oder effizienter ist als eine andere Methode. Die Vergangen-
heit hat gezeigt – und dies insbesondere bei der Entwicklung der Online-Marktforschung
– dass sich die wirklich geeigneten Anwendungen sehr schnell etablieren und durchsetzen
werden.
312 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Tipps für mobile Befragungen


Jede Umfrage muss einzeln betrachtet werden. In dem einen oder anderen Fall wird man
feststellen, dass die Studie auch beim besten Willen nicht dafür geeignet ist, am Smartphone
ausgefüllt zu werden. Um unwillkommene Effekte zu vermeiden, kann man sich dies auch
eingestehen und den Teilnehmer darauf hinweisen, dass die Teilnahme am PC-Bildschirm
empfohlen wird. Es mag sogar Anwendungen geben, bei der die Mobil-Teilnahme aus
methodischen Gründen auch technisch verhindert werden sollte. Für allen andere Fälle
abschließend zu diesem Abschnitt noch ein paar Tipps und Empfehlungen zur Durchfüh-
rung von mobilen Befragungen bzw. von Online-Befragungen mit der Erwartung eines
gewissen Anteils von Mobil-Teilnehmern (in Anlehnung an Jue 2012) [14]:

• Verwenden Sie keine oder nur eine sehr kurze Einstiegsseite. Die Teilnehmer möchten
nicht „unnötig“ aufgehalten werden und werden die Informationen in vielen Fällen
ohnehin nicht lesen.
• Verwenden Sie möglichst wenig Text. Kürzen Sie Fragen und Items soweit es geht.
• Achten Sie darauf, dass die Teilnehmer möglichst wenig oder gar nicht scrollen müssen.
• Vermeiden Sie Matrixfragen mit vielen Items oder verteilen Sie diese auf mehrere
Seiten.
• Verzichten Sie weitgehend auf Fragen mit Texteingabe oder platzieren Sie diese Fragen
ganz am Ende.
• Testen Sie die mobile Version Frage für Frage auf verschiedenen Geräten, und zwar
sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Ausrichtung.
• Verwenden Sie größere Grafikdateien nur, wenn es nicht anders geht.
• Halten Sie den gesamten Fragebogen möglichst kurz.

5.6 Access Panels

In den letzten ca. 10 Jahren sind in der Online-Marktforschung Dienstleister immer wich-
tiger geworden, die feste Teilnehmerpools – sogenannte Online-Panels oder Access Panels
– anbieten. Kunden dieser Unternehmen können auf diese Weise Stichproben für ihre
Umfragen gewinnen bzw. beim Dienstleister einmalig mieten, die ganz bestimmte Kom-
binationen bzw. Verteilungen von Merkmalen aufweisen (so zum Beispiel „200 weibliche
Hundebesitzer“ oder „500 Personen aus Bayern, strukturgleich zur dortigen Bevölkerung
anhand der Verteilung von Alter und Geschlecht“). Erst die Einführung und das Angebot
der Access Panels machte es überhaupt möglich, im Konsumentenbereich effizient Online-
Befragungen durchzuführen. Die Anzahl und Größe dieser Panel-Anbieter nahm über die
Jahre stetig zu, was zu einer starken Marktdynamik, zu einem spürbaren Preiskampf sowie
in der Folge zu einer gewissen Marktbereinigung und -konsolidierung geführt hat.
Bei den befragten Personen der Access Panels handelt es sich um eine vorrekru-
tierte Menge von potenziellen Befragungsteilnehmern aus aller Welt – meist in der
Größenordnung einiger zehntausend bis mehrerer hunderttausend – von denen bereits
Access Panels 313

demographische Daten sowie weitere, teils sehr detaillierte Angaben vorliegen. Diese Per-
sonen können auf der Grundlage dieser vorhandenen Merkmale mit Quotenstichproben
aus den betreffenden Panels ausgewählt und per E-Mail zu einer bestimmten Umfrage
eingeladen werden. Mit der Teilnahme an einem Online-Panel bzw. an den entsprechen-
den Online-Befragungen ist in der Regel auch eine Vergütung in Form eines Incentivie-
rungssystems verbunden. Meist kann man hier virtuelle Punkte sammeln und diese nach
Überschreiten einer bestimmten Schwelle für Online-Einkäufe oder ähnliches einlösen.
Dem Aufbau von Access Panels haben sich bisher die erwähnten Spezialanbieter (Sam-
ple Provider) bzw. die Institute selbst gewidmet, welche diese Feldleistungen wiederum wei-
terverkaufen. Gegenwärtig gibt es jedoch auch einen gewissen Trend der marktforschen-
den Unternehmen, ihre eigenen Online-Panels aufzubauen, zu nutzen und zu pflegen. Die
Grundlagen hierfür werden in Abschnitt 5.6.3 noch etwas genauer beleuchtet. Gelegent-
lich wird auch darauf verwiesen, dass der Begriff „Panel“ in diesem Zusammenhang gar
nicht korrekt verwendet wird, da er eigentlich ein Untersuchungsdesign beschreibt, bei
dem die gleichen Personen wiederholt zum gleichen Thema befragt werden, also in Form
einer Längsschnittanalyse. So oder so: in der Online-Marktforschung werden die Begriffe
„Online-Panel“, „Access Panel“ und „Access Pool“ überwiegend als Synonyme verwendet
– wie auch in diesem Buch.
Stichproben für Online-Befragungen, die aus Access Panels stammen, erfreuen sich
einer überraschenden Beliebtheit. Dies hängt zum einen zweifellos mit ihrer raschen Ver-
fügbarkeit zusammen. So kann beispielsweise eine Stichprobe von 1.000 Konsumenten
bei Bedarf an einem einzigen Tag erhoben werden, wenn es einmal notwendig sein sollte.
Und dies zu vergleichsweise geringen Kosten. Zum anderen ist der Einsatz von Access
Panels noch aus einem anderen Grund sehr „verführerisch“: Durch die Möglichkeiten der
Vorabauswahl von Teilnehmern anhand der verfügbaren Daten, einer Screening-Proze-
dur zu Beginn eines Online-Fragebogens sowie der gezielten Quotierung exakt auf die
gewünschten Merkmale entsteht der Eindruck, als könne aus einem Access Panel beinahe
jede gewünschte Stichprobenstruktur quasi erzeugt werden. Grundsätzlich ist das ja auch
nicht falsch, allerdings ist der Rückschluss nicht unbedingt zulässig, diese Stichprobe
diene darum auch automatisch optimal dem Forschungszweck. Denn ein Access Panel
bildet diese Stichproben immer nur aus dem zwar meist großen, aber dennoch begrenzten
Universum von registrierten Personen und in aller Regel nicht aus der für die jeweilige
Online-Befragung angenommenen Grundgesamtheit, für die die Stichprobe eigentlich
aussagefähig sein soll. Oder anders formuliert: es bleibt unbekannt, ob eine repräsenta-
tive Stichprobe für die jeweilige Grundgesamtheit im Panel existiert, geschweige denn,
wie man sie isolieren könnte (Poynter 2010, S. 73) [17]. Hinzu kommt, dass Angehörige
solcher Panels im Mittel ganz sicher einige andere Eigenschaften besitzen als ein Quer-
schnitt durch die Bevölkerung. Dieses Problem kann durch unterschiedliche Teilnahme-
Häufigkeiten bestimmter Personengruppen im Panel sogar noch potenziert werden. Ob
diese besonderen Eigenschaften der teilnehmenden Panelisten sich dann auf das jeweilige
Befragungsthema auswirken, steht natürlich noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.
314 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Würden die Access Panels per Zufallsauswahl beispielsweise aus der Bundesbevölke-
rung bzw. etwas eingeschränkt aus der Bundesbevölkerung mit Internet-Anschluss rekru-
tiert, dann könnte man den Stichproben aus den Access Panels sicher eine höhere Wahr-
scheinlichkeit der Repräsentativität zuordnen. Aber das ist ganz und gar nicht der Fall:
viele Anbieter von Access Panels schweigen sich über die Rekrutierung und Herkunft ihrer
Befragten tüchtig aus oder bieten nur Allgemeinplätze als Erläuterung, weshalb es sehr
schwierig ist, ein fundiertes Urteil über die Panelqualität eines Anbieters abzugeben. Und
unzweifelhaft gibt es auch nicht wenige Personen, die bei diversen Access Panels gleich-
zeitig registriert sind, was die Heterogenität der Panelstrukturen weiter verringert. Ande-
rerseits wurde in Vergleichsstudien schon festgestellt, dass sich die Ergebnisse gleicher
Umfragen, die in verschiedenen Panels mit identischer Zielgruppenvorgabe durchgeführt
wurden, teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Der Versuch einiger Anbieter, über
zufallsbasierte Telefoninterviews Teilnehmer für qualitativ höherwertige Access Panels zu
gewinnen, ist zwar grundsätzlich geglückt. Allerdings ist der kommerzielle Erfolg dieser
Ansätze eher bescheiden bzw. die Anbieter führen ein „Schattendasein“, weil die hohen
Anfangsinvestitionen zur Gewinnung der Panel-Teilnehmer durch entsprechend höhere
Fallpreise in der Folge an die Kunden weitergegeben werden müssen. Diese sind aber
offenbar vielfach bereit, für geringere Kosten auch eine geringere Qualität der Stichprobe
in Kauf zu nehmen.
Im Folgenden sind (in Anlehnung an Zerr 2003, S. 21) [22] noch weitere, typische Fra-
gen zur Verwendung von Panel-Stichproben in der beschriebenen Art zusammengestellt,
die aus methodischer Sicht geklärt werden sollten (siehe hierzu auch die Expertenbeiträge
von Yvonne Prill bzw. Marcus Dreyer und Alexandra Wachenfeld-Schell in Kapitel 4 dieses
Buches):

• Wird durch die generelle Einstellung der Poolmitglieder gegenüber Marktforschung


ihr Antwortverhalten beeinflusst, das heißt unterscheiden sich die Panelisten systema-
tisch von anderen Personen, die sich an einer solchen Veranstaltung niemals beteiligen
würden?
• Führt die häufige Teilnahme an Umfragen zu sogenannten Paneleffekten, also dazu,
dass Umfrageteilnehmer bewusst oder unbewusst ihr individuelles Konsumverhalten
oder aber ihr Teilnahme- und Antwortverhalten ändern, weil sie Mitglied des Access
Panels sind und zu unterschiedlichen Themen befragt werden?
• Wie oft kann ein Panel-Mitglied innerhalb eines Zeitraums zu verwandten oder auch
unterschiedlichen Themen befragt werden, ohne dass Lerneffekte wie oben beschrie-
ben oder Ermüdungserscheinungen die Ergebnisse beeinflussen?
• Wie ist es mit der Ehrlichkeit der Poolmitglieder bestellt? Wie kann man hierüber
Aussagen treffen bzw. die Antwortehrlichkeit überprüfen? Gibt es eventuell sogar ein
hybrides Teilnahmeverhalten mit ehrlichen Antworten zu banalen und unehrlichen
Antworten zu heiklen Fragen wie beispielsweise dem Einkommen?
• Führen die angebotenen Incentivierungen zur Etablierung von „Berufsbefragten“, die
sich gegebenenfalls systematisch im Antwortverhalten von anderen unterscheiden?
Access Panels 315

• Ist es für die allgemeine Qualität der Forschung förderlich oder hemmend, wenn die
Mitgliedschaft im Access Pool zeitlich befristet oder auf eine bestimmte Studienzahl
begrenzt wird?

Trotz der hier nur angerissenen Vorbehalte bezüglich der Auswahl und des Teilnah-
meverhaltens der Panelisten sowie des Zustandekommens und der Repräsentativität einer
Stichprobe aus einem Access Panel muss auf der anderen Seite bei aller gebotenen metho-
dischen Vorsicht auch gesagt werden, dass Befragungen dieser Art schlicht und ergreifend
trotzdem irgendwie „funktionieren“. Und damit ist nicht die technische Funktion gemeint,
sondern die Tatsache, dass Kunden hierfür insgesamt nicht wenig Geld investieren und
dass die Ergebnisse solcher Befragungen ganz offensichtlich in irgendeiner Art und Weise
Anwendung finden. Die einfache Logik lautet: Wäre es anders, würden also die Befra-
gungsergebnisse aus den Access Panels beständig nur Unsinn produzieren, dann gäbe es
schon lange keine Anbieter für diese Dienstleistung mehr. Sie wären längst wegen zu vieler
unplausibler und schlicht falscher Ergebnisse und in der Folge mangels Aufträgen vom
Markt verschwunden. Die Beobachtung zeigt: das genaue Gegenteil ist der Fall!
Man kann es auch anders herum betrachten: In signifikanten Teilen der Marktfor-
schungs-Kundschaft ist offenbar die Erkenntnis gereift, dass es so falsch nicht sein kann,
wenn zum Beispiel Hunderte oder gar Tausende von Personen ein bestimmtes Produkt
gut finden und ein anderes nicht so gut, und zwar relativ unabhängig davon, wo diese
Personen gerade herkommen. Sie mögen nicht statistisch zufällig aus der Grundgesamt-
heit ausgewählt worden sein, aber sie haben dennoch eine relevante Meinung. In diesem
Sinne haben Kunden der Marktforschung in den vergangenen Jahren schlicht eine ganze
Menge an Erfahrungswissen gesammelt und bemerkt, dass sie auch mit dieser „neuen“
Art, Stichproben zu bilden, ziemlich weit kommen können. Es zählt in diesen Fällen weni-
ger der statistisch exakte Wert, sondern vielmehr das generelle Meinungsbild, Tendenzen,
Anregungen und Ideen.
Dies ist nicht nur bei Konsumentenbefragungen, sondern auch im B2B-Bereich der
Fall, also wenn es um die Forschung bei Vertretern bestimmter Unternehmen bzw. Bran-
chen geht. An dieser Stelle ist es in erster Linie die Herausforderung, die gewünschten
Personen überhaupt irgendwie erreichen zu können und deren Expertenwissen abzufra-
gen. Bestes Beispiel hierfür ist die medizinische Marktforschung bei Ärzten, Fachpersonal,
Pharmaunternehmen etc. Aber auch andere Branchen wie das Handwerk, Rechtswesen
oder Informations- und Kommunikationstechnologien beheimaten begehrte Ansprech-
partner für Online-Befragungen. Diese können über Access Panels relativ gut erreicht wer-
den, auch wenn damit dann auch entsprechend hohe Kosten verbunden sind.
Es soll an dieser Stelle ganz bestimmt kein Freibrief dafür ausgestellt werden, dass es
letzten Endes mehr oder weniger gleichgültig sei, wen man zu seinem Thema befragt.
Allerdings ist die oben geschilderte Praxis ganz einfach mittlerweile eine erfolgreich und
effektiv angewandte Realität, vor der auch methodische „Puristen“ nicht die Augen ver-
schließen sollten (siehe hierzu auch Abschnitt 6.4.4). Letzten Endes sollte man in dem
Kontext auch nicht außer Acht lassen, dass Marktforschung vielfach nicht unbedingt zur
316 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Entscheidungsfindung, sondern oftmals eher zur Entscheidungsunterstützung bzw. Bestä-


tigung einer ohnehin bereits vorhandenen Einschätzung dient, die in ihrem Fachgebiet
erfahrene Experten angestellt haben. Als alleinige Entscheidungsgrundlage für eine Mil-
lioneninvestition sind Umfrageergebnisse aus Access Panels in aller Regel hingegen nicht
zu empfehlen. Denn falls nur geringe Ergebnisunsicherheiten akzeptiert werden können
und somit ein streng repräsentativer Ansatz erforderlich ist, sind Access Panels eigentlich
nicht verwendbar.
Eine weitere, aktuelle Herausforderung von Access Panels erläutert im folgenden
Exkurs Marc Smaluhn vom Panel-Dienstleister Research Now. Er bezieht sich vor allem
darauf, wie jüngere Generationen noch für Marktforschung gewonnen werden können
(Smaluhn 2016) [19].

Expertenmeinung von Marc Smaluhn


„Generation Y“ oder die Generation der Millennials ist der Sammelbegriff für die
Bevölkerungskohorte der Jahrgänge von etwa 1977 bis 1998. Dies ist die erste Gene-
ration, die größtenteils mit digitalen Medien, Internet und mobiler Kommunikation
aufwuchs und sozialisiert wurde. Anstelle von sozialem Status und Prestige stehen für
diese Generation eher Sinnsuche (der Buchstabe Y steht für das englische „Why?“), das
Streben nach Selbstverwirklichung sowie multi-optionales Verhalten und Anspruchs-
denken (Hurrelmann und Albrecht 2014) [13]. Gleichzeitig verfügen die Millennials
insbesondere nach eigener Einschätzung über ein höheres Bildungsniveau. Die „Gene-
ration Z“ mit den Jahrgängen etwa 1995 bis 2010 setzt diesen Trend fort, strebt dabei
aber zusätzlich nach gesellschaftlicher Anerkennung und Karriere.
Diese beiden Generationen machen es für die Marktforschung erforderlich, neue Wege
der Ansprache und des Involvierens zu beschreiten. Des Weiteren werden neue Prak-
tiken für den eigentlichen Umfragevorgang benötigt, zumindest wenn es um die Pri-
märerhebung von Daten geht. Während sich die Debatte in den Anfängen der Online-
Marktforschung meist um die Repräsentativität der Stichproben drehte, verlagert sich
die Diskussion in der Zwischenzeit stärker auf die Qualität der erhobenen Daten.
Beide Aspekte, sowohl die Erreichbarkeit von Personen als auch die Auswirkungen
von Technologien auf den Vorgang der Datenerhebung, müssen in diesem Kontext neu
betrachtet und bewertet werden. Ausgehend von den klassischen Online Access Panels
ergeben sich mit dem Kommunikationsverhalten der jungen Generationen neue, aber
dennoch lösbare Herausforderungen:
– Millennials sind weniger mit klassischen PCs als auf Tablet-Computern und über
Smartphones erreichbar.
– Millennials erwarten für ihre Teilnahme eine adäquate Gegenleistung und eine für
sie stimmige Motivation, weil diese sinnsuchende Generation aus Einsicht und Ver-
ständnis heraus zu handeln sucht.
– Millennials sind multi-optional und binden sich weniger stark an ein Panel als Teil-
nehmer früherer Generationen dies taten. Ihre Entscheidungsfindung im Internet
basiert auf schneller Suche, Rezensionen, Informationen und Kritiken.
Access Panels 317

– Millennials vergleichen das Leistungsversprechen einer Panel-Mitgliedschaft oder


Umfrageteilnahme wesentlich kritischer mit der Realität.
Die Stärken von Online-Panels ergeben sich aus der Möglichkeit, Teilnehmer mittels
Profildaten zu selektieren und randomisiert zu Befragungen einzuladen sowie ver-
lässliche Prognosen zur Durchführbarkeit und Dauer von Studien zu treffen. Dies
ist sicher ein Grund, warum Online-Panels auch auf absehbare Zeit ein Rückgrat der
Online-Marktforschung bleiben werden. Die werbliche Ansprache zur Teilnahme an
Online-Marktforschung muss sich aber den oben genannten, neuen Gegebenheiten
anpassen. Denn gewisse Stichproben lassen sich mit abnehmender Bindungsbereit-
schaft der Millennials nicht mehr in Gänze über das klassische Panel-Modell dar-
stellen, so dass der Panel-Ansatz um weitere Rekrutierungsverfahren ergänzt werden
muss. Schon seit 2010 setzt beispielsweise Research Now das sogenannte Social Media
Blending ein (Gittelman und Filz 2010) [10], bei dem klassische Panel-Stichproben mit
aus sozialen Netzen rekrutierten Probanden ergänzt werden. Millennial-Zielgruppen
werden nunmehr zumindest teilweise direkt in den sozialen Medien zur Teilnahme
an Umfragen angesprochen, ohne dass eine Mitgliedschaft im Online-Panel hierfür
zwingend erforderlich ist.
Eine weitere, eventuell ergänzende Rekrutierungsform ist unter dem Begriff „River
Sampling“ bekannt. Sie ist metaphorisch benannt nach dem Fischen im Fluss mit einer
Angel. Probanden werden hierbei nicht direkt per E-Mail, SMS oder App-Benachrich-
tigung eingeladen, sondern beim Besuch eines Mediums (etwa der Sportseite eines
Nachrichtenportals) zur Teilnahme an einer Umfrage aufgefordert. Die Aufforde-
rung erfolgt zumeist durch Einblendung in Form eines Layers oder eines ähnlichen
Werbemittels – dies entspricht der Angel. Der Köder ist meist das Versprechen einer
Belohnung für die erfolgreiche Teilnahme an einer Umfrage. Mit River Sampling lassen
sich spezifische Zielgruppen durch die entsprechende Platzierung von Umfragen im
gewünschten Content ansprechen. Dies wird allerdings erkauft mit einer Summe von
Nachteilen. Und: Je schwieriger die Zielgruppe erreichbar ist, desto länger dauert es,
eine statistisch belastbare Fallzahl zu generieren. Ähnliches gilt für die Ansprache der
Teilnehmer in sozialen Medien.
Die genannten Problematiken begründen die Notwendigkeit von Panels im Methoden-
mix. Die logische Konsequenz ist eine Konvergenz aller Ansätze, bei denen abhängig
von der jeweiligen Studie die jeweils methodisch passendste Komposition ausgewählt
wird.

Marc Smaluhn ist bei Research Now verantwortlich für den Ausbau des Geschäftes auf
dem europäischen Festland sowie für das Ergebnis des operativen Geschäftes. Research
Now ist weltweit führend in der digitalen Datenerhebung für Markforschung. Das Unter-
nehmen operiert in über 38 Ländern von weltweit 23 Niederlassungen aus.
318 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

5.6.1 Qualitätskriterien für Panel-Dienstleister

Die Auswahl eines passenden Panel-Dienstleisters ist wegen der Fülle des nationalen und
internationalen Angebots keine einfache Aufgabe. Häufig ist es ratsam, für verschiedene
Anwendungszwecke auch verschiedene Dienstleister zu beauftragen, die neben unter-
schiedlichen Preisvorstellungen jeweils auch bestimmte Stärken und Schwächen auf-
weisen. Viele Marktforschungs-Dienstleister, die die Panel-Leistung quasi nur an ihre
Endkunden weiterverkaufen, verfahren auf diese Weise, und ähnliches gilt auch für die
betriebliche Marktforschung. Allerdings ist es sinnvoll, die Anzahl der präferierten Panel-
Partner auf wenige zu beschränken und mit diesen dann eine effiziente Zusammenarbeit
einzuüben und zu pflegen. Auf diese Weise lernen die Panel-Dienstleister die Präferenzen
des Kunden besser kennen und können genauer darauf eingehen.
Generell werden die folgenden Kriterien gerne zur Abschätzung des Leistungsvermö-
gens und der Leistungsqualität eines Anbieters herangezogen. Hinzu kommt nach eini-
ger Zeit dann selbstverständlich auch die persönliche Erfahrung der Nachfrager in der
Abwicklung von Studien. Da die Verwendung von Access Panels in der Online-Marktfor-
schung mittlerweile eine sehr hohe Bedeutung hat, sollen diese Aspekte nun etwas detail-
lierter betrachtet werden:

• Panelgröße
Die Größe eines Access Panels ist sicherlich ein erster Indikator dafür, ob ein Anbieter
für bestimmte Anwendungen überhaupt in Frage kommt. Wenn ein gewisses Volu-
men bezüglich Häufigkeit und Stichprobengröße von Studien abgewickelt werden
soll, braucht es einfach genügend „Masse“, um dieses auch zuverlässig gewährleisten
zu können. Dies gilt vor allem dann, wenn bei wiederholt durchgeführten Projekten
sogenannte „Fresh Samples“ benötigt werden, also frische Teilnehmergruppen mit
bestimmten Eigenschaften, die aber zu den vorherigen Befragungswellen nicht ein-
geladen wurden bzw. sich nicht beteiligt haben. Ebenso ist es in aller Regel leichter, in
einem sehr großen Panel Teilnehmer mit eher selten vorkommenden Merkmalen in
substanzieller Anzahl auch zu finden. Ähnliches gilt, wenn häufig Umfrageteilnehmer
aus verschiedenen Ländern bereitzustellen sind. Darüber hinaus ist ab einer gewissen
Grenze die Panelgröße aber eher sekundär. Ebenso ist zu beachten, dass die Panelbe-
treiber ihre Zahlen wohl gerne ein wenig „aufhübschen“ und auch solche Panelisten in
ihren aktiven Bestand rechnen, die schon seit Jahren, trotz diverser Einladungen, nicht
mehr an einer Umfrage teilgenommen haben.
• Teilnahmebereitschaft der Panelisten
Ein sinnvolles Kriterium, um als Kunde die Größe des aktiven Panelbestandes abschät-
zen zu können, wäre die Teilnahmequote für eine Befragung. Je mehr der eingeladenen
Personen sich gar nicht erst die Mühe machen, die Umfrage aufzurufen, desto mehr
„tote Masse“ schleppt ein Panel-Dienstleister wohl mit sich herum, ein Merkmal einer
eher schlechten Panelpflege. Das Problem bei diesem Kriterium ist allerdings, dass sich
die Dienstleister an dieser Stelle gar nicht gern in die Karten schauen lassen. In aller
Access Panels 319

Regel wird die Anzahl der Einladungen nicht oder auf Nachfrage nur zurückhaltend
und in geschickt aggregierter Form an die Kunden kommuniziert.
• Abbruchraten bei Panelbefragungen
Je größer der Anteil derjenigen Teilnehmer, die nach dem Aufruf einer Panelbefragung
(und positivem Screening) diese auch bis zum Ende ausfüllen, desto höher scheint die
Motivation der Panelisten zu sein. Dies kann einerseits auf eine gewisse Moral der Teil-
nehmer schließen lassen oder andererseits auch auf eine hohe extrinsische Motivation
durch Incentivierung. So oder so, dieses Merkmal ist nur sinnvoll in Kombination mit
der Betrachtung der Qualität der Umfragedaten. Eine geringe Abbruchquote nützt
wenig, wenn es sich bei den Teilnehmern überwiegend um unmotivierte „Durchkli-
cker“ handelt, die nichts Substanzielles zum Thema beizutragen haben.
• Incentivierung
Die für die Panelisten bereitgestellte Incentivierung sollte bei einem guten Panel ein
angemessenes Maß haben. Die Incentivierung sollte eher in Form einer Aufwands-
entschädigung wirken und nicht als Bezahlung der aufgewendeten Zeit. Sie sollte aber
auch nicht so gering sein, dass sie dem unmotivierten Durchklicken Vorschub leistet.
• Aktualität der Teilnehmer-Merkmale / Ausschussquote beim Screening
Ein sogenanntes Screening mit wenigen Fragen zu Beginn eines Fragebogens dient
der Prüfung, ob die betreffende Person auch tatsächlich zur gewünschten Zielgruppe
gehört (siehe Abschnitt 5.6.2). Auch bei Merkmalen, die der Panelanbieter als vorab
bekannt angibt (die also der eingeladene Teilnehmer sicher besitzen sollte), wird in
aller Regel dennoch aus Sicherheitsgründen ein Screening durchgeführt. In diesen Fäl-
len sollte die Ausschussquote, also der Anteil der Personen, von denen beim Screening
festgestellt wird, dass sie doch nicht zur Zielgruppe gehören, nun möglichst gering sein,
da dies ein Indiz dafür ist, wie gut die Teilnehmermerkmale gepflegt bzw. aktualisiert
werden. Handelt es sich hingegen um Screening-Merkmale, die der Panel-Dienstleister
gar nicht von seinen Panelisten erfasst hat, so ist die Ausschussquote für die Qualitäts-
beurteilung nicht relevant.
• Speeder-Anteil
Als „Speeder“ werden Personen bezeichnet, die so schnell durch den Fragebogen kli-
cken, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Fragen nicht richtig
gelesen wurden, sondern die Angaben mehr oder weniger willkürlich erfolgt sind. Ein
qualitativ hochwertiges Panel schließt Personen, die wiederholt durch dieses Verhalten
auffallen, kontinuierlich aus. Ein geringer Speeder-Anteil im Datensatz ist also ein Qua-
litätskriterium. Wie Speeder ermittelt werden können, wurde bereits in Abschnitt 2.2.3
beschrieben.
• Begrenzung der Teilnahmehäufigkeit
In schlecht geführten Panels werden die Panelisten entweder viel zu häufig oder viel zu
selten zu Befragungen eingeladen. Beides ist im Sinne der Panelqualität nicht förder-
lich. Erfolgen zu häufige Teilnahmen pro Zeiteinheit (beispielsweise innerhalb eines
Monats), so schwindet die Motivation zur Teilnahme an jeder einzelnen Befragung
und umso mehr Personen müssen angesprochen werden, um die jeweils gewünschte
320 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Teilnehmerzahl zu erreichen. Darunter leidet letztlich der Sampling-Prozess für die


betreffende Studie. Zu selten erfolgende Einladungen (zum Beispiel seltener als einmal
pro Halbjahr) können hingegen gleichfalls zum Abflachen der Motivation führen, da
keine Bindung zum Panel bzw. keine emotionale Verpflichtung zur Teilnahme aufge-
baut werden kann. Darüber hinaus wird den Panelisten dann auch sehr rasch klar, dass
sie im Rahmen der Incentivierung wahrscheinlich niemals genügend Punkte sammeln
können, um die Auszahlungsschwelle zu erreichen.
• Ausschluss von Umfrageteilnehmern zu ähnlichen Themen
Von manchen Panelbetreibern wird zu Beginn eines Interviews die Frage gestellt, ob
die betreffenden Personen (auch außerhalb des Panels) in einem definierten Zeitraum
noch an anderen Umfragen zu bestimmten Themen teilgenommen haben. Wird das
aktuelle Umfragethema angeklickt, so wird diese Person dann ausgescreent. Die-
ses Vorgehen ist zwar von den Panelisten durch einen Klick auf „an keinen weiteren
Umfragen teilgenommen“ umgehbar, aber allein das Stellen einer Frage dieser Art
zeugt von einem gewissen Qualitätsbewusstsein des Panelbetreibers.
• Erreichen der gewünschten Fallzahlen
Bei gewöhnlichen Zielgruppen, also beispielsweise einem Querschnitt durch die Bun-
desbevölkerung, stellt es für die Panelbetreiber in aller Regel kein Problem dar, zeitnah
substanzielle Stichprobengrößen zu füllen. Ein wenig anders kann es aussehen, wenn
es um Teilnehmer geht, die eine Kombination bestimmter Merkmale aufweisen sol-
len, über die bisher keine Informationen vorliegen, zum Beispiel Besitz und Nutzung
eines bestimmten Produkts. Hier stellen die Panelbetreiber Schätzungen zur Inzidenz
des Merkmales an, also zur Häufigkeit des Vorkommens einer Merkmalsausprägung
bzw. -kombination in ihrem Panel, und melden darauf gründend die voraussichtlich
maximal erreichbaren Teilnehmerzahlen an den Kunden. Ob und wie rasch dann diese
Zahlen auch erreicht werden und wie genau die Inzidenz-Schätzung gewesen ist, stellt
ein weiteres Qualitätsmerkmal für Panels dar.
• Gleichzeitige Mitgliedschaft in weiteren Panels
Es ist eine den Panelbetreibern wohlbekannte Tatsache, dass ihre Teilnehmerschaft in
vielen Fällen zusätzlich auch noch in weiteren Panels registriert ist. Der eine oder andere
Panelbetreiber nimmt diesbezüglich Prüfungen vor, um die Anzahl der Fremdregist-
rierungen zu beschränken. Oder entsprechende Einschränkungen werden wenigstens
in den Teilnahmebedingungen erwähnt. Teilweise gibt es hierzu auch Kooperationen
der konkurrierenden Panelbetreiber im Sinne der Qualität, bei denen ein gegenseitiger
Datenabgleich stattfindet. Bei der mittlerweile existierenden Vielzahl an verschiedenen
Panels werden sich jedoch kaum jemals genügend Anbieter „unter einen Hut“ brin-
gen lassen, um dieses Vorgehen effektiv werden zu lassen. Dennoch gilt auch hier: das
Bemühen darum zeugt vom Qualitätsbewusstsein des Anbieters.

Die weltweite Marktforschervereinigung ESOMAR (2012) [9] hat zur Frage der Quali-
tät von Panel-Stichproben einen Leitfaden bzw. einen Fragenkatalog entwickelt, der noch
etwas ausführlicher darauf eingeht, worauf bei der Auswahl eines Panel-Dienstleisters aus
Sicht des Auftraggebers geachtet werden sollte.
Access Panels 321

5.6.2 Ablauf einer Studie im Access Panel

Der Ablauf einer im Access Panel durchgeführten Online-Befragung ist bezüglich diverser
Aspekte immer wieder ähnlich. Die wichtigsten Punkte werden im Folgenden erläutert.

Durchführbarkeit
Bevor eine Umfrage über ein Access Panel abgewickelt werden kann, ist zu klären, ob die
Durchführbarkeit in Bezug auf die Stichprobe überhaupt gegeben ist. Das bedeutet, es ist
im Wesentlichen zu prüfen, ob denn die gewünschte Zielgruppe im gewählten Panel auch
in ausreichender Zahl enthalten ist. Hier muss man nun zwei Fälle unterscheiden: Im ein-
facheren Fall sind alle für die Stichprobenbildung relevanten Teilnehmermerkmale bereits
im Panel erfasst, das heißt, die Ausprägungen der Merkmale sind für alle oder wenigstens
ausreichend viele Panelisten bekannt. Etwas schwieriger wird die Prüfung auf Durchführ-
barkeit im zweiten Fall, sobald nämlich diese Merkmale ganz oder teilweise nicht vorlie-
gen. In solchen Fällen kann ein Panelbetreiber – aus seiner Erfahrung heraus oder abge-
leitet von vorhandenen Merkmalen – aber häufig zumindest eine Schätzung der Inzidenz
vornehmen. Die maximal erreichbare Stichprobengröße ergibt sich dann aus der Formel:
Panelgröße x Inzidenzrate in % x geschätzte Rücklaufquote in %
10.000

In vielen Fällen werden sich die Panelanbieter vertraglich ausbedingen, dass ihr erstell-
tes Angebot auf der zuvor angenommenen Inzidenz beruht. Sollte dann tatsächlich eine
deutlich geringere Inzidenz festgestellt werden, so wird im besten Falle nachkalkuliert,
weil entsprechend mehr Personen zum Screening eingeladen und ab einer bestimmten
Fragenanzahl des Screenings eventuell auch teil-incentiviert werden müssen. Im schlech-
teren Fall wird festgestellt, dass trotz aller Bemühungen die gewünschte Anzahl an Teil-
nehmern nicht erreicht werden kann. Die aufgelaufenen Kosten trägt in der Regel aber
dennoch der Auftraggeber. Schließlich kann es auch Konstellationen geben, in denen die
Abschätzung der Inzidenz praktisch nicht möglich oder mit einer zu hohen Unsicherheit
behaftet ist. In diesen Fällen bieten manche Panel-Dienstleister an, das Vorkommen der
gewünschten Merkmalskombination zunächst durch eine Paneleinfrage mit relativ gerin-
ger Stichprobe abzuschätzen.

Screening und Quotierung


Sobald die Durchführbarkeit geklärt ist, muss die Online-Umfrage technisch erstellt wer-
den. Dies kann vom Auftraggeber selbst übernommen, an eine dritte Partei beauftragt
oder auch vom Panel-Anbieter bereitgestellt werden. Der Online-Fragebogen beginnt in
aller Regel mit dem Screening-Teil zur Prüfung der Zugehörigkeit zur Zielgruppe. Diese
Prüfung empfiehlt sich auch dann, wenn die Merkmale des Teilnehmers eigentlich schon
im Panel bekannt sein müssten. Gerade bei Panelbefragungen mit befragungserfahrenen
Probanden sollten die Screening-Fragen aber intelligent gestaltet sein und keinen Hinweis
auf die gesuchte Zielgruppe geben. Ansonsten kann dies dazu führen, dass Teilnehmer
322 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Fragen bewusst falsch beantworten, weil sie bereits vermuten, dass sie ansonsten nicht wei-
termachen dürfen und auch die ausgelobte Belohnung nicht erhalten werden. Der Unter-
schied zwischen einer guten und einer schlechten Screening-Frage dürfte in den Beispielen
in Tabelle 5.1 deutlich werden.
In Kombination mit dem Screening werden in sehr vielen Fällen auch die Merkmale
für eine Quotierung abgefragt. Denn die Auftraggeber möchten in aller Regel nicht nur,
dass die Umfrageteilnehmer bestimmte Merkmale erfüllen, sondern sie wollen auch kon-
trollieren, in welcher Häufigkeit bestimmte Merkmale vorkommen. Normalerweise han-
delt es sich hierbei um demographische Daten wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Ein-
kommen oder Bundesland. Sobald dann einzelne Quoten bereits voll erfüllt sind, kann es
vorkommen, dass eine eigentlich qualifizierte, also zur gesuchten Zielgruppe gehörende
Person doch noch abgewiesen und freundlich aus dem Fragebogen verabschiedet wird,
weil ihre Merkmalskombination bereits ausreichend häufig in der Stichprobe vorhanden
ist. Tabelle 5.2 illustriert ein fiktives Beispiel für Screening und Quotierung.

Tab. 5.1 Beispiele für Screening-Fragen

Schlechte Screening-Frage Gute Screening-Frage


Haben Sie in den vergangenen 3 Monaten Welche der folgenden Lebensmittel haben Sie in
Erdnussbutter gekauft? den vergangenen 3 Monaten gekauft?
– Ja – Cola
– Nein – Erdnussbutter
– Sojasoße
– Gelierzucker
– Kartoffel-Chips
– Instant-Kaffee
– keines der genannten

Tab. 5.2 Beispielhafte Vorgaben für Screening und Quotierung

Screening-Merkmal Quotierung Quotierung Alter Quotierung


Geschlecht HH-Einkommen
Leserinnen und Leser – 65 % männlich – 20 % bis 30 Jahre – 40 % bis 3.000 Euro
der Zeitschrift „stern“ – 35 % weiblich – 45 % bis 60 Jahre – 60 % über 3.000 Euro
– 35 % über 60 Jahre
Hieraus ergeben sich folgende Kreuzquoten
bis 3.000 Euro über 3.000 Euro
52 männlich 78 männlich
bis 30 Jahre
28 weiblich 42 weiblich
Gesamt 1.000 117 männlich 175 männlich
bis 60 Jahre
Personen 63 weiblich 95 weiblich
91 männlich 136 männlich
über 60 Jahre
49 weiblich 74 weiblich
Access Panels 323

Die angegebenen Prozentwerte sind in jedem Fall anhand der angepeilten Gesamt-
größe der Stichprobe in Absolutzahlen umzurechnen. Die Funktionen des „Ausscree-
nens“ und „Ausquotierens“ von Teilnehmern müssen dann von der Befragungssoftware
entsprechend erfüllt werden. Relativ simpel ist hierbei die unverknüpfte Erfüllung aller
Quoten. Auf das obige Beispiel übertragen würde dies bedeuten, dass beispielsweise die
Altersverteilung innerhalb einer Geschlechtergruppe nicht relevant wäre, sie müsste nur
für die Gesamtmasse das gewünschte Verhältnis aufweisen. Überspitzt gesagt, es dürften
dann im Prinzip auch alle teilnehmenden Frauen über 60 und alle Männer bis 60 Jahre alt
sein, was natürlich keinen Sinn ergibt. In aller Regel werden darum (zumindest teilweise)
sogenannte Kreuzquoten verlangt, bei denen die gewünschten Verteilungen auch in den
Untergruppen stimmen müssen. Das heißt wiederum im Beispiel, dass die vorgegebene
Altersverteilung nicht nur insgesamt, sondern gleichzeitig auch bei den Männern und bei
den Frauen sowie in beiden Einkommensgruppen korrekt sein muss. Bei insgesamt 1.000
Personen müssten hier also beispielsweise 52 Männer bis 30 Jahre gefunden werden, die im
Haushalt bis 3.000 Euro zur Verfügung haben (1.000 * 65 % * 20 % * 40 %).

Feldarbeit
Sobald die technischen Vorbereitungen getroffen wurden, kann die Feldarbeit starten.
Üblicherweise beginnt ein Panel-Dienstleister mit einem Soft Launch, also der Einladung
einer relativ kleinen Menge von Personen (siehe Abschnitt 5.2). Diese Vorgehensweise
dient dazu, nach den ersten Umfrageteilnehmern eine Datenprüfung vornehmen zu kön-
nen. Hierbei ist besonders auf die korrekte Funktion des Screening-Prozesses zu achten.
Außerdem gewinnt der Panel-Dienstleister nun auch Informationen zur tatsächlichen
Inzidenz der gesuchten Zielgruppe in seinem Panel und kann sein Einladungs-Manage-
ment entsprechend für die Hauptphase der Studie anpassen.
Übrigens: im Gegensatz zu den in Abschnitt 2.1 empfohlenen Inhalten für Einladung
und Einleitung zu einer „normalen“ Online-Befragung sind die typischen Einladungen zu
den Befragungen eines Access Panels eher „kurz und knapp“ gehalten. Im Grunde redu-
ziert es sich in den meisten Fällen mehr oder weniger auf ein „Es steht eine neue Umfrage
zur Verfügung …“, die Angabe des Zeitbedarfs und der Incentivierung sowie gelegent-
lich, aber nicht immer die Nennung des Themas und eines Schlussdatums. Diese verdich-
tete Ausgestaltung hat natürlich mit dem Lerneffekt der Teilnehmer zu tun, die sich nicht
bei jeder neuen Umfrage, zu der sie eingeladen werden, wieder durch sämtliche bereits
bekannten Erläuterungen „kämpfen“ sollen.
In der Haupt-Erhebungsphase werden vom Panel-Dienstleister in diversen Wellen
immer wieder Personen zur Umfrage eingeladen, wobei die entsprechenden Intervalle
bzw. die Stückelung der Einladungen von den Wünschen und Forschungsinteressen des
Auftraggebers abhängen. Hier ist das Spektrum sehr breit: Für manche Umfragen sind
sehr kurze Feldzeiten gewünscht (im Extremfall zum Beispiel nur ein paar Stunden), in
anderen Fällen soll sich der Umfragezeitraum absichtsvoll kontinuierlich über Wochen
oder gar Monate erstrecken. Wenn keine besonderen Vorgaben in die eine oder andere
Richtung bestehen, so hat es sich bewährt, das Einladungs-Management so zu takten, dass
324 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

es sich einigermaßen gleichmäßig über eine Feldzeit von ca. einer Woche erstreckt. Auf
diese Weise haben auch Probanden eine Chance auf Teilnahme, die nicht zu den „Schnel-
lantwortern“ gehören. Außerdem sollte die Feldzeit wenn möglich so gelegt werden, dass
neben Werktagen auch ein Wochenende enthalten ist. Dies hängt mit dem individuell
unterschiedlichen Internet-Nutzungsverhalten der Panel-Teilnehmer an Arbeitstagen bzw.
üblicherweise arbeitsfreien Tagen zusammen.
Gegen Ende der Feldzeit kommt es bei Vorliegen einer Quotierung dann häufig auch
dazu, dass der Panel-Dienstleister ganz gezielt in bestimmten Personengruppen seines
Panels Einladungen streut, um auf diese Weise die noch nicht vollständig belegten Quo-
tenzellen zu füllen. Umgekehrt werden Panelisten mit Merkmalen, deren Quote bereits
erreicht wurde (also zum Beispiel in einer bestimmten Altersgruppe), dann nicht mehr
eingeladen, da sie gar keine Chance mehr hätten, zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch
in den Fragebogen zu kommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Panel-
Dienstleister entweder einen Online-Zugang zu diesen Informationen erhält oder aber
vom Kunden regelmäßig über den aktuellen Stand der Quoten informiert wird. Sobald die
vorab gewünschte Gesamt-Teilnehmerzahl erreicht ist, schaltet sich die Online-Befragung
in aller Regel von selbst ab und kann dann gar nicht mehr gestartet werden.

Datenbereinigung
Grundsätzlich kann es bei jeder Art von Befragung ratsam sein, noch einen kritischen Blick
auf den entstandenen Datensatz zu werfen. Entsprechende Möglichkeiten der automati-
sierten Datenprüfung und -bereinigung wurden bereits in Abschnitt 2.2.3 erläutert. Diese
können durch händische Prozesse vor der Analyse ergänzt werden. Bei Panelbefragungen
nimmt man eine solche Prüfung besonders häufig vor, was wohl damit zusammenhängt,
dass man in diesem Kontext eher den Teilnehmertypus „Berufsbefragter“ oder „durch-
klickender Incentivejäger“ vermutet. Dies gilt vor allem für längere Befragungen, weil die
Annahme durchaus stichhaltig ist, dass während der Teilnahme eine gewisse Ermüdung
auftreten kann, die dann zu einer weniger sorgfältigen Bearbeitung führt. Bei einer nor-
malen Online-Befragung würde ein Teilnehmer dann vielleicht einfach abbrechen. Ein
Panelist weiß aber, dass er in diesem Fall nicht nur auf sein versprochenes Incentive ver-
zichten muss, sondern er befürchtet möglicherweise sogar, aufgrund von abgebrochenen
Umfragen dann nicht mehr so häufig zu weiteren Befragungen eingeladen zu werden. Aus
den genannten Gründen kann es ratsam sein, die Datenqualität vor allem bei den Fragen
gegen Ende des Fragebogens genauer unter die Lupe zu nehmen und verdächtige Fälle zu
eliminieren (Poynter 2010, S. 73) [17]. Zu beachten ist an der Stelle, dass sich durch einen
solchen Prozess natürlich die Anzahl der tatsächlich verwendbaren Datensätze reduzieren
kann. Aus diesem Grund schlagen die Panel-Dienstleister gelegentlich von sich aus vor, die
bestellten Teilnehmerzahlen schon im Vorfeld bereits um ein paar Prozentpunkte höher
anzusetzen.
Üblich ist mindestens eine Prüfung der Daten auf sogenannte „Speeder“, die den kom-
pletten Fragebogen so schnell ausfüllen, dass es unglaubwürdig ist, dass wirklich alle Fra-
gen mit der nötigen Sorgfalt gelesen worden sind. Falls die Datenerhebung nicht ohnehin
Access Panels 325

auf dem Umfragesystem des Panelbetreibers abläuft, fragen die Dienstleister oft explizit
nach einer solchen Prüfung der Daten durch den Auftraggeber bzw. nach den beim Umfra-
geaufruf übertragenen Panel-IDs der gefundenen Personen. Der Dienstleister möchte auf
diese Weise unzuverlässig ausfüllende Panelisten identifizieren und im Wiederholungsfall
aus Qualitätsgründen auch aus dem Panel ausschließen. Ein in aller Regel geringfügiger
Nebeneffekt für den Auftraggeber ist außerdem, dass er die Interviews der Speeder nicht
bezahlen muss. Der Anteil identifizierter Speeder ist üblicherweise unproblematisch und
liegt meist unter einem Prozent. Erkennbar ergebnisrelevante Effekte eines solchen Daten-
Screenings bleiben aus diesem Grund meist aus.

Typische Kosten
Die typischen Kosten für die Verwendung einer Stichprobe eines Panelanbieters hängen
sehr stark von der Merkmalsdefinition der gesuchten Teilnehmer ab. Hier gilt die Faustre-
gel: Je seltener eine Merkmalskombination bzw. die Zusammenstellung der gewünschten
Teilnehmergruppen ist, desto teurer wird es. In sehr einfachen Fällen – zum Beispiel bei
einer nach Geschlecht und Alter internet-repräsentativen Stichprobe – kann man einen
Teilnehmer schon für ca. 1,50 Euro oder noch günstiger bekommen, vorausgesetzt man
ordert auch eine substanzielle Menge, etwa von mindestens 1.000 Personen. Bei größeren
Stichproben kann es noch minimal billiger werden, bei kleineren auch etwas teurer. In
dem genannten Preis ist das Incentive schon enthalten, nicht jedoch die technische Erstel-
lung der Umfrage. Es handelt sich quasi nur um die „Miete“ eines einzelnen (und auch
garantierten) Teilnehmers.
Wie gesagt, dies gilt für einfache Fälle ohne besondere Einschränkungen, in denen der
Panel-Dienstleister mehr oder weniger jede Person aus seinem Panel „verwenden“ kann
und nur die gewünschten Gruppen ein wenig bündeln muss. Wird es komplizierter, also
sind beispielsweise Zierfischteich-Besitzer gefragt oder Personen, die sich in den letzten
6 Monaten ein Haus gekauft haben, dann können pro Teilnehmer auch schnell ein paar
Euro oder gar ein zweistelliger Eurobetrag fällig werden. Immer wieder gerne als „top oft
the range“ angeführt werden Ärzte, für deren Teilnahme an einer längeren Umfrage in
besonderen Fällen auch schon einmal bis zu 100 Euro bezahlt wird.

5.6.3 Aufbau eines eigenen Online-Panels

Wie zuvor bereits ausgeführt: Online-Panels schreiten unaufhaltsam voran. Eine Fülle
von Dienstleistern bietet ihre Teilnehmergruppen dem Markt an. Ein Panel-Dienstleister
hat unbestreitbare Vorteile für Institute und Endkunden der Marktforschung. Dem ste-
hen jedoch auch einige Nachteile gegenüber, die immer häufiger dazu Anlass geben, dass
Unternehmen verschiedenster Branchen ihre eigenen Online-Panels aufbauen und betrei-
ben. Warum sollte ein Unternehmen, das bisher mit eingekauften Panel-Dienstleistungen
gut zurecht gekommen ist, sich nun aber darüber Gedanken machen, ein eigenes Online-
Panel aufzubauen (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag von Thomas Starsetzki, Oliver
326 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Kern und Martin Grupe zum Spezialfall der Online-Communities in Kapitel 4 dieses
Buches)? An dieser Stelle kommen verschiedene Argumente in Frage:

• Mögliche Kostenersparnis
• Schnellere Reaktionszeiten
• Aufbau der Panelstruktur gemäß der eigenen Anforderungen
• Erfassen von Expertenmeinungen
• Bearbeitung vermeintlich weniger wichtiger Fragestellungen
• Qualitative Ansätze
• Individuell abgestimmte Kommunikation mit den Zielgruppen
• Höhere Vertraulichkeit und Geheimhaltung
• Angebot der Panel-Leistungen an andere Marktforschungskunden
• Imagewirkung

Wenn einige dieser Argumente auf die Situation des fraglichen Unternehmens zutref-
fen, dann lohnt es sich eventuell, den nächsten Schritt zu gehen und alle potenziell betei-
ligten Gruppen im Unternehmen an einen Tisch zu holen. Zu diesem Zeitpunkt sollten
die grundlegenden Fragen diskutiert und geplant werden, zum Beispiel welche konkreten
Zielsetzungen man überhaupt mit dem eigenen Panel realisieren und in welcher Weise
und für welche Themen man es denn nutzen möchte. Weiterhin ist grob festzulegen, wie
häufig in etwa befragt werden soll und welche Zielgruppen relevant sind. Weitere Klä-
rungspunkte sind die Frage der technischen Basis, des Außenauftritts sowie nicht zuletzt
auch der Finanzierung des gesamten Projektes. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist
auch das Festlegen und das Commitment derjenigen Personen, die am Ende die opera-
tive Arbeit beim Aufbau und der Pflege des Online-Panels übernehmen sollen. Trotz der
Unterstützung durch entsprechende Software gilt: Online-Panels machen Arbeit! Sie kön-
nen nicht „mal nebenbei“ aufgebaut und betrieben werden. Wenn sich nicht regelmäßig
jemand darum kümmert – dies kann auch durchaus ein Dienstleister sein – dann trocknet
es früher oder später aus bzw. kann nicht mehr vernünftig verwendet werden.
Sind die ersten Hürden genommen, so kann man in die Feinplanung einsteigen. Hier-
bei sind zunächst eine Panelstruktur sowie eine sinnvolle Panelgröße festzulegen. Die Aus-
wahl der benötigten Stammdaten (also zum Beispiel Adressdaten, E-Mail etc.) sowie der
Merkmale (zum Beispiel demographische Daten, Hobbys, Mediennutzung, Verwendung
bestimmter Produkte etc.) ist von den zuvor festgelegten Zielsetzungen des Panels abhän-
gig. Hierbei sind sowohl aktuelle als auch zukünftig wahrscheinliche Forschungsziele zu
berücksichtigen. Die Menge der Merkmale sollte allerdings auf sinnvolle Weise begrenzt
sein. Es ergibt wenig Sinn, über Jahre hinweg ungenutzten „Datenmüll“ zu verwalten.
Eine wichtige Frage ist die der Panelgröße. Wird sie zu hoch angesetzt, so werden sub-
stanzielle Teile des Panels ungenutzt dahindämmern, weil nicht genügend Befragungspro-
jekte zur Verfügung stehen. Ist das Panel zu klein, so muss man die Panelisten zu häufig
befragen, was ebenso zur Demotivation führt. Eine grobe Abschätzung der erforderlichen
Panelgröße kann über die folgende Formel erfolgen:
Access Panels 327

mittelfristig geplante Anzahl Befragungen p.a. x durchschnittliche Stichprobengröße (netto) x 100


Einladungsfrequenz pro Person p.a. x geschätzte durchschnittliche Rücklaufquote in %
Wie bereits erwähnt, es handelt sich bei der ermittelten Zahl um einen ersten Anhalts-
punkt. Es gibt durchaus gute Argumente, die dafür sprechen, trotzdem ein etwas größe-
res Panel anzustreben, als es sich aus der Berechnung ergibt. Dies ist beispielsweise dann
der Fall, wenn es im Jahresverlauf zu zeitlichen Häufungen von Befragungen kommt oder
wenn gelegentlich sehr kurze Feldzeiten benötigt werden. In beiden Fällen benötigt man
dann etwas mehr „Manövriermasse“, um die betreffenden Aufgaben lösen zu können,
ohne die Panelmitglieder zu sehr zu belasten. Nicht zuletzt spielt in vielen Fällen sicher
auch der Vermarktungseffekt eine Rolle nach dem Motto „je größer, desto besser“. Wenn-
gleich ein gut gepflegtes Online-Panel mit 1.000 Personen deutlich effektiver und qualitativ
besser sein kann als eines mit 10.000 Panelisten, um die sich aber niemand kümmert.
Zur Rekrutierung der Teilnehmer für ein eigenes Online-Panel werden in der Praxis
verschiedene Methoden verwendet, wobei eine Kombination dieser Methoden systema-
tische Auswahlfehler verringern kann, die bei Konzentration auf nur einen Kanal wahr-
scheinlicher sind. Diese können beispielsweise durch Personen verursacht werden, die mit
höherer Wahrscheinlichkeit bereits eine bestimmte Einstellung zum Unternehmen haben.
Mögliche Rekrutierungsansätze sind:

• Bereits vorhandene, eigene Kommunikationsinstrumente des Unternehmens (Website,


Newsletter, Zeitschrift etc.)
• Verfügbarer Pool potenzieller Teilnehmer (Kundendatenbank, Kundenclub)
• Rekrutierung am Ende einer Kundenbefragung
• Anwerbung über andere Medien (Telefon, Print)
• Zukauf von Adressen

Generell hat sich bei der Rekrutierung von Befragungspersonen für ein Panel eine Vor-
gehensweise in zwei Schritten bewährt. Relativ unabhängig von dem gewählten Rekrutie-
rungsansatz muss ein möglicher Panelist zunächst einmal in geeigneter Weise angespro-
chen und über den Zweck des geplanten Panels informiert werden. Gleichzeitig wird die
Einladung zur Teilnahme am Panel ausgesprochen und die betreffende Person dazu auf-
gefordert, ihre E-Mail-Adresse plus eventuell wenige weitere Daten zu hinterlassen. Diese
Angaben werden dazu verwendet, um im zweiten Schritt per E-Mail einen Registrierungs-
Link an diese Personen zu senden. In aller Regel geschieht dies maximal wenige Tage nach
der ersten Erfassung, oftmals sogar automatisiert und unmittelbar im Anschluss an diese.
Über diesen Registrierungs-Link werden nun die noch fehlenden Stammdaten und Merk-
male des zukünftigen Panel-Teilnehmers abgefragt. Am wichtigsten ist jedoch die aktive
Einverständniserklärung (per Klick auf eine entsprechende Schaltfläche) zur Teilnahme
am Online-Panel unter Zustimmung zu den Teilnahmebedingungen, die an dieser Stelle
ebenfalls zugänglich gemacht werden müssen.
328 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Die Methode, zunächst nur die E-Mail-Adresse zu erfassen und dann einen Registrie-
rungs-Link zu senden, hat zwei große Vorteile: Erstens dient sie als Double-Opt-In und
damit zur rechtlichen Absicherung und Verifizierung der angegebenen E-Mail-Adresse.
Zweitens bietet sie dem potenziellen Panel-Teilnehmer die zeitliche Freiheit, zunächst ein-
mal nur wenige Angaben machen zu müssen und die restlichen Daten später und „in aller
Ruhe“ nachzuliefern, wenn er dann immer noch dazu bereit ist. Diese Verzögerung ist
letzten Endes auch ein Gebot der Fairness: der potenzielle Panelist soll sich bewusst für
eine Registrierung im Panel entscheiden und nicht „überrumpelt“ werden.
Anders als bei einmaligen Online-Befragungen wird bei wiederholten Panelbefragun-
gen in der Regel irgendeine Form der Belohnung erwartet. Die Incentivierungshöhe sollte
jedoch nur einer Aufwandsentschädigung entsprechen und keine Profitester und Prämien-
jäger anlocken. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Art der Incentives die Zusammenset-
zung des Panels sowie der Stichproben beeinflussen kann. Ungewöhnliche Incentives kön-
nen durch eine einseitige Wirkung auf bestimmte Zielgruppen zu Verzerrungen führen.
Für den einen oder anderen Panelbetreiber scheint die Erkenntnis unerwartet zu kom-
men, aber: „Das Panel lebt!“ Es ist keine statische Masse, sondern dynamisch und kann
größer und vor allem auch kleiner werden. Denn trotz Incentivierung ist das allmähliche
Ausscheiden von Personen aus dem Panel ein ganz normaler Vorgang. Dies geschieht ver-
mutlich am häufigsten durch eine geänderte E-Mail-Adresse, die nicht mitgeteilt wurde,
durch verlorenes Interesse oder durch das plötzliche Eingreifen eines allzu wohlmeinen-
den Spam-Filters, der die weitere Zustellung von Einladungen für Befragungen verhindert.
Die sogenannte Panelmortalität kann problematisch werden, wenn dadurch bestimmte
Gruppen häufiger ausscheiden und somit über die Zeit immer stärker unterrepräsentiert
werden. Dies kann vor allem dann geschehen, wenn das betreffende Panel einen Bezug zu
einem bestimmten Thema hat und am Ende nur noch die Personen im Pool verbleiben, die
daran ein besonders großes Interesse haben.

Praxisbeispiel
Ein Medienvermarkter baute ein umfangreiches Online-Panel mit musikinteressier-
ten Personen auf und befragte diese regelmäßig zu Musikthemen. Nach einigen Jahren
nahm die interne Nutzung des Panels stetig ab, Befragungen erfolgten nur noch spora-
disch, es gab aus verschiedenen Gründen kaum noch eine Nachfrage im Unternehmen
nach Panelbefragungen. Gleichzeitig verloren immer mehr Panelisten das Interesse,
und zwar vor allem jene mit mittlerer oder eher geringer Leidenschaft für das Thema
Musik. Sie meldeten sich ab oder nahmen auch an den wenigen Umfragen einfach
nicht mehr teil, zu denen sie noch eingeladen wurden. Eine Auffrischung durch Neure-
krutierungen fand nicht mehr statt, da sie für die geringe Panelnutzung einen zu hohen
Aufwand bedeutet hätte. Schlussendlich verblieb eine immer noch recht große Menge
von aktiven „Musikexperten“ im Pool. Diese waren aber für die meisten Anwendungs-
zwecke zu homogen und zu spezialisiert. Der Betrieb des Panels wurde schließlich
eingestellt.
Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung 329

Um der Panelmortalität entgegenzuwirken, sollte es das Ziel eines Panels sein, eine
dauerhafte und angenehme Bindung zu den Teilnehmern aufzubauen, bei der diese eine
ausbleibende Kommunikation im Idealfall sogar vermissen würden. Dies geschieht zum
Beispiel durch folgende Maßnahmen:

• Mindest-Häufigkeit für Einladungen (2-4mal pro Jahr)


• Aufforderung zur Meldung einer geänderten E-Mail-Adresse
• Schnelles und seriöses Beantworten von Fragen
• Professionelle Panel-Seite mit Kontaktmöglichkeit
• Frage des Monats zur „Beschäftigung“ des Panels
• Persönliche Ansprache („Sehr geehrte Frau Müller, ...“)
• Persönlicher (eventuell fiktiver) Ansprechpartner („Ihre Janine Meyer“)

Ebenso sollte in regelmäßigen Abständen von ca. 12 bis 24 Monaten in Form einer
Aktualisierungsumfrage überprüft werden, ob die Stammdaten und Merkmale der Teil-
nehmer noch korrekt sind. Dauerhaft inaktive Mitglieder müssen früher oder später
gelöscht und gegebenenfalls durch neu rekrutierte Personen ersetzt werden. Hier beginnt
der gesamte Prozess dann von neuem. Der wichtigste Grundsatz für den Aufbau eines
Online-Panels ist aber: Es ergibt nur Sinn, wenn das Panel auch dauerhaft und konsequent
genutzt wird. Nicht selten hängt dies von der Motivation und der Begeisterung einzelner
Personen beim Betreiber ab.

5.7 Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung

An mehreren Stellen der bisherigen Erläuterungen wurde bereits auf den Unterschied
zwischen offenen, also frei zugänglichen und code-geschützten Befragungen hingewie-
sen. Beide Methoden können mit diversen Formen der Rekrutierung kombiniert werden.
Diese Unterscheidung wird in diesem Abschnitt nun vertiefend erläutert.

Frei zugängliche Online-Befragung


Eine frei zugängliche Online-Befragung zeichnet sich dadurch aus, dass man sie prinzipiell
so oft ausfüllen kann, wie man möchte, wenn man nur den Umfragelink dazu kennt. Zwar
gibt es hiergegen ein paar Schutzmöglichkeiten, die im Folgenden auch noch beschrieben
werden, aber grundsätzlich benötigt man außer dem Link keine weiteren Informationen,
um in die Online-Befragung einzusteigen. Frei zugängliche Online-Befragungen werden
darum vor allem dann eingesetzt, wenn es keinen machbaren oder ökonomisch sinnvollen
Weg gibt, eine individuelle Information (zum Beispiel einen auf die Person bezogenen,
unveränderlichen Code) an den einzelnen Teilnehmer zu übertragen. Auf welche Weise
ein potenzieller Umfrageteilnehmer an den Umfragelink gelangt, ist dabei ohne Belang. Er
kann den Link beispielsweise als Verknüpfung auf einer Webseite finden oder per E-Mail
zugestellt bekommen. Das Ergebnis ist das gleiche: Mit einem einfachen Klick auf den
330 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Link startet die Befragung. Das wichtigste Anwendungsgebiet für frei zugängliche Online-
Umfragen sind Website-Befragungen, bei denen die Probanden direkt auf der Internet-
Präsenz angesprochen werden.

Praxisbeispiel
Ende der 90er Jahre wurde vom Time Magazine eine frei zugängliche Online-Befra-
gung durchgeführt, welche die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhun-
derts ermitteln sollte. Erstaunlicherweise führte nach einiger Zeit in allen Kategorien
eine Person, mit der wohl kaum jemand zuvor gerechnet hätte: Mustafa Kemal Atatürk!
Als wichtigster Staatsmann lag er weit vor Winston Churchill, als bedeutendster Enter-
tainer vor Bob Dylan und als einflussreichster Wissenschaftler deutlich vor Albert
Einstein. Das Ganze war auf eine offenbar sehr erfolgreiche Kampagne der türkischen
Presse zurückzuführen, welche die Bevölkerung dazu aufforderte, in dieser Angelegen-
heit des Nationalstolzes unbedingt tätig zu werden und möglichst häufig online ihre
Stimme für die „richtige“ Person abzugeben.

Auch ohne dieses anekdotische Beispiel ist das potenzielle Problem frei zugänglicher
Online-Befragungen relativ offensichtlich: es ist die Möglichkeit der Mehrfachteilnahme.
Wie bereits erwähnt, es gibt durchaus die Möglichkeit, die Umfrage hiervor zu schützen,
aber diese im Folgenden beschriebenen Optionen haben auch ihre Grenzen:

• Umfangreicher Fragebogen
Je mehr Aufwand es verursacht, einen Online-Fragebogen zu bearbeiten, desto
unwahrscheinlicher ist es, dass sich viele Menschen die Mühe machen werden, diesen
mehr als einmal auszufüllen.
• Zufallsmechanismus
Wie in Abschnitt 5.1 beschrieben wird, gibt es im Falle des Samplings auf Webseiten
die Möglichkeit, die Verknüpfung zu einer Online-Befragung nicht jedem Besucher
anzeigen zu lassen, sondern nur jedem n-ten Besucher. Auf diese Weise wird die Wahr-
scheinlichkeit einer mehrfachen Zugriffsmöglichkeit verringert.
• Begrenzung der Teilnehmerzahl pro Zeit
Die Online-Befragung auf eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern zu beschränken,
zum Beispiel pro Stunde oder pro Tag, würde große Mengen potenzieller Mehrfachaus-
füller abschrecken. Allerdings würden damit dann genauso Personen „getroffen“, die
ganz normal teilnehmen möchten.
• Einsatz von Cookies
Mit Hilfe eines sogenannten Cookies kann die Information auf dem Rechner des Teil-
nehmers gespeichert werden, dass mit diesem bereits an der Umfrage teilgenommen
wurde. Mit dieser Information kann dann der erneute Umfrage-Aufruf verhindert
werden. Allerdings können Cookies auch unterdrückt oder nach dem Speichern vom
Nutzer wieder gelöscht werden, womit der Schutz hinfällig wird.
Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung 331

• Zeitlich befristeter IP-Filter


Grundsätzlich ist es möglich, anhand der IP-Adresse des Teilnehmers eine Prüfung
vorzunehmen. Hiernach wird die Teilnahme an der Online-Befragung verweigert,
wenn beispielsweise bis zu 60 Minuten zuvor bereits eine Person unter der gleichen IP-
Adresse zugegriffen hat. Allerdings schließt dies dann auch Personen aus, die zufällig
die gleiche IP-Adresse haben (weil sie etwa im gleichen Unternehmen arbeiten). Und
der potenzielle Fälscher kann nach der Zeitsperre erneut mitmachen oder mit einem
Re-Login bei seinem Internetprovider eventuell eine neue IP-Adresse beziehen. Mit
der Aufzeichnung von IP-Adressen sind außerdem auch datenschutzrechtliche Impli-
kationen verbunden, so dass diese grundsätzliche Option nur bedingt angewendet wer-
den kann.
• Verzicht auf Incentives
Das Angebot hochwertiger Preise kann dazu verleiten, mehrfach an einer Online-
Befragung teilzunehmen und dabei zum Beispiel jeweils eine andere E-Mail-Adresse
für die Verlosung zu hinterlassen. Durch den gänzlichen Verzicht auf bzw. die Verwen-
dung nur geringwertiger Incentives wird die Wahrscheinlichkeit hierfür verringert.
• Verlosung mit Postadresse
Falls trotzdem eine Verlosung bzw. Preisvergabe durchgeführt werden soll, so kann
auch die Abfrage des Namens und der Postadresse (statt nur der E-Mail-Adresse) hel-
fen, vor möglichen Mehrfachteilnahmen zur Erhöhung der Chancen bei der Verlosung
abzuschrecken.
• Direkte Frage
Eventuell genügt es auch, die angesprochenen Personen schlicht und einfach danach
zu fragen, ob sie vielleicht schon einmal teilgenommen haben. Den einen oder anderen
mit einem Mindestmaß an Verantwortungsgefühl wird dies wohl von der Mehrfach-
teilnahme abhalten.

Trotz aller beschriebenen Schwierigkeiten, die im Umgang mit frei zugänglichen


Online-Befragungen auftreten können, werden sie dennoch erfolgreich eingesetzt. Und
die Wahrscheinlichkeit von Missbrauch ist erfahrungsgemäß eher gering einzuschätzen,
solange keine besonders wertvollen Incentives verlost werden oder ein anderer besonderer
Anreiz besteht. Auch innerhalb von Unternehmen wird diese Befragungsform durchaus
gerne eingesetzt, wenn es um Themen von geringerer Wichtigkeit geht, wenn die Befra-
gung von internen Kräften administriert werden soll oder wenn man sich einfach nicht
die Mühe machen möchte, jeder Person einen individuellen Umfragelink zukommen zu
lassen bzw. dies aus organisatorischen oder technischen Gründen nicht möglich ist.

Code-geschützte Online-Befragung
Code-geschützte Online-Befragungen erfordern es hingegen, dass entweder jeder poten-
zielle Teilnehmer einen individuellen Teilnahme-Link erhält, in den der für die Umfrage
notwendige Zugangscode integriert ist. Oder dass der Teilnehmer neben dem allgemei-
nen Zugangslink, der dann für alle gleich ist, noch eine weitere Information bekommt
332 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

– nämlich den Zugangscode – die beim Einstieg in die Befragung abgefragt wird. Es han-
delt sich hierbei um eine sogenannte „Pseudonymisierung“. Dieser Begriff wird im folgen-
den Abschnitt 5.8 genauer erklärt. Mit einer code-geschützten Online-Befragung können
im Wesentlichen drei Vorteile realisiert werden:

• Da jeder Zugangscode nur einmal gültig ist, wird die Online-Befragung effektiv vor
Mehrfachteilnahmen einzelner Personen geschützt.
• Dem Teilnehmer kann die Option eingeräumt werden, die Bearbeitung der Online-
Befragung zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen,
wobei die bis zu diesem Zeitpunkt eingetragenen Daten gespeichert bleiben.
• Es besteht die Möglichkeit, dem Zugangscode noch weitere Daten zuzuordnen, die
über den Teilnehmer, der diesen Zugangscode erhalten soll, bereits vorliegen. Diese
(in aller Regel nicht-personenbezogenen) Daten können dann beispielsweise in der
Analyse verwendet, sie können in der Umfrage als Information eingeblendet und/oder
es kann ein Filter auf sie gesetzt werden.

Der hier verwendete Begriff „Code“ oder „Zugangscode“ wird jedoch nicht einheit-
lich benutzt. Manchmal ist auch von einem Passwort oder einer PIN oder einer ID die
Rede. Oder es gibt zwei Informationen in Form eines Usernamens und eines Passworts.
Der letztgenannte Fall ist allerdings weniger komfortabel, da die beiden Informationen in
jedem Fall beim Start der Umfrage von Hand eingegeben werden müssen und nicht mit
dem Umfragelink übermittelt werden können. Die Zugangscodes für eine Befragung wer-
den in der Regel zufallsbasiert von der verwendeten Umfrage-Software erzeugt. Es handelt
sich meist um alphanumerische Zeichenketten – also Kombinationen von Kleinbuchsta-
ben, Großbuchstaben und Ziffern – mit sechs bis zehn Zeichen Länge. Muss der Code vom
Teilnehmer von Hand eingetippt werden, so empfiehlt sich die ausschließliche Verwen-
dung von Ziffernketten, zum Beispiel acht bis zehn Zeichen lang. Auf diese Weise wird die
Eingabe erleichtert. Zumindest sollten bei der händischen Eingabe aber bestimmte Zei-
chen in den Codes ausgeschlossen werden, die eine hohe Verwechslungsgefahr beinhalten
oder in manchen Schriftarten gar nicht unterscheidbar sind, so zum Beispiel: „Null“ und
großes „O“ – „Eins“, großes „I“ und kleines „l“ –kleines „i“ und kleines „j“.
Ein Umfragecode sollte auch immer so beschaffen sein, dass es sehr unwahrscheinlich
ist, nur aus der Kenntnis der Länge und der verwendeten Zeichenarten einen gültigen
Code zu erraten. Diese Wahrscheinlichkeit entspricht dem Quotienten aus der Anzahl der
gültigen Codes (also in der Regel der Zahl der eingeladenen Teilnehmer) und der Anzahl
der Kombinationsmöglichkeiten aus den erlaubten Zeichen in der vorgegebenen Länge.

Praxisbeispiel
Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung wurden die Teilnehmer per Brief zur Befra-
gung eingeladen. Der Brief enthielt einen individuellen Code pro Teilnehmer. Um
die Eingabe zu erleichtern, wurden numerische Codes mit nur fünf Stellen (und ohne
die Null) verwendet. Jedoch bestand die Organisation aus ca. 5.000 Personen. Das
Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung 333

bedeutet: bei ca. 59.000 möglichen Codes ergab sich die relativ hohe Chance von 1:12,
zufällig einen gültigen, 5stelligen Code zu erraten. Falls Manipulationsvorfälle bei die-
sem Projekt vorkamen, so wurden sie nicht bemerkt. Die Möglichkeit dazu hätte aller-
dings bestanden und wäre vermeidbar gewesen. Bereits ein 6stelliger Code hätte die
Rate-Wahrscheinlichkeit auf unter 1:100 gedrückt.

Im Übrigen empfiehlt es sich höchstens in Ausnahmefällen, als Umfragecode eine


Information zu verwenden, bei der man davon ausgeht, dass der potenzielle Teilnehmer sie
bereits vorliegen hat. Das könnte bei einer Kundenbefragung beispielsweise eine Kunden-
nummer sein oder bei einer Mitarbeiterbefragung die Personalnummer des Mitarbeiters.
Erstens ist es nicht immer gesagt, dass die notwendige Nummer auch wirklich bekannt
ist oder dass sich der Teilnehmer die Mühe macht, danach zu suchen. Zweitens könnte
unter diesen Umständen eine andere, gleichfalls eingeladene Person versuchen, sich mit
einem anderen Zugang einzuloggen, den sie vielleicht auch kennt. Und drittens würde mit
solchem Vorgehen die Wahrnehmung von Anonymität beim Teilnehmer wohl deutlich
verringert, da er eventuell befürchtet, dass Daten entstehen, die direkt mit dieser Nummer
verknüpft sind.
Auf welchem Wege der Umfragecode bzw. der individuelle Umfragelink zum Teil-
nehmer gelangt, ist zweifellos eine wichtige organisatorische Frage. Im einfachsten Fall
geschieht dies per E-Mail, aber auch die Einladung per Brief ist auf diese Weise möglich
(siehe hierzu Abschnitt 5.2 und Abschnitt 5.3). Für die Umfrage selbst ist es jedoch relativ
belanglos, wie dies geschieht. Wie bereits angedeutet wurde, sollte aber dafür Sorge getra-
gen werden, dass die Information jeweils auch tatsächlich nur der gewünschten Person
zugänglich gemacht wird. Bekommen andere Personen hierauf Zugriff, so könnten diese
natürlich genauso teilnehmen. Bei Online-Mitarbeiterbefragungen passiert dies beispiels-
weise relativ häufig durch eingerichtete Urlaubsweiterleitungen für E-Mail-Postfächer. Ist
solches zu befürchten, so kann man mit dem Hinweis arbeiten, dass die betreffende Ein-
ladung nur für eine bestimmte Person gilt. An dieser Stelle kann man durchaus auch den
Namen des Angeschriebenen nennen (siehe hierzu die beispielhafte E-Mail-Einladung zur
Mitarbeiterbefragung in Abschnitt 2.1).
Ein wichtiges Element im Ablauf code-geschützter Online-Befragungen ist die Code-
Steuerungsdatei, also die Übersicht der gültigen Codes und der eventuell diesen Codes
zugeordneten Daten. An dieser Stelle sollte darauf geachtet werden, dass in dieser Datei
den Umfragecodes auf keinen Fall personenbezogene Daten zugeordnet werden, mit Hilfe
derer ein einzelner Teilnehmer identifizierbar wäre. Dieses Prinzip zur Wahrung der Teil-
nehmeranonymität und dem Führen einer getrennten Schlüsselliste wird in Abschnitt 5.8
nochmals ausführlicher aufgenommen. In der Regel handelt es sich bei den zugeordneten
Daten um klassifizierende Informationen, die später für die Analyse-Befragung dann nicht
mehr abfragen muss. Dies kann bei einer Online-Kundenbefragung beispielsweise die
Umsatzklasse oder das Vertriebsgebiet sein bzw. bei einer Online-Mitarbeiterbefragung
die Organisationseinheit oder der Standort (siehe das Beispiel in Tabelle 5.3). Man sollte
sich aber auf die Daten beschränken, die man nachträglich auch wirklich benötigt.
334 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Tab. 5.3 Beispielhafte Codes-Steuerungsdatei auf dem Umfrageserver

Code Kundenstatus Standort Kundenbetreuer


aVcrPq A-Kunde Nürnberg
JK5z9X B-Kunde Nürnberg
uZh4dD A-Kunde Hamburg
rUSMhC C-Kunde Nürnberg
… … …

Der Ablauf einer code-geschützten Online-Befragung unterscheidet sich aus Sicht


des Teilnehmers im einfachsten Fall überhaupt nicht von dem einer frei zugänglichen
Online-Befragung. Der „einfachste Fall“ ist diesbezüglich der, dass der Teilnehmer einen
Umfragelink mit integriertem Zugangscode per E-Mail erhält und die Befragung ohne
Unterbrechung komplett ausfüllt. Kann der Zugangscode aus organisatorischen Gründen
nicht mit dem Link verknüpft werden – zum Beispiel im Fall der Einladung per Brief – so
wird dessen Eingabe beim Aufrufen der Befragung von dieser eingefordert, etwa in der in
Abbildung 5.4 gezeigten Form.
Wird ein ungültiger Zugangscode eingetragen, so sollte eine entsprechende Meldung
erfolgen und per Link auf die Ausgangsseite zurück verwiesen werden, damit der Teil-
nehmer es erneut versuchen kann. Eine Beschränkung der Anzahl der Fehleingaben mit
anschließender temporärer oder dauerhafter Sperrung wäre technisch zum Beispiel über
das Setzen eines Cookies möglich, ist aber nicht üblich. Beim Aufrufen der Online-Befra-
gung mit einem bereits verwendeten, aber noch nicht verbrauchten Umfragecode, wird
der Teilnehmer entweder ohne weitere Nachfrage an die vorherige Abbruchstelle im Fra-
gebogen geleitet, so dass er die Bearbeitung dort fortsetzen kann. Oder es werden ihm
Optionen zum Wiedereinstieg angeboten, wie im Beispiel in Abbildung 5.5 gezeigt.
Zuletzt sollte noch eine Seite definiert werden, die dem Teilnehmer im entsprechenden
Fall anzeigt, dass die Befragung unter dem vorliegenden Zugangscode bereits bearbeitet
wurde (siehe Abbildung 5.6). Eine solche Meldung hilft Missverständnisse zu vermeiden.

Abb. 5.4: Beispiel für manuelle Codeeingabe


Frei zugängliche vs. code-geschützte Online-Befragung 335

Abb. 5.5: Mögliche Optionen zum Wiedereinstieg in eine Online-Befragung

Abb. 5.6: Mögliche Anzeige für eine bereits ausgefüllte Befragung

Abbildung 5.7 zeigt abschließend noch den typischen Ablauf einer frei zugänglichen
bzw. einer code-geschützten Online-Befragung. Bei der letztgenannten Version gibt es ein
paar Nuancen in der Abfolge der Seiten, je nach der verwendeten Umfrage-Software. So
kann beispielsweise die Eingabe des nötigen Zugangscodes auch direkt auf der Startseite
erfolgen. Und im Fall der Verwendung von integrierten Umfragelinks mit Zugangscode

Abb. 5.7: Abfolge einer frei zugänglichen bzw. einer code-geschützten Online-Befragung
336 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

entfallen die beiden Seiten zur Code-Eingabe sowie „Code ungültig“. Die Seite mit Wie-
dereinstiegsoptionen ist optional. Meist ist es auch möglich und üblich, eine der Optionen
fest einzustellen, zum Beispiel die Umfrage beim Wiedereinstieg direkt an der vorherigen
Abbruchstelle fortzusetzen.

5.8 Sicherstellung von Teilnehmer-Anonymität

Bereits an verschiedenen Stellen wurde erwähnt, dass die Gewährleistung von Anonymi-
tät für viele Umfrageteilnehmer ein sehr wichtiges Kriterium ist. Fraglich ist nun aber,
wie genau bei einer Online-Befragung denn nun tatsächlich die Anonymität der Teilneh-
mer erreicht wird. Hier muss man nun zwischen frei zugänglichen Online-Umfragen und
code-geschützten unterscheiden (siehe hierzu Abschnitt 5.7).
Bei der frei zugänglichen Online-Befragung müssen eigentlich nur zwei Aspekte beach-
tet werden. Zum einen geht es darum, dafür Sorge zu tragen, dass die Teilnehmer sich mit
ihren Angaben in der Umfrage nicht selbst identifizieren. Wird beispielsweise nach einer
E-Mail-Adresse gefragt – beispielsweise zur Teilnahme an einer Verlosung oder zur Zusen-
dung von Befragungsergebnissen – so ist zu gewährleisten, dass die E-Mail-Adresse mög-
lichst getrennt von den restlichen Daten gespeichert wird. Ansonsten entstünden an dieser
Stelle personenbezogene Umfragedaten, was der Marktforscher tunlichst vermeiden sollte.
Zum anderen – dies ist der zweite Aspekt – geht es um die Aufzeichnung der IP-Adressen
der Teilnehmer. Man kann sich darüber streiten, ob die Kenntnis der IP-Adresse tatsäch-
lich einem personenbezogenen Datum gleichkommt (dass man also hieraus auf die aus-
füllende Person schließen könnte). Letzten Endes braucht der Online-Marktforscher aber
die IP-Adressen der Teilnehmer nicht zu wissen. Sie brächten keinen besonderen Nutzen,
es sei denn, man arbeitet mit einem zeitlichen IP-Filter, wie in Abschnitt 5.7 beschrieben.
Man sollte in jedem Fall eine dementsprechende Umfrage-Software verwenden, welche
diese Information nicht automatisch mit abspeichert.
Zusätzlich zu den beiden genannten Punkten ist es bei der code-geschützten Online-
Befragung von Bedeutung, wie mit den Teilnahmecodes umgegangen wird. Da jede Person
einen eindeutigen Umfragelink bzw. Teilnahmecode erhält (wie in Abschnitt 5.7 beschrie-
ben), ist es doch naheliegend, dass man mit dessen Kenntnis wohl auch auf die ausfüllende
Person rückschließen könnte. Nun, wie in anderen Bereichen der Marktforschung auch,
arbeitet man hier mit einer Pseudonymisierung sowie einer Schlüsselliste.
Pseudonymisierung bedeutet in diesem Falle, dass jedem Teilnehmer ein Pseudonym
in Form des Umfragecodes zugeordnet wird. Dies geschieht in aller Regel durch einen
Zufalls-Algorithmus, der zum Beispiel Kombinationen von Großbuchstaben, Kleinbuch-
staben und Ziffern erzeugt. Diese Pseudonyme werden dann pro einzelnem Teilnehmer als
Umfragecodes verwendet, welche entweder offen bzw. versteckt an den Umfragelink ange-
hängt werden oder von Hand eingegeben werden müssen. Entscheidend ist nun allerdings,
dass alleine durch Kenntnis eines Pseudonyms (also eines Umfragecodes) nicht auf eine
Person geschlossen werden kann. Hierfür wäre die im Folgenden beschriebene Schlüssel-
liste notwendig, die wiederum bestimmten Schutzmaßnahmen unterliegen muss.
Sicherstellung von Teilnehmer-Anonymität 337

Die sogenannte Schlüsselliste ist die wichtigste Datei, wenn es um die Gewährleis-
tung von Anonymität bei einer Umfrage mit Codeschutz geht. Denn in dieser Liste lagern
die erwähnten Pseudonyme mit mindestens einem Datum verknüpft, das auf die Person
zurückschließen lässt, die dieses Pseudonym und mithin auch diesen Umfragecode erhal-
ten wird bzw. erhalten hat. Dieses Datum ist bei einer Online-Befragung in aller Regel
die E-Mail-Adresse eines Teilnehmers, häufig noch ergänzt um den Namen der Person,
damit diese auch entsprechend mit einer persönlichen Grußformel angesprochen werden
kann. Diese Verknüpfung ist an einer Stelle unbedingt notwendig, nämlich da, wo der
betreffenden Person ihr Teilnahmecode bzw. Umfragelink mitgeteilt wird. In der Regel
geschieht dies in einem Programm zum Aussenden von individualisierten Massenmails
oder aber auch mit Hilfe eines Word-Serienbriefes. Die entsprechende Datei ist dann die
Schlüsselliste. Ohne die beschriebene Verknüpfung der Informationen ist die persönliche
Einladung rein logisch nicht möglich.
Die Schlüsselliste sollte eigentlich bei jeder Befragung – ganz besonders aber bei einer
Online-Mitarbeiterbefragung – nicht vom befragenden Unternehmen selbst, sondern aus-
schließlich von einer vertraglich entsprechend verpflichteten Institution verwaltet werden,
also in der Regel von dem durchführenden Institut. Sie muss entsprechend sicher und am
besten nur intern und offline gelagert werden, nur bestimmte Personen dürfen Zugriff dar-
auf haben und sie sollte zu dem Zeitpunkt gelöscht werden, ab dem sie nicht mehr benötigt
wird. Dies könnte theoretisch direkt nach der Aussendung des Reminders passieren, wenn
also zum letzten Mal die beschriebene Verknüpfung erforderlich ist. De facto wird aber
häufig aus Sicherheitsgründen bis zum Feldende oder bis zu einem definierten Zeitpunkt
nach Abschluss des Projektes mit der Löschung abgewartet.
Als Schlüssellisten müssen alle Dokumente gelten, in denen das Pseudonym der ent-
sprechenden Person unmittelbar zugeordnet ist. Das betrifft alle Datenbanken, Excel-
Listen und sonstigen Zusammenstellungen, die diese Bedingung erfüllen, auch wenn sie
etwa nur zu Hilfs- oder Prüfzwecken verwendet wurden. In diesen Fällen sind die glei-
chen Schutzkriterien anzuwenden wie zuvor beschrieben. Wenn beispielsweise ein Word-
Serienbrief für die Einladungen verwendet wird, so ist auch diese Datei eine Schlüssel-
liste. Wird sie etwa als pdf-Datei an eine Druckerei zur weiteren Verarbeitung geliefert, so
ist dieses Unternehmen ebenfalls entsprechend vertraglich zur Geheimhaltung und zur
Löschung nach Verwendung zu verpflichten.
Der zuvor beschriebene Umgang mit der Schlüsselliste kann bei einer Online-Befra-
gung allerdings nur dann sein methodisches Potenzial voll ausspielen, wenn die Schlüssel-
liste nicht gleichzeitig auch als Datengrundlage für den Umfrageserver verwendet wird.
Dieser Server muss zwar die gültigen Codes (also die Pseudonyme) kennen, nicht aber
deren Verknüpfung mit irgendeinem Datum, das auf die Person selbst hindeutet. Ziel
muss es also sein, aus der Schlüsselliste sozusagen eine „abgespeckte“ Codes-Liste (oder
Code-Steuerungsdatei) abzuleiten, in der die Pseudonyme entweder gar nicht mit weiteren
Daten verknüpft sind oder nur mit solchen, die zur eindeutigen Identifikation einer Person
nicht ausreichen. Diese verkürzte Liste wird schließlich auf den Umfrageserver gespielt,
nicht jedoch die Schlüsselliste. Das Vorgehen ist in Tabelle 5.4 am Beispiel einer Online-
Kundenbefragung illustriert.
338 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Tab. 5.4 Trennung von Schlüsselliste und Code-Steuerungsdatei

Schlüsselliste (Mailing-Datei)
Code E-Mail Name Funktion
mhh46k max.mueller@firma1.de Max Müller Entwicklung
D8EE8C yvonne.meier@firma1.de Yvonne Meier Einkauf
H8dsHa juergen.schultze@firma2.de Jürgen Schultze Vertrieb
j3R5t3 claudia.werner@firma3.de Claudia Werner Entwicklung
… … … …
Codes-Steuerungsdatei (Umfrageserver)
Code E-Mail Name Funktion
mhh46k Entwicklung
D8EE8C Einkauf
H8dsHa Vertrieb
j3R5t3 Entwicklung
… …

Das Ziel muss es immer sein, nur solche nicht-persönlichen Daten mit den Pseudony-
men zu verknüpfen, die unbedingt für die Durchführung und die Analyse notwendig sind.
Je mehr Daten mitgeführt werden, desto eher ist es im Einzelfall nämlich möglich, eine
Person durch eine Kombination von Merkmalen trotzdem zu identifizieren. Man sollte
sich also nicht dazu verführen lassen, rein aus Bequemlichkeit einfach alle verfügbaren
Daten zu verknüpfen für den Fall, dass man sie bei der Analyse benötigen könnte. Ein
seriöser Dienstleister für Online-Befragungen weist auf diesen Zusammenhang hin und
wird von sich aus bereits darum bitten, dass nur die wirklich nötigsten Daten überhaupt
zur Verfügung gestellt werden.
Online sollten also lediglich solche Daten lagern bzw. durch die Umfrageteilnahmen
erzeugen werden, die keine direkten, personenbezogenen Rückschlüsse zulassen. Das ist
auch deshalb relevant, weil Server im Internet immer mal wieder Ziele für Hackerangriffe
darstellen. Und Erfolge bei diesen Angriffen sind trotz modernster Sicherheits-Architek-
turen in letzter Konsequenz nicht hundertprozentig auszuschließen, wie immer wieder
vorkommende Online-Diebstähle bei mit hohem Aufwand geschützten Großbanken oder
staatlichen Institutionen zeigen. Der mögliche Schaden, der durch den kriminellen Abzug
des Datensatzes einer Online-Befragung entstehen würde, könnte bereits erheblich sein.
Wären die Daten aber auch noch mit den Namen der Ausfüller verknüpft, so wären die
möglichen Folgen umso gravierender. Durch die beschriebene Vorgehensweise ist dieses
Szenario in jedem Fall vermeidbar, da namentlich gekennzeichnete Daten schlicht nicht
erzeugt werden.
Sicherstellung von Teilnehmer-Anonymität 339

Spezialfall: Reminder an Nichtteilnehmer


In Abschnitt 2.4 wurde beschrieben, dass es bei vielen über E-Mail rekrutierten Online-
Befragungen sinnvoll ist, nur noch denjenigen Personen einen Reminder zu senden, die
den Fragebogen entweder noch gar nicht aufgerufen oder aber erst unvollständig bear-
beitet haben. An dieser Stelle wurde bereits die Frage aufgeworfen, wie dieses möglich ist
und dabei die Anonymität der entsprechenden Personen dennoch aufrechterhalten wer-
den kann. Das hierfür notwendige Vorgehen soll nun im Folgenden beschrieben werden.
Beim Versand des Reminders selbst benötigt man in jedem Fall eine Kopie der zuvor
erwähnten Schlüsselliste. Im Normalfall ist das die Mailing-Datei, in der die Teilnahme-
codes mit mindestens einem identifizierenden Merkmal verknüpft sind, üblicherweise mit
der E-Mail-Adresse. Um die Aufgabe zu erfüllen, müssen nun alle Personen in dieser Datei
gelöscht werden, welche die entsprechende Online-Befragung bereits vollständig bear-
beitet haben. Wie aber soll das möglich sein, wenn auf dem Umfrageserver – wie zuvor
beschrieben – gar keine Personendaten lagern? Die Antwort ist simpel: man benötigt nur
ein eindeutiges Vergleichskriterium. Und dieses muss keine E-Mail-Adresse oder ein Per-
sonenname sein. Es wird ganz einfach der Umfragecode (das Pseudonym) zum Abgleich
verwendet.
Es wird also ein Mechanismus benötigt – und moderne Umfrage-Software beherrscht
dieses standardmäßig – der die bereits vollständig verwendeten Umfragecodes vom
Umfrageserver holt, die Schlüsselliste damit abgleicht und alle Zeilen darin löscht, deren
Code bereits verwendet wurde. Auf diese Weise entsteht die Grundlagendatei für den
Versand des Reminders in der gewünschten Form, ohne dass weitere personenbezogene
Daten entstehen oder gar neue Codes produziert werden müssten. Die Umfragedaten aller
Personen verbleiben anonym. Der beschriebene Mechanismus wird in Tabelle 5.5 anhand
des Beispiels einer Online-Kundenbefragung veranschaulicht.

Tab. 5.5 Datenabgleich beim Reminder an Nichtteilnehmer

Liste verwendeter Codes (Download vom Umfrageserver)


Code
u3vqHrvN
cYaSRW3T

Automatischer Abgleich mit Schlüsselliste (Reminder-Datei)
Code E-Mail Name Kundenstatus Land
JouCkLDU yvonne.mueller@kunde1.de Yvonne Müller A-Kunde BY
u3vqHrvN max.meier@kunde1.de Max Meier A-Kunde BY
SAouo7yA claudia.schultze@kunde2.de Claudia Schultze C-Kunde SH
cYaSRW3T juergen.werner@kunde3.de Jürgen Werner B-Kunde RP
… … … … …
340 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

5.9 Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten

„Sagen Sie mal, wie hoch sind eigentlich die typischen Rücklaufquoten bei einer Online-
Umfrage?“ Diesen Satz – so oder so ähnlich formuliert – wird beinahe jeder Mitarbeiter
eines Dienstleisters für Online-Marktforschung schon gehört haben, der einem potenziel-
len Kunden in einer Präsentation seine Angebote schmackhaft machen möchte. Der seriöse
Vertreter seiner Zunft ist daran zu erkennen, dass er mit einem eindeutigen „Das kommt
darauf an.“ antwortet. Denn jegliche pauschalisierenden Angaben zu Rücklaufquoten bei
Online-Befragungen sind – ähnlich wie bei anderen Befragungsmethoden – im Grunde
sinnlos, solange nicht wenigstens grob die relevanten Faktoren in Bezug auf die betref-
fende Umfrage bestimmt sind. Zu hinterfragen ist jeweils, durch welche Gegebenheiten die
potenziellen Teilnehmer denn motiviert oder andererseits auch demotiviert werden könn-
ten. Beim Thema „Teilnehmermotivation“ ist man mitunter auch schnell bei der Hand mit
Verlosungen oder sonstigen Belohnungen mit eher monetärem Charakter. So einfach ist
der normale Umfrage-Ausfüller aber in der Regel nicht zu bekommen. Entscheidend ist
die richtige Kombination motivierender Elemente, die auf die jeweilige Zielgruppe abzu-
stimmen ist.
Die Motivationslage ist bei „online“ meist etwas anders als beispielsweise bei telefoni-
schen oder persönlichen Befragungen. Bei letzteren hat man als Teilnehmer wohl nicht
selten das Gefühl, vielmehr zu einer Teilnahme „überredet“ als davon „überzeugt“ zu wer-
den. Bei einer Online-Befragung liegt die Entscheidung deutlicher beim Teilnehmer selbst.
Und diese wird entweder sofort auf der Grundlage der Einladung getroffen oder nach
Ansicht und Beantwortung der ersten paar Fragen. Indiz für diese Aussage ist zum einen
die Beobachtung, dass die Abbruchraten nach wenigen Fragen deutlich sinken und nach
dem ersten Drittel des Fragebogens in aller Regel kaum noch Abbrüche zu verzeichnen
sind. Zum anderen wird immer wieder festgestellt, dass bei aufgehobenem Antwortzwang
die Item-Nonresponse in Online-Fragebögen sehr gering ist, also der Anteil der bewusst
unbeantwortet gelassenen Fragen. Etwas pauschalisierend könnte man über das Teilnah-
meverhalten sagen: „Ganz oder gar nicht“! Ein Online-Teilnehmer entscheidet sich also
oftmals sehr schnell, entweder komplett und vollständig mitzumachen oder überhaupt
nicht.
Zur Abschätzung der Teilnehmermotivation kommt es in erster Linie auf die durch
ein hohes Erfahrungswissen gestützte Einschätzung des Online-Forschers selbst an. Deter-
ministische Aussagen, was genau wie wirken wird und was nicht, sind jedoch auch dann
kaum möglich. So manche in der Realität erlebte – positive wie negative – Überraschung
bestätigt diese Aussage. Nichtsdestotrotz werden die durchführenden Institutionen in
bestimmten Themenbereichen aus der Erfahrung heraus relativ sichere Annahmen und
Vorhersagen über die Motivation der Teilnehmer treffen können.
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 341

5.9.1 Motivations-Faktoren

Viele unterschiedliche Faktoren spielen bei der Teilnehmermotivation eine Rolle, die aller-
dings nicht immer in ihrem Ausmaß und eventuell auch nicht in ihrer Richtung prog-
nostiziert werden können. Hinzu kommt, dass manche dieser Einflüsse einer objektiven
Bewertung kaum zugänglich sind. Insofern ist – wie bereits erwähnt – vor allem ein hohes
Erfahrungswissen des Forschers gefragt, wie die potenziellen Probanden am besten zur
Teilnahme bewegt werden können. Dieses kann aber kaum angelesen, sondern nur im
Rahmen der Durchführung zahlreicher verschiedenartiger Online-Befragungen erworben
werden. Die folgenden Einschätzungen verschiedener Faktoren sind aus diesen Gründen
auch eher qualitativer und tendenzieller Natur und lassen exakte quantitative Vorhersagen
kaum zu.

Intrinsische Motivation
Die intrinsische Motivation wird in der Regel durch das persönliche Interesse des Teilneh-
mers am Thema einer Befragung verkörpert. Dieses ist in der Markt- und Sozialforschung
traditionell eines der wichtigsten und stärksten Motive zur Teilnahme. Die Überzeugung,
mit der Teilnahme einen lohnenswerten und positiven Beitrag zu einem bestimmten Ziel
zu leisten (zum Beispiel wissenschaftlich-gesellschaftlicher Beitrag, Verbesserung eines
Produkts oder einer Dienstleistung, Fortschritt im eigenen Unternehmen etc.), ist gleich-
falls ein starker Motivator zur Beteiligung an einer Umfrage. Gleichwohl ist die Einschät-
zung dieses Faktors nicht trivial. Entscheidend ist häufig, inwieweit die zu befragende Per-
son eine wie auch immer geartete persönliche, geschäftliche oder sonstige Beziehung zum
Umfrageveranstalter hat. Ebenso sind die persönlichen Präferenzen des Teilnehmers wie
etwa Einstellungen oder Hobbys relevant.
Aus den genannten Gründen ist es die wichtigste Aufgabe der Teilnehmeransprache
– das heißt im engeren Sinne der Umfrage-Einladung – gute Argumente dafür zu liefern,
warum genau die angesprochenen Personen die Mühe auf sich nehmen sollten, überhaupt
bei einer Befragung zu diesem speziellen Thema mitzumachen. Diese Forderung deckt
andererseits aber wiederum die häufig auftretende Diskrepanz auf zwischen dem eigent-
lichen Forschungsbedarf und der Auswahl des Umfrage-Themas im Sinne der positiven
Wirkung auf die angesprochenen Personen. Denn das Thema hängt vom Forschungsbe-
darf ab und nicht davon, ob man dafür auf einfache Weise Probanden gewinnen kann.

Länge des Fragebogens


Generell gilt natürlich: Je länger der Fragebogen, desto geringer die Teilnahmequoten. Dies
heißt jedoch nicht, dass Fragebögen ab einer gewissen Länge überhaupt nicht mehr „funk-
tionieren“ würden. So können zum Beispiel Mitarbeiterbefragungen durchaus erfolgreich
mit deutlich über 50 Fragen abgewickelt werden, während manche Website-Befragungen
bereits bei 20 Fragen nicht mehr sinnvoll durchführbar sind. Ein sehr langer Fragebo-
gen – bzw. einer mit einer hohen Anzahl von notwendigen Klicks und sonstigen Einga-
ben – kann sich insbesondere negativ auswirken auf den Anteil der Personen, die den
342 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Fragebogen zwar aufrufen, dann aber nicht vollständig bearbeiten, sondern aufgrund der
Länge irgendwo abbrechen (sogenannte Drop-outs). Bereits vor Beginn des Fragebogens
kann die Länge abschreckend wirken, wenn die angenommene Bearbeitungszeit offen und
zutreffend kommuniziert wird, was in jedem Fall als Gebot der Fairness zu empfehlen ist.
Insgesamt kann jedoch konstatiert werden, dass die Fragebogenlänge als Prognosefak-
tor für die Rücklaufquote von weniger online-erfahrenen Marktforschern in aller Regel
überschätzt wird. Sie ist nämlich nur ein einzelner Baustein in einem ganzen Mix von Fak-
toren. Oder anders ausgedrückt: es gibt sowohl lange Online-Befragungen mit eher hohem
Rücklauf als auch kurze Online-Befragungen mit eher geringem Rücklauf. Die Bedeutung
der sonstigen Faktoren ist – innerhalb eines gewissen Rahmens – meistens höher. Und
insbesondere gibt es nicht so etwas wie eine allgemeingültige, optimale Anzahl an Fra-
gen als Faustregel, die immer „funktionieren“ würde, wie es häufig kolportiert wird. Indiz
hierfür sind auch die hohen Spannbreiten der in der Forschungs-Realität vorkommenden,
typischen Fragebogenlängen, die für diverse Befragungstypen bereits in Abschnitt 2.2.4
genannt wurden.

Extrinsische Motivation
Extrinsische Motivation wird in der Regel durch dem Teilnehmer angebotene Incentives
dargestellt, das heißt es wird irgendeine Form der Belohnung angeboten. Die Auswirkung
von angebotenen Incentives auf die Teilnahmequoten ist gleichfalls nicht trivial abschätz-
bar. In vielen Fällen stellt sich zum Beispiel die Wirkung von Verlosungen als deutlich
geringer als vermutet bzw. erhofft heraus. Erstaunlich ist auch die sehr hohe Anzahl von
Studien, welche gänzlich ohne materielle Kompensationen dieser Art auskommen. Ande-
rerseits sind garantierte Incentives – zum Beispiel in Form eines festen Geldbetrages für
jeden Teilnehmer – eine der besten Möglichkeiten, Ausschöpfungsquoten nach oben zu
treiben. Gleichwohl ist diese Vorgehensweise naturgemäß sehr teuer, insbesondere wenn
große Stichproben angestrebt werden bzw. die Zielgruppe nicht genau getroffen werden
kann und Streuverluste einkalkuliert werden müssen. Eine intensivere Auseinanderset-
zung mit dem Thema „Incentives“ folgt in Abschnitt 5.9.2.

Umfragegestaltung
Der Einflussfaktor der Gestaltung einer Online-Befragung drückt sich im Design dersel-
ben aus sowie ebenfalls in den Ladezeiten der einzelnen Seiten, die dem Teilnehmer auf-
erlegt werden. Die Wirkung dieses Faktors ist allerdings nur schwer abzuschätzen. Gene-
rell sollte jedoch ein nutzerfreundliches Design, welches auch den Zusammenhang mit
der durchführenden Organisation transportieren kann – Stichwort „Corporate Design“
– positive Effekte darauf haben, ob ein Teilnehmer sich in der Befragung „wohl fühlt“ und
diese bis zum Ende bearbeitet oder nicht. Experimente konnten teilweise belegen, dass ein
sehr simples, einfallsloses und rein textbasiertes Design einen um mehrere Prozentpunkte
geringeren Rücklauf erzielt als ein nur geringfügig „liebevoller“ gestaltetes mit einem Logo
und grafischen Klickbuttons. Dies gilt wohl vor allem für Befragungen, die eine gewisse
Länge von wenigen Minuten Bearbeitungsdauer überschreiten. Hieraus gewinnt man den
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 343

Eindruck, ein Teilnehmer würde abschätzen, ob sich der Umfrageersteller auch wirklich
um die angesprochenen Personen „bemüht“ oder ob er einfach nur mit möglichst wenig
Aufwand seine Daten erheben möchte, ohne besondere Wertschätzung gegenüber denje-
nigen, die die Daten bereitstellen. Sicher wird über den Aspekt des Umfragedesigns neben-
bei auch die Seriosität des gesamten Projektes von den Probanden abgeschätzt. Mehr zum
Thema Umfragedesign findet sich in Abschnitt 2.5.
Zu lange Ladezeiten sind ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Vor allem
bei der Erhebung sehr großer Stichproben innerhalb sehr kurzer Zeitspannen sind ent-
sprechend performante Software- und Server-Umgebungen bereitzustellen. In jüngerer
Zeit ist der Einfluss dieser Komponente aufgrund der allgemein verfügbaren schnellen
Internet-Verbindungen zwar zurückgegangen. Längere Ladezeiten können jedoch nach
wie vor auftreten, wenn zum Beispiel größere Bildvorlagen oder Videodateien geladen
werden müssen. Erfahrungsgemäß können Ladezeiten dieser Art in ihren Auswirkungen
bis zu einem gewissen Ausmaß mit Hilfe einer intelligenten Teilnehmer-Führung durch
den Fragebogen kompensiert werden. Trotzdem sollte darauf geachtet werden, jeweils die
Dateigrößen möglichst zu reduzieren und die in diesem Sinne geeignetsten Formate für
Bilder, Audiodateien und Videos auszuwählen. Dies gilt vor allem für Befragungen, bei
denen ein hoher Anteil von Mobil-Teilnehmern zu erwarten ist (siehe Abschnitt 5.5).

Perzipierte Anonymität
Da ein Umfrageteilnehmer in der Regel kaum sicher in der Lage sein dürfte, die tatsäch-
lich vorhandene Anonymität der Teilnahme an einer Online-Befragung wirklich objektiv
einzuschätzen, ist es vor allem bei sensiblen Befragungsthemen relevant, den Teilnehmern
eine gewisse subjektive Sicherheit gegenüber einem möglichen Datenmissbrauch zu ver-
mitteln. Dies reicht von der Verwendung von bekannten und vertrauenswürdigen Mar-
ken und Logos über den expliziten Hinweis auf die Anonymität – falls dies auch wirklich
zutrifft – bis zu verbindlichen Erläuterungen der technischen und organisatorischen Maß-
nahmen zur Gewährleistung der Anonymität
Bei frei zugänglichen Online-Befragungen – das heißt ohne die Verwendung von inte-
grierten oder sichtbaren Umfragecodes – ist das Thema Anonymität für die Befragten der-
zeit kaum relevant, insofern dürfte der Faktor hier nur einen geringen Einfluss auf die
Motivation haben. Vor allem jedoch bei Umfragen mit persönlicher Adressierung werden
derlei Fragen des Datenschutzes deutlich wichtiger (siehe hierzu auch Abschnitt 5.8). Dies
gipfelt in den in der Regel sehr strengen Kriterien von Betriebsräten für Mitarbeiterbe-
fragungen, nach denen zumeist alle potenziellen Möglichkeiten der Rückverfolgung von
Daten zu einer Person technisch und/oder vertraglich ausgeschlossen werden müssen.
Oftmals wird hierüber im betreffenden Unternehmen auch eine sogenannte Betriebsver-
einbarung abgeschlossen, an die sich ein Dienstleister bei der Durchführung dann zu hal-
ten hat.
Die Gewährleistung von Anonymität bei der Umfrageteilnahme ist im konkreten
Anwendungsfall als notwendige, jedoch nicht unbedingt hinreichende Bedingung für
Teilnahmemotivation zu sehen. Es muss in jedem Fall auch die Glaubwürdigkeit der
344 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Erklärungen bei den Teilnehmern gewährleistet sein. Diese wiederum hängt zum Beispiel
auch von früheren Erfahrungen mit entsprechenden Projekten ab oder auch von aktuellen
Vorfällen bzw. Presseberichten zu Fällen des Datenmissbrauchs ganz allgemein.

Anspracheform
Durch die spezifische Form der Teilnehmeransprache wird vor allem der Erfolg der Befra-
gung im Hinblick auf den „ersten Klick“ determiniert. Dieser wird zwar von allen späteren
Komplett-Ausfüllern des Fragebogens benötigt, allerdings bedeutet der erste Klick noch
lange nicht, dass die Umfrage tatsächlich auch ausgefüllt wird. In Abschnitt 5.9.3 wird
auf das Teilnahme- und vor allem auf das Abbrecherverhalten bei Online-Befragungen
genauer eingegangen. Den höchsten Erfolg in Bezug auf Teilnehmermotivation verspricht
dabei die individuelle, persönliche Ansprache, vorausgesetzt diese wurde zuvor explizit
gestattet (zum Beispiel im Rahmen eines Online-Panels) oder der Adressat steht in irgend-
einer Beziehung zum Absender und kennt diesen aus vorherigen Aktivitäten (zum Beispiel
im Rahmen einer aktuellen Kundenbeziehung). Der Eindruck einer individuellen Anspra-
che kann auch durch den (eventuell zusätzlichen) Hinweis vermittelt werden, dass die
angesprochene Person zufällig aus einer großen Menge ausgewählt wurde, zum Beispiel
bei zufallsbasierten Auswahlverfahren auf Webseiten. Gänzlich unpersönliche Anspra-
cheformen wie zum Beispiel die Verwendung von selbstselektiven Bannern zum Klicken
versprechen dagegen nur sehr geringen Erfolg.

Anita-Effekt
Der sogenannte „Anita-Effekt“ beschreibt das Phänomen, dass bei Umfragen im Allgemei-
nen – und natürlich auch bei Online-Befragungen im Besonderen – mitunter etwas höhere
Rücklaufquoten erzielt werden können, wenn eine Frau der (vermeintliche) Absender der
Teilnahmeeinladung ist. Dies kann vor allem, aber nicht ausschließlich, in Grundgesamt-
heiten festgestellt werden, die eher „männerdominiert“ sind. Der Anita-Effekt wirkt in ers-
ter Linie derart, dass sich bei einem erkennbar weiblichen Absender mehr Personen dazu
entscheiden, zumindest den Fragebogen-Link anzuklicken und sich die Online-Befragung
erst einmal anzuschauen. Die potenziellen Teilnehmer werden also durch eine Frau eher
neugierig auf ein Umfrageprojekt. Weniger Einfluss hat der Anita-Effekt allerdings auf den
„Durchhaltewillen“ während der Befragung, mithin auf den Anteil der kompletten Umfra-
geteilnehmer an den Umfragestartern. An dieser Stelle werden andere Kriterien relevant
wie der eigene Bezug zum Thema oder die optische Gestaltung.
Der Anita-Effekt wurde nach Kenntnis des Autors im Online-Umfeld erstmalig von
Althoff (2007) [1] beschrieben und unter anderem von Greif und Batinic (2007) [11] in
einem Methoden-Experiment untersucht und nachgewiesen. Vermutlich ganz bewusst
wird der Anita-Effekt von Panel-Dienstleistern angewendet bzw. ausgenutzt, die die Einla-
dungen zu ihren Befragungen erkennbar häufig mit einem weiblichen Namen abschließen.
Wobei diese Personen aber in aller Regel nicht wirklich existieren dürften, sondern wahr-
scheinlich fiktiv sind.
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 345

Vorankündigungen
Eine weitere Möglichkeit, positiv auf den Rücklauf einer Online-Befragung einzuwirken,
ist in bestimmten Anwendungsfällen die Vorankündigung der Umfrage per E-Mail im
Kreis der geplanten Befragten, und zwar einige Tage vor dem eigentlichen Feldstart. Die-
ses Vorgehen wird beispielsweise von Penzkofer (o.J.) [16] beschrieben. Auf diese Weise
werden die potenziellen Teilnehmer beim späteren Empfang der tatsächlichen Umfrage-
Einladung nicht mehr so unmittelbar mit dieser Aufforderung konfrontiert. Sie können
sich eventuell bereits vorher Gedanken darüber machen, ob sie überhaupt vorhaben, daran
teilzunehmen oder nicht. Sie können möglicherweise bereits Inhalte kennenlernen oder
auch Fragen zum Projekt stellen, falls notwendig.
Solange man es nicht übertreibt, können mit Maßnahmen dieser Art im Allgemei-
nen positive Auswirkungen erreicht werden. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil dem
Empfänger der Ankündigung damit signalisiert wird, dass man sich „Mühe gibt“, die
Umfrageteilnehmer höflich und wertschätzend zu behandeln und dass man sie als wert-
volle Informationsquelle ansieht. Besonders geeignet sind Vorankündigungen im Rahmen
von Online-Kundenbefragungen, und zwar sowohl im B2C- als auch vor allem im B2B-
Umfeld. Ein weiteres Einsatzfeld sind sogenannte Online-Expertenbefragungen.
Die Vorankündigung kann auf verschiedenen Wegen bzw. mit verschiedenen Medien
erfolgen: Bei B2B-Kundenbefragungen werden häufig die Kundenbetreuer gebeten, ihre
Kunden im Rahmen von Kundenbesuchen oder Telefonaten individuell auf die anstehende
Online-Befragung anzusprechen und sie um ihre Teilnahme zu bitten. Diese Vorgehens-
weise ist nicht unumstritten, da die Gefahr besteht, dass die Umfrage dann wegen des
persönlichen Kontaktes zum Kundenbetreuer etwas „wohlwollender“ ausgefüllt werden
könnte. Darum wird nicht selten auf die günstige und neutralere Möglichkeit zurückge-
griffen, die Vorankündigung per E-Mail durchzuführen. Hierbei kann dann beispielsweise
ein hochrangiger Absender des Unternehmens verwendet werden (zum Beispiel der Fir-
menchef oder Vorstand), während die spätere, operative Abwicklung dann häufig von
einer Fachabteilung bzw. einem Institut übernommen wird.
Eine weitere Option, um die „Wertigkeit“ der Ankündigung in den Augen des Emp-
fängers zu erhöhen, ist die Vorankündigung per Brief. Diese ist zwar etwas teurer als die
E-Mail-Version, vor allem bei einer großen Menge von Personen, allerdings hebt sich ein
persönlich adressierter Brief auch deutlich von einer E-Mail ab, zumal in Zeiten omni-
präsenter Werbe- und Spam-Mails. Mit Hilfe eines Briefes wird auch leichter eine Ver-
bindlichkeit hergestellt, wie es zum Beispiel von Zerr und Müller-Schneider (2002) [23]
beschrieben wird. Allerdings weisen diese Autoren auch darauf hin, dass der nach der
Einladung zunächst zu beobachtende, deutlich positive Effekt der postalischen Vorankün-
digung fast vollständig durch einen E-Mail-Reminder wieder kompensiert werden kann.
Ist im Rahmen einer Online-Befragung ein Reminder von vornherein geplant bzw. kann
er bei der vorliegenden Zielgruppe ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden, so ist es
relativ wahrscheinlich, dass sich die Auswirkung der Vorankündigung durch die folgende
Erinnerung deutlich verringert oder aber gänzlich verschwindet. Insofern empfiehlt sich
die briefliche Vorankündigung zu einer Online-Befragung eigentlich nur bei Vorliegen
346 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

einer Zielgruppe mit sehr geringer Internet-Affinität oder wenn kein Reminder durchge-
führt werden kann.

5.9.2 Incentives

Als Incentives in der Marktforschung bezeichnet man im engeren Sinne versprochene


bzw. in Aussicht gestellte Geld- oder Sachprämien. Im weiteren Sinne kann ein Incentive
aber auch eine Information oder ein altruistischer Beitrag sein. Incentives werden ent-
weder zur Verlosung unter den Umfrageteilnehmern ausgeschrieben oder als garantierte
Belohnung an jeden Ausfüller vergeben. Der Einsatz von Incentives für die Teilnahme an
einer Umfrage ist seit langem eine beliebte Methode zur Steigerung der Teilnahmebereit-
schaft und Motivation der Probanden. Dies gilt sowohl für die Offline- als auch für die
Online-Marktforschung.
Incentives dienen zunächst dazu, den möglichen Nutzen für einen potenziellen Pro-
banden zu erhöhen, den dieser mit einer Teilnahme erreichen kann. Don Dillman (1978)
[7] sieht den Vorgang einer Befragung als eine besondere Form der Theorie des sozia-
len Austauschs, welche auf Thibaut und Kelley (1959) [20] zurückgeht. Danach vergleicht
die angesprochene Person die Differenz aus Belohnungen und Kosten zwischen den bei-
den verfügbaren Alternativsituationen, also die Teilnahme oder die Nichtteilnahme. Der
Bewertungsmaßstab hierzu wird aus früheren Erfahrungen abgeleitet oder ergibt sich aus
der Persönlichkeitsstruktur des Angesprochenen. Dabei ist es durchaus möglich, dass es
die betreffende Person bereits als befriedigend empfindet, überhaupt für diese Befragung
ausgewählt worden zu sein. Durch das Angebot eines Incentives kann jedoch, abhängig
von dessen individuell unterschiedlicher Bewertung, im Rahmen des sozialen Austausch-
prozesses die Attraktivität der Alternative „Teilnahme an der Befragung“ weiter erhöht
und damit die Wahrscheinlichkeit der Entscheidung zugunsten der Alternative „Ableh-
nung der Befragung“ gesenkt werden. Gegebenenfalls gehen Marktforscher sogar mit
einem Incentive in Vorleistung, indem sie zum Beispiel bei einer schriftlichen Befragung
einen geringen Geldbetrag mitschicken, den die angeschriebene Person auch dann behal-
ten darf, wenn sie nicht teilnimmt. Auf diese Weise entsteht ein Gefühl der Verpflichtung
zur Teilnahme, obwohl das „Geschenk“ eventuell gar nicht erwünscht ist. In dem interes-
santen Buch von Robert Cialdini (1997) [6] wird in diesem Zusammenhang der Begriff der
„Reziprozität“ verwendet. Im Rahmen von Online-Befragungen gestaltet sich ein solches
Vorgehen allerdings etwas schwieriger.
Die offensichtliche Gefahr beim Einsatz von Incentives ist die Beeinflussung der Teil-
nehmer und damit auch der erzielten Ergebnisse. Das Angebot von Incentives kann näm-
lich zu einem verstärkten Prozess der Selbstselektion oder einem anderen Artefakt führen,
das die Antworten der Probanden beeinflusst. Hier kann man unterscheiden zwischen
dem Einfluss auf die Stichprobe und dem Einfluss auf die Antworten. Der Einfluss auf
die Stichprobe gründet darauf, dass durch den Einsatz von Incentives sicherlich nicht alle
angesprochenen Personen gleichermaßen zur Teilnahme angeregt werden. Von der Art
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 347

des Incentives kann also letztlich die Zusammensetzung der Stichprobe abhängen, wenn
ein systematischer Fehler bestimmte Gruppen häufiger ausschließt (da weniger motiviert)
und andere Gruppen häufiger einschließt (da stärker motiviert), als dies ohne Incentive
oder mit einem anderen (neutraleren) Incentive der Fall gewesen wäre. Dies gilt auch
dann, wenn der Auswahlprozess für die Teilnehmer ansonsten einen hohen methodischen
Standard hat.

Praxisbeispiel
In einer Kundenbefragung wurden Fleurop-Gutscheine zur Verlosung gebracht und
die Forscher wunderten sich am Ende über den deutlich erhöhten Anteil an Frauen in
der Stichprobe gegenüber dem Vorjahr, in dem andere Preise verlost worden waren.
Der Auswahl-Effekt durch die Incentives wurde in diesem Fall nicht bedacht oder
unterschätzt.

Ein Einfluss der Incentives auf die Antworten kann dann entstehen, wenn die tatsäch-
lichen Teilnehmer an einer Befragung durch die Belohnung dazu verleitet werden, von
ihren tatsächlichen Meinungen abweichende Antworten zu geben. Dies kann man sich
beispielsweise im Rahmen einer Kundenbefragung vorstellen, bei der Produkte des Auf-
trag gebenden Unternehmens als Geschenke ausgegeben werden. Hier könnten die Teil-
nehmer zu „Gefälligkeitsantworten“ verleitet werden, weil sie den Auftraggeber nicht ver-
ärgern möchten, der ihnen doch „ein so nettes Geschenk“ dafür macht.
Keiner der beiden Effekte, also weder der Einfluss auf die Zusammensetzung der Stich-
probe, noch der auf die Ergebnisse, sind in der seriösen Forschung erwünscht, da sie die
Qualität und Aussagekraft der erhobenen Daten verringern können. Dies muss bei der Aus-
wahl von Incentives bedacht werden, die lediglich eine Art Aufwandsentschädigung für die
Teilnehmer darstellen und darum nicht allzu hochwertig oder begehrenswert sein sollten.
Gerade bei von Konsumgüter-Unternehmen selbst durchgeführten Online-Befragun-
gen ist es andererseits nicht ungewöhnlich, sehr hochwertige Preise zu verlosen wie zum
Beispiel Reisen, Computer, Tablet-PCs, Kameras etc. Die dadurch verursachten Effekte
sind im Nachhinein nicht mehr kontrollierbar. Zum einen dürfte gerade bei technischen
Geräten ein gewisser Männer-Überhang zwangsläufig festzustellen sein. Und man muss
sich zum anderen einfach ernsthaft die Frage stellen, ob ein solcherart „motivierter“ Teil-
nehmer tatsächlich ein Interesse daran hat, die gestellten Fragen seriös zu beantworten.
Für die meisten wird dies sogar noch zutreffen, für einen anderen Teil aber vielleicht nicht.
Und es ist in der Regel schwierig bis unmöglich, diesen anderen Teil zu identifizieren
(siehe hierzu unter anderem Abschnitt 2.2.3).
Sehr wertvolle Incentives können nicht nur zu kaum wahrheitsgemäß ausgefüllten Fra-
gebögen oder zu einem Überhang an Personen mit besonderem Interesse an genau dem
ausgelobten Incentive, sondern auch zu nicht erwünschten Mehrfachteilnahmen von Per-
sonen führen, die damit ihre Chancen auf den Gewinn eines Preises erhöhen möchten. Mit
technischem Aufwand sind solcherlei Versuche im Internet zwar teilweise kontrollierbar,
jedoch nicht immer vollständig auszuschließen (siehe hierzu auch Abschnitt 5.7).
348 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Es ist für jede einzelne Befragung herauszufinden, welche Incentives im gewählten


Kontext sinnvoll sind, das heißt den Rücklauf signifikant steigern können, die aber gleich-
zeitig nur geringen negativen Einfluss auf die Qualität der Stichprobe und der Ergebnisse
ausüben. Aufgrund des Nutzungszusammenhangs bieten sich zum Beispiel auch Incen-
tives an, welche online übermittelt werden können. Dies kann vom Software-Download
bis zur Zustellung von Online-Gutscheinen gehen, die danach bei einem Shopping-Anbie-
ter eingelöst werden können.
Der Einsatz von Incentives stößt jedoch dort auf seine Grenzen, wo auch keine grund-
sätzliche Teilnahmebereitschaft besteht. Brutto-Stichproben können häufig in drei Unter-
gruppen mit verschiedenen Antwortwahrscheinlichkeiten unterteilt werden, wobei eine
einzelne Person bei verschiedenen Umfragen durchaus unterschiedlichen Gruppen ange-
hören kann:

• Personen, die bereitwillig antworten


• Personen, die antworten werden, wenn sie belohnt und/oder mehrfach aufgefordert
werden
• Personen, die im Regelfall nicht antworten werden

Für die erste Gruppe scheint der Einsatz von Incentives im Grunde gar nicht notwen-
dig zu sein. Diese Probanden würden wohl auch ohne einen solchen Anreiz teilnehmen.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Personen, die ein grundsätzliches Mindestin-
teresse am Thema bzw. der Befragung haben. Nicht selten klicken diese in eine Online-
Befragung hinein, brechen aber dann bald ab. Durch Incentivierung hingegen kann diese
Klientel häufiger dazu veranlasst werden, die Bearbeitung entweder nicht abzubrechen
oder diese nach einem Abbruch (und einer eventuellen Erinnerung) wieder aufzunehmen
und abzuschließen. Die letzte Gruppe hingegen wird wahrscheinlich auch auf Incentives
oder andere Stimuli nicht reagieren, es sei denn, es handelt sich um außerordentlich hoch-
wertige oder individuell für eine einzelne Person sehr attraktive Anreize. Das Problem bei
der oben genannten Einteilung ist, dass man in aller Regel zuvor nicht weiß, welche Per-
sonen sich welcher Gruppe zuordnen lassen bzw. wie groß der Anteil der Gruppen beim
betreffenden Projekt ist.
Im Folgenden werden die Anwendung und der Einfluss von Incentives verschiedener
Art und verschiedenen Wertes im Rahmen von Online-Befragungen diskutiert.

Monetäre Incentives
Die Unterscheidung zwischen monetären und nicht-monetären Incentives ist nicht immer
offensichtlich. Als monetäre Belohnung darf in jedem Fall die Auszahlung oder Verlo-
sung eines Geldbetrags beliebiger Höhe gelten. Ähnliches gilt für Gutscheine mit einem
bestimmten Nennwert, die zum Einkaufen verwendet werden können. Bei Sachpreisen,
die im Grunde nicht-monetärer Natur sind, wird es allerdings schwieriger, da zum einen
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 349

ein Teilnehmer häufig den eigentlichen Geldwert der Preise abschätzen kann und zum
anderen dieser mitunter auch angegeben wird, zum Beispiel in der Form „Tablet-PC im
Wert von 300 Euro“.
Hinweise aus der Forschung deuten darauf hin, dass monetäre Incentives den nicht-
monetären in Bezug auf die Steigerung der Rücklaufquote überlegen sind. Dies ist leicht
nachvollziehbar, da eine nicht-monetäre Belohnung immer auch einen subjektiv zu beur-
teilenden Nutzwert hat, während Geld bezüglich seines Nutzens wesentlich objektiver
bewertet werden kann. Änderungen der Antwortqualität sind durch den Einsatz mone-
tärer Incentives nicht per se zu befürchten. Es kommt aber auf die Höhe an. Der Anreiz
sollte nicht allzu groß ausfallen, da hiermit „Schnäppchenjäger“ zum Mehrfach-Ausfüllen
des Fragebogens animiert werden könnten. Besonders bei Online-Befragungen ist diese
Gefahr aufgrund der hohen Anonymität sehr groß, wenn keine technischen Maßnahmen
dagegen eingerichtet werden.

Praxisbeispiel
Im Rahmen einer Website-Befragung wurde versucht, potenzielle Teilnehmer durch
die Verlosung von 10 Gutscheinen für eine Parfümerie-Kette in Höhe von je 50 Euro
zur Teilnahme zu motivieren. Aufgrund der geringen Zugriffsraten der entsprechen-
den Website ergab sich zunächst jedoch nur eine geringe Menge von wenigen Teilneh-
mern pro Tag.
Die Situation änderte sich schlagartig nach etwa einem Monat, als (zunächst ohne
Wissen der durchführenden Forscher) die Befragung mit Gewinnmöglichkeit ins Ver-
zeichnis eines Internet-Angebotes für Gewinnspiele aufgenommen wurde. Mit den
Ergebnissen aus dieser Phase konnte jedoch nicht gearbeitet werden, da die Motivation
der Ausfüller erkennbar nicht mehr in der objektiven Bewertung der Website des Auf-
traggebers bestand.

Wie bereits erwähnt wurde, scheint die grundsätzlich beste Möglichkeit, durch Incen-
tivierung eine hohe Antwortquote zu erhalten, die Vorauszahlung eines Incentives zu sein,
das die angesprochene Person auch dann für sich behalten darf, wenn sie gar nicht an der
Befragung teilnimmt. Die Wirkung kann bereits ab einem vergleichsweise geringen Betrag
von 50 Euro-Cent oder 1 Euro sichtbar werden. Es ist nachvollziehbar, dass das vorherige
Versprechen, nach der Teilnahme eine Belohnung zu erhalten, weniger effektiv ist, da das
gewünschte Gefühl der Verpflichtung zur Teilnahme dann gar nicht entstehen kann. Im
Rahmen von Online-Befragungen ist die Vorauszahlung von monetären Incentives aus
verschiedenen Gründen aber leider kaum sinnvoll durchführbar. Darum muss in der Regel
entweder auf die anschließende Belohnung aller Teilnehmer oder auf eine Verlosung einer
zuvor festgelegten Anzahl von Geldbeträgen oder monetären Preisen zurückgegriffen
werden.
350 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Nicht-monetäre Incentives
Als „echte“ nicht-monetäre Incentives gelten solche, deren Wert für einen Teilnehmer eher
ideeller Natur ist als einen finanziellen Vorteil mit sich bringt. Hierzu zählen etwa die fol-
genden Formen der Belohnung:

• Verlosung oder Vergabe relativ geringwertiger, haptischer Sachpreise wie Bücher oder
Werbegeschenke
• Vergabe relativ geringwertiger elektronischer Geschenke wie Musik-Downloads oder
Computerspiele
• Angebot von Untersuchungsergebnissen an die Teilnehmer
• Informationsangebote per Download wie redaktionelle Beiträge oder themenbezogene
Experteninfos
• Spenden eines Geldbetrags pro Ausfüller an eine wohltätige Organisation
• Exklusive Teilnahmeberechtigung an bestimmten (kostenlosen, aber beschränkten)
Veranstaltungen

Beim Einsatz nicht-monetärer Incentives ergibt sich zunächst die Problematik, dass
nicht jede angesprochene Person in ähnlicher Weise dadurch zur Teilnahme an einer
Befragung motiviert werden kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Bewertung eines
solchen Incentives stärker als die Bewertung eines Geldbetrags individuell unterschied-
lich sein wird. Insofern kann die erzielte Stichprobe allein durch die Wahl der Incentives
bereits verfälscht werden. Vielleicht wird aus diesem Grund der Einsatz von Spenden an
wohltätige Organisationen für jede Teilnahme bei Online-Befragungen in den letzten Jah-
ren immer beliebter. Vieles spricht dafür, dass eine die Stichprobe verzerrende Wirkung
im Sinne des Einflusses auf die Zusammensetzung der Teilnehmerschaft in diesen Fällen
deutlich weniger wahrscheinlich ist, vor allem im Gegensatz zum Einsatz höherwertiger
Sachpreise. Gelegentlich kommt es sogar vor, dass der Teilnehmer unter einigen verschie-
denen Organisationen eine auswählen kann, an die „sein“ jeweiliger Beitrag gespendet
werden soll. Auf diese Weise kann der mögliche Effekt verringert werden, dass eine einzige
Organisation bei Teilen der Teilnehmerschaft unbeliebt ist und bei diesen eine geringere
oder eventuell sogar negative Motivation zur Teilnahme bewirkt.
Üblich sind Spenden in der Größenordnung von 50 Euro-Cent bis 2 Euro pro Teilneh-
mer, in Ausnahmefällen auch bis zu 5 Euro. Wobei nicht unbedingt gewährleistet ist, dass
mit einer höheren Spende auch automatisch eine höhere Teilnahmequote verbunden ist. In
jedem Fall besteht aber die Voraussetzung, dass die gesamte Aktion glaubwürdig vermittelt
wird. Nur wenn die Teilnehmer davon überzeugt sind, dass die entsprechenden Beträge
auch tatsächlich gezahlt werden, kann die gewünschte Motivationswirkung erreicht wer-
den. Auch aus rein praktischer und organisatorischer Sicht sind Spenden pro Teilnehmer
im Übrigen sehr gut geeignet, da zum einen ohne besonderen Aufwand eine „Belohnung“
für wirklich jeden Teilnehmer ausgezahlt wird und nicht nur (wie bei Verlosungen) an
wenige. Zum zweiten können die Spenden vom durchführenden Unternehmen steuerlich
wirksam abgesetzt werden. Und zum dritten besteht die Möglichkeit, eine entsprechende
Aktion auch im Rahmen der Unternehmenskommunikation positiv einzusetzen.
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 351

5.9.3 Teilnahmeverhalten bei Online-Befragungen

Um das Teilnahmeverhalten von Menschen bei der Bearbeitung einer Online-Befragung


zu verstehen, hilft es zunächst, sich die Frage zu stellen, warum überhaupt irgendjemand
ein einer Umfrage teilnimmt. Im Normalfall kann niemand dazu gezwungen werden, aber
die Erfahrung zeigt uns, dass es täglich vermutlich hunderttausendfach geschieht – zum
Glück für alle Marktforscher. Als Grundsatz des Teilnahmeverhaltens kann an dieser Stelle
zunächst postuliert werden, dass die Teilnahme an einer Befragung – gleich welcher Art –
dann erfolgt, sobald der individuelle, persönliche „Nutzen“ aus der Teilnahme die „Kosten“
der Teilnahme übersteigt.
Was ist nun aber der spezifische Nutzen für den Teilnehmer bei einer Online-Befra-
gung? Hier wären an erster Stelle die möglichen Incentives zu nennen, also die Auszah-
lung eines Geldbetrages, die Teilnahme an einer Verlosung, die Zusendung eines Preises
etc. Da aber viele Online-Befragungen völlig ohne Incentives abgewickelt werden, müssen
aus Sicht des Teilnehmers noch andere Dinge einen substanziellen Nutzen verkörpern wie
zum Beispiel das Gefühl, etwas zu einer Sache beitragen und Entwicklungen beeinflus-
sen zu können. Ebenso ein mögliches Interesse am Thema oder auch eine gewisse Freude
darüber, überhaupt gefragt zu werden und mitmachen zu dürfen. In nicht wenigen Fällen
ist es auch nur der Wunsch, dem Interviewer bzw. der durchführenden Institution einen
Gefallen zu tun oder aber der daraus entstehende Nutzen, dass man selbst nicht schlecht
dasteht, weil man eine Person durch eine Absage enttäuscht.
Auf der anderen Seite der (Un-)Gleichung stehen die spezifischen Kosten für den Teil-
nehmer an einer Online-Befragung. Hierbei ist im Wesentlichen der hierfür nötige Zeitbe-
darf zu nennen bzw. die Abwägung, was man in derselben Zeit dann stattdessen nicht mehr
tun kann. Weiterhin kann eine Befragung im weitesten Sinne auch eine psychische Belas-
tung darstellen, auch wenn diese vielleicht nur in der Mühe besteht, unter einem gewissen
Zeitdruck über bestimmte Dinge nachdenken zu müssen. Die de facto anfallenden, mone-
tär quantifizierbaren Kosten für Strom und „Rechner-Abnutzung“ werden von den Teil-
nehmern an Online-Befragungen hingegen wohl kaum in Erwägung gezogen. Ähnliches
gilt im Zeitalter der Flatrates mittlerweile auch für die Kosten der Online-Verbindung.
Fraglich ist nun, ob bei einer Online-Befragung der Nutzen per se höher und ob die
Kosten in jedem Fall geringer sind als bei traditionellen Befragungen. Zur Jungzeit der
Online-Marktforschung wurde häufig die Neuartigkeit der Methode erwähnt, was tatsäch-
lich eine Zeitlang einen gewissen Zusatznutzen verkörpert hat. Mittlerweile kann man
hiervon aber nicht mehr sprechen, höchstens noch bei den recht neuen Mobilen Befragun-
gen. Und: der aus dem Umstand erwachsende Nutzen, niemanden enttäuschen zu müs-
sen, fällt bei einer Online-Befragung in aller Regel vollständig weg. Pauschal betrachtet,
erscheint der mögliche Nutzengewinn aus einer Online-Befragung also sogar geringer zu
sein als bei einer anderen Methode.
Wie sieht es also mit den Kosten der Teilnahme an einer Online-Befragung aus? Hier
besteht nach Ansicht des Autors der klare Vorteil und die größte Stärke der Methode: die
Schnelligkeit und zeitliche Freiheit beim Ausfüllen eines Online-Fragebogens. Der Teil-
nehmer ist nicht auf die Anwesenheit eines Interviewers angewiesen und er muss den
352 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Fragebogen später auch nicht in einen Umschlag stecken und in den Briefkasten werfen.
Stattdessen sucht er sich den Zeitpunkt aus, zu dem keine wichtigere oder dringendere
Tätigkeit anliegt. Der vielleicht wichtigste „Kostensenker“ ist das Bewusstsein, dass man
sich als Online-Teilnehmer quasi bei jeder Frage neu entscheiden kann, ob man noch wei-
termachen möchte oder nicht. Es entsteht keine psychische Belastung durch eine andere
Person oder durch Zeitdruck und man kann jederzeit sanktionslos abbrechen. All diese
Faktoren zusammen dürften die Kosten der Teilnahme an einer Online-Befragung in aller
Regel deutlich senken.
Ob aber die eingesetzte Zeit wichtiger ist als das Incentive oder das Gefühl, etwas Gutes
zu tun, kann nur jeder einzelne Teilnehmer selbst entscheiden. Die trivial anmutende, aber
in diesem Zusammenhang sehr wichtige Erkenntnis lautet: Alle Menschen – und damit
alle potenziellen und tatsächlichen Umfrageteilnehmer – sind verschieden und lassen sich
nicht über einen Kamm scheren. Es gibt keine sinnvollen Verallgemeinerungen zu ihren
Motivationslagen, sondern lediglich Häufigkeiten bzw. Wahrscheinlichkeiten, mit denen
die eine oder andere auftritt.

Rücklaufquoten
Am Ende des Tages geht es aber doch immer wieder um die Rücklaufquote bzw. Ausschöp-
fungsquote des gerade aktuellen Online-Befragungsprojektes. Der Rücklauf einer Online-
Befragung reflektiert den Erfolg der Stichprobenauswahl und der Teilnehmeransprache.
Er hat neben Kostenaspekten auch Relevanz in Bezug auf die Aussagekraft bzw. Verallge-
meinerbarkeit der Befragungsergebnisse (siehe hierzu Abschnitt 6.4.4). Je mehr Personen
aus der Menge der gewünschten, das heißt adressierten Stichprobe die Angabe ihrer Daten
– aus welchen Gründen auch immer – ablehnen, desto weniger sicher sind die Ergebnisse
der Stichprobe – bei sonst gleichen Bedingungen – auf die vorgegebene Grundgesamtheit
übertragbar, aus der die Stichprobe stammt.
Vielleicht lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, warum eingeladene Personen
eventuell nicht an einer beworbenen Umfrage teilnehmen möchten bzw. können. Hier-
aus könnten Konsequenzen für spezifische Umfrageprojekte abgeleitet werden, die sich im
konkreten Anwendungsfall positiv auswirken mögen. Die folgenden Aspekte stammen aus
persönlichen Erfahrungen sowie empirischen Erkenntnissen des Autors:

• Keine Zeit / keine Lust


Die Aussage, gerade keine Zeit bzw. Lust zu haben, kennt wohl jeder Interviewer in
der Marktforschung. Mitunter wirkt sie wie eine Ausrede, allerdings ist sie auch voll
nachvollziehbar. Denn übersetzt heißt dies nichts anderes als „etwas anderes ist mir
gerade wichtiger“. Der Online-Marktforscher kann hierauf jedoch reagieren, indem er
den zu befragenden Personen zeitliche Freiheit zur Teilnahme einräumt und sie selbst
entscheiden lässt, wann sie eher etwas Zeit erübrigen können.
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 353

• Nehme grundsätzlich nicht an Umfragen teil


Mit einem gewissen Bodensatz an Personen, die niemals an Umfragen – gleich welcher
Art – teilnehmen werden, muss immer gerechnet werden. Schließlich ist die Teilnahme
an Marktforschung freiwillig, und das ist auch gut so!
• Kein Interesse am Thema
Neben „keine Zeit“ dürfte dies der häufigste Ablehnungsgrund sein. Hierauf kann der
Forscher kaum reagieren, da das Thema durch den aktuellen Forschungsbedarf ja vor-
gegeben ist. Er kann höchstens versuchen zu beschreiben, aus welchen Gründen das
Thema gerade besonders wichtig ist.
• Die Aufforderung hat mich gestört / Es gibt schon zu viele Umfragen im Internet
Nicht wenige Menschen fühlen sich schlicht und ergreifend „genervt“ von diversen
Anfragen um die Teilnahme an Umfragen. Dem kann der Online-Marktforscher in der
Form begegnen, dass möglichst wenige Personen unnötigerweise angesprochen wer-
den, weil sie beispielsweise gar nicht zur Zielgruppe gehören.
• Ich weiß nichts über die Umfrage
Dies kann verstanden werden als Herausforderung an die durchführenden Forscher,
das Befragungsprojekt möglichst kurz, aber prägnant zu beschreiben.
• Keine Gewinnmöglichkeit bei der Umfrage
Diese Begründung für eine Nichtteilnahme tritt erfahrungsgemäß eher selten auf und
muss darum nicht als Imperativ verstanden werden, unbedingt immer ein Incentive
anzubieten.
• Darf nicht teilnehmen
Diese Aussage ist häufiger zu hören im Rahmen von Kundenbefragungen im B2B-
Bereich. Sie hängt mit entsprechenden Richtlinien von Unternehmen zusammen, die
die Teilnahme an Umfragen – und sei es auch nur zur Zusammenarbeit mit einem
Geschäftspartner – mit der Herausgabe interner Informationen gleichsetzen und sel-
bige verbieten.
• Wetterlage
Wie Panel-Dienstleister aus Erfahrung berichten können, hat auch das Wetter einen
nicht unerheblichen Einfluss auf die Teilnahmequoten. Es liegt nahe, dass insbesondere
Privatpersonen als Umfrageteilnehmer eher zur Verfügung stehen, wenn sie zu Hause
sind. Und dies ist bei gutem Wetter schlicht weniger wahrscheinlich als bei schlechtem.
• Umfrage nicht für vorhandenes Gerät geeignet
In jüngerer Zeit gibt es häufiger die Situation, dass Personen nicht an einer Online-
Befragung teilnehmen, weil sie beispielsweise auf dem Smartphone, auf dem die Einla-
dungs-E-Mail gelesen wird, nicht komfortabel genug (oder gar nicht) bearbeitet wer-
den kann.

Neben der insgesamt erzielten Rücklaufquote gibt es aber noch zwei weitere Faktoren
des Teilnahmeverhaltens, die einen Einfluss auf die Stichprobe und somit Implikationen
für die Aussagekraft der Ergebnisse besitzen. Zum einen ist dieses die Ausschöpfung in
kleineren Auswertungs-Zellen: Ein diesbezüglich unterdurchschnittlicher Rücklauf ist
354 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

besonders relevant, wenn er sich auf eine bestimmte Subgruppe bezieht, welche ohnehin
schon in nur geringem Umfang in der Brutto-Stichprobe vertreten war, die aber separat
ausgewertet werden soll. Dies können beispielsweise Personen einer bestimmten Alters-
gruppe sein oder eines Geschlechtes oder einer bestimmten Kundengruppe. Zum anderen
kann die sogenannte Item-Nonresponse bedeutungsvoll sein: dies sind Nichtantworten
einzelner Teilnehmer oder von ganzen Teilnehmergruppen auf bestimmte Fragen oder
komplette Fragebogenteile, was zu einem Mangel an notwendigen Daten führen kann.
Erhöhte Item-Nonresponse kommt bei Online-Befragungen allerdings meist nur im Rah-
men spezieller Konstellationen vor, da in aller Regel auch ein Antwortzwang vorliegt. Tre-
ten über verschiedene Subgruppen der Stichprobe hinweg auffällige Schwankungen in den
Rücklaufquoten oder bei der Item-Nonresponse auf, so ist mit höherer Wahrscheinlichkeit
von systematischen (also nicht-zufälligen) Auswahlprozessen auszugehen. Sind die Quo-
ten in diversen Gruppen ähnlich, so hat man es eher mit einem zufälligen Auswahlprozess
zu tun.

Typische Rücklaufquoten
Bezüglich „typischer“ Rücklaufquoten für Online-Befragungen werden immer wieder
„Hausnummern“ genannt. Auch wenn in Bezug auf die zu befragende Personengruppe,
das Umfragethema und/oder die Rekrutierungsform bereits differenziert wird (was bei
den kolportierten „Hausnummern“ durchaus nicht immer der Fall ist), so können diese
Angaben kaum mehr als grobe Verallgemeinerungen sein. Um dem beobachteten Infor-
mationsbedürfnis zu dienen, aber dennoch seriöse Aussagen zu machen, werden darum in
Tabelle 5.6 nur Wertebereiche angegeben mit dem deutlichen Hinweis, dass diese jederzeit
über- und vor allem auch unterschritten werden können.

Tab. 5.6 Typische Rücklaufquoten bei verschiedenen Befragungsarten

Befragungstyp / Rekrutierungsform Typischer Rücklauf


Website-Befragung / Layer-Rekrutierung 2 bis 10 %
Website-Befragung / Click-me-Rekrutierung 0,5 bis wenige %
Kundenbefragung B2C / E-Mail-Rekrutierung 5 bis 20 %
Kundenbefragung B2B / E-Mail-Rekrutierung 10 bis 40 %
Konsumenten-Befragung / Access Panel 20 bis 70 %
Mitarbeiterbefragung / E-Mail-Rekrutierung 50 bis 80 %
Mobile Befragung / SMS-Rekrutierung 15 bis 50 %
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 355

Abbrecherverhalten
Personen, die eine einmal begonnene Befragungsteilnahme mit oder ohne erkennbaren
Grund einfach wieder abbrechen, sind – aus Sicht des Forschers leider – eine ganz normale
Angelegenheit. Mit diversen Maßnahmen kann es angestrebt werden, den Abbrecheranteil
zu verringern. Gänzlich vermeiden lässt sich das Phänomen allerdings nicht, insbeson-
dere dann, wenn es sich wie bei der Online-Befragung nicht um eine Interviewer-gestützte
Befragungsform handelt.
Dennoch ist es aus Forschersicht mitunter ärgerlich zu erkennen, wenn die Abbre-
cheranzahl beispielsweise genauso hoch ist wie die Anzahl der vollständigen Teilnehmer,
was durchaus nicht selten vorkommt. Denn die späteren Abbrecher haben ja bereits durch
den Beginn des Interviews ein gewisses Interesse gezeigt. Sie haben sich mindestens dazu
entschieden, einfach „einmal reinzuklicken“. Ziel des Forschers sollte es dann immer auch
sein, diese Personen im Fragebogen zu halten und zum Abschluss der Dateneingabe zu
bewegen. Was fraglos sehr schwierig ist, da es – wie bereits erwähnt wurde – jederzeit
möglich ist, sanktionslos einfach aufzuhören.
Diverse Aspekte des typischen Verhaltens von Abbrechern bei Online-Befragungen
und deren Motivationen wurden bereits in vorherigen Abschnitten kurz angesprochen.
Vor allem die fast immer auftretende Häufung von Abbrüchen in den ersten zwei bis drei
Fragen ist diesbezüglich unbefriedigend. Sie entsteht wohl meist durch schlichte Neugierde
der angesprochenen Personen, die dann offenbar sehr schnell schwindet, sobald die ersten
Fragen beantwortet werden sollen. Man kann diesen Verlauf insbesondere bei Befragun-
gen beobachten, die mit einer unpersönlichen Ansprache arbeiten (beispielsweise in Form
der Rekrutierung auf einer Website). Und zur Wahrheit gehört auch die Überlegung, dass
ein meist nicht bestimmbarer Anteil der Abbrecher später zurückkehrt und die Befragung
vollständig bearbeitet. Wenn ohne einen Umfragecode gearbeitet wird, dann kann eine
solche Person in der Regel nicht mehr aus der Abbrechermenge herausgerechnet werden.
Das sich ergebende Bild kann in diesem Fall also auch verzerrt sein.
Diese Annahme wird auch durch die Beobachtung gestützt, dass bei code-geschützten
Umfragen mit dem Versand eines Reminders insbesondere die Anzahl der Früh-Abbre-
cher in der Regel wieder deutlich zurückgeht, da eine substanzielle Menge von Personen
zum Fragebogen zurückkehrt, um diesen schließlich auch abzuschließen. Der Unter-
schied ist nun, dass diese Personen aufgrund des individuellen Umfragecodes als vorherige
Abbrecher „erkannt“ und mit dem Abschluss des Interviews aus der Menge der Abbrecher
automatisch wieder herausgerechnet werden.
Personen, die später in einem Online-Fragebogen die Bearbeitung abbrechen, weisen
eine andere Motivationslage auf als die „neugieren Frühabbrecher“. Spätere Abbrüche –
beispielsweise nach der Hälfte des Fragebogens – treten fast ausschließlich nur noch bei
Fragen auf, die erkennbar „mit Arbeit verbunden“ sind. Dieses sind insbesondere Fragen
oder Seiten mit umfangreichen Erklärungstexten, mit einer langen Liste von Antworten
zur Auswahl oder mit einer ganzen Reihe von Items zur Bewertung anhand einer Skala.
Gelegentlich wird auch bei Texteingabe-Fragen noch abgebrochen, auch wenn diese
nur freiwillig auszufüllen sind. Und es ist auch nachvollziehbar, dass das Auftreten von
356 5 Rekrutierung, Motivation und Verhalten von Befragungsteilnehmern

Spätabbrechern umso wahrscheinlicher wird, je länger der Fragebogen ist, wie es beispiels-
weise von Althoff und MacElroy (2009) [2] beschrieben wurde. Maßnahmen, die zur Ver-
ringerung der (Spät-)Abbrecherraten dienen können, sind beispielsweise:

• Eindeutige Fortschrittsanzeige im Fragebogen


• Erkennbare Aufhebung des Antwortzwangs bei umfangreichen oder komplexen Fra-
gen, insbesondere bei Matrixfragen
• Verteilen umfangreicher Matrixfragen auf mehrere Seiten mit jeweils wechselnder
Itemzahl
• Abwechslungsreiche Gestaltung des Fragebogenablaufs (Wechsel von Fragetypen)
• Kurze Fragetexte und Erklärungen
• Verzicht auf sich ständig wiederholende Erläuterungen (beispielsweise zur Skala)
• Einblenden von „Motivationsseiten“ gegen Ende des Fragebogens
• Ermöglichen des Wiedereinstiegs in einen bereits begonnenen Fragebogen

Quellenverzeichnis

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Research Review. February 2007. http://www.quirks.com/articles/2007/20070211.asp
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[2] Althoff, Stefan & MacElroy, Bill (2009). Should an online interview be fun?. In:
Quirk’s Marketing Research Review. January 2009. http://www.quirks.com/artic-
les/2009/20090106.aspx?searchID=862268994&sort=9. Zugegriffen: 02. April 2016.
[3] Bosnjak, Michael (2003). Teilnahmeverhalten bei Web-Befragungen – Nonresponse
und Selbstselektion. In: Theobald, Axel, Dreyer, Marcus & Starsetzki, Thomas (Hrsg.).
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[5] BVM (2016). Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. http://bvm.
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and Mixed-Mode Surveys: The Tailored Design Method, 3. Auflage. New Jersey: John
Wiley & Sons.
[9] ESOMAR (2012). 28 Questions to help Buyers of Online Samples. http://www.esomar.
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to-Help-Buyers-of-Online-Samples-September-2012.pdf. Zugegriffen: 02. April 2016.
Teilnehmermotivation und Teilnahmeverhalten 357

[10] Gittelman, Stephen & Filz, Martin (2010). Optimum Blending of Panels and Social
Network Respondents. Research Now, Marketing Inc.
[11] Greif, Victoria & Batinic, Bernad (2007). Die Bedeutung des Einladungsschreibens
für die Rücklaufquote in Online-Befragungen. In: Jahrbuch der Absatz und
Verbrauchsforschung. 53, S. 162-177.
[12] Hagenhoff, Winfried & Pfleiderer, Rolf (1998). Neue Methoden in der Online-
Forschung. In: Planung & Analyse. 25. Jg., Nr. 1, S. 26-30.
[13] Hurrelmann, Klaus & Albrecht, Erik (2014). Die heimlichen Revolutionäre – Wie die
Generation Y unsere Welt verändert. Weinheim: Verlag Beltz.
[14] Jue, Aaron (2012). Decipher White Paper: Participation of Mobile Users in Traditional
Online Studies. https://www.decipherinc.com/n/uploads/images/pages/Decipher_
Mobile_Research_White_Paper.pdf. Und: Participation of Mobile Users in Traditional
Online Studies Q4 2012 update. https://www.decipherinc.com/n/uploads/images/
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[15] Jue, Aaron (2014). Decipher White Paper: Mobile Participation in Online
Surveys. https://ww2.focusvision.com/wp-content/uploads/2015/03/FV_Dec_
MobileUpdateWhitePaper.pdf. Zugegriffen: 02. April 2016.
[16] Penzkofer, Peter (ohne Jahr). Wie kann man den Rücklauf bei Webbefragungen
erhöhen?. Institute for Advertising and Marketing Research. Vienna University of
Economics and Business Administration. http://wwgonline.at/media/documents/
zusammenfassung_da_penzkofer.pdf. Zugegriffen: 02. März 2014.
[17] Poynter, Ray (2010). The Handbook of Online and Social Media Research. Chichester:
John Wiley.
[18] Poynter, Ray, Williams, Navin & York, Sue (2014). The Handbook of Mobile Market
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[19] Smaluhn, Marc (2016). Die Marktforschung der Zukunft ist mobil. Research Now,
Marketing Inc.
[20] Thibaut, John W. & Kelley, Harold H. (1959). The Social Psychology of Groups. New
York et al.: John Wiley & Sons.
[21] Ward, Dana (1996). Workshop conducted at the Nineteenth Annual Scientific Meeting
of the International Society of Political Psychology, Vancouver, Canada. http://dward-
mac.pitzer.edu/workshop/workshop2.html. Zugegriffen: 02. April 2016.
[22] Zerr, Konrad (2003). Online-Marktforschung – Erscheinungsformen und
Nutzenpotentiale. In: Theobald, Axel, Dreyer, Marcus & Starsetzki, Thomas (Hrsg.).
Online-Marktforschung, 2. Auflage. S. 7-26. Wiesbaden: Gabler.
[23] Zerr, Konrad & Müller-Schneider, Thomas (2002). Postalische Vorankündigung bei
Online-Befragungen? In: Planung & Analyse - Zeitschrift für Marktforschung und
Marketing. Heft 4/2002, S. 56-59.
Studienabwicklung und -qualität in der
Praxis 6

In diesem Kapitel werden zunächst die wichtigsten Arbeitsschritte zur Durchführung einer
Online-Befragung beschrieben. Diese stellen einen groben Ablaufplan dar, der jedoch – je
nach Anlage, Inhalt, Zweck und Zielgruppe der Studie – spezifisch und individuell ange-
passt werden muss. Bei international bzw. länderübergreifend angelegten Befragungen
gibt es spezifische Besonderheiten zu beachten, die mit der Ausführung als Online-Befra-
gung zusammenhängen. Außerdem wird noch das wichtige Thema Datensicherheit und
Datenschutz diskutiert, das im Medium „online“ zurecht eine wichtige Stellung einnimmt
und das jedem Forscher bewusst sein sollte. Und schließlich geht es um die Qualität von
Online-Marktforschung, die im Hinblick auf diverse Gütekriterien zu diskutieren ist.

6.1 Typische Projektphasen in der Online-Marktforschung

Mehr oder weniger jedes Befragungsprojekt startet mit einer Konzeptions- oder Desig-
nphase, in der die wichtigsten Voraussetzungen geklärt werden sollten. Hierauf folgt die
Erstellungsphase, in der die technische Umsetzung der Online-Befragung und aller sonsti-
gen Elemente erfolgt. Die Testphase ist gleichfalls von hoher Bedeutung, da hier zu prüfen
ist, ob die technischen und methodischen Anforderungen auch erfüllt werden können.
Schließlich startet die Feldphase mit der Rekrutierung der Probanden und deren Teil-
nahme an der Befragung. Ein Projekt endet in der Regel mit der Analyse- und Anwen-
dungsphase, welche im Grunde der wichtigste Abschnitt ist, da nur die Ergebnisanwen-
dung sinngebend für das gesamte Projekt sein kann. Die folgenden Ausführungen der

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 359


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_6
360 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

einzelnen Phasen basieren auf dem – allerdings eher technisch orientierten – Info-Paper
von Globalpark (2005) [3].

6.1.1 Designphase

Die Designphase ist neben der Anwendungsphase die wichtigste Stufe eines jeden Markt-
forschungsprojektes. Hier werden die Grundlagen für den Erfolg gelegt und es entscheidet
sich, ob die im Späteren erhobenen Daten überhaupt zielführend eingesetzt werden kön-
nen. Grundlegende Fehler in der Anlage und Konzeption des Projektes, welche in die-
ser Phase begangen werden, lassen sich am schwierigsten später wieder korrigieren oder
aufarbeiten. Dennoch wird leider gerade dieser Phase nicht immer die nötige Aufmerk-
samkeit geschenkt. Allzu häufig wird ein Projekt zu spät begonnen, es entsteht interner
oder externer Zeitdruck und alle beteiligten Parteien haben nur noch das Ziel, möglichst
rasch „ins Feld“ zu kommen. Oftmals müssen die Ergebnisse unbedingt zum gewünschten
Datum vorliegen, so als wären sie ein paar Tage später völlig wertlos.
Im Idealfall nimmt man sich aber gerade für die Designphase genügend Zeit und ver-
sucht sich als Projektleiter über die folgenden Aspekte klarzuwerden:

• Ziele des Befragungsprojektes


Welches Thema wird behandelt? Welche Parteien sind beteiligt? Wie sollte die Daten-
lage idealerweise nach der Befragung sein (im Vergleich zu vorher)?
• Zu erfassende Daten / Zielgruppe
Welche Daten werden konkret benötigt, um das gesteckte Informationsziel zu errei-
chen und die benötigten Auswertungen durchführen zu können? Bei welchen Ziel-
gruppen können bzw. sollten diese Daten erhoben werden? Wie viele Teilnehmer wer-
den benötigt/erwartet?
• Inhalte des Befragungsprojektes
Was sind die konkreten Forschungsfragen? Welche Informationen werden konkret
benötigt, um die Forschungsfragen zu klären? Welche Einzelfragen sollen wem gestellt
werden?
• Erreichbarkeit
Welche Möglichkeiten der Kommunikation bestehen mit diesen Zielgruppen? Wie
kann man diese am besten erreichen und motivieren?

Ein neues Projekt ist umso einfacher zu planen, je mehr Erfahrungen den Forschern
bereits aus ähnlichen, vorherigen Projekten zur Verfügung stehen. In vielen Fällen gibt
es bereits Erfahrungswerte bezüglich der oben genannten Ausgangsfragen, welche in die
neuen Planungen einfließen können und in aller Regel auch sollten. Aber auch im ver-
meintlich simpelsten Falle einer sich wiederholenden oder neu aufgelegten Befragung ist
es meist empfehlenswert, die zuvor getroffenen Entscheidungen wenigstens einer kurzen
Prüfung zu unterziehen: Sind die Voraussetzungen bezüglich der Informationsbedarfe
Typische Projektphasen in der Online-Marktforschung 361

und Zielgruppen noch dieselben? Konnten die beim letzten Mal gewonnenen Ergebnisse
auch zielführend eingesetzt werden? Gab es Erkenntnisse darüber, welche Daten eventu-
ell zusätzlich wünschenswert gewesen wären? Sind bei der Durchführung Schwierigkei-
ten aufgetreten, die mit einfachen Änderungen eventuell vermeidbar wären? Die kurze
Beschäftigung mit diesen Fragen kann vielfach zu deutlich höherem Erkenntnisgewinn
führen, ohne die Vergleichbarkeit mit den Vorwellen einzuschränken.

6.1.2 Erstellungsphase

In der Erstellungsphase wird der benötigte Online-Fragebogen technisch umgesetzt.


Versierte Online-Marktforscher können bei weniger komplexen Projekten eventuell die
Design- und Erstellungsphase verknüpfen und den benötigten Fragebogen direkt in der
verwendeten Umfrage-Software kreieren. In aller Regel wird jedoch aus der Designphase
ein Fragebogen in einem anderen elektronischen Format (meist „Word“) hervorgegangen
sein, welcher nun in einer Online-Version umzusetzen ist. Fortgeschrittene Tools bieten
genau für diesen häufigen Fall entsprechende Importmöglichkeiten oder Fragenbibliothe-
ken an, mit denen sich der Prozess meist deutlich vereinfachen und beschleunigen lässt.
Falls auf frühere Befragungen zurückgegriffen werden kann, so bietet es sich häufig auch
an, eine bereits vorhandene Online-Befragung zu kopieren und inhaltlich wie optisch ent-
sprechend anzupassen.
Oftmals werden für die reine technische Umsetzung einer Online-Befragung Fach-
kräfte eingesetzt, die beispielsweise über eine besondere technische Expertise verfügen.
In diesen Fällen sind insbesondere die Abstimmungsprozesse zwischen Forscher und Pro-
grammierer sinnhaft und effektiv zu gestalten, damit das Ergebnis am Ende des Prozesses
sowohl den technischen Anforderungen genügt als auch die methodischen Wünsche des
Forschers befriedigt. Aufgrund dieser notwendigen Abstimmungen und Prüfungen ist die
Zweiteilung der Kompetenzen nicht immer die effizienteste Vorgehensweise, auch wenn
sie von der einen oder anderen Befragungs-Software mit technischen Hilfsmitteln unter-
stützt wird. Sie erlaubt es jedoch dem Forscher, sich mehr oder weniger aus der „lang-
weiligen Programmierarbeit“ herauszuhalten und nur mehr das Ergebnis der Erstellungs-
phase anzuwenden. Allerdings fällt in diesem Fall auch der Prüfprozess meist länger aus.
Aus diesem Grund gibt es auch nicht wenige Forscher, die sich in ihre Umfrage-Software
einarbeiten und ihren Online-Fragebogen selbst erstellen. Auf diese Weise haben sie von
Beginn an mehr Vertrauen in das erstellte Instrument.
In die Erstellungsphase fällt auch die Umsetzung des optischen Designs der Online-
Befragung. Dieses kann überaus einfach gehalten sein oder aber sich sehr streng an den
Design-Richtlinien eines externen Auftraggebers ausrichten. Mehr Informationen zum
Thema Fragebogen-Design finden sich in Abschnitt 2.5.
362 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

6.1.3 Testphase

Auch für einen erfahrenen Online-Marktforscher empfiehlt sich der Einbau einer Test-
phase, bevor eine Studie wirklich ins Feld geht (vgl. hierzu auch Gräf 2010, S. 53ff.) [4].
Wie bei anderen Projekten auch, ist es hier sehr wichtig, die Prüfung zumindest teilweise
auch von anderen Personen durchführen zu lassen. Pretests der im Folgenden beschrie-
benen Art sind für Online-Befragungen meist weniger aufwändig als in der klassischen
Marktforschung und darum auch viel einfacher durchführbar. Insbesondere ist es ein
Vorteil, dass gerade technische Fehler häufig im Handumdrehen online korrigiert werden
können und nachfolgende Tester von diesen nicht mehr belastet werden. Die Testphase
kann in unterschiedliche Abschnitte gegliedert sein:

• Test durch den Forscher selbst


Dieser Zwischenschritt ist entweder noch Teil der vorherigen Erstellungsphase bzw.
steht am Übergang zwischen Erstellungs- und Testphase. Hierbei wird die Online-
Befragung vom Forscher selbst oder von direkt beauftragten Personen vor allem in
technischer Hinsicht „auf Herz und Nieren“ untersucht. Prüfpunkte sind hier in erster
Linie die Korrektheit der Umsetzung der Vorlage sowie eine korrekte Filterführung
und sonstige methodisch-technische Aspekte wie zum Beispiel Screenout-Funktionen,
Randomisierungen, Plausibilitätsprüfungen, Fehlermeldungen etc.
• Expertenpretest
Beim Expertenpretest werden in der Regel andere Forscher einbezogen, um dem Test
eine breitere Basis zu geben. Hierbei kommt es vor allem auf die Verständlichkeit der
Fragen und auf den gesamten Aufbau bzw. die Dramaturgie des Fragenkonstruktes an,
welches diese Tester in der Regel zum ersten Mal sehen. Weitere Prüfpunkte können
handwerkliche Aspekte sein (Orthographie, Filterführung, Design auf verschiedenen
Plattformen).
• Pretest in der Zielgruppe
Auf diese letzte Pretestphase wird nicht selten aus Effizienzgründen verzichtet, vor
allem dann, wenn erfahrene Projektleiter mit entsprechender Expertise am Werke
sind. Bei dieser Art des Pretests sind in erster Linie die Verständlichkeit der Fragen
sowie die Komplexität des Umgangs mit dem gesamten Instrument von Bedeutung. Im
Grunde ist es eine Art „Trockenübung“ für die Live-Phase der Befragung, allerdings
unter ansonsten identischen Bedingungen.
• Soft Launch
Der bereits verschiedentlich erwähnte Soft Launch zum Feldstart des Projektes erfüllt
im Grunde auch noch einmal einen Testzweck. An dieser Stelle ist anhand der Online-
Statistiken vor allem darauf zu achten, dass keine nicht-erwarteten Abbrecher gehäuft
an bestimmten Stellen des Fragebogens auftreten, dass alle gewünschten Fragen den
Teilnehmern auch tatsächlich gestellt werden und dass die eingestellten Filter auch
„live“ funktionieren. Der Soft Launch ist im Normalfall auch die allerletzte Chance,
Fehler noch ohne größeren Schaden bereinigen zu können.
Typische Projektphasen in der Online-Marktforschung 363

6.1.4 Feldphase

Nachdem die Tests abgeschlossen sind, kann die Umfrage nun endlich „ins Feld gehen“,
wie der Marktforscher gerne sagt. Diese Phase wird inhaltlich an diversen Stellen des
Buches beschrieben, zum Beispiel die Durchführung von Einladungen in Abschnitt 2.1
bzw. andere Formen der Teilnehmer-Rekrutierung in Kapitel 5 oder das Teilnehmerver-
halten in Abschnitt 5.9.3. Für den durchführenden Forscher ist es während der Feldzeit
wichtig, seine Studie auch „im Blick“ zu haben. Gerade Online-Befragungen bieten ja die
wertvolle Möglichkeit, sich anhand der Statistiken jederzeit über den aktuellen Stand zu
informieren: Wie viele Teilnehmer liegen bereits vor bzw. sind jetzt gerade aktiv? Wie viele
haben abgebrochen und wo genau ist das jeweils passiert? Werden alle Fragen gestellt und
auch beantwortet? Funktioniert die Filterführung korrekt? Gibt es eventuell ein techni-
sches Problem für die Probanden? Ist es eventuell notwendig, im laufenden Betrieb der
Umfrage doch noch Korrekturen vorzunehmen?

Praxisbeispiel
Eine Online-Kundenbefragung wurde vor der Feldphase umfangreichen Tests unterzo-
gen. Aufgrund dieser Tests waren die beteiligten Forscher sicher, alles richtig gemacht
zu haben und ließen die aufwändige Rekrutierung starten. Sie versäumten es jedoch,
zeitnah die Live-Statistiken zu kontrollieren. Hätten sie dies getan, so hätten sie frühzei-
tig bemerken können, dass eine der Fragen keinem einzigen Teilnehmer gestellt, son-
dern von allen übersprungen wurde. Dies wurde erst kurz vor dem Feldende bemerkt,
als bereits über 400 Personen teilgenommen hatten.
Nun stellte sich heraus, dass bei der bewussten Frage in einer frühen Phase der Erstel-
lung ein Filter einprogrammiert wurde, der sich auf die Code-Steuerungsdatei der
Befragung bezog. In Folge einer Umstrukturierung des Fragebogens war dieser Filter
dann später nicht mehr notwendig, er wurde aber in der Programmierung nicht ent-
fernt. Während der durchaus umfangreichen Tests wurde die Frage stets korrekt ange-
zeigt, da hierbei ohne eine Code-Steuerungsdatei gearbeitet wurde und der beschrie-
bene Filter somit inaktiv war. Erst mit dem Upload der Code-Steuerungsdatei kurz vor
dem Feldstart entstand das Problem: der Filter „suchte“ nun die entsprechende Infor-
mation in der Datei und fand sie nicht, damit war die Fragebedingung nicht erfüllt und
das Programm führte die Teilnehmer direkt zur Folgefrage.
Durch zusätzliche Anschreiben weiterer Kunden konnte das entstandene Datenpro-
blem schließlich abgemildert werden. Die damit verbundenen Zusatzkosten gingen
jedoch zu Lasten des Instituts und wären durch einen rechtzeitigen Check der Statisti-
ken zu Beginn der Feldzeit vermeidbar gewesen.

Neben der Kontrolle des Rücklaufs und der Durchführung von Einladungen und
Remindern hat der Forscher zu dieser Zeit meist nur wenige andere Tätigkeiten, die sich
direkt auf die Feldphase beziehen. Mitunter meldet sich der eine oder Teilnehmer per
E-Mail bei der durchführenden Institution mit einer Frage oder einem Problem. Diese
364 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

Nachrichten sind aber nur dann wirklich zahlreich, wenn ein echtes technisches Problem
mit der Online-Befragung vorliegt, das sich auch auf viele Personen auswirkt. Viele For-
scher beginnen während der Feldzeit darum mit den Vorbereitungen für die Auswertung
der Befragung, womit die letzte Phase startet.

6.1.5 Analyse- und Anwendungsphase

Aus Sicht des Autors ist die letzte Projektphase, in der die erhobenen Daten analysiert,
interpretiert und vor allem angewendet werden, die wichtigste Phase im Rahmen eines
Befragungsprojektes. Sicher gab und gibt es in der Historie der Marktforschung eine
beeindruckend große Zahl an Umfragen, deren Daten im Endeffekt dann doch nicht mehr
benötigt wurden oder deren Auswertungen aus diversen Gründen einfach in der Schub-
lade verschwanden. Und jeder (Online- wie Offline-)Marktforscher kennt ein oder zwei
solche Projekte aus eigener Erfahrung. Wenn aber die erhobenen Informationen – aus
welchen Gründen auch immer – keine Anwendung finden, dann war das schöne Projekt
nicht mehr als eine nette akademische Übung mit mehr oder weniger hoher intellektueller
Herausforderung. Mit anderen Worten: in der Analyse- und Anwendungsphase entstehen
erst der Sinn und die Existenzberechtigung von Marktforschung.
Vor dem Start der Analyse sollte man sich zunächst noch einmal die ursprünglichen
Erkenntnisziele des Projektes vor Augen führen und hieraus ableiten, welche Analysen
und Darstellungsformen diese Ziele am besten unterstützen können. Ebenso ist auf eine
gewisse „Adressatengerechtigkeit“ zu achten, das bedeutet, die Anpassung der Komplexität
der Verfahren an die mehr oder weniger ausgeprägten analytischen Kenntnisse der Aus-
wertungsempfänger. In sicher nicht wenigen Fällen ist diesen Empfängern und Anwendern
beispielsweise mit einer Auszählung einfacher Häufigkeiten oder der Darstellung von Mit-
telwerten viel besser gedient als mit einer komplexen Regressions- oder Faktorenanalyse.
Zuletzt sollte man sich noch Gedanken machen über die vorherrschende Auswertungsper-
spektive: Geht es eher darum, auf die Gesamtmenge an vorliegenden Daten zu schauen?
Oder liegt der Fokus eher in der Analyse einzelner Untergruppen der Stichprobe?
Auch bezüglich der verwendeten Daten ist eine Entscheidung zu treffen: Möchte man
ausschließlich die Daten derjenigen Teilnehmer verwenden, die die Online-Befragung
bis zum Ende ausgefüllt haben? Oder soll zusätzlich noch auf die Daten der Abbrecher
zurückgegriffen werden, um die Datenbasis bei den vorderen Fragen zu verbreitern?
Schließlich liegen diese Daten bei Online-Befragungen bis zum Zeitpunkt des jeweiligen
Abbruchs ja vor und könnten mitverwendet werden. Bei den meisten Projekten wird man
sich wohl dafür entscheiden, die Abbrecher-Daten gar nicht zu verwenden. Vielfach dürfte
der Grund hierfür sein, dass unterschiedliche Basiszahlen bei verschiedenen Fragen ein
Stück weit willkürlich wirken und unnötigen Erklärungsbedarf herausfordern können.
Oder es werden grundsätzlichere, methodische Gründe genannt. Gelegentlich hört man
auch den Einwand, den abbrechenden Teilnehmern sei vielleicht gar nicht klar, dass ihre
Typische Projektphasen in der Online-Marktforschung 365

Daten trotzdem verwendet werden könnten. Es läge also möglicherweise kein implizites
Einverständnis der Probanden für die Datenverwendung vor.
Falls der Forscher sich nun doch dazu entschließt, Abbrecher-Daten einzubeziehen, so
ist es kaum sinnvoll, wirklich alle vorliegenden Daten zu verwenden, also auch die Daten
derjenigen, die bei den ersten paar Fragen bereits ausgestiegen sind. In aller Regel wird
man je nach Datenlage sowie nach Fragebogenaufbau eine sinnvolle Festlegung machen,
wie viele Fragen von einem Teilnehmer mindestens beantwortet sein müssen, um in der
Analyse berücksichtigt zu werden.
Auf gängige Analysemethoden oder empfohlene Auswertungsinhalte soll an dieser
Stelle nicht weiter eingegangen werden. Hierzu gibt es bereits eine ausreichende Zahl an
guten Lehrbüchern. In der heutigen Zeit nicht ganz unwichtig ist aber die Art der Ergeb-
niskommunikation. Passend zur modernen Form der Online- oder Mobil-Befragung bie-
ten sich vordergründig auch Online-Plattformen zur Ergebnisvermittlung an. Hierfür hat
sich der Begriff der „Online-Dashboards“ oder schlicht „Dashboards“ durchgesetzt. Es gibt
mittlerweile auch schon eine substanzielle Anzahl von Anbietern, die sich gar nicht mehr
der Forschung selbst widmen, sondern sich ausschließlich auf die möglichst effiziente (und
gefällige) Online-Darstellung von Daten spezialisiert haben. Sicher kann der Online-For-
scher leicht auf entsprechende Software-Produkte zurückgreifen. Es sollte jedoch wenigs-
tens die Überlegung angestrengt werden, wem man da seine Daten oder die Daten seiner
Kunden zur Online-Analyse überlässt. Dem einen oder anderen mag gar nicht so klar
sein, dass der ausgewählte Dienstleister natürlich auf die Daten zugreifen und diese spei-
chern muss, um die hübschen Charts erstellen zu können. Die datenschutz-rechtliche Lage
sollte also unbedingt zuvor geklärt werden. Ebenso sollte bedacht werden, dass nicht jeder
Empfänger von Marktforschung auf die rein elektronische Vermittlung von Daten steht
oder mit deren spezifischen Vor- und Nachteilen vertraut ist. Häufig genug wird vom Auf-
traggeber nach wie vor die mehr oder weniger schlichte PowerPoint-Präsentation präfe-
riert, die man sich abspeichern, ausdrucken und auf der man handschriftliche Notizen und
Anmerkungen machen kann.
Wie auch immer die Auswertungen zur Verfügung gestellt oder präsentiert werden:
Rein inhaltlich kommt es darauf an, die vorhandenen Daten nicht nur möglichst zielgrup-
pen-verständlich darzustellen, sondern auch Informationen zu verdichten und auf das
Wesentliche derselben zu reduzieren. Gleichwohl sollten bei der Verdichtung aber nicht
zu viele Feinheiten verloren gehen oder verdeckt werden. Oftmals ist sowohl die Gesamt-
als auch die Detailsicht notwendig, um ein umfassendes Bild der Umfrageergebnisse zu
vermitteln.
Da die Auswertung im Rahmen des Gesamtprojektes in erster Linie der zielbezogenen
Anwendung dienen soll, bietet es sich nach Möglichkeit auch an, bereits aus den Daten
selbst heraus eine Art Gewichtung oder Priorisierung der Ergebnisse abzuleiten. Dies
wird vielfach mit sogenannten Treiber- oder Portfolio-Analysen versucht. Zu beachten
ist allerdings, dass es sich dabei um rein datenbasierte Empfehlungen handelt, die nichts
oder wenig mit den Strategien des Auftraggebers zu tun haben müssen. Sie dürfen – ganz
abgesehen von der empirischen Ergebnissen so gut wie immer innewohnenden Unschärfe
366 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

– niemals ungefiltert als unverrückbare „Wahrheiten“ übernommen, sondern müssen


sorgfältig interpretiert bzw. hinterfragt werden.
Nicht selten gehört es auch zu den Erwartungen eines Auftraggebers, dass der oder
die Forscher nicht nur die erzielten Ergebnisse darstellen sollen, sondern auch entspre-
chende Handlungsempfehlungen daraus ableiten mögen. Hieraus ergibt sich mitunter ein
Problem, wenn der beauftragte (externe) Forscher zwar durchaus die benötigte Metho-
denkenntnis und ebenso die für eine objektive Analyse erforderliche Unabhängigkeit
mitbringt, ihm jedoch die spezifischen Fachkenntnisse aus der Branche bzw. des Auftrag
gebenden Unternehmens schlichtweg fehlen. In solchen Fällen empfiehlt sich durchaus der
ehrliche Hinweis auf genau diesen Umstand, bevor ein Unternehmen mit gutgemeinten,
aber letztlich nicht praxistauglichen bzw. falschen Empfehlungen in die Irre geleitet wird.

6.2 Internationale Online-Befragungen

Einer der Vorteile der Online-Befragung ist es bekanntermaßen, dass sie sich vergleichs-
weise einfach in vielen verschiedenen Ländern und folgerichtig auch in diversen Sprach-
varianten anbieten lässt. Durch die netzwerk-basierte Datenerhebung macht es rein tech-
nisch kaum einen Unterschied, ob Personen in Deutschland die Umfrage ausfüllen oder
in Kanada, Australien, Japan oder China. Der Zugang zum Internet ist in den entwickelten
Ländern in aller Regel kein Problem mehr. Und potenzielle Teilnehmer kann der Forscher
entweder selbst anschreiben oder im Konsumentenbereich über internationale Access
Panels rekrutieren. Dennoch gibt es noch das eine oder andere Detail bei Projekten dieser
Art zu beachten, wie im Folgenden illustriert wird:

Landesspezifische Einflüsse
Nicht in allen Ländern ist die Beliebtheit von Online-Befragungen gleich hoch, auch wenn
die Verbreitung von Internet-Anschlüssen meist kein Problem mehr ist. Auch unter den
modernen Industrienationen gibt es einige Staaten, in denen nach wie vor die traditionel-
len Offline-Forschungsmethoden den Ton angeben und man den Umgang mit Online-
Befragungen entsprechend weniger gewohnt ist (Poynter 2010, S. 262) [5].
Auch die Qualität der Arbeit der Access Panels – falls solche zur Teilnehmer-Rekru-
tierung benötigt werden – ist nicht überall dieselbe, auch wenn die betreffenden Anbieter
vorgeben, international tätig zu sein. In manchen Fällen wird die Abwicklung einer Studie
ohne Wissen des Endkunden auf einen Partner vor Ort übertragen, was einerseits posi-
tive Effekte, andererseits aber auch Probleme durch Informationsverluste oder technische
Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Bei anderen Studienformen, beispielsweise inter-
nationalen B2B-Kundenbefragungen, kann es hingegen extrem wichtig sein, Ansprech-
partner vor Ort zu haben, die dazu in der Lage sind, eventuelle Fragen der Teilnehmer in
der Landessprache zu beantworten oder die im Fall von Problemen zur Verfügung stehen.
Ein Aspekt, der nicht selten vergessen oder als nicht so wichtig erachtet wird, ist
die Problematik der Verwendung der vermeintlich gleichen Sprache in verschiedenen
Internationale Online-Befragungen 367

Ländern. Der Klassiker ist sicherlich die Unterscheidung zwischen britischem und ameri-
kanischem Englisch. Aber es gibt noch viele andere Variationen, zum Beispiel: Französisch
für Frankreich oder für Kanada? Portugiesisch für Portugal oder für Brasilien? Spanisch
für Spanien oder Lateinamerika? Hier kann es durchaus Begrifflichkeiten geben, die in
einem der beiden Gebiete falsch oder gar nicht verstanden werden. Oder es fühlen sich
Teilnehmer – beispielsweise in Mexiko – nicht ernstgenommen, wenn ihnen nur europäi-
sches Spanisch angeboten wird. Diese Aspekte sind bei der Durchführung von Umfragen
in den entsprechenden Ländern zu beachten und es müssen entweder separate Überset-
zungen oder solche Fassungen verwendet werden, welche in allen vorgesehenen Regionen
funktionieren.
Auch bei der Vergabe von Incentives sollten länderspezifische Besonderheiten Beach-
tung finden. In manchen Ländern sind Glücksspiele komplett verboten, und dazu gehö-
ren dann auch eventuelle Verlosungen nach einer Umfrageteilnahme. Gelegentlich gelten
monetäre Incentives auch als Einkommen und müssten von den Teilnehmern versteu-
ert werden. Auch kulturelle Besonderheiten bei der Verwendung von Incentives sind zu
berücksichtigen: Was ist in den betreffenden Ländern gang und gäbe? Was ist überhaupt
erlaubt? Von welcher Incentivierung ist die beste Wirkung in Bezug auf die Stimulation des
Rücklaufs zu erwarten?
Letztlich können auch saisonale Faktoren eine entscheidende Rolle in Bezug auf den
Erfolg oder Misserfolg eines Projektes haben. In manchen Ländern – etwa in Frank-
reich – gibt es zum Beispiel traditionell gefestigte Ferien- bzw. Urlaubszeiten, zu denen
die Durchführung von Umfragen deutlich erschwert ist. Auch klimatische Bedingungen
sind zu beachten, wenn eine Online-Befragung zeitgleich in Ländern der nördlichen sowie
südlichen Hemisphäre durchgeführt wird: je nach Jahreszeit werden die Ergebnisse –
etwa zu Eiscreme, Badebekleidung oder Heizungsanlagen – im Süden bzw. Norden etwas
abweichend ausfallen, wenn im einen Fall eine Hitzewelle und im anderen eine Kältefront
vorherrschen.

Übersetzungen
Das Ziel einer international angelegten Online-Befragung sollte es sein, den meisten Per-
sonen die Befragung in ihrer Muttersprache oder zumindest in ihrer Landessprache auszu-
liefern. Denn nur in diesem Fall kann gewährleistet werden, dass die Teilnehmer die Fra-
gen rein semantisch auch so verstehen, wie es vom Forscher intendiert ist. Hierbei sollte
jedoch nicht zuletzt das Verhältnis von Nutzen und Kosten im Auge behalten werden. Es
ergibt beispielsweise kaum einen Sinn, eine separate Übersetzung nur für einige wenige
Teilnehmer anzufertigen.
Das Management der Übersetzungen sollte in jedem Fall als separater Zeitblock in
die Gesamt-Terminierung eingeplant werden. Nicht selten wird dieser Teil als nachrangig
betrachtet oder nur als rein operative Tätigkeit angesehen. Er kann jedoch erst beginnen,
wenn der Fragebogen und die begleitenden Texte in der Ausgangsprache final vorliegen.
Bereits der Termin hierfür wird bei vielen Projekten gerne mal überschritten, weil man zu
optimistisch geplant hat. Die Übersetzungen selbst dauern – je nach Länge des Fragebogens
368 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

– dann auch noch einmal ein paar Tage bis eine Woche. Und sie halten fast alle nachfolgen-
den Schritte auf, insofern ist diese Projektphase oftmals ein echter „Flaschenhals“.
Die Übersetzung eines Fragebogens in eine andere Sprache ist darüber hinaus ein nicht
zu unterschätzender Vorgang, da es sehr stark auf Details ankommt. Nicht immer herrscht
bei den für diese Aufgabe in der Regel eingeschalteten Übersetzungs-Agenturen die hier-
für nötige Sensibilität vor. Hinzu kommt, dass diese Agenturen natürlich mit einer Viel-
zahl unterschiedlicher Übersetzer zusammenarbeiten, welche die Aufgabe unterschiedlich
ernst nehmen. Das Verständnis, dass es auf jeden einzelnen Satz ankommt und dass eine
geringfügig erscheinende Abweichung den Sinn einer Frage oder eines Items teilweise bis
vollständig ändern und damit die Ergebnisse unbrauchbar machen kann, ist eben unter-
schiedlich verteilt.
Aus diesem Grund ist es so gut wie immer empfehlenswert, die übersetzten Versio-
nen noch einmal gegenprüfen zu lassen, zum Beispiel von einer internen Abteilung des
Auftraggebers im betreffenden Land. Hierbei können dann (zum Beispiel bei einer Kun-
denbefragung) auch noch unternehmenstypische Fachbegriffe in der betreffenden Spra-
che berücksichtigt werden. In jedem Fall sollte dieser Sicherheits-Check von einer Per-
son vorgenommen werden, die auch die Ausgangssprache beherrscht, so dass nicht nur
geprüft werden kann, ob die Texte flüssig formuliert und orthographisch-grammatikalisch
korrekt sind, sondern auch, ob der Sinn der gleiche ist wie in der Ausgangssprache. Der
letzte Punkt ist außerordentlich wichtig, denn es kommt durchaus vor, dass sich ein Prü-
fer befleißigt fühlt, den Fragebogen insgesamt etwas umzuarbeiten oder unbedeutend
erscheinende Items durch vermeintlich wichtigere zu ersetzen, so dass das Ganze dann für
ihn sinnvoller und stimmiger erscheint. Dies kann aber nicht Sinn der Sache sein und die
Befragungsergebnisse letztlich auf den Kopf stellen, weshalb die prüfende Person klar und
deutlich bezüglich ihrer eigentlichen Aufgabe aufzuklären ist.

Software-Unterstützung
Rein technisch hilft bei der Umsetzung einer solchen Online-Befragung oftmals die ver-
wendete Umfrage-Software ein gutes Stück mit, indem sie etwa eine Exportfunktion zur
Generierung einer Textdatei in der jeweiligen Ausgangssprache anbietet. Diese Datei kann
dann vom Übersetzer bearbeitet und die hieraus entstandene Übersetzung schlussend-
lich wieder in die Umfrage-Software eingespielt werden, womit ein erheblicher Aufwand
für die technische Erstellung der Sprachvarianten deutlich reduziert wird. Darüber hinaus
gibt es Befragungs-Software, welche bereits Standardtexte in vielen verschiedenen Spra-
chen enthält. Es geht dabei um Statushinweise des Programms an die Umfrageteilnehmer,
wenn diese beispielsweise die Antwort auf eine Pflichtfrage vergessen oder einen Zahlen-
wert außerhalb des erlaubten Bereiches eingeben (siehe hierzu auch Abschnitt 2.2.3). Es
ist enorm hilfreich, wenn diese benötigten Texte, deren Anzahl durchaus beträchtlich sein
kann, als Standard bereits in den beim jeweiligen Projekt benötigten Sprachen vorliegen.
Auf die Übersetzung und vor allem den Funktionscheck derselben kann dann in der Regel
verzichtet werden.
Internationale Online-Befragungen 369

Sprachauswahl in Einladung und Befragung


In Bezug auf die E-Mail-Einladung zu einer mehrsprachigen Online-Befragung wird ent-
weder so verfahren, dass einem Teilnehmer alle verfügbaren Sprachen untereinander ange-
ordnet zur Verfügung gestellt werden, wobei im Kopf der E-Mail – eventuell mit einem
klickbaren Ankerlink – auf die darunter folgenden, weiteren Sprachen verwiesen werden
sollte (siehe Abbildung 6.1). Oder ein Proband bekommt die Einladung in der für ihn
als korrekt angenommenen Sprachversion, was allerdings die Gefahr von Fehlzuordnun-
gen einschließt. Darum wird nicht selten unter die erste Sprache noch der englische Text
platziert in der Annahme, dass diese Alternativsprache am wahrscheinlichsten verstanden
wird. In Einzelfällen entscheidet man sich aus Effizienzgründen auch dafür, die Einladung
ausschließlich in einer Sprache vorzunehmen (in der Regel dann Englisch) und erst bei
der eigentlichen Umfrage eine Auswahlmöglichkeit anzubieten. Dann sollte man aber klar
darauf hinweisen, dass nur die Einladung auf Englisch versendet wurde, der Fragebogen
aber noch in weiteren Sprachen verfügbar ist. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht
werden, dass man in die Einladung einen sofort auffälligen Start-Button mit der Aufschrift
„Choose language and start survey“ platziert.
Werden in der E-Mail-Einladung bereits alle verfügbaren Sprachen der eigentlichen
Umfrage verwendet, so bietet es sich an, in den einzelnen Abschnitten der E-Mail bereits
Umfragelinks zu platzieren, welche direkt zur korrespondierenden Umfragesprache füh-
ren. Eine erneute Sprachauswahl zum Start der Befragung wäre dann eher verwirrend.
In allen anderen Fällen sollte die Umfragesprache allerdings unabhängig von der Spra-
che der Einladung gewählt werden können. Dem Eingeladenen werden dann nach Aufruf
des Umfragelinks per Auswahl die verfügbaren Sprachversionen des Fragebogens ange-
boten, gelegentlich auch illustriert durch korrespondierende Länderflaggen (siehe Abbil-
dung  6.2). Die für die Umfrage dann einmal gewählte Sprache ist entweder fixiert und
kann nicht mehr geändert werden. Oder es gibt die Möglichkeit, während der Teilnahme
bzw. nach einem Neustart die Sprache zu wechseln. Die einmalige Festlegung erscheint
unflexibel, ist aber dafür zielorientiert für eine rasche Teilnahme, während die Wechsel-
möglichkeit sicher komfortabler ist, aber eventuell auch zum „Herumspielen“ verleitet. In
jedem Falle ist technisch zu gewährleisten, dass der Fragebogen nicht mehrfach in ver-
schiedenen Sprachen ausgefüllt werden kann.

Abb. 6.1: Verweis auf weitere Sprachen im Kopf der Einladung


370 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

Abb. 6.2: Sprachauswahl zum Start einer Online-Befragung

Kulturelle Einflüsse
Schließlich sei in diesem Abschnitt noch auf die Einflüsse hingewiesen, welche durch die
jeweilige Landeskultur verursacht werden können. Denn nicht alles, was wir in unseren
westlichen Kulturen mehr oder weniger einheitlich verstehen, funktioniert genauso auch
in allen anderen Ländern. Kulturelle Faktoren und gesellschaftliche Wertvorstellungen
und Normen können ganz erheblich darauf einwirken, wie Menschen beispielsweise eine
Kundenbeziehung bewerten oder ihr Umfeld wahrnehmen. Dies beginnt bereits mit dem
Bildungssystem, welches von den Menschen eines Landes bzw. einer Kultur größtenteils
in recht ähnlicher Form durchlaufen wird. So kann man beispielsweise häufig davon aus-
gehen, dass Chinesen oder Japaner viele Dinge weniger kritisch bewerten, weil sie nicht
möchten, dass jemand sein Gesicht verliert. Es fällt ihnen mitunter auch schwer, soziode-
mographische Fragen zu beantworten oder auch einmal ein „Nein“ anzugeben. Demge-
genüber sind gerade deutsche Probanden nicht selten sehr ehrlich und anspruchsvoll und
empfinden eine Einstufung vielleicht noch als gut, die für einen Chinesen eine Beleidigung
wäre. Was ein Stück weit auch damit zusammenhängt, dass unterschiedliche Kultur- und
Sprachkreise Skalenbeschriftungen verschieden stark interpretieren, worauf beispielsweise
auch Cape (2016) [2] in seiner amüsant zu lesenden Abhandlung Bezug nimmt.
Fatal kann sich auch die Verwendung von Zahlen in einer Skala auswirken: Die ver-
meintlich „schöne“ deutsche Schulnotenskala beispielsweise wird in vielen europäischen
Ländern genau anders herum verwendet und die 5 oder die 6 ist die beste Note, nicht
Datensicherheit und Datenschutz bei Online-Befragungen 371

die schlechteste. Bei internationalen Umfragen sollte also auf eine Skalenbeschriftung mit
Zahlen lieber verzichtet werden. Gleichfalls problematisch ist die beliebte Verwendung
von Smileys als Skalenpunkte. Hierbei ist es durchaus möglich, dass ein lachendes Smi-
ley in manchen Kulturkreisen als „Fratze“ oder „verrückt“ empfunden wird, während das
unzufriedene Smiley eher Ernsthaftigkeit oder Seriosität zum Ausdruck bringt.
Hinzu kommen vielfach semantische Feinheiten, die zu beachten sind. Das heißt, so
wie wir uns zum Beispiel in Deutsch oder Englisch ausdrücken, „funktioniert“ es in Japa-
nisch vielleicht überhaupt nicht. Denn die Wörter einer Sprache beziehen sich auf die vom
Menschen geschaffene Vorstellung, die von diesem Wort oder Objekt ausgelöst wird. Und:
Nicht für jedes Wort gibt es in jeder Sprache ein perfektes Synonym. Stellenweise sind
ganz andere Satzkonstruktionen erforderlich oder bestimmte Begriffe müssen mühsam
umschrieben werden. Wenn man es ganz genau machten möchte, so bietet sich das Ver-
fahren der Rückübersetzung an. Dabei wird der in eine Fremdsprache übersetzte Frage-
bogen von einem anderen Übersetzer wieder zurück in die Ausgangssprache transferiert.
Die Logik dahinter ist, dass die ursprüngliche Übersetzung umso besser war, je näher die
Rückübersetzung am Original bleibt. Selbstredend ist dies natürlich ein sehr aufwändiges
Verfahren, vor allem dann, wenn eine Vielzahl von Sprachen zu berücksichtigen ist.

Textantworten
Ein Aspekt, der mitunter bei der Projektplanung übersehen wird, ist die mögliche Ent-
stehung von Texten in verschiedenen Sprachen, die bei offenen Antwortfeldern eingege-
ben werden. Falls eine zentrale Auswertung dieser Texte beabsichtigt ist, so müssen diese
häufig zuerst rückübersetzt werden in eine einheitliche Sprache, die vom Vercoder auch
zuverlässig verstanden wird. Eine zweite Möglichkeit ist die Übersetzung der zuvor zentral
vergebenen Kategorien und die Verwendung von lokalen Vercodern, welche die jeweilige
Landessprache beherrschen. Dieses Vorgehen geht jedoch von einem bereits vorhandenen
Kategoriensystem aus und ist kaum dazu geeignet, in den Texten neue Zusammenhänge zu
entdecken, an die zuvor nicht gedacht worden ist.

6.3 Datensicherheit und Datenschutz bei Online-Befragungen

Das Thema „Datensicherheit und Datenschutz“ sollte bei der Durchführung einer jeden
Online-Befragung ein wichtiges sein (siehe hierzu auch den Expertenbeitrag von Ulrich
Schäfer-Newiger und Andrea Schweizer in Kapitel 4 dieses Buches). Die zentralen Fragen,
die sich ein Forscher dabei stellen sollte, sind in etwa folgende:

• Wo genau befinden sich meine Umfragedaten rein physisch im Moment der Aufzeich-
nung bzw. im Moment der Teilnahme?
• Welche Möglichkeiten bestehen eventuell, Daten unterwegs abzufangen, also im
Moment der Umfrageteilnahme? Wird eine Verschlüsselung angeboten?
372 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

• Wo werden die Befragungsdaten sonst noch gespeichert bzw. wohin werden sie mögli-
cherweise transferiert und in welcher Form?
• Welche Institutionen und Personen haben potenziell Zugriff auf die gespeicherten
Daten und welche Interessen könnten diese verfolgen?
• Wie lange werden die Daten gespeichert und wer hat die technische bzw. rechtliche
Kompetenz zur Löschung oder zum Transfer der Daten?
• Welchen vertraglichen Verpflichtungen hat sich der „Datenspeicherer“ unterworfen?
Welche direkte oder indirekte Beziehung hat er zum Eigentümer der Daten?
• Inwieweit handelt es sich bei den Daten um personenbezogene Daten oder inwieweit
ist ein Personenbezug potenziell herstellbar?
• Wer verfügt über die notwendigen Informationen, um einen Personenbezug
herzustellen?
• Wie anonym sind meine Befragungsteilnehmer? Durch welche Mechanismen wird
Anonymität gewährleistet (siehe hierzu auch Abschnitt 5.8)?

Es ist offensichtlich, dass es bei der Beantwortung dieser Fragen einen bedeutenden
Unterschied macht, ob der durchführende Forscher die notwendige technische Infrastruk-
tur selbst betreibt oder sich hierfür eines Dienstleisters bedient. Befragungen auf eigenen
Servern bringen den Vorteil mit sich, dass man eine höhere Kontrolle über die Daten hat
und genau weiß, was damit geschieht oder nicht geschieht. Der Nachteil allerdings ist,
dass man sich dann nicht nur mit den Inhalten, sondern auch mit der Technik der Befra-
gung beschäftigen muss und dafür letztlich auch die Verantwortung trägt. Aus diesem
Grund wird häufig ein Dienstleister in diesen Prozess eingeschaltet, der den Technik-Teil
und eventuell noch weitere Leistungen im gesamten Forschungsprozess übernimmt. In
Abschnitt 1.3 wurde bereits auf unterschiedliche Arten von Dienstleistern verwiesen.
Im Normalfall kommt es bei der Beauftragung eines Dienstleisters für eine Online-
Befragung dann zu einer sogenannten Auftragsdatenverarbeitung. Das bedeutet, der
Dienstleister verarbeitet im Auftrag Daten des Forschers bzw. von dessen Institution. Da
es sich bei Umfragen üblicherweise um personenbezogene Daten handelt, lohnt sich ein
Blick ins Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), in dem der Umgang mit Daten solcher Art
geregelt ist. Paragraph 11 des BDSG befasst sich nun genau mit der beschriebenen „Erhe-
bung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im Auftrag“ und enthält
diverse Vorschriften, welche Dinge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vertrag-
lich zu regeln sind. Hierauf basierend wird zwischen den beiden Parteien in aller Regel
eine separate „Vereinbarung über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag“
geschlossen. Wichtig zum Verständnis solcher Vereinbarungen ist, dass der Auftraggeber
nach wie vor für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen der Datenschutzgesetze
verantwortlich bleibt, da es sich um seine Daten handelt, die er mit dem Einverständnis der
zugehörigen Personen speichert. Wenn der Auftraggeber die Daten nun weitergibt, kann
er diese Verantwortung nicht einfach mitabgeben, sondern er muss seinen Dienstleister
zunächst sorgfältig und unter Prüfung von dessen technisch-organisatorischen Maßnah-
men (TOMs) auswählen, ihm dann schriftlich entsprechende Weisungen zum Umgang
Qualität von Online-Marktforschung 373

mit den Daten erteilen und sich entsprechende Kontrollrechte einräumen. Bei der Aus-
wahl bzw. Bewertung eines Dienstleisters können folgende Fragen bei der Beurteilung hel-
fen, wie ernst es dieser tatsächlich mit dem Datenschutz meint:

• Reagiert der Dienstleister auf allgemeine Anfragen zum Datenschutz überrascht und
hektisch oder vorbereitet und souverän?
• Hat der Dienstleister einen Beauftragten für Datenschutz bestimmt?
• Existiert ein schriftliches Konzept für Datensicherheit und Datenschutz? Wirkt dieses
durchdacht, individuell und dem Thema angemessen oder eher wie abgeschrieben?
Wann wurde es zuletzt aktualisiert?
• Erfüllt der Dienstleister die ISO-Norm 27001 (Anforderungen an ein dokumentiertes
Informationssicherheits-Managementsystems unter Berücksichtigung der IT-Risiken)
und/oder andere Normen in diesem Kontext?
• Antwortet der Dienstleister auf Detailfragen bezüglich Datenschutz pro-aktiv, indivi-
duell und professionell oder reagiert er zögerlich, ausweichend, genervt und nur mit
Allgemeinplätzen?
• Verfügt der Dienstleister über eine eigene, technische Infrastruktur oder wird diese
wiederum „zugekauft“? Können für den/die Unterauftragnehmer des Dienstleisters
dieselben rechtlichen Forderungen geltend gemacht werden?

Wichtig für das tatsächliche Niveau der Datenschutz-Aktivitäten eines Dienstleisters


ist aber weniger die Erfüllung von Normen als das, was tatsächlich von den dortigen Mit-
arbeitern gelebt wird. Die schönste ISO-Zertifizierung nützt nichts, wenn der Projektlei-
ter dem Kunden zum Beispiel vertrauliche Daten unverschlüsselt per E-Mail zukommen
lässt oder wenn zwar eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung existiert, man es
mit deren Einhaltung aus Bequemlichkeit aber nicht so genau nimmt. Nicht unbedingt
der Umfang und die Fülle der Maßnahmen entscheiden: Viel hilft nicht unbedingt viel.
Sondern die Maßnahmen müssen effektiv sein in Bezug auf den zu erfüllenden Zweck,
nämlich den Schutz der Daten des Auftraggebers.

6.4 Qualität von Online-Marktforschung

Empirische Forschung, zu welchem Zweck auch immer betrieben, ist in vielen Fällen nur
dann sinnvoll bzw. kann ihre Ziele nur dann erfüllen, wenn sie eine gewisse Aussagekraft
bezüglich einer zuvor definierten Gruppe von Untersuchungsobjekten vorweisen kann.
Die bestmögliche Aussagekraft wäre in der Regel dadurch erzielbar, dass die entsprechen-
den Daten bei allen Elementen dieser Gruppe erhoben, also eine Vollerhebung durchge-
führt würde. Diese Möglichkeit lässt sich jedoch nur in seltenen Fällen realisieren, da orga-
nisatorische, zeitliche, technische oder eben meistens wirtschaftliche Restriktionen dies
unmöglich machen. Bei der Online-Marktforschung kommt noch erschwerend hinzu,
dass man oft gar nicht alle Elemente der gewünschten Grundgesamtheit online erreichen
374 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

kann. Üblicherweise ist der Forscher also darauf angewiesen, aus der definierten Grundge-
samtheit eine gewisse Anzahl Elemente auszuwählen, bei diesen die gewünschten Daten zu
erheben und von den solcherart ermittelten Werten auf die Verteilung der Variablen in der
Grundgesamtheit zu schließen. Dies ist das einfach klingende Prinzip der Inferenzstatistik.
Damit dieser Rückschluss möglich bzw. statthaft ist, sind bei der Durchführung einer
Befragung gewisse Faktoren zu beachten. Man könnte diese auch als Qualitätsindikatoren
der Abbildung der Realität bezeichnen. In der Regel sind dies die in der Marktforschung
gängigen Gütekriterien, nämlich Objektivität, Reliabilität, Validität und Repräsentativität.
Das bedeutet, es sollte gewährleistet sein, dass erstens die Daten unabhängig von den Per-
sonen sind, die die jeweilige Studie durchführen (Objektivität), dass zweitens die Erhebung
in gleicher Weise und mit gleichen Ergebnissen reproduzierbar wäre (Reliabilität), dass
drittens das Erhebungsinstrument dazu geeignet ist, die tatsächlich gewünschten Frage-
stellungen überhaupt zu messen (Validität) und dass viertens die Ergebnisse auch über
die Menge der untersuchten Einheiten hinaus ein gewisses Maß an Gültigkeit besitzen
(Repräsentativität).
Obwohl also eigentlich ziemlich klar ist, worum es geht und sich die vier Aspekte gut
voneinander trennen lassen, wird trotzdem im Zusammenhang mit der Bewertung von
Befragungsverfahren häufig lieber nur der Oberbegriff „Datenqualität“ verwendet. Wobei
hiermit jeweils eine wie auch immer geartete und keinesfalls einheitlich definierte Kom-
bination der genannten Gütekriterien gemeint ist. In Mode gekommen ist leider auch der
unschöne Ausdruck „valide Daten“, mit dem nach der Beobachtung des Autors dann aber
nicht nur die Validität der Messung beschrieben wird, sondern ein wiederum undefinier-
tes Gemisch diverser Aspekte, die der Verwender des genannten Ausdrucks dann auch
meist nicht genauer erläutern kann. Besser wäre in diesem Zusammenhang vielleicht die
Bezeichnung „belastbare Daten“. Ein gewisses Verständnis kann man für solcherlei „Unge-
nauigkeiten“ allerdings schon aufbringen, da die Einstufung einer konkreten Online-
Befragung hinsichtlich der genannten Kriterien selten einfach ist, wie im Folgenden näher
beschriebenen wird.

6.4.1 Objektivität von Online-Befragungen

Die Objektivität von Marktforschungsergebnissen bedeutet, dass diese keinerlei subjekti-


ven Einflüssen unterliegen und somit intersubjektiv überprüfbar sind. Das heißt, es muss
bereits in der Anlage einer Studie eine gewisse Unabhängigkeit von den durchführenden
Personen in den gesamten Prozess „eingebaut“ werden. Marktforschungsaktionen sind
besonders bei der operativen Durchführung von Interviews, der Auswertung der Daten
sowie der Interpretation der Ergebnisse anfällig für mangelnde Objektivität. Aus diesen
Gründen muss der Messvorgang von Personen unbeeinflusst stattfinden, die Auswertung
sollte eine gewisse Standardisierung aufweisen und bei der Interpretation sollten die Frei-
heitsgrade eingeschränkt sein, um eine möglichst hohe Objektivität zu erreichen.
Qualität von Online-Marktforschung 375

Die Objektivität bei der Interview-Durchführung kann bei gewissen Fragestellungen


zum Beispiel durch das Empfinden einer bestimmten sozialen Erwünschtheit auf Seiten
eines Probanden beeinflusst werden. Gerade der Wunsch, bei persönlichen Fragen weni-
ger auf der Grundlage der eigenen Einstellungen zu antworten als nach Werten, die als
gesellschaftlich verpflichtend angesehen werden, stellt eine der Hauptursachen für Erfas-
sungsfehler in der Umfrageforschung dar. Vor allem die unmittelbare Kommunikation
eines Interviewers bei einem persönlichen oder auch bei einem Telefoninterview erhöht
deutlich die Tendenz der Teilnehmer, Antworten zu geben, von denen sie annehmen, dass
sie sozial erwünscht wären bzw. vom Interviewer gerne erfasst würden. Dies kann durch
eine unbewusste Betonung bei der Fragestellung oder das Aussehen und die Gestik des
Interviewers oder schlicht durch dessen Anwesenheit verursacht werden. Eine Lösung die-
ser Problematik stellen selbstauszufüllende Fragebögen dar, bei der die Bereitschaft zur
Angabe von negativ belasteten Informationen oder Meinungen, welche den Probanden in
ein vermeintlich schlechteres Licht rücken, nachprüfbar deutlich erhöht wird. Dies gilt vor
allem für Computer-gestützte Befragungen, bei denen die antwortenden Personen eher
dazu tendieren, sich auf die Beantwortung der Fragen zu konzentrieren und ungehemmter
zu sein. Das bedeutet, Online-Befragungen zeichnen sich aufgrund der Abwesenheit von
Interviewern per se durch eine hohe Durchführungsobjektivität aus.
Bezüglich der Auswertungsobjektivität ist im Hinblick auf Online-Befragungen zu
erwähnen, dass alle Umfragedaten bereits bei der Eingabe durch ein Datenverarbeitungs-
system erfasst werden. Eine manuelle Datenerfassung ist also nicht nötig, wodurch Fehler
minimiert werden können. Weiterhin wird im Rahmen der Online-Marktforschung in der
Regel eine standardisierte Umfrage-Software verwendet, welche häufig auch über standar-
disierte Auswertungs-Komponenten verfügt. Insofern ist bei Verwendung solcher Kom-
ponenten eine höhere Objektivität bei der rein zahlenmäßigen Datenanalyse zumindest
erwartbar. Die Interpretationsobjektivität von Online-Befragungen betreffend, ergeben
sich gegenüber anderen Methoden hingegen keine offensichtlichen Unterschiede.

6.4.2 Reliabilität von Online-Befragungen

Eine nach wie vor gültige Definition von Reliabilität ist die von Peter Atteslander: „Unter
Reliabilität versteht man [...] das Ausmaß, in dem die Anwendung eines Erhebungsinstru-
ments bei wiederholten Datenerhebungen unter gleichen Bedingungen und bei denselben
Probanden das gleiche Ergebnis erzielt.“ (Atteslander 1995, S. 342f.) [1]. Rein mathema-
tisch bezieht sich Reliabilität auf das Ausmaß der Varianz in der beobachteten Variable, das
lediglich auf zufällige Ursachen zurückzuführen ist. Je weniger Einfluss zufällige Faktoren
besitzen, desto höher ist die Reliabilität, die definiert wird als das Verhältnis der nicht-
zufallsverursachten Varianz zur Gesamtvarianz. Dabei versteht man unter den zufälligen
Faktoren zum Beispiel solche wie Reihenfolgeeffekte der Fragen, Ermüdung des Befragten
oder nicht kontrollierbare Bedingungen der Befragungssituation beim Teilnehmer selbst.
376 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

Eine Online-Befragung wird ohne Kontrolle durch eine Aufsichtsperson durchgeführt.


Somit ist anzunehmen, dass die Reliabilität im Vergleich zu anderen Methoden bei man-
chen Personengruppen geringer ist. Ein wesentlicher Grund hierfür ist in nicht-systema-
tischen Falschangaben zu sehen, die aufgrund niedriger Teilnahmemotivation bzw. gerin-
ger Bearbeitungsdisziplin entstehen. Durch mangelnde Sanktionsmöglichkeiten sowie
die geringe Transparenz und Überprüfbarkeit der Ergebnisse wird ein solches Verhalten
möglicherweise noch begünstigt. Mit anderen Worten: Der eine oder andere Teilnehmer
denkt eventuell nur oberflächlich über die gestellten Fragen nach und macht seinen Klick
irgendwo in der Nähe seiner tatsächlichen Meinung, die er sich aber in dem Moment
gerade nicht bilden kann oder will, da es ihm zu zeitraubend oder anstrengend ist. Und
ein Verhalten dieser Art kann rein durch Prüfung der Daten kaum entdeckt werden. Es
lässt sich nur teilweise in Form einer automatischen Konsistenzprüfung zur Erkennung
von nicht-ernsthaften Teilnehmern mildern, wie sie bereits in Abschnitt 2.2.3 beschrieben
wurde.
Umgekehrt könnte man aber auch argumentieren, dass eine Person oftmals nur dann
an einer Online-Befragung teilnimmt, wenn sie tatsächlich ein gewisses Interesse daran
hat, und dass somit sogar eine höhere Teilnahmemotivation bzw. Bearbeitungsdisziplin
entstehen kann. Im Gegensatz dazu werden die Probanden bei Interviewer-gestützten
Befragungsmethoden eventuell nur zur Teilnahme überredet, wollen nicht „Nein“ sagen
und versuchen dann im Verlauf des Interviews Antworten zu geben, von denen sie anneh-
men, dass diese den weiteren Verlauf abkürzen werden.
Überlegungen zum Ausmaß von zufälligen, das heißt nicht-systematischen Falschan-
gaben der beschriebenen Art müssen im Einzelfall und in Abhängigkeit von der Thematik
der jeweiligen Befragung erfolgen. Eine allgemeingültige Beurteilung der Reliabilität von
Online-Befragungen ist schwierig. Als Testverfahren ist in erster Linie die Test-Retest-
Methode anwendbar, also die wiederholte Anwendung des gleichen Messinstruments nach
einem Zeitintervall. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass zur verlässlichen Schät-
zung der Reliabilität auch die Stabilität des zu messenden Wertes bei den Untersuchungs-
personen unterstellt werden muss. Viele soziale Zusammenhänge zeichnen sich aber durch
eine eher geringe Stabilität aus, was noch stärker auf das Internet zutreffen dürfte, das
einem ständigen und schnellen Wandel unterworfen ist. Werden also bei Anwendung der
Test-Retest-Methode Abweichungen zwischen den zeitlich verlagerten Messungen festge-
stellt, so ist zunächst zu klären, ob sich nicht bereits die Messgrundlage verändert hat, die
Teilnehmer also vielleicht tatsächlich ihre Meinung geändert haben.

6.4.3 Validität von Online-Befragungen

Objektivität und Reliabilität sind zwar notwendige, jedoch noch keine hinreichenden
Anforderungen an ein Messinstrument. Häufig wird die Validität als die wichtigste Anfor-
derung an die Messung selbst bezeichnet (nicht an die gesamte Untersuchung). Also muss
es das Ziel sein, auch im Falle der Online-Befragung valide Messungen zu ermöglichen,
Qualität von Online-Marktforschung 377

wobei die Validität angibt, inwieweit das jeweilige Erhebungsinstrument tatsächlich auch
die Variablen misst und abbildet, die es zu messen vorgibt. Hierbei ist zu unterscheiden
zwischen zum einen objektiv mess- oder zumeist eindeutig quantifizierbaren Daten wie
zum Beispiel das Alter, das Einkommen oder aktuelle Einkaufsmengen bestimmter Pro-
dukte sowie zum anderen Variablen, die einer gewissen Subjektivität unterworfen sind und
eventuell nur aus der Kombination verschiedener Angaben bzw. durch Bilden entspre-
chender Konstrukte abgeleitet werden können wie etwa Einstellungen oder Lebensstile.
Die valide Abfrage objektiv messbarer Variablen stellt in der Regel auch online kein
Problem bezüglich der Gestaltung des Messinstruments dar. Es ist lediglich darauf zu ach-
ten, dass der Proband nicht zu absichtlichen oder unabsichtlichen (aber systematischen)
Falschangaben provoziert wird. Der Entwurf geeigneter Fragestellungen und die Ablei-
tung nicht direkt messbarer Variablen oder Konstrukte erfordert hingegen ungleich mehr
Erfahrung und Geschick bei der Gestaltung eines Erhebungsinstruments. Bei Online-
Befragungen sind dabei ähnliche Maßstäbe anzulegen wie für schriftlich durchgeführte
Umfragen, das heißt es muss der befragten Person ermöglicht werden, die erforderlichen
Angaben ohne fremde Hilfe machen zu können, und zwar auf der Grundlage des vom
Forscher intendierten Verständnisses. Im Internet kann in dieser Hinsicht im Vergleich
zur schriftlichen oder telefonischen Befragung von günstigeren Voraussetzungen ausge-
gangen werden, zum Beispiel durch das Angebot optionaler Hilfetexte oder multimedialer
Vorlagen.
Weiterhin ist bei Online-Befragungen die Wahrnehmung von Anonymität deutlich
leichter herzustellen als bei Interviewer-gestützten Befragungen. Es wird immer wieder
darauf hingewiesen, dass dieses zu weniger sozial erwünschten Antworten und damit zu
höherer Objektivität und schließlich auch Validität führt. Ebenso werden Online-Befra-
gungen im Vergleich zu traditionellen Erhebungsmethoden von den Teilnehmern wieder-
holt als interessanter beschrieben. Es kann durchaus angenommen werden, dass die Pro-
banden die Fragebögen aus diesem Grund aufmerksamer bearbeiten, was sich wiederum
positiv auf die Validität auswirkt. Online-Befragungen mit besonders wertvollen Preisen,
die nicht selten zu unmotivierten „Spaßteilnahmen“ führen dürften, seien an dieser Stelle
einmal explizit von der Betrachtung ausgenommen.
Letzten Endes ist die Validität einer Befragung aber nur zum Teil eine Eigenschaft des
Erhebungsmediums. Vor allem ist die Operationalisierung und Umsetzung des verwen-
deten Fragebogens von Bedeutung und darüber hinaus noch weitere Faktoren wie bei-
spielsweise die jeweilige Befragungssituation, Auskunftsfähigkeit und Auskunftswille des
Befragten sowie auch der Erhebungsgegenstand. Die Erhebungsmethode bzw. die damit
zusammenhängende Befragungssituation macht also nur einen geringen Teil dieser Fakto-
ren aus, wenngleich sie auch Einfluss auf den Auskunftswillen sowie auf die Notwendigkeit
und Möglichkeit bestimmter Operationalisierungen hat.
Allgemein betrachtet ist davon auszugehen, dass keine Methode zur Datenerhebung
von vornherein als am besten geeignet für alle Aufgaben und Fragestellungen angenommen
werden kann. Auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen mit der noch vergleichsweise
jungen Online-Befragung gibt es jedoch keine alarmierenden Hinweise darauf, dass das
378 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

Medium Internet an dieser Stelle einen negativen Einfluss auf die Validität haben könnte.
Insofern ist die Validität von Online-Befragungen im Vergleich zu anderen Befragungs-
formen – bei ansonsten gleichen Bedingungen – als mindestens gleichwertig anzusehen.

6.4.4 Repräsentativität von Online-Befragungen

Empirische Untersuchungen werden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sehr


häufig eingesetzt. Zwar haben die Forscher unterschiedliche Hintergründe bzw. füh-
len sich anderen wissenschaftstheoretischen Traditionen verpflichtet, jedoch werden sie
zumeist das Ziel anstreben, die empirisch ermittelten Daten in irgendeiner Weise über
die Stichprobe und damit über die tatsächlich untersuchten Objekte (Personen) hinaus
zu verallgemeinern. Ist eine solche Verallgemeinerung möglich, spricht man von einer
Repräsentativität der Ergebnisse der Stichprobe für irgendeine größere Gesamtheit von
zum Großteil nicht untersuchten Einheiten.

Bedeutung der Repräsentativität


Die Repräsentativität einer Studie oder Untersuchung ist nicht immer von gleich hoher
Wichtigkeit. Ihre Bedeutung ist auch davon abhängig, wer oder was überhaupt untersucht
wird. So können in manchen Fällen nicht-repräsentative Daten direkt zu konkreten Hand-
lungsanweisungen führen, während in anderen Fällen repräsentative von eher geringem
Nutzwert sind. Beispielsweise wären Verzerrungen durch die Stichprobenbildung eventu-
ell in dem Fall hinnehmbar, wenn eine ohnehin nur sehr schwer erreichbare Zielgruppe
vorliegt – dies könnten etwa Millionäre sein oder Personen, die an einer seltenen Krank-
heit leiden – und man darum kaum in der Lage ist, eine Repräsentativität zu gewährleis-
ten. Das heißt, die Informationen und Meinungen einzelner oder weniger Personen stellen
einen Wert an sich dar, in gewisser Weise unabhängig davon, wie viele andere Menschen
auch noch dieser Meinung sind. Darüber hinaus ist es in manchen Fällen gar nicht offen-
sichtlich, was eine repräsentative Population wäre bzw. wie man eine Zufalls-Stichprobe
auswählen könnte.
In bestimmten Fällen kann also zu explorativen oder experimentellen Zwecken auch
die Erhebung von Daten aus nicht-repräsentativen Stichproben sinnvoll und berechtigt
sein, worauf bereits an anderen Stellen des Buches hingewiesen wurde. Dies ist jedoch
kein Freibrief zur Nichtbeachtung der Repräsentativitätsbedingung, denn solange nicht
ein Mindestmaß an Repräsentativität gewährleistet werden kann bzw. die entsprechenden
Kriterien dazu nicht erfüllt werden, erlauben auf solche Art erhobene Daten streng genom-
men auch nur Aussagen über die jeweilige Stichprobe selbst, was meist nicht sonderlich
hilfreich ist. Da wir nun aber wissen, dass Online-Befragungen per se nur bei solchen Per-
sonen Anwendung finden können, die nicht nur „online“, sondern darüber hinaus für den
Forscher auch „erreichbar“ sind, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die Online-
Marktforschung zwar sehr gut für Populationen eingesetzt werden kann, die tatsächlich
gänzlich „online zugänglich“ sind (beispielsweise in Form von B2B-Kundenbefragungen
Qualität von Online-Marktforschung 379

oder Mitarbeiterbefragungen), dass sie aber kaum für Erhebungen geeignet wäre, die
repräsentativ für eine Gesamtbevölkerung sein sollen. Wir werden auf diesen Punkt später
wieder zurückkommen.

Mathematisch-statistische Repräsentativität
An dieser Stelle lohnt es sich, den Begriff der Repräsentativität nochmals etwas genauer zu
durchdenken. Denn dieser kann im Wesentlichen nach zwei Ansätzen definiert werden,
zum einen nach mathematisch-statistischen, zum anderen nach anschaulich-pragmati-
schen Bedingungen. Die an statistischen Grundsätzen orientierte Definition hat sich in
der Methodendiskussion der empirischen Sozialforschung eingebürgert und gilt sozusa-
gen als „Königsweg“. Nach dieser Definition ist unter Repräsentativität zu verstehen, dass
in der gezogenen Stichprobe alle Merkmale und deren Kombinationen in derselben Häu-
figkeit auftreten müssen, wie es in der Grundgesamtheit der Fall ist. Und dies soll auch
für solche Merkmale gelten, von denen der Forscher gar nichts weiß, selbst wenn sie für
die betreffende Untersuchung unerheblich sind. Die Stichprobe soll also ein verkleinertes
Abbild der Grundgesamtheit sein, das abgesehen von seiner Größe ansonsten in jeglicher
Hinsicht mit dieser übereinstimmt. Da man über die Grundgesamtheit aber in aller Regel
nur wenige Informationen hat, ist die Güte einer Stichprobe bezüglich der oben genannten
Punkte (sprich deren Repräsentativität) im Nachhinein nicht überprüfbar. Man kann sie
nur mit bestimmten Mechanismen herstellen, und zwar mit Hilfe von streng zufallsbasier-
ten Auswahlverfahren. Durch die Zufälligkeit der Auswahl sorgt bei ausreichender Stich-
probengröße die Mathematik schon dafür, dass das oben genannte verkleinerte Abbild
der Grundgesamtheit tatsächlich mit einer berechenbar hohen Wahrscheinlichkeit auch
entstehen kann.
Allerdings wird auch bei optimal zufälliger Auswahl in der Regel mindestens eine Prä-
misse durch das Auftreten von Nichtteilnehmern verletzt. Diese verzerren die Stichprobe
und führen zu einem systematischen Fehler, der nicht kontrolliert werden kann, da seine
Systematik normalerweise nicht bekannt ist (mehr zum Thema „Nonresponse“ zum Ende
dieses Abschnitts). Wir wissen einfach nicht, was diese Personen gesagt hätten, wenn sie
Teilnehmer geworden wären. Ein Mangel an Repräsentativität wird nach der oben genann-
ten, strengen Definition also fast in jedem Fall leicht zu belegen sein. Aus diesen Gründen
ist es nicht nur nützlich, sondern auch legitim und angebracht, diese strenge Definition der
Repräsentativität zu lockern und anzupassen, damit sie mit entsprechenden Einschrän-
kungen auch sinnvoll angewendet werden kann.
Die Möglichkeit der Verallgemeinerung von Untersuchungsergebnissen auf eine vorab
definierte Grundgesamtheit ist nämlich auch bei Abwesenheit eines Zufallsmechanismus
nicht von vornherein unmöglich. Es ist lediglich die Wahrscheinlichkeitsstatistik, welche
auf der absolut zufälligen Auswahl von Untersuchungseinheiten fußt, als quasi automati-
sches Instrument zur Rechtfertigung der Verallgemeinerung ausgeschlossen. Das Schlie-
ßen aus der Verteilung von Daten einer Stichprobe ist aber auch dann möglich, wenn ein
anderes, sinnvolles Modell zur Generierung der Stichprobe verwendet wird. Die zufällige
Auswahl stellt zwar eine auch in der Öffentlichkeit akzeptierte Methode dar, formell ist sie
380 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

jedoch nicht unbedingt notwendig, solange die entsprechenden Inferenzen auf der Grund-
lage des jeweils postulierten Auswahlmodells gezogen werden.

Strukturell-inhaltliche Repräsentativität
Nach einer zweiten möglichen Definition kann Repräsentativität also auch angesehen wer-
den als die schlichte Möglichkeit, aus bestimmten Daten einer Stichprobe Rückschlüsse
auf bestimmte nicht bekannte Verteilungen in der zuvor festgelegten Grundgesamtheit
zu ziehen. Diese etwas trivial klingende und pragmatische Definition ist aber dennoch
sinnvoll und berechtigt. Denn sie richtet sich an bestimmten Kriterien aus und lässt auch
die Verwendung von Stichproben zu, die entweder nicht optimal zufällig oder überhaupt
nicht nach einem Zufallsmechanismus zusammengestellt wurden, jedoch aus berechtigten
inhaltlichen Gründen eine Verallgemeinerung von Ergebnissen innerhalb gewisser Gren-
zen gestatten. Diesbezüglich sei nur die seit Jahrzehnten erfolgreich in der Offline-Markt-
forschung praktizierte Quotenauswahl erwähnt, die sich gleichfalls wie selbstverständlich
immer wieder auf ein solches Modell stützt.
Den Gedanken von zuvor wieder aufgreifend, könnten Online-Befragungen nach der
mathematisch-statistischen Definition von Repräsentativität nur dann Resultate erzielen,
die für eine bestimmte Population repräsentativ sind, wenn …

• ein zentrales Verzeichnis der jeweiligen Population verfügbar wäre,


• alle Mitglieder der Population adressierbar wären und auch über das Internet antwor-
ten könnten und
• keine Verzerrungen durch Nichtteilnehmer auftreten würden.

Mindestens die ersten beiden Bedingungen sind für bevölkerungs-repräsentative


Online-Umfragen aber nicht erfüllbar. Der Schlüssel zur Erreichung einer modell-gestütz-
ten Repräsentativität liegt nach Ansicht des Autors aber im Aufbau eines festen Stam-
mes von Untersuchungspersonen im Rahmen von Access Panels, wie sie in Abschnitt 5.6
beschrieben wurden. In einem solchen Panel sind die wichtigsten soziodemographischen
Daten der Teilnehmer bereits bekannt und es können somit Stichproben nach dem Quo-
tenverfahren gezogen werden. Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass die Antwor-
ten zum Untersuchungsobjekt unter Personengruppen mit ähnlichen Quotenmerkmalen
ebenfalls ähnlich sind (Poynter 2010, S. 73f.) [5]. Einschränkend ist jedoch anzumerken,
dass man sich auch bei Anwendung dieses Verfahrens jederzeit der möglichen Verzerrun-
gen bewusst sein muss:

• Verzerrung der Stichprobe bzw. der Ergebnisse durch die Tatsache, dass es sich aus-
schließlich um Internetnutzer handelt.
• Verzerrung der Stichprobe bzw. der Ergebnisse durch ein eventuell unterschiedliches
Antwortverhalten der Personen, die sich für solche Panels registrieren (gegenüber
jenen, die dies nicht tun).
Qualität von Online-Marktforschung 381

Eine bis zu einem gewissen Grad sichere Verallgemeinerbarkeit auf Nicht-Internet-


nutzer ist im Fall der Verwendung eines Access Panels zumindest gut nachvollziehbar.
Hierbei müssen jedoch im Einzelfall das jeweilige Untersuchungsthema sowie dessen
angenommener Zusammenhang mit dem Merkmal „Internetnutzer“ sowie „Panelteilneh-
mer“ betrachtet werden. Ist eine inhaltliche Verknüpfung als gering anzusehen, also die
Annahme berechtigt, dass Nicht-Internetnutzer und Nicht-Panelmitglieder sehr ähnliche
Meinungen haben dürften, so scheint ein gutes Maß an Übertragbarkeit gewährleistet zu
sein. Wenn dann noch die Verteilungen nicht-quotierter und für die Grundgesamtheit
bekannter Merkmale mit denen der Stichprobe übereinstimmen (so zum Beispiel Schul-
bildung oder Einkommen), so kann in aller Regel von einer Eignung des Auswahlmodells
gesprochen werden.
Diese Überlegungen muss jedoch der Forscher selbst anstellen, sie sind projektbezo-
gen und nicht verallgemeinerbar. Gleichwohl ist andererseits in der Realität mittlerweile
ein fast schon zu pragmatischer Umgang mit diesen Dingen festzustellen. Aufgrund der
in aller Regel guten Erfahrungen mit Online-Befragungen und der vermeintlich hohen
Anwendbarkeit, insbesondere von Befragungen über Access Panels, wird deren Qualität
und Eignung in vielen Fällen quasi schon stillschweigend vorausgesetzt. Und: Es muss
der nicht selten zu beobachtende Fehler bzw. die Versuchung vermieden werden, eine
Stichprobe allein wegen ihrer großen Zahl an untersuchten Elementen als repräsentativ
zu bezeichnen oder aber sie allein aufgrund einer relativ geringen Größe als nicht-reprä-
sentativ abzutun. Die Repräsentativität einer Stichprobe ist nur zum Teil eine Funktion
von deren Größe. Hinzu kommt, dass ab einer Anzahl von mehreren tausend Fällen eine
weitere Erhöhung aus stichprobentheoretischer Sicht kaum noch einen Sinn ergibt. Viel
wichtiger ist die korrekte Auswahl der Untersuchungseinheiten – sei es zufallsbasiert oder
nach einem Auswahlmodell – sowie eine saubere Datenerhebung.
Wie eingangs dieses Abschnitts erwähnt: in zahlreichen Anwendungsfällen der Online-
Befragung braucht man Überlegungen dieser Art kaum anzustellen, da die Grundgesamt-
heit für die Erhebung vollständig und manipulierbar vorliegt. Hieraus lässt sich dann ent-
weder sehr einfach eine Zufalls-Stichprobe ziehen oder es wird gleich die komplette Menge
an Teilnehmern eingeladen, also eine Vollerhebung angestrebt. Dann muss man sich „nur
noch“ Gedanken machen um den Anteil von Personen, die sich nicht beteiligen.

Die Bedeutung von Nonresponse


Nonresponse beschreibt das Phänomen reaktiver empirischer Untersuchungen (mit Men-
schen als Untersuchungsobjekten), dass Daten von bestimmten Personen nicht erhoben
werden können. Allgemein kann dieses Problem der Nichtteilnahme in vier Kategorien
eingeteilt werden:

• Erreichbarkeit: Personen können nicht angesprochen werden.


• Anwesenheit: Personen könnten zwar technisch angesprochen werden, sind aber zum
notwendigen Zeitpunkt nicht am richtigen Ort.
382 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

• Fähigkeit: Personen können die nachgefragten Daten nicht angeben, da die entspre-
chenden Informationen nicht vorhanden sind.
• Verweigerung: Personen sind nicht dazu bereit, an der Befragung teilzunehmen bzw.
die gewünschten Informationen preiszugeben.

Das Problem des Nonresponse wird häufig als die Hauptursache für Verzerrungen in
den ausgewählten Stichproben angesehen. Denn auch wenn man eine Untersuchung noch
so perfekt plant und durchführt, wird das Problem auftreten, weil die Teilnahme für jede
angesprochene Person freiwillig und damit die Möglichkeit der Verweigerung vorhanden ist.
Das Auftreten von Nonresponse wäre in Bezug auf die Stichprobenqualität unproble-
matisch, wenn diese Ausfälle zufällig auftreten würden. Es wird allerdings allgemein davon
ausgegangen, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Ausfälle in der Regel systema-
tischer Natur sind. Das bedeutet, dass ein Zusammenhang zwischen den Ausfallursachen
und dem Untersuchungsgegenstand möglich, wenn nicht gar in vielen Fällen wahrschein-
lich ist. Dieser kann sich beispielsweise so ausdrücken, dass die Wahrscheinlichkeit der
Teilnahme und damit der Aufnahme und Repräsentierung der Person in der Stichprobe
umso höher ist, je größer die Ausprägung des Interesses am Untersuchungsgegenstand
ist. Mit anderen Worten: Personen, die sich für das Befragungsthema nicht interessieren,
nehmen vielfach erst gar nicht teil und fehlen quasi in der Stichprobe. Hieraus resultierend
können Verzerrungen in den Ergebnissen auftreten und Ausprägungen von themenbezo-
genen Variablen überschätzt werden. Raulfs (2015) [6] verwendet hierfür den Begriff der
„themenbezogenen Selbstselektion“. Umgekehrt gründet die Nicht-Selektion aber nicht
nur auf mangelndem Interesse, sondern entsteht auch dadurch, dass sich eigentlich inter-
essierte Personen als nicht kompetent genug einschätzen, Angaben zu dem vorgegebenen
Thema zu tätigen, und sich deshalb sorgen, während der Umfrage etwas falsch zu machen.
In der Regel handelt es sich nicht nur um einen zumindest teilweise systematischen
Mechanismus beim Ausfall von Versuchspersonen. Hinzu kommt, dass dieser Mechanis-
mus fast immer unbekannt ist. Er kann auch nicht durch die Auswertung der tatsächlich
erhobenen Fälle ermittelt werden, da man über die Nichtteilnehmer schlicht nichts weiß.
Dies kann dazu führen, dass bei einer erhöhten Quote von Nichtteilnehmern auch die
Möglichkeit der Übertragung der Ergebnisse aus der Stichprobe auf die definierte Grund-
gesamtheit angezweifelt wird, und zwar unabhängig davon, ob die Stichprobe zufallsba-
siert oder auf Grundlage eines inhaltlichen Auswahlmodells gezogen wurde.
Die Quote der Nichtteilnehmer ist allerdings nicht unbedingt ein guter Indikator für
den dadurch entstehenden Fehler. Aus statistischer Sicht ist die durch Nonresponse verur-
sachte Ungenauigkeit eine multiplikative Funktion, welche sich aus der Quote der Nicht-
teilnehmer und den Unterschieden zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern ergibt.
Der letzte Teil dieser Funktion bleibt aber in der Regel im Dunkeln. Darum verabschieden
sich auch Marktforschungsinstitute und deren Auftraggeber von der Vorstellung, dass die
Qualität einer Stichprobe allein durch die Rücklauf- bzw. Ausschöpfungsquote determi-
niert wird und sich bei einer hohen Quote quasi von selbst Repräsentativität ergibt bzw.
diese bei einer relativ niedrigen Quote ausgeschlossen ist.
Qualität von Online-Marktforschung 383

Die Frage, ob eine Person an einer Befragung teilnimmt oder nicht teilnimmt, kann
auch kaum prognostiziert werden. Es gibt bei Ausfällen keine besonderen Regelmäßig-
keiten, die beispielsweise von bestimmten soziodemographischen Merkmalen der ausge-
wählten Zielgruppe abhängig wären. Aus Sicht der Forscher wäre ein solches Wirkprinzip
fraglos sehr hilfreich. Allein, es konnte bisher nicht ermittelt werden, sodass von einer
homogenen Gruppe der Nichtteilnehmer bzw. Verweigerer nicht gesprochen werden
kann. Es handelt sich beim Teilnehmerverhalten also weniger um ein Gruppenmerkmal
als eher um ein Persönlichkeitsmerkmal bzw. um eine konkrete Entscheidung, die von Fall
zu Fall getroffen wird und die sowohl von der jeweiligen Situation als auch von individu-
ellen Präferenzen abhängig ist.

6.4.5 Warum funktioniert Online-Marktforschung?

Zum Abschluss dieses Kapitels soll mit Ray Poynter ein Fachmann zu Wort kommen, des-
sen lesenswertes Buch von 2010 von nicht wenigen Vertretern der Online-Marktforschung
sehr geschätzt wird. Poynter schafft es, die wesentlichen Punkte des Fachgebietes in so
kondensierter und akzentuierter Form darzustellen, dass das Lesen eine Freude ist. Bei
den folgenden Gedanken handelt es sich also um eine editierte Übersetzung seiner per-
sönlichen Meinung zur Frage, warum Marktforschung – trotz aller Einschränkungen und
methodischen Probleme – in der Regel doch funktioniert (Poynter 2010, S. 374ff.) [5].
Er bezieht sich dabei allgemein auf die „Marktforschung“, man kann seine Ausführungen
aber auch auf den Spezialfall der „Online-Marktforschung“ übertragen.

Expertenmeinung von Ray Poynter


Es gibt sicher eine Vielzahl von Argumenten dafür, warum Marktforschung dazu ten-
diert zu funktionieren. Die Hauptgründe scheinen aber die folgenden zu sein:
1. Homogenität
2. Weisheit der Massen
3. Die Kunst der Marktforschung

Homogenität
Menschen tendieren dazu, Dinge zu tun, die andere Menschen auch tun. Das machen
sie häufig, um in der Gesellschaft besser zurechtzukommen. Wenn wir 100 jungen Män-
nern und 100 älteren Frauen Fernsehwerbung für ein Frühstücks-Müsli zeigen, dann
wäre es schon sehr ungewöhnlich, wenn sich die beiden Gruppen für unterschiedliche
Favoriten entscheiden würden. Sicher haben sie zu Detailfragen unterschiedliche Mei-
nungen, aber die generellen Tendenzen dürften in die gleiche Richtung gehen. Eine
Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit wäre natürlich der bessere Weg, aber in
den meisten Fällen führt eine „falsche Stichprobe“ nicht dazu, dass sich die relativen
Ergebnisse zwischen den Untersuchungsobjekten verschieben (in diesem Fall die gro-
ben Präferenzen bezüglich der Werbespots). Allerdings: dies ist keine Regel. Empirisch
gesehen funktioniert eine nicht-zufällige Stichprobe aber trotzdem sehr häufig.
384 6 Studienabwicklung und -qualität in der Praxis

Weisheit der Massen


Menschen sind häufig nicht dazu in der Lage, ihr eigenes (Kauf-)Verhalten zuverlässig
vorauszusagen. Aber sie sind oftmals sehr gut darin zu prognostizieren, was andere
Gruppen von Menschen wohl machen werden. Dies ist für die Marktforschung in aller
Regel ausreichend, denn es geht dabei ja nicht um die Vorhersage des individuellen
Verhaltens, sondern um die Einschätzung, was die meisten zu tun gedenken. Mögli-
cherweise ist es häufig so, dass Umfrageteilnehmer bei entsprechenden Fragen eine
„gedankliche Mischung“ vornehmen zwischen den eigenen Präferenzen und dem
angenommenen Verhalten anderer Konsumenten.

Die Kunst der Marktforschung


Marktforscher haben seit vielen Jahren intensive Erfahrungen damit gemacht, was
Umfrageteilnehmer sagen, und diese Daten interpretiert. In aller Regel wird eine von
den Probanden geäußerte Verhaltensabsicht aber nicht 1:1 in Empfehlungen umge-
schrieben. Hier kommen die langjährigen Erfahrungen ins Spiel, die eine Art „Überset-
zung“ gewährleisten, welche Aussagen welches tatsächliche Verhalten wahrscheinlich
zur Folge haben.
Die traditionelle Marktforschung hat sehr auf Auswahlprozesse und Rücklaufquo-
ten geachtet und mechanistisch daraus geschlossen, ob die erhobene Stichprobe die
Grundgesamtheit repräsentieren kann. Die Grundfrage ist jedoch eine andere, näm-
lich ob es systematische Unterschiede zwischen der tatsächlichen Stichprobe und der
Grundgesamtheit gibt. Ist dies nicht der Fall, dann spielen das Auswahlverfahren oder
die Rücklaufquoten eigentlich keine Rolle mehr. Die Kunst der Marktforschung besteht
allerdings darin abzuschätzen, ob ein solcher Fall vorliegt oder nicht.

Quellenverzeichnis

[1] Atteslander, Peter (1995). Methoden der empirischen Sozialforschung, 8. Auflage.


Berlin, New York: de Gruyter.
[2] Cape, Pete (2016). The Global Perspective: Addressing the Challenges of Cross-
Cultural Scaling. In: marktforschung.de. http://www.marktforschung.de/hintergru-
ende/themendossiers/multikulturelle-forschung/dossier/the-global-perspective-
addressing-the-challenges-of-cross-cultural-scaling. Zugegriffen: 18. April 2016.
[3] Globalpark (2005). Info-Paper: Planungshilfe-Umfragecenter. http://ww2.school-
park.at/site/files/infopaper_planungshilfe_online_befragung.pdf. Zugegriffen: 02.
April 2016.
[4] Gräf, Lorenz (2010). Online-Befragung. Eine praktische Einführung für Anfänger.
Berlin: LIT Verlag Dr. Hopf.
[5] Poynter, Ray (2010). The Handbook of Online and Social Media Research. Chichester:
John Wiley.
Qualität von Online-Marktforschung 385

[6] Raulfs, Alexander (2015). Entwicklung von Fragebögen für Umfragen. http://www.
online-research.de. Zugegriffen: 02. April 2016.
Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten
Fehler 7

Einer der beliebtesten Fehler in der Marktforschung ist es, Dinge nur deshalb so zu tun,
wie man sie immer getan hat, weil sie immer so getan wurden, ohne dabei genau zu wis-
sen, warum man sie immer noch so tut. Keinesfalls soll hier der Eindruck erweckt werden,
dass man langjährig Bewährtes schon aus Prinzip einfach mal „über den Haufen werfen“
sollte. Aber manchmal gewinnt man auch den Eindruck, dass die vermeintlich risikoär-
mere Variante, also der Verbleib beim Gewohnten, in der Marktforschung nur deshalb
gewählt wird, weil man zu große Angst davor hat, mit Innovationen Fehler zu begehen.
Gerade wenn Zuständigkeiten über die Zeit wechseln bzw. weitergegeben werden, ist die
Situation mitunter so wie bei folgender Allegorie:

Beispiel
Eine Gruppe von fünf Affen lebt in einem Gehege. Von der Decke wird ein Bündel
Bananen herabgelassen, genau über einer Leiter, die in der Mitte des Geheges steht. Im
gleichen Moment, in dem der erste Affe die Leiter erklimmt und nach den Bananen
greift, werden die anderen Affen mit eiskaltem Wasser bespritzt, was sie verständli-
cherweise nicht mögen. Dies wiederholt sich einige Male, bis die Affen das Prinzip
verstanden haben und sich gegenseitig davon abhalten, auf die Leiter zu klettern. Nun
wird einer der Affen im Gehege durch einen neuen ersetzt. Dieser versucht sofort
selbst, die Leiter hochzusteigen, doch der Versuch wird von denen verhindert, die die
darauf folgende Strafe kennen: sie zerren den „Neuen“ herunter und verprügeln ihn.
Nach einigen Versuchen hat dieser begriffen, dass man nicht auf die Leiter klettern
darf, aber den Grund dafür kennt er nicht. Nun werden sukzessive die ursprünglichen
Affen mit neuen ersetzt und die Vorgänge wiederholen sich. Auch diejenigen, die nie

Dr. Axel Theobald, Nürnberg, Deutschland


online-marktforschung@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 387


A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_7
388 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

mit dem kalten Wasser bespritzt wurden, zerren die neu hinzugekommen von der Lei-
ter und schlagen auf sie ein. Am Ende besteht das Gehege aus fünf Affen, die nie auf die
Leiter steigen, obwohl keiner von ihnen weiß, warum er das nicht tun darf. Wenn man
sie nach dem Grund für dieses Verhalten fragen könnte, würden sie wohl sagen: „Keine
Ahnung warum, aber das haben wir hier schon immer so gemacht!“

Dem einen oder anderen kommt der letzte Satz vielleicht bekannt vor! Auf der anderen
Seite: Genauso wenig, wie es sinnvoll ist, partout an Dingen festzuhalten, die man „immer
schon so gemacht“ hat, ist es ratsam, die Veränderung zum generellen Prinzip zu erheben.
Nicht alles, was alt ist, ist schlecht und nicht alles, was neu ist, ist gut. In Teilen der Online-
Marktforschung kann man bei manchen Akteuren durchaus die Tendenz beobachten, alle
paar Monate lang mal wieder „eine neue Sau durchs Dorf zu treiben“. Es wird ein mehr
oder weniger griffiger und vor allem englischer Begriff gewählt, ein paar Mal Dinge wie
„Insights“ oder „Customer Experience“ dazugeschrieben und schon hat man ein neues,
vermeintlich wichtiges Thema kreiert, von dem allerdings ein Jahr später meist nichts
mehr zu hören ist.
Manchmal kann man über diese Versuche schmunzeln, ein unbedeutendes Thema mit
Macht in den Vordergrund zu drängen. Jedoch hat die Online-Marktforschung mitunter
ein grundsätzlicheres Image-Problem. Die folgende (etwas provokante) Argumentation
steht zur Diskussion:

• Online-Befragungen sind in der Regel günstiger und schneller als traditionelle


Marktforschung.
• Befragungen können mit teils sehr geringem Aufwand auch von Nicht-Marktforschern
durchgeführt werden.
• Information wird somit billiger und ist einfacher und rascher verfügbar.
• Es wird zu mehr Themen befragt und Wiederholungs-Studien werden häufiger
durchgeführt.
• Es kommt zu mehr Zeitdruck und weniger Sorgfalt.
• Die Forschungsqualität sinkt.

Die unbequeme Frage lautet also, ob der skizzierte Prozess nicht automatisch zu einer
geringeren Qualität von Online-Marktforschung führt? Zumindest wenn man diese ein-
mal als Gesamt-Disziplin ansieht? Es besteht aufgrund der vergleichsweise niedrigen
Zugangsbarrieren für die Anwender durchaus die Gefahr der Verwässerung der Methode
„Online-Befragung“. Rein logisch würden diese zwar wieder weniger reizvoll, wenn festge-
stellt würde, dass man mit minderwertigen Ansätzen keine wirklich anwendbaren Ergeb-
nisse erzielt. Bis aber diese Erkenntnis reift, können Jahre vergehen. Aber wollen wir nicht
zu sehr schwarzmalen! Die Online-Marktforschung ist und bleibt eine ungeheuer span-
nende und facettenreiche Disziplin. Gegenüber den traditionellen Befragungsmethoden
genießt der Forscher „online“ eine ganze Menge an zuvor nicht gekannten Freiheiten:
Do‘s 389

• Ein großes Angebot an (mehr oder weniger) einfach zu erlernender Umfrage-Software


zur Selbsterstellung von Befragungen
• Die Möglichkeit des Einkaufs von Feld-Leistungen über eine Vielzahl von
Panel-Dienstleistern
• Die jederzeitige Kontrolle und Transparenz über die Aktivitäten per Online-Zugriff
• „Herantasten“ durch kleinere Projekte zum Sammeln von Erfahrungen sehr einfach
realisierbar
• Ein geringes Kostenrisiko wegen niedriger Anfangs-Investitionen
• Die Möglichkeit der Übernahme und Adaptierung des Fachwissens aus der klassischen
Marktforschung

Im Folgenden finden sich einige Tipps aus der Praxis der Online-Marktforschung.
Diese wurden zum Teil bereits an anderen Stellen in den vorherigen Kapiteln angespro-
chen und beziehen sich auf ganz verschiedene Aspekte, von der Organisation und grund-
sätzlichen Forschungsfragen bis zur konkreten Umsetzung und Gestaltungsaspekten der
Umfragen. Aber weder muss man sich wirklich immer sklavisch an alle halten (denn Aus-
nahmen bestätigen die Regel, wie man sagt), noch gewährleistet das Befolgen der Do’s bzw.
das Vermeiden der Don’ts automatisch den Erfolg eines Projektes.

7.1 Do‘s

Organisation
• Nutzen Sie die Geschwindigkeit der Rückläufe für kürzere Forschungszyklen: Mit einer
cleveren Organisation können Sie unmittelbar auftretende Forschungsbedarfe mögli-
cherweise während einer laufenden Sitzung empirisch lösen.
• Erfreuen Sie sich an geringen variablen Kosten bei großen Stichproben: Eventuell
haben Sie erstmalig die Möglichkeit zur Durchführung einer Vollerhebung in der von
Ihnen definierten Grundgesamtheit. Aber: Wägen Sie den Wert der Informationen
auch gegen die Kosten der Beschaffung ab (Kosten-Nutzen-Verhältnis).
• Informieren Sie sich über die Richtlinien und Standesregeln der Online-Marktfor-
schung und setzen Sie diese um.
• Prüfen Sie vorab die Adressqualität: Vor allem bei Kundenbefragungen im B2B-Bereich
tritt häufig das Problem auf, dass die verfügbaren Adressdaten der Kunden nicht aktu-
ell oder in sonstiger Weise minderwertig sind.
• Bieten Sie den Teilnehmern zeitliche Unabhängigkeit an: Die Verwendung einer guten
Umfrage-Software gewährleistet die Möglichkeit des Abbruchs und Wiedereinstiegs in
eine bereits begonnene Umfrage.
• Verwenden Sie Erinnerungsnachrichten: Der Versand eines Reminders ist üblich bei
Online-Befragungen, die per E Mail rekrutiert wurden. Je nach Anlage der Befragung
und Anonymitätsniveau sollte eine Erinnerung nochmals an alle Personen oder nur an
bisherige Nichtteilnehmer versendet werden.
390 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

Gestaltung
• Verwenden Sie die optischen Gestaltungsoptionen zur Kommunikation Ihres Corpo-
rate Looks: In den meisten Anwendungsfällen ist es hilfreich, die Online-Umfrage so
zu gestalten, dass sie dem generellen Erscheinungsbild des Auftraggebers entspricht, so
dass die Teilnehmer sich auch „zu Hause“ fühlen können.
• Nutzen Sie den Bildschirm geschickt aus: Die Anzahl und Ausrichtung von Items, die
Platzierung der Fragetexte und die Anordnung sonstiger Elemente sollte so geschehen,
dass der vorhandene Platz auf einem normalen, horizontal-rechteckigen Bildschirm
gut und „harmonisch“ ausgenutzt wird.
• Richten Sie sich nicht an Ihrem eigenen Riesen-Bildschirm, sondern an der kleins-
ten anzunehmenden Auflösung aus: Nicht jeder Teilnehmer verfügt über die gleichen
technischen Voraussetzungen und immer mehr surfen mit Tablets im Internet. Eine
Auflösung von 1280 Pixel in der Breite und 768 Pixel in der Höhe kann als Mindestan-
forderung auf einem Desktop-PC oder Notebook vorausgesetzt werden. Die Befragung
sollte unter diesen Voraussetzungen noch einigermaßen komfortabel ablaufen und die
Notwendigkeit zu scrollen sollte minimiert werden.
• Testen Sie die Befragung in den gängigen Browsern: Mindest-Standard ist der Test
in den am weitesten verbreiteten Browsern Internet Explorer, Firefox und Google
Chrome. Wer es ganz genau machen möchte, testet noch mit Safari und Opera.
• Rechnen Sie mit mobilen Teilnehmern: Von Ausnahmefällen abgesehen, sollte eine
Online-Befragung zumindest ansatzweise über ein „Responsive Design“ verfügen, so
dass die Teilnahme auch über ein Tablet oder ein Smartphone sinnvoll möglich ist. Es
sollte darum mit einem iPad und einem Tablet mit Android-Betriebssystem sowie mit
einem iPhone und einem weiteren Smartphone geprüft werden.

Inhalte
• Klären Sie die Befragten bestmöglich, aber kurz über Sinn und Zweck der Befragung
sowie die Verwendung der Daten wahrheitsgemäß auf: Dies sollte beim ersten „Kon-
takt“ der potenziellen Teilnehmer mit der Befragung geschehen. In aller Regel ist dies
die Einladung zur Umfrage.
• Weisen Sie auf die Freiwilligkeit der Teilnahme hin: Marktforschung ist per se freiwil-
lig – und das ist gut so! Meinungen, die unter irgendeiner Art von Zwang abgegeben
werden, sind als entsprechend beeinflusst anzusehen.
• Geben Sie den voraussichtlichen Zeitbedarf für das Ausfüllen fair und realistisch an.
Dies ist eine Form der Höflichkeit gegenüber dem Teilnehmer, der sich Zeit für Ihr
Anliegen nimmt. Falsche bzw. unrealistische Angaben bezüglich der wahrscheinlichen
Dauer der Befragung können zu vermehrten Abbrüchen, Unmut auf Seiten der Teil-
nehmer sowie eventuell zu verzerrten Ergebnissen führen.
• Informieren Sie den Teilnehmer auch während der Befragung durch eine Fortschritts-
anzeige, wie viel er schon geschafft hat.
Do‘s 391

• Garantieren Sie die anonyme Teilnahme und/oder Auswertung (falls dies zutrifft): Es
gibt Konstellationen, in denen eine nicht-anonyme Befragung sinnvoll ist. Allerdings
muss dies den Teilnehmern dann auch deutlich mitgeteilt werden. In allen anderen
Fällen ist es eine Selbstverständlichkeit, mit entsprechenden Mechanismen dafür zu
sorgen, dass Daten nicht auf ihren Ursprung zurück verfolgbar sind.
• Formulieren Sie alle Fragen und Anweisungen verständlich: Der Teilnehmer wird nicht
rückfragen können, es müssen alle benötigten Informationen aus dem Text und even-
tuell sonstigen Elementen der Online-Befragung ableitbar sein.
• Informieren Sie bei Bedarf den Teilnehmer, was Sie wollen: Weisen Sie kurz darauf hin,
wenn Mehrfachantworten möglich sind oder wie eine Skala zu verstehen ist oder dass
auch „keine Angabe“ gemacht werden kann.
• Verwenden Sie die interaktive Kommunikationsform Internet zur Präsentation von
Vorlagen: Binden Sie (forschungsgerecht) Produktbilder ein, beschreiben Sie neue Pro-
duktkonzepte, spielen Sie Videos und Jingles ab, arbeiten Sie mit 3D-Animationen etc.
Aber nur dann, wenn dies auch dem Umfragezweck dient!
• Nutzen Sie den „Spaßfaktor“: Dies ist nicht unbedingt wörtlich zu verstehen, denn es
geht eher um die vom Befragten wahrgenommene Kontrolle während des Interview-
Prozesses. Aus seiner Sicht könnte man sagen: „Wenn ich schon mitmache, dann bitte
nach meinen Vorstellungen, zu einem von mir gewünschten Zeitpunkt, in meinem
Tempo und mit den Antworten, die ich ohne (gefühlte) Beeinflussung auch geben
möchte.“ Der Teilnehmer nimmt teil, weil er es will und nicht, weil es irgendein ande-
rer will. Im weitesten Sinn also: Mehr Spaß bei der Beantwortung!
• Hinterlassen Sie ausreichende Informationen über die durchführende Institution
(Kontaktmöglichkeit): Ein Teilnehmer sollte nach menschlichem Ermessen dazu in
der Lage sein, mit dem Forscher Kontakt aufzunehmen, wenn er dieses wünschen
sollte. An irgendeiner Stelle müssen Sie erkennbar „Ross und Reiter nennen“.

Antwortverhalten
• Nutzen Sie die hohe Auskunftsbereitschaft der Teilnehmer: Gerade bei offenen Fragen
zeigt sich diese Eigenschaft der Online-Befragung immer wieder, denn viele Proban-
den sind sehr motiviert und „mitteilungsbedürftig“ und weisen ausführlich auf Prob-
leme hin oder machen Verbesserungsvorschläge.
• Nutzen Sie die höhere Ehrlichkeit der Teilnehmer zum Stellen „heikler“ Fragen: Ver-
meiden Sie Gefälligkeitsantworten, die gegenüber einem menschlichen Interviewer
vielleicht gegeben würden.

Methodik
• Wählen Sie nur geeignete Projekte aus: Das Ziel kann es nicht sein, um jeden Preis eine
Online-Befragung zu machen. Das Projekt muss sich nach Zielgruppe, Erhebungsge-
genstand, Erreichbarkeit der Stichprobe etc. auch für die Methode eignen.
392 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

• Prüfen Sie vorab, ob Sie die gewünschte Stichprobe auch erreichen: Gerade beim Ein-
satz von externen Panels erlebt man nicht selten die Überraschung, dass es doch nicht
so leicht und so günstig ist, eine Gruppe von Menschen mit ganz genau den von Ihnen
gewünschten Eigenschaften zu isolieren.
• Verwenden Sie die technischen Möglichkeiten einer Online-Befragung: Hiermit sind
methodische Features wie direkte Plausibilitäts-Checks von Eingaben oder Randomi-
sierungen von Fragen und/oder Items gemeint, falls diese methodisch auch sinnvoll ist.
• Gewähren Sie die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur: Ein Zurück-Button
auf jeder Seite gestattet diese in den meisten Fällen sinnvolle Option, die allerdings
bei bestimmten Fragen unterdrückt werden sollte, bei denen das Zurückklicken aus
methodischer Sicht nicht erlaubt werden darf.
• Bieten Sie die Möglichkeit eines Ergebnis-Feedbacks, wenn dies angebracht ist: Bei
Expertenbefragungen oder ähnlichen Projekten haben die Teilnehmer nicht selten ein
großes Interesse an den Resultaten der Umfrage. Wenn es die Konstellation zulässt,
kann eine im Nachhinein versendete Zusammenfassung eine tolle, nachträgliche
Bestätigung für den Teilnehmer sein, dass sich sein Einsatz gelohnt hat.

7.2 Don’ts

Organisation
• Unterschätzen Sie nicht den Zeitaufwand im Vorfeld: Online-Befragungen können
unglaublich schnell umgesetzt und publiziert werden. Aber nur wenn die Umsetzer
auch die Details selbst entscheiden können oder die Entscheider unmittelbar mitarbei-
ten. Nicht selten sind jedoch zeitraubende Schleifen erforderlich, weil ein Projekt „von
oben“ noch abgesegnet werden muss oder von dort noch mehr oder weniger nützliche
Korrekturwünsche kommen.
• Verlassen Sie sich bei der Projektplanung nicht blind auf Ihre Umfrage-Software: Nicht
alles, von dem Sie meinen, dass es die Software doch können müsse, beherrscht sie
auch wirklich. Mitunter tritt ein Grad der Komplexität bei den Anforderungen ein, der
im Zweifel dann doch nicht oder nur mit höherem Aufwand lösbar ist.
• Vermeiden Sie mögliche Programmierfehler bzw. ungetestete Fragebögen: Nach einer
Weile der intensiven Beschäftigung mit einem bestimmten Projekt kann der Forscher
den Eindruck gewinnen, alles im Griff zu haben. Gerade in solchen Situationen pas-
sieren Fehler, die in Form von Pretests durch neutrale Personen minimiert werden
können.
• Verwenden Sie nicht den falschen Umfragelink: Dies ist ein Fehler, der gar nicht so
selten vorkommt, wie man meinen könnte. Meist sind die Verwendung verschiedener
Links für Test- und Feldphase oder aber Änderungen „in letzter Minute“ die Ursachen
dafür, dass beispielsweise der Link in der Einladungs-E-Mail die Teilnehmer nicht zur
eigentlichen Umfrage oder nicht zur richtigen Version derselben führt.
Don’ts 393

Kommunikation
• Überfischen Sie nicht Ihr Feld: Umfrageteilnehmer sind ein wertvolles Gut, das nicht
überstrapaziert oder verärgert werden sollte. Die zu häufige Durchführung, beispiels-
weise von Kunden- oder Mitarbeiterbefragungen, kann rasch zum Verlust des Interes-
ses und der Glaubwürdigkeit auf Seiten der Teilnehmer führen.
• Verwenden Sie keine ungeeigneten oder zu wertvollen Incentives: Incentives haben
neben der gewünschten (und hoffentlich auch erfolgenden) Motivationssteigerung
noch andere Auswirkungen. Deshalb müssen sie, wenn man sie schon einsetzen will
oder muss, auch klug ausgewählt werden. Die lapidare Aussage „Da verlosen wir ein-
fach 3 iPods!“ ist in aller Regel etwas zu einfach gedacht. Denn zu attraktive oder ein-
seitig wirkende Incentives führen möglicherweise zu ungeeigneten Stichproben.
• Führen Sie keine Befragungen zu Werbezwecken, mit Verkaufsabsicht oder zum
„E-Mail-Sammeln“ durch: Die Vermischung von Forschungs- und Verkaufsaktivitä-
ten ist unzulässig. Dies gilt auch für „gutgemeinte“ Prämien mit Zuzahlung, wie etwa
Probeabos.
• Belästigen Sie die angesprochenen Personen nicht mehr als unbedingt notwendig: Jede
kontaktierte Person sollte jederzeit ohne großen Aufwand die Möglichkeit haben, die
Teilnahme zu verweigern bzw. das Interview zu beenden.
• Die Verwendung von mehr als einem Reminder sollte gut überlegt sein. Die Gefahr der
Verärgerung der angesprochenen Personen steigt mit jeder weiteren E-Mail.

Gestaltung
• Vermeiden Sie nach Möglichkeit umständliche Login-Prozeduren zur Teilnahme an
der Online-Befragung. Das Ideal ist: mit einem einzigen Klick zur Umfrage.
• Verzichten Sie lieber auf unprofessionell wirkende Umfragen: Auch Online-Befragun-
gen sind eine Form der Unternehmens-Kommunikation, denen entsprechende Auf-
merksamkeit entgegengebracht werden sollte. Sehen sie so aus, als wären sie zwischen
„Tür und Angel“ erstellt worden bzw. als hätte sich niemand etwas Mühe geben wollen,
wirkt sich dies auch negativ auf das Image des durchführenden Unternehmens aus.
• Vermeiden Sie das Auftreten von Scrollbalken: Vor allem horizontales Scrollen ist für
die Teilnehmer äußerst unkomfortabel und zwingt zu zeitraubenden und nervigen
Mausbewegungen, ganz abgesehen von möglichen Einflüssen auf das Antwortverhal-
ten. Denken Sie auch an Bildschirme mit geringerer Auflösung.
• Bieten Sie so wenig Ablenkung wie möglich: Gelegentlich sieht man Online-Befragun-
gen, die in den normalen Content einer Webseite eingebaut wurden, das heißt mit allen
Navigationslinks um sie herum. Dies mag im Sinne des Corporate Looks gut gemeint
sein, ist aber kontraproduktiv. Ein Teilnehmer soll sich für die Dauer der Befragung
ausschließlich auf diese konzentrieren und vor allem nicht durch andere Angebote
wieder „weggelockt“ werden.
• Platzieren Sie keine Werbebanner auf Umfrageseiten: Eine Umfrage ist eine Umfrage.
Werbung hat dort nichts zu suchen.
394 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

• Setzen Sie nicht zwei Fragen auf eine Seite, die getrennt werden müssen: Wenn die
zweite Frage Informationen enthält, die in der ersten Frage eigentlich nicht angewendet
werden sollen, dann verbietet sich diese Vorgehensweise. Denn der Befragte entschei-
det selbst, welche Frage auf einer Seite zuerst gelesen oder beantwortet bzw. nochmals
geändert wird.
• Vermeiden Sie lange Antwortlisten: Wenn eine Frage eine Vielzahl von Antwortmög-
lichkeiten hat, so sollten diese etwas „versteckt“ und nicht sofort alle untereinander
oder in Spalten angezeigt werden. Die Umsetzung geschieht am einfachsten in Form
eines Dropdown-Feldes oder einer AutoComplete-Texteingabe.
• Umgehen Sie Folgen von gleichförmigen Fragen: Diese wirken langweilig auf die Teil-
nehmer oder sie sind anstrengend und erwecken den Eindruck, dass es nun „ewig so
weitergeht“ (wenn zum Beispiel mehrere Statement-Batterien hintereinander abgefragt
werden).
• Wechseln Sie nicht die Länge oder die Orientierung von Skalen im Fragebogen, wenn
es nicht unbedingt nötig ist: Dies kann die Probanden verwirren und zu Falschantwor-
ten verleiten, deren Existenz oder Ausmaß kaum abschätzbar ist.

Inhalte
• Stellen Sie nicht zu viele Fragen nach dem Motto „und wo wir gerade dabei sind, kön-
nen wir ja auch noch …“: Die Einschätzung der möglichen Überforderung der Teil-
nehmermotivation ist schwierig genug. Den Befragten belanglos erscheinende Fragen
können darüber hinaus noch für Verärgerung sorgen.
• Verwenden Sie nicht zu viele offene Fragen: Es kann verführerisch sein, dem Teil-
nehmer einfach zu jeder Frage ein Textfeld anzubieten, damit dieser seine Antworten
genauer erläutern kann. Dies ist jedoch nicht nur für die Probanden ermüdend, son-
dern bringt letztlich auch kaum ein „Mehr“ an Informationen, da die Option, auf die
einzelne Frage gesehen, nur selten genutzt werden wird und sich die Texte dann meist
quer über den Datensatz verteilen.
• Zwingen Sie keinen Teilnehmer zur Antwort bei eventuell heiklen Fragen: Denn keine
Antwort zu bekommen ist besser als eine gelogene. Darum sollten Ausweichkategorien
sinnvoll angeboten werden.
• Verwenden Sie keinen nicht-adaptierten Interviewer-Fragebogen: Diese können spe-
zifische Elemente und Formulierungen enthalten, die „online“ dann nicht mehr ganz
passen. Das können etwa Intervieweranweisungen sein oder nicht mehr stimmige For-
mulierungen wie „Sie sagten gerade …“.
• Übertreiben Sie es nicht mit Plausibilitäts-Checks: Diese sind eine gute Sache, solange
sie auch sinnvoll eingesetzt werden. Aber man kann es auch zu gut meinen und Teilneh-
mer in eine Richtung zwingen, in der sie nachvollziehbar gar nicht antworten möchten.
10 Tipps zur inhaltlichen Verbesserung Ihrer Online-Befragung 395

7.3 10 Tipps zur inhaltlichen Verbesserung Ihrer


Online-Befragung

Nicht immer machen Online-Befragungen aus inhaltlicher Sicht einen wirklich seriösen
Eindruck. Vielleicht verleitet die Einfachheit der Methode und der Umfrageerstellung bzw.
-publikation manchmal zu einer gewissen „Lässigkeit“, was die Formulierung und Abfolge
der Frage angeht. Damit ein Projekt aber die gesteckten Forschungsziele erreicht und in
der Vielzahl von Online-Befragungen auch nicht untergeht, sollten die wichtigsten Regeln
für die Entwicklung der Inhalte eines Online-Fragebogens beachtet werden. Die folgen-
den 10 Tipps zur inhaltlichen Verbesserung Ihrer Online-Befragungen stellen zum einen
allgemeine Richtlinien und Hinweise aus der Marktforschung dar. Zum anderen handelt
es sich um die zusammenfassenden Erkenntnisse des Autors aus der täglichen Praxis von
Online-Befragungen.

1. Der Zweck und die Zielrichtung einer Online-Befragung sollten bei der Entwicklung
klar definiert werden.
a. Es sollten keine spezifischen Detailfragen formuliert werden, bevor die grundsätz-
lichen Forschungsfragen durchdacht wurden.
b. Die übergeordneten Forschungsfragen sollten notiert und bei der Formulierung
der Detailfragen stets im Blick behalten werden.
c. Bei jeder Frage sollte ein Selbsttest erfolgen: Warum möchte ich das wissen? Wie
genau kann ich die Ergebnisse zu dieser Frage anwenden? Nur „nice to know“ ist in
der Regel keine ausreichende Begründung.

2. Die Online-Befragung sollte insgesamt möglichst kurz und fokussiert sein.


a. Die Konzentration auf das Hauptthema einer Befragung sollte bewahrt werden.
Nach Möglichkeit sollten keine allumfassenden Multi-Themen-Befragungen auf-
gesetzt werden.
b. Zwei kurze Befragungen mit zeitlichem Abstand sind häufig besser als eine lange.
c. Die Beschränkung auf die Abfrage der tatsächlich für die Untersuchung nötigsten
demographischen Daten ist eine Höflichkeit gegenüber den Teilnehmern.

3. Das komplette Forschungsdesign und insbesondere der Fragebogen sollten auf die
Zielgruppe abgestimmt werden.
a. Das gewählte Sprachniveau ist dem Empfängerkreis anzupassen (Verwendung von
Fremdwörtern, Fachausdrücken, langen Sätzen etc.).
b. Die Feinheit der Messung (das heißt insbesondere die Länge der Skalen) sollte
dem erwarteten Differenzierungsvermögen des durchschnittlichen Befragten
entsprechen.
c. Es sollten solche Fragen vermieden werden, die viele der Befragten wahrscheinlich
gar nicht beantworten können. Mit geschickter Filterführung kann dieses Problem
minimiert werden.
396 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

d. Auch Meinungslosigkeit ist eine wichtige Dimension. Zu den Antwortvorgaben


gehört darum häufig auch „keine Angabe“, „weiß nicht“, „keine Meinung“, „weder
noch“ oder „keine der genannten“. Keine Antwort zu erhalten, ist besser als eine
erzwungene, aber nicht wahrheitsgemäße Antwort!

4. Die Fragen einer Online-Befragung sollten einfach und prägnant gestellt werden.
a. Lange und komplexe Fragen sind nach Möglichkeit zu vermeiden.
b. Es sollten einfache, unmissverständliche, objektiv eindeutige Begriffe verwendet
werden, die von allen Beteiligten in gleicher Weise verstanden werden.
c. Fragen und Antworten sollten in möglichst geringem Ausmaß einer Interpretie-
rung durch den Teilnehmer bedürfen.
d. Zeitliche Bezüge sowie eventuell unklare Begriffe sind im Fragebogen eindeutig zu
definieren.
e. Doppelte Verneinungen oder mehrfache Stimuli in einer Frage sind in der Regel
ungeeignet.
f. Abkürzungen im Fragebogen sollten vermieden werden.

5. Suggestive Formulierungen oder Gestaltungen sind unzulässig. Sie können bei der Fra-
geformulierung dadurch entstehen, dass …
a. der Befragte durch Auswahl und Betonung von Antwortvorgaben in eine bestimmte
Richtung gelenkt wird,
b. Stereotype oder emotional vorbelastete Begriffe verwendet werden oder
c. Argumente in die Frageformulierung aufgenommen werden.

6. Es sollten möglichst wenige verschiedene Skalen innerhalb eines Fragebogens verwen-


det werden.
a. Die Skalenlänge und Skalenorientierung sollten innerhalb eines Fragebogens nicht
ohne guten Grund bzw. nicht ohne expliziten Hinweis geändert werden.
b. In vielen Fällen ist die Anwendung von Statement-Batterien mit einer Zustim-
mungs-/Ablehnungs-Skala eine gute Lösung.

7. Die Auswahl der Antwortkategorien für eine Frage muss sowohl erschöpfend als auch
disjunkt (überschneidungsfrei) sein.
a. Das jeweilige Themengebiet einer Frage sollte durch die vorgegebenen Antworten
abgedeckt werden.
b. Sinnvoll ist in vielen Fällen eine Kategorie „Sonstiges“, bei der eine offene Antwort
gegeben werden kann, die in der Liste der geschlossenen Antworten nicht enthalten
ist.
c. Eine vorgegebene Liste von Antwortalternativen sollte für den Befragten noch
überschaubar sein. Mit Umfang und Komplexität steigt auch der Einfluss der Ant-
wort-Reihenfolge. In diesen Fällen sollte mit Randomisierungen gearbeitet werden.
Standesregeln und Richtlinien 397

8. Nach Möglichkeit sollte mit dem Fragebogen eine gesprächs-ähnliche Situation aufge-
baut werden.
a. Eine möglichst angenehme und natürliche Interview-Atmosphäre ist hilfreich.
Dies kann mit einer logischen und nachvollziehbaren Fragenfolge bzw. geschickten
Gruppierung der Fragen erreicht werden.
b. Das Interview sollte mit einer einfach zu beantwortenden Eisbrecher-Frage begin-
nen und mit einer angenehmen Abschluss-Frage abgerundet werden.
c. Wichtige Untersuchungsthemen sind nach Möglichkeit möglichst früh im Inter-
view zu behandeln.
d. Heiklere Themen gehören nicht an den Anfang. Fragen, die auch zum Interviewab-
bruch führen könnten, stellt man kurz vor dem Ende.

9. Die möglichen Auswirkungen des Kontextes einzelner Fragen auf andere Fragen soll-
ten berücksichtigt werden.
a. Die Dramaturgie (Fragenfolge) eines Fragebogens sollte eventuelle Kontext- oder
Ausstrahlungseffekte berücksichtigen.
b. Bei Bedarf müssen Rücksprünge im Fragebogen und somit die Möglichkeit nach-
träglicher Änderungen technisch verhindert werden.
c. Einander beeinflussende Themen im Fragebogen können durch Ablenkungsfragen
getrennt werden.

10. Eine Online-Befragung sollte immer einem Pretest unterzogen werden.


a. Jede Online-Befragung sollte von einigen Mitgliedern Ihrer Zielgruppe und/oder
von Kollegen getestet werden. Mit dem Komplexitätsgrad steigt die Notwendigkeit
hierfür. Mögliche Fehler in der Programmierung können auf diese Weise mini-
miert werden.
b. Unklar formulierte bzw. unverständliche Fragen können in einem Pretest identifi-
ziert werden.
c. Eine Online-Befragung sollte nicht publiziert werden, wenn sie ausschließlich
durch die „rosarote Brille“ des Forschers betrachtet wurde.

7.4 Standesregeln und Richtlinien

Verschiedene nationale und internationale Verbände bzw. Institutionen haben gleichfalls


diverse Handreichungen und Richtlinien veröffentlicht (siehe hierzu auch den Experten-
beitrag von Frank Knapp in Kapitel 4 dieses Buches). Für Marktforschungsinstitute, die
Mitglieder dieser Verbände sind, sind diese Richtlinien mehr oder weniger bindend. Für
alle anderen können und sollten sie aber auch als Maßstab für die Forschungspraxis die-
nen. Die wesentlichen Institutionen sind im Folgenden aufgeführt. Auf deren Webseiten
finden sich entsprechende Informationen:
398 7 Gutgemeinte Tipps und die beliebtesten Fehler

• Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. (BVM)


http://bvm.org/
• Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (adm)
http://www.adm-ev.de/
• Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung e.V. (DGOF)
http://www.dgof.de/
• Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung e.V.
http://rat-marktforschung.de/
• Verband der Marktforscher Österreichs (vmö)
http://www.vmoe.at/
• Verband Schweizer Markt- und Sozialforschung (vsms)
http://www.vsms-asms.ch/
• World Association for Market, Social and Opinion Research (ESOMAR)
http://www.esomar.org/
• World Association for Public Opinion Research (WAPOR)
http://wapor.org/

Konkrete Richtlinien sowie Metaverzeichnisse, die sich teilweise auch überschneiden,


finden sich zum Beispiel hier (Stand Mai 2016):

• http://rat-marktforschung.de/index.php?id=richtlinien
• http://www.dgof.de/standesregeln/
• https://www.adm-ev.de/wissenswertes/
• https://www.esomar.org/knowledge-and-standards/codes-and-guidelines.php
• http://wapor.org/wapor-code-of-ethics/
Glossar

In der Online-Marktforschung gibt es einige relevante Begrifflichkeiten, deren Klärung


an dieser Stelle sinnvoll erscheint, da sie teilweise aus der traditionellen Marktforschung
übernommen und um neue Fachausdrücke ergänzt oder aber in einem anderen Sinnzu-
sammenhang verwendet werden. Hinzu kommen eher technische orientierte Begriffe, die
im Zusammenhang mit der Nutzung des Mediums Internet von Bedeutung sind. Die im
Folgenden aufgeführten Definitionen entstammen zum Teil bzw. in überarbeiteter Form
von Wikipedia sowie dem Angebot marktforschung.de: Wiki / Lexikon.

Access Panel / Access Pool


Ein Access Panel (oder Access Pool) ist eine Gruppe von registrierten Personen, welche
sich bereit erklärt haben, wiederholt an Umfragen teilzunehmen. In der Regel handelt es
sich um Online Access Panels bzw. Online-Befragungen. Mehr oder weniger synonym
wird verwendet: Online-Panel.

App
Obwohl sich der Begriff auf jegliche Art von Anwendungssoftware bezieht, wird er im deut-
schen Sprachraum oftmals nur mit Anwendungssoftware für Mobilgeräte gleichgesetzt.
Meist sind damit also Anwendungen für Smartphones und Tablet-Computer gemeint.

Artefakt
Forschungsergebnis, das aufgrund von Erhebungsfehlern nicht interpretierbar ist. Arte-
fakte entstehen meist durch Erwartungshaltungen beteiligter Personen oder durch Fehler
im Studiendesign (Konzeption, Durchführung, Auswertung).

Ausschöpfung(squote)
Anteil der Antwortenden innerhalb der angesprochenen Gruppe. Bei postalischen oder
Online-Befragungen wird meist der im Grunde synonyme Begriff „Rücklaufquote“
verwendet.

399
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_1
400 Glossar

Auswahlverfahren
Art und Weise, wie die Elemente der Stichprobe möglichst zweckmäßig aus der Grundge-
samtheit ausgewählt werden. Je nach Zielsetzung und Ausgangslage gibt es verschiedene
Auswahlverfahren. Die beiden wichtigsten sind die Zufallsauswahl und die Quotenauswahl.

Blacklist
Negativ-Liste der von Proxyservern blockierten Websites oder der von Mailservern blo-
ckierten Absender- bzw. IP-Adressen. Gegenteil: Whitelist.

Browser
Software-Programm, das den Zugriff auf und die Darstellung von Seiten des Internet
ermöglicht. Die in Deutschland bekanntesten Browser sind Microsoft Internet Explorer,
Mozilla Firefox sowie Google Chrome. Den Internet Explorer findet man häufig als Stan-
dardbrowser in Firmen, was für Mitarbeiterbefragungen relevant sein kann. Firefox und
Chrome haben im privaten Bereich sowie bei Internet-Experten eine hohe Verbreitung.

B2B, B2C
Abkürzung für Business-to-Business bzw. Business-to-Consumer.

Button
Knopf auf einer Bedienungsoberfläche (im Internet) zum Klicken mit dem Mauszeiger.

CATI
Beim Computer Aided Telephone Interviewing ruft ein Interviewer den Probanden an,
liest die Fragen vom Bildschirm ab und macht Eingaben per Maus oder Tastatur. In den
meisten Fällen wählt der Computer auch die entsprechenden Telefonnummern automa-
tisch an.

CAPI
Beim Computer Aided Personal Interviewing gibt ein persönlich anwesender Interviewer
die Antworten des Befragten über ein entsprechendes Computerprogramm direkt in einen
stationären PC, einen mobilen Laptop bzw. auch in einen Tablet-PC ein.

Cookie
Informationen, die ein Internet-Server auf der Festplatte des Internetnutzers abspeichert
und über die der Besucher bei einem Folgebesuch wieder identifiziert werden kann. Im
Rahmen der Online-Marktforschung werden Cookies zum Beispiel verwendet, um Mehr-
fachteilnahmen von einem einzigen Rechner aus zu verhindern. Diese Methode ist jedoch
unsicher, da das Speichern von Cookies unterbunden bzw. Cookies nachträglich auch wie-
der gelöscht werden können. Außerdem interpretieren entsprechend versierte Nutzer die
Cookie-Setzung im Rahmen einer Umfrage nicht selten auch als Zeichen für mangelnde
Seriosität der Befragung oder nicht vorhandene Anonymität der Teilnahme.
Glossar 401

Critical Incident
Bezeichnung für eine Fragetechnik, bei der eine (meist offene) Frage nur dann gestellt
wird, wenn der Antwortwert einer Vorfrage ein festgelegtes Limit über- oder unterschrei-
tet. Ein Beispiel wäre die Nachfrage „Und warum sind Sie unzufrieden?“, welche nur bei
tatsächlichem Vorliegen von Unzufriedenheit erscheint. Auf diese Weise wird ein Fragebo-
gen in der Regel für viele Personen kürzer.

Double-Opt-In
Verfahren zur sicheren Verifizierung einer aktiven Zustimmung eines Internetnutzers, an
bestimmten Aktivitäten teilzunehmen. Zu diesem Zweck wird an die eingetragene E-Mail-
Adresse sofort eine Nachricht mit einem Link gesendet. Per Klick auf diesen Link bestätigt
eine Person, dass sie selbst die E-Mail-Adresse eingetragen hat.

Drag&Drop
Methode zur Bedienung grafischer Benutzeroberflächen (zum Beispiel von Umfrage-Software)
durch das Bewegen (Ziehen und Ablegen) textlicher oder grafischer Elemente mit der Maus.

Drop-out
Ganz allgemein eine Person, die an einer bestimmten Aktivität nicht mehr teilnimmt. In
der Online-Marktforschung hat sich der Begriff eingebürgert für Teilnehmer, die einen
Online-Fragebogen zwar aufrufen und die Bearbeitung beginnen, aber nicht beenden.

E-Mail
Mit Hilfe entsprechender Software auf Computern erstellter Text bzw. Dateien, die über
ein Computernetzwerk bzw. das Internet in einem asynchronen Kommunikationsmodus
verschickt werden, bei dem Sender und Empfänger nicht gleichzeitig online sein müssen.
In der Online-Marktforschung werden E-Mails häufig dazu verwendet, um Teilnehmer zu
Online-Befragungen einzuladen, vor allem in Online-Panels.

Feld, Feldzeit, Feldstart, Feldende


Als Feld wird in der Marktforschung die natürliche Umgebung der zu untersuchenden
Objekte und Personen bezeichnet. Im engeren Sinne wird unter dem Feld die Menge
der zur Teilnahme an einer Befragung vorgesehenen Personen verstanden. Die Feldzeit
bezeichnet den Zeitraum einer Erhebung, die mit dem Feldstart beginnt und mit dem
Feldende abschließt.

Flash
Standardformat für vektorbasierende Grafiken im Internet. Flash eröffnet die Möglichkeit
der multimedialen Gestaltung von Internetseiten mit Interaktionsmöglichkeiten, Sound
und Animationen. Zur Darstellung ist ein Plug-In erforderlich, das aus dem Internet her-
untergeladen werden kann. Die Flash-Technologie bietet bei Online-Befragungen innova-
tive Möglichkeiten der Fragengestaltung, birgt jedoch auch Kompatibilitätsprobleme.
402 Glossar

Grundgesamtheit
Die Menge der Personen, für die die Aussagen einer Untersuchung gelten sollen. Die
Grundgesamtheit kann beispielsweise die Gesamtbevölkerung eines Landes ab 18 Jahren
sein oder auch alle FahrerInnen einer bestimmten Automarke. Wird die Grundgesamtheit
in Gänze befragt, so spricht man von einer Vollerhebung. In aller Regel werden aus der
definierten Grundgesamtheit aber nur Stichproben zur Befragung herangezogen.

Heavy User
Person, die das Internet aus beruflichen oder privaten Gründen sehr intensiv nutzt und
über entsprechende Erfahrungen und Know-How verfügt. In der Online-Marktforschung
gibt es insofern eine Heavy User-Problematik, als dass bei manchen Rekrutierungsformen
aufgrund der häufigeren Internetnutzung die Heavy User in der Stichprobe überrepräsen-
tiert sein können.

Homepage
Begrüßungs- oder Startseite einer Organisation oder Person im Internet.

HTML
HyperText Markup Language. Seitenbeschreibende, textbasierte Auszeichnungssprache
zur Erstellung von WWW-Seiten bzw. auch von Online-Befragungen, wenn nicht Sonder-
Programmierungen in Java oder Flash verwendet werden.

HTML5
Neuer Standard der Auszeichnungssprache HTML mit vielfältigen neuen Funktionalitäten
(Video, Audio, dynamische Grafiken etc.), die zuvor nur mit zusätzlichen Plug-Ins (zum
Beispiel Flash) realisierbar waren.

Hybrid-Befragung
Bezeichnung für eine Befragung, die aus organisatorischen Gründen mit zwei verschiede-
nen Erhebungsformen arbeitet, beispielsweise Online-Befragung plus Papier-Befragung.
Gelegentlich wird auch der englische Begriff „mixed mode survey” verwendet.

Hype
Etwas, das zeitlich begrenzt in Mode bzw. dessen zukünftige Nachfrage oder Beliebtheit
unklar ist.

Hyperlink
Verweise in einem Hypertext auf andere Textstellen, Medien oder Dokumente, die inner-
halb eines Dokuments oder zwischen mehreren Dokumenten eine hierarchische Informa-
tionsstruktur erzeugen. Im Internet bestehen Hyperlinks (oder einfacher: Links) in der
Regel aus mit der Maus anklickbaren unterstrichenen Textteilen oder aus anklickbaren
Grafiken.
Glossar 403

Incentives
Belohnungen monetärer oder nicht-monetärer Natur, die ein Teilnehmer bei manchen
Online-Befragungen erhält, zum Beispiel Geldbeträge, Verlosungen, Sachpreise, Spenden
an wohltätige Organisationen, Untersuchungsergebnisse etc.

Internet
Globaler, dezentraler Zusammenschluss von Computernetzwerken.

Internet-Befragung
Synonym für Online-Befragung.

Intranet
Firmeninternes Netzwerk, welches die Technologie, das text- und grafikorientierte Kon-
zept und die Protokolle des Internet verwendet.

Involvement
Ausmaß an Engagement, gedanklicher Beschäftigung und Interesse, mit dem sich Konsu-
menten einem Produkt- oder Dienstleistungsangebot zuwenden.

Inzidenz
Maß für die Häufigkeit des Auftretens eines Merkmals oder von Merkmalskombinationen
in einer Grundgesamtheit bzw. einer Menge von gerade verfügbaren Befragungspersonen.
In der Online-Markforschung ist die Inzidenz insbesondere bei der Rekrutierung von
Befragungsteilnehmern aus einem Online-Panel von Bedeutung.

IP-Adresse
Adresse in Computernetzen, die auf dem Internetprotokoll (IP) basieren. Sie wird Geräten
(Computer, Server) zugewiesen, die an das Netz angebunden sind, und macht die Geräte
so adressierbar und damit erreichbar, ähnlich der Postanschrift auf einem Briefumschlag.
Eine IP-Adresse besteht aus vier mit einem Punkt getrennten Zahlen zwischen 0 und 255,
beispielsweise „173.194.69.94“.

Item
Einzelne Antwortoption, Aussage oder Frage innerhalb eines Fragebogens.

Java
C++ ähnliche Programmiersprache, die im Internet Einsatz findet, unter anderem zur
Erzeugung von Animationen. Zur Durchführung von Online-Befragungen wird Java eher
selten eingesetzt.
404 Glossar

JavaScript
Plattformunabhängige Skriptsprache für Internet-Seiten, die meist als Ergänzung von
HTML-Dokumenten zur Ausführung vordefinierter Operationen genutzt wird. JavaScript-
Programme werden direkt in den HTML-Code einer Internetseite eingebettet und dann
über den Browser ausgeführt. JavaScript hat mit Java trotz der Namensähnlichkeit in
Grunde nichts zu tun und wird sehr häufig in Online-Befragungen eingesetzt.

Layer
Spezieller Unterbereich einer Website, der frei positioniert und skaliert werden und ähn-
lich wie ein Popup-Fenster über den Inhalten der Website erscheinen kann.

Layer-Befragung
Layer können auch dazu verwendet werden, um zu einer Online-Befragung einzuladen.
Diese Befragung findet dann in einem neuen Browserfenster statt, das sich nach einem
Klick auf einen im Layer enthaltenen Teilnahme-Link öffnet.

Link
Siehe Hyperlink.

Mobile Survey
Online-Befragung, welche für die Teilnahme unter Verwendung eines Smartphones oder
Tablets optimiert wurde bzw. die zu einem großen Teil oder ausschließlich mit Geräten
dieser Art ausgefüllt wird.

Online
Bezeichnung für eine aktive Verbindung zu einem Computernetzwerk. Gegensatz: Offline.

Online-Befragung
Vergleichsweise neue Form der Marktforschung, bei der über das Internet Daten von Teil-
nehmern abgefragt und übermittelt werden.

Online-Panel
Pool von potenziellen Teilnehmern an Online-Befragungen, die auf verschiedene Weise
angeworben wurden und ihr Einverständnis gegeben haben, zu Online-Befragungen
eingeladen zu werden. Über die sogenannten Panelisten liegen zumeist bereits verschie-
dene soziodemographische Daten vor, auf deren Grundlage Stichproben mit bestimmten
Merkmalsverteilungen für anstehende Befragungen gebildet werden können. Die Einla-
dungen zu Umfragen erfolgen meist per E-Mail. In der Regel sammeln die Panelisten pro
Teilnahme an einer Umfrage Punkte oder Geldbeträge, welche später als Barauszahlung,
Shopping-Gutschein oder in ähnlicher Weise in einen geldwerten Vorteil umgewandelt
werden können.
Glossar 405

Panel
In der klassischen Marktforschung gibt es zahlreiche Formen von Panels, zum Beispiel
Haushaltspanel, Einzelhandelspanel, TV-Panel etc. Die Panel-Teilnehmer werden in der
Regel in regelmäßigen Abständen zu bestimmten Aktivitäten oder Meinungen aus dem
gleichen Themenbereich befragt bzw. erhalten ein technisches Gerät zur Aufzeichnung
ihres Verhaltens, zum Beispiel einen Barcode-Scanner zum Erfassen der Einkäufe oder ein
TV-Meter zur Messung des Fernsehverhaltens.

Pixel
Einzelne Farbwerte einer digitalen Rastergrafik; in engeren Sinne das kleinste Bildelement
eines Displays, also ein einzelner Bildpunkt, der eine bestimmte Farbe annehmen kann.

Plug-In
Zusatzprogramm für Browser zur Darstellung von Audio-, Video- oder anderen Daten, die
der Browser selbst nicht darstellen kann. Viele Plug-Ins haben sich im Internet zum Stan-
dard entwickelt, der bei einer Mehrzahl der Internetnutzer vorausgesetzt werden kann.

Popup
Kleines Browser-Zusatzfenster, in dem Informationen dargestellt werden können. Popups
erscheinen beim Besuch bestimmter Websites und werden meist zu Werbezwecken ver-
wendet. Aus diesem Grund sind sie bei den Internetnutzern eher unbeliebt und umstrit-
ten. Moderne Browserversionen verfügen allerdings standardmäßig mittlerweile über
sogenannte Popup-Blocker, so dass der Einsatz von Popups deutlich zurückging. Heute
werden deshalb überwiegend Layer für diese Zwecke verwendet.

Proxyserver
Zwischengeschalteter Server, der sich zwischen dem Computer des Benutzers und dem
Internet befindet. Mit einem Proxyserver kann die Internetnutzung protokolliert oder
auch inhaltsbezogen blockiert werden. Proxyserver wirken auch als Zwischenspeicher für
den Fall, dass der gleiche Internet-Inhalt (auch von anderen Personen) nach kurzer Zeit
erneut abgerufen wird. Der Zugriff auf Webseiten wird somit beschleunigt, da nicht immer
alle Inhalte aus dem Internet geladen werden müssen.

Pseudonymisierung
Bei der Pseudonymisierung wird der Name oder ein anderes Identifikationsmerkmal
durch ein Pseudonym (zumeist eine mehrstellige Buchstaben- oder Zahlenkombination,
auch Code genannt) ersetzt, um die Identifizierung des Betroffenen auszuschließen oder
wesentlich zu erschweren. Im Gegensatz zur Anonymisierung kann aber bei Bedarf der
Personenbezog über eine geschützt zu speichernde Schlüsselliste wieder hergestellt werden.
406 Glossar

QR-Code
Der QR-Code (QR steht für Quick Response) ist eine Methode, textliche Informationen
auf grafische Weise darzustellen, so dass diese besonders schnell maschinell eingelesen
werden können. Ein QR-Code besteht aus einer quadratischen Matrix aus schwarzen und
weißen Punkten. Im Kontext des Internet werden QR-Codes zur Übermittlung von URLs
verwendet, welche zum Beispiel unter Verwendung der Kamerafunktion eines Smartpho-
nes decodiert werden können und somit die entsprechende URL aufgerufen wird.

Quotierung (Quotenstichprobe)
Bei der Quotierung einer Stichprobe werden verschiedene, meist demographische Merk-
male definiert, deren Ausprägungen in vorgegebenen Relationen in der Stichprobe vor-
handen sein müssen (zum Beispiel: „50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer“ sowie
„30 Prozent jünger und 70 Prozent älter als 30 Jahre“ sowie „60 Prozent Autofahrer und
40 Prozent Nicht-Autofahrer“). Bei Online-Befragungen müssen Teilnehmer zunächst
diese Fragen beantworten, um festzustellen, ob in der betreffenden Gruppe noch Teilneh-
mer benötigt werden oder nicht. Auf diese Weise ergibt sich in der Gesamtstichprobe die
gewünschte Verteilung der Quotenmerkmale.

Rating
Frageform zur Einstufung einer Antwort durch den Teilnehmer auf einer graduell abge-
stuften Skala, zum Beispiel zur Bewertung von Zufriedenheit, Zustimmungsgrad, Wichtig-
keit oder Wahrscheinlichkeit.

Randomisierung
Zufallsgesteuerte Abfolge von Antworten oder Fragen zum Ausgleich der negativen Aus-
wirkungen von Reihenfolgeeffekten, die durch eine bei allen Teilnehmern immer gleiche
Anordnung entstehen können.

Ranking
Frageform zur Anordnung von Bewertungsobjekten in einer Rangfolge nach einem festge-
legten Bewertungskriterium.

Rekrutierung
Bezeichnung für das Anwerben oder Einladen von Internetnutzern zur Teilnahme an
einer Online-Befragung. Es gibt verschiedene Methoden und Strategien zur Teilnehmer-
Rekrutierung mit jeweils spezifischen Voraussetzungen sowie Vor- und Nachteilen.

Sampling
Bezeichnung für die Auswahl von Personen für eine Stichprobe (Sample) mit Hilfe eines
festgelegten Verfahrens.
Glossar 407

Screening
Stellen einer oder mehrerer Fragen zur Feststellung, ob die betreffende Person zur gesuch-
ten Zielgruppe gehört oder nicht. Das Screening wird häufig mit einer Quotierung
kombiniert.

Scrollen
Vorgang, bei dem der Bildschirminhalt nach oben oder unten bzw. nach links oder rechts
verschoben wird, um zuvor nicht sichtbare Bereiche anzuzeigen.

Selbstselektion
Umstand, dass Teilnehmer an freiwilligen Befragungen gemäß ihrer eigenen Bedürf-
nisse und Vorerfahrungen entscheiden, ob sie sich beteiligen oder nicht. Selbstselektion
gefährdet potenziell die Repräsentativität der Ergebnisse und tritt im Grunde bei jeder Art
der Befragung auf. Im engeren Sinne bezieht sich die Selbstselektion lediglich auf solche
Befragungen, bei denen eine Person nur indirekt zur Teilnahme aufgefordert wird (zum
Beispiel über ein Banner auf einer Website oder einen ausliegenden Fragebogen in einem
Restaurant).

Server
Spezieller Computer in einem Netzwerk, der Daten, Programme und Speicherplatz bereit-
hält, empfangene oder abgeschickte E-Mails verwaltet oder allgemein Daten empfängt und
an designierte Stelle im Netzwerk weiterleitet.

Smartphone
Mobiltelefon (Handy), das mehr Computer-Funktionalitäten hat als ein herkömmliches
Mobiltelefon. In der Regel haben Smartphones einen berührungsempfindlichen Bild-
schirm, über den sie auch weitgehend bedient werden. Dieser kann auch Internet-Inhalte
darstellen. Die Internet-Anbindung erfolgt mittels einer mobilen Datenverbindung oder
per WLAN.

Social Media / Soziale Medien


Digitale Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander aus-
zutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu erstellen. Im engeren
Sinne handelt es sich um Internet-Dienstleister wie zum Beispiel facebook, twitter oder
youtube.

Soft Launch
Strategie der Teilnehmeransprache beim Start einer Online-Befragung zum Zweck der
Fehlerprüfung und -beseitigung. Zunächst wird nur eine geringe Anzahl von Personen
eingeladen. Nach einigen Stunden oder einem Tag werden die erfassten Daten auf ihre
Korrektheit in Bezug auf Filterführung, Plausibilität und Konsistenz überprüft. Nach
erfolgreichem Test erfolgt dann der sogenannte Full Launch.
408 Glossar

Spam / Spam-Mail
Unerwünschte E-Mail-Nachrichten, die dem Empfänger unverlangt zugestellt werden und
häufig Werbung oder auch Schadprogramme enthalten. Dieser Vorgang wird Spamming
oder Spammen genannt, der Verursacher Spammer.

Statement-Batterie
Auflistung mehrerer Behauptungssätze, die von Befragungsteilnehmern beurteilt, das
heißt auf einer Skala eingestuft werden sollen. In der Regel wird dabei nach dem Grad der
Zustimmung bzw. Ablehnung einer Aussage gefragt.

Stichprobe / Brutto-Stichprobe / Netto-Stichprobe


Teilmenge einer Grundgesamtheit, die unter bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt
und zu einer Befragung herangezogen wird. Die Brutto-Stichprobe enthält alle für die
Erhebung in Frage kommenden Personen, auch die, die nicht befragt werden können, zum
Beispiel aufgrund von schwerer Erreichbarkeit oder Teilnahmeverweigerung. Die Netto-
Stichprobe umfasst hingegen nur die schlussendlich tatsächlich befragten Personen.

Tablet / Tablet-PC
Tragbarer, flacher Computer in besonders leichter Ausführung mit einem berührungs-
empfindlichen Touchscreen und – anders als bei Notebooks – ohne ausklappbare Tastatur.

URL
Abkürzung für Uniform Resource Locator. Bezeichnung für eine Internetadresse bzw.
einen (Hyper)Link.

User
Bezeichnung für einen Computer-Nutzer im weiteren und für einen Internetnutzer im
engeren Sinne.

Website
Bezeichnung für ein komplettes Informationsangebot im Internet. Eine Website besteht
in der Regel aus zahlreichen Teilseiten. Der Einstieg in eine Website wird als Homepage
bezeichnet.

Website-Befragung
Online-Befragung von Besuchern einer Website, meist zur Beurteilung der Qualität der-
selben und zur Erfassung von Verbesserungsvorschlägen.

Whitelist
Positiv-Liste der von Proxyservern nicht blockierten Websites oder der von Mailservern
nicht blockierten Absender- bzw. IP-Adressen. Gegenteil: Blacklist.
Glossar 409

World Wide Web


Multimediales Hypertext-Informationssystem im Internet. Der Begriff „Internet“ wird
mittlerweile als Synonym für das World Wide Web (WWW) verwendet.
Zum Autor

Dr. Axel Theobald ist Jahrgang 1969, in Ludwigshafen aufgewachsen und absolvierte nach
Abitur und Zivildienst ein Wirtschaftsingenieur-Studium an der Universität Kaiserslau-
tern. Per Zufall geriet er im Rahmen einer Studienarbeit an die Marktforschung und blieb
dem Thema treu. Im Anschluss ans Studium arbeitete er ab 1996 als wissenschaftlicher Mit-
arbeiter am Lehrstuhl für Marketing von Professor Friedhelm Bliemel in Kaiserslautern.
Er promovierte 2000 mit der ersten deutschen Dissertation zum Themenbereich Online-
Befragungen („Das World Wide Web als Befragungsinstrument“, erschienen im Gabler
Verlag) und war in Deutschland einer der Online-Marktforscher „der ersten Stunde“.
Noch in 2000 wechselte Theobald zur damaligen Start-Up-Firma Rogator AG nach
Nürnberg, an deren Aufbau er mitwirkte. Heute leitet er als Prokurist die Consulting-
Abteilung bei Rogator. Sein Aufgabenspektrum besteht neben der Betreuung von Key
Accounts und der Führung seines Teams auch in der Leitung umfangreicher und kom-
plexer Marktforschungs-Projekte – in großer Zahl auch von Mitarbeiterbefragungen – für
Kunden in den verschiedensten Branchen und Größenklassen. Zum persönlich betreuten
Kundenkreis gehören Unternehmen und Konzerne wie zum Beispiel Airbus, Autoneum,
Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Fiege, Generali, Hella, Recaro, Star Alliance, Swarov-
ski oder Trelleborg und viele weitere.
Axel Theobald ist darüber hinaus als Autor und Herausgeber an diversen Veröffentli-
chungen beteiligt. Er verfasste zahlreiche Artikel und Beiträge in unterschiedlichen Zeit-
schriften und Fachbüchern, war federführender Co-Herausgeber des in zwei Auflagen
erschienenen Bandes „Online-Marktforschung – Theoretische Grundlagen und praktische
Erfahrungen“ sowie Autor des Buches „Handbuch Online-Marktforschung – Ein Leitfa-
den für die Praxis“.
Ebenso nimmt Axel Theobald häufig Einladungen zu Vorträgen bei verschiedenen
Veranstaltungen an. Von 2003 bis 2012 war er nebenberuflich als Dozent für Marktfor-
schung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim und von 2009 bis

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© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
A. Theobald, Praxis Online-Marktforschung, DOI 10.1007/978-3-658-10203-6_1
412 Zum Autor

2012 als Seminarleiter beim Bundesverband Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM)
tätig. Axel Theobald lebt in Neustadt an der Weinstraße, Nürnberg und Bargteheide bei
Hamburg.

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