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ABHANDLUNGEN DER
GEISTES- UND SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN KLASSE
JAHRGANG 1953 · NR. 11
Die Heimat
der indogermanischen Gemeinsprache
vun
γ
DR. PAUL THIEME
Professor an der Universität Frankfurt
VERLAG DER
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR IN MAINZ
IN KOMMISSION BEI FRANZ STEINER VERLAG GMBH · WIESBADEN
Vorgelegt von Hm. Littmann in der Gesamtsitzung am 30. Oktober 1953,
zum Druck genehmigt am selben Tage, ausgegeben am 27. Februar 1954.
(3) 40*
\
(.
I. Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache
A. Das Problem
1. Gegeben1 ist uns eine Reihe von Sprachen: sie ziehen sich seit der
ältesten Zeit, in die geschichtliche Forschung hineinzuleuchten vermag,
in einem breiten Gürtel von Nordindien über das Hochland von Iran,
über das südliche, mittlere und größtenteils auch über das nördliche Ost-
europa, über das gesamte Mittel- und Westeuropa, bis zu seinem äußersten
Vorposten, nach Irland. An dem Gürtel sitzen drei größere Zipfel: ein
nördlicher, Skandinavien, und zwei südliche, Italien und Griechenland.
In neuerer Zeit, sozusagen vor unseren Augen, haben sich einzelne unter
ihnen noch weitere Gebiete erobert: Island, Nordamerika, Südamerika,
Südafrika, Australien. Wir nennen diese Sprachen mit einem von dem
deutschen Orientalisten Klapuoth in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts geschaffenen Ausdruck „indogermanisch“ (idg.) oder auch,
mit einer dem Französischen2 nachgeahmten Prägung, „indoeuropäisch“.
Was die idg. Sprachen miteinander verbindet, sie zu einer eigenartigen
Gruppe innerhalb der Sprachen der Welt zusammenschließt, ist eine
überaus hohe Zahl auffallender Ähnlichkeiten, die man zwischen ihnen
findet, und zwar um so leichter, je weiter man in ihrer Geschichte empor-
steigt. So wenig lassen sich diese Ähnlichkeiten übersehen, daß man auf
sie aufmerksam wurde und sie zu erklären versuchte, längst ehe es eine
1 Im folgenden bringe ich einen Vortrag, den ich am 26. 1. 1953 vor der Sächsi-
schen Akademie der Wissenschaften gehalten habe, im ganzen unverändert, ver-
werte aber gewisse wertvolle Anregungen und Einwände, die die Diskussion ergab.
In den Fußnoten verweise ich außerdem mehrfach auf die inzwischen erschienene
Abhandlung von W. Wissmann Der Name der Buche, Deutsche Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, Vorträge und Schriften, Heft 50 (Berlin 1952).
2 Vielmehr: dem Englischen: Wissmann o. c. 8f.
540 Paul Thieme
2. in alter Zeit die Gewohnheit hatte, aus dem Holz des Baumes be-
stimmte Geräte oder Waffen anzufertigen —- wofür sich übrigens die
Buche mit ihrem harten Holz kaum eignete —, und diese Geräte nach
ihrem spezifischen Material benannte. In diesem Falle konnte sich
unter Umständen der alte Gerätename halten, auch wenn man zur
Herstellung des Gerätes einen anderen Rohstoff verwandte.
Auch für diese zweite Entwicklung gäbe es geläufige Analogien. Ich
erinnere z. B. an das homerische Wort κυνέη. Dieses muß, wie die etymo-
logische Analyse zeigt, ursprünglich bedeutet haben: „aus Hundsfell
bestehende [Kappe]“. Aber bei Homer heißt es einfach „Kappe, Helm“.
So spricht er von einer κννέη αίγείη, einer „aus Ziegenfell bestehenden
Kappe“, einer κυνέη ταυρείη, einer „aus Rindsleder bestehenden Kappe“,
ja, er kennt sogar eine κυνέη χαλκηρής, einen „aus Erz geschmiedeten
Helm“.
Das griech. φαγάς „Speiseeiche“ hat eine genaue lautliche und morpho-
logische Entsprechung im lat. fägus „Buche“, germ. böka „Buche“. Wenn
das auf Grund dieser Entsprechungen rekonstruierte idg. *bhäg0s die Be-
deutung „Buche“ hatte, wofür die Übereinstimmung des germ. und lat.
Sprachgebrauchs auf das entschiedenste eintritt, ist es leicht einzusehen,
warum das Griech. die alte Bedeutung durch eine neue ersetzt hat: im
eigentlichen Griechenland gibt es keine Buchen1. Von Norden her kom-
mende Einwanderer trafen hier aber die Speiseeiche an, deren Früchte
für sie die gleiche Bedeutung gewinnen mußten, die vorher die Buch-
eckern für sie hatten2. In Verbindung mit dem negativen Argument,
das uns die griech. Wörter für die Zypresse, den Ölbaum, den Wein, den
Esel und den Löwen ergaben, weist φαγάς auf eine sehr viel nördlichere
Heimat der Mutter der griechischen Sprache als selbst Makedonien, wo
es doch zumindest Löwen gab.
8. Wir können auch diese positive Evidenz noch kumulieren. Das
Griechische hat noch eine andere Spur eines nordeuropäischen Baum-
namens aufgehoben. Es ist der Name der Espe. Aus dem Vergleich des
Germanischen, Slavischen und Baltischen ergibt sich ein idg. Wort, für
das wir nachher noch eine Bestätigung aus dem Indischen bekommen
1 In Aetolien sind Buchenwälder konstatiert worden (vgl. P. Kretschmer,
Einleitung in die Geschichte der griech. Sprache [1896] 65 Anm. 1). Das ändert nichts
daran, daß die Buche kein gemeingriechischer Baum war: ihr Name war für die
große Mehrzahl der griechischen Stämme frei geworden.
2 Daß die Griechen zur Benennung der Speiseeiche nicht ein Erbwort für „Eiche“
verwendeten, hat wohl einen speziellen Grund in Taburücksichten: F. Specht,
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung LXVI (1939) 55ff„ W. Wissmann,
Nam.e der Buche 17f.
( 12 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 547
Der Name der Buche fehlt in Indien. Im Iranischen will man ein Zeug-
nis im kurdischen büz „Ulme“ gefunden haben: seine Glaubwürdigkeit
hängt von dem Nachweis ab, daß der Stamm des Wortes *bhäg- ur-
sprünglich mit einer Form bhüg- abgelautet hat1.
Ich verzichte auf die Verwertung der angeblichen Spuren des Namens
der Eiche, die man im Indischen entdecken zu können geglaubt hat. In
jedem Falle scheint mir die Evidenz nicht schlagend, teilweise habe ich
schwere Bedenken gegen die vorgetragenen Vermutungen2. Wir dürfen
bei unserer, schließlich doch ein wenig kühnen, Fragestellung nur mit
Wörtern arbeiten, bei denen die lautlichen und morphologischen Ent-
sprechungen vollständig einwandfrei sind, da die Übereinstimmung der
Bedeutung sowieso nicht vorhanden sein kann.
Ich verzichte um so leichteren Herzens, als sich Entsprechungen nach wei-
sen lassen, die den striktesten Anforderungen genügen, die man stellen darf.
10. Beim vedischen Opfer verwendet man ein merkwürdiges Gerät,
eine Art hölzernen Schwertes, mit dem man Figuren in den Boden ritzt3.
Eine solche sakrale Gerätschaft hat die größte Chance, uralt zu sein.
Denn beim gottesdienstlichen Ritus ist man allüberall hochkonservativ.
Noch heute braucht die mosaische Religion bei der kultischen Beschnei-
dung den Feuerstein: also ein Relikt aus der Steinzeit. Bei verschiedenen
fallen müssen) (14), Deodarbäume (15), Gebirgsseen (16). Vgl. auch Ragh. V. IV
71 ff., wo erwähnt werden: Mennige, Höhlenlöwen, Birken, Namerubäume
(Eleaeocarpus Ganitrus) und die Pinus Longifolia.
1 Dieser Nachweis ist jetzt durch Wissmann, Name der Buche 19ff. erbracht.
Er widerlegt die Bedenken und Ein wände, die neuerdings E. Passler-Mayrhofer,
Die Buchenfrage (= Frühgeschichte und Sprachwissenschaft, hrsg. v. W. Branden-
stein, Wien 1948, 155ff.) wieder erhoben hat. Wissmanns Untersuchung gibt uns
das Recht, den Namen der Buche als im Iranischen, Slawischen und Baltischen
ebenfalls belegt anzuerkennen, ihn also als einen gemeinsamen Besitz aller Stämme
zu betrachten, die die idg. Gemeinsprache redeten.
2 Die lautliche Entsprechung von skt. pärijäta, Name des Himmelsbaumes, und
lat. quercetum „Eichenhain“ (Wackernagel, Altind. Gramm. I, 1896, §§ 52a,
100b, 124) ist so ungenau, daß sie keine Wahrscheinlichkeit begründet. Vgl. z. B.
Speyer, Gött. gel. Anzeigen 1897, 296. Eine ganz andere Erklärung von pärijäta
bei Verf., Untersuchungen zur Wortkunde . . . des Rigveda (1948) 69.
skt. parkati „Ficus Infectoria“ (ohne alte Belege, zuerst Hitop. und Lexiko-
graphen) stellt H. Hirt zu idg. *perqo-/perqu- „Eiche“ (Idg. Forschungen I 481):
ganz unsicher, solange die Stammbildung des ind. Wortes ungeklärt bleibt.
Der von Specht (KZ LXVIII, 195ff.) vertretene Zusammenhang von *aig-
„Eiche“ und vedisch äyu usw. scheint mir vorläufig im wesentlichen spekulativ
oder zum mindesten vieldeutig — allerdings auch einer genauen exegetischen Nach-
prüfung am vedischen Material wert.
3 Vgl. die Abbildung bei W. Caland-V. Henri, L'Agnistoma, PI. III, 22.
( 15)
550 Paul Thieme
Völkern darf der Stein des Altars nicht behauen sein: es wird damit eine
Form verewigt, die der Altar zu einer Zeit hatte, da man den Stein noch
nicht behauen konnte. Das für die Opferstreu und andere rituelle Zwecke
verwendete darbha-Qras sichelte man beim vedischen Opfer ursprünglich
mit einer Pferderippe (Käth. XXXI 1 asvaparsvä barhir däti): gewiß
ein Steinzeit-survival.
Das beim indischen Opfer-Ritus verwendete Holzschwert wird eben-
falls aus einer Zeit stammen, da man noch keine Geräte aus Bronze oder
Kupfer, geschweige denn aus Eisen kannte.
Die Benennung dieses „Schwertes“ ist vom indischen Wortschatz aus
nicht erklärbar. Eine einleuchtende Deutung findet sie aber, wenn wir
sie an den Wortschatz der idg. Gemeinsprache anknüpfen. Sie lautet: spliya,
das ein idg. *spjo- fortsetzen könnte1, eine korrekte adjektivische Ableitung
von „Espe“2. Das Holzschwert war also ursprünglich bezeich-
net worden als „aus Espenholz bestehend“ und beweist somit, daß die Trä-
ger der vorarischen Sprache einmal in einem Lande saßen, wo es Espen gab
— genau so wie die sprachlichen Vorfahren der Griechen: also in Nord- oder
Mitteleuropa oder in Nordasien (das aus anderen Gründen fortfällt).
Neben dieser Kombination von altind. spliya „Holzschwert“ und *aspi
„Espe“ darf man die von Schräder vermutete3 Entsprechung nennen:
altind. dhanvan- n. „Bogen“: ahd. tanna „Tanne“,
die sich bedeutungsmäßig zueinander verhalten würden wie an. ?/r
„Eibe“: yr „Bogen“; an. almr „Ulme“: almr „Bogen“ (poet.), griech.
τόξον „Bogen“: lat. taxus f. „Eibe“4. Das Element der Unsicherheit ist
hier freilich größer, da ahd. tanna sonst in keiner idg. Sprache eine Ent-
1 Anhaltendes ind. sph- zu sp- anderer Sprachen wie altind. sthä: griech. στα-,
lat. stä- usw.; got. -speiwan, lat. spütum, griech. πτνω (<[s\pji1-): sthlv „spucken“
(aus *sphiv dissimiliert: W. Schulze, Kleine Schriften 56f.); altind. pyä „schwel-
len“ (pina, pita): sphyä „fett werden“ (sphita).
2 *spi: Tiefstufe zu aspi, vgl. z. B. lat. civis: altind. vi „Vogel“. Adj. Ableitung
durch -o wie in altind. avi „Schaf“: avya „aus Sehaf-[wolle] bestehend“. Die
slaw. u. balt. Entsprechungen führen auf eine Lautfolge: -ps-, statt -sp, die auch
in türk.-osm. apsaJc „Pappel“, tschuw. ewes „Espe“ vorliegt, die Entlehnungen aus
einer idg. Sprache sein müssen. So entscheidet sich z. B. Pokoeny für eine Grund-
form *apsä {Idg. Etym. Wb. 55). Das Zeugnis der Lehnwörter in nicht-idg. Sprachen,
deren Quelle nicht einmal sicher auszumachen ist, scheint mir nicht schwer zu
wiegen. Griech. άσπίς u. altind. sphya sprechen jedenfalls für ein asp-,
3 Bezzenbergers Beiträge XV (1889) 289; Hoops, Wcddbäume 115f.
4 Das griech. o der Stammsilbe verhält sich zum lat. a wie das o von οίωνος
(< oFj-ωνος) zu dem a von lat. avis, griech. αίετος (*aFj-ετος); das neutrale Ge-
schlecht wie häufig bei Benennungen von Produkten: Buche: Buch; lat. pirus:pirum
usw. Dies gegen Boisacq, Biet. etym. de la langue Greque s. v. τόξον.
( 16)
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 551
sprechung hat, das idg. Alter des Wortes und seiner Bedeutung also
nicht anderweitig verbürgt ist.
Wir verfügen aber über ein drittes Argument, dessen Gewicht nach
meinem Urteil stark genug ist, alle etwa noch lebendigen Zweifel an der
norcl- oder mitteleuropäischen Herkunft des arischen Indisch zu ersticken,
und das zugleich die bisher noch vage Indikation nach nördlicheren
Gegenden weiter einschränkt.
11. Die germanischen, baltischen und slawischen Benennungen des
Lachses, also ahd. lahs, ags. leax, an. lax; lit. lasz-i-sz usw., entsprechen
sich so, daß wir ein altes laks-jlakso- „Lachs“ rekonstruieren dürfen. Der
Lachs kommt nur in Strömen vor, die in nördliche Meere münden: in
die Nordsee, die Ostsee, das Eismeer, und in ihren Nebenflüssen. So gibt
es keine Lachse z. B. in Griechenland und Italien. Eine Entsprechung zu
den genannten Wörtern fehlt hier erwartungsgemäß, ebenso wie bei den
Südslawen. Die Kelten haben eigene Benennungen, die später ins Latei-
nische entlehnt wurden (salmo, esox).
Man hat lange angenommen — seit Kretschmer, Einleitung in die
Geschichte der griechischen Sprache (1898) 108 — das Wort Haks sei eine
germ.-balt.-slawische Neuerung, geschaffen zu einer Zeit, da ein Teil der
idg. Stämme sich schon von dieser Gruppe, beziehentlich diese Gruppe
sich schon von den andern gelöst hatte. Diese Annahme erhielt einen
harten Stoß, als ein genau entsprechendes Wort: laksi (adj. laksana) in
der erst in unsenn Jahrhundert entzifferten und als idg. erkannten
Sprache von Kuca („Tocharisch B“) auftauchte, also einer idg. Sprache,
die im Osten von Turkestan in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends
unsrer Zeitrechnung gesprochen wurde. Das Wort hat die Bedeutung
„Fisch“. In Turkestan fehlt selbstredend der Lachs. Offenbar also hat
man das alte Wort zwar behalten, ihm aber einen allgemeinen Inhalt ge-
geben. Das war möglich, weil man vorher in einem Lande wohnte, wo
der Lachs der wichtigste, der Fisch par excellence war.
Gegenüber dieser an und für sich sehr wahrscheinlichen Folgerung hat
man Einwände erhoben: es handle sich um ein uraltes Lehnwort aus dem
Germanischen, oder gar: das Wort sei erst um 800 v. Chr. durch Ger-
manen nach Turkestan importiert worden1 — Einwände also, die nicht
vij von der Wz. vij „schnellen, springen"' zu trennen1, vijas „die Springen-
den“ = „Der Spieleinsatz“ bietet eine absolut genaue Parallele zu laksä
„Lachs“ = „Spieleinsatz“: die „Springenden“ — früher erklärte man
das Wort als „Würfel“, was der Zusammenhang der Belege verbietet —
sind eben ursprünglich die „Lachse“, die sich bekanntlich in überaus auf-
fälliger Weise über schwer passierbare Stromengen und sonstige Hinder-
nisse in bis drei Meter hohen Sprüngen hinwegschnellen.
Selbstredend behaupte ich nicht, daß die idg. Sprache sprechenden
Volksstämme, die im zweiten Jahrtausend v. Chr. in Indien einbrachen,
noch eine Vorstellung vom Lachs hatten2. Ich behaupte vielmehr, daß
ihre Sprache ererbte Wörter enthielt, deren ursprüngliche Bedeutung
„Lachs“ {laksa, vij) und „lachsig“ (*läksa) war, die aber zu jener Zeit
nur noch in den abgeleiteten Bedeutungen „große Zahl, 100000“; „Spiel-
einsatz“ und „rot“ verwendet wurden. Die Wörter haben, wie häufig,
die Vorstellungen, die sie einst benannten, überlebt.
15. Die Hypothese, daß es ein gemeinidg. Wort laks-ßakso- „Lachs“
gab, erklärt also wirklich auf einleuchtende Weise drei verschiedene
Gegebenheiten der altind. Sprache, die ohne diese Hypothese unaufgeklärt
bleiben müssen:
die ursprüngliche Bedeutung von laksa „100000“,
von laksä „Lack“,
die Syironymität von laksa „Spieleinsatz“ und vijas „die Schnellenden,
Springenden“ = „Spieleinsatz“.
Von drei verschiedenen Ausgangspunkten aus werden wir auf einem
jeweils selbständigen und an und für sich wahrscheinlichen Weg zum
gleichen Ergebnis geführt. Ich bin nicht abergläubisch genug, um da
an einen Zufall, das hieße hier: an ein Wunder, zu glauben. Ich sehe
mich vielmehr zu dem Schluß gezwungen, daß die Mutter des Altindischen
ihre Heimat in einem Lande hatte, wo der Salmo Salar, der Fisch mit
rotem Fleisch {laksä „Lack“), zur Laichzeit in riesigen Zügen {laksa
„100000“), über Hindernisse hinwegschnellend {vij „der Schnellende“'
Synonym von laksa „Einsatz“) in die Oberläufe der Flüsse strebte: also
im Stromgebiet der nördlichen Meere.
1 Zu den Einzelheiten vgl. meine Diskussion KZ LXIX, 212ff.
2 Ich bin hier in seltsamer Weise von Pisani mißverstanden worden, der mir die
,,inverisimiglianza che il ricordo dei salmoni del Mar Baltico si perpetuasse in India11
entgegenhält {Paideia VI, 184). Ich muß fürchten, an dem Mißverständnis insofern
nicht ganz unschuldig zu sein, als ich meinen Aufsatz KZ LXIX, 209ff., einer
Neigung zur Scherzhaftigkeit nachgebend, „Der Lachs in Indien1' benannt habe,
anstatt deutlich zu sagen: „Das idg. Wort für Lachs in der altindischen Sprache."1
( 22 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 557
Damit ist aber auch die Deutung von laksi „Fisch“ in der Sprache von
Kuca gegeben: es ist kein Lehn-, sondern ein Erbwort in dem oben an-
gedeuteten Sinn.
Allenfalls könnte man sich noch darüber wundern, daß das Iranische
uns keine Spur des alten Wortes aufgehoben hat, wo doch das Altindische
uns so verhältnismäßig reichlich beliefert. Aber schon Yäska, der Vater
der altindischen Etymologie, hat richtig bemerkt: „Es ist nicht die
Schuld des Pfostens, wenn der Blinde ihn nicht sieht“ (Nir. I, 16).
16. Wie mir W. B. Herrirg freundlich mitteilt, heißt es bei W. Miller,
Osset. Wb. II, 176: „digor. läsäg, pl. läsgutä ,losos, Lachs£“, wozu sich
H. Morgerstierre, Norsk Tidskrift for Sprogvidenskap VI (1934) 120 —
auch diesen Nachweis verdanke ich Herrirg — wie folgt äußert: „Ossetic
(Digoric) läsäg ,salmon£ can scarcely be a loan-word frorn Russian losos. If
we admit, as I believe we are entitled to, the possibility of I. E. /- remaining
in a modern Ir. dialekt, a derivation frorn 'Hokso-(qo) would be quite regulär.
It may be added that species of Salmo are found in the Caucasian rivers.“
Schon Ster Korow hat in einem mir ebenfalls von Herrirg mitgeteilten
Passus einer mir unzugänglichen Veröffentlichung (NTS XIII [1942], 214)
auf dieses oss. läsäg in Verbindung mit kucaischem laksi hingewiesen.
Natürlich kann es sich bei dem in kaukasischen Flüssen vorkommenden
„Salmo“ nicht um den Salmo Salar, sondern nur um eine Forellenart
handeln, die man um ihrer Ähnlichkeit mit dem aus der einstigen Heimat
noch bekannten Hakso- „Salmo Salar“ willen ganz passend mit dem
Deminutivum Halcsoqo- „Lächschen, kleiner Lachs“ benannte.
Um der Ausflucht vorzubeugen, lakso- selbst habe ursprünglich eben
nicht den Salmo Salar, sondern die Forelle bezeichnet, weise ich noch
einmal ausdrücklich darauf hin, daß die indischen Spuren deutlichst —
nicht auf die Vorstellung „Forelle“, sondern — auf „Salmo Salar“ hin-
weisen1. Außerdem wäre die Verbreitung des Wortes als Fischname,
1 Die Grundlage meiner Erklärungen ist „natürlich die Annahme, daß es ein
urindogermanisches *laks- überhaupt gegeben habe“, wie Mayrhofer richtig be-
merkt (GRM N. F. III, 73). Er hätte hinzufügen sollen, daß die Grundlage seiner
Erklärungen die ebenso hypothetische Annahme ist, es habe ein gemeinidg. laks-
nicht gegeben. Der Unterschied hegt darin, daß meine Hypothese etwas leistet:
sie erklärt ein ganzes Bündel von Tatsachen — Mayrhofers Hypothese dagegen
erklärt gar nichts: für kue. laksi muß er Entlehnung aus dem Germanischen (!)
annehmen, altind. läksä kann er nur unwahrscheinlich, laksa ,,100000“ und die
Synonymität von laksa und vij gar nicht erklären. Was wird er zu oss. läsäg sagen ?
Mir scheint, seine Hypothese könnte nur dann Anspruch auf Wahrscheinlichkeit
erheben, wenn es außer allem Zweifel stünde, daß nicht mehr als zwei verschiedene,
aber eng benachbarte idg. Sprachen das Wort laks- enthielten. In dem Augenblick,
( 23 )
558 Paul Thieme
wenn es von Anfang an die Forelle benannt hätte, gewiß anders: es wäre
z. B. ohne weiteres in den südslawischen Sprachen zu erwarten1.
1 Hierher wohl auch lat. mora (gebildet wie toga) „Verzug, Aufenthalt“' urspr.
„Festhaltung“. Vgl. z. B. Ovid, Metam. I 167: tenuit mora nulla vocatos, Verg.
Aen. II 283 : quae tantae tenuere morae ?
2 Zur Etymologie von sü- vgl. u. S. 36f.
3 Oder sük-arä ? W. Schulze, Kl. Sehr., 75.
( 26 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 561
1 Vgl. Verf., KZ LXIX, 215, Anm. 1. Ich benutze die Gelegenheit, zu RV VII,
49.1 zu bemerken, daß nicht vom Regen wasser, sondern von den himmlischen
Strömen die Rede ist (H. Lüders, Varuna I 113, 131).
AV. XII 1.8 yarnave ’dhi saliläm ägra äsit . . . sd bhumih übersetzt Whitney:
,,She [the earth] who in the beginning was sea (salila) upon the ocean (arnavä)
Daß das nicht der Sinn der Stelle sein kann, bedarf keines Xachweises. Ich habe
deshalb (1. c.) vorgeschlagen, salilä hier nicht mit „Flut“, sondern mit „das Sal-
zige“ zu übersetzen, wie auch RV X, 109, 1; TS IV, 4.12f. Gegen meine Auffas-
sung : „die Erde . . ., die am Anfang auf der Flut das Salzige war, d. h. die als Salz-
klumpen auf der Urilut (vgl. RV X, 129.3b) schwamm“, hat man eingewendet,
daß Salzklumpen nicht schwimmen. Ich zweifle, ob man recht tut, so strenge
physikalische Maßstäbe an mythologische Phantasien zu legen. Vielleicht ist es
aber wirklich besser, ädhi hier nicht im Sinne von „auf“, sondern in dem von „in“
zu nehmen (vgl. Grassmann, Wb. s. v. ädhi 14: z. B. RV IX, 86, 25 apam upästhe
ädhi „im Schoß der Wasser“), also zu sagen: „Die Erde, die am Anfang das Sal-
zige in der [Ur-] Flut war“, d. h. die noch im aufgelösten Zustand im Wasser
schwamm und sich erst später zu etwas Festem kristallisierte. Oder muß ich
fürchten, daß man immer noch Whitneys Übersetzung für einleuchtender hält ?
2 Vgl. hierzu H. Reichert, Die indoiran. Benennungen des Salzes, Streitberg -
Festgabe (1924), 295ff.
3 Dazu stimmt die Nachricht Herodots, daß die Perser beimEssen kein Salz gebrau-
chen, und andere iranische Tatsachen (Reichelt, o. c. 296), wohl auch, daß das Salz
beim ind. Opfer keine Verwendung findet, was eine Altertümlichkeit darstellen könnte.
562 Paul Thieme
sie es nicht kannten, ist angesichts der Tatsache, daß sie bei ihren Wan-
derungen durch die salzreichen Steppen am Kaspischen Meer gekommen
sein müssen, und der bedeutenden Salzvorkommen in Sindh und im
Panjab (Salt Range), ausgeschlossen. Es scheint mir die naheliegendste
Erklärung auch die wahrscheinlichste: auf ihren Zügen lernten sie neue
Arten des Steppen- und Steinsalzes kennen, die sie mit jeweils neu-
geschaffenen Ausdrücken benannten. Man denke nur an die reiche Syn-
onymik, die sich um den Begriff „Salz“ im klassischen Sanskrit rankt:
„Liebe Kinder haben viele Namen“.
Denn sal war ursprünglich das „Seesalz“. Das dürfte sich ergeben aus
der Kombination des griech. αλς „Meer“ mit dem altind. sar-U „Strom,
Fluß“, das bedeutet haben wird: „zum Salz (sar- *sal1) [d. h. Meer]
gehend (it)“2.
Feme führt, sie doch auch immer wieder in Redeberührung mit ihres-
gleichen bringt. Die sprachliche Einheit einer seßhaften Bevölkerung da-
gegen wird sich — das gilt, auch wenn wir, wie billig, den Begriff „Ein-
heit“ nicht mit letzter Konsequenz zu Ende denken1 ·— nicht mit der
gleichen Leichtigkeit innerhalb eines großen Raumes hersteilen und be-
haupten. Die Idee, der man gelegentlich in der wissenschaftlichen Litera-
tur begegnet, die idg. Gemeinsprache sei über ein Gebiet verbreitet ge-
wesen, das von der Ostsee bis in die Kirgisensteppe gereicht habe2, er-
scheint mir schon aus diesem Grunde gänzlich unannehmbar.
20. Versuchen wir, von diesen Erwägungen ausgehend, das Heimat-
land der idg. Gemeinsprache so klein als möglich zu halten, also die
Grenze des Gebietes, das in Frage kommt: das Gebiet von Strömen und
Flüssen, in denen der Lachs erscheint, die also nördlichen Meeren Zu-
strömen, soweit als möglich einzuengen, so ergibt sich:
Im Osten brauchen wir über die Buchengrenze nicht hinauszugehen,
selbst dann nicht, wenn der Name der Buche in den östlichen idg. Sprachen
nicht bezeugt wäre: sie könnten ihn nachträglich verloren haben3.
Es kommen dann die Stromgebiete von Weichsel, Oder, Elbe und
Weser in Betracht. Das des Rheins dürfen wir ausschließen. Wir können
darauf fußen, daß der Rheinsalm von den Kelten offenbar mit anderen
Namen (als salmo, esox ins Lateinische entlehnt) benannt wurde, als
dem gemeinidg. Wort für „Lachs“. Das läßt sich am besten so erklären,
daß er erst in späterer Zeit, als sie sich nach dem Westen vorschoben, in
ihren Gesichtskreis trat und sie dann eine neue Benennung für ihn
schufen, da er sich durch auffällige Eigenheiten (vor allem den Ge-
schmack) von den bereits bekannten Lachsrassen unterschied.
Aber wir gelangen doch im Westen, wie es scheint, bis mindestens an
die Nordsee: nur diese, kaum die salzarme Ostsee, konnte der idg. Ge-
meinsprache den Begriff des Seesalzes liefern. Das Argument steht aller-
1 Vgl. u. S. 70f.
2 „Von der Nordsee bis zum Kaspischen Meer“: Tbxtbetzkoy, Gedanken über
das Indogermanenproblem (Acta Linguistica I, 87): eine abenteuerliche Vorstellung,
auch wenn man nur an die Ausbreitung einzelner, charakteristischer Isoglossen
denken wollte. — Richtig bemerkt z. B. Krähe, Sprachverwandtschaft im alten
Europa (Heidelberg 1951), 25: „Man darf sich die einigermaßen in sich abgeschlos-
senen Sprach- und Volksgruppen der Frühzeit nicht allzu umfangreich vorstellen.“
Im übrigen würde der mit seiner Methode gewonnene idg. („alteuropäische“)
Raum doch noch erheblich größer sein, als ich ihn mir vorstellen möchte. Mir
scheint aber, daß sich die von ihm auf ganz anderen Wegen gewonnenen Ergebnisse
mit der von mir vertretenen Ansicht im wesentlichen vereinen lassen.
3 Vgl. jetzt o. S. 15, Anm. 1.
( 29 )
564 Paul Thieme
clings nicht so fest, daß wir uns ganz darauf verlassen dürften. Trotz der
Übereinstimmung von griech. αλς und altind. sar- (in sar-it) könnte idg.
sal- ursprünglich auch das Salz von Seen, wie sie z. B. nördlich des
Harzes und in der Saalegegend Vorkommen, bezeichnet haben.
Auf jeden Fall müssen wir die Grenze unseres Gebietes im Norden doch
bis an das Meer1 hinaufschieben. Wir haben in der idg. Gemeinsprache
nicht nur Benennungen des Kahns (*ρΙονόaltind. plavä, russ. plov,
toch. B plewe; *pl0vjo-: griech. πλοΐον, an. fley: alle „Kahn“2) und des
Ruderns (*erd: griech. ^έρετ]ω „rudern“, ερέτης „Ruderer“, έρετμόν „Ru-
der“; altind. aritr „Ruderer“, antra „Ruder“, lat. remus [< *ret-smos],
ahd. ruodar usw.), sondern auch des Schiffes (*näu-: griech. νανς,
altind. nau, pers. näv, arm. naw, an. no-r, ir. nau, lat. näv-i-s), das zur
Seefahrt (Küstenschiffahrt) bestimmt war, wie der durchaus überein-
stimmende Sprachgebrauch gerade der ältesten idg. Sprachen erweist3.
Auch für „Hinterdeck“ war ein gemeinsprachliches Wort vorhanden
(*qrumnä: griech. πρνμνά, asl. Jcrüma4).
Die gemeinidg. Worte für „Buche“ *bhäg0- und „Schildkröte“ *ghelü-,
gwhelü- (äol. χελννά, griech. χέλυς (für *χέλυς nach Gen. χέλυος < χέλν/ος:
asl. zely Gen. zelüve) verbieten es, zu weit nach Norden5, etwa bis Jüt-
land oder gar Skandinavien, hinaufzusteigen.
Nach Süden wird sich das Gebiet bis mindestens zum Harz erstreckt
haben. Zu diesem Schluß werden wir allerdings nur gedrängt, wenn wir
1 Idg. *mari- n. (lat., kelt., germ., sl., halt.).
2 W. Schulze, Kl. Schriften 218.
3 RV I, 116, 5 satäriträm nävam „das hundertrudrige Schiff“ ist gewiß eine
märchenhafte Übertreibung (Luders, Varuna I, 110f.): sie beweist aber doch,
daß man Schiffe kannte, die keine Kähne mehr waren. Auch kühne Phantasie
pflegt an die Wirklichkeit anzuknüpfen. Die Bekanntschaft mit dem Segel bei den
vedischen Indern wird durch die Ausdrucksweise von RY VI, 64, 4 aväte apcis
tarasi „im Windlosen (= sogar bei Windstille) überquerst du das Wasser“ voraus-
gesetzt.
4 Wir dürfen uns wohl nicht wundern, daß wir nicht mehr Spezialausdrücke
haben. Schiffer sprachen sind Sondersprachen. Unterschiede des Details, der Her-
stellungsart, des Materials, der Form und Größe pflegen hier bei der Benennung
der einzelnen Gegenstände eine bedeutende Rolle zu spielen, so daß ein reiches,
aber ganz uneinheitliches Vokabular entsteht. Verhältnismäßig alt ist gewiß das
lat. vllmn „Segel“ (*vegh-slo-). Es steckt wohl auch in lat. velöx, velöcis „schnell“,
das ich als ein uraltes Kompositum auffassen möchte: *veghslo-bku- „schnell (gr.
ώκνς altind. äsu lat. öcior) durch ein Segel“ (ursprünglich auf Schiffe be-
zogen), und veles, velitis „schnell beweglicher Soldat“, ursprünglich „Segler“
(velovelet- = equo-: equet-).
5 In Norddeutschland (Brandenburg, Mecklenburg) begegnet gelegentlich heute
noch die Schildkröte in freier Wildbahn.
( 30 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 565
Bäume: Birke, Buche, Espe, Eiche, Eibe, Weide, Fichte, Tanne, Erle,
Esche.
Haustiere: Hund, Rind, Schaf, Pferd, Schwein, Ziege1.
Sonstige Landtiere: Wolf, Bär, Luchs, Fuchs2; Hirsch, Hase; Maus,
Schlange, Igel, Schildkröte.
Vögel: Adler, Falke, Eule, Kranich, Drossel.
Wasservögel: Gans, Ente, Taucher.
Wassertiere3: Lachs; Otter, Biber.
Insekten: Fliege, Hornisse, Wespe, Biene, Laus und Floh.
Das ist ein gewiß lückenreiches, aber in sich nicht widerspruchsvolles
Bild, ein Bild auch, auf dem offenbar die wesentlichsten Punkte erkenn-
bar sind: es fehlt kein Haustier und auch kein größeres Raubtier, das wir
in der jüngeren »Stein-, Bronze- und Kupferzeit in der Norddeutschen Tief-
ebene voraussetzen dürfen, und die in dieser Gegend häufigsten, auf-
fallendsten und für den Menschen wichtigsten Bäume sind auch die best-
beglaubigten.
Die Stimmigkeit des Ganzen tritt noch einmal nachdrücklich ein für
die Richtigkeit unserer Hypothesen:
1. daß es eine idg. Gemeinsprache gab,
2. daß es möglich ist, sie innerhalb gewisser Grenzen zu rekonstruieren,
und
3. daß ihre Heimat im Gebiet der Lachsflüsse gelegen war: bis hin zur
Ost- und (?) Nordsee, westlich der Buchengrenze und östlich des Rheins,
also im Stromnetz von AVeichsel, Oder, Elbe und (?) Weser.
II. Anhang
A. Exkurse
1. Die homerischen Benennungen des Löwen
1. Bei dem Versuch, griech. λέων „Löwe“ etymologisch zu analysieren,
geht W. Schulze, Quaestiones epicae 70f. von einer Wz. *slei/*sli „zer-
reißen“ aus: *slej-on- (> λέων), *slej-on- (> λείων, lies *λήων) „Zer-
reißer“. Dagegen muß man geltend machen, daß die hier vorausgesetzte
Wz. weder im Griechischen, noch in einer andern idg. Sprache zweifels-
frei nachweisbar ist. W. Schulze entnimmt sie dem germ. slltan „zer-
reißen,“ das sich zu dem erschlossenen *slei/*sU verhalten würde wie
( 32 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 567
germ. giutan „gießen“ zu *gheu/*ghu (altind. hu) „gießen“, also eine idg.
-cL Erweiterung repräsentieren müßte. Eine solche ist jedoch nicht häufig
genug, um mit ihr als einer Selbstverständlichkeit operieren zu können.
Dazu kommt etwas anderes. Da λέων als Benennung des Löwen in keiner
andern idg. Sprache eine Entsprechung hat, darf man vermuten, daß es
nicht der idg. Gemeinsprache entstammt. Also ist das Wort zwar in
vorgriechischer Zeit geprägt, aber wahrscheinlicherweise nicht in allzu
ferner Vorzeit, wird also doch Elemente enthalten, von denen sich irgend-
wo sonst noch im Griechischen mindestens eine Spur entdecken läßt.
Eine etymologische Zerlegung des Wortes, die auf ein solches im Grie-
chischen auch im übrigen nicht ganz und gar verschollenes Element als
Wurzel führt — was eben *slei nicht wäre —wird insbesondere dann als
wahrscheinlich gelten dürfen, wenn die ursprüngliche Bedeutung, die sie
erkennen läßt, sich noch als charakteristische Bezeichnung gerade des
Löwen empfähle —- was wiederum für eine Bedeutung „Zerreißer“ nicht
zuträfe.
Keine deutliche Gegebenheit zwingt, nichts hindert uns aber auch,
hom. λέων als *λέβων zu interpretieren und es als eine Bildung zu einer
Wz. Hevd „brüllen“ aufzufassen. Das hat schon Lefmahn, BB X, 302,
getan, indem er *λέβων zu rigveclisch ruväti, arävisam usw. „brüllen“
(oft vom Stier) stellt. Ein Hev-on- „Brüller“ wäre in der Tat eine Be-
zeichnung, die sich für die Benennung des Löwen hervorragend eignete1.
Ein vedisches r kann an und für sich ebensowohl ein idg. I repräsen-
tieren, wie ein idg. r. Soweit bestünde keine Schwierigkeit, das indische
Verbum auf ein idg. Hevd zurückzuführen. Einspruch erhebt dagegen,
wie Lefmanh nicht gesehen hat, das sl. ruti „brüllen“, das vielmehr
auf ein *revd schließen läßt. Aus diesem Grunde wohl war man Lefmanhs
Vorschlag nicht ernst zu nehmen geneigt, und dies um so leichter, als
seine Erörterungen durch eine Reihe unnützer, teilweise geradezu un-
richtiger Vermutungen kompromittiert werden. Es läßt sich jedoch gar
nicht leugnen, daß wir bei unseren Rekonstruktionen durchaus nicht
selten auf r-haltige Wurzeln kommen, neben denen eine Dublette mit l
steht. Man vergleiche insbesondere die reichen Zusammenstellungen bei
Specht, Ursprung der idg. Deklination, 118ff„ 122f. und passim. Auch
bei vorsichtigster Siebung des von Specht zusammengetragenen Ma-
terials bleibt genug des unmittelbar Überzeugenden, um die Behauptung
zu rechtfertigen, daß ein idg. *revdj*ru „brüllen“ ohne weiteres ein
*levd\*lü, „brüllen“ zur Seite haben konnte. Ein solches Hevd ist nach
1 In den meisten Sprachen — nicht z. B. im Englischen — wird das Gebrüll des
Löwen nnd des Rindes mit dem gleichen Verb benannt.
Abli. Geistes- u. sozialw. Kl. jNTr. 11 ( 33 ) 42
568 Paul Thieme
dem Gesagten bereits an und für sich besser begründbar und einleuchten-
der als das von W. Schulze rekonstruierte *slei. Es kommt hinzu, daß
es sich auch an anderer Stelle im Griechischen nachweisen läßt.
Ein lebendiges Morphem ist hier Hevd „brüllen“ freilich nicht mehr. Es
begegnet nur noch im Hinterglied eines schon früh mißdeuteten Kompo-
situms, des homerischen Ausdrucks für „Spätnachmittag, Abend“:
βονλντο- (77 779 = c58 ήμος δ’ήέλίος μετενίσσετο βονλντόνδε).
Es ist kein Wunder, daß man schon im Altertum diese Bildung mit
λύω „lösen“ in Verbindung gebracht hat (Heliod. Aeth. V, 24, vgl.
W. Schulze, Qu. ep. 312; Horaz, Carm. III, 6, 41 ff. sol ubi . . . iuga
demeret bubus fatigatis [von der Abendsonne]: Hes. Erga 581 πολλοϊσι
δ’επί ζυγά βονσϊ τίϋμσιν [von der Morgenröte]) und βονλντο- erklärt als
„die Zeit, da der Landmann das Rind vom Pfluge löst“.
Die Schwierigkeit, die das lange v von βονλντο- (gegenüber λυτός)
dieser Kombination entgegenzusetzen scheint, hat W. Schulze 1. c. in
eleganter und, wie mir scheint, unanfechtbarer Weise beseitigt. Ich
möchte ein anderes Bedenken erheben, das nach meiner Auffassung von
erheblichem Gewicht ist.
Für die homerische und erst recht für die vorhomerische Zeit, aus der
der Ausdruck stammen muß, dürfte nicht — wie für Hesiocl und Horaz,
der in dem zitierten Zusammenhang von den sabellischen Bauern
spricht -— das ackernde, sondern das weidende Rind charakteristisch
gewesen sein: ein Viehzüchterwort wäre von vornherein wahrschein-
licher als ein Ausdruck, der aus dem Anschauungskreis des Ackerbauern
stammen müßte.
Unter Berufung darauf, daß rigvedisch rü „brüllen“ (als tiefstufige
Form der Wurzel zu entnehmen aus ruvdti, arävisam: der Ansatz der
incl. Grammatiker ru ist abstrahiert aus den Komposita mit regelrecht
verkürzter Wurzelsilbe: viruta usw., nach denen man denn auch — noch
nicht im RV — ein rutd bildet) gerade von Rindern gesagt wird, schlage
ich vor, βονλντο- als „Rindergebrüll“ = „Zeit des Rindergebrülls“ -
„Spätnachmittag, Abend“ aufzufassen. Es ist am Abend, wenn die Euter
sich gefüllt haben und die Weidekühe heimkehren1, da ihr Gebrüll ertönt.
So hat das Rindergebrüll als typisches Merkmal des Abends2 auch in der
1 H. h. Merc. 105f. ενϋ·' έπεί εύ βοτάνης έπεφόρβει βοϋς εριμνκονς / καί τάς μεν
αννέλασοεν ές αν λ lov άϋ'ρόας ονοας . . . Vgl. W. Schulze, Qu. Ep. 72, insbesondere:
,,ανλίος άστήρ Apoll. Rhod. IV 1630 = άστηρ βουλντοϊο Kaibel 618, 15“.
2 Zum Beispiel Brhats. 91, 2f. wird das Brüllen der [am Abend] heimkehrenden
Kühe, das Glück verheißt (1. c. 3 ägacchantyo vesma bambhäravena . . . dhanyä
gävah syuh), vom Brüllen „ohne Grund“ unterschieden, das Unglück bringt (2
aJcärane krosati cecl anarthdh): vgl. Luders, Phil. Ind. 770.
( 34 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 569
modernen Literatur seinen Platz. Ich denke an den Eingang von Th.
Gray, Elegy ... in a Country Churchyard: The curjew tolls the lcnell of
parting day, / the lowing herd wind slowly der the lea ..., oder an Schillers :
„ Blökend hehren heim die Schafe, / und der Rinder / breitgestirnte, glatte
Scharen / kommen brüllend, / die gewohnten Ställe füllend“ {Glocke).
K. Jahert erinnert mich an den Beginn von L. Tolstojs Kosaken, der
eine eindrucksvolle Schilderung der am Abend heimkehrenden, brüllen-
den Rinder gibt.
2. Das zweite, seltenere homerische Wort für „Löwe“: λΐς (λίς), Akk. λϊν
sieht man heute meist als semitisches Lehnwort an (hebr. lajis „Löwe“,
vgl. z. B. Boisacq, Biet, etym., J. B. Hoemanh, Et. Wb. des Griech.).
Ich stehe dem skeptisch gegenüber, λΐς, λϊν paßt mir zu gut zu den
überaus zahlreichen griechischen Tierbenennungen, die Wurzelnomina
sind: rechnet man sie zusammen, kommt man mit Leichtigkeit über
zwei Dutzend. Die meisten lassen sich auf im Griechischen oder in
anderen idg. Sprachen belegte Verben beziehen und als Nomina agentis
auffassen.
Mit im gesamten Paradigma durchgeführter Tiefstufe (entsprechend
λΐς, λϊν) sind belegt z. B.: μυς, μυός, „Maus“, νς, νός „Schwein“, κΐς, κιός
„Wurm“ (zu *kei köi „liegen“, also ursprünglich „der Liegende“1), λυγξ,
λνγκός „Luchs“, ιψ, Ιπός „Holzwurm“ (zu ϊπτω „beschädigen“), σκνίιρ,
σκνιπός „Ameise“ (zu σκνίπτω „kneipen, zwicken“), στρίγξ, στριγγός
„Nachtvogel“2; mit Spur alten Ablauts: πτώξ, πτωκός „Hase“ (zuπτωσσω
1 Weil er nicht auf Beinen „steht“. Nach Danielsson, Gramm, und etym.
Studien I 17, Anm. 6 zu Wz. *köi (altind. sä „schärfen“, lat. cot- „Schleifstein“
usw.), die aber nicht „durchbohren“ heißt, was man von gewissen Würmern sagen
könnte, sondern: „schärfen, wetzen“, also für die Bezeichnung der Tätigkeit
irgendeines Wurmes nicht in Betracht kommt. Zu Wz. köi „liegen“ u. S. 54 Anm. 2.
2 γνψ, γυπός „Geier“ pflegt man in diesem Zusammenhang zu nennen. Eine
Wz., zu der es gebildet wäre, läßt sich aber nicht auftreiben. Ich kann den Verdacht
nicht unterdrücken, daß γνπ ein altes Kompositum *gwu-jup- repräsentiert.
*gwu- wäre, im Vorderglied eines Kompositums ursprünglich regelrechte, Tief-
stufe des Stammes gwou- „Rind“. Ebenfalls regelrecht ist eine griech. Entsprechung
V für gw vor unmittelbar folgendem v: Schwyzer, Grammatik I, 298 (e a 2).
*jup- würde eine Erklärung finden durch altind. Wz. yup „[spurlos] beseitigen“,
insbesondere: „durch Verwischen oder Verwirren die Spur von etwas unkenntlich
machen“. Aus den letzteren Gebrauchsweisen ergeben sich die späteren Bedeu-
tungen: „wischen, glattstreichen“ (TS. II 6, 5, 5) und „in Verwirrung bringen“
(Kommentare, die aber wahrscheinlich nicht auf lebendigem Sprachgebrauch
fußen, sondern diesen Ansatz aus dem Zusammenhang abstrahieren).
Da die Wörterbücher der ursprünglichen Bedeutung von yup nicht gerecht
werden und ich selbst früher (ZDMG LXXXXV, 89) mich für einen Ansatz „ver-
( 35 ) 42*
570 Paul Τηγεμε
„sich ducken“): der Akk. πτάκα (Aesch.) läßt einen alten Gen. *πτακός er-
schließen; ψάρ, ψάρός „Star“ (zu ψαίρω „einen best. Ton von sich geben“):
zugrunde liegt wohl ein altes Paradigma *ψήρ, *ψαρός, dessen Vokalis-
mus unter Beibehaltung der Quantität des Nom. und der Qualität der
obliquen Kasus ausgeglichen wurde (nach Joh. Schmidt, KZ XXV, 20);
mit im gesamten Paradigma durchgeführter Voll- oder Dehnstufe (oder
nur in Formen belegt, die diese Ablautform fordern) z. B.: αίγ- „Ziege“,
δορκ- „Reh, Gazelle“, (zu δέρκομαι „blicken“), φΰείρ- „Laus“ (zu φϋείρω
„verderben“), σηπ- „giftige Schlange“ (zu σήπτω „zur Fäulnis bringen“),
τρωγ-„Wurm“ (zu τρώγω „nagen“), δηκ- „Holzwurm“ (ζιιδάκνω „beißen“).
Von diesen Bildungen stammen erweislich mehrere aus der idg. Ge-
meinsprache. Ihre idg. Bedeutung und Flexion läßt sich mit Hilfe außer-
griechischer Entsprechungen noch feststellen:
μυς: idg. *mus- m. f. „Stehler[in]“ == „Maus“ (gesichert durch altind.,
lat., germ., slaw. Entsprechungen), zu Wz. *meus\*mus „stehlen“ (alt-
ind. mus-näti „stiehlt“). Vermutliches Paradigma: Nom. S. *müs, Gen.
*mus-0s1.
ϋς: idg. sü- f. „Gebärerin“ = „Sau“, m. „Erzeuger“' = „Eber“ (ge-
sichert durch altind., iran., lat., germ., slaw., kelt. Entsprechungen), zu
1 An dem Zusammenhang von *sü- „Sau, Eber“ und der Wz. sü „Nachkommen-
schaft zur Welt bringen“ möchte ich nicht zweifeln. Es ist gewiß richtig, daß
diese Bezeichnung zunächst nur dem weiblichen Tier ganz passend zukäme (Ben-
veniste, BSL XLIX, 90), aber wir sagen ja auch z. B. „Säugetier“ (frz. mammi-
fere) nicht nur von weiblichen Tieren. War einmal ein sü- f. „Sau“ vorhanden,
mußte sich ganz selbstverständlich auch ein sü- m. „Eber“ einstellen. Vgl. auch
meine Erklärung von simsumärci ,,Schnabeldelphin“ (ursprüngl. „sein Junges [s7sw]
nährend [Wz. aZ]“), ZDMG XCVI, 419. 2 Vgl. u. S. 43f.
3 Erschließbar aus aw. lz-aena „ledern“.
4 Anders die etym. Wbb. (Boisacq usw.). Aber eine Wz. *strei-g „einen be-
stimmten Ton von sich geben“ ist nicht erweisbar.
5 Zum gleichen Typus gehört natürlich das Urbild des o. 21 f. behandelten altind.
vij-as „Einsatz“ < *„Die Springenden“ = „Die Lachse“.
( 37 )
572 Paul Thieme
Dingen oder Personen“, für den sich so viele sichere Analogien bei-
bringen lassen, ein „Marke, Preis, Zeichen von Dingen oder Personen“.
Wer wird sich so ausdrücken oder würde mit solcher Ausdrucksweise ver-
standen oder nachgeahmt werden?
Tatsächlich gibt es aber überhaupt kein laksa „Marke, Zeichen“, und
für laksa „Preis“ (episch) steht es doch wohl fest, daß es ein altes laksa
„Spieleinsatz“ (RA7" II 12.4; Jät.; M Bh.) ersetzt, über welches o. S. 21
Weiteres.
Pür laksa „Marke, Zeichen“ hat das PW (s. v. laksa 2) aus dem unend-
lichen Ozean der Sanskritliteratur nur einen kümmerlichen Beleg aus
dem Epos (M Bh. III 14 852) herausfischen können. Es leidet doch gar
keinen Zweifel, daß wir hier einer späterer Aussprache folgenden Ortho-
graphie (J. Wackernagel, Altind. Gramm. I § 235 a) gegenüberstehen,
d. h. daß laksa „Merkmal“ für laksya „das ins Auge zu Passende, Kenn-
zeichen, Ziel“ steht, mit dem es frühklassisch in der Aussprache zu-
sammengefallen war. Umgekehrt ist laksya „Preis“ (PW unter laksya 3 a)
nur pseudohistorische Schreibung für laksa (vgl. z. B. Luders Phil. Ind.
511 über Ch. Up. IV 4, 1 an Stelle von vivatsämi überliefertes vivatsyämi).
Was laksayati „auf etwas achten; bemerken, wahrnehmen“ (PW s. v.
lalcsay- 7 und 8) anbelangt, so wird wohl niemand zweifehl — auch mit
Mayrhofer bin ich hier einig —, daß es nichts anderes ist, als mit aus
der östlichen Volkssprache entlehntem Anlaut gesprochenes raksayati
„schützen, bewachen; sorgfältig achten auf (vgl. RV VII, 61,3; IX,
87,2; 146,4)“. Bedeutungsmäßig verhält es sich dazu in ganz ähnlicher
Weise, wie sonst aus der Volkssprache entlehnte l- zu den ererbten r-
Pormen der Hochsprache: Wackernagel, Festgabe Jacobi 12f.
Anders steht es offenbar mit laksita „gekennzeichnet“ (SB), laksayati
„kennzeichnen“ und laksana „Kennzeichen, Kennzeichnung“ (frühklas-
sisch und später). Offenbar handelt es sich hier um eine Bildung, die wir
mit raksayati, raksita und raksana nicht kurzerhand identifizieren dürfen.
Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß dieses Pormensystem eine glatte Er-
klärung finden könnte, wenn wir laksayati „kennzeichnen“ als Denomina-
tivum zu einem laksa *,,Kennzeichen“ aufzufassen das Recht hätten,
wie es das PW glaubt (s. v. laksay-). Das ist aber keineswegs der Pall. Denn
1. ist ein laksa „Kennzeichen“ nicht nachzuweisen (s. o.), und 2. ist es auch
gar nicht voraussetzbar, da ihm kein wahrscheinlicher Platz innerhalb
des lexikalischen und grammatischen Systems anzuweisen wäre. Da nun
aber sowohl ein reichlich belegtes, wie grammatisch-lexikalisch ohne
weiteres analysierbares laksya „Merkmal“ vorhanden ist, bleibt der Schluß
unausweichlich, daß laksayati „kennzeichnen“ Denominativum zu laksya
( 40 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 5 75
Mayrhofer geht aus von einem *raksa „Rotsein, Röte“, das er mit der
Aufstellung der Analogie: bhaj „teilhaben, zuteilen“: bhaksä „Genießen“
= raj „rot sein“: *raksä „Röte“ begründet. Es wäre doch immerhin
merkwürdig, daß wir von diesem *raksd sonst nirgends etwas zu fassen
bekommen, bhaksä gehört zu einem schon manschen Verb bhaks (iran.
baxs): auch von einem *raks „rot sein“ ist nirgends die Rede.
Nun kommen wir in der Sprachwissenschaft ohne die Annahme hypo-
thetischer Formen, ohne die Rekonstruktion unbelegten Sprachguts
nicht aus: ich bin der Letzte, die Berechtigung dazu zu bestreiten. An-
gesichts aber der Ungewöhnlichkeit des Typus bhaj: bhaksä, scheint mir
der Ansatz eines ind. *raksä an Wahrscheinlichkeit dem Ansatz eines
idg. Häkso- „lachsig“ = „rot“, für den es so verhältnismäßig viele und
genaue Analogien gibt, durchaus nachzustehen. Jedenfalls aber ist er
nicht weniger hypothetisch.
Dazu kommt, daß Mayrhofers Voraussetzung, ein Farbadjektiv
„rot“ (Häksa) sei eine sekundäre Weiterbildung eines Farbabstraktums
„Röte“ (*raksa), ebenfalls weit weniger einleuchtet als meine Annahme,
der Begriff „rot“ sei mit einem Wort bezeichnet, das eine Ableitung von
einer Benennung darstellt, die einem Gegenstand gilt, an dem sich die rote
Farbe auffällig zeigt. Ich verweise auf die o. S. 20 angeführten Analogien.
Selbstverständlich muß ich Mayrhofers Deutung als theoretisch
möglich gelten lassen. Ihre Wahrscheinlichkeit aber beurteile ich
skeptisch. Sie ist keineswegs evident genug, um mich zu veranlassen,
K. Hoffmanns Erklärung von läksä aufzugeben: sie verbaut den Weg
dazu, worauf es hier ahein ankommt, mitnichten.
1. Idg. *aig- (Nom. aigs, Gen. igos) „Ziege“, ursprünglich „die sich jäh
Bewegende, die Losspringende“, ein Wurzelnomen — wie *mus-, *sü-,
*strig- usw. (o. S. 36f.) — zu Wz. *aig „losspringen“, erhalten in altind.
ej dasselbe. Vgl. z. B. RV I, 10.2, yüthena vrsnir ejati „als Widder mit
der Herde springt er los“.
Beglaubigt durch: griech. αϊξ, arm. aic, altiran. iz-aena „aus [Ziegen-]
Leder bestehend“.
Die glatte Möglichkeit der Anknüpfung an idg. Sprachgut und die
deutliche Spur von Ablaut spricht entschieden gegen Spechts Verdacht
einer griech.-arm.-iran. Entlehnung1. Wenn das Griechische mit einer
Satemsprache Gemeinsamkeiten zeigt, so ist a potiori die Wahrschein-
lichkeit gemeinidg. Alters gegeben2. Wir haben also drei Indizien, die alle
in die gleiche Richtung weisen. Dazu kommt als viertes, daß die Bildung
weder vom Griechischen noch vom Iranischen aus verständlich wäre.
Specht selbst hat wohl gefühlt, daß das offenbar hochaltertümlichen
Ablaut zeigende iranische Izaena- (sprich: izaina-), fern, izaenis (sprich:
izainls) nicht zu seiner Auffassung von *aig- als fremdem Lehnwort paßt.
Nur so vermag ich es mir zu erklären, daß er — gleichsam im Vorbeigehn
— den Wert des iranischen Zeugnisses herabzumindern sucht („falls
man aw. izaena Mus Leder' mit Recht hierher gestellt hat [d. h. zu dem
griechischen und armenischen Wort für Ziege]“: KZ LXVI, 13) und
weiterhin kurzerhand von einer „griech.-arm. Gleichung, die die übrigen
Indogermanen nicht teilen“, spricht.
Nun ist Izaena und izaenis zwar nur je einmal (Vencl. 8, 23; 7, 14) über-
liefert, seine Bildung aber erscheint nicht nur einwandfrei, sondern
geradezu charakteristisch (*iz- „Ziege“: iz-aena- „aus [Ziegen-]Leder be-
stehend“ = otto- „Erde“: zdm-aena „irden“, ayah- „Erz“ ayah-aena
„aus Erz bestehend“ usw.: Brugmann, Grundriß2 II, 1 § 188ff.), und
seine aus dem Zusammenhang erschließbare Bedeutung stimmt so tadel-
los zu der sich aufdrängenden etymologischen Analyse (Vend. 8, 23
vastrdm . . . ubdaendm vä izaendm vä „ein Gewand, das entweder aus Ge-
webtem (*ubda-) oder aus Leder besteht“), daß irgendwelche Skepsis
ganz unangebracht ist.
Daß die Spärlichkeit der Bezeugung des Stammes *aig-j*ig- im Ira-
nischen lediglich durch die Trünnnerhaftigkeit der Überlieferung bedingt
1 Dies um so mehr, als sich — entgegen Spechts Meinung (KZ LXVI, 4ff.) —
keine sonstigen Fälle nachweisen lassen. Vgl. u. S. 48 ff.
2 Hach Spechts eigener, wohlbegründeter Auffassung, von der er hier (KZ
LXVI, 13) mit einem ad hoc geschaffenen Argument abgeht. Vgl. auch Wissmann,
Name der Buche 27.
( 43 )
578 Paul Thieme
ist, läßt sich aber weiter — und damit ist ein Übriges getan — durch eine
glückliche Kombination meines Schülers K. Janert dartun, die auch im
Altindischen eine Entsprechung zu idg. *aig- „Ziege“ ans Licht bringt.
Sein Gedankengang, der nach meinem Urteil eine lückenlose Beweis-
führung enthält, ist kurz der folgende:
Geht man davon aus, daß ein konsonantischer idg. Stamm *aig- im
Altindischen als *ej- erscheinen müßte, so lassen sich als Deklinations-
formen folgern: Nom. S. *et, Akk. S. *ejam, Instr. PL *edbhis, Dat. Abi.
PI. *edbhyas usw.
Aus solchem Paradigma konnte das Sprachgefühl einen Stamm *ed-
abstrahieren, der mit -a- erweitert ein *eda-ergäbe. Dieses liegt nun wirk-
lich vor in sanskr. eda-ka „Art Schaf, wilder Ziegenbock (Trik. 2.5.9 -
vanacchäga)“, pali ela-ka „ram, wild goat“.
Der hier rekonstruierte Entwicklungsgang findet, wie Janert richtig
gesehen hat, eine genaue, ihn aufs schlagendste bestätigende Analogie
in dem durch Lüders, Varuna 83 aufgehellten Verhältnis des alten
konsonantischen Stammes kakubh- „Spitze“ zu den jüngeren kakud- und
kakud-a-: Aus dem aus *kakub-bhis (Instr. PI.) dissimilierten *kakud-bhis
(vgl. ap- „Wasser“: *ab-bhis > ad-bhis), kakud-mant- (< ^'kakub-mant-1)
usw. entnahm man zunächst einen Stamm kakud-: N.S. kakut SB 13.3.3.
10; TS 4.3.12.2, Lok.S. kakudi AV 3.4.2, N.P1. kakudas SB 13.3.3.10;
TS 4.3.12.2; N.S. tri-kakut TS 7.2.5.2, 3 (vgl. Pän. 5.4.146), wozu man
dann mit «-Erweiterung das später allein übliche kakuda- (AV 10.10.19,
SB 7.5.1.35; Pän. 5.4.146, Räm., Kälidäsa usw.; Lexikographen) bil-
dete2. Also
*ej-: *ed-: eda-[ka-] = kalcubh-: kakud-: kakuda-,
2. Idg. *ag- „Ziege“, ursprünglich „die Geweidete“. Wurzelnomen wie
*aig-, zu Wz. ag „führen, weiden lassen“, vgl. hom. άγ-έλη „Herde“, idg.
*ag-ro „Weideland“ (altind. djra „Trift“, hom. αγρός „Weideland“3 [an
Stellen wie E 137 ποιμήν άγρώ επ εϊροπόκοισ οίεσσιν']). Passiver Sinn
des Wurzelnomens wie z. B. altind. yuj „Genosse“ („der Vereinigte“),
lat. conjug-, griech. σνζυγ-, αζνγ-, lat. reduc-, „zurückgeführt“ neben duc-
1 Der Stamm Icakub- ist aus dem Nom. S. kakup und dem Lok. PI. kakup-su (viel-
leicht auch aus dem noch nicht dissimilierten *kakub-bhis) abstrahiert. Die Dis-
similation *kakub-mant- > kakud-mant wie z. B. georg. *ripma (für russ. rifma
< ρν&μός) > ritma „Reim“ (Debters, Idg. Forsch. LVII, 55).
2 Weitere Beispiele z. B. Wackernagel, Altind. Gramm. III, § 166b, § 136a.
3 Aus „Weideland“ hat sich entwickelt „Gebiet, das unmittelbar um die Sied-
lung liegt (jenseits der Dorfeinzäunung)“: lat. per-egr-lnus „fremd“, griech. άγριος,
άγρότερος „wild“; und daraus dann „Acker“: griech. άγρός, lat. ager, got. akrs.
Vgl. hierzu Specht, KZ LXVI, 17f.
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 579
5. Indogermanisch „Fisch“
1. Die Entsprechungen got. fisk-s, lat. pisc-i-s, ir. iasc lassen eine
Grundform *pisk-o-, *pisk-i- und *peisk-o erschließen.
Unter der Voraussetzung idg. Alters läßt sich das Wort analysieren.
Das die Zugehörigkeit bezeichnende Suffix -isho (griech. ανϋρωπ-ίοκοςζ,
lat. mar-iscus, got. mcmn-isk-, asl. clovec-iskü usw.) scheint an das idg.
Wort *ap-jop-,,Wasser“ angetreten zu sein. Die Tiefstufe mußte p- lauten,
sofern der Vokalismus der Vollstufe nicht analogisch wiederhergestellt
wurde (vgl. altind. ap-äs Akk. Plur. [Vollstufe], ap-as Nom. Plur. [Dehn-
stufe], ap-äm Gen. Plur. usw. statt *päm [Tiefstufe4] wie edhi „sei!“ aus
*azdhi gegenüber iran. (aw.) zdi). Idg. *p-isko- hieß also „der zum Wasser
Gehörige“.
Trotz der Beschränkung erhaltener Entsprechungen auf die westlichen
idg. Sprachen, wird man das idg. Alter der Bildung nicht anzweifeln
1 Altind. basta „Ziegenbock“ mit Umstellung des Stimmtons (vgl. W. Schulze,
Kl. Schriften 711) aus *pazda- zu Wz. *pezd (lat. plclo, slov. pezdeti usw.) „farzen“:
„der Stinkende“ ? Die Umstellung, um die Anstößigkeit der etymologischen Be-
deutung zu verdecken? 2 Vgl. Verf., Fremdling im Rigveda, 159ff.
3 -ισκο- bei Homer gemieden, also dem höheren Stil ursprünglich fremd.
Daraus ist es wohl zu erklären, daß es in der ind. Hochsprache überhaupt fehlt.
Mit Spechts Auffassung von griech. -ίσκος (KZ LXVI, 218ff.) vermag ich mich
nicht zu befreunden. Zu Unrecht scheint er z. B. die Wahrscheinlichkeit des Über-
gangs eines Adjektivs der Zugehörigkeit in ein Deminutiv zu bezweifeln (1. c. 219):
τραγός „Bock“: τραγίσκος „Böckchen“ = got. gaits „Ziege“: gaitein „Zicklein“
usw. (Benveniste, BSL XLV, 84).
4 Erhalten in altind. prati-p-a, anü-p-a, dvi-p-a usw.
( 47 )
582 Paul Thieme
dürfen: sie stammt aus einer Zeit, in der der Ablaut konsequent und
rücksichtslos durchgeführt wurde und in der ein konsonantisches Suffix
-isk- vorhanden war, das sowohl durch -o- (germ. *fiska-) wie durch -i
(lat. pisc-i-1) erweitert werden konnte und das selbst mit -eisk- ablautete2
(ir. iasc), also aus der Zeit der idg. Gemeinsprache.
2. Griech. ϊχ&νς, lit. zuv-i-s (Gen. PI. zuv-vf) lassen sich unter einer
Grundform *ghjü- ,,Fisch“ vereinigen.
Idg. ghj-: griech. χϋ- wie idg. *ghjes „gestern“: griech. χϋές, altind.
hyas (Schwyzer, Griech. Gramm. 325). Das anlautende griech. i ist
prothetisch wie in ίσϋι (aw. zdi) „sei!“, ίσχίον „Hüfte“ (H-sktMjom:
altind. sakthi „Schenkel“: W. Schulze, Kl. Schriften 710 Anm. 8),
Ικτίνος „Stoßvogel“ (altind. syena „Falke“) usw.: Schwyzer, o. c. 413.
Idg. *ghjü- kann nur eine Weiterbildung von der Wz. ''fghei :i:,,kalt
sein“ (griech. χεϊ-μα, χι-ών: altind. he-man-ta, hi-ma; sl. zi-ma usw.)3
darstellen.
Die Bildung wie in ισχύς „Stärke“ (*vi-\-sgh-u- zu *segh „kräftig
sein“: altind. sah, germ. sig-is usw.), d. h. also wohl Substantivierung
eines Adjektivs auf -u: *gheju-fghju- „kalt“: ghjü- m. f. „Fisch = griech.
όορο/altind. dru-: griech. δρυς „Eiche“ oder etwa Ιϋνς „gerade“: Ιϋϋς f.
„Geradheit, gerade Richtung“. Vgl. Schwyzer, Griech. Gramm. I, 463,
nebst Anm. 7 und 8.
Demnach idg. *ghjü- m. f. „der, die Kalte“ = „Fisch“.
Lautlich, morphologisch und bedeutungsmäßig ist wieder alles in
schönster Ordnung, sobald wir die Bildung aus den sprachlichen Möglich-
keiten der idg. Gemeinsprache erklären.
Arm. jukn „Fisch“ enthält wohl eine Weiterbildung von ghjü: Hübsch -
mann, Armenische Grammatik I, 471. Sl. ryba und indoiran. matsya sind
Neubildungen oder Lehnwörter, die die alten Ausdrücke verdrängt
haben. Nichts zwingt zu der Annahme, daß die Wörter *p-isk-ofp-eisk
-ofp-isk-i und *ghjü- nur im Gebiet bestimmter Dialekte der Gemein-
sprache vorkamen.
6. Griechisch-Arisch-Armenische Isoglossen?
In seiner überaus reichhaltigen Arbeit Sprachliches zur Urheimat der
Indogermanen (KZ LXVI, lff.) hat F. Specht eine Reihe von griech.-
1 Vgl. lat. caulis: griech. κανλός; lat. collis: lit. kalnas; lat. imbri-: altind. abhra.
M. Leumann-J. B. Hofmann, Latein. Grammatik 232.
2 Vgl. z. B. den Ablaut im idg. Zugehörigkeitssuffix: -ino-, -Ino-, -eino-.
3 J. Loewenthal, Wörter u. Sachen X, 145 vermag ich nicht in Betracht zu
ziehen. Zu έγβρός usw. vgl. Schwyzer, Griech. Gramm,., 326 (Zusatz 5).
( 48 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 583
gehören, was ich allerdings auch als sehr wahrscheinlich betrachte — unter
einer Grundform *vedhri-s vereinigen lassen, d. h. unter der Annahme, daß
weder das Griech. noch das Ind. irgendeine ihrer Lautsubstitutionen, die
sie vom Idg. scheiden, bereits vorgenommen hatten, als das Wort aufkam.
Specht gibt auch zu, daß die Annahme idg. Alters „eigentlich“ er-
forderlich ist, tut aber sein Möglichstes, zu zeigen, daß der Begriff des
Kastraten den Indogermanen noch nicht bekannt sein konnte. Was den
menschlichen Kastraten anlangt, wird er auch recht haben. Was kastrierte
Tiere betrifft, ist seine Beweisführung nichts weniger als zwingend. Er-
örterungen darüber, ob „in ältester Zeit“ oder „zunächst“ oder „in alter
Zeit“ (Specht, o. c. 6f.) die Kastrierung von Haustieren üblich war,
helfen nicht weiter: dazu sind das viel zu relative Begriffe. Die Ent-
scheidung der Frage, ob man zur Zeit der idg. Gemeinsprache schon Tiere
kastrierte, hängt lediglich davon ab, ob man die Entsprechung vädliri
„Wallach, kastriertes Tier“: εϋρίς „Kastrat, Eunuch“ gelten läßt.
Wichtig wäre es immerhin, wenn Specht mit Recht leugnete, daß
Homer den Hammel nicht kennt. Er will den Ausdruck ενορχα μήλα
(ψ 147) „Schafe, bei denen die Hoden darin sind“ nicht — wie es andere
tun — als Gegensatz zu einem *ανορχα μήλα „.Hammel“, sondern als
Gegensatz zu „weibliche Schafe“ erklären. Er beruft sich hierfür auf die
Inschrift der milesischen Sängergilde (Sa. gr. Dial. Inschr. 5495), wo
Zeile 20 (der Ausgabe) die Verbindung τούτων εν ϋηλν εν δε ενορχες be-
gegnet. Aber gerade diese Stelle beweist das genaue Gegenteil. Es ist die
Rede von drei Opfertieren (τρία Ιερψία): „von diesen eines weiblich,
eines mit Hoden versehen“, zu ergänzen ist selbstverständlich, wie
v. Wilamowitz längst richtig gesagt hat (SBPAW 1914, 626), „und eines
ein Hammel“, ενορχες steht also im Gegensatz zum verschnittenen
Tier, und zwar so selbstverständlich, daß dieses nicht besonders ge-
nannt zu werden braucht.
Nebenbei bemerke ich, daß es mir unratsam erscheint, die in der
Bedeutung scharf geschiedenen altind. vyadh (vidhyati) „stoßen, durch-
stoßen“ und vadh „schlagen, töten“ als lautliche Dubletten der gleichen
Wz. kurzerhand zu identifizieren. Den täuschenden Eindruck, daß sie
„ihrer Bedeutung nach fast völlig übereinstimmen“ (Specht, o. c. 5),
mögen die ungenauen Angaben der Wörterbücher erwecken — vor allem
der etymologischen, die mit Vorliebe so vage als möglich sind —, die
man jedoch an Hand der Belegstellen leicht präzisieren kann. Auch
scheint mir keine der beiden AVurzeln geeignet, das kastrierte Tier zu
bezeichnen1. Jedenfalls aber halte ich es für schlechterdings verwegen,
1 Gehört vadhri zu vandhya „unfruchtbar“ ?
( 51 ) 43*
586 Paul Thieme
die neben έϋρίς spät und schwach beglaubigten δϋρις, Ιϋρις und αϋρις
je auf eine verschiedene vorgriechische Grundform zurückzuführen, wie
Specht es tun möchte, αϋρις könnte z. B. in Anlehnung an αϋριξ „haar-
los“ (in der Kindheit Kastrierte entwickeln keine Körperhaare) tatsächhch
geneuert oder nur verschrieben sein, Ιϋρις könnte sich zu έϋρίς verhalten
wie z. B. ιστία zu εστία (Schwyzeh, Gramm. I 256).
d) Altind. erakä (Epos+), pali eraJca heißt „Schilfrohr“ (Pischel, KZ
XLI 184, Lüders, Phil. Ind. 760). Die Bedeutung legt also einen Zu-
sammenhang mit griech. aloa „Lolch“ (Specht, o. c. 12) keineswegs
nahe, noch auch die Vermutung einer Entlehnung aus Vorderasien. Da
zudem αϊρα höchstwahrscheinlich auf ein *αρ?α zurückgeht (vgl. μοίρα
usw.), spricht auch lautlich nichts für die „Gleichung“, deren allgemeine
Beliebtheit man eigentlich nur mit Verwunderung konstatieren kann.
Für eraka „Schilfrohr“ bietet sich eine naheliegende Möglichkeit der
Erklärung aus dem Indischen. Es wird nichts anderes sein als ein aus der
Volks- in die Hochsprache gedrungenes Wort, dessen ursprüngliche, in
der Hochsprache verschollene Form *airaka- gewesen sein mag: „aus
der Feuchtigkeit (dem Naß: irä/ilä1) entstanden“.
e) Griech. βάρβαρος: altind. barbara (Specht, o. c. 11) ist als Beweis-
stück womöglich noch wertloser.
Da barbara „Angehöriger einer nichtarischen Völkerschaft“ erst im
Epos belegt ist, wird man es am wahrscheinlichsten zu balbaläkr (Panc.
Br.) „stammeln, stottern“ stellen (mit geläufiger hypersanskritischer Sub-
stitution von r für l), das ein prachtvolles Gegenstück in tschech. blabolati
< *bolbolati „lallen, faseln“ hat (W. Schulze, Kl. Schriften 214). Wer bei
einem Zusammenhang von βάρβαρος und barbara durchaus bleiben will, wird
jedenfalls mit besserem Hecht als eine vorhistorische gemeinsame Ent-
lehnung des Griech. und Ind. eine erst späte, in der Diadochenzeit getä-
tigte direkte Entlehnung von βάρβαρος ins Indische in Erwägung ziehen.
f) Daß die Wörter griech. πέλεκυς und altind. yarasu „Beil, Axt“
(Specht, o. c. 8f.) verwandt sind, ist angesichts der charakteristischen
Wortform und der vollkommenen Übereinstimmung der Bedeutung
sicher. Ebenso sicher scheint, daß die Grundform *yeleku-, unter der sie
zu vereinigen sind, in idg. Elemente nicht analysierbar ist: in diesem
Fall ist also ein Indiz für Entlehnung wirklich gegeben.
Seit langem verknüpft man das zugrunde liegende *yeleku- mit akk.
yilaqqu/yilakku, für das man — eben wegen der Ähnlichkeit mit πέλεκυς
1 Über ilä als Nebenform von irä und die Notwendigkeit, es von idä „Labung“
zu trennen Lüdees, Phil. Ind. 552. Gehört elä „Eleatta Cardamomum“ (Epos+)
zu ved. ilä oder etwa zu idä, ilä, später ilä („die Erquickungsreiche“)?
( 52 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 587
geführt werden: eine idg. Wz. *singh ist unmöglich. Es sieht also aus wie
eine Entlehnung, von der es nun allerdings wahrscheinlich wäre, daß sie
Indoarier und Armenier gemeinsam getätigt hätten.
Gelinde Schwierigkeiten macht die Frage, wo Arier und Armenier die
gemeinsame Bekanntschaft des Löwen gemacht haben sollten (Specht,
1. c.); auffällig wäre, daß das Iranische keine Spur des Wortes erhalten
hat. Auch wenn man trotzdem die Wahrscheinlichkeit eines Zusammen-
hangs zwischen altincl. simha und arm. injfine sehr hoch bewertet, wird
man keine weitgehenden prähistorischen Schlüsse auf dieses vereinzelte
Wort basieren: dafür brauchten wir eine starke kumulative Evidenz.
Nun steht die Gleichung, die allerdings, seit Hübschmanjst sie auf-
gestellt hat, zur eisernen Ration des etymologischen Gepäcks der Indo-
germanisten zu gehören pflegt, keineswegs sicher. Wer bürgt denn dafür,
daß das Arm. im Anlaut ein s und nicht ein p verloren hat und daß sein
jjc ein arisches zh und nicht ein z ersetzt? Arm. injjinc könnte ohne
weiteres einem altincl. pihja- jpinja-ra „gelb“ entsprechen. Auch hin-
sichtlich der Bedeutung ließe sich kein Einwand erheben.
Der Weg ist frei, altind. simhci als eine incl. Neubildung zu erklären.
Wenn das gelingt, müssen wir simha und arm. injjinc sowieso trennen.
Tatsächlich liegt es doch eigentlich auf der Hand, daß das im incl. (und
idg.) Wortschatz unanknüpfbare und rätselhaft aussehende simha (RV +)
nichts anderes ist als durch eine die gefährliche Bedeutung tarnende
Umstellung absichtlich entstelltes *hirnsä.
Die Wz. his „[gefährlich, blutig, tödlich] verletzen“ bildet, wie Lüders,
Phil. Ind. 774ff. ausführlich nachgewiesen hat, ein altes Präsens: hindsti,
himsdnti (noch vorausgesetzt von Pan. VI 1, 188: Lüders, o. c. 778).
Schon der RV kennt nur Formen mit Akzentzurückziehung: himsanti,
himsäna, aus denen sich dann ein Präsens himsati usw. entwickelt hat.
his wird gern gerade von Löwen gesagt: Jätaka 536, 2 siho parahimsane
rato „der Löwe, erpicht auf die Verletzung anderer [Wesen]“; im kl.
Sanskrit wird himsra schlechtweg für „Raubtier“ gebraucht (z. B. Ragh.
V. II 27 in Verbindung mit einem simha); schon RV X 87, 3 heißt der
als Raubtier geschilderte Agni himsrd: Lüders, o. c. 774. Zweifellos er-
klärt Lüders 1. c. den RA7 III 26, 5 gebrauchten Ausdruck simha nd
hesdkratavah richtig als: „wie Löwen, deren Sinnen Verletzung (oder
,verletzend') ist“ (= „wie reißende Löwen“).
Die erst in der Sonderentwicklung des Indischen geschaffene und
steigende Beliebtheit erringende Methode, durch ein an einen tiefstufigen
Präsensstamm tretendes Ableitungssuffix -d neue Nomina agentis zu
bilden, ist von Debrunjster, Bull. School Or. St. VIII, 487ff., an einem
( 55 )
590 Paul Τξιεμε
( 56 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 591
gar keinen zwingenden Grund“. Man beruft sich da vor allem1 auf den
nachgelassenen Vortrag des hervorragenden Slavisten N. S. Tbubetzkoy,
Gedanken über das Indogermanenproblem (Acta linguistica I, 81 ff.), dem
ich die gekennzeichnete Wendung entnehme (o. c. 82). Um dem Vorwurf
zu entgehen, mir seien die von Tbubetzkoy und seinen Anhängern
geltend gemachten Gesichtspunkte unbekannt geblieben oder ich scheue
mich gar, diesen mir unbequemen Gedankengängen gegenüberzutreten,
weil ich sie nicht zu widerlegen wisse, gehe ich anhangsweise auf einige
im Zusammenhang mit den im Vorausgehenden vorgetragenen Erörte-
rungen grundsätzlich wichtige Fragen ein, in deren Behandlung und Be-
antwortung ich mich von ihm unterscheide. Um allen Mißverständnissen
vorzubeugen, bemerke ich, daß ich über eine ganze Menge der von
Tbubetzkoy vorgetragenen Gedanken hier nur schweige, weil sie mein
Thema nicht unmittelbar berühren, und nicht etwa deshalb, weil ich sie
teilte oder nichts dagegen vorzubringen hätte.
Ich bin mir völlig klar darüber, daß unsere beiderseitigen Hypothesen
von Grund auf unversöhnlich sind. Wenn Tbubetzkoy recht hat, ist
alles, was ich oben vorgetragen habe, nichts anderes als eine nichtige Fata
Morgana, ein Trugbild, das aus einer ungeheuren Wüste steriler Ge-
dankenlosigkeit aufsteigt, ausgebrütet von der Hitze einer irregeleiteten
Phantasie, dann bin ich „einem romantischen Hirngespinst nach-
gelaufen“ (o. c. 83) — wobei es mir immerhin ein bescheidener Trost
sein könnte, daß ich mich in ehrenvoller Gesellschaft befand: aber ich
will mich nicht auf andere berufen in einer Frage, in der ich selbst mit
Gründen argumentieren zu können glaube.
2. „Ebensogut denkbar [wie die Möglichkeit einer einheitlichen idg.
Ursprache]“, meint Tbubetzkoy (o. c. 82), „ist, daß die Vorfahren der
idg. Sprachzweige ursprünglich einander unähnlich waren, sich aber
durch ständigen Kontakt, gegenseitige Beeinflussung und Lehn verkehr
allmählich einander bedeutend genähert haben . . .“
Zunächst wäre festzustellen, daß Tbubetzkoy im weiteren Verlauf
seiner Erörterungen nun nicht etwa bei diesem „Ebensogut“ stehen
bleibt, sondern stillschweigend so verfährt, als habe er einen Beweis
gegen die erstere Möglichkeit2 erbracht und die zweite als allein in Be-
tracht kommend erwiesen. Das ist aber nicht der Fall. Ich suche jeden-
falls vergeblich nach einer einzigen Tatsache, die er ans Licht zöge, um
darzutun, daß sie sich wohl mit seiner, aber nicht mit unserer Hypothese
erklären ließe. Und doch kann der Beweis für die Richtigkeit einer
Hypothese allein in dem Nachweis liegen, daß sie vor anderen geeignet
ist, die genau beobachteten Tatsachen zu erklären — nicht etwa in ihrer
apriorischen Wahrscheinlichkeit. Sonst würde die Hypothese, die Sonne
drehe sich um die Erde, für die unser Augenschein spricht und die jeder
Laie, der die Tatsachen der Gestirnbewegung nur obenhin beobachten
kann, für wahrscheinlich halten muß, die des Kopernikus von vornherein
ausschließen.
Aber ich tue wohl schon Unrecht, wenn ich anzudeuten scheine, daß
die „Assimilationshypothese“ als für a 'priori wahrscheinlicher gelten
muß als die „Disintegrationshypothese“. Ich bin im Gegenteil der
Meinung, daß sie auch nicht einmal diesen trügerischen Vorzug genießt.
Ich halte sie auch als bare Möglichkeit schlechterdings für phantastisch.
Ich stehe Adelmehr nach wie vor auf dem »Standpunkt: „Wollte man sich
aber den Sachverhalt so vorstellen, daß die selbständig entstandenen
Idiome sich vermöge ihrer nachbarlichen Berührung gegenseitig assimi-
liert hätten, so würde diese Annahme aller historischen Erfahrung zu-
widerlaufen“ (P. Kretschmer, Einleitung in die Geschichte der griechischen
Sprache [1896] 27). „Solche Vergleiche [wie z. B. der mit dem Verhältnis
der ural-altaischen Sprachen zueinander] sind lehrreich, denn sie zeigen,
um wieviel enger der historische Zusammenhang zwischen den sich so
viel näher stehenden idg. Sprachen in einer nicht allzu fernen Vorzeit
gewesen sein muß, sie müssen wirklich einmal nichts als dialektische
Abarten einer Sprache gewesen sein“ (Kretschmer, o. c. 28).
3. Ich habe mir erlaubt, meine eigene Auffassung mit Worten P.
Kretschmers zu formulieren, da sich diese in einem Zusammenhang
finden, auf den sich Trubetzkoy beruft. Zwar gibt er kein ausdrückliches
Zitat. Aber bei seinen Worten: „Seinerseits hat P. Kretschmer mit
Recht betont, daß zwischen Entlehnung und Verwandtschaft nur ein
zu tun.“ Ich wage es nicht auszurechnen, wie viel von Altheims Geschichte der
lateinischen Sprache übrig bliebe, wenn wir sein lapidares Diktum im Ernst zum
Maßstab der Beurteilung machten. Tatsächlich scheint es mir handgreiflich un-
richtig. Sobald die Wissenschaft sich nicht auf rein deskriptive Darstellung be-
schränkt, stellt sie ja nichts dar als ein Entdecken von Möglichkeiten und den
selbstverständlich unumgänglichen Versuch, sie wahrscheinlich zu machen, durch
Kombination bekannter und Auffindung neuer Tatsachen, natürlich ist auch
Trubbtzkoys Hypothese zunächst lediglich eine Möglichkeit, die wahrscheinlich
zu machen wäre.
( 58 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 593
1 W. D. Whitney, Language and the study of language (1867) 253: „So far back
as we can trace the history of language, the forces which have been efficient in
producing its changes, and the general outlines of their modes of Operation, have
been the same; and we are justified in concluding, we are even compelled to infer,
that they have been the same from the outset.“ 287: „The more thorough we are
in our study of the living and recent forms of human language, the more rigorous
in applying the deductions thence drawn to the forms current in ante-historic
periods, the more cautious about admitting forces and effects in unknown ages
whereof the known afford us no example or criterion, so much the more sound and
trustworthy will be the conclusions at which we shall arrive.“ W. Scherer, Ge-
schichte der deutschen Sprache (1878) 22f.; H. Osthope und K. Brugmann, Mor-
phologische Untersuchungen I (1878) V f„ XVff.
( 60 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 595
Damit aber bestätigt sich auch ein Verdacht, den ich für natürlich
halte, jedoch, um nicht voreingenommen zu scheinen, bis jetzt unter-
drückt habe: der Verdacht, daß die Möglichkeit der Entlehnung auch
des nur für sich allein betrachteten Nominativs ovis von unbekanntem
Ausgangspunkt aus in nicht weniger als sieben verschiedene Sprachen —■
Sprachen, wohlgemerkt, die untereinander exakte Entsprechungen, die
nicht Wortentlehnungen sein können, in unabsehbarer Menge zeigen —
von vornherein der Möglichkeit gemeinsamer Ererbung nicht gleich-
wertig gegenübersteht. Gerechterweise sollte man Indizien beizubringen
nicht von dem verlangen, der die Entlehnung, sondern von dem, der die
Ererbung anzweifelt.
b) Indem Kretschmer wiederum sein Auge ausschließlich auf dem
Nominativ ruhen läßt, schreibt er: ,,Die Ausbreitung des Wortes *gw5us
„Rind“: skt. gaus, aw. gao, arm. Icov, gr. βονς, lat. bos (umbr. bum Akk.),
ir. bo, ahd. chuo, asl. govqdo, lit. guows muß vor dem Übergang des Velars
in b im Griechischen, Umbrischen und Irischen und vor der germanischen
und armenischen Lautverschiebung erfolgt sein.“ Nur durch die genann-
ten einzelsprachlichen Neuerungen sei ein terminus ante quem gegeben
(o. c. 23).
Haben wir wirklich keine Indizien für ein höheres Alter der Ausbrei-
tung ?
Uns liegt vor: ein Akk. altind. gäm, hom. βών, umb. bum1, also ein
flexivisches Verhältnis *gwöus: *gwöm, das dem von altind. dyaus, gr.
Ζευς: dyävi, Ζην, lat. diem < *djem entspricht, für das man aber an
sonstigen Belegen wieder nur Trümmerstücke hat: altind. Nom. PI. räy-
as: Akk. Sing, räm, lat. res: rem;
uns liegt weiter vor: neben dem Stamm gwöu ein Stamm gwoujgwov
(z. B. altind. go-bhis, lat. bübus; altind. Dat. Sing, gav-e, hom. Nom. PI.
βό(/)-ες usw.);
und ein Stamm gwu, gwv, der im Kompositum erscheint: z. B. altind.
dvi-gu-, altpers. data-gu-; gr. έκατόμβ(β)-α, altind. *sata-gv-a (daraus rig-
vedisch satagvin2):
also keineswegs nur eine als Lehnwort leicht erklärbare Nominativ-
form, sondern wieder eine gemeinsame Eiexionsmethode3 und schließ-
lich nicht weniger als drei verschiedene Stammformen nebeneinander:
ihr gegenseitiges Verhältnis, sowohl was ihre Lautform, als auch was die
1 Die Lautform des lat. ISTom. Sing, bös ist nur verständlich als analogische
Neuerung zu einem ursprünglichen Akk. *böm.
2 Verf., Studien zur idg. Wortkunde (1952) 62ff.
3 Kontrastiere: altind. naus :nävam, gr. ναϋς: *väfa (]θτι.νηνς: vfja, dor. ναϋς: väa).
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 597
Ratio ihrer Verteilung betrifft, ist von keiner Einzelsprache aus in eine
restlos sinnvolle Ordnung zu bringen, enträtselt sich aber, sobald wir
ein gwou, gwu, gw5u rekonstruieren und den Wechsel des Stammvokalis-
mus in Zusammenhang bringen mit dem anderer ebenfalls rekonstruierter
Stammformen.
Jetzt erst haben wir den wirklichen terminus ante quem: Das Wort
muß aus einer Zeit stammen, da der „Ablaut“ noch ein lebendiges
Prinzip der Formenbildung war, als seine Wirkung noch vom gleichen
Stamm Formen ganz disparaten Aussehens schuf, die aber doch als na-
türlich zusammenhängend erscheinen mußten, weil das bunte, wechsel-
volle Spiel ihres Vokalismus in vielfältiger, dem Sprecher erkennbarer
Analogie sich immer wiederholte und in klarer Systematik den Aufbau
der Wörter ordnete. Wir selbst können diese Systematik noch erkennen,
aber nur wenn wir rekonstruieren, nur dann, wenn wir die in allen Einzel-
sprachen verstreuten Beispiele in eine gemeinsame Zeit zurückproji-
zieren, in der sie alle untereinander assoziativ verbunden waren: in die
Zeit einer einheitlichen Gemeinsprache.
c) „Aus der Gleichung skt. yugctm, gr. ζυγόν, lat. iugum, got. juk, asl.
igo, lit. jungas folgt weiter nichts, als daß sich einmal von einem unbe-
kannten Ausgangspunkt aus das Wort *jugom . . . über das ganze indo-
germanische Sprachgebiet verbreitet hat“: Kretschmer o. c. 21. Als
terminus ante quem für diese Ausbreitung bezeichnet er „den Wandel von
j > ζ im Griechischen und die germanische Lautverschiebung“ (o. c. 22).
Nehmen wir einmal argumenti causa an, es handle sich tatsächlich um
ein Lehnwort, das von einem einzigen Ausgangspunkt in verschiedene
idg. Sprachen durch unabhängige Akte gedrungen sei. Soviel ließe sich
denn doch mindestens sagen, daß es aus einer idg. Sprache stammen
müßte. Das Wort steht ja nicht isoliert im idg. Sprachschatz, sondern
gehört zu den Verben altind. yunäjmi, yuktcc; gr. ζενγνν/π; lat. jüngere;
lit. jungiu „anschirren“ usw. Es ergibt sich nun, daß die Bildung in
keiner der uns bekannten Sprachen von dem uns bekannten Material
aus glatt verständlich wäre — das Litauische mit seinem jungas, das sich
wohl als einzelsprachliche Ersetzung eines *jugwom, aber nicht als Grund-
lage der in den anderen Sprachen vertretenen Form verstehen läßt, fiele
ja sowieso aus. Im Indischen zeigt die Wurzel yuj im Verbum vor Vo-
kalen niemals ein auslautendes g, sondern es ist immer j — zweifellos
analogisch — durchgeführt1; im Griech. ist die Wz. ζευγ- im Verbum
1 Entsprechend in den Neubildungen a-yujd, -rujci, rucci, -mucä, zu welchem Typ
man A. Debrunner, Bulletin oj the School of Oriental Stuclies VIII (1936) 487ff.
vergleiche.
598 Paul Thieme
ohne Ablaut1; im Lat. haben wir sie nur in der Form jung-2, im Slaw.
und Germ, fehlt sie ganz. Also nicht nur von der griech. Ersetzung von
j durch ζ, und der germ. von g durch k — sondern von allen sonst er-
kennbaren individuellen Zügen der Einzelsprachen hätten wir zu ab-
strahieren. Mit Kretschmer von „sprachlich streng geschiedenen Völ-
kern“ zu reden (o. c. 21), „unter denen die Verbreitung [von jugwom\ er-
folgen konnte“, scheint sich also nicht recht zu empfehlen, sobald wir die
Frage eines wahrscheinlichen Ausgangspunktes ins Auge fassen, der in
eine Zeit gefallen sein muß, da nicht nur die beiden von Kretschmer
allein berücksichtigten lautlichen, sondern auch sämtliche anderen
Neuerungen der Einzelsprachen, die wir erkennen und nachweisen
können, noch nicht vorhanden waren.
Schwerer wiegt ein Zweites. So weit wir auch in die Vorgeschichte der
Einzelsprachen zurückgehn, so schwierig bleibt es doch, eine Neubil-
dung *jugw<5m zu verstehen: das Wort stellt einen Typus für sich dar, für
den die Analogien fehlen. Analogien aber sind es, die bei der Neubil-
dung den erfindenden Menschen leiten und seiner Umgebung seine Wort-
schöpfung verständlich, einleuchtend und nachahmenswert erscheinen
lassen.
Der trockene Sachverhalt ist nämlich, daß alle neutralen o-Stämme,
die sonst zu Verben gebildet sind, nicht die Tief-, sondern die Vollstufe
der Wurzel zeigen3. Um die morphologische Gestaltung von jugwom zu
verstehen, müssen wir in die idg. Gemeinsprache emporsteigen: dann,
und nur dann, läßt sie sich in einen systematischen Zusammenhang sinn-
voll einordnen. Ich schlage folgenden Weg vor:
Wir nehmen als Ausgangspunkt der Neubildung nicht den Nom. Sing.
*jugw0m, sondern die in den Einzelsprachen als Nom. PI. fortlebende
Form jugwa. Eine solche Bildung hätte sichere Analogien: gr. φνγά, lat.
fuga zu φεύγω, jugio usw.; altind. diää, gr. δικά zu altincl. deäciti,
gr. δείκνυμι, dico usw.4. Für solche Stämme auf -ä (9), ursprünglich
Abstrakta oder Kollektiva, gab es verschiedene Möglichkeiten der
Einordnung in das grammatische System: sie konnten als feminine
ä-Stämme dekliniert werden wie φνγά, di sä usw., sie konnten aber
1 Die Verbalnomina Ονζυξ, αζνξ sind isolierte Restformen: lat. con-jug-, altind.
sa-yuj.
2 Restformen ohne n nur in den obliquen Kasus von conjunx.
3 Vgl. z. B. Debruntster, o. c. 500, woraus ich auch ersehe, daß bereits H.
Jacobsohn, DLZ (1912) 2786, in ähnlicher Weise, wie ich es im folgenden tue,
von einem kollektiven Plural *juga ausgeht.
4 E. Schwyzer, Griech. Grammatik I 459 (III lb 1).
( 64 )
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 599
1 Joh. Schmidt, Pluralbildungen der idg. Neutra (1889) 5ff., 21 ff. Unrichtig
wird hier nur die fern. Flexion des kollektiven ä-Stamms als ursprünglich und im
Prinzip älter als das Suppletivverhältnis mit den o-Stämmen angesehen. Ich folge
in der Beurteilung A. Meillet, Introduction5 (1922) 253, 278.
2 So muß z. B. neugeschaffen sein das Verhältnis von, σίτος: σϊτα, wenn σίτος
Fremdwort (Schwyzer, Griech. Gramm. I 308 (I 2by 1.4) und das von russ. chleb,
chleby „Brot, Brote“ : chlebä „Getreide“, da asl. chlebü Lehnwort aus dem Gotischen
(hlaifs, hlaibis) ist.
3 Das im Griech. typisch wiederkehrende Verhältnis φόρος „Last“: φορά „Last“
(Schwyzer, o. c. 459f.) gehört natürlich auch in diesen Zusammenhang. Es sind
nur hier die Maskulina wahrscheinlicherweise keine Neubildungen gegenüber den
Kollektiven, eher die letzteren zu den ersteren.
Abh. Geistes- u. sozialw. Kl. Nr. 11 ( 65 ) 44
600 Paul Thieme
gäbe sein, nach Kriterien zu suchen, die für die eine oder andere Möglich-
keit sprechen. Unsere Untersuchung mag nicht immer zum Erfolg führen.
Aber es wäre doch absurd zu behaupten, daß ein Unterschied da nicht
vorhanden sei, wo wir ihn nicht erkennen können.
7. Trubetzkoy meint (o. c. 81), die Voraussetzung, es habe einmal
eine Zeit gegeben, da nur eine einzige idg. Sprache bestand, „stehe im
Widerspruch mit der Tatsache, daß wir, soweit wir in der Geschichte
zurückblicken können, immer eine Vielheit von idg. redenden Völkern
vorfinden“. Er gibt allerdings alsbald zu: „Ganz unmöglich ist die Ver-
mutung . . . nicht.“ Die negative Beurteilung der Wahrscheinlichkeit
beruht auf der Unterdrückung einer anderen Tatsache, die der von Tru-
betzkoy hervorgehobenen Tatsache der Vielheit historisch überlieferter
Sprachen erst ihr eigentliches Gesicht gibt: je weiter wir in der Geschichte
der Einzelsprachen emporsteigen, um so ähnlicher werden sie sich, sie
konvergieren aufs entschiedenste nach oben. Wir brauchen nur die Linien
der Entwicklung, die wir geschichtlich verfolgen können, in die vor-
geschichtliche Zeit sich fortsetzend zu denken, dann müssen sie schließ-
lich in einem Punkt Zusammentreffen. Unsere Vermutung gründet sich
also nicht auf eine unwahrscheinliche Widersprüchlichkeit, sondern eine
wahrscheinliche Konsequenz der Entwicklung. Der schlüssige Beweis
ihrer Richtigkeit liegt allerdings erst in der Stimmigkeit unserer Rekon-
struktion. Und diese ist gegeben: wir bekommen weithin einheitliche
Phoneme, einheitliche Wortformen, einheitliche Morpheme (Wurzeln,
stammbildende Elemente und Endungen) und einheitliche Methoden
ihrer Zusammenfügung.
8. Es erhebt sich nun ein Einwand, den zwar Trubetzkoy nicht macht,
der mir aber gewichtiger zu sein scheint, als was er vorbringt: Unsere Re-
konstruktion stimmt, jedenfalls im allgemeinen, so genau, daß man wohl
den Eindruck empfangen mag, es könne nicht mit rechten Dingen zu-
gehn. Denn, um Worte Kretschmers zu gebrauchen (o. c. 24), „wir ha-
ben durchaus kein Recht, sie [die sprachlichen Zustände der Grund-
sprache] uns als schlechthin einheitlich vorzustellen“.
Das heißt aber lediglich: Wenn wir von einer einheitlichen Gemein-
sprache in prähistorischer Zeit reden, dann dürfen wir nur eine Einheit-
lichkeit meinen, die sich grundsätzlich von der irgendeiner modernen Ge-
meinsprache nicht unterscheidet. Selbstverständlich setzen wir voraus,
daß all die Dinge, die hier zu beobachten sind, auch dort vorhanden
waren: kleine und kleinste Unterschiede der Lautgebung, des Wort-
gebrauchs, der Ausdrucksweise zwischen den einzelnen Individuen, grö-
ßere und größte zwischen den Sprachen auseinander liegender Land-
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 605
11. Ich hoffe, es ist evident geworden, daß wir zwischen grundsätzlich
verschiedenen Vorgängen: Ausbreitung einer lexikalischen oder mor-
phologischen oder lautlichen Neuerung innerhalb einer Gemeinsprache,
Entlehung eines fremden Wortes aus einer anderen Sprache, und
schließlich Entlehnung einer Aussprache eines bereits vorhandenen
Wortes aus der Gemeinsprache in den Dialekt oder aus dem Dialekt in
die Gemeinsprache, oder aus einem Nachbardialekt in den anderen, sorg-
fältig unterscheiden müssen. Wenn Altheim behauptet: „Sprachliche
Gemeinsamkeiten lassen sich immer durch Übertragung erklären“ (Gesch.
d. lat. Sprache 3), so will das in seinem Zusammenhang besagen: nicht
nur Lehnwörter paschen über Sprachgrenzen, sondern — und zwar in
gleicher Menge — auch sämtliche Elemente des grammatischen Systems:
stammbildende Suffixe, Endungen, Wortbildungs- und Flexionsmethoden.
Das aber ist ein Dogma, das den Ergebnissen widerspricht, die die Sprach-
wissenschaft durch sorgfältige Beobachtung und auf induktivem Wege
gewonnen hat1, ein Glaubenssatz, der auf einer willkürlichen Identifi-
zierung ganz verschiedener Ereignisse beruht: der Ausbreitung einer
sprachlichen Neuerung und einer Entlehnung. Schließlich und endlich
kehren wir mit der „Assimilationshypothese“ ins 18. Jahrhundert zurück,
da man die Ähnlichkeiten des Sanskrit mit den klassischen Sprachen
durch „Einmischung“ erklären zu können glaubte.
Eine Prüfung der Einwände gegen die Wahrscheinlichkeit der Hypo-
these einer einheitlichen idg. Gemeinsprache2 und die Methode, sie zu
räume und in der Auseinandersetzung von Hochsprache und Dialekt läßt am
deutlichsten die moderne Sprachgeographie erkennen: Th. Frings, Grundlegung
einer Geschichte der deutschen Sprache (1948) 1 ff., insbes. 8f. Vgl. auch A. Meillet,
Linguistique historique 3f.
1 Ich verweise nochmals nachdrücklich auf Meillets Diskussionen: Le probleme
de la parente des langues (Linguistique historique2 76.ff., insbes. 84ff.) und Les paren-
tes de langues (o. c. 102ff.), wo er sich gegen bei Trubetzkoy wieder zum Leben
erweckte Auffassungen H. Schuchardts wendet. Seine Analyse der Verhältnisse
ist so klar und einleuchtend, daß es eigentlich wundernimmt, wie man sich doch
so sorglos darüber hinwegsetzen mag.
2 Altheim spricht o. c. 3 von einer „europäischen Sprachgemeinschaft, die außer
indogermanischen Sprachen das Filmische und Ungarische, auch die neueste Aus-
gestaltung des Osmanischen in sich begreift“. „Man stelle sich einmal vor, man
besäße die Sprachen der europäischen Sprachgemeinschaft allein in ihrem heutigen
Stand, ohne ihre älteren Vorstufen. Die Verwandtschaft und sprachliche Vergleich-
barkeit würde sich auf drängen. Auf eine große Anzahl sich entsprechender Wörter
stieße man beim ersten Zugriff.“ Er meint: „Telephon. Telegramm usw.“
Hieraus wie aus anderen Bemerkungen, die er in diesem Zusammenhang macht,
z. B. seiner Ironisierung eines von ihm vorgeschlagenen Versuchs einer Rekon-
struktion einer historischen Vorstufe dieser „europäischen Sprachgemeinschaft“,
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 609
verifizieren — uncl das ist eben die Rekonstruktion —, hat nichts ge-
liefert, was uns irre machen könnte. Ehe man ihnen Besseres anbietet,
werden die Vertreter der ,,Disintegrationshypothese‘‘ bei ihrer Annahme
und ihrem Verfahren bleiben. Ich für meine Person jedenfalls sehe keinerlei
Anlaß, im Schmucke eines von meinem verehrten Freund Altheim
freundüchst dargereichten „stachligen Kränzleins“ (o. c. 5)1 Buße zu tun
scheint mir sehr deutlich hervorzugehen, daß der so bewundernswert vielseitige
Historiker sich nicht darüber klar ist, was wir unter „Sprachverwandtschaft“ und
„sprachlicher Vergleichbarkeit“ verstehen: er hat sich von Trubetzkoy irreführen
lassen. Unter „Sprachverwandtschaft“ verstehen wir nicht Gemeinsamkeiten des
Wortschatzes und unter „sprachlicher Vergleichbarkeit“ nicht eine Ähnlichkeit
des Typus — wie Trubetzkoy will. „Sprachverwandtschaft“ ist für uns der
Ausdruck dafür, daß gewisse Sprachen j e selbständige Entwicklungen einer ehemals
gemeinsamen Sprache sind — mag uns das erkennbar sein oder nicht —, und
„sprachliche Vergleichbarkeit“ fängt für uns an und hört für uns auf damit, daß
der grammatische Bau, d. h. der Aufbau der Wörter aus ihren Morphemen und der
Aufbau der Morpheme aus den Lauten — und nichts anderes —, sich exakt
nachweisbar entspricht. Eben aus diesem Nachweis folgern wir die „Verwandt-
schaft“ in unserem Sinne. Altheim unterschiebt uns eine Auffassung von „Sprach-
verwandtschaft“, die wir nicht haben, sondern die diejenige von Trubetzkoy ist,
und versucht, unsere Methode, geschichtliche Verwandtschaft nachzuweisen, da-
durch lächerlich zu machen, daß er andeutet, daß sie bei geschichtlich nicht ver-
wandten Sprachen versagt. Er müßte aber, um uns ad absurdum zu führen, gerade
zeigen, daß sie sich dort anwenden läßt. So unternehme er es doch einmal, ein
Konjugationssystem der französischen Sprache in Vergleichung mit jenem der fin-
nischen und osmcmischen Sprache (frei nach Bopp), oder ein Memoire sur le Systeme
primitif des voyelles clans les langues europeennes [inklusive Ungarisch und Osmanisch]
(frei nach de Saussure), oder ein Pluralbildung der europäischen Neutra (frei
nach J. Schmidt) zu verfassen: beim ersten Schritt wird ihm klar werden, daß die
„sprachliche Vergleichbarkeit“, die er im Auge hat, überhaupt nichts zu tun hat
mit jenen strengen Entsprechungssystemen, die wir zwischen den idg. Sprachen
festzustellen vermögen.
1 Gewiß stellt das sog. Hethitische der idg. Sprachwissenschaft ein schwieriges
Problem: das Verhältnis, in dem es zur idg. Gemeinsprache steht, exakt zu defi-
nieren. Ich muß es mir versagen, dazu Stellung zu nehmen. Denn nach allem, was
ich ausgeführt habe, ist die Beurteilung auf Grund einer Betrachtung heraus-
gegriffener Einzelheiten — und über mehr verfüge ich nicht — durchaus nicht
möglich. Es ist nicht unsere Aufgabe, „einfach (s^c!) festzustellen“ (Altheim 1. c.):
so oder so. Vielmehr ist es notwendig, sämtliche Tatsachen und den gesamten
inneren Zusammenhang des hethitischen sprachlichen Systems so genau wie mög-
lich zu erforschen und zu analysieren, um sie dann zu „vergleichen“. Auf diesem
Wege allein kann es gelingen, zu Ergebnissen zu kommen, die nicht nur ephemeren
Wert haben und über dem Niveau halbdilettantischer Meinungen stehen. Mit
andern Worten: es ist die Methode F. Sommers, wie er sie, auch dem Außen-
stehenden verständlich, in seiner Schrift Hethiter und Hethitisch (1947) vorgeführt
hat, die allein ich für richtig halte. Was Sommer (o. c. 79) über ein Einzelproblem
( 75 )
610 Paul Thieme
und mich von den wohl durchdachten Voraussetzungen und wohl er-
probten Arbeitsweisen unserer Wissenschaft loszusagen.
der hethitischen Lautlehre sagt, darf man auf die Problemlage im ganzen an-
wenden: „Fürs Weiterkommen wird es an Stelle schneidiger Attacken einer mehr
als gewöhnlichen Vorsicht bedürfen . .
Nachtrag
Das kurze v von αιγνταος „Geier“ widerrät aufs entschiedenste den Versuch,
den zu Grunde liegenden Stamm αίγνπ- geraden Wegs von γυπ- (immer mit
langem v) abzuleiten (etwa aus *αίγ-\-γυπ- *,,Ziegengeier“). Die ,o. S. 35 Anm. 2
versuchte Analyse von γυπ- „Geier“ aus *gwu-jup „[gefallene] Rinder beseitigend“
gibt eine Zerlegung aig-hup „Ziegen beseitigend“ an die Hand. Das Komposi-
tum muß aus einer Zeit stammen, da der vorgriechische Nachfahr der idg. Wz.
*jup bereits *hup lautete, aber noch ein lebendiges Element des Wortschatzes
war. Auf spätestens die gleiche Zeit weist der Kompositionstyp. Vgl. auch χέρ-
νιβ- f. „Waschwasser“ („Die Hände waschend“) [Schwyzer, Gr. Gr. I 424]: χερ-
als Name der Hand ist schon vorgriechisch, aber nicht als gemeinindogerma-
nisch erweisbar.
( 76 )
Index
1. Indogermanisch näu Schiff 30
ovi- Schaf 60 ff., 69
ag- Ziege 44 f. peleku- Axt 52 f.
agä Ziegenherde 45 f. piski-, pisko- Fisch 47 f.
ägi- Ziegenbock 45 f. pkv- Kleinvieh 45
agro- Weideland, Acker 44 plovö- Kahn 30
aig- Ziege 31 Anm. 2, 37, 43ff. ponijo-, pono- feuerfarbig 20
aig- Eiche 15 Anm. 2 porko- Ferkel 26
apro- männliches Tier 46 qeqla Räderschaft 65f.
asp-, aspi- Espe 13, 16 qeqlo- Rad 65 f.
bhägo- Buche 12, 15, 30, 31 Anm. 2 qrumnä Hinterdeck 30
bher9go-/bhrgo- Birke 14, 31 Anm. 2 reva/rü brüllen 33f.
bhugä Ziegenherde 46 reg- König 8
bhugo- Ziegenbock 46 f. sal- Salz 27f., 30
ekvä Pferdeherde 66 Anm. 2
sälo- salzig, salzfarben 20, 28 Anm. 2
era rudern 30
sei/si säen 25
gheslo-, gheslijo- 1000 50 spjo- aus Espenholz bestehend 16
ghjii Fisch 48 ■stlnä Säule 54
ghelü-/gwhelü- Schildkröte 30 strig- Eule 37
gwou- Rind 62f. su- Hausschwein 26f., 36f.
gwu- Rind 35 Anm. 2, 62 vegh fahren 67 Anm. 1
jugwä Gejöche 64ff., 69 vegh-slo- Segel 30 Anm. 4
jugwo- Joch 63ff., 69 vlqa Wolfsrudel 46, 66 Anm. 2
jeup/jup beseitigen 35 Anm. 2 vlqo- Wolf 66 Anm. 2
klvon- Säule 54
köijkl schärfen, wetzen 35 Anm. 1 2. Altindisch
köi/ki liegen 54 Anm. 2
ksuro- Messer 50 atka Hülle, Gewand 45 Anm. 1
laks-, lakso- Lachs 17 ff. Anm. 1 alakta Lack 41
lakso- Spieleinsatz 21f. äyu- Bezeichnung des Agni, des Soma
läkso- rot 19 f. und des (ersten) Menschen 15 Anm. 2
leg- Gesetz 8 edaka wilder Ziegenbock 44
levd/lü brüllen 33f., 39 eraka- Schilfrohr 49, 52
luk- Luchs 37 elä Eleatta Cardamomum 52 Anm. 1
li sich nieder kauern, sich verstecken 38 käsika-, kausika- Seide, seiden 20
mari- Meer 20, 30 ksura- scharfes Messer 49 ff.
märo- meerschimmernd 20 dhanvan- Bogen 16, 31
moh/ml mahlen 26 dhanvan- trockenes Land 31
mus- Maus 26 parasu- Axt 49 ff.
( 77 )
612 Paul ϊηιεμε
( 79 )
41. OW-195®
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1 “ Juli 1S63
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] 1. Juli 1975
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(J. 4 S 6 - ^ ^
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28. Juni 1979
voll 3050920
Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache 559
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