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ALTHEIM / GESCHICHTE DER HUNNEN

E R S T E R BAND
FRANZ ALTHEIM

GESCHICHTE DER HUNNEN

ERSTER BAND

VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM EINBRUCH IN EUROPA

MIT BEITRÄGEN VON

ROBERT GÖBL / H ANS-WILHELM HAUSSIG / RUTH STIEHL


ERIKA TRAUTMANN-NEHRING

ZWEITE, DURCHGESEHENE AUFLAGE

WALTER DE GRUYTER & CO.


VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG. VERLAGSBUCHHANDLUNG
GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER - VEIT »t COMP.

BERLIN 1969
CO
Archiv-Nr. 415069/1
Copyright 1969 by Walter de Gruytet Ac Co., vormal« G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlags-
buchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. — Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks,
einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — Torbehalten.
Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin
JAN TAHSIN RECEP
ZUGEEIGNET
VORWORT

Die geschichtliche Bedeutung der Hunnen und ihrer Wanderungen be-


darf des Nachweises nicht mehr. Hunnisches Vordringen nach Südrußland
und bis zur Donau hat den Anstoß zur großen, eigentlichen Völkerwan-
derung gegeben, und tief hat dieses Volk auch weiterhin in die Geschicke
des spätantiken Europa eingegriffen. Nachfolge, die dem Volk in Ost- und
Südosteuropa erstand, verhalf dazu, das Bild dieser Gebiete im frühen
und hohen Mittelalter zu prägen.
Die auf drei Bände berechnete „Geschichte der Hunnen" ist bestimmt,
ein vor zehn Jahren verfaßtes und fast gleichzeitig in deutscher und fran-
zösischer Sprache erschienenes Buch des Verfassers zu ersetzen. Das neue
Werk gründet sich auf einen beträchtlich erweiterten Quellenbestand. Zu
den griechischen und lateinischen Autoren treten solche syrischer, arabischer,
äthiopischer und iranischer Herkunft. Ihre Hinterlassenschaft wurde syste-
matisch auf Aussagen zur Geschichte der Hunnen, ihrer Verwandten und
Nachbaren hin durchgearbeitet. Inschriften in alt- und mittel türkisch er
Sprache, in aramäischen und mitteliranischen Mundarten wurden teils
erstmals vorgelegt, teils philologisch und geschichtlich erstmals erschlossen.
Im zweiten Band soll das Zeugnis der Münzprägung verwertet werden.
Die Nötigung, einen in diesem Ausmaß bisher nicht gesammelten Quel-
lenstoff zu bewältigen, führte dazu, daß überall eigene Wege beschritten
wurden. Die Masse des neu Hinzugetretenen mußte textkritisch behandelt
und übersetzt, gedeutet und eingeordnet werden. Quellenkritik und Dar-
stellung ließen sich nicht mehr scheiden; vieles konnte nur als Unter-
suchung vorgelegt, anderes mußte in die Beilagen verwiesen werden. Auch
wo ältere Arbeiten des Verfassers vorlagen, hat der neue Quellenbestand
zu weitgehender Berichtigung und Ergänzung geführt.
Zugleich erwies sich, daß die weitschichtige Aufgabe die Kraft eines
Einzelnen überstieg. Als Mitarbeiter wurden R. Gobi, H.-W. Haussig und
R. Stiehl gewonnen. Sie haben sich auf den einschlägigen Gebieten — in
orientalischer Numismatik; in der frühbyzantinischen und hunnisch-tür-
kischen Geschichte; in der Erschließung aramäischer, syrischer und arabi-
VIII VORWORT

scher Quellen; in der Erforschung des sasanidischen Iran — hinlänglich


ausgewiesen. Der Abbildungsteil wurde der bewährten Hand E. Trautmann-
Nehrings anvertraut.
Der vorliegende erste Band behandelt die Anfänge der Hunnen. Deren
Gleichsetzung mit den aus chinesischen Quellen bekannten Hiung-nu ist
aufgegeben. Als unmittelbare Vorgänger der europäischen Hunnen er-
wiesen sich die Kidariten und Hephthaliten, auch Weiße Hunnen genannt.
Türkstämme gleich jenen, zumindest der herrschenden Schicht nach,
speisten sie auch die Vorstöße der Nachfolger, will sagen: der Awaren,
Protobulgaren und Chazaren. Die Bewegungen der Hunnen und Hephtha-
liten waren von allem Anfang mit solchen nordiranischer Stämme (Chioni-
ten, Alanen, ASS) gepaart oder wurden von ihnen vorbereitet. Wanderungen
der türkischen und iranischen Nomaden verliefen in gleicher Bahn, eines
schloß sich ans andere, und oft läßt sich eine Trennung nicht durchführen.
Wenig bekannt ist, daß der Vorstoß der Hunnen sich einer gleichzeitigen
und weitausgreifenden Bewegung aller Nomaden nördlich und nordöstlich
des Wüstengürtels einordnet, der die alte Welt von der Gobi bis zur Sahara
durchzieht. Mit den Arabern der vor- und frühislamischen Zeit, mit
den nordafrikanischen Dromedarnomaden haben sich die großen Be-
weglichen des mittleren Asien in gemeinsamem Schicksal gefunden.
Überall ist der Nomade den Lebensbedingungen, die von der Steppe
diktiert werden, unterworfen. Seine Verhaftung an die Natur geht weiter
noch als die der Bauern, übertrifft bei weitem die des Städters. Gesetz,
das über dem Nomaden steht, wird einmal vom Tier bestimmt. Vieh-
zucht und Herdenbesitz, Pferd und Reiten, Denken im Tier und der Tier-
stil in der Kunst umreißen diesen Bereich. Daneben zeigt sich Abhängigkeit
von klimatischen Bedingungen. Jedes Schwanken der Klimakurve wird mit
äußerster Empfindlichkeit registriert. Es entschied darüber, ob man sich
zusätzlichen Unterhalt durch Ausplünderung des Kulturlandes beschaffen
mußte oder nicht. Dem Auf und Ab der Klimakurve antwortete ein
Auf und Ab der Nomadenstürme, und klimatologische und geschichtliche
Betrachtung gehen weithin ineinander über.
Neuere Literatur wurde tunlichst berücksichtigt. Auf die Beilagen und
Ergänzungen sei um ihrer Wichtigkeit willen verwiesen.
Berlin, November 1958 Franz Altheim
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort VII
Erstes Buch: Anfänge der Hunnen i
Erstes Kapitel: XoOvoi und xwn (mit einem Beitrag H.-W. Haussigs) . . . 3
Zweites Kapitel: Die Hephthaliten (zusammen mit R. Stiehl) 31
Drittes Kapitel: Die Alanen 57
Viertes Kapitel: Awaren, Bulgaren, Chazaren (zusammen mit R. Stiehl) . . 85
Zweites Buch: Voraussetzungen und Gleichzeitigkeiten 99
Fünftes Kapitel: Geographische und klimatische Voraussetzungen . . . .
Sechstes Kapitel: Die Araber (zusammen mit R. Stiehl) 124
Siebentes Kapitel: Die Dromedarnomaden 158
Drittes Buch: Kulturelles Erbe 193
Achtes Kapitel: Der königliche Schmied (zusammen mit R. Stiehl) . . . . 195
Neuntes Kapitel: Tierstil 216
Zehntes Kapitel: Dichtung 240
Elftes Kapitel: Hunnische und alttürkische Runen 268
Viertes Buch: Einbruch in Europa 291
Zwölftes Kapitel: Alanen, Wandalen, Goten 293
Dreizehntes Kapitel: Ermanarichs Gotenreich 306
Vierzehntes Kapitel: Hunnensturm 338
Fünfzehntes Kapitel: Formen der Gesellschaft. Zusammenfassung . . . . 360
Beilagen und Ergänzungen 373
1. Chronologie der Frätadära (R. Stiehl) 375
2. Zwei neuere Fälschungen (R. Gobi) 380
3. Paiiz und das sasanidische Kupfer (R. Gobi) 388
4. Aramäische Ideogramme (zusammen mit R. Stiehl) 391
5. Der Stein von Apscheronskaja 416
Ergänzungen 424
Abbildungsteil (E. Trautmann-Nehring) 433
Register 445
1. Geschichtliches Register 447
2. Philologisches Register 457
ERSTES BUCH

ANFÄNGE D E R H U N N E N
1. KAPITEL*

ΧΟΥΜΟΙ UND xwn

Der Name der Hunnen begegnet in der antiken Literatur erstmals in der
Geographie des Ptolemaeus1. Die Xo voi wohnen zwischen den Bastarnen
und Roxolanen, zusammen mit sechs anderen St mmen, die namentlich auf-
gez hlt werden. Da die Bastarnen jenseits von Dazien, die Roxolanen l ngs
der gesamten Ostk ste der Maiotis, also des Asowschen Meeres, angesetzt
sind2, ergibt sich eine allgemeine Festlegung. Da weiter die Aufz hlung jener
sechs St mme mit zwei St mmen endet, die Nachbarn der Bastarnen sind
(Tagrer und Tarangeten), und diesen die Tauroskythen auf der Krim voran-
gehen, die Hunnen hingegen zu Beginn erscheinen, wird man sie den Roxo-
lanen zun chst anordnen. Die Roxolanen ihrerseits grenzen an die Alanen
('Αλαϋνοι Σκύθαι)3, nach denen das Alanengebirge ('ΑλαΟνον όρο$) ge-
nannt ist4. Auch die Hunnen haben Nachbarn, die Amadoker, die unterhalb
eines Gebirges ("Ιδια όρη) sitzen6. All dies weist auf den Kaukasus oder
seine Vorberge, und es pa t zu den Roxolanen an der Ostk ste der Maiotis.
Ptolemaeus' Xo voi hat man demnach im Westteil Ciskaukasiens, zwi-
schen Manytsch und dem Oberlauf des Kuban, landeinw rts von der Ost-
k ste des Asowschen Meeres anzusetzen. Das Land wandelt sich hier von
der Schwarzerde im Westen mit seiner Stipa-Grassteppe zu den hellfarbigen
Steppenb den der Mitte. Auch heute noch ohne gr ere St dte, ist es ein

* Der zweite Abschnitt des Kapitels wurde von Hans-Wilhelm Haussig verfa t.
1
3, 5. 25.
2
3, 5, 20. Da die Ostk ste der Maiotis mit der πλευρά gemeint ist, zeigt 3. 5, 10,
wo die Beschreibung der Ostgrenze Sarmatiens von S den nach Norden geht: πλευρά
der Maiotis bis zum Tanais, der Tanais selbst, die Quellen des Tanais und der S den
der άγνωστος yfj.
8
3. 5. 20. « 3, 5, 15. » 3, 5, 25.
4 ANFÄNGE DER HUNNEN

Gebiet des extensiven Ackerbaues und der Viehzucht (Rinder, Pferde,


Schafe). Danach darf man sich diese Hunnen als nomadische Viehzüchter
vorstellen, gleich den Nogaiern, die weiter östlich noch heute ihre Kamel-
zucht betreiben*.
Ptolemaeus' Geographie hat kurz vor dem Tod ihres Verfassers 172 die
abschließende Fassung erhalten7. Mit denXoövoi gelangt man spätestens in
die beiden Jahrzehnte nach der Mitte des 2. Jahrhunderts. Es ist die Zeit,
da die Goten, dereinst Nachbarn der Hunnen am Don, noch im Weichsel-
gebiet8 saßen. Es gab demnach schon vor 374, dem Jahr ihres ersten ge-
schichtlichen Hervortretens, Hunnen oder hunnische Splitter östlich, ge-
nauer südöstlich des unteren Don. Sie wohnten dort in Nachbarschaft eines
nordiranischen Stammes, der Alanen, am Don und an der Maiotis9, und eines
zweiten, der gleichfalls deren Namen enthielt, der Roxolanen10 (zu avest.
raok-, raofah-, raoxina- „licht, glänzend").
Das Ergebnis mag überraschen, und doch bestätigt es sich, wo immer
man es nachprüft. Eben der spätrömische Geschichtsschreiber, der den
hunnischen Vorstoß über den Don von 375 als „plötzlichen Ansturm"11, als
„überraschendes Ungewitter"12 bezeichnet, liefert dafür einen Anhalt.
Ammianus Marcellinus spricht ausdrücklich davon, daß man die Hunnen
schon früher gekannt habe. Ihm, der Ptolemaeus' Geographie benutzt hat,
konnte die Nachricht über die Xoövoi nicht entgehen. Ob er nur diese ge-
meint hat oder ihm darüber hinaus noch andere zur Verfügung standen,
bleibt ungewiß. Aber Ammianus' Hunnorum gens monumentis veteribus
leviter nota13 darf nicht ungehört bleiben. Mochte auch, wer dies aussprach,
um des als unerwartet geschilderten Ereignisses willen nur von einer ober-
flächlichen Kenntnis sprechen.
Ammianus fügt weitere Angaben hinzu. Seine Hunnen sind ein Volk ultra
paludes Maeoticas glacialem Oceanum accolens1*. Sie wohnten demnach vom
Asowschen Meer bis in die Nähe des nördlichen Ozeans, was doch besagt, daß

• W. Meckelein in: Die Erde 52 (1951), 33Qf.


7
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum 2 (1950), 76 f.
8
Ptolem., geogr. 2, n, 35 ; 3, 5, 2O .
9
Joseph., bell. 7, 244.
10
H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen (1922) 234; M. Vasmer, Die Iranier in
Südrußland (1923) 49; L. Zgusta, Die Personennamen griechischer Städte der nörd-
lichen Schwarzmeerküste (1955) 265.
11
Amm. Marc. 31, 3, i repentino impetu.
13
Ebenda 31, 3, 2 subitae procellae.
13 14
31, 2, i. 31, 2, i.
1. XOYNOI UND xwn 5

ihre Sitze ber die Steppen und die Schwarzerdzone des s dlichen Ru lands
bis in die Waldzone reichten. Ammianus kennzeichnet sie denn auch als vagi
monies peragrantes et silvas16, wobei die beiden u ersten Grenzen ihres Ge-
bietes angegeben sind. Einmal der Kaukasus im S den (dar ber unten S.9f.),
dann die bereits genannte Waldzone. Sie als hunnische Heimat entspricht
den indumentis . . . ex pellibus silvestrium murum consarcinatis1*, die als
hunnische Tracht begegnen. Dar ber hinaus kennt man die Άκάτζιροι, die
Priskos einmal als Σκυθικόν έθνοςx7, ein zweites Mal als Άκατίρους Οϋννους *8
bezeichnet. Es sind *αγαζ-αή „Waldleute"19, und dazu stimmt, da lor-
danes den Stamm zwischen den Aesti, die am Ozean wohnen, und den Bul-
garen, die- bis zum Schwarzen Meer reichen, ansetzt20. Da damit sich
Priskos' Angabe, der den Akatziren την ττρό$ τον Πόντον ΣκυΘικήν
(Scythiam qua ad Pontum vergit) zuweist21, vereinen l t, wurde an anderer
Stelle gezeigt22.
Auch die bei lordanes23 erhaltene gotische Sage vom Ursprung der
Hunnen darf herangezogen werden. „Von ihrer Herkunft berichtet eine alte
Kunde (antiquitas) folgendes: Filimer, der K nig der Goten und Sohn des
gro en Gadarich, der nach der Auswanderung aus der Insel Scandza (Skan-
dinavien) bereits als f nfter die Herrschaft ber die Goten f hrte, der, wie
erz hlt, auch in die skythischen L nder mit seinem Volk eingedrungen war,
fand unter diesem gewisse Zauberinnen, die in heimischer Sprache Heilrunen
(haliurunnae) hie en24. Da sie ihm verd chtig waren26, jagte er sie von

15
18
31. 2, 4.
31, z, 5. ber die mures Pontici (pOes Ποντικοί) und ihr Pelzwerk: B.Schier,
Pelze in altertumskundlicher Sicht (1951) 29.
17 18
FHG. 4 p. 82 b, I9f- FHG. 4 p. 105a 2.
19
Zuletzt Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i (1954), 288> 2 9 2f - gegen W. B.
Henning in: BSOS. 1952, 506.
20
Get. 36—37; Altheim-Stiehl, a. O. i. 288f.
81
FHG. 4 p. 82b, i81; Sga, i6f.
82
Altheim-Stiehl, a. O. i, 289.
83
Get. I2i—122.
84
J. de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte r (1935), 264.
25
Da Filimer die haliurunnae f r verd chtig hielt (easque Habens suspectas),
besagt nichts f r christliche F rbung. Eine solche Haltung gegen ber magae mulieres
liegt in der Sache; sie kann berall und zu jeder Zeit sich zeigen. Bei Cassiodorus, der
dieser Stelle zugrunde liegt, hat sich eine Sage erhalten, deren Grundz ge sehr alt sein
m ssen. Das zeigen ihre Parallelen, die bei F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache
(1951), 56f. zusammengestellt sind; dort nachzutragen H. L. Stoltenberg, Etruskische
Gottnamen (1957) 54 zu etrusk. pal-. Gegen christlichen Ursprung E. A. Thompson,
A History of Attila and the Huns (1948) 20 Anm. i.
6 ANF NGE DER HUNNEN

dannen und n tigte sie, weit von seinem Heer verscheucht in der Einsam-
keit umherzuirren. Als diese Zauberinnen unreine Geister auf ihrem Schwei-
fen in der Steppe (per herimwn vagantes) erblickt und sich mit ihnen gepaart
hatten, brachten sie dieses wilde Volk hervor. Anfangs zwischen S mpfen
lebend, war es, als Menschen betrachtet, klein, greulich und schm chtig und
durch keinen anderen Laut kenntlich, als da es ein Schattenbild mensch-
licher Rede andeutete. Aus solchem Stamm waren die Hunnen entsprossen,
die nun zum Reich der Goten kamen."
Es liegt die m glicherweise christlich gef rbte (Spiritus immundi) Fas-
sungae der urspr nglichen Sage vor. Diese setzte die Entstehung der Hunnen
in die Zeit der gotischen Einwanderung nach S dru land, also weit fr her
als den Einbruch von 374/5. Das hunnische Volk lebte eine Zeitlang zwischen
S mpfen (inter paludes), bevor es dann zu seiner entscheidenden Tat auf-
brach. Anscheinend ist gemeint, da es von kleinen und unscheinbaren An-
f ngen zu seiner sp teren Macht heranwuchs. Eben dies sagt ein Bruchst ck
aus Priskos, das lordanes gleichfalls bewahrt hat. Es handelt sich um die
Sage von der Hinde, die hunnische J ger durch den Maiotischen Sumpf
gef hrt habe. Da hei t es zu Beginn27: der Hunnen „w stes Volk, das wie
der Geschichtsschreiber Priskos berichtet, am jenseitigen Ufer des maio-
tischen Sumpfes wohnte, kannte lediglich die Jagd, aber keine andere Arbeit,
nur da es, als es unter den V lkern herangewachsen war, durch Frevel und
Raubz ge die Ruhe der benachbarten V lker st rte". Die Raubz ge der
Hunnen in der Nachbarschaft werden noch begegnen. Ihnen zur Seite er-
scheint das Heranwachsen (postquam crevisset in populis), und dies mit vor-
angehenden Raubz gen (rapinis) vereint best tigt, da man mit l ngerem
Aufenthalt der Hunnen im Gebiet jenseits von Don und Asowschem Meer
zu rechnen hat.
Gleichfalls auf Priskos f hrt der Beginn von Agathias' Hunnenexkurs28.
Wieder st t man auf die Sage von der Hinde, sicherer Hinweis hier wie
sonst, welcher Autor benutzt ist29. Auch darin stimmt Agathias zu Priskos'
Auffassung, wenn es hei t: die Hunnen h tten το ... παλαιόν an der Ost-
k ste des Maiotischen Sumpfes gewohnt, aber γενεαΐ$ ττολλαΐς ύστερον sich

'· Mein Sch ler J. Rehork verweist auf Matth. 12, 43: δταν δε το ακάθαρτο ν
πνεύμα έξέλθη από του ανθρώπου, διέρχεται δΓ ανύδρων τόπων ζητούν άνάπαυσιν κτλ.
27
Get. 123.
18
5 ιι Anfang.
19
Tb. Mommsen in seiner lordanes-Ausgabe (MG., auct. ant. V, i, 1882) p. 90
Anm. i.
1. UND xwn 7

nach Europa hinüberbegeben80. Sozomenos endlich31, auf diesselbe Quelle


zurückgehend, sagt, Goten und Hunnen hätten, obwohl nebeneinander
wohnend, geraume Zeit voneinander nicht gewußt ( ... -
TES ). Durch einen großen See getrennt, hätten sie ihr Gebiet für
das Ende des festen Landes gehalten, jenseits dessen es nur Wasser und ein
grenzenloses Meer gebe. Genug: die Tatsache eines längeren Aufenthaltes
der Hunnen in ihren ciskaukasischen Sitzen bestätigt sich, wo immer man
ihr nachgeht. Ptolemaeus' Xoövoi erweisen sich als einwandfreie Über-
lieferung.
Erstmals hat auch ein archäologischer Fund einen Hinweis gegeben. Der
Elektron-Becher von Szeged-Nagysze"ksos, ein hunnisches Stück8>, hat
immer an die Schnalle von Wolfsheim erinnert, die als sasanidische Arbeit
frühestens den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts angehört33. Beider
Übereinstimmung zeigt, daß die iranischen Einflüsse, die sich hier und sonst
an den Hunnenfunden erkennen lassen, auf weit ältere Zeit zurückgehen34.
Man hat geradezu an Ptolemaeus' Notiz erinnert, die die Anwesenheit der
Hunnen im Vorfeld des Kaukasus schon nach der Mitte des 2. Jahrhunderts
beweise36. Daß der Ort der Berührung zwischen iranischer und hunnischer
Kunst am Asowschen Meer lag, fügt sich diesem Bild. Und daß an gleicher
Stelle der Herstellungsort der hunnischen Bronzekessel gesucht werden
muß8·, bestätigt es.
Sprachgeschichte vermag einen Schritt weiter zu führen. Es darf als zu-
gestanden gelten, daß die Hunnen eine altaische Sprache besaßen, die dem
Alttürkischen engverwandt, wenn nicht mit ihm eins war87. Den Namen der
Xoövoi, Chunni hat man demgemäß aus dem Türkischen hergeleitet88. Er

*° 300, 5 Niebuhr.
81
Hist. eccl. 6, 37.
M
N. Fettich, Archaeologia Hungarica 32: La trouvaille de tombe princidre de
Szeged-Nagyszoksos (1953).
88
N. Fettich, a. O. 132; 141; 156!.
84
N. Fettich, a. O. 184 f.
85
N. Fettich, a. O. 184.
»· N. Fettich, a. O. 143.
87
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum i (1942), 3&f.;
auch G. Moravcsik, Byzantinoturcica i (1942), 36!
88
P. Pelliot in: Journ. Asiat.i922, 141; L. Bazin in: T'oung Pao 39, 255! B. zieht
noch den Namen der Quman selbst heran. Doch führt dieser auf eine andere Etymologie
(*quba-n), worüber zuletzt K. H. Menges, The Oriental Elements in the Vocabulary of
the Oldest Russian Epos (1951) nf. Ob *qün eine Kürzung aus *quba-n ist, bleibt un-
gewiß (K. H. Menges, a. O. 14).
8 ANFÄNGE DER HUNNEN

stellt sich zu kumanisch qun (cun, kun „forcia" im Codex Cumanicus)se.


Das Nebeneinander40 von alttürk. und , und qan, xatun
und qafun, xo£u und qo£u, xormuzta und qormuzda, tarxan und tarqan ist
solcher Deutung günstig. Xoüvoi, *xun könnten danach *qun sein, und die
Hunnen wären nach ihrer „Kraft" genannt41. "
Etymologie bedeutet zunächst nur eine Möglichkeit. Aber im vorlie-
genden Fall läßt sie sich durch gute Gründe stützen. Denn auch der Name
türk, älter *törük (vgl. magyar. Török) bezeichnet den „voll Entwickelten",
„Starken"; er bedeutet auch geradezu „Kraft"42. Dem entspricht, was
sich für den Namen der Hunnen ergeben hatte, und an dem der Hephthaliten
wird man das Ergebnis bestätigt finden. Es kommt hinzu, daß in un-
mittelbarer Nachbarschaft der Xoövoi Namen gleicher Herkunft in größerer
Zahl auftreten.
lordanes zufolge48 stießen die Hunnen, als sie 375 durch eine Hinde
geführt die Maiotis überschritten, an deren skythischem und das besagt:
nördlichem Ufer auf die Stämme der Alpidzuri, Acildzuri, Itimari, Tuncarsi
und Boisci. Seit Kaspar Zeuss sind die drei letzten Stämme als hunnisch44
angesprochen worden. Die beiden ersten Stammesnamen enthalten den aus
dem ,Tocharischen'46 bekannten und ins Alttürkische48 übernommenen Titel
cor. Alpidzuri sind *alp-it-cor, wobei *alp-it, *alpU „Heldenhund"47 wie
alp arslan „Heldenlöwe" gebildet ist. Die Tuncarsi begegnen bei Priskos als
$48, *tun-cor, zu tun „Volk" gehörig.

89
K. Grenbecb, Romanisches Wörterbuch (1942) 203 s. v.
40
M. Räsänen in: Studia Orient. 15 (1949), 150f.; Altheim-Stiehl, Supplementum
Aramaicum (1957) ZI 4-
41
Der Name chines. Hiung-nu, altchines. *xiung-no ist fernzuhalten, und auch
qu sänün II S 8 und quy sänünig II S 9 der Inschrift des Kültägin ist Personenname,
nicht der eines Stammes.
42
L. Bazin in: Oriens 6 (1953), 3i8f.; H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953),
3iof. Anm. 92; A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Armagan (1955), 18.
48
Get. 126.
44
Zur Frage Th. Mommsen im Index locorum seiner lordanesausgabe s. v.;
G. Moravcsik, Byzantmoturcica 2 (1943), 92; 130; 268; Altheim-Haussig, Die Hunnen
in Osteuropa (1958), 20; 26; 75.
46
Schulze-Sieg-Siegling, Tocharische Grammatik (1931), 50.
48
A. v. Gabain, Alttürkische Grammatik 2(i95o), 308 s.v.; H. W. Bailey in:
Journ. R. Asiatic Soc. 1939, 91 unter 5.
47
Über den Hund in der mythischen Vorstellungswelt: O. Hof ler, Brauch und Sinn-
bild loif.; P. Paulsen, Schwertortbänder der Wikingerzeit (1953), 151.
48
Exe. de legat. 121, 5 de Boor. So vom Herausgeber hergestellt; dazu G. Morav-
csik, a. O. 2, 268.
1. XOYNOI UND xwn 9

Wenn diese beiden St mme t rkische Namen4· trugen gleich den Hun-
nen, m ssen sie mit diesen verwandt gewesen sein. Vettern der Hunnen oder
gar deren Unterst mme, w ren sie demnach schon vor dem Jahre 375 aus
der Steppe stlich der Maiotis auf deren Nordufer hin bergewechselt und
h tten den Unterlauf des Don berschritten.
Orosius60 bemerkt, bevor die Hunnen 375 ber ihre gotischen Nachbarn
herfielen, h tten sie „lange in unzug nglichen Bergen abgeschlossen" ge-
lebt. Auch Ammianus61 schildert sie als vagi monies paragrantes. Danach
w re das Volk nicht nur im Vorland des Kaukasus62, sondern auch in diesem
selbst beheimatet gewesen. Die Bestattungen des Gr berfeldes von Borisow
im nordwestlichen Kaukasus lassen das Weichen der Alanen unter dem
Einflu einer stlichen Kultur erkennen, darin man die der Hunnen er-
blickt hat63. Und wieder weist das Auftreten t rkischer Namen den Weg.
Grabungen in Mchet'a, unfern von Gori in Gruzinien, dem antiken
Iberien, haben neben gr eren Inschriften, wie der griechisch-aram ischen
Bilinguis aus Antoninus Pius' Zeit64, auch eine Gemme gleichen Alters mit
dem Namen Άστταροοκίζ erbracht66. Dieser f llt zusammen mit dem des
ersten proto-bulgarischenHerrschers( 44—675) .Theophanesgibt Άπαρούχ66,
aber die lateinische bersetzung Asparuch und Nikephoros Patriarches67

49
Altheim-Haussig, a. O. 20 ber die Acildzuri und a. O. 27 ber die Itimari.
Die Bezeichnung der St mme als Hunnen hat den Widerspruch W. Samolins in:
Central Asiatic Journ. 3, 144 Anm.8 hervorgerufen. Er meint, die Namen seien falsch
angegeben, und beruft sich daf r auf die lordanes-Ausgabe von E. Nisard, Paris 1851.
Samolin ist unbekannt, da Th. Mommsens kritische Ausgabe von 1882 ma gebend
ist... Samolin f hrt fort: „Altheim's attempt to etymologize AttUa as Ata-la, where
la is substituted for -*£im, i. e., Ata, 'father' and -*Sim, 'mine', is indicative of this
methods, since -it forms a noun indicating agent." Er beruft sich daf r auf: Attila
und die Hunnen (1951), 138; 207 Anm. 34. Dort steht nichts von -*Sim ,,mine". Wohl
aber hat der 'Turkologe' Samolin den verkehrten Paragraphen von A. v. Gabain's
Grammatik aufgeschlagen. N mlich S. 60 § 47 +ii, +61: T ter statt S. 59 § 44 +°£:
Deminutive und Koseformen. Statt unsererseits von „this methods" zu sprechen sei
dem belt ter ein horazisches risum teneatis amici zugerufen!
60
7> 33>IO Sens Hunnorwn diu inaccessis seclusa montibus.
51
3i. 2, 4.
52
Prokop., Got. 8, 3, 3 των . . . του Καυκασίου όρους τφοττόδωυ.
53
J. Werner in: Eurasia Septentrionalis Antiqua 9, 44f.
54
Zuletzt Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 74f., unter Besprechung
der lteren Literatur.
55
G. Tsereteli in: Westnik drewnej istorii 1/1948, 49!; I. Dujcev in: Archiv
Orient lni 21 (1953), 353f-; Altheim-Stiehl, a. O. 75.
58
357.27 de Boor: άτταρουχ e, f, m.
57
34, 6 de Boor.
10 ANF NGE DER HUNNEN

'Αστταρούχ. L ngst hat man damit bulgarisch-t rkisches Esper x, ESber x


sowie Isperix, Esperex der proto-bulgarischen F rstenliste68 zusammen-
gebracht89. Erster Bestandteil ist altiran. *asb ra- „Reiter" aus *aspa-b ra-,
wozu man altpers. asb ray- halte. Mittelpersisch ist es als as r bezeugt*0;
daneben steht ein ost- oder nordiranisches *asb r, erhalten im Ortsnamen
Asbara91. Ins Altt rkische wurde das Wort als Ubara bernommen62, mit
innert rkischem Wechsel zwischen a und ϊ. Auch Wandel von Media zur
Tenuisin Άσπαροοκις, ΆσΊταρούχίβί altt rkisch, und beide Besonderheiten
zusammen haben zu den Formen Isper-ix, Esper-ex gef hrt. Zweiter Be-
standteil ist oq „Pfeil" in der Bedeutung „Einteilung der Stammesorgani-
sation"63. Demnach ein Bahuvrihi-Kompositum: „einer, dessen Stammes-
teil Reiter sind"M.
Das Auftreten der Hunnen im Vorfeld des Kaukasus und in diesem
selbst, das eines hunnisch-t rkischen Namens in Gruzinien66 l t sich vom
Auftreten der Alanen an beiden Orten nicht trennen. Wie nun die Alanen
weit ausgegriffen haben, nach Westen und, wie sich zeigen wird, nach
Osten, so sind sie auch nach S den vorgedrungen, und wieder sind ihnen
die Hunnen gefolgt.
Drei alanische Vorst e, die teilweise tief ins Partherreich f hrten, sind
bekannt.
Tiberius' parthische Politik konnte sich 35 dazu versteigen, nach Phraates'
Tod in Tiridates einen neuen Bewerber f r den Arsakidenthron aufzu-

58
Zuletzt O. Pritsak, Die bulgarische F rstenliste und die Sprache der Proto-
bulgaren (1955); Altheim-Haussig, a. Ο. ιοί.
M
G. Moracvsik, a. O. 2, 78, mit lterer Literatur.
•° O. Hansen, Abhandl. Akad. Berlin 1937, 9· 27· Dazu die asw riya: ein Reiter-
korps sasanidischerZeit, das inKazwin stand: Kud ma 261, n de Goeje; G.Widengren
in: Orientalia Suecana 5 (1956), 170!
81
Kud ma 206, i. Vgl. auch H.W. Bailey in: Donum Natalicium Nyberg (1954), 5.
ea
A. v. Gabain bei H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 377 Anm. 387.
M
A. v. Gabain, Altt rk. Gramm.232i s. v.; H.-W. Haussig, a. O. 350 Anm. 263;
377 Anm. 388. Verkn pfung mit Άσφώρουγος, 'Aorro pyos, Άσττωρικ, Άσττωριγαν
(I. Dujcev, a. Ο. 355) ist wegen der verschiedenen Vokalf rbung insbesondere der
zweiten Silbe abzulehnen. Auch L. Zgusta, Die Personennamen griechischer St dte der
n rdlichen Schwarzmeerk ste 75 f. § 66-67 nat die Etymologie dieser Namen nicht zu
kl ren vermocht.
M
Altheim-Haussig, a. O. 27 Anm. 85; Altheim-Stiehl, a. O. 86. ber die Nominal-
komposition in den t rkischen Titeln der Proto-Bulgaren hat V. Besewliew gehandelt,
in: Ural-Altaische Jahrb. 30, g8f.
85
ber die Ούννοι Dionys. Perieg. 730 ( — ΟΟΙτιοι) vgl. Kie ling, RE. 8,
2593!; E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 20f.
1. UND xwn H

stellen··. Zur Unterstützung hatte man. mittels großer Zahlungen König


Pharasmanes I. von Iberien und seinen albanischen Nachbarn vermocht.
Man hatte sodann Pharasmanes mit seinem Bruder Mithridates versöhnt
und diesen als künftigen König Armeniens in Aussicht genommen. Es ge-
lang, den bisherigen Inhaber des Thrones: Arsakes, ältesten Sohn des regie-
renden Partherkönigs Artabanos III. (12 bis etwa 38), zu ermorden. Sofort
brachen die Iberer mit Heeresmacht in Armenien ein und eroberten die
Hauptstadt Artaxata. Als Artabanos seinen Sohn Orodes sandte, um die
Ordnung herzustellen, rief Pharasmanes die angrenzenden Albaner zu Hufe.
Die Sarmaten, genauer: die den Iberern unmittelbar benachbarten Alanen·7,
schwankten, welcher Partei sie sich zuwenden sollten. Aber Pharasmanes,
im unbestrittenen Besitz der östlichen Kaukasuspässe, wußte alanischen
Zuzug für die Parther zu hindern, während er seine eigenen alanischen Hilfs-
truppen durch die geöffneten Kaspischen Tore·8 nach Armenien und auf
parthisches Gebiet einströmen ließ. In der Schlacht gewannen Pharasmanes'
Iberer zusammen mit seinen kampferprobten alanischen Bundesgenossen
den Sieg. Auch Artabanos' Erscheinen brachte keine Besserung der Lage.
Die Alanen waren erstmals tief in der Parther Gebiet eingebrochen; viele
von deren Vornehmen waren gefallen und alle in Verwirrung gebracht.
Ein zweiter Einfall·9 erfolgte 72 oder in den Jahren danach70. Aus ihren
Sitzen am Don und an der Maiotis aufbrechend und mit dem König des
damals unabhängigen Hyrkanien71 verbündet, zogen die Alanen durch die
.Eisernen Tore' über den Kaukasus und überfielen das atropatenische Medien.
Pakoros, Bruder Vologeses' I., vermochte keinen Widerstand zu leisten.
Weithin plündernd und heerend, wandten sich die Alanen gegen Armenien,
dessen König Tiridates in der Schlacht mit knapper Not der Gefangennahme
durch einen Lassowurf72 entging78. Sogar in Rom suchte man Hilfe. Auch
88
Tacit., ann. 6, 32—36; Joseph., ant. 18, 96—100; Dio 58, 26; Plin., n. h. 15, 83.
Dazu N. C. Debevoise, A Political History of Parthia (1938), 158!.; U. Kahrstedt,
Artabanus III. und seine Erben (Diss. Bernenses i, 2; 1950), 80.
87
loseph., ant. 18, 97.
•8 loseph., ant. 18,97; vgl. Val. Flacc., Argon. 6, io6f. claustrisqueprofusi Caspiadae.
89
loseph., bell. 7, 244—251; Sueton., Domit. 2, 2; Dio 65 (66), 15, 3.
70
Die Literatur zur Chronologie bei N. C. Debevoise, a. O. 200 Anm. 55.
71
U. Kahrstedt, a. O. 36 f.
72
loseph., bell. 7, 249—250. Ein solches Lasso beschreibt Moses von Chorene 2, 85;
deutsche Übersetzung von M. Laue (1869), 145. Die Verfasser verfügen über keine
armenischen Sprachkenntnisse.
78
M. Gibellino Krasceninnicowa, II Caucaso, Studio storico-archeologico (Roma,
o. J.), 84 erwähnt: ,, una altra iscrizione ... in antico aramaico, e ehe si ricollega a
12 ANFÄNGE DER HUNNEN

weiterhin blieb man auf parthischer Seite von dem Feind aus dem Norden
bedroht74.
Um 136 hatte man einen noch schwereren, dritten Einfall zu bestehen75.
Wieder brachen die Alanen in Medien ein. Auch Armenien und Kappadokien
wurden in Mitleidenschaft gezogen; erst Flavius Arrianus, Geschichts-
schreiber und römischer Statthalter Kappadokiens76, gebot ihrem Vordrin-
gen Einhalt. Sein Gegenangriff drang bis zu den Kaspischen Pforten vor.
Um so mehr hatte das parthische Gebiet unter den Alanen zu leiden. Die
syrische Chronik von Arbela77 berichtet von Feinden, die unter Vologeses II.
(105/6 ? bis 147) in die Gordyene, und, nach Besiegung eines parthischen
Heeres, in Mesopotamien einfielen. Nur ein Angriff auf die eigene Heimat
rief die gefährlichen Eindringlinge zurück. Vielleicht waren mit ihnen die
zuvor genannten Alanen gemeint.
Mit diesen Einfallen lassen sich die der Hunnen vergleichen.
Zunächst berichtet Agathangelos78, daß nach dem Sturz der Arsakiden
und dem Aufkommen der Sasaniden der arsakidische König Armeniens,
Chosrowl. (222—238), den Hunnen Durchmarsch durch den Kaukasus ge-
stattet habe, damit sie in Asorestan (Babylonien)79 einfielen und bis zu
den Toren Ktesiphons gelangten. Aus der Nachricht geht nicht hervor,
welchen Paß die Angreifer benutzt haben. Nur soviel ist klar, daß sie, um
nach Ktesiphon zu kommen, das atropatenische Medien durchziehen mußten.
Seitdem war man vor solch gefährlichen Gästen auf der Hut. Das zeigt
ein weiterer, vom ersten zu scheidender Einfall der Hunnen, von dem
Priskos80 berichtet und der zunächst gleichfalls auf die Atropatene zielte.

quella dell 75 d. C. relativa a Vespasiano, trovata presso Mzkheta, l'Eristhavi Sciaragas,


. . . esalta le vittorie riportate nei paesi confinanti e menziona le fortificazioni espugnate
e l'Armenia." Den Verfassern ist keine Veröffentlichung dieser Inschriften bekannt.
74
N. C. Debevoise, a. O. 213.
78
Dio 69, 15, i; Arrian. FGrHist 156 F 13 und 37; Alan, und tact. 4, 3; A. von
Gutschmidt, Geschichte Irans und seiner Nachbarländer (1888), i$6i.; N. C. Debevoise,
a. O. 242 f.
76
FGrHist 156 F 12—13; 37 und F. Jacoby im Kommentar.
77
E. Sachau, Die Chronik von Arbela (Abh. Akad. Berlin 1915, 6), 46!; weitere
Literatur bei N. C. Debevoise, a. O. 243 Anm. n; U. Kahrstedt, a. O. 66.
78
Patmagirk' Hayoc' i, 2 (1909), p. 16, 10; V. Langlois, Collection des historiens
anciens et modernes de l'Arm^nie i (1865), 115; Honigmann-Maricq, Recherches sur
les Res gestae divi Saporis (1953), 50.
79
Honigmann-Maricq, a. O. 41 f.
80
Konstant. Porphyrog., Exe. de legat. 141, 9—26 de Boor.
1. XOYNOI UND xwn 13

Er erfolgte lange vor Attilas Zeit81, und die gegebene Schilderung zeigt,
da die Hunnen damals noch stlich des unteren Don und an der Maiotis82
sa en. Sie w hlten bei ihrem Hinmarsch den Weg westlich des Kaukasus,
der am Ostrand der Maiotis entlang f hrte, und brauchten nicht weniger
als f nfzehn Tage, um nach Medien (gemeint ist das atropatenische) zu
gelangen. Als sie sich dort ans Pl ndern machten, trat ihnen ein persisches
Heer entgegen, und dessen berlegenem Pfeilhagel gegen ber zogen die
Hunnen vor, schleunigst umzukehren, wobei sie die Masse ihrer Beute
zur cklassen mu ten. Um den persischen und medischen Verfolgern zu
entgehen, w hlten sie einen anderen Weg. Er f hrte an Erdfeuern, die aus
unterseeischem Gestein hervorbrachen83, vorbei und dauerte im Gegensatz
zum Hinmarsch nur wenige Tage. Unschwer erkennt man die Schilderung
der teilweise dem Meeresboden entspringenden Erd lquellen von Baku und
der Halbinsel Apscheron84. Der R ckmarsch ging demnach am Westufer
des Kaspischen Meeres entlang, durch den Pa von Derbend oder die Kas-
pischen Tore.
Man kennt den Weg „zwischen dem Meer und den Ausl ufern der alba-
nischen Berge" aus Tacitus' Schilderung der Alanengefahr von 3586.
Damals war er durch sommerliche berflutung unpassierbar geworden und
nur im Winter zu benutzen. Tacitus wu te auch, da gleich den Hunnen die
Sarmaten den Pfeilkampf vermieden, darin sie den Parthern unterlegen
waren, und den Nahkampf mit Lanze und Schwert suchten86. Aber sosehr
die Angaben des r mischen Historikers Priskos' Erz hlung veranschau-
lichen, sowenig war von diesem einer der drei genannten Alaneneinf lle
gemeint. Denn weder 35 noch η ζ erfolgte der Anmarsch an der Ostseite der
Maiotis entlang. Und 136 war der Einfall von Erfolg gekr nt.
Die Hunnen m ssen demnach ihr Unternehmen zwar nach alanischem
Vorbild, sonst aber selbst ndig unternommen haben. Nennung der Perser87
zeigt, da man in sasanidischer Zeit ist. Genauere zeitliche Festlegung war

81
πάλαι Exe. de legat. 141, 10.
82
Exe. de legat 141, 17.
83
μετά την Ικ της υφάλου ττέτρα? άνοπτεμττομένην φλόγα: Exe. de legat. 141· 24·
84
J. Marquart, Er nsahr (Abh. Getting. Akad. 1901, 2), 97; E. A. Thompson, A
History of Attila and the Huns, 31.
85
ann. 6, 33, 3; dazu Honigmann-Maricq, a. O. 88 f.
88
ann. 6, 35, i ; vgl. Arrian., tact. 4, 3; Alan. 25—26.
87
Exe. de legat. 141, 8; 19; 28.
14 ANFÄNGE DER HUNNEN

bisher nicht möglich88. An Anhaltspunkten stehen zwei Grenzdaten zur


Verfügung: Beginn der sasanidischen Herrschaft einerseits und die Über-
lieferung andererseits, derzufolge Alanen und Hunnen am Ende des 3. Jahr-
hunderts bereits als Söldner in armenischen Diensten auftraten. Sie hatten
ihre kriegerischen Vorstöße nach Süden aufgegeben und fochten im Heer
ihrer dortigen Nachbarn (unten S. 15). Dazu stimmt, daß in der Zeit, die
Priskos meinte, Rom noch Hauptstadt war. Der Geschichtsschreiber gibt
die Namen der hunnischen Anführer: Basich und Kursich „von den könig-
lichen Skythen". Beide seien nach Rom gekommen und hätten dort über
ein Waffenbündnis ( ) verhandelt. Die Römer hätten aber nicht
zugestimmt wegen des Krieges, in den sie damals verwickelt waren. Weiter
erfährt man, daß die Hunnen durch Hungersnot im eignen Lande zum
Kriege getrieben wurden. Schließlich: wenn die Verfolgung der Perser sie
genötigt hatte, den Rückweg durch den Paß von Derbend zu nehmen,
mußte ihnen der Weg nach Westen und Nordwesten versperrt sein.
Die Inschrift Karter's von der Kacba-i Zradust89 zählt die Städte und
Landschaften auf, die Säpür I. mit Männern und Rossen plündernd, bren-
nend und mit Schrecken heimgesucht habe. Die Liste *° geht vom syrischen
Antiocheia, Tarsos und Kilikien, Kaisareia, Kappadokien sowie Galatien
nach Armenien, Iberien (wlws'n) und Albanien, nach Baläsayän91 und
zum Paß der Alanen. Die Ereignisse fallen in das Jahr von Valerians
Katastrophe 260 und zeigen, was man bisher nicht wußte, daß Säpürs
Heereszüge sich bis zum Kaukasus erstreckten.
Das „Tor der Alanen" ( ' ' ') ist der Paß von Darial im Zentral-
kaukasus, über den die gruzinische Heerstraße von Wladikawkaz nach Tiflis
führt *2. Säpür hatte also den ganzen Osten des Gebirges, von Albanien bis
zum Paß von Darial, abgesperrt. Das ist die Voraussetzung, aus der sich
der Entschluß der Hunnen erklärt, den Weg westlich des Kaukasus für
ihren Anmarsch zu wählen. Weiter nach Osten vordringend, mußten sie auf
Säpür's Truppen stoßen, denen sie mit knapper Not durch den Paß von

88
Zuletzt E. A. Thompson, a. O. 30f.; K. Enoki in: Central Asiatic Journal i, 60
(dessen Ansatz auf 415—420 ohne Anhalt ist).
*· E. M. Sprengling, Third Century Iran, Sapor and Kartir (1953), 37!
90
Zeüe 12.
91
Zur Lage Honigmann-Maricq, a. O. 80 f.
92
V. Minorsky, Hudüd al-'Älam (1937). 401; 446. Vgl. Val. Flacc., Argon. 5, 603
oppositis exspectat Hiberia claustris; Honigmann-Maricq, a. O. 73; 84; 88; 89 Anm. i;
90 Anm. 2.
1. XOYNOI UND xwn 15

Derbend entkamen. Zu bedenken ist, daß ein Waffenbündnis zwischen Rom


und Hunnen, gegen Säpür I. als gemeinsamen Gegner gerichtet, zwar nahe-
lag, aber Rom in seiner damaligen Bedrängnis auf ein derart weitreichendes
Unternehmen nicht eingehen konnte. Die Hunnen endlich durften sich
glücklich schätzen, durch die einzige, noch offene Rückzugsstraße entkommen
zu sein; auf eine Wiederholung des Raubzuges mit römischer Unterstützung
mußte man verzichten.
So empfiehlt denn alles, den Raubzug der Basix und Kursix in die Jahre
des Entscheidungskampfes zwischen Säpür I. und Valerian zu verlegen.
Aber damit scheinen sich die Beziehungen zu den Sasaniden nicht erschöpft
zu haben. Die Alanen, die nicht weniger als dreimal iranisches Gebiet heim-
suchten, hatten im Jahre 35 geschwankt, ob sie es mit Iberern oder Parthern
halten sollten: sceptuchi utrimque donis acceptis more gentico diversa in-
ducere9*. Dementsprechend erwähnt lamblichos' in der zweiten Hälfte des
2. Jahrhunderts verfaßter Roman94 alanische Söldner95 im parthischen
Babylonien. Sie ziehen im Lande umher: Garmos, Babylons König, ist
ihnen den Sold schuldig geblieben oder hat sie aus seinen Diensten ent-
lassen96. Armenische Quellen berichten von alanischen und hunnischen
Söldnern im Dienste König Trdat des Großen um ago97. Das Auftreten
türkischer und damit hunnischer Namen und Titel auf Ostraka aus Dura-
Europos, die in Pahlavik und Pärsik beschrieben sind, wurde behauptet9e,
aber blieb kontrovers " und kann daher nicht angeführt werden. Doch weiter
südlich, gleichfalls in einer Karawanenstadt der römischen Ost grenze, ist
ein Name gleicher Herkunft bekannt geworden.
An derParodosmauer des Südtheaters vonGerasa im Ost Jordanland fand
100
sich ein Grafitto des 2.—3. Jahrhunderts: "Awios . Der zweite
93
Tacit., ann. 6, 33, 2.
91
Darüber U. Schneider-Menzel bei F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im
ausgehenden Altertum i (1949), 48 f.
95
Erotic, script. Graec. i, 229, 25f. Hercher; U. Schneider-Menzel, a. O. 56; 90.
98
Zur Bedeutung von - U. Schneider-Menzel, a. O. 56 Anm. 13.
97
V. Langlois, Collection de historiens de . 215; 2, 125, FHG. 5,
534. — Trdat vertreibt die Basilier ins Land der Hunnen: Moses von Chorene 2, 85;
Übersetzung von M. Laue, 145. — Zwei neugefundene griechische Inschriften des
Trdat aus Garni und Aparan veröffentlicht L. A. Elnitski in: Westnik drewnej istorii
1/1958, 146!
98
Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen (1953), 2of.
99
Dagegen W. B. Henning in: Gnomon 26 (1954), 4?8f· Unsere Entgegnung in:
Südostforschungen 15 (1956), 72f.
100
C. H. Kraeling, Gerasa (1938), 400 Nr. 55]
16 ANFÄNGE DER HUNNEN

Name wurde sogleich als türkisch erkannt und zu , ge-


101
stellt . Beide Namen wurden von Protobulgaren des 5.—7. Jahrhunderts
getragen102 und dadurch als türkisch erwiesen. Sie gehören überdies zu
dem der , einem hunnischen Stamm des 6. Jahrhunderts103.
Zugrunde Hegt: *qut-taray „glückliche Abstammung" oder vielmehr:
„dessen Abstammung glücklich ist"; *qut-tany-ar „Volk von glücklicher
Abkunft"104 mit Labialattraktion106. Auf die Bedeutung von gut „Glück,
Segen, Majestät" wird an späterer Stelle einzugehen sein.
Noch eine letzte Nachricht muß besprochen werden. Die Alanen, sagt
Ammianus106, dehnten ihre Raub- und Jagdzüge bis zu den maeo-
tischen Sümpfen und zum kimmerischen Bosporus aus, ebenso nach
Armenien und Medien. Auf die letzten bedarf es keines weiteren Eingehens.
Nur daran sei erinnert, daß den Alanen in dieser Richtung die Hunnen
gefolgt sind. Im 4. Jahrhundert wird im nördlichen Albanien die Hunnen-
herrschaft Sanesan's, im folgenden ein hunnisches Fürstentum in
Baläsayän genannt107. Dasselbe gilt für die alanischen Züge in westlicher
Richtung. Als die Hauptmasse der Hunnen 375 den Don überschritt,
stießen sie, wie gesagt, am Nordufer des Asowschen Meeres auf die Alpid-
zuri, Acildzuri, Itimari, Tuncarsi und Boisci10*. Alle haben sich zuvor als
Stämme hunnischer Herkunft erwiesen; sie waren dem großen Vorstoß
bereits vorangezogen. Wieder begegnen Hunnen in der Nachfolge der Alanen;
es bestätigt sich, was zuvor beobachtet wurde.

Bisher hat sich weder Anlaß noch Nötigung ergeben, die in den chine-
sischen Quellen genannten Hiung-nu heranzuziehen. Gleichwohl muß die
Frage nach der Möglichkeit eines Zusammenhanges aufgeworfen werden.
101
G. Vernadsky bei C. H. Kraeling, a. O. 400 Anm. i.
1M
G. Moravcsik, a. O. z, 152 f.
108
G. Moravcsik, a. O. 2, 152 f.
104
H.-W. Haussig bei Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 86f.
106
Über = g, vgl. G. Moravcsik, a. O. 2, 44; tariy neben taray A. v. Gabain,
a. O. 2338 s. v.; Labialattraktion ebenda 47 § 19.
108
31, 2, 2i.
107
J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge (1903). 49. Weitere
Angaben bei F. Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 282/3 s. v. Sanatrük Nr. 8.
108
Jordan., Get. 126.
1. XOYNOI UND xum 17

Es d rfte geraten sein, dazu die letzte u erung heranzuziehen. Es handelt


sich um O. Pritsaks Untersuchung, die sich mit der F rstenliste der Proto-
bulgaren besch ftigt1. Dieses Volk, ohnedies geschichtlicher Nachfolger
der Hunnen, hat sich nach Ausweis dieser Quelle als solcher gef hlt. Die
in ihr erhaltenen Angaben sucht Pritsak, ber die hunnische Abstammung
hinaus, so zu verwerten, da sie f r die Abstammung beider, der Hunnen
und Protobulgaren, von den Hiung-nu sprechen.
Die F rstenliste ist in drei Handschriften des sog. Ellinskij Letopisec
berliefert. Es handelt sich um ein altrussisches Sammelwerk, das aus dem
Pentateuch, den vier B chern der K nige, dem Buch Esra und Aus-
z gen aus den griechischen Chroniken des Johannes Malalas und Geor-
gios Monachos besteht. Die protobulgarische K nigsliste findet sich
in den drei Handschriften dieses Werkes im Anschlu an die B cher der
K nige.
berliefert werden die Namen von dreizehn F rsten. F nf haben jenseits
der Donau, acht auf deren r mischer Seite regiert. Von den f nf -ersten l t
sich nur der Sohn Attilas und Hunne Ernak in anderen Quellen wieder-
finden2. Von den acht F rsten des zweiten Teils der Liste sind f nf als bul-
garische Chane aus griechischen Quellen bekannt3. Die Liste gibt f r jeden
der Aufgez hlten die Dauer seines Lebens oder seiner Regierung an. Daneben
stehen, in einer altaischen Sprache, Angaben von Regierungszahlen, Tier-
namen und Stammesbezeichnungen. Die Liste enth lt au erdem Be-
merkungen ber die Gesamtregierungszeit der ersten Chane sowie ber den
Sturz des Geschlechtes Dulo durch den Chan Kormisos.
Zweifellos wurde die Liste aus dem Griechischen ins Kirchenslawische
bersetzt. Dabei wurden die in altaischer Sprache beigef gten Angaben bei-
behalten, vermutlich, weil der bersetzer sie nicht mehr verstand4. Dem

1
Die bulgarische F rstenliste und die Sprache der Protobulgaren. Ural-Altaische
Bibliothek i (1955).
8
Irnik= Ήρνάχ: Priskosin Konstant. Porphyrogenn., Delegat. 145, 17; Hernac:
lordanes. Get. ?66.
9
Esperich = Άστταρούχ: Theophanes, Chron. 357, 27 de Boor; Nikephoros
Patr., Chron. 34, 6. — Tervel =Τέρβελι$: G. Moravcsik, Byzantinoturcica (Budapest
1942— 43), 2, 258. Dazu Paul. Diac., Hist. Lang. 6, 29 Terebellus. — Kormisos =
Κορμέσιος: G. Moravcsik, a. O. 2, 146. — Telec =Τελέτζη5: G. Moravcsik, a. O. 2, 257.
— Oumor = ΟΟμαρ : G. Moravcsik, a. O. 2, 198.
4
Anders O. Pritsak, a. O. 14: „Die Wiedergabe der protobulgarischen Ausdr cke
ist recht korrekt, wenn man von einigen Schreibgewohnheiten absieht, die auf den
2 Althelm, Hunnen I
18 ANFÄNGE DER HUNNEN

Aufbau nach sind zwei Gruppen von Herrschern geschieden (Nr. i —5 und
6—13). Die zweite enthält acht bulgarische Chane, die in der ersten mit
hunnischen Herrschern als Vorgängern verbunden sind. Attilas jüngster
Sohn Ernak erscheint als Irnik (Nr. 2) unter den Vorläufern der Bul-
garenchäne, gleich diesen (bis Sevar Nr. 9) dem Geschlecht Dulo ent-
stammend.
Nun steht fest, daß Ernak 469 mit dem größten Teil seiner Horde auf
oströmisches Gebiet übertrat und dort in Klein-Skythien, der heutigen
Dobrudscha, angesiedelt wurde. Noch um die Mitte des 6. Jahrhunderts
fanden sich die Nachkommen in der römischen Provinz6. Fast um die
gleiche Zeit haben die späteren Bulgaren, die damals noch als Onoguren
bezeichnet wurden6, unter dem Druck der Awaren ihren früheren Wohn-
sitz im Ostteil des Kaukasus aufgegeben und sich am Unterlauf des Kuban
niedergelassen7. Eine Verbindung zwischen den Hunnen Ernaks und den
Onogur-Bulgaren am unteren Kuban hat also zunächst nicht bestanden8.
Sie konnte erst in dem Augenblick eintreten, als diese Bulgaren in

byzantinischen Vorlagen fußen". Doch schwerlich konnte, wer die altaische Sprache
der Protobulgaren noch verstand, oüyaiv der griechischen Vorlage (= ügän) durch
ougain wiedergeben.
5
lordanes, Get. 266: Hernac quoque iunior Attilae filius cum suis in extrema mi-
noris Scythiae sedes delegit. Ernak trat in römische Dienste und mit ihm die meisten
seiner Unterhäuptlinge: multique Hunnorum passim proruentes tune se in Romania
dediderunt, e quibus nunc usque Sacromontisü et Fossatisii dicuntur.
' Über die alte Bezeichnung der Bulgaren als Onoguren: H.-W. Haussig, Theophy-
lakts Exkurs über die skythischen Völker, in: Byzantion 23 (1953), 364 Anm.341 (im
Folgenden angeführt als: Haussig, Exkurs).
7
Priskos. De legat. 586, 7—n. Nach diesem Bericht waren die Sabiren von den
einwandernden Awaren besiegt worden. Hierdurch entstand eine Völkerbewegung, die
neben den Onoguren (Ovoyoupot) die , Oüpcoyot und ergriff.
Angesichts der Tatsache, daß diese Völkerverschiebung nach Priskos durch die
Awaren ausgelöst wurde, die Zacharias Rhetor 214, 23 Brooks schon in der ersten
Hälfte des 6. Jahrhunderts nördlich des Kaukasus kennt, besteht kein Anlaß, diese
Ereignisse mit Pritsak (a. O. 36 Anm. i) in den eurasischen Raum zu verlegen:
H.-W. Haussig, Die Quellen über die zentralasiatische Herkunft der europäischen
Awaren, in: Central Asiatic Journal 2 (1956), 2 i f . (im Folgenden angeführt als:
Haussig, Quellen).
8
Wenn Pritsak (a. O. 62) eine Verbindung zwischen den Hunnen Ernaks und
den Protobulgaren konstruiert, indem er den römischen magister militum Mundo zum
zweiten bulgarischen König nach Ernak erhebt, sind ihm wichtige Angaben entgangen.
Nach Theophanes, der hier auf der ungekürzten Fassung der Chronik des Malalas
beruht, war Mundo gepidischer Abkunft (Chron. 218, 31). Sein Großvater hatte als
1. XOYNOI UND xwn 19

der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts sich gleichfalls in Kleinskythien


niederließen. Auch so bleibt auffallend, daß die ersten bulgarischen Herr-
scher an die hunnischen Häuptlinge, die in diesem Gebiet unter oströmi-
scher Oberherrschaft regiert hatten, anknüpften. Denn zwischen der Regie-
rung Ernaks, der in der Liste genannt ist, und den frühesten aus den byzanti-
nischen Quellen bekannten bulgarischen Herrschern liegen über zwei Jahr-
hunderte 9.
Die Liste nennt nach Ernak, der sich 469 in der Dobrudscha niederließ,
drei Herrscher. Wenn hier eine Überlieferung bestanden hat, kann sie nicht
auf die in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts in die Dobrudscha ein-
gewanderten Bulgaren zurückgehen. Sie kann nur da entstanden sein, wo man
sowohl zu den Hunnen- wie den Bulgarenfürsten Beziehungen unterhielt.
Das müßte die in der Dobrudscha lebende Provinzialbevölkerung gewesen
sein. Es läßt sich hinzufügen, daß der unmittelbare Zusammenhang der
Fürstenliste mit den israelitischen Königsbüchern an einen Kleriker denken
läßt, der mit der Mission der in die Dobrudscha übergetretenen altaischen
Stämme befaßt war.
Eine zweite Schwierigkeit, die sich gegenüber dem ersten Teil der Für-
stenliste einstellt, liegt in ihren Jahresangaben. Bei den beiden ersten Herr-
schern ist die Lebensdauer, bei den restlichen drei die ihrer Regierung
angeführt. Die Zahl der Jahre ist in beiden Fällen aufgerundet (Nr. i:
300 Jahre; Nr. 2: 150; Nr. 4 und 6: 60), zeigt also, daß ein Wissen nicht
bestand. Die Gesamtzahl 515 setzt sich also aus Lebens- und Regierungs-
jahren zusammen und ist somit wertlos, ganz abgesehen davon, daß auch
ihre Einzelposten ohne Gewähr sind.
Darüber hinaus scheitert jeder Versuch, die Angaben mit den aus den
byzantinischen Geschichtsschreibern bekannten Daten der ältesten bulga-
rischen Geschichte zu vereinigen10. Wie vermöchte man die 60 Jahre Aspa-

gepidischer König in Sirmium residiert (219, i). Sein Vater hieß Giesmos (218, 31).
Mundo hatte sich im Jahre 539 durch einen entscheidenden Sieg über die damals in
die römischen Donauprovinzen eingebrochenen Bulgaren ausgezeichnet (218. 31—219,
16). Die von lordanes erwähnte Verwandtschaft Mundos mit Attila bestand wahr-
scheinlich durch die Heirat einer Tochter Attilas mit demVater oder Großvater Mundos
(Get. 301).
9
Ernak wird zuletzt 469 erwähnt (lordanes, Get. 266). Asparuch, der erste be-
kannte Herrscher des protobulgarischen Reiches, ist um 675 in der Dobrudscha nach-
weisbar (Theophanes, Chron. 375, 27; Nikephoros Patr., Chron. 34, 6).
10
Auch wenn man Pritsak bei seiner Gleichsetzung des Chans Kurt der Fürsten-
liste mit Qowrat (Koßpörros) der griechischen Quellen folgt, steht man vor unlösbaren
2*
20 ANFÄNGE DER HUNNEN

ruchs mit dem aus den griechischen Quellen Bekannten in Übereinstimmung


zu bringen ? Asparuch kann erst nach seinem Vater Krobatos die Regierung
angetreten haben. Krobatos starb, während sich Konstans II. in Italien
aufhielt11, also zwischen 663 und 668. Asparuch kann frühestens zu diesem
Zeitpunkt die Regierung angetreten haben; 705 war er mit Sicherheit nicht
mehr am Leben. Denn für diese Zeit ist Tervel als bulgarischer Chan be-
zeugt13.
Und doch werden die Jahresangaben der Liste für Pritsak13 zur Grund-
lage, auf der er den Bau seiner hunnischen Vorgeschichte errichtet. Er
argumentiert, wie folgt: sowohl Avitochol (Nr. i) und Ernak (Nr. 2) wie
die folgenden sieben bulgarischen Chane seien als Angehörige des Stammes
Dulo bezeichnet. Erst von Kormiso§ (Nr. 10) heiße es: „Dieser Fürst löste
das Geschlecht der Dulo, das heißt Vixtun, ab". Die hunnisch-bulgarischen
Dulo seien nun T'u-ku, Tu-ku, dem führenden Clan der späteren Hiung-nu,
und Vixtun: Mao-tun, dem Begründer ihres Reiches, gleichzusetzen. Dem
entsprächen die Jahresangaben der Liste. Indem Pritsak aus ihnen 453 als
Regierungsantritt Emaks errechnet, gelangt er nach Abzug von 300 Jahren
(Nr. i) zu den Hiung-nu und damit zum Beginn der gesamten Herrscher-
liste. Diesen bilde die Westwanderung der nördlichen Hiung-nu unter einem
Shan-yü Avitochol (Nr. i) im Jahre 153 n. Chr.
Schon der chronologische Ausgangspunkt ist wenig glaubhaft. Ernak
kann nicht, wie Pritsak will, im Todesjahr Attilas 453 die Herrschaft ange-

Schwierigkeiten. In der Fürstenliste heißt es über Kurt (O. Pritsak, a. O. 76): „Kurt;
herrschte 60 Jahre". Nun ist von Qowrat bekannt, daß er in Byzanz in jungen Jahren
Christ wurde (loh. Nik. 276 äthiop.; 460; Nikephoros Patr., Chron. 24, 9—15). Diese Be-
kehrung kann nur nach Beendigung des oströmisch-persischen Krieges 629 erfolgt sein,
da die Bulgaren an ihm auf persischer Seite teilgenommen hatten (Theophanes, Chron.
315, 7—n) und erst unter dem Eindruck der persischen Niederlage die Verbindung
mit Byzanz suchten. Damals wurde der bulgarische Chan Orchan (Opyavös) und
mit ihm sein Nachfolger Qowrat Christen. Dieser Qowrat kann somit frühestens 630
die Regierung angetreten haben. Wenn man den Regierungsjahren der Fürstenliste
Glauben schenkt, müßte er bis 690 regiert haben. Da sein Nachfolger Bezmer nach der
Fürstenliste 3 Jahre regierte, könnte Asparuch erst 693 die Regierung angetreten haben.
Das wird aber durch die griechischen Quellen eindeutig widerlegt. Sie berichten, daß
Qowrat — er wird hier nach seinem anderen Namen *Quru-bat- ^ genannt —
noch unter der Regierung des Kaisers Konstans II (641—668) starb (Theophanes,
Chron. 357, 21).
11
Theophanes, Chron. 357, n—12.
12
Theophanes, Chron. 374, 2.
13
a. O. 36f.; 63!
1. XOYNOI UND xwn 21

treten haben. Denn dessen Nachfolger waren Ellak, der am Nedao fiel14,
und Dengizsig16, der 469 den Tod fand. Ernak konnte erst nach seinen
älteren Brüdern Ellak und Dengizsig Chan werden, denn auch bei den
Hunnen galt die bei anderen altaischen Völkern übliche Erbfolge, nach der
die Herrscherwürde erst an die jüngeren Brüder des verstorbenen Chans
fiel, dann an seine Söhne, und zwar an den ältesten zuerst. Da Attila bei
seinem Tode keine Brüder mehr besaß, folgte ihm sein ältester Sohn Ellak18.
Ebenso erstaunlich ist der chronologische Rückschluß. Eine Quelle, die
über die Abwanderung der Hiung-nu aus Nordostasien und überdies von
einer Einwanderung derselben Volksgruppe in Südrußland berichtet, fehlt.
Pritsaks These, wenn sie sich beweisen ließe, käme einer Sensation
gleich.
Bisher stand es so, daß chinesische Quellen zwar die Abwanderung der
Hiung-nu von der Mongolei bis Westturkestan und in die nördlich davon
liegende Kirgisensteppe berichten, aber nicht ihren Zug nach Südrußland17.
Zwar wird man durch westliche Quellen über Wanderungen von Nomaden-
völkern unterrichtet, die von Westturkestan ausgingen. Doch für den Nach-
weis, daß es sich in beiden Fällen um die gleiche Völkerbewegung handelt,
ist man allein auf die überlieferten Namen angewiesen.
Die Untersuchung der beiden Volksnamen Hunnen und Hiung-nu hat
bisher keinen Anhalt dafür gegeben, daß diese verwandt oder gar eins sind18.
Dagegen ist der Hunnenname in den chinesischen Quellen als Hun, und zwar
für ein Volk der Sien-pi-Gruppe nachweisbar, dessen Wohnsitze im östlichen
Teil der heutigen chinesischen Provinz Dschehol lagen19. Die Hun gehörten
zu jenen Stämmen, die die nördlichen Hiung-nu, wie die chinesischen
Quellen berichten, aus der westlichen Mongolei und Ostturkestan vertrieben
und zur Abwanderung nach Westturkestan nötigten20. Bei dem führenden
14
lordanes. Get. 262.
15
lordanes, Get. 272: Dintzik.
16
So folgte Attila nicht seinem Vater Mundzuk in der Chänswürde. Vor ihm re-
gierten die jüngeren Brüder Mundzuks, Octar und Roas (lordanes. Get. 179).
17
Vgl. G. Uchida, Chronologische Übersicht über die Westwanderung der Nord-
Hiung-nu in: Kyodoshi kenkyü (Studien über die Geschichte der Hunnen, Tokyo 1953),
I5I—I57·
18
Es ist möglich, daß die chinesische Bezeichnung Hiung-nu wenigstens in ihrem
ersten Teil ein altaisches Wort umschreibt, das sich aus quru „Wurm" oder „Wolf"
und on „König" zusammensetzt: Haussig, Quellen 38 Anm. 79.
19
Haussig, Exkurs 347—353; Quellen 40 Anm. 83.
20
Im Jahre 158 n. Chr. gaben die Nord-Hiung-nu Ostturkestan auf und ließen sich
nördlich von K'ang-chü, also im nördlichen Teil der Kirgisensteppe, nieder (Wei-shu
22 ANFÄNGE DER HUNNEN

Clan der in Europa unter dem Namen Hunnen auftretenden Stämme müßte
es sich also, wenn Gleichheit der Namen zu Rückschlüssen auf das Volks-
tum berechtigt, um Sien-pi und nicht um Hiung-nu handeln.
Es bleibt das Sprachliche. Die Hunnen sprachen, so hat sich gezeigt
und wird sich im weiteren Verlauf bestätigen, einen alttürkischen Dialekt.
Auch ihre Verwandten, die Hephthaliten im nordöstlichen Iran, dürfen als
Türken gelten (unten S. 31 f.). Dasselbe läßt sich für die Nachfahren der
Hunnen, die Protobulgaren21, erweisen. Protobulgarische Inschriften in
türkischer Sprache wurden an anderer Stelle behandelt22. Michael der
Syrer, darin auf Johannes von Ephesos zurückgehend23, bezeichnet Bul-
garen und Chazaren eindeutig als Türken (turkäye)24. Demgegenüber ist
jüngst betont worden, daß sich die ersten Türken zuweilen auf die Hiung-nu
zurückleiteten, aber diese keinesfalls Türken gewesen sind und türkisch ge-
sprochen haben26. Diese Feststellung schließt aus, daß die Hiung-nu jemals
etwas mit den Hunnen, deren türkische Sprache und türkisches Volkstum
außer Zweifel steht, gemeinsam hatten, und ebensowenig mit deren Nach-
kommen, den Protobulgaren. Anders Pritsak.
Die von ihm vertretene These besagt einmal, daß der führende Clan der
Hiung-nu (nicht der Sien-pi) in der bulgarischen Fürstenliste erwähnt sei.
Und weiter glaubt er, den Zeitpunkt der Auswanderung als Markstein der
staatlichen Entwicklung dieses NomadenVolkes festlegen zu können. Die
bisherige Auffassung der Wanderungsbewegung der Hunnen wäre dadurch
in Frage gestellt. Trifft das zu ?
Unter KormisoS gibt der Text der Fürstenliste: izmeni rod doulowz
rekSe vixtunb. Pritsak bemerkt, das Objekt rodt habe zwei Attribute, die
denominale Possessiv-Adjektive sind. Das erste Attribut zeige die Endung
-owz, was auf Zugehörigkeit des Nomens zum Kollektiv dulo hinweise.

102; Pei schi 97; Yüe-pan chuan). Schon wenige Jahre später (166 n. Chr.) finden wir
die Sien-pi im Besitz Ostturkestans und des Gebietes derWu-sun (Sien-pi chuan 120;
vgl. zu beiden Völkerbewegungen G. Uchida, a. O. 157).
21
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum i (1949), 195!
22
F. Altheim, a.O. i, 198f.; 203!; 225f.; Aus Spätantike und Christentum (1951),
70 f.
28
Vergl. das vierte Kapitel.
24
S. 381 r. Z. i f., womit die Z. gf. genannten Bulgaren und Chazaren gemeint sind.
28
A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Armaga n(i955). 9 ·! 23 · Ausscheiden
muß die Berufung auf bayätur: a. O. 22 und 24. Das Wort ist iranischen Ursprungs:
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i (1954), 278f. — Zu seitdem erschienenen Äuße-
rungen vgl. F. Kussmaul in: Tribus 1952 und 1953, 311.
1. XOYNOI UND xwn 23

Die Endung des zweiten Attributs -b dagegen besage, da es sich um ein


Possessivverh ltnis zu einer Person handele. Dementsprechend wird von
Pritsak bersetzt: K. „l ste das Geschlecht der Dulo, das ist das (Geschlecht)
des *Bichtun ab"2«.
Die bersetzung ist an sich nicht zu beanstanden, aber sie ist keineswegs
die einzig m gliche. Denn vixtunb braucht nicht unbedingt ein possessives
Adjektivum auf -jo- zu sein. Es kann sich auch um ein Substantiv mit -b-
Endung handeln, vergleichbar altruss. korsunb (f r Χέρσων). Dieses ist, wie
Vertretung von χ durch k zeigt, durch altaische Vermittlung gegangen27.
Oder es k nnte sich, in Anbetracht der h ufigen Vertauschung von δ und b
in unserer Handschrift, um das Substantiv vixtunb handeln. In beiden
F llen w re zu bersetzen: K. „l ste das Geschlecht der Dulo, das ist
Vichtun, ab". Welche der beiden M glichkeiten zu w hlen ist, entscheidet
der Sinn.
Vixtun f hrt ber *βιχτουν des griechischen Originals auf ein altaisches
*begtun „F rstensippe"28. Vom Sprachlichen her gesehen ist Vixtun dem-
nach nicht Personenname, sondern Kollektivum. Dazu stimmt, da im
fraglichen Satz der F rstenliste der Stamm Dulo geradezu der „Sippe"
Vixtun gleichgesetzt werden kann. Es l t sich demnach nicht verkennen,
da die zweite der vorgeschlagenen bersetzungen sich empfiehlt. Von
dieser soll die weitere Er rterung ausgehen.
Auf der anderen Seite kann der Eigenname Mao-tun entweder ein alt-
aisches *begtun oder *boyiun umschreiben. Letzteres entspr che, wie G. Ha-
loun betont hat, mehr den chinesischen Lautverh ltnissen29. *Boytun hei t

" O. Pritsak, a. O. 62 § 3.
27
Freundliche Auskunft M. Vasmers.
*8 Vixtun weist auf ein griechisches *βιχτουν, *βεχτουυ; ττέχ; (beg) wird bei
den Chazaren der H uptling nach dem Qayan genannt (Konst. Porph., De adm. 178, 2
Bonn); tun hat die Bedeutung „Volk": M. A. Castr n, Versuch einer koibalischen und
karagassischen Sprachlehre (Petersburg 1857), 136 (don <-~> dun). Das Wort don/tun
ist sowohl bei den Hunnen wie bei den T'u-k e belegt. Bei den Hunnen in den Ver-
bindungen Χαράτων (*qara tun wie qara budun): Olympiodor 457, g Dindorf;
TouvCToupes (tun-Sur, „Stammesh uptling"): Priskos, De legat. 121, 5; Δονάτος (*don-
ata ,,Stammesvater"): Olympiodor 457, g; bei den T'u-k e: Tun a-po (B. Karlgren,
Analytic Dictionary of Chinese. Paris 1923 [abgek rzt AD] 1144; AD i und AD 721:
*tuan a-pua — tun apa „Stammesahn"): E. Chavannes, Documents sur les Tou-kiue
(Turcs) occidentaux (St. Petersburg 1903), 84; 211 Anm.; beiden Qarluq: Tun p'i-kia
(=*tun bilg „Volksweiser"), Titel des Chans (a. O. 86).
29
Die altchinesische Aussprache von Mao-tun lautet nach G. Haloun (in: ZDMG.
91, 1937, 245, Anm.i) *m k-tu3n. Erst in zweiter Linie ist nach Haloun mit einer
24 ANFÄNGE DER HUNNEN

„Schimmelsippe". Auch wenn man in Mao-tun nicht die chinesische Um-


schreibung eines altaischen *boytun, sondern eines *begtun zu sehen wünscht,
kann man daraus nicht auf Einheit der Person des Schan-yü Mao-tun mit
der als solchen gekennzeichneten Sippenbezeichnung Vixtun der Fürstenliste
schließen.
Es bleibt, daß Hiung-nu und Protobulgaren ein Wort *begtun gekannt
haben, daß die Bedeutung „Fürstensippe" besaß. Auch *boytun, die aus der
chinesischen Umschreibung Mao-tun abzuleitende altaische Form, wäre der
Fürstenliste nicht ganz fremd. Das Wort boy („Schimmel") begegnet hier
in der Zusammensetzung *boyil („Schimmelvolk")30. Hiung-nu wie Proto-
bulgaren haben, gleich den iranischen Nomaden, gewisse Stämme mit
Pferdefarben bezeichnet81.
Auch Pritsaks Gleichsetzung von Dulo mit T'u-ku läßt sich nicht
halten82. T'u-ku umschreibt, wie L. Bazin wahrscheinlich gemacht hat, ein
altaisches Wort *1 1 „zur Standarte gehörig"88. T'u-ku ist also ähnlich
zu deuten wie T'u-yü-hun, *t'uo-kuk-yu9n: die Bezeichnung jenes Clans, der

Aussprache *m»k-tum zu rechnen. *M9k-tu»n könnte zwar ein fremdes *begtun „Fürsten-
sippe" umschreiben. Doch dies besagte nur, daß das protobulgarische Wort *begtun
schon in der Sprache der Hiung-nu nachweisbar ist.
80
Der Stammesname Vokil in der Fürstenliste weist über ein griechisches
auf ein altaisches *bogtl = boy + il. Der gleiche Stammesname kommt in der Fürsten-
liste auch in der korrumpierten FormOukil vor, die wahrscheinlich auf die griechische
Vorlage der Fürstenliste zurückgeht, wo ein Abschreiber statt geschrieben hat.
81
Die Hiung-nu bezeichneten ihre Stämme nach Pferdefarben (J. J.M. deGroot,
Die Hunnen der vorchristlichen Zeit i, Berlin-Leipzig 1921), 63. Das bestätigen die
überlieferten Stammesnamen. So wird der Stammesname *boytun. den die Chinesen
mit Mao-tun umschreiben und als Bezeichnung für einen bestimmten Häuptling ge-
brauchen, mit pai ma „weißes Pferd" ins Chinesische übersetzt (E. Chavannes, Les
pays d'occident d'apres le Wei lio, in: T'oung Pao 1905, 528 und J. J. M. de Groot,
a. O. i, 195). Auch der Name eines anderen Stammes der Hiung-nu: Lan (B. Karlgren,
Grammata Serica, Stockholm 1940 [abgekürzt GS] 185 n: *gldn), der auf ein altaisches
qalan weist, war den Chinesen in seiner ursprünglichen Bedeutung als Pferdefarbe be-
kannt. So geben sie die Bedeutung dieses Stammesnamens, der unter den T'o-pa von
ihnen K'o-lan (AD 414 u. AD 512: h'a-lan) ausgesprochen wurde, mit „gesprenkelt,
gescheckt" wieder: L. Bazin, T'oung Pao 39 (1952), 290, B 34.
82
O. Pritsak, a. O. 64 § 8 und § 9.
88
T'u-ko (AD 1187 u. AD 411: *d'uo-kdk) deutet L. Bazin (a. O. 281, A ) als
Umschreibung eines altaischen *tuylay und interpretiert den Stammesnamen als
„tribu qui porte le fanion de crin". Die altchinesische Aussprache von T'u-ku (GS 45
i' u.GS 766 a: *d'uo-kldk) läßt keinen Zweifel an der von Bazin gegebenen Deutung des
Namens.
1. I UND xwn 25

die Standarte des Stammes führt34. Dulo dagegen weist über des
griechischen Originals auf den Tu-lu, *tuo-lj,uk umschriebenen Stammes-
namen *Tuloq der in Mittelasien nomadisierenden Onoq.
*Tul-oq kann als „Abteilung der Tul" gedeutet werden. Nu-Si-pi und
Tu-lu hießen die beiden Untergruppen des großen altaischen Stammesver-
bandes der sogenannten „Zehn Stämme" oder „Zehn Abteilungen"86. Diese
werden als on oq in den Inschriften vom Orchon erwähnt. Die Onoq wohnten
am Oberlauf des Syr-darja, am Ili, am Tschu und im Westteil der heutigen
Dzungarei. Die Tu-lu werden in den alttürkischen Inschriften vom Orchon
als TöliS bezeichnet36. Der Stammesname TöliS kommt bei den Proto-
bulgaren in der Verbindung *Töliüz aus *Töli$iyiz ( ) vor37. Es
liegt daher nahe, in dem von der Fürstenliste überlieferten Stammesnamen
Dulo den von den Chinesen in der Form Tu-lu umschriebenen Stammesnamen
der Untergruppe der Onoq: *Tuloq zu sehen. Der Zusammengehörigkeit von
Dulo mit Tu-lu entspricht, daß auch der Name des Stammes Verbandes,
84
T'u-yü-hun (AD 1129, AD 425 u. AD 508: *t'uo-kuk-yuan) weist auf altaisches
*tuy+ oq + hun, das man als „Standartenabteilungshunnen" deuten kann.
88
Die für den großen westtürkischen Stammesverband in Mittelasien überlieferte
Bezeichnung On oq läßt sich schon um 583 in einer griechischen Quelle nachweisen
(Haussig, Exkurs 386—388). Die von Theophylakt 260, 10—13 überlieferte Naraens-
form /yoüvoi umschreibt ein altaisches *Onoq-qun. Sie unterscheidet sich also
von der ersten Erwähnung in einer alttürkischen Quelle, der aus der Zeit um 720
stammenden Inschrift des Tonyuquq (E. Malow, Pamjatniki drevnetjurkskoj pisftmen-
nost, Moskau—Leningrad 1951, 63; E 33) nur durch das Kollektivsuffix + qun. Über
das Vorkommen dieses Kollektivsuffixes in altaischen Stammesnamen Haussig,
Quellen 23 Anm. 9.
Nach dem T'ang-shu (215 b: E. Chavannes, Doc. 56) wurde für den Stammes-
namen On oq schon zu Anfang des 7. Jahrhunderts die Bezeichnung *On oyur oder *On
oyuS gebraucht. In dem Bericht, der beide alttürkische Bezeichnungen nicht selbst
erwähnt, sondern nur ihre Bedeutung wiedergibt, heißt es nach der Übersetzung Cha-
vannes': „Postorieurement, on appela une fleche (oq) une tribu (oyur/oyuS) et le nom
(de ce peuple fut) les tribus des dix noms de famille (on oyur Ion oyu&)." Die hier von
der chinesischen Quelle skizzierte Entwicklung läßt sich auch bei den nach Westen aus-
gewanderten On oq feststellen. Hier wird schon in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts
ein hunnischer Stammesverband als *On oyur, , bezeichnet (Priskos, De
legat. 586, 8). Allerdings wird daneben noch immer die alte Bezeichnung On oq in Ver-
bindung mit dem Kollektivsuffix -f- qun gebraucht. So spricht Theophylakt (258, 20)
noch 558 von Ouvvouyoövoi.
38
TöliS. das von den Chinesen mit T'ie-lg umschrieben wird, bezeichnet später
allgemein die östliche Hälfte des Türkenreiches: A. v. Gabain, Alttürkische Gramm.
2
(Leipzig 1950), 343. In diesem Sinne sind auch die in den chinesischen Quellen gegebe-
nen Aufzählungen der Stämme der Tölif (T'ie-lS) zu verstehen (T'ang-shu 227 a; Kiu
T'ang-shu 215).
87
Vgl. Anm. 37.
26 ANF NGE DER HUNNEN

dem die Tu-lu oder T liS angeh rten, Onoyur oder Onoq, als Gesamtbezeich-
nung der Protobulgaren nachzuweisen ist. Die Protobulgaren werden
als Onoyur und *0noqun (Ouwoyo poi, Ouvvovyo voi) bezeichnet38. Auch
ist berliefert, da der protobulgarische Stammesverband in Europa sich
aus zehn St mmen zusammensetzte39.
Auch dies spricht gegen Pritsak. Man wird bei den Dulo nicht an einen
Zusammenhang der Protobulgaren mit den Hiung-nu in der Mongolei,
sondern mit den Onoq oder Onuyur in Mittelasien zu denken haben.
Auch die zweite in der F rstenliste berlieferte Bezeichnung gleicher
Art: Ermi, der Stammesname Gostuns40, weist auf Herkunft der Proto-
bulgaren aus Mittelasien. NachTheophanes lagen die Wohnsitze der Ermi—er
bezeichnet sie als Έρμηχίονες, *Ermichi n — innerhalb des Gebietes der
Awaren41. Die Awaren sind in diesem Zusammenhang die Bewohner West-
turkestans und der sich n rdlich davon ausdehnenden Kirgisensteppe. Wie
die Bezeichnung *Ermi-chi n zeigt, stammt Theophanes' Wissen aus ira-
nischer berlieferung. Bezeichnete diese doch die an ihrer Nordostgrenze
wohnenden altaischen Nomaden als Hy n*2. Theophanes' Erw hnung der
Ermi als eines Stammes der Awaren, die vereint nach Westen auswanderten,
wird durch die chinesischen Quellen, die die Wohnsitze der Ermi in der
N he des Balchasch-Sees kennen, best tigt43. Die Namensform Yen-mien
(*ien-m^ n) f hrt auf ein fremdes *Ermi r, das in den protobulgarischen
Inschriften als Έρμηάρη$ begegnet44. Auf Zugeh rigkeit der Ermi zum
38
Onoyur, griech.: OOvvoyo poi: Haussig, Exkurs 364 Anm. 341. — *Onoq-qun
(Ούννογοΰνοι bei Theophylakt; zur berlieferung: H.-W. Haussig, a. O. 283) mit
Suffix + dur, griech. OvoyouvSo pot: Konst. Porph., De them, 46, i—4.
88
Annalen des Bischof Prudentius von Troyes zum Jahre 866. MG. SS. in us.
schol. 85.
Auch die griechischen Beobachter, die die Onogur noch in ihren Wohnsitzen am
unteren Kuban besuchten, sprachen von τα φολα των Ούνιγούρων (*Οη oyur):
Menander, De legat. 206, 16. Hierzu G.Moravcsik, Zur Geschichte der Onoguren, in:
Ungarischejahrb cher 10 (1930), 76. Sie m ssen also die zehn St mme, aus denen sich
die Onoyur zusammensetzten, gekannt haben.
40
O. Pritsak, a. O. 76: „Goustoun Statthalter; dieser 2 Jahre; sein Geschlecht
rmi".
41
Theophanes 239, 20: τοΟ εσωθεν κειμένου του των Άβάρων (De Boor gab be-
reits die Emendation Άβάρων statt βαρβάρων). ber αϊβ'Ερμηχίονεί des Theophanes:
H.-W. Haussig, Exkurs 424; G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2, 142.
42
Zu Hy n O. Hansen, Die Berliner Hephtalitenfragmente bei F. Altheim, Aus
Sp tantike u. Christentum (T bingen 1952), 82 f.; O.Hansen bei H.-W. Haussig,
Exkurs 321 Anm.; unten S. 36f.
48
Haussig, Exkurs 424—425.
44
K. H. Menges, in: Byzantion 21 (1951), 106—107.
1. ΧΟΥΝ ΟΙ UND xwn 27

Stammesverband der Awaren weist die Stelle des Chronicon Paschale48,


wo als Anf hrer der Awaren Έρμίτζις, *ermi-iyiz „der die Ermi f hrt"
begegnet.
Auch Namen erinnern an den fr heren Aufenthalt der hunnischen
St mme in Mittelasien. Verschiedentlich l t sich der tocharische Titel £or
nachweisen. Hier sind die Stammesnamen *Alpiicurt lat. Alpidzuri
(*alp-it „Heldenhund" wie alp arslan „Heldenl we"4', vermehrt um cor);
*Tuncur, griech. Τούνσουρεζ zu tun „Volk"47; *Aqilcur, lat. Acildzuri,
zu *aq-il „wei es Volk", im Gegensatz zu qara tun „schwarzes Volk"
(griech. Χαράτων)48; *U lcur, griech. Ουλτίζονροι, zu ulti „sechs" zu
nennen49. In den gleichen Zusammenhang geh rt auch der hunnische
Titel * m cur, lat. Emmedzur60 zu m „Pferd".
Pritsaks Versuch, auf Grund der F rstenliste nachzuweisen, da Hiung-
nu, Hunnen und Protobulgaren von der gleichen H uptlingssippe regiert
wurden, ist damit gescheitert. Einmal hatte er bersehen, da nicht Hiung-
nu, sondern zu den Sien-pi geh rende Hun an der Spitze der nach S d-
ru land einwandernden St mme standen. Diese Hun und nicht die Hiung-nu
haben dem im Westen auftauchenden Stammesverband der Hunnen den
Namen gegeben.
Auch Pritsaks Versuch, in Vixtun der F rstenliste eine Erw hnung des
Shan-y Mao-tun zu erkennen, ist fehlgeschlagen. Vixtun ist innerhalb der
Liste Stammesname, nicht der einer Person. Die Gleichsetzung mit Mao-tun
ist demnach von vornherein unwahrscheinlich. Sie wird ausgeschlossen durch
die lautgeschichtliche Gegebenheit, da Mao-tun nicht *Beytun, Vixtun,
sondern weit eher * Boy-tun entspricht.
Ebensowenig lie sich Dulo der F rstenliste mit der Clanbezeichnung
T'u-ku der Hiung-nu verbinden. Vielmehr hat sich herausgestellt, da die
beiden in der F rstenliste erw hnten Stammesnamen Ermi und Dulo auf
die gemeinsame Herkunft von Hunnen und Protobulgaren aus Mittelasien

45
724, 3 Bonn.
44
lordanes, Get. 126.
47
Priskos, De legat. 121, 5. Kor als tocharischer Titel: Schulze-Sieg-Siegling,
Tocharische Gramm. (G ttingen 1931), 50.
48
lordanes, Get. 125; Χαράτων; Olympiodor in: Histor. GraeciMinores i (1870),
457. 9 Dindorf.
49
Agathias 365, 9 Bonn.
60
lordanes, Get. 266 (Cod. A).
28 ANFÄNGE DER HUNNEN

weisen, wo sie zu dem alttürkischen, aus chinesischen und griechischen


Quellen wohlbekannten Stammesverband der Onoq oder Onoyur gehören.
Eine letzte Bemerkung noch zu dem Namen der Fürstenliste, dessen
Träger Pritsak zum Shan-yü der Hiung-nu erhoben hat81. Avitochol führt
zunächst auf griechisches * . Ein Blick auf die in griechischen
Quellen überlieferten Namensformen Asparuch und Ernak durch die Für-
stenliste zeigt, daß der griechischen Form in der Fürstenliste durch i
wiedergegeben ist62. Man kann daher bei Avitochol auch * lau-
tende griechische Form in Betracht ziehen. * würde aber auf ein
altaisches *abatoxol weisen, das man als apa „Großvater", ata „Vater" und
ohol „Sohn" deuten83 könnte. Es würde sich also um drei sagenhafte Ahn-
herren, nicht um einen handeln, und dafür könnten auch die 300 Lebens-
jahre angeführt werden.

Das Gegenstück zu Ptolemaeus* Xoövot ist in einem der alten soghdi-


schen Briefe zutage gekommen, die sich in einem Wachtturm des chine-
sischen Limes östlich von Tun-huang gefunden haben1. Im zweiten Brief
berichtet Nanai-vandak an das Haupt seines Handelshauses in Samarkand
von den Ereignissen, die den chinesischen Kaiser ($ypwr) zum Verlassen
seiner Hauptstadt (Sry) gezwungen hatten. Diese, Lo-yang, wurde 311 von
den Hiung-nu zerstört, und zweifellos bezieht sich der Brief auf dieses Ge-
schehen. Nur nennt er nicht, wie die chinesische Überlieferung, die Hiung-nu,
sondern an drei Stellen die xwn. Während an den beiden ersten der Name
verstümmelt ist, gibt ihn die dritte in voller Erhaltung. Xwn kann hunlhün
oder xun/xün gelesen werden, und zweifellos liegt hier der Name der Xouvoi,
Chunni, OOvvot und Hunni (=*qun) in einem neuen Beleg vor2. Wenn auch

51
O. Pritsak, a. O. 38: „Somit hat unsere Fürstenliste das genaue Datum dieses
wichtigen Ereignisses, der Übersiedlung nach dem Westen (153 n. Chr.), sowie den
Namen des Shan-yü (Avitochol), der dieselbe durchgeführt hat, bewahrt".
82
A. v. Gabain, a. O. 49 § 20 über Vokal-Wechsel /t, ä/t.
63
A. v. Gabain, a. O. 321 s. v.
1
Für alles Folgende W. B. Henning in: BSOS 12 (1948), 6 f., wo die Literatur
verzeichnet ist. Die chinesischen Angaben entstammen W. Halouns Mitarbeit.
a
W. B. Henning, a. O. 615.
1. UND xwn 29

die chinesischen Quellen nach überkommener Weise von Hiung-nu sprechen,


so haben sie doch das neue Volk und kein anderes gemeint.
Schon vorher, etwa von 300 ab, treten zusammen mit T'o-pa, die in
alttürkischen Texten Tabyaiheißen3, Angehörige oder doch Verwandte des-
selben Volkes auf. Unter ihren Stammesnamen sind 3/7 prototürkisch, die
restlichen */7 protomongolisch. Das zeigt, daß die T'o-pa irgendwann eine
Reihe mongolischer Stämme aufgenommen haben4. Da aber das herrschende
Geschlecht und der Adel ausnahmslos prototürkische Namen tragen, muß
der türkische Bestandteil geführt, wird er überdies die älteste Schicht und
den Kern der T'o-pa abgegeben haben6. Unter den türkischen Stämmen
begegnen die Hu, älter *yau, *qu*, deren Name an die *qun, xwn, Xoövoi
erinnert. Von anzusetzendem *qu- „kräftig sein" wären: mittels des Suffixes
+ °n das deverbale Nomen qu-n „Kraft" (tütün „Rauch" zu tut- „rauchen";
tirin „Schar" zu tir- „sich versammeln")7, mittels -°n- das mediale qu-n-
„rauben" („für sich bewältigen"; vgl. alln- „für sich nehmen" zu al-
„nehmen")8 und mittels -°r- das faktitive qu-r- „spannen" („kräftig
machen", vgl. ölür- „töten" zu öl- „sterben") * abgeleitet.
Die jüngst geäußerte Ansicht, daß die Kurgane von Pazyryk im Altai
mit dem dort gefundenen ältesten Teppich und anderen Stücken, die aus
Filz gefertigt sind, auf die Hunnen ("the Hunnic nomads") zurückgehen10,
ist ohne Anhalt. Irgendwelche Anhaltspunkte innerhalb der Funde oder
literarische Nachrichten, die zugunsten dieser Auffassung angeführt werden
könnten, fehlen11.
Der Name qun kehrt an weiterer Stelle wieder12. Birüni13 und Marwazi14
kennen die kün in der östlichen Mongolei, wo sie Nachbarn und Gegner der
käi sind. Möglicherweise sind die mit den T'u-yü-hun eins, die 310 sich der

8
L. Bazin in: Cahiers d'histoire mondial i (1953), 135; H.-W. Haussig in: By-
zantion 23 (1953). 335*·; 389*·; 399-
• L. Bazin, a. O. 135f.; T'oung Pao 39, 317f.; dazu A. v. Gabain in: Zeki Velidi
Togan'a Armagan (1955), 25 f.
5
L. Bazin, a. O. 135; a. O. 3i9f.
• L. Bazin in: T'oung Pao 39, 255f. Nr. 38—39.
7
A. v. Gabain, Alttürkische Gramm.* 73 § 124.
• A. v. Gabain, a. O. 81 § 159. · A. v. Gabain, a. O. 82 § 161.
10
R. N. Frye in: Archeology 1958, 239.
11
K. Jettmarin: BMFEAStockh. 23 (1951), igof.; besonders 204!.
u
H.-W. Haussig, a. O. 347!; 3531.; 429!
13
Tafhlm 145 Wright.
14
*i8, 14! Minorsky; vgl. V. Minorsky, Hudüd al-'älam (1937), 2841., wo auch die
Gleichsetzung kün = kürl behandelt ist.
30 ANFÄNGE DER HUNNEN

Gegend um Ho-chou in Kan-su bemächtigten und dort bis 663 blieben18.


Sie begegnen in den chinesischen Quellen auch als Hun (* 0 )19 und ver-
schwinden erst mit dem n. Jahrhundert aus deren Berichten17. In dem
chotan-sakischen Brief P 2741 begegnet hynvä$tä "to the Hünas"18, Loc.
Plur. mit Suffix -ä§tä19. Damit sind hüna (vgl. sanskr. hüna-, hüna-, prakr.
hüna-20) für die Nachbarschaft von K'an-chou (Kamäcü30· östlich von
von Chotan^ im 10. Jahrhundert bezeugt. Auch sie waren Hunnen in dem
hier gemeinten Sinn28, wenn auch ungewiß bleibt, wohin sie im einzelnen
gehörten.
Xoövoi und Oöwoi treten im Umkreis des Kaukasus von der Mitte des
2. Jahrhunderts ab auf, und ein Stamm desselben Namens (xün, kün oder
Hun) begegnet weit im Osten, an der Nordgrenze Chinas und im Süden des
Tarimbeckens erstmalig zu Beginn des 4. Jahrhunderts und herab bis ins
10. Jahrhundert. Wenn die Gleichsetzung beider überzeugen soll, muß ge-
lingen, die räumliche und zeitliche Lücke zwischen beiden Vorkommen zu
schließen. Der Nachweis ist um so dringlicher, als man nur von den kün
Marwazfs die kurze Nachricht hat, daß sie zu den Türken gehörten88. Auch
sprachlich gilt es, eine Lücke zu schließen.
15
W. Haloun bei V. Minorsky, a. O. 98 f.
" Ebenda 98.
17
Ebenda 99.
18
H. W. Bailey in: Asia Maior N. S. i (1949), 29.
19
H. W. Bailey, a. O. 48 unter 38.
20
H. W. Bailey in: Asiatica F. Weller (1954), I2·
21
H. W. Bailey in: Asia Maior N. S. i, 46f. unter 2.
22
H. W. Bailey, a. O. 48 und in: Journ. R. Asiat. Society 1939, 89 nennt als
weitere Möglichkeiten: i. die xun < *yum der Uiguren unter den Wei (227-264) bei
A. Schlegel, Die chinesische Inschrift auf dem uigurischen Denkmal in Kara Balgassun
i.-2. Abkürzung für t'u-ü-xun(P. Pelliot in: T'oungPao 20, 323!). Man wird all diese
hüna in keinem Fall von den qun, kün trennen können. Weitere Angaben bei H. W.
Bailey in: Asiatica F. Weller 12 Anm. 7.
28
Marwazl's minhä *i8, 14 weist auf ai-iurk * , 23 oder auf at-turkmänlya *i8,10;
18 zurück.
2. KAPITEL

DIE HEPHTHALITEN

i
In die Sogdiane führt eine chinesische Nachricht, die von der Eroberung
des Landes durch die Hiung-nu berichtet1. Im Wei-shua und im Pei-shih8
steht sie zusammen mit einer längeren Ausführung über das Land Su-te,
seine Lage und seine Gleichsetzung mit Yen-ts'ai. Diese kehrt, als Ver-
mutung geäußert, wieder im Chou-shu4 und trifft auf keinen Fall zu.
Su-te aus **s}wok-d'9k, *sj/uk-d'ek ist *soydak: die Sogdiane.
Von deren Geschichte berichten die zwei Sätze, die das Wei-shu dem
Pei-shih entnommen hat. Die zuletzt gegebene Übersetzung (mit geringer
Änderung auch sonst wiederkehrend) lautet: „Formerly, the Hiung-nu
killed the king (of Su-te) and took the country. King Hu-i was the third
ruler of the line"5. Mit „formerly" ist hien shih wiedergegeben, wörtlich
„before this". Es fragt sich, was damit gemeint ist. Entweder heißt es:
„früher als etwas, was zuvor berichtet wurde" und „früher als etwas, was
im Folgenden berichtet werden wird". Oder: „früher als das, was jetziger
(in der Gegenwart des Erzählers liegender) Zustand ist". Im Vorange-
gangenen ist nichts erzählt und ebensowenig im unmittelbar Folgenden.
Also kommt nur die zweite Bedeutung in Betracht, und für sie spricht auch
der syntaktische Aufbau. Denn yu heißt zunächst „haben" und „inne-
haben, besitzen", nicht „to take". Zusammen mit i „bereits, schon"

1
Zuletzt K. Enoki in: The Toyo Gakuhö 28, 4, i f . ; Shigaku-Zasshi 64 (1955), 8,
32f.; Central Asiatic Journal i, 43f. Dort ist die ältere Literatur angeführt.
2
102, 7a.
3
97. 9b.
4
50, 6b/ya.
5
K. Enoki, a. O. 44.
32 ANF NGE DER HUNNEN

zeigt es, da die Aussage ber Hu-yi eng zum Vorangehenden geh rt: „Und
sie (die Hiung-nu) hatten ihr Land (Su-te") im Besitz bis zum K nig Hu-yi
bereits drei Generationen".
Hu-yi mu demgem ein bekannter K nig sein. Entweder ein be-
deutender Herrscher der Vergangenheit oder ein Zeitgenosse des Bericht-
erstatters. Hier kommt nur die zweite M glichkeit in Betracht. Da der Be-
richt in die Zeit kurz vor oder nach der Mitte des 5. Jahrhunderts (437 oder
457) zur ckgeht, so ist damit ein erster Anhalt gegeben*.
Einen zweiten gibt der Name des K nigs selbst und seine Etymologie.
Umsetzung in die altchinesische Aussprache ergibt bei Hu-yi < *xust-
-ngiei"1, j nger *yug-ngiei. Da in den Eroberern die Hephthaliten zu suchen
sind, mu Κούγχας8 oder, wie handschriftlich einmal9 der Name erscheint:
Γούγχα$ gemeint sein. Er begegnet um 465 bei Priskos als Herrscher
der kidaritischen Hunnen10, deren Zusammengeh rigkeit oder vielmehr:
deren Zusammenfall mit den Hephthaliten von jeher bef rwortet
worden istu.
Daf r lassen sich mancherlei bereinstimmungen anf hren, in erster
Linie der Name: oi Ούννοι l Κιδαρΐται λεγόμενοι oder ot Ούννοι
οί Κιδαρΐται12. Altt rk. kidirti „im Westen" k nnte, mit Wandel ά'/i18
auf *kid rti qun „Hunnen im Westen" f hren. Oder man gelangte nach
Abzug der Pr dikationsbestimmung +ti, +&'14 auf *kidir\kid r „Westen",
wie man von nd rti „im Osten" auf ein entsprechendes * nd r „Osten"
gef hrt wird (vgl. nd ri „im Osten"). Zu beiden w ren kidin „hinten"
und nd n „vorne" zu stellen, auch dies Ausdr cke f r Westen und Osten
(vgl. nr , im Osten, fr her, vorw rts"). Von *kid r w re mittels des deno-

• K. Eiiokis Ansicht (a. O. 61), da im ersten Fall Bleda oder Attila, im zweiten
Ernac gemeint sei, bedarf keiner Widerlegung. E. hat weder zu den griechischen und
lateinischen Quellen noch zu iden sogleich zu behandelnden arabischen, syrischen und
thiopischen Zugang.
7
H.-W. Haussigin: Byzantion 23 (1953), 35if.
8
Anders H.-W. Haussig, a. O. 352; dar ber sogleich.
9
Priskos, Exe. de legat. 154, 19; G. Moravcsik, a. O. 2, 147.
10
Priskos, Exe. de legat. 154, 6.
11
Th. N ldeke, Geschichte der Perser und Araber (1879), 115 Anm.2; G. Morav-
csik, a. O. 2, 143; R. Ghirshman, Les Chionites et Hephtalites (1948), 74!.; 88.
18
Namensformen und ihre Belege: G. Moravcsik, a. O. 2, 142!; H.-W. Haussig
in: Byzantion 23 (1953), 353.
13
A, v. Gabain, a. O.2 49 § 20.
w
A. v. Gabain in: Anthropos 48 (1953), 542.
2. DIE HEPHTHALITEN 33

minalen Suffixes + ta, + M16: *kid r-t „westlich" gebildet wie von qan
„Blut": qanta „blutig". Also qun *kidirt oder *kid rt „westh'che Hunnen".
In der Tat treten sie berall als westliche Vorhut ihres Volkes auf. An
einer Reihe von Stellen begegnen sie in der Nachbarschaft des Kaukasus
und des Kaspischen Meeres16, und man hat geradezu fragen k nnen, ob
man sie den Chazaren gleichzusetzen habe17. Vor allem aber fallen sie mit
den λευκοί Ούννοι zusammen, will sagen: wiederum den westlichen18
Hunnen, als welche Kosmas Indikopleustes19, Prokop20, Theophanes21
und Georgios Kedrenos22 die Hephthaliten bezeichnen.
Hinzukommen geschichtliche und geographische Gr nde. Die Kidariten
hatten, so berichtet Priskos23, unter Κούγχας* Vater den Tribut abgelehnt,
den ihnen „die K nige der Perser und Parther" auferlegt hatten. Man er-
kennt darin Bahr ms V. G r (420—438) Sieg ber die Hephthaliten, der
bezeugterma en zu Tributleistungen gef hrt hatte24, sowie die Folgen der
Niederlagen, die Yazdgard II. (438—457) erlitten hatte28; damit wurden
die Tributzahlungen beendigt. Es kommt hinzu: die Kidariten sa en in
Parthiens und der Perser Nachbarschaft. Gurg n (Γοργά) lag an ihrer

15
A. v. Gabain, a. O.2 66 § 83 und Nachtr ge zu 66, n; M. R s nen in: Studia
Orientalia 21 (1957), 112.
14
D. M. Dunlop, The History of the Jewish Khazars (1954), Ι 9ί·> S. Szyszman in:
Revue de l'histoire des religions 152 (1957), 179.
17
D.M. Dunlop, a. O. 20; S.Szyszman, a. O. 179. Die „ u eren Hunnen" (Chro-
nique de Jean, eVeque de Nikiou, ed. H. Zotenberg, 1883, 390 Anm. i) sind die Sabiren,
wie die Erw hnung der Βωαρήξ zeigt: G. Moravcsik, a. O. 2, 103.
18
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 35° Anm. 265. Die Hiung-nu bezeich-
neten ihre St mme nach Pferdefarben: J. J. M. De Groot, Die Hunnen der vorchrist-
lichen Zeit i (1921), 63; dazu R. Bleichsteiner in: Archiv f r V lkerkunde 6/7, 198;
Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1958) i7Anm.3i. ber Farbbezeichnungen
in V lkernamen: H. Ludat in: Saeculum 4 (1953), 138!

324, 6 Winstedt.
20
Pers. i, 3. Prokop l t diese Hunnen: μόνοι . . . λευκοί τα σώματα καΐ ουκ
άμορφοι τά$ δψείξ sein und leitet den Namen davon ab.
21
122, 32 de Boor.
22
i, ii, 13; 623, 2 Bonn.
23
Exe. de legat. 153, 28 f.; vgl. 590, 24. Per z erscheint auch 587, 6 als Oap uaTos
μονάρχης.
24
Tabari, ann. i, 865, 2 de Goeje.
25
Th. N ldeke, a. O. 113 Anm. 4; Patmagirk' Hayoc' i, 4 (1904), 88, i; V.Lang-
lois, Collection 2 (1869), 307; Honigmann-Maricq, a. O. 52.
3 A heim, Hunnen I
34 ANF NGE DER HUNNEN

Grenze2*. Sie erschienen berdies als Gegner des Sasaniden Per z (457 bez.
459—484) 27 , des Herrschers also, der durch seine Feldz ge, seine Nieder-
lagen und durch seinen schlie lichen Tod im Kampf gegen die Hephthaliten
bekannt ist28. Da die Bezeichnung der Kidariten als Hunnen erneut f r
Gleichsetzung mit den Hephthaliten spricht, wird sich sogleich erweisen.
Die Hephthaliten tragen auf ihren M nzlegenden einen doppelten Namen.
Es stehen ΗΑΠΑΤΑΛΑ, ΗΑΠΑΤΛΑ, ΗΠΤΑΛΑ, ΗΠΤΛΑ f r das K nigs-
geschlecht, darin man die originale Form von Έφθαλϊται und Varianten
erkennen darf, und hyono, HIONO, l ONO f r das ganze Volk29. Die
zweite Bezeichnung geh rt zu den Chionitae, deren erstes Auftreten Ammia-
nus Marcellinus ins Jahr 356 setzt30. Sie begegnen wenige Jahre sp ter (361)
als „Volk der Hunnen" vor Edessa (unten S. 38) und m ssen die Eroberer
der Sogdiane gewesen sein, deren Besitznahme die chinesischen Quellen
drei Generationen vor Hu-yi beginnen lassen.
Hu-yi hatte sich zuvor als Κούγχας, K nig der Kidariten oder Heph-
thaliten, erweisen lassen. Priskos erw hnt ihn, so zeigte sich, als Gegner des
Sasaniden Per z um 465. Aber Κούγχας' Regierung mu weit fr her be-
gonnen haben. Tabari31 nennt Per z' Gegner Ahsunw r, K nig der Haital.
Aber von denselben Haital hei t es, sie h tten einst Per z im Kampf gegen
seinen Bruder geholfen32. Dementsprechend wird beim Tod Yazdgard's II.
berichtet, Per z sei ins Land der Haital geflohen und habe deren K nig um
Hilfe gegen den Bruder gebeten33. Offenkundig war der beidesmalige
„K nig der Haital" derselbe; er war berdies eins mit Ahsunw r und mit
Κούγχας34. Dann begann dessen Regierung sp testens mit Yazdgard's II.
Tod 457. Rechnet man von ihm drei Generationen zur ck, so kommt man

ίβ
Priskos, Exe. de legat. 152, i j f . ; 153, a6f.; 154, 28; zu fopyct = Gurg n
Th. N ldeke, a. O. 131 Anm. i. Oder ist Urganc (Gur§ nlya) in Chw rezm gemeint,
das ausdr cklich als Grenze der t rkischen (d.h. hephthalitischen, s. u.) Eroberungen
in vorislamischer Zeit bezeichnet wird (Kud ma 26, 2of. de Goeje) ?
27
Ebenda 154, 51.; ϊ-ji; 587, i f . ; 590, 2"ji.
28
Zuletzt Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i (1954), 25·
29
W. B. Henning in: ZDMG. 90, 17 Anm. 2; R.Ghirshman, a. O. 18; O. Hansen
bei F. Altheim, Aus Sp tantike und Christentum (1951), 8if.; H.-W. Haussig in: By-
zantion 23 (1953), 320 Anm. 142. ber O = h vgl. Altheim-Stiehl, Philologia sacra
(1958), 48.
30
16, 9, 4-
31
Ann. i, 874, 19.
32
Ann. ι, 873, 5.
33
Tabari, ann. i, 872, i f .
34
Th. N ldeke, a. O. 123 Anm. 3.
2. DIE HEPHTHALITEN 35

in die sechziger Jahre des 4. Jahrhunderts, also nicht allzuweit von den
Jahren, da die Chioniten erstmals erwähnt werden. Für die Teilnahme an
seinen Feldzügen gegen Rom mag Säpür II., nach deren Abschluß, dem
hunnischen Volk die Sogdiane zuerkannt haben. Auch dafür lassen sich
Belege anführen36.
Säpür's II. Tätigkeit im Nordosten Irans ist gut bezeugt. Tabari3· weist
ihm die Gründung Nesäpür's in Choräsän zu. Ammianus37 läßt im Winter
356/7 ein an den König gerichtetes Schreiben ad Chionitas et Eusenos gehen
in quorum confinüs agebat hiemem Sapor. J. Marquart hat glänzend
Cusenos hergestellt. Säpür II. trennte die beiden Mächte, die allein um die
Sogdiane sich streiten konnten: die eingedrungenen Nomaden und das Reich
der Kusän in Ostiran. Ergebnis seiner Tätigkeit sind die Kidariten-Mün-
zen38, deren erste Serie die Aufschrift: Kidara Kufana Sahi trägt. Sie sind
Prägungen Säpür's . 3 und bezeichnen diesen als Herrscher über die Kida-
riten und über die Kusän zugleich. In dieser Stellung konnte der Sasanide
seinen hunnischen Verbündeten, die bei Ammianus als Chionitae, beim syri-
schen Biographen Afrems als Hunnen und auf den Münzen als Kidara er-
scheinen, die Sogdiane als Sitz zuweisen.
Damit hat sich die Chronologie geklärt. Ammianus' Angaben lassen sich
mit denen der chinesischen Quellen vereinigen. Die Ansiedlung der Hephtha-
liten40, Kidariten oder Chioniten in der Sogdiane fällt in die sechziger Jahre
des 4. Jahrhunderts. Gegen Ende desselben Jahrhunderts offenbart sich in

86
Bedrohung des Sasanidenreiches während der Minderjährigkeit Säpürs II. durch
die „Türken" (Tabari, ann. i, 836, 15), will sagen: die Hephthaliten (Th. Nöldeke,
a. O. 53 Anm. 2), verdient nicht die negative Bewertung, die Nöldeke der Nachricht
zuteil werden ließ.
*· Ann, 1,840,6f.; 845,13.
87
16, 9, 4-
88
Zuletzt R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 226!.;
242f. G. hat die Deutung auf einen „König Kidara" glücklich beseitigt. Kidara ist,
wie schon das danebenstehende Kuiana zeigt, adjektivische Bildung und entspricht
darin dem oben erklärten - *kidärtä: Kidar-a zu *kidär- wie avest. tamaeha-
(altind. tamasa-) zu tamah-, Gava- zu gav- (Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spät-
antike 370). Also „König der Kidariten und Kuiän", wie G. 243 richtig übersetzt.
89
R. Gobi, a. O. 2291.; Numismat. Zeitschr. 77 (1957), 24· ut>er die Ansichten
A. D. H. Bivars (Journ. Numism. Soc. India 18, 1956, I 18; 28 f.) vgl. R. Gobi am zu-
letzt genannten Ort 24; 26.
40
Die Gleichung Hua (*War) = Hephthaliten mit den daraus gezogenen Folge-
rungen (H.-W. Haussig in: Byzantion 23, 1953, 326 Anm. 162; 346) überzeugt nicht
recht. Nach den angeführten Zeugnissen besaßen die War ein begrenztes Gebiet inner-
halb des Hephthalitenreiches, und die einmal erfolgte Gleichsetzung der Hua mit den
36 ANFÄNGE DER HUNNEN

der Schichtenfolge der Grabungen in Balch der hephthalitische Einbruch41,


und Scherben mit hephthalitischerBeschriftung erbringen die Bestätigung42.
In Käpi£i (Begram) scheint die Räumung der Stadt auf den gleichen Ein-
bruch zurückzugehen.

Die chinesischen Quellen sprechen indessen von den Hiung-nu als den
Eroberern der Sogdiane. Man hat eine Bestätigung darin gesucht, daß der
Name der hyono, Hl O NO, OIONO sowie der zusammengehörige derCAzo-
nitae sich von dem der Hiung-nu, *xiwon-nuo, nicht trennen lasse1. Aber schon
lautlich empfiehlt sich diese Gleichsetzung keineswegs. Hingegen führt
, eindeutig auf *qun-qan „Hunnen-Herrscher"2.
Hu-yi, *xudt-ngiei, *yu$-ngiei kann indessen nicht qan im zweiten Glied
enthalten. In diesem spiegelt sich ein Wort, das an sich dasselbe bedeutet,
aber nicht qan, sondern *qay gelautet haben müßte3. Man kennt diesen

Hephthaliten schlechthin ist auch nach H.s Meinung nachträglich. Es läßt sich sogar
mit Sicherheit ausschließen, daß die Hua ursprünglich zum hephthalitischen Verband
gehört haben. Wenn die Hua chinesischen Quellen zufolge bis 494 ihr „ungeheures
Reich" noch nicht erobert hatten (a. O. 326 Anm. 162 erster Abschnitt), können sie
nicht mit den Hephthaliten, die schon 457 im Besitz Nordostirans genannt werden,
zusammengefallen sein. Der Schluß auf eine Einwanderung dieser Hua = Hephthaliten
in Nordostiran vor der Mitte des 5. Jahrhunderts (H.-W. Haussig, a. O. 367 Anm. 352)
läßt sich, wie wir meinen, kaum aufrecht erhalten.
41
J.-C. Gardin, Ciramiques de Bactres (1957), 95·
42
J.-C. Gardin, a. O. 41 fig. 19d, der fälschlich an die „lögendes koushanes" er-
innert. P. deMenasce's Lesung scheint von O. Hansens Entzifferung der hephthaliti-
schen Kursive (bei F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 78f.; Schrifttabelle
S. 86), immerhin 1951 erschienen, völlig unberührt zu sein. Die angeblich arabische
Ritzinschrift pl. XVI 6, die J. Sauvaget (a. O. 41 Anm.4) nicht zu lesen vermochte, ist
natürlich gleichfalls hephthalitisch.
Als Lesung der ersten Inschrift ergibt sich: zagodisk. Hier sind a, o und d noch
geschieden. Scheidung von o und a gilt auch für die zweite. Sie beginnt: yobaSio. Dann
kommt ein Zeichen, das Fr. 5 Zeile 2 Anfang in einer Ligatur wiederkehrt. Schließlich,
alles in einem Zuge geschrieben: fi.[, wobei die beiden seitlichen Kreise des / unverbunden
sind wie in frono (R. Ghirshman, Les Chionites-Hephtalites 23 fig. 24 und Taf. III 2;
O. Hansen, a. O. 84). O. Hansen sei für seine Hilfe gedankt.
1
K. H. Menges, The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian
Epos (1951), 63. Die bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 275 geäußerte Zu-
stimmung wird zurückgezogen.
a
G. Moravcsik, a. O. 2, 147; H.-W. Haussigin: Byzantion 23 (1953), 353 Anm.274
— beide mit älterer Literatur.
3
So H.-W. Haussig, a. O. 352, der freilich *qur(u)n-qay als ,,Qay der Regierungs-
richtungen" deutet.
2. DIE HEPHTHALITEN 37

Titel von den ältesten Münzprägungen Buchärä's (den 632—634 herausge-


kommenen „intermediate Bukhäran imitations"4) unter der Form k'wy6,
*käviya „kam- entsprossen", dem im Mittelpersischen kdy, kai sich vergleichen
läßt.
Daß der soghdische Titel k'wy und der türkische qan zusammengehören,
zeigt die Etymologie*. Die verschiedenen Formen — *qavqan ( ,
KCCUKCCVOS), qapyan ( ), *qaqan (arab. häkän, armen, xak'ari) und
qayan ( $) lassen sich auf ein älteres *kävikän zurückführen. Also auf
eine Ableitung von k'wy, *käviya-, und damit würde sich gegenüber ,
*qun-qan ein Hu-yi, *yu9-ngiei, als *qun-qa(w)y erklären.
Erneut stößt man damit auf die qun, Xoövoi, Chunni, also auf die tür-
kischen Hunnen. Der Fall liegt ebenso wie bei den Eroberern von Lo-yang
312. Auch dort sprachen die chinesischen Nachrichten von Hiung-nu,
während der zweite der alten soghdischen Briefe die xwn nennt. Dazu
stimmt, daß die Kidariten selbst als „westliche Hunnen" sich verstehen
lassen. Sie setzen in ihrem Namen das Bestehen östlicher Stammesgenossen
voraus und weisen damit auf die Eroberer von Lo-yang sowie auf die kün
(qun) hin, die bei Birüni und Marwazi entgegengetreten sind.
Diese Übereinstimmung in den Ergebnissen bestätigt, daß den Nen-
nungen der Hiung-nu kein geschichtlicher Wert beizumessen ist. Es handelt
sich um eine archaische Ausdrucksweise, die im Chinesischen ebenso üblich
ist wie etwa bei Priskos die Bezeichnung der Hunnen als , der
Perser als . Die bisherige Annahme, wonach Hiung-nu mit xwn,
qun, Xoövoi, Chunni, OOwoi, Hunni gleichzusetzen sei, muß fallen gelassen
werden. Es handelt sich überall um türkische qun, xun, die allein den An-
spruch darauf erheben dürfen, als die östlichen Vorfahren der Hunnen zu
gelten.
Auch bei den Hephthaliten läßt sich über Gesagtes hinaus, der Nach-
weis führen, daß sie Hunnen und Türken gewesen sind.

« J. Walker, BMC., Arab-Sasan. Coins LXXXVIf.; 162!.


6
Zur Lesung: Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles (1954), 45f. gegen
W. B. Henning bei R. N. Frye, Notes on the Early Coinage of Transoxania (1949), 2^t.
Entgegnung Frye's in: Harvard Journ. Asiat. Studies 19 (1956), io6f.; dagegen Alt-
heim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 366.
• Vorläufig: Altheim-Stiehl in: Südostforschungen 15 (1956), 69f.; Wiss.
Ztschr. der Karl Marx-Universität Leipzig 6 (1956/57), 191 f., gegen D. Sinor in: Journ.
R. Asiat. Soc. 1954, 174 f.
38 ANF NGE DER HUNNEN

Die byzantinischen Geschichtsschreiber sprechen von den Hephtha-


liten als λευκοί Ούννοι, als Ούννικόν §θνο$ und als Ούννοι ot ΈφΘαλϊται7.
Prokop8 hebt an ihnen hervor, da keine Verbindung und Nachbarschaft
zu den restlichen Hunnen bestehe; da die Hephthaliten auch nach
Lebensweise, Aussehen und Sitte sich von ihren Vettern unterscheiden.
Trotzdem sind sie f r Prokop Hunnen, im besonderen wei e Hunnen.
Auch jene Hunnen, die lustinian gegen Chusr I. An Sarv n aufhetzen
lie 9, konnten nur Hephthaliten sein10.
Anzuschlie en ist eine weitere Quelle zur hephthalitischen Geschichte,
die bisher niemals herangezogen wurde. Die Chronik des um 700 verstor-
benen Johannes, Bischofs von Nikiu11, ist in einer 1602 verfa ten thio-
pischen bersetzung erhalten, der ihrerseits ein arabischer Auszug des
Originals zugrunde lag. Dieses war in den Abschnitten, die sich auf gypten
bezogen, koptisch, sonst aber griechisch verfa t. Zum zuletzt ge-
nannten Bestandteil geh rt das 90. Kapitel mit seinen Nachrichten ber
die hephthalitischen Bundesgenossen des Sasaniden Kav o I. (488—531)
im Kampf gegen lustinian. Hier sind die Hephthaliten erneut als Hunnen
bezeichnet.
Dasselbe gilt von den syrischen Autoren (Josua Stylites, Edessenische
Chronik, Zacharias Rhetor), die einhellig von h n ye sprechen11*. Der Name
begegnet bereits in der syrisch verfa ten Biographie Afrems (gest. 373), die
zumindest in einer Rezension auf dessen Sch ler Sem' n von Samosata
zur ckgef hrt wird12. In ihr erscheint als Belagerer Edessas „das Volk
der Hunnen" ('amm d-h n ye)1*, womit damals nur die Chionitae Ammi-
anus', also die Kidariten oder die ersten Hephthaliten, gemeint sein k nnen.
Vermutlich geh rt das Ereignis ins Jahr 361, da Kaiser Constantius, zur
Abwehr S p r's II. und der mit ihm verb ndeten Chioniten14, sich in der
Nachbarschaft Edessas aufhielt16.
7
G. Moravcsik, a. O. 2, 200 f. gibt die Belege.
8
Pers. i, 3.
9
Prokop., Pers. 2, i Ende.
10
E. Stein, Histoire du Bas Empire 2 (1949), 486.
11
Eine eingehende Behandlung behalten sich die Verfasser f r den zweiten Band vor.
lla
Die Stellen bei Payne-Smith. Thesaurus Syriacus i (1879), 994. ber die an-
geblichen k n ye des Josua Stylites (H. W. Bailey in: Asiatica F. Weller, 1954, 12
Anm. 5) unter S. 53 Anm. 9.
12
A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922), 33!
13
C. Brockelmann, Syrische Grammatik* (1951), 39* Zeile 23.
14
Amm. Marc. 18, 6, 22; 19, i, 7; 2, 6.
15
Amm. Marc. 21, 7, 6; 13, i.
2. DIE HEPHTHALITEN 39

Wichtig ist die Bemerkung des Pseudo-Styliten1*, da dem Sasaniden


Per z (457—484) gelang, den ostr mischen Kaiser Zenon mehrfach zu Geld-
hilfen f r die Hephthalitenkriege zu bewegen, indem er an die Sch den
erinnerte, die die Hunnen unter der Regierung der Kaiser Arcadius und
Honorius Syrien zugef gt hatten. Gemeint ist der Zug, den 395/6 die s d-
russischen Hunnen unternahmen17, erw hnt auch in der syrischen Ge-
schichte Euphemia's und des Goten18. Wenn dort von einem Einfall im Jahre
707/396 n. Chr. in die Nachbarschaft Edessas berichtet und dieser mit einem
sp teren, mit Hilfe der Perser wiederholten zusammengebracht wird, so
liegt bei beiden Syrern eine bemerkenswerte bereinstimmung vor. Denn
offenkundig werden die Hephthaliten mit den s drussischen Hunnen als
ein Volk betrachtet und ihre beiderseitigen Einfalle im Zusammenhang
gesehen.
Schlie lich darf das sprachliche Zeugnis eines Grenzlandes der Sogdiane
nicht vergessen werden. Das Chw rezmische des 13.—14. Jahrhunderts hat
von unmittelbarer hunnischer Nachbarschaft aus lterer Zeit h n-z dek
„Sklave" (w rtlich „Hunnensohn" oder „Hunnenjunge") und h n n
„Sklavin" (w rtlich „Hunnin", mit dem femininen Suffix -an gebildet)
erhalten19. Mit den Hunnen m ssen der geographischen Lage und Ge-
schichte Chw rezm's zufolge die Hephthaliten gemeint sein.
Neben der Kennzeichnung als Hunnen begegnet die als T rken. Dionysios
von Tellmahre hat h n ye d-henn n turk ye*0, und Theophylaktos Simo-
kattes spricht, anl lich der Flucht des Sasaniden Kav <51. zu dem Volk im
Nordosten seines Reiches von Hunnen (Ούννων), ους Τούρκους ττολλαχοο
ή Ιστορία έγνώρισεν21. Sie hei en auch το Σκυθικόν το έωον, οΟζ
Τούρκους λέγειν εΐώθαμεν22. Dem zur Seite steht Τουργουν, als Eigen-


c. 9 p. 9, iff. Wright.
17
Vorl ufig E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 26f., der die Stelle
in der Euphemialegende bersehen hat.
18
L. Hallier, Untersuchungen zur edessenischen Chronik (Texte und Untersu-
chungen 9, i), 104; F. C. Burkitt, Euphemia and the Goth (1913), i3of. c. 4 ( bers.)
= 46, 2—4 syr.; 146 c. 35 = 66, 4 syr. Die griechische Version nach S. 74 (186, 15)
συμφωνησάντων γαρ . . . Ούννων τε καΐ Περσών. Dazu Josua Styl, g, 20f. Wright.
19
W. B.Henning in: BSOS. 12 (1948), 615 Anm. 4; A. A. Freiman, Chorezmijskij
Jazyk (1951). 7 8f ·; 95! ιοί.
10
23, 6 Chabot.
81
4, 6 p. 172, if. Bonn.
M
4, 10 p. 178, gf. Bonn.
40 ANFÄNGE DER HUNNEN

name23, richtig als*turk-hun „Türkenhunne" oder „mächtiger Hunne" ge-


deutet24. Solche Einordnung der Hephthaliten als Türken, bei Theophy-
laktos den Persern zugewiesen26, kehrt in der gesamten arabischen Lite-
ratur wieder, zumal dort, wo diese auf das sasanidische Königsbuch zu-
rückgeht. Al-hayätila (Hephthaliten) und at-turk wechseln sich ab oder
entsprechen einander.
Tabari erwähnt das Volk erstmals, wie gesagt, bei Yazdgard's II. Tod
4572e. und unter dessen Sohn Peröz kehrt der Name ständig wieder. Die
Hayätila sind das Volk, das Tochäristän erobert hat; nach Peröz' Niederlage
tun sie es mit ganz Choräsän27. Es folgen zwei Berichte über Peröz' Heph-
thalitenkrieg. Hier heißt das Volk Hayätila, ihr Herrscher AMunwär™. Der
zweite Bericht wechselt zwischen den Bezeichnungen. Ein Turm, den Bah-
räm V. Gör erbaut hatte, sollte die .Türken' davon abhalten, Choräsän zu
betreten. Der gleichen Bestimmung zufolge hätte Peröz nicht ins Land der
Hayätila eindringen dürfenae. Also waren diese nichts anderes als Türken.
Ahsunwär, heißt es an weiterer Stelle30, mied offenen Kampf, wie denn
Kriegführung der Türken nur Täuschung und List sei. Wieder sind die
Hayätila dem umfassenderen Begriff der Türken untergeordnet.
Bahräm V. Gör (420—438), so berichtet Tabari zuvor31, führte Krieg
mit Häkän, König der Türken. Diesem Waffengang folgte die Errichtung
des zuvor genannten Turmes, der Perser hier, Türken oder Hayätila dort
schied. Damit fallen Türken und Hephthaliten erneut zusammen32. Auch
für Ya'kübi gilt dasselbe33. Entsprechend nennt Hwärazmi34 die Halag und
Kangina, Reste der Hayätila, Türken.

28
loh. Antioch. bei Konstant. Porphyrogenn., de insidiis 147, 10 de Boor.
M
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953). 310.
26
3, 6 p. 124, i8f. Bonn. Dieser ausdrückliche Hinweis verbietet, wie gleich hier
bemerkt sei, die Hinweise der arabischen Übersetzungen des sasanidischen Königs-
buches auf at-turk anders als auf Türken zu beziehen (anders O. Hansen bei F. Ält-
ae
heim, Aus Spätantike und Christentum 108 Anm. 4). Ann. i, 872, i.
27
Ann. i, 873,4. Nach 'Niederlage durch die Hephthaliten flohen alle Edlen
und anderen Leute aus Vrkan (Hyrkanien) nach Asorestan (Babylonien): Patmagirk'
Hayoc' i, 4, 156, 8; V. Langlois, Collection 2, 351; Honigmann-Maricq. a. O. 53.
28
Ann. i, 874, i8f.
29
Ann. i, 878, 5f.
30
Ann. i, 879, 4 f.
31
Ann. i, 863, gf.
32
Geschichte der Perser und Araber 99 Anm. i; R. Ghirshman, a. O. 84.
33
i, 184, 13; 19—20; i, 185, i und 4.
34
Mafätih al-'ulüm 120, if.
2. DIE HEPHTHALITEN 41

Dinawari gibt einen ausf hrlichen Auszug aus dem Roman des Bahr m
C bin35. Darin wird Bahrain's T rkensieg auf Per z' Niederlage durch die
Hay tila bezogen und als gerechter Ausgleich verstanden36. Das zeigt, da
Dinawari's T rken nichts anderes als Hephthaliten sind37. Auch Theophy-
laktos38 spricht von Bahrain's Besiegung seitens των Ούννων ... των ττρόξ
βορρά της εω, ους Τούρκους εθος Πέρσαις άττοκαλεΐν.

Der Name der Hephthaliten ist in einer Anzahl von Formen berliefert1.
Mit den chinesischen sei begonnen2. Danach lautet der Name der Hephtha-
liten gem „Feng Chengk n, Si-y ti-ming:
a) Zur Wei- und Chou-Zeit (etwa 386—589 n. Chr.) in der heutigen
Mandarin-Aussprache yen-ta < B. Karlgren, Gramm. Serica Nr. 616 und 271
(beide Zeichen sind hier ohne den linken Zusatz belegt, die Aussprache
d rfte die gleiche sein): .$ m < *.iam und < *d' t.
b) Zur Suei- und T'ang-Zeit (589—907): yi-ta, Gramm. Ser. Nr. 683 und
149: .jflp < *j.gp und tat < *t t.
Im Si-pan-ki yit'ien < Gramm. Ser. (683 und) 375: d'ien < *d'ien.
Im Kao-s ng-chuan yen-ία.
Im Tse-fu-y an-kuei yi-ta.
Im Liang-shu-hua-kuo-chuan yen-tai-yi-li-io < Gramm. Ser. Nr.
(616), 315, 551, 403, 4 (?): tai < *t d; i < *<fy>; liet < *liet; das letzte
Zeichen fehlt in Gruppe Nr. 4; im Analyt. Diet. Nr. ιοιι: <<Ζ'ά".
Daraus geht hervor, da der Name (wie das schon ltere Forscher3 er-
kannt hatten) mit einem y- begann. Dazu geh rt die arabische Form
yaftal bei Y k t 4, 1023. Als Land im u ersten Toch rist n hat man es
85
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 206f.
34
Dinawari 84, 8f.
37
R. Ghirshman, a. O. 96f.
38
3, 6 p. 124, i8f.
1
Die Belege beiTh. N ldeke, a. O. 115 Anm. 2; G. Moravcsik, a. O. 2, 61; 118;
R. Ghirshman, a. O. 116 Anm. 4; ber armen. T'etalk: J. Marquart, £r n ahr 59
Anm. i.
2
A. v. Gabain war so g tig, eine Zusammenstellung zu geben.
3
F.W. K. M llerin: SBAW. 1918, 567; W. B. Henning in: ZDMG. 90, 17 Anm. 2;
J. Marquart, a. O. 59.
42 ANF NGE DER HUNNEN

bereits* zum Namen der Hephthaliten gestellt6. Auch die Legenden der
Hephthalitenm nzen ΗΑΠΑΤΑΛΑ, ΗΑΠΑΤΛΑ, ΗΠΑΤΛΑ, HiTTAAsind,
wie O. Hansen erkannt hat, mit einem beginnenden y- oder i- zu lesen. Es
besteht kaum ein Zweifel dar ber, da man damit die originale Form des
Namens besitzt.
Daneben stehen Varianten mit vokalischem Anlaut, aber ohne y-Vor-
schlag oder anlautendes i-: syr. abdel*,griech. Άβδέλαι, dazu mpers. eftal
und griech. Έφθαλϊται, syr. eptaltt.
Eine dritte Gruppe beginnt mit einem Hauchlaut: armen, hep't'al,
mittelpers. heft l (Bundahi§n p. 215, 7 Anklesaria), arab. haital, PL hay tila
und neupers. het l. Die neupersische Form geht auf die arabische zur ck.
Wie aber lassen sich die anderen erkl ren ?
Eine M glichkeit bietet das Syrische. Dort werden vokalisch anlautende
griechische Lehnw rter trotz Psilosis nicht nur mit Aleph, sondern mit h-
geschrieben: αρώματα (h)er me', ίδιώτηζ (h)edy t . Ein mittelpersisches eftal
h tte demnach im Syrischen ein vorgeschlagenes h erhalten k nnen. Setzt
man neben syr. abdel und eptallt noch eine dritte Form *hyptl oder *hptl <
eftal an, so lie en sich armen, hap't'al und heft l des Bundahisn davon ab-
leiten. Auch arab. haital w re aus ihr nach Beseitigung des f nften Radikals
entstanden.
Doch gegen solche Ableitung, wie sie fr her von uns vertreten wurde,
sprechen gewichtige Gr nde. Einmal der verwickelte Vorgang, da mittel-
pers. eftal bers Syrische seinen A-Vorschlag erhalten und dann in dieser
ver nderten Gestalt erneut ins Mittelpersische eingegangen w re. Sodann
das Fehlen einer entsprechenden Form im Syrischen. Weder *hyptl noch
*hptl ist erhalten. Auf der anderen Seite zeigt belegtes8* haptr ye im Ersatz
von l durch r, da es aus dem Mittelpersischen bernommen ist. Also wurde
dort die Anlautsdublette heft l zu eftal geschaffen. Diese Deutung ist um so
wahrscheinlicher, als vorgeschlagenes h vor e und h ufig belegt isteb.

4
J. Marquart, a. O. 239.
* Vgl. R. Ghirshman, a. O. 99 Anm. 5; 104.
6
Von Zacharias Rhetor, hist. eccl. 2, 214, 24 Brooks ausdr cklich als Hephthaliten
bezeichnet.
•a J. P. Margoliouth, Suppl. to the Thesaur. Syriac. (1927), 102.
eb
P.Horn in: Grundr. der Iran. Philol. 1,2, 97 §42, 8. Mittelpersisches eftal,
heft l schlie en aus, da das Wort mit halt „sieben" zusammengeh rt (anders H.-W.
Haussigin: Byzantion 23, 1953, 324!).
2. DIE HEPHTHALITEN 43

Damit ist zugleich gesagt, da die mit h- anlautenden Varianten als se-
kund r auszuscheiden haben. Aber sie setzen ihrerseits eine Form eftal
voraus. Man bes e also eine Anlautdublette: eine mit y- oder i- anlautende
Form neben einer solchen, die mit a- oder e- beg nne.
Eine Etymologie gibt allein der persische Tabari, wenn er sagt, der
Name bedeute „dans la langue de Boukh r un homme fort"7. Es ist die
Frage, was Bal'ami mit der Sprache von Buchara gemeint hat. Die Legenden
der Pr gest tte Buchara8 lassen an das Soghdische denken. Mukaddasi
sagt ausdr cklich, da das Soghdische dem Dialekt von Buchara hnele9,
und Num kat ist bei ihm der Soghdische Name der Stadt10. Doch ist zu
bedenken, da Buchara im vielumk mpften Grenzgebiet von Iraniern und
T rken liegt. Seit dem Sturz des gro en Hephthalitenreiches, also seit der
Mitte des 6. Jahrhunderts, sa en dort westt rkische Dynastien, und andert-
halb Jahrhunderte sp ter traf sie Kutaiba b. Muslim noch an. Menander
Protektor spricht von denZoySairai oi ττρό του μένΈφθαλιτών, τηνικαυτα
δε Τούρκων κατήκοοι11. Die T rken reichten vor der islamischen Erobe-
rung bis Urganc in Chw rezm; danach wurden sie zur ckgedr ngt in Rich-
tung Fery na bis N ag n, 60 Parasangen jenseits von Samarkand12.
Buchara bildete die Hauptstadt des Sam nidenreiches, fiel aber Ende des
9. Jahrhunderts den t rkischen Ilekchanen zu. Mukaddasi13 kennt in un-
mittelbarer Nachbarschaft von Alt-Buchara (Riy mitan) die T rken.
Buchara selbst tr gt einen eindeutig t rkischen Namen14.
Die Sprache von Buchara, von der Bal'arm spricht, kann durchaus die
Sprache gewesen sein, die der Stadt den Namen gab. Zur Erg nzung sei eine
weitere Stelle angef hrt16. Etwa ein Jahrhundert nach Bal'ami kennt
Mahmud al-K §gariie als Bewohner des Landes zwischen Buchara und
7
2, 128 Zotenberg.
* Oben S. 37 Anm. 5—6.
• 335, i6f.
10
280, 3.
11
FGH. 4, 225; E. Chavannes. Docum. sur les Tou-kiue occid. (Neudr.) 223.
12
Kud ma 261, 20 f. de Goeje.
13
282, 5; vgl. 285, 8.
14
F. Altheim, Aus Sp tantike und Christentum (1951), mf.; dagegen R. N. Frye
in: Gnomon 1953, 492; dazu Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 277 Anm. 2.
Dagegen R.N.Frye in: Harvard Journ. Asiat. Stud. 19 (1956), io6f.; Erwiderung in:
Finanzgeschichte der Sp tantike (1957), 366f.; ebenso H.-W. Haussig, ebenda 385f.
Hinzugekommen ist L. Bazin's Nachweis, da der Name der Oyuz „junge Stiere" be-
deutet: Oriens 6 (1953), 3 Γ 5ί·
18 1β
Sie wird C. Brockelmann verdankt. i, 392, i.
44 ANF NGE DER HUNNEN

Samarkand Soghder, die damals bereits turkisiert waren. Der Vorgang der
Turkisierung erforderte naturgem Zeit und f hrt darauf, sich die t rkisch-
sprechende Bev lkerung in Buchara selbst als nicht gering vorzustellen.
In der Tat ergibt sich aus dem T rkischen f r den Namen der Hephtha-
liten die Deutung. Das ist um so folgenreicher, als gerade die ltesten Nach-
richten eindeutig auf t rkisches Volkstum bei den Hephthaliten gef hrt
hatten.
Es sei zun chst an die Anlautdubletten erinnert. Dem Nebeneinander
von vokalischem Anlaut und y-Vorschlag entspricht der altt rkische
Wechsel von amraq und y(a)mraq, am und y m17.
Aber auch dem Schwanken zwischen e al, abdel und ΗΠΤΑΛΑ kann
ein altt rkischer Wechsel zur Seite gestellt werden: si - und ist -, &d-
und ί'&'ίΖ-18.
Einen Schritt weiter f hren die M nzlegende ΗΑΓΓΑΤΑΛΑ, arab. yaftal
und chines, yi-ia aus *.i$p-t t. Sie lassen eine Wurzel yap- erkennen, die im
Altt rkischen „tun, machen" bedeutet. Diese Verbalwurzel k nnte mittels
des deverbalen Verbalsuffixes -°t- mit Bindevokal zu *yap-it-, ohne solchen
zu *ya.p-t- erweitert werden. Dazu vergleiche man s w-it- zu s w-, olur-t zu
olur-. Die Bedeutung vermag bei dieser Erweiterung dieselbe zu bleiben19.
Durch Hinzutritt des deverbalen Nominalsuffixes20 -°l- erhielte man
*yap-it-U oder *yap-t- „ein Schaffender, T tiger", also dasselbe, was
Barami mit seinem „homme fort" meinte.
Dabei entspr che *yap-it- dem ΗΑΠΑΤΑΛΑ der M nzlegenden, mit
altt rkischem Wechsel von i zu a21. Dagegen w re *yap-t-il dem arabischen
yaftal (vgl. ΗΠΤΑΛΑ) und chinesischen *.iap-t t und .idp-tai-i-liet-to gleich-
zusetzen. Die letzte Form bedarf noch einer besonderen Bemerkung. Denn
sie stellt sich zu griech. Έφθαλΐτοα, insofern beide ein Suffix -it erkennen
lassen. W. B. Henning wollte darin einen soghdischen Plural *He taUt,
Sing. *He talak erkennen 22. Aber auch, wenn man einmal von dem anlau-
tenden h- absieht, das sich als sekund r erwiesen hat, vermag dieser Ansatz
nicht zu berzeugen. Unter dem reichen Variantenmaterial ist nirgends ein
Singular auf -k belegt. Vielmehr liegt am n chsten, auch hier das Alt-
17
A. v. Gabain, a. O. 52 § 127.
18
A. v. Gabain, a. O. 49 § 20.
19
A. v. Gabain, a. O. 83 § 165.
20
A. v. Gabain, a. O. 72 § 117.
21
A. v. Gabain, a. O. 49 § 20.
22
a. O. 17 Anm. 2.
2. DIE HEPHTHALITEN 45

t rkische heranzuziehen. Man erkennt den sp ter erstarrt en Plural23 auf -\- "t,
den beispielsweise Mahmud al-K sgari f r den Stammesnamen bafyirt
belegt. Die Hephthalitenm nzen kennen den Titel tigin2*, der auf gleiche
Weise den Plural ligit bildet.
Bal'amis Deutung des Namens hat sich demnach best tigt. Die Heph-
thaliten als „hommes forts", als die „T tigen" stellen sich zur oben gege-
benen Deutung des Namens der qun als „Kraft" 26 und dem der T rken,
der auch nichts anderes als „pleinement developpe, fort" bedeutet26.

Als Hephthaliten wurde urspr nglich nicht das Volk, sondern dessen
K nigshaus bezeichnet1. Man darf demnach erwarten, da unter den Namen
zumindest der lteren K nige sich solche befinden, die eine altt rkische
Etymologie zulassen. In der Tat hat man f r Grumbates, den K nig der
Chioniten2, eine solche vorgeschlagen3, und Κούγχας hat sich zuvor als
*qun-qan erwiesen4. Doch bleiben Besonderheiten.
Κάτουλφοζ5 geh rt zu einer M nze6, deren Legende ΚΑΑΤΟΛΒ lautet.
Der Name k nnte zu qat- „hart sein" geh ren. Doch die. reflexive oder pas-
sivische Bedeutung, die das deverbale Verbalsuffix -"/- verlangt7, macht
Schwierigkeiten. So m chte man eher an qatll- „gemischt werden, sich
mischen" zu qat- „mischen" denken. Das deverbale Nominalsuffix -p6
erg be f r *qatll-p die Bedeutung „Gemischter, Mischling". Er geh rte
dann auch nicht zur Herrenschicht, war nicht ήγεμών der Hephtha-
liten8*.

29
A. v. Gabain, a. O. 63 § 65; 85 § 172.
24
R. Ghirshman, a. O. 48.
25
Oben S. 7 f.
*· L. Bazin in: Oriens 6 (1953), 3i8f.; A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Ar-
iragan (1955), J 8 „Macht, jung, stark".
1
Oben S. 34.
2
Amm. Marc. 19, i—2.
3
H.-W. Haussigin: Byzantion 23 (1953), 352.
4
S. 36.
8
Belege bei Gy. Moravcsik, a. O. 2, 140.
* R. Ghirshman, a. O. gi. Nr. i—2; Taf. 2, i.
7
A. v. Gabain, a. O. 80 § 156.
8
A. v. Gabain, a. O. 74 § 126; anders H.-W. Haussig, a. O. 369 Anm. 359.
8a
Menandros bei Konstantinos Porphyrogenn., De insidiis 18, iji. de Boor.
46 ANFÄNGE DER HUNNEN

Das Vorkommen eines derartigen Eigennamens verlangt nach Erklä-


rung. Prokopios hebt an den Hephthaliten hervor, daß sie trotz ihrer Ab-
kunft in Lebensweise, Aussehen und Sitte keine Ähnlichkeit mit den übrigen
Hunnen aufweisen. Trotzdem hält er sie für Hunnen, wie auch Tabari die
Hayätila den Türken zurechnet. Auf der anderen Seite steht das Zeugnis
des syrisch schreibenden und gleichzeitigen Zacharias Rhetor. Er bezeichnet
in dem eingelegten Originalbericht des Johannes von Res'ainä und seiner
Genossen über ihre Gefangenschaft und Bekehrungserfolge80 die Hephtha-
liten, wie immer, als Hunnen. In dem vorangehenden, aus älteren Quellen
schöpfenden geographischen Exkurs heißen sie abdel und Hephthaliten; sie
gehören zu den nomadischen Völkern80. Sie leben unter Zelten, essen das
Fleisch ihrer Herden, Fisch und Wildbret. Irgendwann müssen demnach
die türkischen Eroberer, ganz oder teilweise, sich ihren ostiranischen Unter-
tanen angeglichen haben.
In der Tat stellen chinesische Quellen die Hephthaliten zu den T a Yüe-chi,
halten sie also für Verwandte der iranischen (sakischen) Tocharere. Mas'üdi
bezeichnet die Hayätila als Soghder, die zwischen Buchara und Samarkand
wohnen10. Das bestätigt sich, wenn man, nach den bisher behandelten
älteren Herrschernamen11, die jüngeren heranzieht. Nizäk, Ml H APA12,
MIHAPKA 13 und Bahräm14 sind iranisch. Auch in der Titulatur zeichnet
sich der iranische Einfluß ab. Ahsunwär bei Tabari hat man15 als soghd.
*(9)x$ävanvär gedeutet. Wenn Mukaddasi die Mundart von Sä§ als die
schönste unter denen der Haital bezeichnet16, so führt er sie in einer langen
Reihe iranischer Mundarten auf17.

8b
Hist, eccles. 2, 215, 141. Brooks.
80
Hist, eccles. 2, 214, 25 f.
9
O. Franke, Gesch. d. chines. Reiches 2, 231.
10
Murüg 2, 195 Barb.; R. Ghirshman, a. O. 104.
11
R. Ghirshman, a. O. 95.
12
R. Ghirshman, a. O. 36.
13
R. Ghirshman, a. O. 55.
14
R. Ghirshman, a. O. 58. Immerhin sei darauf verwiesen, daß Bahräm türk.
Orchan, Urchan entsprechen kann: O. Szemeronyi bei F. Altheim, Gesch. d. lat. Sp.
71 Anm. i.
16
W. B. Henning, a. O. 17 Anm. 2; Abh. Akad. Berl. 1937, 10, 96. Dazu die Be-
richtigung G. Widengren's in: Oriental. Suecana i (1952), 75 Anm. i.
16
235, 16 de Goeje.
17
Auf die Bedeutung dieser Nachrichten hat J. Fück, Arabiya (1950), mf. ver-
wiesen.
2. DIE HEPHTHALITEN 47

Anderes tritt hinzu. Der Sohn und Nachfolger des Häkän der Türken
(Hephthaliten), den BahrämCöbin besiegte, heißt beiTabari18 barmüda;
ebenso bei Ya'kübi19 und Firdüsi20. Bei Dinawari hingegen lautet sein Name
yalfakin21. Letzter ist zweifellosalttürk. iltägin oder mit y-Prothese22 yiltägin
„Reichsfürst, Volksfürst". Man meinte, der Name sei zurechgemacht. Aber
dieser fügt sich durchaus den türkischen Sprachgesetzen, und was ent-
scheidend ist, er entspricht nach seiner Bedeutung der zuerst genannten
Namensform.
Barmüda oder Parmüdah23 wurde als avest. *parö-maoda- „freudvoll"
gedeutet24. Das bedarf keiner Widerlegung. Setzt man den Namen, wie
man es muß, in Pehlevi-Schrift um, so läßt sich das Ergebnis auch
als *farmän-dah, farmän-dih lesen26. Aus dem Mittelpersischen ist fratnän-
burtär „executeur de commandement26, weiter dazu gehöriges burt-främan,
kär-framän" belegt. Aus dem Soghdischen kennt man prm'nd'r, *farmändär
„porteur des ordres"27*. In *farmän-dah, farmän-dih hat man das Gegen-
stück: nicht den Befehlsempfänger, sondern den Befehlgebenden.
Sowohl Yiltägin wie *Farmändah sind als Namen eines Herrschers sinn-
voll. Derselbe Chäkän der Hephthaliten trägt also einen türkischen und
einen iranischen Namen. Iranisierung des herrschenden Geschlechtes, in
$ angedeutet, ist bereits in vollem Gang. Den Abschluß zeigen die
jüngeren Herrschernamen: Nizäk, MIHAPA 28 , MIHAPKA 29 undBahräm30
sind, wie schon gesagt, iranisch.
Eine Zwischenstellung nimmt der Name von Yiltägins Bruder ein, der
bei Dinawari31 bg'wyr, in der Nihäyat ygzwn (einmal bgrzn) heißt32. Statt
18
Ann. i, 993, 2.
19
i. 189. 9-
20
6, 604; 724; weitere Belege bei F. Justi, Iranisches Namenbuch 243.
81
84, 3-
22
A. v. Gabain, a. O.* 52 § 27.
23
Th. Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber 272 Anm. 2.
24
F. Justi, a. O. 243.
25
G. Widengren in: Orientalia Suecana 5 (1956), 85.
26
G. Widengren, a. O. 80.
27
G. Widengren, a. O. 83.
27a
Gauthiot-Benveniste, Essai de gramm. Soghd. 2, 107; I. Gershevitch, A Gram-
mar of Manichean Sogdian 173 § 1135.
28
R. Ghirshman, a. O. 36.
29
R. Girhshman, a. O. 55.
so
R. Ghirshman, a. O. 58.
sl
loo, of.
38
E. G. Browne in: JRAS. 1900, 241.
48 ANFÄNGE DER HUNNEN

des unverständlichen bg'wyr wird man bg'twr, bayätür zu schreiben haben,


ein Titel und Name, der in zahlreichen Türksprachen begegnet33. Wichtig
ist die Plene-Schreibung der zweiten Silbe, die in neupers. bahädur ihre
Entsprechung besitzt. Sie macht W. B. Hennings Ableitung des Wortes
von awest. baxtar- und seinen Entsprechungen34 noch unwahrscheinlicher,
als sie ohnedies ist. Auch ygzwn ließe sich, falls man sich zur Punktierung
bgzwn entschließt, auf gleiche Weise deuten. In Pehlevi-Schrift umgesetzt,
ließe es sich mit leichter Änderung als bgtr = bayätür lesen.
Also wieder ein türkischer Name, aber diesmal ein solcher iranischen
Ursprungs. Wenn auch Hennings Etymologie sich als unrichtig erwies, so
ist grundsätzlich an solcher Herkunft nicht zu zweifeln. Das Richtige
drängt sich auf, sobald man Namen wie Yaztän-ätüre, Mihr-ädar, Ohrmazd-
-ätüre,Qusnasäöar, Warahrän-ätüreoder Säh-ädar zum Vergleich heranzieht.
-ätür ist ein weiteres Glied dieser Reihe.
Yiltägins Bruder gehört wie Yiltägin selbst ans Ende des 6. Jahrhun-
derts. Keine sonstige Bezeugung des Namens oder Titels kommt dieser an
Alter gleich. Die Hephthaliten haben demnach als erster der Türkstämme
iranische Namen übernommen, ähnlich wie sich dies bei mittelpers.
dehkän = alttürk. tigin, tägin noch zeigen wird. Der herrschende Chäkän
besaß einen türkischen (Yiltägin) und iranischen (*Farmändah) Namen
nebeneinander. Sein Bruder hatte nur noch einen iranischen, der aber auf
diesem Weg in die Türksprachen Eingang fand.
Es bestätigt sich damit, daß die Hephthaliten einer sprachlichen Über-
fremdung verfallen sind. Dazu stimmt, daß sie niemals versucht haben,
ihre türkische Sprache schriftlich aufzuzeichnen. Sie haben in Ostiran von
Anfang eine der Sprachen ihrer iranischen Untertanen verwandt.
Diese Sprache liegt in den „Hephthalitenfragmenten" aus Tuyoq36
(Ostturkestan) und in den Legenden der hephthalitischen Münzprägungen
und Siegel36 vor. Sie alle sind in einer sakischen Mundart37 abgefaßt,
zweifellos der Sprache der nomadischen Eindringlinge, die 129—838 die
Griechenherrschaft ablösten. Diese übernahmen schon frühzeitig die grie-

33
K. H. Menges in: Byzantion 21, 93f.
84
Bei K. H. Menges, a. O. 94. Auch O.Szemerönyi (brieflich 2. i. 1954) bestätigte
uns seine Bedenken gegenüber der Ableitung Hennings.
35
O. Hansen bei F. Altheim, a. O. 78 f.
38
R. Ghirshman, a. O. gf.; Archaeol. Orient. Herzfeld 102f.
37
O. Hansen, a. O. 88.
38
Zum Zeitansatz, F. Altheim, Weltgesch. Asien 2, 103 f.
2. DIE HEPHTHALITEN 49

chische Kursive, mit der alle genannten Denkmäler geschrieben sind. Dem-
nach haben die neuen türkischen Herren nicht nur die Sprache, sondern auch
die Schrift von den Ansässigen übernommen.
Dabei blieb man nicht stehen. Auf den Münzen erscheint sehr bald der
hephthalitischen Legende zur Seite eine solche in Pehlevi. Und zuletzt ist
es so, daß das Arabische in Schrift und Sprache als dritter Bestandteil
hinzutritt39. Eine ausgesprochene Mehrsprachigkeit ist damit erwiesen.
Mit solcher Übernahme hat die zuvor besprochene Iranisierung in einem
entscheidenden Punkt bereits begonnen. Die Übernahme von Sprache und
Schrift setzt voraus, daß der gesamte Schreiberstand aus Einheimischen
bestand. Wie der Name *Farmändah zeigt, bestand die Tätigkeit der tür-
kischen Eroberer darin, die Anordnungen zu erteilen. Deren Aufzeichnung
blieb den sakischen Untertanen vorbehalten. Der bürokratische Apparat
war damit dem Herrenvolk entglitten. Man versteht, warum bei den Ost-
türken Yoliytägin als Angehöriger des Herrscherhauses sich mit Beflissen-
heit als Schreiber der Orchon-Inschriften bezeichnete40.
Als Bahräm Cöbin nach seiner Besiegung durch Chusrö II. A/?arvez den
Oxos überschritt und mit einer treugebliebenen Schar sich auf hephthali-
tisches Gebiet (fi biläd at-turk) begab41, da übernahm ihn der Chäkän in
eigene Dienste42. Er ließ für Bahräm eine Stadt erbauen, in deren Mitte ein
Schloß stand. Dort wurden Bahräm und seine Leute angesiedelt, in
einem Verzeichnis (diwän) erfaßt und ihnen „Geschenke" (al-'attyät) zuge-
wiesen43. Mit anderen Worten, sie wurden gleich sasanidischen Rittern auf
Kosten des Herrschers ausgerüstet und in einer eigenen Stadt angesiedelt;
es sei an al-Aswäriya und Kazwin erinnert44.
Diese Nachricht ist, wie gesagt, die einzige, die man hat. Wurde Bahräm
damit zu einem der tarxan, von denen die gleiche Erzählung als Würden-
träger des Chäkän ständig berichtet ? Oder wurden es Bahräm's Begleiter,
ganz oder teilweise ? Davon ist nichts gesagt, und man weiß auch nicht, ob
ein solcher tarxan auf gleiche Weise erfaßt und angesiedelt war. Streng ge-
nommen weiß man noch nicht einmal, ob Dinawaris Quelle, der Roman des
Bahräm Cöbin, ohne viel Bedenken sasanidische Verhältnisse auf die Heph-
thaliten übertrug. Vielleicht darf man sagen, daß die militärische Ordnung
Chusrö's I. Anösarvän (531—578) im Nachbarreich übernommen wurde.
39
R.Ghirshman, a.0.24; vgl.A.M.Belenizkij in:Epigrafikawostokaii (1956), 27!
40 41
Kül-tägin S 12; SE ua. Dinawari 99, 19f. ** DInawarl 100, zf.
48
Dinawari 100, 4!.; vgl. 102, gi.
44
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 138; Finanzgeschichte der Spätantike 65 f.
4 Altheim, Hunnen I
50 ANFÄNGE DER HUNNEN

Auch das wäre eine Art Iranisierung gewesen. Nomadische Kampfesweise,


die den Hephthaliten wie allen Hunnen ursprünglich eignete, wäre durch
die persische ersetzt worden, wie auch an Stelle der nomadischen Lebens-
weise die seßhafte und städtische trat. Dies würde Prokops Äußerung ver-
ständlich machen, wonach die Hephthaliten zwar Hunnen waren, sich aber
von allen Stammesvettern nach Lebensweise, Aussehen45 und Sitte unter-
schieden. Die Nachricht über Bahräm Cöbin's Aufnahme bei den Hephtha-
liten fügt sich einem einheitlichen Bilde ein.
Zur Bestätigung lassen sich zwei weitere Beobachtungen anführen. Die
eine ist wiederum Dinawari entnommen, und die zweite beruht auf einer
sprachlichen Beobachtung.
Nach Bahräm Cöbins Tode verlassen seine Genossen das Land der
„Türken", will sagen der Hephthaliten, und begeben sich nach Delam4*.
Wieder lassen sie sich nieder, im Einverständnis mit den Bewohnern und
erhalten Lebensmittel (ma'äyiS), Dörfer (kurä) und Äcker (mazäri') ange-
wiesen*7. Wiederum werden sie angesiedelt, aber die Form ist von der bei
den Hephthaliten angewandten verschieden. Es fehlen die Eintragung in
eine Stammrolle, die „Geschenke" und die städtische Siedlung, also gerade
das, was die Ähnlichkeit mit den dehkän und den geschlossenen Siedlungen
der Ritter im sasanidischen Bereich ausmachte. Daraus wird man ent-
nehmen dürfen, daß Dmawari's Quelle nach den jeweiligen Ländern Unter-
schiede zu machen wußte, und dies weist auf Kenntnis der örtlichen Gege-
benheiten. Wenn Dmawari den Hephthaliten dieselbe Form, wie sie bei den
Sasaniden üblich war, zuschreibt, so wird das der Wirklichkeit entsprochen
haben. In gleicher Richtung führt eine sprachliche Beobachtung.
In einer Reihe von Fällen ließ sich der Nachweis führen, daß türkische
Titel auf solche mitteliranischer Herkunft zurückgehen48. Das gilt von
alttürk. qapyan und Verwandten4·, sodann von 60. Jetzt tritt noch tigin,
tägin hinzu.
48
R. Ghirshman schreibt unter dem 9.11.1952: ,,J'ai obtenu derniorement le
moulage et la photographic d'une intaille hephtalite conserved en Amorique. Le type
ethnique est parfaitement iranien, le nom propre transcrit en caracteres tokhariens, est
composi de deux eloments purement iraniens".
48 47
Dinawari 105, 71. Dinawari 105, gf.
48
O. Szemer4nyi bei F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache (1951), 83 f.
49
Zuletzt Altheim-Stiehl in: Südostforschungen 15 (1956), 69f.; Wissenschaftliche
Zeitschrift der Karl Marx-Universität Leipzig 6 (1956/57), 191 f. gegen D. Sinor in:
Journ. R. Asiat. Soc. 1954, I74*·
50
Zuletzt Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 282.
2. DIE HEPHTHALITEN 51

Daß der Roman von Bahräm Cöbui dessen Ansiedlung und die seiner
Gefährten als dehkän berichtet, wurde bemerkt. Dementsprechend begegnen
noch in Mukaddasi's Beschreibung des Landes der Haital61 die dehkän, aus-
drücklich als solche bezeichnet. Alles ist mit Burgen (husün) bedeckt. Meist
liegen sie wüst, aber zuweilen haust in ihnen noch der dehkän62. Man er-
schließt für vorislamische Zeit, daß sie durchgängig bewohnt waren.
Auf der anderen Seite begegnet das türkische Wort im Namen des Yiltägin
und dann auf einer hephthalitischen Münze, in ,hephthalitischer' und Brähmi-
Schrift63.
K. H. Menges, der zuletzt das Wort behandelt hat, konnte auf zwei
Besonderheiten hinweisen64. Einmal ist in der Mitte des Wortes Doppel-
konsonanz anzusetzen, belegt durch täkkin (teggin) des Quta<5yu Eilig und
durch altchines. *d'0k-g'i?n66. Weiter ist der zweite Vokal lang, wie tigtna
der Brähmi-Schrift und protobulgar. - zeigen6'. Bewahrte
Vokallänge legt ein Lehnwort nahe, und in der Tat ist die Ableitung von
dehkän ohne weiteres möglich.
Denn dehkän, dihkän ergab mit Wandel von d zu / am Wortanfang67 und
progressiver Vokalharmonie: *tehken, *tekken. Dann mit Wechsel ä\i bei e6*
und k/g 6* *tiggin, *täggin. Das ursprüngliche Lehnwort wurde dann volks-
etymologisch gedeutet: täg-gin zu tag- "to be equal in value", also „ein-
ander gleichberechtigt"60.
Wenn diese Ableitung zutrifft, drängt sich eine Folgerung auf. Yiltägins
Regierungszeit fällt in die letzten Dezennien des 6. Jahrhunderts, die Münze
mit dem Titel tigin in die Jahre zwischen 630 und 658·1. Beide Bezeugungen
sind also über ein Jahrhundert älter als die alttürkischen Inschriften, deren
früheste in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts gehören. Die Hephthaliten
hätten demnach das Lehnwort zuerst übernommen und zusammen mit ihm
die Einrichtung, die es bezeichnete. „Wort" und „Sache" wären schon in.
der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts vom Sasanidenreich ihnen zuge-
kommen.
81 M
261, 4f. de Goeje. z. B. 275, i6f.; vgl. 276, i2f.; 277, 7.
83 M
R. Ghirshman, Chionites et Hephtalites 48 Nr. 44. a. . .
66
K.H.Menges, a. . Anm. i; vgl. B. Karlgren, Gramm.SericaNr.9191.; 480x.
*· Zu - vgl. die schlagende Erklärung von Menges, a. O. 100.
57
A. v. Gabain, a. O. 54 § 36. " A. v. Gabain. a. O. 45 § 16.
" A. v. Gabain, a. O. 55 § 37.
•° Anders K.H. Menges, a. . : „being equal in to the qan?", „to fix in the
ground (monument slabs, standards)" oder „to set up (tents)".
61
R. Ghirshman, a. O. 49.
52 ANFÄNGE DER HUNNEN

Es bleibt noch der Name der Chioniten. Es hatte sich ergeben, daß
damit das Volk bezeichnet wurde, im Gegensatz zu dem der Hephthaliten,
der ursprünglich allein das Königsgeschlecht meinte und erst nachträglich
auf die Gesamtheit der Untertanen übertragen wurde. ,
*yaptU erwies sich als türkisches Wort, und dazu stimmten $,
*qun-qan und die älteren Königsnamen. Dann aber war eine Iranisierung
eingetreten. Es hatte sich gezeigt, daß das türkische Herrengeschlecht die
sakische Sprache seiner Untertanen angenommen hatte. Und diese Unter-
tanen waren eben die Chioniten.
Sie erscheinen in den avestischen Yäst's als hyaona-, femin, hyaoni1. Dort
wird vom „hyaonischen Land" (hyaonya haca dainhävö Yt. 9, 30 f.) oder von
den „hyaonischen Ländern" (hyaoinam dahyunam ebenda) gesprochen. Die
Bewohner sind „schurkisch" (mairyehe hyaonahe Yt. 9, 30), „schlecht" und
„lästernd" ( duzvandravö hyanänhö Yt. 19, 87). Sie waren also keine
Zarathustrier, sondern deren Gegenteil: räuberische Nomaden2. Ein Name
wird genannt: arsjat.aspa- „einem Pferd gleichwertig"3. Das bestätigt, daß
es sich um einen Reiterkrieger handelt, führt erneut auf Nomadentum und
zeigt, daß die hyaona- ursprünglich Iranier waren4. Und iranisch ist auch
ihr Name. Etymologie und Metrum nötigen, denselben dreisilbig zu lesen6:
hu-yaona-.
Einmal steht Arjgt.aspö, der einzig namhaft gemachte Vertreter des
Stammes, neben dem Sohn des Vispa.uaurva-, der (abgesehen von einem
anderen Beinamen) urvi.xaoöö urvi.vwfrrö „mit spitzem Helm (und) mit
spitzem Schild"8 genannt wird (Yt. 9, 30). Sofort stellen sich die sakä

1
Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch (1905), 1858. J.Marquart, Eränsahr
50; mittelpers. hyön, xyön, xiyön: H. W. Bailey in: Asiatica F.Weller 12; G. Widengren
in: Orientalia Suecana i (1952), 94 Anm. 2 unter Hinweis auf Bundahiän p.215 Ankle-
saria. — Die Gleichsetzung von Chioniten und hyaona- erstmals bei O. Hansen in:
F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 83.
2
Zuletzt F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum 2
(i95o), 134*·
3
Chr. Bartholomae, a.O. 191; dazu derselbe in: Sitz. Bayer. Akad. 1890, 2, 47;
The Sacred Books of the East 47, 68.
4
Vandaramils arfgt.aspo Yt. 5, 116 ist Verehrer der Anähita und hat mit den
hyaona- nichts zu tun: H. Lommel, Die Yäschts des Awesta (1927), 42; unrichtig
Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch 1356.
5
H. Lommel, a. O. 60 u. a. m.; Zeitschrift für Indologie und Iranistik i, 239!
6
Chr. Bartholomae, a. O. 1546.
2. DIE HEPHTHALITEN 53

tigra%audä der Achaimenideninschriften7 ein. Skunxa, der Sake, trägt diese


Kopfbedeckung auf dem Relief von Bisutün: den spitzen Helm oder Mütze.
Diese Saken wohnen im äußersten Nordosten Irans. Bei Herodot8 er-
scheinen sie neben den Baktrern im persischen Heer. „Sie tragen auf dem
Kopf steife, spitz in die Höhe gehende Tiaren", heißt es dort.
Die hyaona- erscheinen demnach zusammen mit einem sakischen
Stamm, zwischen Oxos und laxartes. Auch dies wird sich noch in größeren
Zusammenhang stellen.
Die hunnisch-türkischen Hephthaliten hätten sich somit als Herren-
schicht über die Chioniten oder hyaona- gelegt. Als dieses Volk unter solcher
Führung 356 erstmals an den Grenzen der Sogdiane erschien und kurz
danach in diese einbrach, bezeichnet es Ammianus noch als Chionitae.
Aber auf den eigenen Münzen erscheint kidara, dann bei Priskos öl
oi „westliche Hunnen", und dementsprechend ist der Name der
„weißen Hunnen" geblieben. Daneben wird der der türkischen Herrscher,
oder Haital (Hayätila), auf das ganze Volk übertragen; er be-
gegnet erstmals 457.
Andere Zeugnisse bestätigen das Ergebnis, indem sie Chioniten und
Hunnen gleichsetzen. Am deutlichsten spricht Josua Stylites9: kiünäye
d-hennön hünäye10. Aber auch der Bahman-Yäst/ kennt karmlr und spet
hyön, rote und weiße hyaona, und sie entsprechen den iveta-hüna-, sita-
hüna- und hala-hüna- des Varähamihira, also den weißen und roten Hunnen,
sowie den der byzantinischen Autoren11.
Genug: das Volk besaß seine hunnischen Herrscher bereits, bevor es
die Sogdiane besetzte. Da es von Norden und Nordosten kam, mußte diese
Überschichtung sich schon dort vollzogen haben. Damit gelangt man in die
Steppe zwischen Aral- und Balchaschsee, und dort spiegelt sich eine ähn-
liche Uberschichtung in den Bodenfunden12. In Kenkol und Nachbarschaft,

7
Chr. Bartholomae, a. O. 651; E. G. Kent, Old Persian2 (1953), 186; G. Widen-
grenin: Arctica n (1956), 264.
8
7. 64-
• 9, 16. Dazu J.Marquart, Eränsahr 58; H.W. Bailey in: Asiatica F. Weller 12
Anm. 5 mit falschem Zitat und falscher Lesung. Es steht hünäye da. Auch W. Wrights
Änderungsvorschläge sind gegenstandslos.
10
H. W. Bailey in: Asiatica F. Weller 12 Anm. 5.
11
Dazu den ausführlichen Nachweis bei H. W. Bailey, a. O. 13—19.
12
A. N. Bernstam, Kenkolbskij mogilbnik. Arch. Ekspedicii Ermitaza (1940);
Trudy Semireöenskoj archeologiceskoj ekspedicii „Cujskaja dolina" (1950); Drewnij
Tianb-Sanb in: KSIIMK. 38 (1951); W. W. Ginzburg und E. W. Zirow, Antropolo-
54 ANFÄNGE DER HUNNEN

am Talas-Fluß gelegen, vermag man in den ausgegrabenen Kurganen zwei


Bevölkerungsschichten zu scheiden: einerseits die Herren mit mongolischen
oder mongoloiden Merkmalen; andererseits die mit ihnen zusammen be-
statteten Diener, die keine Mongolen waren. Der Ausgräber hält die Herren
für Hunnen, und die Schicht der zu Dienern herabgedrückten Bevölkerung
für europäische Angehörige der Pamir-Feryäna-Gruppe. Ihre künstlich
herbeigeführte Schädelverbildung stellt einerseits die Verbindung zu den
Siginnen13, einem iranischen Nomadenstamm östlich des Kaspischen
Meeres, andererseits zu den Alanen14, zwischen Don und Wolga, her.
Die Strabons entsprechen den , Herodots16, einem
nomadischen Stamm, der vom Land nördlich des Istros bis zu den Venetern
an der Adria hin wohnte. Beide Autoren heben die Schmächtigkeit der
dortigen Pferderasse hervor, die das Tier nur zum Fahren, nicht zum Reiten
verwendbar machte. Wenn die einen, nach Strabons Wort, , so
16
tragen die anderen medische Tracht und wollen als ausgewanderte Meder
gelten. Zweifellos handelt es sich um zwei Teile des gleichen Stammes.
Daß die Alanen, wie sie in Nachbarschaft der ciskaukasischen Xoövoi
saßen, so auch Nachbarn der Hephthaliten waren, ist gut bezeugt. Indem
für alle Einzelheiten auf das folgende Kapitel verwiesen wird, mag hier nur
das Wichtigste angeführt werden. Birüni nennt in seinem tahdid al-
amäkin östlich des Kaspischen Meeres die Alanen und die Äs17. Alani sive
Assi erscheinen noch bei Piano Carpini (1245), Alani sive Aas bei Rubru-
quis (1253—54) nördlich des Kaukasus nebeneinander. Der Name hat sich
in Äs, Äs. der arabischen Autoren, in des Konstantinos Porphyro-
gennetos (bei den Kaspischen Toren), in altruss. Jas-, ungar.y<isz und in dem

giöeskie materialy iz Kenkol-bskogo katakombnogo mogiltnika v doline, in: Sb. MAE. 10


(1949), 213!.; J. Werner, Abb. Bayer. Akad., N. F. 38 A (1956), 8; dazu die Berichti-
gung bei Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1957), 3^·
18
Strabon p. 520.
14
J. Werner, a. O. 5; dazu Altheim-Haussig, a. O. 37!.
16
5, 9. Dazu Ed. Meyer in: KZ. 42, 47; Gesch. d. Altertums i2, 798; P. Kretschmer
in: Glotta 24 (1936), iof.; St. Borzsak, Die Kenntnisse des Altertums über das Kar-
pathenbecken (Diss. Pannon., ser. I fasc. 6), gf.; Weißbach, RE. 2 A, 2458; J. What-
mough, The Prae-Italic Dialects 2, 159,; F. Altheim in: Welt als Geschichte 2, 342.
1
Vermutung über einen Grabstein aus Bihao bei M. Hoernes in: Wissenschaftl.
Mitteilungen aus Bosnien und der Hercegowina 5, 338.
17
Aus dem noch unveröffentlichten Werk im arabischen Wortlaut angeführt bei
V. Minorsky, Hudüd al- 'älam (1937), 4 Sl - Zum Folgenden: H.W. Bailey in: Trans-
actions of the Philological Society 1945, 2f. Zu Piano Carpini zuletzt D. Sinor in: Journ.
R. Asiat. Soc. 1957, 193*·
2. DIE HEPHTHALITEN 55

der heutigen Osseten (aus russ.-georg. ovs-et-i „Land der Ovs") erhalten.
Zu altnord. Jassar (in Jassar-fi< „Alanenberge") geh ren die Μασται18,
die Ptolemaeus19 zufolge unterhalb der 'Αλάνα όρη weit im Osten, in der
Kirgisensteppe und vielleicht geradezu n rdlich der Sogdiane, wohnen.
Der Plural auf -ται entspricht der ossetischen Pluralendung -t , die auch
in den Namen der s drussischen und ostiranischen Nachbarst mme (Σαυ-
δαράται, Σαυρομάται, Μασσαγέται, Αύχάται, Ζαράται, Μαϊται,
Γίαραλάται uam.) wiederkehrt20. Man kommt also auf einen Stamm Ίασ-
und, im Gegensatz zum russischen j-Vorschlag in / s-, ist er hier und in
altnord. Jassar alanischen Ursprungs. Avest. asp „Stute" entspricht
ost-osset. y fs, west-osset. fs 21. Beides kehrt im Gegen ber von
Ίασται und den alanischen "Ασιοι22 wieder.
Das heutige Ossetische, — Nachfolger oder n chster Verwandter des
Alanischenas, des Skythisch-Sarmatischen berhaupt24 — stellt sich inner-
halb der iranischen Mundarten zu den ostiranischen. Das Soghdische und
dessen heutiger Rest, das Yayn bi, weiter das Chotan-Sakische und das
Chw rezmische des 13.—14. Jahrhunderts bilden die n chste Verwandt-
schaft26. Das Zeugnis der Sprache zeigt ber bisher Gesagtes, da in Nord-
ostiran oder Nachbarschaft geradezu die Heimat der Alanen und s (Os-
seten) gesucht werden mu .
Auch der Name der Alanen selbst kehrt wieder. Das Hou-han-shuae,
beruhend entweder auf Pan Ying oder auf dem Wei-lio27, sagt, da Yen-ts'ai
seinen Namen in A-lan ge ndert habe. Mit Yen-ts'ai war das Land am
Kaspischen Meer und Aralsee gemeint, welch beide die Chinesen damals
nicht zu unterscheiden vermochten28. Ammianus29 berichtet von Eroberun-
gen der Alanen, ex montium appettatione cognominati, stlich des Don „in
den unendlich sich dehnenden Ein den Skythiens". Anspielung auf Ptole-

18
Zum Folgenden Altheim-Haussig, a. O. 69f.; 77,
14
Geogr. 6, 14, 3; i r .
*° W. Miller, Die Sprache der Osseten (1903), 42.
81
W. Miller, a. O. 23, mit weiteren Beispielen.
22
Ptolem., geogr. 5, g, 16; unrichtig L. Zgusta, Die Personennamen griechischer
St dte der n rdlichen Schwarzmeerk ste 267.
23
Zuletzt H. W. Bailey in: Transactions of the Philological Society 1945, if.
24
L. Zgusta, a. O. 2661. gegen J. Harmatta in: Acta Orient. Hung, ι (1950/51),
261 f.; besonders 285f.
25
H. W. Bailey, a. O. i f . ; ebenda 1946, 202f.
26 27
n8f., 4a. K. Enoki in: Central Asiatic Journ. i, 48 Anm. 23.
28 2e
K. Enoki, a. O. 49. 31, 2, 13.
56 ANFÄNGE DER HUNNEN

30
maeus' , führt wiederum in die Kirgisensteppe oder die Gebiete
weiter südlich, wo die saßen. Damals mag auch Yen-ts'ai von den
Alanen besetzt worden sein. Entsprechend sagt das Wei-lio31, daß Yen-ts'ai
auch A-lan genannt werde. Im 3. Jahrhundert n. Chr. war diese Eroberung
bereits vollzogen. Noch im T'ang-shu führt die Hauptstadt des Reiches von
Buchara den Namen A-lan-mi (*.a-län-mj$t = ^Alän-meO· „Alanensied-
lung")8a.
Nicht nur Ptolemaeus* Xoövoi, auch die Hephthaliten saßen in Nach-
barschaft der Alanen und der zu diesen gehörigen Äs. Wie die südnissischen
Alanen, so waren auch die nordostiranischen: Vorgänger der Hunnen in
ihren Vorstößen nach Süden. Aber im Gegensatz zu den ciskaukasischen
Xoövoi müssen ihre Vettern, die in die Sogdiane eindrangen, die ala-
nische Herrschaft in Yen-ts'ai beseitigt haben83. Die dortigen A-lan ver-
schwinden aus den chinesischen Nachrichten (für das Sui-shu34 wohnen sie
östlich von Fu-lin, will sagen: vom oströmischen Reich), und auch das
Wissen um Yen-ts'ai ging verloren. Wei-shu und Chou-shu setzen es ver-
mutungsweise (und unrichtig) Su-t'e, also der Sogdiane, gleich36.
80
Geogr. 6, 14, 3; ii.
31
Wei-chih 30! 8b; K. Enoki, a. O. 47.
82
E. Chavannes, Documents sur les Tou-kiue (Turcs) occidentaux (1903), 316;
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 423.
38
Auf die Lesart Halanos bei Ammianus 16, 9, 4, die die Editio princeps desAccur-
sius 1533 statt Chionitas bietet, sei zumindest verwiesen.
84
84; K. Enoki, a. O. 49 f.
86
K. Enoki. a. O. 50.
3. KAPITEL

DIE ALANEN

Der t rkische Stamm der Hunnen begegnete unter nur wenig ver-
schiedener Bezeichnung an folgenden Orten und zu folgenden Zeiten:
1. als *qu unter den St mmen der T'o-pa, die im Norden der chine-
sischen Provinz Shan-si, nord stlich des Ordosbogens ab 300 auf-
tretend ;
2. als xwn und Eroberer von Lo-yang am Huang-ho 311;
3. als qun, h n, Ούννοι οί Κιδαρΐται, kidara, Ούννοι οί λευκοί 356
an der Grenze der Sogdiane und kurz danach als deren Herren;
4. als Hunni und Besieger der Alanen und Goten beiderseits des unteren
Don 374-375-
Alle vier Daten ordnen sich zu einheitlichem Bild. Man erkennt eine
Bewegung, die von Osten nach Westen geht. Sie beginnt mit dem fr hen
4. Jahrhundert im Norden Chinas. Ihre weiteren Etappen bilden Kan-su,
dann das Talasgebiet und die Sogdiane. Im Jahre 375 berschreitet die hun-
nische Westwanderung die Grenzen Osteuropas.
Nicht in dieses Bild lassen sich Ptolemaeus' Xo voi einordnen, die schon
nach der Mitte des 2. Jahrhunderts in einer Gegend sitzen, die die brigen
Hunnen erst ber zweihundert Jahre sp ter erreicht haben. Sie muten wie
ein zeitlich und r umlich vorgeprellter Splitter des Stammes an. Die Er-
kl rung stellt sich ein, sobald man die Verbindung der Alanen zu den Hunnen
ber cksichtigt.
Sowohl die Hephthaliten wie die Hunnen von 374 sind auf Alanen ge-
sto en, die ihnen vorangezogen waren. Die Hephthaliten haben diese unter-
worfen, und bei den Hunnen, die den Don berschritten, wird sich dasselbe
zeigen. Jene t rkische Wanderung, die zu Beginn des 4. Jahrhunderts vom
Nordufer des Huang-ho ausging, hat demnach eigenst ndiges Dasein der
Alanen, wo immer sie darauf traf, beseitigt. Die XoOvoi hingegen lassen
58 ANFÄNGE DER HUNNEN

eine Gegnerschaft zu ihren alanischen Nachbarn noch nicht erkennen. Sie


beanspruchten ihnen gegenüber keine führende Rolle, sondern ihre Ge-
schichte zeigt, daß sie eher im Kielwasser der alanischen Nachbarn segelten.
Diese Xoövoi hatten nichts mit der großen Hunnenwanderung des
4. Jahrhunderts zu tun. Ihre nachbarliche Verbundenheit erweckt vielmehr
den Eindruck, als seien sie zusammen mit den Alanen in das Land zwischen
Maiotis und Kaukasus gekommen. Damit erhebt sich die Frage, wann die
Alanen dort erschienen und woher sie gekommen sind. Es wird sich zeigen,
daß dieser Stamm die Ost-West Wanderung der Hunnen, wenn auch nicht
nach ihrer vollen Ausdehnung, so doch weithin schon einmal durchgemacht
hat. Diese Wanderung wurde von den Alanen um viele Jahrhunderte vor-
weggenommen.

Die Alanen, so hat sich gezeigt, tragen seit Alters zwei Namen. Das
Nebeneinander vonAlän undÄs,Alani siveAssi, Alani siveAas,*A\avo\und
, wurde bereits erwähnt. Auch ihre Nachfolger, die heutigen
Osseten, begegnen als ir und öss, ovs. Über die erste dieser Bezeichnungen
scheint seit langer Zeit Klarheit zu bestehen. Wie ost-osset. ir „Osseten,
Ossetien" einem avest. airya- „arisch" entspricht1, so hat man Alan auf
*Aryänäm Gen. Plur. „Arier" zurückgeführt2.
An Versuchen, diese Ableitung zu bestreiten, hat es gleichwohl nicht
gefehlt. Man suchte *äryäna-, avest. airy ana- als Ausgangspunkt anzu-
setzen8, und hat damit Zustimmung gefunden4. Entsprach demzufolge ost-
osset. ir, west-osset. firä einem älteren *ärya-, avest. airya-, so wäre ost-
-osset. iron auf *äryäna- zurückzuführen. Wie immer man sich zu ent-
scheiden hat (s. u.), eine grundsätzliche Änderung bedeutet dies nicht.
1
W. Miller, Die Sprache der Osseten 17 §4, 2. Zuletzt I. Gershevitch in: BSOS.
!? ( 955). 486 Anm. i.
2
H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen (1922), 234; O. Szemerönyi bei F. Altheim,
Geschichte der lateinischen Sprache (1951), 75 Anm. i. — Es ist festzustellen, daß
Andreas' Deutung *oryön, *aryön als uriranischer Genetiv Plur. Schwierigkeiten macht.
Darum hat J. Harmatta (in: Acta Orient. Hung, i, 288 Anm. i) Andreas eine Ableitung
von *&ryana- zugewiesen. Doch hat er sich dafür fälschlich auf Jacobsohn und überdies
auf R. Gauthiot, Essai de grammaire Soghdienne i (1914-1928), III berufen.
8
J. Harmatta, a. O. 287f.
4
L. Zgusta, a. O. 264.
3. DIE ALANEN 59

Weiter ging indessen die Behauptung, die bei Ptolemaeus6 erhaltenen


Formen Άλαϋνοι, Άλαονον το όρος, die doch von "Αλανοι, "Αλανον
pos und "Αλάνα τα καλούμενα όρη sich nicht trennen lassen, schl ssen
die Gleichsetzung mit * ry na-, avest. airyana- aus*. berdies zeige Alan
gegen ber ost-osset. iron in der verschiedenen Vertretung von altem -ary-,
da die Alanen unm glich die geradlinigen Vorfahren der heutigen Osseten
gewesen sein k nnten7. Wandelte es sich in einem Fall zu ir- oder {ir-, so im
anderen -ry- zu l.
Gegen beide Behauptungen mu Einspruch erhoben werden. Ossetischer
bergang von altem zu δ vor Nasalen ist bekannt8. Da dieser ber
lteres a erfolgte, zeigt das Avestische: danh it, vgl. altind. dh seh; mazantvm,
altind. mahantam '. Das avestische Zeichen f r ist eine Ligatur von und
u, Άλαϋνοι also die lautgesetzliche Zwischenstufe zwischen vor Nasal
und (vgl. iron). Was alsdann die verschiedene Vertretung von -ary-, -ry-
angeht, so st nden sich, wie man formuliert hat10, *ary n m > Alan auf
der einen Seite, *arya- > *err > *er > ir auf der anderen Seite gegen ber.
Aber Alan ist nicht Plural: diesen hat die Inschrift des Karter in al n n
erbracht11; dazu stimmt der syrische Plural al n ye11*. Man mu , wie schon
angedeutet, von *ary n -, nicht von *ary n m ausgehen. Und nicht nur
ir hat seine zahlreichen und immer bemerkten Parallelen, vor allem in der
s drussischen Namengebung12, auch Alan kann eine solche aufweisen: ost-
osset. m lin „ich sterbe" zu altiran. *m%yatai (altind. rrnrtah zu mriyate; avest.
miryeite13). Sie zeigt, da man nicht einen bergang *ary- > al-, sondern,
wie l ngst gesehen, einen solchen von -ry- > / anzusetzen hatu. Da dem
so ist, best tigt das Fehlen der Epenthese, die doch bei *ary- > ir, *ary- > il-
auff llig bliebe16.
B
Geogr. 3, 5, 19; 15. « L. Zgusta, a. O. 264.
7
J. Harmatta, a. O. 289.
8
W. Miller, a. O. 20 § 10.
• Chr. Bartholomae in: Grundr. d. Iran. Philol. I i, 30 e 78; H. Reichelt, Awesti-
sches Elementarbuch (1909), 69 e 133.
10
A. Freiman in: Rocznik Orjentalistyczny 3. 158f.
11
M. Sprengung, Third Century Iran, Sapor and Karter (1953), 47 Line 12.
lla
Bardesanes, de fato 39 p. 595, 27 Nau; Zachar. Rhetor 214, 20 Brooks. Erst
Michael Syrus p. 381 rechte Spalte Zeile 42 syr. verwendet al n als Plural.
12
J. Harmatta, a. O. 290f.
18
W. Miller, a. 0.36 § 42, 2; vgl. Chr. Bartholomae, Altiranisches W rterbuch 1142.
14
O. Szemeronyi bei F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache 75 Anm. i.
15
J. Harmatta, a. O. 202. hnlich zuletzt I. Gershevitch in: BSOS. 17 (1955), 486
Anm. i.
60 ANF NGE DER HUNNEN

Der Name der Alanen taucht in den westlichen Quellen unter Tiberius
auf. Damit erh lt man einen Terminus ante quern f r das erste Auftreten
des Volkes im Vorland des Kaukasus. Weit sp ter, so scheint es, begegnen
die Ass. Ptolemaeus nennt als erster die Άσαϊοι und Μασται. Er l t
erkennen, da beide schon damals Bestandteile desselben Volkes oder doch
Nahverwandte waren, denn die ' Ιασται wohnen unterhalb der "Αλάνα δρη1β.
Eine weitere Erw hnung hat man bisher nicht erkannt.
Bardesanes z hlt im 39. Kapitel seiner Schrift ber die Gesetze der
L nder die RandV lker derOikumene auf. Es beginnt mit Arabern (tayy ye)
und Sarazenen, geht zum oberen Libyen, Mauretanien und Numidien weiter,
setzt sich ins u ere Germanien fort und f hrt schlie lich in den s drus-
sischen Bereich. Man erkennt ein oberes Sarmatien, das Gebiet n rdlich des
Pontos, Alanen und Albaner17. An zweiter Stelle steht, v llig au erhalb
jeder Ordnung, Spanien, aber N ldekes Scharfsinn hat in wabespaniy das
richtige wabeskutiy erkannt18. Noch unerkl rt sind die $a$s ye, die auf
Alanen und Albaner folgen. Mit leichtester nderung ( laf statt S de) ist
a$s ye zu schreiben, und damit ist der Name der Άσαϊοι, ss wiederge-
wonnen.
Was bei Bardesanes folgt, best tigt das Ergebnis. berliefertes w-ba-
br ? da-b-'ebr d-d r „et in Brusa quae est trans Douro" gibt keinen Sinn.
N ldeke schlug w-ba-kr s da-b-'ebr d-hind „et in Chryse quae est ultra
Indiam" vor. Vielleicht l t sich auch hier mit einfacher nderung aus-
kommen und zugleich ein Ergebnis erzielen, das sich dem bisherigen Zu-
sammenhang f gt.
In d r (dwrw) erkennt man ohne Schwierigkeit dwnw, also avest. d nav-,
mit dem im Ossetischen vor Nasal zu gewordenen : osset. don neben -dan.
Vergleichen l t sich auch der Name der Donau, die im Germanischen
D nawi, im Gotischen insbesondere Δούναβι$ lautete19. Aus dem altkirchen-
slawischen Codex Suprasliensis hat P. Skok19a Dunav beigesteuert, dem
bulgarische und serbokroatische Formen zur Seite stehen. Man mu freilich
den Don erwarten, wenn zuvor Alanen, ss und Albanier genannt sind.
Auch der vorangehende Name mu in diesem Raum gesucht werden.
Strabon setzt die Aorser μεχρί των Καυκάσιων ορών επί μεσημβρίαν
16
Geogr. 6, 11, 14.
17
Ρ· 595. 2 Ι ί· Nau schreibt „Lybia" und „Alabanos"!
18
In der Adnotatio zu p. 595, 25 Nau.
19
Zuletzt zur Frage Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1958), 67.
19a
Slavia 7 (1928/29), 723, zitiert nach P. Kretschmer in: Glotta 24 (1936), 7.
3. DIE ALANEN 61

τείνοντες,20, μεταξύ τη$ ΜαιωτίδοςκαΙτήςΚασττίδος21, demnach zwischen


den Unterl ufen von Don und Wolga. Der Name der "Αορσοι entspricht
avest. auruSa- (vgl. unten). Im Syrischen f llt laf in Wortanlaut und
Wortinnerem h ufig, auch in der Schrift, weg22, w und b 'wechseln23, und
im Aram ischen ist die pseudohistorische Schreibung s statt i bekannt,
gerade auch aus dem benachbarten Mchet'a24. Also abr se statt *abr $e
*aur $e: Pluralis emphaticus von *abr s , *abr $ , *aur i = avest. auruSa-.
Also: „bei den Aorsern jenseits des Don".
In weit fr here Zeit f hren die "Ασιοι, von denen im Jahr 129 oder 129/88δ
das griechisch-baktrische Reich gest rzt wurde26.

ber den Nomadeneinbruch in Baktrien und in der Sogdiane liegen


Berichte von chinesischer und griechischer Seite vor1.
Einl lich und unter Einbeziehung der geschichtlichen Zusammenh nge
berichten die Biographie des Chang-k'ien2 und die Monographie ber die
Westl nder im Han-shu. Ihnen zufolge gab die Aufrichtung des Gro reiches
der Hiung-nu unter Mo-tun (Mau-tun, nach 209 bis etwa 174) den Ansto .
Unter den St mmen, die der Reichsgr nder selbst unterwarf, waren die
Y e-chi. Sie sa en damals in Kan-su und Ning-shia, westlich des Huang-ho.
Nach einem ersten Zusammensto etwa 203 mu ten sich die Y e-chi 177/6
den Hiung-nu beugen. Unter Mo-tun's Sohn Lau-shan (etwa 174—160)
wurden sie ein zweites Mal besiegt, ihr K nig fiel im Kampf. Eine nach Zahl
geringe Gruppe, die „Kleinen Y e-chi", setzte sich darauf in den nordwest-
lichen Randgebirgen Tibets fest. Die Hauptmasse des Volkes aber wandte
sich nach Westen. Diese „Gro en Y e-chi" stie en auf die Sai oder Sai-wang,

20
21
P- 492.
p. 506.
22
Th. N ldeke, Kurzgefa te syrische Grammatik2 (1898), 23.
23
Th. N ldeke, a. O. 21 § 27.
24
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957), 81*·
25
Zur Datierung F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2 (1948), 104.
24
G. Vernadsky, Ancient Russia (1943), 83!; H.W. Bailey in: Byzantion 23
(1953), 420f.
1
Zum Folgenden: F. Haloun in: ZDMG. 91, 244!; W.W. Tarn, The Greeks in
Bactria and India2 (1952), 270f.; F.Altheim, Weltgeschichte Asiens im griechischen
Zeitalter i (1947), n f.; 2 (1948), 88f.
2
Han-shu 6 r und Shi-ki 123; vgl. G. Haloun, a. O. 247 Anm. i.
62 ANF NGE DER HUNNEN

die im n rdlichen T'ien-shan — am oberen Ili, Cu und Naryn — sa en.


Die Y e-chi schlugen die Sai-wang, vertrieben manche ihrer St mme aus
den bisherigen Sitzen und nahmen andere in den eigenen Verband auf.
Doch auch in den neugewonnenen Sitzen fanden die Y e-chi keine Ruhe.
Von einem am Bark l ans ssigen Untertanenvolk der Hunnen, den Wu-sun,
geschlagen, unterwarfen sie sich samt den unterworfenen Teilen der Sai-
-wang den Siegern. Ein anderer Teil zog ber Fery na nach Baktrien. Dort
fand ihn 129/8 Chang-k'ien als Herrn des Landes.
Auf griechischer Seite spricht Apollodoros von Artemita8 bei Strabon4
von oi τους "Ελληνας άφελόμενοι την Βακτριανήν, "Ασιοι και ΤΤασιανοΐ
καΐ Τάχαροι καΐ Σακάραυλοι (Σαράκαυλοι Med. 28, 19) t κα^ δρμηθέντες
από της περαίας του Μαξάρτου της κατά Σάκα$ καΐ Σογδιανους, ην
κατεΐχον οί Σάκαι. Hier hat man berliefertes Τάχαροι in Τόχαροι ge-
ndert unter Berufung auf die von der sonstigen berlieferung gebotene
Namensform43 (nur Ptolemaeus, geogr. 6, 12, 4 gibt Τάχοροι gegen ber
Τόχαροι 6, n, 6). In dem unverst ndlichen καΐ hinter Σακάραυλοι
erkannte man eine Variante zum auslautenden -λοι des Stammesnamens,
und dementsprechend hat schon A. v. Gutschmid ΣακαραΟκαι her-
gestellt6. Es wird sich als erster Schritt auf dem Weg zum Richtigen er-
weisen.
Demgegen ber nennt Pompeius Trogus' Prolog zum 41. Buch, wieder auf
Apollodoros zur ckgehend6, Scythicae gentes Saraucae et Asiani als Er-
oberer Baktriens und der Sogdiane, dann der zum 42.: reges Tocharorum
Asiani interitusque Sarducarum. Letztes ist in Saraucarum zu verbessern:
in beiden F llen sind die bei Strabon hergestellten ΣακαραΟκαι gemeint,
wenn auch mit Haplologie Sa<ca>raucae geschrieben. Auch die Gleich-
setzung der Τάχαροι, Τόχαροι mit den Tochari liegt auf der Hand. Schwie-
rigkeiten machen allein die Asiani, die weder mit Strabons "Ασιοι noch mit
seinen Πασιανοί bereinstimmen.
Ein alter Vorschlag ging dahin, bei Strabon statt Πασιανοί: ή Άσιανοί
zu schreiben. Die vorgeschlagene nderung ist leicht, aber sie w rde noch
eine zweite, Streichung oder Umstellung von καί, nach sich ziehen. Denn

a
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i (1947), n f .
4
P-5"·
*a Vgl. G. Kraemers Adnotatio zu 2, 462 Zeile n seiner Ausgabe (1847).
5
G. Haloun, a. O. 244 Anm. 3.
8
F. Altheim, a. O. i, n f .
3. DIE ALANEN 63

erst dann k me man von "Ασιοι καΐ ΤΤασιανοί zum gew nschten "Ασιοι ή
(καΐ) Άσιανοί. Dadurch empfiehlt sich der Vorschlag nicht.
Wenn man irgendwo ndern darf, so nicht bei Strabon, sondern in der
berlieferung der Trogusprologe. Sie hat im 41. Buch die Nennung der
Tocharer unterlassen, obwohl, wie der Prolog zum 42. zeigt, die Vorlage
den Namen gab. Sie konnte sodann Σακαραοκαι in Saraucae und Sarducae
verschreiben. So mochte sie auch "Ασιοι und ΤΤασιανοί zu Asiani zu-
sammenziehen, ein Wort, das vertrauten Klanges war. Asianus tumor,
'Aaiocvos χαρακτήρ, Άσιανό$ ζήλος7 k nnten dabei mitgewirkt haben.
Doch zeigt die unter Severus Alexander in Dionysopolis (Baliik, n rd-
lich von Varna) inschriftlich bezeugte Άσιανων σπείρα8, wohl gleich
den "Ασιοι (Alanen, dar ber sogleich), da man damals eine Form Asiani
kannte.
Einen Schritt weiter f hrt der Vergleich mit den chinesischen Nach-
richten. Ein sprachlicher Vergleich der Asiani mit Wu-sun (mittelchines.
•Uo-suan, altchines. *'0-sw2n) lag nahe". Aber man hat st rkste sachliche
Gr nde dagegen angef hrt10. Die Wu-sun bleiben nach dem Sieg ber die
Y e-chi, mit abh ngigen St mmen dieser und der Sai vermischt, im T'ien-
-shan von der Grenze Fery nas an stlich bis zur Linie Qara£ahr-Manas
sitzen. So sind die Wu-sun auf dem Boden Baktriens nicht nachweisbar.
Ebensowenig gibt es ein K nigsgeschlecht der Wu-sun bei den Y e-chi, das
den reges Tocharorum Asiani entspr che. Schlie lich vermi t man in der
chinesischen Namensform das jo-Suffix, das "Ασιοι und Asiani kenn-
zeichnet. Damit entf llt die Gleichsetzung von Asiani und Wu-sun, und
dieses Ergebnis ist um so willkommener, als die Asiani zuvor als nachtr g-
liche nderung, die zu Lasten der berlieferung der Trogusprologe
geht, wahrscheinlich gemacht wurden. Dies hat sich nunmehr best tigt.
Was die ΣακαραΟκαι Strabons und ihre Verbildung zu Saraucae angeht,
so hat die Legende einer M nze aus Begram (Afghanistan) ΣΑΚΑΥΡ[. . .
erbracht11. Damit erwies sich die allein bei Lukian18 bewahrte Form
ZotKotfpocKOi als die richtige. *Saka-ura-ka, chines. Sai-wang enth lt im
ersten Teil den Namen der Saken; w hrend *ura zu chotan-sak. rre „K nig",
7
Strabon p. 614; 648.
8
G. Mihailow, Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae i (1956), 39 Nr. 23.
9
G. Haloun, a. O. 252.
10
G. Haloun, a, O. 253f., unter Benutzung seines Wortlautes.
11
R. Ghirshman, B gram (1946), Taf. 23, 2 RV; anders R. Ghirshman, a. O. nof.
18
Macrob. 15.
64 ANF NGE DER HUNNEN

obl. rr ndi, mit rr aus ψ geh rt13. Sai-wang und Σακαύρακοι sind also nichts
anderes als „K nige der Saken", an Herodots14 βασιλικοί Σκύθαι ge-
mahnend.
Die Tocharer sind nach einhelliger Ansicht mit den Y e-chi eins. Deren
arabisch-chinesische Lautform **znj,w t-t'ia'L6 hat man als *zgufa, *zgujaka
„Skythe" gedeutet1'. Alt chinesisch **ng%w i-t$eg, mittelchinesisch17 *nj,wK>i-
-t ie stimmt lautlich so vollst ndig wie m glich mit dem Namen der Ίάτιοι
berein18. Diesen Stamm setzt Ptolemaeus19 mit mehreren τα μεν προς
τοΐξ 'ύύξείοις όρεσι, τα δε ττρόξ τφ άρκτικφ τμήμοττι του Ίαξάρτου
an. Also im Osten und Norden der Sogdiane, wo man die Y e-chi erwartet.
Als unmittelbare Nachbarn der Ίάτιοι begegnen die Πάσκαι und Τάχοροι
Ob in den ersten eine Nebenform zu Πασιανοί zu erblicken sei20, bleibt
unbewiesen. Die Τάχοροι aber sind niemand anderes als die Τόχαροι, die
als solche bei Ptolemaeus im Norden Baktriens unfern des Oxos auftreten21.
Ohne Vergleich innerhalb der chinesischen Nachrichten bleiben somit
Strabons Πασιανοί und "Ασιοι. Das ist f r ihre Herkunft von Wichtigkeit.

Zur Bestimmung der Πασιανοί darf man die j ngsten Ergebnisse der
iranischen Mundartenkunde heranziehen. Es geht um die Sprache des alten
Chw rezm, am Unterlauf des Oxos und s dlich des Aralsees gelegen. Die
erhaltenen chw rezmischen Sprachreste1 des 13.—14. Jahrhunderts geben
18
O. Hansen bei F. Altheim, Aus Sp tantike und Christentum 95.
14
4, zo; vgl. E. A. Thompson, A History of Attila und the Huns (1948), ίο.
18
G. Haloun, a.O. 291 f.; 315. Versuch einer Gleichsetzung der chinesischen Form
mit *to-gara-, Τόχαροι bei H. W. Bailey in: BSOS. 15 (1953), 535f.
" G. Haloun, a. O. 316!.
17
G. Haloun, a. O. 290; 315.
18
E. Herzfeld in: Arch olog. Mitteil, aus Iran 4, 26 setzt grundlos *lcmoi =
"Ασιοι; hnlich J. Marquart, Er nsahr 206; St. Konowin: Corp. Inscript. Indic. 2, i
p. LIX.
19
Geogr. 6, 12. 4.
10
Versuche bei F. Altheim, Weltgesch. Asiens 2, 90 und H.-W. Haussig in: By-
zantion 23 (1953). 421f·
21
Geogr. 6, ii, 8.
1
A. Zeki Walidi in: Islamica 3, igof.; Abh. Kunde Morgen!. 24, 3, 125f.; vgl. 14
Anm. i; 137! § 290; ZDMG. 90, *26f.*; dazu W. B. Henning, ebenda *3o*f.; A.A.
Freimann in: Sowjetskoje wostokowedenie 4, 1571. Zuletzt W. B. Henning in: Handb.
3. DIE ALANEN 65

nicht das Ursprüngliche. Übernahmen aus dem Soghdischen und Ossetischen


sind deutlich und wurden von Birüni, gebürtigem Chwärezmier, hervor-
gehoben2. Auch darüber, was ursprünglicher Bestand war, gibt er Auskunft.
Er sagt, daß die Chwärezmier „ein Zweig von dem großen Baum der Perser
und deren Wurzelschoß waren"; er stellt sie gleichzeitig in Gegensatz zu
ihren Nachbarn, den Soghdern3. Daß dies zutrifft, zeigt Birünis Liste
der chwärezmischen Namen von Monatstagen und Monaten, die offenkundig
zu den persischen gehören4. Als Bestätigung tritt der Stadtname Hazärasp
hinzu: „tausend Pferde habend". Er enthält im Vorderglied *hazahra-
(avest. hazaiara-, altind. sahasra-). Im Soghdischen ist *hazahra- unter Weg-
fall des anlautenden6 sowie des inlautenden h nach zu z'r7 geworden. Im
Ossetischen sind Neubildungen an die Stelle getreten: ost-osset. däsfonjis-
säji = „zehnhundert", wobei fonjissäji „hundert" = „fünf Zwanziger" ist;
west-osset. das sädi oder auch türk. min8. Hazär in Hazärasp gleicht allein
neupers. hazär und der entsprechenden mittelpersischen Form, erhalten in
Hazärbandah, Hazärmard, Hazärowai9.
d. Oriental. 4 (1958), 114! Hier wird kein Mittel verschmäht, um die Scheidung des
älteren Chwärezmisch (H. spricht bezeichnenderweise von „Al-Berünis Chwarezmisch")
von der Sprache der jüngeren Denkmäler zu beseitigen. Birünis Bezeichnung der Chwü-
rezmier als „Zweig vom großen Baum der Perser und Wurzelschoß ihres Baumes"
(Chronol. 47, 7 Sachau; so die richtige Übersetzung: F. Altheim, Literatur und Ge-
sellsch. 2, 220) soll sich nicht auf Sprachliches beziehen. Man braucht (was H. versäumt
hat) nur zu lesen: yusammä . . . bi-asmä'i 47, 18; vgl. asmä'u 8; hädihi l-asämiya 13;
ism 48, 10; asmä'u (hier fällt erneut der Name der Perser 12); entsprechend im
Folgenden bi-lugatihi 17 und 49, 2 f. Alle dreißig Monatstage, bei denen Birüni die Über-
einstimmung mit den Persern vermerkt, werden bei H. — gründehalber — nicht heran-
gezogen. Dafür die Namen der Tierkreiszeichen (Chronol. 193), bei denen Birüni der-
gleichen nickt feststellt. Und wiederum gründehalber wird O. Szemeronyis Unter-
suchung (bei F. Altheim, Geschichte d. latein. Sprache 66—84) verschwiegen, ebenso
die und ihre Verwandten, der chwärezmische Ortsname auf -gird (Altheim-
Stiehl, Finanzgesch. d. Spätantike 269) und Hazärasp (erstmals Suppl. Aram. 24f.).
Alles war H. nachweislich bekannt. Was mochte ihn hindern, den Tatsachen gerecht
zu werden ?
2
Die Einzelheiten bei F. Altheim, Literatur u. Gesellschaft 2, 2ogf.; weiteres bei
Altheim-Stiehl, Porphyries und Empedokles (1954), 56f.
3
Chronol. 47, 7 Sachau; dazu F. Altheim, a. O. 2, 2iof.; 220.
* F. Altheim, a. O. 211 f. Über angebliches chwärezm. sähya Chronol. 35, 9 (E.
Sachau in: SB. Akad. Wien 73, 481 Anm. 7; F. Altheim, a. O. 2, 216), vgl. Altheim-
Stiehl, a. O. 48 Anm. 7.
8
I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian (1954), 61 § 397.
8
I. Gershevitch, a. O. 61 f. § 399.
7
I. Gershevitch, a. O. 198 § 1316.
8
W. Miller, a. O. 49.
9
Belege bei F. Justi, Iranisches Namenbuch (1895), 128.
5 Altheim, Hunnen I
66 ANF NGE DER HUNNEN

Dar ber hinaus konnte der Nachweis gef hrt werden, da die alte
„persische" oder persoide, also dem S dwestiranischen verwandte Sprache
der Chw rezmier sich in einer Reihe von Lehnw rtern erhalten hat, die ins
Magyarische und Altt rkische bernommen wurdenea. Da sich hier die
urspr ngliche Schicht des Chw rezmischen darbietet, best tigt eine Reihe
von Stammesnamen, die sich in Ostiran und gerade in der Nachbarschaft
von Chw rezm finden10. Ptolemaeus gibt bei den Paropanisaden, in Ara-
chosien und Gedrosien: ΤΤάρσιοι, Παρσυητοα, Παρσιάνα, Παρσία geogr.
6,18, 3—5; Παρσνηται 6, 2ΐ, 3; Παρισηνή, Παρσίδαι (Παρσίραι), Παρσίς
6,2ΐ, 4—5· Strabon p. 508 f gt die Πάρσιοι in Hyrkanien hinzu. Da die
Πασιανοί dieser Gruppe angeh ren, also einstige *Παρσιανοί gewesen
sind11, best tigt sonstiger Ausfall des r vor s in den Nachbardialekten: dem
Soghdischen12 und dem West-Ossetischen13.
Mit der allgemein bekannten Wanderung der Perser (oder Proto-Perser),
die diese von ihren ltesten Sitzen s dlich des Urmia-Sees durch das ge-
samte Medien und ber die Landschaft nord stlich von Susa (Parsamai,
ParsumaS) bis zur Persis zur ckgelegt haben14, lassen sich die zuvor ge-
machten Angaben dahin vereinigen, da ein Teil des Stammes am Nordrand
von Iran entlang nach Osten gezogen ist15. Die Vorfahren der Perser h tten
sich demnach zwischen Urmia-See und dem Westrand der Salzsteppe
geteilt. Sie umgingen das Hindernis, das sich in dieser Steppe ihnen ent-
gegenstellte, im Norden und S den. Die Hauptmasse zog nach S dosten,
aber ein Rest wandte sich nach Hyrkanien. Von dort wanderten Teile nach
Chw rezm, wobei die letzte Wegstrecke: von Hyrkanien zum Oxos, dann
diesen abw rts in den Landstrich s dlich des Aralsees, sich an Hand der
berlieferung noch verfolgen l t16. Andere Teile zogen ber den laxartes

'* O. Szemeronyi bei F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache 66 f.


10
W. W.Tarn, The Greeks in Bactria and India 478f.; F. Altheim, Literatur und
Gesellschaft 2, 218 f.
11
W. W. Tarn, a. O. 292.
11
I. Gershevitch, a. O. 69 § 459—461.
18
H. W. Bailey in: BSOS. 13 (1949), 135f.; vgl. Transactions Philol. Soc.
1945.14 30-
E. F. Weidner in: Archiv f. Orientforschung 7, i f.; G. G. Cameron, Histoire de
l'Iran antique (franz s. bers. 1937), *59ί·; τ&3· I 96f.; 209!; 219; 227!; F.K nig,
lteste Geschichte der Meder und Perser (Alter Orient 33, 3—4).
16
F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache 65 f.
18
W. W. Tarn, a. O. 208; F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2, 208; dazu die
Karte bei R. Ghirsman in: Artibus Asiae 13 (1950), 201 fig. 24.
3. DIE ALANEN 67

weiter, wieder andere nach Arachosien, Gedrosien oder an die indische Nord-
westgrenze.
Genug: dieΠασιανοί kamen nicht, gleich denTocharern und Sakaurakern,
aus dem Osten, sondern waren ein Stamm, derauf dem Nordufer des laxartes
wohnte oder nomadisierte. Das zeigen die angef hrten Beobachtungen, und
das Fehlen des Namens in den chinesischen Quellen best tigt es. G nzlich
anderer Herkunft sind die "Ασιοι, vermutete Vorfahren der alanischen s.
Zun chst stellen sich die "Ασιοι auf dem Nordufer des laxartes zu jenen
Alanen im Norden und Nordosten der Sogdiane, die im vorigen Kapitel
besprochen wurden. StrabonsErw hnung der "Ασιοι, die am weitesten nach
Osten f hrt, ist zugleich die fr heste (129 oder 129/8). Er hat dar ber
hinaus keine Kenntnis von dem Volk, wie er auch nichts von den Alanen
wei . Diese begegneten vielmehr n rdlich des Kaukasus erstmals unter
Tiberius; die s dann auch, aber erst bei Ptolemaeus als Άσαΐοι bezeugt17.
Der Schlu daraus ist l ngst gezogen18. Die s und die Alanen mit
ihnen sind aus dem Gebiet stlich des Aralsees und jenseits der Sogdi«tne
im Laufe des i. vorchristlichen Jahrhunderts nach Westen abgewandert^
wo dann der Don im Westen, der Kaukasus im S den ihre Grenze
bildeten.
Vielleicht l t sich der Wanderweg der "Ασιοι nach Westen noch in
einem seiner Haltepunkte zur ckgewinnen. Es hatte sich gezeigt, da Stra-
bons Πασιανοί nichts anderes als Τίαρσιανοί waren und da der Ausfall
von r vor s nicht nur dem West-Ossetischen, sondern auch dem Soghdischen
eignete. Dementsprechend k nnten die "Ασιοι βΐη8^β*"Αρσιοι gewesen
sein, und dazu stimmt, da man diesen Namen mehrfach bezeugt
findet19.
Plinius20 gibt eine Aufz hlung der St mme des nord stlichen Iran.
Unter ihnen begegnen die Arsin nord stlich von Tapuria und der Apa-
vortene, nordwestlich der Margiane und s dlich des Streifens, den die

17
Geogr. 5, 8, 16; dazu M. Vasmer, Die Iranier in S dru land (1923), 25.
18
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 4 2 4^·
19
Das Folgende erstmals bei F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 52. Verbindung
mit tochar. rhi bleibt fraglich, solange dessen Bedeutung noch ungekl rt ist; vgl.
H. W. Bailey in: Transactions Philolog. Soc. 1947, 142f. Bailey hat als Erster die
Arsi mit den Assi, ss verkn pft; ebenda ia6f.; BSOS. 1949, I35f. Dagegen noch
F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache i Anm. 2.
*° N. h. 6, 46 f.
21
N. h. 6, 48.
68 ANF NGE DER HUNNEN

Sogdiam einnehmen. Also n rdlich des chor s nischen Randgebirges,


etwa in der Steppe derTekke-Turkmenen nach dem Karakum zu22. Plinius'
Arsi stehen nicht allein. Ptolemaeus23 nennt in Hyrkanien die Landschaft
Άρσϊτις. Hyrkanien umfa t bei ihm den gesamten Raum zwischen dem
Kaspischen Meer und der Oxosm ndung. Das pa t zu dem Ansatz, den
Plinius gibt, wie denn die beiderseitigen V lkerlisten sich auch sonst ver-
gleichen lassen. Die'Apamg liegt am Koronos, dem Gebirge am S dostrand
des Kaspischen Meeres, das mit seinem Westteil nach Medien hinein-
reicht24.
Άρσΐτι$ setzt, wie andere Landschaftsnamen auf -ϊτι$25, einen i-
Stamm voraus. In Plinius' Arsi verbirgt sich also eine -i- oder -zo-Bildung,
die *"Αρσιοι gelautet haben mu . Hier l ge demnach die urspr ngliche
Form vor, die dann, schon mit Verlust des r, bei Strabon als "Ασιοι be-
gegnet. Zugleich ergibt sich die iranische Etymologie des Namens. Bedenkt
man, da osset. s auch sonst einem avest. s entspricht26, so kommt man auf
avest. arfya-EN., srssya- „recht handelnd, gerecht"27. Wie osset. ars „B r"
einem avest. arsSa- gegen bersteht28, so "Ασιοι, *"Αρσιοι, *arsya- den
genannten avestischen Formen. Hingegen w re daneben bezeugtes Arsi mit
avest. ar§- „wahr, richtig"29 zusammenzubringen.

Wenn die vorgetragene Deutung zutrifft, w ren die ss, nachdem sie
sich in der Sogdiane und in Baktrien festgesetzt hatten (129 oder 129/8 v.
Chr.), n rdlich der iranischen Randgebirge zum Kaspischen Meer, weiter
zum Maiotischen Sumpf (Asowschen Meer) und zum Don gewandert.
L ngst hat man beobachtet, da die „graue Keramik", die Versuchsgra-

22
J. Marquart (Philol., Suppl. 10, 85) schlug vor, A(o)rsi zu lesen. Aber diese
wohnen nicht dort, und berdies sind sie durch die schlagende Verbesserung C. M llers
und W. Tomascheks (Zeitschr. sterreich. Gymnas. 1867, 704; J. Marquart, a. O. 85)
schon 6, 39 hergestellt worden.
23
Geogr. 6, 9, 5.
24
Geogr. 6, 2, 4; 5, i.
25
W. W. Tarn, a. O. 23.
26
W. Miller, a. O. 32 § 33, 10.
27
Chr. Bartholomae, Altiranisches W rterbuch 206; 356.
28
W. Miller, a. O. 32 § 33, 10.
29
Chr. Bartholomae, a. O. 355 unter fr»s-.
3. DIE ALANEN 69

bungen in Balch ergeben haben1, derjenigen entspricht, die am Nordufer


des Schwarzen Meeres gefunden wurde2. Verwandte Nomadenstämme, so
vermutete man, müßten sie bei Vorstößen über den Oxos und den Don nach
Baktrien und Südrußland gebracht haben3. Man dachte an die Yüe-chi und
Sarmaten4. Der Ansatz ins letzte Drittel des 2.,6 dann ins i. Jahrhundert
v. Chr. und ins i. n. Chr. legt den Gedanken an die Äss nahe.
Herkunft aus dem nordöstlichen Randgebiet Irans erklärt dann auch,
daß später die Alanen den Namen Suyd bis zur Krim gebracht haben*. Es
kommt hinzu, daß man vermutet hat7, die Toquz-ärsin der alttürkischen
Inschrift des Kül tägin, im Westen der chinesischen Provinz Kan-su
wohnend8, gehörten gleichfalls zu den Arsi, ** . Dann faßte man eine
zweite Wanderung, die weit im Osten angesetzt hätte 9. Sie hätte somit ihrer
Ausdehnung nach einen guten Teil der hunnischen Wanderung vorwegge-
nommen. Und in diesem Zusammenhang darf noch an eine weitere Berüh-
rung erinnert werden.
Gleich ihren hunnischen Nachfolgern, die sich; als sie erstmals in Nord-
ostiran eindrangen, als „westliche" ( ) oder „weiße" Hunnen,
bezeichneten, hatten auch die Alanen Vorläufer, die einen ähnlichen Namen
tragen.
Strabon10 zufolge saßen die " zwischen Maiotis, Kaukasus und
Kaspischem Meer, längs des Tanais (Don). Er unterschied Aorser und obere
Aorser ( " ). Letzte waren zahlreicher und beherrschten ein
größeres Gebiet, das sich am Kaspischen Gestade erstreckte. Auf Kamelen
führten die Aorser Waren aus Babylonien und Indien ein. Über Medien und
Armenien kommend, brachte dieser Handel dem Volke reichen Gewinn.

1
J.-C. Gardin, Ceramiques de Bactres (1957), 48 f·
2
J.-C. Gardin, a. O. 52.
3
J.-C. Cardin, a. O. 53; 91; 114.
* J.-C. Gardin, a. O. 53.
5
Immerhin sollte bekannt sein, daß der Vorstoß der Nomaden über den laxartes
129/8 v. Chr. erfolgt ist: F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2 (1948), .
9
K. H. Menges, The Oriental Elements 47!; S. Szyszman in: Revue de l'hist. des
religions 152 (1957), %4·
7
H.-W. Haussig, a. . 415*·
8
S. 3: A. v. Gabain, a. O. 248. Über die toquz ärsin H.-W. Haussig, a. O. 415
Anm. 536; H.W. Bailey in: Journ. R. Asiat. Soc. 1939, 89 Anm. i; S.E. Malow,
Pamjatniki drewnetjurkskoj pisimennosti (1951), 365 s. u. ärsän.
9
Angeblich saßen auch A-lan am oberen Huang-ho: Wei-shu . 7a.. Doch vgl.
G. Haloun, a. O. 275 Anm. 3.
10
p. 492; 506.
70 ANF NGE DER HUNNEN

Genannt werden die Aorser erstmals, als ihr K nig Spadines seinem Nach-
barn Pharnakes II. von Bosporos, dem Sohn Mithridates' VI. Eupator von
Pontos, 20000 Reiter zu Hilfe sandte, also in den f nfziger oder fr hen vier-
ziger Jahren des i. vorchristlichen Jahrhunderts11.
Die Aorser waren also Vorg nger der Alanen12. Die Verbindung mit
avest. aurufa-, west-osset. ors, ost-osset. urs „wei "18 ist, trotz j ngst ge-
u erter Zweifel14, naheliegend. Sie wird best tigt durch die bisher nicht
erkannte syrische Namensform abr se — *aur Se (oben S. 6of). Die Aorser
w ren danach „Wei e" = „Westliche" gewesen, vergleichbar den „wei en"
Hunnen oder Kidariten, was geradezu die,, Westlichen" bedeutet (obenS.saf).
Abzuweisen ist demgegen ber der Versuch, "Αορσοι und Arsi gleichzu-
setzen16. Um den lautlichen bergang von ao zu a zu beweisen, hat man
sich auf das Nacheinander von Σαυρομάται und Σαρμάται berufen.
Dabei hat man bersehen, da neben Σανρομάται avestisches sairima-
steht, also u- und «-Epenthese vorliegt1*. Der Name l t sich dann mit dem
der Aorser, wo jener Auffassung zufolge nichts auf eine Epenthese verwiese,
kaum vergleichen.
Bisher bersehen ist, da "Αορσοι, Aorsi zwar von Strabon und Ptole-
maeus geboten wird17, ein weiterer Zeuge indessen eine abweichende Form
bewahrt hat. Tacitus gibt ann. 12, 15, 2 adorsorum; 16, i adorsi; 19, i
advorsorum und von gleicher Hand am Rand: adossorum16. Advorsorum ist
Verwechslung mit dem lateinischen Wort und vom Schreiber selbst am
Rand berichtigt, aber die Formen Adorsi und Adossi m ssen angesichts der
einheitlichen Bezeugung bei Tacitus ernstgenommen werden. Es w re vor-
11
Die Nachricht mag wie andere hnlicher Art bei Strabon auf Hypsikrates
zur ckgehen: Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Sp tantike (1957), 67 Anm. 7?a.
12
Sprachliche Gleichsetzung von * ry n mit "Αορσοι (Η. Jacobsohn, Arier und
Ugrofinnen 234; anders H. Lommel 257) berzeugt nicht.
13
M. Vasmer, a. O. 32. Mittelpers. ar s hat als Umschrift des avestischen Wortes
auszuscheiden (O. Hansen).
14
L. Zgusta, a. O. 263 f.
15
I. Gershevitch, a. O. 486 Anm. 2.
18
H. H. Schaeder in: Abhandl. Gott. Gesellsch. Wiss. 3. F. 10, 5of.; F. Altheim,
Weltgeschichte Asiens 2, 177f.; H. W. Bailey in: Transact. Philol. Soc. 1945, 26.
17
Geogr. 3, 5, 22; 6, 14, 10. ber die dortige Ansetzung der Aorser und deren Er-
w hnungen bei Plinius, n. h. 6, 38—39: Tomaschek, RE. i, 2660.
18
Im einzelnen vgl. den Nachtrag H. Fuchs1 zu diesem Abschnitt. L. Zgusta,
a. O. 264, erw hnt Eunones Avorsorum princeps, unter Berufung auf Tac., ann. 13, 15.
Weder an der Stelle noch berhaupt in den Annalen ist diese Form des Stammesnamens
belegt.
3. DIE ALANEN 71

schnell, sie nach den anderen Autoren, wie dies geschieht, zu korrigieren:
um so mehr, als bezweifelt werden mu , ob berhaupt Aorser gemeint
sind. Vielmehr l t jenes Nebeneinander von Ad-orsi und Ad-ossi ver-
muten, da im zweiten Bestandteil der Name der *0ssi steckt (aus *0rsi,
vgl. Assi aus Arsi). Es bliebe allerdings dieser Name sowie der erste Be-
standteil ad- zu erkl ren.
Als Parallele seien herangezogen die bei Ptolemaeus genannten Άλα-
νορσοί19. Im zweiten Teil des Namens begegnet -ορσοί, das -orsi in adorsi,
ossi in adossi entspricht. Als erster Bestandteil begegnet der Name der
Alanen. Man h tte also eine Stammesbezeichnung, die sich zu Κελτίβηρες,
Κελτολίγνες20 und dergleichen stellt. Wie diese eine Zusammensetzung aus
zwei V lkern bezeichnen, so auch die Άλανορσοί eine solche aus Alanen und
den * Ορσοί, *0rsi oder *0ssi.
bertr gt man das Ergebnis auf adorsi, adossi, so m te neben den
*0rsi, *0ssi auch da ein zweiter Stamm im einleitenden ad- enthalten sein.
Aber welcher w re es ? Eine Beobachtung, die M. Vasmer so freundlich war,
brieflich mitzuteilen (i. 2. 58), gestattet, einen Schritt weiter zu tun. „Die
Anten", so hei t es in der Mitteilung, „interessieren mich schon seit langer
Zeit. Der Name ist ganz bestimmt nicht slawisch, ebenso auch der Name des
K nigs ΒοζΆ. Ich m chte im Stammesnamen der Anten eine iranische Ent-
sprechung zu altind. antya- ,am Rande befindlich, am Ende befindlich'
sehen, von altind. anta- ,Ende'. Der Name bedeutete dann dasselbe wie
Markomannen im Deutschen und Ukrainer im Slavischen. Diese Ansicht
wollte ich von jeher ausf hrlich begr nden, und ich habe in der Tat vor
etwa 20 Jahren einen Aufsatz dar ber f r eine dem ukrainischen Sprach-
forscher Z ynSkyj zugedachte Festschrift geschrieben, die aber wegen des
Krieges nicht zustandegekommen ist. ber den Verbleib des Manuskriptes
habe ich nichts mehr erfahren k nnen".
F r Vasmers Ansicht spricht zun chst eine Stelle, die bei der bisherigen
Er rterung nicht herangezogen wurde. Michael der Syrer berichtet unter
Maurikios (582—602) von dem Einfall der westlich der Donau sitzenden
Slawenen ins R merreich. Dort begegnet man der Gefahr, indem man dem
Feind die Anten (ntyw) auf den Hals schickt, die denn auch Slawenien

" Geogr. 6, 14, 9.


80
E. Norden, Die german. Urgeschichte in Tacitus' Germania (1920), 466 £.
81
Jordan., Get. 247.
72 ANFÄNGE DER HUNNEN

verwüsten22. Die Gegnerschaft beider Völker spricht eher dagegen als dafür,
daß die Anten Slawen waren. Das bestätigt sich an den weiteren Zeugnissen,
die zur Verfügung stehen.
lordanes hat vom Stammesnamen der Anten eine doppelte Überliefe-
rung: Antes23 und Antizi. Vor allem die zweite Variante spricht, zusammen
mit syrischem 'ntyw, für Vasmers Etymologie *antya- (freilich müßte bei
einem Namen, der frühestens für das 4. Jahrhundert belegt ist, keine alt-
iranische, vielmehr eine mitteliranische Parallele genannt werden). Vasmer
bemerkt an einer späteren Stelle seiner Mitteilung: „wenn die Anten mit den
Iraniern verwandt sind, dann müßte man sie in der Don-Gegend ansetzen.
Westlich davon ist nach meiner bisherigen Kenntnis für sie kein Platz".
Damit ist man auf die Osseten und ihre alanischen Vorfahren verwiesen.
Gegen Ausgang des 6. Jahrhunderts saßen freilich die Anten oder Teile
von ihnen an der mittleren Donau. Aber wie die Alanen weit umherge-
schweift sind, so konnten dies auch die Anten tun, wenn anders sie mit jenen
verwandt waren. Sprachlich führt der Name jedenfalls in unmittelbare Nach-
barschaft des Ossetischen.
Dort entsprechen Antes, Anti, 'ntyw Bildungen wie ändä „außerhalb",
ändägkag „äußerlich", ändämä „nach außen". Auch der Königsname findet
dort seine Entsprechung. Die Überlieferung des lordanes enthält folgende
Varianten: boz, booz und box. Bei letztem liegt Verbindung mit ,
26
büx^ als Abkürzung von altpers. baga-buxSa- nahe. Da indessen nur OB,
also eine der drei Handschriftenklassen2', die Lesart gibt, hat man boz
(booz) vorzuziehen. Osset. büz „Dank" bietet sich zum Vergleich an. Auch
wäre zu fragen, ob einleitendes bwz myhr der Inschrift des Silbertellers von
Bori in Gruzinien, das sich bisher als Eigenname nicht verstehen ließ27,
mit Hilfe eines alanischen bwz, boz in die Reihe der Namen einzugliedern sei,
die Nominalkomposita mit -nti'&ra-, mihr im zweiten Glied sind28.

22
380, i. Spalte Zeile i2f. syr.; i, 362 1. der französ. Übers. Chabot's. Über den
gesamten Abschnitt ist im vierten Kapitel gehandelt.
23
Get. 34; 35; 119.
24
Get. 247; dazu 35 antei Gb, 119 antei O.
26
F. Justi, Iranisches Namenbuch (1895), 72.
28
Th. Mommsen im Prooemimim seiner lordanes-Ausgabe LXXII.
27
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 88f.; W. B. Henning in: Handb. d.
Oriental. 4 (1958), 38 Anm. 4. Daß bwzmyhr nicht „Kürzung" für Burzmihr ist, bedarf
keines Nachweises.
28
F. Justi, a. O. 503.
3. DIE ALANEN 73

Neben zuvor genannten Formen nd , nd gkag, nd m , die s mtlich


dem West-Ossetischen entstammen, stehen ost-osset. dt „au erhalb",
dt m „au er, au en", dtiy „drau en", mit -dt- aus -nd-29. Dieser Wandel
tritt in einer Reihe von F llen bereits in vor-ossetischer Zeit auf 30 . Nimmt
man neben Antes, Anti (und Antei) eine zweite Form an, die dieselbe Ver-
schleifung von -nt-, -nd- zu -dt- aufweist, so h tte man die Erkl rung f r
den ersten Bestandteil in ad-orsi, ad-ossi. Es handelte sich um *Ant-orsi,
*Ant-ossi, also um „Anten (und) Orser", die dann zu Adorsi, Adossi ge-
worden w ren. Die Parallele zu Άλανορσοί w re damit vollkommen. Doch
bliebe noch zu fragen, was es mit den * Όρσοί *Orsi oder *0ssi als geschicht-
lichem Stamm oder Volk auf sich habe.
Wenn man den Wandel Arsi > ^iss und *Όρσοί, *0rsi> *0ssi f r das
Alt-Ossetische oder Alanische annimmt, so darf an Entsprechendes in den
n chstverwandten ost-iranischen Sprachen erinnert werden. Nicht nur im
West-Ossetischen ist der Ausfall von r vor s bezeugt, sondern auch im
Soghdischen31. Da die bei Strabon aus Apollodor von Artemita32 be-
zeugten ΓΤασιανοί einstige *Παρσιανοί gewesen seien, wurde zuvor gezeigt
(oben S. 66). Man fa t damit einen Vorgang, der innerhalb einer Gruppe
ostiranischer Sprachen erscheint. Zu * Όρσοί, *0rsi stellt sich west-osset.
ors, ost-osset. urs „wei " aus avest. auru&a-, zu *0ssi hingegen der Name
der Osseten (russ.-georg. ovs-et-i „land of the Ovs"). Damit w re dessen
Erkl rung gefunden. Er geh rt nicht, wie man noch zuletzt angenommen
hat33, zu dem der ss, sondern zu dem der "Αορσοι, der eben auf eine dem
avestischen auruSa- entsprechende Form zur ckgeht. W hrend "Αορσοι
noch den durch Epenthese entstandenen Anlautsdiphthong zeigt, hat man
in *Όρσοι, *0rsi bereits die im West-Ossetischen vorliegende o-Stufe. Wie
Ptolemaeus Άλανορσοί zeigt, sind die Alanen mit ihren Vorg ngern, den
Όρσοί oder "Αορσοι, eine Verbindung eingegangen. So hat sich der Name
"Αορσοι, * Όρσοί, *0rsi, *0ssi bis heute in dem der Osseten gehalten.
Noch eine weitere Beobachtung dr ngt sich auf. Die Hephthaliten
trugen eine gr ere Anzahl von Volksnamen nebeneinander. Die herr-
schende t rkische Schicht bezeichnete sich als ΗΑΠΑΤΑΛΑ, *yapttt, Έφθαλϊ-
29
W. Miller, a. O. 33 § 35, 2 Anm.
80
W. Miller, a. O. 37 § 43, s .
81
H.W. Bailey in: BSOS. 13 (1949), 135 f.; Transactions Philol. Soc. 1945, 30;
I. Gershevitch, a. O. 69 § 459—461.
82
p. 511.
38
H. W. Bailey, a. zuerst gen. O. 2.
74 ANF NGE DER HUNNEN

ται, als die „hommes forts". Daneben trugen sie die allgemeine Bezeichnung
als Ούννοι oder T rken (arab. air k), und endlich sonderten sie sich aus
der umfassenden Gruppe als „wei e" Hunnen (Ούννοι ot λευκοί) oder
„westliche" (Κιδαρΐτσι) aus. All dies wurde im zweiten Kapitel (S. 32f.)
dargelegt34. Jetzt kehrt dasselbe bei den Alanen wieder. Da sind die Arsi,
"Ασιοι oder Assi; arSya- „die recht Handelnden", den „hommes forts" ent-
sprechend. Daneben begegnet der Name Alanen, *ary na-, der seine Tr ger
der gro en Gruppe der Arier einreiht. Schlie lich hebt der Name der "Αορσοι,
*Όρσοί, *0rsi, *0ssi und, wenn richtig gedeutet, der Osseten diese als
die „wei en" (avest. auruSa-, west-osset. ors) oder „westlichen" wiederum
durch besondere Kennzeichnung heraus.
Das Nebeneinander beider Bezeichnungen oder richtiger: Namens-
gruppen kann nicht zuf llig sein. Ob nun die Hephthaliten oder Alanen vor-
angegangen oder ob beide zusammen die jeweils drei Stammesnamen ge-
schaffen haben, bleibe uner rtert. Ein Zusammenhang aber ist auf keinen
Fall zu leugnen. Wieder erkennt man, wie eng die gegenseitigen Beziehungen
gewesen sind.

NACHTRAG i:
Auf Bitte um genauere Angaben ber die taciteische berlieferung des
Aorsernamens gab Harald Fuchs unter dem 16. i. 1958 folgende briefliche
Auskunft:
„Die drei Stellen, an denen Tacitus die Aorsi erw hnt, habe ich im
Leidener Facsimile des codex Mediceus 68, 2 nachgepr ft (Codices Graeci
et Latini phototypice depicti vol. 7, 2 ed. H. Rostagno, Leiden 1905). Die
Handschrift bietet 15, 2 in v lliger Klarheit adorsorum, 16, i ebenso klar
adorsi, 19, i jedoch in einem etwas befremdlichen Schriftbilde aduorsorum,
dazu am Rande von sp terer Hand adossorum. — Im Text von 19, i ist das
erste r h her hinaufgezogen, als es der Gewohnheit des Schreibers ent-
spricht, und das folgende s (langes s) scheint —· nach der Photographic —
einen anderen, ebenfalls hasta-f rmigen Buchstaben zu berdecken. Auch
das folgende or zeigt nicht das Bild, das man erwartet: das o sieht jedenfalls
im Facsimile hnlich aus wie das bliche d des Schreibers, mit kreisf rmig
zur ckgebogener Oberl nge. In der zweiten Silbe des Wortes ist ber den

** Chionitae, die Bezeichnung des Volkes, will sagen: der unterworfenen sakischen
hyaona-, darf, da ohne sachliche Parallele bei den Alanen, beiseite bleiben.
3. DIE ALANEN 75

Buchstaben or je ein Punkt angebracht. — Glücklicherweise erlauben die


beiden Stellen 15, 2 und 16, i für die Namenform ein sicheres Urteil. Wenn
der Name in den neueren Ausgaben Aorsi geschrieben wird, so ist dabei eine
Feststellung von Justus Lipsius verwertet worden, der in seinem Kommen-
tar zu den Annalen kurz vermerkt hatte: Straboni, Plinio, Ptolemaeo hi
populi dicti Aorsi, inter Scythas (Ad annales Taciti liber commentarius sive
notae, Antwerpen 1581, S. 326 zu S. 204 der gleichzeitigen Gesamtausgabe
des Tacitus). Jedoch hat Lipsius in seinen Ausgaben den Text nicht geändert.
Der erste, der die Form Aorsi aufgenommen hat, dürfte Ryckius (Th. de
Rycke) gewesen sein (Taciti Opera, Leiden 1687). Auf ihn beruft sich
G. A. Ruperti in seiner Ausgabe Hannover 1834 zu 15, 2: Aorsorum a
Ryckio nobisque scriptum, — mit Hinweis auf die schon von Lipsius er-
wähnten Schriftsteller, von denen Strabon im Wortlaut angeführt wird.
Seitdem wird die Form Aorsi wohl allgemein anerkannt (kurz vor Ruperti
hatte G. H. Walther in seiner Tacitusausgabe Halle 1831 ff. Ryckius eben-
falls erwähnt, ihm aber nicht folgen mögen)."

NACHTRAG 2:

H.-W. Haussig war so freundlich, folgende Angaben über das Vor-


kommen der Anten zusammenzustellen:
„Die älteste Überlieferung ist bekanntlich bei lordanes, Rom. 388 u.
Get. 34, 35, 119, 247 vertreten. lordanes setzt die Wohnsitze der Anten
zwischen Dnjestr und Dnjepr an. Prokop, Bell. Goth. 7, 14 u. 40, schöpft
seine Nachrichten über die Anten aus einer Darstellung des Feldzuges des
Magister militum Thraciae Germanus, der 527 unternommen wurde. lusti-
nian bezeichnet sich daher auch in seinem Kaisertitel als Anticus (vgl. Epp.
Austr. MG. Epp. III). Zur Zeit dieses Feldzuges scheint offenbar ein Teil
der Anten bereits weiter nach Westen gewandert zu sein, denn Prokop
7, 14, 30, erwähnt die Wohnsitze der Anten und Slawenen auf dem linken
Ufer der Donau. Die erhaltenen Namen von Häuptlingen der Anten, wie
Dabragezas (Agathias 3, 21 p. 186 Niebuhr), Mezamiros, Idarisios, Kela-
gastes (Menander, Exe. de legat. 443, 10—28), unterscheiden sich nicht von
Häuptlingsnamen der Slawenen, z. B. Peiragastes bei Theophylaktos. Um
600 waren die Anten Verbündete von Byzanz (Theophylaktos 8, 5).
Ein Vergeltungsangriff der Awaren scheint die Selbständigkeit des Volkes
76 ANFÄNGE DER HUNNEN

beendet zu haben (Theophanes, Chron. 284, 19 de Boor). Ähnlich wie in den


Namen kommt auch in der Beschreibung des Äußeren kein Unterschied
zwischen Anten und Slavenen zum Ausdruck (Prokop. 7, 14, 27 und Mauri-
kios, Strat. in Arriani Tact., ed. Scheffer, Upsala 1664, p. 272 —290, einzige
Ausgabe) . Archäologisch hat man eine besondere antische Volksgruppe aus
dem vorhandenen Fundament herauszustellen gesucht: B. Rybakow, Re-
meslo drewnej Rusi, Akademija Nauk SSSR, Institut istorii materialbnoj
kulbtury Moskau-Leningrad 1948. Die Fundkarte setzt antische Funde am
unteren Dnjepr und an der Küste des Schwarzen Meeres bis zum Dnjstr an
(Karte IV) . Vom gleichen Verfasser stammt ein Aufsatz im Westnik drewnej
istorii 1/1941, 265 f. „Anty Slawjane i Wizantija w IV- VII v. "Auf die um-
strittene Erwähnung der Anten bei Paulus Diaconus (Hist. Lang. u. Origo)
bin ich nicht eingegangen, da ich ausführlicher werden müßte".
M. Vasmer beabsichtigt, in absehbarer Zeit (nach mündlicher Mitteilung
vom 5. 5. 1958) eine Untersuchung über das Volkstum der Anten vorzu-
legen. Ohne deren Ergebnisse vorwegnehmen zu wollen, sei daran er-
innert, daß der zuvor angeführte Name $ sich durchaus als ira-
nisch verstehen läßt. Der des Antenkönigs Booz oder Boz bei lordan., Get.
247 war zuvor als osset. büz „Dank" gedeutet und mit bwz myhr auf dem
Silberteller von Bori in Gruzinien zusammengebracht worden. Meza-mir
zeigt gleichfalls Mihr, mit ossetischem Ausfall des h1, im zweiten Glied. Das
erste könnte man mit dem Eigennamen $ aus Pantikapaion zu-
2
sammenstellen, das jüngst L. Zgusta auf avest. mae&ana- „Aufenthalts-
ort, Wohnung, Haus" zurückgeführt hat. Er erinnert an den sasanidischen
Namen Mitrmesaki „von Mithra (beschützte) Wohnung habend (in dessen
Wohnung M. walten möge)". Doch der verschiedene Vokalismus der ersten
Silbe in $ einerseits, < , mae&ana- unc| (Mitr)mesaki
andererseits spricht schwerlich dafür. Näher dürfte avest. mi&da- „Lohn",
Pehlevi-Übersetzung mizd3, liegen.
Im Gebiet der Anten (lordan., Get. 247 f.), darin der letzte Ostgoten-
könig Withimer (Vinitharius) den längst aussichtslos gewordenen Wider-
stand gegen die Hunnen fortsetzte, liegt der Fluß Erac, der Ort der letzten
Schlacht. Erac (lordan., Get. 249: so OB, ^ , erae HPVL, aereA) hat
1
Die Personennamen griechischer Städte der nördlichen Schwarzmeerküste n8f.
§ M9-
2
W. Miller, a. O. 38 § 44k; Mesakes, Mesaki bei F. Justi, a. O. 203!
3
Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch r 187 f.
3. DIE ALANEN 77

schon Mommsen mit " (Konstant.


Porphyrogenn., De administr. 45, 130 Moravcsik) gleichgesetzt. Er trägt
einen ossetischen, also iranischen Namen. Denn ärra-don „wütender Fluß"
(W. Miller, Die Sprache der Osseten 2) entspricht genau einem älteren "
.

Die spätsarmatischen Gräber an der unteren Wolga weisen seit dem


3. Jahrhundert n. Chr., im Gegensatz zu den frühkaiserzeitlichen, bis zu
70 oder 80% künstlich umgeformte Schädel auf. Nach bisheriger Ansicht1
kommt nur äußere Einwirkung für die Einführung der Sitte in Frage, und
da diese nicht vom Westen ausgegangen sei, müsse ihr Ursprung weiter
östlich vermutet werden2. So hat man den Ausgangspunkt im westlichen
Tien-shan (Tal des Talas) gesucht, am Issyk-kul, im zentralen Tien-shan
(Tal des Naryn) und im Pamir (Alai-Tal). Im Talas-Tal erscheinen 5 künst-
lich verbildete Schädel, aber nur einer läßt sich, und zwar ins 5. Jahrhundert,
datieren. In Kenkol und Nachbarschaft ist die Zahl der umgeformten
Schädel größer; sie gehören anthropologisch Mongolen, Europiden oder
Mischlingen beider. Datierungsversuche führten in nachchristliche Zeit3.
Man sprach von Hunnen, und auf deien Einwirkung sei auch das Auftreten
der Schädelverformung in den spätsarmatischen und alanischen Gräbern
an der Wolga zurückzuführen. Man fasse damit den dortigen Einbruch der
Hunnen 4 .
Zweifellos sind die chronologischen Feststellungen dieser Ansicht nicht
günstig. Hunnen mochten nach der Mitte des 4. Jahrhunderts an der Wolga
erscheinen, als sie die Alanen unterwarfen; die Schädel verbildung indessen
beginnt dort bereits 200 n. Chr.5. Der ins 5. Jahrhundert datierte Schädel
vom Talas hilft also nicht weiter. Es bleibt die Kenkolgruppe. Hier hat man
1
J. Werner, Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches. Bayer. Akad. d. Wissen-
schaften., Philosoph, hist. Klasse, N. F. 38 A (1956), 5—24.
8
J. Werner, a. O. 7.
3
Jetzt sind die deformierten Schädel von Kunja-uaz und Kanka-kala (so in der
Veröffentlichung geschrieben), Chwärezm, aus dem 4. Jahrhundert hinzugekommen.
T. A. Trofimowa in: East and West 3/8 (1957), 298f. denkt an die Chioniten.
* Schädelverformung bei den Proto-Bulgaren: P. Boew in Acta archaeol. Hung,
(1957), 155 f. Über Schädelverformung bei den Königen der Hephthaliten wird im
zweiten Band gesprochen werden.
5
J. Werner, a. O. 7; 18.
78 ANFÄNGE DER HUNNEN

zwei Bevölkerungsschichten zu scheiden: einerseits die Herren mit mongo-


lischen und mongoloiden Merkmalen, andererseits die mit diesen zusammen
bestatteten Diener, die rassisch keine Mongolen waren. Beide Schichten
zeigen die Schädelverbildung. Aber da weiter im Osten bei Stämmen mon-
golischer Rasse keinerlei Verbildung begegnet, so können im Kenkol-
gebiet die überschichteten Herren die Sitte nur von der älteren Bevölkerung
übernommen haben, die sie in den dienenden Stand herabdrückten. Wer
immer diese gewesen sein mag, auf keinen Fall hat sie die Schädelverbildung
von den aus dem Osten vorstoßenden Mongoloiden erhalten. Vielmehr ist
daran zu erinnern, daß die Sigynnen östlich des Kaspischen Meeres den
gleichen Brauch gekannt haben*.
Man erkennt demnach eine bei den nordiranischen Nomaden verbreitete
Sitte, die in nachchristlicher Zeit in Kenkol, schon vorher östlich des Kas-
pischen Meeres und ab 200 bei den Alanen an der unteren Wolga auftritt.
Der Hunnensturm von 375 zeigt sich lediglich darin, daß die letzte Gruppe
nach dem Kaukasus ausweicht und die Schädelverbildung dorthin bringt7.
Diese Verschiebung läßt sich allein aus alanischen Gegebenheiten erklären,
und die Fälle von Schädelverbildung bei den Krimgoten dürften sich auf
gleiche Weise erklären8.
In Mitteleuropa hat sich seit der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts die
Schädelverbildung weithin verbreitet. Zeitlich fällt der Vorgang mit der
Aufrichtung der hunnischen Herrschaft zusammen. Die Beispiele erstrek-
ken sich über Ungarn, Slawonien, Niederösterreich und Südmähren. Dar-
unter befinden sich langobardische und gepidische Gräber, und eine weitere
Zahl von Schädelverbildungen im thüringischen Siedlungsgebiet schließt
sich an.
Wieder erhebt sich die Frage, ob es Hunnen waren, die ihre Sitte der
Schädelverbildung mitgebracht und sie ihren germanischen Untertanen ver-
mittelt haben. Drei Bestattungen auf ungarischem Boden weisen mongo-
lische Rassenmerkmale oder mongolischen Einschlag verbunden mit Schä-

6
Strabon p. 520.
7
J. Werner, a. O. 13.
8
J. Werner legt sich auch hier auf hunnische Herkunft fest. Die Vorkommen von
Schädel auf den Grabfeldern von Panticapaeum-Kerö, Phanagoria und Chersonnesos
auf der Krim . . . sind, soweit sie sich datieren lassen, nicht älter als das späte 4. Jh.,
d. h. als die Zeit, da diese Städte unter hunnische Herrschaft gerieten" (S. 13). Er-
staunliche Feststellung, daß diese Städte unter hunnischer Herrschaft standen, und
man fragt, woher der Vf. sein Wissen haben möge!
3. DIE ALANEN 79

delverbildungen auf. Daneben aber gibt es zahlreiche Schädelfunde mit


mongolischen Rassenmerkmalen, die keine Spur von Verbildungen zeigen ·.
Die Thüringer nennt Sidonius Apollinaris10 unter Attilas Scharen. Auch
von den Gepiden weiß man, daß sie Attila unterworfen waren, aber kein
Zeugnis kündet dergleichen von den Langobarden. Auf der anderen Seite
ist Schädelverbildung bei den Ostgoten nicht belegt. So stellt sich kein
eindeutiges Ergebnis ein. Es sieht so aus, als hätten einige der ungarländischen
Hunnen die Schädelverbildung übernommen und andere nicht. Ebenso
wurde von den germanischen Untertanen die Sitte nur zum Teil befolgt,
sie umgekehrt aber von solchen aufgegriffen, die keine Untertanen waren.
Von keiner Bedeutung dafür, ob man Hunnen oder Alanen die Schädel-
verbildung zuzuweisen habe, sind die Funde in den spätrömischen Kastellen
des Donauraumes; sie bleiben auch bei den später zu besprechenden Fund-
gruppen unberücksichtigt. Eine Gruppe wurde bis zuletzt aufgespart: die
Burgunden. Man kennt 9 Schädelverbildungen aus 8 Fundorten im burgun-
dischen Siedlungsgebiet an Genfer See und Rhone. Sie entstammen Reihen-
gräberfeldern ohne datierende Beigaben; nur die Ansiedlung der Burgunden
in der Sapaudia 443 gibt den terminus post quern11.

9
J. Werner, a. O. 14.
10
Carm. 7, 233.
11
J. Werner ist entschlossen, aus seiner Hunnenthese auch hier alle Folgerungen
zu ziehen. Da von hunnischer Untertänigkeit in der Sapaudia keine Rede sein kann,
nimmt er an: i. daß jene Schädel bereits vor 443 im Säuglingsalter verbildet wurden ;
2. daß die Burgunder vor 430 in ihren mittelrheinischen Sitzen den Hunnen Untertan
waren. Er faßt demnach ihren Sieg über Octar, Attilas Onkel, 430 als erfolgreiche Revolte
und die Niederlage durch die Hunnen von 437 als Straf expedition (S. 17).
Werner spricht mit Recht von einer „Überraschung". Es ist ihm gegenwärtig, daß
die burgundischen Gräber mit Schädelverbildung nicht genauer datiert sind, also seine
erste Annahme unbeweisbar bleibt. Dagegen läßt sich die zweite nachprüfen. Octars
Untergang findet sich nur bei Sokrates, hist. eccl. 7, 30, i—6. Er spricht von einem
rechts des Rheins gebliebenen Teil der Burgunden (ihre Masse war 406 über den Rhein
gegangen). Der Splitter zählte nur 3000 Bewaffnete; er wurde durch ständige Einfalle
der Hunnen heimgesucht. Aber trotz der geringen Zahl gelang es, 10000 Hunnen unter
Führung ihres Königs Uptar (so, nicht Octar, nennt ihn Sokrates) zu schlagen. Soviel
ist deutlich, daß diese rechtsrheinischen Burgunden nicht von den Hunnen unterworfen
waren, sondern sich gegen sie, teilweise mit Erfolg, wehrten; daß sie weiterhin mit den
linksrheinischen Burgunden, die 437 schwer getroffen und 443 in der Sapaudia ange-
siedelt wurden, nichts zu tun hatten.
Sidonius Apollinaris, carm. 7, 322 kennt Burgunden auf Seiten Attilas. A. E.
Thompson (a. 0.136) vermutet, die Hunnen hätten nachträglich den rechtsrheinischen
Stammessplitter doch noch unterworfen. Wenn man dies annimmt, würden sich diese
Burgunder von den in der Sapaudia ansässigen, die 451 nicht auf Attilas, sondern auf
80 ANFÄNGE DER HUNNEN

Dort bestand keine Berührung mit Hunnen oder Alanen. Wohl aber
begegnen 411 auf dem linken Rheinufer, in der Erovinz Germania II Gun-
tiarios' Burgunden zusammen mit Alanen unter ihrem König Goar12. Und
bei Aetius'Sieg von 435 sind Sauromaten und Gelonen, will sagen die Alanen,
als Nachbarn gegen die Burgunden aufgeboten13. Schwerlich ist Zufall, daß
dann alanische Sitte sich auf die germanischen Nachbarn ausgewirkt hat.
Da Hunnen überhaupt nicht in Frage kommen, kann die Schädelverbildung
bei den Burgunden in der Sapaudia nach unserem gegenwärtigen Wissen
allein auf ihre zeitweiligen Nachbarn, eben die Alanen, zurückgehen.
Sidonius Apollinaris14 gibt noch eine letzte Bestätigung.
consurgit in arctum
massa rotunda caput; geminis sub fronte cavernis
visus adest oculis absentibus . . .
Die Beschreibung wird meist auf Hunnen bezogen und als künstliche Schä-
delverbildung verstanden16. Aber von solcher ist in den angeführten Versen
nichts gesagt. Gemeint ist das spitz zulaufende Oberteil des unten runden
Schädels. In der Tat zeigt sich, daß Formung der Schädel erst später er-

römischer Seite kämpften, erneut scheiden. Wieder läßt sich nichts zugunsten der
Ansicht, die der Vf. vertritt, anführen.
Noch bleibt ein Letztes. A. E. Thompson setzt, ohne Angaben von Gründen, den
rechtsrheinischen Splitter der Burgunden zwischen Main und Neckar, im Odenwald an.
Demzufolge spricht Werner an späterer Stelle von dem Burgunderreich um Worms und
den Kämpfen am Mittelrhein, die 430 unter Octar zu einer hunnischen Niederlage, 437
zur Vernichtung des burgundischen Königreiches geführt hätten (S. 94). Ihm fallen
also rechtsrheinische und linksrheinische Burgunden zusammen. Anlaß dazu bildet, wie
man sieht, die Ansetzung der Katastrophe von 437 bei Worms.
Hier ist dem Vf. eine zeitweilig mit Leidenschaft geführte Erörterung entgangen
(zuletzt F. Altheim, Literatur und Gesellschaf 11, 3i6f.). Ein Burgundenreich um Worms
begegnet erstmalig im mittelhochdeutschen Nibelungenlied; für das Waltharilied
handelt es sich bei Günther um einen Franken. An gleichzeitigen Quellen stehen Olym-
piodor fr. i, 17 (FHG. 4, 61) und Sidonius Apollinaris carm. 7, 230! zur Verfügung.
Der erste kennt 411 den Burgundenkönig Guntiarios $
?, und auch Sidonius' Verse führen für das Jahr 435 an den Niederrhein,
also gleichfalls in die Germania secunda (F. Altheim, a. O. i, 319). Irgendein gleich-
zeitiges Zeugnis für Günthers Herrschaft in Worms gibt es nicht. Es bleibt also bei der
Trennung der linksrheinischen Burgunden Günthers von dem auf dem Ostufer verblie-
benen Splitter.
12
Olympiodor fr. i, 17; FGH. 4, 61.
13
Sidon. Apollin., carm. 7, 230!
14
Carm. 2, 246!
15
A. E. Thompson, a. O. 51; i54f.; J. Werner, a. O. 16.
3. DIE ALANEN 81

w hnt16 und da von ihr nach Sidonius' Ansicht in erster Linie die Nase
erfa t wird17.
Hinzu kommt, da an keiner Stelle von Hunnen die Rede ist. Es handelt
sich um den Einbruch eines sonst nicht bekannten Hormidac (241), der sich
in Serdica festgesetzt hatte (274). Der Herausgeber P. Mohr bemerkt im
Index nominum S. 372 s. v. Hormidac: „Scytha, id est Chunus", wozu man
v. 239 vergleiche). Dabei ist bersehen, da 296 es hei t: Sarmaticae pad
pretium sua funera (gemeint ist ein berl ufer) poscis. Schl gt man die
Stellen nach, an denen Sidonius von Sarmaten spricht, so zeigt sich, da
damit stets der Sarmate (oder Alane), nie der Hunne bezeichnet ist. Sar-
mata 5, 477 ist in der Aufz hlung vom Chunus 475 (und Haianus) geschieden ;
ebenso 7, 236 f. von Chunus, wozu sich 83 stellt; ebenso steht auch 23, 243
Chunus neben den folgenden Sauromates. Es handelt sich also um eine Be-
schreibung von Sarmaten, nicht von Hunnen. Die Best tigung erbringt der
Name Hormidac, bei dem keine M glichkeit der Ankn pfung an T rkisches,
an Altaisches berhaupt besteht. Vielmehr gemahnt er in seinem Ausgang
an die aus den Latyschew-Inschriften bezeugten Σόρχακος, Σιαύακος,
Ναυαγός, Ίνσάζαγος, Βώρακος, Γώσακος, so da am iranischen Cha-
rakter des Namens nicht gezweifelt werden kann. Deutung als *Hormizd-ay
dr ngt sich auf. Vertretung von -zd- durch d l t sich an Hand der Dialekte
kl ren, die dem der Alanen am n chsten stehen.
Im lteren Chw rezmisch lautete der erste Monatstag Hurmuz
rytnZd = remaZd18. Setzt man dieses -id- f rs Alanische voraus, so w re weiter
an den ossetischen Wandel19 jd > dt zu erinnern. *Hormizd-ay, *Hormi£d-ay
h tte sich zu *Hormidt y oder hnlich entwickelt.
Genug: Deutung des Fundbestandes und literarische berlieferung
stimmen berein. Die Hunnen haben danach weder die Sch del verbildung
den Alanen gebracht noch auch selbst f r ihre Verbreitung gesorgt. Nur
mittelbar haben sie gewirkt, indem der hunnische Vorsto von 374
Alanen nicht nur in den Kaukasus, sondern auch nach dem Westen trieb.
Dort hat im Laufe des 5. Jahrhunderts, innerhalb und au erhalb der Gren-
zen des Attilareiches, die alanische Sitte auch bei den germanischen St m-
men Nachahmung gefunden. F r die Hunnen insbesondere ergibt sich, da
16
Carm. 2,
17
Carm. 2, 2531.
18
H. H. Schaeder, Abh. Gott. Gesellsch. Wiss. 3. Folge 10 (1934). 3* Anm. 3.
19
W. Miller, Die Sprache der Osseten 37 § 43, 30, Zur Aussprache von ;': a. O. 4.
β Altheini, Hnnnen I
82 ANFÄNGE DER HUNNEN

sie von den nordiranischen Nomaden bei ihrer Westwanderung beeinflußt


wurden. Eben dies bestätigt sich an anderen Beobachtungen.
Besonderen Wert hat man auf die Feststellung gelegt20, daß die Ver-
breitung der auf östliche, mittelasiatische und chinesische Vorbilder zurück-
gehenden Metallspiegel mit der der Schädelverbildung übereinstimme. Doch
nachdem sich bei diesen gezeigt hat, daß ihre Träger weniger Hunnen als
vielmehr Alanen waren, muß gefragt werden, ob nicht die genannte Über-
einstimmung erweise, daß Alanen auch die östliche Spiegelform nach West-
europa gebracht haben21. Nun liegt es so, daß die älteste Gattung der
Spiegel, vom Typ Mosary, schon vor dem Auftreten der Hunnen begegnet22.
Doch wurde dieser Typ nicht nach Westen verbreitet, während alle fol-
genden Spiegeltypen (Cmi-Brigetio, Berjozovka-Carnuntum-Mödling, Kar-
povka-St. Sulpice, Balta-Krainburg) nach 400 bis hin nach Ungarn, Nieder-
österreich, Mähren sich feststellen lassen. Daraus schien sich zu ergeben, daß
die Hunnen mit der Aufrichtung ihrer Herrschaft in der ersten Hälfte des
5. Jahrhunderts die östlichen Spiegelformen dorthin gebracht haben23.
Die vier Spiegeltypen kommen in massierter Form im Kaukasus vor24.
Unverkennbar sind mit den vor den Hunnen weichenden Alanen auch die
Spiegel gewandert. Das schließt die Hunnen selbst aus, vielmehr tritt er-
neut die Bedeutung der Alanen hervor. Den zweiten großen Fundkomplex
bilden die Donauländer. Aber von den 28 Exemplaren aus 25 Fundstätten
des Typs Cmi-Brigetio laß i sich nur ein einziger einem Hunnen zuweisen.
Die Hauptmasse stammt aus ostgotischen Gräbern; nur einige späte Stücke,
die nach den Untergang des Attila-Reiches fallen, sind langobardisch und
gepidisch26. Das Ergebnis bestätigt sich an den Typen Berjozovka- Carnun-
tum-Mödling, Karpovka-St. Sulpice und Balta-Krainburg. Soweit nicht
im Kaukasus gefunden, sind die einem bestimmten Volkstum zuweisbaren
Stücke erneut gotisch26 oder fallen in die Zeit nach dem Untergang des
Hunnenreiches. Die Ostgoten waren in Südrußland unmittelbare Nachbarn
der Alanen. Wieder erweist sich deren maßgebende Bedeutung. Auftreten
20
J.Werner, a. O. 231.
21
Werner hat übersehen, daß der vorangegangene Bronzespiegel mit seitlichem
Ansatz in ausgebildeter Form im zweiten Kurgan von Pazyryk (Altai) begegnet:
S. I. Rudenko, D. zweite Kurgan von Pazyryk (Berlin 1951), 63f.
22
J. Werner, a. O. ig.
23
J.Werner, a. O. 23 f.
24
J. Werner, a. O. 19; 21; 22; 23.
25
J.Werner, a. O. 21.
26
J. Werner, a. O. 22.
3. DIE ALANEN 83

eines Spiegels östlicher Form im burgundischen St. Sulpice am Genfer See


bestätigt das Ergebnis27.
Eine weitere Fundgruppe vereinigt Perlen: sie bildeten Bekrö-
nungen quastenartiger Bommeln28, „die den Troddeln an modernen
Offiziersdegen ähnlich gewesen sein müssen"ae. Diese Schwertanhänger be-
gegnen erstmals im i. Jahrhundert v. Chr. bei den Sarmaten, und ihre Ver-
wendung gewinnt seit dem 5. Jahrhundert nach Westen Raum. Dabei sind
die Anhänger in hunnischen Gräbern keineswegs häufig30. Ebensowenig ist
die Verbreitung räumlich auf Attilas Zeit beschränkt oder fällt zeitlich
mit der Dauer seiner Herrschaft zusammen31. Was hervortritt, ist erneut die
Bedeutung der sarmatisch-alanischen Gruppe32.
Das Bild, das Geschichte und Verbreitung der künstlichen Schädelver-
bildung, der Metallspiegel und der Schwertanhänger bieten83, ist einheit-

27
Zu fragen bliebe, ob die von I. Wenedikoff (Bull, de l'Institut ArcheOlogique
Sofia 2i, 1957, J 82 fig. 36) behandelten und bis ins 4. Jahrhundert herabreichenden
Trensenscheiben nicht auf das Erscheinen der Alanen südlich der Donau (nach 375)
zurückgehen. Diese Scheiben erinnern an einen Typus, der in China seit der Chou-Zeit
begegnet.
18
J. Werner, a. O. 26f. Für magische Funktionen (a. O. 35) ist kein Beweis
erbracht.
** J.Werner, a. O. 34. G. Laszlo (Archaeol. Hungar. 34, 1955, 223 fig. 60; 225
fig. 61) ergänzt bei den a warischen Schwertern mit Ringknauf eine Schlaufe oder einen
Faustriemen, der auch bei den europäischen Reitersäbeln begegnet.
10 81
J. Werner, a. O. 30. J. Werner, a. O. 31.
M
Einer Richtigstellung bedarf die Auffassung Werners, wonach der gemeinsame
Gebrauch von Schwertanhängern bei Parthern und Sarmaten für eine „gemeiniranische"
Sitte zeuge (a. O. 28f.). Die nomadischen Parner, die erst mit der Festsetzung in der
Satrapie Parthien ihren späteren Namen erhielten, waren, ausdrücklicher Bezeugung
zufolge, aus Südrußland ausgewanderte „Skythen" (Strabon p. 515; lustin. 41, i, 10;
E. Benveniste in: BSOS. 7, 724). Entweder kamen sie mit den Sarmaten, die Plinius'
hellenistische Quelle vor der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. weiter westlich (n. h.
6, 48; dazu F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 57; 58) kennt, oder es handelt sich um
einen zweiten Schub aus gleicher Gegend (F. Altheim, a. O. 2, 16). Ausdrücklich bezeugt
unsere Autorität über parthische Frühgeschichte, Apollodoros von Artemita (F. Alt-
heim, a. O. i, if.), daß das Parthische zu seiner Zeit zwischen dem Skythischen und
Medischen, will sagen: zwischen dem nordiranischen Dialekt der südrussischen Skythen
und der späteren Reichssprache der Arsakiden stand (lustin. 41, 2, 3; F. Altheim, a. O.
i, 4 f.). Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die Parner, spätere Parther, die Sitte
der Schwertanhänger, die erstmals bei den Sarmaten bezeugt ist, aus ihrer Heimat nach
Iran gebracht haben.
33
Der beinversteifte Bogen (J. Werner, a. O. 4&f.) hat in diesem Zusammenhang
nichts zu suchen, da er schon im augusteischen Legionslager von Oberaden begegnet
(a. O. 47).
84 ANFÄNGE DER HUNNEN

lieh. Es scheint, als hätten die Alanen, lange vor den Hunnen, schon einmal
ein Bindeglied zwischen Ost und West, zumindest zwischen Mittelasien und
der südrussischen Ebene gebildet. Bei ihrer Ankunft zwischen Wolga und
Don sind die Hunnen in einen Raum vorgestoßen, der zu ihrer Aufnahme
weitgehend vorbereitet war. Hier haben sie sich angeeignet und von dort
weitergetragen, was zuvor die Alanen mitgebracht hatten.
4. K A P I T E L

AWAREN, BULGAREN, CHAZAREN

Was bisher über die Herkunft der Hunnen gesagt wurde, möge ergänzt
werden durch Feststellungen, die sich auf die Nachfahren des Volkes be-
ziehen. Die Hunnen sind, wenn man von den Splittern in Ost und West, die
ihren Namen tragen, absieht, als geschlossenes Volk erstmals im Nord-
osten Irans aufgetreten. Hier faßt man ihre Staatsbildung unter Führung
der Hephthaliten; hier ist der Name der „westlichen" oder „weißen" Hunnen
belegt; endlich werden sie hier ausdrücklich als Türken bezeichnet. Die
Verstärkung des vorgeprallten Volksteiles im Westen, der Xoövoi, durch
Nachwanderer und der Einbruch in Osteuropa wurden aus dem ersten
Mittelpunkt hunnischer Macht in Ostiran gespeist.
Die Bedeutung der ostiranischen Hunnen bestätigt sich daran, daß alle
auf die große hunnische Westwanderung folgenden Vorstöße dem gleichen
Bereich entstammen. Gleichgültig, ob es sich um Awaren, Proto-Bulgaren
oder Chazaren handelt, immer waren es Hunnen und Türken, die aus dem
nordöstlichen Iran kamen und oft geradezu als solche bezeichnet sind.
Zunächst sei an Bekanntes erinnert. Theophylaktos Simokattes' Angabe,
in seinem Exkurs über die skythischen Völker1, wonach die westlichen
Awaren (er nennt sie $) zwei Stämme waren, die sich den gefürch-
teten Awarennamen erst nachträglich zugelegt hatten, wurde durch ein-
gehende Untersuchung erhärtet2. Theophylakt nennt die Stämme und
Xouwi. Von ihnen sind die zweiten als Hunnen bezeichnet, und die B ardor es
(*War-dur) begegnen bereits unter den Scharen, die Attilas Sohn Dintzic
um 470 anführte8. Auch (*War-silt) findet man nördlich des
1
256, 26—262, 14 de Boor.
8
H.-W.Haussig in: Byzantion 23 (1953), 345*·: dazu N. Pigulewskaja, Feofilakt
Simokatta istoria (1957), 211 f.
8
lordan., Get. 272; dazu H.-W. Haussig, a. O. 368 Anm. 354. Wann Dintzic's
Untertanen nach Westen gelangt sind, läßt sich nicht mehr ausmachen. Die Hephtha-
liten sind jedenfalls lange vor 470 in Nordostiran ansässig gewesen.
86 ANFÄNGE DER HUNNEN

Schwarzen Meeres4. Die Masse der War und Chunni aber gelangte nach
Westen, als 558 das Hephthalitenreich von den Türken gestürzt wurde.
Beide Stämme gehörten zuvor zum Verband der Besiegten, und in der Tat
bezeichnen einige Nachrichten War und Chunni geradezu als Hephthaliten5.
Wenige Jahrzehnte später, in den achtziger Jahren des 6. Jahrhunderts,
bewegte sich eine zweite Wanderung nach Westen. Wieder waren es Türken,
und sie werden, wie sich sogleich zeigen wird, auch als Hunnen bezeichnet.
Von Hephthaliten ist nicht die Rede, denn deren Reich bestand, zumindest
im alten Umfang und seiner einstigen Bedeutung, nicht mehr. Es sind die
Proto-Bulgaren und die Chazaren. Aber als Ausgangspunkt der Wanderung
ist erneut der iranische Nordosten (wo in Merw's Nachbarschaft noch 651
hazar5* begegnen) deutlich*. Davon spricht eine Nachricht, die bisher weder
richtig verstanden noch nach ihrer Bedeutung erkannt war. Sie soll im Fol-
genden vorgelegt werden.
In der syrisch verfaßten Chronographie Michaels des Syrers findet sich
ein Abschnitt, der neben anderem von den Anfängen der Proto-Bulgaren
und Chazaren handelt7. Der Verfasser, als Patriarch der erste seines Namens,
entstammte der Melitene und war vor seiner im Kloster Peskin erfolgten
Wahl Abt eines Barsaumä-Klosters gewesen. Er starb 1199 im Alter von
73 Jahren. Das syrische Original, neben dem eine mannigfach verändernde
armenische und eine wortgetreue arabische Übersetzung stehen, wurde von
J.-B. Chabot nach einer in Edessa befindlichen Handschrift8 herausgegeben:
Chronique de Michel le Syrien, Patriarche Jacobite d'Antioche (1900—1910).
Sie liegt in drei Bänden französischer Übersetzung und einem Textband vor,
der eine lithographische (oder phototypische?) Wiedergabe der benutzten
Handschrift enthält.
Den Hinweis auf den nach jeder Richtung hin wichtigen Abschnitt ver-
danken wir H.-W. Haussig. Er wird die geschichtliche Bearbeitung8* und im

4 6
H.-W. Haussig, a. O. 368 Anm. 355. H.-W. Haussig, a. O. 369.
5a
fabari, ann. i, 2876, 12 de Goeje.
* B. Lundman in: Orientalia Suecana 6 (1957), 109f. hebt hervor, daß die süd-
russischen Karaiten völlig mittelasiatische Blutgruppen-Zahlen aufweisen. L. bemerkt
dazu, das stimme zur Tatsache, daß die Chazaren keine ursprünglichen Juden waren.
7
Für alles Folgende: A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922), 298 f.
8
Nach der Angabe auf dem Titelblatt von Chabots syrischem Textband. A. Baum-
starks Bemerkung, a. O. 300 Anm. 6, läßt sich damit nicht vereinigen.
8a
Schon hier sei bemerkt, daß J. Marquarts Einwände gegen die Geschichtlichkeit
des Berichtes (Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge, 1903, 488) gegenstandslos
sind.
4. AWAREN, BULGAREN, CHAZAREN 87

Zusammenhang damit den Nachweis liefern, daß Michaels Quelle die damals
noch vollständige Kirchengeschichte Johannes* von Ephesos bildete9.
Darum ist geboten, sich hier auf das Wichtigste zu beschränken.
Johannes' von Ephesos dritter Teil, in seinem handschriftlichen Be-
stand insgesamt sechs Bücher umfassend, reicht bis zu den Anfängen des
Kaisers Maurikios (582—603)10. Die erhaltene Inhaltsangabe des sechsten
Buches u gibt fürs 45. und 46. Kapitel den Awareneinfall und die Eroberung
von Anchialos. E. W. Brooks hat darum die entsprechenden Teile Michaels
des Syrers (379 r. Z. 20—381 r. Z. 8 Chabot) unter die Bruchstücke von
Johannes' Kirchengeschichte12 eingereiht.
Dabei hat Brooks übersehen, daß das 381 r. Z. if. genannte eammä
d-turkäye nichts anderes als die im folgenden genannten Einwanderer aus
dem inneren Skythien, also die (türkischen Proto-) Bulgaren und Chazaren
meint (unten S. 95). Auch dieser Teil des Berichtes muß demnach auf
Johannes von Ephesos zurückgehen und, da der dritte Teil mic dem sechsten
Buche endete13, noch in dessen 49. Kapitel gehören. Dessen Inhaltsangabe—
Verwüstung der Stadt Anchialos und ihres Bades: 277, 13f. —· konnte
durchaus noch die Ereignisse umfassen, die zur Räumung der eroberten
Stadt führten1*. Man hätte, wenn dies zutrifft, eine den Ereignissen gleich-
zeitige Quelle ermittelt.
Zur Verfügung stand die von Chabot erstmals veröffentlichte Fassung.
Ermittlungen, ob sich in Leningrad oder Moskau weitere Handschriften
feststellen ließen, blieben negativ; wir danken Frau N. Pigulewskaja für
freundliche Auskunft. Chabot hat die Konstitution eines philologisch kor-
rekten Textes nicht versucht, sich vielmehr auf den Abdruck seiner Vorlage
und auf eine Übersetzung beschränkt14a. Diese kann um so weniger genügen,
als es in ihr an Mißverständnissen nicht mangelt. Das Fehlende wurde bei
dem begrenzten Abschnitt, um den es geht, nachzuholen versucht.

9
So schon W. Barthold in: Encycl. d. Islam i (1913), 819; D. M. Dunlop, The
History of the Jewish Khazars (1954), 5-
10
A. Baumstark, a. O. 182.
11
p. 277, 7f., der sogleich zu nennenden Ausgabe.
12
CSCO. III 3, 341, 15—343, 5 ed· E· w· Brooks (1935).
13
E. W. Brooks p. II der lateinischen Übersetzung (1936).
14
Daß die Inhaltsangaben bei Johannes von Ephesos nicht vollständig sind, hebt
J. Marquart, a. O. 481 unten und 486 hervor.
14a
So auch J. Marquart, a. O. 484!. Auf die zahllosen Unzulänglichkeiten seiner
Übersetzung wurde nicht eingegangen.
88 ANFÄNGE DER HUNNEN

E. W. Brooks hat den zuvor bezeichneten Ausschnitt aus Michaels


Chronik in seiner Ausgabe der Kirchengeschichte Johannes' von Ephesos in
syrischer Fassung und mit lateinischer Übersetzung15 abgedruckt. Auch er
verfügte nur über die bei Chabot gegebene Grundlage1'. Wir haben seine
Textkonstitution überall herangezogen, verhehlen aber nicht, daß uns das
Verständnis des nicht einfachen Stückes durch allzuviele und eingreifende
Änderungen des Überlieferten erkauft zu sein scheint.
Es folgt die Umschrift des syrischen Textes:
379 r. Z. 17f.: w-kad zabnä d-esrm snayyä negrat (h}wät b'eldbäbütä
marrtrtä bet römäye l-pärsäye, w-käm 'laihön d-römäye tub Späyä men 'ammä
d-barbräye g'ire mgaddlai sa'rä, hänön d-metkren abaris, d-däl wa-npak men
saupai madnhä, w-äp 'ammä tüb ma'rbäyä d-esklönäye wa-hräne tub d-
-metkren longobarde, kad hwau äp hennön b-§ubädeh d-kägan malkä d-abaris.
w-ezal wa-kbaS tarten mdinätä men römäye w-£arkä d-kastros w-emar 1-näSai
aträ: pok zro' wa-hsod, w-fielgäh d-sunteliyyä balhod Säkltnan menkön. w-ellü
lä d-passä rabbä da-bad malkä Ibar men adrinopolis (cod. 'drwply(?)ws),
w-äp Iah la-mdmat malkütä stmän (h)wai appaihön. w-kad malkä w-tyiHaw-
wäteh ettzlf w-etrheb men barbräye, eStaddar hailä w-ettsim b-Sürä (cod. Swry'}
barräyä d-al eStm mile men . . .
380 1. Z. if.: w-men klerikü d-että aplah kad eteles, w-beh b-hepä eUaddar
sknböne l-kul penyän l-megbä tlröne. holen d-kad npak s'ar biSätä saggiyyätä
wa-htap bnayyä d-abähe. w-gammar ennön l-atrawwätä, kad äp sunkäne
(cod. snwn] d-rak$ä wa-d-taure wa-dammä d-äp . . . . wa-d-tarnägulyätä
(cod. trnwglyf) rämen (h)wau 'al bnainäSä b-atrawwätä kulihon, w-kad
'ammä d-esklönäye Sbau b-kul duk w-teSm§ätä d-'edätä w-kiböriye raurbätä
b-äglätäSadyän (cod.&yrn) aikannäda-l-eltähäid-korintos, kläp maSknä nkai
w-akim Iah, thöteh yäteb (h)wä. römäye egar (h)wau l-ammä d-antiyü wa-npal
'al esklöniyä (cod. esklönäye) w-kabSüh (h)wau w-bazzüh w-appek 'uträh
w-aukdüh. Hau (cod. 'ytw] (h)wä den aträ dtlhön b-mafräbai nahrä d-ntelkre
dünabis. kad den $maf esklönäye d-e&bl atrhön, etmarmar ak aryä la-tbärä
w-etkneS (h)wau alpäye saggiyye wa-'bad harbä d-lä säkä. w-kad lä etmstu
d-ne"lün w-nekbSün la-mdlnat malkütä, här l-appai ankilos (cod. 'ymws)
mdlttä w-l-appai hammimtä d-tammän. w-men hailä d-tammän ethreb (h)wau
saggiyye menhön wa-l-hartä 'kar l-Süre. w-eSkah tammän argwäne holen

15
CSCO. IIIs (1936), 259f.
16
Ebenda V.
4. AWAREN. BULGAREN, CHAZAREN 89

d-anastasiyä attat tiberiyos yehbat ennön herniä l-että d-tammän, kad äzlä
(h)wät l-hammimtä. l-hälen nsab kägan wa-lbes kad ämar: d-en bä*e malkä
d-römäye w-en lä bae, ha etyahbat U malkütä w-mehhdä (cod. myhd') . . .
381 r. Z. i f.: w-arhbüi tebbe d-'ammäd-turkäye ha r dap bätreh.wa-npak
(h)wau l-sirmin kad dhel dalmä neSbön pulü d-U (cod. lau) dUeh w-lkarteh
kulläh. w-kad Saddar leh tmänyä kantmäre d-dahbä, hpak menneh. b-hänä
zabnä tlätä ahe men skutiyä gawwäitä, kaddbinn 'amhön tlätin alpin skutäye.
w-etau mardttä d-yaumäiä & w-hamSä (cod. s. Jt.) men 'ebrau d-imaiyon
(cod. *mnwn) türä. etau den ba-zban satwä meüul Skihüt mayyä, wa-mtau
r
dammä l-tanis nahrä hau d-nten yammtä häi d-mayötis (cod. mntyws) näpek
w-halet b-gau yammä d-pontos. w-kad mannaf la-thümä d-römäye, had menhön
da-Smeh bulgariyos nsab 'esrä alpin gabre wa-praS men ahau wa-bar l-tanis
(cod. t'nyws) l-dünabis nahrä d-äp hü b-yammä d-pontos holet. wa-Slah l-mau-
rikl d-nettel leh ar'ä d-ne'mar bäh w-nehwe m'addräne l-römäye. w-yab leh
musyä 'elläitä w-tahtäitä, w-däkiyä, atrawwätä *as$me, holen d-ahreb ennön
'ammä d-abarts men yaumai anastos, wa-'mar tammän wa-hwau mattartä
l-römäye. w-etkriu hänön d-men römäye bulgaräye. hennön skutäye holen den
Iren hräne ahe etau l-aträd-alän d-metkre barsaliyä (cod. br s'ly") da-mdlnäteh
l-römäye banyän (cod. bkyn) (h)wai
383 1. Z. i f.: d-Uaihen kaspiyä häi d-tar'ä d-türäye kären Iah. w-bulgaräye
w-puguräye d-ämöraihen ba-zban krestyäne (h)wau. w-mä d-eSiallat 'ammä nu-
kräyä (al aträ hau, eStmeh kazaräye 'al Smä d-ahä hau rabbä d-metkre (h)wä
kazarig. wa-'Sen 'ammä hänä w-etpalti.

Übers etzung:
379 r. Z. 17f.: Während nun eine Zeit von zwanzig Jahren die bittere
Feindschaft zwischen Römern und Persern dauerte und sich erhob gegen
die Römer wiederum ein Feind vom Volk der hassenswerten Barbaren mit
geflochtenem Haar, jener, die Awaren genannt sind, die aufgescheucht
worden und ausgezogen waren von den Grenzen des Ostens: da (erhob sich)
auch das westliche Volk der Slawenen, und Andere wiederum, die Lango-
barden genannt sind, indem auch sie (die Langobarden gleich den Slawenen)
dem Qayan, König der Awaren, Untertan waren. Sie (die Slawenen) zogen
aus und eroberten zwei Städte von den Römern und die übrigen Kastelle
(der Gegend), und sie sprachen zu den Ortsbewohnern: „Geht hinaus, säet
und erntet, wir erheben (nur) die Hälfte der (römischen) Abgabe von euch".
Wenn nicht der große Graben (gewesen wäre), den der Kaiser außerhalb
90 ANFÄNGE DER HUNNEN

von Adrianopel gebaut hatte, so hätte sich ihr Sinn auch auf die Stadt des
Kaisertums gerichtet. Da nun der Kaiser und seine Truppen erschrocken
und in Furcht waren vor den Barbaren, wurde ein Heer ausgesandt und an
der äußeren Mauer aufgestellt, die ungefähr sechzig Meilen von
3801. Z. 2, i f.: (Sogar) Kleriker der Kirche hob er (der Kaiser) gezwungener-
maßen aus, und mit Dringlichkeit wurden { $ in alle Orte geschickt,
um Rekruten auszuwählen. Diese ( ) verübten, als sie auszogen,
viele Übeltaten, raubten den Vätern die Söhne und richteten die Dörfer zu-
grunde, indem sie den Bedarf an Pferden, Stieren bis herab zu dem auch der. . .
und dem an Hühnern auf die Bewohner aller umlegten. Nachdem nun das
Volk der Slawenen überall Gefangene gemacht (oder: geplündert)
hatte und heilige Gefäße der Kirchen sowie große Ciborien auf Wagen
geworfen worden waren —· wie das der Kirche von Korinth —·, schlug
und stellte er (der Qayan) es (das Ciborium von Korinth) gleich einem
Zelt auf (und) saß unter ihm. Sie (die Römer) mieteten das Volk der Anten,
und diese fielen über Slawenien her, besetzten und plünderten es, führten
seine Schätze weg und brannten es nieder. Es lag aber ihr (der Slawenen)
Land im Westen des Flusses, der Donau genannt wird. Als die Slawenen
hörten, daß ihr Gebiet erobert war, stürzten sie sich wie ein Löwe auf die
Beute und sammelten sich zv vielen Tausenden. Sie richteten Verwüstungen
an ohne Ende, und da sie nicht imstande waren, in die Stadt des Kaisertums
einzudringen und sie zu erobern, richteten sie ihren Blick auf die Stadt
Anchialos und auf das Bad daselbst. Seitens des dortigen Heeres wurden
viele von ihnen (den Slawenen) getötet. Am Ende zerstörten (oder: über-
stiegen) sie (die Slawenen) die Mauern und fanden dort jene Purpurkleider,
die Anastasia, Gattin Tiberios', der Kirche daselbst geweiht hatte, als sie
das Bad besuchte. Diese (Kleider) nahm der Qayan und legte sie sich an,
indem er sprach: „Ob der Kaiser der Römer will oder nicht will: mir ist
(jetzt) das Kaisertum gegeben worden!" Und sofort
381 r. Z. i f.: und es erschreckten ihn (den Qayan) Gerüchte, daß das
Volk der Türken ihn verfolge. Und sie (die Slawenen) gingen nach Sirmium,
da sie fürchteten, daß sie (die Türken) einnähmen den Palast, der
ihm (dem Qayan) gehörte, sowie seinen (des Palastes) ganzen Besitz. Als
jedoch sie (die Awaren) ihm (dem Volk der Türken) acht Gold
schickten, wandten sie (die Türken) sich von ihm (vom Qayan) weg. In
dieser Zeit (waren gekommen nämlich) drei Brüder vom inneren Skythien,
indem sie mit sich führten 30 000 Skythen, und sie waren gekommen in einem
4. AWAREN, BULGAREN, CHAZAREN 91

Marsch von 65 Tagen von den Pässen des Imaon-Gebirges. Sie kamen aber in
der Zeit des Winters wegen des Vorhandenseins von Wasser und gelangten zum
Tanais, dem Fluß, der aus dem See ( ) Maiotis heraustritt und sich in
das Meer ( ) Pontos ergießt. Als sie zu der Grenze der Römer ge-
langt waren, nahm einer von ihnen, dessen Namen Bulgarios war, 10000
Mann, trennte sich von seinen Brüdern und überschritt den Tanais in Rich-
tung auf die Donau, den Fluß, der sich gleichfalls in das Meer Pontos ergießt.
Er schickte zu Maurikios, daß er (Maurikios) ihm Land gebe, dort zu
wohnen, und er (Bulgarios) (dafür) dem Römer eine Hilfstruppe bilde. Und
er (der Kaiser) gab ihm das obere und untere Mösien sowie Dazien, feste
Orte, diejenigen, die das Volk der Awaren seit Anastasios' Tagen verwüstet
hatte. Sie (die Leute des Balgarios) wohnten nun dort und bildeten eine
Schutzwehr für die Römer. Jene nun, die auf Seiten der Römer standen,
wurden Bulgaren genannt. Die (restlichen) Skythen aber, (d. h.) die zwei
anderen Brüder, kamen zum Gebiet der Aianen, das Berzylia genannt ist,
(ein Gebiet), dessen Städte von den Römern gebaut worden waren:
382 1. Z. if.: (Städte), die zusammen jenes Kaspia bilden, das sie Tor
der Türäye nennen. Die (in Mösien und Dakien wohnenden) Bulgaren nun
und die Puguräye, die ihre (der Städte Berzylia's) Bewohner bildeten,
wurden zeitig Christen. Als sich das fremde Volk jenes Landes (Berzylias)
bemächtigte, wurden die Chazaren genannt nach dem Namen des älteren
Bruders, der Kazarig hieß. Dieses Volk wurde stark und breitete sich aus."

Grammatische E r l ä u t e r u n g e n :
379 r. Z. 17f.: — Das syntaktische Gefüge der ersten Periode ist bei
Chabot und bei Brooks (der w-kad bis l-^ärsäye wegläßt) unverstanden ge-
blieben. An sich folgen einander: w-kad . . . w-käm . ,. w-äp , . . w-ahräne,
also ein in vier parallele Glieder sich zerlegender Vordersatz, dem der Nach-
und Hauptsatz zu fehlen scheint. Ein Versuch, diesen mit w-käm oder mit
w-ahräne beginnen zu lassen, könnte sich schwerlich auf Th. Nöldeke, Kurz-
gefaßte syrische Gramm.2 (1898) 266 § 399 berufen. Gebrauch von w im
Nachsatz bildet bestenfalls eine Ausnahme, und es fragt sich, ob man im
vorliegenden Fall nicht auf andere Weise durchkomme. In der Tat empfienlt
sich, das mit w-äfi „auch" beginnende Glied als Nachsatz zu fassen. Es
empfiehlt sich nicht nur grammatisch, sondern auch sachlich. Denn eben die
Slawenen (Brooks coni. hier und sonst 'sklwynw) nehmen im folgenden die
erste Stelle ein, und Voraussetzung ihrer kriegerischen Betätigung bildet,
92 ANFÄNGE DER HUNNEN

daß auch ihre Oberherren, die Awaren und deren Qayan, mit den Römern
im Krieg sind. Damit werden syntaktischer Aufbau und Gedankengang
deutlich: als während der zwanzig Jahre des römisch-persischen Krieges
(571—590) die Awaren sich gegen die Römer wandten, griffen auch zwei
awarische Untertanenvölker, Slawenen und Langobarden, ein. Das Verbum
des mit w-äp beginnenden Hauptsatzes fehlt, muß aber aus dem Voran-
gehenden erklärt werden. Es handelt sich um die im Syrischen übliche Ellipse,
die immer dort eintreten kann, wo korrespondierende Sätze die Ergänzung
gestatten: Th. Nöldeke, a. O. 303 § 382. Dementsprechend ist vorangehendes
•jy-käm, von den Awaren gesagt, auch für Slawenen und Langobarden anzu-
setzen. —'esrtn: zum Zahlzeichen kk vgl. Th. Nöldeke, a. 0.3 §. i C.—Späyä:
bei Chabot als solches unübersetzt gelassen, bei Brooks „stimulus". C. Brok-
kelmann, Lexic. Syriac.2 (1928), 794 r. gibt für unsere Stelle richtig die Be-
deutung „adversarius". — 'Ammä d-barbräye g'ire ntgaddlai sa'rä: vgl.
Joh. Ephes. 277, 7 'amrnä Skfrä d-barbräye d-sa'raihön d-mefkren abaris.
Der mittelpersische Bahman Yast (zend-i vahman yasn), in englischer Über-
setzung von E. W. West veröffentlicht in: Pahlavi Texts i, Sacred Books
of the East 5, gibt sich als unter Chusrö I. Anösarvän geschrieben; der allein
erhaltene Auszug fällt in arabische Zeit (E. W. West, a. O. LIII). Das sie-
bente Zeitalter wird eingeleitet durch den Einbruch wilder Horden aus dem
Osten (xoräsän; dazu E. W. West, a. O. 202 Anm. i): Dämonen (dev), die
Unglück und Verheerung über Iran bringen (2, 24). Sie haben aufgerichtete
Banner, erschlagen alles Lebende in der Welt; ganz Iran wird von den Hufen
ihrer Rosse gepflügt werden (2, 63). Also ein nomadisches Reitervolk, und
darauf führt eine weitere Kennzeichnung: daväl kustlyän devän i guzärd vars
„die den Ledergurt als Gebetsschnur tragenden dev mit frisiertem Haar"
(3, 34). Der Ledergurt ist ein erneuter Hinweis auf ihr Reiternomadentum
(J. Wiesner, Fahren und Reiten in Alteuropa und im alten Orient 78; vgl.
G. Widengren in: Arctica n (1956), 260). „Sie haben das Haar nach dem
Rücken frisiert", heißt es 2, 25. H. Junker, künftiger Herausgeber des
Bahman-Yast, deutet auf „Zopfträger, Steppenbewohner aus dem Osten"
(vgl. seine Angaben bei F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2, 175). Weitere
Nachlichten bei A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Arma|an (1955), 21. —
Der führende Stamm sind die Awaren. Deswegen werden sie an erster Stelle
genannt. Sie bieten weit im Westen ihre Untertanen: Slawenen und Lango-
barden auf. Die Slawenen tragen, wie schon gesagt, die Hauptlast des
Kampfes. Doch werden sie nicht — oder nicht nur —· im Westen eingesetzt,
4. AWAREN, BULGAREN. CHAZAREN 93

vielmehr richtet sich der Hauptsto unter pers nlicher F hrung des Qayan
auf Anchialos am Schwarzen Meer. Der Fortgang zeigt, da durch die Ver-
schiebung des Angriffs nach Osten die Heimat der Slawenen an der Donau
entbl t wurde und dem Angriff der von den R mern aufgehetzten Anten
offenstand. — Die Langobarden, allein an der vorliegenden Stelle als Unter-
tanen des awarischen Qayan bezeichnet, bleiben weiterhin unerw hnt.
Michael hat also seine Vorlage, Johannes' von Ephesos Darstellung, bereits
verk rzt. Derselbe Autor erw hnt die Langobarden als solche, die Rom
gegen die Awaren aufzuhetzen gedachte: Joh. Eph. 335, 2^f. — Die Schrei-
bung k gan best tigt die f r altt rkisches qayan angenommene L nge der
ersten Silbe. Zur Frage Altheim-Stiehl in: S d Ostforschungen 15 (1956), 80;
Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl Marx-Universit t Leipzig 6 (1956/7,
195. —· kastros, plene k'strws: C. Brockelmann, a. O. 680 1. Damit entf llt
Brooks' κάστρα?; vgl. Th. N ldeke, a. O. 60 § 89 ber βήλα. Die neuen Pa-
pyri vonNessana geben κάστρον: C. J. Kraemer jr. in: Excavat. at Nessana 3
(1958), 348 s. v. — sunleliyy : Chabot „impot"; Brooks „tribul-vm", letztes
schwerlich richtig. Συντέλεια bezeichnet zwar Basil. 19, 8,17 die capitatio17,
und dementsprechend hat C. Brockelmann, a. O. 485 1., die Bedeutung an-
gesetzt. Doch capitatio im strengen Sinn w re hier, wo vom S en und Ernten
gesprochen wird, allenfalls neben der iugatio zu erwarten, und so bezeichnet
dann suntelesmata, συντελέσματα die iugera (C. Brockelmann, a. O. 485 1.)
will sagen: die iuga. Eher m chte man σνντέλεια an unserer Stelle als die
Gesamtheit der ffentlichen Abgaben verstehen, wie dies die συντέλε«αι
δημοσίαι meinen; vgl. C. Ducange, Glossar, ad script, med. et infimae
Graecitatis (1658) 1489, 27!.; Thes. 7 (1848—54), 1464, i7f.; F. Preisigke,
W rterb. der griech. Papyrusurkunden 2, 3 (1927), 550; vgl. den Verkaufs-
vertrag aus Nessana von 566/7 (?) bei C. J. Kraemer jr., a. O. 75f. Nr. 23
Zeile 10. — d-pass , plene p's': C. Brockelmann, a. 0. 580 r. — da-bad:
Brooks coni. 'bad, was unn tig ist. Perfekt zum Ausdruck der Vorvergan-
genheit verwandt: Th. N ldeke, a. O. 194 § 257. — 'drwply(l)ws cod.,
Brooks 'drynwpwlys. — 'al eSttn mile: Chabot bersetzt „plus de soixante
milles", aber vgl. Th. N ldeke, a. O. 188 § 250. — men [mdinai malk tS]
erg nzt Brooks, nach Chabots Vorgang.
3801. Z. i f. — sunk ne, cod. snwn : knwn' Chabot und nach ihm Brooks
unter Hinweis auf J. P. N. Land, Anecdota Syriaca 2 (1868), 54; 213 knn*
17
Die neue Ausgabe der Basiliken von H. J. Scheltema und N. van der Wal ist
erst bis lum 16. Buch gelangt (1956). Dazu die inhaltsreiche Besprechung E.Volterras
in: lura 8 (1957), 566f.
94 ANFÄNGE DER HUNNEN

(wo wir indessen nichts dergleichen entdecken können). Die vorgeschlagene


Änderung ist paläographisch und auch inhaltlich vorzuziehen. —
wa-d-tarnägulyätä, cod. trnwglyf, von Brooks gehalten. Die Parallelen aus
anderen aramäischen Dialekten, die C. Brockelmann, a. O. 836 L, anführt,
machen die von uns gewählte Schreibung wahrscheinlich. Die Abfolge wa-
-dammä d-äp .. . wa-d . . . verlangt, daß ein nominales Objekt oder ein
Nebensatz ausgefallen ist. — Sarrirän [appejt] ergänzt Brooks. Doch 'äglätä
verlangt im Beiworc gleichfalls den determinierten femininen Plural. Daß
die Wagen valida sind, ist im Zusammenhang gleichgültig, wie Brooks durch
hinzugesetztes Fragezeichen anerkennt. Sadyän ist leichteste Änderung,
wie ersichtlich. Sie macht Hinzufügung eines weiteren Verbums unnötig.
Dadurch, daß das Partizipium Pass, die vollendete Handlung bezeichnet,
ist ausgedrückt, daß die Plünderer sich der Ciborien bemächtigt hatten,
deren eines sie dann auf die beschriebene Art verwandten. Zum Fehlen der
Copula Th. Nöldeke, a. 0. 235 f. § 310. Im folgenden sind Brooks' Umstel-
lungen und Ergänzungen nicht notwendig. Da-l-'että häi d-korintos zeigt
die abgeschwächte demonstrative Bedeutung, die Th. Nöldeke, a. O. 169
§ 224* und 172 f. §228, behandelt hat. Läh (cod. ohne Punkt) bei vorange-
hendem Verbum: Th. Nöldeke, a. 0. 217 § 287. w-aklm Iah, thöteh yäteb
(h)wä als Asyndeton: Th. Nöldeke, a. 0. 263 § 337 A. — antiyü gegenüber
" ," bei Prokop (passim); Agathias 3, 21 p. 186 Niebuhr; Theo-
phan., Chronik 284, 19 de Boor; Theophylakt. 8, 5 Ende; Antes loid., Get.
34; 35; 119; Anti ibid. 35 Ob; 119 O. Nach brieflicher Mitteilung erklärt
M. Vasmer den Namen „als iranische Entsprechung zu altind. antya- ,am
Rand befindlich, am Ende befindlich', von anta- .Ende' " (oben S. 71; 76). Der
Name bedeutet dann dasselbe wie Markomannen im Germanischen und
Ukrainer im Slawischen. Syr. antiyü gäbe *vAvnot wieder, mit pluralischer
Endung -ü, die griechischem - , zuweilen -oti entspricht: Th. Nöldeke,
a. O. 59f. § 89. — esklöniyä Chabot, esklönäye cod., £ammä d-]esklawtnü
Brooks. —· Uau: cod. 'ytw mic Abkürzungszeichen über w. Gemeint ist
'ytwhy. Die gleiche Schreibung bei J. P. N. Land, Anecdota Syriaca 2 (1868),
364 Z. 8; 12. — dünabis: vgl. Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa
(1958), 67. — atrhön oder atarhön: Th. Nöldeke, a. O. 86 § 145 B Anm.
Obwohl das Land der Slawenen betroffen ist, kehren diese nicht heim: als
Untergebene des awarischen Qayan können sie nicht nach eignem Belieben
handeln. — 'kar „sie zerstörten". Oder: rbar „sie überstiegen". — Sure,
Brooks coni. Sürä. — mehhdä, cod. myhd', was verlesenes men hdä, historisch
4. AWAREN. BULGAREN, CHAZAREN 95

geschrieben, ist (Th. Nöldeke, a. O. 99 oben, hier in einem Wort wie 3801. Z.I3
b-kul-duk oder 379 r. Z. 36 'ellü-lä u. a.). Brooks' mhyd' ist möglich, läßt
aber Entstehung der Korruptel unerklärt. Obwohl die Slawenen sich auf die
Beute stürzen, hat sich ihr Oberherr, der Qayan, die besten Stücke vorbe-
halten.
381 L Z. i f. —· pulü d-U, cod. pwlw lyt. J. Marquart, Osteurop. und ost-
asiatisch. Streifzüge 484 Anm. 4, konjizierte fmwly* „famuli" oder „familiae"
unter Zustimmung Th. Nöldckes; ihm folgten Chabot und Brooks. Das Wort
ist sonst nicht bezeugt, und „famuli" müßte femläye (C. Brockelmann, a. O.
577 r.) heißen. Auch mamlakatuhu der arabischen Übersetzung spricht da-
gegen, vielmehr verlangt dieses eine syrische Entsprechung, die Symbol der
„dignitas, maiestas regni", der „royaute" (Chabot) wäre. Als solche bietet
sich an pulä, . Mit wird der Palast bezeichnet: C. Ducange,
a. O. 1272f., entsprechend syr. iar'ä: C. Brockelmann, a. 0. 836 r. Also pulü
Phu. mit-u f ür-cn (vgl. oben). Sirmium war den A waren 582 zugefallen,
was Joh. Ephes. III 6, 30f. berichtet hatte. — leh bezieht sich auf 'arnmä
d-turkäye zurück. Daß mit Türken an dieser Stelle das im folgenden ge-
nannte skythische Volk, Bulgaren und Chazaren gemeinsam umfassend,
gemeint war, ergibt sich aus dein geschichtlichen Sachverhalt und aus dem
Zusammenhang unserer Stelle. Auch Dionysios von Tellmahre bezeichnet
die Chazaren als „Hunnen oder Türken" 24, 6 Chabot; daß die Alanen
gemeint sein könnten (J.-B. Chabot, Chronique de Denys de Teil-Mahre",
1895, 2i Anm. 4) ist ausgeschlossen. Brooks bemerkt zu seiner Übersetzung
260 Anm. 12: „qui aurum miserint et ad quem et qui reversi sint et unde
mihi non liquet". Im Rücken des bis Anchialos gekommenen Qayan er-
scheinen die Türken, die „ihn verfolgen". Gemeint ist der unter Bulgarios
stehende, seinerseits bis zur Donau vorgedrungene Teil der Skythen. Der
Qayan fürchtet, jene Bulgaren, die Maurikios längs der Donau bis zum
Oberen Mösien angesiedelt, möchten nach dem vor kurzem von ihm er-
oberten Sirmium gelangen, wo sich des Qayans Hofhaltung und Schätze
befinden. Durch Zahlung von Gold begegnen die Awaren der Bedrohung,
und die Türken lassen vom Qayan, den sie „verfolgt" hatten, ab. Chabots
Deutung auf Maurikios bedarf keiner Widerlegung. Zur Summe von acht
vgl. Zachar. Rhetor 77, 9 f., wo der Perserkönig Kavä<5 als
tbatä d-maddatä hamSä hamSä kantlnäre d-dahbä vom Kaiser fordert. —·
b-hänä zabnä: Ellipse des Verbums erklärt sich durch zweimal folgendes etau.
—· men skutiyä gawwäitä: zur Scheidung einer Scythia intra und extra
96 ANF NGE DER HUNNEN

Imaum vgl. Wecker in: RE: g, 1271; 2543. Ptolemaeus, geogr. 6, 14, i gibt
die Σκυθίαζ της εντός Μμάου δρονς θέσις. Im S den liegen das Sakenland,
die Sogdiane und die Margiane bis zum Oxos; ber weitere Angaben vgl.
K. Kretschmer in: RE. 2 A, 943f. — d-imaiyon: Strabon p. 515 Ίμάϊον
neben "Ιμαον ρ. 511. Der hier gemeinte Teil des Imaon, dessen P sse ber-
schritten werden, ist weniger Gebirge als Meridian. — hau d-men yammt
h i d-may tis n pek: J. Marquart, a. O. 830 Anm. i vergleicht Prokop.,
b. Goth. 4, 4. — barsaliy , cod. br s'ly': auch Theophanes 358 und Nike-
phoros 34 de Boor lassen die Chazaren aus Βερζυλιά kommen, worin
J. Marquart (a. 0. 489f.; vgl. 485; zuletzt K. H. Menges in: Byzantion 17,
276f.; Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 290) Daghestan erkannt hat.
Er verweist auch auf Bal duri 195, 14 al-barsaliya.
382 1. Z. i f. — kaspiy : als Name des Landes sonst nicht bezeugt.
Zachar. Rhetor 214, 18 Brooks l-tar'e d-kaspiyon w-yamm holen d-bet
hitn ye. Strabon p. 514 wird Κάστπον (sc. ορός) n rdlich des Kyros von
den Κασττίαι ττύλαι bei Rhagai unterschieden. Vgl. Payne-Smith 2, 3679f.
— tar' d-t r ye: Chabot vermutet Τζούρ (Prokop., Goth. 4, 3), nach Vor-
gang J. Marquarts, a. O. 489. Bar Hebraeus' Lesart (vgl. Chabot 3, 364
Anm. 3) turk ye findet in Dionysios' von Tellmahre tar' d-bet turk ye (sie)
23, 5f. Chabot ihre Entsprechung; vgl. Zachar. Rhetor 77, 13 tare d-b-appai
h n ye. — bulgar ye: die burgare sind bei Zachar. Rhetor 214, 19 f. noch ein
heidnisches Volk. — henn n skut ye holen: zur Verbindung des Personal-
pronomens 3. Person mit folgendem Demonstrativpronomen vgl. Th. N l-
deke, a. 0.172 § 227. —· pugur ye: Tabari, ann. i, 895, i de Goeje erscheinen,
anderen Kaukasusst mmen zur Seite, die bngr; sie kehren in wechselnder
Schreibung 896, 4 wieder. Zu lesen ist bwg'r, wobei w der mittelpersischen Vor-
lage f lschlich mit dem seiner Form nach nicht davon unterschiedenen n
bei der Umschrift gleichgesetzt wurde. *Bugar oder *bugur aber ist nichts
anderes als pugur ye. Damit erledigt sich Th. N ldekes Bemerkung in der
Tabari- bersetzung 157 Anm. 3; vgl. D. M. Dunlop, a. O. 23 Anm. 95.
Gemeint sind die ΤΤαγνρΐται Ptolem., geogr. 3, 5, 22: dort Nachbarn der
"Αορσοι. — ba-zban: Th.N ldeke, a.0.148 § 202G „einstmals"; 145 § 202 C
ba-zban zban „von Zeit zu Zeit". J. P. N. Land, Anecd. Syr. 2 (1868), 365
Z. 23f.: l mestakkl att da-hd zban amkrat napS „du verstehst nicht, da
eine schon meine Seele verlobt hat". — kazar ye: Zachar. Rhetor 214, 23 ksr,
Da die Sprache der Bulgaren der der Chazaren hnelte, sagt Istahri 225, 6f.
de Goeje. Wir hoffen, da W. B. Hennings Chazarentheorie (BSOS. 1952,
4. AWAREN, BULGAREN, CHAZAREN 97

502!.), soweit sie nach unserer Kritik in: Ein asiatischer Staat i, 288f.
fortbestanden haben sollte, mit dem Behandelten sich erledigt hat. Hin-
gegen k nnte eine vieler rterte Stelle nunmehr erkl rt werden. Kon-
stantinos Porphyrogennetos (De administr. imp. 38, if. Moravcsik) be-
richtet davon, da die Τούρκοι, also die Magyaren, το τταλαιόν in der
Nachbarschaft der Chazaren wohnten. Ihre Landschaft hie Lebedia,
nach dem πρώτος βοέβοδος Lebedias (neben dem andere βοέβοδοι
standen: 5f.). Dann hei t es 13!.: σννφκησαν δε μετά των Χαζάρων
ένιαυτούξ τρεϊξ, συμμαχοϋντες τοις Χαζάροις εν ιτασα τοις αυτών
ττολέμοίζ. So ist, mil· Ausnahme des ersten Wortes, berliefert. Statt
συνωκίσας, das der ma gebende Paris, gr. 2009 bietet, haben die
Herausgeber συνφκησαν verbessert und auf vorangehendes Τούρκοι ίο be-
zogen. Gleichfalls Ansto hat die Jahresangabe erregt, denn wenn die
Magyaren in „allen" Kriegen der Chazaren mitk mpften, so erwartet man
einen l ngeren Zeitraum als drei Jahre. Dazu stimmen weitere Nachrichten.
Im Jahre 624 ging der Kaiser Herakleios in das Land der Hunnen, 626 stand
er in der Lazika, und Chazaren k mpften in seinem Heer (E. Gerland in:
Byzant. Ztschr. 3,330f.; 358 Anm. i; 363f.; V. Minorsky in: BSOS. n, 1944,
248f.). Damals mu er die „Ugrier", wie die altslawische Chronik des
Georgios Hamartolos sagt (V. M. Istrin, Chron. Georg. Amart. i, 434), oder
„T rken" (Georg. Monach. 2, 670 de Boor) um Hilfe gegen die Perser gebeten
haben. Dementsprechend meldet die Nestorchronik, da die Ungarn (Ugri)
„erstmals erschienen" (pocaSa byti), als Herakleios gegen Chusr H. k mpfte
(Polnoe Sobr. Russk. Letop. 2, i a col. 9; G. Vernadsky in: Byzantion 14,
1942,182). Alle drei Nachrichten legen nahe, da schon damals die Magyaren
σννφκησαν . . . μετά των Χαζάρων, und dem entsprechen enge sprachliche
Beziehungen zwischen beiden V lkern (K. H. Menges in: Byzantion 17,
1944/5, 258f.). So hat man denn die berlieferte Zahlenangabe ver ndert:
τ' schlugen Dankovszky, Marczali, Zichy und H. Gregoire (zuletzt in: La
Nouvelle Clio 1952, 279f.), σ' Moravcsik und λ' oder Xy' Westberg vor.
Alle Versuche kranken an zwei Nachteilen, einem pal ographischen und
einem chronologischen. Einwandfrei berliefertes τρεΐ$, also eine ausge-
schriebene und unmi verst ndliche Zahl, wurde mehr oder weniger willk r-
lich in Zahlzeichen ver ndert, die erfahrungsgem einer Korruptel leicht
unterliegen. Ausschlaggebend ist das zweite Bedenken. Die von Konstan-
tinos berichtete Auswanderung der Magyaren nach Άτελκούζου 30 f llt,
Regino von Pr m zufolge, auf 889 (G. Vernadsky, a. O. 186). Mag man nun
7 Altheim, Hannen I
98 ANF NGE DER HUNNEN

300, 200, 33 oder 30 Jahre abziehen, so kommt man doch in keinem Fall
auf 626 oder in dessen zeitliche N he. G. Moravcsik in seiner Ausgabe (1943)
hat darum einen anderen Weg eingeschlagen. Er bel t es bei der ber-
lieferten Jahresangabe und vermutet statt συνωκίσας Ρ: οννοικήσοξ und
statt ο-υμμαχοοντες: συμμάχων τε. Der Satz w re dann nicht auf Τούρκοι
ίο, sondern auf unmittelbar vorangehendes Λεβεδίας 13 zu beziehen.
Moravcsik hat seinen Vorschlag nicht in den Text, sondern als blo e Ver-
mutung (susp.) in die Adnotatio gesetzt. In der Tat m te in beiden W r-
tern an insgesamt drei Stellen ge ndert werden, w hrend die ltere Kon-
jektur συνφκησαν statt συνωκίσαζ nur in einem Wort und an einer Stelle
das berlieferte antastete. Denn die Berichtigung einer itazistischen Le-
sung und die Einf gung des in P stets fehlenden Iota subscriptum (G. Mo-
ravcsik, a. O. 17) wird man nicht als nderung werten. Von allen Vor-
schl gen hinsichtlich der Jahresangabe besitzt zuletzt von Gr goire ver-
tretenes τ' pal ographisch und geschichtlich die gr te Wahrscheinlich-
keit. Die bestehenden Schwierigkeiten — v llige Beseitigung des berlie-
ferten τρεϊζ und keine Bezeugung der Chazaren oder Magyaren im Jahre
588 — lassen sich, nachdem das Zeugnis des Johannes von Ephesos hinzu-
gekommen ist, kl ren. Liest man ένιαυτούζ τ'τρεΐ$ = 303 Jahre, so
w re das berlieferte τρεις durch eine Haplographie einfachster Art ent-
standen. Hinzukommt, da jenes Auftreten der Chazaren letztes Ereignis
ist, das Johannes' Kirchengeschichte berichtet, und, da diese in ihrer Dar-
stellung bis 585 hinabgeht (A. Baumstark, a. O. 182), in eben dieses Jahr
fallen mu . Dementsprechend l t die Inhaltsangabe bei Johannes die
geschilderten Ereignisse auf das 44. Kapitel folgen, darin das dritte Jahr
des Kaisers Maurikios 584/5 behandelt ist. Schwerlich darf als Zufall gelten,
da man nach Abzug jener 303 Jahre von 888, dem Jahr unmittelbar vor
der Wanderung der Magyaren nach'ATeAKOU£ou, auf 585 kommt: das Datum
also, darunter Johannes die Westwanderung jenes skythischen Volkes be-
richtet, dem die Chazaren angeh rten. Damals m ssen Chazaren und Ma-
gyaren zusammen erschienen sein. Aus solcher Zusammengeh rigkeit ist
zu erkl ren, da die Magyaren bei Konstantinos und sonst (S. 97) als Τούρκοι
begegnen, und von turk ye hatte auch Johannes von Ephesos gesprochen.
ZWEITES BUCH

VORAUSSETZUNGEN
UND GLEICHZEITIGKEITEN
5. KAPITEL

GEOGRAPHISCHE UND
KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN

Die Wanderung der Hunnen und ihrer Vorgänger, der Alanen und Äss,
bewegten sich in festumgrenztem Raum. Was hunnische Heimat gewesen
sei, ist nirgends überliefert. Man kennt einen Vorstoß des Volkes über den
Ordosbogen hinaus, und man weiß von späteren Sitzen in der östlichen
Mongolei. Dann sieht man die Hunnen sich westwärts wenden. Durch das
Gebiet südlich des Balchasch-Sees schoben sie sich gegen die Sogdiane heran
und rückten dann zum Vorfeld des Kaukasus weiter, hielten zwischen den
Unterläufen der Wolga und des Don. Vermutlich darf man den Ausgangs-
punkt dieser Bewegungen dort suchen, wo die Türken seit alters beheimatet
waren: in den Bergen östlich des Baikal-Sees, nicht allzuweit vom Orchon
und der Selenga. Vielleicht geradezu im vielgenannten ötükän: dort, wo
das gesamte Volks einen überlieferten Mittelpunkt hatte; wo die alttür-
kischen Inschriften il ötükän quli, den mütterlichen Schutzgeist des Reiches,
ansetzten. Zum Chingan-Gebirge und darüber hinaus bis zur chinesischen
Provinz Dschehol mögen sich die Weidegebiete der hunnischen Viehzüchter
ausgedehnt haben. Dort befeuchtet der Südwest-Monsun, über das Ge-
birge kommend, im Sommer das Land und macht es grünen1. Sulchir
(Agriophyllum gobicum) läßt seinen eßbaren Samen reifen; Argali, Wüd-
schaf, Steinbock und Rebhuhn bilden eine willkommene Jagdbeute, um
die sich der Mensch mit Fuchs und Wolf, Habicht und Adler streitet.
Noch heute ist die östliche Mongolei ein Land der Nomaden, deren
Jurten den wandernden Herden der Rinder, Schafe und Kamele folgen. Als
1
Im folgenden ist die Darstellung H. Lautensack's Länderkunde (1926 und 1944)
vielfach verpflichtet.
102 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

ärmliches Gebiet, dessen Ertrag nur eine geringe Zahl von Bewohnern nährt,
ist es gezwungen, seinen Bevölkerungsüberschuß abzugeben. Der Vorstoß
nach Lo-yang 311 setzt voraus, daß die Gobi den Hunnen kein Hindernis
bedeutete. Als ein Teil des Volkes sich nach Westen wandte, wird er
am Altai vorübergezogen und über ihn auch mit den Kulturen des Jenissei-
Gebietes in Berührung gekommen sein. Davon hat sich im Fundinventar
noch der Attilazeit eine Spur erhalten.
Der hölzerne Reitsattel ist für die Hunnen durch lordanes2 bezeugt.
Die Hiung-nu-Gräber von Noin Ula haben Reste eines solchen Satiels
erbracht3, was zeigt, daß man in der nördlichen Mongolei schon um die
Zeitwende von der bis dahin üblichen aufgeschnallten Decke4 oder den
zwei Lederpolstern mit Gras- oder Haarfüllung, die Pazyryk erbracht
hat6, abgekommen war. Außerhalb der Mongolei ist der Holzsattel erst
für 300—500 auf einem koreanischen Wandgemälde·, für 500—550 für
eine chinesische Tonfigur7 und noch später für Japan im Sösöin von Nara8
bezeugt.
Genug: man stößt auf ein Ausrüstungsstück, das den Hunnen seit
ältester Zeit gehört hat. Eine Besonderheit blieb, daß der Sattel oft mit
goldenen und vergoldeten Blechen beschlagen war. Reste begegnen von
Borowoje in Kasachstan bis nach Mundolzheim bei Mainz ·. Die gleiche Tech-
nik weisen die goldenen Bogen der Hunnen auf und deren mit aufgelegtem
Goldflitter verziertes Zaumzeug10. Die Sitte, den Toten mitgegebene Pfeile,
überhaupt Holz, und die Kleidung mit Goldblech und Goldfolie zu über-
ziehen, begegnet in den Grabfeldern von TaStyq am Yenissei (i. Jahrhundert
v. Chr. bis 4. n. Chr.)u und, weit früher (300—100 v. Chr.), in den Kurganen
von Pazyrykl2. Die Goldbeschläge des Holzsattels von Kopen18 beweisen, daß
die Sitte noch bis ins 7.—8. Jahrhundert im Jenissei-Gebiet fortbestand.
I
Get. 213 aus Priskos.
3
J. Werner, Beiträge zur Archäologie des Attilareiches i, 51.
4
Werke der Weltkunst (Japan., 1951), 2 Abb. 94.
* S. I. Rudenko in: Lebende Vergangenheit (dte Übers. 1954), 140f.
• Werke der Weltkunst (Japan., 1952) 7 Farbtafel 5.
7
Ebenda Taf. 53.
8
Verzeichnis der Schätze des Sösöin (Japan., 1951), Taf. 29 (351).
' J. Werner, a. O. i, 50—53.
10
Zuletzt N. Fettich, Archaeol. Hungar. 32 (1953), 171 f.; J. Werner, a. O. i,
50; 55-
II
S. W. Kisselew, Drewnjaja istorija juinoj Sibiri3 (1951), 393f.
" S. W. Kisselew, a. O. 307 f.
18
S. W. Kisselew, a. O. 603, Taf. 57, i—4; 58 ,1—2.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 103

Auf ihrem Durchzug nach Westen müssen die Hunnen die Goldtechnik
übernommen haben.
Freilich wird die Masse der Wandernden nicht den Weg nördlich des
Altai eingeschlagen haben, sondern durch die dzungarische Senke unmittel-
bar ins Siebenstromland gezogen sein14. Damit war man in die Landschaft
eingetreten, die fortan hunnisches Schicksal bestimmen sollte: die Trocken-
steppe einschließlich der Halbwüste, die beide sich nördlich des asiatischen
Trocken- und Wüstengürtels hinziehen16.
Die dzungarische Pforte, wie F. v. Richthofen sie genannt hat, verbindet
den Ala-kul mit dem Ebi-nor. Hier sind fast alle Nomadenwanderungen
nach Westen hindurchgegangen. Schon die Vegetation weist auf die Kir-
gisensteppe hin. Ölweide und Berberitze, das Steppengras Tschii (Lasio-
grostis splendens) und Artemisien, Charmyksträucher und Saksaulbüsche
sind von dorther in die Kies- und Sandwüsre eingedrungen, haben auf deren
kargem Boden sich zu halten versucht. Sie empfangen und geleiten den
wandernden Hirten in das Land, aus dem sie gekommen sind und wo sie in
reicherer Fülle des Ankömmlings harren.
Die Gobi läuft ihrerseits nach Westen in das Tarimbecken aus, dessen
Mitte die wasserlose Wüste Taklamakan einnimmt. Nur am Nord- und Süd-
rand des nach vier Seiten von Gebirgswällen umgebenen Beckens zieht sich
ein schmaler Lößgürtel entlang. Wasserläufe, die ihn durchqueren, ver-
dunsten im abflußlosen Becken des Innern, versickern im Sand. Aber ihnen
zur Seite erwachsen auf dem fruchtbaren Boden dichtbesiedelte Oasen, in
ostwestlicher Richtung durch die gleichlaufende Nord- und Südstraße
untereinander verbunden.
Nördlich davon erstreckt sich Westsibirien, die größte Tiefebene der
Erde. Sie hebt sich nach Süden langsam zur Kirgisenschwelle, die den süd-
lichen Ural mit dem Tarbagatai und Altai verbindet. Von den Klimagürteln,
die aus Mittel- und Ostsibirien kommend sich tief nach Osteuropa hinein-
ziehen, kommen allenfalls die Waldsteppe, nicht jedoch Taiga und Tundra
als Siedlungsgebiet für Nomaden in Betracht. Doch der Taiga entstammte
das begehrte Pelzwerk von Eichhorn, Marder, Iltis und Zobel, das im Leben
14
Dazu K. Jettmarin: BMFEAStockh. 23 (1951), 208.
15
Für das Folgende sei auf die grundsätzlichen Betrachtungen H. v. Wissmann's
(in: W. L. Thomas, Man's Role in Changing the Face of the Earth, 1956, 278f.; Erd-
kunde ii, 1957, 8 ·: 75 ·) und F. Kussmaul's (Tribus 1952 u. 1953, 305f.; Gott,
völkerkundl. Studien 129f.) verwiesen.
104 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

und Handel1* der Steppenbewohner eine bedeutsame Rolle spielte. Weiter


südlich schließt sich die Grassteppe an. Vom Sajssan-nor östlich des Bal-
chasch-Sees über die Nordspitze des Aralsees nach den Mugodschar-Höhen,
südlich des Ural, streichend, hat sie das Wandergebiet auch der Hunnen
gebildet. Noch einmal: wer von hier gen Westen weiterzog, gelangte an der
Nordspitze des Kaspischen Meeres vorbei in die Landschaft zwischen den
Unterläufen der Wolga und des Don. Und von dort aus mußte er in die süd-
russische Ebene vordringen17.
Es war der Weg, den die Alanen und jene Hunnen nahmen, die 375 diesen
Weg einschlugen. Sie hatten sich, als sie die Pforten des südrussischen
Landes aufstießen, von dem Wüstengürtel gelöst, dessen Nordrand folgend
sie bisher gezogen waren. Allenfalls lief ihnen jenseits des Schwarzen
Meeres die Hochfläche des kleinasiatischen Innern zur Seite, ein meist ab-
flußloses Becken, das in Lykaonien zur Salzsteppe, anderswo zur Gras-
steppe sich wandelt. Aber ein anderer Wanderstrom, wiederum Alanen und
Äss, dazu von hunnischen Stämmen die nachmaligen Hephthaliten, war
zuvor schon von der Kirgisensteppe aus nach Süden umgebogen. Sie alle
brachen durch die turanische Senke nach Iran vor und machten sich in un-
mittelbarer Nachbarschaft der Salzwüste, in deren Nordosten und Osten,
seßhaft. Die Mitte des iranischen Hochlandes einnehmend, bilden Kewir und
Dä§t-i Lüt die Fortsetzer der Gobi, Dzungarei und Taklamakan: jener
Wüstenzone, an deren Nordrand entlang bisher der Wanderzug gegangen
war.

1
Indumentis operiuntur . . . ex pellibus silvesirium murum consarcinatis, sagt
Ammianus 31, 2. 5 von den Hunnen. lordanes (Get. 37) weist den Hunuguren pellium
murinarum . . . commercium zu. Nach Ibn Hurdädbeh handelten die Rüs mit Byzanz
Biberfelle und solche schwarzer Füchse, jüdische Kaufleute Biber- und Marderfelle
sowie anderes Pelzwerk (153, 13; 154, iof.). Reichliche Angaben liefert die Schrift
Hudüd al- 'älam; V.Minorsky'sAusgabe(i937) gibt 521 ,furs' die Einzelheiten. Weitere
Nachrichten über Pelzhandel bei A. V. Schmidt in: Eurasia Septentr. Antiqua i, 49;
N. Fettich in: Archaeologia Hungarica 21, 165f.; P. de Kayser, Het Heldenepos van
de Gebiden (1956), 6; ein pannonischer Pelzhut: E. Swoboda, Carnuntum 38 Taf. III 2.
Die angebliche Pelzkappe des Goldmedaillons von Sinigaglia (Theoderich d. Gr.)
scheidet aus, vgl. R. Delbrueck in: Felix Ravenna, fasc. 8 (LIX), Agosto 1952, n.
Hermelin und brauner Pelzbesatz auf einem Fresko aus Kiriä (Ostturkestan) bei A.
v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- und Kulturgeschichte Mittel-Asiens (1925), 45
fig. 28—29. — Eine Gesamtdarstellung, allerdings unter Ausschluß der Hunnen und
der orientalischen Quellen, versucht B. Schier, Pelze in altertumskundlicher Sicht
(1951)·
17
Über die Fortsetzung nach Westen vgl. A. Kollautz in: Saeculum 5, 162f.
5- GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 105

Auch die iranische Hochfläche bildet eines jener abflußlosen asiatischen


Becken, die in der Taklamakan und im Binnenland Kleinasiens bereits
begegnet waren. Wieder gliedert sich das Gesamt in Einzelbecken von ver-
schiedener Tiefe, in die fast sämtliche Flüsse Irans münden. Nur der Hämün-
See, der den Hilmend in sich aufnimmt, führt süßes Wasser; sonst bilden
den Endpunkt Salzsümpfe, die im Sommer zu vegetationsloser Salzwüste
vertrocknen. Nach den Gebirgsrändern zu, die ein wenig Feuchtigkeit fest-
halten, erstreckt sich eine Steppe, deren Löß-, Sand- und Geröllböden den
Herden der Nomaden in Kameldorn, Akazien und Gräsern die Nahrung liefern.
Die turanische Senke, nordöstliches Einfallstor zum Innern der ira-
nischen Hochebene, nimmt von Weide und Grasland ihren Ausgang. Den
Südrand der kirgisischen Schwelle bilden die Hungersteppe und nach Osten
zu der Balchasch-See, wo in den flachen Schilfdickichten des Südufers noch
heute der Tiger haust. Die Flußtäler des Oxos und laxartes, des Tschu und
Ili bilden gegen das Gebirge hin tiefe Buchten, darin geschichtliches Leben
erblühte: Chwärezm und die baktrische Ebene, die Sogdiane und Feryäna,
das Siebenstromland (Semirjetschije). Zwischen ihnen nehmen noch immer
Wüste und Steppe den größten Teil der Oberfläche ein. Vor allem die Lehm-
und Lößsteppen mit Artemisien, Charmyksträuchern und Steppengras
(Tschii) bieten den Herden das nötige Futter. Doch schon erscheinen die
ersten Berieselungsoasen mit ihren Platanen, Maulbeer-, Obst- und Nuß-
bäumen, mit Weinrebe und Getreidefeldern, Reisanbau und Luzerne.
Uralte Städte erheben sich auf diesen bevorzugten Flecken: Merw, Buchara,
Samarkand — um nur diese zu nennen.
Demzufolge standen von jeher neben Oasenbauern und städtischer Be-
völkerung Nomaden, die sich der Pferde-, Schaf- und Kamelzucht widmeten.
Überfall und Schutz des Fruchtlandes, aber auch der durchziehenden Kara-
wanen lieferten ihnen den zusätzlichen Lebensunterhalt. Im Frühling,
dann wieder im Herbst und Winter durchzogen sie mit ihren Herden die
Steppen; nur im Sommer stiegen sie hoch in die östlichen Randgebirge
hinauf. Turan war Durchgangsgebiet nicht nur für den Handel und seine
Straßen, sondern auch für die großen Wanderzüge, die aus Innerasien
kamen. In unablässiger Folge fielen iranische, türkische und mongolische
Reifer- und Hirtenstämme in dieses Land ein und machten es sich unter-
tänig, um dann, selbst seßhaft geworden, neuen Eroberern Platz zu machen.
Es befremdet nicht, nach den " den Alanen, nach ihnen den Hunnen in
diesem Raum zu begegnen.
106 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Jener Wüstengürtel, der sich quer durch die alte Welt zieht, setzt
sich nach Süden in der arabischen Halbinsel fort. Auch sie bildet ein Durch-
gangsgebiet, gleich der vorderasiatischen Tafel überhaupt und ihren Nach-
barländern. Schon kündigt sich der Übergang von Asien nach Afrika an.
In diesen Raum sind Alanen und Hunnen nur vereinzelt eingedrungen: als
Söldner in arsakidischer Zeit (oben S. 15) oder im Gefolge der Kriege, die
der Sasanide Kaväo I. (488—531) mit seinen hephthalitischen Hilfsscharen1
gegen innere Gegner oder das benachbarte Rom geführt hat. Bedeutsamer
war, daß, wie die nördlichen Randgebiete des innerasiatischen Wüsten-
gürtels zum Strombett nomadischer Wanderungen und Vorstöße geworden
sind, dies auch für die Zonen gilt, die der arabischen Halbinsel und ihrer
Fortsetzerin, der Sahara, sich vorlagern.
In der Tat entsprechen den Bewegungen der eurasischen Nomaden in
den nachchristlichen Jahrhunderten ebensolche im arabischen und nord-
afrikanischen Raum. Mehr noch: sie alle stammen nach Ursprung, Aus-
dehnung und nach ihren geschichtlichen Gezeiten derart überein, daß man
von einer großen, durchgehenden Bewegung sprechen darf.
Ein ganzes Zeitalter, so wird sich zeigen, ist durch den Einbruch der
Nomaden in den Bereich der spätantiken Hochkulturen gekennzeichnet.
Den geschichtlichen Zusammenhang der Ereignisse herauszustellen wird
Anliegen der folgenden Abschnitte sein.
Neben der Gobi bildet die arabische Hochfläche die große Trockenzone
des asiatischen Erdteiles. Der Gürtel der Sandwüsten zieht sich von der
Harra im Westen, der Bädiyit es-Säm im Norden über Nefüd und Ne^d
zur Dahnä' im Süden. Der Rest des Innern wird von der Steppe einge-
nommen, wo die Herden der Beduinen nach den Winterregen grünende
Weiden, sonst aber meist nur Akazien, Tamarisken und Kameldorn zur
Nahrung finden. Oasen, in Nachbarschaft von Quellen, Brunnen oder
Widyän, unterbrechen das Einerlei. Sie ziehen sich vor allem am Westrand
entlang, von Taimä' im Norden über die Städte des Higäz und Nagrän
bis zu dem vom Südmonsun befruchteten Hochland von Yemen. Da-
neben erstreckt sich, mit dem Wädi Sirhän beginnend, eine zweite Oasen-
1
Vorläufig Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 30!; 33; über den Hunnen-
einfall, der im syrischen Alexanderlied erwähnt wird: F. Pfister, Alexander d. Gr.
und die Offenbarungen des Griechen usw. (1956), 38.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 107

kette von Dümat al-Gandal über Hayil nach er-Riäd, durch die Mitte der
Halbinsel verlaufend.
Wie der Trockengürtel Ost- und Mittelasiens seine nach Norden vor-
gelagerte Steppenzone besitzt, die vorzugsweise zum Ausgangspunkt ge-
schichtlicher Ereignisse wurde, so auch die arabische Wüste. Gemeint ist
der „fruchtbare Halbmond", jener Kreis von Landschaften, der sich im
Westen, Norden und Nordosten um die nördliche Hälfte der innerarabischen
Hochebene zieht.
Der Halbkreis oder, wenn man im Bilde bleiben will, der Halbmond
setzt im Süden, an der Küste des Roten Meeres, an. Der tiefe Einschnitt,
der durch den Golf von Akaba, das Wädi l-'Araba und durchs Tote Meer
gebildet wird, bedeutet eine Scheide. Sinai-Gebirge und Wüste et-Tih dort,
die Ausläufer der Randgebirge hier treten auseinander. Im Gebirgsstock
von Petra, in den Höhenzügen östlich des Toten Meeres, um Kerak, finden
diese ihre charakteristischen Prägungen. Der Graben setzt sich nach Norden
in der Jordan-Senke, dem See Tiberias und im Orontestal fort. D.as „hohle"
Syrien ( ) scheidet Libanon und Antilibanon.
Geht man weiter, so schließen sich an den Libanon jene flacheren, bis
zum kilikischen Taurus streichenden Ketten, die das Altertum unter dem
Namen Amanus zusammenfaßte. Der Antilibanon, nur bei Palmyra von
einer Senke durchbrochen, verläuft in seinen Fortsetzern bis zum Euphrat.
Überall hebt sich die Meeresküste im Westen von der Syrischen Wüste im
Osten ab. Auch diese erstreckt sich, in einer durchschnittlichen Höhe von
600 Metern, bis an die Südgrenze des Zweistromlandes. Bezeichnen Akaba
und Ma'än den südlichen Beginn des Halbmondes, so Aleppo und Edessa
die Stellen, da er sich am weitesten nach Norden wölbt, um dann nach Osten
und Südosten umzubiegen.
Die große Schwemmebene, von Euphrat und Tigris durchflossen, wird
vom armenischen Taurus und den iranischen Randgebirgen im Norden und
Osten begrenzt. Im Südosten bilden der Persische Golf, nach Süden und
Westen die Syrische Wüste den Abschluß. Das ebene Land setzt sich, nach
Vereinigung beider Ströme, im Sumpfgebiet des Satt, von el-Kuwait ab an
der Küste des Golfes bis zur Enge von Hormuz fort, wo der gebirgigeTeil
Omans Halt gebietet. Wie die Syrische Wüste im Norden die Grenze bildet,
so weiter südwärts Nefüd und Negd, auch sie ein Hochland.
Durch tiefen Einschnitt markiert der Golf von Suez den Beginn Ägyp-
tens. Schon im 6. vorchristlichen Jahrhundert saßen am Ostrand des Niltals
108 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

arabische Stämme. Überall erweitern sich die unmittelbaren Anrainerländer


und Fortsetzer des arabischen Hochlandes zu einem breiten Gebietsstreifen,
und in ihm spielte sich arabische Geschichte vor und nach Mohammed vor-
zugsweise ab. Hier, wo die der Wüste entquellenden Stämme mit den ge-
schichtlichen Gestaltungen des Hellenismus, Roms und Irans sich erstmals
berührten, hat sich entzündet, was längst bereitlag. Aus geschichtslosem
Dahindämmern trat man in jenen Bereich hinüber, darin das geschichtliche
Bild einer Nation sich prägt.
Solch geschichtliche Kontaktzone fällt fast überall mit dem Übergang
aus der Wüste ins Fruchtland zusammen. Wer ihn erlebt hat, wird den
bewegenden Eindruck nicht vergessen. Mit unerhörter Eindringlichkeit
zeichnet sich das Gegenüber ab, das sich als solches weltgeschichtlichen Aus-
maßes erweist.
Da ist Jericho, uralte Stätte der Besiedlung; im südlichsten Ausläufer
des Jordantales gelegen. Gegenüber der grauen, steinernen Unfruchtbarkeit
des umgebenden Berglandes glaubt man sich auf eine tropische Insel ver-
setzt. Beglückend die üppigen Gärten und Felder, die leichtgebauten,
offenen Häuser, zu allem Betriebsamkeit und Beweglichkeit der Bewohner.
Es ist, als sei man in einen Bereich gelangt, da alles Lebensbejahende,
Sprießende, Fruchtbare sich zu fröhlichem Tun vereint habe. Ein unbe-
schwertes Dasein, leicht und zuweilen leichtfertig, lebt sich im Gegensatz
zu den dräuenden Felshalden im Hintergrund um so heißer und unbeküm-
merter aus. Nach Süden die weite Sicht aufs Tote Meer, das in der Mittags-
glut gleich geschmolzenem Silber funkelt, gleißt .. . Verlockung und Töd-
liches, Verheißung und Unfruchtbarkeit der Salz wüste in sich beschließend.
Die Straße, die ostwärts nach es-Salt emporsteigt, entführt der buhle-
rischen Gefälligkeit der Fruchtebene. Karg und streng zeichnet sich das
Hochland jenseits des Jordan ab. Man lernt es als fernsten Ausläufer der
arabischen Halbinsel und ihrer Randgebiete begreifen. Moderne Geschäftig-
keit erweist sich als bloße Tünche; auch das Muslimische mutet zuweilen
als bloße Überschichtung an. Verschüttet und verdeckt, und doch unter
allem, was darüber lagert, sich behauptend, tritt hervor, was diesem Lande
unvergängliche Prägung verliehen hat: arabisches Altertum, die große Zeit
vorislamischen Heidentums.
Beduinisches Leben hat immer einen Hauch heidnischen Wesens be-
wahrt. Nicht nur in der Rolle der Gestirne, die an deren altarabische Ver-
ehrung gemahnt. Auch was man die Religion der frühen Dichtung nennen
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 109

möchte: Bewährung des Mannes, dessen rechtmäßige Grausamkeit, sein


Stolz auf alles Herbe und Strenge, aber auch seine Freude am Verschwenden,
am zugleich Großartigen und Sinnlosen, Unerbittlichkeit des Daseins-
kampfes — alles erfüllt noch heute die Seele des Wüstenbewohners. Be-
zeichnend, daß das erste und einzige echtarabische Königtum, das der
Omaiyaden, gerade in Transjordanien eine Fülle der Denkmäler hinter-
lassen hat. Auch diese Könige waren im Grunde noch Heiden, trotz des
überkommenen Islam — heidnisch nach Lebensfülle, Geräumigkeit, Hel-
dentum, Verschwendungssucht, Unbekümmertheit und im Pochen darauf,
daß man so und nicht anders sei: Eigenschaften, die vereint die Omaiyaden
geprägt, sie groß gemacht und ihnen den Untergang gebracht haben. Wie
den Beduinen, so war ihnen die Wüste Heimat und Sehnsucht zugleich.
Solche Sehnsucht hat dieses Herrengeschlecht getrieben, seine Schlösser auf
dem schmalen, weit nach Osten sich erstreckenden Streifen zu erbauen, der
'Amman mit dem Wädi Sirhän verbindet. Im traumhaft verlorenen Kusair
'Amra, mit der Zauberwelt seiner Fresken, hat diese Bautätigkeit sich ihr
Meisterwerk und zugleich den fernsten Außenposten geschaffen.
Ein anderes Bild: Palmyra, Stadt der Säulenstraßen und Tempelhöfe,
hat ihren Besucher entlassen. Durch tiefe Schluchten, vorbei an den Grab-
türmen der Nekropole, geht es der Wüste zu. Eine weite, staubige Ebene,
mit spärlichen Kameldornsträuchern bewachsen; dann und wann zeichnet
sich am Horizont eine weidende Herde oder, in eine Bodenwelle geduckt,
ein aus wenigen Zelten bestehendes Lager ab. Entbehrung und Mühsal
haben in den Zügen der Nomaden tiefe Spuren hinterlassen. Weiter und
weiter geht es, der langsam sinkenden Sonne zu. Schon glaubt man das
Reiseziel nicht mehr zu erreichen, da ersteht, gleich einer Fata Morgana aus
dem Nichts gezaubert: Damaskus.
Man gehe nicht zweimal ins Paradies, habe der Prophet geantwortet,
als man ihm nahelegte, die Stadt zu besuchen. Solcher Vergleich mit dem
himmlischen Garten, dessen Gottes Gesandter ohnedies gewiß war, zielte
auf die fruchtbare Üppigkeit der Oase, an deren nördlichem Rand Damaskus
liegt. Der ager Damascenus besaß schon im Altertum Ruf, und die güta,
wie die Araber sie nennen, hat ihn bis heute bewahrt. Im Norden begrenzt
durch die Ausläufer des Hermon, im Süden durch ein Hintereinander von
Hügelketten, erstreckt sich das Fruchtland im Osten bis zu den Wiesen-
seen, um dann unvermittelt in die Wüste überzugehen. Angesichts des
kahlen, steinigen öebel Kasyün, seiner verkarsteten und sozusagen ver-
HO VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

greisten Hänge, lagert sich die Stadt inmitten des umgebenden Gartens
gleich einer jungen und eitlen Frau in ihrem Bett, verlockend und begeh-
renswert. Sie hat nichts von der Art, darin sich heute Wien, Venedig oder
Istambul gefallen: alternde Hetären, die um ihre Vergangenheit wissen und
daraus Größe und Würde gewinnen. Blühend, beweglich, lebensfreudig ist
Damaskus geblieben, mag auch sein Gründungsdatum weit über das seiner
Mitbewerberinnen hinaufreichen. Die Quellen und Flüsse der Oasen, die
seit Vorzeiten sprudeln, ohne zu versiegen, haben das Wunder bewirkt, daß
Ältestes sich in unvergänglicher Jugend darbietet.
Auch die 'Abbäsiden kannten die Sehnsucht nach der Wüste. Aus der
brütenden Hitze Baghdads, aus der Glut seiner staubigen Mauern flüchteten
sie in die freie, ungebundene Welt der Einsamkeit, deren Klima sie zu
schätzen wußten. Uhaidir, ein Wüstenschloß gleich manchen in Trans-
jordanien, nur von erheblich erweiterter Anlage, wurde in früh-fabbäsi-
discher Zeit erbaut. Aus der großen Einöde führt der Weg über die gelbe
Steilkante, die den Abbruch des syrischen Wüstenplateaus kennzeichnet,
durch einen Zaubergarten rötlich schimmernder Erosionen, auf den Sawäd
zu. Dieses Gebiet schwarzer, fruchtbarer Erde ist heute freilich weithin
versalzt und versumpft. Als noch ein Kanalsystem die Wasserzufuhr regelte,
erstreckte sich das Fruchtland vom Fuß des Zagros im Norden bis zum Rand
der innerarabischen Hochebene.
Heute stößt man erst bei Kerbela oder Negef auf die Anfänge der Be-
bauung. Wenige Kilometer vom Euphrat beginnt jenes Sprießen und
Wachsen, das überall seine Ufer kennzeichnet. Im Schatten der Vegetation
machen die Karawanen Halt, laben sich Mensch und Tier. Palmenhaine,
erst vereinzelt, dann immer dichter und umfangreicher, begleiten den Weg;
das Rieseln ihrer Bewässerungskanäle kündet von der Nähe des Flusses.
Unversehens spiegeln sich die Wipfel in den breiten, ruhig strömenden
Wassern dieses Vaters der Ströme.
Anders der Norden des Landes: die „Insel" (gazfra) zwischen beiden
Flüssen. Hier greift die Steppe über den Euphrat hinweg. Ein ausgetrock-
netes und kahles Plateau, von Auswaschungen zerrisen, hüllt sich ins gleich-
mäßige Grau des Lößstaubes. Große Blöcke, von wasserlosen Rinnsalen aus
der Ebene herausgeschnitten, gleichen urweltlichen Tieren, die in unheil-
voller Ruhe verharren. Ein schwerer, blauschwarzer Himmel lastet über
dieser trostlosen, unmenschlichen Landschaft. Nur den Herden der Beduinen
dient sie als Weidegebiet.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN Hl

Erst an den Ufern des Tigris oder weiter nördlich, jenseits des Gebel
Singär ist wieder Bestellung möglich. Hier tauchen die scherbenübersäten
Teils auf, Stätten einstiger Besiedlung anzeigend. Sie markieren auch heute
die Grenze zwischen Steppe und Fruchtland, nur daß sie diesmal quer durch
die mesopotamische Ebene verläuft.

Die Türkstämme des nördlichen Eurasien wie die Beduinen der arabi-
schen Halbinsel und des fruchtbaren Halbmondes zeigen ihre Verknüpfung
mit den geographischen Gegebenheiten schon in ihrer Namengebung. An
früherer Stelle war der hunnischen Akatziren gedacht worden, der *aya£-äri
oder „Waldleure" (oben S. 5). Es ergab sich, daß sie ihren Namen als Be-
wohner der russischen Waldzone trugen. Ammianus nennt dementsprechend
seine Hunnen vagi monies peragrantes et silvas1, bekleidet sie mit indu-
mentis .. . ex pellibus silvestrium tnurum consarcinatis*. Obwohl auch Oro-
sius3 die gens Hunnorum diu inaccessis seclusa montibus wohnen läßt, hat
man „Bergleute" nicht. Aber Ammianus4 läßt die Alanen ex monlium
6
appdlatione cognominati sein, also nach den " . Und der Name
der To-pa (*t'ak-b'uät) trägt alttürk. /ay„Berg, Norden" in sich·; ebenso
Menandros>7Tay^aTCtpxav {ftaymat-taryan, */ayftfl/-ter^a«). Dagegen stehen
den hunnischen „Waldleuten" zur Seite die türkischen yazar „Feldleute"8,
intsprechend dem Nebeneinander der russischen Wald- und Feldzone. Und
iiese Entsprechung kehrt wieder in den gotischen Tervingi und Greuthungi
(Gruiungi), den slawischen Drevljanen und Poljanen8·, die alle gleichfalls
„Waldleute" und „Feldleute" gewesen sind·. Herodot steuert die

1
3i. 2, 4-
3i. 2. 5-
7, 33. i»·
3i. 2. iß.
Ptolem., geogr. 6, 14, 3; n; Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 69.
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 337*· Anm.
Konstant. Porphyrog., Exe. de legat. 195. i8f.; FHG. 4, 228/29 fr· 20 Müller.
8
O. Szemeronyi bei F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache 506 Anm. 9.
8a
Nestors Chronik c. 3 Miklosich; V. Thomsen, Der Ursprung des russischen
Staates 8 f.
' Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 2841.; Altheim-Haussig, a. O. 70f.; 73!.
(gegen H. Rosenfeld in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
77« J955. 240; Beitr. zur Namensforschung 1956, 195!.).
112 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

, bei, und wieder stehen neben ihnen die


10
und die Waldzone der Budiner11. Auf arabischer Seite ist an
Ibn Haldüns Scheidung der Ta'ä in Bewohner des Gebirges (gabatiyün) und
solche der Ebene (sahUyüri) zu erinnern12. Oder an die Titulatur der spä-
teren Könige von Saba13, daiin „ihre Araber des Hochlandes und der
Küstenebene" begegnen (w"rbhmw twdm wthmt]14.
Noch stärker prägt sich die beiderseitige Abhängigkeit von der Umwelt
in der Bedeutung aus, die Klimaschwankungen für die Geschichte der nord-
eurasischen und der arabischen Nomaden besitzen15. Einen geschichtlichen
Anlaß für die Westwanderung der Hunnen, um gleich diese zu nennen,
vermag niemand anzugeben. Es ist nicht bekannt, was die Alanen und Äss
veranlaßt hat, sich in nachchristlicher Zeit am Nordrand von Iran entlang
auf den Kaukasus zu und ins Gebiet zwischen den Unterläufen von Don und
Wolga zu wenden. Ebensowenig, was die Hunnen antreiben mochte, ihnen
zu folgen und in Nordost-Iran einzubrechen oder sich in zwei aufeinander-
folgenden Schüben östlich der Maiotis festzusetzen. Schon hier wird man beim
Fehlen aller anderen Anlässe die Ursache in klimatischen Verhältnissen
suchen dürfen. Die Kurve der Klimaschwankungen Asiens, für den eurasi-
schen Bereich bis etwa zum Altai hin gültig16, zeigt seit der Mitte des i. vor-
christlichen Jahrtausends ein erst allmähliches, dann immer rascheres Ab-
sinken. Etwa um 300 v. Chr. tut die Kurve ihren ersten tiefen Sturz16a. Dieser
Sturz ist eine innerasiatische Erscheinung, denn die Parallelkurve der kali-
fornischen Sequoia Gigantea folgt dem nicht.
Sturz der Klimakurve bedeutet Trockenheit, Absinken des Grundwasser-
spiegels17, scharfen Wechsel des Sommer- und Winterklimas, verringerten
Weideertrag. Um ein Beispiel zu geben: in Australien können bei einem
jährlichen Niederschlag von 20 Inches 600 Schafe auf der Quadratmeile
gezogen werden, bei 13 Inches nur 100, bei 10 nur 10 Schafe. Das Absinken

»
11
4, 17—19-
4, 2i. Ähnlich von den Massageten: Strabon p. 512 Ende, nach Herodot. i,
202—204.
" 6, 8, 23f. (Büläker Ausg.); in M. G. de Slane's Übersetzung i, ig.
18
Zuletzt G. Ryckmans in: Le MuseOn 70 (1957), 3^°·
14
Beispielsweise R 506, 2: Le Museon 66 (1953), 278.
18
A. Kollautz in: Saeculum 5, 129!
18
J. F. Geliert in: Urania 12, 220f.
iea
K. Butzer in: Abhandl. Akad. Mainz, Mathem.-naturwiss. Klasse 1958, i, 8f.
17
J. C. Curry in: Antiquity 2 (1928), 292 — angeführt nach K.W. Butzer, in:
Saeculum 8 (1957), 364 Anm. 20.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN H3

des Ertrags ist ungewöhnlich scharf. Demzufolge muß, wenn die gleiche
Menge an Volk und Vieh weiterhin am Leben bleiben soll, die bis dahin be-
nutzte Weidefläche rasch und weitgehend vergrößert werden. Sturz der
Klimakurve hat demnach überraschende Ausdehnung zur Folge. Die Jahre
nach der Zeitwende sind die der Alanenwanderung, die nach 300 die des Auf-
bruchs der Hunnen aus Innerasien, ihres Einbruchs in Nordostiran (ab 356)
und ihres Stoßes über den Don (375). ...
fielen die Hunnen unter Basich und Kursich in Medien ein18. Wie sehr man
die Trockenheit fürchtete, zeigt die Wanderung der Protobulgaren, Nach-
fahren der Hunnen, vom inneren Skythien und vom Gebirge Imaion bis
zum Tanais. Um Wasser zu haben, mußte man das langwierige und schwierige
Unternehmen im Winter durchführen19.
Das Bild läßt sich erweitern. Vergleicht man den von R. Hennig80 zu-
sammengestellten Katalog der bemerkenswerten Witterungsereignisse, so
hat man 310 eine außerordentliche Dürre auf Zypern, 362 große Trockenheit
in Asien und in Afrika, 375 einen langen, strengen Winter und Dürre im
Sommer und 400/01 einen strengen Winter, da Rhein, Donau und Schwarzes
Meer völlig zufroren, dieses volle zwanzig Tage lang. Hinzukommt, daß auch
394/95 das Eis die Donau passierbar machte20*. Das klimatische Bild
beschränkt sich nicht nur aufs nördliche Eurasien, und dementsprechend
hört man während Säpür's II. lang er Regierung (309—379) von wiederholten
Einfallen der Araber in sasanidisches Gebiet. Die 'Abd al-Kais aus dem nord-
östlichen Arabien setzten übers Meer nach Resahr, dem Küstengebiet
von Ardaser-Churra und den sonstigen Küsten Persiens und plünderten
diese21. Nach Säpürs Rachezügen wurden viele der Besiegten auf persischem
Gebiet angesiedelt, auch in Kirmän, in der westlichen Persis und in Ahwäz22.
Die Kämpfe mit den Beduinen hörten bis zum Ende von Säpürs Regierung
nicht auf28. Auch von Einfallen aus dem oberen 'Irak (gazira) nach Baby-

18
Priskos bei Konstant. Porphyrogenn., de legat. 141, u.
" Michael Syrus 381 rechte Spalte 9f.; 151. syr.; 2, 363 links der französischen
Übersetzung.
*° Katalog bemerkenswerter Witterungsereignisse. Abhandl. kgl. preuß. Meteoro-
log. Instituts 2, 4 (1904), 8.
2
°a Philostorg., hist. eccl. n, 8 p. 137, 2$i. Bidez.
21
Tabari, ann. i, 836, 15!; 844. 3!.
81
Tabari, ann. i, 839, 12 f.; 845, u f.; Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 16;
23 f.
23
Tabari, ann. i, 843, 21 f.
Althelm, Hunnen I
114 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

lonien wird berichtet24, und das römische Grenzgebiet hatte gleichfalls zu


leiden25.
Der Wasserspiegel der großen Binnenmeere registriert in seinem Auf-
und Ab die Feuchtigkeitsverhältnisse. Da er beim Kaspischen See und beim
Toten Meer ähnlichen Schwankungen unterliegt, so erfaßt man in ihrer
Übereinstimmung den Zusammenhang des klimatischen Wechsels im ge-
samten Vorderen Orient. Der „Pilger von Bordeaux" gibt 333 die Entfer-
nung Jerichos vom Toten Meer mit 9 statt 7 römischen Meilen an, die Ent-
fernung vom Meeresufer zur Tauf stelle mit 5 statt 42e. Das zeigt einen nied-
rigen Wasserstand an und bestätigt das eben Gesagte.
Von besonderer Bedeutung ist, daß unter Peröz (457—484) es einen sie-
benjährigen Mißwachs gab. Ibn al-Mukaffaf bei Tabari27 berichtet: „Die
Flüsse, Wasserröhren, Quellen trockneten aus, Baum und Röhricht ver-
dorrten, alle Saaten und Sumpfgewächse des Landes, im Gebirge und in der
Ebene, wurden zu dürrem Staub, Vögel und Wild starben, und das Vieh
hungerte so, daß die Lasttiere keine Last mehr tragen konnten; auch der
Tigris hatte nur noch wenig Wasser. Not, Hunger und mancherlei Elend
waren über die Bewohner aller seiner (Peröz') Lande verbreitet."28. Die
Mauern der von Peröz gegründeten Stadt zwischen Gur§än und der Pforte
von Sül, Rösän-Peröz29, liegen heute zumindest 2,50 m unter dem Spiegel
des Kaspischen Sees30, was bestätigt, daß man nach der Mitte des 5. Jahr-
hunderts eine Dürrezeit durchmachte.
Nachrichten syrischer Autoren, gleichfalls nicht beachtet, treten hinzu.
Für 499/500 und 500/01 notiert die Chronik des Josua Stylites31 eine große
Dürre und Hungersnot. Und 523/24 trocknete, nach der Kirchengeschichte
Zacharias des Rhetors32, der Siloe-Bach, südlich von Jerusalem, für 15Jahre
aus. Auch diesmal ergänzen und bestätigen Angaben, die von anderer Seite
44
Mas'üdl, murüg 2, 175, gi. Barb. Die dort angeführten Verse des Laklt b. Ma'mar
stammten aus der Zeit Chusrö's II. Anöäarvän: Ibn Kutaiba, lib. poes. 97, qi. de Goeje
und Kitäb al-Agänl 20, 23.
t&
Amm. Marc. 23. 2, 4.
" K. W. Butzer. a. O. 363.
27
Ann. i, 873, 15f.; dazu Th. Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber 121
Anm. i; vorangeht (i, 872, 21 f.) der kürzere Bericht Hiiäm's b. al-Kalbi (i, 872, 17).
Die Nachricht ist von K. W. Butzer und schon von R. Hennig übersehen worden.
28
Übersetzung Th. Nöldekes, a. O. 121 f.
" Tabari, ann. i, 874, 15; Th. Nöldeke, a. O. 123 Anm. 3.
30
K. W. Butzer, a. O. 363.
31
c. 39 p. 34, i6f.; c. 41 p. 60 , 2of. Wright.
82
2, 75, 24f. Brooks.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN H5

gesammelt wurden83. Im Jahre 441/42 wird ein strenger und schneereicher


Winter, besonders in Illyrien, gemeldet, ebenso 443, und 454 gab es eine große
Dürre in Kleinasien, 473 erneut kalten Winter und 484 eine große Dürre in
Afrika und Europa, die alle Quellen und Flüsse austrocknen ließ. Strenger
Winter wird für 508 und 524, 512—517 eine große Dürre für Palästina ge-
meldet. Wieder regten sich die Nomaden im Norden und Süden. Attüas
Eroberungszüge fallen in die vierziger und den Beginn der fünfziger Jahre.
Die Hephthaliten hatten unter Bahräm V. Gör (420—438) mit ihren An-
griffen gegen das Sasanidenreich begonnen, Peröz war ihnen erlegen (484),
und sie hatten in den Thronstreit zwischen Balää (484—488) und Kaväo L
eingegriffen und diesen 496 auf den Thron zurückgeführt. Unter Kaväo I.
wurden bis zu seinem Tod (531) alle Feldzüge vorzugsweise von hephtha-
litischen Hilfstruppen geführt34. Auf der arabischen Halbinsel entspricht
dem Aufstieg der Hunnen und des Hephthalitenreichs der des beduinischen
Reichs der Kinda35.
Durch eine neugefundene altsüdarabische Inschrift weiß man, daß die
Kinda schon vor der Mitte des 3. Jahrhunderts in das Gebiet der Ma'add
einfielen, deren Sitze damals von der Umgebung Mekkas bis zur Nordgrenze
Nagräns sich erstreckten38. Zuletzt faßten die Ankömmlinge in der Südwest-
ecke des Nagd Fuß. Der Dichter Imru'ulkais, selbst ein Kinda, nennt diese
„eine Schar von Yemeniten". Von Anfang an standen ihnen die Könige der
südarabischen Himyar zur Seite. Mit deren Hilfe gewann, fast ein Jahrhundert
später (seit 420), Hugr Äkil al-murär, Stammvater der Kinda-Könige und
Stiefbruder des damaligen Herrschers der Himyar, Gewalt über die Ma'add.
Wenig später jedoch erlag Hugrs Nachfolger, 'Amr al-Maksür, der Erhebung
eines Unterstammes, der Rabi'a.
Ebenso überraschend erfolgte ein zweiter Aufstieg. 'Amrs Sohn Harrt ge-
wann nach 490, erneut von den Himyar unterstützt, die verlorene Herr-
schaft über einen großen Teil der Ma'add zurück. Alsbald dehnte sich seine
Macht über die innerarabische Wüste aus; Unternehmungen gegen die
römische Grenze in Syrien und Palästina sowie gegen die Lahmiden von

33
R. Hennig, a. O. 9. Im Folgenden weichen wir von Butzers Aufstellungen,
denen keine unmittelbare Kenntnis der Quellen zugrundeliegt, vielfach ab.
34
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat, i, 33.
35
Grundlegend G. Olinder, The Kings of the Kinda. In: Lunds Universitets
Arsskrift N. F. Avd. i, 23, 6 (1927). Ihm sind die folgenden Angaben, wenn nicht
anders gesagt, entnommen.
36
J. Pirenne in: Le Museon 69 (1956), 171 f.; G. Ryckmans, ebenda 139f.
116 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Hira folgten. Wenig später machte Ostrom mit den Kinda Frieden und
schloß ein Bündnis, dessen Spitze sich gegen die sasanidischen Vasallen, die
Lahmiden, richtete. Sofort wandte sich die Tätigkeit der Wüstenstämme
dem unteren Euphrat zu. Die den Kinda unterstehenden Stämme der
Ma'add: Bakr und Taglib, begannen in den 'Irak einzuströmen. Ihre Be-
wegung führte den Umsturz herauf. Schon kurz nach 503 zeitigte ein
Handstreich auf Hira vorübergehenden Erfolg.
Das Sasanidenreich machte damals seine große soziale Krise durch. Die
Revolte Mazdaks und seiner Anhänger führte zu völligem Umsturz der
Besitzverhältnisse, zur Beseitigung des grundbesitzenden Adels und zu
schwerster Erschütterung der königlichen Macht. Kaväo's I. Regierung
(488—531) war von diesen Wirren erfüllt. Als unter dem Druck der Kinda
und vom Zentralregiment alleingelassen des Lahmiden Mundir III. Wider-
stand erlahmte und er zuletzt fliehen mußte, blieb Kavä<5 nichts übrig, als
den eingetretenen Zustand anzuerkennen. Der Kinda-König Harrt trat die
Herrschaft und Nachfolge im bisherigen Gebiet der Lahmiden an. Sein
Enkel, der sogleich zu nennende Dichter Imru'ulkais, durfte rückblickend
sagen, daß sein Großvater über den f lräk bis nach Oman geherrscht
habe.
Nach dreijähriger Dauer (525—528) nahm die Herrlichkeit ein Ende.
Ausgang 528 oder Anfang 529, also noch zu Lebzeiten seines Vaters, warf
Kaväo's Sohn, der nachmalige Chusrö I. Anösarvän (531—579), die Mazda-
kit en blutig nieder. Sofort wurde Mundir III. mit persischer Hilfe die
angestammte Herrschaft zurückgegeben. Harrt mußte weichen, und der
erbitterte Sieger nahm blutige Rache.
Unter dem Eindruck seiner Vertreibung knüpfte Härit die 506 abge-
rissene Verbindung mit Ostrom von neuem. Zu Bedeutung hat es der Kinda
nicht mehr gebracht, da er bald darauf starb (vermutlich 529). Doch zuvor
noch hatte Härit das ihm Verbliebene unter seine fünf Söhne verteilt. Es um-
faßte eine mehr oder weniger locker gefügte Masse beduinischer Stämme,
deren Sitze von der römischen Grenze bis zum öabal Sammär und Euphrat,
nach Bahrain und bis zur Tihäma reichten. Dem Ältesten, Hugr, ver-
weigerten die südlich des Gabal Sammär beheimateten Banü Asad die Ab-
gaben und töteten ihn. Zwischen zwei anderen Söhnen, Surahbü und Salama,
kam es bei Kuläb (im Gebiet des unteren Euphrat) zur Schlacht (nach 530),
in der Surahbil fiel. Kinda zerbrach und wurde zwischen Himyar und
Lahmiden aufgeteilt.
5. GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN H?

Über die folgende Klimaverschlechterung, die um 590 begann und bis


etwa 640 reichte, wird später zu sprechen sein37. Eine Abfolge außerordent-
licher Trockenjahre, von 591 bis 640 verlaufend38, brachte im Norden den
Vorstoß der Awaren nach Westen, die beginnende Ausbreitung der tür-
kischen Bulgaren nach Süden, auf der arabischen Seite den zunehmenden
Druck der Wüstenstämme gegen Syrien und gegen den unteren Euphrat
(Treffen von du Kar)39, schließlich die islamische Eroberung.

Im Jahre 395 überschritten die Hunnen die zugefrorene Donau und


plünderten Thrakien. Andere Teile des Volkes gingen über den Don, zogen
durch Groß-Armenien zur Melitene. Sie gelangten weiter zur ,
plünderten Coelesyrien und Kilikien; unzählige Menschen fielen dem Raub-
zug zum Opfer1. Gleichzeitig brachen in Nordafrika die Maziken und Auxo-
rianen über Libyen und große Teile Ägyptens herein, verheerten auch die
angrenzenden Landschaften2.
Erstaunliche Gleichzeitigkeit, und doch blieb sie nicht auf diesen Fall
beschränkt. Es konnte geschehen8, daß einSasanide den oströmischen Kaiser
um Hilfe gegen die ständigen Einfalle der Hephthaliten anging und dieser
ihm gestehen mußte, er sei von den nordafrikanischen Blemmyern und
anderen Barbaren nicht weniger bedrängt*. Gesandte, die lustinian zum
Wandalenkrieg aufriefen, meinten, die Mauren lebten gleich den Arabern
(tayyäye) von Raub und Verwüstung4·. Sie betrachteten beide Völker als
ähnlichen Menschenschlag. Genug, auch der äußerste Ausläufer des Wüsten-
gürtels, die Sahara und vor allem ihre östlichen Teile, darf in die Be-
trachtung einbezogen werden.
Schon das Zweistromland bildete ein schmales Senkungsfeld, das die
ununterbrochen verlaufende asiatische Wüstentafel durchbrach. Es begann
37
Angaben bei R. Hennig, a. . .; K. W. Butzer a. O. 362.
88
K. W. Butzer; a. O. 362; 366.
39
Von K. W. Butzer, a. O. 366! übersehen.
1
Philostorg., hist. eccl. n, 8 p . 137, 24!. Bidez. Andere Nachrichten bei E. A.
Thompson, A History of Attila and the Huns 26 Anm. 7.
* Ebenda 138, gf.
3
Josua Stylites c. 18 p. 15, 20 f.
* Ebenda c. 20 p. 17, 4. Das daneben genannte Barbarenvolk ist unsicher über-
liefert: grmnkw. W. Wright vermutet die Germanen. Waren es die Garamanten ?
*· Zachar. Rhetor 132, 7! Brooks.
118 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

mit der Bildung des Persischen Golfes, der einstmals bis Baghdad und weiter
hinauf gereicht hat. Der untere r lräk ist demgegenüber eine junge An-
schwemmungsebene, die langsam in den Golf hinausgewachsen ist und noch
jährlich um angeblich 25 Meter hinauswächst. Arabien an der Südseite der
Senke bildet eine riesige, schräg gestellte Scholle. Ihr erhöhter Rand fällt mit
der Küste des Roten Meeres zusammen, während die Abdachung mit einer
leichten Bruchkante ins Zweistromland und flach in den Persischen Golf
ausläuft.
Das Rote Meer bildet eine zweite, ungleich einschneidendere Versenkung.
Sie läuft nach Norden in den großen syrischen Graben aus, während sie sich
im Süden, durch die Lavamasse der abessinischen Halbinsel unterbrochen,
im ostafrikanischen Graben fortsetzt. Jenseits beginnt die Sahara. Sie war,
mit Ausnahme der libyschen Wüste, einstmals einer Grassteppe, von Flüssen
durchzogen. Doch nur der Nil vermochte zum Mittelmeer durchzudringen.
Die Widyän der anderen Wasserläufe münden in großen Mulden, den Erg,
wobei jedem Wädi ein Erg entspricht.
Vollwüste sind nur die Erg, während die Widyän mit ihrer Vegetation
von Disteln, Tamarisken, Mimosen, Akazien und Büschelgras den Nomaden
die Zucht der Dromedare gestatten. Der Nil, dem Graben des Roten Meeres
fast parallel laufend, wird von diesem durch das Randgebirge Edbai ge-
schieden. Zwischen Nil und dem libyschen Erg eingeengt, haben die No-
maden der nubischen Wüste immer über wenig Bewegungsraum verfügt.
Nur die Kette der östlich des Flusses verlaufenden Oasen, von Harga im Sü-
den bis zur Bahnya im Norden, gestattet ihnen eine begrenzte Seßhaftigkeit.
Wie die Landenge von Suez im Osten einzige Verbindung nach Asien be-
deutet, so führt allein der Isthmus von Siwa, zwischen libyschem Erg und
Mittelmeer, nach dem übrigen Nordafrika. Wieder knüpft eine Oasenkette
durch den wasserlosen libyschen Serir hinüber zur Oase Kufra und weiter
zum libyschen Küstengebiet die Verbindung. Was sich westwärts anschließt,
bedarf hier nicht mehr der Berücksichtigung.
Ein Wüstengürtel, von der Gobi bis zur Sahara reichend, ihm zur Seite
(nördlich und westlich) die Steppe verlaufend; viehzüchtende Nomaden als
einzige Bewohner; Kamel in Asien, Dromedar in Arabien und Nordafrika
durch ihre Genügsamkeit das menschliche Dasein sichernd — alles dies schuf
Gemeinsamkeiten in geographischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Eine ein-
heitliche Felsbildkunst in typisch nomadischem Stil, in dem letzten vor-
christlichen und in den nachchristlichen Jahrhunderten erwachsen, faßte
5- GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN H9

diese Zone auch nach ihrem gestaltenden Ausdruck zusammen. Man kennt
diese oft kaum spannengroßen Figuren, die die Felswände und Flächen
bedecken, oft zu hunderten und tausenden: Ibex und Antilope, Schafe und
Ziegen, Rinder, Kamele und Dromedare, Hunde und Pferde, diese ledig
oder geritten, alle schematisch, wenn auch höchst beweglich gebildet. Ihnen
zur Seite Menschen, meist Männer, bewaffnete und unbewaffnete; dazu die
Masse der Stammeszeichen und Sinnbilder. Das beginnt mit der Gobi, setzt
sich um den Lop-nor fort 6 , erstreckt sich durch den eurasischen Kontinent
über Altaie, Jenissei-Gebiet7, Kasaxstän, Zarafsän7» bis zum Onega-See8.
Nach Süden schließen Syrien9 und Transjordanien10 sich an, dazu die Masse
der arabischen Felszeichnungen11, die dann ihrerseits in denen des Sinai12,
der Blemmyer13 und des südlichen Libyen14 münden.
Gleichartigkeiten der gesellschaftlichen Ordnung treten hinzu. Fast
alle Nomaden des Steppengürtels (nur die Araber sind ausgenommen)
kennen das Erbrecht der Brüder und Nefien. Man pflegt es mit dem kelti-
schen Wort tanistry zu bezeichnen, wofern man nicht vorzieht, von Fratri-
archat zu sprechen. J. N. Lambert hat ihm in seinen „Aspects de la civili-
sation ä l'äge du fratriarcat" (1958) eine eindringende Untersuchung ge-
widmet.
Ihren festen Herrschaftsbereich besitzt auch heute noch die tanistry im
Magreb. In Marokko wie in Algerien auf die Berber zurückgehend, ist sie
F. Bergman in: Archeol. Researches in: Sinkiang (The Sino-Swedish Expedition
7, i). i8 3 f.
• H. Appelgren-Kiwalow, Alt-altaische Kunstdenkmäler.
7
A. M. Tallgren in: Eurasia Septentrionalis Antiqua 8, 175f.; Th. Weigel,
Kleine Kunstgeschichte der Vorzeit und Naturvölker (1956), 145 Abb. i.
7a
A. N. Dalbskij in: Materialy i issledovanija po archeologii SSSR. 15 (1950),
232f.
8
W. J. Randonikas, Les gravures rupestres des bords du lac Onega et de la Mer
Blanche (1936), i—2. Zusammenfassend mit weiteren Literaturangaben: H. Kühn. Die
Felsbilder Europas (1952), 192 f.
• A. Poidebard, Les traces de Rome dans la Syrie 1151.; M. Rostovtzeff, Dura-
Europos and its Art 93; Excavat. at Dura-Europos 1931/32, Taf. 32, 4.
10
H. Rhotert, Trans Jordanien Taf. 26, 4; 27, 5; 6; 8; A. Alt in: Zeitschrift des
Palästina-Vereins 58, 7; Taf. 2 A; 3 B—4 L; W. B. Rees in: Antiquity 1929, 393f.;
A. Th. Bossert, Alt-Syrien Abb. 1230.
11
Jaussen-Savignac, Mission archeol. en Arabie 2, 115 Abb. 47; 128 Abb. 49;
Taf. 10, i; 45, 3; E. Littmann, Thamüd und Safä 24f.; 34f.; 116; F. V. Winnett in:
Le Musoon 1938, 300; G. L. Harding in: Illustr. London News, Okt. 10, 1953, 564^
la
C. Bartheel, Unter Sinai-Nomaden und Mönchen 193.
13
H. A. Winckler, Rock Drawings of Southern Upper Egypt , 15f.
14
. Rhotert, Libysche Felsbilder (1952), 35; 38f.; Felszeichnungen aus dem
Ennedi-Gebirge: P. Fuchs in: Kosmos 1957, 465f.
120 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

älter als das islamische Recht, darin man von der Erbfolge der Brüder und
der Neffen nichts weiß16. Darüber hinaus kannten es die Guanchen der
Kanarischen Inseln1* und die Tuareg der Sahara, unmittelbare Nachfahren
der nordafrikanischen Dromedarnomaden17. St. Gsell18 hat es bereits bei
den numidischen Massylern beobachtet. In ihrer Königsfamilie war das
älteste männliche Mitglied thronberechtigt, wofern es rechtmäßiger Ehe
entsprossen war. Nach seinem Tod ging die Herrschaft auf die Brüder
über, wobei der jeweils älteste Bruder den nächsten Anspruch hatte. Als
Gala19 207 v. Chr. starb, folgte ihm nicht sein Sohn Massinissa, sondern
sein Bruder Oezalces, dann dessen ältester Sohn Capussa20. Nach Capussas
Tod erbte, qwi stirpis regtae supererat: Lacumazes den Thron; daß er Ca-
pussas jüngerer Bruder war, läßt31 sich nicht feststellen. Massinissa, nur
22
, mußte sich mittels Gewalt durchsetzen. Massi-
nissas drei legitime Söhne erbten die Königswürde, wobei der älteste, Mi-
cipsa, den Vorrang besaß. Da seine beiden Brüder vor ihm starben, konnte
er seine Würde den beiden leiblichen Söhnen und dem Adoptivsohn lugurtha
hinterlassen23.
Es wird sich später zeigen, daß die Hunnen die gleiche Erbord-
nung besaßen. Das Doppelkönigtum der Octar und Roas vererbte sich nicht
auf deren Söhne, sondern auf die eines dritten Bruders Mundzucus: Attila
und Bleda. Attila ermordete seinen Bruder, und da nunmehr ein weiterer
Bruder fehlte, ging die Herrschaft auf Attilas Söhne über, nachdem dieser
suvor zwei Knaben königlichen Geschlechtes (anscheinend Neffen) beseitigt
hatte. Nachdem Ellak und Dengizsig beide den Tod gefunden hatten, ging
das Thronrecht auf ihren jüngsten Bruder Ernak über.
Was sich an den Hunnen beobachten läßt, steigert sich bei den türki-
schen Petschenegen. Nach dem Tod eines Herrschers erbten dessen Würde
nicht die Söhne oder Brüder, sondern die Vettern und deren Nachkommen.
Zwar blieb die Herrschaft innerhalb eines Hauses, setzte sich aber dort nicht

15
J. N. Lambert, a. O. 69f.
ld
J. N. Lambert, a. O. 57.
17
J. N. Lambert, a. O. 6of.
18
Histoire ancienne de l'Airique du Nord 5 (1929), izaf.
lft
So der Name: er kehrt Sil. Ital. 15, 464 wieder.
20
Liv. 29, 29, 6f.
n
Appian., Lib. .
22
Liv. 29, 29, ii.
23
Die Einzelheiten bei St. Gsell, a. O. i22f.; vgl. J. N, Lambert, a. O. 75!.
5- GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 121

in gerader Linie fort, sondern zog durch Ber cksichtigung der Neffen
die Seitenlinien ein.
Die nordiranischen Nomaden haben Vergleichbares gekannt24. Unter
den K nigen der Saka, die 62 v. Chr. in Nordindien einbrachen26, herrschte
das Schwestererbe. Es erbte nicht der Sohn des jeweiligen Herrschers,
sondern der Sohn der Schwester, also der Neffe. Der Gatte der Schwester
und Vater des Thronfolgers trug die Bezeichnung des K nigsbruders:
βασιλέως αδελφός, mah rajabhr ta. Der Stammbaum der Saka ist aus
den M nzaufschriften deutlich26:
Μαύης, Moa >· K nigsbruder: Στταλιρίσης, Spalarisa:
βασιλέων βασιλεύς μέγας, βασιλέως αδελφός,
rajatiraja mahata mah rajabhr ta;
βασιλεύς μέγας,
mah raja mahamtaka.

l
Sein Sohn: "Αζης, Aya -* K nigsbruder: Σττάλυρις, Spalahora:
βασιλεύς βασιλέων μέγας αδελφός του βασιλέως,
mah raja rajaraja mahata. mah rajabhr ta.
\
Sein Sohn: Spalagadama,
Spalahoraputra.
ber die weitere Nachfolge braucht nicht gehandelt zu werden26·.
Jene Einheit, die alle nomadischen St mme zwischen Gobi und Sahara,
zwischen Gelbem Meer und Atlantischem Ozean umschlo , bliebe un-
vollst ndig, wollte man der Gegenwelt nicht gedenken. Sie spielt im
Denken und Handeln des Steppenbewohners die alles bestimmende Rolle:
Beute, die bereitzuliegen scheint und doch durch machtvolle Organisation
dem Zugriff wehrt, bewundert und begehrt, geha t und bek mpft, Vorbild
zugleich und st ndiger Gegner. Es sind die L nder der entwickelten und be-
84
E. Herzfeld, in: Arch. Mitt, aus Iran 4, 94!.; die Einw nde W. W. Tarns (The
Greeks in Bactria and India2 345 Anm. 8) sind belanglos, vgl. F. Altheim, Weltgesch.
Asiens 2., 117.
25
F. Altheim, a. O. 2, in; hnlich A. Simonetta in: East and West 8 (1957), 64
Anm. 2, leider ohne Kenntnis des zuvor Genannten.
*· Zuletzt A. Simonetta, a. O. 47 rechts.
aea
F. Altheim, a. O. 2, n6f.
122 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

reits altgewordenen Hochkulturen, die drei großen Reiche der ausgehenden


Antike. Sasanidisches Iran und Rom wurden bereits genannt; das Reich
der Mitte mag ihnen jetzt zur Seite treten.
Diese drei Reiche bildeten eine Zone, die zwischen dem 48. und 25.
Breitengrad liegend, über die gesamte Alte Welt in ostwestlicher Richtung
sich erstreckte. Römer und Sasaniden besaßen eine gemeinsame Grenze,
und auch am kulturellen Austausch zwischen Iran und den Han fehlte es
nicht. Die großen Missions- und Erlösungsreligionen, die im 3. Jahrhundert
n. Chr. sich anschickten, die Einzelkulte älteren Gepräges zu verdrängen,
erreichten alle drei Altreiche, gewannen in ihnen an Boden und bestimmten
zuletzt ihr Bild. Ein gemeinsamer Rhythmus des geschichtlichen Ablaufs,
typische und darum gemeinsame Formen des gesellschaftlichen Aufbaus,
des Heerwesens, der Politik und Herrschaft haben sich darüber hinaus beob-
achten lassen27. So schienen, zum mindesten in dieser Spätzeit, die Voraus-
setzungen dafür gegeben, daß man die Gemeinsamkeit des geschichtlichen
Schicksals, bedingt durch gemeinsame Gegner und eine Verwandtschaft der
eigenen Lage, der eigenen Struktur, erkannte und daß man danach handelte.
Und doch ist nichts dergleichen geschehen.
China lag von vornherein abseits. Es besaß nicht einmal mit Iran eine
Grenze. Das Dach der Welt trennte den Osten der Oikumene von deren
Mitte und dem römischen Westen. Nicht einmal römisches Reich und Iran,
diese „beiden Augen der Welt", konnten sich zu gemeinsamem Handeln
verstehen. Das nordöstliche Kleinasien und Nord-Medien mußten durch
Raubzüge verwüstet, persisches Silber mußte jenseits des Kaukasus bis
hinauf nach Perm und in den Ural verschleppt werden, damit sich diese
Mächte zu beiderseitigem Verteidigungsbeitrag an den Kaukasuspässen
bereitfanden28. Sonst lag man in nicht endender Fehde, und es schien zu
genügen, wenn man unruhige Stämme mittels Zahlungen in Schach hielt29.
Rom und China, durch Länder und Meere getrennt, haben nie den Versuch
einer politischen Annäherung unternommen.
Einziges Band, das die drei Reiche und ihre Spätkulturen miteinander
verknüpfte, blieb ein Handelsweg: die Seidenstraße. Sie durchzog den Haupt-
teil des asiatischen Binnenlandes und berührte auf ihrem Weg dessen ge-
27
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i—2 (1952); französ. Übersetzung 1953·
28
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 24f.; Finanzgeschichte der Spätantike
2lf.
Daß dies auch bei den Sasaniden geübt wurde, zeigt Josua Stylites 22 (p. 18, i f.
syr. Wright) und 24 (p. 19, 14!).
5- GEOGRAPHISCHE UND KLIMATISCHE VORAUSSETZUNGEN 123

schichtliche Mittelpunkte: Huangho-Tal, Tarimbecken, Baktrien, Choräsän,


Medien und den 'Irak, Syrien und Kleinasien. Diese Straße hat geleistet, was
zu leisten ihr gegeben war. Doch keine Anerkennung darf verhehlen, daß
sie wenig mehr als ein Faden war, verglichen mit den Ländermassen, die sie
verband. Natürliche Hindernisse, die Entfernungen, Landes- und Zollgrenzen,
die man passieren mußte, erschwerten und belasteten den Handelsverkehr
in starkem Maße. Es zeugt von der Zähigkeit derer, die diese Straße
ausbauten, offenhielten und benutzten, daß die Verbindung niemals ab-
gerissen ist.
Wie anders die volle Breite der Steppenzone, die sich von der Ost-
mongolei zu Dobrudscha und Alföld hinzieht, nach Süden in den frucht-
baren Halbmond und die Zone nördlich der Sahara foitsetzt. Das Bett,
darin die nomadischen Wanderungen verliefen, war breiter und nur selten
von Hindernissen durchsetzt. In dem Augenblick, da es zum Weg der
großen Völkerschübe wurde, brachen die Sperren und Widerstände nieder.
Immer stärker, ungehemmter griffen die Nomaden auf die Großreiche über,
die unter übermächtigem Ansturm zeitweilig ganz zu verschwinden drohten.
6. KAPITEL

DIE ARABER
Geschichte der Araber vor Mohammeds Auftreten kann hier nicht einmal
andeutungsweise behandelt werden. Was Emesas arabische Priesterkönige
in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. für Rom bedeuteten,
bezeichnen die Namen einer lulia Domna und lulia Maesa, eines Elagabal
und Severus Alexander. Mit Philippus Arabs nahm, unmittelbar vor der
Jahrhundertmitte, ein weiterer Kaiser arabischer Abstammung den Thron
ein, und das dritte Viertel jener Zeitspanne umfaßt den Aufstieg und
Niedergang Palmyras, wiederum unter Führung eines arabischen Herrscher-
hauses. Gleichzeitig begannen in den Bogenschützen zu Pferd und zu Fuß,
in den schwergepanzerten Klibanariern sich arabische Truppenteile ihren
Platz im römischen und im palmyrenischen Heer zu erringen.
Wieweit in ihren Reihen das wüstenländische Arabertum vorgeherrscht
habe, ist noch ungeklärt1. Aber Philippus Arabs war, ausdrücklichem
Zeugnis zufolge, Sohn eines Beduinenscheichs2. Einen Schritt weiter führt
jener Vorgang, der seit dem Ende des 3. Jahrhunderts einsetzend, als Be-
duinisierung Arabiens bezeichnet worden ist3. Bedeutung und Übergewicht
arabischen Nomadentums, dessen bestimmende Rolle innerhalb der Halb-
insel und ihrer Nachbargebiete, Zurücktreten der Stadt und der städtischen
Kultur — dies und noch mehr drückt sich in dem Worte aus. Die Parallele
zu den Bewegungen der mittelasiatischen Nomadenstämme, der Alanen
und Hunnen, ist damit gegeben. Über den geographischen Zusammenhang
hinaus zeichnet sich der geschichtliche ab.

1
Das zeigen die Mitteilungen, die C. B. Welles über das noch unveröffentlichte
Archiv der Cohors XX. Palmyrenorum gemacht hat, vgl. F. Altheim in: Soziologie und
Leben (herausgeg. von C. Brinkmann, 1952), 176 Anm. 2.
* SHA., v. Phil, i, i; F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2 (1952), 276; 467
Anm. 89—91.
8
W. Caskel, Die Bedeutung der Beduinen in der Geschichte der Araber (1953);
ZDMG. 103 (1953), *28*.
6. DIE ARABER 125

Freilich bleibt, was unter Beduinisierung zu verstehen sei, im genauen


Sinn noch zu bestimmen4. Der Anfang sei mit einem Mann gemacht, der
zeitlich und sachlich mit den Anfängen dieser Beduinisierung auf eigen-
tümliche Weise verknüpft ist.

Unter den frühesten Lahmiden nimmt Imru'ulkais insofern eine beson-


dere Stellung ein, als er zu den wenigen gehört, deren geschichtlichem Bild
nachgerade Umriß und Farbe zugewachsen sind. Überlieferung, die sich
über ihn erhalten hat, speist sich aus drei ganz verschiedenen Bereichen,
und damit stellt sich die Frage, wie die erhaltenen Angaben sich vereinigen
lassen.
An erster Stelle zu nennen sind die arabischen Geschichtsschreiber1,
unter ihnen als wichtigster Hisäm b. Muhammed, genannt Ibn al-Kalbi (gest.
204 oder 206/820). Nach erhaltenem Zeugnis habe er bekundet: „Ich entnahm
die Nachrichten über die Araber und die Stammbäume der Geschlechter
Nasr's b. Rabfa und die Zahlen der Lebenszeiten derer, die Statthalter
waren für das Haus der Kisrä, und die Geschichte ihrer Jahre aus den Kirchen
al-Hira's, und dort finden sich ihre Könige und deren Taten insgesamt"2.
Hisäm nennt Imru'ulkais al-Bad' als zweiten der Reihe mit 114 Jahren,
und ihm folgen außer Tabari und Hamza von Isfahan auch Ibn al-Atir,
al-öurgäni und Ibn Haldün. Auch die Autoren, die von Hisäm mehr oder
weniger stark abweichen, nennen Imru'ulkais an zweiter Stelle. Nur daß
ihm Ya'kübi 35, Mas'üdi 60 Regierungsjahre zuweisen. Die erste Angabe
wird sich als wertvoll erweisen.
Tabari3 gibt die Synchronismen zu den Sasaniden. Imru'ulkais werden zu-
nächst unter Säpur I. 23 Jahre i Monat zugewiesen. Es folgen i Jahr 10 Tage
unter Hormizd L, 3 Jahre 3 Tage unter Bahräm I., die alle unanstößig sind4.
Wenn 18 Jahre unter Bahräm II. angesetzt werden, so besteht ein Unter-

* F. Altheim, Utopie und Wirtschaft (1957), 155!; zu W. Caskel in: Studi Orienta-
listici in onore di G. Levi della Vida i (1956), 131 f. vgl. Altheim-Stieh/, Philologia sacra
83!; East and West 9 (1958), 191.
1
Grundlegend G. Rothstein, Die Dynastie der Lahmiden in al-Hira (1899) 50 f.; 60 f.
2
Tabari, ann. i, 770, jl. de Goeje.
3
Ann. i, 834, 6f.
4
Th. Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber 413f.; Altheim-Stiehl, Finanz-
geschichte der Spätantike 141 f.
126 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

schied von einem Regierungsjahr, der noch der Erklärung harrt. Bei Tabari
brechen mit dem Tod Bahräms II. 293 alle weiteren Synchronismen ab.
Man nahm an, Tabari habe sie versehentlich ausgelassen6, aber daß auch
Hisäm sie nicht gegeben haben kann, zeigt Hamzas Versuch, die Lücke
auszufüllen. Denn seine Angaben sind, sowohl vor Bahräms II. Tod (Bah-
räm I.: 9 Jahre 3 Monate; Bahräm II.: 23 Jahre) wie nach diesem (Bahräm
III.: 13 Jahre 6 Monate; Hormizd II.: 13 Jahre; Säpür II.: 20 Jahre 5 Mo-
nate) unmöglich. Es kommt hinzu: obwohl bestrebt, die erforderlichen
114 Regierungsjahre Imru'ulkais' einzuschieben, bringt es Hamza nur auf
113*. Wie also kam es zum Abbrechen der Synchronismen Tabarls und
Hisäms im Jahre 293 ?
Hier ist von Bedeutung die zweite Quelle, die man über Imru'ulkais
besitzt: seine in en-Nemära gefundene Grabinschrift7. Danach starb er —·
hier Mr'lkys genannt — im 223. Jahre der mit 106 n. Chr. beginnenden Ära
der Provinz Arabia. Zwischen dem Tod Bahräms II. 293 und dem Tod
Imru'ulkais' liegen demnach genau 35 Jahre. Und die gleiche Zahl an Jahren
umfaßt des gleichen Imru'ulkais1 Regierungsdauer bei Ya'kübL Soviel ist
deutlich, daß damit die zweite Hälfte seiner Regierung gemeint war, die
zwischen Bahräms II. und Imru'ulkais' eigenem Ableben beschlossen ist.
Die letzten 35 Jahre sind zugleich jene, für die Tabari und Hisäm über
keine Synchronismen mit den sasanidischen Königen verfügten. Solches
Fehlen mußte darin seinen Grund haben, daß Imru'ulkais nicht mehr im
Dienst der Sasaniden stand. In der Tat liegt er in römischem Gebiet begraben,
und in der Inschrift heißt es: wbyn bnyh 'IS'wb wwklhn frsw Irwm. Das kann,
in klassisches Arabisch umgesetzt nur besagen: wa-bayyana banihi (oder:
banaihi) S-$urüba wa-wakkala-hunna fa-rasau li-rüm „Und er verteilte seine
Söhne auf die (untertänigen, zuvor genannten) Stämme und vertraute
diese an (nämlich: die Stämme den Söhnen; wörtlich: er gab den Stämmen
wukalä'),und sie (die Söhne) hielten zu Rom (wörtlich: blieben standhaft im
Interesse Roms)". Alle anderen Übersetzungen fügen sich nicht demWortlaut ;
sie bedürfen schwerlich ausführlicher Widerlegung8. Kein Zweifel, daß, wer
5
Th. Nöldeke. a. O. 6g Anm. i.
• G. Rothstein, a. O. 61.
7
J. Cantineau, Le Nabateen 2 (1932), 49!.
8
Das gilt von Cantineau's „organisa celles-ci (les tribus) comme corps de
cavalerie ( ! ) pour les Romains", denn ein Stat. constr. färisü gleich denen auf der
Inschrift von Umm eg-gimäl (J. Cantineau, a. O. 2, 25) kommt nicht in Frage. Das
Gleiche gilt von dem, was R. Dussaud, La pendtration des Arabes en Syrie avant
6. DIE ARABER 127

so von den eigenen Söhnen sprach, selbst römischer Parteigänger war. Zu-
mindest seit 293, denn zuvor, solange seine Synchronismen mit sasanidi-
schen Königen laufen, begegnet derselbe Mann als „Statthalter (min
'ummäl) über die an den Grenzen lebenden Araber von den Rabi'a, Mudar
und anderen Stämmen in den Wüsten von 'Irak, Higäz und der Gazira"9.
Imru'ulkais hat somit nach 293 den Herrn gewechselt. Aus dem sasa-
nidischen 'ämil wurde jener, von dem die Grabinschrift rühmt: du. asara
t-täg, also ein römischer Klientelkönig. Was mag ihn dazu veranlaßt haben ?
Schwerlich hat Imru'ulkais' christliches Bekenntnis10 mitgespielt. Er mag
den neuen Glauben erst angenommen haben, nachdem er mindestens zwei
Jahrzehnte römischer Vasall war. Nicht also unter den Jahren der Te-
trarchie, sondern unter der christlichen Herrschaft Konstantins. Wie tief
der Religionswechsel ging, zeigt die fehlende Erwähnung in der Grab-
inschrift.
Sind die Gründe von Imru'ulkais' Verhalten im Religiösen nicht zu
suchen, so vielleicht in den politischen Verhältnissen. Zuvor fiel auf, daß
bei Tabari der Synchronismus mit Bahräm II. 18 Jahre dauert, während
dieser doch nur 17 regierte. Sollten die vier Monate Bahrain's III. hinzuge-
rechnet worden sein ? Dann hätte Imru'ulkais im Thronstreit zwischen
Bahräm III. und Narse nach Bahräm's II. Tod 293 die Partei des unter-
legenen Bahräm III. ergriffen und wäre nach dessen Untergang geflohen11.
Narse's Inschrift von Paikuli bezichtigt einen Anhänger Bahräm's des
drufänef, der „Lüge" und des Bruchs der Vertragstreue12.
In der Tat findet man zu Narse's Regierungszei* (293—302) einen anderen
Araberkönig als sasanidischen Vasallen. Der koptische Mani-Fund hat den
„König" als Beschützer der Manichäer gegenüber seinem Ober-
herrn kennen gelehrt13, und ein 'mrw 'pgrn'n — 'Amr Abgarinän1* kehrt
l'islam (1955), 64 nach dem Vorgang von Clermont-Ganneau (Rec. d'arch. orient. 6,
308) und F. E. Peiser (Orientalist. Lit.-Ztg. 1903, 279!) vorschlägt. Denn li-färs
wa-li-rüm „et a riparti (les tribus) entre les Perses et les Romains" scheitert am Fehlen
des ersten H- (li-färs). Und „Persien hatte sie Rom überlassen" läßt auslautendes -w
in prsui unberücksichtigt. Alle haben übersehen, daß wakkala die behauptete Bedeutung
nicht besitzt und überdies mit bi- konstruiert wird.
9 10
Tabari, ann. i, 833, 21 f. Ebenda i, 834, 3f.
u
, Zur Geschichte Bahräm's III.: E. Herzfeld, Paikuli (1924), 41!.; 50!.; 171!;
danach S. Eilenberger in: Ars Orientalis 2 (1957), 4^7 r.
l
* E. Herzfeld, a. O. 95 Zeile 3 parth.; 165 b Nr. 266; G. Widengren in: Orientalia
Suecana 5 (1956), 82.
13
H. H. Schaeder in: Gnomon 9 (1933), 344f.
14
E. Herzfeld, a. O. I36f.; I 4 of.
128 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

in Narse's Inschrift wieder15. Ob dieser zweite Träger des Königstitels 'Amr


b. 'Adi der arabischen Überlieferung16, also dem Vater Imru'ulkais',
gleichzusetzen sei, bleibt fraglich. Dagegen spricht das iranisch gebildete
Patronymikon, das eher avf einen Nachkommen der Könige Edessas
weist17. Die sogleich zu nennende südarabische Inschrift R 535 zeigt über-
dies, daß gegen Ende des 3. Jahrhunderts und um die Wende zum 4. 'Amrb.
'Adi, Imru'ulkais' Vater (vgl. Zeile 2: mr'lks bn f[mr]m), nicht mehr
regiert haben kann18.
Imru'ulkais fand in Rom Aufnahme. Dort war man schon vor 292 mit
dem Ausbau19 der strata Diocletiana beschäftigt, die von Bostra über Da-
maskus nach Sura am Euphrat verlief. Zwischen Bostra und Damaskus ließ
sich Imru'ulkais begraben, bei en-Nemära. Südlich der strata aber, unfern
des limes Arabiens20, liegt das Schloß MSattä, durch ein Grafitto mit der
Krone Bahräms II. datiert21. Wenn man den Bau dem Lahmiden zuweist,
so wäre der abtrünnige Parteigänger der Sasaniden in der römischen Grenz-
verteidigung nach Osten eingesetzt worden. Weniger also gegen seinen
einstigen Oberherren als gegen die Araber der Wüste22.
In diesen Zusammenhang muß auch die Bundesgenossenschaft und das
besagt: der militärische Dienst der von Imru'ulkais unterworfenen und an
seine Söhne gegebenen Stämme für die Römer gehören. Man weiß, daß die
Besatzung des syrischen Limes auch aus den beduinischen Stämmen sich
rekrutierte. Die Wacht an der äußeren Verteidigungslinie war nomadischen
Einheiten anvertraut, die man durch regelmäßige Zahlungen sich ver-
pflicntet hatte. Felsbilder, aber auch Inschriften einer solchen Truppe, in
safäitischen Dialekt, haben sich im Gebel Tenf gefunden23. Bis in die letzten
18
Dazu noch P. Peeters, Le träfonds oriental de l'hagiographie Byzantine (1950)^
120.
18
E. Herzfeld, a. O. 141 f. » E. Herzfeld, a. O. 141 f.
18
Dazu G. Ryckmans in: 6g (1956), 139!, besonders isaf.; J. Pirenne,
ebenda 165 f.
18
A. Poidebard, La trace de Rome dans le dosert de la Syrie (1934), 2O° Anm. i.
*° Brünnow-Domaszewski, Die Provincia Arabia 2 (1905), 173.
81
Zuletzt Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 309f., mit Angabe der
älteren Literatur.
22
Neuerdings hat K. A. C. Creswell, A Short Acount of Early Muslim Architecture
(Pelican Book 1958), 137f. wieder die omaiyadische Entstehung verteidigt. Es wäre
leicht, den Nachweis zu führen, daß er unsere Argumente kannte. So dürfen wir C.s
Schweigen als Eingeständnis dessen deuten, daß er diese Argumente nicht zu wider-
legen wußte.
23
A. Poidebard, a. O. 126; igii.; pl. n8a—b.
6. DIE ARABER 129

Jahre der byzantinischen Herrschaft über Syrien hat sich diese Ordnung
erhalten24. Im spätrömischen Heer Ägyptens befand sich eine ähnliche Ab-
teilung, die aus Berittenen der arabischen Tamüd sich ergänzt hat (equites
Saraceni Thamudeni)2B.
Auch von weitergreifenden Unternehmungen berichtet Imru'ulkais'
Grabinschrift. Der Mann, der unter dem ersten Sasaniden 'ämil
über die arabischen Stämme gewesen war, wurde nunmehr zum „König der
Araber insgesamt". Wie er einst die Rabi'a und Mudar in sasanidischem
Auftrag beherrscht hatte, so unterwarf er jetzt als römischer Klientelkönig
den Stamm, zu dem jene beiden gehörten: die Ma'add. Und wenn einst seine
Verfügungsgewalt über den Higäz sich erstreckt hatte, so ging sie jetzt noch
weiter. Die Sitze der Ma'add reichten damals von der Umgebung Mekka's
bis zur Nordgrenze von Nagrän26. Und bis vor Nagrän erstreckten sich nach
Angabe der Grabinschrift27 Imru'alkais' Unternehmungen, diesmal in
römischen Diensten oder doch in römischem Interesse.
Hier muß die dritte Quelle für Imru'ulkais' Geschichte herangezogen
werden: die zuvor erwähnte südarabische Inschrift. Mit R 535 Zeile 2 ist
mr'lks bn'[mr]mntlk hsstn "Mar'ulkais28, Sohn des'Amr, König von Hasasa-
tän, aufgetaucht. Ilsarah Yahdub, der neben einem zweiten in der Inschrift
spricht, hat zusammen mit Malikum, König der Kinda (mlk kdt), einen
Feldzug gegen den zuvor genannten unternommen, ihn „gefaßt" ('hdhw)
oder „gestellt" und ihn dann zu Lösegeldern genötigt. Zweifellos ist unser
Imru'ulkais gemeint2·. Man kämpfte „in Marab in der Nachbarschaft
von Hiläl, der Grenze dieses glmn Mar'ulkais". Da in der Folge Sämir
du Raidän, der Sämir Yuhar'is der arabischen Überlieferung30, genannt
wird, kann es sich nur um das Unternehmen gegen „Nagrän, Stadt des
Sämir" handeln, von dem die Grabinschrift von en-Nemära spricht31.
M
H.-W. Haussig bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 97 und
Anm. 57.
*s Notit. dignit., or. 28, 17; F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i (1952), 146;
Uranios von Emesa FGrHist. 675 F 12.
Dazu J. Ryckmans in: Le Musoon 66 (1953), 340!.; W. Caskel, Entdeckungen in
Arabien (1954), 28; Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 143.
17
Zeile 2: wg' bzgy py hbg ngrn mdynt fmr: wa-gä'a bi-zagä'in f l habgi nagränin
madlnati iämir ,,er brachte Erfolg in der Umzingelung von Nagrän, der Stadt des
Sämir"; zu diesem jüngst J. Pirenne in: Le Musion 69 (1956), 169f.
G. Ryckmans in: Le Musöon 69 (1956), 139f.; 152f.
39
G. Ryckmans, a. O. 1525.; J. Pirenne, ebenda i65f.
30
J. Pirenne, a. O. i68f.
31
J. Pirenne, a. O. i66f.; 168.
0 Althelm, Hunnen I
130 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Soweit ist alles klar. Fraglich bleibt, was mit hs$tn gemeint ist. Verbin-
dung82 mit einer Sonderbedeutung von arab. hassa „entourer de roseaux"
und hassäs „habitant dans une cabane faite de broussailles"83 führt weder
sachlich noch etymologisch zu al-Mra, syr. hertä „Heerlager"84. Was sich
zum Vergleich anbietet, ist vielmehr jüd.-aram. hasäsä m. „Sand, Kies",
syr. h?äsä „glarea", wozu man hebr. häsäs „Steinchen, Kies", arab. hasiya
„lapillis abundavit", hasan „glarea", äthiop. hos stellt36. Zu * $ $ m. oder
ähnlich, möglicherweise aramäischem Lehnwort, wäre der altsüdarabische
Plural hsst (Typus kilt36) denkbar, als dessen Vorbüd 'rd „Erde", Plural
'rät in Frage käme. Die determinierte Form müßte hsstn lauten. Imru'ul-
kais wäre demnach als König der Sand- oder Kiesflächen, als solcher der
Wüsten bezeichnet worden.
Noch einmal: Tabari kennt ihn, solange er in sasanidischen Diensten
stand, als 'ämil über die Araber in den Wüsten (bädiya) des 'Irak, Higäz
und der Gazira37. Ibn Hurdädbeh zufolge38 war über Medina und die Tihäma
unter den Sasaniden seitens des marzbän der Wüste (bädiya) ein 'ämil ge-
setzt, der den haräg einzog. Dazu stimmt mlk hsstn „König der Wüsten"
und übertrifft es zugleich. Denn Imru'ulkais ist nicht mehr min 'ummäli
kisrä und noch weniger 'ämilun min kibali marzbäni l-bädiyati, sondern ist
jetzt König. Um mit den Worten seiner Grabinschrift zu reden: asara t-täga,
als maliku l-arabi kullihi. War dieser mit dem „König der Wüsten" eins ?
Zunächst ist zu sagen, daß eine wörtliche Übereinstimmung nicht be-
steht. Mlk hs$tn ist überdies ungleich gegenständlicher als einfacher „König
der Wüsten". Die arabische Wüste, so zeigte sich (oben S. io6f.), besteht im
Kern aus Gestein, Kies und Sand, aber sie kennt auch Steppe, die unter
den Frühjahrsregen grünt; sogar Oasen fehlen nicht ganz. Wer von einem
„König über Sand und Kies" sprach, konnte dies nur abschätzig meinen.
Er nannte den wertlosesten Bestand des Herrschaftsbereiches und verall-
gemeinerte, was allenfalls für einen Teil galt. Kein Zweifel, daß solche
32
J. Ryckmans bei G. Ryckmans, a. O. 153.
83
Dozy i, 375.
84
Nicht,,1'enclos" (arab. hair), sondern,,Heerlager": Th.Nöldeke, Geschichte der
Perser und Araber 25 Anm. i; C. Brockelmann, Lexic. Syriac.2 (1928), 23oa: arab.
l}a$ara, hä&r, hebr. hä$er gehören zu syr. hirtä, hertä, was für *AYf* steht (vgl. arab.
ard und syr. ar'ä, hebr. cerces).
86
C. Brockelmann, a. O. 25obf.
86
M. Höfner, Altsüdarabische Grammatik (1943), 103.
87
Ann. i, 834, 2.
88
128, 9f. de Goeje; dazu Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 149.
6. DIE ARABER 131

Titulatur zum Spott erfunden war. Die Inschrift R 535 nennt Mar*ulkais
einen glmn, und ihr Herausgeber hat den peiorativen Sinn nicht überhört:
„Taugenichts" (garnement) und „Bengel" (gamin)30. Offenkundig wünschte
man herabzusetzen, was der so Bezeichnete nachdrücklich zu sein bean-
spruchte: „König aller Araber".
'Arab war dann freilich in der engeren Bedeutung „Wüstenbewohner,
Beduine" verstanden. Schon Imru'ulkais' Vorgänger Gadima heißt auf der
Inschrift von Umm eg gimäl40 mlk tnwh, . Er nannte
sich demzufolge nach dem beduinischen Bevölkerungsteil Hiras · nach jenen,
die „bewohnten die Hütten, Haar- und Wollzelte westlich des Euphrat zwi-
schen Hira, Ambär und oberhalb davon"41. Unter dem Nachfolger war der
Anspruch gestiegen. Aber der Berufung auf das Königtum über Beduinen
antwortete ein spöttischer „König über Sand und Kies". Es kam aus dem
Mund zweier Südaraber, Herrscher über Ma'rib, will sagen · zweier Ansässiger
und Städter. Man durfte von ihnen kaum Verständnis dafür erwarten, daß
sich in jenem Ausspruch ein geschichtlicher Wandel ankündigte. In Wahr-
heit hatte sich das Bild der arabischen Welt neu gestaltet.

NACHTRAG i:
Einem gütigen Hinweis G. Ryckmans' wird die Kenntnis des kurzen
Beitrags „Hsstn, royaume d'Imru 1-qays" in: GLECS1 7, 1141. von M. Ro-
dinson verdankt. Danach hat W. F. Jamme auf R 535 mr'lks bn 'wf™ ge-
lesen, aber hsstn bestätigt. Was hinter dem veränderten Vatersnamen stecken
mag, läßt sich vorerst nicht angeben (G. Ryckmans bezweifelt, nach münd-
licher Mitteilung, J.'s Lesung). R. erwähnt sodann die Deutungsversuche
G. und J. Ryckmans', ohne zu dem zweiten im Einzelnen Stellung zu nehmen.
Auch R. faßt -n als Determinatus, und zur Unterstützung von G. Ryckmans'
Deutung führt erles.42, n die haserim „ou habiteAetfär" an. Diese begegnen
als „enceintes de pierres surmontees d'opines et de broussailles qui protegent
le camp et les troupeaux contre les betes sauvages et maraudeurs" (Barrois,
Manuel d'archeologie biblique i, 85—86). Weiter fügt R. ler. 49, 28 „le
royaume de häsör (texte corrige d'apres le grec)" und 30 „les habitants de
hä?ör" hinzu. Auch arab. hus$ „hutte ou enceinte de roseaux" meine etwas
40
*» G. Ryckmans, a. O. 153. J. Cantineau, Le Nabatoen 2, 25.
41
Tabari, ann. i, 822, 3!
1
Groupe Linguistique d'Etudes Chamito-S6mitiques, et dirige" par Marcel
Cohen (ficole Pratique des Hautes-Etudes, Sorbonne, 47 rue des Ecoles, Paris V).
132 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

ähnliches und setze die ältere Benennung beduinischer Reiche als „royaume
des enceintes de pierres et de broussailles" fort.
Niemand wird den scharfsinnigen Gedankengang verkennen. Schilf-
hütten beduinischer Wanderarbeiter konnten noch 1938 von E. Traut-
mann-Nehring in der Bekäf aufgenommen werden (F. Altheim, Die Krise
der Alten Welt 3, 1943, Taf. 16). Und sollten die Sonnendächer (mazäll),
unter denen die Tanüh von Hira wohnten (Tabari, ann. i, 822, 3), wenn
man schon „westlich vom Euphrat zwischen Hira und Ambär und noch
weiter oberhalb" (1. c. 3 f.) saß, nicht auch Schilfdächer oder -hütten ge-
wesen sein? Von den Berbern sagt Ibn Haldün2, daß ihre Behausungen
(buyüt) aus Steinen und Lehm, min al-hnss und aus Holz, aus Haarfilz
oder Wolle seien (vgl. i, 118, 24).
Es sei indessen nicht verschwiegen, daß auch zugunsten der von uns
vorgetragenen Auffassung sich einiges anführen läßt. Mlk hsstn als König der
Sand- und Kiesflächen entsprach dem 'ämil in den Wüsten (bädiya) des
'Irak, Higäz und der Öazira Tabaris (oben S. 130). Die Inschrift von en-
Nemära hingegen nannte Imru'ulkais: maliku l-'arab. Aber damit konnte
nicht nur der König über die Beduinen gemeint sein. E.W. Brooks hat darauf
hingewiesen, daß Zacharias Rhetor 20, 24 von 'arab d-bet nahrtn; 95, i von
'arab d-rhömäye spricht. Hier bedeutet 'arab, 'arbä die Ebene :,,planities
deserta"; vgl. S. 14 Anm. i der lateinischen Übersetzung. Es bestätigte sich:
Imru'ulkais' Titel war zum König der Sandwüste absichtlich verdreht
worden.

NACHTRAG 2:
Zuvor wurde der geschichtlichen Rolle Bahräms III. und der vermut-
lichen Parteinahme Imru'ulkais' für diesen gedacht. In Ars Orientalis 2
(1957), 48yf. veröffentlicht S. Eilenburg eine Silberplaketce aus eignem
Besitz. Das als Büste gegebene Königsbild deutet er als Bahräm III. Zu
dieser Deutung trägt bei die umlaufende Inschrift, deren Lesung und Deu-
tung auf W. B. Henning zurückgeht1:
YHYW mzdym bgy wrhrn ML[K'n MLK' 'yr'n W]nyr'n.
„Vivat Mazdayasnian Lord Varhrän, King of Kings of the Iranians and
Non-Iranians" (Abb. n).
* 2, 89, yf. der Büläker Ausgabe; Histoire des Berberes, trad, par le baron de Slane
(1925), 166.
1
S. Eilenburg, a. O. 487 Anm. 3.
(.. DIE ARABER 133

Das erste Wort läßt stutzen: überraschende Vorwegnahme einer Wen-


dung, die ihre Geschichte gehabt hat. „Es lebe der König von Preußen,
unser souveräner Herzog", bekannten die niederschlesischen Stände, und
übers „Vive l'empereur!" der Großen Armee geht es weiter zu Prägungen,
die noch in unserem Ohr haften. Indessen sollte man, bevor man sich zu
weltgeschichtlichen Perspektiven dieser oder anderer Art verlocken läßt,
der grammatischen Seite die Aufmerksamkeit nicht versagen.
Gestehen wir: YHYW = mitfelpers. zive war bisher als Ideogramm
nicht bekannt. Doch wer wollte es nicht begrüßen — wenn nur Erfahrung
keine Warnungstafel aufgerichtet hätte. Mit Hennings grammatischer Sicher-
heit hinsichtlich der doppelt schwachen Verben des Aramäischen steht es nicht
zum Besten. Es sei an unsere Bedenken gegen seine Lesung (H) W (H)
Dura-Pergament 12, 2 erinnert2. Doch bleiben wir bei seiner neuen Lesung.
Hyy „leben gehört zu den doppelt schwachen Verben. Vom Impf. Pefal
ist die 2. Sing. masc. im Ahikar-Roman bezeugt· ihyy 4, 55. Danach müßte
die 3. Sing. masc. *yhyy lauten. Da schon im Bibl.-Aram. die doppelt
schwachen Verben zwischen denen tertiae infirmae und mediae geminatae
schwanken3, so könnte in achaimenidischer Zeit *yhy — yihhe möglich
gewesen sein, wenn auch diese Form nicht erhalten ist. Targum Onkelos
weist yyhy, vokalisiert yehhe, und yhy auf4, das Syrische nehhe.
Hennings YHY W ist also ein Unding. Doch ließe sich ein Ausweg er-
öffnen, den Henning nicht gegangen ist und den er, nach seiner bisherigen
Einstellung zu urteilen, auch nicht gehen würde. Im Pergament von Avrömän
haben wir MZBNW i und ZBNW 3 als mzbn-w, zbn-w erklärt5. Angefügtes -w
wäre das enklitische, aus hw verkürzte Personalpronomen der 3. Sing, masc.,
das man aus dem Jüdisch-Aramäischen und Syrischen kennt. Danach ließe
sich YHYW als yhy-(h)w verstehen. Das würde besagen, daß unter den
mittelpersischen Ideogrammen sich eine junge Form vorfände. Gegen diese
von uns erstmals vorgetragene Annahme ostaramäischer oder vorsichtiger:
jüngerer Ideogramme hat sich Henning* und haben sich seine Mitarbeiter7
stets gewandt.
2
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 103.
8
Bauer-Leander, Gramm, d. Bibl.-Aram. (1927), 170.
4
G. Dalman, Gramm, d. jüd.-paläst. Aramäisch (1894), 294.
5
Altheim-Stiehl, Ein asiat. Staat i, 230; Supplementum Aramaicum 65 Nachtrag.
• Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 106.
7
Zuletzt B.Geiger in: The Excavations at Dura-Europos. Final Report VIII,
Part I: The Synagogue (1956), 294 Anm. 99; W. B. Henning in: Handb. der
Oriental. 4, 36.
134 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Henning ist demzufolge vor den Entscheid gestellt, entweder einen von
ihm begangenen grammatischen Fehler oder eine jüngere Form unter
den Ideogrammen (die er indessen nicht erkannt hätte) anzunehmen.
Doch wir sind bereit, falls ihm solcher Entscheid schwer fallen sollte, einen
Ausweg zu öffnen. Henning ist nicht nur der (von uns durchaus anerkannte)
Meister der Epigraphik, sondern versucht sich auch in der Expertise. Auf
diesem Pfad voller Dornen wandelt er unter den Seinen nicht allein, wofür
es unter Wissenden genüge, an das Kabüs näme zu erinnern8. Mit anderen
Worten: Henning zeichnet nicht nur für die Lesung der Inschrift, sondern
gibt damit auch die „authentication" der Plakette9. Demgegenüber hat
R. Gobi10 erhebliche Bedenken hinsichtlich der Echtheit anzumelden,
Bedenken, die mit unseren, gegen die Form YHYW gerichteten zusammen-
fallen. Wollte sich Henning dem anschließen, so bliebe ihm der oben ange-
deutete Entscheid erspart. Wie gesagt: ein dritter Weg, aber auch ihn be-
treten hieße zu Verzicht bereit sein.
[Inzwischen ist W. B. Hennings Darstellung des Mitteliranischen im
Handbuch der Orientalistik 4 (1958) erschienen. Sie verlangt ein kurzes Ein-
gehen in unserem Zusammenhang.
Einmal wird man erneut bei 'KLW, ZBNW, des Pergaments von
Avrömän vor die Alternative gestellt, ob man 3. Plur. Perf. oder
2. Plur. Imp. zu verstehen habe (S. 30). Allenfalls wird „eine erneute Prü-
fung der ganzen Frage" vorgeschlagen. Das aramäische Asyndeton H M W
'KLW 4 ist also immer noch nicht begriffen, und der Sprache wird in
MZBNW ein Partizipium mit finiter Endung zugemutet. Hier gibt es
nichts zu prüfen. Das Richtige hat längst E. Littmanns Zustimmung ge-
funden (bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 293).
Das Aramäische steht auch sonst auf gleicher Höhe. PLG yt wird als
Lösung 2 Ende gepriesen (S. 29 Anm. 6: man sieht, die Deutung t = yn
überzeugt, wenn man nur will, während man bei M3 = M'yTTsich
sträubt, weil der böse Feind es vorgeschlagen hat: S. 39). Dabei heißt PLG
allein schon „Hälfte" (jüd.-aram. pilgä, syr. pelgä): der Weinberg kann
nicht zur Hälfte verkauft werden, wenn er 7 als ganzer gekauft wird;

• R. N. Frye in: Serta Cantabrigensia (1954), 7*·'· Central Asiatic Journ. i, 137!;
W. B. Henning, a. O. Anm. 5; 133 unten.
• S. Eilenburg. a. O. 487 Anm. 3.
10
Vgl. die Beilage „Zwei neuere Fälschungen", Teil b „Das neue .Silbermedaillon'
Bahrain's III.".
6. DIE ARABER 135

schließlich wird das Wasser der Quelle (B'YN, geschrieben B'YN) in den
beiden griechischen Pergamenten, die sich aufs gleiche Grundstück beziehen,
ausdrücklich erwähnt ( : Suppl.Aram.oy). OdeiKDMTH:
es heißt nicht „vor", sondern entweder „in seiner Gegenwart" oder „vorher"
(syr. kudmat stat. constr. „ante, coram"). Ein Prachtstück ist 3 KZ '
verlesen statt KD 'HY: der „Bruder" soll, wenn man H. zu glauben hätte,
den Geschäftspartner bedeuten (S. 29 Anm. 5).
Noch einen Blick auf die Wege, die der Iranist H. wandelt. Ver-
lesenes grypnhy 6 wird mit gleichfalls verlesenem gry'rthStr von Käl-i Jangäl
(Altheim-Stiehl, Philologiasacra 26; EastandWestg (1958),25f.) zusammen-
gebracht. Daß „Berg-Ardaser" kein Distriktsname ist, hat H. inzwischen
gemerkt, natürlich, ohne uns zu nennen (S. 29 Anm. 4). Aber ein mensch-
licher Eigenname ist er ebensowenig. Mtrpry 6 soll -friy „lieb" im zweiten
Glied enthalten. WTir kennen .nur parthisches , Priapitius, und
spätes Vispän-friyä umschreibt noch Firdusi mit Ferengis (F. Justi, Iran.
Namenbuch 371 1.). Auch da wird es bei dem von uns Gesagten
bleiben.
Eine zweite Bemerkung hat den doppelt schwachen Verben zu gelten,
denen H. einen eigenen Abschnitt gewidmet hat (S. 35f.). Ihr Verfasser
steht der Ableitung aus nachachaimenidischem Aramäisch „skeptisch"
gegenüber. Dafür führt er vor, wie man die (ganz einfache) Form HZ TW N
„zwiebelgleich auswickeln" müsse (S. 36). Man wolle nachlesen, wie H. sich
einen selbstgefertigten Freibrief für neue grammatische Überraschungen
ausstellt. Wir fürchten allerdings, daß diese Träume angesichts unserer
Deutung der AsOka-Inschrift von Kandahar mit ihren jüngeren Formen
sich nicht erfüllen werden.]

Hatra und Palmyra wurden wenige Jahrzehnte nacheinander in ihrem


Aufstieg getroffen. Die Großmächte des 3. Jahrhunderts n. Chr., Römer und
Sasaniden, haben die ersten Machtbildungen der eingewanderten Araber
vernichtet. Erstes Aufblühen dessen, was einmal kommen sollte, wurde wie
zwischen Mühlsteinen zerrieben. Beide Städte verschwanden nicht sogleich,
aber mit ihrer Bedeutung war es vorbei. Palmyra erhielt unter lustinian
136 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

(527—655) nochmals eine Befestigung1. Aber keine palmyrenische Inschrift


fällt später als das Jahr der Eroberung 272: auch mit dem kulturellen
Eigenleben der Stadt war es vorbei. Hatra lag schon 363 verlassen da2.
Wann Petra aufgegeben wurde, weiß man nicht. Für das Jahr447 ist eine
Besatzungstruppe bezeugt 3 ; unter lustinus I. (518—527) ist Petra immer-
hin noch Verbannungsort3*. Aus dem gewaltigen, ursprünglich mauerlosen
Felskessel wurde in frühbyzantinischer Zeit durch zwei Quermauern ein
befestigtes Stadtgebiet ausgeschieden. Die nabatäischen Inschriften im
Haurän und in den Oasenstädten des nördlichen Higäz erlöschen mit der
Wende des 3. zum 4. Jahrhundert. Die älteste arabische Inschrift, 328 in
en-Nemära gesetzt (oben S. I26f.), ist noch in nabatäischer Schrift aufge-
zeichnet. Doch nur ein aramäisches Wort — wenn man will: ein Ideogramm
tritt in ihr entgegen.
Zusammenbruch städtischen Arabertums läßt sich noch an anderer
Stelle beobachten. Er ist um so auffälliger, als sich äußere Eingriffe nicht
feststellen lassen. Die Oasensiedlungen des nördlichen Higäz waren früh-
zeitig zu städtischen Mittelpunkten geworden. Ihr Niedergang fällt mit den
soeben genannten Ereignissen zusammen.
Taimä', am weitesten nach Norden vorgeschoben, war schon 553 v. Chr.
Stadt, als der babylonische König Nabunid (556—539) eine Expedition
gegen sie unternahm4. Sein Feldzug, über weite Entfernung geführt, war
eine Besonderheit und wird als solche auch in den gleichzeitigen Berichten
bezeichnet. Der Eroberer tötete, den eigenen Worten zufolge, den Herrscher
Taimä's und die ganze Bevölkerung. Er richtete sich dort ein und erbaute
eine Residenz, die, wiederum ihm zufolge, es mit dem Palast in Babylon
aufnehmen konnte. Noch im elften Jahr seiner Regierung befand sich Na-
bunid in der fernen Oase, zu einer Zeit, da sich im Norden schon das Ver-
derben vorbereitete, da über Babylons Königtum der Untergang herein-
brechen sollte.
Aramäische Inschriften, gleichfalls mit dem 6. Jahrhundert beginnend
und bis zum 2. herabreichend4», zeigen, daß Taimä' eine Karawanenstation
zwischen Niltal und Zweistromland war. Die großen jüdischen Propheten,
1
C. Watzinger, RE. 18, 271; Uranios von Emesa FGrHist 675 F n : '
.
2 3 3a
Ammian. 25, 8, 5. CIG. 4667. Zachar. Rhetor 2, 79, 23 Brooks.
4
Zuletzt darüber D. S. Rice in: Illustr. London News 21.9. 1957 S. 4Ö6f.
4a
CIS. 2, i, 113—121; J.Euting, Nabatäische Inschriften aus Arabien (1885), mit
Beiträgen Th. Nöldeke's.
6. DIE ARABER 137

Jesaja und Jeremia, erwähnen Taimä' und neben ihm das weiter südlich
gelegene Dedän6. Kreuzungspunkt mehrerer Handelswege, die zum Roten
Meer im Westen, nach dem Lande Midian und zum Euphrat im Nordwesten
und Nordosten ausstrahlten, war dieses Dedän vor allem Station der Weih-
rauchstraße, die von Yemen die Westküste entlang über Petra nach Gaza
führte. Südarabische Minäer hatten in dem Orte und im unmittelbar nörd-
lich davon gelegenen el-Higr Kolonien gegründet, die mit Ägypten Handel
trieben.
Um 160 v. Chr. brach in Dedän die minäische Herrschaft zusammen.
Die neue Schrift, die seitdem auf den Denkmälern erscheint und von dem
Wechsel kündet, war aus Taimä' übernommen. Von dort aus mag denn auch
die Veränderung gekommen sein. Um 115 v. Chr. bemächtigten sich die
nordarabischen Lihyän der Oase, aber ihr Königreich erlag in den letzten
Jahrzehnten vor der Zeitwende den Nabatäern, die schon um 65 Tdimä'
und el-Higr unter ihre Gewalt gebracht hatten. Nach über hundertjähriger
Dauer ging auch ihre Vorherrschaft zu Ende (85 n. Chr.). An deren Stelle
trat erneut ein lihyänisches Königtum, dessen Herrscher jedoch die Be-
deutung des ersten nicht erreichten.
Die Römer hatten, nachdem sie das nabatäische Königtum 106 n. Chr.
eingezogen hatten, ihre militärischen Vorposten bis in unmittelbare Nähe
Dedän's vorgeschoben. Im Jahre 134 wird ein lihyäniscner König zum letzten
Mal genannt. Zwischen Ende 166 und Anfang 169 errichteten die arabischen
Tamüd in Rawäfa (südwestlich von Tebük) den Kaisern Mark Aurel (161 bis
180) und Lucius Verus (161—169) zu Ehren einen Tempel, was bezeugt, daß
damals römische Herrschaft im nördlichen Higäz noch in Blüte stand. Da-
nach aber bricht jedes Zeugnis ab. Die jüngste lihyänische Inschrift datiert
nicht mehr, wie üblich, nach der syrischen Provinzialära (63 v. Chr.). An
die Stelle tritt, nach beduinischer Weise, ein Ereignis: „im Munir des Jahres,
als, wer Unfug stiftete, gefangen wurde"·. Gleichzeitig wird gegen die Un-
sicherheit auf der Straße Voisorge getroffen: einem Mann aus Tebük wird
ihr Schutz gegen Bezahlung anvertraut.
Das große Ruinenfeld, das sich im Tal von el-'ölä ausdehnt, zeigt die
Reste einer Stadt, die einstmals mehrere tausend Einwohner gezählt haben
mag. Es ist das alte Dedän, an der Stelle des heutigen Heraibeh gelegen.
Natürlicher Wasserreichtum und die günstige Lage an den Handelsstraßen
5
W. Caskel, Libyan und Lihyanisch (1954) *s* zura Folgenden zu vergleichen.
' W. Caskel, a. O. 43; 124 Nr. 91.
138 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

begünstigte das Emporkommen. Reste von Häusern, ein Tempel, ausge-


dehnte Nekropolen und zwei Burgen lassen sich feststellen. Kleinere Orte
lagen in der Nachbarschaft. Hundeite von Inschriften, vor allem nabatä-
ische und solche im nordara bischen Dialekt der Lihyän, Rundplastiken,
Reliefs und Felszeichnungen vervollständigen das Bild.
Auch dieses städtische Gemeinwesen ist zu Beginn des 4. Jahrhunderts
verschwunden. Die Entwicklung, die in der spätlihyänischen Zeit begann,
hat fortgewirkt. Kurz nach 300 finden sich im südlichen Teil des Tales die
letzten Inschriften, daneben hebräische Grafitti. Juden bewohnten noch
zur Zeit Mohammeds die Stätte.
Auch in Taimä' saß in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein jüdischer
König; Samau'al, berühmt durch die unverbrüchliche Treue, mit der er die
ihm anvertrauten Panzer des Dichters Imru'ulkais gegenüber dem Gas-
säniden al-Härit verteidigte7. Taimä' wird damals noch als Stadt bezeichnet,
aber wichtiger war die Burg, darin Samau'al wohnte. Solche Verlagerung
des Gewichts von der Stadt auf die Burg wird kein Einzelfall bleiben.
Schwerlich ist Zufall, daß dieser Niedergang mit der Zeit der großen rö-
mischen Reichskrise im 3. Jahrhundert zusammenfiel. Schon in Hatras
Ausgang hatten sich die bestimmenden Ereignisse der Zeit —· letzte rö-
mische Expansion gegen Osten, Aufkommen der Sasaniden — gespiegelt.
Palmyra war dem großen illyrischen Soldatenkaiser erlegen. Auch der
Niedergang des römischen Außenpostens im Higäz kann von den allge-
meinen Umwälzungen der Zeit nicht getrennt werden. Überall erhob sich
eine neue Welt gegen die antike Zivilisation, die in erster Linie städtisch
bestimmt war. Bewegliche Völker brandeten gegen die Grenzen des Reiches,
durchbrachen sie und konnten nur unter großen Verlusten zurückgedämmt
werden. Aber auch im Inneren kamen Stämme zur Geltung, die von städ-
tischem Wesen wenig oder gar nicht berührt waren. Sie stiegen innerhalb
des Heeres empor, und ihre Vertreter errangen sich zuletzt den Kaiserthron.
Beduinen und Halbbeduinen, Mauren vom Rand der Sahara, lUyrier und
zuletzt Germanen begannen in die Geschicke des Reiches einzugreifen.
Rückgang des städtischen Wesens, mit dem Emporkommen der Bauern und
Nomaden inner- und außerhalb der Reichsgrenzen untrennbar verbunden,

* Altheim-Stiehl, Philologia sacra ( 2, 1958), Sßf.; East and West


9 (1958), igt. gegen W. Caskel in: Studi orientalistici in onore di G. Levi Delia Vida
(1956). 132!
6. DIE ARABER 139

mußten sich dort am stärksten auswirken, wo römische Herrschaft und die


sie begleitende Kultur allenfalls eine dünne Decke bildeten.
Der Bereich, darin sich arabische Geschichte bisher abgespielt hatte,
fügt sich dem ein. Überall, von der Cazira im Norden bis hinab nach Petra,
nachDedän im Süden, zeigt sich dasselbe Bild. Die städtischen Siedlungen
verschwanden, zumindest verloren sie erheblich an Bedeutung. Eine
Ausnahme scheint allein die Neugründung des 3. Jahrhunderts, Hira südlich
des unteren Euphrat, zu bilden. Der Name weist auf ein altes Heerlager; auch
Hatra hat sich aus solchem zur Stadt entwickelt. Doch wie stand es damit
bei Hira?
Auf einer Inschrift, die um 270 in Umm eg-gimäl (Haurän) gesetzt
wurde, begegnet Cadima, König der Tanüh. Er nannte sich nach dem no-
madischen Stamm, der in Hiras Nachbarschaft zeltete, nicht nach
der Stadt der Ansässigen. Auch ein Lahmide, der 328 gestorbene Imru'ul-
kais, bezeichnete sich auf seiner Grabinschrift von en-Nemära als „König
aller Araber", will sagen: aller Beduinen, und erwähnte das heimische Hira
mit keinem Wort. Die südarabische Inschrift R 535 hatte das Fehlen solchen
Hinweises erneuert.
In die Zeit des Mannes fällt die Erbauung des Wüstenschlosses Msattä
im Ost Jordanland. Die berühmte Fassade, mit ihren spitzwinkeligen Drei-
ecken und Rosetten, mit der Fülle ihrer Ornamentik, muß zumindest
im Rohbau gegen Ende des 3. Jahrhunderts gestanden haben. Als Anlage
weist Msattä erneut auf das Vorbild des Heerlagers. Ausdrücklich heißt es,
jene bauliche Gestalt, die sich in Msattä darbietet, sei in Hira zuhause ge-
wesen. Von dort habe sie der 'Abbäside Mutawakkil, bei der Anlage seiner
Residenz Balkuwara bei Samarra (854—859), übernommen8.
Mit dem Wüstenschloß leitet sich eine lange Reihe ähnlicher Anlagen ein.
Unter den Lahmiden gilt Nu'män I. (etwa 400—418) als Erbauer von Ha-
warnak und es-Sadir, und auch den oassäniden werden zahlreiche Anlagen
ähnlicher Art zugewiesen. Vor allem ihr Heerlager öäbiya, westlich der
Lcgä* gelegen, aber auch zahlreiche Schlösser: in der Balkä', östlich des
Toten Meeres, und im Haurän9. An die Stelle der aus dem Heerlager er-
wachsenen Stadt tritt das fürstliche Schloß gleicher Herkunft — tritt, wenn
man will, die Burg. Auch Samau'al, König von Taimä', wohnte (so zeigte

8
Mas'üdi, murüg 7, 192 f. Barb.
' Die Nachrichten zusammengestellt bei Altheim-Stiehl, Asien und Rom (1952), 52 f.
140 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

sich) auf einer solchen, undHira selbst scheint nicht Stadt im einstigen Sinn,
sondern eine Gruppe befestigter Schlösser mit Gärten und Feldern da-
zwischen gewesen zu sein10.
Niedergang des städtischen Wesens hier bedeutete Aufstieg befestigter
Herrensitze dort. Man kennt diesen Wandel auch aus Iran und in späterer
Zeit aus dem europäischen Westen. Wieder wird man auf eine grundlegende
Änderung des gesamten Lebens, der Gesellschaft und ihrer Kultur geführt;
erneut hat sie den ganzen fruchtbaren Halbmond ergriffen. Auch auf der
arabischen Halbinsel besitzt sie ihre Entsprechung. Man stößt abermals auf
die Beduinisierung Arabiens.

NACHTRAG

Eine bisher übersehene Bemerkung, die zugleich auf den Ausgang Petras
und auf die Entstehung des fürstlichen Heerlagers Licht wirft, findet sich
in der Lebensbeschreibung des Begründers des syrischen Nationalkirche,
Ya'köb Burd'änä, von Johannes von Ephesos. J. P. N. Land, Anecd. Sy-
riaca 2 (1868), 367 Z. 7f. hat der Gassänide Härit b. Gabala ein Lager
(ma&itä) in tür sinai (auch in einem Wort geschrieben: l-tür-sinai Z. 17).
Die feste Verbindung zeigt, daß keinesfalls die Stadt Sini im Libanon
(Gen. io, 17; i. Chron. i, 15), die Strabon 755 nennt, in Frage
kommt. Es handelt sich um den Berg der Gesetzgebung. Doch da der Gassä-
nide keine Herrschaft über die Sinaihalbinsel, sondern allein über Syriens
Ostgrenze ausgeübt hat, muß damals bereits der Wädi Müsä, mit anderen
Worten: der Kessel, darin Petra lag, und die umgebenden Höhen mit der
Mosesgeschichte in Verbindung gebracht worden sein.
In der oben angeführten Notiz Zachar. Rhet. 2, 79, 23 Brooks war Petra
noch Verbannungsort und trug seinen Stadtnamen. Das galt für die Zeit
von Kaväo's I. Römerkrieg, also noch unter lustinus I. (518 —527). Die Ver-
bindung Ya'köb's mit al-Härit b. Gabala fällt nach 543/2 (A. Baumstark,
Gesch. d. syr. Literat. 175). Damals war bereits der Stadtname verschwunden
und an die Stelle der Siedlung das Lager eines Beduinenherrschers
getreten.
10
A. Musil, The Middle Euphrates (1927), 287f.
6. DIE ARABER 141

Erneut fragt sich, was unter Beduinisierung zu verstehen sei. Auf


genaue Bestimmung dieses vieldeutigen Begriffes kommt viel, wenn nicht
alles an1.
Beduinen hat es in Arabien immer gegeben. Nur sind die älteren Stadien
solchen Nomadentums schwer faßbar. Man kann es nur dort greifen, wo es
sich ausspricht: in den Felszeichnungen, den Inschriften und Grafitti, zu-
letzt in der Dichtung. Neben den Nomaden haben, zumindest in den Jahr-
hunderten, die hier behandelt werden, bäuerliche und städtische Siedlungen
immer bestanden. Beiden zur Seite spielt seit alters der Karawanen verkehr
seine Rolle, der zu wesentlichem Teil Umschlaghandel war. Tribute arabi-
scher Könige (mukarrib), davon in den assyrischen Königsinschriften
gesprochen wird, sind keine Landeserzeugnisse, sondern von weither den
Darbringern zugekommen. Dementsprechend weiß Herodot vom Weih-
rauchhandel, der von Süden nach Norden ging. All diese Lebens- und Wirt-
schaftsformen waren mit der Natur der Halbinsel und ihrer Nachbaigebiete
gegeben. Sie haben nie einen Wandel erlebt, und auch die Ereignisse des
3. Jahrhunderts n. Chr., so einschneidend sie waren, haben ihn nich* ge-
bracht.
Gewiß war eine Reihe städtischer Gründungen zerstört oder dem Nieder-
gang verfallen. Doch Hatra, Palmyra und Petra lagen nicht auf der Halb-
insel, sondern innerhalb ihrer Grenzgebiete, will sagen: im fruchtbaren
Halbmond. Und mochten sich im nördlichen Higäz: Dedän und el-Hi§r im
Verfall befinden, so war Taimä' doch eine Stadt geblieben. Andere Städte
wie Medina, Tä'if und Mekka, die städtischen Siedlungen des südlich an-
schließenden Nagrän befanden sich erst im Aufstieg. Man kann auch in
Südarabien vorerst von keinem Verfall des städtischen und bäuerlichen
Lebens sprechen. Vereinigung unter himyarischer Herrschaft um 300 ent-
hielt nach dieser Richtung keinerlei Umwälzung. Der vielgenannte Damm-
bruch von Ma'rib, in der Überlieferung mit dem Niedergang yemenischer
Macht und Herrlichkeit gleichgesetzt, fällt erst in das Jahr 542, nachdem ein
erster (450) beseitigt worden war.
Überall entstanden Burgen, gerade auch in Südarabien. Manche von
ihnen, vor allem (jiumdän und Hawarnak, rechneten zu den Wunderbauten
1
Das Folgende beabsichtigt eine kritische Erörterung der Fragen, die von \V.
Caskel (Die Bedeutung der Beduinen in der Geschichte der Araber, 1953, un<^ in:
ZDMG. 103, 1953, *28*f.) aufgeworfen wurden.
142 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

ihrer Zeit. Auch Burgen setzten, gleich den Städten, dicht besiedelte und
intensiv bewirtschaftete Oasengebiete voraus. Dies bezeugen die Anlagen der
Himyar und die Burg in der Oase Taimä* gleicheimaßen. Hira war von Ka-
nälen, Dattelpflanzungen und Saatfeldern umgeben. Wie eng Burg und
bäuerliche Wirtschaft zusammengehörten, zeigt die Geschichte der jüdi-
schen Nadir in Haibar, nördlich von Medina, deren Besitz die Habsucht
Mohammeds reizte. Auch M§attä lag am Rand des bäuerlich besiedelten
Gebietes.
Es kommt hinzu, daß Burgen zuweilen die Nachfolge der Städte antraten
oder doch eine Verbindung mit ihnen eingingen. Das ist im späteren Pal-
myra faßbar, aber auch die Burgen im Tal von el-'ölä werden in solcher
Nachfolge stehen. Samau'als Burg lag in oder bei der Stadt Taimä',
M§attä unmittelbar östlich der Scraße, die 'Ammän-Philadelpheia mit
Madeba verband. Hira bestand aus einem Verband einzelner Schlösser, und
ebenso stand es mit dem vorislamischen Medina. Burgen der jüdischen
Stämme, auch ihrer arabischen Mitbürger, bestimmten das Aussehen ganzer
Stadtviertel. Alles zeigt, daß die Grenzen fließend, daß das Bild vielschich-
tiger, verwickelter war, als es zunächst scheinen mochte.
Am ehesten zeichnet sich in Palmyras Nachbarschaft eine Veränderung
ab. Die städtische Oase bildete, so hat man gesagt, eine aramäische Insel
in einem arabischen Meer2. Einer einzigen safäitischen Inschrift innerhalb
des städtischen Bereichs stehen vierzehn gegenüber, die sich im sorgfältig
erforschten Nordwesten der palmyrenischen Landschaft haben feststellen
lassen*. Aus den arabischen Stämmen dieser Landschaft rekrutierte sich
Palmyras Reiterei4, insonderheit die schwere, welche Aurelian soviel zu
schaffen machte6. Einstige Beduinen, waren diese Araber von der wirt-
schaftlichen und politischen Blüte der Stadt angezogen worden. Sie hatten
sich angesiedelt, in kleineren Weilern und Höfen, und hatten dabei ihre
Götter mitgebracht8. Als dann Palmyras Macht in jähem Umschwung zu-
grunde ging, war es auch mit dem Wohlstand der Landschaft zuende. Die
Siedler wandelten sich zu den Nomaden von einst zurück, und mochte auch

2
D. Schlumberger, La Palmyräne du Nord-Ouest (1951), 134.
* Aufgezählt bei D. Schlumberger, a. O. 134.
4
D. Schlumberger, a. O. 133 Anm. 2..
5
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2, 287 f.; 139 f.; Literatur und Gesellschaft
2, 63 f.
• D. Schlumberger, a. O. 131 f.
6. DIE ARABER 143

die eine oder andere Siedlung bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts noch
halten: danach war die Rückbildung vollzogen7.
Erneute Wahl der beduinischen Lebensform fiel demnach mit dem
Untergang der städtischen Vormacht zusammen. Ähnliches wie in Palmyras
Nachbarschaft wird sich in der Hatras und Petras abgespielt haben. Das
Grenzgebiet zwischen Wüste und Fruchtland läßt am ehesten den Wechsel
erkennen. Weit schwerer wird gelingen, innerhalb des nomadischen Lebens,
das geblieben und nicht vorübergehend der Verlockung, die Seßhaft-
werdung und Landbau in sich tragen mochten, erlegen war, seit dem
3. Jahrhundert Veränderungen festzustellen. Die soeben genannten In-
schriften sind innerhalb ihres eigentlichen Bereiches, in der Safä südlich
und südöstlich von Damaskus8, weij weniger beredt. Sie erstrecken sich
über Jahrhunderte —datiert, wenn überhaupt, durch auswärtige Ereignisse,
sonst aber in zeitlosem Ungefähr verharrend, ohne eine Veränderung er-
kennen zu lassen. Beginnend in vorchristlicher Zeit, enden sie mit dem
4. Jahrhundert, demnach zu einer Zeit, da Beduinisierung begonnen oder
schon ihren ersten Höhepunkt erstiegen haben mußte. Es bleibt darum ein
mißliches Ding, jene Inschriften zur Charakterisierung jener Beduinisierung
heranzuziehen, die sie offenkundig kaum mehr erlebt haben. Zweifellos
sprechen in ihnen Nomaden. Aber sie sprechen als solche, die es immer
waren. Davon, daß beduinisches Wesen um sich gegriffen, daß es bestimmte
Bereiche, die ihm früher nicht gehört hatten, an sich gerissen habe, künden
sie mit keinem Wort.
Auch das Überhandnehmen von Raub und Mord, überhaupt einer be-
duinischen Anarchie, läßt sich schwerlich als Kennzeichen feststellen.
Zweifellos zeugen die safäitischen Inschriften und die späteren lihyänischen
davon. Und doch leben nur Gewohnheiten fort, die den Bewohnern Arabiens
seit alters teuer waren. Am Anfang unserer Überlieferung hegen der doppelte
Überfall und Raub, der lambulos' Leben bes+immte9, und die Raubburg in
'Aräk el-emir10, von der aus die Tobiaden ihre Ausplünderung nabatäischer
Karawanen betrieben. Bewaffneter Schutz, den Nabatäer, Palmyrener und
Hatras Könige den Karawanen mitgaben, die hohen Ehren, deren in Pal-
myra jeder Synhodiarch gewärtig war, der solche Unternehmen sicher durch
7
D. Schlumberger, a. O. 132 f.
8
E. Littmann, Thamüd und Safä (1940), 95.
• F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2, 155!.; Rom. Religionsgesch. 2 (1953), 4of.
10
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2, 158; 195.
144 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

alle Fährlichkeiten geleitet hatte, sprechen dafür, daß die Zustände sich
nicht wesentlich verändert haben.
Rückgang des Karawanenhandels in der Zeit nach dem 3. Jahrhundert
n. Chr. läßt sich leichter behaupten als beweisen. Angaben darüber, was an
Karawanen ausgesandt, wieviel dabei investiert und verdient wurde, gibt
es erst vom Vorabend des Islam, Daß die „doppelte Winter- und Sommer-
karawane", davon der Prophet sprach, einen früher ungleich regeren Ver-
kehr ersetzt habe, läßt sich nicht erhärten. Mekkas Blüte, die doch mit dem
6. Jahrhundert beginnt und wesentlich auf dem Karawanenhandel beruhte,
spricht entschieden dagegen. Und mit welchen Mitteln ließe sich nachweisen,
daß der Verkehr mit dem Irak gegenüber älteren Zeiten abgenommen
habe?
Als wesentliches Merkmal der neuen, durch Beduinisierung gekennzeich-
neten Epoche glaubte man, ein arabisches Gemeinschaftsgefühl ansprechen
zu dürfen. Der Name der 'arab, ursprünglich Nomaden und Halbnomaden
bezeichnend und nur im Norden und Nordwesten heimisch, habe sich bis
zum Süden verbreitet und sei damit Volksname geworden. Der Lahmide
Imru'ulkais nenne sich in seiner Grabinschrift von en-Nemära erstmals
„König aller Araber". Ein Name, der ursprünglich allein den Nomaden zu-
kam, habe sich im Gefolge der Beduinisierung die ganze Halbinsel erobert.
Er sei von einer Berufsbezeichnung zu d3r eines Volkes geworden.
Indes übersieht solche Auffassung, daß schon Herodot in den ethno-
graphischen Teilen seines Werkes mit gleichmäßig die Araber
an der palästinensisch-ägyptischen Grenze und im äußersten Süden, im
Weihrauchland, benennt. Mit den ethnographischen Angaben Herodots
stößt man zu Hekataios und Skylax von Karyanda vor; hat doch dieser
die Süd- und Westküste der Halbinsel umfahren. Man gelangt also ins letzte
Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. Nimmt man die aribi der assyrischen
Königsinschriften und die Angaben des Alten Testaments hinzu, so zeigt
sich, daß fast gleichzeitig der Name überall, im Westen und Süden, im
Nordosten und Süden galt. Übereinstimmend damit bezeichnet für Herodot,
ebenso für Alexanderhistoriker und hellenistische Geographie, Arabien ganz
selbstverständlich die Halbinsel in ihrer Gesamtheit. Der einheitliche Volks-
name geht also in sehr alte Zeit zurück und hat mit späterer Beduinisierung
nichts zu tun Wenn er vor der Mitte des i. vorchristlichen Jahrtausends
bei Assyrern, Juden, und den Vertretern ionischer erscheint,
konnte er ihnen allen nur von den Arabern selbst übermittelt worden sein.
6. DIE ARABER 145

In den arabischen Sprachdenkmälern begegnet allerdings seit dem


i. nachchristlichen Jahrhundert 'arab als Bezeichnung der Beduinen im
besonderen. Aber es macht Schwierigkeit, die beiden konkurrierenden Aus-
drücke 'arab und badäwl, beides Bezeichnung der Nomaden, begrifflich
voneinander zu scheiden. Es kommt hinzu: wenn bei Herodot auch die
bäuerlich-seßhafte und städtische Bevölkerung Yemens als ent-
gegentreten, wenn auf einer Inschrift Hatras 'rby' den Bewohner von bei
'arbäye, der Landschaft zwischen Nisibis und dem Tigris bezeichnet11, so
kann 'arab ursprünglich keinesfalls die Nomaden im Besonderen gemeint
haben. Dieser Gebrauch muß gegenüber dem Volksnamen nachträglich
entstanden sein.
Auf dasselbe Ergebnis führen die Angaben der syrischen Kirchenge-
schichte des Zacharias Rhetor. Für ihren Verfasser, der in den achtziger
Jahren des 6. Jahrhunderts sein Werk abschloß, bedeutet 'arab, 'arbä die
„Ebene", 'planities deserta'12. Ihre Bewohner hießen 'arbäye, ohne darum
in jedem Fall Nomaden zu sein13. lustinus, heißt es an anderer Stelle14,
wollte in der Wüste eine Stadt gründen, „zum Schutz der Ebene ('arab)
vor den Räubern der iayyäye". Die Bewohner dieser Ebene, also An-
sässige, sind getrennt von den räuberischen Beduinen. So spricht Zacharias
denn auch von den 'umre a-arab d-mesopotamiyä16 oder davon, daß
„die 'arab d-rhomäye mit Feuer verbrannt" wurden16, was beides
ausschließt, daß Nomaden allein sie bewohnten. Wie die Syrer in diesem
Fall von tayyäye, so sprachen die Byzantiner nicht nur in der
Literatur, sondern auch in der Verwaltung17 von . Hin-
gegen ist die Gleichsetzung von 'arab und Beduinen in innerarabischem
Gebrauch entstanden.
In einer lihyänischen Inschrift des i. Jahrhunderts n. Chr. und einer
nabatäischen von 185 bezeichnet 'arab oder 'arbäye zweifellos die Nomaden.
Der römische Kaiser Philippus (244—249), der „Araber" zubenannt, war
Sohn eines Straßenräubers aus dem Haurän, will sagen: eines dortigen
Beduinenscheichs. Hier gehen Volksname und Bezeichnung des Nomaden

11
F. Safar bei A. Caquot in: Syria 32 (1955), 271.
lz
S. 14 Anm. i in E. W. Brooks' lateinischer Übersetzung.
13
Unrichtig E. W. Brooks S. 14 Anm. 4; 16 Anm. i.
14 15 1
92, 22 syr. Brooks. 80, 25. 95, 2.
17
Für die Verwaltung zeigt dies der Nessana-Papyrus 89 aus dem 6. oder frühen
7. Jahrhundert.
10 Altheim, Hunnen I
146 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

ineinander über. Genug: die beduinischen Nomaden haben in nachchrist-


licher Zeit den einstigen Volksnamen zunehmend usurpiert. Indem die
badäwt sich Tarab nannten, brachten sie zum Ausdruck, daß sie die wahren
Araber weren. Abschluß dieses Wandels bedeutete in der Tat jener Anspruch
des Lahmiden, „König aller Araber" zu sein. Indem er sein nomadisches
Reich — sein Grab liegt am Südrand der von Beduinen bewohnten Safä —
mit Arabertum schlechthin gleichsetzte, war erstmals verkündet, daß
Araber sei, wer auch Beduine zu sein beanspruche.
Diese Feststellung, einmal gemacht, führt auf das Richtige. Beduinisie-
rung war ein Vorgang, der sich weniger im Tatsächlichen als in der Vor-
stellung abspielte (um LeoFrobenius' Formulierung zu verwenden). Weniger,
daß man Beduine war oder dazu wurde, entschied, sondern daß man es
zu sein wünschte. Herrschten in den großen städtischen Mittelpunkten,
solange sie bestanden, Gemeinschaftsgefühl und opferbereiter Bürgersinn
des Städters, Stolz einer wohlhabenden Kaufmannsaristokratie und ein
Luxus, der sich in der Übernahme aller zivilisatorischen Errungenschaften
gefiel, so vollzog sich jetzt die entscheidende Änderung. Man war stolz,
Beduine zu sein und als solcher zu gelten; man war es auch, wenn man nicht
mehr als solcher lebte.
Großstädte wie Palmyra und Petra, aber auch abgelegene wie Hatra
und Dedän, wie die südarabischen in Yemen und Hadramaut, waren ohne
Vorhandensein der späthellenistischen und kaiserzeitlichen Zivilisation
nicht denkbar. Ihre Einrichtungen, ihre Bauten, Gewerbe und Kunst, das
Formular ihrer Inschriften zeigte, trotz vorhandener Eigenformen, nach-
haltige Beeinflussung seitens dessen, was in den großen Metropolen — in
Rom, Alexandreia und Antiocheia — im Schwange war. Wenn auch mannig-
fach gebrochen, verwässert und umgebildet, spiegelte sich doch haupt-
städtische Lebensform in diesen Städten, die von aramaisierten oder gräzi-
sierten Arabern bewohnt wurden. Mit dem Niedergang jener Städte ver-
schwanden auch die Mittelpunkte, deren Vorbild auf Araber außerhalb,
bis weithin in den Higäz, gewirkt hatte. Es entstand eine Lücke, und
in diese einzuspringen übernahm jener neue Lebensstil, der bisher mehr
angedeutet als gekennzeichnet wurde.
Wenn es beduinische Ideale waren, die in ihm sich ausdrückten, so
keineswegs, weil beduinische Gemeinschaften jetzt die Macht errungen
hatten. Gewiß, Beduinen und beduinische Störenfriede konnten überall
dort ihr Wesen treiben, wo das bisherige Regiment verschwunden war. Aber
6. DIE ARABER 147

dies bedeutete noch nicht, daß sie zu staatlicher Machtbüdung fähig ge-
wesen wären. Jener große Schub südarabischer Stämme, der gegen die
Grenzen des oströmischen und Sasanidenreich.es immer stärker andrängte
und sie zuletzt durchbrechen sollte, kam erst in Gang, als die Abessinier
sich in Südarabien festgesetzt und das Reich der Himyar gestürzt hatten.
Was sich dort in den zwanziger Jahren des 6. Jahrhunderts vollzog, fand
im endgültigen Bruch des Staudamms von Ma'rib 542 seinen sichtbaren
Ausdruck: alle nach Norden abströmenden Stämme leiteten ihren Aufbruch
von diesem für sie sinnbildhaften Ereignis her. Aber auch damals noch
blieb einem nomadischen Reich wie dem der Kinda nur kurzes Bestehen
beschieden. Was an arabischen Staaten dauerte, besaß, wie Gassäniden und
Lahmiden, seinen Rückhalt an den Großmächten Ostrom und Iran, war
mehr Damm gegen beduinische Flut als Wegbereiter arabischer Ausdehnung.
Beduinische Gemeinschaften neigten weit eher zur Zersplitterung als
zu politischer Zusammenballung. Kleine und kleinste Gruppen pochten auf
ihre Selbständigkeit und waren keineswegs gewillt, das Joch der Abgaben
und des Gehorsams auf sich zu nehmen. Aus Geltendmachung oberherr-
licher Rechte, die man als Übergriff empfand, entsprang die Erhebung der
Banü Asad gegen den Kinda-Herrscher Hugr, entsprang auch die vielbe-
sungene Fehde der Basüs. Überall äußerten sich betonter Freiheitsdrang
und ein Individualismus, der, ungehemmt, zuweilen ans Anarchische grenzte.
Größere Staatenbildungen konnten auf solchem Boden nur vorübergehend
erwachsen. Ausdruck des veränderten Lebensgefühls war die Burg des
kleinen Dynasten, des Ritters und zuweilen des Raubritters, die auf kleinem
Bereich sich zu behaupten, ihr Eigenleben zu führen und notfalls zu er-
trotzen suchten.
Doch mit solcher Betonung individuellen Daseins ist nur eine Seite
dessen gekennzeichnet, was jetzt arabische Geschichte bestimmen sollte.
Solches Dasein speiste sich aus der Spannung; es wurde von Gegensätzen
bestimmt. Einen Pol bildete gewiß der Wunsch nach Eigenständigkeit,
Freiheit und Fernbleiben jeder Bevormundung. Man wollte auf sich ge-
stellt sein und war bereit, sich darin zu bewähren; man rühmte sich seiner
Kraft, seiner Überlegenheit, seiner Taten und zögerte keinen Augen-
blick, dergleichen sofort, notfalls im Zweikampf, zu erhärten. Ein Leben
der Gefahr, der ständigen Herausforderung und des Heldentums stand
jedem vor Augen. Verpflichtet war man allenfalls dem eignen Geschlecht,
das in der langen Reihe der Vorfahren die Mahnung enthielt, sich ihrer wert
10*
148 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

zu erweisen; das von seinen Mitgliedern den äußersten Einsatz, die Ver-
pflichtung zur Blutrache, verlangte. Doch dem entgegen wirkte ein anderer
Pol. Haltung, die gefordert wurde, verlangte nach einer Bühne, darauf man
handelte und allen sichtbar sich bewähren konnte. Das Publikum bildete
die ideale Gesamtheit aller Araber. Diese gab den Zuschauer des Spieles ab,
den Bewertenden und Beurteiler, und lieferte im zuerkannten Ruhm die
mächtige Resonanz alles individuellen Verhaltens. Man war also, so indivi-
duell und zuweilen anarchisch man sich gebärdete, darum keineswegs ge-
neigt, auf öffentliche Teilnahme zu verzichten. Jene Zuerteilung von Lob
und Tadel, von Ruhm und Anerkennung, die Heldentum und Bew ährung,
Treue und Tod erst zu dem werden ließ, was sie zu sein beanspruchen, voll-
zog jetzt die große, alle Stämme überspannende beduinische Gemeinschaft.
Es war, wie gesagt, eine ideale Gemeinschaft. Die Wirklichkeit nahm
sich anders aus: eine Vielheit von Stammessplittern, über unabsehbare Ein-
öden verstreut. Um sie zu erreichen, bedurfte es eines Sprachrohres, das
gestattete, sich vernehmlich zu machen und Kunde von jeder Tat allen zu
vermitteln, die es anging. Dieses Sprachrohr war die Dichtung — die große
Dichtung der vorislamischen Zeit.
Bisher hatte man die Öffentlichkeit mittels Inschriften angesprochen.
Die Ehrenschrift war eines der Mittel, Ruhm zu künden und zu bewahren;
sie war Nabatäern, Palmyrenern, Lihyän seitens der Antike zugekommen.
In Palmyra, Petra, Dedän — überall, wo man unter dem Einfluß der spät-
hellenistischen und kaiserzeitlichen Zivilisation stand, hatte man nach
solchem Werkzeug gegriffen. Hunderte von Inschriften künden davon, mit
welchem Eifer man sich seiner bediente. Auch Südarabien war in diesen
Bereich einbezogen, zeitlich allen anderen voran und sich noch aus vor-
klassischen Quellen speisend. Nebenher gingen tausende von Grafitti18,
angebracht von solchen, die aus dem Augenblick handelten oder wirtschaft-
lich sich die Inschrift nicht leisten konnten.
Diese Fülle brach im nördlichen Arabien mit dem 4. Jahrhundert, im
Süden erst mit dem Heraufkommen des Islam ab. Als neues Mittel, die
Öffentlichkeit anzuspiechen, trat Dichtung, seit dem Ende des 5. Jahr-
hunderts faßbai, an die Stelle. Sie verzichtete auf Schrift: gesprochenes
Wort, von Mund zu Mund gehend, durch einmalige Eindringlichkeit, un-
wiederholbare Schönheit, geschliffene Prägung und Glan/ der Diktion sich

18
Zuletzt G. Ryckmans in: Scritti in onore di G. Furlani (1957), 55?f.
6. DIE ARABER 149

empfehlend, einprägsam und unverlierbar, war bestimmt, die Inschrift zu


ersetzen. Scheinbar Flüchtigstes, in Wahrheit Unzerstörbares trat dem
entgegen, das doch mit der stofflichen Haltbarkeit des Steines gerechnet
hatte und, bei massenhafter Produktion, der Formel, der ermüdenden
Wiederholung verfallen war.
Ein weiterer Unterschied kam hinzu. Jene Inschriften waren auf Ara-
mäisch oder Griechisch, bestenfalls in einem arabischen Dialekt abgefaßt.
Dichtung aber, die alle Araber zu erreichen, mehr noch: sie zu packen,
erregen, sie aufzurütteln und hinzureißen wünschte, mußte sich eines
Arabischen bedienen, das allen verständlich war. So erwuchs denn jene
gemeinarabische Sprache gleichsam über Nacht, und sie sprach sich in
großer Form in der Dichtung aus. Ihrer Entstehung nach ein ungelöstes
Rätsel, überzeugte sie, ohne daß es einer Erörterung bedurfte: sie eroberte
sich aller Ohren, Herzen und Zungen. In dieser Dichtung erblühte, was bis-
her unerweckt geblieben war. Geformtes Wort, knapp gefügt, von Meister-
hand geschliffen und unvergeßlich geprägt, machte überall die Runde.
Jedem war es gegenwärtig, und man verständigte sich, indem man sich
seiner bediente. Ein Wüstenwanderer, angesprochen mit einem der glanz-
vollen Verse Imru'ulkais', fragt nach dem Namen des Dichters und weist
den Suchenden die nächste Quelle19. Man lebte in Dichterworten, dachte
und empfand in ihnen, drückte sich mittels ihrer aus, ähnlich, wie es das
Griechentum einst mit dem Mythos gehalten hatte.
Die Schar dieser Dichter, die berühmtesten Namen des vorislamischen
Arabien umfassend, war von verschiedenartigster Herkunft. Beduinen
gleich as-Sanfarä, Ta'abbata Sarran und den namenlosen Sprechern der
Hudail, stehen neben solchen, die der Fürstengimst nicht entbehren mochten.
Zuhair, 'Abid b.al-Abras, Tarafa, Mutalammis, an-Näbiga, al-A'sä lebten
und wirkten an den Höfen, sei es der Lahmiden, sei es ihrer Gegner, der
Gassäniden. Jüdische Dichter wie Su'ba b. Garid, ar-Rabf b. Abi l-Hukaik
zur Seite erscheinen Christen aus Hira: Abu Du'äd oder Adi b. Zaid. Auch
die Frauen hatten ihren wohlbemessenen Anteil: über sechzig Dichterinnen
sind in Resten zu ermitteln, und von al-Hansä' ist gar ein vollständiger
diwän erhalten. Alle aber vereinte eine gemeinsame dichterische Form, und
es machte wenig aus, welchen Glaubens, welchen Ursprungs oder gesell-
schaftlichen Ranges man war. Höchstens, daß der Königssohn Imru'ul-
kais, zeitlich ohnedies in vorderster Reihe stehend, auch als Dichter eine
19
Ibn Kutaiba, lib. poes. 41, nf. de Goeje.
150 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

besondere Stellung beanspruchen darf; daß der rauhe Krieger und Wüsten-
reiter Ta'abbata Sarran, daß die stolze Schwermut aä-Sanfarä's sich mit
sonst nicht bekanntet Kraft aussprechen.
Was an Einfluß von solchen Dichtern ausging, konnte zuweilen außer-
ordentlich sein. Eine Kaside des al-Härit b. Hilliza mahnte die Stämme Bakr
und Taglib, ihren Streitigkeiten zu entsagen und sich an das Abkommen zu
halten, mittels dessen Mundir III. von Hlra die Fehde der Basüs beendet
hatte. Auch 'Amr b. Kultüm griff in diesen Streit ein und stellte sich
auf Seiten der Taglib. Diese haben es ihrem Sänger nie vergessen: Alt und
Jung verstanden, 'Amr's Kaside zu rezitieren, die vom Ruhm ihres Blutes
kündete. Unvermeidlich blieb freilich, daß der Eigenruhm sich hervor-
tat, und ein Mann wie 'Antara hat darin Erhebliches geleistet. Aber auch er
hatte Erfolg: wurde er doch zu einem Vorbild des Heldentumes, und seine
Taten zu preisen ist die arabische Mit- und Nachwelt nicht müde geworden.
Auch gesellschaftlicher Rang beanspruchte seinen Platz. Zuhair durfte sich
rühmen, Tischgenosse des großen Kindaherrschers'Amr b. Hugr und gleich-
zeitig seines Gegners Mundir III. gewesen zu sein.
Genug: mit der Dichtung war eine Plattform geschaffen, von der aus
man sich weithin vernehmen ließ. Allen Menschen arabischer Zunge gegen-
wärtig, in immer neuen und stets gelungenen Versen sie aussprechend äußerte
sich das beduinische Lebensgefühl. Doch wieder muß gesagt werden, daß
nicht gestaltet oder geschildert wurde, was war. Diese Dichtung verzichtete
dar luf, die ganze Breite der Zustände und Begebenheiten vorzuführen. Auch
was sie gab, beruhte weniger auf Tatsächlichem als auf der Vorstellung, und
mittels dieser baute sie eine eigne Welt auf.

Beduinisierung spricht sich endlich in der arabischen Sprache aus.


Den Ausgangspunkt mögen die nabatäischen Inschriften abgeben. Die
spätesten unter ihnen spiegeln in zunehmendem Maße den Übergang vom
bisher ausschließlich gebrauchten Aramäischen zum Arabischen. Dessen
Vordringen zeigt sich am Pronominalsuffix, am Artikel, an den Praeposi-
tionen und an zahlreichen Einzelwörtern, die innerhalb des aramäischen
Satzzusammenhanges auftreten1. Arabisch waren schon immer die Eigen-
namen der Nabatäer gewesen, und ihr einheitlicher sprachlicher Charakter
1
J. Cantineau, Le Nabat^en 2, 171 f.
6. DIE ARABER 151

hatte verraten, da die aram ische Schriftsprache von diesem Volk als
solche angenommen war: Kleid, das man sich bergeworfen hatte und
durch dessen Risse jetzt immer st rker die angeborene Rede ans Licht
dr ngte.
Die arabischen Eigennamen der Nabat er zeigen die Besonderheit, da
sie mit auslautendem w geschrieben sind. Griechische Wiedergabe erweist,
da es sich um-o handelt: whbw = Ούαβώ; sb'w = Σαβαω8. Der Name
'Amr, in der koptischen Wiedergabe Amaro lautend (oben S. 127), wird
noch heute mit auslautendem w geschrieben. M glicherweise hat sich in
diesen F llen - zu - gewandelt3. Dann bliebe die Erkl rung im Rahmen
des Aram ischen, und daf r lie e sich anf hren, da die arabischen In-
schriften von Zebed (512) und Harr n (in der Leg ', 568), die auch ara-
m isches br bewahrt haben, noch tlmw (Harr n) und hnlich schreiben*.
V llig arabisch abgefa t ist die bereits erw hnte Grabinschrift des
„K nigs aller Araber" Imru'ulkais in en-Nem ra. Sie ist, mit Ausnahme
wiederum eines aram ischen br, sprachlich einheitlich und stellt sich damit
zu den Inschriften von Zebed und Harr n, in denen sich dasselbe br, wie
gesagt, bis ins 6. Jahrhundert gehalten hat. Einen lteren Zustand gibt die
Inschrift von Umm eg-gim l im Haur n (um 270). Sie hat darum stets Be-
achtung, freilich auch eine wechselnde Beurteilung gefunden.
Es handelt sich um eine Bilinguis. Ihr Text lautet: dnh np$w phrw br
Sly rbw gdymt mlk tnwh. ' H στήλη αυτή Φέρου Σολλέου τροφεύς Γαδιμά-
θου βασιλεύς Θανουηνών. Schon der griechische Text bietet Schwie-
rigkeiten. Statt vorhandenen τροφευς, βασιλεύς erwartet man die Ge-
netive τροφέως, βασιλέως. Die Nominative fallen um so mehr auf, als
ihnen die Genetive Φέρου und Γαδιμάθου vorangehen. Auch der ara-
m ische Text weist Besonderheiten auf. Np$w und rbw sind mit auslau-
tendem w geschrieben. Was bisher die Eigennamen kennzeichnete und dem-
zufolge in phrw unserer Inschrift wiederkehrt, ist auf zwei Appellativa ber-
tragen. Die Schreibung rbw, wie immer sie aufzufassen sei, schlie t aus, da
alles, was folgt, Apposition zu phrw und, wie dieses, von np$w abh ngig ist.
Vielmehr m ssen npsw und rbw parallel verstanden und das besagt: syn-
taktisch gleichgesetzt werden.
1
J. Cantineau, a. O. 2, 164!
8
J. Cantineau, a. O. 2, i68f.
4
Combe-Sauvaget-Wiet, Repertoire chronolog. d'epigraphie Arabe i (1931), zf.
Nr. 2—3.
152 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Demnach wäre nicht zu übersetzen: „dies ist die Stele des phrw, Sohnes
des Sly, Lehrers des Gadfma" usw. Sondern man hätte sich daran zu er-
innern, daß npS nicht nur die Grabstele, sondern als solche auch das Bild
der Seele, will sagen: der Totenseele (manes, ) des Verstorbenen war.
Dementsprechend hat noch im Nabatäischen np$, mit Suffixen versehen,
die Bedeutung „selbst"6. NpSw phrw bildete demnach eine Einheit, derart,
daß die „Seele" oder das „Ich" des phrw diesem als Person gleichgesetzt
wurde. Also: „dies ist die npS des phrw, Sohnes des Uly, (nämlich:) der
Lehrer des Gadima, Königs der Tanüh".
Nun gibt es freilich im Altarabischen Inkongruenz des Kasus bei der
Apposition6. Dafür wird angeführt Kais b.al-Hatlm 9, 2 läkäusüdan hasruhä
wa-difauhä „er hätte Löwen vorgefunden, ihr Zerren und Stoßen". Aber der
vorliegende Fall liegt mit seinen beiden Stat. constr. anders. Und es
kommt hinzu, daß ersichtlich ist, warum man den syntaktischen Aufbau,
der die Inschrift kennzeichnet, gewählt hat. Hinzufügung von phrw's Vater
sly ließ fraglich werden, wer eigentlich der rb öadima's gewesen sei: der Vater
Sly oder der Sohn phrw. Die Schwierigkeit mag man sich am aramäischen
Text der Bilinguis von Mchefa verdeutlichen, wo die Verwandtschaft der
Toten bis ins dritte Glied angeführt ist7. Um keine Undeutlichkeit der ge-
kennzeichneten Art zu erhalten, wurde jeder Verwandte einzeln genannt
und ihm sogleich der jeweils gebührende Titel beigefügt.
In Umm eg-gimäl aber sollte gesagt werden, daß als rb des Königs
allein phrw, nicht aber Sly in Frage kam. So wählte man den Ausweg, daß
man den zweiten Teil der Aussage verselbständigte, indem man die Appo-
sition nicht auf den Genetiv phrw, der zunächst lag, sondern auf das als
Einheit gefaßte npSw phrw bezog. Aber noch bleibt zu erklären, warum man
sich zu der Schreibung mit auslautendem w entschloß, die doch erst ge-
stattete, npSw und rbw parallel zu stellen. Man braucht den Text lediglich
ins Arabische zu übersetzen, um den zugrundeliegenden Sachverhalt sich
zu vergegenwärtigen:
hädihi ( )
nafsu fihri bni sullaiy
rabbu gadimata maliki tanüh.
5
J. Cantineau, a. O. 2, I 2 i f . Jetzt hat G.Ryckmans in: Le Musoon 71 (1958),
132 f. alle Bedeutungen von nfsjnfS besprochen, darunter „monument funoraire" 137!.
8
H. Reckendorf, Arab. Syntax (1921), 71 § 44, i.
7
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 74 f.
6. DIE ARABER 153

Sofort wird klar, da auslautendes w in np$w und rbw den Stat. constr.
des Arabischen bezeichnet, der hier um der Deutlichkeit willen plene ge-
schrieben ist. Denn mit den Mitteln der aram ischen Sprache konnte ein-
deutig nicht ausgedr ckt werden, da rbw auf phrw, nicht auf Sly zu be-
ziehen sei. Und um den gew nschten Parallelismus herauszustellen, war
auch np$w, nicht nur rbw mit dem auslautenden w des Stat. constr. versehen
worden.
Damit wird auch die Besonderheit der griechischen Fassung verst ndlich.
Offenkundig ist sie nach der aram ischen geformt worden. Das zeigt τροφεύς,
das in seinem Casus rbw entspricht. Schwierig bleibt βασιλεύζ mit seinem
Nominativ. Die griechische Fassung ist hier im Angleichen zu weit gegangen.
Rbw hatte sie wegen der Endung -w als Nominativ τροφεύζ wiedergeben
m ssen. Da der Schreiber die Besonderheit des syntaktischen Aufbaus
nicht erkannte, lag nach seiner Auffassung eine Apposition im Nominativ
zu einem genetivischen Namen vor. Folgerichtig f hrte er das Gleiche bei
Γαδιμάθου und βασιλεύς durch. Wiederum stellte sich damit zum Namen
im Genetiv eine Apposition im Nominativ.
Schreibung aram ischer Appellativa mit -w kehrt noch in drei F llen
wieder: hybw, khnw und kbrw*. Aber sie sind alle syrtaktiscn nicht eindeutig,
und in einem Fall ist sogar die Bedeutung des Wortes unbekannt. Sie m ssen
also vorl ufig fernbleiben. Freilich bilden auch so npSw und rbw eine Be-
sonderheit, und man hat fragen k nnen, ob sie nicht einfach als fehlerhaftes
Aram isch zu verstehen seien 9.
Denn die einwandfrei arabisch verfa te Inschrift von en-Nem ra (328)
zeigt keine Schreibung des Stat. constr. beim Nom. masc. sing., und es fehlt
auch jede Andeutung entsprechender Endungen. Auch die tam dischen und
saf itischen Inschriften kennen solche Schreibung nicht. Immerhin mu
hervorgehoben werden, da bei Eigennamen s darabischer Herkunft die
Mimation angegeben ist: s'dm, knm10,
Anders im Alts darabischen. Hier bezeichnet die Nunation -an, ge-
schrieben -n, den Emphaticus; hingegen die Mimation -um, -im, am, ge-
schrieben -m, den Indeterminatus. Fehlen sowohl der Nunation wie der
Mimation ergibt den Constructus, und dementsprechend tritt dieser beim
Masc. Sing, als reiner Nominalstamm entgegen. Aber Spuren, die vor

9
J. Cantineau, a. O. 2, 167/68.
9
E. Littmann bei J. Cantineau, a. O. 2, 168 Anm. i.
10
E. Littmann, Tham d und Saf (1940), 32.
154 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

allem die Kasusendungen hinterlassen haben, führen auf Vorhandensein


eines vokalisch auslautenden Constructus11, der als solcher freilich unbe-
zeichnet bleiben mußte.
Neben dem Altsüdarabischen hatten die Beduinen des Inneren, nach
Ausweis ihrer Dichtung, Nunation und überhaupt Desinentialflexion be-
wahrt. Dort war erhalten, was den Mundarten des Nordens und Nord-
westens schon in dem Augenblick fehlte, da sie aufgezeichnet wurden.
Die beduinische Sprache und das im nabatäischen, lihyänischen, tarn in-
dischen und safäitischen Bereich Aufgezeichnete mußten in Gegensatz zu-
einandertreten, sobald jene Beduinen geschichtlicne Bedeutung gewannen.
In diesem Zusammenhang sollte die Inschrift von Umm eg-gimäl gesehen
werden.
Zuvor indessen muß noch einer weiteren Besonderheit gedacht werden.
Wenn auch -w den arabischen Stat. constr. spiegeln sollte, so sind doch die
Wörter nps (trotz der gelegentlichen Schreibung nps12) und rb auf keinen Fall
arabisch. Nps besitzt nur im Aramäischen1* die Bedeutung „Grabstele,
Grabpyramide", und wiederum nur dort heißt der „Lehrer" rb, entspricht
11
also oder vollständiger . Man hätte also
beide Male ein aramäisches Wort mit arabischer Endung vor sich. Auch
das wäre eine bisher nicht bekannte Besonderheit.
Die Inschriften von en-Nemära und Umm eg-gimäl beziehen sich beide
auf Könige von Hlra. Von Imru'ulkais wurde bereits gesprochen, und bei öa-
dima genügt der Hinweis16. Wäre es dann so, daß die Schreibgewohnheiten
dieser Klientelkönige beibehalten hätten, was in der Kanzlei ihrer sasa-
nidischen Oberherren üblich war? Anläßlich jenes br, das als einziges
aramäisches Wort in en-Nemära begegnet, konnte bereits von einem Ideo-
gramm16, vergleichbar den aramäischen Ideogrammen der sasanidischen
Inschriften und sonstigen Urkunden, gesprochen werden. Nur daß solches
Ideogramm sich hier in mittelpersischem oder parthischem Text vorfand,
dort aber in einem arabischen. Entsprechend ließen sich auch die beiden
Wörter aramäischen Ursprungs, doch arabischer Endung mit den aramäi-

11
M. Höfner, Altsüdarabische Grammatik n6f.
12
J. Cantineau, a. O. 2, 121 s. v.
13
Daraus in die Inschrift von en-Nemära übernommen.
14
Darüber wird eine in der Reihe erscheinende Arbeit mehr bringen.
15
Die Nachrichten hat G. Rothstein, Die Dynastie der Lahmiden in al-HIra
(1899), 38 f. zusammengestellt.
16
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 263.
6. DIE ARABER 155

sehen Nominal- und Verbalmasken der sasanidischen Denkmäler vergleichen,


die dort eine mittelpersische oder parthische Endung auf weisen. Grundsätz-
lich stünden npSw, rbw (= NP$w, RBw) Schreibungen wie MLK'n und
BNYt" gleich.
Freilich besteht zwischen den Inschriften von en-Nemära und Umm
eg-gimäl, neben den gemeinsamen Berührungen mit der mitteliranischen
Schreibweise, ein Unterschied. Während Umm eg-gimäl maskulinen
Stat. constr. mit -w schreibt, kennt en-Nemära diese Weise nicnt. Ein letztes
Mal zeigt sich die Sonderstellung der ersten Inschrift. Doch auch sie läßt
sich verstehen, wenn man die Herkunft der dort genannten Tanüh in die
Betrachtung einbezieht.
Gewiß war Imru'ulkais, bevor ihn der Thronwechsel im Sasanidenreich
zur Flucht nach Westen zwang, König von Hira gewesen. Doch in seiner
Grabschrift verlautet nichts davon: sie weiß allein von seinem Verhältnis
zum römischen Reich. Nirgendwo wünscht ihr Text an Geschehnisse zu er-
innern, die beim Tode des Mannes über ein Vierteljahrhundert zurücklagen.
Die Sprache der Inschrift ist demzufolge die seiner neuen Untertanen, im
Norden und Nordwesten der Halbinsel. Hingegen erscheint öadima als
König der Tanüh, also des politisch entscheidenden Bevölkerungsteiles im
hirensischen Bereich18. Mehr noch: des nomadischen Bevölkerungsteils.
Die Tanüh kamen möglicherweise aus Yemen, in jedem Fall aber aus dem
Innern der Halbinsel19. Und sie brachten von dort die sprachlichen Be-
sonderheiten, die mit ihrer Herkunft gegeben waren: Nunation, Desinen-
tialflexion und, was im vorliegenden Fall von Wichtigkeit ist, den Stat. constr.
auf -u.
Wenn die Inschrift von Umm eg-gimäl, der gleichzeitigen iranischen
Schreibweise folgend, nicht nur aramäische Ideogramme verwandte,
sondern auch die aramäische Nominalmaske mit arabischer Endung, so
sollte der Text arabisch, nicht mehr aramäisch gelesen werden. Das ergibt
sich ans der Analogie zu den sasanidischen Denkmälern, deren aramäische
Ideogramme und Masken mittelpersisch oder parthisch zu lesen waren. Ihr
verwickeltes System, das überdies keineswegs einheitlich war und eine Reihe
von Spielarten kannte20, hat sich in Iran mit anerkennenswerter Zähigkeit
gehalten. Den Versuch, es für die Länder an der syrischen Grenze, unter An-
17
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 99, doch vgl. den Nachtrag.
18
G. Rothstein a. O. 32 f.
'" G. Rothstein, a. O. 28 f.
20
Über die Einzelheiten vgl. die Beilage „Aramäische Ideogramme".
156 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

passung an die dortigen Sprachgegebenheiten, einzuführen, entnimmt man


der Inschrift von Umm eg-gimäl. Daß es bei dem Versuch blieb, ergab sich
schon daraus, daß Gadima dauernd an der römischen Ostgrenze nicht Fuß
fassen konnte.
Gesiegt hat dort die Schreibweise, die dort von jeher heimisch war. Sie
war von Imru'ulkais übernommen worden, sie gewann für die Folgezeit,
von geringen Änderungen abgesehen, maßgebende Bedeutung. Und der
Verlauf der arabischen Schriftgeschichte hat bewirkt, daß die^e Weise dann
auch auf die Araber des 'Irak übergegriffen hat.
Arabische Schrift hat sich aus der nabatäischen entwickelt. Die Stufen
des Werdens lassen sich von den Inschriften des Sinai und Higäz über
die von en-Nemära (328), Zebed (512), Harrän (568) und eine weitere
aus Umm eg-gimäl (6. Jahrhundert)21 verfolgen22. Daß schon vor dem
Islam arabische Schritt weitgehend im Gebrauch war, zeigen für
Chusrös I. Anö§arvän Zeit die Verse Lakits b. Ma'mar, die selbst von
dem Blatt ($ahifa) sprechen23, darauf sie geschrieben24 waren.
Schreibertätigkeit Hämiz', Vaters fAdi' s b. Zaid26, 'Adi's selbst2* (der über-
dies die „Bücher der Araber" gelesen hatte27) und seines Sohnes28 bestätigt
das Gesagte. Dasselbe gilt von dem ältesten Stück arabischer Prosa, das
Tabari29 bewahrt hat und das Chusrö I. in seinen dawäwin aufzuheben
befohlen hatte80.
Da schon in en-Nemära der Zustand erreicht war, der weder Nunation
noch Constructus oder Desinentialflexion mehr kannte, so blieb dies alles
auch in der Schrift unausgedrückt. Dasselbe galt fürs Hamza, und nur der
Constructus des Femininum war noch mit -/ geschrieben (nicht wie später
mit h); so blieb es auch noch in den Inschriften von Zebed und Harrän.
Man kann demnach sagen, daß das Nordarabische, als es erstmals aufge-

21
Röpertoire i, 41. Nr. 4.
22
J. Cantineau, a. O. i, 28 f. mit Literaturangaben.
23
Ibn Kutaiba, lib. poes. 97, n de Goeje.
24
fa-kataba; ebenda 97, 10.
26
Ebenda 114, 3.
28
Ebenda 114, 4; Tabari ann. i, 1016, 8f.; vgl. 1024, 13!; i y f .
27
Tabari, ann. i, 1016, 14. Th.Nöldekes Skepsis (Geschichte der Perser und Araber
313 Anm. 2) ist in dieser Form nicht berechtigt.
28
Tabari, ann. i, 1024, i ^ f .
Ann. , 1025, .
30
Tabari, ann. i, 1026, i6f.
6. DIE ARABER 157

zeichnet wurde, im Großen und Ganzen den Zustand erreicht hatte, der
fortan geblieben ist31.
Die beduinischen Mundarten hingegen, die die Grundlagen für die ge-
meinarabische Dichtersprache der öähiliya abgaben, hatten nach dem Zeug-
nis der Metrik all das erhalten, was man andernorts aufgegeben hatte.
Trotzdem wurde die Dichtung, als man zu ihrer Aufzeichnung schritt, in
der bisher üblichen Weise geschrieben. Nur hatte man jetzt darauf zu
achten, daß man sprach, was die Schrift nicht wiedergab oder allenfalls durch
hinzugesetzte Lesezeichen andeutete. Jetzt wurde die Sprache der Dichtung,
die fortan als maßgebend galt, dem andersgearteten Schriftbild unterlegt.
Das Arabische wurde dort, wo es in seiner sprachlichen Entwicklung einen
weit späteren Stand erreicht hatte, künstlich auf einen älteren zurückge-
schraubt. Auch in der Sprache vollzog sich eine Beduinisierung, und wie
überall, so ging es vielfach auch hier mehr um ein Wollen, um ein Erstrebtes,
denn um etwas, was tatsächlich vorlag. Wieder wünschte man sich beduinisch
zu geben, und gerade dann in besonderem Maße, wenn man es selbst nicht
war.

*l Auf die seit K. Vollere erörterte Frage nach dem Charakter der kor'änischen
Sprache einzugehen, besteht kein Anlaß. Aus letzter Zeit seien die entgegengesetzten
Stellungnahmen von P. Kahle (The Cairo Geniza, 1947, 82, besonders Anm. 2) und
J. Fück (Die arabischen Studien in Europa, 1955, 240) erwähnt.
7. KAPITEL

DIE DROMEDARNOMADEN

Das römische Reich hat — wenigstens der Idee nach — immer den An-
spruch erhoben, den Erdkreis zu beherrschen1. Wirklichkeit und Idee waren
sich niemals näher als unter Marcus und Septimius Severus. In Überein-
stimmung damit nahmen seit dem Ende des 2. Jahrhunderts Titel wie
restitutor orbis, rector orbis oder Schlagworte wie securitas orbis, salus ge-
neris humani auf Münzen und Inschriften zu.8 Ein Heer von über 450000
Mann gab dafür genügenden Rückhalt8.
An der Donaugrenze und in Britannien zeichnete sich ein gewaltiger
Versuch ab, die Reichsgrenzen vorzutragen. Das bedeutet eine Bestätigung
dessen, was sich für den Osten hat ermitteln lassen4. In Afrika zeigt sich
das gleiche Bild. Nachrichten, die Ptolemaeus dem, was Marinus ihm bot,
entnommen hatte, bilden die Grundlagen unseres Wissens. Da hört man
von Fahrten nach den Vorgebirgen Prason oder Rhapta6, die der Ostküste
Afrikas entlang bis zur Bucht von Sansibar oder noch weiter südlich ge-
führt haben6. Sie bedeuten eine gewaltige Erweiterung des damaligen
Horizontes. Noch bedeutungsvoller aber waren die Vorstöße ins Land der
Inneren Aithiopen.
Ptolemaeus sagt im achten Kapitel des ersten Buches seiner Geo-
graphie7:
1
J. Vogt, Orbis Romanus (1929).
a
J. Vogt, a. O. zof.; 22.
3
J. Carcopino in: Molanges Dussaud i, 209f.
4
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 44!.
5
Ptolem., geogr. i, 7, 2; 9, i; 10, i; 14, 4; 17, 5.
• A. Berthelot, L'afrique saharienne et soudanaise 307.
7
Unter Benutzung der Übersetzung von H. v. Miik, Des Klaudios Ptolemaios
Einführung in die darstellende Erdkunde (Klotho 5), 30 f.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 159

„Auf Grund der zurückgelegten Strecken folgert Marinus, unter An-


rechnung der auf die einzelnen Reiseabschnitte entfallenden Tage von
Leptis Magna bis zur Landschaft Agisymba, daß diese um 24680 Stadien
südlicher liege als der Äquator. Was die Reise zur See angeht, so schließt
er gleichfalls aus den Tagen, die die Fahrt von Ptolemais im Troglodyten-
land bis zum Kap Prason dauert, daß auch dieses südlich des Äquators Hege
und zwar 27800 Stadien, so daß Kap Prason und Agisymba (was den
Aithiopen gehört, und wie er sagt, keineswegs die Südgrenze Äthiopiens
bildet) in den kalten Gürtel der Gegen-Oikumene fallen.
Denn 27800 Stadien machen auf dem Mittagskreis 55° 36' aus, ebensoviel,
wie auf der anderen Seite des Äquators die Entfernung zu den Skythen und
Sarmaten beträgt, die unter einem dieser Lage entsprechenden Klima nörd-
lich des Maiotischen Sees umherschweifen."
Marinus ziehe nun die genannte Stadienzahl auf weniger als die Hälfte,
nämlich auf 12000 Stadien zusammen, was annähernd der Entfernung des
Winterwendekreises vom Äquator entspreche. Als Gründe der Verkürzung
führe er lediglich die Abweichungen der Reisestrecke von der geraden
Richtung und die Ungleichheit der Tagesstrecken an. Dabei lasse er die
weitaus gewichtigeren und näherliegenden Gründe beiseite, aus denen sich
nicht nur die Notwendigkeit der Verkürzung als solcher, sondern auch
deren Ausmaß ergebe.
Denn einmal erzähle er anläßlich des Weges von Garama zu den Aithio-
pen, Septimius Flaccus sei auf einem Heereszug von Libyen aus in einem
Marsch von drei Monaten gegen Süden von den Garamanten zu den Ai-
thiopen gekommen. Dann aber sei Julius Maternus aus Leptis Magna von
Garama in Begleitung des Königs der Garamanten auf dessen Zug gegen
die Aithiopen nach einem stets südlich gerichteten Marsch von vier Monaten
in die aithiopische Landschaft Agisymba gelangt, „wo die Nashörner sich
paaren."
Beides sei unglaubwürdig, einmal bereits an und für sich, und dann auch
darum, weil die Inneren Aithiopen nicht so weit von den Garamanten ge-
trennt wohnten, daß sie von ihnen eine Wegstrecke von drei Monaten ent-
fernt sein könnten. Die Garamanten seien zudem selbst eher Aithiopen und
hätten mit diesen den König gemein. Auch sei lächerlich, daß der Heeres-
zug des Königs zu seinen Untertanen nur immer in der Richtung von Norden
nach Süden verlaufe (wo sich doch die Sitze dieser Völker beiderseits weit
160 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

nach Ost und West ausdehnten), vor allem aber, daß er nirgendwo nennens-
werten Aufenthalt genommen habe.
Daraus ergebe sich, daß die Gewährsmänner entweder gefabelt oder den
Ausdruck „gegen Süden" in dem Sinn verwandt hätten, in dem die ländliche
Bevölkerung zu sagen pflege, „gegen den Notos" (SSW) oder „gegen den
Lips" (SSO) zu, wobei sie nur die Hauptrichtung, nicht aber die genaue
meine.
Das Kapitel gehört zu Ptolemaeus' Auseinandersetzung mit seinem äl-
teren Zeitgenossen Marinus, die das ganze erste Buch der Geographie durch-
zieht. Was hat Marinus gesagt ?
Zunächst ist deutlich, daß ihm zwei Berichte vorlagen. Der erste und
ältere stammte von Septimius Flaccus. Er war als Befehlshaber einer rö-
mischen Streitmacht von Libyen aus über das Land der Garamanten in
drei Monaten zu den Aithiopen gelangt. Das beruhte auf Flaccus' eigener
Angabe, wie an anderer Stelle bestätigt wird8. Ausgangspunkt war Leptis
Magna9, von dort ging es nach Garama, dem heutigen Dscherma im Fezzan,
der Hauptstadt der Garamanten. Es war dieselbe Route, die, unter Tiberius,
Cornelius Scipio beim Kampf gegen Tacfarinas eingeschlagen hatte10. Zu
diesem Teil der Marschstrecke wurden dreißig Tage benötigt, zehn Tage
mehr, als lulius Maternus gebraucht hatte. Denn Flaccus zog nicht ge-
radewegs nach Süden, sondern bog gelegentlich von der Hauptrichtung
ab11.
Der zweite Gewährsmann, lulius Maternus, war nicht Befehlshaber einer
römischen Truppe, sondern reiste im Heer oder Gefolge des Königs der Ga-
ramanten. Vielleicht war er ein Kaufmann18. Jedenfalls kam er nicht nur,
sondern stammte auch aus Leptis Magna. Die Strecke von seiner Vaterstadt
bis nach Garama legte er in zwanzig Tagen zurück. Er bog dabei nicht vom
Wege ab, sondern hielt sich streng an die Nord-Südrichtung13. In der Tat
liegt Garama-Dscherma ziemlich genau im Süden von Leptis Magna. Er
mußte wegen der Entfernung der Wasserplätze voneinander große Tages-
märsche zurücklegen. Die dabei erzielte durchschnittliche Tagesstrecke von

8
Ptolem., geogr. i, 10, 2.
9
Ptolem., geogr. i, 10, i.
10
Tacit., ann. 3, 74; dazu Jan Bunan in: Westnik drewnej istorii 2/1957, 131 f.
11
Ptolem., geogr. i, 10, 2.
12
E. Norden, D. germ. Urgesch. in Tac. Germ. 440 Anm. i; unrichtig A. Merighi,
La Tripolitania antica i, 216.
13
Ptolem. geogr. i, 10, 2.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 161

270 Stadien war eine erhebliche Leistung14. Von Garama ging es im Gefolge
des Garamantenkönigs weiter, anscheinend in einem weniger forcierten
Tempo. Da Maternus bis zu den Aithiopen vier statt drei Monate brauchte,
genau 4 Monate und 14 Tage15, kann es sein, daß er weiter nach Süden vor-
stieß als sein Vorgänger Flaccus.
Ptolemaeus' Kritik heftete sich daran, daß man sich stets an die Nord-
Südrichtung gehalten habe, ohne nach Ost oder West, wo doch auch Men-
schen wohnten, abzuweichen; daß die Garamanten und Aithiopen als
Untertanen desselben Königs vier Monate voneinander entfernt gewohnt
hätten und daß man keine längeren Aufenthalte gemacht habe. Alles
zeigt, daß Ptolemaeus von den Gegebenheiten keine Vorstellung besaß.
Die Sahara legte sich als trennende Barre zwischen die beiden Stämme; in
der Wüste mußte man sich an die durch die Wasserstellen bestimmte Route
halten; jedes Abweichen konnte den Untergang zur Folge haben. Hier ist
der Bericht Marinus' und seiner Gewährsmänner nicht zu beanstanden.
Schwieriger ist die Frage nach dem Marschziel zu beantworten. Für
Flaccus bleibt es bei der allgemeinen Angabe über die Aithiopen. Maternus
kam nach der Landschaft Agisymba, „wo sich die Nashörner paaren".
Wo hat man sie zu suchen ?
Ptolemaeus hebt hervor, daß Marinus' Berechnungen nicht durchsichtig
seien, und hat damit den Beifall der modernen Beurteiler gefunden. Agi-
symba war von Marinus zunächst auf 24680 Stadien südlich des Äquators
angesetzt worden16. Dann hatte er den Abstand auf 12000 Stadien ver-
kürzt17, und Ptolemaeus18 hatte sich daraufhin für befugt gehalten, nach
weiteren Abstrichen das Land nördlich des Äquators, etwa auf die Breite von
Meroe, zu verlegen19. Man muß also fragen, was an ursprünglichen Angaben
Marinus vorlag.
Zweifellos waren die Mitteilungen nicht solche über Stadienzahl und
Breitenansetzung, sondern allein solche über die Marschzeit und die Marsch-
richtung. Dabei ist, was man von Maternus weiß, reichhaltiger als die
Angaben über Flaccus.
14
H. Berger, Gesch. d. wissensch. Erdkde, d. Griechen2, 600.
18
Ptolem., geogr. i, n, 4.
16
Ptolem., geogr. i, 8, i.
17
Ptolem.. geogr. i, 8, 3; 9, 5.
18
Ptolem., geogr. i, g, 6f.
19
H. Berger, a. O. 559!.; Honigmann, RE. Suppl. 4, 651.
11 Althelm, Hunnen [
162 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Wenn Maternus, wie er das bei der Strecke Leptis Magna-Garama getan
hatte, genau nach Süden weiterzog, mußte er auf den Karawanenweg
kommen, der von Dscherma aus über Mursuk und Tedscheri bis an die
Grenzen des heutigen Libyen ging, diese bei Bir el-Uaar überschritt, dann
die Ebene von Madama durchquerte und über Bilma, die Oasen Dibella und
Agaden an den Tsad-See gelangte20. Man hat darum Agisymba geradezu
am Tsad-See oder in der Gegend südöstlich von ihm, am Schari, angesetzt21.
Doch ergeben sich Schwierigkeiten. Einmal hatte Maternus Agisymba
als gebirgig beschrieben. Das trifft für die Senke um den Tsad-See nicht
zu22. Auch müßte der sehr ins Auge fallende See23 die Aufmerksamkeit der
Reisenden erweckt haben24. Schließlich ist darauf zu verweisen, daß sich
der Karawanenweg von Mursuk zum Tsad-See verhältnismäßig leicht und
rasch bewältigen läßt. Natürlich besteht ein Unterschied zwischen einer
kleinen Reisegruppe und dem Heerzug oder der Hofhaltung eines Königs.
Maternus legte allein den Weg von Leptis Magna nach Garam? in zwanzig
Tagen zurück, für den die Streitmacht des Flaccus deren dreißig benötigte.
Aber Heinrich Barth25 brauchte für die Strecke von Kukaua ^südwestlich
des Tsad-Sees) nach Mursuk lediglich 65 Tage (10. Mai bis 13. Juli 1854),
also ganz unverhältnismäßig weniger als Maternus' vier Monate.
Es kommt hinzu, daß nur für die Strecke Leptis Magna-Garama, nicht
für Garama-Agisymba die genaue Einhaltung der Nord-Südrichtung be-
zeugt ist. So kam es zu Maternus' außergewöhnlicher Marschleistung von
zwanzig Tagen, während doch Barth für die Entfernung Tripolis-Mursuk
mit 1171 km 28 volle 44 Tage (24. März bis 6. Mai 1850) benötigte27. Von
Garama ab geht noch ein zweiter Karawanenweg nach Süden, wenn auch
nicht geradewegs, sondern mit Ausbiegung nach Südwesten. Er führt über
el-Auenat nach Ghat, überschreitet zwischen Arikin und Tamessuet die
libysche Grenze und verläuft weiter nach der Oase Asben. Wegen des ge-
birgigen Geländes ist er weit schwerer zu bereisen als die Route zum Tsad-
20
H. v. M2ik, a. O. 32 Anm. i. Die Ortsnamen im Folgenden sind in Anlehnung
an die italienischen Schreibungen der Vorkriegszeit gegeben, da gültige Angaben nicht
zu haben waren.
21
Zuletzt E. Norden, a. O. 440 Anm. i ; vgl. A. Merighi, a. O. i, 216.
22
Ptolem., geogr. 4, 8, 5; A. Merighi, a. O. i, 218.
23
E. F. Gautier, Le Sahara 74 f.
24
A. Merighi, a. O. i, 216; 218.
25
Wanderungen 5, 406; 443.
29
Guida CTI. Libia 225; 256.
27
a O. i, 93; 170. Über die Marschgeschwindigkeit a. O. i, i22f.
7- DIE DROMEDARNOMADEN 163

See. Earth legte die ungef hr entsprechende Strecke Mursuk-Agades in


ii2 Tagen (13. Juni bis g. Oktober 1850, abz glich sieben Rasttage in Ghat)
zur ck28. Das deckt sich fast genau mit der Angabe des Maternus2*. Auch
der gebirgige Charakter des Weges (vornehmlich s dlich der Tassili-Berge)
wie auch der Oase Asben selbst stimmt zu Agisymba: έχει δε ή χώρα όρη30.
Schon Vivien de St. Martin31 hat unter Berufung auf Barths Angaben
Asben mit Agisymba gleichgesetzt32.
Die Best tigung und genauere Festlegung ergibt sich aus den Karten zu
Ptolemaeus. Es hat sich zeigen lassen33, da die 26 L nderkarten, die der
Rezension Ω der Geographie beigegeben sind, in letzter Linie auf deren Ver-
fasser selbst zur ckgehen. Auf Folio 98 v des Codex Seragliensis 57 ist
Agisymba im Rahmen Nordwestafrikas zwischen 10° und 40° stlicher
L nge, 5° und 10° s dlicher Breite angesetzt. Damit ist gesagt, da nicht
einmal das Ostende des sich lang hinziehenden Landes s dlich von Garama
(43°—21° 3ο')34 liegen kann. Das schlie t den Tsad-See oder gar Adamaua
aus. Agisymba umfa t auf der Karte ein weit umfangreicheres und sich tief
m den Westsudan erstreckendes Gebiet.
Im allgemeinen enth lt weder Agisymba noch das n rdlich davon ge-
legene „Land der Aithiopen, Elefanten und Nash rner" genauere Orts-
angaben. Eine Ausnahme macht die Gebirgskette, die sich aus dem s d-
lichen Fezzan in s dwestlicher Richtung hinzieht. Dazu geh ren die
Berge Thala (38°—10°), Arualta (33°—3°)35, Ziphar (25°-^8° 25's dlicher
Breite), Mesche (25°—13° s dlicher Breite, Ισημερινός Ξ), Dauchis (15° bis
8° 25' s dlicher Breite, Ω dagegen und auf der Karte 13° 25' s dlicher Breite)
und Ion (10°—8° 25' s dlicher Breite)88. Die vier letzten geh ren bereits
zu Agisymba. Da nur Maternus nach diesem Land vorgedrungen war, k nnen

*» a. O. i, 182. ber die Rast in Ghat a. O. i, 238; 265.


*· ber die Marschgeschwindigkeit a. O. i, 200.
»o Ptolem., geogr. 4, 8, 5.
31
Le Nord de l'Afrique dans l'antiquite' 2ΐ$ί.; Hist, de la g6ogr. 208; 475; H.
Berger, a. Ο. 6οι; A. Merighi, a. O. i, 2i6f.
82
A. Merighi, a. O. i, 221 Anm. 2; A. Berthelot, L'Afrique Sahar. et Soudan. 408f.,
hat als weitere M glichkeit das s dlich des Tsad-Sees gelegene Adamaua gebracht.
Das erledigt sich durch die gleich zu nennende antike Ptolemaeus-Karte sowie durch
die Gradangaben.
M
P. Schnabel, Text u. Karten d. Ptolemaeus 78!; 95.
84
Geogr. 4, 6, 30.
85
Geogr. 4, 6, 12.
86
Geogr. 6, 9, 6 Μέσχι * K, Νέσχι Χ, das auch 13° 5' s dl. Br. gibt.
11*
164 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Marinus und Ptolemaeus auch nur von ihm die Angaben haben. Also liegt
in dieser Reihe von geographischen Fixpunkten Maternus' Route vor.
Vielleicht sind noch Thumelita (43°—19°) und Thuspa (43°—.17° 50) hin-
zuzunehmen, die beide in einer geraden Linie südwärts von Garama liegen37.
In dieser von Garama nach Südwesten ausschwingenden Kette von Ge-
birgen erkennt man ohne weiteres die Erhebungen wieder, die von Mursuk
bis Ghat, und von dort bis zu den Bergen der Oase Asben verlaufen. Ziphar
und Mesche, die beide auf dem 25. Längengrad angesetzt sind, entsprechen
den Gebirgen Timga und Baghsen, die gleichfalls streng in der Nordsüdlinie
liegen und den Charakter von Asben bestimmen. Aber Agisymba kann bei
seiner großen Ost-Westausdehnung nicht nur Asben umfassen: es kann
allenfalls dort begonnen haben. Es hat sich weit nach Westen, in den Niger-
bogen und die Gebirge südlich davon, erstreckt.
Es bleibt noch die Erwähnung der Nashörner. Sie gibt es heute in der
Oase Asben und in den benachbarten Wüstengebieten nicht. Aber man weiß
von einer entsprechenden Fauna der nördlichen Sahara, die sich in einer
unserem Jahrtausend unmittelbar voraufliegenden Zeit im Rückzug
befand38. An ihre letzten Ausläufer, die karthagischen Elefanten, genüge
es zu erinnern. Die steinzeitlichen Felsbilder zeigen viele Tiere, die heute
verschwunden sind39.
Im Fezzan liegt die Masse der Fundstellen an der Spitze der Sandstein-
zunge, die von der Grundlinie Sebha-Mursuk aus nach Südwesten verläuft40.
Dargestellt sind Bubalus41, Strauß42 und Krokodil43, dann Elefant 44 und
Giraffe46, aber auch das Nashorn48. Es hat also über Asben hinaus nach
37
Geogr. 4, 6, 30; 32.
38
E. F. Gautier, a. O. 6if.; A. Berthelot a. O. 45 f.
39
Grundlegend G.-B.-M. Flamand, Les pierres 6crites (1921); eine Zusammen-
fassung bei L. Frobenius, Kulturgesch. Afrikas 47f.; Taf. i—62.
40
L. Frobenius, Ekade Ektab 13.
41
L. Frobenius, a. O. Taf. 4—5; 18—20; 38; 41—43; E. Schulthess, Afrika. Vom
Mittelmeer zum Äquator (1958) Taf. 13—15.
42
L. Frobenius, a. O. Taf. 27—28; 32—35; 43; E. Schulthess, a. O. Taf. 34.
43
L. Frobenius, a. O. Taf. 17.
44
L. Frobenius, a. O. Taf. 7—9; 19; 21—22; 63—64; 68; E. Schulthess, a. O.
Taf. 36.
46
L. Frobenius, a. O. Taf. 13—16; 21—22; 31; 65—66; 75; E. Schulthess, a. O.
Taf. 15:33.
46
L. Frobenius, a. O. Taf. 5—6; 54; 70—71. Die Felsbilder im Wüstengebiet
beiderseits der lybisch-ägyptischen Grenze (Gilf Kabir, Auenat) kennen nach Ausweis
H. Rhoterts (Libysche Felsbilder 1952) das Nashorn nicht, wohl aber Strauß, Elefant
und Giraffe.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 165

Norden mit seinem einstigen Verbreitungsgebiet gereicht. Entsprechend


finden sich auch im südlichen Algerien Nashörner auf den steinzeitlichen
Felsbildern wiedergegeben47.
Wann sind Flaccus und Maternus zu den Aithiopen vorgedrungen?
Unter Berufung darauf, daß Marinus unter Trajan und Hadrian geschrieben
habe, hat man sich auf die Wende des i. zum 2. Jahrhundert geeinigt48.
Nachdem die Chronologie von Ptolemaeus' Werken festgelegt und Marinus
als dessen nur wenig älterer Zeitgenosse erwiesen ist, läßt sich der richtige
Ansatz geben. Ptolemaeus kannte in seiner Syntaxis49, in dem vor 160
verfaßten Kanon und im achten Buch der Geographie (Rezension ) Ma-
ternus' Reise nach Agisymba noch nicht. Denn dort ließ er die Oikumene
nicht über den Äquator hinausgehen. Auch bei der Abfassung der Rezen-
sion von Geographie 2, i—7, 4 lag wahrscheinlich Marinus noch nicht vor.
Erst die Rezension von Geographie , —7, 4 hatte mit Bestimmtheit den
Bericht über Agisymba zur Verfügung. Man kommt also in das letzte Jahr-
zehnt vor Ptolemaeus'Tod (172). Erst damals kann Marinus von der Reise
der Flaccus und Maternus Mitteilung gemacht haben. Beide Unterneh-
mungen können nicht viel früher erfolgt sein. Sie mögen in das erste Jahr-
zehnt von Marcus' Regierung gehören. Dann besteht die Möglichkeit, Septi-
mius Flaccus mit dem Consul suff. des Jahres 183, den die Arvalakten
nennen: L. Septimius Fla(ccus) zusammenbringen50. Wie Septimius Severus
die Partherpolitik seines Vorgängers Marcus fortsetzte, so auch die nord-
afrikanische. Von Kämpfen mit den Stämmen Tripolitaniens hat man
schriftliche und bildliche Kunde (unten S. 184f.). Ebenso hat er den numi-
dischen Limes vorverlegt, ihn ausgebaut und ihn durch eine Postenkette
verstärkt51.
Als letzte bleiben die Garamanten und Aithiopen zu besprechen. Nach
Marinus' Angaben hatten sie einen König, der in Garama wohnte. Sein
Reich erstreckte sich nicht nur über den Fezzan, sondern auch über die Aithio-
pen. Agisymba-Asben gehörte dazu, aber es bildete keineswegs die Süd-
grenze dieser Aithiopen, wie gesagt wird52. Ihr Bereich erstreckte sich also
47
G.-B.-M. Flamand, a. O. 3761.
48
E.Norden, a. O. 440 Anm. i; Dessau, RE. 7, 751; A. Merighi, a. O. i, 222
Anm. i.
49
P. Schnabel, SB A W. 1930, 215!
50
Act. Arv. p. CLXXXVIII Z. 14 Henzen; PIR. 3, 205 Nr. 322.
51
J. Carcopino in: Syria 1925, 3of.; n8f.; 1933, 20f.; E. Albertini in: Rev. afric.
1934, 2 3 T ·; Mdlanges Dussaud i, 349.
M
Ptolem., geogr. i, 8, i.
166 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

weiter auf den Äquator zu und vielleicht die Herrschaft des Garamanten-
königs auch.
Im Jahre 1909 zeichnete, aus dem Munde eines einheimischen Barden,
Leo Frobenius im nördlichen Togo jenes wundervolle Heldenlied auf, das
unter dem Titel „Gassires Laute" bekannt geworden ist63. Der Gewährs-
mann gehörte zum Stamm der Dscherma, die am Ostschenkel des Niger-
bogens in der Nachbarschaft der Haussa wohnten. Ihr Name erinnert an das
heutige Dscherma, das antike Garama, und damit an die einstige Haupt-
stadt des Fezzan. Das Lied selbst spricht von dem Stamm oder Volk der
Fasa, den Eponymen der Landschaft Phasania oder Fezzan. Es erzählt auch
von der Wanderung der Königsstadt dieser Fasa oder, wie man sagen darf:
der Garamanten. Sie wurde von Dierra im Heimatland der Fasa, also
im Fezzan, wohl Geira64, nach Agada (Agades in der Oase Asben) ver-
legt, dann nach Gana und schließlich nach Silla westlich von Timbuktu65.
Das ist die Richtung, in die sich nach Maternus' Bericht das Gara-
mantenreich vom Fezzan aus erstreckte. In Agisymba faßt man bereits
Agada, und schon zeichnen sich weitere Gebiete der Aithiopen im Hinter-
grund ab.
Der Entdecker des Liedes von Gassires Laute hat die darin enthaltenen
Hinweise weiter verfolgt6'. Frobenius stieß dabei auf die Spuren einer
mittelalterlichen Kultur, die ursprünglich an der Syrte67 und im Fezzan
heimisch, in die Sahel von Kala, zwischen Senegal und Nigerbogen, abge-
wandert war. Helle Nordstämme, der Viehzucht ergeben und in Burgbauten
ein feudales Leben führend, herrschten dort über eine schwarzhäutige,
„aithiopische" Bauernbevölkerung. Zahlreich waren die Belege für die Her-
kunft dieser „syrtischen" Kultur. An den Grabbauten und den baulichen
Formen überhaupt68; an der Anlage und am Gründungsbrauch der Burg-
städte69, am reiterlichen und ritterlichen Stil60, schließlich an der karto-

63
Nach Atlantis Band 6, 49 f. wiederabgedruckt in Monumenta Africana2 23 f.
84
Ptolem., geogr. 4, 6, 31; 4, 16, 6.
65
L. Frobenius, Atlantis 6, 50!; Mon. Air.2 34!; Paideuma4 92!; D. unbekannte
Afrika 120 f.
58
L. Frobenius, Atlantis 6, 50!.; Mon. Afr.2 36f.; Paideuma4 87f.; Kulturgesch.
Afrikas 396 f.
87
L. Frobenius, Mon. Afr.2 44 f.
58
L. Frobenius, Mon. Afr.2 46f.; D. unbekannte Afrika 93f.; 122f.
89
L. Frobenius, Mon. Afr. 2 62 f.
60
L. Frobenius, Kulturgesch. Afrikas 395f.; vgl. Strabon 875.
7- DIE DROMEDARNOMADEN 167

graphisch belegten Wanderung einer großen Zahl von Kulturelementen*1


konnte der Vorgang verfolgt werden.
Mitten hinein in diese Wanderung eines Volkes und seiner Kultur aus
dem Fezzan in den westlichen Sudan führt Maternus' Bericht. Um
die Mitte des 2. Jahrhunderts saßen danach die Garamanten noch in ihrer
Heimat. Aber schon hatten sie in der Oase Asben und damit in Agada-
Agades Fuß gefaßt; schon richtete sich ihr Blick auf weiter südlich sitzende
Aithiopen. Die Aithiopen waren seh warzhäutige2, den Untertanen der
sudanischen Herrenbevölkerung entsprechend. Die ptolemäische Karte des
Seragliensis gibt Agisymba eine Ausdehnung nach Westen, die den ganzen
Nigerbogen umfaßt. Das Lied von Gassires Laute weiß bereits von der voll-
zogenen Abwanderung und dem erneuten Seßhaftwerden im Westsudan.
Seine Abfassung fällt ins 4.—5. Jahrhundert63; damals war also der Vorgang
von dessen Anfängen Marinus berichtete, abgeschlossen.
Die Macht des Garamantenreiches im Fezzan war durch die Römer ge-
brochen worden64. Zu Flaccus' und Maternus' Zeiten bildete es einen bloßen
Klientelstaat. Da dem Volk der Weg nach Norden und an die Küste ver-
legt war, wich es nach Süden und Südwesten aus. Nach seinem Verschwin-
den aus dem Fezzan traten hamitische Stämme, Dromedarnomaden und
Verwandte der Blemmyer, an seine Stelle. Sie waren kräftiger und weniger
verbraucht als die Garamanten; sie machten den Römern ganz anders zu
schaffen als ihre Vorgänger, und von Klientel war nicht mehr die Rede.

Unter die Regierung des Wandalenkönigs Trasamund (496—523) fällt


die schwere Niederlage, die sich sein Heer bei den maurischen Stämmen des
Kabaon holte1. Dieser kluge und zielsichere Fürst, der seine Weidegründe
in der Umgebung von Tripolis hatte, erwartete das wandalische Reiterheer
81
L. Frobenius, Mon. Afr. 2 71 f.; Kulturgesch. Afrikas 206. Vermutungen über die
Herkunft der Plastik von Ife. Yoruba und Jeman in Nord-Nigeria bei W. Fogg in:
L'art ncgre (Prosence Africaine 10—n), g i f . ; g^i.', 103!; Neufunde in: Illustrated
London News, December 21, 1957 S. 1097.
62
Ptolem., geogr. i, 9, 7; Diod. 20, 57, 5.
83
L. Frobenius, Mon.Afr.2 35.
«« Unten S. 184 f.
1
Prokop., b. Vand. i, 8, 15.; 25f.; H. Barth, Wander, d. d. Küstenl. d. Mittelm.
i, 47 Anm. 8a; E. F. Gautier, Geiserich (Dtsch. Übers. 1934), 3 2 5f· Kudäma kennt
Sabratha als verlassen und südlich davon den „Dromedar-Brunnen": p. 224, I3f. de
Goeje.
168 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

an der Küstenstraße, die von Karthago südwärts, an der Kleinen Syrte


entlang, führte. Zur Schlacht hatten die Mauren eine kreisförmige Auf-
stellung gewählt. Die Mitte nahmen Weiber, Kinder und alle, die am Kampf
sich nicht beteiligen konnten, ein; bei ihnen befand sich auch die Habe der
Nomaden. Geschirmt wurden sie durch einen lebendigen Wall von Drome-
daren, der sich allseitig herumlegte und an der Front verstärkt war, so daß
die Tiere hier zwölf Glieder tief standen. Die Krieger selbst, mit Schild und
Wurfspeeren bewaffnet, waren zwischen den Dromedaren verteilt und emp-
fingen die Wandalen mit ihren Geschossen.
Das Zusammenleben mit den Dromedaren erzieht zui Vertrautheit mit
ihrer Wesensart. Solche Kenntnis sei eine große Wissenschaft, pflegen die
Nomaden noch heute zu sagen; kaum reiche ein Menschenleben aus, um
alle Gewohnheiten des Tieres kennenzulernen2. Die Taktik, die Kabaons
Mauren anwandten, war auf diesem Boden gewachsen. Sie war gleichsam
aus dem Wesen des Dromedars entwickelt.
,,Das Dromedar", sagt C. M. Dougthy, ein klassischer Zeuge von jahre-
langer Wüstenerfahrung3, ,,ist ein stumpfes Tier, das kein Gefühl für seinen
Herrn hat. Wenn dieser es anspornt, kann es vorkommen, daß es sich brül-
lend inmitten des Kampfgetümmels niederläßt. Oder wenn sein Reiter nur
an den Zügel rührt, wird es schreiend stehenbleiben und bocken, während
es schnell fliehen müßte. Einige wieder sind halsstarrig und galoppieren
mit ihren Reitern mitten unter die Feinde, und selbst das schnellfüßigste
Kamel wird mit Leichtigkeit von dem minderwertigsten Wüstenpferd
überholt". Darum verzichteten die Mauren darauf, ihre Dromedare als
Reittiere im Kampf gegen das Pferd einzusetzen. Dagegen hatten sie ein
anderes in Rechnung gestellt: die Scheu des Pferdes vor der ungewohnten
Erscheinung des Wüstentieres4. Die wandalischen Reiter brachten ihre
Pferde nicht dazu, gegen diese Mauer von Dromedaren vorzugehen5. Und
auf einen Fernkampf waren die Germanen nicht gerüstet6. So erlagen sie
den Speeren der Mauren; mit Staunen verzeichnete man in Byzanz diese
Niederlage7.
2
H. v. d. Esch, Weenak — die Karawane ruft 60 f.
3
Arabia Deserta (Dtsche Übers.) 441 f. Freilich verstand auch Dougthy in den
Augen der Beduinen wenig von Kamelen, wie E. T. Lawrence (Vorrede S. 20) berichtet.
4
Prokop., i. c. 27.
5
Vgl. noch 2, ii, 48.
6
Prokop., b. Vand. i, 8, 27.
7
Prokop., 1. c. 14; auch unter Hilderich wurden die Wandalen von den Mauren
geschlagen (i, 9, 3), aber von der Dromedartaktik verlautet nichts.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 169

Die Taktik, die sich gegen die Wandalen bewährt hatte, behielten die
Wüstenstämme in der Folge bei. Auch die Byzantiner hatten gegen solche
Mauern von Dromedaren anzukämpfen8. Inzwischen war die Aufstellung
dichter geworden: jetzt standen zwölf Reihen von Tieren nach allen Seiten9.
Rinder und Kleinvieh kamen hinzu, um die Masse zu verstärken10. Doch
auch der Gegner hatte gelernt: er ließ die Reiter von ihren scheuenden
Pferden absitzen. Zu Fuß angreifend, brachen sie in den Kreis ein und rich-
teten unter der dicht gedrängten Menge ein blutiges Gemetzel an11. Gleich-
wohl blieben die Mauren der überkommenen Kampfesweise treu. Theo-
phanes weiß von ihr, und er gebraucht dasselbe Wort „Kranz" oder „Kreis",
das Prokop vor ihm zur Kennzeichnung der maurischen Aufstellung ver-
wandt hatte12.
Zu den Zeiten der Trasamund und Kabaon war die Taktik der Nomaden
etwas Neues. Noch nie hatte man mit Dromedaren ein Reiterheer besiegt.
Das Tier gewann eine bis dahin unbekannte Bedeutung und teilte sie den
Stämmen mit, die sich nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich
auf das Dromedar stützten, sich seiner auf Wanderungen und Raubzügen
bedienten. Die spätantiken Geschichtsschreiber berichteten von diesen
Nomaden nur, wenn sie mit der wandalischen oder byzantinischen Macht
zusammenstießen. Die Stämme, die unter Führung des Kabaon standen,
nomadisierten in der Nachbarschaft von Tripolis, unfern der Küste. Also
war man dort vom Ackerbau zur Weidewirtschaft übergegangen: mit dem
Vordringen der Dromedarnomaden waren Steppe und Sahara gegen das
Kulturland vorgerückt, während dieses im gleichen Maße sich zurückzog
oder schrumpfte . . ,13. Aber die Heimat der Stämme lag nicht an der Küste,
nicht in der Umgebung der alten städtischen Mittelpunkte. Hunderte von
Felszeichnungen, die über den Fezzan und seine Nachbargebiete verstreut
sind14, geben davon Kunde, daß die Dromedarnomaden sich nicht auf den
8
Prokop., b.Vand. 2, n, 17!; Coripp., Job. 2, 93!; 396f.; 4, 597f.; io6if.; Theo-
phanes p. 311, gi, Bonn.
9
Prokop., 1. c. 17.
10
Coripp., 1. c. 599 f. nennt acht Reihen von Dromedaren, zwölf von Rindern.
11
Prokop., 1. c. 5of.
12
: Prokop., 1. c. i, 8, 25; 2, n, 17—18; Theophanes p. 311, 10 Bonn.
13
Grundsätzliches bei O. Spengler, Unterg. d. Abendlandes 2*°, 15 Anm. i; vgl.
E. F. Gautier, Geiserich 321 f.
14
L. Frobenius, Ekade Ektab. Die Felsmalereien Fezzans Taf. 85—86; Kultur-
geschichte Afrikas Taf. 27; G. B.M.Flamand, Les pierres öcrites (Hadjrat mectoubat)
Taf. s6f.; S. 60 Abb. 15; S. 73 Abb. 21—22; S. 85 Abb. 26; S. 132 Abb. 36; Abb. 109
bis 112; II Sahara Italiano i, 252 Abb. 8; 317 Abb. 16.
170 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Norden Tripolitaniens beschränkten. Im Gegenteil: ihr Schwergewicht muß


im Süden, in den Steppen- und Wüstengebieten gelegen haben.
Auf diesen Felszeichnungen sieht man, in schematischen Umrissen, stets
die gleichen Vorwürfe: Krieger zu Fuß und zu Pferd, mit Rund- oder Vier-
eckschilden, mit Wurfspeeren oder der langen Reiterlanze bewaffnet.
Daneben Groß- und Kleinvieh, weidend oder in Herden wandernd. An erster
Stelle aber steht das Dromedar: oft allein, aber auch als Haustier oder von
lanzenbewaffneten Kriegern geritten. In diesen einfachen Zeichnungen ist
alles enthalten, was das Leben dieser Stämme damals bestimmte und was
für sie bis heute in Geltung geblieben ist.
Steppe und Wüste schreiben harte Daseinsbedingungen vor15. Das Wild
ist spärlich, und nur die anspruchslosesten Haustiere finden in den Einöden
ihr Fortkommen. Auf dem Besitz dieser Herden beruht der Reichtum, beruht
die Möglichkeit des Lebens überhaupt. Das Dromedar ist Habe, Spender
von Fleisch, Milch und Wolle, Reit- und Lasttier in einem. Viehraub16
ist das sicherste, oft das einzige Mittel, den Besitz zu vermehren und
die Härte der Lebensbedingungen zu erleichtern. Räuber, Krieger und Mann
sind darum gleichartige Vorstellungen.
Unerbittlich sind die Formen, die dieser Daseinskampf geprägt hat. Die
Mauren kennen keine Furcht vor Gott und keine Scham vor den Menschen,
urteilte ein antiker Betrachter17. Sie halten sich weder an Eide noch an
Geiseln, auch dann nicht, wenn diese Verwandte der Häuptlinge sind. Nur
die Furcht vor dem Stärkeren hält sie in Schranken. Noch zu Beginn unserers
Jahrhunderts hatten sich die Verhältnisse kaum gewandelt. Allein das Le-
bendige und Kräftige gilt; mitleidlos wendet man sich von dem Vergehenden
ab. Den Sterbenden stößt man aus der Gemeinschaft und überantwortet ihn
der Wüste. Nur durch Kampf läßt sich gewinnen und der Gewinn behaupten,
mag dieser nun Herdenvieh oder Jagdbeute, mag er die Anerkennung der
Stammesgenossen oder der Besitz des Weibes sein. Durch Wagnisse und
Prüfungen wird es erobert; fortgesetzt muß es gegen Nebenbuhler ver-
teidigt werden. Dem Stärkeren und Leistungsfähigeren sich hinzugeben,
beansprucht dieses Weib als sein Recht, und die allgemeine Anschauung er-
kennt es ihm willig zu. Sie zwingt den Mann, sich in ständiger Bereitschaft
15
Über die Bedürfnislosigkeit der Mauren ausführlich Prokop., b. Vand. 2, 6, .
16
Eine solche gazwa schildert Coripp., Joh. 2, 473!; Kamelraub 474!; vgl. 4,
1033-17
Prokop., b. Vand. 2, 8, . Eine Charakteristik des Lusius Quietus bei A. v.
Premerstein, Klio Beih. 8, 47 f.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 171

zu bewähren, Mut und Kraft ohne Unterlaß zu beweisen. Der Einzelkampf


unter den härtesten Bedingungen ist die Regel, Tod oder Verstümmelung
des Unterliegenden der Ausgang18.
Hier begreift man, in welchem Maß die Frau das Bild des Mannes prägt.
Sie tut es bis in einen Bereich, der weiblichem Wesen ganz fern zu stehen
scheint. Dadurch, daß sie den Mann zu dauernder Bewährung zwingt,
schafft sie einen kämpferischen und, wenn man will: heldischen Typus. Nur
ist er von besonderer Art. Gewiß zeigt er sich einsatzbereit, wagemutig und
kampflustig. Er ist in der Lage, auch Härtestes zu ertragen. Aber dieser
heldische Typus, auf Raub und Besitz, auf Kampf um Weib und persön-
liche Ehre eingestellt, erweist sich als durchaus individualistisch. Er ist weit
entfernt von dem gehorchenden und disziplinierten Soldaten römischer Art,
der unter Verzicht auf persönliche Antriebe und Vorteile allein dem Gebot
des Staates sich unterwirft19. Er unterscheidet sich auch von dem Helden
germanischer Prägung, dessen Größe aus dem tragischen Gegenüber mit
dem Schicksal erwächst.
Doch der hamitische Held ist nicht nur individualistisch: er trägt einen
anarchischen Zug. Das Heraustreten aus den Bindungen eines durch Sippe
und Familie bestimmten Daseins, ein ungebundenes Krieger- und Aben-
teuerleben gehört zu den bestimmenden Zügen. Und wieder ist es das Weib,
das ihn in diese Bahnen drängt.
Auch hier lassen sich die heutigen Dromedarnomaden zum Vergleich
heranziehen. Die Unveränderlichkeit der völkischen und Lebensbedingungen
zwingt den hamitischen Stämmen, die am Nordrand der Sahara nomadi-
sieren, heute und einst die gleichen Lebensformen auf.
Bestimmend für den gesellschaftlichen Aufbau ist die Stellung des Wei-
bes20. Der Mann muß nicht nur um dessen Besitz kämpfen: es bildet auch
den Mittelpunkt des Hauses. Hier ist nichts von der Rolle des pater familias
zu finden: die Frau wählt den Mann, der gleichsam von außen in den Kreis
der Familie hereintritt. Diese aber wird gebildet von den Verwandten der
Frau; Brüder und Vettern stehen ihr näher als der Mann. Kinder, die
hinzukommen, gelten nicht als solche des Vaters, sondern der Mutter.
18
L. Frobenius, Das unbekannte Afrika 421.; Monumenta Africana 2 241 f.; Kultur-
geschichte Afrikas 238 f. Über die späteren Wanderungen der Dromedarnomaden zu-
letzt D. Westermann in: Forsch, u. Fortschr. 1942, 49!.
19
F. Altheim, Italien und Rom i3, 201 f.; Römische Geschichte i (1950), ig8f.
20
L. Frobenius, Das unbekannte Afrika 75 f.; Monumenta Africana3 241 f.; Kultur-
gesch. Afrikas 239; Schicksalskunde 8if.; 93f.; Der Kopf als Schicksal 15f.
172 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

In weiblicher Linie verläuft die Abstammung, der Zusammenhang des


Geschlechtes. Dementsprechend liegt die Arbeit im Hause ausschließlich
der Frau ob, vor allem der Bau von Zelt und Hütte, während der Mann sich
auf Jagd und Krieg beschränkt. Das erlegte Wild gehört dem Mann, die
Zeltdecke der Frau, die sie daheim verfertigt hat. Derart, daß den Frauen
Arbeit und Besitz innerhalb des Hauses, überhaupt dessen ganzer Bereich
überantwortet ist, mit derselben Ausschließlichkeit, mit der die Tätigkeit
der Männer erst an den Grenzen dieses Bereichs beginnt. Hier lebt er sein
Leben des Mutes und der Kraft, des Heldentums und der Wagnisse. Aber
davon daheim zu erzählen, ist einzig den Frauen erlaubt, am nächtlichen
Feuer oder auf der Terrasse20". Genug: Frau und Mann besitzen die gleiche
Selbständigkeit, aber beide innerhalb eines festumgrenzten Bereichs.
Damit lassen sich die antiken Nachrichten vereinigen. Cyria201», die
Schwester des Maurenkönigs Firmus, war ihrem Bruder treu ergeben. Alles,
was sie durch ihren Reichtum und ihre Tatkraft vermochte, kam ihm zu-
gute. Gegen die Römer, die ihn bedrängten, wiegelte sie zahlreiche Stämme
auf und zwang den Feind zum Rückzug. Nicht für den Gatten, der keine
Rolle spielt, sondern nur für den Bruder, also den Blutsverwandten und das
Glied der eigenen Familie, setzte Cyria Hab und Gut, die Macht ihrer Per-
sönlichkeit ein.
Daneben steht die Scheidung von drinnen und draußen. Die Männer
beschützen das Lager mit Frauen und Kindern gegen den äußeren Feind.
Aber innerhalb des Lagers hört ihre Befugnis auf. Den maurischen Frauen
fällt nicht nur, wie selbstverständlich, das Backen des Brotfladens21 zu:
sie schlagen auch das Lager und die Zelte auf22. Reiten die Männer auf Dro-
medaren und Pferden in den Krieg und auf die Jagd, so besorgen die Frauen
die Pflege dieser Tiere, sobald sie ins Lager zurückgekehrt sind23. Dort
schärfen sie auch die Waffen, deren sich die Männer draußen im Kampf
bedienen24.
Einschneidender noch ist die Rolle der Frauen bei den Beschlüssen des
Stammes. Orakelbefragungen gingen den wichtigsten Entscheidungen vor-
auf. Aber nur die Frauen durften Weissagungen erteilen26. Wieder sind die
20a
E. Laoust in: Initiation au Maroc2 216. *°'> Amm. Marc. 29, 5, 28f.
21
Prokop., b. Vand. 2, 7, 3.
2a
Prokop., I.e. 2, ii, 18.
23
Prokop., 1. c. 2, ii, 18.
14
Prokop., 1. c. 2, ii, 19.
28
Prokop., 1. c. 2, 8, 13.
y. DIE DROMEDARNOMADEN 173

Bereiche deutlich getrennt. Die maßgebenden Weisungen werden im Schoß


der Sippe oder des Stammes empfangen, um von den Männern dann „aus-
geführt" zu werden. Ibn Haldün 26 weiß von jüdischen Berbern, unter denen
die,.Seherin" (kähina) eine maßgebende Rolle spielte: zu den Zeiten der ersten
Arabereinfälle in Ifrikiya (Tunis und Tripolitanien) sei sie getötet worden27.
Mehr von ihr berichtet an-Nuwairi, der im 14. Jahrhundert schrieb28: sie
saß im heutigen Aures, ihre Sprüche galten als unfehlbar, und ihre Macht
über die umwohnenden Stämme war so groß, daß allein der Kähina Beseiti-
gung die dauernde Unterwerfung des Landes unter die Herrschaft der Muslim
zu gewährleisten schien. Nur nach erbittertem, auch für die Angreifer ver-
lustreichem Kampf konnten die Anhänger des Weibes besiegt und dieses auf
der Flucht getötet werden.
Schließlich darf daran erinnert werden, daß bei den neueren Tuareg nur
die Frauen Kenntnis der Schrift besaßen29. Denn diese umfaßte alles, was
man zu eignem und innerem Gebrauch aufgezeichnet zu haben wünschte
(sie reicht bis ins Altertum zurück)30. Wohin man auch blickt, überall zeigt
sich das gleiche Bild. Die Frau hat den Mann aus dem inneren Kreis ihrer
Angelegenheit, überhaupt aus dem inneren Leben der Gesamtheit ausge-
schlossen. Sie hat ihn, wenn man so sagen darf, an den Rand gedrängt, auf
das Draußen verwiesen; sie hat ihn damit zum Helden, aber auch zum Aben-
teurer gemacht. Als solcher steht er in ständigem Daseins- und Machtkampf
gegen seinesgleichen, aber das gefahren- und ereignisreiche Leben, das er
führt, ist in seltsamer Weise unverpflichtet. Es bleibt bindungs- und gesetz-
los; es entbehrt eines höheren Sinnes; es ist allein auf die nächsten und nack-
testen Dringlichkeiten ausgerichtet. Die Entsprechung zu alledem liefert
die Religion.
Religiöse Ergriffenheit kennen die heutigen Hamiten nicht31. Auch dort,
wo sie eine Religion wie den Islam angenommen haben, ändert sich das Bild
keineswegs. Sie betrachten ihn nur als Summe magischer Maßnahmen und
Formeln; sie sind Anbeter des geschriebenen Wortes, das den Götter- und
Schicksalszwang verbürgt. Der Zauber mit Name, Blick und Blut, die Furcht

26
6, 107, i8f. Büläk; i, 208 in de Slanes Übersetzung (1925).
27
Dazu de Slanes Bemerkung i, 313.
28
i, 340f. bei de Slane.
*· A. Mordini in: Enciclop. Ital. 34, 431 1. Sp.
30
E. Laoust, a. O. 193 f.
31
Zum Folgenden L. Frobenius, Schicksalsstunde2 95f., z. T. unter Benutzung
seiner Formulierungen.
174 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

vor den darin wirkenden Mächten bestimmt das Verhalten. Übersinnliches


und Irrationales lehnen die hamitischen Nomaden ab: auf die gegenständ-
liche, greifbare Tatsache ist alles ausgerichtet. Ist man ihrer habhaft ge-
worden, so stellen sich Befriedigung und Glaube ein.
Noch einmal sei an das Wort Prokop's erinnert, wonach die Mauren
keine Furcht vor Gott kannten32. Kabaon selbst wird eine Äußerung in
den Mund gelegt, wonach er den Christengott nicht kenne; aber wenn er so
stark sei, wie man ihm nachsage, so werde er seine Verächter strafen, seine
Verehrer beschützen33. Danach richtet er sein Verhalten ein. Es war ein
Opportunismus gegenüber der göttlichen Welt, auf das Verhältnis des do
ut des eingestellt.
Mehr noch geben die Nachrichten über die sogleich zu besprechenden
Blemmyer. Sie hatten dieselben Götter wie die Griechen, dazu noch Isis
und Osiris, nicht zuletzt Priapos34. Isis verehrten sie in dem Heiligtum
von Philai am ersten Nilkatarakt. Diokletian hatte ihnen dies einge-
räumt 3B, und auch die christlichen Kaiser wagten zunächst nicht, ihnen das
Vorrecht zu entziehen. Erst lustinian hob es auf36. Zu bestimmten Zeiten
brachten die Blemmyer das Isisbild auf das gegenüberliegende Nilufer und
empfingen von ihm Weissagungen37. Der weiblichen Gottheit war das Orakel-
spenden vorbehalten wie den Frauen der Mauren. Daneben wird ein Men-
schenopfer an den Sonnengott erwähnt38, wie es im benachbarten Meroe
üblich war39.
Von allen Seiten hatten sich die Blemmyer ihre Götter zusammengeholt.
Dementsprechend zeigen ihre Felsbilder auch ägyptische Altäre40 und den
ägyptischen Gott Min41. Die Königskronen der Gräber von Ballana (Unter-

88
Prokop., 1. c. 2, 8, . Als Götter nennt Arnobius i, 36 p. 23, 25 Reiff.: Tisianes
und Bucurus.
83
Prokop., 1. c. i, 8, 18.
84
Prokop., 1. c. 19, 35. Es darf die Interpretatio Punica und Romana der liby-
schen Götter (U. Kahrstedt in: Gott. Gel.-Anz. 1939, 511) zum Vergleich herangezogen
werden.
88
Prokop., 1. c. i, 19, 34f. Unrichtig leitete Prokop den Namen Philai aus diesem
Umstand ab; vgl. C. Müller zu Priskos fr. 21 FGH. 4, .
86
Priskos fr. 2i; Joh. Ephes. 233, i j f . Brooks.
87
Priskos fr. 21.
88
Prokop., 1. c. i, 19, 36.
89
Heliod., Aith. 280, if. Bekk.; F. Altheim, Helios und Heliodor v. Emesa (Albae
Vigiliae 12), 18; 45!, Lit. u. Gesellsch. i, 115^
40
H. A. Winckler, Rock Drawings from Southern Upper Egypt i, Taf. 4, 2—3·
41
. A. Winckler, a. O. Taf. 5, 2.
7- DIE DROMEDARNOMADEN 175

Nubien) zeigen die Symbole Ammon-Re's, Horos' und der Isis41*. Noch die
Inschrift des nubischen Königs Silko aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts n. Chr. bezeichnet die Blemmyer als Heiden: sie schwören bei ihren
Göttern42. Und doch begegnen auf den Felsbildern des Stammes neben an-
deren Sinnbildern auch solche christlicher Herkunft43. Es war dieselbe
Gleichgültigkeit gegenüber Herkunft und Art des Glaubens, die sich in den
Worten des Kabaon aussprach. Es genügte, daß er wirksam war.
Freilich wäre es ein Mißverständnis, wollte man die Religionslosigkeit
der Wüstenstämme wörtlich nehmen. Die Gleichgültigkeit betraf nur
den Inhalt der Religion; um so stärker aber wird festgehalten, was man
die Form: die religiöse Haltung und die Akte, in der diese sich äußert,
nennen möchte. Wie der Schamanismus zwar zuläßt, daß seine Anhänger
sich dem Christentum oder Buddhismus, dem Glauben Manis oder Mo-
hammeds zuwenden, wie er aber dennoch an den eigenen Formen und
Begehungen mit Zähigkeit festhält, so war es auch hier. Die Grundhaltung
der Hamiten blieb Magie — echte Magie, nicht das, was man oft miß-
bräuchlich als solche bezeichnet. Also der Wille, Macht zu gewinnen und
auszuüben, nicht zuletzt über die Götter, indem man diese zwingt, im
Sinne der eigenen Absichten zu handeln. Wenn Kabaon seinen Leuten be-
fahl, dem Christengott Verehrung zu erweisen, glaubte er diesen zu nötigen,
die Sache der Mauren gegen die Wandalen zu unterstützen. Die Haltung
war die gleiche gegenüber Isis, deren Kultbild man für eine Zeit in eigenen
Besitz brachte und es so zur Erteilung der Orakel zwang44, wie gegen-
über dem Islam. Auch ihn begriff man als Quelle magischen Wissens und
magischer Kraft.
In die Küstengebiete Nordafrikas drangen die Dromedarnomaden erst
zur Wandalenzeit ein46. Die Siege über die entarteten Nachkommen des
Geiserich*6 erlaubten den Stämmen, das östliche Mauretanien ganz und

*la W. B. Emery, Nubian Treasure (1948) Taf. 12—16.


43
R. Lepsius in: Hermes 10, 130 Zeile 8 ; vgl. 143.
43
H. A. Winckler, a. O. 16; Christliches bei den Tuareg: A. Mordini in: Enciclop.
Ital. 34, 432 1. Sp.
44
Denn so wird man die Schilderung des Priskos fr. 21 verstehen müssen. Das
Bild und die Stätte der Gottheit wird nicht ehrfürchtig aufgesucht. Sondern es gehört
zu bestimmten Zeiten den Blemmyern, an deren Ufer es gebracht wird. Und diese be-
nutzen die so geschaffene Lage, um dann — nur dann! — der gewünschten Götter-
sprüche sich zu versichern. Mit ihrer Erteilung hatte die Gottheit sich und das Schicksal
gebunden.
45 4i
Prokop., b. Vand. 2, 10, 29. Vgl. Prokop., 1. c. i, 8, 2.
176 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

große Teile der übrigen, einstmals römischen Provinzen zu besetzen. Sie


schweiften bis an die Hafenstädte, die, von den Wandalen ihrer Mauern
beraubt, durch Verbindung der äußeren Häuserwände zu einem Wall sich
zu schützen suchten47. Die Römer hatten verstanden, die nomadischen
Stämme fernzuhalten; sie hatten sie an die Grenzen Libyens verbannt,
heißt es48. Damit stellt sich die Frage: sind diese Dromedarnomaden erst
zur Wandalenzeit, erst im 5.—6. Jahrhundert, in die geschichtliche Welt
eingetreten ? Oder gehören sie auch zeitlich mit den anderen Erscheinungen
zusammen, denen sie wesenhaft verbunden sind ?

Das Dromedar bestimmt die nordafrikanische Landschaft und die


Lebensweise ihrer Bewohner in einem Maße, daß es schwer daraus weg-
zudenken ist. Bevor moderne Verkehrsmittel es in den Hintergrund dräng-
ten, schien das menschliche Dasein in diesen Landschaften von dem Tier
geradezu abzuhängen. Und doch hat es Zeiten gegeben, da sich Nord-
afrika ohne das Dromedar behelfen mußte. Diese Erkenntnis hat der große
Afrikaforscher Heinrich Barth1 erstmalig ausgesprochen; sie hat sich seit-
dem bestätigt2.
Als die Römer Afrika betraten, fanden sie das Dromedar noch nicht
vor. Nichts besagt freilich die Nachricht, daß sie das Tier erstmalig im
Heer des Mithridates kennengelernt hätten3. Denn dort handelt es sich um
baktrische Kamele, nicht um das Dromedar3". Dieses wird zuerst in Caesars
afrikanischem Feldzug erwähnt. Unter der Beute, die man König luba von
Mauretanien abnahm, befanden sich 22 Tiere4. Trotz ihrer geringen Zahl
werden sie aufgeführt, ein Zeugnis für ihre damalige Seltenheit. Nur in
Ägypten war es anders. Dort trat das Dromedar schon seit frühptolemäi-
47
Prokop., 1. c. i, 16, 9; vgl. i, 5, 8.
48
Prokop., 1. c. 2, ii, 28.
1
Wanderungen d. d. Küstenländer d. Mittelmeeres i, 5f.
a
E. F. Gautier, Geiserich 326f.; Les siecles obscurs du Maghreb 795f.; St. Gsell;
Hist. anc. de l'Afrique du Nord i, 59f.; A. Merighi, La Tripolitana antica 1,219 Anm. 2;
R. Walz in: ZDMG. (1951), 29!.; Actes du IV. Congres internat. des science»
anthropol. et othnol. 3 (1956), 200f.; ZDMG. 104 (1954), 48f.
3
Hist. fr. 42 Maur.; vgl. Plut., Lucull. n, 6; Liv. 37, 40, 12; vgl. Amm. Marc. 23,
6.55-
3
* Bell. Air. 68, 4.
4
Über die gegenseitige Bewertung beider Rassen vgl. Tabari, ann. i, 2714, 5!.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 177

scher Zeit auf 6 und gewann rasch als Arbeits- und Lasttier8 Bedeu-
tung.
Gegen Ende des Altertums hat sich das Bild völlig gewandelt. Als 363
der Comes Africae Romanus7 von den bedrängten Bürgern von Leptis
Magna um Hilfe angegangen wurde, konnte er von ihnen die Gestellung von
nicht weniger als 4000 Lastdromedaren verlangen8. Durch den Karawanen-
handel war die Stadt in den Besitz großer Herden gelangt. Lag sie doch am
Ausgangspunkt der Wüstenstraße 9, die nach Garama (Dscherma)10 und in
den Fezzan führte.
Die benachbarten .Nomaden bedienten sich des Dromedars meist als Reit-
tier. Wir hören von seiner eigentümlichen Bezäumung11; davon, daß die
Weiber, die die Tiere ausgezeichnet zu warten verstanden12, auch von ihnen
sich tragen ließen. Das Bild gefangener Berberfrauen, die auf ihren Dro-
medaren hocken, mit tätowierter Stirn und die Neugeborenen an ihrer
Brust, hat sich der Dichter Corippus nicht entgehen lassen13. Vor allem
aber vernimmt man, daß das Tier gleich dem Pferd im Kriege geritten
wurde14. Die Maziken15 und die Urcillianer16 werden als Stämme genannt,
bei denen diese Verwendung gegen Ende des 4. Jahrhunderts üblich war17.
Auch in der römischen Besatzungsarmee Ägyptens tauchen auf einmal
Dromedarreiter auf. Zu Ende des 4. Jahrhunderts standen in der Thebais
nicht weniger als drei Abteilungen. Zwei von ihnen trugen eine Bezeichnung,
die auf Aufstellung der Truppe unter Diokletian und der Tetrarchie hin-
weist18. Ein Militärschriftsteller der Zeit19 erwähnt Dromedarreiter unter
5
M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft der römischen Kaiserzeit 2, 254f.;
Caravan Cities 60; vgl. Kallimachos bei Athen. 5 p. 201 A; vgl. 200 F; PSI. 6, Nr. 562.
• M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft 2, Taf. 43, 3—4.
7
Seeck, RE. i A, io66f.
8
Amm. Marcell. 28, 6, 5,
9
Plin., n. h. 5, 38. Dazu B. Pace, II Sahara Italiano i, 288.
10
Zur Gleichsetzung B. Pace, a. O. 278 f.
11
Coripp., Joh. 7, 341.
12
Prokop., b. Vand. 2, u, 18.
13
1. c. 6, 83f.; vgl. 4, 1074f
14
Coripp., 1. c. 6, 194.
15
Dessau, RE. 15, 5f.
14
Coripp., 1. c. 6, 390.
17
Veget., epit. 3, 23. Gleichzeitige Kämpfe gegen die Maziken Ammian. Marc. 29,
5. 25 f.
18
Not. dign. or. 31, 54 (Herculia); 57 (Valeria).
19
Hygin., de mun. castr. 29 camelis cum suis epibatis. Ihre Bestimmung ist eine
doppelte: Tragen der Beute und Verwendung gegen den Feind (si in hostem exituri erunt).
12 Altheim, Hunnen I
178 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

den fremdstämmigen Hilfstruppen des römischen Heeres. Sie erscheinen


zusammen mit Palmyrenern, aber auch mit Gätulern, einem Stamm also,
der zu den afrikanischen Dromedarnomaden gehörte. Einzelne dromedarii
\varen schon früher römischen Truppenteilen in Ägypten beigegeben wor-
den20. Doch als eigene Waffengattung in geschlossenen Abteilungen traten
sie dort erst seit diokletianischer Zeit auf.
Man kann den Anlaß noch ermitteln, der zu solcher Neubildung führte.
Im Jahre 295 versammelte Diokletian eine gewaltige Truppenmacht zur
Niederwerfung des ägyptischen Aufstandes. Marschabteilungen der kampf-
bewährten Donaulegionen, Reiterei, aber auch eine Kameltruppe lagerten
in den Städten und Dörfern des Nillandes21. Die „kaiserlichen Kamele"
standen in Elephantine22 am Oberlauf des Flusses. Hier stieß das Reich
mit den Stämmen der Blemmyer und Nobaten zusammen, denen der
Kaiser damals das Grenzgebiet des Dodekaschoinos, oberhalb der Stadt
Syene am Nil23, abtrat. Er gestattete ihnen die Benutzung des
Heiligtums von Philai und verstand sich darüber hinaus zur Zahlung von
Jahrgeldern 24.
Damals müssen die beiden Schwadronen von Dromedarreitern ge-
schaffen worden sein, deren Namen auf Diokletian zurückweisen28. Im
oberen Ägypten liegend, übernahmen sie der Grenzschutz gegen d:e beiden
Wüstenstämme. Die Truppe gehörte zu den Einrichtungen, vermittelst
derer der Kaiser an der bedrohten Grenze die Ordnung wiederherzustellen
suchte. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurde sie um eine weitere Schwadron
verstärkt2e.
Die Störer dieser Ordnung, Blemmyer und Nobaten, wohnten rechts
und links des Nils. In augusteischer Zeit hatten sie und ihre Nachbar-
stämme ihr Räuberdasein aufgegeben27. Weder zahlreich noch kampf-
20
Th. Mommsen in: Ephem. epigr. 7, 458!.; 463; BGU. z, 696. Zum Folgenden
W. Enßlin in: SBBayerAk. 1942, i, 71; vgl. •zgi.
21
Pap. Ox. 43; dazu H. M. D. Parker, in: Journ. Roman. Stud. 23. 181; W.Enßlin
in: Aegyptus 1952, 163f., besonders i68f.
22
Pap. Ox. 43, col. II, i f.
23
Sethe, RE. 5, 1256!.; W. Enßlin a. O. 55; vgl. 29 Anm. 5.
24
Prokop., b. Pers. i, 19; U.Wilckenin: Arch. Pap. i, 396!.; P. Jougetin: Münch.
Beitr. 19, 87 Anm. 99.
25
W. Enßlin, a. O. 56; vgl. 24.
24
Not. dign. or. 31, 48. Zur Ordnung der Truppen in Ägypten durch Diokletian:
D. van Berchem, in: Journ. Rom. 1949, 120f.; vgl. Historia 1950, 3261.
27
StrabonSig.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 179

t chtig, lebten sie als Nomaden; drei Schwadronen, auch diese nicht einmal
vollz hlig28, gen gten zu ihrer berwachung. Die Nekropole des nubischen
Karanog bezeugt ihre Anwesenheit seit dem i. Jahrhundert n. Chr.29. Sie
nahmen an den Formen der meroltischen Kultur teil, blieben aber ein Volk
von Rindz chtern. Ihre Bewaffnung bestand aus leichten Wurfwaffen und
Pfeilen, die mit Widerhaken versehen waren30. Auen in den folgenden Jahr-
hunderten h rt man nichts von Raub-und Kriegsz gen. Der Roman Heliodors,
in den drei iger Jahren des 3. Jahrhunderts verfa t, schildert die Blemmyer
als gehorsame Untertanen des K nigs von Meroe31. Um die Mitte desselben
Jahrhunderts nderte sich die Lage. Die W stenst mme begannen, sowohl
Meroe wie die r mische Grenze mit ihren Angriffen heimzusuchen.
Meroe, unfern der M ndung des Atbara in den Nil gelegen32, war zu
Beginn der Ptolem erzeit zur Hauptstadt Aithiopiens geworden. Das ltere
Napate wurde langsam in den Hintergrund gedr ngt. Nachbarschaft des
ptolem ischen gypten f hrte zu starker Durchdringung mit hellenisti-
schem Kulturgut, wobei kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden
eher f rdernd als hemmend sich auswirkten. Auch unter der r mischen
Herrschaft blieb die Verbindung gyptens mit Meroe eng. Seitdem Au-
gustus darauf verzichtet hatte, seine Oberhoheit zur Geltung zu bringen,
wurde das Einvernehmen zwischen den beiden M chten nicht mehr ernst-
lich gest rt.
In die zweite H lfte des ersten und in das zweite Jahrhundert f llt
die gr te Wirtschaftsbl te Meroes33. Die Ruinen der Hauptstadt, aber
auch die Tempel, Burgen und Pal ste, sei es in der unmittelbaren N he von
Meroe selbst, sei es in Unternubien (Kerma, Karanog und Faras) zeugen
f r den Wohlstand des damaligen Aithiopien. Mit dem Ausgang des 2. Jahr-
hunderts begann der Abstieg. Das Reich war immer weniger in der Lage,
sich selbst zu sch tzen, und ohne seine Unterst tzung vermochte sich
Meroe nur m hsam gegen die gef hrlichen Nachbarn zu halten. Die wirt-

88
Strabon 1. c. τρισΐ . . . σττείραΐξ ουδέ ταύταΐξ ίντελέσιν.
29
L. Woolley und D.Randall Mac Iver, Karanog 87f.; C.Conti Rossini in: Journ.
asiat. 1921, ϊ, 23.
30
Wolley-Randall Mac Iver, a. O. 89; Taf. 26—28; 34—35; 71.
31
F. Altheim, Helios und Heliodor von Emesa (AlbaeVigiliae 12), 27f.; Literatur
und Gesellschaft im ausgehenden Altertum i, 93f.
32
Άσταβόρρας: Heliod., Aith. 276, 30!. Bekk.; vgl. 22.
33
Zum Folgenden J. Krall, Denkschr. Akad. Wien 46, 4; M. Rostovtzeff, Gesell-
schaft und Wirtschaft 2, 35 f. mit reichen Literaturangaben. Kriege zwischen den Blem-
myern und Meroe: Mamert., Genethl. Maxim. 17, 4.
12·
180 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

schaftliche Bl te sank dahin. Als K nig Ez n von ks um seinen Feldzug


gegen die schwarzen (d. h. s dlichen) Nobaten unternahm34, um Meroe zu
helfen, rettete er eine Stadt, die nur noch ein Schatten ihrer einstigen Be-
deutung war.
Kurz vor der Mitte des 3. Jahrhunderts umgaben sich die nubischen
St dte Karanog, Begrasch und Dschebel Adda mit festen Mauern36. Das
verweist auf eine nderung der Lage im Grenzgebiet. Wenig sp ter, unter
dem Kaiser Decius, griffen die Blemmyer und ihre Nachbarn erstmalig die
gyptische Grenze an36. Unter seinem Nachfolger Trebonianus Gallus
scheint Meroe ein B ndnis mit Rom gegen die St mme gesucht zu haben37.
Bald machten die Blemmyer die W stenstra en zwischen Nil und Rotem
Meer unsicher. Sie unterst tzten den Rebellen Firmus, der sich als Partei-
g nger der Palmyrener gegen Aurelian erhob38. Die Verbindung mit Blem-
myern und Palmyrenern, die in Dendera und Koptos in Ober gypten
sa en39, setzte Firmus in den Stand, Handelsschiffe auszur sten und sie
nach Indien fahren zu lassen. Seit dem Fall der j ngeren Han im Jahre 220
und dem Zusammenbruch der chinesischen Ausdehnungspolitik im Tarim-
becken war der Seidenhandel zu Land wesentlich zur ckgegangen40. Die
Palmyrener waren an ihm beteiligt, wie die Funde von Stoffen der Hanzeit
in den Gr bern der Stadt zeigen41. Die Seide ging jetzt ber Ceylon nach den
H fen der Indoskythia, nach Barygaza und Barbaricum42. Infolgedessen
wandten diese r hrigen H ndler ihr Augenmerk mehr der Seeroute zu, die
von dem Roten Meer und vom Persischen Golf ausging. Ihr Fernosthandel
ist durch Inschriften ausdr cklich bezeugt43.
34
E. Littmann, Deutsche Aksum-Expedition 4, 32 f. Nr. n; vgl. i, 49; C. Conti
Rossini, Storia d'Etiopia (Africa Italiana 3), 136!.; M. Rostovtzeff, a. O. 2, 36.
35
Wolley-Randall Mac Iver, a. O. go.
36
Chron. Pasch, p. 505 Bonn., wo τους Νομάδας καΐ Βλεμμύας berliefert ist.
37
C. Conti Rossini a. O. 126.
38
SHA. v. Aur. 33, 4; 41, 10; quadr. tyr. 3, 2f.; 5, i f . Dazu A. Stein in: Herrn. 58,
405f.; D. Pr fekten v. gypten (Diss. Bernens. i, i), 152.
39
Clermont-Ganneau, Recueil arch, orient. 5, 300!; A.-J. Reinach, Rapport sur
les fouilles de Coptos 1911, 17; Αηηέβ epigr. 1912 Nr. 171; F. Cumont, Fouilles de
Doura-Europos LI. Bazar in Koptos: W.Schubart, Einf hrung!, d. Papyruskde. 420f.
40
Sir Aurel Stein, On Ancient Central-Asian Tracks 27.
41
R. Pf ister. Textiles de Palmyre 39 f.; Taf. IX f.; Nouveaux textiles de Palmyre
34f.; M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5, 220f.
42
H. Seyrig in: Syria 22, 262f.
43
H. Seyrig in: Melanges Cumont i, 400; Syria 22, 258f.; H. Heichelheim in: An
Economic Survey of Ancient Roma 4, 200, mit Literatur. ber die dort genannte
Ίνδοσκυθία W. W. Tarn, The Greeks in Bactria and India2 232!; 32if.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 181

Die Interessen von Karawanenhandel und fernöstlicher Schiffahrt


gingen hier wie in Südarabien, wie am Persischen Golf zusammen. Unter
dem Kaiser Probus uaren die Blemmyer so mächtig, daß sie Koptos und
Ptolemais in Oberägypten besetzt hielten44. Diokletians Maßregeln brachten
nur vorübergehende Besserung. Noch unter ihm ließen sich die Stämme
trotz der Jahrgelder von Raubzügen aaf römisches Gebiet nicht abhalten,
und in den folgenden Jahrhunderten nahm die Blemmyerplage dauernd zu45.
Worauf ging die Angriffslust der nomadischen Stämme zurück? Einst
wenig kampftüchtig, von einer geringen Truppenmacht im Zaum gehalten,
waren sie auf einmal zu gefährlichen Nachbarn geworden. Sollte es das
Dromedar gewesen sein, das ihnen erhöhte Kampfkraft verlien, sie zu weit-
reichenden Raubzügen befähigte ? Dann wären die Blemmyer die ersten
afrikanischen Dromedarnomaden, von denen man weiß.
Daß man auf römischer Seite Dromedarreiter gegen sie einsetzte, spricht
für die Annahme. Als zeitweilige Herren der Karäwanenstraßen zum Roten
Meer, als Verbündete der Palmyrener mußten die Blemmyer die Bekannt-
schaft des Dromedars machen, wenn dies vorher nicht schon geschehen
war. Der König der Blemmyer bot zu lustinians Zeiten, neben anderen
Berittenen, Dromedarreiter auf, um den auf Theodoras Betreiben gesandten
monophysitschen Missionar Longinos abzufangen458. Doch man braucht
sich auf späte Nachrichten nicht zu beschränken.
Denn einmal erwähnt die große Inschrift48 des Königs Ezänä von Aksüm
Dromedarreiter47 bei den Noba48. Diese sind mit den Nobaten gleichzu-
44
SAH., v. Probi 17, 2f.; Zosim. i, 71, i. Das Schweigen der Münzen zeigt, daß
der Kaiser nicht in Ägypten war. So richtig J. Vogt, D. alexandr. Münzen 219; über
seine anderweitigen Vermutungen sehe man die gesunde Skepsis von J. G. Milne, Catal.
Alex. Coins XXXIX.
45
J. Masporo, Papyrus Grecs d'opoque Byzantine 2, 67 009 v. Z. 18; vgl. 67 004
Z. 9; Calderini-Untersteiner, Studi della scuola papirologica Milano 3, 16; Mitteis-
Wilcken, Grundz. u. Chrestom. der Papyrusk. i, 2 Nr. 6—7; weitere Angaben bei W.
Schubart, Einf. in die Papyruskd. 147; 241; K. Preisendanz, Papyrusfunde und Papy-
rusforschung 97; W. Hartke, D. röm. Kinderkaiser 356; Johnson-West, Byzantine
Egypt: Econom. Stud. 215. Josua Stylites p. 17, 4f. Wright nennt die Blemmyer-
Gefahr ausdrücklich. Über die spätere Geschichte der Blemmyer: W. B. Emery,
Nubian Treasure. An Account of the Discoveries at Ballana and Qustul (1948), be-
sonders 28 f.
453
Joh. Ephes. 241, i8f. Brooks. Dazu 8.182 Anm. 6 der lateinischenÜbersetzung.
Natürlich ist 19 d-blemiyön zu verbessern. — Quelle ist der Brief des Königs der No-
baten: 240, 26f.
49
E. Littmann in: Deutsche Aksum-Expedition 4, 33f.
47 48
Hinweis von E. Littmann (brieflich). E. Littmann, a. O. i, 49.
182 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

setzen, wie ihre Nachbarn, die gleichfalls von dem König bekämpften Bega,
mit den Blemmyern49. Die Inschrift gehört in die Mitte des 4. Jahrhunderts50
und erzählt anläßlich des Feldzuges gegen die südlichen Noba, wie zwei
feindliche Anführer auf Dromedaren ins Lager der Aksümiten kamen, um
zu spionieren61. Sodann haben sich östlich von Koptos, dem Ausgangs-
punkte der Handelsstraßen vom Nil zum Roten Meer52, unter Kaiser Probus
in der Blemmyer Hand, und weiter nilaufwärts bis zur Höhe von Syene
Felszeichnungen dieses Stammes gefunden63. Auch westlich des Nils, im
Land der Nobaten64, schließlich in der nubischen Wüste55 begegnen diese
Zeichnungen. Sie geben ein anschauliches Bild von der Kampfesweise der
Wüstenstämme.
Man sieht ihre Bewaffnung: Lanze, Bogen, Schwert und den recht-
eckigen oder ovalen Schmalschild. Auf einem Felsbild ist der Kampf zweier
Krieger dargestellt6e; man erinnert sich daran, daß die Blemmyerschlachten
in den frühbyzantinischen Preisgedichten als heroische Einzelkämpfe nach
homerischer Weise beschrieben sind67. Auch Schiffe mit drei- oder vier-
eckigem Segel und Rudern sind wiedergegeben — regelrechte Seeschiffe,
wobei sich die überseeischen Unternehmungen des Firmus zum Vergleich
aufdrängen68. Die Hauptmasse der Zeichnungen aber bringt Dromedare
sowie Berittene zu Pferd oder auf Dromedaren, von denen herab sie mit
der langen Reiterlanze kämpfen59. Die massenhaft erscheinenden Eigen-
tumsmarken treten als weiterer Anhalt hinzu eo. Diese Darstellungen geben,

49
E. Littmann, RE. Suppl. 7, 5; Woolley-Randall Mac Iver, a. O. 88.
50
E. Littmann in Deutsche Aksum-Expedition i, 50.
51
E. Littmann, a. O. 4, 33 Zeile 24; 39.
82
W. Dittenberger, OGIS. 22, 674; vgl. is, 132; W. Schubart, a. O. 423; 431.
68
H. A. Winckler, Rock Drawings of Southern Upper Egypt i, 15 f.; Taf. 2f.
Damit hat sich die Vermutung, die ich auf Grund des mir damals bekannten Materials
aussprach (Soldatenkaiser 131 f.), bestätigt.
64
Prokop., b. Pers. i, 19, 29.
66
L. Frobenius, Kulturgeschichte Afrikas Taf. 33; Das Urbild. Cicerone zur vor-
gesch. Reichsbildersammlung 51 Abb., oben rechts und unten links. Felszeichnungen
aus dem Ennedi-Gebirge P. Fuchs in: Kosmos 1957, 465f.; besonders Abb. 4
und 7.
" H. A. Winckler, a. O. Taf. 6, i: vgl. L. Frobenius, Kulturgesch. Afrikas Taf. 38.
57
Berl. Klass.-Texte 5. i, io8f.
68
H. A. Winckler, a. O. 16; Taf. 3, 3 — mit anderer Deutung.
69
H. A. Winckler, a. O. Taf. 2, i—2; 3, i und 3; 4, i ; 5, 2.
80
H. A. Winckler, a. O. 16.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 183

wonach zuvor gesucht wurde. Die Blemmyer waren in der Tat Dromedar-
nomaden; sie waren es seit ihrem ersten Auftreten an der oberägyptischen
Grenze81.

Die südliche Grenze des römischen Afrika bildete der Limes. Er mar-
kierte nicht nur eine militärische Scheidelinie: auch geographisch trennte
er zwei Gebiete. Vielleicht am deutlichsten an dem Rand der drei mittleren
Provinzen: der Mauretania Caesariensis, der Numidia und der Africa Pro-
consularis (dem heutigen Algerien und Tunis entsprechend). Hier verlief
die Verteidigungszone (das fossatitm Africae), nach den Erweiterungen in
hadrianischer Zeit1, am Südrand des Teil über Tlemcen, Tiaret und Bogari,
wandte sich in einem Bogen südlich des Schott-el-Hodna und zog weiter
über Gemellae (südwestlich von Biskra), nördlich der großen Schotts und
am Südrand des Aures entlangstreichend. So schied sie2 die gebirgigen Teile
Algeriens von den ebenen Steppen und Wüsten des Südens, ein Land des
Ackerbaus, der bäuerlichen und städtischen Siedlung von den Weidegründen
der Nomaden. Auch heute besteht die Scheidung fort: sie fällt überdies mit
der berberisch-arabischen Sprachgrenze zusammen.
Der Süden war Heimatland der Dromedarnomaden3. Begriff man sie
in den Namen der Mauren ein, so unterschied man sie doch als Barbaren
und Räuber von den nördlichen, innerhalb des Limes ansässigen Stammes-
genossen4. Lange bevor das Dromedar ihnen Bedeutung verlieh, hatten sie
sich als Reiter einen Namen gemacht. Ihre Gewandtheit war so groß, daß
sie die Pferde in vollem Lauf, ohne Zügel und mit bloßen Stöcken, zu lenken
ei
H. A. Winckler, a. O. 16: „By the camel these people became wealthy. This
tavourable change of the basis of material life explains the sudden rise of the hitherto
nearly unknown Blemyans in the third century A. D., to a power menacing Roman
Egypt."
1
Zusammenfassend Fabricius, RE. 13, 66of. Neuestens J.Baradez, Vue aerienne
de l'organisation Romaine dans le Sud Algerien (Fossatum Africae). 1949; dazu C. B.
Welles, Amer. Journ. Arch. 1951, 215. — Die Schreibungen der einheimischen Orts-
namen ist unter Zugrundelegung von: The Times Atlas of the World 4 (1956) gegeben.
* Zum Folgenden E. F. Gautier, Les siecles obscurs du Maghreb 185 f.
3
E. F. Gautiers Berufung auf Ibn Haldün's Scheidung von brns (Aussprache un-
gewiß: vgl. die Übersetzung M. G. de Slane's i, 1925, 168 Anm. 2) oder mädgls auf der
einen Seite, butr (Plural zu abtar) auf der anderen (2, 89, 20f. Büläk) ist bedeutungslos,
da solche Scheidung erst späteren Ursprungs ist (M. G. de Slane, a. O. i, 168 Anm. 3).
4
Herodian. 7, 9, i.
184 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

wußten6. Dem römischen Heer stellten sie eine tapfere und schlachten-
berühmte Truppe.
Den Reiternomaden entwuchs als neue Form das Nomadentum der
Dromedarzüchter. Pferd und Dromedar schlössen sich nicht aus, sondern
wurden nebeneinander im Krieg verwandt*. Einst hatten diese Stämme
Weib und Kind zu Pferd auf ihren Wanderungen mit sich geführt; jetzt
bediente man sich des Dromedars. Leicht gezäumt7, genügte es,
um die geringe Habe dieser Nomaden zu tragen8. Ihr Dasein blieb das-
selbe wie zuvor, nur war durch das Dromedar das Leben in der Wüste auf
eine gesicherte Grundlage gestellt.
Ähnlich lagen die Dinge im benachbarten Tripolitanien. Die städtischen
Mittelpunkte der römischen Provinz — Sabratha, Oea, Leptis — lagen un-
mittelbar an der Küste. Zu ihrem Schutz verlief, von Tacape im Westen
(Gabes an der Kleinen Syrte) bis nach Leptis Magna im Osten, der Limes.
Er umfaßte die Küstenebene und hielt sich am Rand des Gebel, nie über
150 Kilometer Tiefe ins Binnenland hineinreichend. Aus kleinen befestigten
Posten bestehend, erreichte er im Gebel Nefüsa seinen südlichsten Punkt8.
Über diese Linie hinaus, deren Verlauf im Itinerarium Antonini be-
schrieben ist10, waren Außenposten11 bis an die große Kalkwüste des Süd-
ostens vorgeschoben. Noch weiter südlich liegt das Oasengebiet des Fezzan.
Hier wohnte in städtischen Siedlungen ein Stamm, der auch Acker- und
Fruchtbau trieb, die Garamanten. Nachdem durch mehrere Expeditionen
ihr Widerstand gebrochen war, hielten sie fest zu den Römern. Fezzan
wurde zum Land der Elefanten]agden und des Elfenbeinhandels12. Garama,
Hauptstadt des Fezzan, bildete eine Station des transsaharischen Kara-

5
Herodian. 7, 9, 6. Polyb. 3, 35, 6 unterscheidet bereits die Numider im kartha-
gischen Heer von der .
• Corripp., 1. c. 6, 194; Amm. Marc. 29, 5, 48 erscheint Firmus zu Pferd; 55 wird
sein Dromedar genannt.
7
Coripp., 1. c. 4, 10741.; 6, 83!
8
Coripp., 1. c. 7, 341.
9
Über alle Einzelheiten Honigmann, RE. 13, 197; A. Merighi, La Tripolitania
antica 2, jf.; 188. Neuestens Journ. Rom. Stud. 1950, 164, und Amer. Journ. Arch.
1952, 1391·; eine allgemeine Übersicht gibt H.Weis in: österr. Hochschulzeitg. 8 (1956),
Nr. 12.
10
It. Ant. 73, 41. Wess.; zur Datierung Kubitschek, RE. 9, 2336!.
11
A. Merighi, a. O. 2, 151.; 188; O. Brogan in: Illustr. London News 1954, 1381.
12
S. Aurigemma in: Africa Ital. 7, 67f. Vgl. noch E. Norden, Altgermanien 440
Anm. i.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 185

wanenverkehrs; sie war auch ein Stützpunkt, von dem aus die unruhigen
Wüstenstämme sich in Schach halten ließen13.
Wieder scheiden sich zwei Bereiche. Hier die römische Provinz und
neben ihr der Fezzan mit seinen Oasensiedlungen, mit den ausgedehnten
Bewässerungsanlagen14, mit seinen Heiligtümern15 und der römischen Ein-
fuhrware in den Nekropolen16, mit steinernen Mausoleen17 nach römischer
Art. Dort die nomadisierenden Stämme wie die Mudiviuvier und Zanucier.
deren berberische Namen man aus gelegentlichen inschriftlichen Erwäh-
nungen kennt18.
Unter Septimius Severus griffen diese Stämme die Städte Tripolitaniens
le
an . Gefangene von ihnen sind an dem Triumphbogen dargestellt, der dem
Kaiser in seiner Geburtsstadt Leptis Magna errichtet wurde20. Auf einem
Relief21 sieht man die Toten, die die Angreifer vor einer Stadtmauer mit
Türmen zurückgelassen haben. Alle tragen sie ,,parthische" Tracht. Aber
längst hat man bemerkt, daß eine ähnliche Kleidung auf den Eingeborenen-
darstellungen der tripolitanischen Mosaiken wiederkehrt22. Bezeichnende
Eigentümlichkeiten wie die weiten Schalwars23 und die ,,phrygische" Mütze
erscheinen auch auf den Felszeichnungen der Blemmyer24. Hier ist sie die
Tracht der Reiter26, und Reiternomaden müssen die tripolitanischen
Stämme gewesen sein.
In Tripolitanien war demnach die Lebensform der Dromedarnomaden
aus einer älteren erwachsen, die sich auf das Pferd gründete. Das Neben-
einander beider Formen begegnet schließlich bei den Blemmyern, die den

13
B. Pace in: II Sahara Italiano i, 291.
14
G. Caputo, ebendort 309f.; hierzu und zum Folgenden A. Merighi, a. O. i.
1831.
15
G. Caputo, a. O. 319!
16
G. Caputo, a. O. 322; 324f.
17
G. Caputo, a. O. 3171.; A. Merighi, a. O. 2, i53f.
18
G. Caputo, Epigraphia i, ggf.; H. Fuhrmann, AA. 1940, 553.
19
Aurel. Victor, De Caes. 20, 19; vgl. J. Vogt, D. alexandr. Münzen i, 168; 2,
116 (Nike auf den Prägungen von 202/203 und 203/204); dazu P.W. Townsend in:
Am. Journ. Arch. 1938, 552 Anm. 5.
20
Africa Italiana 4, 63 Abb. 33—34.
81
Ebendort 4, 71 Abb. 42. Dazu P. W. Townsend, a. O. 522!
22
P. W. Townsend, a. O. 553; vgl. Africa Italiana 2, 254!. Abb. 7—8; S. Auri-
gemma, I mosaici di Zliten 84 Abb. 50.
28
J. Wiener, Fahren und Reiten in Alteuropa und im alten Orient 78.
24
H. A. Winckler, a. O. Taf. 5, 1—2; 6, i.
28
H. A. Winckler. a. O. Taf. 5, 2.
186 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

gyptischen Gott Min zu Pferd und mit der Reiterlanze bewehrt darstellten26;
deren K nigsgr ber in Qustul (Unter-Nubien) das silber- und bronze-
beschlagene Geschirr der Reitpferde erbracht haben26a. Daneben ist
noch in der ersten H lfte des 3. Jahrhunderts ein nicht geringer Teil des
Stammes als Fu k mpfer aulgetreten27.
Die Reiterei verlieh den Nomaden von vornherein gegen ber den ans ssi-
gen Libyern milit rische berlegenheit. Denn diese k mpften noch mit dem
altert mlichen Streitwagen, den die Karthager von ihnen um die Mitte des
4. Jahrhunderts bernommen hatten28. Die Felszeichnungen des Fezzan
haben Darstellungen solcher Wagen erbracht und damit die literarische
berlieferung best tigt29. Mit dem Aufkommen des Dromedars wuchs die
berlegenheit der Nomaden erheblich, und vor ihnen scheinen die Gara-
manten des Fezzan ganz oder zu einem Teil nach S dwesten ausgewichen
zu sein. Aber auch gegen das r mische Gebiet setzten die Angriffe von
neuem ein30.

Im Osten wie im Westen Nordafrikas lag den Schichten der Reiter- und
Dromedarnomaden eine noch ltere zugrunde: die der Rinderz chter1.
Man fa t ihr Vordringen von Osten her an den steinzeitlichen Felsbildern,
vor allem des Fezzan2. Schon diese Rinderzucht hatte eine entscheidende
28
H. A. Winckler, a. O. 17.
2
«a w. B. Emery, a. O. Taf. 26—31.
27
Heliod., Aith. g, 16 spricht gar von einem Βλεμμύων . . . όπλιτικόν. Es ist
nicht deutlich, ob dies auf einem wirklichen Wissen beruht.
28
Die Zeugnisse bei F. Altheim in: Welt als Gesch. 6, 162!.; Italien und Rom 23,
287; Rom. Gesch. 2 (1953), 282f.; die Inschrift zum Kampffries des Theaters von
Kyrene (von Septimius Severus geweiht) erw hnt einen Wagen (συν τω άρματι)):
Illustrat. London News 23.2.1957 5.304. Nachzutragen sind: die 2000 Streitwagen
im karthagischen Heer im Jahr 310: Diod. 20, 10, 5; die 50 ζεύγη Λιβύων in Aga-
thokles' Heer in Afrika 308: Diod. 20, 38, i; die 100 Wagen nebst 300 Fahrern und
τταραβάται des Ophelias von Kyrene im Jahre 308: Diod. 20, 41, i; die 6000 libyschen
Streitwagen in Agathokles' Heer 307: Diod. 20, 64, 3.
29
P. Graziosi in: Africa Italiana 6,54!; R.Perretin: Journ. soc. afric. 6, Taf.io; 12.
30
Eine Inschrift aus Philippus Arabs' Zeit spricht von incursionibus barbarorum:
J. M. Reynolds und J. B. Perkins, The Inscriptions of Roman Territory Nr. 880.
1
L. Frobenius, Kulturgeschichte Afrikas 394 f.
2
L. Frobenius, a. Ο. ιοιί.; Ekade Ektab 241.; F. Altheim, Italien und Rom i3,
48f.; Rom. Gesch. i (1951), 471.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 187

Umgestaltung des vorangegangenen Jäger- und Sammlerzustandes ge-


bracht. Nicht nur wirtschaftlich und im gesellschaftlichen Aufbau: die Hot-
tentotten bezeugen mit ihren Schlachtochsen, dieMassai mit ihrer jugend-
lichen Kriegerkaste und die Fulbe mit ihren fanatischen Kriegerscharen,
daß mit dem Rind eine ausgesprochene Neigung zu kriegerischen Unter-
nehmungen den Hamiten zugekommen war3.
Auch das Auftreten der Dromedarnomaden wurde von einer Umge-
staltung des Kriegswesens begleitet. Und wieder verlief die Bewegung von
Ost nach West.
Das Aufkommen der Dromedarnomaden hat man auf die Verdrängung
der Küstenlibyer nach Süden zurückgeführt*, die seit dem 3. Jahrhundert
n. Chr. begonnen habe. Die abgedrängten Stämme hätten die von den Rö-
mern empfangene Kenntnis des Dromedars und des Dromedarkampfes
gegen diese gewandt. Das ist schwerlich richtig. Die Lebensform der Dro-
medarzüchter, so sahen wir, erwuchs aus einem älteren Reiternomaden turn.
Und mögen die Wüstenstämme ihre Dromedare in manchen Fällen auch von
den Römern empfangen haben — was sich weder beweisen noch widerlegen
läßt —, so besteht doch keine Brücke zwischen der Verwendung des Tieres
in der städtischen, ackerbautreibenden Provinz und der in der Wüste. Die
wirtschaftliche Ausnutzung des Dromedars als Grundlage nomadischen
Wüstenlebens, die Taktik des Dromedarkampfes muß von anderer Seite
gekommen sein. Diese Taktik trat an der oberägyptischen Grenze in der
zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts auf, in Numidien aber erst mit dem 4.
Also ging die Bewegung von Ost nach West. Ausgangspunkt war dann die
arabische Halbinsel, wo der Dromedarkampf alt ist*. Gerade auch das Ge-
fecht im Schutz vorangetriebener Dromedare, wie es die Mauren des Kabaon
übten, ist dort bekannt. Noch 1791 suchten die §ammär sich auf diese
Weise der Wahabiten zu erwehren7.
Nach Ansicht des ausgehenden Altertums reichte der Sarazenen Gebiet
vom Land der Assyrer bis zu den Stromschnellen des Nils8. Räuberisch und
kriegerisch, bedienten sie sich neben dem Pferd des Dromedars9. Ihre Süd-
3
L. Frobenius, Kulturgeschichte Afrikas 394.
* St. Gsell in: . acad. inscr. 43, 149f.
6
J. Guey, Me"l. arch. hist. 1939, 226f.
* F. Wiesner, a. O. 71; E. F. Gautier, Les siecles obscurs 170.
7
M. v. Oppenheim, Die Beduinen i, 134.
8
Amm. Marc. 14, 4, i f .
* Amm. Marc. 14, 4, 3.
188 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

grenze lag bei den Blemmyern10, von denen, wie gesagt, dasselbe gilt.
Sarazenen erscheinen dementsprechend auch als Bundesgenossen des Fir-
mus neben den Blemmyern11. Nach den Acta Archelai kam der Sarazene
Skythianos in die obere Thebais, heiratete dort eine Einheimische und lernte
die Weisheit der Ägypter12. Wer waren diese Sarazenen? Sie heißen auch
Arabes Scenitae, wird uns gesagt13. Also waren es Wüstenaraber: Beduinen,
die unter dem Haarzelt wohnten. Man kann sie noch genauer bestimmen.
Denn neben den Felsbildern der Blemmyer haben sich tamüdische In-
schriften gefunden14, und eine Gruppe gleicher Herkunft, equites Saraceni
Thamudeni, stand im ausgehenden 4. Jahrhundert in Oberägypten15. Also
gehörten diese Sarazenen, Nachbarn der Blemmyer, den Tamüd an, einem
nordarabischen Stamm, die man im 3. Jahrhundert n. Chr. in der Um-
gebung der Oase Taimä' im nördlichen Higäz findet16. Um 250 hatten sie
das einstmals nabatäische el-Higr in Besitz genommen17.
Dem entspricht, daß es in Oberägypten nach Ausweis der Papyri18
einen Gau Arabia19 gab und einen Arabarchen 20, der an dessen Spitze stand.
Arabarch war Alexander, fälschlich Lysimachos genannt, Vater Tib.
lulius Alexander's. Vielleicht war auch dieser Arabarch in jenen Jahren, da
er das Amt eines Epistrategen in der Thebais verwaltete21. Dieses ägyptische
Arabien, vielleicht in ein unteres und oberes geteilt, lag zwischen Nil und
Rotem Meer22. Militärische Posten standen in vereinzelten Kastellen. In
einem solchen, das verlassen war, lebte der heilige Antonius zwanzig Jahre,
zufrieden mit einem Wasserrinnsal und thebanischem Dauerbrot23. Die

10
Amm. Marc. 14, 4, 3.
11
SHA., quadr. tyr. 3, 3.
12
Act. Arch. 58 Anf.; P. Alfaric, L. ecrit. manich. i, 32; 2, 4; unrichtig 7; W. Seston,
Melanges Dussaud i, 233.
18
Amm. Marc. 22, 15, 2.
14
H. A. Winckler, a. O. 10; E. Littmann, Thamüd und Safä 3; 24.
15
Not. dign., or. 28, 17. Dieser Truppe schreibt A. van den Branden in: Museon
56, 138 einen Krug mit tamüdischer Inschrift zu.
16
Jaussen-Savignac, Miss, archool. en Arabie 2, XIII f.
17
Jaussen-Savignac, a. O. 2, XIII.
18
Zum Folgenden Calderini-Untersteiner, Studi della scuola papirologica Milano
3, i8f.
1
Pap. Oxyrrh. 709 Z. 5; 1435 Z. 8; 1415 Z. 6.
20
CIG. 4751; 5075; vgl. PSI. 305 Z. i.
21
E. G. Turner in: Journ. Rom. Stud. 44 (1954), 54'· 59·
23
Calderini-Untersteiner, a. O. 18.
23
Athanas., v. Ant. 8—12; H. Lietzmann, Gesch. d. Alten Kirche 4, 125.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 189

dort nomadisierende Bev lkerung zahlte von Gro - und Kleinvieh ihre
Steuer24; in einigen F llen waren die Araber se haft geworden25. Als die
Muslim gypten eroberten, trafen sie dort wohnende christliche Araber28.
Auf die Bewaffnung mit Bogen weist der Titel Arabotoxotes hin 27 . Ber hmt
waren die gyptischen Araber als Z chter von Dromedaren28. Der Kauf einer
Dromedarstute mit arabischem Brandzcichen, wasm, wird mehrfach in den
Papyri erw hnt 29 .
Auch in el-' l und Taim ', der arabischen Heimat der Tam d, haben
sich Zeichen einer bl henden Dromedarzucht gefunden. Eine Abteilung
der ala Gaetulorum, die in Pal stina stand, lag mit Dromedarreitern zwischen
el-r l und Med in-S leh30, an der alten Grenze Syriens gegen den Hig z31.
In der 91. Sure des Koran wird auf das Dromedar angespielt, das der
Prophet S lih f r die Tam d aus dem Felsen hervorgehen lie . Auf den Fels-
bildern von el-' l 32, den tam dischen berhaupt, begegnen neben Rindern,
Eseln, Schafen auch Dromedare, oft inschriftlich mit dem Namen des Be-
sitzers bezeichnet33. Nach dem „Grundsatz der ffentlichkeit" mu ten im
s dlichen Arabien Rechtsverbindlichkeiten allen sichtbar aufgezeichnet
werden34. So k nnten auch diese Dromedarzeichnungen mit den Besitzer-
inschriften, wie man sie auf den Felsen findet, Kaufurkunden gewesen sein36;
in einem Fall ist dies geradezu gesagt3'. Verwandte Darstellungen von Dro-
medarreitern sind an den Tort rmen von Dura-Europos zutage gekommen37.
Hier ist man im saf itischen Bereich; Inschriften gleicher Herkunft hat
man in Dura selbst gefunden38. Auch die Saf iten kannten die Dromedar-
2
* PSI. 388 Z. 56.
25
κώμη Αράβων καταμένων εν κώμη θεαδελφεία; F. Preisigke, Sammelbuch
4451·
29
Tabari, ann. i, 2583, gi.
27
Pap. Amhurst 2, 77, 4.
28
BGU. 453 Z. 8—21; 13 Z. 4.
2
» Pap. Geneve 29 Z. 8; 30 Z. ηί.\ BGU. 1088 Z. 5; u; Pap. Grenfell 2, soa Z. 5.
Zu den Brandzeichen E. Littmann in: Mitt. Vorderasiat. Gesellsch. 1904. 74f.
30
H. Seyrig in: Syria 22, 218; vgl. CIL. 16, dip!. 33.
31
H. Lammens, L'Arabie occid. avant l'hcgire 295f.
32
Jaussen-Savignac, a. O. 2, 115 Abb. 47; 128 Abb. 49; Taf. ίο, ι ; 45, 3.
33
E. Littmann, Tham d und Saf 24!.; 34f.
34
N. Rhodokanakis in: SBAkWien, Phil.-hist. Kl. 177, >.
35
F. V. Winnet in: Le Musoon 1938, 300; E. Littmann, a. 0.25.
39
E. Littmann, a. O. 130 Nr. 28.
37
Excavat. at Dura-Europos 1931/32. Taf. 32, 4.
38
F. Littmann, a. O. 95; 126; C. C. Torrey, Excavat. at Dura-Kuropos 1928/29,
172 i.
190 VORAUSSETZUNGEN UND GLEICHZEITIGKEITEN

Zeichnungen mit Besitzerangabe in zahlreichen Fällen39. Die Brücke nach


Nordafrika bilden die Felsbilder von der Sinaihalbinsel und aus Trans-
jordanien, die auch im Stil Entsprechung zeigen40. Schon die antiken
Autoren sprachen von arabischen Stämmen auf dem Sinai, und für das
2. Jahrhundert n. Chr. werden die Sarazenen ausdrücklich genannt41. Die
Masse der nabatäischen Inschriften und Grafitti tritt als weiterer Beleg
hinzu42. Noch Ibn Haldün42» vergleicht die Dromedarzucht der Berber mit
der der Araber.
Muß hier die Verbindung über die Nordseite des Roten Meeres gesucht
werden, so wird man in anderen Fällen mehr nach Süden geführt. Die semi-
tischen Stämme Abessiniens sind von der arabischen Halbinsel herüber-
gekommen und sprachen einen südarabischen Dialekt. Schon aus der Mitte
des i. Jahrhunderts v. Chr. kennt man einen inschriftlichen Text in sa-
bäischer Sprache und Schrift, der jetzt in der Kirche auf dem Berge Abba
Pantaleon bei Aksüm eingemauert ist43. Der Aithiopenroman Heliodors
von Emesa, der vor der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. entstan-
den ist44, nennt die Aksümiten und Südaraber als Freunde oder Unter-
tanen des Königs von Meroe45. Unter dem König 'Ezänä breitete ein Jahr-
hundert später das Reich von Aksüm seine Macht gen Norden nach
Meroe aus. Bis an die Grenze der nördlichen Noba führten die Kriegszüge
des Eroberers46, also bis zu den Reiternomaden selbst. Von den gewaltigen

89
E. Littmann, a. O. 116. Neue safaitische Felsbilder und Inschriften bei G. L.
Harding in: Illustr. London News 1953, 5641., besonders 565 fig. 7.
40
E. Littmann, a. O. 3; A. Alt, Aus der Araba II—IV (S.-A. aus der Zeitschr. d.
Palästina-Vereins 58), 7; Taf. 2 A; 36—4; H. Rhotert, Transjordanien Taf. 26;
L. W. B. Rees in: Antiquity 1929, 393!; C. Bartheel, Unter Sinai-Nomaden und
Mönchen 193; H. Th. Bossert, Alt-Syrien Abb. 1230.
41
M. v. Oppenheim, a. O. 2, 135f.; 136.
42
Zuletzt F. Rosenthal, D. aramaist. Forschung seit Th. Noeldekes Veröffent-
lichungen 84 Anm. 2.
42a
2, 89, f. der B üläker-Ausgabe; Histoire des Berbferes, Trad, par le baron de
Slane i, 167.
43
E. Littmann, a. O. 4 Nr. i; D. Nielsen, Handbuch d. arab. Altertumskunde 41;
C. Conti Rossini in: Journ. asiat. 1921, 2, 8f.
44
F. Altheim, Helios und Heliodor von Emesa (Albae Vigil. 12); Lit. u. Gesellsch.
i, 93f.; 2, 272!; vgl. C. Conti Rossini in: Riv. degli studi orient. 8, 233f.; 236.
45
Aithiop. 297, 23; 298, i i f . ; C. Conti Rossini in: Journ. asiat. 1921, 2, 21; 23;
Riv. degli studi orient. 8, 234f.
48
E. Littmann, a. O. 4, 32f. Nr. n; vgl. i, 49. Ein zusammenfassendes Bild des
Ezänä hat Littmann in seiner Schrift: Abessynien 47f. gegeben.
7. DIE DROMEDARNOMADEN 191

Reiterheeren dieser Herrscher wußte noch die spätere arabische Überliefe-


rung47.
Auch in Abessinien haben sich Felszeichnungen solcher Nomaden ge-
funden48. Der Handel zwischen Muza (Mokka im Jemen) und dem gegen-
überliegenden afrikanischen Ufer, besonders mit Adulis unfern des heutigen
Massaua, war lebhaft49. Es gab eine eigene Klasse von Barken, die hier
verwandt wurde80. Weiter nördlich an der südarabischen Küste bei der
„verbrannten Insel" hausten Vieh- und Dromedarzüchter61. Die in Huraida
und in Hadramaut gefundenen Felszeichnungen mit ihren Dromedar-
bildern62 sowie Votivbronzen aus Südarabien, gleichfalls Dromedare dar-
stellend53, schließen sich an. Diese sabäischen Krieger zu Pferd oder auf dem
Dromedar mit ihren langen Reiterlanzen64 lassen sich den Felsbildern aus
dem Blemmyergebiet geradezu gegenüberstellen. Eine Bestätigung be-
deutet, daß dort neben nabatäischen und tamüdischen Inschriften, die
dem Weg über die Sinaihalbinsel und das Nordende des Roten Meeres ent-
sprechen, auch solche himyarischen M Ursprungs erscheinen. Auch von Süd-
arabien aus muß demnach ein Strom das Land derBlemmyer getroffen haben.
47
Hamza Isfah. p. 134 Gottwald.
48
C. Conti Rossini, a. O. Taf. 51! Abb. 159—162; Rassegna di studi Etiopici
1943, I O 2 f .
49
Peripl. Mär. Erythr. 21; 24.
60
H. Lammens, Melanges de la faculto Orientale Beyrouth 9, 380; E. Littmann,
RE. Suppl. 7, 2.
51
Peripl. 20.
M
H. St.-J. Philby in: Geogr. Journ. 92 (1938), Abb. zu S. 5; Shebas Daughters
26f.; 42f.; Taf. 177; Geogr. Journ. 1938, 2, 12f.; Abb. zu S. 5; H. Th. Bessert, Alt-
Syrien Abb. 1257—58.
M
D. Nielsen a. O. i, 174 Abb. 73; M. Rostovtzeff, Caravan Cities Taf. 3, 3; vgl.
H. Th. Bessert, a. O. Abb. 1285; 1340—41.
»* M. Rostovtzeff, a. O. Taf. 3, 1—2; H.-St.-J. Philby, Sheba's Daughters 55 f.
Über Bedeutung und Art der Dromedarzucht B. Thomas, Arabia Felix im Index unter
„Camel".
65
H. A. Winckler, a. O. 10; C. Conti Rossini in: Riv. degli studi orient. 8, 235.
DRITTES BUCH

KULTURELLES ERBE
8. KAPITEL

DER KÖNIGLICHE SCHMIED

Seit der frühen Kaiserzeit erklingt das Lob des Eisens und Stahles1, die
man aus östlichen Ländern einführte. Neben den norischen und spanischen
Stahl, der von altersher bekannt und geschätzt war, trat jetzt solcher
parthischer, indischer und serischer Herkunft1*, überall im Schmelzver-
fahren2 hergestellt. Vom serischen Stahl sagt Plinius ausdrücklich, daß er
aus China kam3. Schon vorher hatte dieses Land es allein zum Schmelzen
des Eisens gebracht*. Ausgrabungen im Hing-lun-Distrikt (Provinz Jehol)
haben den Beweis erbracht, daß schon unter den Chou eiserne Ackerbau-
geräte gegossen wurden*8. Das sechste Siegel Chusrö's II. A/Sarvez.mit dem
er die Briefe an die Könige siegelte, war aus chinesischem Eisen (hadid sin»)
gefertigt6. Die mittelpersische Bezeichnung des Stahls: x"an-ähen „lo-
derndes Eisen"', zeigt, daß das Schmelzverfahren irgendwann auch in
Iran heimisch geworden war. So konnte schon Plinius sagen, parthischer
1
Über die Herstellung des Stahls bei den Römern: U. Täckholm, Studien über
den Bergbau der römischen Kaiserzeit (1937), 78f.; O. Davies, Roman Mines in Europe
( 953)> 58 f. Über keltische Schmiedekunst J. Moreau, Die Welt der Kelten (1958) 69.
la
R. J. Forbes, Metallurgy in Antiquity (1950), 414. Ein Schmied (kainäyä)
in der Karawanenstadt Hatra jetzt inschriftlich: A. Caquot in: Syria 32 (1955), 271.
* R. J. Forbes, a. O. 409!.
3
N. h. 34, 141. Dazu F. Hirth in: Journ. Americ. Orient. Soc. 37, io8f.; W. Bart-
hold in: Encycl. d. Islam 2. 64!.; A.Mez, Die Renaissance des Islams (1922), 417.
Anders R. J. Forbes, a. O. 439; H. H. Coghlan, Notes on Praehist. and Early Iron in
the Old World (1956), 84!; J. Needham in: Le Fer ä travers les Ages (1956), 93f.
4
R. J. Forbes, a. O. 441 f.
4
R. C. Rudolph in: Archeology 1958, 237.
5
Mas'udl, murüg 2, 229, 9.
• H. S. Nyberg, Hilfsbuch des Pehlevi 2 (1901), 135!.
13*
196 KULTURELLES ERBE

Stahl stehe einzig dem serischen nach. In sasanidischer Zeit wurde iranischer
Stahl gar nach China ausgeführt7. Daß der Eigenname [] $
aus Tanais am unteren Don osset. ändon „Stahl" enthalte, wurde richtig
erkannt8.
Das Verfahren kennt man vor allem durch Birünis neugefundenes
Steinbuch9. Weicheisen und manganhaJtiges Spiegeleisen wurden im Tiegel
gleichmäßig durchgeschmolzen10. Beide konnten sich dabei völlig vereinen
oder sie konnten daran gehindert werden, so daß die einzelnen Eisenarten
noch als Kristalle sichtbar blieben. Im ersten Fall entstand der einfache
Stahl, im zweiten der Damaststahl. Man findet die erste Art des Schmelz-
stahls bei den Hiebschwertern der japanischen Friihzeit, auf die noch zu-
rückzukommen sein wird11.
Neben dem Schmelzstahl steht der Schweißstahl. Dieser wird aus Drähten
verschiedenartiger Eisensorten zusammengeschmolzen. Auch dabei können
jene Muster erzielt werden, die den Damaststahl auszeichnen; sie lassen
sich durch Ätzung verstärken. Während das Schmelzverfahren im Osten
beheimatet war, war der Schweißstahl bei den Franken und Rüs, also bei
den Normannen von Nowgorod und Kiew, zuhause. Ihre „salomonischen"
Schwerter (as-suyüfu s-sulaimämya) wurden von den Arabern wegen der
Damaszierung, Schärfe und Biegsamkeit gerühmt18. Jüdische Händler,
ar-rädäntya genannt, die gleichzeitig arabisch, persisch, griechisch (rümt),
fränkisch, spanisch und slawisch sprachen, brachten aus dem Westen außer
Eunuchen, Sklavinnen, Knaben, Brokat, Biber-, Marder- und anderen Fellen
auch die gesuchten Schwerter. Sie gingen nach den Häfen des Higäz, nach
Indien und China13. Russische Kaufleute, diesmal Christen14 brachten aus den
entlegensten Ländern der Slawen Felle von Bibern und schwarzen Füchsen,
wiederum zusammen mit Schwertern16. Einläßlich wurden ihre Wege be-
schrieben: zu Schiff auf dem Meer, dem Euphrat oder dem Kaspischen See,

7
B. Lauffer, Sino-Iranica 515; R. J. Forbes, a. O. 443.
8
L. Zgusta, Die Personennamen griech. Städte an der nördl. Schwarzmeerküste
66 § 51.
• A. Zeki Walidi in: ZDMG. 90, \ .
10
A. Zeki Walidi, a. O. 20f.
11
Vgl. die Proben bei: M. Suenaga, Die Waffen des alten Japan (jap. 1941)
Taf. 37f.
12
A. Zeki Walidi, a. O. 25f.; V. Minorsky, Hudüd al-'älam 437.
13
Ibn Hurdädbeh 153, gf.
14
Ebenda 154, 16.
15
Ebenda 154, gi.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 197

dann wieder auf dem Kamelrücken, wobei ihnen slawische Eunuchen als
Dolmetscher dienten1'.
Das Schwergewicht der Herstellung von Blankwaffen hatte sich damit
zunehmend auf Völker verlegt, die außerhalb des mittelmeerischen Bereiches
standen17. Im altrussischen Igorlied ist xaralugs die Bezeichnung des Stahls,
wie man erkannt hat, vom Namen der Karolinger, will sagen: der Franken,
abgeleitet18. Erstaunliches wurde über die Art der Herstellung berichtet.
führt Verse des omaiyadischen Dichters al-Hudali an, darin von
einem Schwert gesprochen wird, dessen Eisen rein war und dessen Stahl
an Masse „verkleinert wurde durch die Länge des Schmiedens und durch
den Bauch hungriger Vögel". Dazu die Erklärung: man habe das Eisen in
kleinste Stücke zerschnitten, es ausgeglüht und den Straußen zum Fressen
vorgeworfen. In deren Mägen sei es von allen Unreinheiten befreit worden.
Ausgeschieden, habe man es zum Schmieden der Schwerter verwandt.
Birüni fügt hinzu, Rüs und Slawen gäben einen mit Stahlspänen durch-
setzten Mehlteig Gänsen und Enten zum Fressen. Aus der Sage von Wieland
dem Schmied kennt man dasselbe Verfahren bei der Fertigung des Schwertes
Mimung1'.
In diesen umfassenden Rahmen muß der besondere Fall der Hunnen ein-
geordnet werden.
Zunächst ist eines Fundes aus Csongrad20 zu gedenken. Hier kam ein
sarmatischer Friedhof von 116 Gräbern zutage, der Zeit hunnischer Herr-

" Ebenda 154, 15.


17
In ältere Zeit könnte die Erwähnung antischer Schwerter (zu den Anten oben
S. 71—77) im Beowulfepos 1679 führen, wenn eine dahin gehende Bemerkung G. Ver-
nadskys (Ancient Russia', 1946, 120) zuträfe. B. v. Lindheim bemerkt dazu brieflich
(20. 2. 1958): „Von einer Erwähnung antischer Schwerter im Beowulf zu sprechen . . .,
stützt sich auf die zweifelhafte etymologische Zusammengehörigkeit der altenglischen
Worte ent, entisc mit dem Volk der Anten, das lordanes, Get. 34; 35; 119; 247 und
Rom. 388 erwähnt. Diese Etymologie des Wortes ent hat Olrik vertreten (Danske
Studier, 1914, 9—20) und ist zögernd auch von Much (Deutsche Stammeskunde,
Göschen 126, S. 38) genannt worden. Vgl. die Auseinandersetzung in: Beiblatt zur
Anglia n, 21 f. Altenglisch ent = 'gigas', schon in Glossen belegt, dann vor allem in der
Formel enta geweore 'Werk der Riesen' oder enta cergeweore (Beow. 1679) 'altes Werk der
Riesen*; entisc entsprechend 'giganteus, a gigantibus factus', bezogen auf Burgen,
Steinbilder, Drachenhöhlen und dergl. Die Stellen sind vollzählig bei Grein-Köhler im
'Sprachschatz der angelsächsischen Dichter* genannt."
18
K. H. Menges, The Oriental Elements 58 f. Über fränkische Stahlherstellung
E. Salin in: Le Fer ä travers les Ages (1956), 45f.
19
A. Zeki Walidi, a. O. 24, mit weiteren Angaben.
20
F. Fülöp in: Acta Archaeol. Hung, i, 330.
198 KULTURELLES ERBE

schaft entstammend. Die Art der Beisetzung erinnert an Gräber an der


unteren Wolga. In zwei Gräbern fand sich das Werkzeug eines Schmiedes:
Amboß und Zangen; Einzelheiten sind seitdem nicht mitgeteilt worden.
Die aus Stahl geschmiedete Klinge eines zweischneidigen Langschwertes
ist aus Prokrowsk-Woschod im Wolga gebiet erhalten21. Wiederum sind
keine weiteren Untersuchungen angestellt worden. Einen letzten Hinweis
endlich gibt die Form der hunnischen Waffen, vor allem das schon genannte
zweischneidige Langschwert und das einschneidige Hiebschwert.
Die Langschwerter der Wolga-Alanen, so lautet das bisherige Ergebnis22,
lösen in den östlichen Steppen die zuvor üblichen Ringschwerter ab. Die
schmale Klinge, bis zu 1,15 m lang, ähnelt der späthellenistischer ala-
nischer Langschwerter der Prochorowka-Stufe88, doch besitzen diese nie
eine Parierstange. Sie tritt erst mit dem 5. Jahrhundert auf, und zwar
in Funden, die in die Attila-Zeit gehören. Die Hunnen müssen das Lang-
schwert mit Parierstange bei ihrer Westwanderung aus Iran übernommen
haben. Entsprechende Schwerter mit kurzem Querstück begegnen auf sasa-
nidischen Denkmälern. Auch erhaltene chinesische Stücke der Hanzeit
weisen Querstücke auf, die aus Bronze, Jade oder Glasfluß gearbeitet
waren24.
Das prachtvollste Stück der Gattung, das Langschwert von Altlußheim
bei Mannheim26, zeigt ein mit Almandinen verziertes Querstück am Griff
und ein zweites aus Lapislazuli hergestelltes, das als Ortband verwendet ist.
Lapislazuli führt nach Badaxsän, nördlich vom Hindukusch, also ins Reich
der Hephthaliten. Gelinge es derart, hat man gesagt, zwischen den Hunnen
der Attilazeit und ihren Vettern und Vorgängern in Nordostiran die Brücke
zu schlagen29, so müsse doch das verstärkte metallene Querstück, das in
einzelnen Fällen einer Parierstange gleicht, als spezifisch hunnische Neuerung
gelten. Denn bei den persischen und chinesischen Vorbildern habe es sich
nicht um Parierstangen gehandelt27. Das Querstück, meist aus wenig halt-
81
J. Werner, Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches i. 41 mit weiteren An-
gaben.
» J. Werner, a. O. 38f.
w
Nachzutragen N. Fettich in: Acta Archaeol. Hung. 2 (1952), 251!.; besonders
266f.
24
Nachzutragen: H. Ikauchi in: T'oung Kou 2 (1940), pl. 38, 65; 68—69.
" J. Werner, a. O. i, 39!; 2 Taf. i.
J. Werner, a. O. i, 40 denkt geradezu an einen „hochgestellten Hephtaliten"
(sie!), wenn auch unter Verzeichnung der geschichtlichen Verhältnisse.
27
J. Werner, a. O. i, 39.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 199

barem Stoff hergestellt, habe lediglich als Halt für den Zeigefinger beim
Führen des Schwertes gedient28.
Aber hat man die unmittelbaren Vorbilder bei den Sasaniden zu suchen ?
Station der Hunnen auf ihrer Westwanderung war nicht Westiran, sondern
der Nordosten, wo die Hepthaliten gewiß auch auf Säpür II., aber vor allem
auf die Kusän stießen (oben S. 35). Kani§kas bekanntes Standbild aus
Mathurä29 zeigt das zweischneidige Langschwert mit verstärktem Quer-
stück. Wenn man seinen vielerörterten Zeitansatz dem letzten Versuch zu-
folge in die Zeit der Antonine verlegt30, besaß man im Kusän-Reich bereits
jene Schwertform, die als hunnische Besonderheit gilt. Von dort entlehnten
sie die wandernden Nomaden, um das derart Übernommene bei ihrem Ein-
bruch über den Don dem Westen zu vermitteln.
Die ältesten Fresken aus Qyzil bei Kuca81 bestätigen das Ergebnis.
Sie zeigen Langschwerter mit breiten Querstücken, zuweilen mit regel-
rechten Parierstangen. Spätere Darstellungen aus Qumtura32 beweisen, daß
dieser Schwerttypus im östlichen Nachbarland des Hephthalitenreich.es
weiterhin sich hielt33. Blickt man von hier aus noch einmal auf das sasa-
nidische Iran zurück, so zeigt sich, daß man dort beim Langschwert nicht
nur das breite Querstück34, sondern geradezu die Parierstange kannte. Der
auf den Jagdreliefs des Täk-i bostän dargestellte Herrscher36 — nicht Chusrö
II. Aßarvez, sondern Peröz (457—484) — führt ein solches Schwert38.
Jüngerer Zeitgenosse Attilas, war er zugleich der König, der den Hephtha-
liten unterlag und im Kampf gegen sie fiel.

18
Die sasanidische Schale bei J. Werner, a. O. ^ Taf. 23, 3 zeigt dies; ebenso das
Fresko aus Bäzäklik bei A. v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- und Kulturgeschichte
Mittelasiens (1921), 16 und Abb. 91. Hinzuzufügen sind die sasanidischen Stücke bei
Ja. I. Smirnow, Argenterie Orientale (1909) Taf. 25—26.
*· Archeol. Survey of India 1911—1912 Taf. 53.
30
R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 237. Schon Barde-
sanes, de fato 31 p. 589, 13 f. Nau zeigt bei den kusanndye bedenklichen Verfall der
Sitte.
31
A. v. LeCoq. a. O. fig. 8; 22; 53; 85; 88.
32
A. v. Le Coq, a. O. fig. 9; n ; 16; 86.
33
A. v. Le Coq, a. O. 54; 134. Noch fürs n. Jahrhundert bezeugt: D. Schlum-
berger: in: Syria 29 (1952), 202f.; pl. XXXII I.
34
E. Herzfeld, Am Tor von Asien (1920), Taf. 53; vgl. 51 rechts.
35
K. Erdmann in: Ars Islamica 4, jgi.; ZDMG. 1954, 53^ f.; Altheim-Stiehl,
Fioanzgeschichte der Spätantike 289.
36
E. Herzfeld, a. O. Taf. 52 unten. Weitere Beispiele bei Ja. I. Smirnow, a. O.
Taf. 29; 32—33·
200 KULTURELLES ERBE

Auf das Ergebnis läßt sich die Probe machen. Die fürstlichen Kur-
gane aus dem östlichen Altai (Pazyryk, Sibe, Berel, Katanda) zeigen keine
Spur des sarmatischen Langschwertes37 und desjenigen mit Querstück
oder Parierstange. Daß hier kein Zufall obwaltet, ist längst erkannt3*.
Aus ihrem östlichen Herkunftsland können demnach die Hunnen diese
Waffe nicht eingeführt haben. Es bleibt bei dem bisherigen Ergebnis, wo-
nach das Volk auf seiner Westwanderung die besondere Form des Lang-
schwertes weder mitgebracht noch von den Sarmaten erhalten hat. Die
Waffe, mit Querstück oder Parierstange versehen, wurde vielmehr in Nord-
ostiran übernommen und von dort aus in Europa heimisch gemacht.
Eine andere Blankwaffe der Hunnen weist indessen nach Ostasien als
Herkunftsland. Es handelt sich um das einschneidige Hiebschwert, das
später bei den Germanen als „schmaler Langsax" begegnet3'. Mit schmaler
und säbelartiger, aber stets gerader Klinge, stumpfem Rücken und Griff-
angel, beträgt seine Länge zwischen 0,46 und 0,65 m, die Klingenbreite
zwischen 2,6 und 3,1 cm. Immer wird das Hiebschwert mit dem Langschwert
zusammen gefunden. Von Tuzla auf der Taman-Halbinsel bis nach Frank-
reich hinein begegnen beide Waffen vereint, zunächst im Herrschaftsbereich
der Hunnen verbreitet, dann von Franken und Alamannen übernommen.
Die Geschichte der zugehörigen Scheiden und ihrer Beschläge bestätigt
das Ergebnis, daß der schmale Langsax, der „Säbel mit gerader Klinge"40
von den Hunnen mitgebracht wurde.
Die ungarländischen Awaren, Verwandte der Hephthaliten oder zu
diesen selbst gehörig (oben S. 85!.), ergänzen das Bild. Ihre geraden Säbel
zeigen (was erneut für die Herkunft des Langschwertes spricht) das breite
Querstück oder die Parierstange aus Eisen, zuweilen mit Goldfolie belegt41.
Bemerkenswert ist der Ring am Knopf des Griffes, der den Faustriemen
(über ihn oben S. 83) getragen haben muß4ä. Er war demnach so eingerichtet,
daß der awarische Reiter, wenn die Waffe wechselte, das leichtere Hieb-
schwert am Handgelenk baumeln ließ und zum Langschwert griff.

37
K. Jettmarin: BMFEAStockholm 23 (1951), 193.
38
K. Jettmar, a. O. 194.
3
» J. Werner, a. O. 43f. Die weitere Entwicklung gibt P. Paulsen in: La Baume-
^estschrift (1955), i23f.
io
J. Werner, a. O. i, 46.
41
G. Laszlo in: Archaeol. Hungar. 34 (1955), 219!; 2321.
*2 G. Läszlo, a. O. 223 fig. 60; 225 fig. 6 ; 225 fig. 61; 233 fig. 63; 234 fig. 64.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 201

Wo ist der Ursprung des „Säbels mit gerader Klinge" 42!* zu suchen ? In
Kasaxstän (Borowoje) wurde einer der attilazeitlichen P-förmigen Schei-
denbeschläge gefunden, die zum Hiebschwert gehören43. Unter gleich-
zeitigem Hinweis auf koreanische Gräber des 2.—5. Jahrhunderts hat man
den Ursprung der Waffe bei den Nomaden Mittelasiens gesuchtM. Aber der
vollständige Fundbestand weist noch weiter nach Osten. Auf einem Fresko
von Bäzäklik46 begegnet die gezogene Waffe, und zuweilen ist sie mit gebo-
genem Griff, der dem einer Pistole ähnelt4e, versehen. Ein Grabfund der Han-
zeit aus der Mandschurei hat einen geraden Säbel mit Querstück und Ring am
Griff ende erbracht47. Und daran schließt sich die lange Reihe alt japanischer
Stücke: mit Pistolengriff oder solchem, der keulenförmig verdickt ist; mit
Ring oder durchbrochener Arbeit am oberen Ende, mit Parierstange und
Schwertblatt, mit P-förmigem Beschlag48.
Damit verlegt sich das Schwergewicht nach Osten. Das japanische
Inselreich, Korea und Mandschurei als Ausstrahlungsbezirke führen in
Nachbarschaft der Ostmongolei als Heimat der Hunnen. Kasaxstän im
Norden und Bäzäklik im Süden umrahmen beiderseits das Land südlich
des Balchasch-Sees und am Talas. Dann setzen an der Wolga und auf der
Halbinsel Taman die Kette der Funde ein, die bis nach Frankreich hinein
nicht abbricht. Es ist die hunnische Wanderung, die sich abzeichnet.

Militärische Überlegenheit der Hunnen gründete sich, wie gezeigt, auf


eine vervollkommnete Kunst der Eisenbearbeitung und Stahlherstellung,
die im Osten, fern vom Mittelmeerraum, erwachsen war. An ihr nahmen die
Hunnen teil, und den unmittelbaren Ertrag bildete das Auftreten neuer
Hiebwaffen. Das einschneidige Hiebschwert oder, wenn man will: den Säbel
4Za
Noch in den europäischen Heeren des 18. und ig. Jahrhunderts war üblich,
daß der Reiter, wenn er sich der Pistole oder des Karabiners bediente, den gezogenen
Säbel am Faustriemen vom Handgelenk herabhängen ließ. A. v. Menzels Holzschnitt
zu S. 80 des Buches von E. Lange, Heerschau der Soldaten Friedrichs des Großen
(1856) zeigt einen Totenkopf husaren zu Pferd mit aufgesetztem Karabiner auf Vedette:
vom rechten Handgelenk hängt der blanke Säbel herab.
43
J. Werner, a. O. i, 46; 2 Taf. 14, 19.
44
J. Werner, a. O. i, 46.
45
A. v. Le Coq, a. O. fig. 91.
48
A. v. Le Coq, a. O. 16; fig. 6g; 134.
47
H. Ikauchi, a. O. 2 pl. 38, 67.
48
M. Suenaga, a. O. Taf. u ff.
202 KULTURELLES ERBE

mit gerader Klinge, hatten sie aus Ostasien mitgebracht, und seit der hun-
nischen Festsetzung in der Sogdiane war das zweischneidige Langschwert
iranischer Herkunft hinzugetreten. Beide Schwerter waren mit verstärktem
Querstück, teilweise mit einer Parierstange versehen und dadurch auch in
der Handhabung verbessert worden. Hinzu trat, zumindest in einzelnen
Fällen, das Stahlschwert an Stelle des eisernen mit gehärteter oder ange-
schmiedeter Schneide, worüber man in römischer Zeit nie hinausgekommen
war i
Gleichzeitig mit einer neuen Stahl- und Waffenherstellung gewann das
Schmiedehandwerk selbst an Rang. Schmiede der Sage und Schmiedegötter
trugen einst gleich Cacus, Wieland und den idäischen Daktylen, gleich
Hephaistos und Volcanus zauberische und unheimliche Züge. Sie waren
oder wurden verkrüppelt, traten in phallischer Gestalt, als unterirdische
Zwerge oder Unholde auf 2 .
Jetzt aber stand in der germanischen Sage dem düsteren Wieland, dem
unheimlichen Mime der strahlende Siegfried als Schmied des Schwertes
Bahnung zur Seite. Und Gottes Prophet sprach im Koran von Salomons
Schwertern3, von David als dem Schmied der Panzerhemden4 und dem
ritterlichen Liebhaber der Pferde6.
Wielands mythische Gestalt hat man mit Zügen, die dem Schamanen-
turn eigentümlich sind, verglichen6. Schmiede und Schamanen entstammen,
einem jakutischen Sprichwort zufolge, dem gleichen Nest. Der „Alben-
fürst" schmiedet sich eiserne Flügel, mittels derer er gleich den Schamanen
nach der Rache an König Nidung davonfliegt. Auch wenn Wieland den
Söhnen des Königs die Köpfe abschneidet und aus den Schädeln Trink-
geiäße fertigt, erinnert dies an östlichen Gebrauch und an Schamanisches7.
Siegfried, dann Mohammeds David und Salomon rücken wie von allem
1
B. Neumann in: Arch, für Eisenherst. i, 241!.; R. J. Forbes, a. O. 462. Fehlen
des Schmelzstahles: R. J. Forbes, a. O. 409. Ebenda über den nordischen Naturstahl.
a
L. Malten in: Archäol. Jahrb. 1912, 2331.; F. Altheim, Griechische Götter im
alten Rom (1930), 172f.; B. Hemberg in: Eranos 50, 42!, besonders 45!.
8
Sure 34, .
4
Sure 2i, 80 (81); 34, 10 (9—10).
5
Ibn al-Kalbl im Pferdebuch 5, 5! Levi Delia Vida.
8
H. Findeisen, Schamanentum (1957), 95.
7
Als der fan-yü der Hiung-nu Lau-shan den König der Yüe-chi geschlagen hatte
und dieser gefallen war, ließ der Sieger aus dem Schädel des toten Gegners eine Trink-
schale fertigen. Die Quellen zu diesen Ereignissen gibt G. Haloun in: ZDMG. 91 (1937),
245 Anm. 3—4; 7. Weiteres bei H. Findeisen, a. O. 220 Anm. 32; F. Altheim, Attila
und die Hunnen (1951), 160.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 203

Dämonischen oder Unterweltlichen, so auch von jeder Art Schamanentum


weit ab. Sie sind königliche Schmiede, und es wird sich zeigen, daß die Hun-
nen, entgegen ihrer Herkunft, nicht den Schmiedeschamanen, sondern den
Schmiedekönig gekannt haben.
Zu den glänzendsten Stücken8 von Firdausis Sähnäme gehört der Sturz
des teuflichen Dahhäk durch den Schmied Käva. Dieser hatte seinen Leder-
schurz an einen Lanzenschaft gesteckt und so die Fahne des Aufruhrs gegen
den Drachenkönig erhoben. Aus dem einfachen Schurzfell jenes Schmiedes
wurde das Reichsbanner von Iran, dirafS-i käviyän. Jeder, der zum Thron
gelangte:
„Jenes wertlose Schmiedefell
Behing neu um mit Perl und Juwel
Mit seidenen Stoffen, stets herrlicheren;
So ward es der käviyäni-Stern,
der in der Nacht eine Sonne war,
Die Hoffnung der Welt und Wonne war"9.
Nach anderen handelte es sich um ein Bären- oder Löwenfell, das man
solcherart mit Gold und Juwelen verzierte10. Als das Reichsbanner bei
IjCädisiya 636 an die Araber fiel11, waren Schlacht und Hauptstadt verloren.
Wie alt die damit umrissene Vorstellungswelt war, zeigt das Avesta.
Im Horn Yäst12 wird von dem Stierbanner (gaoS.drafSö) gesprochen, und
wieder ist das Schurzfell des Schmiedes, das spätere Reichsbanner18, ge-
meint. Danach scheint, als habe es aus Rindsleder bestanden, vielleicht gar
einen Stier oder Stierkopf im Felde geführt oder als Bekrönung getragen14.
Drapsaka in Baktrien, das auch als Darapsa, Adrapsa oder Drepsa er-
scheint16, lag an der Stelle des heutigen Kunduz1'. Die Stadt trägt das

8
Th. Nöldeke in: Gnmdr. Iran. Philol. 2 (1896—1904), 166.
• Bd. i, 47 der Rückertschen, i, 65 f. der Mohlschen Übersetzung. In der so-
wjetischen Ausgabe von C. B. Banu, A. Lachuti und A. Starikow (1957), · 77 —r776·
10
Al-Hwärizmi, mafätih al-'ulüm 115, 3 f. van Vloten.
11
Tabari, ann. i, 2337, 8f.; Balädori 264, if. (Kairo 1319/1901).
12
Yt. io, 14.
u
Chr. Bartholomae Altiranisches Wörterbuch 771 f.
14
Chr. Bartholomae, a. O. 772. Vergleichbares bei F. Altheim, Rom. Religions-
gesch. i (1951), i7f.; Altheim-Stiehl, Finanzgesch. der Spätantike 3351.; 3661.; P.
Paulsen in: Arch. f. Kulturgesch. 39 (1957), 36f.
15
Strabon 516; 725; Ptolem., geogr. 6, 12, 6; 8, 23, 13; Amm. Marc. 23, 6. 59;
Arrian. 3, 29, i; Tomaschek, RE. 5, 1699; vgl. 4, 2152.
1
J. Auboyer in: Harvard Joum. Asiat. Stud. 3, 221 Anm. 24.
204 KULTURELLES ERBE

Banner (avest. draffa-) im Namen. Das gemahnt an Balch selbst, das im


Vendidäd17 „mit aufgerichtetem Banner" heißt. Der Begründer der sasa-
nidischen Dynastie fand das Schurzfell im Feuertempel von Istahr wieder18.
Dementsprechend erscheint ein solches Banner auf den Münzen der per-
sischen Frätadära, neben dem Feuertempel stehend19.
Diraß-i käviyän führt auf avest. kavay-, als Titel dem eines Königs
gleich20. Die Käviyän stehen in der sagenhaften Urzeit an der Spitze aller
iranischen Herrschergeschlechter. Als kavay-, mittelpers. kdy, bezeichnen
sich Sasaniden auf ihren Münzen (darüber gleich), und auch in Ostiran
selbst, der Heimat des Schmiedes Käva, hat sich ein Herrscherhaus nach
ihnen genannt.
Es sei nochmals an das „Stierbanner" (gaoS.draßö) des Mihir Yäst er-
innert. Ihm zur Seite darf man, diesmal im nördlichen Nachbarland Bak-
triens, awestisches gäüm yim suydö.Sayansm21 stellen. Also ein Land oder
wohl eher eine Stadt der Soghder, die mittels einer Ableitung von gav- als
gava- bezeichnet istaia. Sie ist die iranische Vorgängerin der Stadt Buchara,
die in der alttürkischen Inschrift des Kül tägin als bitqaraq erscheint,
wiederum mittels einer Ableitung von alttürk. buqa- „Stier" gebildet22.
Eben für Buxärä läßt sich die Bezeichnung eines Herrschers belegen, darin
dieser sich als Nachkomme des Käva bezeichnet.
Bei den Münzen von Buchara darf als sicheres Ergebnis verbucht werden,
daß die älteren Lesungen Buhär Huddäi oder Buhär Hud Känä hinfällig
sind. Zur Erörterung steht nur noch ein Vorschlag: pwy'rywßk'y = Buxär
xuß käi „King-Emperor of Bukhara". Hier kann man zustimmen bis auf
die Deutung der letzten Worte, genauer: des letzten Zeichens.
In k'y erkannte man mittelpersisches kai, geschrieben kdy. Da der Münz-
typus die Nachbildung einer Prägung Bahräms V. Gör ist, da ferner der
Titel kdy auf den Prägungen der Sasaniden —zuerst unter Säpür III., dann
17
Vd. i, 6.
18
F. Sarre in: Klio 3, 358f.
19
Sarre-Herzfeld, Iran. Felsreliefs (1910), 4 Anm. i; K. Erdmann, Das iranische
Feuerheiligtum 20 Taf. 6a; J. Wiesner in: Germanien 1943, 16; dazu die Beilage:
Chronologie der Frätadära.
20
Chr. Bartholomae, a. O. 442 f.
21
Vd. 1,4; vgl. Yt. , 14.
ala
Dazu H. W. Bailey in: Transact. Philol. Soc. 1945, 14 ISr. 22.
22
Zur Frage: F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 111 f.; dagegen R. Frye
in: Gnomon 1953, 492; Erwiderung bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 277
Anm. 2; erneut dagegen R. Frye in: Harvard Journ. Asiat. Stud. 19 (1956), io6f.;
unsere Antwort: Finanzgesch. der Spätantike 366f.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 205

besonders unter Peröz und Yazdgard II. —· erscheint, hätten die Herrscher
von Buchara den sasanidischen Titel in seiner mittelpersischen Form über-
nommen23. Mittelpersisch kdy aber mußte im Soghdischen durch k'y wieder-
gegeben werden24.
Demgegenüber lassen sich eine Reihe von Einwänden vorbringen:
1. Der Münztypus Bahräms V., der zugrunde liegt, enthält den Titel
kdy nicht.
2. Es ist nicht einzusehen, inwiefern kdy, auf den Prägungen Peröz' und
Yazdgard's II. begegnend, für die über zwei Jahrhunderte später
(632—6342B) herausgekommene Emission der „intermediate Bu-
khärän imitations"2 maßgebend wurde.
3. Die Übernahme eines sasanidischen Titels kann nur durch besondere
Umstände bedingt sein. Diese bleiben im unklaren.
4. Auch die mittelpersische Dialektform bleibt in Buchara auffällig.
Es kommt hinzu, daß nicht kdy erscheint, sondern k'y.
Diese Schwierigkeiten müßte man vielleicht hinnehmen, wenn die Le-
sung korrekt wäre. Aber auch da stellen sich Bedenken ein.
Man beruft sich darauf, der letzte Buchstabe habe „in some of the oldest
specimens" die Form des y, welche genau die der alten soghdischen Briefe
sei. Diese entstammen dem Beginn des 4. Jahrhunderts27, die Prägungen
aber — daran sei nochmals erinnert — etwa den Jahren 632—634. Diesmal
beträgt der Abstand über drei Jahrhunderte. Nicht die Schrift der alten
Briefe, sondern das jüngere soghdische Alphabet müßte verglichen werden.
Es kommt hinzu, daß die angezogene Prägung28 nicht eine der ältesten,
sondern eine der jüngsten aus vor'abbäsidischer Zeit ist. Die älteren Stücke
aber zeigen ein anderes Bild, nämlich rechts einen senkrechten, nach links
unten ausschwingenden Strich, und davon getrennt, einen kurzen nach
rechts geöffneten Winkel29: Die verbundene Form ist also nicht die älteste,
28
W. B. Henning bei R. N. Frye, Notes on the Early Coinage of Transoxania,
Numismatic Notes and Monographs Nr. 113. The American Numismatic Society 1949.
21
W. B. Henning, a. O. 28.
15
J. Walker. BMC., Arab.-Sasan. Coins i62f.
26
J. Walker, a. O. LXXXVI f.
27
W. B. Henning in: BSOS. 1948. 6nf.
28
J. Walker, a. O. pi. XXVIII b 5.
19
J. Walker, a. O. pi. XXVIII b i und 2. Dem entsprechen an späteren Prägungen
pi. XXIX —4; 8; 10. Es handelt sich überall um zwei getrennte Zeichen. Wenn pl.
XXVIII b 5 nur ein Zeichen vorliegt, ist es durch Ungenauigkeit der Prägeform ent-
standen.
206 KULTURELLES ERBE

wohl aber die einzige, und acht unverbundenen Belegen gegenüber scheidet
sie aus. Von einer Lesung y kann dann nicht die Rede sein, denn ein y, das
den unverbundenen Formen entspräche, gibt es nicht.
Es kommt hinzu, daß die in sowjetischen Museen befindlichen Exem-
plare diese Auffassung bestätigen30. Ganz auszuscheiden hat die Form eines
geraden oder gebogenen, schräg abwärts verlaufenden Striches, die in einer
Reihe von Fällen erscheint31. In ihr spiegelt sich lediglich die zunehmende
Verschlechterung der Münzlegende. Was bleibt, läßt sich nur als k'wy lesen.
Die Lesung entspräche einer Vrddhiform zu avest. kavi- oder *käva- (in kavä-
rasmän- Yt. Yt. 13,103): *käviya-. Avest. kaoya- wird zuweilen mit langem
Vokal in erster Silbe geschrieben31»: kävayeheca xvarenanhö mazdadätahe
Yt. i, 14. Im Soghdischen ist eine solche Form nicht belegt. Aber
die Bildung eines avestischen *käviya-, kävaya-, kaoya- ist grammatisch
einwandfrei, und der angesetzten soghdischen Form begegnen keine Be-
denken82. Die Herrscher Bucharas leiteten sich demnach von der mythi-
schen Dynastie ihres Landes ab. Sie taten das ohne sasanidische Vermitt-
lung, denn für Ostiran war nichts natürlicher, als sich auf einheimische
Könige zu berufen33.

8(1
M. M. Jawii, der sie behandelt und ihre Legenden wiedergegeben hat (Trudy otd.
istorii, kultury i iskusstva vostoka 4, 2o6f.), rechnet eindeutig mit zwei, nicht mit einem
Zeichen. Auch das ausgezeichnete Exemplar, das W. A. Liwsic, K. B. Kaufmann und
J. M. Diakonow in ihrer letzten Behandlung abbilden (Westnik drewnej istorii i, 1954,
150f.; Taf. , zu S. 156), gibt zwei Zeichen: w und y. Daran ändert auch die Tatsache
nichts, daß die sowjetischen Forscher (ohne Kenntnis von Hennings Bemerkung),
wieder känä lesen. Vielmehr sind Aleph und y auf der Münze deutlich geschieden (a. O.
157). Neuerdings hat R. N. Frye sich nochmals zur Frage geäußert: Harvard Journal
of Asiatic Studies 19 (1956), 109. Er gibt Hennings Lesung auf und kehrt zu A'«"
zurück. Er hat übersehen, daß das zweite und vierte Zeichen verschieden sind und daß
das dritte genau dem w von ywß entspricht. Die Abbildung ist ganz klar, und Berufung
auf Autopsie oder (nicht veröffentlichte) Abgüsse ändert nichts daran.
31
W. B. Henning bei R. N. Frye, a. O. 27.
31a
Chr. Bartholomae, Altiranisches Wb. 431.
32
Wir danken O. Hansen für freundliche Beratung.
33
Auf unsere früheren Darlegungen in: Porphyrios und Empedokles (1954), 45f.
hat jetzt R. N. Frye in: The American Numismatic Society Museum Notes 7, 234^
geantwortet. Er gibt zu, daß die Lesung Hennings k'y „suspect" sei. Wir wissen dieses
Eingeständnis zu schätzen. Was die von ihm vorgeschlagene Lesung k'n' angeht,
(Henning selbst scheint neuerdings zu schwanken: Handb. d. Oriental. 4, 53 Anm. 2),
so vgl. oben. Bei dieser Gelegenheit sei der Beitrag Hennings in: The American
Numismatic Society Museum Notes 7, 231 f. richtig gestellt. Es handelt sich um die
chwärezmische Münze, die R. N. Frye, Notes on the Early Coinage of Transoxania
(1949) pi. 2 abgebildet und die wir in: Porphyrios und Empedokles 47! besprochen
8. DER K NIGLICHE SCHMIED 207

F r die Hunnen, die seit dem hephthalitischen Einbruch erstmals mit


der iranischen Welt sich ber hrten, hat die Vorstellungswelt, die zuvor um-
rissen wurde, gewaltige Bedeutung gewonnen34. Sie wurde dann den Nach-
folgern der Hunnen und den T rken berhaupt vermittelt.

Gegenstand der folgenden Betrachtungen bildet eine Reihe Herrscher-


bezeichnungen: ostt rkisches qayan und qapyan; hephthalitisches h k n
sowie protobulgarisch.es KCCUKCCVOS, καυχανο$ und κοατχανης1. Anla zu
erneuter Besch ftigung gibt ein Aufsatz, darin D. Sinor* eigene Deutungen
vorgelegt hat.
Sinors These ist die Trennung von qapyan und *qavqan, *qapqant dieses
belegt in καυκανος, καυχανος, καττχανης, capcanus. Er will qapyan von
gap- „to attack" ableiten3, w hrend er *qavqan, *qapqan als Intensivform
von qan zu verstehen w nscht *. Ausgangspunkt ist f r ihn die Beobachtung,
da die angef hrten griechischen Formen ein altt rkisches *qapqan, *qab-
qan, *qavqan spiegeln6, w hrend der bergang von γ zu q erst eine ost-
t rkische Erscheinung sei, die vor der zweiten H lfte des n. Jahrhunderts
nicht auftrete*. Da καυχανο$ und capcanus bereits im 9. Jahrhundert be-
gegnen, hingegen ein bergang von q zu γ sich nicht nachweisen lasse,
m ten qapyan einerseits und *qavqan, *qapqan andererseits getrennt
werden.

haben. W hrend R. Fryes und Hennings Lesungen sich auf ein einziges Exemplar st tzten,
stand uns noch das des Wiener M nzkabinetts zur Verf gung. Danach ist weder die
Umzeichnung Frye's (a. 0.21 Zeile 5) noch die Hennings (a. O. 232 Zeile i) korrekt. Es
steht i*w§br und sonst nichts da. Die sprachliche Erkl rung ist von uns in: Porphyries
und Empedokles 48 gegeben: wir haben ihr nichts hinzuzuf gen. Damit entf llt
S wai-fan(n), das ohnedies Bir nls berlieferung (Chronol. 36, 7) gegen sich hat.
34
Nicht auf awest. kavay-, mitteliran. kav l t sich altt rk. qam „Schamane",
das auch in hunnischem Άτοχαμ und Έσκαμ begegnet (G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2,
78; 117; H.-W. Haussig in: Byzantion 23, 1953, 360), zur ckf hren. H. H. Schaeders
dahin gehende Ansicht (Abh. Gott. Gesellsch. der Wissensch. 3. F. 10, 1934, 82) er-
mangelt der lautgeschichtlichen Begr ndung.
1
Angaben bei Moravcsik, Byzantinoturcica 2, 140 f.
2
In: JRAS., 1954, i 74 f.
8
a. O. 181.
« a. O. 182 f.
5
a. O. 176; 181.
• a. O. 180.
208 KULTURELLES ERBE

F r den ostt rkischen Lautwandel γ zu q beruft sich Sinor auf C. Brockel-


manns: Ostt rkische Grammatik i, 44f. Aber er hat bersehen, da A. v.
Gabain in einem Nachtrag zur zweiten Auflage ihrer: Altt rkischen Gram-
matik7 festgestellt hat: „Dieser ,ostt rkische' Laut bergang ist schon in
der Handschrift in manich ischer Schrift T III D 260 eingetreten, von der
ein Teil als Turk. Turfan Texte III, ein weiterer in Bang's, Manich. Erz h-
lern S. 24—25 ver ffentlicht worden ist". Zum bergang von auslautendem
γ zu q wird der im Anlaut des Suffixes (unten S. 211) treten.
Von Bedeutung ist weiter, da armenische Quellen f r altt rk. qayan,
χαγανοζ die Form xak'an aufweisen8. Wieder kommt man in fr here
als die von Sinor behauptete Zeit. Sebeos schreibt um die Mitte des 7. Jahr-
hunderts. Noch weiter zur ck f hren arabische Quellen. Tabari9 nennt in
einem Bericht, der auf das sasanidische K nigsbuch zur ckgeht, bereits
unter Bahr m V. G r (420—438) „H k n, K nig der T rken", will sagen:
der Hay tila. Ein solcher H k n kehrt unter Per z, Kav o L, Chusr I.
An sarv n und in der Geschichte Bahr m C bins st ndig wieder. Das be-
sagt : *qaqan ist fr her bezeugt als qayan, χότ/ανος. Liegt ein Wandel von q
zu γ vor ? Das h ngt mit der Etymologie zusammen, wird also noch zu unter-
suchen sein.
Immerhin zeichnet sich ein erstes Ergebnis ab. Lautgeschichtlich l t
sich nichts gegen einen altt rkischen Wandel γ > q sagen. Auch ein Wechsel
von q und γ ist in der Schreibung belegt, bedarf indessen noch der Kl rung.
Schwerer scheint ein anderer Einwand Sinor's zu wiegen: qfiyn ist dort, wo
es in der Inschrift des Tonyuquq erscheint, nicht als Titel gesichert. Denn
in der allein berlieferten Verbindung qap(a)yan qayan kann das erste Wort
als Eigenname aufgefa t werden10. Gewi , aber eine N tigung dazu besteht
nicht. K. H. Menges hat auf solche doppelten, zuweilen dreifachen Titel
hingewiesen11. Tonyuquq selbst ist boyla baya tarqan; in den protobulga-
rischen Inschriften begegnen ζουπαν τάρκανο$, ocyorroup βαγαι[νο$],
βογοτορ βοηλα κολουβρος, κάνα βοιλα κολοβρο$, βοηλα καυχανος.
7
a. O. zu S. 51. 9 ν. u.
8
G. Moravcsik, a. Ο. 2, 280; W. B. Henning in: BSOS. 14, 501 Anm. i; K. H.
Menges, The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian Epos 33.
• Ann. i, 863, ιοί.; dazu F. Altheim, Aus Sp tantike und Christentum 107f.
(unrichtig W. B. Henning, a. O. 501).
10
D. Sinor, a. 0.178. Seinen Zeugnissen ist hinzuzuf gen A. v.Gabain in: Anthrop.
48. 543 „K nig Qapayan".
11
Byzantion 21, 93; 97; 98f. Dagegen V. BeSewliew in: Ural-Altaische Jahrb.
30, 98 f.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 209

Auch die Etymologie von qapyan bleibt offen. Sinor12 bemerkt von
seinem Vorschlag: "Whether, in fact, it is right neither I nor anyone else
can decide. Such etymologies are hardly susceptible of proof". Anders liegt
es mit Sinors Ableitung von *qapqan13. Er versteht dieses als Intensivform
zu qan. Gebildet wie qap-qara zu qara, täptärim zu tärim, würde *qap-qan
gegenüber qan "something like very royal" besagen14. Doch nur bei Adjek-
tiven ist die Deutung einwandfrei, und es fragt sich, ob sie sachlich gerecht-
fertigt ist. In Gegensatz zur Etymologie von qapyan glaubt Sinor bei
*qapqan, capcanus den Nachweis erbringen zu können16.
Die fränkischen Reichsannalen berichten unter dem Jahre 8051 :
Non multo post capcanus, princeps Hunnorum, propter necessitate™,
populi sui imperatorem adiit, postulans sibi locum dari ad habitandum inter
Sabariam et Carnuntum, quia propter infestationem Sclavorum in pristinis
sedibus esse non poterat. Quem imperator benigne suscepit—er at enim capcanus
christianus nomine Theodorus — et precibus eius annuens muneribus donatum
redire permisit. Qui rediens ad populum suum pauco tempore transacto diem
obiit. Et misit caganus unum de optimatibus suis, petens sibi honorem anti-
quum, quem caganus apud Hunos höhere solebat. Cuius precibus imperator
adsensum praebuit et summam totius regni iuxta priscum eorum ritum caga-
num habere praecepit.
Sinor übersetzt princeps Hunnorum mit "the chief of the Huns"17. Er
folgert: "It is clear that after Theodore's death the caganus, who thus was
certainly not the supreme chief of the Avars, wished to ask for a higher title;
and I surmise that the second caganus stands for capcanus. The context
clearly asks for this emendation".
Zunächst die handschriftliche Überlieferung. An der Stelle, wo Sinor
zu ändern wünscht, ist caganus einheitlich überliefert; nur E 3, nach dem
Stemma18 nicht in Betracht kommend, gibt capcanus. Die Überlieferung
spricht bereits entscheidend gegen Sinor's Vorschlag.
Aber auch der Sinn empfiehlt die Änderung nicht. Princeps Hunnorum
ist nicht "the chief of the Huns" (gemeint sind die Awaren), sondern „ein

12
a. O. 8 .
13
a. . 182 f.
14
a. . 183.
15
a. O. 183.
· MGH. , SS. . 192; Quartausgabe (Neudruck 195°) ·
" a. O. 183.
1
. VIII der Quartausgabe.
14 Altheim, Hunnen I
210 KULTURELLES ERBE

Häuptling der Hunnen". Auch kann keine Rede davon sein, daß caganus,
der die zweite Gesandtschaft schickt, einen höheren Titel zu haben wünscht.
Er erbittet honorem antiquum quem caganus apud Hunos höhere solebat.
Also eine Stellung, die von früheren Titelinhabern besessen wurde, aber
danach verloren gegangen war. Jetzt erhält sie summam totius regni iuxta
priscum eorum ritum. Nicht also Änderung eines Titels, sondern Herstellung
seines früheren Ranges.
Im hohen Rang des qayan stimmen alle Zeugnisse überein. Die arabi-
schen hat W. Barthold19 zusammengestellt, die türkischen K. H. Menges20.
Es ist also nichts mit Sinor's Textänderung. Dann ist es auch nichts mit seiner
Etymologie von *qavqan. Sinor ist zugestoßen, daß er gerade die Stelle zum
Beweis aufruft, die für das Gegenteil zeugt. Nicht capcanus, sondern caganus
war die höchste Würde und wird als solche hergestellt.
Nach dem Scheitern von Sinors Versuch, *qapqan aus dem Türkischen
zu deuten, darf die iranische Ableitung des Titels geprüft werden.
Zwei Vorschläge stehen zur Erörterung. H. H. Schaeder21 betrachtet
qapyan als ältere Form von qayan. Er verwies auf parthisch kav „König"
und leitete den türkischen Titel von einem adjektivischen *kävakän „könig-
lich" her. O. Szemerenyi22 modifizierte angesichts von Sah Sähän diese Deu-
tung dahin, daß er *käv kävän „König der Könige" zugrunde legte und
*kävän durch frühe Kontraktion zu *kän werden ließ. Dem schlössen sich
die Verfasser23 (mit einer gleich zu nennenden Abweichung) an und ver-
wiesen auf Menander Protector fr. (HGM. 2, 1871,
ed. W. Dindorf, p. 16).
Zum bisherigen Material tritt jetzt das Zeugnis der buchärischen Münzen
hinzu.
Szemerenyi hatte *qarqan von *käv kävän abgeleitet. Angesichts der
neuen Lesung k'wy auf den buchärischen Münzen äußerte er sich uns gegen-
über (brieflich 18. n. 1954) dahin, daß „käv wohl unmöglich sei. Die be-
zeugten Formen stammen augenscheinlich alle von kavi-, nicht kam-.
Weitere Schwierigkeit bleibt, daß die Wortfolge *käv kävän der von Sähän

19
Enc. Isl. 2, 875.
20
The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian Epos 34!.;
Byzantion 21, 92.
21
ZDMG. 82, XCV.
22
F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache 83.
23
F. Altheim, Attila und die Hunnen 96; Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der
Hunnen 28 f.
8. DER KÖNIGLICHE SCHMIED 211

sah entgegengesetzt ist. Vielleicht ist deshalb ratsam, zu Schaeders Her-


leitung von adjektivischen *käväkän — ich möchte schreiben: *kävikäna
zurückzukehren".
Auf der anderen Seite ließe sich statt *käv bezeugtes parth. kav „Riese",
früher „König", ansetzen. Also *kav kavän, was dann zu *kavkän wurde24.
Der Hinweis auf die umgekehrte Reihenfolge sähän Sah wird durch Saonano
sao der Münzen Kaniskas und khotan-sak. gyastänu gyastä „Gott der
Götter" verstärkt. Demgegenüber steht xfäyadiya x&äya&iyänäm; es könnte
in der Wortfolge von akkad., Sarr Harr (an) e beeinflußt sein, so daß allein
bleibt26.
Der Entscheid hängt davon ab, ob man armenisch xak'an, arabisch
häkän von *qavqan, *qapqan trennen will oder nicht. Sinor ist der zweiten
Meinung, wie er denn auch *qapqan und qapyan trennt. Daß dafür seine
Etymologie von *qapqan nicht ins Feld geführt werden kann, hat sich
gezeigt. Auch angesichts des Gegenüber von *qavqan ( , $)
und *qapqan ( ) mit *qaqan (häkän, xak'an), sodann von qapyan
mit qayan ( ) stellen sich Bedenken ein. Offenkundig liegen Doppel-
formen vor. Das Nebeneinander von *qapqan, *qabqan und *qavqan hat
Sinor anerkannt. Aber wie stehen diese Formen zu qapyan und qayan ?
Vom Wechsel qjy wurde bereits gesprochen. Wenn die denominalen Suffixe
+qaq, +qu, +qa als +yaq, +yu, +ya erscheinen2', so konnte *qapqan
auch qapyan neben sich haben, zumal *-qan sich als denominales Suffix
verstehen ließ27. Eine Folgerung schließt sich an. Wie äwril- „sich drehen"
zu an'/-28, quwrat- und qubrai- „aufhäufen" zu qurat- wurde, so auch *qavqan
zu *qaqan, dem seinerseits ein qayan zur Seite treten konnte 28 ».
Arabisch häkän, syrisch kägan (mit Älaf in erster Silbe geschrieben)8e
beweisen Länge auch des ersten Vokals. Da Ersatzdehnung bei Ausfall von
w unbeweisbar bleibt, muß bereits die Stufe *kävkän Vokallänge in erster
Silbe besessen haben. Das würde von *kav kavän weg und zu *kävikän hin-
führen.
Der türkische und hephthalitische Titel, dessen verschiedene Formen
zuvor behandelt wurden, bezeichnete demnach seinen Träger als Nach-
M
F. Altheim, a. O. 96; Altheim-Stiehl, a. O. 28.
is
Auch diese Bemerkungen gehen auf O. Szemerenyi (brieflich 14. 4. 1955) zurück,
26 27
A. v. Gabain, a. O. 55 § 37. A. v. Gabain, a. O. 60 § 48.
28
A. v. Gabair, a. O. 56 § 39.
28a
Michael Syrus z, 21 (379, 1. Spalte, Zeile 30 syr. Chabot).
29
Chr. Bartholomae. Altiranisches Wörterbuch 442 f.

212 KULTURELLES ERBE

kommen eines *k viya-, eines „jKaw'-entsprossenen", wie zuvor gesagt


wurde. Die qayan h tten sich demnach als Nachkommen des Herrscher-
geschlechtes der iranischen Vorzeit gef hlt.
Doch daneben steht die Ableitung von *k va-. Avest. gao$ drafs
war zuvor zu g m yim suyo . sayanem und zum Namen von Bux r , alt-
t rk. buqaraq gestellt worden. Alle tragen den Stier im Namen. Sollte qayan,
qapyan, καύχανος statt auf *k vik n nicht auf *k vak n zur ckgehen ?
Also nicht auf den „K<m'-entsprossenen", *k viya, sondern auf die Nach-
kommen des Schmieds K va, rnittelpers. K vak? Noch bei Firdausi ist
k viy n (k vay n) von k vay n deutlich geschieden30. Dann hatten sich die
Tr ger des Titels als Nachfahren jenes Schmiedes betrachtet, der das Stier-
banner erhob.
F r diese Ansicht k nnte sprechen, da Ibn Hurd dbeh in einem
Kapitel, darin er die Bezeichnungen (alk b) der K nige Chor s ns und des
Ostens aufz hlt31, vom K nig Samarkands als dem tarh n spricht32. Die
oft fehlerhafte Handschrift der Bodleiana (B) weist die Form tarh n auf,
und diese kehrt als Bezeichnung des K nigs von Samarkand bei Bir nl33,
als solche des vonSuyd beiNersahi33» wieder. Zur zweiten Form l t sich nur
soviel sagen, da nach Stephanos von Byzanz34 die Ταρκυναΐοι ein Volk der
Hyperboreer bildeten, παρ' ols οί γρυπές τον χρυσόν φυλάσσουσιν. Die
Sage von den goldh tenden Greifen verweist in den sibirisch-mongolischen
30
P. H rn in: Grundri der iranischen Philologie i, 2 (189—1901), 46.
31
39, ιοί.
32
40, 4-
33
Chronol. 101, 20 Sachau. Es sei auf die daneben in Bir m's Liste begegnenden
t rkischen Titel verwiesen: h kdn ιοί, i; hat na (von Sachau f lschlich han ta ge-
lesen) ιοί, 2; s l (dazu Th. N ldeke, Geschichte der Perser und Araber 123 Anm. 2;
Kud ma 262, i de Goeje) ιοί, 22. Hat na als mul ku t-turki l-guzzlyati wird sich von
altt rk. xatun, qatun nicht trennen lassen. In der letzten Er rterung ber die Herlei-
tung dieses Titels (R. N. Frye, The History of Bukhara, 1954, ι ιοί.; dagegen Altheim-
Stiehl, Supplementum Aramaicum 113 f.) wurde dieses Zeugnis vergessen. Eines Hin-
weises noch bedarf: tdn ιοί, 17 mit der Erkl rung mul ku ί-s ii. In $ £ und Nachbar-
schaft sa en t rkische St mme: Kud ma 262, 2 f . ; vgl. 3. H.-W. Haussig in Altheim-
Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1957), 22 na* τουδουνο$, tudun zuletzt behandelt
und es in der Verschreibung Gostun der protobulgarischen F rstenliste erkannt. Man
wird danach bei Bir ni no, 17 tudun zu vokalisieren haben (ebenso R. N. Frye,
a. O. 132). Schlie lich kabb r 102, i als mul ku s-sak libafi: Dazu zuletzt K. H. Menges
in: Byzantion 17 (1944—45), 273!; F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache 87!.
33a
R. N. Frye, The History of Bukhara (1954), 41; 45; 46; 58; 132 Anm. 167.
34
Ρ· 693 Mein. (Hinweis H.-W. Haussigs; vgl. Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten
der Hunnen 27); H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 359.
8. DER K NIGLICHE SCHMIED 213

Bereich36. Dort gab es zwar keine Ταρκυναΐοι als Tarquinier36, wohl aber
konnte es ein Volk geben, in dessen Name altt rk. tarh n wiederkehrt. Wie
dieses sich zu dem Titel tarxan verhalten mag, ist noch ungekl rt37. Wenn
auch nicht bei den Hephthaliten38, so doch bei Protobulgaren, Vorg ngern
und Nachfahren der europ ischen Hunnen, ist ταρκανος, τάρχανο$, τρακανος
belegt89. Auch ber dessen Bedeutung besteht kein Zweifel.
Da ist zun chst die Bezeichnung eines W rdentr gers. Doch daneben
begegnet eine zweite Bedeutung, und sie ist f r die vorliegende Betrach-
tung wichtig40. Im Cayataischen bedeutet tarxan, tarqan, darxan „Hand-
werker, Meister"; im Mongolischen darxan „Schmied, Meister, Handwerker";
im Kalm kischen darxan, darxn „Schmied" und im Ordos „Handwerker,
K nstler". Man steht demnach erneut der Tatsache gegen ber, da ein
Herrscher und hoher W rdentr ger als Schmied bezeichnet wird. Die Ab-
leitung von qayan, qapyan, κανχανο$ von *k vak n „Nachkomme des
Schmiedes K va(k)" gewinnt damit an Gewicht.

Noch ein hunnischer Titel l t sich unmittelbar aus der Sogdiane her-
leiten, und dadurch mag das Gesagte erg nzt, zugleich auch best tigt
werden.
35
A. Alf ldi in: Gnomon g, 566f.
3
* K. H. Menges dahingehende Aufstellungen (The Oriental Elements in the Voca-
bulary of the Oldest Russian Epos 56 und Anm. 143) bed rfen keiner Widerlegung.
37
R. Ghirshman, Les Chionites-Hephthalites 26 Anm. i mit Literaturangaben.
R. N. Frye in: Harvard Journ. of Asiat. Studies 14 (1951), I24f.; The History of
Bukhara 132; H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 359.
39
R. Ghirshmans Lesungen der hephthalitischen M nzlegenden (a. O. 23 f.) haben
sich nicht berall halten lassen: O. Hansen bei F. Altheim, Aus Sp tantike und Chri-
stentum 84f. Auch Nr. 23 fig. 27 RV. (= J. Walker, a. O. 128! Nr. 247—254) ist allein
ταρπα, nicht ταρκα gew hrleistet. O. Hansen glaubt das erste mit Sicherheit auf dem
Photo des Exemplars aus dem Britischen Museums zu erkennen, das Walker uns zui'
Verf gung gestellt hat. ber den Rest der Legende schreibt Walker unter dem 14. 3. 58:
„I think you will find that Dr. Ghirshman's transcription of the legend (a. Ο. 24, Nr. 21)
is by no means certain. I do not believe that the coins have anything to do with Tarh n
Niz k. I have been unable to read the legend completely but I do not think that one
of the names is that of the province of Gozagan. You might care to refer to my article
in the Numismatic Chronicle for 1952 pp. io8ff.".
39
K. H. Menges in: Byzantion 21 (1951), 93f.; 99.
40
Die folgenden Angaben nach K. H. Menges, The Oriental Elements 55 f.
'214 KULTURELLES ERBE

Priskos1 berichtet, wie sehr die Hunnen verdrossen habe, daß von ost-
römischer Seite Theodosios II. als Gott, Attila aber nur als Mensch ange-
sprochen wurde. Sollte ein hunnischer Herrscher göttlichen Charakter be-
ansprucht haben ? Dazu könnte stimmen, daß der Akatzire Kuridachos
dem Auftrag, sich an Attilas Hof zu begeben, sich mit der Wendung ent-
zieht, daß es für einen Menschen schwer sei, vor das Antlitz eines Gottes
zxi treten. Sei schon nicht möglich, die Sonnenscheibe anzuschauen, wieviel
weniger dann, ohne Schaden sein Auge auf den größten der Götter zu rich-
ten2. Dazu stimmt, daß auf den Münzen der Hephthaliten der Herrscher als
<ypi ßccyo = sri bagö erscheint3.
Schon das iranische Wort verweist darauf, daß die Hephthaliten sich
hier eine Bezeichnung angeeignet haben, die unter ihren Untertanen üblich
war. In den alten soghdischen Briefen II—VIII werden Höhergestellte mit
ßyw xwfw angeredet4. Mehr noch haben die soghdischen Urkunden vom
Berge Mugh erbracht5. Der letzte Herrscher ( ) von Usrüsana mußte
in dem Prozeß, der ihm 218 H./84O gemacht wurde*, zugeben, daß die Briefe
seiner Untertanen die herkömmliche Anschrift trugen: „An den Gott der
Götter, von seinem Diener N. N., Sohn des N. N." Das Herrschaftsgebiet
des affin von Usrüsana reichte bis Chodschend und an den Oberlauf des
Zarafsän, umfaßte also Teile der Sogdiane; dort ist der Titel affin auch in
späterer Zeit belegt7. Die Übereinstimmung der ihm gegenüber gebrauchten
Formel mit der der alten soghdischen Briefe „An den Gottherrn . . . ge-
schrieben von seinem Diener" ist augenfällig. Nur daß der affin nicht ein-
facher ßyw xwfw, sondern „Gott der Götter" war.
Von der zuletzt genannten Formel ergibt sich der Übergang zum
, als der Attila von Kuridachos angeredet wird. Die Wendung kann
kaum anders verstanden werden als jener „Gott der Götter", der dem aßln
von Usrüsana galt. Alttürkisches bay, bag geht, wie anerkannt, auf altira-

1
Bei Konstant. Porphyrogenn., de legat. 123, 24 f.
2
Ebenda 130, 20 f.
8
H. Junker in: Sitz. Ber. Akad. Berlin 1930, 645f.; R. Ghirshman, Les Chionites-
Hephthalites 44 f.
4
H. Reichelt, Die soghdischen Handschriftenreste des Britischen Museums 2, 13f.;
de ch vgl. W. B. Henning in: BSOS. 1948, 604 Anm. 2.
5
B. Spuler, Iran in frühislamischer Zeit 357 Anm. 15.
• Tabari, ann. 3, 1310, i8f.; E. G. Browne, A Literary History of Persia , 333;
E. Her^feld, Die Malereien von Samarra 85.
7
W. Barthold in: Encycl. Islam, i, 188; J. Marquart, Die Chronologie der alt-
türkisc'hen Inschriften 61; 72.
8. DER K NIGLICHE SCHMIED 215

nisches baga- zur ck8. Als zweiter Bestandteil begegnet es in protobulgar.


yab g9, weiter in βαγ, oyccvos oder ccycuvos der griechischen Inschriften10.
Attila kann, wenn man μέγιστος θεών sinngem bersetzen will, kaum
anders denn als b gl r b g angesprochen worden sein.

8
W. Bang in: Museon 38, 34.
' F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 206 (Sumen).
10
G. Fehor in: Archaeol. Hungar. 7, 145; 146; 154; J. Marquart, a. O. 40 Anm. L;
vgl. z; 26; K. H. Mengesin: Byzantion 21, 90; 93; 94!.; I.Dujcevin: Recue des
travaux de l'Acad. Serbe 59, Institut d'Etudes Byzantines 5, 64.
9. KAPITEL

TIERSTIL

i
Vom Tierstil bei den Hunnen sprechen, besagt, daß man mit einer nega-
tiven Feststellung zu beginnen habe. Einer reichen, teilweise überreichen
Zahl von Darstellungen, die, sich auf Tiere und Tierkampf beziehend, in
der Mongolei, im Ordosbogen, überhaupt an den chinesischen Nordgebieten
bis weit hinein nach Sibirien gefunden werden, begegnet auf hunnischer
Seite wenig — man möchte sagen: fast nichts. Haben die Hunnen in ihrer
mongolischen Heimat noch am dortigen Tierstil Anteil gehabt und dieses Erbe
im Verlauf ihrer Westwanderung aufgegeben ? Oder wiesen sie von Anfang
den Tierstil in der Kunst zurück? Die archäologischen Gegebenheiten
gestatten keine eindeutige Antwort. Der westliche Fund einer Ordosbronze,
auf der Tschuwaschen-Halbinsel bei Tobolsk l, liegt weit nördlich der Straße,
die die Hunnen gezogen sein könnten.
Bevor eine Antwort versucht werden soll, die von gänzlich anderen
Gegebenheiten ausgeht, müssen die Denkmäler besprochen werden, die man
lür das Bestehen eines hunnischen Tierstils angeführt hat. Zuletzt hat
J. Werner einiges dahin Gehörige zusammengestellt2. Es ist nicht eben viel:
da ist die Filigran-Zeichnung auf dem goldenen Schläfengehänge von
Werchne-Jablocno3; das Raubvogelmotiv an Waffen und Schmuck, die
menschliche Maske auf den Bestandteilen des Pferdegeschirrs und das auf
Schwertscheiden und goldenen Sattelbeschlägen begegnende Schuppen-
muster.
1
J. Werner in: Eurasia Septentr. Antiqua g, 262 oben.
2
J. Werner, Beiträge zur Archäologie der Attila-Zeit i, 69f.
3
J. Werner, a. O. 2 Taf. 30, 50; 66, 2.
9. TIERSTIL 217

Daß die Darstellungen von Werchne-Jablocno und die sarmatischen,


mit Gold verkleideten Bronzefiguren von Ust-Labinskaja4 Übereinstim-
mungen zeigen, trifft zu. Der Baum mit einem Vogel auf der Spitze ist
beiden gemeinsam, ebenso das Auftreten von Steinbock und Hirsch oder
Elch. Aber Ust-Labinskaja hat die Besonderheit, daß auf den Zweigen des
Baumes gleichfalls Vögel sitzen, und daß das unterste Zweigpaar in Stein-
bockprotomen ausläuft. Heranziehung des späthellenistischen Diadems von
Nowotscherkask am Don6 bringt keine Erklärung, sondern nur eine neue Va-
riante. Denn diesmal sitzen die Vögel nicht auf dem Baum, sondern an
anderer Stelle, auf dem Reif des Diadems.
Vermutungen, was gemeint sein könnte, sind ebenso leicht wie unver-
pflichtend. Da sich nicht sagen läßt, welche Art Vogel gemeint ist, bleiben
der Weltenbaum mit dem Himmelsadler, der „Adlerbaum der alten Perser",
die Weltesche Yggdrasil mit dem „vielwissenden Adler" Odins, der Adler
als Weltschöpfer auf den Schamanenbaum und was sonst an mythologischer
Apparatur aufgeboten wird*, bestenfalls Möglichkeiten, wahrscheinlich nicht
einmal solche. Da zwei der vergh'ebenen Darstellungen sarmatischen Ur-
sprungs sind, wird die Filigran-Zeichnung von Werchne-Jablocno, wenn
wirklich die Übereinstimmung der beiderseitigen Darstellungen schlüssig
sein sollte, schwerlich auf sibirisches Schamanentum führen. Weniger sagt
sie über hunnische Religion aus als darüber, was man von den ansässigen
Sarmaten übernommen habe. Auch die Frage, ob es sich um „Totengerät"
oder „Zaubergerät eines sarmatischen Schamanen" handelt, stößt beim
Stand unseres Wissens ins Leere. K. Meuli7 hat bei Herodot Anzeichen
skythischen Schamanentums beobachtet; der entsprechende Nachweis für
die Sarmaten steht aus. Vielmehr zeigt der Name der Goltescytha, den lor-
danes erhalten hat8, daß noch im 4. nachrichtlichen Jahrhundert die Skythen
und wie es scheint, nur sie und nicht ihre sarmatischen Nachfolger, als die
großen Schamanen gegolten haben. Endlich haben die bekannten Bronze-
figuren mit menschlicher Maske auf der Brust, aus Perm und Westsibirien,
mit Sarmaten nichts zu tun. Sie geben eine osttürkische Vorstellung, das
„Wegfliegen" (MC-) oder „Fliegen" (uca bar-} des Toten wieder. Dazuge-

4
J. Werner, a. O. -z Taf. 66, 3—5.
5
J. Werner, a. O. -z Taf. 32, i.
• J. Werner, a. O. i, 70f. Dazu H. Findeisen, Schamanentum (1957),
7
Hermes 70 (1935), 125!.
8
Get. 116; darüber vgl. den Nachtrag S. 220 f.
218 KULTURELLES ERBE

höriges ist an anderem Ort zusammengestellt9; nachzutragen wäre noch die


Bestattung allein des Kopfes bei den Mongolen, worüber die „Geheime
Geschichte" mehrfach berichtet10.
Mit der Annahme eines hunnischen Schamanismus wird man gleichfalls
vorsichtig sein müssen. Gewiß ist im Namen des Hunnenprinzen
(Ataqam)11 das alttürkische qam „Schamane" enthalten12. Auch werden
die hunnischen Seher (arusfiices), gut more solito nunc -pecorum fibras, nunc
quasdam venas in abrasis ossibus intuentes vor der katalaunischen Schlacht
deren ungünstigen Ausgang verkünden13, sich von ähnlichen Praktiken des
mittelasiatischen Schamanentums kaum trennen lassen14. Aber im Ganzen
genommen spielt dergleichen eine geringe Rolle, ist es dem suchenden
Auge eben noch erkennbar. Das bezeichnende Gerät des mittel- und nord-
asiatischen Schamanen, die Handtrommel oder die Pauke15, hat zwar
weiteste Verbreitung gefunden. Bei den Hunnen hingegen fehlt sie voll-
ständig.
Nicht mit der Tuba, sondern mit dem Tympanon wurde bei den Par-
tnern das Zeichen zum Angriff gegeben18. Als der zweite Tag der Schlacht
bei Karrhai heraufkam17, ertönten im Morgengrauen die Kriegspauken. Sie
waren mit Leder überspannt und von ehernen Schallbecken umgeben, die
ihren Klang mit dem der Pauke vereinigten. So entstand jenes furchtbare
und tiefe Dröhnen, das die Römer mit tierischem Gebrüll und mit dem
Grollen des Donners verglichen. Im indischen Heer des Chandragupta er-
1
wähnt Megasthenes die , und noch die Sasaniden hatten,
im Gegensatz zur römischen Tuba, die Pauke beibehalten19.

* Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 345f.; abwegig H. Findeisen,


a. O. 93.
10
P. Poucha, Die Geheime Geschichte der Mongolen. Archiv Orientälni Suppl.
1956, 181.
11
Priskos bei Konstant. Porphyrogenn., de legat. 122, 18.
12
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 360 Anm. 313.
13
Jordan., Get. 196.
14
E. Haenisch, Die Geheime Geschichte der Mongolen 167 Anm. 272; A. Kühn in:
Artibus Asiae 5, 149f.; M. Hermanns, Die Nomaden von Tibet 86; F. Altheim, Attila
und die Hunnen 135.
15
G. Nioradze, Der Schamanismus bei den sibirischen Völkern 79f.; H. Findeisen,
a. O. 148!; H. Haslund-Christensen, Jabonah 260f.; 266.
18
lustin. 41, 2, 8; Plutarch., Crass. 23, 9.
17
Plutarch., Crass. 23, 8f.
18
Strabon 708.
19
Agathias 3, 25 p. 196 Niebuhr.
9. TIERSTIL 219

Trommel und Tympanon treten überall dort auf, wo sich Bezauberung,


Hingerissenheit und ekstatischer Taumel entfalten. Die Parther ergingen
sich im Tanz zu Flöte, Pfeife und Tympanon, wenn sie des Weines voll
waren20. Noch in der Hand der Tänzerinnen sasanidischer Zeit war das
Tamburin ein Werkzeug der Berückung und Bezauberung21.
In China spielte die Trommel, oft mit Blut beschmiert, seit der Chou-
Zeit eine Rolle22. Gräber der frühen Han-Zeit aus Yünnan haben große
Bronzetrommeln erbracht23. Als das Reich derHan die nomadische Kampfes-
weise übernahm, wurden erneut Pauke und Trommel verwandt24. Die chi-
nesische Reiterei eröffnete unter ihrem Wirbel den Kampf26. Wieder be-
schmierte man, um die Wirksamkeit zu erhöhen, die Trommeln gleich den
Schwertern mit dem Blut getöteter Feinde26. Eine Tonfigur aus der Zeit
der nördlichen Wei (386—534) zeigt eine Doppelpauke, die beiderseits des
Sattelbugs angebracht ist27. Die herrschende Schicht der Wei setzt sich
vorzugsweise aus Türken zusammen28, und bei diesen begegnet erneut die
Trommel.
Tabari berichtet, wie die mittelasiatischen Türken des 7. Jährhunderts
den Kampf 29 durch drei Reiter mit Pauken30 eröffneten. Tabl, der dafür
gebrauchte arabische Ausdruck (syr. tablä, , akkad. tabälu, tapälu)
entspräche der türkischen Bezeichnung, die Mahmud al-Käsyari als tovil
gibt31. Im mittelpersischen Roman des Ardaser kann 2, 2 statt tanbür nach
dem Schriftbild durchaus tubul, tußul gelesen werden32. neben tovll
20
Herodian. 4, n, 3.
21
E. Herzfeld, Am Tor von Asien 95; M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5, 183;
iig. 17.
82
B. Schindler, Priestertum im alten China i, 19; 21; 31; F. Kussmaul in: Tribus
1952 u. 1953. 324*·
23
R. C. Rudolph in: Archeology 1958, 237. Dazu E. v. Erdberg Consten, Das alte
China (1958) Abb. 17,
24
A. Wyliein: Journ. Anthrop. Inst. 10, 54; J. J. M. de Groot, Chines. Urkunden
zur Geschichte Asiens i, 137; 234; E. Chavannes, Documents chinois dccouverts par A.
Stein 228; 231; A. Conrady, Die chinesischen Handschriften und sonstigen Kleinfunde
Sven Hedins in Loulan 136 Nr. 106.
25
E. Chavannes in: T'oung Pao N. F. 7, 220.
26
J. J. M. de Groot, a. O. i, 183.
27
Berliner Ausstellung chinesischer Kunst (1929), Nr. 277.
28
P. Pelliot, La haute Asie n ; H. H. Schaeder, Iranica. Abh. Gott. Gott. Ge-
.sellsch. d. Wiss. N. F. 10, 45; 48; L. Bazin in: T'oung Pao 39, 228f.; 322f.
29 ao
Tabari, ann. i, 2687, if. Ebenda i, 2688, 2f.
31
C. Brockelmann, Mitteltürkischer Wortschatz (1928) 214.
32
H. S. Nyberg, Hilfsbuch des Pehlevi 2, 223; Th. Nöldeke in: Bezzenbergers
Beitr. 4, 41 Anm. 4.
220 KULTURELLES ERBE

scheint das am Hof von Byzanz bewahrt zu haben, von dem das
Zeremonienbuch berichtet33. Die Spieler rufen, während sie mit Stöcken
auf ihren Schild schlagen, das Wort aus, das sich als Bezeichnung
der Trommel verstehen ließe.
Im Gegensatz dazu stehen, wie angedeutet, die Hunnen. Sie kennen weder
Trommel noch Pauke. In Attilas Lager ertönen nach der katalaunischen
Schlacht die Tuben, deren Klang lordanes34 mit dem Gebrüll des Löwen
vergleicht. ,,Tief wie ein Stier" brüllen in Aischylos' Edonen die Verehrer
des Gottes Dionysos: es ist „wie der Ton einer schwer erschütternden
Trommel"86. Dem stierhaften Ton der Trommel tritt der löwenhafte der
Tuba entgegen. Vom Gebrauch der einen zu dem der anderen führte nach der
Vorstellung des Altertums ein weiter Schritt. Dionysos' Heer soll sich auf
dem Zug gegen Indien des Tympanon bedient haben, denn noch war die
Trompete nicht erfunden8'. Die Hunnen hatten jenen Schritt zu ihrem Teil
vollzogen. Sie wußten nichts mehr von der Trommel oder der Pauke37.

NACHTRAG
lordanes1 verzeichnet die Völker des Nordens, die der Gotenkönig
Ermanarich seiner Herrschaft unterworfen hatte. Die Reihe fremdartiger
Namen hat von jeher das Nachdenken beschäftigt. Seitdem sich erwiesen hat,
daß unter M er ens die Tscheremissen2, unter Mordens die Mordwinen und
unter Thiudos in Aunxis (so zu schreiben) die Tschuden in Finnland zu
verstehen seien3, durfte nicht länger gezweifelt werden, daß man wertvolle
Angaben vor sich hatte. An Versuchen, den Rest zu enträtseln, hat es nicht
gefehlt. Auf die Gefahr hin, den Scherbenhaufen der Vermutungen um eine
weitere Scherbe zu vergrößern, sei der erste Name der Reihe ins Auge gefaßt.
Die ältesten lordanes-Handschriften geben gothescytha HVa, goiescitha O,
gothi scythas B (wobei H dem 8., V dem 9. Jahrhundert angehören). Trotz-
dem hat Mommsen goltescytha vorgezogen, wie ich glaube, mit guten Gründen.
38
p. 381! Reiske, besonders 382; 5; 384, .
34
Get. 212. Es sei an das keltische Vorbild erinnert: Polyb. 2, 29, 6.
35
Fr. 57, 6; 8f. Nauck 2 .
36
Diod. 2, 38, 6.
37
Weitere Einwendungen gegen J. Werners religionsgeschichtliche Aufstellungen:
Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1958), 357f.
1
Get. 116.
2
H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen (1922), 245!.
* Müllenhoff in Mommsens Ausgabe 165 s. v.
9. TIERSTIL 221

Denn während die genannten Zeugen sich auf die zwei ersten Klassen des
Stemmas4 verteilen, gehören die übrigen allen drei an. Wozu kommt, daß
Goltescytha als lectio difficilior ohnedies den Vorrang verdient.
Im zweiten Teil des Namens hat man den der Skythen zu erkennen.
Zweifel, der geäußert wurde6, gründete sich auf mangelnde Kenntnis des
Ossetischen. ist, wie man gesehen hat6, der gräzisierte Plural zu
altpers. saka-, griech. (Plural)7. Im Ossetischen hätte er *skuiä zu
lauten, zum Singular *sakä, *säkä gehörig. Vergleichen ließe sich osset.
stgutä zu stäg „Knochen". Hinzuweisen wäre darauf, daß gegenüber lat.
Scythae unser (Gölte-)scytha die originale Form *skutä bewahrt hat.
Aussichtslos scheint zunächst die Etymologie des ersten Namen-
bestandteiles zu sein. Unter dem ossetischen Sprachbestand will sich kein
vergleichbares Wort auftreiben lassen. Doch unter Voraussetzung eines
Wechsels von k' und g 8 könnte man bei golthe- an k'oltä in west-osset.
k'oltä-moltä „watschelnd, wackelnd"9, weiterhin west-osset. k'ulux „lahm"10
und osset. K'ulux „lahm, hinkend"11 denken. Freilich blieb das Semasio-
logische noch zu klären.
„Watschelnde" oder „wackelnde Skythen" — denn so wäre zu über-
setzen — bezeichnet eine Gangart, die irgendwelche Besonderheiten auf-
weist. Ob der drastische Sinn, der heute dem Worte anhaftet, ursprünglich
war, darf bezweifelt werden, wenn man annimmt, daß a vest. *skar- in
skärayat- - „der den Streitwagen kreisen läßt" und skarsna- „rund"12
zugrundeliegt. Osset. k' in echtossetischen Wörtern weist stets auf Nach-
barschaft eines s hin13. *Skarya- stünde neben *karya- wie avest. skarana-
neben Waxi kard „gekrümmt"14. Der Wandel von ry zu / wird nach dem
oben S. 59 Gesagten keine Schwierigkeiten machen16. Die „watschelnden"

• Mommsen, a. O. LXXII.
5
Müllenhoff, a. O. 160 s. v.
• W. Miller, Die Sprache der Osseten 42.
7
Chr. Bartholomae, Altiran. Wörterbuch 1554.
8
W. Miller, a. O. 27 § 26 Anm.
• W. Miller, Osset.-russ.-deutsches Wörterbuch 2 (1929), 734.
10
W. Miller, a. O. 742.
11
W. Miller, a. O. 743.
12
Chr. Bartholomae, a. O. 1587; iibersoghd. 'skrwß sw- 'to stumble*: I. Gcrshevitch,
A Grammar of Manich. Sogdian 55 § 366.
13
W. Miller, Die Sprache der Osseten 27 § 25, 4.
14
Chr. Bartholomae, a. O. 1587 s. v. skarana-.
15
W. Miller, a. O. 36 § 42, 2.
222 KULTURELLES ERBE

oder „hinkenden Skythen" k nnten demnach im Tanze „kreisende Skythen"


gewesen sein.
Tanz der Skythen erw hnt Herodot an der Stelle, da er von ihrem Hanf-
Rausch spricht1*. Von den Drehungen und Spr ngen der Schamanen wei
man; ebenso davon, da sie wie ein B r gehen, wie ein Stier auf allen Vieren
laufen17. Daneben ben sie den „Gang der Tiere", nicht nur den „Schritt
des B ren"; berhaupt beruht ihre choreographische Kunst auf der Nach-
ahmung des wilden Getiers18. Das Bild von Skythen, die in Tanz und Schritt,
notfalls im Watscheln und Hinken sich vorf hren, zeigt ein schamanistisch
bestimmtes Volk.
Vielleicht darf man noch einen Schritt r ckw rts gehen. Herodot19 sagt
von den Skythen: σύμττασι 5έ είναι όνομα Σκολότους, *ro βασιλέως
έττονομίην. Welcher K nig gemeint war, zeigt das vorangehende Kapitel20.
Danach ergiff Koloxais, j ngster Sohn des Targitaos, das goldene, vom
Himmel gefallene Ger t (Pflug, Joch, Streitaxt und Schale) und sicherte
sich so das K nigtum. Koloxais' Stamm hie hinfort Γίαραλάται, was
mit leichter nderung (*Παρα5άται) zu avest. para- ta- „vorangestellt"
geh rt21. Zweiter Namensbestandteil in Κολόξαι$ ist avest. xt y- „herr-
schen", w hrend der erste sich zu Σκολό-ται stellt. Erneut h tte man die
Anlautsdublette sk und k, k'-: wie avest. *skar- und Waxi kard, skaraya-
und k'ott , k'ulux, st nden auch Σκολόται und Κολό-ξαι$ nebenein-
ander. Schon in Σκολόται, nicht erst in Goltescytha w ren die Skythen als
die schamanistischen T nzer bezeichnet worden.

Doch kehren wir zum Tierstil zur ck. — Vielseitige Verwendung der
Vogelk pfe l t sich im hunnischen Fundinventar feststellen. Sie zeigen
sich an Halsringen, Riemenzwingen und Bronzeschnallen, am Scheide-
mundst ck und Ortband der Langschwerter, an Stirnschmuck und Trensen-
knebel des Zaumzeugs. Man hat mit Recht die H ufigkeit des Auftretens
16
i, 102.
17
U. Harva, Die religi sen Vorstellungen der altaischen V lker (1938), 559f.
18
M. Eliade, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik (1957),
19
4,6.
!0
4.5-
21
H. Lommel, Die Y schts des Awesta (1927), 170!.
9. TIERSTIL 223

unterstrichen; freilich ließ sich nur in einem Fall das „Ganzbild des könig-
lichen Vogels" feststellen1. Es wird nicht ersichtlich, was zur Annahme
führte, hier liege der Adler und nur er vor: Habicht und Falke besitzen bei
den Türkvölkern und ihren Nachbarn eine Bedeutung, die im vorliegenden
Fall übersehen ist2. Gänzlich ins Unbeweisbare gleiten Bemerkungen ab, die
von einem magischen Weltbild der hunnischen Führungsschicht, vom Adler
als höchster Gottheit und Schöpfer des Weltalls oder „schamanistisch ge-
prägter Form des Adlerkultes" sprechen3.
Auch hier liegt es so, daß die Adlersymbolik kein hunnisches Erbe,
sondern von anderer Seite übernommen ist. Übersehen sind die Adlerköpfe
auf den Schwertgriffen der Tetrarchen auf der Porphyrgruppe von S. Marco,
Venedig4. Bei dem um 300 entstandenen Werk ist hunnische Vermittlung
ausgeschlossen8. Adlerkronen tragen auf den Münzen der Sasaniden Ar-
daser I. (226—239), Säpür I. (239—272) und Bahräm II. (276—293)', aber
auch unter den Herrschern von Chwärezm der sogenannte Wazamar7.
Übernahme aus dem Iranischen zu erwägen legt die Tatsache nahe, daß
beispielsweise auch dem" Magyarischen und dem älteren Osmanischen der
Name eines anderen Raubvogels, des Habichts, aus dem Iranischen zuge-
kommen ist8. Die von J. Werner9 herangezogenen Kronen aus den Gräbern
von Südkorea fordern den Vergleich mit den gleichzeitigen Flügelkronen
der Sasaniden förmlich heraus.
Fragt man, was die literarische Überlieferung erhalten habe, so führt sie
von jeder Art Adlersymbolik weg. Das einzige Mal, da von einer Beachtung
der Vogelwelt gesprochen wird, wird der Storch genannt. Was man an ihm
bemerkt, ist sein Wissen um Zukünftiges. Priskos bei lordanes10 erzählt

1
J. Werner, a. O. 1,72.
2
M. van Berchem in: Berchem-Strzygowski, Amida (1910), 79f.; O. Szemerenyi
bei F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache 69f.; 79 Anm. i; M. de Ferdinandy in:
Anales de historia antigua y medieval 1954, 36f. ;Vernadsky-Ferdinandy, Studien zur
ungarischen Frühgeschichte (1957), 44!
8
J. Werner, a. O. 73; 74.
4
H. P. L'Orange, Studien zur Geschichte der spätantiken Portraits (1933) Abb. 32.
5
H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 55 Anm. 102.
• R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 59; Ausziehtafel i—3.
7
S. P. Tolstow, Auf den Spuren der altchoresmischen Kultur (Übers, von O. Meh-
litz 1953), 202 Abb. 60. Die Lesung bedarf der Nachprüfung.
8
O. Szemeronyi, a. O. 6gf.; 71 Anm. 3.
9
a. O. i, 74; 2 Taf. 32, 2; 67, 6.
10
Get. 220—r. Verfehlt E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 145,
der mit dem Bericht nichts hat anfangen können.
224 KULTURELLES ERBE

anläßlich der Belagerung Aquileias, daß der heftige Widerstand Stimmen


lautwerden ließ, die rieten, man solle von weiterem Angriff abstehn. Da
beobachtete Attila bei einem Erkundungsritt, wie Störche, die auf den Gie-
beln und Dächern (fastigia) der Stadt nisteten, entgegen sonstiger Gewohn-
heit ihre Jungen aus der Stadt landeinwärts trugen. Für ihn bedeutete dies
ein Zeichen, daß Aquileia zum Untergang bestimmt war, und er wußte seine
Überzeugung dem Heer mitzuteilen. Die Stadt wurde erobert und zerstört.
Fontäne, im siebenten Kapitel des „Stechlin", beschreibt das verfallene
Kloster Wutz in der Mark. Von einer „hochaufragenden mächtigen Giebel-
wand" heißt es: „Sie stand da, wie bereit, alles unter ihrem beständig
drohendem Niedersturz zu begraben, und nur eines konnte wieder beruhigen,
daß sich auf der höchsten Spitze der Wand ein Storchenpaar eingenistet
hatte. Störche, deren feines Vorgefühl immer weiß, ob etwas hält oder
fällt".
ffr Man wird die Worte eines Mannes nicht überhören, dessen geistige Vor-
aussetzungen mit denen Attilas nichts gemein hatten. Auch Fontäne spricht
von dem „feinen Vorgefühl" der Störche. Bei den Hunnen greifen jene aves
futurarum rerum providae (lordanes) in menschliches Geschehen ein. Wie
eine Kuh das verlorene Schwert des Kriegsgottes wiederfindet (unten S. 228),
wie Eingeweide und Knochen den Ausgang der Schlacht voraussagen, so
weisen diesmal die Störche den Weg. Bei Ibn Fadian11 sind es Kraniche,
die sich ähnlich betätigen. Durch ihr Schreien entreißen sie den Feinden der
Baschkiren den schon gewonnenen Sieg.
Auch das Auftreten von Schuppenmustern an Sätteln, Schwert- und
Dolchscheiden der Attilazeit beweist nichts für Adlerkult oder was immer.
Folgerungen, die man gezogen hat, können beiseitebleiben, nachdem die
Voraussetzungen fraglich geworden sind. Gewiß soll die Bedeutung, die
man dem Schuppenmuster aufgrund seines häufigen Auftretens zumessen
darf, nicht geleugnet werden. Aber es ist nicht klar, was es bedeutet, und
wiederum ist nicht einmal dies gesichert, ob es sich überhaupt um Gefieder
handelt.
Könnten es nicht ebensogut Schlangenschuppen sein? Die Bedeutung
der Schlange innerhalb des Tierstils zeigen die goldenen Plaketten aus
Peter des Großen Sammlung12. Auf ihnen kämpft sie mit dem Eber, und
11
42.
12
Zuletzt N. Fettich in: Acta archaeol. Hung. 2 (1952), 251 f.
9. TIERSTIL 225

dieser Kampf ist in nicht weniger als drei Darstellungen belegt18. Zweimal
ist der Schlangenleib geschuppt14, und die Bildung dieser Schuppen l t
sich in zwei weiteren F llen mit dem Gefieder des Adlers oder Greifen15
vergleichen. Ein wesentlicher Unterschied besteht nicht.
Zieht man f r die hunnischen St cke die M glichkeit in Betracht, es
k nnten Schlangenschuppen gemeint sein, so gelangt man in einen ver-
trauten Vorstellungskreis. Bes e doch die Schlange den Vorzug, da sie
innerhalb der hunnischen Eigennamen bezeugt ist. Seltsamerweise hat man
diese Namen, die doch eindeutige Aufschl sse geben, niemals herangezogen.
Μουγελ16 geh rt zu schriftmongolisch moyai „Schlange" mit denominalem
Adjektivsuffix +°l „zur Schlange geh rig, Schlangenmann"17. Und er-
innert sei an den Fragenbereich, der sich um qurt „Wurm", um den Namen der
Κερμιχίωνες „Wurm-hyaona-"18 und um Κροβατο$, *qoro-batu „F rst
des Wurmes"19 lagert.

Noch bleibt das vollendetste St ck des Tierstils zu besprechen, das inner-


halb des attilazeitlichen Tierstils sich erhalten hat. Gemeint ist der bronzene
Schwerttragb gel von Altlu heim in Nordbaden1. Sein Ende l uft in
einen Raubtierkopf, wahrscheinlich in den eines Wolfes, aus8. W hrend
sich innerhalb des hunnischen Namensschatzes nichts feststellen l t, was
auf den Adler verwiese, stellen sich sogleich drei Belege f r den Wolf ein.
Da ist zun chst der Name eines Hunnen aus Attilas n chster Um-
gebung: Βέριχος3. Man hat damit ost-osset. bir g, west-osset. ber y
„Wolf" verkn pft 4 . Eine eindeutige Etymologie des ossetischen Wortes

™ N. Fettich, a. O. 260 Abb. 9; 265 Abb. 15—16.


14
N. Fettich, a. O. 260 Abb. 9; 265 Abb. 15.
16
N. Fettich, a. O. 263 Abb. n; 266 Abb. 17.
16
So loh. Malal. 432, 12 Bonn. Varianten bei G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2,
i68f.
17
H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 25, der „Schlan-
genherrschaft" bersetzt.
18
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 355, mit einem Beitrag A. v. Gabain's.
" H.-W. Haussig, a. O. 430.
1
J. Werner, a. O. 2 Taf. 2, 2; 3,3.
2
Die Belege bei G. Moravcsik, a. O. 2, 88.
3
H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, a. O. 25.
4
Anders Th. Korsch in: Festschr. V. Thomsen (1912), 199.
16 Altheim, Hunnen I
226 KULTURELLES ERBE

ist noch nicht gefunden; naheliegende Ableitung von avest. vshrka-, altind.
vrka- begegnet lautlichen Schwierigkeiten. Indessen ließe sich der Über-
gang von ä zu i'6 sowie der von g, , älterem k zu aus dem Alttürkischen
erklären. Eine Schwierigkeit bildet der gotische Name Berig, Bench*. Ihn
trägt der Gotenkönig, der sein Volk aus Scandza nach Gothiscandza, aus
seiner schwedischen Heimat an die Weichselmündung geführt hat. Ließ
sich als alanisches Lehnwort innerhalb des Hunnischen verstehen,
so ist solche Deutung für Berig, Bench versperrt. Es sei denn, man nähme
an, der Name sei dem Urkönig verliehen worden, als die Goten schon in
Südrußland saßen.
Sodann ist der Protobulgare zu nennen7. Es läßt sich
kaum entscheiden, ob böri-tarqan oder böri-tägin zu verstehen sei. Jedenfalls
liegt alttürk. böri „Wolf" zugrunde, auch dann, wenn den ersten Bestandteil
der Name $, bilden sollte. Denn auch dieser bezeichnet den
„Wolf", gleich den noch zu besprechenden und Kurtb der bul-
garischen Fürstenliste. Daß und seine ossetischen Verwandten
eine Vorform zu böri (mit langem Vokal9 in erster Silbe) und somit dieses
9

ein Lehnwort gewesen sei, ist wahrscheinlich, aber lautgesetzlich vorerst


noch unerweislich.
Jetzt kommt der alttürkische Eigenname är-böri hinzu, den die Über-
setzung des „tocharischen" (B) Hymnus auf Vater Mani erbracht hat10.
A. v. Gabain war so freundlich, brieflich (unter dem 8. 4.1958) folgende
Erläuterungen zu geben: „Ausdrücke wie är-böri sind häufig, aber ich weiß
nie recht, was Name, Titel und was nur Attribut ist, während eine Apposition
weniger wahrscheinlich ist in den Türkdialekten. F. W. K. Müller, Zwei
Pfahlinschriften, Abh. Akad. Berlin 1915, 10 Z. 15 hat är tona; letztes über-
setzt al-KäSyari als .Tiger'; in den Inschriften und Handschriften kam es
meines Wissens nur in übertragener Bedeutung ,Held' vor. Ä r ist nicht nur
,Mann, Ehemann' sondern zumal auch ,Held', und damit auch .heldenhaft';
Radlotf im Wörterbuch gibt är täninä yät- (teleutisch) ,zum Mannestum
5
A. v. Gabain, Alttürk. Gramm.2 49 § 20.
' Jordan., Get. 25; 26; 94.
7
Dazu G. Moravcsik, a. O. 2, 94.
8
O. Pritsak, Die bulgarische Fürstenliste und die Sprache der Protobulgaren
( J 955) 94·' H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, a. O. 25.
' K. H. Menges, The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian
Epos 8 Anm. 13.
10
A. v. Gabain und W. Winter, Türkische Tnrfantexte IX, Abh. Dte. Akad. Wiss.
1956, 2, 192 Z. 114.
9. TIERSTIL 227

heranwachsen', är täni oder (lebedisch) tämi, (seherisch) täbi ,die Zeit, das
volle Maß des Mannes'. Also ist är tonat ein Heldenhafter ,ein Tiger', wobei
tona vielleicht eine Rangstufe bedeutet. Es ist auch oft vom är at, dem
.Helden-' oder .Mannesname' in den Inschriften die Rede. Grammatisch
ist es wohl die gleiche Konstruktion wie alp Sinyur (Pfahlinschr. 23, 13 =
23, 20) ,der Heldenhafte, der Jagdfalke', oder alp toyrul (Pf. 23, 13) ,der
Heldenhafte, der Jagdfalke'. Ein weiterer tierischer Vergleich, etwa als
Rang, ist yana .Elefant' (Pf. 10,16). — Nun gibt es auch Ausdrücke wie U
(= d) qaya (Pf. 10, 15 = 23, 17) und el toy an (Inschriften S. 304, 2; so zu
lesen, nicht bei). In recht alter Zeit wurden weniger Kasuswendungen ge-
braucht, und das blieb in den Bezeichnungen wohl formelhaft üblich. Daher
glaube ich, wir dürften verstehen als .Felsen für den (ganzen) Stamm' und
Jagdfalke für den (ganzen) Stamm'. Auch är böri kann man auffassen als
.Wolf (im Interesse aller) Helden'".
Endlich darf alttürk. qurt als Eigenname erwähnt werden. Das Wort
bedeutet, wie zuvor gesagt, den „Wurm", und in dieser Bedeutung läßt
es sich mit einer gutbezeugten alttürkischen Wortsippe verknüpfen11. Dem-
gegenüber steht die zweite Bedeutung „Wolf" ohne Parallele innerhalb des
Alttürkischen da. Merkwürdigerweise hat man der Sippe altpreuß. curtis,
lit. kitrfas, lett. kurts, russ. chori „Windhund" niemals gedacht. In Kurland
wird lett. kurts für den „herumstreunenden, abgemagerten Hund" gebraucht,
und ins Finnische ist das russische Wort als hurtta entlehnt worden. Es be-
deutet : „großer Hund, Teufels- und Höllenhund, Jagdhund" und wird auch
als Beiname des Wolfs verwandt12.
Im Namenschatz ist qurt reichlich vertreten18. Da kennt man die
Osmanen und (*qurt-oylu) sowie Kurtb der proto-
bulgarischen Fürstenliste, und in der Vita des Clemens von Ochrid 116, 2
Tunickij hat V. N. Zlatarski14 ( C) konjiziert.
Was bei dem Adler fehlt: die sprachliche und geschichtliche Entspre-
chung, stellt sich beim Wolf ohne Weiteres ein16. Geht man den hunnischen
Eigennamen weiter nach, so zeigt sich, daß tierische Bezogenheit auch sonst
hervortritt. Um zunächst in der Nachbarschaft des Wolfs zu bleiben, so
11
A. v. Gabain bei H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 355 Anm. 287.
M
Darüber zuletzt W. P. Schmidt in: Sybaris, Festschr. H. Krähe (1957). i29f.
1J
Die folgenden Belege bei G. Moravcsik, a. O. 150 f.
14
Istorija na Bslgarskata dSrzawa 2, 230.
15
Wolfssagen der T'u-kiu bei A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Armaftan.
(1955). 20.
15·
228 KULTURELLES ERBE

sind lordanes'16 Alpidzuri „Heldenhundf rsten, heldenhafte Hunde-


f rsten17": *alp-U-cor. Daneben steht das Pferd. Emmedzur18, * m cur zu
m „Pferd" ist der „Pferdef rst19". Ήμνήκος2' und μινικός sind „Stall-
meister"21: των ίτητοκόμων τον πρώτον, wie Johannes Skylitzes den
zweiten Namen erl utert22.
Von besonderer Bedeutung ist Σιγρίτζης, Name eines protobulgarischen
Heerf hrers23. *Siyor-iyiz meint den, „der dem Rinde folgt"24 (iy- und
deverbales Adjektivsuffix -°z26). Man kennt aus Priskos26 die Erz hlung
vom wiedergefundenen Schwert des Kriegsgottes, das Attila die Gewi heit
gab, zu Gro em berufen zu sein. Ein Kuhhirte, der das Hinken eines seiner
Tiere und als dessen Ursache eine Wunde bemerkte, ging der Blutspur nach
und fand im Boden jenes Schwert, das die Kuh durch Scharren halb frei-
gelegt hatte. Diese Kuh also gibt und erh lt den g ttlichen Hinweis (σημαί-
νειν . . . τον Οεόν), und indem der Hirte der hint erlassenen Spur folgt
(vestigia cruoris insequitur], wird auch dem Menschen Gewi heit zuteil.
Sozomenos27 berichtet als Variante zur Sage von der verfolgten Hinde, ein
von der Bremse gestochenes und darum w tendes Rind ( o v οίστροττληγα)
sei durch den Maiotischen Sumpf gelaufen und der Hirt sei ihm gefolgt
(έττηκολούθησε βουκόλος). Als er das jenseitige Land erblickte, habe er
davon gemeldet, und sofort h tten sich die Hunnen zur Eroberung auf-
gemacht.
Neben der Kuh wird sich die Hinde als F hrerin des Menschen erweisen.
Kuh und Hinde treten damit in ein auch sonst zu beobachtendes Neben-
einander. Den Tieren zur Seite mag die Landschaft stehen, darin sie leben.
18
Get. 126.
17
H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, a. O. 20; 26. oben S. 27. Weiteres ber die
Rolle des Hundes bei Hephthaliten und Protobulgaren an sp terem Ort; bei den Ger-
manen O. H fler in: Brauch und Sinnbild ιοί f.; P. Paulsen, Schwertortb nder der
Wikingerzeit (1953), 149 f.
18
lordanes, Get. 266 (Cod. A).
19
H.-W. Haussig bei Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 20; 24, 25.
20
Konstant, Porphyrogenn., De administr. 158, j Bonn; 32, 118 Moravcsik.
al
O. Pritsak, Die bulgarische F rstenliste und die Sprache der Protobulgaren 68 ;
H.-W. Haussig, a. O. 24.
22
99 Bonn.
23
Konstant. Porphyrogenn., De administr. 157, i Bonn.; 32,93 und 112 Moravcsik.
24
Nicht: „der das Rind f hrt" (H.-W. Haussig, a. O. 25).
25
A. v. Gabain, Altt rk. Gramm.2 76 § 135.
26
lordanes, Get. 183; Priskos bei Konstant. Porphyrogenn., De legat 142, iji.
27
Hist. eccl. 6, 37.
9. TIERSTIL 229

Sogleich zu nennende ostjakische und wogulische Lieder, die von der


Verfolgung des Elches durch die beiden Jäger, Vielfraß und Mensch zu-
gleich, geflügelt und ungeflügelt, künden28, spielen in Tundra und Taiga. Ein
weites Land, Schnee und wieder Schnee, aber mit dem Wild des Waldes und
Fischen gesegnet, tut sich auf. Gesträuch, Sumpfgras und Sumpf; Kiefern,
Weiden und Birken ; im Norden die spiegelnde, glatte Eisfläche des Meeres,
und am Ende der Welt berühren einander Himmel und Erde.
Die Rolle, die Sumpf und Meer, demnach das Wasser spielen, fällt auf.
Noch befindet man sich nicht in dem Bereich, darin die Nomaden, und
unter diesen die Hunnen im Besonderen, zuhause sind. Die Steppenzone
verläuft weiter südlich. „Zwischen Flüssen und Seen geboren, aafgewachsen
zwischen Pferden und Rindern", bekundet ein nomadischer Herrscher von
sich29. Diesmal treten Fluß und See, und in beiden erneut das Wasser,
hervor. Daß Pferd und Rind in hunnischen Namen begegnen, hatte sich
gezeigt. Aber auch Fluß und See haben ihnen beigetragen. Nach einer
unveröffentlicht gebliebenen Beobachtung P. Pelliots30, gehörte der Name
Cingisxans zu mongol. tengis „Meer", zugleich Bezeichnung des Baikal-
Sees81, und osman. denis. Der Wandel von t zu c ist dem Mongolischen eigen,
wo cicirä- ,, zittern" einem alttürk. titrä- entspricht. Auch köl tägin enthält
alttürk. köl „See". Mahmud al-Käsgari erklärt köl irkin unter Berufung
darauf, daß der erste Bestandteil „See" bedeute313. Im übrigen entspricht
alttürk. köl etymologisch einem mongol. , was indessen den „Fluß"
bezeichnet. Sollte der Name Attilas, den man seit jeher mit solchen des
Flusses oder bestimmter Flüsse wie , , , , türk.
Ätil zusammengebracht hat 32, auf diese Weise zu deuten sein ? Daß Attilas
Sohn = *demz-sig33 erneut nach dem Meere heißt, mag als Bestäti-
gung dienen.34 Makrizi läßt seinen Misräm in dessen fiktiver Inschrift

28
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i, 325 f.; darüber unten S. 232 f.
29
J. J. M. De Groot, Chinesische Urkunden zur Geschichte Asiens i, 72.
30
Das Folgende beruht auf Mitteilungen L. Bazin's.
31
E. Haenisch, Die Geheime Geschichte der Mongolen i; H. -W. Haussig: in
Byzantion 23 (1953), 361.
81a
Divanü lügat-it-türk i (o. J.), 108, 8 f.
32
G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2, 79 — 81; H. Krähe in: Festschrift F. Zucker
33
Die Varianten bei G. Moravcsik, a. O. 2, no.
34
H. -W. Haussig, a. O. 360 Anm. 318. Noch im heutigen Osraanisch sagt man:
kiveti denis kadar büyük dir oder: siyasi faaliyeti denis kadar derin dir (Hinweis von
J. Tahsin).
230 KULTURELLES ERBE

sagen, er habe „die furchtbaren Grenzzeichen an die strömenden Meere ge-


setzt, auf daß wisse, wer nach mir sein wird, daß keiner geherrscht hat,
der stärker war als meine Hände"34a. Wieder sind Meer und Macht, wie
selbstverständlich, einander zugeordnet.
Zuletzt muß der Großkatzen gedacht werden, die gleichfalls im Namens-
schatz der Hunnen und ihrer Verwandten Spuren hinterlassen haben.
'6 $35 ist der „graue Luchs"36, und hinter Sevar der protobulga-
rischen Fürstenliste steht Slbar, cibar „gefleckt, gescheckt", was sich auf die
Fellfarbe einiger Großkatzen bezieht37. Ihnen stellt sich der Vielfraß zur
Seite, ähnlich wie zuvor der Kuh die Hinde. Vielfraß und Hinde vereint
führen zu einer Landnahmesage, die, weit älteren Ursprungs, auch die
Hunnen in ihren Bann gezogen hat.

Langsam beginnen sich die einzelnen Etappen der Wanderung abzu-


zeichnen, die die Vorfahren der späteren Inder und Iranier von Transkau-
kasien über Armenien und Nordwestpersien in ihre spätere Heimat führte1.
Archäologische Funde lassen den Verlauf dieser Wanderung erschließen2.
Ausgangspunkt waren die Sitze an der unteren, vielleicht auch an der
mittleren Wolga3. Die Anwesenheit arischer Stämme ist dort durch Lehn-
wörter bezeugt, die sie in den finnisch-ugrischen Sprachen hinterlassen
haben4. Mordwin. azoro „Herr" geht auf arisches *asura- zurück, und im
Tscheremissischen erinnert das Wort für „Mensch"6 an das arische mar-
yannu, womit die Inder im oberen Mesopotamien, die noch zu nennenden Mi-
84
» Al-hitat 3, 12. 2 f. Wiet.
85
Priskos bei Konstant. Porphyrog., De legat 146, 18.
86
W. Bang in: Keleti Szemle 17 (1917), 114.
87
P. Pelliot, Oeuvres posthumes 2 (1950), 184 Anm. i; W. Bang, a. O. i24f.;
dazu qarayass. f'ibar ,,bunt": M. A. Castron, Versuch einer koibalischen und karagas-
sischen Sprachlehre (1857), 1033.
1
Das Folgende übernommen aus Weltgeschichte Asiens 2, 297f.; Literatur und
Gesellschaft 2, 28 f.
* R. Heine-Geldern in: Journ. Ind. Soc. Orient. Art 4, 87f.
8
H. E. Stier, Neue Propyl.-Weltgesch. i, 431.
4
H. Jacobsohn, Arier u. Ugrofinnen 22f.; 87!; 177!
8
H. Jacobsohn, a. O. 38; 183; 245.
9. TIERSTIL 231

tanni, ihre ritterliche Gefolgschaft bezeichneten6. Am unteren Kuban wohnte


bis in die letzten Jahrhunderte vor der Zeitwende das Volk der Sinder7, die
sprachlich und nach ausdrücklichem Zeugnis8 nichts anderes als Inder
waren*. Der Kuban (Cuphis, , ) selbst trägt einen indischen
Namen: er entspricht dem Kubhä, dem Nebenfluß des Indus (schon im
Rigveda belegt)10.
Über den Kaukasus müssen die Inder zunächst nach Süden gedrungen
sein. Das zeigt der indische Name des Croucasis11. Beim Durchmarsch durch
das Gebiet der daghestanischen Völker und der lesghischen Sprachen
nahmen sie die Endung -aSsil auf, die den Namen der indischen Schwur-
göttin Mitra und Varuna in dem Vertrag des Hethiterkönigs Suppilulima
mit dem Mitannikönig Mattiuaza angehängt ist: mitraSSil (mitraS&d) aru-
naSSU (uruwanaSSel)ia. Auf dem gleichen Weg brachten die Inder den Streit-
wagen mit. Darauf führt das Streitwagenbild von Berekadsch am Paß von
Derbend13. Das Steinkistengrab, auf dessen Platte die Zeichnung ange-
bracht ist, enthielt Tonware, die mit der von Kadschakend, nördlich von
Derbend, übereinstimmt. Durch ihre Verwandtschaft mit der schnurke-
ramischen Ware beweist sie den vorübergehenden Aufenthalt einer indo-
germanischen Gruppe, vermutlich der indischen Mitanni14, bei ihrem Zug
über den Kaukasus.
Die Heimat des Streitwagens ist in den Ebenen des südlichen Rußland zu
suchen15. Voraussetzung für seinen Gebrauch bildete ein flaches und baum-
armcs Gelände. Auf ihm gab der Wagen nicht nur ein wirksames Kampf-
mittel ab, sondern bestimmte auch die Form der Jagd. Von dem dahin-
sausenden Gefährt herab gewährte diese einen größeren Erfolg, als er den

• F. C. Andreas bei H. Winckler in: OLZ. 1910, 291; J.Friedrich, Reallex. f. Assy-
riol. i, 146; W.T.Albright in: Arch. Orientforsch. 6, 217; über -ni A.E. Speiser, Introd.
to Human (1941), i35f. (Hinweis von W. Brandenstein); C. Brockelmann, Lexic.
Syriac.1 401 l. f.
7
Strabon 495; B. Latyschew, Inscr. ant. Ponti Eux. 2 Nr. 6.
8
Hesych. s. v. . · P. Kretschmer in: Anz. Wien. Akad. 1943, 37f.
10
P. Kretschmer, a. O. 39 f.
11
Plin., n. h. 6, 50; P. Kretschmer in: KZ. 55, loof.
12
P. Kretschmer in: Anz. Wien. Akad. 1943, 36.
13
F. H.'incar in: Forsch, u. Fortschr. 1943, 3/4, 26!.; P. Kretschmer, a. O. 35f.
'14 F. Hancar in: Leipz. Vierteljahrsschr. f. SO.-Europa 1942, 247; P. Kretschmer,
a. O. 36. Über die Inder in Vorderasien: W. Brandenstein in dem Sammelband „Früh-
geschichte und Sprachwissenschaft" i34f.
16
O. Spengler in: Welt als Gesch. 3, 283; J. Wiesner, Fahren u. Reiten in Alt-
europa und im alten Orient 38; 44.
232 KULTURELLES ERBE

.Bogenschützen zu Fuß beschieden war16. Jagdtiere waren der Hirsch und


neben ihm der Elch. Das zeigen wiederum die arischen Lehnwörter in den
finnisch-ugrischen Sprachen. Wogulisches *$uorp, *$örp „Elentier" ent-
spricht altindischem sarabha-. Das Wort gehört wahrscheinlich zu lat.
cervus, althochdeutsch hiruz, altpreußisch sirwis „Hirsch". Als Grundform
wäre *sarvabha- anzusetzen, mit dem Tiernamensuffix -bho- wie in
zu , altkirchenslaw. jelen-, oder in altind. vfsabha- „Stier" zu vfsan-.
Das v von *sarvabha- wäre durch Dissimilation bei folgendem bh geschwun-
den. Die für das Wogulische zu erschließende Grundform sorp zeigt ein o
an der Stelle eines arischen a und indogermanischen 1 .
Damit ist man auf eine sehr alte Schicht des Arischen gestoßen. Ihr
gehört das Wort für den „Elch" an. Die einstige Bedeutung ist nur noch
dem Wogulischen zu entnehmen. Im Indischen bedeutet sarabha- ein Fabel-
tier mit acht Beinen, das dem Hirschgeschlecht angehört. Es ist der Gegner
von Löwen und Elefanten18. Auch bei den Wogulen handelt es sich nicht
um ein gewöhnliches Tier.
Denn der himmlische Elch, der den Menschen vom Firmament herab-
gesandt war, besaß eine besondere Gestalt: „Unser Vater Numi Tärem
sandte die ursprüngliche Tiergestalt des Elchsternes zur Zeit der Erschaffung
der Welt mit sechs Händen-Füßen durch seinen Zauber auf diese untere Welt.
In der Mitte seines Bauches hatte er noch zwei Vorderbeine. Ein gewönn-
licher Mensch vermochte ihn nicht zu verfolgen, nicht zu töten. Der Mensch
forderte deshalb den Waldkobold auf, den sechsfüßigen Elch zu verfolgen .. .
Dem Koboldsohn gelingt, die Elchkuh zu erlegen, aber der Elch mit den
Kälbern und Kälbinnen rennt verzweifelt weiter ... Wie der Koboldsohn
zu dem getöteten Tier kommt, ist es mit den sechs Händefüßen so groß, daß
es sich dreißig Flußufer, dreißig Flußlängen lang erstreckt. Er schneidet
die überflüssigen Beine ab und spricht zu seinem Vater Numi Tärem:
Verwandle dieses Tier zu einem vierhändig, vierfüßigen mit Deinem
Zauber!
Ich, der Mann, der ich ein rechter Mann bin, konnte dieses Tier noch
töten ;
Aber wenn die Welt des Menschenzeitalters ersteht,

14
J. Wiesner in: Pisciculi F. J. Dölger 311.
17
H. Jacobsohn, a. O. 57.
18
Petersb. Wörterb. 4, 94.
9. TIERSTIL 233

Wenn die Welt der Menschenzeit ersteht,


Wie wird man es dann töten können
In jener Größe, wie Du es erschufst ?
Soviel Männer Du auch haben magst, dieses Tier wird sie alle töten.
Das lendenverstümmelte Tier spiegelt sich nun als Gestirn am Himmel"19.
Eine weitere Sagenform liegt bei Irtysch-Ostjaken20 vor. „Euer heißt
die verfolgende mythische Gestalt Tunk-pox; er jagte die außerordentlich
schnell laufenden sechsfüßigen Elche schon während seines Aufenthaltes
im Himmel.. . Der Jäger holte das Tier ein, doch gelang ihm nur, die
beiden Hinterbeine des todmüden Tieres abzuschneiden. Er sagte: das
Menschengeschlecht wird kleiner und schwächer werden: wie wird es dieses
sechsfüßige Wild erlegen können, obwohl es mir eine leichte Arbeit ist ?
Der Elch und alles Wild habe von nun an nur vier Beine".
Längst wurde auf den indischen sarabha- verwiesen21. In der Tat
stimmen Name und Sache derart überein, daß die Gleichsetzung sich nicht
umgehen läßt. Die Ugrofinnen, deren Sprache arische Lehnwörter in reicher
Zahl bewahrt hat, gewinnen damit neue Bedeutung. Nicht nur uralte
Sprachformen haben sich erhalten: auch mythische Vorstellungen aus ari-
scher Zeit scheinen bei ihnen bewahrt zu sein. Der sarabha- war, wie dies
sein Name nahelegt, ein Cervide22. Daß im besonderen ein Elch gemeint
war, zeigt das Wogulische allein. Mit dem altindischen Fabeltier hat er
einen bestimmten Zug, die Zahl der Beine, gemeinsam, auch das eine Alter-
tümlichkeit. Nur wurde der sarabha- nicht mehr als Elch verstanden. In
Indien war dieser aus dem natürlichen Bereich ausgeschieden und der Welt
der Fabel anheimgefallen.
Eine Bestätigung und Ergänzung stellt sich ein, wenn man den Wander-
weg der indischen Stämme über den Kaukasus hinaus verfolgt. Ein Zweig
der Inder, die Mitanni, ging nach Süden und gründete sich eine Herrschaft
über die Churriter im nördlichen Syrien und Mesopotamien. Die erhaltenen
Königsnamen der Mitanni zeigen die arische Herkunft. Die Namen ihrer
Schwurgötter: des Mitra, Varuna, Indra und der Nasatya treten hinzu23.
19
B. Munkacsi, Vogul i^pköltesi gyüjtemeny (Sammlung wogulischer Volks-
dichtung) i, ccclxvii f. Die Übersetzung erfolgte 1940 durch das Altertumswissen-
schaftliche Institut der Universität Szeged unter Leitung von K. Keronyi. Sie ist voll-
ständig abgedruckt bei F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i (1952), 325f.
0 21
B. Munkäcsi, a. O. 311 v. 129! B. Munkacsi, a. O. 2, 3141.
22
H. Jacobsohn, a. O. 57.
28
J. Friedrich, a. O. i, 144.
234 KULTURELLES ERBE

Die Blüte der Mitanni iällt etwa 1600—1400. Sie brachten ihre überlegenen
Waffen, den Reflexbogen und die eiserne24 Streitaxt mit — vor allem aber
den Streitwagen und die von ihm unzertrennliche, hochentwickelte Pferde-
zucht25.
Im Bereich der Mitanni tritt der Elch erneut entgegen. Er erscheint
auf einer Gruppe von Reliefs aus dem Teil Halaf, die erst dem n. Jahr-
hundert angehören. Doch stilistisch und inhaltlich stellen sie sich noch zu
dem Bereich der mitannischen Kunst.
Im Nationalmuseum von Aleppo befindet sich ein Orthostatenrelief2e,
das einen Vierfüßler zeigt, der von rechts auf den Rücken einer nach links
gewandten und sich aufbäumenden Antilope springt. Man hat in dem Vier-
füßler einen Luchs erkennen wollen27. Dann hätte man den zuvor genannten
(oben 5.230) ' , den „grauen Luchs". Aber die Bildung stimmt
nicht überein, weder der gedrungene Rumpf noch die kurzen Extremitäten.
Daneben steht ein Stück gleicher Herkunft (Abb. i), in der Vorder-
asiatischen Abteilung der ehemals Staatlichen Museen in Berlin28. Hier ist
eine ähnliche Gruppe, aber im Gegensinn wiedergegeben. An die Stelle der
Antilope ist ein Cervide getreten. Am ehesten wohl ein Stangenelch, worauf
die breite Lagerung des Geweihs und die gleichmäßige Dicke der Geweih-
enden hinweisen. Auch die Hufbildung könnte für den Elch sprechen, der,
auf Sumpf- und weichem Waldboden lebend, gezwungen ist, die Schalen
zu spreizen. Nur der schmale Hals weicht ab, und doch ist der für den Elch
bezeichnende breite Ansatz vorhanden.
Ist das Erscheinen des Elches im Teil Halaf schon merkwürdig, so mehr
noch das Raubtier, das hinter ihm emporspringt. Auch da handelt es sich
um keine Gattung, die in Vorderasien heimisch ist. Dargestellt ist der Viel-
fraß (gido gulo), ein blutgieriger Räuber, der ausschließlich die nördliche
Zone bewohnt und dort zu den gefährlichsten Feinden des Rentieres und
des Elchs gehört29. Aufnahmen und Beobachtungen, die an dem ebenso
seltenen wie scheuen Tier auf Skansen bei Stockholm 1939 gemacht wurden,
24
C. F. A. Schaeffer, Ugaritica 107f.; O. Eißfeldt in: Hist. Zeitschr. 1943, 457
Anm. 2; vgl. 468.
25
J. Wiesner, Fahren u. Reiten 34; A. Moortgat in: OLZ. 1930, 852f.; P. Kretsch-
mer in: KZ. 55, 93 Anm. i; E. Forrer in: ZDMG. 1922, 254!.; P. Jensen in: SBAW.
, 3?6f.; H. Ehelolf in: OLZ. 1929, 327 Anm. 7.
28
G. Ploix de Rotrou, Le Musöe Nat. d. Alep. 68 Nr. 193; Abb. 36.
27
G. Ploix de Rotrou, a. O. 193.
28
Abgeb. Germanien 1941, 352 Abb. 6; uam.
29
J. G. Andersson in: BMFEA Stockh. 4, 261 f.; 307.
9. TIERSTIL 235

bestätigten eine seit langem gehegte Vermutung. Der Umriß von Kopf und
Rücken, der scheinbar schwerfällige, in Wirklichkeit höchst bewegliche
Körperbau, die Bildung der Tatzen und des Schwanzes beweisen für das
Relief von Teil Halaf die vollständige Übereinstimmung mit der Natur.
Als die Hunnen80 in die alte Welt einbrachen, da glaubten sie sich von
einer göttlichen Hinde geführt31. Sie wies den sie verfolgenden Jägern einen
Weg durch den Maiotischen Sumpf; dann verschwand sie. Das ganze Volk
der Hunnen ergriff die Waffen. Auf dem Weg, den die Hinde gezeigt hatte,
überschritt es den Sumpf, die Grenze Europas und Asiens. Die Sage steht
in der Völkerwanderungszeit nicht allein. Eugipp32 erzählt, daß Maximus
sich einst über die verschneiten Gipfel der Alpen zum Hl. Severin begeben
habe und dabei sei ihm durch einen Bären von wunderbarer Größe der Weg
gewiesen worden. Leupchis33, ein Vorfahr des Geschichtsschreibers der
Langobarden Paulus Diaconus, wurde aus awarischer Gefangenschalt durch
einen Wolf in seine italienische Heimat zurückgeführt. Beide Erzählungen
gehören zusammen34 und zeigen den Einfluß der Sage, die bei den Reiter-
stämmen Asiens beheimatet war, auf die Germanen. Weiter ist die Urform
der hunnischen Landnahme bei den Nord-Ostjaken erhalten36. Sie setzt an
die Stelle der Jäger den geflügelten und, als seinen Begleiter, den zu Fuß
gehenden Pästar-Menschen, an die Stelle der Hinde den Elch. Dieser wird
durch den geflügelten Pästsr erlegt, und durch dessen Tat findet das ganze
Pästar-Geschlecht eine neue Heimat. Der Name der Pästar oder Pasker
kehrt in einer Reihe ähnlicher Sagenformen bei den Ugriern des Ob-Ge-
bietes wieder. Immer bedeutet er den Vielfraß.
Der Name, den die beiden Jäger in der Mundart der mittleren Loswa
tragen, wird übersetzt mit „geflügelter Pasker" und mit „einsamer Sohn
mit der blutigen Hand". Der zweite geht in diesem Zusammenhang nichts
an. Pasker dagegen bedeutet nach den Angaben, die die Gewährsmänner
von der oberen Soswa machten, in der südlichen Mundart der Wogulen das
Päst9r-Geschlecht. „Man sagt", so erzählte einer dieser Gewährsmänner,
30
Zum Folgenden A. Alföldi in: Arch. Anz. 1931, 404^
31
Prokop., b. Goth. 4, 5, 7!.; lordan., Get. 24, i 2 2 f . ; Agathias 5, n p. 300 Nieb.;
vgl. Georg, Kedren, I p. 547 Bonn.; Sozom., h. eccl. 6, 37. Quelle ist Priskos.
32
v. S. Severini 29, 2—3. Grundsätzliches bei H.-J. Diesner in: Wissenschaftl.
Ztschr. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 7 (1958), 1170.
33
Paul. Diac., hist. Lang. 4, 37.
34
G. Baesecke, Vor- u. Frühgesch. d. dten Schriftt. i, 334.
35
A. Alföldi, a. O. 405; J. Päpay, Eszaki-ostjak nyelvtanulmanyok (Nordost-
jakische Studien) in der Serie: Finnugor füzetek 15, i66f.
236 KULTURELLES ERBE

„daß im Heldenzeitalter ein geflügelter Pästar lebte. Der konnte sehr schnell
laufen; wenn er zu laufen begann, ließ er das zu Fuß gehende gefüßte Tier
hinter sich, den mit Flügeln gehenden geflügelten Vogel hinter sich"3'.
Entsprechend lautet die Überlieferung des bei Obdorsk, am Poluj-Fluß
ansässigen Pästar-Geschlechtes selbst. Die beiden Pastor jagten einem Elch
nach. Das verfolgte Tier lockte sie weit weg von ihrem ursprünglichen Wohn-
sitz, der Gegend der nördlichen Soswa. Einer der Pästar, der geflügelte,
erlegte den Elch. Die unbekannte Gegend gefiel ihm und seinem Gefährten.
Beide ließen sich dort nieder und machten sie zu ihrem Wohnsitz.
Für die Entstehung der lautlichen Variante Paäker neben Pastor37 wird
auf das konda-wogulische Wort paSxer „Vielfraß" verwiesen. Das Tier ist,
wie schon gesagt, einer der gefährlichsten Verfolger des Elches, zumal
innerhalb des Waldes. Aber auch sonst ergibt sich ein geschlossenes Bild.
Denn wie das Jagdtier, der Elch, ein mythisches Tier ist, so auch seine Ver-
folger. Der geflügelte Pastor steht neben dem zu Fuß gehenden, der Viel-
fraßmensch neben dem Vielfraß als solchem. Tierische und menschliche,
natürliche und mythische Vorstellung schließen sich nicht aus, sondern
gehen ineinander über.
Wie der mythische Elch sarabha-, so führt auch sein Verfolger in alte
Zeit hinauf. Leider läßt sich nicht entscheiden, ob das katzenartige Tier,
das in der skythischen Kunst seit den Funden von Kelermes erscheint, den
Vielfraß darstellt38. Aber die spätere Kunst der mittelasiatischen Nomaden
gibt einen eindeutigen Hinweis39.
Auf einer Filzapplikation (Abb. 2) aus den Gräbern von Noin Ula
(Äußere Mongolei) erscheint die Sage im Bild40; auch den Hiung-nu war sie
demnach bekannt. Der Vielfraß, wie in den nordostjakischen Berichten als
geflügeltes Wundertier dargestellt, ist dem zusammenbrechenden Elch auf
den Rücken gesprungen und beißt sich dort fest. Es ist die gleiche Tier-
kampfszene wie auf dem Orthostaten von Teil Halat, nur daß hier das Raub-
tier im Augenblick des Sprunges erscheint, dort sein Opfer bereits erreicht
hat. Entstanden können indessen Bild und Sage nur dort sein, wo Elch und

36
B. Munkacsi, a. O. 2, 223f.
37
Nach A. Päpay, a. O. i66f.; Nyelvtudomänyi közlem^yek 38, 313 liegt der Wohn-
sitz des Pästar-Geschlechtes im Quellgebiet des Ob.
38
K. Schefold in: Eur. Sept. Ant. 12, 46.
» A. Alföldi, a. O. 410.
40
G. Boroffka, Gesch. d. Kunstgewerbes i, 152 Taf. g; Arch. Anz. 1926, 348
Abb. 2; W. P. Yetts in: Burlingt. Magaz. 1926, 173 Taf. 2 D.
9. TIERSTIL 237

Vielfraß heimisch sind: im mittleren und nördlichen Eurasien. Aber welchem


Volke ist sie dort zuzuweisen ?
In erster Linie muß man die Sage selbst befragen. Daß der sarabha- bei
den Indern sechsfüßig, der Elch bei den Wogulen und Ostjaken achtfüßig
ist, gibt nichts aus. Wenn das indische Fabeltier gegen Löwen und Elefanten
kämpft, ist das spätere Ausmalung, die dem Süden entstammt. Ebenso wie
die Rolle, die zauberschnelle Schneeschuhe bei der Verfolgung des Elches
spielen41, nur in der Taiga erfunden werden konnte. Aber daß der Name des
sagenhaften Elches im Wogulischen auf ein arisches Wort zurückgeht, muß
nachdenklich stimmen. Es spricht dafür, daß er seitens der Ugrofinnen von
den Ariern entlehnt wurde: zu einer Zeit, als beide noch gemeinsam an den
Ufern der Wolga saßen.
Wie steht es mit dem Vielfraß? Auf den ersten Blick scheint, als
sei er mit dem Faster- oder Pasker-Geschlecht untrennbar verbunden.
Päsbr und packer bedeute beides den Vielfraß, hat man gesagt42. Das ist
ein Irrtum. Aus den einheimischen Berichten geht hervor, daß das Geschlecht
ursprünglich Pästar hieß und die Variante PaSker unter dem Einfluß des
entsprechenden konda-wogulischen Wortes gebildet wurde. Dieses paSxer
oder paSker bedeutet allein den Vielfraß. Die Übertragung von Wort und
Vorstellung auf das Pästar-Geschlecht geschah demnach erst nachträglich.
Entscheidend ist die Frage des erstmaligen Auftretens. Die älteste Dar-
stellung der Sage und überhaupt ihre älteste Spur findet sich im Teil Halaf.
Und das besagt: bei den indischen Mitanni. Also übernahmen die Mittel-
und Nordasiaten die Sage von ihren einstmaligen arischen Nachbarn. Aber
während die Arier auf ihrer Süd Wanderung die Erinnerung an Elch und Viel-
fraß fast ganz verloren, setzte bei den Nomaden eine neue Entwicklung ein.
Sie übernahmen nicht nur: sie gestalteten die Sage um und statteten sie
mit reichen, teilweise überreichen Zügen aus.
Die Gräber von Noin Ula gehören nach Ausweis einer dort gefundenen
chinesischen Lackschale in den Beginn unserer Zeitrechnung43. Die ge-
webten Wollstoffe kamen teilweise aus dem griechisch-sarmatischen Süd-
rußland (oder aus Syrien)44, teilweise aus China46. Schwer zu bestimmen ist
41
B. Munkacsi, a. . , 223f.
42
A. Alföldi, a. O. 406.
43
W. P. Yetts in: Burlingt. Magaz. 1926, 263.
44
W. P. Yetts, a. O. 175f.; M. Rostovtzeff, The Animal Style 84!.; 88. Doch Yale
Class. Stud. 5, 229 denkt R. an Syrien.
45
W. P. Yetts, a. O. 176 f.
238 KULTURELLES ERBE

der Wollteppich, auf dem die Gruppe von Elch und Vielfraß dargestellt
ist. Diese selbst erinnert ebenso wie eine zweite Tierkampfszene an
ähnliche Darstellungen der sarmatisch-südrussischen, mehr noch der
sibirischen Metallkunst49. Eine Einzelheit der Ornamentik weist wieder auf
sarmatische Herkunft47.
Eine bronzene Gürtelschnalle aus der Mongolei oder aus Nordchina zeigt
eine verwandte Gruppe48. Ein Cervidemit phantastisch gebildetem Geweih,
das sich im Halbkreis um den Kopf lagert, ist nach links auf die Kniee ge-
sunken. Von rechts her springt im hohen Bogen, mit geschmeidig gewölbtem
Körper und herabhängendem Schwanz, ein Vielfraß dem Cerviden auf den
Rücken und beißt sich dort fest. Das Stück gehört in die Han-Zeit4e. Wie
diese Bronzekunst überhaupt und ihre Motive, besonders der Tierkampf60,
so muß auch das Symplegma von Cervide und Vielfraß aus Südrußland oder
Mittelasien in die Mongolei oder an die chinesische Nordgrenze gelangt sein.
Doch bei der ursprünglichen Form der Sage blieb man, wie gesagt, nicht
stehen. Die Ugrofinnen ersetzten den verfolgenden Vielfraß durch die Zwei-
heit des geflügelten und des zu Fuß gehenden Vielfraßmenschen. In der
hunnischen Variante, von der Priskos (S. 235 Anm. 31) berichtet, waren
menschliche Jäger die Verfolger der Hinde. Das war Umstilisierung in eine
Form, die gestattete, die Sage einer an antike Vorstellung gewohnten
Leserwelt vorzustellen. Wichtiger ist die Tatsache, daß auf einem heute
verlorenen Bildteppich von Noin Ula Jäger dargestellt waren, die zu Pferde
den Hirsch oder die Hinde verfolgten61. Wenn die Nachricht zutrifft (sie
ist über Zweifel keinesfalls erhaben), so hätte die Sage bereits hier die Form
angenommen, die sie in der mittelalterlichen Überlieferung über die magya-
rische Landnahme besitzt62.
Was stets geblieben ist, waren der Elch oder die Hinde, die ihre Ver-
folger in neues Land führen. Indem das Tier vorangeht, hilft es denen, die

« W. P. Yetts, a. O. 174; 175.


47
W. P. Yetts, a. O. 175.
48
M. Rostovtzeff, a. O. Taf. 26, 5.
49
M. Rostovtzeff, a. O. 92, mit unrichtiger Deutung.
60
M. Rostovtzeff, a. O. 93 f.
S1
L. Forbath, D. neue Mongolei (Dte. Übers.) 212 f.
83
Gesta Hungar. (Script, rer. Hungar. i, 129!) c. 34; B. Homan, A Szent Laszlo-
kori Gesta Hungarorum 6s XII—XIII szazadi leszärmazo (1925); S. Domanovszky,
Emtekkönyo Karolyi Arpad születose nyolcvanadik fordulejanak ürmap&a nof. Die
Kenntnis des Inhalts dieser Abhandlung verdanke ich Dr. H. Honti, Budapest.
9. TIERSTIL 239

ihm folgen, eine neue Heimat zu finden. An dieser Stelle mag eine bisher
noch nicht beobachtete sprachliche Besonderheit ihren Platz finden.
Man kennt den Chazarenkönig Bulan. Bei Tartaren und Cuwaschen
heißt der Elch, auch der gezähmte Elch, bulan. Nach Mahmud al-
Käsyari bezeichnet dasselbe Wort im Land der Qlpöaq das Einhorn,
und pulan, bulan kehrt in zahlreichen Türksprachen als Bezeichnung des
Elches wieder63. Dasselbe Wort aber läßt sich, wie man gleichfalls be-
obachtet hat54, von bultnaq „finden" mittelst des adjektischen Suffixes
-°n85 ableiten und bedeutet dann: „celui qui trouve"66. Ob damit der
Elch von Anfang an als Finder der neuen Heimat bezeichnet wurde,
oder ob man den vorgegebenen Namen des Tieres auf diese Weise nach-
träglich gedeutet habe, kann hier unentschieden bleiben. Jedenfalls konnte
man aus der Bezeichnung des Wildes, das seine Verfolger Neuland „finden"
ließ, eben diese Bedeutung ohne Schwierigkeit heraushören. Da auch die
Protobulgaren die hunnische Sage von der Landnahme gekannt haben87,
wird man sie den Chazaren kaum absprechen dürfen.

58
Die Einzelheiten findet man bei S. Szyszman in: Ephemerides Theologicae
Lovanienses 33 (1957), 7of.~, falsche Erklärungen bei D. M. Dunlop, The History of
the Jewish Khazars (1954), I ^i Anm. 128.
54
H. Gr^goire in: Byzantion 12 (1937), 2^1·
55
A. v. Gabain, Alttürk. Gramm.* 73 § 124; 79 § 147.
" Gegen eine unrichtige Beziehung hat sich S. Szyszman in: Revue de l'histoire
des religions 152 (1957), 97 Anm. 3 geäußert.
67
J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatisch'5 Streifzüge 529f.
10. KAPITEL

DICHTUNG 1 )

Attilas Totenfeier 453 schloß mit einer denkwürdigen Kundgebung ab.


Hunnische Reiter, die um die aufgebahrte Leiche ritten, besangen den
großen Herrscher in einem Lied. Dessen lateinische Fassung liegt bei lor-
danes vor1», der sie seinerseits aus Cassiodor genommen hat. Mommsen
rühmt die Schönheit dieses carmen (wie er richtig sagt): keine der Lobreden
auf den großen Alexander komme ihm gleich.
Praecipuus Hunnorum rex Attila,
patre genitus Mundzuco,
fortissimarum gentium dominus,
qui inaudita ante se potentia solus
5 Scythica et Germanica regna possedit
nee non utraque Romani orbis2 imperia
captis civitatibus terruit
et, ne praedae reliqua subderentur,
placaius precibus annuum vectigal accepit:
10 cumque haec omnia proventu felicitatis egerit,
non vulnere hostium, non fraude suorum,
sed gente incolume, inter gaudia laetus
sine sensu doloris occubuit.
quis ergo hunc exitum putet,
15 quem nullus aestimat vindicandum?
1
Der Verfasser hat über den Gegenstand dieses Kapitels im Frühjahr 1958 in der
Koninklijke Vlaamse Academic voor Wetenschapen, Letteren en Schone Künsten in
Brüssel gesprochen; ein Teil des Kapitels wurde, in einer der Gelegenheit angepaßten
Form, in: Mededelingen (Klasse der Letteren) 20 (1958) veröffentlicht.
la 2
Get. 257. So die richtige Fassung.
10. DICHTUNG 241

In Übersetzung:
Der Hunnen vornehmster König Aüila,
Spross des Mundzucus,
tapferster Völker Herr,
der mit vordem unerhörter Macht allein
6 der Skythen und Germanen Königtümer besaß,
des römischen Erdkreises doppeltes Reich
durch Raub der Städte schreckte,
und, auf dass nicht zur Beute der Rest würde,
durch Flehen erweicht, jährlichen Tribut nahm,
10 und der, als er dies alles mit Glückes Hilfe getan,
nicht durch Feindes Wunde, nicht durch der Seinen Trug,
sondern in der Blüte seines Geschlechts, unter Freuden froh,
schmerzlos dahinging.
Wer mag das Tod heißen,
15 wo keiner Rache heischen kann?
Es ergibt sich folgende Einteilung3, wobei die Silbenzahl an erster Stelle,
die der Akzente an zweiter und in Klammer steht: n (3) + 8 (3) + n (3) +
14 (4) + 13 (4) + 14 ( 4 oder 5: necnon) + 10 (3) + n (3) + 15 (5), die
folgende Zeile fällt heraus, dann 13 (4) + 14 (5) + n (4) + 9 (3) + 10 (3).
„Vom prosaischen Standpunkt aus", (so hat man formuliert), „wäre alles
mit Cursus und weitgehender Isokolie ausgestattet . . . Die herausfallende
Zeile enthält in proventu felicitatis eine Abundanz. Das ist typisch für
lordanes, dagegen nicht für Cassiodor. Die Fassung wurde also von lor-
danes aus Cassiodor übernommen und in jener Zeile durch einen redaktio-
nellen Eingriff geändert".
Eine Änderung liegt zweifellos vor, wenn auch offen bleiben muß, ob
proventu felicitatis den überschießenden Bestandteil bildet. Denn die Ände-
rung des ursprünglichen Bestandes bestätigt sich noch an einer zweiten
Beobachtung. Es fällt auf, daß die Gliederung des Ganzen unterstrichen
wird durch Wiederkehr der gleichen Verbalform: possedit, terruit, accepit,
occubuit. An derselben Stelle, da zuvor die Störung des Ablaufes auffiel,
läßt sie sich erneut feststellen. Egerit fügt sich nicht den übrigen Verbal-
formen am Zeilenschluß. Zeile u hingegen mit der Anapher non-non ist
einwandfrei, denn sie findet im Aufbau der folgenden ihre Entsprechung.
Der Anstoß ist erneut in 10 enthalten.
3
W. Hartke bei F. Altheim, Attila und die Hunnen (1951), 209 Anm. 26.
16 Altheim, Hunnen I
242 KULTURELLES ERBE

Proventu felicitaüs findet, worauf schon Hartke verwies, in Valer. Max.


5, 10, 2 in maxima proventu felicitatis seine Entsprechung. Die Einfügung
dieser Lesefrucht darf man eher Cassiodor als lordanes zutrauen; alsdann
wird man schwerlich von einer „Abundanz" sprechen können. Vielmehr
sieht es so aus, als sei die summarische Wendung: cumque haec omnia ...
egerit an die Stelle einer genaueren Aufzählung getreten. lordanes hatte also
gekürzt und außer originalem omnia proventu felicitatis egit = 13 (4) oder
ähnlich erst wieder von Zeile n ab den Wortlaut bewahrt.
In bestimmten Fällen läßt sich noch das türkische Original zurückge-
winnen. Die Wendung proventu felicitatis ist erneut an erster Stelle zu
nennen. Obwohl einem klassischen Vorbild entsprechend, könnte sie doch
eine hunnische und das besagt: alttürkische Vorstellung spiegeln. Der qayan
trägt in den Orchon-Inschriften zuweilen den Titel iduq gut „heiliges Glück";
der fan-yü der Hiung-nu hingegen tängri qut „himmliche Majestät" und
„Glück"4. Hinter dem „Hervortreten des dauernden Glückes" (denn dies
ist felicitas6) verbärge sich demnach ein türkisches bälgürmäk*, ein Sich-
Zeigen oder Erscheinen des qut, des königlichen Glückes7. Weiter: Attila
heißt praecipuus Hunnorum rex. Als solcher hat er zwei regna, das sky-
thische und das germanische, unter sich. Beide beherrscht er solus, worin
sich ausdrückt, daß das überkommene Doppelkönigtum der Hunnen und
Türken8 unter ihm beseitigt ist. Nach Bledas Ermordung, sagt lordanes
von Attila8»: Universum sibi populum adunavit. Wieder findet sich die Ent-
sprechung in den Orchon-Inschriften, wo unter dem qayan die beiden Sad
stehen. Und wie im Attilalied ein östliches regnum, das skythische, einem
westlichen, dem germanischen, zur Seite steht, so heißt dort der Sad des
östlichen Reichsteils töliS, der des westlichen tarduS*. Aber auch praecipuus
rex besitzt seine Entsprechung. Auf der protobulgarischen Inschrift von

4
Thomsen-Schaeder in: ZDMG. 78, 130; W. B. Henning in: BSOS. n, 147;
A. v. Gabain in: Zeki Velidi Togan'a Armagan (1955), 22.
5
F. Altheim, Rom. Religionsgesch. 2 (1953), 71; A History of Roman Religion
(1938), 427.
* F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 222.
7
W. Bang in: Museon 36, 135 Anm. i.
8
A. Alföldi, La royauto double des Turcs. Urne Congr. Turc. d'hist. i; 9 f. des
Separatabdruckes.
»a Get. 181.
9
Thomsen-Schaeder, a. O. 130; A. Alföldi, a. O. 7; J. Marquart, Chronologie der
alttürkischen Inschriften 31; A. v. Gabain in: Nachrichten für Natur und Völkerkunde
Ostasiens 72, 20.
10. DICHTUNG 243

Sumen10 findet sich der Titel aniliki, der sich auf den qayan im Gegensatz
zum dort genannten Sad bezieht11. Amliki ist: „der in hervorragendem Ma
die Herrschaft besitzt", eben der K nig, der „vor" oder „ ber den anderen
steht" (prae-cipuus).
Es sei daran erinnert, da qayan und Sad Titel sind, die sich als solche
iranischen Ursprungs erwiesen haben (oben S. 50; 207f.). Auch im Attilalied
taucht hinter dem Hunnisch-T rkischen der gleiche Bereich auf. In der
Siegesinschrift S p r's L (239—272)ia von der Kacba-i Zradust wird be-
richtet, wie Kaiser Gordianus III. (238—244) sein Heer zusammenbrachte13.
In der parteiischen Fassung hei t es Zeile 3: MN xmk prwm gwt Wgrmny
x$tr, in der griechischen Zeile 7: άττό ττάσηξ της' Ρωμαίων αρχής Γούθθων
τε καΐ Γερμανών εθνών14. Da entsprechen dem R merreich insgesamt im
Lied utraque Romani orbis imperia, die inzwischen erfolgte Reichsteilung
spiegelnd. Das Nebeneinander von gwt W grm'ny x$lr „gotischer und ger-
manischer Herrschaft" aber findet in Scythica et Germanica regna sein
Gegenst ck, wobei Gleichsetzung von Goten und Skythen keines Beleges
bedarf14a.
Auch daran sei erinnert, da lordanes' (und das besagt in diesem Fall:
Cassiodors') Worten zufolge der Gotenk nig Ermanarich Scythiae et Ger-
maniae nationibus gebot16. Der Zusammenhang zwischen Skythen und
Goten ist hier augenf llig. Und wenn derselbe Herrscher Aestorum quoque . . .
nationem, qui longissimam ripam Oceani Germanici insident, unterwarf, so
gemahnt das an Romulus' Worte bei Priskos, darin von Attilas Herrschaft
ber die Inseln des Okeanos gesprochen wird1'. Heutige haben dies w rtlich
10
F. Altheim, a. O. i, 203f.
11
F. Altheim, a. O. i, 204f.
1J
Zum Beginn seiner Regierung zuletzt Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958),
79f-
18
M. Sprengling, Third Century Iran. Sapor and Karter (1953), 7; 25; G. Pugliese
Caratelli in: La Parola del Passato 6 (1947), 2I2 · W hrend die Gleichsetzung von xSafrr
und ίθνοξ auff llt, entsprechen sich xiaftr und regnum genau. Zuletzt G. Widengren
in: Orientalia Suecana i (1952), 90 Anm. 3.
14
ΓοΟβθων = gwt: letzte u erung zum Gotennamen: O. Hofler in: Paul und
Braunes Beitr. 77, 73 f. ΓούΘθων w re der lteste Beleg f r die S. 75 beschriebene Ver-
engung.
14a
lordan., Get. 178: Attila, Hunnorum omnium dominus et paene totius Scythiae
gentium solus in mundo regnator zeigt, da man Skythen und Skythien in diesem Zu-
sammenhange nicht den Hunnen gleichsetzen darf.
18
Get. 120.

Konstant. Porphyrog., de legat. 142, 2f. de Boor.
16·
244 KULTURELLES ERBE

genommen17. Aber sowenig Ermanarichs Reich am Gestade des Nord-


meeres entlang sich erstreckt, vielmehr es bestenfalls berührt haben wird,
so wenig darf dies für Attila gelten. Die Inseln des Meeres bezeichnen, wie
man längst gesehen hat, in herkömmlicher Weise die Grenzen, in biblischer
Form18 ein alexandrisches: $ $ $ 19

umschreibend. Auch Makrizi19» läßt seinen Misräm in dessen fiktiver In-


schrift sagen, er habe „die furchtbaren Grenzzeichen an die strömenden
Meere gesetzt, auf daß wisse, wer nach mir sein wird, daß keiner geherrscht
hat, der stärker war als meine Hände". Es sind die überkommenen Bilder,
darunter man Weltherrschaft seit alters zu sehen pflegte20.
Es zeigt sich demnach, daß eine der Grundvorstellungen des Liedes,
das anläßlich von Attilas Tod gesungen wurde, einer sasanidischen Königs-
inschrift entstammt. Wieder einmal erkennt man, wieviel für die nach
Westen drängenden Hunnen der Einbruch in Nordostiran und die Gründung
des Hephthalitenreicb.es bedeutet haben. Es kommt hinzu: in Attilas Herr-
schaftsbereich ordnen sich Scyihica et Germanica regna einander zu, wie es
utraque Romani orbis imperia auch tun. Den beiden Reichen im Norden ent-
sprechen ost- und weströmisches Reich im Süden. Alle sind sie dem Herr-
scher Untertan, vier an Zahl. Wiederum scheint sich der Vergleich mit Sasa-
nidischem aufzudrängen. An der Spitze der Herrscher, die in der Inschrift
von Paiküli dem Sasaniden Narse bei seiner Thronbesteigung huldigen,
stehen der Kusänsäh, Caesar und die Römer, der ChwärezmSäh und Zä-
mäsp von Küsdän21. Also die Herrscher des Ostens, Westens und Nordens,
zuzüglich eines weiteren, den man im Süden oder Südosten suchen müßte22.
Die Anordnung fällt demnach mit den vier Himmelsrichtungen zusammen23.
Auch Attilas Herrschaftsbereichen liegt eine Vierteilung zugrunde, doch ist
sie, genau besehen, von etwas anderer Art.

17
E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 75; J. Werner, Beiträge zur
Archäologie des Attila-Reiches (1956), 88; dagegen Altheim-Haussig, Die Hunnen in
Osteuropa (1958), 35-
18
O. Eissfeldtin: Theolog. Lit.-Zeitung 1947, 2071.
19
Arrian, anab. 5, 26, 2.
"·» Al-hitat 3, 12, 2f. Wiet.
20
Daß Gräber in Schlesien und aus der Nähe von Krakau hunnische Herrschaft
über die Ostseeinseln erhärten (J. Werner, a. O, 88), ist ohnedies wenig wahrscheinlich.
21
E. Herzfeld, Paiküli n6f.
22
Vermutungen bei E. Herzfeld, a. O. 179 Gl. 325; 205 Gl. 528.
23
Eine Dreiteilung in Rom, Franken und Langobarden bei Karl dem Großen,
wozu sich als viertes Byzanz gesellt: P. Classen in: Deutsches Archiv 9, 120.
10. DICHTUNG 245

Wollte man n mlich ihre geographische Ordnung veranschaulichen, so


erg be sich folgendes Bild:
N
Germanicum regnum Scythicum regnum
W O
Westr misches Reich Ostr misches Reich

Alle vier Reiche stellen sich, gegenstandig geordnet, in die Zwischenr ume
der Windrose. Anders ausgedr ckt: es sind die t rt bulun, die vier Zwischen-
gegenden der Welt, von denen die Orchon-Inschriften, die buddhistische
und manich ische24 bersetzungsliteratur der Uiguren sprechen und die
noch die Awaren kennen25. Bilg qayan, sein Vater und sein Vatersbruder
haben die V lker in den vier bulun geordnet2e. Sie haben diese unterworfen
und dazu gebracht, Frieden zu halten, ihr Haupt und ihre Knie zu beugen.
Auch diese Zwischengegenden, die bulun, liegen jeweils zwischen zweien
der vier Himmelsrichtungen27. Beide Vorstellungen, die hunnische und die
altt rkische, entsprechen einander28.
Am Schlu seiner Darstellung der Regierung und der Taten des ersten
Sasaniden, Ardasers I., gibt Tabari29 folgende Zusammenfassung: „Alle
K nige, die sein Gebiet umgaben, bezwang und dem tigte er, und als Herr
trat er in den L ndern auf". Die Stelle geht, wie alles Voranstehende, auf
Ibn al-Mukaffa1" und damit auf das sasanidische K nigsbuch zur ck30.
Sie best tigt, was bereits die Inschrift von Paik li gezeigt hatte, da die
Huldigung und Unterwerfung der Nachbarn berkommenes Bild war. Da
aber bei sonstiger bereinstimmung jene t rt bulun den Hunnen, den T rken
berhaupt zugewiesen werden m ssen. —·
24
W. Bang in: Le Museon 36, 146.
25
H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 372f.
*' II 9; E 2 uam.
27
A. v. Gabain, Altt rkische Grammatik2 305 s. v. bulun; vgl. W. Kirfel, Die Kos-
mographie der Inder 183; A. Alf ldi, a. O. 13.
ίβ
Wie ganz anders ist das Bild, das der westr mische Gesandte Romulus von
Attilas Herrschaft zeichnet: ώοτε xod των εν 'ύυκεανφ νήσων άρχειν καΐ ττρόί
πάση Σκυβική καΐ 'Ρωμαίους Ιχειν είς φόρου απογωγήν (Priskos bei Konstant.
Porphyrogenn., de legat. 140, 4!). Zur Vorstellung der Inseln: Altheim-Haussig, Die
Hunnen in Osteuropa 35.
19
Ann. i, 821, i f . ; die bersetzung nach Th. N ldeke, Geschichte der Perser und
30
Araber 21. Th. N ldeke, a. O. 21 Anm. i.
246 KULTURELLES ERBE

Prikos l t bei einem Gelage zwei Hunnen auftreten, die „kunstm ig


verfertigte Lieder31 vortrugen, darin sie Attilas Siege und seine Taten im
Kriege besangen". Heldentum wird hier gepriesen: um so mehr f llt auf,
da dem Heldentod im Attilalied keine entsprechende Wertung zuteil wird.
Und doch h rt man anderes von den mittelasiatischen T rken. ,,Ils se f nt
gloire de p£rir dans un combat et rougiraient de mourir de maladie", hei t
es bei einem chinesischen Geschichtsschreiber32. Auch die Alanen hielten,
Ammianus33 zufolge, den f r gl cklich, der in der Schlacht sein Leben hin-
gab. Hingegen die Alternden und die, welche durch irgendeinen Zufall
starben, schalten sie entartet und feige, und nichts wurde h her gepriesen
als die Erlegung eines Gegners. Bei den Hunnen ist darin ein Wandel zu
erkennen. Der neue Ton klingt auf im Attilalied, wenn vom schmerzlosen
Tod des Herrschers gesprochen wird. Oder darin, da Tod nicht so zu nennen
sei, wenn es nichts zu r chen gebe. Noch glaubt man so etwas wie eine ver-
steckte Rechtfertigung herauszuh ren, da den Gewaltigen im Bett eines
Weibes, nicht auf dem Kampffeld der Tod erreicht habe (quis ergo hunc
exitum putet: es war eben doch kein Sterben wie das sonst erwartete). Aber
von da ab ist man sich einig in der neuen Bewertung.
Vergleichen lassen sich die Tatenberichte der Protobulgaren, vor allem
die vulg rgriechisch,en Inschriften Omurtay's in Tmowo und Catalar sowie
die Malamirs34. Auch sie beginnen, wie das Attilalied, mit der Stellung des
Herrschers (κάνα? ύβηγη . . . ό εκ θεού άρχων). Dann kommen die Taten,
Bauten, Spenden. Den Abschlu bildet, wiederum wie bei Attila, der gl ck-
liche Tod. W hrend der Hunnenherrscher auf der H he seines Ruhmes
schmerzlos dahingegangen ist, wird von den beiden Bulgarench nen gesagt,
da sie durch Gottes Gnade hundert Jahre leben m gen36. Nicht der helden-
hafte Tod, sondern ein langes, gl ckliches Leben bildet nunmehr das Ideal.
Wo und wann sich der Umschwung vollzogen hat, l t sich noch sagen.
Wie so oft, erweist sich die Ber hrung der Hunnen mit der Welt Irans als
bestimmend. Im Hephthalitenreich haben sich entscheidende Z ge dessen,
was die Kultur der Attilazeit pr gen sollte, herausgebildet. Vor dem r -

31
Konst. Porphyrogenn., de legat. 144, 30 φσματα ττΕττοιημένα. Unrichtig E. A.
Thompson, A History of Attila and the Huns 117 "songs which they had composed".
32
S. Julien in: Journal asiatique 1864, 331; R. Grousset, L'empire des steppes 132.
33
31, 2, 23; hnlich von den Parthern und ihren Nachbarn 23, 6, 44 (Hinweis
E. Merkel).
34
G. Feher, Archaeologia Hungarica 7, 143f.; W. Beschewliew, Die protobulga-
35
rischen Inschriften (1934), Nr. 10—12. G. Feher, a. O. 144; 145.
10. DICHTUNG 247

mischen Amida fiel 359 der Sohn des Chionitenk nigs Grumbates, und nach
erbittertem, sich bis zum Abend hinziehenden Kampf, den Ammianus8·
mit dem um den toten Achill vor Troia vergleicht, gelang, wenigstens die
Leiche zu retten. Die M nner beklagten saltando et cantando tristia quaedam
genera neniarum37 den k niglichen J ngling. Hingegen beweinten die Frauen,
vergleichbar denen, die Adonis' Hinscheiden besingen, in primaevo flore
succisam spem geniis3*. Dreierlei ist deutlich: einmal, da es sich um ein
Lied zu Ehren des Toten (nenia) handelte; dann, da man nicht dessen
Heldentod r hmte, sondern das Geschick eines fr h Dahingegangenen be-
dauerte; schlie lich, da diese Wertung auf die Frauen zur ckging.
Als Letztes anzuschlie en ist die griechisch-aram ische Bilinguis, die
in Mchefa, der Hauptstadt des antiken Iberien (heute Gruzinien im Kauka-
sus), gefunden wurde39. Die Namen der Inschrift sind iranisch, doch wohl
die bei den Alanen blichen40, und die Stele selbst entstammt dem gleichen
Ort, der die zuvor erw hnte Gemme mit dem hunnischen Namen Άοτταροϋκΐξ
erbracht hat (oben S. 9f.). Es handelt sich um eine Grabinschrift auf einer
roh behauenen Stele. W hrend die unteren zwei Drittel dem aram ischen
Text einger umt sind, steht der griechische im oberen Teil:
Σηραπεϊτις Ζηουάχου
του νεωτέρου πιτιάξου
θυγάτηρ, Γίοττλικίου Άγρίππα ττιτι-
άξου υίοΰ, Μωδμανγάνου γυνή
5 του ττολλας νείκας ποιήσαντος,
επιτρόπου βασιλέως Ιβήρων
μεγάλου Ιηφαρνουγου, απέ-
θανε νεωτέρα ετών κα,
ήτι$ το κάλλος άμείμητον
ίο είχε.
34
19, ι, 9·
37
ig, ι, ίο. Den Vergleich mit Attilas Beisetzung hat erstmals H.-W. Haussig in:
Byzantion 23 (1953), 312 gezogen.
38
19, i, ii.
.*' Zuletzt Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 74f., mit allen Literatur-
angaben.
*° Σηραττεΐτις: Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 76. —Ίωδμανγάνης:
ebenda 76. — ^ηφαρνοϋγο?: ebenda 77; L. Zgusta, Die Personennamen griechischer
St dte an der n rdlichen Schwarzmeerk ste 121 f. § 156 (2Εαι-, 5η-); 157 § 236
(Φάρναγο$). — Ζηουάχο$: L. Zgusta. a. O. 191 f. §290. Dazu vergleiche man, was oben
S. 71; 76 zu bwz myhr des Silbertellers von Bori in Grusinien bemerkt wurde.
248 KULTURELLES ERBE

Die Zeitstellung l t sich ohne Schwierigkeit ermitteln. Serapitis3 Vater,


Zeuaches der J ngere, war ττιτιάξης41, und zwar, wie der aram ische Text
(Zeile 2) noch zeigen wird, beim K nig Pharasmanes. Ihr Schwiegervater
Publicius Agrippa hatte die gleiche W rde, wiederum nach Ausweis des
aram ischen Textes, bei Pharasmanes inne (Zeile 7). Serapitis' Ehemann
endlich hie lodmanganes, war επίτροπος des „K nigs der Iberer"
Xepharnugos, des derzeit regierenden Herrschers; dieser erscheint darum
allein im griechischen Text. Mit Pharasmanes ist der zweite des Namens
gemeint, der 136 n. Chr. zum letzten Male genannt wird42. Also begann
Xepharnugos1 Regierung fr hestens in Hadrians letzten beiden Jahren und
fiel unter Antoninus Pius. In gleiche Zeit hat man die Inschrift zu setzen.
Literarische Form der griechischen Fassung ist das Enkomion. Bis in
Einzelheiten l t sich jenes der Olympias vergleichen, das Diodor 19, 51, 6
gibt. Dieser hat das St ck seiner Quelle, dem Geschichtswerk des Hiero-
nymos von Kardia, entnommen. Wichtiger und ausf hrlicher ist die ara-
m ische Fassung.
'NH s'rpyt BRTY ZY
zywh KLYL btM ZY prsmn
MLK'NTT ZY ywdmngn WNSYH
WKBYR 'rwst 'BYDW RB
5 TRBS ZY hsyprnwg MLK BRY
ZY 'gryp RB TRBS ZY
prsmn MLK HBL HBLYN (SteiniHBLYK) M'
ZY PRNWS~L' GMYR WHKYN "
TB W§PYR YHWH HYK ZY BR
ίο 'YN$ L' DM' YHWH MN
TBWT WM'YTT (Stein: WM'YTYN) B$NT 21.
41
Zum Titel, πιτιάξης Altheim-Stiehl, a. O. 77 f. Nachzutragen die syrischen
Formen aptahi , ptafrS : C. Brockelmann, Lexic. Syriac.2 40 1.; 564 1. Zur Deutung
πιτιάξης, bfhi = επίτροπος, rb trbs = *pati-xZ yaftiya- „Stellvertreter des K nigs" sei
noch an eine Stelle der syrischen Doctrina Addai (C. Brockelmann, Syr. Gramm.' 12* Zeile
13!) erinnert. Die edessenischen Beauftragten gehen zu Sabinos, Eustorgios' Sohn, dem
επίτροπος des r mischen Kaisers ber Syrien, Phoinikien, Pal stina und Mesopo-
tamien. Darin spiegelt sich die Di zese Oriens der diokletianischen Provinzordnung
mit ihrem vicarius praefecti praetorio an der Spitze. Επίτροπος ist also bersetzung
des lateinischen vicarius und nichts anderes als der gew nschte „Stellvertreter".
Zacharias Rhetor 97, 2 f.: die D rfer oder cker der Gegend von Arz n (kwrys d-b-alr
d-arzn ye), welche privates Eigentum des Perserk nigs (Kav I., vgl. 9) sind, zahlen
nicht geringe Kopfsteuer (ksep rei 4) an die k nigliche Kasse (gazz d-malka). Sie
10. DICHTUNG 249

„Ich bin Serapit, Tochter Zewax's des Jüngeren, bitaxs Parsmän's des
Königs; Weib des Yödmangän, und er siegte und vollbrachte große Helden-
tat, Meisters des Hofes Xsefarnüg's des Königs; Sohnes des Agrippa, Meisters
des Hofes Parsmän's des Königs. Wehe über Wehe, was an (guter) Lebens-
führung blieb unvollendet, und so gut und schön war sie (die Lebensfüh-
rung), daß niemand (der S.) gleich war an Vortrefflichkeit, und sie starb im
Alter von 21 Jahren."
Alle Einzelheiten wurden in ausführlicher Darlegung an anderem Orte43
gegeben; es ist unnötig, dies hier zu wiederholen. Nur an einer Stelle hoffen
wir weiter gekommen zu sein. Zeile 4 WKBYR 'rwst 'BYDW war das Ver-
bum, ähnlich wie 8 GMYR als Partizip des Passiv + hwä gedeutet worden:
„große Heldentat war getan"44. Der, von dem dies gilt, war Yödmangän,
aber der Täter pflegt mit l eingeführt zu werden: syr. 'bid wä li „es war
mir ein Getanes gewesen, ich hatte getan"48. Das Fehlen einer entsprechen-
den Angabe zeigt, daß diese Deutung nicht zutrifft, und in der Tat bietet
sich eine andere Erklärung an. Kurzes e, i wird in den aramäischen Mund-
arten oft plene geschrieben: bibl. -aram. bryk, k'ym, 'fyt; jüd.-aram. pryk,
khyn, shyd, $byk. Auch Zeile n unserer Inschrift zeigt in maet (m'yt) diese
Schreibung4*. Selbst der Murmelvokal ist $ in gleicherweise wieder-
gegeben. Dementsprechend ließe sich 'BYDW deuten als 'abed wä,
Partizip des Aktivs + (h}wä, und dementsprechend auch vorangehendes
NSYH als näseh. „Er siegte und vollbrachte große Heldentat" entspräche
$ des griechischen Textes. Nur daß im
Aramäischen das Gemeinte doppelt ausgedrückt ist (oder es doch so scheint).
Eben dies aber ist von Bedeutung.
Yödmangän3 s Heldentaten ('rwst) stehen vor dem Amt des rb trbs, das
er am Hof (trbs) Xsefarnüg's inne hatte. Sie liegen demnach zeitlich weiter
zurück, und sie könnten noch unter Pharasmanes' II. Regierung fallen.
In der Tat kommt allein der große Krieg gegen die Alanen47 in Frage, der

unterstehen einem Mann im Rang eines ; (aptahSä) als des Königs.


Wiederum handelt es sich um einen „Stellvertreter" des Eigentümers, will sagen: des
Königs. « SHA., Hadr. 13, 8f.; 17, 12; 21, 13; N. C. Debevoise, A. Political
History of Parthia 244.
43
Altheim-Stiehl, a. O. 76 f. (dort unrichtig zwyh statt zywfy in Zeile 2).
44
Altheim-Stiehl, a. O. 85.
45
Th. Nöldeke, Kurzgefaßte syr. Gramm.2 183; 210.
" Altheim-Stiehl, a. O. 83.
47
N. C. Debevoise, a. O. 242 f.
250 KULTURELLES ERBE

136 ausbrach, diese bis vor Ktesiphon f hrte und der dann durch Flavius
Arrianus, den Geschichtsschreiber und Statthalter Kappadokiens, beendet
wurde (oben S. 12). Pharasmanes spielte als Anstifter des alanischen
berfalls eine undurchsichtige Rolle, und in diese Zusammenh nge m ssen
auch Y dmang n's Taten geh ren.
Y dmang n siegte und vollbrachte gro e Heldentat. Wie ist die Doppelt-
heit zu verstehen ? In Iberien, sagt Strabon48, trafen sich Einfl sse aus S d-
ru land mit solchen aus Armenien und Medien. Die letzten, iranischen,
kommen hier in Betracht. Kein Sieg, bei dem nicht dem eigenen Heerf hrer
der berragende und entscheidende Erfolg auch als Einzelk mpfer zu-
geschrieben wurde. So zerlegt sich jede Schlacht in eine Zweiheit: einen Zu-
sammensto der Heere und solchen der beiderseitigen Anf hrer, der dann
entscheidet. „Und bei Karrhai und Edessa mit Valerianus Caesar ein gro es
Treffen fand statt. Und Valerianus Caesar mit eigener Hand fing ich"
(parth. ii W vlrynws kysr BNP§H pty NP$H YD' dstgrb 'BDt; mittel-
pers. I4f.; griech. 24 και Ούαλεριανόν Καίσαρα ήμεϊς εν ίδίαις χερσίν
έκρατήσαμεν), k ndet S p r I. in eigner Person. Auf einem Fresko der
Synagoge von Dura-Europos ist die Schlacht bei Eben-Ezer, zwischen
Juden und Philistern, dargestellt49. Den Mittelpunkt nimmt der Zwei-
kampf der beiden berittenen Anf hrer ein; der Rest der K mpfer ist
an den unteren Rand oder in den Hintergrund geschoben. Selbst f r Am-
mianus Marcellinus60 dr ngt sich vor Amida alles auf den Tod des Chioniten-
prinzen und den Kampf um seine Leiche zusammen.
Obwohl in unserer Inschrift mit Heldentat nicht gespart wird, steht im
Mittelpunkt der Tod einer jungen Frau von 21 Jahren. W hrend der
griechische Text sich auf Erw hnung des κάλλο$ άμείμητον beschr nkt,
jene Eigenschaft, die sich dem sch nheitsdurstigen Griechen am st rksten
einpr gen mu te, beklagt der aram ische in pathetischer Wendung dieses
kurze Leben, das sich nicht vollenden und in das man doch die gr ten
Hoffnungen setzen durfte. Feminae vero miserabili planctu, in primaevo
flore succisam spem gentis solitis fletibus conclamabant, hei t es bei Ammi-
anus61 von dem gefallenen Sohn des Chionitenk nigs Grumbates.

48
p. 501.
49
The Excavations at Dura-Europas. Final Report VIII i. The Synagogue
(C. H. Kraeling) 95!. Taf. 55.
50
19, i, 7—9.
51
19, i, ii.
10. DICHTUNG 251

Noch eine letzte Besonderheit der aramäischen Fassung. Die Klage am


Schluß bedient sich der dritten Person. Aber die Verstorbene redet zu
Anfang in erster, indem sie sich selbst vorstellt und Namen sowie Titel des
Vaters, Gatten und Schwiegervaters hinzufügt. Serapitis, indem sie so
spricht, verwendet einen in der semitischen Literatur entstandenen sakralen
Redetypus62: es ist die heroisierte Tote, die sich so vernehmen läßt. Die
Ordnung nach Personen wird dadurch unterstrichen, daß die feierliche
Anaklese zu Anfang, im Typus , wie immer, wo dieser auftritt,
Prosa ist. Freilich gegliederte Prosa, die in strengem Parallelismus von der
Tochter zum Vater, vom Gatten zum Schwiegervater fortschreitet. Wo aber
die Rede sich zur Klage in der dritten Person wendet, setzen Verse ein.
Auch dies war bislang unbemerkt geblieben.
Die Inschrift kennt so, wie sie dasteht, keinen Unterschied des Status
mehr. Sie unterscheidet nicht Constructus, Absolutus und Emphaticus,
sondern gibt, unbekümmert um die syntaktische Funktion, die singulari-
schen Maskulina endungslos, die Feminina mit dem für den femininen Stat.
constr. und emph. charakteristischen t (die feminine Zahl hdä, die keine
Constructus- und Emphaticus-Bildung kennt, wurde wie ein Maskulinum
behandelt, also had). Überdies scheint das Perfekt zugunsten des Imperfekt
aufgegeben zu sein. Vokalisiert und liest man von Zeile jHBL an, wie Verse
im Syrischen gelesen werden müssen, so ergibt sich folgendes Bild:
hbäl hbälin mä zl fiarnus 7
lä gmir w-häken täb w-$appir 7
yihwe hek bar nä$ lä 7
däme63 yihwe min täbüt 7
w-mäytat ba-snat 'esrin w-had 7
Es liegen siebensilbige Verse vor, also jenes Metrum, das Afrem's Memre
kennzeichnet54. Nur daß es auf der Inschrift rund zwei Jahrhunderte vor
dem ersten Auftreten in der syrischen Dichtung erscheint. Auch daran sei
erinnert, daß Ya'köb von Srüg (gest. 521) Memre auf Verstorbene ver-
faßt hat66.

52
E. Norden, Agnostos Theos iSgf.; E. Schweizer, Ego eimi. Forschungen zur
Religion des Alten und Neuen Testaments N. F. 38; F. Altheim, Literatur und Gesell-
schaft i, 242f. Ein übersehenes Beispiel: Makrizi, al-hitat 3, u, i8f. Wiet.
53
Der Vokal e ist mit 'Ain geschrieben wie in s'rpvt- .
54
A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922), 40.
55
A. Baumstark, a. O. 157 und Anm. 9.
252 KULTURELLES ERBE

Die Inschrift von Mchefa ist, wie alles Vorangehende, Dichtung —


diesmal aus Kunstprosa und Vers zusammengesetzt. Man hat eine zu-
sammenhängende Reihe, die von der Sogdiane bis zum Alföld die Ost-
Westwanderung der Hunnen begleitet. Die späteste Schöpfung, das Attila-
lied, war in alttürkischer Sprache gedichtet. Bei der nenia auf Grumbates'
Sohn darf man erwägen, ob sie nicht in der sakischen Mundart verfaßt war,
die in den hepthalitischen Fragmenten begegnet. In Mchet'a hat man sich
noch des Aramäischen bedient, da die eigene Sprache zu literarischer Form
nicht erwachsen war.
Überall beschäftigte sich diese Dichtung mit dem Tod und dessen Be-
wertung. Er ist das Geschehen, darum alles kreist, und das von neuen
Seiten zu sehen man nicht abläßt. Was darüber gesagt wird, ist einfach und
rührt auch den heutigen Leser durch sein Unmittelbares, seine Schlichtheit
an. Während zur gleichen Zeit kaiserzeitliche und spätantike Dichtung sich
an der Vielfalt der Formen und ihrer kunstvollen, allzu kunstvollen Aus-
bildung, an der Buntheit der Thematik nicht genug tun, mit allem und
jedem ihr Spiel treiben konnte, ist man zur Größe der letzten Dinge zurück-
gekehrt.
Alles, was einer gewirkt oder wodurch er etwas bedeutet hat, wird nicht
als Selbstzweck besungen, sondern tritt erst hervor in dem Augenblick, da
der Held dem Tod als abschließendem Geschehen ins Auge zu blicken ge-
nötigt ist. Die darin liegende Tragik —· eine Tragik, die Heldentum und
Größe wesenhaft zugehört — wird in der frühen Epik erneut begegnen.
Vielleicht das Merkwürdigste ist, daß das Älteste sich nicht im Osten,
geschweige denn in der hunnischen Heimat, sondern im Westen findet. Das
besagt: die Hunnen haben nur einen geringen Bestand an eigner dichte-
rischer Form mitgebracht oder, wenn sie dergleichen mitbrachten, es wieder
aufgegeben. Dafür haben sie neue Formen eingetauscht, die vornehmlich
aus dem gleichzeitigen, spät-parthischen (wohin die Inschrift von Mchet'a
gehört) und frühsasanidischen Iran ihnen zukamen66.
Zur Bestätigung mag dienen, daß auch die zweite literarische Form, die
seitens der Hunnen und älteren Türken ausgebildet wurde, auf iranischem
Vorbild beruht: der Tatenbericht der Herrscher.
H
Daß die Lehnwörter des Türkischen dasselbe Bild ergeben, hat O. Szemerenyi
in: BSOS. 19 (1957), 62^ r. Sp. f. erwiesen.
10. DICHTUNG 253

Das Lied auf Attilas Tod lie e sich als Tatenbericht bezeichnen, der in
Liedform umgesetzt wurde. Diese Feststellung erkl rt die Ber hrungen
mit den Sieges- und Tatenberichten der Sasaniden — den Bekundungen
S p r's L und Narse's, an der Ka'ba-i Zradust und in Paikuli —, die zuvor
vermerkt wurden. Auch die Bilinguis von Mchet'a hat Bestandteile, die
solchen herrscherlichen Berichten entnommen sein k nnten. Bedeutung und
Nachwirkung dieser literarischen Form l t sich bei den unmittelbaren
Nachfahren der Hunnen am deutlichsten beobachten.
Unter der Reihe der protobulgarischen Inschriften nehmen eine beson-
dere Stellung die geschichtlichen Tatenberichte ein1. Es sind nicht weniger
als sechs mehr oder weniger vollst ndig erhaltene St cke, die man hier
einzuordnen hat2. Drei von ihnen, also die H lfte, stammen von Qrum
(803—814) oder geh ren in seine Zeit3. Zwei davon, die Inschriften von
Hambarly A und B, sind, wenn eine neuere Deutung zutrifft, von Qrums
Neffen Tukos, noch zu seines Oheims Lebenszeit, gesetzt4. Eine vierte In-
schrift gleichen Charakters geh rt in die Zeit des Omurtay (814—831)*.
Als Letzte kommen hinzu die „Chronik des Malamir" (831—836)*, sowie
eine Inschrift, die den Namen Persianos, also den des Presiam (836—852)
nennt7.
Diese Inschriften stimmen darin berein, da sie Kriegsereignisse be-
handeln. Feldz ge und Siege der Bulgarenherrscher, die Namen ihrer Heer-
f hrer und der eroberten St dte nehmen den ersten Rang ein. Nur die
Titulatur des Herrschers (κανα$ ύβιγη) oder die seiner Gro en (ήτζουργου
βοιλα, καυχανος, κάνας βοιλα κολουβρο$) ist auf T rkisch gegeben;
in einem Fall8 tritt noch der t rkische Name des Himmelsgottes (Ταγγρα)
1
G. Moravcsik, Byzantinoturcica i, 164f. Das Folgende wurde erstmals bei
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2. 3! vorgetragen; in der vorliegenden Fassung
ist manches weggelassen, anderes erg nzt.
a
W. Beschewliew, P rvobjlgarski nadpisi 44!.
8
Beschewliew Nr. 14; 15; 24.
4
Beschewliew Nr. 14 und 24; H. Grogoire in: Byzantion 9, 772f.
5
Beschewliew Nr. 17.
• Beschewliew Nr. 18; H. Grogoire, a. O. 773!.
7
Beschewliew Nr. 19; H. Grogoire, a. O. 772; 78of.; V. Besevliev in: Byzantion
25—27 (795.5—7), 853.
8
Beschewliew Nr. 17, 5. Zur Deutung von ήτζουργου βοιλα vgl. I. Dujcev in:
Archiv Orientalni 21 (1953), 353f.; Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 24
Anm. 68.
254 KULTURELLES ERBE

hinzu. Aber weiter reicht der einheimische Einschlag nicht. Wie die berich-
teten Siege ausschlie lich solche ber Byzanz sind, so ist die Sprache, darin
die Herrscher von ihren Taten k nden, Griechisch — allerdings ein u erst
vulg res Griechisch, das sonst im offiziellen Gebrauch keine Entsprechung
besitzt9. Auch ein Teil der Titulatur, das aus den Orchon-Inschriften bekannte
t nrid bolmiS qan oder t nrid yaratmls qanw, ist mit ό εκ θεού άρχων
wiedergegeben. Denn da Nachahmung des byzantinischen ό εκ Θεού
βασιλεύς vorliege11, vermag man nicht zu glauben. Wenn unter Omurtay
jener Titel erstmalig erscheint12, so tr gt ihn ein Heide und nicht, wie man
annehmen mu , ein Christ. Erst mit Boris' Bekehrung konnte er im christ-
lichen Sinn gedeutet werden13.
Man nimmt an, die Inschriften stammten von Griechen, die unter bul-
garischer Herrschaft lebten, vielleicht von byzantinischen Kriegsgefangenen.
Mehr noch: sie seien nach byzantinischem Vorbild verfa t14. Aber wo w re
dieses Vorbild zu suchen? Da einzelne Wendungen von den Nachbarn
bernommen sind16, ist nat rlich, beweist aber nichts f rs Ganze. Ver-
gleichbare Tatenberichte, in Stein eingehauen, gibt es auf byzantinischer
Seite nicht. Die gleichzeitigen „geschichtlichen" Inschriften aus Ankara,
die der Regierung Michaels II. (820—829) entstammen1' oder die des Turm-
archen Eusthatios17 sehen anders aus. Und w re es m glich gewesen, da
man, wie es mit der Chronik Malamirs geschah, diese Siegesinschriften auf
geraubten und als Beute weggef hrten μάρμαρα18 angebracht h tte ?
Wie wenig wollen griechische Schrift und griechische Sprache f r die
Frage des Ursprungs und der Vorbilder besagen! Auf ihrer Westwanderung
hatten die Hunnen in der Sogdiane haltgemacht. Schon das Soghdische
ist nicht ohne Beeinflussung durch das baktrische Griechentum gerade im

• In der neuesten Behandlung; .der griechischen Sprache in byzantinischer Zeit


(R. M. Dawkins in: N. H. Baynes und H. St. L. B. Moss, Byzantium 1948, 282f.) ist
dieser Inschriften nicht einmal gedacht.
10
J. Marquart, Chronol. d. altt rk. Inschriften 42 Anm.; G. Moravcsik, a. O. 2, 23;
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 223.
11
W. Beschewliew in: Byz. Ztschr. 41, 295 f.
12
W. Beschewliew, a. O. 297.
13
W. Beschewliew, Pjrvobslgarski nadpisi 52 Nr. 47.
14
G. Moravcsik, a. O. i, 165.
18
W. Beschewliew in: Actes du IVe Congr. Internat, des itudes Byzant. i (Sofia
1935). 2691.
18
H. Grogoire in: Byzantion 4, 437f.
17
H. G^goire, a. O. 449^
18
H. Gr goire in: Byzantion 9, 775f.
10. DICHTUNG 255

Schreibwesen geblieben. Buddh.-soghd. pdkh, Cas. obl. pdkyh gibt sanskr.


dharma — sowohl in der Bedeutung „Gesetz" wie in der von „Element" —
wieder19. Im Christl.-Soghd. entspricht pdg\ im Manich.-Soghd. p k\ Das
soghdische Wort hat das Vorbild f r t rk. bitk ci „Schreiber" abgegeben80.
Zugrunde liegt griech. ττιττάκιον, und als Vermittlung hat man an syr.
petk „tessera" (vgl. petk n „libe us"Ά) erinnert. Wie immer: es bedurfte
solcher Vermittlung kaum. Denn die Gemmen- und M nzlegenden der
Hephthaliten zeigen, da mindestens bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. in Ost-
iran eine griechische Kursive (neben Br hmi, Pahlavik, P rsik und zuletzt
der arabischen Schrift) zur Aufzeichnung der einheimischen Sprachen ver-
wandt wurde23. Und die sog. Hephthalitenfragmente verl ngern diese
Spanne bis ins g. oder 10. Jahrhundert33.
Auf den Legenden der hephthalitischen M nzen begegnen erstmalig
auch t rkische W rter, in griechischer Kursive aufgezeichnet. Der t rkische
Titel yabyu erscheint als loiryo, der T rkenname selbst als τορκο24. Es
k nnte demnach so sein, da die Hunnen auf ihrer West Wanderung die
Bekanntschaft des griechischen Alphabets gemacht haben. T rkische Texte
im griechischen Alphabet wie der der Boila-Butaul-Schale des Schatzes von
Nagy-Szent-Miklos und jetzt die Inschrift von Bjal brjag26, Schreibungen
wie κάνας ύβιγη, ήτζουργου βοιλα und Verwandte brauchen nicht
erst in byzantinischer Nachbarschaft aufgekommen zu sein.
Als letztes kommt hinzu, da die Onoyur, unter F hrung der Bulgaren
den Kern der Protobulgaren bildend, selbst aus dem Gebiet am Oberlauf
des laxartes, am Ili und Cu stammten26. Dort kennen sie die altt rkischen
Inschriften37, chinesische38 und islamische39 Quellen. Fr hzeitig waren
Teile mit den Hunnen nach Westen gewandert, hatten in Dazien, M sien
18
Zum Folgenden H. W. Bailey in: Transact. Philol. Soc. 1945, 12.
80
A. v. Gabain in: SBAW. 1934, 72· A· v- Gabain und G. R. Rachmati in: SBAW.
1934, 72; A. v. Gabain, Altt rk. Gramm.2 304.
21
C. Brockelmann, Lexicon Syriacum2 6i8r.
M
H. F. J. Junker in: SBAW., 1930, 641!.; R. Ghirshman, Chionites et Hephtha-
lites gi.; 6if.; Archaelogica Orientalia E. Herzfeld 107 f.; aram ische Schrift: F.W. K.
M ller bei A. v. Le Coq in: SBAW. 1909, 1061.
28
O. Hansen bei F. Altheim, Aus Sp tantike und Christentum 90 f.
24
H. F. J. Junker, a. O. 655.
i5
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 225f.
26
Zum Folgenden H.-W. Haussig, in: Byzantion 23 (1953), 3 3f.
27
K l t gin N 13; A. v. Gabain, Altt rk. Gramm.2 256.
28
E. Chavannes, Documents sur les Tiou-kine (Turcs) occidentaux 56.
" V. Minorsky. Hud d al-' lam 286 f.
256 KULTURELLES ERBE

und Thrazien Fuß gefaßt, aber dann, nach dem Zusammenbruch des Attila-
reiches, sich wieder ins Land nördlich des Schwarzen Meeres zurückge-
zogen30. Die Onoyur hatten demnach fast sämtliche Stadien der hunnischen
West Wanderung mitgemacht.
Unter dieser Voraussetzung ist das Griechische der protobulgarischen
Inschriften kein verläßlicher Hinweis darauf, wo man die Ursprünge einer
literarischen Form zu suchen hat. Von der Schreibung des Türkischen im
griechischen Alphabet zur Übernahme der griechischen Sprache war nur
ein Schritt. Wie eng sich griechische Inschriften der Protobulgaren im
Aufbau dem türkischen Original anschließen konnten, zeigt der Vergleich
zweier griechischer Inschriften im Museum von Sofia31 mit der neuge-
fundenen von Bjal brjag32, alle drei den Protobulgaren gehörig.
Es drängt sich auf, daß die Tatenberichte der Qrum und Tukos, der
Omurtay und Malamir ihre nächsten Entsprechungen bei den mittel-
asiatischen Vettern der Bulgaren und nirgendwo anders besitzen. Es sind
die großen geschichtlichen Inschriften des Kül tägin und Tonyuquq, von
Ongin, Ihe husotu und §ine-usu33, die zum Vergleich herangezogen werden
müssen. Es ist hüben und drüben dieselbe Art: eine ununterbrochene Folge
kriegerischer Ereignisse, von Schlachten, Siegen, Eroberungen, ohne viel
Wechsel des Ausdrucks berichtet. Es ist die gleiche Freude an Gescheh-
nissen, die ein kriegerisches und siegesstolzes Gemüt ansprechen mochten.
Der Unterschied ist nur der, daß im Westen Byzanz, dagegen im Osten
das Reich der Mitte die Rolle des mächtigen und kulturell überlegenen
Nachbarn spielte, über den man Siege erfocht, um ihm dann doch zu er-
liegen. Mit Kül tägins berühmter Darstellung, die von den Beziehungen
seines Volkes und seiner Vorfahren zu den Chinesen kündet34: von dem
wieder und wieder gebrochenen Frieden, der stets erneut zu gewinnenden
Unabhängigkeit, den Schlachten und Siegen .. . darf man die Chronik des
Malamir zusammenstellen. Auch von diesem wird das Verhältnis zu Byzanz
bis ins dritte Glied hinauf verfolgt, über Omurtay zu Qrum. Und wieder ist
die Rede davon, wie die Griechen den Frieden gebrochen, wie die Bulgaren
zu Felde gezogen und welche Städte man dem Gegner entriß . . . In einer
30
lordanes, Get. 37f.; H.-W. Haussig, a. O. 363 Anm. 340.
31
Beschewliew Nr. 25—6.
32
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 225!.
38
Hüseyin Namik Orkun, Eski türk yazitlan i, 129!; 135!.; 163!.
34
I und II E Orkun i, 25!.; Thomsen-Schaeder in: ZDMG. 78, 144!.
10. DICHTUNG 257

Inschrift aus Derekler (Philippi)35 heißt es: „Wenn einer den Weg der
Wahrheit wandelt, so sieht Gott es. Und wenn einer lügt, so sieht Gott es.
Den Christen (den Byzantinern)3· haben die Bulgaren viel Gutes getan,
und die Christen vergaßen es. Aber Gott sieht es." Wer denkt da nicht an
Kül tägins Warnungen vor den Chinesen, vor ihrer „süßen Rede" und
ihrem „weichlichen Reichtum" (tabyac budun sabi sücig, aylsl ylmSaq
ärmiS]37, die den Türken das Verderben gebracht haben. Aber nach dem
Willen des Himmels (tänri yarllqaduqin ücün)36 ist Kül täginQayan geworden
und hat sein Volk gerettet39. Es ist dieselbe Weise im Osten und Westen.
Wie ist die Übereinstimmung zwischen den geschichtlichen Inschriften
der osttürkischen Qayane und den griechischen der Qrum, Omurtay und
Malamir zu erklären ?
Die osttürkischen Inschriften stammen, soweit sie sich datieren lassen,
aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, während die protobulgarischen
etwa hundert Jahre später entstanden sind. Freilich nur der Masse nach,
und einiges geht weit früher hinauf. Die ältesten Teile der Inschrift von
Madara (vgl. unten) gehören in den Anfang des 8. Jahrhunderts und sind
damit den Orchoninschriften gleichzeitig. So spricht wenig dafür, daß die
Protobulgaren die Form ihrer geschichtlichen Inschriften ihren mittel-
asiatischen Vettern entlehnt haben. Überdies fällt die Abwanderung der
Hunnen nach Westen weit früher, und auf diese führten die Bulgaren sich
zurück. Es bleibt als einzige Möglichkeit, daß die Türken im Westen und die
im Osten Art und Stil ihrer Inschriften gemeinsam von dritter Stelle emp-
fangen haben.
Mit diesem Entscheid ist die Antwort bereits gegeben. Einflüsse, die die
Hunnen bei ihrer Westwanderung seitens der iranischen Kultur erfahren
haben40, umfassen Schrift und Sprache, Dichtung, dann Zeremoniell, Reli-
gion41 und Kriegswesen. Wenn Schrift und zahlreiche Lehnwörter von
dort übernommen wurden, wenn man erwägen konnte, ob die Hunnen im
ostiranischen Bereich erstmalig auf die griechische Schrift gestoßen sind,

36
Beschewliew Nr. 20; vgl. J. Iwanow, Bslgarski starini izj Makedonija2 .
"· W. Beschewliew, a. O. 119 f.
37
Il4Orkuni,24.
38
Il7Orkuni,26
39
Ähnlich die Darstellung in der Inschrift an der Ostseite. Sie ist zu ausführlich,
um hier ausgezogen zu werden.
40
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 215; vgl. 199; 204; 206f.
41
H. W. Bailey, Zoroastrian Problems 54; 55; 6l; 226.
17 Altheim, Hunnen I
258 KULTURELLES ERBE

so darf die gleiche Frage auch bei ihren geschichtlichen Inschriften gestellt
werden.
Das 3. Jahrhundert ist die Blütezeit der großen Königsinschriften der
Sasaniden. Der von Paiküll (Narse) ist jetzt die Siegesinschrift Säpürs I. zur
Seite getreten. Hier ist in monumentaler Form der Mit- und Nachwelt ein
Sieges- und Tatenbericht von der Art gegeben, wie er dann in den osttürki-
schen und protobulgarischen Inschriften vorliegt. Während Paiküli nur einen
zweisprachigen Text auf weist, erscheint an der Ka'ba-i Zradust in der
dritten Spalte die griechische Fassung. Daneben steht jetzt die griechisch-
-aramäische Bilinguis von Mchet'a. Sie spiegelt die Verhältnisse der vor-
sasanidischen Zeit, als das Aramäische dem Griechischen zur Seite stand.
Der Zusammenhang läßt sich noch enger ziehen. In der Nähe des Dorfes
Madara sieht man an einer Felswand jenes Reiterrelief, das längst mit
Werken der sasanidischen Kunst verglichen wurde. Unterhalb des Reliefs
befinden sich zwei Inschriften42. Die obere, aus zwei Teilen bestehend, geht
auf Tervel (702—718/19) oder seinen Nachfolger zurück. Die untere stammt
in den beiden ersten Kolumnen von Qormisos (740—763), in der dritten von
Omurtay (814—831). Der zerstörte Zustand gestattet keine sichere Wieder-
herstellung des Inhaltes. Aber die Verbindung von Felsrelief und Fels-
inschrift weist mit Sicherheit auf das sasanidische Vorbild.
%Hiermuß jenes Dokument erwähnt werden, das bis zu den hunnischen
Anfängen der Bulgaren hinaufführt: die protobulgarische Königsliste. Sie
beginnt mit Avitochol und Imik und geht bis Bezmer: insgesamt fünf
Könige, die zusammen 515 Jahre „mit geschorenen Köpfen"43 (die bekannte
Haartracht der Hunnen) nördlich der Donau regierten. Mit Isperich beginnt
eine neue Reihe, die südlich der Donau herrscht. Sie geht hinab bis Umer
(767). Bei jedem König wird sein Geschlecht genannt. Dann werden die
Jahre angegeben: zunächst in altkirchenslawischer Sprache die Dauer
seines Lebens oder seiner Regierung. Und dann auf Türkisch das Datum
der Thronbesteigung nach dem zwölfjährigen Tierkreiszyklus44. Da die
42
W. Beschewliew in: Byzant.-neugriech. Jahrb. 9, if.; G. Moravcsik, a. O. i,
165f.; Madarskijat Konnyk. BölgarskaAkademijanaNaukite, ArcheologiceskiInstitut,
Epigr. poredica 3 (1956); V. Besevliev in: Byzantion 25—27 (1955—7), 853.
48
Ostriienami glavami. Dazu Prokop., bell. 7 p. 44! Haury; E. A. Thompson, Hist,
of Attila and the Huns 113; J. Marquart, Osteurop. u. ostasiat. Streifzüge 43. — Zu
Avitochol vgl. B. v. Arnim in: Sbornik L. Miletic 573f. und richtig H.-W. Haussig
bei Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 26.
44
W. I. Zlatarski, Istorija na bslgarskata dSriava i, 353f.
10. DICHTUNG 259

K nigsliste mit Umer im Jahr 767 abbricht, wird sie damals oder kurz
danach entstanden sein. Dann l ge eine der ltesten Aufzeichnungen vor,
die man von den Protobulgaren besitzt. Nur die fr hesten Teile der Inschrift
von Madara sind lter.
Es wird angenommen, da die bulgarische K nigsliste auf zwei grie-
chische Inschriften zur ckgehe, die nacheinander auf einer S ule, wie
protobulgarische Inschriften oft, angebracht waren. Die erste soll auf Is-
perich, Ende des 7. Jahrhunderts, oder Tervel zur ckgehen, w hrend die
zweite unter Umer oder kurz danach abgefa t wurde46.
Eine Best tigung schien zu bedeuten, da die protobulgarische In-
schrift von Catalar ein hnliches Nebeneinander der Zeitrechnungen auf-
weist: Ιτο δε ό κιρός, δταν έκτίστιν, βουλγαριστί σιγορ έλεμ, γρικιστΙ
ίνδικτιώνο$ ΐΙ4β. Dem atyop έλεμ der Inschrift entspricht genau die An-
gabe Segoralemt, die in der K nigsliste Vinech beigeschrieben ist47.
[Die Annahme zweier verschiedener Inschriften ist schwerlich gerecht-
fertigt. Die Angaben ob onu siranu dunaja und na stranu dunaja .. . toide i
do sele, die am Ende der ersten Liste und zu Beginn der zweiten stehen,
entsprechen sich. Sie allein verb rgen den untrennbaren Zusammenhang
des Ganzen. Im ersten Teil geht das Wort ,,Jahre" (let) deren Zahl vorauf,
in der zweiten folgt es ihr. Aber auch das gew hrleistet nicht eine urspr ng-
liche Verschiedenheit. Let 300, let ιοο sind „ungef hr, an die 300 (100)
Jahre", w hrend 5 let „(genau) 5 Jahre" meinen48. Diese Verschiedenheit
war bei fabul sen Zahlen der ersten Herrscher gegen ber den genauen, ge-
schichtlichen der sp teren sachlich angebracht. Auch wenn von Avitochol
und Irnik die Lebensdauer, von Gostun die Nachfolge angegeben wird und
erst bei Kurt das Verbum drtia erscheint, das f r alle Folgenden ma gebend
bleibt, besagt dies nichts f r zwei verschiedene Inschriften als Quellen.
Vielmehr zeigt die Tatsache, da drtSa auch im zweiten Teil hinzugedacht
werden mu , wiederum die Einheitlichkeit der Liste.]
Bei weitem das Wichtigste ist die Zweisprachigkeit. Sie begegnet, wie
gesagt, auf der Inschrift von Catalar. Hinzuf gen l t sich die bekannte
Notiz des Tudor Doksow aus dem Jahre 907, wo im altkirchenslawischen
Text die Datumangabe abermals auf T rkisch und nach dem zw lfj hrigen
4S
Zuletzt G. Moravcsik, a. O. 296; O. Pritsak, Die bulgarische F rstenliste und
die Sprache der Protobulgaren 14.
** Beschewliew Nr. 11, 24; St. Runciman, History of the First Bulgarian Empire 274..
47
Dazu G. R. Rachmati in: Ungar. Jahrb. n, 298.
*· Hinweis E. Sittig's.
17*
260 KULTURELLES ERBE

Tierkreiszyklus gegeben ist49. „Urbulgarische Zeichen", also türkische


Runen, neben dem Griechischen entdeckte B. v. Arnim60 auf der Inschrift
von Kalugerica. Erneut zeigt sich die Zweisprachigkeit. Auch sie könnte
einen Hinweis auf die Sasanideninschrif ten mit ihren zwei und drei Sprachen
bedeuten. In noch frühere Zeit käme man, wenn man das Bild, das die
Bilinguis von Mchetca bietet, für die arsakidische Zeit verallgemeinern darf.
Denn auch da steht, wie in den protobulgarischen Denkmälern, das Grie-
chische an erster Stelle und das Aramäische an zweiter.

Mit den inschriftlichen Tatenberichten der Sasaniden beginnt diese


Form, die seit alt orientalischer Zeit verschwunden war, auch sonst aufzu-
leben. In die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts fallen die Inschriften des
Königs 'Ezänä von Aksüm ( ), die von seinen Kriegsfahrten und
Eroberungen künden. Auch sie sind zuweilen in zwei Sprachen verfaßt. Die
Inschrift Nr. 6—7 zeigt neben dem griechischen Text zweimal den äthiopi-
schen: in sabäischer und äthiopischer Schrift1. Auch das läßt sich den sasa-
nidischen Inschriften sowie dem, was für die Protobulgaren zu erschließen
ist, zur Seite stellen. Nach allem, was man weiß, könnte man bei ihnen In-
schriften erwarten, die neben dem griechischen Text einen türkischen in
griechischer und Runenschrift aufweisen. Es ist nicht undenkbar, daß ein
solches Stück einmal gefunden wird.
Indessen: ein Verzeichnis von Königen mit Angaben ihrer Abstammung
und Regierungsdauer, einer Periodengliederung (wie sie in der Unterschei-
dung einer Herrschaft nördlich und südlich der Donau vorliegt), wird man
in den sasanidischen Inschriften nicht leicht finden. Zum Vergleich bietet
sich vielmehr die Erörterung an, die an der Spitze des sasanidischen Königs-
buches stand2. Wieder wird eine Reihe der Könige und Vorfahren, diesmal
Ardasers, gegeben. Auch sie sind in einer großen Periode zusammengefaßt,
die mit der Einnahme Babyloniens durch Alexander d. Gr. beginnt und bis
zur Erhebung Ardasers verläuft, wo dann eine neue Periode einsetzt. Und
49
Zuletzt G. Moravcsik, a. O. 2, 301; vgl. W. J. Zlatarski, a. O. i, 2gi.
60
Anz. Wiener Akad., Phil.-hist. Kl. 6g, 173!
1
E. Littmann, Deutsche Aksum-Expedition 3, 8f.
2
Tabari, ann. i, 813, 3f.
10. DICHTUNG 261

wiederum ist eine doppelte Berechnung gegeben. Wie dort der Zahl der
„Jahre" die Angabe des Regierungsantritts nach dem zwölfjährigen Tier-
kreiszyklus folgte, so stehen hier „nach der Rechnung der Christen" und
„nach der Rechnung der Magier" nebeneinander.
Dieser einleitende Abschnitt von Tabaris Behandlung der „Könige der
Perser" geht über das arabische Werk des Ibn al-Mukaffa' auf das sasanidi-
sche Xodäi-näme zurück. Er bildet die Einleitung zur Darstellung der Taten
und der Regierung Ardasers und ist mit ihr untrennbar verbunden. Aber mit
der Rückführung auf das Königsbuch ist nicht alles gesagt. Der Abschnitt
über Ardaser fällt aus der Behandlung der älteren Sasanidengeschichte durch
die Fülle der tatsächlichen Angaben, die Fülle zugleich der geschichtlichen
und geographischen Namen, heraus. Längst hat man vermutet, daß hier
eine gleichzeitige Quelle ersten Ranges zugrunde liege, deren Angaben dann
in das Xodäi-näme übernommen wurden.
Tabaris Text selbst enthält zwei Hinweise: Ardaser, so sagt er3, schrieb
bei seinem Hervortreten eindringliche Briefe an die Teilkönige, in denen er
sein Recht nachwies. Demnach, so darf man deuten: seinen Anspruch auf das
ungeteilte Reich der Achaimeniden. Dann fährt Tabari fort: er forderte die
Teilkönige auf, ihm zu gehorchen. Noch eine zweite Schrift des Ardaser
wird genannt. Gegen Ende seines Lebens verfaßte er für seinen Nachfolger
'ahdahu*: „sein Vermächtnis". Aber jede Möglichkeit, hier weiterzukommen,
schien durch das Verdikt abgeschnitten, das ein so hervorragender Kenner
wie Nöldeke gefällt hatte5. Die Schreiben Ardasers an die Teilkönige er-
klärte er für ein rhetorisches Produkt der späten Sasanidenzeit. Ebenso be-
zeichnet er das „Vermächtnis" als ein „späteres rhetorisch-paränetisches
Werk"6.
Dabei ist übersehen das Zeugnis des Zeitgenossen Herodian7. Die Ge-
sandten Ardasers erscheinen vor Severus Alexander und teilen im Auftrage
ihres Königs mit: „Es befiehlt der große König Artaxares, daß ablassen die
3
Ann. i, 820, 13! Ebenso der Codex Sprenger 30 p. 118: A. Rothstein, De chro-
nographo Arabe anonymo 24 Anm. i.
4
Ann. i, 820, I4f. Über die 'uhüd W. Bjorkman, Beitr. zur Gesch. der Staats-
kanzlei im islamischen Ägypten 145f.; vgl. 49!; sie beziehen sich immer auf die Nach-
folger. Zuletzt G. Widengren in: Orientalia Suecana 5 (1956), 90.
5
a. O. 2i Anm. i—2.
' Vgl. Bezzenb. Beitr. 4, 27. Ein angeblicher Brief Ardasers an die Teilkönige bei
Ibn Kutaiba, kitäb al-ma'ärif 321, 15! Wüstenfeld; dazu Hamza Isfah. 45, igi. Gott-
wald. Derselbe spricht 63, i8f. von den „Briefen und Vorschriften" der Könige, die in
7
persischen Büchern der Geschichte zu lesen waren. 6, 4, 5.
262 KULTURELLES ERBE

R mer und ihr Oberhaupt von Syrien und Asien, soweit es Europa und Asien
gegen berliegt; da sie herrschen lassen Perser bis lonien und Karien und
ber die V lker, die durch g is und Pontos geschieden sind. Sie seien n m-
lich der Perser Sklaven von den Vorfahren her." Einleitendes κελεύει
l t sich zu Tabaris8 wa-da' hum il t 'atihi stellen. Es wird nur von dem
άρχων der R mer, nicht von einem βασιλεύς gesprochen. Denn als „Teil-
k nig" mu te ihm Ardaser jenen Titel verweigern. Auch die Bezeichnung
der Ιθνη Asiens als κτήματα pa t zu dieser Stilisierung. Den Ausschlag
gibt die Bezeichnung als: Περσών προγονικά κτήματα. Auch bei Tabari
erkl rt Arda§er, er wolle die Herrschaft wieder so herstellen, wie sie zur Zeit
seiner Vorfahren gewesen sei*.
Diese Beobachtungen f hren darauf, da die Erkl rung der persischen
Gesandten vor Severus Alexander den Inhalt eines jener Briefe wieder-
gibt, in denen Ardaser sein Recht nachwies und die Teilk nige zum Ge-
horsam aufforderte. Die bereinstimmung mit Tabaris Worten zeigt, da
derartige Schreiben zu Ardasers Zeit bekannt waren und da deren Rechts-
auffassung von der Quelle bernommen wurde, die unserer arabischen ber-
lieferung zugrunde liegt. Alles spricht daf r, da es echte Briefe waren.
Wie steht es mit dem "ahd ? Gemeint war damit eine Mahnung, ein prae-
ceptum oder mandatum, und darum schl gt N ldeke10 als originalen Titel
handarzn may vor. Citak handarz-i p ry ikef n „Ausgew hlte Unterweisung
der Glaubensv ter" war auch der Titel des Pand-n may-i ZartuSt ge-
nannten Katechismus. An wen der 'ahd Ardasers gerichtet war, sagt
Tabari: litnan ba'dahu. Und anderer Nachricht zufolge11 schrieb der erste
Sasanide an seinen Sohn einen 'ahd, darin er S p r und allen kommenden
K nigen des Hauses ihr Recht zur Herrschaft darlegte und wie man diese
sich erhalten k nne. Das erinnert an die gro e Inschrift von Bisut n, in
deren Schlu teil sich Dareios mit immer neuen Mahnungen an seinen Nach-
folger wendet: tuvam k xS ya&iya hya aparam hiy. Er zieht die Folge-
rungen aus den Geschehnissen, in deren Mittelpunkt er selbst stand. Er
warnt vor der L ge und den L gnern, vor Verbergen oder Zerst rung seiner
Inschrift; er fordert den Glauben an die von ihm berichteten Taten12.

* Ann. i, 820, 14.


9
Ann. ι, 814, 2l.
10
Bezzenb. Beitr. 4, 27 Anm. 2.
11
Abulfidae hist, anteislam. 82, 7 f. Fleischer.
12
4, 37f.; 53f.; 67! Vgl. noch Makrizi, al-hitat 3, 12, ^i.
10. DICHTUNG 263

Diese Mahnungen schließen sich bei Dareios dem eigentlichen Taten-


bericht an. Auch in Tabaris Ardaser-Kapitel gehen dem 'ahd die Taten
als eigener Teil voraus. Und damit ist gesagt, was für diesen Tatenbericht
die Quelle war: es kann nur das berühmte kär-näme des Ardaser selbst ge-
wesen sein.
Der mittelpersische Roman von Ardaser wird meist als sein kär-näme
bezeichnet. Aber wenn es an seinem Anfang heißt: pa kärnämay-i ArdaSir-
-t edön nißiSt estäd kü .. ., so ist damit nicht der Titel des mittel-
persischen Romans, sondern die Quelle, auf die er sich beruft, bezeichnet13.
Und wenn Mas'üdi14 davon berichtet, daß von Ardaser, Bäbaks Sohn, ein
Buch verfaßt sei, das man kärnämaj nennt — „darin werden seine Ge-
schichte, seine Kriege, seine Züge auf der Erde und seine Lebensweise
erzählt" — so schließt die Tatsache, daß Ardaser selbst als Verfasser be-
zeichnet wird, ein Zusammenfallen mit dem Roman aus.
Nöldekes gegenteilige Behauptung15 wiegt um so weniger, als auch
weitere Zeugnisse, die er anführt1', nichts beweisen. Es sind vor allem zwei
Angaben des Fihrist. Einmal 1,305, . ,,das Buch Kärnämag über das Leben
desAnösarwän", wo eine Verschreibung von anöSirwäna in arda&ra ange-
nommen werden müßte: das hat auszuscheiden. Bedeutsamer ist eine zweite
Stelle. Nach 119, 2f. hatte Abän b. 'Abdilhumaid al-Lähiki ar-Rakäsi (gest.
200/815—816) sowohl von Kalila wa-Dimna wie von dem „Buch des Lebens
Ardasers" eine arabische Bearbeitung in gereimten Doppelversen ange-
fertigt. Nöldeke bemerkt, solche Bearbeitungen setzten einen arabischen
Prosatext voraus, und man werde dadurch auf ein höheres Alter des mittel-
persischen Originals geführt. Diese Beobachtung schließt aus, daß damit der
„Roman" des Ardaser gemeint war. Denn er kann, wie man mit Recht
betont hat, nach Stil und Sprache erst ins 9. Jahrhundert gehören17.
Diese Feststellung läßt nur einen Schluß zu. Das bei Mas'üdi und im
Fihrist erwähnte kärnämaj des Ardaser oder das Buch seines Lebens
war ein authentisches Werk. Es ging auf Ardaser selbst oder doch auf seine
Zeit und seine nächste Umgebung zurück. Aus ihm muß der Bericht über

13
Th. Nöldeke, a. O. 23 Anm. i.
14
2, i6if. Barb., vgl. 449.
16
a. O. 25.
16
a. O. 25. Über die Acta Gregorii et Rhipsimes wage ich kein Urteil.
17
H. W. Bailey, Zoroastrian Problems Einl. S. V. — Auch H. Junker äußerte mir
gegenüber eine ähnliche Ansicht.
264 KULTURELLES ERBE

Ardasers Taten bei Tabari (und der eng damit übereinstimmende des
Anonymus in Cod. Sprenger 30) stammen. Daß dem so ist, bestätigen ge-
wisse Übereinstimmungen des Ardaser-Romans mit Tabari, auf die auch
Nöldeke18 in seiner Übersetzung anspielt. Gewiß enthält der Roman in der
Masse Ungeschichtliches, Mythisches und Fabuloses, wie es sein Recht ist.
Aber ein geschichtlicher Kern schimmert durch, und er kann, mittelbar
oder unmittelbar, nur auf Ardaser's kärnämay zurückgehen. Die Berufung
auf dieses, die zu Anfang des Romans steht, enthält zumindest einen Ab-
glanz des Wahren.
In der Inschrift von Bisutün sind der Tatenbericht und die Ermahnungen,
die Dareios an seinen Nachfolger richtet, vereint19. Bei Ardaser werden 'ahd
= handarznämay und kärnämay gesondert zitiert. Auch enthielt das letzte
Ardasers „Geschichte, seine Kriege, seine Züge auf der Erde und seine
Lebensweise", was im Begriff des 'ahd nicht liegt. So wird man getrennte20,
aber ihrem Inhalt nach eng zueinander gehörige Schriften anzunehmen
haben. Dementsprechend scheidet Tabari das „Leben" Ardaser's von dessen
Briefen und Richtersprüchen21. Für unseren Zweck bleibt das ohne Bedeu-
tung. Auch, wenn kärnämay und 'aha als Bücher zu trennen sind, hat sich
eine bedeutsame Berührung zwischen der großen Inschrift von Bisutün
und Tabaris Kapitel über Ardaser ergeben.
Diese Berührung ist nicht die einzige. Denn auch das ist beiden ge-
meinsam, daß der eigentliche Tatenbericht die Mitte einnimmt. Auf ihn
folgen die Mahnungen, die sich an den Nachfolger richten. Wendet sich der
Schluß solchermaßen an das Kommende, so richtet sich der Anfang auf die
Vergangenheit. In beiden Fällen erscheint zuerst die Genealogie: dort der
Achaimeniden, hier der Sasaniden. Damit in eins begegnet der Abfall von
der rechtmäßigen Herrschaft: als Urheber des Bösen stehen sich Gaumäta,
der Magier, und Alexander, der Zerstörer persischer Größe, gegenüber. Es
folgt bei beiden der Entschluß, die rechte Herrschaft erneut aufzurichten:
er geht dort von Dareios, hier von Ardaser aus.
Form und Aufbau der großen Inschrift von Bisutün wirken demnach,
durch welche Zwischenglieder auch immer, in dem Sasaniden nach 22 , der sich
als Erneuerer einstiger Größe betrachtete. Wie das achaimenidische Fels-
18
a. O. 50 Anm. r ; 57 Anm. 3; 4; 60 Anm. 2; 4; 64 Anm. i; 5.
19
Ähnlich in Säpürs Siegesinschrift von der Ka'ba-i Zradust: W. B. Henning in:
BSOS. g, 844.
20 21
Th. Nöldeke, a. O. 27. Ann. i, 898, 4 f.
22
J. H. Kramer in: Annual Bibliogr. of Indian Archaeol. 15 (1950), XVII.
10. DICHTUNG 265

relief das Vorbild für das sasanidische abgab, so Dareios' Tatenbericht und
Mahnungen für das kärnämay und den 'ahd des Ardaser. Nur daß es sich in
den beiden zuletzt genannten Fällen um keine Inschrift handelt. Aber auch
der Text von Bisutün war, nach Ausweis der Elephantinepapyri, in ara-
mäischer Übersetzung und abschriftlich, demnach als Buch, verbreitet23.
Also in der gleichen Form, die man für Ardaser's kärnämay voraussetzen
muß. Es ist vielleicht kein Zufall, daß, wie am Schluß von Dareios' Inschrift
auf die Tatsache der abschriftlichen Verbreitung angespielt wird24, so auch
in Tabaris Kapitel über Ardaser der Hinweis auf die Briefe und den 'ahd
am Ende steht.

NACHTRAG
Deutungen, die jüngst im Handbuch der Orientalistik 4 (1958), 38f.
zur Bilinguis von Mchet'a vorgetragen wurden, geben Anlaß zur Berichti-
gung. Es gvht hier wie überall um die Frage, ob der aramäische Text jüngere
(ostaramäische) Formen enthalte oder ob, was vom Reichsaramäischen der
Achaimenidenzeit infolge syntaktischer Isolierung oder vermeintlicher for-
maler Wucherung sich scheidet, als Ideogramm und damit als mehr oder
weniger willkürliche Setzung einer Schreiberschule zu betrachten sei. Die
erste sprachgeschichtüche Deutung wurde von uns (zuletzt Suppl. Aram.
74f.), die zweite, .ideographische' von W. B. Henning an der eingangs ge-
nannten Stelle vertreten. Stets und so auch bei der Inschrift von Mchet'a
befolgen wir den Grundsatz, daß die sprachgeschichtliche Deutung, solange
angängig, erstrebt werden müsse, da sonst einer grammatischen Anarchie der
Weg bereitet würde. In der Tat läßt sich zeigen, daß alles, was H. als Willkür
versteht, seine Entsprechung im nachachaimenidischen Aramäisch besitzt.
Wir nehmen H.s Äußerungen der Reihe nach vor.
1. Schon BRY „Sohn" und BRTY „Tochter", vom Parthischen her
geläufig, genüge zum „Beweis des ideographischen Charakters". Wir ent-
gegnen: auch das Syrische und Mandäische konnten beispielsweise rwhy
und rwh in der Aussprache nicht mehr recht scheiden und verwechselten
beide dann auch in der Schreibung: Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 36;
Mandäische Gramm. 175; dazu Suppl. Aram. 71 f.
2. Stat. emphat. komme nur dort vor, wo man ihn gut entbehren könne:
f
BYD' „gemacht" = ,,er machte". Wir entgegnen: zunächst ist dem Part.
23 M
A. Cowley, Aramaic Papyri (1923), 248! 4, 88f.
266 KULTURELLES ERBE

Pass, ohne Grund aktivische Bedeutung zugewiesen. Sodann ist gegen eine
Schulregel der aramäischen Grammatik verstoßen, wonach prädikativ ge-
brauchtes Partizip immer im Stat. absol. steht. Wenn 'BYD' Part. Pass,
gelten sollte (zuvor wurde eine abweichende Meinung vertreten), so könnte
es demnach nur Femininum sein, also „sie (wurde) gemacht". Im übrigen
steht nicht 'BYD', sondern 'BYDW da (von H. verlesen). Zur Erklärung
wolle man Suppl. Aram. 84!. und oben S. 249 vergleichen.
3. Vom Part. Pass. 'BYD sei das Ideogramm 'B YD WN abgeleitet. Wir
entgegnen: Ableitung eines finiten Verbums mittels Personalendungen vom
Partizip ist ein Unding. H. ist entgangen, daß schon das Bibl.-Aramäische
neben dem -a- Perfekt das mittels -i- als zweitem Vokal gebildete kennt.
Während in der Regel der t-Vokal defective geschrieben wird (k'tibü —
ktbw), gibt es schon vereinzelte plene-Schreibungen, die Bauer-Leander,
Gramm, d. Bibl.-aram. 103 W anführen. Auch im Syrischen wird das -i-
Perfekt defective geschrieben (Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 102 f.
§ 160). Dagegen hat im Mandäischen die plene-Schreibung sich weitgehend
durchgesetzt (Th. Nöldeke, Mand. Gramm. 218f.). Die 3. Plur. masc. Perf.
auf -ün ist imOstaramäischen derart verbreitet, daß es keines Beleges bedarf.
Die Asoka-Bilinguis aus Kandahar hat jetzt 'THHSYNN = ithahsanün
erbracht.
4. Als Ideogramme betrachtet H. „Generalformen" für Verben wie:
YHWH „er/sie war". Doch H.s feminine Deutung beruht auf unrich-
tiger Übersetzung. Subjekt zu YHWH ist PRNW$, also ein Masculinum.
NSYH „er besiegt (e)". Doch kommt entweder das Adjectivum nasslh
oder die oben gegebene Deutung als näseh in Frage. Beides ist korrektes
Aramäisch.
GMYR „(sie) vollendet (e)". Doch müßte das Part. Pass. fern, nach dem
oben Gesagten GMYR' heißen. Hingegen ist erneut PRNW$ Subjekt, also
ein Masculinum. PRNW& GMYR ist wiederum korrektes Aramäisch. Denn
das Part. Pass, bezeichnet die vollendete Handlung und hat dadurch Ver-
gangenheitsbedeutung: Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 2o6f. §275.
Über M'YTYN ist alles Nötige Suppl. Aram. 82f. gesagt. Zu lesen ist
natürlich M'YTT. H., der sich sträubt, unseren Vorschlag anzunehmen,
hält im anderen Fall mit der Lesung yn = t weit weniger zurück: oben S. 134-
5. Es bleibt PRNW$, wo uns H. vorwirft, daß wir ihn unrichtig an-
geführt hätten . . . Wie immer: H. denkt an syr. parnüfä „senex decrepitus",
allein bei Bar Bahlül 1628, 9 Duval belegt (C. Brockelmann, Lex. Syriac.2
. DICHTUNG 267

599 ·)· Er versteht es als altiranisches Lehnwort im Syrischen: *parnu-


„alt", Nom. Sing. *parnu$ oder *parnäu§. PRNWS U sei dann als Litotes
zu verstehen: „nicht alt" = „recht jung, zu jung", entsprechend
der griechischen Fassung. Wir entgegen ein letztes Mal: gleichgültig, ob
man ein original-iranisches Wort oder ein iranisches Lehnwort im Aramäi-
schen (Syrischen) zugrunde legt, es muß ein Femininum erwartet werden.
Bei *parnu$ also *parnvi, während *parnäu$ einer Endung sein müßte.
Bewahrung einer altiranischen Form wäre im 2. nachchristlichen Jahrhun-
dert allein in Gestalt eines Lehnwortes möglich. Dann aber müßte das Fe-
mininum *PRNW$' (Stat. absol.) oder nach der Regel unserer Inschrift
*PRNW$T lauten. Syntaktische Schwierigkeiten kommen hinzu. Wo gäbe
es eine Litotes der genannten Art ? Was möchte wohl M' ZY PRNW$
L' GMYR bedeuten? H. zufolge: „was an nicht alter (= zu junger) Frau
wurde vollendet". Damit wäre man mitten in der zuvor befürchteten
grammatischen Anarchie. Es sollte nur eines Wortes bedürfen, daß L' nur
zu GMYR gehören kann. Im übrigen ist die richtige und, wie in solchen
Fällen meist, ganz einfache Erklärung in Suppl. Aram. 8if. nachzulesen.
11. KAPITEL

HUNNISCHE UND ALTT RKISCHE RUNEN

i
Herodot1 erz hlt von Orakeln, die bei den Skythen in Gebrauch waren.
Ihre Seher weissagten mit Weidenst bchen (ράβδοισι Ιτεΐνησι ττολλτίσι).
B ndel solcher St be legten sie auf den Boden, rollten sie auseinander
(διεξειλίσσουσι) und ordneten die St be einen neben den anderen. Dann
rafften sie die St be zusammen, um sie erneut nebeneinander, in einer
Reihe auszubreiten. Offenbar entnahm man der Lage, in darein St be beim
διεξειλίσσειν gerieten, die Zukunft 2 .
Auch in China bestand seit der Chou-Zeit (noo—256 v. Chr.) ein Los-
orakel, das mit 50 Holzst bchen, sp ter mit Bambusst bchen vorgenommen
wurde, und dasselbe galt noch f r die Mongolen3.
Einen Schritt weiter f hrt eine Nachricht ber die Alanen. Ammianus4
berichtet: futura mir o praesagiunt modo, nam rectiores virgas vimineas col-
ligentes, easque cum incantamentis quibusdam secretis, praestituto tempore
discernentes, aperte quid portenditur norunt. Auch diesmal werden Weiden
St bchen benutzt. Diese St bchen sammeln die Alanen (colligentes) und
„scheiden" sie (discernentes). Das Scheiden geschieht unter Absingen von
Zauberspr chen (incantamenta) zu festgelegter Zeit. Gegen ber den Skythen
Herodots ist einmal das Absingen der Spr che, dann das discern ere der
Weidenst bchen zu festgesetzter Zeit hinzugekommen5.
1
4, 67.
2
Diese Seher sind die Έναρέε$ l Ανδρόγυνοι. Da damit die Schamanen
gemeint sind, hat K. Meuli in: Hermes 70 (1935), 127!. gezeigt. A. Steins Deutung von
θεσττίζουσι auf das Aussagen von Zauberspr chen (im Kommentar z. St.) ist ohne
Anhalt.
3
P. Poucha, Die Geheime Geschichte der Mongolen. Archiv Orient lni, Suppl. 4
4
(1956), i8if.; Titelbild. 31, 2, 24.
5
Zuletzt hat ber diese und andere Losorakel T. Yoshimura in: La Nouvelle Cho
1957, 4°9ί· gehandelt. In Einzelheiten wird hier abgewichen.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 269

Der Ritus war demnach ausgebaut worden. Sowohl der Gesang wie die
Hinzufügung der Merkmale, die das „scheiden" ermöglichten, gaben eine
Erläuterung, mochte auch diese sich tunlichst im Bereich des Geheimnis-
vollen (incantamentis secreiis) halten. Zum Vergleich bietet sich Tacitus'
Bericht* über die germanischen Losorakel an. Auch hier die virga, die aber
von jeder frugifera arbor genommen und in surcula zerschnitten wird; des-
gleichen ein discernere, diesmal mittels notae. Ebenso ist der feierliche Spruch
(precatus deos) bezeugt, wenn er auch nach dem discernere erfolgt. Danach
scheint, als sei auch bei den Alanen dieses dicsernere mittels notae, also
mit eingeschnittenen Zeichen, geschehen.
Bestätigend treten finnische Losorakel hinzu. E. Lenqvist7, einziger
Berichterstatter, beschreibt: ex assulis ligneis cullro elaboratis conficiebant
pennulas plures, quibus insculpebant singulis suum signum vel characterem
peculiarem, dein mussitabant carmen consuetum; quo finüo ex signo quod turn
relinquebatur in manu conieciebant . . . Das Verfahren, das in den pennulae,
im mussitare eigene Schattierungen aufweist, ähnelt dem der Germanen.
Wieder begegnet das carmen, und signum sowie character peculiaris ent-
sprechen den notae.
Die germanischen notae bildeten eine Vorstufe der Runenschrift, zumal
der in dieser erhaltenen Sinnbilder8. Auf der Kelchalpe bei Kitzbühel
(Scheidehalde Nr. 32) kamen 42 Kerbhölzer zutage9, deren Verwandt-
schaft mit den germanischen Losorakeln sofort in die Augen sprang. Aus
Zweigen der Fichte, Tanne, Haselnuß und Vogelbeere waren die Hölzer
geschnitten, wie dies Tacitus von den germanischen sortes schildert. Die
Länge beträgt etwa 3 cm; die Zeichen sind mit dem Messer eingetieft. Teil-
weise handelt es sich um einfache Kerben; andere Zeichen lassen sich mit
geometrischen Sinnbildern oder Buchstaben der norditalischen Alphabete
vergleichen10.
Auch an die Rückenwirbel von Rindern und Schafen sei erinnert, die,
teilweise mit Blei ausgefüllt, im Altai und in Awarengräbern Ungarns11

' Germ. 10.


7
De superstitione veterum Fennorum (1782), 61. Zitiert nach L. Gruber, Erschlie-
ßung des Sinn Zusammenhanges der Runenreihe auf Spuren einer urzeitlichen Glau-
benswelt (1955), 32.
8
Zuletzt F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache uqi.
9
E. Preuschen und R. Pittioni in: Mitt. Praehistor. Kommiss. Wien 3, 67f.; 87!.
10
Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen 2 (1943), 49f.; F. Altheim, a. O. n6f.
11
Archaeol. Hungar. 34 (1955), 150!
270 KULTURELLES ERBE

gefunden wurden. Sie dienten einem Glücksspiel, das dem griechischen


ähnelte. Die Rückenwirbel tragen regelmäßig unterscheidende
Zeichen. Man hat sie als tamya, demnach als Abzeichen bestimmter Clane
gedeutet, und darüber hinaus nicht gezögert, sie als Vorstufen der späteren,
alttürkischen Runenschrift anzusehen12. Entstehung der germanischen und
der alttürkischen Runen, so wenig beide etwas miteinander zu tun haben,
wäre demnach aus ähnlichen Voraussetzungen zu erklären.
Freilich bestehen, was die erhaltenen Rückenwirbel angeht, bei dem
Nachweis von Sinnbildzeichen, die später als Runen des alttürkischen Alpha-
bets wiederkehren, noch Schwierigkeiten. Angesichts der erhaltenen Stücke13
wird man sich nur zögernd oder gar nicht zu bestimmten Behauptungen
entschließen. Allenfalls könnte man an aiZ14 oder nt, nd16 denken. Auch der
neuerdings unternommene Versuch16, in vorhandenen Zeichen des alttür-
kischen Runenalphabets einstige Sinnbildzeichen aufzuspüren, ist wenig
aussichtsreich. Im Zeichen oq einen Pfeil zu sehen, widerrät die Tatsache,
daß die Hunnen und Awaren fast keine Pfeilspitzen mit Widerhaken,
sondern den Dreikantpfeil kannten17. Wer 1y als primitiven Bogen erklären
will, muß daran erinnert werden, daß die Hunnen und Türken nicht den
konkaven, sondern den bein versteif ten Reflexbogen besaßen18. In gewissen
Formen von *b das Bild einer Stangenjurte, in anderen ein Filzzelt mit
Scherengitter wiederfinden, heißt den Zeichen mehr zumuten als sie ent-
halten.
Neben den ererbten Sinnbildern stehen im germanischen Runenfuthark
die Zeichen, die den norditalischen Alphabeten entnommen sind. Und eben-
so tritt bei den alttürkischen Runen auch für solche, die an Sinnbilder
glauben, neben diese eines der aus dem aramäischen entwickelten Alpha-
bete der mitteliranischen Zeit.

12
G. Laszlo. a. O. 153 1.
18
G. Laszlo, a. O. 151 fig. 37.
14
G. Laszlo, a. O. 151 fig. 37. 4.
15
G. Laszlo, a. O. 151 fig. 37, 6.
14
A. v. Gabain in: Sitz. Ber. Deutsche Akad. Berlin 1948, 3, n.
17
J. Werner, Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches, 2 Taf. n, 2—6; 35,
2—3; 46, 8; 51, i; 53, 3; 57, 10—15 (10—n Widerhaken); G. Laszlo, a. O. Taf. 46, 9;
S. 234 fig. 64.
18
J. Werner, a. O. i, 46f. Hinzugekommen ist der berittene Bogenschütze des
Freskos von Kasr el-her el-garbi (omaiyadisch nach spät-sasanidischem Vorbild):
D. Schlumberger in: Syria 25 (1946—8), 90f.; fig. 5; pl. B. Schlumberger stellt a. O. 97
Anm. 7 weitere Beispiele des „arc a double courbure" zusammen.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 271

Aufschlußreich für Entlehnungs- und Entwicklungsgang der alttür-


kischen Runenschrift sei, so hat man gesagt1, daß sie von West nach Ost
an Regelmäßigkeit zunehme. Dabei nannte man als Haltepunkte die Fluß-
täler des Talas, des Jennissei und des Orchon. Während man die Orchon-
Inschriften zwischen 693 und 735 ansetzt2, möchte man in den fünf Texten
vom Talas die ältesten sehen; man vermutet für sie die Jahre um 6003. Ein
handschriftliches Bruchstück vom Berge Mugh4 mag noch höher hinaufgehen.
Abstufung des Alters der drei Inschriftengruppen und die vermutete
Entstehungszeit der Talasgruppe könnte die Vermutung nahelegen, daß das
Vorbild in der Sogdiane zu suchen sei. V. Thomsen, Entzifferer der Orchon-
inschriften, hat den Gedanken erstmals angedeutet6. Man hätte, wenn man
weiterdenkt, die Hephthaliten, deren kulturelle Bedeutung zuvor hervor-
getreten war, als Urheber auch der Runen zu betrachten. In neuerer Zeit
hat man an eine „aramäische Kursive"* gedacht, der vor 600 das türkische
Alphabet nachgebildet wurde.
Alle diese Vermutungen haben wenig Aussicht, sich zu bestätigen. „Ara-
mäische Kursive", was immer man sich darunter vorzustellen habe, kann
kurz vor 600 kaum die Inschriften des Talas-Gebietes beeinflußt haben.
Damit entfällt die Ansetzung auf 600, und daß die Inschriften der syrischen
Nestorianer7 aus dem Siebenstromland Vorbilder für das alttürkische
Runenalphabet abgegeben hätten, wurde von niemanden nachzuweisen
versucht. Es widerlegt sich durch den Augenschein. Gegen Herleitung aus
soghdischer Schrift8 spricht i. der Mangel an eindeutigen Übereinstim-
1
A. v. Gabain in: Sitz. Ber. Deutsche Akad. Berlin 1948, 3, 12.
* A. v. Gabain in: Anthropos 48 (1953), 539; vgl. A. I. Bernstam in: Epigrafika
Wostoka ii (1956), 56; E. R. Rygdylon, ebenda 61; 62.
* A. v. Gabain, a. O. 559.
4
A. N. Bemätam in: Epigrafika Wostoka 5 (1951), 65f.
6
Samlede Avhandl. 3, 73f.; R. Gauthiot, Essai de grammaire soghdienne i, 5;
H. H. Schaeder in: Ungar. Jahrb. 5, 94; G. Vernadsky in: JAOS. 56, 454; F. Altheim,
Literatur und Gesellsch. i, 195f.
* A. v. Gabain, a. O. 539.
7
D. Chwohlson, Syrisch-nestorianische Grabinschriften ans Semirjetschie in: Mem.
A cad. Imp. des sciences de St. Pitersburg 1890.
8
R. N. Frye's Hinweis auf die chwärezmische Schrift als Vorbild (in: Archaeol.
Orient. E. Herzfeld 89!) ist vorerst unbeweisbar. Zur Frage dieser Schrift R. N. Frye,
Notes on the Early Coinage of Transoxania. Numism. Notes und Monographs 119
(I949). i6f.; dazu unsere Kritik: Porphyries und Empedokles (1954), 47^·! 52^·> zu~
letzt Finanzgeschichte der Spätantike 366 Anm. 5.
272 KULTURELLES ERBE

mungen; 2. die Zeichen lb, 2g, ld, 1z, H, 2k, °s (um nur diese zu nennen)
bleiben unerklärt; 3. die jüngere soghdische Schrift wurde als solche zur
Aufzeichnung alttürkischer Texte verwandt; 4. vor Übernahme der sogh-
dischen Kursive haben sich die Hephthaliten auf ihren Münzen und in den
sogen. Hephthalitenfragmenten der griechischen Kursive bedient.
Immerhin gibt die alttürkische Runenschrift einige Hinweise, die auf
ältere Entstehung führen. Nachdem der frühe Ansatz jener fünf Texte vom
Talas entfallen ist, nachdem auch Charakter und Zeit des „Heldenliedes"
von Choito Tamir8a unsicher sind (eine kommende Untersuchung L.Bazin's
wird dies erweisen), bleiben als sicher datierbar allein die Orchon-Inschriften.
Bereits in die Zeit der arabischen Eroberung fallend, zeigen sie doch keiner-
lei Beeinflussung durch die arabische Schrift. Das legt von vornherein eine
ältere Entstehung ihrer Runen nahe.
Die Sprache der Inschriften ist, wenn auch gelegentlich Verschieden-
heiten sich beobachten lassen, einheitlich. Vorhandensein einer einheit-
lichen Literatursprache verdient stets Beachtung. Manche solcher Sprachen
wie das Vedische oder das Arabische der vorislamischen Dichtung haben
sich nachweislich ohne Aufzeichnung gebildet. Feste Form, darin der Dich-
ter Spruch sich prägte, ersetzte durch ihre bewahrende Kraft die Schrift
und übertraf sie zuweilen. Immer aber handelte es sich in solchem Fall um
Dichtung, also um gebundene Rede. Prosa hingegen ist, soweit bekannt,
nicht ohne schriftliche Festlegung bewahrt worden. Sie verlangte nach
dieser, und sie tat dies in dem Maße, als sie sich der gebundenen Form ent-
8a
Über die Lage von Choito Tamir wird der liebenswürdigen Hilfsbereitschaft
A. v. Gabains folgende Unterrichtung verdankt: „Ich besitze Radioffs „Aus Sibirien"
i. Teil, von Ahmet Temir ins Türkische übersetzt. In dessen geographischem Teil ist
der Ort nicht verzeichnet, auch nicht auf der beigefügten Karte; ebensowenig in
A. Herrmanns 'Atlas of China*. Radioff hat diese Inschriftengruppe nicht selbst auf-
genommen, sondern von Klementz erhalten; vielleicht ist er nie dort gewesen" (brief-
lich 27. i. 1958). Auf der mitübersandten Karte III aus I. Ja. Bicurin, Sobranie swedenij
o narodax obtitawsix w srednej Azii b drewnie wremena findet sich der Tamir-Fluß,
aus zwei kleineren Flüssen des Namens sich vereinigend, als westlicher Nebenfluß des
oberen Orchon. Choito bedeutet nach Angabe A. v. Gabains „der hintere, nördliche,
westliche". Hier könnte damit nur der als Zapadnyj Tamir bezeichnete nördliche der
beiden Flüsse des Namens gemeint sein. Schließlich heißt es bei Lin Mau-thai, Kultu-
relle Beziehungen zwischen Ost-Türken (= T'u-kiu) und China, im Central Asiatic
Journ. 3 (1958), 191: „Mitte des 5. Monats versammelten sich die T'u-kiu am Fluß
Tamir, um der Gottheit des Himmels zu opfern" (aus demChou-shu, T'ang-Zeit). Jene
Inschriften, fügt A. v. Gabain hinzu, seien demnach vielleicht an einem schon jahr-
hundertalten Kultplatz aufgezeichnet worden, wo sie viele Menschen bei den Festen
lesen konnten (brieflich 3. 2. 58).
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 273

äußert hatte. Einheitliche Literatursprache, die gleich jener der Orchon-


Inschriften in Prosa sich aussprach, bedurfte zu ihrem Werden und Be-
harren der Schrift als Substrat.
Es kommt hinzu, daß nicht nur im hunnischen Lied auf Attilas Tod eine
Wendung aus Säpür's I. großer Siegesinschrift wiederkehrt, sondern daß
sowohl die Orchon-Inschriften wie die um ein Jahrhundert jüngeren Taten-
berichte der protobulgarischen Herrscher ohne das Vorbild der sasani-
dischen Königsinschriften des 3. Jahrhunderts nicht denkbar sind (oben
S. 253—265). Übernahme der damit gegebenen literarischen Form seitens
der Hunnen, Osttürken und Protobulgaren setzt, wofern die zuvor an-
gestellte Erwägung zutrifft, Kenntnis der Schrift schon in vergleichsweise
früher Zeit voraus.
Über Betrachtungen mehr allgemeiner Art hinauszukommen gestattet
die Feststellung, daß Bestand und Verteilung der runischen Denkmäler
sich inzwischen wesentlich vergrößert haben. Der bisher allein genannten
östlichen Gruppe muß eine westliche hinzugefügt werden, die aus Südruß-
land und dem Balkan stammt. Und die, wie hinzugefügt werden mag, Aus-
sicht hat, als ursprünglicher zu gelten. Mit den spätesten dieser Denkmäler
sei begonnen, und von ihnen aus soll der Weg rückwärts gesucht werden.
Zunächst haben sich in Ungarn Ringaufschriften in alttürkischen Runen
gefunden. Ihr Bearbeiter9 weist sie den ungarländischen Petschenegen zu,
was keineswegs gesichert zu sein scheint. Er hat nur kurze Texte zu lesen
und zu deuten versucht. Aber weder beim Ring von Ladanybene noch bei
dem Kunkerekegyh&za überzeugt der Versuch. Selbst, wenn man im
zweiten Fall die Lesung: zdnzt ^dln^-yin WnüS annehmen wollte, stehen
der Deutung: dän-ti dünyä(n)iw tönü$i(ü) sowohl die Vokalharmonie wie die
Annahme eines arabischen Lehnwortes im Wege. Bei dem Ring von Deszk
wurde eine Deutung nicht einmal versucht. Die meisten Aussichten bietet
der Ring von Battonya. Der Herausgeber liest zd, ln, S,zb, zt, 2g, ln, zs, zt, 2g,
kü. Zweifellos steht am Anfang V, nicht zd, und am Ende ist n hinzuzu-
fügen; auch statt ln wird man den siebten Buchstaben als u\o lesen.
Die Vokalharmonie erlaubt die Gliederung und Lesung: V — —zb
z z z z
H g — o — s t g — kün = ür no$ bütüg o istägü kün. „Lange (und) lieb-
lich (sei) das Gelingen. Dies zu wünschen sich erlaubend die Sklavin".
Büt-üg zu büt- mit deverbalem Nominalsuffix -üg, vgl. A. v. Gabain, Alt-
9
D. Csalläny in: Acta orient. Hungar. 1955,79^ Wir erhielten den Aufsatz durch
die Güte J. Harmattas.
18 Altheim, Hunnen I
274 KULTURELLES ERBE

türk. Gramm.2 70 § 109. Zu o „dieser" ebenda '95 § 191; Nachtrag zu


S. 145 Mitte. Über die Bedeutung des Konverbs auf -yu, -gü ebenda 2 130 f.
§254-
Weiter veröffentlichte A. N. Bernstam10 die alttürkische Runenin-
schrift einer Silberflasche, die 1896 nördlich des Kaukasus, zwischen Salsk
und Zarizyn (Stalingrad), gefunden wurde. Die Flasche befindet sich gegen-
wärtig im Museum von Nowotscherkask. Eine erste Lesung und Deutung
versuchte Bernstam selbst11 (vgl. Abbildung 3 oben):
2
lc ntu mu cy ntu 2k 1scs1r.
Also:
alcy antu umu acyy antu iki sycyfar.
M. Räsänen, der die Inschrift neu behandelt hat12, machte eine Reihe
von Einwänden. Der Sinn befriedige nicht; das dritte und neunte Zeichen
bedeute lk (q), das vierte und zehnte xy und das zweitletzte 1 . Außerdem
liest er ohne Begründung das 13. Zeichen als m und das zweite, achte und
vierzehnte als L Seine Lesung lautet:
*
»if1* lyumuPk lyu *km$ Wr.
Also:
aUaq yumuSaq ayu kümüS bar.
Aber auch gegen Räsänens Lesung und Deutung erheben sich Ein-
wände. Zur Lesung ist zu bemerken: weder kann der dreizehnte Buch-
stabe anders als 2s, noch der zweite, achte und vierzehnte anders als ic, i£
gelesen werden. Bernstam war demnach mit c durchaus auf dem rechten
Weg. Weiter können aus Gründen der Vokalharmonie die drei ersten
Zeichen kein einheitliches Wort bilden. Schließlich wird man die Über-
setzung: „(dies) ist (von einem) billigen, weichen, schlechten Silber" nur
im Notfall annehmen.
Ein neuer Versuch mag mit dem Schlußteil beginnen. Bar bezieht sich
auf etwas, was vorhanden ist, also zunächst die Flasche. Vorangeht Zk2sc,
und das ist küzäc oder közäc „Topf, Kessel"13. Dabei ist ö nicht geschrieben,
wie es auch im gleich zu nennenden ölci ungeschrieben bleibt. Der Wechsel
zwischen intervokalischem stimmhaftem und stimmlosem Konsonant (im
10
Epigrafika Wostoka 4, 83 f.
11
a. O. 84.
12
Studia Orient. 17, 6, 5!.
13
A. v. Gabain, a. O. Alttürkische Gramm.2 54 § 34; M. Räsänen, Stud. Orient.
15.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 275

vorliegenden Fall z und s) ist bekannt14. Etymologische Zugehörigkeit zu


köz „Auge" (osman. göz) vermutet L. Bazin. Also mit denominalem Suffix
+°c: „Äugelchen", als Bezeichnung der runden Öffnung des Gefäßes. Mit
diesem kann hier nur die Flasche gemeint sein.
Vorher fällt die zweimalige Wiederkehr eines schließenden c und eines
darauf folgenden lklyu auf. Im letzten ist ohne Weiteres qayu „welcher,
was" zu erkennen. Damit ergibt sich die richtige Lesung:
ölci qayu umcl qayu kösäc bar.
Das Alttürkische besitzt das reflexive (oder mediale) Verbum umun-
„hoffen", gebildet aus ursprünglichem *um- mittels des deverbalen Verbal-
suffixes -n-, -un-. *Um- ist noch in den Nomina um-duq, wm-«y „Hoff-
nung" bewahrt. Von dem Verbalstamm *um- kann das Futurum um-cl
gebildet werden (dies Hinweis von L. Bazin). Entsprechend ist öl-£i zu ver-
stehen.
Die Übersetzung lautet:
„Wer zugrundegehen wird, wer hoffen darf, (für sie alle ist) die Flasche
da".
Also das bekannte Motiv der Flasche mit Inhalt als Tröster in wech-
selnden Lebenslagen.

Vorangehendes war geschrieben, als durch einen brieflichen Hin-


weis J. Harmattas die Aufsätze M. I. Artamonow's und A. M. Stserbak's
in der Sowjetskaja Archeologija 19 (1954), 26 und 26gf. bekannt wurden.
Beide haben eine Reihe von Tonflaschen (bakla&da) bekannt gemacht, die,
im Gebiet des unteren Don gefunden, sich im Museum von Nowotscherkassk
befinden. Sie gehören ins 9.—10. Jahrhundert und tragen eingeritzte Be-
schriftungen in alttürkischen Runen.
Stserbak hat sich an der Lesung dieser Runen-Inschriften versucht. Sie
bleibt bruchstückhaft, aber als Gewinn glaubt er buchen zu können, daß
er das System der vokalischen und konsonantischen Runen mitzuteilen
vermag (a. O. 278). Er stellt neben die von V. Thomsen festgestellten Or-
chonrunen, neben Gy. Nemeth's1 Lesungen der Aufschriften des Gold-
14
So A. v. Gabain, a. O.a 318 s. v.
1
J. Nometh, D. Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent Miklos (1932).
18·
276 KULTURELLES ERBE

Schatzes von Nagy-Szent-Miklos, seine eigenen. Ergebnis dieser Gegenüber-


stellung wäre, daß man drei verschiedene Runen-Alphabete besäße, die
nur eine geringe Anzahl von Zeichen gemeinsam haben.
Über die Lesungen Nemeth's ist an anderer Stelle gesprochen worden2;
sie bedürfen keiner erneuten Widerlegung. Es gelang, die Inschriften des
Schatzes von Nagy-Szent-Miklos nach dem gleichen Prinzip zu deuten3,
das für die alttürkischen Inschriften vom Orchon und Jenissei gilt. Stserbak
zitiert die diesbezüglichen Abhandlungen, aber ohne von ihren Lesungen
Gebrauch zu machen. Ebenso führt er M. Räsänen's Aufsatz: Stud. Orientalia
*7> 6, 5f. an, aber erneut, ohne sich über dessen Lesungen auch nur mit
einem Wort zu äußern. Man kann Stserbak's Lesungen um so eher beiseite
lassen, als das Richtige sich anbietet.
Stserbak's Nr. 2 (a. O. 274) gibt den gleichen Text, den die zuvor be-
sprochene Silberflasche in Nowotscherkasker Museum trägt (Abb. 3 unten):
ölci qayu umci qayu közäc baS.
Geringe Abweichungen zeigen sich in der diesmal sicher belegten Form
közäc (statt kösäc der Silberflasche) sowie in der Lesung ba§ des letzten
Wortes. Der Schlußteil ist dementsprechend zu übersetzen: „Die Flasche
ist das Erste". Es bleibt zu fragen, ob auch auf der Silberflasche statt lbr
nicht einfach *W zu lesen sei.
Die Inschriften aus Nowotscherkask und Umgebung entstammen dem
9.—10. Jahrhundert und können nur den Chazaren angehören. Eben am
Don hat ihre Stadt Sarkel gelegen. Sie bildete das Zentrum des chazarischen
Gebietes. Entgegen anderslautenden Nachrichten4 bedienten sich die Cha-
zaren der alttürkischen Runen. Als weitere Folgerung ergibt sich, daß die
Chazaren türkisch sprachen. Zumindest gilt dies für die Aufschriften ihres
täglichen Geräts.
Die sprachliche Zuordnung der Chazaren war bisher umstritten. Unbe-
rücksichtigt darf hier die Ansicht W. B. Hennings5 bleiben, wonach das
Volk von den hunnischen Akatziren abstamme: sie ist an anderem Ort

2
F. Altheim, Literatur u. Gesellsch. i, 198 Anm. i. Ablehnend auch B. v. Arnim
in: Ztschrift slaw. Philol. 1934, 240f.; G. Meszaros, Nepünk 6s Nyelvänk 1938, if.
3
Zuletzt F. Altheim, Lit. u. Gesellsch. i, 189f.
4
D. M. Dunlop, The History of the Jewish Khazars 119f.; S. Szyszman in: Revue
de l'histoire des religions 152 (1957), 204!.
5
BSOS. 1952, 5O2f.; dagegen Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 284^;
Paideuma 5 ( 95°).
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 277

und oben S. gof. widerlegt worden. Nach K. H. Menges6 bediente sich die
Masse der Chazaren einer finno-ugrischen Sprache, während eine kleinere
Gruppe, möglicherweise die herrschende, daneben Türkisch sprach. Dem-
gegenüber steht die ausdrückliche Angabe, wonach das Chazarische dem
Bulgarischen ähnelte7. J. Benzing8, der jüngst auf sie verwies, ergänzte
diese Zuordnung durch Übereinstimmung mit dem Tschuwaschischen. Er
zweifelt nicht am türkischen Charakter des Chazarischen und betrachtet
die qlpöaq-kumanischen Mundarten als dessen Fortsetzung*. Zumindest
die sprachliche Zugehörigkeit zum Türkischen scheint sich jetzt zu be-
stätigen.
Ein letzter Hinweis ist in einer Nachricht Mas'üdi's enthalten. Im
17. Kapitel der Murüg, das von den Völkern des Kaukasus und des Ge-
bietes nördlich von ihm spricht, heißt es von den Chazaren, daß unter ihnen
der muslimische Bestandteil ausschlaggebend sei10. Denn dieser, bekannt
unter dem Namen al-lärisiya11, stelle das königliche Heer. Der Nachbarschaft
Chwärezms entstammend, seien sie nach dem Erscheinen des Islam auf der
Flucht vor Krieg und Pest ins Königreich der Chazaren gekommen12.
Um welches Ereignis handelt es sich ?
Chazaren werden erstmals unter Hormizd IV. (578—590), ja schon unter
Chusrö I. Anösarvän (531—578) erwähnt13. Doch erst 626 verband sich
Kaiser Herakleios mit einem Volk gegen die Perser, das in den Quellen
als Türken oder Chazaren bezeichnet wird14.
Mit den Chazaren sind die Anfänge der Magyaren verknüpft (oben S. 96 f.).
Gleich den Chazaren begegnen die Magyaren (Ugri) unter Herakleios: ihr
erstmaliges Hervortreten (pocaSa byti) wird mit seinen Perserkämpfen ver-

' Byzantion 17, 258!.


7
Istahrl 225, 6f. de Goeje. Dazu P. Pelliot, Oeuvres posth. 2, 209 Anm. i.
8
Einf. i. d. Stud. d. altaischen Philol. u. Turkologie 77!.
9
a. O. 78; vgl. 79 f.
10
M u r u g a , , if. Barb.
11
Murüg 2, 10, 2; vgl. ii, 10; 12, 2.
11
Gedankt sei K. H. Menges, mit dem das Folgende durchgesprochen wurde.
13
Ya'kübl, i, 188, 2 Houtsma; Nihäyatu 1-irab Cod. Cambr. Qq 255 folg. i4?b
15f. angeführt bei G. Widengren in: Orientalia Suecana i (1952), 92f. und abgebildet
auf S. 79. Übersehen ist dort: Zacharias Rhetor 2, 214, 23 Brooks (von diesem fälschlich
den gleichgesetzt; dazu J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische
Streifzüge, 1903, 356 und der im vierten Kapitel behandelte Abschnitt Michaels des
Syrers).
14
Theoph. 315, 15f. de Boor; Georg. Kedren. i, 727, 20 Bonn.
278 KULTURELLES ERBE

bunden16. So darf nicht wundernehmen, daß in der Überlieferung der Ar-


padenzeit an drei Stellen der Name auch Chwärezms erscheint. Simon von
Keza nennt die gens Corosmina im sechsten Kapitel und berichtet später16,
Chaba, Attilas Sohn, habe seinerseits einen Sohn Edemen gehabt, dessen
Mutter de Corosminis orta erat. Er wurde vom Adel der Hunnen verachtet,
propter quod ex Scitia uxorem non accepit, sed traduxit de gente Corosmina.
Ähnlich das Chronicum Pictum Vindobonense im 20. Kapitel von Chaba:
uxorem de Scytia non accepit, sed traduxit de Corosmenia de consilio Bendekuz
am sui, quem sanum sed nimis decrepitum dicitur invenisse17. Diese bisher
nicht beachteten Nachrichten18 finden ihre Erklärung, nachdem die Her-
kunft des chazarischen Adels aus der Nachbarschaft Chwärezms sicher-
steht. Chwärezmische Lehnwörter im Magyarischen treten als weitere Be-
stätigung hinzu19.
Al-lärisiya wurde von H. W. Bailey20 auf die Alanen bezogen. Den
Namen der mit diesen engverbundenen Assi führte er auf *ärsiya- zurück,
und erkannte dieses in Mas'üdi's al-lärisiya, zu schreiben al-arisiya, wieder.
Dazu stellte er Plinius';4m und die bei Ptolemaeus (oben S. 67f.).
Die Schwierigkeit liegt weniger im Sprachlichen als im Geschichtlichen.
Nirgendwo ist bezeugt, daß die Arsi in Chwärezm oder dessen Nachbar-
schaft saßen. Auch mußte, als die Chazaren gegen Ende des 6. Jahrhunderts
erstmals hervortraten (unmittelbar vor Mohammeds Auftreten), die oben
behandelte Westwanderung der Arsi oder Assi längst beendigt gewesen
sein. Nichts berechtigt, ihr nach über fünf und einem halben Jahr-
hunderten eine zweite folgen zu lassen.
Es kommt hinzu, daß der Name des Volkes bei Mas'üdi nicht einheitlich
überliefert ist. Barbier de Meynard gibt im Anhang seiner Ausgabe die

15
Polnoe Sobr. Russk. Letop. 2, i 2 col. 9; G. Vernadsky in: Byzantion 14, 182.
16
SS. rer. Hung, i, i45f.; 173.
17
Ibid. 278.
18
Ihre Kenntnis wird M. de Ferdinandy verdankt.
19
O. Szemerenyi bei F. Altheim, Gesch. d. latein. Sprache 68f.; 77f. — Natürlich
handelt es sich nur um den türkischen Bestandteil der Magyaren, die
(Konstant. Porphyrogenn., de administr. imp. c. 39—40 p. 174 Moravcsik). Zum Namen
vgl. F. Altheim, Gesch. d. latein. Spr. 8yf. (Volksetymologie); G. Moravcsik, Byzanti-
noturcica 2, 132; K. H. Menges in: Byzantion 17, 273f. Über die Urheimat des ura-
lischen Bestandteils zuletzt E.Moor in: Acta Ethnogr. Hung. 2, 2$ .; 1321.; N. Se-
bestyon in: Acta Linguist. Hung, i, 273^
20
Transact. Philol. Soc. 1947, 126!; BSOS. 1949, i35f.; D. M. Dunlop, The
History of the Jewish Khazars 206 Anm. 197; vgl. 94 Anm. unten.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 279

Varianten: 'rsyh, 'rysyh, l'rmyh, l'dsyh21. Die beiden überdies zu Rate ge-
zogenen Bodleiani Oxon. Arab. CMXCIV und Fund. Bruce LVIII bestä-
tigten die Lesungen rsyh und 'rsyh und steuerten ihrerseits, l'rSyh, 'rSyh
bei. Sie sind wichtig, denn von ihnen aus eröffnet sich der Weg zur
Deutung.
Gleichgültig, ob man die Chazaren insgesamt oder allein ihren herr-
schenden Bestandteil türkisch sprechen läßt, ob man also sich Menges' An-
sicht oder der Benzing's zuwendet: den Namen des Kriegeradels als des
bestimmenden Volksteiles wird man aus dem Türkischen erklären. Dabei
wird ein Vorschlag bevorzugt werden, der zwei Umständen Rechnung trägt:
einmal, daß es sich um eine Kriegerkaste handelt, und zweitens, daß diese
der Nachbarschaft Chwärezms entstammte. In der Tat lassen sich die
beiden weitaus häufigsten Varianten, 'rsyh und 'rSyh, unter diesen Voraus-
setzungen deuten.
Ausgangspunkt bildet ein türkisches uruS „Kampf". Abgeleitet vom
Verbalstamm ur- „schlagen", es ist mittels des Suffixes -°S gebildet28.
Erweitert durch ein den Täter bezeichnendes -ci22a bedeutet *urus-ci den
„Kämpfer" oder „Krieger". Sollte -SS- die Lautgruppe -sc- vertreten? Noch
eine andere Deutung ist möglich. Die Lautgruppe -Sc- verändert sich im
Turkmenischen, also einem Vertreter der Oguz-Mundarten und dem Qara-
qalpaqischen, das heute in Chwärezm gesprochen wird24, zu -SS-26. Damit
vergleiche man guSSayaditn < kuS-cayaz-im, und zumuSSu < jumuS-ci26.
Dementsprechend konnte sich *uru$ci zu *uruSSi wandeln, und überliefertes
'rsyh, 'rSyh, wäre dann (unter der Voraussetzung, daß der Lautwandel in
Masrüdfs Zeit hinaufging) als *uruSSiya zu vokalisieren27.
Der Kriegeradel der Chazaren trüge demnach einen türkischen Namen.
Das bestätigt die sprachliche Stellung des Chazarischen, die zuvor er-
schlossen wurde.
81
Murüg , 443 Barb.
22
A. v. Gabain, a. O. 75 § 130.
22 a
A. v. Gabain, a. O. 60 § 47.
23
J. Benzing, a. O. 93.
24
J. Benzing, a. O. 112.
• 25 M. Räsänen, Materialien z. Lautgeschichte d. türk. Sprachen 228.
2i
K. H. Menges, Qaraqalpaq Grammar 49.
27
Ich danke K. H. Menges, der mit mir die Frage besprochen hat.
280 KULTURELLES ERBE

Ins 9. Jahrhundert gehören die protobulgarischen Runenschriften des


Schatzes von Nagy-Szent-Miklos und des Reliefs von Schumen. Sie sind
an anderer Stelle1 behandelt worden, so daß erneute Besprechung sich
erübrigt. Schwerlich führt irgendein Stück über die Wende des 8. zum
9. Jahrhundert hinauf. Doch ist man mit ihnen an die Donau und ins
Banat gelangt.
In frühere Zeit führt ein inschriftliches Bruchstück, das 1944 von dem
Studenten St. Szöke entdeckt und ein Jahr darauf von Gy. Nemeth ver-
öffentlicht 2 wurde. Es entstammt dem siebenbürgischen Dorf Homorod-
karacsony, wo es in dem 1495 erbauten Kirchturm eingemauert ist. Nemeth
erklärte die Schrift für Szekler Runen. Dem widerspricht bereits der Fund-
bestand. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war die Kenntnis der Szekler
Runen noch lebendig. Das Bruchstück fand sich an einer Stelle verbaut,
die kein Lesen gestattete, und es war so dem Steinverband eingefügt, daß
einige der Buchstaben verdeckt blieben. Die Schrift wurde also im Jahre
1495 nicht mehr als lesbar, also auch nicht als Szekler Runen angesehen.
Auf Nemeth's Deutung im einzelnen sei nicht eingegangen: sie wird durch
den einfachen Tatbestand widerlegt. Die Lesung als alttürkische Runen
bietet sich an, und sie empfängt ihre Bestätigung dadurch, daß, im Gegen-
satz zu Nemeth's Versuch, sich ein Sinn ergibt.
Die Inschrift (Abb. 13) verläuft von rechts nach links. Da sie nach dem
Abklatsch aufgenommen ist, mußte sie im Gegensinn umgezeichnet werden
(Abb. 14). Die Lesung beginnt mit der rechten Seite der ersten Zeile.
Der Bruch an der rechten Seite hat vom ersten Zeichen nur unkennt-
liche Reste erhalten. Es folgt ökjük = kö/kü in der Form, die aus den Runen-
handschriften sowie aus den Inschriften vom Jenissei und Talas bekannt ist.
Das Zeichen erscheint, im Gegensatz zu seinem sonstigen Vorkommen, nach
links gewandt. Es schließen sich an: zb, 2s und eine Rune, die nur "z in einer
1
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 198!.; 2o$i.; Aus Spätantike und
Christentum yof. Ohne Kenntnis V. Besevliev in: Byzantion 25—27 (1955—57), 874.
Von befreundeter Seite werde ich hingewiesen auf den Ausstellungskatalog „Vom
Altertum zum Mittelalter" (Wien 1958). Darin äußert sich R. Noll S. 73: „Trotz wieder-
holter Entzifferungsversuchen verstehen wir bis heute keine einzige (Inschrift)". N.
zieht sogar die von V. Thomsen gedeutete Boila-Butaul-Schale (Nr. 21) in sein Verdikt
ein, und S. 77 sind türkische Dialekte als für uns unverständlich bezeichnet!
2
Maygar Nyelv 41, n f . (den Hinweis verdanken wir J. Harmatta, der auch zum
Folgenden eine Anzahl von Berichtigungen beigesteuert hat).
11. HUNNISCHE UND ALTT RKISCHE RUNEN 281

den Handschriften entsprechenden Variante sein kann. Den Abschlu


bilden t'/i und H, das in seiner Bildung am meisten der auf den Inschriften
des K l t gin, des Bilg qayan und von Qarabolyasun entspricht. In der
zweiten Zeile erkennt man 2b, 2s, lt, ntjnd, i/ϊ, Itjld, °cjg und ganz links ein
Zeichen, das sowohl ly wie Iqjql sein kann. Alle sind ohne Schwierigkeiten
zu lesen.
Im Gegensatz zu den sonstigen protobulgarischen Inschriften3 scheint
in der vorliegenden die Vokalharmonie streng gewahrt zu sein. Das zieht der
Deutung Grenzen und gestattet, die W rter mit Sicherheit abzuteilen. In
der ersten Zeile erkennt man, durch Vokalharmonie zusammengehalten:
( )bs(i)z und dann it, also „ohne Haus, ohne Zelt" und „Hund". In der
zweiten sch lt sich ein Satz heraus: t( )ndi (i)lt( )£(i) „er irrte umher als
einer, der angreifen wird". Die Zeilen sind beiderseits abgebrochen, und
auch nach oben und unten ging das Original einst weiter. Man hat also ein
nur wenige Worte umfassendes Bruchst ck aus einem gr eren Zusammen-
hang. Da wird von einem Hund gesprochen, der haus- und herrenlos um-
herschweift. Doch kann auch ein Mensch oder Stamm gemeint sein, der sich
in der Lage eines solchen Tieres befindet und sich hnlich verh lt.
Vergleichen l t sich Katulphos' Warnung vor der Offensive (της πρόσω
πορείας) gegen ber dem ήγεμών der Hephthaliten, von der Menander * berich-
tet. Dieser spricht von einem βαρβαρικόν μεν τι και παροιμιώδες, όμως
έχόμενον πειθούς. Dabei w hlt Katulphos einen Vergleich aus der Tierwelt:
Ινα κύνα εν τοις οίκείοις όθνείων δέκα ρωμαλεώτερον είναι. Es ber hrt
sich in der Erw hnung des angriffsweisen Verhaltens, dem Gegen ber des
Hundes daheim und drau en mit den Wendungen des inschriftlichen Bruch-
st ckes6.
Bei der Sp rlichkeit des Erhaltenen ist weiterer Entscheid nicht m glich.
Nur soviel ist gewi , da das Bruchst ck einem gr eren Zusammenhang
entstammt. Erw gt man die h ufigen Vergleiche aus dem Tierleben, die
f r t rkisches und berhaupt nomadisches Denken bezeichnend sind —
K l t gin pflegt „wie ein Dreschochse" zu k mpfen (oplayu t gdi) — und
f gt man hinzu, wie h ufig solche Vergleiche nicht nur in den Orchon-
inschriften, sondern auch in der „Geheimen Geschichte der Mongolen"
verwandt werden, so mag unser Bruchst ck, das im Perfekt I berichtet

3
F. Altheim, Lit. u. Gesellsch. i, 229!.
4
Konstant. Porphyrog., Excerpta de sententiis 18, i8f. de Boor.
5
ber die Stellung des Hundes als k mpferischen Tiers oben S. 8; 27; 228.
282 KULTURELLES ERBE

und überdies noch von Kampf spricht, aus einer geschichtlichen Darstellung
stammen. Dann läge das erste Bruchstück aus einem türkisch und in Runen-
schrift abgefaßten Tatenbericht vor. Neben den vulgärgriechischen In-
schriften geschichtlichen Inhalts hätte es bei den Protobulgaren auch
solche gegeben, die sich der einheimischen Sprache und Schrift bedienten.
Hier werden Fundort und Alter des inschriftlichen Bruchstücks von
Bedeutung.
Schwerlich ist Zufall, daß die vulgärgriechischen Tatenberichte aus-
schließlich von Kämpfen und Siegen gegen Byzanz sprechen6. Sie sollten
von der Bevölkerung gelesen werden, um die der Kampf ging, also von den
Einwohnern der balkanischen Provinzen des byzantinischen Reiches. So
sind denn diese Berichte sämtlich auf ehemals byzantinischem Boden
gefunden worden. Unser Bruchstück hingegen stammt aus der äußersten
Südostecke des siebenbürgischen Berglandes. Der Fundort liegt nördlich
von Kronstadt unfern des Städtchens Okland im ehemaligen Komitat
Udvarhely.
Mit anderen Worten: Homorodkaracsony liegt an der Nordgrenze des
protobulg?rischen Reiches. Isperichs Herrschaftsgebiet mag sich gerade
noch bis dorthin ausgedehnt haben7. Später, unter Qrum, wurde das süd-
östliche Ungarn erneut dem Reich hinzugefügt8. Genug: in diesem Winkel
stießen bulgarisches und awarisches Herrschaftsgebiet zusammen. Kämpfe
beider Völker mögen nicht gefehlt haben, wenn auch die byzantinische Über-
lieferung selten Licht auf die Geschehnisse fallen läßt.
In diesem Zusammenhang muß das Bruchstück gesehen werden. Es
entstammt nicht nur der bulgarisch-awarischen Grenze, sondern spricht auch
zu solchen, die Türkisch verstehen. Und es spricht im übertragenen Sinn zu
ihnen: es wendet den Vergleich aus dem Tierleben an, der für die einstige
Reichsbevölkerung wenig besagte, auf Nomaden aber — sowohl auf Awaren
wie die Protobulgaren selbst — um so stärker wirkte. Ein Bild wie dieses,
daß ein Einzelner oder eine Gruppe kampflustig gleich einem Tier umher-
schweift, wandte sich an eine andere Welt als die Inschriften von Hambarly
oder die Chronik des Malamir.

• Zum Folgenden V. Besevliev in: Byzantion 25—27 (1955—57). 872!.


7
Karte bei G. Ostrogorsky, Gesch. d. byzant. Staates2 211.
8
Suda i, 423 p. 483 Adler; K. Jiriczek, Gesch. d. Bulgaren 144; St. Runciman,
The First Bulg. Empire 50; 52 Anm. i.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 283

Man weiß heute, daß nach Vernichtung des Awarenreiches große Teile
des Nomadenvolkes weiter in Ungarn blieben9. Es ist dieselbe Tatsache,
die für die Hunnen jetzt die späthunnische Metallkunst beweist10. Man
braucht sich für den Zeitansatz unseres Bruchstückes nicht aufs 8. Jahr-
hundert zu beschränken. Nimmt man hinzu, daß N. Mawrodinow den
Schatz von Nagy-Szent-Miklos mit seinen protobulgarischen Inschriften11
eher in die zweite Hälfte des g. Jahrhunderts setzen möchte12, so könnte
auch von Kämpfen mit den eindringenden Nomaden gesprochen werden.
Es sei an Symeons Krieg mit diesen erinnert. Aber der Charakter der Schrift-
zeichen scheint eher in ältere Zeit zu gehören.
Es sei bereits hier auf die Schrifttabelle A Abb. 4 verwiesen. Unter t
und alttürkisch H sind alle Formen der Rune und der in Betracht kom-
menden Vorbilder zusammengestellt. Kein Zweifel, daß die armazische Form
des t oder richtiger noch: die des Pärsik für die Rune lt maßgebend war.
Auch sollte deutlich sein, daß die Variante von lt, die unser Bruchstück in
Zeile i am linken Ende bietet, dem t des Pärsik am nächsten steht. Sie ist
nichts anderes als dessen nach links gewendete und ins eckig-riinische um-
gesetzte Form.
Das Bruchstück zeigt somit die älteste Gestalt einer protobulgarischen
Rune. Eine absolute Datierung ist damit nicht gegeben. Aber wenn es er-
laubt ist, das Bruchstück ins letzte Viertel des 8. Jahrhunderts oder kurz
vor die Jahrhundertwende zu setzen, könnte es noch in die letzte Zeit der
Awarenherrschaft fallen.
Schließlich ein Zeugnis, das bis zuletzt aufgespart wurde. Priskos sagt
ausdrücklich, daß die Hunnen eine Schrift besaßen. An Attilas Hof wurden
Listen geführt und von solchen verlesen, die bei Priskos den Titel
tragen13. Da die Listen für den inneren Bedarf geführt wurden, kommt
Aufzeichnung in griechischer und lateinischer Schrift kaum in Frage. Besaß
man damals schon eine Vorstufe des späteren Runenalphabets? Erhalten
ist davon nichts. Es gibt aus hunnischem Bereich nur zwei Schriftdenk-
mäler, beide in Pärsik, also in Schrift und Sprache der Sasaniden. Einmal

9
A. Alföldi in: Festschr. O. Tschumi 126, mit Literaturangaben.
10
N. Fettich, Späthunnische Metallkunst, Arch. Hungar. 31.
11
F. Altheim, Lit. u. Gesellsch. i, g8i.
12
Archaeol. Hungar. 2g, 207f.
13
Konstant. Porphyrog., Excerpta de legat. 128, i8f. de Boor. Wenn Prokop von
den Hunnen seiner Zeit sagt, sie kannten weder noch einen
(Got. 8, 19,8), so meint er, wie der Zusammenhang zeigt, griechische Schrift.
284 KULTURELLES ERBE

das goldene Pektorale mit der Inschrift 'rtMtr, dem Grabfunde von Wolfs-
heim in Rheinhessen und damit der Attilazeit entstammend14. Und dann
der Chalcedonring von Werchnaya Rutcha im Kaukasus, der die Legende:
'psfn 'L yzd'n zeigt16.
Seitdem man weiß, daß bereits um die Mitte des 2. Jahrhunderts Xoövoi
im Vorland des Kaukasus saßen und gleichzeitig der hunnische Name
auf der Gemme von Mchet'a entgegengetreten ist (oben S. 9f.),
muß man auch die am gleichen Ort gefundene griechisch-aramäische Bi-
linguis sowie die Inschrift des Tellers von Bori18 heranziehen. Die dort
gebrauchte ,,armazische" Spielart des aramäischen Alphabets oder das
PärsTk dürfen beanspruchen, als die am Hofe Attüas gebrauchte Schrift
zu gelten.
Man hat nur scheinbar die Auswahl zwischen zwei Möglichkeiten. Arma-
zisch und Pärsik zusammen werden sich als die Alphabete erweisen, denen
die Runen nachgebildet wurden.
Die Schrifttabelle stellt auch sonst alles Erreichbare zusammen. Es
beschränkt sich auf diejenigen Runen, deren Formen reich an Varianten
sind und für die auch die Vorbilder eine Anzahl charakteristischer Formen
geben. Aus dem Material läßt sich ohne Schwierigkeit ein Ergebnis ab-
lesen.
Zunächst zeigen Orchon III, also die Inschrift von Qarabolyasun, und
die Je nissei-Inschriften (worin die vom Talas und aus dem Minussinsker
Gebiet miteinbegriffen sind) gegenüber Orchon I—II eine Anzahl ausge-
prägter Varianten. Diese kehren teilweise bei den protobulgarischen Runen -
Inschriften wieder. Es sei auf a/ä, lb, 2g, 2A, m und '£ verwiesen. Was hat
man solcher Übereinstimmung zu entnehmen ?
Wendet man sich zu den Vorbildern, so erkennt man sofort, daß Pahlavik,
soghdisches und chwärezmisches Alphabet als Vorbilder gegenüber dem
armazischen zurücktreten müssen. Auf der anderen Seite ergibt sich, daß
das armazische Alphabet zusammen mit dem Pärsik eine enge Verwandt-
schaft mit Orchon III und den Jenissei-Inschriften, eine besonders enge
aber mit den protobulgarischen und chazarischen Runen aufweist. Hier
die Beispiele:
14
J. Werner, Beitr. zur Archäologie des Attila-Reiches 2, Taf. 4, 8a.
15
J. Werner, a. O. 2 Taf. 21, 12; dazu Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa
33 Anm. u.
18
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 88 f.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 285

ajä: armaz. 2 = protobulg. i; Pärsik 2 = chazar. und proto-


bulg. 2.
l
b: armaz. 2 u. Pärsik i = Jenissei 2; armaz. 2 = protobulg.
2
g: armaz. = Orchon III und protobulg. i.
l
d: armaz. u. Pärsik = protobulg. i—3 (alle übrigen Alphabete
haben die einfache Form des d zugunsten der verdoppelten
aufgegeben).
H: armaz. u. Pärsik — protobulg. 2 (darüber wurde bereits ge-
sprochen).
z
k: Pärsik — Orchon III 2 und protobulg. 3.
°m: armaz. 2 = Orchon III und protobulg. i—2.
l
r: Pärsik = protobulg. i.
l
k: armaz. und Pärsik = chazar. i—2.
°f: Pärsik 2 = Jenissei 3 und protobulg. i—2.
Orchon III, Jenissei, die chazarischen und die proto-bulgarischen Runen
stehen demnach den Vorbildern des armazischen Alphabets näher als
Orchon I—II. Die erste Gruppe gibt gegenüber den beiden Orchon-In-
schriften die ältere Gestalt der Runen.
Eine zweite Beobachtung kommt hinzu. In einer Reihe von Fällen haben
die protobulgarischen Runen, mit ihren Vorbildern verglichen, überhaupt
die älteste Form bewahrt. Das gilt von / , lb, 2g (die geschweifte Form, die
dem armazischen Alphabet entstammt, noch ohne den Querstrich von
Orchon III) ld, lt und lr. Auf der anderen Seite besitzen Jenissei und Or-
chon III in keinem Fall eine ältere Variante, sondern bestenfalls eine den
protobulgarischen Runen gleiche und damit gleichaltrige: °z, °m und °f.
Der Tatbestand läßt sich nur dahin deuten, daß die protobulgarischen
Runen überhaupt die älteste Form bewahrt haben.
Die Folgerungen liegen auf der Hand. Schon die Tatsache, daß das
armazische Alphabet in Gruzinien beheimatet ist, führt darauf, daß die
Runen dem äußersten Westen des türkischen Bereichs entstammen. Als
Schöpfer der alttürkischen Runen kommen nicht die im Osten verbliebenen
Stämme, sondern allein die Hunnen, und zwar die im Kaukasus sitzenden,
in Betracht. Das läßt sich noch bestätigen. Neben dem armazischen Alpha-
bet bestanden besonders enge Verbindungen zwischen den ältesten Runen-
formen und dem Pärsik. Bisher wurden nur die Buchstabenformen der aus
dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammenden griechisch-aramäischen Bilinguis
von Mchet'a herangezogen. Ihr Alphabet steht, wie man erkannt hat,
286 KULTURELLES ERBE

zwischen Pahlavik und Pärsik17. Die aus der ersten Hälfte des 3. Jahr-
hunderts stammende Inschrift von Bori18 bedeutet einen weiteren Schritt
auf das Pärsik zu. Ein armazisches Alphabet, das sich in manchen Zeichen —
vor allem bei Aleph, t, k, m, r, 1k und — stärker dem Pärsik genähert
hatte, muß das Vorbild gewesen sein, nach dem die ältesten hunnischen
und weiter protobulgarischen Runen geschaffen wurden.
Damit ist nicht nur der Ort der Übernahme festgelegt, sondern auch die
Zeit. Ab Mitte des 3. Jahrhunderts verschwindet die armazische Schriftart,
und die Angleichung an das Pärsik ist vor allem in der ersten Hälfte des
3. Jahrhunderts wirksam. Die Kaukasushunnen werden also um oder nach
300 das Vorbild kennengelernt haben, dem sie ihre Runen nachbildeten.

Wenn soeben als Zeitpunkt, von dem ab die Hunnen das armazische
Alphabet kennen lernen konnten, die Wende des 3. zum 4. Jahrhundert
genannt wurde, so wird man die Spanne bis zur endgültigen Übernahme
und Umbildung in die älteste Form der Runen nicht allzu gering bemessen
dürfen. Die zweite Inschrift des Gefäßes von Ladanybene, die im nächsten
Kapitel besprochen werden soll, zeigt, daß im Verlauf des 3. Jahrhunderts
die in der Ebene zwischen Donau und Theiß, unfern des heutigen Kecskemet
ansässigen Alanen (oder Roxolanen) über das armazische Alphabet bereits
verfügten. Muß demnach dasselbe für ihre ciskaukasische oder südrussische
Heimat gelten, so bleibt doch ein Unterschied zwischen der einfachen Über-
nahme des Alphabets und dessen Umsetzung in eine neue und eigne Form,
wie sie bei den alttürkischen Runen vorliegt. Auch das gruzinische Alphabet
(Xucuri) ging, wie man gesehen hat, auf das armazische zurück (Schrift-
tabelle B, Abb. 5), und wieder hatten die Iberer das Übernommene stark
umgebildet1. Moses von Chorene2 setzt die Schaffung einer eignen iberischen
Schrift durch Mesrop in die Regierungszeit Theodosios II., und damit geht
zeitlich zusammen, daß Priskos, wie gesagt, den Gebrauch der Schrift bei
Hunnen an Attilas Hof kennt.
17
H. Junker bei F. Altheim, Lit. u. Gesellsch. 2, 50!.
18
R. Stiehl bei F. Altheim, a. O. 2, 46f.
1
H. Junker bei F. Altheim, Literatur und Gesellsch. 2, 49; 50!.
2
3. 55; deutsche Übersetzung M. Laue's (1869), 215.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 287

Es gibt ein Zeugnis, wodurch das bisherige Ergebnis bestätigt wird.


Es zeigt, daß nicht nur Attilas Hunnen, sondern auch die in ihrer süd-
russischen Heimat verbliebenen Teile des Volkes eine Schrift besaßen. Es
führt in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts und steht in der unter Zacha-
rias des Rhetors Namen erhaltenen Kirchengeschichte. Diese Kompilation
besteht in ihrem dritten bis sechsten Buch aus einer Darstellung der Ereig-
nisse von 436 bis 491, vermutlich gleichzeitig oder doch zu Ende des 5. Jahr-
hunderts abgefaßt. Die beiden einleitenden Bücher sowie das siebte bis
zwölfte, nachträglich hinzugefügt, führen die Geschehnisse bis 568/9 herab*.
Am Ende des zwölften Buches steht ein Bericht über die Mission bei
den Hunnen4, der auf Johannes von Res'ainä und seinen Genossen Thomas
zurückgeht6. Beide waren während des Perserkrieges unter Kavä<5 I. ge-
raubt und an die Hunnen verkauft worden. Mit diesen sind nicht, wie so oft
in den syrischen Quellen und auch in den anderen Büchern, die Hephtha-
liten, sondern das Volk nördlich des Kaukasus gemeint. Denn diese Hunnen
waren unmittelbar zuvor genannt worden*, und an diese Nennung schließt
sich der Bericht an. Die Gefangenen gelangten zu diesen Hunnen durch die
kaspischen Pforten7, fünfzig Jahre und mehr8 vor dem Zeitpunkt, da das
Buch verfaßt worden war, also etwa 515. Vierunddreißig Jahre später9,
demnach kurz vor 550, folgte Kardüsat, Bischof von Arrän, mit drei,
später sieben Begleitern, einem göttlichen Ruf, der ihn in die gleiche
Gegend führte. Nur zog er nicht durch die kaspischen Pforten, sondern über
das Gebirge10; von diesem stieg er zur Ebene nördlich des Kaukasus hin-
ab11. Des Bischofs Mission erwies sich als erfolgreich, und die Bücher der
heiligen Schrift wurden von ihm in die Sprache der Hunnen übersetzt12.
Arrän ist das Gebiet südlich des Kaukasus zwischen Baku im Osten
und Tiflis im Westen13. Der Übersetzer der Bibel ins Hunnische brach
3
A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922), 184.
4
215, ii f. Brooks. — Schon einige Jahrzehnte früher war der Hunne Sünikas
Christ geworden: 94, 10. Zum Namen G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2, 245 mit un-
richtiger Schreibung der syrischen Form.
5
215, I 4 f.
6
214, 18.
7
tar'e 215, 18; vgl. 214, 18 l-tar'e d-kaspiyön.
8
215, 17.
9
215, 24; zur grammatischen Erklärung unten S. 288 f.
10
216, I2f.
11
216, i; vgl. 215, 26.
12
216, I5f.; vgl. 215, 12.
19
V. Minorsky, Hudüd al-'älam (1937), 393'· 398f.
288 KULTURELLES ERBE

demzufolge von einem Land auf, das sich östlich von Iberien und insbe-
sondere von Mchet'a erstreckt. Dieser Umstand erklärt, warum keine
Schwierigkeit mit der Schrift bestand. Man kam aus der Nachbarschaft
der Gegend, darin das armazische Alphabet heimisch war, und dieses hatte
für das iberische und hunnisch-türkische gleichermaßen als Vorbild ge-
dient. Noch Moses von Chorene wußte, daß die „assyrische", will sagen: die
aramäische Schrift der iberischen zugrunde lag14. Der Bischof von Arrän
war in der glücklichen Lage, bei den Hunnen die ihm bekannte armazische
Schrift, in originaler oder bereits umgebildeter Form, vorzufinden. Er
brauchte sich mit der Schaffung eines hunnischen Zeichensystems nicht
mehr aufzuhalten und konnte sogleich an die Übersetzung gehen.

NACHTRAG

Zacharias Rhetor 215, 21 men bätar d-'allat Sbitä d-men bet rhömäye
d-a"el hünäye wa-hwau b-atarhön tlätm w-arba" Snm ethzt den malakä . . .
Brooks, dessen Textgestalt zugrundegelegt ist, übersetzt: „postquam
captivitas quae de terra Romanorum abducta erat quos Hunni introduxe-
runt ingressi essent et in terra eorum triginta quattuor annos fuissent, viro
cuidam . . . angelum apparuisse ..." Das ist vom Lateinischen her schwer
verständlich und als Übersetzung des syrischen Wortlautes, fürchten wir,
gleichfalls.
Zunächst sollte klar sein, daß ein Nachsatz nicht mit den beginnen kann.
„Es erschien aber ein Engel" ist Anfang eines neuen Satzes, der das zuvor
Gesagte fortführt. Der Nachsatz zu dem temporalen Vordersatz „seitdem
die Gefangenen eingetreten waren" (zu ergänzen: in das Innere der
kaspischen Tore, gemäß Z. 17), kann seinerseits nur eine Zeitangabe
enthalten. Also: „waren sie in der Gegend 34 Jahre". Für diesen Fall
wäre wa- vor hwau zu tilgen, aus der gleichen Z. 17 fälschlich übertragen.
SbUä d-men bet rhömäye heißt: „die Gefangenen, (nämlich) die vom
Land der Römer", was gleichfalls auf zuvor Gesagtes zurückweist.
D-men bet rhömäye ist dann Apposition zu Sbttä,
14
3· 55; deutsche Übers. 215.
11. HUNNISCHE UND ALTTÜRKISCHE RUNEN 289

Die richtige Übersetzung hat zu lauten: „Seitdem die Gefangenen,


die aus dem Land der Römer, eingetreten waren — jene, die die Hunnen
hatten eintreten lassen — blieben sie (die Gefangenen) in ihrer (der
Hunnen) Gegend 34 Jahre. Es erschien aber ein Engel" usw.

19 Altheim, Hunnen I
VIERTES BUCH

EINBRUCH IN EUROPA
12. KAPITEL

ALANEN, WANDALEN, GOTEN

In Ladanybene bei Kecskeme"t, zwischen Donau und Theiß, hat sich ein
sarmatisches Grabfeld gefunden, das nach M. Pärducz's Forschungen ins
3. Jahrhundert gehört. Eines der ausgegrabenen Gefäße wies die beiden
Inschriften auf, die besprochen werden sollen. Das Gefäß selbst ist 12 bis
12,2 cm hoch und mißt am Mund 8,2 cm im Durchmesser. Es wurde auf der
Drehscheibe angefertigt und darf als Nachahmung einer provinzialrö-
mischen Form gelten. Die ältere Annahme, daß es sich um ein römisches
Einfuhrstück handle, ist unerweislich (Abb. 6).
J. Harmatta, auf dessen briefliche Mitteilung (vom 25. 5. 1950) die vor-
stehenden Angaben zurückgehen, fügte folgende Einzelheiten hinzu:
„Mit der Inschrift hat sich zuerst L. Nagyfalussy in der Zeitschrift
Kalocsai Kollegium 1936, Januar S. 60—2 beschäftigt. Er glaubte eine
barbarisierte griechisch-lateinische Schrift zu erkennen und versuchte den
Text aus dem Türkischen zu deuten. Der zweite Erklärungsversuch stammt
von Gy. Meszaros: Nepünk es Nyelvünk 9 (1937), 33—51. Er ging davon
aus, daß nach Ausweis der Eigennamen und eines erhaltenen Schlachtrufes1
die Sprache der jazygisch-sarmatischen Stämme, die sich zwischen 20 und
50 n. Chr. in der Theißebene niedergelassen hatten, dem Sarmatischen und
somit der altossetischen Sprachstufe zugehöre. So kam Meszaros dazu, das
rätselhafte reixuyuys mit avest. raek-, numay aber mit osset. nimayun zu-
sammenzustellen. Seine Deutung ist paläographisch und sprachgeschicht-
lich unmöglich. Darauf habe ich meinen Vortrag, in dem ich mich mit den
Sprachdenkmälern der Sarmaten und Alanen befaßte, hingewiesen, diese
Kritik aber nicht veröffentlicht.
1
Gemeint ist marka, marha: Ammian. 19, n, 10.
294 EINBRUCH IN EUROPA

Nach Meszaros hat sich Nagyfalussy noch einmal mit der Inschrift
beschäftigt: Ogörögbetüs feliratok az alföldi sirleletekben (Inschriften in
altgriechischen Buchstaben aus den Grabfunden des Alföld) = Sonderab-
druck aus: Kalocsai Szent IstvÄn gimn&zium 1940—i, evi Evkönyve.
In diesem Aufsatz nimmt auch Nagyfalussy mit einigen Änderungen
(nymyi statt nymai zu indogerm. *mu- .schließen, die Augen schließen') die
Deutung von M6szaros an, teilt aber daneben — das ist in dem Aufsatz das
einzig Wertvolle — einige Beobachtungen des ausgezeichneten Archäologen
J. Banner mit. Nach diesem ist klar feststellbar, daß die beiden Komplexe
der Inschrift nicht gleichzeitig und mit der gleichen Technik eingraviert
wurden. Der linksstehende Komplex wurde in das noch ungebrannte Gefäß
eingetieft, der rechte hingegen in gebranntem Zustand eingekratzt. Auch
in den Buchstabentypen und der Schreibmethode (der eine mit, der andere
ohne Ligaturen) sind beide Komplexe verschieden".
Die bisherigen Versuche haben gezeigt, daß man weder mit der Annahme
einer römischen noch mit der einen griechischen Kursive weiterkam. Ein
neuer Versuch, der unter Ausschluß der bisherigen Voraussetzungen vor-
genommen wurde8, begann mit der rechten Inschrift (Abb. 7). Es zeigte
sich, daß sie in Runen geschrieben war, die deren Vorbild, den norditalischen
Alphabeten, noch vergleichsweise nahestanden. Zu Beginn sind runisches
w und a, letztes in umgekehrter Stellung, dann an dritter, sechster und
achter Stelle i deutlich. In allen Fällen ist die runische Stufe erreicht,
und dasselbe gilt für schließendes s, das in einer mehr kursiven Gestalt
gegeben ist. An drittletzter Stelle begegnet k in der alten Form, die aut der
Urne von Sedschütz3, der kleinen Spange von Nordendorf4, dem Angelstein
von F0rde6 und dem Hobel von Vie bezeugt ist. Auffällig ist der lange, nach
links geschweifte Unterteil: man kennt ihn in ähnlicher Form vom nord-
italischen Vorbild (Felsinschriften der Würmlacher Wiesen)7. Die Ver-

2
F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 6if.
8
W. Krause, Runeninschriften im älteren Futhark (1937), 44: Arntz-Zeiss, Die
einheimischen Runendenkmäler des Festlandes (1939), 97 f.
4
W. Krause, a. O. 205; Arntz-Zeiss, a. O. 300 f.
5
W. Krause, a. O. 197.
* W. Krause, a. O. 183; weitere Angaben bei H. Arntz, Handbuch der Runen-
kunde 2 (1944), 95; .
7
Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen 2 (1943), 27 Nr. 5 Abb. 16; 29 Nr. 10
Abb. 20.
12. ALANEN, WANDALEN, GOTEN 295

bindung bildet der Miltenberger Toutonenstein8. Es bleiben das vierte und


fünfte Zeichen: u und n noch in der Gestalt, die sie innerhalb der nord-
italischen Alphabete besitzen. N insbesondere erscheint in gleicher Form
auf den Felsinschriften der Val Camonica*.
Demzufolge wäre zu lesen: wainukis. Bei unik oder iunik konnte an
ost-osset. vänig, vonig, on\g „junger Stier" erinnert werden, das sich zu
altind. yuvan-, yün- ,,Jüngling, Held"; avest. yuvan-, yün- gleicher Bedeu-
tung; neupers. javan, Jttvän „Jüngling" stellt10. Während vor-osset. *yuva-
nuka- über *ivänug vänig wurde, darf man onig über *iunuk, iunik, unik
auf *yünuka- zurückführen. Vorangehendes wa kann nur auf altiran.
*ava -zurückgehen, mit vor-osset. Abfall des anlautenden a11. Harmatta,
dessen weitere Deutung den Vorzug verdient12, hat in iuniki den Genetiv
erkannt und, gleichfalls zutreffend, das ursprüngliche Apellativum als Eigen-
name gedeutet. Er löste auf: iuniki (i)s und bemerkte zut's (ts): „die verschie-
denen Formen des ossetischen Wortes: ost-osset. ts, west-osset. yes ,es ist*
sind einfach mit ost-osset. is, west-osset. yes „Habe, Gut, Eigentum" eins.
Zur Bedeutung vergleiche man altungar. vagyon = i. ,es ist'; 2. ,Habe, Gut'.
Alle ossetischen Formen sind die lautgesetzlichen Fortsetzungen eines alt-
iran. *aisa- oder *ai$a-".
Lesung und Deutung der Inschrift lautet demnach: wa iuniki (i)s = va
yüniki ts „das (ist) Yünik's Eigentum". Man hätte eine in frühen Runen
geschriebene alt-ossetische, will sagen: alanische Wortgruppe vor sich.
Dergleichen bedeutet zweifellos eine Überraschung. Aber — und dies ist die
zweite Überraschung — es wird durch Lesung der zweiten (linken) Inschrift
bestätigt. Noch als 1950 Harmatta und der Verfasser sich um ihre Lesung
bemühten, hatte sie allen Bemühungen getrotzt. Inzwischen ist durch Deu-
tung der Bilinguis von Mchet'a und der Inschrift von Bori13 auch dafür das
Nötige bereitgestellt. Es sei auf die beigefügte Schrifttafel H. Junkers
(Abb. 5) verwiesen: sie zeigt, daß es sich bei der unken Inschrift von Ladany-

8
Altheim-Trautmann, Vom Ursprung der Runen (1939), 85. P. Finsterwalders
Aufsatz in: Aschaffenburger Jahrbuch 3 (1956), 25!., ist unberührt von Kenntnissen
in lateinischer Epigraphik und Runenkunde.
* Altheim-Trautmann, a. O. 12 Nr. 4.
10
W. Miller, Die Sprache der Osseten 25 § 22, 7 Anm.
11
W. Miller, a. O. 17 § 3, 7.
18
Bei F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 167f., gegenüber der meinen:
a. O. 6if.
13
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 75f.; 88f.
296 EINBRUCH IN EUROPA

bene um eine solche im „armazischen" Alphabet handelt. Damit wäre man


in den Bereich gelangt, der unmitte'bar südlich des alanischen Gebietes liegt.
Die Inschrift (Abb. 7) ist im Gegensatz zur früher behandelten vor dem
Brand eingeritzt. Mit Hilfe der Schrifttabelle B (Abb. 5) läßt sich das Vor-
handene lesen: shw't. Von diesen Zeichen bedarf t keiner Bemerkung;
s ist in vereinfachter Form gegeben, die mehr an die der älteren aramäischen
Schrift erinnert13*. Dem dritten Zeichen der Tabelle entspricht h, dem
vierten Aleph. W zeigt Schrägneigung, verstärkt gegenüber dem armazischen
Alphabet, aber doch grundsätzlich übereinstimmend (wozu man zywh zu
Beginn der zweiten Zeile derBüinguis von Mchetra vergleiche). Zu lesen ist13b
s als *ce (ost-oss. et, vgl. avest. ciS) „wer?" und xvai. Dieses entspricht
west-osset. xväd-äg, iran. *hvaia- oder, mit suffixaler Erweiterung, *hvataka-,
wozu sich avest. xvai&ya- stellt. Also *ce xvat: „wer (ist) der Eigentümer ?".
Wer derjenige war, dem auf diese Weise das Gefäß zugesprochen wurde,
zeigt der nach dem Brand in runischer Schrift angebrachte Eigentums-
vermerk: „Dies gehört iunik". Hervorzuheben ist die plene-Schreibung des
innervokalischen a. Sie erscheint auf der Bilinguis noch nicht, wohl aber a uf
dem aus dem 3. Jahrhundert stammenden Silberteller von Bori14. Während
dort btM = $ begegnet, ist hier byty'tä geschrieben.
Demnach ist auch die zweite Inschrift des Gefäßes von Ladanybene
alt-ossetisch, will sagen: alanisch. Sie bestätigt die Lesung und Deutung
der ersten. Es scheiden sich die beiden Schriftgattungen nach Herkunft und
Alter ihres Gebrauches. Das armazische Alphabet können die Alanen nur
aus ihren Sitzen nördlich des Kaukasus nach Ungarn mitgebracht haben15.
Hier aber lernten sie das runische kennen, und wie es dazu kam, bedarf noch
der Erörterung16.
Im Fundgebiet der beiden Inschriften saßen in der frühen Kaiserzeit
lazygen17. Die dritte Phase der sarmatischen Bodenfunde zeigt sodann ab

13a
F. Rosenthal, Die aramaistische Forschung seit Th. Nöldekes Veröffent-
lichungen (1939), Schrifttafel 3—4 (wozu jetzt die Arsäma-Pergamente kommen),
14
"b W. Miller, a. O. 54 oben; 52 § 62, Altheim-Stiehl, a. ü. 88f.
15
Es ist daran zu erinnern, daß in Gruzinien, der Heimat des armazischen Alpha-
bets, dieses nach dem Zeugnis der Tellerinschrift von Bori (Altheim-Stiehl, a. O. 88f.),
bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts gebraucht wurde.
16
Die hinzugewonnene Erkenntnis, daß die zweite Inschrift sich des armazischen
Alphabets bedient, führt hinsichtlich der Frühgeschichte des Runenfuthark zu anderen
Ergebnissen als sie in: Aus Christentum und Spätantike 63f. vorgetragen wurden.
17
Zuletzt Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 68 f.
12. ALANEN, WANDALEN, GOTEN 297

270 die Zuwanderung der Roxolanen aus dem Dnjepr-Tal17a. Das Zeugnis
der Sprache und des armazischen Alphabets bestätigt, daß die vorhandenen
Bewohner spätestens im 3. Jahrhundert auch von alanischer Zuwanderung
überschichtet waren. Man hat gemeint, daß ein derart frühes Auftreten in den
Donauländern geschichtlich nicht beglaubigt sei18. Jetzt wird es durch unser
Denkmal bewiesen, und andere Zeugnisse werden ihm noch zur Seite treten.
Die nach Südwesten vorgedrungenen Alanen überschichteten nicht nur
die lazygen. Im gleichen Raum traten sie mit einem germanischen Stamm
in Verbindung, dessen weitere Schicksale die nach Westen vorgedrungenen
Alanen fortan teilen sollten: mit den asdingischen Wandalen. lordanes19
kennt deren Sitze am Maros, am weißen, schwarzen und schnellen Körös.
Der Schildbuckel von Herpaly, um 300 entstanden, geht vermutlich auf
diese Wandalen zurück20. Schon im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts be-
gegnen sie unter den Stämmen, die der Markomannenkrieg gegen Rom ver-
einigte. Ihnen gesellten sich lazygen und Roxolanen, auch Alanen zu21.
Noch im nordafrikanischen Reich des Geiserich stehen neben den Wandalen:
Alanen und Sarmaten22, und der letzte des Herrschergeschlechtes nannte
sich gleich seinen Vorgängern König der Wandalen und Alanen23. Denn die
ungarländischen Alanen waren wohl schon 401 zusammen mit den asdin-
gischen Wandalen auf der Flucht vor den Hunnen die Limesstraße entlang24
quer durch Pannonien nach Westen gezogen.
Sollten die ungarländischen Alanen, wie sie das armazische Alphabet
aus ihrer Heimat nördlich des Kaukasus mitbrachten, die Runen von ihren
wandalischen Nachbarn erhalten haben? Die Aufschriften der Urnen von
Sedschütz25 und Niesdrowitz26, beide aus Oberschlesien, die Speerspitze
17a
J. Harmatta in: Acta archaeol. Hung, i (1952), 278 mit weiteren Angaben;
A. Mocsy, ebenda 4 (1954), 124!.; A. Pärducz, ebenda 7 (1956), 139!.
18
J. Harmatta, Studies on the History of the Sarmatians (1950), 53.
19
Get. 113.
20
Zuletzt N. Fettich in: Acta Archaeol. Hung, i, 221 f.; 261 f., zum verwandten
Stück von Lilla Harg (östergötland): E. Graf Oxenstierna, Die Nordgermanen 70;
Taf. 43. Leider muß gesagt werden, daß die Ansichten des Verfassers über die Runen,
a. O. 50, unbeweisbar sind.
21
SHA., v. Marci 22, i; vgl. v. Anton. Pii 5, 5; Eutrop. 8, 13, i; dazu A. v. Do-
maszewski in: Serta Harteliana 8f.; L. Schmidt, Die Ostgermanen 163.
22
Hieronym., epist. 123, 15, 2.
23
Prokop., b. Goth. i, 24, 3. Vgl. noch A. Alföldi in: Sbornik G. Kazarow 22.
24
E. Swoboda, Carruntum 2 (1958), 70; 224.
25
W. Krause, a. O. 6; Arntz-Zeiss, a. O. 97 f.
28
W. Krause, a. O. 44f.; Arntz-Zeiss, a. O. 42f.
298 EINBRUCH IN EUROPA

von Rozwadow in Galizien, sämtlich noch ins 3. Jahrhundert gehörend, sind


die ältesten Runendenkmäler der Wandalen. Zumindest die beiden Urnen-
inschriften zeichnen sich durch besondere Altertümlichkeit aus. Niesdro-
witz hat noch das norditalische 27, und auf der Urne von Sedschütz scheint
sich noch nirgends eine Lautschrift anzukündigen, alles noch auf der Stufe
der Sinnbildzeichen zu stehen28. Andere Runendenkmäler aus gleicher
oder früherer Zeit, aber von nicht-wandalischer Herkunft, wie die Lanzen-
spitzen von 0vre Stabu (Markomannen)2e und Kowel (Goten)30, die Schwert-
zwinge (Heruler81) und die Schnalle (ostgermanisch) von Vi82, weisen weit
entwickeltere Züge auf. Hingegen fügt sich die runische Inschrift von La-
d&nybene dem altertümlichen Bild der wandalischen Runendenkmäler, in-
sofern sie noch Buchstabenformen bewahrt hat, die mit denen der nord-
italischen Alphabete zusammenfallen.
Die Annahme, daß unter den Kimbern die Schöpfer des Runenfuthark
gesucht werden müßten, haben G. Baesecke33, E. Trautmann und der
Verfasser34 von jeher vertreten. Aber neben den Kimbern könnten deren
Nachbarn im äußersten Nordteil Jütlands, die Wandalen, frühzeitig eine
Rolle gespielt haben. Wie beide Stämme in ihrer Heimat, in Himmerland und
Vendsyssel, nebeneinander saßen, so hätten sie beide auch am ersten Futhark
mitgeschaffen. Zugunsten der Wandalen läßt sich zumindest eine Beob-
achtung anführen.
Gemeint ist die Form der z-Rune, die man ausgehend von ihrer Bezeich-
nung als „Elch"88 zu den einstigen Sinnbildzeichen gerechnet hat8*. Das
doppelte Elchgeweih (so deutete man) ist als solches Sinnbild mehrfach
auf den Felsbildern Südschwedens und der Val Camonica belegt37. Es führt
zurück auf den Kult des göttlichen Brüderpaares, der alces „Elche", den
27
W. Krause, a. O. 23; Arntz-Zeiss, a. O. 421 f.
28
W. Krause, a. O. 4; anders Arntz-Zeiss, a. O. ggf.; 425.
29
W. Krause, a. O. 221.
30
W. Krause, a. O. igf.; Arntz-Zeiss, a. O. rgf.
81
W. Krause, a. O. i8of.
32
W. Krause, a. O. 183 f.
38
In: Zeitschrift für deutsches Altertum, Anz. ig3g, if.; Vor- und Frühgeschichte
des deutschen Schrifttums i (1940), 8gf.
84
Vom Ursprung der Runen (1939); Kimbern und Runen 2 (1943); Geschichte der
lateinischen Sprache io8f.
38
H. Arntz, Handbuch der Runenkunde 2 210; 2i3f.
*· H. Rosenfeld in: Rhein. Mus. 8g, if.; German.-roman. Monatsschrift 28, 245 f.;
G. Baesecke, Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums i, 103.
37
Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen 2 13f.
12. ALANEN, WANDALEN, GOTEN 299

Tacitus38 den Naharnarwalen, einem Stammesteil der wandalischen Lugier,


zuweist. Die göttlichen alces spiegeln sich somit in einem Zeichen des
Futhark und legen Beteiligung der Wandalen an dessen Schöpfung nahe3·.
Den Kult der alces pflegt man auf dem Sieling (Zobten) anzusetzen.
Doch nicht nur die Nahanarwalen, auch die gleichfalls wandalischen Has-
dinge (" ) besaßen göttliche Zwillinge. Cassius Dio40 kennt ihre
Könige Rhaos und Rhabdos. Deren Namen „Stange" (raho) und „Balken"
(altnord. raptr) gehören zu den Äsen, die gleichfalls „Balken" waren
(ansuz)*1. Im geschichtlichen Königspaar treten die göttlichen Zwillinge
erneut entgegen, nur diesmal in nicht-tierischer Gestalt.
Die Hasdinge kehren, so hat man angenommen, auch im angelsächsischen
Runenlied wieder. Bei der ng-Rune heißt es, Ing sei zuerst unter den Ost-
dänen von Männer gesehen worden, bis er dann ostwärts über die Wogen
dahingefahren sei. Darauf v. 70: pus heardingas föne hcele nemdun. W. Krause
entnahm daraus, der Name Ing und mit ihm der der Rune werde auf die
wandalischen Hasdinge zurückgeführt42. B. v. Lindheim, um Äußerung
gebeten, ob es sich um einen Stammesnamen oder um ein Appellativum
handle, meinte (brieflich 28. i. 1958): „Mir ist das letzte wahrscheinlicher,
weil heardingas , Krieger' in der altenglischen Dichtung belegt ist (Elene 25
und 130); andere freilich stellen das Wort zu altnord. Haddingjar und zum
Wandalenstamm Asdingi (B. Dickins, Runic and Heroic Poems, Cambridge
1915, 29f.). Ich würde die Stelle übersetzen: ,So gaben die Krieger dem
Helden den Namen'. Auch Grein, Ags. Sprachschatz, verzeichnet hearding
,vir strenuus' (eine Bildung wie abeling), und er stellt neben die Belege aus
der Elene die Stelle aus dem Runenlied. Vgl. auch F. Klaeber in: Archiv
für das Studium der neueren Sprachen 142 (1921), 250—253."
Ing begegnet auf dem Runenstein von Dölzig43 in der Form (I)ngus.
Das Denkmal gehört nicht den Hasdingen, sondern den Warnen44. Plinius46,

38
Germ. 43.
3
* W. Krause in: Nachr. Gott. Gesellsch. Wissensch. 1944, 249- Über seinen Wieder-
belebungsversuch der Markomannentheorie ist: Geschichte der latein. Sprache 109f.
das Nötige gesagt. *° 71, 12, i.
41
H. Arntz, a. O.* 213. Die Etymologie wurde bestritten von E. Polomo und
O. Szemerenyi in: Festschrift P. Kretschmer 2 (1957), 89. Grundlos,
denn es handelt sich nicht um einen ,,Fetisch"(!), sondern um die Vorstellung, die bei
F. Altheim, A History of Roman Religion (1938), 167! und W. F. Otto, RE. 3, 1079
4a
belegt ist. a. O. 230!; 24of.
43
Veröffentlicht von F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 239f.
44 45
F. Altheim, a. O. 240f. N. h. 4, 99.
300 EINBRUCH IN EUROPA

der die Uarinne den Wandalen zurechnet, trennt sie ausdrücklich von
den Ingwäonen46. Auf der anderen Seite hat man das Auftreten der Ing-
Rune im Futhark dahin gedeutet, daß dieses von Ingwäonen oder doch unter
deren maßgebender Beteiligung geschaffen wurde47. Nachdem die Deutung
auf die Hasdinge zweifelhaft geworden ist, gewinnt der Hinweis auf die
Ingwäonen und damit auf die Kimbern erneut an Gewicht.
Noch einmal sei zum Gefäß von Ladanybene zurückgekehrt. Erstaunlich,
daß auf ihm, das nicht allzuweit von der Donaugrenze gefunden wurde,
nicht das römische oder griechische Alphabet auftritt, sondern ein ara-
mäisches, das im Kaukasus beheimatet war, und die altertümliche Form
der Runen. Alanen hatten das erste aus ihren Sitzen nördüch jenes Gebirges
mitgebracht und das zweite von den benachbarten Wandalen im ungarischen
Tiefland erhalten. Im Übrigen hatte der iranische Nomadenstamm nichts
von seiner Beweglichkeit verloren, seitdem er, noch als " , am No-
madeneinbruch über den laxartes 130/129 v. Chr. teilgenommen, sich im
Nordosten Irans seßhaft gemacht hatte und schließlich in das Gebiet zwi-
schen den Unterläufen von Wolga und Don gewandert war. Auch dort konnte
es die Unruhigen nicht halten. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. nah-
men Teile des Stammes, die weitergezogen waren, am Markomannenkrieg
teil, und im Alföld begegnet man ihnen im folgenden Jahrhundert.
Auch diesmal sollten sich die Alanen als Vorläufer der Hunnen er-
weisen, machten sich die iranischen Nomaden auf, um den türkischen als
Quartiermacher zu dienen. Aber auch mit den Goten findet man die Alanen
vereint. Auf dem Konsulardiptychon Constantius' III. von 417 hat der
alanische Gefangene eine germanisch gekleidete Frau zur Seite48. In ältere
Zeit führt der Ehebund zwischen einem Goten und einer Alanin, von dem
jetzt gesprochen werden soll.

46
Ausführliche Erörterung der Frage bei F. Altheim, a. O. i, 246!.
47
K. A. Eckardt, Ingwi und die Ingweonen. Studien zur Rechts- und Religions-
gesch. 2, 70!.; G. Baesecke in: Zeitschrift für deutsches Altertum, Anz. 1939, 5; Vor-
und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums i, 102; Altheim-Trautmann, Kimbern
und Runen 2 n; F. Altheim, a. O. i, 231 f. (Ing-Rune der Cornuti); H. Arntz, a. O.2 228f.
48
R. Delbrueck in: Bonner Jahrbücher 1953, 179.
12. ALANEN, WANDALEN, GOTEN 301

Nach Herodian1 stammte der Kaiser C. lulius Verus Maximinus


(235—238) των ένδοτάτω Θρακών και των μιξοβαρβάρων, από τίνος
κώμης. An einer zweiten Stelle2 bezeichnete er ohne Umschweife ihn als
Barbaren. Daraus folgt, da keineswegs gemeint war, nur ein Elternteil
sei bei Maximin barbarischer Herkunft gewesen. Μιξοβάρβαρος bezeichnet
berall, wo es vorkommt3, den Mischling zwischen Barbaren und Griechen.
Also ist καί bei Herodian epexegetisch zu erkl ren. Maximin kam aus dem
innersten Thrakien und zwar aus einem Dorf, das von gemischter Bev lke-
rung bewohnt war. In dem Dorf sa en neben der griechisch-r mischen Be-
v lkerung Barbaren. Beide Bestandteile konnten sich vermischen, mu ten
es aber nicht. Denn Maximin war ein reinbl tiger Barbar und seine Eltern
dementsprechend auch.
Die Verh ltnisse, die aus der Nachbarprovinz Moesia Inferior bekannt
sind, beleuchten das Ergebnis. Dort kennt man solche D rfer, in denen
Barbaren neben solchen wohnten, die im Besitz des r mischen B rger-
rechts waren. Inschriften aus Istria * nennen veterani et cives Romani et Bessi
consistentes im vicus Quintionis; eine weitere derselben Herkunft 5 cives
Romani et Lai consistentes vico Secundini. Und diese kehren im Stadt-
gebiet von Tomi6 wieder: [ci]ves Roman[i e]t Lai consi[st]entes vico \T\urre
Muca(poris) oder -tralis"7. Wie die Bessi von den H hen des Haemus stam-
men8, so tragen die Lai den Namen eines pannonischen Stammes, der sonst
als Λαιαϊοι oder Λάϊνοι erscheint9. Die R mer hatten hier Angeh rige
kriegerischer Barbarenst mme in die Ebenen der Dobrudscha verpflanzt,
um sie das Leben friedlicher Bauern zu lehren10. Woher der barbarische
Bestandteil in Maximins Heimatdorf stammte, wird nicht gesagt. Aber auch
da werden sie mit cives Romani in Gemeinschaft gewohnt haben.
1
6, 8, i.
2
7, i, 2.
3
Eurip., Phoin. 138 u. Schol.; Xenoph., Hell. 2, r, 15; Plat., Menex. 245 D; Lukian.,
lup. trag. 27.
4
V. P rvan in: Histria 4, 617; 7, 55f.; nr. 47; 49—52.
5
V. P rvan, a. O. 7, 96f.; nr. 61.
• CIL. 3, 7533.
7
M. Rostovtzeff, Gesellsch. u. Wirtsch. im r mischen Kaiserreich i (1929), 342
Anm. 84.
8
M. Rostovtzeff, a. O. i, 343 Anm. 85.
* V. P rvan in: Dacia 2, 241 f.; S. Casson in: Journ. Rom. Stud. 17, 97f.
10
M. Rostovtzeff, a. O. i, 342 Anm. 84; L. Wickert in: Arch. Anz. 1929, 193.
302 EINBRUCH IN EUROPA

Anders der Biograph des Kaisers. Zwar geht ein Teil dessen, was er
ber Maximins Herkunft bringt, zugestandenerma en auf Herodian zur ck.
Aber daneben steht eine Nachricht, die ber diese Quelle hinausf hrt. Hie
de vico Threiciae vicino barbaris, barbaro etiam patre et matre genitus11
scheint sich mit Herodian vereinigen zu lassen, wenigstens auf den ersten
Blick. Dann geht es weiter: quorum alter e Gothia, alter ex Alants genitus
esse perhibetur. Et patri quidem nomen Micca, matri Hababa fuisse dicitur.
Man hat gemeint, auch diese Angabe sei aus Herodian „herausgesponnen"12.
Aber diese Dinge liegen weniger einfach.
Maximin stammte de vico Threiciae vicino barbaris. Das ist nicht ohne
weiteres Herodians των ένδοτάτω GpctKCOv καΐ μιξοβαρβάρων από TIVOJ
κώμη$. Denn Maximin zieht sich in sein Geburtsdorf zur ck und treibt
dort Handel mit den Goten. Die Alanen kommen an die ripa und begr en
ihn dort als Freund13. Wie hat man sich das vorzustellen ?
Mit der ripa kann nur das Donauufer gemeint sein. Und doch handelt
es sich um Thrakien. Also war es die ripa Thraciae oder ripa Thracica, die
sich in der Ausdehnung der heutigen Dobrudscha das s dliche Donauufer
entlang bis zum Schwarzen Meer erstreckte. Das Gebiet lag innerhalb der
Grenzen der Provinz Moesia Inferior. Urspr nglich von Illyricwn utrumque
gesondert, dann mit ihnen vereint, bildete die ripa Thraciae einen Bezirk
zur Erhebung des publicum portorium1*. Und dort lernte schon Ovid
Sarmatice loqui16.
ber die Donau hinweg, so dachte es sich der Biograph, erfolgte der
Handel Maximins mit den reichsfremden Barbaren. Aus Herodian lie sich
das nicht entnehmen. Denn bei ihm lag das Heimatdorf Maximins im inneren
Thrakien und nicht am Nordrand der Moesia Inferior. Dem Biographen
hat demnach neben Herodian eine zweite Quelle vorgelegen, nach der Maxi-
min gotisch-alanischer Herkunft war und einem Dorf an der Donaugrenze
entstammte. Was die Lage des Heimatdorfes angeht, so waren die Nach-
richten beider Quellen unvereinbar. Nur der Biograph hat sie auf seine
Weise zu vereinigen versucht.
Denn an sp terer Stelle1Ba wird der junge Maximin als semibarbarus be-
zeichnet. Das kann nur auf Herodians μιξοβάρβαροι zur ckgehen16.
11 12 13
1,5. Hohl, RE. ίο, 854f.; W. En lin, CAH. 12, 72. 4, 4.
14
A. Dobo, Publicum portorium Illyrici (Diss. Pannon. i, 16) i86f.
15
Trist. 5, 12, 58; Pont. 3, 2, 40; E. Lozovan in: Ovidiana (her. von N. I. Herescu
15
1958), 401. » 2,5.
*· Hohl, RE. 10, 854; Neue Jahrb. 1914, 708 Anm. 4.
12. ALANEN. WANDALEN, GOTEN 303

Aber es paßt nicht zur Nachricht, wonach Maximin von beiden Elternteilen
barbarischer Abkunft war. So sicher der semibarbarus Herodian entstammte,
so wenig kann der Sohn eines Goten und einer Alanin aus der gleichen Quelle
„herausgesponnen" sein.
Auf der anderen Seite schließen sich die gotisch-alanische Abkunft, der
Verkehr über die Donau hinweg mit den Goten, die Freundschaft mit den
Alanen und das Heimatdorf an der ripa Thraciae zu einem einheitlichen
Bild zusammen. Von der bisherigen Forschung wurde Herodian der Vorzug
gegeben, der Maximin aus der Provinz Thrakien stammen ließ. Aber für die
ripa Thraciae als Heimat lassen sich gewichtige Gründe anführen:
i. Der Hinweis auf die Provinz Thrakien lag im Namen des Thrax be-
schlossen. Dieser Hinweis war naheliegend, mußte fast zwangsläufig befolgt
werden. Umgekehrt stellt die ripa Thraciae so etwas wie eine lectio diffi-
cilior dar. Es gehörte Kenntnis dazu, um überhaupt auf sie zu verfallen
(keinem der vielen, die sich bisher über Maximin geäußert haben, ist sie
in den Sinn gekommen). Das spricht für gute Überlieferung.
z. Herodian selbst, der die Provinz Thrakien nennt, führt auf die Moesia
Inferior hin. Denn dort begegnen die Siedlungen, die den
entsprechen. Daß sie auch in Thrakien möglich waren, läßt sich nicht aus-
schließen. Aber nur aus Istria und Tomi sind sie belegt.
3. Gerade auch Goten treten dabei hervor. Den Goten Aurgais, der mit
einer Provinzialrömerin verheiratet war, hat eine Inschrift aus Capidava
kennen gelehrt17. Sie zeigt, daß im 3. Jahrhundert Provinzialen und go-
tische Söldner oder Deditizier an der Donaugrenze nebeneinander saßen.
Inschriften aus den beiden Moesien und Noricum18 geben die Bezeich-
nung für die romanische Frau des germanischen Soldaten in römischen
Diensten. Sie heißt brutis, was nichts anderes ist als got. brü-ßiz, brüßs
„Braut"19. Die eheliche Verbindung mit den Provinzialen spiegelt den
sozialen Aufstieg der Germanen. Den älteren Zustand, als sie mit einer
barbarischen Gattin vorlieb nehmen mußten, spiegelt die Verbindung des
Goten Micca mit der Alanin Hababa.
4. Aus der Moesia Inferior ist eine besonders große Anzahl von Weih-
inschriften auf Maximin erhalten. R. Vulpe20 erklärt sie damit, daß die
17
G. Florescu, Mon. epigr. Capidava 12; Dacia 5/6, 382!.; R. Vulpe, Hist. anc. de
la Dobroudja 257; S. Gutenbrunner in: Zeitschrift für deutsches Altertum 75, 115f.
18
CIL. 3, Suppl. 12337; 12666; 4746.
19
E. Gamillscheg, Romania German. 2, 236; auch als bruta, ist das Wort
belegt: Thes. i. L. 2, 2212. *° a. O. 262.
304 EINBRUCH IN EUROPA

Provinzialen gerade dem peregrinus auf dem kaiserlichen Thron Verehrung


entgegenbringen mußten. Das ließe sich schärfer dahin fassen, daß die Be-
wohner der Moesia Inferior, wenn der Kaiser tatsächlich der ripa Thraciae
entstammte, dazu besonderen Anlaß hatten. Die Bestätigung erbringt eine
Inschrift aus dem Lager Viminacium21. Sie entstammt Maximins Todesjahr
und zeigt die Anhänglichkeit niedermösischer Truppenteile an ihren Lands-
mann auf dem Thron. Während vor Aquileia die meuternden Prätorianer
und Angehörige der II. Parthica das Bild des Kaisers von ihrem Feldzeichen
rissen, bevor sie ihn ermordeten22, weigerten sich die niedermösischen Sol-
daten in Viminacium, die gleiche Handlung zu vollziehen, obwohl der Unter-
gang Maximins sie vor vollendete Tatsachen stellte. Sie hielten ihrem Kaiser
über den Tod hinaus die Treue.
5. Synkellos23 bezeichnet Maximin als $ $. Das läßt sich
nur mit der ripa Thraciae, also der Moesia Inferior, nicht mit der thrakischen
Provinz in Einklang bringen.
Erwägt man dies alles, so neigt sich die Wagschale unbedingt zugunsten
der ripa Thraciae. Nicht Herodian, sondern die zweite Quelle des Bio-
graphen hätte das Richtige überliefert. Es bleibt die Frage, wie es mit der
gotisch-alanischen Herkunft des Kaisers steht.
Da sind zunächst die Namen der Eltern. Die Mutter heißt Hababa und
das stimmt zu Ababos, dem Vater des Orontes, aus Olbia24. Die alanische
Mutter ordnet sich also sprachlich dem iranischen Namensschatz Südruß-
lands ein26. Ähnlich steht es mit dem Vater. Die Form Micca läßt sich ohne
Schwierigkeit als gotisch deuten2e.
Auf dem Bildnis Maximins, wie es die Münzen geben, fällt die aus-
geprägte Hakennase auf; sie bestätigt die iranische Herkunft27. Bei Maximin
herrscht demnach die Erbmasse der alanischen Mutter vor. Die Farbe von
Haut und Augen, die die literarischen Nachrichten überliefern28, weist eher
nach der germanischen Seite.
21
K. Eggert in: Serta Hoffilleriana 2191.; 223.
22
Herodian. 8, 5, 9.
23
i p. 674 Bonn.; W. Enßlin in: Rhein. Mus. 90, 13 Anm. 19.
24
B. Latyschew, Inscr. Ponti Eux. i, 135 nr. 102; 136 nr. 103; dazu K. Müllenhoff
in: Monatsber. Akad. Berlin 1866, 557 Anm. 2; F. Justi, Iran. Namenb. i; L. Zgusta,
Die Personennamen griechischer Städte der nördlichen Schwarzmeerküste 293f., § 591.
25
Zustimmend R. Delbrueck, Die Münzbildnisse der Kaiser von Maximinus bis
Carinus 39; W. Enßlin, a. O. 6.
26
G. Thratnigg in: Germanien 1939, 56 Nachtrag.
27 2
R. Delbrueck, a. O. 66. * R. Delbrueck, a. O. 39.
12. ALANEN, WANDALEN, GOTEN 305

Nach Zonaras29 wurde Maximin im Alter von 65 Jahren ermordet. Da


sein Tod ins Jahr 238 fällt, wäre er 173 geboren. Maximins Heimat und
Geburtsort lagen auf Reichsboden, nahe der Donaugrenze. Daß zu Beginn
des letzten Viertels des 2. Jahrhunderts die Möglichkeit bestand, daß Goten
und Alanen an der unteren Donau auftauchten, ist bei verschiedenen Ge-
legenheiten30 gezeigt worden und, soweit bekannt, heute unbestritten. Für
den Mittellauf des Flusses hat jetzt die Inschrift des Gefäßes von LadÄny-
bene, wenn es dessen noch bedürfte, die Bestätigung erbracht.

" 12, 16.


80
F. Altheim in: Rhein. Mus. 90, 2041.; Krise d. Alten Welt i, g^l.; Niedergang
der Alten Welt 2, 156.

20 Altheim, Hunnen I
13. KAPITEL

ERMANARICHS GOTENREICH

Ausgangspunkt soll eine Stelle des finnischen Nationalepos bilden. In


der sechsten Rune des Kalewala wird erzählt, wie Wäinämöinen sich ,,zum
Aufbruch
Nach der grimmig kalten Gegend,
Pohjola, dem nimmerhellen"1
rüstet. Er schwingt sich auf sein Pferd2, was innerhalb des Kalewala zwar
nicht ohne Beispiel, aber vergleichsweise selten ist. Immerhin erscheint
dort das Pferd nicht nur als Reittier3, sondern auch als Streitroß4. Daneben
ist die Verwendung als Schlittenpferd bezeugt6. Auf einem pferdebe-
spannten Schlitten konnte man wie Lemminkäinen einen Kriegszug unter-
nehmen*. Daneben erscheint in einer Variante das „Kriegsroß", das „Fehde-
füllen"7. Die beiden klassischen Verwendungen des Pferdes im Kriege —
die ältere vor dem Streitwagen, die jüngere des gerittenen Tieres8 — be-
gegnen demnach auch im finnischen Epos. Nur ist der Wagen durch den
Schlitten, der den klimatischen Bedingungen besser entspricht, ersetzt.
Noch heute benutzen die Völker des nördlichen Ural auch im Sommer den
Schlitten, der den Wagen bei ihnen völlig vertritt. Magyar, szeker, dial.
szeker „Wagen", ein Lehnwort aus dem Altindischen, entspricht Laut für
Laut surgut-ostjakischem liker, was aber nicht „Wagen", sondern
„Schlitten" bedeutet9.
1 3
6, 2f. * 6, 5f. 3, 394. * 4, 353.
6
3. 395*·; 7. 349*·; 15, 353*· ", 301!.
7
K. Krohn, Kalewalastudien II. FFCommunications Nr. 67, 106.
8
Grundlegend J. Wiesner, Fahren und Reiten in Alteuropa und im Alten Orient.
9
B. Munkacsi in: Keleti szemle 6, 198. H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen 213f.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 307

Wäinämöinens Pferd wird von Joukähainen, dem „magren Lappen-


jüngling"10, mit dem Pfeil getötet. Zwei Schüsse verfehlen das Ziel11:
„Schließlich schoß er ab den dritten,
Gerade ging der Pfeile dritter
In die Milz des blauen Elens,
Traf des alten Wäinämöinen
Roß mit strohhalmfarbnen Körper ..."
Wäinämöinen fällt herab12:
„Von des blauen Elen Rücken
Von dem ranken Rosse stürzend."
Kein Zweifel kann obwalten: das Pferd wird als „blaues Elen" be-
zeichnet. Die Wiederholung zeigt, daß es sich um eines der festen Beiwörter
handelt, die dem finnischen Epos ebensowenig fehlen wie dem homerischen,
germanischen oder indischen. Aber was wäre mit dem Beiwort gemeint ?
Die Gleichsetzung zweier Tiere kehrt — unter dem Zwang des Versparal-
lelismus13 — auch an anderer Stelle wieder. Aber wenn einmal Elch und
Rentier zusammenfallen14, so darum, weil sie sich zoologisch nahestehen,
näher als Pferd und Elch. Im Wogulischen bedeutet väsi, vösi sowohl das
„Rentierkalb" wie das „Elchkalb"15. Doch gegenüber der Bezeichnung
von Wäinämöinens Pferd als „blaues Elen" versagt jede Deutung auf Grund
zoologischer Verwandtschaft.
Ein Fund der letzten Jahrzehnte kommt hier zu Hilfe. Im Jahre 1929
grub M. P. Griaznow im östlichen Altai, in der Nähe von Pazyryk am Fluß
Yan Ulaghan, den Kurgan eines Nomadenfürsten aus, der neben manch
anderem Neuen eine bisher nicht bekannte Art von Pferdemasken gebracht
hat18. An der Nordseite der hölzernen Grabkammer lagen die Leichen von
zehn Pferden, die dem Toten mit ins Grab gegeben waren17. Der gefrorene
Boden hatte einen ausgezeichneten Erhaltungszustand bewirkt, nicht nur


11
6, 96.
6, 175 f.
" 6, 187f.
18
D. Comparetti, D. Kalewala 63; W. Steinitz, D. Parallelismus in der finnisch-
karelischen Volksdichtung. FFCommunications Nr. 115.
14
14, 2i f.
15
H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen 225.
19
Amer. Journ. Arch. 1933, 30f.; vergl. M. Rostovtzeff in: Sem. Kondak. 6, 161
Anm. i Ende; L. Morgenstern in: Rev. des arts asiat. 10, 201 f.
17
M. P. Griaznow, a. O. 34 Abb. 3; T. Talbot Rice, The Scythians (1957) pl. 11—12.
20·
308 EINBRUCH IN EUROPA

der Tierkörper, sondern auch der Beigaben. Zwei Pferde trugen Masken aus
Leder, Filz, Pelz und Blattgold18. Eine von ihnen war mit einem ausge-
bildeten Geweih in natürlicher Größe ausgestattet. Das Pferd war demnach
als Cervide maskiert (Abb. 8).
Der Finder glaubte in diesem Stück eine Rentiermaske zu erkennen19,
und die Forschung ist ihm darin gefolgt. Schwerlich mit Recht. Es fehlt
der für das Ren bezeichnende Aufbau des Geweihs aus dicken, runden
Stangen und schmalen, scharfen Sprossen; es fehlt auch die so häutige
Vorwärtsbiegung des aufsteigenden Geweihs. Gewiß, die abwärts gewandten
Sprossen über der Stirn begegnen gerade beim Ren. Aber diese „Augen"
oder „Kampfsprossen" kommen auch bei dem Elch vor20. Für ihn bezeich-
nend sind weiterhin die Schaufeln; sie fehlen bei dem Ren. Auch Ansätze
zu entsprechenden Bildungen bei den Rentieren am oberen Jenissei, auf
die man allenfalls verweisen könnte21, sind von anderer Art. An der Maske
sind die Schaufeln vergleichsweise schmal gebildet und laufen in lange
Zacken aus. Also war kein Schaufelelch, sondern der Stangenelch oder
dessen häufige Kreuzung mit dem Schaufelelch gemeint22.
Damit ergibt sich eine erste Beziehung zu der eingangs behandelten
Stelle des Kalewala. Dort ein Pferd, das als Elch bezeichnet ist; hier ein
solches, das als Elch maskiert wurde. Anscheinend liegen beiderseits ähn-
liche Vorstellungen zugrunde.
Die Deutung der Maske als Rentier empfahl sich aus geschichtlichen
Gründen. Die Theorie eines zeitlichen Nacheinander von gezähmtem Ren
und gezähmtem Pferd bei den Nomaden, besonders bei denen des Altai-
Gebietes, wurde von angesehenen Forschern vertreten. In der Tat fehlt
innerhalb des eurasischen Tierstils zunächst das Pferd. Lieblingstiere
waren der Hirsch und die gehörnte Hinde, ursprünglich das weibliche Ren-
tier. Erst mit den Sarmaten einerseits, den Ordosbronzen andererseits
begegnen das Pferd und das Reiten auf ihm23. Gürtelschließen der kauka-
sischen Bronzezeit zeigen das „Hirschpferd" — ein Pferd mit dem Geweih
der Cerviden versehen24. Auch Kleinbronzen von Cerviden, denen zum

18 le
M. P. Griaznow, a. O. 38. M. P. Griaznow, a. O. 38!
20 2
Die Hohe Jagd 2i6f. Hinweis von H.-O. v. Bockelberg.
Z1
D. Carouthers, Unknown Mongolia , 230 Taf.; 234 Taf. (Hinweis von J. Wiesner).
22
Forstmeister Klose in: Wild und Hund 1942, 399f. (Hinweis von H.-O.v.Bockel-
berg.)
23
J. Wiesner in: Forsch, und Fortschritt. 1943, 216.
24
F. Hancar in: IPEK. 1935, 51.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 309

Zeichen der Zähmung Glöckchen angehängt sind, haben sich gefunden25.


Kallimachos weiß von solcher Zähmung bei den Thrakern28. Thrakische
Votive zeigen Artemis rückwärts auf dem Hirsch reitend27. Auf einem Relief
aus Bassarbowo sitzt lupiter zu Pferd, luno auf einem Hirsch28; der weib-
liche Teil hat also das ältere bewahrt. In einer Anzahl von finnisch-ugrischen
Sprachen ist das Pferd mit einem Wort bezeichnet, das in anderen für das
Rentier gebraucht wird29. Mit dieser Abfolge von Ren und Pferd, Hirsch
und Pferd hat man die angebliche Rentiermaske von Pazyryk verbunden30.
Im Kult, der Ältestes zu bewahren pflegt, wäre demnach die frühere Stufe
erhalten geblieben. Derart, daß das Pferd als Rentier kostümiert, daß es
durch seine Maske zu ihm gleichsam um- und zurückgedeutet wurde31.
Aber es gibt neben der Abfolge von Rentier und Pferd auch eine solche
von Elch und Pferd. Nicht nur das Ren, auch Yak und Elch hat man bei
den innerasiatischen Reiterhirten geritten38. Noch im 17. Jahrhundert
wurde das Reiten des Elches von russischen Gouverneuren streng verboten,
„weil jakutische Räuber und Diebe, von Kosaken verfolgt, auf diesen Reit-
tieren in unwegsame Sümpfe sich zurückzogen, wo ihnen die Verfolger zu
Pferde nicht beikommen konnten"83.
Auch bei den Wandalen findet sich das Reiten auf dem Elch. Elchrei-
tende Dioskuren sind denen zu Pferd vorangegangen34. Aus der Abfolge
von Elch und Pferd erklären sich auch die angezogene Stelle des Kalewala
sowie die Pferdemaske von Pazyryk. Das finnische Epos und der Grabritus
des Altai haben Spuren davon erhalten, daß einmal das Pferd als Reittier
den Elch ersetzt hat. Die Maske und das epische Beiwort, das Wäinämöinens
Roß erhält, spiegeln den gleichen geschichtlichen Wandel wider.
25 2
J. Wiesner in: Arch. Anz. 1942, 425; Abb. 7. * Hymn. Art. 112f.
27
G. Kazarow in: Arch, ertes. 1942, 250.
28
G. Kazarow in: Anz. Wien. Akad., Phil.-hist. Kl. 1942, 179!; Taf. i.
29
J. Harmatta in: Rev. de l'hist. compar. 1947, 257. Seine Polemik übersieht, daß
ich nicht den Namen des Pferdes, sondern des Hengstes aus dem Iranischen ableite.
30
M. P. Griaznow, a. O. 38.
81
J. Wiesner in: Germanien 1942, 2i6f.; 217!.
82
Sv. Hedin, Durch Asiens Wüsten i, 164; G. Haloun, Seit wann kannten die
Chinesen die Tocharer oder Indogermanen überhaupt? i, 42; J. Wiesner, a. O. 213;
Neue Jahrb. 1942, 264; Welt als Gesch. 8, 201. Weiter ist an die „Hirschpferde" auf
den Schließen der kaukasischen Bronzezeit zu erinnern, die bereits F. Hanfar mit dem
Nacheinander von gerittenem Rentier und Pferd sowie mit Pazyryk verknüpft hat:
iPEK.
88
1935. 49f.; 64.
Brehms Tierleben, Säugetiere44, 109.
34
H. Rosenfeld in: Germ.-Rom. Monatsschr. 28, 245f.; J. Wiesner in: Neue Jahrb.
1942, 266 Anm. 46.
310 EINBRUCH IN EUROPA

Wann ist er erfolgt ? — Zunächst ist deutlich, daß die Entwicklung von
Süden nach Norden gegangen ist. In der dritten Rune des Kalewala36
heißt es:
„Mit dem Rentier pflügt der Norden,
Mit dem Mutterpferd der Süden."
In der gleichen Abfolge muß das Pferd auch den Elch ersetzt haben. Für
die Zeitstellung könnte das Grab von Pazyryk einen Terminus post quem
geben. Aber leider ist es undatiert und mit unseren Mitteln vorläufig nicht
datierbar. Das Grab von Sib im mittleren Altai fällt nach Ausweis einer
dort gefundenen chinesischen Lackschale in die Jahre kurz vor der Zeit-
wende3*. Doch damit ist nur ein ungefährer Anhaltspunkt für Pazyryk
geliefert: es bleibt eine Spanne vielleicht von Jahrzehnten37.
Die Chronologie des Kalewala oder von Teilen desselben war immer ein
mißliches Ding. Die Hoffnung, im vorliegenden Fall — wenn auch nur
in einem epischen Beiwort — eine alte Schicht gefaßt zu haben, scheint,
kaum aufgetaucht, wieder zu zerrinnen. Immerhin bleiben zwei Anhalts-
punkte.
Einmal die Bodenfunde in Finnland selbst. Seit der „Merowingerzeit"
(400—600) ist dort das Reitpferd bekannt38. Die Gräber dieser Zeit haben
Trensen und Teile des Zaumzeugs erbracht. Zumindest die Anführer zogen
beritten in den Kampf. Auch die Zahl der dem Toten mitgegebenen Lanzen
läßt erkennen, ob es sich um einen Reiter oder um einen Fußkämpfer
handelt39. Die reiterliche Kampfesweise hatte sich noch nicht derart ver-
breitet wie im gleichzeitigen Norwegen und Mitteleuropa40. Das zeigt, daß
sie in Finnland noch nicht allzulange heimisch sein konnte.
Einen zweiten Anhalt bietet das Grab von Pazyryk selbst. Die dort
geopferten Pferde gehen nicht — wie sonst in Mittel- und Ostasien — auf
das Przewalskische Urpferd, sondern auf iranische Zucht zurück41. Dazu
stimmt, daß von den innerasiatischen Reiterhirten ausgehend der Elch

35
36
3. i68f.
M. P. Griaznow in: Wiener Prähist. Zeitschr. 1928, 122f.; Amer. Journ. Arch.
IQ33, 32; doch vgl. B. Karlgren in: Bull. Mus. Far East. Ant. , 151 f.
37
. P. Griaznow in: Amer. Journ. Arch. 1933, 43.
38
H. Salmo in: Finska Fornminnesforeningens Tidskrift 42, 309f.
3
» H. Salmo, a, O. 310.
40
H. Salmo 309.
41
M. P. Griaznow, a. O. 45; J. Wiesner, a. O. 218.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 311

durch das Pferd verdrängt wurde und daß gerade die iranischen Reiter-
stämme die Zucht des Pferdes nachhaltig beeinflußt haben42.
Auf finnischer Seite findet sich die Entsprechung. B. Munkäcsi43 hat
das Wort für den „Hengst" — finn. orih, orhi\ läpp, orries', syrjän.-wotjak.
u£; tscherem , —· von dem gleichbedeutenden osset. urs, vurs ab-
geleitet. Hierzu ist zu bemerken, daß die finnischen Stämme in früher Zeit
eine nennenswerte Pferdezucht nicht besaßen. Man braucht nicht so weit zu
gehen, daß sie das Pferd überhaupt erst von den Iraniern kennenlernten.
Aber wenn sie den Hengst mit einem ossetischen Lehnwort bezeichneten,
so muß dieser durch iranische Vermittlung eine besondere, bisher nicht vor-
handene Bedeutung erlangt haben.
Die heutigen Osseten sind Nachfahren der Alanen44. Diese gehören zu
den iranischen und mittelasiatischen Stämmen, die die schwergepanzerte
Reiterei kannten45. Folge dessen war, daß die Beschaffung eines kräf-
tigen Pferdetypus dringend wurde46. Nur eine starke Rasse und nur ein
Hengst vermochte den Reisigen mit seinen Waffen, vermochte das Gewicht
des Pferdepanzers zu tragen. Auf den iranischen Felsreliefs und den Gra-
fitti von Dura begegnet man den schweren Streithengsten parthisch-sasa-
nidischer Züchtung. Um ihretwillen führte das China der Han eigene Kriege
in Mittelasien47. Auch die alanische Pferdezucht war hochentwickelt48.
Seinem alanischen Lieblingspferd, dem Borysthenes Alanus Caesareus Vere-
dus, mit dem er über die Hügel Toscanas dahin „flog", setzt der Kaiser
Hadrian eine eigene Inschrift49. Nicht nur das finnische Wort für den Hengst,
auch das magyarische scheint auf ein alanisch-ossetisches zurückzugehen60.

*a J. Wiesner, a. O. 215.
43
Keleti szemle 5, 326; anders H. Jacobsohn, a. O. 226!. Sein Beweisgang zielt
darauf hin, daß die Ableitung aus dem Alanisch-Ossetischen zwar möglich, aber nicht
zwingend sei. Durch Heranziehung der „Sachen" neben den „Wörtern" wird sich
Munkäcsi's Entdeckung bestätigen. Gegen J. Harmatta, a. O. 257 vgl. F. Altheim.
Literatur und Gesellschaft i, 268 Anm. 42.
44
B. Munkacsi, a. O. 3iof.; W. Miller, D. Sprache der Osseten sf.; M. Vasmer.
Unters, über die ältesten Wohnsitze der Slawen i, 25f.; oben S. 55f.
45
Ammianus Schilderung des Angriffs der gotischen und alanischen Reiter
in der Schlacht bei Adrianopel setzt dies voraus: mutuis securium ictibus galeae per-
fringebantur atque loricae (31, 13, 3).
4
· W. W. Tarn, Hellenist. Milit. and Naval Developments 76f.; 156f.
47
W. W. Tarn, The Greeks in Bactria and India8 (1951), 308f.
48
Amm. Marc. 31, 2, 19.
49
CIL. 12, ii22a Z. i—6; Dio 69, n, 2; M. Rostovtzeff CAH. n, 97.
M
B. Munkacsi. Keleti szemle 5, 318 f.
312 EINBRUCH IN EUROPA

Bei den Ostseefinnen und Lappen, bei den Tscheremissen und den per-
mischen Stämmen trug, so zeigte sich, der Hengst einen alanisch-ossetischen
Namen. Dies könnte besagen, daß man dort, wie bei den Goten, die schwer-
gepanzerte Reiterei von dem iranischen Reitervolk Südrußlands über-
nommen hatte. Hier gilt es, weiter zu suchen.

Auf seiner schon erwähnten Kriegsfahrt trägt Lemminkäinen eine


Rüstung. Beschrieben wird sie als ein „Hemd von Eisen"1, demnach als
Ringpanzer oder Kettenhemd. Es erscheint als schweres Stück, das ohne
fremde Hilfe nicht abgelegt werden kann2. Das Kettenhemd war eine Er-
findung iranischen Ursprungs3, ein Bestandteil der schweren Reiter-
rüstung. Bogen und Streitaxt, die daneben genannt sind, könnten in gleiche
Richtung4 weisen.
In den Liedern der Ostjaken begegnet eine ähnliche Bewaffnung.
„Gottesschnee ähnlichen weißen Panzer zieht er hervor,
Himmelsschnee ähnlichen weißen Panzer zieht er hervor",
heißt es einmal6. Der Vergleich mit dem Schnee führt auf das Leuchten des
Metalls, vermutlich das des Eisens. Von dem „Panzerschuppen durch-
dringenden Pfeil" wird an anderer Stelle gesprochen*. Auch der Schuppen-
panzer war iranischen Ursprungs7. Daß der Bogen sich in den gleichen
Liedern als Kompositbogen ausweist8, fügt sich der Herkunft des Panzers*.
Nicht nur den Namen des Hengstes, auch den des Panzerhemdes —
wogul. ; ostjak. lager, tägar, tä%r — hat B. Munkacsi10 auf das Ala-
1
12, 217; 22l; vgl. K. Krohn, Kalewalastudien II. FFCommunications 67, 103!.
2
12, 328; 347.
8
B. Laufer, Chinese Clay Figures , 117; 327f.; B. Thordemann in: Acta Archaeol.
4, 142; J. Wiesner in: Germanien 1942, 213; N. Makarenko in: Eur. Sept. Ant. 9, 140!;
J. Alfs in: Zeitschr. f. hist. Waffen- u. Kostümkde. 7, 105; in; E. Herzfeld, Am Tor
von Asien 86.
4
12, 256! Für die Streitaxt A. v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- und Kultur-
gesch. Mittelasiens 19.
5
J. Päpay. Samml. ostjak. Volksdicht. (3. Asiat. Forsch.-Reise d. 'Grafen E. Zichy
Bd. 5) 61, 871 f.
• J. Päpay, a. O. 63, 1008; vgl. 64, 1187f.; 98, 543f.
7
M. Rostovtzeff, Skythien u. d. Bosporus i, 298; B. Thordemann, a. O. 4, 143!
8
J. Päpay, a. O. 61, 904^; 94, 295; 96, 376!; Altheim-Trautmann in: Germanien
1941, 349f. · A. v. Le Coq, a. O. igi.
10
a. O. 326; von H. Jacobsohns Einwänden (a. O. 229) gilt dasselbe wie oben.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 313

nisch-Ossetische zurückgeführt. Wie das Wort für den Hengst auf die ost-
und westfinnischen Stämme, so ist osset. zgar, zgär auf die obugrischen
übergegangen. Von einem einheitlichen Mittelpunkt aus sind beide, Wort
und Sache, zu den Ugrofinnen gekommen. Die Umwälzung der Alten Welt,
die das Überhandnehmen der schweren Reiterwaffe und einer auf ihr be-
ruhenden Taktik bedeutete, hat sich bis an die fernsten Grenzen ausgewirkt.
Sie hat nicht nur den Raum zwischen dem Schwarzen Meer und dem Huang-
-ho, zwischen Gibraltar und Nordwestindien — sie hat auch das Innere des
europäischen Rußland bis hoch in den Norden ergriffen11.
Erneu t erhebt sich die Frage der zeitlichen Ansetzung. Analogien helfen
wenig. Zwar fällt das erste Auftreten der schweren Reiterwaffe in China18,
in Rom und bei den Goten ins 3. Jahrhundert. Aber bei den mittelasiatischen
und iranischen Stämmen geht sie in weit ältere Zeit hinauf13. Oder ein
anderes Beispiel: der Lamellenpanzer. Möglicherweise war er bereits in
spätachaimenidischer Zeit in Gebrauch1*. Bei den sasanidischen Reiter-
heeren erscheint er sodann im frühen 3. Jahrhundert16. Aber erst im 5.
wurde er von den Awaren zu den Germanen gebracht16. Man muß also
einen anderen Weg einschlagen.
Zunächst eine allgemeine Erwägung. Die Übernahme alanisch-ossetischer
Lehnwörter seitens der Ugrofinnen konnte nur unter bestimmten Voraus-
setzungen erfolgen. Engste Nachbarschaft oder wenigstens enge Handels-
beziehungen boten die günstigste Gelegenheit. Wie es sich mit den West-
finnen verhalten haben mag, bleibe noch unerörtert. Aber die nachmals
pennischen und obugrischen Stämme müssen, als sie die ossetischen Lehn-
wörter übernahmen, doch unmittelbar nördlich der Alanen gesessen haben17.
Während die Sitze der Ugrofinnen damals über den Ural nicht hinaus-
gingen, erstreckte sich das alanische Gebiet weit nach Osten: bis an den
Aralsee18, vermutlich sogar bis an den oberen Jenissei. Hier wurden am

11
Über die Sitze der Westfinnen: M. Vasmer in: SBAW. 1934, 35 ·; 428f.; 1935,
307; J. Pokornyin: Mitt. Anthrop. Ges. Wien 66, 72 f.
12
F. Altheim, D. Krise der Alten Welt i, 65!.; Niedergang der Alten Welt i, 67f.
13
F. Altheim, a. O. i, 2^i.; a. O. i, 21 f.
14
F. Altheim, Weltherrsch, u. Krise 193!; vgl. Curt. Ruf. 4, 9, 3.
15
F. Altheim, D. Krise der Alten Welt i, 24f.; Helios u. Heliodor v. Emesa 33f.;
le
Niedergang der Alten Welt i, 22f. B. Thordemann, a. O. 144!
17
H. Jacobsohn, a. O. 233; B. Munkacsi in: Keleti szemle 5, 327.
18
J. Werner in: Euras. Sept. Ant. 4, 203; 7, 50. Dazu E. Chavannes in: T'oung
Pao N. F. 6, 558f.; 8, 195!; A. Wylie in: Journ. Anthrop. Instit. 10, 44; M. Rostovtzeff.
CAH. n, 94.
314 EINBRUCH IN EUROPA

Berge Sulek und bei Tascheba, im Minussinsker Becken, Fels/eichnungen19


gefunden, die man vielleicht mit Recht den Alanen zugewiesen hat20.
Neben anderen Darstellungen erscheinen auch jene gepanzerten Reiter21,
deren Bedeutung sich uns erschlossen hat. Sie tragen den langen „caftan-
-cuirass"22 oder Panzerhemden23 verschiedener Art; in dem für die iranisch-
mittelasiatische Kunst bezeichnenden „fliegenden Galopp"24 eilen ihre
Pferde vorüber.
Seit wann die Verbindung zwischen den Alanen und den obugrischen
Stämmen bestand, ist damit nicht gesagt. Wohl aber läßt sich über das
Ende dieses Zustandes eine Aussage machen. Denn jene Verbindung zerriß
in dem Augenblick, da von Osten hereinbrechend die Hunnen sich zwischen
die Alanen und die späten Obugrier schoben. Die Übernahme des alanisch-
ossetischen Lehnwortes für den Kettenpanzer muß vor dem Jahr 375 erfolgt
sein26.
Eine Bestätigung erbringen die Bodenfunde. Neben das „Wort" tritt
die „Sache". Bei den Ausgrabungen unfern des Dorfes Gainy (Rayon Kosa,
Komiperm jakischer Distrikt) sind in Gräbern des 3.—4. Jahrhunderts26
neben anderen Waffen auch Reste von Kettenhemden entdeckt worden27.
Sie bilden die archäologische Entsprechung zur Übernahme des zugehörigen
alanisch-ossetischen Lehnwortes. Wieder kommt man in die Zeit vor dem
Hunnensturm.
Der iranische Panzer und das schwere Streitroß gleicher Herkunft ge-
hörten, so zeigte sich, zusammen. Beide waren Ausdruck der gleichen
militärischen Umwälzung. Mit der zeitlichen Festlegung der Übernahme
des Panzers wäre alsdann die des alanischen Hengstes gegeben.
19
H. Appelgren-Kivalo, Alt-altaische Kunstdenkmäler Abb. 64!; A. M. Tallgren
in: Euras. Sept. Ant. 8, 175!
20
M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5. 26gf.; CAH. n, ; anders A. M. Tall-
gren bei B. Thordeman in: Acta Arch. 4, 146 Anm. 40.
21
H. Appelgren-Kivalo, a. O. Abb. 81; 312.
22
M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5, 269 Anm. ; CAH. 11, ; The Animal
Stvle ? Anm. 2.
23
A. v. Le Coq, Bilderatlas z. Kunst und Kulturgesch. Mittelasiens Abb. 100.
24
M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5, 288f.
26
H. Jacobsohn, a. O. 231.
28
A. V. Schmidt in: Eur. Sept. Ant. i, 29!.
27
A. V. Schmidt, a. O. 27 „Ringpanzer".
13. ERMANARICHS GOTENREICH 315

Das bisherige Ergebnis scheint auf den ersten Blick einheitlich zu sein.
Und doch bleiben Bedenken. Kettenhemd und Streithengst gehören zwar
sachlich zusammen; sie gehören auch sprachlich zueinander, insoweit man
auf das Alanisch-Ossetische als Ausgangspunkt verwiesen wird. Sie tun es
aber nicht, insoweit der Name des Kettenhemdes allein von den obugrischen
Stämmen, der des Hengstes nur von den finnischen übernommen wurde.
Es kommt hinzu, daß das Eindringen eines alanisch-ossetischen Wortes bei
den Westfinnen auf schwere Bedenken stößt. Im Gegensatz zur uriranischen
Lehnwörterschicht, die über den gesamten finnisch-ugrischen Sprachraum
verbreitet ist, sind „die Lehnwörter aus jüngeren iranischen Sprachstufen
eigentlich nur in den ugrischen und permischen Sprachen anzutreffen,
höchst selten im Tscheremissischen und Mordwinischen, fast garnicht im
Finnischen und Lappischen1." Damit trifft man auf eine grundlegende Um-
schichtung. „Der sprachliche Zusammenhang zwischen den permischen und
den ugrischen Völkern auf der einen Seite, den Ostseefinnen und den Lappen
aut der anderen muß bereits unterbrochen gewesen sein, als die Alanen auf
die ersteren einwirkten2." Folgerichtig erwuchs daraus die Behauptung,
finnisch orih, orhi, lappisch orries „Hengst" brauchten keinesfalls auf ein
alanisch-ossetisches Vorbild zurückzugehen3.
Die Zeit der finnischen Entlehnungen aus dem Urgermanischen setzt
man um die Zeitwende oder kurz davor an4. Während die älteren litauischen
Lehnwörter teilweise noch von den Mordwinen übernommen wurden, war
bei der Aufnahme der urgermanischen die Verbindung zwischen West- und
Ostfinnen bereits abgerissen. Von den vielen urgermanischen Lehnwörtern
des Ostseefinnischen findet sich im Mordwinischen nichts5. Und doch gibt
es Spuren germanischen Einflusses auch in der Sprache der Mordwinen und
Tscheremissen e. Aber sie haben mit den urgermanischen Entlehnungen der
Finnen und Lappen nichts zu schaffen, sondern sind der Herrschaft des
Gotenkönigs Ermanarich im 4. Jahrhundert zuzuschreiben7.

1
H. Jacobsohn, a. O. 225.
2
H. Jacobsohn, a. O. 231.
3
H. Jacobsohn, a. O. 22of.
4
Zum Folgenden H. Jacobsohn, a. O. 232.
5
H. Jacobsohn, a. O. 232 f.
6
B. Munkacsi in: Keleti szemle 7, $6gi.; H. Jacobsohn, a. O. 232 Anm. 2.
7
H. Jacobsohn, a. O. 232 Anm. 2.
316 EINBRUCH IN EUROPA

Eine ähnliche Erklärung könnte bei den alanisch-ossetischen Entleh-


nungen der Ostseefinnen versucht werden.
Es ergab sich: um die Zeitwende wurden Ostseefinnen und Mordwinen
und damit west- und ostfinnische Stämme endgültig getrennt. Gleichzeitig
drangen die urgermanischen Lehnwörter in das Finnische und Lappische
ein. Der Gedanke liegt nahe, daß beide Vorgänge nicht nur zeitlich, sondern
auch sachlich zusammenfallen. Die Auswanderung der Goten aus ihrer
skandinavischen Heimat, ihre Fortsetzung an der Weichselmündung, ihr
Vordringen erst nach Osten — über die Passarge hinaus nach Samland und
Natangen8 —, dann nach Südosten könnte die West- und Ostfinnen von-
einander getrennt haben9. Weiter: solange die Goten auf ihrer großen
Wanderung nach der Küste des Schwarzen Meeres sich wie eine Barre zwi-
schen die Ostseefinnen und die südrussischen Alanen legten, konnte kein
alanisch-ossetisches Wort zu jenen vordringen. Aber die Goten haben nicht
nur getrennt: sie haben auch verbunden. Von dem Augenblick ab, da sie
mit den Alanen vereint ihr russisches Reich aufrichteten, bestand die Mög-
lichkeit, daß unter seinem Schutz und seiner Machtausdehnung über Mittel-
und Ostrußland südrussisch-iranische, also auch alanische Kulturgüter zu-
sammen mit den entsprechenden Bezeichnungen an die Ostseeküste ge-
langten. Und daß sie nicht nur bei den dort verbliebenen Goten, sondern
auch bei den benachbarten Finnen Aufnahme fanden.
Das gotische Reich, das die Zeit der Wanderung ablöste (wann und in
welchem Sinn, wird noch zu fragen sein), hätte also kulturell und handels-
mäßig einen beträchtlichen Raum des europäischen Rußlands einheitlich
erfaßt. Innerhalb dieses Machtbereiches wären Kulturgüter aus dem süd-
russischen Raum nach Norden und Nordwesten gegangen. Ein anschau-
liches Bild gibt bereits die Verteilung der römischen Münzen im 2. und im
beginnenden 3. Jahrhundert10. Ihr Streugebiet erstreckt sich von Gotland,
dem schwedischen und norwegischen Festland im Norden11 über Ost-
preußen, Schlesien, Polen und Südwestrußland bis hinab zur Moldau und
zur Ostgrenze des römischen Dazien12. Aber diese Münzen beschränken
sich auf das südwestliche und westliche Rußland. Sie brechen überdies mit
8
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt , ., mit weiteren Angaben.
* H. Jacobsohn, a. O. 234 Anm. i.
10
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2, 83f.
11
Shetelig-Falk-Gordon, Scandinavian Archeology 201 f.
12
Literaturangaben bei F. Altheim in: Germanien 1939, 49f.; a. O. 2, 409^
Anm. 187—189.
13. EKMANARICHS GOTKNRKICll 317

Caracalla ab18, sagen also über das spätere Reich der Goten noch nichts aus.
Auch für die Nordwandemng südrussisch-iranischer Kulturgüter können
sie nur als Analogie herangezogen werden. Hier springt eine andere Denk-
mälergruppe ein.
Innerhalb des Permischen Gouvernements liegen die Fundstätten der
„charinschen" Kultur: in erster Linie Charina selbst, dann Gainy14 und
KaCka16, etwa 25 km westlich von Perm an der Kama16. Sie sind gekenn-
zeichnet durch Einfuhrstücke südrussisch-bosporanischer Herkunft („sar-
matisch-gotische Objekte"). Ähnliche Einfuhrware findet sich im rjäsan-
schen Gebiet an der Desna17, der Oka18 und in der Wolga-Kama-Gegend19,
aber die charinische Kultur führt ein davon unabhängiges Dasein. Die Ge-
gend um die mittlere Wolga nebst ihren Nebenflüssen Oka und Kama hatte
schon während der Bronzezeit und der frühen Eisenzeit ein geschlossenes
Kulturgebiet gebildet20. Von den baltischen Sitzen der Goten führte eine
Handelsstraße zum oberen Dnjepr und zur mittleren Oka31. Die „sarma-
tisch-gotische" Ware, die innerhalb der charinischen Kultur erscheint,
schlug freilich einen anderen Weg ein. Sie kam über die Orenburger Gegend,
also durch das Steppengebiet des südlichen Ural, nach der Umgebung von
Perm22. Entsprechend stehen die transuralischen Funde den permischen
nahe23. Der Schatz von Brjuchanowa, wiederum mit Stücken „sarmatisch-
gotischer" Herkunft durchsetzt, zeigt, wieweit die südrussischen Erzeug-
nisse auch nach Nordosten gelangten M.
Die Hauptmasse des aus dem Süden Eingeführten bestand aus dem ty-
pischen Inventar eines Reitervolks. Da sind zunächst die Waffen: neben
dem bereits genannten Kettenhemd die langen Hiebschwerter und die drei-
kantigen eisernen Pfeilspitzen. Sodann Goldschmuck mit Filigran, inkru-
stierten farbigen Steinen und Granulation verziert, schließlich die Bestand-

18
F. Altheim, D. Soldatenkaiser 80.
14
A. V. Schmidt in: Eur. Sept. Ant. i, 26f.
16
A. V. Schmidt, a. O. i, 191.
" A. V. Schmidt, a. O. i, ig.
17
A. M. Tallgren in: Eur. Sept. Ant. n, 125.
18
A. V. Schmidt, a. O. i, 32!; L. Halphen, CAH. 12, loif.
" A. V. Schmidt, a. O. i, 361.
20
J. J. Mikkola in: Finn.-ugrische Forsch. 15, 61 mit weiteren Angaben.
21
J. Sellye, Les bronzes £maill£es de la Pannonie Rom. (Diss. Pannon. , 8f.) 32!.
22
A. V. Schmidt, a. O. i, 40; vgl. 43f.
23
A. V. Schmidt, a. O. i, 40.
M
A. V. Schmidt, a. O. i, 40!
318 EINBRUCH IN EUROPA

teile des Pferdegeschirrs, außerdem metallene Gürtelzungen, Gürtel- und


Stiefelschnallen36. Alle Gegenstände entstammen dem 3.—4, Jahrhundert;
über den Anfang des 5. Jahrhunderts geht nichts hinab28. A. V. Schmidt,
der erstmalig diese Fundgruppe behandelte, zog daraus bereits den rich-
tigen Schluß: die südliche Einfuhr kam aus dem gotischen Reich, das durch
den Hunnensturm mit dem 4. Jahrhundert zu Ende ging27.
Natürlich brauchen es nicht nur Goten gewesen zu sein, die die Einfuhr-
stücke zur Oka und Kama brachten. Bewohner der südrussischen Griechen-
städte kommen daneben in Betracht: griechisch-sarmatische Mischünge,
wie sie dort zuhause waren und dem Charakter der bosporanischen Kultur
entsprachen28. Schließlich müssen die Sarmaten oder richtiger: ihr führender
Teil29, die Alanen, genannt werden. Sie hatten sich die anderen Nomaden-
stämme damals bereits unterworfen80. Und auf sie weisen die alanisch-
ossetischen Lehnwörter, denen wir bei den Ugrofinnen begegnet waren.
Daß bei dem wogulischen und ostjakischen Wort für den Kettenpanzer
der alanisch-ossetische Ursprung mit den aus Südrußland kommenden
Einfuhrstücken übereinstimmte, wurde bereits bemerkt. Aber die Überein-
stimmung zwischen Wörtern und Sachen scheint noch weiter zu gehen.
Auch Schwerter fanden sich unter den Einfuhrstücken der charinschen
Kultur. Und wieder zeigt es sich, daß das wogulische Wort für das Schwert
(sirej, &ri) alanisch-ossetischer Herkunft (osset. ciryag) ist31. Gemeinsam
gelangten beide, die gesuchte Ware und die zugehörigen Bezeichnungen,
aus dem alanisch-gotischen Kerngebiet zur Oka und Kama. Zur Kama
brachen sie sich durch das Steppengebiet zwischen Wolga und Ural Bahn32,
während der Weg zur Oka durch die Wälder des mittleren Rußland führte 33 .
Umgekehrt gelangte von der Kama, im Austausch gegen die zuvor genannten
Einfuhrstücke, das gesuchte Pelzwerk nach Süden34. Noch im ,
das im 10. Jahrhundert am byzantinischen Hof gespielt wurde, traten die

" A. V. Schmidt, a. O. i, 46.


»· A. V. Schmidt, a. O. i, 47; A. M. Tallgren, a. O. 127.
" A. V. Schmidt, a. O. i, 47.
48
M. Rostovtzeff, Iranians and Greeks 147f.; Yale Class. Stud. 5, 192; 268; 298;
Mon. Piot 6, 137f.
» M. Rostovtzeff, CAH. n, 93f.
80
F. Altheim, D. Krise der Alten Welt i, 97; Niedergang der Alten Welt i, 104.
31
B. Munkacsi in: Keleti szemle 5, 326.
82
A. V. Schmidt, a. O. i, 49.
83
A. V. Schmidt, a. O. i, 49; A. M. Tallgren in: Eur. Sept. Ant. 5, .
84
A. V. Schmidt, a. O. i, 49.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 319

beiden Gotenpaare in Pelzvermummung auf35. Und wieder erbringen die


Lehnwörter die Bestätigung. Syrjänisches vurd „Fischotter" geht auf osset.
urd, urdä zurück36. Man erkennt die Nachfrage nach den kostbaren Otter-
fellen seitens der Alanen.
Das gotische Reich war also ein Beschützer des wirtschaftlichen und
kulturellen Austausches37. Doch mit der wirtschaftlichen Macht ging die
Ausdehnung der politischen Hand in Hand. Unter den Namen der Völker,
die zu Ermanarichs Reich gehörten38, erscheinen solche, die vielleicht auf
das heutige Ossetien hinweisen39; dementsprechend hat man gotische Fibeln
in den Gräbern Daghestans gefunden40. Aber es werden auch Mordens und
Merens, Mordwinen41 undTscheremissen42, genannt. Beides stimmt zu den
bisherigen Ergebnissen. Von den Vorgängern der Osseten, den Alanen, aus
ging die Einfuhr zu den ostfinnischen Stämmen; von diesen führte der Pelz-
handel zurück zum gotisch-alanischen Süden. Noch heute sitzen Tschere-
missen im Permischen Gouvernement, in der Heimat der charinschen
Kultur43.
Damit hat sich der Zeitansatz bestätigt, auf den bereits die alanisch-
ossetischen Lehnwörter in den finnisch-ugrischen Sprachen geführt hatten.
Das Eindringen der Kulturformen eines südrussisch-sarmatischen Reiter-
volkes, der Alanen, in die finnischen Gebiete muß noch vor das Epochen-
jahr 375 fallen. Und es muß unter der Schutzherrschaft, zumindest während
des Bestehens des Gotenreiches erfolgt sein.
Aber nicht nur das Ende jenes Eindringens, auch sein Beginn läßt sich
jetzt festlegen. Die Goten saßen schon in der zweiten Hälfte des 2. Jahr-
hunderts in Südrußland44. Und doch begann die Ausfuhr nach Norden, wie
die Funde zeigen, erst mit dem Ende des 3. Jahrhunderts. Die Erklärung
ergibt sich, wenn man sich daran erinnert, daß wirtschaftliche und politische
85
Konstant. Porphyrog., Hb. caer. p. 381, gf. Reiske; G. Baesecke, Vor- und Früh-
geschichte des deutschen Schrifttums i, 23.
88
B. Munkäcsi in: Keleti szemle 5, 326.
87
A. V. Schmidt, a. O. i, 47.
38
lord.. Got. 116.
J. J. Mikkola in: Finn.-ugr. Forsch. 15, 62f.
40
A. A. Zakharow in: Eur. Sept. Ant. 5. 198; Zeitstellung 216.
41
K. Müllenhoff im Register von Th. Mommsens lordanes-Ausgabe.
42
H. Jacobsohn, a. O. 245f.; A. Pogodin in: Mom. soc. finno-ougr. 67, 326!; M.
Vasmer in: Sitz. Ber. Akad. Berl. 1935, 507!.; 579f.; J. J. Mikkola, a. O. 60; 62.
43
H. Jacobsohn, a. O. 19.
44
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i, 103; Rhein. Mus. 90, 205f.
320 EINBRUCH IN EUROPA

Ausdehnung voneinander nicht zu trennen sind. Seit den ersten Goten-


kämpfen, die mit Caracalla begannen46, richteten sich die kriegerischen
Anstrengungen des Volkes gegen das Römische Reich. Aber durch die
Gotensiege der großen illyrischen Soldatenkaiser, vor allem der Claudius
und Aurelian, waren die Vorstöße, trotz der Räumung des dazischen Außen-
postens, bis auf weiteres zum Scheitern verurteilt. Dem Ausdehnungsdrang
nach Süden und Südwesten war eine Schranke gesetzt. Um die Größe von
Aurelians Gotensieg zu kennzeichnen, sagt Ammianus Marcellinus, der ger-
manische Gegner sei über hundert Jahre unbeweglich geblieben — siluerunt
immobiles**.
In Wirklichkeit verlagerte sich die Tätigkeit der Goten nach anderer
Richtung. Wenn zur gleichen Zeit, da ihre Angriffe gegen die Reichsgrenze
erfolglos blieben, das Eindringen südrussischer Erzeugnisse im mittleren
und östlichen Rußland begann, so setzt das voraus, daß auch die kriegerische
und politische Ausdehnung die gleiche Richtung einschlug. Wann die Vor-
stöße erfolgten, in welchen Etappen man vorwärtsdrang, läßt sich im ein-
zelnen nicht mehr ausmachen47. Aber unter Ermanarichs Herrschaft steht
das gotische Reich vor uns, das Mordwinen und Tscheremissen mitumfaßte.
Damit erklärt sich die zeitliche Schichtung der Einfuhr. Es erklärt sich
auch ihre Artung. Inventar eines Reitervolkes, alanisch-ossetische Lehn-
wörter und die schwere Reiterrüstung waren vereint entgegengetreten.
Von Sarmaten und Alanen hatten die Goten bereits im 3. Jahrhundert be-
gonnen, die neue Kampfesweise zu übernehmen; schon damals wurden die
Berittenen zur schlachtentscheidenden Waffe48. Aber die volle Umwand-
lung und Auswirkung der taktischen Umwälzung muß erst mit der Er-
oberung des mittel- und ostrussischen Reiches erfolgt sein. Nicht mit Fuß-
truppen, sondern nur mit schnellbeweglichen und weitreichenden Reiter-
heeren konnte ein solches Reich gewonnen, konnte es behauptet werden.
Noch in den letzten Jahren eines selbständigen ostgotischen Königtums
suchte Withimeris (Vinitharius) an den Anten ein Exempel zu statuieren.
Mittels seiner alanischen und hunnischen Reiterei warf dieser Herrscher die
Abgefallenen nieder und ließ zur Abschreckung ihren König mit Söhnen und
70 seiner Vornehmen ans Kreuz heften oder hängen (adfixit) *'. Die Schlag-
45
F. Altheim, a. O. 2, 84.
"
47
3i. 5, 17·
Ein Versuch bei J. J. Mikkola, a. O. 61.
48
F. Altheim, D. Krise der Alten Welt i, io6f.; Niedergang der Alten Welt , 114f.
49
lordan., Get. 247.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 321

kraft derselben alanischen und ostgotischen Reiterei sollten die Römer in


der Schlacht bei Adrianopel 378 kennenlernen.
Mittels der von den iranischen Reitervölkern Südrußlands über-
nommenen Taktik bauten die Goten ihr innerrussisches Reich auf. Folge-
richtig mußten, als im Gefolge der Wendung nach Norden die wirtschaftliche
Durchdringung des gewaltigen Raumes einsetzte, auch die Erzeugnisse der
gotisch-alanischen Mischkultur bei den unterworfenen und anliegenden
Völkern, also auch bei den finnischen und obugrischen Stämmen, Eingang
finden. Dabei handelt es sich nicht nur um Reitertracht und reiterliche
Waffen. Hinter alledem stand ein neuer, herrenmäßiger und ritterlicher
Lebensstil gotisch-alanischer Prägung. Wie es für die Ostseefinnen bezeich-
nend war, daß sie das Wort für den „König" den germanischen Sprachen
entlehnt haben50, so für die permischen Sprachen, daß sie entsprechende
Begriffe dem Alanisch-Ossetischen entnahmen51. Das Wort für den „Herren"
oder „Herrscher": wotjak. *äksej, syrjän. öksl geht, wie awest. xSaya-
„Herr" nahelegt, auf eine iranische Mundart zurück. Der Vokalvorschlag
vor anlautender Konsonantengruppe, der die ostfinnischen Formen von der
avestischen unterscheidet, zeigt, daß das Alanisch-Ossetische den Aus-
gangspunkt gebildet hat. Der Vorschlag, der für diese Mundart bezeichnend
ist52, kehrt wieder in magyar. asszony, älter achszin, achszon „domina, era,
mulier", wo das Vorbild (altiran. *xSayavanä-, *x$evanä-) in ost-osset. axsin,
äxsin, west-osset. axSen „Gebieterin, Hausfrau", erhalten ist53.
Die Übernahme dieses neuen Herrenideals iranischer Herkunft spiegelt
sich außer in der reiterlichen Kampfesweise in der Tracht. Wie dort, so sind
auch hier die Goten vorangegangen. Sie haben ihre spätere Königstracht den
Iraniern entlehnt; dann sind ihnen die finnischen Stämme gefolgt.
50
H. Jacobsohn, a. O. 224. Die Finnen selbst kannten dergleichen nicht: D. Com-
paretti, D. Kalewala 21.
61
B. Munkacsi in: Keleti szemle 5, 326; E. N. Setälä in: Journ. de la soci4t£ finno-
-ougrienne 17, 4, 33; H. Jacobsohn, a. O. 228 Anm. 3.
M
W. Miller, D. Sprache d. Osseten 15 § 3, 5.
58
B. Munkacsi, a. O. 5, 315; vgl. 13, 350f.; H.Jacobsohn, a. O. 228; O. Szemeronyi
bei F. Altheim, Geschichte der latein. Sprache 82 Anm. i.

2l Altheim, Hunnen I
EINBRUCH IN EUROPA

Die Königstracht der Ostgoten ist aus der Zeit des Theodahad und seiner
Nachfolger in einer Reihe von Denkmälern überliefert1. Ihre Hauptteile
waren ein Mantel mit darunter getragenem Chiton und die eigentümliche
Kappe oder Krone. Alle Stücke sind von dem spätrömischen Kaiserornat
so verschieden wie möglich2.
Der Chiton2* besitzt am Halsausschnitt eine abschließende Borte, die
mit einer senkrecht verlaufenden Mittelborte zusammentrifft. Schon dies
unterscheidet ihn von gleichzeitigen römischen Stücken, wo die senkrechten
Borten beiderseits, rechts und links, nicht in der Mitte verlaufen3. Dagegen
erscheint die Mittelborte bei der skythischen3", parthischen4, sasanidischen5
und der engverwandten palmyrenischen" Tracht. Wegen der Nachbarschaft
zu den Goten müssen Beinplättchen aus Olbia7 besonders genannt werden.
Sie stellen einen parthischen König mit seinem Hof dar. Auch da ist der
Chiton durch eine Mittelborte ausgezeichnet, gelegentlich auch durch eine an
gleicher Stelle verlaufende senkrechte Naht8: sie wurde offenbar durch die
Borte in den anderen Fällen überdeckt. Noch Stifterbildnisse aus Kuöa

1
Diptychon Orestes' (N 32) mit Bildnisschilden des Athalarich und der Amala-
suntha vom Jahre 530: R. Delbrueck, Consulardiptychen 148f.; Taf. 32; Münzen seit
Theodahad: W. Wroth, Coins of the Vandals, Ostrogoths, Lombards Taf. 9f.; F. J.
Kraus, D. Münzen Odovacars und d. Ostgotenreichs in Italien (Münzstudien, her. v.
M, v. Bahrfeldt und H. Buchenau 5) Taf. 9, 29 f.
2
Mitteilung des bildlichen Materials, seine Beurteilung und geschichtliche Ein-
ordnung ist dem großen Archäologen R. Delbrueck zu verdanken. Weitere Hilfe hat
J. Kollwitz in nie versagender Hilfsbereitschaft gewährt.
za
G. Widengren in: Arctica n (1956), 237f.
8
Eine reiche Sammlung von Beispielen bei N. Belaev, Recueil Kondakoff 201 f.
8a
Kurgan II aus Pazyryk (3.—2. Jahrhundert): T. Talbot Rice, The Scythians
(1957) 63 fig. 5 oben.
* Mithras auf dem Denkmal Antiochos'I. von Kommagene auf dem Nemrud Dagh:
F. Sarre, Die Kunst des alten Persien 56; Excavations at Dura-Europos 1930/1, Taf. 18,
i—2; ig, i; 20, 2; 1933/4—IQ34/5. Taf. 13, 3—4; 14, i; 15—17; F. Cumont, Les
fouilles de Doura-Europos Taf. 98, i—2; Andrae-Lenze, D. Partherstadt Assur 109 f.
Abb. 46.
5
G. Mendel, Ottoman, Catal. des sculpt. 2, 398 Abb. Eine senkrechte, weiße
Mittelborte zeichnete bereits den Chiton der achaimenidischen Königstracht aus:
A. Alföldi in: Rom. Mitt. 49, 22f.
' M. Rostovtzeff in: Yale Class. Stud. 5, Abb. 51; 51 a; 57; dazu S. 251.
7
M. Rostovtzeff, a. O. igof.; Abb. 31.
8
Vgl. Excavat. at Dura-Europos 1932/33, Taf. 42, i (Reiterfigur rechts); T. Talbot
Rice, a. O. 62 f. fig. 4; 5 unten.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 323

in Ostturkestan9 zeigen diesen Chiton, dessen Verbreitung, wie es scheint,


mit der des iranischen Volkstums zusammenfiel.
In gleiche Richtung weist der Mantel. Er bedeckt die Schultern, läßt
aber die Brust frei. Die Münzen Theodahad's zeigen, daß er mit Ärmeln
versehen war10. Die Schulternaht ist hier mit einer Perlenborte geschmückt.
Auf der rechten Schulter — nur sie ist voll zu sehen — befindet sich am
unteren Ende ein gleichfalls perlenbesetztes Querstück, das den Ansatz der
Ärmel bezeichnet. Ähnliche Borten und quergesetzte Schulterstücke kennt
man von den Stifterfiguren aus Qumtura in Ostturkestan11 oder von den
kleinen Terrakotten vom Afräsyäb12, die der vorislamischen Zeit Bucharas13
entstammen. Hier ist auch der Schnitt des Mantels der gleiche wie auf den
ostgotischen Denkmälern.
All das weist von vornherein auf iranischen Ursprung. Die Perlenborten
zieren auch den sasanidischen Königsornat14. Der Ärmelmantel, der die
Brust frei läßt, ist nichts anderes als der persische Kandys16. Mit einer
Spange auf der Schulter befestigt16, flattert er bei heftiger Bewegung im
Wind, wie man es auf dem Alexandersarkophag sieht. In Gegenwart des
Herrschers mußte man den Kandys anziehen17. Bei den Vornehmen and
beim König selbst war er mit Purpur gefärbt18. Auch der Mantel, der den
ostgotischen Königen bei ihrer Erhebung umgelegt wurde, war ein Purpur-
gewand1·.
Gleich dem Chiton läßt sich auch der Kandys in Südrußland nachweisen.
Er war meist aus Fellen gearbeitet und hieß dann Sisyrna*0. Auf den Dar-
stellungen erscheint er als bezeichnender Bestandteil der skythischen

• A. v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- und Kulturgesch. Mittelasiens 39 Abb. 8


links.
10
R. Delbrueck, a. O. 149.
11
A. v. Le Coq, a. O. 40f.; Abb. g und ir.
11
J. Strzygowski, Altai, Iran und Völkerwanderung 262 Abb. 208. Kein „Musi-
kant", sondern ein Schwertträger, vgl. E. Herzfeld, Am Tor von Asien 68.
13
J. Strzygowski ,a. O. 263; Orient. Lit.-Ztg. 7, 50; G. Vambory, Gesch. Bucharas
16.
" E. Herzfeld, a. O. 8if.
16
Amelung, RE. 3, 2207; dazu F. Hauser in: Österr. Jahresh. 6, 88 Anm. n;
G. Widengren, a. O. 237.
1
Hesych. s. v. .
17
Xenoph., Hell. 2, r, 8; Kyrup. 8, 3, 10.
18
Pollux i, 58; Xenoph., Kyrup. i, 3, 2; 8, 3, 13.
19
Prokop., b. Goth. i, 29, 5; 2, 30, 17 u. a. m.; vgl. 4, 31, 18.
10
Pollux 7, 70.
21·
324 EINBRUCH IN EURUr-A

Tracht21, dann der NordVölker überhaupt22. Meist war dieser Mantel ge-
gürtet. Ähnlich dem des ostgotischen Königsornats ließ er die Brust frei23;
an den Rändern zeigt er die Borten und auf der Schulter die Naht sowie das
quergesetzte Schulterstück24. Beide waren auch für den parthischen Königs-
ornat kennzeichnend26. Die Darstellung des sitzenden Königs auf einem der
Beinplättchen von Olbia26 bestätigt diese Eigentümlichkeit: die Randborte
kehrt auch da wieder, nur das Schulterstück läßt sich an diesem Ärmel-
mantel nicht erkennen.
Eine Bestätigung liefern die Wandgemälde der Synagoge von Dura-
Europos (253 n. Chr.)27. Hier ist die iranische Königstracht mehrfach dar-
gestellt. Sie wird getragen von Saul28, David29, Mardochai30. aber auch von
Ahasver31 und dem Pharao32. Überall kehren die gleichen Bestandteile
wieder: der Chiton (Tunika) mit der Borte am Hals und dem breiten, senk-
recht herablaufenden Mittelstreifen; dann der Ärmelmantel, der über der
Brust offen bleibt und dessen vordere Ränder mit breiten, gestickten Borten
geschmückt sind. Nur die eigentümlichen Schulterstücke fehlen. Sonst ist
die Übereinstimmung mit dem ostgotischen Königsornat und seinen ira-
nischen Vorbildern vollkommen.
Es bleibt noch die Kopfbedeckung. Auf den Münzen gleicht sie einer
halbkugelförmigen Kappe. Ein horizontales, mit Edelsteinen verziertes
Band bildet den unteren Abschluß; ebensolche Bänder laufen von vorn nach
hinten und von Ohr zu Ohr, um sich auf der Spitze der Kappe im rechten
Winkel zu treffen. Dieser Punkt ist durch einen kugeligen, besonders großen
Edelstein gekennzeichnet.
Man hat versucht, die Krone, die auf den Münzen erscheint, als Helm zu
deuten33. Einen solchen Helm, von überhöhter Halbkugelform, tragen die
21
Amelung, a. O. 2208.
22
J. Kollwitz, Ostrom. Plastik d. theodos. Zeit 26 Anm. i; G. Bruns, Der Obelisk
auf dem Hippodrom 40!., besonders Anm. 20; Abb. 43; R. Delbrueck, a. O. Taf. 69.
23
E. H. Minns, Scythians and Greeks 197 Abb. 90 Mitte.
24
E. H. Minns, a. O. 200 Abb. 93; 201 Abb. 94.
28
F. Sarre, Die Kunst des alten Persien Abb. 66, 2; 3; 16; 18.
26
M. Rostovtzeff, a. O. 190; Abb. 31 oben Mitte.
27
Altheim-Stiehl, Philologia sacra ( 2, 1958) jgi.
28
The Excavations at Dura-Europos, Final Rep. VIII i: The Synagogue (C. H.
Kraeling, 1956) pl. LXXIII.
29 80
Ebenda pl. LXXV. Ebenda pl. LXIV.
81
Ebenda LXV.
32
Ebenda pl. LXVIII.
33
A. Alföldi in: Acta Archaeol. 5, no.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 325

parthischen Könige auf ihren Münzen34. Backenklappen oder ein Nacken-


schirm lassen an der Deutung keinen Zweifel. Die Reihen von kugeligen
Nagelköpfen, die an den Nietstellen von vorn nach hinten und seitwärts
von Ohr zu Ohr verlaufen, entsprechen den Borten der ostgotischen Königs-
krone. Darstellungen von Spangenhelmen36 und erhaltene Stücke36 zeigen
vier Spangen, die in ihrer Anordnung den sich kreuzenden Borten der
Krone entsprechen. Auch die Kugel auf dem Scheitelpunkt läßt sich be-
legen37.
Unsere literarischen Berichte bezeugen indessen, daß die ostgotische
Krone kein Helm war. Sie wird bezeichnet als pilos3* oder kamelauktion39:
danach war sie vermutlich eine Kappe aus Filz oder Wollstoff. Ihr Schmuck
bestand aus Edelsteinen und Phalerae, die herabhingen. Der pilos konnte
auch mit der Rüstung getragen werden40. Dem entspricht, daß auf den
Münzen die Krone an Stelle des Helmes mit der Chlamys, also wiederum mit
der Rüstung erscheint41. Im übrigen weist erneut auf iranische
Herkunft. Es gehört zu awest. kammba- „Kopf" (bei däevischen Wesen),

M
F. Sarre, a. O. 66. 3; 12; 14; A. Alföldi, a. O. 103 Abb. 4b; W. Wroth, Catalogue
of the Coins of Parthia Taf. 8, —9; 21, 2; 24, 5—7; 26, 3—4; 8—15; 29, 15—18; 33,
—4; 34, —7; 35, 14—15; 36, —4; 7—15; M. Rostovtzeff, Dura-Europos and its
Art 231.
15
W. Arendt in: Zeitschr. f. hist. Waffen- und Kostümkunde N. F. 5, 27 Abb. i—2.
'· M. Ebert in: Prähist. Zeitschr. i, 163f.; W. Arendt, a. O. 26 Taf. 4.
»7 Dazu W. Arendt, a. O. 28 Abb. 3; R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke 218;
Taf. 103. — Das Vorkommen des Spangenhelms bei den Legionären scheint auszu-
schließen, daß die Reliefs des Tropaeums von Adamclisi in trajanische Zeit gehören.
Trajanisch ist, wie die Dedikationsinschrift zeigt, der ursprüngliche Bau; trajanisch
auch ein Teil der dekorativen Friese. Aber der Rest muß ebenso wie die Reliefs auf
eine spätere Wiederherstellung zurückgehen. Das Denkmal wird, wie die Stadt Tropae-
um selbst, in den Stürmen des 3. Jahrhunderts stark gelitten haben. Es wurde dann,
wiederum gleich der Stadt, unter Licinius 316 in großem Umfang erneuert. Dabei
können ältere Reliefs, die beschädigt waren, als Vorlage benutzt worden sein. Der
gefesselte Bastarne mutet wie die Umsetzung eines Reliefs nach Art der vom Hadria-
neum (E. Strong, Scultura Romana 2, 237!; J. M. C. Toynbee, The Hadrianic School
Taf. 34 f.) in den Stil der konstantinischen Zeit an. Das hergestellte Tropaeum war ein
Pasticcio aus älteren und gleichzeitigen Arbeiten wie der Konstantinsbogen, der in die
gleichen Jahre gehört.
38
Prokop., b. Goth. 4, 32, 18.
89
Theoph. z. J. 544; p. 228 De Boor. Zum kamelauktion M. Bäräny-Oberschall,
Arch. Hung. 22, 83.
40
Prokop., 1. c. 18.
41
W. Wroth, Coins of the Vandals etc. Taf. n, 29; 30 ( ? ) ; F. J. Kraus, a. O.
Taf. 13, 62—63 RV. Die Übereinstimmung ist um so bemerkenswerter, als es sich so-
wohl bei Prokop., b. Goth. 4, 32, 18 wie auf den Münzen um Totila handelt.
326 EINBRUCH IN EUROPA

mittelpers. kamäl**, vermehrt um das adjektivische (und diminutive)


Suffix -ÖÄ«.
Auf keinen Fall kann von einem Helm gesprochen werden ; dahin gehende
Mißdeutungen sind abzuweisen44. Der pilos war weitverbreitet. Beispiels-
weise war er bei den Daziern und verwandten Stämmen die Tracht der Vor-
nehmen, aus denen die Priester und Könige genommen wurden46. Bezie-
hungen zwischen der dazischen und gotischen Kultur haben bestanden4·.
Auch die gotischen Priester trugen den pilos und wurden darum als pitteati
bezeichnet47. Das Diadem mit den kreuzweise über der Schädelkappe sich
schneidenden Bändern endlich hat sich in einem Kurgan beim Dorf Osit-
njaika (Kiewer Gebiet) gefunden48.
Von vornherein ist eine Übernahme des dazischen pilos, lange nach dem
Untergang des eigenen Königstums, nicht wahrscheinlich. Überdies ver-
wiesen die anderen Bestandteile der ostgotischen Königstracht eindeutig
auf iranische Vorbilder. Auch die Perser trugen den pilos**. Er wurde der
Kyrbasia und der Kidaris, aber auch der Tiara gleichgesetzt 60. Die Kidaris
erscheint auf den Münzen der Achaimeniden und des Tigranes von Armenien
(97 —56) als königliche Kopfbedeckung61; auch die Tiara diente als solche.
Sollte in der Gleichsetzung von Kidaris und Tiara mit dem pilos liegen, daß
auch dieser Abzeichen der Könige sein konnte ?
Auf dem Graffito aus Dura erscheint ein iranischer König, eher ein
Arsakide als ein Sasanide82. Er sitzt in vollem Ornat auf dem Thron und
42
Dazu H. Jacobsohn, a. O.
43
Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 332 Anm. 166.
44
Gegen J. Deer in: Schweizer Beiträge zur allgem. Gesch. 8, 56f. vgl. F. Altheim.
Aus Spätantike und Christentum 67 Anm. i. Zuletzt J. Deer, Der Kaiserornat Frie-
drichs II. (1952), igf.; zur iranischen Ableitung: ebenda 21 Anm. 73. Zur Inschrift von
Susa jetzt: Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 242!.; Supplementum Aramaicum
g8f. ; gegen P. E. Schramm, Herrschaftszeichen und Symbolik i (1954), 230 vgl. Alt-
heim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 332 Anm. 166.
45
Dio 68, 9, i ; Dio Chrysost. 72, 3; lord.. Get. 40; 71 ; C. Daicoviciu, Le probleme
de la continuito en Dacie i4f.; A. Alföldi, CAH. n, 89; W. Weber, Aus Rumäniens
Friihzeit 129.
48
C. Daicoviciu, a. O. 12 Anm. i.
47
lord.. Get. 71. Zur Frage K. Helm, Altgerm. Religionsgesch. 2, i, 49.
48
E. O. Preusenskaja in: Anticnye goroda severnogo pricernomorja (1955), 332.
49
Poll. 7, 58. Ebenso die Palmyrener, bei denen sogar der pilos mit Bortenbesatz
begegnet· M. Rostovtzeff, Caravan Cities Taf. 23, i.
50
Suid-4, 131, i Adl. ; \veiteres bei Netoliczka, RE.n, 379; G.Widengren, a.O.234.
51
Netoliczka, a. O. 379.
52
Zum folgenden F. Cumont, LesFouilles de Doura-Europos 2 67 f.; Taf. 99, 2;
M. Rostovtzeff, a. O. 193 Abb. r ; 196.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 327

trägt eine Krone, die die Form einer überhöhten Halbkugel hat. Sie ist
weder ein Helm, denn es fehlen Backenklappen und Nackenschirm, noch
eine Tiara — wenigstens nicht die übliche mit horizontalen Streifen63. Aber
Tiara und pilos, so sahen wir, glichen einander weitgehend64. Und mit dem
ostgotischen pilos hat diese Krone die halbkugelige Form und die kreuz-
weise Anordnung der Bänder gemeinsam. Es fehlt der Besatz mit den Edel-
steinen und Perlen, aber er mag spätere Hinzufügung oder infolge der Nach-
lässigkeit des Zeichners weggelassen sein.
Eine halbkugelige Kappe gleich dem ostgotischen pilos trägt der Sasa-
nide Säpür, der ältere Bruder Ardaser'sl., auf einem Graffito in Persepolis66.
Der pilos bildet auch den Grundbestandteil der sasanidischen Königs-
kronen. Ebenso trugen die späteren Kusän sasanidischer Abkunft Kronen
von gleicher Form66. Dieser Bestandteil blieb hier wie dort unverändert,
soviel auch an Zierat bei den einzelnen Herrschern hinzutrat. Der pilos mit
den kreuzweise angeordneten Borten auf der Spitze, der abschließenden
unteren Randborte erscheint in Palmyra67 und auf einem sasanidisch-
ägyptischen Gewebe aus Antinoe68. Er ist das Abzeichen des dort darge-
stellten Herrschers. Die Färbung des pilos (rot die Kappe, gelb oder golden
die Borten) zeigt, daß es sich keinesfalls um einen Helm, sondern um eine
Stoffmütze mit goldenen Broderien handelt. Schließlich begegnen auch die
Sterne, die die Kappenzwickel des ostgotischen pilos ausfüllen, auf den
Tiaren iranischer Herrscher69. Wegen der Nachbarschaft zu den Goten sei
darauf verwiesen, daß diese Sterne gerade bei der bosporanischen Königs-
tracht wiederkehren60.
Die parthischen Unterkönige in Edessa, in der Persis und Elymais
tragen gleichfalls pilos oder Tiara, mit kreuzförmig angeordneten Perlen-
borten, Stern und Mondsichel verziert. Die Prägungen subcharakenischer
M
F. Sarre, a. O. 66, g.
54
lord.. Get. 71 tyaris, quos pilleos alio nomine nuncupamus.
55
E. Herzfeld, Archeol. History of Iran 80 Abb. 10; vgl. noch H. P. L'Orange,
Serta Eitremiana 82, besonders Anm. 4.
58
F. Hackin, L'oeuvre de la delogation fran?. en Afghanistan Abb. 39 B; 55 B;
ein pilos Abb. 38. Zuletzt R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spät-
antike 244.
57
M. Rostovtzeff, Dura-Europos and its Art Taf. 14, i.
58
N. P. Toll, Recueil Kondakoff 93 f.
59
F. Sarre, a. O. 57; M. Rostovtzeff, a. O. 231; 241; H. P. L'Orange, 3.0.84.
•° Über den M. Rostovtzeff in: Journ. Hell. Stud. 39, 8gf.;
Yale Class. Stud. 5, 231; 241.
328 EINBRUCH IN EUROPA

Herkunft ergänzen das Bild61. Bestätigung erbringt der Ornat der ost-
gotischen Königin, wie ihn Amalasuntha auf dem Orestesdiptychon vom
Jahre 530 trägt. Ihre „phrygische" Mütze gleicht genau der Kopfbedeckung,
die die bosporanischen Königinnen kennzeichnet62.
Noch bleibt zu fragen, wie alt die ostgotische Königstracht ist und von
wo sie übernommen wurde.
Theoderich trägt auf den Münzen den ostgotischen Ornat nicht. Wenn
der pilos erstmalig auf dem Orestesdiptychon von 530 erscheint, so war er,
ebenso wie die Ersetzung des Kaiserpaares durch die germanischen Könige,
Ergebnis der nationalen Forderungen, die die gotische Partei an die römer-
freundliche Regierung der Amalasuntha richtete63. Um so unwahrschein-
licher wird dann, daß die ostgotische Königstracht erst jüngere Erfindung
war. Vielmehr scheint alles dafür zusprechen, daß man auf eine alte Ein-
richtung zurückgriff, die unter Theoderichs Regierung, sicherlich in Zu-
sammenhang mit seiner römer- und kaiserfreundlichen Politik, zurückge-
treten war. Daß dem so ist, läßt sich noch zeigen.
Auch von der westgotischen Königstracht hat man Kunde. Sieht man
von der Darstellung des letzten Westgotenkönigs in dem omaiyadischen
Wüstenschloß Kusair 'Amra64 ab, die späten Datums und ungenügend auf-
genommen ist, so kommt allein ein Saphir mit dem Bildnis Alarichs I.
oder II. in Frage66. Es fehlt, ebenso wie auf dem Orestesdiptychon, der
pilos, aber man erkennt den Chiton mit senkrechten Mittelstreifen und den
mit Randborten geschmückten, über der Brust offenen Mantel. Soweit die
Tracht dargestellt ist, fällt sie demnach mit der ostgotischen zusammen.
Daraus ergibt sich die Folgerung, daß Ost- und Westgoten ihre Königs-
tracht gemeinsam übernommen haben. Das muß zu einer Zeit geschehen
sein, als beide noch vereint waren, zumindest noch in engster Nach-
barschaft saßen. Also noch in Südrußland und noch vor dem Hunnenein-

61
G. F. Hill, Catal. of Greek Coins of Arabia, Mesopotamia and Persia Taf. 13—14;
16—17 (Edessa); 34—37 (Persist; 41; 43 (Elymais); 47 (sub-characenian). Zu den sub-
charakenischen Münzen und Hirer wahrscheinlichen Zugehörigkeit zu Spasinu Charax
H. Seyrig in: Syria 22, 253f.
*2 R. Delbrueck, Consulardiptychen 149.
·* R. Delbrueck, a. O. 149.
·* Qussejr *Amra, herausgeg. von d. Kaiserl. Akademie d. Wiss. Wien i—2;
E. de Lorey in: Ars Islamica i, 34; über den heutigen Zustand des Freskos Jaussen-
Savignac, Mission archeOl. en Arabic 3, 89; über die Inschriften 97!
•6 E.V. Sacken in: Jahrb. d. kunsthist. Samml. d. Allerhöchsten Kaiserhauses
2, 33 f·
13. ERMANARICHS GOTENREICH 329

bruch. Und nur im sarmatisch-alanischen oder im bosporanischen Bereich


war die Übernahme iranischer Formen möglich.
Die zahlreichen Bestandteile parthischer Herkunft führen in gleiche
Richtung. Arsakidisches Königtum muß dem Osten tiefen Eindruck ge-
macht haben. Noch ein syrischer Autor des 6. Jahrhunderts nennt Kar-
thago eine mdittä äreskäitä „civitas arsacidica = regia"65».
Vielleicht ist die Einführung des iranischen Königsornates geradezu
unter Ermanarich anzusetzen . Der Begründer des gotischen Großreiches
hat trotz seinen Taten ein wenig günstiges Bild hinterlassen. In der Helden-
dichtung tritt dies vor allem hervor. Die Vermutung ist berechtigt, daß das
Regiment seines Reiches ein härteres, despotischeres Auftreten verlangt hat
als die Goten es sonst von ihren Königen gewohnt waren67. Mit diesen des-
potischen und östlichen88 Formen der Herrschaft konnte die Annahme des
iranischen Ornates verknüpft sein. Innere und äußere Form hätten sich
entsprochen.
Schwieriger bleibt die Antwort auf die Frage, wer der Gebende war.
Grundsätzlich kommen sowohl die beiden Reitervölker wie das bospora-
nische Königtum in Frage. Bei dem gegenwärtigen Stand des Wissens spricht
manches für das letzte, vor allem die Übereinstimmung in der Kopfbedek-
kung der Königinnen. Auf der anderen Seite fehlt bei den Goten das Haupt-
kennzeichen der nomadischen „Szepterträger"69. Das Grundsätzliche ist
klar. In der Königstracht der Goten faßt man erstmalig, wie stark die
Durchdringung mit iranischen Einflüssen und Formen gewesen ist.

Ermanarich, so wurde vermutet, hat erstmalig den iranischen Ornat als


Ausdruck seiner herrscherlichen Stellung angelegt. Es war mehr als ein
Zufall, daß gleichzeitig im Westen der Kaiser Gratian in alanischer Tracht
auftrat1. Demnach in der Tracht der Iranier Südrußlands und, wenn auch

•s» Zachar. Rhetor 132, 19 Brooks.


·· Das Folgende nach einer mündlich mitgeteilten Vermutung von F. Neumann,
Gottingen.
•7 Dazu die Episode Jordan, Get. 129.
·· Dazu E. Wolff in: Hermes 6g, 153f.
69
M. Rostovtzeff in: CAH. n, 97; Szepter in der Hand Ashavers in der Synagoge
von Dura-Europos: The Synagogue pi. LXV.
1
Epit. de Caes. 47, 5.
330 EINBRUCH IN EUROPA

nicht im Königsornat, so doch in der Kleidung des adeligen und ritterlichen


Herrn.
Auch sie kennt man aus den Denkmälern, zunächst denen von Ost-
Turkestan. Die Fresken2 der Höhlen von Qyzil bei Kuöa oder von Qumtura
zeigen in langen Reihen die Bilder der adeligen Stifter. Sie tragen3 lange,
vorn geschlossene und gefütterte Taillenröcke, die einseitig oder beiderseits
mit Klappkragen versehen sind. Unter ihnen wird ein anliegendes weißes
Hemd sichtbar, mit senkrechter Mittelnaht und einem Streifen unterhalb
des Ausschnittes. Als Kopfbedeckung4 begegnet eine halbkugel-oder kegel-
förmige Mütze mit perlenbesetzten Borten, die längs des unteren Randes
und von vorn nach hinten über den Scheitel der Mütze verlaufen.
Diese Tracht war iranischen Ursprungs5. Sasanidische Silberschalen*
zeigen den beiderseits aufgeschlagenen Klappenrock. Dieser begegnet auch
im ostiranischen Bereich. J. Hackin7 hat ihn auf einem Fresko und einer
Tonstatue des 6.—7. Jahrhunderts festgestellt, die in Fondukistan, halb-
wegs zwischen Kabul und Bamiyan, gefunden wurden. Auf dem Fresko der
„Höhle der sechzehn Schwertträger" in Qyzil ist die Schmuckborte, die
den nach rechts geklappten Kragen umfaßt, bandartig verlängert. „Viel-
leicht", so vermutete bereits der Entdecker der Höhle8, „bediente man sich
dieses Bandes, um den Ausschnitt des Rockes zu schließen. Man ergriff das
Band, führte es nach links um den Hals herum und hakte es ein. Auf diese
Weise entstand ein Stehkragen über dem geschlossenen Halsausschnitt".
Nicht nur der Rock war iranischen Ursprungs. Im Hemd der Stifter-
figuren erkennt man den Chiton mit Mittelborte, in der Mütze den pilos
wieder. Zwei bezeichnende Bestandteile der iranischen Königstracht leben
darin fort. Auch der Taillenrock wird nur eine Ausgestaltung des einstigen
Mantels, des Kandys, sein. Neu hinzugetreten sind die Klappen, aber noch
auf den Turfanfresken erkennt man ein älteres Stadium, in dem der Taillen-
rock ohne diese Aufschläge, mit einer einfachen Randborte versehen war9.
2
A. v. Le Coq, a. O. Abb. i—31.
3
A. v. Le Coq, a. O. zu Abb. 8; Auf Hellas' Spuren in Ostturkestan 119.
4
A. v. Le Coq, Bilderatlas zu Abb. 28.
5
A. v. Le Coq, a. O. 10.
' A. v. Le Coq, a. O. Abb. 34; 36.
7
Rev. des arts asiat. 12, 10; Taf. 7, 23; 8, 25.
8
A. v. Le Coq, a. O. zu Abb. 8.
9
Eine kürzere, im Schnitt aber völlig übereinstimmende Form bietet die parthische
Bronzestatue von Schami in die Susiane: A. Stein in: Geogr. Journ. 92 (1938), 324;
H. Seyrig in: Syria 20, 177!; Taf. 25 rechts.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 331

Im übrigen ist die Übereinstimmung vollständig. Auch der Kandys reichte,


nach Ausweis eines Freskos aus der Synagoge von Dura10, bis an die Knie,
und die Achselstücke kehren beiderseits wieder. Vielleicht darf man bereits
auf dem Graffito aus Dura den Taillenrock erkennen.
Die ostturkestanischen Stifterbilder entstammen dem 6. bis 7. Jahr-
hundert. Ihre Tracht ist mannigfach ausgestaltet, ins Höfische, ja bis ins
Stutzerhafte gewandelt. Aber sie war dieselbe, die im 3.-4- Jahrhundert
das Vorbild für den gotischen Königsornat abgab. Die Alanen, nach Ausweis
ihrer Sprache ostiranischen Ursprungs, hatten gleichzeitig oder schon zuvor,
die parthisch-sasanidische Hoftracht angenommen11. Es war die alanische
Kleidung, in der Gratian auftrat. Und weitreichend, wie die Verbreitung
dieser Tracht, war auch ihre Nachwirkung.
Einmal sind die Bildsteine Ost- und Westpreußens12 zu nennen, roh
ausgeführte Standbilder aus der Wikingerzeit (9.—10. Jahrhundert). Ein
Verwandter von ihnen ist der Bildstein aus Altenkirchen auf Rügen13.
Lassen die preußischen Bildsteine von der Kleidung lediglich eine spitze
Mütze, also den pilos erkennen, so tritt auf dem Rügener ein Taillenrock
mit deutlicher Klappe auf der linken Seite hinzu. Das ist derselbe Klappen-
rock, den die sasanidischen Ritter und die ostturkestanischen Stifterfiguren
tragen.
Die Verbindung läßt sich noch enger ziehen. Verfertiger der ost- und
westpreußischen Büdsteine waren die alten Prassen14; sie haben die Denk-
mälergattung den Slawen Rügens weitergegeben. Aber der Typus selbst
geht auf ältere Zeit zurück16. Die Vorbilder sind letztlich bei den Iraniern
Südrußlands und der Nachbargebiete zu suchen. In Süd- und Mittelruß-
land, in Westsibirien und in der Kirgisensteppe, in Westturkestan und im
Altai findet sich eine Reihe ähnlicher Stücke16. Neben männlichen bringen
10
The Synagogue pl. LXV; LXVIII.
11
Bezeichnend, daß das Gräberfeld von Kenkol am Talas, das einen Männerkittel
erbracht hat (J. Werner, Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches B, Taf. 36, i),
diese Tracht nicht kennt.
12
J. Wiesner in: Altpreußen 1942, Heft 3; vgl. W. La Baume in: Blätter f. deutsche
Vorgesch. 5, i f.
13
C. Schuchhardt, Alteuropa4 336 Abb. 215; W. La Baume, a. O. 9.
14 1S
\V. La Baume, a. O. 7. J. Wiesner, a. O.
14
A. A. Zakharow in: Euras. Sept. Ant. 9, 336f.; W. La Baume, a. O. 6; H. Vam-
bcry, D. Türkenvolk 20f.; P. S. Pallas, Reise d. versch. Provinzen d. RUSS. Reiches i
(1771), 2 2 i f . ; H. Appelgren-Kivalo, a. O. Abb. 124; 130—131; 141; 144—145; 151
bis 154; 156; 157; I59f.; D. Carouthers, Unknown Mongolia , 48f.; weitere Literatur
bei J. Wiesner, a. O.
332 EINBRUCH IN EUROPA

sie auch weibliche Gestalten, was ihnen den Namen kamennyje baby,
„Mütterchensteine", eingetragen hat. Zeitlich erstrecken sie sich vom
9.—io. Jahrhundert bis zurück in die sarmatisch-alanische Periode. Das
zeigen die Waffen und Gerätschaften, wie sich im einzelnen nachweisen
läßt17: auf der Statue von Batalpasink und anderen erkennt man den pilos
und den Kandys mit Borte am vorderen und unteren Rand18. Das zeigt
auch die Barttracht. Neben dem Schnurrbart mittelasiatischen Ursprungs
erscheint ein spitzer Kinnbart19. Er bildete, lange bevor Prussen und
Slawen ihn annahmen20, nach Ausweis der Trajanssäule eine Eigentümlich-
keit der sarmatischen Ritter. Auch mit den ostturkestanischen Stifterfiguren
ergibt sich eine Berührung besonderer Art. Die Befestigung der Stiefel-
schäfte an der Hose mittels einer über das Knie verlaufenden Schnur
begegnet nur noch bei den Bildsteinen Südrußlands21.
Seit langem hat man beobachtet, daß die Tracht der iranischen Reiter-
völker sich bis in die Gegenwart gehalten hat. Der pilos, der auf den Fresken
von Kiris22 erscheint, ähnelt der noch heute gebrauchten Kappe der Ost-
türken23. Der Klappenrock hat seine Fortsetzung in der polnischen Ulanka*4.
Auch bei den Finnen, besonders bei ostfinnischen Stämmen, findet man
noch gegenwärtig Bestandteile der Tracht aus der alanisch-gotischen Zeit
bewahrt.
Die Wandmalereien der Synagoge von Dura-Europos zeigen, daß der
Chiton mit Halsborte und senkrechtem Mittelstreifen ein Bestandteil der
Tracht auch niederer Personen war26. Eine Hemdform, die sich diesem ira-
nischen Chiton vergleichen läßt, findet sich bei den Mordwinen26. Eine an
den pilos gemahnende Kopfbedeckung begegnet bei den Lappen des 18. Jahr-

17
J. Wiesner, a. O.
18
A. A. Zakharow, a. O. 342 Abb. 4; vgl. D. Carouthers, a. O. r, 60 Taf.
" J. Wiesner, a. O. Abb. 2—4.
" J. Wiesner, a. O.
" Mündliche Mitteilung A. v. Le Coqs (1917 und 1922); vgl. Auf Hellas' Spuren
in Ostturkestan 75; F. Bergman, Arch. Researches in Sinkiang (The Sino-Swedish
Exped. 7, i), 56 Abb. 7.
M
A. v. Le Coq, a. O. Abb. 28.
** A. v. Le Coq, a. O. io.
** A. v. Le Coq, a. O. Abb. 35.
" The Synagogue pl. LXV; LXVIII; LXIX; LXX.
'· Suomen suku, herausgeg. von A. Kannisto, E. N. Setälä, U. T. Sirelius, Y. Wich-
mann, 3 (1934), 342 Abb. unten.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 333

hunderts27. Aber auch ein so bezeichnendes Kleidungsstück wie der Taillen-


oder Klappenrock hat sich gehalten, und zwar in allen Spielarten, die man
im Altertum findet.
Ein vergleichsweise altes Fresko aus der „Hippokampenhöhle" von
Qyzil28 zeigt, daß der Taillenrock auch ohne Klappen vorkam. Vorn war er
geradlinig geschlossen; die beiden Seiten trug man vorn und unten mit
Borten besetzt. Hier haben wir, wie schon gesagt, noch ganz den alten
Kandys. Diese einfachste Form findet sich in dem von orthodoxen Esthen
bewohnten Setukesien (Gouv. Pskow) und bei den Tscheremissen29 wieder.
Ein ähnliches Stück aus der Han-Zeit (Seide mit Kragen aus Baumwoll-
besatz) hat Sven Hedin in einem Grab vom Südufer des Qumdarya (Lopnor-
Gebiet) gefunden30. Daneben erscheint in Qyzil der nach links geschlossene
Rock, wobei der rechte Rand mit der Borte sich über den linken legt. Auch
diese Form begegnet in Setukesien und bei den Tscheremissen. Daneben
lassen sich die ersten Ansätze von Kragenklappen beobachten, und zwar
meist doppelseitig bei nach links geschlossenem Rock31. Am ehesten kann
man die Form vergleichen, die auf dem Fresko von Fondukistan in Afgha-
nistan erscheint32. Eine ausgebildete Klappe an der rechten Seite findet
sich an der mordwinischen Siletka. Sie kann nach links übergehakt werden
und schließt dann am Hals mit einem kleinen Stehkragen ab33.

Tscheremissen und Mordwinen, Merens und Mordens, erscheinen unter


den Völkern, die zum gotischen Reich des Ermanarich gehörten. Die Ver-
mutung drängt sich auf, daß der Taillen- oder Klappenrock iranischer Her-
kunft zusammen mit den anderen Formen gleichen Ursprungs übernommen
wurde. Sie wird bestätigt einmal dadurch, daß sämtliche Varianten des
iranischen Kleidungsstückes bei den pennischen Stämmen wiederkehren.
Dann dadurch, daß sich die Röcke mit stark betonter Taille absetzen von

27
Suomen suku 3, 322 Abb.
28
A. v. Le Coq, a. O. Abb. i; vgl. Abb. 5.
89
Suomen suku 3, 356 Abb. unten; A. O. Heikel, Soc. Finno-Ougrienne, travaux
ethnogr. 4, 21; Y. Wichmann, ebenda 5, i5f.; igf. Taf. 2, 12; 15—16.
30
F. Bergman, Archeol. Researches in Sinkiang (The Sino-Swedish Exped. 7, l),
55 Abb. 6.
31
Suomen suku 3, 360 Abb. oben und Mitte; A. O. Heikel, a. O. Teil 2. i; Taf. 10,
4—6; Y. Wichmann, a. O. Taf. 3, i; 6.
32
J. Hackin in: Rev. des arts asiat. 12, Taf. 7. 23.
83
Suomen suku 3, 361 unten. Zum byzantinischen : N. P. Konda-
kow in: Byzantion i, yf.
334 EINBRUCH IN EUROPA

einer langen Reihe anderer, die späterer, vermutlich türkisch-tatarischer34


Herkunft sind und jenes Merkmal nicht zeigen86.
Damit rundet sich das Bild ab. Wieder sind wir auf das Gotenreich als
Kulturbringer und Kulturvermittler gestoßen. Die Stämme am Ural haben,
über anderthalb Jahrtausende hinweg, die Spuren dessen bis heute bewahrt.

Zum Schluß sei zu dem Werk zurückgekehrt, das den Ausgangspunkt


dieser Betrachtung gebildet hat: dem Kalewala.
Daß die Chronologie dieses Gedichtes schwierig sei, wurde bereits betont.
Auf den ersten Blick schien das Kalewala ein Epos, das der Geschichte völlig
fern steht. „Die frühen Berührungen der Finnen mit den germanischen und
den lituslawischen Völkern, von welchen die Analyse der Sprache uns unter-
richtet, sind ihm unbekannt; der einstigen Streifzüge der skandinavischen
Wikinger auf finnischem Boden und der Finnen auf skandinavischem ge-
denkt es mit keinem Worte; die Ereignisse von Nowgorod, die die Finnen
so nahe berührten, die Tatsache der schwedischen Eroberungen, die häu-
figen stürmischen Kämpfe zwischen Schweden und Russen auf dem Heimat-
boden und die Teilnahme der Finnen daran zugunsten der einen oder der
anderen Partei, die alten Konflikte zwischen den Finnen selbst, zwischen
Jemen und Karelen, das alles ist in der Runenpoesie ohne Widerhall ge-
blieben, fremd den von dieser erfundenen epischen Idealen, den von ihr
erzählten Heldentaten". So urteilte noch 1892 Domenico Comparetti in
seinem Buch über den Kalewala1, und dabei schien es bleiben zu müssen.
Als erster hat gegen diese Anschauung K. Krohn2 Einspruch erhoben.
Wie bei den Germanen sei die älteste epische Dichtung der Finnen ge-
schichtlichen Inhalts gewesen8. Er glaubte bestimmte Spuren zu erkennen,
die in die Wikingerzeit verwiesen4. Damals habe die finnische Runendich-
tung eingesetzt.
34
Suomen suku 3, 362 Abb. oben.
35
Suomen suku 3, 356 Abb. oben; 357 Abb.; 358 Abb.; 360 Abb. unten; 361 Abb.
oben und Mitte.
1
D. Kalewala 57.
2
K. Krohn, Kalewalastudien I. FFCommunications 53, 114!.
3
K. Krohn, a. O. 131.
4
K. Krohn, a. O. 125 f.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 335

Die Einzelheiten brauchen hier nicht erörtert zu werden. Es darf be-


zweifelt werden, daß der älteste Inhalt des finnischen Epos geschichtlich
gewesen ist. Das Mythische steht von Anfang an mit eindrucksvollen und
mächtigen Gestaltungen im Vordergrund. Aber soviel ist deutlich, daß die
Verhältnisse der Wikingerzeit sich abzeichnen. Nur stößt man damit nicht
in älteste Schicht vor. Wenn das Ergebnis der hier vorgelegten Betrach-
tungen zutrifft, ist man um einen erheblichen Schritt rückwärts gelangt.
,,Blaues Elen" als Beiname des Reitpferdes führt auf jene Zeit, da das
Reiten und mit ihm die reiterliche Rüstung bei den Finnen Eingang fand.
Das epische Beiwort entstammt dem 3.—4. Jahrhundert, der Zeit des go-
tischen Reiches. Bis in diese Zeit reicht also auch die finnische Runen-
dichtung — gewiß nicht in ihrer heutigen Gestalt, wohl aber nach den An-
fängen — zurück. Das ordnet sich einem größeren Zusammenhang ein.
Die finnische „Rune" trägt einen germanischen Namen8. Meist führt
man sie auf germ. *rünö zurück*. J. Weisweiler, den ich befragte, gab fol-
gende Auskunft: „Was finn. runo betrifft, so fällt schon lautlich der Quanti-
tätsunterschied der Tonsilbe gegenüber german. *rünö auf. Ich kann zwar
kein anderes Beispiel für germ, ü im Finnischen finden. Aber bei dem kon-
servativen Vokalismus der übrigen germanischen Lehnwörter im Finnischen
würde man finn. *ruuno statt runo erwarten, wenn das Wort aus german.
*rünö entlehnt sein soll. Oder anders ausgedrückt: wenn finn. runo kein rein
finnisch-ugrisches Wort ist, sondern ein germanisches Lehnwort, so müßte
man eigentlich nach einem german. *runö suchen. Nun gibt es altisländische
Komposita, die in ihrem ersten Glied ein Wort enthalten, das lautlich mit
finn. runo besser übereinstimmt als altnord. run „Rune". Es handelt sich
um die Bezeichnung für gewissen Skaldenmetren, deren Name Snorri im
Hattatal seiner Edda mitteilt: run-hending, run-hendr hdttr „Reihenreim,
reihenreimendes Metrum" (von runi m. oder runa f. „Lauf, Bahn, Reihe" zu
renna „laufen"). Da germanische anlautende Doppelkonsonanz im Finni-
schen durch Verlust des ersten Konsonanten vereinfacht wird (vgl. urgerm.
*hrengaz > finn. rengas „Ring"; altnord. straumr > finn. rauma „Meeres-
strömung"; altnord. grjot > finn. riutta „Fels, Klippe" usw.) kommt noch
ein anderes isländisches Wort in Frage. Als Name eines Preisliedes auf den
norwegischen König Magnus den Guten ist das Wort Hrun-henda über-
liefert. Das Wort ist eins mit den in Snorris Hattatal bezeugten Fachaus-

* K. Krohn in: Finn.-Ugr. Forsch. 4, 79 f.


• D. Comparetti, a. O. 255 f.
336 EINBRUCH IN EUROPA

drücken hryn-hendr hattr, hryn-henda, hrynjandi hattr „das rauschend rei-


mende Versmaß, der Rauschreim, das rauschende Metrum" oder dergl. Es
ist das Versmaß, in dem unter anderem das /
in der isländischen Literatur
berühmte Marienlob „Lilja" des Eysteinn Asgrimsson (gest. 1361) geschrie-
ben ist. Die Simplicia runa und hrynja, hrun(j}a als Bezeichnung bestimmter
Metren kommt allerdings nicht vor. Aber der Bedeutung und der Lautform
nach scheint mir finn. runo besser zu diesen beiden altisländischen Wörtern
zu passen (da es ja auch ein Fachausdruck der Dichtung ist) als zu germ.
*rünö. Trotzdem bin ich keineswegs von meinem etymologischen Vorschlag
überzeugt. Denn in anderer Hinsicht paßt die Bedeutung von german.
*rünö besser, wenn man an die finnische „Rune" magischen Inhalts7 denkt.
Übrigens kommt das mit dem Germanischen in Lauten und Bedeutung
z. T. übereinstimmende Wort auch im Keltischen vor. Eines der beliebtesten
irischen Volkslieder hat den Kehrreim: Eibhlin a ruin „Eilin mein Lieb-
ling". Für alt- und mittelirisch run finden sich die Bedeutungen „Geheimnis,
Absicht, Vorhaben, Beschluß, Idee, Ziel, Liebchen"; dazu die Ableitungen
runda „geheimnisvoll, mystisch", rundatu „Mysterium", ferner kymr. rhin
„virtue, essence, secret, mystery, charm, enchantment, miracle"; rhinio
„to whisper, to use mystery, to secrete, to charm"; breton. rin „mystere,
secret". Diese Bedeutungen müßten allerdings erst in ihrem Kontext nach-
gesehen werden, da die Wörterbücher vielfach Mißverständnisse und Fehler
voneinander abschreiben."
Weiter verweist mich H. H. Schaeder darauf, daß ein Gegenstück zu
finn. runo: aldnord. run in finn. rikas „reich": altnord. rikr. vorliegt. Dem-
nach ließe sich die herkömmliche Ansicht halten.
Hier interessiert vor allem die Frage, ob sich eine Verbindung mit dem
Gotischen herstellen läßt. In Betracht kommen die von lordanes8 genannten
magae mulieres: die haliurunnae, die ihre Entsprechungen im Deutschen
und Angelsächsischen besitzen9. Die Brücke zu finn. runo kann, worauf mich
J. Weisweiler gleichfalls hinweist, nur im Begriff des Zaubers (german.
*rünö), nicht in dem des Singens gesucht werden. Auch der erste Bestandteil

7
K. Krohn, Mag. Ursprungsrunen der Finnen. FFCommunications 52.
8
Get. 24, i2if.
• H. Wesche, D. althochdeutsche Wortschatz im Gebiet des Zaubers und der Weis-
sagung (Halle 1940), 49f.; K. Helm, Altgerm. Religionsgesch. 2, i, 22!; 26 Anm. i;
S. Gutenbrunner in: Wien. Praehist. Zeitschr. 28, 203; H. Arntz, Handb. d. Runenkde. a,
i8if.
13. ERMANARICHS GOTENREICH 337

des gotischen Wortes ist ins Finnische gelangt10. Das wäre eine Bestätigung
des vermuteten Zusammenhanges.
Die Übernahme des Runennamens steht nicht allein. Wie er, so sind die
Anfänge einer finnischen Dichtung selbst und eines finnischen Mythos mit
dem gleichen geschichtlichen Ereignis verknüpft: der frühen Berührung mit
den Germanen11. Die Fülle der germanischen Lehnwörter im Finnischen zeugt
von der nachhaltigen Wirkung dieser Berührung. Während die Lappen, „die
so arm an eigenem Mythos wie an Poesie sind"ia, auf einer älteren Stufe ver-
harrten, wurden die Finnen über den bloßen Schamanismus hinausgeführt13
und erschlossen sich einer neuen, zukunftsträchtigen Welt.
Die germanischen Lehnwörter reichen bis in die Jahre um die Zeitwende
oder kurz davor zurück14. Weit später setzte man die Einwirkung der ger-
manischen Dichtung und damit die Entstehung des finnischen Runen-
gesanges an. Über die Wikingerzeit (8.—n. Jahrhundert) wagte man nicht
hinaufzugehen16. Aber schon die Übernahme von germ. *rünö muß weit
älter sein. Das stimmt zu unserem Ergebnis, wonach ein episches Beiwort
des Kalewala mindestens ins 3.—4. Jahrhundert zu setzen ist.
Es wäre das schönste Ergebnis dieser Betrachtung, sollte es sich be-
stätigen, daß die Reichsgründung der Goten auch hier sich ausgewirkt hat.
Streithengst, Kettenhemd und Klappenrock hatten gewiß ihre Zeit und
ihre Bedeutung. Aber beides blieb notwendig begrenzt. Die Runenlieder
Kareliens aber sind durch Elias Lönnrots Tat zum unverlierbaren Besitz
des finnischen Volkes geworden.
10
Darüber zuletzt H. Jacobsohn, a. . 7 f.
11
D. Comparetti, a. O. 244f.; T. E. Rarsten, D. alt. nord. u. germ. Völkerbez.
Finnlands. Aus: Bidrag till kännedom af Finlands natur och folk 88 Nr. i.
12
D. Comparetti, a. O. 241 f.
18
D. Comparetti, a. O. 240 f.
14
T. E. Rarsten, Fragen aus dem Gebiet d. germ.-finn. Berührungen (översikt
av Finska vetenskaps-soc. förhandl. 64 Aid. B. Nr. 3), 4!.; Zum Anfangstermin d. germ.-
finn. Berührungen (Soc. scient. Fenn., Comm. hum. litt, i, 2).
16
D. Comparetti, a. O. 268f.; R. Rrohn, Ralewalastudien I. FFCommunications
Nr. 53, 125 f.

22 Altheim, Hunnen I
14. KAPITEL

DER HUNNENSTURM

Mit dem Ansturm gegen die Goten beginnt ein neuer Abschnitt der hun-
nischen Geschichte. Nacheinander erliegen Ostgoten und Westgoten dem
Gegner. Die Trennung beider Stämme ist Voraussetzung für das Verständnis
dessen, was berichtet werden soll. Darum läßt sich nicht umgehen, An-
schauungen zu berichtigen, die in jüngster Zeit geäußert wurden. Zunächst
gilt es, das Alter der Trennung in Ost- und Westgoten, in Greutungen und
Terwingen zu ermitteln.
Zosimos1 berichtet, daß die „Skythen", die der Niederlage durch Gal-
lienus entkommen waren, sich mit neuen Stämmen verbanden. Als solche
nennt er Heruler, Peuker und Goten. Claudius' Biographie in der Historia
Augusta, die auf dieselbe Quelle zurückgeht, gibt einen ausführlicheren
Katalog: Peuci, Grutungi Austrogoti, Tervingi Visi, Gipedes, CeÜae etiam et
Heruli2. Hat Zosimos den ursprünglichen Bericht bewahrt und ist, was die
Claudiusvita gibt, nachträgliche Erweiterung ? Oder liegt es umgekehrt, so
daß Zosimos' Auszug verkürzt und die Vita das Echte bewahrt ? Jüngst hat
man sich für die erste Möglichkeit entschieden und sich dafür auf eine Dar-
legung A. Alföldis berufen, die erstmals mitgeteilt wurde3. Danach hatte
Claudius' Biograph das Heeresverzeichnis der Notitia dignitatum vor sich
und schrieb daraus die zusätzlichen Stammesnamen ab.
Ausgangspunkt Alf öldi's ist die Doppelbezeichnung Tervingi Visi. In der
uns überlieferten Fassung der Notitia erscheinen beide Namen getrennt
unter den beiden magistri praesentales des Orients3*. Der Biograph habe,
1
i, 42, i. * SHA., v. Claud. 6, if.
* J. Sträub, Studien zur Historia Augusta (Diss. Bern. I 2), 29 f.
3a
Or. 5, 61 Visi; 6, 61 Tervingi.
14. DER HUNNENSTURM 339

was gesondert war, wieder zusammengefügt oder fand beide Truppenteile


noch vereint in einer früheren, theodosianischen Fassung der Notitia vor.
Das läßt Alföldi unentschieden.
Schon hier sind Einwände zu erheben. Die zweite der zuletzt genannten
Möglichkeiten bleibt unbeweisbar, und die erste setzt eine Kenntnis der
römischen Heeresgeschichte voraus, die Alföldi sonst dem Verfasser der
Vita nicht zutraut. Und doch hätte dieser, wenn man Alföldi folgt, nicht
nur die Zusammengehörigkeit der beiden Truppenteile erkannt: er sah auch,
daß Visi und Tervingi gleichen Stammes waren. Entgegen sonstiger Be-
wertung besaß er nicht nur Kenntnis der römischen Heeresgeschichte,
sondern auch der südrussischen Stammesverhältnisse. Eine dritte Besonder-
heit tritt hinzu. An jener Stelle der Notitia stehen im fünften Kapitel die
equites primi scutarii, die equites primi clibanarii Parthi, die primi und tertii
Theodosiani, während im sechsten Kapitel die secundi der beiden ersten
Truppenteile, die secundi und quarti Theodosiani folgen. Der Biograph
mußte somit, als er Getrenntes zusammenfügte, auf eine Verbindung Visi
Tervingi kommen, nicht auf jenes Tervingi Visi, das er gibt.
Das zweite Paar, Grutungi Austrogoti, kommt in unserer Notitia nicht
vor. Doch das setzt Alföldi nicht in Verlegenheit. Wieder muß die theodo-
sianische Rezension (die angenommen, aber nicht vorhanden ist) herhalten.
Claudian spricht davon, daß Ostrogothis colitur mixtisque Gruthungis Phryx
ager*; an einer zweiten Stelle6 nennt er legio pridem Romana Gruthungi,
iura quibus victis dedimus. Hier werden jedoch die Ostrogothi nicht, wie in
der Claudiusvita, mit den Gruthungi ineins gesetzt, sondern beide erscheinen
als „gemischt", demnach als ursprüngliche Doppelheit. Auf der anderen
Seite ist von einer Doppelformation nicht die Rede: die Gruthungi stehen
als legio Romana allein. Die chronologischen Folgerungen, die Alföldi ziehen
zu können glaubt, darf man demnach auf sich beruhen lassen.
Die Gepides erscheinen in der Notitia wiederum nicht. Sie der theodosia-
nischen Rezension zuzuweisen, hat auch Alföldi nicht gewagt.
Es bleiben die Celtae, die vor den Heruli stehen. Alföldi kann anführen,
daß sich in der Notitia Celtae seniores und Heruli seniores unmittelbar
folgen*. Zwar bildeten die Celtae seniores mit den vorangehenden Petulantes
eine Doppelformation. Aber Claudius' Biograph habe die Zusammenge-

* In Eutrop. 2, 153 f.
s
1. c. 576f.
' Occ. 5, 161—162.
22»
340 EINBRUCH IN EUROPA

hörigkeit nicht erkannt und die Liste oberflächlich abgeschrieben. Er hätte


demnach, darf man hinzufügen, diesmal die Kenntnis nicht besessen, die ihn zu-
vor Visi und Tervingi, trotz räumlicher Trennung, richtig zusammenfügen ließ.
Claudius' Biograph ist, wenn man seinem Kritiker glauben darf, eine
rechte complexio oppositorum. Einmal benutzt er die theodosianische, ver-
lorene Rezension der Notitia, dann wieder gefällt ihm, die heute vorliegende
heranzuziehen. Getrenntes wächst ihm zur Einheit, und Vereintes vermag
er nach seiner Zusammengehörigkeit nicht zu erkennen. Er besitzt beacht-
liche Kenntnisse der Heeresgeschichte und besitzt sie wiederum nicht. Sein
geringes Wissen um germanische Stammesverhältnisse zwingt ihn, die
Notitia auszuschreiben, aber es gelingt ihm doch, eine richtige Reihenfolge
herzustellen, wo die Vorlage sie ihm nicht gab, und gar ohne Zuhilfenahme
dieser Vorlage die Gepides am rechten Ort herbeizuzaubern.
Der Biograph kann noch mehr. Unter der Hand verwandeln sich ihm
Truppenteile, die er in der Notitia fand (oder auch nicht fand), in freie ger-
manische Stämme, römische Heeresangehörige in Gegner Roms. Diese Ver-
wandlung nahm er in voller Arglosigkeit vor, ohne sich selbst darüber Ge-
danken zu machen oder dergleichen bei seinem Leser zu argwöhnen.
Angesichts solcher Widersprüche darf man fragen, ob der überlieferte
Tatbestand sich nicht auf einfachere Weise erklären lasse. Man muß sich
damit abfinden, daß diejenigen, die die „Entlarvung" der Historia Augusta
sich angelegen sein lassen, stets nach der Quelle, nie nach der geschichtlichen
Wirklichkeit fragen. In der Tat enthält die Aufzählung der Stämme bei
dem Biographen zutreffende Einzelheiten.
Da sind zunächst die Celtae. Niemand scheint sich daran zu erinnern,
daß in der Protogenes-Inschrift von Olbia genannt sind7. Es gab
also — nimmt man das Zeugnis, wie es dasteht — keltische Stämme in Süd-
rußland, und daran zu zweifeln hat man um so weniger Grund, als sich dort
eine deutlich umrissene Latene-Kultur feststellen läßt8. Mit den
zusammen begegnen in der Inschrift die germanischen Skiren9, und gleich-
zeitig taucht deren Bruderstamm, die Bastarnen, in der Literatur auf10.

7
B. Latyschew, Inscript. orae septentr. Ponti Euxini l Nr. 16.
8
M. Rostovtzeff, Iranians and Greeks 130 (vgl.i28); 145; vgl. J. Moreau, Die Welt
der Kelten (1958), 37.
• Zeile io8f.; E. Norden, Die germanische Vorzeit in Tacitus' Germania 79
Anm. 4.
10
Pomp. Trogus, prol. 28; Ps.-Skymnos 797 aus Demetrios von Kallatis; Ed.
Schwartz, RE. 4, 2806f.; H. Jacobsohn in: Zeitschr. f. deutsches Altertum 66, 237.
14. DER HUNNENSTURM 341

Wenn Skiren und Bastarnen im 3. nachchristlichen Jahrhundert fort-


bestanden, kann man dies den nicht verwehren.
Gegen die Gepiden wird man ohnedies nichts einwenden. Die Grutungt
Austrogoti und Tervingi Visi tragen ihre Doppelnamen zu Recht, denn diese
bezeichnen jeweils denselben Stamm. Zu den Visi bedarf es nach P. Kretsch-
mers Darlegungen11 keiner Worte mehr. Tervingi: „Waldleute" und Greu-
tungi oder Grutungi: ,,Feldleute" haben ihre Erklärung gefunden12. Wald-
zone und Feldzone sind die klimatischen Breitengürtel, die das Leben
Rußlands und des westlichen Sibirien von altersher bestimmen. Dafür sei
auf früher Gesagtes verwiesen (S. inf.); anderes wird sogleich genannt
werden.
Genug: die Stammesnamen, die Claudius' Biograph gegenüber Zosimos'
Parallelbericht gibt, sind nicht der Notitia in einem mehr als willkürlichen
Verfahren übernommen: sie stimmen mit den Tatsachen überein. Natürlich
hat sie der Verfasser der Vita nicht hinzugefügt, sondern seiner Quelle ent-
nommen. Diese hat er demnach vollständiger ausgezogen als Zosimos es tat.
Noch ein Zweites ergibt sich: die Quelle wußte ausgezeichnet über Goten,
über südrussische Stämme überhaupt Bescheid. Es spricht alles dafür, daß
in beiden Fällen, also auch in der Vita, Dexippos zugrundeliegt13.
Als Bestätigung läßt sich anführen, daß im Genethliacum Maximiani
neben den Gepiden die Tervingi als pars alia Gothorum bekannt sind14. Daß
Dexippos' Chronik auch sonst Quelle der Historia Augusta war16, ist heute
zugegeben16.
Die zweite Frage, die vorab zu klären ist, lautet nach den Sitzen, die die
Ostgoten vor Beginn des Hunnensturmes innehatten. H. Rosenfeld hat sich
dahin geäußert, daß die Ostgoten sich schon damals auf der Wanderung

11
Glotta 26, 231 f.
12
F. Specht in: KZ. 66, 22^i.; Zeitschrift für deutsches Altertum 78, 141 Anm. 3;
F. Altheim, Niedergang der Alten Welt i, in; 2, 417 Anm. 380.
13
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 181.
14
Paneg. lat. n, 17 Baehrens2; J. Sträub, a. O. 157 Anm. 41.
15
F. Altheim, a. O. i, 175f.
14
J. Sträub, a. O. 55 f. Daß die Historia Augusta mit dem Dexippos entstammenden
Stoff auch willkürlich umgeht, ist eine Binsenweisheit. Ich habe sie nie bezweifelt und
an zahlreichen Fällen belegt. Ich weigere mich jedoch, allgemeine Urteile zu fällen, und
habe von jeher darauf bestanden, daß in der H. A. jedes Zeugnis nach seinem inneren
Wert und nach seiner äußeren Bezeugung geprüft werden müsse. Daß das Verfahren
richtig ist, hat sich v. Claudii 6 ebenso bestätigt wie an der Abkunft Maximins.
342 EINBRUCH IN EUROPA

nach Westen befunden hätten18. Seiner Ansicht nach saßen westlich des
Don bereits die Alanen, wobei der Fluß deren Ostgrenze bildete19. Die Ost-
goten waren nicht nur am Dnjestr beheimatet, sondern ihre Sitze reichten
im Westen bis nach Bessarabien, bis in die Gegend des Pruth20. Entscheiden
kann darüber allein das Verhör der vorhandenen Zeugnisse.
Die Alanen werden Tanaitae genannt, sagt Ammianus21. Doch daraus
kann man nicht entnehmen, daß der Don ihre Westgrenze bildete. Jedoch
ist Ammianus' Angabe ganz eindeutig. Vom Hister bis zum Tanais, der
Asien von Europa scheidet, wohnen die Sauromaten. Überschreitet man
diesen Fluß (hoc transito), so trifft man in den „unermeßlich sich dehnenden
Einöden Skythiens" die Alanen22. Von ihren Sitzen dehnen sie ihre Raub-
und Jagdzüge bis zu den maeotischen Sümpfen und bis zum Kimmerischen
Bosporus aus, ebenso nach Armenien und Medien23. Auch dies ist allein
unter der genannten Voraussetzung sinnvoll. Denn saßen sie westlich des
Don, so saßen sie auch am Nordufer des Asowschen Meeres. Raubzüge dort-
hin hätten sich innerhalb des eigenen Landes bewegt. Umgekehrt berührten
sie, wenn man die alanischen Sitze östlich des Flusses ansetzt, das Asowsche
Meer allenfalls im innersten Winkel der Bucht von Taganrog, und Beute-
züge zum Nord- und Westufer, aber auch nach Süden hin zum Ostufer,
werden verständlich.
Nun die Ostgoten, die bei Ammianus als Greutungen erscheinen. Da
heißt es von den Hunnen24: pervasis Halanorum regionibus quos Greuthungis
confines Tanaitas consuetudo nominavit. Die Angabe ist wiederum eindeutig.
Die Alanen reichen bis zum Don-Tanais, darum werden sie Tanaitae ge-
nannt. An sie, also westlich des Don, schließen sich die Greutungen an. Die
Ostgoten saßen demnach 375 noch am Don. Von einer Westwanderung ist
nicht die Rede.
Doch Rosenfeld beruft sich auf die Angabe25 prope Danasti margines ac
Greuthungomm vollem. Daraus läßt sich nur entnehmen, daß das Gebiet
der Ostgoten vom Don im Osten bis zum Dnjestr im Westen reicht. Für eine
18
In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 77 (1955), 225.
19
a. O. 235.
20
a. O. 225.
21
3i. 3- i-
22
31. 2, 13.
23
31, 2, 2i.
24
3i, 3. i-
" 3i. 3. 5-
14. DER HUNNENSTURM 343

Westwanderung spricht auch hier nichts. Wenn Athanarich, Thervingorum


iudex2*, am Dnjestr-Ufer und bei dem Greuthungental sein Lager auf-
schlug, so war er bis an die Westgrenze des ostgotischen, die Ostgrenze des
westgotischen Gebietes den Hunnen entgegengerückt.
Daß die Zeugnisse so verstanden werden müssen, bestätigt eine weitere
Stelle27. Danach überschritt Kaiser Valens die Donau bei Noviodunum auf
Schiffen, und rückte continuatis itineribus vor, also ins südliche Bessarabien.
Dort griff er an: longius agentes Greuthungos bellicosam geniem. Rosenfeld
übersetzt: „das kriegerische Volk der Greutungen, das schon ziemlich tief
im Lande wohnte". Natürlich hat er den Text mißverstanden. Bellicosam
gentem steht nicht an erster, sondern an letzter Stelle. Es gibt also die Er-
läuterung für longius agentes, was zeigt, was mit dieser Wendung gemeint
war.
Die Greutungen „wohnten" nicht „ziemlich tief", sondern trieben sich
ziemlich weit herum, bewegten sich in ziemlicher Ausdehnung, erstreckten
ihre militärischen Operationen über einen ziemlich großen Raum: kriege-
risches Volk, das sie waren. Anders gewendet: sie überschritten bei ihren
Kriegszügen die eigenen Grenzen. Man steht im Jahr 369, also in den Jahren
des Höhepunkts von Ermanarichs Herrschaft, als sie noch die Westgoten
umfaßte und diese von ihm noch nicht abgefallen waren28. Daß Ermanarichs
Stamm, eben die Ostgoten, damals an den Grenzen auch des westgotischen
Gebietes kämpften, ist damit erklärt. lordanes29 schildert ausführlich die
weitausgreifenden Feldzüge des Herrschers und nennt die Stämme, die er
unterwarf.
In einer Erwiderung30 beruft sich Rosenfeld darauf, daß agere auch
„wohnen" bedeuten könne. Niemand bezweifelt dies, doch an der vor-
liegenden Stelle trifft dies nicht zu. Aus sachlichen Gründen nicht und aus
grammatischen: et veriti ne praecursorius index procul agentes absterreat
gibt die Entsprechung. Ammianus31 meint, die Hunnen hätten gefürchtet,
ein ihnen vorauseilender Späher könne die in weiter Entfernung operie-
renden Westgoten wegscheuchen. Daß hier, in procul agere, derselbe Gebrauch
des Verbums wie in longius agere an der zuvor angeführten Stelle vorliegt,
24
31. 3, 4·
" 27, 5. 6.
28
Jordan., Get. 130.
29
Get. 116—120.
80
Beiträge zur Namenforschung 1956, 1951
81
3i. 3. 5-
344 EINBRUCH IN EUROPA

geht ungewollt aus Rosenfelds Übersetzung hervor. Um die Bedeutung


„wohnen" verständlich zu machen, muß er das entscheidende „im Lande"
hinzufügen.
Da Rosenfeld die Angabe82, wonach der Tanais, also der Don, die Ost-
grenze der Greutungen gebildet habe, nicht zu bestreiten vermag, ist er
genötigt, sich bei anderen Autoren Hilfe zu holen. Er beruft sich auf lor-
danes' Äußerung, wonach der Stamm der Heruler iuxta Meotida palude
inhabitans in locis stagnantibus begegne33. Sollte damit gemeint sein, daß
die Heruler dort saßen, wo Ammianus die Ostgrenze der Greutungen an-
setzt, so trifft das nicht zu. Das Gestade der Maiotis fällt, selbst wenn die
Mündung des Don im besonderen gemeint sein sollte, keinesfalls mit dessen
Westufer zusammen. Auch eine zweite lordanes-Stelle bildet keine Gegen-
instanz. Wo die dort34 genannten Alanen saßen, wird nicht gesagt. Ammianus
zeigt88, daß bei Beginn des Hunnensturmes das Volk östlich des Don wohnte,
und die Sitze der heutigen Osseten, Nachfahren der Alanen, bestätigen dies.
Rosenfelds Ansicht, die Stelle gebe den Zustand der vorgotischen Zeit
wieder, mutet Ammianus eine Sinnlosigkeit zu, zu der kein Anlaß besteht.
Sein Alanen-Exkurs soll die Verhältnisse schildern, deren Kenntnis nötig ist,
um die Ereignisse von 375 zu verstehen.
Als dritte Frage bleibt der Name der Greutungen. Die Deutung als
„Feldleute"8' wird als grober Irrtum bezeichnet37. Mit grjot „Stein, Sand"
werde in erster Linie das grobe Geröll der Gebirgsflüsse bezeichnet, und
dieses könne nicht eine Bezeichnung des Ackerfeldes abgeben. Da es Geröll
und Sand in Südrußland nicht gebe, müsse der Name aus Skandinavien
mitgebracht worden sein. In einer „das Ursprüngliche wahrenden Hand-
schriftenvariante bei lordanes38 werden die Greotingi genannt (das Evagre,
Otingis der üblichen Texte kann nicht richtig sein)"8*.
lordanes nennt diesen Stamm innerhalb einer längeren Reihe germani-
scher Stämme. Als Varianten bietet Mommsens Ausgabe, euagre, euagrae,
euagere, euagerae sowie othingis, otingis. Der Herausgeber bemerkt: Rossi's
31
Ammian. 31, 3, i.
38
Get. 117.
84
Get. 126. Eine Erklärung wird im zweiten Abschnitt dieses Kapitels gegeben.
35
31, 2, 13.
" KZ. 66 (1939), 22 4 f.
87
H. Rosenfeld in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
77 (1955). 240.
88
Get. 22.
8
a. . 241.
14. DER HUNNENSTURM 345

cogilare de Greutungis. Eine das Ursprüngliche wahrende Variante Greotingi


gibt es nicht. Rosenfeld, der sich ausdrücklich auf Mommsens kritischen
Apparat beruft40, hat diesen ungenau gelesen. Aber auch Mommsens Ver-
mutung ist nicht wahrscheinlich. Eua- bliebe unerklärt, und -grae, -gerae ist
älter als -gre. Schließlich folgt bei lordanes: sunt et his exterior es Ostrogothae.
Die Konjektur würde besagen, daß derselbe Stamm zweimal erscheine. Mit
der skandinavischen Herkunft des Greutungennamens ist es nichts.
In einer zweiten Behandlung41 erwiderte Rosenfeld, Greotingi und Ostro-
gothae seien Namen kleiner Stämme, deren einer bei der Südwanderung
der Goten „zum Dominieren" kam, während der andere „erst später wieder
sekundär" gebraucht wurde. Damals nämlich, als Greutungen und Terwingen
sich vermengten und geographische Scheidung sich als nötig erwies. Doch
damit ist vorausgesetzt, was erst bewiesen werden müßte. Kein Zeugnis
unterrichtet von solchem Vorgang oder legt ihn, auch nur im Entferntesten,
nahe.
Über die handschriftliche Überlieferung belehrt, schlägt Rosenfeld jetzt,
gestützt auf Müllenhoffs Konjektur mixti Evagreotingi, eine neue sprachliche
Deutung vor. Aber schon die Grundlage ist schwankend. Mommsen hat auch
diese Vermutung nicht in den Text gesetzt; er wußte, warum. Mixti Eva-
greotingi sagt nicht, womit diese gemischt waren, wohingegen überliefertes
mixti Evagrae Otingis zumindest syntaktisch korrekt ist. Im Übrigen geben
die ältesten Handschriften mixi, nur die jüngeren mixti. Eva- erklärte
Müllenhoff nicht deuten zu können, Rosenfeld freilich ist um eine Vermutung
nicht verlegen. Selbst, wenn sie zuträfe, wären „Wasser-Felsenleute" keine
Greutungen. Überdies bleiben Etymologien, die der gesicherten handschrift-
lichen Grundlage entbehren, ohne Wert.
Solange Herkunft des Greutungennamens aus Skandinavien nicht er-
härtet ist, spricht der Ortsname Graudenz allein für die ältere, von Rosen-
feld bekämpfte Deutung. Die Stadt liegt nicht auf Stein oder Fels, sie liegt
in der Tiefebene, also im „Feld".
In Südrußland gibt es kein Geröll, wendet Rosenfeld weiterhin ein. Aber
wie er zugibt48, heißt grjot nicht nur „Stein", sondern auch „Sand". Er selbst
spricht vom „sandigen Unterlauf" des Dnjepr43. Die ältere Deutung führte

*· a. O. 240 Anm. i.
41
Beiträge zur Namenforschung 1956, 195 f.
41
Beiträge 77 (1955), 240 Anm. 3.
48
a. O. 241.
346 EINBRUCH IN EUROPA

zu ihren Gunsten an Heliand 5532: thuo sia thar an griete galgen riktun, an
them felde uppan. Da ist der Gedanke, da sie einen Galgen auf dem griet
(griot) errichteten, durch „oben auf dem Feld" erl utert44. Dagegen l t
sich schlechterdings nichts sagen. Und wenn Rosenfeld einwendet, 5534 er-
scheine als dritte Kennzeichnung an berge, das an griete, an them felde uppan
entspreche, so ist dies ein Irrtum. Wie an griete und an them felde, so geh ren
uppan und an berge zusammen.
Es bleibt dabei, da man den Namen der Greutungen aus den Gegeben-
heiten des Landes erkl ren mu , darin er heimisch ist. Die ltere Deutung
konnte an die Drevljanen und Poljanen in Nestors Chronik45, „Waldleute"
und „Feldleute", erinnern und hat diesen Terwingen und Greutungen
gleichgesetzt. Man hat von anderer beite46 die scharfe wirtschaftliche Schei-
dung der Bewohnerschaft Osteuropas in Viehz chternomaden der Steppe
und Pflugbauern der Waldsteppe betont. Auch an Herodots Scheidung
zwischen den Σκύθαι άροτήρες, ΣκύΟαι γεωργοί und die an diese
trennende Ύλαίη hat man erinnert47.
Wieder ist Rosenfeld nicht einverstanden. „Da das trennende Wald-
gebiet bewohnt sei, behauptet Herodot mit keiner Silbe"48. Gewi nicht,
aber er sagt etwas Anderes. Nach Erw hnung der Σκύθαι άροτήρες hei t
es: τούτων δε καθύττερθε οΐκέουσι Νευροί, Νεύρων δε τε προς βορέην
άνεμον έρημος ανθρώπων, δσον ημείς ΐδμεν. Den Σκύθαι γεωργοί und
ihren Grenzen nach Osten und Norden schlie t sich ein entsprechender
Satz an: ή δε καθύττερθε τούτων έρημος έο~π έττΐ ττολλόν. Herodot be-
zeichnet also ausdr cklich die unbewohnten Gebiete und rechnet die Ύλαίη
nicht dazu. Aber auch der positive Beweis l t sich erbringen.
Die Ύλαίη ist voll der mannigfachsten B ume, hei t es bei Herodot49.
hnlich an einer zweiten Stelle60: das Skythenland ist baumlos au er der
Ύλαίη. Jenseits des Tanais und damit au erhalb des skythischen Bereiches
sitzen die Sauromaten51. Auch ihr Land ist baumlos, aber weiter n rdlich
liegt ein Gebiet, das „seiner ganzen Ausdehnung dicht bestanden ist von
44
F. Specht bei F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2, 417 Anm. 380.
45
Kap. 3 Miklosich; vgl. V. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates 8f.
48
F. Hancar in: Berichte der r m.-german. Kommission 33 (1943—1950), 51 f.
47
4. i?—19-
48
a. O. 240 Anm. 3.
49
4. 76. 4-
50
4, 19-
51
4. 2i.
14. DER HUNNENSTURM 347

mancherlei Wald" ( )). Also eine zweite , und in ihr


68
wohnen die Budiner .
Damit sind alle Einwände besprochen. Es bleibt dabei, daß Greutungen
nichts anderes als „Feldleute", den slawischen Poljanen vergleichbar, ge-
wesen sind.

Der Einbruch der Hunnen nach Europa fällt nach einhelliger Auffassung
mit dem Erscheinen des Volkes im Gebiet westlich des unteren Don zu-
sammen. Vorangegangen war die Unterwerfung der Alanen, deren Raub-
züge sich zwar westwärts bis zum Maiotischen Sumpf und zum kimme-
rischen Bosporus erstreckten1, die aber ihre Sitze östlich des Don hatten.
Da nach damaliger Ansicht erst der Don Asien von Europa trennte2,
wandte man der Unterwerfung der Alanen keine besondere Aufmerksamkeit
zu. Ammianus war der erste und einzige, der sie erwähnte. Er beschränkte
sich darauf, die Tatsache festzustellen, ohne anzugeben, wieviel Jahre sie
dem entscheidenden Ereignis von 375 vorauflag. lordanes hat die Besiegung
der Alanen, wie sein Wortlaut zeigt, Ammianus entnommen3. Doch er hat
die Angabe an falschem Ort der zugrunde liegenden Darstellung seiner
Hauptquelle, Priskos', eingefügt. Keinesfalls konnte der Krieg gegen die
Alanen nach Überschreitung der Grenze Europas fallen, sondern mußte ihr
vorangehen.
Die Hunnen selbst glaubten sich durch ein verlaufenes Rind4 oder durch
eine Hinde geführt, die den sie verfolgenden Jägern den Weg durch den

52
Eine unbewohnbareWaldzone ist angesichts der vorgeschichtlichen Gorodischtsche-
Kultur, die zur Waldzone gehört (A. M. Tallgren in: Eurasia Septentrionalis Antiqua
10, 171 f.), so unwahrscheinlich wie möglich. Über Gorodischtsche-Siedlungen an der
Don-Mündung: Woprosi Skifosarmatskoj Archeologii (Akad. Nauk 1952), Karte S. 83
und zu S. 216. Über die Bedeutung der Waldsteppe für Bauern- und Hirtentum
H. v. Wissmann in: Erdkunde n (1957), 177*·; für die Reiternomaden in: W. L. Tho-
mas, Man's Role Changing the Face of the Earth (1956), 292 f.
1
Ammian. 31, 2, 21.
2
Ammian. 31, 2, 13.
3
Ammian. 31, 2, 21 Halani . . . sunt Hunis . . . per omnia suppares. verum victu
mitiores et cultu ~ Get. 126 Halanos quoque pugna sibi pares, sed humanitate, victu
formaque dissimiles. So schon Th. Mommsen in seiner lordanes-Ausgabe p. 90 Anm. 2.
4
Sozomenos, hist. eccl. 6, 37.
348 EINBRUCH IN EUROPA

maiotischen Sumpf wies, indem sie durch abwechselndes Halten und Weiter-
gehen ihre Verfolger hinter sich herlockte. lordanes l t seinen Attila noch
vor der Schlacht auf den katalaunischen Feldern an jenes denkw rdige Er-
eignis erinnern5. Ausdr cklich wird hervorgehoben, da bis dahin die Hun-
nen den Sumpf f r unpassierbar hielten, da sie vom Vorhandensein einer
jenseits liegenden Welt nichts ahnten*. Genug: der Weg f hrte nach jener
Darstellung nicht ber den Don selbst, sondern irgendwo durch jenen Sumpf.
Von vornherein ist die schm lste Stelle des Asowschen Meeres als Stelle des
bergangs anzunehmen. Zosimos7 nennt den kimmerischen Bosporus, also
die Enge von Kertsch, ausdr cklich. Der Don habe durch Schlammassen,
die er mit sich f hrte, diesen gleichsam zu Land werden lassen (άττογαιωθείς)
und so den Hunnen erm glicht, zu Fu von Asien nach Europa zu gehen.
Soviel ist deutlich, da auch diesmal die Hunnen alanischem Vorbild
folgten. Wie diese ihre Raub- und Jagdz ge zum kimmerischen Bosporus
ausdehnten, so auch die Hunnen. Nur da diese die Enge berschritten, sich
mit dem ganzen Volk aufmachten, ihre Nachbarn mitrissen oder unter-
warfen. Die Berichterstatter heben das Pl tzliche im Auftreten der Hunnen
hervor8; lassen jedoch erkennen, da diese schon seit Generationen am Ost-
ufer des Asowschen Meeres sa en. Beide Nachrichten brauchen sich nicht
zu widersprechen. Sie w rden sich unter der Voraussetzung vereinigen, da
die bereits ans ssigen Teile des Volkes sich vermehrt hatten, und da un-
vorhergesehene Ereignisse dieses n tigten, neues Land zu gewinnen.
Ptolemaeus' Xo voi sind schon seit der Mitte des 2. Jahrhunderts be-
zeugt. Ein Splitter des Gesamtvolkes, hatten sie lange vor dessen Haupt-
masse das Vorland des Kaukasus erreicht. Vermutlich waren sie mit den
Alanen nach Westen gewandert. Erst 356 erschien die ihnen folgende
Hauptgruppe, als Chioniten, Hephthaliten oder Kidariten bezeichnet,
an der Grenze der Sogdiane. In den sechziger Jahren des 4. Jahrhunderts
setzten sie sich in ihr mit S p r's II. Erlaubnis fest (oben S. 35). Schon
dort bereiteten sie der alanischen Herrschaft ein Ende, und als die Masse,
die in der Sogdiane nicht Raum gefunden hatte, sich weiter gen Westen
w lzte, stie en sie dort auf den seit zwei Jahrhunderten ans ssigen Splitter
5
Get. 206.
• lordan., Get. 124 paludem Meotidam quem impervium ut pelagus aestimant; 125
qui praeter Meotidam alium mundunt esse paenitus ignorabant; Prokop., Goth. 4, 5 έττεί
o re διέβαινόν ττοτε τα ύδατα ταϋτα οοτε διαβατά είναι ΟττώτΓτεν/ον.
7
4. 20, 3·
* Nicht nur Ammianus und Orosius, auch Zosimos 4, 20, 3.
14. DER HUNNENSTURM 349

des eigenen Volkes und erneut auf Alanen. Kurz vor 370 m gen die ersten
Gruppen des hunnischen Nachschubs angekommen sein und sich rasch
verst rkt haben. Wieder hatten die Alanen die Folgen zu tragen. Sie wurden
unterworfen, hatten Heeresfolge zu leisten, und wer sich diesem Schicksal
nicht f gen mochte, mu te auf das Westufer des Don, in den gotischen
Bereich, ausweichen".
Die Hunnen, sagt lordanes10, bewunderten das neuentdeckte Land. In
der Tat kamen sie in einen Bereich, der klimatisch milder und zugleich f r
die Bebauung geeigneter war (χωράν αέρι μετριώτερον καΐ γεωργίς(
ήμερον Αχούσαν)11. Es hatte sich gezeigt (oben S. 112f.), wie abh ngig
nomadische Bewegungen von den klimatischen Voraussetzungen zu sein
pflegen. Schon dem ersten Erscheinen der Chioniten an der Grenze der
Sogdiane 356 war ein Jahr zuvor ein strenger Winter vorangegangen1*.
Die Beobachtung best tigt sich bei dem Hunnensturm von 375. Nach
Zosimos'1S ausdr cklichem Zeugnis hatte der Winter 374/75 l nger als blich
gedauert. Die eisige Erstarrung, darein die Steppe fallen mu te, hatte sich
tief in den Fr hling ausgedehnt. Die vorangegangenen K mpfe gegen die
Alanen, Verluste auf beiden Seiten, die unvermeidlichen Einbu en an Vieh
durch Krieg und K lte, schlie lich die infolge des Nachschubs aus dem Osten
angestaute Masse der Hunnen und demzufolge die Verknappung der Er-
n hrung mu ten sich auswirken. So kam es zum Ausbruch nach Westen,
dessen berraschende Pl tzlichkeit alles in Staunen und Schrecken setzte.
Der Angriff der Hunnen (erst mit geringen Kr ften, dann mit voller
Macht vorsto end)14, fand die Goten in ung nstigster Lage. Der Don h tte
zweifellos eine g nstige Verteidigungsstellung geboten. Da man durchaus
in der Lage war, sich solcher Vorteile zu bedienen, zeigt die Tatsache, da
kurz danach der Westgote Athanarich hinter dem Dnjestr eine hnliche
Stellung aufzubauen und zu halten versuchte. Auch die sp tere Wahj
Thrakiens als Zufluchtsort erfolgte im Hinblick auf die sch tzende Donau16
Da die Angreifer indessen ber die Meerenge von Kertsch gegangen waren
9
Ammian. 31, 3, i und 3. Die letzte Stelle zeigt, da auch Hunnen damals zu den
Goten kamen. Wichen Teile der l ngst ans ssigen Xo voi vor ihren nachdr ngenden
Stammesvettern aus ?
10
Get. 125.
11
Sozomenos, hist. eccl. 6, 37.
12
R. Hennig, Katalog bemerkenswerter Witterungsereignisse 8.
13
4. i?- 2.
14
Ebenda 37.
15
Ammian. 31, 3, 8.
350 EINBRUCH IN EUROPA

fiel die Abwehr am Don dahin; der furchtbare und bewegliche Feind stand
bereits weit im R cken. Mehr noch, verst rkt durch hunnischen Nachschub
aus dem Osten und durch die zur Heeresfolge gen tigten Alanen, fand
er weiteren Zuzug an den hunnischen St mmen, die sich jenseits des
Asowschen Meeres, vermutlich an dessen Nordrand, angesiedelt hatten."
„Denn sobald16 sie jenen ungeheuren Sumpf berschritten hatten, rissen sie
dort Alpidzuren, Alcildzuren, Itimaren, Tunkarsen und Boisker, die am Ufer
des dortigen Skythien sa en, wie ein V lkerwirbel mit sich fort", berichtet
lordanes17.
Sogleich erwies sich, da die bewegliche Kampfesweise der Hunnen dem
Gegner im offenen Feld berlegen war. Sie k mpften nicht in fester Reihe,
bekundet Zosimos18, sondern mit dem Pferd verwachsen, wie sie waren,
schw rmten sie aus und umzingelten, stie en sie vor und zogen sich in ver-
stellter Flucht zur ck. Unaufh rlich aber bersch tteten sie den Feind
mit dem Regen ihrer Pfeile19, der dadurch, ohne sich wehren zu k nnen,
unerme liche Verluste (άπειρον ... φόνον) erlitt. Die Hunnen, die offenbar
zun chst keine Gefangenen machten30, schonten in ihrer Mordlust auch
Weiber und Kinder nicht21. Vor dem Schrecken, der dem furchtbaren
Gegner vorausging, wichen die Goten aus ihren Siedlungenaa und begannen
nach Westen zu str men.
Ermanarich, m chtiger Sieger ber seine Nachbarn und Herrscher eines
Reiches, das sich vom Don bis zu den Karpathen, nach Norden bis zur Kama
und Oka erstreckte, war nicht imstande, der Gefahr entgegenzutreten. Er
konnte nur noch auf die Ostgoten, nicht mehr auf ihre westlichen Vettern
z hlen, die von ihm abgefallen waren23. Im hundertzehnten Lebensjahr

14
ber mox als Konjunktion (= max ut, simulatque) vgl. Th. Mommsen in seiner
Ausgabe 192 f. s. v.
17
Get. 126.
18
4, 20, 4.
19
Noch Prokop (Got. i, 27, 27) r hmt die Hunnen als Ιτητοτοξόται αγαθοί
w hrend die Goten, wenn sie beritten k mpften, sich allein des Speers und Schwertes
bedienten. Ihre Bogensch tzen berdies fochten zu Fu und waren hinter der Schlacht-
reihe aufgestellt.
20
lordan.. Get. 125 quantoscumque prius in ingressu Scytharum habuerunt, litavere
victoriae.
21
Eunapios bei Konstant. Porphyrog., de legat. 595, ιοί.
22
Zosim. 4, 20, 5 ων είχον έκστάντας οΙκήσεων.
23
lordan., Get. 130. Wer die Rosomoni waren, ist unklar. Eine Vermutung bei
G. Vernadsky, Ancient Russia3 (1946), io8f.; eine andere bei J. Marquart, Osteuro-
p ische und ostasiatische Streifz ge (1903), 3 82 f.
14. DER HUNNENSTURM 351

stehend, litt er überdies an einer Wunde, die ihm zwei Brüder, die den Tod
ihrer Schwester an ihm rächen wollten, zugefügt hatten24. Gleichwohl trat
er dem Unheil, das über ihn und die Seinen hereingebrochen war, solange
es ging, mit Standhaftigkeit und Umsicht entgegen26. Endlich aber erlag er
dem Eindruck der Unglücksbotschaften, die ihn überkamen, und gab sich
freiwillig den Tod.
Sein Nachfolger Withimer suchte den schon aussichtslos gewordenen
Kampf mit Hilfe alanischer und hunnischer Hilfstruppen, die er angeworben
hatte26, fortzuführen. Aber er mußte bereits in das Gebiet der Anten aus-
weichen, deren König den Hunneneinfall benutzt hatte, um von Ermanarich
abzufallen. Withimer hielt ein Strafgericht über die Abgefallenen und setzte
weit im Süden, nach Kolchis hin, den Widerstand ein Jahr lang fort.
Endlich trat ihm der Hunnenkönig Balamber, dem bereits Ermanarich
erlegen war, entgegen. In zwei Zusammenstößen soll der Gote Sieger ge-
blieben sein. In einem dritten Treffen, am Flusse Erac2ea, traf Balamber mit
einem Pfeilschuß seinen königlichen Gegner am Kopf und tötete ihn. Damit
war der letzte Widerstand dahin. Schon hatte die Hauptmasse der Ostgoten
Balamber Heeresfolge gegen Withimer leisten müssen. Jetzt nahm sich
Balamber dessen Enkelin zum Weibe27 und besiegelte damit seine Herr-
schaft über die Unterworfenen. Fortan herrschte, unter hunnischer Aufsicht
ein gotischer Unterkönig (regulus) über sein Volk. Hunimund, der erste in
ihrer Reihe28, trug die Abhängigkeit von seinen Herren im Namen.

M
Jordan., Get. 129. Alle Einzelheiten sind fraglich: Müllenhoff in Mommsens Aus-
a6
gabe 164 s. v. Rosomoni. Ammian. 31, 3, 2.
18
Ammian. 31, 3, 3. Das Folgende nach Jordan., Get. 2$6 . Vinitharius ist offen-
kundig mit Ammianus' Vithimeris eins, und auch der Verlauf der Ereignisse stimmt in
großen Zügen überein. Daß die Goten vor dem in freiem Feld übermächtigen Feind in
das von den Anten bewohnte Kolchis auswichen und dort sich eine Zeitlang zu
halten vermochten, war das Natürliche. Es besteht kein Anlaß, von einer Sage zu
sprechen, wie E. A. Thompson, a. O. 23 Anm. 2 dies tut. Allenfalls mögen Übertrei-
bungen derart, quanta strage de Hunnorum Venetharius fecit exercitu, auf Rechnung
gotischer Berichterstattung zu setzen sein.
Ma
Es ist der kolchische Phasis: De admin, imp. 45, 130; 158; 173 Moravcsik.
*7 Es sei daran erinnert, daß der Arsakide Phraates II. nach seinem Sieg über
Antiochos VII. Sidetes mit dessen Nichte auf gleiche Weise verfuhr (die Einzelheiten
bei F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2, 98). Daß auch Kutaiba b. Muslim nach der
Eroberung Sugd's die dort gefundenen Enkelinnen (nach anderer Nachricht nur eine)
in den Harem al-Walid's b. 'Abdulmalik sandte: Tabari, ann. i, 2873 f. Für die Heph-
thaliten bezeugt eine ähnliche Sitte Jos. Styl. 19, 4f.
Zur Genealogie Th. Mommsen in der lordanes-Ausgabe p. i43f. Nr. 16; 144
Nr. 18. Vgl. lordan., Get. 249: proprius regulus quamvis Hunnorum consüio.
352 EINBRUCH IN EUROPA

Immerhin blieben solche, die sich nicht unterwarfen und die Auswande-
rung statt des fremden Joches wählten. Ihre Führer, Alatheus und Safrac,
bewährt in den letzten Kämpfen, nahmen Withimers unmündigen Sohn
Widerich unter ihren Schutz und entzogen ihn dadurch hunnischem Zu-
griff. Die Schar begab sich zu den Westgoten, die am Dnjestr des feindlichen
Angriffes harrten. Es fällt auf, daß weder Alatheus noch Safrac einen
gotischen Namen tragen. Was hinter dem ersten sich birgt (der vermutlich
an $, angeglichen ist, ohne mit ihm eins zu sein), bleibe
unentschieden. Vergleich mit krimtürkischem $ führt nicht weiter,
29
solange dieses selbst etymologisch ungeklärt bleibt . Safrac hingegen,
zu dem die handschriftliche Überlieferung Ammians den Ablativ Safrago,
Safraco beiträgt29ft, erweist sich schon durch das Suffix -äg, ag als alanisch30.
Der inschriftlich bezeugte Name $31 bietet sich zum Vergleich
an. Bezeichnend, daß die führende Schicht derer, die sich nicht ergeben
mochten, solche waren, die nicht auf Schonung rechnen durften. Sie ge-
hörten den alanischen und vielleicht auch den hunnischen Söldnern an,
mit deren Hilfe Withimer seinen letzten Kampf geführt hatte. Als
Überläufer und Abtrünnige waren sie genötigt, den Widerstand fort-
zusetzen.
Am Dnjestr begann das Gebiet der Westgoten oder Terwingen. Sie
waren sich darüber im Klaren, daß der nächste Stoß ihnen galt. Athanarich,
Richter (iudex)32 seines Volkes, stellte dessen Heerbann am Westufer des
Flusses, der von Alatheus und Safrac geführten Schar zur Seite, auf. Beide
Heeresteile erwarteten den Feind in befestigten Lagern, die nur wenig von-
einander entfernt waren33. Abwehr hinter dem Fluß, die der Don den Ost-
goten nicht gewährt hatte, war jetzt möglich. Um die Aufstellung in Ruhe
vorzubereiten (ipse aciem nullo turbante interim struens), hatte Athanarich

29
G. Moravcsik, Byzantinoturcica i, 66.
29a
31, 12, 12; 31, 12, 17.
30
W. Miller, Die Sprache der Osseten 88f. § 95, 2 und 4.; Beispiele auf S. 6
31
L. Zgusta, Die Personennamen griechischer Städte der nördlichen Schwarz-
meerküste 204 §328. 436 mit Versuchen einer Etymologie. ' [.] $ (L. Zgusta,
a. O. i86f. § 270, 436) sei angesichts Alatheus' wenigstens erinnert. Die in: Attila und
die Hunnen 213 Anm. 88 gegebene Ableitung entfällt.
32
Ammian. 31, 3, 4: Thervingorum iudex. Dazu E. A. Thompson in: Historia 4
(1955/56), 331.
33
Ammian. 31, 3, 5. Der angebliche „Greutungen-Wall" (Greuthungorum valid)
ist nach Ausweis von V.: agere ut ungoru vollem ein Greutungen-Tal (Greuiungorum
valle).
14. DER HUNNENSTURM 353

eine Vorhut unter Munderich34 auf das Ostufer des Flusses gesandt. Sie sollte
die Bewegungen des Feindes beobachten. Die Hunnen durchschauten die
Maßnahme und ließen sich durch sie nicht aufhalten. Sie umgingen den
nächsten Gegner und stürzten sich auf den entfernteren, in dem sie richtig
die Hauptmacht erkannten. Begünstigt durch eine mondhelle Nacht, über-
schritt die Masse der Hunnen den Dnjestr und tauchte plötzlich vor den
völlig Überraschten auf. An Widerstand war nicht zu denken. Athanarich
durfte sich glücklich schätzen, das Heer ins bergige Gelände gerettet zu
haben, wohin die feindlichen Reiter nicht folgen konnten (effugia montium
praeruptorum36).
Der Westgote gab den Kampf nicht auf. Getreu dem bisherigen Ver-
halten, suchte er sich in einer neuen Widerstandslinie zu setzen. Sie begann
hinter dem Pruth, dort wo das westliche Ufer von Höhen begleitet war, und
führte den Lauf des Flusses entlang bis zur Mündung in die Donau (a super-
ciliis3* Gerast fluminis ad usque Danubium), das Gebiet der Taifalen87 noch
einschließend. Diesmal versuchte man die Verteidigung durch eine rasch
aufgeführte Mauer zu verstärken38. Erneut ließen die nachdrängenden
Hunnen den geschlagenen Gegner nicht zur Ruhe kommen. Nur das Über-
maß der Beute, das die Sieger mit sich schleppten, rettete die Westgoten
vor der Vernichtung.
Weiterer Widerstand war nicht möglich. Der größere Teil seines Volkes
verließ, von Hunger bedrängt, seinen bisherigen Führer Athanarich89 und
wandte sich der Donau zu. In Thrakien hoffte man, gedeckt durch die
34
Ammian. 31, 3, 5 Munderichwn ducem postea limitis per Arabiam. Ammianus'
Bericht über den Feldzug gegen die Westgoten steht einzig da, in der militärischen
Genauigkeit und die Fülle der Ortsangaben. Sollte er ihn aus Munderichs Munde er-
halten haben ?
35
Gemeint sind die Vorhöhen der Karpathen beiderseits des Unterlaufs des Pruth.
86
Supercilia wie gebraucht, dazu Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der
Spätantike (1957), 259'· vgl· noch Ammian. 24, i, 2: supercilia fluminis . . . Eufratis.
37
Über ihre Sitze nördlich der unteren Donau vgl. lordan., Get. 91. Die Taifalen
erscheinen in der Folge, neben Hunnen und Alanen, als Kampfgenossen der Goten:
Epit. de Caes 47, 3.
38
R. Vulpe hat in Sbornik G. Kazarow (1951), 8if. über die Wälle des unteren
Bessarabien gehandelt. Er bespricht a. O. 93 Ammianus' Notiz 31, 3, 7, betont aber
mit Recht, daß im Wall zwischen Vadul Isac und Eschipolos Athanarichs Anlage nicht
erkannt werden kann. Da die römische Anlage ins 4. Jahrhundert gehört, kann sie
allenfalls der westgotischen Mauer als bauliches Vorbild gedient haben.
39
Sozomenos, hist. eccl. 6, 37, berichtet gar von zwei Parteien unter den West-
goten, die unter Athanarich und Fritigern sich bekämpft hätten. Die Oströmer hätten
durch Eingreifen zugunsten Fritigerns den Kampf entschieden.
23 Altheim, Hunnen I
354 EINBRUCH IN EUROPA

Donau als mächtigerem Strom, vor dem Schrecken, der dem hunnischen
Namen voraneilte, geschützt zu sein. Im Herbst 376 wurden die Flüchtigen,
unzählbare Scharen40 oder, wie eine andere Quelle41 angibt, einschließlich
der Weiber und Kinder 200000 Köpfe, über den Fluß gesetzt.
Auch die Alanen und Hunnen, die erst auf ostgotischer, dann auf west-
gotischer Seite gefochten hatten, gingen über den Strom. Alatheus und
Safrac hatten ihre Truppe durch alle Gefahren zu retten verstanden. Neben
Fritigern erscheinen sie jetzt als primates et duces ihres Volkes42. Als Befehls-
haber der Reiterei, die aus Goten und Alanen gemischt war, entschieden sie
die Schlacht bei Adrianopel43. Zuvor hatten die eingeschlossenen Goten, in
schwieriger Lage, sich an Hunnen und Alanen gewandt44; es bleibt unklar,
ob es Angehörige des eigenen Heeres waren oder einstige Gegner, die die
Verfolgung ans Nordufer der Donau geführt hatte45. An späterer Stelle ver-
nimmt man, daß diese Hunnen und Alanen, „überaus kriegerische und
tapfere Männer, die in der Gefahren Not erprobt waren", von Fritigern
durch „ungewöhnlich verlockenden Lohn" für seine Sache gewonnen
waren46.

Eine ferne Kunde vom Hunnensturm hat sich im altnordischen Lied


von der Hunnenschlacht (Hervarasaga) erhalten. Zwar siegen die Goten
über ihre Gegner, wie denn manches aus späteren Ereignissen, besonders
aus der katalaunischen Schlacht, eingeflossen ist. Immerhin hat sich von
der örtlichkeit der ersten Gotenkämpfe manches erhalten. Freilich ist auch
dies nicht unbestritten geblieben.
Es handelt sich um zwei Stellen, deren überlieferten Text1 H. Rosen-
feld wie folgt herstellt2: kendu peim dylgju / ok a Dunheidi / orrustu ßeim/
40 41
Ammian. 31, 4, 6. Eunapios bei Konstant. Porphyrog., de legat. 595, 12 i
42
Jordan., Get. 134. Ammian. 31, 12, 12; 17.
44
Ammian. 31, 8, 4.
45
E.A.Thompson, a. O. 25. G. Vernadsky (Ancient Russia2, 133) erinnert daran,
daß ein Fluß nördlich der Donau bei Isidor von Sevilla, Etymol. 9, 2, 94 als „Alanen-
fluß" (Lanus) erscheint. Ob die Gründung von lasi bereits in diese Zeit gehört, ist
fraglich.
46
Ammian. 31, 16, 3. Miris praemiorum inlecebris entspricht 8, 4 spe praedarutn
ingentium.
1
A. Heusler und W. Ranisch, Eddica Minora (1903), gf.
2
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 77 (1955), 236
Anm. 3.
14. DER HUNNENSTURM 355

und Jassarfigllutn. Und: byd ek ydur dylgju / ok a Dunhheidi / orrustu ydur /


und Jassarfinllum. Er übersetzt: „Fordere sie zum Streit auf der Dunheide,
zum Kampf unter den Jassarbergen". Der Urheber dieser Übersetzung
meint, Dunheide könne nur die „Donauheide" bedeuten, und zu diesem
Befund stimme, daß keine Nachricht Goten am Don beheimate. Die Jassar-
berge aber trügen den Namen der lazygen. Es handle sich um die „Hügel-
kette, die den Bakonywald nach Nordosten mit dem Mätragebirge ver-
bindet"3. Man werde also mit der Dunheide auf die Donauebene bei Buda-
pest und Waitzen verwiesen*.
Brieflich fügte Rosenfeld hinzu: „Die Hunnenheere sind nach sorg-
fältiger Vorbereitung des Überfalls ins Gotenreich eingebrochen, verheeren
dieses bis zu den Karpaten (in der Saga Myrkwid .Dunkelwald' genannt)
und zerstören dort eine Sperrfestung. Dann rücken sie weiter nach Westen
vor. Jetzt erst kommen Boten vom Gotenkönig und laden die Hunnen zum
Kampf auf der Dunheide. Diese muß also westlich der Karpaten liegen".
Zugestandenermaßen handelt es sich bei den Goten um Ostgoten. Sofort
ergeben sich Schwierigkeiten. Daß mit Myrkwid die Karpaten gemeint seien,
ist unbewiesen. Dasselbe gilt von der Annahme, daß sich in der hohen Burg
der Südmark der Einbruch in Siebenbürgen spiegele. Überdies ist nicht
einmal wahrscheinlich, daß beide Gleichsetzungen zutreffen. Wenn man im
Lied von der Hunnenschlacht, wie dies Rosenfeld tut, geschichtliche Er-
innerung sucht, muß man feststellen, daß Ostgoten niemals in Siebenbürgen
gesessen oder in den Karpaten eine Südmark gehabt haben. Vielmehr wohn-
ten an beiden Orten bis 376 die Westgoten, nicht die Ostgoten. Daß danach
diese das verlassene Gebiet besetzt hätten, ist nirgendwo gesagt. Man weiß
lediglich, daß nach der Schlacht am Nedao und vor dem hunnischen Angriff
auf Walamer die Gepiden das alte Dazien sich nahmen5.
Mit dieser einfachen Feststellung fällt bereits Rosenfelds ganze Auf-
fassung. Es konmmt hinzu, daß der einzige unbestrittene Hinweis im Text
des Liedes nicht nach Siebenbürgen, sondern nach Südrußland führt. Rosen-
feld selbst gibt zu: „Auf das Gebiet der alten Gotensitze am Schwarzen Meer
bezieht sich der Name des Danpar ,Dnjepr'. Mit den heiligen Gräbern am
Gestade des Dnjepr dürften die skythischen Königsgräber bei Nikopol ge-
meint sein, von denen schon Herodot 4, 71 berichtet·." Da das Gebiet der

3 4
a. O. 236. a. O. 238.
5
Jordan., Get. 264.
• a. . 238. Zur Bildung P. Kretschmer in: Glotta 24 (1936), n f .
23*
356 EINBRUCH IN EUROPA

Westgoten westlich des Dnjestr begann, steht man mit dem Dnjepr mitten
im ostgotischen Bereich. Auch die Behauptung, da man von Goten am Don
nichts wisse, hat sich bereits erledigt (oben 8.342!.). Ammianus zufolge7
waren die Greutungen, wiederum also die Ostgoten, Nachbarn der Alanen,
deren Westgrenze der Don bildete.
Auch der Name Dunheidr weist auf den Don. Rosenfeld hat auf das Ge-
biet des Iranischen einen Ausflug unternommen, der keineswegs zur Kl rung
beitr gt. Das kurze α von Τάναι$ habe sich germanisch erhalten m ssen,
meint er, w hrend D nubius germanisch zu D nawi und gotisch nach
Pseudo-Caesarius' von Nazianz zu Δούναβις wurde8. Da ist zun chst
festzustellen, da die Form Dun- keinesfalls auf Τάναις zur ckgehen
kann. Weiter, da D nubius auf altiran. (avest.) d nav- „Wasser, Flu "
weist. Dazu geh rt auch osset. don „Wasser, Flu "9, auch in den Flu -
namen Ardon (osset. rra-don „w tender Flu "), Sau-don, Kuron-don er-
halten. Daneben erscheint -dan in Sak-dan „Hirschflu ". Don geht also
gleichfalls auf d nav- zur ck, und auch gotisches Δούναβι$ kann nicht
lat. D nubius wiedergegeben, sondern nur Weiterbildung von d nav- sein.
Lautliche Entsprechung zu d nav- „Don" endlich war Dun, und auch alt-
nord. Danr l t sich nur auf don, -dan, nicht auf Τάναις zur ckf hren10.
Es bleibt die Frage, was dieses Τάναι$, lteste bezeugte Form, gewesen
sei. Soviel ist deutlich, da es ein lteres *TavocFi$ ist, der Bildung nach
Δούναβις entsprechend. Wie aber ist die anlautende Tenuis und der kurze
Vokal der ersten Silbe zu verstehen ? Einen Augenblick k nnte man erw gen,
ob beide Erscheinungen der Vermittlung durch ugrofinnische Aussprache
zu verdanken sei11. Auch bei dem Namen der Wolga lie e sich vermuten,
er sei aus ugrofinnischem Mund den Griechen zugekommen12. Doch O. Sze-
merenyi lehnte diese Auffassung ab, da die Gebiete, mit denen die Griechen
im Austausch standen, damals von Iraniern bewohnt waren (brieflich

7
8
31. 3. i; vg!· 31· 2· *3-
a. O. 235; vgl. J. Marquart, Osteurop. und ostasiat. Streifz ge 483; P. Kretschmer
in: Glotta 24 (1936), 7.
9
W. Miller, Die Sprache der Osseten 2 : 4 ; 20.
10
Hinweis O. Szemerenyi's.
11
> a vgl. moksa-mordwin. sava, ur-mordwin. *saga zu altmd.ch g -,,Ziege":
H. Jacobsohn, Arier und Ugrofinnen (1922), 115. Dann d >t vgl. s d-wogul. tuts-,
tutas-, tots- zu iran. Da&uS : H. Jacobsohn, a. O. 55. F r beide Erscheinungen
wogul. tas „fremd" zu altind. d sa-: H. Jacobsohn, a. O. 155 Anm. i; 183.
12
H. Jacobsohn, a. O. 238!; vgl. unten S. 421.
14. DER HUNNENSTURM 357

13. 2. 1958)13. Er meinte weiterhin: „Hinsichtlich Tavccis habe ich stets


angenommen, da t- f r d- Lautsubstitution sei14. Aber die Vokalquantit t
ist nicht leicht so abzutun". Er dachte an Trennung der Namen Τάναι$
und Don, nach J. Marquarts Vorbild, und verwies auf M.Vasmer's Russi-
sches etymologisches W rterbuch i, 362, wo freilich der Unterschied in der
Vokall nge wiederum unerkl rt geblieben sei16.
Eine der Quellen Herodots in seinem skythischen Logos ist Aristeas'
Epos16, das er ausdr cklich anf hrt17. Wer von den Issedonen oder von der
Vertreibung der Kimmerier aus ihrer Heimat am S dmeer durch die Skythen
berichtete18, mu te den Tanais kennen. Denn jenseits dessen sa en die
Issedonen und ostw rts, dann s dw rts am Gestade des Schwarzen Meeres
entlang, zogen die Kimmerier nach Asien19. Es besteht also die Wahrschein-
lichkeit, da Aristeas in seinem Epos den Tanais als erster genannt hat, wenn
anders er um die Mitte des 6. Jahrhunderts, also noch vor Hekataios
schrieb20. Unter der Voraussetzung, da die Form urspr nglich hexa-
metrischer Dichtung entstammte und von dort aus ihren Weg in die geo-
graphisch-geschichtliche Literatur gefunden hat, erkl rt sich auch die Vokal-
k rze der ersten Silbe.
Der Name mu te, um verwandt zu werden, sich dem Metrum f gen.
Messung "Tccvcus - « ^ lie sich innerhalb des Hexameters nicht brauchen.
So kam es zur Verk rzung T vcus ^ „ ί, wozu Dionys. Perieg. 5,14; 660; 679
(τόσσοι μεν Τάναϊν ττοταμόν ττεριναιετάονσιν); Ovid., trist. 4» 49 '·
her. 5, 107; Horat., carm. 3, 10, i; Vergil.., georg. 4, 51721. Es handelt sich
um ein Wort, das nur in gelehrter berlieferung sich fortpflanzen konnte
und au erhalb dieser nicht bestand. Es zum Etymon der gotischen und alt-
nordischen Flu namen zu machen22, w re ein Unding.
Von vornherein kann also Dunheidr ebensogut eine ,,Donheide" wie
eine „Donauheide" sein. Wenn sie neben Daw^xzr-Dnjestr begegnet, wird

13
Die erste Erw hnung eines ugro-finnischen Volkes findet sich bei Hellanikos,
vgl. J. Harmatta in: Acta Ant. Hung. 2 (1954), 291 f.
14
P. Kretschmer in: Glotta 24 (1936), 4.
15
Vorschl ge bei P. Kretschmer, a. O. n f .(,,kein leichtes Problem1').
18
E. Norden, D. german. Urgesch. in Tac. Germania (1920), i8f.
17
18
4- i3f-
4, 13 Ende.
19
4. 12.
20
E.Norden, a. O. 19; J. Harmatta, Quellenstud. zu d. Skythika des Herodot
(1941), 56.
21 2
P. Kretschmer, a. O. u. - Wie H. Rosenfeld dies tut.
358 EINBRUCH IN EUROPA

schon dadurch die ,,Donheide" wahrscheinlicher. Aber man braucht sich


nicht auf allgemeine Erw gungen zu beschr nken. Der beiderseitige Wort-
ausgang gibt hinreichende Auskunft. Auf der einen Seite steht die Weiter-
bildung von d nav-: Danubius, Δούναβη, *ΤάναΡι$, die sich noch im
Namen der Donau: Donawi erhalten hat. Aber don, -dan ist vom nicht
erweiterten Stamm d nav-gebildet, und Dunheidr stellt sich damit zum Don,
nicht zur Donau. Im Syrischen entspricht d nabis, d nabis,~tanis (tnyws)
auf der einen Seite28, das oben (S. 60f.) bei Bardesanes hergestellte dwnw
auf der anderen.
Es bleiben die Jassarberge. Als Bezeichnung der Alanen24 kennen die
arabischen Geographen As, As; Piano Carpini (1245) nennt Alani sive Assi
und Rubriquis (1253—4) Alani sive Aas. Rosenfeld schlie t daraus, das
Volk k nne germanisch nur *Assar odei hnlich lauten. „Erst bei den
sp ter vordringenden Slawen mu te mit dem blichen /-Vorschlag Jasi
daraus werden26". Damit sei R ckf hrung der Jassar auf die Alanen aus-
geschlossen.
Rosenfeld erblickt statt der Alanen in Jassar die lazygen. Er leitet den
Namen der Μάζυγε$ von iran. yahu- „rastlos" ab. Mit Aufhellung der
Mittelvokale, wie sie got. Δούναβις neben Danubius beweise, habe sich
Μάζυγε$ zu got. *Jazaga(ns) gewandelt. „Aus einem got. *Jazaga-felisos
konnte durch Kontraktion und Abschleifung leicht altnord. Jassar/ioll
werden"2*.
Zun chst ist zu sagen, da es iran. yahu- nicht gibt. Wohl aber kennt
man sanskr. yahu- „restless, swift, everflowing". Entsprechendes iran.
*yazu-ka- k nnte in neupers. yazek „leicht bewaffneter Soldat vom Vortrab,
Vedette" fortleben. Dazu Hesych. "Ηζακα$· γένο$ στικτόν τταρά ΤΤάρθοις,
wo P. de Lagarde στ<ρατιωτ>ικόν lesen wollte27. Weiter l t sich Wandel
von Ίάζυγε$ zu *Jazaga(ns) mit dem von Danubius zu Δούναβις nicht
ohne Weiteres vergleichen. Es besteht, wie gezeigt, die M glichkeit, da die
gotische Form auf das originale d nav- oder eine davon gebildete Ableitung
28
J. B. Chabot, Chronique de Michel le Syrien 2 (1901), 362 Anm. 9; 380 linke
Spalte Z. 25; 381 rechte Spalte Z. 18; 27 syr.
24
H. W. Bailey in: Transact. Philol. Soc. 1945, 2 f. ber das Verh ltnis von Alanen,
s und Osseten J. Harmatta in: Acta Oriental. Hung, ι, 26i f.; zu seinen Aufstellungen
jetzt L. Zgusta, Die Personennamen griechischer St dte der n rdlichen Schwarzmeer-
k ste 268 f.
25
a. O. 237.
28
a. O. 237. Anm. 4.
27
Hinweis O. Szemerenyi's.
14. DER HUNNENSTURM 359

und nicht auf die lateinische Form zur ckgeht. In diesem Fall l ge im α
von Δούναβις keine „Aufhellung", sondern der urspr ngliche Vokal von
altiran. d nav- vor. Der angesetzte bergang von *Jazaga-felisos zu Jassar-
ftoll bleibt, was Verschleifung und Kontraktion angeht, ohne Parallelen.
Heinz neben Heinrich, Fritz zu Friedrich, Anso Aso ASS zu Ansgar besagen
wenig. Denn germanische Personennamen und ein Stammesname iranischer
Herkunft sind Gr en, die sich schwerlich vergleichen lassen.
Es bleibt der angeblich slawische j-Vorschlag vor dem anzusetzenden
got. *Assar. Solchen Vorschlag weist das Ossetische auf: ost-osset. y fs,
west-osset. sf „Stute zu awest. asp z*. Man bedarf zu seiner Erkl rung
demnach des Slawischen nicht.
Es bleibt zu fragen, wie alt der ossetische j-Vorschlag ist. Ammianus29
sagt von den Alanen: ex montium appellatione cognominati. Gemeint sind
die bei Ptolemaeus so genannten 'Αλάνα όρη30. Unter diesen wohnen die
Zccpcrrcct und unter ihnen wiederum die Ίασται31. Schlie endes -ται ist
aus den Namen Σαυδαράται, Σαυρομάται, Μασσαγέται, Αύχάται,
Μαϊται, Παραλάται bekannt und entspricht der ossetischen Plural-
endung-ία32. Man kommt demnach bei Ίασται auf einen Stamm Ίασ-, der
nichts anderes als ASS mit dem gesuchten j-Vorschlag ist. Die aus dem Ost-
Ossetischen belegte Erscheinung war demnach schon im 2. Jahrhundert
bekannt. Nicht allzuweit von den Ίασται sitzen die Άσαϊοι33, von Rosen-
feld selbst als ASS anerkannt34.
Als Ergebnis darf man buchen, da nicht nur der Dan-par der Hervara-
saga, sondern auch Dunheidr und Jassarberge nach S dru land, in die alten
Sitze der Ostgoten f hren. Man denkt an ein umstrittenes Grenzgebiet,
vielleicht eine Art von Milit rgrenze, die auch sonst von Erinnerungen an
Taten und K mpfe erf llt zu sein pflegen36.
28
W. Miller, a. O. 23 § 2i, 3.
29
31, 2, 13.
30
Geogr. 6. 14, 3; n.
31
Ptolemaeus, geog. 6, 14, n.
32
W. Miller, a. O. 42.
33
Ptolemaeus, geog. 5, g, 16.
34
a. 0.236; L. Zgusta, a. O. 267 ist unrichtig.
35
Dazu A. Angyal, Die Welt der Grenzfestungen, in: S dostforschungen 16
(1957).
15. KAPITEL

FORMEN DER GESELLSCHAFT.


ZUSAMMENFASSUNG

i
Hunnische Gesellschaft und deren Ordnung konnten bisher kaum berührt
werden. In der Tat sind die Zeugnisse gering an Zahl, und was zuvor von
der Einrichtung der dehkän bei den Hepththaliten gesagt wurde, führt in
weit spätere Zeit. Immerhin sind aus der Zeit, da die Hunnen erstmals in
Osteuropa auftraten, einige Nachrichten erhalten. Zuletzt hat J. Harmatta
in zwei Arbeiten ein Bild hunnischer Gesellschaft zu zeichnen unternommen.
Freilich, die Ergebnisse einer ersten Behandlung1 von Attilas hat
er in einem zweiten Aufsatz: "The Desintegration of the Hun Empire"2
teilweise aufgegeben3. Anderes indessen hat er weitergeführt und zu einem
Gesamtbild zu runden versucht.
Vom ältesten Zustand zeuge Ammianus Marcellinus4: aguntur autem
nulla severitate regali, sed tumultuario primatum ductu contenti perrumpunt
quiquid incident. Harmatta erörtert E. A. Thompsons Deutung6, wonach
Primates nur eine zeitlich auf den Krieg begrenzte Führerschaft bezeichne.
Wollte man dies annehmen, so hätten die primates keine Klasse innerhalb
der hunnischen Gesellschaft gebildet. Um die Ermittlung einer solchen
Klasse aber geht es Harmatta: zeigten doch die hunnischen Gräber an
Don und Wolga*, daß eine durch Reichtum ausgezeichnete Schicht inner-
halb des Volkes bestanden habe. Harmatta verweist auf den sonstigen
1
Acta arch. Hung, , 138f.
2
Acta arch. Hung. 2, 277i.
3
a. O. 298. Dazu Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 262f.
* 3i. 2, 7.
8
A History of Attila and the Huns 44 f.
8
T. Minaewa, Progrebenija s sozzeniem bliz gor. Prokrowska 92 f.; 95 f.
15. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 361

Gebrauch von primates bei Ammianus, insbesondere auf 14, 7. Dort stünden
primates urbium dem ärmeren Volk gegenüber, also bezeichne das Wort
eine Klasse der römischen Gesellschaft, die sich auf Besitz gründete7. Auch
für die hunnischen primates müsse dann diese Kennzeichnung gelten.
Doch es bleiben Bedenken. Primates bezeichnet gewiß eine bevorzugte
Gruppe, und diese kann sich im Krieg, kann sich auch in der Schichtung der
städtischen Bevölkerung abzeichnen. Doch Gebiete, darin sich solcher
Primat vornehmlich oder ausschließlich auswirkte, sind damit nicht ge-
geben. Erst der jeweilige Zusammenhang gibt die Beziehung. Dies besagt,
daß Übertragung der Bedeutung von einem Zusammenhang auf einen
anderen nicht ohne weiteres erlaubt ist. So wenig man von hunnischen
primates und ihrer militärischen Rolle auf Entsprechendes bei den römischen
primates urbium schließen darf, so wenig darf man es umgekehrt. Waren
die primates urbium vor dem Rest der städtischen Bevölkerung durch Be-
sitz ausgezeichnet, so braucht dies darum nicht für die hunnischen zu
gelten.
Auch lordanes kennt primates. Wenn Vinitharius den König der Anten
mit seinen Söhnen und 70 primates hängen läßt8, oder wenn der Westgoten-
könig Atanagild Gothos comites gentisque suae primates zusammenruft, um
ihnen den Nachfolger vorzustellenfl, mag man daraus auf einen Klassen-
charakter der primates schließen. Aber auch die drei Führer der Westgoten
bezeichnet lordanes als primates eorum (Vesegotharum) et duces qui regum
vice illis praesunt10. Die Skiren haben indessen nur zwei primates11, und die
Gothi minores vollends einen einzigen, ihren pontifex Wulfila12. In den drei
zuletzt genannten Fällen läßt sich von einem Klassencharakter nicht
sprechen.
Unabhängig davon ist das Zeugnis der Hunnengräber an Wolga und
Don zu bewerten. Es besteht kein Zweifel darüber, daß in diesen eine höhere
Schicht, eine Klasse, sich abhebt. Aber zweierlei bleibt ohne Gewähr. Einmal,
ob die durch Reichtum an Waffen und Kleidung ausgezeichneten Hunnen
mit den primates zusammenfielen, von denen Ammianus nichts dergleichen
bemerkt. Und dann, ob die genannten Gräber wirklich in die Zeit vor
Attila fallen und nicht, was auch möglich ist, in die Jahrzehnte nach seinem
Auftreten.

7
a. O. 290 1. * Get. 247. Get. 304.
19
Get. 134. « Get. 277. " Get. 267.
362 EINBRUCH IN EUROPA

Was meint Ammianus? Es hat wenig Sinn, ihn nach Tatbeständen zu


befragen, über die er nichts bekundet, mögen sie auch den jeweiligen For-
scher noch so lebhaft ansprechen. Ammianus berichtet weder von Besitz
noch von der Dauer des primatus. Wohl aber stellt er den tumultuarius
primaium ductus der severitas regalis in der Kampfesleistung gegenüber.
Er notiert das Fehlen der zweiten, das Bestehen des ersten. Primatum
ductus erhält die Kennzeichnung tumultuarius. Darin kann keine Anspielung
auf verstellte Flucht und sonstige Eigentümlichkeiten der hunnischen
Taktik liegen13. Es bedarf keines Nachweises, daß tumultuarius dergleichen
nie und nirgends bedeutet hat. Wohl aber kennt man den tumultus und ins-
besondere den tumultus Gallicus, die tumultuaria manus aus dem römischen
Staatsrecht. Damit wird die überraschend eintretende militärische Aus-
nahmesituation bezeichnet, und das Adjektiv kommt dieser und den be-
helfsmäßigen Mitteln zu, mittels deren man ihrer Herr wird14. Ein tumul-
tuarius ductus ist demnach eine aus dem Augenblick erwachsene, impro-
visierte Führung. Sie ist der severitas regalis entgegengesetzt: was könnte
mit solcher Gegenüberstellung gemeint sein ?
Sozomenos16 erwähnt Xoyocyoi des Hunnenkönigs Uldis.
Thompson hatte sie mit den primates zusammengestellt1', aber Harmatta
leugnet beider Zusammenhang. Insofern mit Recht, als Uldis'
auf die Seite der severitas, zumindest der potestas regalis führen.
Damit schließt sich Gleichsetzung mit den primates, die doch den Gegenpol
bilden, aus. Ihr tumultuarius ductus war an die Stelle jener severitas getreten.
Geordnete Führung, mit der unbedingten Befehlsgewalt des Königs besei-
tigt, wurde durch eine behelfsmäßige ersetzt. Dies und nichts anderes besagt
Ammianus' Bemerkung.
Worauf man geführt wird, sind nicht die Anfänge einer hunnischen
Klassengesellschaft, die schon längst bestand, sondern eine Schwächung
der Königsgewalt. Schon bei dem Einbruch in Nordostiran lag eine klassen-
mäßige Schichtung vor, indem sich der herrschende, hunnisch-türkische
Clan der Hephthaliten über die sakischen Untertanen: Chioniten, HIONO
oder hyaona-, gelegt hatte. Auch bei den Hunnen am Don werden die später
13
J. Harmatta, a. O. 289 1. und r.
14
Gegenüber von tumultuaria manus Veil. Pat. 2, 42, 2 und iustus exercitus 2, 61, 2;
Mitteis-Wilcken, Grundz. und Chrestomathie der Papyruskunde i, i, 392; Tac., ann.
15, 3 tumultuariam provincialium ntanuni.
15
Hist. eccl. 9, 5.
16
a. O. 58.
15. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 363

gekommen Sch be Herren nicht nur ber die Alanen, sondern auch ber
die schon vorhandenen XoOvoi geworden sein. Andererseits zeigt lordanes'
Balamber rex Hunnorum11, da das K nigtum fortdauerte. Er regierte zu
eben der Zeit, da die Hunnen ihre gotischen Nachbarn unterwarfen. Doch
dieses K nigtum zeigt sowohl im Schmiedek nigtum des qayan und tarqan,
wie in der Bezeichnung μέγιστος θεών, b gl r bag, da seine Funktionen
auf kultischer Seite lagen. Diese Verschiebung mochte durchaus mit poli-
tischer oder milit rischer Entmachtung Hand in Hand gegangen sein.
ber die hunnischen K nige, ρήγες, spricht Olympiodor18. Die kurze
Nachricht hat weitreichende Theorien ins Leben gerufen. Thompson19
schied (ϊ>ήγες, eine Mehrzahl bildend, vom των £ηγών πρώτος, dessen
Stelle erst Donatos, dann Charaton eingenommen habe. Die ersten seien
Stammesf hrer und eins mit den primates, der zweite hingegen Oberhaupt
des Stammesbundes und damit φύλαρχος gewesen. Anders Harmatta20:
er stellt den Gebrauch von φύλαρχος richtig, liest aus dem Gebrauch von
£ήζ> P^y£S em gotisches reiks heraus und entnimmt der Tatsache, da
dieses nicht nur άρχων, sondern auch έντιμος bedeutet (was er mit „reich"
bersetzt), erneut eine Klassengliederung der hunnischen Gesellschaft. Zur
Gleichsetzung von ρηγες und primates u ert sich Hermatta zur ckhaltend,
aber die ersten sind auch f r ihn Stammesh uptlinge.
Von alledem steht nichts bei Olympiodor. Er berichtet „ ber Donatos
und ber die Hunnen und ber ihrer K nige treffliche Schie kunst und wie
er, der Geschichtsschreiber, zu ihnen (αυτούς) und zu Donatos als Gesandter
geschickt wurde". Da Donatos den (ί>ήγες angeh rte, ist mit keinem Wort
gesagt. Im Gegenteil: Donatos ist von ihnen durch die „Hunnen" getrennt,
und wenn man αυτούς auf das N chstliegende, also auf die ρτίγες bezieht,
so geh rt Donatos auf keinen Fall zu ihnen. Das Bruchst ck berichtet
weiter, wie Donatos, durch falschen Eid get uscht, widerrechtlich get tet
wurde. ,,Undda Charaton, der K nige erster (ό των ρηγών πρώτος) ber
den Mord im Zorn entbrannte, und da er wiederum durch Geschenke des
Kaisers (βασιλικοΐς δώροις) beg tigt und vers hnt wurde". Charaton, so
erweist sich weiter, war auf keinen Fall Donatos' Nachfolger21 in der W rde
des των ρηγών πρώτος, und erneut zeigt sich, wie wenig Anla besteht,
ihn den ρήγες zuzurechnen.

17 19
Get. 130; 248; 249. « Fr. 18. FGH. 4, 61. a. O. 58.
20 2l
a. O. 290 r. f. J. Harmatta, a. O. 295 1.
364 EINBRUCH IN EUROPA

Nat rlich besteht auch kein Anla , in ρήξ, ρήγες etwas anderes als
lateinisches rex zu sehen. Das Wort wird verwandt, um den hunnischen
K nig vom βασιλεύς und Kaiser zu scheiden22. Keine Rede von gotischem
reiks und noch weniger von Klassengliederung; man ist erstaunt zu sehen,
da dergleichen erwogen werden konnte. Auch der K nig der Hephthaliten,
der mit Goten gewi nichts zu tun hatte, begegnet in der thiopischen
Chronik des Johannes von Nikiu als ρήξ; das Wort ist sogar ins Arabische
bergegangen 22a.
Es bleibt die Gleichsetzung der ρήγες mit Ammianus' primates, mit den
vermeintlichen Stammesh uptlingen. Es geh rt zu den Unbegreiflichkeiten
in Thompsons Buch, warum primates, deren tumultuarius ductus der severitas
regalis bei Ammianus entgegengesetzt wird, ausgerechnet mit den ρήγες
gleich sein sollen. Nicht weniger ungereimt ist die Deutung als Stammes-
h uptling. Gewi , Olympiodoros sagt nichts ber die Zahl der ρήγε$.
Aber da sonst, wo immer von einer Mehrzahl der K nige die Rede ist, es
immer zwei sind, besteht kein Anla , etwas anderes auch hier anzunehmen.
Es bliebe unberechtigt, Olympiodors Angabe zu entnehmen, da es bei den
Hunnen jemals mehr als zwei K nige gegeben habe.
Es l t sich erkennen, da man f r das Doppelk nigtum Br der w hlte.
Den beiden S hnen des Mundzucus, Attila und Bleda, gingen des ersten
Br der in der Herrschaft voran. Das sagt lordanes ausdr cklich23: is namque
Attila patre genitus Mundzuco, cuius fuere germani Octar et Roas, qui ante
Attilam regnum tenuisse narrantur. Der Stelle kann auf keinen Fall ent-
nommen werden, da Mundzucus als weiterer K nig neben Octar und Roas
stand24. Vielmehr war der dritte Bruder lediglich Vater der Thronfolger,
also der beiden Neffen der derzeit regierenden Herrscher. Es handelt sich
um jene Erscheinung, die vergleichende Rechtsgeschichte als tanistry be-
zeichnet; sie wurde zuvor behandelt (oben S. 119 f.). Danach h tte sich die
Herrschaft auf die j ngeren Br der und Neffen des verstorbenen Herrschers
vererbt, derart, da , wenn kein Bruder mehr vorhanden war, die n chste
22
Harmatta beruft sich auf Prokop., Goth. 5, i, 26; £ήξ διεβίου καλούμενος
(ούτω γαρ σφών τού$ ηγεμόνα? καλεΐν οΐ βάρβαροι νενομίκασιν) . Es handelt sich
um den Ostgotenk nig Theoderich, der bei seinem Volk in Italien als rex bekannt war.
Man hat auf keinen Fall eine gotische Bezeichnung.
22a
Chronique de Jean, eveque de Nikiou, ed. H. Zotenberg (1883) 387 Anm. 3; 390
23
Anm. 2. Get. 180.
24
So E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 208: „doubtless". Richtig
H. -W. Haussig in: Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 21 Anm. 51, der 51 f.
auf die Doppelk nige der Protobulgaren hingewiesen hat.
15. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 365

Generation ihren Anspruch auf das Thronerbe erheben konnte 26 . Seit Bledas
Ermordung besaß Attila keinen Bruder mehr. Die Nachfolge ging demnach
auf seine Söhne Ellak und Dengizsig über. Nachdem der erste am Nedao 26 ,
der zweite 469 den Tod gefunden hatte 27 , mußte ihnen Ernak als jüngster
Bruder folgen 28 . Noch zu seinen Lebzeiten hatte Attila zwei ··.
29
/s, Mama und Atakam, kreuzigen lassen . Man wird
in der Annahme nicht fehlgehen, daß sie erbberechtigte Neffen waren.
Auch bei den Awaren scheint Bruderfolge bestanden zu haben. Man
sieht es an den Qayan, die zu Beginn des 7. Jahrhunderts auf Bayan
folgen30; diese Beobachtung ist um so wichtiger, als sich erwiesen hat, daß
die Awaren ihrer Herkunft nach hunnische Stämme, War und Chunni,
waren31. Auch wenn in dem Bericht Michaels des Syrers32 an der Spitze
der Protobulgaren drei Brüder standen, wird man dies als brüderliche
Nachfolge deuten dürfen. Diese Vermutung wird dadurch verstärkt, daß
sich der eine der Brüder von den restlichen beiden trennt33, die dann ein
regelrechtes Doppelkönigtum über ihr Volk innehatten34.
Noch einen Schritt weiter ist ein zweiter türkischer Stamm, die Pet-
schenegen, gegangen35. Konstantinos Porphyrogennetos36 bezeugt, daß
ihren Häuptlingen nach dem Tod die Vettern in der Herrscherwürde folgten.
Überkommener Brauch habe verboten, den Anspruch auf diese Würde an
Söhne oder Brüder zu vererben. Vielmehr ging er auf die Vettern und Vetters-
söhne über, so daß der Häuptlingsrang sich nicht geradlinig forterbte,
sondern die Seitenlinien miteinbezogen wurden. Freilich blieb auch diese
Abfolge immer innerhalb desselben Geschlechtes.
25
H.-W. Haussig, a. O. 13f.; 21 Anm. 51.
26
Jordan.. Get. 262.
27
Chron. Pasch. 598, 3f. Bonn.; Marcellinus s. a. 469.
28
H.-W. Haussig, a. O. 13.
28
Priskos bei Konstant. Porphyrogenn., de legat. 122, 17!.; vgl. lordan., Get. 180
nece suorum.
30
A. Kollautz in: Saeculum 5, i38f. gibt die Einzelheiten.
31
Diese Nachricht des Theophylaktos Simokattes in seinem Exkurs über die
skythischen Völker 256, 23—267, 17 de Boor hat H.-W. Haussig in: Byzantion 23
( T 953). 345f- behandelt.
32
381 rechte Spalte Zeile gi. syr.; 3, 369 1. der Übers. Chabots.
33
381 rechte Spalte Zeile 21 f. syr.
34
381 rechte Spalte Zeile 40 f. syr.
35
Über die Sprache der Petschenegen K. H. Menges in: Byzantion 17 (1944—45)·
2 5 6f.
38
De administr. imp. 37, 24!. Moravcsik. Der Hinweis wird M. de Ferdinandy
verdankt.
366 EINBRUCH IN EUROPA

Ein Bild der hunnischen Entwicklung setzt voraus, daß man über die
Kopfzahl, sei es des Gesamtvolkes, sei es seiner Wehrfähigen unterrichtet
ist. Vorerst gilt es, für die Jahre, da die Hunnen den Don überschritten und
bis zur unteren Donau vorstießen, Brauchbares zu ermitteln. Da Angaben
nicht vorhanden sind, muß man auf einem Umweg zum Ziel gelangen.
Die Zahl der Westgoten und ihrer Schicksalsgenossen, die auf der Flucht
vor den Hunnen die Donau überschritten, wird einschließlich der Weiber
und Kinder mit 200000 angegeben1. Die Nachricht bleibt ohne Gewähr,
denn bei einem gleichzeitigen Autor heißt es, eine Zählung sei trotz dahin-
gehender Bemühungen nicht möglich gewesen (nutnerum ... comprehendere
calculo saepe temptantes)a. In der Schlacht bei Adrianopel mögen die West-
goten und ihre Verbündeten (Hunnen und Alanen) im Vergleich zum ost-
römischen Gegner eher schwächer als stärker gewesen sein. Erfochten sie
doch ihren Sieg infolge Überlegenheit ihrer Reiterei, wobei man sich daran
erinnern mag, daß in Schlachten wie Cannae und Zama derselbe Um-
stand zum Siege beitrug, bei Cannae gegen einen zahlenmäßig weit über-
legenen Sieger. Bei Karrhai erlagen gar Crassus' acht Legionen, mit Hilfs-
truppen 42000 Mann, den 10000 Reitern des Surenas8. Rechnet man auf
westgotischer Seite etwa 12000*, so kommt man für das Gesamtvolk auf
etwa 80000 Köpfe. Das wäre die gleiche Zahl, die, anerkanntermaßen zu-
verlässig, für die in Nordafrika einwandernden Wandalen bezeugt ist8.
Die Hunnen und die ihnen Heeresfolge leistenden Alanen stellten gegen
die Westgoten und ihre Verbündeten in den vorangehenden Kämpfen am
Dnjestr und Pruth ausschließlich Berittene zum Kampf. Reiter konnten
auch bei zahlenmäßiger Unterlegenheit den Sieg über die Westgoten er-
ringen, deren Heer zumindest zu einem hohen Teil aus Fußkämpfern be-
stand. Setzt man die westgotische Streitmacht vor der Katastrophe, noch

1
Eunapios bei Konstant. Porphyrogenn., de legat. 595, 12 f. de Boor.
2
Amm. Marc. 31, 4, 6.
3
Die Angaben bei N. C. Debevoise, A Political History of Parthia (1938), 83.
4
Amm. Marc. 31, 12, 3 nennt , allerdings mit Ausschluß der Reiterei und
vermutlich darum als zu geringe Schätzung. L. Schmidt, Die Ostgermanen (1934), 259
schätzt auf 30000 Römer und 20000 Goten (zu hoch).
5
Vict. Vit. i, i, 2; Prokop., b. Vand. i, 3, 26; zur Erörterung über diese Zahl
zuletzt F. Miltner, RE. 8 A. 313.
15. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 367

vor Hinzutritt der Taifalen*, mit 15—25000 an, so mag die hunnisch-
alanische Reiterei auf der Gegenseite kaum mehr als 10000 Pferde gez hlt
haben. Von dieser Truppe m gen die Hunnen die H lfte, etwa 5000, die
Alanen und vielleicht die Ost got en7 den Rest gestellt haben.
Aus der Folgezeit ist die Zahl von 10000 hunnischen Hilfstruppen im
Jahr 409 zu nennen8. Sie kontrastiert zu stark mit den 300 Hunnen in
Kaisers Honorius' Diensten9, als da man sie hinnehmen k nnte10. Ver-
mutlich waren jene Hunnen zugleich mit Weibern und Kindern in west-
r mische Dienste getreten11. Unter dieser Voraussetzung k me man auf
h chstens 1500 K mpfer, was zu den bisherigen Ergebnissen pa t. Auch
die 60000 von Aetius12 im Jahr 425 geworbenen Hunnen wird man ent-
weder ganz verwerfen oder als K mpfer mit ihren Angeh rigen verstehen
m ssen. Man k me bei der letzten M glichkeit auf 9000 Reiter im H chst-
fall, eine noch immer ungew hnliche Zahl. Allenfalls lie e sie sich durch
inzwischen erfolgte Vermehrung des Volkes und Zustrom von allen Seiten
erkl ren. Jene 3000 Burgunden, die um 430 die angeblich 10000 Hunnen
des K nigs Uptar schlugen13, bed rfen gleichfalls der Berichtigung. Wenn
es den Burgunden gelang, die gleiche oder etwas geringere Zahl hunnischer
Reiter, also 3000 oder nur 2000, in die Flucht zu schlagen, war es eine be-
achtliche Tat.
Wichtig sind die Vergleichszahlen14. Als die Hunnen nach dem Zu-
sammenbrach des Attilareichs wieder in ihre s drussischen Sitze heimge-
kehrt waren, nennt Prokopios keine Zahlen, die ber das zweite Tausend16
hinausgehen. Wenn die hunnischen Kutriguren bei Zabergans Zug 558
einmal auf ber 7000 beziffert werden16, war es eine gro e Sache. Hinzu-

' Der aus Amm. Marc. 31, 3, 7; 9, 3 zu erschlie en und durch Epit. de Caes. 47, 3
best tigt ist.
7
Aus lordan.. Get. 248 f. zu erschlie en.
8
Zosim. 5, 50, i.
• Zosim. 5, 45, 6.
10
Anders E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 34; 47.
11
Vgl. etwa Prokop., Got. 4, 19, 6. Schon weit fr her konnte sich ein Heer mit
Weib und Kind auf den Weg machen, ώστε έμφερή την στρατίαν ύττάρχειν άττοικί«?
Diod. 20, 41, ΐ·
12
Philostorg., hist. eccl. 12, 14 ρ. Ι5°· Ι f· Bidez.
18
Sokrat., hist. eccl. 7, 30, ι—6; dazu E. A. Thompson, a. O. 47; 66.
14
E. A. Thompson, a. O. 48.
15
b. Goth, 4, ig, 6.
16
Agathias 303, 6 Niebuhr. Die Gesamtmacht mu , wie das Vorangehende zeigt,
gr er gewesen sein.
368 EINBRUCH IN EUROPA

fügen mag man eine Angabe, die bisher trotz ihres offenkundigen Wertes
unbeachtet blieb.
Michael der Syrer17 gibt als Gesamtzahl der Skythen, also der hunni-
schen Nachfolger, 30000, was einem Bestand an Wehrfähigen von 4500
Köpfen im Höchstfall entspräche18. Diese Zahl bliebe nur um ein geringeres
hinter der zuvor angenommenen von 5000 für die Hunnen im Jahr 375
zurück. Deren Gesamtzahl hätte dann, als sie noch zwischen den Unter-
läufen von Don und Wolga saßen, kaum 40000, erreicht, die der Alanen
30000 wenig überschritten. Wobei zu bedenken ist, daß die hunnischen
Akatziren bereits in der Waldzone saßen19, andere Hunnen bis in den Kau-
kasus hinauf reichten (oben S. 9) und nach Überschreitung des maio-
tischen Sumpfes weitere fünf hunnische Stämme zur Hauptmasse stießen
(oben S. 8). Bei den Alanen ist daran zu erinnern, daß sie bis zum Aralsee
und in die Kirgisensteppe nomadisierten (oben S. 551.)·
Man wird demnach nur wenige Köpfe auf den Quadratkilometer an-
setzen dürfen. Heutige Zahlen lassen sich kaum vergleichen. Bereits die
Osseten zählen nach offizieller Angabe 360 ooo20. Immerhin darf daran er-
innert werden, daß heute in Kazachstan 2, Menschen, in Westsibirien 8 auf
den Quadratkilometer kommen21.

Auf die gesellschaftliche Struktur der Hunnen wird endlich auch eine
Zusammenfassung der bisher erzielten Ergebnisse führen. Am Schluß dieses
Bandes den ihr gemäßen Platz findend, gibt sie über den einzelnen Fall
hinaus Hinweise auf grundsätzliches Verhalten: sei es der Hunnen selbst,
sei es der nomadischen Gesamtheit, der sie sich einordnen. Vor allem gilt
dies für das Werden des hunnischen Volkes und in eins damit für dessen
frühestes geschichtliches Hervortreten.

17
381, rechte Spalte Z. nf. syr.; 2, 363 links der französ. Übers. Chabots.
18
Es muß freilich gesagt werden, daß, als sich unter Bulgarios ein Drittel von der
Gesamtheit abspaltet, von 10000 „Männern" (gabre) gesprochen wird: 381 rechte Spalte
Zeile 25.
19
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 288f.; oben S. 4!.
20
R. Hönlinger in H. Koch, Sowjetbuch (1959), 15.
81
Ebenda 15.
16. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 369

Gleichsetzung von Hiung-nu und Hunnen, wie sie bisher meist ver-
treten wurde, ließ sich nicht aufrecht erhalten. Damit fehlt das geschicht-
lich bereits fertige, durch jahrhundertelange Kämpfe mit dem China der Han
geprägte Volk zu Beginn. Auch die daraus entsprungene Aufgabe entfällt,
eine ganz oder zu einem wesentlichen Teil erfolgte Verlagerung jenes Volkes
nach dem Westen zu verfolgen. Was man an Anfängen im Umkreis der
Mongolei zu fassen bekommt, bleibt spärliche und vereinzelte Kunde, die
sich kaum zu geschlossenem Bild fügt. Was immer den Namen xwn, kün
oder qun trägt, tritt zu verschiedener Zeit an verschiedenem Ort auf.
Mögliche Einheit ließe sich vielleicht erschließen, wenn nicht solches Ver-
fahren schon voraussetzte, was man bewiesen zu haben wünscht.
Der Tatbestand verwickelt sich noch dadurch, daß die früheste Bezeu-
gung des Namens weit nach Westen, ins Vorfeld des Kaukasus, führt. Der
Eindruck, Splittern gegenüberzustehen, deren Zusammengehörigkeit allen-
falls der Name gewährleiste, verstärkt sich. Immerhin bestätigen gelegent-
liche Hinweise, daß es sich in allen Fällen um Türkstämme handelt. Gleich-
wohl müßte man auf den Versuch, sie auf einen Nenner zu bringen, ver-
zichten, beobachtete man nicht, daß sämtliche Splitter im Verlauf von nur
zwei Jahrzehnten an zwei Stellen sich kristallisieren: im äußersten Nord-
osten Irans und zwischen den Unterläufen von Wolga und Don. Man hat
eine regelrechte Volkwerdung vor sich.
Solcher Vorgang, von vornherein der Beachtung wert, gewinnt noch
dadurch an Rang, daß er sich im Verlauf einer Wanderung vollzieht. Nicht
Vereinigung auf begrenztem Raum, sondern Ausdehnung und weitflächige
Wirkung führen zur Vereinigung. Schon dies läßt erkennen, daß es sich
bei Nomaden um andere Lebensformen oder, wenn man will, Lebensgesetz-
lichkeit handelt als bei den Ansässigen, deren Eigenheiten man meist ohne
viel Bedenken voraussetzt. Wollte man eine zugespitzte Prägung vorziehen,
so könnte man sagen: gleich den Mongolen haben sich auch die Hunnen
als völkische und geschichtliche Individualität erst gefunden, als sie sich
der Welteroberung zuwandten.
Damit erklärt sich, warum die angenommene Heimat der xwn, kün und
qun — östliche Mongolei und ihre Randzonen — dabei keine Rolle spielt.
Volkwerdung ereignet sich nicht im heimischen Bereich, da man im Zu-
sammenhang mit sprachlich, soziologisch und stammlich verwandten
Gruppen lebt, sondern dort, wo man mit Fremdem zusammenstößt.
Genauer: wo man sich zunächst dessen Führung anvertraut; dann, des eige-
24 Altheim, Hunnen I
370 EINBRUCH IN EUROPA

nen Wesens innewerdend, sich davon sondert; schließlich sich zu über-


mächtiger Geltung bringt und den Anderen unterwirft.
Nordiranische Nomaden trifft man überall an, wo Hunnen dereinst auf-
treten werden. Sakische hyaona-, vor allem Äss und Alanen, dieser vielleicht
beweglichste und von kaum glaublicher Wanderlust erfüllte Stamm des
Altertums, sind den ihnen folgenden Hunnen die großen Führer und viel-
leicht Verführer gewesen. Sie sind ihren türkischen Nachbarn vorangezogen,
als Wegbereiter und sozusagen Quartiermacher, und sie haben so die An-
deren, schwerblütigeren Menschenschlag, als sie selbst waren, verlockt, sich
auf die geschichtliche Bühne zu wagen. Saken und Alanen haben diese
Rolle nicht ungestraft gespielt. Die Hand der Hunnen haben sie als erste zu
spüren bekommen: sie mußten sich gefallen lassen, als Unterworfene dem
Heeres- und Stammesverband der Hunnen eingegliedert zu werden. Heph-
thaliten und Chioniten, Hunnen und Alanen traten von Anfang an vereint
entgegen.
Doch haben die nordiranischen Nomaden ihr Schicksal meist ohne viel
Widerspruch entgegengenommen. Sie haben sich rasch gefügt und aus dem
Unvermeidlichen das Beste zu machen versucht. Zumindest den Alanen ist
dies gelungen: Schmiegsamkeit und behauptende Kraft vereinend haben
sie ihr eigenes Leben nach dem Verschwinden ihrer hunnischen Herrn un-
gebrochen weitergeführt.
Es mag befremdlich klingen, aber es läßt sich nicht verkennen, daß
die Hunnen, wo immer sie hervortreten, zunächst sich vorgegebenem
Rahmen einfügten. Gerade jene Äußerungen, die nicht müde werden, das
Überraschende, an Orkan und Sturmflut Gemahnende des hunnischen Ein-
bruchs von 375 zu betonen, zeigen, daß eine längere Zeit der Inkubation
vorausging. Orkan und Sturmflut hatten indessen insoweit Berechtigung,
als die Verbindung mit klimatischen und tellurischen Gegebenheiten, mit
Natur überhaupt, bei den Hunnen und ihresgleichen sich überall beobachten
läßt. Sie alle unterstanden dem Gesetz der Steppe, deren Gürtel längs der
Wüstenzone, von der Gobi bis zur Sahara, vom Gelben bis zum Atlantischen
Meer reichend, sich hinzieht. Türkische, nordiranische, arabische und Dro-
medarnomaden wußten, was ein langer Winter oder eine anhaltende Dürre
für ihre Herde und damit für sie selbst bedeuteten. Mit der Regelmäßigkeit
und Wucht von Naturereignissen suchten die Nomadeneinfälle die Grenz-
lande der alten Kulturreiche heim, sobald in der Steppe der Nahrungs-
spielraum sich verengte, Not ihre Bewohner zur Ausdehnung zwang.
16. FORMEN DER GESELLSCHAFT. ZUSAMMENFASSUNG 371

Soweit die Hunnen in den Rahmen hineinwuchsen, den ihre iranischen


Vorläufer abgesteckt hatten, blieben sie weiter im nomadischen Lebens-
bereich. Und wenn sie sich darüber hinaus der Gesamtheit der Nomaden-
stürme einfügten, die damals überall das römische und sasanidische Reich
heimsuchten, so gilt dasselbe. Wie schon gesagt, faßt man seit dem Ausgang
des 3. Jahrhunderts eine einzige, umfassende Bewegung, die die großen Be-
weglichen jenseits der Grenze an die bisher unberührten Kulturoasen an-
branden ließ. So scheint es wenigstens, und doch sollte, im Gegensatz zu
den nomadischen Vettern im Süden, erst die Begegnung mit den Hoch-
kulturen der Spätantike den Hunnen zum geschichtlichen Schicksal
werden.
Jäger und Viehzüchter, die diese Hunnen waren, hatten sie ihre Prägung
durch das Tier, das sie jagten oder weideten, erhalten. Wenn auch der Tier-
stil, soweit er in Kunst und Kunsthandwerk sich ausdrückte, bei ihnen keine
namhaften Spuren hinterließ, so zeigen doch Namengebung, Sage und Ver-
halten in entscheidender Lage, wie stark dieses Volk dem „Denken im Tier"
verhaftet war. Mit ihm stößt man auf eine seelische Schicht, die bei den
Hunnen fast alles bestimmte und auch weiterhin ihre Handlungsweise er-
klären sollte. Eine ursprüngliche, ganz der Natur verhaftete Welt traf jetzt
auf eine andere, zu der sich zunächst friedliche Verbindungen kaum an-
knüpfen ließen und die gleichwohl tief auf hunnisches Wesen eingewirkt
hat.
Die erste Stufe dieser Auseinandersetzung hat sich bereits abgezeichnet.
Einbruch und Festsetzung im nordöstlichen Iran wurde ergänzt durch
Niederlassung im nördlichen Vorfeld des Kaukasus. Auch hier weilte man
in einem Gebiet, das den Einwirkungen der iranischen — spätparthischen
und sasanidischen — Kultur ausgesetzt war. Kenntnis der Stahlzubereitung
und in deren Gefolge das zweischneidige Hiebschwert, Schrift und
Formen der Dichtung, Titel und Zeremoniell haben die Hunnen von jener
Kultur übernommen. Die Hephthaliten vollends haben sich ganz dem
Fremden hingegeben, sind zuletzt in ihrer iranischen Untertanenschaft auf-
gegangen.
Dem Neuerworbenen entspricht ein Verlust an Überkommenem. Vom
Leben und Denken im Tier, mittel- und nordasiatischen Nomaden seit
jeher eigen, mochten auch die Hunnen sich nicht trennen. Doch der Tierstil
als künstlerische Form ging verloren. Dasselbe gilt für alles Schamanische:
zumindest wurde es aus seiner beherrschenden Stellung verdrängt, bestand
24»
372 EINBRUCH IN EUROPA

allenfalls in Resten fort. Dumpfer Wirbel der Trommel, berauschend und


aufpeitschend, wurde durch den männlichen, harten Klang der Tuba ersetzt.
Der Schmiedekönig iranischer Prägung ließ den Schmiedeschamanen von
einst ins Dunkel zurückgleiten. Endlich wich die ererbte Schätzung des
heldischen Sterbens einer höheren Bewertung des friedlichen Dahinscheidens,
des langen und glücklichen Lebens. Auch das Abwerfen von Mitgebrachtem,
aber Überlebten, gehört zum Vorgang der Volkwerdung.
BEILAGEN UND ERGÄNZUNGEN
BEILAGE l

CHRONOLOGIE DER FR TAD RA

Beginn der persischen Fr tad ra wurde von E. Herzfeld1 kurz nach 300
oder um 280 v. Chr. angesetzt. Andere haben geglaubt, den Abfall der
Persis erst um die Mitte des Jahrhunderts legen zu sollen2. Aber auch diese
Zeitstellung ist, wie sich zeigen wird, um viele Jahrzehnte zu fr h. ber
Seleukos' IV. Philopator (187—175) erste Jahre wird man kaum hinauf-
gehen d rfen.
Molons Aufstand 223 zeigt die Seleukiden noch im unbestrittenen Besitz
der Persis und ebenso ihres Nachbarlandes, der Susiane. Molons Bruder
Alexandras war Satrap der Persis3, Diogenes Stratege in Susa*. Der erste
fiel mit Molon zusammen ab und gab sich nach Antiochos' III. Sieg den Tod5.
Diogenes, der seinem Herrn treugeblieben war, wurde zum Strategen Mediens
ernannt, und Apollodoros erhielt an seiner Stelle die Susiane8. Wer die
Persis bei der Neuordnung (221) bekam, ist nicht gesagt. Aber es kann kein
Zweifel daran bestehen, da auch sie einer von Antiochos' Vertrauten ber-
nahm. Vielleicht war sie unter den κατά την Έρυθράν θάλατταν τόποι
einbegriffen, die dem άρχιγραμματεύ$ Tychon unterstellt wurden7.
Aufstand und Abfall der Elymais beginnen mit Antiochos' III. letztem
Jahr; der K nig wurde bei dem Versuch, einen der dortigen Tempel zu
pl ndern, erschlagen. Von Unruhen in der Persis berichtet Polyainos8,
leider ohne genauere Zeitangabe. Seiles an der Spitze von Makedonen und
Thrakern, 3OOoHopliten und 300 zu Pferde, lockte 3000 aufst ndische Perser
1
Paikuli 69; Archaeol. History of Iran 46.
2
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 272 f.
3
Polyb. 5, 40, 7.
4
Polyb. 5, 48, 14.
6
Polyb. 5, 54, 6.
• Polyb. 5, 54, 12.
7
Polyb. 5, 54, 12.
8
7. 39-
376 BEILAGEN

in eine Falle und lie sie niederhauen. Das Ereignis fiel unter einen K nig
Seleukos9, und nach dem zuvor Gesagten kann es nur der vierte, Nachfolger
Antiochos' III., gewesen sein. Nach der Erhebung der Elymaier in dessen
letztem Jahr 18710 griff der Abfall unter seinem Nachfolger auf die Persis
ber, wenn auch zun chst noch ohne Erfolg.
Polyainos' folgendes Strategem zeigt den Gegenschlag. Wiederum 3000
werden get tet, diesmal aber nicht Perser, sondern solche von der Gegen-
seite. Die Erschlagenen sind των εν τη Περσίδι κατοίκων11. Offen-
kundig ist es dieselbe Streitmacht wie die 3000 Hopliten des vorange-
gangenen Kapitels: es war die in der Persis verf gbare Truppe. Der An-
f hrer der siegreichen Persis hei t "Οβορζος, und ihn kennt man. Er ist
der zweite in der Reihe der persischen Fr tad ra, die auf den M nzen er-
scheinen18. Sein erfolgreiches Unternehmen f llt sp ter als das zuvor be-
sprochene, das fehlgeschlagen war. Da Seleukos' IV. Nachfolger, Anti-
ochos IV. Epiphanes (175—163), mit den Persern k mpfte und in ihrem
Lande starb, kommt nicht nur jener, sondern auch dieser in Betracht.
Freilich sind Antiochos' IV. K mpfe von anderer Art als die von Polyai-
nos erw hnten. Begegneten bei diesem die κάτοικοι18, also die in den
κστοικίαι angesiedelte, zun chst im Lande selbst verf gbare make-
donisch-thrakische Truppe des rtlichen Strategen, so schickte jetzt der
K nig einen Heerf hrer von au erhalb gegen die Abgefallenen. Als Sieger
ber die Perser nennt Plinius14 Numenium ab Antiocho rege Mesenae prae-
positum. Er habe in einer See- und Landschlacht den Gegner am Naumachae-
orum promunturium geschlagen. Das zeigt, da damals die in der Persis
heimischen 3000 κάτοικοι bereits Oborzos zum Opfer gefallen, das Land von
der makedonisch-thrakischen Besatzung befreit war.
Man hat indessen geschwankt, ob Numenios' Doppelsieg unter Anti-
ochos III. oder IV. geh re16. Zuletzt16 hat man sich f r den ersten der beiden

9
Polyain. 7, 39 Σέλευκον.
10
Parker-Dubberstein, Babylonian Chronology (1958), 22: Antiochos III. starb
am 3. Juli 187.
11
Polyain. 7, 40.
ia
G. F. Hill, Greek Coins of Arabia, Mesopotamia and Persia 197f.; Ed. Meyer,
Bl te und Niedergang der Hellenen in Asien 34f.; E. Herzfeld, Paikuli 68f.; unrichtig
Th. Lenschau, RE. 17, 1739.
18
Zur Frage: H. Bengtson, Die Strategie der hellenist. Zeit 2, 54; 70f.
14
N. h. 6, 152.
18
Zum Folgenden F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2, 46 f.
*· W. W. Tarn, The Greeks in Bactria and India2 483 Anm. i.
1. CHRONOLOGIE DER FR TAD RA 377

entschieden, mit der Begr ndung, Numenios habe nicht Eparch Anti-
ochos' IV. sein k nnen, da damals Hyspaosines das Amt eingenommen habe.
Doch wird damit der berlieferte Wortlaut mi verstanden. Plinius, der sich
auf K nig luba's von Mauretanien de expeditione Arabica beruft17, sagt
ausdr cklich, dieser habe f lschlich den Spasines (Hyspaosines) als Satrapen
Antiochos' IV. bezeichnet. Hyspaosines ist denn auch durch eine Keilschrift-
tafel und seine M nzen auf 127 und 124/23 gestellt18. Sein Emporkommen
und die von ihm durchgef hrte Neugr ndung des ver deten Charax erfolgte
nach 129, also nach dem Untergang Antiochos' VII. Sidetes und Himerios'
Einsetzung als Regenten ber Babylonien19.
Es kommt hinzu, da unter Antiochos III. keine Eparchie Mesene be-
kannt ist. Polybios spricht von τη$ περί την Έρυθράν θάλατταν
(σατραπείας)w oder nennt του$ κατά την Έρυθράν Θάλατταν τόπους21.
Plinius82 kennt pagus Pe aeus als urspr ngliche Bezeichnung der Chara-
kene; Μεσηνή kommt erstmals bei Strabon vor23. Charax selbst lag damals
w st (flumina id oppidum expugnavere· Plinius), und erst Antiochus quintus
regum, also Antiochos IV. (Plinius z hlt Antiochos' III. 193 verstorbenen
Sohn und Mitregenten mit), dann Spasines Sagdodonaci filius, rex finiti-
morum Arabum, h tten die Stadt neu gegr ndet24. Der Name Mesene mu
dem zugeh rigen Landgebiet von einem der beiden Neugr nder gegeben
worden sein, und Numenius ab Antiocho rege Mesenae praepositus zeigt, da
es Antiochos IV. war.
Es blieb nicht bei Numenios' Unternehmen. Wie Antiochos IV. den er-
folglosen Versuch seines Vaters und Vorg ngers gegen die Tempel der
Elymais wiederholte26, so zog er auch pers nlich gegen die abgefallene
Persis zu Felde. lason von Kyrene wu te von einem mi gl ckten Angriff
gegen Persepolis2'. Da dieses nicht mehr bestand, mu Staxr, Nachfolgerin
17
Plin., n. h. 6, 141; vgl. 139; i VI.
18
F. G. Hill, a. O. CXCVI; Wei bach. RE. 15, 1090; N. C. Debevoise, A Political
History of Parthia 38!. mit weiteren Angaben.
19
Diod. 38, 2i; lustin. 42, i, 3; Poseidonios FGrHist 87 F 13.
10
5. 48. M-
n
5, 54. 12.
22
n. h. 6, 138.
w
Wei bach, RE. 15, 1082.
** Plin., n. h. 6, 138.
16
Gegen W. W. Tarn, a. O. 462f. und E. Herzfeld in: Arch ol. Mitt. aus Iran 4, 39
Anm. 2» mit Recht F. Altheim, a. O. 2, 37f.
" 2. Makk. 9. if.
378 BEILAGEN

und Sitz der Frätadära, gemeint sein27. Die weiteren Ereignisse bis Anti-
ochos' IV. Tod können hier beiseite bleiben.
Die Geschehnisse spiegeln sich in den Münzlegenden der Frätadära28.
Oborzos prägt als vxwbrz, Vahuburz. Gleich seinem Vorgänger bgdt, Bagdät,
nennt ersieh prldr' zy 'lh(y'), was man nicht als „Frätadära, der göttliche",
sondern als „Frätadära der Götter" übersetzen soll. Aber Vahuburz fügt
als erster davor prs, also pärs ein oder auch, unter Weglassung des schlie-
ßenden 'lh(y'): pr(s) br\f}. Damit ist pars birtä „Burg der Persis" und, wie
man richtig gedeutet hat, die „Perserstadt" Persepolis29, genauer: ihre
Nachfolgerin Staxr gemeint. Sie war Rückhalt der Abgefallenen und hatte
Antiochos' IV. Angriff getrotzt.
Bezeichnete sich demnach der erste Frätadära Bagdät nur als Priester30,
so erhob der zweite, Vahuburz, politische Ansprüche. Er vertrat die Persis
als wiedererstarkte iranische Macht. Von seinen beiden Nachfolgern behält
der erste prs regelmäßig, der zweite pr(s) br(t)' wenigstens teilweise bei31.
Man mag jenen mißlungenen Versuch, den Seiles unterdrückte, zeitlich
dem ersten Frätadära, Bagdät, gleichsetzen. Mit ihm kommt man in die
früheren Jahre Seleukos' IV., und zeitlich sowie ursächlich möglichst nahe
an Antiochos' III. Untergang in der Elymais heran: etwa 187—185. Dann
folgt Vahuburz, dem die Befreiung gelang. Seine Prägungen mit prs könnten
noch in Seleukos' IV. letzte Jahre oder in die ersten Antiochos' IV. fallen;
etwa 180—170. Die Nennung von pr(s) br(ty) war erst möglich., als Staxr
dem Angriff des Seleukiden getrotzt hatte: also zwischen 165, als dieser
seinen Zug gegen Osten begann, und seinem Tod 163.
Die Richtigkeit der Rechnung läßt sich von anderer Seite her kontrol-
lieren. Zuvor hatte sich gezeigt: das Nachbarland der Persis, die Elymais,
hatte sich 188, kurz vor jener (seit 187), gegen die Seleukiden aufgelehnt.
Wie es im Kampf gegen Antiochos III. um den Schutz der Heiligtümer
ging, so auch bei dem ersten Frätadära. Er trat als Priester seiner heimischen
Götter (prtdr' zy 'Ihy') und nur als solcher auf. Dann kam es 165 zum Zug
Antiochos' IV. gen Osten. Wieder mißlang der Angriff auf die Heiligtümer
27
E. Herzfeld, Archeological. History of Iran 45.
28
E. Herzfeld, Paikuli 68 f.
20
J. Wackernagel in: Glotta 14, 40f.
30
Nyberg-Schaeder, Die Religionen des alten Iran 406; K. Erdmann, Das iranische
Feuerheiligtum 20.
81
E. Herzfeld, a. O. 69.
1. CHRONOLOGIE DER FR TAD RA 379

der Elymais. An anderer Stelle82 wurde gezeigt, da der Sieger in diesem


Kampf, der „Schatzmeister" (elam. qa-ap-nu-iS-ki-ra) Kamnaskires I., sich
als Sieger und Begr nder einer national-elamischen Dynastie den Beinamen
Νικηφόρος zulegte. Kurz danach gelang auch der Persis, sich Antiochos' IV.
zu erwehren. Zwar erlitt man an der K ste Karmaniens eine Niederlage zur
See und zu Lande, aber Staxr hielt stand. Die Stadien des Kampfes spiegeln
die Pr gungen des zweiten Fr tad ra Vahuburz. Nach dem Sieg ber die
3000 κάτοικοι mag er prs auf seine M nzen haben setzen lassen, wie
denn auch in Polyainos' Bericht gegen ber den Περσών νεωτερίζοντες,
also einer Teilerhebung des Gesamtvolkes, zuerst unter Oborzos zwei-
mal Περσίς als geschlossene Gegebenheit erscheint. Dann lie der Abwehr-
erfolg von Staxr die neue „Perserstadt" oder „Perserburg" auf der Legende
erscheinen: pr(s) br(f) als j ngere und siegreiche Nachfolgerin von Perse-
polis, an der Alexander einst das national-hellenische Strafgericht hatte
vollziehen lassen.
Noch ein Letztes. Auf Vahuburz folgen nur noch zwei Fr tad ra, Ar-
taxsa$r und V tafrad t M . Dann brechen die Pr gungen ab, und an ihre
Stelle treten solche parthischen Stils und von Herrschern, die als arsa-
kidische Unterk nige den Titel mlk' tragen34. Auch die M nzen der elami-
schen Dynastie enden bereits mit Kamnaskires II.; wieder erscheinen solche
parthischen Stils36. Beide Staaten waren in die Katastrophe des Seleukiden
Demetrios II. (140) hineingezogen worden, auf dessen Seite sie sich gegen
Mithridates I. gestellt hatten36. Von der Unterwerfung der Elymais und der
Pl nderung ihrer Heiligt mer berichtet Strabon37. ber die Persis erf hrt
man nichts. Aber der Wechsel der Dynastie zeigt, da man gleichfalls unter
parthische Herrschaft kam. So hat die Herrschaft der Fr tad ra keine 50
Jahre gedauert. Wie die beiden ersten Mitglieder der Dynastie zwischen 187
und Antiochos' IV. Unternehmungen im Osten 165—163 anzusetzen sind,
so fallen die beiden letzten in jenen Zeitraum von zwei Jahrzehnten, der
mit dem Untergang der Dynastie 140 oder kurz danach abschlo .
32
R. Stiehl in: WZKM. 53 (1956), i^i.; i8f.
88
E. Herzfeld, a. O. 691.
34
G. F. Hill, a. O. Ct. XXIf.; E. Herzfeld, a. O. 69.
35
U. Kahrstedt, Artabanos III. und seine Erben 44 f.
36
lustin. 36, i, 4.
37
16, 744-
BEILAGE 2

ZWEI MODERNE FÄLSCHUNGEN

Ein angebliches Dekadrachmon des Vima Kadphises-KaniSka (Abb. 9 u. 10)


R. Ghirshman hat kürzlich ein münzähnliches Objekt aus dem Besitze
M. Azizbeglou's (Teheran) unter dem Titel „Un d6cadrachme Kouchan -
1
dit" veröffentlicht . Das Stück bildet für ihn eine wesentliche Stütze seiner
sowohl im genannten als auch in einem anderen Aufsatz* dargelegten
Theorie, der zufolge Kaniäka unmittelbarer Nachfolger des Vima Kad-
phises gewesen sei. Als dessen Vizekönig in Indien fällt er mit jenem namen-
losen Fürst zusammen, dessen Münzen mit dem Titel eines Soter Megas in
mehrere Typen und großer Zahl auf uns gekommen sind.
Ghirshman hatte früher3 ein Interregnum zwischen Vima und Kani§ka
angenommen. Er verwirft jetzt seinen ersten Ansatz. Vor der Veröffentli-
chung des Dekadrachmons hatte ich klargestellt, daß ein solches Interregnum
am numismatischen Befund keine Stütze findet4. Es käme demnach dem
sogenannten Dekadrachmon eine einmalige Bedeutung auch vom numis-
matischen Standpunkt zu, weil, was sich bisher nur durch sorgfältiges
Studium des Kontinuums großer Münzreihen wahrscheinlich machen ließ6,
durch den Fund eines einwandfreien Verbindungsgliedes zur Gewißheit er-
hoben und in der Formulierung wesentlich verfeinert worden wäre.
1
Mdlanges Louis Massignon (1937),
2
R. Ghirshman in: Cahiers d'histoire mondiale 3 (1957), 689!, besonders
3
R. Ghirshman, Bogram, Recherches archeOlogiques et historiques sur les Kou-
chans. Momoires de la Dotegation archoologique fran^aise en Afghanistan 12 (1946), 140.
4
R. Gobi, Die Münzprägung der Kusän von Vima Kadphises bis Bahräm IV. in :
Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957), 173 — 256, besonders 2371.
8
Ghirshman hatte zum Zeitpunkt der Drucklegung seiner beiden Aufsätze meine
Arbeit noch nicht in Händen.
2. ZWEI MODERNE FÄLSCHUNGEN 381

So sehr dies sachlich erwünscht sein möchte, so wenig vermag ich vom
numismatischen Standpunkt, der allein entscheidet, dem Stück jenen Rang
zuzuerkennen, den ihm Ghirshman aus begreiflichen Gründen einräumt. In
einem nach Erhalt der Arbeit aufgenommenen Briefwechsel habe ich
Ghirshman meine Bedenken mitgeteilt, wobei ich vorerst noch geneigt war,
dem fraglichen Stück den Charakter eines Medaillons zuzuerkennen*. Seither
hat mir genauere Untersuchung und die Heranziehung eines von Ghirshman
selbst genannten7 zweiten, wie sich herausstellte: Stempel-gleichen
Exemplares (Besitz A. L. Sandys-Wood8) ermöglicht, eindeutig die mo-
derne Fälschung zu erweisen. Ich kann den Werdegang dieser Erkenntnis
von da mals bis heute an Hand meiner Notizen nachweisen. Festgehalten sei
indessen, daß alles Entscheidende bereits feststand, bevor der Gipsabdruck
des Stü ekes Sandys-Wood eintraf. Dieses lieferte die willkommene Bestäti-
gung und ermöglichte, gewisse Beobachtungen schärfer zu fassen. Die beiden
Abbildungen* mögen dazu verglichen werden.
i. Das Dekadrachmon — auch wenn es echt, will sagen: ein zeitgenössi-
sches Erzeugnis wäre — ist in keinem Falle eine Münze. Die Bezeichnung
als Dekadrachmon trifft daher nicht zu. Es gab im griechisch-baktrischen
und griechisch-indischen Raum keine Dekadrachmen. Diese bildeten
zwar eine Nominalsorte der klassischen Mittelmeerwelt, die man aus Syrakus,
Akragas, Athen und dem ptolemäischen Ägypten kennt. Die Griechenkönige
Baktriens hingegen sind über Tetradrachmen nie hinausgegangen. Was die
KuSän betrifft, so haben sie niemals Silber, sondern nur Gold und Kupfer
geprägt10. Außerdem läge zwischen der Süberprägung des letzten baktri-
schen Griechenkönigs und unserem Stück ein Zeitraum von fast einem Jahr-
hundert u. All diese Einwände hat Ghirshman nicht erwähnt und wohl auch
nicht bei seinen Erwägungen in Betracht gezogen.

• Anfang Mai 1957; Antwort Ghirshmans vom 9. Mai 1957.


7
Brief Ghirshmans vom 9. Mai 1957 nannte als Quelle A. H. D. Bivar-Oxford.
8
Colin M. Kraay habe ich für Foto, Gipsabdruck sowie die Bekanntgabe des
jetzigen Standortes (Heberden Coin Room, Ashmolean Museum, Oxford), A. L. Sandys-
Wood (Hatfield College, Durham) für die Publikationserlaubnis zu danken.
* Zum besseren Vergleich wurde die Abbildung des Stückes Azizbeglou auf natür-
liche Größe gebracht, was (wie Photographen wissen) selten auf den Millimeter ge-
lingt. Jedenfalls entsteht der natürliche Eindruck, den Vergrößerungen eher verwischen
als betonen.
10
R. Gobi, a. O. 174 und 255.
11
Zuletzt wurde Hermaios mit Kujula Kadphises zusammen um 10 v. Chr. an-
gesetzt: A. Simonetta in: „East and West" 8 (1957), 44f.
382 BEILAGEN

2. Entscheidend ist, zumindest über bestimmte Toleranzen hinaus, auch


das Gewicht. Das Stück Azizbeglou wiegt nach Ghirshman 24,4 g. Brieflich12
verweist mich Ghirshman auf Angaben P. Gardners, der Drachmen Menan-
ders (!) mit einem Gewicht (umgerechnet) zwischen 2,138 g und 2,46 g
aufführt. Man braucht sich dabei nicht aufzuhalten. Vielmehr genügt,
eine beliebige Reihe baktrischer Tetradrachmen zu prüfen. Der bekannte
Katalog des Museum of Fine Arts in Boston18 nennt folgende Gewichte für
Tetradrachmen: Euthydemos I: 16, 50 und 16,55 g; Demetrios I: 16,17 g;
Euthydemos II: 16,89 g; Antimachos I. Theos: i6,8og; Eukratides I:
16,84g; I5,92g: !6,46g; Heliokles 16,93 g.
Damit ergibt sich ein Durchschnitt von 16,56 g für die Tetiadrachme
und dem entspricht eine Drachme von rund 4,14 g. Mithin müßte das Deka-
drachmon über 40 g haben. Auch mit Abnützung läßt sich eine Differenz
von 16 g nicht erklären. Nun beseitigt allerdings das Stück Sandys-Wood
jeden Zweifel. Es wiegt nämlich nur 13,9 g, also wenig mehr als die Hälfte
des Stückes Azizbeglou, von der Relation zu dem oben errechneten Soll-
gewicht eines angenommenen Dekadrachmon ganz zu schweigen.
3. Darstellungen sowie Legenden stehen für sich. Wie Prägungen Vimas
und Kaniskas aussehen, ist nachgerade bekannt. Ein Blick auf die Tafeln
der jüngsten Arbeit14, die erstmals die organisch-genetische Reihung
spiegelt, erweist auch für ein weniger geschultes Auge, wie sehr das ver-
meintliche Dekradrachmon aus dem Rahmen fällt. Da ist nicht nur das
nichtssagende, schlecht reliefierte Gesicht und ein undeutlich gehaltener
Ornat, da ist vor allem eine barbarische Schrift, die kaum auf dem gleich-
zeitigen und nachgeprägten Kupfer ihre Parallelen finden dürfte. Darüber
hinaus läßt sich weder im Avers noch im Revers jene Legende herauslesen,
die Ghirshman, a. 0.259, nachzeichnet und umschreibt16. Mißtrauen, von
Anfang an gegenüber dem Stück Azizbeglou bestehend, bestätigte sich an
dem Sandys-Wood's. Dieses zeigt, daß der Graveur keinerlei bestimmte
Legende zu geben beabsichtigte. Während Ghirshman für den Avers seines
Exemplars noch 25 Buchstaben voraussetzte, bietet das Vergleichsstück

12
Unter dem 9. Mai 1957.
18
A. B. Brett, Catalogue of Greek Coins, Museum of Fine Arts, Boston (1955)
295f., Nr. 2235f.
14
R. Gobi, a. O. Tf. 1—15.
15
Am Rande sei vermerkt, daß die Zeichnung S. 260 den Genitiv gibt, darunter
aber der Nominativ gesetzt ist, was nicht beabsichtigt sein kann, wie die Lesung der
Averslegende a. O. 259 zeigt.
2. ZWEI MODERNE FÄLSCHUNGEN 383

nur 20 bis 21. Darüber hinaus sind, wie man sich an Hand der Ab-
bildungen überzeugen kann, die Unterschiede des Vorhandenen von
Ghirshmanns Lesung so offenkundig, daß ich des Nachweises enthoben
sein dürfte.
Noch ein Wort über den Revers. Zunächst glaubte ich eine sitzende
Figur zu erkennen und faßte die Legende aksaras als Teile eines Thrones
samt Rückenlehne auf. Ghirshman erwiderte darauf, es handle sich um eine
Frage der Interpretation16. Auch hier hat das Stück Sandys-Wood jeden
Zweifel beseitigt, und hat überdies als Prototyp des Reverses einwandfrei
Tetradrachmen vom Typ Alexanders III. erwiesen. Auf ihnen finden sich so-
wohl der Thronsessel mit geschweiften Rückenlehnen als auch die zuge-
hörigen Fußknäufe, deren einer auf unserem Stück ungeschickt und zu hoch
angebracht ist. Kopiert wurde Spiegel verkehrt, wie so oft, da der Kopist
sich an das ihm vorliegende Stück hielt und an einen Negativabdruck nicht
dachte. Es handelt sich also um Zeus Aetophoros (dessen Adler deutlich
gebildet ist), und es ist nichts mit der Lanze oder mit einem Zepter, das ich
brieflich Ghirshman gegenüber17 angenommen hatte. Zeus auf dem Thron
ist ein überaus beliebtes Motiv, das in neueren Fälschungen auch an
anderer Stelle begegnet18. Nach alledem ist die Legende wohl auch
nichts anderes als ein freilich völlig mißverstandenes
.
Damit wäre die Behandlung abgeschlossen, würfe die Häufung ähnlicher
Fälschungen in letzter Zeit nicht ein ernstes Problem auf, und fänden nicht
diese minderwertigen Erzeugnisse immer wieder ihren Weg auch in führende
Sammlungen. Kürzlich hat K. Kraft neuere Fälschungen antiker Münzen
besprochen, und ein weiterer Aufsatz, meist mittelasiatische Typen be-
handelnd, wird in Kürze von mir erscheinen19. Es liegt nur zu nahe, daß
Fälscher sich um die Autorisation ihrer Erzeugnisse bemühen, indem sie
diese führenden Sammlern zuleiten. Demgegenüber muß immer wieder auf
Anzeichen hingewiesen werden, die den Fälscher verraten. Meist jedoch

" a. O.
17
o. O.
18
Erst kürzlich auf einer angeblichen Goldmünze, über die mein weiter unten er-
wähnter Aufsatz über Fälschungen antiker Münzen berichten wird.
19
K. Kraft in: Jahrb. f. Numismatik u. Geldgeschichte 8 (1957), 51 f., dazu Tf. V
u. VI; mein Aufsatz wird voraussichtlich im Frühjahr 1959 in den Schweizer Münzblättern
erscheinen und vorwiegend neuere Fälschungen mittelasiatischer Münzen aus antiker
Zeit behandeln.
384 BEILAGEN

pflegt die Fälschung dadurch zu Tage zu kommen, daß sie nicht in das System
paßt. Dies allerdings erschließt sich nur dem numismatischen Spezialisten,
dann aber eindeutig, wie im vorliegenden Fall20.

Das sogenannte Silbermedaillon Bahräms III. (Abb. n)


Unter dem Titel „A Sasanian Silver Medallion of Varhrän III" ver-
öffentlicht soeben S. Eilenberg1 aus eigenem Besitz das Bruchstück eines
nicht näher bestimmbaren Objekts. Es besteht aus zwei Lagen Silberblech,
wovon die obere eine getriebene Darstellung auf weist. Diese stellt das links
gewandte Brustbild Bahräms III. dar. Der Verfasser, selbst kein Fachmann
auf diesem oder einem benachbarten Gebiet2, hat für Lesung und Echtheits-
erklärung sich W. B. Henning verschrieben3. Meine brieflich geäußerten
Einwände* und mein Hinweis, daß Herzfeld, R. Vasmer und zuletzt ich die
vermeintliche Krone Bahräms III. als erste Narse's erklärt haben, hat
Eilenberg kaum zur Kenntnis genommen und in seiner Arbeit nur versteckt
erwähnt6.
Wiederum sprechen alle Anzeichen dafür, daß es um eine Fälschung
dieses Jahrhunderts geht. Läßt sich doch die Entstehungszeit ziemlich ge-
nau bestimmen*.
20
Die geäußerten Bedenken beschränken sich auf das Wichtigste. Es könnte auch
angeführt werden, daß die deutlich sichtbaren Buchstaben im Revers rechts außerhalb
des Perlenrandes, die das Stück Sandys-Wood nicht hat, ein Untergepräge vermuten
lassen. Allerdings müßte man dazu das Original kennen.
1
In: Ars Orientalis (1957), 487*·. pl· un ^ 2.
1
S. Eilenberg wirkt als Professor of Mathematics an der Columbia University in
New York.
3
S. Eilenberg, a. O. 487 Anm. 3 und Brief vom 8. April 1958: „he (Henning) read
the inscription, supplied the missing part and stated that there is no doubt whatever
about its genuineness". Die folgende Auseinandersetzung spricht somit vorwiegend zu
Henning.
4
Brieflich 10. 9. 1956 und 15. 4. 1958. Zum erstgenannten Datum war das Stück
noch nicht publiziert. Ich habe Prof. Eilenberg für das Foto zu danken, das den Tat-
bestand besser erkennen läßt, als seine Reproduktion.
5
Was soll der Hinweis Eilenbergs (a. O. 488 Anm. n) auf Herzfelds frühere An-
sicht besagen ? Herzfeld dürfte doch gewußt haben, warum er seine Ansicht revidierte.
• Der Ausdruck 'silver medallion' ist verfehlt. Der englische Sprachgebrauch meint
iamit, zumal bei solchem Titel, einen numismatischen Begriff. Man denkt in erster und
sinziger Linie an ein münzähnliches, geprägtes oder gegossenes Objekt, nicht an die
;benf alls als 'medallion* bezeichnete Rund- oder Ovalbilder der Plastik, Toreutik oder
VIalerei.
2. ZWEI MODERNE FÄLSCHUNGEN 386

Die Erkenntnis, daß es sich um kein sasanidisches Original handeln


kann, liefern zwei Disziplinen, in denen weder Eilenberg noch Henning zu-
hause sind, nämlich Numismatik und Kunstgeschichte7.
Die Inschrift gibt eine Herrschertitulatur, die ohne tieferes Verständnis
nach sasanidischen Münzen kopiert ist. Wäre dies Henning klar geworden,
dann hätte er den Versuch einer Lesung nicht mit einem Wort begonnen,
das zwar seiner Meinung nach das erste, in Wahrheit jedoch der Rest des
letzten Wortes ist. Wie nicht anders zu erwarten, muß man dort ansetzen,
wo man in üblicher Weise auf den Münzen zu lesen beginnt, nämlich links
vom Globus. Dann stellt sich der Text zwar anders als für Henning, dafür
aber im normalen Wortlaut dar:
mzdysn bgy wrhr'n ML (ICn MLICyySn Wn(y/n)
Es handelt sich demnach um die normale großkönigliche Legende, die
sich seit Hormizd I. auf Münzen findet und bald wieder verschwindet. Für
Henning bestand demnach kein Anlaß YHYW („vivat") zu lesen, wofür
überdies eine Bezeugung noch zu erbringen wäre. Die Photographic gibt
den Schriftbestand des Originals genau wieder: Hennings vermeintliches
H sind zwei Hasten eines einzigen Buchstabens: des Aleph von '»»(y/n).
Sein nyr'n ist mein 'yr'n,
Ein weiterer, durch nichts zu entkräftender Beweis kommt hinzu. Die
Legende endet links dort, wo sie nach dem auf den Münzen der sasanidi-
schen Frühzeit üblichen Schema meist durch das hereinreichende Brustbild
unterbrochen wird oder vorübergehend aufhört, um sich erst unter oder
rechts von ihm fortzusetzen: nämlich bei der ersten Hälfte des Wortes
MLIC, also bei ML· Diese Tatsache ist dem Numismatiker aus hunderten
von Stücken geläufig.
Der Fälscher übernahm die Trennung, wobei er für weit mehr als
(ML)ICn MLIC Platz ließ. Und doch bestand im vorliegenden Fall keinerlei
Notwendigkeit, das Wort MLICn in der Mitte zu teilen. Damit erweist sich
die sklavische Anlehnung an das numismatische Vorbild, das dem Fälscher
vorlag, und damit auch dessen Unvermögen, der Verzerrung des Münz-
rundes ins Oval auch hinsichtlich der Legendenführung Rechnung zu tragen.
Daneben erklärt sich auch, warum — vom Paläographischen einmal ab-

7
Natürlich kenne ich das numismatische Material besser als die übrigen Erzeug-
nisse sasanidischer Kunst. Doch haben mich die toreutischen Werke von jeher be-
schäftigt, vor allem in Zusammenhang der sasanidischen Kronen, wie meine Arbeiten
dies zeigen. Vgl. K. Erdmann in: Ars Orientalis 2, 488f.
25 Altheim, Hunnen I
386 BEILAGEN

gesehen — der Buchstabenkomplex in der rechten oberen Hälfte gleichfalls


nur ein Bruchstück der großköniglichen Titulatur ist. Was Henning die
Lesung erschwerte, hat sie mir erleichtert.
Kein prinzipieller Einwand kann gegen die Kopfwendung erhoben
werden. Die Münzbilder zeigen fast ausnahmslos die Wendung nach rechts8.
Hingegen treffen weitere Einwände den Ornat. Ohne der Beurteilung
von berufener Seite vorgreifen zu wollen9, möchte ich meine Bedenken —
es sind natürlich längst nicht alle —, wie folgt zusammenfassen:
Bei der Krone ist der Globus unrichtig wiedergegeben. Jene Falten-
i'ührung, die die Abbindung andeutet, läuft nicht, wie üblich, von dieser
Abbindung aus strahlenförmig auseinander. Sie hat vielmehr einen un-
gewöhnlichen und sinnlosen Wurzelpunkt im Oberteil. Seltsam, daß Eilen-
berg sich dem oberen Bindenpaar, das nach seiner Meinung Bahräm III.
besitzt, Narse hingegen nicht10, zuwendet, ohne der Rosette zu gedenken,
der man an einer solchen Stelle nicht begegnet. Die davor liegende unge-
wohnte und darum unerwähnt gelassene Kugel kommt hinzu.
Das Diadem endet in einem Knopf mit markierter Mitte. Auch dafür
sucht man vergeblich nach Parallelen. Die Zeichnung der Binden, unge-
wöhnlich und in sich uneinheitlich, entbehrt auch für ein weniger geschultes
Auge jener Eleganz der Linienführung, die in solchem Fall die früh-sasa-
nidische Formgebung kennzeichnet.
Physiognomisches mag beiseitebleiben, obschon die Aufzählung ikono-
graphischer Unstimmigkeiten nicht des Reizes entbehren dürfte. Hingegen
sind hinsichtlich der Haar- und Barttracht entscheidende Ausstellungen zu
machen. Der Bart ist stets mit einem angebundenen und mit kleinen
Schleifen verzierten kleinen Ballen abgeschlossen: hier fehlt er. Das Haar am
Hinterhaupt, sonst als sorgfältig gerollte Locken (curls) behandelt, ist zu
einem unförmigen Knäuel geworden.
8
Ausnahmen veröffentlicht in meinem „Aufbau der Münzprägung" des Sasaniden-
staates, bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat (1954), Tf. 23, 10: Drachme
Bahräms I. aus Slg. Azizbeglou (Teheran); eine unpublizierte Kupfer-Unit Säpürs
in meinem Besitz (von Prof. A. Gabriel-Wien, freundlichst überlassen); ein drittes
Stück (U/4 ?) eines Herrschers der kusän-sasanidischen Reihe, gleichfalls aus meiner
Sammlung, um nur einige Beispiele zu nennen. Doch will das bei der größeren Freiheit
der Kunstübung zunächst nichts besagen.
9
Man möchte das Urteil K. Erdmanns hören.
10
Obschon, wie Eilenberg (a. O. 488 Anm. 10) zugibt, Herzfeld, Erdmann und
ich — alle nach Originalen — sie gezeichnet haben.
2. ZWEI MODERNE FÄLSCHUNGEN 387

Endlich der „Ornat". Den Umhang, die unsymmetrische Ornamentik


der Bekleidung, dazu die Rosette an der linken Brust, die sich wie eine
moderne Ordensdekoration ausnimmt. ..: dies und mehr kritisch durch-
sprechen hieße Worte verschwenden. Die angeführten Kriterien gestatten
keinen Zweifel daran, daß es sich um eine Fälschung handelt. Und, wie
hinzugesetzt werden muß, um eine Fälschung, die wie keine zweite geeignet
ist, Verwirrung zu stiften. Kann sie doch schwerlich ohne Kenntnis des
wissenschaftlichen Streites um die Münzen Bahräms III. gefertigt sein.
Dieser Streit war durch R. Vasmer11, dem Herzfeld12 und, nach sorgfältiger
Materialprüfung, auch ich mich angeschlossen habe13, in ein entscheidendes
Stadium getreten. Meiner Meinung nach kann das vorliegende Stück nur
zu einer Zeit verfertigt worden sein, als darüber, ob es sich bei der palmetten-
losen Krone um die Bahräms III. oder um die erste Krone Narse's handle,
gestritten wurde. Das war um 1928. Dazu stammt die Angabe, daß jenes
Stück um 1930 aus Iran herüber gekommen sei14.
Der vorliegende Fall hat mit dem zuvor besprochenen dies gemein, daß
es sich bei beiden um Fälschungen handelt, die schwebende Streitfragen be-
nutzen, um das Interesse der Käufer zu wecken.
11
R. Vasmer in: Num. Chron., ser. 5, 8 (1928). 2491.; pl. XV—XVI.
12
E. Herzfeld in: Arch. Mitt, aus Iran 9 (1938), 112.
13
R. Gobi, a. O. 105 f.
14
S. Eilenberg, a. O. 487.
BEILAGE 3

PASIZ UND DAS SASANIDISCHE KUPFER

Vor kurzem hat W. B. Henning1 eine Zusammenstellung jener Zeugnisse


gegeben, die sich über die Kupfermünze pa&z und ihr Verhältnis zur Silber-
prägung, insbesondere zum dang (Obol)', äußern. Ob Henning alle Stellen
gebracht hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Er faßt sein Ergebnis, wie
folgt, zusammen2: „A precise definition of the value of a pa&z is not pos-
sible for the present. Of the Sassanian copper coins we know very little, and
literary references are few and indecisive."
Henning ist meine Arbeit über den Aufbau der sasanidischen Münz-
prägung unbekannt geblieben3. Dort hätte sich einiges Förderliche finden
lassen. Gerade wenn die literarische Überlieferung „indecisive" ist, sollte
man die Hilfe des Numismatikers nicht verschmähen. Das Versäumnis
sei hier nachgeholt.
Aus meinen Tabellen4 geht hervor, daß es drei AE-Nominalien gibt,
die zu Bedeutung gelangt sind: die Grundeinheit (Unit = U), ihr Viertel-
und ihr Sechstelstück. Die Ausprägung der U reicht von Ardaäer I. bis
Hormizd I. (?), wird also rasch eingestellt. Hingegen ist U/4 von Arda&er
I. bis einschließlich Säpür II. ziemlich lückenlos nachweisbar. Unter Säpür II.
findet eine Überschneidung von U/4 mit U/6 statt, woraufhin bis in die Re-
gierung Chusrö's II. hinein U/4 seitens U/6 abgelöst wird. Eine einzige U habe
ich noch unter Kaväo I. notiert, doch solche Einzelgänger dürfen unberück-
1
American Numismatic Society New York 1957, 231 f.; Additional Notes on the
Early Coinage of Transoxania II (gemeinsam mit R. N. Frye); der genannte Abschnitt
(236!) ist von W. B. Henning allein gezeichnet.
» a. O. 237.
8
R. Gobi, a. O.; das ist insofern erstaunlich, da die Arbeit seinem Mitarbeiter
R. N. Frye bekannt war, der sie im Central Asiatic Journal 2, 298 besprochen hat.
4
R. Gobi, a. O., besonders 99.
3. PASIZ UND DAS SASANIDISCHE KUPFER 389

sichtigt bleiben. Da, soweit ich sehe, die einzige und immer wieder
genannte Bezeichnung der Kupfermünze ist, kann sie nur U/4 oder U/6
meinen.
Durchsicht des bei Henning Aufgeführten läßt für einen Vergleich mit
dem numismatischen Bestand nur eine Auswahl aus den schon wenigen
Stellen übrig. Dabei wird nicht leicht auszumachen sein, welche zeitlichen
und örtlichen Gegebenheiten sie spiegeln. Denn das Verhältnis des Klein-
geldes zu den Hauptsorten, in unserem Falle Drachme (drahm) und Obol
(dang), ändert sich ständig. Man darf kaum erwarten, daß literarische An-
gaben und numismatische Tatbestände sich so zur Deckung bringen lassen,
wie man es aus heutiger Zeit gewohnt ist (die von Henning gegebene Über-
sicht bestätigt dies). Dennoch mag es gewisse Durchschnittskurse gegeben
haben, denn sonst wäre man kaum bei eingeführten Nominalien geblieben,
hätte vielmehr eine Gewichtsreduktion vorgenommen, und diese hätte als-
dann das Wechselverhältnis zu den früheren Stücken gewährleistet. Zu-
mindest hätte sie eine Umschlagsrechnung auch dann ermöglicht, wenn mit
der Waage gearbeitet wurde. Nun beziehen sich die von Henning ange-
führten Zeugnisse nur in wenigen Fällen auf die Sasanidenzeit. Es ist daher
auch schwer festzustellen, ob ein U/4, U/6 oder, wie ich eher glauben
möchte, beide Werte bezeichne.
Während die literarische Überlieferung nicht erlaubt, das Verhältnis
paStz: dang örtlich und zeitlich festzulegen, darf man von der Numismatik
her einen Versuch wagen.
Bekanntlich übernahmen die Sasaniden zunächst die arsakidische Tetra-
drachme. In Potin, einem überaus schlechten Silber geprägt, wurde ihre
Ausgabe kurz vor jener der U eingestellt. Eine U findet sich noch unter
Säpür II., die letzte Tetradrachme kenne ich jetzt von Bahräm II.6, wobei
ein späteres Stück noch ermittelt werden könnte. Vielleicht wurden diese
späten Tetradrachmen nicht mehr als solche genommen und setzten sich
noch kurz in der U fort, bis auch diese sich als unrentabel erwies. Vielleicht
auch wurde die Ausprägung der Großstücke eingestellt, weil deren Funktion
allmählich das kleine Silbernominal, der Obol (dang), übernommen hatte.
Der dang tritt immer mehr hervor und wird besonders unter Säpür II. sehr
zahlreich, der auch, wie oben bemerkt, U zum letzten Mal prägte. Der
Schluß liegt nahe, daß, nachdem sowohl Tetradrachme wie U sich von Anfang
5
Die Kenntnis verdanke ich H.-J. Kellner, München, in dessen Besitz sie sich
befindet.
390 BEILAGEN

als ungeeignet erwiesen hatten, beide Nominalien früh und noch vor der Ein-
stellung ihrer Prägung, zumindest inoffiziell, mit einem Obol (dang) tarifiert
wurden. Was besagt, daß aller Wahrscheinlichkeit nach vor und bis Säpür II.
der paSiz 1/4 dang, dann 1/6 dang in der Grobrechnung entsprochen hätte.
Die Stelle im 40. Kapitel des Frahang-i Pahlavik wäre daraufhin zu prüfen*.
Das Pärsi-Persische Glossar (W.B.Henning, a. 0.237; E. Sachau, Neue
Beiträge zur Kenntnis der Zoroastrischen Litteratur, 1871, 39 = 841) setzt
geradezu = 1/4 dang. Ein von Henning angeführter Vers des Sa'di
besagt, einen dang von einer Drachme oder einen -pa&z von einem dang zu
geben, sei Großzügigkeit. Nun ist das Verhältnis Drachme: dang stets i: 6.
Dies bedeutete entweder, daß der dang zur Drachme sich wie der paSiz zum
dang verhielt, also gleichfalls 1:6. Oder aber liegt, was nicht ausgeschlossen
ist, eine Steigerung vor, und sie kann — vorausgesetzt, daß sasanidische
Verhältnisse zugrundeliegen — nur mit i: 4 angenommen werden.
Es führen also literarische wie numismatische Zeugnisse übereinstim-
mend auf zwei Möglichkeiten, nämlich 1:4 und 1:6. Da die numismatischen
Grundlagen den Gebrauch von U/4 vor U/6 in direkter Ablösung erweisen
und die Einstellung der Prägung des Ganzstückes zeigt, daß dessen Funk-
tion von einem anderen Nominal übernommen wurde, dieses aber nur der
dang (Obol) gewesen sein kann, endlich, da die alten Teilverhältnisse zwi-
schen U und den Teilstücken auf den dang übergegangen sein müssen,
dürfte mit jener Sicherheit, mit der sich überhaupt so schwierige Verhält-
nisse beurteilen lassen, ausgesprochen werden, daß der pa&z in sasanidischer
Zeit vor und bis Säpür II. als 1/4 dang, nachher als 1/6 dang zählte.
6
Alle genannten Stellen bei W. B. Henning, a. O. 237!.
BEILAGE 4

ARAMÄISCHE IDEOGRAMME

Dura-Pergament 12

Anläßlich der Inschriften des Imru'ulkais von en-Nemära und des öa-
dima von Umm eg-gimäl (oben S. 151 f.) wird geraten sein, nochmals auf
die grundsätzlichen Fragen einzugehen, die mit den aramäischen Ideo-
grammen im Mittelpersischen und Parthischen gegeben sind. Ausgangs-
punkt sollen J. Harmattas (Acta Ant. Hung. 5, 1957, 261 f.) und unsere
(Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum, 1957, .) Behandlung des
Dura-Pergamentes 12 bilden. Während wir mit Entschiedenheit die Ansicht
vertraten, daß hier und sonst ostaramäische Bestandteile, dem Reichs-
aramäischen zur Seite, in den Ideogrammen begegnen, weiter, daß ähnlich
wie im Pergament von Avrömän, auch im Dura-Pergament 12 sich ein
intaktes aramäisches Verbalsystem erhalten habe, werden beide Thesen
von Harmatta mit gleicher Entschiedenheit bestritten.
Zunächst sei Harmattas Lesung wiederholt. In runde Klammern ist
gesetzt, wo diese nach seiner Ansicht zweifelhaft bleiben muß, während
eckige Klammern Ergänzungen bezeichnen.
1. MN tr(ytwn f L) rSnw hw(twy) S (L) M W-SRRT $GT (H)[W]$R(T)
L-MRyY
2. KD(M) hw(t}wy KTYT wspz(m)n §L(M) (YH}W(H][t] 'wgwn swg(wn)
(h)wtwy B-NP$H
3. YS](B)Ht KD(M) wykHWYt B-KRM* K(RY) [. b .. kn wsp SBW M H]
(hwt)wy.
392 BEILAGEN

Dazu die Übersetzung:


1. „From Hreoön to lord Rasn. Much bliss and strength I send to the lord.
2. Be the bliss unshakable with the lord at all times, in the way as the lord
himself
3. desires. In the vineyard called [... aj/an] all possessions of the lord are
in order".
Für seine Lesung verfügte Harmatta allein über die Abbildung, die wi r
in: Asien und Rom (1952) 73 Abb. i gegeben haben (hier Abb. 12). Er wieder-
holt diese Abbildung und ergänzt sie zur Verdeutlichung seiner Lesung
durch eine Umzeichnung (Tafel zu S. 264). Die zugrundeliegende Aufnahme
hat Harmatta sich nicht verschafft. Daraus ergaben sich für ihn eine Reihe
von Fehllesungen. Anstelle von umständlichen Beschreibungen seien Har-
mattas Umzeichnungen, die nach einer vergröbernden Autotypie vorge-
nommen wurden, die unseren gegenübergestellt, die auf der originalen Auf-
nahme beruhen. Dabei stehen auf Abb. 14 in der linken Reihe Harmattas
Lesungen, auf der rechten die unseren.
Das fünfte Wort der ersten Zeile liest Harmatta fyw(twy). Ein Blick auf
unsere Umzeichnung erweist, daß das zweite Zeichen z, nicht wl und daß
das vierte keinesfalls w ist. Im letzten Fall wird n durch den unteren, nach
rechts verlaufenden Querstrich gesichert, der in KYNYT2 (darüber sogleich)
wiederkehrt. Auch in B-NP$H 2 ist er auf der Aufnahme zu erkennen, in
den unteren Querstrich des B einlaufend. Sodann ist der kleine, nach rechts
umbiegende Haken links vom zweiten Zeichen des Wortes, wie immer er
gedeutet werden mag (unvollständig getilgter Rest einer vorangegangenen
Fehlschreibung?) keinesfalls die linke Längshasta eines t, auch nicht in
Harmattas Umzeichnung. Im Gegensatz zu ihm meinen wir, Vergleich mit
fyw(t)wy 2 bestätige nicht die vorgeschlagene Lesung, sondern schließe sie aus.
Es bleibt beiHZYNY „sieh mich"8.
1
Harmatta (a. O. 267!) argumentiert: „part of its shape may have disappeared,
hence the remaining marks of writing material admit of various interpretations",
Damit ließe sich fast jede Lesung rechtfertigen.
* Harmatta meint, die Deutung von ZBNW und MZBNW "has been hotly de-
bated" (a. O. 278 Anm. 36). Dagegen ist zu sagen, daß weder Nyberg noch Herzfeld
die Formen erklären konnten. Dasselbe gilt von H. H. Schaeder, Iran Beitr. i (1930),
39f.: Particip. Pass. Pa"el, mit Endung des Imperat. 2. Plur., glaubten wir nicht
eigens widerlegen zu müssen. Es ist uns unbegreiflich, wie man auf derartiges sich be-
rufen kann, nachdem wir die richtige Erklärung gegeben haben (Ein asiatischer Staat i,
230; Suppl. Aram. 65) und diese von E. Littmann als „glänzend" anerkannt worden ist
(Ein asiatischer Staat i, 293).
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 393

Das folgende Wort enthält als zweites Zeichen keinesfalls /. Gleichgültig,


ob der darüber befindliche, vom eigentlichen Zeichen getrennte Haken als
Riß im Pergament oder als Schreibspur zu bewerten sei: Verbindung mit
dem Zeichen darunter ist ausgeschlossen. Denn dieses ist an seinem Kopf
eingerollt, war also ohne Verbindung nach oben. Wiederum erweist Ver-
gleich mit dem in der zweiten Zeile stehendem §LM, daß die gleiche Le-
sung in der ersten ausgeschlossen ist. Unbegreiflich, daß sie überhaupt
erwogen werden konnte. Es bleibt bei $YM.
Harmatta wünscht indessen auch aus allgemeinen Gründen, an der
Lesung S(L)M i festzuhalten. Er meint, in der Eingangsformel müsse der
Gruß genannt werden, und dazu stimme, daß die Grußformel unseres Per-
gamentes in seiner Lesung mit der der ArSäma-Briefe übereinstimme (a. O.
278). Doch diese Argumentation übersieht Entscheidendes. Der Formel:
Slm w&rrt igy* hwSrt Ik bedient sich der Satrap ausschließlich in Briefen an
Untergebene. Auf unserem Pergament aber wendet sich ein Untergebener
an einen Höhergestellten. Er ersetzt Ik durch L- oder KDM hwtwy,
und statt des schlichten 'p tmh kdmyk Um yhwy (1,1) schreibt er in der zweiten
Zeile: „bei dem Herrn, unverrückbar für alle Zeiten, $LM möge sein.
Dieses (sei) so, wie der Herr es (wünscht)". Solch unterwürfige Form der
Umschreibung schließt aus, daß in der ersten Zeile einfaches $LM habe
stehen können, dessen knapp-herablassender Ton dem Untergebenen nicht
zustand. Für diesen schickte sich allein die Haltung dessen, dem befohlen
wird.
Dieses allgemeine Ergebnis stimmt aufs Beste zu den von uns vorge-
schlagenen Lesungen. HZYNY $YM hat man entweder als zwei Impera-
tive zu verstehen, die als Asyndeton im Bibl.-Aramäischen und im Syrischen
ihre Entsprechungen haben: „sieh mich (und) befiehl l", oder passivisch:
„sieh mich (und schon) ist befohlen". Daß sm in den Ar§äma-Pergamenten
immer ein Objekt haben müsse (J. Harmatta, a. O. 278 Anm. 35a), wird
durch , 5 zy mny sym widerlegt. Hier hat man überdies das passivische
Perfekt, das als zweite Übersetzung vorgeschlagen wurde.
Im Folgenden stimmen Harmattas und unsere Lesung überein: W-$RRT
$GY' H(W)$RT L-MR'Y ..und Festigkeit in Menge schicke ich meinem
Herrn". Auch in der Übersetzung von $RRT sind wir uns gegen B. Spuler
(Suppl. Aram. 104 Anm. 14) einig. Harmatta erörtert sodann die Frage,
ob bei der Umschrift des Ideogramms ^GY* oder $GY' vorzuziehen sei.
Anlaß dazu ist, daß wir W. B. Henning vorgeworfen haben, die zweite
394 BEILAGEN

Schreibung zeige seine mangelnde Kenntnis des Aramäischen (Suppl.


Aram. 102); vorsichtshalber schließt sich Harmatta der Schreibung $GY'
an. Wir fürchten, daß er unsere Äußerung nicht sorgfältig gelesen hat. Wir
stimmen mit Harmatta darin überein, daß bei dem Ideogramm $GY' es
lediglich eine praktische Frage sei, ob man s oder i schreibe. Unser Vor-
wurf bezog sich indessen nicht auf die Schreibung des Ideogramms, sondern
auf die Umschrift aus den aramäischen Texten der Arsäma-Briefe. Hier
geht es nicht um eine praktische Frage, sondern sgy' ist allein zulässig. Wir
bedauern, unsern Vorwurf Henning gegenüber aufrecht erhalten zu müssen,
um so mehr, als der gleiche Fehler in Symw BSOS. 13 (1949), 83 wiederkehrt.
Entscheidende Unterschiede bestehen zwischen Harmattas und unserer
Lesung der zweiten und dritten Zeile.
Das dritte Wort der zweiten Zeile, nach Harmatta KTYT, macht vom
Aramäischen her Schwierigkeiten. Harmatta übersetzt „inshakable", ent-
sprechend Hennings und unserem „unverrückbar". Er muß freilich zu-
geben, daß das Vorkommen des Wortes in der Inschrift von Paiküli nichts
ausgibt und daß im Aramäischen ein Wort gleicher Bedeutung nicht vor-
kommt (a. . 2 4 .). Soweit hat ihn unsere dahingehende Bemerkung Suppl.
Aram. 103 überzeugt. Indessen glaubt er, die Schwierigkeit lasse sich lösen.
Die Bedeutung des zugehörigen Verbum im Hebräischen sei „hämmern,
schmieden". Wörtlich heißt es: "If we take this as our basis, in the case of
the derived form KTYT the following semantic development may be
suggested: 'hammered' > cwell hammered' > 'strong, firm'. If this con-
jecture is adopted, we get a meaning that suits the context and is etymolo-
gically also satisfactory" (a. O. 285).
Nichts davon trifft zu. Im Hebräischen steht von altersher neben der
genannten Bedeutung die zweite „zerschlagen, zerstreuen". Lv. 22,24
kätüt ist „contusus (testiculos)". Das spricht schwerlich für die vorge-
schlagene Bedeutungsentwicklung. Ganz abgesehen davon, daß eine kon-
struierte Bedeutung, die auf Grund des Hebräischen angenommen wird,
für eine solche, die im Aramäischen gänzlich fehlt, nur im äußersten Not-
fall etwas beweist. Es liegt einfacher, als Harmatta annimmt. Wer dem
Ideogramm KTYT die Bedeutung „unverrückbar" zuweist, stützt sich
ausschließlich auf syr. kattttä „infixus" (C. Brockelmann, Lexic. Syriac.2
704 L). Er nimmt dabei an, daß k, wie üblich, in dem Ideogramm durch k
ersetzt ist. Dieser Ausweg ist freilich in unserem Fall versperrt. Denn
Dura-Pergament 12 hat den Ersatz von k durch k noch nicht vorgenommen,
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 395

wie K DM und das sechste Wort der dritten Zeile zeigt, das Harmatta KRY
liest (darüber unten).
Statt K T T haben wir KYNYT = kenati vorgeschlagen, Adverbium
zu syr. kenä „gerecht", vgl. jüd.-aram. kewänä „gerade, zuverlässig"
(Suppl. Aram. 103). Harmatta gibt zu, daß so gelesen werden könne, will
aber Syrisches in den Ideogrammen nicht anerkennen (a. O. 284). Uns steht
das Syrische für das Ostaramäische schlechthin, hier wie in anderen Fällen.
Nachdem im Pergament von Avrömän ZBNW und MZBNW (Suppl.
Aram. 65) sowie BRY (ebenda 71 f.), in Tang-i Sarvak myd', 'lh (ebenda 94;
97) und auf der Inschrift von Susa hztk (ebenda 100) als ostaramäisch aner-
kannt sind, kann ein ostaramäischer Bestandteil im Dura-Pergament 12
keine Schwierigkeit bereiten.
Eine weitere Schwierigkeit enthält (YH}W(H}[f\. Die Umzeichnung er-
weist einwandfreies YHWY HW. Aber nicht nur paläographisch, auch
grammatisch bestehen Bedenken gegen die von Harmatta vorgeschlagene
Lesung. Das Ideogramm lautet YHWt oder ohne Endung YHWH; angeb-
liches YHWH t ist Herzfeld zufolge (Paikuli 201 1.) „with doubtful -t".
Andererseits entspricht YHWY der Schreibung der Arsäma-Briefe (yhwy).
Alledem trägt Harmatta keine Rechnung (a. 0.286; 294). —· Auch wspz(mny)
hat zu bleiben, wie aus der Aufnahme ersichtlich ist. Harmattas wspz(m)n
ist eine Fehllesung: von m, n und y sind deutliche Reste vorhanden.
Zu Beginn der dritten Zeile ist Harmatta, wie dankbar anerkannt sei,
ein Fortschritt geglückt. Er liest YS](B)Ht, unter Berufung auf die par-
thische Fassung von Paikuli. Aber angebliches t ist vom Vorangehenden
durch Spatium getrennt. Auch ist es kein t, sondern der unregelmäßige,
unten geschlossene Kreis ist die Interpunktion, die man an dieser Stelle
erwarten muß. Also YS](B)H, eine korrekte aramäische Verbalform. Har-
mattas gelungene Ergänzung beweist demnach das, was er zu widerlegen
wünscht.
Folgendes K D (M) wyk ist Fehllesung, wie die Umzeichnung zeigt. Für
die Deutung wyk = vyäy läßt sich ohnedies schwerlich etwas Stich-
haltiges anführen (a. O. 289). Er bleibt bei dem von uns vorgeschla-
genen , wieder einer korrekten aramäischen Verbalform. Sie bestä-
tigt sich am Folgenden, wo Harmatta die zweite Verbesserung geglückt ist.
Freilich führt auch sie in anderer Richtung, als er annimmt. Er liest HWYt
und dann B (B-KRM', worüber sogleich). Dadurch ist unsere Lesung
HZYTK, wie wir zugeben, beseitigt. Ob indessen mit Harmatta HWYt zu
396 BEILAGEN

deuten ist oder HWYT als aramäische i. oder 2. Sing. Perf., kann nur die
Syntax entscheiden. HWYT „du bist gewesen" ist als Verbindung,
aus dem Syrischen bekannt. Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.8 233
§ 3°3 (letzter Abschnitt) führt ak d-Uai hwet „wie ich war" und ttaikön
waitön „ihr wäret" an. Diesmal hat man eine einwandfreie ostaramäische
Verbalverbindung.
Das Folgende ist erneut verlesen. B-KRM* steht nicht da, und auch von
K(RY) ist nur das erste Zeichen gesichert. Daß in jeder parthischen Urkunde
ein Weinberg erwähnt sein müsse (vgl. J. Harmatta, a. O. 289f.), halten
wir für unwahrscheinlich. Vorerst dürfte sich empfehlen, von einer Lesung
abzustehen.
Unbesprochen ist noch der Beginn der ersten Zeile. M N ... 'L ... ist
beiderseits zugestanden. Es sei verzichtet, zu den Eigennamen weitere Vor-
schläge zu machen. Statt Harmattas 'L rSnw würde man eher rSny erwarten.
Ohnedies liegt die Bedeutung des Pergaments weniger im Inhaltlichen als
im Sprachlichen. Da hat die erneute Nachprüfung entschieden, daß sämt-
liche Verbalformen aramäisch sind, teilweise ostaramäisch. Wir zählen
nochmals auf: HZYNY und $YM i, YHWY 2 und YSBH sowie
HWYT 3. Damit entfallen alle gegenteiligen Folgerungen Harmattas; ein
weiteres Eingehen auf sie erübrigt sich.
Seltsamerweise ist Harmatta mit keinem Wort auf die Stelle des
Fihrist i, 14, 4f. eingegangen, auf die wir ausdrücklich verwiesen haben
(Ein asiatischer Staat i, 249). An-Nadims Gewährsmann Ibn al-Mukaffa'
sagt von der Briefschrift, sie sei in der Sprache der siryämya al-awwala
geschrieben, welche die Leute von Bäbil (oder die des Sawäd: 13, 8) sprachen,
aber in der färistya gelesen worden. Hier wird der ostaramäische Dialekt
Babyloniens geradezu genannt, und wer hätte darüber Bescheid gewußt,
wenn nicht Ibn al-Mukaffa'! Seine Angabe hat sich am Dura-Pergament 12
bestätigt.
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 397

Die aramäische Fassung der Asoka-Bilinguis von Kandahar


Unfern von Kandahar hat sich im Frühjahr 1958 eine neue Inschrift
Asokas gefunden. Mit ihrem aramäischen Teil schließt sie sich den bereits
bekannten des Herrschers aus Taxila und Pul-i Daruntah (Laghman) an.
Unerwartet und bisher ohne Vergleich ist die griechische Fassung, die dies-
mal der aramäischen vorausgeht. Sie ist zwar nicht die erste griechische
Inschrift aus dem Gebiet des heutigen Afghanistan (in Surx Kotal hat sich
bereits ein griechischer Satz auf einer Inschrift gezeigt1), wohl aber die
älteste, und die Sprache des westlichen Eroberers unter den von Aaoka ver-
wendeten wiederzufinden, war in jedem Fall eine Überraschung.
Man wird den Herausgebern danken, daß sie derart rasch den Neufund
zu aller Kenntnis gebracht haben2. Die Behandlung des griechischen Textes,
der kundigen Hand G. Pugliese Carratellis anvertraut und mit G. Tuccis
Anmerkungen versehen, entspricht den Erwartungen, die man an eine
erste Veröffentlichung knüpfen kann. Das Folgende beschäftigt sich vor-
zugsweise mit dem aramäischen Teil. Er wurde von G. Levi Delia Vida be-
arbeitet, der sich der iranistischen Beratung A. Pagliaros bedient hat2».
Von vornherein stellen sich hier der philologischen Erschließung größere
Schwierigkeiten in den Weg. Es nimmt nicht Wunder, wenn diesen ins-
gesamt acht Zeilen mehr als die Hälfte der Abhandlung gewidmet ist. Eine
Nachprüfung erweist sich als unerläßlich.
Zunächst sei unsere Lesung gegeben. Dabei sind (zum Unterschied von
der Erstausgabe) nach der von uns im Supplementum Aramaicum8 befolgten
1
Zuletzt Altheim-Stiehl, Philologia sacra ( , 1958), 29!., mit Angabe
der Literatur.
1
G. Tucci, U. Scerrato, G. Pugliese Carratelli und G. Levi Delia Vida, Un editto
bilingue Greco-Aramaico di Aioka (Serie Orientale Roma XXI, 1958).
8a
L. D. V. bemerkt uns brieflich (unter dem 13. 10. 58): ,,a questo proposito vorrei
ripetere quanto ho giä detto nel mio articulo, ehe Pagliaro non deve esser ritenuto
responsabile dei miei errori, percho i suoi suggerimenti sono stati limitati e affrettati".
Im Übrigen war L. D. V. gütig genug, uns zu erklären, unsere Deutung sei ,,incom-
parabilmente migliore". Doch hat er nicht verschwiegen, daß er unsere Lesung WSYD
statt Z* R in Zeile 3 nicht anerkennt. Wir glauben diese Stellungsnahme eines füh-
renden Gelehrten im Interesse der weiteren Erörterung mitteilen zu müssen.
8
L. D. V. ist unser bereits 1957 erschienenes Buch unbekannt geblieben. Was er
zu den Inschriften von Mchet'a (a. O. 30 Anm. 2) und von Taxila (a. O. 18 Anm. i; 19
Anm. i; 21 Anm. i; 27 Anm. i) bemerkt, ist von uns bereits gesagt worden: Suppl.
Aram. 91.; 8if.
398 BEILAGEN

Weise die aram ischen von den iranischen Bestandteilen durch Kapita 1-
buchstaben geschieden. Von L. D. V. abweichende Lesungen sollen sp ter
begr ndet werden.
1. SNN ίο ptytw fBYD ZY MR'N prydrS MLK' K§T' MHK§T
2. MN 'DYN Z'YR MR" LKLHM 'N$N WKLHM 'dw§y HWBD
3. WBKL 'RK' W P Sty WP ZY ZNH BM'KL' LMR'N MLKy
WSYD
4. KTLN ZNH [L]MHZH KLHM 'N$N 'THHSYNN WZY
NWNY' 'HDN
5. 'LK 'NS~N ptyzbt KNMZY prbst HWYN 'LK 'THHSYNN MN
6. prbsty Whwptysty L'MWHY WUBWHY WLmzySty 'N$N
7. ΎΚ YSRHY HLKWT WL' ΎΤΥ DYN' LKLHM 'N$Y'
HSYN
8. ZNH HWTYR LKLHM 'N$N WTWSP YHWTR.
Es folgt ein kurzer Kommentar, der sich vornehmlich mit solchen
Stellen befa t, darin wir weitergekommen zu sein hoffen.
i. SNN ίο kann nicht besagen: „nelT anno 10". Schon die griechische
Entsprechung: δέκα ετών πλήρη[..]ων „compiutisi (?) died anni"
schlie t diese bersetzung aus. §NN l t sich als Bezeichnung der zeit-
lichen Dauer (Th. N ldeke, Kurzgefa te syrische Grammatik2, 1898, 181
§ 243) verstehen: „zehn Jahre lang". —· ptytw hat L. D. V. zutreffend als
paitita- „equalization of guilt and punishment" (vgl. Ars ma-Brief 13, 4
und G. R. Driver zur Stelle) erkl rt. Genauer handelt es sich um den Nom.
Sing. *patit (so zu schreiben, aus *pati-ita-}: wie stets, noch ohne Andeu-
tung der Epenthese. Die Feststellung des Casus wird f r die Deutung der
brigen iranischen W rter innerhalb der Inschrift bedeutungsvoll sein. —
K$T' MHK$T: L. D. V. schl gt zwei M glichkeiten vor. Als Paronomasie
gedeutet: „rettitudine diretta", w re das Partizip passivisch zu verstehen.
Oder man h tte K S T" als Objekt des diesmal aktiven Partizips zu fassen:
„egli dirige la rettitudine (o: avvera la verit )", wozu man a. O. 23 Anm.
vergleiche. Die griechische Wendung: ευσέβεια [ν εδ]ε[ι]ξεν l t allein
die zweite M glichkeit zu. — ZY ist f r L. D. V. Zeichen des Genetivs: ,,la
giustizia (o: conversione ?) di Nostro Signore". Doch ist ptytw von Z Υ
MR'N durch 'BYD getrennt, und eine genetivische Verbindung ber ein
trennendes Wort m te erst belegt werden. Es kommt hinzu, da *patUa-
weder „giustizia" noch „conversione" bedeutet, sondern „Begleich von
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 399

Schuld und Strafe, Schuldbegleich, Sühne" ^Chr. Bartholomae, Altirani-


sches Wörterbuch, 1904, 829). Ptytw ist also Folge jenes K^'P: der Schuld-
begleich geschieht, indem Gerechtigkeit geübt wird. Die vorgeschlagene
Übersetzung „fu fatta la giustizia di Nostro Signore ... secondo rettitudine
ben diretta" schiebt freilich „secondo" ein, das im aramäischen Text keine
Entsprechnung findet. Die Schwierigkeiten lösen sich, sobald man ZY richtig
versteht. Im Jüdisch-Aramäischen und Syrischen stellen dy und d, die
unserem ZY entsprechen, oft mit dem Hauptsatz eine lockere kausale Ver-
bindung her: dkiyb „weil geschrieben steht"; dyhbyt „weil ich gegeben habe"
(G. Dalman, Gramm, des jüdisch-palästinens. Aramäisch, 1894, 187 § 50);
f
morhön den . . . dmütä wä d-'etiä da-slihe, d-kulmeddem d-U wä Ihön d-gawwä
wä „ihr Leben aber war ein Abbild der Apostelkirche, da alles, was sie
hatten, gemeinschaftlich war" (Th. Nöldeke, a. 0. 287 § 366 B).Im Biblisch-
Aramäischen und in der Sprache der Papyri hingegen fehlt es an einer Ent-
sprechung. Zwar leitet auch da dy kausale oder erklärende Nebensätze ein,
aber stets handelt es sich um Relativsätze, die allenfalls kausale Färbung
aufweisen: we-kol habäl lä hisfkah beh di hemin b-eläheh „keine Verletzung
wurde an ihm gefunden, der (= weil er) auf seinen Gott vertraut hatte"
(Bauer-Leander, Gramm, des Biblisch-Aramäischen, 1927, 363). Die Sprache
unserer Inschrift zeigt demgegenüber eine jüngere Stufe, und dies wird sich
anderweitig bestätigen. Genug: man erhält einen sinnvollen Satz: „Zehn
Jahre lang wurde Schuldbegleich (Sühnung) vollzogen, weil (indem) unser
Herr .. . Gerechtigkeit übte".
2. MN 'DYN Z* R soll griechischem entsprechen. In
Wirklichkeit zeigt der Vergleich, daß Z' R nicht zum Vorangehenden
gehört. Zum Folgenden gezogen, erledigt es die von L. D. V. erwogene Alter-
native MD" „conoscenza" und MR" „malattia" zugunsten der letzten.
Daß man MR" als Objekt zu HWBD zu verstehen habe, läßt sich nur auf-
recht erhalten, wenn man ohne Beleg „malattia" als „male" deutet. „Seit-
dem (war) klein (nahm ab) Krankheit für alle Menschen" ergibt einen be-
friedigenden Sinn. — Das zweitletzte Wort der Zeile hat bisher allen Be-
mühungen getrotzt. Die Übersetzung „und alle Lebewesen vernichtete er"
wäre sinnlos. L. D. V. hilft sich, indem er entgegen dem Wortlaut vor
KLHM in der Übersetzung L einschiebt: „egli ha abolito il male per tutti
gli uomini e tutti gli esseri viventi (?)". Es sollte klar sein, daß mit der
Wendung WKLHM 'dwsy' HWBD die Abschaffung von etwas Feind-
lichem gemeint war. Avest. zaosa- ist „Wohlgefallen". Im Altpersischen
400 BEILAGEN

mu te das Wort *dau$a- lauten, wie mittelpers. d fak best tigt. *A-dau-
fya- ist „wer nicht gef llt", der „Un-liebe". Die Form *adau$y k nnte
Akkus. Plur. Masc. oder Neutr. sein. Ein altpersisches Wort neben avesti-
schen entspricht dem, was die Inschrift von Taxila bereits gelehrt hat
(Suppl. Aram. 15). Die bersetzung hat zu lauten: „und alles Unfreund-
liche beseitigte er (der K nig)".
3—4. L.D. V. zieht den Beginn der Zeile noch zur vorigen: „e in tutta la
terra e anche dapertutto (?)". Dann hebt er, nach Abschlu des Satzes von
Neuem an: ..E anche coloro ehe si occttpano". Doch unweigerlich m ssen
WP ... WP auf einander bezogen werden. WBKL 'RIC gut demnach,
vorangestellt und dadurch auch gedanklich vorweggenommen, f r zwei
Tatsachen, die im Folgenden durch doppeltes W P eingeleitet werden. Der
Gedanke daran, da dieses einem sonstigen 'P ... 'P „sowohl ... als auch"
(G. Dalman, a. 0.191) entspreche, liegt nahe. Im griechischen Text erwartet
man demgem κοί—καί, und in der Tat k me zum Vergleich mit unserer Stelle
am ehesten in Betracht: (4) καΐ πάντα (5) εύβηνεϊ κατά γήν καΐ άπ-
έχεται (6) βασιλεύς των εμψύχων Unter der Voraussetzung, da sich
beide Teile auch inhaltlich entsprechen, w re festzustellen, da die Ein-
wirkung des griechischen καί auf den Gebrauch von syrischem w, p und
w- p, die Th. N ldeke (a. 0.266 § 339) beobachtet hat, auf weit ltere Zeit
zur ckgeht. Da sie erstmals in einer Bilinguis erscheint, d rfte kaum
Zufall sein. —· Im Folgenden hat $TY Schwierigkeiten gemacht. Weder
avest. Sitay- „Wohnung, Wohnst tte" (Wb. 1709) noch altpers. Siy tay-
„Freude" (ebenda 1716!) wollen passen, und es hilft auch nicht, da
man dem ersten Wort die Bedeutung οίκουμένη verleiht (a. O. 22).
Die Lesung *apa$ty „oltre" hat mit Recht Pagliaros Widerspruch gefunden.
Avestischer Infinitiv S iti „sich freuen" (Wb. 1716) erm glicht die ber-
setzung: „und auf der ganzen Erde (war) auch Freude". Damit hat man die
gew nschte Entsprechung zu: και πάντα εύθηνεΐ κατά πασαν γήν des
griechischen Teiles. Aber auch im Folgenden best tigt sich die berein-
stimmung. — ZY ZNH als Plural „coloro i quali" wird niemanden ber-
zeugen. Wo w re ZNH als Plural bezeugt ? Hingegen hat man auf die Ent-
sprechungen zu achten. ZY wird aufgenommen durch WZY 4 und KNM
ZY 5, wobei beidemale 'LK entspricht. Zu jedem mit ZY eingeleiteten
Relativsatz geh rt ein Verbum finitum oder ein als solches dienendes Par-
tizip, dem im Hauptsatz dasselbe entspricht: (3) ZY ... (4) KTLN, ...
'THHSYNN. WZY... 'HDN, (5) 'LK 'N$Nptyzbt. KNMZY.. '. HWYN,
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 401

'LK 'THHSYNN. Zunächst handelt es sich um das Verständnis des ersten


der mit ZY eingeleiteten Relativsätze: „welche . . .töteten". Objekt dieser
Tätigkeit ist SYD „Jagdbeute, Wildbret". Denn statt des unbefriedigenden
Z' R, das L. D. V. gibt, ist WSYD zu lesen; s in der gleichen Form be-
gegnet in den Arsäma-Pergamenten, und der Unterschied von halbkreis-
förmigen 'Ain sollte deutlich sein. Voranstehendes W besitzt explanative Be-
deutung : Bauer-Leander, a. O. 264 r. Aus dem Syrischen ist ein ähnlicher Ge-
brauch bekannt: Zachar. Rhetor 98, 41. dkel den w-men saggiyütä d-hailä d-
rhömäye „es fürchteten sich aber (die Perser), nämlich vor der Zahl des Heeres
der Römer". Es wäre demnach unsere Stelle zu übersetzen: „welche das beim
Essen (Benötigte) für unseren Herrn den König, nämlich Jagdbeute,
töteten, (diese) für das Sehen aller Menschen": 'THHSYNN. Was bedeutet
dieses Verbum? Als solches des Hauptsatzes entspricht es KTLN im vor-
angegangenen Relativsatz. L. d. V. versteht KTLN als „participio plurale
col solito significato di indicative presente". Doch kann 'THHSYNN dies
keinesfalls sein, sondern, ob man wolle oder nicht, lediglich 3. Plur. Perf.
Gibt man dies zu, so besteht auch für KTLN, auch für 'HDN am Ende der
Zeile die gleiche Möglichkeit. Von L. D. V. wurde übersehen, daß dafür die
Bestätigung bereits erbracht ist. Die mittelpersischen Verbal-Ideogramme
haben, allgemein betrachtet, nicht nur imperfektische Form: TW N,
YBLWN, YHBWN, sondern auch perfektische. In diesem Fall lautet die
Endung entweder -wn = ün — 'SYLWN, BKYWN, DBLWN, HLKWN —
oder sie besteht nur aus einem Zeichen: jenem, das in der mittelpersischen
Buchschrift sowohl w wie n bedeuten kann. Es erhebt sich die Frage, ob
man in solchem Fall -ü oder ob man -ün mit defective-Schreibung zu lesen
habe. Also ZBNNtn oder ZBNWtn, THNNfn oder THNWtn, HYMNNsin
oder HYMNWstn. H. F. J. Junker in seiner letzten Ausgabe des Frahang-i
Pahlavik (1955), dem diese Beispiele entnommen sind, entscheidet sich für
-(ü}n. Dafür spricht, daß auch die Endung der imperfektischen Ideogramme,
bei denen doch nur -ün gelesen werden kann, die defective-Schreibung
-(ü)n aufv eisen. Aus dem Frahang sei YHSNN (H. F. J. Junker, a.O. 6)
angeführt, und jetzt tritt hinzu das Zeugnis der Synagogen-Inschriften von
Dura-Europos, die YMYTN, Y'TN, YHSNN schreiben (Altheim-Stiehl,
Philologia sacra. 2, 1958, 62; 65). Aber auch bei perfektischen
Ideogrammen zeigen diese Inschriften die Schreibung -(ü)n: HWHNd
(Nr. 48, 2 bei B. Geiger: The Excavations at Dura-Europos, Final Report
VIII i: The Synagogue, 1956, 308); SG]YTN (Phüologia sacra 65). Diese
26 Altheim, Hunnen I
402 BEILAGEN

perfectischen Ideogramme auf -(W)N besäßen demnach in 'THHSYNNnnd


möglicherweise in KTLN, ihre Vorgänger. Damit wäre eine typisch
ostaramäische Erscheinung innerhalb unserer Inschrift festgestellt. Die
Endung -ün der 3. Plur. Perf. ist weder für das Reichsaramäische der achai-
menidischen Zeit noch für das Biblisch-Aramäische bezeugt. Auch inner-
halb des Christlich-Palästinensischen begegnet es statt -ü nur ganz ver-
einzelt (F. Schultheß, Grammatik des christl.-palästin. Aramäisch, 1924,
62 § 139,1). Dagegen ist -ün im Targumischen, Syrischen und Mandäischen
heimisch. Die mittelpersischen Verbal-Ideogramme der genannten Art gehen
demnach auf ins Reichsaramäische eingedrungene ostaramäische Formen
zurück, und eine solche ist zumindest in 'THHSYNN unserer Inschrift
belegt. Daß solch ostaramäische Formen nicht vereinzelt stehen, ist längst
festgestellt (Suppl. Aram. 65; 72; 80 f.; 84 f.; 94; 97; 100; Phüologia sacra 67;
68). So wenig nun 'THHSYNN Particip sein kann, so wenig läßt sich die
Trennung *TH HSYNN durchführen. Denn wollte man von einem Plural
des Adjektivs hsyn sprechen, so bliebe doch 'TH „al singolare in funzione di
plurale" unerhört. Aber was wäre gemeint ? Die Deutung hat davon aus-
zugehen, daß in unserer Inschrift, vom Afel 'WSP abgesehen, nur Hafel
begegnet: 2 HWBD, 8 HWTYR, 8 YHWTR. Dann konnte statt eines
Ittaf al (*ifafal > ittafal) ein Ithaf al gesetzt werden, und ein solches läge
in *ithahsanün vor. Weiter wäre die „gratia aberrante con y dopo la seconda
radicale" zu erklären. Schon L. D. V. verwies darauf, daß in HWTYR die
gleiche Schreibung vorliegt, wenn sie auch, wie HWBD = höbed und das
Afel 'WSP = ösep zeigen, zuweilen fehlen konnte. Plene-Schreibung von
kurzem e und i ist im späteren Aramäisch nicht ungewöhnlich (G. Dalman,
Gramm, des jüdisch-palästinens. Aramäisch 53; F. Schultheß, Gramm, des
christlich-palästinens. Aramäsich 8; Suppl. Aram. 82), und im Mandäischen
ist sie regelmäßig durchgeführt (Th. Nöldeke, Mandäische Gramm., 1875,
3 Anm. i). Auch in den Verbal-Ideogrammen des Buch-Pehlevi begegnen
solche Schreibungen: YLYDWN = zätan, YTYBWN = niSasian. Auf
einer Inschrift des 3. vorchristlichen Jahrhunderts solcher Schreibung zu
begegnen, ist ebenso überraschend wie aufschlußreich. Das gilt um so mehr,
als das Hafel von ytr nicht *höter, sondern wegen des dritten Radikals r:
hötar lautet. Wenn gleichwohl HWTYR geschrieben ist, so muß y von
solchen Fällen her analogisch übertragen worden sein, in denen e im Hafel
gesprochen wurde. Dem entspricht einmal, daß auch im Jüdisch-Aramä-
ischen twtyr (2. Sing. Masc. Impf.) und nwtyr (i. Plur. Impf.) geschrieben
4. ARAM ISCHE IDEOQRAMME 403

wurde (G. Dalman, a. O. 258). Und dem entspricht, weiter, da auf unserer
Inschrift in 'THHSYNN die gleiche Schreibung vom Hafel *HHSYN =
*hahsen (wo sie legitim ist) auf die reflexive Stammform bertragen ist.
Auch dies l t sich nur analogisch verstehen, denn gesprochen wurde, wie
gesagt: *ithahsan n. \ls letztes, das noch zu er rtern w re, bleibt die Be-
deutung von 'THHSYNN. Nat rlich ist eine Ableitung von hsn „stark
sein", Af'el (Hafel) „st rken, sich bem chtigen", Ithafal also „sich st rken,
gest rkt werden" sinnlos. Das zeigen L. D. V.'s Versuche, mit dieser Be-
deutung durchzukommen. Denn da „coloro ehe vengono forti, o violenti"
eine Umschreibung f r „i cacciatori" = θηρευτοί der griechischen Fassung
sei, bleibt, wie L. D. V. selbst bemerkt, unwahrscheinlich. Das Richtige
braucht nur gesagt zu werden. Es liegt hsn Af'el „entw hnen" vor, im
Itpa"al und dementsprechend im Ithafal „entw hnt werden". Diejenigen,
die f r des K nigs Mahlzeit Wild get tet hatten, wurden vor aller Augen
dessen „entw hnt". "Οσοι Θηρευτοί ή αλιείς του βασιλέως, ττέτταυνται
Θηρεύοντες, hei t es im griechischen Text.
5. ptyzbt ist, wie L. D. V. gesehen hat, eine iranische Verbalform. Einzel-
heiten werden nicht angegeben. In Xerxes' daiva-Insdinit (XPh) findet sich
Zeile 38 patiyazbayam "I made proclamation". Damit l t sich an unserer
Stelle nicht durchkommen. Man mu avest. zav-, zb - (Wb. i6 7f.) hinzu-
nehmen. *Pati-zav- ist innerhalb des Avesta nicht belegt, aber angesichts
der Bedeutung von paiti- „gegen, entgegen, zur ck" (H. Reichelt, Awesti-
sches Elementarbuch, 1909, 271 § 532) kann das Part. Perf. Pass. *pati-
-zb -ta- nur hei en: ..zur ckgerufen, widerrufen, verboten". Auch der Satz
der Xerxes-Inschrift XPh 38 f. ut patiyazbayam: daiv m yadiyaiSa lie e
sich bersetzen: „und ich verbot: die daiv sollen nicht verehrt werden".
Nun zeigt 'LK 'N$N, da Plural vorliegt, und somit w re der Nom. Plur.
*patizb t im Auslaut defective geschrieben. Damit tr te diese Form in
Gegensatz zu ptytw = pattt und 'dwSy' = adauSy , darin der Casus unmi -
verst ndlich ausgedr ckt ist. Die defective-Schreibung kehrt in dem zweiten
iranischen Part. Perf. Pass, wieder, das diese Zeile enth lt: prbst anstelle
von *prbsf. Der Anla zu dieser Besonderheit ist darin zu suchen, da in
beiden F llen das Partizipium nach aram ischer Weise ein Verbum finitum
vertritt. Wie im Aram ischen das Wort in solchem Fall undeterminiert
bleibt, so hat man es auch mit den iranischen Partizipien gehalten und
darum auf die Schreibung der Casus verzichtet. Solche bertragung aus
dem Aram ischen auf das Iranische wird weiter unten sich bei mzySty'
26·
404 BEILAGEN

wiederholen. — prbst: Pagliaros Vorschlag, es zu avest. zband- „kranken"


zu stellen (Wb. 926), wird dadurch ausgeschlossen, da hier das Part. Perf.
Pass, bazda- (Wb. 926; 952) lautet. Es kommt allein lband- „binden", Part.
Perf. Pass, basta- in Frage. *Pari-basta- w re „ringsgebunden", und prbsty
ist das zugeh rige -fr'-Abstraktum. Zu lesen ist *pari-basti Instr. Sing.,
der zumal in j ngeren Texten bei hac steht und demzufolge bei dem be-
deutungsgleichen MN begegnet (das denn auch im Mittelpersischen Ideo-
gramm f r hac ist): H. Reichert, a. O. 276 § 549 zweiter Absatz; R. G. Kent,
Old Persian2 (1953) 212 r. Sp. unter 3; H. S. Nyberg, Handbuch des Pehlevi
(1931) 2, 90. Damit ergibt sich unter Ber cksichtigung dessen, was zuvor
ermittelt wurde, die bersetzung: „(4) und welche Fische fingen, (5) jenen
Menschen wurde es untersagt. Ebenso, welche gebunden waren, jene ent-
w hnten sich der Gebundenheit". Der zweite Satz lautet in der griechischen
Fassung: ει τίνες ακρατείς, ττέπαυνται της άκρασίας. Was f r den
Griechen Mangel an eigner Kraft ist, hei t dem Aram er Fesselung durch
die Triebe. L. D. V.s bersetzung lautete: „(2) E anche coloro ehe si
occupano (?) del pasto per il Nostro Signore il Re (4) uccidono poco,
questo affinche tutti gli uomini cacciatori e pescatori vedano (5) quegli
uomini proclamare cosi: coloro ehe sono insani (?), quelli cacciono". Auch
da prbsty von MN prbst nicht getrennt werden kann (L. D. V. schl gt es
zum folgenden Whwptysty), sollte keines Wortes bed rfen.
6—8. In 6 Whwptysty und WLmzy&y* hat L. D. V. iranische W rter
erkannt. Einen Hinweis verdient, da in mzy&y' der kurze Vokal der
zweiten Silbe plene geschrieben ist. H ufige Setzung der Matres lectionis y
und w, die den sp tarsakidischen Konsonantentext des Awesta kennzeichnet
(Suppl. Aram. 17f.; Philologia sacra 35f.), k ndigt sich in einem Einzelfall
an. Der Akk. Plur. mzySty' ist in seiner Endung ebenso geschrieben wie der
gleiche Casus in 'dwSy' = adauSy . Schwierig bleibt das Suffix -ya-. W h-
rend es bei adauSya- gerechtfertigt ist, bleibt es bei mazista- auff llig.
Immerhin darf man zum Vergleich auf jung-avest. zvm&ya- „der schnellste"
(altind. javistha-: Wb. 1691 f.) verweisen, und so mag eine j ngere Weiter-
bildung *mazi$tya- bestanden haben. Einer Bemerkung bedarf auch die
Bedeutung. Zweifellos entspricht maziSty ηαέϊη: των πρεσβυτέρων der
griechischen Fassung. Aber im Avestischen hei t maziSta-, masiSta- und im
Altpersischen ma&ista- nie der „ lteste", sondern stets der „Gr te"
(Wb. 1155; 1158)*. Also ist der Bedeutungswandel nach dem Semitischen
4
Eine Ausnahme k nnte soghd. m'sy „Greis" bilden: O. Hansen, Berliner soghd.
Texte II (Abh. Akad. Mainz 1954, J 5) 888f. Nr. 15 Zeile 5 — wenn es hierher geh rt.
4. ARAM ISCHE IDEOGRAMME 405

erfolgt: syr., j d.-aram. rabb , arab. kabir meinen den „Gro en" sowie den
„ lteren"; arab. al-akbar ist nicht nur der „Gr te", sondern auch der
„ lteste". —· hwpiysty ist keinesfalls Adjektivum. Taxila Zeile 6 wird man
hu-paty stay- zum g thischen Substantiv paify stay- „Wiederholung, Ein-
sch rfen durch Wiederholung" (Wb. 840f.) stellen (Suppl. Aram. 15). Wie
in 6 prbsty, ist hier in hwptysty = hupaty stl der Inst r. Sing, gemeint und
dementsprechend zu bersetzen: „und durch gute Ermahnung im Interesse
seiner Mutter und seines Vaters und der Vorfahren . . . (entsteht gute)
Zuteilung, und nicht ist Gericht". Es f llt einmal auf, da die Schreibung
'BWHY ein analogisch geb detes 'MWHY bewirkt hat. Weiter, da das
Suffix der 3. Sing. Masc. -hi bei Vater und Mutter erscheint, bei den Vor-
fahren fehlt. Das ist eine Besonderheit, die noch Ber cksichtigung erheischt.
— HLKWT' geh rt, wie L. D. V. gesehen hat, zu hlk „porzione assegnata",
syr. hlak „attribuit, distribuit" und ist nicht ohne Weiteres, wie syr. helk :
„destino". Da das Wort sonst nicht bezeugt zu sein scheint, darf man ver-
muten, es sei als bersetzung von g th. baga-, jung-avest. baya- „g nstiges
Los, Gl ck" geschaffen worden (vgl.HLKWNin = baxtan: H. F.J.Junker,
Das Frahang i Pahlavik 15). Es bleibt eingeschobenes ΎΚ YSRHY. Das
Suffix -hi zeigt, da die Verbalform als 3. Plur. Masc. zu verstehen ist. Also
yasser hl (Bauer-Leander, a.0.126h'). L.D.V.bemerkt: „pi corretto sarebbe
naturalmente 'yk zy ysrwhy". Zweifellos, doch das Reichsaram ische zeigt
in einer Form, die sich vergleichen l t: grky zu grh, was Bauer-Leander mit
jfr ki umschreiben (A. Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century B. C.,
1923, 43 zu Zeile 9). Hier liegt die gleiche defective-Schreibung vor. Weiter
zeigt Ahikar 37f. Imhzh 'yk yfbd „zu sehen, wie es getan w rde", da vor
einem kurzen, aber vollst ndigen Satz (wie auch im Syrischen: Th. N ldeke,
Kurzgef. syr. Gramm.2 286f. § 364 E) blo es 'yk m glich ist. „Wie sie ihn
banden": dabei ist Subjekt „Vorfahren", und das dort fehlende Suffix -hi
ist hier dem Verbum angeh ngt. Im griechischen Text entspricht: των
πρεσβυτέρων παρά τα πρότερον, abh ngig von ένήκοοι. Mit dem Genetiv
der Person konstruiert wie ακούω und ένακούω in den LXX, hat es gleich-
wohl πατρί und μητρί neben sich, was in beiden F llen nur Dativus com-
modi sein kann. Der Grieche hat demnach geschieden: „gehorsam im Inter-
esse von Vater und Mutter und (gehorsam) den Vorfahren gem dem Her-
gebrachten". Freier ausgedr ckt: man soll Vater und Mutter ehren, wie es
die Vorfahren geboten haben. Auch im Aram ischen k nnte eine hnliche
Scheidung vorliegen. H tte man Mutter, Vater und Vorfahren, alle mit L
406 BEILAGEN

eingeleitet und durch W verbunden, gleichstellen wollen, so hätte man auch


mzy&y' 'N$N das Suffix -hi angehängt. So aber hat man einen Nebensatz
eingefügt und dessen Verbum mit dem Suffix versehen. Hu-patyästay- ist
ein -fo'-Abstractum, das als solches zum Part. Perf. Pass, auf - - gehört.
Gleich diesem muß es ursprünglich passivische Bedeutung besessen haben:
„gute Ermahnung" war ursprünglich ein Ermahntwerden, ein Sich-Er-
mahnen-Lassen. J. Friedrich in: Archiv für Orientforschung 17 (1956), 124!
hat gezeigt, daß die passivische Konstruktion des Part. Pass, mit / kttt
„getötet [ist er] von mir" = „ich tötete [ihn]") aus dem Altpersischen
übernommen wurde (ima tya manä krtam „dies [ist], was von mir getan
[worden ist]"). Diese Übertragung aus der iranischen Syntax in die ara-
mäische scheint sich im Vollzug beobachten zu lassen. Denn es könnte in
unserem Falle hwptysty ... LmzySty 'N$N YSRHY bedeuten: „durch
gutes Ermahntwerden .. . seitens der Vorfahren, wie diese ihn gebunden
haben". Dort also ein Ermahntwerden einerseits hinsichtlich der Eltern,
hier ein solches seitens der Vorfahren gemäß deren überkommenem Gebot.
Im letzten Fall hätten sich demnach iranische und aramäische Wörter zur
passivischen Konstruktion der beschriebenen Art zusammengefunden. Be-
zeichnend auch, daß in der griechischen Fassung der Vater vorangeht,
während er in der aramäischen der Mutter folgt; daß 'N§N zu mzy&y' gleich
einem Determinativ hinzugefügt zu sein scheint; vgl. neupers. kühne merd
„ein Alter, ein Greis" (Hinweis 0. Hansen's). —· Das Folgende ist von
L. D. V. verlesen. Es muß heißen LKLHM statt KLHM, und das derart
gewonnene „für alle Menschen" (mit determinierter Form *N$Y' statt des
sonstigen *N$N) ist mit HLKWT zu verbinden, während WL' DYN'
eine Art von Parenthese darstellt. HSYN ist bereits von L. D. V. adverbial
(„molto", „fortemente") gefaßt worden.
8. Mit ZNH beginnt ein neuer Satz. Das syntaktische Verhältnis von
'WSP YHWTR bleibt unklar und ZNH kann hier so wenig wie sonst
pluralisch verstanden werden. Richtige Lesung bringt, was L. D. V. eine
„costruzione ingarbugliata" nennt, ins Lot. Man hat nicht WWSP, sondern
WY'WSP zu lesen. Diese ist sowohl auf der Aufnahme des Steins selbst wie
auf der des Abklatsches deutlich zu erkennen. Korrekt wäre *YWSP, nicht
Y' WSP. Aber in der Beibehaltung des Älaf hat man ein letztes Mal eine der
analogischen Schreib weisen zu erkennen, die zu vor in HWTYR, 'THHSYNN
und 'MWH entgegengetreten waren. Man erkennt demnach das Ver-
halten einer bestimmten Schreiberschule, und das wird einmal für eine Be-
4. ARAM ISCHE IDEOGRAMME 407

Handlung der Ideogramme in ihrer geschichtlichen Entwicklung (die als


dringendstes und n chstes Erfordernis bezeichnet werden darf) von Be-
deutung sein. Genug: Y'WSP YHWTR bilden eines der typisch aram i-
schen verbalen Asyndeta: „dies hat vermehrt f r alle Menschen und wird
hinzuf gen (und) vermehren". Im griechischen Teil entspricht: καΐ του
λοπτοΰ λώιον καΐ άμεινον, κατά πάντα ταύτα ποιοΰντε$, διάξουσιν
„auch in Zukunft werden sie besser und gl cklicher, indem sie gem alle-
dem handeln, leben". Kai του λοιπού ist nicht im Vergleich mit der Ver-
gangenheit gesagt (wie der Bearbeiter des griechischen Teiles, ohne Kenntnis
der aram ischen Fassung, annehmen konnte), sondern im Hinblick auf die
Gegenwart, die, wie es Zeile 5 hei t: εΰθηνεϊ1.
Zum Schlu sei unsere bersetzung und, zum Vergleich, der griechische
Text gegeben:
1. „Zehn Jahre lang wurde S hne vollzogen, indem unser Herr, der K nig
Priyadars Gerechtigkeit bte.
2. Seitdem schwand Krankheit f r jedermann, und alles Unfreundliche be-
seitigte er (der K nig).
3. Und in aller Welt sowohl (war) Freude als auch wurden (die), welche das
beim Essen (Ben tigte) f r unseren Herrn den K nig, n mlich Jagdbeute,
4. t teten, vor aller Augen entw hnt. Und welche Fische fingen,
5. diese Menschen wurden (dessen) verwiesen. Desgleichen (wurden die),
die (von den Trieben) gefesselt waren,
6. der Fesselung entw hnt. Und durch gute Ermahnung hinsichtlich seiner
Mutter und seines Vaters und seitens der Vorfahren,
7. die ihn verpflichteten, (entsteht) Gl ck — und nicht ist Gericht — f r
jedermann kr ftig.
8. Dies hat vermehrt f r jedermann und wird hinzuf gen (und) vermehren".

ι. δέκα ετών πλήρη [ ]ων βασι[λ]ευ$


2. ΓΤιοδάσσης ευσέβεια [ν εδ]ε[ι]ξεν τοΐ$ άν-
3. θρώποι$, καΐ από τούτου εύο-εβεστέρους
4· τοϋ$ άνθρώπου$ έποίησεν καΐ πάντα
1
Inzwischen ist die neue Bearbeitung unserer Inschrift durch D. Schlumberger,
L.Robert, A. Dupont-Sommer und E. Benveniste in: Journal Asiatique 1958, i f.
erschienen. Wir werden darauf in unserem kommenden Buch „Aram ische Ideo-
gramme" eingehen.
408 BEILAGEN

5. εύθηνεΐ κατά ττασαν γη ν και άπέχεται


6. βασιλεύς των εμψύχων και οί λοιιτοι 5έ
7· άνθρωποι και δσοι θηρευταϊ ή αλιείς
8. βασιλέως πέπαυνται θηρεύοντες* κα[1]
9· ει τίνες ακρατείς, πέπαυνται της ακρα-
ίο, σίας κατά δύναμιν, και ένήκοοι ττατρί
ιι. και μητρι καΐ των πρεσβυτέρων τταρά
12. τα ττρότερον και του λοιττοΰ λώιον
13 · και άμεινον κατά πάντα ταύτα
14- ποιοϋντες διάξουσιν.

3.

Folgerungen

Nochmalige Untersuchung des Dura-Pergaments 12 und das neu hinzu-


getretene Zeugnis der Asoka-Bilinguis von Kandahar haben nach doppelter
Richtung bisheriges Wissen erweitert. Sie haben gezeigt:
a) da man noch bis ins 3. nachchristliche Jahrhundert aram ische
Verbalformen und aram ische Pronominalsuffixe in voller Funktion ver-
wandte — statt der Verbalmasken mit iranischer Endung und der mit
erstarrten Suffixen versehenen Substantive. Dadurch wird der Versuch, den
Beginn aram ischer Ideogramme m glichst fr h anzusetzen, noch bedenk-
licher, als er es ohnedies ist.
b) da die j ngeren (ostaram ischen) Formen, die von uns in aram i-
schen Texten wie Avr m n und Mchet'a beobachtet wurden, bereits um die
Mitte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts auftreten. Die Behauptung, da
Ostaram isches in den Bestand der Ideogramme eingedrungen sei, empf ngt
dadurch neue Best tigung.
Beide Folgerungen stehen in ausgesprochenem Gegensatz zu den Auf-
stellungen, die W. B. Henning in seinem Beitrag „Mitteliranisch", insbe-
sondere in den Abschnitten ber die Entstehung des Ideogrammsystems im
Handbuch der Orientalistik 4 (1958) vorgetragen hat. Es scheint geraten,
vor unkritischer Benutzung des dort Gesagten zu warnen.
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 409

Vorauszuschicken ist: H. datiert die Schreibung eines altpersischen


Textes in aramäischer Schrift zu spät, den Beginn der ideographischen
Schreibung zu früh. Beides hängt zusammen, insofern H. die Ergebnisse
der geschichtlichen Forschung nicht berücksichtigt.
Ausgegangen sei vonH.s wichtiger Fest Stellung (für die er sich auf eigenen
Augenschein beruft: S. 24), daß auf der aramäisch geschriebenen, aber spät-
altpersisch oder frühmittelpersisch abgefaßten Inschrift vom Grab Dareios' I.
in Naks-i Rustam der Name slwk vorkomme (bei E. Herzfeld, Altpersische
Inschriften, 1938,12 Abb. 6 Zeile 4 ist es das zweite Wort; auch auf Taf. IV
läßt es sich erkennen). H. deutet diesen zutreffend als Seleukos, und zwar
den ersten König des Namens, der bis 280 regiert habe. Er vermutet in-
dessen, die Inschrift könne erst unter dem Nachfolger, Antiochos I. Soter
(280—262/61), gesetzt worden sein. Jedenfalls gehöre sie in die erste Hälfte
des 3. vorchristlichen Jahrhunderts.
Man ist für die Lesung auf H.s Angabe angewiesen. Wenn sie zutrifft,
wenn also der Name sich ohne weiteren Zusatz findet, so sind damit zwei
Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen. Einmal, daß die Inschrift
nach Seleukos' Ableben gesetzt wurde. Denn dann müßte dieser den Kult-
namen tragen, der ihm nach seinem Tod verliehen wurde. Daß
dieser Kultname in Iran und Nachbarschaft besondere Bedeutung besaß,
könnte H. aus der Erörterung über seine Lesung Nikätör-auwänä (Paiküll)
wissen: W.B.Henning in: BSOS. 14 (1952), 52of.; Altheim-Stiehl in:
Südostforschungen 15 (1956), 80f.; Acme 8 (1955), 23f.; Wissenschaftl.
Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig 6 (1956/57), 195f.; Philologia
sacra 67 Anm. i. Wenn in Ortsnamen des medisch-babylonischen
Grenzgebiets vorkommt, durfte er in Naks-i Rustam nicht wegbleiben.
Es fehlt indessen nicht nur der Kultname, sondern (immer vorausge-
setzt, daß auf H.s Mitteilung Verlaß ist) auch der Königstitel. Also mußte
die Inschrift vor 306/05 gesetzt sein (Parker-Dubberstein, Babylonian Chro-
nology, 1956, 20). Schließlich kann diese nicht höher als 312, das Jahr der
Rückkehr Seleukos' in seine Satrapie Babylonien, hinaufgehen. Denn vor-
her hatte sich Seleukos' Befugnis nicht auf Medien und die Persis erstreckt.
Erst die Besiegung Nikanors schuf die Voraussetzung dafür. Die Inschrift
410 BEILAGEN

ist also zwischen 312 und 306/05 gesetzt. Sie fällt nicht in die erste Hälfte
des 3., sondern ins letzte Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts.
Anwendung des aramäischen Alphabets geht somit auf achaimenidische
Übung zurück. Solcher Folgerung sucht sich H. mittels einer allgemeinen
Betrachtung zu entziehen. Er meint, der kühne Versuch, vom herkömm-
lichen Aramäisch loszukommen und die eigene Sprache mittels aramäischer
Zeichen zu schreiben, sei „dem belebenden Einfluß griechischen Geistes" zu
verdanken (S. 25f.). Damit stand es zur angegebenen Zeit freilich mißlich.
Denn 316 hatte die Beseitigung des perserfreundlichen Satrapen Peukestas
und die Hinrichtung eines Vorkämpfers des persischen Adels gesehen (Diod.
19,48,5; vgl. F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 271); der ersteVersucheiner
nationalen Erhebung war blutig unterdrückt worden. Es kommt hinzu, daß
Zarathustras Verkündigung in ihrer originalen Sprache1 mittels des ara-
mäischen Alphabets damals längst aufgezeichnet war (Suppl. Aram. 17f.).
Das zeigen die avestischen Wörter der Inschrift von Taxüa, zu denen die
der Bilinguis von Kandahar hinzugetreten sind. In der sparsamen Setzung
der Matres lectionis und im Fehlen der Schreibung des ä durch Älaf führen
sie in jedem Fall auf achaimenidische Zeit. Denn nicht nur in Naks-i Rus-
tam, auch innerhalb der aramäischen Papyri (hmr'n 81,16 Cowley) begegnet

1
Bei dieser Gelegenheit sei auf die seltsame Wanderung hingewiesen, die für H.
das Avestische auf der Sprachenkarte Irans zurückgelegt hat. Da wurden zunächst
Übereinstimmung mit dem Soghdischen und mit den heutigen ostiranischen Mundarten
vermerkt. Daraus glaubte H. den Ort entnehmen zu können, der der Sprache Zarathu-
stras und seiner Nachfolger zuzuweisen sei: Transactions of the Philol. Soc. 1942
(ersch. 1944), 49f. Doch ließ sich die Ansicht nicht halten: die Soghdizismen des Avesta
gehörten einer jüngeren Umschrift des Textes an. Darüber F. Altheim, Literatur und
Gesellsch. 2, 201 f.; O. Szemerdnyi bei F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum
153 f. Mit dem Büchlein „Zoroaster. Politician or Witch-Doctor" (1951) tauchte bei
H. eine neue Ableitung auf. Diesmal war das Chwärezmische des 13.—14. Jahrhunderts
zum unmittelbaren Nachfolger des Avestischen erhoben (a. O. 43f.; 45). Auch diese
Ansicht wurde widerlegt: Altheim-Stiehl in: Parola del Passato 20 (1951), 322 f.; Suppl.
Aram. 23f. Wieder mußte aufgegeben werden: nach neuester Fassung hat das Chwärez-
mische lediglich „einige Züge" mit dem Avestischen gemein (Handbuch der Orienta-
listik 4, 114). Dafür wird jetzt, wenige Seiten zuvor (S. 99), von „einem einst vielleicht
in Slstän beheimateten Fortsetzer der avestischen Sprache" geredet. Zuversicht-
lichkeit der Behauptung ist gewiß nicht mehr die einstige. Doch dafür war bei den
beiden ersten Fassungen eine Begründung wenigstens versucht worden. Die neueste
Wende indessen kennzeichnet sich dadurch, daß auch von diesem Versuch ab-
gesehen ist.
4. ARAM ISCHE IDEOGRAMME 4H

jene Schreibung erst in nachachaimenidischer Zeit. Es sei daran erinnert,


da die zarathustrische berlieferung bereits Zarathustras Sch ler und
Schwiegersohn Jam sp die erste Aufzeichnung zuwies.
Nun zu den ltesten Ideogrammen, die H. ermittelt zu haben glaubt.
Auf einer M nze der dritten Serie der persischen Fr tad ra findet sich
die Legende: fryw MLK' BRH wtprdt MLK „Dareios der K nig, Sohn
Autophradates' des K nigs". In BRH statt BR sieht H. ein Ideogramm,
und dieses f hre bereits ins 2. vorchristliche Jahrhundert.. Das erste ist
richtig, das zweite nicht. Denn die von H. zugrundegelegte Chronologie der
Fr tad ra ist berholt. Es wurde gezeigt (R. Stiehl oben S. 378f.), da die
ersten Pr gungen der Dynastie in die achtziger Jahre des 2. Jahrhunderts
fallen. Wenn demzufolge diese Pr gungen um volle siebzig Jahre herab-
gesetzt werden m ssen, dann auch die folgenden Serien um mindestens die
gleiche Spanne. In Wahrheit wei man berhaupt nicht, wohin sie zeitlich
geh ren. Als geschichtlicher Ansatz mu BRH ausscheiden.
Was H. sonst zur St tzung seiner Datierung anf hrt, erweist sich ent-
weder nicht als gesichertes Ideogramm oder f llt in weit sp tere Jahre. Da
ist die soghdische M nze mit der Legende kbst MLK'. Will man den Namen
mit Kadphises zusammenbringen (wie H. dies auf Grund eines bisher nicht
belegten Lautwandels vorschl gt: S. 26 Anm. i), so f hrt auch diese Ver-
bindung keinesfalls in die gew nschte Zeit: ans Ende des 2. Jahrhunderts.
Kujula Kadphises geh rt nach A. Simonettas Ansatz (in: East and West 8,
1957, 44f.) um das Jahr 10 v. Chr., Vima Kadphises in trajanische Zeit
(R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Sp tantike 236f.). Auch
f r die Pr gungen der A- und B-Serien ist ein zeitlicher Ansatz nicht vor-
handen. In der Legende M R'Υ sw . . . sei das erste Wort zweifellos Ideo-
gramm, meint H. Doch er vergi t, da MR'Y und das entsprechende MR'N
in den Elephantine-Papyri und den Ars ma-Pergamenten, in den Inschriften
von Taxila, Kandahar und Tang-i Sarvak begegnen; dieses hat berdies
rb'ny erbracht. berall handelt es sich um aram ische Texte, und von Ideo-
grammen kann nicht die Rede sein.
Als Ideogramm d rfte h chstens MLK' bezeichnet werden, wenn die
Legende einer M nze der B-Serie MLK' twhr von H. richtig als „K nig der
Tocharer" gedeutet ist (S. 26). Aber auch diesmal ist ein genauer Zeitansatz
nicht m glich. Und es bleibt offen, ob nicht einfach „K nig Tocharos"
gemeint ist. Strabon 517 nennt την τε Σαραόστου καλούμενη ν καΐ
την Σιγέρδιδος βασιλείαν. Er meint damit den K nig von Sur stra
412 BEILAGEN

(Kathiawar) und der Landschaft Sigerdis, die sich von Sigerus südlich von
Barygaza (Plin., n. h. 6, ) nicht trennen läßt. Er spricht auch vom König
Pah'bothros (702) und meint den Maurya, dessen Hauptstadt Pätaliputra
war. Hinzuzufügen ist der König Taxües, der bei den Alexanderhistorikern
begegnet. Es ist kein anderer als der König von Taksa&la, dessen wahrer
Name Ambhi war (W. W. Tarn, The Greeks in Bactria and India2147; 150;
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens i, 324f.). Der Gebrauch ist bei griechi-
schen Autoren belegt, geht aber zweifellos auf die Einheimischen zurück,
aus deren Mund man die Namen hörte.
H. beruft sich sodann auf die Ostraka von Nisä und das Pergament von
Avrömän. Wiederum indessen gründet sich seine Annahme auf grammati-
sche Mißverständnisse.
In Nisä ist das einleitende BHWT' von I. N. Winnikow (in: Westnik
drewnej istorii 2/1954,116) als Fehlschreibung für häbitä „großes Tongefäß"
erklärt worden. Dies überzeugte um so mehr, als die Ostraka in einem mit
gefüllten Lagerraum zutage kamen und überdies noch gezeigt werden
konnte, daß die Ostraka ursprünglich als Etikett für jene dienten. Un-
begreiflich, daß H. eine andere Deutung als die Winnikows auch nur er-
wägen konnte. Noch unbegreiflicher, daß H. in der wiederkehrenden Wen-
dung BHWT' ZNH MN KRM' 'bzbry . . . das maskuline Demonstrativum
ZNH auf das vorangehende Femininum bezieht und der vermeintlichen
Inkongruenz entnimmt, bei ZNH handele es sich um ideographische Ver-
wendung. Zu übersetzen ist: „imidOos (ist) das (im Folgenden aufgeführte)
vom steuerfreien Weinberg". Gemeint ist der Ertrag, und ZNH ist hier sub-
stantivisch gebraucht wie Zeile 3 der Bilinguis von Kandahar: ZNH BM'KU
LMR*N MLK' „das beim Essen (Benötigte) für unseren Herrn den König".
Der substantivische Gebrauch von begegnet bei dem entsprechenden
jüdisch-aramäischen dnh neben dem adjektivischen, und im palästinensi-
schen Talmud wird dieses Demonstrativum ausschließlich substantivisch ver-
wandt (G.Dalman, Grammatik des jüdisch-palästinens. Aramäisch 82 §17, 9).
Im übrigen ist auch H.s Lesung und Deutung des letzten Wortes in der
zuvor angeführten Wendung, das er 'bybry liest, unrichtig: Suppl. Aram. 57 f.
Mit angeblich femininem ZNH entfällt der einzige Beweis einer Ideogramm-
schreibung für Nisä: es bleibt dabei, daß es sich um aramäische Texte handelt.
Eine zutreffende Beobachtung wird allerdings H. verdankt (S. 28).
Ideographische Lesung als HN'Lt lehnt er mit dem Hinweis ab, daß dieses
„angesichts des kurz darauf folgenden HYTY ,er hat gebracht' nicht gut als
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 413

Ideogramm mit .phonetischem Komplement' -t erklärt" werden könne.


Aber H. hat seine Feststellung dadurch beeinträchtigt:
1. daß er zögert, eine rein aramäische Form handlet anzunehmen. Dieses
Zögern beruht darauf, daß er im Zwang der Vorstellung, es handle sich um
Schuldverschreibungen, HN'LT nach Bedeutung und syntaktischem Zu-
sammenhang mißverstanden hat. Das Richtige wolle manSuppl. Aram. 59!.
nachlesen:
2. daß er nicht dazu gekommen ist, seine richtige Erkenntnis auf das
Nebeneinander von ZBNW und ZBNT im Pergament von Avrömän anzu-
wenden (S. 30; 32). Es sollte sich von selbst verstehen, daß, wenn ZBNW „er
kaufte" bedeutet, ZBNt als Ideogramm gelesen nicht dasselbe bedeuten
kann. Wiederum hat H. grammatische Form und syntaktische Funktion
mißverstanden, dafür sei auf Suppl. Aram. 65; 69 f. verwiesen. Als typisches
Regest ist Zeüe 71.: ZBNT 'wyl MN ptspk KL' ZWZN LV „ich, Awil, habe
den Kauf vollzogen von Pätaspak für insgesamt 55 Drachmen" an den
Schluß der Urkunde gesetzt. Man kennt das Verfahren von den Machen-
schaften des abtrünnigen Ab an Hädawaih, der sich Yazdgard's III. Siegels
bemächtigt und so sich scheinbar verbriefte Anrechte verschafft (Tabari,
ann. i, 2681, 12f.): wa-ahada l-hätima yazda^arda wa-wasala l-uduma (die
Pergamente) wa-ktataba s-sikäka (die authentischen Urkunden) wa-sagj*ala
s-sigilläti (fertigte die Regeste) . . . tumma hatama 'alaihä wa-radda l-hätim.
Nimmt man die vorangehenden Worte des Betrügers hinzu: fa-ahbabtu an
aktatiba 'alä mä käna It min Sai', so hat man die Entsprechung zur i. Pers.
Sing. ZBNT des Pergaments.
Seltsamerweise führt H. den Ersatz von h durch h unter den Beweisen
für ideographische Schreibung in Avrömän an (a. O. 29). Doch handelt es
sich um eine Erscheinung, die dem Jüdisch-Aramäischen (G. Dalman,
Gramm, d. jüd.-palästin. Aramäisch 43f.) und den Zaubertexten (W. H.
Rosseil, A Handbook of Aramaic Magical Texts, 1953, 19 unter 3. )
ebenso geläufig ist wie dem Mandäischen (Th. Nöldeke, Mandäische Gramm.
57 f.). Der Verwechslung von h und h steht die der Laryngale zur Seite. Eher
schon ließe sich an den Ersatz von t durch /, von k durch k erinnern, der in
den Ideogrammen durchgeführt ist. Aber eben hier haben das Dura-Per-
gament 12 in Zeile 2 und die Synagogeninschrift von Dura Nr. 52, 3 aus dem
Jahr 253 KDM bewahrt.
Auf jeden Fall scheidet auch für Avrömän die Annahme von Ideo-
grammen aus. Da dasselbe für die Inschrift von Mchet'agilt (oben S. 265f.).
414 BEILAGEN

bleibt es dabei, daß BNYt der Inschrift von Susa aus dem Jahr 215 n. Chr.
vorerst das erste gesicherte Ideogramm ist (Suppl. Aram. 99). Man muß
abwarten, ob Neufunde das Ergebnis bestätigen oder berichtigen.
Eine durchgeführte Schreibung mit Ideogrammen ist auch, wie sich ge-
zeigt hat, auf dem Dura-Pergament 12 nicht vorhanden. Dasselbe erweist
sich für die soeben genannte Inschrift von Susa. H. wiederholt seine schon
in: Asia Maior 1952,176 vorgetragene Lesung hnsk = *hansäkzu *hansäc- „auf-
stellen, herrichten". Unserem Einwand (Parola del Passato 31, 1953, 312f.;
Suppl. Aram, ggt.), daß man nicht *hansäk „wer" oder „was errichtet",
sondern *hansäxt „erectum" erwarten müßte, trägt H. insofern Rechnung,
als er diesmal (S. 41 Anm. 3) die Bedeutung „erection" wegläßt. Er erinnert
dafür an hebr. massebäh (sie! gemeint ist massebäh), doch bleibt zu fragen,
ob sich damit seine Stellung verbessert. Eine deverbale, arabischem maf'al
vergleichbare Bildung mit örtlicher Bedeutung trägt zur Frage des ver-
muteten iranischen Wortes nichts bei. Denn dieses wäre ein adjektivisches
Wurzelnomen, mit aktivischer Bedeutung, vergleichbar avest. fraväxs
Nom. Sing, „was hervorwächst, Stengel, Penis, Horn" zu °vaxS-, 'växs-
„wachsen". Die wirkliche (im Gegensatz zu H.'s angenommenem „erec-
tion") Bedeutung des von H. vorgeschlagenen Wortes paßt also nicht, und
es bleibt bei aram. hztk, hzätäk „dein Anblick, dein Bild", was den Vorzug
besitzt, mit der Darstellung des Reliefs übereinzustimmen (Suppl. Aram.
100).
*;
Eine zweite Betrachtung hat den jüngeren, insonderheit den ostara-
mäischen Formen zu gelten.
Schon ein Kenner des Aramäischen, F. Rosenthal, hat bei den Ideo-
grammen das Eindringen einer jüngeren, aus nachachaimenidischer Zeit
stammenden Form erwogen, „da man wohl noch eine ganze Zeitspanne lang
den Zusammenhang der Ideogramme mit der aramäischen Sprache deut-
lich empfunden haben wird. Ein derartiges Wissen um die wirkliche Her-
kunft würde es auch am besten begreiflich machen, daß neben den deutlich
reichsaramäischen Eigentümlichkeiten der Orthographie Neuerungen in den
Schreibungen auftreten, die sonst eigentlich in diesem Umfang nur aus dem
Mandäischen bekannt sind, im Reichsaramäischen aber sich sonst nirgend-
wo, auch nach heutigem Material zu urteilen, nachweisen lassen, wie die
Benutzung von Älaf zur Bezeichnung des ä im Inlaut und von cAin für e
(i), ferner auch die Ersetzung des / durch t und des k durch k, die sich auch
4. ARAMÄISCHE IDEOGRAMME 415

schon meistens in den mitteh'ranischen Inschriften findet" (Die aramai-


stische Forschung 81.)
Auch H. scheint sich der Auffassung nicht zu verschließen, daß es sich
„um einen unmerklich vorschreitenden Prozeß" gehandelt habe, den man
„ohne radikalen Bruch mit der Vergangenheit vollziehen" konnte (S. 31).
Aber solche Erkenntnis wendet er auf die Deutung der einzelnen Ideo-
gramme nicht an. Für ihn beginnt die Schreibung mit Ideogrammen schon
im 2. vorchristlichen Jahrhundert, „um etwa in den ersten Jahrzehnten
unserer Zeitrechnung ihre Vollendung zu erreichen" (S. 30). „Den immer
wieder auftauchenden Versuchen, Züge besonders des persischen Ideo-
grammsystems aus dem Einfluß nachachaimenidischer Formen des Ara-
mäischen, vorzüglich der Iran benachbarten ostaramäischen Dialekte, zu
erklären", müsse man „skeptisch gegenübertreten" (S. 36),
Wie man sieht, hat H. keine Gründe, die er der ihm unwillkommenen
Deutung entgegenhalten könnte (denn andernfalls hätte er sie genannt).
Demgegenüber wurde von uns früher (Suppl. Aram. 65; 72; 80; 8if.; 84f.;
94; 97; 100; Philologia sacra 67; 68) und auf den vorangegangenen Seiten
in jedem Fall nachgewiesen, daß, was H. als „schulmäßig festgelegt" (S. 30)
oder als Erzeugnis des „Schulbetriebs" (S. 31), demnach als mehr oder
weniger willkürliche Setzung betrachtet, sich aus der nachachaimeni-
dischen Sprachentwicklung gesetzmäßig erklären läßt. An die Stelle will-
kürlicher Setzung tritt die Grammatik. Es ist nicht nötig, Gesagtes zu
wiederholen. Überdies ließ sich zeigen, daß Ibn al-Mukaffaf vom Eindringen
jüngerer aramäischer Formen in die mitteliranische Schriftsprache aus-
drücklich spricht (Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i, 248f.; Suppl.
Aram. 106). Nur darauf sei verwiesen, daß jetzt der aramäische Text der
Bilinguis von Kandahar schon fürs 3. vorchristliche Jahrhundert im Ge-
brauch von ZY, in der 3. Plur. masc. Perf. auf -ün, in 'THHSYNN und
HWTYR das Eindringen jüngerer Formen zeigt. Auch Wendungen wie
WKLHM 'dwSy' und LKLHM 'N$Y' gegenüber LKLHM 'N$N einer-
seits, BKL 'RK' andererseits zeigen dieses Eindringen. Hervorhebung des
determinierten Nomens durch ein Personalsuffix ist vornehmlich aus dem
Syrischen bekannt (Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 167 f. § 222). Wir
haben sie zur Erklärung der Schreibung BRH statt BR verwandt (Suppl.
Aram. 72). Schon damals konnten wir auf vereinzeltes Vorkommen im Arsäma-
Pergament 2, 2 brh zy 'hhpy, verweisen. Jetzt hat Kandahar auch da das
vermittelnde Glied gebracht.
BEILAGE 6

DER STEIN VON APSCHERONSKAJA

Herr Dr. A. Dauber, Konservator am Staatlichen Amt f r Denkmal-


pflege, Abteilung Ur- und Fr hgeschichte, in Karlsruhe, teilte unter dem
8. 7.1958 Folgendes mit:
„Der auf beiliegenden Photos (Abb. 16) abgebildete Kieselstein wurde
in der Steppe bei Apscheronskaja (s dlich Maikop) gefunden. Der Stein zeigt
auf einer Seite (die R ckseite ist unbearbeitet) das Kopfbild eines J nglings,
der einen Zweig in der Hand h lt. Dieses Bild ist umgeben von einem Schrift-
band in griechischen Gro buchstaben, von denen ich glaube lesen zu k nnen:
ΙΣΧΙΣ ΜΟΥ Η ΑΓΑΠΗ EAAIHKONund: 5ΕΝΕ(?)ΙΟΓ.
Ich halte den Stein f r ein Amulett, und Prof. S. Lauffer, M nchen, glaubt,
ihn (nach Photo) in das 4.—3. Jahrhundert setzen zu k nnen".
Zusammen mit einem zweiten Brief vom 23. 7. wurde der 8,4 cm hohe
und 7,2 cm breite Stein bersandt. Es handelt sich um einen sehr fleckigen,
aus gro en Quarzk rnern zusammengebackenen Quarzit. Zugleich wurde die
richtige Deutung Lauffers bermittelt, wonach ΙΣΧΙΣ ein barbarisiertes
lo-)(ussei. Das Wort unter dem Bild k nne 1ΕΝΕΙΟΓ, aber auch 2ΕΝΤΟΓ
gelesen werden. Unter diesem Worte bef nde sich keine weitere Schrift.
Die Pr fung des Originals ergab, da die Lesung, von einem Zeichen
abgesehen, zutraf. Der erste Teil ist zu deuten: ίσχύ$ μου ή άγόατη. Es
wird eine allgemeine Sentenz gegeben, und ihr eine Bemerkung hinzugef gt,
die den griechischen Sprachcharakter unterstreicht. Denn zweifellos ist,
trotz der Verschreibung έλληνικόν (= έλληνικώ$) zu verstehen. Das
schlie ende N ist zweimal gegeben, da das erste Zeichen undeutlich geraten
war. Es bleibt zu fragen, was der Rest, also die Inschrift unterhalb der Dar-
stellung, zu bedeuten habe. Vorangehendes έλληνικόν l t erwarten, da
6. DER STEIN VON APSCHERONSKAJA 417

der ausdr cklich als griechisch bezeichneten Sentenz ein Wort oder eine
Wortgruppe in einer nichtgriechischen Sprache folgte. In der Tat l t sich
der Schlu teil der Umschrift aus dem Griechischen nicht deuten.
Was darf man nach dem Fundort erwarten ? Der Kuban-Distrikt liegt,
durch die Kaukasuskette getrennt, nord stlich des heutigen Gruzinien. Aus
dessen alter Hauptstadt Mchefa und Umgebung entstammen eine Reihe
von Inschriften, darunter die bekannte griechisch-aram ische Bilinguis und
zwei Gemmen mit den Inschriften: Καρπό« Ζευαχηζ ζοή μου und: 'Ασττα-
po Kis ττιτιάξης1. Die Bilinguis und die erstgenannte Gemme weisen
iranische Eigennamen auf, wohl solche, die bei den benachbarten Alanen
blich waren2. In Άστταροοκις hingegen besitzt man einen t rkischen
Namen, der den dortigen Hunnen zuzuweisen ist8.
Der Schlu teil unserer Inschrift, unterhalb der Darstellung querlaufend,
zerf llt in zwei W rter. Schlie endes ΙΟΓ lie e sich ohne Schwierigkeit
als altt rk. yoy verstehen, ein Wort, das die Totenfeier und das Totenopfer,
also die Spende an den Verstorbenen, bezeichnet*. Damit w re der Stein
nicht als Amulett, sondern als Gabe f r den Toten bezeichnet. Schwieriger
ist der erste Teil, umsomehr, als das ihn abschlie ende Zeichen sich dem
Verst ndnis zun chst entzieht.
Immerhin l t 5EN. eine Deutung zu. Ost-osset. fsin, xsin, west-osset.
fsin bezeichnet die „Frau des Hauses". Das Wort ist entstanden aus
altiran. *xfayavan - (vgl. christl.-soghd. xSywnc „K nigin"), das dann ber
*xSevan zu *xsen, *axsen wurde6. Dem Magyarischen kam es als asszony,
lter achsin „Frau" zu. Unserer Inschrift liegt die vor-ossetische, also ala-
nische Form *x$en oder *xsen zugrunde, noch ohne den f rs Ossetische be-
zeichnend en Vokalvorschlag'.
Das alanische Wort neben dem altt rkischen kann nur so verstanden
werden, da eines der beiden W rtei Lehnwort in der anderen Sprache ist.
Den Weg k nnte ungar. asszony, lter achsin f hren. Wenn die Magyaren eine
Anzahl ossetischer Lehnw rter und darunter jenes aufgenommen haben, so
1
Zuletzt Altheim-Stiehl, Supplemental m Aramaicum 74 f.; oben S. 9 f., unter
Anf hrung der lteren Literatur.
2
Oben S. 247.
8
Altheim-Stiehl, a. O. 85f.; oben S. gi.
* A. v. Gabain in: Anthropos 48 (1953), 544; 549f.
5
O. Szemer nyi bei F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2, 278 und Geschichte
der latein. Sprache 82 f. Anm. i.
* W. Miller, Die Sprache der Osseten 15 § 3, 5.
27 Althelm, Hunnen I
418 BEILAGEN

mu te dies geschehen, als sie noch im chazarischen Verband im Kaukasus-


vorland sa en. Unter chazarischer und das besagt: t rkischer Vorherrschaft,
selbst unter einer t rkischen F hrerschicht stehend, haben diese Τούρκοι,
wie Konstantinos Porphyrogennetos die Magyaren nennt7, die alanische
Bezeichnung der Herrin und Frau bernommen. Was sie taten, konnte jeder
T rkstamm, der in diesen Gegenden sa , vorwegnehmen und nachahmen.
Aber auch der umgekehrte Weg w re denkbar. Die Alanen, die so lange
unter hunnischer Herrschaft standen und auch weiterhin in der Nachbar-
schaft t rkischer St mme sa en, konnten jederzeit ein t rkisches Lehn-
wort ihrem Sprachbestand einf gen. Dies ist nun tats chlich bei altt rk.
yoy der Fall. H.-W. Haussig verweist auf osset. d y, doy „Pferderennen,
Wettrennen", von dem J. Marquart8 gezeigt hat, da es auf yoy, lter *d'oy,
mit dem t rkischen Wandel von d zu y*, zur ckgeht. Die ltere Form
*d'oy hat sich bei Menander Protector10 erhalten: δόγια δε TTJ μεν οικείο:
γλώτττ| προσαγορεύουσι (die T rken) τα έτη τοΐξ τεθνεώσι νόμιμα
(δόγια CE: δόχια cett. ed.)11.
Danach kann nicht wundernehmen, wenn man dem altt rkischen Wort,
das ins Ossetische bernommen wurde, neben alanischen IHN. = *xsen
begegnet. Nun w re es im vorliegenden Fall nicht in der lteren Lautform,
sondern in der j ngeren bernommen. Dazu passt, da yoy im vorliegenden
Fall nicht „Pferderennen", sondern zweifellos „Totenspende" bedeutet.
Die Verschiedenheit der Bedeutung best tigt, da es sich um zwei verschie-
dene bernahmen des altt rkischen Lehnwortes handelt. Die Best tigung,
da tats chlich ein ins Alanische bernommenes Wort vorliegt, ergibt
sich, wenn man sich der Frage zuwendet, was der bisher unerkl rt ge-
bliebene Buchstabe des ersten Bestandteils 5EN. = *xsen gewesen sei.
Von vornherein wahrscheinlich ist die Bedeutung: „der Frau (Herrin)
Totenspende". Ein altt rkischer Genetiv liegt nicht vor. Auf +in, + n
lautend, m te er zwei Zeichen umfa t haben. Es darf ein alanisch-osseti-
scher Genetiv erwartet werden. Bildet man ihn zu ost-osset. xsin, so m te
er xsin-i lauten. Bekanntlich ist der ossetische Genetiv nicht Nachfolger
7
De administr. imp. 3, if. p. 50, 2 Moravcsik, der S. 311 s. v. alle Stellen ver-
zeichnet.
8
Ungar. Jahrb. 9 (1929), 81.
9
M. R s nen, Materialien zur Lautgeschichte der t rkischen Sprachen (1949),
185 f.
10
Bei Konstant. Porphyrogenn., de leg, 207, 2of. de Boor.
11
Weitere Literaturangaben bei G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2, 112. Hinzuzu-
f gen: H. H. Schaeder in: Abhandl. Gesellsch. Wissensch. Gott. 3. Folge, 10, 38 Anm. 4.
5. DER STEIN VON APSCHERONSKAJA 419

des altiranischen, sondern geht auf das adjektivische Suffix -iya-, -ya-
zur ck12. Asp-ya- bedeutet „zum Pferd geh rig", g oya-, gaoiya- „zur Kuh
geh rig". Dementsprechend w re von *xsayavan - ein Adjektiv *xSayavan-
iya- gebildet, das auf der alanischen Stufe *xsen-i gelautet haben
m te.
Damit erhebt sich die Frage, ob der letzte Buchstabe des Wortes
IHN. = *xsen ein -t gewesen sein k nnte. Die Beantwortung mu weiter aus-
holen.

Schon das Wort αγάπη schlie t die zuvor ge u eite Vermutung aus,
die Inschrift und damit das ganze St ck geh re ins 4.—3. Jahrhundert. Es
handelt sich um einen Terminus, der im sp tj dischen und dann im christ-
lichen Bereich begegnet. Im Aristeas-Brief 229 fragt der K nig einen der
72 ltesten: τί καλλονής άξιον εστίν. Dieser antwortet, es sei die
ευσέβεια; sie n mlich bilde die h chste Stufe der καλλονή. Und er f gt
hinzu: το δε δυνατόν αυτής εστίν ή αγάπη. Das ist fast der gleiche Ge-
danke wie auf unserer Inschrift. Doch f hrt diese nicht in j dische, sondern
in christliche Gedankenwelt. Paulus' Lobpreise der αγάπη ι, Kor. 13 nimmt
den Gedanken von der Macht der Liebe auf und f hrt ihn aus. Die Inschrift
stammt demnach von einer Christin, und dies erkl rt auch, warum sich der
Hauptteil dieser Inschrift des Griechischen bedient. Denn dies bleibt inner-
halb des Kuban-Distriktes eine Besonderheit.
Gewi haben die sowjetischen Ausgrabungen in Mchet'a eine griechisch-
-aram ische Bilinguis, griechisch beschriftete Gemmen erbracht, und dem
war bereits der Fund einer griechischen Inschrift1 vorangegangen. Aber
Mchet'a, s dlich des Kaukasus, war Einfl ssen aus hellenistischem und
kaiserzeitlichem Bereich stets zug nglich. Maikop hingegen liegt n rdlich
des Gebirges, inmitten des Gebietes, das zuvor Ptolemaeus' Xo voi, ber-
haupt den Hunnen vor ihrem Ausbruch 375 zugewiesen worden war (oben
S. 3!). Nicht nur der Fundort, auch das t rkische Lehnwort w rde sich einer
Nachbarschaft der Hunnen f gen. Es kommt hinzu, da man von christ-
licher Mission unter diesem Volk wei .
12
W. Miller, a. O. 43 f. § 52 B.
1
W. Dittenberger, OGIS. i, 586!. Nr. 379.
27·
420 BEILAGEN

Dabei darf man die oben besprochenen Nachrichten aus der Kirchen-
geschichte des Zacharias Rhetor beseite lassen (oben S. 287!.). Damals ging
die Mission von Armenien aus, und es bleibt zweifelhaft, ob sie sich der
griechischen Sprache bediente. Ausdrücklich wird von der Übersetzung der
Heiligen Schrift ins Hunnische gesprochen. Weit eher kommt eine ältere
Mission in Frage, die mit dem Ausgang des 4. Jahrhunderts beginnt und
sich bis in die Anfänge des 5. fortsetzt, mit Attila aber erlischt2. In diese Zeit
mag unser Stein gehören. Er bezeugt immerhin, daß diese Mission auch
im weiteren Heimatgebiet der Hunnen, südlich des Kuban, Fuß fassen
konnte.
Um 400 hatten indessen nicht nur die Hunnen nördlich des Kaukasus,
sondern auch ihre Vettern weiter östlich, die Hephthaliten, die griechische
Schrift kennen gelernt. Die Prägungen Säpürs II. mit der Aufschrift: kidara
kuSana Saht zeigen, daß unter der Herrschaft dieses Sasaniden die
, die „westlichen" oder, was dasselbe ist: die „weißen"
Hunnen und Hephthaliten (oben S. 32f.), bereits in der Sogdiane saßen8.
Dieses Volk und ihr Staat — der erste hunnische, der sich feststellen läßt —
haben die Zuwanderung gespeist, die jene weiter nach Westen vorgestoßenen
Xoövoi soweit stärkte, daß sie 375 das gotische Reich stürzen konnten (oben
s. 57; 85; 369).
Damit erhebt sich die Frage, ob der bisher unverständliche Buchstabe
in unserer Inschrift, wenn er denn im griechischen Alphabet der Zeit kein
Gegenstück findet, aus den Sonderformen stammen könnte, die das Alpha-
bet der Hephthaliten entwickelt hatte. Daß jenes Zeichen eigener Art
gerade im nichtgriechischen Teil der Inschrift begegnet, könnte dafür
sprechen. Und es könnte sein, daß die hunnischen Teile, die aus dem Reich
der Kidariten kommend, zu dem Volksteil am Don vorstießen, diese
Schrift mitgebracht hätten.
Bei R. Ghirsman* und O. Hansen6 finden sich die Formen verzeichnet,
die die griechische (seleukidische) Kursive unter den frühen Kusän, dann
unter den Hephthaliten angenommen und bis zu den handschriftlichen
Bruchstücken aus Tuyoq (Ostturkestan) bewahrt hat. Proben der Stein-
schrift sind erst in jüngster Zeit hinzugetreten. Aus den Grabungen von
a
E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns 37 f.
3
R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike
4
R. Ghirshman, Les Chionites-Hephthalites (1948), 63.
* Bei F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum (1951), 86.
5. DER STEIN VON APSCHERONSKAJA 421

Surx Kotal, an der Straße von Kabul nach Mazär-i Serif gelegen, bildet
D. Schlumberger' zwei Blöcke ab, die griechische Beschriftung tragen.
Zeitlich gehören sie unter die frühen Kusän und zeigen noch die Unterschiede
zwischen a, d, o, die in den späteren Bezeugungen verwischt sind. Der Aus-
gräber notiert „the unusual shape of the epsilon (on both) and the nu (second
and fourth letters on the second block)". In der Tat entspricht die Bildung
des genau dem der griechischen Pergamente von Avrömän. Aber das ver-
mein tliche v gleicht eher einem Zeichen, das Hansen unterdes als y gedeutet
hat.
Auf das Vordringen dieses Alphabets nach Westen konnten schon zwei
Zeichen der gotischen Schrift führen. Hier war hv ohne Entsprechung im
griechischen, lateinischen und runischen Alphabet geblieben, und dies galt
nicht nur für den Lautwert, sondern auch für den Zahlwert 700'. O. Hansen8
hat darauf verwiesen, daß allein O = h im kusänischen Alphabet sich ver-
gleichen lasse. Schon vorher hatte H. Jacobsohn auch das Zeichen p des
gotischen Alphabets mit dem entsprechenden in der Schrift der Kusän
und Hephthaliten zusammengebracht9. Er hatte in diesem Zusammenhang
daran erinnert, daß der mordwinische Name der Wolga rav, ravo und damit
auch Ptolemaeus' ' auf die altind. RaSa, avest. Ranhä, ebenso mord-
winisches kal „Fisch" aus *kolax auf avest. kara-, Name eines mythischen,
in der Rawhä lebenden Fisches, zurückgehe10. Jacobsohn hatte daraus mit
Recht geschlossen, daß zwischen den Stämmen an der Wolga und den in
Ostiran „ein enger Zusammenhang" bestanden habe11. Ohne auf diese
Fragen weiter einzugehen, sei darauf verwiesen, daß der bisher unverständ-
lich gebliebene Buchstabe des Steines von Apscheronskaja sich ohne
Schwierigkeit dem Zeichen der hephthalitischen Kursive gleichsetzen läßt,
das Hansen als t gedeutet hat12.
Wenn diese Beobachtung zutreffen sollte, hätte man, wie zuvor vermutet,
xseni zu lesen. Es läge jenes Adjektiv vor, das im Ossetischen zur Bildung
des Genetivs verwandt wurde. Die vorgeschlagene Deutung: xseni yoy
„der Herrin Totengabe" hätte sich damit bestätigt.

• Archaeology 6 (i953). 233 *ig- 2 -


7
Skeptisch M. H. Jellinek, Geschichte der gotischen Sprache (1926), 25f., der
versuchsweise an Runisches denkt. Die neueste Darstellung — W. Krause, Handbuch
des Gotischen (1953), 60 f. — gibt keine Erklärung.
8 9
Bei F. Altheim, a. O. 83 Anm. i. Arier und Ugrofinnen (1922), 243!.
10
a. 0.238!; 241. Die Nachweise bei Chr. Bartholomae, Altiran. Wörterbuch 451.
11 12
a. O. 242 f. Bei F. Altheim, a. O. 86.
422 BEILAGEN

Noch ein Wort über die Darstellung.


Kopfbedeckung und Haartracht besitzen, worauf mich B. Kämmerer
hinweist, in einem Marmorkopf ihr Gegenstück, der im Heiligtum von
Schami in der Susiane gefunden ist1. Er stellt einen bärtigen jungen Mann
dar, dessen Haar ähnlich wie auf unserem Stück bis zum Nacken herunter-
hängt und nach rückwärts gestrichen ist. Es wird durch eine breite Binde
zusammengefaßt, an deren vorderen Teil eine emporgerichtete und rück-
wärts gebogene Ähre oder Blüte angebracht ist. Gerade in diesem bezeich-
nenden Attribut stimmen der Kopf von Schami und unser Stück überein.
Auch die Gliederung des Oberkopfes in breite, parallel verlaufende Streifen
ist beiden Darstellungen gemeinsam. Obwohl die Annahme einer flachen
Mütze denkbar ist, möchte man eine Form der Frisur vorziehen.
Die Funde von Schami möchte R. Ghirshman, der sich zuletzt dazu ge-
äußert hat, nicht viel nach die Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts
setzen. Er hält es für eines der von Mithridates I. von Parthien geplünderten
elymäischen Heiligtümer2 und gewinnt dadurch 139 v. Chr. als terminus
ante quern. Ob diese Datierung zutrifft, muß weiterer Erforschung vorbe-
halten bleiben. In jedem Fall konnte sich die Tracht auch über den ge-
nannten Zeitpunkt hinaus erhalten.
Es bleibt noch eine zweite Schwierigkeit. Sollte die vorgetragene Deu-
tung des nichtgriechischen Teiles der Beschriftung sich bestätigen, so hegt
ein weiblicher Kopf nahe. Und darauf führt noch eine zweite Beobachtung.
Seit spätachaimenidischer Zeit kennt man die Darstellung von Frauen,
die Blüten oder Blütenzweige tragen8. Unter den Sasaniden4 nehmen diese
Darstellungen der Zahl nach zu6, und diesem Motivkreis ordnet sich auch
der Kopf ein, der auf unserem Stein begegnet. Die Dargestellte hält mit der
Rechten einen beblätterten Zweig empor, desssen oberes Ende zwei gegen-
1
Abgebildet bei R. Ghirshman, Iran (Pelican Book 1954) pl· 3 2D ·
2
a. O. 278f.; vgl. Strabon 744 und F. Altheim, Weltgesch. Asiens 2, 60.
3
Pope-Ackerman, A Survey of Persian Art 4 (1938) Taf. 124 W und Y; L.-I, Ring-
bom, Zur Ikonographie der Göttin Ardvi Sura Anahita (1957).
4
Pope-Ackerman, a. O. Taf. 224 B; I. la Smirnow, Argenterie Orientale (1909)
Taf. XLVI 80; XLVII; R. Ghirshman, Bichäpour II (1956), Titelblatt; 58f. fig. 3—4;
pl. VI i; VII 1—2; XXIX i.
5
N. Mavrodinov, L6 trosor Protobulgare de Nagyszentmiklos. Arch. Hung. 29
(1943). 98f.; fig. 61—62.
5. DER STEIN VON APSCHERONSKAJA 423

ständige Blüten einnehmen. Ob es sich um eine Darstellung der Göttin


Anähitä handele (oder ursprünglich gehandelt habe), soll unerörtert bleiben.
Aber auch bei den Verwandten und Nachfahren der Hunnen pflegt dieser
Typus zu begegnen. Die Goldkannen 2 und 7 des Schatzes von Nagy-Szent-
Miklos* zeigen ihn in verschiedener Ausprägung, und möglicherweise reihen
sich ihnen die zahlreichen bronzenen Anhänger an, die dem Irtysch-Gebiet
und dem ehemaligen Permschen Gouvernement entstammen7. Wiederum
sollen Deutungsversuche beiseitebleiben. Es genüge, daß auch die Proto-
Bulgaren, denen der Schatz von Nagy-Szent-Miklos gehörte, das Bild der
Frau, die den Blütenzweig trug, gekannt haben. Und daß die Tassen Nr.
g—10 dieses Schatzes Inschriften christlichen Inhaltes zeigen8.
Auch damit könnte sich unsere Deutung der Inschrift bestätigt haben.

8
N. Mavrodinov, a. O. 99 Tai. V; XIf.
7
Gegen A. Alföldi in: Cahiers d'archoologie 6 (1952), 43—-53 vgl. Altheim-Stiehl,
Finanzgeschichte der Spätantike 343 f.
8
Dazu F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum 70 f.
ERGÄNZUNGEN
Zu S. 5f.: Die Südwanderung der Goten spiegelt sich in der Befestigung und
Verstärkung des Lagers Porolissum, an der gefährdeten NW-Ecke Daziens auf hoch-
gelegenem, alles beherrschendem Plateau des Maresch-Gebirges angelegt. Die Aus-
grabungen M. Macreas, veröffentlicht in: Studii si Cercetäri de Istorie Veche 8 (1957),
215!, zeigen, daß Caracalla selbst zugegen gewesen sein muß, als er im Zusammen-
hang seiner Verhandlungen mit den benachbarten Stämmen die Grenzverhältnisse
regelte (Dio 77, 20, 3; 78, 27, 5). Davon zeugt nicht zuletzt die bronzene Reiter-
statue des Kaisers, deren Reste in Porolissum gefunden wurden (ebenda fig. 6—13).
Freilich glaube ich, daß die Befestigung nicht nur den freien Daziern, Wandalen
und Quaden galt, sondern auch dem Volk, dessen Druck hinter allen Bewegungen
im Donauraum stand: den Goten (so noch M. Macrea in: An. Instit. Clasice Cluj
r, 132). Kämpfe mit ihnen sind ausdrücklich für Caracalla bezeugt: SHA., v. Car. , 6.
Die Einwände E. Hohls (Ein politischer Witz auf Caracalla 20 Anm. 60) übersehen
die Funde in Porolissum. Wie die wandalische Runeninschrift von Rozwadow für
die Richtung des Vorstoßes der germanischen Stämme spricht, so auch die gotische
von Kowel. In der Tat liegt Porolissum genau in südlicher Fortsetzung eines Goten-
zuges, der von der Weichselmündung nach Kowel führt. A. Alföldi hat Archaeol. Ertesitö
52, 263 f. die Grabinschrift zweier Angehöriger der Legio II adiutrix aus Aquincum
besprochen, die in expeditione [Go]t[i]ca gefallen waren. Wo anders können diese
Kämpfe stattgefunden haben als im östlichen Vorfeld, zwischen Donau und Theiß ?
(Es fällt auf, daß Macrea sich auf meine im Jahre 1939 erschienene Darstellung beruft,
von der doch 1943 und 1952 umfassende Neubearbeitungen, 1953 eine erneut auf
letzten Stand gebrachte französische Übersetzung erschienen sind. Auch daß Ciuc
Heimat der Carpen sei, habe ich nirgendwo gesagt!)
M. Macrea wird folgender Bericht über die wichtigsten Ausgrabungsergebnisse
des Jahres 1958 verdankt:

„Der dazische Friedhof auf dem Mäguraberge


Dazische Spuren fanden sich fast überall im archäologischen Bereich von Poro-
lissum. Sie wurden entweder von uns selbst gefunden oder wurden uns durch Zufalls-
funde der einheimischen Bevölkerung angezeigt. Das erstaunlichste Ergebnis aber
war die Entdeckung eines dazischen Friedhofes mit Grubenbrandgräbern, Opferherden
und Verbrennungsplätzen auf dem Mäguraberge (Kote 502), von wo schon früher
dazische Spuren gemeldet worden waren. Das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis, ist
es doch das erste Mal, daß ein dazischer Friedhof aus dem Lt. III, also aus den zwei
letzten Jahrhunderten vor der Eroberung durch die Römer, ganz eindeutig fest-
gestellt werden konnte. Ob die gleichzeitige dazische Siedlung ebenfalls auf dem
Mäguraberge, auf dessen Gipfel sich ein weitausgedehntes Plateau befindet, oder
vielleicht anderswo gelegen war, wissen wir vorläufig noch nicht.
ERGÄNZUNGEN 425

Die römischen Ruinen von Porolissum


Wirklich eindrucksvoll sind die von den Römern errichteten Bauten und Befesti-
gungen an diesem Punkt der Nordgrenze Daziens und des römischen Reiches. Das
große Castrum von Porolissum ist im Hinblick auf seine Lage, auf dem Gipfel eines
Berges, vielleicht einzigartig. Es wurde — wie ich in meiner Arbeit über die Ver-
teidigung Daziens zur Zeit des Caracalla bewiesen zu haben glaube — von diesem
Kaiser erbaut. Es ergaben sich nun die Fragen, was wohl an dieser Stelle vor der
Erbauung des Castrum durch Caracalla gestanden haben mag und in welcher Art die
Verteidigung der Provinz und des Imperium vor der Zeit des Caracalla gesichert
war, da man ja weiß, daß römische Truppen gleich nach der Eroberung in Porolissum
verblieben.
Auf diese beiden Fragen scheinen die Ausgrabungen des Jahres 1958 die Antwort
zu geben.

Das römische Castellum auf dem Berge Citera


Ein zweites, wenn auch kleineres Lager wurde in diesem Sommer auf einem anderen
Hügel, Citera genannt, in etwa 500 m Entfernung östlich von Pomet von uns entdeckt
und untersucht. Es liegt über einer dazischen Siedlung, bestand in seiner ersten Phase
aus einer Erdbefestigung und wurde später, wahrscheinlich zu Ende der Regierungs-
zeit des Antoninus Pius oder zu Anfang der des Marcus Aurelius in Stein ausgeführt,
was sich aus dem Funde von zwei Münzen des Marcus Aurelius Caesar ergibt, von
denen die eine im Mörtel des Fußbodens eines Torturmes aufgefunden wurde. Im
übrigen fehlt jede Art von epigraphischen Funden.

Das große Castrum auf dem Pomet


Unter dem Agger des großen, von Caracalla erbauten Castnim auf dem Pomet
wurden hingegen in einer Tiefe von 2—3 m Reste von Wohnungen und sogar (aller-
dings zerstörte) Gebäude aus Stein gefunden, die ebenfalls aus der römischen Zeit
stammen.

Baulichkeiten in der Umgebung des Castrum auf dem Pomet


Im übrigen scheinen viele der um das Castrum gelegenen Baulichkeiten ebenfalls
aus dem 3. Jahrhundert zu stammen, einige von ihnen an Stelle älterer Gebäude.
Wie es scheint, befindet sich ein größerer Gebäudekomplex auf drei übereinander-
liegenden, im Süden unmittelbar neben dem Castrum gelegenen Terrassen. Auf Grund
einiger ebenfalls im Jahre 1958 ausgeführter Versuchsgrabungen scheint dieser Kom-
plex aus Bädern, Palästren und einem Amphitheater zu bestehen, wofür es im übrigen
auch epigraphische Unterlagen gibt (CIL III 836). Für den Fall, daß wir die nötigen
Geldmittel erhalten sollten, könnte die Aufdeckung dieses wichtigen Gebäude-
komplexes sowie die genauere Untersuchung des Castrum selbst für die Zukunft in
Aussicht genommen werden.

Die Terrasse der Heiligtümer


Auf der im Nordwesten des Pometer Castrum gegen das Dorf Moigrad ge-
legenen Terrasse, über die die antike, aus dem Barbaricum kommende Römerstraße
in das auf der Nordseite gelegene Tor des Castrum einlief, wurden in der Ver-
gangenheit ein Tempel des Liber und ein kleines kreisförmiges Heiligtum aufgedeckt.
426 ERGÄNZUNGEN

Auf dieser Terrasse, unmittelbar an der antiken Straße, befindet sich noch ein anderes
Gebäude, das wir im heurigen Sommer nur teilweise untersuchten, ohne seine Be-
stimmung feststellen zu können.
Im Süden der antiken Straße wies die Terrasse keine Gebäude auf. Bei den auf
dieser Seite ausgeführten Querschnitten fanden sich in Abständen mit verschiedenen
Abfällen gefüllte Gruben. In einer dieser Gruben fanden wir das Fragment einer
Amphore mit dem Stempel IMP NERVAE AVG. Wir nehmen an, daß dieser freie,
vor den Heiligtümern gelegene Platz zur Abhaltung von religiösen Zeremonien und
Gastmählern benutzt \vurde.

Der Limes Porolissensis


Vor der Stadt Porolissum, gegen das Barbaricum, befand sich ein starker zwei-
reihiger Befestigungsgürtel. Der äußere besteht aus einer in Abständen mit Türmen
versehenen Mauer. Der innere aus einem Erdwall mit einem davorliegenden Graben.

Der dazisch-römische Friedhof auf dem Ursoiesberge


Unter den wichtigeren Grabungsergebnissen aus dem Sommer 1958 wäre auch
die Entdeckung eines aus der Römerzeit stammenden und weit ausgedehnten Brand-
gräberfriedhofes zu nennen. Die Gräber weisen Verbrennung an Ort und Stelle auf.
Einige waren mit einem mörtellosen Steinrand versehen, in der Nähe anderer fanden
wir Fragmente einer Grabstele und sogar eine Inschrift. Trotz alledem scheint der
Begräbnisritus nicht römisch zu sein, weshalb wir dazu neigen, diesen Friedhof
der autochthonen, dazischen Bevölkerung zuzuschreiben, die in Porolissum eine be-
deutende Rolle im Leben der römischen Stadt gespielt zu haben scheint, vielleicht
eben auf Grund ihrer Mittlerstellung zwischen den Römern einerseits und den freien
Dakern und anderen Völkerschaften außerhalb der Grenzen des römischen Reiches
andrerseits.
Klausenburg M. Macrea."

Zu S. 9: Über die Geschichte Daghestans im 3. —5. Jahrhundert: W. G. Kotowic


in: Ocerki istorii Dagestana i (1957), 3of. Die Kenntnis des Werkes wird A. I. Charsekin
in Machackala verdankt.
Zu S. 10: alttürk. iibara zu mittelpers. asßär (asbar) scheidet sich von einer zweiten
Bezeichnung des Ritters: mittelpers. bandak, eigentlich „Gebundener", „Knecht",
dann „Ritter" (vgl. engl. knight). Die aramäische Inschrift i von Tang-i Sarvak gibt
den Plural bandakän mit asstrayyä wieder, was nicht die „Gebundenen, Gefangenen",
sondern „Ritter, Soldaten" bedeutet (Suppl. Aram. 92; dazu Altheim-Stiehl, Philo-
logia sacra 6 if.).
ERGÄNZUNGEN 427

Zu S. 48: Auch das Syrische kennt die Länge der zweiten Silbe in bayätur. Bar-
hebraeus. Chronic. 506, 23 gibt die Varianten bahädür und bShäder.
Zu S. 64 f.: Verwandtschaft des Soghdischen mit dem Altpersischen („im grauen
Altertum") bei W. B. Henning in: Handbuch der Orientalistik 4 (1958), 108; ebenda
113 auch „ausnahmsweise einmal" die zwischen Chwärezmisch und Altpersisch an-
erkannt.
Zu S. 72, 76: Gehört der Eigenname bwzy (Kloster des Mär bvuzy im syrischen
Seleukeia) bei J. P. N. Land, Anecd. Syriaca 2 (1868),.370 Zeile 22 hierher?
Zu S. 77!.: Über die „Verbreitung der artifiziellen Schädeldeformation im i. Jahr-
tausend" äußert sich nochmals J.Werner in: Germania 36 (1958), i&2f.: „Die neuen
Feststellungen M. P. Grjaznovs am oberen Ob sprechen jedenfalls sehr deutlich gegen
die kürzlich von F. Altheim und H.-W. Haussig vertretene These, daß es sich hierbei
um eine spezifisch alanische Sitte handle. Die sehr zahlreichen und gut untersuchten
sarmatisch-alanischen Gräber späthellenistischer und frührömischer Zeit haben bis-
her nie deformierte Schädel enthalten". Demgegenüber sei daran erinnert, daß der
Fundbestand der Kenkol-Gräber zeigt, daß die iranische Unterschicht die Schädel-
verbildung an die türkische Herrenschicht weitergab. Weiter, daß nordiranische
(sakische) Stämme und geradezu Alanen in den Gebieten nordöstlich von Iran bezeugt
sind und daß bereits Strabon für die dortigen Sigynnen die Schädelverbildung berichtet.
Werners schon früher bemängelte Unkenntnis der literarischen Quellen sowie der
Sprach- und Stammesverhältnisse (Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa, 33)
macht sich erneut geltend.
Zu S. 94 oben: Das vermißte Zitat findet sich bei J. P. N. Land, Anecd. Syriaca
2 (1868), 369 drittunterste Zeile und 370 Zeile 19, aber beide Male bedeutet knwn'
nicht „Steuer".
Zu S. 119 Anm. 14: Felszeichnungen der Sahara behandeln E. Nekrassowa und
M. Tolmacew in: Westnik drewnej istorii 3/1958, 222f.
Zu S. i34f.: Da es noch keiner gesehen zu haben scheint, sei darauf verwiesen,
daß dem bwmhwty des Avrömän-Pergamentes und den säre ha-m-me dinöt des Esther-
buches im Syrischen mär eh da-krliä entspricht: Johannes von Ephesos in seiner Vita
des Ya'köb Burd'änä (J. P. N. Land, Anecd. Syriac. 2, 372, 14).
Zu S. 200f.: Da die Quellen die Hunnen häufig als berittene Bogenschützen schil-
dern, sei daran erinnert, daß diese auch im Handgemenge ihren Mann standen. Zachar.
Rhetor 94, . schildert die Heldentaten des Hunnen Sunikos, der getauft war und
im oströmischen Heer gegen die Perser kämpfte. Er und der Chiliarch Simmas fochten
mit der Reiterlanze ( ) und dem Schwert, und die Gewalt ihrer Stimmen
schreckte den Gegner (1. c. i6f.).
Zu S. 203: Über den Drachenkampf im Iran zuletzt R. Merkelbach in: Real-
lexikon f. Antike und Christent. 4 (1958), 233^
Zu 3.204: Über avest. gava- hat I. Gershevitch in: Asia Maior N. S. 2 (1951).
137 f. Wichtiges zusammengestellt, was unsere Auffassung zu stützen geeignet ist.
Zu S. 217 Anm. 6: Eine besondere Stellung nehmen die Weiterbildungen des
hellenistischen Motivs ein, das den Raub Ganymedes' durch den Adler zeigt. Es sei
•erinnert an die Goldkrüge Nr. 2 und 7 von Nagy-Szent-Miklos und die Silberschale
von Redikor. Jetzt hat P. Boyanco in: Revue des etudes anciennes 54 (1952), 286f.
nachgewiesen, daß Ganymedes' Raub in der kaiserzeitlichen Grabkunst den Tod eines
symbolisiert.
Zu S. 240: Da Mommsen im Vorwort seiner lordanes-Ausgabe das carmen bei
Attilas Tod nicht auf Cassiodor, sondern auf Priskos zurückgeführt hat (XXXV),
muß auf die Frage eingegangen werden. Mommsen äußert sich dahin, „ut apud lor-
428 ERGÄNZUNGEN

danem neque de Attila quicquam legatur, quod non sit Prisci, nee quicquam Prisci,
quod non sit cum Attilae rebus coniunctum". Es zeigte sich indessen (F. Altheim in:
Beitr. z. Namensforsch. 7, 1956, 8if.; Altheim-Haussig, D. Hunnen in Osteuropa 57f.),
daß nicht, wie behauptet, der Bericht über die Auflösung des Reiches (Get. 259—263)
Priskos, sondern Cassiodor gehört, und dasselbe muß für die Beschreibung des Be-
gräbnisses und das Lied gelten. Priskos wird ausschließlich für die Todesart und
Marcianus' Traum angeführt (Get. 255), was beweist, daß der Geschichtsschreiber
die Nachricht vom Tod des Gewaltigen zu Hause erhielt. Die Beschreibung des Be-
gräbnisses hingegen ist von den Hunnen aus gesehen; sie gibt sich überdies als Auszug:
pauca de multis dicere non omittamus. Das weist auf eine andere Quelle, und in der
Tat schließt sich mit 259 Cassiodors Bericht über die Ereignisse bis zur Schlacht
am Nedao an. Daß dieser in seiner Gotengeschichte auf Attila zu sprechen kam,
liegt auf der Hand. Wenn Mommsen (a. O. 124 Anm. i) zu Get. 257 als Parallele
einen Satz aus Priskos fr. 3 FGH. 4, 90 anführt, so beweist dies nicht, daß bei lordanes
der Grieche zugrundeliegt, sondern schließt diese Möglichkeit aus. Denn wie dar-
gelegt, tritt bei lordanes die alttürkische Vorstellung von den tört bulun der Welt
entgegen (S. 244f.), bei Priskos aber die biblische Wendung von den Inseln des Meeres
als äußerster Grenze (245 Anm. 28). Daß das Zitat aus Valerius Maximus, daß durch-
geführter Cursus und Isokolie gleichfalls auf Cassiodor weisen, ist S. 241 f. bemerkt
worden.
Zu S. 244; 245 Anm. 28: In der Vita des Ya'köb Burd'änä von Johannes von
Ephesos bei J. P. N. Land, Anecd. Syriaca 2 (1868), 369 Zeile 22 heißt es nach langer
Aufzählung der Länder, die der Heilige besuchte: „die Inseln des Meeres (w-gäzrätä
d-yammä).
Zu S. 248 Anm. 41: Über byfhf ohne vollständige Kenntnis der Belege und über-
dies abwegig W. B. Henning in: Handbuch der Orientalistik 4 (1958), 62 Anm. 2.
Nachzutragen p'txS'y der Karter-Inschrift von der Ka'ba-i ZraduSt = pädiSäh: M. Chau-
mont in: Annales Musoe Guimet 1958, 171.
Zu 8.249: Zachar. Rhetor 93, 2 Brooks u.a. fasseuse 'bad ,, fecit"
entspricht genau dem aruast 'äbed (h)wä der Inschrift von Mchet'a. Damit widerlegt
sich erneut die Annahme, daß eine iranische Konstruktion mit kartan zugrundeliege,
die uns noch Suppl. Aram. 84 nötig schien.
Zu S. 251 f.: Bei anderer Gelegenheit soll versucht werden, den Siebensilbler der
Inschrift von Mchet'a in die Entwicklungslinie einzuordnen, die von den „Gesängen"
des Bardesanes zu den Sechssilblern des Aswänä (etwa i. Hälfte des 4. Jahrhunderts),
den Hymnen des Markä und zu Afrem verläuft. Älter könnten allenfalls die Sieben-
silbler sein, die im Brief des Märä b. Serapion stehen (A. Rücker in: Handb. d. Oriental.
3, 1954, ?0)· Doch gehört dieser erst in aurelianische Zeit: F. Altheim, Literatur und
Gesellsch. i, 250f.
Zu S. 267: W. B. Henning in: Handbuch der Orientalistik 4, 38f. hat das Ver-
hältnis der drei Status innerhalb der Inschrift von Mchet'a auch sonst unrichtig
beurteilt. In ihr werden die endungslosen Formen in jedem Fall für die singularen
maskulinen, die Endung -/ ebenso für die femininen Wörter verwandt (Suppl. Aram. 83).
Die Inschrift schreibt bfhS Z prsmn MLK statt bthS' Z prsmn MLK', 'NTT ZY
ywdmngn statt 'NTT' Z ywdmngn. Es muß betont werden, daß diese Normalisierung
allein aus der jüngeren Entwicklung des Aramäischen sich erklären läßt. Im Syrischen
kann das vor dem Genetiv stehende Substantiv undeterminiert bleiben: Th. Nöldeke,
Kurzgef. syr. Gramm.2 160 § 210 erster Absatz; Mand. Gramm. 313 Anm. 2. Dieselbe
Erscheinung kennt man aus dem Mandäischen: Th. Nöldeke, am zul. gen. O. 313 § 221.
Wieder kann bei der Umschreibung mit d das erste Glied im Stat. absol. stehen.
ERGÄNZUNGEN 429

Weiter bedeutet im Syrischen und im Mandäischen brä sowohl „der Sohn" wie „ein
Sohn", und wenn man den unbestimmten Artikel auszudrücken wünscht, muß had
zum Stat. emphat. hinzutreten: had kfnä „ein Gerechter" (J. P. N. Land, Anecd.
Syriaca 2, 1868, 373 Zeile i). Dementsprechend muß in der Genetivverbindung auch
der Stat. constr. vor dem Stat. emphat. nicht mehr determinieren. Bar iattä ,,filius
anni" bedeutet: „ein Einjähriger" (Th. Npldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 160 § 210
zweiter Absatz). Schließlich kann im Mandäischen bei Femininen der Stat. constr.
durch den Stat. absol. ersetzt werden. Statt Idmwt my' „zu einer Art Wasser" kann
man sagen: Idmw my' (Th. Nöldeke, Mand. Gramm. 312 § 219).
Angesichts dieses Zustandes erwies sich eine Normalisierung als wünschenswert.
In der Inschrift von Mchet'a kehrte man bei den maskulinen Wörtern zum Stat. absol.,
also zum reinen Nominalstamm zurück, und dasselbe darf für die femininen gelten,
wo jetzt die einstmals allgemeingültige Femininendung -t hergestellt wurde. Es ist
der älteste Zustand, den die aramäische Panammü-Inschrift zeigt (F. Rosenthal,
Die aramaistische Forschung 57), und als dessen Rest C. Brockelmann (Grundriß der
vergl. Gramm, d. semit. Sprachen i, 1908, 409) die syrischen Adverbien auf -at ge-
deutet hat. Auch das Syrische und Mandäische haben eine Normalisierung angestrebt,
indem beide Sprachen den Stat. emphat. zum Stat. generalis erhoben haben. Wie
dieser Stat. emphat. gesprochen wurde, so auch die Normalisierung, die in der Inschrift
von Mchet'a entgegentritt. Das zeigen die Siebensilbler, die sämtliche Substantive
ohne Determination messen. Wenn irgend etwas, so bestätigt dies, daß es sich um
wirkliches Aramäisch und nicht um ideographische Schreibung handelt. Über die so-
eben genannte Inschrift zuletzt P. Grelot in: Semitica 8 (1958), nf. (uns nirgends
überzeugend und durch die Erörterung überholt).
Zu S. 278: Gleichsetzung der arslya, arlslya Mas'üdl's mit den Äss abgelehnt auch
bei D. M. Dunlop, The History of the Jewish Chazars (1954) 94·
Zu 8.281: Eine Äußerung, die gleich der des Katulphos vom Tiererlebnis geprägt
ist, berichtet aus unmittelbarer Nachbarschaft der Hephthaliten Tabarl, ann. 2, 1041,
5f. As-Sabal, König von al-Huttal (am Nordufer des oberen Oxos), hat seinen Vetter
getötet. Die Mutter des Getöteten droht der as-Sabals mit der Rache der sieben Brüder,
denen gegenüber der Bedrohte allein stehe. As-Sabals Mutter antwortet: „Die Löwen
haben wenig Kinder und die Schweine viele."
Zu S. 296: In Epigrafika Wostoka 12 (1958), 48f. bespricht G. F. Turcaninow
eine mittelalterliche Inschrift in griechischen Buchstaben, die er als alt-ossetisch
deutet.
Zu S. 325f.: Zum Bedeutungswandel avest. kamareÖa- „Kopf": +kamäl-ök, -
, eigentlich „Köpfchen", dann „Kopfbedeckung", verweist R. Stiehl auf eine
Reihe ähnlicher Fälle. Überall wird von der Bezeichnung eines Körperteils durch
Diminutiv-Suffix der Name eines Bekleidungsstückes oder eines ähnlichen Gegen-
standes abgeleitet: : mittelgriech. „Stirnschutz des Pferdes"; :
„Ärmel"; caput: mittellatein. caputium; manus: manica „Ärmel"; französ.
corps: corsette; neuhochdeutsch Arm.-Ärmel; Leib: Leibchen; Faust: Fäustel. Arab.
yad bedeutet „Hand, Arm" und „Ärmel".
Zu 3.378 Zeile 8f. und 8.412 Zeile i3f.: Nachdem G.G.Cameron (zusammen
mit R. A. Bowman) eine erste Mitteilung über aramäisch beschriftete Gegenstände
aus Persepolis veröffentlicht hatte (Persepolis Treasury Tablets, 1948, 6 r., 34 L), wer-
den jetzt bei E.F.Schmidt, Persepolis 2 (1957), 55*· weitere Proben gegeben. Wieder
gehen die Angaben auf G. G. Cameron und R. A. Bowman zurück (a.O. VII r.). Die
auf S. 55 r. aufgestellte „formula" lautet: "In . . . the fortress (blrfä, die beiden ameri-
kanischen Gelehrten schreiben unverständlicherweise birta), into the hand of N. the sgn',
430 ERGÄNZUNGEN

X made this mortar (hwn) — or pestle ('bswn) or plate (shr1· shd'). To the treasurer
in the presence of the assistant treasurer ('pgnzbr) (it is) a gift." Auf pl. 23, 3 liest
man unter Zuhilfenahme von i b und 5:
i. Bprs BYRT'
LYD 'mit SGN'
dmn .(?) 'BD hwn
ZNH RB LYD bgdt
5. gnzbr' KYM
mzddt 'pgnzbr['
'bzkr SNT .
Zur Schreibung: Auf 3 ist gnzbr' deutlich, und die Lesung 'pgnzbr' wird durch i b
bestätigt. Man hat also einen der Fälle, da im Gegensatz zur sonstigen Defective-
Schreibung von altpersischem -a, dem altpersischen Wort die Endung des aramäischen
Stat. emphat. angefügt ist (H. H. Schaeder, Iran. Beitr. i, 1930, 65f.). Die Heraus-
geber schreiben S. 55 r. Anm. 69 fälschlich 'pgnzbr, mit einem unverständlichen
Haken oben rechts, von dem sich vermuten ließe, daß er im Setzkasten aus dem zu
verlangenden Älaf entstanden ist.
Zu Anfang, wo "proper names indicating a place, a building, or part of structure"
verlangt werden, begegnet prs byrt'. Man hätte demnach den auf den Münzen der
ersten Frätadära begegnenden Namen von Staxr bereits in achaimenidischer Zeit als
solchen von Persepolis. Pärsä blrtä entspricht, wenn man die ursprüngliche Be-
deutung (= ) zuweist, genau aus " . J. Wackernagels
Deutung (Glotta 14, 40 f.) hat sich damit glänzend bestätigt.
Der blrtä entspricht der Zeile 2 genannte 5g«' „Gouverneur, Präfekt" (assyr.
iaknu). Man kennt ihn aus den aramäischen Elephantine-Papyri, wo der sgn wmr'
in der blrtä erscheint. Vgl. E. G. Kraeling, The Brooklyn Museum Aramaic Papyri
(1953) Nr. 9, 19; 23; 10, 13; 12, 28; 32; dazu Nr. 35, 2; c; 47, 2; 7 bei A. Cowley, Ara-
maic Papyri of the Fifth Century B. C. (1923); vgl. sgn wdyn Nr. 8, 13; 10, 13; iSf.
Von besonderer Bedeutung ist das erste Wort der letzten Zeile für die Deutung
der Ostraka von Nisä. Zuvor waren die von W. B. Henning (Handbuch der Orienta-
listik 4, 27f.) vorgeschlagenen Lesungen höw&ä, höß&ä, haub&a und 'bybry abgelehnt
worden (S. 412). Den zugunsten des richtigen hwt' = häbltä von I. N. Winnikow (West-
nik drewnej istorii 2/1954, 6) und uns (Suppl. Aram. 57!) angeführten Gründen sei
hinzugefügt, daß auch das Mandäische w für spirantisches b schreibt: Th. Nöldeke,
Mandäische Gramm. 49. Weiter wird richtiges 'bzbr jetzt durch 'bzkr gestützt, die
beide als *a-bä£i-bara- und *a-bäzi-kara-, zusammengehören. *A-bäzi-kara- läßt sich
seinerseits von ba-si-ka^ra, Plur. ba-si-ka±-ra-i$ der elamischen Treasury Tablets
Nr. 54, 6 und 41, 5 nicht trennen. Im ersten Fall erscheint das Wort als Zusatz zum
EN. -ii-da-na Hystanes, im zweiten für eine Gruppe von Lohnempfängern. G. G. Ca-
meron (a. O. 149) versteht als altpers. *bäji-hara-, neupers. bäjglr, bäzglr. Er deutet
als "tribute (or tax) handler", womit sich wenig anfangen läßt. Gemeint sein kann
doch nur „wer Tribut macht", will sagen: „wer Tribut einbringt", „zahlt" oder
„durch Dienstleistung abdient", wie 41, 5. Alle, die in dieser Lage sind, tragen die
Bezeichnung *bäjfi-kara-. Sie gilt sowohl für die Werkleute selbst, die 41, 5 so heißen,
wie für den, der für ihre Leistung verantwortlich ist. Ein *bäfi-kara- im zweiten Sinn
ist Hystanes in Nr. 54, 6. Werkleute und ihr Verantwortlicher gehören zusammen,
und so kann einmal die Gruppe, ein andermal der Einzelne an ihrer Spitze die Be-
zeichnung tragen.
Der in unserer Inschrift genannte upa-ganzabara- Mazdadäta ist hingegen 'bzkr,
*a-bäzi-kara-, also das Gegenteil eines *bäfi-kara-. Er ist nicht mit der Eintreibung
ERGÄNZUNGEN 431

des Tributes befaßt und deutet dies durch einen Zusatz zu seinem Titel an. Gab es
neben dem upa-ganza-bara-, der *a-bäzi-kara- war, einen zweiten, der durch den Zu-
satz *bäzi-kara, *bäfi-kara gekennzeichnet war ? Bemerkt sei, daß sowohl die Schrei-
bung 'bzkr wie griechisches (G. G. Cameron, 149) zeigen, daß *bäzi-kara-
oder *bäzi-kara- (statt des in unserer Umschrift meist venvandten /) gesprochen wer-
den konnte.
Eine letzte Bemerkung hat 'bzbr der Ostraka von Nisä zu gelten. Das Wort be-
zeichnet einen Weinberg, der mit keiner *bäzi$ oder (Deinon bei Athen. 503 F)
belegt ist. (Suppl Aram. 57f.). Hingegen wird in diesen Urkunden als ptbzyk = *pat-
bäzlk bezeichnet, was immer an Liegenschaften zur *bäzii oder veranlagt ist.
Zu S. 397: Die Topographie von Kandahar behandelt K. Fischer in: Wissenschaftl.
Zeitschr. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 7 (1958), 11511.
Zu S. 403/4: Bezeichnend ist die Stelle aus der Vita des Ya'köb Burd'änä von
Johannes von Ephesos bei J. P. N. Land, Anecd. Syriaca 2 (1868), 373 Zeile i: had
kenä d-lä mei_plag „ein Gerechter, der nicht zweifelt". Der unbestimmte Artikel wird
statt durch den Stat. absol. durch den Stat. emphat. mit had ausgedrückt, während
beim Partizip am (beim Nomen bereits verlorenen) Stat. absol. festgehalten wird.
Zu S. 405 f.: Eine Untersuchung über Bedeutung und Ableitung von paityästay-
gibt H. Humbach in: Indogerm. Forsch. 63 (1958), 2i6f. Die von ihm vertretene
Bedeutung „Entgegenschießer (= Aussender, Äußerer)" läßt sich weder für die In-
schrift von Taxila noch für die von Kandahar anwenden. In der letzten entspricht
einem hu-patyästl Instr. Sing. Dieses kann nur in Bartholomaes Sinn aktivisch:
„gutes Ermahnen, gutes Einschärfen" oder passivisch: „gutes Ermahntwerden" und
den dadurch bewirkten Gehorsam bedeuten.
Zu 8.414: Nachträglich ergab sich, daß nicht einmal BY N t der Inschrift von
Susa als Verbalmaske mit iranischer Endung verstanden werden muß. Es kann auch
gedeutet werden als BNYT, zu lesen banyat, Part. Pass. fern, von bnä. Die Endung -/
wäre dann verwandt wie in der Inschrift von Mchet'a: als generelle Kennzeichnung
des femininen Wortes, ohne Berücksichtigung des Status. Also: „dieses dein Bildnis
ist ein errichtetes von mir" = „dieses dein Bildnis habe ich gebaut". Zugrunde liegt
die aramäische Konstruktion Ictll II „ich habe gebaut". Das wäre eine Bestätigung
unserer Lesung HZTK (wenn es ihrer noch bedürfte), die das gewünschte feminine
Subjekt bringt. Darüber hinaus erweist sich, wie richtig unsere Korrektur M'YTT
statt des üblichen M'YTYN gewesen ist (Mchet'a Zeile n).
ABBILDUNGSTEIL
ABBILDUNGSTEIL 435

Abb. i. Orthostat, Teil Halaf. Berlin, Yorderasiat. Abt. d. ehem.


Staatl. Museen. Aufn. V. A. 8861.
28*
436 ABBILDUNGSTEIL·

Abb. 2. Filzteppich von Noin Ula. Nach M. Rostovtzcff,


The Animal Style Taf. 24, i.

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Abb. 3.
Oben : Inschrift der Silberflasche im Museum von Nowotscherkask.
Unten : Inschrift einer baklazda im Museum von Nowotscherkask.
ABBILDUNGSTEIL 437

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438 ABBILDUNGSTEIL

Pahlavik Armazisch Parsik Gruzinisch

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Abb. 5. Schrifttabelle B (H. Junker).
ABBILDUNGSTEIL 439

Abb. 6. Gefäß von Ladanvbene. Aufnahme J. Harmatta.

Abb. 7. Ausschnitt aus Abb. 6. Aufnahme J. Harmatta.


440 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 8. Pferdemaske, Pazyryk. Nach Georg. Journ. 1938, i, 4.


ABBILDUNGSTEIL 441

Abb. 9. Das sog. „Dekadrachmon" Yima Abb. ίο. Exemplar Sandys-AYood


Kadphises-Kaniska. Exemplar Azizbeglou (Aufnahme nach Gipsabdruck).
{Aufnahme nach dem Original).

Abb. ii. Das sog. Silbermedaillon Bahr ms III. (Aufnahme nach Original bei
S. Eilenberg.)
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ABBILDUNGSTEIL 443

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Abb. 14. Umzeichnungen zu Abb. 12.

Abb. 15. Umzeichnungen der Abb. 13.


444 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 16. Stein von Apscheronskaja. Aufnahme R. Strietholdt. Berlin.


REGISTER
i. GESCHICHTLICHES REGISTER

Dynastien, Herrscher und Personen

'Abbäsiden no. 139. 205 Barth, Heinrich 162 f.


'Abd al-Kais 113 Basis 14. 16. 113
Aetius 80. 367 Basüs, Fehde der 147. 150
Afrem 38 Bayan 365
Alatheus 352. 354 Bilgä qayan 281
Alexandras, Satrap der Persis 375 Bleda 32, 6. 120. 242. 364 f.
al-Härit b. al-Cabala (Gassänide) 138. 140 33, 17
al-Härit b. 'Amr (Kinda) 115 f. Bulgarios 91. 95. 368, 18
al-Härit b. Hilliza 150
Capussa 120.
Amalasuntha 322, i. 328
Chaba 278
127. 151 Charaton 23, 28. 27. 363
'Amr al-Maksür (Kinda) 115. 150 Chosrow I. (Armenien) 12
'Amr b. 'Adi 128
Chusrö I. Anö§arv3n (Sasanide) 38. 49.
'Amr b. Kultüm 150
92. 116. 156. 208
Antiochos III., der Große 375 i. 377 f. — II. A/?arvez 49. 97. 114, 24. 195. 199.
— IV. Epiphanes 376—379 277. 388
Ardaäer I. 223. 245. 260—265. 327. 388 Constantius 38
Aristeas 357 Cyria 172
Arsakiden, arsakidisch 12. 83, 32. 106. 326.
329.389 Dengizsig, Dintzik 21. 85. 85, 3, 120. 2zg.
Artabanos III. (Arsakide) n 365
Artax§a#r (Frätadära) 379 Donatos 363
Asoka 397—408 Dulo 17. 20. 22 f. 24 f. 27
207, 34. 2i8. 365 Ellak 2i. 120. 365
Atanagild 361 Ermanarich 220, 243. 306. 315. 319. 320.
Athanarich 343. 349. 352 f. 329·333·343· 35° f-
Attila 9, 49. 17 f. 20. 32, 6. 79. 82. 83. 85. Ermi 26 f.
102. 115. 120. 198. 199. 214 f. 220. 224. Ernak, Irnik, Hernac 17. 17, 2. 18 f. 19, 9.
•22g. 240 f. 242. 244. 243 f. 246. 253. 256. 20 f. 28. 120. 258. 259. 305
273. 278. 283. 284. 286 f. 348. 367. 420. Euphemia --\g
427 f. 'Ezänä 180. i8if. 190f. 260
Bagdät 378 Filimer 5
Bahräm II. 125 f. 127. 128. 223. 389 Firmus 180
— III. 126. 127. 132. 384—387. Abb. ii Flavius Gratianus 329. 331
Bahräm V. Gör 33. 40. 115. 204 i. 208 Fritadära 204. 375—379. 411 f.
Bahräm Cöbm 41. 47. 49. 50. 208 Fritigern 353, 39. 354
Balamber 351. 363 Cadima 131. 139. 151—155. 391
Baläs 115 Gala 120. 120, IQ
448 REGISTER

Gass niden 138. 139. 140. 147. 149 Lau-shan 61. 202, 7
Geiserich 297 Lebedias 97 f.
Goar 8ο L nnrot, Elias 337
Grumbates 45· 247· 25°· 252 Malamir 246. 253. 256 f. 282
Guntiarios 8ο. 8ο, 11 Mama 365
Herakleios 97· 277 Mao-tun 20. 23, 29. 24, 31. 27. 61.
Hermaios 381, 11 Marinus 158 f.
Hugr kil al-murlr (Kinda) 115 Massinissa 120
Hugr b. H rit (Kinda) 116. 147 Maurikios 71 f. 76. 87. 91. 95. 98
Hunimund 351 Mazdak 116
Hu-yi 31 f. 36 f. Mesrop 286
Hypsikrates 70, n Michael der Syrer 86 f.
Micipsa 120
lambulos 143 Mithridates I. von Parthien 379. 422
Imru'ulVais, Dichter 115. 116. 138. 149 f. Mohammed 109. 124. 138. 142. 144. 202
Imru'ulkais b. 'Amt (Lahmide) 125—132. Molon 375
139. 144. 151. 155. 156. 391 Munderich 353. 353, 34
Isperich 10. 258. 282 Mundir III. (Lahmide) 116. 150
luba von Mauietanien 377 Mundo 18, 8
lugurtha 120 Mundzuk, Mundzucus 21, 16. 120. 364
lulius Maternus 159—167
lulius Verus Maximinus, C. (Kaiser) Nabunid 136
301—305. 341, 16 Narse (Sasanide) 127 f. 244. 253. 258. 384.
lustinian I 117. 135 f. 174. 181. 386 f.
lustinus I. 136. 140 Nikanor 409
Nu'm n I. 139
Johannes von Nikiu 38 Numenius 376 f.
Johannes von R€S'ain 287
ί, Vahuburz 376. 3781.
Kabaon 167—169. 174 f. 187 Octar 2i, 16. 79, n. 120. 364
Kamnaskires I. 379 Omaiyaden, omaiyadisch 107. 128, 22. 328
— H- 379 Omurtay 240. 253. 256 f. 258
Kan ka 199. 211. 380—384. Abb. 9 Orchan, 'Opyccv s 20, 10
Kard sat, Bischof von Arr n 287 f.
K rter 14 Per z 33, 23. 34. 39. 40. 114. 115. 199.
205. 208
Κάτουλφος 45- 281. 429
Peukestas 410
Kav .5 I. 38. 95. 106. 115. 116. 140. 208.
Pharasmanes I. n
287.388
Kazarig 91 — II. 248. 249 f.
Kinda 115—117. 129. 147. 150 Pharnakes II. 70
K nigliche Skythen 14. 64 Philippus Arabs (Kaiser) 124. 145
Konstantin I. 127 Pilger von Bordeaux 114
Kormiso , Κορμέσιοξ 17. τη, 3. 258 Presiam (Persianos) 253
Ptolemaeus (Geograph) 3 f. 159 f.
Kujula Kadphises 381, u. 411
Ktil t gin 49, 40. 6g. 204. 256 f. 2Si Qrum 253. 256 f. 262
Kursix 14. 16. 113 Rhaos und Rhabdos 299
Ku n 35. 199. 244. 327. 380—384. 420. Roas 2i, 16. 120. 364
421 Sairac 352. 354
Kutaiba b. Muslim 351, 27 Samau'al 138, 139. 142
Lahmiden 115 f. 125 f. 128. 139. 144. 146. S mir du Raid n 129. 129, 27
147. 149. Sanesan 16
REGISTER 449

Sapür i. 14 f. 243. 250. 253. 258. 264,19. Tacfarinas 160


273 Taxiles 412
— n. 35. 38. 113· 126. 199· 223· 348. Tervel,TippEXis,Terebellusi7,3. 20. 258 f.
388—390.420 Theodahad 322 f.
Sasaniden, sasanidisch 7. 13 f. 15. 38 f. Theoderich 328
40.25. 50. 51. 113. 115. 116. 117. 122. Trasamund 167—169
125 f. 128. 129. 130. 135. 138. 147. 154. Trdat der Große 15. 15. 97.
155· 196- 198 f. 204 f. 218 f. 244. 245. Tudor Doksow 259
252. 253. 258. 260—265. 273. 283. 311. Tukos 253
313.322 f. 326 f. 330.331.371.384—387. Uptar 79, 11.367
388—390. 422
Vätafradät 379
Seiles 375 f. Vima Kadphises 380—384. 411. Abb. 9
Seleukos I. Nikator 409 f.
Vologeses I. (Arsakide) n
Seleukos IV. Philopator 375. 376
— II. 12
Septimius Flaccus, L. (Consul suff. 183)
Withimer (Vinitharius) 320. 351. 352. 361
159—167
Wulfüa 361
Sigerdis 411 f.
Silko 175 Ya'köb Burd'änä 140
Spadines 70 Yazdgard II. 33. 34. 40. 205
Spasines, Hyspaosines 377 Yoliy-tägin 49
Sunikos 427 Zabergan 367
Surahbil b. Härit (Kinda) 116 Zarathustra 410 f.
Symeon 283 Zenon 39

Ortsnamen

Adamclisi 325, 37 Bosporus, bosporanisch 16. 70. 318. 327 f.


Adrianopel 90. 93. 354. 366 329. 342. 347 f.
Agisymba (Asben) 159—167 Buchara 37. 42 f. 46. 56. 105. 204—206.
A-lan-mi 56 323
Altlußheim 198. 225 Byzanz. Byzantiner, byzantinisch 168 f.
Ambär 131. 132 Choito Tamir 272, 8
Amida 247. 250
Croucasis 231
Anchialos 87. 90. 93. 95 Csongrud 197 f.
Aquileia 224
'Arälj: el-emir 143 Damaskus 109 f. 143
ArdaäSr-Churra 113 Darial, Paß 14
Arrän 287 f. DSdän 137. 139. 141. 146. 148
Artaxata n Derbend, Paß 13. 14. 15. 231
Baläsayän 14. 16 Drapsaka 203 f.
Balch 36. 69. 204 du Kar 117
Balkuwara 139 Dümat al-Candal 107
Ballana 174 f. Dura-Europos 15.189.250.311.324.326!
Bäzäklik 199, 28. 201 329. 69. 331· 332
Begram 36. 63 Edessa 34. 38. 39. 86. 107. 128. 250. 327.
Borowoje 102 328, 61
£9 Altheim, Kannen T
450 REGISTER

el-Higr 137. 141. 188 Mundolzheim 102


el-' l 137 f. 142. 189 Mursuk 162
Emesa 124 Nagr n 115. 129. 129. 27. 141
Erac 351 Naumachaeorum promunturium 376 f.
es-Sadir 139 Nedao 355. 365
Fondukistan 330. 333 Nisibis 145
Noin Ula 102. 236. 237 f. Abb. 2
G biya 139 Nowgorod 334
Gainy 314. 317 Nowotscherkask 217
Garama (Dschenna) 159 f. 161 f. 163 f. Num kat 43
165. 177. 184
Gerasa 15 f. Oberaden 83, 33
Gumd n 141 Olbia 322. 324. 340
Ordos 57. ιοί. 217.308
Haibar 142
Hatra 135 f. 138. 139. 141. 143. 145. 146. Palmyra, Palmyrener, palmyrenisch 107.
195. ι a 109. 124. 135 f. 141. 142. 143. 146. 148.
Hawarnak 139. 141 178.180.322. 327
Herpily 297 Pantikapaipn-Ker£ 78, 8
Hira 116. 131. 132. 139. 140. 142. 149. Pazyryk 29. 82, 21. 102. 200. 307! 309.
150.154. 155 3101. Abb. 8
Persepolis 327. 378 f. 429 f.
lie 167, 61 Petra 107. 139. 140. 141. 143. 146. 148
Imaon 91. 96. 113 Phanagoreia 78, 8
Inseln des Okeanos 243 f. 245, 28. 428 Philai 174. 176
Jericho 108. 114 Porolissum 424—426
Jerusalem 114 Prason 158. 159
Karanog 179. 180 Qarabolyasun 281. 284
Katalaunische Felder 348. 354 Qumdarya 333
Kenkol 53 f. 77 f. 331, u. 427 Qumtura 323. 330
Kertsch 348. 349 Qustul 186
Kiri 332 Qyzyl 330. 333
Kopen 102
Korinth 90 Re ahr 113
R S n-PSr z 114
Kuca 322. 330
R gen 331
Kul b 116
Kusair 'Amra 109. 328 Sabratha 167, ι. 184
KuSdan 244 Samarkand 43. 46. 105
Samarra 139
Lanus 354, 45
Leptis Magna 159 f. 162. 177. 184 f. Sarkel 276
Lo-yang 28. 37. 57. 102 SaS 46. 212, 33
Schami 330, 9. 422
Ma'rib 131. 141. 147 Serdica 81
Med in-S leh 189 Siloe-Bach 114
Medina 130. 141. 142 Sini, Σίννα 140
Mekka 115. 141. 144 Sinigaglia, Goldmedaillon 104, 16
Meroe 161. 174. 179 f. 190 Sirmium 90, 95
Merw 105 S s in, Nara 102
Μουνδιακόν 8ο, n Staxr 377—379· 43<>
MSatt 128. 139. 142 strata Diocletiana 128
REGISTER 461
S l, Pforte von 114 Teil Halaf 234 f. 236 f. Abb. i
Susa, Susiane 66. 330, 9. 375. 422 Tropaeum (Stadt) 325, 37
Su-tfe 31 Tsad-See 102 f.
Szeged-Nagyszaksos 7 Τζούρ 96
T 'if 141 Uhaidir no
Taim ' 106. 136! 138. 139. 141. 142. 188. Urganc 34, 26. 43
189 W di M s 140
T k-i bost n 199 W di Sirh n 106. 109
Talas 54. 57. 77. 331, u Wolfsheim 7
Tanais 3. 69. 91. 113 Worms 80, ii
TaStyq 102
Teb k 137 Y e-chi 46. 61 — 64. 202, 7

L nder- und V lkernamen

Abessinien, Abessinier 147. 191 Άτελκούζον/ 97 f·


Aesti 243 thiopien, thiopen, thiopisch 158—167.
Ahw z 113 179. 260
Akatziren 5. 18, 7. in. 276! 277, 13. 368 Auxorianen 117
Aksum. Aks miten 180. 181 f. 190. 260 Awaren 18. 18,7 26! 75 f. 83. 84. 85.
Alanen, alanisch 3 f. 9. 10 f. 12. 14. 15. 87. 92. 117. 200. 269 f. 282!. 313. 365
I01
16- 54—56. 56' 33- 57—84· 9i· 95- · Badax n 198
104. 105. 106. in. ii2. 113. 124. 198. Baktrien, Baktrer, baktrisch53- 61 f. 68.
246. 247. 247, 40. 249! 268 f. 278. 286. 69. 105. 123. 203 l 254. 381
293—305-311—321 329· 331· 332. 342· Ban Asad 116. 147
344. 347. 348 f. 350. 351. 352- 354- 358 f- B ardor es 85
366 f. 368. 370. 427 Βσρσήλτ 85 f.
Albanien, Albaner 14. 16. 60 Bastarnen 3. 325, 37. 340 f.
Amadoker 3 Berber 119 f.
Anten 71—77. 90. 93- 94- *97. ι?· 32°· Berzylia 91. 96
35I-36I Blemmyer 117. 119. 167. 174 f. I78—183-
Aorser 60 f. 69—74. 96 185 f. 188. 191
Arabes Scenitae 188 Budiner 112
Arabia ( gyptischer Gau), Arabarch i88f. Burgunden 79 f. 79, n. 83. 367
Arabien, Araber, arabisch 49. 92. 106 bis
in. na. 117. 118. 119. 124—157. Celtae 339. 340 f.
188—191. 273. 370 Charakene, charakenisch 327 f. 377
aribi 144 Chazaren, chazarisch 22, 24. 33. 84. 85.
Arier 230—237 86. 91. 95—98. 239. 277 f. 284. 418
Armenien, armenisch n. 14. 15. 69. 117. Chersonnesos 78, 8
250. 342. 420 China, Chinesen, chinesisch 82. 83, 27.
s, ss, Assi, Aas, Άζία, Άσαϊος 54—56. 122 f. 180, 195 f. 198. 219. 237 f. 255.
58—6o. 6y—74. ιοί. 104. ii2. 276. 268. 311. 313. 369
358 f. 369 Chionitae, Chioniten 34. 35. 36. 38. 52 f.
Asdinge, Hasdinge, "Acmyyoi 297—300 74, 34. 247. 250. 348. 349. 362. 370
"Αστοί, Arsi, Άρσΐ-ns 55· 61—64. 64, 18.- Chor s n 40. 92. 123
67 f. 105. 278. 300. 429 Chunni, Χουννί 85 f. 365
Asorestan 12. 40, 27 Chunni 37. 8l
ta·
452 REGISTER

Chwärezm, chwärezmisch 34, 26. 39. 43. Hua 35, 40


55. 64 f. 64, i. 66. 77, 3. 81. 105. 223. Hun, hüna-, hüna- 21. 27. 30. 53
244. 271, 8. 277—279. 284. 410. i. 427 Hyrkanien, Gürgän, armen. Vrkan 34,26.
Corosmini, gens Corosmina 278 40,27
Daghestan 96. 231. 319. 426 lazygen 293. 296 f.
Dazien, Dazier 3. 91. 255. 320. 326. 355. Iberien, Iberer n. 14. 15. 247. 248. 250.
424. 426 286. 288
DSlam 50 Indien, Inder, indisch 196. 220. 230 f. 233
Drevljanen 111.346 Ingwäonen 300
Issedonen 357
Elymais, Elymaier 327. 328, 61. 375—379
Esthen 333 Jakuten 309
Fezzan 160. 163. 165. 166. 167. 169. 177. Japan, Japaner, japanisch 196. 201
184 f. 186 Juden 86, 6. 104, 16. 138. 142. 144. 173.
Finnen 306—312.313.315—319.321.332. 196. 250. 419
334—337 Kappadokien 12. 14. 250
Franken 196 f. 244, 23
Fruchtbarer Halbmond 107 f. in. 123. Karaiten 86
Kaspia 91. 96
141
Kaspische Tore n. 12. 13. 96. 287
34of.
Kidariten 32 f. 34. 38. 53. 57. 69. 70. 74.
Garamanten 117, 4. 159—167. 184. 186 348· 420
Gelonen 80 Kimbern 298. 300
Gepiden, gepidisch 18, 8. 78 f. 339 f. 341. Kimmerier, kimmerisch 16. 342. 347. 348.
355 357
Gordyene 12 Kirmän 113
Goten 4. 5 f. 7. 39. 57. 82. in. 220. 243. Kolchis 351. 351, 26
293. 298. 300. 301—305- 3", 45· 312. 313· Korea 201. 223
315—337· 338—347· 349—359· 361· 363· Krimgoten 78
366 f. 421. 424 Kutriguren 16. 367 f.
Gothi minores 361 XoOvoi 4 ff. 28. 30. 37. 54. 56. 57 f. 85.
Greuthungi, Grutungi Austrogothi in. 284. 348. 349, 9. 363. 419. 420
338—341. 342—347. 352, 33
Guanchen 120 Langobarden 78 f. 89. 92 f. 244, 23
Lappen 311 f. 315. 332. 337
Hamiten 167. 171. 173 f. 187 Lebedia 97 f.
Haurän 136. 139. 145. 151 Libyan, lihyänitisch 137. 143. 145. 148.
Hephthaliten 22. 30—56. 57. 73 f. 77, 4. 154
85.86. 104.106.115.117.198 f. 200. 207. Lugier 299
an. 213. 214. 238, 17. 244. 246. 255.
271. 272. 281. 287. 348. 351, 27. 362. Ma'add 115. 116. 129
370. 371. 420 f. 429 Magreb 119
Heruler 298. 338 f. 344 Magyaren, magyarisch 66.97 f. 238.277 f.
Higäz 106. 130. 132. 136. 137. 138. 141. 311. 417!
146. 156. 188 Maiotis 3 f. 6. 9. n. 13. 58. 61. 68. 69. 91.
Himyar 115. 116. 141. 142. 147. 191 96. 159. 228. 235. 342. 344. 348—350-
Hiön 26 368
Hiung-nu 8, 41. i6f. 20—24. 27. 28. 31 f. Markomannen 297. 298. 299, 39. 300
33, 18. 37. 61. 102. 236. 369 Massai 187
Hu 29 Massyler 120
REGISTER 453
Mauren 117. 138. 167 — 170. 174 f. 183 f. *qu 29. 57
187 Quaden 424
Maziken 117 qun, xun, k n 7, 38. 8. 28. 29 f. 37. 54. 369
Medien, Meder, medisch 12. 13. 54. 66. 69.
113. 122. 123. 375. 409 Rabi'a 115. 127. 129
Medien, atropatenisches 12. 13. 250. 342 Rosomoni 350, 23
Merens 220. 319. 333 Rote Hunnen 53
Μεσηνή 377 Roxalanen 3. 286. 297
Min er 137 R s 104, 16. 197
Mitanni 231. 233 f. 237
Mongolei, Mongolen, mongolisch, mon- Sabiren 33, 17
goloid 54. 77-79- 86, 6. ιοί f. 105. 123. Sai, Sai-wang 61 f. 63 f.
201. 216. 218. 238. 268. 369 Σακαύρακοι, ΣακαραΟκαι, Saraucae 62 f.
Mordens 220. 319. 333 67
Mordwinen 220. 315 f. 319. 320. 332 f. 333 Saken, sakisch, Saka 46. 48. 52 f. 55. 62.
Mudar 127. 129 74, 34. 96. i2i. 252. 362. 370. 427
Sapaudia 79
Nabat er, nabat isch 136. 137. 138. 143. Σαρακηνοί, Sarazenen 145. 187 f. 190
145. 148. 150 — 156. 188. 190. 191 Sannatien, Sarmaten, sarmatisch 55. 60.
Nadir 142 70. 77—81. 83. 83, 32. 159. 197. 200.
Nahamawalen 299 217. 238. 293. 296 f. 302. 317. 318. 319.
Nobaten, Noba 178 f. 181 f. 190 329- 331· 332- 371- 427
Numidien, Numider 165. 183. 187 Σαυρομότται, Sauromates 70. 80. 81. 342.
Onoguren, Onoyur, Όνόγουροι ι8. 18, 7. 346
Setukesien 333
255 f- Siebenstromland (Semirjetschije) 103.105.
Osseten, ossetisch 55. 65 f. 72. 293 — 296.
311—320. 321. 344. 358, 24. 368. 429 271
Ostjaken, ostjakisch 229. 233. 235 f. 237. Sien-pi 21 f.
Σίγιννο», Σίγυννε? 54. 78. 427
312- Sinder 231
Πογυρΐται 96 Skiren 340 f. 361
ParsamaS, Parswnas 66 Skythien, Skythen, skythisch 5. 37. 39.
Parther, parthisch 10 f. 15. 37. 83, 32. 55. 64. 81. 83, 32.90 f. 95 f. 98.113.159.
185. 195. 218. 311. 322. 324. 325. 327. 217. 22l—223. 236. 242. 243. 244. 267.
329· 330. 9· 331· 339- 371· 391· 422 278. 322. 323 f. 338. 342. 346 f. 350.355.
Πασιανοί 62. 64. 64, i. 66f. 73 357
Perm, permisch 122. 127. 312. 313. 314. Slawen, slawisch 71 f. in. 197. 358 f.
315- 3Ϊ7- 319. 321- 333· 423 Slawenen 75 f. 89 i. 91 f. 94 f. 331 f.
Persis, Perser, persisch 13. 20, 10. 37. 39, Sogdiane, Soghder, soghdisch 31 f. 34. 35.
18. 41. 50. 54. 65. 66. 89. 113. 122. 204. 39. 43 f. 46. 53. 55 f. 57. 61 f. 64. 65.
277. 287. 288. 326. 327. 328, 61. 66. 67 f. 69. 73. ιοί. 200. 202. 204—206.
212. 213. 214. 252. 254 f. 271 f. 284.
375—379· 409· 4"
Petschenegen 120 f. 273. 367 348 f. 410, i. 420. 427
Poljanen in. 346 f. Syrien, Syrer, syrisch 107 f.
Protobulgaren, protobulgarisch 16. 17 bis
28. 85. 95. 96. 117. 207. 213. 228. 239. Tagrer 3
242 f. 246. 253 — 260. 273. 276! 280 bis Taifalen 353. 367
283. 365. 368 Tam d, Thamttdeni, tam disch 129.137 f.
Prassen 331 f. 153- J54- 188 f. 191
Τευδάβαρε? 85 Tanaitae 342
454 REGISTER

Tanüh, 131 Ugrier, Ugri 97. 235. 277. 313. 314. 315.
Tarangeten 3 321
Tervingi, T. Visi, Thervingi m. 338 bis Ugrofinnen 232—238. 313. 318. 356. 357,
341. 343. 346. 352 13
Thebais 177 Usrüiana 214
Thiudos in Aunxis 220 Veneter 54
Thüringen. Thüringer 78 f. Visi, Vesegothi 338 f. 341. 361
Tihäma 116. 130 Wandalen 117. 167—169. 175 f. 293.
Tochäristän, Tocharer 40. 41. 46. 50, 45. 297—300. 309. 366. 424
62—64. 64, 15. 67. 332 War, 85 f. 365
T'opa 28. 57. in Warnen 299 f.
Tripolitanien 165. 179. 184 f. Weiße Hunnen 33.38.53.57.69.70. 74.85
Tscheremissen 311 f. 315. 319. 320. 333 Wikinger 331. 334 f. 337
Tuareg 120. 173. 175, 43 Wogulen, wogulisch 229. 232 f. 235. 237.
T'u-ko 24. 33 307. 312. 318
T'u-ku, Tu-ku 20. 24 f. 27 Wu-sun 22, 20. 63
Tu-lu 25 Yen-ts'ai 55 f.
T'u-yü-hun 24 f. 25. 34. 29 f. Yoruba 167, 61

Dichten und Schreiben; Sage und Religion

Anähitä 422, 3. 423 Pferdemaske 307—309


Aristeas-Epos 357 Religions Wechsel 127
Cacus 202 Roman des ArdaäSr 263 f.
Christen, Christentum 149. 175. 189. 196. Runendichtung, finnische 334—337
254. 257. 261. 287, 4. 4i9f. 423 Salomon, salomonische Schwerter 196.202
Ciborium 90 Schädel als Trinkgefäß 202
David, König 202 Schamanismus 175. 202 f. 217 f. 221 f.
Dahhäk 203 268, 2. 337. 371
Daktylen, idäische 202 Schriftlichkeit 148 f. 173. 273
Dichtung, arabische 141. 147—150 Siegfried 202
Drache 203. 427 Sinnbildzeichen 270
Staborakel 26g i.
Ganymedes 427
Synchronismen 125 f.
„Gassires Laute" 166 f.
Götterzwang 175 Tatenbericht 252—265
Tanz 222
Heidentum, arabisches 108 f.
Totenklage 240—252
Hunnenschlacht, Lied von der 354—359
Tragik 252
Isis 174 Vierteilung der Welt 244 f.
Kalewala 306—310. 312 f. 334—337 Wäinämöinen 306 f. 309
Käva 203—206. 212 Watscheln 221 f.
nenia 247. 252 Wieland der Schmied 197. 202
Nestorianer 271 Zeus Aetophoros 383
Nibelungen 80, n Zwerge 202
Orakel 172 f. 175. 218. 268—270 Zwillinge, göttliche 298 f. 309
REGISTER 455

Tiere und Tierstil; Pflanzen

Adler, Adlersymbolik ιοί. 217. 223. 224 f. Przewalskisches Urpferd 310


227
Adlerkrone 223 Rentier 307—309
Rind (Kuh, Ochse) 228. 230. 281. 348
Baum mit V geln 217
(altind.) sarabha- 232 f. 236 f.
Dromedar n8f. 168—170. 176—183.
186—193 Sequoia gigantea 112
Dromedarnomaden 120. 158—191. 370 Steppe, Steppenzone 3 f. 6. 53. 83, 32.
Dromedarreiter 177—183 103—105. i2i. 123. 317. 318. 347, 52.
Elch 217. 232—239. 307—310. 335. Abb. 8 349- 37°
Stier 204
Falke 223. 227 Stierbanner 203 f.
Fliegender Galopp 314 Stipa-Gros 3
Greifen, goldh tende 212 f. 225 St rche 223 f.
Habicht 223 Sulchir ιοί. 103
Hirsch, Hinde 6 f. 217. 228. 230. 232. 235. Tierstil 216—239. 282. 308. 371. 429
238. 308 f. 347 f. Tschii 103. 105
Hirschpferd 308. 309, 32
Hund 8. 27. 228. 228, 17. 281 Vielfra 229. 230. 234—238
Kamel 69. 105. 118 f. 197 Vogelkopf 222 f. 225
Nash rner 159. 161. 163. 164 f. Waldzone in f. 318. 346 f. 347, 52. 368
Paster, Pasker 235—237 Wolf ιοί. 225—227. 235
Pferd 33, 18. 54. 119. 234. 238. 306—312. Wurm 225
314- 3Ϊ5- 325· 350 W steng rtel 106 f. 370

Gruppen und Einrichtungen

Beduinen, Beduinisierung 106. 108 f. no. Klibanarier 124


in. 113. 115. 116. 124—157. 188 K nigsbruder 121
Burg, Schlo 49. 50. 138. 139 f. 141 f. 147 K nigshelm 324—328
Charinische Kultur 317. 318. 319 K nigstracht, gotisch-iranische 322—331.
Cohors XX. Palmyrenorum 124, i 387
Cornuti 300, 47 K nigtum 202—215. 362—365
dehk n 48. 50 f. 360 Landnahme 235. 238 f.
Doppelk nigtum 120. 364 f. Limes 128. 165. 183. 184. 353, 34. 353. 38
Erbrecht 119 f. λογάδεξ 36ο
Fratriarchat 119 f. martb n der W ste 130
Gorodischtsche-Kultur 347, 52 Milit rgrenze 359
Nomaden, nomadisch 4. 46. 50. 52. 54. 69.
Heerlager 130, 34. 139. 140 78. 92. 103. 105. 106. 115. 118. i2i. 123.
Karawanenhandel 69. 104, 16. 136. 137. 124. 128. 141. 142 f. 144. 145. 147. 155.
141. 143 f. 162. 177. 180. 181. 184 f. 168. 169. 184. 185. 186. 201. 236. 237.
195, i a. 196 f. 282. 283. 300. 307. 308. 329. 346. 349.
Klassencharakter 360—362. 363 f. 370- 371
466 REGISTER

Noiitia dignitatum 338—341 Stadt, städtische Kultur 124. 136—140.


primates 354. 360—362 141. 145. 146
Synhodiarch 143
Qayan 89 f. 92 f. 94 f. 363
Syrtische Kultur 167
Reiterwaffe,schwere 3 .·3 2.313f. 320f.
tanistry ig f. 364
321. 354. 366 f.
tarqan 8. 49. 208. 213. 363
Schmiedekönigtum 195—215. 363. 372
Vetternerbe 120 f. 365
Schmiedeschamane 372
Schwestererbe 121 Wald- und Feldleute in. 341. 346 f.
Seidenstraße, Seidenhandel 122 f. 180 Weib, seine Rolle 170—173

Sachen

Ärmelmantel 323 f. Kidaris 326


Klappenrock 330—334
Barttracht 332. 386
Klappkragen 330 f. 333
Bildsteine, preußische 331
Bogen 83, 33. 232. 234. 270. 312 Klima, Klimakurve 112—117. 341. 349.
Bogen, goldener 102 370
.Kreis', i68 f. 169, 14
Bogenschützen 124. 350
Bommeln 83 Krone 223. 324 f. 386
Kurgan 29. 54
Bronzekessel 7
Kyrbasia 326
,Caftan-cuirass' 314
Lamellenpanzer 313
Chiton 322 f. 324. 330. 332
Langsax, schmaler 200 f.
Chlamys 325
Lapislazuli 198
Damaststahl 196 f. Lasso ii
Diadem 386 Ledergurt 92
Eisen 195—202 Meer als Bild der Macht 229 f.
Eiserne Tore n Metallkunst, späthunnische 283
Erdölquellen 13 Münzfunde, römische 316 f,
Farbbezeichnungen 33. 33, 18 Panzerung 311—314. 320. 325
Faustriemen 83, 29. 200. 201, 423 Parierstange 198—202
Felsbildkunst n8f. 128. 138. 141. 164 f. Pelze, Pelzhandel 5. 103 f. 104, 16. in.
169 f. 182 f. 186 f. 190. 191. 258. 264 f. 196 f. 318 f.
298. 311. 314. 427 Pfeil 270. 307. 312. 317. 350
Filigran 317 Pferdegeschirr 318
Geflochtenes Haar 89. 92 pilos 325—328. 330—332
„Geschorene Köpfe" 258 Querstück (am Schwert) 198—202
Goldblech, Goldfolie 102 f. 200. 216 f. 308
Reitsattel, hölzerner 102
Granulation 317
Graue Keramik 68 f. Säbel mit gerader Klinge 200 f. 202
Schädelverformung 77—84
Inkrustation 317
Schalwar 185
hamenyje baby 332 Scheidenbeschlag in P-Form 201
Kandys 323 f. 330. 331. 332. 333 Schilfhütten 132
Kettenhemd, Panzerhemd 312 f. 314.315. Schlitten 306
31? f- Schmelzverfahren 195 f. 202, i
REGISTER 457
Schmied 195—215 Streitaxt 234. 311, 45. 312
Schulterstück 323 f. 331 Streitwagen 186. 231 f. 234. 306
Schuppenmuster 216. 224 f.
Taillenrock 330—334
Schurzfell 203 f. Tiara 53. 326. 327
Schweißstahl 196 Trensen 83, 27
Schwertanhänger 83. 83. 32
Trommel 218—220. 371
Schwertbügel 226 Tuba 218—220. 371
Schwertformen 83, 29. 196—202. 317. 371 Tympanon 218 f.
Siegel 195
Sisyrna 323 Ulanka 332
Spangenhelm 325 Witterungsereignisse 113—117
Spiegeleisen 196
Wort und Sache 51. 311, 43. 314. 318
Spiegelformen 82 f.
Stahl 195—202. 371 Zahlen 354. 366—368
Stahlspäne in Vogelmägen 197 iiletha 333

2. PHILOLOGISCHES REGISTER
Arabisch und Südarabisch
/ 214 häkän 37. 40. 208—2ii
'ahd 261—265 südarab. hss(n 129—132
al-lärisiya 277—279 hatuna 212, 33
'arab 131. 132. 144—146 huss 131 f.
ar-radäniya 196
Inkongruenz des Kasus 152
at-turk, plur. al-aträk 40. 40, 25. 49. 74 kähina 173
badäwl 145 f. Mimation 153 f.
barmüdä 47 mukarrib 141
Constructus auf -u 153 f. 155. 156 Nunation 153. 154. 155. 156
Desinentialflexion 154. 155. 156 siryänlya al-awwala 396
Eigennamen (nabatäische) auf -w 151 tabl 219
tarhän 212
gaballyün (Ta'ä) 112
gazlra no. 113. 127. 130. 132. 139 wakkala 127, 8
südarab. °lmn 129. 131 yaftal 41. 44
güfa 109 yaltakln 47
hadara, hädir 130, 34 Safä, safäitisch 128. 142. 143. 146. 153.
haital, plur. hayätüa 34. 40 f. 42. 46. 51. 154. 189
53· 208 sahllyün (Ta'ä) 112

Aramäische Mundarten
syr. abdel 42. 44. 46 syr. alänäye 59
syr. abrisse 60 f. 70 'MWHY 405
'BYDHW 249. 265 f. syr. 'ntyw 71 f. 94
'BYDWN 266 syr. 'arab, 'arbä, pl.'arbäye 132. 145
'KL W 134 syr. äreskäyä 329
Älaf, Wegfall des 61. 410 syr. *assäye 60
458 REGISTER

assirayyä 426 MR'Y 411


'THHSYNN 401 f. 415 «/»s 152 f.
• HWYT 396 NSYH 249. 260
syr. auket, euke{ 426 syr. petkä, pefkönä 255
syr. bahädur 427 PLG 134
syr. ba-zban 96 PRNWS 266!
BR 151. 154 378. 430
BRH 411. 415
BRY, BRTY 265. 395 syr. puguräye 91. 96
Doppelt schwache Verben 133 syr. pulä 95
syr. dünabis 94. 358 »•6 152 f. 154
syr. dürü = dünü 60 f. 358 aram. rb trb$ 249
syr. eptallt 42 syr. faffäye 60
syr. 251. 431 s^w' 430
syr. hapträye 42 syr. späyä 92
syr. klrtä, hertä 130. 130, 34 syr. sun{eliyyä 93
famr'n 410 401
HN'LT 412 f. 393. 396
syr. hünäye 38. 39 syr. tablä 219
412. 430 syr. tarnägulyätä 94
402 f. 415 syr. <a«»s 89. 358
(H)WYH 133 syr. tayyäye 117. 145
&W (Flexion) 133 syr. tnwys 89. 358
hztk 395. 414. 431 syr. türäye 91. 96
HZYNY 392. 396 syr. iurkäye, {urkäye 22. 39. 95
7/ZyrHW 135 syr. tür sinai 140
syr. kägan 93. 211 syr. wa, ui-ap 91. 288
KDMTH 135
Y'WSP 406 f.
syr. fcwtwi' 93. 427
YHWH, YHYW 133 f. 266. 385
syr. kasfros 93
YHWY 395. 396
syr. kiünäye 53
' MHKST 398 yS](B)if 395
YSRHY 405 f.
394 f . '
syr. Teusannäye 199, 30 ZBNW, MZBNW, ZBNT 133. 134.
395- 396 392, 2. 395. 413
134.266. 431 399- 4°°

Germanische Sprachen
got. Berig, Berich 226 haliurunnae 5. 336 f.
fcrwfis, 6r«ia 303. 303, 19 ags. hearding 299
altnord. Danpar 355. 357. 359 altnord. Jassar-, Jassarfipll 55. 355. 358 f.
altnord. Danr 356 Micca 303 f.
Dönawi 60. 356. 358 altnord. Myrkwid 355
got. 6 . 356 got. m£s 363 f.
altnord. Dunheidr 355—358. 359 germ.* riiwö 335 f.
ags. ent, entisc 197, 17 german.* runö 335 f· 337
, gwt 243, 14 Scandza 5
Graudenz 345 341
altnord. gy;'iJ< 344—346
REGISTER 459
Griechisch
αγάπη 416. 419 λογάδες 3°°
ακρατής, άκρασία 404 μέγιστος θεών 2ΐ4ί. 363
'Αλάνα δρη, 'ΑλαΟνον δρο$ 3· 54· 55ί· μιξοβάρβαροι 3° ι—3°3
59· 6ο. in. 359 Νικάτωρ 4°9
'ΑλαΟνοι 3· 59 οίκεΐοι καΐ λοχαγοί 302
άττόμισβθ5 15. 9& οφρύες 353, . 3&
Άράβιοι 144*· πίλος άστερωτός 327· 6ο
άρχιγραμματεύϊ 375 πλευρά 3, 2
Άσιανών σττείρα 63 ρήξ 363 f.
βοέβοδος 97 σκαραμάγγιον 333. 33
γίγας γιγάντων 2ιοί. σκρίβωνες 9°
ίγώ είμι, Redetypus 251 ΣκΟΟαι άροτήρες, Σκ. γεωργοί ι ΐ 2 . 34°
Έναρέες 268, 2 συντέλεια 93
Enkomion 248 Τάναις 356*·
επίτροπος 248 Τούρκοι 4 ι8
ευσέβεια 39$ τροφευς ΐ53· *55
Γοργά 33 f- 'Υλαίη 346ί·
καμηλαύκιον 325*· 429 νπτογραφεύς 283
κάτοικοι 37°· 379 ύλαίη ι ΐ 2
κεντηνάρια 9»· 95

Inschriften und Verwandtes


Angels chsisches Runenlied 299 Ferde 294
Apscheronskaja 416—423. Abb. 16 Futhark 296, 16. 298—300
Arabische Schrift 156 f.
Gotische Schrift 421
armazische Schrift 283—286. 288. 296.
297 f. Abb. 5 Harr n 151. 156
Avr m n 134 f. 391. 395. 408. 412 f. 421 Hephthalitenfragmente 48 f. 50. 252. 255.
272
Bahman YaSt 92
Hephthalitische Schrift 36, 42. 49. 51.
Battonya 273
254 f. 420 f.
Bisut n 262 f. 264 f.
Homorodkaracsony 280—283. Abb. 13.15
Bjal brjag 255. 256
Bori 71. 76. 247, 40. 284. 286. 295. 296 Hunnische Schrift 283 f. 287 f.
Hunnische Sprache 5. 7 f. 22. 287. 420
Catalar 246. 259
Chazarische Sprache 96. 239. 276 f. Ideogramme 132—135. 136. 154! 39ibis
Codex Seragliensis 57 (Ptolemaeus1 Geo- 415
graphie) 163 Ing-Rune 299 f.
Derekler 257 Jenissei-Inschriften 271. 284 f.
D lzig 299 f. Ka'ba-i Zradu t 14. 243. 250. 253. 258.
Dura-Europos 391—396. 401 i. 408. 413. 264, 19
Abb. 12. 14 Kalugerica 260
Elchrune 298 f. Kandahar 135. 397—408. 411
Ellinskij Letopisec 17 Kelchalpe bei Kitzb hel 269
en-Nem ra 126 f. 128. 129. 129, 27. 130. K nigsbuch, sasanidisches 245. 260—265
132. 136. 139. 144. 146. 151. 154 f. 156. K nigsliste, protobulgarische 16—28.
391 258—260
460 REGISTER

Kowel 298 Pul-i Daruntah 397


Kunkerekegyhaza 273 Regest 413
Xucuri 286 Rozwadow 297 f.
Ladanybene 280. 273. 293—300. 305. Runen, altt rkische 260. 269—289. 294 bis
Abb. 6—7 300. Abb. 4
—, chazarische 273—277.285. Abb. 3
Madara 257. 258 f. — , germanische 269. 270. 421
Mcfcet'a 9. I52. 247—252. 253. 258. 284. — , protobulgarische 284—286
285 f. 288. 295, 296. 397, 3. 408. 413. -, Szokler 280
417. 419. 428 f - 431
Memr 251 Sedsch tz 294. 297 f.
Siebensilbler, syrische 251. 428
Nagy-Szent-Miklos 255. 275 f. 280. 283. S darabische Inschriften: R 506: 112.
423. 427 R535: 128. 129—132. 139. Grafitti: 148
Naka-i Rustam 409 f. Sumen 215. 242 f. 280
Nessana 93 Surx Kotal 397. 421
Niesdrowitz 297!. Susa 414. 431
Nisi 412 f. 431 Talas-Inschriften 271. 272. 284
Nordendorf 294 Taxila 397. 397. 3. 410. 411
Norditalische Alphabete 269 f. 294. 298 Teutonenstein, Miltenberger 295
notae 269
"Nowotscherkask 274—276. Abb. 3 Ummeg-gim l 126,8.131.139.151—156.
391
Orchon-Inschriften 49. 242. 245. 257. 271. Val Camonica 295. 298
272. 273. 284 f. Vi, Hobel von 294
Ostaram ische Formen 391. 395. 396. 402. —, Schnalle von 298
408. 414 f. —, Schwertzwinge von 298
0vre Stabu 298
Pahlavik 284. 286. Abb. 5 Wolfsheim 284
Paik li 127 f. 244. 245. 253. 258 W rmlacher Wiesen 294
P rslk 283—286. Abb. 5 Zebed 151

Iranische Mundarten
avest. a 59 "Αορσοι 6ι. 69—74. 75
part h. 'bzbr 412. 430 osset. rra-don 77
Adjektiv statt Genetiv 418 f. avest. arS-, arsya- 98
Adorsi, Adossi 70—75 Arsi, Άρσΐτι* 67—74
altpers. 'dwiy* 399 f. mittelpers. arus 70, 13
soghd. afysunv r 34. 40. 46 'rwst 349
ost-osset. axsin, xsfn. west-osset. axifn altiran. * ry na-, avest. airyana- 58 f.
321. 417. 418 altiran. *asb ra-, mittelpers. as r 10.
mittelpcrs. al n n 59 426
Alan-mi 56 ASS 67—74. 358
'Αλαυορσοί 71—74 avest. aurusa- 6l. 70. 73. 74
Alatkeus 352. 352, 31 Avestisch, geographische Ansetzung 410, i
Ά mr A bgarin n 12 7 f. mittelpers. bay tur 22. 25. 47 f. 427
osset. nd 72 f. avest. baxtar- 48
Άνδο^ν OCKOS 196 mittelpers. bandak 426
osset. ndon 196 soghd. yw xwt'w 214
An ten. Name der 71—77. 94 ost-osset. blr g. west-osset. ber y 225 f.
REGISTER 461

BNYt 155. 414. 431 Κολόξαις 222


Boz 71. 76 west-osset. k'olt 221 f.
parth. bmfywty 427 mittelpers. xsa r 243. 243, 13
bwz myhr 71. 76. 247, 40 avest. xsaya- 321
osset. oiryag 318 mittelpers. xuan- hen 195
avest. <2 nat>- 356. 358 alt-osset. xvat 296
neupers. dang 388—390 soghd. iriwn 28. 57. 369
mittelpers. dehk n 48. 50 f. avest. mae&ana- 76
dirafi-i k viy n 203 f. soghd. m'sy 405, 4
osset. don 356. 358 Μεζάμιρος 76
avest. drafsa- 203 f. Μήσακοϊ 76
neupers. drahtn 389 avest. mzySty' 404!.
mittelpers. druz nef 127 -nt-, -nd- > -dt- 73
osset. day, Α>χ 418 west-osset. ors, ost-osset. urs 73. 74
mittelpers. ί/<α/, Α eft l 42. 44 neupers. pa z 388—390
sogbd. *(»)xs vanv r 46 soghd. pdkh. pdg'. p6h' 256
Erac, "Εραξ 76 f. ττιτιάξης 248. 248, 41. 296. 417. 428
"Ηζακοξ 358 ττοτίβαζι? 43l
mittelpers. fr man-burt r 47 avest. prbst 404
avest. gava- 204 soghd. prm'nd'r 47
Goltescytha 217. 220—222 avest. ptytw, paitita- 398 f.
parth. gry'rthstr 135 avest. ptyzbt, altpers. pati-zb - 403
Hababa 303 f. avest. Ravh , 'Po 421
mittelpers. Λα/< 42, 66 chw rezm. remaid 81
soghd. *hans k 414 chotan-sak. rr«, obl. rr ndi 63 f.
avest. hazanra- 65 'Ρωξολανοί 4
chw rezm. haz rasp 65 »•y > / 59· 22l
Hormidac 81 Safrac 352
avest. hu-paiy stay- 404. 406. 431 avest. sairima- 70
chw rezm. h n n, h n-z dek 39 avest. ία*/»' Infinitiv 400
avest. hyaona-, fern, hyaonl 52 f. 74, 34 altpers. saAa- 221
mittelpers. y n, *yon. *iy n 26. 52, i. 53. Σακαύρακοι 63 f.
362 osset. Sak-dan 356. 358
Ίασται 55! 58. 6o. 359 chw rezm. s'wsbr 207, 33
Ίάτιοι 64 ΣηροπτΕΐτι$ 247, 40. 251. 53
Ίάζυγες 35» avest. skar-, shartna- 221 f.
Μωδμανγανηί 247, 40 Σκολόταΐ 222
ost-osset. ir, iron 58 Σκύβαι 22l
ost-osset. is, west-osset. yls 295 altpers. sltuk 409 f.
alt-osset. iunik 295. 296 soghd. Sry 28
mittelpers. kam l 326 hephthal. σρι ocyo 214
avest. kamart a- 325. 429 -ται, -t : alanisch-ossetische Pluralendung
soghd. Αά«ά 204. 206, 30 55- 359
wax! Aard 221 f. mittelpers. tanb r = tubul, tu ul 219
mittelpers. A vaA 212. 213 altpers. tigraxauda- 53
avest. kavay- 204—206 soghd. twhr 4111
neupers. k viy n 203. 204. 211 osset. urs, vurs 311
soghd. A'uiy 37. 206. 212 avest. urvi. χαοδα- 52
soghd. kbst 411 Verbalmaske 408
mittelpers. A<iy 204 f. mittelpers. wlwf'n 14
462 REGISTER

5ηφαρνουγο5 247, 40 avest. zaosa- 399 f.


ost-osset. y fs, west-osset. fs 55. 359 Ζηουάχη; 247,40
Yayn bl 55 osset. xgar, zgdr 313
neupers. yazek 358 *zguja, *zgujaka 64

Lateinisch
agere 343 f. praecipuus rex 242 f.
alces 298 f. primates 354. 360—362. 364
Asiani 62 f. proventus felicitatis 241 f.
Cursus 241 publicum portorium 302
Danubius 356 regulus 351
dux. ductus 353, 34. 354. 362 re*, regalis 362. 364
fossatutn Africae 183 ri£a Thraciae, rt/>a Thracica 302 f. 304
Isokolie 241. 428 sceptuchi 15. 329
index 343. 352 semibarbarus 302 f.
max 350, 16 supercilia 353. 353, 36
mures Pontici 5, 16 fumultuarius 362. 364
pilleati 326 vicarius 248, 41

S/ao/tscAe Sprachen
akslw. dunav 60 altruss. xaralugs 197
/-Vorschlag 358 f. aksl. /A 259
altruss. /as- 54 f. 358 russ.-georg. ovs-et-i 55. 73
altruss. Aorswwfc 23

T rksprachen
Acildzuri 8. 9, 16. 49. 27. 350 boy 24
*aya£-ari 5. in Boisci 8. 16. 350
Άκάτιροι, Άκάτζιροι 5. 18, 7. in. altt rk. fr rt 226
2761. 277, 13. 368 Βοριτάκανοξ 226
Alpidzuri 8. 16. 27. 228. 350 chazar. bulan 239
protobulg. aailiki 243 altt rk. bulua 245
altt rk. dr 226 altt rk. buqaraq 204
altt rk. ar-b ri 226 i. cagawws 209 f.
Asparuk, Asparuch, Esperich u . 9 f. 17, altt rk. for 8. 27
3. 20. 28 Δεγγιζίγ 229f.
Άστταροϋκις 9f. 247. 284. 417 Δονάτος 23. 28
Άτήλ. Άτέλ, Άττιλαν, Έτίλ, til 229 Doppelkonsonanz 51
Attila 9, 49. 229 Emmedzur 27. 228
Avitochol 20. 28. 258. 259 Ήμνΐκος, μινικό$ 228
altt rk. bay, bag 214 f. protobulg. Έρμηάρης 26
protobulg. ccy, βαγανος, oryatvos 215 awar. Έρμίτζίξ 27
altt rk. b gl r bag 215. 363 ΈρμιχίονΕ? 26
baS 276 ήτζουργου βοιλα 253. 8. 255
mittel-ostt rk. baigirt 45 γ > q 207 f.
Βέριχοξ 225 f. Grumbates 45
altt rk. W/Aaft 255 Ayono, HIONO, OIONO 34. 36. 362
REGISTER 463

altt rk. ilt gin, yilt gin 47. 48. 51 altt rk. qan 36
ΗΑΠΑΤΑΛΑ, ΗΑΠΑΤΛΑ, ΗΤΤΤΑΛΑ, altt rk. qapyan 37. 50. 207—211. 213
ΗΠΤΛΑ 34. 42. 44. 73 *qaqan (arab. fy k n, armen, xak'an) 37
altt rk. U t k n qutl ιοί wwan 7, 38
altt rk. isbara 10. 426 altt rk. *JM- 29. 57
Itimari 8. 16. 350 kurn. qun 7. 8. 28. 2gf. 38. 45
Κάβαροι 278, ig altt rk. + qun 25, 35
protobulgar. καυαρ-τικεϊνοξ 51 altt rk. qurt 225. 227
protobulg. κοπτχάνηζ, capcanus 37. altt rk. quru „Wurm", ,,Wolf"2i, 18. 225
207—2ii altt rk. qut 16. 242
Κάτουλφοξ 45- 47 altt rk. S t, sad 50. 243
protobulg. καύχανο5, KCCUKCCVOJ 37. sc > ss 279
207—212. 213 σιγορ έλεμ 259
Κιδαρϊται, kidara 32 f. 35, 38. 53. 57 Σιγρίτζης 228
protobulg. Ko por s, Qowrat, Kurt 19 f. S nikas 287, 4
19, ro. 20. 20, ίο altt rk. +°< als Pluralendung 45
KOTpccyos, Κότραγοι ιό altt rk. tabyat 29
Κότρσχ 15 f. altt rk. ίαγ in
Kovyxos 32- 34 3&f· 52 altt rk. t gin, tigin, pl. tigit 45. 48. 50 f.
k n 2g f. 37 Τογγρα 253!.
Κούρτης, Κουρτούγ>ηξ, Kurtb 227 Τάγμα τάρχαν in
Kourpiyoupoi 16 tarly 16, 105
Κροβδτος 225 altt rk. tarqan, tarxan, τάρκανοξ 8. 49.
altt rk. k s S, k z c 274 f. 276 2o8. 213. 363
X<5cyctvos 208—2ii Ταρκυναΐοι 212
Χαράτων 23, 28. 27 Τελέτζηξ, *t lisiyiz 25
Chionitae 36 altt rk. t lis 25 f. 25, 36
Chunni ^ i. 28. 37 altt rk. toquz- rsin 69
Xouvvi 85 f. τόρκο 255
XoOvoi 7 i. 28. 37 altt rk. tovll zig f.
ΜοΟγελ 225 τουδουνος, tudun 212, 33
'(Οηβάρσιος 230. 234 •tuylay 24, 33
oyuz 43, 14 altt rk. tun, don 8. 23, 28. 27
altt rk. ohol 28 Tuncarsi 8. 16. 350
Όνογουνδοϋροι 26, 38 Τούνσουρες 8. 27
Ovoyoupoi, on oq, on oyur, on oyus Toupyo v 39f.
25 f- t rk 8. 45
altt rk. on oq 25 altt rk ul-, uia bar- 217 f.
altt rk. oq 10. 25, 35 altt rk. umt'i 275
Orchan, Urchan 46, 14 altt rk. urus 279
ΟΟάρ 85 f. protobulg. Vixtun. *Bixtun 20. 22 f. 23,
protobulg. ούγαιν ι8, 4 28. 27.
Ούλτίζουροι 27 Vokalharmonie 273. 274. 281
OOvvoyo voi, Ouvoyo voi 25, 35. 26 Vokalharmonie, progressive 51
ιτέχ 23. 28 Vokall nge 51
q > γ 2ο8. 2ii yabyu, yab g, Ιοπγο 215. 255
altt rk. qayan (χάγανο$) 8. 37. 93. *yap-tt-il, *yap-t-ll 44. 52. 73
207—2Ι3· 242 ί· 363 yazar in
altt rk. qam 207, 34. 218 altt rk. yoy, *d'oy, loy, oyia 417. 418
Franz Altheim

Geschichte der Hunnen


5 Bände. Groß-Oktav. Ganzleinen

Band
Die Hephthaliten in Iran
In Zusammenarbeit mit R. Stiehl. Mit Beiträgen von Z. I. Jampolski, E. Lozovan,
F. Prinzessin von Sachsen-Meiningen, E. Trautmann-Nehring
2. Auflage. IX, 329 Seiten. 7 Abbüdungen. 1969. DM 65,—

Band
Kampf der Religionen
In Zusammenarbeit mit R. Stiehl. Mit Beiträgen von K. G. Cereteli, N. Reiter,
E. Trautmann-Nehring und W. Wüst
, 322 Seiten. 4 Abbüdungen. 1961. DM 62,—

Band IV
Die europäischen Hunnen
Mit Beiträgen von E. Lozovan, R. Stiehl und E. Trautmann-Nehring
Vm, 388 Seiten. 8 Abbildungen. 1962. DM 82,—

Band V
Niedergang und Nachfolge
In Zusammenarbeit mit R. Stiehl. Mit Beiträgen von O. Gigon, D. Kövendi, E. Lozovan,
J. Rehork, H. N. Roisl, E. Schaffran, E. Trautmann-Nehring
X, 467 Seiten. 37 Abbüdungen. 1962. DM 98,—

Franz Altheim und Ruth Stiehl

Die Araber in der alten Welt


5 Bände. Groß-Oktav. Ganzleinen
Erschienen: Band I—V, 1. 1964—1968. DM 850,—
Band V, 2. Im Druck

Walter de Gruyter & Co · Berlin 30

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