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ALTHEIM I GESCHICHTE DER HUNNEN

FÜNFTER BAND
FRANZ ALTHEIM

GESCHICHTE DER H U N N E N

FÜNFTER BAND

NIEDERGANG UND NACHFOLGE

IN Z U S A M M E N A R B E I T MIT R U T H STIEHL
MIT B E I T R Ä G E N VON
OLOF GIGON, D E N E S HÖVEN DI, E U G E N LOZOVAN,
JOACHIM R E H O R K . HANS N O R B E R T ROISL,
E M M E R I C H S C H A F F R A N U N D Ε R I Κ Α TR A U T M AN N-N E H R I N G

WALTER DE GRUYTER & CO.


VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG
GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT 4c COMP.

B E R L I N 1962
©
Archiv-Nr. 4150622
Copyright 1962 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göscben'sche Verlagshandlung,
J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit δς Comp.
Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von
Photokopieü und Mikrofilmen, aucb auszugsweise, vorbehalten.
Herstellung: Walter de Gruyter Sc Co., Berlin W 30
HANS-JOACHIM LIEBER
IN D A N K B A R K E I T
VORWORT

Mit dem fünften Band ist diese Geschichte der Hunnen abgeschlossen. Sein
Vorwort wird folgerichtig zum Schlußwort des gesamten Unternehmens.
Von allen Vorgängern unterscheidet dieses sich durch seinen Umfang. Es
sollte jedes Zeugnis herangezogen und nutzbar gemacht werden, soweit es
die Sprachkenntnisse der Verfasser gestatteten. Dabei stellte sich heraus,
daß die Masse des bisher Unverwerteten den Bestand des Bekannten über-
traf. Zahlreiche Untersuchungen erwiesen sich als unumgänglich, keinem
Exkurs durfte man aus dem Wege gehen. Die Ergebnisse haben denn auch
über Früheres nicht unbeträchtlich hinausgeführt.
Eine Schlüsselstellung fiel den Hephthaliten zu. Ursprünglich ging es
allein um das Muttervolk der europäischen Hunnen und ihrer Nachfolger;
sie als solche erkannt zu haben war ein erster Schritt. Doch zusehends ge-
wannen die Hephthaliten an eignem Gewicht; ihnen mußten zwei Bände
zugewiesen werden. Alanen und Soghder, früh- und spätsasanidische Kultur
waren damit einbezogen, und wiederum ging es ohne ausführliche Erörterung
nicht ab.
Von vornherein wurde der geistesgeschichtlichen Betrachtung Raum ge-
währt. Verbindung der Alanen und Hunnen mit den Anfängen des Helden-
liedes, im ersten Band nur geahnt, bestätigte sich an Hand der arabischen
Überlieferung. Gleichwohl hat die zweite Inschrift von Mchet'a, erstmals
vollständig gelesen, auch uns überrascht. Nicht weniger tat es die Bedeutung
der nestorianischen Mission für die Hephthaliten und ihre Nachbarn. Nie-
mand hatte zuvor daran gedacht, diesem Volk eine kirchengeschichtliche
Betrachtung zu widmen.
Der Herausgeber hat als klassischer Philologe begonnen, und dieser Dis-
ziplin hat er, über manchen Wechsel hinweg, sein Herz bewahrt. Ihm war es
darum eine Befriedigung, daß die Übersetzungs-und Kontroversliteratur der
Nestorianer aus Merw Bruchstücke griechischer Philosophen erhalten hat.
Verlorenes aus Demokrit, Theophrast und Porphyrios im Verfolg einer hun-
nischen Geschichte wiederzugewinnen, war das Letzte, darauf er glaubte
hoffen zu dürfen.
Der vorliegende Band setzt das Begonnene fort und schließt es ab. Noch-
mals wird des sasanidischen Iran, aber auch der Alanen gedacht. Daß
dabei die Datierung Kaniska's, des zweiten der Küsän-Herrscher, abfiel,
wird man hoffentlich begrüßen. Pythagoreisches und die Demokrit-
Bruchstücke erwiesen sich in der kundigen Hand D. Kövendi's, eines Schü-
lers K. Reinhardts, als bedeutungsvoll für die Wiedergewinnung der Sy-
steme. Ähnliches gilt von dem großen Stück aus Porphyrios' Christenschrift,
was die Beurteilung von Origenes' Hexapla angeht. Neunzehn neue Bruch-
stücke Zenon's von Kition konnten dem bisher Gesicherten hinzugefügt
werden.
Eine nochmalige Auseinandersetzung mit W. B. Henning oder mit
O. Maenchen-Helfen war unnötig; man hat sich erneuter Erörterung nicht
mehr gestellt. Wo Älteres vorgelegt wurde, geschah es nicht ohne Ände-
rungen und Zusätze. In völliges Neuland hat uns die Reise nach Abessinien
und in den Sudan (Oktober—November i960) geführt. Mehrmaliger
Aufenthalt in Ägypten und ein Hinweis G. Levi Deila Vida's hat uns
nochmals den wenig beachteten Annalen des melkitischen Patriarchen
Eutychios zugewandt; auch diesmal stellte sich bei ihm — wie neun Jahre zu-
vor, bei der Festlegung von Zarathustra's Lebenszeit1 —manches Neue ein.
E. Lozovan, der seit dem zweiten Band mitgearbeitet hat, und E. Schaf-
fran sei für ihre Beiträge gedankt, deren Rang keiner Empfehlung bedarf.
Anläßlich dieses dritten Beitrags E. Lozovan's sei unserer gegenseitigen
Verbundenheit in grundlegenden Anschauungen dankbar gedacht. Auf die
Nachträge in diesem und in den vorangehenden Bänden wird um ihrer
Wichtigkeit willen ausdrücklich verwiesen.
1
A l t h e i m - S t i e h l , S u p p l e m e n t u m A r a m a i c t t m (1954) 45 f•
INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort VII

Erstes Buch: Quellenfragen I


Erstes Kapitel: Retractationes 3
1. Zeit und Sprache KaniSka's 3
2. Iordanes' Abstammung 25
3. Eine qumanische Siegellegende 28
Zweites Kapitel: Bruchstücke eines pythagoreischen Traktates aus dem
Arabischen. Mit einem Kommentar von Denes Kövendi. . 32
Drittes Kapitel: Nestorianische Übersetzungen griechischer Philosophen . . 72
1. Die Demokritfragmente und ihre Stellung in Demokrits System. Von
Denes Kövendi 72
2. Bemerkungen zu den Theophrastfragmenten. Von Olof Gigon . . . . 95
3. Zenon von Kition: Neue Fragmente 96
4. Porphyrios und Origenes' Hexapla 100
Viertes Kapitel: Wörterverzeichnis aramäischer Inschriften und anderer
Urkunden aus parthischer Zeit. Von Ruth Stiehl 110
Fünftes Kapitel: Eutychios' Annalen 126
Anhang: Homilien Kyrillos' von Alexandreia und Severus' von Synnada, aus
dem Äthiopischen 148

Zweites Buch: Aksümiten, Blemyer, Hunnen 155


Sechstes Kapitel: Die Zeitstellung 'Ezänä's von Aksüm 157
Siebentes Kapitel: Blemyer und Hunnen 181

Drittes Buch: Früh- und spätsasanidische Kultur 193


Achtes Kapitel: Die spätsasanidische Kultur 195
Neuntes Kapitel: „Die Meinungen der weisen Philosophen" 215

Viertes Buch: Spätsasanidische Kultur und Hunnen 225


Zehntes Kapitel: China 227
Elftes Kapitel: Die Nachfolger der europäischen Hunnen 243

Fünftes Buch: Die Wendung zum Westen und ihre Gegenströmung 263
Zwölftes Kapitel: Hunnen u. Awaren im Donauraum. Von Emmerich Schaffran 265
Dreizehntes Kapitel: Sprachdenkmäler. Von Franz Altheim, unter Mitarbeit
f C. Brockelmann's 293
Vierzehntes Kapitel: Die Proto-Bulgaren 3x8
Fünfzehntes Kapitel: Villes, Campagnes et Routes de la Romania Orientale.
Von Eugen Lozovan 327
Beilage: Die Schlacht bei den Busta Gallorum 552 n. Chr. Von Hans
Norbert Roisle 363
Schluß: Der Hymnus ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ. Von Joachim Rehork 378
Anhang 391
Nachträge zum ersten Band 393
Nachträge zum zweiten Band 394
Nachträge zum dritten Band 395
Nachträge zum vierten Band 396
Nachträge zum fünften Band 398
Druckfehlerverzeichnis zum ersten bis vierten Band 400

Abbildungsteil. Von Erika Trautmann 401

Register. Von Franz Altheim 441


1. Geschichtliches Register 443
2. Philologisches Register 461
ERSTES BUCH

QUELLENFRAGEN

1 Althelm, Hunnen V
ι. KAPITEL

RETRACTATIONES

π. ZEIT U N D SPRACHE K A N l S K A ' S

Kaniäka's zeitlicher Ansatz gehört seit langer Zeit zu den umstrittenen


Fragen; man darf den Küään-Herrscher ohne Übertreibung als eines der
Schmerzenskinder der Chronologie bezeichnen. Die verschiedenen Versuche
und ihre Begründungen aufzählen, hieße eine eigne und umfangreiche Ab-
handlung schreiben. Man ist dieser Verpflichtung überhoben, denn 1957 hat
sich bei den Grabungen in Surx Kotal, im östlichen Baktrien, eine Inschrift
gefunden, die Kanaka's Namen enthält1. Von ihr hat jede neue Unter-
suchung auszugehen, um so mehr, als diese Inschrift eine zweifellose, wenn
auch bisher unverstandene Jahresangabe überliefert.
Zeile 9 enthält folgende Angabe: . . . ωσογδομαγγο ττιδοι ιωγο οδο
υιρσο χ!>ονο νεισανο μσο μαλο αγαδο αμο ßayoAayyo ταδηιο μαλιζο
ττορογατο. Unter den Vorschlägen zur Deutung, die gemacht wurden,
ist allein der W. B. Hennings von Wichtigkeit2. Er übersetzt: „With a pure
heart in the regnal year 31 νεισανο μαο came here to the sanctuary, then
he *circumvallated the acropolis". Danach wird von einem Mann gesprochen,
der gewisse Mißstände in Baylän abgestellt hat (7 f.)8. Verben sind αγαδο
1
Zur Inschrift: A. Maricq in: Journal Asiatique 1958, 345f.; W. B. Henning in:
BSOAS. 23 (i960), 47f.; H. Humbach, Die KaniSka-Inschrift von Surkh Kotal. Ein
Zeugnis des jüngeren Mithraismus aus Iran (Wiesbaden i960); Kusän und Hephtha-
liten, Münch. Stud. z. Sprachwissensch. Beiheft C. 1961.
2
Humbachs Übersetzung lautet: „(In den Tempeln) wurde der Herr des Bilsen-
krautes ( = das Bilsenkraut) entflammt im 31. Jahr der Ära bei Ankunft des Monats
Nisän, des Malo(monats). Du göttliche Fähigkeiten besitzender Herrscher des Rinn-
sals, du über Verdienste verfügender König des Rinnsals" usw. Von dieser Übersetzung
wird im Folgenden abgesehen.
8
Die Titel des Mannes hat W. B. Henning, a. O. 50, erklärt, aber seltsamer Weise
den letzten nicht verstanden: κιδο φαρο οισττοανο μο oaSo βαργανο. ΦΑΡΟ, ΦΑΡΡΟ
und ΟΑΔΟ erscheinen auf Kanaka's und Huviäka's Prägungen: R. Göbl bei Altheim-
Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (Frankfurt M. 1957) 2 5 1 · Gemeint sind xvarnah-
und väta-, auch diese eine der avestischen Gottheiten (C. Bartholomae, Altiranisches
1*
4 QUELLENFRAGEN

„he came" und ττορογατο „he circumvallated", über deren Bedeutung


Henning das Richtige gesagt hat. Objekt zu πορογατο ist μαλιζο, nach
Henning Bezeichnung der Akropolis des Ortes ßccyoXocyyo. Er deutet das
Wort als *mädtz, ohne sich freilich weiter zu äußern. Im zweiten Teil wird
man eine Bildung zu avest. daez- „häufen, schichten" suchen müssen. Doch
*-daeza- ergäbe zunächst nicht *-διζο, -λιζο, sondern -λειζο, (vgl. ειδο
<*aeta-\ allenfalls ließe sich κιδο- in κιδοφαρο zu ved. ketu- „Strahl, Glanz"
anführen, was einem avest. *kaetav- entspräche4). Daneben steht altpers.
didä- „Festung", neupers. dez, diz, diz, parth. dyz6. Also nicht *mädtz,
sondern *mädiz, wobei -λιζο aus -dida- abzuleiten wäre, was gegenüber
dem Femininum didä nur verständlich ist, wenn es sich um das Hinterglied
eines Kompositum handelt.
Es bleibt die Frage, was das vordere Glied μα- zu bedeuten habe. Einmal
koinmt avest. mat in Frage, das als Vorderglied eines Kompositum sowohl
als μα- als auch unter der Form μο- begegnet®. Älteres *mat-diza- „mit einer
Festung versehen" zu *mädizo, μαλιζο wäre durchaus denkbar. Indessen, wie
alle mit mat- beginnenden avestischen Wörter—mat. afsman- „samt denVers-
zeilen"; mat. äzantay- „mit der Auslegung versehen"; mat gaoSävara-,, mit
Ohrringen versehen"; mat.gü&a- „mit Unrat behaftet" und weiteren7 — m u ß
auch μαλιζο sich auf ein Substantiv beziehen, und da bietet (3αγολαγγο
sich an. Eine zweite Möglichkeit hat 0. Szemerönyi brieflich (25. 10. 61)
angeführt. Er denkt an *{ha)mädiz(ti), wie denn auch soghd. mzyn aus
*hamä-zen- verkürzt ist. In beiden Fällen wäre zu übersetzen: „mit einer
Festung versehen".
Also: zu einem hoch zu behandelnden Datum „kam er nach Baylän,
danij hier (über ταδηκι sogleich) das mit einer Festung versehene umwallte
er". Zur bestehenden Akropolis trat nunmehr die Stadtumwallung. Ein-

Wörterbuch [Straßburg 1904] i4o8f.). Sodann gehört οισποανο zu 1 van- ,.superare".


Demnach: „die das xvarnah, das alles besiegt, zusammen mit väta tragen". Gemeint ist,
daß die Götter dem καραλραγγο im Dienst seines Königs helfen. Es sei an die Stellen
Y t . 10, 21 und Vend. 8,80 erinnert: vätö tarn arUim baraiti. — Zu β α γ ο λ α γ γ ο - B a y l ä n
W. B. Henning in: BSOAS. 18 (1956), 366f. und Altheim-Stiehl, Philologia sacra
(Tübingen 1958) 30; Die aramäische Sprache unter den Aehaimeniden 1. Lfg. (1959),96.
4 H. Humbach, Die Kaniäka-Inschrift 21 § 34.
5 M. Boyce, The Manichaean Hymn Cycles in Parthian (Oxford 1954) τ%7 > Ο. Klima
in: Byzantinoslavica 22 (1961), 16 Anm. 4.
9 H. Humbach, a. O. 38 § 120, wobei die ohnedies willkürliche Beschränkung auf

vier- und mehrsilbige Wörter zu entfallen hätte.


7 C. Bartholomae, a. O. 1119 f.
ι. R E T R A C T A T I O N E S 5
leitendes ωσογδομαγγο stellt Henning mit soghd. 'wswytm'n'ky „purety of
mind" zusammen, was überzeugt. Dazwischen steht die Datierung, um die
es hier geht.
Was besagt der Wortlaut? Zunächst: „im 31. (Jahr der) Königsära".
Denn χ^ονο gehört zu khot. k$una „reign period, regnal year", ist demnach
nicht Jahr schlechthin8. „Jahr" ist σαρλ[ο, avest. sarsda-. Humbach ver-
weist auf das Gegenüber von xSana „Regierungsjahr" und sälya „zyklisches
Jahr" in den MaralbaSi-Urkunden®. Sachlich läßt sich das Gegenüber von
syr. menyänä „Ära", beispielsweise die Nebukadnezars, Alexanders oder
Yazdgards, und Sattä im zweiten Teil von Elias' von Nisibis chronographi-
schem Werk vergleichen (Belege anzuführen erübrigt sich). War nun die
Ära Kaniäka's gemeint ? Mit dem 31. Jahr läßt sich nicht zusammenbringen,
daß KaniSka nur 23 Jahre regiert hat. Will man diese Angabe nicht be-
zweifeln, wozu kein Grund besteht, so bleiben nur zwei Möglichkeiten. Ent-
weder ist die Inschrift bereits nach Kanaka's Tod, also unter seinem Nach-
folger HuviSka gesetzt; dann kann χ^ονο als Ära KaniSka's verstanden
werden. Oder aber die Inschrift fällt unter Kaniäka; dann kann mit χ{>ονο
keinesfalls diese Ära gemeint, sondern die Inschrift muß nach einer anderen
datiert worden sein.
Henning, der die Schwierigkeit gesehen hat, entscheidet sich für die
erste Möglichkeit. Er meint, daß ein von KaniSka gegründetes Baylän ver-
fallen und in HuviSka's Frühzeit von den in der Inschrift genannten Männern
wiederhergerichtet worden sei. Von vornherein spricht wenig für diese Deu-
tung. Kein König außer Kaniska wird in der Inschrift genannt, vor allem
nicht HuviSka. Die Wiederhersteller sind voll Ergebung gegenüber dem
Herrscher, der wiederum nur KaniSka sein kann (Z. 7—9; 23—24)10. Aber
auch im einzelnen läßt sich, was Henning zugunsten seiner Ansicht anführt,
schwerlich halten.
Es sei begonnen mit dem Anfang der Inschrift: ειδο μαλιζο μο κανηΙ>κο
οανινδο ß a y o A a y y o a t ö o i ß a y o ί>αο κανη£κι ναμο ß a p y o κιρδο. Hen-
ning übersetzt: „This acropolis, the Kaniska-Nikator sanctuary, which the
Lord, king Kaniska, made name baring ( = to which he gave this name)".
Die Bedeutung von μαλιζο wurde behandelt. Das auf den Königsnamen
folgende οανινδο wird von Henning als Νικάτωρ übersetzt, während

8 W. B. Henning, a. O. 48 Anm. 3; H. Humbach, a. O. 34.

» St. Konow in: SBAW. 1935, 7 7 2 !


10 Vgl. W. B. Henning, a. O. 48.
6 QUELLENFRAGEN

Humbach das W o r t als „Siegbringer", νικηφόρος, versteht. Hennings


Deutung hat eine Vorgeschichte. E r hatte einstmals ntkätör äwänä (richtig:
auwänä, syr. 'wwn') der Paikuli-Inschrift als „ t h e Nicatorian mansion",
demnach als Poststation Nikators erklärt 1 1 . E r mußte sich belehren lassen,
daß „(Bet) Nikätör, die Poststation" zu übersetzen und Nikator nicht als
Postmeister, sondern als posthumer Kultbeiname Seleukos' I. zu verstehen
sei 18 . Daraus hat Henning für die vorliegende Inschrift die Folgerung ge-
zogen. Kaniska-Nikator wäre das Gegenstück zu Seleukos als Νικάτωρ 13 ,
B a y l ä n demnach die Kultstätte des verstorbenen Herrschers gewesen. Dem-
gegenüber sei zunächst betont, daß keinerlei Bezeugung vorhanden ist,
KaniSka habe den Beinamen οανινδο = Nikator zu Lebzeiten oder nach
dem Tod geführt. Das W o r t begegnet auf Kaniska's Prägungen lediglich als
Bezeichnung der auf dem Revers abgebildeten Nike 1 4 . Nike aber ist kein
Νικάτωρ, eher schon eine νικηφόρος, und dazu stimmt Humbachs Deutung
als Partizip eines Kausativs 1 6 . A u c h als Ganzes kann Henning's Deutung
nicht zutreffen. „Dieses . . . . Kaniska-Nikator-Heiligtum, dem . . . Kaniäka
den Namen gegeben h a t " ist Tautologie. Dazu kommt, daß derselbe K a -
niska, der als Besitzer des Heiligtums sich οανινδο genannt haben soll, her-
nach nicht diese Bezeichnung, sondern die als ß a y o t>ao trägt. Genug:
οανινδο kann nicht zu KaniSka, sondern muß zu μαλιζο gestellt werden,
als zweites A d j e k t i v zu βαγολαγγο. Und dieses ist nach seiner ursprüng-
lichen Bedeutung zu fassen: „Dieses mit einer Festung versehene, zusammen
mit Kaniäka siegbringende Götterheiligtum." Der Relativsatz, demzufolge
Kaniska dem Götterheiligtum den Namen gegeben hat, erklärt die voran-
gegangene Feststellung, daß dieses „zusammen mit (μο) Kaniska sieg-
bringend" sei.
Damit ergibt sich: B a y l ä n ist nicht von Kaniäka gegründet worden,
sondern hat bei bestimmter Gelegenheit von ihm den Namen erhalten. A u c h
die Wendung 2 φορδαμσο μαλιζο <ppoyip6o kann für Hennings Auffassung
nicht verwertet werden. E r übersetzt 1 6 : „ h e (?) had first completed the
acropolis", und er bezieht sein mit Fragezeichen versehenes „ h e " auf K a -
niska. Dieses Fragezeichen dürfte der Deutung bester Teil sein. Denn -σο
11 In: BSOAS. 14 (1951), 5i<)i.
12 Zuletzt Altheim-Stiehl, a. O. 27 Anm. 1; 67 und Anm. 1.
13 a. O. 54 Anm. 4.
14 R. Göbl bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte 252f.
15 a. O. 18; 27.
" a. O. 53.
I. R E T R A C T A T I O N E S 7

in φορδαμσο kann nicht, wie Henning will, soghd. -Syy gleichgesetzt werden,
sondern entspricht dem enklitischen Personalpronomen der 3. Plur. -Sw
(vgl. osset. sä). Also: „als erste haben sie das mit einer Festung versehene
(Baylän) vollendet". Was demnach ummauert wurde (πορογατο), ist nicht
Kani§ka's Stadt gewesen. Sondern, was schon zuvor andere und angesichts
des Herrschers ungenannt Bleibende angelegt hatten.
Auch die zwei Schichten der Ausgrabung, auf die Henning17 sich beruft,
beweisen nichts. Die Inschrift könnte durchaus das erste Stadium spiegeln,
derart, daß die Hersteller auf eigne Rechnung gebaut haben, aber das Fertig-
gestellte unter Kani§ka's Name geweiht wurde. Dafür nur ein Beispiel:
Odainath von Palmyra hat allenthalben in Syrien gebaut, aber stets unter
Kaiser Gallienus' Namen geweiht18. Für Odainath wie für diejenigen, die
Baylän wiederherstellten, gab es rechtlich kaum eine andere Möglichkeit.
Nach längerer Erörterung kehren wir zur Datierung unter dem 31. Jahr
einer noch zu bestimmenden Ära zurück. Es hat sich erwiesen, daß die In-
schrift unter Kaniska gesetzt ist, was besagt, daß es sich keinesfalls um die
gesuchte Küsän-Ära handeln kann. Die Ära ist vielmehr als χ!>ονο νεισανο
μαο μαλο bezeichnet. Henning übersetzt μαλο mit „here", also *imadä
„hierher". Lautgesetzlich ist diese Deutung einwandfrei: um so schwerer
wiegen die syntaktischen Einwände. Noch einmal: zu bestimmtem Zeitpunkt
„kam er nach Baylän, dann hier das mit einer Festung versehene umwallte
er". Wenn μαλο „hierher" meint, ist es gegenüber αμο ßayoXccyyo ein Pleo-
nasmus. Es bleibt unverständlich, warum der gleiche Ort erst mit „hierher"
und dann mit Namensnennung eingeführt wird. Es kommt hinzu, daß in
μάλο <*imaiä das zugrundeliegende ima- starkdeiktisch („der hier") ist,
in ταδηιο — nach Henning „then here" und nach Maricq „ici" — das er-
weiterte ta- schwachdeiktisch. Mit beiden Ortsadverbien wäre jedoch
ß a y o X a y y o gemeint, was besagt, daß beider Bedeutung sich gegenseitig
im Wege stünde. Hennings Ubersetzung von μαλο entfällt damit, die
Bedeutung bleibt zu ermitteln.
Daß νεισανο μαο den Monat Nisän meint, bedarf keines Wortes. Doch
fällt auf, daß in einer ostiranischen Inschrift ein aramäischer Monatsname
verwandt wird. In Ostiran kannte man Monatsnamen in großer Zahl. Land-
schaften, und Städte von Feryäna bis Sistän verfügten über eigne Bezeich-

" a. O. 55.
le F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2 (Frankfurt M. 1952), 286; Belege auf
S. 471 Anm. 187—189.
8 QUELLENFRAGEN

nungen. Aus Berüni's Chronologie kennt man die Monatsnamen von Sigi-
stän (42, 17 f.; 70,2. Spalte Sachau), die der Soghder (45, 22 f.; 70,3. Spalte)
und Chwärezm's (47, ji.; 70,4. Spalte)19, von Kuba in Feryäna (69,1. Spalte)
und Buchara (69, 2. Spalte)20. Es kommt hinzu, daß die Inschriften von Surx
Kotal noch ein zweites Mal einen Monatsnamen bieten.
Gemeint ist Fr. 2 bei Humbach21: χ^ονο σοε μ[αο. Daß σοε die Jahres-
zahl 278 enthalte, hat Maricq vermutet. Indes zeigt 9 f. ιωγο οδο υιρσο χ£>ουο
νεισανο μαο, daß die Jahreszahl mit Worten gegeben wird und χ£ονο vor-
ausgeht, nicht folgt. Daher kann σοε nur Name eines Monats sein, voraus-
gesetzt, daß μ[αο richtig ergänzt ist. Wo dieser Name innerhalb der zuvor
genannten Monatsnamen anzuknüpfen sei, mag hier unerörtert bleiben.
Denn so viel ist klar, daß, wenn es ein Monatsname ist, es keinesfalls ein
aramäischer sein kann.
Daß ein aramäischer Monatsname innerhalb unserer Inschrift eine Singu-
larität ist, bestätigt sich. Der Monat Nisän wird demnach schwerlich eine
genauere Festlegung des mit χ{>ονο gegebenen Datums beabsichtigen, derart,
daß im Nisän 31 der in der Inschrift Gemeinte „gekommen" (αγαδο) sei.
Die Lösung kann nur μαλο ergeben, dessen Bedeutung zuvor offen geblieben
war. Nachdem die Ableitung aus *imadä abgelehnt worden ist, bleibt als
Möglichkeit noch die Verbindung mit avest. 3mad- „zumessen". Dieses ist
verwandt mit got. mitan, lat. ntödus22 und mit der Dehnstufe μήδομαι „er-
messen". Dann entspräche ein *mäda- oder *tnäda- lautgesetzlich unserem
μαλο. Einen Schritt weiter führt die syntaktische Zuordnung. Henning
selbst nimmt „open compounds" in der Sprache der Inschrift an23. Dem-
entsprechend wäre νεισανο μαο μαλο als Bahuvrihi zu verstehen und auf
χ^ονο zu beziehen: eine „Ära, derenMessung der Monat Nisän ist". Gemeint
sein muß eine solche, die mit dem Nisän beginnt. Demnach die Ära Alexan-
ders, deren Jahre, jeweils mit dem 1. Nisän anfangend, von 311 v. Chr. ab
gerechnet wurden24. Daß die Griechen der einstmaligen Oberen Satrapien
sich dieser Ära bedienten, liegt in der Sache und wird jetzt durch die grie-

19 D a z u F . Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (Halle S. 1950), 208f.


20 buhärik; dazu und zum Vorangegangenen E . Sachau in seiner Übersetzung 393
zu p. 82.
21 a. O. 59.
22 C. Bartholomae, a. O. 1 1 1 3 .
23 a. O. 5 3 ; vgl. 52.
24 L e t z t e Ä u ß e r u n g : Altheim-Stiehl, Supplementum A r a m a i c u m (Baden-Baden
1957) 28 f.
ι. RETRACTATIONES 9

chische Inschrift vom Gareustempel in Uruk bestätigt25. Aber das 31. Jahr ?
Nun, daß bei Jahresdaten, die sich auf die Gegenwart des Sprechenden be-
ziehen, die Hunderter fehlen können, ist dem Leser solcher syrischen Histo-
riker geläufig, die sich der Ära Alexanders bedienen. Auch daran darf er-
innert werden, daß auf ägyptischen Papyri und Inschriften der frühbyzan-
tinischen Zeit bei Verwendung der Indiktionsrechnung die Indiktion fast
immer weggelassen und lediglich das Indiktionsjahr angegeben wird. Auf
ähnliche Abkürzungen, die man gegenwärtig verwendet, genüge es, hinge-
wiesen zu haben.
Im vorliegenden Fall lassen sich die fehlenden Hunderter unschwer er-
mitteln. R. Göbl hat auf Kaniska's Prägungen Nachahmungen römischer
Motive, die auf Münzen antoninischer Zeit begegnen, festgestellt und den
KüSänherrscher danach zeitlich angesetzt2®. Zunächst ist mit dieser richtigen
Beobachtimg nur ein Terminus post quem gegeben. Aber auch dieser ist
wichtig. Denn er gestattet, mit völliger Sicherheit zu sagen, daß 31 nichts
anderes als (5)31 der Alexanderära, demnach das Jahr 219/220 nach christ-
licher Rechnung ist. Wenn nicht alles täuscht, ist damit der immer gesuchte
und bisher nicht gefundene Zeitansatz Kanaka's ermittelt.

Die weitere Rechnung muß versuchen, sich auf Zeugnisse zu gründen, die
außerhalb der Inschrift liegen. Soweit bekannt, hat diese Zeugnisse keiner
derer, die sich mit der Ansetzimg Kaniäka's befaßt haben, herangezogen.
Zunächst ist daran zu erinnern, daß HuviSka, also Kaniska's Nach-
folger, auf seinen Prägungen Serapis und Herakles — unter der noch zu be-
sprechenden Form Σαραττο und Ηρακιλο — bringt. Beide Gottheiten haben
in severischer Zeit, noch vor Elagabals Regierungsantritt, als kaiserliche
Götter den Höhepunkt ihrer Bedeutung erstiegen. Für Serapis vergleiche
man, was in: Weltgeschichte Asiens 1 (Halle S. 1947), 288f. zusammenge-
stellt ist. Eine wichtige Ergänzung hat jüngst R. Merkelbach1 gebracht. Zur
Rolle, die Herakles, neben Dionysos-Liber, in der gleichen Zeit gespielt hat,
sei an das erinnert, was in: Literatur und Gesellschaft 1 (Halle S. 1949),
153f. und in: Römische Religionsgeschichte 2 (Baden-Baden 1953), 302f.

45 C. Meier in: Baghdader Mitt. χ (1960), I04f.; loji.


29 Bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte 237.
1 In: Archiv für Papyrusforschung 27 (i960), io8f.
10 QUELLENFRAGEN

und 310 f. gesagt wurde. Die Geltungsdauer aller dieser Götter blieb auf
Septimius Severus und Caracalla beschränkt. Schon unter Severus Alexander
wandte sich Cassius Dio gegen Isis und Osiris, was Serapis einschließt, sowie
gegen Herakles und Dionysos (40, 47, 3; 76, 16, 3). Huviska, dessen Regie-
rungsantritt man jedenfalls nach 219/220 setzen muß, vielleicht zu Beginn
der dreißiger Jahre, hat demnach zwei — übrigens auch auf den gleich-
zeitigen Münzen auftretende — kaiserliche Götter mit einigem zeitlichen
Abstand übernommen, in gleicher Weise, wie dies Kaniska mit Motiven der
antoninischen Prägungen getan hat. Das zeitliche Gefälle wird man im einen
wie im anderen Fall auf rund drei Jahrzehnte veranschlagen dürfen.
Es fällt auf, daß ebenso Serapis wie Herakles auf Huviska's Prägungen
nicht mit ihren griechischen Namen, sondern mit künstlich iranisierten
bezeichnet werden. Darin spiegelt sich ein Ereignis, das bereits unter
Kaniska's Regierung fällt. Gemeint ist die mit der zweiten Phase seiner
Münzprägung einsetzende Abwendung von allem Hellenistischen, die in
einer durchgängigen Iranisierung der Herrschertitel und der Götternamen
sich ausdrückt. Diese grundlegende Erkenntnis R. Göbls2 beruht darauf, daß
Kaniska und ebenso seine Nachfolger sich in jener zweiten Phase nicht mehr
als βασιλεύς βασιλέων, sondern als taovavo t>ao bezeichnen3. Weiter
darauf, daß statt der Legenden "Ηφαιστος, "Ηλιος und Σελήνη jetzt
αθρο und μιιρο begegnen4. Wenn unter HuviSka gleichwohl Serapis und
Herakles übernommen wurden, so doch nicht unter griechischer, sondern
in iranisierter Namensform.
In Surx Kotal hat sich bekanntlich ein inschriftliches Bruchstück ge-
funden, darauf dem iranischem Text zur Seite ein kurzer griechischer
erscheint6. Dieses Bruchstück wird man spätestens in Kanaka's Frühzeit
setzen dürfen. Auf der großen Inschrift ist jedenfalls keine Spur des Grie-
chischen oder griechischer Götter zu finden. Und dem entspricht, daß die
Ära Alexanders nicht als solche, sondern mittels der Umschreibung :χϊ>ονο
νεισανο μαο μαλο bezeichnet wird. Man versteht dieses Verfahren, nach-

2
Bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte 189 f.
3
Ebenda 190.
4
Ebenda 189.
5
Zuletzt Altheim-Stiehl, Philologia sacra 20f. Auf Humbachs Versuche, Mono-
gramme aufzulösen, sowie auf seine Darlegungen in: Die Welt der Slawen 6 (1961), 225 f.
sei nicht eingegangen. Zu S. 230 Anm. 1 8 : die Inschrift aus Cherson hat mit Helios
nichts zu tun. E s ist ίλεώζ μοι, ώ θεός in itazistischer Schreibung. Der Vokativ Θεός
verweist auf christliche Herkunft.
ι. RETRACTATIONES 11

dem die geistigen Voraussetzungen geklärt sind: mit anderem hellenisti-


schem Kulturgut hatte auch der Name des Archegeten des gesamten Helle-
nismus in Asien zu verschwinden. So kennzeichnete man die Ära von 3 1 1 v.
Chr., an sich zutreffend, also solche, die nach dem Monat Nisän gemessen
wurde. Auch leuchtet ein, daß die Schaffung einer eignen Ära Kaniska's
der folgerichtig sich anschließende Schritt sein mußte. Sie war 219/220 noch
nicht da, und sie konnte auf die in der Inschrift verwandte Datierung erst
folgen. Ob Kaniska seine Ära zuletzt noch eingeführt hat oder sie nach
seinem Tod von dem Nachfolger eingerichtet wurde, kann allein ein Neufund
lehren.
Die große Inschrift von Surx Kotal gehört zeitlich mit der zweiten Phase
der Prägung Kaniska's zusammen, in der die Abkehr vom Hellenismus voll-
zogen ist. Göbl spricht von einem der „großen Wendepunkte der Kusän-
geschichte": die letzten Spuren des Hellenismus seien hinfort allein noch an
der Verwendung der Schrift und gewisser Bildtypen erkennbar. Die Be-
gründung, die Göbl für Kanaka's neue Haltung gegeben hat, braucht uns
nicht mehr zu beschäftigen. Denn mit dem richtigen Zeitansatz drängt sich
der geschichtliche Zusammenhang auf. Sie fällt mit dem Aufkommen
der Sasaniden, mit Ardaäer's I. Wendung zum Zarathustrismus, überhaupt
zur nationalen Vergangenheit Irans zusammen. Auch der ostiranische Herr-
scher hat die Abkehr von hellenistischer Überfremdung vollzogen. In Ka-
niska's zweiter Phase und in Ardaäer's Verhalten zeigt sich die gleiche
Selbstbesinnung Irans; sie zeigt sich im Heimatland Zarathustras wie in
dem der Achaimeniden. Wer von beiden den ersten Schritt getan hat, kann
wiederum nur ein Neufund lehren.
Einen letzten Anhalt liefern gewisse Angaben des Periplus maris Ery-
thraei. Seine bisherigen Datierungen, die zwischen der neronischen Zeit und
dem Ausgang des 1. Jahrhunderts n. Chr. schwankten, sind von J . Pirenne®
einer eindringenden Kritik unterworfen worden. Vor allem hat sie die Be-
rufung auf den angeblichen Nabatäerkönig Malichas glücklich beseitigt7.
J . Pirenne entscheidet sich vorerst für kein neues Abfassungsdatum, hält
jedoch eine Ansetzung auf 150 n. Chr. oder später für durchaus möglich8.
In diesem Zusammenhang muß eine Stelle nochmals besprochen werden,
über die diese Forscherin vielleicht doch zu skeptisch geurteilt hat.

* Le Royaume Sud-Arabe de Qatabän et saDatation (Louvain 1961) ιβγί.; 179 f.


7
Ebenda 185 f.
8
Ebenda 191.
12 QUELLENFRAGEN

Von der Ευδαίμων 'Αραβία wird gesagt: vvv δε ού προ πολλού των
ήμετέρων χρόνων Καίσαρ αύτήν κατεστρέψατο. Der unbekannte Ver-
fasser bezeichnet mit Εύδ. Ά ρ . ein an der Küste gelegenes Dorf (κώμη), das
ihm zufolge zuvor eine Stadt gewesen war. Gleichgültig, ob es sich dabei um
das nachmalige Aden handelt oder nicht, soviel ist deutlich, daß auf ein
jüngstvergangenes Ereignis angespielt wird. Daß mit Καίσαρ keinesfalls
Augustus gemeint sein kann, hat jüngst K. Wellesley9 gezeigt. Auch die
Ansätze auf Claudius, Nero und Trajan wurden von J . Pirenne mit Recht
abgelehnt10. Anders steht es mit Septimius Severus, wie die vollständige
Sammlung der Zeugnisse11 zeigt.
Schon während seines ersten Partherkrieges, bekämpfte der Kaiser die
„inneren" Araber und machte ihr Land zur Provinz (Eutrop. 8, 18; Ruf.
Fest. 2 i ; Hieronym., chron. ann. 2214). Im zweiten Partherkrieg zog er durch
das Gebiet der skenitischen Araber und unterwarf ganz Arabien. Damit
können in keinem Fall die Araber Mesopotamiens gemeint sein, denn der
Zug wird nach, nicht vor die Eroberung Babylons und Seleukeias gesetzt
(Zosim. 1, 8, 2). Auch kann „ganz Arabien" unmöglich das obere Zweistrom-
land, die neue Provinz Arabien nicht die Provinz Mesopotamien bedeuten.
Ptolemaeus kennt die Skeniten an der Nordgrenze des Glücklichen Arabien,
dort, wo dieses an das Wüste Arabien und an die Südgrenze des Persischen
Golfes stößt (geogr. 6, 7, 1 ; 21).
Besonderer Erwähnung bedarf der unter Bardesanes' Namen gehende
„Dialog über das Fatum" oder, wie der syrische Text ihn nennt: das „Buch
der Gesetze der Länder" (Euseb., h. eccl. 4, 30)12. Dort heißt es, ganz vor
kurzem (χθέ$) hätten die Römer Arabien erobert und die Gesetze der dort
wohnenden Barbaren verändert13. Eusebios sagt, der Dialog sei einem Anto-
ninus gewidmet gewesen, und Hieronymus (de vir. illustr. 33) 14 gibt den
Namen als M. Antoninus. Man hat an Kaiser Marcus gedacht, zumal Euse-
bios Bardesanes' άκμή unter diesen Kaiser setzt und Hieronymus ihm darin
folgt. Doch durch die syrische Überlieferung weiß man, daß Bardesanes von
154—222 lebte15. Er war also bei Marcus' Tod erst 26 Jahre alt, während er

* In: Parola del Passato 9 (1954), 401 f.


10
a. O. i8of.
11
Zum Folgenden F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (Halle S. 1950), 90f.
M
Η. H. Schaeder in: Zeitschr. f. Kirchengesch. 51 (1932), 3 2 !
11
W. Cureton, Spicilegium Syriacum (1855) 30.
14
Ebenda 38 f.
15
A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (Bonn 1922) i2f.
ι. R E T R A C T A T I O N E S 13

im Dialog als Mann vorgerückteren Alters erscheint und von seinen Schülern
„Vater" genannt wird1®. Demnach kann die Äußerung allein auf Septimius
Severus' Feldzug bezogen werden.
Schließlich wird man die Nachrichten heranziehen dürfen, die von
Kämpfen mit den Bewohnern des Glücklichen Arabien sprechen (Hero-
dian. 3 , 9 , 3 ; SHA., v. Macr. 12,6). Sie fügen sich dem, was von den „inneren"
und den skenitischen Arabern gesagt wird. Einheitlich ist überall die Be-
ziehung auf Septimius Severus. Eine Besonderheit des Periplus freilich
bleibt, daß ein καΐσαρ genannt wird, eine Bezeichnung, die im Gegensatz
zum sonst gebrauchten αύτοκράτωρ(23) steht. Hier gibt die Chronologie
weitere Aufschlüsse 17 .
Septimius Severus' erster Partherkrieg fällt ins Jahr 195, der zweite auf
197—199. Dann kann mit jenem Caesar nur Caracalla gemeint sein, der 196
zu diesem Rang erhoben wurde. Da Caracalla vor dem 3. Mai 198 Augustus
und Mitregent wurde, muß das im Periplus gemeinte Ereignis zwischen 196
und Anfang 198 gefallen sein. Der arabische Feldzug, zu dem die Eroberung
des Glücklichen Arabien oder gewisser Teile von ihm gehörte, stand dem-
nach unter dem nominellen Oberbefehl nicht des Kaisers selbst, sondern
seines Sohnes und Caesars Caracalla, der seit 196 imperator destinatus war.
Die Abfassung des Periplus muß dementsprechend (vgl. ού ιτρό πολλού τ ω ν
ήμετέρων χρόνων) einige Jahre später angesetzt werden. Sie mag in den
Beginn des 3. Jahrhunderts fallen.
Eine weitere Stelle führt nach Baktrien, dem Heimatland der Küään.
Es wird47 vom μαχιμώτατον 2θνο$ Βακτρια νω ν gesprochen, unddannlautet
die Überlieferung OTTO βασιλέα ουσαν ϊδιον τόπον. Man hat verschieden
verbessert, doch paläographisch und dem Sinne nach dürfte ύττό βασιλέα
δντων Ιδιότοπον das Richtige treffen. In der Tat findet man in der Be-
schreibung der benachbarten Teile Indiens keinerlei Anhalt dafür, daß sie
unter baktrischer Herrschaft oder, was dasselbe ist, unter der der Küään
stehen. Das Wort vom βασιλεύς Ιδιότοττος, wenn richtig wiederhergestellt,
zeigt, daß der damals regierende Küsän allein Baktrien beherrschte, dem-
zufolge in Balch residierte und noch nicht in Peshawar 18 . Anders ausge-
drückt: Vima Kadphises, Kaniska's unmittelbarer Vorgänger, war damals
noch nicht zur Eroberung seines indischen Reiches aufgebrochen.

" Η. H. Schaeder, a. O. 28; 39.


17 S. N. Miller in: Cambr. Anc. Hist. 12 (Cambridge 1939) 9!.; i6f.
18 R. Göbl bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte 186.
14 QUELLENFRAGEN

Damit gewinnt die Chronologie an Bestimmtheit. Vima Kadphises mag


die Eroberung Indiens um oder nach 210 begonnen und dann noch bis 215
regiert haben. Dann bestieg Kani§ka den Thron. Im Jahre 219/220 stand er
schon in den Jahren der zweiten Phase seiner Münzprägung und der Abkehr
vom Hellenismus. Geht man von 23jähriger Regierung aus, so mag Kaniska
bis in die späten dreißiger Jahre regiert haben und Huviäka ihm dann ge-
folgt sein.

3
Inzwischen hat sich J. Pirenne ein zweites Mal zur Datierung des Periplus
geäußert1. Im Gegensatz zur früheren Darlegung beschränkt sie sich nicht
darauf, die älteren Ansichten über die Entstehungszeit zu wiederlegen,
sondern bringt einen jahresmäßigen Ansatz2. Dabei bezieht sie sich auf die
Angabe, daß das an der Küste Karamaniens gelegene Omana zur Persis
gehöre (35), und weiter, daß östlich von diesem ein anderer Ort liege, der
βασιλείας έτέρας sei (37). Der Name dieses Ortes verbirgt sich unter der
Korruptel ή trap' όδόν, und A. Maricq hat darin die Paradene bei Ptole-
maeus, p'rt'n in der großen Inschrift Säpür's I. erkannt8. Er liest dement-
sprechend ΤΤαραδων, und J. Pirenne kommt, auf diesem Ergebnis fußend,
auf einen Zeitpunkt, da bereits Kermän zum persischen Königtum gehörte,
die benachbarte Paradene aber noch selbständig war. Eben dies sei die Lage
in der Zeit von ArdaSer's I. Eroberungen. Die Paradene sei nach Ausweis
von Säpür's Inschrift erst von ihm erobert worden. Daraus ergebe sich als
Datum 225—230.
Niemand wird sich dieser bestechenden Argumentation entziehen kön-
nen, vor allem dann, wenn er sie in der originalen Veröffentlichimg nach-
prüft. Auch die Verfasser sind in allem mit den Darlegungen der gelehrten
und gründlichen Verfasserin einverstanden. Nur im jahresmäßigen Ansatz
glauben sie eine Berichtigung anbringen zu müssen. Denn die früheste In-
schrift ArdaSSr's ist von J. Pirenne außer acht gelassen worden.
Uber die Eroberung Kermän's ist Tabari Hauptquelle, in jenem Ab-
schnitt, der, wie oben 1,260 f. dargelegt, auf Ardaäer's kärnämay zurückgeht.
Alle Ereignisse fallen in die Zeit zwischen der Nachfolge auf dem väter-

1 In: Journ. Asiat. 1961 (noch nicht erschienen. Der Güte der Verfasserin ver-

danken wir das Manuskript). [Journ. Asiat. 1961, 441 f. Korr. N.].
* a. O. 453 f.
» a. O. 454.
ι. R E T R A C T A T I O N E S 15

lichen Thron und der Besiegung Ardewän's V. 226. Tabari berichtet, wie
nach Päbak's Tod zunächst sein Sohn Säpür gekrönt wird (ann. i , 816, 5 f.);
wie dann Streitigkeiten zwischen diesem und Ardaäer ausbrechen und
Säpür durch einen Unfall in der Nähe von Darabgerd (1. c. 8) umkommt.
Ardaser wird darauf gekrönt (1. c. 10), muß aber noch eine Erhebung seiner
Brüder und der Einwohner Darabgerds niederwerfen (1. c. 13f.). Unmittel-
bar an die Thronbesteigung und die Niederwerfung der Rebellen schließt
sich die Eroberung Kermän's an (1. c. 817, if.) 4 . Diese fällt demnach in die
ersten Jahre Ardaser's, lange vor die Auseinandersetzung mit dem letzten
Arsakiden.
Das Jahr der Thronbesteigung kennt man durch Ardaser's Inschrift aus
der Nachbarschaft der Stadt Säpür 6 . Es fällt auf 208, und höchstens bis 210
darf man mit der Eroberung Kermän's heruntergehen. Damit wäre genau
jenes Jahr erreicht, das zuvor vermutet worden war. Mit dieser Korrektur,
die uns allerdings unerläßlich scheint, hat sich eine vollständige Uberein-
stimmung zwischen den Darlegungen J . Pirenne's und den unseren erzielen
lassen.
J . Pirenne, die von dem Einwand unterrichtet wurde, schrieb unter
dem 10. 1. 62: „ J e n'ai pas eu le loisir d'examiner chacun des 616ments
de votre lettre; mais en tout cas, votre correction de ma date de 225 en
'peu apr£s 208' me parait en effet tr£s bien fondee, et je l'adopterai.
J'ai voulu ajouter une note pour le dire, aux deuxiemes 6preuves du
Journal Asiatique, mais on me dit que ce ne sera sans doute pas possible . . .
J e vous laisse le soin d'avancer votre date, de justifier la correction que
vous proposez ä la mienne, et — si vous le voulez — de dire que je
l'accepte".

4
Die zweite Frage, die erörtert werden soll, ist die nach der Sprache,
darin die Inschrift geschrieben ist. Maricq hatte „eteo-tocharisch"vorge-
schlagen1, im Gegensatz zur mißbräuchlichen Bezeichnung des „Tochari-
4
Th. Nöldeke's Gründe, dieses Unternehmen später zu setzen (Übers. 10 Anm. 2),
reichen nicht aus. Die Gleichsetzung von Tabari's BaläS mit dem Vologeses der Münzen
ist unerweislich. Auch A. Christensen in C A H . 1 2 (1939), 109 rechnet Kermän als
ArdaäSr's erste Eroberung.
5
R. Ghirshman in: Rev. des Arts Asiat. 10 (1936), 1 2 7 ! , mit Beiträgen A. Chri-
stensen's;'dieser in: C A H . 12, 109.
1
Zuletzt in: Journ. Asiat, i960, 1 6 1 f.
16 QUELLENFRAGEN

sehen" Α und Β. Henning wünschte diese Bezeichnung in „baktrisch" ge-


ändert zu wissen2, und Humbach beschränkte sich anfänglich auf die neutral
gewählte als küäänisch. In einem Vortrag anläßlich der indogermanischen
Fachtagung in Innsbruck 1961® kam Humbach jedoch zu dem Ergebnis, die
Sprache der Kani§ka-Inschrift und der verwandten Denkmäler sei die der
nomadischen Eroberer von 129 oder 128 v. Chr.4. Er schließt sich damit
praktisch Maricq's Ansicht an.
In der Tat sind die dialektologischen Gründe, die Henning zugunsten
seiner Bestimmung als „baktrisch" anführt, keineswegs schlüssig. Was der
Vergleich des Wandels tr > hr in μιυρο „Sonne" und parth. mihr besagen soll,
ist nicht zu ersehen. Übereinstimmung mit dem parthischen Nordwestdialekt
kann verschieden ausgelegt werden. Ob die Parther in der Satrapie, nach
der sie sich genannt haben, bereits hr gesprochen haben, ist zumindest frag-
lich. Mir ist kein Zeugnis aus den Ostraka von Nisä bekannt, das dafür
spräche, und allein Parthien (nicht Medien) ließe sich als Nachbarland
Baktriens zugunsten von Hennings Hypothese anführen. Ähnliches gilt für
xt > y5, das auch im sarmatischen Βαγδόσανος „zugeteilte Kraft besit-
zend" wiederkehrt. Aber auch Humbach, von dem diese Einwände stam-
men, faßt die Frage vermutlich zu eng. Das zeigt seine Beurteilung des
Wandels von δ > l, der nicht nur im Yidgah-Munji und Paschto begegne,
sondern auch im skythischen Titel Παραλάται = avest. 2fiaradäta-. Die Form
ΓΤαραλάται steht völlig vereinzelt. M. Mayrhofer verweist brieflich (unter
dem 23.12.61) auf J. Duchesne-Guillemin's Deutung νοητά "Αδσρσ = avest.
abara-. Er erwägt darum, ob das einmalige l aus d, wo es in Παραλάται doch
einer assimilierenden Liquida r folgte und einem dissimilierenden Dental t
vorausging, nicht ein Fall von „konsonantischer Fernwirkung" sein könne.
Auch grundsätzlich ist zu sagen, daß die dialektologischen Ergebnisse nie-
mals einschichtig sein müssen. Die Träger einer Mundart oder Sprache
können in neuer Umgebung neue Isoglossen gebildet haben. Aber daneben
mögen sie, wenn sie von anderer Seite her kamen und nachträglich in ihre
späteren Sitze eingewandert sind, solche Isoglossen mitgebracht haben, die
sie in ihrer einstigen Heimat gebildet hatten.
Auf den besonderen Fall angewandt, kann es durchaus sein, daß in der
Sprache der Inschrift der Wandel δ > l erst vorgenommen wurde, als die

2 a. O. 47.
8 Ich verdanke ihn der Güte des Verfassers.
4 F. Altheim, "Weltgeschichte Asiens 2 (Halle S. 1948), 88f.
ι. RETRACTATIONES 17

Träger dieser Sprache, von anderer Seite kommend, in Baktrien Fuß gefaßt
hatten. Man kann also ruhig auf die Übereinstimmung mit dem Yidgah-
Munji und Paschto verweisen, ohne doch darum etwas über die ursprüng-
liche Zuordnung der Sprache auszusagen. Der Wandel 5 > l besagte dann
allein, daß sie in ihren späteren, baktrischen Sitzen sprachliche Eigentüm-
lichkeiten, die dort naheliegen mochten, übernommen hatte. Die Frage ist
nur, ob sich Hinweise auf eine frühere Umgebung feststellen lassen. Und dies
ist zweifellos der Fall. Schon der Wandel xt > y 5 war doppeldeutig, konnte
als Verwandtschaft mit den Skythen und Sarmaten gedeutet werden. Hier
kommt hinzu, daß auch das Ossetische den Wandel von xt > yd kennt6.
In gleicher Richtung führen weitere Beobachtungen.
Was jedermann ins Auge fällt, ist die Erhaltung auslautender Vokale,
und darin scheint die Sprache unserer Inschriften in mitteliranischer Zeit
allein zu stehen. Henning äußert sich denn auch dahin, daß „in conformity
with what we know of Middle Iranian generally" das am Wortende und in
der Kompositionsfrage auftretende -ο lautlich bedeutungslos sei e . Schrei-
bungen wie J>ao, ττιδο, αβο, -ηιο meinten nur *§äu, fid, aß, -ei. Hier wird
nach dem Grundsatz verfahren, daß bei Widerspruch zwischen bisheriger
Theorie und neu hinzugekommenem Stoff dieser nach jener sich zu richten
habe und nicht die Theorie auf Grund der neuen Gegebenheiten zu modifi-
zieren sei.
Humbach hat richtig gesehen, daß hier ein Irrweg betreten wurde. Aber
auf dem Weg, den er einschlägt, ist ihm niemand gefolgt. Ebenso er wie
Henning übersehen, daß es eine mittel- und neuiranische Sprache gibt, die
den auslautenden Vokal bewahrt hat: das Ossetische.
Im West-Ossetischen begegnet ä als Auslautvokal. W. Miller, der die in
Betracht kommenden Fälle aufzählt 7 , hält dafür, in der Mehrzahl der Fälle
sei dieses Suffix neu angetreten. Besonders gelte dies, wenn singula-
risches -ä vor dem Plural-Suffix schwinde: Sing, bälasä „Baum", Plur. bä-
lästä; Sing, aikä „Ei", Plur. äik'itä. Inzwischen hat die Wörterliste der
ungarländischen Jassen8 eines anderen belehrt. Sie zeigt den Auslaut -a und
bestätigt damit das hohe Alter des auslautenden -ä im West-Ossetischen. Es
geht in eine Zeit zurück, da sich die Trennung in den westlichen und
6 W. Miller, Die Sprache der Osseten (Straßburg 1903) 25 § 23, 2.
6 a. O. 50.
' a. O. 15 § 3 a—1.
8 J. Ν έ π ι β Λ in: Abh. D t . Akademie Berlin 1958, 4 (Berlin 1959); dazu oben 4,
3 f., besonders 6.

2 Altheim, B a n n e n V
18 QUELLENFRAGEN

ostlichen Zweig des Ossetischen noch nicht vollzogen hatte. Gerade bei dem
Wort jaika, das w.osset. aikä entspricht, ist im Jassischen der vokalische
Auslaut belegt. Ein noch älteres Zeugnis gibt die zweite, aramäische In-
schrift von Mchet'a®. Ortsnamen, aber auch ein Appellativum, auf Älaf
oder h auslautend, zeigen das Vorhandensein des Auslautvokals, der west-
osset. -ä entspricht: zmyzbl', nykwrh, Shr'. Auch bilä „Lippe, Rand", dessen
Plural biltä lauten müßte, rechnet Miller zu den Wörtern, deren Auslautvokal
neu hinzugetreten sei. Doch eben zmyzbl', zmiz-bilä „Sandufer" erweist, daß
dieser Vokal schon in alter Zeit belegt ist.
Miller nimmt indessen an, daß in anderen Fällen der west-ossetische Aus-
lautvokal alt sei: madä „Mutter" aus *mätä, sädä aus *satam10. Dazu
rechnet er solche Fälle, die mit der Epenthese zusammenhängen: west-
osset. suyzärinä „Gold" aus *zaranya, *zaraina, -zärinä. Im Jassischen findet
sich die Entsprechung. Heca entsprechen w.osset. xecau und o.osset. xicau,
eine mit r-Suffix gebildete Erweiterung11. Zugrunde hegt *x"atya-, wie
avest. χναίθγα- mit i-Epenthese und soghd. xwty(y)12 zeigen. Der Vokal der
ersten Silbe hat sich unter Einwirkung der Epenthese über ai zu e, ϊ ent-
wickelt. Das Gleiche zeigt sich in unserer Inschrift, wo ττιδο, pati auf
die beschriebene Weise entstanden sein muß.
Damit hat sich gezeigt, daß das West-Ossetische, Jassische und Ala-
nische auf der einen Seite, die Sprache unserer Inschrift auf der anderen den
auslautenden Vokal bewahrt haben. Dort begegnet -a, -ä, hier -o, was aus-
schließt, daß es sich um eine gemeinsam vorgenommene Neuerung handelt
(wie man Miller zufolge anzunehmen hätte). Vielmehr ist überall eine
Altertümlichkeit erhalten. Entgegen Hennings Ansicht gibt es also auf
mitteliranischer Stufe Sprachen, die den Endvokal, wenn auch in reduzier-
ter Form, bewahrt haben. Bewahrung dieser Altertümlichkeit kommt nur
für solche Sprachen in Betracht, die dem Parthischen, Mittelpersischen und
Soghdischen, da diese den Abfall der Auslau tvokale vollzogen haben, ursprüng-
lich nicht benachbart waren. Und dies können nur die Sprachen der nord-
iranischen Gruppe gewesen sein: demnach jener iranischen Nomaden, die
gleich Skythen, Sarmaten, Alanen und Osseten nördlich der großen Seen
9
Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden ι (3. Lfg.
Frankfurt M. 1962), 243t; oben 4, 81.
10
W. Miller, a. O. 16.
11
W. Miller, a. O. 28 § 28, 2 Anm.
12
I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian (Oxford 1954) 42 § 269; 62
§ 402; 201 § 1 3 3 6 1 ; 205 § 1390.
ι. RETRACTATIONES 19

— des Balkasch-, Aral- und Kaspischen Sees sowie des Asowschen Meeres —
heimisch waren.
Im Besonderen geht es um Alanen und Osseten oder, wie sie sich
auch nannten, die Äss. Wie längst gesehen, müssen sie mit den sakischen
"Ασιοι zusammenfallen. Also einem der Stämme, die Apollodoros von
Artemita 1 3 zu den nomadischen Eindringlingen rechnet und die, den
Iaxartes überschreitend, 129 oder 128 v. Chr. Baktrien erobert haben
(Strabon 511). Während die "Ασιοι sich in Ostiran nicht niederließen, son-
dern sich nach Westen ins Land zwischen den Unterläufen von Wolga und
Don sowie dem Kaukasus weiterschoben 14 , blieben ihre Vettern, άίεΤόχαροι,
im Gebiet südlich des Oxos sitzen 16 . Sie gaben ihm den Namen Tocharistän,
und diesem zweiten Stamm der Nomaden hat Maricq die Sprache unserer
Inschrift zugewiesen, als er sie eteo-tocharisch nannte. Da der Name „tocha-
risch" fälschlich zur Bezeichnung einer anderen indogermanischen Sprache
Mittelasiens verwandt wird, hat Maricq mit dem ersten Bestandteil andeuten
wollen, daß diesmal die „wahren", also die iranischen Tocharer gemeint
seien.
Daß die Tocharer als nächste Verwandte der "Ασιοι, Alanen und Osseten
allein in Frage kommen, bestätigt eine weitere Beobachtung. Der von Hen-
ning überzeugend erschlossene Artikel 1, der dem Nomen vorangeht, be-
sitzt, was man gleichfalls übersehen hat, im sogenannten bestimmten Artikel
des West-Ossetischen seine Entsprechung. Zur Bewahrung einer Alter-
tümlichkeit wie der Auslautvokale tritt demnach eine gemeinsam vollzo-
gene Neuerung hinzu. Es ist zuzugeben, daß der Plural auf -tä auf die
Alanen und Osseten beschränkt bleibt. Aber der ältere Plural (ursprünglich
Gen. Plur.) auf -än, dem unserer Inschrift entsprechend, hat sich in den
ossetischen Demonstrativen gehalten: adon „diese", udon „jene". Man kann
demnach sagen, daß Maricq mit seiner Kennzeichnung als eteo-tocharisch
alle Aussicht hat, das Richtige getroffen zu haben, und daß man Hennings
„baktrisch" beiseitelegen darf.
Die Bestätigung erbringt das Sakische, wiederum eine der Sprachen,
deren sich die nomadischen Einwanderer von 129/8 bedient haben müssen.
Auch das Khotan-Sakische hat auslautendes -a, -ä bewahrt: Buddhas
13 F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 1 (Halle S. 1947), 1 1 f·
14 Erstmals Η. W. Bailey in: Transactions Philol. Soc. 1947, i26f.; BSOAS.
1949, i35f.; dazu oben 1, 67f. Eine Münze des Heraios aus Kej-Kobad-Sach (Tadji-
kistan) bei Α. M. Mandelätam in: Epigr. Wost. 14 (1961), 53f.
1 5 F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 2 (Halle S. 1948), 90.


20 QUELLENFRAGEN

Name heißt dort balysä, um nur dieses Beispiel anzuführen. Andere


Übereinstimmungen betreffen das Verbum. Ein Part. Perf. Pass, wie
σταδο hat in khotan-sakischen Formen auf -ta seine Entsprechung (im
Ossetischen liegt im gleichen Fall bereits -t vor). Desgleichen stehen
φροχορτινδο, 3. Plur. Praes. im Khotan-Sakischen -Inda, -ändä und im
West-Ossetischen -ncä aus *-nti zur Seite. Βοοηιο 3· Sing. Opt. (vgl. soghd.
ßwy) findet seine Parallele in khotan-sakischem yanlyä, mtriya, byühlya1β,
und φροχοοφονδηιο 3. Plur. Opt. in den west-ossetischen Formen auf
-ioncä, die W. Miller17 auf* -iy-änti -f- ä zurückgeführt hat. Man muß auch
hier feststellen, daß sich -0 und -a, -ä entsprechen, die ihrerseits aus -α,
-i, -0 hervorgegangen sind.

5
Von dem gewonnenen Ergebnis aus mag noch ein Blick auf die alani-
schen Namen 'Aßaßos Mask., Ababa Fem. geworfen werden. Ihnen hat zu-
letzt L. Vidman eine Betrachtung gewidmet, die in der von J . Irmscher und
D. B. Schelow herausgegebenen Aufsatzsammlung: Griechische Städte und
einheimische Völker des Schwarzmeergebietes1 erschienen ist. Vidman ist
der Ansicht, daß Ababa oder Hababa als Name der Mutter des Kaisers
Maximinus Thrax (SHA., v. Max. 1, 5f.; vgl. Iordanes, Rom. 281; Get. 83)
erdichtet sei. Denn in der Quelle der Biographie, bei Herodian. 6, 8 , 1 , werde
dieser Name nicht genannt, könne also nicht auf echter Überlieferung be-
ruhen.
Es bestehe indes noch ein Einwand, geht es weiter, der gegen solche
Verwerfung angeführt werden könne. Der Name Άβαβος finde sich viermal
an der nördlichen Schwarzmeerküste inschriftlich vor. Es sei demnach für
den alanischen oder doch den weiteren alanischen Bereich belegt (in drei
Inschriften aus Olbia: Inscr. Ponti Eux. i, 47; 102; 103). Vidman führt
dafür den Aufsatz in: Rhein. Mus. 90 (1941), 203f. an. Ihm gegenüber
sucht er nachzuweisen, daß Άβαβος nicht alanisch und überhaupt nicht
iranisch, sondern syrisch sei.

18
H. W . Bailey in: Handbuch der Orientalistik Η, ι (1958), 144.
17
a. O. 72, vgl. 7 1 . Wir danken E . Mayrhofer für seine Bereitschaft, die im
Vorangehenden behandelten Fragen zu erörtern.
1
Deutsche Akademie der Wissenschaften, Schriften der Sektion für Altertums-
wissenschaft 28 (Berlin 1961), 155 f.

V
ι. R E T R A C T A T I O N E S 21

Auf das Argument, daß bei zweien der genannten Fälle der als 'Aßaßos'
Sohn angeführte Ό ρ ό ν τ α ς syrische Herkunft beweise, mußte Vidman frei-
lich verzichten. L. Zgusta hatte gesehen, daß Ό ρ ό ν τ η ς , ' Ορώντας zweifellos
iranischer Herkunft ist 2 . Doch Vidman Heß sich angelegen sein, weitere
Beispiele zu ermitteln. Es erscheine 'Aßaßos inschriftlich in Syrien 3 und
daneben auf einer Felsinschrift Ägyptens 4 . Sodann finde sich Acrabanis,
Ababunis f(ilius) als Angehöriger einer ituräischen Ala in Arrabona CIL. 3,
4367. Diese Beispiele vereint üeßen als wahrscheinlich gelten, daß man in
der Tat einen syrischen Namen vor sich habe. Auch in Olbia sei 'Aßaßos als
semitisch anzusehen, und damit entfalle die Alanin Ababa oder Hababa end-
gültig.
Der Berichtigung von Vidmans Ansicht sei ein grundsätzlicher Hinweis
vorausgeschickt. Ihm sind die beiden letzten Beiträge zur Frage 5 unbekannt
geblieben. So konnte er die Behauptung wiederholen, Herodian sei alleinige
Quelle der Kaiserbiographie gewesen. Es hat sich inzwischen gezeigt, daß
auch Dexippos zugrundeliegt. Hier bedarf es demnach eines bloßen Nach-
lesens dessen, was übersehen wurde. Um so ausführlicher muß auf die übrige
Beweisführung eingegangen werden.
'Aßaßos habe E. Littmann, so meint Vidman®, als Kosenamen ver-
standen 7 . Schlägt man nach, so hat er die Erklärung als Habäba oder Habhäb
vorgeschlagen, den Namen demnach zum arabischen Verbum habba ge-
stellt 8 . Durch die Formen 'Aßaßoös und *Ababu, Genet. Ababunis wird je-
doch diese Deutung hinfällig. Nicht nur bleiben die Endungen -oös, -« unver-
ständlich, sondern es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, daß der in
zwei Fällen 9 überlieferte Genetiv Άβαβου gleichfalls zum Nom. 'Aßaßoös,
nicht zu 'Aßaßos gehöre. Es wäre dann Άβαβοϋ, nicht Άβάβου zu lesen.
Vidman sucht die Endung -w in *Ababu, Gen. Ababunis „ nach dem Muster
der vor allem keltischen Namen aus dem benachbarten Noricum" zu er-

2 Die Personennamen griech. Städte der nordwestlichen Schwarzmeerküste (Prag


1955) 293*· § 591·
3 Die Belege bei L. Vidman, a. O. 157 A n m . 1.
4 F . Preisigke, Sammelbuch griech. Urkunden aus Ä g y p t e n (Straßburg 1915) 295.
5 F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1 (Halle S. 1949), 1 7 5 f . ; oben 1, 301 f.
« a. O. 158.
7 In F . Preisigke, Namenbuch (Heidelberg 1922) 503.
8 Ebenso H . W u t h n o w , Die semitischen Menschennamen in griech. Inschriften und
Papyri (Leipzig 1930) 6.
9 L. Malabert in: Melanges Fac. Orient. U n i v . St. Joseph 1 (1906), 172 Nr. 40 war
nicht zugänglich.
22 QUELLENFRAGEN

klären 10 ; er beruft sich dafür auf die Untersuchung M. Falkners 11 . Man hätte
demzufolge einen syrischen Namen mit norischer Endung anzunehmen.
Einer Widerlegung bedarf diese Erklärung nicht, abgesehen davon, daß
Vidman eine ähnliche für aus Ägypten stammendes ΆβαβοΟς nicht einmal
versucht hat.
Wenn eine Erklärung aus dem Aramäischen gesucht werden soll, so gibt
es nur eine Möglichkeit. ΆβαβοΟς und *Ababu entsprechen ab abüi
„Vater seines Vaters" 1 1 ". Dieser Name ist nicht belegt. Aber er entspricht
seiner Bildung nach bezeugtem 12 syr. ahüdemmeh „Bruder seiner Mutter".
Der scheinbare Widersinn der Bezeichnung erklärt sich dadurch, daß
gemeint ist, der eine sorge für seinen Vater gleich einem Vater, während
der andere seiner Mutter wie ein Bruder beratend und beschützend zur Seite
stehe. Daß dem so ist, bestätigt der gleichfalls bezeugte syr. Eigenname
mär emrneh „Herr seiner Mutter": Chron. min. i , 31, 22 und f. Guidi.
Will man demnach die hier behandelten Namen aus dem Aramäischen
erklären, so muß man von den Formen Ά β α β ο ΰ ς , *Ababu ausgehen. Daraus
folgt aber:

1. daß ΆβαβοΟς, *A babu von dem in Olbia bezeugten Ά β α β ο ς zu scheiden


sind. Lassen sich die beiden ersten als ab abüi deuten, so entfällt solche
Erklärung bei ' Αβαβος;

2. daß ein Sohn, der den iranischen Namen Ό ρ ό ν τ α ς trug, als Alane, der
er war, schwerlich einen aramäischen Vater oder einen solchen mit aramä-
ischem Namen gehabt haben kann;

3. daß Ababa, wovon unsere Erörterung ausging, keinesfalls die feminine


Form zu ΆβαβοΟς, *Ababu gewesen sein kann, wohl aber als solche zu
Ά β α β ο ς ausgezeichnet paßt;
4. daß die für ΆβαβοΟς, *Ababu ermittelte Bedeutung „Vater seines
Vaters" für den entsprechenden Eigennamen einer Frau von Seiten der Be-
deutung sinnlos wäre.

10 a. o . 1 5 7 1
11 In: Frühgeschichte und Sprachwissenschaft (Graz 1948) 39f.
n a D a s als S t a t . constr. angesetzte ab ('b) ist im Jüd.-Aramäischen bezeugt. I m
Syrischen würde man abü erwarten. Als weitere Möglichkeit könnte man an eine
Bildung entsprechend der arabischen K u n y a denken. Im Jüd.-Aramäischen ist der
P N . abbü belegt. Also: ab ab(b)ü „ V a t e r des Α . " .
lä P a y n e Smith 1, 123; oben 3 (1961), 56.
ι. RETRACTATIONES 23
Mit anderen Worten: wenn Ά β α β ο ϋ ς , *Ababu aramäische Namen sind,
so ist diese Deutung für Ά β α β ο ς , Ababa ausgeschlossen. Vielmehr spricht
das Nebeneinander der Endungen dafür, daß sie indogermanischen, will
sagen: alanischen Ursprungs sind.
Wenn auch nicht Littmann, so hat doch Zgusta beim iranischen Namen-
paar an Kosenamen gedacht. Eine derartige Deutung soll von vornherein
nicht bestritten werden. Seit der Auffindung der großen Inschrift von Surx
Kotal, die Zgusta noch nicht kannte, besteht jedoch eine zweite Möglichkeit.
Zeile 3 σιδο μαλιζο α β α β γ ο σ τ α δ ο übersetzt Henning: „where(-by) the
acropolis became to be waterless." Man darf dem zustimmen, mit der Ein-
schränkung, daß σιδο eher als Relativpronomen denn als adverbiale Be-
stimmung zu übersetzen ist: „welches mit einer Festung versehene (Baylän)
wasserlos wurde". Das richtige „wasserlos" (altiran. *ap-äpaka-), gebildet
wie avest. apa. xSa&ra-, hatte bereits Maricq erkannt. Man darf indessen
auch übersetzen, daß Baylän nicht wasserlos, sondern vom Wasser entfernt
war. Wie immer: man kann, zunächst nach dem Wortbild, das in α β α β γ ο ,
*ap-äpa-ka steckende *ap-äpa- (ohne das mitteliranische Suffix) mit
Ά β α β ο ς , Ababa zusammenbringen. E s besteht nur die Frage, ob die Ver-
bindung von selten der Bedeutung möglich ist.
Im Alanischen ist "Αβυωζος „Wassertrinker" erhalten, von Miller 13 zu
osset. aw „Wasser" (in aw-deu „Wassergeist") und nwaz-un „trinken" ge-
stellt. Weiter Άβδάρακος „Wasserhalter" von aw und dar-un „halten", also
ein Mann, der Wasser und Wasserzufuhr in seiner Gewalt hat. W. I. Abaew 1 4
gibt für awdlwag eine andere Erklärung: *hafta-daiva-ka; ebenso zu äwdtw15,
führt aber Millers Etymologie als weitere Möglichkeit an 16 . Wie immer
man sich hier entscheide, ebenso "Αβνωζος wie Ά β δ ά ρ α κ ο ς können allein
von äp- „Wasser" her gedeutet werden. Dazu treten jetzt "Aßaßos und
Ababa.

13 a. o . 6.
u Istoriko-etimologiceskij slowarb Osetinskogo j a z y k a 1 (Moskau-Leningrad 1958),
84.
15 E b e n d a 199.
16 M. Mayrhofer schreibt unter dem 23. 12. 6 1 : „ a w - d e u als Wassergeist . . . wird
von Benveniste, E t u d e s sur la langue ossete (1959) i 3 o f . , aus Bildungsgründen, aber
vielleicht etwas zu apodiktisch, abgelehnt; zu diesem N a m e n noch Dumezil, Festgabe
Lommel (i960) 3 9 i . ; A b a j e w , T h e Pre-Christian Religion of the Alans ( X X V . Internat.
Congr. of Orient., Papers Presented b y the U S S R Delegation, i960) 11 f . ; darüber in
meinem noch nicht erschienenen A u f s a t z in der Biblioth. Orient., anläßlich von Ben-
veniste's fitudes". [Bibliotheca Orientalis 18(1961), 275 1. Korr. N.].
24 QUELLENFRAGEN

Agatharchides in seiner Schrift übers Rote Meer gedenkt gewisser


Stämme: ώ$ άν άδιψον εχόντων . . . την φύσιν. So Diodor. 3,18, ι (Geogr.
Gr. Min. ι [Paris 1955]» J 34 Müller); Photios paraphrasiert: ούχοίονποτόν
επιζητοΟσιν, άλλ' ουδέεννοιαν εχουσι (ebenda 134c- 4°)· Auch "Αβαβος und
Ababa könnten άδιψοι, also solche sein, die des Wassers nicht bedürfen. Sie
stehen darum in Gegensatz zum "Αβνωζος, dem „Wassertrinker", der wegen
seines Bedarfs vom Άβδάρακος, dem „Wasserhalter", abhängig ist. "Αβαβος
und Ababa sind solche Nomaden, die sich rühmen, daß der Durst ihnen nichts
anhaben könne.

6
H. Humbach hat gezeigt1, daß die Sprache der Inschriften von Surx
Kotal und der Küsän-Münzen mit der der Hephthalitenfragmente überein-
stimmt. Dieser Nachweis bedarf indessen einer grundsätzlichen Berichti-
gung. Die Hephthaliten sprachen ursprünglich, wie alle Hunnen, eine tür-
kische Sprache, und Spuren dieser haben sich erhalten2. Wenn sie sich
späterhin der gleichen Sprache wie die Küsän bedienten, so haben sie, zu-
mindest im Land südlich des Oxos, dieselbe angenommen, dem entspre-
chend, daß die Hephthaliten nördlich des Oxos sprachlich zu Soghdern ge-
worden sind3. Es ist bedeutsam, daß eben die Hephthalitenfragmente die
ursprünglich türkische Sprache der Hephthaliten noch spiegeln.
Ohne auf Humbachs sonstige Lesungen einzugehen, sei fr. 7, 10 Anfang
angeführt: vo γρομβαδι. Er deutet das zweite Wort auf Grumbates, König
der Chioniten (Amm. Marc. 19, 1—2)4. O. Hansen, mit dem Humbachs
Lesung besprochen wurde, zieht als drittes Zeichen τ vor, ohne doch γ aus-
zuschließen, und verweist darauf, daß sich zwischen vo und γρομβαδι kein
Zwischenraum befinde. Dies und die Tatsache, daß man in einem hephthali-
tischen Text späterer Jahrhunderte schwerlich den genannten Chioniten-
könig als geschichtliche Person erwarten wird, zwingt zu modifizierter Deu-
tung von Humbachs Lesung.
Was den Namen Grumbates angeht, so dürfte keine der zuletzt vorge-
schlagenen Etymologien sich empfehlen. Gemeint sind H. W. Haussigs
1
In seinem oben genannten Innsbrucker Vortrag und in: Kusän und Hephtha-
lithen 27!.
2
Oben 1, 31 f.; 41 f.; 2, 258; 4, 62.
3
Ebenda 1,46.
4
Ebenda 1, 45; 247; 250; 252.
I. RETRACTATIONES 25

*qurun-batu „Fürst der Regierungsrichtungen" 6 und Humbachs *grähma-


pati-e. Einer Begründung dieser Ablehnung bedarf es um so weniger, als das
Richtige sich anbietet. In der Schreibung türkischer Namen vertritt μττ ein
öea. "Ομβροι ist "Αβαροι, τομβάυι ist διβάνη, arab. diwän7. Demzufolge darf
Grumbates als *Grubates gedeutet werden, und für γρομβαδι gilt dasselbe.
Dies besagt, daß es Κροβάτου Theophanes p. 357, 12 de Boor gleichgesetzt
werden kann. Moravcsik konjiziert auf Grund der Parallelüberlieferung, die
Κοβρατος, Κουβρατος gibt, und im Hinblick auf alttürk. qubrat-, quwrat8 an
der genannten Stelle Κοβράτου. Doch die Ubereinstimmung von Grumbates,
Kpoßcrrou, Crobatus gegenüber Κοβρατος, Koußρατος zeigt, daß man mit zwei
Formen, also im ersten Fall mit einer Metathese der labialen Media und der
Liquida r zu rechnen hat. Und γρομβαδι bestätigt diese Beobachtung und
zeigt überdies, daß jene bereits auf die türkische Sprache der Hephthaliten
zurückgeht. In der Tat lassen sich Ferndissimilationen wie onduruk:
orunduk vergleichen 9 .
Die Bedeutung des Wortes, das zu alttürk. qubrat-, quwrat- „aufhäufen"
quwray, quwraq „Versammlung" gehört, ist noch durchsichtig. E s ist die
Bezeichnung eines Stammes- oder Heerführers, und in dieser Bedeutung
muß γρομβαδι gemeint sein. Das zeigt der vorangehende Genet. Plur. α] vo,
zumal wenn er von γρομβαδι nicht getrennt sein sollte: „Versammler" oder
„Heerführer der . . . ". Verbindungen derart, daß der Amtsbezeichnung ein
Glied vorangeht, das als Genet. Plur. oder ähnlich verstanden werden kann,
finden sich im türkischen Namensmaterial auch sonst. Unmittelbare Paral-
lelen bilden Κούγχαν, *Qün-qan10 „Hunnen-Herrscher" und στταχογλάνοι,
*sipähi-oylanu.

2. IORDANES' ABSTAMMUNG

Iordanes bezeichnet sich nach einhelliger Ansicht im Epilog seiner Getica


als Gote. Er verteidigt sich dort gegen den möglichen Vorwurf, er könne den
Taten des gotischen Volkes aus eignem einiges hinzugefügt haben. Der
6
In: Byzantion 23 (1953), 357.
8
Kusän und Hephthaliten 43.
ea
G. Moravcsik, Byzantinoturcica 22 (Berlin 1958), 34.
7
Ebenda 22, 118; 217; 230.
8
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (Wiesbaden 1954), 2 77·
9
M. Räsänen, Materialien zur Lautgeschichte der türkischen Sprachen (Helsinki
1949) 238.
10
G. Moravcsik, a. O. 22, 165; oben 1, 36; 52.
11
G. Moravscik, a. O. 22, 291.
26 QUELLENFRAGEN

Passus lautet, 316: nec me quis in favorem gentis praedictae, quasi ex ipsa
trahenti originem, aliqua addidisse credet. Der Vorwurf, er könne als gebür-
tiger Gote sich zu übertriebener Verherrlichung seines Stammes bereitge-
funden haben, wird mit quasi eingeleitet. Die Konjunktion kann sich auf
einen tatsächlichen Befund beziehen oder auf einen vorgeblichen, und es ist
zu fragen, wie an der angeführten Stelle ihre Verwendung zu beurteilen ist.
So viel dürfte deutlich sein, daß, wollte Iordanes eine tatsächliche gotische
Abstammung andeuten, quasi hätte weggelassen werden können. Es kommt
hinzu, daß quasi einen vermeintlichen Tatbestand besonders dann bezeich-
net, wenn es mit einem Partizip oder einer Partizipialkonstruktion ver-
bunden ist: Caesar, b. G. 5, 43, 3 hostes maximo clamore insecuti sunt quasi
parta iam et explorata victoria. Man hat in solchem Fall quasi mit „gerade
als ob" oder ähnlich zu übersetzen. Die Möglichkeit, auch an der angeführten
Stelle derart zu verstehen, besteht durchaus, und die Doppeldeutigkeit der
angeführten Äußerung gewinnt um so mehr an Gewicht, als sich Iordanes an
anderer Stelle anders und eindeutig äußert.
Denn Get. 266 sagt Iordanes, daß Scyri vero et Sadagarii et certi Alano-
rum cum duce suo nomine Candac Scythiam minorem inferioremque Moe-
siam acceperunt. Und fährt fort: cuius Candacis Alanouiiamuthis patris met
genitor, id est meus avus, notarius . . . fuit. Es handelt sich um Splitter von
Stämmen, die nach der Niederlage der Hunnen am Nedao auf römischem
Gebiet Zuflucht suchten. Von Goten ist mit keinem Worte die Rede, und
Th. Mommsen mußte, um Iordanes' wirkliche oder vermeintliche gotische
Abstammung zu halten, annehmen, man habe sich kurzerhand auch dann
als Gote bezeichnen oder betrachten können, wenn man einem der benach-
barten Stämme angehörte (Praef. VII). Eine solche Annahme entfällt,
nachdem sich die eindeutige Auffassung der Stelle 316, die bisher galt, nicht
mehr aufrecht erhalten läßt. Und sie entfällt erst recht, sobald die Angaben
266 richtig verstanden sind.
Alanouiiamuthis Gen. Sing, ist, soweit man Mommsens Adnotatio ent-
nehmen kann, einhellig überliefert. Die angeführte Lesart bieten die ältesten
Handschriften, dem 8.—10. Jahrhundert entstammend: HP b VO. Das nur
wenig differierende alanouiamuthis ist durch P a X Y Z bezeugt; alles Weitere
kommt nicht in Betracht. Deutlich hebt sich der Name der Alanen heraus,
und man wird nicht zögern, die zuvor genannten certi Alanorum damit sach-
lich zu verknüpfen. Das restliche -ui(i)amuthes darf keine Schwierigkeiten
bereiten. Man kennt avest. ä^mäiy)- „sich erproben, als tüchtig erweisen,
ι. RETRACTATIONES 27

seine Befähigung ausweisen" (C. Bartholomae, Altiran. Wörterbuch [1904]


1165f.). Das zugehörige Part. Perf. Pass, lautet °mita-, °mtta-, mäta-. Im Alt-
indischen entspricht „messen", dessen entsprechendes Partizip mitä-
ist. Neben dem Praeverb ä- erscheint als zweites vi-, wie auch im Soghdischen
beide verbunden auftreten: I. Gershevitch, A Grammar of Manichean
Sogdian (1954) 106 § 681. Fl- darf man die Bedeutung „auseinander", also
„weithin erprobt", oder einfach eine perfektivische zuweisen (H. Reichelt,
Awestisches Elementarbuch [1909] 278f. § 563). Also *v{i)yämita- „weithin
erprobt", zuzüglich der im Ossetischen belegten Verdunkelung von i in
Nachbarschaft von Labial oder m: w. osset. zumäg „Winter" zu avest. zimö,
altind. himds-. Dazu W. Miller, Die Sprache der Osseten (1903) 20 § 7, 3
Anmerkung. Alanoui(i)amuthes ist demnach altiranisches *äryäna-vyämita-
,.unter den Alanen ausgezeichnet". Zu *aryäna-, avest. airyana- oben 1 , 5 8 I

Iordanes wäre demnach nicht Gote, sondern Alane gewesen. Zumindest,


wenn man nach dem Vatersnamen urteilt, und dazu kommt, daß auch der
Name des Großvaters sich in gleichem Sinn verstehen läßt. Paria wird man
zu avest. pairikä- (C. Bartholomae, a. 0. 863^) aus *paryakä- stellen, das
seinerseits griech. τταλλοκή, παλλακίς, -15os entspricht. Das mit dem Suffix
-kä- erweiterte paryä- kann nur „Jüngling" oder „Jungfrau" bedeutet
haben, im vorhegenden Fall natürlich das erste. Zur Frage zuletzt F. Alt-
heim, Geschichte der latein. Sprache (1951) 56f. Wieder hat man einen ira-
nischen, will sagen: alanischen Namen.

In gleiche Richtung weisen die neben den Alanen an unserer Stelle ge-
nannten Sadagarii. Die Verbindung mit avest. satö.kara- „hundert Herden
habend" (zu altind. küla- „Herde, Familie", vgl. C. Bartholomae, a. O.
1556) ergibt sich zwanglos. Man hat einen alanischen oder doch sarmati-
schen, in jedem Fall erneut einen iranischen Stamm. Im Ossetischen werden
t und k nach Vokal zu d, g: W. Miller, a. 0. 27 § 26; 30 § 32, 2.

Es bleibt Candac, dessen notarius Paria gewesen ist. Vergleichen läßt


sich der Name des Awaren Κανδίχ, zu dem G. Moravcsik, Byzantinotur-
cica 2a (1958), 149 die nötigen Einzelheiten zusammengestellt hat. Er ordnet
es zu Qandiq, und entsprechend ließe sich Candac als alttürk. qan aus qayan,
erweitert mit dem Nominalsuffix -j-day, -j-däg (A. v. Gabain, Alttürk.
Gramm.2 [1950] 63 §66), deuten. Also „königlich, Βασίλειος". Nach Ausweis
seines Namens war Candac Hunne.
28 QUELLENFRAGEN

Wenn diese Etymologie zutrifft, wäre etwas Wesentliches gewonnen. Den


Titel qayan, qan kannte man bisher von Hephthaliten, Awaren, Bulgaren
und manch anderen Türkstämmen. Innerhalb des hunnischen Namen-
materials war er nicht belegt. Nun zeigt sich, daß nicht die älteren Formen
wie qapyan, καύχανος, qayan (oben i , 207f.), sondern die späteste Form qan
bezeugt ist. Der Sachverhalt kann nur so verstanden werden, daß der
Name den Hunnen überkommen war und dann bei ihnen, in ihrer neuen
europäischen Umgebung, bis auf den vorliegenden Rest aufgegeben wurde.
Unter Führung des hunnischen dux Candac überschritt dessen Gefolg-
schaft die Donau. Sie setzte sich aus skirischen, also ostgermanischen,
sarmatischen und alanischen Splittergruppen zusammen. Candac hatte
einen notarius, Iordanes' Großvater Paria, neben sich, und dieser war Alane.
Das zeigt der Name Paria und der des Sohnes: Alanouiiamuthes. Es wird
nicht gesagt, daß Candac seinen notarius bereits mitbrachte. Aber es ist
verführerisch, ihn unter den Alanen zu suchen, die in Candacs Gefolge die
Donau überschritten. Man darf dann an Orestes als Attilas notarius (oben 4,
284 t.) oder an den ύττογραφεύς erinnern, der an Attilas Hof bezeugt ist (oben
1, 283; 4, 286f.). Führte der notarius als Alane den Schriftwechsel im Namen
seines Herrn in armazischem Aramäisch, oder bediente er sich gar der ersten
alttürkischen Runen (vgl. 1, 284^; 286; 4, 286)? Auf der anderen Seite
hatten Candac und sein notarius Paria in dem Paar Gunthic und dessen
Notar Iordanes ihre Nachfolger. Iordanes war nach eignem Zeugnis (quam-
vis agramatus Get. 266) zumindest für Lateinisches zuständig. Man darf den
byzantinischen dux in Rom und seinen chartularius vergleichen (G. Caret-
toni in: Studi Romani 9 [1961], 512f.).
Hunni discunt psalterium. Hieronymus' Wort darf man dahin abwandeln,
daß die Alanen beginnen, literarisch zu werden. Neben die beiden inschrift-
lichen Gedichte von Mchet'a tritt jetzt der Geschichtsschreiber der Getica als
Alane. Und ihm geht voran der alanische notarius im Gefolge seines hunnischen
Herrn. Aber auch der Inschrift von Ladänybene sollte man nicht ganz verges-
sen. Ihre wenigen Wörter sind alanisch, aber im aramäischen Alphabet und
im Runenfuthark aufgezeichnet (oben I, 293f und die Ergänzung 3, 291).

3. E I N E QUMANISCHE S I E G E L L E G E N D E

Im Jahr 1955 fand man anläßlich der Ausgrabungen in Pliska innerhalb


einer Umfriedigung ein Bleisiegel, das von T. Gerassimow einige Jahre später
in der Izwestija des Bulgarischen Archäologischen Instituts 23 (i960), 67f.
ι . R E T R A C T ATI O N E S 29

veröffentlicht wurde. Der Avers zeigt einen Herrscher im Ornat, mit Globus
und Labarum, der Revers die Gottesmutter. Die vordere Umschrift lautet
nach Gerassimow's Lesung (Abb. 9):
+ CIMECON BACIAEY TTOAAYC1T
— die rückwärtige:
+ EPINOTTYOC BACIAEOC ΠΟΛΑΤ.
Der Herausgeber wies demzufolge das Bleisiegel dem Bulgaren Simeon
(893—927) zu. Er mußte freilich bekennen, daß erhebliche Teile der Legende
unerklärbar blieben.
Es sei begonnen mit zwei Berichtigungen der Lesung. Im zweiten Wort
der Averslegende ist die Ligatur YC verkannt. Es ist zu lesen: BACIAEYC.
Das erste Wort der Reverslegende lautet EPINITTYOC, mit Jota auch an
fünfter Stelle. In allem Übrigen wird von Gerassimow's Feststellungen aus-
gegangen.
TTOAAYCIT, um sich diesem Wort als nächstem zuzuwenden, möchte
man als Bezeichnung eines Stammes oder Volkes verstehen. BACIAEYC
TIOAAYCIT entspräche einem βασιλεύς 1 Ρωμαίων oder Βουλγάρων, ohne
einem von beiden zu gleichen. Bei itazistischer Aussprache mußte dieser
Stamm *polawsi- lauten, und das schließende -t ließe sich als die alttürkische
Pluralendung verstehen. Einen türkischen Namen noch unter Simeon
anzunehmen, erlaubt die berühmte Eintragung Tudor Doksow's vom Jahr
9072 und die Tatsache, daß der Schatz von Nagy-Szent-Miklos mit seinen
Runeninschriften erst 896 unter die Erde gekommen zu sein scheint3. Be-
denkt man, daß c in türkischen Wörtern mit σ wiedergegeben werden
konnte4, so wird man sich der Folgerung schwer entziehen, daß TTOAAYCIT,
*polawsi-t der Name der Polovbd oder Qumanen zugrunde liegt. Die verschie-
denen Namensformen hat zuletzt Κ. H. Menges6 zusammengestellt. Es
genüge, an ungar. Palöcz, alt-cech. Plavci, poln. Plauci zu erinnern.
Wenn die vorgeschlagene Deutung zutrifft, ergibt sich zweierlei. Ein-
mal wäre der slawische Name der Qumanen, abgeleitet von ftolovyj „weiß-
lich, weißlich-gelb" (vgl. plavyi und akslw. filavz ,,λευκόξ, albus, flavus")

1 A. v. Gabain, Alttürkische Grammatik 2 63 § 65; vgl. 85 § 172; M. Räsänen, Mate-

rialien zur Morphologie der türkischen Sprachen (1957) 52'· 55·


2 G. Moravcsik, Byzantinoturcica 22 (1958), 358.

3 Die Angaben bei F . Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (1950), 4 A n n . 19.

4 G. Moravcsik, a. O. 2, 297; vgl. 35.

5 The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian Epos (1951) 11 f. ;

vgl. V. Minorsky, Hudüd al-'Älam (1937) 3 i 5 f .


30 QUELLENFRAGEN

mit einer türkischen Endung versehen worden. Eine Annahme solcherart


bietet keine Schwierigkeiten, und besonderer Belege für ähnlich gelagerte
Fälle bedarf es nicht. Die zweite Folgerung ist einschneidender. Zar Simeon
hätte sich als König der Polovbd bezeichnet. Aus sachlichen und zeitlichen
Gründen hätte eine solche Folgerung alles wider sich. Jenes Volk tritt erst-
mals in Südrußland nach der Mitte des n . Jahrhunderts auf.
Gehört aber das Bleisiegel wirklich dem Zaren Simeon ? Man bedauert, daß
über die Fundumstände keine genaueren Angaben gemacht werden. Die
Bauten im Schloßzentrum von Pliska blieben, der neuesten Veröffentlichung
zufolge, bis über die Mitte des n . Jahrhunderts bewohnt und verödeten
erst nach ixoi®. Es besteht die Möglichkeit, das Bleisiegel einem anderen
und späteren Träger des Namens Simeon zuzuweisen. Alexios I. Komnenos,
im Verlauf seiner Kämpfe gegen die Petschenegen und unmittelbar vor dem
Eingreifen der Qumanen oder Polovbd, καταλαμβάνει τ ή ν Πλισόβαν,
κακεΐθεν είς άκρολοφίαυ τ ή ν τ ο υ Συμεώνος καλουμένην άυεισιν, ή και
βουλευτήριον τ ω ν Σκυθών έγχωρίως ώνομάζετο (Anna Comn., Alex,
p. 340, 9f. Bonn.) 7 .
Die Entscheidung erbringt die Lesung der Reverslegende. Zunächst
EPINIFIYOC nach der oben vorgeschlagenen Lesung. Da läßt sich ab-
trennen Y O C , also ulos in vulgärer Schreibung, und mit BACIAEOC,
gleichfalls in solcher Schreibung, verbinden. Alsdann kann folgendes Π Ο Λ Α Τ
nur Personenname sein. Man kennt Καραπολάτ, qara Bulat8. An unserer
Stelle kehrt der zweite Bestandteil, eben Πολάτ, wieder. Also: „Sohn des
Königs Polat". Damit ist der Bulgarenzar Simeon vollends ausgeschlossen.
Man steht angesichts eines Königs der Qumanen, der bisher nicht bekannt
war.
E s bleibt EPINiTT, und unschwer erkennt man darin das alttürkische
Konverb oder Gerundium auf -p, will sagen auf: -ip, -ip, -Up, -up, -äp, -ap.
EPIN = ärin- wäre modale Respektform 9 des Verbum är- „sein".
Demnach: „indem er zu sein geruht", „wünscht" oder „bekennt". Ärinip
wäre dann eine etwas gesteigerte Variante des jedem Leser der Orchon-
inschriften bekannten tip. Lesung und Übersetzung der gesamten Legende
lauten:

e St. Stancew in: Izwestija 23 (i960), 62; 65.


7 Die Stelle wurde von allen bulgarischen Bearbeitern übersehen.
* G. Moravcsik, a. O. 22, 152.
9 A. v. Gabain, a. O. 2 81 § 15g; vgl. 120 § 230 Ende.
χ. RETRACTATI ONES 31

+ CIMEQiN BACIAEYC TTOAAYCIT + EPINITTYOC BACIAEOC


ΠΟΛΑΤ

„Simeon, König der Polovbci, ist er, der Sohn des Königs Polat".
Man möchte wissen, was Anna Komnena mit dem βουλευτήριο ν τ ω ν Σκυ-
6ών in Pliska gemeint haben könnte. Insbesondere, welches Volk unter diesen
Skythen zu verstehen sei. Ducange's gelehrter Kommentar zum Geschichts-
werk der gelehrten Prinzessin schweigt sich aus. Immerhin griffen die
Qumanen zunächst als unbequeme Bundesgenossen der Petschenegen
(Anna Comn. 341,13 f.; 352, 21 Bonn.), dann zugunsten des Kaisers Alexios I.
Komnenos in dessen Kämpfe mit den Petschenegen ein und bereiteten
diesen 1091 eine schwere Niederlage. Unter Berücksichtigung der untersten
Zeitgrenze, die für Funde in Aboba-Pliska geboten ist, könnte damals ein
christlich gewordener Qumanenkönig in byzantinische Dienste getreten
sein und sich, für eine nicht bestimmbare Zeit, in der einstigen Hauptstadt
des Zaren Simeon niedergelassen haben. Mit der späteren Qumanenmission
hat dieser Herrscher orthodoxen Glaubens schwerlich etwas zu tun.
2. K A P I T E L

BRUCHSTÜCKE
EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES,
AUS DEM ARABISCHEN

Sahrastäni gibt im ersten Teil seines Abschnittes über die alten Philo-
sophen, der im Wesentlichen auf Porphyrios' Φιλόσοφος Ιστορία zurück-
geht 1 , ein Kapitel über Pythagoras (265, 12—278, 18 Cureton). Es ist aus
Vorlagen zusammengefügt, die sich noch scheiden lassen. Dazu gehören:
1. Ein kurzer Abriß der Lebensdaten (265,12—16), unter Benutzung von
Porphyr., v. Pythag. 312, und ein doxographischer Abschnitt über die Lehre
von den göttlichen Dingen, insbesondere über den Schöpfer (265,16—266, 4).
Dergleichen kennt man aus der Behandlung der anderen Philosophen, die
vorangehen und folgen (vgl. oben 3, I38f.). Ähnliche Abschnitte stehen
regelmäßig zu Beginn eines jeden Kapitels, und ihre neuplatonische Färbung
läßt von vornherein an Porphyrios denken. Im Kapitel über Anaxagoras
ist in der Tat sein Name in dem gemeinten Abschnitt angeführt (257, 4).
2. Ein Abschnitt über ungenannte Pythagoreer (269, 14—270, 6).
3. Avicenna's Erklärung zu einem Ausspruch Pythagoras' (270, 8—17).
4. Ein Abschnitt über die Pythagoreer Charinos und Zenon (276, 8—20).
5. Ein Abschnitt über Herakleitos und Hippasos, die beide zu den
Pythagoreern gerechnet werden (277, 4—8). Ihm schließt sich ein hierher
verschlagener doxographischer Bericht über Epikuran (277, 8—17), sodann
Nachrichten über zwei weitere Pythagoreer, Philonikos und Kalanos (278,
18—279, 2).
6. Alles Übrige wird als aus Pythagoras' Mund stammend angeführt
und dementsprechend eingeleitet mit: tumma käla 266, 4; wa-rubbamä
yakülu 266, 7 und 271, 15; tumma inna li-fitägöras ra'yan 267, 6; käla 268,
12; wa-mimmä nukila 'an fitägöras 270, 18; wa-dakara 271, 10; wa-mimmä
ahbara 'anhu fitägöras wa-ausä hihi 278, 2.
1 Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles (1954) 8f.
2 Ebenda 15 f.
2. B R U C H S T Ü C K E EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 33

7. Das Apophthegma 277, 1—4. Es scheint dem unter 6 Zusammen-


gestellten inhaltlich verwandt zu sein; oben 3, 135.
Das unter 6 (und möglicherweise unter 7) Angeführte liefert demnach
Ausschnitte aus einer pythagoreischen Schrift, deren Verfasser vorgibt, als
der Meister selbst oder doch in dessen Namen zu sprechen Das Folgende
wird zunächst die Übersetzung bieten, wobei offensichtliche Zusätze aus-
geschieden und die Auslassungen bezeichnet sind. Es folgt ein ausführlicher
Kommentar D. Kövendi's, der sich entgegenkommender Weise zur Bearbei-
tung bereit erklärt hat.

„(266, 4 Cureton) Dann sagte er (Pythagoras): das Einssein (al-wahdatu


= ή μονάς, ή π ρ ώ τ η μονά?)) wird eingeteilt in das Einssein ohne Teilhabe
eines Anderen, und das ist das Einssein des Schöpfers . . . — das Einssein
des Erfassens jedes Dinges, das Einssein des richtigen Urteils gegenüber
jedem Ding, das Einssein, von dem {-hä corr.)1 ausgehen die seienden
Grundzahlen (1—10) und die Vielfachen von ihnen — und in das
Einssein, an dem teilgehabt wird, und das ist das Einssein der erschaffenen
Dinge.
Zuweilen sagt er (Pythagoras): Das Einssein im allgemeinen werde ein-
geteilt in das Einssein vor dem αΙών, in das Einssein mit dem αΙών und in
das Einssein nach dem αίών. Und (in das Einssein) vor derZeit (χρόνος), das
Einssein mit der Zeit (und in das Einssein nach der Zeit). Das Einssein,
das vor der Weltzeit ist, sei das Einssein des Schöpfers . . . ; das Einssein, das
mit der Weltzeit ist, sei das Einssein des ersten Verstandes; und das Eins-
sein, das nach der Weltzeit ist, sei das Einssein der Seele. (Und das Eins-
sein, das vor der Zeit ist, sei . . . ) ; das Einssein, das mit der Zeit ist,
sei das Einssein der Grundstoffe und der zusammengesetzten (Stoffe); (und
das Einssein, das nach der Zeit ist, sei. . .).
Zuweilen teilt er (Pythagoras) das Einssein nach anderer Einteilung ein.
Er sagt: Das Einssein wird eingeteilt in das Einssein im Wesen und das
Einssein in der Zufälligkeit. Das Einssein im Wesen eignet allein dem
Schöpfer des Alls, von dem die Einheiten (al-wahdäniyätu) bezüglich der
Zahl und des Gezählten ausgehen. Das Einssein in der Zufälligkeit wird

1 Indessen begegnet — wie hier in -hu statt -hä — mangelnde Kongruenz auch
sonst: 269,9 al-makädiru l-awwalu; 270 Ζ. 1 v . u.: . . . *awälima katiratan fa-minhu ...
u. a.

3 Altheim, Hunnen V
34 QUELLENFRAGEN

(wiederum) eingeteilt in das, was die ά ρ χ ή der Zahl ist und nicht in die Zahl
eingeht, und in das, was ά ρ χ ή ist, die der Zahl eignet und (insofern) in sie
eingeht. Das erste (άρχή der Zahl) ist wie das Einssein (al-wähidiyatu), das
dem tätigen Verstand eignet, weil es nicht eingeht in die Zahl und das Ge-
zählte. Das zweite (άρχή, die der Zahl eignet) wird (wiederum) eingeteilt
(i.) in das, was in sie (die Zahl) eingeht als Teil von ihr, denn die Zwei ist
zusammengesetzt aus zwei Einern, und entsprechend jede Zahl, das heißt
notwendiger Weise aus Grundzahlen (i—10) zusammengesetzt. In dem Maß,
wie die Zahl zum Mehr aufsteigt, steigt die Relation der Eins (al-wahdatu)
zu ihr abwärts zum Weniger. Und (2.) in das, was in sie (die Zahl) eingeht
als das ihr Innewohnende, nicht als Teil von ihr. Dies ist darum, weil keine
gezählte Zahl je frei ist von einem innewohnenden Einssein. Denn die Zwei
und die Drei sind, unbeschadet dessen, daß beide Zwei und Drei sind, Eins,
und desgleichen bilden die gezählten der zusammengesetzten und einfachen
(Dinge) (267, 1) ein Einssein, sei es in der Gattung, sei es in der Art oder in
der Person; so, wie die Wesenheit, unbeschadet dessen, daß sie Wesenheit im
Allgemeinen ist, und der Mensch, unbeschadet dessen, daß er Mensch ist,
und die bestimmte Person . . . , unbeschadet dessen, daß sie jene Person selbst
ist, Eins sind. Denn keineswegs ist das Einssein getrennt von den seienden
(Dingen). Es wohnt dieses Einssein, an dem teilgehabt wird seitens des
Einsseins des Schöpfers . . . , allen seienden (Dingen) inne, auch wenn sie in
ihrer Wesenheit vervielfacht sind. Denn jedes seiende (Ding) erhebt sich zu
Rang durch Vorwiegen des Einsseins in ihm selbst, und jedes ist, je ferner
dem Vielsein, um so ranghöher und vollendeter.
Ferner hatte Pythagoras eine Ansicht über die Zahl und das Gezählte, in
der er abwich von der Gesamtheit der Weisen vor ihm und in der von ihm
abwichen diejenigen (,die) nach ihm (kamen). Derart, daß er die Zahl ab-
strahierte vom Gezählten, wie das Abstrahieren der Form vom Stoff, denn er
stellte sich sie (die Zahl) als wahres Seiendes vor wie das Sein der Form und deren
Wahrheit(sgehalt). Er sagte: Die ά ρ χ ή der seienden Dinge ist die Zahl, denn
sie ist das erste Geschaffene, das der Schöpfer geschaffen hat. Die erste Zahl
ist die Eins, und er schwankte in der Ansicht darüber, ob sie (die Eins) in
die Zahl eingehe, wie zuvor gesagt. Und zwar ging seine größere Neigung da-
hin, daß sie (die Eins) nicht in die Zahl eingehe, sondern daß die Zahl mit
der Zwei beginne. Er sagt: Sie (die Zahl) wird eingeteilt in Gerade und Un-
gerade; die erste einfache Zahl ist Zwei, und die einfache Gerade ist
Vier, weil diese sich in zwei Hälften teilen läßt; die Zwei dagegen machte er
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 35

nicht zur Geraden. Denn (so sagt er) wenn sie geteilt würde in zwei Einer, dann
ginge ja die Eins in die Zahl ein. Wir aber haben doch begonnen hinsichtlich
der Zahl mit der Zwei! Und wie sollte die Gerade Teil von ihren (der wirk-
lichen Geraden, nämlich der Vier) Teilen und gleichzeitig sie selbst sein ?
Die erste einfache Ungerade ist die Drei. Er (Pythagoras) sagte: Damit
ist die Einteilung beendet; was hinterherkommt, ist die Einteilung der Ein-
teilung. Die Vier ist Endpunkt der Zahl, denn sie bedeutet Vollkommenheit.
Davon ausgehend, pflegte er bei der τετρακτύς zu schwören (yuksimu) (und
zwar): ,Bei (ού μά) der Wahrheit der τετρακτύς, die der Lenker unserer
Seelen, die Wurzel des Alls ist!' Was hinterher kommt, ist die Gerade der
Ungeraden, die Gerade der Geraden sowie die Gerade der Geraden und der
Ungeraden. Er nennt die Fünf eine kreisende Zahl, denn wenn du sie mit
sich selbst multiplizierst, kehrt immer die Fünf zu Anfang wieder (πέντε
και είκοσι). Er nennt die Sechs eine vollendete Zahl, denn ihre Teile sind
konform hinsichtlich ihrer Summe (6 = 2 Dreier oder 3 Zweier). Und die
Sieben (nennt er) eine vollkommene Zahl, denn sie ist die Summe der Un-
geraden (Drei) und der Geraden (Vier), und dies bedeutet einen Endpunkt.
Die Acht ist ein Neubeginn (268, 1), zusammengesetzt aus zwei Geraden
(Vier + Vier), und die Neun (ist zusammengesetzt) aus drei Ungeraden
(3 Dreiern) und bildet einen weiteren Endpunkt. Die Zehn (transp.) ist zu-
sammengesetzt aus der Summe der Zahl von Eins bis Vier (Eins + Zwei -f
Drei + Vier = Zehn) und bildet somit einen weiteren Endpunkt. Also hat
die Zahl vier Endpunkte: vier, sieben, neun und zehn. Dann kehrt sie zur
Eins zurück, denn wir sagen: Elf (wörtlich: Eins-Zehn, ahada 'aSara, i νδεκα).
Die(se) Zusammensetzungen gehen bei dem, was hinter Vier kommt, auf
verschiedenen Wegen vor sich. Denn die Fünf ist nach Ansicht dessen, der
die Eins nicht unter die Zahl rechnet, zusammengesetzt aus Zahl (Zwei) und
Ungerader (Drei), und nach Ansicht dessen, der jenes meint (die Eins als
Zahl faßt), zusammengesetzt aus Ungerader (Eins) und zwei Geraden
(Zwei + Zwei). Desgleichen die Sechs: gemäß der ersten (Ansicht) ist sie
zusammengesetzt aus zwei Ungeraden (Drei + Drei) oder aus Zahl (Zwei)
und Gerader (Vier), und nach der zweiten (Ansicht) ist sie zusammengesetzt
aus drei Geraden (Zwei + Zwei + Zwei). Die Sieben ist nach der ersten (An-
sicht) zusammengesetzt aus Ungerader (Drei) und Gerader (Vier), und nach
der zweiten aus Ungerader (Eins) und drei Geraden (Zwei + Zwei + Zwei).
Die Acht ist nach der ersten zusammengesetzt aus zwei Geraden (Vier +
Vier) und nach der zweiten zusammengesetzt aus vier Geraden (Zwei +

36 QUELLENFRAGEN

Zwei -)- Zwei + Zwei). Die Neun ist nach der ersten zusammengesetzt aus
drei Ungeraden (Drei + Drei + Drei) und nach der zweiten aus Ungerader
(Eins) und vier Geraden (Zwei -f- Zwei -f Zwei -f- Zwei). Die Zehn ist nach
der ersten zusammengesetzt aus Zahl (Zwei) und zwei Geraden (Vier + Vier)
oder aus Gerader (Vier) und zwei Ungeraden (Drei + Drei) und nach der
zweiten aus allem, was gerechnet wird von der Eins bis zur Vier (Eins +
Zwei + Drei + Vier = Zehn), und das bedeutet Endpunkt und Vollkom-
menheit. Sodann die anderen Zahlen: ihre Messung erfolgt auf diese (ge-
schilderte) Weise.
(268, 12) Er sagte: Dies sind die Wurzeln der seienden Dinge. Dann
übertrug er die Zahl auf das Gezählte und das Maß auf das Gemessene. Er
sagte: Das Gezählte, darin eine Zweiheit liegt, Wurzel der gezählten Dinge
und ihre άρχή bildend, ist der Verstand in Beziehung darauf, daß ihm zwei
Beziehungen eignen: (1.) die Beziehung (ausgehend) von seinem Wesen,
indem er eine mögliche Existenz hat durch sein Wesen; (2.) die Beziehung
(ausgehend) von seinem Schöpfer, indem er eine notwendige Existenz hat
durch ihn (den Schöpfer). Darum entspricht ihm (dem Verstand) die Zwei.
Das Gezählte, darin eine Dreiheit liegt, ist die Seele, denn es übersteigt die
zwei (Beziehungen) um eine dritte. Das Gezählte, darin eine Vierheit liegt,
ist die Natur, denn es übersteigt die drei (Beziehungen) um eine vierte.
Darauf folgt der Endpunkt, nämlich der Endpunkt der άρχαί, und was
danach kommt, sind die zusammengesetzten Dinge. Es gibt kein zusammen-
gesetztes Seiendes, das nicht auch etwas einschlösse von den Grundstoffen
( = Natur und Vier), von der Seele ( = Drei) und vom Verstand ( = Zwei),
sei es diese selbst, sei es (ihre) Spur, bis daß man gelangt {yuntahä) zur
Sieben ( = Drei + Vier). Denn die gezählten Dinge werden danach ge-
messen. Und (schließlich) gelangt man zur Zehn, indem gezählt werden der
Verstand und die neun ( = Zwei + Drei -f- Vier) Seelen (269, 1) mit ihren
Himmelssphären, die ihre Körper und ihre (von dem einen Verstand oder
von den Körpern) abgesonderten Verstandeskräfte sind, und sie (gemeint
sind der Verstand und die neun Seelen) entsprechen der Substanz und
den neun Zufälligkeiten. Uberhaupt (bi-l-gumlati corr.) wird der Zustand
der seienden Dinge nur aus der Zahl und den ersten Maßen erkannt. Er sagt:
Der Schöpfer . . . erkennt die Gesamtheit der gewußten Dinge mittels des
genauen Erfassens der Ursachen, welche (das Gleiche) sind (wie) die Zahlen
und die Maße. Nicht schwanken diese, und nicht schwankt auch sein (des
Schöpfers) Wissen. Manchmal sagt er: Das dem Einen Entsprechende
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN T R A K T A T E S 37

sei der erste Grundstoff . . . , und er nennt es die erste Hyle. Dieses ist das
Eine, an dem teilgehabt wird, weil das Eine, das nicht wie die Grundzahlen
(i—10) ist und das (jenes) Eine bildet, aus dem alle Mehrheit hervorgeht und an
dem alle Mehrheit teilhat, eben das Einssein ist, dem die seienden Dinge inne-
wohnen. Denn nicht besteht Seiendes, ohne daß in ihm wäre von seinem (des
Grundstoffs) Einssein ein Teil nach dem Maß seines (des Seienden) Fassungs-
vermögens; ferner von der Führung (hidäya) des Verstandes ein Teil nach
dem Maß seiner (des Seienden) Aufnahmefähigkeit; ferner von der Kraft
der Seele ein Teil nach dem Maß seiner Bereitschaft. Demgemäß sind die
Spuren der άρχαί in den zusammengesetzten Dingen. Denn kein Zusammen-
gesetztes ist frei von einer gewissen Mischung, und keine Mischung entbehrt
einer gewissen Proportion, und keine Proportion einer gewissen Vollendung
oder einer Möglichkeit zur Vollendung: sei es eine(r) natürlichen, organi-
schen (Vollendung): sie ist die άρχή der Bewegung, — sei es einer seelischen
(Vollendung): sie ist die Αρχή der Wahrnehmung. Wenn aber die mensch-
liche Mischung zu dem Punkt gelangt, da sie dieses Vollendete aufnimmt,
läßt über sie (die Mischung) der Grundstoff strömen sein Einssein, der Ver-
stand seine Führung und die Seele ihren λόγος sowie ihre Weisheit. Er sagte:
Da die geometrischen Verbindungen nach der Weise zahlenmäßiger Entspre-
chungen geordnet worden sind, zählen wir sie gleichfalls zu den ά ρ χ α ί . . .
(270, 6) Zu dem, was von Pythagoras überliefert wird, gehört, daß der
Naturen vier und der Seelen, die in uns sind, wiederum vier seien: der Ver-
stand, die Urteilskraft, das Wissen und die (fünf) Sinne. Femer verknüpfte er
dabei die Zahl mit dem Gezählten und das Geistige mit dem Körperlichen . . .
(270,18) Zu dem, was von Pythagoras überliefert wird, gehört, daß die
Welt aus einfachen geistigen Tönen zusammengesetzt sei. Er lehrt, daß die
geistigen Zahlen nicht teilbar seien, vielmehr einheitliche Zahlen, die seitens
des Verstandes zerlegt würden und nicht seitens der Sinne. Er zählte viele
Welten, und dazu gehöre eine Welt, die reine Freude ist hinsichtlich des
schöpferischen Ursprungs (271, 1), Fröhlichkeit und Wohlbehagen hin-
sichtlich des natürlichen Verhaltens. Und dazu gehöre eine Welt, die unter
ihr (der erstgenannten) ist. Ihre (der unteren Welten) Sprache sei nicht ähnlich
der Sprache der oberen Welten. Denn die Sprache bestehe zuweilen aus geisti-
gen einfachen, zuweilen aus ebensolchen zusammengesetzten Tönen. Was
die erste (Sprache) angehe, so sei ihre (der Töne) Freude dauernd, ununter-
brochen, und was an Tönen später sei, (bleibe) unvollkommen in der Zu-
sammensetzung, weil die Sprache später (lam del.) zum Tun übergehe. Denn
38 QUELLENFRAGEN

die Freude sei nicht auf dem Höhepunkt der Vollendung, weil der Ton sich
nicht auf dem Höhepunkt der Übereinstimmung (Harmonie) befinde. Und
jede Welt sei unter der ersten der Rangordnung nach, und die Welten wett-
eiferten in der Schönheit, im Glanz und Schmuck. Die letzte (der Welten)
sei die Hefe der Welten, deren Schwer(st)es und Unter(st)es. Dement-
sprechend sei sie (yagtami'u corr.) nicht völlig harmonisch, die Form ver-
einige sich nicht völlig mit dem Stoff (mädda), und jedem Teil von ihr (der
letzten Welt) sei erlaubt, sich vom anderen Teil zu trennen, gerade
daß in ihr ein wenig Licht vom ersten Licht sei. Wegen dieses Lichtes be-
fände sich in ihr eine Art Beständigkeit; wenn jene (Beständigkeit) nicht
da wäre, dann bestände sie (die unterste) Welt nicht einen Augenblick.
Dieses wenige Licht sei der Körper der Seele und des Verstandes, der beide
trüge in dieser Welt.
(271, 10) Er lehrte, der Mensch sei durch das Gesetz der Natur zum
Gegenbild der ganzen Welt geworden. Er sei eine kleine Welt und die Welt
ein großer Mensch. Darum sei sein (des Menschen) Anteil an der Seele und
am Verstand verhältnismäßig groß, so daß dem, der sich auszeichne in der
Ausrichtung seiner Seele, der Ausbildung seiner Anlagen und der Reinhal-
tung seiner διαθέσεις, es möglich sei, zur Erkenntnis der Welt und der Be-
schaffenheit ihrer Zusammensetzung zu gelangen. Wer (aber) seine Seele
zugrunde richte und sich nicht bemühe um gute Bedingungen für sie hin-
sichtlich der Ausbildung und Ausrichtung, der entrate dem Rechnungsbe-
reich der Zahl und des Gezählten, löse sich von den Banden des Maßes und
des Gemessenen, sei verloren und verlassen. Zuweilen sagt er, die mensch-
liche Seele gleiche zahlenmäßigen und musikalischen Verbindungen und
darum harmoniere die Seele mit den Harmonien der Töne, werde erfreut
durch deren Hören, werde verwirrt, werde traurig infolge des Hinhörens
auf sie (bi-stimä'ihä corr.) (auf die Töne) und werde bewegt. Gewiß schon
vor ihrer (der Seele) Vereinigung mit den Körpern sei sie (die Seele) in Form
dieser ersten zahlenmäßigen Verbindungen geschaffen worden. Dann habe
sie sich mit den Körpern vereinigt. Doch wenn die Ausbildung der Anlagen
sich in Ubereinstimmung mit der Naturanlage vollziehe und die Seelen sich
der äußeren Beziehungen entledigten, dann vereinigten sie sich (die Seelen)
mit ihrer (der zahlenmäßigen Verbindungen) Welt und träten ein in ihre
Reihe in einem schöneren und (272,1) vollendeteren Zustand als dem ersten.
Denn die ersten Verbindungen seien nach irgendeiner Weise unvollendet
gewesen, insofern sie (nur) als Möglichkeit bestanden und (nur) durch
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 39

Übung und Wetteifer in dieser Welt zur Grenze des Vollendeten gelangt
seien, indem sie von der Grenze der Möglichkeit zur Grenze des Aktes (der
Wirklichkeit) übergegangen seien. Er sagte: Die Gesetze, die die Vor-
schriften für die Gebete, die Reinigungen und die übrigen religiösen Hand-
lungen gebracht haben, dienen dem (gegenseitigen) Abstimmen dieser Ent-
sprechungen gegenüber jenen geistigen Verbindungen. Manchmal kommt er
(Pythagoras) bei der Feststellung der Verbindungen dahin, daß er nahe
daran ist zu sagen, es gebe in der Welt nichts außer der Verbindung, und
zwar seien die Körper und die Zufälligkeiten Verbindungen, und die Seelen
und die Verstandeskräfte seien (gleichfalls) Verbindungen. Schwierig nach
jeder Hinsicht ist die Feststellung dessen. Wahrlich, die Bestimmung des
Verbindens gemäß dem Verbundenen und der Bestimmung gemäß dem Be-
stimmten ist eine Sache, zu der er (Pythagoras) geführt wurde und auf die
er sich stützte . . .
(277, 1) E s wurde zu Pythagoras gesagt: Warum hast du das Zugrunde-
gehen der Welt behauptet ? Er sagte: Weil sie erreichen wird den Ursprung,
von dem ausgehend sie besteht. Und wenn sie (die Welt) ihn erreicht, dann
legt sich ihre Bewegung und vermehren sich die höheren Freuden, will
sagen: die aus Tönen bestehenden Verbindungen. Das ist, wie wenn bezeich-
net werden Ruhm und Preis Gottes als Speise der Geistwesen, denn die Speise
jedes Seienden ist Teil dessen, wovon dieses Seiende geschaffen wurde . . .
(278, 2) Zu dem, wovon Pythagoras berichtete und was er hinterließ,
gehört, daß er sagte: Ich habe diese oberen Welten mit dem (Gesichts)sinn
gesehen nach vollendeter Übung [riyäda), und ich wurde emporgehoben
weg von der Welt der natürlichen Dinge zur Welt der Seele und zur Welt des
Verstandes. Ich erblickte, was in diesen (Welten) an abstrakten Formen ist
und was ihnen an Schönheit, Glanz und Licht eignet, und ich habe gehört,
was ihnen an herrlichen geistigen Tönen und an hinreißenden geistigen
Klängen zugehört. Er sagte: W E L S in dieser Welt ist, umfaßt ein geringes
Maß an Schönem, weil es von der Natur verursacht ist. Was darüber an
Welten ist, ist glänzender, höher und schöner, bis die Schilderung zur Welt
der Seele und des Verstandes gelangt. Dann hält sie (die Schilderung) inne,
denn die Rede kann nicht schildern, was ihnen (den Welten) an Vorzüglich-
keit, Adel, Schönheit und Glanz eignet. Darum sei euer Bestreben und
euer Bemühen darauf gerichtet, euch mit dieser Welt zu vereinigen, so daß
euer Bleiben und euer Verweilen lang währe, nachdem euch Verderben und
Vergessen getroffen hat, und daß ihr zu einer Welt gelangt, die ganz Schön-
40 QUELLENFRAGEN

heit, ganz Glanz, ganz Freude, ganz Macht und Wahrheit ist, und daß eure
Freude und euer Ergötzen dauernd, ununterbrochen sei. Er sagte: Je zahl-
reicher die vermittelnden Instanzen zwischen jemandem und seinem Herrn
sind, um so niedriger steht er im Rang der Dienstbarkeit. Und da der Körper
zu seinem Gedeihen der Führung durch die Natur bedarf, die (ihrerseits) zur
Ausführung (ta'diya) ihrer Handlungen der Führung durch die Seele be-
darf, und die Seele, das Edelste auszuwählen, der Leitung durch den Ver-
stand bedarf und über dem Verstand kein Beginnendes) außer der gött-
lichen Führung ist, so ziemt sich, daß dem, der das Reine des Verstandes
am Sammelplatz (käffa) der Ausgänge um Hilfe bittet, gewährleistet er-
scheint, daß er kraft seiner Einsicht an seinem Herrn Genüge findet. Und
daß, wer dem Begehren des Körpers folgt, wer den Einflüssen der Natur
gehorcht und sich fügt dem Sterben der Seele, fern sei von seinem Herrn,
niedrig nach seinem Rang".

KOMMENTAR
1

Die Darstellung der pythagoreischen Lehre bei Sahrastäni enthält ver-


schiedene Bestandteile. Echtpythagoreische Gedanken sind bei Porphyrios
stark mit neupythagoreischen und neuplatonischen Elementen vermischt;
dazu tritt Gedankengut der islamischen Dogmatik, das Sahrastäni mit den
Lehren der griechischen Philosophie versöhnen will. All diese Bestandteile
müssen geschieden werden, um innerhalb des Uberlieferten das Echtpytha-
goreische aufzuzeigen; um die Wendimg zu veranschaulichen, die mit dem
Neupythagoreismus begonnen und im Neuplatonismus sich vollendet hat;
endlich, um auf den Unterschied hinzuweisen, der trotz allem Bemühen
zwischen neuplatonischem Denken und der islamischen Weltanschauung
geblieben ist.
Wir müssen mit einer Darstellung des alten, echten Pythagoreismus be-
ginnen, um eine Grundlage für die Betrachtung und Beurteilung Sahra-
stänl's zu gewinnen.

Von Pythagoras (6. Jahrhundert v. Chr.) ist kein Werk geblieben. Vor-
nehmlich aus Aristoteles' Angaben lassen sich seine Lehren rekonstruieren
(wir zitieren nach Diels' Vorsokratikern). In seiner Metaphysik sagt Aris-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 41

toteles (D. 58 Β 26): „Die Pythagoreer sagen klar, daß, nachdem das Eine
(τό εν) entweder aus Ebenen oder aus Samen zustande kam, sogleich der
nächstliegende Teil des Unbegrenzten einbezogen und von der Grenze be-
grenzt wurde . . . Also von dem Entstehen des Ungeraden sprechen sie gar
nicht, woraus klar ist, daß nur das Gerade ein besonderes Entstehen hatte."
Es ist klar, daß dieses Ureine ein körperliches Gebilde war, wie auch das
Unbegrenzte, von dessen Beschaffenheit wir gleich hören werden. Nur dies
müssen wir betonen, daß das erste Eine offenbar auch das erste Ungerade
war. Darum war es für die Pythagoreer nicht notwendig, vom Entstehen
des Ungeraden besonders zu sprechen.
Wie aber das Unbegrenzte einbezogen wurde, darüber erfahren wir
Näheres aus der Physik des Aristoteles (D. 58 Β 30): „Auch die Pythagoreer
haben die Existenz des Leeren behauptet und gemeint, daß es aus dem Un-
begrenzten in die Himmelswelt eindringt, indem der Himmel das Leere als
Hauch einatmet, und eben dieses Leere ist es, das die natürlichen Wesen
voneinander abgrenzt, indem das Leere die Trennung und Abgrenzung der
nacheinander folgenden Einheiten ist. Das Leere ist also von Anfang an in
den Zahlen da, weil eben das Leere die Natur der Zahlen voneinander ab-
sondert".
Es ist aus dieser Darstellung klar, daß die Zahlen und Dinge zugleich
entstehen. Wie man dies denken soll, können die folgenden Figuren veran-
schaulichen :

• · · ·
• · ·
= 10 . = 9 =6
• · ·
• · ·

• · · · # * ·

Die punktartigen Einheiten sind die Grenzen, das zwischen ihnen lie-
gende Leere ist das Unbegrenzte, welches sie begrenzen und welches die
Punkte voneinander trennt. Und wirklich sprachen die Pythagoreer von
dreieckigen, quadratischen, rechteckigen (Oblong-)Zahlen. Denn auf diese
Weise sind die Flächen entstanden (natürlich auch Fünfecke, Sechsecke
usw. und Kreise usw.), welche die Körper begrenzen, und indem die Flächen
einen Teil des Raums begrenzen und umschließen, entstehen die Körper.
Also war das Entstehen der geometrischen und physischen Körper ein und
derselbe Prozeß. Philolaos (im 5. Jahrhundert) hat die regelmäßigen Körper:
das Tetrahedron, Oktahedron, Ikosahedron und den Kubus für die Elemen-
42 QUELLENFRAGEN

tarteilchen der vier Elemente: des Feuers, der Luft, des Wassers und der
Erde erklärt. Diese Identifizierung ist die Grundlage des platonischen
Timaios. Aus gleichseitigen Dreiecken und Quadraten (welche aus gleich-
schenklig-rechtwinkligen Dreiecken gebildet werden können) werden die
erwähnten regulären Körper und dadurch die Elementarteilchen der vier
Elemente gebildet.
Also aus Einheiten, Zahlen wird die physische Welt aufgebaut. Wie
Aristoteles sagt (D. 58 Β 4): „Der ganze Himmel ist Harmonie und Zahl."
An einer anderen Stelle der Metyphysik sagt Aristoteles: „Die Zahl ist das
Wesen von Allem" (Met. 987 a 19).
Die Zahl ist also Stoff der Welt: die Ureinheit wächst, schwillt durch das
Einatmen der umgebenden luftartigen Leere an und wird so in viele neue
Einheiten gesondert. Daß die Welt durch Einatmen zustandekommt, kann
nicht überraschen, weil die Vorsokratiker insgesamt die Welt als lebendig
auffaßten. Leben aber heißt griechisch: Psyche. Also Atmung, Leben, Seele
ist von Anfang an da: Stoff und Leben, Materie und Seele stehen in keinem
Gegensatz, sondern sind ohne einander nicht zu denken.
Das Entstehen der Welt dachten sich die Pythagoreer nach Analogie der
Geburt der Lebewesen. Nach Philolaos (Diels 44 A 27, zitiert bei K. Kerenyi:
Pythagoras und Orpheus, Berlin 1938, S. 23 f.) entsteht der Embryo aus dem
warmen Sperma im warmen Mutterleib. Aber ein nur warmes Ding könnte
gar nicht leben: im Augenblick der Geburt zieht das Kind die äußere kalte
Luft ein. So, durch Ein- und Ausatmen entsteht das Leben, die Seele als
Harmonie des Warmen und Kalten, des Feuchten und Trocknen.
Ebenso lehrte Alkmaion, Pythagoreer und Arzt in Kroton, daß die
Gesundheit eine Ισονομία: Gleichberechtigung, Gleichgewicht, also Har-
monie des Feuchten, Trocknen, Kalten, Warmen, Bittern, Süßen usw. ist
(D. fr 4).
Schon aus diesen Beispielen ergibt sich, daß die Welt, das Leben eine
Harmonie von Gegensätzen ist. Inwiefern diese Harmonie mit der Zahl
innerlich sich verbindet, sehen wir an der Welt der Töne.
Schon Pythagoras hat entdeckt, daß die vier ersten Zahlen das Sein der
harmonischen Intervalle begründen. Bei der Oktave ist das Verhältnis der
Länge der tönenden Saiten 1 : 2, bei der Quinte 2 : 3, bei der Quarte 3: 4.
Dabei muß man bemerken, daß wiederum Harmonie von höheren und tie-
feren, also entgegengesetzten Tönen vorliegt, und auch die begründenden
Zahlen sind entgegengesetzt: immer eine ungerade und gerade Zahl bildet
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 43

die Proportion. Wie auch die Bildung der Welt eine Harmonie von Grenze
(der Einheit) und Unbegrenztem war.
In der Musik wurde offenbar, daß die Harmonie der Gegensätze durch
Zahlen, Zahlenproportionen begründet wird. Daraus folgerten die Pytha-
goreer, wahrscheinlich schon Pythagoras selbst, daß auch die Entfernung
der Himmelskörper von der Erde von solchen „harmonischen" Zahlenver-
hältnissen bestimmt ist. So müssen die sieben Planeten: Mond, Sonne, Venus,
Mercur, Mars, Juppiter, Saturnus und die Sphäre der Fixsterne durch ihre
schnelle Bewegung harmonische Töne: die berühmte Harmonie der Sphären,
hervorbringen.
Wie Aristoteles sagt (D. 58 Β 35): ,, . . . Wo sich Sonne und Mond,
ferner eine solche Menge so gewaltiger Gestirne mit solch rasender Geschwin-
digkeit bewegen, da muß ein Schall von einer übergroßen Stärke verursacht
werden. Das nehmen sie (die Pythagoreer) an, und ebenso, daß die Ge-
schwindigkeiten den verschiedenen Entfernungen entsprechend in den Pro-
portionen der konsonanten Intervalle zueinander stehen und somit durch
den Kreislauf der Gestirne eine musikalische Harmonie erwächst." Im Fol-
genden wird ausgeführt, daß wir diese Harmonie darum nicht hören, weil
wir von Geburt an diesselbe vernehmen und dadurch an sie gewöhnt sind.
Aber auch den Grund der ethischen Tugenden, welche zugleich Harmo-
nien der Seele sind, suchten die Pythagoreer in den Zahlen: die Gerechtigkeit
identifizierten sie mit der Vier, weil ihre Faktoren (2 mal 2) dasselbe tun und
leiden, also diese Zahl das Wesen der Gerechtigkeit: τ ό άντιττεττονθός, Ge-
genseitigkeit, Reziprozität ausdrückt (Aristoteles, eth. Nie. 1132b 2if. und
Metaph. 985b 29). Natürlich, jede Quadratzahl drückt diese Gegenseitig-
keit aus, aber die Pythagoreer betrachteten immer die erste, einfachste Zahl,
in welcher eine Eigenschaft sich offenbart, als das Wesen (ουσία) dieser
Eigenschaft (Aristoteles, Met. 987a 22f.). So ist die Vier, als die erste Qua-
dratzahl, gleichsam ό πυθμήν: der Grund, die Grundzahl der Gerechtigkeit.
Die Zahl ist sowohl Stoff als auch Form, will sagen: Gesetzmäßigkeit der
Welt. In den geometrischen Figuren offenbart sich diese Funktion der Zahl:
Zahlenverhältnisse begründen die Gestalt der Figuren, und Punkte, also
Einheiten, sind die Grenzen, welche jenes Sein im leeren Raum verwirklichen.
Darum ist das Dreieck, Urtypus der Fläche: 3; das Tetrahedron, Urtypus
des Körpers: 4, weil es 4 Gipfelpunkte hat.
Die zahlenmäßigen Naturgesetze begründen das Sein der Töne und Him-
melskörper, aber auch ihre Schönheit: überhaupt Symmetrie, Proportion ist
44 QUELLENFRAGEN

der Grund des Seins und der Schönheit sowohl der geometrischen als auch
der physischen und organischen Körper. Aber auch die ethischen Gesetze
sind Zahlengesetze, wie das Beispiel der Gerechtigkeit zeigte. Leider hat
sich wenig Altpythagoreisches erhalten. Aber aus Piaton sehen wir, wie
diese Ethik more mathematico aussah. Im Gorgias 508 a erörtert Piaton, daß
die ganze Welt: Himmel und Erde und die Menschheit durch freundschaft-
liche Liebe, Ordnung, Maß und Gerechtigkeit zusammengehalten wird.
Eben darum wird das Weltganze Kosmos (Ordnung) genannt. Aber was ist
das Prinzip dieser „Gerechtigkeit und Ordnung ?" Die geometrische „Gleich-
heit", also die geometrische Proportion (a : b = c : d, ζ. B. 3 : 4 = 6:8).
Und was besagt dies auf moralischem Gebiet ? Das führen die Nomoi aus.
Hier (757 a-c) zeigt Piaton, daß die mechanische Gleichheit, welche ohne Rück-
sicht auf die Leistung und Tüchtigkeit (άρετή) jedem das Gleiche an Gütern
und Ehren austeilt, eine falsche Gleichheit ist. Die wahre, gerechte Gleich-
heit besteht darin, daß man nach der Leistung, Qualität und dem Wert die
Güter und Ehren austeilt. Wahre Gerechtigkeit ist also eine geometrische
Proportion: wenn die Leistung zweimal so groß ist, soll man zweimal so viel
an Gegenleistung erhalten.
Proportionalität, welche die Harmonie der Töne und der himmlischen
Sphären, aber auch die Gestalt der geometrischen Figuren und Körper be-
gründet und dadurch das Sein der Welt möglich macht, ist auch das Wesen
der Ethik. Die moralischen Gesetze sind Naturgesetze, Gesetze der Zahlen-
harmonie auf das Menschenleben angewandt.
Und dies war schon in der mythischen Zeit der Grundgedanke der grie-
chischen „Wirklichkeitsreligion", wie der große Walter F. Otto sie genannt
hatte. Die Hören sind Gestalten der Ordnung für die Jahreszeiten: diese Ord-
nung sichert das Leben auf der Erde. Doch ihre Namen: Dike, Eunomia,
Eirene (Gerechtigkeit, Gesetzlichkeit, Friede) verraten, daß sie zugleich Ge-
stalten der moralischen Ordnung sind, welche ebenso die Bedingung des
Lebens ist wie der regelmäßige Wechsel der Jahreszeiten. Wie die griechi-
schen Götter nicht über der Welt, sondern in der Welt sind, so sind die mo-
ralischen Gesetze keine Gebote, Forderungen aus einem Jenseits, sondern
einfach: Naturgesetze. Wie die geometrische Proportion das Sein der Ton-
welt und Himmelswelt begründet, so macht die Proportionalität der Ge-
rechtigkeit die Harmonie des Menschenlebens, das Leben möglich.
Daß die Zahlen sowohl Stoff als auch Form und Gesetzmäßigkeit der
Welt sind, bedeutet, daß die Welt sowohl Materie als auch Seele, Geist ist:
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 45

ohne Zahl, also ohne Gesetzmäßigkeit ist kein Sein möglich. Wir haben
gesehen, daß am Anfang der Welt die Ureinheit steht, welche das umgebende
Leere einatmet: so entstehen die vielen Einheiten und dadurch die Flächen,
die Körper und die Welt. Das bedeutet, daß Leben, Bewegung, Seele, Geist
in der Welt von Anfang an da sind: die Welt ist ebenso Materie wie Geist.
Auch darauf hat Walter F. Otto hingewiesen: die Göttergestalten sind Ge-
stalten der Welt.
Weder im griechischen Mythos noch bei den Vorsokratikern — also auch
nicht bei Pythagoras — findet sich ein Wort davon, daß ein überweltlicher
Gott da wäre, der in seinem Geist die Zahlen und Formen ausgedacht und
dann die Materie nach diesem Urbild gestaltet hätte. Die Welt ist göttlich,
indem sie sowohl Materie als auch Seele, Geist ist. Es ist nicht nötig, einen
höheren Beweger anzunehmen, der die Materie in Bewegung setzt: Materie
ist lebendig, sie bewegt sich immer, und zwar nach mathematischen Ge-
setzen. Ist das nicht das Weltbild der modernen Naturwissenschaft ?
In einer ganz anderen Welt befinden wir uns, wenn wir jetzt mit der
Erörterung über SahrastänT beginnen.

3
Gleich zu Anfang des pythagoreischen Abschnittes (266,4 Cureton) steht
man angesichts eines vom Geist des Islam gefärbten Neuplatonismus.
„Dann sagte er (Pythagoras): „Das Einssein wird eingeteilt in das Eins-
sein ohne Teilhabe eines Anderen: das ist das Einssein des Schöpfers . . .
das Einssein des Erfassens jedes Dinges, das Einssein des richtigen Ur-
teils . . . , das Einssein dessen, von dem ausgehen die seienden Grundzahlen
und die Vielfachen von ihnen, — und in das Einssein, an dem teilgehabt
wird: das ist das Einssein der erschaffenen Dinge."
„Das Einssein ohne Teilhabe eines Anderen, und das ist das Einssein des
Schöpfers": also die absolute, die von der Welt getrennte, isolierte Einheit, die
jenseits von Allem in sich ruht: dies ist das neuplatonische iv, die Urein-
heit ; SahrastänT aber nennt sie den Schöpfer, weil nach seiner Religion der
Schöpfer am Anfang stehen muß. Die neuplatonische Ureinheit dagegen ist
kein Schöpfer, weil sie gar nicht wirkt, man von ihr überhaupt nichts aus-
sagen kann.
Diese von der Welt getrennte Ureinheit, die keine Attribute hat, ver-
dankt ihr Dasein einem Mißverständnis des platonischen Parmenides. Dort,
46 QUELLENFRAGEN

von 137 c bis 142 a, beweist Piaton, daß ein ganz von allem getrenntes,
isoliertes E t w a s weder sein noch erkannt, gedacht, genannt werden kann:
also eine isolierte Einheit ein Unding, eine Unmöglichkeit bleibt. E r wollte
sagen, daß die Ideen nicht von der Sinnenwelt getrennt existieren können,
also die Voraussetzung einer von der Sinnenwelt getrennten Ideenwelt ein
Absurdes ist. Damit widerlegte er seine vorige Auffassung, nach welcher die
Ideen zwar in den sinnlichen Dingen anwesend, aber auch an und für sich
sind. In den folgenden Abschnitten des Parmenides führt Piaton aus (von
142 b bis 155 e), daß, wenn das Eine (also die Idee) wirklich existiert, es
schon zu Anfang nicht einfach ist, weil in dem Einen Seienden das Eine, das
Sein und die Verschiedenheit vorhanden sind (Einheit und Sein sind doch
verschieden voneinander). Schon die Ideen bleiben nicht voneinander iso-
liert, an sich, sondern „verflechten sich". Danach erweist Piaton deduktiv,
daß das seiende Eine sich notwendig in unendlich viele Teile teilen muß,
daß aus einer Idee (aus einem Genus) viele Arten und Unterarten, endlich
die unendlich vielen Individuen entstehen müssen; daß also aus den Ideen
als den Genera die Vielheit der Sinnenwelt entstehen muß, und diese Sinnen-
welt eine heraklitische ist, will sagen: relative, entgegengesetzte Eigen-
schaften hat. Jedes Ding ruht und bewegt sich, aus dem jeweiligen Blick-
punkt betrachtet (die Grundgedanken der Relativität sind nach Zenon, dem
Eleaten, auch bei Piaton da).
Ebenso beweist Piaton, daß jedes Seiende sowohl identisch mit sich
selbst und mit den Anderen als auch verschieden von sich selbst und von
den Anderen ist. Der Mensch ist identisch mit sich selbst, aber auch ver-
schieden von sich selbst: im Lauf der Zeit kann er sich sehr verändern und
zeitweise kann er in Zwiespalt mit sich selbst sein. E r ist in gewisser Hin-
sicht mit den anderen Menschen, sogar mit den Lebewesen identisch, gleich-
wohl in anderer Beziehung von ihnen verschieden.
Die Neuplatoniker, hauptsächlich Plotinos, haben all dies mißverstanden,
und die vorangehende Hypothese, derzufolge das Eine von allem getrennt
gedacht und dieser Standpunkt ad absurdum geführt wird, haben sie so
aufgefaßt, als ob hier von der obersten, absoluten Einheit: von Gott die
Rede wäre. Die „negative Theologie", welche im Mittelalter eine so große
Rolle sowohl im Islam als auch im Christentum spielte, ist diesem Mißver-
ständnis entsprungen.
Nebenbei bemerkt: die „Teilhabe" bei Sahrastänl verrät, daß wir in pla-
tonischer Gedankenwelt sind, nach der die Dinge ihre Eigenschaften der
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN T R A K T A T E S 47

Teilhabe an gewissen Ideen, Urformen verdanken: kugelförmig ist ein Ding,


weil es an der Form der Kugel teilhat usw. Also ist man vom echten Pytha-
goras bereits weit entfernt!
Dann kommt „das Einssein des Erfassens, des richtigen Urteils". Mög-
lich, daß schon Pythagoras mit der Eins das intuitive Erkennen, welches mit
einem Blick große Zusammenhänge durchschaut und einsieht, bezeichnet
hat. Aber diese feinen Unterscheidungen der Erkenntnisarten, die bei
Sahrastänl gemacht werden, gehören eher Piaton, von dem dies seitens
Aristoteles ausdrücklich behauptet wird (De an. 404b 22f.). Nach Piaton
haben auch die Neupythagoreer die Einsicht, den voös, mit der Eins be-
zeichnet (theolog. arith. 5).
„Das Einssein dessen, von dem ausgehen die seienden Grundzahlen und
die Vielfachen von ihnen": das muß die Eins im göttlichen Nous sein. Schon
die Neupythagoreer dachten, daß es zweierlei Zahlen gibt: einmal die Ur-
zahlen im Nous des δημιουργός, also des weltbildenden Gottes; sodann die
Zahlen, mit welchen wir zählen. Wie Nikomachos sagt (arithm. eis. 1, 6):
„Alle die Dinge, die durch die Natur im Kosmos geordnet sind, scheinen
nach der Zahl durch die weltbildende Vernunft gesondert und geordnet zu
sein, weil die Zahl in der Vernunft des weltbildenden Gottes schon im voraus
existierte, als nur gedachte und völlig stofflose Zahl, die aber das wirkliche,
ewige Wesen von allem ist, damit nach dem Vorbild der Zahl alles: die Zeit,
die Bewegung, die Himmelswelt, die Gestirne, die Bahnen derselben ver-
wirklicht werden."
Ebenso bei Plotin (6,6): im göttlichen Nous sind Urbild und Plan der
ganzen Welt, der Gattungen und Arten, ja sogar der Individuen da, aber die
Gliederung der Gattungen und Arten hat eine naturgemäße zahlenmäßige
Struktur, wie etwa die Laute sich in Vokale und Konsonanten, die Lebe-
wesen sich in Tiere und Pflanzen und diese weiter sich in Gattungen und
Arten teilen. Dementsprechend bekundet Plotin (6, 6, 10): „Das Sein in
seiner Vielfältigkeit ist Zahl; sie (die Zahl) ist gleichsam eine Disposition für
die seienden Dinge und ein von vornherein entworfener Grundriß für sie;
diese Zahl ist gebildet aus Einheiten, welche die Stellen für die Wesen be-
zeichnen, die an diese Stellen gesetzt werden."
Das ganze Reich des Seins, mit seinen Gattungen und Arten, bildet ein
Netzwerk, innerhalb dessen für jede Gattung und Art ihre Stelle im voraus
durch Zahlen bestimmt wird. Auch die Struktur der geometrischen Figuren,
Flächen und Körper, die Intervalle der Töne, die Bahnen der Planeten und
48 QUELLENFRAGEN

ihre Geschwindigkeiten: alles ist zahlenmäßig von der Natur bestimmt. Nach
Plotin sind die Zahlen „früher" da als die Wesenheiten der Welt (die natür-
lichen Gattungen und Arten). Natürlich nicht im zeitlichen, sondern im
logischen Sinne: die zahlenmäßige Struktur, Plan der Gattungen und Arten,
der Flächen und Körper und der Töne ist „früher" als sie selbst, weil die
mathematische Struktur die Bedingung der Ordnung, der Bestimmtheit, des
bestimmten, charakteristischen Seins ist, will sagen: des Kosmos.
Nach den Neupythagoreem und Neuplatonikern wie auch nach Pytha-
goras entstehen die Zahlen aus der ersten Eins. Nur darin liegt der große
Unterschied, daß diese erste Einheit bei Pythagoras ein sinnliches, atmendes
Wesen, bei seinen Nachfolgern aber ein geistiges ist.
„Das Einssein, an dem teilgehabt wird, ist das der erschaffenen Dinge."
Im dritten Absatz lesen wir, daß die Zwei und Drei unbeschadet ihrer Viel-
heit doch je eine Einheit bilden. Ebenso ist jede Gattung, Art und Person
eine Einheit, obgleich sie viele Teile haben. Denn als Gattung, als Art, als
diese Person bilden sie eine Einheit.
Auch Plotin sagt 6, 6, io, daß die Dreiheit eine Einheit ist (sonst
könnte beispielsweise das Dreieck keine Einheit sein). Ebenso sind die
Ideen: Einheiten (6, 6, g). Auch die Gestalt des Löwen ist eine organische
Einheit.
Der folgende Abschnitt SahrastänI's sagt, das Einssein vor dem Aion
— also vor der Ewigkeit — sei das des Schöpfers; das Einssein mit der
Ewigkeit sei das des ersten Verstandes; das Einssein nach der Ewigkeit sei
das der Seele. Das Einssein mit der Zeit endlich sei das der Grundstoffe und
der zusammengesetzten Stoffe, also der Welt der Natur.
Hier liegt eine typisch neuplatonische Einteilung vor, aber sie ist mit
islamischer und anderer Terminologie vermischt. Nach den Neuplatonikern
ist vor der Ewigkeit die Ureinheit da. Der Nous ruht in der Ewigkeit. Die
Seele und die Natur sind in der Zeit, weil sie sich bewegen. So steht es aus-
drücklich bei Porphyrios (phil. hist. fr. 18): „Piaton sprach von dem Guten
(άγαθόν, welches die Neuplatoniker mit ihrem εν identifizierten) folgender-
maßen : aus dem Guten entstand die Vernunft (voös), die an sich besteht und
in sich das wirklich Seiende und das ganze Sein enthält. Dieser Nous ent-
stand προαιώνιος, also vor dem Aion, vor der Ewigkeit aus dem Urgrund,
dem G o t t e . . . Der Nous besteht ohne die Zeit (zeitlos), und er ist allein ewig."
Also ewig ist nur der Nous, und in ihm die Urbilder als Typen der Welt. Das
Gute, das Eine ist προαιώνιος, vor der Ewigkeit. Diese Distinktionen sind
2. B R U C H S T Ü C K E EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 49

natürlich Erfindungen Porphyrios' und Plotins, bei Piaton ist kein Wort von
einer Seinsweise, die vor der Ewigkeit bestünde 1 . Porphyrios kann auch
seinen Piaton allein in neuplätonischen Kategorien erfassen.
Für Sahrastänl ist natürlich der Schöpfer vor dem Aion da, weil er die
Quelle des Nous ist, welcher in der Ewigkeit besteht. Und statt des Nous
spricht er von dem „ersten Verstand". Woher konnte er diesen Terminus
nehmen? Numenios sagte, der erste Gott sei eins, unbewegt, zeitlos, der
erste, ruhende, untätige Verstand (voOs); ihm entstamme der zweite
Gott, der Demiurgos, der wirkende, tätige Verstand, der die Materie nach
den Ideen gestaltet, und so den dritten Gott: die Welt schafft.
Also: der erste Verstand ist der neuplatonische Nous, weil auch er ruhend
ist; die Welt wird von der (Welt-)Seele gestaltet, geschaffen.
Wichtig ist zu bemerken, däß die Ausdrücke: „vor der Ewigkeit, mit
der Ewigkeit, nach der Ewigkeit" kein zeitliches Nacheinander bedeuten. So
ist das Iv „vor der Ewigkeit", nicht darum, weil eine „Epoche" vor der
Ewigkeit da sein könnte, sondern, weil das §v eine logische, ontologische
Bedingung des Nous, derUrzahlen, der Urbilderist. Wie Porphyrios in den
άφορμαΐ πρό$ τ ά νοητά 43 sagt: „Der Nous kann nicht άρχή des Alls
sein, weil er eine Vielheit ist und vor dem Vielen muß das Eine dasein".
Schon als Zahl muß die Eins vor den Anderen dasein. Aber auch in einem
tieferen Sinne: Plotinos 6, 6, 9, 39L „auch dem Sein ist das εν: άρχή, und das
Sein ruht an dem iv, sonst würde das Sein sich zerstreuen" (καΐ tco övti
τ ό εν άρχή, καΐ έπΐ τούτου έστίν ό ν σκεδασθείη γ ά ρ άν).
Also die Bedingung der Geltung der Naturgesetze ist, daß sie eine orga-
nische, zusammenwirkende Einheit bilden. Das Ideal der mathematischen
Naturwissenschaft ist, alle Gleichungen aus einer Gleichung abzuleiten, wie
dies Werner Heisenberg in bezug auf die Elementarteilchen der Materie
versucht hat. Und die Geltung der Naturgesetze muß überall gültig sein:
die Welt muß eine gesetzliche Einheit sein.
1 Nur daraus, daß bei Piaton (Staat 509 b) „das Gute (άγαθόν) kein Sein ist, sondern
jenseits vom Sein mit seinem Wert und seiner K r a f t hervorragt", folgern Plotinos und
Porphyrios, daß das Gute (somit das Ureine) vor dem Sein der ewigen Urbilder, also vor
der Ewigkeit dasein muß. D a ß das Gute jenseits vom Sein ist, bedeutet bei Piaton, daß
die Tüchtigkeit, die tüchtige, passende Struktur: Bedingung des Seins für jedes Sei-
ende ist. Denn die passende Struktur und die damit verknüpfte K r a f t des Sehens ist die
Bedingung des Seins für die Augen. Ein Auge, das nicht sehen kann, ist nicht Auge
(Staat 353 b — c ) . Hier ist klar, daß das Verhältnis von Güte (άρετή) und Sein kein
zeitliches ist. Bei den Neuplatonikern ist der Ausdruck irreführend, obwohl auch sie
diese Verhältnisse nicht zeitlich dachten, wie wir noch zeigen werden.

4 Altbeim, Hunnen V
50 QUELLENFRAGEN

Ebenso bedeutet „nach der Ewigkeit" eine logische, ontologische Rang-


ordnung. „Nach der Ewigkeit ist das Einssein der Seele": dieser Satz be-
deutet gar nicht, daß im voraus die Ideen bestehen und daß erst später
die Weltseele, und noch später die sinnliche Welt entstanden sind. Der
Sinn ist, daß das Sein der Weltseele und der Natur von dem Bestehen,
von der Gültigkeit der Naturgesetze abhängt, die im Nous ruhen, ewig be-
stehen. Also neben dem Bestehen der sich bewegenden, also zeitlichen Welt-
seele und Natur besteht ewig die ruhende Einheit der Naturgesetze.
Plotin und Porphyrios sagen, daß das Eine und der Nous „nirgends und
überall" sind, weil die Einheit der Welt und der Naturgesetze überall gültig
ist. Ohne diese Einheit der Naturgesetze gibt es keine Welt: das drückt
Porphyrios im Geiste Plotins so aus (άφορμαί 31; vgl. Plotin. 3, 7, 11),
daß nicht der Nous in der Seele und nicht die Seele in der Natur ist,
sondern umgekehrt: die Seele ist im Nous, wie der Nous im Ureinen ist, und
die Natur ist in der Seele, weil die Weltseele nicht gestalten könnte, wenn
die ewigen Urtypen der Gestaltung im Nous nicht da wären; die Natur end-
lich würde nicht bestehen, wenn die bewegende und gestaltende Kraft der
Weltseele sie nicht im Leben halten würde. Ebenso ist nicht die Einzelseele
im einzelnen Leib, sondern umgekehrt: die Seele ist es, die den Körper ge-
staltet, zusammenhält und belebt. Wir sollen nicht vergessen, daß Seele im
Griechischen nicht nur die bewußte Seele, sondern auch das Prinzip des
Lebens bedeutet, welches den Körper in einer bestimmten Gliederung, Ge-
stalt wachsen läßt: die Lebenskraft, die in der Materie des Körpers wirkt,
gestaltet, erhält.
Der Umstand, daß „das Einssein mit der Zeit", also das Sein unserer
sichtbaren Welt am Ende steht, bedeutet nicht, daß diese zeitliche Welt
später entstanden wäre. Plotin hat immer die Ewigkeit der Welt behauptet.
Wenn auch die einzelnen Wesen sich verändern tind vergehen, bleiben die
Elemente des Stoffes in ihrer Qualität und Quantität unverändert, ebenso
bestehen die Gattungen und Arten, die „Eide". (2, 1). Plotin widerspricht
der Annahme eines zeitlichen Weltanfangs ebenso wie der eines Weltunter-
gangs (2, 1; 3, 2, 1 und 4, 3, 9).
Die Zeitlichkeit der Weltseele und der sichtbaren Welt besteht also nur
darin, daß sowohl das Leben der Seele als auch der Welt eine fortwährende
Bewegung, Veränderung ist, und mit der Bewegung ist die Zeit da. Der
Unterschied besteht darin, daß das Bestehen des §v und des Nous eine
ruhende, unveränderliche Ewigkeit, das Bestehen des Kosmos und der Welt-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 51

seele aber eine fließende, sich bewegende Ewigkeit ist. Aber sowohl der
Kosmos als auch die in ihm gültigen Naturgesetze (also das ίν und der
Nous) sind ewig und bestehen zugleich, zusammen, untrennbar verbunden.
Kurz gesagt: die Hypostasierung des Ureinen und des Nous drücken
aus, daß ohne die ewige Gültigkeit der Naturgesetze die Welt nicht da wäre
und daß die Welt eine gesetzmäßige Einheit ist (die Gesetze der Atomphysik
sind auch in den entferntesten Sternwelten gültig).

4
Im folgenden (dritten) Absatz Sahrastäni's wird das Einssein eingeteilt
in das Einssein im Wesen und in dem Akzidens: eine offenbare aristotelische
Einteilung. Das Einssein im Wesen ist das des „Schöpfers". Dieser Gedanke
ist verständlicher, wenn wir an das plotinische Iv denken, welches kein At-
tribut hat, sondern einfach Eins (Iv) ist: das ist sein Wesen. Die Eins aber,
welche die άρχή, Anfang der Zahl ist und nicht in die Zahl eingeht, ist die
Eins im Nous: diese Eins ist ουσιώδες, wie auch die anderen Zahlen, die
also zum ewigen Sein gehören und Urbilder der gezählten Dinge darstellen.
Diese Urzahlen sind aber schon akzidentiell, weil sie sich auch im Nous mit
anderen Urtypen mischen: auch das „Sein" ist ein Sein, also diese Eins ist
schon im Nous ein Attribut, Akzidens (Plotin. 6, 6, 9).
Diese άρχή der Zahl „eignet dem tätigen Verstand", weil sie als Vorbild
dem tätigen Verstand (der plotinischen Weltseele) dient, welcher diese Ur-
zahlen im voOs betrachtet, damit er nach deren Vorbild die Natur gestillten
kann. Auch Plotin sagt, daß die Weltseele, wenn sie die Urtypen, Urzahlen
betrachtet, bei dem Nous ist, gleichsam dahin zurückkehrt, 4, 4, 2: „Wenn
die Weltseele rein in dem Nous sich befindet, hat auch sie das Unveränder-
liche, Ruhende; da vereinigt sie sich notwendig mit dem Nous, wird mit ihm
zusammengefügt, und somit wird sie eins mit ihm." So kann die Weltseele
rechtmäßig als „tätiger Verstand" bezeichnet werden. Wir haben gesehen,
daß immer das Untere im Höheren ist: wie der Nous im Iv, so ist die Welt-
seele im Nous. Die unteren Stufen sind Ausstrahlungen, Funktionen, Wir-
kungen (δυνάμεις) der höheren; die höheren als Kräfte, Wirkungen sind in
den unteren anwesend (Porphyrios, άφορμαί 28).
Im dritten Absatz folgt die Behandlung der Eins, die in die Zahl eingeht
als Teil von ihr, wie denn die 2 aus 2 Einern zusammengesetzt ist. Wenn wir
zu größeren Zahlen aufsteigen, steigt „die Relation der Eins abwärts zum

52 QUELLENFRAGEN

Weniger", entweder, weil der Abstand von der Eins immer größer wird, oder,
weil ι : iooo weit weniger ist als ι : 10. Die andere Abteilung (die Eins, dife
in die Zahlen eingeht, als ihnen innewohnend), haben wir schon behandelt.
Dieselbe Art der Eins ist anwesend in jeder Einheit: in der Einheit der Gat-
tung, Art oder der Person. Hier sind wieder „ranghöher" die Gattungen, weil
sie ferner von dem Vielsein liegen.
Im vierten Absatz behauptet Sahrastäni, daß Pythagoras „die Zahl ab-
strahierte vom Gezählten, wie man die Form vom Stoff abstrahiert". Das
ist bestimmt falsch, weil, wie wir gesehen haben, Pythagoras die Zahl so-
wohl als Stoff als auch als Form, Gesetz der Welt auffaßte. Dasselbe sagt
ausdrücklich Aristoteles in der Metaphysik (D. 58 Β 5): „Es scheint, daß
auch diese (die Pythagoreer) die Zahl für άρχή (Uranfang, Ursprung, Ur-
quelle) gehalten haben, als Stoff der seienden Dinge und auch als deren
Qualität und Form." Wir haben dargelegt, wie die Einheiten die geometri-
schen und dadurch die physischen Körper bilden, aber auch ihre Struktur,
Form bestimmen. Das Beispiel der Töne zeigt, wie Zahlenverhältnisse die
Qualität der Dinge bestimmen.
Also abstrahierte Pythagoras gar nicht die Zahl als Form vom Stoff,
sondern betrachtete sie zugleich als Stoff und Form der Dinge. Sahrastäni
kleidet alles in neuplatonische Denkformen, und so fälscht er unbewußt auch
das Richtige, was er sagt. Allerdings ist wahr, daß nach Pythagoras „άρχή
der seienden Dinge die Zahl ist". Aber falsch bleibt die zweite Hälfte des
Satzes: „und sie (die Zahl) ist das erste Geschaffene, das der Schöpfer ge-
schaffen hat". Hier spricht nicht mehr der Neuplatoniker, sondern der
Muslim. Nach Pythagoras sind die Zahlen, zuerst das Eine, ursprüngliche
Naturgebilde: das erste Eine hat das Leere eingeatmet, wodurch ändere
Einheiten entstanden sind. Auch bei den Neuplatonikern ist das Ureine von
Anfang an da, seine Emanation ist der Nous mit seiner Vielheit.
Das Folgende ist wieder nicht pythagoreisch, sondern spätere Speku-
lation: „Und . . . ging seine . . . Neigung dahin, daß die Eins nicht in die
Zahl eingehe, sondern daß die Zahl mit der Zwei beginne . . . Die erste ein-
fache Zahl ist die Zwei, und die erste einfache Gerade ist Vier . . . Die erste
einfache Ungerade ist die Drei".
Was sagt hingegen Porphyrios in seiner Pythagoras-Vita ? In Kap. 38
erzählt er, daß man nach Pythagoras „den himmlischen Göttern Ungerade,
den chthonischen aber Gerade opfern soll. Er hat nämlich von den Gegen-
sätzen das Bessere: Einheit (μονάς), Licht als das Rechte, Gleiche, Ru-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 53

hende; das Schlechtere hingegen: Zweiheit (δυάς), Finsternis, Linkes, Un-


gleiches, sich Bewegendes genannt". Den himmlischen Göttern soll man
das Bessere: das Ungerade opfern, aber das Beispiel des Ungeraden ist hier
die Einheit, Den chthonischen soll man das Gerade opfern als das Schlech-
tere, Finstere, und das Beispiel des Geraden, der Urtypus bei ihm ist hier
die Zwei (δυάς).
Nach Hippolytos (philos. 1 , 2 , 6 ; bei Diels, Doxographi 556) ist die erste
gerade Zahl die Zwei, die erste ungerade die Drei. Aber Hippolytos konnte
schon aus den Neupythagoreem schöpfen.
Nach Nikomachos (theol. arithm. 15) ist der Anfang (άρχή) der Zahl in
der Wirklichkeit (κατ' ένέργειαν) die Trias, Dreiheit, weil die Einheit (μονάς)
άρχή, dieDyas aber άρχοειδής „von der Art der άρχή, des Ursprungs" ist.
Das alles verrät geometrische Denkweise: der Punkt, also die Einheit hat
noch keine Dimension; die Linie, welche der Zwei entspricht, weil sie zwei
Endpunkte hat, hat schon eine Dimension, aber allein kann sie keine Figur
begrenzen: die Trias ist die erste begrenzte Vielheit, weil 3 Punkte und
3 Linien eine Fläche begrenzen: so ist die Dreiheit und das Dreieck Element
(στοιχεΐον) der seienden Dinge (theol. arithm. 8). Die Dreiheit ist also die
erste wirkliche, begrenzte Zahl. Wir erinnern uns daran, daß auch Piaton
die regulären Körper durch gleichseitige und gleichschenklig-rechtwinklige
Dreiecke begrenzt hatte.
Diese Gedanken haben einen echtpythagoreischen Kern, weil auch bei
Pythagoras die Punkt-Einheiten im Räume, in Figuren geordnet vorge-
stellt sind. Aber, wie wir gesehen haben, hat Pythagoras selbst die Eins, als
die erste ungerade, und die Zwei, als die erste gerade Zahl betrachtet. Hier
vermischt also Sahrastäni Echt- und Altpythagoreisches mit Neupythago-
reischem, was kein Wunder ist, weil die Neupythagoreer ihre Lehren als
echtpythagoreisches Gedankengut angeboten haben.
Das Folgende ist urpythagoreisch: „Die Vier ist der Endpunkt, denn sie
bedeutet Vollkommenheit. Davon ausgehend pflegte er beim Tetragramm
zu schwören: „Bei der Wahrheit des Tetragramms, das der Lenker unserer
Seelen, die Wurzel des Alls ist!"
Was war das Tetragramm? Die schon erwähnte Figur:
54 QUELLENFRAGEN

Es ist die erste begrenzte Figur: Element der Flächen und Körper, des
Seins. Aber dieses Dreieck enthält als Elemente die 4 ersten Zahlen, deren
Summe 10 ist. Die 4 ersten Zahlen sind aber Gründe der Welt, weil 1 der
Punkt, 2 die Linie, 3 das Dreieck, also die Urfläche, 4 das Tetrahedron, Ur-
typ des Körpers ist. Aber sie sind auch Gründe der Weltharmonie, weil 1 : 2
die Oktave, 2 : 3 die Quinte, 3 : 4 die Quarte ist. Und ihre Summe, die 10,
ist eine vollkommene Zahl (Porphyr., v. Pyth. 52): „Die Zehn ist eine voll-
kommene Zahl, weil sie alle Unterschiede der Zahlen, alle Arten der Propor-
tionen in sich enthält". Wirklich, in der 10 gibt es 5 ungerade und 5 gerade
Zahlen, 5 Primzahlen (1, 2, 3, 5, 7) und 5 zusammengesetzte Zahlen (4, 6, 8,
9, 10), welche als Produkte von anderen Zahlen hergestellt werden können:
4 = 2 mal 2, 6 = 2 mal 3 usw. Dann 4 ist die erste Quadratzahl, 8 die erste
Kubikzahl, weil 8 = 2 mal 2 mal 2 ist (23); 2, 3,4 ist eine arithmetische Reihe;
2, 4, 8 eine geometrische Reihe; 2 : 4 = 4: 8 ist eine geometrische Propor-
tion usw. Und mehrmals sagen die Pythagoreer, daß nach 10 die Zahlen
eigentlich sich nur wiederholen. Die Dekas ist also Urbild, Inbegriff des
Zahlenreichs.
Nun, weil dieses Tetragramm (τετρακτύξ) die Elemente der Figuren der
Körperwelt, die Urzahlen der Harmonie und alle Arten der Zahlen und Pro-
portionen : also gleichsam den Plan, das Urbild (παράδειγμα) der ganzen
Welt enthält, ist es die Wurzel des Alls, oder, wie anderswo gesagt wird:
Quelle der ewigen Natur (theol. arithm. 18).
Und es ist höchst interessant, daß auch bei Plotin derselbe Gedanke
wiederkehrt. In der oft zitierten Abhandlung (6, 6, 9, 38) sagt Plotinos:
„Die seienden Dinge haben ihren Grund, ihre Quelle und Wurzel und An-
fang in ihr (in der Zahl)". Nur dies ist der Unterschied, daß, während Pytha-
goras die Zahlen als natürliche, wirkliche: physische Wurzel und Quelle der
Welt betrachtet hatte, die Neuplatoniker sie als Glieder einer geistigen Welt
hypostasieren. Aber beide sind einig darin, daß die Zahlenordnung der
Grund der Natur ist. Hier hat Sahrastänl das Wesen des Pythagoreismus
bewahrt.
„Was hinterher kommt, ist die Gerade der Ungeraden, die Gerade der
Geraden sowie die Gerade der Geraden und Ungeraden." Was damit ge-
meint ist, ist folgendes: es gibt Zahlen, die Produkte einer Geraden und
ungeraden Zahl sind, etwa 6 = 2 mal 3; das ist: „Gerade der Ungeraden."
Es gibt aber gerade Zahlen, die lauter gerade Faktoren haben, etwa
64 = 2 mal 2 mal 2 mal 2 mal 2 mal 2 = 2®. Dies ist die Gerade der Ge-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 55

raden. Endlich gibt es solche Zahlen, welche mehrere gerade, aber auch
einen ungeraden Faktor haben, wie 24 = 2 mal 2 mal 2 mal 3. Diese sind
„Gerade der Geraden und Ungeraden" (Nikomachos, arithm. eisag. 1,9,1;
1,8, 4; 1, 10, if.).
Die Fünf und auch die Sechs sind „kreisende" Zahlen, weil, mit sich selbst
multipliziert, das Ende zum Anfang zurückkehrt. Denn 5 mal 5 ist 25, 25 mal 5
ist 125, also Anfang und Ende ist immer 5. Ebenso ist es bei der Sechs:
6 mal 6 = 36, 36 mal 6 = 216. Diese Zahlen nannten die Pythagoreer (auf
die dritte Potenz erhoben) sphärische Zahlen, weil dritte Potenz für sie die
dritte Dimension ist. Eben darum dachten sie, daß die Seele nach 216 Jahren
in einen neuen Körper eingehe: der Gedanke des Kreislaufs, der zyklischen
Wiederkehr und der Körperlichkeit, Dreidimensionalität ist damit zahlen-
mäßig ausgedrückt. Und zur Grundzahl wird darum die 6 ausgewählt, weil
6 = 2 mal 3 ist, und die geraden Zahlen werden für weiblich, die ungeraden
für männlich gehalten, und das Produkt der beiden ist die Zahl der Hochzeit
und der Geburt. Und 6 ist die erste, einfachste Zahl, die Produkt einer Ge-
raden und Ungeraden ist. (Die Eins, als Faktor, produziert gar nichts.) In
den theol. arithm. 40 wird erzählt, daß die Wiedergeburten der Seelen nach
216 Jahren erfolgen. Der Gedanke der zyklischen Wiederkehr spielt bei den
Griechen, besonders bei den Pythagoreem, eine große Rolle.
Die Sechs ist darum eine vollkommene Zahl, weil sie der Summe ihrer
Faktoren gleich ist (6 = 1 + 2 + 3).
Was im Folgenden (von 268, 1 Cureton an) von dem Zusammen-
setzen der Zahlen erzählt wird, ist weniger interessant. Das Bemühen, die
Eins nicht unter die Zahl zu rechnen und ohne sie die Zahlen entstehen zu
lassen, ist spätere Erfindung. Pythagoras selbst hat die 10 aus 1 + 2 + 3 + 4
entstehen lassen, eben dies war für ihn die heilige Tetraktys.

5
Es fällt auf, daß im Abschnitt, der mit 268, 12 Cureton beginnt, der
Verstand als eine Zweiheit bezeichnet wird, weil er sowohl eine mögliche als
auch eine notwendige Existenz habe. Zu Anfang (266,4 Cureton) wurde ge-
sagt, daß das Erfassen jedes Dinges, das richtige Urteil ein Einssein ist, und
daß der Verstand eben diese Funktionen besitzt. Der Grund jener „Zwei-
heit" kann sein, daß der Nous in der Rangordnung nach dem 2v an der
zweiten Stelle steht. Dies geht daraus hervor, daß im Folgenden gesagt
56 QUELLENFRAGEN

wird: „das Gezählte, darin eine Dreiheit liegt", sei die Seele, was zeigt, daß
sie nach dem εν an dritter Stelle steht. Und „die Vierheit liegt in der Natur",
weil sie (die Natur) die vierte Stelle in der Rangordnung der Wesen erhalten
hat. Hier spielt auch der Umstand eine Rolle, daß die Zahl des Körpers
(des Tetrahedrons) eben die Vier ist, und die Natur: die Körperwelt, die
Zahl der Elemente, Grundstoffe ist ebenso 4 (Feuer, Luft, Wasser, Erde).
Auch das ist verständlich, daß die zusammengesetzten Dinge immer
etwas von den vier Grundstoffen, aber auch von der Seele und vom Nous ent-
halten. Denn die Seele gestaltet sie nach den Urbildern, welche sie im Nous
anschaut: so sind sowohl die Seele als auch der Nous in den sinnlichen
Dingen mit ihren Kräften anwesend. Doch dies ist reiner Neuplatonismus.
Dasselbe gilt vom Nous und den neun Himmelssphären, welche durch
ihre Seelen bewegt werden: die Seele ist hier ganz offenbar die belebende,
bewegende Kraft, welche die Himmelskörper nach den Zahlen Verhältnissen
des Nous bewegt und so die Harmonie der Sphären hervorbringt. Diese
9 Sphären sind: die Sphäre der Fixsterne, die 7 Planeten (die Sonne und den
Mond eingerechnet) und die Gegenerde, welche Philolaos im 5. Jahrhun-
dert ausgedacht hat, um die heilige Zehnzahl zu erhalten. Nach Philolaos
kreisen um das Zentralfeuer die Gegenerde, die Erde, die 7 Planeten und die
Sphäre der Fixsterne. Daß die Quelle dieser Stelle Porphyrios ist, ergibt sich
daraus, daß dieser v. Pyth. 31 von der Harmonie der Sphären spricht und
dort die 7 Planeten, die Fixsternsphäre und die Gegenerde als die neun
singenden Musen erwähnt, deren Harmonie Pythagoras hört. Auch Sahra-
stänl übersetzt diese Stelle so, daß Pythagoras den Klang der himmlischen
Sphären wirklich hört (Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles [1954]
15): „Niemals habe ich gehört etwas Süßeres als ihre Bewegungen und nie-
mals gesehen etwas Schöneres als ihre Gestalten und Formen." Hier ist also
vom wirklichen Hören und Sehen die Rede. Auch v. Pyth. 30 sagt Porphy-
rios ganz klar, daß Pythagoras die Harmonie der Himmelssphären wirklich
hörte, und daß wir nur wegen der Minderwertigkeit unserer „Natur"
dieselben nicht hören können. Wir müssen die Hörbarkeit dieser wirklichen
Töne betonen: das ist Urpythagoreisches, was später, wie wir noch sehen
werden, in neuplatonischem Sinne „vergeistigt" wird.
Zu unserer Stelle (269, 1) ist noch zu bemerken, daß der Nous und die
9 Himmelssphären „wie die Substanz und die 9 Akzidenzen sind": der Nous
enthält die Zahlenverhältnisse, Zahlenharmonien ( 1 : 2 , 2 : 3 , 3 : 4 usw.),
welche die Himmelssphären — mit Hilfe der sie bewegenden Seelen — nach-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 57

ahmen. Wieder ist der Nous die Substanz, welche die Akzidenzen (die Seelen
und Körper) „hält".
Im Folgenden ist ganz im urpythagoreischen Sinne gesagt, daß die
seienden Dinge nur aus der Zahl und den Maßen erkannt werden können. Die
Erwähnung des Schöpfers ist natürlich SahrastänI's Zutat.
Alsdann wird behauptet, daß „das dem Einen Gegenüberstehende sei
der erste Grundstoff . . . , und er nennt es die erste Hyle. Dieses ist das Eine,
an dem teilgehabt w i r d . . . Denn nicht besteht Seiendes, ohne daß in ihm
wäre von seinem (des Grundstoffs) Einssein ein T e i l . . . " Diese schwierige
Stelle kann bedeuten, daß dieser erste Grundstoff die ύ λ η νοητή, die intelli-
gible, geistige Materie ist. Was ist diese geistige Materie ? Bei Plotinos 2,4
liest man, daß, wenn auch die „ E i d e " (die Urformen, Urbilder, die Genera und
Arten, aber auch die Urbilder, Keimformen der Personen) im Nous viele
sind, doch notwendigerweise etwas Gemeinsames in ihnen sein müsse, aber
auch etwas Eigentümliches und Besonderes, wodurch sie voneinander ver-
schieden sind. Dieses Eigentümliche ist für jedes Eidos die ihm eigentüm-
liche, ihm angemessene Gestalt und Form. Wenn aber die Form da ist, muß
auch das Geformte da sein. Es ist also auch die Materie da (im Nous), welche
die Gestalten empfängt, in sich aufnimmt (δέχεται) und die Grundlage
(τό ύποκείμενον) für sie bildet. Übrigens, sagt Plotinos, ist die sinnliche
Welt Nachahmung der geistigen Welt, des κόσμος νοητός; wenn also hier
eine π ρ ώ τ η ύλη, prima materia ist, welche als ein ganz und gar qualitätsloses
Substrat (ύποκείμενον) die Formen, Qualitäten empfängt, aufnimmt, so muß
auch im Nous das Vorbild dieser qualitätslosen Materie: die geistige Ma-
terie da sein. Diese geistige Materie ist mithin eine noch unbestimmte Mög-
lichkeit des Seins, die erst geformt werden muß, um ein begrenztes, be-
stimmtes Seiendes zu sein. Wirklich führt Plotinos 2, 4 aus, daß in der Welt
des Nous die Materie das Unbegrenzte, Unbestimmte (τό άπειρον) bedeute,
das aus dem εν entstanden ist. Ist doch das εν selbst—abgesehen davon, daß es
das iv ist — , ganz imbestimmt; es birgt die Möglichkeit und K r a f t (δύναμις)
der unendlich vielen Emanationen in sich, welche ihr Sein ihm verdanken.
Auch was man bei Sahrastäni von Empedokles liest (Altheim-Stiehl,
a. 0. 30): „Der Schöpfer habe das einfache Etwas geschaffen, welches das
erste einfache νοητόν (Intelligibles) und der erste Grundstoff ist" — be-
zeugt dasselbe.
Also jedes Wesen hat einen „ T e i l " von diesem geistigen Grundstoff:
indem es überhaupt existiert, hat es an dem Sein teil. Natürlich ist ein „ T e i l "
58 QUELLENFRAGEN

in jedem auch von der Führung des Verstandes, weil jedes Seiende eine Form,
Gestalt hat und zu einer Gattung und Art gehört. Außerdem enthält jedes
Seiende aus der Kraft (δύναμις) der Seele einen Teil, weil die Seele es ist,
die jedes Seiende gestaltet, belebt, bewegt, zusammenhält. Es gibt „Spuren"
der άρχαί (des 2v, Nous und der Seele) in den zusammengesetzten Dingen;
die Kräfte, Ausstrahlungen der höheren Mächte erhalten die sinnlichen
Dinge: ohne Einheit, Ordnung, Zahl, Gestalt bestünde nichts.
Auch Sahrastäni sagt im Nächstfolgenden: „Keine Mischung entbehrt
einer gewissen Proportion". Das sich Anschließende mag bedeuten: die
organische Vollendung (die wohlgeordnete Organisation) ist άρχή, Bedin-
gung der Bewegung; die seelische Vollendung, gute Organisation der Sinnes-
organe ist Bedingung der Wahrnehmung. Diese alle fordern eine gute Pro-
portion, Zahlenharmonie in der Gestaltung des Lebewesens.
Derselbe Gedanke wird weitergeführt im folgenden Absatz: „Da
die geometrischen Verbindungen nach der Weise zahlenmäßiger Entspre-
chungen geordnet worden sind, zählen wir sie gleichfalls zu den άρχαί." Die
geometrischen Verbindungen sind Dreiecke, Quadrate usw., und die daraus
gebildeten regelmäßigen Körper, natürlich Kreis und Kugel (Sphära) immer
Inbegriffen, als Grundformen der Himmelskörper und ihrer Bahnen: sie sind
alle (sowohl die irdischen als auch die himmlischen Körper) Verkörperungen
von Zahlenharmonien.
Was 270, 6 gesagt wird, kann bedeuten, daß die vier Naturen die vier
Elemente (Feuer usw.) sind; aber auch der Gedanke mag mitspielen, daß
die Elemente der Körper der Punkt, also die Eins; die Linie, also die Zwei;
die Fläche, also die Drei (Dreieck, als Element der Flächen), und die Vier
(Tetrahedron als der einfachste Körper) sind. Daß die Seelen, die seelischen
Fähigkeiten vier betragen (Verstand, Urteilskraft, Wissen und die Sinne),
ist wahrscheinlich spätere Einteilung. Bei Philolaos ist die Einteilung der
Seelen- und Lebenskräfte die folgende: „Der Kopf ist des Verstandes (νόου),
das Herz der Seele (ψυχής) und der Empfindung, der Nabel der Verwurze-
lung und des Emporwachsens des Embryo, das Schamglied des Samenwerfens
und der Zeugung" (fr 13; das Zitat wird der Ubersetzung K. Kerenyi's ver-
dankt: Pythagoras u. Orpheus 20).
Wie dem auch sei, die Zahl Vier ist eine grundlegende, heilige Zahl bei
den Pythagoreern: die heilige Tetraktys. Die vier Himmelsrichtungen kön-
nen dabei eine Rolle spielen. Und die Vier ist die charakteristische Zahl
uralter, auch der altmediterranen Kulturen.
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 59

6
Jetzt kommt man zur Stelle, die den Unterschied des Altpythagorei-
schen und Neuplatonischen am sinnfälligsten verdeutlicht. 270, 18 Cureton
wird dargestellt, daß die Welt — nach Pythagoras — „aus einfachen geisti-
gen Tönen zusammengesetzt sei. Die geistigen Zahlen sind nicht teilbar,
sondern einheitliche Zahlen . . . " Dies kann bedeuten: im Nous sind die Ur-
bilder der Zahlen da, somit auch die Zahlenproportionen wie 1 : 2, 2 : 3, 3 : 4,
welche die grundlegenden Harmonien ergeben. Und die Entfernungen der
Himmelskörper sind nach diesen harmonischen Zahlenverhältnissen ge-
regelt, ebenfalls ihre Geschwindigkeiten. So kann man sagen, daß die Welt
aus geistigen Tönen, also Zahlenharmonien zusammengesetzt ist.
Auch die Kristalle und die Körper der Lebewesen: die Blumen, die
Blätter und die tierischen und menschlichen Körper haben Symmetrie und
damit geometrische Struktur. Ebenso haben die Pythagoreer die Rolle des
Goldenen Schnittes (aurea Sectio) in Natur und Kunst früh erkannt. Der
Goldene Schnitt liegt vor, wenn eine Linie so geteilt wird, daß die ganze
Linie sich zum größeren Schnitt so verhält, wie der größere Schnitt zum
kleineren. Der Goldene Schnitt ergibt immer irrationale Zahlenverhält-
nisse, so daß man ihn nur annäherungsweise veranschaulichen kann, etwa
13 : 8 = 8 : 5 (das Produkt der äußeren Glieder ist 65, während das Produkt
der inneren 64 ist, also ist diese Proportion nur eine Annäherung des wirk-
lichen Goldenen Schnittes).
Den Goldenen Schnitt kennt Eukleides (elem. 2, 11). Aber vor ihm
kannten ihn schon die Pythagoreer (S. Heath, A History of Greek Mathe-
matics [1921] 161; P. H. Michel, De Pythagore k Euclide [1950] 526f.).
Also: die ganze Welt ist eine Zahlenharmonie. Deren Urbilder sind im
göttüchen Nous, als reingeistige Urzahlen da. Darin stimmen Neupytha-
goreer (Nikomachos, theol. arithm. 1, 6: die Zahl besteht im voraus im
Geiste des weltbildenden Gottes, als rein-geistige, ganz und gar immaterielle
Zahl, welche das ewige Wesen von Allem bildet, damit nach ihrem Vorbild,
als nach einer kunstvollen Proportion die Zeit, die Bewegung, die Himmels-
welt, die Sterne und ihre Bahnen vollendet werden) und Neuplatoniker
(Plotin. 4, 6) überein. Und weil sinnfälliger Ausdruck der Zahlenharmonie
eben die Harmonie der Töne ist, konnte Sahrastänl sagen, daß die Welt aus
einfachen geistigen Tönen zusammengesetzt sei.
Diese Zahlen sind nicht teilbar (und nicht addierbar), weil sie je eine
charakteristische Einheit sind; eine Einheit ist die Trias, als Urtyp des Drei-
60 QUELLENFRAGEN

ecks usw.; ebenso ist die Vier Urtyp des Tetrahedrons, also des Körpers.
Diese Zahlen haben also charakteristische Qualitäten: jede von ihnen ist
eine solche Individualität.
„Die Welt, die reine Freude ist hinsichtlich des schöpferischen Ursprungs"
(271, 1 Cureton) ist gewiß die Welt des Nous, wo die Zahlenharmonie, will
sagen: die geistige Harmonie, ganz rein ist; darum ist sie reine Freude.
Natürlich, in der Vorstellung SahrastänI's konnte der harmonische Gesang
der Engel sich damit verbinden, wie dies seine Übersetzung von v. Pyth. 31
zeigt (Altheim-Stiehl, a. O. 15).
Die Sprache besteht dort „oben" aus diesen rein geistigen Tönen, Har-
monien. Die Sprache hier unten besteht aus zusammengesetzten Tönen. Ob
diese niedere „Sprache" die irdische Musik oder die eigentliche Sprache be-
deutet, kann man nicht entscheiden. Der Satz: „Die Freude (hier unten) sei
nicht auf dem Höhepunkt der Vollendung, weil der Ton sich nicht auf dem
Höhepunkt der Übereinstimmung (Harmonie) befinde" — scheint auf
irdische Musik hinzuweisen.
Liegt hier Gegenüberstellung der reingeistigen Harmonie, himmlischen
„Musik" und der irdischen Musik vor, so treten in den Fragmenten Theo-
phrasts bei Sahrastänl (337, 20 Cureton; oben 3, 131t.) die irdische Musik,
das Singen, der eigentlichen Sprache gegenüber. Es wird gesagt, daß diese
irdische Musik sich der rationalen Erklärung entzieht und in der Seele
Traurigkeit erweckt. Ebenso sagt Theophrast (338, 4 Cureton): „Die Seele
ist gegenüber den Tönen, wenn sie verhüllt sind, aufmerksamer": auch dies
bezieht sich auf die irdische Musik.
Hingegen ist im Abschnitte über Pythagoras (270, 18 Cureton, dem wir
uns wieder zuwenden) von den reingeistigen Tönen (Zahlenharmonien)
die Rede. Die Harmonie der Sphären ist schon eine „Nachahmung", also
eine körperliche Verwirklichung der reingeistigen Zahlenharmonie; dann
kommt unsere irdische Musik, die schon Nachahmung, will sagen: der himm-
lischen Sphärenharmonie, der Harmonie der Gestirne, ist. In diesem Ab-
schnitt sind reingeistige Harmonie und „Musik" der irdischen Musik gegen-
übergestellt. In den theophrastischen Fragmenten bei Sahrastänl fällt kein
Wort von den reingeistigen Tönen. Dort ist irdische Musik der Sprache
gegenübergestellt. Soviel mag man zugeben, daß auch die irdische Musik der
himmlischen und reingeistigen „Musik" näher ist als die Sprache, und inso-
fern besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Bemerkungen Theo-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 61

phrasts über die Musik und den hier mitgeteilten, neuplatonisch gefärbten
„pythagoreischen" Lehren.
Pythagoras selbst hat natürlich nicht die hörbare Harmonie der Sphären
und der irdischen Musik von der reingeistigen Zahlenharmonie unterschieden.
Eine reingeistige Zahlenharmonie existiert für ihn gar nicht: die hörbare
Musik, Harmonie ist für ihn sinnlich-geistig zugleich. Die Zahlenharmonien
existiren nur in den geometrischen und physischen Körpern und in den
Törten usw.: die Welt ist sinnlich-geistig zugleich. Auch Musik bezeugt, daß
sie sinnlich-geistig zugleich ist als Ausdruck der Seele. Für den gesunden
Menschenverstand ist Musik und jede Kunst sinnlich und geistig zugleich.
Geistig, weil sie Ausdruck von Zahlenharmonien und seelischen Erlebnissen
ist. Aber auch die Natur ist sinnlich-geistig zugleich: eine Blume, ein Blatt
ist vollkommene Symmetrie, Zahlenharmonie. Der Körper der Lebewesen
ist nach den Gesetzen der Statik und Dynamik aufgebaut. ,,Die Knochen-
bälkchen (im Inneren des Oberschenkelknochens) sind genau in der Rich-
tung der Zug- und Drucklinien angeordnet. Ein denkender und rechnender
Baumeister hätte es nicht bessermachen können" (Karl Frisch, Du und das
Leben. [1936] 55)· Natürlich ist dies Ergebnis einer übertausendjährigen
Anpassung: aber die Anpassung verläuft intelligent, zweckmäßig, nicht aufs
Geratewohl. Pythagoras hatte Recht: die ganze Natur ist Zahlenharmonie.
Auch die musische Harmonie ist sinnlich-geistig zugleich, wie alles in dieser
Welt. Pythagoras ist der Moderne, uns Verwandte, im Gegensatz zu den
Dualisten, welche Sinnenwelt und Geisteswelt in Gegensatz stellen, eine reine
Geisteswelt hypostasieren. Obwohl, wie gezeigt wurde, das ewige Reich des
Nous eigentlich die ewige Gültigkeit der Naturgesetze und moralischen Ge-
setze bedeutet.
Es folgt der Abschnitt, der mit 271, 1 Cureton beginnt: „Jede Welt sei
unter der ersten der Rangordnung nach, . . . Die letzte der Welten sei die
Hefe der Welten, deren Schwerstes und Unterstes."
Dazu läßt sich Folgendes bemerken: Nach Philolaos (Aetios 2, 7, 7)
heißt der äußerste Himmel, wo die Elemente (wahrscheinlich nur das
Feuer) am reinsten sind, Olympos. Darunter befindet sich der Kosmos, die
fünf Planeten mit der Sonne und dem Monde. Endlich unter dem Kosmos
ist der Uranos: die Erde und ihre Umgebimg. Auch dies ist eine Rangord-
nung. Doch unterscheidet sie sich von der bei SahrastänT dargestellten
neuplatonischen, insofern die oberste „Sphäre", die des Nous also, eine
reingeistige Sphäre ist, die ihrerseits die Substanz der stofflichen, himm-
62 QUELLENFRAGEN

lischen Sphären bildet, weil sie deren Wesen, die Zahlenproportionen, rein
enthält.
Doch die oberen himmlischen Sphären sind vollkommener, weil die Welt
der Sterne nach den Alten ewig, unveränderlich ist. Darum ist die unterste,
schwerste, also unsere Erde, die minderwertigste: „die Hefe" der Welt 1 ,
weil in ihr die Elemente sich miteinander mischen und die Wesen in ihr
werden und vergehen; weil eine beständige Mischung und Scheidung, Tren-
nung der Elemente, Assimilation und Dissimilation ihr Leben bildet. Nur
darum besteht diese niedrigste der Welten, weil „ein wenig Licht vom ersten
Licht auch in ihr ist". „Wegen dieses Lichtes befindet sich in ihr eine Art
Beständigkeit. Ohne diese Beständigkeit würde die unterste Welt nicht
einen Augenblick bestehen". Dieses Licht ist offenbar das Licht des Geistes:
die Ausstrahlung der Dynamis des Nous, die Geltung der Naturgesetze, die
mathematische Ordnung, ohne die jene Sinnenwelt wirklich nicht einen
Augenblick bestehen könnte. Im folgenden Satz drückt Sahrastänl den-
selben Gedanken mit seinen Worten aus: „Dieses wenige Licht sei der Kör-
per der Seele und des Verstandes, der beide trüge in dieser Welt." Gleich
als sei dieses Licht eine Ausstrahlung des εν und des Nous, der den Verstand
und die Seele in dieser Welt „trägt".
Etwas ähnliches kommt bei Porphyrios in seiner Schrift: „De regressu
animae" vor. Nach J. Bidez (Vie de Porphyre [1913] 89f.) gibt es ein vehi-
culum (δχημα) der einzelnen Seelen: der Hauch (πνεύμα), der aus dem Äther
kommt. Indem er die Sphären der Planeten durchwandert, um auf die Erde
zu gelangen, belädt er sich mit Teilchen, deren Mischung unser Tempera-
ment bestimmt. Die Vorstellung dieses vehiculum, das ursprünglich aus dem
leuchtenden Äther kommt, kann hier eine Rolle spielen.

7
„Er lehrte, der Mensch sei durch das Gesetz der Natur zum Gegenbild
der ganzen Welt geworden. Er sei eine kleine Welt . . . ". Daß der Mensch
ein Mikrokosmos ist, war bisher aus Demokritos (fr. 34) bekannt. Aber der
Gedanke kann auch Pythagoras gehören, besonders durch die Begründung:

1 „Die Hefe der Welt" ist wahrscheinlich ein Ausdruck aus der orphischen Kos-

mogonie, derzufolge die Erde ύποστάθμη καΐ Ιλύς τοΟ τταντό*: Bodensatz, Hefe und
Schlamm des Weltalls ist (Plutarch, fac. lun. 940 1 und Orph. fr. 57 Kern). Wir ver-
danken diese Zitate K. Ker6nyi in: Hermes 66, 438.
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 63

„durch das Gesetz der Natur". Die Gesetze der Mathematik sind überall
gültig, das Wesen der Dinge ist überall die Zahl: diese Begründung macht
erst diesen Satz verständlich.
Und eben darum, weil auch die Seele eine Zahlenharmonie ist, kann sie
die Zahlenharmonie des Kosmos erkennen, weil „Gleiches durch Gleiches
erkannt wird" (dies ist Grundsatz der griechischen Erkenntnistheorie).
Im Folgenden wird gesagt: „Die menschliche Seele gleiche zahlenmäßigen
und musikalischen Verbindungen und darum harmoniere die Seele mit den
Harmonien der Töne, werde erfreut, verwirrt, traurig infolge des Hinhörens
auf sie."
Dazu sei bemerkt, daß hier wirklich eine Parallele zu den Fragmenten
Theophrasts bei Sahrastänl vorliegt. Denn 337, 20 Cureton wird gesagt, daß
durch die Musik Traurigkeit in der Seele erweckt werde. Und durch die
Musik werde auch jeder Zwiespalt in der Seele aufgehoben: die Seele wird
zu einer Einheit. Das stimmt mit den Lehren Pythagoras' überein. V. Pyth.
33 berichtet Porphyrios, daß Pythagoras sowohl die Seele als auch den Kör-
per mit Musik heilte. „Es waren Gesänge, durch welche Pythagoras die
Traurigkeit vergessen ließ, die Affekte besänftigte, und die ungehörigen,
überflüssigen Begierden beseitigte." Aber ebenso „hatte er heilende Ge-
sänge auch gegen die Krankheiten des Körpers, durch die er den Kranken
geholfen hatte".
Also für Pythagoras bildete Leib und Seele eine organische Einheit: der
ganze Mensch wurde durch die Musik geheilt. Bei Theophrast erscheint schon
der Dualismus, indem er sagt (338, 2 Cureton): „Der Gesang ist nach Pytha-
goras etwas, was der Seele zugehört, in keiner Weise aber dem Körper —
der Körper nämlich wendet die Seele ab von dem, was ihr Heil bringt."
Daß auch der Körper durch die Musik geheilt werden kann, findet seine
Begründung in eben diesem Absatz bei Sahrastänl (gegen Ende): „Es gibt
in der Welt nichts außer der Verbindung, und zwar sind die Körper und
die Akzidenzen Verbindungen (Harmonien)": weil auch die Körper und ihre
Zustände und Eigenschaften (das sind die Akzidenzen) Verbindungen, har-
monische Zahlenverhältnisse von Warmem und Kaltem, Feuchtem und
Trocknern, Süßem und Bitterem usw. sind, können diese Verbindungen, wenn
ihre richtige, gesunde Proportion gestört wurde, wieder hergestellt werden;
man kann durch harmonische Musik die richtige Proportion der Gegensätze
im Körper wieder zurechtrücken. In dieser Hinsicht bewahrt unsere Schrift
die urpythagoreische, natürliche Anschauung, die Aristoteles in seiner Meta-
64 QUELLENFRAGEN

physik (D 58 A 4) so forniulierte: „Die ganze Welt ist Harmonie und Zahl."


In dem Sinne ist auch der Mensch ein Mikrokosmos.
Wir haben die Stelle bei Sahrastänl angeführt, nach der „die mensch-
liche Seele zahlenmäßigen und musikalischen Verbindungen gleicht".
Natürlich nicht nur die menschliche: sie ist die Ausstrahlung der Weltseele,
welche die reinste Verwirklichung der reinen Zahlenharmonien ist, die im
Nous angeschaut werden und nach denen sie die Bahnen und Bewegungen der
Himmelskörper gestaltet, belebt, bewegt. Dieser Gedanke entstammt Pia-
ton, der in seinem Timaios die Weltseele vom Demiurgos, dem weltbildenden
Gott, nach den Zahlen der musikalischen Konsonanzen gestaltet werden läßt;
infolgedessen bewegt die Weltseele die Himmelskörper, die in die Welt-
seele eingefügt werden, harmonisch. Dazu sei bemerkt, daß diese Welt-
bildungsgeschichte, die im Timaios dargestellt wird, nach Piatons Äußerung
mythisch ist, und nach den Deutungen der platonischen Akademie und der
Neuplatoniker nur eine bildliche ist. Die Welt besteht ewig auch nach Pia-
ton ; nur um der Anschaulichkeit willen hat er die Bestandteile der Welt als
in der Zeit nacheinander entstandene Dinge dargestellt, wie der Geometer
die ewigen geometrischen Figuren in ihrer Entstehung den Schülern vor-
führt. Nach Piaton ist also Seele in der ewigen Welt da, weil die Welt sich
bewegt (die Seele ist die belebende Kraft), und zwar nicht aufs Geratewohl,
sondern nach Zahlen, Maßen sich bewegt, also Verstand, Seele in der Welt
ist. Im Wesen ist dies die Auffassung von Pythagoras; Pythagoras ver-
zichtete indessen auf ausdrückliche Betonung dessen, daß die Welt eine
Seele hat, weil dies ihm selbstverständlich war: das Ureine atmet, lebt also
und hat eine Seele.
In diesem Absatz ist der Erziehungsgedanke in aristotelische Katego-
rien eingekleidet. Der Mensch, der seine Anlagen ausbildet und seine Seele
rein hält, vereinigt sich mit der Welt der zahlenmäßigen Verbindungen und
tritt in einen schöneren, vollendeteren Zustand ein, als es der erste war
(272,1 Cureton). „Denn die ersten Verbindungen sind unvollendet, bestehen
nur als Möglichkeit, und können nur durch Übung und Wetteifer zur Grenze
des Vollendeten gelangen, indem sie von der Möglichkeit zur Grenze der
Wirklichkeit, des Aktes übergehen". Das aristotelische Begriffspaar:
Dynamis und Energeia, potentia und actus sind hier die Denkformen,
in die der pythagoreische Erziehungsgedanke eingekleidet wird. Übrigens
hatte auch Aristoteles in der Erziehung zur Tugend die Rolle der Übung
betont.
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 65

Pythagoras dachte, daß neben den Gesetzen, Gebeten, Reinigungen und


den übrigen religiösen Handlungen auch die mathematischen Wissen-
schaften und die Musik die Seele reinigen, in die Welt der Harmonie er-
heben : die kathartische Wirkung der Musik ist für den Pythagoreismus die
grundlegende Lehre. Wir haben gesehen, wie er Seele und Körper durch
Musik reinigte. Bei Sahrastänl sind Gebet und die anderen religiösen Hand-
lungen betont, der islamischen Religiosität entsprechend. In der griechischen
Welt ist Wissenschaft: Religion, weil die Göttlichkeit der Welt in ihrer
Ordnung und Schönheit besteht.
Für den Pythagoreismus bildet das wichtigste Mittel der Katharsis die
Musik. Sind doch die musikalischen Konsonanzen Zahlenharmonien, eben
dieselben, welche im Nous vorgebildet und dann in der Harmonie der
Sphären, im Makroskosmos sinnfällig verwirklicht sind. Der Mensch ist ein
Mikrokosmos, er kann also in den Zustand der kosmischen Harmonie ge-
langen, wenn er die Musik, die „Nachahmung" der himmlischen Zahlenhar-
monie auf sich wirken läßt. Und die erhebende, beruhigende, bezaubernde
Wirkung der Musik ist allgemeine Erfahrung.
Sahrastänl drückt sich etwas zu vorsichtig aus, wenn er sagt, daß „Pytha-
goras nahe daran ist zu sagen, es gebe in der Welt nichts außer der Verbin-
dung" — hat doch Pythagoras gesagt, daß die ganze Welt Harmonie und
Zahl ist. Harmonie bedeutet Verbindung, Zusammenfügung, also Zusam-
menfügung der vier Elemente, der gegensätzlichen Qualitäten (des Warmen
und Kalten usw.) nach Zahlenverhältnissen, Proportionen: die musikalische
Harmonie ist nur ein Fall der „Verbindungen".

Der letzte Teil des Traktats (277, 1 und 278, 2) ist am meisten mit neu-
platonischen und sogar islamischen Gedanken durchtränkt. 277, 1 wird ge-
sagt, Pythagoras habe das Zugrundegehen der Welt behauptet.
Die Begründung ist, daß „die Welt erreichen wird den Ursprung . . . und
wenn sie ihn erreicht, dann legen sich ihre Bewegung und vermehren sich die
höheren Freuden: die aus Tönen bestehenden Verbindungen".
Dazu muß man bemerken: weder Pythagoras noch die Neuplatoniker
haben das Zugrundegehen der Welt behauptet; die letzteren haben sogar
Einspruch erhoben gegen den Gedanken des Weltuntergangs. Philolaos hat
zwar von Sintflut und Verwüstung durch Feuer gesprochen (D. 44 A 18),
5 Altheim, Hunnen V
66 QUELLENFRAGEN

aber diese Katastrophen haben wahrscheinlich nur einen Teil der Erde und
Menschheit verheert, wie die bei Piaton (Timaios 22c-e und Nomoi 677a-d)
erwähnten Katastrophen.
Pythagoras lehrte dagegen, daß eine periodische Wiederkehr der Kon-
stellationen und damit auch der Menschen und Ereignisse stattfindet
(D. 58 Β 34). Der Lehrer wird ebenso mit dem Stab in der Hand den-
selben Schülern Vortrag halten usw. „Wenn Sonne, Mond und die Planeten
nach dem Ablauf regelmäßiger Fristen wieder in die am Beginn derselben
eingenommenen Stellungen zurückkehren", dann vollendet sich ein Welt-
jahr, und beginnt ein Neues. Mit diesem Welt jähr konnten die Pythagoreer
die zyklische Wiederkehr der Menschen und Ereignisse verknüpfen (S. Gom-
perz, Griechische Denker 1, 1 1 6 — 1 1 8 ; Piaton, Timaios 39).
Zyklische Wiederkehr also und kein Weltuntergang ist die pythago-
reische Lehre. Piaton ist auch darin den Pythagoreern gefolgt.
Zeitliche Weltschöpfung, Schöpfer und das nahe Weltgericht, Welt-
untergang sind aber die Lehren Mohammeds. Das in glühenden Farben ge-
haltene Gemälde vom Weltuntergang und Weltgericht ist kennzeichnend
für den Islam.
Nach Pythagoras hört die Bewegung der Welt keineswegs auf. Sondern,
wenn sie den Ursprung, die ursprüngliche Konstellation wieder erreicht hat,
fängt sie von neuem an. Warum sollte der Kosmos, die ewige Zahlenhar-
monie aufhören ?
Natürlich werden bei Sahrastänl die Freuden der Gerechten mit philoso-
phischen Farben gemalt: die höheren Freuden sind die aus Tönen beste-
henden Verbindungen, also Harmonien: aber wie im nächsten Abschnitt
geschildert wird, sind diese Harmonien geistige Tonharmonien. Also erhebt
sich die reine Seele zur Welt der Weltseele und des Verstandes. Statt der
Huris genießt sie philosophische Freuden!
War dieser Abschnitt in Farben des islamischen Glaubens gehalten, ist
der folgende neuplatonisch: (278, 2 Cureton) Pythagoras wurde emporge-
hoben, weg von der Welt der natürlichen Dinge zur Welt der Seele und des Ver-
standes. Da erblickt er die abstrakten Formen und hört geistige Töne. Was
können diese abstrakt-geistigen Dinge sein? Wir haben schon erwähnt, daß
im Nous die Grundzahlen und die Proportionen der Zahlen, darunter die Pro-
portionen der konsonanten Intervalle da sind, als Muster für die Harmonie
der Sphären. Dies kann die geistige Tonharmonie sein. Daneben ist wichtig
Plotins Äußerung: 2, 4, 9. Was die weiße Farbe und die anderen bunten
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN T R A K T A T E S 67

Farben in den Lebewesen verursacht, ist keine bunte Farbe, sondern der
Logos der „Buntheit". Was kann dieser Logos der Buntheit sein ? Nicht der
Begriff, denn dagegen protestiert Plotinos lebhaft (6, 6, 6), sondern, wie bei
den Tönen, die Zahlenverhältnisse, die die Qualität der einzelnen Farben
bestimmen: die Keimformen der Farben (λόγοι σττερματικοί, wie der von
der Stoa übernommene Terminus heißt).
Pythagoras aber war weit entfernt davon, daß er an abstrakte Formen
und reingeistige Töne gedacht hätte. Er hörte die sinnliche Harmonie der
Sphären und schaute die schönen Gestalten und Formen der Gestirne, wie
Sahrastänl selbst v. Pyth. 31 frei übersetzend sagt. Er wollte nicht empor-
gehoben werden weg von der Welt der natürlichen Dinge: er schaute die
Zahlen in der Natur, die aus den Zahlen aufgebaut und geformt ist. „Ab-
strakte Formen": schon der Begriff der Abstraktion rührt erst von Aristo-
teles her (Met. 1061 a 29: άφαίρεσις. Der Mathematiker abstrahiert die
quantitativen Verhältnisse und geometrischen Formen von den übrigen Qua-
litäten).
Pythagoras würde nie sagen, daß, was in dieser Welt ist, ein geringes
Maß an Schönem umfasse, weil es von der Natur verursacht ist. Natur war
für ihn die verkörperte Zahl und Harmonie. Was kann es Schöneres geben
als das, wo alles Zahlenharmonie, Symmetrie, Proportion ist ?
Bei Sahrastänl hingegen werden die oberen Sphären immer schöner, bis
man zur Welt der reinen Seele und der reinen Vernunft gelangt.
Und je ferner man von dieser geistigen Welt ist, desto minderwertiger
ist sie. Der unterste ist der Körper, weil er der Führung durch die Natur
bedarf, und so geht es hinauf zur Seele und zum Verstand. Was hier über-
einanderliegt, all dies sah Pythagoras immanent, in der Natur, als deren
konstitutive Elemente.
Wenn wir das Ganze zusammenfassen: der Kontrast ist groß zwischen
Pythagoras, der die Zahlenharmonien, die Seele und den Geist als der Natur
immanent begriff, und den Neuplatonikern, die diese organischen Bestand-
teile der Natur: Seele, Geist, Einheit hypostasierten. Aber sie dachten doch,
daß Einheit, Nous, darin die Urbilder des Seins „nirgends und überall"
sind, also überall gültig sind.
Sahrastänl folgt den Spuren des Neuplatonikers Porphyrios, aber er ver-
mischt damit die islamischen Lehren vom Schöpfer und vom Weltuntergang,
welche der hellenischen Weltanschauung, auch den Neuplatonikern, fremd
sind.

68 QUELLENFRAGEN

Die Hauptquelle unserer Schrift wird Porphyrios' Φιλόσοφος Ιστορία


sein, die unbedingt in der Zeit entstanden ist, als Porphyrios die Lehren des
Plotinos ganz angenommen hatte, also in Rom.
Wie weit sich die neuplatonische Weltanschauung vom Islam entfernt,
beweist auch die Tatsache, daß Porphyrios in seiner Schrift „Gegen die
Christen" sich darüber empört, daß die Christen glauben können, daß Gott
das schöne Weltgebäude zerstören werde und die minderwertigen Leich-
name auferstehen läßt; ebenso Plotinos gegen die Gnostiker: 2, 9, 4 und 6,
7, 8. Und Porphyrios betont, daß Gott nicht allmächtig ist, weil er die
mathematischen Wahrheiten nicht verändern kann: 2 mal 2 muß 4 sein.
Also die Geltung der mathematischen Gesetze ist absolut: bei den Neupla-
tonikern ist der Nous der Inbegriff dieser ewigen Gesetze. Göttlichkeit ist
also: Gesetzlichkeit, ewige Geltung der Naturgesetze. Die Griechen können
sich keinen Gott vorstellen, der die Naturgesetze verändern, die Welt zer-
stören könnte.

EXKURS

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß das plotinische iv, von dem
man nichts aussagen kann, sein Dasein dem Mißverständnis der ersten Hypo-
these des platonischen „Parmenides" (137 c—142 a) verdankt, und kurz ge-
zeigt, daß auch das platonische ά/αθόυ (Staat 509b) nichts Irrationales ist.
Wir wollen jetzt uns mit dieser Frage beschäftigen, weil Paul Henry S. J.
in seiner Einleitung zur Plotin-Ubersetzung St. MacKenna's meint, daß
„der eigentliche Gedanke Piatons von Gott und die Frage der platonischen
Religion auch heute ein Gegenstand der Diskussion ist" (S. XLII); daß man
also die Berechtigung der Identifikation des plotinischen Iv mit dem άγαθόν
und dem „Gotte" Piatons nicht beurteilen könne.
Wir werden zuerst zeigen, daß die Identifikation des platonischen άγαθόν
mit dem isolierten und darum undenkbaren εν des platonischen „Parme-
nides" ein Irrtum Plotins war. Dann werden wir an Hand der platonischen
Timaios, Philebos und Nomoi beweisen, daß die Gottheit nach Piaton
keineswegs als derart isoliert, irrational, unerkennbar, negativ gelten darf,
wie Plotin vermeint, sondern reine Vernunft, Inbegriff der mathematischen
Weltordnimg ist.
Der Satz, nach dem das άγαθόυ jenseits vom Sein mit seiner Kraft sich
auswirkt, bedeutet bei Piaton, daß tüchtige, passende Gestaltung die Be-
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN T R A K T A T E S 69

dingung des Seins für jedes Seiende ist. Wie Staat 6oid besagt: άρετή και
κάλλος καΐ όρθότης έκάστου σκεύους καΐ ζώου καΐ πράξεως ού πρός
άλλο τι ή τήν χρείαν Ιστίν „die Tüchtigkeit, Schönheit und Richtigkeit
jedes Werkzeugs, Lebewesens und jeder Handlung besteht nur in der Be-
ziehung auf den Gebrauch und das Bedürfnis". Also die Dinge verdanken
ihr Dasein ihrer Tüchtigkeit, Güte, und diese „Güte" besteht darin, daß sie
brauchbar, funktionsfähig, zweckmäßig gestaltet und darum zur Be-
friedigung der Bedürfnisse geeignet sind. Die „Güte", will sagen: Funk-
tionsfähigkeit ist die Bedingung des Seins: ein Auge, das nicht sehen kann,
ist nicht mehr Auge. Diese „Güte" ist nicht isoliert und nicht irrational.
Der Timaios lehrt (3oa-c), daß der Demiurgos, der weltbildende Gott gut
ist; daß er gewollt habe, daß alles in der Welt ihm möglichst ähnlich sei.
Und weil er wußte, daß Ordnung das beste ist, hat er eine zahlenmäßige
Ordnung in die Welt gebracht. Dieser „Kosmos" und diese Ordnung ist das
Thema des ganzen Timaios. Und eben darum, damit die Welt vernünftig:
nach Zahlenharmonien sich bewege, hat er eine mit Vernunft begabte Welt-
seele, als bewegende Kraft, zustande gebracht. Die „Gottähnlichkeit" be-
steht demnach in der mathematischen Ordnung der Welt.
Also ist der platonische Gott keineswegs irrational, sondern ist Inbegriff
alles dessen, was die plotinische zweite Hypostase enthält: der mathema-
tischen Ordnung, der Vernunft. Die „Güte" des platonischen Gottes be-
steht in seiner Vernunft, in der mathematischen Ordnung, die er im Kosmos
sichtbar offenbart.
Auch imPhilebos (28d-e) wird gesagt, daß ein ordnender Geist die Welt
leitet und erhält. In Zeus wohnt eine „königliche Vernunft", welche die
Jahre und Jahreszeiten ordnet (30c-d). Am Ende (64 ε) wird ausgeführt, daß
das άγαθόν in der Schönheit, also im rechten, passenden Maß und in der
entsprechenden Proportion besteht.
In den „Nomoi", dem letzten Werk Piatons, lesen wir, daß der Haupt-
beweis des Daseins Gottes eben die mathematische Gesetzmäßigkeit der
Gestirnbewegungen ist. Die Güte Gottes besteht darin, daß er das Gute: die
zweckmäßige, wohlfunktionierende mathematische Ordnung im Großen und
Kleinen verwirklicht hat (Nomoi 966 ε—967 b).
Also fern davon, ein irrationales Etwas zu sein, ist der platonische Gott
reine Vernunft und reine Güte.
Diese platonischen Stellen beweisen, daß die erste Hypothese im plato-
nischen „Parmenides" gar nicht das wahre Wesen eines unergründlichen,
70 QUELLENFRAGEN

weltfernen Gottes darlegt, sondern offenbart, daß eine isolierte, von der Welt
ganz getrennte Einheit — sei es Gott, sei es Idee — gar nicht bestehen kann.
Das solchermaßen ad absurdum geführte Eine ist nicht, läßt sich gar nicht
denken.
Das seiende Eine aber ist schon ein Komplex von drei Bestandteilen:
von dem Einen, von dem Sein und von der Verschiedenheit, weil das Eine
und das Sein voneinander verschieden sind. Also das „Andere", die
Quelle jeder Differenzierung, Veränderung ist schon am Anfang, in der
Wurzel da.
Wie schon erwähnt, zerteilt, differenziert sich das seiende Eine in unend-
lich viele Gattungen, Arten, Unterarten und Individuen (Parmenides 144b).
So gibt es keine Trennung, keine Scheidewand zwischen dem Einen und
Vielen, zwischen Ideen und sinnlichen Dingen. Das Eine ist zugleich Vieles.
Dies behauptet Plotinos von seiner zweiten Hypostase: dem Nous (beispiels-
weise 6, 2, 21). Der Nous ist eines und viel zugleich, weil er die Ideen aller
Wesen enthält.
Also entspricht die zweite Hypostase Plotins dem platonischen Gotte.
Wir haben gezeigt, daß diese zweite Hypostase die mathematische Ordnung
der Welt enthält, wie die zweite Hypothese des platonischen Parmenides:
die Entwicklung der Gattungen und Arten aus dem seienden Einen ist eine
zahlenmäßige Gliederung.
Nach Piaton also gibt es keinen gesonderten, überweltlichen göttlichen
Nous: der Nous wohnt im Kosmos als dessen Seele und ordnende Kraft.
Daß die zweite Hypothese im Parmenides (142 b — 1 5 5 e) die wirkliche
Gestaltung der Welt ausführt, beweisen auch die übrigen Hypothesen des
Parmenides, besonders die vierte und fünfte (157b—160b). Hier, gleichsam
vom anderen Endpunkt der Dinge ausgehend, wird ausgeführt, daß die Viel-
heit der Sinnendinge ohne Einheit nicht bestehen könne. Schon Vielheit an
sich kann nicht ohne Einheit da sein. Vor allem: ohne charakteristische
Einheiten, also ohne Gattungen und Arten (Ideen) wäre die Welt Chaos: es
bestände keine bestimmte Qualität, kein charakteristisches Ding; es gäbe
nur verworrene, flüchtige Erscheinungen. Wenn wir Feuer, Wasser, Blumen,
Menschen unterscheiden, konstatieren wir damit, daß charakteristische Ein-
heiten : Gattungen, Arten, bestimmte Qualitäten da sind.
Also wie das seiende Eine sich notwendigerweise in unendlich viele Teile
zerteilt, kann auch die Vielheit der Sinnendinge ohne bestimmende, be-
grenzende Einheiten nicht bestehen. Idee, Gestalt, Gesetz und Sinnendinge
2. BRUCHSTÜCKE EINES PYTHAGOREISCHEN TRAKTATES 71

bestehen zusammen, durch einander, in einander, wie die Götter Griechen-


lands immanente charakteristische Gestalten dieser Welt sind.
Es ist das Verdienst Kurt Riezler's, daß er den Sinn des platonischen
Parmenides dargelegt hatte. Seine Darlegungen haben den Nachweis er-
möglicht, daß die ganze „negative Theologie" sich ohne Grund und Recht
auf Piaton beruft. Piatons Gott ist der Inbegriff der immanenten Vernunft,
der mathematischen Gesetzmäßigkeit, welche unsere Welt zum Kosmos
macht.
Wir glauben damit die notwendige Richtigstellung zu den gelehrten Er-
örterungen P. Henry's geliefert zu haben.
3. K A P I T E L

NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN
GRIECHISCHER PHILOSOPHEN

i. D I E D E M O K R I T F R A G M E N T E U N D I H R E S T E L L U N G IN D E M O K R I T S
SYSTEM
I

Die in arabischer Fassung erhaltenen Sprüche Demokrits (oben 3, 131;


137f.) erlauben, die Einheit seines Systems nach mancher Richtung schärfer
zu fassen. Um diesen Nachweis zu erbringen, muß zunächst das Neuge-
fundene1 in seinen Zusammenhang gestellt werden.
Der 1. Spruch bei Sahrastäni lautet: „Die äußere Schönheit stellen die
Maler mittels Farben dar. Aber die innere stellt niemand dar, außer wem sie
wahrhaft eignet, nämlich ihr Schöpfer und εύρετής." Dieselbe Gegenüber-
stellung findet sich bei Demokrit fr. 105: „Körperschönheit ist etwas Tieri-
sches, wenn sich nicht Verstand dahinter birgt." Ebenso heißt es fr. 195 mit
Verachtung der nur körperlichen Schönheit: „Mit Gewand und Schmuck
prächtig zum Schauen ausgestattete Bilder, aber es fehlt ihnen das Herz."
Was den Menschen vom Tiere unterscheidet, ist die Einsicht (λόγος).
Dann der 2. Spruch bei Sahrastäni sagt: „Nicht ziemt sich, daß du ge-
rechnet werdest unter die Menschen, solange der Zorn dauert, der deine Ein-
sicht beseitigt und folgt deiner Begierde." Der Zorn (θυμός) und die Be-
gierde (επιθυμία) sind also etwas Tierisches: der Mensch beginnt damit, daß
er seine Affekte besiegt, mäßigt. Wie fr. 236 sagt: „Es ist schwer, mit seinem
Herzen (θυμός: Affekt) zu kämpfen; aber der Sieg verrät den wohl den-
kenden Mann." Ein solcher Sieg ist ein gemeinsames Werk der Einsicht und
Tapferkeit; die griechische Ethik ist intellektualistisch: mit allen Tugenden
muß Einsicht sich paaren, damit sie wirkliche Tugenden werden, und ohne
Einsicht ist „Tapferkeit" nur Tollkühnheit, wie fr. 214 bestätigt: „Tapfer
ist nicht nur der Besieger der Feinde, sondern auch der Besieger seiner
Lüste."
1 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden, 2. Lfg. (i960),

188—192. Jetzt in englischer Fassung in: East and West N. S. 12 (1961), i o f .


3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 73

Vergleichen läßt sich fr. 31: „Die Arzneikunst heilt die Krankheiten
des Leibes, die Einsicht befreit die Seele von Leidenschaften." Wohlgemerkt:
die Leidenschaften, Affekte sind nicht Zustände des Körpers, sondern der
Seele. Wie fr. 223 ganz scharf erklärt: „Wessen der Leib bedarf, das steht
allen leicht sonder Mühe zur Verfügung. Aber nach alledem, was Mühe und
Beschwerde erfordert und das Leben betrübt, trägt nicht der Leib Verlangen,
sondern die Taktlosigkeit der Erkenntnis." Taktlosigkeit: κακοθιγίη,
meint eigentlich: schlechte, schwache Berührungs-Fähigkeit. Jede Wahr-
nehmung erfolgt nämlich durch Berührung: die Atome, die aus den Dingen
fortwährend ausströmen, berühren unsere Seelenatome und teilen ihnen ihre
Bewegungen, Schwingungen mit. Diese Mitschwingung, Resonanz unserer
Seelenatome ist eben die Wahrnehmung. So unterscheidet man das Ange-
nehme, unserem Organismus Entsprechende vom Gegenteil, weil das Pas-
sende eine harmonische Bewegung ist und Lust in uns hervorruft; dem
entspricht fr. 188: „Die Grenze zwischen Nützlichem und Schädlichem ist
Lust und Unlust." So können die feineren Seelenatome das Überflüssige
und Schädliche von dem Natürlich-Notwendigen unterscheiden. Und jener,
dessen Seelenatome diese Unterscheidung nicht ausführen können, leidet am
Mangel der Berührungsfähigkeit. Wie man sagt, daß jemand taktlos ist, so
kann man auch in moralischer Hinsicht „taktlos" sein.
Die Seele ist also ein neuer Faktor. Sie kann auch nach überflüssigen Din-
gen Verlangen tragen, deren der Leib nicht bedarf. Fr. 159 stellt den Leib und
die Seele in scharfen Gegensatz, indem die Seele verurteilt wird, weil sie den
Leib durch Ausschweifung zugrunde richtet. Der Leib ist ein Instrument,
dessen Benutzer die Seele ist, sagt Demokrit ebenda. Dieselbe Gegenüber-
stellung begegnet fr. 187: „Die Vollkommenheit der Seele richtet die Schwä-
che des Leibes auf, Leibesstärke aber ohne Einsicht macht die Seele um
nichts besser." Die Seele ist also keine bloße „Funktion" des Körpers, die
unmäßigen Affekte und Begierden sind keine notwendigen Folgen der leib-
lich-natürlichen Bedürfnisse.
Die natürlich-notwendigen Bedürfnisse sind leicht zu befriedigen. Nach
fr. 176 ist die Natur sich selbst genügend; sie bietet alles dar, was zur Er-
haltung des Lebens notwendig ist. Desgleichen fr. 246: „Das Leben in der
Fremde lehrt Selbstgenügsamkeit: ein Stück Brot und eine Streu sind hoch-
willkommene Mittel gegen Hunger und Ermattung." Die überflüssigen Be-
gierden der Seele aber vergiften das Leben des ganzen Organismus; gemäß
fr. 233: „Überschreitet man das richtige Maß (τό μέτριον), so kann das An-
74 QUELLENFRAGEN

genehmste zum Unangenehmsten werden"; nach fr. 234: „Die Menschen


wissen nicht, daß sie selbst Macht über ihre Gesundheit haben. Indem sie
durch Unmäßigkeit ihr entgegenarbeiten, werden sie selbst infolge ihrer Ge-
lüste zu Verrätern an ihrer Gesundheit."
Nun, wenn es ein Seelenleben gibt, so hängt es von der Seele ab, ob die
unmäßigen Begierden die Oberhand gewinnen oder ob die Einsicht die
natürlichen Bedürfnisse im gehörigen Maß befriedigt. Im letzten Fall ge-
nießt der Mensch die wahre Lebensfreude (ευθυμία) zufolge fr. 191: „Le-
bensfreude erreichen die Menschen durch Mäßigkeit der Lust und Harmonie
des Lebens. Mangel und Überfluß aber pflegt umzuschlagen und große Er-
regungen in der Seele zu verursachen." Also weder Mangel noch Überfluß,
weder Askese noch Schwelgerei: das ist die griechische Ethik des rechten
Maßes. Entsprechend fr. 211: „Die σωφροσύνη: gesunder Verstand, Be-
sonnenheit, Mäßigkeit mehrt das Erfreuliche und macht die Freude noch
größer."
Auch diese dritte Kardinaltugend, Sophrosyne, ist ohne Einsicht und Er-
wägung nicht vorstellbar. Darum ist Einsicht die erste Tugend bei den
Griechen.
Wir haben gesehen, daß das gehörige Maß, die Symmetrie (richtiges Ver-
hältnis, Zusammenpassen) und Harmonie der Einsicht sowie der Affekte und
Begierden die Grundbedingung des Lebens ist. Ebenso ist es in der anorga-
nischen Natur. Leukipp, der Vorgänger Demokrits, sagt (A 14), daß
die Atome infolge der Symmetrie (des Zusammenpassens) ihrer Gestalt,
Lage und Ordnung zusammenbleiben und damit die aus Atomen zusammen-
gesetzten Dinge entstehen.
Eben im Interesse des Individuums und seiner Lebensfreude muß der
Logos siegen, damit das Leben sich in gutem Zustand erhalte. Demokrit
(A167) betont, daß die Glückseligkeit und Heiterkeit der Unterscheidung
und Beurteilung der Freuden entstammt . . . Etwas ähnliches enthält der
6. Spruch bei Sahrastänl: „Nicht ziemt sich, daß du rechnest Nutzen, in
dem großer Schaden beschlossen liegt, als wirklichen Nutzen, und daß du
rechnest Schaden, in dem großer Nutzen beschlossen liegt, als wirklichen
Schaden . . . ." Man soll keine Freude des Augenblicks wählen, wenn damit
schädliche Folgen verknüpft sind, und man soll momentane Schmerzen
wählen, wenn damit heilsame Wirkungen verbunden sind.
So soll die Urteilskraft, der Logos sich betätigen, weil wirklich nur ist,
was wirkt. Alle Atome bewegen sich fortwährend, also auch die feinsten
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 75
Seelenatome, deren Werk die Einsicht und Unterscheidung ist. Sie müssen
ihre feinsten Bewegungen fortwährend ausüben: das ist ihr natürlicher Zu-
stand. Der Stoff bei den Griechen und besonders bei den Atomisten ist keine
tote Materie, sondern Bewegung, Wirksamkeit ist sein natürlicher Zustand.
Und die Seelenatome sind eben die beweglichsten (Demokrit Α ιοί—104).
Sie sind kugelförmig, weil dies die beweglichste Form ist und weil die Seelen-
atome auch die Atome des Leibes bewegen, mit ihren Bewegungen die
eigene Bewegung der Atome des Leibes beeinflussen sollen. Also eben im
Sinne des materialistischen Determinismus müssen die Seelenatome, auch
die feinsten, die das Denken ausüben, ihre Schwingungen fortwährend ver-
richten. Es wäre ein Widerspruch, wenn eben die beweglichsten Atome ihre
Schwingungen nicht ausführten: und diese Schwingung ist Unterscheidung
und Einsicht.

Die Frage ist nur, ob der Mensch sich den Logos wirklich aneignet.
Dazu verhelfen Mahnung und Erziehung, und es helfen auch die Sprüche
Demokrits. Mit den Mahnungen dringen die Gefühle, Gedanken und die
seelische Gestalt des Mahners in uns ein. Demokrit (A 77) sagt, daß είδωλα
(Emanationen von Bildern) besonders aus den Lebewesen in uns eindringen,
welche auch die Spiegelbilder der seelischen Bewegungen, des Charakters
und Rates mitbringen, und so die Ansichten der Sender uns melden . . . So
dringen ganz im wörtlichen Sinne die Sprüche und Gedanken des Erziehers
in uns ein. Natürlich, auch böse „Einflüsse" dringen ein nach fr. 166: „Ab-
bilder nahen dem Menschen, und diese sind teils Gutes, teils Böses wirkend."
So ist die Wirkung der Erziehung ganz materialistisch erklärt. Der De-
terminismus fordert, daß jede Ursache ihre Wirkung habe: also müssen die
Mahnungen wirksam werden.
Natürlich hängt von uns, von unserer Einsicht ab, ob wir unsere Seele
den guten oder den bösen Einflüssen öffnen, ob wir die Wahrheit der be-
sonnenen, auf dem Naturgesetz ruhenden Mahnungen nicht nur erkennen,
sondern auch anerkennen.
Der 15. Spruch bei SahrastänT lautet: „Wie das Wissen ist bei einem, der
es nicht annimmt, und, wenn er es annimmt, doch nicht weiß, so ist die
Medizin bei einem Kranken, durch die er nicht geheilt wird." Kenntnisse
kann man mechanisch in sich aufnehmen, ohne ihren logischen Zusammen-
hang, Sinn zu verstehen, und ohne von ihrer Wahrheit innerlich überzeugt
76 QUELLENFRAGEN

zu sein. Erkennen ist nicht immer Anerkennen. Gegen diese oberflächliche


„Erkenntnis" sagt Demokrit: „Viele Vielwisser haben keine Einsicht"
(fr. 64).
Es gibt Leute, die mit vielen Kenntnissen nichts anfangen, daraus kein
organisches Ganzes bilden können, obwohl dies das Wesentliche ist. Darum
heißt es fr. 65: „Viel Denken, nicht viel Wissen ist zu pflegen." Aber auch
dies ist wichtig, daß die logisch durchdachte Kenntnis zur Überzeugung,
,zu Fleisch und Blut' wird. Eben darum sagt fr. 181: „Jener, der zur Tugend
mit vernünftigen Gründen überredet, erweist sich tüchtiger als der, welcher
Gesetz und Zwang anwendet . . . . Wer mit Einsicht und Bewußtsein das
Rechte tut, wird ein tapferer und geradsinniger Mann."
In solchem Sinne gilt, was fr. 83 sagt: „Die Unkenntnis des Besseren ist
die Ursache der Verfehlung".
Was heißt hier Kenntnis ? Offenbar die zur Uberzeugung und damit zur
Tat gewordene Wahrheit. Es ist nicht genug, die Gerechtigkeit zu preisen,
sondern „man muß den Unrechtleidenden beispringen. Solches Verhalten
ist gerecht und brav, das Gegenteil aber ungerecht und feig "(fr. 261). Man
kann nicht gegen seine Überzeugung handeln, und die Überzeugung ist eine
mitreißende Naturkraft: dies ist der Sinn der demokritischen und soma-
tischen Ethik: „Die Tugend ist Wissen." Wie fr. 55 sagt: „Tugendhafter
Werke und Taten soll man sich befleißigen, nicht nur der Worte." Die Worte
sind manchmal nur äußere Zierden, Deckmantel des schnöden Inneren:
„Viele, die schändlichste Handlungen begehen, führen vortrefflichste Reden"
(fr· 53a).
Eben darum sagt der 4. Spruch bei SahrastänT: „Es ziemt sich, daß du
beginnst mit den Wissenschaften, nachdem du gereinigst hast deine Seele
von den Fehlern und sie gewöhnt hast an die Tugenden."
Wissenschaftliche Kenntnisse kann man auch zu schlechten Zwecken be-
nützen. Darum spricht Demokrit so verächtlich von den „Vielwissern", die
keine Einsicht haben (fr. 64), die nur den augenblicklichen Erfolg sehen, die
Folgen aber nicht.
Demokrit, wie Sokrates, ist überzeugt, daß echte Erkenntnis, welche die
einzelnen Kenntnisse zu einem organischen Weltbild zusammenfaßt, auch
„Tugend" sei. Erhabenes Weltbild und erhabene Ethik sind untrennbar. Wer
mit Demokrit erkannt hat, daß auch ein Stück Holz darum besteht, weil
seine Atome zusammenpassen und harmonische Schwingungen ausüben,
und der große Kosmos nur durch die Harmonie der Gestirnbewegungen be-
3- NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 77

stehen kann, ist auch davon überzeugt, daß menschliche Gesellschaft und
darin das Individuum nur durch Harmonie, Gerechtigkeit, gegenseitige Hilfe
bestehen können. Nach fr. 255 sind Mitleid, Verbrüderung und gegenseitige
Hilfe die Kräfte, die die Gesellschaft erhalten; fr. 174 fügt hinzu, daß der
Gerechte Tag und Nacht heiter und unbekümmert, der Ungerechte dagegen
in steter Angst lebt.
Ohne tiefe Einsicht und Überzeugung keine folgerichtige und bewußte
Moral, ohne Moral aber keine wirkliche, wahre Wissenschaft. Wahrhaft
forschen kann man nur, wen Forschung um ihrer selbst willen interessiert.
Auch die Freude gehört dazu, die man bei Entdeckimg einer neuen Wahrheit
empfindet. Demokrit betont dies fr. 194: „Die großen Freuden stammen aus
der Betrachtung der schönen Werke"; fr. 146: „Der Geist, der sich gewöhnt,
aus sich selbst die Freuden zu schöpfen." Und nach fr. 118 wollte er lieber
einen einzigen Beweis finden, als den Perserthron gewinnen.
Demgegenüber ist die Macht, der Erfolg um jeden Preis das Ziel in vielen
Fällen. Gegen die Geltungssucht sagt Demokrit im 3. Spruch bei Sahrastänl:
„Nicht ziemt sich, daß geprüft werden die Menschen in der Zeit ihrer Demü-
tigung, sondern in der Zeit ihrer Stärke und Macht . . . " Ebenso der
9. Spruch: „Die Frucht der Macht ist die Lässigkeit . . . und (am Ende) die
Torheit und das Verbrechen." Viele Leute zeigen ihr wahres Antlitz im Be-
sitz der Macht: ihre Habgier, Rücksichtslosigkeit und Gewissenlosigkeit.

3
Der wichtigste aber ist der letzte, 16. Spruch bei Sahrastänl: „Man sagte
zu ihm: Blicke nicht! Da Schloß er die Augen. Man sagte zu ihm: Höre nicht!
Da bedeckte er seine Ohren. Man sagte: Sprich nicht! Da legte er die Hand
auf die Lippen. Man sagte zu ihm: Wisse nicht! Er antwortete: Ich kann es
nicht!"
Dazu gibt Sahrastänl zwei Erklärungen, deren erste sicherlich falsch
ist: „Er wollte damit ausdrücken, daß die inneren Dinge nicht unter den
freien Entscheid fallen . . . Weil der Mensch durch Notwendigkeit bestimmt
sei hinsichtlich seines Ursprungs, sei er ohne Herrschaft über sein Herz . . .
Deswegen gebe es, solange er sich nicht frei entscheiden könne hinsichtlich
seines Innersten, keine Möglichkeit, daß er gestalte sein Innerstes."
Nach Sahrastänl also ist der Mensch durch seine Geburt determiniert:
er wird mit einem bestimmten Temperament geboren, und daran kann er
78 QUELLENFRAGEN

nichts ändern, er ist ohne Herrschaft über sein Herz. Aber Demokrit hat
offenbar das Entgegengesetzte behauptet. Laut fr. 236 kann der wohl-
denkende Mann den Zorn, die Affekte besiegen; nach fr. 214 ist tapfer auch
der Besieger seiner Lüste . . . Und fr. 33 verkündet, daß „die Erziehung den
Menschen umformt, und durch diese Umformimg eine (zweite) Natur
schafft"; nach fr. 34 ist der Mensch ein Mikrokosmos, wo der Logos regiert;
laut fr. 180 ist die Bildung Kosmos: Ordnung, Quelle der inneren Ordnung
für die Glücklichen, und Zuflucht für die Unglücklichen; fr. 242 spricht aus,
daß „mehr Leute durch Übung als durch Natur tüchtig werden". Also ist
die physische Anlage keineswegs alles.
Die zweite Erklärung von Sahrastäni ist die richtige: „Danach meinte er
den Unterschied zwischen dem Verstand und den Sinnen, denn was die
verstandesmäßige Erkenntnis angeht, so ist nicht vorstellbar ein Sich-Ent-
fernen von ihr. Und wenn sie (die verstandesmäßige Erkenntnis) einmal da
sei, sei nicht vorstellbar, daß man sie vergesse durch freien Willen und ein
sich Abwenden von ihr — im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis".
Also der demokritische Spruch: „Ich kann es nicht!" — bedeutet, daß
man den Logos in sich nicht ersticken, gegen seine Überzeugung nicht han-
deln kann. Einzelheiten, Daten kann man vergessen, aber erlebte logische
Zusammenhänge, die Grundlinien eines physischen und ethischen Welt-
bildes nicht.

4
Manche meinen, daß ein Gegensatz zwischen dem physischen Deter-
minismus Demokrits und seinen auf Einsicht gegründeten ethischen Mah-
nungen besteht. Demokrit lehrt wirklich, daß die Kette der Ursachen keinen
Anfang hat, sondern die Ananke, die notwendige Gesetzmäßigkeit der Natur
in sich zum voraus alles enthält, was geschah, ist und sein wird (A 39). Und
Leukipp sagt (fr. 2), daß alles aus bestimmtem Grunde und durch Notwen-
digkeit erfolgt.
Das bedeutet aber nicht, daß der Mensch ein Spielball der Affekte und
des .Schicksals' ist. Wir haben gesehen, daß die natürlichen Bedürfnisse
leicht zu befriedigen sind, und die übermäßigen Begierden schon Produkte
der Seele, der Phantasie, also keine natürlich-notwendigen Phänomene sind.
Im Gegenteil: eben auf Grund des Determinismus ist alles vorausbestimmt,
damit auch die Entstehimg des Menschen, der das entwickelteste Gehirn
und damit die Fähigkeit des logischen Denkens hat. Also der Mensch, wenn
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 79

er wirklich ein Mensch ist, muß ganz natürlich seine neue, charakteristische
Fähigkeit, die ihn von den übrigen Tieren unterscheidet, ausüben. Das Ge-
hirn und damit das bewußte Denken ist naturnotwendig durch eine lange
Kette der Ursachen entstanden. Jede Tatsache aber ist nicht nur Wirkung,
sondern auch Ausgangspunkt einer folgenden Kette von Ursachen. Der ge-
sunde Menschenverstand muß also tätig sein, wirken, um so mehr, als die
Betätigung aller Organe (das Schwimmen, Turnen) Freude verursacht. Es
ist also natürlich-notwendig, daß der Mensch seine spezielle Tätigkeit aus-
übt und die spezielle menschliche Freude des Denkens empfinden will.
Demokrit hat ja betont (fr. 146), daß „der Geist aus sich selbst Freude
schöpft".
Die Freude der freien Forschung ist wirklich die höchste menschliche
Freude und das Recht dazu das höchste, grundlegende menschliche Recht.
Wie ohne freie Bewegung kein biologisches Leben, so gibt es kein menschen-
würdiges Leben ohne freie Forschung.
Der Mensch will die Geheimnisse der Gestirne und Atome enträtseln. Die
Erforschung der Gesetzmäßigkeiten der Natur ist für die menschliche Ver-
nunft möglich, weil sie Spiegelung des kosmischen Logos ist. Die mensch-
liche Logik ist von derselben Struktur wie die kosmische. Darum hat man
auf Grund von Erfahrungen durch reine logische Deduktion neue Tatsachen,
neue Erscheinungen vorausgesetzt, die durch das Experiment später nur
bestätigt wurden. Die Entwicklung der Naturwissenschaft hat den leukipp-
schen Grundsatz bestätigt, nach dem alles έκ λόγου: nach dem Logos, nach
den Gesetzen der Logik erfolgt. Weil die materielle Welt mathematisch-
-logisch aufgebaut ist, kann der menschliche Geist die mathematisch-logi-
schen Gesetze erkennen, die in der Natur gültig sind.
Der menschliche Logos ist also Vertreter des kosmischen Logos in uns.
Es wäre ein widernatürlicher Widerspruch, wenn der Logos, der im
ganzen Kosmos allmächtig wirkt, gerade im Mikrokosmos: im Menschen, wo
er ebenbewußt wurde, ohnmächtig wäre; wenn eben der Mensch logoswidrig,
unbegründet handeln würde.
Der Logos ist im Menschen eine bewußt gewordene und somit mit-
reißende Naturkraft, wie die Gravitation. Und dieser Logos steigt nicht aus
einem Jenseits nieder: er ist das Wort der Natur in uns, das keine Askese
fordert, sondern dies, daß wir uns nach Befriedigung der leiblich-natür-
lichen Bedürfnisse den wahren menschlichen Freuden des Geistes widmen.
80 QUELLENFRAGEN

Wenn also ein Mensch ohnmächtig gegen seine Affekte und Begierden
ist, ist dies kein natürlicher Zustand, keine Folge einer physischen Notwendig-
keit, eher widernatürlich, eine Auflehnung gegen die Natur. Wie das Ent-
stehen und Bestehen eines materiellen Dinges nur durch harmonisches Mit-
schwingen seiner Atome möglich ist, so muß auch im Menschen eine ähn-
liche Harmonie der seelischen Atomschwingungen stattfinden. Die Vernunft,
die Affekte und Begierden sollen im Gleichgewicht sein, die Vernunft soll
die Affekte und Begierden nicht ersticken, sondern in ihren natürlichen
Grenzen halten und lenken. E s gibt doch eine berechtigte Empörung gegen
Ungerechtigkeit, Unmenschlichkeit, Gewaltherrschaft: es gibt Affekte, die
mit dem Logos im Einklang sind.
Wie das Individuum, kann auch die Gesellschaft nur bestehen, wenn
ihre Atome.: die einzelnen Menschen in Harmonie miteinander wirken,
Gerechtigkeit waltet und die Menschen einander — wie auch die Bienen und
Ameisen — helfen. Nach fr. 255 kann die Gesellschaft nur durch Mitleid und
gegenseitige Hilfe erhalten werden. So sind die moralischen Gesetze logisch-
-notwendige Folgen, Anwendungen der physischen Gesetze, besonders des
Mitschwingens der Atome.

5
Demokrit wußte, daß seine Atomtheorie ein Werk des Logos, nicht der
sinnlichen Erkenntnis ist. Die Einsicht muß hinter dem konventionellen
Schein der Farben, Geschmäcke, der Wärme und Kälte die einzige objektive
Realität: die Schwingung der Atome in leerem Raum erkennen. Fr. 125
spricht es scharf aus: „Scheinbar (nach Konvention) ist Farbe, scheinbar das
Süße und Bittere, scheinbar das Warme und Kalte, in der Wirklichkeit nur
Atome und das Leere"; und nach fr. 1 1 : „ E s gibt zwei Formen der Er-
kenntnis : die echte, natürliche und die dunkle. Zur dunklen gehören fol-
gende insgesamt: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Gefühl (Tasten). Und
wenn die dunkle Erkenntnis nicht mehr ins Kleinere sehen, hören, riechen,
schmecken und tasten kann, sondern die Untersuchung ins Feinere geführt
werden muß, dann tritt an ihre Stelle die echte, natürliche (γνησίη), die
ein feineres Organ der Erkenntnis besitzt."
Gleiches wird durch Gleiches erkannt, —- dieser Grundsatz Demokrits
(A 63) bewährt sich auch hier: die feinen, winzigen Atome werden durch die
feinsten Seelenatome, welche die feinsten Bewegungen ausüben und mit den
feinsten Schwingungen mitschwingen können, erkannt.
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 81

Nach Demokrit sind also die Atome und der leere Raum die einzige ob-
jektive Wirklichkeit. Die Atome haben keine Farbe, keinen Geruch, keinen
Geschmack, keine Temperatur, nur Gestalt, Größe, Lage, Anordnung und
Schwingung, also nur geometrische Qualitäten. Durch die verschiedene Ge-
stalt, Größe, Anordnung und Schwingung der bei uns ankommenden Atom-
emanationen entsteht in uns die bloß subjektive Empfindung der Farben,
Töne, Gerüche, Geschmäcke und Temperaturen. Die Phänomene der Far-
benblindheit — die Erfahrung, daß dieselbe Speise verschiedenen Personen,
oder denselben in verschiedenen Zuständen, verschieden schmecken kann und
daß dasselbe Wasser uns warm oder kühl erscheint, je nachdem wir vorher
unsere Hand in kaltes oder heißes Wasser eingetaucht haben, inspirierten
diese Lehre, also logische Erwägungen. Wir werden noch sehen, welche
andere logische Motive die Atomtheorie begründet haben.
Wenn also die Atomtheorie ein Werk des menschlichen Logos ist, wenn
die menschliche Einsicht hinter den Farben die Schwingung der Atome er-
blicken, das Welträtsel durchschauen kann, dann wäre es Unsinn, widernatür-
lich, wenn der Logos, der die Sinneswahrnehmung derart korrigieren kann
und logischer Weise muß — gegen die Sinnlichkeit, die Begierden ohnmächtig
wäre. Wie der Logos einsieht, daß die Farben bloßer Schein sind, ebenso
muß er erkennen, daß die unmäßigen Begierden nicht natürliche Bedürf-
nisse, sondern eitle Scheinbegierden sind. Kennzeichnend ist der Name der
logischen Erkenntnis: γνησ(η, genuina: angeboren, natürlich. Natürlich ist
die Erkenntnis, welche die wirkliche Natur: die Atome erkennt: ebenso
natürlich muß dieser Logos die natürlichen Grenzen der Bedürfnisse er-
kennen und demgemäß das Verhalten des Menschen lenken.

6
Wir können jetzt zur zweiten Erklärung von Sahrastänl zurückkehren:
„Dies zeige, daß der Verstand nicht sei von der Art der Sinne, und die Seele
nicht gehöre zum Bereich des Körpers. Es wurde gesagt, daß der freie Ent-
scheid beim Menschen zusammengesetzt sei aus zwei Einwirkungen, deren
eine sei die Einwirkung einer Unvollkommenheit, die andere die Einwirkung
einer Vollkommenheit. Zu deren erster neigt man durch Entscheid der
Natur und des Temperamentes. Und was die zweite betrifft, so sei der
Mensch schwach in ihr, wenn ihm nicht zukomme Hilfe von selten des Ver-
standes, der vernünftigen Unterscheidung und des Logos . . . . Solange nicht
β Althelm, Hunnen V
82 QUELLENFRAGEN

komme solche Hilfe von Seiten der Fähigkeit zur Unterscheidung, äußere
sich das Überwiegen der zweiten Einwirkung." Hier irrt sich Sahrastäni
offenbar: er hat gesagt, daß die erste Einwirkung die einer Unvollkommen-
heit ist und zu der ersten man durch „Entscheid des Temperamentes"
neigt. Und der zweiten Einwirkung hilft der Logos, die vernünftige Unter-
scheidung. Der letzte Satz muß demnach lauten: „Solange nicht komme
Hilfe von seiten der Fähigkeit zur Unterscheidung, äußere sich das Über-
wiegen der ersten (schlechten) Einwirkung."
Dazu haben die Herausgeber richtig bemerkt, daß die Einwirkungen die
είδωλα (Bilder) sind, die dem Menschen nahen und teils Gutes, teils Böses
wirken (fr. 166). Solche Bilder können von Menschen kommen und je nach
dem Charakter der Sender können sie uns in gutem oder bösem Sinne beein-
flussen. Die Stelle (Demokrit A 77) wurde schon zitiert.
Bilder können aber auch von den Göttern kommen, und diese können
nur Gutes wirken, als Abbilder der göttlichen Harmonie, Ruhe und Heiter-
keit. Darum sagt fr. 175, daß die Götter nur Gutes gewähren, der Grund
alles Schlimmen aber die menschliche Verblendung ist.

7
Die Ethik Demokrits ist — wie wir gesehen haben — durchaus eine
natürliche Ethik, die mit logischer Notwendigkeit aus dem Naturgesetz des
harmonischen Mitschwingens folgt.
Und nun, kann man sagen — wie es Bailey tut in seinem Buche, dem wir
in Einzelheiten vieles verdanken (The Greek Atomists and Epicurus [1928]
212), daß die demokritische Ethik egoistisch („selfish") sei? Wir glauben,
daß diese Auffassung irrtümlich ist. Gewiß, jede griechische Ethik — auch
die platonische — ist eudaimonistisch: die tugendhaften Menschen sind
glücklich, heiter.
Aber nur die tugendhaften! Auch bei Demokrit ist Heiterkeit, Harmonie
und unerschütterliche Ruhe der Seele nur zu erreichen, wenn man gerecht ist
und die übermäßigen, asozialen Affekte und Begierden (Habgier, Macht-
gier) in sich besiegt. Man kann nur in einer gesunden Gemeinschaft glück-
lich sein, wie fr. 252 verkündet: „Ein wohlverwaltetes Staatswesen ist dör
größte Hort . . . Ist dieses gesund, ist alles gesund, und wenn es zugrunde
geht, geht alles damit zugrunde"; nach fr. 249: „Bürgerkrieg ist für beide
Parteien Unglück, ein Verderben sowohl den Siegern als auch den Be-
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 83

siegten"; gemäß fr. 251: „Die Armut in einer Demokratie ist dem geprie-
senen Glücke bei Despoten ebensosehr vorzuziehen wie die Freiheit der
Knechtschaft."
Auch wir glauben, daß es durchaus kein Egoismus ist, wenn man durch
die sozialen Tugenden, durch mit Freude verrichtete Arbeit glücklich sein
will. Muß Tugend etwas Freudloses sein ?
Die demokritische Ethik kann gut mit den Worten Epikurs zusammen-
gefaßt werden: „Es ist nicht möglich mit Freude zu leben, ohne mit Ein-
sicht, schön und gerecht zu leben. Die Tugenden sind mit dem freudvollen
Leben zusammengewachsen (συμπεφύκασι)" (Brief ad Menoikeus, Ende).
In diesem Zusammenhang noch ein Wort von dem demokritischen
Kosmopolitismus. Fr. 247: „Einem weisen Mann steht die ganze Welt
offen. Denn das Vaterland einer trefflichen Seele ist der ganze Kosmos."
Wir haben schon gesehen (vgl. fr. 249 und 252), daß dieser Kosmopolitismus
nicht die Vernachlässigung der eigenen Polis bedeutet. Im positiven
Sinne bedeutet dieser Kosmopolitismus, daß wir die Gesetze des Kosmos
erkennen und ihnen gemäß leben sollen. (Wie die Stoa gelehrt hat: in Über-
einstimmung mit der Natur zu leben.)
Nach dem Gesagten ist der Mensch innerlich frei, wenn er bewußt den
erkannten und anerkannten Naturgesetzen folgt. Eine unwürdige Knecht-
schaft ist dagegen, wenn man der Sklave der Lüste und Affekte ist. Wie fr.
214 sagt: „Manche herrschen über Städte, aber dienen Weibern."

Daß die kausale Ordnung der Natur die menschliche freie Entscheidung
nicht ausschließt, ist Urauffassung des Griechentums. Hier mag man aus
Walter F. Otto's: „Die Götter Griechenlands" anführen (S. 350—52): „Es
gibt . . . bedingte Festsetzungen, die insofern Schicksal heißen können, als
sie einem bestimmten Tun eine bestimmte Folge mit unerbittlicher Strenge
zuordnen . . . Wenn Laios mit lokaste einen Nachkommen zeugt, wird
dieser der Mörder seines Vaters sein . . . In diesem Fall ist die Entschließung
absolut entscheidend, aber sie selbst bleibt völlig frei . . . Den Menschen
wollen die Götter vor verhängnisvollen Entscheidungen behüten, indem sie
auch ihm die Einsicht in die Notwendigkeit der Verkettung geben. (So wurde
auch Laios durch Apollon gewarnt.) Betritt er dennoch den Weg, der in den
Abgrund führen muß, so hat er sich sein Unglück selbst geschaffen, über die
β*
84 QUELLENFRAGEN

Bestimmung hinaus' (ίπτΐρ μόρον). ,Die Menschen', sagt der Göttervater,im


Eingang der Odyssee (α 32 ff.), , geben uns die Schuld an ihrem Unglück,
während sie sich doch selbst durch ihre eigene Verkehrheit über die Be-
stimmung hinaus Leiden schaffen; so erging es Aigisthos, der sich mit Aga-
memnons Gattin vermählte und ihn selbst bei seiner Heimkehr erschlug,
obwohl er wußte, daß jäher Untergang die Folge sein würde; denn in unserem
Auftrag hat Hermes ihn g e w a r n t ' . . . Es gibt also Katastrophen, die der Be-
troffene . . . hätte vermeiden können . . . Sie sind nicht weniger notwendig
und schicksalsmäßig, sobald der Mensch die folgenschwangere Tat getan hat.
Aber die Erkenntnis kann ihn davon zurückhalten."
Genauso sagt Demokrit (fr. 175): „Die Götter gewähren den Menschen
alles Gute . . . nur alles, was schlimm, schädlich und unnütz ist, das schenken
die Götter weder jetzt noch ehedem den Menschen, sondern sie selbst
tappen hinein infolge ihrer Verblendung und Torheit."
Der Mensch ist also nach griechischer Auffassung niemals ein Spielball
des Schicksals. Jede Tat hat ihre bestimmten Folgen: aber die Entscheidung,
gemäß der man handelt, steht bei dem Menschen.
Das streng deterministische Weltbild Demokrits sagt in dieser Hinsicht
dasselbe, was Homer und die Tragiker sagen.
Schade, daß ein so gründlicher und scharfsinniger Kenner Demokrits
wie C. Bailey den inneren Zusammenhang der Physik und Ethik hei Demo-
krit nicht erkannt hatte. In seinem erwähnten Buch (S. 186ff.) sagt er, daß
„die Physik Demokrits eine streng deterministische ist und wenn diese Auf-
fassung sich auf das Gebiet der menschlichen Aktivität erstreckt, ist die
Folge davon ein vollkommener ethischer Determinismus". Und — fährt er
fort, „wenn die Taten des Menschen von vornherein bestimmt sind, wenn
alles, was er tut, die unvermeidliche Folge der Vergangenheit ist, dann kann
eine Moraltheorie, können sogar ethische Mahnungen keinen Sinn und Wert
haben". Aber — nach Bailey — ist dieses Bedenken im Geiste Demokrits gar
nicht aufgetaucht: er hat ganz naiv seine ethischen Mahnungen gegeben,
seine Ethik ist ganz unabhängig von seiner Physik: den Widerspruch hat er
nicht wahrgenommen.
Am Ende (S. 213) sagt Bailey, daß „die ausführliche Prüfimg der Philo-
sophie Demokrit's den Eindruck der Zusammenhangslosigkeit in uns zu-
rückläßt". Wir glauben das Gegenteil bewiesen zu haben, und wir werden
es auch im Folgenden beweisen.
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 85

9
Von den Emanationsbildern wurde bereits gesprochen, die von den
Göttergestalten kommen und Gutes wirken, weil sie Abbilder der gött-
lichen Harmonie und Heiterkeit sind.
Wie und wo sollen wir uns diese Göttergestalten vorstellen ? Aetios sagt
(A 74), daß Demokrit den Gott für den im kugelartigen Feuer anwe-
senden Geist, Verstand (Nous) gehalten habe. Wir wissen, daß nach Demo-
krit die Seelen aus kugelförmigen Atomen bestehen wie das Feuer, weil
diese Formen die beweglichsten sind. Cicero (de nat. deor. 1,12, 29) sagt, daß
die Götter nach Demokrit imagines (Bilder) sind, und zwar in zwei Bedeu-
tungen: 1. illa natura, das natürliche Wesen, welches die Bilder ausströmt,
sendet, — 2. die Bilder selbst, die aus den Göttern uns zuströmen. Cicero
(de nat. d. 1, 43, 120) erwähnt, daß es göttliche Bilder nach Demokrit im
Universum gibt, und diese Bilder sind lebendig, beseelt. Es gibt — sagt
Cicero ebenda — auch so große Bilder, daß sie die ganze Welt von außen
umfassen.
Aus dem, was Cicero und Lukrez über die Götter Epikurs, des großen
atomistischen Philosophen, sagen, können wir dieses Bild ergänzen. Cicero
(de nat. d. 1, 18, 49) behauptet, daß der Körper der Götter nur quasi corpus
est, weil er keine Festigkeit, Dichtheit besitzt, — keine „numerische"
Identität hat, weil seine Atome fortwährend wechseln, nur seine Form
bleibt. Gleichfalls Cicero (de nat. d. 1,37,105) bemerkt, daß in den Götterge-
stalten keine Festigkeit sich findet, nur ihre Form bleibt, weil die ihnen
entströmenden Abbilder durch immer frische, ähnliche Atome ersetzt
werden. Cicero (de nat. d. 1, 44, 123) sagt, daß die Göttergestalten nur aus
lineamentis extremis: aus Konturen, Umrissen bestehen. Das Bild können
wir aus Lukrez ergänzen: die Götter wohnen im Äther, in der reinsten Luft,
in den intermundia: in den Zwischenräumen zwischen den Welten, wohin
keine Winde, keine gröberen Atome gelangen, und wo die Strömung der
feinen, kugelartigen Ätheratome gleichmäßig ist. So können keine fremd-
artigen Atome die Gestalten der Götter auflösen, welche aus diesen feinsten
kugelartigen Atomen bestehen, und die aus ihnen abströmenden Abbilder
werden durch die zufließenden Atome ersetzt. So leben die Götter in unge-
störter Harmonie, und dieses körperlich-geistiges Gleichgewicht wird uns
durch ihre Abbilder vermittelt (Lukr. 5, 146—155; 1175—78; 3, 18—24;
6, 75—78)·
86 QUELLENFRAGEN

Es ist also kein Widerspruch, wenn nach Demokrit sowohl die Götter-
gestalten selbst als auch die Bilder, die aus ihnen strömen, imagines (Bilder)
heißen: diese Göttergestalten, die nur Umrisse, Konturen, aber keine innere
Festigkeit haben, können durchaus imagines (Bilder) genannt werden.
Diese Götter schaffen also die Welt nicht, sondern sind notwendige Pro-
dukte der Natur, in einem homogenen Medium, wo ein gleichmäßiges Strö-
men feiner Atome stattfindet. Da entstehen ewigbleibende Atomkomplexe,
weil ihre Emanationen (die Abbilder) durch frische ähnliche Atome fort-
während, gleichmäßig ersetzt werden.
Sie sind keine Ursachen der himmlischen Erscheinungen: in der Natur
erfolgt alles aus natürlichen Gründen. Auch Demokrit sagt, daß es eine
Naivität ist, die Ursachen der fürchterlichen Himmelserscheinungen — wie
Blitz, Donner, Mond- und Sonnenfinsternis — in den Göttern zu suchen
(A75). Aber eben aus natürlichen Gründen müssen oben, wo nur feine Atome
in Fülle vorhanden sind, harmonisch-ewige Gestalten: Götter entstehen und
verbleiben. Cum reliquo igni superno deos ortos Democritus suspicatur (A 74):
„Demokrit meint, daß die Götter mit dem übrigen Feuer da oben entstanden
sind." Die kleinen kugelartigen Feueratome entsprechen den Ätheratomen
bei Lukrez.
Die Götter mischen sich nicht in die Angelegenheiten der Welt, aber sie
wirken doch durch ihre Abbilder, die in unsere Seele eindringen, ihre Har-
monie mitteilen und dadurch unsere Seelenharmonie fördern und helfen,
damit der Logos unser Leben vernünftig-harmonisch gestalten und die Af-
fekte besiegen könne. Sie wirken durch ihr Sein.
Wir erinnern daran, daß nach Demokrit (A 77) die Abbilder auch die
seelischen „Bewegungen", Gefühle und den Charakter der „Sender" mit
sich bringen und mitteilen. So ist es natürlich, daß wir auch mit den Göttern
— durch ihre Abbilder — „mitschwingen" können. Und zwar durch Ema-
nation, Berührung, Schwingung: nach den Grundgesetzen der Natur.
Also kann strenge, natürliche Gesetzmäßigkeit und das Sein der Götter
sich vertragen. Das Dasein der Götter ist sogar für diesen .Materialismus'
fundamental: es beweist, daß eine ausgeglichene Harmonie im Universum
da ist, also harmonisches Leben: kein Wunschtraum, sondern „Nachah-
mung" einer natürlichen Wirklichkeit ist. Eine wirkliche göttlich-kosmische
Ethik!
Ebenso, wenn wir Mitleid, Sympathie mit den Menschen fühlen, ist es
wieder ein Fall der „Mitschwingens": die Menschen senden aus sich fort-
3- NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 87

während Emanationen, wodurch wir ihre seelischen Bewegungen erfahren


und mit diesen mitschwingen. Diese Resonanz ist das Mitleid, Sympathie im
wörtlichen Sinne: wir „erleiden" dieselben seelischen Schwingungen. So
kann eine materialistische Psychologie und Ethik die humanste werden.
Auch beiHesiod schaffen die Götter die Welt nicht, sondern in dem Maße,
wie die Welt sich gestaltet, differenziert, entstehen die Göttergestalten: Gaia,
Mutter Erde und Uranos, der Himmelsvater, wie dies P. Philippson in ihrer
Untersuchung über „Genealogie als mythische Form" (Untersuchungen
über den griechischen Mythos. Zürich. 1944) gezeigt hat.
Nach griechischer Anschauung ist die Materie da, und durch natürliche
Gesetzmäßigkeit kommen Gestalten daraus zustande: Erde und Himmel
und alle die Wesen, welche sie bevölkern. Nun werden wir sehen, wie dies
Demokrit sich vorstellt: wir werden im folgenden die Atomtheorie, die Kos-
mogonie, dann die Entstehimg und Gestaltung der Lebewesen, endlich die
Theorie der Wahrnehmung bei Demokrit kurz zusammenfassen.

10

Nach Demokrit und seinem Vorgänger Leukipp bestehen die Dinge aus
kleinen, unsichtbaren, festen, vollen, unteilbaren Körperchen: Atomen.
Wie Leukipp (fr. 2) sagt: „Nichts erfolgt ohne Ursache, sondern alles
aus bestimmtem Grunde (έκ λόγου) und infolge der Notwendigkeit". Nun,
auch das Dasein der Atome ist notwendig und hat seinen bestimmten, ver-
nünftigen Grund (λόγος).
Zenon, der Eleat, dessen Schüler Leukipp war, wollte die Unmöglichkeit
der Vielheit, wie folgt, beweisen (fr. 1—2): Die Vielheit muß aus Ein-
heiten bestehen. Diese Einheiten sind entweder unteilbar oder teilbar. Wenn
sie unteilbar sind, haben sie keine Ausdehnung, sind reine mathematische
Punkte mit der Ausdehnung Null, und aus solchen Nullen kann kein Ding
entstehen. Wenn aber sie Ausdehnung haben, sind sie unendlich teilbar —
dann aber besteht jedes Ding aus unendlich vielen Teilen, und dann sind
sowohl die größeren als auch die kleineren Dinge unendlich groß, was doch
offenbar widersinnig ist.
Nun, Leukipp hat folgendermaßen seinen Meister widerlegt (A 7 Diels):
Die Dinge sind nur dann teilbar, wenn es zwischen ihren Teilchen leere
Räume (πόροι) gibt. Wenn nun die Dinge unendlich teilbar wären, dann
müßten die Poren sich letzten Endes berühren, und so würden die Dinge
88 QUELLENFRAGEN

aus lauter Leere bestehen, würde sogar das Universum eine einzige Leere
sein. — Es ist darum logisch notwendig, daß es unteilbare Teilchen: Atome
gibt! Diese Atome dürfen keine Leere in sich enthalten, sonst wären sie
weiter teilbar, also sie sind voll.
Wir sehen, daß das Dasein der Atome und ihre Struktur eine logische
Notwendigkeit ist: nur der Logos kann in die Tiefe blicken und das wirklich
Seiende erkennen, weil das Sein eben logisch aufgebaut ist. Nicht umsonst
war Leukipp ein Schüler Zenon's von Elea. Auch die Atomistik hält an dem
eleatischen Grundsatz fest: „ D a s D e n k e n und das Ding, worauf das Denken
sich bezieht, ist ein und dasselbe" (Parmenides, fr. 8, 34: τ α ύ τ ό ν δ ' ΙστΙ
νοεϊν τε και ούνεκέν έστι νόημα.)
Es ist merkwürdig, daß eben die neueste Atomforschung zeigt, daß die
Struktur des Atoms anschaulich nicht mehr vorstellbar, sondern nur mit
mathematischen Differentialgleichungen faßbar, begreiflich ist. Das lo-
gische Denken ist das adäquate Mittel zum Erfassen des Seins, als wären
physische Natur und Denken nur zwei Seiten, Aspekte desselben Seins.
Aber zwischen den Atomen und auch den aus Atomen zusammenge-
setzten Dingen muß schon leerer Raum sein, damit Vielheit und Bewegung,
somit die Welt möglich ist. (Sonst wäre das Sein eine einzige volle, starre
Kugel, wie bei Parmenides.)
Nun, im vollen Sinne ist nur das Volle, also das Atom (wie bei Parme-
nides die volle, starre Kugel des Seins). Aber auch sein Gegensatz: die Leere
muß da sein: so muß sowohl das Seiende (Volle) als auch das Nicht-Seiende
(die Leere, die Abwesenheit des Seienden) existieren (Leukippos A 8).
Die vielen Atome bewegen sich fortwährend, dies ist ihr natürlicher Zu-
stand. (Das ist Grundanschauung des alten, milesischen Hylozoismus: das
Seiende, die Materie ist lebendig, also von selbst beweglich.)
Die Atome sind homogen, sie unterscheiden sich voneinander nur nach
Gestalt, Größe, Lage und Ordnung, also durch geometrische Qualitäten.
Ihre Anzahl ist unendlich, wie auch der Raum unendlich ist. Nach Leukipp
und Demokrit ist auch die Anzahl der Atomgestalten unendlich. Aber tat-
sächlich nehmen auch sie eine endliche Anzahl der Atomformen an. Es gibt
nach ihnen typische Atomformen: kugelförmige, dann haken- und mulden-
förmige, spitzige und stumpfe Atome und so fort. Daß die Anzahl der Atom-
formen begrenzt sein muß, hat später Lukrez bewiesen (2, 478—580). Die
Atome sind — sagt Lukrez — unteilbar (weil sie keine Leere in sich ent-
halten), aber eine gewisse Größe haben sie doch: also bestehen sie aus
3· NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 89

minimis partibus; diese minimae partes sind die Einheiten (die Atome)
der räumlichen Ausdehnung. (So hat auch der Raum eine atomistische
Struktur!)
Und nun, aus 3 solchen kleinsten Teilchen kann man in einer Ebene 2
verschiedene Gestalten, aus 4 kleinsten Teilchen 5 verschiedene Formen
bilden. Man sieht, daß, wenn man die Anzahl der Gestaltvariationen ver-
mehren will, man auch die Anzahl der minimae partes, somit das Volumen
des Atoms vermehren muß. Wenn also man unendlich viele Gestaltvaria-
tionen bilden wollte, würde damit das Volumen des Atoms sich unendlich
steigern. Aber die Atome sind auch nach Demokrit nicht wahrzunehmen,
nur mit dem Denken zu erfassen, sind also unendlich klein. Also muß die
Anzahl der Atomformen begrenzt sein. Eben darum gibt es ähnliche, gleich-
förmige Atome, was zur Bildung der Welt notwendig ist, wie sich zeigen wird.
Die Bewegung der Atome ist ursprünglich regellos, wie die Bewegung
der Stäubchen im Sonnenstrahl (Arist., de an. A 2,404 a 3). Anderswo (A 47)
liest man, daß eine Art der Atombewegung nach Demokrit die Vibration,
Schwingung (παλμός) ist.
Die umherschweifenden Atome begegnen sich im Raum, und wenn ihre
Gestalten nicht zusammenpassen, stoßen sie einander ab; wenn aber ihre
Gestalten und damit ihre Bewegungen zusammenpassen, dann verflechten
sie sich (wenn ζ. B. ein konvexes Atom einem konkaven begegnet) oder in-
folge ihrer harmonischen Bewegung bleiben sie zusammen und schwingen
miteinander. Wie Leukipp sagt: „Infolge der Symmetrie ihrer Gestalt,
Größe, Lage und Ordnung bleiben sie zusammen, und so entstehen die aus
den Atomen zusammengesetzten Dinge" (Leukipp A 14). Infolge ihrer
gleichen Gestalt und gleichen Bewegung bleiben und schwingen beispiels-
weise die kugelförmigen Feuer- und Seelenatome zusammen.
Daß die gleichförmigen Dinge zusammenbleiben, eine gemeinsame Rich-
tung nehmen, dazu führt sie die Erfahrung. Demokrit fr. 164 erörtert aus-
führlich, daß beim Durchsieben der Samen durch das Wirbeln des Siebes Linse
sich zu Linse, Gerste zu Gerste ordnet. Ebenso werden in der Brandung
durch den Wogenschlag die länglichen Steine zu den länglichen, die runden
zu den runden gerollt. Jede Folgerung der Atomisten beruht auf der
Erfahrung: demgemäß kann diese Folgerung sich auf die kleinen Atome
und zugleich auf die ungeheure Welt der Gestirne beziehen. Auch der Ur-
sprung des Kosmos ist auf Grund dieser erwähnten Erfahrung erklärt.
90 QUELLENFRAGEN

II
Die umherschweifenden und sich begegnenden Atome geraten manchmal
aus bestimmten, aber uns unbekannten Gründen in Wirbelbewegung. Auch
Piaton sagt im Timaios, daß der Raum, von verschiedenen Stoffen (Feuer,
Wasser, Erde und Luft) erfüllt, hin und her schwankte und so diese Stoffe
schüttelte, wodurch sie sich voneinander geschieden haben, „ähnlich den
Vorgängen, die sich bei Reinigung des Getreides vermittelst Durchsiebens
abspielen". Auch Piaton hält demnach für natürlich, daß die verschieden-
artigen Stoffe in Wirbelbewegung geraten (Timaios 52 ε—53 a).
Wie beim Durchsieben, so kommen auch im Wirbel die gleichartigen
Atome zu ihresgleichen. Und zwar, wie das Beispiel der Wirbel im Winde
oder im Wasser zeigt, kommen die größeren Atome, die fähiger sind, auch
der Wirbelbewegung zu widerstehen, in die Mitte, wo diese Bewegung die
geringste ist, und drängen die kleineren nach der Peripherie hinaus. So ent-
steht in der Mitte die Erde, dann das Wasser, die Luft und in der Peripherie
die feurigen Sterne.
Den Wirbel hat Demokrit άνάγκη (Notwendigkeit) genannt (A 1), wohl
darum, weil er notwendig entsteht, und aus ihm ebenso notwendig der
Kosmos — durch die Scheidung der verschiedenen Atome — zustande-
kommt.
Wenn also Aristoteles sagt (A 69), daß es Leute gibt, die als Ursache des
Himmels τ ό αύτόματον, „das von selbst Geschehende" betrachten, so will
er nur dies sagen, daß die Wirbelbewegung durch keinen göttlichen Plan,
durch keine Zweckursache verursacht war, sondern ganz „von selbst", ganz
natürlich (auch dies bedeutet das αυτόματου), durch Begegnung und gesetz-
mäßige Bewegung der Atome sich vollzieht.
Nicht darum entstand der Wirbel, damit ein Kosmos daraus zustande-
komme, sondern weil solcher Wirbel aus natürlichen Gründen entstand, ge-
staltete sich notwendig ein Kosmos daraus, und zwar nach der natürlichen
Scheidung der schwereren und leichteren Atome (C. Bailey, The Greek
Atomists and Epicurus 93 und 139—143).
Die näheren Ursachen, Bedingungen der Entstehung eines Atomwirbels
kennen wir nicht, aber die Wirbel im Wasser und in der Luft beweisen die
Natürlichkeit dieser Erscheinung, und Demokrit hielt es für eine genügende
Begründung, wenn er feststellen konnte: „Es ist immer so", oder: „es er-
folgt immer so", „es erfolgte auch früher immer so", und suchte die Quelle,
den Grund dieses „Immer" gar nicht (A 65). Aristoteles ist empört über diese
3. NESTOHIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 91

„oberflächliche" Auffassung, aber seit Hume ist es klar, daß wir nur das
regelmäßige, immer so eintreffende Nacheinander (Aufeinanderfolgen) der Er-
eignisse feststellen können (und diese regelmäßigen Zusammenhänge werden
in den Naturgesetzen festgestellt), aber den Grund dieser regelmäßigen Zu-
sammenhänge kann man nicht erforschen. Demokrit ist also ein Vorläufer
der kritisch-nüchternen Auffassung von Hume hinsichtlich der Kausalität.
Die Tatsache, daß die Erscheinung des Wirbels zur Erklärung der Ent-
stehung des Kosmos benützt wurde, zeigt, daß die Analogie eine ewige Me-
thode der Naturerklärung ist.
Und wie im Wirbel die Bewegung in der Mitte die geringste ist, ebenso
auch im Kosmos: die Erde ruht in der Mitte, und je näher ein Himmels-
körper der Mitte ist, um so langsamer ist sein Kreislauf: der Mond also be-
wegt sich am langsamsten, dann folgt die Sonne, die sich etwas schneller
bewegt, und die Fixsterne an der Peripherie bewegen sich am schnellsten
(Lukrez 5, 62iff., der hier Demokrits Ansicht wiedergibt).
Es gibt aber unzählige Welten im unendlichen Raum, wo unzählige
Atome vorhanden sind, und weil ähnliche Atome überall zu finden sind,
kann auch anderswo ein Wirbel und daraus ein Kosmos entstehen, nach
der Analogie der Bildung unserer Welt (A 40).
Es gibt Welten, wo es weder Sonne noch Mond gibt, aber auch solche,
wo größere, und solche, wo mehrere Sonnen und Monde zu finden sind, als
bei uns. Einige Welten wachsen — wie die Lebewesen — , andere stehen in
voller Blüte, während andere schon abnehmen, hinschwinden. Es gibt
Welten, wo es weder Pflanzen noch Tiere, überhaupt keine Feuchtigkeit
gibt.
Eine Welt blüht, solange sie Atome von außen her aufzunehmen fähig ist,
wie die Lebewesen blühen, solange sie soviel Nahrung aufzunehmen fähig
sind, wieviel sie durch Arbeit usw. verbrauchen. Auch die Einatmung dient
dazu, um die ausgeatmeten Atome zu ersetzen (A 106).
Einige Welten vergehen also durch „Altersschwäche", während andere
durch Zusammenstoß zugrundegehen (A 40).

12

Die Entstehung der Lebewesen aus dem Unorganischen erklärte Demo-


krit folgendermaßen. Die ersten Lebewesen sind aus der Mutter Erde
entstanden, als ihre Oberfläche noch schlammig war und durch die Sonnen-
92 QUELLENFRAGEN

strahlen in Gärung geriet. So entstehen an ihr blasenartige Häutchen. Im


Inneren dieser bergen sich die Keime des Lebens, welche durch die Nässe
der Nebel ernährt und durch die Wärme der Sonne gereift werden, wie die
Früchte. Wenn die „Embryos" in diesen „Gebärmüttern" sich entwickelt
haben, bersten die Häutchen, und allerlei Lebewesen erblicken das Tages-
licht, auch Menschen.
Die Art der Tiere hängt von ihrer materiellen Zusammensetzung ab:
jene, die viel Feuer enthalten, werden Geflügel und fliegen in die Höhe, wo
viel Feuer vorhanden ist (Gleiches zu Gleichem, wie im Wirbel). Jene aber,
die viele Erde enthalten, werden Festlandstiere, nach demselben Gesetz.
Und jene, die viele Nässe enthalten, werden Wassertiere (Diodor. i, 7).
Auch die Gestaltung der Körperteile erklärt Demokrit mit mechanischer
Notwendigkeit. A 1 5 3 zeigt, wie die Hörner des Hirsches entstehen. Der
Magen des Hirsches ist sehr warm, darum ist seine Verdauung schnell. Seine
Adern sind im allgemeinen dünn und eng, die Adern aber, die zum Scheitel
führen, sind dick und breit, daher strömt ein großer Teil der Nahrung nach
dem Kopf. Die Knochen um das Gehirn sind sehr dünn, bilden also kein
Hindernis, und beanspruchen wenig Nahrung. So müssen die Hörner ent-
stehen, indem die hinaufströmende feuchte Nahrung sich hinausdrängt, und
draußen durch die kalte Luft befestigt zum harten Horn wird.
A 162 zeigt, daß nach Demokrit die geradgewachsenen Pflanzen sich not-
wendig schneller entwickeln, aber auch kürzer leben, als die krummen. In
den geradgestalteten läuft die Nahrung schnell durch, darum blühen sie
schnell und bringen ihre Früchte früh. Aus demselben Grande bleiben die
unteren Teile, besonders die Wurzeln, dünn und schwach. Darum können sie
die Temperaturänderungen nicht ertragen, umsomehr, als sowohl die Hitze
ids auch die Kälte infolge der geraden Gestalt von oben schnell zu den Wur-
zeln dringt und ebenso die Erschütterung durch die Winde; so wird die
Pflanze vorzeitig alt und geht zugrunde. Bei den krummen Pflanzen aber
erfolgt alles umgekehrt: bei diesen kann die Nahrung nicht so schnell nach
oben strömen, darum bleibt ein großer Teil der Nahrung in den Wurzeln,
welche dadurch dick und stark werden, und demgemäß leben diese Pflanzen
länger.
Diese Beispiele zeigen, wie die Gestaltung und das Leben der Lebewesen
bei Demokrit durch mechanische Ursachen erklärt wird.
Die Nahrung, die körperliche Konstitution der Lebewesen bestimmt die
Zusammensetzung, Qualität ihres Samens. Demokrit betont, daß aus diesem
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 93
Samen ein ölbaum, aus jenem ein Mensch entstehen wird. In der atomaren Zu-
sammensetzung, Ordnung des Samens ist schon die Gestaltung und Art des
Lebewesens vorausbestimmt, wie auch die Art des Samens durch die Kon-
stitution des Lebewesens, von welchem er stammt: eine fortwährende Kette
der Ursachen (A 69).
Der Same wird nämlich nach Demokrit (A 1 4 1 ) durch den ganzen Körper:
also durch die Knochen, das Fleisch und die Muskeln gebildet. E r enthält
alle Bestandteile des Körpers im kleinen: der Same ist ein kleiner
Mensch, ein kleiner ölbaum — in atomaren Dimensionen; so muß dieses
winzige Lebewesen durch die Nahrung nur wachsen, um den sichtbaren
Menschen und ölbaum hervorzubringen.
Damit kann fr. 32 verglichen werden, wonach ein Mensch(lein) aus dem
Menschen im Beischlaf herausfährt. Nach Demokrit (A 144) hat der Embryo
schon einen Mund, und in der Gebärmutter dreht sich er mit seinem Mund
nach der Mutterbrust, welche auch in der Gebärmutter vorhanden ist, und
so nährt er sich durch seinen Mund.
Seine naive mechanistisch-materialistische Denkweise verrät Demokrit
in A 145, wo er sagt, daß die äußeren Körperteile des Lebewesens sich früher
sondern und gestalten als die inneren — und insbesondere der Bauch und
der Kopf sich zuerst ausbilden, weil sie das meiste vom Leeren enthalten.
So ist die Philosophie Demokrits ein naiv-kühner, genialer Versuch, die
Entstehung des Kosmos und die Gestaltung der Lebewesen aus rein mecha-
nistischen Gründen zu erklären. E s gibt keinen göttlichen Plan, keine
Zweckursachen, und doch — durch mechanistische Ursachen bilden sich die
verschiedenen Formen, Gestalten der Lebewesen.
Welch eine strenge Folgerichtigkeit die Teile des Demokritischen Ge-
dankenbaus zusammenhält, wird auch durch seine Wahrnehmungstheorie
bewiesen. Wir haben schon gesehen, eine wie große Rolle die Erfahrung des
Durchsiebens der Samen in seiner Kosmogonie spielt, als Beispiel des Ge-
setzes, nach dem Gleiches zum Gleichen strebt. Nun, dieselbe Erfahrung
wird auch zur Erklärung der Wahrnehmung benützt.
Zuerst wird (A 63) betont, daß das Wirkende und das Leidende ähnlich
oder gleichartig sein muß. Die Verschiedenen können gar keine Wirkung
aufeinander ausüben: wenn also scheinbar verschiedene Dinge doch auf-
einander wirken, ist dies nur darum möglich, weil etwas Gemeinsames in
ihnen vorhanden ist.
94 QUELLENFRAGEN

Also muß auch der Wahrnehmende gewissermaßen dem Wahrgenom-


menen ähnlich sein. Wie das möglich sei, sehen wir am Beispiel des Hörens.
Wenn ein Körper tönt, strömen Atome aus ihm heraus, die eine bestimmte
Gestalt und Anordnung haben. Durch diese Atome werden die Atome der
Luft in Bildungen „von gleicher Gestalt" „zerbröckelt", nämlich in solche,
welche dieselbe Gestalt und Anordnung haben wie die tonbildenden Atom-
gruppen. Diese Luftkomplexe werden mit den Tonkörperchen herumge-
wälzt, und so erreichen sie unser Ohr (A 128). Hier beruft sich Demokritos
ausdrücklich auf das Durchsieben, wo die gleichförmigen Samen ebenso zu-
sammengebracht werden.
Im Ohr gibt es weite und breite freie Durchgänge (πόροι), durch welche
die Schall- und Luftatome unsere Seelenatome erreichen und bewegen, sie
in ähnliche Schwingungen versetzen wie die, in denen auch sie selbst schwin-
gen : so entsteht die Wahrnehmung des Tones durch Resonanz in uns. Wahr-
nehmung ist ein Mitschwingen mit dem tönenden Körper (A 135).
Die Wahrnehmimg ist also eine Assimilation: unsere kleinen Seelen-
atome sind fähig, mit den verschiedensten Körpern mitzuschwingen.
So bewährt sich der Grundsatz, daß nur ähnliche Dinge aufeinander
wirken können: die Tonquelle und wir sind verschieden, aber es gibt etwas
Identisches in uns: die Fähigkeit zur derselben Schwingung! Diese Fähig-
keit läßt uns die Farben, Töne, Düfte: die ganze Pracht der Natur und
Kunst aufnehmen, aber auch die feine Struktur der Atome. Sind die Töne
und Farben, welche in uns durch die Atomemanationen eindringen, har-
monisch, schön, so werden auch unsere Atomschwingungen harmonisch,
und wir werden glücklicher, fröhlicher, wie schon die Pythagoreer die Seele
durch gute Musik geheilt haben. Ebenso, wenn wir die mathematische Har-
monie der Sterne und Atome durch den Logos erblicken, werden unsere
Schwingungen dadurch harmonisch, und so wird unsere Seele und unser Ver-
halten harmonisch. Mit der Schönheit des Kosmos, der Kunst mitschwingen
zu können, heißt die höchste Stufe der Freude erreichen. Wie auch das Mitleid
ein Mitschwingen mit den Menschen ist, und damit die gegenseitige Hilfe,
das Bestehen der Gesellschaft und auch unsere Glückseligkeit fördert.
Mitschwingen der Atome ermöglicht die Entstehung der Dinge, des
Kosmos, dann die Erkenntnis, die Freude an der Schönheit der Welt, end-
lich das Bestehen der Gesellschaft. Eine natürliche Weltanschauung, wo die
Physik, Biologie, Ethik und Ästhetik: alle durch das Gesetz des Mitschwin-
gens zusammengehalten sind.
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 95
2. BEMERKUNGEN ZU DEN THEOPHRASTFRAGMENTEN

Als wir Olof Gigon, dem kommenden Herausgeber der Theophrast-Frag-


mente, erstmals Übersetzungen der Stücke aus Theophrast's Schrift über
die Musik (oben 3, i3of.) zusandten, antwortete er mit folgenden Bemer-
kungen (unter dem 19. 9. i960):
„Zunächst bin ich höchst erfreut über Ihren Hinweis auf die Philosophie-
geschichte Porphyrios*. Ich bin längst überzeugt, daß ihre Bedeutung für
den ganzen Osten sehr groß gewesen ist . . . Der Verfasser war ein großer
Name, und dem Gehalt nach ist sie die letzte wirklich gelehrte Philosophie-
geschichte der Antike gewesen. Es ist für die Einseitigkeit, mit der in unserer
Wissenschaft oft gearbeitet wird, bezeichnend, daß seit bald hundert Jahren
diesem Werk keine auch nur annähernd genügende Forschung gewidmet
wurde, während über bestimmte .Schulzetemata' jedes Jahr ein Buch her-
auskommt. . . .
Was die Person Theophrast's betrifft, so erlaube ich mir die Frage, ob
seine Verwandtschaft mit Aristoteles nicht auch als die eines .Schwester-
sohnes' verstanden werden kann. [Der von Ibn al-Kiftl angewandte Aus-
druck kutubu 'ammihi — oben 3, 132 — schließt die Vermutung aus.
Die Vf.] Dies stellte eine gewisse Beziehung zu der bei Düring, Aristotle in
the Ancient Biographical Tradition 200 und 207 verzeichneten Bemerkung
aus al-Mubaäsir her, Theophrast sei Aristoteles' Vetter mütterlicherseits
gewesen. Jedenfalls hat es eine Traditionslinie gegeben, die zwischen Aristo-
teles und Theophrast eine Verwandtschaft statuierte.
Frg. 337, 17 Cureton zeigt, was überaus wichtig ist, daß Theophrast am
unbewegten Beweger Aristoteles' festgehalten hat. Auch das nächste Stück
zeigt ihn in Aristoteles' Nachfolge. Es ist ganz konsequent, daß die Gestirne
als ewig bewegte Körper zwar die Wahrnehmungsseele und die Denkseele,
nicht aber die vegetative Seele haben. Damit hängt zusammen, daß die Ge-
stirne keine körperliche Ernährung brauchen, wodurch sich der Peripatos
scharf von manchen Vorsokratikern wie auch von der Stoa unterschieden
hat. 337, 20 dürfte ,Hochform' eine Ubersetzung von άρετή sein. Ob Traurig-
keit wirklich λ ύ π η wiedergibt oder nicht ein leicht mißverstandenes πάθος,
scheint mir nicht völlig gewiß. Bei den auf S. 134—135 vereinigten Frag-
menten ist man fortwährend verlockt, eine Rückübersetzung ins Griechische
zu versuchen, doch bin ich noch nicht weit genug, um Ihnen etwas Solides
vorlegen zu können.
96 QUELLENFRAGEN

Sehr wichtig sind die Pythagoreertexte. Daß Theophrast auf die pytha-
goreische Doktrin Bezug nahm, ist sehr glaublich und entspricht der geisti-
gen Lage seiner Zeit. Es wäre schon darum wichtig, weil seine Äußerungen
zu der Gruppe der frühen Belege für Pythagoreisches zu rechnen sind. Die
Lehre von den vielen Welten, deren eine die Welt ,reiner Freude' bildet,
ist man versucht, mit den kosmischen Zyklen des Empedokles zu ver-
binden. Der empedokleische Sphairos ist eine solche Welt reiner Freude.
Auch das Fragment 277, 1 mag sich so verstehen lassen, daß sowohl empe-
dokleische Elemente wie solche der genuin pythagoreischen Musiktheorie
ein Ganzes bilden. Moraux hat durchaus recht, wenn er darin Gedankengut
des nachplatonischen und nacharistotelischen Pythagoreertums sieht. Ich
möchte dahin präzisieren, daß es Material aus guten Quellen sein wird, also
aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr.: Dikaiarchos, Aristoxenos und
eben Theophrast selbst. Bei der Pythagorasvita Porphyrios', die wir teil-
weise griechisch besitzen, steht es weitgehend nicht anders. Sollten Ihre
Pythagorea auch aus dem doxographischen Teil der porphyrianischen Vita
stammen ?"
Die zuletzt aufgeworfene Frage ist im zweiten Kapitel beantwortet
worden. Bekanntlich ist Porphyrios' Pythagoras-Vita unvollständig über-
liefert. Das Erhaltene bezieht sich meist auf die Lebensumstände und nicht
auf die Lehren. Andererseits gibt Sahrastänl nur einen Auszug, und dieser
vernachlässigt das Leben zugunsten der Lehren. Immerhin konnte schon
früher gezeigt werden, daß Porphyrios' Behandlung der empedokleischen
Verse fr. 129 im 31. Kapitel bei Sahrastänl 265, 13 f. Cureton wörtlich über-
setzt ist (Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles [1954], 15f.).

3. ZENON VON KITION: NEUE FRAGMENTE

Sahrastänl 292, 7 ! Cureton gibt die „Ansicht Zenons des Älteren" in


doxographischem Abriß und schließt daran „seine Weisheitssprüche" (hika-
muhu) 292, 19 f. Es könnte scheinen, als gehörten diese dem gleichen Zenon,
also dem Eleaten. Indessen wird sich als Autor der Weisheitssprüche der
Begründer der Stoa, Zenon von Kition, erweisen lassen. Man hat demnach
Bruchstücke der alten Stoa vor sich. Sahrastäm's Irrtum erklärt sich da-
durch, daß er Berichte zweier verschiedener Vorlagen zusammengefügt hat.
Sein Bericht über den älteren Zenon gehört der zweiten doxographischen
Quelle an, die neben Porphyrios' Φιλόσοφος Ιστορία steht: ihr eignet bereits
der doxographische Abschnitt über Xenophanes (vgl. dazu oben 3, 138f.).
3. N E S T O R I A N I S C H E ÜBERSETZUNGEN 97

Die Weisheitssprüche indessen entstammen dem von Sahrastäni gleichfalls


benutzten Florilegium, dem die Fragmente Demokrits 1 und Theophrasts
(oben 3, 131 f.) entnommen wurden. Die Namensgleichheit des Eleaten
Zenon mit dem Stoiker hat bei Sahrastäni den Irrtum verursacht.
Die mitgeteilten Weisheitssprüche zerfallen ihrer äußeren Form nach in
zwei Klassen. Die erste, an Umfang geringere, wird von einem: „Er sagte"
oder, in einem Fall: „Zenon sagte" eingeleitet. Die Sätze sind aus größerem
Sinneszusammenhang genommen, und dies besagt: sie entstammen Schriften
Zenons. Wohingegen die Fragmente der zweiten Klasse davon ausgehen,
daß zu Zenon etwas gesagt oder von ihm etwas erfragt wird und er darauf
die Antwort erteilt. Die gekennzeichneten Redeformen sind nicht die ein-
zigen, wohl aber die bei weitem häufigsten der ihm zugeschriebenen
Apophthegmen (fr. 277 t. v. Arnim). Eine Sonderstellung nehmen 10—11 ein.
Hier ist an ein Zitat aus einer Schrift ein Apophthegma geknüpft.
1. ,,(292, 19 Cureton) Er sagte: .Vermehret die Freunde, denn das
Weiterbestehen der Seelen beruht auf dem Weiterbestehen der Freunde, wie
die Heilung der Körper auf den Heilmitteln.' "
Zenon nannte die Seele (ψυχή) ein πολυχρόνιο ν πνεϋμα, ου μην δέ
άφθαρτον δι* όλου Ιλεγεν αυτήν είναι (fr. 146). Er fügte hinzu: έκδοπτανδται
γάρ Cnro του πολλού χρόνου els τό άφανές. Demnach wäre die
Erhaltung der Seele sinnvoll, um so mehr, als sie an anderer Stelle ein-
deutig als sterblich bezeichnet wird (dicens earn esse mortalem fr. 147). Insofern
kann sie zum Körper in Parallele gesetzt werden. Die Freunde wirken dem
έκδοπτανασθαι der Seele entgegen wie die Heilmittel dem Verfall des Körpers.
2. „(292, 20) Man sagt: (293, 1) Zenon sah einen Jüngling am Ufer des
Meeres in Betrübnis, indem er klagte über die (böse) Welt. Er sagte zu ihm:
,0 Jüngling! Was macht dich klagen über die Welt ? Wenn du in höchstem
Reichtum ständest, auf dem weitem Meere schwämmest, das Schiff zer-
brochen wäre und du wärest dem Versinken nahe, dann wäre dein höchster
Wunsch die Rettung, auch wenn all dein Besitz dahinginge.' Er (der Jüng-
ling) sagte: ,Gewiß!' Er (Zenon) sagte: ,Wenn du König über die Welt
wärest und es hätte dich jener in den Fängen, der dich zu töten wünscht,
dann wäre dein Wunsch das Entrinnen aus seiner Gewalt.' Er (der Jüngling)
sagte: ,Gewiß!' Er (Zenon) sagte: ,Du bist jetzt der Reiche und du bist der
König.' Da tröstete sich der Jüngling."
1 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden, 2. Lfg. (1960),

i88f.; oben 3, 137i. In englischer Ubersetzung: East and West N. S. 12 (1961), ι ο ί .

7 Altheim, Hunnen V
98 QUELLENFRAGEN

Einem Schiffbruch, der Zenon selbst traf, schließt sich eines seiner
Apophthegmen an: fr. 277. Der Reichtum dessen, der nichts besitzt, ist
in fr. 220 behandelt.
3. „(293, 6) Er sagte zu seinem Schüler: ,Sei über das, was an Gutem
kommt, heiter und über das, was an Bösem sich entfernt, erfreut.' "
4. ,,(293,7) Zu ihm wurde gesagt: .Welcher König taugt mehr: der
König der Griechen oder der König der Perser?' Er (Zenon) sagte: ,Wer
König ist über seine Begierde und seinen Zorn.' "
'Επιθυμία gehört nach fr. 211 zu den vier größten πάθη. Gadab „Zorn"
mag man der immoierata quaedam intemperantia von fr. 207 gleichsetzen.
5. „(293, 8) Er wurde gefragt, nachdem er alt geworden war: .Welcher
Art ist dein Befinden?' Er (Zenon) sagte: .Derart, daß ich nach und nach
sterbe mit Gemächlichkeit.' "
6. „(293, 9) Zu ihm wurde gesagt: .Wenn du gestorben bist, wer wird
dich begraben?' Er (Zenon) sagte: ,Der, dem der Geruch meines Kadavers
lästig fällt.' "
7. „(293, 9) Er wurde gefragt: ,Was macht alt ?' Er (Zenon) sagte: .Der
Zorn, der Neid und mehr noch als diese der Kummer.' "
Vgl. 1 über die Freunde, die zur Erhaltung der Seele nötig sind. Auch
λύττη gehört zu den vier größten πάθη (fr. 211); ihre Definition gibt
fr. 212. Als δόξα πρόσφατος κακοΟ παρουσίας nimmt sie gleichsam den Tod
vorweg.
8. „(293, 10) Er sagte: .Der Erdkreis steht unter meiner Führung.' "
Nach fr. 223 a pflegte Zenon zu sagen: μόνον αύτω δοκεΐν στρατηγόν
είναι τόν σοφόν.
Nach fr. 216 ist der Weise βασιλικός τε καΐ στρατηγικός. ' Ηγεμονικός
καΐ βασιλικός τ ή φύσει war Kleomenes nach Polyb. 5, 39, 6.
9. ,,(293, 11) Ihm wurde der Tod seines Sohnes gemeldet. Da sagte er:
.Nicht war ich dessen uneingedenk, denn ich habe einen Sohn gezeugt, der
sterben würde, und nicht habe ich einen Sohn gezeugt, der nicht sterben
würde.' "
10. „(293, 12) Er sagte: .Nicht sollst du den Tod des Körpers fürchten,
wohl aber sollst du dafür Sorge tragen, daß du den Tod der Seele fürchtest.' "
11. „(293, 13) Darauf wurde ihm gesagt: .Warum hast du gesagt:
fürchte den Tod der Seele, obwohl die vernunftbegabte Seele nach deiner
Lehre nicht stirbt ?' Da sagte er (Zenon): ,Wenn die vernunftbegabte Seele
aus dem Bereich der Vernunft zum Bereich der Tierheit überwechselt,
3. NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 99
dann stirbt sie, auch wenn ihre Substanz nicht beseitigt wird, für das
vernünftige Leben.' "
Τό αύτό της ψυχής μέρος, ο δή καλουσι διάνοιαν, erscheint fr. 202.
Von der Seele heißt es: ου μήν δέ άφθαρτου δι'δλου ?λεγεν αύτήν είναι
fr. 146. Daneben wird die anima als sterblich bezeichnet: dicens earn esse
mortalem (ebenda).
12. ,,(293, 15) Er sagte: ,Gib dem Recht (was ihm gebührt) von dir aus1,
denn das Recht überwältigt dich, wenn du ihm nicht sein Recht gibst.' "
Zur Formulierung vgl. fr. 312: έάν μή σν τοΰτον άπολέσης, ούτός σε
άττολέσει, und ebenso im Folgenden 14, 15.
13. „(293, 16) Er sagte: ,Die Liebe zum Reichtum ist der Pflock des
Bösen, weil die übrigen Übel (al-äfät) an ihr hangen, und die Liebe zur Kar-
riere ist der Pflock der Laster, weil die übrigen Laster an ihr hangen ' "
Dazu fr. 207: omnium perturbationum matrem esse arbitrabatur immode-
ratam quandam intemperantiam. Im vorliegenden Fall ersetzt der „Pflock"
die „Mutter."
14. „(293, 17) Er sagte: .Pflege die Nachbarschaft zum Wohlergehen,
dann wird es dir wohl ergehen, und schade ihr nicht, sonst schadet sie dir.' "
Zur Form hier und im Folgenden vgl. zu 12. Zenon rechnete das Paar
πλοί/τος und πενία zu den άδιάφορα (nee bona nec mala fr. 191) fr. 190.
Von diesen anerkannte Zenon solche, die er secundum naturam dicebat, und
von ihnen lehrte er, ea sumenda et quadam admiratione dignanda: fr. 191.
Vgl. fr. 193 sumenda.
15. „(293, 18) Er sagte: ,Wenn die (böse) Welt den erreicht, der vor ihr
flieht, verwundet sie ihn, und wenn sie (die Welt) der erreicht, der nach ihr
strebt, dann tötet sie ihn!' "
Von der Wunde (vulnus), die der Weise erhalten hat, und der Narbe
(1cicatrix), die ihm bleibt, spricht fr. 215. Er ist derjenige, der vor ad-dunyä
„ce bas monde" flieht. Dieses „Fliehen" meint das „Vermeiden des Bösen" 3
und das Gegenteil dessen, was unter 14 als das Halten einer guten Nach-
barschaft bezeichnet ist. In den erhaltenen Stücken entsprechen das Paar
προτροπαί und άποτροπαί (fr. 178) sowie das reicere (fr. 185 reiciendum;
fr. 193 reiecta) gegenüber dem sumere (oben zu 14).
16. ,,(293,19) Es wurde ihm gesagt, der nur seinen Tagesunterhalt zu
erwerben pflegte: .Siehe, der König haßt dich.' Da sagte er: ,Wie auch sollte
der König den lieben, der reicher ist als er?' "
1
Oder: „Gewähre das Recht freiwillig (a'ti: Imper. Sg. masc. 4. Stamm).
7*
100 QUELLENFRAGEN

Der Weise ist βασιλικός und στρατηγικός fr. 216. Dazu fr. 220, insbe-
sondere: solos sapientes esse, si mendicissimi, divites.
17. „(293, 20) Er wurde gefragt: (294, 1) .Wodurch unterscheiden sich
die Menschen in dieser Zeit von den Tieren?' Er (Zenon) sagte: .Durch das
Bösesein.' "
Zu den Menschen gehören nicht nur die σπουδαίοι, sondern auch die
φαϋλοι: fr. 216; vgl. 226 τους μή σπουδαίους; 228. „In dieser Zeit" verengt
den allgemeinen Tatbestand ins Besondere: zur Kritik der eignen Zeit.
18. „(294, 1) Er sagte: .Nie haben wir den Verstand anders gesehen als
der Unwissenheit dienend.' "
Sahrastänl gibt zu diesem Fragment einen Kommentar; er kann bei-
seite bleiben. Heranzuziehen ist fr. 202. Das παθητικόν und άλογον sei
nicht vom λογικό ν getrennt. Dann geht es weiter: διάνοια als της ψυχής
μέρος, . . . διόλου τρεπόμενον καΐ μεταβάλλου εν τε τοις πάθεσι καΐ ταϊς
κατά Ιξιυ ή διάθεσιν μεταβολαϊς, κακίαν . . . γίνεσθαι. . . καΐ μηδέν εχειν
άλογον έν έαυτω. Die in dem Bruchstück ausgesprochene Behauptung gilt
demnach nicht allgemein, sondern innerhalb eines bestimmten Zusammen-
hanges.
19. „(294, 9) Zenon sagte: .Die Heuschrecke hat die (äußeren) Eigen-
schaften von sieben Giganten: ihr Kopf ist der Kopf eines Pferdes; ihr
Nacken der Nacken eines Stieres; ihre Brust die Brust eines Löwen; ihre
beiden Flügel sind die beiden Flügel eines Adlers; ihre beiden (Hinter-)
Beine sind zwei Beine eines Dromedars, und ihr Schwanz ist der Schwanz
einer Schlange.'"

4. PORPHYRIOS UND ORIGENES' H E X A P L A

Die nach G. Mercati's Tod erscheinende Ausgabe der ambrosianischen


Bruchstücke des hexaplarischen Psalters 1 , obwohl noch in den Anfängen
stehend, gestattet, die Bedeutimg des von uns gefundenen Abschnittes aus
Porphyrios' κατά Χριστιανούς schärfer zu umreißen.
Porphyrios wandte sich gegen Origenes (wenn unsere oben 3, 120 f. ge-
gebene Deutung zutrifft) und dessen Bewertung der griechischen Tora-
Ubersetzung, der „Tora der Siebzig". Das hebräische Original sei „der Ver-
wirrung ferngeblieben", heißt es. Das besagt, daß für Porphyrios und damit
auch für Origenes an der Authenzität der umlaufenden hebräischen Texte
1 loh. Card. Mercati, Psalterii Hexapli Fragmenta ι (1958).
3- N E S T O R I A N I S C H E ÜBERSETZUNGEN 101

kein Zweifel bestand. Aber auch die Christen behaupten, „nicht habe bei ihr
(der griechischen Übersetzung) eine Umstellung oder Änderung (gegenüber
dem hebräischen Original) stattgefunden". Abweichungen habe es, trotz
der großen Anzahl selbständiger Übersetzer, nur darin gegeben, „was sich
unvermeidlich einstellt hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der Ausdrücke
bei übereinstimmenden Begriffen". Die Übersetzungen waren im Wesent-
lichen einheitlich, und solche Einheitlichkeit gewährleistete, daß sie dem
Original entsprachen.
Origenes, wenn anders er im vorliegenden Fall Gegenstand der porphy-
rianischen Kritik ist, trug die Geschichte der 72 Übersetzer in einer Fassung^
vor, die in vielem mit der des Aristeas-Briefes2 übereinstimmt, in manchem
jedoch abweicht. Hier gehen uns folgende Übereinstimmungen an:
1. das hebräische Original lag vor, blieb aber unverständlich;
2. die Ubersetzimg wurde in königlichem Auftrag von 72 Männern durch-
geführt, die dazu aus Jerusalem nach Ägypten kamen.
Daneben bestehen freilich Unterschiede, die bezeichnend sind. Ebenso
Aristeas wie unserem Text ist daran gelegen, die Übereinstimmung der
Ubersetzung mit dem hebräischen Original zu erweisen. Bei Aristeas ge-
schieht die Herstellung der Übersetzung in der Weise, daß vor der end-
gültigen Redaktion ein gleichförmiger Text durch Vergleich der Einzel-
übersetzungen erzielt wird: 302 ο! δέ έττετέλουν Ικαστα σύμφωνα ττοιοΟυτες
ττρόζ έαυτούς ταϊ$ άντιβολαΐς · τ ό δέ έκ της συμφωνίας γινόμενον πρεπόν-
Tcos άναγραφής ούτως έτύγχανε παρά του Δημητρίου.
Die Richtigkeit des endgültigen Ergebnisses wird durch die Zustimmung
der Gemeinde und ihrer Vorsteher erhärtet. Anders in unserem Text.
Je zwei der 72 Übersetzer fertigen ihre Übersetzung an. Alle Übersetzungen
unterscheiden sich nur in Einzelheiten des Ausdrucks, nicht im Gedanken.
Dieser Umstand mußte für Origenes von besonderer Bedeutung sein. Denn
nur dann, wenn die verschiedenen Übersetzer zum gleichen Ergebnis kamen,
war für ihn die Übereinstimmung mit dem hebräischen Original gewähr-
leistet. Nur in solchem Fall konnte dieses für den Gebrauch der Christen
durch die griechische Ubersetzung ersetzt werden. Consensus war damit als
Beweismittel in einem entscheidenden Fall anerkannt3.
* Dazu Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958) 37 f.
s Wie verbreitet die Erzählung von den 72 Übersetzern war, zeigt die Sammlung

der Testimonia, die P. Wendland seiner Aristeas-Ausgabe (1900) nachgeschickt hat


(p. 85 f.). Die wunderbare Übereinstimmung der 72 Einzelübersetzungen wird oft be-
102 QUELLENFRAGEN

Origenes konnte freilich nicht entgehen, daß die umlaufenden άντίγραφα


der L X X (von der die Tora-Übersetzung nur einen Teil bildete) dem hohen
Anspruch, der an sie gestellt war, nicht genügten4. Er äußert sich darüber
in seinem Matthäus-Kommentar S. 387, 28 f. Klostermann: π ο λ λ ή γέγονεν
ή τ ω ν άντιγράφων διαφορά, είτε άπό φαβυμίας τινών γραφέων, είτε
άπό τόλμη? τινών μοχθηρας <εΐτε άττό άμελούντων) της διορθώσεως τ ώ ν
Υραφομένων, είτε καΐ άπό τ ώ ν τ ά έαυτοίς δοκον/ντα έυ τ η διορθώσει
<ή> προστιθέντων ή άφαιρούντων.
Textverderbnisse waren demnach der Willkür der Abschreiber zur
Last gelegt. Origenes hingegen hatte sich zur Aufgabe gemacht, den ur-
sprünglichen, also unverderbten Zustand herzustellen. Dies geschah nicht
in der Weise, die heute angewandt würde: durch Ermittlung der ältesten
und besten Handschriften sowie anderweitiger Textzeugen, durch Verfol-
gung der Textgeschichte, Zusammenstellung und Vergleich der Varianten,
endlich durch Rekonstruktion der ältesten Textform, des handschriftlichen
Archetypus und des „Urtextes". Origenes' Verfahren war einfach und gerad-
linig. Da nach seiner Auffassung der ursprüngliche, im Lauf der Jahrhun-
derte verderbte LXX-Text dem hebräischen Original völlig ebenbürtig war
und sich in dieser Hinsicht durch den consensus der 36 Übersetzungen aus-
wies, ging es allein darum, die richtige Übersetzung zu ermitteln. War dies
geschehen, dann war auch der Urtext in Origenes' Sinn gefunden. Er zog
demnach die ihm verfügbaren Übersetzungen heran, wies jeder eine
Spalte in der Hexapla zu und suchte aus dem Vergleich dieser Parallel-
übersetzungen mit der der L X X die „richtige" Übersetzung auszumachen,
die für ihn, wie gesagt, mit dem noch nicht verderbten Text der 72 zu-
sammenfiel.
In Origenes' Augen schieden sich damit dreierlei Verfahren, über die
er sich, wiederum im Matthäus-Kommentar, geäußert hat: τήν κρίσιν
ποιησάμενοι άπό τ ώ ν λοιπών έκδόσεων
ι . τ ό συνφδον έκείναις Ιφυλάξαμεν,
2. καΐ τινά μέν ώβελίσαμεν <ώς> έν τ ω έβραϊκω μή κείμενα (ου τολμή-
σαντες αύτά πάντη περιελεϊν),

richtet (ρ. 122, ι8ί.; 124, 5i.; 13^, i6f.; 153· ι ί · ; 159» 17*·)· Hingegen werden 36 Über-
setzerpaare nur bei Epiphan., de pond. 3 p. 1 5 5 ! Lagarde erwähnt. Freilich übersetzen
sie nicht die Tora allein, sondern alle 27 kanonischen Bücher (p. 139, 25f. Wendland;
ähnlich 134, 17f.; 136, 5f.).
4 Über Vorgänger R. Walzer, Galen on Jews and Christians (1949) 8of.
3· NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 103
3. τινά δέ μετ' άστερίσκων προσεθήκαμεν ίνα δήλον ή, δτι μή κείμενα
παρά Tots έβδομήκοντα έκ των λοιπών έκδόσεων συμφώνων τ ω έβραϊκω
προσεθήκαμεν.
Vergleicht man damit, was bei Porphyrios steht, so muß man zunächst
feststellen, daß von der Hexapla nichts gesagt wird, auch nichts vom Be-
stehen weiterer Übersetzungen. Origenes hatte die Arbeit an dem monu-
mentalen Werk, nach 28jähriger Vorbereitung, um 245 vollendet, also etwa
ein Menschenalter vor dem Zeitpunkt, da Porphyrios an seinem Werke
schrieb6. Das umfängliche Gebilde der Hexapla, ohnedies nur in wenigen
Exemplaren vorhanden, war praktisch weder erhältlich noch zugänglich
und entging darum der Aufmerksamkeit des Kritikers.
Doch etwas anderes springt ins Auge. Origenes hatte von έν τ ω έβραϊκω
μή κείμενα gesprochen, die er mit dem όβελός versah, oü τολμήσαντε$ αύτά
πάντη περιελείν. Daneben standen μή κείμενα παρά τοις έβδομήκοντα,
die er darum einfügte (προσεθήκαμεν) und mit einem άστερίσκοξ ver-
sah. Bei Porphyrios wird von der Ubersetzung der L X X den Christen
die Versicherung in den Mund gelegt, lam yaka' 'alaihä tabdilun au tahrlf
(Berünl, Chronol. 21, 6 Sachau). Demzufolge habe es gegenüber dem hebrä-
ischen Original „keine Umstellung oder Änderung" gegeben. Eben dies be-
zweifelte Porphyrios. Er kannte demnach das kritische Verfahren seines
Gegners, die Anwendung von όβελός und άστερίσκος, wenn auch nicht aus
der Hexapla selbst, so doch aus solchen Exemplaren des origenianischen
Textes, die bereits zu der Zeit, da er gegen die Christen schrieb, mit kritischen
σημεία versehen, umliefen; über ein solches wird weiter unten gesprochen
werden. Dem Auge des Kritikers war diese Mißlichkeit, die von dem verderb-
ten Zustand des angeblich dem hebräischen Original gleichwertigen L X X -
Textes zeugte, nicht entgangen.
Um so größere Uberraschimg mußte eine Feststellung auslösen, zu der
die maßgebenden Forscher angesichts der ambrosianischen Bruchstücke ge-
langt sind. Nach ihrer Auffassung wies die Spalte, die den L X X zuge-
wiesen war (e nach Mercati's Bezeichnung) jene kritischen σημεία, davon
Origenes spricht — όβελός und άστερίσκοξ also — nicht auf. Schon Mercati
glaubte dieses Fehlen feststellen zu müssen®, und im Anschluß daran kam
er zur Folgerung, man müsse sich die kritische, will sagen: die mit σημεία
ausgestattete Ausgabe der L X X als eigenes Buchunternehmen vorstellen,
5 Altheim-Stiehl, a. O. 37.

• a. Ο. X V I I 1 .
104 QUELLENFRAGEN

das neben Hexapla (und Tetrapia) gestanden habe. Nur so läßt sich seine
Wendung verstehen: „Esaplo e Tetraplo e la recensione dei L X X coi segni
diacritici e supplementi dentro." Auch P. Kahle war zu dem Ergebnis ge-
kommen, daß die ambrosianischen Bruchstücke „in der Septuaginta-Ko-
lumne nicht irgendeinen (gemeint ist: .keinen') Asterisk oder Obelus auf-
wiesen". Er deutete dieses Fehlen dahin, „daß die Hexapla nur die Grundlage
für die textkritische Arbeit des Origenes gewesen sein könne, daß die in ihr
vorliegende Zusammenstellung von wichtigen jüdischen Bibeltexten ihm
(Origenes) recht eigentlich das Material für seine Arbeit bot" 7 . Wohingegen
Mercati eher an eine nachlässige Abschrift zu denken scheint, wenn er von
Werken spricht, „nelle quali Origene si valse degli accorgimenti ed artificii
usati dai critici e dai grammatici nelle copie dei classici, ma con fini suoi
particulari, e forse per le difficult^ e per la mole non con l'acribia e finezza
delle scuole e delle officine librarie, dove si badava solo alia calligrafia ed
ortografia 8 ."
Die Äußerungen beider Gelehrter wurden wörtlich angeführt, da man
sich mit ihnen auseinanderzusetzen hat.
Von vornherein ist eine Auffassung unwahrscheinlich, derzufolge die
LXX-Spalte der Hexapla keine kritischen σημεία aufgewiesen habe. Es ist
zuzugeben, daß Fassungen der L X X umliefen, die lediglich deren Text mit
solchen σημεία darboten. Ein Papyrus aus der zweiten Hälfte des 3. Jahr-
hunderts mit Hesek. 5, 12—6, 2 enthält zwei άστερίσκοι und liefert damit
„einen höchst interessanten Beleg für die frühe Verbreitung origenianischer
Texte"; so sagt G. Zuntz9, unter Zustimmimg Mercati's. Solch ein Text
verwendete die textkritischen Ergebnisse der Bemühungen, die Origenes
sich angelegen sein ließ. Aber das kritische Verfahren selbst konnte nur
durchgeführt werden und sich als erfolgreich ausweisen angesichts der Über-
setzungen, die den L X X zur Seite standen. Es konnte überhaupt nur diesem
Nebeneinander entspringen. Origenes bezeugt dies ausdrücklich durch die
Wendung: την κρίσιν ποιησάμενοι άττό των λοιπών έκδόσεων oder,
wie es kurz zuvor heißt: κριτηρίω χρησάμενοι ταϊς λοιτταΐς έκδόσεσιν.
Denn allein der Vergleich der L X X mit dem, was die weiteren Spalten der
Hexapla enthielten, vermochte zu zeigen, wo der LXX-Text mit den Paral-
lelfassungen übereinstimmte (συυςτδου), wo er nicht zum hebräischen Ori-
7
In: Theol. Lit.-Zeitg. 1959, 744; Journ. Bibl. Lit. 79 (1960), 116.
• a. Ο. X V I I 1 . und r.
9
In: Ztschr. f. alttestam. Wiss. 68 (1956), 175 Anm. 109.
3- N E S T O R I A N I S C H E ÜBERSETZUNGEN 105
ginal paßte (έν τ φ έβραϊκώ μή κείμενα) und w o er Zusätze verlangte
(ότι μή κείμενα . . . ιτροσεθήκαμεν). In der T a t zeigt sich, daß der L X X -
Spalte der ambrosianischen Bruchstücke die kritischen σημεία nicht fehlten.
Zu fr. X I Zeile 30 έκλιναν in der L X X - S p a l t e (e) bemerkt Mercati:
„lineola recta vid. ante posita". Im hebräischen T e x t von Ps. 45, 7 steht
λϋΏ und in der zweiten Spalte μ α τ ο υ „sie schwankten". Dementsprechend
geben die dritte und vierte Spalte der Bruchstücke έσφάλησαν und
περιετράπησαν, die zuletzt angeschlossene Quinta έσαλεύθησαν. Demgegen-
über bedeutet έκλιναν der L X X „sie fielen hin". Zweifellos war dies eine
ungenaue Übersetzung und gehörte zu den έν τ φ έβραϊκω μή κείμενα.
Als solche mußte sie mit dem όβελόζ versehen werden. Die wagrechte Linie
vor έκλιναν ist demnach nichts anderes als ein solcher όβελός (oder dessen
Rest), vor das beanstandete Wort gesetzt. Dieses selbst blieb, entsprechend
Origenes' Verfahren, unangetastet: ο ύ τολμήσαντες α υ τ ά ττάντη ιτεριελεΐν.
Ein weiteres Beispiel des όβελός oder ein solches des άστερίσκος ha-
ben wir in den erhaltenen Bruchstücken nicht auffinden können. Dies ist
weniger verwunderlich, als es zunächst scheinen könnte. Denn wir beken-
nen, auch keine weitere Stelle gefunden zu haben, wo eines der beiden
σημεία am Platz gewesen wäre.
Nach Klärung auch dieser Frage muß eine letzte behandelt werden, die
oft erörtert worden ist. Gemeint ist die nach Herkunft und Zweck der
zweiten Spalte, der μεταγραφή 1 0 des hebräischen Textes mit griechischen
Buchstaben. Vielleicht läßt sich auch hier zu einem Ergebnis gelangen. W i r
gehen aus v o m Stand der Forschimg.
In der zweiten Auflage von „ T h e Cairo Geniza" (1959) verteidigt Kahle
seine von jeher vertretene Ansicht, wonach die zweite Spalte zur Lesung im
jüdischen und christlichen Gottesdienst bestimmt gewesen sei. E r wendet
sich gegen Mercati's A u f s a t z : „II problema della colonna I I del Esaplo" 1 1 ,
der den schlüssigen Nachweis erbracht hatte, daß die bisher angeführten
Belege für liturgischen Gebrauch der μεταγραφή nicht beweisen, was sie
beweisen sollen. Die zweite Spalte, meint Mercati, sei von Origenes oder auf
seine Anordnung hin geschaffen worden. Demgegenüber wartet Kahle mit
neuen Beweisen zugunsten seiner Ansicht auf 1 2 .

10 Zum Begriff der μεταγραφή Altheim-Stiehl, a. O. gi.


11 In: Biblica 28 (1947), l i · ' · τ 75^·
1 2 a. Ο. 158f.; vgl. P. Kahle, Der hebräische Bibeltext seit Franz Delitzsch (1961)

42f.; in: Journ. Bibl. Lit. 79 (i960), i i 3 f .


106 QUELLENFRAGEN

Zunächst beruft er sich auf L. Blau's 1894 in Budapest erschienene


Schrift „Zur Einleitung in die Heilige Schrift". Da sie schwer erhältlich ist
und auch Mercati nicht vorlag, führt Kahle den für ihn entscheidenden
Passus in englischer Übersetzung an 13 . Es handelt sich um das ausdrück-
liche Verbot, biblische (genauer: alttestamentliche) Texte entweder in be-
stimmten Sprachen oder, wie Blau und Kahle meinen, in bestimmten
Schriften zu schreiben. Dementsprechend würde es sich im ersten Fall um
Übersetzungen, im zweiten um μεταγραφή handeln. Das Verbot wird an
zwei Stellen des babylonischen und an einer des jerusalemischen Talmud
ausgesprochen.
Die dabei genannten Sprachen oder Schriften sind:
Bäräytä Sabbat 1 1 5 a : ΓΡ3ΤΡ rva^y m a » iVT» rWJBj?
Söprim 1 , 7 : r v w ι ό ι jihö «Vi JvniK kVi rvna» »6
Seper Törä 1 , 8 : m i r x^i π η ^ ν κ ^ mhö «Vi n n a »
Alle drei Stellen stimmen überein in der Nennung von ΠΉ337, γιΉΏ
und jv>ni\ die erste und dritte in ivaV"», an dessen Platz in der
zweiten rPölN tritt; allein die erste hat fPüDp. Koptisch und Griechisch
sind klar, aber sollte man wirklich koptische und griechische Schrift, die sich
in nur wenigen Zeichen unterscheiden, und nicht vielmehr beide Sprachen
gegenübergestellt haben ? Unverständlich bleibt, was Blau und Kahle sich
unter Γ1Ή31? gedacht haben, „which normally must be understood the
Hebraic language". Das Verbot eines Schreibens alttestamentlicher Texte
in hebräischer Schrift ist ebenso sinnlos wie das von Übersetzungen in die
gleiche Sprache. Blau und Kahle haben nicht gesehen, daß „Iberisch", nicht
„Hebräisch" gemeint ist, mit Schreibung des anlautenden 1 mittels Ά in14.
Dazu vergleiche man "Ιβηρ, syr. ibräyä: Chron. min. 2, 213, 15 und ff.
Chabot. Nun wird die Aufzählung verständlicher. Koptisch, Griechisch und
Iberisch sind spätantike Literatursprachen, in die das Alte Testament über-
setzt worden ist. Von μεταγραφή kann keinesfalls die Rede sein, denn eine
solche des hebräischen Textes in koptische oder iberische Schrift ist sinnlos.
Alsbald schließt sich ΠΉΟ an. Es muß eine iranische Sprache gemeint
sein, und für alle Fälle genüge es, an den Pehlevi-Psalter zu erinnern. Rätsel-
haft scheint rva^y, denn weder eine elamische Schrift noch eine ela-
mische Sprache sind aus nachchristlicher Zeit erhalten. Die einzigen Sprach-
13
a. o. 159.
14
Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. (1878) 4t.
3· NESTORIANISCHE ÜBERSETZUNGEN 107
denkmäler, die man aus elamischem Bereich kennt, sind die Inschriften von
Tang-i Sarvak und Susa15. Beide sind aramäisch geschrieben1·, und tat-
sächlich steht anstelle von n,aV,5? an der zweiten Stelle das zu erwartende
ΓΡΰΙΝ. Also waren von dem Verbot die aramäischen Targume und mög-
licherweiser auch die PsTttä des Alten Testaments betroffen, letzte nach
Kahle's Ansicht einstmals das Targum der jüdischen Gemeinde Adiabene's17.
Die angeführten Belege müssen demnach ausscheiden; auch sie beweisen
nicht, was sie beweisen sollen.
Es ist unbegreiflich, daß weder Blau noch Kahle sich ernsthaft darüber
Gedanken gemacht haben, was die Aufzählung der angeführten Sprachen
bedeutet. Andernfalls hätten sie erkennen müssen, daß sie nichts für μετα-
γραφή in bestimmte Schriftarten beweisen. Die drei Stellen bestätigen ledig-
lich, was man längst wußte, daß alttestamentliche Texte ins Koptische, Grie-
chische, Iberische, Pehlevi sowie ins Aramäische und Syrische übersetzt
wurden.
Auch das zweite Zeugnis sagt nichts aus. Die im 2. Jahrhundert verfaßte
Homilie des Bischofs Melito von Sardes18 beginnt mit den Worten:
ή μέν γραφή της έβραϊκής έξόδου άνέγνωσται
καΐ τ ά βήματα του μυστηρίου διασεσάφηται.
Kahle übersetzt: „Die Schrift des hebräischen Exodus ist verlesen worden,
und die Worte des Mysterium sind erklärt worden". Er deutet Melito's
Aussage dahin, „daß die Verlesung des alttestamentlichen Textes in hebrä-
ischer Sprache stattgefunden hat" und „daß darauf die griechische Über-
setzung folgte". Hier sind zwei Übersetzungsfehler zu bemängeln. Διασαφεί ν
und διασάφησις meinen auf keinen Fall eine Ubersetzung, sondern immer eine
Erläuterimg18. Sodann ist „die hebräische Exodus" im gemeinten Sinn ein
Germanismus. Es genüge, auf Mercati's Feststellung zu verweisen, daß nicht
„del libro dell'esodo in ebraico" zu verstehen sei, sondern „dell'esodo degli
Ebrei" oder einfach „dell esodo". Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei denn
die Ergänzung, daß selbst, wenn Kahle's Übersetzung in dem Maße zuträfe,
wie er annimmt, damit eine μεταγραφή noch nicht bewiesen wäre.

16
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 9°f-; 98f.
16
Zu Susa vgl. Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg. (1959), 47f.
17
a. O. 269 f.

The Chester Beatty Papyri, fasc. VIII (1941), 10. Weitere Literatur bei P. Kahle,
The Cairo Geniza2 161; Der hebr. Bibeltext 43; G. Mercati, a. Ο. XVIII1.
19
Altheim-Stiehl, Philogia sacra 19f., mit Untersuchung des Sprachgebrauchs.
108 QUELLENFRAGEN

Liturgischer Gebrauch der μεταγραφή bleibt demnach unerweislich.


E s fällt auf, daß die zweite Spalte der ambrosianischen Bruchstücke keine
Variante aufweist. Das ist nur so zu verstehen, daß ein einziges Exemplar
der Umschrift zugrunde lag. E s könnte durchaus so gewesen sein, daß der
Text der zweiten Spalte von Origenes selbst oder in seinem Auftrag herge-
stellt wurde. Diese von Mercati vorgetragene Möglichkeit läßt sich nicht
widerlegen. Denn Kahle's Einwand, Origenes' hebräische Kenntnisse hätten
dazu nicht gereicht, setzt voraus, was erst bewiesen werden müßte. E s
könnte vielmehr so liegen, daß, wenn Mercati's Deutung zuträfe, man den
Stand solcher Kenntnisse der zweiten Spalte zu entnehmen hätte.
Weder von Kahle noch von Mercati wurde in Betracht gezogen, daß der
Aristeas-Brief zwei Tätigkeiten der 72 kennt:
1. die μεταγραφή, also die Umschrift des hebräischen Konsonanten-
textes in das griechische Vokalalphabet. Ausdrücklich wird bemerkt, das
solchermaßen hergestellte Exemplar sei in die alexandrinische Bibliothek
gekommen.
2. die διερμήνευση, also die Übersetzung aus dem Hebräischen ins
Griechische; sie war für den Gebrauch der jüdischen Gemeinde bestimmt. —
Die Scheidung beider Tätigkeiten blieb infolge mangelhaften philologischen
Verständnisses des Aristeas-Textes bisher unerkannt. Der Nachweis, wie
man die Angaben des Briefes zu verstehen habe, wurde von uns 1958 er-
bracht und durch Interpretation der Nacherzählungen bei Iosephus und
Tzetzes erhärtet 20 . Unsere Untersuchung konnte Mercati nicht vorliegen
und ist Kahle, wie sich an Hand eines Briefwechsels bestätigen ließe, erst
Ende 1961 bekannt geworden. Die im Aristeas-Brief bezeugte μεταγραφή
ist die einzige, von der man weiß. Daraus müssen die Folgerungen gezogen
werden.
Erst jetzt wird deutlich, was Origenes beabsichtigt hat. E r wünschte
nicht nur, den ursprünglichen L X X - T e x t herzustellen, sondern entsprechend
dem, was der Aristeas-Brief berichtete und die Folgezeit nicht anders ver-
stand, neben die Ubersetzung die μεταγραφή zu stellen. Vorbild und das
Streben, es erneut zu verwirklichen, sind unverkennbar. Wie bei Aristeas
die μεταγραφή der διερμήνευση vorangeht 21 , so auch bei Origenes: die
Spalte mit der Umschrift ist vor die Übersetzungen gestellt. A n anderer
Stelle wurde erwogen, ob Origenes das in der alexandrinischen Bibliothek
30
Altheim-Stiehl, a. O. 16 f.
11
Altheim-Stiehl, a. O. 17 f.
3· N E S T O R I A N I S C H E ÜBERSETZUNGEN 109
vorhandene Exemplar der μεταγραφή seinem Werk zugrundegelegt habe22.
Doch diese Erwägung kommt allenfalls für die Tora in Frage, nicht aber
für den Psalter. Hier bleibt fürs erste nur die von Mercati angenommene
Möglichkeit, daß die μεταγραφή von ihm selbst oder in seinem Auftrag an-
gefertigt wurde. Ob Origenes sich dabei eine μεταγραφή der Tora in der
alexandrinischen Bibliothek im Einzelnen zum Muster genommen hat,
bleibt gleichfalls offen.

NACHTRAG

Der oben 3,121 Anm. 3 gegebene kurze Hinweis auf Porphyrios' Kritik
an den Stammbäumen Jesu bedarf der Erklärung. A. v. Harnack 1 hat als
fr. 11 der Schrift gegen die Christen Hieronymus' Bemerkung zu Dan. 1,1:
Et ob hanc causam in evang. sec. Matthaeum una videtur esse generatio
(Matth. 1, 11—12), quia secunda τεσσαρακαιδεκάξ in Joacim desinit filio
Josiae, et tertia incipit a Joacin filio Joacim, quod ignorans Porphyrius
calumniam struit ecclesiae, suam ostendens imperitiam, dum evangelistae
Matthaei arguere nititur falsitatem. Die Schwierigkeit war dadurch erwachsen,
daß Matthaeus nur 40, Lukas hingegen 42 Vorfahren kannte. Es galt dem-
zufolge, die Differenz aufzufüllen. Hieronymus tut dies, indem er an
14. Stelle zwei weitere Generationen einfügt, nämlich Joacim und Joacin, die
beide hinter Josia zu stehen kommen. Für Joacim konnte er sich immer-
hin auf jene Textüberlieferung berufen, die Matth. 1, 11 Ίωσίας δέ
έγέννησεν τόν Ίωακίμ, ΊωακΙμ δέ κτλ hatte. Joacin ist hingegen Erfin-
dung von Hieronymus' Scharfsinn2. Porphyrios kannte nichts dergleichen.
Das zeigen Hieronymus' Polemik und der arabische Text, der yöSlyä allein
anführt und von diesem zu yöhanyä übergeht (Berünl, Chron. 22,10 Sachau).
22 Altheim-Stiehl, a. O. 39 f.
1 In: Abh. Berl. Akad. 1916, x, 49.
2 In Anlehnung an die Abfolge Josia-Jojakim-Jojachin bei den jüdischen Königen.
VIERTES KAPITEL

WÖRTERVERZEICHNIS
ARAMÄISCHER I N S C H R I F T E N U N D
A N D E R E R U R K U N D E N AUS PARTHISCHER
ZEIT
Erfaßt wurden folgende Texte:
1. Bilinguis aus Kandahar — aram. Teil (=Kand.). Dazu vergleiche
man:
a) G. Tucci, U. Scerrato, G. Pugliese Carratelli u. G. Levi Deila Vida,
Un editto bilingue Greco-Aramaico di ASoka (Serie Orientale Roma
XXI) 1958.
b) Altheim-Stiehl in: East and West 9 (1958), 192f.
c) D. Schlumberger, L. Robert, A. Dupont-Sommer, E. Benveniste
in: Journ. Asiat. 1958, if.
d) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 397 f. (zusammen mit
R. Stiehl); 2 (i960), 167f. (desgl.).
e) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache unter den Achaimeniden 1
(1. Lief. 1959), 21 f.
2. Inschrift aus Pul-i Daruntah, aram. Teil (=P. Dar.).
a) Kabul 2 (1932), 413.
b) H. Birkeland in: Acta Orient. 16 (1938), 222f.
c) F. Altheim, Weltgesch. Asiens 1 (1947), 25 f.
d) W. B. Henning in: BSOAS. 13 (1949), 80f.
Es wurden nur die vollständigen und eindeutig ergänzbaren Wörter erfaßt.
3. Inschrift ASokas aus Taxila ( = Tax.).
a) L. D. Barnett u. A. Cowley in: Journ. Royal Asiat. Soc. 1915, 34of.
b) J. Marshall in: Arch. Survey of India 1914—15, 25f.
c) F. C. Andreas in: Nachr. Gött. Gesellschaft d. Wiss. 1932, j i .
(nach dem Tod des Autors herausgeg. von H. A. Winkler, H. Lom-
mel, E. Littmann, mit einem Nachtrag von J. Wackernagel).
d) J. Marshall in: Epigraphia Indica 19, 251 (briefl. Äußerung
E. Herzfeld's).
4. WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN Hl

e) F. Altheim, Awest. Textgeschichte (Hallische Monographien 9,


1949). 5f·
f) F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (1950), 178f.
g) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) gi.

4. Ostraka aus Nisä 1 — 7 ( = Nisä 1—7).


a) I. M. Djakonow, Μ. M. Djakonow, W. A. Liwsiz, Dokumenty iz
drewnej Nisy. Materialy HDTAK3 2 (Moskau-Leningrad 1951), 21 f.
b) Dieselben in: Westnik drewnej istorii 4 (1953), 1 1 4 ! , übersetzt von
0. Mehlitz in: Sowjetwissenschaft 4 (1954), 557f.
c) I. N. Winnikow in: Westnik drewnej istorii 2 (1954), 115f.
d) Altheim-Stiehl in: Wissensch. Ztschr. der Karl-Marx-Universität
Leipzig 5 (1955—56), Gesellschafts- und sprachwissensch. Reihe
Heft 3, 341 f.
e) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 5 4 !
f) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 412L; 430t. (zu-
sammen mit R. Stiehl).
g) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (1. Lief. 1959), 35 f.
Die Ostraka sind unter den Nummern zitiert, in denen sie in: Altheim-
Stiehl, Suppl. Aram. 54f. erscheinen. Die Entsprechungen zu den Nummern
bei Djakonow-Djakonow-Liwäiz sind: 1 = 1, 66; 2 = 1, 64; 3 = 1, 58;
4 = 2,24; 5 = 1, 27; 6 = 1, 77.

5. Pergament aus Avrömän ( = Avr.).


a) H. S. Nyberg in: Le Monde Oriental 17 (1923), 182f.
b) E. Herzfeld, Paikuli (1924), 83.
c) Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 229 t.; 293.
d) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957), 6 4 !
e) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 413 (zusammen
mit R. Stiehl).
f) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (1. Lief. 1959), 37 f.

6. Inschrift aus Mchet'a (=Mch.).


a) Altheim-Stiehl in: Forschungen u. Fortschritte 35 (1961), 172f.
b) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (3. Lief. 1962), 243 t.

7. Bilinguis aus Mchet'a — aram. Teil ( = Mch. Bil.).


a) G. Tsereteli in: Bull. Marr Institute of Languages, History and
Material Culture 13 (Tiflis 1942), i f .
112 QUELLENFRAGEN

b) Μ. Ν. Tod in: JRomStud. 33 (1943), 82f.


c) H. W. Bailey in: JRAS. 1943, i f .
d) G. Tsereteli in: Westnik drewnej istorii 1948, 49f.
e) F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (1950), 40 f.
f) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957), 74f.
g) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 247!.; 428 f. (zu-
sammen mit R. Stiehl); 2, 178f.; 295! (desgl.).
h) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (1. Lief. 1959), 41 f.

8. Inschrift aus Bori ( = Bori).


a) G. Tsereteli in: Bull. Marr Institute of Languages, History and
Material Culture 13 (Tiflis 1942), i f .
b) G. Tsereteli in: Westnik drewnej istorii 1948, 54, Abb. 2.
c) F. Altheim, Literatur u. Gesellschaft 2 (1950), 46t. (R. Stiehl).
d) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957), 88 f.

9. Inschriften 1—3 aus Tang-i Sarvak ( = T. Sarv. 1—3).


a) W. B. Henning in: Asia Maior 1952, 151 f.
b) Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen (1953) 61 f.
c) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 90 f.

10. Inschrift aus Susa ( = Susa).


a) R. Ghirshman in: Mon. Piot 44 (1950), 97f.
b) W. B. Henning in: Asia Maior 1952, 176.
c) Altheim-Stiehl in: La Parola del Passato 31 (1953), 307f.; 312f.
d) Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 241t.
e) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 98 f.
f) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 414 (zusammen mit
R. Stiehl).
g) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (1. Lief. 1959), 47f.

11. Pergament 12 aus Dura-Europos ( = Dura).


a) Altheim-Stiehl, Asien und Rom (1952) gi.
b) W. B. Henning in: Gnomon 26 (1954), 477f.
c) Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 101 f.
d) F. Altheim, Geschichte der Hunnen 1 (1959), 391 f. (zusammen mit
R. Stiehl).
e) Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache 1 (1. Lief. 1959), 64 f.
4· W Ö R T E R V E R Z E I C H N I S ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 113

Für die Lesung und Deutung der Wörter sei auf unsere Veröffentlichun-
gen verwiesen. Lediglich Ergebnisse, die über das bisher Geäußerte hinaus-
gehen, werden mitgeteilt.
Die Stämme mit drittem schwachem Radikal (w, y) werden durchgehend
als tert. y. bezeichnet.
St. gen. meint „Status generalis" und wird verwandt bei Texten, die
(durchgehend oder teilweise) bei ihren Nomina die drei Status formal nicht
unterscheiden, sondern dafür Einheitsformen benutzen.
'b Subst. M. „Vater"; Sg. m. Suff. 3. Sg. M. 'bwhy Kand. 6;
Tax. 5.
'bd Verb. Hap'el „beseitigen"; Pf. 3. Sg. M. hwbd Kand. 2.
'bzbry parth. +aßä£bare „nicht steuerpflichtig"; Nisä 1 , 1 ; 2, χ; 3 , 1 ;
vgl. *wzbry.
'byrSkn Ο. N. (Weinberg) parth. Αßirükän; Avr. 2; vgl. zu m\ Zur
Bildung vgl. die Namen zweier nach Ardaäer und Dareios
P. N. benannter Kanäle:'rdhSyrgn (Chron. min. 1, 36, 2 Gui-
di); drygn (a. O. 1, 36, 5).
'bn P. N. parth. Aßän, Obl. 5bny, Aßäne; Avr. 6.
'gryp P. N. ' A y p h n r a ; Mch. Bil. 6.
'dwSy' ap. *a-dauSya- „unlieb, unfreundlich", Akk. PI. M. od. N.
*adauSyä; Kand. 2.
'dyn in Adv. mn 'dyn „seitdem"; Kand. 2.
'wgwtt parth. in: 'wgwn Swgwn „so wie"; Dura 2.
'wzbry parth. *aßä£bare „nicht steuerpflichtig"; Nisä 7, 2; vgl.
'bzbry.
'wyl P. N. parth. Awil] Avr. 3; 7.
'hd Verb. P^'al „fangen"; Pf. 3. PI. M. (oder Part. Act. PI. M. St.
abs.) 'hdn Kand. 4.
'hr 1. Adj. „anderer"; Sg. M. St. det. 'hr' T. Sarv. 2, 2. — 2. Adj.
m. wortbild. Suff, -yn „anderer"; Sg. M. St. det. 'hyryn' T.
Sarv. 1, 3.—3. Präp. m. -y 'hry- „nach"; m. Suff. 1. PI. 'hryn
P. Dar. 8.
'yk Konj. „wie"; Kand. 7.
*yt mit -y „es ist"; selbständig 'yty Kand. 7; m. Suff. 2. Sg. M.
'ytyk Dura 3.
'kl Subst. M. m. wortb. Präf. m- „Speise"; Sg. St. det. m'kl'
Kand. 3.
8 Althelm, Hunnen V
QUELLENFRAGEN

'kl Verb. P e ' a l „messen"; Perf. 3. PI. M. 'klw Avr. 4.


'klyt Ο. N.; Mch. 10.
'lk Pron. Dem. PI. comm.; Kand. 5; 5.
'm Konj. „wenn"; Mch. 4: vielleicht <'n mit Assimilation des
η an folgendes m in mnw (Hinweis W. Baumgartners, briefl.
8. 7. 61); in k'm „wie wenn" Dura 3. 'm begegnet auch im
Murabba'ät-Text 20 recto, 6; 8 und im Jüd.-Aramäischen
(Benoit-Milik-de Vaux, Discoveries in the Judaean Desert 2:
Les Grottes de Murabba'ät [1961] 113).
'mwn' P. N. aram. Ämönä; T. Sarv. 3, 2.
'nh Pron. Pers. 1. Sg.; Mch. 1 ; 2; 5; 8 ('[nh); 1 1 ; Mch. Bil. 1.
'np in zsgs. Präp. tnn b'npy zy „angesichtsvon, v o r " ; T. Sarv. 3,3.
'nS Subst. M. „Mensch"; Koll. St. gen. nS Mch. 4; 'ynS Mch.
Bil. 10; PI. St. abs. 'nsn Kand. 2; 4; 5; 6; 8; PI. St. det. 'niy'
Kand. 7.
'nt Subst. F. „Frau, Ehefrau"; Sg. St. gen. 'ntt Mch. Bil. 3.
'smk P. N. parth. Asmak; Avr. 2; vgl. zu m'.
'smkn Ο. N. (Weinberg); Avr. 7 ; vgl. zu m'.
'sprwg P. N. Asparüy, Mch. 13.
'sr 1. Verb. P e ' a l „binden, verpflichten"; Pf. 3. PI. M. m. Suff. 3.
Sg. M. 'srhy Kand. 7. — 2. Subst. M. „Gefolgsmann" (Übers,
von mp. bandak); PI. St. det. 'syry' T. Sarv. 1, 3; 2, 2.
'p Adv. „ a u c h " ; Kand. 3; Tax. 11.
'pdnk parth. *apa&änak „ P a l a s t " ; Nisä 2, 2; 3, 1 ('pdn[k).
'pyn P. N. parth. Apen-, Avr. 5.
'rwst ap. aruvasta- „activity, physical prowess": „Heldentat,
Sieg"; Mch. 7; 12; 14; Mch. Bil. 4.
'rwtt Monatsname, vgl. av. haurvatät-\ Avr. 1.
'rzws P. N. av. arazav-, Nom.
3r9zus; Tax. 4.
'rybrzn Ρ. Ν. Ά ρ ι ο β α ρ ζ ά ν η ς ; Nisä 4, 1.
'rk Adj. „ l a n g " ; PI. M. St. gen. 'rykyn (mn 'rykyn — zu er-
gänzen: zabnin „Zeiten" — „seit langen Zeiten") Mch. 3.
'rmyn Ο. N. „Armenien"; Mch. 6.
'rk Subst. F. „ E r d e " ; Sg. St. det. 'rk' Kand. 3.
'ritt P. N. parth. ArStät) Avr. 5.
'rtbn P. N. parth. Artaßän, Obl. 'rtbny, Artaßäne', Susa 1 (oder
4. WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 115

— nach Lesung W. B. Hennings in: Asia Major 1952, 176 —


Nom. 'rtbnw, Artaßänu).
'rtbnwkn Ο. N. (Weinberg) parth.; Nisä 1, 1 (['rtbnwkn]); vgl. zu
'byrSkn.
'rtwrSt P. N.; Nisä 1, 5.
'rtMtrkn Ο. N. (Weinberg) parth.; Nisä i , 2; vgl. zu 'byrSkn.
'ty Verb. Hap'el „bringen"; Perf. 3. Sg. M. hyty Nisä 1, 5; 2, 4;
4, ι ·
'tr Subst. M. „ O r t " ; Sg. St. gen. (Lok. in: 'tr nknyt „am Ort
N.") Mch. 8.

b Präp.; P. Dar. 7; Kand. 3; 3; Tax. 7; Nisä 1, 1; 2, 1; 3, 1


([&]);3. I » 5 . i ; 6 , 1 ; 7. ι ( W ) ; Avr. 2; Mch. 3; 6 ; 9 ; 10; 12;
Mch. Bil. 11; T. Sarv. 3, 4; Dura 2; in zsgs; Präp. byny bgw
„inmitten"; Mch. 8; in zsgs. Präp. mn b'npy zy „vor";
T. Sarv. 3, 3.
b'sy Ρ. Ν.; T. Sarv. 1, 4; 2, 4.
bd'k Ρ. Ν.; T. Sarv. 3, 3.
bwz myhr P. N. parth. oder mp.; Bori A; B.
bwmhwty parth. „Landherr"; Avr. 4; vgl. talmud. zaharöxä, der
Beamte, der über die Grundsteuer gesetzt ist (oben 4, 38).
bzz Verb. P e ' a l „plündern"; Perf. 3. Sg. M. bz Mch. 10.
bhr' Ρ. Ν.; T. Sarv. 1, 3; 2, 3.
bths Titel, zur Ableitung von Πατιζείθης, ap. *fatixsäya{Hya-
vgl. Altheim-Stiehl in: Forsch, u. Fortschritte 35 (1961),
174 r. f. und oben 4, 12f. mit Angabe früherer Literatur;
Mch. Bil. 2.
byty'hS Titel, vgl. zu btM; Bori B.
byn Präp. m. -y in zsgs. Präp. byny bgw „inmitten"; Mch. 8.
byr Subst. F. „Festung"; Sg. St. gen. byrt Mch. 6 (byr[t); 7; 11.
byt Subst. M. „ H a u s " ; Sg. St. gen. Kurzform by Mch. 10.
byt dspd Ο. N.; Nisä 2, 7.
bldwS' P. N.; T. Sarv. 1, 2; 2, 1.
bn Subst. PI. M. „Söhne"; m. Suff. 3. Sg. M. bnwhy Tax. 11.
bny 1. Subst. M. m. wortbild. Suff, -n „Gebäude"; PI. St; gen.
bnynyn Mch. 4.—2. Verb. P e ' a l „bauen"; Part. Pass. Sg.
F. St. gen. (oder Pf. 1. Sg.) bnyt Susa 3.
QUELLENFRAGEN

br ι . Subst. M. „Sohn"; Sg. St. constr. br T. Sarv. i , 2; 1, 3; 2,


3; 3. 3; Mch. Bil. 9 (br'ynS);Sg. m. bedeutungslosem Suff. 1.
Sg. bry Avr. 1; 3; 5; 5; 6; 6; 6; Mch. Bil. 5; Susa 2; Sg. St.
det. br' Mch. 1; 2; 13. — 2. Subst. F. „Tochter"; Sg. m.
bedeutungslosem Suff. 1. Sg. brty Mch. Bil. 1.
bSnyn P. N.; Avr. 3.
btr in Konj. btr zy „nachdem"; Mch. 13.

gdypnh P. N. parth., *Gadepanäh, Obl. gdypnhy; Avr. 6.


gw in zsgs. Präp. byny bgw „inmitten"; Mch. 8.
ghn Verb. P e 'al „sich verneigen"; Part. Act. Sg. M. St. abs.
ghn T. Sarv. 3, 5.
gmr Verb. P^al „vollenden"; Part. Act. Sg. M. St. gen. gmr
Mch. 11 (?); Part. Pass. Sg. M. St. gen. gmyr Mch. Bil. 8.

d-Pron. Rel.; Mch. 8; 9; Avr. 2.


dy in unabh. Pron. Poss. dyl-; m. Suff. 1. Sg. dyly Mch. 10.
dyn Subst. M. „Gericht"; Sg. St. det. dyn' Κ and. 7.
dmy Verb. P e 'al „gleichen, ähnlich sein"; Part. Act. Sg. M. St.
gen. dm' (mit * als mater lectionis für e) Mch. Bil. 10.
dmydty P. N. av. *dqmidätya- „vom Schöpfer geschaffen"; Tax. 2.
dm' vgl. dmy.

h- Interj. „siehe"; Mch. 3.


hw Pron. Pers. 3. Sg. M.; Dura 2.
hwwrd av. *huvarsda- „gute Förderung"; m. Suff. 3. Sg. M. hwwrdh
Tax. 7.
hwy Verb. P e 'al „sein"; Pf. 3. PI. M. hww Tax. 5; Mch. 13; Impf. 1.
Sg. 'hy (mit A!) Avr. 3; 3. Sg. M. yhwy Mch. 11; yhwy Dura 2
(Opt.); yhwh Mch. Bil. 9; 10; Part. Act. Sg. M. St. gen. (oder
Pf. 3. Sg. M.) hw' Mch. 6; 8; 9; Part. Act. Sg. M. mit enklit.
(verkürztem) Pron. Pers. 1. Sg. hwyn Mch. 5; Part. Act. PI.
St. abs. hwyn Kand. 5.
hwnStwn av. *huniStävan- „guter Befehl"; Tax. 8.
hwptysty av. Instr. Sg. von *hupatyästay-: „durch gute Ermahnung",
„durch guten Gehorsam"; Kand. 6; Tax. 6.
hyk in Konj. hyk zy „wie", „daß"; Mch. Bil. 9.
4. WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 117

hkyn Adv. „(eben)so"; Mch. 3; 4; 8; 10; Mch. Bil. 8.


hlk Verb. P e 'al oder Pa"el „gehen"; Pf. 3. PI. M. hlkw Tax. 10.

w Konj.; Kand. 2; 3; 3; 4; 6; 6; 6; 7; 8; Tax. 5; 11; Avr. 3;


Mch. 2; 3; 4; 4; 4; 6; 7; 7; 8; 9; 10; 10; 11; 12 ([«/]); Mch.
Bil. 3; 4; 8; 9; 11; T. Sarv. i , 3; 1, 3; 2, 2; 2, 2; Dura 1.
wlgäy P. N. parth. Walaga&] Susa 2.
ws-pzmny parth. „für alle Zeit"; Dura 2.
wrgstyS P. N.; Nisä 4, 2.
wrwd P. N. parth., 'Ορώδης, Orodes, Vorod.es; T. Sarv. 1 , 1 ; 3, 4.

zbn 1. Verb.Pe'al „kaufen"; Pf. i.Sg.zbnt Avr. 7; Part. Act.M.m.


enklit. -w (<hw) zbnw Avr. 3.—2. Verb. P a " e l „verkaufen";
Part. Act. M. m. enklit. -w (<hw) mzbnw Avr. 1.
zw* Name einer Münze M.; PI. St. abs. zwzn Avr. 3; 8.
zwn 1. Verb. P e 'al „darreichen, schenken, stiften"; Impf. 3. Sg.
M. yzwtt T. Sarv. 3, 5. — i. Verb. Pa"el „nähren, stärken";
Pf. 3. Sg. M. zyn Mch. 7 (?); 12 (?).
zzbkn 0. N. (Weinberg) parth.; Avr. 2.
zy1. Pron. Rel.; Kand. 3; 4; 5; Tax. 8; Nisä 1, 5 ([>y]); 2, 5; 3,
1; 4, 2; Mch. 1; 2; 2; 3; 4; 4; 9; 9 (*[>]); 11; 12; 13; 13;
Mch. Bil. 1; 2; 3; 5; 6; 6; 8 (oder in Konj. m' zy) \ 9 (oder in
Konj.hyk zy „wie", „daß"); T. Sarv. ι , 1; 1 , 2 ; 1 , 3 ; 2 , 1 ; 2,3;
Dura 3; in zsgs. Präp. tnn b'npy zy „vor"; T. Sarv. 3 , 3 —
2. Konj.; Kand. 1 („weil, indem"); in m' zy „wenn" (oder
Pron. Rel.) Mch. Bil. 8; in hyk zy „wie", „daß" (oder Pron.
Rel.). Mch. Bil. 9.
zywh Ρ. Ν. Ζευάχης, Ζηουάχου (Gen., Mch. Bil. gr. 1), air.
*zivaka-, *ζϊναχ (vgl. arm. Zik, Ζηκας, Ζίχ); Mch. 2; Mch.
Bü. 2.
zyn Subst. M. parth., vgl. av. zaena „Waffe", in zyn' 'rwst
„Waffentat", wörtl. „Waffenheldentat"; Mch. 7; 12; 14.
zk Pron. Dem. Sg. M.; Tax. 7.
zky Verb. Hap'el „siegen machen, zum Sieg verhelfen"; Pf. 3.
Sg. M. hzky Mch. 9.
zkr Subst. F. m. wortbild. Suff, -w „Erinnerung"; Sg. St. det.
zkrwt' Tax. 1.
QUELLENFRAGEN

zlk Subst. Μ. „Glanz"; Sg. St. gen. zlyk Mch. 12.


zmyzbl' 0. N., vgl. o. osset. zmis „Sand" (zu zmyz gegenüber zmis
Altheim-Stiehl oben 4, 15 f.) und w. osset. bilä, o. osset. bil
„Lippe, Rand, Ufer", air. bilam „Öffnung, Höhle, Mündung":
also „Sandufer"; Mch. 4.
zn Pron. Dem. Sg. M.; Mch. 3.
znh Pron. Dem. Sg. M.; Kand. 3; 8; Tax. 6; Nisä 1, 1; 2, 1; 3, 1;
5, 1; 6, 1; 7, 1; T. Sarv. 1, 1; 3, 1.
z'r 1. Verb. P a " e l „verkleinern, vermindern"; Pf. 3. Sg. M. z'yr
(oder Adj., siehe das Folgende) Kand. 2. — 2. Adj. „klein,
wenig"; Sg. M. St. abs. Kand. 3 (oder Adv. ?).

kby Subst. F. „Gefäß, Krug"; Sg. St. det. (m. Wiedergabe des
spirantisierten b durch w) hwt' Nisä 1, 1; 2, 1; 3, 1 ([hwt']);
5, 1; 6, 1 (hw[t'); 7, 1.
hbl Subst. M. „Verderben", als Ausruf (Sg. u. PI.): „wehe!";
Sg. Mch. Bil. 7; PI. m. Suff. 2. Sg. M. hblyk Mch. Bil. 7:
Eine Konjunktur hblyk zu hblyn, wie wir sie bisher vor-
schlugen, entfällt mit dieser Lösung. Ein Ausruf hbl hblyk
„wehe, wehe über dich" bietet syntaktisch und formal keinen
Anstoß. Zum Formalen: hbäl „wehe" ist im Syr. im Sg. und
PI. belegt. Und zwar erscheint — dem Vorliegenden genau
entsprechend — der Sg. als absolute Form (hbäl „wehe!"),
der PI. hingegen bei den Formen mit Suffixen (hbälai „wehe
über mich!" usw), vgl. C. Brockelmann, Lex. Syr. 2 210b.
hdd Subst. M. „Berggipfel"; Sg. St. gen. hwd Mch. 8. Zur Bedeu-
tung vgl. auch arab. haddun „terminus, limes, finis, scopus".
hwy Vgl. hby und hwy.
hwsk P. N. parth. Xwäsak; Susa 5.
hwtwy parth. „Herr"; Dura 2; 2.
hzy 1. Verb. P e ' a l „sehen"; Pf. 1. Sg. m. Suff. 2. Sg. M. hzytk
Dura 3; Imp. Sg. M. m. Suff. 1. Sg. hzyny Dura 1; Inf. in
Präp. l]mhzh „angesichts" Kand. 4. — 2. Subst. F. „An-
blick, Bild"; Sg. m. Suff. 2. Sg. M. hztk Susa 4.
hyl Subst. M. „Heer"; Sg. St. gen. hyl Mch. 8.
hll Subst. M. „Saft, Essig"; Sg. St. det. (m.-A als Affix des St.
det.) [oder Sg. m. Suff. 3. Sg. M. od. F.] hlh Nisä 5, 1.
4· WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN H9

hlk Subst. F. m. wortbild. Suff: -w „Zuteilung, Glücksanteil,


Glück"; Sg. St. det. hlkwt' Kand. 7.
hm siehe hmr.
hmy Verb. P e 'al „besichtigen"; Pf. 3. PI. M. hmw Avr. 4.
hmr Subst. M. „Wein"; abgekürzt hm Nisä 1, 3; 2, 2; 7, 4 (h]m).
hsy Adj. „fromm"; PI. M. St. abs. hsyn Kand. 7.
hsyprnwg P. N. *x$äya-farnahvant- „glänzend unter den Herrschern",
Ιηφαρνοΰγου (Gen., Mch. Bil. gr. 7); Mch. Bil. 5.
hsn Verb. Ithap'al „entwöhnt werden"; Pf. 3. PL M. 'thhsynn
Kand. 4; 5.
hStrp Titel ap. x$a&rapävan-, σατράττης; Susa 6.
twb 1. Adj. „gut"; Sg. M. St. gen. tb Mch. Bil. 9; Sg. M. St. det.
tb' Bori B. — 2. Subst. F. m. wortbild. Suff, -w „Güte";
Sg. St. gen. tbwt Mch. Bil. 11.
yd Subst. /. „Hand"; Sg. (oder PI.) m. Suff. 1. Sg. ydy Mch. 6.
yd* Verb. Hap'el „kundtun"; Pf. 3. PI. M. hwd'w P. Dar. 8.
ywdmngn P. N. *yödmanayän zu av. yaod- „kämpfen", Μωδμαν-
γάνου (Gen., Mch. Bil. gr. 4); Mch. Bil. 3.
ywnt' alan. PI. *yüntä (Sg. *yün) „Jünglinge, Helden", zu aind.
und av. yuvan-, yün-\ Mch. 11.
ysp Verb. Ap'el „hinzufügen"; Pf. 3. Sg. M. 'wsp Kand. 8.
yrh Subst. M. „Monat"; Sg. St. det. yrh' Avr. 1: Zur Verbin-
dung 'yrh' 'rwtt vgl. entsprechende Bildungen in den In-
schriften aus Hatra: h{y)' Sntrwk „Leben Sanatrük's"; 'm'
'bdsmy' „Mutter des 'bdsmy' "; nsr' blgS „Sieg Vologeses'"
u. a. (A. Caquot in: Syria 30 (1953) 238f. Nr. 28, 4L; 28, i f . ;
33; 34. 7f·)·
ySr Verb. Hap'el „schicken"; Pf. 1. Sg. h(w)Srt (mit hl) Dura 1.
ytr Verb. Hap'el „vermehren" (Jean-Hoftijzer, Diet, des inscr.
sem. de l'ouest 113: „etre profitable"); Pf. 3. Sg. M. hwtyr
Kand. 8; Impf. 3. Sg. M. yhwtr Kand. 8.

k- in Konj. k'm „wie wenn"; Dura 3 (?); inKonj. kzy „wie";


Mch. 5; 7.
kbr Adj. „groß"; Sg. M. St. gen. kbyr Mch. Bil. 4.
kd Konj. „indem, während"; Avr. 3.
kzy Konj. „wie"; Mch. 5; 7.
QUELLENFRAGEN

kyn ι. Adv. „so"; Mch. 2; 4; 5 (ky[n); 7; 8; 11. — 2. Adv. m.


Affix -yt: kynyt „fest, unverrückbar"; Dura 2.
kll 1. „Gesamtheit, alle"; m. Suff. 3. PI. M. klhm Kand. 2; 2; 4;
7; 8. — 2. Adv. kl* „insgesamt"; Avr. 3; 8.
kntn Adv. „so, ebenso" (vgl. bibl.-aram. knm' ?) Kand. 5.
kry Subst. M. „Brunnen"; PI. St. constr. kry Mch. 4.
krm Subst. M. „Weinberg"; Sg. St. det. krm' Nisä 1, 1; 2, 1;
3, 1; 7, 2 (kr[my)\ Avr. 2; 7; 7.
krsy Subst. M. „Sessel, Kline"; Sg. St. det. kwrsy* T. Sarv. 1, 1
(,kwrs[y'); 2, 5; 3, 4; 1, 4: kwrs' Fehlschreibung für kwrsy'
(oder Sg. St. abs.).
ktb Verb. P e 'al „schreiben"; Inf. mktb P. Dar. 7.
ktyky κατοικία; Nisä 2, 6.

I- Präp.; Kand. 2; 3; 4 ([/]); 6; 6; 6; 7; 8; P. Dar. 7; Tax. 2;


5; 12; Mch. 3; 4; 4; 12 (?); Dura 1; m. Suff. 1. Sg. ly
Mch. 11; T. Sarv. 3, 2; Susa 4 (oder zy zu lesen ?); in unabh.
Pron. Poss.; m. Suff. 1. Sg. dyly Mch. 10; in zsgs. Präp. lythty
„unterhalb von"; Mch. 8; in zsgs. Präp. Ikdm „vor"; Mch. 5
(lk[dm); 6; 9; 11; in Adv. Itt* „unten"; Mch. 11.
Γ Neg. „nicht"; Kand. 7; Mch. Bil. 8; 10.
Iwt Präp. „bei"; Mch. 10.
lythty zsgs. Präp. „unterhalb von"; Mch. 8.
Ikh Adv. „dort"; Mch. 7; 12; 12.
Ikdm zsgs. Präp. „vor"; Mch. 5 (lk[dm); 6; 9; 11.
Itt' Adv. „unten"; Mch. 11.

tn'-mh 1. Pron. Interr.; Mch. Bil. 7 (oder in Konj. tn* zy). — 2. Pron.
Rel.; Avr. 2; 4. Zu Avr. 2: 'smk mh 'byrSkn wurde bisher als
Asmak-e AbiriSkän gedeutet gemäß dem Umstand, daß im
Parthischen M H als Ideogramm für die Idäfet erscheint
(gegenüber Ζ Y im Mittelpersischen). Aber mh bereits hier so
aufzufassen, ist bedenklich, zumal das Vater-Sohn-Verhält-
nis immer (in sieben Fällen) mit bry ausgedrückt wird. Hin-
zu kommt, daß 'byrSkn in seiner Form eher an eine von
einem P. N. abgeleitete Grundstücksbezeichnung (vgl.
Avr. 2: zzbkn und Nisä 1, i f . : ['rtbnwkn] 'rthStrkn sowie das
4· WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 121

oben zu 'byrSkn Bemerkte) als an eine Abstammungsbe-


zeichnung denken läßt. Das Natürliche ist, mh entsprechend
dem gleichen Wort unten Z. 4 mh mn bwmhwty „was Sache
des Landherrn ist", also korrelativisch aufzufassen. Zu-
nächst ist in Z. 2 der zu verkaufende Weinberg doppelt be-
zeichnet : 1. der zzbkn Genannte, 2. der Weinberg des Asmak.
Dieser doppelten Bezeichnung entspricht im übrigen eben-
solche Z. 7 [;zzbkn] krm' 'smktt krm', wo nunmehr aus „Wein-
berg des Asmak": „Asmakän, der Weinberg" geworden ist.
Mit mh setzt ein Relativsatz ein, dessen Prädikat plg ist:
„was Abiriskän angeht — gibt es Anteil (vgl. syr. plag) an
der Quelle". Sachlich darf man vergleichen: Chron. min. 1,
33» 7 f., wo ein Jude erwähnt wird men kritä da Smäh Pallugtä
aikä d-metpalgin maiyä da-prät l-iekyä d-ar'ätä, und die Alt-
heim-Stiehl, Supplementum Aramaicum67 genannten Stellen
aus den griechischen Avrömän-Pergamenten.
m'tbwg P. N. parth.; Avr. 6.
tndwbr parth. „Mundschenk"; Nisä 1, 5; 2, 5; 4, 2.
mhrdt P. N. mp. Mihrdät, ap. Mi&radäta-, Μιθριδάτης, ΜιΘρα-
δάτη$; Mch. 1; 2 (mh]rdt).
mwl Subst. M. „Besitz"; Sg. St. gen. mwl Mch. 3; 4; Sg. m. Suff 1.
Sg. mwly Mch. 3.
mzySty'av. *maziüy& (Akk. PL) „Vorfahren", von maziSta-, *ma-
ziStya-; Kand. 6.
mzr Subst. M. „Krieger"; Sg. St. gen. mzwr Mch. 9; PI. St. gen.
mzwrytt Mch. 6.
my Subst. PI. M. „Wasser"; St. gen., fälschlich Sg. my Mch. 4.
myd' „etwas"; T. Sarv. 3, 2.
myhrdt P. N. vgl. mhrdt; Mch. 6.
myt Verb. P e 'al „sterben"; Part. Act. Sg. M. (statt F.) m. enklit.
Pron. Pers. 1. Sg. m'ytyn Mch. Bil. 11.
mytyt Ο. N. zu av. maet-, maedana-, maedanyä- „Wohnung" m.
Abstraktionssuffix -yt\ Mch. 3; 7; 10; 12.
mlk 1. Verb. P e 'al „König sein, regieren"; Part. Act. Sg. M. St.
gen. ndyk (oder Subst. M. „König"; Sg. St. gen.) Mch.
1. — 2. Subst. M. „König"; Sg. St. gen. mlk Mch. 1; 1; 2
(m[lk)\ 6; 7; Mch. Bü. 3; 5; 7; Sg. St. det. mlk' Kand. 1;
QUELLENFRAGEN

3; Susa 2; 3; PI. St. abs. (statt det. = gen.?) mlkyn


Susa 1; 3. Zu Susa 1 f. und 3: mlkyn mlk' sowie 5f. SwSMtrp:
beide Wendungen zeigen unaramäische Wortstellung, was
in ihrer Eigenschaft als iranische Titel begründet liegt.
SwS Mtrp ist einfach aramäische Umschreibung des ira-
nischen Titels. In mlkyn mlk' wurden unter Beibehaltung
der Stellung die beiden Bestandteile des Titels (sähän säh)
ins Aramäische übersetzt.
mn Präp.; Kand. 5; Nisä 1, 1; ι , 1 {m[n)\ 1, 5 (fmn]) ; 2, 1;
2, 1; 2, 2; 2, 5; 3, 1 ; 4, 2 (m[n); 7, 1 ; Avr. 4; 7 ; Mch. 3;
Mch. Bil. 10; Dura 1; in zsgs. Präp. mn b'npy zy „ v o r " ;
T. Sarv. 3, 3; in Adv. mn 'dyn „seitdem"; Kand. 2.
mn Pron. Rel·. Indef.; m. enklit. Pron. Pers. 3. Sg. M. w <hw:
mnw Mch. 4.
msykyt Ο. N., vgl. mskyt; Mch. 11.
mskyt Ο. Ν. Μεσχίθα, Μ ε σ τ χ ή τ α ; Mch. 13,
msknyt Ο. N.; Mch. 9.
mr' 1. Subst. M. „ H e r r " ; Sg. m. Suff. 1. Sg. mr'y (Titel) Dura
1 ; Sg. m. Suff. 1. PI. mr'n (Titel) Kand. 1 ; 3; Tax. 9, 12;
Sg. St. constr. mr' Mch. 13. — 2. Subst. F. m. wortbild.
Suff, -w „Herrschaft"; Sg. St. gen. mrwt Mch. 3; 4.
mr Subst. M. „ K r a n k h e i t " ; Sg. St. det. m r " K a n d . 2.
mt Subst. M. „Gebiet, Land" (akk. mätu); Sg. St. gen. mt
Mch. 10.
mtrpr P. N: parth. Mihrfarr, Obl. mtrpry, Mihrfarre', Avr. 6.

ngr Subst. F. m. wortbild. Suff, -w „Zimmermannswerkstatt";


Sg. St. det. ngrwt' Tax. 3; 4.
nwdyt Ο. N.; Mch. 9.
nwn Subst. M. „ F i s c h " ; PI. St. det. nwny' Kand. 4.
nhdt Titel; Mch. 3.
nykwrh Ο. N.; Mch. 10.
nknyt Ο. N.; Mch. 8.
nsb Verb. P e 'al „einnehmen"; Part. Act. Sg. M. St. abs. n'syb
T. Sarv. 1, 1; 1, 4; 2, 4; 3, 4.
nps Subst. F . „Seele, selbst"; Sg. m. Suff. 3. Sg. M. in bnpsh
„(er) selbst" Dura 2.
4. WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 123

nsh Verb. P e 'al „siegen"; Part. Act. Sg. M. St. gen. nsyh (oder
Adj. „siegreich"; Sg. M. St. gen.) Mch. Bil. 3.
ntk Verb. Ap'el „erobern"; Part. Act. Sg. St. gen. mtk Mch. 6;
7; 10.

sygbwS 0 . N.; Nisä 1, 6; 2, 1 (sygbw[s).


synk P. N. parth.; Avr. 6.
slk Verb. P e 'al „hinaufsteigen"; Impf. 3. Sg. M. yslk Mch. 10.
s'rpyt Ρ. Ν. Σηραττεϊτις (Mch. Bil. gr. 1); Mch. Bil. 1.
srk Verb. Ap'el oder Pa"el „angrenzen"; Part. Act. Sg. M. St.
gen. msryk Mch. 9.

'bd Verb. P e 'al „machen, tun, vollziehen"; Pf. 2. Sg. M. 'bi


(<'bdt) Mch. 14; Part. Act. 3. Sg. M. m. enklit. Pf. 3. Sg.
M. von hwy „sein" 'byd[w]' (<'byd hw') Mch. Bil. 4; Part.
Pass. M. Sg. St. abs. (oder Verb. P e 'il „getan werden"; Pf. 3.
Sg. M.) *byd Kand. 1.
'bd Verb. P e 'al „verehren"; Impf. 3. Sg. M. y*bd T. Sarv. 3, 5.
'yn Subst. M. „Quelle"; Sg. St. abs. ( = gen. ?) 'yn Avr. 2.
Ί P r ä p . ; T a x . 2 ; 3 ; N i s ä i , 4 ; 2 , 3; 4 , 1 ; 6, 2; Dura 1 ; m. Suff. 3.
Sg. M. 'lh T. Sarv. 3, 5.
ΊΙ 1. Verb. P^'al „eintreten"; Pf. 3. Sg. M. 7 Mch. 6. — 2. Verb.
Hap'el „einführen, einbringen"; Pf. 1. Sg. hnlt Nisä 1, 4;
2, 3; 4, 1 ; 6, 2.
'md Subst. M. „Säule"; Sg. St. det. 'm[wd' P. Dar. 7.
'nb Subst. M. „Weintraube"; PI. St. abs. 'nbyn Nisä 1 , 3
('Jnbyn); 6, 1.
'tr Subst. M. „Reichtum"; Sg. St. gen. %tr Mch. 12.

pyths Titel, vgl. btM\ Mch. 2; 5 (pyt[h]S).


plg Verb. P e 'al „Anteil geben"; Part. Act. Sg. M. St. abs. plg
Avr. 2.
psk Verb. Pe'al od. Pa"el „abtrennen, abteilen"; Pf. 3. PI. M.
pskw T. Sarv. 3, 1.
pkd Verb. P e 'al „erstreben"; Pf. 3. Sg. M. pkd Mch. 12.
prbst zu av. pari + xband- „binden": *paribasta- „ringsgebunden";
Kand. 5; 6 (*pari-basti Instr. Sg.).
QUELLENFRAGEN

prydrS Titel u. Ρ. Ν. skr. priyadarü; Kand. ι ; Tax. 9 fprydrf.);


12 (prydrf.).
prnwi Subst. M. „Lebensführung"; Sg. St. gen. Mch. Bil. 8.
prsmn P. N. Parsman, Φαρασμάνης; Mch. 1; Mch. Bil. 2; 7.
ptyzbt av. *pati-zbäta- „zurückgerufen, widerrufen, verboten":
"patizbätä (Nom. PI.); Kand. 5.
ptytw zu av. paittta- „Schuldbegleich, Sühne": *patitö (Nom. Sg.);
Kand. 1.
ptspk P. N. parth. Pätaspak; Avr. 1; 8.
synwsnk P. N.; Nisä 2, 4.
slm Subst. M. „Bild"; Sg. St. det. $lm' T. Sarv. 1, 1; 3, 1.
snryt Ο. N.; Mch. 9.
kdm 1. Präp.; „bei" Dura 2; in zsgs. Präp. Ikdm „vor"; Mch. 5
(l^fdm) ;6; 9; 11. — 2. Präp. m. -t „vor"; m. Suff. 3. Sg. M.
kdmth Avr. 4.
ktl Verb. P*'al „töten"; Pf. 3. PI. M. (oder Part. Act. PL M. St.
abs.) ktln Kand. 4.
$1 Adj. „jung, jünger"; Sg. M. St. gen. klyl Mch. Bil. 2.
kry Verb. P e 'al „nennen"; Part. Pass. St. abs. kry Nisä 1, 2;
7, 3; Avr. 2.
kSt 1. Verb. Hap'el „Gerechtigkeit üben"; Part. Act. Sg. M.
St. abs. mhkSt Kand. 1 . — 2 . Subst. M. „Gerechtigkeit"; Sg.
St. det. kSyt' Kand. 1.
rbb Subst. M. „Großer, Vorsteher"; Sg. St. constr. im Titel rb
trbs Mch. Bil. 4:6. — 2. Subst. M. m. wortbild. Suff, -n „Ober-
ster, Herr"; m. Suff. 1. Sg. (Titel) rb'ny T. Sarv. 1, 2; 2,1. —
3. Adj. „groß"; Sg. M. St. gen. rb Mch. 1; 1. — 4. Adj. „alt,
älter"; Sg. M. St. gen. rb Mch. 2.
rwm 1. Verb. P e 'al „sich erheben"; Part. Act. Sg. M. St. abs. r*m
Kand. 3. — 2. Verb. Ettap'al „sich erheben"; Part. Sg. M.
St. gen. mtrym Mch. 3.
rSn P. N. parth. RaSti, Obl. rSny, RaSne; Avr. 5.
Sg' Adv. igy' „in Menge"; Dura 1.
Sym 1. Verb. P e 'al „beordern"; Imp. Sg. M. Sym Dura 1
— 2. Verb. Pccil „beordert werden"; Pf. 3. PI. M. £ymw P.
Dar. 7 (?).
4. WÖRTERVERZEICHNIS ARAMÄISCHER INSCHRIFTEN 125

Srgs P. N. alan., vgl. osset. gäs „Hüter" und sär „Haupt" oder
osset. cärgäs „Adler"; Mch. i ; 2; 5; 11; 13.

SM Subst. M. „Zeuge"; Plur. St. abs. Shdyn (mit A!) Avr. 5.


Swgwn parth. „wie"; Dura 2.
SwS Ο. N. „Susa"; Susa 5.
SM vgl. SM.
Shr' alan. *Saxrä, vgl. mp. Satr, np. Sahr „ S t a d t " ; Mch. 5.
Syn Subst. M. „Friede"; Sg. St. gen. Mch. 12; 12.
Sys Subst. M. „Marmor, Alabaster"; Sg. St. det. S'ys' T. Sarv.
3. 4·
Slm Subst. M. „Heil, Friede"; Sg. St. abs. Slm Dura 2.
Sn Subst. F. „Jahr"; Sg. St. constr. Snt Nisä 1, 4; 2, 3 (S[nt);
4, 1; 6, 2; Avr. 1 ; Sg. St. gen. Snt Mch. Bil. 1 1 ; PI. St. abs.
Snn Kand. 1.
Spr Adj. „schön"; Sg. M. St. gen. Sfyr Mch. Bil. 9.
Srr Subst. F. „Festigkeit"; Sg. St. abs. Snt Dura 1.
Sty zu av. Säiti (Inf.) „sich freuen": „Freude"; Kand. 3.

tbr Verb. P e ' a l „besiegen, überwinden"; Pf. 3. PI. M. tbrw Mch.


13 (?); vgl. zu tnr.
tbt O. N . ; M c h . 7.
twb Adv. „ferner, auch"; Mch. 10.
tyryn P. N. parth. Tiren; Avr. 1.
tyrk P. N. parth. Tirak; Avr. 5.
tnr Verb. P a " e l „einheizen, mit Feuer bedrängen"; Pf. 3. PI.
M. tnrw Mch. 13 (oder zu lesen tbrw ? vgl. dort).
tfcn Subst. M. „Festung"; Sg. St. gen. tkn Mch. 9; 10.
trbs Subst. akk. tarbasu (rbs) „Hof", in Titel rb trbi>; Mch. Bil. 5; 6.
tr' Subst. M. „Tor, Einfallstor"; Sg. St. gen. Mch. 8.
trs Adv. m. Adverbialaffix -yt: trysyt „in der T a t " ; Mch. 5.
it in Adv. Itt' „unten"; Mch. 11.
5· KAPITEL

EUTYCHIOS' A N N A L E N

Daß das spätrömische und insbesondere das oströmische Reich auf der
einen Seite, das persische der Sasaniden auf der anderen die beiden Groß-
mächte des ausgehenden Altertums darstellen, bildet die Gegebenheit, von
der jede Erfassung des Zeitraumes, der sich von der Krise des 3. nachchrist-
lichen Jahrhunderts bis zum Aufkommen des Islam erstreckt, auszugehen
hat. Petrus Patricius hat diese Erkenntnis persischen Unterhändlern in
den Mund gelegt, wenn er sie von den beiden Leuchten der Welt sprechen
läßt (fr. 13, FHG. 4, 188). Freilich fällt das Wort zu einer Stunde, da König
Narseh von Galerius geschlagen, Zelte und Frauen in die Hand des Siegers
gefallen sind. Damals wurde der Anspruch, den man auf persischer Seite er-
hob, soweit herabgestimmt, daß man den Anderen als gleichberechtigt an-
erkannte. Dies muß umsomehr betont werden, als man sich auf sasani-
discher Seite selten zu solchem Geständnis bereit fand, und auf römischer
ebensowenig. Immerhin vernimmt man in Chusrö's I. Anösarvän letztem
Jahr, daß bei Friedensverhandlungen von oströmischer Seite verlangt wurde,
der Vertrag müsse unter gleicher Ehre für beide Reiche geschlossen werden
(Iohann. Ephes. 3, 319, 14f. Brooks). Und daß die Perser sich tatsächlich
dieser Forderung gefügt haben (1. c. 25!).
Gleichwohl hat keines der Geschichtswerke, die von Römern oder Per-
sern verfaßt wurden, sich dazu bereit gefunden, dem Anderen solche Gleich-
berechtigung zugestehn. Anders ausgedrückt: keiner dieser Geschichts-
schreiber hat sich veranlaßt gefühlt, die Geschichte beider Mächte in syn-
chronistischer Darstellung vorzulegen. Vielmehr bediente man sich beider-
seits der Fiktion, man sei jeweils Maß und Mitte der Oikumene, und er-
wähnte den Anderen nur insoweit, als es um der eignen Geschichte willen
unerläßlich war. Auch jene Autoren, die Persisches in vergleichsweiser Fülle
bringen, Prokopios und Agathias, haben diese Beschränkung nie über-
wunden, und vom sasanidischen Königsbuch wird man dergleichen schon
gar nicht erwarten. Allein die syrischen Geschichtsschreiber der Zeit
lassen durchblicken, wie es in Wirklichkeit stand. Aber zu großer und durch-
5. E U T Y C H I O S ' A N N A L E N 127

gehender Geschichtsbetrachtung hat sich auch da keiner erhoben: in kirch-


lichen Angelegenheiten und in dem vielfältigen, größeren und kleineren Ge-
schehen eines Grenzlandes erschöpfte sich die Teilnahme.
Gleichwohl gibt es einen Geschichtsschreiber, der unternommen hat, was
man längst hätte unternehmen müssen. Freilich machte er sich erst ans
Werk, als die Herrschaft der Sasaniden vergangen war, das Nebeneinander
beider Mächte nicht mehr bestand. Gemeint ist Eutychios oder Sa'id b.
BatrTk, melkitischer Patriarch Alexandreias, dessen Lebenszeit zur Haupt-
sache unter die Tölüniden fällt, wenn er diese auch überlebt hat (gest. 940).
Seine arabisch geschriebenen Annalen bilden in ihrem späteren Teil den ein-
zigen Versuch, von den man weiß, daß er römische und sasanidische Ge-
schichte synchronistisch berichtete. Der Versuch leidet, wie sich zeigen läßt,
an vielem und allzu vielem, was mißraten ist. Dennoch bleibt er von einzig-
artiger Bedeutung, und diese rechtfertigt, daß ihm eine einläßliche Betrach-
tung gewidmet wird.

Den Ausgangspunkt mag die Stelle 1, 365, 7—366, 1 Pocock bilden, die
von Commodus' Regierungsantritt nach Marcus' Tod berichtet. Hier liegt
insofern ein Irrtum vor, als Commodus schon zu Marcus' Lebzeiten, am
17. Ii. 176, Augustus wurde; das wird fürs Folgende wichtig sein. Bei dieser
Gelegenheit werden zwei Zitate aus Galenos angeführt. Zunächst habe dieser,
ft fihristi kutubihi, sich als Commodus' Erzieher bezeichnet. Gemeint ist
περί τ ω ν Ιδίων βιβλίων ig, 9 c. 39 Anfang, wo Galenos davon berichtet,
daß er für die Gesundheit des jungen Commodus zu sorgen hatte 1 . Euty-
chios' Angabe ist also nicht genau, geht aber auf gute Unterrichtung zurück.
Es folgt ein zweites Bruchstück, diesmal dem ersten Buch min al-kitäbi
l-ma'rüfi bi-kitäbi ahläki n-nafs, also dem ersten der vier Bücher ττερϊ
ηθών entstammend. Diese sind verloren, werden aber in Galenos' eignem
Schriftenverzeichnis erwähnt (19, 45 c. 13). Schon 1883 konnte A. Müller2
Kenntnis der gleichen Stelle im etwa 987 abgefaßten Fihrist en-Nadlm's
(289, 1 f. Flügel) und in Ibn Abi Usaibi'a's Geschichte der Ärzte (1, 76, 19 f.
Müller)3 nachweisen. Letzte wurde 1269—70 verfaßt und geht an dieser
1 Weiteres bei R. Walzer, Galen on Jews and Christians (1949) 9.
2 In: Hermes 18, 623f.
3 Über die wechselreiche Geschichte dieser Ausgabe berichtet J. Fück, Die arabi-

schen Studien in Europa (1955) 237f.


128 QUELLENFRAGEN

Stelle auf das Werk des Syrers 'Ubaidalläh, Gabriel's Sohn, zurück. Gegen-
über beiden Anführungen ist die unsere älter, und dies gibt ihr den Rang.
A. Müller hat sie gleichwohl übersehen, und erst G. Levi Deila Vida 4 hat jüngst
auf ihre Bedeutung hingewiesen.
Der Fihrist zitiert zu Anfang seines Galenos-Abschnittes, wie folgt:
ft l-makälati l-awwalati min kitäbihi ft l-ahläk (288, 25f. F.). Galenos' ge-
nanntes Werk lag mit seinen vier Büchern in arabischer Übersetzung vor
(291, 7 F.) 5 . Es wird von einem Ereignis berichtet, das in Alexanders 514.
Jahr sich abspielte. Man vernimmt ganz allgemein von solchen, die damals
sich weigerten, ihre Herren zu verraten.
Mitteilsamer ist Ibn Abi Usaibi'a. Zwar nennt er nicht die Buchzahl,
sagt aber, daß es sich um Sklaven gehandelt habe. Sie hätten sich in einer
Weise bewährt, wie es Freie nicht getan, und dies sei geschehen beim Tode
des frwbws, im 9. Jahr des Kaisers Commodus und 516. Alexanders, unter
dem WezTrat der m'trws und 'brwrs. Müller hat unter Zustimmung Th.
Mommsens® im ersten Namen Perennis, im zweiten und dritten die Kon-
suln des Jahres 185 Maternus und Bradua erkannt. Er sah auch, daß
bei Zugrundelegung von Commodus' Mitkaisertum man unter dessen
9. Regierungsjahr durchaus 185 verstehen könne.
Unklar blieb das Jahr Alexanders. Wenn man vom 1. Nisän 311 v. Chr.
ausgeht (Regierungsantritt Diokletians im 595. Jahr Alexanders: 1, 401,
igf. P.), ergibt sich weder bei 514 noch bei 516 das Richtige. Bei diesem
negativen Ergebnis bleibt es auch angesichts anderer Ausgangspunkte, ob-
wohl Eutychios 516 bestätigt. Denn weder, wenn man Alexanders Regie-
rungsantritt 336 (vgl. 1, 268, 3f. P.) nimmt, noch wenn man 1, 310, 3 ! P.
folgend, Alexander 319 Jahre vor Christi Geburt ansetzen wollte, ergibt
sich eine befriedigende Rechnung.
Im Übrigen spricht Eutychios davon, daß es zwei Sklaven waren, die
standhaft blieben; daß sie ausgepeitscht wurden, als man Perennis (Cheikho's
Ausgabe 1,105, 14 gibt richtig brns) noch suchte (nicht, als er bereits tot
war), und daß jene sich weigerten, den Aufenthaltsort ihres Herrn zu nennen.
Hier bietet Eutychios die bessere Überlieferung; auch bestätigt er Com-
modus' 9. Jahr, will sagen: von seiner Mitkaiserschaft, nicht von der Allein-
herrschaft ab gerechnet. Es kann kaum daran gezweifelt werden, daß nicht

4 In: Journ. Amer. Orient. Soc. 69 (1950), 186f.


s Die arabische Übersetzung, ed. P. Kraus (1939), war uns nicht zugänglich.
« a. O. 625 f.
5- EUTYCHIOS' A N N A L E N 129

nur die älteste Erwähnung der Galenos-Stelle, sondern auch ein unmittel-
bares Zitat vorliegt.
Dies bestätigt der Umstand, daß zwarimGalenos-BruchstückCommodus'
Regierung von 176 gerechnet wird, aber die chronographische Quelle, die bei
Eutychios fortlaufend benutzt ist, die Regierungsjähre von 180 ab zählt.
Demnach: 8. Jahr: Zephyrinus, Patriarch Roms 1, 366, 2f. P.
5. Jahr: Serapion, Patriarch Antiocheia's 1, 366, 4f. P.
1. Jahr: Symmachus, Bischof Jerusalem's 1, 366, 6f. P.
3. Jahr: Gabianus, Bischof Jerusalem's 1, 366, 7f. P.
6. Jahr: Iulianus, Bischof Jerusalem's 1, 366, gi.
11. Jahr: Elias, Bischof Jerusalem's 1, 366, 11 f. P.
Mit anderen Worten: Eutychios hat die Galenos-Zitate in den Text des
ihm vorliegenden Chronographen selbst eingelegt. Bei ihm, der sich aus-
drücklich als Arzt bezeichnet (1, 6, i f . ; 2, 473, 1 P.), darf man die Kenntnis
des griechischen Autors voraussetzen. Im 10. Jahrhundert lag demnach die
verlorene Schrift Galenos' in griechischer oder, was wahrscheinlicher sein
dürfte (1, 265, 8 begegnet Hunain b. Ishäk), in arabischer Fassimg noch vor.
Ein arabischer Auszug wurde von P. Kraus gefunden7. Die Rechnung nach
Alexanders Ära ist, wie schon die Fehlerhaftigkeit zeigt, Eutychios' Zutat,
und wenn der Fihrist und Ibn Abi Usaibi'a sie genau oder ungenau bringen,
so legt dies die Vermutung nahe, daß sie beide — mittelbar oder unmittel-
bar — auf Eutychios' Angabe zurückgehen.
In Commodus' 10. Jahr, demnach von 180 ab gerechnet, setzt Euty-
chios auch Ardaser's I. Erhebimg (1,366,12f. P.). Diese Fehlrechnung, deren
Anlaß unbekannt ist, hat sich weithin in Eutychios' chronologischem Sy-
stem (soweit man von solchem sprechen kann) ausgewirkt. Fast immer liegt
die Fehlerdifferenz zwischen dreißig und vierzig Jahren:
1, 373, 4f. P.: Septimius Severus wird im 4. Jahr Ardaser's I. Kaiser;
1, 374,14 f. P.: Säpür I. besteigt im 12. Jahr Septimius Severus' den Thron;
1, 377, 6f. P.: Caracalla's Partherkrieg fällt ins 11. Jahr Säpür's I. (beg.
20. 9. 249);
1, 378, 6f. P.: Regierungsantritt Elagabals (16. 5. 218) im 14. Jahr Sä-
pür's I. (beg. 19, 9, 252);
1, 382, 6f. P.: Regierungsantritt Severus Alexanders (6. oder 11. 3. 220)s;
und 17. Jahr Säpür's I. (beg. 18. 9. 256);
7 Kitäb al-ahläk li-Öälinüs (Kairo 1939); G. Levi Deila Vida, a. O. 186 f.

• S. W. Enßlin in: CAH. 12, 57.


β Altheim, Hunnen V
130 QUELLENFRAGEN

ι, 382, 19f. P.: Regierungsantritt Maximinus Thrax' (Mitte März 235)


und 30. Jahr Säpür's I. (beg. 18. 9. 268);
I, 385, igi. P.: 3. Jahr Maximinus Thrax' (ab März 237) und Regierungs-
antritt Bahräm's I. (14. 9. 272);
1, 386, 17f. P.: 3. Jahr Bahräm's II. (beg. 13. 9. 278) und Gordianus' III.
Tod (244);
1, 394, i4f. P.: 5. Jahr Gallienus' (Sept. 253 beginnt die Mitherrschaft;
260 die Alleinherrschaft) und Tod Bahräm's II., Regierungsantritt
Bahräm's III. (9. 9. 293);
1, 401, 12f. P.: Carus' Regierungsantritt (Frühherbst 282) und 9. Jahr
Säpür's II. (beg. 3. 9. 317).
Auch die chronologische Ubersicht 1, 401, i6f. P. ist, mindestens zum
Teil, falsch. Von der Zerstörung Jerusalems bis zum Regierungsantritt
Diokletians sind 206 Jahre gerechnet. Richtig ist indessen, daß dieser
Kaiser im 595. Jahr Alexanders (vom 1. Nisan 311 v. Chr. gerechnet) zur
Regierung gekommen ist. Die Jahresdifferenz, die mit Ardaser's I. Erhe-
bung begonnen hatte, hält sich auch danach:
1, 426, 8f. P.: Regierungsantritt Konstantin's und 41. Jahr Säpür's II.
(beg. 26. 8. 349);
1, 473, gf. P.: 1. Jahr Konstantins, Sohnes Konstantin's (Constans',
dessen 24 Regierungsjähre 1, 481, 15f. begegnen) und Regierungs-
antritt Ardaser's II. (19. 8. 379);
1, 473, 8 f. P.: Säpür's III. Regierungsantritt (18. 8. 383) und 5. Jahr Kon-
stantin's, Sohnes Konstantin's (Constans');
1, 481, 17f. P.: Iulians Regierungsantritt und Säpür's III. 21. Jahr;
1, 486, 7f. P.: Iovianus' Regierungsantritt (ywly'nws codd.; Cheikho r,
138, 13) und Säpür's III. 21. Jahr;
1, 486, n f . P.: Valens' Regierungsantritt und Säpür's III. 24. Jahr;
1, 509, 3f. P.: Regierungsantritt Theodosius des Großen und Säpür's III;
42. Jahr.
Zu den letzten Angaben ist zu bemerken, daß Säpür, Säpür's Sohn, also
III., von 383 bis 388 regierte, demnach weder ein 21. und 24. noch 42. Jahr
in Betracht kommen. Rechnet man nach Säpür II., dessen lange Regierungs-
zeit sich eher eignet, so begänne sein 21. Jahr mit dem 31. 8. 329, das 24. mit
dem 30. 8. 332 und das 42. mit dem 26. 8. 350. Nichts zeigt deutlicher, wie
sehr Eutychios' Rechnung in die Irre geht. Um so erstaunlicher ist, daß 1,
5. EUTYCHIOS' ANNALEN 131

537, Ii f. P. und 1 5 t das Richtige begegnet. Säpür's III. Tod fällt ins 10. Jahr
Theodosios' I. 388 und Arcadius' Regierungsantritt 395 ins 7. Jahr Bahräm's
IV. (beg. 15. 8. 394).
Doch kaum gewonnen, verschwindet die richtige Datierung erneut. Die
Differenz bleibt fortan freilich gering. Man nehme 1, 549, 14 f. P.: Theo-
dosius' II. Regierungsantritt 408 fällt in Yazdgard's I. 11. Jahr (beg. 11. 8.
409). Oder 2, 82, 2f. P.: Bahräm's V. Regierungsantritt (8. 8. 420) fällt ins
12. Jahr Theodosios' II.; 2, 101, 11 f. P.: das 6. Jahr Marcianus' wird dem
Regierungsantritt Peröz' (30. 7. 457) gleichgesetzt; 2, 126, i4f.P.: Baläs'
Tod 488 ist auf Zenon's 10. Jahr verlegt. Immer geht es um den Unterschied
eines Jahres. Er gilt auch für 2, 148, 5f. P.: Iustinus' Regierungsantritt und
32. Jahr Kavä<5's I. (beg. 15. 7. 519); 2, 151, I2f. P.: Iustinus' Tod und
41. Jahr Kavä<5's (beg. 12. 7. 528); 2, 178, 5 f. P.: Chusrö's I. Anösarvän Re-
gierungsantritt (12. 7. 531) und 4. Jahr Iustinians. Wenn die Eroberung
Antiocheias 540 ins 9. Jahr des gleichen Sasaniden (beg. 10. 7. 539) gesetzt
ist (2, 181, I5f. P.), so stimmt die Rechnung wenigstens ungefähr; falsch
ist erst die Datierung in Iustinians 12. Jahr.
Dann setzen erneut Unstimmigkeiten etwas größeren Ausmaßes ein:
2, 190, if. P.: Tiberius' II. Regierungsantritt und 3. Jahr Hormizd's IV.
(beg. 29. 6. 580);
2, 190, 8f. P.: Maurikios' Regierungsantritt und 7. Jahr Hormizd's IV.
(beg. 28. 6. 584);
2, 206, 7f. P.: Chusrö's II. A/?arvez Regierungsantritt (27. 6. 590) und
Maurikios' 7. Jahr;
2, 210, 2f. P.: Phokas' Regierungsantritt mit dem 15. Jahr Chusrö's II.
A/3arvez (beg. 23. 6. 604);
2, 225, 14t. P.: Herakleios' Regierungsantritt und 23. Jahr Chusrö's II.
A/Sarvez (beg. 21. 6. 612).
Mißraten ist schließlich die Gleichsetzung der Higra mit Herakleios'
1. Jahr, mit 338 Jahren nach Diokletians Regierungsantritt und 614 Jahren
n. Chr. (2, 226, 2f. P.). Hier stimmt allein die Gleichung mit dem 933. Jahr
Alexanders.
2

Was bisher besprochen wurde, bezieht sich ausschließlich auf das chrono-
logische Gerüst, dessen sich Eutychios bedient. Dieses Gerüst war vorge-
geben, sei es, daß ihm ein chronographisches Werk vorlag, das er übersetzte
132 QUELLENFRAGEN

und redigierte, sei es, daß er sich selbst dieses Gerüst aus verschiedenen Vor-
lagen gezimmert hat. Die chronologischen Fehler, die festgestellt wurden,
gingen im ersten Fall auf die fertige Vorlage zurück, fielen also Eutychios
nicht zur Last. Im zweiten Fall hätten sie sich beim Zusammenfügen ver-
schiedener Vorlagen eingestellt, wären dann möglicherweise auf Eutychios'
Rechnung zu setzen. Keinesfalls dürfen die Fehler auf das sasanidische
Königsbuch zurückgeführt werden. Es wird sich noch zeigen, daß dieses
andere Regierungsdaten gab, zumindest bei bestimmten Herrschern. Hier
genüge die einfache Tatsache, daß sämtliche Angaben über die Regierungs-
dauer sasanidischer Könige mit solchen römischer oder oströmischer Kaiser
verknüpft sind. Derart, daß gesagt wird, der Sasanide habe seine Regierimg
in einem bestimmten Jahr eines Kaisers begonnen und beendet, oder aber,
daß die Regierung eines solchen nach den Jahren eines Sasaniden angegeben
ist. Für beide Verfahren sind zuvor Beispiele angeführt worden.
Ohne irgendeine genauere Bestimmung vorwegnehmen zu wollen, wird
das chronologische Gerüst — aus einer Vorlage bestehend oder aus mehreren
zusammengearbeitet — hinfort als Eutychios' Chronograph bezeichnet. Es
hatte sich zuvor gezeigt, daß in ihn Angaben aus anderer Quelle eingelegt
sind. Es sei an die Galenos-Bruchstücke erinnert, von denen sich nachweisen
ließ, daß Eutychios sie dem griechischen Original oder einer arabischen Über-
setzung entnommen hatte. Zumindest beim zweiten Bruchstück kennzeich-
nete die abweichende Art der Datierimg das aus Galenos stammende Gut
als nachträgliche Einfügung. Bei der Geschichte der Sasaniden lassen sich
auf gleichem Weg weitere Einlagen ermitteln, die diesmal dem Königsbuch
entstammen. Genauer gesagt: einer seiner arabischen Übersetzungen, die
mit der von Ibn Kutaiba benutzten weitgehend übereinstimmt. Dies hatte
bereits Th. Nöldeke1 erkannt, wenn man auch seinem Hinweis auf Euty-
chios selten Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Die Bestätigung dafür, daß tatsächlich das Königsbuch zugrunde liegt,
ergibt sich bereits bei der Geschichte Ardaser's I. Jene Briefe, die der König
schreibt, um sein Thronrecht nachzuweisen (i, 367, 15f. P.), kehren bei
Tabari, aber auch sonst wieder (oben 1, 261 f.). Dasselbe gilt für ArdaSer's
Städtegründungen (1, 374, 6f. P.), die wenn auch nicht nach den Einzel-
heiten, so doch der Sache nach auch bei Tabari angeführt sind (1, 820, 8f.).
Ein dritter Fall ist die Eroberung Hatra's (1, 369, 6f. P.), die indessen f a -

1 Übers. XIX; XXI.


5. E U T Y C H I O S ' A N N A L E N 133
bar! gegenüber (ann. i , 827,6f.) eigne Züge aufweist. Wieder hat Nöldeke
das Richtige gesehen2.
Eutychios spricht von der Stadt des Gottes Saturnus ( z u h a l 1, 369, 8 P.;
vgl. oben 2, 40; 3, 292), die gegenüber von Maskin gelegen sei3, wa-tusam-

mä l-hisn. So schreibt noch Cheikho 1,106, I i , und doch sollte klar sein; daß
in der „Burg" Hatra's Name steckt. Also: wa-tusammä l-hadr (vgl. Tabarl 1,
827, 6 uam.), wobei daran zu erinnern ist, daß in der mittelpersischen Buch-
schrift η und r ähnliche Zeichen sind. Die Eroberung Hatra's ist damit
Ardaser I. zugewiesen, aber die Erzählung des Vorgangs ist eine Variante
dessen, was bei fabari dem zweiten Sasaniden, also Säpür I. gehört
(1, 829, 3f.). Dieser Unterschied ist bemerkt worden. Was aber übersehen
wurde, ist, daß auch Tabarl eine Variante kennt, die die Eroberung Hatra's
nicht Säpür I., sondern ArdaSer I. zuwies.
Eutychios schildert, wie Ardaser seine Briefe schrieb, darin er seine
Rechte darlegte. Die meisten Herrscher, denen die Schreiben zugehen, fügen
sich. Erst der König des Sawäd, gemeint ist der Hatra's, leistet ihm Wider-
stand. Entsprechend Tabarl, der zwar die Briefe an etwas späterer Stelle an-
führt (1, 820, I3f.), aber sonst die gleiche Reihenfolge wählt. Die Könige
der KüSän, von fürän und Mukran erklären ihre Unterwürfigkeit (1, 819,
I5f.). Dann geht es weiter: „Danach begab sich Ardaser von Gör nach
Bahrain und belagerte dessen König Sanatrük, bis daß er sich in
der äußersten Not von der Mauer der Festung hinabstürzte und starb"
(1, 820, 1 f.). Sanatrük ist, was Nöldeke nicht wußte, man heute aber
weiß, der König Hatras gewesen. Sein Name erscheint auf den dortigen
Inschriften als sntrwk mlkGuidi's syrische Chronik spricht von
hatre d-sanatrüg (Chron. min. 1, 35, i8f.), und bei Tabarl begegnet er in
der Erzählung von der Eroberung der Stadt als as-sätirün (1,827,7 uam.).
Also war Sanatrük kein König von Bahrain, und die richtige Ortsangabe ist
durch Haplographie verloren gegangen: tumma tawaggaha ardaStru min

göra ilä l-bahrain, (fa-l-had?Aa'), fa-häsara sanatruka malikahä.

Das Ergebnis zeitigt eine weitere Folgerung. Wenn Eutychios und


die erste Überlieferung Tabari's in Ardaser I. den Eroberer der Stadt
2 Übers. 34; 35 Anm. 3.
s Th. Nöldeke, Übers. 34 Anm.
4 A. C a q u o t i n : Syria 30 (1953), 241 f. Nr. 28; 36; 37; A. Maricq, ebenda 32 (1956),
273 f·
Zu solchem Gebrauch von fa- H. Reckendorf, Arabische Syntax (1921) 3i9f.
§ 164, 7.
134 QUELLENFRAGEN

sehen5, Tabarl's zweite Überlieferung und andere aber in Säpür I., so könnte
das Ereignis unter das gemeinsame Regiment des Vaters und Sohnes (Tabari i,
820, 4)® fallen7. Ardaser starb erst 2418, und Säpür's Krönung fiel auf den
12. 4. 2409, so daß dessen erstes Jahr mit dem 23. 9. 239 begann10. Dann
dürfte Hatra in der dazwischenliegenden Zeit, also 240/1 erobert worden
sein. Anders gewendet: das Ereignis fällt in Ardaser's letzte Zeit und nicht
in seine Anfänge, wie es nach Eutychios' Darstellung scheinen könnte. Es
zeigt sich deutlich, daß die Einlage aus dem Königsbuch in den Chrono-
graphen nachträglich erfolgt ist. Sie hätte nicht an ihrem jetzigen Platz,
sondern kurz vor der Erwähnung von Ardaser's Tod (1, 374, 12 f.P.) einge-
ordnet werden müssen.
Das Ergebnis bestätigt sich, wenn man nunmehr die Geschichte Bahräm
CöbTn's betrachtet.
(2, 201, 7 P.; 1, 213, 8f. Ch.) „Während er sich derart aufführte (gemeint
sind Hormizd's IV. grausame Maßnahmen gegen den Militäradel), zog der
Chäqän gegen ihn (Hormizd) mit zahlreichen Truppen. Hormizd sandte gegen
sie (den Chäqän usw.) einen Mann namens Bahräm, Bahräm's Sohn, und er
ist jener, der Söbin (swnyr edd.) hieß, mit 12000 Mann vom Heer. Bahräm
Söbin tötete den Chäqän und vernichtete dessen Heer. Als Bahräm seinen
Auftrag hinsichtlich des Chäqän erledigt hatte, rief er sich ins Gedächtnis,
was Hormizd sich an Härten und an Heftigkeit seines Verhaltens, an schlech-
ter Meinung gegenüber seinen Befehlshabern und seinen Truppen hatte
zuschulden kommen lassen, und fürchtete sich, zu ihm zurückzukehren.
Da erhob sich Söbin, als er in Choräsän war, und leistete ihm (Hormizd)
keinen Gehorsam mehr. Auch die Truppen, die im 'Irak lagen, standen gegen
Hormizd auf, nachdem sie sein schlechtes Regiment (tadbir) gesehen
hatten. Sie beraubten ihn seiner Herrschaft, fürchteten sich indessen, ihn zu
töten. Hormizd hatte einen Sohn namens Chusrö, der fern von ihm in
Ä<5urbaiyän war. Als dieser die Nachricht über seinen Vater erhielt, machte er
sich zu ihm auf mit seinen Genossen, (1, 202, 1 P.), um ihm zu helfen. Als er
es aber nicht vermochte, da wandte er sich flüchtig nach Rom (dem ost-
5
Th. Nöldeke, Übers. 34 Anm.
β
Ebenda 19 Anm. 1; R. Göbl bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954),
102 f.
7
A. Christensen in: CAH. 12 (1939), 130.
* Th. Nöldeke, Übers. 412.
• W. B. Henning in: Asia Maior N. S. 6 (1957), " 6 f ·
10
Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958) 79f.
5. EUTYCHIOS' ANNALEN 135
römischen Reich), um Hilfe bei Kaiser Maurikios zu suchen, indem er ihn
bat, mit ihm ein Heer zu seiner Unterstützung zu schicken. Bei ihm waren
acht seiner Gefährten, dazu Bindöe (nbdy edd.) und Bistäm (nst'm edd.),
seine beiden Onkel von Mutterseite, Als diese unterwegs miteinander Rats
über ihre Angelegenheiten pflogen, Chusrö aber dessen inneward, sagte er
zu ihnen: ,Laßt mich wissen, worüber ihr sprecht!' Sie sagten ihm: ,Wir
meinen, du solltest nicht aus diesem Lande gehen, ohne daß wir zuvor
Hormizd töten. Denn wir wollen nicht, daß wir zu Maurikios, dem Kaiser der
Römer, gehen, dann sich Hormizd auf den Weg macht und an Kaiser
Maurikios schreibt (fa-yaktuba Cheikho), daß wir ihn (Hormizd) verlassen
haben, und er (der Kaiser) uns etwas zufügt, was wir nicht wünschen.' Sie
(Bindöe und Bistäm) kehrten zu Hormizd zurück und töteten ihn. Dann
kamen sie wieder zu Chusrö und zogen mit ihm, bis sie in einem Kloster, (das)
am Wege (lag), abstiegen (fa-nazalü fihi del. et bätü fihi corr. Cheikho) und
dort übernachteten. Als es Morgen war (i, 214, 1 Ch.), da holten sie Reiter
ein, die Bahräm Söbln ausgesandt hatte (ilaihim falso add. P.), um sie zu
suchen. Als sie (Chusrö und seine Gefährten) die Reiter erblickten, hielten
sie (ihren) Tod für gewiß. Bindöe sagte zu ihnen (lahum: Cheikho): ,Geht
voran und laßt mich zurück. Ich werde genügend Vorsorge für euch
treffen.' Sie bestiegen ihre Reittiere und machten sich auf den Weg.
Bindöe befahl dem Pförtner des Klosters, das Tor zu schließen. Die Reiter
näherten sich, bis sie das Kloster umstellten. Da stieg Bindöe hinauf (auf
das Dach) und sagte zu ihnen: ,Chusrö sagt euch, daß wir in eurer Hand
sind (1, 205,1 P.). Wenn es euch gut scheint, uns am Ort zu lassen den Rest
dieses unseres Tages, dann tut es!' Sie gestatteten es ihm, und als Nacht
war, stieg Bindöe wieder hinauf, stand über ihnen und sagte zu ihnen:
,Chusrö sagt euch: ich bin euch zu Dank verpflichtet, und wenn es euch
gut scheint, uns noch einen Aufschub zu gewähren (tumahhilünä oder
tumhilünä) für das Dunkel (oder: für den Rest) dieser unserer Nacht bis
zum Morgen, (ist es gut). Wir werden (dann) zu euch herauskommen und
uns mit euch auf den Weg machen.' Da stimmten sie ihm darin (wiederum)
zu, und Bindöe hörte nicht auf, mit ihnen in gleicher Weise zu verfahren, bis
er wußte, daß Chusrö und seine Gefährten weit vorangekommen und in ein
entferntes Land gelangt waren. Dann aber unterrichtete Bindöe die (gegne-
rische) Truppe über ihre (wirkliche) Lage und erklärte sie ihnen. Da fesselten
sie Bindöe, zogen mit ihm zu Bahräm und erzählten ihre Geschichte. Dieser
bewunderte ihn (Bindoe) sehr und befahl, ihn gefangen zu halten bei einem sei-
136 QUELLENFRAGEN

ner (Bahrain's) Schwäger, der Bahräm, Sohn des Siyäwuxs (siyäwuhSCheikho


i, 214, 11) hieß. Er (Bindöe) machte sich daran, den erwähnten Bahräm
(b. Siyäwuxs) zum Gehorsam gegenüber Chusrö zu bewegen und ihn Söbln
abspenstig zu machen, indem er ihm sagte: ,Ich meine in deinem Inter-
esse, du solltest einen Weg finden, Söbln zu töten und dich dadurch eines
hohen Ranges seitens Chusrö's als würdig zu erweisen.' Er hörte nicht auf,
Boten auf Boten an ihn zu senden, bis er ihn sich geneigt machte und dieser
sich der Aufgabe unterzog, Söbln zu töten. Aber Söbln bemerkte es und
befahl, jenen zu töten. Darauf floh Bindöe, und nicht bekam er (Söbln) ihn
in seine Gewalt. Als (1, 206, 1 P.) Chusrö zu Maurikios, dem Kaiser Roms,
gekommen war, nahm ihn dieser aufs Beste auf und schickte mit ihm ein
großes Heer, das ihm helfen sollte. Chusrö rückte zusammen mit denen, die
ihm Maurikios an römischen Truppen (al-gunüd: Cheikho 1, 214, 17) zuge-
sandt hatte, auf dem Weg nach Armenien vor, bis er in Äöurbaiyän halt-
machte. Da zog Bahräm Söbln ihm entgegen, bis er in Ä<5urbaiyän auf ihn
stieß. Beide kämpften einen heftigen Kampf, und Bahräm Söbln wurde in
die Flucht geschlagen (und floh), bis er zu den Türken kam. Aber Chusrö
ruhte nicht, ihm nachzustellen, bis er ihn dort tötete. . . . Als Chusrö im
sicheren Besitz seines Königtums war, sandte er Kaiser Maurikios dessen
Heer zurück und wies ihnen (den Feldzugsteilnehmern von römischer Seite)
Reisegeschenke und Belohnungen zu von dem Besten, was einer seines-
gleichen solchen ihresgleichen zukommen läßt. Er schrieb an Kaiser Mau-
rikios und bat um die Hand seiner Tochter, Maria mit Namen. Da schrieb
ihm Kaiser Maurikios zurück: .Siehe, es ist mir nicht gestattet (lä yagüzu Ii
corr. Cheikho; mä yagüzu codd.), (1, 215, 1 Ch.), daß ich dir meine Tochter
zur Frau gebe, es sei denn, du würdest Christ.' (Es folgt ein ungeschichtlicher
Bericht christlichen Ursprungs, wonach Chusrö sich dieser Forderung ge-
fügt habe, auf den heftigen Widerstand seiner Großen gestoßen sei, aber zu-
letzt doch die Hochzeit als Christ gefeiert habe) . . . (1, 209, 9 P.; 1, 215,
7 Ch.). AySarvez Chusrö (sie) nahm sich diejenigen vor, die seinen Vater
getötet hatten, und tötete sie, und zwar tötete er Bindöe und Bistäm,
seine beiden Onkel (hälaihi corr. Cheikho) von Mutterseite."
Über die Form Söbln vgl. Th. Nöldeke, Übers. 474 Anm. 1. — Über wa
explicativum (1, 209, 10 P.; 1, 215, 8 Ch.) vgl. H. Reckendorf, Arabische
Syntax (1921) 324 § 165, 9.
Der bei Eutychios gegebene Auszug, von ihm selbst oder wahrscheinlich
bereits von einem der arabischen Übersetzer des Königsbuches verfaßt, gibt
5. EUTYCHIOS' ANNALEN 137

in allem Wesentlichen die bei Dlnawari vorliegende ursprüngliche Fassung


(Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat ι (1954), 2o6f.; oben 4, 234^). Das
beweist der Beiname Cöbin (Söbtn), derBahräm als den „Besitzer des Polo-
schlägers" (richtige Lesung: Cößeyän) bezeichnete (oben 2, 34). Dement-
sprechend erkennt denn auch Bahräm Cöbin den Anschlag seines Schwagers,
was Dinawarl zufolge mittels eines solchen Poloschlägers geschah. Von den
sittlichen Konflikten und der tragischen Stimmung, die Dinawari's Fassung
erfüllen, hat dieser Auszug freilich nichts bewahrt. Dlnawari (gest. 895/6)
war ein älterer Zeitgenosse unseres Eutychios, und angesichts der Tatsache,
daß dieser sonst keinerlei Benutzung jenes Autors erkennen läßt, möchte
man eher annehmen, daß beide Fassungen auf die ihnen vorausgehende
Übersetzung Gabala's b. Sälim, des Schreibers Hisäm's b. al-Kalbl (Alt-
heim-Stiehl, a. 0. 206; oben 4,234), zurückgingen.
Auch am vorliegenden Stück erweist sich, daß der Auszug aus dem Ro-
man Bahräm Cöbln's von Eutychios in den ihm vorliegenden Chronographen
eingelegt wurde. Die Regierungszeit Hormizd's IV. war bereits 1 , 1 8 9 , 1 8 f. P.
und im Folgenden (1, 190, 3; 9 P.) angegeben worden. Erst in längerem
Abstand folgt die Geschichte von Bahräm Cöbin. In diese ist Chusrö
Anösarvän's 39jährige Regierungszeit eingefügt (1, 206, 7 f. P.), deren Be-
ginn auf Maurikios' siebentes Jahr gesetzt wird. Das zweite ist unrichtig, be-
weist aber bei der allgemeinen Fehlerhaftigkeit der Synchronismen nichts.
Um so mehr besagt die Angabe der Regierungsdauer, die nur dann zutrifft,
wenn man annimmt, daß diese mit dem 27. 6. 590, nicht aber, wie der Zu-
sammenhang bei Eutychios nahelegt, nach der Niederwerfung von Bahräm's
Usurpation erfolgt ist. Hier ist die Angabe des Chronographen unrichtig und
darum störend mitten in die Geschichte Bahräm Cöbin's eingefügt worden.

3
Zwei Berichte zur Geschichte der Hephthaliten mögen folgen, beide dem
Königsbuch entnommen. Der erste bezieht sich auf Bahräm V. Gör und
seinen Krieg gegen das nordöstliche Nachbarvolk:
(2, 82, 7 P.) „ E r hörte nicht auf, sich der Verschwendung und dem Spiel
hinzugeben, so daß die Leute ihn tadelten und die Könige um ihn es gelüstete,
sich an seinem Land zu vergreifen. Da griff ihn der Groß-Chäqän, König der
Türken (Hephthaliten), an, mit 250000 des Heeres (jeder König der
Türken pflegte Chäqän genannt zu werden). E r rückte vor, bis er auf dem
138 QUELLENFRAGEN

Hochplateau (Irans) haltmachte. Da sprach man zu Bahräm: , 0 König,


etwas ist gekommen, was uns und was dich vom Spiel abbringen wird. Achte
deiner und dieses Volkes, bringe seine Angelegenheiten in Ordnung, schütze
es und beruhige seine Furcht'. Doch Bahräm achtete nicht ihrer Rede.
Er machtete sich auf nach Ä<5urbaiyän und nach Armenien, um im
dortigen Feuertempel seine Verehrung darzubringen. Da zweifelten die
Leute nicht mehr daran, daß es sich dabei um eine Flucht handle. .Sie ver-
sammelten sich zur Beratung und sagten: .Nicht vermögen wir etwas gegen
den Chäqän (2, 85, 1 P.). Darum wollen wir ihm die Kopfsteuer entrichten
und uns und unser Land freikaufen'. (So sprachen alle) außer Narseh (mrsy
edd.), Bahräm's Bruder, und Adarbäd ('zdn'r edd.), dem Richter. Diese
aber sagten: ,Wir pflichten euch darin nicht bei.' Sobald dem Chäqän die
Unterwerfung der Perser bekannt wurde, wiegte er sich in Vertrauen und
ließ die Waffen ruhen. Da kam ein Mann zu Bahräm und unterrichtete ihn
über seine (des Chäqäns) Vertrauensseligkeit und Sorglosigkeit. Daraufhin
zogBahräm gegen diesen, umzingelte ihn bei Nacht und tötete den Chäqän mit
eigner Hand. Es kam zum Gemetzel in seinem (des Chäqän) Heer, und man
wandte sich zur Flucht. Dann kehrte Bahräm wohlbehalten zurück, wandte
sich denen zu, die von den Leuten des Chäqän, seinem Heer und dessen
Frauen in seine (Bahräm's) Hand gefallen waren, und übergab sie den Leuten
(an-näs). Nachdem die Nachricht davon ins Land der Türken gelangt war,
was dem Chäqän zugestoßen war, flohen sie in die entferntesten ihrer Länder.
Bahräm setzte seinen Bruder Narseh {mrsy edd.) über Choräsän und kehrte
nach Ä<5urbaiyän zurück . . . (Es folgt einiges über Bahräm's Verehrung der
Feuerhäuser). Dann befahl er, was sich an der Krone des Chäqän an Perlen,
roten Edelsteinen und kostbaren Steinen befand, am Tor dieses Tempels (des
Feuertempels in Ä<5urbaiyän) aufzuhängen (2,86,1P.). Dem gleichen (heiligen)
Feuer schenkte er das Schwert des Chäqän, das mit Perlen geschmückt war."
Die Namen sind nach der Parallelüberlieferung (oben 2, 47f.) herge-
stellt. Überliefertes 'zdn'r hat Th. Nöldeke, Übers. 101 Anm. 1, in
Adarbäd hergestellt. Uber an-näs „die Leute" Altheim-Stiehl, Finanzge-
schichte der Spätantike 3 7 I ; vgl. Ein asiatischer Staat 1 (1954), 21.
Bahräm V. Gör zahlt nach seinem Hephthalitensieg an den Adel („Leute")
die bei seinem Regierungsantritt ausbedungene Solderhöhung dadurch aus,
daß er die von ihm selbst gemachte Beute dem Heer überläßt.
Einer Erwähnung bedarf der Edelsteinschmuck an Krone und Schwert
des Chäqän (weniger eingehend Tabari, ann. 1, 865, 3f.). Die Vorliebe für
5. E U T Y C H I O S ' A N N A L E N 139
Inkrustation ist auch von Attilas Hunnen bekannt: J . Werner, Beiträge zur
Archäologie des Attila-Reiches (1956) A 45; 62f.; Ε. A. Thompson, A Hi-
story of Attila and the Huns 1 1 7 Anm. 2 und die dort angeführte Priskos-
Stelle.
Der zweite Bericht bezieht sich auf die Besiegung des Hephthaliten-
reiches durch die Osttürken und Chusrö I. Anösarvän:
(2, 189, 2 P.) Chusrö zog gegen die Hephthaliten, „indem er Rache an
ihnen zu nehmen wünschte für Peröz, seinen Großvater. Vorher hatte er sich
mit dem Chäqän verwandtschaftlich verbunden. Chusrö, Kavä<5's Sohn,
schrieb an den Chäqän, ließ diesen von seinem Anmarsch unterrichten und
bat ihn, gegen die Hephthaliten zu ziehen, bevor er selbst bei diesen ange-
kommen sei. Dann kam er (der Chäqän) zu ihnen (den Hephthaliten), tötete
ihren König, und es wurde Balch übergeben, sowohl das, was darin war,
wie das, was von Choräsän hinter ihm lag, an Anösarvän. Dieser ließ sein
Heer in Feryäna haltmachen und heiratete die Tochter des Groß-Chäqän".
Parallelbericht zu dem oben 2, 53 mitgeteilten. Nirgendwo sonst läßt
sich mit gleicher Deutlichkeit erkennen, daß Besiegung der Hephthaliten
das Werk der Osttürken, nicht des Sasaniden war; dazu Th. Nöldeke,
Ubers. 159 Anm. 1. Unrichtig G. Widengren in: Orientalia Suecana 1 (1952),
74f.: der verkürzte Auszug Tabari's ann. i, 899, 2f. verunklärt das Gesche-
hen, besonders in den letzten Bemerkungen. Nach Tabari wäre der Chäqän
über Balch und das Gebiet nördlich des Oxos nach Feryäna vorgerückt.
Während nach dem vollständigeren Auszug Eutychios' der Chäqän Balch
und Nachbarschaft an Anösarvän gab, dieser aber nach Feryäna zog.
Was sonst an Hephthaliten-Berichten aus dem Königsbuch vorliegt,
insbesondere die Erzählung von Peröz' Untergang 2, 110, 16f. P., ist ohne
geschichtlichen Wert.

4
Es würde zu weit führen, wollte man aus Eutychios alle Stücke an-
führen, die bisher nicht beachtet wurden und gleichwohl Nachrichten von
geschichtlicher oder literarischer Bedeutung enthalten. Wir erinnern daran,
daß uns gelang, die durch Mittelsglieder auf Porphyrios' Chronik zurück-
gehende Königsliste der Achaimeniden mit dem Todesdatum Zarathus-
tras aus Eutychios (1, 262, 13 f. P.) zurückzugewinnen1. Eines Hinweises be-
dürfen auch die Ereignisse des langjährigen Krieges zwischen Chusrö II.
1
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 45 f.
140 QUELLENFRAGEN

Aßarvez und Ostrom, die mit Herakleios' Sieg endeten (2,210,8—249,18 P.).
Daraus seien einige Nachrichten über die Eroberung Jerusalems durch die
Perser 614 und dessen Wiederherstellung übersetzt. Die Vorgänge haben be-
reits die Aufmerksamkeit K. A. C. Creswell's wachgerufen2. Er hat darauf ver-
wiesen, daß nicht erst al-Walid ägyptische Arbeiter und Handwerker nach
Jerusalem gebracht habe, sondern daß ihm darin Modestus um 629 voran-
gegangen sei. Creswell kannte allein das von Leontios von Neapolis 645 ver-
faßte Leben Iohannes', Erzbischofs Alexandreias (p. 37; 137—8 Geizer).
Eutychios, obwohl selbst später schreibend, gibt Einzelheiten, die Creswell
unbekannt geblieben sind.
Chusrö II. Aßarvez schickt Churrawazaih gegen Jerusalem mit einem
Heer (2, 213, 5 P.). „Er brach nach Syrien auf, verwüstete es und raubte
seine Bewohner. Er zog nach Jerusalem, und die Juden aus Tiberias, Gali-
laea (gabalu l-galtl), Nazareth und dessen Nachbarschaft vereinigten sich
mit ihm (Churrawazaih), kamen nach Jerusalem und halfen den Persern bei
der Zerstörung der Kirchen und beim Töten der Christen. Nachdem er nach
Jerusalem gekommen war, war das Erste, was sich ereignete, die Zerstörung
der Kirche von Gethsemane und der Helena's, und beide liegen wüst bis
auf unsere Zeit. Er zerstörte (dann) die Kirche Konstantins, Golgathas
und des Grabes. (Und zwar) warf er Feuer in das Grab und Golgatha und
zerstörte den größten Teil der Stadt. Die Juden töteten zusammen mit den
Persern Christen, deren Zahl man nicht kennt, und es sind dies die Toten, die
in Jerusalem an einem Ort (liegen), der Mamlä3 heißt (vgl. 2, 242, 6f. P.).
Dann zogen die Perser ab, nachdem sie verbrannt, zerstört und getötet
hatten, und führten den Patriarchen Zacharias von Jerusalem und eine Menge
mit ihm in Gefangenschaft. Sie bemächtigten sich des Kreuzesholzes, das
die Kaiserin Helena am Orte zurückgelassen hatte (es war ein Stück
vom Holz des Kreuzes), und zusammen mit (2, 214, 1 P.) den Gefangenen
wurde es nach dem Lande Persien gebracht. Maria, Tochter des Kaisers
Maurikios, erbat sich von Chusrö das Kreuzesholz, den Patriarchen Zacha-
rias und viele von denen, die gefangen waren (subiya: corr. Cheikho 1,
216, 17). Sie nahm sie bei sich in ihrem Palast auf, und sie blieben bei ihr.
Patriarch Zacharias starb in der Gefangenschaft."
(2, 2x7, 18) „Nachdem die Perser die Kirchen Jerusalems zerstört und
mit Feuer verbrannt hatten, (dann) abgezogen waren, gab es im Kloster
* Α Short Account of Early Muslim Architecture (1958) 43 Anm. 2.
3 G. H. Dalman, Aramäisch-neuhebräisches Wörterbuch (1897) 228 rechts.
5. EUTYCHIOS' ANNALEN 141

dw'ks (es ist das Kloster Mär Theodosios') einen Mönch, der Modestus
hieß, Vorsteher (dieses Klosters). Als die Perser abgezogen waren, ging er
nach Ramla, Tiberias, Tyros und Damaskos, um die Christen zu bitten, daß
sie ihm Geld gäben und ihm hülfen, die Kirchen Jerusalems aufzubauen, die
die Perser zerstört hatten. Sie beschenkten ihn, und er brachte viel Geld zu-
sammen. Er kehrte nach Jerusalem zurück und baute die Auferstehungs-
kirche, die des Grabes, Golgathas und des heiligen Konstantin auf, und es
ist der Bau, der heute noch besteht. Als Iohannes der Barmherzige, Patriarch
Alexandreias, gehört hatte, daß Modestus jene Kirchen aufbaute, die die
Perser zerstört hatten, schickte er ihm (Modestus) iooo Zugtiere, iooo Sack
Mehl, iooo Sack Gemüse, iooo Krüge mit Salzfischen, iooo Krüge Wein,
iooo Pfund Eisen und iooo Werkleute."

5
Zwei Schichten sind bei der Behandlung der Sasanidengeschichte in
Eutychios' Annalen zu unterscheiden. Da ist einmal der Chronograph, der
sich in der Hauptsache darauf beschränkt, die Regierungsdaten der einzel-
nen Herrscher mitzuteilen und sie mit denen der römischen oder oströmi-
schen Kaiser zu verknüpfen. Davon zu unterscheiden sind die Stücke, die
dem sasanidischen Königsbuch entnommen sind; durch vorhandene Un-
stimmigkeiten, vor allem chronologischer Art, geben sie sich als nachträg-
liche Zusätze zu erkennen. Während der Chronograph vorerst ein Schatten
bleibt, was Zeit, Schichtung seiner Quellen und Verfasserschaft angeht, läßt
sich die Benutzung des Königsbuches in einen geschichtlichen Rahmen stellen.
Was mochte einen melkitischen Patriarchen veranlaßt haben, diesen
ihm fernliegenden Stoff aufzunehmen? Entstand doch ein Aufriß der
Geschichte, der Kaiser und Sasaniden in ihrem Gegenüber durch mehr
als vier Jahrhunderte verfolgte und dann, in den Ereignissen, die auf
die Higra folgten, im Gegenüber von Kaisern und Kalifen seine Fort-
setzung fand. Eine derartige weltgeschichtliche Schau, die einerseits Sasa-
saniden und Kalifen als Vorgänger und Fortsetzer aufeinander bezog,
andererseits beide als die durchgehenden Gegenspieler der römisch-byzan-
tinischen Welt faßte, verlangte nach einer besonderen Gunst der geschicht-
lichen Stunde, um begriffen und ausgeführt zu werden.
Man muß sich vergegenwärtigen, daß die arabischen Übersetzer des
Königsbuches und der Geschichte Bahräm Cöbin's lange vor Eutychios ihre
142 QUELLENFRAGEN

Tätigkeit abgeschlossen hatten. Das gilt gleichmäßig von Ibn Mukaffa' und
öabala b. Sälim, dem Sekretär Ibn Hisäm's al-Kalbi. Eutychios hat mit der
Abfassung seiner Annalen erst gegen Lebensende begonnen1. Damit rückt er
eher in eine Reihe mit Dinawari (gest. 895/6), Ibn Kutaiba (gest. 889) und
mehr noch mit Mas'üdi, dessen murüg 943/4 verfaßt wurden. Er gehört
zu denen, die die vorhandenen Übersetzungen benutzt und verarbeitet haben.
Man kommt in die Glanzzeit der iu'ubiya unter den 'Abbäsiden, die dann
in Firdüsl's (gest. 1020) Epos ihren Abschluß finden sollte. Doch erneut er-
hebt sich die Frage, was denn ein melkitischer Patriarch Alexandreias mit
alldem zu tun hatte.
Eutychios hat die Zeit der Tülüniden erlebt und überlebt. Er erwähnt
seine Geburt unter Ahmed b. Tülün's Regierung (1, 470, 19f. P.), teilt die
Ereignisse mit, die unter sie fallen (ab 1, 470, 2f. P.). Es folgen Chumära-
waihi's Taten (ab 1, 474, 9 f. P.) und die Geschehnisse unter seinen Nach-
folgern (ab 1, 481, i5f. P.) bis zum Ende der Dynastie. Auch Ahmed b.
Tülün's hauptsächliche Bauten werden aufgezählt: Moschee, Krankenhaus
und Aquädukt (1, 473, 19t. P.). Der Sohn eines türkischen Sklaven hatte
am Kalifenhof von Sämarrä eine ausgezeichnete Erziehung erhalten und
entscheidende Eindrücke mitgenommen, als er 868 in Fustät ankam und im
Jahr darauf die Statthalterschaft ganz Ägyptens erhielt2.
Zum ersten Mal seit dem Ausgang der Ptolemäer bestand wieder eine
Hofhaltung auf ägyptischem Boden. Äußeres Zeugnis dessen war die Er-
bauung der neuen Residenz, da sich Fustät und al-'Askar als zu klein für die
Zahl der Soldaten und Gefolgsleute erwiesen. In al-Katä'i' erbaute Ahmed
seinen Palast (al-tnaidän), der sich bis zur Moschee erstreckte, mit deren
Anlage wenige Jahre später begonnen wurde. Sie ist, neben dem Aquädukt,
das einzige Bauwerk, das die Zerstörung von al-Katä'i' überlebt hat und
eine Anschauung von dem vermittelt, was diese Zeit bestimmte. Um-
fang und angewandter Pfeilerbau weisen nach Sämarrä, und dasselbe gilt
für die Stuckornamente der Pfeilerkapitäle, der inneren und äußeren Arka-
den, der Soffitten und Fenster. Unter Ahmed b. Tülün war die 'abbäsi-
dische Kunst eingezogen, nachdem sie im Osten sich über den 'Iräk und
ganz Iran verbreitet hatte. Handwerker aus diesem Bereich waren gefolgt,
die bei den Bauten verwandt wurden. Ausdrücklich wird gesagt, daß in

1 Th. Nöldeke, Übers. X X I .


2 Zum Folgenden K. A.C. Creswell, Α Short Account of Early Muslim Architecture
(1958) 301 f.
5- E U T Y C H I O S ' A N N A L E N 143
Fustät viel Volks aus Baghdad sich befand, und mit ihm, mit dem neuen
Regenten kam die Vorstellungswelt, die in dem gewaltigen Raum zwischen
Sämarrä und Nesäpür erwachsen war.
Eutychios zeigt, daß dieser Einfluß nicht auf Architektur und ange-
wandte Kunst beschränkt blieb. Die Literatur der spätsasanidischen Zeit,
soweit sie Sage und Geschichte Irans betraf, war dem arabisch lesenden
Publikum zugänglich gemacht worden. Auch dies geschah zunächst im
Osten und für den Osten. Doch Ahmed b. Tülün's Auftreten und das seiner
Nachfolger, so kurz es gewesen sein mag, hat auch darin einen Wandel ge-
bracht, daß man erstmals im Niltal an den Schicksalen jener Könige Anteil
nahm, die die Geschichte des Zweistromlandes und Irans für Jahrhunderte
bestimmt hatten.

6
Zu den bemerkenswerten und doch selten beachteten Abschnitten bei
Eutychios gehört seine Widerlegung der Nestorianer 2, 13, 18—78, 11 P.
Nach eigner Angabe entstammt die Darlegung dem gleichfalls von Euty-
chios verfaßten kitäbu l-gidäli baina l-tnuhälifi wa-n-nasräni (2, 7 8 , 7 ! ) . Ein-
geleitet ist die Widerlegung durch eine Darstellung der Ereignisse, die zum
ökumenischen Konzil von Ephesos 431 hinführten und sich auf ihm ab-
spielten (2, 5 , 1 — 1 3 , 18)1.
Es fällt auf, daß Eutychios den Nestorianern nicht nur eine den Rahmen
der annalistischen Darstellung sprengende Widerlegung, sondern auch einen
Dialog gewidmet hat. Es bleibt zu fragen, was der Grund zu dieser ausführ-
lichen Berücksichtigung gewesen sein könnte. Und diese Frage stellt sich
noch in einem zweiten Fall.
Auf dem Konzil und dementsprechend auch bei Eutychios spielte als
Nestorios' Gegner Kyrillos, Patriarch Alexandreias, die erste Rolle. Unter
Kyrillos' Name steht auch die äthiopische Sammelschrift Kerelös. I. Guidi,
der diese in seiner Storia della lettaratura Etiopica (1932) 17 f. behandelt,
beschreibt sie als patristischeTexte, die sich christologischen Fragen widmen.
Die erste Stelle nehme Kyrillos' Schrift περί όρθής πίστεως ein, und so sei
denn die ganze Sammlung, vermutlich zu späterem Zeitpunkt, unter diesen
Namen gestellt worden. Ihr Text ist bisher nur teilweise veröffentlicht

1 Gegen Eutychios' Schilderung der vier ersten Konzilien schrieb Severus b. al-

Mukaffa" sein kitcbu l-magämi': G. Graf, Geschichte der christlichen arabischen Literatur
2 (1947), 3o6f. § 99, 2; Ausgabe von P. Chibli in: Patr. Or. 3 (1905), 121—142.
144 QUELLENFRAGEN

worden, fast ausschließlich in A. Dillmann's Chrestomathia Aethiopica


(2. Aufl. 1950) 70—107, aus einer Tübinger und einer Londoner Handschrift
(A. Dillmann, a. 0. Praef. XII). Dillmann hat bereits gesehen, daß sämt-
liche Bestandteile sich auf das Konzil von Ephesos 431 beziehen. Die zweite
kyrillische Schrift wäre demnach der ebenso in der Collectio Vaticana
wie in der Seguierana enthaltene προσφωυητικός Tals εύσεβεστάταΐξ βασι-
λίσιν περί όρθη$ πίστεως (Ε. Schwartz, Cone, universaleEphesinum ι graec.,
5, 26f.). Von den veröffentlichten Stücken finden sich der Brief Iohannes'
von Antiocheia an Kyrillos und dessen Brief an Iohannes im griechischen
Original bei E. Schwartz, a. Ο. ι graec., 4, ηί. und 15f., beide wiederum aus
der Collectio Vaticana und Seguierana. Die bei Dillmann angeschlossenen
Homilien der Severianus von Gabala, Kyrillos, Severus von Synnada, Iuve-
nalis von Jerusalem, Eusebios von Herakleia, Theodotos von Ankyra und
Firmus von Kaisareia beziehen sich alle auf das gleiche Konzil. Ihre Ver-
fasser sind überdies als Teilnehmer bezeugt, wie man Schwartz' Catalogus
episcoporum (Index III) entnehmen kann; Severianus begegnet zumindest
im Index V p. 41. Dazu kommt noch die von E. Pereira herausgegebene und
übersetzte Homilie des Proklos von Kyzikos (vgl. I. Guidi, a. 0 . 1 8 Anm. 1),
dessen Namen man in Schwartz' Index V p. 41 findet.
Alle Texte sind verfaßt von Gegnern Nestorios'. Meist suchen sie nach-
zuweisen, daß Christus „einer" sei, im Gegensatz zur Lehre des Häretikers,
der die beiden Naturen trennen wollte. Die gleiche Absicht spricht sich in
Eutychios' Widerlegung aus. Aber während man in ihr eine Darlegung besitzt,
die frühestens der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, möglicherweise schon
der ersten des 10. entstammt, bildet der äthiopische Kerelös als Sammlung
von Originaldokumenten eine neue, diesmal äthiopische Collectio2, die,
wenn sie auch Schwartz' Aufmerksamkeit entgangen ist, doch als weitere der
Ausgabe der ephesinischen Konzilsakten hinzuzufügen wäre.
Auf die Ausgabe und Übersetzung, die Pereira von der Homilie des Pro-
klos von Kyzikos veranstaltete, wurde bereits verwiesen. Andere Stücke
wurden von S. Euringer (Homilie des Severianus von Gabala bei J . Zellinger,
Studien zu Severian von Gabala. Münsterische Beitr. zur Theologie [1926]
101 f.) und S. Grebaut (Firmus von Kaisareia, Iuvenalis von Jerusalem und
Eusebios von Herakleia in: Revue de l'Orient chretien 5 [1910], 324f.;
440f.; 6 [1911], 424^) übertragen. Im Anhang sind zwei Homilien, die erste
2
Der korrekte Ausdruck für solche Aktensammlungen ist ιτητραγμένα, wie die
syrische Wiedergabe in Chron. min. 2, 212, 6 Chabot zeigt.
5. E U T Y C H I O S ' ANNALEN 146

Kyrillos' von Alexandreia über Melchisedek und die Severus' von Synnada,
wiederum aus dem Äthiopischen, übersetzt. Ist die zweite ein kleines Meister-
werk homiletischer Kunst, so spiegelt die erste die unbeugsame Kraft jenes
Mannes, den die Encyclica Aeterna Dei sapientia Augustin gleichstellt: am-
bobus pereruditis viris, Orientalis et Occidentalis Ecclesiae veluti luminibus
clarissimis3.

7
Auch angesichts des äthiopischen KerSlös stellt sich die Frage, wie es
dazu kommen konnte, diese Sammlung anzulegen. I. Guidi verweist darauf,
daß es auch in Abessinien keine Nestorianer gegeben habe, um derentwillen
es sich lohnte, solche Urkunden zusammenzubringen. Die Lösung, die
Guidi vorschlägt, trägt die Verlegenheit an der Stirn. Es würden zwar im
Kerelös Nestorios und seine Anhänger bekämpft, aber die Orthodoxen
seien gemeint. Auch diese konnten für einen Monophysiten als Dyophysiten
gelten, insofern sie göttliche und menschliche Natur Christi schieden, sie
dann freilich unter einer Person einten. Man habe diese Form gewählt, fügt
Guidi hinzu, weil man durch offene Nennung der Orthodoxen keinen An-
stoß bei Byzanz, mit dem man in freundschaftlicher Verbindung lebte, habe
erwecken wollen.
Die damit angedeutete Verbindung mit Byzanz bestand bis zur Erobe-
rung Ägyptens durch die Araber, also bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts. In
der Tat setzt Guidi den KerSlös in den „primo grande periodo" der äthio-
pischen Literatur, der nach ihm bis ans Ende des 7. Jahrhunderts reichte
(a. 0. 8). Dagegen ist zunächst zu sagen, daß die Sammlung nicht in Abessi-
nien, sondern zweifellos auf oströmischem Boden zusammengestellt wurde.
Wer die beiden Briefe, deren griechisches Vorbild erhalten ist, mit diesem
vergleicht, wird sich des Eindruckes kaum erwehren können, daß keine un-
mittelbare Übersetzung vorliegt. Die Namen eskenderyä und antökayä weisen
auf eine arabische Zwischenfassung. Also war die Sammlung in Ägypten ent-
standen, vermutlich in Alexandreia, wo man an Kyrillos anknüpfen konnte.
Als monophysitisches Werk ist sie in Abessinien übersetzt worden, ohne
ursprünglich für den dortigen Gebrauch bestimmt zu sein. Eine in Ägypten
verfaßte christlich-arabische Übersetzung kann schwerlich früher als ins
8 Osservatore Romano 9 . — 1 0 . 12. 1961, Titelseite. Zur Deutung der Melchisedek-
Gestalt V . Hamp in: Pro mundi vita, Festschrift der theolog. Fakultät München
(1960) 7f. Der Hinweis wird in beiden Fällen M. Reding verdankt.

10 Althelm, Hunnen V
146 QUELLENFRAGEN

9. Jahrhundert 1 fallen, und damit stellt sie sich von selbst zu Eutychios'
Widerlegung der Nestorianer.
Man hat also eine monophysitische und eine melkitische Widerlegung
vor sich. Eutychios mag seinen Exkurs und ebenso seinen Dialog sogleich
in arabischer Sprache geschrieben haben. Aber das Original des Kerelös war
auf Griechisch abgefaßt und dann ins Arabische und Äthiopische übertragen
worden. Die arabische Übersetzung war ungefähr gleichzeitig mit den älteren
Bestandteilen von Eutychios' geschichtlicher Darstellung. Alexandreia war
beider Heimat, und damit erhebt sich erneut die Frage, warum die Polemik
beider christlicher Kirchen sich gleichzeitig gegen die Nestorianer wandte.
Wie immer die Antwort ausfallen wird, sie dürfte für die beiden gleich-
gerichteten, einigermaßen gleichzeitigen und am gleichen Ort entstandenen
Schriftwerke die gleiche sein.
Hier muß einer Bemerkung bei Eutychios gedacht werden. Nachdem er
von Nestorios' Tod und Grab berichtet hat (2, 13, ßf.), folgt ein Abschnitt
über das Fortleben seiner Lehre (2,13, 8): „Nestorios' Lehre war bereits ver-
gessen, da erweckte sie lange Zeit nach ihm Barsaumä, Metropolit von
Nisibis, unter Iustinus (yüstinyänüs codd.), dem römischen Kaiser, und
Kava<5, Peröz' Sohn, dem Perserkönig, zum Leben. E r stärkte sie (die
Lehre) im Osten und besonders bei den Bewohnern von Färs. Darum sind die
Nestorianer zahlreich im Osten, im 'Irak und in Mossul, am Euphrat und in
der öazira, und sie heißen Nestorianer, abgeleitet vom Namen Nestorios'."
Also ein Wiedererstarken, das sich in Färs und im 'Irak zeigte. Bekannt-
lich nahmen die Nestorianer unter den 'Abbäsiden eine Vorzugsstellung ein,
(oben 3,107 f.), die ihnen denn gestattete, ihre Mission in Mittelasien weiter zu
fördern2. Überdies war Ibn Tülün aus dem 'Irak nach Ägypten gekommen,
und nach dem Sturz seines Hauses stand man wieder unter 'Abbäsiden. Das
war die Lage, mit der ebenso Melkiten wie Monophysiten rechnen mußten.
Ihre Polemik wandte sich gegen eine christliche Kirche, die an herrschender
Stelle gefördert wurde.
Eutychios sagt denn auch, daß seine Widerlegung sich gegen die Nestoria-
ner seiner Zeit richte, die sich in ihrer Lehre in bestimmten Punkten von der-
jenigen Nestorios' selbst unterschieden (2,14, 3 ! ) . Man steht in einem Jahr-
hundert, da die nestorianische Kirche nicht nur den Schutz des Kalifats genoß,
1
G. Graf, Geschichte der christlichen arabischen Literatur ι (1941), 77.
2
Zuletzt B. Spuler, Iran in früh-islamischer Zeit (1952) 213t. In diese Zeit fällt
die oben 3, 105 f. behandelte Mission in Chwärezm (oben 3, 107).
5. E U T Y C H I O S ' A N N A L E N 147

sondern auch literarisch hervortrat. Der Katholikos Timotheos I., mit dem
diese Blütezeit verknüpft ist ( 7 8 0 — 8 2 3 ) , hatte selbst eine Disputation mit
dem Kalifen al-Mahdi ( 7 7 5 — 7 8 5 ) verfaßt 3 , und der gleichen Zeit wird auch
al-Masih al-Kindi's apologetisches Werk entstammen4. Die darin zutage ge-
tretene Haltung mochte einen Orthodoxen zur Äußerung veranlassen, daß
die Nestorianer den Arabern näherstünden als seinem eignen Bekenntnis
(Barhebraeus, hist. eccl. 3, 1 7 3 , I 3 f . ) s . Es sieht fast so aus, als ob Eutychios'
zuvor angeführter „Disput" (gidäl) durch jene Schrift des Katholikos her-
ausgefordert worden sei.
Ein letzter Hinweis sei dem hinzugefügt. Elias von Nisibis erwähnt
unter dem Jahr 1019 einen Iohannes, Metropoliten von Färs, der zuvor
Bischof von Ägypten war (1, 70, 28 f. Chabot). Ob es schon vor ihm solche
Bischöfe gab, ist nicht bekannt. Aber das Bestehen dieses Bistums um das
Jahr 1000 setzt voraus, daß zuvor eine nicht unverächtliche Zahl von Nesto-
rianern bestand. Möglicherweise waren sie mit den vielen Zuwanderern aus
Baghdad nach der Hauptstadt gekommen, die unter Ibn Tülün's Herrschaft
ihren Einzug hielten.
3 A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922) 217; G. Graf, a. O. 2,
u5f.
4 G. Graf, a. O. 2, 135.
5 Mehr noch oben 3, 108 und Anm. 18.

10·
ANHANG

HOMILIEN KYRILLOS' VON ALEX ANDREI A


UND SEVERUS' VON SYNNADA,
AUS DEM ÄTHIOPISCHEN

„(88, 2 i Dillmann) Die (Rede) Kyrillos', des Patriarchen von Alex-


andreia, über Melchisedek.
Es sagt Paulus (Hebr. 7, 1—10): Dieser Melchisedek war König von
Salem (geschrieben saläm „Friede"), Priester Gottes des Höchsten, der mit
Abraham zusammenkam, als er (Abraham) zurückkehrte von da, wo er die
Könige bekämpft hatte (89, 1), und der ihn (Abraham) segnete und dem
Abraham seinen Anteil gab, den Zehnten von Allem. Seine (des Namens
Melchisedek) Deutung ist zunächst: König der Gerechtigkeit, und ferner (ist
er) König des Friedens {saläm), dessen Deutung König von Salem ist, was
Jerusalem meint. Er (Melchisedek) hat weder einen Vater noch eine Mutter;
es gibt keine (schriftliche) Eintragung über seine Abstammung, keinen An-
fang seiner Tage und kein Ende seines Lebens; gleich dem Sohn Gottes (ist
er), bleibt Priester in Ewigkeit. Sehet die Größe dessen, dem den Zehnten
darbrachte Abraham, der Erzvater, von seiner Beute. Gewiß, bei denjenigen
der Kinder Levi's, die das Priestertum empfangen, besteht ein Gebot, daß
sie den Zehnten vom Volk nehmen, gemäß Mosis Gesetz, nämlich von ihren
Brüdern als denen, die (gleichfalls) aus den Lenden Abraham's hervorge-
gangen sind. Er (Melchisedek) aber, der nicht eingetragen war als zu ihrem
(Levi's) Stamm gehörig, nahm den Zehnten von Abraham und segnete den,
dem die Verheißung des Erbes eignete. Wahrlich, es gilt ohne Widerspruch,
daß, wer kleiner ist, von dem, der größer ist, gesegnet wird. Im übrigen: hier
nehmen sterbliche Menschen den Zehnten, dort aber der, von dem das
Zeugnis lautet, daß er (ewig) lebe. Sozusagen durch Abraham gab auch Levi
den Zehnten — er der sonst den Zehnten zu nehmen pflegt — (und zwar)
während Levi sich noch in den Lenden seines Vaters befand, als Melchisedek
(nämlich) mit Abraham zusammentraf —- sagt er (Paulus). — (Nun) die
ANHANG 149
Worte Kyrillos': Ihr seid also, meine erwartungsvollen Kinder, hierher ge-
kommen und habt die Kirche gefüllt, indem ihr durstig seid, auf daß ihr ge-
tränkt würdet mit dem Wasser der Kirche und euer Herz gute Frucht davon-
trüge. Wie die Gabe des Wassers die Frucht der Erde wachsen läßt, (der
Erde,) die man ständig bewässert, ebenso treten ein das Wort und die Lehre
der Väter, die alle Weisheit und Wissenschaft gelernt haben, in die Herzen
des Volkes zum Heil. Jetzt kommt, ihr Durstigen, wir wollen euren Durst
stillen, indem wir von Paulus, dem Weisen, das Wasser empfangen, ist er doch
der Quell des Heils. E s sagt mm Paulus hinsichtlich des verehrungswürdigen
Melchisedek — jenes Melchisedek, Königs von Sälem, Priesters Gottes des
Höchsten, jenes, um dessentwillen alles geschrieben wurde: Uberviel gibt es,
das über ihn mitzuteilen wäre (und) dessen Darlegung, wie eben Paulus
irgendwo (Hebr. 5, 1 1 ) sagt, schwierig ist, nicht leicht besonders (90, 1) für
diejenigen, die uneinsichtig und faul beim Zuhören sind. Jedoch, wie es sich
verhielt, sage ich darum, weil es solche gibt, die behaupten: Nicht war er
Mensch wie wir, sondern der Heilige Geist selbst oder Gott. Denn es irren
diejenigen und sind bar des Verstandes, die sich dies (oder: diesen) so vor-
stellen, aber es ist notwendig, daß wir ihre Rede allem (Anderen) voraus-
schicken. Wie sollte es richtig sein, daß ihr Melchisedek, Priester Gottes, als
Heiligen Geist oder Gott bezeichnet, denn nicht befindet sich im Amt der
Priesterschaft der Heilige Geist, der (doch) dem Vater und dem Sohn nach
seiner Wesenheit verbunden und gleich ist. Niemals ähnelt und paßt zu ihm
(dem Heiligen Geist) der Name der Priesterschaft, und deren Tätigkeit
schickt sich nicht für die Göttlichkeit. Und für wen denn übt er das Priester-
tum aus, wie ihr sagt ? (Doch wohl) für einen, der größer, höher und erha-
bener ist als er. (Doch) wer wäre größer als der Herr des Alls ? Wer ins Prie-
stertum eingesetzt worden ist, dient als Priester nicht sich selbst. Wenn ihr
euch in der Tat (ein Wesen) vorstellt, das größer und erhabener ist als
Gott, so ist doch bekannt, daß — wie geschrieben steht (1. Petr. 3, 22; Kol.
1, 16) — mittels der Priesterschaft die Engel und Erzengel, die Throne und
Herrschaften der Heiligkeit und der Eintracht des Wesens der Dreiheit
dienen. Dieselbe Dreiheit nun, wem stünde sie zur Seite, und (wem) diente
sie ? Femer führen sie Geschriebenes über den Sohn an: Sehet unseren Apo-
stel und den Hohenpriester unseres Glaubens, Jesum Christum (Hebr. 3, 1).
Ferner zitieren sie (Hebr. 6, 20): Dort, wo der Vorgänger unsertwegen ein-
trat, Jesus Christus, gemäß der Einsetzung Melchisedek's Hoherpriester
seiend in Ewigkeit. Ich sagen ihnen: abgewichen ist euer Verstand vom
150 QUELLENFRAGEN

rechten Weg, der das glorreiche und höchste Mysterium der Menschwerdung
des eingeborenen (Sohnes), unserer Herrn, Jesu Christi, bedeutet. Warum
habt ihr nicht bedacht, daß Diener und Hoherpriester der Sohn nie genannt
worden wäre, wenn er nicht Mensch geworden wäre und sein Haupt nicht
gebeugt hätte, wobei er (natürlich) sich nicht veränderte und sich nicht um-
bildete ? Niemals hätte ihm dies zukommen können, es sei denn, daß er sein
Haupt erniedrigte auf den Würdegrad eines Menschen und bedürftig wurde
unter uns, obwohl er (doch) Herr und Gott ist. (91,1) Seine Niedrigkeit und
seine Bedürftigkeit meinen wir, wenn er Apostel und Hoherpriester genannt
wird, und dieses alles entspricht der Art des Dieners und dem Maß des Men-
schen : Apostel (ist er) und Hoherpriester, weil er Mensch wurde wie wir. Nun
aber: ist etwa (auch) der Heilige Geist Mensch geworden, damit er das Prie-
steramt versehe und das Amt des Dieners ihm zukomme, wie es der Sohn
wurde, indem er sich unser erbarmte ? Wenn aber solche Rede (offenkundig)
Blasphemie ist und widersinnig und keinesfalls zur heiligen Schrift stimmt,
warum reden sie dann (derart) frivol über die Glorie der Göttlichkeit und
(tun) nicht nur dies, sondern degradieren den Heiligen Geist dazu auf die
Würde eines Dieners, ihn, der doch Herr ist über Alles zusammen mit Vater
und Sohn, ihn, den alle Schöpfung anbetet und den alle Priester krönen im
Himmel und auf Erden ? Aber — so sagen sie weiterhin — genannt wurde
doch Melchisedek König der Gerechtigkeit, dessen Übersetzung sein Name
sozusagen darstellt, außerdem König von Sälem, und (so sagen sie) als
Mensch wie wir kann er doch unmöglich König der Gerechtigkeit und König
des Friedens sein, vielmehr ziemt ihm die Gottesschaft. Wir aber sagen ihnen:
Was dies angeht, so merkt ein wenig auf und bemüht euch dieserhalb,
indem ihr euch den Staub der Augen eures Innern abwischt, um die rechte
Vernunft. Vergleicht ihr wirklich Melchisedek mit dem Heiligen Geist, und
glaubt ihr (wirklich), daß er nach Größe und Glanz von göttlichem Wesen
sei, weil er König der Gerechtigkeit und des Friedens genannt wird ? Warum
denn bedenkt ihr nicht, daß einer, der im Glanz der Göttlichkeit ist wegen
des Herrschens über Gerechtigkeit und Frieden, unmöglich dienen und der
Göttlichkeit unteilhaftig sein kann? Geschrieben steht nämlich über die
heiligen Engel, daß zehntausendmal zehntausend Gott dienen (Dan. 7, 10).
Ferner sagt er: Lobet Gott, ihr alle, seine Engel, ihr Kraftgefestigten, die ihr
sein Wort in die Tat umsetzt. Lobet Gott, ihr alle,, seine Heerscharen, seine
Diener, die da ausführen seinen Willen (Ps. 103, 20—21). Nun (sage ich
euch): verweist entweder Gott vom Thron der Göttlichkeit und verbindet
ANHANG 151
ihn mit den Engeln, so daß er nicht größer ist als (92, 1) sie (die Engel) und
(gleichsam) ein Nichts. Oder — um es so zu sagen — bedenkt, daß dies eine
Blasphemie wäre, und tut der Wahrheit keine Gewalt an, indem ihr das
Priesteramt einem gebt, der ohne Geburt ist. Warum, wenn sie so außer-
ordentlich klug sind und ihnen am Herzen liegt, mit der Schrift Gottes über-
einzustimmen, haben sie (dennoch) geirrt ? Denn nicht ist infolge des Tra-
gens des Namens (auch) seine (Melchisedek's) Wesenheit seinem Namen ge-
mäß. Ich sage: derjenige, der nach Moses (kam) und über Israel eingesetzt
wurde, hieß Josua 1 . Die Übersetzung dieses Namens ist „Erretter der Men-
schen", aber nicht entspricht dieser Name dem Erretten, sondern er geziemt
allein unserem Herrn Jesus Christus, der unser Erretter ist. (So) nämlich der
verehrungswürdige Gabriel, als er zur heiligen Jungfrau sagte: Siehe, du
wirst empfangen und einen Sohn gebären und ihn Jesus nennen, denn er wird
sein Volk aus seinen Sünden erretten (Luk. 1, 3 1 ; Matth. 1, 21). Nun (sage
ich): derjenige, der nach Moses über Israel eingesetzt wurde, hieß Josua.
Ist er's etwa, der eingesetzt wurde zur Rettung der ganzen Welt ? Nein, er
war nur Träger des Namens, und es ziemte dieser Name wahrlich allein
unserem Herrn Jesus Christus. Weiterhin der Name Israel: seine Überset-
zung ist „Vernunft", die sie für Gott halten, und so wurde genannt, wer vom
Fleische Israels war, aber nicht erschauten sie Gott mit den Augen ihres
Inneren, sondern sie gaben göttliche Ehren einem Werk von Menschenhand
(vgl. 2. Mos. 32, i f . ; 5. Mos. 9, 8f.), nicht ihrem Schöpfer. Warum nun
wurden sie „Vernunft" genannt, die sie für Gott halten, und dachten (doch)
dabei nicht an Gott ? Wir Menschen werden Götter und Kinder des Höchsten
genannt (Ps. 82, 6). Aber wir sind nicht in unserer Wesenheit Götter, sondern
ehrenhalber wurden wir von Gott derart eingestuft. Weiterhin sagen sie:
was Melchisedek angeht, so ist er ohne Vater und ohne Mutter, seine Geburt
wurde nicht verzeichnet, seine Tage sind ohne Anfang, und es gibt kein Ende
seines Lebens; dieses und so Beschaffenes kommt (doch) nicht den Menschen
zu. Ich sage euch, was wahr ist — sagt Kyrillos — , vervollständigt, was
Paulus sagt, so daß ihr das Wahre erkennt: er ist ohne Vater und ohne
Mutter, seine Geburt wurde nicht verzeichnet, ohne Anfang sind seine Tage,
und es gibt kein Ende seines Lebens—dem Sohne Gottes gleich (93,1): Wieso
nun gleicht, wer ohne Vater und ohne Mutter ist, dem Sohne Gottes ? Wenn
Christus, Gottes Sohn, ohne Vater wäre, dann gliche er Melchisedek. Doch

1
Der Name Josua's (hebr. Y'höSüa \ Ye£üa', zusammenhängend mit yS' Hit'il
„retten, helfen") gleicht im zweiten Falle demjenigen Jesu.
152 QUELLENFRAGEN

nach unserer Meinung hat er einen Vater, da er ja von Gott gezeugt wurde.
Ferner hat er auch eine Mutter, und seine Geburt ist verzeichnet worden;
denn er ( G o t t ) — u m unsertwillen—nahm (das Kind) von einer (Frau) an, die
die Ehe (noch) nicht kannte, von einer Jungfrau wurde er (Jesus) geboren,
und bei Matthaeus wurde deshalb die Geburt Jesu Christi derart beschrieben.
Nun jedoch: wer Melchisedek wirklich ist, werden wir sagen, wenn wir uns
wiederum hier versammeln — gewinnen doch Homilien durch Verkürzung—,
so daß ihr Durstigen kommet und euch genügend labet an den Worten
Gottes, daß (aber) infolge ihrer (der Homilie) Länge sie euch nicht träge
mache, euer Sinn nicht abgezogen werde vom Anhören unserer Rede und ihr
lernet, was ihr (zu lernen) begehret. Es möge uns leiten der, dessen Gnade
groß ist. Jesus Christus, unserem Erretter, der da existiert, und mit ihm zu-
sammen Gottvater und dem Heiligen Geist gebühren Ruhm und Macht von
Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen." (Es folgt eine zweite Homilie über Melchi-
sedek.)

„(99, 2 Dillmann) Homilie, die gehalten hat Severus, Bischof der Stadt
Phrygiens Synnada, in der Marienkirche zu Ephesos, am Sabbath der
Christen am 11. nach den Kaienden des Hamle, auf Griechisch.
Es leidet mein Fleisch, und die Zunge hat gelernt, keine Rede zu
äußern als allein Sehnsucht nach eurer Liebe und euren Gebeten zu den
heiligen Vätern, was den Schmerz aufhebt und Kraft gibt. So ertrage ich
geduldig den Schmerz, indem ich auf eure Liebe blicke, und ich besiege ihn,
indem ich Nutzen daraus ziehe. Wer ewig ist, ist der Herr, und immer ist er.
Offenkundig ruft er dieses geehrte und fromme Konzil der Kirche, indem er
sagt: ,Du bist der Fels, und auf diesem Felsen werde ich die Kirche erbauen,
und die Pforten der Hölle werden ihn nicht überwältigen.' Es gibt nämlich
solche, die widersprechen und besiegt werden, da sie nichts vermögen. Des-
wegen liegt hier der Teufel am Boden, und er ist verwirrt und mit der
Schande des Sturzes bedeckt; nicht vermag er sich aufzurichten, und über
den, der siegt, gewinnt er keine Gewalt, und mit der Schande seines Besiegt-
seins ist er bedeckt. Und das Wunder Jesu sehen wir im Werk, größer als
seine Worte, und gewaltig sind seine Worte im Werk, und nicht gibt es
Schwaches bei ihm, der alles vermag. Und was er sagt im Wort, vollendet er
durch seine Wunder. Ein Weniges sagt er, und große Wunder wirkt er. Wir
Menschen sprechen viel davon, daß wir handeln, doch nicht einmal Weniges
ANHANG 153

vermögen wir zu wirken. Dieser Allmächtige, der Herr, sagt wenig, indem
er sich zur Annahme seiner menschlichen Natur herabläßt, und Großes wirkt
er durch seine Göttlichkeit, und Zeuge seiner Worte ist seine Tat. Und was
sagt er? ,Ich bin der Weg, ich bin das Licht; ich bin das Holz des Wein-
stockes, und ich bin (ιοο, ι Dillmann) das Leben; ich bin die Auferstehung.'
Geoffenbart hat er Wunder, die klein fürs Hören, aber groß in derTat sind.
Er sagt: ,Ich bin der Weg', und Zeuge ist der Lahme, der gesundet ist,
indem er auf dem Weg wandelt. Er sagt: ,Ich bin das Leben', und Zeuge
dessen ist Lazarus, indem er auferstand von den Toten. Er sagt: ,Ich bin
der Stab', und Zeugen dessen sind die Dämonen, die gezüchtigt werden,
wobei sie sagen: ,Laß ab! Was haben wir mit dir zu schaffen, Sohn Gottes ?'
Du kommst zu Hilfe, bevor uns jemand quält. Er sagt: ,Ich bin das Holz des
Weinstocks', und Zeuge dessen ist der Saft, indem er im Weinstock kreist.
Er sagt: ,Ich bin das Brot', und Zeuge dessen sind die 5 000, indem sie ge-
sättigt wurden. Er sagt: ,Ich bin der König', und Zeuge dessen ist Petrus,
indem er die Schlüssel des Königtums empfing, das jener meint. Er hat uns
überliefert sein Mysterium: nicht mögen wir verderben die Kraft seines
Mysterium in bitterem Mund, wenn wir predigen. Wenn wir mit Mäßigung
predigen, so ist (bleibt) das Mysterium; wenn man jedoch in verkehrter Weise
predigt, dann wird stumpf die Wohltat des Mysterium. Nicht verschmähen
wir der heiligen Väter Glaube; nicht verschmähen wir unser Mysterium,
damit uns nicht überkomme die göttliche Züchtigung Simsons; nicht ent-
blößen wir das Mysterium, damit wir nicht verflucht werden wie K e nä'an
(Gen. 9, 25). Aber, ο mein Bruder, nunmehr ziemt sich Größeres als dies.
Ferne sei, daß wir (gleich jenen handeln), vielmehr, was sich ziemt, laßt uns
unsere Schwäche erkennen: wir haben vernachlässigt den Reichtum der
Stimmen der Väter, indem wir (allzu) zufrieden waren. Sie haben gebetet
für uns zu Christus, dem Lob sei in alle Ewigkeit."
ZWEITES BUCH

A K S Ü M I T E N , BLEMYER, H U N N E N
6. K A P I T E L

DIE Z E I T S T E L L U N G
'EZÄNÄ'S VON AKSÖM

„Die Chronologie ist die Grammatik der Geschichte." So schrieb


Julius Wellhausen 1905 an Paul Schnabel und vergaß nicht hinzuzufügen,
jene sei darum meist so unbeliebt wie diese. Solch unliebsame Folgeerschei-
nung wird sich in besonderem Maße einstellen, wenn chronologische For-
schung daran geht, eine Lieblingsvorstellung zu zerstören — zumindest eine
Vorstellung, die bis in die jüngste Zeit sich allgemeiner Anerkennung erfreut
hat.
Es handelt sich um den Zeitansatz des ersten christlichen Königs, den
das äthiopische Reich von Aksüm gekannt hat. Der äthiopische (oder abes-
sinische) Konstantin, wie man c £zänä (Άειζανδς) genannt hat, wurde auf
Grund des verständlichen Bestrebens, ihn zeitlich seinem römischen Vorbild
möglichst anzunähern, noch vor 350 n. Chr. angesetzt. Dieses Verfahren
wurde von den Altmeistern der Forschung, E. Littmann und C. Conti
Rossini1, ebenso gebilligt wie von den neuesten Bearbeitern der äthiopischen
Geschichte, von denen genüge, E. Ullendorf2 und J. Doresse3 zu nennen.
Letzter glaubt, die Weihung des ersten äthiopischen Bischofs sogar auf die
Jahre 341—346 festlegen zu können4. Zuletzt haben sich noch B. Rubin 6
und B. Spuler® für die herkömmliche Datierung ausgesprochen.
1 Storia d ' E t i o p i a 1 (1928), i 3 i f .
2 T h e Ethiopians (i960) i o o f .
3 A u p a y s de la reine de Saba. L'Ethiopie 4 (1956) 52.
4 Die Verfasser haben sich noch oben 1, 190 und 260 der bisherigen Ansicht
angeschlossen.
5 Das Zeitalter Iustinians 1 (1960), 301 f. — Zwei Bekehrungen setzt R . Janin,
liglises Orientales et Rites Orientaux 4 (1955) 492f. an. Die erste, u m 340 und v o n
Frumentius eingeleitet, sei nicht ins V o l k gedrungen („on peut done dire qu'elle
[l'£thiopie[ n'a jamais έίέ catholique"). D a n n eine zweite, gegen E n d e des 5. Jahr-
hunderts, die von den Monophysiten ausging.
• I n : H a n d b . der Orientalistik 8,2 (1961), 309!. Spuler hat die Überlieferung durch
Züge bereichert, denen in den Quellen nichts entspricht: Frumentius und Edesius waren
Schiffbrüchige und Brüder; Edesius kehrte als Priester nach A k s ü m zurück; Fru-
mentius wurde „angeblich 341, oder erst nach 346" v o n Athanasios geweiht; koptische
158 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Demgegenüber soll hier eine zeitliche Ansetzung 'Ezänä's begründet


werden, die wesentlich später liegt. Mit seinem Regierungsantritt wird man
über die Mitte des 5. Jahrhunderts kaum heraufgehen können. Seine wei-
teren Regierangsjähre mögen tief in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts
gereicht haben. Unseren Beweisgang haben wir, in weit kürzerer Form, erst-
mals G. Ryckmans mitgeteilt. Ihm wurden im Oktober 1961 Korrek-
turen zugesandt, mit der Bitte, diese auch der Bearbeiterin der neuen süd-
arabischen Chronologie — der „brevissima" — : J. Pirenne, vorzulegen.
G. Ryckmans antwortete unter dem 7. 11. i960: „ J ' a i remis vos epreuves,
dont j'avais pris connaissance avec grand interet, ä M lle Pirenne d£s sa
retour de Paris. II est vraiment remarquable que vous et eile, vous soyez
arrives, en suivant des votes differentes (von uns hervorgehoben), aux memes
conclusions. C'est pour MUe Pirenne et pour moi une securite de savoir que
ses conclusions soient garanties par une autorite celle que la votre." Die
gleiche Versicherung dürfen wir, im Gegensinn, abgeben.
Eine weitere Erklärung der Zustimmung ist uns seitens J. Pirenne zu-
gegangen (unter dem 8. 11. 1961). Da ihre Mitteilung umfangreicher ist und
auf Einzelfragen eingeht, schien uns wichtig, an dieser Stelle sich auf die
allgemeine Mitteilung zu beschränken. Ihre Hinweise sind in den nunmehr
folgenden Gedankengang eingearbeitet. Auch ihr sei für ihr gütiges Eingehen
und die darauf sich gründende Anerkennung gedankt.

1
Die Erwägungen, von denen sich die bisherige Forschung leiten ließ,
gründeten sich auf ein Kapitel in Rufinus' lateinischer Bearbeitung von
Eusebios' Kirchengeschichte. Dort werde von zwei Brüdern aus Tyros be-
richtet, die durch mancherlei Schicksalsschläge an den Hof von Aksüm ver-
schlagen wurden, hier fürs Christentum wirkten und zuletzt zu Beratern
des jugendlichen Königs aufstiegen. Der eine von ihnen, Frumentius, sei

Mönche haben die hl. Schrift stückweise ins Äthiopische übertragen. Alles zeigt, daß
Spuler dieQuellen nicht nachgearbeitet, sondern die Masse seiner Angaben der Sekundär-
literatur entnommen hat. Diese Vermutung bestätigt sich: i. an der Wiedergabe der
äthiopischen Namen. Wer Ge'ez (311) schreibt, muß Debra Dämö (Dämmö) geben, nicht
„Dabra" (310, offenkundig nach englischer Vorlage). Ebenso „Dabra Libanos" (311),
statt Dibra Libänos oder Libänös. Dazu , .Susneos" (313) statt Susneos, Süsneös. 2. An
der Behauptung, man wisse vom 6.—13. Jahrhundert über die äthiopische Kirchen-
geschichtenichts. Spuler sind demnach die Kämpfe mit dü Nuwäs, Aksüm's Zerstörung,
Kerelös und die äthiopische Fassung der ersten und zweiten Regel Pachomios' unbekannt
geblieben.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G "EZÄNÄ'S VON AKSOM 159

anläßlich seiner Rückkehr nach Alexandreia zum Bischof von Aksüm ge-
weiht worden. Im jugendlichen König wollte man 'Ezänä erkennen, und man
glaubte zugunsten dieser Gleichsetzung anführen zu dürfen, daß der äthio-
pischen Überlieferung zufolge unter 'Ezänä das Christentum durch Abrghä
(„he who has made light") und AsbSha (,,he who has brought about dawn")
eingeführt worden sei. Daß die zuletzt Genannten Brüder waren, schien
ihre Gleichsetzung mit Rufinus' Brüderpaar Frumentius und Edesius zu
fordern.
Rufinus' Bericht findet sich im zehnten Buch, also dort, wo die Dar-
stellung zeitlich über Eusebios hinausgeführt ist (2,2,971 Zeile 22f. Schwartz-
Mommsen). Zu Beginn des neunten Kapitels wird von der Bekehrung von
insgesamt vier Ländern gesprochen. Da ist zunächst Parthien, das dem
Apostel Thomas zugefallen sei. Es folgen Äthiopien, das Matthaeus, und ei
adhaerens citerior India, das Bartholomaeus zugewiesen wird. Als viertes
und letztes wird India ulterior genannt. Zwischen Parthien und der India
citerior — sed longe interior tractu — gelegen, sei es erst zu Konstantins
Zeit bekehrt worden. Darüber berichtet denn der Rest des Kapitels.
Ein kurzer Einschub über India citerior. Wenn es mit Äthiopien zu-
sammenhängt, darf man am ehesten an Nubien, und zwar dessen Südteil,
denken. Dafür läßt sich noch ein Nachweis erbringen. Der Apostel Bartho-
lomaeus wird in der Antiphon angerufen, die Iohannes dem Täufer gilt und
zu Beginn des abessinischen Jahres vorgetragen wurde1. Nach I. Guidi's
Ansicht fällt der Text keinesfalls in frühere Zeit als das 15. Jahrhundert2. Da-
nach verbreitete Bartholomaeus im Land elwäh3 das Evangelium. A. Dillmann
äußerte sich im Glossar seiner Chrestomathie4 und in seinem „Lexicon Lin-
guae Aethiopicae" 5 dahin, elwäh sei das Land, darin der Apostel gepredigt
habe. Ihm war offenkundig nicht bekannt, was gemeint war. Gleichwohl ist
die Deutung einfach. Bekanntlich werden im Amharischen h und h gleich-
mäßig wie h gesprochen. Darum werden sie in den Handschriften vielfach
unter sich und mit h verwechselt®. Ohne weiteres kann dem amharisch
gesprochenen Endbuchstaben des Namens ein h marbüta der arabischen
Vorlage entsprechen. Dann ist elwäh = elwä(h) und damit nichts anderes
1 A. Dillmann, Chrestomathia Aethiopica 2 (1950) i 5 o f .
2 Storia della Letteratura Etiopica (1932) 68.
3 a. O. 1 5 3 Zeile 8 f . und 2 i f .
4 a. O. 2 3 1 , 1.
5 a. O. 2 (1955)- 1416·
β F. Praetorius, Aethiopische Grammatik 2 (1955) 7 § 4·
160 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

als der Name des südnubischen Reiches Aiwa ('Iwh)7, das bekanntlich
christlich war und erst 1504 seine Selbständigkeit verlor 8 .
Zurück zu Rufinus. Er berichtet weiter, zunächst sei India ulterior von
Metrodorus, dann von dem tyrischen Philosophen Meropius besucht worden 9 .
Beide habe kein missionarischer Eifer getrieben: sie reisten inspiciendorum
locorum et orbis perscrutandi gratia. Wohl aber führte Meropius zwei Knaben
mit sich, die er utpote propinquos in den freien Künsten unterrichtet habe.
Habens secum duos puerulos, sagt Rufinus und deutet mit keinem Worte an,
es habe sich um Brüder gehandelt. Als Meropius aus dem fernen Lande
heimkehrte, sei sein Schiff, um sich mit Wasser oder sonst Notwendigem zu
versehen, ad portum quendam gelandet. Wo hat man den Hafen zu suchen ?
Nichts verlautet davon, daß dieser Hafen an der Küste Äthiopiens lag oder
gar zum Herrschaftsbereich der Könige von Asküm gehörte. Da sich die im
Folgenden beschriebene Mission in dem Lande abspielte, zu dem der Hafen
gehörte, kann sinnvoller Weise allein India ulterior gemeint sein.
Die dortigen Barbaren, so hört man weiter, pflegten, wenn benachbarte
Stämme die Störung des Vertragsverhältnisses (foedus) mit Rom meldeten,
alle Römer, deren man habhaft wurde, umzubringen. Dementsprechend
verfuhr mein mit Meropius und den Insassen des Schiffes. Man schonte allein
der beiden pueruli, die man unter einem Baume bei der Vorbereitung ihrer
Lektionen antraf. Man brachte sie zum König, und beide fanden Gnade vor
ihm. Frumentius, dem Älteren, übertrug der Herrscher rationes suas scrini-
aque. Kurz vor seinem Tod gab er beide inzwischen zu adulescentuli Heran-
gewachsenen frei. Auf Bitten der Königin, die einen unmündigen Sohn als
Erben der Königswürde zu betreuen hatte, blieben die beiden im Land, und
Frumentius teilte sich mit der Königsmutter in die Führung der Regierung.
Mit Hilfe römischer Kaufleute christlichen Bekenntnisses bemühte sich
Frumentius um Verbreitung des Glaubens, der auch der seine war. Seine
Helfer wurden veranlaßt, conventicula an verschiedenen Orten zu gründen,
ad quae Romano ritu orationis causa confluerent. Frumentius selbst ließ sich
angelegen sein, ut Christianorum inibi semen exurgeret. Der jugendliche

7 J. Kraus, Die Anfänge des Christentums in Nubien (Veröff. Intern. Instit. missions-
wiss. Forsch. 2, 1931) 10; 152. loh. Ephes.3, 233, 15 Brooks uam. gibt 'Iwd'ws, 232, 18
'Iwdws, 239, 14 'Iwdwn.
8 P. L. Shinnie, Medieval N u b i a (Chartum 1954) · J- v · Beckerath in: Oldenbourgs
Abriß der Geschichte der antiken Randkulturen (1961) 191 f . ; P. L. Shinnie und D . B.
Harden, E x c a v a t i o n s at Soba (Sudan Antiqu. Serv., Occas. Pap. 3, 1950).
• Über beide C. Conti Rossini, a. O. 1,147.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G ' f i Z Ä N Ä ' S V O N AKSOM 161
König war inzwischen in die Jahre gekommen, da er selbst die Regierung
übernehmen konnte, und beide Helfer beschlossen, in ihre Heimat zurück-
zukehren. Edesius ging nach Tyros, Frumentius aber nach Alexandreia, wo
er Athanasios — nam is nuper sacerdotium susceperat — von seinen Missions-
erfolgen und dem, was noch getan werden müsse, berichtete. Athanasios wies
Frumentius als dem dazu Geeignetsten das sacerdotium im Lande seines
einstigen Wirkens zu und hieß ihn nach Indien zurückkehren. Dort fiel
diesem weiterer Gewinn zu: ex quo in Indiae partibus et populi Christianorum
et eccelesiae factae sunt, et sacerdotium coepit. Rufinus beruft sich für seinen
Bericht auf Edesius selbst, späteren Presbyter in Tyros. Die Hinzufügung,
qui Frumentii comes prius erat, bestätigt, daß von beiden als Brüdern nicht
gesprochen wird.
Indien war demnach das Land, darin Frumentius gelebt und gewirkt
hatte. Genauer India ulterior: multis variisque Unguis et gentibus habitata.
Keinesfalls also die India citerior, die mit Äthiopien zusammenhing und die
auch Iohannes' von Nikiu in äthiopischer Ubersetzung erhaltene Chronik
in gleicher Lage kennt (c. 90; p. 157, 27f. Zotenberg). Nach ihm gab es drei
Reiche der Inder und vier der Abessinier im Lande Salomons. Sie lagen im
Osten, am Ufer des Salzmeeres, und Salomons Land und Volk „war nicht
weit vom Land Ägypten" 10 . Mit India ulterior hingegen kann allein Vorder-
indien gemeint sein11. Dazu stimmt Rufinus' Angabe, daß es zwischen
Parthien und India citerior lag, sed longe interior tractu.
Diese Angabe wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß
ein römischer Kauffahrer vom Ausgang des Roten Meeres aus die West-
küste Vorderindiens ansteuerte. Gleichgültig, ob er sich an die Küsten hielt
oder ob er, sich der Monsunwinde bedienend, übers offene Meer fuhr: immer
hatte er die Südküste Irans (denn dieses war mit Parthien gemeint) zur
Linken und langehin die Nordküste der abessinischen Halbinsel zur Rechten.
India ulterior lag für ihn, weiter gen Osten gerückt, nach der geographischen
Breite zwischen dem 25. Grad im Norden und dem 12. im Süden.
Auch mit den Jahren zwischen 341 und 346 ist es nichts. Die von Rufi-
nus geschilderten Ereignisse fallen in die Regierungszeit Konstantins und
in den Beginn von Athanasios' Episkopat. Dieser war am 8. Juni 328 Bischof

10 Übersetzt und kommentiert oben 2, 4of.


11 J. P. Migne bedarf der ehrenvollen Erwähnung. Er hat bereits darauf bestanden,
daß unter India ulterior Vorderindien und keinesfalls Abessinien zu verstehen sei: Patr.
lat. 21, 478 Anm. g (Hinweis E . Merkel's). Seine Warnung ist unbeachtet geblieben.

11 Altheim, Hunnen V
162 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Alexandreias geworden, als solcher wurde er auf den Synoden von Tyros und
Konstantinopel 335 verurteilt und 336 nach Trier verbannt 12 . Frumentius'
Einsetzung muß kurz nach 328, jedenfalls vor 336 fallen; sie mag etwa ins
Jahr 330 gehören. Doresse's Ansatz auf 341—346 hat Rufinus' Wortlaut
(itemporibus Constantini) gegen sich sowie die Tatsache, daß Athanasios
erneut 339—346, diesmal von Constantius, verbannt war.
Das ist alles. Um zu wiederholen: kein Brüderpaar Frumentius und
Edesius; keine Tätigkeit in Äthiopien oder gar in Aksüm (ή . . . Αύξούμη,
έν fj βασίλειο ν: Ptolem., geogr. 4, 7, 25); keine Erwähnung 'Ezänä's, ge-
schweige denn seiner Bekehrung oder überhaupt einer solchen am Königs-
hof; zu allem noch ein falscher Zeitansatz. Äthiopiens Missionar war, zu-
mindest Rufinus zufolge, der Apostel Matthaeus; Frumentius' Anspruch ist
gegenstandslos, und 'Ezänä als äthiopischer Konstantin schwebt mit seinem
zeitlichen Ansatz in der Luft. Überall handelt es sich um Mißverständnisse,
Fehldeutungen, Willkür; man begreift nicht, wie geschehen konnte, daß
niemandem die Haltlosigkeit der bisherigen Behauptungen und Folgerungen
beim ersten Lesen des Kapitels Rufinus' auffiel.
Frumentius freilich hat in der äthiopischen Kirche seine Aufnahme ge-
funden. Dabei benutzte man eine Überlieferung, die mit der bei Rufinus ge-
gebenen übereinstimmte, arbeitete sie indessen an zahlreichen Stellen um
und gab den abessinischen Rahmen hinzu, der im Original fehlte. Noch
Sozomenos (h. e. 2, 24, if.) hatte τούς Ινδον τ ω ν καθ'ήμδξ Ι ν δ ώ ν , also
keinesfalls die Äthiopier 13 , genannt. Sokrates, den er hier ausschreibt, hatte
gleichfalls τους ένδοτέρω "Ινδούς von jenen Indern, die mit Äthiopien
zusammenhingen, geschieden und Frumentius allein zu den ersten gelangen
lassen (h. e. 1, 19, 3 ! ) . Wieder fehlt 'Ezänä. Die Umarbeitung liegt in
dem auf Abbä Salämä (äthiopischer Name für Frumentius, äthiop.
fremnätös) bezüglichen Abschnitt des äthiopischen Synaxars vor, den
A. Dillmann 14 und, in verbesserter Form, I. Guidi 15 veröffentlicht haben. Der
SSnkSsär ist aus dem arabischen Synaxar Alexandreias übersetzt und ein

12 Jülicher in: RE. 2 (1896), 1936; Ed. Schwartz, Gesamm. Schriften 3 (1959), 212.
13 Unrichtig G. Chr. Günther in seiner Sozomenos-Ausgabe (1961) im Register s. v.
'Ινδοί. Da Sozomenos' Kirchengeschichte um 450 abgeschlossen worden ist (ebenda
L X V ) , kommt man — was Wichtig sein könnte — in die Zeit 'Ezänä's. Leider läßt
sich der Abschluß der Kirchengeschichte nicht genau festlegen.
14 Chrestomathia Aethiopica 2 (1950) 33 f.
1 5 Le synaxaire Äthiopien 411—413. Dazu E. Littmann in den Addenda zur Chre-

stomathia Aethiopica 2 295.


6. DIE ZEITSTELLUNG "EZÄNÄ'S VON AKSOM 163
Werk vom Ende des 14. oder dem Anfang des 15. Jahrhunderts1®.
Der Mangel an geschichtlichem Wert tritt beim erstmaligen Durchlesen
hervor.
„(33, 4 Dillmann) An diesem Tag, am 26. Hamle, verschied Abbä Sa-
lämä, der Verkünder des Lichtes, der Bischof Äthiopiens, und so ist seine
Geschichte: Ein Mann kam vom Meer der Griechen, der Meropius (merö-
böpyös, Guid imeröpyös) hieß, ein Meister der Weisen, indem er das Land Äthio-
pien zu sehen begehrte, und mit ihm waren zwei Knaben aus seinem Haus-
halt. Der eine hieß Frumentius (fremnätös), und der andere Aedesius (ade-
syös), und manche nannten ihn Sidrakos. Er kam zu Schiff zur Küste Äthio-
piens [des Landes der Freien], und er (Meropius) betrachtete alles Schöne,
was seines Herzens Wunsch war, und als er gedachte, in sein Land heimzu-
kehren, erhoben sich Feinde gegen ihn und töteten ihn mit allen, die mit ihm
waren, und übrig blieben diese zwei kleinen Knaben. Die Leute des Landes
nahmen sie gefangen, lehrten sie das Kriegshandwerk und führten sie als
Geschenk zum König Aksüm's, der Ela'alädä hieß, und der König setzte
Aedesius zum Vorsteher des Hauses seiner Knechte ein, Frumentius zum
Aufseher der Gesetze und zum Schreiber Aksüm's. Nach wenigen Tagen
starb der König und hinterließ ein junges Kind mit seiner Mutter, und es
(das Kind) regierte als ßla Azguägiiä (Guidi azgüägüS). Aedesius und Fru-
mentius blieben, indem sie das Kind erzogen und es den Glauben Christi
(add. Guidi) — ihm sei Lob — allmählich lehrten, und sie erbauten ihm ein
Bethaus und versammelten bei ihm Knaben, wobei sie diese Psalmen und
Gebete lehrten. Als jener Knabe ins rechte Alter gekommen war, baten sie ihn
(den König), sie in ihr Land heimzuschicken. Aedesius ging nach dem Lande
Tyros, seine Eltern wiederzusehen. Frumentius kam nach Alexandreia
(1eskendSryä) zum Patriarchen Abbä Athanasius (atnätyös). Er traf ihn an,
nachdem er (Athanasios) sein neues Amt angetreten hatte, und er verkün-
dete jedem, der zu ihm kam sowohl, was den Glauben Äthiopiens [des Lan-
des der Freien] betraf, als auch (34, 1 Dillmann), daß sie glaubten an Chri-
stus —ihm sei Preis—, obwohl sie keine Bischöfe und Priester hatten. Dann
ordinierte Abbä Athanasios Frumentius zum Bischof Äthiopiens [des Landes
der Freien, das Äthiopien ist] und sandte ihn ab mit großen Ehren. Indem er
(Frumentius) nach Äthiopien [dem Lande der Freien] zog, als seine Könige
AbrShä und AsbShä (sie) waren, verkündete er den Frieden (ba-saläma) Christi
— ihm sei Preis — in allen seinen (Äthiopiens) Provinzen. Darum wurde er
14
I. Guidi, Storia della Letteratura Etiopica 34 f.
11·
164 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

(Frumentius) Abbä Salämä genannt. Nachdem er die Stämme Äthiopiens


bekehrt hatte, entschlief er in Frieden."
Die Frage, ob Frumentius und Edesius dem Brüderpaar Abrghä und
Asbehä gleichzusetzen seien, hat sich damit erledigt. Doch noch bedarf
eine zweite, ungleich wichtigere der Klärung. Wer 'Ezänä's Inschriften ge-
lesen hat, dem ist bekannt, daß, unabhängig von der Frage ihrer Datierung
und ihrer Gleichzeitigkeit mit Frumentius, auf Nr. 9—10 sowie auf der
christlichen Inschrift Nr. 11 bereits die spätere äthiopische Schrift mit
Vokalzeichen, also die der christlichen Übersetzer, verwandt ist 17 . Es müßte,
wenn Frumentius und r Ezänä geschichtlich zusammengehörten, eben zu
ihrer Zeit der Schritt vom unvokalisierten (Nr. 7) zum vokalisierten (Nr. 9 bis
11) Alphabet geschehen sein. Demgegenüber sei festgestellt, daß bei Fru-
mentius keinerlei Versuche, die in Richtung einer Schriftreform oder gar
Übersetzung führen, zu erkennen sind. Wenn er die rationes scriniaque
übernahm, so hat der gebürtige Tyrier und Schüler des Philosophen Mero-
pius die Bücher in griechischer Sprache geführt. Auch wer Frumentius am
Hof von Aksüm wirken läßt, wird zugeben müssen, daß die Vorgänger
'Ezänä's sich dieser Sprache auf ihren Inschriften (Nr. 1—3) ausschließlich
bedienten, 'Ezänä selbst noch auf seiner ältesten (Nr. 4). Hinzugefügt sei,
daß Zoskales, frühester uns bekannter König Aksüm's, als γ ρ α μ μ ά τ ω ν
Ε λ λ η ν ι κ ώ ν Ιμπειρος galt (Peripl. maris Epythr. 5). Als dann Frumentius
die Zügel der Herrschaft führte, suchte er unter den römischen
Kaufleuten nach solchen, die christlichen Bekenntnisses waren. Er er-
mahnte sie, ut conventicula per loca singula facerent, ad quae Romano ritu
orationis causa confluerent. Gemeint sein kann nur, daß man zusammenkam,
11m nach römischem Ritus zu beten. Das schließt jede Übersetzungstätigkeit
aus. Es bestätigt sich I. Guidi's Feststellung, daß Frumentius keinesfalls
mit dieser Tätigkeit begonnen haben könne. „Per i mercantanti greci, della
cui libertä di culto si preoccupava l'apostolo dell'Abessinia, Frumenzio,
codesta traduzione non era necessaria" 18 .
Schließlich ein letzter Hinweis. Doresse 19 erläutert die vermeintliche
Einsetzung Frumentius' zum Bischof von Aksüm wie folgt: „Ainsi s'etablit
l'autorite du Patriarcat egyptien sur la nouvelle communaute qui recevra

1 7 Nach E. Littmanns Zählung: Deutsche Aksum-Expedition 4 (1913), 24t.; Mis-

cellanea Academica Berolinensia 2, 2 (1950), n o f .


1 8 Storia della letteratura Etiopica (1932) i 2 f .

l » a. O. 52.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G 'EZÄNÄ'S VON AKSÜM 165

de lui desormais, si£cle apres siecle, ses metropolites ou A bounas, bons et


mauvais, l'investiture de ses eveques, sa discipline canonique et
les grandes lignes de sa foi; ce qui entrainera l'fithiopie dans l'her6sie mono-
physite ä partir de l'an 451." Daß für diese Auffassung Rufinus sich nicht
mehr anführen läßt, hat sich gezeigt. Ubersehen wurde, daß das zuvor her-
angezogene 90. Kapitel aus Iohannes' von Nikiu Chronik ausdrücklich fest-
stellt, daß erstmals nach der Besiegung des jüdischen Königs dü Nuwäs von
Himyar 20 (Yüsuf) 525 man sich einen Bischof aus Alexandreia geholt habe.
Erst damals konnte davon gesprochen werden, daß ein Abüna von dort
kam und, um mit Rufinus zu sprechen, sacerdotium coepit.
Doch man ist nicht genötigt, mit negativen Feststellungen zu enden.
Seltsamer Weise hat niemand bemerkt, daß man außer Philostorgios' Be-
richt über Theophilos' Sendung zu Homeriten und Axumiten 2 1 eine zweite
Nachricht über die älteste Mission in Abessinien besitzt. Sie steht in der
1036, in arabischer Sprache, verfaßten Chronik von Se'ert, die ihrerseits auf
ein syrisches Werk aus der Mitte des 7. Jahrhunderts zurückgeht (Daniel bar
Maryam 22 ). Dort heißt es, in der Zeit Yazdgard's I. (399—420) sei der
Kaufmann Hannän, der aus Negrän stammte, durch Hira gekommen und
habe sich dort zum christlichen Glauben bekehren lassen. Daheim habe er
dann viele zum gleichen Schritt veranlaßt 23 , andere im Lande Himyar 24 und
in Abessinien (al-habaL·) dem Christentum gewonnen (1, 330, i o f . Scher).
Die Nachricht zeigt, daß Hannän's Mission mit Abessinien ihren fernsten
Punkt erreicht hatte, demnach dort erst in den Anfängen stand 25 . Daß man
das Königshaus schon damals habe gewinnen können, ist weder gesagt noch
überhaupt wahrscheinlich. 'Ezänä's Bekehrung rückt damit frühestens in
die Zeit nach 420.
20 D a ß Iohannes' K ö n i g T a m n ü s eine Fehlschreibung für dü N u w ä s ist, wurde v o n
uns gezeigt: oben 2, 43f.
21 H.eccl. 32, 25f. Bidez; die Tätigkeit bei den A x u m i t e n 35, 12f. Darüber C. Conti
Rossini, a. O. 1, 150: „manifestamente Teofilo, pur se riesce a raggiungere A k s u m (ed
un accenno del suo storico puö lasciarcene dubbiosi), v i s u b i s c e u n completo scacco".
D a z u die ausdrückliche Bemerkung Philostorgios' 36, 2 f.
22 A . Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur (1922) 207.
23 D a z u ein wichtiger Hinweis bei B. Rubin, D a s Zeitalter Iustinians 1, 304.
24 A . Scher spricht in seiner Übersetzung fälschlich v o n „territoire de Hamir". Die
Stelle wurde von uns erstmals oben 3, 51 herangezogen.
25 Wer sind die ΑΙΘίοττε^, die in der Historia monachorum in A e g y p t o 8, 35 p. 6of.
Festugifere erscheinen ? Sie sind v o n den ΑΙΘίοττεζ ol κ α τ ά τ ή ν Σ ν η ν ή ν (ebenda 1, 2 p.
9 F.) durch das Fehlen des Zusatzes unterschieden. I n der Fassung bei Sozomenos,
h. eccl. p. 278, 23f. Bidez werden sie nicht erwähnt. Sind es Abessinier?
166 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

C. Conti Rossini's Behandlung 1 des zuvor besprochenen Rufinus-Kapi-


tels bedarf keiner zusätzlichen Besprechung mehr. Unbedingt aber muß ein
weiteres Zeugnis untersucht werden, dem er große Bedeutimg beimißt 2 : der
Brief Constantius' II. an Aizanas und Sazanas, der in Athanasios' ΤΤρός τόν
βασιλέα Κωνστάντιου άπολογία erhalten ist3. Hier vernimmt man den
Kaiser, der sich den Arianern zugewandt hatte und dementsprechend Atha-
nasios und seine Anhänger verfolgte. Zu diesen gehört Frumentius, von
dem Verhaßten zum Bischof geweiht, und erneut stößt man auf den Mann,
der uns zuvor beschäftigt hatte.
Wo sich Frumentius zu dem Zeitpunkt befand, da das Schreiben abge-
faßt wurde, ist nicht gesagt. Doch wird mit der Möglichkeit gerechne, er
könne nach Aksüm kommen, und wenn dies eintrete, werde er dort die
athanasianische Irrlehre verbreiten und Zwistigkeiten nicht nur kirchlicher,
sondern auch politischer Art hervorrufen. Die beiden Adressaten sind in
Aksüm wohnhaft und werden gebeten, dem Befürchteten zuvorzukommen
und Frumentius, sobald er auftauche, nach Ägypten zu senden.
Für Conti Rossini ist ausgemacht, daß Aizanas, der erste Adressat, mit
'Ezänä eins sei; weiter, daß Frumentius Bischof von Aksüm gewesen sein
müsse. Demgegenüber sei betont, daß man zwischen dem kaiserlichen
Schreiben und dem, was die spätere Redaktion der Apologie hinzufügt,
scheiden muß. Für diese ist Frumentius έττίσκοποξ τήξ Άξούμεως, und
sind die beiden Adressaten οί Ικεϊ τύραννοι. Im Schreiben hingegen steht
nichts davon.
Zugegeben: Frumentius ist auch da als Bischof bezeichnet. Das stimmt
zu Rufinus, aber wenn gesagt wird, ότι τόν Φρουμέντιον τούτον είς ταύτην
τήν τάξιν καθέστησεν 'Αθανάσιο?, so ist damit die Weihe zum Bischof der
India ultorier und nichts anderes gemeint. Es ist offenkundig, daß er bereits
seine Würde besitzt, aber in Aksüm noch nicht angekommen ist. Frumen-
tius' Weihe durch Athanasios geschah, so zeigte sich, etwa 330, und kürzere
oder längere Zeit nach derselben kehrte der Geweihte ins Land seiner bis-
herigen Wirksamkeit Zurück. Der Brief indessen ist von Constantius ge-
schrieben und fällt, wenn Conti Rossini's Datierung zutrifft, kurz vor die
Abfassung der Apologie im Jahr 356. Wenn damals Frumentius bereits
1 a. Ο. i , 146f.
* a. Ο. i , 149f.
* I n der Benediktiner-Ausgabe von 1698: 1, 315 f. cap. 31.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G " E Z Ä N Ä ' S V O N A K S O M 167
Bischof war, in Aksüm aber erstmals erwartet wurde, so zeigt sich: er war
Bischof an anderem Ort und befand sich auf einer Reise, deren Zweck Mis-
sion sein konnte (aber nicht mußte). Diese Reise führte ihn nach Aksüm.
Mit anderen Worten: Frumentius war damals längst Bischof in der India
ulterior, und zwar keinesfalls solcher von Aksüm. Nicht einmal dies ist ge-
währleistet, daß er überhaupt nach Aksüm gekommen ist, wenn es auch be-
fürchtet wird. Dasselbe gilt für die Maßnahmen des Kaisers. Man weiß nicht,
ob sie durchgeführt wurden, und nicht einmal, ob die beiden Adressaten
dazu gewillt oder imstande waren.
Genug: der 330 zum Bischof von India ulterior Geweihte war bei der Ab-
fassung des Schreibens, also kurz vor 356, noch nicht in Aksüm gewesen.
Wer aber war der im Schreiben genannte Aizanas ? Seine Gleichsetzimg mit
'Ezänä beruht auf der Namensgleichheit und der Tatsache, daß beide Na-
mensträger in Aksüm beheimatet waren. Falls dies verführerisch sein sollte,
sei eingewandt, daß Aizanas, was immer er war, doch keinesfalls Frumentius'
Freund sein konnte, geschweige denn ein von diesem Bekehrter. Es ist
weiterhin deutlich, daß Aizanas nicht als König bezeichnet wird und daß
unklar bleibt, welche Rolle neben ihm Sazanas gespielt hat. Offenbar sind
beide gleichberechtigt oder beanspruchen gleichen Rang. Wer aber hätte von
einem Doppelkönigtum4 in Aksüm gehört ?
Conti Rossini spricht von den „signori di Aksum 8 ". Aber der älteste
Herrscher Aksüm's, von dem man weiß, Zoskales, wird ausdrücklich als
König bezeichnet (Peripl. mar. Erythr. 5). Und erst recht gilt dies von den
späteren. Man beachte überdies das umfangreiche und anspruchsvolle Proto-
koll, daß 'Ezänä seinen Inschriften voranschickt. Aizanas und Sazanas sind
τύραννοι und sonst nichts. Agatharchides (bei Diodor 3, 61, 1) spricht da-
von, daß die Trogodyten Nubiens κατά συστήματα τυραννουνται. Seitdem
der Periplus dem Beginn des 3. nachchristlichen Jahrhunderts zugewiesen ist
(oben S. 11 f.), wird man auf seine Angaben mehr achten als bisher. Er weiß
von den Μοσχοφάγων κατά τυραννίδα νεμομένων (2) und erwähnt auch
andernorts solche Tyrannen des öfteren, unterscheidet sie aber nachdrück-
lich vom βασιλεύς (i6) oder vom Ινθεσμος βασιλεύς (23). Es kommt
hinzu: nach dem Sprachgebrauch von Constantius' II. Zeit konnte mit
τύραννος nur ein Usurpator, nicht ein von Athanasios oder Frumentius an-

* Wie in Negrän, vgl. N. Pigulewskaja in: Journ. of the Econom. and Social History
of the Orient 4 (1961), 2f.
5 a. Ο. i, 149.
168 AKSOMITEN, B L E M Y E R , HUNNEN

erkannter und legitimer König gemeint sein·. Rufinus aber sprach von
einem zwar minderjährigen, aber doch legitimen Herrscher, Sohn eines
Königs auf dem Thron.
Schließlich tritt deutlich hervor, daß die beiden Adressaten, Aizanas
und Sazanas, nicht in der Lage sind (wie man dies bei Königen Aksüm's
doch annehmen müßte), einen Zwang auf Frumentius auszuüben. Für den
Fall, daß dieser sich der Aufforderung, nach Ägypten heimzukehren, nicht
fügt, erklärt er sich zum Anhänger des verfemten Athanasios. Dies
allein wünscht der Kaiser zu klären (i. c. 316): εΐ δε άυαβάλλεται και
φεύγει την κρίσιν, σύνδηλον δήπουθεν, δτι τοις 'Αθανασίου του πονηρο-
τάτου λόγοις ήγμένος διατελεί περί τό Θείον, ούτω προηρη μένος cos
έκεΐνος άπεδείχθη πονηρός ών.
War die Abfolge der Könige Aksüm's damals durch Usurpatoren unter-
brochen ? Wurden diese von der römischen Macht begünstigt ? Oder waren
jene dieser gegenüber nachgiebig, nachgiebiger und gleichzeitig machtloser
als die legitimen Könige ? Man weiß es nicht. Aber soviel weiß man jetzt,
daß dieses „importante documento" für den zeitlichen Ansatz 'Ezänä's aus-
zuscheiden hat.

3
Einen zweiten Versuch, die Zeit 'Ezänä's festzulegen, hat U. Monneret
de Villard unternommen1. Die Regierungsdaten der Könige von Yemen, so
meint er, seien in ihrer Abfolge zwischen den Jahren 281 und 378 jäh
unterbrochen. Dem entspreche, daß die griechische Inschrift eines unge-
nannten Königs von Aksüm, die Kosmas Indikopleustes von einem könig-
lichen δίφρος in Adulis abgeschrieben hat (104 C f.; 74, 6f. Winstedt, im
Folgenden Adulitana I I genannt), von einem Feldzug gegen Stämme, die
jenseits des Roten Meeres wohnen, berichtet. Και πέραν δέ της 'Ερυθράς
θαλάσσης οίκουντας ΆραβίταςκαΙ Κιναιδοκολπίτας, στράτευμα ναυτικόν
καΐ πεζικόν διαπεμψάμενος, καΐ ύποτάξας αύτούς τούς βασιλέας, φόρους
Ttjs γης τελεί ν Ικέλευσα, καΐ όδεύεσθαι μετ* εΙρήνης καΐ πλέεσθαι,
e
Zum Sprachgebrauch G. Ch. Hansen im Wortregister von J. Bidez' Sozomenos
(i960) 5 1 7 1 .
1
Storia della Nubia cristiana (1938) 26f. Die mancherlei Widersprüche und philo-
logischen Unvollkommenheiten hat E. Littmann's Besprechung in: DLZ 60 (1939),
573 f. nachgewiesen. In Littmann's Handexemplar, das uns zur Verfügung stand, sind
weitere Anstöße vermerkt. Dazu gehört, daß 'Ezänä auf S. 29 ans Ende des 2. Jahr-
hundert gesetzt wird, S. 37 dagegen an den Beginn des 4.
6. DIE ZEITSTELLUNG 'EZÄNÄ'S VON Α KS OM 169

ά π ό τε Λευκής Κώμης ί ω ς τ ω ν Σ α β α ί ω ν έπολέμησσ. Π ά ν τ α δέ τ α ύ τ α


Ιθνη π ρ ώ τ ο ς και μόνος β α σ ι λ έ ω ν τ ω ν π ρ ο ΙμοΟ υ π έ τ α ξ α (ιο8 C;y$,
14t. W.). Hinzukomme, daß gleichzeitig ,,i re di A k s ü m portano anche i
titoli di R e di Hymiar (richtig: Himyar), Raidä (richtig: Raidän), Saba
(richtig: Saba') e Salhen (richtig: Salhen)". Dementsprechend setzt
Monneret die Adulitana II zwischen 260 und 280, r Ezänä danach an.
Ähnlich ist der Gedankengang Doresse's in seinem jüngsten Aufsatz über
die Beziehungen zwischen Äthiopien und Südarabien im 3.—4. Jahrhundert 2 .
E r beruft sich auf die neugefundene südarabische Inschrift R y c k m a n s 535
aus Märib. Dort wird berichtet, wie Ilsarah Y a h d u b gegen die Stämme der
Abessinier (3 ' h ( z ) h hbSß) zu Felde zieht und Sämir dü-Raidän Gesandte
zu Wadebah, König von A k s ü m (11 wdbh mlk 'ksmn) schickt 4 . Alle Ereig-
nisse gehören in den Beginn des 4. Jahrhunderts 6 .
Doresse zieht aus diesen Angaben eine Reihe von Folgerungen. D a in-
dessen für ihn feststeht, daß Rufinus' Bericht sich auf A k s ü m und
'Ezänä bezieht 6 ; weiter, daß Athanasios zwischen 341 und 346 Frumentius
zum Bischof geweiht habe, beruhen alle Berechnungen von vornherein auf
einer Grundlage, die nicht trägt. E s kommt hinzu, daß Doresse im Verfolg
dessen Wazeba (von ihm 3 1 2 — 3 1 5 datiert) mit 'Ezänä's Vater Ella Amida
(richtig: "Amidä) gleichzusetzen wünscht. Auch dies ist ohne Anhalt. Den
ungenannten König der Adulitana II rückt er schließlich in Jahrzehnte, die
alledem vorausliegen. Zur Bestätigung beruft er sich auf das 77. Kapitel von
Mani's Kephalaia 7 , wo das Königtum der Aksümiten als drittes Weltreich
erscheine.
Zunächst muß gesagt werden, daß jener Hiatus zwischen 281 und 378
durch die Inschrift R y c k m a n s 535 teilweise aufgefüllt worden ist. Damit
verliert Monneret's Ansicht die Grundlage. W a s es mit Mani's vier großen
Reichen auf sich habe, ist eine Frage für sich. Das vierte ist das von Σίλις
(NCIAECOC 189, 4 Polotski-Böhlig). Doresse's Deutung als N E I A E i O C ist
sachlich wenig überzeugend. Nichts aber führt darauf, daß für Mani die
Herrschaft der Aksümiten ( N N E 5 0 M I T H C 189, 3) sich übers Rote Meer

2
In: Kush 5 ( 1 9 5 7 ) . 49 f ·
s
Von Doresse, a. O. 53; 59 in Yemen angesetzt, im Gegensatz zu G. Ryckmans.
4
G. Ryckmans in: Musion 59 (1956), I39i.; besonders 154; 161; J. Pirenne,
ebenda 167t.
4
J. Pirenne, a. O. 168; 180.
• a. O. 51.
7
Manich. Handschr. der Staatl. Museen Berlin, 1. Kephalaia (1940), 188, 31 f.
170 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

erstreckt hat. Schließlich muß erneut gefragt werden, ob man für die Zeit-
stellung der Adulitana II nicht über bessere Anhaltspunkte verfüge.
Hier ist zunächst der griechischen Inschrift jenes Königes von Aksüm
zu gedenken, der den Namen Sembruthes trägt. Littmann hat sie als Nr. 3
nach einer nicht ganz korrekten Kopie R. Sundström's mitgeteilt; zuletzt
hat darüber L. d'Errico gehandelt8. Der Stein entstammt dem Dorf Däkki-
Mahari. Wir fanden das Original i960 im Liceo Ferdinando Martini in As-
mara aufgestellt.
1. Βασιλεύς έκ βασι-
λέων Άξουμει-
τών μέγας
Σεμβρούθης
5. έλθών καθεί-
δρυσε ι ιν κδ
Σεμβρούθου μεγάλου
βασιλέως.
Demnach gehörte Sembruthes zu den Königen Aksüm's, zeichnete sich
aber gegenüber seinen Vorgängern dadurch aus, daß er „großer König", nicht
nur König gleich den Anderen war. Den Stein hat er gesetzt, um zu bezeich-
nen, bis zu welchem Ort er gelangt war. Die Folgerung liegt nahe, daß er
seinen besonderen Rang auf Grund der von ihm gemachten Eroberungen
beanspruchte. Damit stellt sich die Verbindung zur Adulitana II. her. Der
ungenannte König zählt die 2θνη auf, die er erreicht und unterworfen hat:
& μέν αύτός έλθών καΐ νικήσας, & δέ διαπεμττόμενος (105C; 76, 6f. W.).
Das ist der gleiche Ausdruck wie in unserer Inschrift (έλθών), und bereits
Littmann hatte den Fundort mit den in der Adulitana II genannten Λασινέ
καΐ Ζαά καΐ Γ α β α λ ά (104 D; 74» W.) zusammengestellt. Schließlich fügt
jener König hinzu, er habe die von ihm berichteten Taten als π ρ ώ τ ο ς καΐ
μόνος βασιλέων των ττρό έμοΰ ausgeführt. Also ist die gleiche Sonder-
stellung, wenn auch mit veränderten Worten, beansprucht, wie sie Sem-
bruthes sich zuweist.
Danach sieht es so aus, als sei Sembruthes der gleiche König, der in der
Adulitana II spricht. Littmann hatte eine ähnliche Gleichsetzung ange-
nommen : zwischen diesem und dem Herrscher, von dem die Inschrift Nr. 2

8
Compendio di Geografia e di Storia dell'Africa Orientale (Asmara 1958) 72; mit
(schlechter) Abbildung.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G ' E Z Ä N Ä ' S V O N AKSOM 171

herrührte. In unserem Fall wird die Verbindung durch den Schlußteil der
Inschrift von Däkkü-Mahari bestätigt. D'Errico sprach von einer „data non
chiara" und wußte den abschließenden Genetiv syntaktisch nicht unterzu-
bringen („quasi una firma"). Littmann sah richtig, daß „im 24. (Jahre) des
großen Königs Sembruthes" verstanden werden mußte. Es sollte klar sein,
daß der Schlußsatz der Adulitana II: §τει της έμής βασιλείας είκοστω έβδόμω
und κδ Σεμβρούθου μεγάλου βασιλέως einander entsprechen. War die
eine Inschrift im 27. Regierungsjahr gesetzt, so die andere im 24. Diese
zeigt den König inmitten seiner Eroberungen, jene gibt deren Abschluß und
Zusammenfassung.
Es bleibt noch ι iv zu besprechen, deren Umzeichnung bei Littmann
unrichtig gegeben ist. Auf ι folgt iv, das als Ligatur geschrieben ist. So viel
liegt auf der Hand, daß damit eine zweite Jahresangabe zur Verfügung steht.
Man hätte demnach einen Synchronismus, und ein solcher ist angesichts der
zuletzt vorgeschlagenen Zeitansätze für Sembruthes von Bedeutung. Do-
resse setzt ihn ins 2.—3. Jahrhundert®, Monneret weist (wie schon gesagt)
die Adulitana II dem Jahre 281, die vorangehenden Feldzüge den Jahrzehn-
ten 260—280 zu, unter Ablehnung einer von Conti Rossini vorgeschlagenen
Datierung auf 27410. Das erste 1 unserer Inschrift als Zahlenangabe zu lesen
legt folgendes κδ nahe, also 10. Dann iv: es ist, wie in den Papyri oft, statt
ινδ geschrieben und bezeichnet die Indiktion. Daß über der Zahlangabe der
Querstrich fehlt — 1 neben κδ — , ist bei Indiktionsjähren häufig, wenn
nicht die Regel. Man hätte also, auch dies aus Papyri und Inschriften ge-
läufig, das 10. Jahr einer ungenannten Indiktion.
Die Indiktionenrechnung begann in 15 jährigem Zyklus mit dem Jahr
313, genauer: mit dem 1. September 312. Befände man sich auch nur in der
ersten Indiktion, also im Jahr 321/2, so wären damit bereits die bisherigen
Ansätze erledigt. Es kommt jedoch hinzu, daß unser Jahr der Indiktion
nicht als Steuerjahr, sondern als geschichtliches Datum gerechnet ist. Der-
gleichen begegnet, mit anderen Zeitenangaben verbunden, in Ägypten erst-
mals 357, außerhalb Ägyptens erstmals 380 (Italien)11. Mehr noch, die ein-
fache Datierung nach Indiktionsjahren, ohne Hinzufügung weiterer An-
haltspunkte, tritt in den Papyri erst nach 400 auf. Eine Durchsicht der be-
kannten Papyrusveröffentlichungen schien uns dies zu ergeben; indessen

• L'fithiopie 4 30.
10 a. O. 27 Anm. 7, mit zustimmender Bemerkung in Littmann's Handexemplar.
1 1 Seeck in: R E . 9 (1916), 1332.
172 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

mag gesagt sein, daß wir auf diesem Gebiet nicht über die nötige Übersicht
verfügen.
Bevor daraus die chronologischen Folgerungen gezogen werden, sei noch
eine zweite Inschrift herangezogen.

4
Die weitere griechische Inschrift eines aksümitischen Königs wird einem
Zufallsfund im Gelände des antiken Meroe verdankt. Im Jahi 1909 entdeckt,
wurde sie erstmals von Α. H. Sayce veröffentlicht 1 ; in Littmann's Sammlung
ist sie nickt aufgeführt, aber von C. Conti Rossini behandelt worden2. Das
etwa dreieckige Bruchstück befindet sich heute im Historischen Museum von
Khartoüm. Wir benutzten einen dreiwöchigen Aufenthalt im November i960
dazu, das Erhaltene zu kollationieren. Ohne der Fehllesungen und wag-
halsigen Ergänzungen Sayce's und Conti Rossini's zu gedenken, begnügen
wir uns mit der Mitteilung des von uns Ermittelten (Abb. 2).
1. . . . βασιλεύς Άξου]μειτών καΐ Όμηρειτώ[ν . . .
. . . uios θεοΰ άνικήτου "Α]ρεω[.]ς άντιδικησάντ[ων . . .
. . . κατά καιρ]όν παρακούσας άπό Trjs[. . .
. . .] EIAIOIC και έ[ξ]επόρθησα τάς ύ[πογε-
-/ραμμένας πόλεις . . .
5. . . .] Α κλειθέν παρελθών Ινθ[αυτα
. . .] Ο γενναται ετερον δέκαρ[χον . . .
. . .] σύυ τ ω βασιλεΐ μέχρι τώ[ν . . .
. . .]τά πλείστα έν τ η CEY[. . .
. . . στρ[ατηγοΰς και τέκν[α α υ τ ώ ν . . .
10. . . .[ έπηλθον αύτί[κα . . .
. . . ταϊ]ς όμαίς οίκί [αις . . .
. . .] έπι φόροι[$ . . .
. . . χ]άλκεον [. . .
. . . έτ]ών κα (κδ?)[. . .
Angesichts des bruchstückhaften Zustandes der Inschrift empfiehlt sich, auf
weitergehende Ergänzungen zu verzichten. Wir beschränken uns darauf,
die Parallelstellen zusammenzustellen.

1 I n : Proceed. Soc. Bibl. Arch., Juni 1909; A n n . Archaeol. and Anthrop. 4 (1912),
64 f.
s a. O. I30f.
6. DIE ZEITSTELLUNG "EZÄNÄ'S VON AKSÜM 173

ι. βασιλεύς έκ βασιλέων Άξουμειτών μέγας gibt Sembruthes' In-


schrift aus Däkki-Mahari. Die fehlende Erwähnung der Himyar enthält 'Ezä-
nä's griechische Inschrift Nr. 4, i f . βασιλεύς Άξωμειτών κα[1] Όμηριτών,
wo indessen noch sieben weitere Völker folgen. Zur zuvor angeführten Stelle
der Adulitana II, darin voii Kämpfen gegen die Άραβΐται und Κιναιδοκολ-
πίται gesprochen wird, bemerkt ein Scholion: τούς ' Ομηρίτας λέγει (io8 C;
76, 26 W.). —• 2. Vgl. Nr. 4, 5f. fEzänä) υιός θεο[ϋ] άνικήτου "Αρεως;
29 του μαι γεννήσαντος άνικήτου "Αρεως; Adulitana II (105 C; 76, 3 W.)
"Αρην . . . ος με καΐ έγέννησεν; Nr. 2,4 (Sembruthes) θεός]τοϋ Άξωμείτου
άνίκητος. —2—3· Nr. 4,6f. ('Ezänä) άτακτησάντων κατά καιρόν.—4· Adu-
litana II (104 D; 74. 9*· W.) τά ύπογεγραμμένα εθνη. — 5· κλειθέν =
κληθέν, vgl. Nr. 4» 25 f. ΐς τι να τόπον . . . καλούμενον Μάτλα. — 6. Vgl.
τοΰ μαι γεννήσαντος und δς με καΐ έγέννησεν zu 2. — 9· Adulitana II
(105 Β; 75» 6f.) τούς τε νέους αυτών. — ίο. Vgl. 5 παρελθών; Nr. 3,5
(Sembruthes) έλθών; Adulitana II (105 C; 76,6) ά μέν αυτός έγώ έλθών.—
12. Adulitana II (105 Β; 75. !3 u n d J 4) έπΐ φόροις. —13. Nr. 4, 3°f- ('Ezänä)
άνδριάντα χρυσοΰν α' κ (αϊ) .. . χαλκούς γ'. — 14· Adulitana II (105 D; 76,
12 W.) 2τει της έμής βασιλείας είκοστω έβδόμω; Nr. 3, 6f. (Sembruthes)
κδ Σεμβρούθου μεγάλου βασίμως.
Von der Inschrift meint Monneret3, sie enthalte nicht das lange Protokoll
'Ezänä's. sondern eher das kurze Sembruthes'. Das erste könnte zutreffen,
aber für das zweite besteht keine Vergleichsmöglichkeit. Auch Conti Rossini
entschied sich für einen Vorgänger 'Ezänä's 4 , wohingegen Sayce die
Inschrift ohne viel Umstände 'Ezänä zugewiesen hatte. Alle ließen das Re-
gierungsjahr in der 14. Zeile unbeachtet, und nur Sembruthes, niemals jedoch
'fizänä führt ein solches an. L. P. Kirwan 6 und Monneret haben angenom-
men, die Inschrift setze die Zerstörung Meroe's voraus; der erste fand sogar
Meroe in unserer Inschrift erwähnt. Davon kann nicht die Rede sein; im
übrigen bleibt der Zeitpunkt der Zerstörung Meroe's umstritten 6 . Deutlich
ist so viel, daß der erhaltene Text Beziehung ebenso zu Sembruthes' wie zu
'Ezänä's griechischen Inschriften aufweist, was zeigt, daß beide Herrscher
sich in nicht allzugroßem Abstand folgten. Angabe und Höhe des Regie-

3
a. O. 37.
4
a. O. 1, 131.
5
In: Kush 5 (1957), 37·
6
U. Monneret de Villard, a. O. 37 Anm. 1; P. L. Shinnie in: Kush 3 (1955), 82f.;
unten S. 178 f.
174 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

rungsjahres verweisen mit Sicherheit auf Sembruthes: man hat entweder


das 21. oder erneut das 24. Jahr.
Diese Feststellung läßt sich durch eine bisher nicht gemachte Beobach-
tung bestätigen. Zu Beginn der vierten Zeile hat . . .JEIAIOIC bisher allen
Bemühungen getrotzt. Darüber kann kein Zweifel bestehen, daß darin nur
der Name eines einheimischen Volkes gesucht werden kann. Mit leichtester
Änderung bietet sichB]eyaioi$ an, also der Name der BSgä. Daß Sembruthes
diese bekämpft hat, geht aus der Adulitana II hervor (oben S. 170). Über-
dies mußte, wer auf dem Gelände des einstigen Meroe auftrat, unweigerlich
mit diesem Volk zusammenstoßen 7 . Nun heißen die Blemyer in 'Ezänä's
griechischer Inschrift anders: sie sind das Ιθνος τ ω ν Βουγαειτών, er selbst ist
der βασιλεύς . . . Βουγαειτών. Aber in der sabäischen Fassung von Nr. 6 — 7
ist er malka begä, in allen äthiopischen negüSa begäi8. Daß 'Ezänä eine
Form Beyoüoi gebraucht haben könnte, ist damit ausgeschlossen. Um so
eher wird man sie seinem Vorgänger Sembruthes zuweisen wollen.

5
Einige Ergebnisse für den Zeitansatz nicht nur Sembruthes', sondern
auch 'Ezänä's zeichnen sich ab. Der erste hat mindestens 27 Jahre regiert.
Nimmt man als Ausgangspunkt seiner geschichtlichen Festlegung nach
Indiktionen das Jahr 357, so gehört Sembruthes frühestens in die zweite
Hälfte des 4. Jahrhunderts; nimmt man, was näher liegt, das Jahr 380 an,
so reicht Sembruthes' Regierung in das erste Viertel des 5. Jahrhunderts
hinüber. Der Heide Sembruthes — Nr. 2, 4 nennt Ares, die Adulitana II
(108 D ; 76, 8f.) Zeus, Ares und Poseidon, dann nochmals Ares — war nach
einhelliger Ansicht ein Vorgänger 'Ezänä's. Auch dieser weist sich erst in
seiner letzten Inschrift (Nr. 11) als Christ aus. Wenn man annimmt, daß
zwischen ihm und Sembruthes noch 'Ezänä's Vater Ela 'Amidä regiert hat,
so kommt man im einen Fall mit 'Ezänä selbst in die erste Hälfte des
5. Jahrhunderts, im anderen auf dessen Mitte. Der Schluß, der sich zuvor
aus der Nachricht der Chronik von Se'ert 1, 330, i o f . Scher ergeben hatte,
ist mit dem zweiten Ansatz bestätigt worden. Man muß bereits mit der Mitte
des 5. Jahrhunderts rechnen.
7 Über die Nekropole von Tanqasi und ihre mögliche Zuweisung an Noba oder

Blemyer vgl. P. L. Shinnie in: Kush 2 (1954). 66f., besonders 83f.


8 Über die Aussprache und Wiedergabe von l in anderen Alphabeten: A. Dillmann,

Grammatik der äthiopischen Sprache (Neudruck 1959) 34.


6. D I E Z E I T S T E L L U N G 'EZÄNÄ'S VON AKSOM 175

Daß es mit 'Ezänä's herkömmlicher Datierung nicht stimmen könne,


war Littmann spätestens 1950 klar geworden. In seiner damals veröffent-
lichten Abhandlung setzte er den König ins zweite oder dritte Viertel des
4. Jahrhunderts1. Die vorgenommene Verschiebung war weniger radikal als
die hier vorgeschlagene, bei der es um mehr als ein volles Jahrhundert geht.
Doch läßt sich zeigen, daß für diese sich weitere Gründe anführen lassen.
Für den Christen 'Ezänä gab es nur noch einen Gott. Dieser heißt igzi'a
samäy (Nr. 11, 1; 5; 3 8 ! ; 41; 45; 46; 49; 52) igzi'a biker (14f.) oder igzi'a
k"illü (Nr. 11, 5; 7). Littmann hebt hervor2, von der christlichen Trinität,
vom Sohn und heiligen Geist, sei nicht die Rede. Er erinnert an A. Rahlfs'
Folgerung, daß die christlichen Missionare zunächst auf das monotheistische
Glaubensbekenntnis Wert gelegt hätten3. Sie trifft zu, freilich in anderem
Sinn, als Rahlfs es verstanden wissen wollte. Jene Missionare, die auf solches
Bekenntnis in der Tat Wert legten, waren Monophysiten. Die von Iulianos
bekehrten Nobatai bekennen, d-hüyü had allähä Sarrirä w-lait hren l-bar
menneh (Iohann. von Ephesos 3, 185, iof. Brooks). „Er ist der eine wahre
Gott, und es gibt keinen anderen außer ihm" gemahnt als Formel nicht zu-
fällig an Mohammeds Verkündung. H. Gregoire4 hat als erster die Verwandt-
schaft von Monophysitismus und Islam betont. Er hat Eutyches, einen der
Väter der monophysitischen Lehre, als Vorläufer Mohammeds bezeichnet.
Gregoire hat das Bekenntnis der Nobatai nicht beachtet, wie niemand diesem
Aufmerksamkeit geschenkt hat. Und doch hat man die Bestätigung für die
von ihm vertretene Ansicht, wie man sie schlagender nicht erwarten kann.
Das Bekenntnis gibt den einen Gott unter Ausscheidung aller daneben be-
stehenden Möglichkeiten, und dies entspricht genau dem, was 'Ezänä's
christliche Inschrift Nr. 11 bietet.
Nicht weniger bemerkenswert ist eine andere Übereinstimmung. Die
Bezeichnung Gottes als igzi'a k"illü „Herr des Alls" war zuvor an zwei
Stellen von 'Ezänä's christlicher Inschrift festgestellt worden. Auch sie
kehrt bei monophysitischen Autoren wieder. Iohannes von Ephesos hat
anläßlich von Longinos' Mission bei den Alodäern des südlichen Nubien
neben anderen Originalbriefen einen solchen des Nobatenkönigs an Theo-
doras von Alexandreia eingelegt (3, 240, 26f.). Hier erscheint im Munde des
1Miscellanea Academica Berolinensia 2, 2, 97.
2Ebenda 126.
3 In: Oriens Christianus N. S. 6 (1953), 6oof.

4 In: Milanges Ch. Diehl 1 (1930), 107; F. Altheim, Aus Spätantike und Christen-

tum (1951). 57*·


176 AKSOMITEN, B L E M Y E R , HUNNEN

zur monophysitischen Lehre bekehrten Königs die Bezeichnung Gottes als


„Herrn des Alls": märä d-kul allähä (3, 242, 2f.) Damit hat sich die Ent-
sprechung zu dem, was 'Ezänä's Inschrift bietet, gefunden. Bezeichnender
Weise führt sie in den gleichen Bereich, in den die alleinige Nennung Gottes
gewiesen hatte. Auch diese Beobachtung wurde bisher verabsäumt.
Die Beobachtung läßt. sich bestätigen. Die griechische Inschrift Silko's,
des βασιλίσκοξ Νουβάδων καΐ όλων τώυ Αιθιόπων, weist ihn, wie schon
R. Lepsius erkannte5 und die Untersuchung J. Kraus' bestätigt hat®, als
Christen aus. Lepsius wies darauf hin, daß die Worte: εγώ γάρ eis κάτω
μέρη λέων εΙμί, καΐ eis άνω μέρη άρξ ( = άρκτος) είμι in ihrem Gegen-
über von Löwe und Bär aus 1. Sam. 17, 34; 36 und Arnos 5, 19 geschöpft
haben7. Und beide Forscher stimmen darin überein8, daß, wenn Silko sagt:
ό θεός εδωκέν μοι τό νίκη μα, auf der anderen Seite von den είδωλα der
Blemyer spreche, bei denen diese ihren Schwur leisteten9, dies den König,
zumindest den Schreiber, als Christ ausweise. Angesichts des Bekenntnisses,
das die von Iulianos bekehrten Nobatai ablegen, sowie der Nennung Gottes
allein hier und bei 'Ezänä darf man hinzufügen, daß Silko Monophysit war,
und zwar eindeutig von Iulianos zu diesem Glauben bekehrt. Er und nur
er war der König der Nobaten, von dem ständig in Iohannes' von Ephesos
Bericht gesprochen wird.
Die Deutung von 'Ezänä's christlicher Inschrift erweist sich als richtig,
und sein monophysitisches Bekenntnis führt nun geradewegs auf eine An-
setzung in die Mitte des 5. Jahrhunderts.
Es besteht kein Zweifel, daß zu 'Ezänä's Regierungszeit die Vokalisie-
rung des äthiopischen Konsonantenalphabets vollzogen wurde. Die In-
schrift Nr. 7 ist zwar schon rechtsläufig geschrieben, kennt aber die ange-
hängten Vokalzeichen noch nicht. Erst auf Nr. 9—10 und auf der christ-
lichen Nr. 1 1 erscheint diese Neuerung. Anders ausgedrückt: es ist das Al-
phabet verwandt, das innerhalb der äthiopischen Literatur erstmals bei der
Bibelübersetzung begegnet und seitdem maßgebend geworden ist. Die Ver-
wendung dieses Alphabets in 'Ezänä's späteren Inschriften Nr. 9—11 und
s
In: Herrn. 10 (1876), i2gi.
6
Die Anfänge des Christentums in Nubien (Missionswiss. Stud. Ν. R. 2, 1931) ioof.
Die Datierung auf 500 entfällt angesichts des Zeugnisses bei loh. Ephes. 3, 185, 10 f.
7
a. O. I37f.
8
R. Lepsius, a. O. 143; J . Kraus, a. O. ioif.
9
Dementsprechend kennt Iohann. Ephes. 3, 183, 15 bei den noch nicht bekehrten
Nobaden die tä'yütä d-dehlal p(akre.
6. D I E Z E I T S T E L L U N G ' E Z Ä N Ä ' S V O N AKSOM 177

in der Bibelübersetzung kann nicht unabhängig voneinander geschehen sein.


Sie kann es um so weniger, als auch auf den Prägungen der aksümitischen
Könige das Vokalalphabet nicht vor 'Ezänä auftritt.

Das Alter der äthiopischen Bibelübersetzung bestimmt sich zunächst da-


durch, daß 676 die einheimische Fassung des Ecclesiasticus vollendet war 10 .
Als Urheber der genannten Übersetzung hat man syrische Monophysiten zu
betrachten, die, besonders nach dem Konzil von Chalkedon 451, vor den ost-
römischen Verfolgungen nach Abessinien ausgewichen waren. Sie hielten
sich an die für Antiocheia maßgebende lucianische Textrezension, nicht an
die in Alexandreia herrschende hesychische. Diese Übersetzer brachten auch
syrische Lehnwörter wie häymänöt11 und örlt „lex Mosaica" (syr. öräitä)lia.
Die Evangelien im besonderen sollen von Likänös, einem der gleichfalls
monophysitischen „Neun Heiligen" 12 , übersetzt worden sein 13 .

War das neue Vokalalphabet für des Königs Inschriften oder für das un-
gleich umfangreichere Übersetzungswerk geschaffen worden? Die Frage
stellen heißt sie beantworten. Bezeichnend ist, daß C. Brockelmann, der in
der ersten Auflage seiner „Semitischen Sprachwissenschaft" (1906) die nach-
malige Zuweisimg der vokalisierten Inschriften an 'Ezänä noch nicht kannte,
von diesen bemerkt, sie gehörten zeitlich mit der Bibelübersetzung zu-
sammen. Er setzt sie dementsprechend erst um 500 an 14 . Wenn aber 'Ezänä's
Inschriften Nr. 9 — 1 1 zeitlich sich von den Anfängen der Bibelübersetzung
nicht trennen lassen, so können sie frühestens nach 451 entstanden sein: sie
reichen demnach über die Mitte des 5. Jahrhunderts hinaus. Auch dafür
lassen sich noch Gründe anführen.

Schwerlich wird man die Vokalisierung eines semitischen Konsonanten-


alphabets im abgelegenen Abessinien erfunden haben. Seit dem 6.,
vielleicht schon seit dem 5. Jahrhundert sind punktierte hebräische Bibel-
handschriften erhalten. Daneben richtet sich der Bück erneut nach Syrien.
Aus einer älteren Punktation, die sich mit einem Punkt über oder unter ge-
wissen Buchstaben begnügte, entwickelte sich erstmals bei den Nestorianern

1β I. Guidi, a. O. 15.
u I. Guidi, a. O. 14, mit falscher Schreibung.
lla Chr. Fr. A . Dillmann, Lexicon linguae Aethiopicae (Neudruck 1955) 742.
Μ I. Guidi, a. O. 15.
M Weitere Berührungen der äthiopischen Literatur und Kunst mit Syrien hat
J. \ A v y in: Cahiers archöol. 11 (i960), i 3 o f . , besonders 142, zusammengestellt.
14 a. O. 46; vgl. Grundriß der vergl. Gramm, der semitischen Sprachen 1 (1608), 30.

12 Altbelm, Hunnen V
178 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

ein vollständiges System der Vokalbezeichnung16. Geschehen sein konnte


dies erst, als man unter dem Sasaniden Peröz (457—484) daran ging, eine
eigne nestorianische Schrift zu formen (Barhebr., chron. eccles. 3, 77, 10f.,
Abbeloos-Lamy; oben 3, 98). Hingegen schufen die Jakobiten sich erst um
700 eine eigne Vokalbezeichnung.
Diese Erwägung bestätigt, daß das äthiopische Vokalalphabet frühestens
nach der Jahrhundertmitte entstanden sein kann. Dementsprechend muß
'Ezänä's Regierungszeit weit über diese hinausgereicht haben, möglicher-
weise um Jahrzehnte.

6
Aus der Datierung 'Ezänä's ist kein Anhaltspunkt für die Zerstörung
Meroe's abzuleiten, noch ist aus dieser ein solcher für 'Ezänä zu gewinnen.
Alles, was bisher an Angaben herangezogen wurde, ist beim gegenwärtigen
Stand der Ausgrabungen, der Forschung überhaupt, nicht zu verwerten.
Einige Beispiele dafür sind rasch zur Hand. U. Monneret de Villard 1
wendet sich gegen solche, die Meroe's letzten König zwischen 340 und 355
ansetzen. Er weist darauf hin, daß die oben genannte griechische Inschrift,
in Meroe gefunden, zeige, daß der darin genannte König — auch nach Monne-
ret's Meinung Sembruthes eher als 'Ezänä — Meroe besetzt hielt. Gemeint ist
die noch unzerstörte Stadt, während 'Ezänä sie bereits zerstört vorfand.
Das letzte trifft insoweit zu, als 'Ezänä Meroe nie erwähnt. Daß in der
griechischen Inschrift die unzerstörte Stadt erscheine, ist nicht beweisbar.
Und wenn Monneret behauptet, daß Meroe zu Beginn des 4. Jahrhunderts
zerstört worden sei, so träfe diese Behauptimg nur zu, wollte man 'Ezänä
nach alter Weise vor 350 ansetzen. Da dies sich erledigt hat, kann für
'Ezänä's Datum nichts aus Meroe, und für Meroe höchstens die vage Tatsache
gewonnen werden, daß es seit dem 5. Jahrhundert nicht mehr genannt wird.
Der letzte Versuch, den Untergang Meroe's zu ermitteln, muß dem kri-
tischen Leser zeigen, wie gering die Möglichkeiten sind. P. L. Shin nie2 beruft
sich auf Keramiken, die in der nachmero'itischen Nekropole auf dem Boden
der Stadt gefunden wurden. Sie führen einmal ins 5.—6. Jahrhundert, in
einem zweiten Fall auf die Zeit zwischen 200 und 400. Mit beidem ist wenig

1 5 Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm. 2 (1898) 6f. § 6f. Über die Verbindung mit

den ältesten Masoreten P. Kahle, Masoreten des Westens (1927) 51 f.


1 Storia della Nubia Cristiana (1938) 36f.; 37 Anm. 3.

> In: Kush 3 (1955), 82t.


6. D I E Z E I T S T E L L U N G " E Z Ä N Ä ' S VON AKSOM 179

anzufangen, und so beruft sich denn auch Shinnie wieder auf 'Ezänä's
Datierung, die er nach hergebrachter Weise vor 350 setzt.
Ob Sembruthes Meroe besetzt oder von den Noba befreit, ob 'Ezänä
sich den Nöbä gegenüber als Herrscher des meroitischen Reiches und Ver-
treter seines Anspruchs gegeben habe3, bleibt bei alledem eine müßige
Frage. Als letzte Möglichkeit bietet sich das eigentümlich geformte Szepter
an, das die christlichen Könige Aksüm's auf ihren Münzen halten. J . Do-
resse4 hat damit gewisse Funde verknüpft, die er in vorchristliche Zeit setzt.
Er erinnert gleichzeitig6 an Diodors Angabe 3, 3, 6, wonach die Könige
Meroe's ein Szepter in Form eines Pfluges geführt hätten. Sollte man dies so
verstehen, daß die christlichen Könige Aksüm's sich als Fortsetzer ihrer
meroitischen Vorgänger betrachtet haben? Wie das meroitische Szepter
aussah, weiß man nicht. Die Annahme von Resten eines Thrones, der dem auf
den aksümitischen Münzen dargestellten glich, hat sich nicht bewahr-
heitet. Monneret, der 1937 danach am Zusammenfluß von Nil und Atbära
suchte, fand nichts dergleichen vor®.
Immerhin sei auf einige Nachrichten hingewiesen, die bisher von der
Forschung überhaupt nicht beachtet wurden. Sie finden sich im Äthiopen-
Roman Heliodors von Emesa, der zwischen 232—33 und der Jahrhundert-
mitte entstanden ist7. Meroe steht hier im Mittelspunkt der Ereignisse, die
den Abschluß von Theagenes' und Charikleia's Schicksalen bilden. Die krie-
gerische Auseinandersetzung zwischen dem persischen Satrapen Ägyptens
und dem König Meroe's gibt Anlaß, deren beiderseitige Hilfstruppen zu
schildern. Auf meroxtischer Seite stehen die Trogodyten: sie bilden einen
Teil des mero'itischen Reiches und sind Nachbaren der Araber (242, 8). Die
Nachricht findet ihre Ergänzung in der Stadt Arbis oder Arabis, nördlich
von Napata, südlich von Premis am Nil gelegen (Ptolem., geogr. 4,7,19 8 ).
Diese aithiopischen Araber müssen gleich den Aksümiten Auswanderer
aus Südarabien sein. Dementsprechend erscheinen Vertreter 'Αράβων των
εύδαιμόνων (297, 23). Sie bringen zusammen mit Serern, Blemyem und
Trogodyten dem König von Meroe die Erzeugnisse ihres Landes dar. Die
darauffolgenden Axumiten werden ausdrücklich als unabhängig bezeichnet
1
a. O. 37 zweite Hälfte; 38 oben.
4
L'fithiopie 4 (1956) 29 Abb.
5
Ebenda 38.
• a. O. 37 Anm. 3.
7
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1 (1949), 1 1 3 ; 2 (1950), 272t.
8
Pietschmannin R E . 2, 408.
12·
180 AKSÜMITEN, BLEMYER, HUNNEN

(298, 1 1 f.). Wie immer: Meroe erscheint bei Heliodor noch ganz auf der
Höhe seiner Macht.
Waren die Blemyer vor der Jahrhundertmitte noch Untertanen Meroe's,
so hört man 291 erstmals von einem Krieg zwischen Blemyern und Äthiopen,
also dem Reich von Meroe (Mamert., Genethl. Max. 17, 4 p. 288 Baehr.).
Wenn die Nachricht davon ins ferne Gallien kam, so kann es nur ein Krieg
größeren Ausmaßes und bedeutsamer Ereignisse gewesen sein. Es fällt auf,
daß die Keramik der Nekropole von Tanqasi, südlich des heutigen Merowe
(nicht Meroe), ans Ende des 3. Jahrhunderts gehört9. Sie zeigt das Vor-
dringen der Nomaden, Noba oder Blemyer, gegen die Hauptstadt des einst-
mals mächtigen Reiches, die um die Jahrhundertwende unmittelbar vor
ihrem Fall gestanden haben wird.
Sollte diese Vermutung so oder annähernd so zutreffen 10 , so scheidet
damit der Zeitpunkt der Zerstörung Meroe's erneut aus dem Fragen-
bereich um 'Ezänä's Zeitansatz aus.
• P. L. Shinnie in: Kush 2 (1954), 66f.; besonders 83f.
10
Die letzte Äußerung setzt dann auch Meroe's Untergang um 300 an: J. v.Becke-
rath in: Oldenbourgs Abriß der Geschichte antiker Randkulturen (1961) 191.
η. K A P I T E L

BLEMYER UND H U N N E N

Ein neuer Zeitansatz bewährt sich daran, daß er bisher nicht gesehene
geschichtliche Zusammenhänge eröffnet.
Wenn es nach der bisherigen Auffassung ginge, hätte der ungenannte
König der Adulitana II entweder zwischen 260 und 280 oder doch vor 312
mit Flotte und Heer das Rote Meer überquert, die Könige der Himyar
unterworfen und die friedliche Schiffahrt bis hinauf nach Leuke Kome ge-
währleistet (105 Β — C ; 75, 14t. W.; dazu 108 C; 76, 25f. W. und Nr. 2, 3f.).
Bis zu 'Ezänä sodann, also bis etwa 350, hätte nach Ausweis seines Proto-
kolls die aksümitische Herrschaft über große Teile Yemens gedauert. Vor-
aussetzung dieser Verhältnisse wäre, daß sowohl Rom als auch die Sasa-
niden keinen Anteil an den Geschehnissen im Roten Meer nahmen, die Zügel
schleifen ließen und Rom im besonderen nicht einmal im Golf von Ailana
seine Rechte geltend zu machen verstand. Anders gewendet: man hätte sich
in einer Zeit befunden, da die beiden Großmächte des ausgehenden Alter-
tums einen Tiefstand ihrer politischen Macht erreicht hatten.
Jedermann weiß, daß für die genannten Zeitabschnitte dies keinesfalls
zutrifft. Es gilt weder für Aurelian und Probus noch für Diokletian und
Konstantin. Aurelian und Diokletian brachten im Osten und besonders in
Ägypten als Anliegerland des Roten Meeres den römischen Machtanspruch
höchst nachdrücklich in Erinnerung. Auf persischer Seite regierte Säpür I.
bis 272, und 309 begann Säpür's II. Herrschaft, die nachhaltig in die Ange-
legenheiten der arabischen Halbinsel, bis hin zum Hi£äz, eingegriffen hat.
Imru'ulkais und 'Amr wirkten als 'ummäl der Sasaniden1, und nachdem der
erste auf römische Seite getreten war, konnte er den Feldzug wagen, der ihn bis
zu den Toren Negrän's führte2. Die zuvor genannte Inschrift Ryckmans 535
hat den Sachverhalt bestätigt 3 .
1 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 142 f.
2 Oben 1, 126. Neuerdings J. Pirenne, Le Royaume Sud-arabe de Qatabän et sa.
Datation (1961) pi. I zu S. ^o.
* Oben 1, 1 2 9 !
182 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Die Adulitana II nennt unter ihres Königs, also Sembruthes' Erobe-


rungen jenseits des Roten Meeres Άραβίτας καΐ Κιναιδοκολπίτας (105 Β ; 75,
15 W.). Die Handschriften LS des Kosmas Indikopleustes verstehen die er-
sten als τους Όμηρίτας, die zweiten als τους παραλίους Άδανίτας (75,
33 f. W.). Adana, das heutige Aden, befand sich in römischer Hand (Peripl.
mar. Erythr. 26)*; eine römische Besatzung lag noch um 400 in der wichtigen
Stadt 5 . Das schließt erneut einen früheren Ansatz aus.
Wo immer man den Blick hinwendet, stellt man fest: eben das 4. Jahr-
hundert war am wenigstens geeignet, einen aksümitischen König zu über-
seeischen Unternehmungen, sei es nach Yemen, sei es zum Golf von Ailana
zu ermuntern. Überall hatten die Großmächte ihre Stellung bezogen, griffen
sie mittelbar oder unmittelbar in die Verhältnisse der arabischen Halbinsel
ein. Einem Herrscher Aksüm's war schwerlich gestattet, selbständige Politik
entgegen den Wünschen Roms oder Persiens zu betreiben.
Anders liegt es, sobald man ins 5. Jahrhundert kommt. Mit dem Beginn
von Attila's Königtum 434 hörten die Kämpfe mit den Hunnen bis zum Tod
des Gewaltigen nicht auf. In Iran wurde Yazdgard II. um die Jahrhundert-
mitte von den Hephthaliten geschlagen. Peröz kam 459 nur mit hephthali-
tischer Hilfe auf den Thron. Sein erster Versuch, sich des lästigen Nachbarn
zu entledigen, endete 465 mit Peröz' und seines Sohnes Gefangennahme; der
zweite mit Vernichtimg des persischen Ritterheeres und Peröz' Tod 484··.
Von sasanidischer Seite hatte ein aksümitischer König damals nichts zu
fürchten. Und wenn Ostrom seit der Jahrhundertmitte, besonders unter
Marcianus, zu erstarken begann, so durfte es ein christlich gewordenes
Aksüm als natürlichen Bundesgenossen betrachten. Auch von dieser Seite
war demnach, wenn auch aus anderen Gründen, kein Hindernis zu erwarten.
Die aksümitische Herrschaft über Himyar hat denn auch gedauert, bis
das unter Kaväö I. (488—531) wieder gekräftigte Iran den Versuch wagen
konnte, in Yemen einzugreifen. So kam es zur Usurpation des jüdischen
Königs Yüsuf (dü Nuwäs), der von Hira kommend7, Parteigänger der sasa-
nidischen Sache war und folgerichtig den Gegenschlag der von Ostrom unter-
stützten Aksümiten wachrief. Hier haben die beiden Inschriften von Y ü s u f s
kailän einen wertvollen Hinweis gebracht. Noch im Jahre 517 waren Abes-
4 Dazu und zur Datierung des Periplus oben S. u f.
Philostorg., h. eccl. 34, i8f. Bidez; Tkac in: R E . 6, 8 9 0 ! ; vgl. Cod. Theod. 12, 2,
8

12 ^md Littmann in: R E . Suppl. 7, 6.


6 Oben 2, 259.

7 Oben 3, 52f.
7. B L E M Y E R U N D HUNNEN 183

sinier in Yemen, wo sie auch Kirchen hatten. Dazu vergleiche man Ryckmans
507 Z. 4 'hb[Sn] bzmw; 508 Z. 3 'hbSn bzfr; vgl. Z. 4; Z. 8 bmkrnt hbSt8. Die
aksümitische Herrschaft, die Sembruthes in der ersten Hälfte des 5. Jahr-
hunderts begründet hatte, bestand über 'Ezänä's Regierung hinaus bis ins
zweite Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts fort.

E s mag zusammengefaßt werden, was sich als Ergebnis des vorigen Ab-
schnittes eingestellt hat, bevor ein Schritt weitergegangen wird. Die abes-
sinischen Eroberungen in Yemen bildeten bisher ein Schmerzenskind der
Forschung. An jener Eroberung, die mit dem Kampf gegen den jüdischen
König Yüsuf (dü Nuwäs) zusammenfiel, zu zweifeln, bestand kein Anlaß. Die
neuen Funde himyarischer Inschriften haben bestätigt, was Prokop,
Iohannes von Nikiu (oben 2, 40 f.) und die arabischen Geschichtsschreiber
berichten. Schwieriger stand es mit der „ersten" Eroberung Yemens durch
die Abessinier. Wollte man das umfangreiche Protokoll ernst nehmen, das
'Ezänä seinen inschriftlichen Tatenberichten voranschickt, so mußte man
zur Annahme einer ersten Eroberung im frühen 4. Jahrhundert kommen.
Noch höher führte hinauf, daß auch die Adulitana II von Eroberungen in
Yemen berichtete. Doch all dies blieb schattenhaft, und es begegnete
manchem Zweifel, ob diese abessinische Herrschaft in Yemen wirklich und
wenn doch, ob sie lange ausgeübt wurde. D a brachten die Inschriften von
dü Nuwäs' kailän Neues. Sie zeigten, daß es im ersten Viertel des 6. Jahrhun-
derts abessinische Garnisonen im Lande gab. Mit der Scheidung zweier Er-
oberungen, deren erste spätestens mit 'Ezänä zu Ende ging und deren
zweite mit dem Unternehmen gegen dü Nuwäs begann, war es nichts.
Durch die neue Datierung wird auch diese Schwierigkeit beseitigt. Wenn
man in dem Verfasser der Adulitana II Sembruthes erblickt, diesen in den
Beginn des 5. Jahrhunderts, 'Ezänä um dessen Mitte und in der zweiten
Jahrhunderthälfte ansetzt, wird verständlich, warum zu Beginn des fol-
genden Jahrhunderts noch abessinische Garnisonen in Yemen sich befanden.
Die abessinische Herrschaft war also keinesfalls nominell gewesen, sie be-
8 G. Ryckmans in: Musion 56, 290 und 301. Für B. Rubin's Ansicht (Das Zeitalter

Iustinians 1, 307), es handle sich um „die erste Expedition des Negus", findet sich in
den Quellen kein Hinweis. Wohl aber ist übersehen, daß christliche äthiopische Unter-
könige vorher in Yemen herrschten. Das hat Th. Nöldeke, Übers. 186 Anm. richtig er-
kannt.
184 A K S OMITEN, B L E M Y E R , HUNNEN

stand vielmehr über 'Ezänä's Regierungszeit fort und vor allem: es hat nur eine
einzige Herrschaft gegeben, die lediglich dü Nuwäs für einige Jahre unterbrach.
Noch in einem zweiten Fall erweist sich die neue Datierung als förder-
lich. Gemeint sind 'Ezänä's K ä m p f e mit den Blemyern. Von ihrer Unter-
werfung berichtet einmal die früheste seiner Inschriften, die noch griechisch
abgefaßt ist. Dort beginnt 4, 6f. mit dem Genet, absol. ά τ α κ τ η σ ά ν τ ω ν κ α τ ά
καιρόν τ ο υ έθνους τ ω ν Β ο υ γ α ε ι τ ώ ν der Bericht von der Besiegung der
Unbotmäßigen und den über sie verhängten Maßnahmen. In der Inschrift
selbst, im Protokoll, nennt sich ' E z ä n ä König (βασιλεύς) Β ο υ γ α ε ι τ ώ ν 4. E s
wird derselbe Name für die Blemyer gebraucht, der noch heute üblich ist. V o m
gleichen Ereignis meldet die Doppelinschrift 6 — 7 , in sabäischer und äthio-
pischer Fassung, letzte noch ohne Bezeichnung der Vokale. D a der T e x t
dieser beiden sich v o m griechischen wenig unterscheidet 1 , werden alle drei
etwa gleichzeitig gesetzt sein. Wieder erscheint ' E z ä n ä als malka und
negüSa begä. Fortan wird von weiteren Kämpfen mit dem Volk nicht mehr
gesprochen; die Unterwerfung, in die erste Regierungszeit fallend, hatte
nachhaltigen Erfolg. Auf den übrigen vier Inschriften erscheint der Herr-
scher als negüsa begä 8, 3 ; 9, 3; 10, 4; 11, 3.
V o n seiner Datierung ausgehend, hat Monneret de Villard eine ge-
schichtliche Einordnimg versucht. Ihre Grundzüge seien hier wiederholt.
A u c h für ihn ging der K ö n i g der Adulitana I I voran, indem er von der
Unterwerfung entsprechender Stämme berichtete 2 . Dann griff 'Ezänä das
Nomadenvolk an und gewann die Herrschaft über dessen südliche Gebiete 3 .
Diese Herrschaft habe jedoch nur kurz gedauert. Gesagt wird dies nirgends.
A b e r so viel schien deutlich, daß 'Ezänä's Feldzüge die K a m p f k r a f t der
Blemyer wenig beeinträchtigt haben. Sie setzten ihre Einfalle nach Ä g y p t e n
fort 4 . Hatten sie 336 eine Gesandtschaft zu Kaiser Konstantin geschickt
(Euseb., v . Const. 4, 7), so verfolgten sie vor 346 Pachomios' Mönche und
nahmen diese gefangen. In Aila erschienen sie 387 und suchten auch sonst das
R o t e Meer heim. In Syene fügten sie 393 den römischen Truppen schwere Ver-
luste zu*. Diese K e t t e von Übergriffen geht bis zum Jahr 450·: damals

1 E. Littmann hat in: Deutsche Aksum-Expedition 4 (1913), 12 die drei Texte

nebeneinandergestellt.
2 U. Monneret de Villard, Storia della Nubia cristiana 26.

* Ebenda 40.
4 Ebenda 40.

5 Ebenda 42.

• Ebenda 49.
η. B L E M Y E R U N D HUNNEN 185

griffen sie die Große Oase (Härga) an. In der „Historia monachorum in
Aegypto" i , 2f. p. gf. Festugi£re wird erzählt, wie ein oströmischer στρα-
τηλάτης, bevor er auftragsgemäß gegen die ΑΙΘίοπες ot κατά Συήνην zu
Feld zieht, den wegen seiner προφητεία berühmten Iohannes von Lyko-
polis (Sozomenos 277, i f . ; 336,4; 346, i f . Bidez) fragt, wie denn das Un-
ternehmen ausgehen werde.
Erst unter Marcianus (Regierungsbeginn 25. August 450) erfolgte ein
Umschlag 7 . Floras, Alexandrinae urbis procurator, besiegte 452 die Blemyer
(Euagr., h. eccl. 2, 5). Den Frieden mit ihnen Schloß der στρατηγός Maxi-
minus, der 448 an Attilas Hof gewesen war. Nach Marcianus' Tod kam es zu
neuem Einfall, aber der Friede wurde rasch hergestellt. Von da ab gab es
keine Unruhen an der oberägyptischen Grenze bis zum Beginn des 6. Jahr-
hunderts.
Man kennt Marcianus' Politik, die mit der seines Vorgängers Theodo-
sios II. gebrochen hatte. Unter dem Hinweis: ού γ α ρ θηλειών, άλλα
άρρένων ή της 'Ρωμαϊκής βασιλείας άρχή, hatte man Attila weitere
Tributzahlungen abgeschlagen8. Der Kaiser selbst hatte 451 mit einem
Feldzug begonnen, und sein comes domesticorum Aetios hatte 452 die kriege-
rischen Unternehmungen gegen die Hunnen in Abwesenheit Attilas fortge-
führt 9 , der sich damals auf seinem oberitalienischen Feldzug befand. Man
hatte hunnischerseits dem oströmischen Heer Frieden bewilligt, um es zum
Abzug zu bewegen (Hydatius, Chron. min. 2, 26f.10). Aber eben diese Vor-
stöße, denen doch Attila's Vergeltung auf dem Fuße folgen mußte, bean-
spruchten die Kraft des Reiches. Es war schwerlich ein Zufall, daß den
Kaiser die Sorge (sollicitus) um die Rache des Gewaltigen bis in seine Träume
verfolgte (Iordan., Get. 255 hoc Priscus istoricus vera se iicit adtestatione
probari). Schon vorher hatte das Konzil, das mit Marcianus' Namen ver-
bunden ist, wegen der drohenden Hunnengefahr von Nikaia nach Chalkedon
verlegt werden müssen.
Der Erfolg gegen die Blemyer im gleichen Jahr 452 ist um so erstaun-
licher, als gleichzeitig Ardaburios 11 , magister per orientem, erfolgreich gegen
die Araber an Syriens Grenze kämpfte (Priskos fr. 20, FHG. 4,100; Suda s. v.

7 Ebenda 49 f.
8 Ε . A. Thompson, A History of Attila and the Huns (1948) 133t.; 143.
* Ebenda 144.
1 0 Ebenda 148.

1 1 Zum Namen H. Humbach in: Die Welt der Slawen 5 (i960), 327 Anm. 9.
186 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Άρδαβούριος 12 ). Marcianus' Regiment war demnach in der Lage, in dem-


selben Jahr erfolgreich Hunnen, Blemyer und Araber zu bestehen. Drei der
gefährlichsten Nachbaren des oströmischen Reiches waren zu Paaren ge-
trieben. Zuvor hatte sich gezeigt, daß man diese nomadischen Bewegungen,
die gegen die Grenzen anbrandeten, als Teile einer großen und zusammen-
hängenden Bewegung verstehen muß (oben i, ioif.). An gleichartige Le-
bensbedingungen gebunden, als Nomaden abhängig vom Steigen und Fallen
der Klimakurve, jene durchgehenden Steppengebiete, die dem Wüstengürtel
zwischen Gobi und Sahara zur Seite verlaufen, als Bett ihrer Wanderungen
benutzend, griffen diese Völker zunehmend stärker nach den Reichs-
gebieten. Zuweilen konnte es scheinen, als bräche die dortige Herrschaft
unter dem übermächtigen Zugriff zusammen. Jetzt aber war das Gegenteil
eingetreten. Ostrom hatte sich nach Jahren, da nicht einmal der Verteidi-
gung Erfolg zugefallen war, zu einer Anstrengung entschlossen, die ihm
Siege an allen gefährdeten Grenzen gebracht hatte. Wie war dergleichen
in so kurzer Zeit möglich geworden ?
Was die Hunnen angeht, so hatte man Attilas Abwesenheit benutzt.
Niemand konnte daran zweifeln, daß es zu neuer Auseinandersetzung mit
ihm kommen würde, nachdem er durch die Verweigerung des Tributs und
durch eine doppelte kriegerische Maßnahme schwer gereizt worden war. Allein
der überraschende Tod des Herrschers hatte Marcianus von dieser Sorge erlöst.
Nach der Schlacht am Nedao, wo Gepiden und Ostgoten für ihn die Arbeit
getan hatten, konnte der Kaiser seine Hunnenpolitik fortsetzen, indem er
Ernac Sitze anwies13, im übrigen aber ein Ausfuhrverbot-für Waffen 14 erließ.
Aber wie stand es mit den Blemyern, wo ein ähnlich nachhaltiger Erfolg sich
einstellte, obwohl dort, wenigstens nach der bisherigen Ansicht, ähnlich
glückliche Umstände nicht zu Hilfe gekommen waren ?
Noch einmal bewährt sich die neue Datierung 'Ezänä's. Für einen
Herrscher, der selbst die Blemyer bekämpfte, damit zwar die Politik seines
Vorgängers fortsetzte, im Gegensatz zu diesem jedoch Christ geworden war
und wohl schon vor dem Ubertritt dem neuen Glauben sich zuneigte, war das
Zusammengehen mit Ostrom gegeben. Es kann kein Zweifel daran bestehen,
daß der Stoß von Norden und Süden gleichzeitig, zumindest annähernd
gleichzeitig, geführt wurde. Ostrom und Aksüm, Floras und 'Ezänä haben
12
U. Monneret de Villard, a. O. 50.
13
Ε. A. Thompson, a. O. 154; 156.
11
Ebenda 180.
7· B L E M Y E R U N D HUNNEN 187
Hand in Hand gearbeitet und den gemeinsamen Feind derart gedemütigt,
daß er fortan Ruhe hielt. Wenn man, wie geschehen, 'Ezänä's Regierung
um die Mitte des 5. Jahrhunderts beginnen läßt, besteht keine Schwierig-
keit, die Ereignisse im angedeuteten Sinn zu verstehen. Um so weniger, als
die Bekämpfung und Unterwerfung in den Anfang dieser Regierung fallen.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Ostrom und Aksüm, einmal
eingeleitet, wurde im nächsten Jahrhundert fortgesetzt. Als dü Nuwäs'
Christenhaß auf Negrän übergriff, war Ostrom außerstande, den bedrängten
Glaubensgenossen zu Hilfe zu kommen. Damals wandte man sich an den
negüS, dem man durch christlichen Glauben, gleiche Gegnerschaft und, wie
man jetzt hinzufügen darf, durch alte politische Partnerschaft verbunden
war. Abessinien, selbst in seinem yemenitischen Besitz geschädigt, griff ein,
während Ostrom sich darauf beschränkte, die Schiffe zu stellen15.

3
Rom und Aksüm standen schon früher, seit Jahrhunderten, in Verbin-
dung. Erst unter 'Ezänä hat man sich entschlossen, vom Gebrauch des
Griechischen abzusehen. Aber die kirchliche Literatur in griechischer
Sprache wirkte weiter, und die am Mareb heimisch gewordenen Mono-
physiten setzten sich für die Verbindung zweier Reiche ein, die sich zu ge-
meinsamem Glauben bekannten. Ein besonderer Umstand, bisher nicht in
diesen Zusammenhang gerückt, soll nachgetragen werden.
K. A. C. Creswell1 hat eine Nachricht herangezogen, die der älteste Ver-
fasser einer mekkanischen Chronik, Azraki (gestorben 858), bewahrt hat
(Chroniken der Stadt Mekka 1, 110 unterste Zeile und f.; 112, i2f. Wüsten-
feld). Danach war im 35. Jahr Mohammeds, also 608, die Ka'ba nieder-
gerissen und neu erbaut worden. Die Kurais verwandten dazu das Holz
eines gestrandeten Schiffes, im übrigen zogen sie einen Zimmermann und
Baumeister Bäküm heran, der Fahrgast dieses Schiffes gewesen war. Die
Wände des Neubaus wurden aus wechselnden Lagen von Stein und Holz
aufgeführt, derart, daß sich 16 Steinlagen und 15 aus Holz entsprachen;
die oberste und unterste Lage bestand aus Stein. Das Dach ruhte auf sechs
Pfeilern {sawäri, Sing, säriya), in zwei Reihen zu je dreien geordnet. Azraki
fügt hinzu, daß Decke, Wände und Pfeiler Darstellungen (suwar) der Pro-
16 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 156L; 358f.
1 Α Short Account of Early Muslim Architecture (1958) i f .
188 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

pheten, von Bäumen und Engeln enthielten. Die Säule, die dem Eingang
zunächst stand, trug das Bild Abrahams, eine andere das Marias mit dem
Jesusknaben auf dem Schoß.
Den Wert der Nachricht unterstreicht Creswell mit Recht. Er verweist
darauf, daß die besondere Bauweise, der Wechsel von Stein- und Holzlagen,
im holzarmen Hifäz nicht heimisch sein konnte. Sie begegne in Abessinien,
das an Hoch- und Galleriewäldern reich war und noch ist. Die Kirchen von
Debra Damö, Debra Libänös und von anderen Orten mehr, deren älteste
ins 9. Jahrhundert gehörten, seien hier zu nennen2. Ältere Zeugen bildeten
die Stelen von Aksüm, die in Stein Stockwerkhäuser nachbilden und noch
in die heidnische Zeit gehörten3. Hier wie dort beobachte man die gleiche Bau-
weise, die neben den Steinschichten eingelegte Langhölzer und quergelegte
Pfetten mit ihren Riegelköpfen4 erkennen lasse. Eine Bestätigung erbrachte
E. Littmann 6 , der im Namen des Zimmermannes und Baumeisters Bakum
eine Abkürzung von äthiop. enbäköm „Habakkuk" erkannte.
Der vorgelegte Gedankengang Creswell's trifft in der Hauptsache zu. Im
einzelnen muß indessen mancherlei ergänzt werden. Zunächst hat Creswell
versäumt, die Parallelüberlieferung· heranzuziehen. Von Wichtigkeit ist die
Fassung Ibn Hisäm's, der von einem koptischen Zimmermann spricht, der
in Mekka ansässig war (1, 122, 14 Wüstenfeld). Weiter fällt auf, daß die
Reihe der Beispiele, die Cresswell nennt, mit erheblichen Lücken rechnen
muß. Er setzt 'Ezänä noch ins 4. Jahrhundert 7 , denkt sich dementsprechend
die Stockwerkstelen spätestens im gleichen Jahrhundert (will sagen: zu
dessen Anfang) entstanden. Man käme demnach bis zum Neubau der Ka'ba
auf eine Lücke von 300 Jahren, von 608 bis zu den ersten abessinischen
Kirchen auf eine solche von etwa 250 Jahren. Es wird sich zeigen, daß sich
zumindest die erste und größere Lücke mit von Creswell nicht beachteten
Beispielen ausfüllen läßt. Weiter, daß das Bauen mit wechselnden Stein-
und Holzlagen weit höher hinaufgeht, als Creswell annimmt.
Im Dezember i960 beobachteten wir an der Außenseite der Unterkirche
von Abü Serge in Fusjät die gleiche Bauweise. Die Aufnahme eines von späte-

D. Krencker in: Deutsche Aksum-Expedition 2 (1913), 164f.


2

D. Krencker, a. O. 2, 7f.
3

4 Sie heißen äthiop. ri'isa hibay ,,tete de singe, testa di scimmia": Deutsche
Aksum-Expedition 2, 8 uö.; U. Monneret de Villard, Aksum (1938) 29; 52.
s Bei K . A. C. Creswell, a. O. 3.

• Buhl-Schaeder, Das Leben Mohammeds (1930) 122 f.


7 a. O. 3.
7. B L E M Y E R U N D HUNNEN 189

ren Ergänzungen freien Wandteiles zeigt die eingelegten Langhölzer und die
senkrecht auf den Beschauer zukommenden Pfetten. Nur ist im vorliegenden
Fall statt des Hausteines Ziegelwerk verwandt (Abb. 3). Die Unterkirche
gehört nach allgemeiner Annahme noch in vorislamische Zeit, mag also dem
Neubau der Ka'ba gleichzeitig oder noch etwas älter sein. Wie immer man
sich entscheide, der Bau aus Fustät und die Erwähnung eines Kopten als
Werkmeisters jenes Neubaus bei Ibn Hisäm entsprechen einander.
Im Anschluß daran ist die Basilika des nubischen Kasr Ibrim zu nennen,
des antiken Πρίμις. Die ältesten Teile des Baus, darunter die Außenmauern,
gehören „al primo periodo cristiano" 7 ", also möglicherweise noch ins 6. Jahr-
hundert. Im Quaderwerk der Außenmauern erkennt man zwei umlaufende
Einschnitte von rechteckigem Querschnitt: sie waren zur Aufnahme von
Holzbalken bestimmt 8 . Monneret verweist als Parallele auf das koptische
Kloster von Bäwit 9 ,65 km nördlich von Asiüt.
Von den Kirchen, über deren Zerstörung die beiden kailän des Königs dü
Nuwäs (Yüsuf) in ihren Inschriften berichten (oben S. i82f.), weiß man nichts
Genaueres. Das Gotteshaus, das Abraha um 540 in San'ä* erbaute, soll aus
weißem, rotem, gelbem und schwarzem Marmor bestanden haben (Tabari,
ann. 1, 943, I2f.; weitere Einzelheiten bei Mas'üdi, murüg 5, 192t. Barb.) 10 .
Th. Nöldeke 11 glaubte in der Schilderung ein „Phantasiebild" zu erblicken,
was dahingestellt sei. Der Bauweise in farbig wechselnden Schichten wird
man sogleich begegnen. Von eingelegten Holzschichten ist nichts berichtet;
der Mosaikschmuck war oströmischen Ursprungs (Tabari, ann. 1, 935,17f.).
Alsdann sind die Schlösser Yemens heranzuziehen, die nach dü Nuwäs'
Untergang von den Abessiniem verbrannt wurden. Sie alle, besonders Gum-
dän, zeigten den gleichen Wechsel des Steins, zumindest in den höheren
Stockwerken (dü öadan bei Ibn Hisäm, v. Moh. 1, 27, 1 Wüstenfeld).
Dü öadan kommt in einer bei Tabari (ann. 1, 927, 1 5 ! ) erhaltenen Vers-
reihe erneut auf (rumdän zu sprechen (a. 0 . 1 , 929, 2). Man habe es erbaut:
bi-munhatnatin wa-asfaluhu iurübun wa-hurru l-mauhali l-latiki z-zaliki
„mit Zimmermannswerk und darunter Hausteine und reiner Lehm, feuchter
und schlüpfriger".

' · U. Monneret de Villard, L a Nubia medievale 1 (1935), 117.


8 Ebenda 3 (1957), " o f . ; 2 (1955) tav. L V I I I .

* Monneret schreibt Bawit.


1 0 K. A. C. Creswell, a. O. 15.

1 1 Übers. 216 Anm. 1.


190 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Die Verbindung von Holzlagen mit Lagen von Hausteinen 12 ist demnach
bezeugt, und so erklärt sich, inwiefern der Bau abbrennen konnte
Gadan bei Ibn Hisäm, a. Ο. i , 27, 5 und bei Tabari, a. O. 1, 929, 5). E s be-
stätigt sich, daß tatsächlich Holz auch beim Aufbau der Wände, nicht nur
des Daches verwandt wurde. Azraki sagt ausdrücklich, daß man erst bei dem
Brand der 608 errichteten K a ' b a im Jahr 683 bemerkt habe, daß deren
Mauern teilweise aus Holz errichtet waren 13 .
Wichtig ist, daß D. Krencker einen derartigen Bau in Aksüm ausge-
graben hat 14 . Seine Rekonstruktion zeigt Außenmauern, die aus wechselnden
Stein- und Holzlagen aufgeführt sind. J. Doresse 15 verweist auf Berichte
arabischer Dichter, wonach auch bei den Burgen Yemens in die aus Hau-
steinen errichteten Mauern Balken aus Teakholz und Wacholderbäumen
eingezogen waren. Soll man sich die Burg al-Ablak, die dem Juden Samau'al,
Herrn der Oase Taimä', gehörte 16 , ähnlich vorzustellen haben ? Balisa und
balulta bedeutet: „nigro alboque colore variegatus fuit", bullüka „variete
de couleurs", ablak „black and white" (vom Pferd: Lane 1, 1, 253 1.).
Genug: man hat zumindest die Schlösser Yemens, die spätestens vor ςΐΰ
Nuwäs' Untergang fallen, Kasr Ibrim, und A b ü Serge in Fustät hinzuge-
wonnen. Das zweite und dritte führen an den Neubau der K a ' b a nahe
heran, die ersten an die von uns ermittelte Regierungszeit 'Ezänä's. Da-
durch, daß man diese bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts ansetzen
darf lind dementsprechend als spätesten Zeitpunkt der Stockwerkstelen
Aksüm's auf die erste Hälfte des gleichen Jahrhunderts gelangt, wird Cress-
well's Spanne von 300 Jahren um volle hundert verkürzt; zugleich wird
dieser verengte Zeitraum mit weiteren Beispielen ausgestattet. Die Bedeu-
tung der Spätdatierung 'Ezänä's bewährt sich wieder aufs Schönste.
Ganz übersehen ist eine weitere Reihe von Zeugnissen. E s fällt auf,
daß die in den Stelen des heidnischen Aksüm erstmals bezeugte Bau-
weise in wechselnden Stein- und Holzlagen nicht nur, wie zu erwarten,
in den Burgen Yemens und Aksüm's weiterlebte, sondern daß sie auch bei
Kirchen und bei einem Kultbau wie der K a ' b a angewandt wurde, die mit

12 Zu gurüb Th. Nöldeke, Übers. 193 Anm. 4.


18 K. A. C. Creswell, a. O. 2, hebt diesen Umstand hervor.
14 In: Deutsche Aksum-Expedition 2, loji.; vgl. J. Doresse, L'fithiopie 4 57 und
Abb.
a. O. 50, ohne weitere Angaben.
18

Zu A'ää Nr. 25 Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958) 83f. gegen W. Caskel in:
14

Studi oriental, in onore di G. Levi Deila Vida 1 (1956), 132f.


7. BLEMYER U N D H U N N E N 191

alttestamentlichen und christlichen Darstellungen ausgeschmückt, von


einem christlichen Baumeister erbaut war. Hier spielt denn auch, abgesehen
von dem, was landesüblich war, ein berühmtes und jedermann gegenwärtiges
Vorbild mit.
Esra 6, 4 werden für den Aufbau des nachexilischen Tempels in Jerusa-
lem drei Reihen behauener Steine und eine Reihe Holz seitens des Königs
Dareios angewiesen. An anderer Stelle haben wir diese Angabe dahin ge-
deutet, daß das Holz fürs Gebälk bestimmt gewesen sei, die Mauern aber auf
einem Steinsockel mittels Luftziegeln (wie in Persepolis üblich) errichtet
werden sollten17. Dabei wurde übersehen, daß jene Lieferung zusätzlich für
einen bereits begonnenen Bau bewilligt wurde. Das zeigt Esra 5, 8, wo es
vom im Bau befindlichen Tempel heißt, er sei aus behauenen Steinen aus-
geführt und Balken würden in seine Wände gelegt. Es wurde demnach die
gleiche Bauweise angewandt, die an den bisher aufgezählten Beispielen ver-
folgt wurde. Sie ging indessen in noch ältere Zeit zurück.
O. Eißfeldt, den wir um Rat fragten, verwies uns brieflich (unter dem
5. 2. 1961) auf 1. Könige 6, 36 und 7 , 1 2 sowie auf H. C. Thompson's Aufsatz
„A Row of Cedar Beams" 18 . Auch der salomonische Tempel, nicht erst der
nachexilische, war demzufolge in der Art errichtet, daß Hausteine in drei
Schichten einer aus Balken (im vorliegenden Fall aus zedemen) sich ent-
sprachen. Und dasselbe galt für den königlichen Palast. Krencker hatte
bereits auf Parallelen an lykischen Felsgräbern aufmerksam gemacht, wo
diese Bauweise in den Steinformen nachgeahmt wird, und kretische Paralle-
len herangezogen19. Neuestens hat Mechtild J. Mellink über „half-timber
construction" in Kleinasien gehandelt20. Wer in Aksüm, Fustät oder Mekka
diese Bauweise für Kultbauten verwandte, durfte sich auf den salomoni-
schen Tempel berufen und hat es auch getan.
Einen Beleg dafür hat das jüngst von G. Galbiati veröffentlichte Iohan-
nes-Evangelium erbracht21. Dieses in arabischer Sprache verfaßte Apokry-
phon legt Iesus umfangreiche έσχατολογικά in den Mund, in denen vom
17
Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg. (195g), 77f.
18
In: Palestine Exploration Quarterly 92 (i960), 57f.
19
a. O. 2, 2.
20
Amer. Journ. Arch. 65 (1961), 42; Tai. 23, 3; Angabe O. Eißfeldt's unter dem
23. 2. 1961. Er hat uns auch auf G. R. H. Wright,,Structure of the Qasr Bint Far'un"
in: Palest. Explor. Quart. 93/1961, 8—37 verwiesen: dort S. 22—24 ist von „use of
timber" die Rede. Dazu London Illustrated News, 23. 9. 1961, S. 490 (Mykenai).
21
I. Galbiati, Iohannis evangelium apocryphum (1957), *· J34> 5*· arab.; 2, 187,
5f. lat.
192 AKSOMITEN, BLEMYER, HUNNEN

Kommen der Araber und Mohammeds gesprochen wird. Von diesem heißt
es: „Atque is est qui aedem in deserto (/t l-kafri, gemeint ist MekkaM) aedi-
ficabit et similem reddet (wa-yuSabbihuhu) [templo] Hierosolymis et dicet,
id esse templum patris mei." Die Äußerung enthält, was man bestätigt zu
haben wünscht.
22 I. Galbiati, a. O. 2, 187 Anm. 2.
DRITTES BUCH

FRÜH- U N D SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

13 Altheim, Hannen V
8. K A P I T E L

DIE SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

Es bleibt ein Bild der spätsasanidischen Kultur, wenigstens nach den


Grundzügen, zu entwerfen. Denn sie, mit Kaväö I. beginnend und in den
beiden Chusrö gipfelnd, unterscheidet sich von allem, was ihr voranging.
Ardaäer's I. Streben zielte darauf, das Reich der Achaimeniden wieder
herzustellen und Zarathustras Verkündigung zu ihrem einstigen Rang zu
erheben. Auf dieses doppelte Ziel war des Reichsgründers Tun eingestellt;
seine Haltung blieb auch für die Folgezeit maßgebend. Dem entsprachen der
Rückgriff auf das achaimenidische Felsrelief und die Durchführung der
avestischen Kodifikation, beides sich weit über die Zeit hinaus auswirkend.
Um so auffälliger bleibt, daß in spätsasanidischer Zeit dergleichen merklich
in den Hintergrund rückte.
Nirgendwo hat sich Chusrö I. Anösarvän noch auf die Achaimeniden be-
zogen. Das besagte um so mehr, als er sonst sich bemühte, sein eignes Tun
auf das wirkliche oder angebliche Verhalten des Reichsgründers hin auszu-
richten1. Aber auch das Felsrelief trat ganz in den Hintergrund. Entschei-
dende Einsicht bedeutete, daß man Reiterstatue und darüber befindliche
Belehnungsszene des Täk-i Bustän, daß man auch dessen Jagdreliefs
Chusrö II. A/9arvez absprach und Peröz zuwies2. Diese Neudatierung hat
ein geschichtliches Verständnis der spätsasanidischen Kultur überhaupt erst
ermöglicht. Von einer Fortsetzung des achaimenidischen und frühsasani-
dischen Felsreliefs war seitdem nicht mehr die Rede. Bezeichnend, daß das
protobulgarische Felsrelief von Madara nicht nach sasanidischen, sondern
nach nordostiranischen Vorbildern geschaffen ist8.

1 Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 2 (1954), 155; 165f.; 167; Eutychios r, 181,

13 f. Pocock.
2 K. Erdmann in: Ars Islamica 4, 79f.; ZDMG. 1954, 538f.

® B. Filow in: Grundriß d. slaw. Philol. 9, 14; G. Fehir in: Arch. Hungar. 7, 106f.;
G. Kazarow in: Receuil Th. Uspenskij Madara i Pliska (Sdruzennie bt>lgarska
starina 1927).

13·
196 F R Ü H - UND S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR

Ähnlich stand es mit dem Zarathustrismus. Nichts mehr von einer Fort-
setzung oder Erweiterung der avestischen Kodifikation: im eignen Schoß
dieser Kirche begann die Erhebung gegen die unbeschränkte Herrschaft
von Klerus und Lehre. Mazdak, selbst Möba<5 und Erklärer des Avesta,
setzte nach neuplatonischem Vorbild die innere, allegorische Deutung an die
Stelle der äußeren; er galt als einer der Vorläufer der bätiniya. Seine Lehre
beseitigte den überkommenen Dualismus. Auch nach Mazdak's Sturz gewann
der zarathustrische Klerus seine Stellung von einst nicht zurück4. Chusrö
I. Anöäarvän ließ seinen griechischen Hofphilosophen Uranios unbeschränkt
mit den Magiern über die Grundfragen der Welt und Lehre diskutieren.
Es kam so weit, daß der Sohn eines dehkän's vom ererbten Zarathustris-
mus abließ und sich auf die Suche nach dem wahren Glauben machen
konnte. Salmän, dessen ergreifende Geschichte Ibn Hisäm5 bewahrt hat,
verließ Vater und väterliches Erbe um solcher Ziele willen (oben 3, 39).
Erst war es das Christentum, das ihn anzog, bis er dann, nach einem Leben
des Umherirrens, der Mühsal und Enttäuschung, zuletzt als Sklave verkauft,
in Medina an Mohammed's Verkündigung sein Genüge fand. Schwerlich
wird er der einzige seiner Art geblieben sein.
Achaimenidisches Vorbild und Herstellung von Zarathustras Lehre
hatten dies gemein, daß sie einen Rückgriff auf die beiden bedeutendsten
Schöpfungen iranischer Geschichte enthielten. Eine große Vergangenheit
sollte neu erweckt und als maßgebendes Vorbild hingestellt werden. Mit
Zähigkeit und unerbittlichem Ernst arbeitete Ardaser I. an der Verwirk-
lichung dieses Ziels, und die gleiche Haltung offenbarte sich in den Maß-
nahmen seiner nächsten Nachfolger. Der feierliche, gleichfalls auf alte Vor-
bilder zurückgreifende Stil der Tatenberichte, die unverkennbare Freude an
ihrer umständlichen und gewichtigen Stilisierung entspricht den Darstel-
lungen des Felsreliefs: dem schweren, gedrungenen Bau von Menschen und
Rossen, der gravitätischen Gebärde, der steifen und unbeweglichen Reihung
der Figuren, ihrer zeremoniellen Haltung. Dazu gehört endlich die Betonung
zarathustrischer Rechtgläubigkeit; die Festlegung dessen, was maßgebend
war; das kompromißlose Festhalten an der wahren und reinen Lehre.
In dem Augenblick, da diese Welt des Anspruchs und des Rechthabens,
der Schwere und Gedrungenheit, des Normhaften und imbedingt Verpflich-
4
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1, 202; 204; A. Christensen, L'Iran sous les
Sassanides* 425 f.
5
v. Moh. 1, 136f. Wüstenfeld.
8. DIE SPÄTSASANIDISCHE KULTUR 197

tenden zurücktrat und teilweise verschwand, war an die Stelle des Ernstes
das Spiel getreten — jenes Spiel, das J. Huizinga verstehen gelehrt hat. Nicht
als Unwirkliches und Unverpflichtendes, sondern als Kodex gesellschaft-
licher Regeln, als Formen des Lebens und gegenseitigen Verkehrs, Verhal-
tensweisen, Wertsetzungen, die auf einer neuen, vielleicht nicht ausge-
sprochenen, aber darum nicht weniger verbindlichen Übereinkunft be-
ruhten. Leben war zum Schauspiel geworden, darin dem Einzelnen seine
Rolle zugewiesen wurde. Er hatte diese zu übernehmen, sie zu spielen und
erfüllen, gemäß den Regeln, die das Verhalten bestimmte.
Ein Gefühl, das Leben seileichterundfröhlichergeworden.sprichtsich erst-
mals unter Bahräm V. Gör aus. Da sind die oft angeführten arabischen Verse: 6
„Wir haben geteilt unser Königreich zu unsrer Zeit, wie man teilt das
Fleisch auf der Platte.
Und wir haben gegeben Syrien und Rüm bis zum Untergang der Sonne
einem Hochgemuten: Salam,
Und Tüg wurden gegeben die Türken, wobei über die Länder Chinas
herrscht ein Vetter,
Und Iran gaben wir mit Gewalt Färis, das Königreich, wir indes nahmen
die guten Dinge."
Die Teilung der Erde durch Afridün, der jeweils ein Drittel seinen drei
Söhnen Salam, Tüg und Iran zuweist, liegt zugrunde. Nur tritt Tüg's
Vetter als vierter auf: offenkundig die türkischen Wei umschreibend, die
386—556 Nordchina beherrschten. Sprecher ist ein Sasanide, und dieser
kann nur Bahräm V. Gör (420—438) sein. Er genoß arabische Erziehung am
Hof von Hira, und arabische Verse sind auch sonst von ihm erhalten 7 .
Wa-fuznä bi-n-ni'am — darin klingt in der Tat ein neuer Ton auf. Bah-
räm V. als Förderer von Musik, Spielleuten und jeder Art von fröhlichem
Lebensgenuß wird noch entgegengetreten. Dieser erste Ansatz ging in den
furchtbaren Zeiten, die folgten, unter. Erst mit Chusrö I. Anö§arvän beginnt
(wie sich noch zeigen wird) ein Genießen der Süßigkeit des Lebens, und es
sollte bis zum Untergang des Reiches nicht abbrechen.

Das Reich der frühen Sasaniden bot ein buntscheckiges Bild. Bildungen
verschiedenster Art standen nebeneinander, und das Ganze glich einem Bau,
* Dazu Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 373 f·
7
Mas'üdi, Prair. 2, 192, 4L
198 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

zu dem viele Jahrhunderte und dementsprechend viele Stile ihren Beitrag


geliefert hatten. Manches war begonnen worden, aber liegengeblieben;
anderes sollte abgerissen werden, vermochte aber dem Beschluß zu trotzen.
Persönliche Interessen hatten sich vorgedrängt, hatten die anfängliche Ge-
samtplanung unbeachtet gelassen und nur daran gedacht, daß man selbst
ein Dach über sich habe. Anders ausgedrückt: die königliche Zentralgewalt
hatte ihren Willen durchzusetzen versucht, aber es war nicht überall ge-
lungen. örtliche Machthaber waren nur zeitweise zurückgedrängt worden;
die Kirche konnte ihr eigenes Leben und ihre Sonderrechte behaupten.
Der neue Bau, den Kavä<5 I. und Chusrö I. Anösarvän aufführten, hatte
mit dem alten nichts gemein. Völliger Abriß dessen, woran Jahrhunderte ge-
plant, ergänzt und verändert, zuweilen gestückt und gestümpert hatten,
ermöglichte die Aufführung eines Hauses, das einheitlich geplant und ein-
heitlich ausgeführt war. An die Stelle des Überkommenen in seiner Viel-
fältigkeit trat eine Ratio, die alles übersichtlich, praktisch und ebenmäßig
gestaltete. So war kein Zufall, daß auch sonst das rationale Prinzip sich be-
merkbar machte. Zarathustrische Religion trat gegenüber griechischer Phi-
losophie zurück. Was darin sich unter Mazdak angebahnt hatte, wurde
erneut unter Anösarvän vollendet (oben 3, 61 f.; 85f.).
Rationale Planung bedeutet, daß sie aus einheitlicher Vorstellung ge-
schieht. Welcher Art diese Vorstellung war, bedarf keiner Worte: es war
die Fülle und Ausschließlichkeit der königlichen Gewalt. Ihr waren der
Thronsaal, aber auch alle größeren Räume des Hauses reserviert; zu ihr
führten die Treppen, Gänge und Zimmerfluchten hin. Die neue Ausrichtung
des staatlichen Lebens mußte sich notwendigerweise überall fühlbar machen;
in neuer Form der Repräsentation, im Vorbild des Hofes und höfischen
Lebens und nicht zuletzt dort, von wo der Vergleich ausgegangen ist: in
einer neuen Form des Bauens.
Die neuen königlichen Palastbauten sind bestrebt, alles Frühere bei
weitem zu übertreffen. Nachdem sich gezeigt hat, daß der Täk-i Kisrä in
Ktesiphon nicht unter §äpür I., sondern unter Chusrö I. Anösarvän gehört1,
muß sich in der Beurteilung der Architektur ein ähnlicher Wandel voll-
ziehen, wie ihn die richtige Zeitstellung des Täk-i Bustän auf dem Gebiet
des Felsreliefs gebracht hat. Ältere Anlagen wie Firüzäbäd oder Sarvistän
treten gegenüber solcher Entfaltung der baulichen Masse und des Raumes,
1 O. Reuther, A Survey of Persian Art 1, 5 i 5 f .
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 199
gegenüber der großen Ordnung der Fassade und dem gewaltigen Tonnenge-
wölbe mit seinen Pferden und Menschen darstellenden Stuckreliefs 2 fühlbar
zurück. Und was für den Täk-i Kisrä zutrifft, gilt auch für die gewaltige
Anlage der Imärat-i Chusrau in Kasr-i Sirin3. Ausdehnung des Baues und
der ihn tragenden Terassen, durchgeführte axiale Gliederung der sich in die
Tiefe erstreckenden Räume und Höfe sind ohne Vergleich in der älteren
Palastarchitektur. Der gewaltigen Machtzunahme des spätsasanidischen
Königtums entsprachen die gesteigerten Ansprüche, die man auch unter
dem zweiten Chusrö 4 an die bauliche Repräsentation stellte. A n den „Thron
Chusrö's" in Ganzak-Sis und die sich anknüpfenden Fragen genüge er-
innert zu haben 8 .

Dem Aufstieg des Königtums entsprach gleichzeitig ein solcher in der


Lebenshaltung des Hofes und der Vornehmen. Gesellschaft, wie sie nach der
mazdakitischen Revolte neu entstand, betonte ihren adeligen Charakter
anspruchsvoller als je zuvor. Jeder, der mitzählte, hatte mindestens dehkän
und Ritter zu sein. Väspuhr, der in dem Pehlevi-Büchlein vom König Husrav
und seinem Pagen auftritt®, berichtet, gegenwärtig sei seine Familie her-
untergekommen, dürftig und ärmlich geworden 7 . Einst aber war er — „dank
der Gunst Gottes und eurer Ahnen", so sagt er, zum König gewendet —
angesehen, wohlhabend und unabhängig, vermögend von beiden Eltern her,
auch mit Geld und Kleidung wohl versehen 8 . Doch Armut hat ihm das Be-
wußtsein seiner adligen A b k u n f t nicht geraubt, auch nicht seinen Anspruch.
In der T a t erhält er von Husrav erneut Stellung und Würde 9 . Selbst der
durch Mohammeds Grabenkrieg bekannt gewordene Salmän erinnert sich
mitten in Sklavenschaft und Elend daran, daß sein Vater dehkän eines per-
sischen Dorfes war und dort ein großes Gut besaß 10 . Auch in Unfreiheit und
Verkommenheit blieb man, was man war.

2 Tabari, ann. i, 2441, 14; 2443, 17.


3 O. Reuther, a. O. 1, 539 f.
4 Zur Datierung der Imärat-i Chusrau: O. Reuther, a. O. 1, 539.
5 Zuletzt A. Boethius, The Golden Hause of Nero (i960) 120 A n m . 38, mit reich-
lichen Literaturangaben. Die laufenden Grabungen R . Naumann's werden hier K l a r -
heit bringen.
• J. M. Unvala, Der P a h l a v i - T e x t „ D e r König Husrav und sein K n a b e " . Heidelb.
Diss. 1917. Zur Bildung von väspuhr H . H. Schaeder in: B S O S . 8, 7 3 7 f .
7 S. 17 § 17 Unvala.
• S. 13 § 4 - 7 .
» S. 43 § 124.
10 Ibn Hiääm, v . Moh. 1, i 3 6 f . ; 136, i 8 f .
200 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

Aber solch neue Gesellschaft unterschied sich grundsätzlich von der,


die vorangegangen war, mochte diese gleichfalls adelig sein. Erziehung
vollzog sich jetzt am königlichen Hof. Nicht nur Prinzen wurden in adab
ausgebildet 11 , von den Rittern gilt dasselbe. Es gab am Hof der späten
Sasaniden einen eignen mu'addib al-asäwira12. Wie dergleichen geschah,
zeigt der Roman von Ardaäer, Päpak's Sohn, der spätere Zustände in die
Zeit des Reichsgründers zurückspiegelt. Ein von Haus aus roher Adel, der
nur seiner Reit- und Jagdlust gelebt hatte, mußte sich höfischer Zucht
unterwerfen13. Jetzt traten zu Jagen und Waffengebrauch 14 : Polospiel15,
Schreiben1® und verschiedene Arten des Schachs17. Die Formendes Umgangs
und Benehmens wurden geregelt. Verständiges Handeln 18 , Enthaltsamkeit
von Streit und groben Worten 19 , Gefügigkeit und Gehorsam20 wurden ver-
langt und geübt. Ein beispielhafter Held wie Bahräm Cöbin ist nicht nur
groß im Kampf, insonderheit im Bogenschuß: er weiß maßvoll zu sein und
sich zu fügen; er beherrscht das Polospiel21 ebenso wie die literarische Bil-
dung. Während des Feldzuges liest er Abend für Abend das Buch Kaiila
wa-Dimna.

Daneben gewinnt alles Zeremoniöse Boden. Nicht nur im feierlichen


Thronen, Sitzen und Stehen bei Hofe, wofür sich manches Beispiel an-
führen ließe22: auch im Felde erscheint der Reichsfeldherr Rustam unter
einem Sonnensegel (surädik)23. Ähnliches gilt von der Anrede, zumal im
Brief. Rustam, Reichsfeldherr des letzten Sasaniden, spricht den eignen
Bruder in einem Schreiben, wie folgt, an: „Marzbän des Hofes und Pfeil
11 Tabari, ann. i , 1043, i o f . ; vgl. 1060, 15f.
12 Tabari, ann. 1, 1063, 15.
13 Th. Nöldeke in: Bezzenb. Beitr. 4, 38 Anm. 3.
14 1, 23, 29 Nyberg.
15 lößeyän i , 29; dazu C. H . Becker, Islamstud. 1, 285f.
16 1,23.
17 tatrang u new art αχ $ ir: 1, 29. So zu lesen im Gegensatz zu Nybergs vin art ax Sir:
J. M. Unvala, a. O. 17 § 15; C. Salemann in: Melanges asiat. 9, 226; 237; Chr. Bartho-
lomae in: Indog. Forsch. 38, 401 (Hinweis von H . Junker).
18 1,42.
19 1, 42; dazu H. S. Nyberg, Hilfsb. d. Pehlevi 2, 200.
20 1,46.
21 Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1, 2 i o f . ; 213; 219. Polo'spiel: Dinawari 1,
95, 5 f. Guirgass. Herkunft des Polo aus Chotan: B. Läufer, T h e Early History of Polo.
S.-A. aus: Polo 1931 Nr. 6 (April). Zum Beinamen Cöbin = Cößiyän oben 2, 34.
22 Beispiele führt an Ph. Ackermann, A Survey of Persian Art ι, 775t.
23 Tabari, ann. 1, 2255, 14.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 201

der Männer von Färs, der da ist für alles, was ist, und Gott zerbricht
durch ihn jedes Heer, groß und stark, und erobert durch ihn jede feste
Burg" 24 . Die Titulatur der Könige, wie die byzantinischen Geschichts-
schreiber sie geben25, fügt sich diesem Bilde ein.

Zu dem, was von solcher Umformung erfaßt wird, gehört auch die Jagd.
Man kennt aus der Kunst in endloser Wiederholung den bogenschießenden
König, vom Pferd herab das Wild erlegend. Die Jagdreliefs vom Täk-i
Bustän sowie Darstellungen König Peröz' als Jäger 26 fügen Varianten, aber
nichts grundsätzliches Neues hinzu. Es sei denn, daß das Auftreten von
Jagdelefanten27 das Bild der Jagd noch robuster, noch mehr auf Vernich-
tung und Vertilgung gestellt sein läßt. Unter Chusrö I. Anösarvän hört
man erstmals das Lob der Falken. Er „ist ein Gefährte, der angenehm ist im
Gewicht (al-inä'a) und keine Gelegenheit ausläßt, wenn sie sich bietet" 28 .
„Philosophen" sind es, die als Lobredner der Falken auftreten 29 : Falken-
beize, so darf man folgern, war eine geistige, verfeinerte Form der Jagd.
Das Königsbuch, in spätsasanidischer Zeit redigiert, schildert Bahrain's V.
Gör Gefolge als Falkenjäger (oben 2, 48). Auch in der Kunst begegnet jetzt
das Bild des Falkners zu Roß 30 und des Jagdvogels, der die Beute schlägt31.
Der Dichter Imru'ulkais schildert, wie nach einer Liebesnacht, die ihm be-
schieden war, am Morgen der betrogene Gatte mit einem Jagdfalken heim-
kehrt32. Samau'al's Sohn war ausTaimä'ma'a tairin lahu, also einem Falken,
ausgezogen, als er dem gassänidischen Belagerer in die Hand fiel33. Hoch-
geschätzt waren die Falken aus Gurgän, und unter ihnen nehmen die
weißen den ersten Rang ein33®. Sie erscheinen sogar auf chinesischen
Gemälden (Abb. 12).

24 Tabari, ann. 1, 2251, 5f.


25 Menander Prot. fr. 1 1 ; HGM. 2 (1871) Dindorf, 16.
2β K. Erdmann in: Ars Islam. 4, fig. 13—14 zu S. 91.
27 Ebenda fig. 12.
23 Mas'üdi, murüg 2, 31, u f .
29 Ebenda 2, 32, 2f.
30 la. I. Smirnow, Wostocnoe serebro L X X X V I I 1 5 7 ; L X X X I X 160; X C 161; O. v.

Falke, Kunstgesch. d. Seidenweberei4 Abb. 137. Zu mittelpers. bäzdär, arab. bizör


W. Eilers in: Indoiran-Journ. 5 (1962), 224.
31 la. I. Smirnow, a. O. L I V 88; X C 162.
32 Ibn Kutaiba, lib. poes. 56, 20 de Goeje.
33 Schol. Escural. zu A'sä Nr. 25, 1 — 5 p. 126, 9 f. Geyer.
3,4 Mas'üdi, murüg 2, 27, 6 ff.
202 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

Bei seiner Flucht aus Ktesiphon führte Yazdgard III. neben anderen
iooo Falkner und ebenso viele Wächter von Geparden mit sich34. Eine nach-
sasanidische Silberschale38 veranschaulicht, wie dieser lupus cervarius den
Hirsch schlägt. Damit begegnet dem edlen Raubvogel zur Seite diese gra-
ziöse und schnelle Wildkatze, und es nimmt nicht Wunder, beide nebenein-
ander anzutreffen. Denn auch der Gepard kündet davon, daß alles Jagen
unbeschwerter, spielerischer und distanzierter geworden ist. Nicht mehr übt
sich der Mensch, sondern seine Geisteskraft und Geschicklichkeit bewirkt,
daß das Tier seinesgleichen verfolgt und erhascht. Auch die fätimidische
Zeit, persischer Kultur wie wenige verhaftet, hat Falke und Gepard neben-
einander dargestellt36.
Selbst Zweikampf gewinnt jetzt eine neue Form. Fern sind die Zeiten,
da man zu Pferd und mit eingelegter Lanze aufeinander losrannte und den
Gegner niederwarf 37 ; da man über den besiegten Feind hinwegritt38 oder
den Fuß auf seinen abgeschnittenen Kopf stellte39. Als Bahräm Cöbin mit
des Chäkän's Bruder zum Zweikampf antritt 40 , wird dieser allein auf Distanz,
will sagen: mit dem Bogen, ausgefochten. Im Hin und Her der Rede ent-
faltet sich höfisches Spiel, wozu jetzt selbst eine Auseinandersetzung auf
Tod und Leben geworden ist. Man legt Bedingungen fest, läßt dem Gegner
den ersten Schuß, erträgt klaglos den Treffer und bewährt sich bis zuletzt im
Angesicht des Todes. Haltung von gleicher Art zeigt sich auch sonst. Nach ver-
lorener Schlacht zieht Irans Adel den Tod feiger Flucht oder Ergebung vor41.
Zusammenfassung dessen, was Anstand und höfisches Benehmen, was
auch höfische Bildung ist, gibt das Büchlein von Hönig Husraw und seinem
Pagen. Väspuhr hat Yast und Hadöxt, Yasn und Videvdät wie ein Herbai
auswendig gelernt und die Erklärimg (zand) dazu studiert42. Aber daneben
hat er sich mit schöner Literatur, Geschichte und gelehrter Rede befaßt.
34 H a m z a Isfah. 63, 7 G o t t w .
35 l a . I. Smirnow, a. O. L X I 96.
3« O. v. Falke, a. O. A b b . 134.
37 E . Sarre, D. Kunst d. alten Persien T a f . 82—-83; R . Ghirshman in: Art. Asiae
13, 88 f. fig. 4 — 7 .
38 Ε . Sarre, a. Ο. T a f . 70; Sarre-Herzfeld, Iran. Felsreliefs 6 7 f . ; Taf. 5; R. Ghirsh-
man, a. O. 13, 87 fig. 3.
39 Tabari, ann. 1, 819, 5.
40 Altheim-Stiehl, a. O. 1, 219.
41 Tabari, ann. 1, 2345, 8 f.
42 S. 14 § 9. Man mag sich daran erinnern, daß noch Chusrö II. A/Jarvez 12000
H e r b a ö für das „ G e m u r m e l " (Th. Nöldeke, Übers. 353 A n m . 3) unterhielt: Tabari,
ann. 1, 1042, 1.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 203

Gewiß auch kennt man alle Künste der Waffenübung und des Kampfes,
doch dem zur Seite stehen das Spiel von Leier, Guitarre und Zither, Gesang
und Sterndeutung, jede Art von Brettspiel. Der König erhält von dem Pagen
befriedigende Auskunft über feine Speisen, schmackhaftes Geflügel; über
Bereitung von Fleischsülzen, Würzfleisch, Zukost und Kompott; über
Früchte und Wein. Dann läßt sich der Wimderknabe vernehmen über Musik,
Blumenduft, über die beste Frau, die besten Reittiere und anderes mehr.
Dieser Page bezwingt Löwen und widersteht, größere Prüfung noch, der
Versuchung durch eine schöne Frau . . .
Hier hat sich bestätigt, was zuvor erschlossen wurde. Ein spielerisches
Genießen, dazu der Stolz auf ein Wissen, wie es auf jedem Gebiet damit
bestellt sei; eine neue höfische Kultur, den Vorzügen zugewandt, die das
Leben zu bieten vermag. Gewiß hat das Avesta seine Stellung noch inne;
auch die alte Freude am Kampf und Waffenspiel ist nicht geschwunden.
Aber Wildesel, Bergstier, Eber, Gazelle — einst bevorzugte Jagdtiere, wie
die Darstellungen der sasanidischen Silberschalen zeigen — sind jetzt zu
Erzeugern des besten Fleisches geworden43: tierischer Rohstoff einer hoch-
entwickelten Kochkunst. Dem Wildesel, der, mit Luzernen und Gerste ge-
füttert, Speck angesetzt hat44, dem domestizierten Tier also, wird der Preis
des besten Fleisches zuerteilt. Überhaupt nimmt Kulinarisches einen ver-
hältnismäßig großen Raum ein; höchstens Blumendüfte haben ähnlichen
Rang zu beanspruchen46.
Gemahnt die Hochschätzung der Küche an die Bankettszenen der sasani-
dischen Silberschalen4® und daran, daß Yazdgard III. bei seiner Flucht aus
Ktesiphon nicht weniger als iooo Köche in seinem Gefolge hatte47, so das
Bild der Frau an eine berühmte Beschreibung, die HiSäm b. Mohammed
al-Kalbi erhalten hat48. Eine schöne Sklavin wurde einst von König Mundir
III. auf einem Kriegszug gegen die Gassäniden erbeutet und Chusrö I.
AnöSarvän zum Geschenk gemacht49. Ihre einläßliche Schilderung, darin
wenig unerwähnt bleibt, Glanzstück frühester arabischer Prosa, hatte Chusrö

43
S. 21 § 30; S. 23 § 35.
44
S. 21 f. § 3 1 .
45
Weiteres bei A. Christensen, L'Iran sous les Sassanides2 477 f.
4e
R. Ghirshman in: Artibus Asiae 16 (1953), 5 i f .
47
Hamza Isfah. p. 63, 6f.
48
Bei Tabari.ann. 1, 1025, i8f.; vgl. 1016, 10.
48
Tabari, ann. 1, 1025, i6f.
204 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

entgegengenommen und in seinen dawäwln bewahren lassen 50 . Man bediente


sich dieses schriftlichen Lobpreises, wenn ein K ö n i g nach ähnlich voll-
kommenen Frauen für eignen Bedarf suchen ließ 8 1 .
Kehrseite dieses Erotisierung des allgemeinen Lebensstiles bildete frei-
lich, daß in Zeiten von Krieg und Gefahr keine Frau auf Achtung oder auch
nur auf Schonimg hoffen durfte. Hatten sich schon Mazdak's Anhänger an
allen edlen Frauen vergriffen®2, so wiederholte sich das Schauspiel bei
Sahrbaräz Erhebung 6 3 . W a s sich daheim und in der Hauptstadt abspielte,
galt in noch höherem Maße von den fremden und Grenzgebieten, die sas-
nidische Heere heimsuchten. Im Sawäd hallte alles von Klagen wieder, und
die Beschwerden richteten sich gleichermaßen gegen Befehlshaber wie gegen
Gemeine 64 .
D a s Bild rundet sich ab, sobald man die Musik und den Tanz mit ein-
bezieht. Zunächst ist nochmals Bahräm's V . Gör als Vorläufers (oben S. 197)
zu gedenken. N a c h Mas'üdi 6 6 hatte ArdaSer I. angeblich vier Rangklassen
— Wezire, Möbaö, Spähbad und Marzbän — geschaffen. Ihnen fügte er drei
weitere hinzu. Sie enthielten die Sänger (muganniyün) sowie die übrigen
Spaßmacher (mutribün) und Vertreter der musikalischen Künste 6 8 , so daß
es insgesamt sieben Klassen 6 7 wurden. Bahräm V . nahm eine augenfällige
Änderung unter den Sängern vor. Soweit diese der mittleren und unteren
Klasse angehörten, wurden sie in die jeweils höhere versetzt 6 8 . Erst
50 Tabari, ann. 1, 1026, i6f. Wieviel weniger geraten ist demgegenüber die Schilde-

rung bei 'Amr b. Kultüm, Mu'all. 5, 13 f. Überhaupt konnte im vorislamischen Arabien


die Beziehung zwischen Mann und Frau mit unerhörter Eindeutigkeit behandelt werden.
Ein Beispiel: „ E s war Imru'ulkais (der Dichter) schön und ansehnlich und trotz seiner
Schönheit und Gefälligkeit verhaßt, denn nicht mochten ihn die Frauen, nachdem sie
ihn kennengelernt hatten. Er sagte zu einer Frau, die er geehelicht hatte: was verab-
scheuen die Frauen an mir ? und sie antwortete: sie verabscheuen an dir, daß du schwer
an der Brust und leicht am Hintern bist, schnell mit dem Samenerguß und langsam
beim Wiedererstarken. Und er fragte eine andere Ähnliches, und sie antwortete: sie
verabscheuen an dir, daß du bei der Begattung den Geruch eines Hundes ausströmst"
usw. (Ibn Kutaiba, Lib. poes. et poet. 47, 21 f. de Goeje).
51 Tabari, ann. 1025, i f .
52 Altheim-Stiehl, a. O. 1, 30; 132.
53 Altheim-Stiehl, a. O. 1, 152.
64 Tabari, ann. 1, 2023, i6f.; 2254, 1 7 !
65 Murüg 2, 156, 6f.; Altheim-Stiehl, a. O. 1, 165.
58 Mas'üdi 2, 157, 5f.
57 Mas'üdi 2, 156, 6.
58 Wir geben dieser Deutung den Vorzug vor der A. Christensen's, L'Iran sous les

Sassanides2 371 Anm. 2—3; 402 Anm. 4; 403 Anm. 1. Auch Gähiz gibt drei Klassen von
Musikern und Sängern: kitäb at-täg (Kairo 1914) 25f.; dazu A. Christensen, a. O. 63; 72.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 205

Chusrö I. AnöSarvän stellte Ardaser's I. vermeintliche Ordnung wieder


her. Auch die Einführung der Zigeuner aus Indien wird Bahräm V. zuge-
schrieben69. Aus der Folgezeit kennt man die beiden Musiker und Kompo-
nisten Chusrö's A/Jarvez: Sarkas und Bärbai 8 0 . Daneben beeindruckt die
unverhältnismäßig lange Reihe der Instrumente, die König Husraw's Page,
beschlagen wie immer, aufzuzählen weiß61. Sie begegnen zudem auf dem
sasanidischen Silbergeschirr, kaum geringer an Zahl 82 . Überhaupt sind dessen
Verfertiger nicht müde geworden, bei den Bankettszenen auch die dabei be-
schäftigten Musiker dazustellen63.

Weniger beachtet wurden bisher die Tänzerinnen. Und doch ist die Zahl
ihrer Darstellungen nicht gering". Beachtenswert ist ihr nacktes Auftreten,
zumindest in einer Reihe von Fällen. Ein bisher unveröffentlichter ägyp-
tischer Stoff etwa des 7. Jahrhunderts® 6 gibt neben einem Entenfries spät-
sasanidischen Gepräges zwei nackte Jongleusen an hängenden Ringen. Ihre
Beinstellung wiederholt ein bekanntes Motiv indischer Kunst· 8 . Gab Indien
das Vorbild ab ? Elfenbeinschnitzereien aus dem beginnenden 4. Jahrhun-
dert, die in Begram gefunden wurden67, zeigen Tänzerinnen, deren kunst-
volle Bänder um die Hüften, mehr entblößend als verdeckend68, Leon Bakst

st
Th. Nöldeke, Übers. 98 Anm. 3 ; 108 Anm. 1 ; A, Christensen, a. O. 2 277.
β0
A. Christensen, L'Iran sous les Sassanides 2 484 f.
« S. 28f. § 62—63.
• 2 l a . I. Smirnow, a. Ο. X V I 39; X X I 48; X X X V 64; X X X V I 65; X X X V I I 66;
E . Sarre, a. O. Tai. 109; 1 1 0 ; 1 1 6 ; 133.
,s
R . Ghirshman, Artibus Asiae 16 (1953), 5 9 f . ; derselbe in: Ars Oriental. 2
(1957), 7 7 f . ; vgl. D. Schlumberger in: Syria 25 (1946—48), 88f. (nachsasanidisch, aus
omaiyadischer Zeit). Dazu mag man die Musikinstrumente vergleichen, die im Sösöin
von Nara aufbewahrt sind: Mosaku Ishida u. Gunichi Wada, The Shosoin, an Eighth
Century Treasure House (japan., mit engl. R i s u m i , Tökyö 1954), Tai. 1 ; 3 ; 3 1 .
** Ia. Smirnow, a. Ο. X V I I fig. 3; X L V 78; X L V I 80; X L V I I 8 1 ; E . Sarre, a. O.
Taf. 129; 1 3 1 ; dazu R . Ghirshman in: Artibus Asiae 16 (1953), 5 2 f . Ähnlich am Hof der
T'ang: B . Gray in: Loan Exibition of the Arts of the T'ang Dynasty 1955, pi. 6 a—d.
Jetzt: 2iwopisi» drewnego Pjandiikenta (Moskau 1954) Taf. X X X I V . Silber aus
Kaläi Dast, Zeit Kavä6's I., bei L. Vanden Berghe, Arch<5ol. de l'Iran ancien (1959) 6.
Nackttänzerinnen bezweifelt K . Erdmann in: OLZ. 1959, 182.
• 6 Berliner Privatbesitz. Mehr bei R . GhiTshman, Bichapour 2 (1956), H 3 f .
· · H. Mode verdanken wir den Hinweis auf die in 'Oman (in der Festung SMR,
30 Meilen östlich von Salala in Zofar) gefundene Statuette eines indischen Tanzmäd-
chens (2. Jahrh. n. Chr.): F . P. Albright in: Archaeology 1954, 254.
17
J . Hackin, Recherches archiol. ä B i g r a m (Mim. dilig. archiol. fran;aise
Afghan. I X ) ; zur Datierung S. 22.
«8 J . Hackin, a. O. pi. X X I X — X X X I I ; L V — L X uam.
206 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R

oder seinesgleichen Ehre gemacht hätten. Und das Spiel der Hände89 mag
dem nicht ungleich sein, das man an Mrinalini Sarabhai bewundert70. Auch
an die Fresken von Ajantä und ihre himmlischen Tänzer und Musiker,
Apsarasen und Gandharva's mag erinnert werden, fallen doch ihre wichtigsten
Darstellungen gerade in die letzten Jahrhunderte der sasanidischen Kultur 71 .
Hier sind anzuschließen jene Malereien, die den spätsasanidischen Ritter
nach Tracht und Gehaben vor Augen stellen. Die Fresken von Turfan
zeigen eine jüngere Schicht, deren Inschriften auf türkisch verfaßt sind und
deren Stifterfiguren türkische Namen und Titel tragen. Älter sind die Ge-
mälde „tocharischen" Stils, deren Ritter durch enge Taillen und Klappen-
röcke sich auszeichnen; dazu gehören die „tocharischen" und sakischen
Handschriften72. Schon A. v. Le Coq73 erkannte, daß Klappenrock, Hosen
und Stiefel, das aus Scheiben bestehende Wehrgehänge mit dem an zwei
Anhängeschnüren befestigten Kurzschwert, dem für beide Hände einge-
richteten Langschwert sasanidischen Ursprungs waren74. Schlanker und
hoher Wuchs, eine enganliegende und fast stutzerhafte Tracht, gespreizter
Stand auf den Zehen75 und zierlich-höfische Gebärde unterscheiden diese
Ritter vorteilhaft von den schweren, ungleich massiveren Gestalten der sa-
sanidischen Felsreliefs'6. Die verschiedenen Kostüme, über die die letzten
Sasaniden verfügten, wurden nach Ktesiphons Fall in Medina zur Schau ge-
stellt. Man wählte den größten Mann der Stadt, um sie nacheinander vor-
zuführen77. Eine Abteilung des persischen Heeres trug gar grüne Kleidung78,

·*. J. Hackin, a. O. pl. LV 157—158; L X V I I 175; LVIII 176; L I X 181; L X 182.


7 0 A. L. Haskeil, Baron Encore S. 34—39.
71 H. Zimmer, The Arts of Indian Asia 1, i 8 6 f . ; 2, 152; 170.
72 A. v. Gabain in: Asiatica Festschr. F. Weiler 170.
73 Bilderatlas zur Kunst und Kulturgesch. Mittel-Asiens fig. 8; 10; 15; 86; vgl.

R. Ghirshman, Iran (Pelican Book 1954) 339! 34° f'8· 1 0 8 ; G. Widengren in: Arctica
11 (1956), 273f.
74 Vermutlich meint dies Tabari, ann. 1, 2450, 5: bi-saifi hisrä . . . wa-mintakatihi

wa-zibrigihi, alles Dinge, die nach Medina gesandt wurden. Wieweit sich das sasani-
dische Wehrgehänge mit den awarischen berührt, die jüngst G.Läszlö aus den Funden
der Fürstengräber rekonstruiert und glänzend gedeutet hat (Archaeol. Hungar. 34,
1955, 158f.; 22of.; 2 6 i f . ; 263f.; 272; 278t.), vermögen wir nicht zu überblicken.
7 5 A. v. Le Coq, a. O. fig. 5—8; 1 1 ; 18; 20. Eine bestimmte Schnurrbarttracht er-

wähnt Tabari, ann. 1, 1573, i 2 f .


7 6 Man vergleiche indes die untere Reihe rechts bei Säpür's I. Relief in Biääpür

(E. Sarre, a. O. Taf. 75; R. Ghirshman, a. O. 295 fig. 86) mit A. v. Le Coq, a. O. fig. 8
und 11, wo dieselbe Haltung erstrebt wird; vgl. G. Widengren, a. O. 25öf.
7 7 Tabari, ann. 1, 2454, 11 f.
7 β Härit b. Hilliza, Mu'all. 7,56.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 207

war also einheitlich ausgestattet. Yazdgard III. wird bei seinem Auftreten
in der Mühle von Merw beschrieben: wa-huwa ragulun gadun (friesiert),
makrünun (mit zusammengewachsenen Augenbrauen), hasanu t-tanäyä (mit
schönen Vorderzähnen), mukarratun (Ohrringe tragend), musawwarun (mit
Armbändern versehen). Die Spur des toten Königs wird am Duft des Moschus
entdeckt 79 . Uberall scheint es, als trete man in eine neue Welt. Dasselbe gilt
von den Kriegern der Turfanfresken: ihr schnittiger Lamellenpanzer sasanidi-
scher Form 80 , ihr auf Taille gearbeiteter „caftan cuirass" setzen sich von der
plumpen Masse des Ritters von Täk-i Bustän ebenso ab wie das Feuer ihrer
Pferde von dem gedrungenen Bau seines Hengstes81. Auch die Damen
— in ausgeschnittenem, enganliegendem Mieder, bauschigem Schlepprock,
Blumen und Guirlanden in den Händen — verraten das neue Formgefühl.
Der Duft der gelben Herik-Blume oder der gelben Samaw-Pflanze sei wie
der Duft der edlen Frau, der des Veilchens gleiche dem der Mädchen, be-
merkt König Husraw's Page82. Die schlanke Taille, eine ausgeprägte Brust
(Quitten gleichend, wie derselbe Keimer versichert83), entsprechen erneut
dem, was die Fresken darstellen84. Die Mitren der Vornehmen (kalänisuhum)
waren mit Edelsteinen inkrustiert (mufa^sa^a)8S.

Äußere Ausstattung und das Prunken im Auftreten hat diese Zeit be-
stimmt. Was beim Adel sich äußerte, hatte das Königtum vorweggenom-
men. Ein Wimderwerk muß die Krone Chusrö's II. Aßarvez gewesen sein,
die den Arabern bei der Eroberung Ktesiphons in die Hand fiel84. Anschei-
nend war sie so schwer87, daß sie nur von zwei edelsteingeschmückten Säulen

' · Tabari, aim. ι , 2880, 7 f.; n f .


80 A . v . Le Coq, a, O. 11. Jetzt ist der Panzerreiter eines soghdischen Gemäldes
aus Pangikant hinzugetreten: Α . I. Jakubowski in: P o sledam drewnich kultur (1951)
258. E r gleicht den Rittern bei A. v . Le Coq, a. O . fig. 6 5 — 6 6 . Jeder König oder Feld-
herr h a t t e seine persönliche Rüstung, sein persönliches Schwert, wie aus dem Bericht
f a b a r l ' s , ann. 1, 2447, 3f. hervorgeht. V g l . A . Christensen, L ' I r a n sous les Sassanides 2
505. Für Pangikant j e t z t : Ziwopisb drewnego Pjandzikenta. T a i . V ; X X V ; XXXV.
Dort auch Beispiele für zuvor Genanntes.
81 A. v . Le Coq, a. O. fig. 3 2 — 3 3 .
ο* S. 32 § 7 5 ! S. 33 § 7 8 ; 82.
88 S. 36 § 96.
84 A . v . Le Coq, a. O. fig. 19; 22.
85 Tabari, ann. 1, 2025, 3 f.
88 In K . Erdmann's Arbeit über die sasanidische Krone haben die gleich anzufüh-
renden Zeugnisse keine Erwähnung gefunden (in: Ars Islamica 1 5 — 1 6 , 1951, 87f.).
87 Die hängende Krone (K. Erdmann, a. O. 1 1 4 f.) beruht auf der gleichen Voraus-
setzung.
208 F R Ü H - U N D SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

getragen werden konnte88. Diese wiederum waren von zwei Bildwerken ge-
krönt. Einmal einem goldenen Pferd mit silbernem Sattel und silberge-
faßten Edelsteinen und Smaragden an Bug, Kruppe und Zaumzeug; darauf
ein silberner, mit Edelsteinen geschmückter Reiter. Und auf der anderen
Säule stand ein silbernes Dromedar mit goldener Decke und goldenem Gurt;
auch hier war das goldene Zaumzeug mit Edelsteinen besetzt, der goldene
Reiter mit Perlen89.
Eben das spätsasanidische Kunsthandwerk in Gold und Silber hat eine
weltweite Wirkung ausgeübt. Was darüber von anderen gesagt wurde, be-
darf hier nicht der Wiederholung80. Hingegen sind noch zu nennen Weberei
und Kunsthandwerk, Buch und Miniaturmalerei, endlich das Email.
Zur neuen Form des Auftretens gehört der Teppich. Auf teppichge-
schmückter Tribüne sitzend, hält Chusrö's I. AnöSarvän Schreiber die Muste-
rung des Heeres ab. Darin ist er Abbild des Königs, der in ähnlicher Weise
die Handlung vornimmt91. Chusrö II. A/Sarvez „hatte unter sich eine drei-
fache Decke von goldgesticktem Königsbrokat (dibäg husrawänt), die auf
seidenem Teppich lag (bisät min ibrtsam), und saß hingelehnt auf drei gold-
durchwirkten Polstern. In der Hand hielt er eine ganz runde, gelbe Quitte"92.
Auch untergeordnete Stellen besaßen Teppiche vor ihrem sarir9S. Man mag
damit die Stroganoffsche Silberschüssel94 aus sasanidischer Zeit vergleichen.
Mindestens Teppich und Polster sind deutlich. Auf Teppichdarstellungen
der Turfanfresken hat bereits J. Strzygowski96 hingewiesen, auf eine andere
des Täk-i Bustän E. Herzfeld99.
Unter Churrö II. Aßarvez erstieg die Fertigung kunstvoller und großer
Teppiche ihren Höhepunkt. Ta'älibi97 beschreibt die vier Teppiche des
8
* Tabari, ann. i, 2446, 11 f. Als sie in die Hand der Muslim geiallen war und in
Medina ausgestellt wurde, geschah dies auf zwei hölzernen Säulen. Ein Araber, der
die königliche Gewandung trug, trat unter sie (fa-ulbisa tä§a kisrä 'alä 'amüdainimin
haüab) 2454, 13 f.
89
Tabari, ann. 1, 2448, 8 f.; vergl. A. Survey of Persian Art 4, 240 Α. Zum altper-
sischen vistarbara- „Teppichträger": H. Eilers, Iranische Beamtennamen 1, 81 f.; l o i f .
90
Letzter Fund R. Ghirshman in: Ars Orientalis 2 (1957), 77*·. besonders 8if.
91
Tabari, ann. 1, 963, 18 bisätu süsangird. Dazu G. Hoffmann, Auszüge aus d. syr.
Akten persischer Märtyrer 26; Altheim-Stiehl, a. Ο. i, 136.
92
Tabari, ann. r, 1048, lyi.
98
Baläduri 311, 13 f.
94
E. Sarre, a. O. Taf. 109.
95
Altai-Iran und Völkerwanderung 158 f.
98
Am Tor von Asien 137 f.
· ' p. 699 Zotenberg.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 209

taxt-i täkdis98, und großartiger noch war der vahär-i Xusrö „Frühling
Chusrö's" 89 , von den Arabern al-kitf genannt. Tabari 100 beschreibt diesen:
„sechzig mal sechzig Ellen als ein einziger Teppich nach dem Maß seiner
Fläche, darauf die Wege Figuren 101 bildeten, die trennenden Teile Flüsse,
die zugehörigen Zwischenräume Hügel. Auf seinem Rand besäte Erde mit
Frühlingswuchs aus Seide gegenüber Zweigen aus Gold, und seine Blüten aus
Gold, Silber und Ähnlichem." Oder, wie es an späterer Stelle102 heißt: „Es
war, als befinde man sich im grünenden Garten: ein Teppich von sechzig zu
sechzig (Ellen), dessen Erde durch Gold gebildet wurde (während die Farbe
an den trennenden Teilen, bi-l-fusüs, war), seine Früchte durch Edel-
steine und seine Blätter durch Seide, dazu Wasser aus Gold 103 ."
Uberhaupt liebte die Kunst, nachdem das Felsrelief zurückgetreten war,
weniger das Monumentale als das Gefällige, schätzte den künstlerisch geform-
ten Gebrauchsgegenstand und jede Art kostbarer Materialität. Nicht nur der
Teppich, auch Seide und Brokat 104 waren beliebt, dazu Silbergeschirr und
Bronzekannen, tauschierte und getriebene Arbeit, inkrustiert mit Perlen und
kostbaren Steinen.
Auf die Frage des Täynämeh — darauf, wie sich das im Fihrist 105 er-
wähnte kitäbu t-täii wa-mä tafa"alat bihi mulükuhum zu dem gleichfalls
dort erscheinenden10® kitäbu t-täii ft strati anöSirwän verhielt 107 — braucht
nicht eingegangen zu werden. Es genügt, daß Mas'üdl in Istahr bei einem
vornehmen Perser ein Buch persischer Geschichte sah, das die Bildnisse der
Sasaniden enthielt. Ob jung oder alt gestorben, jeder wurde so wiedergegeben,
• 8 A. Christensen, L'Empire des Sassanides 2 466!.; Ph. Ackermann, A Survey of
Persian A r t 1, 776.
· · A . Christensen, a. O. 474; A . U. Pope, A Survey of Persian Art 3, 2273f.; vgl.
Tabari, ann. 1, 2453, 6.
100 Ann. i , 2452, 7 f .
101 Turuk, fusüs, hiläl sind die herkömmlichen, hier figurierten Ornamente, /ays
eigentlich „Inkrustation".
102 Tabari, ann. 1, 2453, 8 f.
103 A . Christensen's und A. U. Pope's Wiedergaben zeigen, daß sie Tabari mißver-
standen haben. Neben dem Original kommen die persischen Ubersetzungen nicht in
Betracht. Zuletzt R . Ghirshman, Bichäpour 2 (1956), I45f.
104 Über einen seiner Namen W . B. Henning in: Transactions of the Philol. Soc.
1945. i 5 ° f ·
104 i , 305, 11 Flügel.
108 118, 28.
107 A . v. Gutschmid, K l . Schriften 3, 35f.; i 5 o f . ; Η. Η . Schaeder in: Jahrb. d.
preuß. Kunstsamml. 15, 2 3 i f . ; A. Christensen, L'Iran sous les Sassanides 2 66f.; zuletzt
Κ . Erdmann in: Ars Islamica 15/6, 89 Anm. 10.

14 Althelm, Hunnen Υ
210 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

wie er am Tage seines Todes aussah: in Kleidung, Krone, Barttracht und


Gesichtszügen; dann wurde dieses Bildnis im Schatzhaus niedergelegt108:
Mas'üdi fügt hinzu, jenes von ihm gesehene Buch sei eine Kopie des Exem-
plares gewesen, das im Schatzhaus der Perser gefunden und für den Kalifen
Hiääm b. 'Abdi 1-Malik aus dem Mittelpersischen ins Arabische übersetzt
wurde109. Die Bilder waren in seltenen Farben gemalt, „dergleichen man
heute nicht mehr findet", mit aufgelöstem Gold und Silber, mit gestoßenem
Kupfer 110 . Auch der Qualität des purpurfarbenen, sehr dünnen Papiers oder
Pergaments wird rühmend gedacht 111 . Ein ähnliches oder dasselbe Buch
wird Hamza von Isfahan in dem Bilderbuch der Sasaniden (kitäbu suwari
mulüki bant säsän112) zur Verfügung gestanden haben.
Die ausgewählten Farben metallischer und wohl auch mineralischer Her-
kunft gemahnen an Wirkungen, die sasanidische Seidenweberei anstrebte.
Diese Seide hatte nichts zu tun mit dem fließend-durchsichtigen, gleichsam
enthüllenden Gewebe: sie war steifer, prunkvoller Brokat (dibäg). Dessen
dichtes und schweres Gewirk hatten eingewobene Metallfäden noch dichter
gemacht 113 , und die Fläche bedeckte sich mit mancherlei Getier: Greifen,
Adlern, Ebern und Löwen; selbst der Elefant fehlte nicht 114 . Dazu Helden
und Herrscher zu Roß, den Bogen spannend — alles in kräftig-ungebroche-
nen Tönen, unter Verwendimg von Purpur, Gold und Silber. Eine zugleich
üppige und fabulöse, bunte und bewegte, aber auch kostbare Welt breitete
sich in farbiger Fläche aus.
Hier schließt sich das Email an. In ihm erhielt, was sich in Buchmalerei
und Brokat anmeldete, seine Krönung. Es vereinten sich Farbigkeit und
kostbare Leuchtkraft, geweckt durch die edle Stofflichkeit des Minerals,
geläutert durch den Schmelzprozeß und gesteigert durch den Schimmer des
unterlegten Goldes.
Email hat eine lange Geschichte, und erst zuletzt mündet sie in den
Bereich ein, um den es hier geht. Mit dem 3.—4. Jahrhundert kündigt sich
das Kommende an: im Belag weinroter Almandinen, mit denen die Goten
die Goldfolie ihres Geschmeides überzogen; in den wechselnden und unge-
108 tanblh 106, ι ο ί . de Goeje.
109 106, 1 7 I
110 107, 2 f.
111 107, 4 f .
112 48, 7.
118 Tabari, ann. 1, 2446, 12 f.
114 O. v. Falke, a. O. Abb. 97—98; E. Herzfeld, Am Tor von Asien i26f.; 132f.
8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 211

brochenen Farben des Grubenschmelzes, darin sich die kaiserzeitliche Kunst


der Kelten gefiel118.
Ins 4. Jahrhundert fällt der goldene, mit dunkelroten Hyazinthen aus-
gelegte Gürtelbeschlag von Wolfsheim bei Mainz, dessen mittelpersische
Inschrift den Namen artaxSadr enthält118. Mit der Erfindung des Zellen-
schmelzes erstieg diese Kunst die höchste Stufe. Originalarbeiten sasani-
discher Emailkunst sind nicht erhalten. Faßbar ist diese nur in Brechungen
wie in den emaillierten Teilen der Goldkanne von St. Maurice d'Agaune 117
oder der Rückseite eines Spiegels im Sösöin von Nara118. Mag man das
zuerst genannte Stück den Mailänder Werkstätten zuweisen119, das zweite
dem ostasiatischen Kunstkreis, so spiegeln doch beide unzweifelhaft die uns
verlorene Art des spätsasanidischen Zellenschmelzes120. Auch die Risano-
Kapsel im Ashmolean-Museum in Oxford121 und die Campana-Fibel des
Louvre122 reihen sich dem gleichen Zusammenhang ein123.
Hinzugekommen ist jetzt die große „hanging-bowl" des Schiffsgrabes
von Sutton Hoo124, aus der Mitte des 7. Jahrhunderts126. Ihre acht runden
und eckigen Einsätze sind mit rotem und grünem Cloisonne und Millefiori-
Glas geschmückt126. Das Stück ist keine östliche Arbeit, sondern entstammt
115 Literatur bei F . Altheim, Niedergang d. Alten Welt 2, 357f.
116 E . Sarre, a. O. 53; A b b . 16. Natürlich nicht Ardaser I., sondern Name des Ver-
fertigers oder des Besitzers. Über die kunstgeschichtliche Stellung des Stückes vergl.
jetzt die Darlegungen N. Fettich's in: Archaeol. Hungar 32, 141; 157; 185f. — ge-
schrieben von einem hervorragenden Kenner.
1 1 7 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 323f., gegen A . Alföldi in:

Zeitschr. Schweiz. Archaeol. und Kunstgesch. 10, i f .


1 1 8 Mosaku Ishida u. Gunichi Wada, a. O. T a i . 126. Die Übereinstimmung der Ro-

sette auf der Rückseite des Spiegels mit den Rosetten auf den Emailkalotten unserer
Kanne ist nicht zu übersehen.
u " A. Kollautz in: Saeculum 5, 142, der auf K . Dinklage, Karolingischer Schmuck

aus dem Speyerer und Wormsgau, in: Pfälzer Heimat (1954) verweist.
1 2 0 Nicht erkennbar ist dies bei dem kaukasischen Email, worüber zuletzt N. Mav-

rodinov, Le Trisor Protobulgare de, Nagyszentmiklös (Arch. Hung. 29) 177 f. gehandelt
hat. Das Sasanidenreich als Ursprungsland des Zellenschmelzes betrachtet auch E. Mar-
gulies, A Survey of Persian Art 1, 779 f.
1 2 1 M. Rosenberg, Geschichte der Goldschmiedekunst. Zellenschmelz 3, 29.

1 2 2 Μ. Rosenberg, a. Ο. 30.

1 2 3 Die Risanokapsel mit ihrem Löwen auf der Vorderseite entstammt spätestens

dem Beginn des 7. Jahrhunderts. Demgegenüber gehört die Staurothek aus P. Morgan's
Besitz im Metropolitan Museum erst um 700 (M. Rosenberg, a. O. 38) oder gar ins 8. bis
9. Jahrhundert (Art Treasures of the Metropolitan, 1952, A b b . 50—51 und S. 221).
1 2 4 R . L. S. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial (London 1951).

1 2 5 a. O. 42 f.

1 2 6 a. O. 21 f.; Plate 9 a und 10.

14·
212 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

einer mitteleuropäischen Werkstatt, Irland oder dem Nahen Osten187.


Letzte Nachwirkungen spät- und nachsasanidischer Ornamentik drängen
sich auch in diesem Falle auf1®8.
Der Fihrist (360, 1 f. Flügel) erwähnt von Ishäk b. Nusair die Kunst der
talwihät und taläwih sowie eine darauf bezügliche Schrift. Wenn J. Fück's
Vermutimg 129 zutreffen sollte, daß es sich dabei um Herstellung von Email
und Glasflüssen handelt, hätte man das erste, etwa aus dem 10. Jahr-
hundert stammende Handbuch.

NACHTRAG 1

Auf religiösem Gebiet entspricht dem bisher Gesagten die Abwendung


von der zarathustrischen Orthodoxie zugunsten grundsätzlicher Duldung
und einer weitgehenden, philosophisch begründeten Skepsis. Beides trat
erstmals unter Chusrö I. Anöäarvän hervor und blieb auch unter seinen
Nachfolgern gültig. Das Wichtigste ist bereits 3,85 f. bemerkt worden. Was
an Nachträgen hier folgt, ist, wenn nicht anders gesagt, Guidi's syrischer
Chronik entnommen.
Unter Chusrö II. Parvez nahm die Stellung der Nestorianer an Bedeu-
tung eher zu. Der König selbst brachte dem Katholikos Sabrßö' Verehrung
dar, und dasselbe galt von den beiden Gattinnen christlichen Glaubens, der
Aramäerin Sirin und der oströmischen Kaisertochter Maria (1, 17, 21 f.).
Chusrö freilich soll solche Achtung vor dem Christentum nur um des
Scheines willen gezeigt haben, aus Rücksicht auf seinen kaiserlichen Schwie-
gervater Maurikios; in Wirklichkeit habe er es gehaßt (1, 21, 24f.). Des
gleichen Königs Leibarzt Gabriel war Monophysit, wünschte aber Nesto-
rianer zu werden (1, 19, iof.). Wegen seiner beiden heidnischen Frauen
wurde ihm dies verweigert, und der so Zurückgewiesene vergalt dies den
Nestorianern mit folgenschwerem Haß (1,21,28f.; 23,1 f.). Hingegen war die
Stütze der Nestorianer am Hof Yazdin, den Tabari (ann. 1, 1060, 17 de
Goeje) Vorsteher des Zehnten der Länder nennt, die Chusrö II. Parvez
Untertan waren. Schwerüch war er ein „Direktor der Grundsteuer" 1 , denn
1 2 7 a. O. 21; über koptische Einflüsse P. Paulsen in: Tribus. Jahrb. d. Linden-

Museum Stuttgart 1952/3, 152; M. P. Hornik in: Arte del primo Millennio, Atti del
Convegno di Padua 1950, 321 f.
1 2 8 la. I. Smirnow, a. O. L X I X 121; C I X 263 uam.

1 2 9 In: Ambix 4 (1951), 142.

1 Th. Nöldeke, Übers. 383.


8. D I E S P Ä T S A S A N I D I S C H E KULTUR 213
diese wurde nach anderem Satz erhoben 2 . Der „Zöllner Y a z d i n " , ein Vor-
fahre des Genannten (Barhebraeus, hist. eccl. 2, 71, i f . Abbeloos-Lamy),
zeigt, in welcher Richtung auch des jüngeren Y a z d i n Tätigkeit gegangen
sein mag 3 . E r brachte seinem König jeden T a g 1000 Statere ein (i, 23, 23f.).
Y a z d i n wird in der Chronik mit der größten Achtung genannt: ein Vertei-
diger des Glaubens gleich den Kaisern Konstantin und Theodosios I., ein
Stifter von Kirchen und Klöstern (1, 23, i 6 f . ) . Als bei der Eroberung Jeru-
salems 614 die Kreuzesreliquie in persische Hand fiel, nahm sie Y a d z i n
entgegen, ebenso die dort geraubten Gefäße (1, 25, 17f.). E r stiftete ein
Stück dieser Reliquie, kostbar gefaßt, einem Kloster (1, 24, i2f.).Yazdin
erhielt v o m König die Erlaubnis, zur Wiederherstellung der zerstörten Kir-
chen Jerusalems beizutragen. Die melkitische Überlieferung hat diesen Bei-
trag zugunsten der Verdienste des Mönches Modestus (oben S. 140t.) ver-
schwiegen.
Schließlich sind Einzelheiten zum Gestirnsglauben nachzutragen, der
unter den letzten Sasaniden an Boden gewann (oben 3, 93f.). Zum Palast
von Ganzak hat A. Boethius 4 manchen Vergleichsstoff zusammengebracht.
Gabriel, Rufinus' Sohn und Metropolit von Nisibis, mußte von seinem Sitz
weichen, da er sich ausschließlich der Beobachtung des Gestirnslaufes und
der Zeichen des Zodiakus widmete (1, 17, 28f.). A u c h auf die Christen griff
der Gestirnsglaube über. Dementsprechend hört man, daß, wer v o m Zara-
thustrismus übertrat, nicht nur Ohrmazd, sondern auch den Gestirnsgott
Saturnus (Kewän) zu verfluchen hatte (1, 23, I 2 f . ) .

NACHTRAG 2

Die Nachricht, daß Y a z d i n seinem Herrn jeden T a g 1000 Statere ein-


gebracht habe (vgl. oben), ist in unserer Finanzgeschichte der Spätantike
(1957) nicht berücksichtigt worden. E s bleibt zu fragen, was unter Stateren
zu verstehen sei. Uber den sater hat zuletzt W . B . Henning in: B S A O S . 24
(1961), 3 5 4 gehandelt, unter Berufung auf Mordtmann und, wie immer,
ohne Kenntnis von R. Gobi's grundlegender Darstellung (bei Altheim-
Stiehl, Ein asiatischer Staat 1, 1 9 5 4 , 5 i f . ) . Nimmt man, Göbl (a. O. 96f.)
folgend, einen schweren Denar an, wie er unter Chusrö II. ParvSz wenigstens
2 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 46.
3 Über diesen Th. Nöldeke, Übers. 358 Anm.; 383 Anm. 3; O. Klima in: Byzantino-
slavica 22 (1961), 18 Anm. 5.
1 The Golden House of Nero (i960) 119 f.
214 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R

in einem Stück belegt ist, so kommt man, unter Zugrundelegung eines Wertes
von 20—25 Goldfrancs, auf rund 8000000 Goldfrancs im Jahr. Dies wäre,
wenn man die Nachricht voll bewerten will, ein Betrag, der sich einiger-
maßen in einer Größenordnung bewegt, die den Einnahmen Chusrö's II.
Aßarvez (zuletzt 516000000 Goldfrancs) entspricht.

NACHTRAG 3

Während des Satzes erhielten wir, durch die Güte des Verfassers, W.
Eilers Untersuchung „Iranisches Lehngut im arabischen Lexikon" in:
Indo-Iranian Journal 5 (1962), 203 f. E s fällt auf, daß in der Sprache
des Koran jene iranischen Lehnwörter, die Luxuswaren oder doch solche
bezeichnen, die einem erhöhten Lebenstand entsprechen, vergleichsweise
zahlreich sind. Auch dies weist auf die Besonderheit der spätsasanidischen
Kultur hin.
Aus Eilers Zusammenstellung a. 0 . 204 f. seien angeführt:
isiabrak „Seidenbrokat", neupers. istabra.
rauda f. „Garten" aus* röday „Flüßchen, Flußland, Flußbezirk".
zaräbi (koll.) „reiche Teppiche", aus* zarräb „Goldglanz; goldglänzend".
Dazu das oben S. 208 f. über die spätsasanidischen Teppiche Gesagte.
sirbäl „Gewand" aus sarbäl, τ ά σαράβαρα zu neupers. Sal „Schenkel".
Daneben späteres Sirwäl, Plur. saräwtl „Beinkleid".
surädik „Sonnensegel, Zeltplane" aus sräday, srdd', neupers. sarä{i). Vgl.
oben S. 200.
sard „Kettenpanzer" aus parth. zraö, avest. zräöa-; syr. zardä Αλυ-
σιδωτός. Dazu Altlieim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 117 f.
kanz „Schatz" aus mittelpers. und neupers. ganz, gang. Dazu späteres
hazna, (Dozy 1, 368 r.) aus parth. γαζη.
namrak (mmrik, numruk) „Kissen" zu parth.* namray, mittelpers. narm,
avest. namra- „weich".
9. K A P I T E L

„DIE M E I N U N G E N
DER W E I S E N P H I L O S O P H E N "

Als drittes Stück seiner „Chrestomathia Aethiopica" (1865) veröffent-


lichte A. Dillmann Teile aus dem Werk Mashafa faläsfä tabibän1. Er hatte
es bereits bei der Abfassung seines 1864 erschienenen „Lexicon linguae
Aethiopica" benutzt und dabei die Tübinger Papierhandschrift von 84 Blät-
tern zugrunde gelegt 2 . Für die Chrestomathie indessen bediente sich Dillmann
einer Pergamenthandschrift von 110 Blättern, die aus dem BesitzE.Rüpells
in die Frankfurter Stadtbibliothek gelangt war 3 .
Ein Jahrzehnt später erschien C. H. Cornill, Das Buch der weisen Phi-
losophen (1875), ein kleines Heft, aber das Gediegenste, was bis heute über
den Gegenstand geäußert wurde. Cornill ging den Fragen nach dem Ver-
fasser und der Vorlage des Werkes nach, wies auf Vorbilder in der griechischen,
arabischen und karschunischen Literatur hin. Da Schwergewicht liegt bei
den mitgeteilten Übersetzungen, denen die originalen Texte beigefügt sind,
und der sich anschließenden Einzelinterpretation. Cornill verfällt nicht in
den Fehler, unter dem, was zur Verfügung steht, sich für eine bestimmte Vor-
lage zu entscheiden; immerhin hat er als erster Hunain b. Istiäk genannt
(gest. 876). An Handschriften hat er die beiden genannten benutzt und
auf das Vorhandensein weiterer hingewiesen.
Uber Dillmann und Cornill hinaus liegt keine Veröffentlichung in äthio-
pischer Sprache vor. Doch I. Guidi kam in seiner „Storia della letteratura
Etiopica" (1932) erneut auf den Mashaf zu sprechen 4 . Er sei in zwei Rezen-
sionen erhalten, die beide auf die Übersetzung zurückgehen, die Michael,
Sohn des Bischofs Michael, aus dem Arabischen angefertigt habe. Guidi
1 Chrestomathia Aethiopica (Neudr. 1950) 40 f.
2 Lexic. linguae Aethiop. (Neudr. 1955) Prolog. I X .
3 Chrestom. Aethiop., Praef. X I ; vgl. C. H. Cornill, Das Buch der weisen Philo-

sophen (1875) 7 f.
4 Storia 82.
216 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

setzt dessen Tätigkeit, ohne Angabe von Gründen, in den dritten Abschnitt
der zweiten Periode, gemäß seiner Einteilung der äthiopischen Literatur-
geschichte5. Dies besagt: in die Zeit nach dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts und vor dem Ende des 18Λ An Handschriften nennt Guidi noch
eine weitere aus der bekannten Sammlung A. d'Abbadie 7 . Die Entstehung
der im Mashaf enthaltenen Spruchsammlung habe vielleicht Hunain b.
Ishäk mit seinem kitäbu itimä'äti l-faläsifati ft buyüti l-hikmati bainahutn
beeinflußt, ohne daß man darum von einer Übereinstimmung sprechen könne.
E. Littmann, in der von ihm besorgten zweiten Auflage von Dillmanns
Chrestomathie (1950), verweist in den Zusätzen8 auf S. Euringers Über-
setzung®. Sie liegt seit 1941 vor und beschränkt sich auf den Teil, den Dill-
mann veröffentlicht hatte. Euringer fügte den einzelnen Sprüchen Erläu-
terungen hinzu und schickte eine Einleitung voran, die sich mit den Vor-
lagen des äthiopischen Übersetzers und den inzwischen bekanntgewordenen
Handschriften befaßt.
Was die letzten betrifft, so war Guidi entgangen, daß C. Conti Rossini 10
bereits eine vollständigere Liste gegeben hatte. Euringer 11 fügt weitere
Handschriften hinzu und äußert sich auch über deren Alter. Nach ihm
geht keine übers 16. Jahrhundert zurück. Wenn dies zutrifft, müßte die
äthiopische Übersetzung spätestens ins gleiche Jahrhundert fallen. Ein
absoluter Zeitansatz ist freilich damit nicht gewonnen.
Euringers Äußerungen über die arabische Vorlage des Mashaf beruhen
auf einer Untersuchimg K. Merkle's" und mündlichen Ergänzungen, die er
von diesem erhalten hatte 13 . Merkle glaubte die unmittelbare Vorlage im
Paris. Arab. 4811 (von 1x40 H., 1723/24 christl.) gefunden zu haben. Er
führte diese christliche Sprichwörtersammlung mittelbar oder unmittelbar
auf den genannten Hunain b. Ishäk zurück, und zwar auf das kitäbu ädäbi
l-faläsifa, auch kitäbu nawädiri l-faläsifati wa-l-hukamä'u genannt. Demnach

5 Ebenda 8 f.
• Ebenda 9.
' Ebenda 82 Anm. 2; C. H. Cornill, a. O. 11.
8 Chrestomathia 295 f.

* In: Orientalia 10 (1941), 361 f.


1 β Note per la storia letteraria abessina (1900) 57.

1 1 a. O. 362 Anm. 4.

1 2 Die Sittensprüche der Philosophen, kitäb ädäb al-faläsifa, von Honein ibn Ishäq,

in der Überarbeitung des Muhammad ibn "Ali al-An$äii, 1921.


18 a. Ο.363.

u Zum genauen Titel C. H. Cornill, a. O. 31.


9. „DIE MEINUNGEN DER WEISEN PHILOSOPHEN" 217

auf ein anderes Werk als jenes, dessen Einwirkung Guidi bei der Abfassung
des Mashaf vermutet hatte.
Einer Beurteilung dieser Herleitungen stehen eine Reihe von Schwierig-
keiten im Wege. Selbst wenn man annimmt, die von Euringer gegebene
Ubersicht der Handschriften sei vollständig, so sind diese Handschriften
in ihrem gegenseitigen Verhältnis noch nicht geklärt. Es fehlt ein Stamm-
baum und demgemäß eine Rekonstruktion des Archetypus, man weiß auch
nicht, ob die von Guidi angenommenen zwei Rezensionen genügen oder noch
mehr vorliegen. Es fehlt vor allem an einer vollständigen und einigermaßen
genügenden Ausgabe des äthiopischen Textes. Der Rückführung des Mashaf
auf den Paris. Arab. 4811 steht im Wege (wenn dieser tatsächlich dem Jahre
1723/4 entstammt), daß die äthiopischen Handschriften ins 16. Jahrhundert
zurückgehen, die Übersetzimg also älter als die angenommene Vorlage wäre.
Weder Merkle noch Euringer lag der vollständige äthiopische Text vor. Vor
allem kennt man keines der genannten Werke Hunain's im Original. Zweifel-
los gibt es Berührungen und Übereinstimmungen, aber sie allein genügen
gegenüber einer Gattung, da das überlieferte Gut von Hand zu Hand
weitergereicht wird, schwerlich.
Was im Folgenden gegeben wird, geht in anderer Richtimg. Die Ver-
fasser empfinden schmerzlich, daß auch ihre Beobachtungen vorläufigen
Charakter tragen und sich erst erhärten lassen, wenn die oben umrissenen
Forderungen einmal erfüllt sein werden. Immerhin glauben sie einiges beob-
achtet zu haben, worauf keiner der bisherigen Bearbeiter gestoßen war.
Zur Verfügung stand ein Photo der Frankfurter Handschrift, die heute
die Signatur „Ausst. 14" trägt. Euringer setzt sie, L. Goldschmidt 14
folgend, in die Mitte des 18. Jahrhunderts 16 . Hier sind die Sprüche in
Gruppen zusammengefaßt und diese durchgehend numeriert. Die Zählung
ist in Dillmanns Chrestomathie und in Euringers Übersetzung zugrunde-
gelegt; auch im Folgenden wird nach ihr angeführt 17 .

2
Äußerlich gesehen, zerfallen die Sinnsprüche in solche, die unter dem
Neimen ihrer Urheber mitgeteilt werden, und solche, die dieser Herkunfts-
bezeichnung entbehren. Euringer hat gezeigt, daß zwei der anonymen
15 Die abessinischen Handschriften der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main
(1897) 5 4 * ·
1 8 a. O. 361.

17 Sie springt von 109 auf 120: C. H . Cornill, a. O. 8. Sie läßt überdies 195 aus.
218 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

Sprüche (170 und 256) in der unter dem Namen des Hermes Trismegistos
gehenden Sammlung (5, 6 p. 44 und 12, 3 p. 95 Bardenhewer) wiederkehren 1 .
Bei einem weiteren Spruch (71) glaubt er Berührungen mit Dan. 12, 3 zu
erkennen2. Es läßt sich hinzufügen, daß 17, 178 und 288 mit dem Verfasser-
namen harmes, hermes angeführt werden. Schließlich ist auf 25 hinzuweisen:
takäräni mä'Smer ySheySs emena abd radä't. Euringer übersetzt: „Ein
widerstrebender Meister ist besser als ein hilfsbereiter Tor." Doch offen-
kundig ist gemeint: „Ein kluger Gegner ist besser als ein törichter Helfer."
Daß dem so ist, zeigt das bei a§-Sahrastäm, kiiäbu l-milali wa-n-nihal 305,
15f. Cureton erhaltene arabische Original: 'älimun muänidun hairun min
gähilin mansaf. Es wird als einer der Sprüche Demokrits angeführt, wozu
wir uns oben 3, 137 f. und andernorts 3 geäußert haben. Zwei weitere Uber-
einstimmungen mit diesen hat Cornill vermerkt 4 ; die Tübinger Handschrift
führt einmal demkrät geradezu an 5 .
Euringer entnimmt dem Gesagten, daß Hunain die Sprüche stets mit
Verfassernamen gebracht habe, daß aber seine Anordnung „im Laufe der
Überlieferung" in Unordnung geraten sei®. Möglich bleibt indessen eine
andere Deutung. Sprüche mit und ohne Verfassernamen setzen ein verschie-
denes Verhältnis zum Mitgeteilten voraus. Im ersten Fall wird die innere
Überzeugungskraft des Spruches noch durch die Autorität seines Urhebers
gestützt; im zweiten glaubt man dieser Bestätigung entbehren zu können
oder wünscht sie geradezu nicht. So könnte es sein, daß in der äthiopischen
Übersetzung oder schon vorher zwei verschiedene Sammlungen zusammenge-
flossen sind. Im Folgenden wird ausschließlich das mit Verfassernamen ver-
sehene Spruchmaterial herangezogen. Zur Übersicht geben wir eine vollstän-
dige Zusammenstellung, nach der Reihenfolge des Vorkommens geordnet:
eskender 9. 68. 255. 285
aflätön 10. 12. 31. 136. 170. 185. 203.
209. 231. 241. 269
diyögänes 11. 14. 55. 59. 63
harmes, hermes 17. 188. 228

a. O. 368 Anm. 2; 370 Anm. 3.


1

a. O. 366 Anm. 4.
2

3 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden, 2. I.fg. (i960),

187L und in: East and West 12 (1961), i a f .


4 a. O. 40.

5 C. H. Cornill, a. O. 34; vgl. 15.

β a. Ο. 362.
9. „DIE MEINUNGEN DER WEISEN PHILOSOPHEN" 219

gälinös 21. 47. 52. 126. 243


arestätälis, arestülä, arestä" 30. 140. 184. 202. 223. 237. 239.
285. 298
sekrät 37. 65. 69. 83. 255:. 253. 256. 260
kersis (krests, keresis) 38
ßtägörös 42. 56
negüSa röm 43
stmönödös 62
sestä 167
salömön 170. 175. 182. 214
däwit nabiy 181
abkrät 197. 249
hekär 215
barzamehar 217. 225. 233. 267
baÜimös 242
kökörös 247. 248
eräklis felesöf 251
A&iws bäselyös 294
görgöryös 295.
Angesichts dieser Liste stellen sich die Fragen nach der Herkunft, der
Zeit und der Absicht des Verfassers. Man hat gesagt, er sei zweifellos Christ
gewesen7. Dafür konnte man sich auf die einleitenden Worte berufen, darin
„Gott der Gnädige und Barmherzige" und „unser Herr Jesus Christus"
angerufen werden (fol. 1 a). Aber sind dies die Worte des äthiopischen Über-
setzers und Abschreibers, oder sind sie die des Verfassers der ursprüng-
lichen Sammlung? Dieser nennt sich fol. 79a „Sammler dieses Buches"
(astagäbä'e zlntü mashäf 162). Hingegen spricht jener, der die Einlei-
tung verfaßt hat, davon, daß er das Buch der Philosophen zu schreiben
beginne (bashifa ma$hafa faläsfä)8. Diejenigen, die in ihm die Sprüche
gesammelt haben, sind andere: astagäb'ü („sie haben gesammelt"). Auch
macht sich der Lobpreis der Sammlung im Munde des Sammlers schlecht,
während es dem Übersetzer wohl ansteht. Der Sammler gibt dort, wo er
als solcher spricht, Anweisungen zur Benutzimg des Buches (fol. 79 a—b),
oder er rühmt diejenigen, die ihm den Stoff zu seiner Sammlung geliefert
haben (fol. 16 a — 1 7 b). Schließlich verträgt sich die Abmahnung von der

' C. H. Cornill, a. O. I2f.


8
C. H. Cornill, a. O. 16; 34.
220 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

„Häresie 9 des Abialls" {nüfäke tarähköt fol. 4b—5a) in keiner Weise mit der
Vorurteilslosigkeit gegenüber sämtlichen erreichbaren Richtungen der Reli-
gion und Philosophie, die allenthalben hervortritt.
Da ist die Schilderung, wie ein Weiser zu einem anderen kommt, der
einsam ist und diesen auf solche Einsamkeit hin anspricht (fol. 16 a—17 b).
Der Angesprochene verweist auf die Bücher, die ihn umgeben und mit denen
er sich unterhalten kann. Er zählt auf (fol. 16 b — 1 7 a): gälinös, abkrät,
sekrät, aflätön, arlstätälis, aklandinös, hermSs, farföryös, görgöryös, däwit
und päwlös. Man wußte bisher nicht, wer aklandinös ist. Setzt man das äthio-
pische Wort in arabische Schrift um, so könnte statt 'klndynws auch
'flndynws, 'flwnyws gelesen werden. Man hätte dann Apollonios, doch wohl
den von Tyana, und sein Name fügt sich dem Kreis der Genannten. Im
Großen stimmt diese zweite Liste zur zuvor zusammengestellten. Paulus ist
hinzugetreten, aber auch Porphyrios, der Christenfeind. Wer dies schrieb,
war nicht der Verfasser der Einleitung, der vor der Ketzerei des Abfalls
warnt. Er war von der gleichen Vorurteilslosigkeit wie jener, der in seiner
Spruchsammlung die zusammengestellten Namen anführte. Er sagt viel-
mehr ausdrücklich: „Und nicht kenne ich Häresie {nüfäke) überhaupt."
Er gebraucht dasselbe Wort wie die Einleitung, lehnt aber den Begriff der
Häresie ausdrücklich10 ab.
Das Bild bestätigt sich, wenn man die Liste mustert. Der Philosoph
eräklis bleibt seiner Herkunft nach unbekannt. Gewiß werden Christen an-
geführt : Basileios der Große und ein Gregorios, sei es der von Nazianz, sei
es der von Nyssa, Sextus 11 , Mönche und Märtyrer12. Aber daneben stehen
griechische Philosophen wie Piaton, Diogenes, Aristoteles, Sokrates und
Pythagoras. Oder ein griechischer Dichter, Simonides, und Hermes Tris-
megistos, jüdische Weise wie David und Salomon, der weise Ahikar 13 und als
Vertreter der römischen Welt Cicero und ein ungenannter römischer Kaiser
(wenn nicht ein oströmischer oder byzantinischer gemeint ist). Weiter darf

• Chr. Fr. A . Dillmann, Lexic. ling. Aethiop. 7 1 1 .


10 V o n C. H . Cornill, a. O. 14, mißverstanden. E s kann auch keine Rede d a v o n sein,
daß es sich u m eine Klosterbibliothek handelt (C. H . Cornill, a. O . 14), wie auch, daß
fol. 79 a — b von einem Refektorium gesprochen wird (ebenda 13).
11 Dazu C. H . Cornill, a. O . 21 f . ; 31.
12 C. H . Cornill, a. O. 12.
18 E r ist mit hekär gemeint, und es geht nicht an, allein eine karschunische H a n d -
schrift heranzuziehen. Die Erwähnung Ahilj:ar's und seiner Weisheitssprüche müßte
der Gesamtüberlieferung eingeordnet werden, die in achaimenidischer Zeit beginnt
(Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden, 2. L f g . [i960].
9. „DIE MEINUNGEN DER WEISEN PHILOSOPHEN" 221

hervorgehoben werden, daß Ärzte wie Galenos und Hippokrates eine bevor-
zugte Rolle spielen und neben ihnen der Mathematiker, Astronom und Geo-
graph Ptolemaeus; daß königliche Weise auftreten wie Alexander, der schon
genannte römische Kaiser, David und Salomon. Endlich muß gesagt werden,
daß innerhalb dieses reichen Repertoires alles fehlt, was in arabischeZeit
weisen könnte.
Merkwürdiger noch als alles Aufgeführte ist, was jetzt gesondert be-
sprochen werden muß.

Keiner der bisherigen Bearbeiter scheint sich darüber schlüssig geworden


zu sein, wer der an vier Stellen genannte barzamehar sein könne. Versuche, zu
Anfang das aramäische bar „Sohn" abzutrennen, führen nicht weiter, da sich
der Rest aus der gleichen Sprache nicht deuten läßt. Methodisch scheint der
einzige Weg, angesichts der Tatsache, daß eine arabische Vorlage nicht be-
zweifelt werden kann, sich das Wort in die zugehörige Schrift zurückzu-
übersetzen. In der Tat gibt brzmhr sogleich die benötigte Auskunft. Es han-
delt sich um mittelpersisches burzmihr „erhaben ist Mithra".
Schon diese erste Feststellung ist von Bedeutung. Neben Griechen, Rö-
mern, Christen und Juden begegnet der Träger eines mittelpersischen Na-
mens. Oder anders ausgedrückt: es begegnet ein Zarathustrier. Daß dies für
die Herkunft der Vorlage von Bedeutung, möglicherweise von entscheiden-
der, ist, braucht nicht betont zu werden.
Doch wer wäre Burzmihr gewesen ? Als einziger Hinweis steht zur Ver-
fügung, daß er ausdrücklich als „Weiser" (tabib) bezeichnet ist. Es muß also
ein Philosoph oder Dichter, ein Arzt (wie Hippokrates und Galenos) oder ein
Mathematiker, Astronom und Geograph gleich Ptolemaeus gewesen sein.
Denn ein Herrscher scheidet aus. Damit ist die Antwort schon gegeben.
Burzmihr kann nur der Mann gewesen sein, den man gemeinhin unter der
Kurzform seines Namens1 kennt: nämlich Burzöe.

i83f.). Die auf Ahikar bezügliche Stelle 215 hat C. H. Cornell, a. Ο. igy., übersetzt.
Der zweite Spruch gibt eine vollständigere Fassung des dreizehnten unter den Weis-
heitsprüchen Demokrits, die Sahrastäni 305, 2 f. Cureton erhalten hat. Dazu Altheim-
Stiehl, a. O. 2. Lfg. (1960), 188 f., besonders 189; oben 3, 137 f. Wieder betätigt sich,
daß Demokrit einen Teil seiner 'Ηθικά Ahikar entnommen hat; vgl. Altheim-Stiehl,
a. O. 185 f.
1 F. Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 74 r. s. v. BurzöS; unrichtig C. H. Cornill,

a. O. 15.
222 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE KULTUR

Burzöe war zunächst der Leibarzt Chusrö's I. Anösarvän, der in der


Chronik von Se'ert 2, 149, 7; 152, 3 als birün oder biröe erscheint (oben 3, 91,
Anm. 9). Er brachte aus Indien das Original des Buches Kalila wa-Dimna
nach Iran. In der Vorrede zur Übersetzung, die in der arabischen Fassung
des Ibn Mukaffa' erhalten ist2, äußert Burzöe seine Skepsis gegenüber den
ihm bekannten Religionen und deren Lehrmeinungen (oben 3, 90!). Er war,
wenn man will, Philosoph; er durfte als solcher zumindest in gleichem Maße
gelten wie der Hofphilosoph Uranios, der die Skeptiker Pyrrhon und Sextus
Empiricus nachahmte (oben 3, 90). Im Roman des Bahräm Cöbin urteilt
Chusrö II. Parvez über Kalila wa-Dimna, dieses Buch gebe dem Manne
besseres Urteil und größere Festigkeit, als er zuvor besaß, dieweil es fein-
sinnige und kluge Gedanken enthalte (Dinawari 89, 12 f. Guirgass)3. Gleich-
zeitig mit diesem Buch kamen indische Medizin4, indische Mathematik und
Astronomie6 nach Iran.
Genug: Burzöe-Burzmihr fügt sich durchaus in das Bild, das die Spruch-
sammlung, soweit sie Verfassernamen gibt, übermittelt. Man versteht die
vergleichsweise häufige Anführung der Ärzte Hippokrates (2 Stellen) und
Galenos (5 Stellen); auch die Nennung eines Ptolemaeus unter den Weisen
wird verständlich. Burzöe trug zwar einen Namen zarathustrischer Prä-
gung, lehnte aber einseitige Bindung an eine bestimmte Religion ab. Dies
paßt zu einer Spruchsammlung wie der unseren, die Griechen, Juden und
Christen ohne Unterschied nennt. Darüber hinaus gibt sein Erscheinen
unter den Weisen einen Terminus. Gewiß hat ihn Ibn Mukaffa' (gest. um
760) noch übersetzt, aber auch dieser war gebürtiger Zarathustrier, und die
Folgezeit hat Burzöe nicht mehr unter den Philosophen und Weisen ange-
führt. Überdies gibt das Fehlen jedes Arabers und Muslims den Hinweis,
daß die Spruchsammlung, soweit sie Verfassernamen mitteilt, in voris-
lamische Zeit gehört.
Weiteren Aufschluß bietet ein Weiser, der an der einzigen Stelle, da er
vorkommt (38), kresis (auch kersis, kerests zu lesen) heißt. Kroisos und Crassus
(äthiop. kresös, kressös6) scheiden aus. Neben Burzöe seinen königlichen

2 Th. Nöldeke, Burzöes Einleitung zu dem Buch Kalila wa-Dimna (Schriften

Wissensch. Gesellsch. Straßburg 12, 1912).


3 Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 213.

4 De Lacy O'Leary, How Greek Science passed to the Arabs 69; 71; weiteres bei

Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 288 Anm. 95.


5 De Lacy O'Leary, a. O. 104 f.

6 Chr. Fr. A. Dillmann, Lexic. ling. Aethiop. 1420.


9. „DIE MEINUNGEN DER WEISEN PHILOSOPHEN" 223

Herrn, Chusrö I. AnöSarvän, zu vermuten, liegt nahe. Trennt man auslau-


tendes s als Verschreibimg von -sa ab, so könnte kersi solche für arabisches
ksry-kisrä sein. Merkwürdig, daß Guidi ausdrücklich sagt, unsere Spruch-
sammlung habe „sentenze di Persiani" enthalten, und dafür „Cosroe"
anführt 7 . In der Tat gibt Cornill8, anscheinend aus der Tübinger Hand-
schrift, das zu erwartende kasri; in der Frankfurter Handschrift konnten
wir den Namen sonst nicht finden. Das spricht dafür, daß Chusrö tatsäch-
lich in der Verschreibung kersis, krests, keresis zu suchen ist.
Wie immer man sich entscheide, Burzmihr-Burzöe genügt, um die
Spruchsammlung oder doch den Teil, der Namen anführt, in spätsasani-
dische Zeit oder geradezu in die Chusrö's I. Anösarvän zu setzen. Mit der
Auswahl ihrer Autoritäten, der Bevorzugung Piatons und Sokrates' (oben
3, 85), mit der offenkundigen religiösen Toleranz (was mit der Skepsis Hand
in Hand zu gehen pflegt) und der Anführung eines Zeitgenossen und Leib-
arztes des Sasaniden, schließlich sogar dieses selbst, erweist sie sich als
ein Werk aus dem gleichen Kreis, dem die Übersetzimg von Porphyrios'
Φιλόσοφος ιστορία, Paulus des Persers Εισαγωγή, die Übersetzung und
Einleitung des Buches Kaltla wa-Dimna angehören (oben 3, 89—92).
Dafür läßt sich noch eine Bestätigung erbringen. Cicero in äthiopischer
Übersetzung zu begegnen, mutet schon bizarr an. Wie fern der Name Michael,
Sohn des Abbä Michael lag, zeigt die Form kökörös. Gleichwohl hat niemand
gezweifelt, daß Cicero gemeint war 9 , und wenn Guidi von ,,sentenze di filo-
sofi greci e latini" spricht 10 , kann er allein an die zweimalige Nennung des
Arpinaten (247, 248) gedacht haben. Aber auch in der arabischen Vorlage
und in der für Chusrö's I. Anösarvän Zeit vorauszusetzenden syrischen und
mittelpersischen Fassung nimmt sich Cicero seltsam genug aus. Wie die
griechischen Philosophen, so kann auch er letzten Endes allein einer byzan-
tinischen Quelle entstammen. Doch selbst unter den Byzantinern ist Cicero
ein seltener Gast gewesen. J. Irmscher 11 , der Ciceros Auftreten in diesem
Bereich verfolgt hat, kommt zu dem Schluß, daß er allein in iustinia-
nischer Zeit bekannt war und angeführt wurde. Das stimmt zu dem Ergebnis,

7 a. O. 82.
8 a. O. 15.
9 A. Dillmann, Chrestom. Aethiop. 205 links's. v.; Lexic. ling. Aethiop. 1414;

C. H. Cornill, a. O. 15; S. Euringer, a. O. 370.


1 0 a. O. 82.
1 1 Cicero und Byzanz. In: Acta sessionis Ciceronianae (Acad. scient. Polon. Colleg.

stud, calss. promov. i960), 143f., besonders 147—153.


224 FRÜH- UND SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R

auf das ganz andersartige Gedankengänge geführt haben: daß tatsächlich


eine Spruchsammlung aus der Zeit des ersten Chusrö zugrunde liegt.
Wer freilich der Flötenspieler oder Kitharoede (imasankäwt) Rufus (röfös)
war, mit dem Alexander sich unterhielt (68), bleibt imbekannt. In der Liste
derer, die fälschlich zu dem Makedonen in persönliche Beziehung gesetzt
wurden — H. Berve12 hat sie zusammengestellt —, begegnet er nicht.
18 Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage 2 (1927), 4x1 f.

Nachtrag zu S. 220. Äthiop. aklandinös führt auf arab. 'ktndynws oder 'flndynws.
Letztes hätte im Mittelpersischen — unter Berücksichtigung dessen, das dort w und
η mittels desselben Zeichens sowie y durch d oder dy (W. B. Henning in; Handbuch
der Orientalistik 4 , 1 , 6 7 1 ; oben 1,204 f.) wiedergegeben wurden — 'plndynws 'plwynws
zu lauten. Mit einfachster Umstellung von η und y ergibt sich 'plwnyws. Vor allem
die Schreibung d{y) bestätigt, wenn es dessen noch bedarf, daß die arabische Über-
setzung durch eine mittelpersische auf das griechische Original zurückging.
VIERTES BUCH

SPÄTSASANIDISCHE
KULTUR UND HUNNEN

16 Altheim, Hunnen Τ
ΙΟ. K A P I T E L

CHINA
Zu Anfang mag Bekanntes, ohne Absehen der Vollständigkeit, ange-
führt werden. Die letzten Jahrzehnte der sasanidischen Herrschaft, und
noch das darauffolgende Jahrhundert bildeten eine Zeit lebhafter Ausein-
andersetzung zwischen China auf der einen Seite, Persern, Soghdern, Ost-
türken und Arabern auf der anderen. Erst die Schlacht bei Samarkand 7 5 1
setzte dem ein vorläufiges Ende. Hortfunde sasanidischer Münzen, in Nord-
west-China gemacht, lassen erkennen, daß den politischen und militärischen
Ereignissen ein lebhafter Handel zur Seite ging. Die Reste chinesischer
Seiden, die man auf dem Berge Muy gefunden hat (oben 2, 83); weitere
Seide in Kudyrge, zusammen mit bronzenen Spiegeln und Münzen chine-
sischer Herkunft 1 ; eiserne Pflugscharen, in China gegossen und am Orte
nachgeahmt, am mittleren Jenissei2 — sie alle zeigen, wie weit die wirt-
schaftlichen Beziehungen ausgriffen.
Schon unter den Sui, unter Yang-ti 605—17, wurden sasanidische Stoffe
und Goldbrokate in den kaiserlichen Manufakturen nachgewebt. Auch die
Gläser, die China aus oder über den iranischen Westen zukamen, hat man
nachgeahmt; hier wie dort übertraf die eigne Fertigung bald das fremde
Vorbild. Der Sösöin von Nara, überall von der Stärke des sasanidischen Ein-
flusses zeugend, bestätigt das Bild seitens der Metallarbeiten. Auf
ihnen blieben langehin sasanidische Motive führend, mag man sie auch zu-
nehmend ins chinesische Formgefühl umgesetzt haben. Auch bei manchen
Gefäßformen ist westlicher Ursprung nicht zu verkennen, wiederum durch
Iran vermittelt.
Doch das späte Sasanidenreich war nicht nur groß im Geben. Minde-
stens ebenso lebhaft äußerte es sich im Nehmen, und dies wiederum gegen-
über dem China der T'ang und ihrer Vorgänger.
Ausgegangen sei von der frühislamischen Zeit. Das apokryphe Johannes-
Evangelium in arabischer Sprache legt Jesus die Ankündigung in den Mund,
1
A. Mongait, Archeology in the U S S R . (1959) 304.
2
Α. Mongait, a. Ο. 306.
16*
228 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

den Arabern werde der König Chinas Geschenke bringen3. Unter den Toren
Samarkands nennt Mukaddasi4 an erster Stelle den bäb as-sin. In der Tat
muß der Nordosten Irans einen großen Durchgangsverkehr aus China nach
dem gesamten Vorderen Osten gesehen haben. Nicht nur Samarkand selbst,
auch Nesäpür®, und weiterhin Susa, Samarra® sowie Fustät im Niltal sind die
hauptsächlichen Fundplätze einer eigentümlichen Keramik: einheimischer
Fortbildungen der in lebhaften Farben gehaltenen Schöpfungen der T'ang-
Zeit. Vom 9.—11. Jahrhundert herrschte die gefleckte und überdies mit
Grafitto-Mustern verzierte Ware in den Ländern des östlichen Kalifats
allenthalben vor 7 . Daneben begegnen frühe chinesische Porzellane: zuerst
in Sämarrä zutage gekommen8, ließen sie sich bald in Susa und in den ge-
waltigen Ablagerungen von Fustät feststellen, wo die Funde bis zur Kera-
mik der Sung-Zeit herabreichen®. Auch in Nesäpür und in Kasr-i Abü Nasr
konnten die amerikanischen Ausgräber aus den Scherben eine Muster-
karte vieler Gattungen zusammenstellen (Abb. 10—11) 10 .
Gleichzeitig tauchen die ersten Erwähnungen chinesischen Porzellans
in der arabischen Literatur auf. P. Kahle 11 hat die Zeugnisse behandelt,
zu denen neuerdings Äußerungen des 851 schreibenden Verfassers der
ahbär as-sin wa-l-hindis und Marwazi's13 gekommen sind.
Den Übergang zur spätsasanidischen Zeit vermittelt die dritte Stadt von
Susa. Sie gehört ins 7.—8. Jahrhundert und umfaßt das Ende der sasani-
dischen sowie den Beginn der islamischen Kultur. In dieser Spanne des

3 I. Galbiati, Iobannis evangelium apocryphum arabice (1957), '38. i j f · arab.


4 278, 1 2 de Goeje.
5 A. Lane, Early Islamic Pottery A b b . 6 Β.
• Α. Lane, a. Ο. Abb. 7 Β ; Ε· Sarre, D. Keramik v. Samarra Tai. 1 9 — 2 0 ; 2 3 ;
2 6 — 3 4 ; S. 5 4 f . Ein besonderes Stück veröffentlicht K . Erdmann in: Art. Asiae 23
(i960), 220f.
7 A. Lane, a. Ο. i 2 .
8 F. Sarre, a. O. Taf. 2 4 t . ; S. 6 i f . ; J. Marshall Plumer, in: Ars Islam. 4, i95f.;
B. Gray, Early Chinese Pottery and Porcelaine I 2 f . ; 1 4 ; 1 6 ; 40.
• B. Gray, a. O. 1 4 ; 1 6 ; 4 1 ; 42.
10 Wir verdanken die Vorlagen der Güte C. K . Wilkinson's v o m Metropolitan Mu-
seum. Damit wird K . Erdmann's Auffassung bei B. Spuler, Iran in früh-islamischer
Zeit 281 richtiggestellt.
11 In: Z D M G . 1 3 , i f . ; Journ. Pakistan Histor. Soc., July 1 9 5 3 , i f . ; vgl. F. Sarre,
a. O. 55 f. Leider scheinen chinesische Zeugnisse hier und auch für die im Folgenden
behandelten Fragen zu fehlen. Zumindest haben wir den ökonomischen Traktat des
Suei-chou (E. Balasy in: T'oung Pao 42, 1 9 5 3 , i i 3 f . ) vergeblich zu Rate gezogen.
12 16, 5 f. Sauvaget.
18 10, 8 f. Minorsky.
10. C H I N A 229

Verfalls begegnen unter der Keramik Henkelkrüge mit Schnäbeln in Form


eines quergelegten Zylinders, die in Stücken der Tang-Epoche ihr Vorbild
haben14. Vermutlich begann die Einfuhr chinesischer Ware bereits unter den
letzten Sasaniden. Dem entspricht, daß umgekehrt auf den Amphoren
unter den Sui (589—618) sich Einflüsse der sasanidischen Ornamentik, be-
sonders der der Silbergefäße, beobachten lassen16.
Einen Schritt weiter bringen literarische Zeugnisse. Sie führen zu-
nächst auf zwei weitere Ausfuhrartikel Chinas, den Ingwer und die me-
tallenen Spiegel. Aus dem Pehlevitraktat von König Husrav und seinem
Knaben entnimmt man den Namen der wohlschmeckenden Knolle: sangiwel,
neupers. zangbil1β. Der wohlunterrichtete Page meint, kein anderes Kompott
lasse sich mit chinesischem Ingwer vergleichen. Wichtiger sind die Spiegel.
Ibn Hisäm legt einem der Kuraiza aus Medina den Vergleich mit einem
chinesischen Spiegel (mir'ä stniya) in den Mund, „darin sich erblicken die
Jungfrauen des Stammes" 17 . Im Higäz war demnach der chinesische Toi-
lettenspiegel als Bestandteil weiblichen Hausrates bekannt. Die Nachricht
bleibt vereinzelt. Aber bei der weltweiten Verbreitung dieser Spiegel, bei
ihrem künstlerischen Rang im 6. Jahrhundert und dann auch unter den
Tang 1 8 , darf sie nicht wundernehmen. Sie gilt zum mindesten für die Zeit
Ibn Sihäb az-Zuhri's, Ibn HiSäm's und Ibn Ishäk's Quelle (geboren um 670).
Schwerlich stand man in Medina in Beziehungen zum Reich der Mitte.
Und sicher ist kein Zufall, daß die Äußerung im Mund eines Juden begegnet.
Dieser reichste und zugleich perserfreundliche Bestandteil Medinas mag den
aus dem Osten eingeführten Luxusartikel zuerst durch persische Vermitt-
lung erhalten haben. Yemen, einstmals unter sasanidischer Verwaltung,
oder der 'Irak mögen die Vermittler abgegeben haben. Dort oder in Iran selbst
sind denn auch die chinesischen Spiegel in der Folgezeit nachgeahmt worden19.

1 4 R. Ghirshman, Mission de Susiane, Rapport priliminaire 1, 5 f.; vgl. Sämtl.

Werke der Weltkunst (japan., Tökyö, Heibonsha-Verlag) 9, 112 Abb. 260; Loan Exhi-
bition of the Arts of the T'ang Dynasty, London 1955, pi. 9a; vgl. 10a.
16 B. Gray, a. O. 5; 7.

18 J. M. Unvala, Der Pahlavi-Text „Der König Husrav und sein Knabe" (Heidelb.

Diss. 1917) 25 § 46 und Anmerkung.


1 7 v. Moh. 691, i6f.

l e Sämtl. Werke der Weltkunst 7, 49 Abb.109; 50 Abb. 112; 8, Abb. 9 1 — 9 7 ;

Farbtafel 10.
1 8 D. Barret, Islamic Metalwork in the British Museum fig. 5 (a). Dazu das inter-

essante Stück des Musie Cernuschi, das M. van Berchem in: v. Berchem-Strzygowski,
Amida 127f. behandelt hat.
230 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

Merkwürdig genug, daß sich Mohammed aus der Beute, die den Banü
Kainukä', dem Stamm jüdischer Goldschmiede in Medina, abgenommen
wird, einen Panzer wählt, der den Beinamen des „soghdischen" (as-sugdiya)
trägt20. Neben China erscheint demnach dessen Nachbarvolk, das seine Nie-
derlassungen bis tief ins Reich der Mitte ausgedehnt hatte. Auch der Moschus
im Besitz der Banü η-Nadir 21 verweist nach Mittelasien. Uberall befindet
sich die fernöstliche oder mittelasiatische Ausfuhr in jüdischem Besitz, und
die Nennung von Soghd wie der Handel mit Moschus mögen andeuten, auf
welchem Weg der chinesische Spiegel nach Medina gelangt ist.
Es folgt die Seide. Über die persischen Zwischenhändler, die chinesische
Seide von Indien her zur See einführten, wird noch zu sprechen sein. Theo-
phanes22 erwähnt aus der Beute von Dastagerd μέταξαυ πολλή ν, dann
όλοσήρικα ί μάτια. Seide an sich bedeutet noch nicht, daß es sich um Ein-
fuhr handelt; man verstand sie seit dem 5.—6. Jahrhundert in Iran selbst
herzustellen23. Aber bei den όλοσήρικα führt schon der Name nach dem
fernen Osten24. Und dem entspricht eine Nachricht bei Mas'üdi25.
Danach hatte der König China's (feigfür) an Chusrö I. Anösarvän einen
Brief und kostbare Geschenke gesandt, darunter ein Gewand aus chine-
sischer Seide. Es war mit Gold durchwirkt ('asgadi), der Grund in der Farbe
von Lapislazuli (läzuward)2e. Eingewebt, gleichfalls in Gold, war ein in
seinem twän thronender Herrscher, mit königlichen Gewändern und Krone
angetan; ihm zu Häupten Diener mit Fliegenwedeln. Es sind bekannte Vor-
würfe der gleichzeitigen Kunst Chinas, die in solcher Beschreibung ent-
gegentreten.
Den thronenden Herrscher, Diener mit Fliegenwedeln zeigt die Bosto-
ner Seidenrolle von 627—67327. Sie zeigt auch Staatsgewänder und Krone28.
Das bekannte Relief in Köln mit den Gesandtschaften29 mag verdeutlichen,
was sich der Berichterstatter unter dem königlichen Iwan vorgestellt hat.
Ebenso darf man die rundbogigen Nischen heranziehen, in die chinesische
20
Ibn Sa'd 2, 1, S. 20, 4.
21
Baläduri 30, 1 1 f. de Goeje.
22
494, 14 f. Bonn.
23
K. Erdmann bei B. Spuler, a. O. 279.
24
F. Altheim, Weltgesch. Asiens i, 6 3 ! und im nächsten Abschnitt dieses Kapitels.
25
Murüg 2, 200, ι ο ί . Barb.
26
Dazu W . Eilers in: Archiv Orientilni 22 (1954), 3 3 6 ·
27
Sämtl. Werke der Weltkunst 8 Abb. 43.
28
Ebenda 8 Abb. 40; 4 2 ; 44.
28
Ebenda 8 Abb. 3 3 — 3 4 .
xo. CHINA 231

Reliefplastik des 5. und 6. Jahrhunderts ihre Buddhas und Bodhisatvas


zu setzen liebte 30 ; frühchinesische Bildrollen liefern manche Ergänzung 31 .
Es kann nicht abgewiesen werden, daß Mas'üdfs Quelle tatsächlich ein
chinesisches Gewebe vor Augen gestanden hat. Mag Tabari32 schildern, wie
Ardaser I. in seinem iwän auf dem Thron sitzt: innerhalb der sasanidischen
Kunst hat der Vorwurf, soweit uns bekannt, keine Gestaltung gefunden.
Wie steht es mit den erhaltenen Stücken ? Ein Zeugnis für chinesisch-
-sasanidische Beziehungen auf dem Gebiet der Seidenweberei ist jenes
Banner, das vom Prinzen Sotoku (572—623) bei der Eroberung von Siragi
in Korea getragen und vom Kaiser Keka (884—7) dem Horiuji-Kloster in
Nara gestiftet wurde33 (heute im Museum von Tökyö). Das Muster besteht aus
großen Kreisen, deren jeder vier Reiter auf Flügelpferden enthält, die mit
dem Bogen auf Löwen schießen. Eine typisch sasanidische Szene, nur daß
die Pferde statt der Brandmarken chinesische Schriftzeichen tragen, was
zeigt, daß es sich um chinesische Arbeit handelt. Ähnliche Stücke werden im
Sösöin von Nara aufbewahrt34, darunter das Banner des Kaisers Sömu
(gest. 748), als Stiftung von dessen Witwe. Auch Gewebe mit Darstellungen
gegenständiger Hähne oder des Phoenix3® verraten sasanidischen Einfluß.
Doch besitzt man bisher keine chinesische Seiden aus den Fundstätten des
sasanidischen Iran. Selbst in Ägypten begegnet keine Seidenweberei chine-
sischen Ursprungs, die vor die Yüan- oder die frühe Ming-Zeit fiele36.
Mas'üdi gibt noch eine Reihe weiterer Nachrichten. Zunächst heißt es
vom sechsten Siegel Chusrö's II. A/Sarvez, mit dem er die Briefe an die
Könige der Länder siegelte, es sei aus chinesischem Eisen (hadid stni) ge-
wesen37. China war das einzige Land, das im Altertum es zum Eisenguß
gebracht hat38. Proben gegossener Luppen sind aus der Zeit der älteren Han

30 Ebenda 7 Abb. 93—94; 105; 120.


31 Ebenda 7 Abb. 128; 132.
32 ann. 1, 825, 12 f.
33 A. F. Kendrick in: Chinesische Kunst (München 1937) 5°-
3 4 O. v. Falke, Kunstgesch. d. Seidenweberei 4 Abb. 79; Werke der Weltkunst 8,

Farbtaf. 15; Mosaku Ishida und Gunichi Wada, The Shosoin, an Eighth Century Trea-
sure-House (japan., mit engl. Inhaltsangabe, Tökyö 1954) Tai. 146.
3 6 Werke der Weltkunst 8 Abb. 119; 122; Mosaku Ishida u. Gunichi Wada, a. O.

Tai. 21.
3β Α F. Kendrick, a. O. 48; 50f.; Tai. 51 a—d; M. Feddersen, Chines. Kunstge-

werbe 2 (1955) 227f. Doch vgl. unter S. 241 f. Nachtrag 2.


37 Murüg 2, 229, 8 f .
38 R. J . Forbes, Metallurgy in Antiquity 441 f.
232 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

erhalten 39 . Plinius 40 spricht von serischem Stahl. E r sagt ausdrücklich, daß


er aus China kam, und Chang-ch'ien berichtet, daß die Eisenindustrie aus
China nach Feryäna gebracht wurde 41 . Stähle aus Westturkestan", Chorä-
sän 43 und solche parthischer Herkunft 44 bezeichnen die Stationen, über die
der neue Schmelzstahl nach Westen vordrang.
Daneben muß die Eisenbearbeitung in Tibet genannt werden. Wiederum
Mas'üdi hat eine wichtige Nachricht erhalten 45 . Danach habe der König von
Tibet an Chusrö I. Anösarvän hundert chinesische Brustpanzer (gauSan),
hundert Panzerhemden (tagäftf) und ebenso viele vergoldete Schilde ge-
schenkt. Für Tibet sind bis in neueste Zeit der Ketten- und der Lamellen-
panzer bezeichnend gewesen4®. Der letzte hat nach der vorliegenden Nach-
richt nur die Brust bedeckt, reichte also noch nicht nach späterer Weise als
,caftan cuirass* bis zur Wade herab. Die Panzerung mit metallenen Plätt-
chen (Lamellenpanzer, .split armour') war sasanidischen Ursprungs und
wurde, wie die Fresken der Grotten von Tun-huang zeigen, von China über-
nommen 47 . E r gelangte über Korea nach Japan, wo er sich zum einheimi-
schen keikö (auch dieser ursprünglich nur ein Brustpanzer 48 ) entwickelt hat.
Aus dem keikö entstand in der Heian-Periode (784—1192) der SikiSö-yoroi4e,
der durch Funde verhältnismäßig spät, aber Uterarisch für die Frühzeit
dieser Periode bezeugt ist 50 . Die weitgehende Übereinstimmung des SikiSö-
-yoroi mit dem tibetischen Lamellenpanzer hat man längst bemerk 81 . In
dem Geschenk des tibetischen Herrschers an Chusrö I. Anöäarvän kehrten

39 R. J. Forbes, a. Ο. 442 fig. 96; W. Ruben, Eisenschmiede u. Dämonen (Int.

Arch. f. Ethnol., Suppl. 38) 151.


40 n. h. 34, 141.

41 F. Hirth in: JAOS. 37, io8f.; W. Barthold in: Enc. Isl. 2, 64f.; A. Mez, Renais-

sance des Islam 417.


42 R. J. Forbes, a. O. 443.

43 R. J. Forbes, a. O. 387; A. Zeki Walidi in: ZDMG. 90, 20.

44 R. J. Forbes, a. O. 410; 414; 443.


46 Murüg 2, 203, 4f.
A. v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst- u. Kulturgeschichte Mittelasiens fig. 76;
46

Aufnahmen der Schäferschen Tibet-Expedition bei F. Altheim, Attila u. die Hunnen


Abb. 8 (zu S. 97).
47 A. v. Le Coq, a. O. fig. 68; 109. Im folgenden sind wir T. Yoshimura für mannig-

fache Hilfe zu Dank verpflichtet.


4* M. Suenaga, Helm und Panzer im alten Japan (japan., Tökyö, Okashoin-Verlag

1934) Taf. 48; 50—54·


*' M. Suenaga, a. O. 8.
60 M. Suenaga, a. O. 367.

61 M. Suenaga, a. O. 315.
ΙΟ. C H I N A 233
sasanidische Panzer (in verbesserter Form, so wird man annehmen dürfen)
als Geschenk und das besagt: als Einfuhr aus dem östlichen Nachbarland
zu ihren Ursprüngen zurück.
Eine der wichtigsten Entlehnungen aus China bildete die Armbrust. Seit
den späten Chou ist sie in China bekannt 62 und hat von dort den Weg nach
Japan angetreten83. Baläduri 64 gibt von der Schlacht bei Kädisiya den Be-
richt eines Teilnehmers auf persischer Seite, der sich als magüsi bezeichnet.
Danach habe der Pfeilregen, mit dem die Araber die Schlacht eröffneten, eine
starke Wirkung ausgeübt. Dann heißt es: „Und es schoß bei uns ein Mann
aus der Armbrust ('an il-kausi n-näwakiya), aber nicht bewirkte ihr (der
Armbrust) Pfeil mehr, als daß er sich verfing im Kleide eines von ihnen
(eines der Araber) 66 , wohingegen der Pfeil von ihren (der Araber) Pfeilen den
iesten Panzer und den doppelten Küraß spaltete, den wir trugen." Es ist
unseres Wissens zum ersten und einzigen Mal, daß man von der Armbrust im
sasanidischen Heer hört 6 '. Vermutlich war sie neu eingeführt und konnte
darum sich im Kampf nicht auswirken. Eine bildliche Darstellung der Waffe
ist uns gleichfalls nicht bekannt geworden.
China muß, gleich Byzanz im Westen, für die spätsasanidische Zeit das
große Reich im Osten gewesen sein. In letzter Not sandte Yazdgard III.
auch an China um Hilfe gegen den arabischen Eroberer 57 . Er tat es mit
der gleichen Begründung, mit der sich einst Chusrö II. A/Jarvez in Not an
Maurikios gewandt hatte, daß Könige einander beistehen müßten58. Yazd-
gard's Vorhaben stieß freilich auf den Widerstand der persischen Großen
und war der Beginn seines Unterganges69.
52 Η . H . Doubs in: T ' o u n g P a o 36, yoi.; W . W . Tarn, Hellenist. Military and N a v a l
Developm. 1 0 2 f . ; A . Stein, Serindia 2, 7 5 8 f . ; Innermost Asia 1, 290f.; F. Bergmann in:
Archaeol. Researches in Singkiang (Sino-Swedish E x p e d . 7) 1 6 3 f . ; A. Lippe in: Amer.
Journ. Arch. 1952, 233; Κ . Huuri in: Studia Orientalia 9, 3 (1941), 110.
53 M. Suenaga, Die W a f f e n des alten Japan (japan., T ö k y ö - K y ö t o 1941) T a f . 76;
K . Huuri, a. O. n o ; 197.
64 268, 21 f.; dazu K . Huuri, a. O. 113 Anm. 2.
55 Barhebr., Chron. syr. 102, 5 f . B e d j a n sagt ein Perser von einem Beduinen
(ma'dyä), er habe alle auf ihn abgeschossenen Pfeile mit seinem Ärmel (b-pedyäteh) auf-
gefangen.; vgl. oben 4, 41.
M Vermutungen bei K . Huuri, a. O. 101; 103; 109. D a s Bekanntwerden der B y -
zantiner mit der Armbrust schildert A n n a K o m n e n a 10, 8 P. 291 A ; 2, 42, 1 3 f . ; dazu
Ducange's gelehrte Anmerkung 605 f. Bonn.
57 Tabari, ann. 1, 2683, 4; 2688, 1 7 ; 2690, 1 5 !
68 Tabari, ann. 1, 2691, 3 f . ; vgl. 2685, 1 1 ; dazu unsere Bemerkungen in: E i n asiat.
Staat 1, 210; 216.
" Tabari, ann. 1, 2688, i 7 f .
234 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

ANHANG: DER NAME DER SEIDE

Der Name der Seide in den klassischen Sprachen ist ein doppelter. Auf
der einen Seite steht σηρικόν, sericum, auf der anderen mittellat. seta mit
seinen Ableitungen: ahd. sida; mhd. ags. side; span, seda; ital. seta] frz. soie.
Beide Bezeichnungen erscheinen gelegentlich vereint als seta serica1, sind aber
von durchaus verschiedener Herkunft.
Die übliche Ableitung des mittellat. seta von saeta „Borste, Tierhaar" 3
hat sachlich alles wider sich. V o n vornherein ist, wie sericum auf σηρικόν
zurückgeht, auch für seta ein griechisches E t y m o n zu erwarten. Als solches
bietet sich an σης, σ η τ ό ς „ W u r m , Motte". Das Wort, das zuerst bei Pindar 3
gegegnet, wird von Suidas und Hesych ausdrücklich in der Bedeutung
„ L a r v e , R a u p e " (σκώληξ) bezeugt 4 . Σ κ ώ λ η ξ aber bezeichnet auch, bei dem
Komiker Epigenes 5 , den „Spinnrocken" und bei Eusthatios geradezu den
„Seidenwurm" 8 . Formell entspräche seta genau dem A k k u s a t i v σ ή τ α , und
dies erklärt auch die Entstehung des mittellateinischen Wortes 7 .
B e i Augustin heißt die Sphinx im Nominativ sphinga, was nur den
griechischen A k k u s a t i v σ φ ί γ γ α wiedergeben kann. Daneben begegnen, auf
gleiche Weise gebildet: hebdomada, decada, salpinga, pentecosten, als latei-
nische Nominative. Überhaupt ist im Vulgärlateinischen und in den roma-
nischen Sprachen der A k k u s a t i v an die Stelle des Nominativs getreten.
Wenn die Cippen von Pisaurum matronas statt matronae haben, so ist der
vulgärlateinische Stand bereits erreicht. A b e r auch für den T y p u s sphinga
finden sich frühzeitig Belege. Crisida auf einer praenestinischen Cista des aus-
gehenden 3. Jahrhunderts v. Chr. kann nur die homerische Chryseis meinen 8 ,
und creterra findet sich bei Naevius®. A u c h lat. Numida gibt den A k k u s a t i v
νομάδα, nicht den Nominativ wieder. Vor Agrigent 262 stießen die Römer
erstmals auf eine numidische Truppe des karthagischen Heeres.

Belege bei Ducange 3, 2, 246.


1

Ducange 3, 2, 246.
2
3 fr. 222 Sehr, σης Nom. Sing. Aber noch Aristoph., Lys. 730 σέων Gen. Plur.

(F. Specht).
4 Paus. 6. 26, 6; Hesych. Σήρες.
Pollux 7, 29.
5

Ρ· 3°4- 70.
6
7 Zum Folgenden F. Altheim, Rom u. d. Hellenismus 65f.; Literaturangaben 134

Anm. 164. Gesch. derlatein. Sprache (1951) 395f.


8 Über anlautendes c: P. Kretschmer, Vaseninschriften 206f.; W. Schulze, Kl.

Schrift 702.
9 fr. 6 Morel.
ΙΟ. CHINA 235

Es braucht nicht auf entsprechende Erscheinungen in den anderen ita-


lischen Sprachen eingegangen zu werden 10 . Genug, es ist häufig, vor allem
im nichtliterarischen Gebrauch, daß die Übernahme griechischer Lehn-
wörter im Akkusativ erfolgt. Dieser beginnt damit seine Rolle als Casus
generalis anzutreten. Der Akkusativ der konsonantischen Stämme auf -a
bot sich zur Einreihung in die lateinische α-Deklination förmlich an.
Mittellat. seta, nach Ausweis des Wörterbuchs niemals ein literarisches
Wort 1 1 , aus griech. σ ή τ α gibt dafür einen neuen Beleg 12 .
Die älteste Erwähnung der σηρικά findet sich angeblich bei Nearchos 13 .
Strabon 14 berichtet: έκ δέ της αυτής αΙτίας ένίοις (sc. τ ω ν δένδρων) και
έιτανθεϊν έριον (sc. Μεγασθένης φησί) - έκ τ ο ύ τ ο υ δέ Νέαρχος φησι τάς
εύητρίους ύφαίνεσθαι σινδόνας, τους δέ Μακεδόνας άντί κναφάλλων αύταϊς
χρήσθαι και τοις σάγμασι σόγης. Τοιαύτα δέ καΐ τ ά σηρικά, εκ τ ί ν ω ν
φλοιών ξαινομένης βύσσου. Εϊρηκε δέ καΐ περί καλάμων κτλ.
Sieht man schärfer zu, so ergibt sich, daß zwischen zwei Anführungen,
die entweder beide von Nearchos oder von ihm und Megasthenes stammen,
ein Zusatz Strabon's selbst eingeschoben ist 16 . Gewährsmänner werden
aufgerufen für das ipiov, aus dem man die Gewebe herstellt, und für die
κάλαμοι, das Zuckerrohr, aus dem man „Honig" gewinnt. Die Erwähnung
der σηρικά hingegen ist ein Nachtrag zu den unmittelbar zuvor genannten
Geweben und stammt, wie gesagt, erst von Strabon.
Man kommt demnach über die augusteische Zeit nicht hinauf. Dionysios
Periegetes 16 sagt von den Τόχαροι ΦροΟνοί τε καΐ ϋθνεα Σ η ρ ώ ν :
αΐόλα δέ ξαίνοντες έρήμης άνθεα γαίης
είματα τεύχουσιν π ο λ υ δ α ί δ α λ α τιμήεντα.
Diese Serer begegnen schon bei Apollodoros von Artemita 1 7 . Als Apollo-
doros schrieb, hatte Chang-ch'ien seine Reisen bereits hinter sich, und es war,
im Jahre 106, schon die erste Karawane von Osten nach Westen gegangen.

10 F . Altheim, a. O. 66 f. bez. 396.


11 Ducange 3, 2, 246: sericum, quod vulgo dicitur seta.
1 2 So schon bei Ducange 3, 2, 246: non desunt qui opinantur vocem hanc Graecam

esse: quippe Hesychio et Suidae σής, σητός est σκώληξ seu vermis, qui net sericum.
1 3 Lidell-Scott σηρικός.

14 is p. 693!
15 F . J a c o b y zu FGrHist 133 F 19 denkt bei εϊρηκε auch an Megasthenes. E r
druckt die ganze Partie, die auf τοισΰτα δέ καΐ τά σηρικά folgt, als nicht sicher
nearchisch mit kleinen Lettern.
16 754 f-
17 Strabon 11 p. 516.
236 SPÄTS AS ANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

Die Silberprägungen der parthischen Münze in Seleukeia zeigen, daß seit


70 v. Chr. der Chinahandel in vollem Gange war 18 . Apollodoros selbst stand
der Kaufmannsaristokratie dieser Stadt nahe, die jenen Handel leitete; er
war weit bis in den Osten gereist. Wenn irgendeiner, so mußte er über den
Geschäftsverkehr nach China und über den Seidenhandel Bescheid wissen.
Ein Fund vom Limes von Tun-huang bringt die Ergänzung, daß zwischen
61 v. Chr. und 9 n. Chr. der Seidenhandel mit Indien gleichfalls im Gange
war 19 .
Einen Schritt hinauf führt Amometos, der den Serern ein eigenes Werk
widmete20. Für ihn handelte es sich um Nomaden, die die Seide fertigten und
in stummem Tauschhandel absetzten21. Das weist auf eine Zeit, da unmittel-
barer Handelsverkehr mit China noch nicht bestand und andere Stämme
als Zwischenhändler auftraten. Die archäologischen Funde lassen sich damit
in Übereinstimmung bringen.
Ein frühes Vordringen chinesischer Seidenstoffe22 zeigen die Gräber, die
Sven Hedin im Delta des Qum-darya, westlich des Lop-nor, gefunden hat.
Sie gehören der Zeit zwischen 100 v. Chr. und 200 n. Chr. an23. Noch ältere
Seidenfunde wurden von Sir Aurel Stein an der berühmten, von ihm mit
LC bezeichneten Mesa nordöstlich von Lou-lan gemacht24. Sie gehen viel-
leicht noch ins 2. Jahrhundert v. Chr. zurück25. Damit gelangt man in eine
Zeit, die Apollodoros von Artemita voraufliegt. Und schwerlich ist es
Zufall, daß die Gräber im Delta des Qum-darya nicht von Chinesen, sondern
von der einheimischen Nomadenbevölkerung stammen26. Ob diese Vor-
gänger der heutigen Loplyk's die nomadischen Serer waren, ist kaum zu
sagen. Aber ähnlich wird man sie sich vorzustellen haben. Auch bei einem
anderen Nomadenvolk, den Hiung-nu, hat man chinesische Seidenstoffe ge-

18 R. H. McDowell, Coins from Seleucia 170f.; 220; weitere Angaben und Erörte

rungen bei Sir Aurel Stein, Innermost Asia 1, 243 f.


1 9 Sir Aurel Stein, Serindia 2, 701 f.
20 Plin., n. h. 6, 55; vgl. 1, VI. Das angebliche Ktesiasfragment des Mon. 287 (in

C. Müllers Herodot p. 86b) kommt nicht in Frage: C. Müller, Geogr. gr. min. 2, 152 zu
Dion. Perieg. 754.
21 Plin., n. h. 6, 5 4 I
22 F. Bergmann, Archeol. Researches in Sinkiang (The Sino-Swedish Exped. 7) 128.
23 F. Bergman, a. Ο. 146.
24 Sir Aurel Stein und F. Η. Andrews, in: Burlington Magaz. 37, 3f.; 7 i f . ; 147!;

vgl. Serindia 1, 373 f.


25 Sir Aurel Stein und F. H. Andrews, a. O. 5 f.; F. Bergman, a. Ο. 146.
24 Sir Aurel Stein, Innermost Asia 1, 264; 266; 2, 736f.; 757.
ΙΟ. CHINA 237

funden. Aber die Gräber von Noin Ula in der Äußeren Mongolei sind erst
in die Jahre um die Zeitwende zu setzen27.
Von entscheidender Bedeutung ist der Name der Serer selbst.
Ihm zugrunde liegt das chinesische Wort für die Seide: si2S. Man weiß
heute, daß Seide bereits unter der Yin-Dynastie in Gebrauch war29. Das
Zeichen dafür, ein Seidengespinst nachahmend, findet sich auf einem der
alten Orakelknochen aus der Zeit der Yin und auf einer Chou-Bronze von
etwa 950—77030. Als Lautwert ist mittelchines. st, altchines. *spg anzu-
setzen.
Bei den Finalen auf -pd läßt sich folgende Entwicklung feststellen81:
Archaisch: Altchinesisch:
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
*k'pd k'pi k'pi k'jei
*lpd Ipi liei Iji
Ähnlich liegt es bei den auf -pg: archaisch *kpg > altchines. kji32.
Nun hat man bei den Finalen auf -ad, -pd und Verwandten zwischen dem
ursprünglichen Dental und der späteren Vokalisierung eine Zwischenstufe δ
gefordert, also einen Spiranten, der den Übergang zu r in manchen Dialekten
erklärt33. Entsprechend müßte man bei den Finalen auf -pg eine Zwischen-
stufe γ ansetzen, wiederum also eine Spirans. Daß sie in altchin. *spg
ebenfalls nach r hin lautete, zeigen34 mongolisch sirgek und mandschurisch
sirge „Seide". Dieses altchines. *spg in seiner zweiten Stufe spy, nach *spr
hin lautend, hat den Ausgangspunkt für den iranischen und den griechischen
Namen der Seide gebildet36.
17
P. W. Yetts in: Burlington Magaz. 48, vgl. 2 5 8 I
2$
B. Karlgren, Etudes sur la phonologie Chinoise 730 Nr. 200; Grammata Serica
383 Nr. 934 a—c.
28
V. Sylwan in: BMFEAStockh. 9, 119f.
10
B. Karlgren, Grammata Serica 384 Nr. 974 b c.
21
B. Karlgren, a. O. 23t.; vgl. BMFEAStockh. 5, i6f.
92
B. Karlgren, Gramm. Serica 34 f.; zum zeitlichen Verhältnis beider Klassen 35
Anm. 1.
** P. Pelliot in: T'oung Pao 1915, 3; B. Karlgren, ßtudes sur la phonologie Chi-
noise 603f.; BMFEAStockh. 5, 32; H. W. Bailey in: BSOS, 8, 886.
24
O. Franke, Gesch. d. chines. Reiches 3, 347 Anm. 9. Ein Wort sil gibt es im Korea-
nischen nicht, nur sil „Faden" (H. Junker).
ss
Gegen B. Laufer, Sino-Iranica 5 3 7 t ; P. Pelliot in: T'oung Pao 13, 741 Anm.
Über r = altchines. γ vgl. W. Simon bei O. Franke in: SBAW. 1934, 269; B. Karlgren
war so freundlich, auf eine Anfrage Auskunft zu geben: „ I t is quite possible that
*si'G> « has a middle stage: *sj.9g > *s{)y > si. Walter Simon has advanced the
theory, that the guttural final in words of this category never was a real g, but a
238 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

Denn neupers. säräh muß irgendwie auf *swr zurückgehen. Unmittelbare


Entlehnung ist freilich unwahrscheinlich, aus geographischen wie aus
sprachgeschichtlichen Gründen. Eine säräh entsprechende mittelpersische
Form fehlt. Der Weg der Entlehnung läßt sich noch aufzeigen. Die nestori-
anische Inschrift von Hsi-an-fu nennt eine Stadt Saray36. Mit Hilfe eines
sanskrit-chinesischen Glossars der T'ang-Zeit hat P. Pelliot37 die Gleich-
setzung von Saray und Lo-yang erweisen können. Der Name Saray er-
scheint weiter in einem soghdischen Kolophon von 728s8 und in einem sogh-
dischen Brief von 311 n. Chr. (oben 1, 28 f . ) 3 9 . Ptolemaeus40 nennt unter
den πόλεις τ ω ν Σινών μεσόγειοι eine Stadt, die als Σαράγα Α, Σαγάρα χ,
Σ α ρ ά τ α Ζ ν ω ι ά als σάρατα U K überliefert ist. Der Name Saray kann nichts
anderes als „Seide, Seidenstadt" bedeutet haben41. In dieser Bedeutung
— nicht als Eigenname, sondern als Appellativum — war das Wort Vorbild
von neupers. säräh. Die Soghder waren die großen Vermittler 42 : nicht nur
zwischen China und Indien (es genüge, an die Übersetzertätigkeit des
Soghders Seng huei43 zu erinnern), sondern auch zwischen Ost und West. Sie
haben China den Namen Roms und Byzanz den von China und Chumdan
übermittelt44. Sie haben auch die altchinesische Bezeichnung der Seide nach
Iran gebracht; denn soghd. Saray, neupers. säräh sind nichts anderes als
*spr, durch das im Mitteliranischen häufige Suffix -κα erweitert.
Es bleibt die Frage, ob hier auch der Name der Ση pes anzuknüpfen
ist46. Eine unmittelbare Verbindung besteht nicht. Saray wird im Sogh-

fricative γ, and he believes t h a t *spy was the basis οί Ser(es), just as northern
German „ W a g e n " (wayin) comes phonetically very close t o waren (with velar r). See
W . Simon in: Mitt. Sem. Orient. Sprach. 1927, 20". Säräh ,,a strip of white silk"
(H. Junker).
3β P. Y . Saeki, The Nestorian Documents and Relics in China 69; 80; 100; 380.
37 I n : T ' o u n g P a o 25, 91 f.; dazu Η. Η . Schaeder, Iranica. A b h G G W . 3, Ν. F .
10, 46L
38 Η . Reichelt, D. soghd. Handschriftenreste d. Brit. Mus. 2, 70; Η. H . Schaeder,
a. O. 49 A n m . 2.
3· H. Reichelt, a. O. 2, 12; Η . H. Schaeder, a. O. 49; W . B. Henning in: B S O A S .
12 (1948), 6 o i f .
40 Geogr. 7, 3, 5.
41 Ähnlich Η . H . Schaeder, a. O. 49; über die Beziehung zu den Σήρε; weiter unten.
42 Η. H. Schaeder, a. O. 4 2 f . ; 4 4 f . ; vgl. F . Bergman, a. Ο. 1 2 7 ; über die Soghder im
Lop-nor-Gebiet: P. Pelliot in: Journ. asiat. 1916, 1 1 5 f.; Sir Aurel Stein, Serindia 2, 653 f.
43 E . Chavannes in: T ' o u n g Pao 1909, 199f.
44 T h e o p h y l a k t . 7, 9, 2 — 1 1 de Boor; Η . Η . Schaeder, a. Ο. 44*·; Ρ· Α . Boodberg in:
H a r v . Journ. Asiat. Stud. 3, 223 f.
45 Η . H . Schaeder, a. O. 49.
10. C H I N A 239

dischen und in der syrischen Fassung der Inschrift von Hsi-an-fu defective
geschrieben: Sry. Σήρες, Σήρα, σήρ und σηρικόν weisen jedoch auf einen
langen Vokal in der Stammsilbe. Es kommt hinzu, daß der Name der Σηρε$
erstmals in einer Zeit belegt ist, die der soghdischen Vermittlertätigkeit
lange vorausgeht.
Die Quantität eines chinesischen Vokals44 ist abhängig von der Tonhöhe
und der Stellung des Wortes im Satz. Besonders schwankend ist in den
einzelnen Dialekten die Quantität eines einfachen Vokals in geschlossener
Silbe (wie im Falle *spg). Vermutlich konnte ein Fremder ihn ebenso als
längeren wie als kürzeren Laut hören. Unter dieser Voraussetzung könnte
nicht nur soghd. Saray auf altchin. *spg, *s{9r zurückgeführt werden,

sondern auch Σήρες und Verwandte.


Dennoch bleibt unmittelbare Entlehnung unwahrscheinlich. Sie bleibt
es im Griechischen ebenso wie im Neupersischen. Denn die Schrift des
Amometos über die Serer zeigt, daß die Griechen nicht mit den Chinesen
selbst, sondern mit einem nomadischen Volk in Berührung kamen, das den
Zwischenhandel in Form des stummen Tausches betrieb. Auch die archä-
ologischen Bezeugungen waren dieser Auffassung günstig. Wiederum läßt
sich der Weg der Vermittlung noch verfolgen.
Tocharisch Α säräk Sing. masc. ist der Name eines Kleidungsstückes47.
Eine Verbindung mit neupers. säräh liegt nahe. Auch das tocharische Wort
ist mit einem -^-Suffix gebildet48. Sollte ein seidenes Kleidungsstück ge-
meint sein ? Das von neupers. säräh abgeleitete arab. sarak bedeutet nicht
„Seide" schlechthin, sondern „seidene Fahnen" 49 . Ihre Vorgänger sind in
den prachtvollen seidenen Bannern der T'ang-Zeit zu suchen, die Sir
Aurel Stein in Tun-huang gefunden hat50. Und schon im parthischen Heer
des Surenas erscheinen die Serica vexilla51. Τά σηρικά, serica sind seidene
Gewänder. Überall steht demnach das Einzelne und Greifbare, nicht der
allgemeine Begriff am Anfang. Der Stamm *iär- in Säräk ließe sich mit
altchines. *spr durchaus verbinden. Die Wiedergabe von s{ durch έ ist gut,

u B. Karlgren, Etudes sur la phonologie Chinoise 252 f.


47 Schulze-Sieg-Siegling, Tocharische Gramm. 49. Siegling verwies, wie mir F. Specht
schreibt, auf toch. Β karge wassi „Obergewand".
48 Schulze-Sieg-Siegling, a. O. 2.
49 Nach Mitteilung von J. Fück.
so Serindia 3, 9 3 7 f . ; 4 Tai. 56.
" Flor. 3, 11, 8.
240 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

und die eines lang gesprochenen a52 durch ä, da ein langes ä fehlt, die einzig
mögliche.
Unter der Voraussetzung, daß säräk wirklich ein seidenes Kleidungsstück
bezeichnet, finden die griechischen Bezeichnungen ihre Erklärung. Jeden-
falls würden sich Σήρ Nom. Sing, und das Appellativum σήρ als ionisierte
Form des im Tocharischen Α als Etymon anzusetzenden *sär verstehen
lassen. Und σηρικών mit seiner -&o-Bildung entspräche der -^-Erweiterung
von säräk. Auch σηρικών, sericum bezeichnen nicht die Seide als Stoff,
sondern das daraus gefertigte Gewand.

NACHTRAG ι

Aus dem Widerhall, den die vorliegenden Ausführungen 1 gefunden


haben, sei Folgendes angeführt. Zunächst hat H. W. Bailey 2 bestritten, was
zu tochar. Α säräk gesagt wurde. Hingegen hat A. Schall3, ohne Bailey's Aus-
führungen zu kennen, darauf verwiesen, daß auch neupers. säräh „Streifen
eines Seidentuchs" sowie das aus älterem *sarak entstandene arab. sarak
nach Lisän al-'arab 12,22,8 Sikäku l-harir bedeute. Auch τά σηρικά könne
„seidene Gewänder" meinen. Wichtiger jedoch ist, was A. Schall aus dem
Syrischen nachträgt 4 . Er hat auf übersehenes syr. seräyä hingewiesen und
versucht, dieses Wort in den zuvor beschriebenen Entlehnungsvorgang
einzuordnen. Es sei ihm das Wort erteilt, wobei die Literatur-Zitate sowie
die fremdsprachlichen Wörter, die Schall in Originalschrift anführt, nach
der in diesem Werk üblichen Weise gegeben werden.
„Die Vokaländerung des in tochar. Α als Etymon anzusetzenden *sär- zu
syr. Seräyä5 σηρικός läßt sich dadurch erklären, daß syr. α unter Ein-
wirkung eines Zischlautes mehrfach zu e wird (Brockelmann, Grundr. 1, 202
und Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.® 32 § 45, dessen Feststellung durch
Brockelmann im Prinzip etwas erleichtert wird). Dieselbe Erscheinung be-
gegnet uns schon im Assyrischen (Brockelmann, ebenda).
Schwieriger verhält es sich mit dem anlautenden Spiranten.
s e hat in den indo-arischen Sprachen den Wert eines palatalen Zisch-
42 B. Karlgren, a. O. 306 f.
1 Erstmals: Weltgeschichte Asiens 1 (1947), 63f.
2 In: BSOAS. 13, 391.

3 Studien über griechische Fremdwörter im Syrischen (i960) 66.

4 a. O. 67 f.

6 Schall schreibt Ser.

• Schall schreibt s.
ΙΟ. C H I N A 241

lautes. Dieser begegnet im Semitischen als s. Als Beispiel sei hebr. sappir,
syr. sappilä, .Saphir* aus altind. sanipriya- ,vom Saturn geliebt' angeführt 7 .
Wir besitzen aber auch Beispiele, wo für s ein syrisches £ eintritt.
In seinen „Gesammelten Abhandlungen" p. 71 Nr. 177 verbesserte
Lagarde das aus Bar Bahlül stammende, bei Payne Smith Sp. 4343 ange-
führte SwSmyr in SwSmr und setzte es altind. sumsamära gleich (das Wort hat
die Bedeutung .Alligator, Krokodil'). Sumsamära- fand ich weder in der
großen noch in der kleinen Ausgabe des Böhtlingkschen Wörterbuchs be-
legt, doch kommen vor: Böhtl., Wb. i. k. F. V I 239c sisumära- .delphinus
gangeticus, auch Alligator' und ebenda VI 230 simsumära-. Für das Neu-
persische bietet allerdings Steingass, A Persian-English Dictionary s. v.
ähnlich wie Lagarde a. 0. swsm'r „a species of green lizard".
Wenn ferner bei Böhtlingk Wb. i. k. F. Lautwiedergaben wie sah für neu-
pers. Sah (nebenbei sähnäma- ,Säh nämeh' VI 230) VI 229 vorkommen,
wenn neupers. Sah „Ast", hier allerdings auf Verwandtschaft beruhend, dem
altind. säkhä- entspricht8, ist es wohl erlaubt, syr. Seräyä in diese von Alt-
heim aufgedeckte Wanderung des Wortes .Seide' hineinzunehmen und ihm,
das nach Ausweis des Lautstandes schon ziemlich früh einem arab. sirä5 8 als
Grundwort diente, einen festen Punkt in Kultur- und Lehnwortbeziehun-
gen des alten Orients anzuweisen."

NACHTRAG 2

Die oft vernommene und oben S. 231 wiedergegebene Behauptung, man


kenne aus Ägypten keine Funde chinesischer Seide, die vor die Yüan- oder
frühe Ming-Zeit fielen, ist von vornherein so unwahrscheinlich wie möglich.
Die Versicherung, auch die Fundstätten aus der Zeit des sasanidischen
Iran hätten nichts dergleichen erbracht, ist inzwischen durch die überaus
reichhaltigen Funde vom Berge Muy erledigt worden (oben 2, 83).
Im Dezember i960 gelang den Verfassern, einen Stoffund aus Fustät
geschlossen zu erwerben. Die Zeit wird durch das Vorhandensein zahlreicher
7 Böhtlingk, Sanskritwörterbuch in kürzerer Fassung (1879—89), V I 203 b und
Muss-Arnolt, On Semitic Words in Greek and Latin, in: Transact. Americ. Philol.
Assoc. 1892, 139.
8 P . Horn, Neupers. Schriftsprache in Geiger-Kuhn, GrlrPhil. I, 2, 87. D a z u ist,
was zeitlich j a nicht möglich war, die Bemerkung nachzutragen, die Macdonell in seiner
Vedic Grammar (Straßb. 1910; Grundr. I A . Phil. I, 4) p. 31 § 40 a zu säkhä- g i b t : In
säkhä- steht das Anfangs-s wahrscheinlich für ch, d a zwei Aspiraten in derselben Silbe
vermieden werden.
* Lane 1, 4, 1484 Mitte. Die übliche Form ist siyarä'.
16 Altheim, Hunnen V
242 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R U N D H U N N E N

Stücke tülünidischer Herkunft bestimmt, dem das völlige Fehlen von


solchen aus fätimidischer Zeit entspricht. In dieselbe Zeit führt ein Stück
feinen Leinens, dessen eingewebtes kufisches Schriftband folgendermaßen
beginnt:
bi-smi ttähi r-rahmäni r-rahim. barakätu llähi li-'abdi llähi wa-hamdu Uähi
li-l-mutawakkili 'alä llähi amtri l-mu'minina . . .
(Abb. 18). Mit Mutawkkil käme man erneut in eine Zeit, der die tülüni-
dische Epoche in Ägypten entspricht.
Damit bestimmt sich die Ansetzung eines weiteren Stückes, das dies-
mal chinesischer Herkunft ist. Es handelt sich um einen Fetzen gelber Seide,
etwa handgroß, dessen Muster nach Art eines Damastes eingewebt sind
(Abb. 17). Was dargestellt ist, zeigt am vollständigsten und deutlichsten
die linke Seite. Oben links eine männliche Figur, nach rechts gewendet und
mit einem nach hinten abstehenden Mäntelchen oder Rock bekleidet. Mit
beiden Händen erhebt sie eine Stoßwaffe, die auf einen vor ihr stehenden,
nach links gerichteten und gehörnten Vierfüßler zielt. Diesem zu Füßen er-
kennt man einen nach rechts gewendeten Hirsch, mit erhobenem Kopf und
rückwärts sichtbarem Geweih: er steht oder liegt unter einem Baum.
Rechts von diesem ein sich auf den Hirsch zu bewegender Reiter. Unterhalb
der Gruppe ein nach links gerichteter Löwe oder Leopard. Mit erhobenem
Schweif tritt er einem kleineren und einem größeren Hund entgegen, die
von links herankommen. Unterhalb ein zweiter Baum, auf der gleichen Senk-
rechten wie der Stamm des oberen; rechts von ihm ein Reiter, nach links
sich bewegend.
Zweifellos handelt es sich um eine Jagdszene. Das Wild ist von beiden
Seiten in einem durch die Bäume dargestellten Wald eingekesselt. Dieser
Deutung entspricht, was auf der rechten Seite sich noch erkennen läßt, Hunde
und Jäger, zu Fuß und zu Pferde; alles Übrige entzieht sich der Festlegung.
Die Webart paßt am ehesten zu dem in: Sämtliche Werke der Welt-
kunst (japan.) 8 (Sui und T'ang) S. 90 Abb. 140 in Vergrößerung wieder-
gegebenen Beispiel10. In der Verteilung der Figuren über den Raum,
locker und unregelmäßig, wie sie ist, lassen sich Fresken aus der späten
T'ang-Zeit vergleichen, die der Höhle 156 von Ch'ien-fo tung entstammen.
Man findet sie abgebildet bei O. Siren, Chinese Painting 1, 3 (1956) pl. 66
und Add. 66 Β.
10
Doch bekennen die Verfasser, daß ihnen über Fragen der Webetechnik kein
Urteil zusteht.
II. KAPITEL

DIE NACHFOLGER
DER EUROPÄISCHEN HUNNEN

Bei den europäischen Hunnen und ihren Genossen, den Alanen, hatte
sich gezeigt, daß, wo immer man unter der Einwirkung iranischer Kultur
stand, diese alle Kennzeichen der frühsasanidischen Zeit aufwies. Der Nach-
weis, der im vorigen Band geführt wurde, braucht nicht wiederholt zu
werden. Hingegen muß, um der Bestätigung und Abrundimg des Ergeb-
nisses willen, das Gegenbild gezeichnet werden. Als die Hunnen sich nach
Europa wandten (375), hatten sie sich gleich ihrem Muttervolk, den Heph-
thaliten, eine unbestimmt lange Zeit am Balkasch-See und ein knappes
Jahrzehnt im Land nördlich des Oxos aufgehalten. Schwerlich genügte
diese Spanne, um sich von der frühsasanidischen Kultur durchdringen zu
lassen. Deren Spuren sind denn bei den europäischen Hunnen gerade noch
zu erkennen; tiefer gingen sie nicht. Anders stand es mit den Nachfolgern.
Zu dem Zeitpunkt, da das große Hephthalitenreich unter osttürkischem
und sasanidischem Druck zusammenbrach (558), im Anschluß daran die
Awaren, einige Jahrzehnte später die Proto-Bulgaren und Chazaren sich
aus dem bisherigen Verband lösten und westwärts zogen, hatte man zwei
Jahrhunderte in Nachbarschaft des Sasanidenreichs gelebt. Man hatte mit
diesem gekämpft, es besiegt und beherrscht; man hatte zuletzt den kürzeren
gezogen. Es war unausbleiblich, daß man sich der Einwirkung der Kultur,
in diesem Fall der spätsasanidischen, nicht verschloß.
Zwei Umstände kamen hinzu, um diese Einwirkung nachhaltig werden
zu lassen. Der hephthalitische Stamm hatte sich zuletzt mehr oder weniger
iranisiert, hatte die türkische Sprache mit der soghdischen vertauscht
und sich so angepaßt, daß die Zeitgenossen Hephthaliten und Soghder kaum
noch zu unterscheiden vermochten. Besonders der herrschende Stamm war
von dieser Veränderung betroffen worden, während sich die noch nomadisch
lebenden, am Rand der Sogdiane und in der Steppe beheimateten Stämme
von solcher Iranisierung freigehalten hatten. Auch die Soghder selbst
16*
244 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

waren seit langem vom sasanidischen Einfluß erfaßt. Mehr noch: sie sahen
sich, nach geographischer Lage, politischer Stellung, wirtschaftlicher Aus-
dehnung und als Handelsvolk, das sie waren, eingespannt in das Kraft-
feld, das die ständig sich verstärkenden Beziehungen zwischen dem
spätsasanidischen Reich und der gerade emporgekommenen chinesischen
Dynastie der T'ang bildeten. Damit ist der zweite Umstand berührt,
der zur Sprache kommen soll.
Die Sogdiane als Durchgangsland des Seidenhandels ist zuvor entgegen-
getreten. Paikand als Umschlagsplatz dieses Handels wurde aus den ara-
bischen Berichten deutlich (oben 2, 81 f.; 83f.; 282) und im Zusammenhang
damit der Gewinn, den die soghdische Kaufmannschaft tätigte. Die alten
soghdischen Briefe zeigen, daß dortige Handelshäuser Agenten in der chine-
sischen Hauptstadt unterhielten und diese sie über alle wichtigen Gescheh-
nisse unterrichteten1. Aufschlußreich ist, daß sich im Archiv des sogh-
dischen Dynasten Divästic (oben 2, n6f.), von sowjetischen Forschem
auf dem Berge Muy gefunden, neben Briefen in soghdischer Sprache nur
jeweils einer in osttürkischer und arabischer, dagegen acht in chinesischer
gefunden haben2. Zeitweilig hat China sogar Oberhoheit über Städte
wie Samarkand und Buchara beansprucht3. Bei dem Hin und Her der Ein-
flüsse, die sich vorzugsweise im 6. und 7. Jahrhundert abzeichnen, bildeten
China und sasanidisches Reich einen zunehmend gemeinsamen, sich gegen-
seitig angleichenden Kulturbereich, dessen Auszahlungen sich keines der
dazwischenliegenden oder angrenzenden Völker entziehen konnte.
So ist denn das Bild, das die Hephthaliten selbst geben, hinsichtlich der
Einwirkung der spätsasanidischen Kultur aufschlußreich genug. Von dem,
was an früheren Stellen gesagt wurde, sei das Wichtigste zusammengestellt.
Einschneidendes Ereignis der spätsasanidischen Geschichte bildete
die Revolte der Mazdakiten. Deren Niederwerfimg folgte ein Neuaufbau des
Staates, der sich unter Kaväö I. und Chusrö I. Anösarvän vollzog. Die Ein-
richtung der dehkän, das auf diesen beruhende Lehnssystem mit seiner
wirtschaftlichen und militärischen Ordnung (an anderem Ort von uns
ausführlich behandelt4) hat auf die Nachbarstaaten rasch gewirkt. In
W. B. Henning in: BSOAS. 1948, 601 f.
1

A. Mongait, Archaeology in the USSR. (1959) 290.


2

3 Β. Spuler, Iran in früh-islamischer Zeit (1952) 32; 48; W. Speiser, China, Geist

und Gesellschaft (1959) 139.


4 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 57*·; v gl- Ein asiatischer

Staat 1 (1954). 131 f·


II. D I E N A C H F O L G E R D E R E U R O P Ä I S C H E N H U N N E N 245

Chwärezm kannte man, als der arabische Eroberer nahte, dehkän und marz-
bän, wie im Sasanidenreich8. Diese dehkän saßen in Burgen, die seitens der
sowjetischen Ausgräber festgestellt wurden. Diese bildeten „mächtige Vertei-
digungsanlagen", „sind von Stampflehmmauern umgeben und besitzen in
der Regel einen .Donjon', einen Wohnturm auf hohem Sockel, der ein kom-
paktes Fundament bildet, manchmal gewölbte Räume enthält"®. Bei den
Hephthaliten war man darin vorangegangen. Bahräm Cöbin war, als er zum
Chäqän geflohen war, mit den ihm Treugebliebenen in einer Stadt und Burg
angesiedelt worden; die Truppe wurde mittels eines Verzeichnisses erfaßt
und auf Kosten des Herrschers ausgestattet. Mit anderen Worten: sie er-
hielten die Stellung, die im Sasanidenreich den dehkän oder Rittern (asä-
wird), die in Garnisonen zusammengefaßt waren, zukam (oben i, 49).
Man erkennt, wie mit dem Flüchtling aus dem Nachbarreich dessen Ein-
richtungen Fuß faßten, und dem entspricht, wie sich der „Sache" das
„Wort" gesellt. Denn auch das Wort dehkän hat man übernommen, in der
turkisierten Form tägin (oben 1, 51). Noch in arabischer Zeit war das Land
mit den Burgen der dehkän bedeckt (oben 1, 51; 2, 274). Selbst die Würde
des marzbän wurde, sei es von den Osttürken, sei es schon von den
Hephthaliten, übernommen (oben 2, 99).
Alsdann ist der religiöse Einfluß unverkennbar. Der Zarathustrismus
wurde in dem Maße, wie er im Sasanidenreich an innerer Kraft verlor, im
Osten ausgeprägter. Chwärezm, um es nochmals zu nennen, war eine Hoch-
burg der orthodoxen Lehre, und von den dortigen ahbär und herbab be-
richten die arabischen Geschichtsschreiber. Erst Kutaiba's b. Muslim un-
nachsichtiges Wüten hat dort alle Spuren ausgerottet7. In der Sogdiane kam
es gar zu einer zarathustrischen Wiedergeburt, wobei dem neuerstarkten sogh-
dischen Volkstum, das die Hephthaliten sich einverleibt hatte, möglicher-
weise die Hauptrolle zufiel (oben 3, 28f.; 4,166f.). Doch schon vorher hatte
man auf hephthalitischer Seite die Verehrung der Sonne und die für die
Herrschersymbolik so wichtige Vorstellung vom x°arnah- sowie die Pros-
kynesis sich angeeignet (oben 2, 275)®. Ein weiterer Zustrom mußte sich ein-
5
Altheim-Stiehl, a. zuerst gen. O. 266;
• S. P. Tolstow, Po sledam drewne Chorezmijskoj civilizacii (dte Übers., 14. Bei-
heft der Sowjetwiss. 1953) 2 1 1 .
' Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 267.
* Zu den Ausführungen oben 2, 158 sei Iohannes von Ephesos 3, 317, 28 Brooks
nachgetragen. Vor dem König, heißt es dort, die Orthodoxen npal sgedün. Letztes be-
zeichnet die Proskynesis. Wenn neben dieser das Niederfallen bezeichnet wird, so be-
stätigt dies, daß es zur Proskynesis als solches nicht gehörte.
246 S P Ä T S A S A N I D I S C H E K U L T U R UND H U N N E N

stellen, sobald die unter sasanidischer Schirmherrschaft sich betätigende


Mission der Nestorianer an Boden gewann. Daß diese Mission weit früher
einsetzte, als man zumeist annahm, ist an früherer Stelle nachgewiesen
worden (oben 3, 104f.).
Wie stark und nachhaltig der sasanidische Lebensstil bei Hephthaliten
und Soghdern Fuß faßte, haben die Wandgemälde Pangikant's veranschau-
licht. Die nackte Harfenspielerin9 spiegelt die Sitten, die in spätsasani-
discher Zeit sich eingebürgert hatten. Die gepflegte und zuweilen stutzer-
hafte Tracht der Adeligen läßt das gleiche Vorbild erkennen. Kennzeich-
nend ist auch der Gebrauch des kurzen άκιυάκης (oben 2, 276), der aus
Persien übernommen wurde, sowie die Ausgestaltung des Schwertgurtes, das
sich zu einem Wehrgehänge wandelt10. Wieder aus den arabischen Nach-
richten weiß man von den goldenen Gürteln der Adeligen, aus Bayärkat)
und Sabaskaö (oben 2, 1 1 8 ; vgl. 100).

2
Langsam beginnt der Boden Ostirans seine inschriftlichen Denkmäler
herzugeben. Seit einigen Jahren ist die Inschrift von Käl-i Jangäl bekannt.
Mit einer zugehörigen Felszeichnung wurde sie in der Umgebung von Birjend
im südlichen Choräsän gefunden. Einzelheiten sowie die älteren Veröffent-
lichungen verzeichnet ein Aufsatz W. B. Henning's1. Letzte Äußerung über
den Gegenstand, ist sie die einzige, die wissenschaftlichen Rang bean-
spruchen darf. Mit ihr allein wird sich das Folgende beschäftigen.
Auf der beigefügten Tafel V bildet Henning Felsinschrift und Fels-
zeichnung ab. Er spricht kurz von „a man and a lion" 2 und weist beide aus
stilistischen Gründen dem 3. Jahrhundert n. Chr. zu3. Maßgebend dafür
sind: „man in profile, except for his chest and his eye; absurd misrepresenta-
tion of his right arm and hand." Doch hier beginnen bereits die Irrtümer,
an denen es auch in diesem Aufsatz Henning's nicht mangelt.
Von einer Brust ist nichts zu sehen. Der Mann ist vom Rücken, mit Ver-
kürzung der rechten Hälfte, gegeben. Was Henning als Ansatz der Brust ge-
9
A. Mongait, a. O. 294 f. dritte Farbtafel.
10
G. Widengren in: Arctica 11 (1956), 2 7 3 ^
1
In: Journ, R. Asiat. Soc. 1953, 132f.
2
a. O. 133.
3
a. O. 135.
II. DIE NACHFOLGER DER EUROPÄISCHEN HUNNEN 247

deutet haben mag, sind die Schulterblätter. Das scharf gezogene Rückgrat
bestätigt die Deutung. Da das Tier aus dem Bild heraus angreift, mußte der
Kämpfer dem Beschauer den Rücken in Dreiviertelansicht zuwenden. Nur
Füße und Kopf sind um der Deutlichkeit willen ins Profil gedreht. Henning's
rechter Arm ist in Wahrheit der linke, und auch von einer „absurd misrepre-
sentation" kann nicht die Rede sein. Der Zeichner ist mit ausgesprochenem
Geschick dem Vorwurf gerecht geworden. Bindung an die Bildgesetze der
sasanidischen Kunst wird ihm niemand vorwerfen.
Der Dargestellte hat einen Löwenkampf zu bestehen. Man sollte der-
gleichen nicht ohne Hinblick auf Bahräm's V. Gör berühmtes Heldenstück
zu deuten suchen. Das Königsbuch spricht von zwei Löwen (oder Lö-
winnen?) mit Jungen (bi-asadaini . . . muSbilaini: Tabari, ann. i , 861, i6f.),
und eine Löwin ist auch im vorliegenden Fall dargestellt. Als das zweite
Tier gegen Bahräm angeht, heißt es 862, 11 f.: Saida l-asadu l-äharu 'alaihi
fa-kabada 'alä udunaihi wa-arakahumä bi-kiltai yadaihi. Eben dieses Packen
an den Ohren ist auf der Felszeichnung dargestellt. Schon hat die Linke des
Kämpfers das rechte Ohr der Löwin erfaßt, während seine Rechte sich an-
schickt, ein Gleiches zu tun.

Bahräm errang sich die Königswürde li-tikatihi känat bi-batSihi wa-


-kuwwatihi (862, 1). Das dargestellte Ringen war eine ähnliche Tat. Hier
kämpft der Mann nur mit einem Raubtier, aber er kämpft mit entblößtem
Oberkörper und verzichtet auf die Keule, die Bahräm mit sich führte (wa-
-hamala gurzan). Ein gewiß nicht alltägliches Geschehen, und darum wurde
es der Darstellung für wert befunden.
Henning's Folgerung, daß Käl-i Jangäl darum „served as a hunting-
camp for the local chieftains of Quhistän" 4 , läßt sich aus solch einmaligem
Ereignis schwerlich ziehen. Doch eine andere Feststellung drängt sich auf.
Bändigung einer Löwin durch Reiben ihrer Ohren wurde schwerlich seitens
des Königs von einem Untertanen übernommen. Im Sasanidenreich gab der
König das Vorbild, und so wird denn Bahräm's Löwenkampf durchaus als
etwas bis dahin Unerhörtes berichtet. Dies besagt, daß Käl-i jangäl erst
nach Bahräm's Kampf mit den Löwinnen um den Königsornat anzusetzen
ist. Inschrift und Felsbild fallen nach 420; wie lange danach, läßt sich vor-
erst nicht sagen.

4 a. O. 135.
248 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

Damit erledigt sich Henning's Versuch, Felszeichnung und Inschrift in


die ersten Jahre der Sasaniden zu setzen 5 . Wie man im frühen 3. Jahr-
hundert einen Löwenkampf darstellte, zeigt das Relief A W c von Tang-i
Sarvak, noch unter die letzte Zeit arsakidischer Herrschaft gehörig·. Der
dort dargestellte Kämpfer hält den Löwen, indem er ihn würgt, weit von
sich. Das aufgesprungene Tier ist auf die Hinterpranken gesunken. Ein
Relief in Sar Masad zeigt Bahräm II., wie er Gattin und Sohn gegen zwei
Löwen verteidigt 7 .
Stilistische Datierung kann bei der Zahl der uns bekannten sasanidischen
Denkmäler immer nur ein Ungefähr bedeuten. Weder sachlich noch nach
der Technik kennt man im vorliegenden Fall ein Vergleichsstück. D a über-
dies die stilistische Zuweisung auf Fehldeutungen beruhte, darf man sie
beiseite lassen. Stattdessen besitzt man einen Hinweis, der frühestens ins
zweite Viertel des 5. Jahrhunderts führt. Doch Henning äußert auch schrift-
geschichtliche Erwägungen. Aber daß die Schreibung des h von der des
3. Jahrhunderts abweicht, bemerkt Henning selbst 8 . Auch Aleph, g und £
sind anders gebildet als auf Säpür's I. großer Inschrift. Unterschiede zeigen
sich alsdann gegenüber den Ostraka in parthischer Schrift® und dem Perga-
ment 12 10 , beide aus Dura-Europos. Diese Unterschiede sprechen gegen
eine Zeitstellung ins 3. Jahrhundert.
Damit ist man bei der Inschrift angelangt. Henning's Lesung lautet:
gry'rthStr
nhwdr W Mtrp.
Demzufolge hätte man zunächst einen Stadt- oder Distriktsnamen Gari-
ArtaxSa&r oder Gar-ArdaSir „the mountains of Ardasir". In der darauf-
folgenden Zeile stehen zwei Titel, die beide auf die zuvor genannte örtlich-
keit bezogen werden: „the prefect and satrap of Gry'rthStr". Vorangegangen
sei einstmals der Eigenname des Titelträgers, aber diese erste Zeile „ m a y
have broken away".
Die Nachprüfung mag mit nhwdr beginnen. Henning zählt die ihm be-
kannten Beispiele auf 1 1 , hat aber übersehen, daß nhwdr zur Seite nhwb'r

5 a. O. 135.
* In: Asia Maior N. S. 2 (1952), pi. X I V .
7 L. Vanden Berghe, Archäologie de l'Iran ancien (1959) 52.

8 a. O. 135 Anm. 1.

• Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen (1935) Abb. 1; 2; 4.


1 0 Altheim-Stiehl, Asien und Rom (1952) 73 Abb. 2; oben 1, Abb. 12 und 14.

1 1 a. O. 135 f.
II. DIE NACHFOLGER D E R EUROPÄISCHEN HUNNEN 249

steht: H. F. Junker, das Frahang i Pahlavik (1955) 1. Weitere Vorkommen


haben Th. Nöldeke, Übers. 152 Anm 2; 439 Anm., und F. Justi, Iran.
Namenbuch (1895) 219 f., zusammengestellt. Jetzt hat die aramäische In-
schrift von Mchet'a (oben 4, 15f.) nhdt hinzugefügt. Dazu W. Eilers in:
Indo-Iranian Journ. 5 (1962), 227!.
Gry'rthStr hStrp mag, wofern wirklich im ersten Wort ein Ortsname
steckt, anerkannt werden. Für die Voranstellung des Ortsnamens führt
Henning Beispiele an. Doch ein gry'rthitr nhwdr bleibt ohne solche. Es kommt
hinzu, daß „die Berge Ardasir's" als Bezeichnung einer Stadt oder eines
Distriktes ohne Vergleich sind. Henning selbst gibt dies zu 12 . Endlich muß
seine Deutung mit dem Verlust der ersten Zeile rechnen, wofür sich doch,
außer Unzulänglichkeiten des eignen Erklärungsversuches, nichts anführen
läßt.
Es sollte kein Zweifel darüber bestehen, daß die erste Zeile den gesuchten
Eigennamen, die zweite den Titel gibt. Also nicht „prefect and satrap of
Gry'rthitr", sondern „G., der naxvdär und Satrap". Aus Henning's Lesung
läßt sich freilich kein Eigenname gewinnen. Doch da sich in dem hier ver-
wandten Pahlavik y und ζ kaum unterscheiden, liegt grz'rtMtr nahe. Guräz-
ArtaxSa&r „Eber-Arda§er" fügt sich einer langen Reihe ähnlich gebildeter
Namen ein: Varaz-Bakür, Baräz-bandeh, Varaz-Gnel, Varaz-Grigor, Varaz-
Mihr, Varaz-Nerseh, Varaz-P'eroS, Baräz-Süren uam. Defective-Schreibung
des ä in Guräz darf angesichts von nhwdr = naxvdär nicht befremden.
Im übrigen ist gerade in Choräsän der erste Bestandteil des Namens be-
legt. Nach Ibn HurdädbSh hieß der König von Nisä 13 Abräz (39, 12 de
Goeje). In seiner Übersetzung bringt de Goeje den Namen unter Hinweis auf
Th. Nöldeke, Übers. 240 Anm. 1, mit baräz oder varäz „Eber" zusammen.
Vrz, also Varäz, heißt bei Tabari, ann. 1, 895, 14 ein König der Hephtha-
liten14. All dies fügt sich der Fundstätte unseres Denkmals. Auch an die ala-
nischen Warasi oder Warasci sei erinnert18.
Die vorgeschlagene Deutung setzt indessen voraus, daß man zur Zeit,
da die Inschrift angebracht wurde, bereits guräz statt varäz sprach und
schrieb. W. Eilers, den wir um seine Ansicht baten, schrieb unter dem
30. 7. 1957: „In längeren Ausführungen suchte schon Hübschmann, Pers.
12 a. O. 134.
18 De Goeje hat falsch vokalisiert.
14 G. Widengren in: Orient. Suecana 1, 73 Anm. 4.

l s R. Bleichsteiner bei L. Schmidt in: Schweizer Volkskunde 3 (1951), 37; Weiteres

gibt O. Klima in: Archiv Orientilni 29 (1961), 337f.


250 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

Studien 158—165 (§ 51—56) zu einer Datierung zu gelangen: gunäh < vinäs


wird durch koreanisch gunäh für etwa das 6. Jahrhundert bezeugt, Gurgän
für Vrkäna durch das Syrische für das Jahr 430. Der iranische Name des
Märtyrers Mär Säbä lautet syr. Gusan{y)azdäd, in Koseform GuSnöe, wobei
guSn < v(a)rsn stammt (Mein Neujahrsfest 68 Anm.). Horn im GrlrPhil. 1,
2, 64t. glaubt den Ortsnamen GuläSgird (warum, weiß ich nicht recht) ins
3. Jahrhundert hinaufrücken zu dürfen."
„Hingegen betritt man sicheren Boden", fährt Eilers fort, „mit Säpür's I.
großer Inschrift an der Ka'ba-i Zradust. Hier bieten die griechischen Um-
schriften bereits fürs 3. Jahrhundert n. Chr. fast allenthalben den gw-Anlaut,
den zweimal sogar das Pärsik mitmacht" 15 ". Aus den Beispielen, die Eilers
anführt, geht hervor, daß für guräz- die entsprechende Schreibung nicht
weniger als dreimal in griechischer Umschrift belegt ist: Γο(υ?)ραζδούκτ,
γουράζ, γοράζου.
Die Untersuchung hat bisher einen Weg aufgezeigt, der vom f Iräk oder
der Persis nach Choräsän und Nachbarschaft führt. Noch einen Schritt
weiter, und man ist im ostasiatischen Bereich. Ein Leinengewebe aus dem
Sösöin von Nara zeigt zwei Löwen an der Kette, die sich zum Kampf an-
schicken. Da hat man erneut eine Übereinstimmung mit Tabari's Schilde-
rung von Bahräm's Löwenkampf (ann. 1, 861, 18). Dem 8. Jahrhundert
entstammend, mag das Stück auf ein sasanidisches Vorbild zurückgehen1®.
Noch merkwürdiger ist ein Brokat, der an gleicher Stelle bewahrt wird 17 . Er
zeigt einen aufgerichteten Löwen, dem im Gegensinn ein zweiter entsprochen
haben muß. Am linken Rand bemerkt man Musikanten, und unterhalb von
diesen Sitzende, die sich nach links wenden und mit der Hand auf die Lö-
wen an der rechten Seite weisen. Natürlich wenden sie sich nicht an die
Musikanten, unkriegerisches Volk, sondern an den Helden oder König,
dem jene auf dem verlorenen linken Rand des Brokates vorspielen. Der Ge-
meinte, der sich vorerst noch dem Spiel hingibt und der jetzt an die Be-
kämpfung der Löwen gemahnt wird, kann nur Bahräm V. Gör gewesen
sein, dessen Leben sich stets zwischen den Polen Vergnügen und Heldentat
abgespielt hat.
Die Erwähnung Bahräm's V. Gör veranlaßt, einer zweiten Form der
Jagd zu gedenken. Als er, um den Chäqän der Türken zu täuschen, nach

15a Die Einzelheiten bei Altheim-Stiebl, Philologia sacra (1958) 28.


16 Μ. Ishida und G. Wada, The Shosoin (1954) T a i J 5 2 ·
17 Ebenda Taf. 148.
II. D I E NACHFOLGER DER EUROPÄISCHEN HUNNEN 251

Äöurbaiyän zieht, läßt er jeden seiner Gefährten einen Falken mitnehmen


(oben 2, 48). Ein Falkenjäger, der mit der emporgehaltenen Rechten den
Jagdvogel losläßt, ist auf einer der sino-sibirischen Bronzen dargestellt, die
einst im Besitz C. T. Loo's sich befanden (Abb. 16). Unter einem Baum
stehend, dessen Krone Kopf und Oberkörper des Jägers in einem Halbkreis
umgibt, ist dieser mit einem langen, vorn geöffneten Mantel und darunter
befindlichen, fast zu den Füßen reichenden Hosen angetan. Die Tracht
(oben 1, 322f.) und das nach hinten fallende, geöffnete Haar lassen an einen
Nomaden denken, am ehesten an einen Awaren (oben 1, 92) oder Hunnen
(oben 3, 291). Der rechts von ihm stehende zweirädrige Nomadenwagen mit
darüber gespanntem Dach und zwei Insassen entspricht diesen Beobach-
tungen 18 : er bestätigt, daß die Falkenjagd auch unter den Nomaden geübt
wurde.

3
Der Geschichte einer bisher wenig beachteten Schutzwaffe, des Setz-
schildes oder der Pavese, ist jüngst G. Doerfer mit Erfolg nachgegangen1.
Indem er der Etymologie des russischen Plurals tury „Schanzkörbe" sein
Augenmerk zuwandte, stieß er auf mitteltürk. tura „Setzschild, Pavese",
das auch „Brustwehr" bedeuten kann. Die jeweils ältesten Belege ent-
stammen den Jahren 1072 und 1069. Das Wort gelangte, vermutlich schon
zur Mongolenzeit, ins Neupersische, aus diesem, möglicherweise übers Caya-
taische, ins Russische, wobei es seine Bedeutung mannigfach veränderte;
schließlich in eine Reihe weiterer Sprachen, die indessen fürs Folgende ohne
Belang bleiben.
Mahmüd al-Käsyari führt einen türkischen Vers an 2 :
btclip αηϊη boyunni taqi qalqan tura
18 M. de Ferdinandy verweist uns auf gewisse Parallelen in der Geheimen Ge-
schichte der Mongolen (übers, von E . Hänisch, 1948). Yesugai raubt bei der Vogelbeize
Y e k e Tschiledu ein Mädchen, das dem Clan der „ K u t s c h b o c k k a r r e n " , der „Schwarz^
karren" angehört (a. O. 8; dazu das altaische Felsbild in: P o Sledam drewnich kultur 1.
[1954] 221). Yesugai's Sohn Temudschin heiratet Borte, v o m Unggiraf-Clan, der seine
„schönwangigen Töchter" auf einen „Chasach-Karren" setzt und „ m i t einem Kamel-
hengst davor im T r a b " zu den Freiern fahren läßt (a. O. 10). Bodontschar hat sich ein
graues Habichtweibchen gefangen, das ihm die Nahrung bringt (a. O. 4). A u c h er raubt
sich eine Frau (a. O. 5), von Leuten, die „ d e n Tunggelik-Bach abwärts auf ihrem Treck
gekommen waren" (a. O . 4; vgl. 5), möglicherweise sich gleichfalls der Karren bedienten.
1 I n : Ztschr. f. slav. Philologie 29 (1961), 288f.
2 a. O. 290.
252 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

„haue auf seinen (des Feindes) Kopf, bis sein Lederschild und sein turs
zerschlagen wird" (wa-kra'hu 'alä ra'sihi hattä yukta'a darakatuhu wa-tursuhu
bihi3. Hier ist türk. tura einem arab. turs gleichgesetzt. Ob ein etymologi-
scher Zusammenhang besteht, bleibe vorerst unerörtert. Aber Doerfer ist
zweifellos im Recht, wenn er diese Gleichung zugrundelegt und für das Aus-
sehen des iura die Angaben, die man hinsichtlich des turs besitzt, heran-
zieht. „Un grand bouclier oblong, qui couvrait pr£sque toute la partie in-
ferieure du corps", sagt R. Dozy 4 . Und Doerfer folgert, dieser hohe Schild,
also Setzschild oder Pavese, habe „eine Deckung fast des ganzen Körpers
gewährt; aneinandergereiht dienten Schilde dieser Art als feste Schutzwand
und Ersatz für die sonst übliche Wagenburg" 5 .
Dem gelehrten Bearbeiter ist entgangen, daß die Belege für turs und
tura höher hinaufreichen. Und daß in diesem Fall die Überlieferung dazu
nötigt, die Wörter etymologisch zu verknüpfen. Derart, daß turs ein frühes
türkisches oder hunnisches Lehnwort im Arabischen ist.
Von der Belagerung und Eroberung Samarkands durch Kutaiba b.
Muslim 711—12 hat Tabari einen Bericht gegeben, der zuvor übersetzt und
erläutert wurde (oben 2, 98f.). Nachdem die μαγγανικά der Belagerer in die
Stadtmauer Bresche gelegt haben, spielen sich die Kämpfe auf dieser ab.
Es heißt ann. 2, 1245, 4f. de Goeje: fa-käna r-ragulu yada'u tursahu 'alä
'ainihi, tumma yahmulu hattä särü 'alä t-tulma. Zuvor wurde übersetzt (oben
2, 101): „Es pflegte der (einzelne) Mann seinen Schild (turs) vor sein Auge
zu halten. Dann pflegte er anzugreifen, bis daß sie kamen auf die Bresche."
Da ist zunächst deutlich, daß der Setzschild, der vor allem den Unterkörper
deckt, zu den Augen emporgehoben wird. Das dauert so lange, wie ange-
griffen, das heißt: vorgegangen, wurde. Waren aber die Angreifer angelangt,
so „setzten sie (den Schild) nieder auf (der Höhe) der Bresche". So muß
man nach Doerfer's Darlegungen über den Gebrauch der Pavese verstehen,
unter Benutzung der Bedeutimg von sära „inclinavit", „faire pencher".
Man hat damit einen frühen Beleg für den Gebrauch von turs als Setzschild
gewonnen.
Ein zweites Zeugnis enthält der Name eines Häuptlings der kaukasischen
Hunnen Στύραξ, um 527» G. Moravcsik, der die Varianten zusammenge-

* Unrichtigkeiten der Umschrift bei Doerfer sind stillschweigend berichtigt.


4 Suppl. aux dictionn. arabes 1 (1927), 144.

5 a. O. 290.
II. DIE NACHFOLGER D E R EUROPÄISCHEN HUNNEN 253

stellt hat®, gibt für den Nominativ: Σ τ ύ ρ α γ ξ , Στΰραξ, (στΰραξ), Τ ά ρ α / ξ ,


für den Akkusativ: Στύρακα (στόρσκα), (στήρικα). Die zuvor behandelte
äthiopische Fassung der Geschichte der Hunnen (oben 2, 37 f.) gibt die
Namensform esterä (unrichtig bei Moravcsik: Ast era). Unter den vorge-
schlagenen Deutungen besticht allenfalls die als *öz-turaq. Das übrige bedarf
keiner Widerlegung, zumal nicht nach Doerfer's Untersuchung. Im Namen
steckt tura, und esterä läßt sich geradezu als *öz-tura „der selbst ein Setz-
schild ist" (und demnach eines solchen nicht bedarf) verstehen. Dies besagt
aber, daß in Στυρακ-, στορακ- nicht *öz turaq, sondern nur *öz tura-c steckt.
Über das denominale Substantivsuffix + ° c vgl. A. v. Gabain, Alttürk.
Gramm. 2 (1950) 59 § 22, über κ als Schreibung von c vgl. G. Moravcsik,
a. O. 2 2 , 33. Turs kann alsdann schwerlich etwas anderes als die arabisierte
Form dieses *turac sein. Im Arabischen steht daneben ein denominatives
Verbum im 2. und 5. Stamm.

Als letztes bleibt zu klären, wo tura seiner Herkunft nach einzuordnen


ist, nachdem sich Hura-c als Ableitung erwiesen hat. Da der türkische Ur-
sprung gesichert ist, hegt es nahe, den Verbalstamm tur- „stehen, sich er-
heben" heranzuziehen. Mit dem deverbalen Nominalsuffix -a, -ä 7 gebildet,
würde tur-a „Stand", dann „Stand(schild)" bedeuten.
Damit hat sich das Ergebnis gegenüber Doerfer verändert. E s bleibt
dabei, daß tura ein Wort türkischer Herkunft ist. Diese hat sich bestätigt
und dahin verengt, daß die kaukasischen Hunnen tura und das davon ab-
geleitete *turac erstmals verwandt haben. Das ist schon um 527 geschehen,
also ein halbes Jahrtausend früher, als Doerfer annahm. Daneben begegnen
Wort und Sache, der Setzschild und die auf ihn sich gründende Kampfes-
weise 7 1 1 — 1 2 in Samarkand, im soghdischen und ehemals hephthalitischen
Bereich. Die Araber haben, vermutlich zur gleichen Zeit, Hurac als turs über-
nommen. Damit scheint ein glattes Ergebnis gewährleistet, und doch
bleiben Bedenken.
Bisher wurden Wort und Sache, Bezeichnung und Schutzwaffe, zusammen
gesehen: jetzt gilt es zu scheiden. Der Name ist hunnisch, aber ein Fechten
hinter dem fast mannsgroßen Schild kann nicht die ursprüngliche Taktik
eines Reitervolkes gewesen sein. Wo alles auf Beweglichkeit, rasches Vor-
prellen und ebenso rasche „verstellte Flucht" ankam, stand das beharrende

• Byzantinoturcica 22 (1958), 292f.


7 A. v. Gabain, a. O. 70 § 106.
254 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

Kämpfen hinter einem Schild, der einem homerischen Turmschild nicht


unähnlich gewesen sein mag, nur im Wege; äußerte sich dort der Reiter, so
hier der Fußsoldat. Es kommt hinzu, daß man zwei Darstellungen kennt,
die die Verwendung des Setzschildes beleuchten; auch sie wurden bisher
nicht beachtet.

Beide finden sich auf den Wandgemälden in den Höhlentempeln „Tau-


send Buddhas" von Tun-huang, in der chinesischen Provinz Kan-su 8 .
Stets handelt es sich um Fußsoldaten, die den Setzschild führen. Zuweilen
ist er gebogen, immer aber fast mannshoch und oben oder beiderseits
stumpfwinklig abgeschlossen. Die Kämpfer stellen den Schild vor sich hin
oder tragen ihn vor sich her; sie kämpfen, völlig von ihm gedeckt®. Auf-
schlußreich ist das eine der Wandgemälde, darauf die Fußkämpfer überdies
Schutzwaffen tragen, Helm und Plättchenpanzer, wie man sie von sasa-
nidischen Silberschalen kennt 10 . So scheint sich aufzudrängen, daß Hunnen,
Hephthaliten und Soghder die geschilderte Kampfesweise in spätsasanidi-
scherZeit aus Iran übernommen und mit einem türkischen Namen bezeichnet
haben.
Daß der Setzschild aus Iran stammt, hat bereits Doerfler durch eine
glückliche Beobachtung bewiesen 11 ; er hat sie leider im weiteren Verfolg
seiner Untersuchung beiseite gelassen. In Herodots Beschreibung der
Schlacht bei Plataiai 479 heißt es: (9, 61) φράξαντες γ ά ρ τ ά γέρρα oi
Πέρσαι άπίεσαν τ ω ν τοξευμάτων άφειδέως; (9,99) αύτοί δέ συνεφόρησαν
τ ά γέρρα, Ιρκος είναι σφίσι; {g, 102) εως μέν νΰν τοϊσι Πέρσησι όρθια
ήν τ ά γέρρα, ήμύνοντό τε καΐ ούδέν 2λασσον είχον τ ή μάχη. Man er-
sieht daraus den Gebrauch des getlochtenen Schildes (γέρρον η, 6ι),
den man als Bewaffnung der Saken von den altpersischen Reliefs her kennt 12 .
Seine Verwendung im Nahkampf, die Zusammenfügung eines Schilderzaunes
und die Gegenwehr gegen die Hopliten sind die Taktik einer zu Fuß kämp-
jenden Truppe.

8 Erstmals bei Aurel Stein, Ruins of Desert Khatay 2 (1912); letzte Veröffent-

lichung: P. Miklös, A tunhuangi Ezer Buddha Barlangtemplomak (1959); dazu die


Besprechung Z. Kädir's in: D L Z . 81 (i960), 685f.
9 Am bequemsten zugänglich bei A. v. Le Coq, Atlas zur Kunst und Kulturge-

schichte Mittelasiens (1925) 59 fig. 68; 70 fig. 109; Ο. Sirin, Chinese Painting I 3 (1956)
Ρΐ· 37-
10 Α. v. Le Coq, a. Ο. 6ι fig. 74; Ο. Siren, a. Ο. I 3 pi. 61.
11 a. O. 290 f.
12 A. v. Le Coq, a. O. 74 fig. 127.
II. DIE NACHFOLGER DER EUROPÄISCHEN HUNNEN 255

4
Das in Abb. 19 wiedergegebene Stoffbruchstück entstammt dem zuvor
erwähnten Stoff-Fund aus Fustät und gehört, wie dieser Fund überhaupt,
in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts (oben S. 241 f.). Es handelt sich um ein
doppelseitiges Gewebe, dessen Kette aus Leinen oder Baumwolle, dessen
Schuß aus Wolle besteht. Herstellung in Ägypten ist möglich, aber die
Motive kehren dort nicht wieder. Sie könnten eher aus Iran stammen. Dazu
stimmt denn auch, was sich sonst ermitteln läßt.
Der nach rechts sprengende Reiter, auf reichgeschmücktem Roß sitzend,
trägt eine ins Auge fallende Tracht. Sein dunkelroter, mit hellen Flecken
verzierter Kaftan reicht bis auf die Füße. Er ist um die Hüfte gegürtet und
am Halse ausgeschnitten oder geöffnet. Man unterscheidet dort beiderseits
geöffnete Klappen, kenntlich an deren dunkler Einfassung. Es handelt sich
demnach um den iranischen Taillen- und Klappenrock, der auch von den
Nomaden des Nordostens und des Nordens getragen wurde (oben 1, 330f.).
Hinzukommt das lange nach links flatternde Haar des Reiters. Man
kennt den crinitus Hunnus (oben 3, 290), weiß von den Awaren und Türken
als άπέκτητοι (ebenda), den frisierten oder nach dem Rücken frisierten
Nomaden der Bahman-Apokalypse, den Awaren als mgaddlai sa'rä „mit
geflochtenem Haar" (oben 1, 92) und als 'ammä . . . d-sa'raihön (loh. Ephes.
3, 324, 2 Brooks). Überall handelt es sich um eine Haartracht, die die
Strähnen rückwärts lang herabhängen läßt; sie sind ungekämmt, aber in
Zöpfen geflochten. Dieser Frisur begegnet man auf unserem Stoff. Die Dar-
stellung führt zu den hunnisch-hepthalitischen Nomaden, die im Nord-
osten Irans anzusetzen sind, vielleicht geradezu auf die Reste der dort
einstmals beheimateten Awaren (oben 2, 27!) oder auf Osttürken.
Es scheint demzufolge, daß diese Nomaden die sasanidische Tracht, will
sagen: den Klappenrock, übernommen hatten. Das läßt sich in einem zweiten
Fall bestätigen, der über das 9. Jahrhundert zurückführt. Wieder handelt
es sich um eine Darstellung.
Die beiden Reiterstatuetten, die hier gleichfalls erstmals veröffentlicht
werden (Abb. 13—14) entstammen dem Berliner Kunsthandel. Angaben sind
nur wenige zu machen, da die Stücke einer weitverbreiteten Gattung ange-
hören: Höhe 40 cm, weißlicher und schwach gebrannter Ton, Reste alter
Fassung. Baschlyq, Zaumzeug und Satteldecke sind schwärzlich gefärbt,
der Rock einmal im oberen, das andere Mal im unteren Teil rötlich. Was
256 SPÄTSASANIDISCHE KULTUR UND HUNNEN

die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist die Kleidung der Reiter. Jene
Form des Baschlyq, der oben eine Kappe mit flacher Bedeckung bildet und
nach unten bis zur Brust herabhängt, kennt man von einem Gemälde des
Tökyöter Staatsmuseums, das um 700 angesetzt wird1. Die Beinbekleidung
besteht aus hohen, bis unters Knie reichenden Stiefeln, die am oberen Rand
mit vorn emporgeschwungener Umrandung enden. Zusammen mit den
darunter getragenen „knickerbockers" ist sie von typisch ostiranischer
Art 2 . Der Kaftan endlich, der im Reitsitz noch das Knie bedeckt, ist der
zuvor besprochene Klappenrock, auch er iranischen Ursprungs.
Dargestellt sind Nomaden aus dem Bereich, der zwischen Nordchina und
Nordostiran liegt. Die iranische Tracht legt nahe, daß sie den Stämmen an-
gehören, die zum Hephthalitenreich im weitesten Sinn rechnen. Auch zu
ihnen waren bereits gewisse Bestandteile der sasanidischen Tracht vorge-
drungen. Daß die Könige Persiens aus ihnen ihre Reiter warben, hat sich
gezeigt (oben 2, 268f.); daß sie ihnen zu schmeicheln wußten, beweist die
Geschichte der 2000 christlichen Jungfrauen, die den noch in Ostiran sit-
zenden Awaren Chusrö I. Anösarvän nach Därä's Eroberung'zukommen ließ
(oben 2, 26f.).
Das bisher Ermittelte bestätigt sich angesichts der Awaren und Proto-
Bulgaren, die in Ost- und Südosteuropa auftreten. Man kann ihr Verhalten
mit dem der Hunnen Attila's im einzelnen Fall vergleichen. Diese hatten,
wo sie Abgaben oder „Geschenke" von ihren Untertanen erhoben, sich an
die Einrichtungen gehalten, die das spätparthische und frühsasanidische
Steuersystem ihnen darboten; auf früher Gesagtes (oben 4, 51 f.) kann
hierfür verwiesen werden. Anders bei den Awaren, als ihnen im oströmi-
schen Grenzgebiet die ungleich entwickeltere iugatio und capitatio ent-
gegentraten. Die oben (1, 85!) übersetzte und erläuterte Erzählung, die auf
Iohannes von Ephesos zurückgeht, läßt die awarischen Eroberer den bis-
herigen Bewohnern gegenüber nur die Hälfte der bisherigen sunteliyyä
verlangen. Darin wurde zuvor die Gesamtheit der Abgaben (arab. gibäya)3
erkannt, also iugatio und capitatio zusammen (oben 1, 93).
Noch in einem zweiten Fall ist Iohannes' von Ephesos Bericht lehrreich.
Der Qayan der Awaren, nachdem seine Horden überall geplündert und
1 Abgebildet im 8. Band der in Tokyo erscheinenden ,,Sämtliche Werke der Welt-

kunst" (japan., Sui und T'ang) Farbtaf. 5.


2 G. Widengren in: Arctica 11 (1956), 270.

3 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 46; oben 2, 189 f.


II. DIE NACHFOLGER DER EUROPÄISCHEN HUNNEN 257

verbrannt hatten, stellte ein großes Ciborium, das er in einer Kirche Ko-
rinths erbeutet hatte, „gleich einem Zelt auf und saß unter ihm" (oben i,
90). Ein zweiter Bericht desselben Autors läßt sich dem zur Seite stellen.
Als der Cassänide Mundir b. Härit das Heer der auf persischer Seite fech-
tenden Araber besiegt hatte, schlug er mitten im eroberten Hira ein Zelt
auf und „saß" fünf Tage unter ihm (3, 286, 31 f. Brooks). In beiden Fällen
muß das feierliche Sitzen unter dem Zelt inmitten dessen, was man erobert
hat, als Ausdruck und Bestätigimg des Sieges aufgefaßt werden. Die Awa-
ren südlich der Donau und die Araber an Syriens Grenze liegen weit ausein-
ander. Doch wird die Verbindung durch die Sasaniden hergestellt. Vor der
Schlacht bei Kädisiya saß der persische Reichsfeldherr Rustam unter einem
Sonnensegel (surädik)*. Das spätsasanidische Vorbild ist für die Nomaden
an der römischen Grenze wie im Nordosten Irans maßgebend geworden.
Den mehrsprachigen königlichen Tatenbericht hatten schon die Achai-
meniden gepflegt, und die Sasaniden hatten auch diese Besonderheit auf-
genommen. In ihren Inschriften haben die Proto-Bulgaren die Überliefe-
rung fortgesetzt. Die Mehrsprachigkeit erscheint in vereinzelten, aber ein-
deutigen Beispielen: in der Inschrift von Kalugerica (oben 1, 260) und der
von Catalar (oben 1, 246; 259); auch die Fürstenliste des Ellinskij Letopisec
darf man hinzurechnen. Daneben stehen Tatenberichte, sei es auf Türkisch
(Homorödkardcsony: oben 1, 280 f. und die noch zu besprechende Inschrift
von Schumen), sei es in vulgärem Griechisch abgefaßt.
Vom hephthalitischen Panzerreiter mochte man sich bisher eine Vor-
stellung machen, die sich vornehmlich auf die Fresken von Qyzil und
Sor&iq, die in den ostturkestanischen Fundstätten zutage gekommenen Ter-
rakotten und die manichäischen Seidenmalereien aus Chotscho stützte 5 . Jetzt
ist das Bruchstück eines lederüberzogenen Schildes vom Berge Muy hinzu-
gekommen*. Man erkennt, daß die Darstellung und Bewaffnung der proto-
bulgarischen Ritter auf dem Stein von Preslav 7 oder dem Goldkrug 2 des
Schatzes von Nagy-Szent-Miklös8 auf das iranische Vorbild zurückgehen.
4
Tabarl, ann. 1, 2255, 14. Zum Wort vgl. W. Eilers in: Indo-Iranian Journ.
5 (1962), 205.
8
A. v. Le Coq, Bilderatlas zur Kunst und Kulturgeschichte Mittelasiens (1925)
f i g . 40—67.
• A. Mongait, a. Ο. 291 Abb.
7
Ν. Maurodinov, Le Tresor Protobulgare de Nagyszentmiklös (Archaeol. Hungar.
29. 1943) 115 Abb. 74.
8
A. Maurodinov, a. O. Tai. 2.
17 Altheim, Hannen V
258 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND HUNNEN

Überhaupt bietet dieser Schatz, dessen Zuweisung an die Proto-Bul-


garen seitens A. Maurodinov's wir uns vorbehaltlos anschließen, die wichtig-
sten Hinweise. Zweifellos ist er weder in sasanidischer Zeit angefertigt, noch
darf man ihn, wie geschehen, den Hephthaliten zuweisen. Dagegen spricht
bereits die große Zahl von Formen byzantinischer Herkunft, auf die noch
eingegangen werden soll. Und doch steht außer Zweifel, daß, vergesell-
schaftet mit anderen Einflüssen, sich unverkennbare Stilbestandteile sasa-
nidischer Herkunft unterscheiden lassen. Wir erteilen A. Mauridinov das
Wort, der zusammenfaßt, was sich ihm nach sorgfältiger Analyse er-
geben hat 9 :
„Indiquons d'abord que les formes des trois coupes ä tete d'animal sem-
blent etre d'origine sassanide. Ä une pareille origine pourrait etre attribue
aussi le rhyton No 17. L a forme de l'ouverture et du col de l'aigui£re No 2
est tout ä fait semblable ä celle des ouvertures et des cols des aigui£res sas-
sanides en argent. Le motif des rebords exterieurs ä. frise florale des vases
Nos 8, 9, 10, 13, 14, 20 et 2 1 est certainement d'origine perse. L a forme du
gobelet No 19 trouve ses meilleures analogies en celle des gobelets sassa-
nides. Ceci pour les formes. L'influence de l'art sassanide est aussi visible
sur l'image d'Anahita sur l'aiguiere No 2, ainsi sur celle du prince monte sur
un anthtropo'fde et tirant de l'arc sur une panthere — scene oü nous voyons le
souvenir des scenes de chasse representant des rois sassanides. Cette in-
fluence est aussi k relever dans les queues bipartites des chevaux et des
anthropoides, dans les deux bandes flottant derriere la tete de la biche atta-
quee par le griffon".
Schließlich sei Maurodinov's Folgerung hinsichtlich der proto-bulga-
rischen Hersteller angeführt 10 : „L'art sassanide avait exerce son action sur
l'art des leurs ancetres et cette action leur fut transmise par leur propre
tradition artistique". Diese Feststellung enthält, was das Ergebnis der bis-
herigen Betrachtimg gewesen ist.
Maurodinov setzt die Entstehungszeit des Schatzes in die zweite Hälfte
des 9. Jahrhunderts oder vielmehr in dessen letztes Drittel 11 . E r vermutet,
wie schon andere vor ihm, er sei 896, beim Einbruch der Magyaren, ver-

a. O. 210 r.
4

a. O. 211 1.
10
1 1 a. O. 208,1. Mit A. Alföldi's Mißdeutungen, die er in: Cahiers d'Archiol. 1, 138f.

und 6, 43f. vorgetragen hat, haben wir uns in: Porphyrios und Empedokles (1954) 5°ί·
und Finanzgeschichte der Spätantike 343 f. auseinandergesetzt.
II. D I E N A C H F O L G E R D E R E U R O P Ä I S C H E N H U N N E N 259

graben worden 12 . Dann ließen sich Vergleiche zu den Funden ziehen, die
1939—40 eine sowjetische Expedition unter L. A. Jewtjuchowa's 1 3 und
S. W. Kiseljow's 1 4 Führung im Dorf Kopeni am mittleren Jenissei gemacht
hat. Die reich ausgestatteten Gräber brachten vier Goldgefäße des 9.—10.
Jahrhunderts, von denen zwei Inschriften in türkischen Runen tragen.
Krugform und Ornamentik weisen die gleichen Kennzeichen nachsasani-
discher Entstehung auf, die zuvor an den Goldkrügen von Nagy-Szent-
Miklos hervorgehoben wurden 15 .
Die von Maurodinov1® erkannten Spuren von Grubenschmelz an man-
chen Stücken des Schatzes haben im sasanidischen Bereich keine Parallelen.
A m nächsten kommt das kaukasische Email 1 7 , dessen Herkunft noch zu
klären bleibt. Über die Entlehnung des kostbar verzierten Wehrgehänges
bei Awaren und Proto-Bulgaren, darin wieder die Sasaniden vorangegangen
sind, ist zuvor (oben S. 206 Anm. 74) gehandelt worden; über ihr Fortleben
soll im letzten Kapitel das Nötige gesagt werden. Goldene Gürtel (zönäre .. .
d-dahbä: Iohajin. Ephes. 3, 324, 23 f. Brooks) wurden von Iustinian den
awarischen Gesandten geschenkt.
Auch das berühmte Reiterrelief von Madara in Nordost-Bulgarien, ent-
standen im ausgehenden 7. oder im beginnenden 8. Jahrhundert, spiegelt
(wie man jüngst mit Recht betont hat 18 ) in vielen Einzelheiten die Abhän-
gigkeit von dem, was man in der Kunst der Sogdiane und Chwärezm's fest-
stellen kann. Fresken aus Qyzil und der schon genannte Lederschild vom
Berge Muy liefern die gegenständlichen Parallelen.

5
Zuletzt sei eingegangen auf ein awarisches Wort. Theophylakt p. 5 3 , 1 4 !
de Boor nennt einen Skythen, will sagen: Awaren, dessen έττωυυμία: βοοκα-
λαβρα gelautet habe. Dieser Name habe μάγος oder Ιερεύς bedeutet, fügt der
Gewährsmann hinzu. Über die Etymologie ist man sich im klaren, was den
zweiten Wortteil angeht 1 . Man kennt den protobulgarischen Titel κόλοβρος,
12 a. Ο. 224 Γ·
13 Α. Mongait, a. Ο. 307; 3 Ι Ο unter 20 gibt die uns leider nicht zugängliche Literatur.
14 Drewnaja istorija juinoj Sibiri2 (1951) 487 f.
15 A. Mongait, a. O. 305 und 306 Abb.
18 a. O. 177t.
17 Ocerki istorii SSSR. I I I — I X ww (1958) Farbtafel.
18 St. Stancew in: Madarskijat Konnik (1956) 2iof.
1 G. Moravczik, Byzantinoturcica 2 2 (1958), 95, mit Verzeichnis der Literatur.

IT
260 SPÄTSASANIDISCHE K U L T U R UND H U N N E N

κόλουβρος8, der auf der Inschrift von Bjal brjag als χλωυβρην begegnet.
Man hat beides als „Wegweiser" gedeutet3, und B. v. Arnim4 hat darauf
verwiesen, daß das Wort in slaw. kolubr „Herold" noch erhalten ist. Doch
was besagt ßoo- oder daneben handschriftlich erhaltenes ßou-, und wie
sind beide Bestandteile des Kompositums miteinander zu verknüpfen ?
Am nächsten liegt, an altiran. baga- und dessen Vertretung in den tür-
kischen und slawischen Sprachen zu denken. Doch von alttürk. bäg führt
kein Weg zu ßoo, und auch slaw. bog ist wenig empfehlenswert. Nicht ßoo,
sondern βόγ ό θεός wird ausdrücklich noch für die Bulgaren bezeugt6.
So bleibt allein die iranische Form, und in der Tat hat die große Inschrift
Kaniska's von Surx Kotal zweisilbiges ßayo erbracht. Denn daß noch in
mitteliranischer Zeit auslautendes -o gesprochen wurde, hat sich zuvor er-
wiesen (oben S. 17 f.). Die bei Theophylakt gegebene Deutung als μάγος ließe
sich zur Unterstützung anführen (doch vgl. unten).
Eine weitere Frage ist, wie ßccyo zu ßoo- werden konnte. Zunächst wird
man statt des überlieferten ßocyo für die alttürkische Sprache der Awaren
eine Form *bayu voraussetzen dürfen. Sie ist erhalten in alttürk. yabyu,
dem zur Seite yabäg („Herr der Pfeilschützen") besteht®. Dazu bemerkt
O. Szemerenyi7: „Im Ostiranischen ist der Nominativ baga zu ßccy, der
Akkusativ bagam zu ßayu geworden. Demnach wäre möglich, daß yabäg
den Nominativ, yabyu den Akkusativ vertritt." Solches ßayu mußte mit
M-Umlaut zu 0 werden: *ßoyu, wie taluy „Meer" zu toluy8. Weiter mußte
sich die Lautfolge -oyu-, die nur in den ältesten Denkmälern erhalten ist,
zu ou = ou oder zu dem Langvokal ö = 00 umwandeln9. Uber letzten haben
A. v. Gabain 10 und M. Räsänen 11 gehandelt, und dementsprechend versteht
G. Moravcsik — zweifellos mit Recht —- βοοκαλαβρδ geradezu als *bö-
-qolabur.
Die letzte Frage geht dahin, wie beide Bestandteile zu verbinden seien.
Die türkische Nominalkomposition ist ein weithin noch ungeklärtes Gebiet.
2
G. Moravczik, a. O. 162.
3
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1 (1949), 226; 229.
4
In: Festschrift Vasmer (1956) 45f.
5
G. Moravcsik, a. O. 92.
e
F . Altheim, a. O. 1, 206; 208 f.
' Bei F . Altheim, a. O. 2 (1950), 277.
8
A. v. Gabain, Alttürkische Gramm (1950) 49 § 22.
9
M. Räsänen, Materialien zur Lautgesch. der türkischen Sprachen (1949) 1x6.
10
a. O. 46.
11
a. O. 64 f.
II. DIE NACHFOLGER DER EUROPÄISCHEN HUNNEN 261

Moravcsik dachte an „Befehlshaber, Herr -f- Wegweiser, Führer". Indessen


hat sich gezeigt, daß dem ersten Bestandteil nicht alttürk. bäg, sondern
βαγο „Gott" zugrunde liegt. Man wird demnach eine andere Verknüpfung
vornehmen. Nicht gleich einem Dvandva-Kompositum „Herr und Führer",
sondern etwas, was der von Theophylakt als μάγος und Ιερεύς angegebenen
einigermaßen entspricht. Also: „Führer, Wegweiser für die Götter". A. v.
Gabain hat dementsprechend il qaya als „Fels für den ganzen Stamm",
el toyan als „Jagdfalke für den ganzen Stamm", är böri als „Wolf im Inter-
esse aller Helden" gedeutet (oben i , 226f.).
Man hätte demnach in einem awarischen Appellativum ein ostiranisches
Wort der Küäänzeit (die Inschrift fällt 219/20: oben S. 7 f.) gefunden. Das
Ergebnis ist wegen der Zuweisung der Awaren an den hephthalitischen
Stammesverband von Bedeutung, die zuvor (oben 1, 85f.; 2, 27f. uam.)
vertreten wurde. Theophylakt gibt zwei Bedeutungen, μάγος und Ιερεύς, und
es wäre zu erwägen, ob man μάγος nicht einfach als „Schamane" statt
als „Magier" zu verstehen habe. Hier ist eine Nachricht von Bedeutung,
die bisher noch nirgendwo die Beachtung gefunden hat, die sie verdient.
Das Geschehnis bei Theophylakt, in dessen Zusammenhang βοοκαλαβρα
genannt wird, fällt etwa ins Jahr 582. Wenige Jahrzehnte später ist die Ge-
schichte Elias', Metropoliten von Merw, einzuordnen, die in Guidi's syri-
scher Chronik berichtet wird. Dort heißt es von ihm, er habe viele Türken
und solche anderen Stammes bekehrt (Chron. min. 1, 34, I2f. Guidi). Unter
den Türken sind Hephthaliten zu verstehen, die in der Nachbarschaft, in
Baöyes, wohnten, wo auch Nezak zu Hause war (oben 2, 273; 277). Soll doch
der Müller von Merw, der Mörder Yazdgard's III., gleichfalls Türke und
damit Hephthalit gewesen sein (oben 2, 54). Weiter wird von einem malkönä
(„regulus, Stammeshäuptling") berichtet, in dessen Gefolge „Priester, Ver-
ehrer (oder Diener) von Dämonen" (kumre fallähe l-Sede) waren. Sie ver-
standen, ihre Götter zum Verdunkeln des Himmels durch Wolken, Winde,
Donner und Blitz zu bewegen (a. 0. 1, 35, if.). Wie der heilige Mann dem
begegnete, darf hier beiseite bleiben. Was man festzuhalten hat, ist, daß es
in Merws Nachbarschaft Schamanen gab, ein unverächtliches Zeugnis für
älteste Religion der Türken und damit Hephthaliten. Und solch einen
Schamanen, nicht einen Magier, wird man auch in jenem Awaren zu er-
blicken haben, den Theophylakt erwähnt. „Führer für die Götter" mag
geradezu für solche passen, die ihre Dämonen dazu zu bringen vermochten,
sich in Himmelszeichen zu äußern.
FÜNFTES BUCH

DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE


GEGENSTRÖMUNG
12. K A P I T E L

H U N N E N U N D AWAREN IM DONAURAUM

Was die archäologische Hinterlassenschaft der Hunnen im Donauraum


anbelangt, so muß von Anfang an betont werden, daß die national-urtüm-
liche Kunst der Hunnen zu wenig bekannt ist, um Feststellungen treffen zu
können, ob und was davon zwischen 420 und 460 im ungarischen Donau-
raum sich erhalten hat. Obwohl deutsche und namentlich ungarische For-
scher mit vielem Fleiß weitgehende Versuche unternahmen, eine hunnische,
also diesem Volk eigene Kunst herauszustellen1, besteht aber auch die gegen-
teilige Meinung, daß es eine hunnische Archäologie wegen des Fehlens eines
nachweisbar hunnischen Kunststiles gar nicht geben kann2. Die Awaren,
Abkömmlinge der hunnischen Stämme War und Chunni3, haben, was die
Funde bekräftigen, ihren asiatischen Kunststil noch beim Eintreffen im
ungarischen Becken fast unverändert mitgebracht und ihn bis zu ihrem
Verschwinden aus der Geschichte ohne wesentliche Veränderungen beibe-
halten ; sie waren sogar in der Lage, manche Ornamentformen an die früh-
deutsche Kunst des 9. Jahrhundertes abzugeben. Die Hunnen hingegen
haben ihre angestammte Kunst beim Zug nach Westen aufgegeben oder
weitgehend anderen Kunststilen angepaßt. Daraus müßte auf eine verschie-
denartige Denkart der beiden Völker geschlossen werden, obwohl sie doch,
wie vorhin erwähnt, nach Abstammung eine Einheit bilden. Das gegensätzliche

1
J. Werner, Beiträge z. Archäol. d. Attila Reiches (Bayr. Akad. d. Wissensch.
Philosoph, histor., Kl. N. F. 38 A, München 1956). Dazu die kritische Stellungnahme durch
Altheim-Haussig, in „ D i e Hunnen in Osteuropa, ein Forschungsbericht" (Baden-Baden,
1957) S. 30 u. ff. Dort auch weitere Literatur. Ferner N i n d o r Fettich, La trouvaille de
t o m b e princi£re hunnique k Szeged-Nagyszeksos, in Archäolog. Hungar., X X X I I 1953
und besonders in — v o m gleichen Autor — „Archäolog. Studien zur Geschichte der
späthunnischen Metallkunst". Ebenda X X X I , 1951. Zu vergleichen oben 1, 2 i 6 f .
2
E. Beninger in „Germanenzeit in Niederösterr." (Wien, 1934, a n vielen Stellen)
und derselbe in „ D i e bildende Kunst in Österreich, Bd. I. Urzeit bis um 600 n. Chr."
(Baden bei Wien, 1934) S. 138 u. ff.
8
Oben 1, 85 t.; 365.
266 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Verhalten der Hunnen und der Awaren zu ihrer alten Kunsttradition ist
aber schwer zu erklären. Ferner ist die Kunst der Awaren durch ihre über-
aus reiche und prächtige archäologische Hinterlassenschaft gut bekannt,
die hunnische hingegen nicht. Mit Rücksicht auf die Verwandtschaft dieser
beiden reiternomadischen Völker könnte aber von der erhaltenen und be-
kannten Kunst der Awaren ein Rückschluß auf die unbekannte (verloren-
gegangene ?) der Hunnen möglich sein. Das Wenige, das nun von der hun-
nischen Kunst bekannt ist, zeigt jedoch nicht die geringste Verwandtschaft
mit der awarischen, falls man nicht Funde als awarisch bezeichnet, die in
Wirklichkeit noch hunnisch sind. Bei einer gleichen oder wenigstens ange-
näherten hunnischen und awarischen Altkunst wäre das gegensätzliche Ver-
halten der beiden Völker ihrer Tradition gegenüber psychologisch nicht ver-
ständlich; da es aber vorhanden ist, muß daraus trotz ihrer Verwandt-
schaft auf eine grundlegend unterschiedliche hunnische und awarische
Altkunst geschlossen werden.

Die Bodenfunde aus hunnischer Zeit bringen also keinen Aufschluß dar-
über, daß die Hunnen, gleich den Awaren, ihr altes Kunstgut noch in Ungarn
bewahrt hätten. Was hier im 5. Jahrhundert gefunden wurde, ist zum
größten Teil west- und ostgotisches, gepidisches, herulisches, alanisches
und sonstiges Kulturgut, und nur in ganz wenigen, später zu erwähnenden
Fällen tragen die Bodenfunde tatsächlich Stilzeichen einer asiatisch-
-reiternomadischen Kunst, fallen also damit aus dem germanisch-pontisch-
-skythischen Kulturkreis heraus. Diese, durch unzählige Bodenfunde deut-
lich gemachte Erfahrung ergibt dann die Feststellung daß, die Hunnen
während ihrer Westwanderung im Gegensatz zu den Awaren ihre alt-asiati-
sche Werkart zum größten Teil oder sogar ganz aufgegeben und an ihrer
Stelle das pontische Kulturgut aufgenommen haben, nachdem vorher bereits
iranische und nachher ostgermanische Formelemente hinzugekommen waren.
Es gibt daher für den in der Überschrift dieses Kapitels angegebenen
geographischen Raum wohl eine Archäologie der Hunnenzeit, jedoch keine
der Hunnen im strengen Sinne des Begriffes.

Die awarischen Bodenfunde beginnen um 570 fast schlagartig im mittel-


ungarischen Raum. Westlich des Neusiedlersees stammen sie jedoch frü-
hestens erst aus dem Ende des 7. Jahrhundertes und zerstreuen sich dann
immer mehr gegen Norden, Westen und Süden. Im Zusammenhang mit der
slawischen Invasion jedoch, knapp vor 600 beginnend, sind solche awa-
12. H U N N E N U N D A W A R E N I M D O N A U R A U M 267
4
rische Funde sogar im Pustertal und im mittleren Etschtal anzutreffen,
wohin sie zum Teil als Beutestücke vertragen worden sein dürften. Immer
aber, gleich wann und wo, ist der Stilcharakter der Awarenfunde im Wesent-
lichen der alte geblieben.
Die hunnische Herrschaft konzentrierte sich durch 50 Jahre, bis zum Tod
Attilas, 453, im relativ engen Raum zwischen der mittleren Theiß und der
Donau bei Baja. Aber auch dort sind dem Stil nach wirklich hunnische
Funde sehr selten. Ein Ausbreitungsgebiet im Sinne einer systematischen
Eingliederung von Landschaften in den Herrschaftsbereich ist bei den Hun-
nen nicht sicher nachweisbar, sicher ist nur ihr länger dauerndes Übergreifen
westlich bis in den Raum zwischen Plattensee und Bakonyerwald. West-
lich davon, und namentlich in Nieder- und Oberösterreich, ist von hun-
nischen Funden auch in modifizierter Form nichts bekannt geworden® —
im Gegensatz zu den vielen Gegenständen germanischer Herkunft — und
kann auch nichts bekannt werden, weil diese Landschaften nie zum hun-
nischen Reich gehörten und nur als Durchmarschräume dienten®. Wäre
das erste der Fall gewesen, so hätte der hl. Severin schon bei Beginn
seiner Tätigkeit in Ufernoricum um 462 nicht eine große Zahl gut organi-
sierter christlicher Gemeinden antreffen können, obwohl Noricum ripense,
damals nur mehr formell zum weströmischen Reich gehörend, in schwerster
wirtschaftlicher Bedrängnis lebte und von der Willkür der benachbarten
germanischen Staaten hilflos abhängig war. Doch auch längs der Vormarsch-
und Rückzugslinien nach Mittelfrankreich und Oberitalien und vor allem
auf dem Platz der Schlacht auf den katalaunischen Feldern sind echt hun-
nische Funde nur sporadisch gemacht worden, wobei hinsichtlich dieser
4
E . Schaffran „Der Zentralkamm der Ostalpen i. d. Völkerwanderungszeit" (Köln,
Archiv, f. Kulturgesch. 1956, H. 1).
5
E . Beninger, a. O.
• Durch Niederösterreich erfolgte bestimmt der Rückmarsch aus Frankreich 451
sowie aus Oberitalien 452 (siehe E . Schafiran, „ D a s geschichtliche Bild Attilas" in
Archiv, f. Kulturgeschichte, Köln, 1954 H. 1). Ob jedoch der Vormarsch nach Frank-
reich 451 auch längs der Donau erfolgte, ist unwahrscheinlich, denn die wenigen Funde
im deutschen Sprachgebiet liegen fast zur Gänze in der Linie Schlesien-südl. Sachsen-
Thüringen, also müßte der Vormarsch weit nördlich der Donau erfolgt sein. Außerdem
besaß Noricum ripense damals noch immerhin einige militärische Widerstandskraft,
denn noch 449 residierte in Laureacum Promotus als Präfekt von Ufernoricum. Wenige
Jahre später, um 462, begann der hl. Severin seine geistlich beratende und kontrollie-
rende Tätigkeit in Ufernoricum und fand überall alte und gut organisierte christliche
Gemeinden vor. Bei den beiden Rückzügen aus Frankreich und Oberitalien scheint
also Attila keine Kraft mehr gehabt zu haben, um auch Noricum ripense, ähnlich
wie Teile von Venetien, in eine Wüste zu verwandeln.
268 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

entscheidenden Schlacht auch die Frage aufgeworfen sei, ob man deren


Platz bisher überhaupt richtig lokalisiert habe.
Die zeitgenössischen west- und oströmischen literarischen Quellen sind
hinsichtlich der hunnischen Kunst fast unergiebig. Nur Priskos berichtet
klar und schlicht über das Aussehen der Residenz Attilas (s. u.), wobei auch
einige, stilkundlich kaum verwertbare Bemerkungen über das Kunstge-
werbe fallen. Ammianus Marcellinus7 vergleicht X X I 2, 3 die Hunnen mit
jenen roh behauenen Figuren, die rechts und links auf Brücken postiert sind,
eine ähnliche Bemerkung auch bei Jordanes 8 . Ob diese Figuren zur spät-
antiken Idiolatrie gehörten oder in den hunnischen Vorstellungskreis, ent-
zieht sich der Aufklärung. Auf einem Ziegel aus Madara bei Sofia und auf
einer Steinplatte aus Keutschach 8 , südlich des Kärntner Wörthersees, be-
finden sich je eine, inhaltlich undeutbare, zeichnerisch hingegen fast zur
Gänze gleiche Symbolfigur in einfacher Linienführung, von denen das
Kärntner Beispiel wegen seiner stärkeren Abstraktionsfähigkeit (siehe den
Kopf) das ältere sein dürfte. Liegen hier vielleicht späte Weiterführungen
der von Ammianus Marcellinus erwähnten und auch von Filow 1 0 festge-
stellten Statuen durch Slawen vor ? Mit hunnischer oder awarischer Kunst
besteht kein Zusammenhang.
Zusammenfassend, und Detailerörterungen vorausnehmend, ergibt sich
für die Archäologie der Hunnenzeit in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts
im Donauraum das eindeutige Bild eines Vorherrschens des pontisch-sky-
thisch-germanischen Kulturstromes, wobei noch die erheblichen iranischen,
selbst wieder mannigfach zusammengesetzten Beigaben zu berücksichtigen
sind. In diesem Kulturstrom verschwand die althunnische Kunst fast völlig,
im Gegensatz zu den Awaren des 6.—8. Jahrhundertes. Denn trotz den
freundschaftlichen, bis zu Blutsmischungen reichenden Beziehungen der
Awaren mit den Langobarden haben jene ihre scharf ausgeprägte Kunst
durch fast drei Jahrhunderte bewahrt. Die Awaren brachten den, wohl
auch den Hunnen bekannten, asiatischen Bronzeguß und die Stilformen der
„Ordos-Tiere" nach Europa. Den Hunnen gelang unter Aufgabe ihres Eigen-
ständigen die Zusammenfassung der vielen, von den Ostgermanen beherrsch-
7
Dazu E. Schaffran „Zur Geschichte der Hunnen in Europa" (Die Welt als Ge-
schichte, Stuttgart, 1957, H. 2.) S. 92.
8
Getica, 127f.
9
Eine Abbildung bei E. Schaffran, ,,Die Kunst der Langobarden in Italien" (Jena,
1941), Tfl. 48, c.
10
B. Filow, „Geschichte der altbulgarischen Kunst" (Berlin, 1938), S. 15.
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM D O N A U R A U M 269
ten Barbarenvölker, die Vereinigung des germanischen Bauerntums der
der Goten mit dem Wesen ostasiatischer Reiternomaden bis zu einem zeit-
weise sogar freundschaftlichen Zusammenleben. Die Awaren haben eine
derartige Synthese nach 568 kurzfristig mit den Langobarden und sonst
höchstens hinsichtlich der kulturell unter ihnen stehenden slawischen
Stämme eingeleitet; diese suchten bei den Awaren politischen, wirtschaft-
lichen und kulturellen Schutz. In der hunnisch-synthetischen Kunst spielte
bei aller pontischen Überschichtung die Kunst der asiatischen Reiterno-
maden immerhin eine formbildende, auch formumbildende Rolle, und dieser
Faktor, eine Art Unterströmung, darf nicht übersehen werden.
Angaben zum hunnischen Kunstgewerbe enthalten die ausführlichen
und sachlichen Berichte des Priskos über die Residenz Attilas 11 und
über die Vorgänge bei seiner Bestattung. In seinem umfangreichen Be-
richt über die von ihm begleitete oströmische Gesandtschaft an den hun-
nischen Hof im Jahr 449 erwähnt Priskos die Belegung des Bodens im Haus
der Königin Kreka mit Wollteppichen12. Bei der ersten Begegnung mit
Attila saß der Hunne auf einem hölzernen Thronsessel, es wurde ein solcher
also von den Hunnen aus Prestigegründen mitgenommen. Beim Besuch im
Haus des Onegesios erwähnt Priskos einen leicht tragbaren silbernen Eß-
tisch und beim Festmahl im Palast des Königs Sofas und Sessel, auf denen
die sichtlich daran gewöhnten Hunnen ganz zwanglos saßen. Das Tafel-
geschirr bestand aus silbernen Tellern und aus silbernen und goldenen Kel-
chen, Attila selbst verwendete nur Holzgeschirr. Priskos berichtet (oben
4, 28gi.), der Bischof von Margos (nahe der Mündung der Morawa in die
Donau) sei im Gebiet der Hunnen eingefallen und habe die reichen Königs-
gräber ausgeraubt. Beachtenswert an der geschichtlich durchaus glaub-
würdigen Notiz ist der Umstand, daß die hunnischen Königsgräber einen
„reichen" Inhalt hatten. Einen besonders reichen muß dann das Grab Attilas
gehabt haben. Man legte es deshalb derart vorsichtig an, daß es bis heute
nicht gefunden werden konnte.
Über das Aussehen des königlichen Palastes 13 macht Priskos genaue An-
gaben. Bemerkenswert ist die Beschreibung von hölzernen Umfriedungen,
11
Siehe E . Schafiran, „Zur Geschichte der Hunnen", a. O. S. g$f. mit weiterer
Literatur. Doch vgl. oben 1, 427f.
12
Das ist wohl einer der frühesten textlichen Nachweise über das Alter der Noma-
denteppiche. Archäologische Belegung bei J . Strzygowski ,,Altai-Iran" (S. 15 6 ) und
oben 4, 298.
18
Oben 4, 297f.
270 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

welche „nicht nur zum Schutze, sondern auch um der äußeren Wirkung
halber" da waren. Die Umfriedung des Attila-Palastes war mit Tünnen ver-
sehen, die Bauten selbst bestanden aus Balken und geglätteten Hölzern, und
überall waren Schnitzereien vorhanden. Jordanes geht in seiner nicht mehr
auf Autopsie fußenden Beschreibung noch weiter14 „ . . . . ich sage: Dorf
nach Art einer weiten Stadt, in dem wir hölzerne Mauern aus glänzenden
Brettern gezimmert fanden, deren Gefüge für so fest gilt, daß solcher Bret-
terverband kaum von einem Eifrigen begriffen werden kann. Da sieht man
Triclinia in weitem Umfang ausgedehnt und Portiken mit allem Schmuck
ausgestattet . . . "
Urtümlich hunnisch ist das alles nicht, hier spielen iranische (sasani-
dische) Kunstformen herein, und auch die Kunst der Krimgoten darf nicht
vergessen werden. Als dritte Komponente kommt noch der kleinasiatische
Hellenismus hiezu. Der mehrtorige, erhöht gelegene Palast Attilas bestand
aus Balken und geglätteten Hölzern, jener der Königin Kreka war von
leichterer, mehr verzierter Bauart, hatte erhabene Muster und Bildhauer-
arbeit, die „nicht ohne Anmut" waren. „Das Dach ruhte auf quadratischen,
sorgfältig behauenen Pfeilern, durch zierliche Kreisbögen aus Holz 16 ver-
bunden, . . . Innerhalb der Umzäunung befanden sich zahlreiche Bauten,
die einen aus geschnitzten und glatten Bohlen, die anderen aus wohlge-
fügten und regelmäßig bearbeiteten Balken, die ein Rund bildeten . . . "
Hauptraum des Königspalastes war ein langer Saal, an dessen Längswänden
die bereits erwähnten Sessel standen.
Die Hunnen besaßen als Nomaden keine eigene Baukunst. Aber eine
solche und mit Ornamenten versehene sahen sie im iranischen Kulturkreis,
und Holzarchitektur lernten sie bei den Goten kennen. Man vermag daher
mit Strzygowski 16 von einem Holzbau für die Hunnen zu sprechen, nicht aber
von einer slawischen Vermittlung desselben, denn um 445 gab es noch keine
slawische Bau- und Ornamentkunst in Holz oder sonstwie. Diese vermittelten
nur die Goten. Eine Hypothese ist dann auch Strzygowskis Meinung, im
Dekor der Paläste an der Theiß hätte das zwei- und dreistreifige Flechtband
eine Rolle gespielt. Der Grieche Priskos spricht von Ornamenten „nicht
14
Jordanes, Getica, 178.
16
Wahrscheinlich handelte \ss sich um einen aus der iranischen Kunst übernom-
menen Rundbogenfries.
16
J . Strzygowski, „Altslawische Kunst" (Augsburg, 1929) S. 138 u. ff. Die Holz-
bauten der damaligen, noch ungeteilt lebenden Slawen muß man sich als einfache
Blockhäuser ohne Schmuck denken.
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM D O N A U R A U M 271

ohne Anmut"; aber das für ihn völlig fremde, ungewohnte Flechtband hätte
ihn nicht zu solcher lobender Erwähnung veranlaßt. Der Innenraum des
Attilapalastes besaß keine Ähnlichkeit mit der germanischen Königshalle.
Denn in dieser saß der Fürst auf einem Hochsitz, wogegen Attilas Kline
in der Mitte des Saales stand, erst das dahinter befindliche Schlafgemach
war verhängt und erhöht.
Altheim hat hinsichtlich der Gestaltung des Palastes auf die Einwirkung
des parthischen und sasanidischen Palastbaues hingewiesen17. Leider geben
die zeitgenössischen Quellen über die Grund- und Aufrißgestaltung keinen
Aufschluß. Was Priskos u. a. mit den bereits genannten Rundbauten neben
dem Haus der Kreka meint, ist wegen der Mehrdeutigkeit des Textes unklar.
Unbekannt ist die Form der Wohnbauten in den hunnischen Dörfern. Man
wird sie sich am besten als primitive, den zentralasiatischen Jurten ähn-
liche Hütten aus Lehmziegeln vorstellen müssen, wenn nicht überhaupt nur
als Zelte, die bei der großen Beweglichkeit des Volkes rasch auf Wagen
verladen werden konnten.
Hinsichtlich der baulichen Form des Attilapalastes sei nochmals auf die
Ausführungen Al heims hingewiesen19, wobei nie vergessen werden darf, daß
die iranischen Vorbilder Steinbauten, die Hunnenpaläste hingegen aus
Holz errichtet waren. Steinbauten haben jedoch andere Gesetze als
solche aus Holz, eine Annäherung kann daher nur im Grundsätzlichen des
Grund- und Aufrisses stattfinden. Mitunter besaßen die parthischen und
sasanidischen Paläste auch Zutaten statischer und dekorativer Art aus
Holz, besonders im Nordteil, im Bereich des kaspisch-medischen Stiles20.
Diese nordiranischen Holzbauten beeinflußten dann die Architektur der
Krimgoten; die Hunnen können deshalb auch von dieser Seite die Kenntnis
des Palastbaues aus Holz erhalten haben. Altheim nimmt auch Anregungen
durch die chwärezmische Palastburg von Toprak-kale, südlich des Aral-
sees, an 21 , erbaut vor 305 n. Chr. Gleichwie der Palast des Bulgarenkönigs
Krum 22 einen, dem Attilapalast ähnlichen ornamentierten Palisadenzaun
besaß, so bestehen auch hinsichtlich des Grundrisses hier und bei den bulga-

17
Attila und die Hunnen (1951) 52 f.
18
Siehe dazu auch F. V i m o s in Seminarium Kondakovianum 1932, ohne den dortigen
Ausführungen in allen Punkten zuzusi immen.
10
Ed. Diez, Iranische Kunst (Wien, 1924) S. 70 u. f.
21
Altheim, a. O. S. 52.
22
Nach H. Grigoire in: Byzantion 1 1 , 4 2 3 war auch der Palast des Bulgarenkönigs
Krum mit einem ähnlichen Pallisadenzaun umgeben.
272 DIE WENDUNG ZUM W E S T E N UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

rischen Palästen des 7. und 8. Jahrhundertes Zusammenhänge, sie erklären


sich durch den stilgeschichtlich gleichen Ausgangspunkt, die sasanidischen
und parthischen Palästen. Die ältesten bulgarischen Baudenkmäler sind
aber noch nicht slawisch, sondern noch hunnisch-protobulgarisch, spätestens
um 800, aus einer Zeit, in der die Assimilierung der hunnischen Volksreste
mit den Protobulgaren bereits vollzogen war. Sind in diesen protobulga-
rischen Bauten noch keine Anzeichen einer slawischen Mitwirkung vorhan-
den, so können bei den um fast 400 Jahre älteren Attilabauten slawische
Kunstelemente sich daher noch weniger zeigen. Hier wie dort war Iran
gebend, für die Hunnen noch kombiniert mit gotischer Vermittlung.
Die Blockbauten der Hunnen sind die quellenmäßig ältesten nachweis-
baren Denkmäler dieser Art.
Wie bereits eingangs erwähnt, haben in letzter Zeit namhafte deutsche
und ungarische Archäologen umfangreiche Arbeiten zur „Archäologie der
Hunnen" geboten23. J . Werner ist hierbei so vorsichtig, von „Beiträgen zur
Archäologie des Attila-Reiches" zu sprechen, also nicht von jener der Hun-
nen an sich, wogegen N. Fettich u. a. in, .Archäologische Studien zur Geschichte
der späthunnischen Metallkunst" sich titelgemäß auf hunnische Kunstdenk-
mäler konzentriert, dabei aber in der Mehrheit der Beispiele Funde vor-
führt, die zeitlich zwar mit dem Attila-Reich und seinen Fortsetzungen
zusammenhängen, jedoch fast nur die Kunst vieler anderer Völker und
Stämme, darunter in erster Linie germanischer, umfaßt. Daher ist es in den
verdienstvollen Arbeiten Fettichs nur in acht Fällen möglich, von wahr-
scheinlich echt hunnischer Kunst zu sprechen (Tafeln I/i, Χ, X I I , XV, XVI,
X X , X X V I , X L V und LVIII/2).
Aus dem von Fettich publizierten reichen Material in „La trouvaille de
tombe principe hunnique ä Szeged-Nagyszeklos24 können nur die Objekte
auf den Tafeln X X X V I (zwei Bronzeeimer) und eventuell noch L V I I I (Gold-
blech mit Maskenkopf) als hunnisch angesprochen werden. Im umfangreichen
Inventar von J . Werner zeigen wirklich hunnische Objekte nur die Tafel
22/4 und mit wesentlicher Einschränkung die Tafeln 48/11 und 61. Alles
andere gehört, wie die Mehrheit der von Fettich angeführten Funde, einer
pontisch-iranisch-germanischen, außerordentlich mannigfaltigen Misch-
kunst aus hunnischer Zeit an, wobei es durchaus möglich, ja sogar wahr-

23
Siehe oben S. 266 Anm. 1.
24
Archaeol. Hungar. X X X I I , 1953.
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM D O N A U R A U M 273

scheinlich ist, daß das ganze überreiche Material in hunnischer Verwendung


stand. Nur hunnisch ist es nicht.
Im hunnischen 5. Jahrhundert ist der ganze ungarische und nordkroa-
tische Raum das Gebiet der wichtigsten und umfangreichsten Grabfunde
der vorerwähnten Mischkunst mit reiternomadischen Beigaben25. Die Fried-
höfe von Keszthely (schon in awarische Zeit reichend), Benepuszta, Bakod-
puszta usw. sind nicht nur groß, sondern archäologisch auch sehr ergiebig.
Derartige Fundstellen reichen westwärts noch in das Wienerbecken, in das
niederösterreichische „Viertel unter dem Wienerwald" und nach Südmähren,
weiter westlich werden sie rasch immer seltener. Das entspricht den poli-
tischen und Siedlungsverhältnissen um 400 hinsichtlich der Westgoten und
nach 400 hinsichtlich der Ostgoten und Rugier und schließlich im späten
5. Jahrhundert den Langobarden26. Deren Grabfunde reichen hier bis in das
ausgehende 6. Jahrhundert, vielleicht noch sogar in das folgende hinein,
denn 568, dem Jahr der Abwanderung der Langobarden nach Italien, blieben
in Ungarn und im östlichen Niederösterreich Teile des Volks zurück.
Zu den interessantesten und auch wirklich hunnischen Objekten zählen
die beiden Bronzeeimer aus Törtel (Kom. Pest) und Kapos-Völgy (Kom.
Tolna), 88 bzw. 50 cm hoch. Ein dritter Eimer der gleichen Art, 54 cm hoch,
wurde in Bessa an der bulgarischen Donau gefunden. Die Spuren solcher
Eimer beginnen am Ostrand Zentralasiens und enden westlich in Ungarn
und Schlesien. Diese schon lange bekannten Eimer in Bronzeguß galten bis
in jüngste Zeit als skythisch, bis F. Takacs sie, offenkundig mit Recht, in den
chinesisch-hunnischen Kulturkreis einstellte. E s bleibt nur fraglich, worin
hier der hunnische Anteil besteht. Chinesisch ist die Bekrönung mit zinnen-
artigen Halbkreisen, ein Motiv, daß sich in der chinesischen Tempelarchitek-
tur dann lange erhalten hat. Die Gliederung der Eimerwand durch recht-
winklig sich schneidende Gesimsbänder und Gurte, deren Rechtecke mit
Cloisonne gefüllt wurden, und mit an kurzen, senkrechten, gegossenen
23
Die beste Zusammenstellung der Fundorte und der Funde in den verschiedenen
grundlegenden Arbeiten von N. Fettich, dort auch die weitere Literatur. Gut zu ver-
wenden ist noch immer Joseph Hampel: „Altertümer des frühen Mittelalters in Un-
garn", 3 Bde. (Braunschweig, 1905). Siehe besonders die (leider meist gezeichneten)
Abbildungen im III. Bd.
28
E . Beninger, a. a. O. und der gleiche Autor in „Germanischer Grenzkampf in der
Ostmark" (Wien, 1939). Mit viel Nutzen heranzuziehen ferner vom gleichen Autor:
„Der westgotisch-alanische Zug nach Mitteleuropa" (Leipzig, 1 9 3 1 , Mannusbibliothek
Nr. 5) und besonders Ign. Zibermayr, „Noricum, Baiern und Österreich" (München,
1944)·
18 Altheim, Hunnen V
274 DIE WENDUNG ZUM W E S T E N UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Fäden hängenden Kreisen ist aber weder chinesisch noch hunnisch, sondern
skythisch mit Beimengungen aus dem Späthellenismus, dem Gotischen
und auch aus der vorderasiatischen Textilkunst. Das ist vor den Säbel-
taschen aus der Zeit der magyarischen Landnahme das einzige Beispiel,
in welchem sich ein formaler Einfluß der vorderasiatischen Textilkunst
deutlich zeigt. Von allen bisher bekannt gewordenen Eimern besitzen nur
die beiden ungarischen Beispiele eine reiche, architektonische Bekrönung,
die Wandornamentik ist jedoch überall gleich oder ähnlich.
Aus dem mäßig großen Gräberfeld von Cadjavice in Nordkroatien, einer
wichtigen Fundstelle, publizierte N. Fettich mehrere Beschläge27 mit einer
stark linear umgesetzten Tierornamentik. Tiere im Stil der Ordosbronzen
sind im 5. Jahrhundert in Ungarn bisher nicht gefunden worden, oder sie
wurden, wie in Cadjavice, auf dem langen Weg durch den iranischen und
südrussischen Raum ihrer schönen ursprünglichen Art entkleidet und unter
iranischem Einfluß in lineare Abstraktion übergeführt. Dabei ist frag-
lich, ob die Hunnen am Tierstil überhaupt Anteil hatten28. Die Adler-
symbolik war ihnen auch nicht bekannt. Es müßte daher in Cadjavice die
Übertragung durch ein anderes zentralasiatisches Volk direkt oder bei Wei-
tergabe an Westasiaten erfolgt sein (ζ. B. Alanen). Nichts deutet in Cadja-
vice darauf hin, es läge hier das früheste Denkmal des gemeinsamen Auf-
tretens der späthunnischen Kutriguren und Protobulgaren vor.
Dem Gräberfeld von Bakodpuszta wurden zwei Armringe mit weit-
gehend stilisierten Tieren aus Goldblech entnommen; die Gegenstände sind
ziseliert und mit Almandineneinlagen versehen. Sie stehen stilistisch den
Funden aus Cadjavice nahe. Während mm die Objekte aus Cadjavice als
späthunnisch (2. Phase des hunnischen Reiches, die sich im allgemeinen
nicht mehr im ungarischen Raum abspielte) bezeichnet werden, besitzen die
Armringe aus Bakodpuszta mit ihren Flechtketten und den dreieckigen,
mit Cloisonne gefüllten Anhängern hingegen ältere Stilmerkmale, sofern bei
den damals eintretenden unausgesetzten Vermischungen eine nähere Da-
tierung überhaupt möglich wird und zulässig erscheint. Auch dürfen die
Reminiszenzen an die Ordos-Tierbronzen nicht unbedingt gleich dorthin
weisen, denn es können graeco-skythische Formelelemente und sogar solche
vom Nordrand der Gandhärakunst einbezogen worden sein.
27
In Archaeol. Hungar. X X X I , 1951: „Archäol. Studien zur Geschichte der spät-
hunnischen Metallkunst".
28
Oben i, S. 216 u. f.
12. H U N N E N UND A W A R E N IM DONAURAUM 275

Die Aufteilung der Stilbestandteile des komplizierten pontisch-skythisch-


-germanischen Kulturkreises in seine altjonischen, hellenistischen, byzan-
tinischen, skythischen, sarmatischen, iranischen, alanischen, germanischen
und später sogar awarischen Komponenten ist ein noch lange nicht
erfülltes Desiderat der völkerwanderungszeitlichen Archäologie. Auch die
anthropologische Untersuchung der Skelette gibt kein absolut klares Bild,
denn man fand mongolische Skelette mit nicht reiternomadischen Beigaben
und umgekehrt. In den reiternomadischen Kleingegenständen selbst ist,
mit Ausnahme der Awaren, die asiatische Komponente infolge der bereits
öfters erwähnten starken Vermischung mit dem pontisch-skythischen Kul-
turstrom entweder stark überdeckt oder derart verändert, daß gerade noch
da und dort das Wesentliche des reiternomadischen Stiles zu erkennen oder
auch nur zu vermuten ist. Das gilt bis in die Zeit des Einbruches der Awaren,
also bis in die Mitte des 6. Jahrhundertes. Aus den künstlichen Schädel-
deformationen weitgehende ethnographisch-historische Schlüsse zu ziehen,
wie das J . Werner 29 versucht, ist ein Verfahren mit zweifelhaftem Ergebnis.
Die Funde aus Pancsova, meist als awarisch bezeichnet, scheinen jedoch
in die besonders stark veränderte Schlußphase der hunnischen oder pseudo-
hunnischen Kunst in Ungarn zu gehören. Die Anklänge, die diese Bronzen
(Riemenzungen, Beschläge etc.) an awarische Kunst aufweisen, machen
den Eindruck von Reminiszenzen an eine gemeinsame Vorzeit, als man
noch Tiere im reinen Ordos-Stil modellierte. Sehr stark sind hingegen die
Spuren des Hellenismus; sie ergaben sich sowohl beim Durchmarsch in Süd-
rußland als auch später durch Berührung mit der frühen byzantinischen
Kunst. Diese hellenistischen Zutaten bestehen in ganz klassisch aussehenden
Ranken und in mythologischen Szenen, die vollkommen ornamentalisiert
sind (siehe auch S. 286). Wenn der reiternomadische Künstler Menschen,
mit Kentauren kämpfend, darstellen wollte oder an anderer Stelle seinen
Gestalten die bekannten Dionysossymbole gab, so ist dies alles nur
ein Vorwand zur Ornamentalisierung, die Bedeutung der Szenen wußte der
nomadische Bronzegießer schon längst nicht mehr. Dionysische Attribute
kommen auch bei anderen ungarischen Grabfunden vor (Mindszent, Raab,
Nagy-Szent-Miklds), in Südmähren auch in Pohrlitz und Höflein. Man muß
sie in die späte Hunnen- und hunnisch-protobulgarische Zeit datieren, da die
Awaren solche Motive nicht verwendeten; auch bei den damals noch in
29
Siehe Anm. 1. Die Frage nach der Verbreitung der künstlichen Schädeldeformation
ist noch durchaus ungeklärt, es haben auch germanische Völker daran teilgenommen.
18·
276 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E G E G E N S T R Ö M U N G

Ungarn weilenden germanischen Völkern kommen derartige Themen nicht


vor, daher fehlen sie auch aus Niederösterreich trotz der Nähe der erwähnten
Fundstellen in Südmähren. Die Ornamentalisierung erinnert in genügendem
Abstand an ein ähnliches künstlerisches Vorgehen bei langobardischen
Kleinkunstarbeiten (ζ. B. im Museum zu Cividale30).
Von den beiden berühmten, reich verzierten Reflexbögen als Macht-
zeichen31, entstammt nur jener aus Pecs-Üszög dem geographischen Be-
reich dieses Kapitels, also Ungarn. Dieser Bogen diente allein als Herr-
scherzeichen und war nicht als Waffe verwendbar, da seine ornamentierten
Goldbleche auf einem sehr dünnen Holzkern montiert wurden. Der weit-
tragende Reflexbogen war die gefürchtetste Waffe der Hunnen, seine Steige-
rung zum Machtsymbol ist begreiflich. Doch besaßen außer Indern auch
mittel- und westasiatische Völker eine solche Waffe, ganz abgesehen von
ihrer Verwendung bereits im römischen Heer der frühen Kaiserzeit. Die Her-
kunft des Reflexbogens scheint bei den Parthern zu suchen. Die Ornamen-
tierung der Blechteile des Bogens von Pecs-Üszög mit Reihen kleiner, zarter
Halbkreise kann auf keinen Fall als urtümlich hunnisch angesehen werden,
denn dieses Motiv ist skythischen Ursprungs.
Der Bogen von Pecs-Üszög wurde auf dem Boden der römischen Pro-
vinz Valeria gefunden, welche 407 von den Hunnen zuerst vorübergehend,
430 auf längere Zeit besetzt wurde. Damit ist ein Terminus ante quem für
die Zeit der Herstellung oder Vergrabung der Waffe ermöglicht. Der Fund-
ort gehört in die stattliche Reihe der imgarischen Fürstengräber des 5. Jahr-
hundertes32.
Von solchen ist im ungarischen und niederösterreichischen Donauraum
eine erhebliche Zahl bekannt: in Niederösterreich Unter-Siebenbrunn bei Wien
und Laa an der Thaya an der niederösterreichischen Nordgrenze, in Ungarn
Szeged-Nagyszeksos, Leva, Pecs-Üszög, Csorna und Kiskunhalas. Die un-
garischen Fürstengräber sind im allgemeinen reicher als die niederösterrei-
chischen. Die meisten dieser Gräber sind wegen ihres vielfältigen Inhaltes
eine Art Denkmälerkarte für die Wanderung der Hunnen auf europäischem
Boden und -— noch stärker — für die Kunst der angeschlossenen Völker, be-
sonders der Ostgoten, deren rechtlich-militärische Verbindung mit den Hunnen
30
Näheres und mit Literatur bei E. Schaffran „Die Kunst der Langobarden" an
vielen Stellen mit Abbildungen.
31
Gyula Laszlo, The Significance of the Hun Golden Bow (Acta archaeologica
ι, H. 1/2, 1951).
32
Siehe Fettich „ L a trouvaille", Daten unter Anm. 1.
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM DONAURAUM 277

eine Zeit hindurch bestand, um dann nach 454 in schärfste Feindschaft


überzugehen. So sind die aus der frühesten Hunnenzeit vor 420 stammenden
Gräber von Unter-Siebenbrunn und Laa a. d. Thaya 33 in erster Linie Pracht-
beispiele west- und ostgotischer Kunst. Trotz vielfacher Beraubung war
zur Zeit der Hebung der ungarischen Fürstengräber deren Goldreichtum
noch erstaunlich groß. Die damit in Verbindung stehenden Schmuckgegen-
stände können natürlich von Hunnen getragen worden sein, der hunnischen
Kunst gehören sie, wenn überhaupt, meist nur in dem schon mehrfach er-
wähnten Sinn einer Mischkunst an, sie sind höchstens peripher reiternoma-
disch. Am ehesten in den Bereich des Reiternomadischen fallen die Frauen-
diademe mit farbigen Einlagen (wie ζ. B. in Csorna), die wenigen Textil- und
sonstigen Bekleidungsreste, wie die mit Gold und Almandinen verzierten
Gürtel aus Szeged-Nagyszeklos, sie deuten auf byzantinisch umgedachte
iranisch-parthische Vorbilder.
Textilien im größeren Umfang haben sich keine erhellten, doch sind immer-
hin aus Spuren und Resten Hinweise auf die Bekleidung möglich, wie auf lange
Ärmelkittel, auf Hosen und weiche Lederstiefel. Hunnisch dürften jedoch
nur diese sein, ebenso die dazugehörigen Schuhbinden mit goldenen Schnal-
len. Doch auch hier liegen bereits weitgehende Ab- und Umänderungen vor.
Die ziselierten Ohrringe, oft in Körbchenform, die goldenen Halsringe und
Halsketten aus zartem Golddraht sind Gegenstände der pontisch-(ostgotisch-)
-skythischen Mischkunst mit byzantinischen Variationen.
An Waffen enthielten die hunnenzeitlichen einfachen und reichen
(Fürsten-) Gräber wiederholt die reitemomadischen einschneidigen Hieb-
schwerter (nach 400 von Alanen und Westgermanen übernommen) und das
zweischneidige Langschwert mit der auf iranische Anregungen zurückge-
henden Parierstange und dem im Stil sasanidischer Kunst reichgeschmück-
ten Griff mit Gold, Zellenemail und Halbedelsteinen, ferner Teile von Re-
flexbögen mit Endversteifung aus Knochenstücken. Die zu den Schwertern
gehörigen „magischen Schwertanhänger" wurden zwar von den Hunnen
nach Mitteleuropa vertragen, sind jedoch iranischer Herkunft. Ost- und
Westgoten kennen sie vorerst nicht, Westgermanen verwenden sie dann
noch im späten 7. Jahrhundert.
Das wäre so ziemlich alles an hunnisch angenäherter oder wenigstens reiter-
nomadischer Kunst des 5. Jahrhunderts (bis zum Einfall der Awaren) unter den
unzähligen Grabfunden aus Ungarn und Nieder-Österreich. Es ist wenig genug,
33
E. Beninger in „Germanenzeit in Niederösterreich" S.84 u. ff. mit Abbildungen.
278 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

2
Awaren-Gesandte traten 558 am Hof Kaiser Iustinians auf. Das ist die
quellenmäßig erste deutliche Nennung dieses Volkes34. Um 560 stießen
Awaren zusammen mit protobulgarischen Teilen, Kutriguren und Slawen
weit gegen Westen vor, 566 kam es mit den Franken zu einer Schlacht an der
Elbe. Vorher schon wurden die Awaren vom Frankenkönig Sigibert ge-
schlagen, dieser erlitt jedoch 566 bei Magdeburg eine schwere Niederlage,
und nimmehr fiel der ganze germanische Osten an die Awaren; Slawen waren
damals noch nicht in Böhmen und Mähren aufgetreten. Seit 567 über-
nahmen die Awaren, bei gleichzeitiger neuerlicher Ausdehnimg ihres Macht-
bereiches mindestens bis Mähren, die von den Langobarden geräumten Ge-
biete in Mittel- und Westungarn36, dadurch wurden sie Nachbarn der Bayern
und griffen in deren Kämpfe mit den Slawen zugunsten dieser ein. Die
Slawen waren damals bereits ein Hilfsvolk minderen Rechtes. Auf das um
623/24 vom fränkischen Kaufmann Samo gebildete Slavenreich besaßen die
Awaren wegen der damals noch großen räumlichen Entfernung keinen
stärkeren Einfluß. Nach dem Tod Samos zerfiel (nach 660) dessen Staats-
gründung. Aus der neuerlichen Nachbarschaft der Awaren mit den Bayern
entwickelten sich wieder, wie schon um 600, schwere Kämpfe, in deren
Verlauf auch Laureacum, die erste Hauptstadt der Bayern, zerstört wurde.
Hierbei wurde ihre ganze Umgebung verwüstet. Da es sich sowohl um
räumlich begrenzte als auch um weiter ausgreifende Kämpfe handelte,
hatten die Awaren im späten 7. Jahrhundert, archäologisch nicht belegbar,
auch im westlichen Niederösterreich Fuß gefaßt. Doch lagen ihre westlichsten
Befestigungen, die „Ringe" 36 , weiter östlich in der Linie Kampmündung-
Cumeoberg (Kumenberg, sö. von St. Andrä a. Traisen). Dort begann dann
auch die bald darauf errichtete karolingische Ostmark. Die zentralen Be-
festigungen der Awaren befanden sich im Raum zwischen Plattensee und
der Donau südlich von Budapest.
3 4 Zur Geschichte der Awaren: A. Kollautz „Quellenbuch zur Geschichte der

Awaren" (Prag, 1944); L. Hauptmann ,,Les rapports des Byzantins avec les Slaves et
les Avares pendant la 2i6me moittedu VI sifecle" (Byzantion, IV. 1927, S. 136u.fi.), sowie
P. Lemerle,,Die Awaren,die Schichtung in einer Nomadenherrschaft", in SaeculumV, 2,
München 1954, reiche Literaturangaben); H.-W. Haussig in: Byzantion X X I I I (1945),
345 f·
3 5 Paulus Diaconus, Histor. Langobard. lib. 2, cap. 7. Hier, wie in lib. 1, cap. 27,

werden die Awaren als Hunnen bezeichnet.


34 H. v. Mitscha-Märheim „Gab es Awarenringe ?" (Becker Festschrift, Wien,

1938), mit Hinweis auf den Anonym, von St. Gallen (M. G. H. SS. II/748).
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM D O N A U R A U M 279

Die Westwanderung der Bayern 37 von Mittelungarn (Gegend von Baja)


über Oberösterreich bis an die obere Donau bei Regensburg erfolgte noch
vor der Abwanderung der Langobarden 568. Den Bayern folgten die von den
Awaren kräftig gestützten Slawen, und es kam in Oberösterreich, im Drau-
und Pustertal zu wechselvollen Kämpfen. Nur in Ufernoricum widerstand
man noch den Slawen, jedoch nicht der awarischen Invasion. Das awarische
Machtzentrum verblieb jedoch stets im ungarischen Raum.
Nachdem Karl d. Gr. seit 791 die niederösterreichischen Grenzsperren
der Awaren erledigt und das Volk gegen Osten abgedrängt hatte, eroberte
Pipin 796 die awarischen Hauptbefestigungen im zentralen Ungarn, Hring
oder Campus genannt38. Die Ostgrenze des karolingischen Reiches lag nun-
mehr zwischen der unteren Raab, Plattensee und der Donau südlich von
Budapest. Dabei verschwanden die Awaren keineswegs (entgegen der land-
läufigen Meinung) aus der Geschichte, sondern erhielten 805, nachdem
sie bereits seßhaft und zu Landbebauern geworden waren, zwischen dem
Plattensee und der niederösterreichischen Fischa neue Wohnsitze. Ziem-
lich bald, schon 826, begannen die Awaren von den Germanen und Slawen
aufgesogen zu werden, Teile dürften auch in das benachbarte Bulgarenreich
unter dessen Khan Krum abgewandert sein.
Von germanischer Berichtseite aus gesehen, wurden im 9. und 10. Jahr-
hundert die Awaren vielfach mit den Hunnen verwechselt. Hinter diesem
ethnographischen Irrtum steckt aber die Tatsache des Weiterlebens von
hunnischen (und awarischen) Volkssplittern sowie die auf Verwandtschaft
beruhende Ähnlichkeit der beiden Völker (s. u.). Im westlichen Ober-
österreich und in Alt-Bayern haben sich in archivalischer Belegung viele
Orts- und Personennamen erhalten39, die auf Hunnen wie auf Awaren
deuten, sowie auf eine von manchen Seiten vermutete bayrisch-awarische
Mischung. Die awarische Rangbezeichnung Chagan klingt in Ortsnamen
wie Kirchkagern, Kagen, Kaging usw. nach (nicht aber in Kagran-Wien),
auch die protobulgarische, awarische und chazarische Würde des Tarchan
ist im altbayrischen Personennamen Tarchant (Tarchanat) enthalten. Auf
97
Näheres bei Ign. Zibermayr, a. a. O.
88
Annales Laurissenses (M. G. H. SS. 1/177). Dazu H. v. Mitscha-Märheim „Die
Herkunft der Bayern (Mittig. d. Anthropol. Gesellsch. Wien, L X X X , 1950)
88
Erich Zöllner „Awarisches Namensgut in Bayern und Österreich" (MIG Wien,
L V I I I , 1950), S. 244 u. ff. Ferner: E . Klebel,,Siedlungsgeschichte des deutschen Süd-
ostens", München, 1940) und Helm. Preidel „Awaren und Slawen" (Südostforschungen,
München, 1946/52), S. 33 u. ff.
280 D I E WENDUNG ZUM WESTEN UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

die Hunnen bzw. auf die mit ihnen verwechselten Awaren, deuten die topo-
graphischen Bezeichnungen Heining a. d. Salzach (790), Haunwang bei
Landshut (779), Haunsperg bei Salzburg (788), auf hunnische Personennamen
geht Huno von Köstendorf (um 748) sowie Huni in einer Freisinger Zeugen-
liste (um 765) zurück. In Kremsmünsterer Archivalien des 9. und 10. Jahr-
hundertes tauchen mehrmals Zeugen mit hunnisch-awarischen Namen auf,
also müssen damals im östlichen Oberösterreich und in Teilen von Nieder-
österreich Menschen hunnischer Abkunft noch gelebt haben. Dagegen ist
der Volksname „ A w a r e n " in Bayern, Ober- und Niederösterreich weder
in Personen- noch in topographischen Namen deutlich belegt. Diese kurzen
historischen Bemerkungen waren nötig, um den nun folgenden archäologi-
schen Erörterungen über die Kunst der Awaren eine Grundlage zu geben.
Anknüpfend an die Ausgrabungen im großen Awarenfriedhof von Mo-
sonszentjänos (Westungam), kam Ludwig Bartucz zu interessanten anthro-
pologischen Feststellungen 40 . Ihr Hauptinhalt ist: die Skelette aus diesem
Friedhof gehören einheitlich im allgemeinen einer Rasse von mongolischem
Gepräge an. Dadurch heben sie sich scharf von den Skeletten aller anderen
Völker ab, die vor dem Einbruch der Hunnen in Ungarn siedelten oder,
wenn schon mit ihnen in einer Siedlungsgemeinschaft, nicht mongolischer
Herkunft waren. Im Rahmen des mongolischen Typus treten nun bei den
awarischen Skeletten zwei Varianten auf. Die eine, in Mosonszentjänos
stark vertreten, zeigt die Rassenelemente der Hunnen in dominierender Aus-
prägung. Bartucz schließt daraus, daß die Awaren eine beträchtliche hunnische
Komponente besaßen, mit welcher sie sich aber nicht erst in Ungarn, sondern
bereits in der gemeinsamen Heimat im Osten verschmolzen hatten, dabei
in Volkstum, in Sitten, teilweise auch im Aussehen reine Awaren blieben, die
abgesondert lebten. Der andere, kleinere Teil der Skelette von Mosonszent-
jänos weist gleichfalls Awaren auf, die aber nicht mehr als rein mongolisch,
sondern innerhalb des Mongolischen als mongoloid angenähert zu gelten
haben. Trotz dieser Differenzierung bleibt doch die rassische Einheitlich-
keit der Awaren erhalten. Nach 820 ging der rein mongolische Bestand-
teil immer mehr zurück, in Gräbern aus der magyarischen Landnahme
wurden daher rein mongolische Schädel nur mehr sporadisch gefunden.
Das überaus häßliche, furchterweckende Aussehen der Hunnen ist durch
Ammianus Marcellinus, Jordanes, Priscus u. A . eindeutig und einheitlich
40
In N. Fettich „Archäolog. Studien zur späthunnischen Metallkunst" in Archaeol.
Hungar. X X X I . 1951, 2. Teil.
12. HUNNEN UND AW AREN IM DONAURAUM 281

belegt. Die Awaren hingegen werden in den zeitgenössischen Quellen ent-


weder gleich den Hunnen oder aber größer an Statur und als weniger häß-
lich beschrieben. Eine derartige optische Unterschiedlichkeit kann nun
durch die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen einigermaßen
bestätigt werden. Archäologisch hingegen scheint, wenigstens nach den bis-
herigen Erfahrungen, kein wesentlicher Unterschied zwischen der Kunst der
„mongolischen" und der der „mongoloiden" Awaren zu sein. Daher gelten
die folgenden archäologischen Bemerkungen für beide Teile der Awaren.
Eine Ausnahme scheint nur hinsichtlich einer Reihe kleiner kreisrunder Be-
schläge aus Mosonszentjänos zu bestehen, die eine Abstraktion gegen-
ständlicher Motive zeigen, welche recht weit über das sonst bei aller
Ornamentalisierung gegenständlich bleibende Awarische hinausgeht. Denn
diese Kunst entstand aus der Vereinigung der traditionellen südostsibiri-
schen Bronzegußtechnik mit skythischen und sogar pontisch-hellenistischen
Formelementen auf der Basis der reiternomadischen Kultur, also aus Fak-
toren, die einer gegenständlich-aussagenden Kunstauffassung mehr oder
minder nahe waren. Ein ähnlicher Umformungsvorgang zeigt sich auch bei
kreisförmigen Beschlägen aus dem nicht allzuweit entfernten Gräberfeld
von Edelsthal im Burgenland (früher Nemesvölgy); doch liegen für diesen
wichtigen Friedhof keine genauen anthropologischen Untersuchungen vor.
Im benachbarten awarischen Friedhof von Sandorf (Csuny) fand man
Kreisbeschläge in hunno-awarischer wie in herkömmlicher awarischer Art.
Aus anderen Awarengräbern in Ungarn und Österreich liegen bisher keine
den Beispielen aus Mosonszentjänos, Edelsthal und Csuny auch nur ange-
näherten Abstraktion vor, so unendlich reich die awarische Kunst auch
an Einzelformen und Varianten ist.
Wenn nun die erwähnten kreisförmigen Beschläge wegen ihrer klaren
Unterschiedlichkeit von den übrigen, weit zahlreicheren awarischen Grab-
funden als Denkmäler jenes Teils der Awaren angesehen werden können, die
rassisch mit den Hunnen identisch oder mit ihnen wenigstens eng verwandt
waren, dann könnte daraus auch auf eine Gleichheit zwischen der alt-hunni-
schen und der huimisch-awarischen Kunst geschlossen werden. Dann wären
diese Beschläge aus Westungarn mehr oder minder deutliche Belege für die
verlorengegangene hunnische Kleinkunst in Bronzegüssen. Bestand die von
Bartucz vermutete hunnisch-awarische Volksgruppe tatsächlich, so lebte
sie wohl in strenger Abgeschlossenheit im Komitat Wieselburg (Moson)
und im heutigen nordöstlichen Burgenland und hat nur dort Denkmäler
282 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

ihrer ethnograpischen Art hinterlassen. An Kopfzahl kann der extrem mon-


golische Volksteil der Awaren nur klein gewesen sein. Welche Folgerungen
einmal aus dieser Sachlage gezogen werden könnten, erhellt aus einer Be-
merkung N. Fettichs, wo er von „sogenannten Awaren" spricht.
Die Denkmäler der awarischen Kunst 41 konzentrieren sich bis gegen
680/90 in dem zentralen und zum Teil auch noch westlichen imgarischen
Raum. Die außerordentlich vielfältigen, oft prächtigen Stilformen sind, un-
erschütterlich in einer alten, großartigen Tradition ruhend, von Anfang an
eindeutig und bleiben eindeutig oder nur wenig verändert, bis zu ihrem
raschen Verschwinden im späteren 9. Jahrhundert. Knapp vor 700 treten
awarische Funde auch im östlichen Niederösterreich und bald darauf weiter
westlich bis zur Enns und zur oberösterreichischen Krems auf. Im Zuge von
Kämpfen der mit den Awaren verbündeten Slawen (um 600 oder knapp
vorher) gegen die das nördliche Südtirol besetzenden Bayern wurden awa-
rische Bronzen als Beutestücke bis in das mittlere Etschtal vertragen42.
Wenn aber solche Gegenstände auch noch in der Westschweiz und in der
Rheingegend gefunden wurden, so kann diese enorme Streuung nur ge-
legentlich der weit ausgreifenden Beutezüge der Magyaren erfolgt sein: in
deren Herrschaftsbereich lebten noch im 9./10. Jahrhundert Awaren, welche
ihre alte Kunst weiter ausübten.
Die geschlossene awarische Kultur und damit das dazugehörige awa-
rische Reich dauerte ungefähr zweieinhalb Jahrhunderte, also eine erheb-
lich lange Zeit, nicht vergleichbar mit der nur ein halbes Jahrhundert wäh-
renden hunnischen Epoche in Ungarn. Die zweieinhalb Jahrhunderte awa-
rischer Herrschaft genügten daher reichlich, um sowohl von den Nachbar-
völkern Verschiedenes aufzunehmen als auch Eigenes an diese abzugeben.
Nim meint Fettich43, „der Ausgangspunkt der um die Wende des 8. zum 9.
Jahrhundert in der nordgermanischen Kunst auftretenden naturalistischen
Motive sei bei den slawisch-germanischen Volksbestandteilen des Awaren-
reiches und seiner peripheren Gebiete zu suchen. Die Richtung der Bezie-
hungen der Awaren dorthin ist zweifellos durch die uralten Wasserwege be-

41
Siehe Näheres bei den in Anm. 1 genannten Arbeiten von N. Fettich und vom
gleichen Autor: „Bronzeguß und Nomadenkunst" (Seminarium Kondakovianum, Prag,
1929).
42
E. Schaffran ,,Der Zentralkamm d. Ostalpen", unter Anm. 4.
43
Fettich a. a. O. und der Gleiche: „Die Metallkunst der landnehmenden Ungarn
(Archaeol. Hungar. X X I , 1937).
12. H U N N E N UND A W A R E N IM DONAURAUM 283
stimmt, welche vom Raum der Ostsee zu diesen Gebieten führen", und kurz
vorher spricht der gleiche Forscher von den „starken Beziehungen der
Awaren zur normannischen Kunst, besonders des X. und X I . Jahrhundertes".
Solche Auffassungen bleiben indessen zu einem Teil hypothetisch und mit
der Entwicklung der nordgermanischen Kirnst (Normannen und Wikinger)
nur schwer in Einklang zu bringen, zum anderen aber unmöglich hinsicht-
lich eines positiven Anteils der mit den Awaren in Verbindung stehenden
Nordslawen. Von allen slawischen Stämmen waren die Südslawen, beson-
ders die Kroaten, die künstlerisch begabtesten. Aber auch sie vermochten
vor 850 in Kroatien und Dalmatien keine eigene Kunst hervorzubringen,
und auch danach ging es mit der Entwicklung eigner Formmotive nur
langsam vorwärts. Die Nordslawen hingegen waren im künstlerischen Sektor
weniger begabt, und außer einer reichen Volkskunst haben sie lange Zeit
nichts Nennenswertes hervorgebracht. In der volkstümlichen Keramik der
Slawen bestand eine Verbindung mit dem reiternomadischen Osten (siehe
Topffunde aus Zellerndorf in Niederösterreich44 um 880/900), aber nicht
mit der karolingischen Keramik. Die geringe künstlerische Kapazität der
Nordslawen im Donauraum mag auch darauf zurückzuführen sein, daß
ihre immerhin kulturfördernde Christianisierung noch im 1 1 . Jahrhundert
nicht durchgeführt war und daß auf der anderen Seite dieses Bauernvolk
zur künstlerisch so überaus regen Art der Awaren keine tiefere Verbindung
besaß. Die Slawen empfingen eine solche auch nicht durch das lange Zu-
sammenleben mit den Awaren. Ausgenommen sind Anregungen bei der
technischen Behandlung und beim Schmuck von Tongefäßen, denn deren
Wellenlinien haben die Awaren selbst sehr oft verwendet, wenn auch diese
Ornamentart bereits in der provinzial-römischen und in der alt-germani-
schen Keramik nachweisbar ist. Das Motiv ist sozusagen übervölkisch, die
Awaren können es daher immer gehabt haben und brauchten es nicht un-
bedingt von Römern oder den Germanen zu übernehmen. Formgeschicht-
liche Beziehungen zwischen den ornamental hochbegabten Awaren und
den Wikinger-Normannen können wohl möglich sein, die in der Spätzeit
der Awaren bestehenden Handelsbeziehungen mit dem Norden wären
eine plausible Erklärung dafür, unmöglich sind hingegen solche Beziehun-
gen aus den vorerwähnten Gründen zwischen den Nordwest-Slawen und
den Wikingern.

41
Abb. 65 bei Ed. Beninger „Germanenzeit in Niederösterreich" (Näheres unter
Anm. 2).
284 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Als später hunnisch-awarischer Fund gilt der aus Krungl 45 bei Mittern-
dorf (steir. Salzkammergut). E r soll nach Fettich normannische Beein-
flussimg aufweisen. Die Ornamentierung der vier Riemenzungen erfolgte in
Krungl mit der ab ungefähr 600 in der awarischen Kunst ein beliebtes Motiv
bildenden Kreislappenranke. Wenn sie in Krungl von der älteren awarischen
Kreislappenranke abweicht, so infolge des hellenistischen Beiklangs. E r
zeigt sich auch bei den Funden aus dem nahen Hohenberg im Ennstal 46 (bei
Wörschach), wo die dort schon recht unawarisch aussehende Ornamentik
durch dieses Hellenistische noch mehr „entawarisiert" wurde.
Die Gegenstände, auf denen sich die reiche und prächtige awarische Orna-
mentkunst entfaltet, sind hauptsächlich Riemenzungen und überaus viel-
fältig geformte Beschläge in gegossener Bronze mit gelegentlicher Nach-
arbeitung. Motivisch ist die awarische Kunst sehr reich und variationslustig.
Im Ornament zeigen sich Ranken der verschiedensten Form, die Kreis-
lappenranke dominiert, beliebt sind um einen Mittelpunkt angeordnete
Blätter der mannigfachsten Gestalt. Verwendet werden, wenn auch nicht
allzuoft, mehr oder minder ornamentalisierte, im Kern jedoch stets gegen-
ständlich bleibende figurale Szenen und ganz besonders als Hauptthema
Greifen, Hirsche und zoologisch undeutbare Fabeltiere im Stil der Ordos-
bronzen entweder in Einzelgestalten oder in Kampfszenen. Hinsichtlich der
Kreislappenranke sei nachgetragen, daß diese mit hellenistischer Ornamentik
unmittelbar nichts zu tun hat, sondern der skythischen Kunst entstammt.
Die awarische Kreislappenranke ist auch nicht — wie einmal gesagt wurde—
eine Abstraktion von Tierleibern; ein derartig radikaler Vorgang lag nicht
im Wesen der awarischen Auffassung.
Die Awaren brachten nicht nur die Kunst des zentralasiatischen Bronze-
gusses nach Mitteleuropa, sondern auch jenen Tierstil, der sich besonders,
aber nicht ausschließlich auf den Ordosbronzen und auf den südostsibi-
rischen Goldplatten findet 47 . Die Bronzegüsse sind öfters vergoldet oder ver-
silbert, Stücke aus reinem Gold sind selten, Blech, im besonderen Kupfer-
blech, wird erst spät verwendet, was dann nicht mehr reiternomadisch,
sondern byzantinisch ist. Dabei verwandelten sich die zuerst großflächigen
Motive in zartere Lineamente in der Art der Martinowka-Kultur, ohne mit
45
Abb. auf Tfl. C I bei Fettich „Die Metallkunst der landnehmenden Ungarn"
(Archaeol. Hungar. XXI, 1937).
46
Abb. Tfl. CII, bei Anm. 44.
47
Ganz gute Belege bringt der Katalog der „Ausstellung eurasiatischer Kunst"
(Wien, Kunsthist. Museum, 1934).
12. HUNNEN UND AWAREN IM DONAURAUM 285
dieser zusammenzuhängen. Die Riemenzungen sind meist kompakt, die
Beschläge hingegen gerne in hochqualitativer durchbrochener Arbeit ge-
halten. Formgeschichtlich ist bei den awarischen Bronzen die technische
Beeinflussimg durch den Kerbschnitt in Holz zu merken.
Der awarische Staat in Ungarn war zwar weit einheitlicher als der hun-
nische, aber dennoch kein geschlossener Nationalstaat, denn auch in ihm
lebten Klientelvölker anderen Stammes wie Germanen, Slawen und die
später so wichtig gewordenen späthunnischen Protobulgaren, also mit dem
pontischen Kulturstrom in Verbindung stehende Völker 48 . Im Vergleich mit
der fast vollständigen Uberlagerung des Hunnischen durch die Kunstübung
der Klientelvölker liegt bei den Awaren das Gegenteil vor. Den Slawen
fehlten die Voraussetzungen für eine wirksame künstlerische Betätigung,
Germanisches in alt-typischen Formen zeigt sich nun hier selten, und das
Protobulgarische begann erst langsam aktiv zu werden, um dann erstaun-
lich rasch eine große künstlerische Kraft zu erlangen, deren Hauptdenk-
mal in Ungarn der Goldschatz von Nagy-Szent-Miklos werden sollte.
Unter dem König Isperich (Asparuch) begann das erste bulgarische
Reich. Die kulturell tragende Oberschicht war türkisch-hunnischer Ab-
stammimg, die slawische Bevölkerung hatte keinen kulturellen Anteil, weit
mehr jedoch die altansässige Bevölkerung, denn gerade sie war die Bewah-
rerin der hellenistisch-römischen Tradition, was um so eher der Fall sein
konnte, da sich römische (oströmische) Siedlungen im ganzen südlichen
Ungarn lange erhalten hatten und Ausgangspunkte eines antiken Bestand-
teils werden konnten, der manches der altbulgarischen Kunst so eigen-
artig erscheinen läßt. Gewiß, die zwei altbulgarischen Paläste 49 in der da-
maligen Hauptstadt Pliska (heute Aboba) enthalten manche Belege für
das, was die Altbulgaren bei ihrer Wanderung aus Iran mitbrachten; auf
den orientalisch-iranischen Charakter der altbulgarischen Kunst deutet auch
das große Reiterrelief in einer Felswand bei Madara, es ist mit den Tierreliefs
von Stara-Zagora das westlichste Denkmal iranischen Kunsteinflusses.
Jedoch bereits das berühmte Kunstdenkmal der Protobulgaren, der
23teilige Goldschatz von Nagy-Szent-Miklos (Wien, kunsthist. Museum), ge-
arbeitet nach 850, zeigt neben dem Sasanidischen viel stärker das Helle-
nistische. Darin wäre wenigstens zum Teil die stille Mitwirkung der einstigen
römischen Siedlungen im südöstlichen Ungarn zu sehen.
48
Siehe die itf Anm. 33 angegebene Literatur.
49
B. Filow a. a. O. S. 7 mit Abb.
286 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

N. Fettich wies auf die hellenistisch-mythologische Motive in den


ungarischen Funden hin60. Tatsächlich treten auf awarischen Bronzen
Szenen aus dem Mythos des Dionysos auf, es erscheinen Kentauren, Sirenen
und dergleichen (oben S. 275). Die Gefäße des Goldschatzes von Nagy-Szent-
Miklös sind bei einer unglaublich komplizierten Kulturlage Denkmäler
„klassischer" Art für das Maximum der damals möglichen Vermischung
aller möglichen östlichen Kulturen. Gerade diese Komplikation erleichtert
aber auch die Annahme der Entstehung des Goldschatzes im südöstlich-
imgarischen oder im bulgarischen Donauraum. Von awarischer Ornamentik
ist bei diesem berühmten späten Denkmal nun nichts mehr zu sehen, es
muß damals um 850 (spätestens) im südöstlichen, ungarischen Gebiet die
awarische Kunst bereits erloschen gewesen sein, falls sie überhaupt bis
hierher gereicht hatte.
Die übrigen mit dem Goldschatz in Zusammenhang stehenden altbul-
garischen Kunstdenkmäler liegen nicht mehr im ungarischen Donauraum.
Wenn vorhin auf hellenistische Elemente in der awarischen Kunst hin-
gewiesen wurde — sie bestanden bereits in der späthunnischen Kunst — ,
so erklären sie sich ebenso durch Einflüsse während der Wanderung durch
Südrußland und das bosporanische Reich wie auch durch die pontisch-sky-
thische Zugehörigkeit der Klientelvölker. Nicht feststellbar ist der Grad
dieser beiden Komponenten.
Für die Schnallen, Riemenzungen und Beschläge aus Bronzeguß dienten
den Awaren zuerst Holzmodel, später wahrscheinlich auch Wachsbossie-
rungen. Wegen der Gleichartigkeit der Güsse ist anzunehmen, daß die awa-
rischen Künstler Originalgüsse, eventuell auch Modeln, aus ihrer asiatischen
Heimat mit sich führten und diese Vorlagen dann immer wieder verwendeten,
d. h. nachgössen. Das ging bei den Objekten des Ordosstiles mit seinen
Greifen und Tierkampfszenen und Ranken, nicht aber bei den figuralen
Bronzen. Solche Motive erhielten die Awaren frühestens im iranischen und
dem südosteuropäischen Raum, vielfach überhaupt erst bei Erreichung des
Gebietes zwischen den Mündungen von Dnjepr und Donau. Dann ergab sich
eine Fülle fluktuierender Vorlagen, welche die Ausbildung ständig verwer-
teter Motive verwehrte oder erschwerte. Was die Tiere des Ordosstiles in
awarischer Umsetzung oder Weiterführung anbelangt, so sind diese in
keinem Fall frei von pontisch-skythisch-hellenistischer Beeinflussimg. Unter
50 Fettich „Die Metallkunst d. landnehm. Ungarn" Kap. II.
12. HUNNEN UND AWAREN IM DONAURAUM 287

der Hand des awarischen Künstlers wurden gerade diese Anregungen


immer stärker betont, weshalb manche Greifen und Verwandtes sich ira-
nischer Formgebung nähern. Zwischen den Transsylvanischen Alpen und
dem oberen Etschtal gibt es derartig viele Greifenbronzen, daß man nicht nur
über die Häufigkeit des Themas, sondern auch über seine Verbreitung
staunt. Seltener sind dann Motive mit einem breitgehörnten Hirsch, häu-
figer wieder, besonders auf Riemenzungen, kompakte oder durchbrochene
Tierreihungen (Tierkämpfe), wobei die Tierleiber in strenger ornamental-
-kalligraphischer Stilisierung zu einem fließenden, organisch oft nur schwer
zerlegbaren Band zusammenwachsen. Hier besteht eine Ähnlichkeit (Ver-
wandtschaft ?) mit dem germanischen Tierstil I und II, den die Awaren
zuerst durch die Langobarden in Ungarn kennenlernten und sich davon
beeinflussen ließen. Da nach 568 bestimmt Teile des langobardischen Volkes
in Ungarn und im östlichen Niederösterreich zurückblieben, wird diese An-
regung noch so lange bestanden haben, als langobardische Künstler, Bronze-
gießer, Gold- und Silberschmiede in ihrer alten Art arbeiteten. Doch ist
die Abstraktion bei den langobardischen Kleingegenständen stärker und
unbedingter als bei den Awaren, die auch in extremen Fällen immer einen
Rest von pontischer Gegenständlichkeit beibehielten.
Die awarischen Gräber, in großer Zahl vorhanden und unglaublich
reich an den schönsten Gegenständen einer auf alter Tradition beruhenden
reiternomadischen Kultur, finden sich in erster Linie im zentralen und
westlichen Ungarn. Aus der Fülle seien nur einige genannt wie: Keszthely,
Mindszent, Raab I und II, Jutas, öskü, Mosonszentjanos, Üllö, Kiskörös,
Tiszaderzs, Kecel, Janoshida, Alattjan, Homokmegy, Szebeny, Klarafalva,
Mart61y, Devenyujfalu, Ordas, Hödmezö-Vasarhely, Szeged, Horgos, Cziko,
Sziräk, Bölcske, Püspök, Dias, Felsö-Simandi, Mezö-Tür, Toszeg, Abony,
Csüny, Szentes-Lapisto, Szentes-Felsöcsordajaräs usw. Einige der wich-
tigsten Fundorte in Niederösterreich, Oberösterreich und Burgenland sind:
St. Margarethen am Moos, Leobersdorf, (bisher der älteste Fundort, Ende
7. Jahrh.), Mistelbach, Schwechat, Grafenegg bei Krems, Wolfsthal, Lim-
berg, Wien-Unt. St. Veit, Leitha-Prodersdorf, Enns, Micheldorf an der ober-
österreicher Krems, Edelsthal, Sandorf, Zillingstal, Carnuntum, Brunn am
Steinfeld usw. Hier überall, in Ungarn wie in Österreich, handelte es sich
stets um Friedhöfe und, auch wenn die Beigabe von Waffen meist fehlte,
um Friedhöfe von Reiternomaden, von Awaren. Oft benützten diese Awaren
im Donauraum für ihre Siedlungen ältere römische Ortsanlagen; aus
288 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

diesen kamen dann manche Stücke provinzialrömischer Kunst in die Jahr-


hunderte später angelegten awarischen Gräber.
Auf eine Überschneidung der awarischen Kunst mit dem germanischen
Tierstil I und II (der Langobarden ζ. B.) wurde bereits verwiesen. Eine
weitere Überschneidung ergab sich gerade in Ungarn durch die germanisch-
-langobardische und die awarische Verwendung des Flechtbandes. Ein Bei-
spiel dafür bietet ein Tragband aus Madaras81, dessen oberer Teil das zwei-
streifige langobardische Flechtband aufweist, wogegen die beiden anderen
Seitenstücke im letzten Spätstil die Umformung des germanischen Flecht-
bandes in das awarisch-pontische Bandgeflecht belegen, wie ähnliches
auch in den Gräbern 119 und 120 zu Raab gefunden wurde. Die
Kombination einer awarischen Bronze in durchbrochener Arbeit mit dem
zweistreifigen Flechtband fand sich in einem in das ausgehende 6. Jahr-
hundert zu datierenden Grab aus einem nicht näher bezeichneten bürgen-
ländischen Ort (Jb. d. k. k. Zentralkommission 1904, S. 272).
Besondere Beachtung verdient der große Awarenfriedhof von Edelsthal
(Burgenland, südlich von Hainburg a. Donau), in der ungarischen Literatur
als Nemesvölgy bezeichnet. Der Ort derart liegt weit im Westen des awa-
rischen Siedlungsraumes, daß seine Beanspruchung erst spät, gegen 680
erfolgt sein wird. Wegen dieser Datierung sind daher auch die dortigen Fund-
gegenstände Belege aller jener Stile, die im awarisch besetzten österreichisch-
ungarischen Grenzraum möglich waren. Es kommen Riemenzungen der
alten Art noch vor, jedoch in erster Linie solche, bei denen die alte Kreis-
lappenornamentik sich merklich der pontisch-iranischen Auffassung ange-
nähert hat, was natürlich nur als Rückerinnerung an auf dem Vormarsch
gegen Westen empfangene Eindrücke verstanden werden kann. Es sind,
rein zeichnerisch, Formen angedeutet, die in der protobulgarischen Kunst
gleichfalls, nur deutlicher und auch schwungvoller, vorhanden sind. Eine
große Zahl längsrechteckiger Bronzebeschläge in durchbrochener Arbeit
(mindestens 12 Stück) zeigen den gar nicht weitgehend stilisierten und
nicht im geringsten entmateralisierten Greif in der herkömmlichen und
noch dazu stets völlig gleichen Form, diese Beschläge wurden also alle
nach demselben Model gegossen. Auch mehrere Schnallen, teilweise mit
Scharnieren, sind in drei Gruppen aufzuteilende Modelstücke. Auf ihnen,
wie besonders auf mehreren kreisrunden Beschlägen, machen sich teils
naturalistische, teils freizügig angeordnete zarte Kurvaturen bemerkbar,
51 Abb. auf Til. i/d von E. Schaffran,, Die Kunst der Langobarden" a. a. O.
12. H U N N E N UND A W A R E N IM DONAURAUM 289

Ornamente, wie sie bisher im ungarischen Raum vor und außerhalb der
protobulgarischen Kunst noch nicht vorkamen. Ein kleiner Bronzebeschlag
(Hampel III. Tfl. 108, Nr. 14) zeigt geradezu eine Barockisierung von For-
men der spätrömischen Kunstindustrie, ist aber keineswegs eine spätantike,
sondern eine awarische Arbeit.
Einen sehr eigenartigen Rückgriff auf vergangenes Formengut belegen
drei Riemenzungen mit Tierkopfenden (Hampel III. Tfl. 105, Nr. io, 12,
13, 14). Ihre enge Verwandtschaft mit dem bekannten Tierkopfende auf
einem bronzenen Tragbügel aus Altlußheim52 (Baden) ist evident, auch wenn
die Schnauzenform variiert ist. Der stark beschädigte Tierkopf aus Altluß-
heim wird als hunnisch angesehen. Die weit besser erhaltenen Tierkopf-
enden aus Edelsthal stammen jedoch aus einem erst im ausgehenden 7. Jahr-
hundert angelegten Awarenfriedhof. E s ist schwer anzunehmen, die Awa-
ren hätten ihren Toten hunnische, zwei Jahrhundert alte Gebrauchsgegen-
stände mitgegeben, wahrscheinlich ist, daß in Edelsthal die in Zwischen-
gliedern nicht deutlich nachweisbare Weiterführung eines älteren reiternoma-
dischen und stark pontisch-germanisch gekreuzten Motivs vorliegt. Hält man
die Riemenzungen von Edelsthal und Altlußheim senkrecht mit dem Tier-
kopf nach unten, so ergibt sich mindestens optisch eine Ähnlichkeit mit den
nach unten beißenden Tierköpfen langobardischer Fibeln des I. und II.
Stiles, wie solche die Awaren in Ungarn kennenlernten. Die Möglichkeit
eines weiteren Anklingens an germanische Kunst liegt in Edelsthal bei den
Tierköpfen einiger Beschläge vor (Hampel, I I I Tfl. 106 Nr. 2 und Tfl. 108,
Nr. 18). Manche Betrachter wollen sogar an die Wikinger denken. Ein ge-
genständlicher Zusammenhang solcher Tierkopfenden könnte auch mit jenen
Stangen mit Tierbekrönung bestehen, welche die Langobarden „Pertica"
nannten53.
N. Fettich 54 sieht besonders in den Funden von Szentes-Nagyhegy den
Beginn einer neuen Tierdarstellung. Man darf jedoch eine Art Barocki-
sierung des Umrisses nicht sofort mit der Abstraktion eines Tierleibes gleich-
setzen. Die große, der Zeit nach späthunnisch-awarische Fibel aus dem er-
wähnten Grab ist hingegen eine typisch völkerwanderungszeitliche Kombi-
52
Abb. bei J. Werner und N. Fettich (siehe Anm. 1) 52.
58
Paulus Diaconus, a. a. O. lib. 5, cap. 34 mit der interessanten Erklärung des Wortes
durch Muratori in seiner Ausgabe der Histor. langob. in Script. Rerum Italicarum,
Tom. 1.
54
a. a. O. „ L a Trouvaille", Text zu Tfl. L V I I I und „Archäolog. Studien" a. a. O.
Tfl. X X V I / 2 und X X I X / i .
19 Altheim, Hunnen V
290 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

nation abstrakter Ornamentik mit zoomorphen Motiven und dem nach


unten beißenden Tierkopf. Der germanische Bestandteil ist hier stark, ja
sogar entscheidend.
In den jüngsten Stücken zeigt der umfangreiche Grabfund von Edels-
thal das langsame Erstarren der einst so großartigen Nomadenkultur, ein
Erstarren, welches auch die Kunst der landnehmenden Magyaren erfüllt und
trotz aller Versuche durch Auswerten iranischer Textilmotive, besonders bei
den Früh-Magyaren, nicht aufzuhalten war.
Über die Bedeutung des Awarenfriedhofes von Mosonszentjanos siehe
oben. In Jutas und öskü (Kom. Veszprem) wurden große awarenzeitliche
Friedhöfe aufgedeckt 58 . Charakteristisch ist hier das Überwiegen von Klein-
gegenständen in typisch awarischen, also alt-asiatischen Formen. Eine
Vermischung damit zeigt sich bei auffallend vielen Bronzen von westger-
manischer Herkunft. Da Veszprem im Bereich des von Karl d. Gr. noch vor
800 besetzten Teiles von Westungarn liegt, scheint es durchaus möglich,
daß hier zeitweise Westgermanen zusammen mit Späthunnen-Awaren be-
graben wurden; in den deutschen Ortsnamen der Gegend bestehen ohnehin
awarische Anklänge 54 .
Von allen in der awarischen Kunst sich zeigenden Ornamenten hat für
die westgermanische Welt und auch für die irisch-angelsächsische Buch-
malerei des 8. und 9. Jahrhundertes die Kreislappenranke eine gewisse,
wenn auch nicht bedeutende Rolle gespielt. Die karolingische ornamen-
tale Kunst hat mit ihren großflächigen Blattranken Motive ähnlich der
awarischen Kreislappenranke geschaffen. Doch braucht keine unmittelbare
Beeinflussimg vorzuliegen. Ars una, species mille. Auf einen positiven Ein-
fluß spielt Fettich an „Die awarische Herrschaft, deren Schwerpunkt auf
dem Gebiete Ungarns lag, hat auf die Entwicklung der europäischen Kultur
Auswirkungen gehabt, von denen unsere Geschichtsschreibung heute noch
kaum die richtige Vorstellung hat". Dem aber wäre entgegenzuhalten, daß
eine starke formgeschichtliche und weltanschauliche Beeinflussung der
frühromanischen Kunst doch nur durch die genannte Buchmalerei er-
folgte. In ihr lagen germanische Elemente direkt, pontisch-hellenistische
66
Gy. Rhe und N. Fettich „Jutas und öskü" (Seminar. Kondakov. Prag, 1931).
68
Jacob Schlager „Die germanischen Elemente der ungar. Hunnensage" in Bei-
träge z. Gesch. d. deutsch. Sprache u. Literatur (Halle a. S. 1905, Bd. XXXI). Dann
J. v. Schlosser, „Schriftquellen z. Gesch. d. karolingischen Kunst" (Wien, 1892) nennt
auf S. 524 in Westungarn Orte mit hunnischen (awarischen) Namen.
12. H U N N E N U N D A W A R E N IM D O N A U R A U M 291

indirekt vor, also solche, die auch in der awarischen Kunst enthalten
waren. Mischungen gab es damals mehr als genug. In mehreren karo-
lingischen Gräberfeldern in Ostfrankreich fand man fränkisches und awa-
risches Kulturgut, im bayrischen Friedhof von Linz-Zizlau bayrisches und
auch wieder awarisches. Ähnliche Vermischungen treten auch in Gräbern
der Alpenslawen auf.
In einigen irisch-angelsächsischen Handschriften des späten 8. Jahr-
hundertes salzburger Herkunft, besonders im Cutbercht-Evangeliar und
im Codex Millenarius in Kremsmünster67, treten mitunter Zierleisten auf,
deren ornamentale Gestaltung der awarischen Kreislappenranke irgendwie
ähnlich erscheint. Ein slawischer Forscher glaubte in jüngster Zeit daraus
den Schluß ziehen zu müssen68, das Cutbercht-Evangeliar (und in weiterem
Sinn auch der Codex Millenarius) wäre hinsichtlich jener Schmuckformen
durch die slowakisch- awarische Missionierung entstanden. In Wirklichkeit
reicht bei strenger Prüfung des Sachverhaltes das Germanische in diesen
beiden Codices gerade noch deutlich erfaßbar bis zum langobardischen
Flechtband, aber auch nicht zu dem der ungarischen Zeit der Langobarden,
sondern zur oberitalienischen Ausprägung nach 6oo, wo die Übertragung
nach Westen durch irisch-angelsächsischen Mönche aus St. Gallen und Bobbio
erfolgt sein dürfte 69 . Wenn in einigen iro-agls. Handschriften großblättrige
Ranken vorkommen (Cutbercht-Evangeliar beiden Vollbildern der Evangelis-
ten Johannes und Matthäus, dann bei den aus Stift Mondsee stammenden Brie-
fen des Apostels Paulus, Wien, Nat. Bibl. Nr. 722, dem clm 1 6 1 2 8 in der bayr.
Staatsbibl. etc.), so ist dies das Aufscheinen eines Motives aus dem Formen-
schatz der Menschheit. Darüber hinaus können selbstverständlich auch
wechselseitige Anregungen bestehen, die um so eher möglich sind, wenn Stile
noch nicht ihre volle Reife erlangt haben. Daß aus dem ungeheuren und un-
ausschöpfbaren Reservoir der pontisch-skythischen Kunst (mit ihren peri-

67
Darüber Näheres in Neumüller und Holter ,,Der Codex Millenarius" (Graz,
Bühlau, 1959, Bd. 6 der Forschungen zur Geschichte Ob.österr. mit reicher Literatur).
58
J . G. Cincik, „Anglo-Saxon and Slovak-Avar Patterns of the Cuthbert's Gospel"
(Series Cyrillomethodiana Vol. 1, Cleveland, Ohio, 1958). Hier liegt eine Überschätzung
der Kunst der Völkerwanderungszeit vor und vor allem eine Unkenntnis der Ge-
schichte des damaligen Österreichs und der salzburgischen Ornamentparallelen im
Vergleich mit dem Cutberchtevangeliar.
59
In meinem Beitrag: „Beziehungen zwischen d. österr. u. d. irisch-angelsächs.
bild. Kunst im frühen Mittelalter" (in der Festschrift „österr. u. d. angelsächs. Welt",
Wien, Braumüller, 1961) bin ich auf diese Fragen und auf die damit in Verbindung
stehenden Wünsche näher eingegangen.

ιβ·
292 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

pheren Ergänzungen aus der iranischen wie auch der gotischen Welt) West-
europa gerade zwischen dem Ende des Frühchristentums und dem Beginn
der frühesten Romanik stärkste Impulse erhielt, ist seit Strzygowski ge-
nügend bekannt. Es wäre dennoch glücklicher, die Kreislappenranke der
irisch-angelsächsischen Buchmalerei vor 850 auf pontische statt auf awa-
rische Impulse im Besonderen zurückzuführen. Das gilt auch für die Tier-
kopfenden in diesen Handschriften, deren Voraussetzungen gleichfalls im
germanisch durchsetzten Pontus zu suchen wären, und die dann bei den
Awaren, wie bei den Wikingern ihre zeitlichen Parallen fanden.
13- K A P I T E L

SPRACHDENKMÄLER

Den Ausgangspunkt soll der Schatz von Nagy-Szent-Miklos bilden. Zö-


gernd nur wagt man, eine neue Deutung dieser allzuoft „enträtselten"
Inschriften vorzuschlagen. Es besteht nicht die Absicht, auf die älteren Ver-
suche einzugehen1. Zum großen Teil gehören sie der Vergessenheit an. Das
einzige Kriterium, dem ein neuer Deutungsversuch unterliegt, bleibt ohne-
dies die Bewährung an den Denkmälern selbst.
Von den in griechischen Buchstaben geschriebenen Inschriften des Buila
und Butaul hat V. Thomsen eine Deutung geliefert, die mit leichten Varianten
allgemeine Anerkennung gefunden hat 2 . Sie ist in einem alttürkischen Dia-
lekt verfaßt; von Thomsen wurde sie den türkischen Bulgaren (Proto-Bul-
garen) zugewiesen und ins letzte Drittel des 9. Jahrhunderts gesetzt.
Daneben besitzt man eine Reihe kürzerer Inschriften, die an verschiede-
nen Stellen auf den Gefäßen des Goldschatzes von Nagy-Szent-Miklös ange-
bracht sind und bis heute als ungelesen und ungedeutet gelten dürfen. Der
Versuch M. G. Supka's 3 , in ihnen alttürkische Runen zu erkennen, hat den
Beifall M. v. Karabacek's 4 und J . Strzygowski's® gefunden, ist aber auf den
scharfen Einspruch V. Thomsen's® gestoßen. E r wandte ein, daß die Über-
einstimmung der Schriftzeichen von Nagy-Szent-Miklos mit den Runen sich
auf wenige Fälle beschränke und äußerlichster Art sei; daß die Variierung
1
Eine Aufzählung bei V. Thomsen, Saml. Avhandl. 3, 3 3 0 f . ; Weiteres bei J . Ne-
meth, D. Inschr. d. Schatzes von Nagy-Szent-Miklös 1 9 f . ; G. Moravcsik, Byzantinotur-
cica i l , 1 6 3 f . Auch Nimeth's Versuch leuchtet nicht ein. Sein Ausgangspunkt, daß die
Namen Buila und Butaul in den anderen Inschriften wiedergefunden werden müßten
(a. O. 22), überzeugt in keiner Weise. Im Gegenteil: die Tatsache, daß die Schalenin-
schrift der beiden in griechischer, sämtliche anderen Inschriften hingegen in nichtgrie-
chischer Schrift abgefaßt sind, könnte vor einem solchen Schluß warnen. Zur Kritik
von Nimeth vor allem B. v. Arnim in: Ztschr. slav. Philol. 1934, 240f.; G. Miszarös,
Nepünk 6s Nyelvänk 1938, 1 f.
2
In: Archaeol. Hungarica 7, 1 2 4 t . ; doch vgl. G. Moravcsik, a. Ο. 2 1 , 30; 2 2 , 18.
3
In: Monatsschr. f. Kunstwiss. 9, 1 3 f .
4
In: Anz. Kaiserl. Akad. Wien 1916, 3, 10.
5
Altai-Iran u. Völkerwanderung i66f.
8
a. O. 3, 3 3 2 ! . ; dazu Η. H. Schaeder in: Ungar. Jahrb. 5, 9 7 ; 4 4 7 f .
294 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

der Konsonanten entsprechend den umgebenden Vokalen fehle: nicht ein-


mal der alttürkische Charakter der Inschriften stehe fest.
Am schwersten dürfte der zweite Einwand wiegen; denn bei den beiden
anderen könnte ein erneuter Versuch Klärung bringen. Der mangelnde Unter-
schied hingegen zwischen und 2b, zwischen lq und 2k, 1 y und 2y scheint das
Vorliegen eines alttürkischen Dialektes auszuschließen. Es kommt hinzu,
daß die Lesungen, die Supka erzielt hatte, sich keineswegs empfehlen.
Freilich braucht das Alphabet von Nagy-Szent-Miklos nicht mit dem der
Orchoninschriften zusammenfallen. Es konnte sehr wohl sein, daß es ein
älteres Stadium spiegelte. Dann mußte es dem Vorbild, dem armazischen
Alphabet (oben i , 283!), noch näher stehen als dies die Runen des 8. Jahr-
hunderts tun. Anders ausgedrückt; es brauchte dann den Unterschied
zwischen xq und 2k, zwischen und 2g und was sonst noch in Betracht
kommt, nicht oder noch nicht in der Form, die die späteren Runen auf-
weisen, enthalten zu haben.
Supka las Nr. 9 als uluy, was ολγου in ολγου ταρκανος entspräche (Nr.
46)7. Er las von rechts nach links, setzte formal das erste Zeichen = o/u,
das zweite = l und das dritte = n. Damit schien die Gleichung mit den alt-
türkischen Runen vollzogen, und doch war die Lesung, von ihrem System
aus gesehen, ein Unding. Aber wenn man bereit ist, ein älteres Stadium an-
zunehmen, darin Η und Η noch nicht geschieden waren; wenn man mit
V. Thomsen8 das runische » aus einem g des älter-soghdischen Alphabetes
ableitet, dann verliert die Lesung ihren Schrecken. Ja, man darf darauf ver-
weisen, daß das dritte Zeichen die Form auch des armazischen g rein be-
wahrt hat. Die formale Übereinstimmung wird noch darauf führen, daß von
g nicht nur η (in Nr. 6 künindin) und 1 y (in Nr. 1 a—b qu{w)ray'iri) abgeleitet
wurden, sondern durch Hinzufügung des oberen Schrägstriches auch *q9.
Noch ein weiterer Umstand verdient bemerkt zu werden. Als seit der
Mitte des 14. Jahrhunderts die özbeken in Transoxanien einbrachen, fanden
sie dort eine iranisch sprechende Bevölkerung vor. Die Nachbarschaft und
die Mischimg der beiden Sprachen führte dazu, daß die Lautharmonie meh-
rerer özbekischer Mundarten erschüttert, daß sie „iranisiert" wurde. Die
7 Die in griechischem Alphabet geschriebenen Inschriften sind im laufenden
Abschnitt nach der neuen Ausgabe W. Beschewliew's (V. Beäevliev's) (Protobulgarische
Inschriften 1962) angeführt. Ich konnte die Druckfahnen dank der Güte J. Irmscher's
benutzen.
8 a. O. 3, 76; O. Donner in: Journ. soc. finno-ougr. 14, 46.

• Irrig O. Donner, a. 0 . 4 7 .
13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 295

vorderen Vokale δ, ü, ä und die hinteren o, u, α wurden durch die mittleren


•o, •«, ·α ersetzt10. Es wird sich noch zeigen, daß das Alttürkische der In-
schriften von Nagy-Szent-Miklos starke Spuren iranischer Einflüsse auf-
weist; dasselbe gilt für die Kultur der Proto-Bulgaren überhaupt (vgl.
nächstes Kap.). Möglich, daß dieses durch iranischen Einflußbereich hindurch-
gegangene Alttürkische die ererbte türkische Lautharmonie nicht mehr voll
besaß und darauf verzichtete, sie im Gegensatz zur Sprache der Orchonin-
schriften in der Schrift zur Geltung zu bringen. Es ist sicherlich kein Zufall,
daß sich der Ersatz für die einstige Vokalharmonie: die Labialattraktion 11 und
daneben die Neutralisierung des t in einzelnen Fällen beobachten lassen.
Natürlich kann statt uluy auch ülüg gelesen werden. Dann läge darin ein
Wunsch, der dem Besitzer oder bei dem Trinken auszusprechen wäre12.
Ähnliches gilt für Nr. 13. Der erste Buchstabe wäre = 2b, der zweite
= O/M, der dritte eine einfachere Form von Yd und der vierte 1 «, also:
bud(u)n. Auch hier ergibt sich eine Lesung unter der Voraussetzung, daß
die Nachbarschaft der Vokale noch keine Differenzierung in der Bezeich-
nung der Konsonanten herbeigeführt hätte. Nr. 14 n2kajä ergibt (ö)g(ä)-kä
„für den Klugen" oder „für den ögä" 13 , vielleicht auch ögükä „für den Lieb-
ling", und Nr. 15 2s2b entweder (sa)b oder s(u)b; A. v. Gabain (brieflich)
denkt an sab „freue dich".
Uluy oder ülüg, budun, sab, säb oder sub, ögä oder ögük sind zweifelsfrei alt-
türkische Worte. Einen Schritt weiter gestatten Nr. 6 b und 8. Sie stimmen
in den ersten vier Buchstaben überein, wie sie denn, zusammen mit Nr. 9,
auf demselben Krug stehen14. Es ergeben sich bei Nr. 6b: 2kwnd1n, also
küwindin „von seiner (oder: ihrer) Sklavin her". Das Zeichen für nd ist von
dem für η in Nr. 14 dadurch unterschieden, daß der senkrechte Mittelstrich
ganz durchzogen ist. Die vorangehenden vier Zeichen, und entsprechend
Nr. 8, müssen dann den Namen des Besitzers oder der Besitzerin jener Skla-
vin enthalten. Man liest: 2k, oju, und ein Zeichen, das mit dem m der ru-
nischen Handschriften noch mehr als mit dem der Inschriften überein-
10 A . v . Gabain, özbekische Gramm. 14; 19.
11 A . v. Gabain, a. O. 14.
12 D a z u W . B a n g in: Musion 36, 235 A n m . 1.
1S Zur Schreibung vgl. A . v . Gabain, Alttürk. Gramm. 2 53 § 30. N a c h Käsgari,
Divän lugät at-turk 1 297, 1 — 5 (C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortsch. 131) war ögä
ein erfahrener Mann aus dem Volk, an R a n g hinter den tigit, womit später die Söhne
der C h a y a n e bezeichnet wurden, zurückstehend.
14 J. Nömeth, a. O. 44 unten.
296 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

stimmt. Also qoyum „mein Lamm", vermutlich ein weiblicher Eigenname


(oder zu mitteltürkisch qoyu „dick" 18 ). Der Goldkrug, der diese Beschrif-
tung trägt, könnte Beutegut gewesen sein, ursprünglich Besitz einer Frau
oder eines Mädchens, die selbst in Sklaverei geriet1®. Beide, Sklavin und
Krug, gelangten in die Hand der qoyum. A. v. Gabain vermutet, „Sklavin"
sei höfliche Selbsterniedrigung; eine echte Sklavin habe nichts dergleichen
zu verschenken.
Eine etwas längere Inschrift bietet auch Nr. 7 tso/uWnPdWk, wobei auf-
fällt, daß das letzte 2k dreistrichig ist. C. Brockelmann verdanke ich die
Deutung: sub noSda qaq, wobei das letzte Wort als Verbalnomen zu fassen
wäre. „Wasser im Trunk (ist) Schade" (eigentlich „Schlagen") 17 . Das Vor-
kommen eines iranischen Lehnwortes, das auch sonst im Alttürkischen be-
legt ist, bedeutet keine Überraschung; es wird noch seine Parallelen er-
halten.
Die Gesamtheit der Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos zer-
fällt in zwei Klassen. Auf der einen Seite stehen solche, die meist ein, selten
mehr Worte umfassend mit einem spitzen Werkzeug nach Art von Grafiitti
eingeritzt sind. Bisher wurden die Beispiele ihnen allein entnommen. Dem-
gegenüber steht eine Gruppe von Inschriften, die gleich der des Buila und
Butaul sorgfältig eingepunzt sind. Ihre Schreibung ist weniger flüchtig als
bei jenen Zufallserzeugnissen; auch zeichnen sie sich durch eine längere
Wortfolge aus. Hier wird sich die Deutung zu bewähren haben.
An erster Stelle ist zu nennen Nr. 1 a—b: Wdmu + *ku2Ä1» + *kurxyxn
-f- öxy. Auffällig ist zunächst das Auftreten eines vierstrichigen 2k. Zuvor
war ein dreistrichiges 2k in Nr. 7 begegnet, das sich vielleicht als Pausaform
erklären läßt. Das vierstrichige 2k ist auf unsere Inschrift beidemal vor u,
also vor hinteren Vokal, gesetzt. In sorgfältiger Schreibung begann man
demnach, parallel dem Verfahren der Orchonrunen, auch in Nagy-Szent-
Miklös Konsonanten nach der Art der umgebenden Vokale zu differenzieren.
Auch das 1n des dritten Wortes ist gegenüber der Form, die bisher begegnete,
durch ein diakritisches Zeichen hervorgehoben. Wiederum möchte man
daran denken, daß ein xn in Nachbarschaft eines hinteren Vokals unter-
15
C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortschatz 158.
18
Auf dem Gegenstück zum Krug Nr. 6, der die Inschrift enthält, ist die Gefangen-
nahme eines Kriegers durch einen bulgarischen όλοσίδηρος (Symeon Mag. 10 bei
Theoph. contin. p. 612 Bonn) dargestellt; vgl. J. Strzygowski, a. O. 57 Abb. 60 und
G. Kazarow in: Recueil Th. Uspenskij 89 f. Alttürkisch entspäche yar'iql'iq.
17
C. Brockelmann, a. O. 146.
13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 297

schieden wurde. In der Tat begegnet 1 η mit diakritischen Zeichen noch in


noS Nr. 2—5 a und anuqur Nr. 5 b. Das schließende xn des zweiten Wortes
zeigt indessen das diakritische Zeichen, das man auch hier erwarten würde,
nicht. Vermutlich war der Anlaß das folgende l, das auch sonst die Neigung
besitzt, neutral zu werden, d. h. den Unterschied zwischen vorderem und
hinterem Vokal unbeachtet zu lassen. Auch in den Orchoninschriften kann
neben ϊ sowohl ln wie 2 « geschrieben werden18. Qadyu qoqurii qu(w)ray'in öy:
„Den Kummer vermindert die Zeit der Geselligkeit". C. Brockelmann erwog
die Deutung von öy als ödi: sie scheint mir durch Beispiele wie iä: idi,
kiiz: kidiz19 bestätigt zu werden. Dem Wechsel von η und 2g in ögäkä
(ögükä) tritt jetzt ein solcher von η und zur Seite (qadyu), der sich aus der
fehlenden Unterscheidung von 1γ und 2g zwangsläufig ergab. Der durchge-
führte Stabreim20, wie er zu Sentenz gehört, ist hervorzuheben.
Nr. 2—5 a ist zu lesen: htPrty 2 ku x dh. Zwei Fassungen geben am Schluß
O/M, drei und damit die Mehrheit V. Auffällig ist das Vorkommen zweier r~
Zeichen. Beide sind sie aus dem r des armazischen Alphabets entwickelt,
das erste in nPrH, das bereits Nr. 1 a—b in qu(w)ray'in begegnet war, wohl
durch Verdopplung des ursprünglichen Zeichens (ähnlich wie gegenüber dem
Η unseres Alphabets und dem d des armazischen auch das 1d der Orchon-
runen verdoppelt ist). Erneut ist eine Differenzierung erfolgt. Das xr von
2kuxdxr scheint Pausaform zu sein, wie auch bei dem dreistrichigen 2k von

Nr. 7 qaq vermutet wurde. Die Pausaform des xr wird bei Nr. 5 b anuqur ein
zweites Mal begegnen. Die Deutung nos iriä wird C. Brockelmann verdankt.
Das folgende Wort ist qoöur zu lesen. Das Verbum quöurmaq ist als solches
bei Käsgari belegt und qoduru begegnet dort und im Uigurischen21. Brockel-
man schlägt vor: „Trunk ( = trinke) am frühen Morgen (und) tue es mit
Eifer!"
Wir kehren zu dem Rest der Graffitti zurück. Mit Nr. 1 a—b ist die Le-
sung von Nr. 10a—b gesichert. Qadyu ist anscheinend der Beginn der dort
18 A. v. Gabain, a. O. n .
18 A. v. Gabain, a. 0 . 5 4 § 32; F . W . K. Müller in: A b h B A W . 1909, 23. Zeile iä statt
idi (zur Zeitbestimmung a. O. 16); zu kidiz·. kiiz V. Thomson, a. O. 253. Dazu käyik,
kiyik „Wild" in der Inschrift des Tonyuquq 8 (Orkun 1 ρ io2) gegenüber kiöih, was die
Handschrift Β aus Ferghana S. 41 ν. 1 im Qud. Bil. v. 401 Rahm, bietet (Hinweis
C. Brockelmann's).
20 C. Brockelmann in: OLZ. 8, 50; W. Bang in: Musion 38, 2; A. v. Gabain in:

Anthropos 48, 550 f.


21 Divän lugät at-turk 2, 63; Uig. III 79, II 9; C. Brockelmann, Mitteltürk. Wort-
schatz 163.
298 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

vollständig gegebenen Sentenz. Nr. 5b: bio/uP/Pr bedeutet anuqur „er


(oder: es) ist bereit", was sich auf den Trunk, aber auch auf das Gefäß be-
ziehen könnte. Das denominale Verbum anuq-(anu-q-) entstammte der glei-
chen Wurzel wie anuq „bereit, Bereitschaft" (anu-q); im Mitteltürkischen ist
anuqlamaq und anuqluq belegt22.

Offen bleibe die Deutung von Nr. 11—12, wo mein zwischen den Lesun-
gen ^o/m»1*·2^ und aAo/«w1r1<i1n schwanken kann23. Qonardln wäre zu
stellen zu Konst. Porphyrog, 3, 169 Bonn.: οι Πατζινάκαι ol ττρότερον
Κάγγαρ έπονομαζόμενοι (τοΰτο γ α ρ το Κάγγαρ όνομα έττ' εύγενεία
καΐ άνδρεία έλέγετο τταρ'αΰτοις). Qonardln wäre dann Ablativ wie
künindin Nr. 6 b. A. v. Gabain (brieflich) hingegen denkt an qonrkü.

G. Feher, bekannt durch eine Reihe von Arbeiten, die sich mit den
Proto-Bulgaren beschäftigen, hat es unternommen, eine neue Deutung
der beiden griechischen Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos
zu geben1. Er glaubt ihnen entnehmen zu können, daß der Schatz nicht ins
9., sondern ins 10. Jahrhundert gehört. Auch die Zugehörigkeit zu den Proto-
Bulgaren entfällt für Feher: er meint mit Sicherheit einen Magyarenfürsten
Stephanos zu erkennen.
Es handelt sich um die gleichlautenden Inschriften der beiden Tassen
Nr. 9 und 10. Ihre Lesung bedeutete von jeher eine epigraphische und philo-
logische Crux. Der letzte Versuch stammte von J. Goschew2 (Abb. 8): δεά
Οδατοξ άνάπαυσον κε Is ζωήν αΐόνιον. Feher übernimmt, wie zu erwarten,
den ersten Teil: δεά ύδατος άνάπαυσον. Die darauf folgenden vier Zeichen,
darunter eine Ligatur, löst er in άγιε ΊησοΟ auf. Das ist im ersten Wort

C. Brockelmann, a. O. 9.
22

23Das Qumanische hat qovrov „Glocke" (K. Granbech, Kuman. Wörterb. 206)
statt mitteltürk. qonraq (C. Brockelmann, a. O. 160). Aber der Wandel ist nachweislich
spät (K. Granbech, a. Ο. ιοί.). Anders läge es, wenn B. v. Arnim (in: Zeitschr. slaw.
Philol. 13, ioof.) Recht hatte und strava bei Jordanes, Get. 258, türkisches astrav
mit ν < γ wäre. Aber weder ist die Einordnung in die lateinischen α-Stämme
verständlich noch der Abfall des anlautenden Vokals (wo gäbe es ein türkisches Wort,
das mit ähnlicher Konsonantenfülle anlautet) noch endlich das Alter des Überganges
von γ < ν. Daß Jordanes die strava mit gewaltiger commessatio gefeiert sein läßt, aia-
aber immer „essen" u. ä. heißt, sei noch hinzugefügt.
1 In: Arch. Isrtes. 1950, 34t.

* In:Studi bizantini e neoellenici 1940, 139 f.


13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 299

zweifellos ein Fortschritt gegenüber Goschew3. Zum mindesten erkennt man


eine Ligatur von α und γ sowie ein anschließendes ε. Es fehlt indessen i, und
eine weitere Besonderheit ist, daß ctyios im Gegensatz zu dem, was
sonst üblich ist, als Nomen sacrum behandelt wird. Zudem entsteht eine
neue Schwierigkeit: Gott Vater wird selten mit άγιε angeredet und der Sohn
nie. Einem άγιε αγίων ό 6εός ημών, der Anrede beim Trishagiongebet,
oder der Formel: συ μόνος εΐ άγιος entspricht auf seiten Jesu nichts.
Damit nicht genug, kann Ις schwerlich als ' Ιησού Voc. gedeutet werden.
Für diesen Fall wäre allein die Abkürzung iu oder Ιηυ möglich.
Mit diesen Einwänden soll nicht gesagt werden, daß Fehers Lesung im-
möglich sei. Vermutlich ist sie die beste, die sich mit den bisherigen Mitteln
geben läßt. Aber die Anstöße sind offenkundig.
Der Eindruck bestätigt sich, wenn man fragt, was gemeint ist. Auch da
ergeben sich Schwierigkeiten.
Α. M. Schneider schreibt mir: „ Άνοπταύεσθαι heißt, .sterben'. Hunderte
von Grabschriften beginnen: άνεττάη ό δοΟλος TOÖ θεοΰ NN. μη vi Χ.
Άνάπαυσις ist 'requies aeterno.', ,Ort der Seligkeit' und dergleichen mehr.
In der älteren christlichen Übersetzungsliteratur entspricht es refrigerium,
das dort nie .Erquickung', sondern ,Trost, Freude, himmlische Seligkeit',
in der Volksreligion auch .Totenmahl' bedeutet. Άνάπαυσον heißt: ,Gott
lasse zur Ruhe kommen den NN.' oder ähnlich." Es wird für die später zu
gebende Deutung wichtig sein, daß die Person erwartet werden muß, der die
mit άνάπαυσον ausgesprochenen Bitte gilt.
Goschew und ihm folgend Feher suchten das Gebet auf die Taufe zu be-
ziehen, durch die man zur Anapausis gelangt. Beide meinen, die Schale sei
zum Schöpfen und Trinken geweihten Wassers verwandt worden. Dazu be-
merkt Α. M. Schneider: „Wenn der Spruch auf die Taufe ginge, müßte
das Gefäß eine Taufschale sein. Ich kenne keine spätantike Stelle, die bei der
Taufe das Wort άνάτταυσις verwendet. Es findet sich nur in Totengebeten.
Goschew bringt ein unveröffentlichtes byzantinisches Taufgebet 4 aus dem
vatikanischen Barber, graec. 336, einem Euchologion, wo es heißt: άνάδειξον
τ ό ύδωρ τούτο · ΰδωρ άναπαύσεως, ύδωρ άττολυτρώσεως κτλ. Auch soll dem
Karfreitagsgebet über die Täuflinge, in demselben Euchologion, die Anru-
fung vorausgehen: ύπέρ της τ ω ν πάντων άυαπαύσεως είπωμεν τ ό

8 Die folgenden Angaben entstammen einem Brief Α. M. Schneiders vom 15.4.1950,

der so freundlich war, mich zu beraten.


4 a. O. 145 Anm. 4.
300 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

κύριε έλέησον. Das kann ich nicht nachprüfen, weil von diesen mittelby-
zantinischen Liturgiebüchern nichts veröffentlicht ist. Ich kann darum
auch nicht sagen, in welch näherem Zusammenhang das Angegebene steht
oder wie alt diese Vorstellung einer Anapausis bei der Taufe ist.
Das Totengebet in Goars Euchologion, das etwa auf das 6. Jahrhundert
zurückgeht, heißt:

Ό θεός των πνευμάτων και πάσης σαρκός,


ό τόν θάνατον καταττατήσας,
τόν διάβολον καταργήσας
καΐ ζωή ν τω κόσμω σοΰ δωρησάμενος·
αύτός κε, άνάπαυσον την ψυχή ν του κεκοιμημένου δούλου σου τοΰδε
έν τόττω χλοερφ,
έν τόττω άναψύξεως ( = in loco refrigerii'),
Ινθα άπέδρα όδύνη, λύπη και στεναγμός,
πδν αμάρτημα . . . συγχώρησον κτλ.
Dieses Gebet kommt auf ägyptischen Grabsteinen des 7.—11. Jahr-
hunderts vor (W. Weichbrot, Braunsberger Programm 1/1905; 2/1909 und
im Recueil von Lefebvre Nr. 130; 636; 658; 664; 665). Wie die byzantini-
schen Grabinschriften des 9. Jahrhunderts aussahen, ist schwer zu sagen.
Aus der Zeit ist kaum etwas bekannt, und was sonst vorliegt, läßt sich schlecht
datieren. Unger hat Arch. Anz. 1916, i f . eine Inschrift veröffentlicht, die
den Zeitstil wiedergibt und den Leser bittet, des Toten nicht zu vergessen,
sondern seiner im Gebet zu gedenken. Der gleiche Text steht auf einem
Grabstein, den ich in der Euphemiakirche fand (Byzant. Ztschr. 1942, 183).
Die beiden Tassen des Schatzes von Nagy-Szent-Mikl<5s sind aber wohl vom
Volksglauben her zu deuten. Gibt es nicht im slawischen Bereich die Sitte,
den Toten im Grab an gewissen Tagen zu tränken 6 ? Byzantinisch scheint
mir das nicht zu sein. Ich kenne keine einzige Formel, die zu der auf den
Tassen stimmt. Hie und da freilich denkt man sich den Toten durch den ros
caelestis (Jes. 26, 19) getränkt: Bücheler, Carm. epigr. 1562."
Die Fragen, die der erste Teil der Inschriften aufgab, sind einfach zu
lösen im Vergleich mit dem, was der Rest bietet.
5
Ich habe diesen Brauch 1917 bei den Slawen Mazedoniens, in Prilep und Markow-
warosch, beobachten können. Meine Aufnahmen habe ich 1949 in Halle zurückgelassen.
Die Fortdauer des Brauches in Bulgarien, am 3.9., sodann am 40. Tage nach dem Tode
und an dessen Jahrestag, bestätigte mir G. Kazarow. L. Schmidt verweist auf österr.
Zt. Volksk. 53, i7of. (Α.).
13. SPRACHDENKMÄLER 301

Am Schluß der Inschriftzeile steht eine Zeichengruppe, die Feher als


Eigennamen, in Ligaturen geschrieben, versteht. Die Auflösung veranschau-
licht er durch eine beigefügte Zeichnung (Abb. 8). Danach habe man zu
verstehen als Στ(έφα)νον. Der Genannte wäre es dann, dem die Bitte um
Anapausis gelte; für ihn seien auch die beiden Tassen gefertigt®.
Auffällig ist die umgekehrte Schreibung des ersten ν (η). Feher führt
Beispiele an, die bei der Abfolge zweier ν (η) das erste nach links gestellt
zeigen. Aber hier soll nach seiner Ansicht das unter dem zweiten ν ange-
brachte ο zwischen den beiden ν gelesen werden. Es hegt also eine Abfolge
zweier ν gar nicht vor. Weiter wird uns zugemutet, eine Inschrift, die bisher
einzeilig verlief, von einer bestimmten Stelle ab zweizeilig zu lesen. Doch
trotz dieser Einwände wird man abermals zugeben müssen, daß Fehers Le-
sung die beste ist, die bisher vorgeschlagen wurde. Daß man an dieser Stelle
einen Eigennamen erwarten muß, ergab der Aufbau der gesamten In-
schrift. Ob freilich der sehr häufige Name Stephanos auf einen bestimmten
Magyarenfürsten zu beziehen ist, bleibt offen.
Feher hat des Weiteren die Aufmerksamkeit auf die in kleinerer Schrift
angebrachten Buchstaben gelenkt, die am oberen Rand der Zeile zwischen
dem Christusmonogramm und den beiden ersten Buchstaben von δεά stehen.
Erliest (Abb. 8): Π(αύ)λου υ(ί)όν. Wiederum ergeben sich Einwände. Der
erste Buchstabe bleibt auf der Inschrift selbst ohne Parallele; er hat dort, wo
er sicher gelesen ist, ein anderes Aussehen. Ein Zeichen für ου läßt sich nicht
entdecken. Die Form des υ unterscheidet sich gleichfalls von dem sonst in
der Inschrift gebrauchten. Endlich ist das angebliche ο durch einen sehr
augenfälligen unteren Längsstab gekennzeichnet. Danach scheint die vorge-
schlagene Lesimg nicht möglich. Und es wird fraglich, ob überhaupt eine
griechische Lesimg denkbar ist.
Die Beschriftung des Schatzes von Nagy - Szent - Miklos ist keineswegs
einheitlich, weder in der Sprache noch im Alphabet. Neben Inschriften
in griechischer Sprache und Schrift steht eine solche in türkischer Sprache
und griechischer Schrift, steht eine Reihe von Inschriften in türkischer
Sprache und türkischen Runen7. Aber daß auch beides: Griechisch in

6 Gute photographische Wiedergaben bei N. Mawrodinow, Le Tresor Protobulgare

de Nagyszentmiklös (Arch. Hungar. 29) Taf. 16—18. Unter Richtigstellung meiner Be-
merkung Lit. u. Gesellsch. 2, 4 Anm. ig darf ich N. Fettich, J. Andor, K. Maröt und
J. Harmatta (last but not least) für die Besorgung des Buches danken.
7 Vgl. noch oben 1, 28of.
302 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

griechischer Schrift und Türkisch in Runen, unmittelbar nebeneinander


erscheinen konnte, zeigt das Bruchstück der von B. v. Arnim 8 veröffent-
lichten Inschrift von Kalugerica. Als weitere Beispiele zumindest eines
sprachlichen Nebeneinanders dürfen die türkischen Glossen in den vulgär-
griechischen Inschriften der Proto-Bulgaren sowie die Königsliste erwähnt
werden, die neben ihren altslawischen, einstmals griechischen Angaben den
Regierungsbeginn der Herrscher jeweils in türkischer Sprache bezeichnet.
In der Tat ergibt sich im vorliegenden Fall eine glatte Deutung, sobald
man Runen anerkennt. Von rechts nach links gelesen unterscheidet man:
öjü, dann 2y in der in den Runenhandschriften und auf den Jenissei-In-
schriften gegebenen Form, weiter Η und i (deutlicher auf Nr. 10, Abb. 8
unten), °£ wie auf den Jenissei-Inschriften, schließlich das m der Hand-
schriften. Also ö2y2t i°Stn — öyt iiim. Öy-t stelle ich als Verbalnomen zu oy-
,.aushöhlen". Es ist bekannt, daß sporadischer Vokalwechsel unter dem Ein-
fluß von benachbartem y eintritt, das palatalisierende Wirkung ausübt 9 . Es
wandelt sich α zu ä, uzu.ü,o zu ö, ϊ zu i. Dementsprechend hätte sich oy- zu
öy- umgebildet, so daß man anstatt des zu erwartenden oy-t im vorliegenden
Fall öy-t antrifft.
Auf der Inschrift von Schumen erscheint ^yw'i = oym'is „ausgehöhlt"
als Bezeichnung der Tätigkeit dessen, der das Relief ausgehauen und die
Inschrift angebracht hat 10 . Auch das Treiben in Metall, also die Ornamen-
tierung und Beschriftung der Goldtassen von Nagy-Szent-Miklos, darf als
solch ein „Aushöhlen" bezeichnet werden. Das wird bestätigen, wer einem
Goldschmied beim Treiben und Punzen zugesehen hat.
„Das Aushöhlen ist mein Werk." Wer so spricht, mußte mit Namen ge-
nannt sein. Also konnte nur Stephanos so sprechen, dem der Wunsch nach
Anapausis galt. Es bedarf keines Wortes, daß damit nicht der Goldschmied
und Handwerker, sondern der Auftraggeber gemeint ist. Also muß ver-
standen werden: „Das Aushöhlen ist mein Auftrag." Diese Bedeutung von
iS braucht nicht besonders belegt zu werden.
Mit der vorgeschlagenen Lesung entfällt, was Feher an Folgerungen ge-
zogen hat. Über die Beziehung auf den Magyarenfürsten Stephanos ist kein
In: Anz. Akad. Wien, Phil.-hist. Klasse 69, 173f.
8

Μ. Räsänen, Materialien zur Lautgesch. d. türk. Sprachen (Stud, orient.


β

15/1949) 58 (Hinweis von A. v. Gabain); Beispiele aus dem özbekischen: A. v. Gabain,


özbek. Gramm. 21 und im Glossar 257.
10 Unten S. 3o f.
4
13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 303

Wort zu verlieren. Schon daß der Neugetaufte einen Vater mit dem christ-
lichen Namen Paulos besessen hätte, spricht gegen die Kombination. Der
altslawische Bericht, der von der Bekehrung des Magyaren spricht, weiß
nichts vom Vater und noch weniger davon, daß er zusammen mit dem Sohn
oder nach ihm zum Christentum übergetreten sei 11 . Und mit Stephanos ent-
fällt auch jeder Grund, die Thesen oder gar den ganzen Schatz von Nagy-
Szent-Miklos ins 10. Jahrhundert zu setzen.
E s ist vielmehr so, daß schon vorher eine Übereinstimmung in der Zu-
weisung des Schatzes eingetreten war. Unabhängig voneinander hatten
Maurodinov und ich unsere Untersuchungen geführt, er von der kunstge-
schichtlichen Seite und ich durch Deutung der Runeninschriften. Beide
waren wir zum Ergebnis gelangt, daß die Proto-Bulgaren als die Verfertiger
des Schatzes und die Schreiber der Inschriften anzusehen seien. Ich setzte
die Entstehung des Schatzes etwa in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts 12 .
Die beiden Tassen Nr. 9 und 10 zeigen bereits das Christentum des Auftrag-
gebers. Damit gewinnt die Tatsache Gewicht, daß auf der Inschrift Nr. 1 a
und b 1 3 sowie auf dem Inschriftenrelief von Schumen14 das Kreuz in orna-
mentaler Funktion erscheint. Man wird mit allen diesen Stücken in die Re-
gierungszeit Boris' (853—888) und die mit ihm einsetzende Christianisierung
herabgehen müssen. Dazu stimmt, daß Maurodinov den Schatz in die zweite
Hälfte oder ins letzte Drittel des 9. Jahrhunderts herabrückt 15 .

Mit der Annahme, daß Proto-Bulgaren die Verfertiger des Schatzes


waren, erklärt sich auch im vorliegenden Falle alles. Es erklären sich das
Nebeneinander von Griechisch und Türkisch, von griechischem Alphabet
und Runen, die Fehler der Schreibung — das einleitende δεά darf dem
zweimaligen δηά der Inschrift von Hambarly zur Seite gestellt werden16. —,
die unrichtige Behandlung der Nomina sacra und die Anspielung auf
einen slawischen Totenbrauch.
Zu τωυλσχι der Inschrift von Bjal brjag (über sie sogleich) bemerkt
mir 17 A. v. Gabain brieflich: „Alttürkisch ist falsch. Das alte taw'il ist durch
11
A. Popow, Istori-literaturyj obzor usw. (Moskau 1875) 19g f.; vgl. Gy. Moravcsik,
Byzantinoturcica 2 2 , 310.
12
F. Altheim, a. O. 1, 209 f.
M
F. Altheim, a. Ο. 1 Taf. 13.
u
F. Altheim, a. O. Taf. 15.
15
N. Maurodinov, a. O. 207 f.
le
W. Beschewliew, D. protobulgar. Inschriften Nr. 26 Z. 16; 20.
17
In Kritik meiner Bemerkung: Literatur und Gesellschaft 1, 228 Z. 5.
304 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

das folgende w zu towll geworden. Mahmüd al-Käsgari, also das Mitteltür-


kische, hat tow'il, towul." Jüngere Erscheinungen begegnen auch sonst:
βουλε und ßayaivos zeigen Störungen der Vokalharmonie18. Öyi statt ödi
findet nicht nur in iä statt idi, kiiz statt k'idiz, käyik und kiyik statt kidik19,
sondern auch in jungem qoy- statt qod-, qot-i0 seine Entsprechimg. Öy- statt
oy- auf imseren Inschriften stellt sich demnach bereits auf der mitteltürki-
schen Entwicklungsstufe dar21.

3
Von entscheidender Bedeutung ist ein Marmorrelief, das 1928 in der
Nähe von Schumen in Bulgarien gefunden wurde. Es entstammt dem soge-
nannten Schumener Plateau, das bereits viele Altertümer aus türkisch-
bulgarischer Zeit gebracht hat. Es wurde von B. von Arnim und N. Fettich 1
veröffentlicht. Dargestellt ist eine sitzende männliche Figur mit einer drei-
zackigen Krone oder Haube auf dem Kopf. (Daß es sich in der Tat um eine
solche handelt und daß die Erklärungen der ersten Herausgeber in die Irre
gehen, wird die Inschrift bestätigen.) Spitzbart und waagerechter Schnurr-
bart weisen in den nomadischen Bereich. Schwerer ist die Waffe in der Hand
zu erklären, ebenso die Tiere rechts und links der Sitzfigur. Zwei Schlangen
sind deutlich; die beiden anderen Tiere hat man als Schweine oder Bären
gedeutet. Menander Protektor berichtet von den άγάλματα διάφορα τ η
μορφή bei den Türken, den vier goldenen Pfauen, die den Thron des Siza-
bolus trugen2. Oberhalb von ihnen erkennt man ein zweigiebliges Gebäude
mit Kreuz und den Giebelfenstern. Darunter befindet sich beiderseits der
18F. Altheim, a. O. 1, 206; 230.
19F. Altheim, a. O. 1, 201 Anm. 18.
20 A. v. Gabain, a. O. 329 s. v.

21 Zu den vorangegangenen Ausführungen hat sich Z. Käddr in: Folia Archaeo-

logica 11 (1959), io9f. zustimmend geäußert.


1 B. v. Arnim in: Anz. Wiener Akad. Phil.-hist. Kl. 69, 174f. (Hinweis von D. Ger-

hardt); N. Fettich in: Archaeol. Hungar. 21, 275.


2 Konstant. Porph., exc. de legat. 1, 194, 7; I4f. R. Delbrück schreibt mir: „Das

Relief aus Schumen ist merkwürdig durch die noch immer bewahrte enganliegende
Ledertracht, die wohl archaistisches Königskostüm sein wird und die Krone, die nicht
mittelmeerländisch ist. Ganz sonderbar der Spieß mit der Parierstange; es gibt ähnliche
Vorrichtungen bei Spießen für die Eberjagd, die verhindern, daß das Biest zu nahe
kommt, wenn es sich festgerannt hat. Die Vierfüßler mit den dünnen Beinen möchte ich
doch für Hunde halten." Für den Spieß mit der Parierstange weiß ich keine Parallele.
Ist es eine Armbrust chinesischen Typs ? Vgl. oben 4, 42 und M. Suenaga. Die Waffen
des alten Japan (japan. 1941) Taf. 70; 72. Die Krone jedenfalls ist chinesischen
13. SPRACHDENKMÄLER 305

Figur je eine sechszeilige Inschrift. Ihre Lesung ist, soweit mir bekannt,
noch nicht versucht worden.
Der erste Augenschein zeigt, daß sie in dem gleichen Alphabet geschrieben
ist wie die Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos. Die Schrift ver-
läuft wiederum von rechts nach links. Dementsprechend sei mit der
obersten Zeile rechts begonnen.
Man liest: xymS S2d. Das Zeichen für m hat die gleiche Form wie in Nagy-
Szent-Miklos, nur ist es auf den Kopf gestellt. Dann geht es in der zweiten
Zeile weiter: ^W-rkü, wobei 2k die gleiche Form wie in den Handschriften zeigt.
Man unterscheidet sofort: Sad korkü „das" oder „ein £«<2-Bild"3. Mit Sad
ist der Herrscher mit der Krone gemeint, den das Relief darstellt. Es ist
wichtig, dem aus dem Iranischen entlehnten Sad zu begegnen; es entspricht
dem gleichfalls iranischen Lehnwort noS auf den Inschriften von Nagy-
Szent-Miklos. Das vorangehende xymS muß ein Partizip enthalten haben. Am
Anfang ist mindestens ein Buchstabe weggebrochen. C. Brockelmann er-
gänzt schlagend: oim'is von mitteltürk. oimaq „aushöhlen"4. Also „ausge-
höhltes" oder „eingehauenes Bild des Sad". Darstellung und Anfang der
Inschrift entsprechen einander.
Der Rest der zweiten Zeile schließt sich an. Schwierigkeiten macht zu-
nächst der vierte Buchstabe von rechts. Man möchte an Η denken, in der
Form, die es auf den Inschriften von Qarabalgasun und vom Jenissei, aber
auch in den Runenhandschriften aufweist. Es folgen 2y in der Form der
Jenissei-Inschriften und (nach der Zeichnimg B. v. Arnims). Dann wäre
zu lesen: tiyib = tiyip mit b vor folgendem Vokal. Dieses tiyib, tiyip wäre
eine Nebenform zu dem aus dem Alttürkischen und Uigurischen bekannten
tip. Es bezeichnet das Ende der vorausgegangenen Wortgruppe.
Die dritte Zeile der rechten Hälfte und die erste der linken müssen zu-
sammengenommen werden. Ich lese: 2nxlll'iqlnln, wobei die beiden Formen
von η wieder denen der Jenissei-Inschriften entsprächen. Nur sind sie nicht
nach der Art der umgebenden Vokale geschieden, sondern xn ist am Wort-
Ursprungs, wie der Kopf eines Bodhisatva in Eisenguß (Abb. 26) und die Holzfigur
einer Kuanyin (Abb. 27) zeigen, beide aus dem 11. Jahrhundert und dem Berliner
Kunsthandel entstammend. Tracht und Bewaffnung waren demnach von den Proto-
bulgaren aus ihrer mittelasiatischen Heimat (oben 1, 95f.) mitgebracht.
3
Vgl. ögrünt tigin tängrim AörAw „Bildder Prinzessin ögrünc (Freude)" bei F. W. K.
Müller, Uigurica 2 (in: AbhBAW. 1910), 93.
4
C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortschatz 126. Wenn B. v. Arnims Zeichnung zu-
trifft, ist O/M am Anfang der Zeile erhalten.
20 Althelm, Hunnen V
306 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

ende gesetzt. E s geht auf der anderen Seite weiter: iS^cPn. Dabei besitzt i
die aus den Handschriften geläufige Form, S ist mit dem nach rechts ver-
laufenden Querstrich versehen, den auch 2y, xn und 'iq aufweisen und der
eine Eigentümlichkeit unserer Inschrift darstellt. Die Form des ld ist aus
Nagy-Szent-Miklos bekannt. C. Brockelmann verdanke ich die Deutung:
anilikin ist „jener, der in hervorragendem Maß die Herrschaft besitzt".
Man kennt an aus anilki, wo es, wie auch in unserem Wort, noch als besonderer
Bestandteil empfunden wird; das zeigt das Fehlen der Vokalharmonie. Auf-
fällig ist die Doppelschreibung von Η u n d 1 » . Bei ilik-iliki ist sie etymologisch
gerechtfertigt: *il-lik6. A u c h A. v. Gabain deutet: (a)n i 7 + % - f (ϊ)» „der die
höchste Herrschaft H a b e n d e " : dabei als Formans, das denominale No-
mina bildet, vgl. ot „ F e u e r " , otun „Brennholz". Das zweite hingegen ist
Genetivsuffix. In der T a t läßt sich so allein die Doppelheit von 1 n erklären".
Die erste Zeile links liest sich ohne Schwierigkeiten als iSiyidin. Also A b -
lativ von iSiyi, einem, wie man erklärt 7 , chinesischen Namen oder einem aus
dem Chinesischen stammenden Titel. D a s Bild des Sad wäre also eingehauen
durch den iSiyi des amliki. W a s ist damit gemeint ?
Unsere Inschrift schreibt iS'y, wie die dritte Zeile noch bestätigen wird,
nicht iSiyi wie die Grabinschrift des Kültegin. In ihr heißt es: (N 12) =
tabyac qayanda iSiyi likan kälti. Likan ist der chinesische Gesandte Liu
Hiang, der 731 zur Beisetzimg Kültegins kam. ISiyi enthält, wie der Ver-
gleich mit iSiy auf unserer Inschrift zeigt, am Ende das besitzanzeigende
Suffix der 3. Pers. Sing. E s kann also kein Name sein, der likan parellel steht,
wie noch V . Thomsen 8 und Orkun 9 vermuteten. Sondern likan oder Liu
Hiang war der iSiy des chinesischen Kaisers. Das Wort bezeichnet eine
Funktion. Man könnte es versuchsweise als „ B e a u f t r a g t e r " übersetzen, wo-
bei Anknüpfung an iS naheliegt, wenn auch das Suffix-iy sonst nicht belegt
ist 1 0 (eine Deutung aus dem Chinesischen hat sich bezeichnenderweise nicht
finden lassen 11 ). A u c h in unserer Inschrift ließe sich iSiy durch „ B e a u f -
6 Etymologisch richtig ist SW yolliy tigin statt des sonst üblichen yoliy tigin ge-

schrieben.
β Α. ν. Gabain bei F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2 (1950), 300.

7 A. v. Gabain, a. O. 312 s. v.

8 In: ZDMG. 78, 156.

• Eski türk yazütlari 152.


10 Vielleicht läßt sich von W.Bang's Bemerkungen in: Musion 39,36 Anm. 1 aus weiter-

kommen. Auch sei an iyin „infolge von" und iyä „zufolge" von iy- „folgen" erinnert.
1 1 Auch der i'iqan des chinesischen Kaisers Ν 13 läßt sich aus dem Chinesischen

nicht deuten.
13- SPRACHDENKMÄLER 307

tragter" wiedergeben. Das Bild des Sad ist eingehauen durch den dazu Be-
auftragten. Dieser iSiy ist näher bestimmt durch den Genetiv anilikinin,
womit nur ein besonders Hochgestellter gemeint sein kann. Da an hinzu-
gefügt ist, wird es zum Unterschied vom Sad sein Oberherr, der qayan selbst,
sein. Krum erscheint auf der Inschrift von Hambarly Α als ό άρχων ό a
Βουλγά(ρων) und an anderer Stelle als ό Πρωτοβουλγαρίας 12 .
Es fehlen noch die zweite und dritte Zeile links. Zunächst tyaWg, wobei α
an die Form des ä in den Jenisseiinschriften erinnert. Gemeint sein kann nur
ya-bäg „der Herr der Bogenschützen", τοξάρχης (Arrian., anab. i , 22, 7),
als Titel oder als davon abgeleiteter Name. Es folgt in der dritten Zeile:
iSiy, dasselbe Wort wie in iSiyidin der ersten. Wieder fällt die Doppel-
schreibung, diesmal des S auf, entsprechend dem, was in der dritten Zeile
rechts beobachtet wurde. Diesmal muß das Streben nach Zeilenfüllung der
Anlaß gewesen sein, was am Schluß der Inschrift besonders einleuchtend
ist12*. „Der Befehlshaber der Bogenschützen (war) der Beauftragte" gibt
die weitere Ausführung zu dem, was zuvor gesagt wurde 13 .
Die Inschrift von Schumen hat bestätigt, daß die Sprache der Donau-
bulgaren in allem Wesentlichen mit dem Türkischen zusammenfällt14.
Ein Wort noch über die Behandlung der Titel in dem jüngsten Werk
W. Beschewliew's über die proto-bulgarischen Inschriften 15 . Hier sind
Unrichtigkeiten zu beanstanden16, und sie umfassen auch yabäg.
12 H . Grigoire in: B y z a n t . 9, 753; 755; Script, inc. de Leone Arm. p. 348 Bonn.
12a Zeilenfüllendes i und h im T e x t des Chuastuanift bei A . v. L e C o q in: A b h B A W .
1910 A n h a n g 8f.
13 Nicht erreichbar waren mir die von N . Fettich, a. O. 272 (unter Hinweis auf
K . B e n e ä e v i c i n : I z v j . Imp. A r c h . - K o m m . 1913, i o i f . ) und 273 genannten Inschriften.
Dasselbe gilt von den A u f s ä t z e n von P. Melioranskij in: Zapiski Vost. O t d . Imp. Ross.
Arch. Obäc. 14, I 7 f . ; 15, 34f.
14 D a m i t widerlegt sich die Ansicht, die N. Poppe und W . W . Barthold an ver-
schiedenem Orte geäußert haben, wonach das „ A l t b u l g a r i s c h e " mit dem Tschuwa-
schischen zusammengehöre — zumindest für die Donaubulgaren; vgl. N . Poppe in
Asia M a j o r 1, 7 7 5 f . ; Ungar. Jahrb. 7, 151 f . ; weitere Angaben bei Β. V . Minorsky,
H u d ü d al-'älam 460. — C. Brockelmann erwähnt die Möglichkeit, daß es bereits eine
alttürkische Schriftsprache gab, die über den Dialekten stand und deren Unterschiede
verdeckte.
16 Ich erinnere daran, daß Beschewliew's Werk mir bei Niederschrift der folgenden
Sätze allein in den Fahnen zugänglich war. E s konnten demnach keine Seitenangaben
gemacht werden. W o solche unter Berufung auf Beschewliew erscheinen, beziehen sie
sich auf seine A u s g a b e von 1934.
16 Beschewliew übt Kritik an meiner Interpretation protobulgarischer Inschrif-
ten. Inwieweit mit Berechtigung, zeigt das Obige.

20*
308 DIE WENDUNG ZUM W E S T E N UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Bocyorroup ist nach Beschewliew „Held". Daß das Wort dies später bedeu-
tet, darüber besteht kein Zweifel. Seinem Ursprung nach ist jedoch iranisch
und besagt: „einer, dessen Feuer Gott (oderMithra) ist", worüber oben i , 47 f.
gehandelt wurde. Auch ταρκαυος, nach Beschewliew „Feldherr", ist mißver-
standen. Seine ursprüngliche Bedeutung führt auf den „Schmied" (oben 1,
213); eine Reihe weiterer Bedeutungen, die alle mit dem Feldherrn nichts zu
tun haben, hat Κ. H. Menges zusammengestellt17. Damit entfällt auch
Beschewliew's boila baya tarqan „Feldherrn der Boilen und Bagen (Baga-
inen)", ebenso ζουττσν ταρκανος „Feldherr der 2upanen". Im letzten Fall ist
hinzugekommen, daß ζονπαυ ursprünglich Titel eines Steuererhebers war,
wie auch der Titel nSgüS: es war der „Vieh-Herr" (oben 4, 39 Anm. 6). Mit
unserem yabäg, yabyu hat ein zweiter Einfall Beschewliew's zu tun. Er trennt
bisher gelesenes κανας υβιγη neuerdings18 in κανα συβιγη ab und erklärt
das zweite zum „alttürkischen bzw. tocharischen Herrschertitel" yabyu
(bei Beschewliew falsch geschrieben). Schwer zu sagen, was Beschewliew sich
unter tocharisch gedacht haben mag. Man hat κανα? und κανα, βοιλας und
βοιλα nebeneinander. Aber daß συβιγη yabyu sein könne, braucht wohl
nicht widerlegt zu werden. Das Richtige wird im folgenden Abschnitt
gegeben.
4
In Kültegins Grabschrift stehen sich Sad und yabyu gegenüber (E 14),
ähnlich wie auf unserem Denkmal Sad und yabäg. Der zweite Bestandteil des
zuletzt genannten Titels: bäg begegnet auch als ß a y und in dem griechisch
geschriebenen ßayavos oder βαγαινος der bulgarischen Inschriften 1 . Es
ist zu lesen als bayan oder bayän, demnach als bay vermehrt um das Suffix
-an oder -än, das in ärän und oylan vorliegt2. Die Vokalharmonie ist in bayän
ebensowenig durchgeführt wie in yabäg selbst3. Bay, bäg geht, wie anerkannt,
17 The Oriental Elements in the Vocabulary of the Oldest Russian E p o s (1951)
56f.
18 So schon bei G. Moravcsik, Byzantinoturcia 2 2 , 330.
1 G. F e h i r in: Archaeolog. Hungar. 7, 145; 146; 154; J. Marquart, Chronol. d. alt-
türk. Inschrift. 40 A n m . 1 ; vgl. 2; 26; Marquart hat A b h G G W . N . F . 19, 1, 71 in Toup-
ξάθος ein türkSad erkannt.
2 A . v. Gabain, a. Ο. 61 § 56; ώ λ α ν η ς auf der Grabschrift eines Komnenen in K o n i a :
P. W i t t e k in: B y z a n t . 10, 5 o 6 f . ; H.Gregoire, ebenda 515. O. Szemer£nyi erinnert an die
mittelpersische Anrede smäx bagän (beispielsweise im A y ä t k ä r - i zarerän). D a n n müsse
man in bayan kein türkisches Formans suchen. V g l . noch W . Eilers in: Z D M G . 90,
1 6 0 f . ; zu soghd. βγ"η W . B. Henning, ebenda I 9 7 f .
3 Vergleichbare Fälle bei W . B a n g in: Musion 36, 198 A n m . 4.
13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 309
auf iranisches baga- zurück4. In den soghdischen Briefen I I — V I I I werden
Höhergestellte mit den Titeln βγw xwt *w „βαγό-Herr" beehrt8. Die Herrscher
der Hephthaliten nennen sich auf ihren Münzen σρι ßocyo = Sri bagö8. Der
letzte Herrscher (aßtn) von Usrüsana mußte in dem Prozeß, der ihm 218
H./840 gemacht wurde 7 , zugeben, daß die Briefe seiner Untertanen die her-
kömmliche Adresse trugen: „ A n den Gott der Götter, von seinem Diener
Ν. N., Sohn des Ν. N . " Das Herrschaftsgebiet der afSin von Usrüsana
reichte von Djizak bis Chogend und den oberen Lauf des Zarafsän, umfaßte
also Teile der Sogdiane; dort ist der Titel aßtn auch in späterer Zeit noch
belegt8. Die Verbindung der Formel9, die dem aßln gegenüber angewandt
w u r d e , m i t d e m 'L ßyw xwt'w. . . pySt MN xypd ßntk „ a n den G o t t h e r r n . . .
geschrieben von seinem Diener . . . " der alten soghdischen Briefe ist augen-
fällig. Nur daß der aßtn nicht einfacher bäg, sondern ein bäglär bäg war 10 .
Die türkischen Bulgaren sind die Fortsetzer von Attilas Hunnen ge-
wesen. Da ist die Feststellung wichtig, daß die Hunnen in der gleichen Über-
lieferung stehen. Priskos 11 erzählt, wie sehr es die Hunnen verdrossen habe,
daß von römischei Seite Theodosios II. als Gott, Attila aber nur als Mensch
angesprochen wurde. Dazu stimmt, daß Kuridachos dem Auftrag, sich an
den Hof Attilas zu begeben, mit der Wendung sich entzieht, daß es für einen
Menschen schwer sei, vor das Antlitz eines Gottes zu treten. Sei es schon
nicht möglich, die Sonnenscheibe anzuschauen, wieviel weniger dann, ohne
Schaden sein Auge auf den größten der Götter zu richten18. Man sieht: auch
4
W. Bang in: Mus^on 38, 34.
5
H. Reichelt, D. soghd. Handschriftenreste d. Brit. Mus. 2, 1 3 f . ; doch vgl. W. B.
Henning in: B S A S . 1948, 604 Anm. 2.
β
Η. Junker in: S B A W . 1930, 645f. Zu russ. stribogs S. Pirchegger in: Ztschr. slaw.
Philol. 1947, 3 1 1 f.
7
Zum Folgenden Jabari, ann. 3, 1310, i 8 f . ; E . G. Browne, A Literary Hist, of
Persia 1, 333 (den Hinweis verdanke ich J . Fück); Ε . Herzfeld, D. Malereien von Sa-
marra 85.
8
W. Barthold in: Enc. Isl. i 1 , 188; J . Marquart, D. Chronologied.alttürk. Inschr.
6 1 ; 72.
9
fabari, 1. c. 1 3 1 1 , 1.
10
Zu vergleichen ist, worauf mich P. Thieme hinweist, die Bedeutungsentwicklung
von altind. deva-, das im klassischen Sanskrit einfach „König" bedeuten kann. Über
soghd. ßypwr als Bezeichnung des chinesischen Kaisers: W. B. Henning in: B S O A S .
10, 94 Anm. 2; 1 1 , 736.
11
Bei Konstant. Porph., 1. c. 1, 123, 24t.
12
Priskos bei Konst. Porph., 1. c. 1, 130, 2of. Daß die Akaziren Hunnen waren,
betont mit Recht E . A. Thompson, A History of Attila and the Huns 1 1 ; 44; 76; 94 f.
Vgl. Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 2 8 4 ^ und oben 1, 276f.; 4, 274t.
310 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Attila wurde als „ G o t t " , demnach als baga- oder bäg von seinen Untertanen
betrachtet und angeredet. Wenn er als μέγιστος τ ω ν θεών bezeichnet wird,
so kann es kaum anders verstanden werden als jenes „Gott der Götter", das
die Untertanen des afsln von Usrüsana an die Spitze ihrer Schreiben
setzten. Auch Attila war ein bäglär bäg. E s ist wertvoll zu wissen, daß
man zu seiner Zeit noch den Doppelsinn des iranischen Lehnwortes,
das „ G o t t " und gleichzeitig den Titel eines Höhergestellten bedeutete,
gekannt hat.
Yabäg wurde zuvor als der „Herr der Bogenschützen" gedeutet. Auf
einer der hephthalitischen Münzen erscheint die Pehlevi-Legende ypgv', die
man als yabyu, aber auch als yaßayö13 lesen kann. Im Alttürkischen konnte
daraus, mit Schwund des Vokals in mittlerer offener Silbe 14 und Ersatz von
auslautendem -o durch -w lfi , yabyu werden. So standen yabäg und yabyu
nebeneinander. O. Szemerenyi (brieflich) erinnert daran, daß im Ostirani-
schen der Nom. baga > βαγ, der Akkus, bagam > ßayu geworden ist. Dann
vertritt yabäg den Nom., yabyu den Akkus. Man wird dieser schlagenden Er-
klärung zustimmen.
Die hephthalitischen Münzen, die auch den türkischen Titel tigin geben1®,
haben außerdem die Form l o n y o erhalten. Sie ist bezeichnenderweise zu-
sammen mit τορκο, also dem Türkennamen, überliefert 17 . Hier ist α vor u/o
der folgenden Silbe zu ο umgelautet 1 8 ; ρ statt b ist pseudohistorische Schrei-
bung wie in dem zuvor genannten ypgv'. Auch die Orchon-Inschriften geben
in solcher Schreibung Rom mit pur'im wieder 1 ', und ebenso ist der Perser-
name in der Form bäröäkär zu erklären 20 . E s liegt zugrunde eine pseudohi-
storische Schreibung prcan = färzän21, mit Ersatz des anlautenden p durch
bM. Also *färzäk-är, Zusammensetzung aus einem mitteliranischen und
einem alttürkischen Bestandteil wie yabäg oder yabyu.

Über die Verehrung der Sonne bei den Hunnen: A. Alföldi, La royaut£ double des
Turcsin: Ilme Congr. Türed'hist. S. 12 d. Sep.-Abdr.; oben 1, 2i3f,; 2, 275.
18 H. Junker, a. O. 653.

14 A. v. Gabain, a. O. 44 § 15 Ende.

1 5 Im Gegensatz zu A. v. Gabain, a. O. 47 § 18, kann ο im Auslaut nicht stehen.

1 β H. Junker, a. O. 648; 653.

1 7 H. Junker, a. O. 665.

1 8 A. v. Gabain, a. O. 49 § 22.

1 9 Η. H. Schaeder, Iranica (AbhGGW. 3 F., 10) 38f.

ϊ 0 Ν 12; Α. ν. Gabain, a. Ο. 302 s. v.

21 Η. Junker, a. Ο. 648.

sa Zu Folgenden: J. Marquart, D. Chronol. d. alttürk. Inschriften 32 Anm. 3.


13- SPRACHDENKMÄLER 311
Mahmüd al-Käsgari hat yafyu. Nach ihm wurde damit eine Würde be-
zeichnet, die zwei Stufen unter dem Chakan stand 28 . Hier ist die Spirans
/ auf das Soghdische zurückzuführen 21 . Hingegen liegt der neupersische
Wandel von anlautendem y > ] der Form gabgawaih, die Tabari bietet 25 ,
zugrunde; auch das anlautende -waih weist auf iranische Herkunft 2 ®.
Der yabyu tritt zum ersten Mal in der Geschichte mit dem Emporkom-
men der Küsän auf. In fünf Teilfürstentümern, jedes unter einem yabyu
stehend, zerfiel Baktrien. Da bemächtigte sich einer dieser yabyu der Herr-
schaft über die übrigen vier und gründete eine neue Dynastie 27 . Kadphises I.
und Kadaphes tragen auf ihren Prakritlegenden den Titel yavugasa oder
yauasa (Gen. Sing.), wobei das zweite in griechischer Schrift mit ζαοου
wiedergegeben wird 28 . Eine Mittelstellung nimmt die Form gabbawaih ein29.
Mankennt einelange Reihe von Titeln der Bulgaren. Bor|Aaund ζ ο ο α τ α ν ί ^
die Boila-Butaul-Inschrift von Nagy-Szent-Miklos geliefert; beide begegnen
noch in einer Reihe von anderen Bezeugungen 30 . Daneben erscheinen inschrift-
lich καυχανος 31 , das zuvor erwähnte ßctyavos oder βάγαινος, ταρκανος, κου-
Xoußposund ßaycrroup 32 . Hier ordnen sich die Ergebnisse dieses Abschnittes
ein.
28
C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortschatz 72 (Hinweis C. Brockelmanns).
24
O. Szemeränyi, unter Hinweis auf W. B. Henning in: BSOAS. 10, 93f.
28
fabari, 1. c. 2, 1206, 9 ua.; J . Marquart, a. O. 35; 57 Anm.
24
Th. Nöldekein: SBAKWien 116, 388 f.
27
E. Chavannesin:T'oung Pao 8, 187f.; Haneda Toru in:Bull.delamaisonfranco-
-japonaise 4, i f . ; G. Bataille in: Ar^thuse 5, 22f.; W. W. Tarn, The Greeks in Bactria
and India2 342; 506; F. Altheim, Krise d. Alten Welt 1, 38. Der Aufsatz R. Shafer's
in: Journ. Amer. Orient. Soc. 1947 w a r m ' r nicht zugänglich.
28
P. Gardner, BMC., Greek and Scythic Kings of Bactria and India i2of.; 123;
189; J . Marquart, a. O. 70.
2
* J . Marquart, a. O. 57 Anm.; A. Alföldi, La royauti double des Turcs in: Ilme
Congr. Türe d'hist. S. 3 deutet den Silzabul der Byzantiner als sir-yabyu. Aber über-
liefert ist Σιζάβουλος (Menander Prot, bei Konstant. Porphyrog., 1. c, 1, 193, i6f.),
und auch sonst bleibt manches unerklärt. Weitere Bezeugungen bei Bang-Marquart in:
AbhGGW. N. F. 19, 1, 42 Anm. 4; 69; 93; R. Grousset, Empire des steppes 132.
20
Zuletzt G. Feh6r in: Archaeol. Hungar. 7, 125; 143; 145; 146 (ζουπαν); Bang-
Marquart, ο. A. 26 Anm. 2; U. Beschewliew, D. protobulgar. Inschriften 41 Nr. 3; 42
Nr. 7; 43 Nr. 12; Κ. H. Menges in: Byzantion 21, 90; 93; 94f.; 95.
S1
G. Feh£r, a. O. 145; W. Beschewliew, a. O. 41 Nr. 4; oben 1, 207—212; 213.
22
G. Fehir, a. O. 146; 1 5 1 ; dazu J . Marquart, Osteurop. u. ostasiat. Streifzüge 156;
167f.; Chronol. d.alttürk. Inschr.40Anm. 1 ; C.Huart in: Enc. Isl. i 1 , 596; W.Beschew-
liew.a. Ο.42 Nr. 9; 72. Dieses Wort iranischen Ursprungs ist auchim Qumanischen belegt:
K. Grenbech, Kumanisches Wörterbuch 47. Ein Verzeichnis sämtlicher Titel bei W. Be-
schewliew, a. 0 . 1 5 0 ; vgl. L. Dujöewin:Sem. Kondak. 10, I53f. Anm. 37; Altheim-Stiehl,
EinasiatischerStaat 1,278, wozunochsyr. bahädur: Barhebr., chron.Syr. 506, 22 Bedjan.
312 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

In der Izwestija des Bulgarischen Archäologischen Instituts 1946 be-


richtet I. Wenedikow über einen Fund, der Frau W. Iwanowa in der Kirche
von Bjal brjag bei Preslaw gelang1. Eine monolithe Säule mit Inschrift in
griechischen Buchstaben wurde aus ihrer nachträglichen Verbauung befreit.
Es erwies sich, daß sie im Gegensatz zu den sonstigen protobulgarischen In-
schriften der gleichen Art 2 in einer nichtgriechischen Sprache verfaßt war.
Der Herausgeber hat in ihr das Alttürkische erkannt. (Richtig ist wohl,
bereits vom Mitteltürkischen zu sprechen: oben S. 303 f.). Das neue Denkmal
stellt sich demnach der alttürkischen (mitteltürkischen), aber in griechi-
schem Alphabet aufgezeichneten Inschrift des Buila und Butaul zur Seite.
Wie in der Inschrift von Schumen die Runen des Schatzes von Nagy-Szent-
Miklos ihre Parallele erhalten haben, so jetzt jene Schaleninschrift, der
schon V. Thomsen eine Deutung gewidmet hatte3.
Ich gebe den Text nach Wenedikow's Umschreibung4:
^ητκωη ητζηργ/ 2 ωυ βουλε χουμ/ 3 σχη κυπε υνε' (455)
τω/ 4 υλσχη φμ' (540)
5
έστρω/ γην κυπε υκζ' (427)
τω/βυλσχη σο νδ' (854)
8
τωυρτ/'ωυνα πηλέ ζωπαν/ εστρυγην κυπε κ' (20)
/"τωυλσχη μ' (40)
αλχαση /10κυπε α ' (ι)
χλωυβρην α ' (ι)
Aus dem Text heben sich zwei Titel bulgarischer Herkunft heraus.
Ητζουργωυ βουλε stellt sich zusammen® mit ητζουρ[you βοηλας . . .];
τόν ητζιργου βοιλαν·; ό [ηζ]ουργου βουληα7 = icirgü boila „innerer
Boila: 8 ". In Ζ. 7 entspricht dem der Titel ζωπαν, der aus protobulgarischen
1
a. O. 146—159; Zusammenfassung in französischer Sprache S. 15g—160.
2
Vgl. etwa bei W. Beschewliew, D. protobulg. Inschriften Tai. IV.
s
Saml. Abhandl. 3, 336f.
1
a. O. 150; vgl. Abb. 52—55.
6
W. Beschewliew, a. O. Nr. 17, 7.
• W. Beschewliew, a. O. Nr. 19, 6f.
' W. Beschewliew, a. O. Nr. 24, 15.
8
W. Beschewliew, a. O. 1 1 8 ; Κ. H. Menges in: Byzantion 21, 96 Daß alttürk.
ilräki (bei Beschewliew falsch geschrieben) „zum inneren Haushalt gehörig" (zu iirä
„herein, drin") die Bedeutung „Palast" zugewiesen wird, ist ein unbedachter Einfall
Beschewliew's.
13. S P R A C H D E N K M Ä L E R 313

Inschriften zur Genüge bekannt ist9. Vor dem ersten Titel steht ζητκωη. Eine
Erklärung hat sich bisher nicht finden lassen. Beschevliew's Ansicht, es handele
sich um einen Titel, ist, wie immer, ohne Anhalt; Wenedikow glaubte einen
Eigennamen zu erkennen. Entsprechend sieht er auch in τωρτωυνα Ζ. 6—7
einen Eigennamen, Beschewliew einen Titel. Aber zweifellos liegt ein Kasus
vor; liest man (wie man muß) turtuna, so könnte es sich um den Dativ der
besitzanzeigenden Endung der 3. Person Singularis(-|-wa, +nä) handeln10. Es
bleibt turt, das nichts anderes sein kann als tört. Mahmüd al-Kä§gari sagt,
gegenüber trt sei die Aussprache twrt besser11. Damit kann er nur turt
gemeint haben. Bestätigung erbringt das folgende πίλε. Wenedikows Deu-
tung bedarf keiner Widerlegung. Es handelt sich um die bekannte Post-
position : zur lautlichen Gestalt vergleiche man bilän neben birlä, qumanisch
bile neben birle12; Konstruktion mit dem Dativ ist bei birlä nicht belegt, aber
bei Postpositionen sonst häufig: körn yörügkä iyä „der richtigen Definition
zufolge 13 "; tämir qap'iyqa tägi „bis zum Eisernen Tor 1 4 "; ilig bägkä utru
„dem König gegenüber" 16 .
Eine zweite Möglichkeit, die vermutlich vorzuziehen ist, wäre turt-\-u-\-na
mit auslautendem α statt ϊ 1β Turtuni ließe sich als Akkusativ verstehen, mit
dem birlä verbunden wird: sizni birlä „mit euch".
Also turtuna(-'i) bilä „zusammen mit den Vier". Was ist damit gemeint ?
Voran geht eine Aufzählung von Gegenständen mit Zahlenangaben, die in
vier Posten geordnet sind. Eine entsprechende, gleichfalls in vier Posten
zusammengefaßte Aufzählung folgt. Wie zum icirgü boila solche vier gehören,
so auch zum zupan. Es sind seine,, Vier", mit denen zusammen er genannt wird.
Inden Aufzählungen erscheint jeweils zweimal das WortKUire. Wenedikow
hat darin richtig kübä „Ringpanzer, Panzer" erkannt. Die Schreibung π für b
war soeben in πίλε = bilä begegnet. Wenedikow erinnert darüber hinaus an
zwei protobulgarische Inschriften, in deren einer es heißt, daß mit Bagatur,
Sohn des Bagainos, λοράκηα ή ν όμοΟ νγ', κασίδισ μέ17. Auch die zweite
• Dazu I. Dujöev in: Acta orient. Hung. 3, 167f.; oben 4, 39 Anm. 36.
10 A. v. Gabain, Alttürk. Gramm.2 98.
u 1, 286, II.
12 K. Grenbech, Kuman. Wörterb. 59 f.

13 A. v. Gabain, a. O. 136 § 277.

14 A. v. Gabain, a. O. 138 § 285.

15 A. v. Gabain, a. O. 139 § 289.

18 A. v. Gabain, a. O. 49 § 20; M. Räsänen, Materialien zur Lautgesch. d. türk.

Sprachen (1949) 59f.; 8of.


17 W. Beschewliev, a. O. 25 Nr. 25.
314 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Inschrift gibt eine ähnliche Aufzählung, in der wiederum λορ[ή]κ[ηα, κα-


σήδ]ηαΐΗκ1 σαλμά [ρια (Saumtiere) als bezifferte Posten auftreten 18 . In beiden
Fällen ist eine Truppenmacht gemeint, die dem jeweiligen Befehlshaber zur
Verfügung stand 19 . Dementsprechend sind die kübä „Panzer" unserer In-
schrift den λοράκηα und λορήκηα auf den beiden anderen gleichzusetzen. In
χ ω υ μ σ χ η muß eine Angabe darüber gesucht werden, daß die „Panzer" die
Mannschaft des Boila bildeten. Ich deute als kümüSi „sein Silber" oder rich-
tiger (was kümüS j a auch heißen kann): „sein Geld", also die von Boila be-
zahlte und unterhaltene Truppe. Waren es buccellarii wie in Byzanz ? Mal-
chos 20 spricht da von μισθοφόροι οίκεϊοι, und das würde dem türkischen
Ausdruck sich fügen. Kumuistatt kümüSentspricht turt statt tört; im übrigen
gibt der Codex Cumanicus die Schreibungen: cumis, kvmuS, kvtnis, komiü21.
Die λοράκηα hätten damit ihre Entsprechung erhalten. Die noch fehlen-
den κασίδια hat Wenedikow in τ ω υ λ σ χ η zu erkennen geglaubt. Er er-
innert an qumanisches tovulya (toulga) und türkisches tulca „cassidis species,
quae superiorem capitis partem operit." Auch tovil bei Mahmüd al-Käsgarf
darf angeführt werden 22 . Trommel und Tympanon haben ihre Heimat
bei den mittelasiatischen Reiternomaden 23 . Zuvor war sie bei diesen
(i, 218I), dann bei Hephthaliten und Osttürken begegnet (oben 2, 6 i f . ;
26, 7; 282). Im mittelpersischen Roman des Ardaser-i Päpakän 2, 2 kann
statt tanbür nach dem Schriftbild durchaus tubul gelesen werden 24 . So
wird man isoliertes arab. (abl eher auf eine türkische oder überhaupt mittel-
asiatische Bezeichnung zurückführen dürfen als umgekehrt. Das Aussehen
der mittelasiatischen Reiterpauke zeigt eine chinesische Terrakotta 28 aus
der Zeit der nördlichen Wei (386—354), die selbst türkischen Ursprungs
waren 2 *. Die halbkugelige Form erklärt, inwiefern das Wort für Trommel zu
dem für den Helm werden konnte. Tov'üiS „ H e l m " stünde neben tovil
18 W. Beschewliew, a. O. Nr. 26; vgl. Konst. Porph., de caerim. p. 669, i6f. mit

J. J. Reiske's Kommentar.
19 Anders Theophan. 490 Bonn: λωρ{κια und τάς κασσίδας καΐ ττάντα τά άρματα

(= arma), womit Beute gemeint ist.


20 Fr. 18 FGH. 4, 127.

21 K. Grenbech, a. O. 158.

1 1 C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortschatz 214.

23 F. Altheim, Weltgesch. Asiens im griech. Zeitalter 2, 35f.

24 H. S. Nyberg, Hilfsb. d. Pehlevi 2, 223; Th. Nöldeke in: Bezzenb. Beitr. 4, 41

Anm. 4.
25 Berliner Ausstell, chines. Kunst Nr. 277.; oben 2, 6if.; 267; 282.

2β P. Pelliot, La haute Asie 11; Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike

(1957) 374 f-; oben 1, 29 über die T'opa.


13- S P R A C H D E N K M Ä L E R 315

„Trommel" wie Ιαγϊξ „Strick" neben bay „Band" 2 7 ; (dazu A. v. Gabain


oben S. 303). Τουλ neben tov'il scheint das eigentümliche Γοτθικό ν am Hof
von Byzanz bewahrt zu haben, von dem Konstantinos Porphyrogennetos in
seinem Zeremonienbuch berichtet28. Ich kann hier auf die Schwierigkeiten
der Herkunft nicht eingehen. Der Text, den die Spieler vortragen, ist, soweit
man ihn versteht, vulgärlateinisch. Aber das braucht gotischen Ursprung
nicht auszuschließen29. Dieselben Spieler rufen, während sie mit Stöcken
auf ihren Schild schlagen, das Wort tul aus, das sich als Name der Trommel
(=tov'ü) deuten ließe. Krimgoten könnten es von ihren bulgarischen oder
anderen türkstämmigen Nachbarn erhalten haben. Τωυλσχη verstehe ich als
tov'il'iS'i „seine Helme".
Der Panzer erhält in Z. 4—5 den Beinamen εστρωγην, in Ζ. 8 εστρυγην.
Es könnte so sein, daß damit eine besondere Form gemeint war. Σκουτάρια
(bcrnrd erwähnt Konstantinos in seinem Zeremonienbuch30. Eher noch darf
man an genähte Panzer denken. Bei dem Schuppenpanzer31 sind die Schup-
pen aufgenäht, bei dem in Mittelasien heimischen „caftan-cuirass" sind es
die Lamellen. Bei dem Lamellenpanzer (split armour) geschieht die Verbin-
dung der Lamellen durch Schnüre (φαφαί), die ύττό τάς έτππτυχάξ der
Panzerung verlaufen. So schildert Heliodor in seinem Äthiopenroman32,
und die Funde bestätigen es. Theophanes 490 Bonn, bezeichnet einen Pferde-
panzer als κοττάφρακτα νευρικά; die Sehnen bildeten eine besonders wider-
standsfähige Naht. Danach wäre hier zu deuten. Qumanisches asm, astru,
astr'i bietet sich an33. Der zweite Wortbestand wäre das von Mahmüd al-
KäSgari bezeugte yi „Naht" 34 . Hier im Instrumental (yin) gegeben, der
geradezu adjektivische Bedeutung besitzen kann36. Es handelte sich also um
„überaus (fest)genähte Panzer".
Auch der Zupan hat, so ergab sich bereits, eine vierfach gegliederte
Streitmacht. Die Zeilen 8—9 sind verständlich. Die geringeren Zahlen ent-
27 A . v . Gabain, a. O. 63 § 64: bügiiS „ W e i s h e i t " zu bügü „ w e i s e " ; tärkiS „ H a s t "
zu tärk „ H a s t " .
28 p. 381 f. Reiske, besonders p. 382, 5 ; 384, i o f .
29 Zuletzt G. Baesecke, Vor- u. Frühgesch. d. dten. Schriftt. 1, 23; 162.
30 p. 669, 19 R e i s k e ; vgl. W . Beschewliew, a. O. 138.
31 M. Rostovtzeff in: Y a l e Class. Stud. 5, 229 A n m . ι ; vgl. Eurasia Sept. A n t . 8,184,
A b b . 12 b-c.
32 p. 259, 24; oben 4, 48.
33 K . Grenbech, a. O. 43.
34 C. Brockelmann, Mitteltürk. Wortsch. 89.
35 A . v . Gabain, a. O. 151 § 337; 1 7 5 ! § 424.
316 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

sprechen vielleicht einem geringeren Rang. Es folgen auf 20 Panzer und


40 Helme ein αλχαση κνπτε zusammen mit einem χλωυβρην. Α λ χ α σ η hat
Wenedikow als „Ring-" oder „Kettenpanzer" gedeutet. Neben den Pan-
zern und den festgenähten Panzern erscheint noch als besondere Form
der Kettenpanzer, nur in einem Stück vertreten. Auf ihn folgt wiederum ein
Einzelner: χλουβρην. Das ist ein regelrechter Instrumentalis zu dem in grä-
zisierter Form erhaltenen Titel des κολοβρος, κουλουβρος, der hier viel-
leicht die alte ursprüngliche Bedeutung „Wegweiser" noch besessen hat36.
Ich versuche eine Übersetzimg:
„Des Zitqoy, des inneren Boila, Soldtruppe: Panzer 455
seine Helme 540
festgenähte Panzer 427
seine Helme 854
zusammen mit den Vier des Zupan: festgenähte Panzer 20
seine Helme 40
Kettenpanzer 1
mit dem Wegweiser 1."

Die Inschrift bestätigt, wenn es dessen noch bedurft hätte, die grund-
sätzliche Richtigkeit der Deutung, die gegenüber den Inschriften von Nagy-
Szent-Miklos und Schumen vorgetragen wurde. Es handelt sich in allen
Fällen um türkische Sprachdenkmäler. Es bestätigt sich aber noch ein
Weiteres. Es war zuvor vorausgesetzt worden, daß die Vokalharmonie in
den Runeninschriften nicht zum Ausdruck gekommen sei. Dabei wurde
offen gelassen, ob eine ältere Form der Schrift vorlag, die diese Harmonie
nicht zum Ausdruck brachte, oder ob die Sprache der Türkbulgaren sie nicht
mehr besaß. Deutlich war nur soviel, daß ϊ die Neigung besaß, neutral zu
werden und den Unterschied von palataler und velarer Färbung unbeachtet
zu lassen. Die neue Inschrift gestattet, einiges schärfer zu fassen.
Zunächst ist, ebensowenig wie in der Inschrift des Buila und Butaul, i
und ϊ unterschieden. Es stehen χωυμσχη, τωυλσχη, αλχαση und χλωιβρην
neben εστρυγην. Aber darüber hinaus ist die Vokalharmonie gestört in
Fällen wie βουλε und εστρωγην; das läßt sich amlliqin und yabäg auf der
Inschrift von Schumen zur Seite stellen. Aber während in diesen Fällen
daran erinnert werden konnte, daß es sich um Komposita handelte, kommt
dies nur für εστρωγην, nicht aber für βουλε in Frage. Es darf demnach als

84 W. Beschewliew, a. O. 73.
13- SPRACHDENKMÄLER 317

wahrscheinlich gelten, daß in der Sprache selbst die Vokalharmonie weit-


gehend gestört war. Formen wie turt statt tört, kumus statt kümüS ließen sich
vielleicht in gleichem Sinn anführen.
Schließlich noch ein Wort zur Datierung der Inschrift. Der äußeren Form
nach stellt sie sich in eine Reihe mit den protobulgarischen Inschriften in grie-
chischer Sprache, deren Hauptmasse unter Omurtag (814—31) und Malamir
(831-852) fällt.
14- K A P I T E L

DIE PROTO-BULGAREN

Wer nach den sprachlichen Resten der Hunnen und Awaren sucht, muß
sich mit Namen und Glossen zufriedengeben. Allein von den Proto-Bulga-
ren sind zusammenhängende Sprachdenkmäler bewahrt; auch was sich
von Chazaren (oben i, 174) und Petschenegen (oben i, 273) 1 erhalten
hat, läßt sich nicht vergleichen. Die soeben behandelten Denkmäler sind
umfassend genug, um über die eigne türkische Sprache hinaus die der hun-
nischen und awarischen Vorgänger (wenn es dessen noch bedarf) zu bestä-
tigen. Sie gestatten, eine Entwicklung abzulesen, die man bei Hephthaliten
und Hunnen erschließen muß.
Die türkische Runenschrift ist nicht vom hunnischen Muttervolk der
Hephthaliten geschaffen worden. Diese Feststellung muß ausdrücklich ge-
macht werden. So bedeutungsvoll die Erforschung der hephthalitischen Ge-
schichte und Kultur für den Gesamtbereich des Hunnischen geworden sein
mag, im vorliegenden Fall läßt sich keinerlei Anhaltspunkt erkennen. Die
früher vertretene Ansicht, das runische Alphabet habe sich aus dem älteren
soghdischen entwickelt2, hat sich nicht bestätigt. Vielmehr haben sich
die Runen, wenn unsere Darlegungen zutreffen, aus der armazischen
Spielart der aramäischen Schrift (zusammen mit dem dort eingedrungenen
Pärsik) gebildet (oben 1, 268f.). Von diesem Ursprungsort aus hat das Neue
den Weg zu Chazaren und Osttürken (am Talas, im Siebenstromland und
am oberen Jenissei, an Orchon und Selenga) einerseits, zu den europäischen
Hunnen (oben 1, 2 8 3 ! ) und Proto-Bulgaren andererseits eingeschlagen.
Bei diesen hat sich Runisches nicht nur in den Aufschriften des Schatzes
von Nagy-Szent-Miklos und des Reliefs von Schumen erhalten, sondern
darüber hinaus in den Inschriften von Homor6dkaracsony (oben 1, 280I)
und Kalugerica (oben 1, 260). Doch schon frühzeitig (oben 1, 258) trat dem
1
Vgl. noch Κ. H. Menges in: Byzantion 17 (1944—45), 2$6f.
2
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1 (194g), 195f.
14- DIE PROTO-BULGAREN 319

das Vulgärgriechische zur Seite, bedeutsam darum, weil sich damit nicht nur
in der äußeren, sprachlichen Form der Wechsel ergab, sondern auch
in der inneren. E s sei an früher Gesagtes (oben i , 282) erinnert. Die vul-
gärgriechischen Tatenberichte erzählen ausschließlich von Kämpfen und
Siegen gegen Byzanz. Sie sollten von der Bevölkerimg gelesen werden, denen
die Auseinandersetzung galt: von den griechisch sprechenden Bewohnern
der Donauprovinzen des byzantinischen Reiches. Hingegen wandte sich die in
türkischer Sprache abgefaßte, in Runen geschriebene Inschrift von Homo-
rodkaracsony an solche, die an der Grenze des bulgarischen und awa-
rischen Herrschaftsbereiches angesiedelt waren und Türkisch sprachen. Sie
wandte sich an diese nicht nur in der ererbten Sprache, sondern mittels der
ererbten Vorstellungswelt. Der im runischen Bruchstück festgestellte Ver-
gleich aus dem Tierleben, der für die einstmalige Reichsbevölkerung wenig
besagte, wirkte um so mehr auf einstmalige Nomaden gleich den Proto-Bul-
garen und Awaren. Schwerlich ist Zufall, daß man einer ähnlichen Äuße-
rung in hephthalitischem Mund begegnet (oben 1, 281).
Diese Gegensätzlichkeit in den Formen der Äußerung mußte jedoch in
zunehmendem Maß der Angleichung weichen. Schon in der Inschrift von
Kalugerica stand Vulgärgriechisches neben Türkischem in runischer Schrift.
Die Boila-Butaul-Schale des Schatzes von Nagy-Szent-Miklos gibt einen
türkischen Text in griechischer Schrift; zwei weitere Stücke weisen dem
Türkischen in Runen neben der griechischen Beschriftung einen fast ver-
schwindenden Raum zu. Auch innerlich beginnt sich die türkische Sprache
zu zersetzen. Denn nicht anders kann verstanden werden, wenn festgestellt
werden mußte, daß die Vokalharmonie gestört ist. Deutlich erkennt man,
daß das Ererbte sich im Rückzug befindet. Die Inschrift von Catalar gibt
ihre türkische Datierung bereits in griechischer Umschrift (oben 1,259), und
ähnlich — Griechisches neben Türkischem, aber beides in griechischem Al-
phabet — wird man sich die Vorlage der altbulgarischen Königsliste (oben 1,
258 f.) zu denken haben. Türkisches in griechischer Schrift bietet die Säule von
Bjal brjag. Doch während in Catalar und in der Königsliste sich die Datie-
rung im zwölfjährigen Tierkreiszyklus noch von allem, was in der vulgär-
griechischen Fassung begegnet, scheidet, ist in Bjal brjag die Angleichung
erneut einen Schritt vorangetrieben. Der Inhalt des dort Mitgeteilten stimmt
in allem Wesentlichen mit zwei weiteren, diesmal vulgärgriechischen In-
schriften überein. Inhaltlich nimmt das Türkische keine Sonderstellung mehr
ein.
320 D I E W E N D U N G Z U M W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

Eine Episode besonderer Art spiegelt die lateinische Inschrift aus Pres-
law, die W. Nikolaew3 veröffentlicht hat. Sie ist unter Boris gesetzt und ent-
stammt jener Etappe der christlichen Mission, da man mit Rom unter-
handelte4. Dementsprechend spricht sie die Anerkennung der päpstlichen
Hoheit, vermutlich unter Nikolaus I., aus. In der Folge kam man auf die
damit aufgetauchte Möglichkeit nicht mehr zurück; sie verschwand
dennoch nicht ganz aus dem geschichtlichen Gespräch8. Wer die zuvor ge-
gebene Ubersetzung von Rabban Saumä's Gesandtschaftsbericht gelesen
hat (oben 3, igof.), wird beeindruckt worden sein durch das Ubermaß der
Verehrung, das der „uigurische Mönch" (oben 3, 212) dem päpstlichen
Stuhl und seinem Inhaber entgegenbringt. Solche Haltung fällt um so mehr
ins Gewicht, als dieser Mann, der im nestorianischen Glauben im fernen
Asien aufwuchs, wenig Gelegenheit haben konnte, sich ein einigermaßen zu-
treffendes Bild zu verschaffen. Wie immer man zu verstehen hat, Rab-
ban Saumä fügt sich einem Gesamtstreben ein, das fast überall bei diesen
Türkvölkern entgegentritt.

Die sprachliche Entwicklung allein liefert ein Bild, das alle wesentlichen
Züge enthält. Gleichwohl soll versucht werden, dem das eine oder andere
hinzuzufügen und jenes Bild zu bereichern.
Der Schatz von Nagy-Szent-Mikl6s wurde zuvor mehrfach herangezogen,
nicht nur wegen seiner Aufschriften, sondern auch um seiner kunstge-
schichtlichen Bedeutung willen. Zunächst erwies er sich als Ausdruck dessen,
was man sich gewöhnt hat, als nachsasanidische Kunst zu bezeichnen1. Da
die in Frage kommenden Stücke nicht unter den Sasaniden entstanden
sind2, konnten ihre spätsasanidischen Formbestandteile nur als ererbtes Gut
verstanden werden, das die Proto-Bulgaren aus ihrer nordost-iranischen oder
3 In: Izwestija des Bulgar. Archäol. Instit. 1950, 122!.
4 Dazu G. Eldarow in: Ostkirchliche Studien 10 (1961), 3f.
5 A . Angyal, Slawische Barockwelt (1961) 82, verweist auf „den Hofdichter des

päpstlichen Roms, den Verfasser der Bulgheria convertita, Francesco Bracciolini, der
die Bekehrung der heidnischen Bulgaren zu einem großangelegten, mit zauberhaft -
-romantischen Elementen reichlich gewürzten Epos gestaltete, wo in den Kampfszenen
fast ganz Osteuropa aufzieht". A n g y a l verweist auf die Untersuchung S. Baumgarten's
in: L ' E u r o p a Orientale 1934, 342—346.
1 Dazu Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 308 f.

2 Anders Z. K d d a r in: Folia Archaeologica 13 (1961), i o 9 f . E r äußert sich dahin,

daß der auf dem Goldkrug Nr. 2 erscheinende mythische Jäger den Triumph des m y -
14 · D I E PROTO-BULGAREN 321

mittelasiatischen Heimat mitgebracht hatten. Der Schatz von Kopeni am


mittleren Jenissei bestätigte, daß dort jene Formbestandteile bis ins 9.—10.
Jahrhundert erhalten blieben. Nunmehr hat sich die Betrachtung den weit
zahlreicheren spätantiken und byzantinischen Motiven zuzuwenden3. Wieder
liegt es so, daß keine originalen byzantinischen Arbeiten sich feststellen
lassen. Hingegen können bei dem gleichen Stück nachsasanidische mit spät-
antiken und byzantinischen Formen sich vergesellschaften, untrügliches
Zeichen dessen, daß auch bei den letzten es sich um Übernommenes handelt,
das im Begriffe steht, eingeschmolzen zu werden. In anderem Fall könnte
eine weitgehende Stilreinheit, zugleich der ausgesprochen christliche Cha-
rakter der Gefäße zu unrichtigen Schlüssen verleiten. Aber gerade bei Nr. 9
und 10 ist die Feststellung runischer Zeichen geeignet, von voreiligen
Schlüssen abzulenken. Während Maurodinow, auf dessen Forschungen auch
diese Betrachtung fußt, die großen und zur Hauptsache nachsasanidischen
Stücke 1—2, 5—6, 13—17 und 19—21 der Hauptstadt Pliska zuweist, läßt
er die stärker byzantinisch beeinflußten Nr. 7—12 den einstmals byzanti-
nischen, jetzt aber bulgarisch gewordenen Städten Durostorum (Silistra) und
Bonnonia (Widin) entstammen4. Demgegenüber sei hervorgehoben, daß in
unmittelbarer Nähe des Fundortes Nagy-Szent-Miklos, also im einstigen
Banat, wo die Stücke 3—4 und 18 entstanden sind, sich das nachsasanische
Formgefühl noch einige Zeit behauptete. Mit ähnlichen Rückzugsgebieten
wird man auch sonst rechnen dürfen.
Was die Baukunst angeht, so besaßen die Proto-Bulgaren schwerlich
Kenntnis von der Errichtung steinerner, überhaupt fester Anlagen. Gleich
europäischen Hunnen und Awaren wird man sie sich in ihren mittelasia-
tischen Sitzen vorzugsweise als Nomaden vorstellen dürfen. Und nicht nur
an Attilas Hofe mußte man, wenn man sich ein Badehaus zu errichten
wünschte4", die Hilfe eines gefangenen Baumeisters in Anspruch nehmen
(oben 4, 297). Auch der Qayan der Awaren bat sich von Iustinian Mechaniker
und Baumeister aus, wenn ihm am Herzen lag, sich einen Palast und ein Bade-
haus erstellen zu lassen (Iohann. Ephes. 3, 326, 6f. Brooks). Derselbe Qayan
nötigte dann die ihm gesandten Werkleute unter Todesdrohung, darin einzu-
thischen Urmenschen oder Urkönigs in der iranischen Mythologie darstelle. E r setzt
dementsprechend die Entstehung des Stückes in die Wende des 7. zum 8. Jahrhundert.
3
A. Maurodinov, a. O. 2 1 1 r. f.
1
A. Maurodinow, a. O. 224.
4a
Auch der Sasanide Baläs versuchte das römische Bad einzuführen: Josua
Stylites 16, 3 I Wright; dazu Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 39.

21 Altheim, Hunnen V
322 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

willigen, mittels einer neugebauten Brücke die Donau zu überqueren und ihm
derart den Zutritt zu den römischen Grenzprovinzen zu verschaffen. Was
man von dem ältesten Hoflager der Proto-Bulgaren weiß, ist, daß es gleich
dem hunnischen von einem ττερικλέισμα έκ ξύλων συγκειμένων umgeben
war6. Die Erdhütten der einfachen und Handwerkerbevölkerung, die man in
der äußeren und inneren Stadt Pliska aufgedeckt hat, spiegeln nicht die
Wohnweise der proto-bulgarischen Herren, sondern der unterworfenen und
in der neuen Hauptstadt zusammengetriebenen Unterworfenen.
Von solchen Einzelheiten abgesehen, ergeben die Baudenkmäler der eng
beieinander liegenden Städte Madara, Pliska und Preslav ein einheitliches
Bild. Wie immer Pliska zu Beginn des 8. Jahrhunderts ausgesehen haben
mag, jene neue Stadt, die seit der Niederbrennung der älteren durch Nike-
phoros 8 1 1 entstand, trug ein verändertes Gepräge6. Der Steinbau herrschte
vor, und der Sachlage nach mußte sich dieser nach spätantiken und byzan-
tinischen Vorbildern richten. Noch im 9. Jahrhundert entstanden die große
Basilika und die erste Hofkirche, im Mittelpunkt der Stadt gelegen. Gleich-
zeitig erhob sich die dritte, aus Ziegeln errichtete Stadtmauer. Weitere
Bauten gehören ans Ende des Jahrhunderts, und noch im 10., als die Haupt-
stadt bereits nach Preslav verlegt war, mag die Kirche am Kleinen Palast,
mögen andere Gotteshäuser in der äußeren Stadt errichtet worden sein7.
Preslav's Architektur sodann trägt Züge, die bei dieser späteren Gründung
kaum überraschen dürften. Erst unter Krum's Nachfolgern erbaut, erlebte
es seine Blüte unter Zar Simeon; in das zweite Viertel des 10. Jahrhunderts
wird die Masse der Kirchen und Klöster fallen, also in eine Zeit, da man von
einer Bedeutung der türkischen Herrenschicht kaum noch sprechen darf 8 .
Im einzelnen ist das Bild so, wie man es erwarten muß. An den Be-
festigungen Madara's hat man die antike Form des propugnaculum beob-
achtet9. Dieses kehrt in ausgestalteter und veränderter Form in Pliska
wieder10, und auch bei den Toren und Palästen Preslav's zeigt sich die Nach-
wirkung spätantiker Vorbilder11. Während an der profanen Bauweise
5
H. Grigoire in: Byzantion n , 423; vgl. Priskos in: Exc. de legat. 133, 26f. Un-
richtig F. Vämos in: Semin. Kondak. 5, 134f.
6
St. Stancev in dem von W. Beschewliew und J. Irmscher herausgegebenen
Sammelwerk „Antike und Mittelalter in Bulgarien" (i960) 219f.
7
St. Stancev, a. O. 263.
8
St. Stancev, a. O. 263 f.
9
St. Stancev, a. O. 220.
10
St. Stancev, a. O. 223.
11
St. Stancev, a. O. 2 2 5 ! ; 235.
14- D I E P R O T O - B U L G A R E N 323

Pliska's sich feststellen läßt, wie schwer die Auseinandersetzung mit den
übernommenen Formen fiel und wie sehr man mit der eignen Unerfahren-
heit zu kämpfen hatte 12 , konnte man sich bei allem Kirchlichen an das
halten, was das zeitgenössische Byzanz darbot13. Schon in Pliska und vor
allem in Preslav ist dieser Anschluß unverkennbar.
Ererbte Formen werden allenfalls im Kunsthandwerk14 bewahrt.
Es handelt sich um eine nationale Besonderheit: βουλγαρικά ζωνάρια
werden den ζωνάρια λιτά entgegengesetzt16; jene waren nach noma-
discher Art mit Metallplaketten besetzt1®. Sonst aber beginnen sich auch
auf diesem Gebiet die byzantinischen Muster durchzusetzen17.

3
Der Untersuchung der spätsasanidischen Kultur und ihrer Einwirkung
auf Hephthaliten, Awaren und Proto-Bulgaren wurde in diesem Werk
größerer Raum zugewiesen. Dadurch gelang, die besondere Stellung der
europäischen Hunnen, die allein mit der frühsasanidischen Stufe in Berüh-
rung kamen, schärfer abzuheben; dieselbe Untersuchung hat erlaubt, den
Nachfolgern dieser Hunnen und den Hephthaliten in ihrer Spätzeit die ge-
bührende geschichtliche Stellung zuzuweisen. Die zeitweise Zuordnung
aller hephthalitisch-hunnischen Stämme endlich zu den verschiedenen Pha-
sen der iranischen Nachbarkultur hat einen Vorgang erkennen lassen, der
andernfalls sich nicht mit gleicher Deutlichkeit abgezeichnet hätte: den Ver-
lust der kulturellen Formen, die man aus dem Osten mitgebracht hatte, zu-
gunsten solcher, die man im spätantiken und christlichen Europa vorfand.
An anderem Orte wurde nachgewiesen, daß die Goten in diesem Uber-
gang aus dem iranischen oder, wenn man es vergröbernd so ausdrücken
darf: aus dem asiatischen Kulturbereich in den europäischen den Hunnen
vorausgegangen waren1. Nach Aufzeigung der starken iranischen Einflüsse,
denen die Goten in Südrußland erlagen (oben i, 306f.), treten Tat und ge-
12
St. Stancev, a. O. 232.
13
St. Stancev, a. O. 238; 243f.
14
St. Stancev, a. O. Taf. 39 Abb. 38.
16
R. Goossens in: Byzantion 10, 754f.; vgl. K. Wessely in: Mittl. Slg. Pap. Erz-
herzog Rainer 6, 1 1 4 f . ; βουλγαρικ[οϋ . . .] καρτα[λαμίου. Über die Gürtel der Awaren
oben S. 206 Anm. 74; Gürtel aus Gold: oben 2, 100; vgl. 276.
16
N. Maurodinow, a. O. 184t.
17
St. Stancev, a. O. 261.
1
Zum Folgenden F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 1 (1952), 123f.
21·
324 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

schichtliche Stellung Wulfila's in neues Licht. Man hat in ihm den Missionar
erblickt, auch den Sprachschöpfer und -gestalter. Oder man hat hinter dem
Arianismus seines Meß- und Taufbekenntnisses die Tiefen germanischen
Schicksalsglaubens aufgespürt. Eines aber hat man übersehen. In der Tätig-
keit des Mannes, der neben seiner Muttersprache Griechisch und Lateinisch
kannte, verkörpert sich zugleich die Wendung zur spätantiken Welt. Sie
war — dies hat die Betrachtung der kulturellen Bedingungen, die in Erma-
narich's Reich obwalteten, erhärtet — keineswegs selbstverständlich. An
der berühmten Goldschale des Schatzes von Pietrossa, die sich gewissen
Werken des sarmatischen Kunsthandwerks, aber auch der Götterwelt der
Küsän zuordnet 2 , ersieht man, daß Iranisches auch in die religiösen Vor-
stellungen der Goten eindrang. Wulfila's Wendung vollzog sich im Gegen-
satz zu dem, was vorangegangen war, und bestimmte die Zukunft. Eine
Seite des Codex argenteus in Uppsala umfaßt im Bild das Ausmaß der Span-
nungen. Der kaiserliche Purpur des Pergaments; silberne und goldene
Schrift, der griechischen nachgebildet; aber darunter die gemalten Nischen-
reihen, den iranischen Einschlag von einst verkörpernd 3 .
Den Goten sind Attila's Hunnen gefolgt. Es sei daran erinnert, wie
gering die Spuren des Schamanismus oder des Tierstils sind, die sich bei
ihnen noch feststellen lassen (oben i , 2iyi.). Nicht einmal der Gebrauch der
Trommel, Ausrüstungsstück aller mittelasiatischen Nomaden (oben 2, 6 i f . ;
267; 282), läßt sich beobachten; das tympanum war bei ihnen durch die tuba
ersetzt (oben 1, 220). Attila's Werben um die Kaisertochter, seinen unwider-
stehlichen Drang nach Westen, der zur Niederlage auf den Katalaunischen
Feldern führte, mag man im gleichen Sinn deuten. Die Musterung der hun-
nischen Hinterlassenschaft im Donauraum hat das Bild bestätigt. Hinzu-
gekommen sind die Proto-Bulgaren, bei denen sich der Übergang aus dem
iranischen Kulturbereich in den spätantiken und byzantinischen in seinen
Stufen feststellen ließ. Man faßt einen Vorgang, dem (mit gewissen Aus-
nahmen wie den Awaren) die einzelnen Wellen der ersten türkischen Wan-
derungen früher oder später anheimgefallen sind.
Bisher wurde erörtert, wie sich Früh- und Spätsasanidisches auf die
Geschichte der Hephthaliten, der Hunnen und ihrer Nachfolger ausgewirkt
haben; wie man diese Formen angenommen und wie man sie wieder abge-

2 M. Rostotzeff, Iranians and Greeks i 8 6 f . ; in: Semin. Kondak. 6, 173; anders

jüngst H . Leisegang in: Eranos Jahrbuch 1939, 231 f.


3 J. Strzygowski, Altai, Iran und Völkerwanderung 289 Anm. 1.
14- D I E PROTO-BULGAREN 325

stoßen habe. Jetzt muß die umgekehrte Frage gestellt werden. Nicht, ob
sich aus dem sasanidischen Vorbild etwas für die Geschichte der türkischen
Nomaden ergebe, sondern ob aus dieser sich für jenes Vorbild einiges er-
mitteln lasse. In erster Linie geht es dabei um das, was hier als nachsasa-
nidisch bezeichnet wurde. Also um die Nachwirkung der spätsasanidischen
Kultur zu einer Zeit, da das Reich der Sasaniden nicht mehr bestand.
„Nachsasanidisch" ist ursprünglich ein von Kunstgeschichte geprägter
Begriff gewesen. Er war geschaffen worden, um bestimmte künstlerische
Äußerungen in dem gewaltigen Raum zwischen dem Sösöin von Nara und
Nagy-Szent-Miklos, dem tülünidischen Ägypten und dem mittleren Jenissei
zu erfassen. Aber wie diese Äußerungen von sehr verschiedenen Völkern
ausgingen und nicht weniger verschiedenen Gebieten hervortraten, so war
das ihnen scheinbar Gemeinsame, eben der nachsasanidische Stil, in jedem
Fall von anderer Art. Eine Scheidimg muß vor allem zwischen dem Heimat-
land der Sasaniden und dem, was außerhalb lag, vorgenommen werden.
Anders gewendet: dem Bereich, da man den Stil geschaffen hatte, und dem
anderen, da er lediglich übernommen worden war.
In Iran läßt sich das Weiterleben und, wenn man will, die Wiederbele-
bung der sasanidischen Kunst nicht trennen von anderen Erscheinungen des
geschichtlichen Lebens. In dasselbe 9. Jahrhundert, da die Kunst ihre Nach-
blüte erlebte, fällt eine Renaissance des zarathustrischen Schrifttumes, und
wenig später wird Firdüsi's Epos geschaffen. Auch die Bewegung der Su-
'ubiya wird man von dem bisher Angeführten nicht scheiden. Sie mag sich auch
in anderen Ländern geäußert haben. In Iran jedenfalls trat sie am stärksten
und nachhaltigsten hervor. Und wie man dort überall auf die Zeiten des
sasanidischen Glanzes, besonders unter den beiden Chusrö, zurückgriff, so
tat man dies auch auf philosophisch-theologischem Gebiet. Wir zweifeln
nicht daran, daß, seitdem einmal die philosophischen Bestrebungen Chus-
rö's I. Anösarväxi erschlossen sind, die enge Verbindimg aller der Suubiya
parallel laufenden Bewegungen — gemeint sind die mu'tazila4, das damit
zusammenhängende Studium der al-'ulüm al-kadtma5 und die Äußerungen
der ihwänu s-safä — mit jener Strömung sich herausstellen wird. Man be-
findet sich angesichts einer Bewegung, darin sich alle Betätigungen ira-
nischen Wesens vereinen. Der muslimischen Eroberung gegenübergestellt,
suchte dieses zu sich selbst zurückzufinden, indem es auf seine große Ver-

4 Grundsätzlich J. Fück in: Bibliotheca Orientalis 17 (i960), 211.


s J. Fück in: Ambix 4 (1951), 112.
326 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

gangenheit zurückgriff. Diese Wiedergeburt war aus dem Widerstand er-


wachsen. Sie setzte sich demgemäß ihrerseits gegen Widerstände durch,
erwies sich in diesem Bestreben als schöpferisch und wirkte an dem, was die
Zukunft bringen sollte, entscheidend mit. Das Entstehen der 'abbäsidischen
Kultur wäre ohne Beteiligung Irans nicht denkbar gewesen.
Anders in den nichtiranischen Gebieten. Zarathustrismus, philosophische
Bewegungen gleich mu'tazila und kadariya, die reich entwickelte Literatur—
sie alle fallen von vornherein aus. Was bleibt, sind Kunst und Kunsthand-
werk, Tracht und höfische Sitte, gewisse gesellschaftliche Formen. Derartiges
hält sich vorerst, und es tut dies nicht zuletzt darum, weil ein Anderes noch
fehlt, was an die Stelle treten könnte. Sicherlich hat, was an Gleichzeitigem
im 'abbäsidischen Iran ans Licht trat, entsprechende Erscheinungen außer-
halb desselben wach erhalten, befördert und bereichert. Doch mit dem
Augenblick, als die Suubiya in einem Größeren und Anderen aufging, hatte
man in den Außengebieten den Rückhalt verloren. Schöpferische Umbildung
wie im iranischen Heimatgebiet war nicht möglich, und zuletzt war es eine
Mode, die erlosch, weil die äußeren Antriebe, auf die sie mangels eigner
Schöpferkraft angewiesen war, sich nicht mehr einstellten.
15- K A P I T E L

V I L L E S , CAMPAGNES ET ROUTES
DE LA ROMANIA ORIENTALE

Aprös avoir decrit l'oeuvre redemptrice de Byzance en Scythie Mineure1,


le corps ä corps entre Romains et Barbares sur le Moyen Danube2, et les condi-
tions de la coexistence ä l'ombre de la croix3, pratiquons maintenant une
coupe diachronique d'un ordre different. Essayons de cerner le probleme de
la dech6ance interieure, organique, de la Romania Orientale, en decrivant son
repli sur elle-meme ä la suite du choc qu'elle subit du monde extra-romain4.
Pour ce faire nous suivrons revolution de deux series de faits, a savoir la
terminologie de la «ville» et des «routes». Ce choix, qui est loin d'etre arbi-
trage, nous aidera a recomposer, dans ses grandes lignes, un chapitre de la
civilisation.

Retracer revolution du concept de «ville», dans son sens le plus large,


tel qu'il est reflete par la toponymie et l'archeologie de la region carpatho-
danubienne sur le territoire de la Roumanie actuelle, c'est passer en revue
les principaux evenements qui ont jalonne l'histoire de cette contree. C'est
d'abord evoquer les temps les plus recules de la civilisation rurale geto-dace,
puis decrire l'epanouissement de la vie citadine en Dacie Trajane, ainsi que
la vie un peu differente mais autrement riche de la Scythie Mineure, foyer
florissant de culture helleno-romaine. C'est ensuite s'attarder sur la grande
epreuve des invasions barbares qui marq^rent pour plusieurs siöcles la
ruine des villes, et enfin, parcourir les etapes penibles d'une nouvelle urbani-
1 Ci-dessus, vol. 2 pp. 197—224.
2 Ibid. pp. 225—244.
3 Ci-dessus, vol. 4 pp. 146—165.
4 Ce chapitre constitue la refonte de nos articles: Le «village» dans la toponymie et

l'histoire roumaines, Zeitsch. rom. Phil. 73 (1957) PP· I 2 4 — J 4 4 i Les «routes» de la


Romania Orientale, Revue int. d'onom. 9 (1957) PP· 2 I 3 — I 2 6 · Nous avons tenu
compte de la recension de Μ. R. Sindou, Revue int. d'onom. 10 (1958) pp. 309—318,
des contributions de Μ. D. Gäzdaru, Cätun. Date §i ipoteze, Cuget Romänesc (Buenos
Aires) 6 (1957—1958) pp. 162—165, 174—176, ainsi que d'une lettre de Μ. Sc. Lam-
brino, dat6e de Lisbonne, le 12 octobre 1958.
328 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

sation qui prit son depart au lendemain de la fondation des principautes rou-
maines.
L'histoire ancienne de la Dacie, qui constitue «la meilleure introduction ä
la naissance, au developpement et ä la persistance de la romanite danubienne»5,
presente d£s le I e r millenaire av. J.-C. le tableau de la grande expansion
getique. Chasses par les Cimmeriens, les Geto-Daces, habitants des -daua6, se
repandirent aux abords du V e siecle dans l'espace est-europeen, qu'ils
parsemerent de leurs etablissements, des bords de la Baltique jusqu'en Asie
Mineure et de l'Adriatique jusqu'ä Chersonese, en Crimee7. Deux siecles plus
tard une nouvelle vague d'envahisseurs, les Celtes, submergerent le terri-
toire danubien. Bien qu'une ceinture de -dunum suive le cours de fleuve,
suggerant presque un systeme d'occupation, les fondateurs n'en disparurent
pas moins dans la masse des autochtones8. La getisation des Celtes facilita
la penetration romaine mais, en meme temps, celle-ci en effa9a les traces
linguistiques9.

Les etablissements geto-daces entre iooo et 300 av. J.-C., tels qu'ils ont
ete mis έ. jour par les fouilles sont constitues par des agglomerations de chau-
mi6res10, bäties sur des hauteurs 11 et soigneusement fortifiees12. Ces -daua,
caracteristiques de la region nord-danubienne — ailleurs elles n'ent sont que

5 V. Par van, Getica, pp. 646, 724.


6 Sur la possibility d'interpr6ter Ados «loup» en tant que nom initiatique de
«Männerbunde», selon Μ. Μ. Eliade, cf. Ε . Lozovan, Du nom ethnique des Daces,
Revue int. d'onom. 13 (1961) pp. 27—32.
7 V. Pärvan, Getica, pp. 42, 220—289. Bibliographie posterieure chez Μ. I. I.

Russu, Limba traco-dacilor, Bucure§ti, 1959, p. 23.


8 V. Pärvan, Dacia (öd. anglaise) pp. h i — 1 1 4 , notes de Μ. R . Vulpe (traduction

roumaine, Bucure$ti, 1958) pp. 169—174.


9 Parmi les quelques survivances on pourrait citer le toponyme Nouiodunum,
encore signal^ au V I e sifecle ap. J.-C. par Jordanes, Get. 5, 35: ciuitas Nouietunensis et
au X e siöcle par Constantin Porphirogenete, De them. 2: Νοβιόδουκος. Pour les cotro-
verses cf. L. Hauptmann, Byzantion 4 (1927—1928) p. 131 ss.
1 0 Chez les Götes pontiques: casse, selon Ovide, Tr. 3, 10, 66.

1 1 cf.thrace -bria < i. -e. *uer «lieu eleve», J. Pokorny, Indogerm. E t y m . Wört. s. v.

1 1 5 1 — 1 1 5 2 . C. Daicoviciu, Die dakische Burgen im Südwest Siebenbürgen, Serta Kaza-


rowiana, Sofia, 1955, 1 pp. 75—80, id., Cetatea dacicä de la Piatra Ro§ie, Bucurc|ti,
1954. D. P. Dimitrov, Sur les villes fortifiees et les residences chez les Thraces ä l'öpoque
pre-romaine, Studia in honorem Acad. D. Decev, Sofia, 1958, pp. 683—701.
1 2 En Dacie le processus d'urbanisation etait amorce avant la conquete romaine, cf.

M. Macrea, Procesul separärii ora§ului de sat la Daci, dans: Studii referate privind
istoria Rominiei, Bucure^ti, 1954, 1 p. 119 ss. Au sud du Danube il 6tait 6galement
avanc6, cf. D. P. Dimitrov, Seuthopolis, Antiquity 25 (1961) pp. 91—102.
15. V I L L E S , CAMPAGNES ET ROUTES 329
le prolongement — constituent line survivance de l'epoque prehistorique
la plus reculee; elles continuent, ä beaucoup d'egards, les anciens
etablissements neolithiques13. On en denombre 40 (ou 51), dont 28
(ou 29) en Dacie14. II ne reste dans la toponymie actuelle qu'un seul nom
sür, Plovdiv en Bulgarie, et deux — tres douteux — Turda et Deva en
Roumanie 16 .
Laissant de cöte1® les noms de lieux formes avec - p a ra17 qui semblent etre
caracteristiques de la region au sud du Danube, bien que nous ayons un
Porolissum en Dacie, passons ä l'examen d'une des plus interessantes sur-
vivances pre-romaines, le roumain cätun «hameau».
La premiere18 attestation du mot remonte au X I e siecle; eile se trouve
chez Kekaumenos 19 sous la forme κατοΟυα. La plupart des etymologies20 ne

13 V. Pärvan, Getica, pp. 454, 470—473. D. Berciu dans: Istoria Romtniei, Bucu-

re§ti, i960, 1 p. 34 ss., pl. V I — V I I I .


14 Ptolimöe, Geogr. 3, 8 et surtout 3, 6. Lä-dessus, W. Tomaschek, Die alten

Thraker, Sitzungsber., Akad. Berlin, hist. cl. 131, p. 70; V. Pärvan, Getica, p. 240 ä
272; V. Georgiev, Les unites ethniques anciennes de la peninsule balkanique d'apräs la
toponymie, Sofia, 1961, pp. 5—8 (tirage-ä-part de: Linguistique balkanique III, 1).
15 S. Pu^cariu expliquait Turda < *Tur(r)idaua, Dacoromania 4 (1924—1926)

p. 1353. N. Dräganu s'y est oppose, Romänii, pp. 478—479. Cf. aussi S. Pop, Die
Toponymie Siebenbürgens, dans: Siebenbürgen, Bucure^ti, 1943, 1 pp. 323—324 (pour);
R. Sindou, loc. cit. 312—313 (contre). — La conjecture de S. Pu§cariu semble se veri-
fier par des attestations relevees ricemment: Castrum. Turda (en 1075), Turdavdr (en
1394), K. Horedt, Contributii la istoria Transilvaniei In secolele I V — X I I I , Bucure§ti
1958, p. 133. Ces deux formes pourraient etre la traduction de l'hypothetique *Tur(r)i-
daua.
19 On ne peut pas discuter non plus — et notre conclusion n'en souffrira pas — les

appellatifs et les toponymesdöriv^s de: -basta «habitation»: Tasibasta-, -bria «locality»:


Mesembria; -dizos «fortification»: Burtudizos\ midne «village» (?); -vissos «maison»:
Saldovissos. References chez: I. I. Russu, op. cit. pp. 56—82.
17 Enumeration chez V. Georgiev, op. cit. pp. 9—10.
18 Μ. D. Gäzdaru Signale (loc. cit. p. 164) les chatunari pour les annöes 743—744

(Annales Ragusini Anonymi).


M. S. Dragomir, qui fait l'historique de la question, ne connait pas d'attestation
anterieure ä Kekaumenos. cf. Vlahii din nordul peninsulei balcanice in evul mediu,
Bucure§ti, 1959, pp. 113—116.
19 Cecaumeni Strategicon, St. Petersbourg, 1896, pp. 11, 13, 22.
20 A. Cihac renvoie au turc qoutun «habitation». Diet, d'etym. dacorom. 2 p. 558.

Ν. Jokl explique l'alb. katund par le verbe ndin «tendre»: Katun. Zur Geschichte eines
Balkanwortes, Indogerm. Forsch. 33 (1913) pp. 420—433. C. Jirecek le met en rapport
avec l'it. cantone : Geschichte der Serben, Gotha, 1911, 1 p. 156. I. Peisker se prononce
pour une origine touranienne en citant les exemples suivants: turc kutun, kirghize
kotan, kalmouk chotton, tartare kotun. cf. Die Abkunft der Rumänen, Graz, 1913 pp. 179,
203—204, lä-dessus Al. Philippide, Orig. Rom. 2 pp. 703—704. Κ. Treimer a pense ä
un terme «avare-proto-bulgare» sans apporter de preuves, Slavia 3 (1924 —1925) p.450.
330 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

tiennent pas compte de la grande diffusion du mot en Europe et en Asie—eile


va du golfe de Naples ä l'archipel japonais — ce qui plaide en faveur d'une
origine tr£s ancienne. S. Pu§cariu et M. Al. Rosetti ont pens6 ä une etymologie
autochtone 21 . Mais c'est 0 . Densusianu qui semble avoir serre la verite de
plus pr£s22. II part de la racine i.-e. *qat-, richement representee avec le sens
de «maison»23 et d'un suffixe *-ün. Tout en retenant le radical nous pensons
plutöt ä une contamination secondaire avec le suffixe mediterraneen -ona M
et reconstruisons une forme thrace *qatona avec le sens probable de «collec-
tivite de maisons, hameau». Le terme a pu etre porte au loin par l'expan-
sion getique dont il a ete question ci-dessus, ou par une autre migration
indo-europeenne qu'on ne peut pas preciser. La concordance avec les lan-
gues turques — trop frappante pour etre l'effet du hasard — s'explique
comme im emprunt fait par ces derni£res ä l'indo-europeen25. Un argu-
ment supplementaire en faveur de l'origine indo-europeenne de *qatun est
l'existence en ai'nou du mot kotan «village»26. Pour resumer voici la fili£re
que nous proposons:

Μ. Vasmer croit ä un terme«röpandu par un peuple de bergers bulgares danubiens »: Studien


zur albanesischen Wortforschung, Acta et Comm. Univ. Dorp, ι (1921) pp. 28—30. Pour
G. Serra le mot est d'origine latine: *cauitonem, Dacoromania 3 (1922—1923) p. 1092.
G. Giuglea a tentö de reconstruire un *cautum -(- tun = dunutn, Dacoromania 4 (1924)
p. 1553. M.Al. Cioränescu semble accepter l'explication la moins probable: it. cantone,
Diet. etim. rum. 1563. —· Le mot κατοϋνα manque chez Μ. G. Moravcsik, Byzantono-
turcica 2 p. 140. II est Evident que le turc qatun «Fürstin» n'a rien ä voir dans cette
question.
21 S. Pu§cariu, Lb. rom. p. 258. Al. Rosetti, Istoria limbii romäne, Bucure§ti, 1962,

2 p. I I I .
22 O. Densusianu, Cuvinte referindu-se la locuin^e primitive, Grai §i suflet, 7 (1937)

pp. 40—44·
23 J. Pokorny, Indogerm. Etym. Wört. s. v. kat-. Cf. les toponymes: κατ-αρβ-άτης,

Δε-κάτ-ϊρο, κάττ-αροξ. Η. Krähe, Die alten balkanillyrischen geographischen Namen,


auf Grund von Autoren und Inschriften, Heidelberg, 1925, p. 89.
24 D'innombrables exemples dans tous les pays miditerraniens: Κρέμωνα, Δωδώνα,

Στράγονα, Σάλωνα, etc. Η. Krahe, op. cit. pp. 47. 51.


25 II est possible que les langues turques se soient adress6es ä des dialectes difte-

rents ou qu'elles aient fait l'emprunt ä des dates diverses (cf. R. Sindou, loc. cit. p. 313).
Cela ci. plus forte raison itant donn^ que certaines formes prösentent la Variante -ο-
(chotton, kotun). Or le passage i. -e. -δ- > -a- est une isoglosse thrace bien documents.
Cf. P. Kretschmer, Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, Göttingen,
1896, p. 221; V. Georgiev, Albanisch, Dakisch-Mysich und Rumänisch, Ling, balk, 2
(i960) pp. 5—9, 14; D. Decev, Charakteristik der thrakischen Sprache, ibid. p. 201. —
Les emprunts turcs präcitis refletent ce flottement du vocalisme.
2β P. Naert, La situation linguistique de l'aünou. I. Ai'nou et indo-europ6en, Lund,

1958, p. 198. — Un chainon intermödiaire serait constitu6 par les dialectes ossfetes qui
15. VILLES, CAMPAGNES E T ROUTES 331
i . - e . *qatun, *qotun, *qotan
I

t
a'inou kotan
4-
thrace *qatona ?

alb. katund formes turco-mongoles


— ?
roum. cätunä-4-

formes balkaniques
1
I
dial. it. merid.

La d£monstration de N. Jokl reste en partie valable pour l'alb. katund.


Pour ce qui est du phonetisme roumain, les passages a > ä e t o + n > u
sont normaux. Si le mot apparait sous les formes cätunä (f.) et cätun (m.), on
peut supposer que le second est un singulier refait sur le pluriel cätune du
premier. A la peripheric de la Romania Orientale il a pu etre facilement mis
en rapport avec l'it. cantone, avec lequel il n'avait rien a voir. Cependant les
toponymes Italiens Katona (Reggio) et Li Catuni, Catona, pres de Naples ä
Cava dei Tirreni27 remontent aux formes balkaniques, roumaines ou pre-
romaines on ne saurait le dire28. II existe ä. Raguse, au X I I I e siecle, des lati-
nisations du terme: in catone Blacorum29. Mais la grande diffusion du mot a
ete assuree au Moyen-Age par les bergers «valaques» qui, depuis la Thessalie
jusqu'en Bohßme et depuis I'Adriatique jusqu'en Podolie, ont ete les four-

possMent la racine *qat-, Cf. H. Sköld, Die ossetischen Lehnwörter im Ungarischen,


Lund-Leipzig, 1924, p. 80, note. — Toutefois — jusqu'au moment oü le caractfere indo-
europöen de l'amou sera d6montr6 avec plus de force ·— on ne doit pas exclure la pos-
sibility que les langues turco-mongoles de la Haute-Asie aient servi d'intermidiaire
entre l'archipel japonais et l'espace m£diterrangen.
27 Que nous a signals le regretti G. Serra.

28 M. D. Gäzdaru suggfere (loc. cit. p. 165) de mettre en rapport ces formes avec

les migrations de Roumains de Dalmatie (Morlaques) en Italie au cours du Moyen-Age.


29 Ibid. et Ν. Jokl, loc. cit. p. 425.
332 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

riers de toute une serie de termes pastoraux 30 . A u terme roumain remon-


tent 31 les toponymes Katun, Katuna, KatuniSte et Katunari en Yougosla-
vie, C&tuna, Cätunet et Lacätun en Albanie, Kattuny en Hongrie, Katunske
puts en Tchecoslovaquie, aussi bien que gr. κατοϋνα, κατουνεύω, bulg.
katun, katunin, serbe katunar, slovaque katün32. Chez les Roumains et
les Farserotes d'Epire et de Macedoine le nom commun a disparu 33 ,
vraisemblablement ä une. epoque recente puisqu'il est atteste dans les
toponymes precites et dans des expressions comme nu fafe cätune34. En con-
clusion, le roum. cätun et l'alb. katund representent un i.-e. *qatun ( > thrace
*qatona) qui, des l'epoque prehistorique, a connu une tresgrande diffusion en
Europe et en Asie. Les langues turco-mongoles ont servi, ä des niveaux
divers, d'intermediaires, mais le caractere indo-europeen du mot est incon-
testable 35 . Archeologiquement, cette «agglomeration de chaumieres» cor-
respond peut-etre aux casse de terre battue, melangee ä des uimina et trans-
formees en des -dizos ou -daua «forteresses». Α l'origine le *qatona a dü avoir
un röle militaire de defense avant de devenir un habitat pastoral3®.
L'etymologie du roum. tdrg < vx. sl. trügü «marche, foire»37 a paru trop
evidente pour etre contestee. Pourtant la racine pre-romaine *terg est suffi-
samment attestee paries noms de lieu Tergeste (Istrie), Opitergium (Venetie),
Tergolape (Norique) pour qu'on puisse se faire une idee de sa diffusion. II
faut done ecarter les hypotheses illyriennes 38 et slaves; on a bei et bien
affaire Λ un mot pre-indo-europeen 39 qui s'etend de la Mediterranee a. la

S. Pop, Mägurä «hauteur, montagne» dans l'Europe Centrale, Romance


Philology, 3 (1949—1950) pp. 117—134. — II est assez Strange que M. S. Drago-
mir (Vlahii p. 114) limite l'aire de cätun au sud-est du Danube et nie son extension en
Dacie, en se basant sur l'argument extremement fragile du silence des sources anciennes.
3 1 Contra cf. I. Kniezsa, Pseudorumänen in Pannonien und in den Nordkarpathen,

Arch. Eur. centro-or. 1 (1935) PP· l( >6—168.


32 N. Dräganu, Romänii, pp. 104, 342—343; Th. Capidan, Top. mac^do-roum. p. 62.

33 Selon Μ. S. Dragomir, Vlahii p. 114, il n'y a jamais exists que sous forme d'em-

prunt daco-roumain.
34 Th. Capidan, Raporturile albano-romane, Dacoromania 2 (1921—1922) p. 465.

35 Pour l'ltalie n^ridionale l'etymologie: turc katan (G. Rohlfs, Etym. Wörterb.

unterit. Gräz. 949) est peu probable, vu la demonstration ci-dessus.


36 Le roumain possede d'autres survivances lexicales prä-romaines d&ignant la

maison, ou une habitation rudimentaire: argea, bordei, colibä (cf. ci-apres).


37 A. Cihac. Diet. d'£tym. dacorom. 2 pp. 401—402.

38 G. Meyer, Der Stadtname Triest, Indogerm. Forsch. 1 pp. 323—324; P. Kretsch-

mer, Einleitung, p. 253.


39 C. Battisti, Sostrati e parastrati nell'Italia preistorica, Firenze, 1959, p. 285

ä 286.
15. V I L L E S , C A M P A G N E S E T R O U T E S 333

Scandinavie 40 . L'extension geographique de targ en roumain 41 plaide aussi


en faveur d'une origine ancienne 42 . Tout au plus pourrait-on accepter l'idee
qu'ä leur arrivee en Dacie les Slaves ont apporte la famille du mot — qu'ils
avaient eux-memes emprunte — et dont la solide implantation, surtout en
toponymie peut etre expliquee precisement par l'existence dans la langue
des habitants du pays d'une racine apparentee.
Ainsi -daua, *qatona et *terg recomposent devant nos y e u x — l'archeo-
logie aidant — le tableau d'une civilisation. On voit les paysans danubiens
habitant depuis le neolitique leurs masures de torchis — κ α λ υ β ϊ τ α ί τίνες
καΐ λυττρόβιοι, comme disait d'eux Strabon (7,5,2) — l e s transformant petit
ä petit en de veritables forteresses et s'ouvrant eniin aux influences meri-
dionales. Mais seule la force militaire de Rome, son prestige culturel et sa
technique consommee de la colonisation — juste et humaine — devait avoir
raison de leur conservatisme.
L a conquete militaire de la Dacie marqua le point de depart d'une rapide
urbanisation; comme dans les autres provinces l'installation des legions
romaines alia de pair avec le developpement des centres urbains 43 . Ainsi la
phrase de Dion Cassius prend tout son relief: και ούτως ή Δακία
40 Danois torv; anc. dan. torgh, tergh, suöd. torg > fin. tori. A. Jöhannesson, Island·

E t y m . Wörterb. s. v.
4 1 Cf. la carte A L R I 1580: S. Pop, Sinonimele cuväntului tärg in lumina geografiei

lingvistice, Revista geogr. rom. ι (1938).


42 A quoi M. R . Sindou retorque: i ° un a roumain provient d'un a-j- n, done il y a

impossibility pour tärg < *terg, 2° il n'y a pas eu de contact entre le dace et les Slaves
et les racines apparenties n'ont pu etre captees. Les deux objections tombent: i ° un
ά roumain peut provenir, surtout dans les mots pre-romains, d'autre chose que d'un
a -)- n. cf. bale, bar, brau, näpärcä et les exemples albanais paralleles pelh, berr, bres,
neperke. Le couple roum. targ, alb. treg est tout ä fait regulier et l'on peut postuler un
*terg commun, 2 0 Le contact entre les Thraces non-romanises et les Slavo-Bulgares au
nord et au sud du Danube, a 6t6 possible — et, partant, toutes sortes de rapports lingui-
stiques directs — puisque les premiers ont surv6cu au moins jusqu'au V I e siöcle. Cf. ci-
dessus4p. 148 ss. Sans trop picher d'audace on peut supposer—avec V . Pärvan et G. G.
Mateescu — que le phoneme d(i) existait dans la langue dace, ce qui expliquerait les
inconsequences 6pigraphiques; pour transcrire certains noms, p. ex. Burebista, on hisite
entre \j, ou, 01. Enfin, il y aurait meme l'attestation d'un *trag dans le latin de Dacie:
Castra Tragana, Table Peuting. V I I , 5, station sur la route de Drobeta que l'on «cor-
rige», peut-etre & tort, en Castra Traiani! L a derivation d'un adjectif latin ä partir d'un
mot indigene n'est pas exceptionelle, surtout dans la nomenclature geographique, cf.
Dacia maluensis < dace *mal «colline». En conclusion, le roumain targ < dace *trag,
avec m6tath£se, a toutes les chances d'etre la bonne Etymologie.
43 Μ. Rostovtzev, Storia economica e sociale dell'Impero Romano, Firenze, 1946,

278—281. Pour la Mesie cf. A. Möcsy, Untersuchungen zur Geschichte der römischen
Provinz Moesia Superior, Acta Arch. Hung. 11 (1959) pp. 283—307, surtout le §3: Die
334 D I E WENDUNG ZUM W E S T E N UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

'Ρωμαίων υπήκοος εγένετο, καΐ πόλεις έυ α ύ τ η ό Τραϊανός κατφκισεν


(Epit. 68, 14, 3—4)· Mais ce processus a des racines beaucoup plus
profondes. Dös le premier millenaire av. J.-C. les Celtes et les Illyriens avaient
tourne la Dacie en direction de l'ouest en la detachant du monde cimmerien
et scythique; la romanisation devenait ainsi l'aboutissement logique de sa
prehistoire. Elle y etait pleinement preparee44. Du jour au lendemain autour
des castra et des castella surgirent des etablissements nouveaux; les villages
indigenes fusionnerent avec les canabse4B. Ce caractere militaire, au depart,
des agglomerations urbaines est bien synthetase par Vegece: secum legio
debet ubique fortare (ferr amenta), ut, in quouis loco fixerit castra armata, faciat
ciuitatem (Epit. rei milit. 2, 25). Cette transformation est loin d'avoir eu un
caractere fortuit ou desordonne; il s'agit, au contraire, d'une organisation
systematique de la province que l'Empire voulait vite convertir en une for-
teresse solide sur le Danube46. Dans le laps de temps ou la Dacie a officielle-
ment fait partie de l'Empire •— car l'appartenance reelle ä la sphere d'in-
fluence romaine et romeenne s'etend au-delä et en de?a des dates etroites
qu'on lui donne generalement — sa vie de province a ete intensement
romaine.

La toponymie getique a ete conservee pour sa plus grande part 47 ; d'autres


noms, refletant la nouvelle situation, s'y sont ajoutes. Parmi les villes les

Urbanisation und Bürgerrechtspolitik in Obermösien. — Cf. P. Romanelli, Storia delle


province romane dell'Africa, Roma, 1959, pp. 312—331. II semble que 1'cEuvre de cen-
turiation a commence ,,au lendemain de la conquete", p. 52.
44 V. Parvan, Dacia p. 148.
45 M. Rostovtzev, Storia, pp. 282—283. Gh. Florescu, Douä documente epigrafice

in legäturä cu organizarea quasi-municipalä a comunelor rurale (territoria) romane,


Stud, cercet. ist. veche 9 (1958) pp. 337—348. Cf. le toponyme Canabse (tab. cer. VII,
CIL III p. 940), I. I. Russu, Cercet. ling. (Cluj) 2 (1957) Ρ- 2 Φ · '— Α. Möcsy, Das Terri-
torium legionis und die canabse in Pannonien, Acta Arch. Hung. 3 (1953) pp. 179—200.
L. Barköczi, Beiträge zum Rang der Lagerstadt am Ende des II. und Anfang des III.
Jahrhunderts, ibid. pp. 201—203.
46 C. Daicoviciu, La Transilvania, pp. 108—121. D. Tudor, Oltenia, pp. 201—288.

Μ. Macrea, dans: Istoria Rominiei, Bucure$ti, i960, I pp. 370—396. En ce qui concerne
les deux derniers ouvrages on fera toutes reserves sur le point de vue qui stigmatise
Taction de l'Empire comme une «exploitation colonialiste» et monte en ipingle «la
lutte contre l'occupation romaine». II en est de meme des theories de MM. E. Petrovici
et E. Seidel, qui tiennent de la fantaisie pure, cf. E. Lozovan, Marginalia Romano-
Slavica, Romance Philology 14 (1961) pp. 314—327.
47 Comme en Afrique, oü l'on rencontre: Colonia Marciana Traiana Thamugadi

(fondle en 100 ap. J.-C., un an avant la premifere guerre dacique), ciuitas Nybgeniorum,
Turris Tamalleni, ciuitas Thubursicitana. P. Romanelli, op. cit. — II y a un sens pro-
15- V I L L E S , C A M P A G N E S E T ROUTES 335

plus importantes48 meritent d'etre citees: Sarmizegetusaia, de son nom latin


Colonia Vlpia Traiana Augusta Dacica, d'abord colonia iuris italici et metro-
polis au debut du III e siecle, Napoca, Apulum, Potaissa, Drobeta, Romula,
etc., municipes et puis colonies60. L'organisation interieure des villes etait
en tous points identique a celle de l'Occident romain; il en fut de meme pour
l'administration des pagi et de uici — effigies parua simulacraque populi
Romani, selon l'expression d'Aulu-Gelle61. Au point de vue commercial la
Dacie etait completement integree dans la vie economique de l'Empire, ce
qui faisait vivre l'mdustrie et le negoce locaux52. Pourtant cette vie romaine
dynamique n'a laisse que peu de traces dans la langue et la toponymie rou-
maines. Les termes essentiels de la vie urbaine ont disparu: ferise, forum,
municipium, oppidum, urbs et meme pagus et uicus. De meme uilla et ses
derives ne sont pas attestes en Orient63. Ce n'est qu'en 1332 qu'un Brun-
wiler apparait en Transylvanie apporte par les colons allemands de leur
patrie mosello-rhenane54. On trouve en echange toute une serie de termes
ruraux et militaires, dont quelques-uns constituent des innovations carac-
tiristiques de la Dacie: ciuitas, Castrum, fossatum, casatus, tenia. Mais ce
processus de lent effondrement des villes et de reconversion rurale ne
peut etre compris qu'en etroite liaison avec la grande epreuve des invasions.
L'evolution historique de la Scythie Mineure differe de celle de la Dacie en
cela qu'elle est entree plus töt dans l'orbite romaine et y demeura apres
l'abandon de 27066. D'autre part les cites du Pont Euxin ont connu

fond dans cette conservation de la toponymie: en gardant les noms, R o m e a montre


son respect pour le particularisme local, matris non dominse ritu, pour parier comme
Claudien.
48 D . T u d o r , O l t e n i a , p p . 1 4 7 — 1 9 1 . M. Macrea,dans:IstoriaRominiei, i p p . 359—369.
49 V . Buescu, Sarmizegetusa dans la toponymie roumaine, I I I e Congrfes Int. de
Top., Bruxelles, 1949, Actes 2 pp. 235—242. — Μ. I. I. Russu, L i m b a traco-dacilor
p. 80, voit dans ce toponyme le radical -zeg-et- < *§egh «pieu, branche, palissade». Nous
restons done dans le meme champ simantique de 1' «enclos fortifie».
50 Voir Taction parallele, identique, menie par T r a j a n en Afrique en v u e d'une
rapide romanisation; il accorde le titre de colonia ä H a d r u m e t u m et ä Leptis Magna,
P. Romanelli, op. cit. p. 325.
61 M. Macrea, loc. cit. p. 367.
52 V. Pärvan, Die N a t . der Kaufleute, pp. 30-33, 6 8 — 7 4 . D . Tudor, Oltenia, pp.
4 3 — 1 0 6 . M. Macrea, loc. cit. pp. 3 9 6 — 4 1 7 .
53 Cf. R. Sindou, loc. cit. p. 318. Plus pricis6ment, uilla avance jusqu'ä Nitra,
ci-dessus 2 p. 242.
64 G. Kisch, Die vorsiebenbürgische Kulturentwicklung der Siebenbürger Sachsen
im Lichte des Lehnwortes, dans: Festgabe Philipp Strauch, Halle, 1932, p. 42.
55 Ci-dessus 2 pp. 1 9 7 — 2 2 4 .
336 D I E WENDUNG ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

une vie hellenique intense — que l'interieur du pays a seulement ef-


fleuree6®—et qui a continue depuis leur fondation au VII e av. J.-C. 57 , par
dessous la periode romaine, pour se perpetuer sous la domination
byzantine. L'on voit ainsi, au cours de trois millenaires, s'affermir sur
le Bas-Danube l'etroite collaboration helleno-romaine. Ioniens, Romains,
Byzantins, Roumains, Genois, Venitiens s'y sont relayes sans inter-
ruption.
Si l'on examine par couches les noms de lieu l'on constate que la majorite
des plus anciens a un caractere nettement getique58; les fouilles ont mis au
jour de nombreuses *daua89. Mais la campagne getique et les florissantes
colonies milesiennes du littoral ne constituaient pas deux mondes separes
vivant cöte ä cote sans se connaitre. La penetration hellenique äl'interieurdu
pays fut assez import ante pour que l'on puisse parier d'une veritable col-
laboration helleno-thrace60. Elle devait marquer la region d'un cachet inde-
lebile. A travers toutes les vicissitudes qu'elles subirent les cites pontiques
ont reussi a survivre grace, peut-etre, ä leur grande capacite d'adaptation.
Fondees par Milet apr£s la cessation des invasions cimmero-scythiques, elles
ne se ressentirent pas lorsque, en 494 av. J.-C., leur metropole fut detruite.
Successivement dans l'orbite athenienne et macedonienne aux V e —IV e
siecles av. J.-C., elles resisterent aux invasions du III e siecle, aussi bien qu'ä
5 6 La penetration hellenique ä l'intirieur du pays peut etre suivie surtout ä l'aide

des timbres amphoriques. Cf. V. Canarache, Importul amforelor §tampilate la Istria,


Bucure§ti, 1957, cartes pp. 358, 393. V. Eftimie, Imports of stamped amphorae in the
lower Danubian regions and a draft Rumanian Corpus of amphora stamps, Dacia n. s. 3
(1959) PP· 195—215 + ι carte.
5 7 C'est du moins l'epoque de la fondation d'Histria: D. M. Pippidi dans: Istoria

Rominiei 1 p. 167.
68 Pour ne pas mentionner les toponymes celtiques, tel Nouiodunum (supra n. 9),
Arrubium, etc.
5 9 R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 49—50. — Nous entendons ä la fois toponyme termine

par ce suffixe et ensemble architectural d£sign£ comme tel. Ceci pour ^carter l'objection
de Μ. R. Sindou, loc. cit. p. 312 η. 1.
6 0 V. Pärvan, Penetration hellenique et hellenistique dans la valine du Danube,

Acad£mie Roumaine, Bull. Sect. Hist. 10 (1923) 25 p. — La ville de Tomes, comme Olbia
d'ailleurs, avait au d£but de notre ere un caractere mixte. Cf. Sc. Lambrino, Tomis, cit£
g r 6 c o ^ t e chez Ovide, dans: Ouidiana (id. Ν. I. Herescu), Paris, 1958, pp. 279—390.
E. Lozovan, Ovide, agonothete de Tomes, Revue et. lat. 39 (1961) pp. 172—181. Quant
ä la thfese pri-etablie sur la lutte des indigenes, allies aux Grecs pontiques, contre«l'oppres-
sion romaine», elle n'a pour eile, en guise d'argument, qu'un certain «Zeitgeist». Cf.
Em. Condurachi, Coloniile grece?ti din Pontul stäng §i lupta lor impotriva cutropirii
romane, Bui. $t. Acad. R. P. R. 2 (1950) pp. 67—76.
15. V I L L E S , C A M P A G N E S E T R O U T E S 337

l'expansion du roi g£te Burebista 81 . Comme la Dacie carpathique, le Pont


Gauche ne put tenir tete a. l'avance romaine.
Dans l'histoire de la romanite danubienne le role de la Scythie Mineure
est autrement important en cela qu'elle constitue le premier territoire oü Getes
et Romains entrerent en contact, longtemps avant la conquete de la Dacie, et
oü s'est elabor6e — pour employer une expression de Ν. Iorga — la premiere
«synthase daco-romaine». L'annee 50 ap. J.-C., peut etre consideree comme le
point de depart de la vie romaine aux bouches du Danube, bien que la con-
quete de la region, accomplie sous Tibere et consolidee sous Claude, date du
debut du siecle62. A plusieurs 6gards le processus de romanisation de la
Scythie Mineure offre des analogies avec celui qui allait se developper un
siecle plus tard en Dacie Trajane: meme origine militaire de la vie urbaine,
meme iloraison d'une civilisation provinciale qui atteint presque le niveau
italique, enfin, meme coexistence des formes de vie autochtones en marge de
celles introduites par les conquerants. Ainsi les agglomerations formees
autour des canabx prirent une telle extension que leur transformation en
centres urbains etait inevitable; les camps de Trasmis, de Durostorum et de
Tropxum Traiani furent eleves au rang de municipes63. Les uici, attestes au
nombre d'une trentaine par l'epigraphie et les fouilles®4, et qui ont du cou-
vrir toute la region, s'etaient developpes autour de la uilia d'un colon. Leur
nom le montre dans la plupart des cas: Vicus Secundini, Vicus Clementianus,
Vicus Quintionise6. Certains d'entre eux — fondes peut-etre par des autoch-
tones— portent des nomsg6tiques: Vicus Buteridauensis, Vicus Scenopesisββ.

Non seulement les villes helleniques du littoral ne se sont pas oppos6es ä


la domination romaine®7, mais elles s'en sont accommodees de bon gr6; en
effet celle-ci leur apportait la securite tout en leur laissant la liberie de con-

61 R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 25, 64 ss. V. Pärvan, Dacia pp. 102—109. D. M. Pip-

pidi, Histria Callatis !n sec. I I I — I I 1. e. n. dans: Contrib. ist. pp. 13—44. Sc. Lam-
brino, D^cret d'Histria en l'honneur d'Agathoclfes, Revue des Etudes roumaines 5 — 6
(1957—1958) pp. 180—217.
92 V. Pärvan, I primordi della civiltä romana alle foci del Danubio, Ausonia 10

(1921) pp. 192—195.


63 R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 192, 201. Em. Condurachi dans: Istoria Romlniei, 1 pp.

487—489.
84 R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 194—195. Al. Philippide, Orig. Rom. 1 pp. 59—60.

65 V. Pärvan, Primordi, p. 202. Sc. Lambrino, Le Vicus Quintionis et le Vicus Se-

cundini de la Scythie Mineure, dans: Melanges J. Marouzeau, Paris, 1948, pp. 319—346.
ββ R. Vulpe, Hist. Dob. p. 196.

87 Quoi qu'en dise une certaine historiographie, cf. supra n. 60.

22 Altheim, Hunnen V
338 D I E W E N D U N G ZUM WESTEN U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

server leurs us et coutumes68. Une idee assez significative de l'epanouisse-


ment de cette region — que l'on peut considerer comme romanisee aux
abords de l'an 150 ap. J.-C. — nous est donnee par la multitude de temples,
theatres et autres monuments somptueux dont les habitants disent avec
fierte: a solo feceruntβ9.
Lorsque, en 270, les legions de l'Empire se virent forcees d'abandonner
la Dacie aux mains des envahisseurs germains, la Scythie Mineure demeura,
en dehors d'un reduit militaire qui servit de tete de pont aux tentatives de
reconquete, le territoire legal de la continuite politique. A l'abri des fortifica-
tions et des barrages, eriges par la deuxieme Rome, la vie citadine continua
encore pres de deux siecles. L'effondrement etait inevitable, mais un repit
fut gagne.
Au milieu des graves perturbations economiques du III e siecle70 lorsque
l'Empire cherchait un nouvel equilibre, la romanite danubienne etait assez
bien preparee pour organiser sa defense devant le flot croissant des envahis-
seurs. L'Occident 71 devait s'effondrer dans l'incapacite ou il se trouvait de
maitriser le mecanisme urbain; l'Orient survit grace a ses profondes assises
rurales qui lui permirent une rapide reconversion. C'est par ce processus que
l'on doit expliquer la disparition dans la toponymie balkanique, en general, et
roumaine, en particulier, des traces de la vie citadine. L'abandon des grands
centres urbains a du etre relativement facile pour une population dont les
attaches paysannes etaient fortes72. La decheance de la civilisation a eu pour
consequence immediate la disparition des inscriptions, source premi£re des
conclusions erronees que certains savants ont tirees sur la permanence de
la vie latine en Dacie. Avec les oppida et les municipia disparait de la langue
68
R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 204—206. Le document capital ä cet igard est con-
stitui par l'horothisie de Laberius Maximus. Supl. Epigr. Gr. 1924, no. 329. Lä-
dessus, D. M. Pippidi, Hotärnicia consularului Laberius Maximus, dans: Contrib. ist.
pp. 171—196 ( = Dacia n. s. 2, 1958, pp. 227—247).
ββ
V. Pärvan, Primordi, pp. 199, 208—209.
70
F. Lot, La fin du monde antique et le d6but du moyen-age, Paris, 1951, pp.
62—98. M. Rostovtzev, Storia, pp. 397—398, 611—613.
71
L'on est lä au cceur de la controverse teconde soulevöe par les travaux d'Henri
Pirenne sur la «ville m6di6vale». Sa thfese semble non entamöe. La vie urbaine occi-
dentale est bei et bienle rösultat d'un renouveau aux X«—XI e si6clesplut6t que de la con-
tinuity. Cf. B. Lyon, L'oeuvre de Henri Pirenne apres vingt-cinq ans, Le Moyen Age 66
(i960) pp. 437—493, surtout p. 464 ss.— Pour la Gaule voir le t6moignage de Libanius
(Orat. 12, 44) sur les barbares qui avaient mis en culture les villes aprfes les avoir
truites. Lä-dessus J.-J. Hatt, Histoire de la Gaule romaine, Paris, 1959, p. 294.
72
Cette remarque est de Ν. Iorga, Hist. Roum. 2 p. 13.
15. VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 339

et de la toponymie romanes balkaniques presque toute trace de vie urbaine,


disparition lente s'echelonnant sur trois siecles, du I I I e au V I e , et que l'on
pourrait considerer comme achevee avec l'installation des Slaves dans les
Balkans vers 580 ap. J.-C. L a langue roumaine possMe plusieurs survivances
qui reftetent avec nettete le drame de la population romane aux prises avec
les nouvelles formes de vie, entre autres pämänt «terre», a se scälda «se
baigner», a cutropi «envahir, subjuguer». II n ' y a qu'une population habi-
tuee au pauimentum des villes et qui se voit, du jour au lendemain, ravalee ä
la vie rurale pour continuer ä appeler du meme terme la «terre» des cam-
pagnes 7 3 . De meme, c'est dans les conditions d'un bouleversement social et
urbaniste que l'on a pu employer *ex-caldare aussi pour les rivieres et non
seulement pour les thermes. Enfin, α cutropi, derive du germ, thorp, exprime
de fa^on suggestive l'inondation du territoire par les envahisseurs 74 . L a ru-
ralisation de la langue s'est rapidement etendue ä la toponymie 7 5 . A cet
egard, les listes procopiennes7® fixent un moment intermediate, caracterise
par la survie de quelques toponymes qui devaient disparaitre peu de temps
apres. Ainsi uicus, castellum, -daua et burgus sont encore bien represent6s:
Βικούλεα, Βικάνοβο, Καστελώνα, Καστελλοβρέταρα, Βουργουάλτου, Κου-
μούδεβα, etc. 7 7 . Ces toponymes montrent, comme l'a remarque P. Skok, le
caract£re de defense militaire byzantine sur le Danube 7 8 . D u roman nord-
danubien avaient, des cette epoque, disparu uicus, castellum et burgus, et
pourtant ils ont du y exister 7 9 . Burgus, si bien represente dans les langues
romanes occidentales 80 , est inconnu du roumain, ä moins qu'il n ' y ait une

73
Cette interpretation appartient ä V. Pärvan, Contrib. ep. p. 96. L'objection de
Μ. R. Sindcra, loc. cit. p. 315, d'aprfes qui la «terre battue» des campagnes a pu etre
appelie pauimentum tombe si Ton pense qu'il ne s'agit pas d'un seul exemple de degra-
dation s£mantique mais de tout un systfeme lexical.
74
S. Pu§cariu, Lb. rom. p. 273.
75
Ci-dessus 2 p. 229.
76
Ibid. p. 201.
77 Castellum a έίέ gardi en serbe: Kostolac. En roumain de Transylvanie la forme

cofteiu est revenue par la filifere hongroise, kostüy qui repr&ente le mot latin de Pan-
nonie, dont la persistance ne fait plus dedoute.Cf.D. Pais,Survivances slavo-hongroises
du castellum romain, Acta Ling. Hung. 4 (1954) pp. 269—286, ibid. 7 (1957) Ρ· 4°3· Bib-
liographie. Voir aussi N. Iorga, Hist. Roum. 2 pp. 60, 183, qui avait eu cette intuition.
78
Zum Balkanlatein, Zeitsch. rom. Phil. 50 (1930) pp. 529—530.
79
S o u s H a d r i e n il y a v a i t u n n(umerus) burg(ariorum) et ueredario(rum) Dacise
inf(erioris): CIL III 13. 795—96. Cf. Η. Mihäescu, Limba latinä in provinciile dunärene
ale Imperiului roman, Bucure§ti, i960, pp. 192—193.
80
G. Serra, Contribute alia storia dei derivati di burgus: Borgale, Borgaria, Bor-
goro, Fil. Romanza 5 (1958) pp. 1—48.
22·
340 D I E WENDUNG ZUM W E S T E N UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

seule exception, le nom meme de la Dobrogea. L e s geographes arabes appe-


laient cette r6gion Dhu Brugean, qui pourrait representer le terme romano-
b y z a n t i n 8 1 . E n tout cas pour trouver une attestation süre il faut attendre le
X V ® stecle; en 1 4 3 2 apparait en Valachie un Pirgos, transmis par l'inter-
mediaire slavo-byzantin 8 2 . E n revanche, en Transylvanie c'est d£s 1 3 2 8 que
parait un Purgo, roum. dial. Bärgau, d'origine allemande: Burgau63, ainsi
que le derive pärgar, entre dans la langue par la fili£re hongroise et allemande
{*purgar, Bürger) et qui cree des toponymes ä partir du X I V e si£cle: Valea
Pärgarului, Pärgäresti84.
L e s termes cetate (< ciuitas) «forteresse» et sat (< fossatum) «village»
sont des toponymes-clefs pour la langue et l'histoire roumaines 8 6 . L e u r for-
tune montre a v e c nettete l'origine militaire de l'habitat en Dacie et son orga-
nisation defensive 8 ®. L e «fosse» qui a dü entourer le village est encore v i -
sible sur une estampe de 1 7 1 8 representant un village morlaque 8 7 . S i fossa-

81 Cf. E . Lozovan, Revue int. d'onom. 11 (1959) pp. 312—313. Cf. aussi 1'objection

de Μ. R. Schmittlein, ibid. 12 (i960) pp. 227—28: il y aurait impossibility phonetique


car la grammaire arabe postule l'article Dhu'l Brugan.
82 C. C. Giurescu, Istoria Romänilor, Bucure§ti, 1946. 2 p. 440.
83 G. Kisch, Siebenbürgen im Lichte der Sprache. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte

der Karpathenländer, Leipzig, 1929, p. 252.


84 L. Treml, Die ungarischen Lehnwörter im Rumänischen, Ung. Jahrb. 9 (1929)

pp. 297—289. I. Iordan, Rumänische Toponomastik, Bonn-Leipzig, 1924, p. 72.


8 5 Pour l'itymologie cf. W. Meyer-Lübke R E W 1959, ciuitas. De plus: S. Frere,
Ciuitas — A myth ? Antiquity 35 (1961) pp. 29—36. V. Bogrea, Originea rom. sat,
Dacoromania 1 (1920—1921) pp. 253—257. C. Daicoviciu, fossatum — sat, ibid. 5
(1927—1928) pp. 477—479. S. Pujcariu, ibid. 4 (1924—1926) pp. 1242—-1244. P. Skok,
Zum Balkanlatein, Zeitsch. rom. Phil. 50 (1930) pp. 518—519, pour le diveloppement
semantique. L'6tymologie alb. fiat > roum. sat donnie par R E W 3461, ainsi que la
proposition de Μ. G. Giuglea, Dacoromania 10 (1941) p. 112: fixatum, sont ä ^carter.
Premieres attestations chez Procope, De aed. 4, 4—7; Kekaumenos, Strat, pp. 9, 12, 15,
24. Cf. aussi Du Cange, Glossarium, s. v.
8 6 N. Iorga, Hist. Roum. 1, 1 p. 75; 2 p. 14. —· Faisons appel, une fois de plus, au

parallfele africain. Cf. J . Baradez, Vue airienne de l'organisation romaine dans le sud
alg6rien. Fossatum Africse, Paris, 1949. Retenons la difinition de l'auteur: «Le fossatum
(obstacle proprement dit, riseau de guet et forts d'appui) etait 6tabli immidiatement en
bordure d'une zone depopulation», p. 259. Cf. Cod. Theod. 7, 15, 1. — Hernac, le fils d'At-
tilaa precisement rencontre au nord de la Scythie Mineure des Fossatisi (Iordanes, Get.266)
qui n'itaient que les habitants romans retranchis dans leurs« fosses». Cf. F. Altheim, ci-
dessus ι p. 18 n. 5. Cette suggestion setrouvedija chez N. Iorga, Hist. Roum. 2 p. 282.
87 S. Pu^cariu, Studii istroromane, Bucureyti, 1922, 2 pi. I V fig. 7. Les tranchöes

autour de Raguse sont appelöes pösat en serbocroate. P. Skok, art. cit. — En 1633,
l'architecte Antonius de Ville signale en Istrie pres de Pola la localite roumaine Sato :
Descriptio portus et urbis Polae, Venetiis p. 11. Lä-dessus, D. Gäzdaru, Cug. Rom. 6
(1957—!95 8 ) ΡΡ- 1 0 6 — n o .
15. V I L L E S , C A M P A G N E S E T ROUTES 341

tum est etroitement lie au systöme defensif rural de la basse epoque,


ciuitas n'est rien d'autre, ä notre avis, que la traduction latine de *daua.
Lors de l'installation des Slaves en Dacie, cetate fut, ä son tour, remplacSe par
grädi§te < gradiSte88. Le cas n'est pas rare en Roumanie oü une grädiste ou
une cetate se trouve sur l'emplacement d'une forteresse ancienne, comme, par
exemple, a. Sarmizegetusa, l'actuelle Grädiste. Autrement dit la continuite
archeologique confirme Interpretation linguistique et les traductions succes-
sives ne changent rien au fond de la question. D'apres une numeration tr£s
approximative Cetate et son deriv6 Cetäfuia se retrouvent dans 130 topo-
nymes nord-danubiens89. Les termes correspondants chez les Macedo-
Roumains sont Tsitate, La-tsitate90. Sat apparait sous les formes suivantes:
Satu-Nou, Satu-Vechi, Satnoieni, Säcele91. Les Mac6do-Roumains ont
SatSiSta92. Mais fossatum et ciuitas ne sont pas les seuls k avoir conserve
l'atmosph£re militaire du limes: tenda, cohortem, (daco-roum. tinda, curie,
mac6do-roum. castru) leur tiennent bonne compagnie. Le premier ne se
retrouve pas dims la toponymie. Son absence est significative; la defense
comme l'habitation n'etait pas quelque chose de provisoire mais un etat
permanent, bien organise. Pour ce qui est du mac6do-roum. Castru et
C&strie — que Th. Capidan93 rattachait au neo-grec κάστρον — il faudrait
peut-etre y voir un etymon mixte romano-byzantin, que rend plausible le
rayonnement des termes militaires dans la region.

Retenons done comme premieres conclusions: l'extinction de la vie


urbaine en Dacie a determine un retour aux formes de vie ancestrales — on
pourrait meme parier d'une veritable renaissance du thracisme94 — et, en

88 Comme en Albanie oü, souvent, les kytet (ciuitas) romaines sont appelies en
serbo-croate Gradina ou Gradac. G. Stadtmüller, Historia 3 (1954—1955) P· 239 n. 4.
88 I. Iordan, Nume de locuri romäne§ti in Republica Populara Romanä, Bucure§ti,

1952, ι pp. 263—264.


90 Th. Capidan, Top. macedo-roum. p. 112.

91 I. Iordan, Rum. Top. pp. 92, 152, 172; Nume pp. 159—160. Les premieres

attestations sont rassembl^es par N. Dräganu, Romänii pp. 267—268. II exprime des
doutes sur 1'Etymologie Satmar < Sat(ul) Mare attest6 en 1213 sous la forme Zotmar,
Zathmar. La proposition de G. Weigand, Balkanarchiv 4 (1928) pp. 179—180: saxon
Sakmar > roum. Satmar est ä ^carter; le sens du passage est inverse. Cf. aussi I. Iordan,
Nume p. 160 n. 3.
92 Th. Capidan, Top. macido-roum. p. 102.

93 Ibid. pp. 61—62.

91 Nous entendons par «thracisme» un retour aux formse mentis et aux techniques

d'avant la conquete. Cela est visible dans certains toponymes et, surtout, dans la po-
terie, les armes et les maisons des I I I e — V e siecles, semblables aux exemples de l'ipoque
342 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

meme temps, a impose l'organisation militaire defensive de l'habitat. C'est


Ιέ. que reside le secret qui η'a cesse d'etonner les historiens qui se sont
penches sur le probleme de la survie de la romanite. LOrient a trouve
sa propre voie pour etablir un nouvel equilibre. Le flot des envahisseurs
une fois passe, les survivants se relev£rent. L'installation des Slaves
en Dacie, l'arrivee des Hongrois, puis celle des Allemands en Tran-
sylvanie, la presence byzantine, genoise et venitienne dans la Mer Noire,
la fondation des principautes roumaines constituärent les jalons d'une
longue et penible ascension vers la vie urbaine. La route suivie par la Dacie
entre 106—270 ap. J.-C. n'a pu etre reparcourue qu'en un millenaire. Cela nous
donne une idee de ce qu'aurait ete la region danubienne sans Rome.
L'invasion des Huns 95 ne concerne la Dacie Orientale que dans la mesure
ou, au cours de l'annee 376, ils provoquerent la dispersion des Tervinges
d'Athanaric ainsi qu'une veritable reaction «en chaine» chez d'autres peu-
ples: Chuni in Halanos, Halani in Gothos, Gothi in Taifalos et Sarmatas insur-
rexerunt, selon l'expose succinct et suggestif de St. Ambroise (Exp. eauang.
Luc. 10, 10). Devant la menace, le chef tervinge fit construire ä la häte des
Valiums de defense96, enfouit ses tresors et se retira vers les Carpathes, le
Caucalandensis locus. Sur la population romane ces evenements n'ont pu
avoir qu'un seul effet, la forcer ä. se retirer de la zone des batailles. Ce retrait
semble avoir eu lieu vers le Nord, sur les hauteurs plus abritees du plateau
de Moldavie; c'est du moins l'indice que nous fournissent les tresors mone-
taires enfouis de fa9on systematique 97 .
de La Τέηε III. Cf. V. Pärvan, Getica p. 484. G. I. Brätianu, Le problfeme de la conti-
nuity daco-romaine, Bucure?ti, 1944, p. 18.
Cette remontöe ä la surface du particularisme provincial est aussi caractdristique
de la Gaule oü lestraditions techniques, artistiques et religieuses du celtisme s'affirment
ä nouveau avec vigueur. Cf. J.-J. Hatt, op. cit. p. 393.
95
I. Nistor dans: Istoria Rominiei, 1 pp. 694—704, pi. XIV. Bibliographie pp.
725—726. Les vestiges hunniques ne sont pas nombreux en Roumanie; ils sont concen-
tr6s dans la plaine valaque. Cf. B. Mitrea — N. Anghelescu, Fragmente de cazan hunic
descoperite in sud-estul Munteniei, Stud, cercet, ist. veche 11 (i960) pp. 155—158.
V. Dumitrescu, Ο nouä märturie a prezenfcei hunilor in Muntenia: fragmentul de
diademä de aur de la Dulceanca, ibid. 12 (1961) pp. 55—63.
96
AmmienMarcellin 31,3,4—7. Pour l'expos6 d6taill£ de ces evenements cf. R. Vulpe,
Le vallum de la Moldavie infirieure et le «mur» d'Athanaric, 's-Gravenhage, 1957, 57 P·
97
B. Mitrea, La migration des Goths refWtie par les tresors de monnaies romaines
enfouis en Moldavie, Dacia n. s. 1 (1957) pp. 229—236. L'auteur Studie les £v£nements
des annyes 180—190 ap. J.-C., mais son raisonnement est sain et on peut l'appliquer
k la pöriode qui nous occupe ici. Les routes que suivent les peuples sont les memes; deux
sifecles ou plus n'y changent rien.
15. VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 343

Les premieres tribus slaves arriverent en Dacie au cours de la premiere


moitie du V I e siecle 88 ; elles constituerent le facteur decisif dans la ruine des
villes aussi bien que dans la dislocation de la romanite. Mais les premiers
elements slaves ne commencerent k penetrer dans la langue roumaine que
bien plus tard, apr£s le V I I I e siecle. Le fait se comprend si l'on pense au
climat psychologique qui existait entre les maitres du pays et les nouveaux
arriv6s". Pour ce qui est de la toponymie slave de la Dacie, il faut tenir
compte des criteres suivants: i ° Certains toponymes daces ayant un phone-
tisme proche des racines slaves apparentees ont ete «captes» par ces der-
niöres, 2° un grand nombre de toponymes daces ou latins ont ete traduits 100 .
Le pre-romain *terg, *trag constitue un exemple de cette «captation».
Les toponymes slavo-roumains si repandus Targsorul, Tdrgul, Targoviste
s'expliquent, selon nous, par l'appui qu'ils ont re$u de l'existence en rou-
main d'un appellatif phonetiquement voisin du v x . si. trügü. La survie du
terme depuis une epoque lointaine jusqu'ä l'arrivee des Slaves qui l'ont
relanc6 n'a rien d'improbable. A l'origine il signifiait «la place du marche» et
ce n'est que plus tard au Moyen-Age, lorsque le processus d'une nouvelle
urbanisation etait en bonne voie, que targ a pu prendre le sens de «ville du
marche». D'autreselementslexicauxroumains, telsnegot, cumpära, vinde, prep,
dator, tous d'origine latine, montrent que, en depit des conditions d'existence
certainement dures, les Roumains n'ont pas cesse d'exercer le commerce 102 .
Pourtant ce n'est certainement pas aux Slaves qu'echut le röle de commen-
cer l'urbanisation des pays roumains; il n'etait pas dans leurs habitudes
98 Le probl^me de la p6n£tration des Avars en Pannonie a έίέ traits ci-dessus dans

le volume 2 p. 238. Cf. de plus: K. Horedt, Avarii in Transilvania, dans Contrib. ist.
Trans, pp. 61—108. Le chapitre respectif de Istoria Romlniei, 1 pp. 714—722, contient
au moins une inadvertence. L'appel transmis par Michel le Syrien «sortez, semez et
moissonnez» ne doit pas etre attribui aux Avars mais aux Slaves. Le texte est clair cf.
F. Altheim ci-dessus 1 pp. 88—89. — Pour les Bulgares cf. D. Simonyi, Die Bulgaren
des 5. Jahrhunderts im Karpathenbecken, Acta Arch. Hung. 10 (1959) pp. 227—250.
Le röle des Slaves en Dacie est pr£sent£ de fa^on exagörie par Mme M. Cornea dans
Istoria Rominiei, 1 pp. 728—755. Comment peut-on conclure, si rapidement, des quel-
ques lettres isolies conserves ä l'itat fragmentaire sur le mur d'un atelier de Bucov
que «la population roumaine de cette r£gion avait adopts l'^criture slave et la langue
officielle slave d£s le X e siecle» ? (p. 747).
99 Voir l'attitude des chroniqueurs byzantins ä l'6gard des Bulgares et des Slaves.

Les Romans nord-danubiens ne pouvaient penser autrement. Dans ces conditions, il


est pour le moins imprudent de parier de paisible «symbiose slavo-roumaine».
100 γ Pärvan, Getica, p. 287. S. Pu§cariu, Lb. rom. pp. 305—-306.
101 D'aprfes Μ. I. Iordan, Nume pp. 161—162, il y a 40 toponymes ddrivis de tdrg.

102 S. Pop, Sin. cuv. tärg, p. 5.


344 DIE WENDUNG ZUM W E S T E N UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

de reconstruire des villes qu'ils avaient reduites en cendres103. Les έtablisse-


ments urbains slaves sont rares en Dacie: Bälgrai «la ville blanche», habi-
tuelle dans la toponymie des pays slaves, attestee en 1097 sous la forme lati-
nisee Bellegrata, traduite par la suite en hongrois, Fejervar et en allemand
Weissburg, se presente comme un cas isole104. Chez les Macedo-Roumains on
trouve: Gärdetsu, Vilardi, Gardik'i106. La presence de nombreux toponymes
Grädiste et Horodiste106 montre moins un etablissement slave quasi-urbain,
qu'elle ne confirme l'existence d'agglomerations autochtones. On trouve
les gradisii presque toujours k proximite d'anciennes ruines; selon nous elles
ne font que traduire cetate et *daua. Les premieres attestations sont tardives:
debut du X V e si£cle (1409, 1411, 1415); le terme slave 107 a ete, ä son tour et
de bonne heure, traduit dans certaines regions par le correspondent hongrois
vdrhely. Les nombreux noms de lieux Sali§te ( < si. selo «village» + le
suffixe collectif -iSte) sont plus caracteristiques de la toponymie slavo-
roumaine, puisqu'ils reftetent la predominance de l'habitat rural 108 . II convient
d'attirer l'attention sur le s6mantisme: seliSte ne veut dire autre chose que
„collectivite de maisons" 109 , etablissement provisoire depourvu d'organi-
sation defensive. On est loin du röle de fossatum et de ciuitas. C'est lä que
l'on peut surprendre la ligne de partage entre les deux civilisations.
Pour resumer, ce sont les Slaves qui, installes en Dacie et en Scythie
Mineure, ass6nerent le coup defrnitif ä. la vie citadine des deux provinces 110 ,
dont ils effacέrent les vestiges materiels et linguistiques. La seule contri-
bution slave au sauvetage de l'ancienne toponymie consiste en cela qu'elle
103 R . Vulpe, Hist. Dob. p. 383.
104 N. Dräganu, Romanii, p p . 505—509. S. Pop, Top. Sieb. p. 325.
105 Th. Capidan, Top. mac6do-roum. pp. 77, 118.
106 I. Iordan, Nume, pp. 264—265. Cf. aussi M. Stefänescu, Cuvintele Grädifte
§i Horodiste in toponimia romineascä, Arhiva 28 (1921) pp. 76—80.
107 II est exclu de pouvoir itablir, sur la base de ce toponyme, les zones de peuple-
ment slave en Roumanie. L'appellatif a pu etre employ^ aussi par la population rou-
maine.
108 I. Iordan, Nume, p. 216, donne 80 exemples. Chez Th. Capidan, Top. macedo-
roum., p. 104 on trouve seulement: Selisti, Selia, Seliu-di-nsus, Seliu-di-ngios.
109 J. Pokorny, Indogerm. E t y m . Wörterb. s. v . *sed- «sitzen». II n ' y pas lieu de
s'arreter aux autres appellatifs, «marchö, ville du marchö»: obor, panair, iarmaroc, etc.
leur fixation dans la toponymie est extremement reduite. Cf. S. Pop. Sin. cuv. tärg; la-
dessus E . Petrovici, Dacoromania 10 (1943) pp. 343—345.
110 Voir l'exemple parallele de l'Occident romain ού Ton assiste igalement ä une
destruction violente des villes autour des ann6es 450. N^anmoins, l'hiatus architectural
n'est pas aussi complet qu'en Orient. Ct. L. Harmand, Les origines des recherches
frangaises sur l'habitat rural gallo-romain, Latomus 19 (i960) pp. 5 3 9 — 5 5 4 .
15. V I L L E S , C A M P A G N E S E T R O U T E S 345

affermit les appellatifs apparentes (*terg, *trag, *trügü) ou qu'elle les tra-
duisit (cetate, *daua, gradüte). Les autres agglom6rations humaines (grad,
seliSte) ne montrent pas un commencement d'urbanisation ni l'organisation
defensive de l'habitat.
Apr£s les combats que les Hongrois livrerent aux Roumains, k partir du
X e si£cle, pour la conquete de la Transylvanie 1 1 1 , la vie de cette province
resta encore pendant quelque temps dominee par la Campagne. Habitants de
la steppe — comme les Slaves — les Hongrois n'avaient pas non plus les
moyens de developper une vie citadine d£s leur installation en Dacie Tra-
jane 112 . Ce sera lä le röle des colons allemands — hospites regis — appeles au
XIIe si0cle par le roi Geza II pour la d6fense du territoire. D e leur patrie mo-
sello-rh6nane, les «Saxons» apport£rent le systeme de l'organisation urbaine
qui, au cours des si£cles, devait faire täche d'huile et etre emprunte ä la fois
par les Hongrois et par les Roumains 1 1 3 . E n reconnaissant le röle que les
«Saxons» ont joue dans la fondation des villes transylvaines on η'εηΐένβ
aucun argument k la continuit6 latine en Dacie 1 1 4 . Pour qui connait le carac-
t£re dominant de la vie roumaine — l'habitat rural — le fait n'a rien d'6ton-

1 1 1 E . Lozovan, ci-dessus 2 pp. 240—241. De plus: K . Horedt, Etapele de pätrun-

dere a feudalismului maghiar in Transilvania, dans: Contrib. ist. Trans., pp. 109—131.
A corriger pp. 1 1 1 — 1 1 3 : les prisäci «lignes de fortification en bois» (hong, gyepü,
hungaro-lat. indagines) ne sont pas slaves (l'itymon de l'appellatif 1'est, certes, mais
cela ne change rien ä la question). N. Dräganu a d i j ä remarquö, Romänii p. 233, que
les premiferes attestations possMent un phon6tisme roumain.
1 1 2 Cf.: «Le Hongrois n'itait pas un peuple bätisseur de villes, la forme de vie

nomade apportie par lui d'Orient et continuie dans la 'puszta' i t ait tout l'opposö de la
vie urbaine». L. Makkai, Villes de Transylvanie, Budapest, 1940, p. 7.
1 1 3 T. Morariu, Das Deutschtum, in Siebenbürgen, dans: Siebenbürgen, 1 p. 71

ä 90. St. Manciulea, Die Städte Siebenbürgens, ibid. pp. 1 3 7 — 1 5 1 . Si l'on admet,
avec G. Kisch, une continuity germanique en Dacie du temps des G^pides jusqu'ä la
colonisation «saxone», il faut supposer que les Germains ont men£ pendant des siecles
la meme vie rurale que la population romane de Dacie car la toponymie ne fournit
aucun indice ä l'appui d'une vie urbaine germanique ä date ancienne. Cf. Germanische
Kontinuität in Siebenbürgen, dans: V o m Leben und Wirken der Romanen, Jena-
Leipzig, 1936, pp. 137—147.
1 1 4 Cf. L. Makkai, op. cit. p. 6: «Les Roumains, arrives plus tard, n'ont pas une

seule ville en Transylvanie» (!)


D'ailleurs les preuves arcl^ologiques de la continuity latine en Dacie apr£s l ' i v a -
cuation de 270 deviennent de plus en plus nombreuses. Cf. C. Daicoviciu, Gh. Stefan,
dans: Istoria Rominiei, 1 pp. 775—786. Sur la circulation des monnaies: K . Horedt,
Circulatia monetarä in Transilvania Intre 276—450 e. n., dans: Contrib. ist. Trans,
pp. 11—40. Μ. Macrea, une nouvelle inscription latine de Dacie datant du I V e sifecle,
Dacia n. s. 2 (1958) pp. 467—472. D. Protase, Un mormlnt din secolul V la Cepari
(Transilvania), Stud, cercet. ist. veche 10 (1959) pp. 475—485.
346 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

nant: il n'y a pas de villes roumaines anciennes parce que les habitants du
pays ont continue de vivre de fa£on anonyme ä la Campagne et sont venus
tres tard ä la vie urbaine 116 . On peut distinguer en Transylvanie les couches
toponymiques suivantes: i ° roumaine, laplus ancienne, comprenantlesnoms
des montagnes et des cours d'eau, a. l'exclusion des noms de villes 116 , 2° alle-
mande, comportant les noms des agglomerations urbaines et rurales plus de-
veloppees: -bürg, -stadt, -markt, -häusen, -hütten, -iorf, 3°hongroise, qui, dans
la majorite des cas n'est que la traduction ou l'adaptation des appellatifs
allemands ou roumains: -vor, -vdrhely, -falva.
Le nom «saxon» de la Transylvanie — Siebenbürgen — reflete la pre-
miere etape de re-urbanisation de la province. Les attestations les plus ancien-
nes datent du X I I I e siecle, et, vraisemblablement, l'on a affaire ä une tra-
duction des diplömes hungaro-latins: terra Septem urbium, terra septem ca-
strorum; l'adaptation slave correspondante est: Sedmihradsko, Sedmo-
gradska117. Les toponymes «saxons» sont normalement lies aux etablisse-
ments des colons; aujourd'hui encore la region habitee par eux depasse ra-
rement celle qui fut occupee par leurs ancetres; en revanche il subsiste peu
de chose des anciennes fortifications. On ne saurait enumerer ici tous les
noms de lieux «saxons»118. Selon la statistique dressee par Sever Pop 1 1 9 le
suffixe-ior/appar ait dansi30 noms de lieux,-burgdans28,-stadtdans8,-markt
dans 7. Ilyauraitä. ajouter les noms apparentes ä Siedler et Niederlassung, qui
montrent clairement le caract£re de colonies des etablissements «saxons»:
Sedhr, Durhs, Burglos120. Parfois le toponyme roumain comporte une legere
adaptation phonetique: Bdrgäu< Burgaum, ou une modification de structure,
1 1 5 Sur la Situation dimographique: K. Horedt, Considera^ii asupra situatiei demo-

grafice a Transilvaniei In Evul Mediu timpuriu, dans: Contrib. ist. Trans, pp. 41—47.
St. Pascu, Die mittelalterliche Dorfsiedlungen in Siebenbürgen, dans: Nouvelles 6tudes
d'histoire, Bucure§ti, i960, 2 pp. 135—148 + 1 carte.
1 1 6 Cette terminologie ne sera pas itudiee ici. Quelques toponymes urbains anciens

ne sont pas ä exclure, p. ex. Abrud, lä-dessus: E. Lozovan, Abrud et la mitallurgie de


l'or en Dacie, Revue int. d'onom. 13 (1961) pp. 277—285.
1 1 7 G. Kisch, Sieb, im Lichte d. Sp. p. 255. I. Lupa§, R^alitis historiques dans le

voivodat de Transylvanie, dans: La Transylvanie, Bucure§ti, 1938, pp. 167—169.


1 1 8 G. Kisch, op. cit. K. Horedt, Zur Siebenbürgischen Burgenforschung, Süd-

ostforsch. 6 (1941) pp. 576—614. W. Scheiner, Die Ortsnamen im mittleren Teile des
südlichen Siebenbürgen, Balkanarchiv 2 (1926) pp. 1 — 1 1 2 ; 3 (1927) pp. 113—172.
I. Borcia, Deutsche Sprachelemente im Rumänischen, Jahresb. Inst. rum. Sp. Leipzig 10
(1904) pp. 219—239.
1 1 9 Top. Sieb. p. 333.

120 G. Kisch, Sieb, im Lichte d. Sp. p. 247.

121 Ibid. p. 252.


15. V I L L E S , C A M P A G N E S E T ROUTES 347

l'abandon du suffixe par exemple: Fel}a < Felsendorf, Fr Aua < Frauen-
dorf122. La fortune des toponymes „saxons" a ete relativement restreinte;
confines surtout en Transylvanie, ils ne se sont pas generalises et con-
stituent une couche bien distincte. Mais les „Saxons" n'ont pas eu lemono-
pole de la defense du territoire; des toponymes comme Cetatea-de-Baltä,
Cetäfile, etc., pour ne plus parier des nombreuses Prisäci123 montrent claire-
ment l'organisation defensive des Roumains de Transylvanie 124 . Les docu-
ments hungaro-latins de 1427 consignent leurs obligations militaires 126 .
Les toponymes hongrois constituent une adaptation ou une traduction
des noms «saxons»; parfois il n'y a que changement de suffixe: -vdr ä la place
de -stadt, -vdsdrhely ä la place de -markt et -falva ä. la place de -dorf. On en
arrive ainsi ä avoir des series trilingues: Petersdorf, Peterfalva, Petrifäläu,
etc. 126 . Dans beaucop de cas la filiere de l'emprunt n'apparait pas claire-
ment; on ne peut pas toujours dire avec certitude que tel nom est la traduc-
tion de tel autre et non pas inversement. Le recours aux archives hongroises
ne tranche pas la question car les fonctionnaires qui les ont constituees ont
pu prendre toutes les liberies d'adaptation. Bien plus, le prestige de l'admi-
nistration etait tel que meme les habitants des villages roumains se voyaient
obliges d'adopter des noms qui n'etaient pas les leurs. Enfin, le chiffre des
toponymes hongrois ne peut nous fournir aucun indice sur le nombre des
conquerants; le montant des premiers n'a pas de rapport avec celui des se-
conds 127 . Dans ces conditions l'histoire de chaque toponyme doit etre faite
separ6ment et les donnees linguistiques proprement dites doivent etre
P a y e e s par l'archeologie et l'ethnographie. Dans certains cas l'analyse seule
suffit pour tracer la filiation. Ainsi Chitfäläu rend evidemment un Kisfalud,
mais notre equation s'arrete ici. Le dernier terme n'est-il pas, ä son tour, la
traduction d'un Sätuc ? On ne saurait le dire. De meme Timifoara provient
de Temesvdr, sax. Temesburg, mais l'ancien Tamasidaua128 n'explique-t-il

122 I. Borcia, art. cit.


123 Cf. supra n. 111.
124 Voir les fouilles d'une valeur exceptionnelle de la citi de More§ti sur le Mure?,

La couche la plus ancienne de la stratigraphie descend jusqu'au V I e sifecle: K. Horedt.


Importanta a§ezärii de la More$ti pentru istoria Transilvaniei prefeudale, dans: Con-
trib. ist. Trans, pp. 48—60.
125 S. Pop, Top. Sieb. p. 332; N. Dräganu, Romänii, pp. 269—270.
,2β W. Scheiner, art. cit. 2 e partie, p. 105 et pass.
127 S. Pu$cariu, Dacoromania 8 (1934—1936) p. 346.

128 Sa localisation en Moldavie möridionale, plutöt que dans le Banat, n'est pas

du tout certaine, ci. V. Pärvan, Getica, pp. 240, 267, 286, 750.
348 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

pas, k son tour, la forme hongroise? Le cas de Abrudfalva est clair: l'on a
ajout6 un suffixe au pre-romain Abrudia9. En dehors de -falva, qui ne corres-
pond pas toujours ä la realite ethnique, l'on doit reconnaitre la grande for-
tune de -vdros > roum. ora$. C'est le nom commun, de diffusion giner ale, d6-
signant la «ville». II est Ιΐέ au processus d'urbanisation qui commen9a au
lendemain de la fondation des principautes, accomplie, ne l'oublions pas, par
des Gmigrants roumains d'au-delä des Carpathes. Vraisemblablement ora§ a
6vinc6 tärg, qui couvrait autrefois une aire plus grande que l'actuelle 130 . On
retrouve -vir, -vdrad et -vdrhely dans les toponymes suivants: roum. Oradea-
Mare < hong. Nagy-Vdrad, sax. Grossvardein\ roum. Sighifoara < hong. Se-
gesvdr, sax. Schässburg; roum. Hunedoara < hong. Hunyadvdr, sax. Eisen-
markt, Eisenstadt', roum. Odorheiul Säcuiesc < hong. SzSkelyudvdrhely131. De
plus, on rencontre le hong. szdttds „habitation, hameau" dans SälajetSälägeni.
La toponymie allemande et hongroise de la Transylvanie est essentielle-
ment une toponymie urbaine. En döpit de l'6tat detiriore dans lequel les
toponymes roumains nous ont 6te transmis par l'administration hongroise
leur nombre est trois fois sup6rieur aux noms de lieux etrangers132. Ajoutons,
enfin, que les conclusions de l'ethnographie montrent que le village roumain
est du type le plus archa'ique — «dissocie» ou «agglomere» — tandis que les
villages allemands et hongrois accusent un caractere recent, de colonisa-
tion — «geometrique»133. La conquete hongroise de la Transylvanie, puis
sa colonisation par les populations «saxonnes» ont, d£s le haut Moyen-Age,
amorce une nouvelle urbanisation qui s'est developp6e assez rapidement. Au
debut, les Roumains ne participerent pas aux nouvelles formes de vie et
continuerent, pendant longtemps, ä mener leur existence rurale traditionelle.
Tournons-nous maintenant du cöte des principautes de Valachie et de
Moldavie. Leur fondation «officielle» aux X I I I e — X I V e sifecles, ä la suite de
la «descente» de seigneurs transylvains — selon les sources historiques ren-
forc6es par la tradition — ne contredit pas l'existence, avant cette date, d'une
vie roumaine dans ces regions134. Non seulement des groupements politiques
129 Selon nous (supra η. n 6 ) : obryza «coupelle» utilisie dans la fonte de 1'or.
130 S. Pop, Sin. cuv. tärg, p. 9 et la carte A L R I 1580.
1 3 1 S. Pop, Top. Sieb. p. 327. Γ. Iordan, Nume, pp. 265—266.

132 Ibid. p. 335.

133 R. Vuia, Le village roumain de Transylvanie et du Banat, dans: La Transyl-

vanie, pp. 709—795.


134 Dans la plaine valaque les fouilles ont identify, pour le X e sifecle la «civilisa-

tion de Dridu» aux caractferes bien d£finis. Cf. C. Daicoviciu, Gh. Stefan, dans: Istoria
Romlniei, 1 p. 785.
15- VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 349

locaux existaient avant la „descente" mais meme des centres importants y


etaient signales136. D£s la fin du X I I I e si£cle on rencontre enMoldavie les
cit6s suivantes: Baia, Siret, Suceava, Ν earn}. Au si£cle suivant leur nombre
s'accroit: Piatra, Roman, §cheia, Ιαμ, Härläu13β. En Valachie, Cämpulung
est signale137 en 1300. L'urbanisation qui se developpe ä. un rythme rapide
est d6terminee surtout par des besoins defensifs. Si l'on pouvait etablir une
statistique exacte on pourrait voir que le nombre des forteresses depasse large-
ment celui des villes proprement dites138. II est interessant d'£tudier sur la
carte leur emplacement strategique; elles suivent la crete des Carpathes et
les rives du Danube et du Dniester. Apr£s les forteresses, au deuxi^me rang par
ordre d'importance, viennent les monast£res, dont la plupart constituaient de
v6ritables reduits semi-militaires. Munis de solides murailles et de tours ils ont
offert un refuge sür k la population du voisinnage. C'est le cas de: Bistrifa,
Tismana, Cozia, Putna, Pobrata, Slatina, Sucevifa, Cisnädie139. Un dernier
point m6rite d'etre releve. Tant en Valachie qu'en Moldavie, la vie des habi-
tants des villes n'est citadine que partiellement. La majorite des Roumains
continuent k cultiver un champ ou un j ardin potager ä proximite de la ville
comme pour signifier que leur detachement de la terre n'est pas complet140.

En Dobroudja, au lendemain de la reconquete byzantine du X e si£cle, les


villes pontiques sont ä nouveau rappelees ä la vie par une activite commer-
ciale qui reprend au meme rythme qu'ä l'epoque ajicienne. La presence
135 Bibliographie des villes et des villages de Moldavie au Moyen-Age, cf. Stud,

cercet. ist. veche 10 (1959) pp. 208—209.


138 C. C. Giurescu, Ist. Rom. 2, 1 pp. 397—425; 2, 2 pp. 443—455. G. I. Brätianu,

Trad it ia istoricä despre intemeierea statelor romäne§ti, Bucure§ti, 1945, p. 230 ss.
Α Suceava existe la preuve archeologique de l'existence d'une population avant la
fondation de l'etat; eile se trouvait meme ä un Stade avance d'urbanisation. Cf. M. D.
Matei, Unele probleme !n legäturä cu inceputurile vietii orä§ene§ti la Suceava, Stud,
cercet. ist. veche 11 (i960) pp. 107—124.
137 C. C. Giurescu, Ist. Rom. 2, 2 pp. 431, 443.
138 G. Diaconu, Ο moldavskix krepostjax X I V — X V vv. («Sur les forteresses mol-

daves des X I V e — X V e siecles»), Dacia n. s. 3 (1959) pp. 535—552. Sur les fortifications
de la cit£ de terre de Bärlad, X V e siecle, cf. M. D. Matei, Date noi in legäturä cu cetatea
de pämint de la Birlad, Stud, cercet. ist. veche 10 (1959) pp. 117—134.
Α Cetatea Neamtului les caracteres architecturaux ne sont pas bien definis; il y a
une rencontre des styles ginois et polono-baltique. Cf. N. Constantinescu, Date noi Sn
legäturä cu Cetatea Neamtului, Stud, cercet. ist. veche 11 (i960) pp. 81—105.
Une description suggestive des fortifications de Suceava a et6 faite par Gelälzäde
Mustafa: fabaqät al-mamälik ve daragät al-masälik. Traduction: Ν. Beldiceanu,
G. Zerva Soc. Acad. Dacorom. Acta Hist. 1 (1959) p. 52.
138 C. C. Giurescu, Ist. Rom. 2, 2 p. 538.
140 Ibid. pp. 455—465.
350 D I E WENDUNG ZUM WESTEN UND I H R E GEGENSTRÖMUNG

effective de Byzance, ä partir du X e siecle 141 , la releve commerciale genoise


et venitienne aux X I I I e — X V e siecles142 et, enfin, la conquete du prince va-
laque Mircea 143 en 1387, font de la Dobroudja au cours du Moyen-Age une
terre en plein essor commercial et urbain. L a domination turque coupera
court ä ce regain d'activite qui ne pourra reprendre qu'au X I X e βίέοΐβ.
Les toponymes de Scythie Mineure nous ont ete transmis sous habit
slave, byzantin, italien, turc, suivant ainsi de pr£s la marche des influences
qui ont marque le pays. L a nomenclature antique a ete en partie aban-
donnee et en partie traduite. Le phonetisme des noms suivants postulent un
intermediaire slave: Drastor (Durostorum), Härsova (Carsiutn), Oltina (Al-
Una), Bäroi (Beroe)144. Voici des exemples typiques de traduction: Camena =
Petra, Cernavodä = AxiopolisliS. Tyras est rebaptise par les Byzantins Mau-
ροκάστρον, Tomis apparait en 950 sous le nom de Κω ν σ τ α ν τ ί α > Constanta1*6,
Histria disparait au V I I I e siecle pour commencer ä figurer dans les portu-
lans medievaux sous la forme Stravico < Istra vico (?), enfin au debut du
X I V « si£cle on voit surgir une Καλήακρα «la belle forteresse» 147 . A u x cites

141
R. Vulpe, Hist. Dob. p. 409. M. Sc. Lambrino a eu l'ambilitö de me faire part
des details suivants au sujet des fouilles de Razelm, dirigies en 1939 par Gr. Avakian:
«J'ai vu apparaitre au cours des fouilles une riche ceramique byzantine imaillie et
orn6e de dessins en couleurs. Je n'ai vu nulle part ailleurs dans notre Dobroudja une
ciramique aussi riche et vari6e. Faisant par la suite des recherches, mais seulement sur
la base des souvenirs, j'ai constats que cette ceramique nous faisait descendre au moins
jusqu'au X l l e siecle. Au cas oü ces matiriaux seraient publics ils constitueraient un
point de repfere supplimentaire pour la carte archöologique et historique de votre ötude»
(Lisbonne, le 30 novembre 1958). Ν. B. Nous n'avons pas connaissance de la publication
de ce materiel; il semble que son inventeur l'a άέροβέ ä la Residence Royale de Gala^i.
Des objets byzantins du X I I e siecle — ceramique, orfdvrerie, monnaies -— iden-
tiques k ceux de Dinogetia avancent jusqu'en Transylvanie n^ridionale. II existe deux
trisors importants, enfouis en 1150 ä Straja et ä Fägära§. Cette pinetration, que l'on
peut mettre en rapport avec la «route du sei» Bretcu-Poiana-Bärbo§i, montrerait non
seulement une döpendance ^conomique et culturelle mais peut-etre aussi des
rapports politiques. Cf. G. Bakö, Contributii la istoria Transilvaniei de sud-est in
secolele X I - X I I I , Stud, cercet. ist. veche 12 (1961) pp. 113—119.
142
Cf. E. Lozovan, La toponymie roumaine dans les cartes et les portulans Ita-
liens, Revue int. d'onom. 13 (1961) pp. 185—192.
148
Parmi les matiriaux non-publi6s de Razelm il y avait aussi deux trisors moni-
taires du X I V e sifecle, de Mircea et de Petru al Mu;atei (communication de Μ. Sc. Lam-
brino).
144
R. Vulpe, Hist. Dob. p. 385 ss.
145
V. Georgiev, Die Herkunft der Namen der größten Flüsse der Balkanhalb-
insel, Ling. balk, ι (1959) p. 12.
148
Constatin Porphiroginfete, De adm. imp. 9.
147
C. C. Giurescu, Ist. Rom. 2, 2 pp. 428—432.
15. V I L L E S , CAMPAGNES E T R O U T E S 351

pontiques il y a lieu d'ajouter les villes danubiennes: Chilia, Vicina, Sf.


Gheorghe, Tulcea, Isaccea, Babadag, Turtucaia — toutes assez recentes mais
cependant anterieures ä la fondation des principautes148. Le byzantin Κάστρο ν
apparait dans des variantes innombrables: Castri, Castrizi, etc.149. Dans le
coman Zanauarda on retrouve un suffixe touranien apparente ä -vdr1M.
Dans Galap il faut voir, avec Al. Philippide, le coman galat, arabe kaVat
«forteresse» et non un improbable et laborieux serbe Galac, selon l'explica-
cion de Ν. Dräganu 151 . Le contexte archeologique vient appuyer cette ety-
mologie: nous sommes en zone byzantine de fortifications que les Comans
ont connues par leur propre experience. De plus, cet appellatif n'est pas isole;
voir Calachioi — Capidaua et, plus en amont sur le Danube, Caracal «Ca-
strum nigrum». Enfin, la premiere attestation hungaro-latine de Gälap
(Fägära?) est Galath (1396) qui exclut le phonetisme serbe. D'autre part,
l'hydronyme Gäläfui (Ialomifa), contenant le suffixe touranien caracteri-
stique -id, peut tres bien etre interprete comme «le lac de la forteresse», en
revanche il est difficilement traduisible par «le lac du nomme Galac». De
cette fa^on nous pouvons etablir en Scythie Mineure la suite ininterrompue
des appellatifs de la «forteresse»: -daua, Castrum, κάστρον, galat. Quelques
toponymes turcs qui montrent le caract£re passager des Etablissements car
ils sont derives de oba et atak «tente», meritent d'etre mentionnes: Hobaia,
Obad, Otaci, Ataki1S2.
La vie pastorale des Roumains balkaniques, apres leur separation du
tronc daco-roumain, a fortement marque leur toponymie153. Pour ce qui est
de l'habitat on rencontre quelques emprunts recents faits au turc et au
neo-grec: hoarä < χώρα «village»: Suhoarä; han «auberge»: La-hani15i.
148
Ibid. p. 432 ss.
149
Les attestations chez: N. Grämada, La Scizia Minore nelle carte nautiche del
Medio Evo. Contribuzione alia topografia storica della Dobrogea, Ephemeris Daco-
romana 4 (1930) pp. 230—232.
160
Ibid. p. 240.
151
Que le nom d'un personnage, historiquement inconnu, soit donnö ä un village
passe encore, mais qu'une grande ville en fasse son dponyme voilä qui est plus qu'im-
probable. Cf. Al. Philippide, Orig. Rom. 2 pp. 374—375. N. Dräganu, Romänii, p. 280
ä 281. I. Iordan, Nume, p. 229.
N. Iorga voulait expliquer par le touranien le nom de Kallatis, Hist. Roum. ι , ι p.
191. A ^carter cf. Vulic, R. E. s. v. qui renvoie ä Κάλλης, nom de riviöre.
152
A. Decei, Toponymie turque de la Roumanie, III e Congrfes Int. Top. Bruxelles,
1949, Actes 2 pp. 368, 371.
153
Ci-dessus 2 pp. 229—235. S. Dragomir, Vlahii, pp. 52—68.
154
Th. Capidan, Top. macedo-roum. pp. 83, 107.
352 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

Apparemment il en est de meme pour cälivä < καλύβα «hutte»:


La-cälive, Cälivili-mari, etc. 165 . Mais il y a les attestations anciennes.
Demosthöne (Chers., IV e Phil. 15) mentionne les «miserables trous de Thraces»:
Καβύλη. Etienne de Byzance (Ethn. s. ν. καλύβη) precise: πόλις Θράκης,
άποικος Μακεδόνων, τό εθνικόν Καλυβϊται ή καλυβεΐς. Strabon confirme
la meme tradition sur la vie pauvre des Besses de l'Hasmus16® Phoneti-
quement, les mots macedo-roumain cälivä, daco-roumain colibä ne peuvent
remonter au terme ancien, qui aurait dü donner *cäriä. Les autres
formes sud-est europeennes sont: alb. koljube, turc koliba, bulg., serbe,
tch£que, pol. hong, koliba, ruth, kolyba. Nous avons done affaire ä deux
fili^res: -v- / -b-, selon le schema suivant 167 :
thrace καβύλη, καλύβη

I
neo-grec καλύβα
I
formes daco-roum. et balkan.
colibä, koliba
\
mac6do-roum..,
cälivä formes sud-est europeennes
La survie du terme dans la haute montagne est tres plausible; les «hut-
tes» y ont toujours existe meme au temps ou tout le pays connaissait une
intense urbanisation. Reste ä expliquer comment le phonetisme est de-
meurö inchange. Peut-etre les Thraces non-romanises ont-ils transmis le mot
directement aux Bulgares, ou ä un autre peuple, qui l'ont par la suite gene-
ralise dans les Balkans. Dans cette hypothese les «lois» phonetiques rou-
maines n'entrent pas en ligne de compte. II se pourrait done que les colibasi
des montagnes de Bran et les cälivari des pentes escarpees d'Albanie corres-
pondent aux antiques καλυβϊταί. Le sud-est europeen a change plusieurs
fois de visage, eux, ils n'ont pas bouge.
La terminologie des «routes» se presente comme une serie parallfele ä
celle des «villes». L'examen du reseau routier de la Romania Orientale158
156
Ibid. p. 59.
166
Oberhummer, R. E . s. v. Kabyle. N. Iorga, Hist. Roum. 1, 1 p. 72.
167
L'etymologie collegia «agrupaeiön de chozas pastoriles» proposie par Μ. Al.
Cioränescu, Diet. etim. rum. 2259, est bizarre. D'ailleurs l'auteur rejette systemati-
quement tous les mots du substrat.
158
M. J . - J - Hatt, op. cit. p. 94, a remarque au sujet de la Gaule que les routes ro-
maines desservaient mal la partie occidentale du pays ce qui eut pour risultat une
15. VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 353

nous 6claire, ä bien des £gards, sur la conquete militaire et spirituelle accom-
plie par Rome dans la r6gion danubienne, aussi bien que sur sa decheance.
L'idee est „dans l'air"; on y a fait maintes fois allusion 169 , mais on ne l'a pas
appliqu6e avec consequence 180 . Tel auteur affirmait de fa£on peremptoire
que «la cause premiere et decisive de la diversite des peuples et de la diver-
sfti des races, c'est la route que les peuples ont suivie. C'est la route qui cree la
race et qui cree le type social. La diversite de ces routes explique la diversite
des peuples d'Occident et ce qu'on appelle trop commodement le genie na-
tional de chacun d'entre eux» l e i . Meme si l'on £carte cette ambitieuse gSne-
ralisation on ne saurait nier le röle de «haute spiritualite» du reseau rou-
tier162. Selon qu'il se trouve sur une «grande route» ou en dehors d'elle, un
peuple est entraine dans le courant d'une civilisation ou il en reste
exclu 163 . C'est ainsi qu'eut lieu sur «la route de la soie» la rencontre du
monde indien et de l'hellenisme, d'oü est sorti le syncretisme greco-
bouddhique qui fit, par la suite, la conquete morale et artistique de la
Haute Asie1®4.

«lente et incomplete romanisation de la Normandie et de la Bretagne». Μ. P. Roma-


nelli adopte aussi pour 1'Afrique un point de vue g^ophysique, op. cit. pp. 317,324. De plus
cf. J. Baradez, Riseau routier de commandement, d'administration et d'exploitation
de la zone arrifere du limes de Numidie, dans: Limes Studien, Bäle, 1959, pp. 19—30.
159
Cf. S. Pu§cariu, Etudes de ling. roum. p. 21. G. Devoto, Storia della lingua di
Roma, Bologna, 1943, pp. 275—281. Β. E. Vidos, Manuale di linguistica romanza
Firenze, 1959, pp. 258—267.
Μ. E. Gamillscheg a relevi que la route Bordeaux-Narbonne (d'aprfes la Table Peu-
tingerienne) coincide avec certaines isoglossesgallo-romaines: Die Sprachgeographie und
ihre Ergebnisse für die allgemeine Sprachwissenschaft, Bielefeld-Leipzig, 1928, pp. 8—9,
carte 1.
1.0
Cela est dü ä l'inexistence d'un grand ouvrage de synthfese. Ön doit s'adresser
aux etudes par rigions. Cf. la s6rie: Quaderni dell'Impero. Le grandi strade del mondo
romano. Istituto di studi romani. De plus: G. Stadtmüller, Das römische Straßennetz
der Provinz Epirus Nova und Epirus Vetus, Historia 3 (1954—1955)· Bibliographie τέ-
cente pour le Norique et la Pannonie par Β. Saria, Historia 1 (1950) pp. 460—462.
1.1
E. Demolins, Comment la route crie le type social. I. Les routes de l'antiquiti,
Paris, 1901, pp. VII—-IX.
1.2
R. Grousset, Les grandes routes du commerce et leur influence dans l'art, dans:
L'homme et son histoire, Paris, 1954, PP· — 2 °3- Dans μη brillant livre posthume
Andr6 Siegfried a fait appel aux analogies du domaine midical: Itiniraires de contagion.
Epidimies et ideologies, Paris, i960.
163
Cf. A. Aymard, J. Auboyer, Rome et son empire, Paris, 1954, ΡΡ· 6i2—619.
F. Altheim, Gesicht vom Abend und Morgen, Frankfurt a. M., 1954, pp. 30, 92.
164
R. Grousset, pp. cit, p. 179 ss. L ' i t a t de la question : D. Schlumberger, Descen-
dants non-miditerran^ens de l'art grec, Syria 37 (i960) pp. 131—166, 253—319.
23 Altheim, Hunnen V
354 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

Dans les provinces danubiennes, comme partout ailleurs, le trace des


routes a un caractfere permanent, mat6riellement vGrifiable166. Les voies du
commerce ä la premi0re p6riode du fer se trouvent en dessous du reseau
romain et les chemins de fer actuels suivent le meme trajet prehistorique:
trois mille ans n'y ont presque rien change186.
L'expansion de la civilisation villanovienne, au premier mill6naire av.
J.-C., avait fraye le chemin äla conquete romaine167. Les courants economiques
et culturels amorces alors ont pu etre interrompus έ. plusieurs reprises au
cours des millenaires suivants — quelques fois pendant des siecles — mais la
direction suivie ä. chaque nouveau depart a toujours ete la meme. La «mous-
son» culturelle de la Mediterranee s'avance irresistiblement vers la zone de
basse pression carpatho-danubienne.
C'est vers le cceur de la Dacie que se dirigeaient les routes italiques, qui
suivant les cours de la Drava, de la Sava et du Danube, franchissaient les
Carpathes et aboutissaient, en remontant le Mure§, les Cri$uri et le Some§,
jusqu'en Moldavie et au-delä, dans la Podolie actuelle. De l'ouest venait
la route alpine du Norique 168 . Les bras de ces tenailles se rapprochaient
au nord de la Dacie, ä Carnutum et aux sources du Dniester, d'oü partaient
vers la Baltique les «routes de l'ambre» iee . Ainsi toute cette rtgion ne pouvait
6chapper k la romanisation car, plus que des marchandises, les caravanes
acheminaient des idees et des faits de civilisation170.
La ρέηέίration commerciale de Rome en Dacie a commence au II® si£cle
av. J.-C. 171 , mais c'est surtout l'ouest et le sud-ouest du pays qui ont parti-
cip6 ä. cette activity intense; la Scythie Mineure et la r6gion k l'est des
1,6 A. Siegfried, op. cit. p. 31: «dans le desert le camion automobile retrouve les

traces millinaires des caravanes.»


1,4 J. Cvijid, La pininsule balkanique. Geographie humaine, Paris, 1918, p. 21.

187 E. Dunäreanu-Vulpe, L'espansione delle civiltä italiche verso l'Oriente danu-

biano nella prima etä del ferro, Ephemeris Dacoromana, 3 (1925) pp. 58—109.
II existe une deuxifeme direction de p6nitration, S.-N. On trouve des £p£es myci-
niennes en Transylvanie. K. Horedt, Siebenbürgen und Mykenä, dans: Nouv. et.
d'hist. 2 pp. 31—44.
ιβ8 y p^rvan, Getica, p. 606. Ch. Picard, Les voies terrestres du commerce hall-
stattien, Latomus 19 (i960) pp. 4091—428.
1 , 8 Sir Mortimer Wheeler, Rome beyond the imperial frontiers, London, 1955,

chap. 3, carte 2.
170 V. Pärvan, loc. cit.

171 Ci-dessus, 2 p. 198 n. 2. De plus: B. Mitrea, Legäturi comerciale ale geto-dacilor

din Muntenia cu Republica romani, Stud, cercet. numis. 2 (1958). D. Tudor, Oltenia,
pp. 23—27.
15. VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 355
Carpathes, resties un peu k l'ecart, ont echu en partage aux marchands
grecs 1 ' 2 .
Ce n'est que la conquete militaire des deux provinces qui a άοηηέ le
signal d'une activity febrile, tant sur le plan de l'urbamsme que sur celui du
n6goce. Les premieres routes du littoral pontique datent des Flaviens 1 7 3 ,
Celles de Dacie, de Trajan meme 1 7 4 . Elles ont constitui un έΐέηιεηΐ essentiel
de la romanisation, car, par leur intermediate, les provinces danubiennes
ont 6t6 reliees & l'Italie et au reste de l'Empire 1 7 ® d'une manure sure et ra-
pide. L a remarque d'Aurelius Victor est pertinente: [A Traiano est] iter
conditum per feras gentes, quo facile ab usque Pontico mart in Galliam per-
17β
meatur (De Caes. 13) . Les trois principales art6res 177 sont les suivantes:
I. Viminacium-Tibiscum, II. Dierna-Porolissum, III. Drubeta-Apulum.
Ces routes strat6giques, compl6t£es ult6rieurement par un reseau secondaire,
ont vraisemblablement έΐέ trac0es par Trajan en personne 178 . II serait exa-

172 γ pjrvan, Getica, pp. 607—610. B. Mitrea, Monedele ora§elor Dyrrachium §i


Apollonia in Moldova, Stud, cercet. numis. 2 (1958), pp. 27—93. — Pour le premier
stecle ap. J.-C. nous avons le timoignage d'Ovide. Les contacts avec l'Italie itaient
rares ä. Tomes (Pont. 3, 4, 59—60).
173 R. Vulpe, Hist. Dob. p. 165.
1 , 4 Le premier milliaire mis au jour sur la route Potaissa-Napoca est de 108.

Ε. Panaitescu, Le grandi stradi romane in Romania, Roma, 1938, p. 7.


En 109 e'est Q. Pompeius Falco qui remplissait le röle de curator uise Traianse.
Cf. D. Tudor, Q. Pompeius Falco, Governor of Britain, in a newly-found inscription,
Eunomia 2 (1958) pp. 60—64.
l w Sur les ramifications sud-danubiennes voir: D. Concev, Novye dannye ο

rimskoj doroge Filippopol'-Esk-Dakija («Donnies nouvelles sur la route romaine


Philippopolis-CEscus-Dacie»), Vestnik Drev. 1st. 1 (1958) pp. 164—168. id., La voie
romaine Philippopolis-Sub Radice, Latomus 18 (1959) pp. 154—170. D. Nikolov, Nou-
velles donnies sur la grand'route de Philippopolis ä CEscus, Studia-Dedev, pp. 285—288.
Description du riseau. E. Panaitescu, op. cit. R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 164—-172.
V. Christescu, Viata economicä a Daciei romane, Pite§ti, 1929, pp. 96—110. id. Istoria
militarä a Daciei romane, Bucure§ti, 1937, pp. 104·—114. D. Tudor, Oltenia, pp. 43—53.
l 7 · Sur l'approvisionnement en bl£, en provenance de la Gaule, par bateaux sur le

Danube cf. H.-G. Pflaum, Lybica 3 (1955) P· I 4 1 ·


177 D'aprts la Table Peutingerienne, έά. Κ. Miller, Ravenburg, 1888, les sέgments

VII et VIII.
1 7 8 R. Paribeni, Optimus Princeps, Messina, 1927, I p. 319. Une sc&ne de la Co-

lonne Trajane reprisente des legionnaires en train de construire une route. Cf. C. Ci-
chorius. Die Reliefs der Trajanssäule, Berlin, 2 pp. 257—261. Ceci est confirm6 par Dion
Cassius (Epit. 71, 3): les 16gionnaires itaient rompus ä. la construction des ponts et
des routes. La route Philippopolis-Noum portait le nom de Trajan. La designation
actuelle, qui n'est qu'une traduction, Trojanska p&teka, apparatt en 601. Cf. C. Jireöek,
Die Heerstraße von Belgrad nach Constantinopel und die Balkanpässe, Praha, 1877,
p. 157. Sur la uia Egnatia voir Strabon (7, 7, 4).
23·
D I E
356 W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

g6r6 de croire que l'importance müitaire de la Dacie prenait le pas sur l'eco-
nomique179. La mainmise par Trajan sur le tresor des rois daces, aussi bien
que l'essor qu'il a imprime aux exploitations aurif£res des montagnes tran-
sylvajnes ont permis un veritable redressement έοοηοη^υε de l'Empire k
une 6poque de crise aigue180. Mais cela n'etait que l'aboutissement d'un long
processus de penetration. D6s 180 av. J.-C. les marchands italiques avaient
avance dans rillyricum, la Pannonie et les Mesies181. Aprfes la conquete, le
trafic s'est vite d6veloppe pour atteindre le maximum aux I I e — I I I e si£cles
ap. J. C.18a. La presence en Dacie de marchands originaires de regions assez
eloignees -— Bithynie, Galatie, Syrie — d'une part, et l'etablissement de
commerijants daces k Salona183, Nendinum et Mythil&ie, montrent un rayon-
nement dans toutes les directions184. Le trafic, k travers la Dalmatie, arri-
vaitjusqu'enAfrique 185 . L'importance economique de laDacie 18e explique done
l'extension rapide du reseau routier, lequel est — du point de vue qui nous
occupeici—l'instrument de la romanisation et de Γ integration linguistique.
Voyons maintenant la terminologie de la «route» et sa posterit6 dans les
langues romanes. Par rapport k l'indoeuropeen, qui ne connaissait que le
gue, le latin a developpe un vocabulaire assez varie des voies de communi-
cations, qui suit de pr£s les etapes de la civilisation romaine. II y a les termes
pastoraux (callis), ruraux (semita, actus, limes, trames, uia, agger, strata, de-
uerticulum) et urbains (uicus, cliuus, fundula, angiportus, peruium, seals)187.
1 , 9 P. Charlesworth, Les routes et le trafic commercial dans l'empire romain, Paris,

1938, p. 181.
180 J. Carcopino, Un retour k l'impirialisme de conquete: l'or des Daces, dans: Les

6tapes de l'imp6rialisme romain, Paris, 1961, pp. 106—117.


in γ Parvan, Die Nat. der Kaufleute, pp. 31—33, supra, η. 171, 172.
182 C'est decette ipoque que datent la majoriti des inscriptions intiressant le com-

merce. V. Christescu, Viata ec. p. 127.


183 CIL III, 2086.

184 V. Christescu, op. cit. pp. 125, 129. — Selon Diodore (3, 34, 7) un vaisseau

ötait capable de couvrir la distance qui sipare la Miotide de l'Ethiopie en 24 jours. Certes,
il s'agit la d'un «record»,maisilprouvequelescommunications rapides dtaient possibles.
185 O. Densusianu, Hist. 1. roum. 1 pp. 208—213. — A Leptis Magna il y avait une

curia dacica. P. Romanelli, op. cit. p. 328 η. 1. N. Gostar, Curia dacica intr'o inscriptie
din Leptis Magna, dans: Omagiu lui C. Daicoviciu, Bucure§ti, i960, pp. 259—265.
188 II y a lä un point de vue qui a toujours 6t6 accepts et amplement άένείορρέ par

l'historiographie roumaine. Cf. V. Christescu, Via^a ec. pp. 96—130. L'interpritation


marxiste n'apporte strictement rien ä la question (cf. D. Tudor, dans Istoria Romlniei,
1 ΡΡ· 396—417), si ce n'est 1'attitude anti-romaine qui ne voit dans le grand peuple civi-

lisateur que des bandes de pillards.


187 J. Andri, Les noms latins du chemin et de la rue, Revue des etudes latines 28
(1950), PP· 104—134.
15- VILLES, CAMPAGNES E T R O U T E S 357

Quelque-uns seulement parmi ces termes ont έίέ gard6s dans les langues ro-
manes et encoreleur diffusion n'est-elle pas generale188. Certains comportent un
changement semantique notable189. Enfin, quelques innovations constituent
des ph6nom£nes regionaux: strata, rupta uia et calciata1β0.
Les seuls termes latins191 design ant la «route», gard£s par le roumain
sont cattis > cale et carraria > cärare192. Tous les autres ont disparu et le
fait n'a rien d'etonnant. A l'exception de ma193, evinc6e peut-etre par
l'homophonie avec vie < uinea «vigne», les designations li£es έ. un niveau
de vie superieur184 ont έίέ abandonees k la suite de la reconversion sociale.
Plus de platea ni de camtninus19B, lä oü les Romans dechus reviennent k 1'exi-
stence rurale et pastorale; les «sentiers» pour les moutons et les charriots
188
Cliuus (REW 1993); iter (REW 4555); limes (REW 5048); semita (REW 7813);
frames (REW 8848); uia (REW 9295). II n ' y pas de monographie onomasiologique dans
chacune des langues romanes. Ci. seulement: A. Griera, Algunas designaciones del
concepto «via» en catalin, Via Domitia (Toulouse) 1 (1954) pp. 1—4.
188
Uicus, uiculus (REW 9316, 9318). A classer ici le sens sp6cial du roum. plai
< plagius (REW 6564) «sentier de montagne» dont le d^veloppement n'a pu avoir lieu
que dans un milieu pastoral. Voir la carte ALR I 803, chez: S. Pop, Problfemes de g^o-
graphie linguistique, Revue des i t u d e s indo-europ^ennes 1 (1938) p. 73, carte 8. — On
retrouve cet appellatif dans lä toponymie de la Pologne miridionale: Runa-Plaj, Plaj,
Plajek. S. t u k a s i k , Pologne et Roumanie, Paris 1938, pp. 260—261. Pour les Mac&lo-
Roumains cf. Th. Capidan, Top. macido-roum. p. 99. — N. Iorga, Hist. Roum. 2 p.
411 n. 1., citait l'attestation de Theophanes (έά. Bonn p. 549) — π λ ά γ ι α — et ίηνο-
quait le terme midio-latin plagse. L'influence des iormes savantes est peu probable
dans le cas d ' u n mot si populaire.
1,0
R E W 8291, 7452. J . Vannirus, Calciata et calcipetra, Arch. lat. med. aevi 18
(1943—1944) pp. 5—24. A. Dauzat, chaussie, Fr. mod. 9 (1941) pp. 41—45. La route
Lycostoma-Möncastro est appel6e strata en 1450 (A. Delatte, Les portulans grecs,
Lifege-Paris, 1947, P· 2 3 2 ) · Mais le mot roum. stradä ne peut remonter au bas-latin
pontique; son phon^tisme est italien (par l'mtermidiaire ηέο-grec ?).
191
On pourrait mentionner aussi chei < clauis «gorges, cafion»: V. Buescu, Rev.
6t. roum. 5—6 (1957—1958) pp. 146—152, mais le sömantisme est assez äloigne de
notre thfcme. II en est de meme des nombreuses clausuree balkaniques, gr. κλεισούρα
macido-roum. clisurä.
1,2
R E W 1520, 1718. — ALR I I n. s. carte 408. — Ailleurs dans la Romania ces
termes apparaissent dans les regions pastorales, en Italie p. ex.: via carale, G. Serra,
Lineamenti di una storia linguistica dell'Italia medioevale, Napoli, 1954, 1 Ρ· Γ 75·
193
Encore vivante au VI e sifecle, si le toponyme Βία (Hsemus) mentionn6 par
Procope (De ®d. 4, 11) la reflfete.
181
Ou bien la terminologie des professions a b a n d o n e e s et qui se röveiait sans
objet. Voir, p. ex., la disparition des mots lids k la peche et k la vie maritime: E. Lozovan,
Autour des rapports pontico-m£diterran<;ens, Bollettino dell'Atlante ling. med. 2—3
(i960—1961).
184
Κάμινος est attests en Mac6doine, Procope, De eed. 4, 4.
358 D I E WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

suffisent 198 . Le roman tardif rugau1 ne put plus se frayer un chemin jusque
dans les r6gions orientales; il s'arreta dans la p6ninsule balkanique: alb. rouge,
gr. £ούγα, mac6do-roum. arugä, ce dernier avec le sens specialise de «entree
de l'enclos oil l'on trait les brebis». De meme le mot bas-latin pontique
carubius «siue uia», comme il est defini dans les actes de P£ra198, reste con-
ίΐηέ k la langue artificielle des transactions commerciales.
Les faits linguistiques qui precedent ne prenent tout leur relief que si on
les εοηείάέΓβ en rapport avec les realites humaines et g6o-physiques de la
region danubienne; toute conclusion historique qui les negligerait risquerait
d'etre incomplete, voire fausse ä certains egards. Le relief du sud-est euro-
ρέεη est eloquent par lui-meme. La peninsule, ouverte vers le nord, offre
deux grandes portes d'invasion: les plaines de Pannonie et de Scythie Mi-
neure199. Les routes longitudinales ont toujours joue un röle militaire; les
envahisseurs qui les ont utilis6es ont riussi k y prendre pied. Par contre, les
routes transversales ont peu servi k la penetration etrang^re200. Le grand
probteme des peuples conqu6rants a ete l'occupation des points stratigiques:
les values et les noeuds routiers. La voie Morava-Marica-Constantinople,
la uia militaris des itineraires romains, la carski put des documents serbes,
la Stambouljol de l'empire ottoman, resta pendant des si£cles la plus impor-
tante de la region. En somme, la lutte pour la possession de Sirmium, Singi-
dunum, Naissus et Serdica fut la lutte meme pour la domination de la penin-
sule. Malheureusement il n'y pas que les invasions que cette r6gion eut k
affronter; elle dut aussi subir les consequences morales des rivalit6s et des
m6sententes des deux parties de l'Empire. Aux destructions mat6rielles
s'ajout^rent les devastations spirituelles. Ce fut pendant de longs si£cles «le
schisme dans l'äme» selon l'expression de Μ. Arnold J. Toynbee. Theotmar,
evfique de Salzbourg rdsumait ainsi la situation dans sa lettre au pape Jean I X :
Communis gemitus et generalis dolor angustat quos Germania et tota tenet
Norica, quod unitas Ecclesix diuiditur scissura201. La longue lutte pour
la possession de l'lllyricum, au point de vue administratif ou ecclesiasti-

1M S. Pu$cariu, Lb. rom. p. 319.


1,7REW 7426. P. /Ebischer, Ruga «rue» dans les langues romanes. Rev. port. fil. 4
(1951) p. 183.
198 G. I. Brätianu, Actes des notaires genois de P6ra et de Caffa de la fin du XIII e

si^cle (1281—1290), Bucure$ti, 1927, no8 41, 50, 332.


199 Ci-dessus 2 pp. 235—239.

200 J. Cvijii, op. cit., pp. 17—18, 85—89.

801 PL 131, col. 38.


15. VILLES, CAMPAGNES ET ROUTES 359

que202 et qui se termina par un partage, represente, en d'autres mots, l'affaiblis-


sement, puis, l'eclatement de l'unit6 de la civilisation et de la langue latines.
La Pr6valitaine, la Dardanie et la Misie Sup£rieure resterent sous la domi-
nation imp6riale jusqu'au VI® si£cle. La Dalmatie fut reconquise par Ju-
stinien, ce qui signifie la continuation des rapports de toute sorte203. Les
itiniraires des IV«—VIII6 stecles continuent έ mentionner les etapes de ces
r6gions. L'ltinerarium Buriigalense204 donne comme principaux arrets les
villes depuis Aquilea jusqu'ä. Philifpopolis. Au g6ographe anonyme de Ra-
venne la contree n'est pas non plus inconnue206. N. Iorga semble done avoir
raison lorsqu'il affirme que, en depit des destructions, la circulation n'a
jamais cesse dans la peninsule204. Les envahisseurs n'ont pas complement
empech6 le commerce des autochtones qui avaient survecu aux destructions.
Dans beaucoup de cas ils ont employe eux-memes les vieilles routes207.
Pour la population romane, appauvrie et morcelee, la destruction par-
tielle des routes comme des principaux centres urbains posait le probteme
d'un nouvel equilibre social. Sans risque d'erreur on peut supposer que e'est
ä cette 6poque de reconversion que remonte l'6tablissement d'un nouveau
systeme routier fondd sur le «sentier» pastoral. Celui-ci suivait les voies lon-
gitudinales de la peninsule et les cretes des montagnes. II a öiormement contri-
bu6 k l'unit6 linguistique des groupes eparpilles de Roumains; son importance
ressort du grand nombre d'expressions dans lesquelles il est employe208.
II a fallu attendre un certain temps pour que le byz. δρόμος > roum.
drum «chemin» fit son apparition et se generalisät. L'etymologie pose quel-
202
V. Grumel, L'Illyricum de la mort de Valentinien I e r (375) έ, la mort de Stilicon,
Rev. 6t. byz. 9 (1951) pp. 5—46. F. Dvornik, La lutte entre Byzance et Rome k propos
de l'lllyricum au I X e sifecle, dans: Melanges Ch. Diehl, 1 pp. 62—64, 80.
208
C. Jireiek, Der Handelstraße und Bergwerke von Serbien und Bosnien während
des Mittelalters, Praha, 1879.
204
6d. P. Geyer, Wien, 1898, pp. 8—11. D'apres Kubitschek, R. E. vol. 9, p. 2351
col. B, il date de 333 ap. J.-C.
206
Cosmographia, έd. M. Pinder, G. Partey, Berlin, i860, IV, 6—20. Voir les t i -
moignages, plutöt nögatifs, de Venantius Fortunatus, ci-dessus 2 p. 239, n. 79.
208
N. Iorga, Points de vue sur l'histoire du commerce de l'Orient au Moyen-Age,
Paris, 1924, pp. 3—24.
207
L. Niederle, Manuel de l'antiquiti, slave Paris, 1923, 2 p. 250.
208
Academia Romänä, Dic^ionarul limbii romane, s. v. cale. S. Pu§cariu, Lb. rom.
ΡΡ- 3 T 9—321. Th. Capidan, Top. macMo-roum. p. 59.
II n'y a pas lieu d'examiner ici —- et nos conclusions ne souffriront pas k cause de
cette lacune — d'autres termes de moindre diffusion tels: potecä, häfis, pdrtie, sleau.
Iis disignent des voies de communications assez rudimentaires.
360 DIE WENDUNG ZUM WESTEN UND IHRE GEGENSTRÖMUNG

ques difficultes. O. Densusianu avait cru pouvoir le rattacher au lat. dromus,


atteste dans une seule inscription avec le sens de «Stade»209. Mais la phonö-
tique — le traitement ο > « e s t inhabituel en roumain — aussi bien que le
semantisme s ' y opposent. C. Diculescu a tourn6 la difficulty en proposant
une forme ionienne δροΰμοξ 2 1 0 , solution qui n'est pas plus satisfaisante. II
semble plutöt qu'on ne peut separer roum. drum des formes bulg. drum et
alb. dhrom, empruntees au moyen-grec 2 1 1 . Le traitement phonetique nous
renvoie aux X e — X I e siecles 212 . L'on a done affaire ä un emprant de culture
fait par les peuples balkaniques k une epoque oü Byzance representait la civi-
lisation par excellence. Pour ce qui est du roumain, l'epoque oü drum a e t e
emprunte coincide avec la nouvelle urbanisation du debut du Moyen-Age.
C'est alors que, peu ä peu, le vieux systeme routier a recommence
k etre utilise 213 . A v e c l'epanouissement de Venise et de Raguse les routes
transversales reprennent de l'importance 214 . La vieille route imperiale de
Byzance, devenue put moravskyj, est doublee par un reseau de navigation
fluviale. Le commerce, aussi bien que les voyages de toutes sortes — pele-
rinages, croisades — se developpent 2 1 6 . Mais ä l'epoque de ce retablissement
des communications la romanite etait dejä disloquee. Une reconstitution
n'etait plus possible; tout au plus les migrations pastorales periodiques ont-

208 O. Densusianu, Hist. 1. roum. ι p. 200. Quoique D. renvoie ä Gruter 339, sa

source est A. Forcellini, Lex. tot. lat., s. v. drotno: «item locus in quo exercitationis
causa aurigse currebant». Voir aussi Du Cange, Gloss, lat. s. v. dromus «via, sernita».
La citation (anno 1144, Vetus Notitia sub Rogerio Rege Sicilise) n'est pas concluante
pour nous.
210 C. Diculescu, Elemente vechi grece§ti din limba romtnä, Dacoromania 4 (1924

ä 1926) pp. 419—420. — M. D. Gäzdaru suggfere, Cug. Rom. 6 (1957—1958) p. 176


une origine pr£-romaine, qui est encore ä dömontrer. Voir le nom de la riviere Dre(η )con
( = Bega) que Μ. I. I. Russu rattache k δραμείν «courir» Cercet. ling. (Cluj) 2 p. 256
ä 258. II y aurait un parallölisme dans macido-roum. viä «lit de rivifere».
211 Kr. Sandfeld, Linguistique balkanique, Paris, 1930, pp. 29, 33.
212 I. Bärbulescu, Originea cuväntului drum in limba romänä, Arhiva 35 (1928) pp.

119—122. Al. Rosetti, M£langes, p. 347. Th. Capidan, Top. mac6do-roum. p. 71.
213 L. Niederle, Manuel, 2 pp. 245—251.
214 J. Cvijid, op. cit. p. 85. La pinötration de Raguse s'itend jusqu'ä Bra§ov qui

constitue une veritable plaque tournante. Cf. R. Manolescu, Le röle commercial de la


ville de Bra§ov dans le sud-est de l'Europe au XVI e siöcle, dans: Nouv. £t. d'hiat. 2 pp.
207—220; Fr. Fall, Relatiile comerciale dintre bra$oveni 51 raguzani (cu documente
inedite despre negotul llnei In anul 1578), Revista arhivelor, n. s. 1 (1958).
215 C. JireCek, Heerstraße, pp. 58, 62, 69, 75.
211 II serait intöressant de tracer la ligne de partage dialectal dans cette rögion.

Mais malheureusement l'dtude de la langue des inscriptions ne peut nous aider. Voir
15- V I L L E S , C A M P A G N E S E T ROUTES 361

elles pu maintenir une certaine unite linguistique, plus lache au sud du


Danube, presque complete au nord du fleuve.
Nous voilä. au centre du probl£me qui nous occupe ici, ä savoir l'influence
exerc^e par le syst£me routier sur le developpement de la romanit6 Orientale.
L'implantation de la langue et de la v culture latines dans les provinces ro-
maines danubiennes va de pair avec l'6tablissement du syst^me routier. Tant
que les routes ont men6 k Rome, le latin oriental ne courait pas un grand
risque de s'alterer. C'est au moment de l'occupation des nceuds routiers de
Singidunum, Sirmium et Naissus aux V I e — V I I e si£cles, que la differencia-
tion commen9a. Dans la Romania Orientale se form£rent deux zones delimi-
t6es par cette coupure. Le daco-roumain, les dialectes sud-danubiens et
l'albanais dans ses 61ements latins, constitu£rent un bloc unitaire avant leur
s6paration. Le roman de Pannonie et de Dalmatie fut entraine dans le cou-
rant des innovations occidentales216.

Telle est l'histoire du village militaire-paysan en Dacie et de la route qu'a


suivie la romanite. Des formes de vie pr6-romaines *daua, *qatona, *terg la
mont€e versr«r6sfutr6alis6eprogressivement,comme partout ailleurs dans le
monde m£diterraneen. Au «village ouvert» on ajouta l'heritage italique, le
fosse et les murs more etrusco. Mais «la cit£ est un creuset trop etroit pour y
refondre le monde»217 et l'ltat le plus parfait que le monde ait connu
s'6croula218 sous le choc des forces exterieures. La cite antique se replia sur
elle-meme, de l'empire du monde on revint au village, au fossatum et k la
ciuitas. Au nord du Danube on perdit jusqu'au souvenir de uia et iter; callis
et carraria constituferent les seules «voies» que devait emprunter la Rome
sans Rome. Le retevement coüta un mill6naire de peines et de tatonnements
etl'inspiration vintdu dehors. Le δρόμο; fux d'abord pave par Byzance — ce
l^ga i.aire universel du monde antique qu'on retrouve ä la base de tout 6difice
europ6en — mais, dans les Carpathes, la stait fut l'oeuvre de la Germanie 21 ·.

les conclusions de Μ. Η. Mihäescu, op. cit. pp. 268—269. L a dislocation est done un
phdnomfene de civilisation qui dchappe, pour le moment, aux precisions linguistiques.
Voir, toutefois, M. Deanovic, Remarques sur le systfeme phonologique de l'istro-
roman, Bull. Soc. Ling. Paris 48 (1952) pp. 79—83.
2 1 7 F. Lot, La fin du monde antique, p. 257. — E. Kornemann, Polis und Vrbs,

Klio 5 (1905) pp. 72—92.


2 1 β L. Homo, Les institutions politiques romaines. De la cit6 k l'dtat, Paris, 1927,

pp. 438—447. A. Aymard, J. Auboyer, Rome, p. 102 ss.


362 D I E W E N D U N G ZUM W E S T E N U N D I H R E GEGENSTRÖMUNG

Chapitre grave, qui inspire une meditation toujours recommencee, sa


conclusion a ete dejä ecrite en marge du destin, non moins tragique, de la
l a t i n o africaine. II n'y a rien ä changer pour qu'elle puisse etre appliqu6e ä la
Dacie: nessuno saprä sovrappore altro ordine e altra civiltä α quellt dati da
Roma220.
219 Ce fait Evident est clairement formuli par le chroniqueur Miron Costin

(1633—1691): «les villes [i. e. nos] presques toutes ont 6t6 fondles par des Saxons».
Lk-dessus, contra, sans arguments scientifiques cf. B. Cämpina et Μ. Berza, dans:
Istoria Rominiei, Bucure?ti, 1962, 2 p. 289.
220 P. Romanelli, op. cit. p. 662. — Ce nous est un devoir de rappeler ici le souvenir

de Sever Pop et de Ν. I. Herescu. Les pages ci-dessus leur doivent beaucoup.


BEILAGE

D I E SCHLACHT BEI D E N
BUSTA G A L L O R U M 552 η. CHR.

Innerhalb der gotischen Geschichte ist die Frage der örtlichkeit des
Treffens vom Frühsommer des Jahres 552 n. Chr., jener Schlacht zwischen
König Totila und Narses, die den Untergang der ostgotischen Herrschaft in
Italien einleitete, von besonderem Interesse.
Schon ein erstmalig 1957 erfolgter Besuch des betreffenden Gebietes
ließ erkennen, daß die folgenschwere Begegnung nicht nächst dem heutigen
Gualdo Tadino stattgefunden hat. Bei Prokop 4, 29 lesen wir:
ή τε 'Ρωμαίων στρατιά Ναρσοΰ ήγουμένου (ού) π ο λ λ ω ύστερον έν
τ ω δρει καΐ αύτοί τ ω Άπεννίνω ένστρατοπεδευσάμενοι Ιμενον, σταδίους
έκατόν μάλιστα τ ο ΰ τ ω ν έναντίων στρατοπέδου διέχοντες έν χωρίω
όμαλω μέν λόφους δέ άγχιστά π η περιβεβλημένφ πολλούς, ίνα δή ποτέ
στρατηγουντα Ρωμαίων Κάμιλλον τ ω ν Γάλλων όμιλον διαφθεΐραι
μάχη νενικηκότα φασί. φέρει δέ καΐ είς έμέ μαρτύριον τ ο υ ipyou τούτου
τήν προσηγορίαν ό χώρο? καΐ διασφζει τ η μνήμη τ ω ν Γάλλων τ ό
πάθος, Βουσταγαλλώρων καλούμενος, βοϋστα γάρ Λατίνοι τά έκ
της πύρας καλουσι λείψανα, τύμβοι τε τ η δε γεώλοφοι τ ω ν νεκρών
έκείνων παμπληθεΐς είσιν. —
Zunächst verwechselt unser Gewährsmann offenkundig verschiedene
historische Geschehnisse; er verbindet Camillus' Namen mit einem weit spä-
teren geschichtlichen Ereignis.
Der Römerfeldherr ist zweifellos eins mit M. Furius Camillus, der sechs-
mal Konsulartribun und angeblich fünfmal Diktator gewesen ist 1 . Prokops
Hinweis auf den glänzenden Waffenerfolg der Römer kann sich jedoch nur
auf die Geschehnisse während des dritten Samnitenkrieges beziehen; auf
die 295 am Ostabhang des picenischen (märkischen) Apennin bei Sentinum
(in agro Sentinati), im Gebiete des heutigen Sassoferrato, geschlagene
Schlacht. Den Berichten der antiken Historiker sind genaue topographische
1 Livius, 4, 58—61; 5, 1—24, 32; Plutarch, Cam., 5, 12; Diodor, 14, 93.
364 BEILAGE

Angaben nicht zu entnehmen. A. Pagnani2 und vor ihm L. Nicoletti3 ver-


legen das Treffen in die Ebene von Toveglia. Aus einem Dokument des Ge-
meindearchivs von Sassoferrato wird ersichtlich, daß dieses Gelände noch
1497 „Campo della Battaglia" genannt wurde (Volume V I dei Consigli;
Brief des Legaten von Perugia an den Prior vom 9. August 1497).
Als Narses 552 an der Grenze Italiens erschien, erschwerten die Franken
unter fadenscheinigen Vorwänden den Durchmarsch seines Heeres durch Ve-
netien. In größte Verlegenheit aber geriet Narses durch das bei Verona
stehende gotische Heer unter Teja. In geschickt gewählter Stellung —• die
natürlichen Hindernisse vermehrte man noch durch künstliche — erwartete
Teja mit dem Kern des Heeres den Byzantiner, um dessen weiteren Vor-
marsch zu verhindern. Iohannes, Vitalians Schwestersohn, einer von Nar-
ses' Unterfeldherren, rettete die Lage (Prokop. 4, 26). E r trat für den
Marsch entlang der Küste ein, den König Totila für unmöglich gehalten
hatte; dabei wurde der Übergang über die zahlreichen Wasserläufe mit Hilfe
von Schiffsbrücken bewerkstelligt. Am 6. Juni 552 wurde Ravenna erreicht.
Nach neuntägigem Aufenthalt marschierte das Heer längs der adriatischen
Küste über Ariminum (Rimini) nach Fanum Fortunae (Fano). Im weiteren
Verlauf seines Berichtes berichtet Prokop nur, Narses, der Petra Pertusa
(Furlo) von den Goten gesperrt wußte, sei von der Flaminischen Straße
nach links abgebogen. Dies kann nur bedeuten, daß er über Fanum For-
tunae (Fano), wo die Via Flaminia von der adriatischen Küste recht-
winkelig abbiegend ins Landesinnere führt, hinauszog, Denn nur so konnte
er, unter der Voraussetzung, Prokops Angaben entsprechen den Tatsachen,
nach links abbiegen. Bemerkenswert ist, daß jene, die die Auffassung ver-
treten, Narses hätte noch vor dem Erreichen der Via Flaminia (also vor
Ariminum) eine Straße ins Innere benützt, nicht erkannten, daß diese Straße
dann rechts, aber niemals links der Via Flaminia führte.
In Fano (12 km von Pesaro, 50,1 km von Ancona) endet die römische Via
Flaminia, von Rom—Terni—Foligno kommend, nach einer Länge von etwa
286,4 km. Bei Fanum Fortunae, 540 von Witigis und Beiisar zerstört, 541 bis
565 wieder aufgebaut, verläßt die Straße das Meer und biegt rechtwinkelig
ins Landesinnere ab; zur Linken vom Metaurus begleitet, überschreitet sie
diesen nach Forum Sempronii (Fossombrone). Von dort geleitet sie der nörd-
lich des M. Nerone entspringende Candigliano durch die Enge von Inter-
s
A. Pagnani, Storia di Sentino e Sassoferrato 1 : Sentinum (1954).
3
L. Nicoletti, La battaglia dell'Agro Sentinate (1927).
SCHLACHT BEI DEN BUSTA GALLORUM 365

cisa saxa, am Ausgang der Antike Petra Pertusa (Gola del Furlo; Furlo)
genannt, bis Pitinum Mergens (Acqualagna), wo der Candigliano und der
von Süden aus der Gegend des Passes von ad Aesim oder ad Ensem (Scheggia)
kommende Burano (die antiken Namen beider Gewässer sind unbekannt)
zusammenfließen.
Die Via Flaminia folgt dem Burano bis ad Calem (Cagli) — 51 km von
Fano — an dessen linkem Flußufer, dann fast ausnahmslos auf der rechten
Flußseite. Nach Überquerung des Apennin auf der umbrischen Seite bei ad
Aesim oder ad Ensem herabsteigend, betritt sie ein schlauchförmiges Tal,
das sich in nahezu 40 km Entfernung bis Nuceria Camellaria (Nocera Umbra)
erstreckt. Fast in der Mitte dieses Tides liegt an einer Straßenkreuzung Hel-
villum (Fossato di Vico). Ein Seitental des Clasius (Chiascio) mit Iguvium
(Gubbio) führt zum oberen Tiber, ein Paß nach Fabriano, weiter über Aesis
(Jesi) zur Adria.
H. Nissen sagt: „In dem Tal liegt der Vicus Helvillum, Station der Via
Flaminia, ungefähr an der Stelle des heutigen Sigillo". (Von Sigillo führt ein
kleiner Paß südlich des M. Cucco auf die picenische Seite des Apennin).
E. Bormann (CIL X I 2/1) setzt Helvillum mit Fossato di Vico gleich. Hier
liegt für H. Nissen und, in offenkundiger Abhängigkeit von ihm, auch für
Philipp das Schlachtfeld, wo Totila den auf der flaminischen Straße an-
rückenden Narses erwartete. Zugleich auch der Ort, wo Camillus die von der
Zerstörung Roms heimkehrenden Kelten ereilt und vernichtet haben soll,
also Busta Gallorum. Wenn der bisherige Verlauf der modernen Flaminia
der antiken Via Flaminia entsprach, so trifft dies einige wenige Kilometer
ober- und unterhalb des heutigen Gualdo Tadino nicht zu. In einer Ent-
fernung von 1.75 km finden wir die Via Flaminia antica, heute ein Feldweg,
westlich von Gualdo Tadino.
Etwa bei Gaifana, an die 10 km südlich Gualdo Tadinos, vereinigt sie sich
wieder mit der modernen Flaminia. Im weiteren Verlauf berührt sie Foligno,
Spoletium (Spoleto), Terni und betritt links vom Tiber durch die Porta
Flaminia die ewige Stadt.
Prokop 4, 29 sagt: ή τε 'Ρωμαίων στρατιά ΝαρσοΟ ηγουμένου (ού)
π ο λ λ ω ύστερον έν τ ω όρει καΐ αύτοί τ ω Άττεννίνω ένστρατοπεδευσάμενοι
Ιμενον. Es verlautet nichts, woraus man schließen könnte, Narses habe
nach Umgehung des Furlopasses die Via Flaminia wieder betreten. Dies aber
wird von H. Nissen (a. 0. 392) und auch von Philipp (im bezüglichen RE-
Abschnitt) behauptet. Diese Deutung allerdings wird verständlich ange-
366 BEILAGE

sichts dessen, daß wie bereits erwähnt, H. Nissen Busta Gallorum, bei
Fossato di Vico ansetzt.
Die bequeme Via Flaminia zu verlassen, nötigte den Byzantiner das
durch die Goten gesperrten Intercisa saxa oder Petra Pertusa. Demgemäß
bog er, wie schon angeführt, nach links (von der Via Flaminia) ab.
Es ist kaum wahrscheinlich, daß Narses die Flaminische Straße bis Forum
Sempronii benützte und erst dort von der Straße nach links abbog, um über
Pergola in den Apennin zu gelangen. Beträgt doch die Entfernung von Fo-
rum Sempronii bis zur stark befestigten Petra Pertusa wenig mehr denn
6 römische Meilen (etwa 10 km). Aus Narses' Verhalten wird allerdings
offenkundig, daß ihm daran gelegen war, rasch an den Apennin heranzu-
kommen. Diese Tatsache gestattet den Schluß, daß Narses über Fanum
Fortunae hinausmarschierte, also tatsächlich nach links abgebogen war, und
auf einer Strecke von 14 km längs der Adria bis Marotta zog, dann nach
rechts abbiegend die Küste verließ.
Diese heute noch bestehende Cesaner-Straße (sie läuft mit der Via Fla-
minia fast parallel) verbindet das heutige Marotta mit S. Lorenzo in Campo,
dem damaligen Suasa. Suasa seinerseits war durch andere Straßen mit Sen-
tinum und Alba Picena verbunden.
Von dieser örtlichkeit aus war der Apennin sowohl entlang des Cesano
als auch durch das Tal der Nevola erreichbar. Eine Überquerung der engen
Schlucht des Bellisio, entschied man sich entlang des Cesano zu marschieren,
war gewiß nicht ohne Schwierigkeiten zu bewältigen. Deshalb zog der Feld-
herr sicherlich die bequemere Straße vor, die dem Tal der Nevola folgend,
über Nidastore, Cabernardi in die Nähe von Sentinum führte.
Das heutige Sassoferrato — 18 km von Pergola auf der Straße nach Fa-
briaxio — stammt von der antiken umbrischen Stadt Sentinum ab. Die aus
dem XII. Jahrhundert stammende Kirche Santa Croce wurde größtenteils
aus dem Material des antiken Sentinum erbaut. Sentinum lag rund 2 km
südlich vom heutigen Sassoferrato, 100 m östlich von der Straßenkreuzung.
Die zunächst genau in nordsüdlicher Richtung bis Molinaccio führende Straße
und Bahnlinie biegt bei der genannten örtlichkeit nach Osten und gelangt
im Süden nach Fabriano, im Norden nach Sassoferrato. Bei der oben er-
wähnten Kreuzung führt die nach Westen abzweigende Straße nach Sch6g-
gia. Unmittelbar lehnte sich Sassoferrato im Osten an das Flüßchen
Marena und befand sich etwa 450 m von einer Schlinge des Sentino im
Westen.
SCHLACHT BEI DEN BUSTA GALLORUM 367
Zur Topographie des antiken Tadinum schreibt E . Bormann 4 : „ . . . Ita
Holstenioa. i643ruderaTadiniantiquiabincolis monstrata sunt in colle paulo
post plus M. passus distanti ab oppido Gualdo (tum in abbatia Gualdi descripsit
titulum n. 5666) atque ipse loco supra laudato de his rebus rettulit . . . "
Nach Η. Nissen* lag Tadinum 7 Milien (10,37 km) von Helvillum, i 1 ^ Milien
(2,22 km) vom heutigen Gualdo Tadino bei der Kirche S. Maria Tadina. In
sichtlicher Abhängigkeit von Bormann und Nissen ergänzt Philipp': „Ta-
dinae lag also in der Nachbarschaft Iguvium-Gubbio, etwa eine Meile
(1,48 km) nördlich vom heutigen Gualdo Tadino nahe der Kirche S. Maria
Tadina."
In der 1624 erschienenen „Italia antiqua" des Philipp Clüver heißt es:
„Alluebat autem Tadinas fluviolus Rasina et via Flaminia per eam ducebat,
quae ex vico Gaifana recta eo tendit, et post per planiciem sub Fossato per-
git Svillum . .
Tadinum erhob sich auf der Gualdesischen Ebene am Fuße des Apennin
beiderseits der Via Flaminia, einem Platz, der noch heute Tadino (im Volks-
munde Taino) genannt wird. Den kleinen Hügel umfließt im Süden, Westen
und Nordwesten ein Wässerlein, Räsina, und im Osten begrenzt ihn die von
Gaifana kommende Via Flaminia antica, heute ein Feldweg. Bei wieder-
holten Bereisungen besuchte ich das bäuerliche Anwesen, das sich auf dem
Hügel befindet, und konnte die steinernen Zeugen, Überreste des antiken
Tadinum, in Augenschein nehmen. Diese örtlichkeit führt heute den Namen
Casa Bellucci. Sie liegt, gemessen vom Zentrum des heutigen Gualdo Ta-
dino 2,82 km (Luftlinie), 4,35 km (Straße) in südwestlicher Richtimg, und
nicht, wie Philipp irrtümlich angibt, nördlich, von Gualdo Tadino. Die von
Nissen und Philipp wohl zur genaueren Bestimmung der örtlichkeit er-
wähnte Kirche, Chiesa di S. Maria Tadino, besteht nicht mehr7.
Damit steht fest, daß Tadinum mit dem heutigen Gualdo Tadino nicht
eins ist.
Aus Prokop 4, 29 erfährt man, daß Totila dicht bei einem Dorf Taginae
(Tadinae) lagerte, Narses in einer Entfernung von 100 Stadien (18,35 km)
bei den Busta Gallorum. Nach Rückkehr der von Narses in das Lager des
Gotenkönigs — also nach Tadinae — ausgesandten Unterhändler, deren
* E . Bormann, C I L X I 2/1 (1901), 997f.
* H . Nissen, Italische L a n d e s k u n d e 2, 1 (1902), 392 f.
« R E . 8 (1932). i 9 9 9 f ·
7 R . Guerrieri, Storia Civile ed Ecclesiastica del Comune di Gualdo T a d i n o (1933),
394 ff·
368 BEILAGE

Forderungen endgültige Waffenstreckung oder zeitliche Bestimmung der


Schlacht bedeutete, erschien Totila am nächsten Tage plötzlich mit dem
Heere. Die von Totila beabsichtigte Überrumpelung der Byzantiner schei-
terte indes an Narses' Wachsamkeit.
Daraus geht hervor, daß der König mit seinen Kriegern das Lager (un-
weit Tadinae) verließ — was nicht bedeuten muß, daß die Goten den Platz
vollkommen räumten — und vor dem Lager der Kaiserlichen, den Busta
Gallorum, eintraf. Nur zwei Pfeilschußweiten, das sind höchstens 500 m,
trennten die beiden Gruppen. Und dort begann (Prokop. 4,29ff.) der Kampf,
hielten beide Feldherren ihre Reden, kam es zum Zweikampf zwischen dem
römischen Überläufer Kokas und dem Armenier Anzales, einem der Dory-
phoren Narses', und zeigte der tapfere Gotenkönig seine kriegerische Ge-
wandtheit, um die Schlacht bis zum Eintreffen der 2000 gotischen Reiter
hinauszuzögern. Bis zum Einbruch der Dunkelheit wütete die Schlacht bei
den Busta Gallorum; dann flohen die Goten und die Schlacht wandelte sich
in eine Verfolgung. Die entscheidende Niederlage der Goten erfolgte somit
bei den Busta Gallorum und nicht bei Tadinae. Dies gilt auch dann, wenn
die Goten beim Lager nochmals Widerstand geleistet haben sollten.
A. Cartellieri8, F. Dahn® und O. Klopp 10 dürften ebenfalls dieser Mei-
nung sein. Vor allem aber bekennen sich W. Ensslin11, L. M. Hartmann 12 ,
F. Schneider13 und L. Salvatorelli14 zu dieser Auffassung. Die Ansetzung der
Busta Gallorum ist gegenüber der Feststellung, daß die Schlacht zwischen
dem Gotenkönig Totila und Narses dort stattfand, zunächst von zweitran-
giger Bedeutung.
Die umsichtigen Vorbereitungen, der riesige und besonders hervorge-
hobene Aufwand lassen erkennen, daß Narses nicht gewillt war, sich auf ein
Abenteuer von zweifelhaftem Ausgang einzulassen. In seiner Rede an die
Soldaten (Prokop. 4, 30) weist er auf die numerische Ungleichheit beider
Heere hin, stellt die an Tauglichkeit, Anzahl und Ausrüstung weit überlegenen
Römer den Goten, die er als entlaufene Sklaven kennzeichnet, gegenüber.
8 A. Cartellieri, Weltgeschichte als Machtgeschichte (1927) 65.
9 F. Dahn, D. Völkerwanderung (i960) 99.
1 0 O. Klopp, Gesch., charakteristische Züge u. Sagen d. dtsch. Volksstämme a. d.

Zt. d. Völkerwandg. b. z. Vertrag v. Verdun, 1 (1851), 302.


1 1 Historia Mundi, 5 (1956), 132 (W. Ensslin).
12 L. M. Hartmann, Römische Geschichte (1919) 306.
13 Handbuch f. d. Geschichtslehrer 3 (1929); darin F. Schneider, S. 40.
14 L. Salvatorelli, Geschichte Italiens (1942) 78.
SCHLACHT BEI DEN BUST A GALLORUM 36Θ

Er beruft sich auf das auf Seiten der Römer stehende Recht, dem Gott seinen
Beistand nicht versagen könne. Totila, der König, entstamme der Hefe
des Volkes, und die Tollkühnheit der Goten müsse als Wahnsinn bezeichnet
werden. Die von Delbrück angegebene Stärke des byzantinischen Heeres,
zu der sich auch F. Schneider (a. 0. 36) bekennt, dürfte allerdings zu niedrig
sein.
Wenn nunmehr die Festlegung der örtlichkeit der Schlacht vom Sommer
552 n. Chr. erörtert wird, sollen zunächst die einzelnen Theorien erwähnt
werden. Die älteren italienischen Historiker behaupteten, daß Totila in der
Nähe von Brescello — nordöstlich von Parma — am rechten Ufer des Po in
der Provinz Emilia sein Leben ausgehaucht habe. Andere wieder verlegten
den Schauplatz der Schlacht nach Toscana, nächst Poppi (am Arno, öst-
lich von Florenz) im Gebiet von Casentino, wo ein kleiner Bach namens
Teggina fließt. Der Tod soll den verwundeten Gotenkönig nach einigen in
Caprese — ebenfalls in der Toscana — in der Nähe der Tiberquellen ereilt
haben. Auch urbinatisches Gebiet längs der Via Flaminia zwischen Cagli und
Acqualagna wurde für die Schlacht in Anspruch genommen. Laut Alberti
wäre der schwerverwundete König nach Caprese di Toscana, nach Baldi in
die Gegend von Carpesso (lies Caspessa) bei Montevecchio im Distrikt von
Fossombrone gelangt. Valsecchi verlegt das Schlachtfeld zwischen Cittä di
Castello und Borgo San Sepolcro. Für Balbo ist die örtlichkeit in der Nähe
von Gubbio und für Acquacotta nächst Castelraimondo zu suchen; der
König starb in Capriglia, unweit von Esanatoglia.

Thomas Hodgkin (Italy and her Invaders, 1—4, 1892—1896) hingegen


verlegt das Lager Totilas, nach dem Vorbeimarsch an Tadinae (Taginae)
nach Fossato di Vico und das Narses' nach Scheggia, wo dann die Schlacht
stattgefunden habe. Dieser These vermochte sich sein Landsmann John B.
Bury (History of the Later Roman Empire from the Death of Theodosius I.
to the Death of Justinian, 395—565, 1—2, 1931) nicht anzuschließen, ver-
zichtete aber auf eine genaue Ansetzung und verwies in seinem Exkurs all-
gemein auf das Gebiet von Fabriano.
Eine andere Gruppe von Autoren sucht die Walstatt zwischen dem Ort
Bastia (Gemeinde Fabriano) und Gualdo Tadino. In dieses Gebiet hatte
schon der Ansatz Philipp Clüvers (Italia antiqua, 1624) geführt.
Auf den Irrtum einer Gleichsetzung der von Prokop als Schlachtort ge-
nannten Busta Gallorum mit Bastia bei Fabriano verwies S. Fuchs in seinem
24 Althelm, Hannen V
370 BEILAGE

Aufsatz 15 . „Der in Italien unzählige Male vorkommende Ortsname Bastia,


bedeutet einfach Bastei, Befestigungsanlage und hat mit der Busta Gallo-
rum des Procopios ganz gewiß nicht das geringste zu tun."
Jene Autoren, die die Auffassung vertreten, dieser Konflikt sei auf der
umbrischen Seite des Apennin erfolgt, so vor allem T. Hodgkin und Guerrieri,
stützten ihre Auffassung mit dem Hinweis, die Leichtigkeit, mit der die
beiden Heere Botschaften austauschten, lasse den Schluß zu, daß sich beide
Truppenteile auf derselben Seite des Apennin befunden haben. Zu anderen
topographischen Ergebnissen gelangten in neuerer Zeit S. Fuchs und
A. Pagnani.
Die von Prokop genannten Orte sind Tadinae (Taginae), in einer Ent-
fernung von ioo Stadien Busta Gallorum und von diesen wiederum 84 Sta-
dien Caprae. Davon, daß Tadinae (Taginae) nächst Gualdo Tadino gelegen
habe, distanzieren sich lediglich Baldi, der es mit Pagino bei Calmazzo im
Territorium Urbino identifiziert, Cantü, der es in Lentagio bei Nocera Um-
bra wiedererkennen möchte, und Soldani, Cosimo della Rena folgend, der
Taginae mit dem Wässerlein Teggina nächst Poppi in der Toscana gleich-
setzt. Zur Hypothese Cantü's sei bemerkt, daß es in der Umgebung von
Nocera-Umbra keinen Ort des Namens Tadinae (Taginae) gibt, die Bezeich-
nung ist in dieser Gegend unbekannt. Lentagio dagegen ist eine örtlichkeit
zwischen Cagli und Acqualagna, wo Bricchi und Baldi die Niederlage der
Goten vor sich gehen lassen.
Schwieriger gestaltet sich die Ansetzung bei den Busta Gallorum.
Guerrieri meint, daß der überwiegende Teil der Autoren, auf den For-
schungen Philipp Clüvers fußend, diesen Ort auf die Stadt Bastia am Fuße
des Ostabhanges des Monte Cielo unweit des antiken Sentinum bezieht. Diese
Meinung, die auch Muratori teilt, wurde von Acquacotta nicht akzeptiert.
Diese Befestigungsanlage mit dem relativ modernen Namen hatte ihren Ur-
sprung in späterer Zeit: Bastia wurde 1443 von Francesco Sforza zur Ver-
teidigung von Fabriano erbaut. Allerdings vermutet Acquacotta auf Grund
der Ähnlichkeit der Namen Santa Maria dei Galli oder Gagliole, die Umge-
bung von Castel Raimondo entsprächen den Busta Gallorum.
Der Einwand S. Fuchs' gegen die Gleichsetzung von Bastia mit Busta
Gallorum, die auch heute noch gilt, wurde bereits erwähnt. Was nun Caprae
betrifft, so bilden auch hier die Aussagen Philipp Clüvers und Holstenius'
die Grundlagen für die Meinung einer großen Mehrheit der Autoren. Beide
14 Forsch, u. Fortsch. 19 (1943), 234f.
SCHLACHT BEI DEN BUSTA GALLORUM 37Ϊ

erkannten im heutigen Caprara — nordwestlich von Gualdo Tadino, einer Un-


tergemeinde von Gualdo Tadino — das von Prokop erwähnte Caprae wieder.
Lediglich auf Grund der Ähnlichkeit der Namen ohne Rücksicht auf den
Bericht des Prokops beziehen Leandro Alberti und mit ihm einige andere,
Caprae auf Caprese in der Toscana nahe den Tiberquellen, Acquacotta auf
Capriglia in der Nähe von Esanatoglia, Anonimo Milanese (P. Berretti) auf
Caprile, einer Untergemeinde von Badia Tedalda in der Provinz Arezzo,
nicht weit von den Quellen der Marecchia, und Baldi auf Carpesso (Caspessa)
bei Montevecchio im Distrikt Fossombrone.
In seinem Dizionario Geografico Fisico Storico della Toscana wies Re-
petti nach, daß Caprese im Altertum völlig unbekannt, ohne alle antiken
Militärstraßen und ziemlich weit entfernt von der Straße war, auf der die
beiden am Kampfe beteiligten Heere marschierten.
Im Juni 1961 lernte ich durch Vermittlung meines Freundes Renzo Frut-
tini den ebenfalls in Gualdo Tadino ansässigen Carlo Angelo Luzi kennen,
der sich gleichfalls mit der Frage beschäftigt hatte. Luzi interpretiert die
Stelle Prokops (4, 29): καΐ ccCrrol τ ω ΆπεννΙνω dahingehend, daß mit
Άπεννίνω nicht die ganze Gebirgskette, also der Apennin, sondern eine
einzige Erhebung bezeichnet sei.
östlich von Nocera Umbra an der Via Flaminia befindet sich tat-
sächlich eine Erhebung M. Pennino, von den Ansässigen Mt. Apennino
genannt. Zwischen Mt. Pennino (Mt. Apennino) und dem Mt. Acuto
liegt eine Ebene, „Campo di Marte" (Feld des Mars), offenbar in
Erinnerung an eine Schlacht so benannt, in der Luzi die örtlichkeit
des Treffens vom Frühsommer des Jahres 552 n. Chr. zu erkennen glaubt.
Von Gaifana (an der Via Flaminia) fuhr ich in östlicher Richtung zu dieser
Ebene, die tatsächlich laut Ausweis des Kilometerzählers von Gaifana in
einer Entfernimg von 18,35 km liegt, also nahezu genau den von Prokop an-
gegebenen 100 Stadien entspricht. Allerdings müßte dann Totilas Lager
nächst Gaifana und nicht bei Tadinae gewesen sein, womit man sich im
Gegensatz zu Prokops Angaben befände. Nach Luzi lagerte der Gotenkönig
bei Gaifana, einer Stelle, an der sich heute das Casa Bianca genannte An-
wesen befindet. Dann wäre Narses, hatte er tatsächlich auf dem Campo di
Marte Halt gemacht, in den Rücken der Goten gelangt, eine Folgerung, zu
der Prokop keinerlei Unterlagen liefern. Letztlich aber, und dies scheint
mir das hauptsächliche Gegenargument, kann Campo di Marte nicht mit
den Busta Gallorum gleichgesetzt werden, denn diese sind nach überein-
24·
372 BEILAGE

stimmenden Angaben beiSentinum (Sassoferrato) zu suchen. Die Behauptung


Luzis zu tiberprüfen, daß in dieser Ebene viele Funde gemacht wurden, wobei
konkrete Angaben hinsichtlich deren Datierung nicht erfolgen konnten, war
ich außerstande. In seinem mehrfach zitierten Aufsatz behauptet S. Fuchs:
„Vermittels einer genauen Interpretation der antiken Texte ist es unter
Mitheranziehung archäologischer Beweismittel nun in wiederholten Be-
reisungen des ehemaligen Kampfgebietes gelungen, den Ort der Schlacht
einwandfrei zu bestimmen." Fuchs gibt zu, daß die Schlacht von 295 v. Chr.,
die Prokop irrtümlich mit M. Furius Camillus in Zusammenhang brachte,
nach Überschreitung des Apennin bei Sentinum in agro Sentinati ausgetragen
wurde; also in der sentinatischen Campagna auf der picenischen Seite des
Apennin, im Gebiet des heutigen Sassoferrato. Er verlegt das Lager des
byzantinischen Feldherrn in die Ebene des Sentino ostwärts Sassoferrato
und setzt das Urnengräberfeld von Pianello-Genga mit den Busta Gallorum
Prokops gleich. Letztlich aber erklärt Fuchs: „womit feststeht, daß die
Gotenschlacht des Jahres 552 nach Christus in der Ebene des Sentino bei
Pianello, das heißt am Westeingang der berühmten Gola di Frasassi, statt-
gefunden hat". Und weiter, daß „der von Prokop erwähnte Hügel, um dessen
Besitz die ersten Kampfhandlungen sich abspielten, in dem sogenannten
Colle di Pierosara, einem am Ostausgang der Gola di Frasassi gelegenen
Ausläufer des Mt. Ginguno, zu erblicken ist".
Besagte Gola di Frasassi auf der Strecke Genga—Arcevia ist eine Schlucht
im Serpentinenweg von über 2 Kilometer Länge zwischen dem Berge von
Frasassi (709 m) und dem Berg von Vallemontagna (930 m), deren Hänge
äußerst steil sind. In der Nähe der Grotta di Frasassi befindet sich eine
Kirche in Form eines Achtecks, die nach dem Plan G. Valadier's vom Papst
Leo XII. errichtet wurde.
Es wurde bereits bemerkt, daß die beiden Heere auf der Walstatt bei den
Busta Gallorum sich auf doppelte Pfeilschußweite etwa 500 m gegenüber-
standen. Jener Hügel, den Narses besetzte und den in seine Gewalt zu
bringen Totila sich vergeblich bemühte, muß sich etwa in der Mitte der
beiden Heere befunden haben (so auch Delbrück). Wie konnte der Kampf
um diesen Hügel entbrannt sein, der rund 2000 m vom eigentlichen Schlacht-
feld entfernt ist ?
Bei folgerichtiger Betrachtung müßten die Goten östlich Fabriano und
dann nördlich dem Esino folgend an die Schlucht herangekommen sein. Da
sich Narses vor Beginn der Schlacht in den Besitz dieses Hügels, der sich ain
SCHLACHT B E I D E N B U S T A GALLORUM 373

Ostausgang der Schlucht befindet, setzen konnte, hätte er damit die Gola di
Frasassigesperrt, und die Goten wären so wie Narses bei der gesperrten Petra
Pertusa außerstande gewesen, diese Schlucht zu passieren. Dies bildet das
Hauptargument gegen S. Fuchs. E s soll indessen nicht bestritten werden,
daß die tatsächlichen topographischen Verhältnisse von bestechender Aus-
sage sind.
Über die vom Autor erwähnte vergoldete Wangenklappe eines gotischen
Spangenhelmes — seiner Meinung nach handelt es sich um ein Spolium aus
der Gotenschlacht — konnte ich weder im Museum von Fabriano noch im
Museum in Ancona etwas in Erfahrung bringen. Dafür fand ich aber dort
den Spangenhelm von Roccascalegna. Dieser Helm (Invent. Nr. 133),
wurde 1922 gefunden und von G. Moretti in Notizie degli Scavi 1928, 4 7 1 bis
478 veröffentlicht.
Bei den Untersuchungen des Kirchberges von Morken, wo sich unter
der St. Martinskirche das reich ausgestattete Grab eines fränkischen Herren
aus der Zeit um 600 n. Chr. befand, kam unter anderem auch ein Spangen-
helm zutage, der dem Helm von Roccascalegna ähnelt. Der Morkener-Helm
stammt aus einer oberitalienischen Werkstatt. Münzbildern entnimmt man,
daß solche Helme von den Goten in Italien getragen wurden. Nach J . Werner
entstammen alle diese Helme ostgotischen Werkstätten, die noch über das
Ende der Gotenherrschaft in Betrieb gewesen sein dürften. Demnach ist der
Spangenhelm von Roccascalegna sicherlich ostgotischer Herkunft 18 .
Da bei den ostgermanischen Stämmen ein Brauch, den Toten Beigaben,
vor allem von Waffen, mitzugeben, nicht bestand, stellt der Spangenhelm von
Roccascalegna eine Besonderheit dar. So erwähnt E . Behmer 17 in seiner
Studie über das völkerwanderungszeitliche germanische Schwert aus Italien
nur 3 Stücke, und zwar zwei aus Nocera Umbra (Prov. Perugia) im Museo
Nazionale Romano und ein aus der Lombardei stammendes Schwert unbe-
kannten Fundortes. Dies steht im Gegensatz zu den außerordentlich er-
giebigen Funden in Deutschland, vor allem aber in Dänemark. Gemeint sind
die Moorfunde der Eisenzeit. So die Funde aus den Mooren auf Fünen und
entlang der ganzen jütischen Ostküste von Angeln bis Vendsyssel, die als
Kriegsbeute auf dem Moor niedergelegt wurden. Von diesen Funden sind
fünf von bedeutendem Umfang: Vimose bei Odense (Hauptmasse aus dem
2. und 3. Jahrhundert), Kragehul bei Assens (der größte Teil aus dem 4. und
u
K. Böhmer, Das Grab eines fränkischen Herren aus Morken im Rheinland (1959).
17
E. Behmer, Das zweischneidige Schwert d. germ. Völkerwanderungszeit (1939).
374 BEILAGE

5. Jahrhundert), Illerup Adal bei Skanderborg (meist aus dem 4. u. 5. Jahr-


hundert), Thorsbj erg in Angeln (Hauptmasse aus dem 2. und 3. Jahrhundert)
und Nydam in Sundeved (meist aus dem 4. und 5. Jahrhundert).
Die Meinung, Totila und Narses hätten einander auf den tadinatischen
Gefilden gegenübergestanden, wird am nachhaltigsten von R. Guerrieri18
vertreten.
Guerrieri zitiert Prokop auf Grund der im Jahre 1506 zu Rom und 1 5 3 1
zu Basel herausgegebenen lateinischen Übersetzung Cristoforo Persona's.
E r setzt, auf den Forschungen Philipp Clüvers fußend, Busta Gallorum mit
der Ortschaft Bastia am Fuße des Ostabhangs des Monte Cielo gleich. Somit
sind nach seiner Meinung Taginae mit dem heutigen Gualdo Tadino (oder
die örtlichkeit südwestlich vom heutigen G. Tadino), Busta Gallorum hin-
gegen mit (dem heutigen) Bastia zwischen Sassoferrato und Fabriano und
Caprae (Capras) mit Caprara in der Gemeinde Gualdo Tadino gleichzusetzen.
Als weiterer Beweis werden die Abstände, die heute zwischen diesen Ort-
schaften liegen, in Übereinstimmung mit den von Prokop überlieferten
Maßen angeführt, denen ein von Rennel errechnetes Stadien-Medium von
154 m, das damals für Wegmaße verwendet wurde, zugrunde liegt.
Guerrieri gibt zu, daß Totila sein Lager verließ und Narses vor dessen
Lager, den Busta Gallorum, angriff. Die sich für ihn ergebende Schwierig-
keit versucht der Autor mit der langen Dauer des Kampfes zu erklären.
Wohl räumt er ein, daß das Gefecht beim Lager der Byzantiner seinen An-
fang genommen hat, dann aber, bedingt durch den langen Zeitraum („vom
Morgengrauen bis zum Einbruch der Nacht". . . ?) der Schlacht der Kampf-
platz gewechselt wurde. So hätten sich die geschlagenen und von den Kaiser-
lichen energisch verfolgten Goten auf ihr nächst Tadinae gelegenes Lager
zurückgezogen. E s ist nicht anzunehmen, daß dieser Kampf so viele Stunden
währte. Nachdem den offensichtlich in mehreren Wellen anreitenden Goten
der entscheidende Ein- und Durchbruch nicht gelang, war die Entscheidimg
bereits gefallen. Daß die Attacken allmählich an Schwung und Elan ver-
loren, wird man kaum bezweifeln. Wie schnell im übrigen der Ausgang der
Schlacht bei den Busta Gallorum herbeigeführt worden ist, beweist die Tat-
sache, daß das gotische Fußvolk nicht einmal zum Einsatz gekommen war 1 '.
Wonach dann die Angabe des Prokop hinsichtlich der Kampfesdauer über-
trieben scheint.
18
R. Guerrieri, Storia Civile ed Ecclesiastica del Comune di Gualdo Tadino (1933).
» H. Delbrück, 2, 385 f.
SCHLACHT BEI DEN BUSTA GALLORUM 375

Nach dem Mißlingen des Angriffes gab es nur noch regellose Flucht. Es
ist kaum anzunehmen, daß Totila in der Lage war, im Lager nächst Tadinae
eine stärkere Besatzung zurückzulassen, und es ist zweifelhaft, ob diese aus
vollwertigen Kriegern bestand. Selbst wenn es um das gotische Lager noch
einmal zu einem kurzen Gefechte gekommen sein sollte (und nur um ein
solches kann es sich handeln), ist nicht angängig, diese Schlacht in die tadi-
natischen Gefilde zu verlegen. Sie begann und endete bei den Busta Gallo-
rum, was auch Guerrieri nicht bestreitet. Im weiteren Verlaufe seiner Aus-
führungen kommt der Autor auf die zweifellos starke Lokaltradition der
tadinatischen Bevölkerung zu sprechen.
Zwischen der Bahnstation und dem Orte Gualdo Tadino, eine Entfer-
nung von etwa 1300 m, befindet sich halbwegs ein kleines Kirchlein, Chiesa
di S. Maria di Rote presso Gualdo Tadino, das im Jahre 1647 errichtet wurde.
Den zweiten Namen, Madonna delle Rotte (rotta bedeutet vernichtet,
zerbrochen), mit den Ereignissen von 552 n. Chr. in Zusammenhang zu
bringen (Madonna delle Rote; delle ruote = von den Rädern) und Rotte von
Ruote abzuleiten, erscheint auch Guerrieri zu gewagt.
In enger Abhängigkeit von Guerrieri vermeint Romano Maurizi in dem
Räume zwischen der Bahnstation und Gualdo Tadino das Schlachtfeld zu
erblicken. Dabei könnte der Platz, an dem S. Maria di Rote sich erhebt, falls
es zur Erinnerung an diesen Kampf errichtet wurde, das Zentrum oder die
örtlichkeit des Höhepunktes des Kampfes bezeichnet haben.
Der Hügel Colbassano soll jene Erhebung sein, die Narses durch einen
Überraschungsangriff in seinen Besitz gebracht hatte. Doch die örtlichen
Gegebenheiten stehen im Gegensatz zu den Angaben unserer Quelle, weist
doch Prokop ausdrücklich auf ein von Schroffen umschlossenes hügeliges
Terrain hin. Davon kann aber bei dieser Ebene, die sich in rund 2 km Breite
bei Gualdo Tadino hinzieht, und an deren Rändern das Gelände sanft an-
steigt, keine Rede sein. Vielleicht dürfen wir in jenem Platz, an dem heute
das Kirchlein steht, den Ort erblicken, an dem sich das Lager der Goten be-
fand, dessen Eroberung in der Überlieferung der tadinatischen Bevölkerung
ihren Niederschlag fand.
Wenn R. Maurizi glaubt, daß Narses die bei Fossombrone abzweigende
über Pergola, Sassoferrato nach Fabriano führende Straße benützte, um
nach Umbrien zu gelangen, wird man dem schwerlich zustimmen. Es wurde
zuvor ausgeführt, daß die stark befestigte Petra Pertusa, die sich in der
Hand der Goten befand, in nächstei Nähe dieser Straßenkreuzung liegt.
376 BEILAGE

Man darf den Handlungsweisen des byzantinischen Feldherrn entnehmen,


daß er sich kaum auf Dinge von zweifelhaftem Ausgang eingelassen hätte.
Den von Prokop überlieferten Entfernungsangaben kommt gewiß Be-
deutung zu. Doch an zwei Beispielen sei die Schwierigkeit erläutert, die an-
gegebenen Entfernungen zu verwerten. Aus Prokop. 2, 16 erfährt man, daß
Beüsar und Narses ihre Heere bei der Stadt Firmum, am adriatischen Meer
gelegen, eine Tagesreise von Auximum, vereinigten. Die tatsächliche Ent-
fernung zwischen Auximum (Osimo) und Firmum (Fermo) beträgt 40 km.
Weiter berichtet er (2, 19), Beiisar habe nach Detachierung einer starken
Abteilung zur Belagerung von Urbs Vetus (Orvieto) sein Heer vor Urbinum
geführt, zwei starke Tagereisen von Ariminum entfernt. Bei der Strecke
Ariminum (Rimini)—Pisaurum (Pesaro)—Urbinum handelt es sich um
61 km. Gewiß entzieht sich unserer Kenntnis, ob damit Infanterie- oder
Kavalleriemärsche, normale oder Eilmärsche gemeint sind. Narses führte in
seinem Heere auch Infanterieabteilungen mit, somit kann der Marsch reiner
Kavallerieformationen nicht angenommen werden.
Zeigen sich schon Irrtümer, wo Prokop sich auf Augenschein berufen
durfte, so ist deren Möglichkeit bei jenen Berichten, die Prokop nicht aus
eigener Anschauung niederschrieb, sondern bei denen er sich auf Auskünfte
Beteiligter verlassen mußte, mindestens ebenso möglich. Demnach sind seine
„genauen" Hinweise von 100 Stadien20, die Entfernung der beiden Heerlager,
und 84 Stadien 21 nach Caprae, wo Totila seiner Verwundung erlegen ist,
nicht zu halten. In neuester Zeit vertreten S. Fuchs und A. Pagagni diesen
Standpunkt, zu dem auch der Verfasser sich bekennt. S. Fuchs hatte die
Schlacht ostwärts Sassoferrato in die Ebene des Sentino bei Pianello am
Westausgang der Gola di Frasassi verlegt; Bedenken dagegen wurden bereits
an gegebener Stellle geäußert.
Für A. Pagnani22 fand das Treffen auf der picenischen Seite des Apennin
statt, eine Auffassung, die bereits Clüver 1624, Muratori 1744, Montani 1749,
Colucci 1786 und Brandimarte 1826 vertreten hatten. E r geht von der An-
nahme aus, daß Totila, über den Anmarsch seines Gegners unterrichtet,
daran interessiert war, die Überquerung des Apennin zu verhindern. Daß
sich der vorsichtige Narses nicht in einen Hinterhalt in unwegsamem Ge-
20
Dieses Längenmaß variiert von 178,6 m bis 192,25 m. Coste gibt in der deutschen
Übersetzung des Gotenkrieges (1922) für 100 Stadien 18,35 km an.
21
Nach Coste in dessen Übersetzung von Prokops Gotenkrieg (1922).
22
Dott. Don Alberico Pagnani, der Priester von Scorzano di Sassoferrato (Ancona).
SCHLACHT BEI DEN BUSTA GALLORUM 377

lände verlocken ließ, läßt sich daraus ersehen, daß Prokop nichts über eine
Uberquerung des Apennin verlautet.
Narses war, von Ravenna kommend, zunächst auf der Via Flaminia bis
Fanum Fortunae marschiert, dort von der Via Flaminia links abgebogen
und an der Adria entlang nach Marotta gezogen. Ab der heutigen Marotta
benützte er die Cesanerstraße nach Suasa (S. Lorenzo) und gelangte schließ-
lich durch das Tal der Nevola über Nidastore, Cabernardi in das Gebiet
nächst Sentinum. Die topographischen Daten, die Prokop vom Lager der
Kaiserlichen überliefert, lassen sich tatsächlich auf ein Gelände etwa 5 km
nördlich vom heutigen Sassoferrato anwenden. Diese Ebene bei der Eisen-
bahnstation Monterosso's, Serragualdo, wird von einem kleinen Hügel be-
herrscht, an dessen Fuß ein Flüßchen und eine Straße ihren Weg nehmen.
Die Erhebung führt den Namen Colcanino (Colliscaninus), und das Wässer-
lein heißt Sanguerone (Sangineus). Seitens der Einheimischen wurden diese
beiden Namen immer dahingehend gedeutet, daß sie auf eine heftige, blutige
Schlacht zurückzuführen seien. Denkt man an die Schilderung Prokops,
mit welcher Erbitterung um den Besitz dieses Hügels gerungen wurde, dann
erscheint der Vergleich mit im Kampfe ineinander verbissener Hunde (collis-
caninus) nicht mehr abwegig. Daß die Krieger beider Parteien ihre im
Kampfe erlittenen Verwundungen im nahen, nur wenig Wasser führenden
Flüßchen zu versorgen bestrebt waren, ist nahehegend; ebenso, daß sich
davon das Wasser tatsächlich leicht rot färbte.
Gleich allen anderen hier angeführten örtlichkeiten, die für das Treffen
von 552 n. Chr. in Frage kamen, wurde auch die Ebene von Serragualdo
mehrmals besucht. Wenn wir uns zur Meinung Dott. Don Alberico Pagnanis
bekennen, dann aus der Überzeugung, daß vor allem die topographischen
Daten Prokops, letztlich die einzigen Anhaltspunkte, am besten mit dem
Gelände der Ebene von Serragualdo in Ubereinstimmung gebracht werden
können.
SCHLUSS

DER H Y M N U S ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ

Das „nicht sitzend" 1 vorgetragene Lied an die Theotokos, „eines der


vollendetsten Kontakien, die wir kennen"2, ist „der einzige alte Hymnus,
der sich bis auf den heutigen Tag unverkürzt in den Menäen erhalten hat" 3 .
Alljährlich am Samstag vor dem fünften Fastensonntag4, dem Σάββατο ν
τ ο ν Άκσθίστου ύμνου, desgleichen am 24. März, dem Vorabend des Festes
Mariä Verkündigung, wird feierlich die 'Ακολουθία τ ο υ 'Ακάθιστου ΰμνου
els τ ή ν Ύ π ε ρ α γ ί α ν Θεοτόκον begangen. In der Tat steht der Hymnus
nicht allein in engster i n h a l t l i c h e r Beziehung zum Fest der Annuntiatio
Beatae Marine Virginis, vielmehr ist seit dem zehnten Jahrhundert zugleich
ein l i t u r g i s c h e r Zusammenhang zwischen Akoluthie und Fest bezeugt 5 .
Gehörten indessen Fest und Akathistos-Feier von Anfang an zusammen ?
Das von J. M. Querci4 mitgeteilte Synaxar setzt den Hymnus zu mehreren

1 'Ακάθιστο* < καθίζω mit α privativum: Ε. Α. Sophocles, Greek Lexicon of the

Roman and Byzantine Periods (1914) 99; vgl. J. -P. Migne, Pairologia Graeca 92 (1865)
1353: 'Ακάθιστο; δέ είρηται, διότι όρθοστάτην τότε iräs ό λαός κατά τήν νύκτα
έκεΐνην τάν ΰμνον τ η τοΰ Λόγου ΜητρΙ ίμελψαν; Κ. Krumbacher, Gesch. d.
Byzantin. Lit. (1897)2 Handb. d. klass. Altertumswiss. 9, 1, 671 f.; G.G.Meersseman,
Der Hymnus Akathistos im Abendland (Freiburg/Schweiz 1958), in: Spicilegium Fri-
burgense 2, 36; H.-G. Beck, Kirche u. theol. Lit. im Byzant. Reich (1959) in: Byzantin.
Handb. 2, 1 (— Handb. d. Altertumswiss. 12, 2, 1) 427.
2 H.-G. Beck, a. O. 427 (vgl. ebenda 265).
s K. Krumbacher a. O.
4 So das Synaxar bei Migne, a. Ο. 1348; vgl. E. A. Sophocles, a. Ο.; H.-G. Beck, a. Ο.

427 (ders. gibt jedoch, ebenda, 255, den 4. Sonnabend d. Fastenzeit an. Einzelne Ab-
schnitte des Hymnus werden tatsächlich an diesem sowie auch am ersten, zweiten und
dritten Fastensonnabend gesungen: vgl. E. Wellesz, The Acathistos Hymn [Copen-
hagen 1957] i n : Monumenta Musicae Byzantinae Transcripta 9, XV).
.* Cod. Sinait. 925: μη [vi] τ ω αύτφ κ£· κονδ[άκιον] ets τό[ν] εϋαγγΐλισμόν τή$
ϋττ[ερ]αγία5 Θεοτόκου: — ήχος ττλ[öcyios] Δ. Der Vorbericht zur lat. Akathistos-
Fassung (G. G. Meersseman, a. O. 38 f.; 101 ff.) weist die Einsetzung der jährlichen Aka-
thistosfeier am Verkündigungsfest Mariens dem Patriarchen Germanos I. (715—730) zu.
Anlaß sei die Befreiung Konstantinopels i. J. 718 gewesen.
' Bei Migne, a. O. 1348—53; desgl. den von F. Combefis (1648) herausgegebene
Bericht (vgl. Migne, ebenda 1353—72).
DER HYMNUS ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ 379

wunderbaren Rettungen Konstantinopels aus Barbarenhand in Beziehung:


einmal zur Rettung aus der „furchtbaren Gefahr eines doppelten Überfalls
der Perser und Avaren" 7 , desgleichen zum Abzug der Araber i. J. 677, die
seit dem Frühjahr 674 vergeblich versucht hatten, die Stadt einzunehmen 8 ,
und endlich erneut zur Befreiung aus Araberhand, zur Zeit Kaiser Leos III.,
des „Isauriers", i. J. 718®. Der auch durch den Wortlaut seines zweiten Kou-
koulions 10 sowie durch die Uberschrift der lateinischen Fassung 1 1 als hymnus
victoriferus ausgewiesene Akathistos dürfte demnach als Siegeslied gegolten
haben oder zumindest zum Siegeslied geworden sein.

Freilich bereitet es von vornherein Schwierigkeiten, anzunehmen, das


Lied, ein vierundzwanzigstrophiges alphabetisches Akrostichon, sei in einem
einzigen Ansturm der Begeisterung, vielleicht am Siegestage, an dessen
Abend es in der Blachernenkirche zum ersten Male gesungen wurde, verfaßt
worden. Noch viel weniger kann es die im Marienheiligtum versammelte
Gemeinde erst während des Gottesdienstes selbst, gleichsam vom Geiste er-
füllt, gedichtet haben 12 .
Nicht zuletzt auf solcher Überlegung gründet die Annahme, daß die be-
reits genannte z w e i t e Einleitungsstrophe (τη ίπτερμάχω), in der Maria
als Verteidigerin Konstantinopels gepriesen wird und deren Vorhandensein
den Akathistos von anderen Hymnen gleicher Gattung u n t e r s c h e i d e t ,
späterer Zusatz sei 13 .
7 G. Ostrogorsky [Ostrogorskij], Gesch. d. Byzantin. Staates (1940) in: Byzantin.

Handb. 1, 2 ( = Handb. d. Alterstumwiss. 12 1, 2), 61; vgl. A. A. Vasiliev, Hist, of the


Byz. Emp. (1952) 197.
8 Κ. Krumbacher, a . 0 . 9 5 4 u n d A . A. Vasiliev, a. 0 . 2 1 4 entscheiden sich für d. J. 677;

G. Ostrogorskij, a. O. 80, gibt demgegenüber die Jahreszahl 678 an. Auf Fragen zeitlichen
Ansatzes kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden.
• K. Krumbacher, a. O. 959f.; G. Ostrogorskij, a. O. 1 0 3 ! ; Α. A. Vasiliev, a. O. 236.
10 τ ή ίπτερμάχω σ τ ρ α τ η γ ώ τ ά νικητήρια . . .
1 1 Μ. Huglo, L'ancienne version latine de l'hymne Acathiste, in: Le Mus£on, 64,

ι — 2 (1951), 33; G. G. Meersseman, a. O. 101 (vgl. ebenda 39).


12 Offensichtlich konnte solche Entstehung des Hymnus lediglich im Gedanken an

die Legende von Romanos' Weihnachtslied (K. Krumbacher, a. O. 663; H.-G. Beck,
a. O. 425) überhaupt in Erwägung gezogen werden. Im Synaxar ist, worauf E. Wellesz,
a. Ο. X X I I , mit Recht hinweist, keineswegs von spontaner Komposition, sondern
allein davon die Rede, daß der Akathistos g e s u n g e n wurde.
13 A. Baumstark, in: Β. Z. 16 (1907), 656ff.; H.-G- Beck, a. O. 427; 431; G. G.

Meersseman, a. O. 38; desgl. andere.


380 SCHLUSS

Dies indessen berührt bereits die Verfasserfrage.


Im Laufe der Zeit „kamen . . . Patriarch Sergios, Georgios Pisides und
Photios zur Ehre der Verfasserschaft"14, jedoch wurde daneben auch der
Patriarch Germanos I. als Dichter des Hymnus genannt15. Neuerdings wird
als Verfasser allgemein Romanos in Erwägung gezogen16, obwohl die „Zu-
teilung des Akathistos" an diesen noch von K. Krumbacher17 als „ganz
willkürlich" bezeichnet wurde und selbst G. G. Meerseman18, der Romanos'
Urheberschaft keineswegs in Abrede stellen will, einräumen muß: „Wer den
Akathistos verfaßt hat, ist unbekannt."
Vor allem „Quellenkritisches, aber auch eine Analyse der formalen und
inhaltlichen Elemente deuten auf Romanos hin" 19 . Nach solchen Worten
H.-G. Becks erscheint es gleichwohl angebracht, sich eingehender mit den
Beweisen für Romanos' Autorschaft auseinanderzusetzen. Auszuschließen
sind dabei Auffassungen, die von der irrigen Annahme ausgehen, Romanos
habe im siebenten Jahrhundert gelebt20.
Eine hervorragende Stellung unter den beigebrachten Belegen nimmt die
Beobachtung ein, daß nicht nur Romanos' Kontakion auf Joseph in
Ägypten im Cod. Corsin. 366 den Vermerk πρός τό · άγγελος πρω [τοστάτης]
trägt, sondern auch im Cod. Thessalonic. Blataion 41, fol. 193, neben Sergios,
Romanos als Verfasser genannt wird.
Darüber hinaus weist P. Maas21 auf den Zusammenhang der Omikron-
Strophe des Akathistos :
όλος ή υ έυ TOIS κάτω
καΐ των άνω ούδ' όλως
άττην ό Απερίγραπτος λόγος
mit der achten Strophe des Pfingstliedes von Romanos hin:
ού γαρ γέγονε μετάβασις

14 H . - G Beck, a. Ο. 427.
15 Vgl. Ε . Wellesz, a. Ο. X X I ; H . - G . Beck, a. Ο. A n m . 3.
16 P. de Meester, L'inno acatisto, stud, storico-letterario, in: Bessarione, Ser. 2,
5 — 6 (1905); hierzu Besprechung v o n P . Maas, in: Β . Z. 14 (1905), 6 4 3 — 6 4 7 ; P . F . K r y -
piakiewicz, De hymni acathisti auctore, in: Β . Z. 18 (1909), 357·—382; E . Wellesz, a. O.
X X — X X X I I I ; G . G. Meersseman, a. O. 3 7 f . ; H . - G . Beck a. O.
17 K . Krumbacher, a. O. 672.
18 G. G. Meersseman, a. O .
» H . - G . Beck, a. O.
20 So A . Lauriotes, Ό 'Ακάθιστος ύμνος (1893). Die im folgenden gegebene Uber-
sicht folgt hauptsächlich W . Wellesz, a. O.
21 P . Maas, a . O. 644.
D E R H Y M N U S ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ 381
ή συγκατάβαση·
ουδ ΰπέμεινε μείωσιν.
άνω γ ά ρ ή ν,
καΐ κάτω ήν·
καΐ πανταχού
und knüpft an diesen Hinweis die Feststellung, daß Romanos von allen dog-
matischen Fragen am meisten ein der Christologie gelegen sei22. Gleichzeitig
ließe sich „ein ganz unzweifelhafter Zusammenhang zwischen Romanos und
dem Verfasser des Akathistos . . . aus dem . . . Lied des Romanos auf Mariae
Verkündigung erschließen", das „ nicht nur denselben Refrain wie die Lang-
strophen des Akathistos, sondern auch, freilich nur im letzten Abschnitt der
ersten Strophe, ähnliche χαιρετισμοί" aufweist23.
Endlich fand Beachtung, daß Carlo del Grande24 die Worte χαίρε, τ ω ν
Αθηναίων τάς πλοκάς διασπώσα der i?Ao-Strophe des Akathistos auf die
i. J. 529 von Iustinian geschlossene Akademie zu Athen bezog. Das frag-
liche Jahr sei daher terminus ante quem. E. Wellesz 25 fügte hinzu, der ge-
nannte Vers atme den gleichen Geist wie Strophe 18 von Romanos' Pfingstlied:
Ti φυσώσι καΐ βαμβαίνουσιν οί "Ελληνες;
ΤΙ φαντάζονται πρός "Αρατον τόν τρισκατάρατον;
ΤΙ πλανώνται πρός Πλάτωνα . . .

3
Welche B e w e i s k r a f t eignet indessen den beigebrachten Belegen?
Wer vermöchte zu entscheiden, ob die oben an erster Stelle vermerkte
Anweisung des Codex Corsinianus 366, — wenn sie sich tatsächlich auf den
Akathistos bezieht — auf Romanos selbst zurückgeht. O h n e Klärung
solchen Sachverhalts aber kommt ihr lediglich zweitrangige Bedeutung, nur
bekräftigender Wert für den Fall zu, daß Romanos' Verfasserschaft durch
andere, überzeugende Beweisgründe hinreichend gesichert erschiene.
Ähnliches gilt für die gleichfalls oben erwähnte Angabe des Codex Thessa-
lonicensis Blataion 41, fol. 193, der sich beim besten Willen nicht mehr ent-
nehmen läßt, als daß Romanos' Verfasserschaft bereits recht früh e r w o g e n
wurde. Eine derartige Nachricht mag unter Umständen unbestreitbaren
22 Ders., ebenda, 15 (1906) i f f .
23 Ders., ebenda 14 (1905), 645.
24 C. del Grande, L'Inno Acatisto in onore della Madre di Dio (Firenze 1948) 18.
« a. O. X X I X f .
382 SCHLUSS

Wert besitzen, doch muß man sich fragen, weshalb sie, wenn sie hinsichtlich
der Urheberschaft Sergios' kein Vertrauen verdient, im Hinblick auf Roma-
nos glaubwürdiger sein soll. Mehr noch: in Umkehrung der hier nachgezeich-
neten Versuche, alles für Romanos' Autorschaft Sprechende zu sammeln und
geltend zu machen, ließe sich hervorheben, daß die fragliche Äußerung
neben Romanos ja auch S e r g i o s als Dichter des Hymnus in Betracht zieht.
Kaum mehr Gewicht dürfte den angeführten Entsprechungen zwischen
Romanos' „echten" Kontakien, deren Verfasserschaft gesichert ist, und dem
hier zur Erörterung stehenden Lied beizumessen sein. Daß der Hymnus den
Standpunkt orthodoxer Christologie einnimmt, spricht mitnichten notwendi-
gerweise für einen bestimmten, auf diesen Zweig christlicher Theologie sein
Hauptaugenmerk richtenden Verfasser26, vielmehr ist keineswegs undenk-
bar, daß die betreffenden Worte lediglich Feststehendes wiederholen.
So gesehen, könnten die hier angehenden Zeilen auch heute niederge-
schrieben worden sein. Verläßliche Auskunft über die Abfassungszeit des
Liedes dürfte sich ihnen demnach schwerlich abgewinnen lassen.
Nicht viel anders verhält es sich mit den übrigen Berührungen: selbst
ein sich so entschieden für Romanos als den Verfasser des Akathistos
äußernder Gelehrter wie E. Wellesz bezeichnet es als Aufgabe des byzanti-
nischen Melodos, sich so eng wie möglich an liturgische Gegebenheit und Über-
lieferung zu halten27 und — wie der Ikonenmaler — seinen Vorbildern so
eng wie möglich zu folgen, so daß seine Größe sich lediglich in seiner „Hand-
schrift", seiner Art der Behandlung des Vorgegebenen offenbaren kann.
Daraus folgt, daß man von vornherein mit der Wiederkehr feststehender,
formelhafter Wendungen zu rechnen hat, die zwischen den einzelnen Werken
byzantinischer Dichtung zu zahlreichen und weitgehenden Übereinstim-
mungen führen müssen, deren Vorhandensein mithin hinsichtlich der Ver-
fasserfrage in Einzelfällen weniger Gewicht besitzt, als unter anderen Um-
ständen zu erwarten wäre.
Es bleibt die Berufung auf Romanos' Meisterschaft28. Wer es indessen
damit bewenden läßt, sei mit in völlig anderem Zusammenhang gegen
26 N o c h weniger aber dafür, daß eine Erstfassung des H y m n u s gar in die Zeit vor
d. J. 432, vielleicht bis auf die T a g e der Apollinarischen Häresie (2. H . d. 4. Jh.) zurück-
gehen müsse. Vgl. die Auseinandersetzung bei E . Wellesz, a. Ο. X X V I ff.
" a. Ο. X X I X u. X X X I I f.
28 Ebenda. — Sucht man sich ein einheitliches Bild der bisherigen Erörterung der
Verfasserfrage unter den Befürwortern v o n Romanos' Autorschaft zu verschaffen,
so muß befremden, daß einmal v o m Zusammentreffen mehrerer (nachträglich zu
D E R H Y M N U S ΑΚΑΘΙΓΓΟΣ 383

Ε. Komemann gebrauchten Worten U. Wilckens29 darauf hingewiesen, daß


derartige „Motivierungen . . . wohl einen Wert" haben, „nachdem der Ter-
min durch strikte Argumente festgestellt ist, aber die Stelle der Argumente
können sie nicht ausfüllen".

4
Beachtenswerter scheinen demgegenüber auf den ersten Blick die aus den
Worten des Akathistos über die athenischen Redner und dem vermeint-
lichen Zusammenhang der fraglichen Stelle mit Romanos' Pfingstlied ge-
zogenen Schlüsse. E. A. Sophocles30 vermißte „the slightest allusion" auf ein
der Abfassung des Hymnus gleichzeitiges Geschehen. In der Tat könnte die
Stelle, enthielte sie wirklich eine das Bestehen der Akademie vorausset-
zende Anspielung, diese Lücke ausfüllen. Indessen hegen, wie eingehende
Betrachtung lehrt, die erforderlichen Voraussetzungen auch hierfür nicht vor.
Obwohl zunächst nicht einleuchtet, womit sich der Verfasser der Phaino-
mena jenes vernichtende Urteil zugezogen hat, das Romanos' Pfingstlied
über ihn verhängt, fällt die Antwort hierauf keineswegs schwer: ohne Zweifel
handelt es sich um nichts anderes als um Auswüchse später, im Dienste reli-
giöser Polemik stehender Redekunst. Eben deshalb wird man den Aussage-
wert derartiger Äußerungen mit Zurückhaltung zu beurteilen haben, doch
steht nichts der Annahme im Wege, daß die Worte des Pfingstliedes wirklich
mit einem Seitenblick auf die Akademie niedergeschrieben wurden. Ähnliches
könnte für unsere Akathistos-Stelle zutreffen, ohne daß der Hymnus freilich
deshalb noch zur Zeit des Bestehens der Akademie verfaßt worden sein muß.
Vielmehr ist keineswegs auszuschließen, daß auch ein später entstandenes
Lied ehemalige oder zeitgenössische, wirkliche oder vermeintliche Gegner
Christi ebenso als „Athener" (vielleicht im Sinne von „Klug-" oder „Schönred-
ner") bezeichnet, wie bei Prokop von Kaisareia, der allerdings Romanos' Zeit-
genosse war, „hellenisch'' als metonymischer Ausdruck für „heidnisch" steht 31 .

einem Ganzen zusammengefügter, ursprünglich jedoch nicht aufeinander bezogener)


Bestandteile des Hymnus (vgl. E. Wellesz, a. Ο. X X V f f . ; ders. in: Dumbarton Oaks
Papers 9 — 1 0 (1956), i43ff.), andererseits jedoch von dichterischer Meisterschaft die
Rede ist, die den Akathistos auszeichne. Entweder enthält das Lied Brüche, die auf
verschiedene Schichten der Entstehung hindeuten, und entbehrt somit der Meister-
schaft, oder es ist meisterhaft gefügt, womit freilich die Anzeichen für allmähliche,
schichtweise Entstehung entfallen!
29 In: Herrn. 38 (1903) 626.
30 a. O.
31 Bell. Pers. 1, 25, 10.
384 SCHLUSS

Doch bedarf es solcher Überlegung nicht einmal. G. G. Meersseman32


erkannte, daß die Stelle in einen anderen Zusammenhang gehört. Ihre Deu-
tung ergibt sich, wenn man ihrem Wortlaut den der sich unmittelbar an-
schließenden Zeile33 entgegenhält und ferner jenen Ausspruch Christi zum
Vergleich heranzieht, der bei Matth. 4, 19; Mark. 1, 17, und Luk., 5, io 34
überliefert ist.
Die Beziehung liegt auf der Hand: durch der Theotokos Mitwirkung
werden die „Flechtwerke" der ihrerseits angesichts der Menschwerdung
Christi und Marias jungfräulicher Mutterschaft „wie Fische" stumm wer-
denden „Athener" zerrissen, während die Netze der „Menschenfischer"
( = der Apostel Christi) sich füllen. Wohl nicht zu Unrecht erblickte daher
G. G. Meersseman in der fraglichen Stelle eine Anspielung auf Paulus' Wir-
ken in Athen 35 .
Demnach aber dürfte sich auch diesem Abschnitt des Liedes schwerlich
ein Hinweis auf die Zeit seiner Entstehung entnehmen lassen.

5
Einen besseren Ansatz zur zeitlichen Einordnung könnte demgegenüber
die /o/a-Strophe des Hymnus gewähren. In ihr ist — sinngemäß — davon
die Rede, daß mit Christi Erscheinen der Niedergang des Zarathustrismus
besiegelt sei. Dabei erscheinen Feuerkult und iranische Welt in so selbstver-
ständlichem Zusammenhang, daß der Abschnitt v o r dem Eindringen des
Islam verfaßt worden sein dürfte. Zwar erwähnt auch der zugrundeliegende
evangelische Bericht3® μάγοι, eine Bezeichnung, die von vornherein mit
Zarathustrismus und Feuerkult zusammengehört, doch hebt er solchen Zu-
sammenhang — ganz im Gegensatz zum Akathistos — keineswegs hervor.
Der Dichter des Hymnus hatte demnach wenig Veranlassung, über Matthäus'
Erzählung von den Magiern aus dem Morgenlande hinausgehend, in aus-
führlichster Weise auf Iranisches zu sprechen zu kommen, hätte er nicht vor-
aussetzen dürfen, daß Derartiges im allgemeinen Bewußtsein lebte und dem-
zufolge verstanden wurde. Solches indessen durfte er namentüch erwarten,
32 a. O. 38 Anm. 1.
33 Χαίρε, των άλιέων τά$ σαγήνας πληρούσα.
34 Letzteres wohl die bekannteste Fassung: άττό τ ο υ vöv άνθρωποι/ς ίση ζ ω γ ρ ώ ν ;
vgl. Matth. 13, 47 : · · · ώμοΐα έστίν ή βασιλεία τ ω ν ουρανών σαγήνη βληθεΐστ] «Ις τ ή ν
θάλασσαν.
3 5 Vgl. Act. 17, 16ff.
3 · Matth. 2, ι — 1 2 .
D E R H Y M N U S ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ 385

solange zeitgeschichtlicher Bezug dieses Bewußtsein wach erhielt, mit an-


deren Worten: solange Byzanz sich noch nicht mit dem Islam, sondern mit
sasanidischer Macht auseinanderzusetzen hatte.
Unter allen Sasanidenherrschern findet sich keine Gestalt, die nachhal-
tigeren Eindruck hinterließ als Chusrö II. Ayöarvez, der „in furchtbarem
Auf und Ab, in unerhörtem Umschlag von Sturz und Erhebung, von Sieg
und erneutem Sturz ein geschichtliches Gemälde" bietet, .,daß der Groß-
artigkeit nicht entbehrt" 37 . Dieser König, unter dem „die Sterndeuter ihr
Wesen trieben" und „der sich rühmen durfte, ihre Gilde gut genährt, zu sich
emporgehoben und besoldet zu haben" 38 , wurde „geradezu als Vorläufer des
Antichrist dargestellt 39 ". Es ist anerkannt, daß Herakleios' Feldzüge gegen
ihn, der einst durch seine Beziehung zu Maurikios besonders eng mit Byzanz
verbunden war40, „durchaus kreuzzugähnlichen Charakter" annahmen.
Auch den Feuerdienst förderte Chusrö AySarvez: er Heß Feuertempel
errichten, worin er 12000 Herbad für das „Gemurmel" unterhielt42, ja
37 F. Altheim-R. Stiehl, Finanzgesch. d. Spätantike (1957) 163.
38 Dies., a. O. 280; ebenda Anm. 24 u. 25.
3 9 L.-I. Ringbom, Graltempel u. Paradies, in: Kungl. Vitterhets Hist, och Antik-

vitets A k a d . Hand. 73 (Stockholm 1951) 68; vgl. H. P . L'Orange, Studies on the Ico-
nography of Cosmic Kingship, Inst, for Sammenlignende Kulturforskning, A. Foreles-
ninger 23 (Oslo 1953) 1 1 4 — 1 1 8 . Der Einschätzung Chusrö's durch die Christen ent-
spricht die durch islamische Autoren: auch dies gehört in gewissem Sinne zu jener
„Parallelität zwischen den Geschehnissen um Mohammed und denen u m Herak-
leios", die F. Altheim u. R . Stiehl, a. O. 159 hervorheben. Chusrö, der das an ihn gerich-
tete Schreiben des Propheten zerrissen hatte (hierzu: F . Altheim-R. Stiehl, a. O. 151 u.
163ff.), andererseits eine Neuausgabe d. A v e s t a u. Zand anfertigen ließ (J. R y p k a ,
Iran. Literaturgesch. [Lpzg., 1959] 39), galt f a b a r i (Th. Nöldeke, Übers. [1879] 356) als
Herrscher frevlen Mutes, voller Rücksichtslosigkeit gegen Gott, als Verächter der Men-
schen, der gering schätzte, was kein verständiger und umsichtiger König geringschätzt. —
Wie weit solches in volkstümlicher Überlieferung fortwirkte, zeigt eine Begebenheit,
die Sir John Malcolm, Hist, of Persia ι (1815) 185 f. Anm., berichtet. Danach habe ein
Perser erklärt, der K a r a su, welcher früher das umliegende Land bewässerte, habe sich
vor Entsetzen über den Frevel des Sasanidenkönigs, der die Fetzen des zerrissenen
Schreibens Mohammeds seinen Fluten überantwortet habe, in sein heute tief einge-
schnittenes B e t t zurückgezogen und gelte seit jenem Ereignis als verflucht. Ein anderes
Bild Chusrö's zeichnen iranische Erzählungen, deren Lieblingsgegenstand die Liebe des
Königs zu seiner Musikerin und späteren Gattin Sirin ist. Hier ist Nizämi's Dichtung
Husrn u Slrln zu nennen, die noch heute Stoff für Filmdrehbücher und tadäikische
Musikdramen liefert (Jiri Cejpek, Die iran. Volksdichtg., bei J. R y p k a , a. O. 524 u. 538).
40 F . Altheim-R. Stiehl, a. O. 79; V . F . Büchner, in: Enzyklop. d. Islam, 4 (1934)

192, s. v. Säsäniden; G. Ostrogorskij, a. O. 48f. u. 5 1 ; K . Krumbacher, a. O. 947;


L.-I. Ringbom, a. O.
42 Th. Nöldeke a. O. 353 u. ebenda A n m . 3; vgl. A . Christensen, L ' I r a n sous les

Sassanides (1944) 2 , 492.

25 Alheim, Hunnen V
386 SCHLUSS
43
Georgios Pisides brandmarkt ihn als „Feuervergötzer" (ττυραολάτρης).
Bemerkenswert erscheint in solchem Zusammenhang, daß mit Chusrö's
Niedergang, doch keineswegs mit seinem Tod, das Feuer des Zarathustris-
mus erlischt. Ein einziger Funke bleibt übrig, genug, den Frevler zu ver-
brennen44.
6
Findet sich hier die Deutung jener Verse unserer Akathistos-Strophe, die
Maria feiern, weil sie den „Ofen der Betrügerei ausgelöscht" und, „Retterin
vor dem Aberglauben der Barbaren, der Feueranbetung ein Ende bereitet"
habe? 4 5 Wirklich erlosch noch vor Chusrö Aßarvez' Tode eines der „drei
großen Feuer des Reiches" 46 , mehr noch: „das Hauptfeuer von Iran . . .
das in siebenhundert Jahren nie erloschen war und von dem das heilige
Feuer zu allen anderen Feuerheiligtümern Irans getragen werden muß,
wenn irgendwo eine Erneuerung nötig war oder ein neuer Tempel gegründet
wurde" 4 7 .
43 Her. i, 14 u. ebenda 181. Ein Hinweis J . M. Quercis hierauf (Migne, a. O. 1334)

verhallte ungehört im Streit um die Entstehung des Akathistos. J . M. Querci war freilich
der Meinung, den Nachweis führen zu können, daß Pisides Verfasser des Akathistos sei.
Indessen muß gesagt werden, daß, was beim gegenwärtigen Stand der Unter-
suchung des Hymnus zugunsten solcher Auffassung angeführt werden kann, nicht
hinreicht, solchen Nachweis auch nur einigermaßen überzeugend zu erbringen, obwohl
wie das Folgende zeigen wird, Anzeichen vorhanden sind, daß der Akathistos eher in
Pisides' als in Romanos' Zeit gehört. — Bei Pisides' Durchmusterung, deren Ergebnisse
gleichfalls im folgenden mitgeteilt werden, stand mir dankenswerterweise Herr cand.
phil. H. Lauterbach, Berlin, der sich eingehend mit Pisides beschäftigt hat, zur Seite.
44 Pis., Her. 2, 228ff.:

Ούτως έκεΐνο ττδν τό iröp κατασβέσας.


άφήκας ούδέν, ττλήν δσον λαλεϊν §δει.
στπνθηρα μικρόν sis τό φλέξαι Χοσρόην.
4 8 Χαίρε, της άττάτης τήν κάμίνον σβέσασα / χαίρε, ή της βαρβάρου λυτρουμένη

θρησκείας / χαίρε, πυρός ττροσκύνησιν τταύσασα . . .


4 6 Κ. Erdmann, Kunst Irans ζ. Zt. d. Sasanid. (1943) 39.
4 7 Ε. Diez, Iran. Kunst (1944), 62. Gemeint ist das Heiligtum Ä6ur Guänasp, ,,le

feu royal'' (Α. Christensen, a.0.166) zu Gangak (Siz), dem angebl. Geburtsort Zarathustras
in ÄSurbaiyän, wohl Taht-i Sulaimän: Th. Nöldeke, fabari-Ubers. 100 Anm. 1;
J . Ruska, in: Enzyklop. d. Islam, 4 (1934), 4I5> s · v · Shiz; E. F. Schmidt, Flights over
Ancient Cities of Iran (1940) 73 u. Taf. 87ff.; L.-I. Ringbom, a. O. 86ff. Uber die sich
aus Theophanes' lückenhaftem Text ergebenden Schwierigkeiten des genauen An-
satzes des fraglichen Tempels z. Zt. Chusrö's I I . : E. Gerland, Die pers. Feldzüge d.
KaisersHerakleios, in: Β. Z., 3 (1894), 353f. und ebenda Anm. 3; V. Minorsky, Roman
and Byzantine Campaigns in Atropatene, in: BSOAS. 11/2 (1944), 248ff. Letzter
setzt nicht al-Siz, sondern al-Birka (Mas'üdi murüg 4, 74) mit Taht-i Sulaimän gleich
und spricht unter Berufung auf Mas'üdi, a. O., von einer Übertragung des Feuers dort-
hin durch Chusrö I. Anöäarvän.
D E R H Y M N U S ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ 387

Die Zerstörung dieses Heiligtums fällt in das Jahr 62448. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß sie als Vergeltung und gleichsam als Gegengewicht
zur Einnahme Jerusalems und Chusrö's Kreuzesraub aufgefaßt wurde49.
Über solche Erwägungen hinaus finden sich in der Tat Anhaltspunkte
dafür, daß das genannte Ereignis wirklich im Akathistos seinen Nieder-
schlag fand. Zunächst handelt es sich hierbei um weitere Berührungen mit
Pisides, die sich jedoch, wie sich zeigen wird, in einem entscheidenden Punkte
von jenen Übereinstimmungen einzelner Akathistos-Stellen mit den Hymnen
anderer byzantinischer Dichter, von denen oben die Rede war, unterscheiden.
Noch einmal geht es um Feuerverehrung, richtiger: um deren Ende.
Pisides {Her. 2, 222) spricht davon in einem Vers :
απηλλάγη y a p και τό πΰρ μολυσμάτων,
der bis in den Wortlaut (άπηλλάγη—άπαλλάττουσα) folgender Akathistos-
Zeile ähnelt: Χαίρε, φλογός παθών άπαλλάττουσα, in der freilich, um mit
der lateinischen Fassung zu sprechen, von der flamma vitiorum die Rede ist
(G. G. Meersseman, a. a. 0 . 1 1 2 ) — eine Gedankenverbindung allerdings, die
von der im Vers zuvor anklingenden πυρσολατρεία ausgelöst ward.
Unter den vitia spielen in unserer Akathistos-Strophe βορβόρου εργα
(cent opera nach d. lat. Fassung) eine offenbar nicht untergeordnete Rolle.
Man fragt sich, was die christliche Tugend der Mäßigkeit oder vielmehr das
ihr widerstreitende Laster der Schwelgerei mit den drei Weisen aus dem
Morgenland zu tun habe. Wieder wird man auf Chusrö Aßarvez verwiesen.
Pisides vergleicht ihn mit Belsazar, der nach Daniels bekannter Erzählung
während eines zum Gelage ausartenden Mahles jenen Frevel beging, welcher
ihn Krone und Leben kosten sollte. ΤΤαροίνει δυσσεβώς ό Χοσρόης50 dürfte
der auffällig an Ciceros Anwürfe gegen Antonius erinnernde Ton politischer
Propaganda jener Zeit sein, die sogar Eingang in den kirchlichen Hymnus
gefunden haben muß: nur Bezug auf Chusrö Aßarvez leiht, nachdem
dieser derart gekennzeichnet ward, der Wendung ή του βορβόρου ρυομένη
των έργων, die ohne solchen Bezug leeres Spiel mit dem vorangehenden
48
E . Gerland, a. O.; G. Ostrogorskij, a. O. 6 1 ; H. P. L'Orange, a. O. 1 9 ; K . Krum-
bacher, a. O. 947.
49
Zur Auffassung jenes Krieges als eines Kampfes zwischen Jerusalem und 5iz-
Gangak: L.-I. Ringbom, a. O. 4 3 5 f f . (bes. 438ff.).
50
Dan. 5 ; vgl. Pis., Her. 1, 3off.:
γιγαντιςί: δέ καΐ τυραννήσαι θέλει (sc. 6 Χοσρόης)
καΐ τάν ιτρό π ά ν τ ω ν είκονίζει Βαλτάσαρ.
χραίνων τ ά Θεία τ ω μολυσμω τή$ μέθη;-
25*
388 SCHLUSS

ή της βαρβάρου λυτρουμένη θρησκείας wäre, im Zusammenhang der Strophe


überhaupt einen Sinn.
Hier zeigt sich, worin sich die Übereinstimmung zwischen Pisides und dem
Akathistos von jenen Berührungen des Hymnus mit anderen Kontakien
unterscheiden, die bei Erörterung der Verfasserfrage bisher eine Rolle
spielten: ergaben jene sich gleichsam zwangsläufig, weil die Verfasser auf
dem gemeinsamen Grund einer und derselben Lehre stehen oder sich immer
wiederkehrender Ausdrücke bedienen, so erwachsen die Übereinstimmungen
mit Pisides aus einer gemeinsamen Haltung gegenüber einem bestimmten
Geschehen. Mit anderen Worten: Pisides und der Akathistos berühren sich
nicht im Allgemeinen, sondern im Besonderen, und zwar in der Auseinander-
setzung mit der beiden gemeinsamen Zeit.
Damit ist deutlich geworden, daß niemand anders als Chusrö II. jener
aus seiner Herrschaft vertriebene τύραννος απάνθρωπος ist, von dem ein
weiterer Vers der zuletzt besprochenen Strophe des Akathistos spricht.
Gleichwohl wurde der Hymnus v o r Chusrö's Tod gedichtet.
Wie sich im Fortgange unserer Untersuchung immer mehr herausgestellt
hat, steht der Akathistos vor allem zu Ereignissen von Herakleios' z w e i t e m
Feldzug in einer gewissen Beziehung. Diese Feststellung dürfte sich durch
eine weitere Beobachtung bekräftigen lassen.
Wie eingangs hervorgehoben, ist der Akathistos in erster Linie ein Ge-
sang zum Feste der Verkündigung Mariens.
E. Gerland betont (a. 0. 348) „die fromme Gesinnung, die sich durch"
Theophanes' „Schilderungen" von Herakleios' zweitem Zuge „hindurch-
zieht". Er findet solches „merkwürdig oder vielmehr erklärlich bei der Eigen-
art dieses Krieges", bleibt jedoch die Auskunft schuldig, weshalb nicht nur
allgemein göttliche Fügung, sondern namentlich „ die direkten Einwirkun-
gen der Θεοτόκος selbst" in den Vordergrund gestellt werden. Doch fällt
es durchaus nicht schwer, sich solche Auskunft selbst zu erteilen: nach
Chron. Pasch, sowie E. Gerlands eigenen Berechnungen51 war Herakleios zu
diesem Feldzug, der sich später nicht zuletzt durch die Einnahme des Feuer-
heiligtums Zarathustras als so entscheidend erweisen sollte, an keinem
anderen Tage aufgebrochen als am Fest Mariä Verkündigung, dem 25. März
des Jahres 624. Was lag näher, als daß ein, wie sich ergeben hat, aller Wahr-
scheinlichkeit nach gegen Ende des gleichen Feldzuges verfaßtes Danklied
51 a. O., 331 ff.; 349.
DER HYMNUS ΑΚΑΘΙΣΤΟΣ 389

an die himmlische Schutzpatronin, diese unter dem Festgeheimnis des


gleichen Tages pries, der sich als so glückverheißend herausgestellt hatte.
Demnach besteht kein Grund, der Meldung des Synaxars zu mißtrauen,
wonach der — offensichtlich kurz zuvor auf die Kunde von Herakleios' Er-
folgen in ÄSurbaiyän entstandene — Akathistos anläßlich der Befreiung
Konstantinopels i. J . 626 erstmals öffentlich gesungen wurde, obwohl
letztgenanntes Ereignis, auf das sich in der Tat im Hymnus nicht die leiseste
Anspielung findet, seinerseits nicht erst den Anstoß zum Werden des Liedes
gab.
ANHANG
NACHTRÄGE

ZUM E R S T E N B A N D

S. 9. Die Datierung Asparuch's bemängelt I. DujCev in: Byzantinoslavica 23


(1962), 87. D a s Richtige bei S . A . Nikitin in: Istorija Bolgarii 1 (1954), 56. Weiter
I. Dujöev, a. 0 . 88: „ S u r la fin du khan Asparouch (ib., p. 20) il faut dire qu'apres
un tέmoignage tegendaire, il ρ έ ι ΐ ί dans la lutte contre les Chazares, comme j'ai essaye
de le prouver ailleurs (v. Antidoron M. Abramic septuagenario oblatum. II. Aspalathi
1 9 5 4 — ! 9 5 7 . PP- 1 8 1 — 1 8 9 ) " .
S. 39f. Zum Namen Τούρκοι J. H a r m a t t a in: A c t a Ant. Hung. 10 (1962), 131 f.
S. i n Zeile 4. bet sainä l-hurbä: Chron. min. 1, 36, 10 Guidi; sainä, avest.
say an am.
S. 112f. E . L e R o y Ladurie, Aspects historiques de la nouvelle climatologie, in:
R e v u e Historique 225 (1961), i f . ; Hinweis P . N o b e r s i n : V e r b u m Domini 39 (1961), 217.
S. I26f. R . Köbert schreibt uns zur Inschrift v o n en-Namära, unter dem 23. 10. 6 1 :
„ O b w o h l ich dem Sinn des Satzes zustimme, kann man bayyana banihi {banaihi)
s-su'üba gegen Dussaud wegen der Bedeutung des Verbs nicht mit , E r verteilte seine
Söhne auf die Stämme' übersetzen. Ich hätte auch einen anderen Ausdruck für die
Sache erwartet, e t w a : ,Die Völker huldigten seinen Söhnen (durch bai'a) 'o. ä. D a s
müßte lauten: bäya'a b.S-su'übu. In der Schreibung der Verbform ist ein Alif nicht zu
vermissen, aber das 'Ain müßte dastehen . . . Hier t a t ich nun einen Blick auf die Re-
produktion der Inschrift in Enc. Ital. 3, 849 a. Dort ist in dem W o r t eine Lücke deut-
lich markiert, die bei Cantineau nicht mehr erscheint, ebenso und deutlicher in Lidz-
barski, Ephemeris 2, 34 und Dussaud, Mission 314. D a s erlaubt, das Zeichen vor der
Lücke als b, das Zeichen nach ihr als 'Ain zu fassen. Dazwischen ist Platz für ein y. So
bekomme ich by'." Eine schlagende Verbesserung!
S. 179. Zur angeführten Untersuchung J. Friedrich's vgl. R . Macuch in: O L Z . 57
(1962), n g f .
S. 190 f. Agatharchides bei Diodor 3,95 (Geogr. Gr. Min. 184) sagt von τ ω ν ' Α ρ ά β ω ν
ol καλούμενοι Δέβαι: ούτοι δέ καμηλοτροφοϋντες πρό$ ά π α ν τ α χρωνται τ ά μέγιστα τ ω ν
κατά τ ό ν βίον τ η τοΟ ζώου τ ο ύ τ ο υ χρεία' ττρός μέν γ ά ρ τοϋς πολεμίους ά π ό τ ο ύ τ ω ν
μάχονται, τά$ δέ κομιδάς τ ω ν φορτίων έττΐ τ ο ΰ τ ω ν νωτοφοροϋντες £<?5icos ά π α ν τ α
συντελοΰσι, τ ό δέ γ ά λ α πίνοντες ά π ό τ ο ύ τ ω ν διατρέφονται, καΐ τ ή ν όλη ν χ ώ ρ α ν
περιπολοϋσιν έπΐ τ ω ν δρομάδων καμήλων.
S. 2ΐ4· Zum Titel afsin W . I. A b a e w in: Westnik drewnej istorii 1959, i i 2 f .
S. 229. Zu Δ ε γ γ ι ζ ί χ , Ε . Ligeti in: A c t a Ant. Hung. 10 (1962), i68f.
S. 230—239. D a s Urbild aller behandelten Landnahme-Sagen findet sich bei A g a -
tharchides, de m a n Erythraeo 5 (GGM. 1 [1885], 113). D e m Perser Erythras, der im
Winter in Pasargadai, im Sommer aber a m Roten Meer wohnt (gemeint war ursprüng-
lich der Persische Golf), jagten Löwen die eigne Pferdeherde durchs Meer auf eine Insel.
Erythras folgt der Herde und ihrem Hirten auf einer σχεδίη und gründet auf der Insel
eine Stadt.
394 ANHANG

S. 231. Streitwagen auf Felszeichnung v o n Tekke-Taä (Tadschikistan): A . M .


Mandelätam in: Izw. otd. obäestw. nauk T a d i . I (i960) 85f. — Die Frage der indo-
arischen Sprachreste in Vorderasien dürfte durch das klare und überzeugende Referat
M. Mayrhofens in: Z D M G . 1 1 1 (1962), 451t. vorläufig gelöst sein.
S. 253. Zum N a m e n Presiam, Persianos I. D u j i e v , a. O. 88.
S. 268f. I. Dujöev, a. O. 88: „ L e s notices contenues dans le chapitre ,Hunnische
und türkische Runen' . . . devraient etre mises en rapport avec l'indication de V i t a
Constantini-Cyrilli, cap. X V I , sur l'existence d'une langue liturgique, entre autre, aussi
des tour'si, non tyrsoi, mais fort probablement les Turcs anciens. Justement au lieu
d'explication assez compliquie, a mon avis, proposie par J. Marquart, Osteuropäische
und ostasiatische Streifzüge, Leipzig 1930, p. 190 sqq., qui dösirait y voir les Tyrsoi,
peut-on penser des Turcs et dans ce cas les notices dans le livre de Fr. Altheim sont
plus qu'utiles".
S. 297. D a z u C. Daicoviciu in: K l i o 38 (i960), i 8 i f . Alanen in der zweiten Hälfte
des 3. Jahrhunderts in der Moldau: Daicoviciu-Nestor in: Rapports du X I e Congrts
des Sciences Histor., Stockholm i960, 130.
S. 355. Westgoten in Siebenbürgen: Daicoviciu-Nestor, a. O. i 3 i f . ; 133f.
S. 403. „Ithahsanün ist trotz der seltsamen Orthographie zweifellos das Richtige
und übersetzt dabei denkbar genau πέτταυνται des griechischen Teils: hsn = hsl (Aus-
tausch der Sonoren), und dieses „hörte a u f " ; also ittaf. 3 pl. pf. m. „wurden aufhören
g e m a c h t " , ττέτταυνται. D a v o n ist .wurden entwöhnt' ein Sonderfall (R. K ö b e r t unter
dem 2 8 . 9 . 6 1 ) . — Ist ithahsanün anzusetzen, mit verflüchtigtem 0 und Schreibung
des so entstandenen Murmelvokals mit y i Zu letztem vgl. Altheim-Stiehl, Die aramä-
ische Sprache i . L f g . (1959), 42f.; 45;Supplementum Aramaicum (1954) 82;oben 1, 249;
2, 178; 4, 17.

ZUM Z W E I T E N B A N D

S. 11 f. Über Josua Stylites' byzantinische Quellen N. Pigulewskaja in: A c t a A n t .


Hung. 10 (1962), 2 4 !
S. 65. Über gahüd G. Widengren in: Iranica Antiqua 1 (1961), 121, wo unsere
Stelle und Maimana übersehen ist. Uber Juden in Gurgän ebenda 119 Anm. 1, wo
Barhebraeus, chron. Syriac. 32, 24 f. B e d j a n übersehen ist.
S. 125—166. Unter dem 17. 12. 61 schreibt H . Götz, Heidelberg: „ A n l ä ß l i c h des
Kapitels über Proskynesis in Iran fiel mir auf, daß diese Gruß- bzw. Verehrungsform
an den indischen Fürstenhöfen anscheinend noch üblich ist. Dort war es bis 1947 so,
daß die Bauern sich vor dem vorbeifahrenden oder reitenden Herrscher flach auf den
Boden warfen. Die Höflinge und Beamten jedoch machten (und machen noch immer
innerhalb des Palastes) nur eine leichte Verbeugung, wobei sie die leicht gewölbte Hand
dreimal vor dem Munde schnell hin- und herbewegen, aus etwa einem halbem Meter A b -
stand bis ein paar Zentimeter vor dem Munde, so daß diese Bewegungen mit Beginn, Tief-
punkt und Ende der Verbeugung zusammenfallen. Obwohl der A k z e n t mehr auf die Bewe-
gung zum Munde hin als weg ist, scheint mir dieser G r u ß mit der Proskynesis identisch zu
sein, wenn auch nach so langer Zeit vielleicht schwach verändert. E r ist mir aus Baroda,
Jodhpur, Bikaner und Jaipur geläufig. Der Völkerkundler Prof. U. R . v. Ehrenfels
(Madras Universität, ζ. Z. Gastprofessor in Heidelberg), mit welchem ich die Angele-
genheit besprochen habe, kennt diesen Hofgruß aus Hyderabad und teilt auch meine
Meinung darüber."
NACHTRÄGE 395
S. 144. Der Hippolytos-Sarkophag in Girgenti zeigt die Proskynesis der Dienerin
angesichts der liebeskranken Phaidra. Abgebildet bei Η. M. Schwarz, Sizilien. Kunst,
Kultur, Landschaft (1945) Tai. 102 (Hinweis J . Rehork's).
S. 170. KSYT· gehört zu jüd.-aram. kaZSitä „gerecht". Dann wäre zu übersetzen:
„Zehn Jahre wurde Sühne vollzogen ('byd PeHl Perf., 3. Sg. Masc.), die unser Herr P., der
gerechte König, gerecht machte."
S. 177. Zur etymologischen Orthographie A. Spitaler in: Indog. Forsch. 61 (1954),
262!
S. 1851 Zur frühbyzantinischen Besteuerung B . Treucker, Politische und soziale
Studien zu den Basilius-Briefen (Diss. Frankfurt M. 1961) 64f.; I. Hahn in: Acta
Ant. Hung. 10 (1962), 1 2 3 f .
S. 295. R. Köbert schreibt unter dem 2 1 . 9. 6 1 : „Der von Prof. Levi Deila Vida
erwähnte Nachweis der metrischen Struktur des Vaterunsers von Littmann-Torrey
findet sich Zeitschr. f. Assyriol. 28 (1913), 3 1 4 undZeitschr. f. neu test. Wiss. 34 (i935)>
29 f . "
S. 301. Zum Wandgemälde aus Pangikant E . Jettmar in: Central Asiatic Journ. 6
(1961), 262 f. und R . Göbl, ebenda 267 f. Der Aufsatz Jettmars zeigt die Unkenntnis
der literarischen Quellen, die man bei diesem Forscher gewohnt ist. S. 264 spricht
er von einer „aus dem mittelasiatischen Epos" {sie) bekannten Episode vom Tod
SiyävuS'. Auch alles Übrige ist derart abwegig, daß es einer Widerlegung nicht bedarf.
Göbl's Ansicht hinsichtlich der Krone trifft nicht zu. Sie entspricht der Prägung aus
Buchara bei Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles (1954) Taf. I 1. Siyävuä
galt als König Buchärä's: R . N. Frye, The History of Bukhara (1954) 17· 2 3 ·

ZUM D R I T T E N BAND

S. 9. Bei den Hephthaliten in Merw gab es noch um 650 Schamanen. Denn Chron.
min. 1,35, i f · Guidi erzählt von einem regulus (malkönä), den „Priester, Diener der
Dämonen" (kumre pallähai l-iede), begleiteten. Sie verstanden die Verdunkelung des
Himmels durch Wolken, Winde, Donner und Blitz hervorzurufen.
S. 28. Zu den Terrakotten vom Afrasyäb, dieAnahita darstellen, Α.M. Mandelstam
in: Iskusstwo Tadiiskogo naroda (1961) 1 4 3 f .
S. 33. Bücherkisten (kimtar) bei Makrizi, hitat 1, 45, 9; dazu P. Kahle in: ZDMG.
N. F . 14 (1935), 350 Anm. 2; syr. kmtryn κάμπτριον C. Brockelmann, Lexic. Syriac. 2
672 1.
S. 36 Zeile 18. Histoire d' Ahoudemmeh 33, I 2 f . Nau.
S. 57f. Dazu G. Widengren in: Orientalia Suecana 1 (1952), 69f., wo die Mas'üdi-
Stelle übersehen ist. Der von Widengren S. 78 genannte „Faghänis" oder Fuyänis
ist ein qayan oder qapyan, *qavqan mit + ° i : A. v. Gabain, Alttürk. Gramm. 2 (1950) 63
§ 64; oben i, 207 t.
S. 83. Zu πλήρωμα P. Hadot in: Rev. £ t . Grecques 74 (1961), 433.
S. 98 Zeile 23 f. Zu Bar?aumä's Verfahren vgl. die Vita des Märütä PO. 3, 1, 67
Zeile 2 f. E r erhielt die Erlaubnis, die Lehre von den zwei Naturen (die nestorianische)
einzuführen, im 27. Jahre Peröz' (beginnend 24. Juli 483).
S. 103 Zeile 18 und Anm. 4. Tailasän vgl. Berüni, chron. 159, 2 Sachau und die
zugehörige Figur.
S. 109. In den letzten Jahren Yazdgard's I I I . bekehrte Elias, Metropolit von Merw,
viele Türken und solche anderen Stammes: Chron. min. 1,34, I 2 f . Guidi.
396 ANHANG

S. h i Anm. i. R. Köbert schreibt unter dem 21. 9. 61: „ F ü r den Ausdruck


hisäb al-gutntnal oder gumal suche ich nach einer Übersetzung; ich möchte .Berechnung
der Summen, Summierung' sagen. Die Sache ist in dem nützlichen muhit al-muhit wie ge-
wöhnlich als Gebrauch der Buchstaben nach ihrem Zahlenwert, beschrieben: t al-gummal
(mit dem unangenehmen taSdid) . . . . ist das Rechnen mit den Buchstaben, die im
abgad und was [daran] anschließt, beisammen sind. Man beginnt von* bis t mit den
Einern, d. h. von 1 — 9 ; dann von y bis j mit den Zehnern, d. h. von 10—90; dann von
q bis g mit den Hunderten, d. h. von 100—1000. Man nennt das hisäb al-abgadtya. Auf
ihm beruhen die dichterischen Datierungen, mit denen man angeben will, in welchem
Jahr der Higra oder einer anderen Datierung das [betreffende] Ereignis eintrat. Darum
werden Wörter genommen, für die die Zahlenwerte, die ihren Buchstaben zukommen,
den Zahlen der Jahre des Datums entsprechen. So sagt z . B . [ein Dichter]: e Ich habe
den Vers am Nawä-Tag vorgetragen, der mit hulim angegeben ist.* Das war das Jahr
1040 d. H. Der Dichter hat es mit durch hutim ausgedrückt; denn h bedeutet 600,
t 400, m 40 und die Summe deckt sich mit dem Datum des genannten Jahres." Berüni,
Ibn Haldün 2, 206 u. a. bekämpfen also einen verbreiteten Mißbrauch dieser Zählungs-
weise."
S. 116 Zeile 11. Nach „brüsten" ist einzuschieben: „das tat er [auch]'*. Hinweis
R. Köberts.
S. 119 Zeile 7 f. und 121. Die Stelle scheint zu zeigen, daß Mani, als Porphyrios
schrieb, bereits nicht mehr lebte. Damit gewinnt man für die Abfassung der Schrift
κατά Χριστιανούς den 26. 2. 277 als Terminus post quem.
S. 137 Zeile 10. Zu berichtigen in „Fragmente Demokrits 1 ".
Auf die unüberlegte Besprechung H. W. Haussig's, die vornehmlich dem dritten
Band gewidmet ist (Das historisch-politische Buch 1962, io4f.), erübrigt sich einzugehen.

ZUM V I E R T E N B A N D

S. 3 Zeile 18. Nach „Frühjahr" ist die Jahreszahl 1957 ausgefallen.


S. 5. O. Szemer£nyi bemerkt unter dem 27. 4. 62: „The form *pausus, *pousus
suggests diphthongs — but that could not have developed into short ujy of fus. fys;
it is obviously only infection: pasu- > posu- > pusu-".
S. 10 Zeile 2 und S. 21 Zeile 9. Parsman, parsman.
S. 15. Bet nahudrä in der Nachbarschaft von Ninive: Leben des Märütä PO. 3, 1,
S. 63 Zeile 1 Nau.
S. 16. Zeile 24. Die Herausgeber der Murabba'ät-Texte 20 verweisen auf den Ge-
brauch von 'm im Jüdisch-Aramäischen.
S. 38f. Zu den Ostraka aus Nisä jetzt I. M. Djakonow und W. A. Liwäic, Doku-
menty iz Nisy (Moskau i960).
S. 39 Anm. 6. Auf die angeschnittenen Fragen werden wir in: Geschichte der
Araber zwischen Alexander und Mohammed 1 (erscheint 1963) nochmals eingehen.
S. 42 Anm. 1. E. Morton Grosser, A Further Note on the Chou Dynasty Pistol-
Crossbow, in: Artibus Asiae 23 (i960), 209f.
S. 57 f. Zu den bronzenen Weinlaubblättern an den Halteriemen der Sättel vgl.
„700 ans d'art en Iran" (1961) Nr. 771 und pl. L X X X I X . Der Silberteller gehört zweifel-
los nicht unter Chusrö II., sondern ist, wie die Verwendung des Grabstichels zeigt,
(bestenfalls) nachsasanidisch.
S. 58. Daneben ist nhd. Köcher, altfranz. cuivre zu erwähnen, deren Ursprung
J. Hubschmid in: Essais de Philol. moderne (Bibl. Fac. Philos. Liege 129 [1951]) iSgi.
NACHTRÄGE 397
auf die Hunnen zurückgeführt hat. Hubschmidt teilt unter dem 14. 5. 62 mit, daß er
auf seine Etymologie in: Schläuche und Fässer (Romanica Helvetica 54 [1955], 115—119)
zurückgekommen ist. Die Etymologie wurde in die letzte Auflage von Kluge-Götze-
Krahe-Mitzka, Etymol. Wb. der dten Sprache und in W. v. Wartburg, F E W . 16, 429f.
übernommen.
S. 60—66. Völlig übersehen wurde bisher von den Verfassern sowie allen übrigen
Bearbeitern die Stelle Iordan., Get. 200 f. Ardaricus und Valamir werden dort als Ver-
traute Attilas bezeichnet. Sie stehen in solcher Stellung der reliqua . . . turba regum di-
versarumque nationum duciores gegenüber. Von diesen heißt es: ac si satellites nolibus A ttilae
attendebant, et ubi oculo annuisset, absque aliqua murmuratione cum timore et tremore unus-
quisque adstabat, aut certe, quod iussus fuerat, exequebatur. Demgegenüber der Hunnen-
herrscher selbst: solus Attila rex omnium regum super omnes et pro omnibus sollicitus
erat. Man wird zunächst die persönliche Bindung der beiden Germanenkönige von allem
Institutionellen trennen. Für dieses ist kennzeichnend, daß die turba regum an die „Teil-
könige" gemahnt, die der Gründer des sasanidischen Reiches, Ardaser I., sich rühmte,
unterworfen zu haben. Der Gehorsam dieser reguli kennzeichnet die Macht des Herr-
schers, wie umgekehrt deren Emporkommen Zeichen des Verfalls ist. Darum vergleicht
Mas'üdl, murüg 2, 73, 5 f. Barb, den Zerfall des 'Abbäsidenreiches zu seiner Zeit mit
dem Auftreten der „Teilkönige" nach Alexanders Tod. Die Schilderung Attilas an
unserer Stelle entspricht dem sasanidischen Königsideal, und dazu stimmt, daß der
rex regum omnium doch eine Spiegelung des „Königs der Könige" sein muß. Es sei
daran erinnert, was anläßlich der Bezeichnung Attilas als μέγιστος θεών = bägler bäg
und des Titels qayan gesagt worden war: beide sind der iranischen Welt entnommen
(oben 1, 20gf.; 213t; 2, 159 und Anm. 5; 4, 351 mit dem Hinweis, daß Silin ihren Gatten
Chusrö I I . Aßarvez geradezu als allähä anredet: Chron. min. 1, 28, 2 Guidi).
S. 81. Den Beispielen aus Hatra ist aus I. M. Djakonow und W. A. Liwsic, Doku-
menty iz Nisy (i960) 1 1 7 Nr. 2107 Zeile 7 hinzuzufügen: hnlt Ί gm' mlk' aus dem
Jahr 39 v. Chr.
S. 91. Den Beispielen des Nachtrags ist hinzuzufügen aus J . - B . Chabot, Docu-
menta ad origines Monophysitarum illustrandas (1955) 6, 2 : mttrpty. Es ist zusammen-
gesetzt aus mettarrap und at(t) 2. Pers. Sing. Fem. und zu lesen mettar(r)pat(t).
S. 134 Anm. 1. R . Derolez in: Handel. Zuidnerl. Maatsch. voor Taal- en Letter-
kunde 1 5 (1961), i49f.
S. 135 Anm. 2. Zuletzt C. Daicoviciu in: Journ. Rom. Stud. 1961, 64; Editorial
Note 70.
S. 1 7 6 ! Dazu mähabara Mdüsän in der äthiopischen Vita des Hl. Makarios bei
A. Dillmann, Chrestomathia Aethiopica 2 (1950) 32 Zeile 1.
S. 2 i 8 f . Auch ein altes germanisches Heldenlied — das der Westgoten auf
ihren in der Katalaunischen Schlacht gefallenen König Theoderich — ist ein Toten-
lied: Iordanes, Get. 2 i 4 f . Die Beeinflussung durch die angeführten hunnischen und
iranischen Beispiele ist augenfällig.
S. 258 Zeile 31 und S. 259 Zeile 25. Ar-ruhä =i Edessa auch auf der jüdisch-ara-
bischen Inschrift aus Ru?äfa bei A. Caquot in: Syria 32 (1955), 7of. Zeile 2 'Irh'.
S. 3 2 1 . Zu den hunnischen Sehern ist das Vorkommen des Wortes für „Schamane"
(alttürk. qam) in den Namen Έσκάμ, Άτακάμ zu stellen: H.-W. Haussig in: Byzan-
tion 33 (1953). 36° «nd Anm. 3 1 3 .
S. 323—329. Vielleicht läßt sich noch in einer weiteren Einzelheit von Iordanes'
Schilderung der Katalaunischen Schlacht weiterkommen. Eine wichtige Beobachtung
wird einem Mitglied des Althistorischen Seminars, P. Kallmeyer, verdankt.
398 ANHANG

Get. 191 werden Aetius' Streitkräfte aufgezählt, diese als auxiliares bezeichnet.
Die Reihe beginnt mit den Franken und endet mit riparioli briones HPV, was auch
Paulus Diaconus und Fredegar haben. Dem schließt sich an: quondam milites Romani,
tunc vero iam in numero auxiliarium exquisiti. Während also die übrigen, meist Ger-
manen, von Anfang an unter den auxiliares rangierten, waren die zuletzt genannten
erst nachträglich dazu „ausgewählt" worden, vorher aber milites Romani gewesen.
Mommsen gibt Ripari Olibriones, wovon die letzten sonst unbekannt sind, aber mit
Sicherheit den Namen der heutigen Insel Oteron, nördlich der Garonne-Mündung,
tragen. Ripari konkurriert, wollte man es als Ripuarii deuten, mit zu den Anfang ge-
nannten Franci, will sagen: deren Gesamtheit. Denn andernfalls müßte zu Anfang von
Salii gesprochen werden. Das Land zwischen der unteren Loire und Garonne bildete
die Aquitania secunda, die 418 den Westgoten übereignet worden war. Die Ripari oder
Riparii wären dann ripenses, riparenses oder ripensis militia (oben 2, i6f.) gewesen, die
das Südufer der Garonne gegen die nördlich sitzenden Westgoten deckten und bis zu
der Insel Oliron hinüberreichten. Als ripensis militia waren die Ripari Olibriones eben
milites Romani. Nachdem die Westgoten in der Folge auch auf das Südufer der Garonne
übergriffen, wurde die Stellung auf der Insel unhaltbar. Die Grenzer lösten sich
aus den Stellungen und wurden als auxiliares Bestandteil des mobilen Heeres. Es ist
der Vorgang, den man nach Aufgabe des dazischen Brückenkopfes erstmals beobachtet.
Die Stammabteilungen der dortigen Legionen, aus den aufgegebenen Provinzen heraus-
gezogen, vermehrten den Bestand von Aurelians Feldheer, das gegen Palmyra zog
(F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2 [1952], egf.; i65f.; 348f.).
S. 306 Anm. 3. Dazu A. W. Zbrnewa in: Po sledam drewnich kultur (1954) 97f.
S. 332 f. Eine Darstellung des Lebens und Wirkens Papst Leo's I, gibt die Encyclica
Aeterna Dei sapientia (Osservatore Romano 9.—10. 12. 1961) in ihrem ersten Teil.
Sämtliche einschlägigen Zeugnisse sind dort mit Quellenangabe angeführt.
S. 340. Keimzelle des Rumänentums: Daicoviciu-Petrovici-Stefan in: Nouvelles
fitudes d'Histoire, X I Congres des Sciences Histor., Stockholm i960, 91 f.

ZUM F Ü N F T E N B A N D

S. 3 f. Zwei neue Fassungen der großen Inschrift von Surx Kotal veröffentlicht
έ . Benveniste in: Journ. Asiat. 1961, 113f.
S. 5f. Zu ßopyo W. Brandenstein in: Indo-Iranian Journ. 5 (1962), 233f.
S. g6f. Zu den neuen Bruchstücken Zenon's von Kition schreibt R. Pannwitz
unter dem 27. 4. 62: „Wie würdig und noch in der Art der älteren Griechen! Und die
Auffassung der Seele!"
S. 107. Zu διασαφεϊν sei die Stelle aus J.-B. Chabot, Documenta ad origines
Monophysitarum illustrandas 11, 20 hinzugefügt. Der Brief des Patriarchen Theodosios
von Alexandreia an den Patriarchen Severus von Antiocheia wird von einer Reihe
namentlich Genannter überbracht, die den Auftrag haben: da-nhawwön b-kälä hayyä
l-hasyülak d-kul (kwly) b-hubbak tie (C. Brockelmann, Lexic. Syriac. 2 824 r.) nä.
S. 169. Der Inschrift Ryckmans 535 hat H. StJ. B. Philby seinen letzten Aufsatz
gewidmet, in: Mus6on 73 (i960), 395f.
S. 175. Unter den monotheistischen Inschriften in sabäischer Sprache, die G. Ryck-
mans in: Miscellanea Alberti de Meyer 1 (1946), 194f. zusammengestellt hat, erscheint
b'l smyn „Herr des Himmels" RfiS. 3383 (S. 196) von 378 n. Chr.; RfiS. 5085 (S. 197)
von 445 n. Chr.; dann b'l smyn w'rt}n „Herr des Himmels und der Erde" CIH. 540
NACHTRÄGE 399
(S. 198) von 450 n. Chr. Dazu aus monophysitischen Texten allähä d-kul und mamlek
'al hälen d-ba-imayyä w-al hälen da-b-ar'ä: J.-B. Chabot, a. O. 15, 23 und 16, 22 f.
S. 201. Zum Bogenschützen auf der Goldkanne 2 des Schatzes von Nagyszent-
miklös Z. K ä d i r in: Folia Archaeol. 1961, 1 1 7 I

Weitere Nachträge
Zu 1, 230f. Jüngste Äußerung zur Frage: R. Hauschild, Uber die frühesten Arier
im alten Orient. Berichte über d. Verhandl. d. Sachs. Akad. zu Leipzig, Philol.-histor.
Klasse 106 Heft 6 (1962).
Zu 2, 175. Einem Hinweis E.Merkel's wird die Kenntnis einer Anzahl gleichzeitiger
Inschriften verdankt, darin Genitiv und Dativ ohne syntaktischen Grund wechseln.
OGIS. 17 Άθηνςί Σωτείρς* Νίκη καΐ βασιλέως Πτολεμαίου, wozu W. Dittenberger be-
merkt: „dativi et genetivi coniunctio mira, neque omnino casus secundus hue quadrat"
(mit beigefügter Begründung). OGIS. 87 ύιτέρ βασιλέως Πτολεμαίου καΐ βασιλίσσης
'Αρσινόης . . . καΐ Πτολεμαίω, τ ω υΐω αύτών. Hier verweist Dittenberger, wie auch sonst,
auf Nr. 17. OGIS. 198,5 σύν τοις φίλοις καΐ συναττοδήμοις . . . καΐ κεντωρ(ωσι. . . καΐ
των ιταιδαρίω ν μου πάντων κτλ. Weitere Beispiele finden sich unter „genetivus et dativus
confusi" 2, 728 r. zusammengestellt. Es liegt also kein Grund vor, in der Bilinguis von
Kandahar ττατρί und μητρί als Dativi commodi zu verstehen und sie von των πρεσ-
βυτέρων zu trennen. Vielmehr sind alle drei von ένήκοοι abhängig, und es ist auch hier
ein Wechsel vom Genitiv zum Dativ eingetreten.
Zu 5, 23. M. Mayrhofer verweist unter dem 26. 6. 62 auf eine Besprechung J. Mor-
genstierne's in: Journ. Asiat. 1961, 248f., wo es von Abaew's mythologischen Etymo-
logien heißt: ,,il serait malgrö tout possible d'en sauver l'une ou l'autre, comme par
exemple celle de aevdiu< *apadaiva-, meme si ,on n'obtient rien d'intelligible'".
Zu 5, 188. Aus einem längeren Brief F. Rundgren's (unter dem 30. 6. 62) sei an-
geführt: ,,säriya .Pfeiler', das Fraenkel, Aram. Fremdwörter 223 mit .Balken'
wiedergibt, aber 11 als ,Säule' faßt, aus aram. Säritä .Balken'".
Zu 5, 188. Rundgren im gleichen Brief weist auf die Möglichkeit von Reimbildung
hin. Hebr. Nah(h)üm (var. Nähüm)-Habaqqüq habe in den L X X Ναογμ-Αμβακογμ er-
geben, dem im Äthiop. Nähöm-Snbäqöm gefolgt seien. Auch im Koptischen gebe es
AMBAKOOM, vgl. Miscellaneous Coptic Texts ed. Ε. Α. Wallis Budge (1915) 178.
Zu 5, 190 Anm. 15 bemerkt Rundgren an gleicher Stelle: „Doresse ist vielleicht
etwas mager. Sie haben hier zur Verfügung: 1. al-Hamdäni, al-Iklil, 8. Buch: tnä
ξαα fi dikri kusüri l-yamani S. 5 f. Ich verwende die Ausgabe von Anastäs Märi 1-Kar-
mali, Bagdad 1931, wo ich übrigens im Miftäh al-muglak dieses Buches S. 378 al-balk
bi-ma'nä r-ruhäm finde, was für Ihr ablak vielleicht von Interesse sein kann. 2. D. H.
Müller, Die Burgen und Schlösser Südarabiens nach dem Iklil des Hamdäni (SBW.
Bd. 94 und 97)." Dazu aus einem Brief vom 4. 7. 62: „Nuwayri 1 S. 385 (ed. Däral-
-kutub 1923) können Sie mit Erfolg auf S. 190 Ihres fünften Bandes anführen, da hier
der Name al-ablak al-fard erklärt wird".
Zu 5, 200. Der königliche surädik unter Hormizd I. wird von Berüni, Chron.
208, 22 Sachau unter Berufung auf ein manichäisches Werk erwähnt.
Zu 5, 244. Der Güte Α. I. Charsekin's verdanken wir Α. A. Frejman's neueste Ver-
öffentlichung über die soghdischen Briefe vom Berge Muy: Opisanie, Publikacii i
Issledowanie Dokumentow s Gory Mug (1962).
Zu 5, 314. Für die buccellarii sei auf L. V i r a d y in: Acta Antiqua Hung. 9 (1961),
352 verwiesen.
Zu 5, 398. Zur ripensis militia L. Värady, a. O. 368; 372.
DRUCKFEHLER-VERZEICHNIS

ZUM ERSTEN BAND


s. 14 Zeile 8: Basich und Kursich S. 204 Zeile 16: Buchara
s. 65 Anm. Zeile 7: asmä'u; S. 314 Anm. 23: Kunst und
9: bi-lugatihi S. 398 Zeile 8: KTLNZNH
s. 97 Zeile 2: mit demBehandelten sich S. 407 Zeile 15: Priyadars
s. 101 Zeile 15: Ötükän S. 428 Zeile 7- der Art des Todes (2.
s. 106 Zeile 8: (488—531) und von
s. 150 Anm. I : 2, ijii.

ZUM ZWEITEN BAND


s. 62 Zeile 23: mindenet S. 195 Zeile 19: τπτυάξης
s. 153 Anm. io: Arr. S. 222 Zeile 17: cit.) que

ZUM DRITTEN BAND


s. 126 Anm. I : presentes ä l'Institut S. 322 r. Sp. vor Zeile 10:
s. 241 Zeile 14: Nöldeke Ladinybene 291 (zu i, 21

ZUM VIERTEN BAND


S.VIII Zeile 6: Stiehl S. 80 Zeile 3: daß
S. 17 Zeile 6: Af'el S. 80 Zeile 6: (a)ve
s. 18 Zeile 13: M. Mayrhofer S. so Zeile 7: ave
s. 21 Zeile 9: parsman S. 89 Zeile 20: hat 1 *: In dem
s. 22 Zeile 5: achtsilbiger S. 90 Zeile 2: kätel ein
s. 79 Zeile 13: and le- S. 90 Anm. 19. Zeile 4: Af'el
s. 79 Anm. 2: 355 S. 90 Anm. 19. Zeile 9: Lateinschrift
s. 79 Anm. 6: of Aramaic

ZUM FÜNFTEN BAND


s. 208 Zeile 24 : Chusrö S. 272 Zeile 27 : Nagyszöksös
S. 265 Anm. 1 : Nagysz£ks6s S. 276 Zeile 28 : Nagyszdksös
s. 271 Zeile 18 : Altheim S. 277 Zeile 13 : Nagysyέksόs
Zeile 28i: Toprak-kala
ABBILDUNGSTEIL

20 Altheim, H u n n e n V
ABBILDUNGSTEIL 403
404 ABBILDUNGSTEIL

A b b . 2. G r i e c h i s c h e I n s c h r i f t eines K ö n i g s v o n A k s ü m . A u s Meroe. Historisches


M u s e u m , K h a r t o u m . A u f n . R u t h Stiehl.
ABBILDUNGSTEIL 40δ

Abb. 3· ί'ntcrkircln.'. Mär Sergios. Aus Fustät. Aufn. Κ. Trautiiiann-Xehnng.


406 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 4. Angehöriger der Beni Amer, Nachkommen der Blemyer, an der Tränke.
A u f n . Lusvardi, A s m a r a .
ABBILDUNGSTEIL 407

Abb. 5. Angehöriger der Beni Amcr, Nachkommen der Blcmyer. Aufn. Lusvardi,
Asmara.
408 ABBILDUNGSTEIL

A b b . Ο. J ' i , J a d e . S p a t e s C h o u . B e r l i n , Kunsthandel. Aufn. Klfriede Eggers


ABBILDUNGSTEIL

Abb. 7. Dasselbe, Rückseite.


410 ABBILDUNGSTEIL

Cro v v N

Abb. 8. Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent-Miklös: Tasse 9—10. Nach Arch.
Ertes. 1950, 34 f.
ABBILDUNGSTEIL 411
412 ABBILDUNGSTEIL

Abb. ίο. Chinesische Keramik. Aus Taxt-i Abü Xasr, Siräz. Courtcsv Metropolitan
Museum, Xew York.
ABBILDUNGSTEIL 413

ibb. ι ι. Chinesische Keramik. Aus Xesäpür. Courtesy Metropolitan Museum, New York.
414 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 12. Weißer Jagdfalke (Ausschnitt). Ming, datiert 1536. Aufn. Ruth Stiehl.
\1>1). 13. Berittener Nomade. Ton mit kalter Hernahm«;. T'anj;. Herlin, Kunsthandel.
Λιιίη. Kutb Stiehl.
416 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 1.4. Gegenstück zu Abb. 13.


ABBILDUNGSTEIL

27 Λ It h e i ηι, I L u m i c n V
418 ABBILDUNGSTEIL
ABBILDUNGSTEIL 419
420 ABBILDUNGSTEIL
ABBILDUNGSTEIL 421
422 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 20. Α warische Gürtelschließen. Aus Val Trcntino. Museum, Trient.


ABBILDUNGSTEIL 423

A b b . 21. S p ä t a w a r i s c h e r G ü r t e l b e s c h l a g . A u s Madaras, U n g a r n .
424 ABBILDUNGSTEIL

A b b . 22. Α warische F u n d e . A u s Niederösterreich. N a t u r w i s s . M u s e u m , W i e n .


ABBILDUNGSTEIL

A b b . 23. A w a r i s e h e G ü r t e l s c h l i e O e n . A u s M i c h e l s d o r f . A u f n . H . G l a s s n e r .
426 ABBILDUNGSTETL

A b b . 24. Bronzeeimer. Aus Törtel und K a p o s - v e l e r v , Ungarn. N a c h N. Fettich, Zur


Geschichte der späthunnischen Metallkunst T a f . 36.
ABBILDUNGSTEIL 427

Abb. 25. Langobardisch-awarische Grabfunde. Aus Keszthely.


428 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 20. Bodhisatva. Kisenguß. China, 11. Jahrh. Berlin, KunsthancU']. Aufn. E. Traut-
mann-Nehring.
ABBILDUNGSTEIL 429

27. Kuanvin. China, 11. J a h r b . Berlin, Kunsthandel. Aufn. Ruth Stiehl


430 ABBILDUNGSTEIL

läifäuh.

Sucegv'a Bofosam

ν &^want-gardedeMunderic
fdeJlbWÄt V jii/V. ~ J· l
/ksiuiyjkl

Vadu! lur Qj Tatar Bunar


r^/sacl A
:sant

Legende
Valiums avec If Josse au S

• —•» mm „ ά trace hypothelique


PI • Camps des Tervinges

Durostorum » Mouvemenls des Η uns


(Sitistra) HUHIIII Mouvemenls d'Alhanaric
/y.'Jl, Position d'Alhanaric
* I'O <<«

St' Stoieani Po/onic

R. Vulpe
Abb. 28. Karte zum Beitrag E. Lozovan's.
ABBILDUNGSTEIL 431

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Abb. 2g. Karte des Schlachtfeldes von Taginae.


432 ABBILDUNGSTEIL

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flrftuolf-

Abb. 30. Ausschnitt aus F 123 della Carta d'Italia ,,Gualdo Tadino" des Istituto
gcografico militare 1:25000. Eingezeichnet die Lage des antiken und spätantiken
,,Tadinae tf , der Verlauf der Via Flaminia antica und umrandet „ L e Rotte", die ver-
mutete Örtlichkeit des Höhepunktes der Schlacht von 552.
ABBILDUNGSTEIL 433

A b b . 3 1 . Ausschnitt aus der Carta Automobilistica d'Italia al 200000 Touring Club


Italiano, Foglio 1 4 , 1 : 2 0 0 0 0 0 . Eingezeichnet die Anmarschwege der Byzantiner und
der Ostgoten zur Walstatt von Serragualdo (5). 1 — 4 bezeichnen die in der Abhandlung
erwähnten Örtlichkeiten anderer Autoren mit den durch Pfeile kenntlich ge-
machten Anmarschwegen der beiden Heere.
434 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 32. V i a Flaminia antica in ihrem heutigen Zustand. Aufgenommen mit dem
Bliek gegen Norden v o m Kreuzungspunkt 467, F 1 2 3 della C a r t a d ' I t a l i a „ G u a l d o
T a d i n o " , Scala di 1 : 2 5 0 0 0 (Istituto geografico militare).
ABBILDUNGSTEIL 485

O b e n : der W e s t e i n g a n g zur Gola di F r a s a s s i . — U n t e n : die E b e n e des


L i n k s P i a n e l l o und d a h i n t e r die S c h r o f f e n des W e s t e i n g a n g s der G o l a di
Frasassi.
436 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 34. Der 1922 bei Roccascalegna gefundene Spangenhelm (Museo Nazionalc delle
Marche, Ancona).
ABBILDUNGSTEIL 437

A b b . 35. S p a n g c n h e l m von M o r k e n im R h e i n l a n d , aus d e m Gral) eines fränkischen


Herrn, u m 600 n. C h r . (Nackenschutz und Helmbrünne rekonstruiert) (Rheinisches
J.andesmuseum, Bonn am Rhein).
ABBILDUNGSTEIL

• tresors
(B.MITREA)
Zone de
A ^ ^ ^ i * / ^ / on
direchion de
rep//

Abb. 36. Karte zum Beitrag E. Lozovan's.


ABBILDUNGSTEIL

Α LR / 15BO
TÄRG "foire"
d'apres S.POP

Abb. 37. Karte zum Beitrag E. Lozovan's.


REGISTER

29 Altheim, Hunnen V
ι. GESCHICHTLICHES R E G I S T E R

Herrscher und Dynasten

'Abbäsiden 142. 146. 326. 397 Dareios I. 191


A b r a h a 189 D a v i d 221
A b r e h ä 159. 163 Diokletian 181
Achaimeniden 11. 139. 195. 196. 220 D i v ä i t i c 244
A n m . 13 dü N u w ä s 165. 165 A n m . 20. 182. 183.
Afridün 197 187. 189. 190
A h m e d b. Tülün 142 f. 146 f.
fela'alädä 163
Aizanas 166—168
fela ' A m i d ä 169. 174
Alexander d. Gr. 224. 397
E l a A z g ü ä g ü ä 163
Alexios I. Komnenos 31
Elagabal 9
' A m r 181
Ernac 186
A n n a Komnena 233 A n m . 56
ArdaSer I. 11. i^i. izgi. 132—134. 195. ' E z ä n ä 157—180. 1 8 1 — 1 8 6 . 188. 190
196. 2θ4ί. 231. 397 Fätimiden 242
Ardaricus 397
Galerius 126
A?behä 159. 163
Gallienus 7
Asparuch (Isperich) 285. 393
Athanarich 342 Gassäniden 201. 203. 257
G6za II. 345
A t t i l a 28. 182. 185. 186. 256. 267. 267
A n m . 6. 268. 269. 309. 321. 324. 397 Heian 232
Aurelian 181. 398 Helena 140
Herakleios 131. 140. 385. 385 A n m . 39.
Bahräm II. 248
389
— V . Gör 1 3 7 ! 197. 201. 204^ 247. 25of.
Hifiäm b. ' A b d i 1-Malik 210
BaläS, Vologeses 15 A n m . 4
Hormizd I V . 134 f.
Boris 303. 320
Jlusrav, König 199. 202. 205. 229
Burebista 337 Huviäka 3 A n m . 3. 5. gi. 14

Caracalla 10 Imru'ullfais 181


Chou 233, 237 Iran, Sohn Afridün's 197
Chumärawaihi 142 Iustinian 259. 278. 321 f. 359. 381
Chusrö I. AnoSarvän 126. 139. 195. 197. Iustinus 146
198. 201. 203. 205. 208. 212. 222. 223f.
230. 232. 244. 256. 325. 386 A n m . 47 Kadaphes 311
— II. A ß a r v e z 131. 134—137. I39f. 195. Kadphises I. 311
202 A n m . 42. 207. 208. 212. 2 i 3 f . 231. Kanigka 3 — 1 5
233· 385 i- 385 A n m . 39. 387!. 396. 397 Karl d. Gr. 279. 290
Claudius I. 337 Karolinger, karolingisch 278. 279. 290.
Commodus 1 2 7 — 1 2 9 291
Constantius II. 162. 166—168 K a v ä 5 I. 131. 139. 146. 195. 198. 244
29*
444 REGISTER

Keka, Kaiser 231 214. 225—261. 271. 277. 285. 324—326.


Konstantin 157. 161. 162. 181. 184. 213 385. 385 Anm. 39. 397
Kreka 269 Sazanas 166—168
Kram 271. 271 Anm. 22. 279. 322 Sembruthes 170—174. 179. 182. 183
Küään 3. 7. 9. 24. 260. 31 χ Septimius Severus 10
Severer 9 f.
Leo I., Papst 398 Severus Alexander 10
Leo III. der Isaurier 379 Sigibert 278
al-Mahdl 147 Silko 176
Malamir 317 Simeon, Zar 29—31. 322
Marcianus 182.185!. Sirin 212
Maria, Maurikios' Tochter 136. 140. 212 Sizabulos 304. 3x1 Anm. 29
Maurikios 135—137· 233· 385 Sömu, Kaiser 231
Ming 231. 241 Sotoku, Prinz 231
Mircea 350 Sui 227. 229. 242
Mohammed 66.196.199.230.385 Anm. 39
Tamnfis 165 Anm. 20
Mundir III. 203
T'ang 227. 229. 242. 244
— b. Härit (Gassänide) 257
Teja 364
Mutawakkil 'alä lläh 242
Theoderich, König der Westgoten 397
Narseh 126. 138 Theodosios I. 213
Nikolaus I. 320 — II. 185. 309
Tiberius, Kaiser 337
Odainath 7 Totila 363—376
Omurtag 317 Trajan, Kaiser 337. 345. 355. 356
Tüg 197
Päbak 15
Tülüniden 127. 142. 242. 325
P6röz 139. 146. 178. 182. 195. 201. 395
Presiam, Persianos 394 Valamir 397
Probus 181 Vima Kadphises 14
Ptolemäer 142
Wei, Nördliche 314
Salam 197
Salomon 161. 191. 221 Yang-ti 227
Sarnau'al 190. 201 Yazdgard I. 165
Sanatrulf 133 — II. 182
Säpür I. 14. i29f. 134. 181. 198. 206 — III. 200. 202. 203. 207. 233. 261. 395
Anm. 76. 248 Yin 237
— II. 130. 181 Yüan 231. 241
— III. 130 f. Yüsuf 165. 182. 183. 189
Sasaniden, sasanidisch 11. 126. 127. 132.
139. 141—-143. 178. 181. 182. 193— Zoskales 164. 167

Andere geschichtliche Personen

Abbä Sälämä 162—164 Agathias 126


Adarbä^ ('zdn'r) 138 Alkmaion 42
Aetios 185 Amometos 236. 239
Aetius 398 Anaxagoras 32
REGISTER 445
Antonius, Marcus 387 — , Metropolit von Nisibis 213
Anzales 368 Galenos 127—129. 221
Apollodoros von Artemita 235t. Georgios Hsides 380. 386. 386 Anm. 43.
Apollonios von Tyana 220 387· 388
Ardaburios 185 Germanos I., Patriarch Konstantinopels
Aristoteles 40. 41. 42. 43. 47. 51. 63f. 67. 378 Anm. 5. 380
90. 95. 96. 220
Aristoxenos 96 Hamza von Isfahan 210
Athanasios 157 Anm. 6. 161. 163. 166. Hannän 165
167. 168 Heliodor von Emesa 179 f.
Avicenna 32 Herakleitos 32. 46
Hieronymus 109
Bahräm Cöbin 134—137. 141. 200. 202. Hippokrates 221, 222
245 Hippolytos 53
Bahräm, Siyäwuxs' Sohn 136 Homer 84
Bakum 1 8 7 ! 399 Hunain b. Ishäk 2i6f.
BärbaS 205
Barsaumä, Metropolit von Nisibis 146. Ibn Kutaiba 142
Ibn (al-)Mukaffa' 142. 222
395
IlSarah Yahdub 169
Bindöe 135
Bistäm 135 Imru 'ulkais. Dichter 201
Burzö6, Burzmihr 221—223 Iohannes von Antiocheia 144
— der Barmherzige 141
Chang-ch'ien 232. 235 — von Lykopolis 185
Charinos, Pythagoreer 32 — , Metropolit von Färs 147
Churrawazaih 140 — von Nikiu 161, 165
Cicero 85. 220. 223. 387 — der Täufer 159
Demokritos 62. 72—94. 97. 218. 396 — , Vitalians Schwiegersohn 364
Dikaiarchos 96 Iordanes 25—28
Dinawari 137. 142 Ishäk b. Nu$air 212
Diogenes 220 Iulianos 175 f.
Iuvenalis von Jerusalem 144
Edesius 157 Anm. 6. 158—164
Elias, Metropolit von Merw 261, 395 Kalanos, Pythagoreer 32
Empedokles 96 Kokas 368
Epikur 32. 83 Kuridachos 309
Ε rythras 393 Kutaiba b. Muslim 245. 252
Eukleides 59 Kyrillos, Patriarch Alexandreias 143 f.
Eusebios von Herakleia 144 145. 148—152
Eutyches 175
Leukippos 79. 87!. 89
Eutychios (Sa'id b. Batrik) 126—147 Lilfänös 177
Longinos 175 f.
Firdüsi 325
Lukrez 85. 86. 88f. 91
Firmus von Kaisareia 144
Floras 185. 186 Mani i6gi.
Frumentius 157 Anm. 6.158—164.166 bis al-Masih al-Kindi 147
168 Mas'üdi 142
Furius Camillus, M. 363. 365 Matthaeus 159. 162
Gabala b. Sälim 137. 142 Maximinus 185
Gabriel, Leibarzt Chusrö's II. Aßarvez2i2 Mazdak, Mazdakiten 196. 198. 204. 244
446 REGISTER

Megasthenes 235. 235 Anm. 15 54. 56. 57. 58. 60. 61. 62. 63. 64. 65.
Melito von Sardes 107 66. 67. 74. 75. 76. 77. 81. göf. 100. 218
Meropius 160. 163. 164 Sahrbaräz 204
Metrodorus 160 Salmän 196. 199
Modestus, Mönch 140 t. 213 Samo 278
Narses 363—377 Sarkaä 205
Nearchos 235 Seng huei, Soghder 238
Nestorios 144. 145. 146 Sergios, Patriarch Konstantinopels 380.
Nezak 261 382
Numenios 49 Severus b. al-Mukaffa* 143 Anm. 1
— von Antiocheia 398
Orestes 28 — von Synnada 145. 152 f.
Origenes 100—109 Severianus von Gabala 144
Pachomios 158 Anm. 184 Severinus 267 Anm. 6
Paria 27 f. Severus von Synnada 144
Parmenides 88 Sextus Empiricus 222
Paulus, Apostel 148—152, 220 Sirin 3 8 5 A n m . 3 9 . 3 9 7
— der Perser 223 Sokrates 220. 223
Petrus 153 Sozomenos 162.162 Anm. 13.165 Anm. 25
Philolaos 41. 42. 56. 61. 65
Theodoros von Alexandreia 175
Philonikos, Pythagoraer 32
Theodosios von Alexandreia 398
Piaton 44. 45 f. 49 Anm. 1. 53.64.66.68 bis
Theodotos von Ankyra 144
71. 90. 96. 220. 223
Theophilos 165. 165 Anm. 21
Plotin 47 f. 49 Anm. 1. 50. 51. 54. 57. 66 f.
Theophrast 60 f. 63. 95 f. 97
68. 70
Thomas, Apostel 159
Pompeius Falco, Q. 355 Anm. 174
Timotheos I., nestorianischer Katholikos
Porphyrios 32. 40. 48f. 49 Anm. 1. 50. 56.
147
62. 63. 67-f 95. 96. 100—109. 139. 220.
223 Uranios, Philosoph 196. 222
Priskos 185. 268. 269 f. Väspuhr 199. 202 f.
Proklos von Kyzikos 144 Vitalianus 364
Prokopios 126
Wadebah, König von Aksüm 169
Ptolemaeus 221. 222
Pyrrhon 222 Wulfila 324
Pythagoras 32—71. 96. 220 Xenophanes 96
Romanos 379 Anm. 12. 380. 381—383. Yazdin, „Zöllner" 213
386 Anm. 43 — , Vorsteher der Zehnten der Länder 212 f.
Rufinus 158—162. 165. 168. 169 Zacharias, Patriarch von Jerusalem 140
Rustam, Reichsfeldherr 200. 257 Zarathustra 139. 195. 196
Sabriäö", Katholikos 212 Zenon, Eleat 46. 87 f. 96
Sämir dü-Raidän 169 — Pythagoreer 32
Sahrastäni 32—40. 45. 47. 49. 51. 52. 53. — , Stoiker 96—100. 398

Länder- und Völkernamen. Provinzen

Abessinien, abessinisch 145. 157. 159. 161. Άδανϊται 182


161 Anm. 11.162.164.165.165 Anm.25. ASurßaiyän 134t. 138. 251. 389
169. 179. 182 f. 187. 188. 189 Afrika 356
REGISTER 447
Ägypten, ägyptisch 9. 21. 101. 142. 145. China, chinesisch 197. 201. 227—242. 244.
146. 147. 161. 164. 168. 1 7 1 . 179. 181. 273 f. 304. Anm. 2
184. 185. 231. 241 f. 255. 325 Chioniten 24
Alanen, alanisch i8f. 26—28. 243. 266. Choräsän 138. 139. 232. 246. 250
274· 275· 342- 394 Chwärezm, chwärezmisch 8. 146 Anm. 2.
Alodäer 160 Anm. 7. 175 245. 259. 271
Aiwa 160
Dacien 327. 328. 328 Anm. 1 1 . 329. 333 f.
Angeln 373 f.
333 Anm. 42. 335. 337. 338. 339 Anm.
Aquitania secunda 398
79· 341 ί· 343· 343 Anm. 98. 344. 345.
Araber, Arabien, arabisch 179, 182. 185 f.
197. 207. 222. 227. 228. 233. 257 345 Anm. 1 1 3 — 1 1 4 · 354· 355· 356. 362.
"Αραβες oi εύδαΐμονες 179 398
Άραβϊται ι68, 173, 182 Dalmatien 283. 356. 359. 361
Aramäer 212 Dardanien 359
Arezzo, Provinz 371 Dobrudscha 340. 348 f.
Armenien 136. 138 Emilia 369
"Ασιοι, Äss 19
Äthiopen, äthiopisch 157. 157 Anm. 5. Färs, Färis 146. 147. 197. 201
159. 160. 161. 162. 163. 165 Anm. 25. Feryäna ηί. 139. 232
1 6 9 . 1 7 6 . 1 7 7 Anm. 1 3 . 1 8 0 . 1 8 3 Anm. 8. Franken, fränkisch 278. 291. 364
185. 215—224. 356 Anm. 184 Frankreich 291
Awaren, awarisch 206 Anm. 74. 243. 251. Fünen 373
255. 256L 259. 260. 265—292. 318. Γαβαλά 170
319. 321 f. 323. 324. 343 Anm. 98. 379
Galatien 356
Bahrain 133 Galilaea 140
Baktrien 3. 3 1 1 Gallien 338 Anm. 71. 355. 355 Anm. 176
Balkan, balkanisch 338. 339 öazira 146
Banat 347 Anm. 128 Gepiden, gepidisch 186. 266. 345 Anm. 1 1 3
Bayern 278. 279. 280. 282. 291 Geten 328. 328 Anm. 12. 336. 337
Bega, Β]εγαίοΐζ Dat. Plur., Βον/αειτών Gobi 186
Gen. Plur. 174. 184 Goten, gotisch 25 f. 27. 210. 266. 270. 274.
Besser 352 292. 315· 323· 324· 342· 364—377
Blemyer 155. 174. 174 Anm. 7. 179. 180. Gurgän 201
181. 184. 1 8 5 !
Bithynien 356 Hephthaliten 2 4 ! 137—139. 182. 243.
Böhmen 278 244. 245 f. 254. 255. 256. 257. 258. 261.
Bosporus, bosporanisch 286 314. 318. 319. 323. 324. 395
Bulgarien, Bulgaren, bulgarisch 2 9 ! 259. Heruler, herulisch 266
271 f. 273. 279. 285. 286. 293. 300 Higäz 181. 229
Anm. 5. 309. 320 Anm. 5. 329. 343 Himyar (Homeriten) 165. 169. 181. 182.
Anm. 98—99 183
Burgenland 281. 288 Hiung-nu 236
Byzanz, Byzantiner, byzantinisch 31. 141.
145. 200. 233. 233 Anm. 56. 238. 258. Illyrier, Illyricum 332. 334. 356
275. 277. 284. 300. 319. 321. 322. 324. India exterior i59f. 161. 162
327. 336. 342. 350. 360. 364. 366. 367. — ulterior 159. i6of. 161 Anm. 1 1 . i66f.
369· 374· 376· 385- 387 Indien, Inder, indisch 161. 162. 205. 205
Anm. 66. 222. 236. 276. 394
Chazaren 243. 279. 318. 393 'Irälf 142. 146. 229
448 REGISTER

Iran, iranisch 142 t. 161. 222. 229. 238. Ostgoten 186. 273. 276t. 363. 373
243. 254. 255. 270. 270 Anm. 15. 274. Osseten 17—19
275. 277. 285. 288. 290. 294f. 324. 325. Österreich 276. 277. 278. 279. 280. 281.
326. 384. 386. 394. 397 282. 287. 288. 291 Anm. 58
Italien 171. 273. 355. 364. 373 Ostrom, Oströmer, oströmisch 126. 140.
Japan 231. 232. 233 182. 185 f. 187. 285
Juden, jüdisch 140. 229. 230 Osttürken 139. 227. 245. 314. 318
Jütland, jütisch 373 Özbeken 294 f.

Kainulfä* 230 Pannonien 343 Anm. 98. 356. 358. 361


Kan-6u 254 Paradener, Παραδών 14
Karamanien, Kermän 14 f. Parthien, Parther 159. 161. 232. 256. 271.
Katalaunische Felder 267 276. 277
Kelten 328. 334. 365 Persien, Perser, persisch 98. 126. 140 f.
Kimmerier 328. 336 146.181.182.199.206.210.213.227.229.
Κινοηδοκολττϊται i68. 173. 182 233. 246. 256. 257. 379. 385 Anm. 39.
Kopten, koptisch 157 Anm. 6. 186. 212 393
Korea 231. 232 Persis 14. 250
Krim 328 Petschenegen 30 f. 318
Kroatien, Kroaten, kroatisch 273. 283 Picenum, picenisch 363. 365. 372. 376
Kuraiza 229 Podolien 354
Kutriguren 274. 278 Polovbci 29 f.
Pontos, pontisch 266. 269. 275. 277. 281.
Langobarden 268. 269. 273. 278. 279. 287. 285. 286. 287. 288. 291. 336 Anm. 60
288. 289. 291 Praevalitana 359
Λασινέ 170 Proto-Bulgaren 243. 256. 257. 258. 259.
Lombardei 373 272. 274. 275. 279. 285. 288f. 293. 295.
Magyaren, magyarisch 258. 274. 280. 282. 298. 302. 303. 305 Anm. 312. 318—326
290. 298. 301. 302! Qumanen 28—31
Mähren 273. 275 f. 278
Maiotis 356 Anm. 184 Rom, Römer, römisch 132. 141. 160. 164.
Makedonen, Makedonien 224. 300 Anm. 5. 168. 181. 182. 197. 238. 283. 285. 287.
336. 352 288. 289. 320. 333. 336. 337. 338. 342.
Moldau 342. 347 Anm. 128. 348 f. 354. 394 344 Anm. 110. 353. 354. 361. 362. 363
Mongolei, Mongolen, mongolisch 237. 251. Romania, östliche 327—362
251 Anm. 18. 275. 28of. Rugier 273
Moschophagen 167 Rumänien, rumänisch 327. 329. 336. 343.
Mösien 356. 359 343 Anm. 98. 344 Anm. 107. 345. 346.
347· 349- 352· 359
Nadir 230 Rußland, russisch 274. 275. 323
Negrän 165. 167 Anm. 4. 181. 187
Noba 174 Anm. 7. 179. 180 Sabäer, Saba' 169
Νωβάται, Νουβάδες, Nobaden „Sachsen" 345—347
175. 176. 176 Anm. 9 Sahara 186
Noricum 267. 267 Anm. 6. 279. 354. 358 Saken, sakisch 19 f. 206. 254
Normannen, normannisch 283 Samniten 363
Nubien i59f. 167. 175 Salzburg, salzburgisch 291. 291 Anm. 58
Sarmaten, sarmatisch 18. 275. 324. 342
Obere Satrapien 8 Sawäd 204
'Omän 205 Anm. 66 Schlesien 273
REGISTER 449
Schweiz 282 Transylvanien 342. 345. 346. 354 Anm.167
Serer, serisch 179. 232. 235—240 Trogodyten 167. 179
Siebenbürgen 346. 394 Türken, türkisch 24. 138. 250. 251—254.
Sistän, Sigistän 7. 8 255. 261. 285. 301. 303. 304. 309. 318.
Skythen, Skythien, skythisch (einschließ- 319. 320. 394. 395
lich Scythia minor) 18. 3of. 259. 274.
Uiguren, uigurisch 320
275. 276. 277. 281. 286. 291. 326. 335.
Umbrien, umbrisch 365. 370. 375
336. 337· 338. 344· 35°· 354· 35» Ungarn, ungarisch 273. 274. 275. 276. 277.
Slawen, slawisch 266. 269. 270. 270 Anm. 278. 279. 281. 282. 285. 286. 287. 288f.
16. 272. 278. 279. 282. 283. 285. 291. 290. 290 Anm. 56. 291. 342. 345. 345
333· 339· 342· 343· 343 Anm. 98 u. 99. Anm. 112. 346. 347 f.
344· 345 Usrüsana 309 f.
Slowaken, slowakisch 291. 300 Anm. 5
Sogdiane, Soghder 8. 24. 227. 230. 238. Valeria, Provinz 276
2 4 3 f . 245f. 254. 259. 318 Venetien 364
Südarabien 169 Vorderindien 161. 161 Anm. 11
Syrien, Syrer, syrisch 21. 140. 177. 177
Anm. 13. 185. 197. 257. 356 Walachei 348 f.
Westgoten 273. 277. 394. 397. 398
Taifalen 342
Westturkestan 232
Terwingen 342
Wikinger 283. 289. 282
Thraker, thrakisch 336. 341. 352
Yemen 168. 181. 182. 183. 183 Anm. 8.
Tibet 232
Tirol 282 189. 190. 229
Tocharer, tocharisch 19. 206. 235. 308 Ζαά 170
Toscana 371 Zigeuner 205

Ortsnamen {einschließlich solcher von Flüssen, Seen und Gebirgen)

Aboba-Pliska 31 Aquileia 359


Acuto, Monte 371 Arbis, Arabis 179
Adana, Aden 182 Arcevia 372
Ad ulis 168 Ariminum (Rimini) 364. 376
ad Aesim, ad Ensem (Sch6ggia) 365. 366. Arno 369
369 Asmara 170
Aesis (Jesi) 365 Asiüt 189
Afrasyäb 395 Arrabona 21
Ailana 181. 182 al-'Askar 142
Aksüm, Aksümiten (Axumiten) 155. 157. Atbära 179
158f. 160. 162. 163. 164. 165. 165 Anm. Athen, athenisch 336. 381
21. 166—168. 169. 170. 179. 181. 182. Auximum (Osimo) 376
183. 186. 187. 190
Alba Picena 366 BaByes 261
Alexandreia 127. 142. 143. I45f. 161. 162. Badia Tedalda 371
163 Baghdad 147
Ancona 373 Baylän 3 f. 5. 6 f. 23
Apennin 365. 366. 367. 370. 3 7 6 ! B a j a 267. 279
Apulum 355 Bakonyerwald 267
Aqualagna 369. 370 Balch 139
450 REGISTER

Balkasch-See 243 Dastagerd 230


Bärlad 349 Anm. 138 DebraDämmö 158 Anm. 188
Baroda 394 Debra Libänös 188
Bastia 369 f. 374 Dierna 355
Bäwit 189 Dnjepr 286
Bayärkaö 246 Dnjestr 349. 354
Begram 205 Donau, Donauraum 257. 265—292. 319.
Bellisio 366 322. 324. 327. 328. 329. 332 Anm. 30.
Bikaner 394 334· 336. 336 Anm. 60. 349. 354. 355
Birjend 246 Anm. 175—176. 361
al-Birka 386 Anm. 47 Drau 279. 354
Biääpür 206 Anm. 76 Drubeta 355
Bobbio 291 Durostorum (Silistria) 321. 337. 350
Bonnonia (Widin) 321
Borgo San Sepolcro 369 Edessa 397
Brasov 360 Anm. 214 Elbe 278
Brescello 369 Enns 282. 284
Buchara 8. 244. 395 Esanatoglia 369. 370
Budapest 278 Esino 372
Burano 365 Etsch 267. 282. 287
Euphrat 146
Busta Gallorum 363—377

Cabernardi 366 Fabriano 365. 366. 369. 370. 372. 375


ad Calem (Cagli) 365. 369. 370 Fanum Fortunae (Fano) 364. 366. 377
Calmazzo 370 Firmum (Fermo) 376
Campo di Marte 371 f. Fischa 279
Candigliano 364 t. Flaminische Straße 364. 365. 366. 367.
Caprae (Caprara, Caprese uam.) 369. 370 f. 371· 377
374- 376 Florenz 369
Capriglia 369 Foligno 364
Carnutum 354 Forum Sempronii (Fossombrone) 364,
Carpesso (Caspessa) 369. 371 366. 369. 371. 375
Casentino 369 Fustät I42f. i88f. 228. 241 f. 255
Castelraimondo 369. 370
Cesano 366. 377 Gaifana 367. 371
Cetatea Neanvfului 349 Anm. 138 St. Gallen 291
Chotscho 257 Garonne 398
Chumdan 238 Ginguno, Monte 372
Cielo, Monte 370 Girgenti 395
CittcL di Castello 369 Gola di Frasassi 372. 373. 376
Clasius (Chiasco) 365 Gualdo Tadino 363. 365. 367. 370. 371. 375
Colbassano 375
Colcanino 377 Härga 185
Crisuri 354 Hatra 132—134. 397
Cucco, Monte 365 Helvillum (Fossato del Vico) 365. 366. 367
Cherson 10 Anm. 5 369
Hira 165. 182. 197. 257
Damaskos 141
Därä 286 Iguvium (Gubbio) 365. 367. 369
Darabgerd 15 Intercisa saxa 364 f. 366
REGISTER 451
Jaipur 394 Merowe 180
Jenissei 227. 259. 318. 325 Merw 207. 261. 395
Jerusalem 101. 140t. 191. 213. 387. 387 Metaurus 364
Anm. 49 Milet, milesisch 336
Jodhpur 394 Molinaccio 366
Mondsee 291
Kädisiya 232. 257 Montevecchio 369. 371
Kara su 385 Anm. 39 Morawa 269. 358
Karpathen 342. 349. 354. 355 Moresti 347 Anm. 124
Ka?r-i Abu Nasr 228 Mossul 146
Ka§r-i Sirin 199 Muy, Berg 227. 241. 244. 257. 259. 399
al-KatäV 142 Mures 354
Katalaunische Felder 324. 397. 398 Mytilene 356
Kaukasus, kaukasisch 2 1 1 Anm. 120. 259 Naissus 358. 361
Keutschach 268 Napata 179
Khartoum 172 Napoca 355 Anm. 174
Konstantinopel 162. 358. 378 Anm. 5. Nara 205 Anm. 63. 2 1 1 . 227. 231. 250
379· 389 Nazareth 140
Korinth 257 Nedao 26. 186
Krems 282. 287 Nendinum 356
Kroton 42 Nerone, Monte 364
Ktesiphon 198. 202. 203. 206. 207 Neääpür 143. 228
Kuba 8 Nevola 366. 377
Kudyrge 227 Neusiedlersee 266
Nidastore 366
Laureacum 267 Anm. 6. 278
Nikaia 185
Lentagio 370
Nil 179. 228
Leuke Kome 169. 181
Nisä 397
Loire 398
Novae 355 Anm. 178
Loplyk 236
Nuceria Camellaria (Nocera Umbra) 365.
Lop-nor 236
370. 371. 373
Loulan 236
Olbia 21
Madara 195. 259. 268. 322 Olöron 398
Madonna delle Rotte 375 Omana (Stadt) 14
Magdeburg 278 Orchon 318
Maimana 394 Oxos 24. 139. 243
Mamlä 140
Margos 269 Pagino 370
Mareb 187 Paikend 244
Marecchia 371 Palmyra 7. 398
Marena 366 Parma 369
S. Maria Tadina 367 Pasargadai 393
Märib 169 Pennino, Monte (Monte Apennino) 371
Maritza 358 Pergola 366. 375
Markowwarosch 300 Anm. 5 Persischer Golf 393
Marotta 366. 377 Perugia 364. 373
Medina 196. 206. 208 Anm. 88. 229 Petra Pertusa (Furlo) 364. 365. 366. 375
Mekka 187 f. Philippopolis 355 Anm. 178. 359
Meroe 172 f. 178—180 Pianello-Genga 372. 376
452 REGISTER

Pierosara, Colle di 372 Spoletium (Spolato) 365


Pisaurum (Pesaro) 376 Suasa (S. Lorenzo in Campo) 366. 377
PitinumMergens (Aqualagna) 365.369.370 Suceava 349. 349 Anm. 136 und 138
Plataiai 254 Surx Kotal 3. 8. 10
Plattensee 267. 278. 279 Susa 228 f.
Pliska 28. 3of. 285. 321. 322!. Syene 184!.
Poppi 369. 370 Szeged-Nagysz6ks<5s, Fttrstengrab 276f.
Porolissum 355
Tadinum 367
Potaissa 355 Anm. 174
Premis, ΓΊρίμις, Kasr Ibrim 179. 189. 190 Taginae (Tadinae) 367. 368. 370. 374. 375
Preslaw 257. 312. 320. 322 f. Taht-i Sulaimän 386 Anm. 47
Prilep 300 Anm. 5 Taimä' 190. 201
Pustertal 267. 279 Täk-i Bustän 195
Talas 318
Qum-darya 236 Teggina 369. 370
Qyzil 257. 259 Terni 364. 365
R a a b 279 Theiß 267. 270
Ragusa 360. 360 Anm. 214 Tiber 365. 369. 371
Raidän 169 Tiberias 1401
Ramla 141 Tibiscum 355
Rasina 367 Tökyö 231. 256. 256 Anm. χ
Ravenna 364. 377 Tomi 355 Anm. 172
Razelm 350 Anm. 141 Toveglia 364
Regensburg 279 Trojanska p&teka 355 Anm. 178
Rotes Meer 181. 184 Transylvanische Alpen 287
Trier 162
SabaskaO 246 Troesmis 337
Salona 356 Tropaeum Troiani 337
Samarkand 227. 228. 252 Tyras 350
Samarrä 1 4 2 ! 228. 244 Tyros, tyrisch 141. 158. 160. 161. 162. 163.
San'a 189 164
Sanguerone 377 Unter-Siebenbrunn, Fürstengrab 276f.
Säpür (Stadt) 15 Urbino (Urbinum) 369. 370. 376
Sassoferrato 364. 366. 372. 375. 376. 377 Urbs Vetus (Orvieto) 376
Save 354 Uruk 9
Selenga 318
Seleukeia 236 Vallemontagna 372
Sentino (Fluß) 366. 372. 376 Vendsyssel 373
Sentinum (Sentino) 363. 366. 370. 372. Venedig 360
Verona 364
376. 377
Serdica 358 Veszprim 290
Serragualdo 377 Vicus Buteridauensis 337
Siebenstromland 318 — Clementianus 337
Sigillo 365 — Quintionis 337
Singidunum 361 •— Scenopesis 337
Siragi 231 — Secundini 337
Sirmium 358. 361 Viminacium 355
al-Siz (Ganzak) 386 Anm. 47. 387 Anm. 49 Wörthersee 268
Some? 354 Wien 273. 287
Soriuq 257 Wieselburg (Moson) 281
REGISTER 453
Titel und Amter

Alexandrinae urbis procurator 185 nahutfrä 396


άρχων 6 α' Βουλγά(ρων) 3°7 äthiop. negüi 187. 308
äthiop. nggüla bigä 174. 184
bag, bäglär bag 308—310. 397
βασιλεύς 167 Πρωτοβουλγαρίαι 307
βασιλίσκος 176 ςαγαη, qapyan 307. 395. 397
soghd. βγpwr 309 Anm. 10 qan 28

Chäqän, Chagan 1 3 4 ! 137—139. 202. 245. rex regutn omnium 397


250. 256. 279. 295 Anm. 13
comes domesticorum 185 sad 305—307. 308
SpähbaS 204
dehkän 196. 199. 244 f. Tarchan 279
herbaö 245 „Teilkönige" 397
τ ο ξ ά ρ χ η ϊ 3θ7
kailän 182. 183. 189 turba regum 397
Kalifen 141. 142 T V p a w o s 167 f.

magister per orientem 185 arab. 'ummäl 181


äthiop. malka begä 174. 184
marzbän 200. 204. 245 Wezir 204
mu'addib al-asäwira 200
yabäg 305—311
muganniyün 204
mutribün 204 ζονπταν 308

Truppenteile

auxiliares 398 μισθοφόροι οίκεϊοι 314

buccellarii 314. 400 Ripari(i) Olibriones 398


ripenses, riparenses, ripensis militia 398.
Doryphoren 368 400

Gruppen und Einrichtungen

an-näs 138 Sänger 204 f.


Steuersystem 256
Falkner 201 f. 251

Köche 203 Tänzerinnen 205 f.


Kopfsteuer 138 Tausch, stummer 239

Lehnssystem 244 Zweikampf 202

Sachen

Armbrust 233 Bernstein 354


Badehaus 321. 321 Anm. 4a Bogenschießen 200. 202. 233
Baschlyq 255 f. Eisen 231 f.
454 REGISTER

Fliegenwedel 230 Pflug, Pflugschar 179. 227


Flucht, verstellte 253 f. Polo 200
propugnaculum 322 f.
Grabenkrieg 199
Gürtel, goldene 206 Anm. 74. 246. 259. Reflexbogen 276. 277
323. 323 Anm. 15 Reiterpauke 314

Hiebschwert, einschneidiges 277 sarir 208


Schach 200
Ingwer 229 Schnurrbart 206
Jagd 201 f. Schwertanhänger, magische 277
Setzschild (Pavese) 251—254
Keule 247 Sonnensegel, surädih 200. 214. 257
Klappenrock 206. 255 f. Stahl 231
Streitwagen 394
Krone 207 f. 207 Anm. 86—87. 208 Anm.
Szepter 179
88. 210. 304. 304 Anm. 2. 395
Küche 203 Thron 179. 231. 269
Lamellenpanzer 207 Trommel 314. 324
tympanum 324
Mitra 207 tuba 324
Moschus 207. 230
Uniform 206 f.
Nomadenwagen 251. 251 Anm. 18
Wehrgehänge 206. 206 Anm. 74. 246. 259
Panzer, verschiedene Arten 2 3 2 ! 3l5f.
Parierstange 277 Zopf 255

Chronologie

Ära Alexanders 5. 8 f. 11. 128. 130 Higra 131. 141


— Kaniska's 5. 7
Indiktionenrechnung 9. 171 f.
— der KüSän 7
— Nebukadnezar's 5 Mohammed's Jahre 187
— Yazdgard's 5 Monatsnamen aramäische 7 f.
— , iranische, 7 f.
Eutychios' Chronograph 127—132. 137.
141 Nisän (Monat) 3. 7f. 11. 128. 130

Literatur und Schrift

adab 200 Bibelübersetzung, äthiopische 176t.


Ahiljar 220. 220 Anm. 13 Bücherkisten 395
Apopthegma 97. 98
Aramäisches Alphabet 28. 318 dawäwtn 204
Ardaäer's I. kärnämay 14 διερμένευσις io8
Armazisches Alphabet 28. 294. 318
Ellinskij Letopisec 257
άστερίσκος 103—105
Erotisierung 203 f. 204 Anm. 50
„Athener" 383^
Äthiopische Schrift 164. 1 7 6 ! 178 Heldenlied 397
REGISTER 455
Husrav und sein Knabe 199. 202f. 205. Pärsik 318
207
Hymnus 'Ακάθιστος 378—389 Rabbän Saumä, Gesandtschaftsbericht 320
Kaiila wa-Dimna 200. 222. 223 Roman ArdaS§r's, Päpak's Sohn 200.
KSrelös, äthiopischer 1 4 3 ! 145f. 158 314
Anm.
Runen, alttürkische 259. 293—298. 301
Königsbuch, sasanidisches 126. 132. 136.
bis 311. 3i8f. 321
137. 141—143. 201. 247
Runenfuthark 28
Kufische Schrift 242
tnafhafa faläsfa (abibätt 215—224 Sembruthes' Königsjahre 171—174
μετα/ροφή 105—109 Stabreim 297
Nestorianische Schrift 178 iu'übiya 142f. 325. 326
notarius 28 Synaxar, äthiopisches (Senkesär) 162
bis 164
όβελός i o 3 — i o 5
Periplus maris Erythraei, Datierung 11 Vokalisierung I77f.
bis 15 Vokalalphabet 176 f.

Kunst und Kunsthandwerk

al-Ablak 190 Edelsthal (Nemesvölgy), Gräberfeld 281.


Ajantä, Fresken 206 287. 288. 289. 290
Aksüm, Stelen 188. 180 Email 210—212. 259
Almandine 210. 274. 277
Felsgräber, lykische 191
Altlußheim, Tragbügel 289
Felsrelief, Felszeichnung 195. 196. 198.
Axiale Gliederung 199
206. 206 Anm. 76. 209. 246f. 259
Bakodpuszta, Friedhof 273. 274 Firüzäbäd, Palast 198
Bäwit, Kloster 189 Flechtband, mehrstreifiges 270. 288. 291
Benepuszta, Friedhof 273 Fustät, Abu Serge 188 f. 190
Bilderbuch der Sasaniden 210
Gandhära 274
bisätu süsangird 208 Anm. 91
Ganzak-Sis, „Thron Chusrö's" 199. 199
Blech 284 t.
Anm. 5. 213
Brokat 208. 209. 210. 227. 250
Glasflüsse 212
Bronzeeimer, hunnische 273
Goldkanne von St. Maurice d'Agaune 211
Buchmalerei, irisch-angelsächsische 290
Grabstichel 396
bis 292
Grafitto-Muster, Keramik mit 228
Bronzeguß, awarischer 268. 281. 284. 286
Grubenschmelz 211. 259
Burg 244
Gumdän 189. 399
Cadjavice, Gräberfeld 274 Hellenismus, hellenistisch 274. 275. 281.
Campana-Fibel, Louvre 211 284. 285 f.
Chien-fo tung, Fresken der Höhle 156: 242 Hohenberg im Ennstal, Fund 284
Cloisonnö a n . 273. 274 Holzbau 270 f.
Codex Millenarius, Kremsmünster 291 Horyuji-Kloster, Nara 231
Csorna, Fürstengrab 2 76 f. Hyazinthen 211
Cutbercht-Evangeliar 291. 291 Anm. 58
Illerup Adal bei Skanderberg, Funde 374
Donjon 244 Imärat-i Chusrau 199
456 REGISTER

Inkrustation 138 f. 207. 209. 209 Anm. 101 Palast Attilas 268. 269—272
277 Pancsova, Funde 275
Pangikant, Fresken 205 Anm. 64. 207
Jerusalem, Heiliges Grab 140 Anm. 80. 246. 315
— , Konstantinskirche 140 Pics-Üszög, Reflexbögen 276
— , Tempel 191 Pertica 289. 289 Anm. 53
— , salomonischer Palast 191 Pfeilerkapitäle 142
Jutäs, awarischer Friedhof 290 Pfetten i88f.
Ka'ba 187—189. 190 Pietrossa, Schatz 324
Kairo, Moschee Ahmed's b. Tülün 142 Pliska (Aboba), Paläste 285
Kasr Ibrim, Basilika 189. 190 Porzellan 228
al-Katä'i', al-maidän 142 Purpur 210
Kerbschnitt 285
Keszthöly, Friedhof 273. 287 Qyzil, Fresken 257. 259
Kiskunhalds, Fürstengrab 276
Kopeni, Goldschatz 259. 321 Raab, Grabfunde 275. 287. 288
Kragehul bei Assens, Funde 373 f. Roccascalegna, Spangenhelm 373
Kreislappenranke 284. 288. 290. 291. 292 Riegelköpfe 188
Krungl bei Mitterndorf, Fund 284 Riemenzungen, awarische 275. 284! 286.
Kumenberg, Awaren-Ring 278 288. 289
„Ringe", awarische 278. 279
Laa an der Thaya, Fürstengrab 276f. Risano-Kapsel 211. 211 Anm. 123
Langhölzer 188 f. Rundbogenfries 270 Anm. 15
L6va, Fürstengrab 276
Linz-Zizlan, Friedhof 291 Säbeltaschen, magyarische 274
San'a, Kirche 189
Madara, Felsrelief 195. 259. 285
Sandorf (Csüny), Friedhof 281. 287
Marmor, farbiger 189
Sar MaSad, Relief 248
Martinowka-Kultur 284
Sarvistän, Palst 198
Millefiori-Glas 211
Schädeldeformation, künstliche 275. 275
Mindszent, Grabfunde 275. 287
Morken, Spangenhalm 373 Anm. 29 ^
Mosonszentjänos, awarischer Friedhof Seidenweberei, Seidenhandel 209. 210.
227. 230f. 234—242. 244. 354
280. 281. 287. 290
Silberschalen, sasanidische 203. 205. 205
Mosaik 189
Anm. 64. 208. 209. 229. 254. 258
Muy, Lederschild 257. 259
Sino-sibirische (südostsibirische) Kunst
Nachsasanidische Kunst 320—326 251. 281. 284
Nagy-Szent-Miklös, Schatz 257—259. 285. Sösöin von Nara 205 Anm. 63. a n , 227.
286. 293—304. 320. 325. 399 231. 250. 325
— , Datierung des Schatzes 285. 294. 298. Spiegel, chinesische 227. 229
303 Stampflehm 245
— , Grabfunde 275 Stara-Zagora, Tierreliefs 285
Noin Ula, Gräber 237 Staurothek P. Morgan 211 Anm. 123
Nydam in Sundeved, Funde 374 Steinbau mit Holzeinlagen 187—191
Stockwerkhäuser 188
Ohrringe in Körbchenform 277 Stuckornamentik 142
„Ordos-Tiere", Ordos-Bronzen 268. 274. Sutton Hoo, Schiffsgrab 211
275. 284. 286 Szeged-Nagyszöksös, Grabfund 272
öskü, awarischer Friedhof 290 Szentes-Nagyhegy, Grabfund 289 f.
REGISTER 457

Täynämeh 209 f. Turfan, Fresken 206. 208


Tält-i Bustän 195. 198. 199. 201. 207. 208
Τäk-i Kisrä 198 Uppsala, Codex argenteus 324
Tang-i Sarvak, Reliefs 248
vahär-i Xusrö 209
Tanqasi, Nekropole 174 Anm. 7. 180
Vimose, Funde 373
taxt-i iäkdls 209
Teppich 208 f. 214. 269 Weinlaubblätter, bronzene 396
Thorsbjerg in Angeln, Funde 374 Wolfsheim, Gürtelbeschlag 2 1 1 . 2 1 1 Anm.
Tierstiel 274. 284. 286f. 288. 2 8 9 ! 324 116
Toprak-kala, Palast 271
Tun-huang, Fresken 232. 254 Zellenschmelz 2 1 1 . 2 1 1 Anm. 120. 277
— , Limes 236 Zellerndorf, Topffunde 283

Philosophie

Abstraktion (άφαίρεσι<;), abstrakt 34. 39. Einsicht 72. 74. 75. 76. 77. 81
52. 67 Einssein 33. 34. 37. 45. 46. 48. 5 1 . 67
Acht (Zahl) 35 Eleaten 88. 96f.
άγαθόυ 48. 49 Anm. 1. 68 f. Elemente 42. 50. 53. 54. 56. 58. 61. 62.
αΙών, Aion 33. 48 f. 65. 67
Akademie in Athen 381 Embryo 42. 92. 93
Akzidenzen 51. 56 f. 63 iv 4 1 . 48. 49. 5 1 . 55f., 5 7 . 58. 62. 68
άπειρον 57 Erster Grundstoff (Ολη νοητή) 57
αρετή 44- 49 Anm. 1. 69. 76. 83. 95 ευθυμία 74
άρχή 34· 36f. 49· 5»· 5*· 5» Ewigkeit, ewig 48 f. 50. 5 1 . 62. 86
Art 34. 46. 4 7 f. 50. 52. 5 7 . 58. 70
Askese 74. 79 Figuren, geometrische 41. 43. 44. 47. 53.
Atmen 41. 42. 48. 52. 64. 91 54· 64
Atome 73. 75. 76. 79. 8of. 85f. 87—91. 94 Fixsterne 56. 91
Atomwirbel (άνά/κη) 90 f. Form 38. 39. 52. 56. 57. 58. 67. 85. 89
αύτόματον go Freude 37 f. 39. 40. 60. 65. 66. 74. 77. 79.
83· 94· 97
βασιλικός 98. ιοο Fünf 35. 55
Bewegung 37· 47· 53· 56. 5 8 · 6 4 · 6 5· 6 9·
73· 75- 88. 9 ΐ Gattungen 34. 47 f. 48. 50. 52. 57. 58. 70
Gebärmutter 92 f.
consensus ιοιί. Gegenerde 56
δημιουργό? 47· 49- 64. 69 Geist, geistig 37. 44 f. 54. 59. 61. 62. 67.
Demokratie 83 77· 79
Determinismus 75· 77· 78· 83 f. Geistwesen 39
Drei 34 f. 36. 48. 52 f. 54. 56. 58. 59 Gemessenes 36. 38
Dreieck 41. 43. 48. 53. 54. 58 Genealogie 87
δυάξ 53- 55 Gerade 3 4 ! 36. 42. 53. 54 f.
δύναμη 51. 57. 58. 62. 64 Gerechtigkeit 43 f.
Gesang 60. 63
Ebenen (Flächen) 41. 47. 53 Gezähltes 33. 34. 36. 37. 38. 52. 56
Είδη 57 Goldener Schnitt 59
είδωλα, imagines 75. 85 f. Gott, Götter, göttlich 39. 40. 44. 45. 46.
E i n s 3 4 . 4 5 f. 4 9 . 5 1 f. 5 3 . 5 4 . 5 5 . 5 8 . 5 9 . 7 0 . 8 7 48. 49. 5 9 . 6 4 . 68—-71. 82. 8 3 ! 8 5 — 8 7 . 9 0

30 Altheim, Hunnen V
458 REGISTER

Gottähnlichkeit 69 Maß 36. 37. 38. 57. 64. 67. 69. 73


Grundstoff (ύλη) 37. 48. 56. 57 Materialismus 86 f. 93
Grundzahlen 33. 34. 37. 47. 51. 55. 66 Materie, materiell 42. 44f. 45. 49. 50. 57.
75. 79. 80. 87. 88. 92
Harmonie, musikalische ( = Zahlen) 38. Mathematik, mathematisch 45. 48. 49. 62.
42. 43. 58. 59. 60f. 63. 64. 65. 6 6 . 69. 94 63. 65. 68. 69. 71. 79. 87. 94
— der Seele 43 μέτριου 73 f.
Harmonie der Sphären 56. 60. 65. 66 f. 76 Mikrokosmos (Makrokosmos) 38. 62. 64.
— der Atomschwingungen 73. 75. 80 65. 78. 79
— der Gegensätze 42 f. Mischung 37. 58. 62
— der Welt 54 Möglichkeit 39
„Hefe" der Welt 38. 61 f. 62 Anm. 1 μονάς 33. 52f.
Himmelsphären 36. 56. 62 Musen 56
Hippasos 32 Musik, musikalisch 38. 60f. 63. 64. 65. 94.
χρόνο; 33 95
Hylozoismus 88
m u t a z i l a325. 326

Mythos, mythisch 44 f. 64
Ideen 46. 48. 49. 50. 70
i h w ä n u s-safä 325
Natur, natürlich 36. 37. 40. 47. 48. 50. 51.
i n t e r m u n d i a8 5
54. 56. 58. 59. 67. 73. 78. 80. 81. 83.
Individuum, Individualität 46. 47. 70. 74. 86. 90. 94
80 Naturgesetze 38. 43. 44. 49. 50. 51. 61. 62.
Intervalle, harmonische 42f. 47. 66 63. 68. 82. 86. 91
Ισονομία 42 Neun 35 f.
Neupiatonismus, Neuplatoniker 40.45. 46.
l c a d a r i y a 326 48f. 49 Anm. 1. 52. 56. 59. 61. 64. 65.
κακοθιγίη 73 66. 67. 68. 196
Katharsis, kathartisch 65 Neupythagoreer 40. 47. 48. 53. 59
Körper, körperlich 36. 37. 38. 39. 40. 41. νοητόν 57
43f· 45· 47· 48· 5°· 52· 53· 54· 55- 56. Nous, göttlicher 47. 48. 49. 5of. 52. 55.
58. 59. 60. 61. 63. 65. 67. 73. 81. 85. 56f. 58. 59. 60. 61. 62. 64. 65. 67. 70. 85
94· 97- 98 Orphiker, orphisch 62 Anm/i
Kosmopolitismus 44. 83
Kosmos, kosmisch 47. 48. 51. 57. 61. 63. Peripatos 95
66. 69. 70. 71. 76. 78f. 83. 86. 89. 90. Person 34. 48. 57
91· 93· 94· 96 Planeten 43. 47. 56. 61. 62. 66
Kreisende Zahlen 35. 55 ττνεϋμα 62
Kubikzahl 54 πόροι 87. 94
Primzahlen 54
Leben 42. 44. 45. 50. 62. 73. 74. 79. 86 προαιώνιος 48 f.
Lebewesen, Entstehung der 42. 46. 58. 61. Proportion 37. 4 3 ! 54. 58. 59. 62. 63. 65.
91—93 66. 67. 69
Leere, leer (πόροι) 41. 42. 43. 8i. 87f. 94
πρώτη Ολη 57
Leib 73. 75
Pythagoreer 41. 42. 59. 94. 96
Licht 38. 39. 52. 62
πνθμήν 43
λόγοι σπερματικοί 67
λόγος 37. 67. 72. 74. 75. 78—82. 86. 87. Quadratzahl 43. 54
88. 94
Lust (Unlust) 73. 74. 78 Rang, Rangordnung 34. 38. 40. 52. 55. 56.
λύπη 95. 98 61 f.
REGISTER 459
Same 41. 42. 58. 92 f. 94 Unbegrenztes 41, 57
Schöpfer, Schöpfung, schöpferisch 33. 34. Unbewegter Beweger 95
36. 37. 45. 48. 49. 51. 52. 57. 60. 72 Ungerade 3 4 ! 36. 41. 42. 52f. 5 4 !
Schwingung (ιταλμό$) 73. 75. 8o. 81. 82. Ureinheit, Ureines 41. 42. 45 f. 48. 51. 52.
86. 87. 89. 94 64
Sechs 35. 55 Ursprung der Welt 39
Seele 36. 37. 38. 39. 40. 44. 47. 48. 50. 53. Urteilskraft 37. 45. 47. 55. 58. 74
55· 56. 57· 58. 60. 61. 62. 63. 64. 66. 67.
Verbindungen 39. 58. 63. 64. 65
70. 73. 74. 75. 78. 80. 81. 82. 83. 85. 86.
Vernunft 47. 48
89. 94· 95· 97—99
Verstand 34. 36. 37. 38. 39. 40. 48. 49. 51.
Sein, seiende Dinge, Seiendes 34. 36. 37.
55. 58. 62. 64. 66. 67. 72. 79. 85. xoo
39· 43- 44· 46· 47· 4». 49- 51 • 52· 53· 54·
Vier 34f. 36. 43. 52. 53f. 56. 58. 60
57. 58. 68f. 70. 86. 88
Vollendung, Vollendetes 37 f. 39. 58. 73
Sieben 35. 36
Sinnenwelt 46. 48. 50. 57. 58. 62. 70 Wahrnehmungstheorie 93 t.
Skeptiker 222. 223 Welt, Welten 37. 38. 39. 42. 44. 45. 47.
σφαΐρος g6 48. 49. 50. 51. 52. 54. 57. 61. 62. 64.
Spiel 197 65. 66. 67. 68. 69. 70. 85. 86. 87. 89. 91
σωφροσύνη 74 Weltjahr 66
Sprache 37 f. 60 Weltseele 49. 50 f. 62. 64. 66. 69
Stoa 83. 95. 96f. Weltuntergang 65 f. 67
Stoff 38. 42. 50. 52. 75. 90 Weltzeit 33
στοιχείο ν 53 Wiederkehr, periodische (zyklische) 55. 66
Substanz 36. 56 t. Wirklichkeit (Akt) 39
Symmetrie 43. 67. 74. 89 Ολη νοητή 57
Teilhabe 34. 37. 45. 46f. 57t. Zahl, Zahlen, zahlenmäßig 33. 33—38.
Tetragramm (τετρακτύξ) 35. 53f. 55.56.58 41—45. 47f. 49. 51· 52· 54· 55· 57· 58.
Tetrahedron 41. 43. 54. 56. 58. 60 59—61. 62. 64. 65. 67. 69
Theologie, negative 46. 68—71 Zehn 35. 36. 54. 56
βυμόξ, έτπβυμία 72. 98 Zeit 33. 48. 50. 64
Töne 37f. 39. 42 f. 44. 48. 56. 59—61· 65. Zentralfeuer 56
66. 67. 94. Zufälligkeiten 36. 39
Traurigkeit 38. 60. 63 Zugrundegehen (Ursprung) der Welt 39.
Tugenden, tugendhaft 43. 72. 74. 76. 82. 5°· 65 f.
83 Zwei 34f. 36. 48. 51. 52f. 54· 55· 5 8

Religion, Kirche, Sage

Ambrosianische Hexapla-Fragmente 103 bätiniya 196


bis 105 Bekenntnis, monophysitisches 175
Anahita 258. 395 Bodhisatva 231. 305 Anm.
Antichrist 385 Buddha 231
Apollinarische Häresie 382 Anm. 26
Apsarasen 206 Chalkedon, Konzil 177. 185
Arianer, Arianismus 324 Christentum, Christen, christlich 31. 46.
Aristeas-Brief 101 68.136.158. i6of. 175.176.183 Anm. 6.
Avesta, avestisch 195. 196. 202. 203. 385 186. 213. 222. 256. 283. 292. 303. 320.
Anm. 39 321
30·
460 REGISTER

Chthonische Götter 52 f. Melkiten, melkitisch 127. 142. 146. 213


Ciborium 257 MöbaS 196. 204
Monophysiten I45f. 175. 177. 187. 212.
Dionysos 9f. 275. 286
399
Ephesos, drittes ökumenisches Konzil Naturen Christi 145. 395
43i: 143 f· Nestorianer 72. 109. 143. I45f. 147. i77f.
212 f. 246. 395
Feuerkult 384
Neun Heiligen 177
Feuertempel 138. 385
Ohrmazd 213
Gandharva 206 Orthodoxe 145. 147. 245
„Gemurmel" 202 Anm. 42. 385 Osiris 10
Gestirnsglaube 213
Gnostiker 68 Phaidra 395
Golgatha i4of. Proskynesis 245. 245 Anm. 8. 394f.
Gott, seine Bezeichnung 175 f.
Saturnus (zuhal) 133
Helios 10 Saturnus (Kewän) 213
Hephaistos 10 Schamanen, Schamanismus 261. 324. 395.
Herakles gi. 397
HerbaS 202. 385 Selene 10
Hermes Trismegistos 218 Septuaginta 106—109
Herrschersymbolik 245 Serapis 9 f.
Hexapla 103—109 Sirenen 286
Hippolytos 395 Sonne 309. 310 Anm.
Sterndeuter 385
Isis 10
Islam (Muslim) 40. 45. 46. 52. 65. 66. 67. Tetrapla 104
68. 126. 175 Toleranz 220. 223
Tora 100—109
Jakobiten 178 Totengebet 299 f.
Kentauren 275. 286 Urmensch, Urkönig, iranischer 321 Anm.
Kreuzesholz 140. 213. 387
Kuanyin 305 Anm. Wiedergeburt, zarathustrische 245
„Wirklichkeitsreligion" 44
Landnahme, Sage 393,
xvarnah 245
Magier 196. 384
Manichäer, manichäisch 257 zand 202. 385 Anm. 39
Mazdak 196. 198. 204 Zarathustrismus 11. 196. 198. 213. 222.
Melchisedek 145. 145 Anm. 3. 148—152 245· 325· 386

Tiere

Adler 210. 274 Elefant 201. 210

Bergstier 203 Falke 201 f. 251

Dromedar 208 Gazelle 203


Gepard 202
Eber 203. 210 Greif 210. 284. 286 f. 288
REGISTER 461
H a h n 231 Pferd 393
Hirsch 242. 284. 287 Phoenix 231
Leopard 242
L ö w e 210. 242. 247f. 250. 393 Wildesel 203

2. P H I L O L O G I S C H E S REGISTER

Arabisch und Äthiopisch

ablak 190. 399 al-kitf 209


ahbär 245 äthiop. kökörös 223
äthiop. aklandlnos 220 äthiop. ttrlsis, k&sts, kör ist, kasri 222L
alwa 160
äthiop. antökyä 145 läzuward 230

'asgadi 230 äthiop. mähabara 397


bäb as-sin 228
natnrak, numruk 214
äthiop. barzamehar 221—223
äthiop. nüfäke 220
bizär 201 A n m . 30
äthiop. Slwäh 159 f. äthiop. örlt 177
äthiop. Snbäköm, arab. bäküm 188. 399
äthiop. ri'ita hibay 188 A n m . 4
äthiop. eräklis 220
ar-ruhä (Edessa) 397
äthiop. iskSndlryä 145
äthiop. isterä 253 sarak 239L
fagfür 230 sard 214
fass 209. 209 A n m . 101 säriya, aram. särxtä 399
sirbäl 214
jabgawaih, gabbawaih 311 siVä', siyarä' 241. 241 A n m . 9
gahüd 394 surädik 200. 214. 257
gauSän 232
gibäya 256 /aW 314
tagäfif 232
äthiop. häymänöt 177 tailasän 395
hazna 214 talwihät, taläwih 212
hiläl 209 A n m . 1 252f.
hisäb al-gurnmal 396 turuk 209 A n m . 101

istabralc 214 twa explicativum 136


twän 230 f. al-wahdäniyätu 33
al-wahdatu 33. 34
kimtar (syr. kmtryn, κάμτττριον) 395
kanz 214 zaräbi 214

Aramäisch (mit Ausnahme der S. 1 1 3 - 1 5 2 )

'bryt 106 syr. bahädur 311 A n m . 32


syr. ahüdemmeh 22
jüd.-aram. 'm 396 syr. hawwi b-kälä hayyä 398
462 REGISTER

i t h a h s a n ü n 394 n i k ä t ö r auwänä 6

K S Y T ' , s y r . kaSSilä 395


s y r . sattä 5
s y r . mär emtneh 22 s y r . seräyä 240
s y r . menyänä 5 syr. s u n t e l i y y ä 256
syr. m e t t a r ( r ) f a t ( t ) 397
s y r . m g a d d l a i sa'rä 255 s y r . zardä 214

Iranische M u n d a r t e n

aßaßyo 23 ΦΑΡΟ, ΦΑΡΡΟ 3 Anm. 3


'Aßaßos, A b a b a , Hababa 20—24 φορδαμσο 6f.
'Aßaßoös, A b a b u n i s Gen. 21—23 φροχορτινδο, φροχοοφινδηιο 2ο
Άβδάρακοί 23 f.
"Αβνωζος 23 f. mittelpers. väspuhr 199 Anm. 6
a f s i n 309. 310. 393 s a k . χίαηα 5

"Αδσρα, τά ι6 Xjjovo 5. 7.f. 10


αγαδο 3 f. 8 ι (Artikel) 19
A l a n o u i i a m u t h i s Gen. 26f.
altiran. ima- 7
αθρο ίο
osset. awdeu 23. 23 Anm. 16. 399 κιδοφαρο 3 Anm. 3. 4
osset. a w d i w a g , äwdtw 23 khot. k s u i l a 5
soghd. ' w s u r y t m ' n ' k y 5
μα, μο 4. 6
mittelpers. b a g ä n , sogdh. β γ " η 308
avest. mad- 8
s

Anm. 2 μολιζο 4· 5· 6
sarmat. BaySoSoaavos 16 μαλο 7^· Ι Ο
ßayo 26of. avest. mat 4
ßayoAayyo 4. 4 Anm. 5 f. μιιρο, μιυρο ίο. ι 6
ßapyo 398 avest. n a m r a - , mittelpers. narm 214
mittelpers. b ä z d ä r 201 Anm. 30 soghd. m z y n 4
soghd. $ y p w r 309 Anm. 10 νεισανο μαο 3. 7f. 10
soghd. ßyw xwt'w 309
οαδο, ΟΑΔΟ 3· Anm. 3
Cöbtn ( S ö b i n ) ,* C ö ß e y ä n 1 3 6 f . 200 Anm. οανινδο 5^·
21, vgl. 15 οισττοανο 4 Anm.
'Ορώντας 2ΐ
Ö<1 16 f. ωσογδομαγγο 5
Ηρακιλο 9 ΤΤαραλάται ι6
P a r i a 27
parth. γazn, neupers. g a n z , gang 214 ττιδο ι8
G u l ä i g i r d2 5 0 TTopoyorro 4· 7
mittelpers. gunäh 250
mittelpers. g u r ä z ,varäz, γουράζ 249 f. S a d a g a r i i 27
G u s a n ( y ) a z d ä d , Gusnöe 250 neupers. ία/ 214
sak. s ä l y a 5
neupers. istabra 214 soghd. S a r a y 238 f.
parth. nhwdr 248f. neupers. säräh 238 f. 240
REGISTER 463
neupers. sarä(i) 214 tr < hr 16
neupers. Sarbäl 214 altpers. vistarbara- 208 A n m . 89
Σαροατο g mittelpers. sangiwel, neupers. zangbll 229
σαρλ[ο 5
mittelpers. sater 213 f. mittelpers. tanbür, tubul 314
σοε 8
σταδο 2o mittelpers. ypgv' 310

τ ο δ η ι ο 4· η avest. zräöa-, parth. zraö 214

' Tocharisch'

säräk 239 ί· Β karge wassi 239 Anm. 47

Griechisch

άδιψοι 24 καταρβάτηχ 330 A n m . 23


άκινάκη$ 246 κατάφρακτα νευρικά 315
άνοπταύεσβαι 299 ί. κάτταρος 330 A n m . 23
άνάψυξίϊ 3 ° ° Κουμούδεβα 339
άττέκτητοι 255 Κρέμωνα 33° A n m . 24
άρματα 3 Γ 4 A n m . 19
λοράκηα, λωρίκια 3 Σ 3 ί · 3 Τ 4 A n m . 19
Βία 357 A n m · !93
Βικάνοβο 339 μαγγανικά 252
Βικούλεα 339 μά/os 259- 26ι
Βουργουάλτου 339 Μαυροκάστρον 3 5 °
μέταξα 230
Γοτθικών 3 ! 5

Δάο; Anm. 6 Νικάτωρ 5 ί ·


δεά, δ η ά = Side 303 νικηφόρος 6
Δεκάτερα 33° A n m . 23
διασαφεΐν, διασάφηση 107. 398 όλοσήρικα 230
Δ ω δ ώ ν α 33° A n m . 24 όλοσίδηρος 296 A n m . 16

έκδαττανδσθαι 97 TOTrpor/μένα 144 A n m . 2


ττλήρωμα 395
θεός V o k a t i v 10 A n m . 5 ττυρσολάτρη$ 3 8 6
Καβύλη, καλύβη 35 2 Σ ά λ ω ν α 3 3 ° A n m . 24
Καλήακρα 3 5 ° Σ α ρ ά γ α 238
Κάλληξ, Callatis 351 A n m . 151 σηρικόν, sericum 234· 235—241
καλυβϊται, καλυβεϊξ 3 5 2 σήζ, σητόζ 234
κάμινος 357 A n m . 195 ΣΙλίξ ι69 f.
κασηδηα, κασίδια, κασσίδεξ 3 Ι 3 ί · 3Χ4 σκουτάρια ^απτά 3 Γ 5
A n m . 19 Σ τ ρ ά γ ο ν α 33° A n m . 24
Καστελλοβρέταρα 339
Καστελώνα 339 Τοϋρκοι 393
neugriech. κάστρον 3 4 1 · 3 5 1 τύραννος i6yi.
464 REGISTER

Lateinische und romanische Sprachen

rumän. Abrttd 346 Anm. 116. 348 rumän. collegia 352 Anm. 157
rumän. a cutropi 339 rumän. Constanfa (Κωνστάντιο) 350
rumän. a se scalda 339 rumän. Cozia 349
rumän. Ataki 351 crinitus Hunnus 255
altfranz. cuivre 396 f.
rumän. Babadag 351 daco-rumän. curie 341
rumän. Bälgrad 344
rumän. Bärgäu 340. 346 -dava 328t. 333. 336. 339. 344. 345. 351.
rumän. Βάτοι (Beroe) 350 361
-basta 329 Anm. 16 rumän. Deva 329
rumän. Bistrifa 349 -dizos 329 Anm. 16
rumän. Borgale 339 Anm. 80 rumän. Dobrogea 340
rumän. Borgaria 339 Anm. 80 rumän. Drästor (Durostorum) 350
rumän. Borgoro 339 Anm. 80 rumän. drum (δρόμος, δροϋμος, bulg.
-bria 328 Anm. 1 1 . 329 Anm. 16 drum, alb. dhrom) 359 f. 361
burgus, burgarius 339 f. 339 Anm. 79 und -dunum 328
80
fossatum 328 Anm. 12. 3 4 0 ! 340 Anm. 85
rumän. Calachioi (Capidava) 351 bis 87. 344. 361
rumän. cale (callis) 357. 361 alban. fSat 340 Anm. 85
rumän. cälivä (καλύβα) 352 rumän. Gala(i 351
mazed.-rumän. cälivä, rumän. colibä 352 rumän. Gäi&lui (lalomifa) 351
rumän. Cälivili-mari, La-cälive 352 mazed.-rumän. G&rdetsu 344
rumän. Camena (Petra) 350 mazed.-rumän. Gardik'i 344
canabae 334 rumän. St. Gheorghe 351
capitatio 256 rumän. grädiste, gradiste 341. 341 Anm. 88.
rumän. Caracal 351 344· 345· 346
rumän. cärare (carraria) 357. 361
rumän. han, La-hani 351
carubius 358
rumän. Härsova (Carsium) 350
casatus 335
rumän. hoarä (χώρα) 351
castellum 339. 339 Anm. 77
rumän. Horodiste 344
rumän. Castru, Cästrie, Castri, Castrizi rumän. Hunedoara 348
34*· 351 indagines 345 Anm. 1 1 1
Castrum 3 3 4 . 3 3 5 . 3 4 1 . 3 5 1 rumän. Isaccea 351
Caucalandensis locus 342 iugatio 256
rumän. Cernavoda (Axiopolis) 350
rumän. cetate 340JE. 344. 345. 347 κατουνα, rumän. cätun und Verwandte
rumän. Cetäfuia 341 329—332
rumän. chei (clavis) 357 Anm. 191
rumän. Chilia 351 Noviodunum 328 Anm. 9. 336 Anm. 58
rumän. Chisfäläu 347
rumän. Cisnädie 349 rumän. Obad 351
civitas 334 Anm. 47. 335. 34of. 341 Anm. rumän. Odorheiul Sacuiesc 348
88. 344. 361 rumän. Oltina (Altina) 350
mazed.-rumän. clisura (κλεισούρα) 357 rumän. Oradea-Mare 348
Anm. 191 rumän. oras 348
rumän. colibasi, alban. cälivari 352 rumän. Otaci 351
REGISTER 465
rumän. pämänt 339. 339 Anm. 73 sericum 234 f. 235 Anm. 11
-apra 329 seta 234 f.
rumän. P&rgäresti 340 rumän. sat 340 f. 340 Anm. 85 und 87
rumän. Valea P&rgarului 340 rumän. Sighisoara 348
rumän. Pirgos, Purgo 340 rumän. Slatina 349
rumän. plai (plagius, πλάγια) 357 Anm. rumän. strada (strata) 357 Anm. 190
189 rumän. Stravico {Histria) 350
Plovdiv 329 rumän. Sucevifa 349
rumän. Pobrata 349 rumän. Suhoarä 351
Porolissum 329
rumän. prtsäci 345 Anm. m . 347 Tamasidava 347 f.
Tumän. Putna 349 rumän. t&rg, *terg 332 f. 333 Anm. 42
rumän. Tärgoviste 343
quasi 26 rumän. T&rgsorul 343
vorröm. *qatona 361 rumän. T&rgul 343
ruga, alb. rouge, griech. ρούγα, mazed.- tenda 335. 341
rumän. arugä 358 vor.-röm. *terg, *trag, *trag, *trugu 343.
345· 361
rumän. Säcele 341
rumän. Tismana 349
rumän. Sälaj, Sälägeni 348
mazed.-rumän. Tsitate, La-tsitate 341
rumän. Säliste, seliSte 344. 344 Anm. 108.
rumän. Tulcea 351
345 rumän. Turda 329. 329 Anm. 15
Sarmizegetusa 335. 335 Anm. 49. 341 rumän. Turtucaia 35 t
rumän. Satmar 341 Anm. 91
rumän. Satnoieni 341 rumän. Vicina 351
rumän. Salsista 341 vicus 337. 339
rumän. Sätuc 347 mazed.-rumän. Vilardi 344
rumän. Satu-Nou 341 Viminacium 328 Anm. 12
rumän. Satu-Vechi 341 -vissos 329 Anm. 16

Türksprachen

αλχαση 316 Δεγγιζίχ 393


anilikin, anilliq'in 306
anuq- 298 ΕΡΙΝΙΓΤ 3of.
qum. asru, astru, astri 315 εστρωγην, εστρυγηυ 315. 316
atak 351 ητζουργωυ βουλε 3 1 2
bäg, ßcry 308
quman. galat (arab. kal'at) 351
ßdyatvos, ßayavos, bayän 304. 308. 308
γρομβαδι 24 f.
Anm. 2. 311
Grumbates 24 f.
ßorycrroup 308. 311
alttOrk. bäri&rkär 310
proto-bulg. χλωυβρην 26ο. 316
βοηλα 3 i i
χωυμσχη 314. 316
βοοκαλαβρα 259—26ι
budun 295 icräki 312 Anm. 8
βουλε 304. 3i6 ιοττγο 3 ίο
Candac 27 f. isiy 306 f.
(iqan 306 Anm. 11 iyin, iyä 306 Anm. 10
466 REGISTER
Kdyyap 298 σρι ßocyo 309
Καυδίχ 27 Stambulyol 358
καύχανο* 311 Στύραξ 252f.
proto-bulg. κόλοβρος, κόλουβρος 259 f.
311. 316 tägin 245
körkü 305. 305 Anm. 3 ταρκανοξ 308. 311
ΚοΟγχαυ 25 tigit 295 Anm. 13
Κροβάτου Gen. 25 tip, tigip 305
kümn 295 f. τορκο 3io
türk. kutun und Verwandte 329 Anm. 20 τωρτωι/να 313
»nre 3i3f. 316 tovil 314
qum. tovulya 314
nos 296. 305 τουλ 315
oba 351 tulia 314
ögä 295. 295 Anm. 13 τωυλσχι 303! 314! 316
ωλανης 308 Anm. 2 mitteltürk. iura 251—253
oy-, öy- 302. 305 Τουρξάθοξ 308 Anm. 1
öy, öyi = ödi 297. 297 Anm. 19. 304
uluy, oAyou 294
τπλε, birlä 313
ΠΟΛΑΤ 30 yabäg 305—311
ΠΟΛΑΥΟΙΤ 29f. yafyu 311
alttürk. purim 310 yariqliq 296 Anm. 16
qam, Έσκάμ, Άτακάμ 397 yolliy tigin, yoliy tigin 306 Anm. 5
qan, qayan, qapyan, καύχανοζ 28
qum. Zanaurda 351
kuman. qovrov 298 Anm. 23 ζαυου 3ii -
quöurmaq 297
ζητκωη 313
Sad 305. 306 ζονπταν ταρκανοξ, ζοοπταν, ζωτταν 3°8·
οτταχογλάνοι 25 3ΐι. 3" Anm. 30. 312

Inschriften, Handschriften und Stellen


(mit Ausnahme der S. 110—112)

Adulitana II i68f. 170! 172. 174. 181. Esra 5, 8; 6, 4: 191


182. 183. 184 Eutychios, ann. 1, 365, 7f. Pocock: I27f.
— I» 369, 6f Pocock: i32f.
Bjal brjag, Inschrift 260. 303 f. 312—317.
319 Hephthalitenfragmente 24 f.
Buila-Butaul-Inschriften 293. 293 Anm. 1. Hieronymus zu Dan. 1,1: 109
311. 312. 316. 319 Homorödkaricsony, Inschrift 257. 318
Catalar, Inschrift 319 Jassische Wörterliste 17 f.
Jenissei-Inschriiten 305
Dälflfi-Mahari, Inschrift Sembruthes' Käl-i jangäl, Inschrift 246—250
170—172 Kalugerica, Inschrift 302. 318
Dura-Europos, parthische Ostraka 248
—, Pergament 12. 238 Ladänybene, Inschrift 28
REGISTER 467
Mchet'a, Bilingnis 28 Qarabalgasun, Inschrift 305
— , aramäische Inschrift 28
Rufinus, hist. eccl. 2, 2, 971 Zeile 22f.
Meroe, griechische Inschrift 1 7 2 — 1 7 4 . 178
Schwartz-Mommsen 158—162
Nagy-Szent-Miklös, Inschriften des R y c k m a n s 535: 169. 181. 398
Schatzes 293—304. 305. 312. 316. 3 i 8 f . Schumen, Inschrift 303. 304—311. 316.
Naks-i Rustam, Säpür's I. Siegesinschrift 318
249. 250 Surx Kotal, große Inschrift 3 — 1 0 . 11. 16.
en-Namära, Inschrift 393 24. 26of. 398
Nisä, Ostraka 16 — , Kleinere Inschriften 8. 10. 24
Orchoninschriften 294. 295. 296. 297 Tabari, ann. i , 820, i f . de Goeje I33f.

Grammatisches

A k k u s a t i v statt Nominativ 234 f. Orthographie, etymologische 395


Auslautender Vokal im Mitteliranischen
i7f. Pausaform 296. 297
Plural auf -tä (ossetischer) 19
„ B a k t r i s c h " 16. 19 — auf -an 19
Differenzierung der Konsonanten nach
Quantität chinesischer Vokale 239
dem Vokal im Alttürkischen 296 f. 316
r = altchines. γ 237 A n m . 35
Finale auf -\ed und -jeg, chinesische 237

Kongruenz, fehlende 33 Anm. 1 s = Lautwert 240 f.

iran. xt < γδ, yd i 6 f . Tocharisch, eteo-tocharisch 1 5 — 2 0

Labialattraktion 295 Vokalharmonie, türkische 3 i 6 f . 319


Lautharmonie, türkische 294 f.
Wandel von γ < ν, alttürkischer 298
Neutralisierung des ϊ im Türkischen 295.
A n m . 23
297. 316
Nominalkomposition, alttürkische 260 f. Zeilenfüllung 307. 307 A n m . 12 a
FRANZ ALTHEIM

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