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LIJD\øIG MOHLER LIJD\øIG MOHLER

KARDINAL BESSARION KARDINAL BESSARION


ALS
ALS

THEOLOGE, HUMANIST UND STAATSMANN THEOLOGE, HUMANIST UND STAATSMANN

FUNDE UND FORSCHUNGEN - DARSTELLUNG-


In 3 Bänden

I, BAND.
DARSTELLUNG.
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NEUDRUCK DER AUSGABE PADERBORN 1923 NEUDRUCK DER AUSGABE PADERBORN 1923

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SCIENTIA VERLAG AALEN SCIENTIA VERLAG AALEN


FERDINAND SCHÖNTNCH PADERBORN FERDINAND SCHÖNINCH PADERBORN

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Vorwort.
Vorli.g.n,les lJuch ge¡t in seinen Anfängen in die Zeit vor dem
Krieg zurück und ftihrt mich auf römischen Boden, wo mich die Editions-
arbeiten über die Einnahn-ren der Apostolischen Kamnrer unter Klemens VI'
und seinem Nachfolger, die ich im Auftrag der Görres'Gesellschaft über-
luomrnen hatte, an das Vatikanische Archiv fesselten. Mehrfache umfang-
reiche Funde in der Vatikanischen Bibliothek, in Florenz, Mailand und
namentlich in Venedig vermittelten mir neben den gcdruckten Quellen
umfangreichen Stoff zu einer neuen Darstellung. So bietet dieses Buch
ein buntes Bild von theologischen A seinandersetzungen, Konzilsverhand-
Iungen, byzantinischen Persöulichkeiten, italienischcn Humanistetr, Pl¿rton-
studium, Þolitik, Kirchen- und Kulturgeschichte. Der Gedanke legte sich
nahe, ob nicht diese Themata vielleicht besser getrennt behandelt werden
sollten; aber der Eindruck von Bessarions Persönlichkeit hättc sich ver-
wischt. Sein ganzes Leben steht nritten in diesem bunten Wecbsel; er
selbst ist Tragãr von diesem nranniglaltigen Aìlerlei. Vorliegender Band
enthält die Darstellung. Der II. Band wird den bisher unbekannten grie-
chischen Text von Bessarions In Calumniatorem Platonis enthalten, der
lII. Band einzelne ungedruckte theologische und humanistische Abhand-
luugen sowie Bessarions Briefe. Niedergeschrieben wurde manches in
Rom vor denr Krieg und nachher. Einiges entstand bei sommerlicher Hitze
auf den Höhen der Aibanerberge, anderes an sonnigen Herbstnachmittagen
auf der Heidelberger Schloßterrasse, und wieder anderes auf ruhiger Studier-
stube in Freiburg und in Münster. Mein Manuskript begìeitete mich im
Krieg an die Front, wo sich noch Zeit zu philologiscþen Untersuchungen
fand, und ebenso in die aulgeregten lage der Münchener lì'äteherrschaft'
Trotzdem hoffe ich, daß sich ein einheitliches Gesamtbild ergeben hat.
Sollte bei den angeftihrten Handschriften irgend einmal eine Foliozahl ver-
mißt werden, so bitte ich das mit den augenblicklichen Verheltnissen zu
entschuldigen. Sonst habe ich weder Arbeit noch Aufwand ftir lìeisen uud
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung der
Photographien gescheut. Ich fand überall freundliches Entgegenkommen.
Verlagsbuchhandlung Ferdinand Schöningh, Paderborn
Titelnummer 20Jl03J9l
In Paris wurde nlir jedoch alles verweigert. Verzögerungen in meiner
Arbeit traten ein durch den Krieg, dann infolge meiner hiesigen Tatigkeit
in der Vertretung des Ordinarius der Kirchengeschichte, zunl 'Ieil auch
Gesamtherstellung: fotokop, Reprografi scher Betrieb GmbH
Hilpertstraße 8, Darmstadt
PRINTED IN GERMANY wegen einiger Romreisen in der Nachkriegszeit, die in erster Linie den
vorhin genannten Archivarbeiten wieder gelten mußteu. Schwierigkeiten
bereitete zum Schluß die Drucklegung. Daß sie ermöglicht wurde, ist
neben dem Wagemut des Verlegers verschiedenen Stiftern von Druck-
Inhaltsverzeichnis.
zuschüssen zu danken. Ich nenne die Görres-Gesellschaft, die Freiburger
Seitc
Wissenschaftliche Gesellschaft, die Notgemeinschaft der Deutschen Wissen- Vorwort v
schaft, das Freiburger Erzbischöfliche Domkapitel und das Badische Kuitus- Inhaltsverzeì chnis VII
ministerium. Ftir freundliche Anteilnahme und Förderung danke ich dem Einleitung .

Deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhle in Ronr, Herrn Dr. Diego


I. Die Grundlagen.
r. Rom und Byzauz t6
von Bergen, Vielen Dank schuläe ich mehreren Bibliotheksvorständen z. Heimat, Bildungsgang und erste schriftstellerische Versuche ¡8
für mancherlei Aufschlüsse und Auskünfte, in der Vaticana den damaligen Il. Bessarion und das Konzil von F.lorenz.
Präfekten P. Ehrle und Msgre Achille Ratti, ferner Msgre Mercati, in der a. Von Konstantinopel nach ltalien.
Ambrogiana den Herrn Galbiati und Gramntaticr, in der Bibliothek von r. Die Quellen zur Geschichte des Konzils 56
z. Zur Vorgeschichte des Konzils
San Marco zu Venedig dem dortigen Direktor L. Ferrari, der mir auch 76
3. Die griechischen Konzilstheoiogen. Bessarions theologischcr Standpunkt.
nach dem Krieg mit umfangreichen Auskünften zur Verfügung stand. Nicht Die Reise zum Konzil
9o
vergessen sei der Leiter des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft b. In Ferrara.
Prälat St. Ehses und mein ehemaliger Lehrer in Freiburg Geh. Rat H. l. Griechen und Lateiner. Bessarion und Markos Eugenikos r07
Finke, die ständigen Anteil an diesen Arbeiten nahmen. z. Bessarions Rolle bei den näheren vorbereitungen auf die Konzilsver-
handlungen . rt7
Münster i./W. im Màrz ry4. 3, Griechen und Lateiner úber die Symbolunrsfrage, Bessarions Stand-
punkt t2J
Der Verfasser. 4. Der Ausgang der Verhandlungen über das Symbolum. Die Verlegung
des Konzils nach Florenz rt6
c, Zu Florenz.
r. Das Dognra der Lateiner und die Einwände der byzantinischen Theo-
logie r41
z. Bessarion im Kampf um sein Ziel t52
3. Bessarion über das Dogma t59
4. Die letzten Wochen des Konzils. Der Abschluß der Union und die
Abreise der Griechen t68
III' vom griechischen Bischof zurn rörniscben Ka*linal. Bessarion der Theologe.
t. Byzanz nach dem Unionskonzil t79
z. Die Polemik gegen das Konzil von F.lorenz t9f
3. Bessarions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken. Seine Berufung
ins Kardinalskollegium 204
4. Bessarions theologische Scbriften 2t I
r.
Die Apologie für Johannes Bekkos gegen Gregorios palanras 213
b. Die Rede ùber das Dogma zr8
c. Die Widerlegung der Syllogismen des Maximos planudes 220
d. Das dognratische Scbreiben an Alexios Lasl¡aris Philanthropinos 224
e. Gegen die Syllogistischen Kapitel des Markos von Ephesos 2J2
f. Das Rundschreiben an die Griechen 240
g. Über die Eucharistie und die Ko¡¡sel<rarionsworte 243
IV. Bessarion als Kardinal der rðmischen Kirche.
a. Von Eugen IV. bis Kalixt III.
r. In Ronl und Grottaferrata 248
z. Bessarion und Nikolaus V, Als päpsrlicher Legat in Bologna 258
i. Die Eroberung Konstantinopels und das Abendland. Bessarion uncl die
ersten Versuche zu einem Kreuzzug 269
vlll Inh altsve rz eichni s

Se te

b. Unter Pius lI. und Paul II'


¡. Bessarions stellung bei der Kurie, Auf dem Kongreß vou Mantua und
als Legat in Deutschland z8¡
z. Die letzten Paläologen. Bessarion in Rom und venedig. .¡tm sterbe-
lager Pius' II. to4
3. Bessarion und Paul ll. )t7
V, Bessarion als Humanist.
a. Anregungen und Anfânge. Elnleitung.
r. Bessarions gelehrter Gesellschaftskreis t25
z. Platonische und aristotelische Begriffe. Bessarion und Plethon, Die 'W.nn
Übersetzung von Aristoteles' Metaphysik trt sich die beiden Welten des Morgen- und Abendlandes mit
b. Im Kampf um Platon. ihren unterschiedlichen Bildungselementen, mit ihren Gegensätzen in Staat
¡, Platons Àulnahme im Abendland scit dem Wiedererwachen der klassischen und Kirche und mit ihrer Entwicklung, die sie seit Jahrhunderten selb-
Studien. Georgios Gemistos und Georgios Trapezuntios t46
tt8 ständig nebeneinander durchgemacht hatten, einnral harmonisch in der
2, Entstehungsgeschichte von Bessarions In Calumniatorem Platonis
)66 Seele eines Mannes vereinigten, so geschâh dieses Wunder in der Zeit
3. Bessarion über Platons Bedeutung
4, Die Aufnahme von Bessarions In Calumniatorem Platonis bei den Zeit- der ersten Bltite der Renaissance in der ehrwürdigen Gestalt und achtung-
genossen. Zur Bewertung von Bessarions Platonismus )84 gebietenden Persönlichkeit des Kardinals Bessarion. Als er, der Grieche
Bessarions De natura
5. ñ.u. Erörterungen über Platon und Aristoteles. mit langwallendem Bart und mildem Blick, wie ihn zeitgenössische Por-
et erte, Der aristotelische Substanzbegriff und die platonischen Ideen tgo
träts verewigt haben, auf diesen Schauplatz trat, um fördernd in das Kultur-
c. Der Kriiiker und Sammler'
¡. Hermeneutisch-kritische Fragen. Bessarions Übersetzungen. Sein sprach- leben des Abendlandes einzugreifen, war er längst kein unbekannter Mann
liches Kônnen , J99 mehr. Ein guter Teil seiner Lebensleistungen gehörte bereits der Ge-
z. Bessarions Bibliothek 408 schichte an, wenngleich er noch verhältnismäßig jung an Jahren war. Auf
VL Bessarions letzte Jahre. dem Konzil von Florenz hatte er sich einen Namen gemacht, denn die
I. Bessarions Sendung nach Frankreich 4t6
unter schweren Mühen und Fährnissen errungene Wiedervereinigung von
z. Nach Ravenna und Ront 425
Rom und Byzanz konnte er zu einem guten Tei[ als sein Werk ansehen.
Jetzt eröffneten sich ihm Aufgaben, die seinen Namen von neuem in die
Vy'elt hinaustrugen. Im literarischen Leben der italienischen Humanisten
Berichtigungen. des I5. Jahrhunderts wurde Kardinal Bessarion eine der charakteristisch-
S.TZ,gv.u.FrarrkfurtundMainzstattAlzey.(EinErlaßBessarionsordnet sten Erscheinungen; nicht weniger hatte sein Wort Bedeutung an dcr
eine Angelegenheit in .¡\., ohne den Kardinal selbst dorthin päpstlichen Kurie, in deren Dienst er, obwohl ciurch und durch Fremd-
zu führen') länder urìd in der schismatischen Kirche von Byzanz herangereift, fördernd
S. z5 Z. t9 v. u. bildmäßige statt bildreiche. die Geschicke des kirchlichen Lebens im Abendland mitbestimmte; und
S, 4o Z. t6 v. u. einer statt seiner Angabe.
S. 4r Z. zo v. u. In Cal, Plat. IY. 7, , statt III' 7' t' nicht weniger wurde er bekannt als Berater und Helfer seiner griechischen
S. 4r Z. 9 v. u. Niccolò statt Nicolo. Landsleute, die er mit Wort und Schrift ftir die kirthliche Einheit zv ge-
S. 14 Z. zz v. u. t42t statt I4]I. winnen trachtete, und für die er in den Tagen der Not stets ein warmes
S. 49 Z. 5 v. u, III. Band statt lI' Band, ebenso S. 50' 52' 5)' 55' Herz und eine offene Hand hatte. Seine Erfahrenheit in dem noch jungen
S. 8r Z, 19 v. u. Piccinino statt Piccini. Wissen über das klassische Altertum, sein schriftstellerisches Können und
S, zo5 Z, 2 o. 22 v. u. Dorotheos statt Dositheos.
S. 251 Z, t8 v. u, Theophrastos statt Theophrastes' Schaffen, seine rednerische Begabung, seine theologische Einsiclrt, seine
S, 254 Z. I3 ist >baumlose< zu streichen' Z. z6 seio Bild statt ein Bild' kirchliche Stellung und Tatigkeit, seine sittliche Würde und seine edle
S. 215 Z. 19 u. 20 v. rr' Batiffol stett Battifol ebenso S' 257 Z' t8' Denkweise, sein freundliches, versöhnendes Wesen, der Zauber seiner
S, 7ro Z, 2 v. o, 1472 stall t462, fernen Herkunft: alles das wirkte bei ihm zusammen und mußte jedem
S, 4o8 Z. z9 Orsini statt Orsino.
Achtung und Ehrfurcht vor ihm einflößen. Das war Bessarions Größe,
die ihm zu Lebzeiten einen Frcundeskreis ähnlich denkender Menschen
Mohler, Kardinal Bos¡arion. I. I
2 Einleitung' Charakteristik, Lebensgang. Schriftstellerei. 3

gewann, und die sein Andenken nach seinem Tod wach hielt. >Lati- Das waren die geistigen Voraussetzungen, mit denen Bessarion zum
ioruo'r Graecissimus, Graecorum Latinissir¡us( nennt ihn einer seiner hu- erstenmal den italienischen Boden betrat, als er r438 seine Schritte zum
manistischen Zeitgenossen, der bekannte Laurentius Valla, und charakteri- Unionskonzil nach Ferr¿ra unrl Florenz lenkte. Auf seine dortige Tatig-
siert damit vortrefflich ihn wie seiu ganzes Bildungsideal' keit haben wir schon oben verwiesen. Für ihn persönlich leitete die
Welcher Art waren denn die Kräfte, die diesen seltenen Menschen Tagung zu Florenz eine neue Epoche seines Lebens ein. Hier wurde
schaffen halfen? Herkunft und Bildungsgang in der Jugendzeit gaben die der Lateiner in ihm geboren. Das erste war ein tieferer Einblick in die
Gruudlage. Von Hause aus wâr Bessarion byzantinischer Grieche im Theologie der Lateiner. Seine eigenen theologischen Ansichten hinsichtlich
vollkomirensten Sinne des Wortes, ohne die Geschmacklosigkeiten und des Hauptgegenstandes, des Filioque, deckten sich ja im wesentlichen mit
die Abneigung seiner Landsleute gegen das lateinische Abendland zu teilen. dem abendländischen Dogma. Er erfuhr hier Bereicherung und Vertiefung,
Wirklichen lateinischen Geist sog er aber erst ein, seitdem er italieni- dieselben Gaben, die umgekehrt die Lateiner von ihm empfingen. Jene
schen Boden betreten und die abendl¿ndische Kultur kennen gelernt hatte. lernten die Gedankengänge der griechischen Väter kennen, und ihm er-
Geboren im äußersten Osten Kleinasiens zu Trapezunt, frühzeitig mit öffnete sich Sinn und Verständnis der lateinischen Schriftsteller. Wenn
er in anderen Punkten damals noch ganz Byzantiner war uud z. B. dem
päpstlichen Primat bedeutende Einschränkungen auferlegt wissen wollte,
so vollzog sich in ihm auch darin allmäblich eine Wandlung; denn er
sah über engherzige, altererbte Vorurteile hinweg und vermochte sich arn
wenigsten gegen zwingende Gründe zu sträuben, mag er auch in manchen
logen, dann ein gefeierter Rl:etor zu Konstantinopel, der selbst Hörer aus Dingen nie umgelernt haben. Was den hauptsächlichsten Einfluß auf ihn
dem Abendland liatte, und schließlich der berühmte, in halb oder ganz ausübte, war der gesellschaftliche Verkehr mit italicnischen Theologen und
heidnischen Bahnen wandelnde Georgios Gemistos Plethon waren seine mit den offiziellen Vertretern der abendl¿indischen Kirche, zu dessen Er-
Lehrer. Er war in den Basilianerorden getreten, noch ehe er Plethon leichterung sein eigenes entgegenkommendes Wesen nicht wenig beitrug.
So auf dem Konzil. Nachher wurde Bessarion selbst ins Kardinalskollegium
berufen und zum dauernden Aufentbalt im Abendland bestimrnt, und das
bedeutete nichts anderes als ein dauerndes Aneignen und Verarbeiten
dessen, was er in Florenz erstmals erfahren httte. Die lateinische Sprache
lernte er durch systenratisches Studium. Er las lateinische Schriftsteller,
klassische wie christliche. Er wurde au seinen vcrschiedenen Aufenthalts-
Seine vertrauten Bcziehungen zum kaiserlichen Hof zu l(onstantinopel und orten in Italien mit der lateinischen Bildung in einem Maße vertraut, daß
seine Verwendung zu diplomatischen Seudungen an das heimatliche Fürsten- er es rr/agen konnte, lateinisch zu schreiben und griechische Klassiker und
haus zu Trapezunt hattcn früh schon seinen Blick geweitet und ihm Theologen ins Lateinische zu übersetzen. Schon der schriftliche Verkehr
Menschenkenntuis und weltgewandte Formen verliehen. Bessarion u'ar an der Kurie stellte an ihn diese Forderung, ebenso wie es seine neue
kirchliche Stellung nrit sich brachte, daß er lateiuische Reden und An-
sprachen halten mußte. Bessarion ließ sich da nicht schrecken; er fand
jederzeit das Wort, und seine Aktenstùicke wie seiue Briefe zeigen uns
noch, wie er die Sprache neisterte. Allerdings hat sein Latein immer
etwas Hartes beibehalten, Aber wer von den italienischen Humanisten
seiner Zeit Filelfo âusgenommen hat es an Ger¡,andtheit in der
- -
griechischen Sprache so weit gebracht als Bessarion im Lateinischen?
Mit dieser doppelten Vorbildung ausgerüstet, trat Bessarion nach dem
Konzil an neue Lebensaufgaben heran. Sie waren vielgestaltig genug
und hätten mehr als eine Geisteskraft benötigen können. Zunächst seine
theologische Schriftstellerei. Bedingt war sie durch die längst schwe-
Idealist. benden kirchlichen Fragen. Schon vor dem Konzil hatte er sich mit den
l*
L Einleitung. Bessarion als Theologe und Humanist. Seine Bibliothek. 5

Problemen bescheftigt und eine kleinere einschlägige Schrift abgefaßt, dic hier die Quellen, durch die ein seelisches Erfassen Bessarions erst ermög-
seinen theologischen Standpunkt für die damalige Zeit kennzeichnet. Die licht wird.
Verhandlungen in Florenz boten neue Gesichtspunkte, und nach dem Ab- Wenn der ehemalige griechische Erzbischof mit seiner theologischen
schluß der Union erheischten die Verhältnisse eine erneute Behandlung. Schriftstellerei noch den verhältnismäßig engen Kreis der Interessen seiner
Aber selbst noch in seinen späteren Lebensjahren ftihlte er sich wieder zu Kirche von Byzanz im Auge hatte und im Abendland lediglich die Auf-
diesen Dingen hingezogen, so daß er sich nochmals an ilrre Bearbeitung merksamkeit der fachnäßigen Theologen fand, so wurde ihm, als er sich
machte. Inhaltlich beschaftigen sich seine Schriften mit den schon lange einmal auf anderes Gebiet begab und sein selbst mit Begeisterung ge-
umstrittenen Punkten des Dogmas, Filioque, Symbolum, Konsekrations- samrneltes Wissen von: klassischen Altertunl der Mitwelt eröffnete, die
worte, dem Unionskonzil und seiner persönlichen Haltung. Es war also glühendste Bewunderung von Seiten der italienischen Humanistenwelt zu-
keine Schultheologie, sondern Fortsetzung der polemischen Literatur, wie teil. Als dic höchsten Güter feicrten ihre schönheitstrunkenen Vertreter
sie in byzantinischen Kreisen zu Hause war, und cloch überwiegt nicht den Besitz der alten Kultur, die Kenntnis der klassischen Schriltsteller und
der polenrische Charakter. In manchem stützt er sich auf seine Vorgänger'. ihrer Sprache, namentlich der griechischen. Mit einen: wahren Fieber-
Ältere I.ösungsversuche kehren bei ihm wieder. Aber er kopiert sie nicht eifer waren sie auf der Suche nach alten Handscbriften, ttlch unbekannten
einfach, sondern vertieft sie und bringt neues Material bei. Vor allenr Autoren. Unersättlich war ihr Durst nach der Erschließung der alten
sucht er die Gedanken zu durchdringen im Gegensatz zu jenen Byznn- Philosophie und ihrer Meister. Wer konnte ihnen da willkommener er-
tinern, die nur Väterstelle en Väterstelle reihten. Was au ihm neu ist, scheinen als Bessarion, der unmittelbar aus den griechischen und latei-
sir:d die jüngsten Ereignisse auf dem Konzil und seine persönlichen Er- nischen Quellen scböpfen konnte? Hier war auch der Botlen, auf dem
fahrungen, außerdem der Umstnnd, daß er erstmals auch die lateinischen seine eigentliche Berühmtheit erwachsen ist. Bessarion als Humanist
Väter in größerem Unrfange heranzieht. Umgekehrt fanden seine Schriften fand allgemeine Beachtung.
gerade wegen ihrer griechischen Bodenständigkeit bei den lateinischen Bessarions Haus in Rom wurde der Mittelpunkt aller Freunde grie-
Theologen aufmerksame Beachtung, wie sie deswegen auch bei der Nach- chischer Sprache und Literatur. Hier war seine Akademie, aus der so
welt nicht in Vergessenheit ge rieten. Das beweist neben vielen Abschriften viele Anregung und praktisches Wissen seiner Gegenwart und der Nach-
und Drucken ihre Aufnahme in Mignes griechische Patrologie.l Voll- welt zufloß. Hier war auch der Herd jener Platobegeisterung, die nachher
ständig ist jene Sammlung allerdings nicht. Bessarions Darstellungsweise die gefeiertsten Männer der Renaissance erfaßte. Aber früher schon hatte
ist in seinen theologischen Schrilten klar und einfach. Man erkennt das er die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, denn er rvußte mit den Aufgaben
Vorbild der Väterschriften. Nicht unpassend hat r¡an ihn ia auch wegen seiner kirchlichen Stellung stets humanistische Studien und Bestrebungen
seines ganzen Auftretens mit den griechischen Kirchenvätern verglichen, zu vereinigen. Wehrend seiner politischen Sendung nach Bologna lehrte
und auf einer Miniatur erscheint seine Gestalt geradezu rls Kirchenvater er an der dortigen Universität Poesie und Rhetorik, und in Neapel, wo
Basilius.2 In dcr neueren Literatur fand seine theologische Schriftstellerei er einen diplomatischen Auftrag zu erfüllen hatte, fand er eiuen Fürsten,
merkwürdigerrveise weniger Beachtung. Sie einfach als runerquickliche der im Humanismus schwelgte; um das Geschenk einer Liviushandschrift
Apologìen seines Glaubenswechsels<< beiseite zu sehieben, ist nicht an- willen hatte ia A,lfons von Neapel einen Krieg mit Toscana vermieden.
gängig.3 Wer näher zusieht, wird gestehen, daß eine'derartige Charak- Mit den führenden Männern stand Bessarion in dauerndem Briefwechsel.
teristik ihnen nicbt cntspricht. Es scheint geradezu, als ob die nreisten, Trotz seiner bescheidenen Mittel \ilar er ein Mäzen der Gelehrten. Eine
die sich mit Bessarion beschäftigten, diese Schriften überhaupt nicht zur Sehenswürdigkeit war seine Bibliothek, die er nach und nach durch An-
Hand genommen haben, was bei dem nicht ganz leichten und jedermann kruf und Abschriften zusammengebracht hatte, und die mehr griechische
zugänglichen lnhalt la einigermaßen erklärlich ist. Und doch liegen gerade Handschriften zählte als jede andere damalige Sammlung des Abendlandes.
P. gr. r6r,
Mancher seltene Schriftsteller fand sich bei ihm, der sonst nirgends auf-
'Migne
e5cñmarsow Aug. Melozzo da Forli, Ein Beitrag zqr Kunst- und Kultur- zutreiben war. Er wetteiferte in seinem Sammeln selbst mit einem Ni-
geschichtc Italiens im XV, Jalrrhundert. Berlin u. Stuttgart r886. S.4. >Bessarion ragt
kolaus V. Als testamentarisches Vermächtnis ward seiue Bibliothek dazu
ln das Treiben dieser Zeit hinein last wie ein I(irchenvater; seine mâjestâtische Er-
scheinung, <lie heroische Gestalt uncl der griechische Kopf mit dem langen wallendtn bestimmt, den Grundstock der späteren Markusbibliothek zu Venedig zu
Bart erhöhte nur cìen willigen Glauben an seine Autorität, mit dem nran ihm von alleu bilden, wo seine Handschriften als Vorlage für manche editio princeps aus
Seiten entgegenkarn<. Vgl. ebenda S, z16. z+t.
t Vóigt G,, Die Wiederbelebung des classischen Altertums, Berlin 189¡. 3. Aufl. der Aldinischen Buchdruckerei dienten, und wo sie für mehr als eine text-
ll. tz9. kritische Ausgabe von heute die wichtigsten Textzeugen darstellen.
6 Binleitung. Uber Platon. Kirchliche und kirchenpolitische Aufgaben. 7

Bessarions Bedeutung auf humanistischem Gebiet liegt für die Nach- l<aiserlichen Hofes von Byzanz. Dann legten die I(onzilsverhandlungen
welt vornehmlich in seinem geistvollen Werk ùber Platon, ruit dem ge- sofort die allergrößte Aufgabe in seine Hand. Mit Umsicht und Geschick
nauen Titel , G.gen den Verleumder Platons<. Künstlerisch und verstand er über sie Herr zu werden. Nachher von Eugen lV. zum Kar-
wissenschaitlich steht hier Bessarion auf der Höhe. Geschrieben in einem tlinal der römischen Kirche gewählt, hatte er unter sechs Päpsten die
Griechisch, das von Platons Sprache sehr viel Farbe angenomrnen hat, reichste Gelegenheit, seine Befähigung als Staatsmtnn zu erweisen. Und
stellt das Werk gleichsam das damalige Gesamtwissen über den Begründer wie fand sich der Fremdling in der neuen Umgebung zurecht? An der
der Akademie dar. Es war wirklich nichts Gewohntes und Altbekanntes. Kurie galt der ¡rKardinal Nicaenus<(
- so nannte man ihn zeitlebens -
bald als einer der Ersten. Seine Stimme war überall von Bedeutung. Es
Für die Zeitgenossen war es geradezu eine neue Offenbarung. Das be-
zeugen clie Briefe der belreundeten Humanisten, die dem Verfasser zu- gab keine wichtigere Angelegenheit, bei der er nicht mitzusprechen gehabt
gingen. Tatsächlich hat Bessarion mit seinem Werk recht eigentlich zunr hätte, keinen Anlaß, bei dem er nicht näher beteiligt gewesen wäre.
erstenmrl zur Kenntnis und Verbreitung von Platons Schrifien uncl Ge- Naturgemäß überließ man ihm als erstes die Sorge ftir die weitere ver-
danken im großen Stile beigetragen, denn bei den Lateinern wareu sie einigung der verschiedenen orientalischen Kirchen mit Rom und einen
doch noch wenig bekannt. WaS an Übersetzungen von ihnen zugänglich ganz schwierigen Punkt, die Aufrechterhaltung der nicht ganz dauerhaften
war, besaß zum Teil sehr wenig Wert, und außerdem hatte nran von denr Union von Florenz. Daher auch seine theologische Schriftstellerei. Ihm
Antipoden des alles beherrschenden Aristoteles die abenteuerlichsten Vor- unterstanden weiter die Basilianerklöster ltaliens. Er wurde Protektor des
stellungen. Ein wahrer Kampf begann sich um die Geltung tler beiden Franziskanerordens. Die Bearbeitung von Klosterstatuten und Visitations-
Philosophen zu entspinnen, und in diesen griff Bessarion als echter Schtiler reisen hingen darnit zusammelt. Nikolaus V. sandte ihn als Legaten nach
eines Georgios Gemistos ein, um Licht uucl Aufklärur.ìg zrl verbreiten. Bologna, utn naclr den revolutionären Wirren dort wieder Ruhe und
Er war es, der überleitete zu tieferem Verständnis, rber auch zu jener Frieden herzustellen. Es war eine dornenvolle Aufgabe; aber Bessarion
schwärmerischen Verehrung, die ein Marsilius Ficinus dem göttlichen brachte es fertig, Vertrauen bei der Bevölkerung zu gewinnen und ruhige
Platon angedeihen ließ. Eines ist bei diesem Stand der Dinge merk- Verhältnisse zu schaffen.
würdig: Dieses Hauptwerk Bessarions, das die Zeitgenossen so begeisterte, Ein Gedanke beherrschte ihn, seitdem die Ttirken Konstantinopel
ist bis heute nur in einer lateinischen Übersetzung bekannt, die zwar gut erobert hatten, bis an sein Lebensencle: die Wiedergewinnung der Kaiser-
gelungen ist, stellenweise aber zu einer ganz freien Bearbeitung ausartet, stadt am Bosporus durch einen Kreuzzug und die Wiederaufrichtung des
und diese selbst ist nur in einer beschränkten Zahl von Inkunal¡eln zu- byzantinischen Reiches. Denn in innerster Seele war er ein glühender
gänglich. Wir sind nunmehr in der glticklichen Lage, neben anderem Un- Patriot, dem das Herz zu brecben cìrohte, als er die Kunde von dem Fall
bekannten auch dieses wahrhaft klassische Werk iur II. Band vorliegender der Stadt vernahm, der den Untergang seines Vaterlandes und die Ge-
Forschungen im griechischen Urtext darzubieten. fährdung der christlichen Religion im Osten bedeutete. Bei den Päpsten
Das gelehrte Streben und Arbeiten des >griechischen Kardinals< im fand er den lautesten Nachhall seiner Worte, vor allem bei einem Manne
Kreise der Humanisten wirkt in dem Bild seiner Persönlichkeit wie ein wie Pius II., der sich selbst an die Spitze eines Kreuzheeres stellen wollte;
kräftiges Kolorit; es ist die Seite, die an Bessarion am nreisten anzieht aber in der großen Welt versagte dèr Gedanke. Bessarion ging in dieser
und fesselt, und doch ftillte diese Freude an den klassischen Werken Sache als Legat nach Venedig; aber er erfuhr nur Enttäuschung. Er ver-
der Antike und die Lust zu eigener Schriftstellerei nur einen Teil seines faßte seine Briefe und Reden an die Fürsten Italiens; sie ließen sich nicht
Lebens aus. Den plastischen Hintergrund bei aller Gelehrtentâtigkeit, auch rühren. Er reiste als Legat nach Deutschland zu Friedrich lII., er suchte
der theologischen, gab seine kirchliche Stellung ab, und diese trat mit auf einer längeren Reise, wobei er Wien, Nürnberg, Worms, Alzey kennen
ganz anderen Forderungen an ihn heran. Er zeigte sich auch hier seiner lernte, für seinen Plan zu rn'erben; aber es ward ihm nur Absage auf Ab-
Aulgabe glänzend gewachsen, deuu er entfaltete während seines ganzeu sage zuteil. Verärgert und krank kam er in Ravenna an, denn es war
Lebens eine reiche kirchliche und kirchenpolitische Tätigkeit. nicht allein der Mangel an Eifer für die heilige Sache, die er predigte;
Wenn ihm nicht in all seinen Unternehmungen die erwarteten Erfolge er hatte auch sonst den Unwillen der Deutschen erfahren. Mit dem Tode
beschieden gewesen sind, so lag die Schuld zum Teil rn der Ungunst Pius' II. zerÍ^nn der ganze Plan. Und doch machte sich Bessarion noch-
der \¡erheltnisse, zum Teil an seinen Zielen, die er in kühnem Idealismus mals für die Befreiung des Vaterlandes auf den Weg. Er stand schon im
sich allzu hoch gesteckt hatte. Eine Vorstufe ftir seine Wirksamkeit im Greisenalter, war bitter krank und gebrechlich, da wagte er es, nach
Großen bildete seine erste diplomatische Verwendung im Dienste des Frankreich an den Iìof Ludwigs X[. zu reiseu, um ihn zu begeistern; es
g Einleituug. Bessarion und die Pàpstc. Stand der Forschung' I

war dieses Mal der schlimmste Mißerfolg, der ihn traf. Enttäuscht, bis sonderbarsten Urteile über den gelehrten Platokenner. So schreibt auch
ins Innerste erschüttert, vom Fieber gepackt, kam er in ltalien wieder an. der sonst so geistreiche Fallmerayer, daß Bessarion sich zwar auf der
Er kam nicht mehr bis Rom; er starb auf der Reise inl Novenrber r47z Kirchenversammlung zD Florenz als >Mann von Geist und klassischer
zu Ravenna. Sein Wunsch und seine sehnsucht blieben unerfüllt.
Bessarion erlebte als Kardinal sechs Päpste, denen er im einzelnen
aber nicht mit der gleichen Sympathie gegenüberstand. Die Tage
Eugens IV. bedeuteten seinen ersten Anfang. Als mit Nikolaus V. der
Humanist den Papstthron bestieg, wurde Bessarion sein maßgebender nichts Geschichtliches schrieb, und findet unter seinen Schriften die
Berater in den literarischen Fragen. Er übertrug ihm auch die wichtige Schilderung seiner Vaterstadt als das Einzige, das er außerhalb des engen'
Legation nach Bologna, Mit Pius IL verknüpfte ihn vollends ein inniges theologischen Bereiches des griechischen National-Dogmas geschrieben
Veihaltnis. Der welterfahrene Papst, selber ein feiner Beobachter und hat.1 Von einem Verständnis für Bessarions humanistisches wie auch
vollendeter Schriftsteller, wußte den gelehrten Griechen sehr wohl zu theologisches Arbeiten ist hier auch keine Spur zu finden.
schätzen. Er hatte ihn als ersten Ratgeber für alle kirchcnpolitischen Aber auch in neuerer Zeit behaupteten sich derartige, einseitige
Fragen in seiner nächsten umgebung" In seinen >Denkwürdigkeiten< Beurteilungen weiter, wenn auch nach mancher Hinsicht eine Besserung
hat er das Bild des Kardinals mit charakteristisciren Strichen gezeichnet. eintrat. Der erste, der sich mit Bessarion und seiner Zeit beschäftigte,
Unter Paul lI., dem reichen Venezianiscben Kaufmantrssohn, zog sich war 'W. v. Goethe, der Enkel des Dichters.2 Sein Werk, ein gar
Bessarion gtnz in seine Akademie zurück. Er fand an der Kurie kein trockenes Buch, daß überdies zu den llterarischen Seltenheiten gehört
Verständnis und dachte in manchen Dingen anders als der oberste Pontifex. behandelt nur einige ausgewählte Kapitel aus der Zeit des Konzils von
Zweimal in seinem Leben war Bessarion selbst nahe darun, die höchste Florenz, die teilweise nur sehr entfernt mit Bessarion in Zusammenhang
-würde der christenheit zu erlangen. so das erstemal nach dern Heim- stehen. Der Form nach stellen diese >Studien< eher eine Kollektan€en-
gang Nikolaus' V., als er noch im rüstigen Mannesalter stand. Nur der sammlung dar als den Ansatz zu einer Biographie. Eine solche wolke
Ú-itand seiner griechischen Abstammung war in letzter Stunde deran H. Vast bieten.s Er kam aber über das Material älterer vorlagen, das
schuld, daß die Kardinäle des Konklaves eine andere Kandidatur in er mit französischem Esprit zusammenfaßte, kaum hinaus. Handschrift-
Ë,rwägung zogen. Und später, nach dem Tode Pauls lI. wurde er von liche Quellen benutzte er nur in geringem Umfang, und seine Darstellung,
deutsiher Seite gewünscht. Bessarion blieb Kardinal. Er war allmählich aus der manches schiefe Urteil in andere Bücher überging, ist besonders
Kardinall¡ischof von Sabina und dann von Tusculum geworden. Das hinsichtlich des kirchlichen und kirchenpolitischen Wirkens Bessarions
Höchste, wâs €r erreichte, war der Ehrenpatriarchat von Konstantinopel. unzulänglich. von der späteren Forschung nur
Wer weiß aber, welche Perspektiven sich ftir das Papsttum eröffnet hätten, in einigen, überholt. Der Russe A. Sadov
wenn Bessarion den Apostolischen Stubl bestiegen hätte ! benützte für die bekannten, gedruckten Quellen
Trotz der genz iberragenden Bedeutung, mit der uns Bessarion in
der Kirchen- und Literaturgeschichte seiner Zeit entgegentritt, besitzen wir Hacke, Disputatio, qua Bessarionis aetes, vita, merita, scripta exponuntur,
bis jetzt noch kein Buch, das sein Leben und Wirken in wirklich grund-
legender und umfassender Weise zuf Darstellung brächte. Die ältere
Literaturl hat kaum irgendwelche Bedeutung. Aus ihr stammen die
r Aubérv. Histoire qénérale des cardinaux' Paris 1642.
Ciaccon'iûs, Vitae Þontiñcum Romanorum, Romae t677.
ÈJ¿iur, De'Graecis illustribus linguae Graecae litterari.rinque humanarum in-
stauratoribus
---- - Londiniis
t742.
lo.in"ìiur, De'-tioctis hominibus Graecis litterarum Graecarum in ltalia

Kùnste, Leipzig t8zz, s. v, Bessarion' P.27t s,


Stand der Forschung' Leidenscbaftliche Beurteilung. 11
10 Einleituog.

und soll nach dem Urteil Pastors unsere Kenntnis nur wenig gefördert
als ihren Heiligen. Schon die byzantinischen Zeitgenossen, die das
Florentinum verwarfen, bezichtigen ihu des Verrats, weil er nach der
haben. Zuletzt schrieb R, Rocholi eine deutsche Monographie über
Kardinalswürde gestrebt habe. Besy¿rion rnußte sich selbst dagegen ver-
Bessarion, ein wenig umfangreiches Buch , das im wesentlichen den
Charakter eines schöngeistigeu Essays trägt.1 Abgesehen von einigen
teidigen.l Dementsprechend ist auch die Beurteilung, die er sich von
seinen heutigen Landsleuten gefallen lassen muß.2 Zu verwutldern ist es
Kleinigkeiten aus dem byzantinischen Gebiet, bedeutet diese Arbeit
aber, daß es auch in der wissenschaftlich sein u'ollenden Literatur mit
gegenüber dem älteren Vrst keinen Foltschritt. Die von Pastor an diesent
solchen Urteilen regnet. Man nennt ihn ohne iede Kritik einen Überlâufer
gerügten Mangel verbessert Iì.ocholl in keiner Weise, er übergeht sogar
und macht es ihm wie O. Immisch zum Vorwurf, datì er >bei Gelegen-
geflissentlich die namhaft genrachten Archivalien, weil er darauf verzichten
heit des Konzils seiner Kirche untreu wurde uncl es im Dienst der
will, Bessarion als Staatsmanr zu schildern; unil doch kommt der Verfasser
römischen bis zum Kardinal gebracht lrat<.3 Anders urteilt E. Gothein.
an dieser Tatigkeit cles Kardinals nicht vorbei. Die Folge eines solchen
Er bedauert es, daß >die Zeit der schärfsten Federn und Zungen Bessarion
Verfahrens ist die völlige Wertlosigkeit der betreffenden Abschnitte. Ebenso-
mancherlei üble Nachrede angehängt hat<. >Sein hochsinniges Streben,
wenig kommt bei Rocholl Bessarion als Theologe zu Geltung, und was
zu erhalten und nutzbar zu machen, was sich retten liefì von eitrer unter-
er über den Humanisten bringt, findet sich gerade so gut bei Vast. Außer-
gehenden Kultur, und die Uneigennützigkeit, mit der er die zerstreuten
dem ntuß man sich beim Lesen inachtnehmen, denn das Buch ist über-
Fltichtlinge unterstützte, lassen uns auch seine Schwächen milder beurteilen.<
laden von kieineren Unrichtigkeiten, die man nicht ungestraft in sich
Wenn m¿n heute noch seinen Ubertritt zur römischen Kirclte, mit detn
aufnehmen wird. Eine derartige Leistung kann und darf einen Geschichts-
sçhreiber nicht befriedigen. Eine Reihe kleinerer Beitrage meþr oder
er angesichts des Todeskampfes seines Volkes die Einheit der Kirche
und die Unterstützung des Abendlandes erkaufen wollte, als schimpf-
weniger wichtiger Art werden wir an gegebener Stelle heranziehen.2
lichen Verrat auslegen wolle, ¡so könnte sich viêlmehr Bessarion über
Die Schwierigkeit einer nach ieder Hinsicht befriedigenden Darstellung
die Engherzigkeit beschweren, die nicht nur sein Streben vereitelte,
liegt hauptsächlich in der überragenden Größe von Bessarions eigener
sondern auch sein Andenken verunglimpft hat<.4 Das ist gut gesagt;
Persönlichkeit und in den Problemen, die sein Geistesgang dem fern-
aber es wird Bessarion doch nicht voll gerecht und erklärt vor allen das
stehenden Beobachter bietet. Dieser Mann hat seine Meisterschaft doch
Problem nicht.
auf so weit auseinander liegenden Gebieten und in so völlig verschiedenen
Kulturkreisen betätigt, daß es dem einzelnen Forscher bei dem Fehlen Kann denn aber der Ubertritt Bessarions zur rönischen Kirche nicht
fast jeder Vorarbeit schwer wird, ihm überall zu folgen. Denn hätte aus ehrlicher Überzeugung erfolgt sein? Aus welchen tatsächlichen
Bessarion in den Unionsangelegenheiten die Führerrolle nicht übernommen, Beweggründen kam Bessarion dazu, die Union mit Rom ztt befürworten
hätte er weiter seine Dienste der römischen Kurie nicht in der oben- und bis an sein Ende ilrr treu zu bleiben ? Das ist vor allen Dingen erst
geschilderten Weise geliehen, und ziehen wir noch dazu seine theolo-
gische Schriftstellerei ab, mit der er neben seinem Gegner Markos von I So in seiner Enzyklika an die Griechen bei Migne P, gr. t6r,.46r-464.
Vorwúrfe namentlich von G. Amirutzes, Ilegl rtiv Ìv r2j lÞ).apturlvn ouvó'Jqu qt)pPt-
Ephesos ebenbtirtig dasteht, so hätte er auf humanistischem Gebiete VIII (1919) p. 20 -)r), Markos
Bqxórav (s. meine Edition im Oriens Christianus
imnterhin noch so viel geleistet, als einer der bahnbrechenden Humanisten Eugenikos und G. Scholarios.
seiner Zeit zu Tage gefördert hat.
Dazu komtnen noch die inneren Probleme. Wie soll man den
Übertritt Bessarions zur römischen Kirche bewerten? Die Anhanger der
orthodoxen Kirche, die sich von dcr 1439 geschlossenen Union wieder
lossagte, betrachten ihn als Renegaten und feiern Markos von Ephesos
dagogik
r Rocholl R., die zurGeschichte Markos
Vgl. dazu die Kritiken schr. XII[. (¡9o¿) .
.ti\. Zschr. f. wiss. o)459-46'4,'in ð'
Bå-*I:
Sthwächen des Buche wird. Die übrig Arbeite
Verfassern l<ein höchst ungerechtfertigten und bitteren Urteilen hornmen.
2 Mehr Natur sind die Zusammenfassungen votl
P. L. Dessens itschrift rDe Katholiek< 9o (1886) p' z8.r ff'
a Gothein E,, Die Culturentwicklung Süd-ltaliens in Einzeldarstellungen.
und az¿ ff. oI der Zeitschrift Bessarione, Publicaziorre Breslau r886. S. 4oo.
petioáícä di ítu l. 9-t6 und 65-77.
72 Einleitung.
Probleme und Aufgaben. 13

zu unt€rsuchen, ehe lxan seinen Schritt verurteilt und ihn einfach als
treulosen, kirchlichen Überleufer brandmarkt. Wer sich dieser Pflicht
entzieht, hat keinerlei Anspruch auf einen ehrlichen, wissenschaftlichen
Namen. Erfreulicherweise suchte da Sadov ttotz seiner Zugehörigkeit
zur orthodoxen Kirche dem vielgeschmähten Kardinal nach jeder Hinsicht
gerecht zu wefden, wenn îuch sein Lösungsversuch nicht als genügend
àrachtet werden kann. Daß Bessarion bei seinem Ubertritt nicht aus durch umfangreiche Heranziehung der bisher vernachlässigten, gedruckten
selbstsüchtigen Gründen handelte, gesteht er unumwunden zu, ebenso und ungedruckten Archivalien abgeholfen werden kann.
daß er es an reiflichem Überlegen, bis er es zu seiner Überzeugung überblicken wir nun nochmals das gesamte Wirken Bessarions, a'-
brachte, nicht habe fehlen lassen. Aber es bleibt ihm bei alledem der gefangen mit seinem ersten Auftreten bis an sein Lebensende, so erhebt
Abschluß der Union als ein dunkler Punkt in seinenr Leben übrig, als ri.h di. Frage: Haben wir es hier nur mit einer wahllosen Vielfaltigkeit
eine sache, über die sich Bessarion doch vielleicht mit zu wenig oder Vielseitigkeit zu tun, oder gibt es in Bessarions Leben trotz aller
Gewissen hinwegsetzte. Diese Lösung befriedigt nicht. Es kornmt auf Mannigfaltigkeit der Betätigung und trotz der verschiedenartigsten Lei-
folgendes an: úar Bessarion von einem redlichen Streben nach der stungen nicht einen einheitlichen, führenden Grundgedanken ? In einer
Wãhrheit beseelt, und nahm er es ernst mit der Prüfung der theologischen geschichtlichen Aufeinanderfolge mag es bisweilen schwer sein, eine ein-
Fragen, die über das Schicksal seiner Kirche entscheiden sollten? Woher zelne leitende Idee herauszuschälen, ohne den Tatsachen Gewalt anzututì'
hatte er ferner seine persönliche Überzeugung? Erfolgte seine umkehr in der allgemeinen Geschichte sorvohl wie im Einzelleben einer Persön-
plcitzlich? Auf dem Konzil? Im umgang mit den lateinischen Ttreologen? lichkeit. Es gibt der durchkreuzenden Kräfte und Strömungen zu viele.
bder reifte seine Überzeugung allmählich heran, so daß er sein Urteil Auch bei Bessarion laßt sich nicht alles und iedes unter einem Gesichts-
schon fertig nach ltalien mitbrachte? Und schließlich, wie dachte er sich punkt betrachten. Aber es laßt sich ohne Zwang ein Grundzug in
das Verheltnis der beiden Kirchen in ihrer Getrenntheit, und wovon seinen Wirken und Wollen beobachten: Bessarion erstrebte nichts anderes
suchte er ihre Wiedervereiniguug abhangig zu machen? Diese Fragen als die organische Einheit der christlichen Kulturwelt seiner Zeit, Es lag
sind zu beantworten; daun kann-.las Probiern seines Übertritts als gelöst in seinem Wesen, zwischen klaffenden Gegensätzen zu vermitteln und
betrachtet werden. Unmöglich scheint diese Aufgabe nicht, aber sie hartnäckig sich Widerstrebendes zu vereinigen. Er wollte Disharmonien
erfordert eine genaue Analyse seines Werdegânges und einen tiefgehenden auflösen, um die harnlonisch geschlossene Kadenz erklingen zu lassen.
Einblick in die kirchlichen Verhältnisse des Ostens' Deswegen Zusammenschluß der getfenntetì Kirchen, Ausgleich zwischen
morgen- und abendländischer Theologie; dann Vereinigung der unterschied-
Weitere Fragen harren der Beantwortung bezüglich der theologischen lichen Kulturgüter von Ost und West, von Griechen und Lateinern -
Schriften Bessarions, die wie bei den neisten Byzantinern noch nirgends er selbst gab ja dazu das leuchtendste Vorbild ab -, ferner Verknüplìrng
eine Behandlung erfahren haben. Von wem hat er seine theologischen von antiker Kultur und n:oderner, Ausgleich zwischen Plato und Aristo-
Lösungsversuchã ? Wie hat er weiter gebaut? Wann wurden die ein- teles, Verbindung ihrer Philosophie mit dem Christentun:, weiter' Über-
zelnen Schriftcn verfaßt ? Diese Fragen hängen schon eng mit dem brückung aller persönlichen Gegensätze, - er unterhält auch noch als
Problem seines Ubertritts zusammen. Eberlso sind in seiner humanistischen römischer Kardinal seine Beziehungen mit den unionsgegnerischen Lands-
Tatigkeit noch mancherlei Daten festzustellen, ohne die wir uns keinen leuten, und gegenüber den wenig glaubig denkenden Humanisten gibt es
n.grifi' machen können weder von seinem Schaffen noch von dem ftir ihn keine Schranke. Seine politische Wirksamkeit erhält zunächst
Milwirken seiner Zeitgenossen. Was hat er hier überhaupt geleistet, und ihren Anstoß von außen. Es ist der Fall von Konstantinopel. und doch
wie weit geht er mñ seiner Bewunderung für das klassische Altertum? macht sich sofort wieder der innerste Zug seines Wesens geltencl. Neben
Daß es ihnì gelingt, bei allerVerehrung für die antikeWelt - auch Platon seiner Vaterlandsliebe ist es der Grunclzug seines Wesens, der keine Zer-
-
mit dem chiistlichen Denken zu vereinbaren, ist bekannt. Das war ja der splitterung der christlichen Kulturwelt zuläßt, Daher Einigung des Abend-
zweck seiner Arbeit, Er geht hier ganz andere wege als sein Lehrer, landes zum Kampf und zur Wiederherstellung der gestörten Einheit dcr
der Freigeist Georgios Gãmistos, der sich dem Christentum €¡egentiber gesamten Christenheit. Es ist dasselbe Streben, mit denl er schon zu Florenz
völlig abiehnend uerhielt. Wenn Erdmann behauptet, daß bei Bessarions I Erdmaun J, 8,, Grundriß der Geschichte der PhiJosophie 4. Aufl. Berlin r895
philJsophischer Stellungnahme rzwar kein Haß, wobl aber Indifferenz
l. s+9.
Gedrucktc und ungedruckte Schriften. Briefe, Archivalien. 15
14 Einleitung'
ständigkeit kann hier aber nicht die Rede sein, und von den Archivalien
dengetrenntenOstenmitdemWestenzusammenbrachte'nurdaßessich erhalten wir gar keine Mitteilung. Um eine neue sichere Grundlage zur
handelt' Aus diesen
dort um kirchliche, ftitt u' politische Gegensätze Weiterarbeit zu schaffen, bemühte ich mich zunächst, einmal sämtliche
Griindenistesauchnichtstatthalt,vonBessariontrureineneinzelnen etwa seine Handschrilten festzustellen, die Bessarions Werke überliefern. Die Arbeit
ã*.ìg ,.i".r Tatigkeit in den Vorderg war nicht einfach, da das fast unübersehbare Material überalihin zerstreut
ia,igî.i, als Staatsmann von der des
nisten aus-
s Persönlich- ist. Bessarions Schriften liegen in Ronr, Florenz, Mailand und Venedig,
zuschließen. Das wäre ein Riß in die sie finden sich auch in Madrid, im Escurial, in Paris, London, München,
lçeit. wie bei ihm alles ineinander gre
nicht ohne
den Theo- Wien und nicht weniger in Moskau, auf dem Atbos und in Jerusalem.
den Kirchenpolitiker und der glaoUige Was wir in vorliegender Arbeit an Handschriften namhaft machen können,
logen in ihm zu verstehen ist, so muß
seiner Per-
befassen und die einzelnen Fäden setzte die Durchsicht sämtlicher Handschriftenkataloge Europas voraus,
sönlichkeit sich mit áii." s.i,á" an ihm wofür in erster Linie die reichhaltigen Sammlungen in der Handbibliothek
zu einem einheitlichen Ganzen ordnen' stehen nicht der Vaticana und der Münchener Staatsbibliothek zu Gebote standeu.
Den oben h.,uã'gthobenen' inneren Schwierigkciten Ftir die staatsmännische Titigkeit des Kardinals sind die Quellen in den
gegenüber' Auf byzantinischem
weniger zahlreiche aufJîre Hemmnisse Archiven zu suchen. Es handelt sich hier zunächst um die wichtigen,
dem Gebiet d.i R"ntitt^nce fehlen noch eine
Boden wie auch ui.Ifa.ñ-ruf von Pastor bereits veröffentlichten Aktenstücke,1 dann vor allem um Arm.
namentlich hinsichtlich des
ganze Reihe *tinr.¡tn'*erter Vorarbeiten' XXXIV. Ton:. 6. u. 7., Arm. XXXV. Tom. 134. u. r35., Arm. XXXIX.
Die Schriften
ganz unfangreichen, 1; F;;. kouimenden Quellennraterials. Tom. ¡o. im Vatikanischen Archiv, worauf ebenfalls Pastor die gelehrte
zu eiuem großen Teil nur
und Briefe der Zeitgeno"å Bt"t'ions
sincl
nicht gerade um Größen Welt erstmals aufmerksam machte'2 Mit diesem Rüstzeug möge es uns
in den Handschrifte'i 'uganglich' wenn es sich und Schriften beschieden sein, Bessarions Leben und Wirken von neuem zu beschreiben,
essartons eigene Briefe
heit gedruckt vor' Manches ist eingedenk der alten Forderung, die Vespasiano d¿ Bisticci in der
61. Bãnd von Mignes Patrologia Humanistenzeit am Ende seiner Bessarion-Biographie an die Nachwelt
ch älteren Ausgaben erschienen ist'1 richtete: >Piir cose degne ha fatte il cardinale Niceno, Ie quali non sono
anderen Dingen nur die theologischen
note a nre; ma chi n'arà piu notizia, potrà meritamente scrivere la vita
<3
Schriften, und auch zu cìiesen können
wir eine Ergänzung bringen'" den sua.
>Uber
griechischen T.*t "int'ebenso wichtigen wie bekannten Arbeit
tlieKonsekratiot-tsworte<nacheinerVenezianischenHandschrift,die
Bessarions eigenhändige Verbesserungen..
aufweist' Migne gab sie nur in
aber nach dieser
einer lateinir.t.n rjf?t'"t'ong' Di' Überrtschendstenämlich Bessarions
drß
Hinsicht haben wir schon oben hervorgehoben'
g'n" als Humanist beruht' sein
reifstes Werk, ,of ¿t*- tt;nt
Bedeutung
,lIn Calumniatorem Platonis< nur in einer lateinisclren
Bearbeitung
war, während das griechische
in ganz alt.n Dro.i;;r-;i; letzt zu_lesen
originalbislreute.no.t'^urseineVeröft.entlichungwartete.-DerLeser steht
Buch.es.
ñndet es nunmehr im It, Band des vorriegenden ,Ebenso
nicht literarischen Schriftstticken
es mit den Briefen onã ,oit verschiedenen
aus seiner Hand. Übersicht über Bessarions schriftstellerische
ö[-¡.t,.
Erzeugnisse uot uirl.irt-p.Lri.iur'
Bibliotheca cìraecas; von einer voll-
Gegenseitige Entlremdung. L7

noch gar nicht gekannt hatte. Dls Dogm* vom Ausgang des Hl. Geistes,
die Spendung der Taufe, der Gebrauch von ungesäuertem Brot bei der
Messe, die Konsekrationsworte, das Fasten, die Anschnuungen über das
Fegfeuer, Zölibat der Iateinischen Priester und orientalische Priesterehe,
Bartlosigkeit und Blrtzwang, das alles wlren mehr oder weniger wichtige
Punkte, die dauernd von den Theologen, oder besser gesagt von hitzigen
Polemikern erörtert wurder.ì, Um den theologischen Fortschritt, den das
Abendland im Mittelnlter gemacht hatte, kümmerte man sich in Byzanz
I. Die Grundlagen. ebensowenig als um die lateinischen Kirchenvâter. Erst ein Maximos Pla-
nudes hatte den Augustinus übersetzt, und Demetrios Kydones hatte den
Thomas von Aquin ins Griechische übertragen. In der Hauptsache aber
1. Rom und BYzanz.
blieb mrn sich frenld. Man sucbte einrnder zu meiden, namentlich der
Byzaniiner den Lateiner, denn der Gegner trug den Verdacht der Häresie
an sich.
Selbst wenn die Kirche von Byzrnz einmal nahe daran war, eine
Verständigung mit Rom herbeizuführen, zeigten sich nach diesel Hinsicht
immer wieder Schwierigkeiten. Ein Johannes Bekkos unter ihnen mußte,
als man schon die Union von Lyon (rrlÐ zuweggebracht hatte, wieder-
holt und nachdrücklich warnen, weiterhin einander die unwesentlichen
Unterschiede zum Vorwurf zu nachen.l Und wie schwer taten sich jene
Griechen, .die zunl Konzil nach Ferrarr und Florenz gekommen weren,
wo sich so viele Gelegerrbeiten boten zum persörrlichen Verkehr mit den
römischen Prälaten oder zur Anteilnahme am lateinischen Gottesdienst.
Selbst Leute unter ihnen, die von ganzem Herzen die Union wollten,
konnten sich nur mit innerer Überwindung an das äußere Gepräge der
lateinischen Kirche gewöhnen. So treffen wir unter ihnen den Proto-
synkellos Gregorios Mamnras, der später neben Bessarion zu den ent-
schiedensten Anhängern der römischen Kirche zählte; aber auch er wollte
sich für den Anlang in den Gotteshäusern zu Florenz nicht heimisch
fühlen, wenngleich er eine ganz herbe Natur besaß und mehr Verstandes-
als Gemtitsmensch war. Er war an seine Ikonostasis mit den bunten
Mosaikbildern seiner griechischen Heiligen gewöhnt; jetzt strnd er spracblos
vor den plastischen Darstellungen nach abendländischer'Sitte. ¡In diesen
I(irchen, meinte er, könne er nicht beten. Er kenne heinen einzigen Hei-
ligen der Lateiner. Deswegen mache er nur sein Kreuz und bete zu
seincm Christus.<2 MaLr beachte, daß es sich hier um einen ernst den-
kenden, redlich suchenden Mann handelt, dem cs in keiner Weise darauf
ankam, das lateinische Wesen geringschätzend zu behandeln. Aus ihm

t
Byzantinische Polemik. 19
18 ¡. Rom und BYzanz'
sich in der abend- Konzil seinem Zorn tlie Zägel schießen ließ. Bisweilen wurde er so
sprach nur das allgemeine Gefühl der Griechen, die maßlos, daß er den Weitergrng der Unionsverhandlungen schwer gefihr-
låndischen Kirche itwas Fremdem gegenüt er sahen.
Ein ganz anderes
entwerfen uns da die Außerungen dete, bis ibm schließlich der Kaiser verbot, an den öffentlichen Sitzungen
gäJ vorurteilsvollem Mißtrauen
"o" kamen unverhohlen blinde wut teilzrinehmen.l Man sa¡¡te von ihm einmal, er sei rasend geworden; so
ã., *urg.rprochenen Lateinerfeinde. Hier tobte er. Seine Briefe an Gennldios und sein letztes Wort von seinem
""0 'îr'"'rotttrt'.':'ïTåi'åiL''tgri..r,ir.hen Mönche, die r¡it wort und Sterbelagerz offenbaren erst die Seele dieses Mannes, der unerbittlich in
die.-eigpntliche Klasse
I
seinem Groll war und unversöhnlich zu hassen verstand.
Schrift ill diesen Kampf eingriffen, da sie in Byzanz
]

Mithelfer fanden sie auch Die andersgearteten Sitten der lateinischen Kirche, die er nun einmal
ã., rrãr,.r gebildeten tt.otJg.n darstellten' Ihre
nicht verstand, wußte er nicht anders zu würdigen, als daß er sie mit
Laien, aus deren Kreisen
noch in ei"ner Reihe gut thãologisch geschulter seinem bitteren Spott übergoß. In einem Brief aus seiner späteren Zeit
der Absicht'
ir,o., wieder tiberrJgende Menner herv rrgingen' oft -in In ¡rn einen Freund im Kloster nennt er die Lateiner charakterlose Glaubens-
irg.nd.in höheres, gei"istliches Amt an sich zu reißen'
einem wilden
unverstandene lateinische neuerer, die allen Anstand in der Kirche verdorben haben. ¡Sie lassen
Fanatisnrus fielen manche dieser Polemiker über
ia die hl. Geheimnisse von Weibern feiern; denn sehen sie nicht Weibs-
SittenundEinrichtungenher.DieGrie:henzeigtenihre.h¿ßlichsten
"Krtpf.. bildern gleich, wenn sie ihre Bärte scheren. Schon die Laien baben bei
iug.na.n in diesem Man längst daran
ganz u betrachten' ihnert keine Scheu vor dem Heiligen; sonst würden sie sich nicbt beim
g.iti¡nt, die Lateiner al' nicht
Gottesdienst setzen. Kein Wunder, wenn ihre Priester den hl. Kelch auf
ãi. in i'hrer verdeiblich
Kirche ganz aufkommen
Geiste' daß den Boden ausgießen und mit ihren Füßen auf dem Altar herumtrampeln.<8
lassen. Die lateinische Forrnulierung des l

Das waren doch Auslassungcn, wie sie einem so ernst denkenden Mann,
ausging, kam den Theo-
nämlich der Geist >vom Vater und vãm Sohne< dem Hauptftihrer der Opposition gegen das Florentinum, wenig würdig
vor als ein barer Abfall von
eckte sich ihrer Ansicht nach anstanden! In dieser Art sprachen aber noch viele. So wetterte Genna-
ätsgeheimnis war danach offen dios, der Freund und Schüler des Ephesiers, so polterte Syropulos in seinen
das Symbolum war in ihren Denkwürdigkeiten, und auch der Laie Georgios Amirutzes ftihrt diese
en, die sich die Lateiner nach Sprache. Er nennt die lateinischen Christen >Bauchdenker< (rðyTaozgí-
puûot), weil sie glaubten, ihr Papst könne nicht irren. In seiner Schrift
über das Florentiner Konzil bedenkt er die Päpste mit seinen Prädikaten.
>Marcellinus war Götzendiener, Liberius war Arianer, Felix war ebeu[alls
war in ihren Augen gut. Sclbst an den Arianer, Cölestin war Nestoriâner, Honorius war Monothelet und wurde
man hängen. So war es für sie schon ei mit Fug und Recht von der VI. und VII. Synode mit dern Bann be-
n'lan es
Kr.urr.i.î.n von links nach rechts machten; in Byzanz machte
l

troffeu.<a Das war der Ton seiner Polemik und die Rede vieler.
nämlich >richtiger< von rechts âus'l Noch herausforderndere Fornren nrhm die byzantinische Kampfes-
Es gab unter den Polenrikern Männer' die in ruliger,.
sachlicher
vielleicht die meisten, weise an, wenn zu gewissen Zeitu der Radikalismus den Sieg davontrug.
Weise ihien Standpunkt verteidigter ; aber viele, So namentlich, als das Byzantinertum nach der Rückeroberung Konstanti-
schlugen doch einen weniger vorn-ellnlen
To
"herrbstiegen, im Au nopels und der Auf hebung der lateinischen Herrschaft (I z6l) wieder
weit daß sie unflätigen
teiner und Henotiker wüteten' So hören wir
mitten in den ernstesten Erörterungen tlie
verzweifelter
Kind.z Von Markos, der sonst ein
xen Kirche bis auf den heutigen Tag
en gefeiert wird, hätte man es schon
anders erwarten können. Es war nicht das einzige Mal' daß er auf dem

t Synode zu Konstantinopel im J. ¡¿5o' Vgl' Hefele' Con-


So die an gebliche
citiengeschichte !'l Il. s7'
â SYroPul os lX. ó, p. 2r7'
2*
20 ¡. Rom und Byzanz. Ausbrüche des Fanatismus' Textfålschungen, 2l
Besitz von alten Boden nahm und der Patriarch in die Hagia Sophia liche Patriarch, untergebracht war. Er hcftete
ein Manifest an die Kloster-
wieder einzog. Auch alles wurde damals vernichtet, \¡/as an die Lateiner pforte. Mönche und Nonnen hielten aufhetzende Reden an das Volk.
und ihre Kirche erinnerte. Der lateinische Gottesdienst wurde verboten. Der Pöbel, d. h. jene Schicht der Gesellschaft, die eine niederträchtige,
Die Geistlichen mußten das Land verlassen. Altäre, auf denen lateinische schuftige Gesinnung als ihr Erbteil betrachtet, iohlte mit und zog pltin-
Priester die Messe gefeiert hatten, mußten abgewaschen werden, um sie dernd in den Straßen umher. Mit einem ausgiebigen Weingenuß wußte
von der häretischen Berührung zu reinigen. Hostien, die von ihnen kon- die Menge ihre Stimmung noch zu heben. Gennadios selber donnerte aus
sekriert waren, traten sie mit Ftißen. Die gespendete Taufe galt als un- seiner Zelle gegen Latinismos, gegen lateinisches Dogma und ungesäuertes
gtiltig und mußte wiederholt werden. Schon die IV. Lateransynode (lzr5) Brot, als schon die Mauern unter dem türkischen Ansturm wankten. Die
hatte Veranlâssung gehabt, gegen die Wiedertaufe bei den Griechen Ver- Hagia Sophia galt als geschändet. Kein Mensch setzte mehr den Fuß über
wahrung einzulegen. lihnliche Szenen wiederholten sich, als infolge po-
ihre Schwelle, seitdem Gennadios wegen der Profanierung durch die La-
litischer Konstellationen und Zwischenfälle die Union von Lyon in die
teiner über sie das Interdikt verhängte. Kein Licht brannte mehr auf den
Brüche ging (rz8r) und die ganz engherzigenByzantiner unter Vortntritt
Altären. Alles Gebet war verstummt. Wer die Sakramente aus den Händen
des neuen Kaisers Andronikos zur Herrscbaft kamen. Der Patriarch Jo'
eines lateinerfreundlichen Priesters empfing, mußte Buße tun, oder er
hannes Bekkos wurde vor ein Synodalgericht gestellt und nach mehr-
wurde von der Kirche ausgeschlossen. Das Abendmahl der Lateiner galt
maligen Aburteilungen nach Kleinasien verbannt. Die Bischtife und Priester,
als mißbräuchlich un<l verachtenswert. Es kam vor, wie Dukas erzählt,
die zu seiner Union gehalten hatten, wurden auf drei Monate suspendiert, tlaß selbst Frauen in Todesnöten den unierten Priester zurückwiesen, wenn
ungeachtet dessen, daß sie beim Umschwung der Verhaltnisse sofort die
er ihnen die Wegzehrung reichen wollte. So zerfraß sich das hartnäckige
.nötige Feigheit besaßen, mit Namensunterschrift die Union zu widerrufen. Byzantinertum in seinem Haß. Ja, man ging so weit, daß nran es offen
Die beiden Archidiakone Konstantin Meliteniotes und Georgios Metochites
aussprach: ¡Lieber den Turban des Sultan in der Stadt als die Tiar¿ des
wurden für zeitlebens abgesetzt, weil sie als Gesandte in Rom dem Papst
Papstes.<r Der'Wunsch ging in Erftillung. Am 29. Mai 1453 fiel Kon'
bei der Messe assistiert hatten. Klerus und Volk mußte Buße tun. Die stantinopel in die Hand der Türken. Die Herrlichkeit von Byzanz war
Kirchen wurden reichlich mit 'Weihwasser besprengt' um den bösen Geist
zu Ende.
des Latinismus zu bannen. Selbst vor Rticksichten der Pietät gegenüber
In ihrem Haß gegen Rom verloren die byzantinischen Theologen
seinen Eltern schreckte Kaiser Andronikos in seinem Fanatismus nicht
selbst den Sinn ftir die innere Wahrhaftigkeit ihrer Sache und filschten
zurück. Er verweigerte seinem kurz awor gestorbenen Vater das kirch-
Iiche Begräbnis, weil er die Union verschuldet hatte, und von seiner
Mutter verlangte er, daß sie die Union mit Rom öffentlich abschwörte.l
Im gleichen Fanatismus gingen auch die letzten Byzantiner unter.
Kaiser Konstantin der Letzte hatte nochmals zu retten gesucht, was zu
kolle fingiert. Auf solche Betrügereien bei den Byzantinern war mân
retten war. Er hatte die Union von Florenz, die ein knappes Dezenniun
im Abendland von alter Zeit her schon gefaßt.2 Geradezu unfaßbar ist es,
gehalten wurde, wiederum erneuert zu einer Zeit, aIs Sultan Mohammed,
wie die Theologen zu Gunsten ihrer Streitfragen ohne jedes Bedenken
der unter allen Umständen Konstantinopel wollte, zum letzten Schlage
rüstete. Die Lage des Reiches war ernster denn ie in seiner Geschichte.
in den Vätertexten Änderungen vornahmen. Meistens handelte es sich
um das èx coú ufor), das sie aus dem Texte entfernten. Bekannt ist
Aber Klerus und Volk war verblendet. Ein ruhiges Denken gab es nicht
eine solche Fälschung, die Johannes Bekkos aufdeckte. Der péyag, oìxo-
mehr, Die geistlichen Demagogen hatten das Heft in der Hand. All-
ldpog Xiphilinos Penteklesiotes, Referendar derKirche von Konstantinopel,
gemeines Wobl und Wehe sah man nur im Gedeih und Verderb der ei-
hatte in der Zeit vor dem Konzil von Lyon (tzlù in einer Homilie
genen Partei. Am rz. Dezember r45z halle Kardinal Isidor, ein geborener
Gregors von Nyssa über das Vaterunser die worte getilgt: ,r1'ò dè raeípa
Grieche, in der Hagia Sophia die Union feierlich erneuert. Man hatte die
cò &yrcu xai èncoõøargòç ).íyetat, xai èx roõ aioú cì.uae tqoapagtugelcat^<<
Liturgie nach lateinischem Ritus gesungen. Aber der Klerus von Kon-
stantinopel verweigerte seine Teilnahme. Man veranstaltete Demonstrations-
Fff die Fassung des Dogmas \Mar besonders diese Wendung von aus-
schlaggebender Bedeutung; denn mit der griechischen Lehrweise stand
znge zam Pantokratoros-Kloster, wo Gennadios, der spätere lateinerfeind-
sie in offenem Widerspruch. Johannes Bekkos ließ den Sachverhalt auf
r Pachymeres, De Andronico Palaeologo L z-tt, Migne P, gr. r44, r8-4t, r Dukas Hist. Byz. c. XXXVI., XXXVII. bei Migne P. gr. t57' Io57-lo7r.
' Nicolai I. ep.'9 bei Mansi XV' zró.
lüy'oherdie Trennung? Photios. VerschiedetlartigeKulturents'icklung' 23
22 r. Rom und Byzânz.
einer Synode amtlich feststellen. Xiphilinos war geständig, weshalb die
Synode ein Protokoll tiber den Sachverhalt aufnahm und in die beschä-
digte Handschrift einheften ließ, um spiteren Benützern dienlich zu sein.1
Eine andere Falschung entdeckte Bekkos in Basileios' Streitschrift >Gegen
Eunomios<, wo ein Satz radiert war, der dieselbe Bedeutung ftir die
dognratische h-rage besaß: >zat' aòtoõ (i. e. øoõ uÍoú) ùt úuac 'éyou, xai
nag' ainoõ ).ap()auou xai duayyé).Lou fip\u, xal 8).o-c cr-¡ç alcías ìxelur¡e
è$q¡t pírou.<<2 -frennung
kann man
Selbst als das Konzil zu Florenz tagte, suchten die in die Klemme weisen. Die ftir die ganze Zukunft weitcrbestehende
Werk zuschreiben, mag mân
geratenen Theologen mit einem derartigen Betrug ihre Sache zu retten. indessen nicht einem Þhotios lls persönliches
ihn als Freiheitshelden feiern odir als urheber von allem Übel brand-
Es handclte sich um einen Satz bei Basileios : ,,ëyet tò ú.yat. èx toõ utoú."
marken. Er war doch nur der Mann, der es verstand, die längst vor-
Wie der Bischof von Methone erzählt, beging der Diener, der die Stelle
handenen Gegensätze aus ihrer Gebundenheit hervorzulocken
und seinen
tilgen sollte, einen lrrtunr, der für die bedrängten Eiferer doppelt peinlich
sein nrußte. Wehrend nämlich sich der Manu zur Seite wendete, schlug Zwecken dienstbar zu machen.
der Wind das Blatt unversehens um, und so kam es, daß der Fälscher Die wirklichen Gründe ftir die Trennung zwischen Rom und Byzanz
auf der näclrsten Seite eine ganz andere Stelle tilgte, die mit der Sache
nichts zu schaffen hatte. Dafür fanden die Griechen in der Konzilssitzung
wieder die unbequeme Stelle, deren Vorhandensein sie an ein Blendwerk
glauben ließ.3 Bessarion mrchte nach dem Konzil von Florenz in diesem
Punkt noch die überraschendsten Erfahrungen, die allerdings nur geeignet'
waren) ihn in seiner Überzeugung zu bestärken. Wir haben darüber an
gegebener Stelle noch eingehender zu berichten.
Woher stamnrten aber diese unversöhnlichen Gegensätze, die seit
Plrotios (867) und Michael Kerularios (ro54) Rom und Byzanz
entzweiten ?
- Die dogmatische Frage nach der Berechtigung der
morgen- oder abendländischen Formulierung des Dognras vom Ausgang
des Hl. Geistes ist das Auffalligste im ganzen Streit. Bei allc'n Polemikern
kehrt dieses Problem wieder, und mit der höchsten Erbitterung wird es
durchgeklnrpft. Im Laufe der Zeit hatte sich allein schon über diesen
Punkt ein fast unentwirrbares Netz von Gedaukengängen gesponnen. Alle
Uniousversuclre setzten hier inrmer wieder vorl neuem ein, um jedesmal
unter vieler Mühe eine einigende Formel aufzustellen, die den streitenden
sich um so emp6ndlicher ftiblbar, als der kulturelle Fortschritt
im westen
Parteien doch zuwider war. Tatsäclrlich v/ar âber dieses Thema geradeso
ailmählich abnahm und schließlich ganz zum stillstand kam. Italien wurde
wie die übrigen Streitlragen hinsichtlich der kirchlichen Praxis von Photios
eine Beute der hereinbrcchenden Barbaren und konnte schon deswegen
erst künstlich in den Zwiespalt hineingetragen r,vortlen, zudem noch, ohne
aus seinem Geist lleraus keine neue Frucht mehr zeitigen. Der
Helle-
von Anfang an in den rnaßgebenden Kreisen sofort rechten Anklaug zu
finden. Die Entzrveiung lag gar nicht auf dogn:atischem Gebiet. Sie dort nismus von Alexlndrien hatte sictr überlebt und mußte auch mit seinem
christlichen Einschlag vor Konstantinopel das Feld räumen. was
mittler-
zum Austrag zu bringen war erst einer späteren Zeit vorbehalten.
Ebensowenig reicht zu einer ELklärung des Zwiespaltes aus, daß alle

1 Der Synodalakt bei Migne P. gr. r4r, z8r--zgo,


e Migne P. gr. t4r,77D.
s S. die Apológie des'Bischofs Joseph von Methone bei Harduin IX.5ó8,
auch im Anhang zu den Acta graeca p. 476-477.
24 r. Rom und Byzanr. Byzantinische Kultur auf ltirchlichem Gebiet' 26

weile in Neu-Rom erstand, war eine ganz neue Kultur, in deren Aufbau ïn Byzaaz zu einer ganz selbständigen Entfaltung der Liturgie und schuf
das allzu rasche vy'achstum deutlich erkennbar blieb. Die alten Formen dadurch einen dauernden Unterschied im öffentlichen Ausdruck des kirch-
waren noch zu stark, als daß sie sich mit dem neu hinzutretenden Inhalt lichen Lebens, der von bedenklicheren Folgen begleitet sein konnte als
alsbald a) einern harmonischen Gebilde gestaltet hätten. Heidnische irgendeine abweichende Lehrmeinung.
Auffassungsweise blieb bestehen, wo christliche Gedauken alleinige Geltung Wie durch die Liturgie, so erhielt dieses äußere Bild der Kirche
beanspruchten. Aber nicht allein das; auch durchaus fremde Elemente von Byzanz geradeso wie das der lateinischen Kircbe - noch durch
-
andere Besonderheiten der kirchlichen Praxis sein ganz eigentümliches
verschafften sich unvermittelt Eingan g. Byzanz besaß noch seine rörnischen
Staatsformen, es bewegte sich noch ganz im griechischen Gewand, da Farbenspiel. Es lag in der geschichtlichen Entwicklung beider Kirchen
nahm es noch etwas völlig Neues in sich au[: den Geist der Asiaten, vor ihrer offiziellen Trennung. In Byzanz hatte man seinen eigenen
jene Neigung zum Flitterhaften und Pompösen in Kunst und Litcratur,l Festkalender, man verehrte die Fleroen der eigenen kirchlichenVergangenheit,
zum phantastisch Grüblerischen im philosophischen und theologischen seine eigenen väter und Heiligen. wie
auch dieser umstand wirkte,
Denken, zunr Despotismus im Staatsleben. Dieser Geist vermischte sicl: zeigt das oben erwähnte Beispiel ienes Byzantiners in einer lateinischen
mit den griechisch-rönischen Fgrnren und durchsetzte das gesamte Kultur- Kirche zu Florenz. Gewiß bedeuteten all jene Besonderheiten in der
leben des ostens mit seinem wesen. Es war ein durchgreifender kirchiichen Praxis, jene später von den Polemikern so schwer gerügten
orientalisierungsprozeß, aus denr die byzantinische Kulturwelt hervorging, Sitten der Lateiner wie ungesäuertes Brot, ZöIibat des Weltklerus samt
nicht als eine verknöcherung des Hellenismus, aber als etwas ganz Fremdes ihren Gegenstücken in der griechischen Kirche an sich noch keine Spal-
und unverständliches für den lateinischen westen. Manchmal schlugen tung, abei sie ließen nun einmal bei jedenr, der an Äußerlichkeiten hängen
die Wcllen dieser Entwicklung bis ins Abendland über. Rom und blieb, den Gesamteindruck des Fremdartigen zurück. Selbst fernerliegende
Ravenna zeigen in ihrer Kunst die Spuren.2 Dann aber trotzte das Dinge, die mit Rechtgleubigkeit und Vorrechten der Patriarchen nichts
Abendland gegen ein weiteres Eindringen des fremden Geistes, nicht zu tun hatten, halfen bei dieser Farbengebung mit. Man denke nur an
weil es Besseres hatte, sondern weil die Vorbedingungen fehlten. Ost- die bodenständige Entfaltung der Kirchenkunst, die hüben und drüben auf
Rom dagegen machte die Wandlung g nz mit, und das Ergebnis war: die örtlichen Bedürfnisse und die alten Überlieferungen angewiesen war,
Byzanz wurde ein Vorposten des asiatischen Orients. Schon das byzantinische Kirchengebäude
-in unterschied sich nerklich von
Diese gesamte Entwicklung barg auch auf kirchlich-religiösem Gebiet der lateinischLn Bauweise, wozu Byzanz noch die Sitte kam, die nur
gegenüber dem Westen eine Fülle von Gegensätzen rn sich, die früher bildreiche Darstellungen und keine Plastik duldete. All das waren an
oder später eine gegenseitige Absonderung einleiten mußten. sich nur Geringftigigkeiten; aber sie waren samt und sonders geeignet,
Schon das äußere Gepräge der Kirche von Byzanz, das unter diesen <lem überall sich gleichbleibenden Inhalt in jedem Falle eine fremde Form
verhältnissen erwachsen ist, nrußte die lateinische welt durchaus fremd- zu geben und dadurch eine Scheidewand zwischen Osten und Westen
artig anmuten, wenn hiermit zunächst auch noch gar kein innerer Unter- aufzurichten.
schied gegeben war. Was am ehesten diese Wirkung erzielen mußte, Auch im innern Aufbau finden wir da und dort eine andere Linien-
war die verschiedenheit der Sprache. wenn die Alleinberechtigung des führung als in der Kirche des Abendlandes. Vor allern handelt es sich
Griechischen als Volks- und Litcratursprache und schließlich auch als um die Ordnung des kirchlich-staatlichen Verhältnisses, das in einer
Gesetzes- und Regierungssprache eine Stârkung des Nationalbewußtseins inneren Verquickung von Staat und Kirche bestand und ein so eigen-
und eine deutlich wahrnehmbare Entfremdung gegenüber dem lateinischen artiges Merkmal der byzantinischen Kirche bildete, daß dieses System für
Wesen schon im btirgerlichen Leben in die Wege leitete, so mußte es alle Zukunft vou dort seinen Namen erhielt. Es war das staatskirchliche
um so einschneidender wirken, wenn dieser Gegensatz auch in der Kirche Ideal Konstantins d. Gr., der die heidnischen Einrichtungen auch hier
zum vollen Bewußtsein kam. V/ahrend im Abendland die Einheitlichkeit ziemlich unvermittelt auf christliches Gebiet übertrug. Die Kirche wurde
der lateinischen Kirchensprache eines der besten Bindemittel zwischen eine staatliche Einrichtung. Alle Jurisdiktionsgewalt und die Oberaul'sicht
völlig fremdenVölkern wurde, brachte es dieAlleinherrschaftdesGriechischen über ihre Verwaltung lag in der Hand des Kaisers. Die kirchlichen
Wûrdenträger hatten nur insofern Bedeutung, als sie die rein geistlichen
Norden E., Die antike Kunstprosa vom 6. Jhdt. v. Chr. bis in die Zeit der Funktionen vollzogen, und auch hier waren sie nur die ausführenden Organe
rgog l. r1r -ryi.
Renaissance. Leipzig
. . ., 9J.ryEowski, Orient oder Rom? Leipzig r9or. Strzygowski, Die byzan- des Staates. Konstantin selbst, von dem sich die Tradition fortpflanzte,
tinische Kunst in d. Byz. Zschr. l. (r892) 6r-73.' bezeichnete sich als den ènlaxonog túa Èmóg. Det Patriarch erscheint nur
Staat und Kirche, Gefahr fùr die kirchliche Einheit' 27
26 I. B,om und Byzanz.
zukanr, und nicht umsonst ließ auch Justinian schreiben: tNequc multunt
roch als sein Stellvertreter, als >eine Art Kultusminister<.1 Schon zu
diferunt ab alterutro sacerdotium et imþerium.ul
seiner Wahl war die Mitwirkung des Kaisers Voraussetzung, und mehr
denn einmll konnte es der Inhaber des Stuhles von Konstantinopel Von dem Augenblick an, da sich auch die kirchlichen Verhältnisse
erleben, daß er rein dynastischen Interessen zum Opfer fiel. Photios, der gefestigt hatten und der Wunsch nach Freiheit der Kirche wach wurde,
es wie kein zweiter vefstand, sich am Hofe einzuschmeicheln, mußte das barg dieses Übergewicht der Staatsgewalt eine ständige Gefahr ftir die
an sich selbst erfahren. In der gleichcn Weise verdankten die übrigen Einheit der Kirche in sich, und das umsolnehr, als auch die kaiserlichc
Bischöfe des Reiches ihre Einsctzung dem Kaiser und warerì ihm auch Regierung bei kirchenpolitischen Zusammenstößen glaubte, der dogma-
zu Abgaben verpflichtet.e Daruit begnügte sich die Gewalt des Kaisers tischen Einkleidung ihres Kampfes nicht entraten zu können. Der Osten
rnitnichten; sie griff vielmehr weit in das ureigentliche Gebiet der Kirche hat diesen Zwiespalt nrehrere Male in seinem eigenen Bereich geftihlt, am
cin und suchte selbst Glaubensstreitigkeiten und elas Sittenleben vor ihr deutlichsten in den monotheletischen Auseinandersetzungen und im Bilder-
Forum zu ziehen. Die Konzilien galten in Byzanz als eigentliche Reichs- streit. Ein RiB innerhalb der Kirche wurde beide Male nur durch den
angelegenheit. Ihre Einberufung, selbst die der allgemeinen Synoden, in Konstantinopel und durch die alteingewurzelte
politischen Umschwung
rvar ausschließlich Recht des Kaisers, wie er auch deren oberste Leitung Gewohnheit der Zusammengehörigkeit beider Gewalten verhütet. Ver-
für seine Person beanspruchte.s Die staatlichen Ansprüche gingen so hangnisvoller konnten aber derartige Übergriffe werden, wenn die Kaiser
weit, daß die Kaiser selbst Glaubensentscheidungen trafen, wo es ihnen wagten, auch das kirchliche Leben des Abendlandes anzutasten. Schon
im Interesse des Reiches oder der Dynastie geboten schien. Es sei hier zv Zeit eines Papstes Honorius und seiner unmittelbaren Nachfolger,
nur der monotheletischen, Streitigkeiten rnit der Ekthesis (638) und dem also nitten in den, monotheletischen Wirren hatte das gegenseitige
Typos (648) sowie des Bilderstreites gedacht. Ini Bedarfsfalle gebrauchten Verhaltnis von Rom und Byzanz eine Belastungsprobe ausgehalten, bei
sie kurzerhand niliterischen Zwang. Die Kaiser ftihlten sich zuweilen so der man mit aller Bestimmtheit auf einen Zusammenbruch hätte rechnen
können, wenn die Inhaber des päpstlichen Stuhles kraftvollere Charaktere
wohl in diesem kirchlichen Element, claß sie selbst die Feier des Gottes-
dienstes regeln zu müssen glaubten,a und daß einige von ihnen Predigten
gewesen wären. Es h¿itte gar keiner außerordentlicher Herrschernatur
und Homilien am Hofe hielten. Daß es unter ihnen Vertreter gab, die bedurft, um damals schon das Anathema des byzantinischen Kaisers der
eine vollständige theologische Schulung besaßen und dogmatische und Welt zu verkünden und damit die Trennung der beiden Kirchen herauf-
polemischc Abhandlungen schrieben, gehörte zurn byzantinischen Bildungs- zubeschwören. Andererseits war die kaiserliche Macht zu stark, als daß
ideal. In ihrer Hand wurde diese Bildung iedoch ein gefährliches Mittel. auch die entschlossensten Päpste einen Erfolg hätten erringen können.
Papst Martin I., der zu trotzen wagte, starb dafür in der Verbannung (g¡¡).
So spielte der Kaiser, der sich die Anrede ô äyrcç fipõu Saaú.eús gefallen
ließ,s in Byzanz fast eine Rolle, wie sie im Abendland nur dem Papste Byzanz triumphierte. Die kirchliche Einheit bestand äußerlich weiter.
Aber innerlich war man einander ein gutes Stück fremder geworden.
Um keinen Grad geringer r¡rar die Gefahr, clie von seitel der geist-
lichen Herrscher von Byzanz der kirchlichen Eintreit drohte; im Gegen-
teil, das ehrgeizige Streben der von kaiserlicher Macht getragenen Patri-
archen von Konstantinopel richtete sich auf nichts anderes als auf
einen Umsturz der bisherigen Autoritätsverhältnisse in der Gesamtkirche,
denn diese Hierarchen erstrebten nichts anderes als ihre Gleichstellung
mit dem römischen Papste. Ausschlaggebend ftir diese hochfliegenden
Pläne war die ganz überragende Bedeutung Konstantiuopels in politischer
und kultureller Hinsicht. Kein Wunder, wenn der Gedanke von einer
Ebenbtirtigkeit Neu-Ronrs mit Alt-Rom auch auf das kirchliche Gebiet
übergriff und die Patriarchen sich anschickten, ihre Residenz zum kirch-
lchen Mittelpunkt des Reiches zu machen. Diese Entwicklung erfolgte
in raschen Schritten. Bei ihrer Gründung gehörte die kaiserliche Haupt-
t Nov. 7 c. z.
Die Patriarchen von Kpet. Politische Entwicktung in AIt'Rom. 29
28 r. Rorn und Eyzanz.
in Byzanz die tirchlichen Verhältnisse allmählich zugespitzt, so daß sich
stadt zurn Sprengel des Metropoliten von Heralcleia, ohne einem eigetten tatsä;hlich schon längst vor Photios eine innere Absondetung von der
Bischof unterstellt zu sein. Der Prunk der kaiserlichen Residenz führte abendländischen Kirche vollzogen hatte.
bald zur Berufung eines Hofbischofs, dem indessen noch keinerlei Juris- Es verlohnt sich, nun noch einen Blick auf das Abendland zu werfen,
diktion zustand; aber es dauerte nicht lange, bis sein Rang durch Über- das in ähnlicher Weise eine eigene Weiterentwicklung durchmachte, wenn
tragung des Metropolitansitzes von Helakleia nach Konstantinopel erhöht es sich auch nicht im gleichen Zeitmaß von seinem Ausgangspunkt ent-
wurde, und damit verlangte dieser schon auf dem II. allgenreinen Konzil fernte. Zunächst hatte noch die römische Kunst und Kultur eine christ-
(¡8I) -- und dieses bereits auch zu Konstantinopel - noch den Vor- liche Nachbltite erlebt; es fehlten indes jene glänzenden Mittel, die einer
rang der Ehre solort nach Rom.1 Hierbei blieben clie byzantinischen
Hierarchen nicht steben. Auf dem l(onzil von Chalkedon (+¡r) erlangte
der Patriarch <lic Ol¡erband tiber die Exarchate Ephesos, Kaisareia und
T'hrakien, und noch auf der gleichen Synode erhielt er den Vorrang
der Jurisdiktion uber den ganzen Osten. Damit war Alexlndrien in
seiner Bedeutung herabgesetzt. Allerdings kounte das nur rnit vieler
Hinterìist iu einem Nachtrag zu den allgemein beschlossenen Kanones und Afrika ihre Exarchen, d. h. absolute Militerdiktatoren entsandten.
geschehen, als die päpstlichen Legaten schon abgereist waren, und unter Der Ost-Röner sah nur mit Geringschätzen auf Alt-Rom und seine zurück-
dem Protest von Papst Leo I. Wenn der berüchtigte Kanon zB auclr gebliebene Kultur. Denn ienes Kulturleben, mit dem Konstantinopel in
äußerlich wieder unterdrückt wurde,? in der Praxis wurde er beibehalten. seinen besten Ze\ten prunkte, war im Westen unbekannt, und diese Be-
Johannes Chrysostomos, ein Manu von durchaus lauterer Gesinnung, lebte wertung äbertrug sich von selbst auch auf die Bedeutung des römischen
in diesen Gedanken genau so wie seine Vorgringer.B Und Patriarch Stuhles, dem sich die Patriarchen von Konstantinopel unendlich weit
Akakios, der seine Sache auch dogmatisch zu bemänteln verstancl (Heno-
tikon Kaiser Zenos 48z), brach in dieser Auffassung der Vorrechte seines
Stuhles schon im Jahre 484 die Beziehungen zu Rom ab.a Das Schisma
besaß damals noch nicht die Tragweite rvie in späteren Zeiten; nach
Überwindung der monophysitischen Wirren bot es für Kaiser Justin I.
keine sonderlichen Schwierigkeiten, die gestörte Einheit wieder herzustellen das Papsttum auch äußerlich erstarkte und politisch zu einem maßgebenden
(¡tg). Aber es war das erste Wetterleuchten eines unheilvoll drohenden h-¿kto; in ltaiien wurde. Dieser Augenblick trat ein, als sich das Papst-
Ungewitters. Denn in Byzanz fiel es keinern Patriarchen ein, auf diese Ìtum mit dem Frankerireiche verbändete und sich dadurch der Oberhoheit
Forderungen zu verzichten. Kaiser Justinian sowie die Trullanische Synode der Kaiser von Ost-Rom entzog. Fur Byzanz war cliese Neuerung nicht
(692) bestätigten den Kanon zB von Chalkedon von neuem' ohne sich einerlei. Es ftihlte sich politisch wie kirchlich in seinem Bestande bedroht.
um die römische Gegenrede zu kümmern.5 In dieser Weise hatten sich Altes wirkte bier zusammen: das stark ausgeprägte Nationalbewußtsein,
das Geftihl einer eigenen Kultur und kirchlicher Selbstendigkeit, das Streben
der Patriarchen nach der Suprematie. Jeder Schritt der römischen Päpste
wurde von hier aus mit scharfen Augen beobachtet. Jede seibständige
Regung wie die Kaiserkrönung Karls d. Gr. rief BestÜrrzung hervor, was
nr.l, .in.rn Übergriff aussehen ko¡nte, erfuhr sofortigen Widerspruch.

sönlichen, ehrgeizigen Pläne in die Tat umzusetzen. Mit seinem Schritt


tat er nichts and€res, als daß er den Gegensätzen, die sich im Laufe von
30 r. Rom und ByzâDz. Photios. Filioque. Romfreundliche Theologcn. 31

und ihre Traktate tiefer und umfangreicher. Die Eroberung Konstan-


Jahrhunderten mehr oder weniger faßbar entwickelt hatten, feste Form
und Ausdruck verlieh. tinopels durch die Lateiner (tzo4) schürte auch hier den Eifer. Jetzt
Nach dieser Entwicklung stellt sich der Kampf zwischen Ronr und setzte eine wahre Hochflut von erregter Polemik gegen abendländisches
Byzanz dar als ein Ringen um die Suprematie in der Kirche. Dogma und Synrbolum ein. Diese jüngsten Byzantiner zeigten sich in
Das Werk des Photios war irn Prinzip die Verwerfung des päpstlichen ihrem rationalistischen Wesen als die echten Abkömmlinge iener Kämpen
Primats; nur verstand es Photios geschickt, die Trennung mit allerlei in den nestorirnischen, monophysitischen únd monotheletischen Streitig-
Zierat zu umkleiden und Dinge in den Vordergrund zu stellen, die sich lieiten, nur daß iene Vorfahren ihren Stoff doch weit genialer zu hand-
zwar deutlich von der abendländischen Auffassung abhoben, die aber gar haben verstanden als diese weniger selbständigen Epigonen. Mit ihrer
keinen Anlaß zur Trennung gegebcn batten. Aber es zcugt bei ihm von ausgiebigen Polemik über diesen einen Punkt des Dogmas ließen sie das
einem feinen Verständnis für das Empfinden seiner Mitwelt, der er u:it ursprüngliche Streitobiekt der Suprematie ihres Patriarchen von Konstan-
seinen Anklagen gegen die Lateiner etwas Greifbares in die Hand gab. tinopel fast völlig in Vergessenheit geraten, und wo religiöser Idealisnrus
Also gar nichts anderes als in jenen erbitterten Kämpfen der byzantinischen oder klug berechnete Politik die trotzig abgerissenen Feden wieder an-
Vergangenheit. Bei den Auseinandersetzungen des Monophysitisnus und knüpfen und die kirchliche Einheit wieder herstellen wollte, selbst da
Monotheletismus handelte cs sich in Byzanz anfänglich um rein politische stand die dogmatische Frage in erster Linie zur Erörterung und Be-
Interessen, die weitere Kreise kaum interessiert hätten, und der Bilder- antwortung.
streit war in Wirklichkeit nur das Ringen zwischen staatlicher Oberhoheit Die einheitliche Färbung dieser streng byzantinischen Betrachtungs-
und kirchlicher Freiheit. Die Fernerstehenden wurden aber rnitgerissen, weise hielt auf die Dauer nicht stand. Die theologischen Kampfe hatten
weil sofort beim Ausbruch der Zwistigkeiten dogmatische Problenre auf- zum Studium der Väter herausgefordert und die Gründe sachlich erwägen
gerollt wurden, die zur Rede und zur Gegenrede Veranlassung gaben' lassen. Mancher Satz ließ sich bei tieferem Nachdenken doch anders auf-
So wollte es die byzantinische Eigena-r!" Das führte schließlich zu den fassen, als der einseitige F'anatismus verlangte. Einem gerecht denkenden
großen theologischen Kämpfen, die den Osten fast dauernd in Spannung Sinn konnten auch die wahren Gründe der kirchlichen Trennung nictrt
hielten und nur langsam wieder abklangen. Das Gleiche wiederholte sich verborgen bleiben. So brach bei alÌer Verketzerung der lateinischen Kirche
zu Photios' Zeiten. Er griff neben jenen Gegensätzen kirchlich disziplinärer und bei ailem kirchlichen Selbstbewußtsein doch wieder das Geftihl der
Natur zu der dogn:atischen Frage vom Hervotgehen des Hl. Geistes. kirchlichen Zusamntengehörigkeit mit dem Abendland durch und ebenso
Gewisse Ansätze zu Meinungsverschiedenheiten fanden sich bei den grie- \¡erschaffte sich der Gedanke wieder Bahn, claß griechisches und lateinisches
chischen und lateinischen Vätern. Das Abendland kannte das filioque Dogma bei verschiedener Fortnulierung im Grunde doch ein und dasselbe
schon vor Augustinus. Die Synode von Toledo (wahrscheinlich 447) sei. Es entstand somit im byzantinischen Osten eine Partei rom'
hatte ês bereits in ihr Synrbolum aufgenornmen. Eihe fränkische Reichs- freundlicher Theologen, die gegenüber jenen einseitigen Hetzern mit
synode hatte es auf Veranlassung Karls d. Gr. voll neuem in das Sym- Wort und Schrift ftir die lateinische Fassung des Dogmas und eine Ver-
bolum aufgenommen, ohne gerade die Billigung des Papstes Leo III. zu ständigung mit der abendlandischen Kirche eintraten. Sie zählten in ihren
lìnden (8o9), Erst später fand es auch Eingang in das römische Synr- Reihen zwar bei weitem nicht so viele Anhanger als die national-kirchlich
bolum. Photios brandmarkte den Zusatz schon ietzt als xqxõv xdxßtott gesinnte Gegenpartei, es fehlte in ihrem Gefolge auch die kritiklose Masse,
f¡ èu cQ åytqt oa¡tBüq tqoagi¡xq. Er selbst erörterte dieses Thema in die sich bei ihren Gegnern aus Mönchen und Weltgeistlichen leicht
seiner >Mystagogie über den Ausgang des Hl. Geistes< mit großer dialek- zusammenfand; aber es herrschte bei ihnen sachlicher Ernst und Über-
tiscber Gewandtheit, aber auch voller heftiger Leidenschaft. Seine An- zeugung.
hänger haben ihn nachher eifrig ausgeschrieben, aber noch nicht in der AIs ihr ältester Vertreter kann Niketas vou Maroneia zur Zeit
nächsten Zeit. Eher fanden seine übrigen Vorwürfe gegen die Lateiner Kaiser Manuels Korunenos (rt43-u 8o) gelten. Des Photios frühere
Beachtung. Der wirklich schwierigen, dogmatischen Frage schienen sie Gegner zu dessen Lebzeiten gehören nicht hierher, da sie mit diesen
doch nicht gewachsen zu sein, ein Beweis, wie weit außerhalb des Streites tateinerfreunden in keinem geistigen Zusamnenhang gestanden haben.
bei seinem Ausbruch dieser Punkt zu suchen war. Es dauerte bis nach Niketas brachte ftir die Schwierigkeiten bei den Vätern erstmals die
der erneuten Spaltung durch Michael Kerularios, als der Philosoph Psellos Lösung, daß das lateinische èx toõ uioû mit dem d¿à coõ uioú bei den
(t¡oZ9), anscheinend als der erste, sich gegen die lateinische Formulierung griechischen Vätern gleichbedeutend sei. Praktisch suchte er die Unions-
erhob. Dann werden die Natnen, die zu dieser Sache schrieben, häufiger frage zu lösen durch die Annahme der lateinischen Fassung des Dogmas,
32 I. Rom und Byzanz, Johannes BeLhos. Die Union von Lyon' Zu Bekkos' Beurteilung. 33

in ihrem
aber er verlangte dafür von den Lateinern, daß sie den Zusatz und Wirken bildete eine so denkwürdige Episode in den Kampfen ftir
Symbolum in wegfall kommen ließen, ein Kornpromiß, der bei allen und wider Ronr und war für die weitere Entwicklung aller schwebenden
Unionsverhandlungen nachher wiederkehrt.t Niketas wirhte anregend für Fragen so bedeutsan, daß wir hier seiner schon ausführlicher gedenken
die Zukunft. Die Lateinerfreunde der nächsten Zeit gehen sämtlich auf müssen. Ursprünglich, als Bekkos noch Chartophylax der Kirche von
ih¡ zurück. Zu ihrer Erstarl<ung führte uamentlich die lebhalte Folemik Konstantinopel war, nahm er gegenüber den Unionsplänen Kaiser Michaels
in der Zeit cles lateinischen Kaisertums. eine durchtus ablehnende Haltung ein, Von Patriarch Joseph, einem aus-
Nikephoros Blemmydes (t om 1272), ein Mann von Narnen iir gesprochenen Feind des >Latinismus(, in einer Synodalversammlung um
der byzantinischen Profanliteratur, grifi dieselben Gedanken von neuefn seine Meinung über die Tragweite des dogmatischen Unterschieds gefragt,
auf; nur wâgte er noch niclit damit öftèntlich hervorzutreten. Er schrieb erklärte er untef den Augen cles Kaisers, vor den versammelten Bischöfen
nur heimlich für einen eingeweihten Kreis im Sinne der Lateiner'. Die rnit spitzen worten: >Einige gelten als Häretiker, ohne es zu sein; andere
echten Byzantiner wollten später die etwas tnerkwürdige Haltung ciieses sind Häretiker, ohne so genatìnt zu werden, un<l zu diesen gehören die
Mannes, der in der Öffentlichkeit ihre Partei ergriff, nicht eingestehen Lateiner.< Das waren Reden, die sofort den schlimmsten Fanatismus
und suchten ihn r¡it allerlei nachträglichen Verdunklungen für sich zu entfesseln konnten und damit tlie kaiserliche Unionspolitik aufs schwerste
.Anteil an der Bewegung, der durch zwei gefährcleten. Es kam in der Sitzung zu einem wahren Aufruhr. Der
retten,z Doch laßt sich sein
lateinerfreundliche Schriften von ihm bewiesen wird,3 ganz'und gnr nicbt Kaiser ließ den Chartoptrylax auch sofort einsperren, während ilim zwei
bestreiten. Es scheint sogar, daß er inr geheinren den hauptsächlichsten andere Theologen die Lehre der Lateiner als einwandfrei begutachten
Anstoß zur Weiterverbreitung dieser Richtung gegeben hat. Es wäre in mußten. Es waren Gewaltrnaßt'egeln; aber die tsischöfe schwiegen, da
Byzanz nicht der einzige Fall, daß derartige, Aufsehen erregencie Ideen in sie zur großen Masse gehörten und alles ohne Urteil hinzunehmen gewohnt
gånz geheinrer Weise weitergetragen wurden. Wi[ verweisen nur auf wâren. Bei Bekkos trat nun während seiner Haft, die er in einem Kloster
ãen Bund des Gemistos, der als ausgesprochener F-reigeist inmitten des zubrachte, eine völligc Änderung seiner Gesinnung ein. Er ließ sich die
gleubigen Byzantinertums Gedanken des völligeu Umsturzes auf religiösem Schriften der Vater bringen, um seinen Standpunkt zum lateinischen
Gebiei auf geheimem Wege weiterleitete. Die Schuld mag an der byzan- Dognra zu rechtfertigen. Vornehmlich waren es Athanasios, Kyrillos, die
tinischen Staatskirche liegen, die infolge ihres exklusiven Wesens zu solchen I(appadokier und Maximos. Was er bei tieferem Eindringen fand, schien
ihm nicht recht zu geben. Die Gegenseite mußte wahr sein. Den vollen
Ausschlag gab bei ihm iener Nikephoros Blemmydes mit seinen lateiner-
freundlichen Untersuchungen. So wurde aus dem schlagfertigen Wort-
führer des Patriarchen ein ebenso entschiedener und gefahrlicher Gegner
teidigung des lateinischen Dogmas ergriff' der byzantinischen Überiieferung. Es karn soweit, daß sich Bekkos anbot,
Der hauptsächlichste Vorkämpfer für den Unionsgedanken zur Zeit den Kaiser zum Konzil nach Lyon zu begleiten. unter seiner Befür-
des Lyoner Konzils wurde der Patriarch Johannes Bekkos, ein Mlntl, wortuug kam die Union zustande. Der bisherige Patriarch, der sich
der mit den tragischen Wechselfällen seines Lebens und seinem Bekenner- schon vor dem Konzil in das Peribleptonkloster zarucl<gezogen hatte,
mut unwillkürlich an ältere Gestalten der byzantinischen Kirchengeschichte iegte sein Amt nierler, und Bekkos wurde 26. Mai n75 zum PatriS
^û1
erinnert, wie einen Athanasios oder Johannes Chrysostomos. Sein Lebeu archen von Konstantinopel erhoben' So verlief sein Aufstieg.
Den äußeren Urnstäncleu nach mußte man delì Eindruck gewinnen,
r Von den sechs Dialogen des Niketas über den Ausgang des Hl. Geistes sind daß Bekkos nur deru Druck von Seitep des Kaisers gewichen sei, viel-
nur eir:zelne Bruchstùcke gedñ:ckt bei Migne P. gr. r 39, t6j-izt. Eh_rharrl macht
-einìge leicht gar aus Rücksicht auf den winkenden Patriarchenstuhl. Die innere
tËi f iumUr.her, Geschiclrte der byz. Literatur S. 9o Handschr¡ften r¡it voll-
Wahrscheinlichkeit spricht anders. Daß seine Sinnesänderung bei ihm
ehrlichste Überzeugung war, beweisen seine Schriften. Hier tritt er wie
keiner seiner Parteigänger vor ihm an die Lösung der dogmatischen
F'rage mit einer Tiefe und Schärfe heran, die bei einer unehrenhaften
Gesinnung sich niernals ausgeprâgt hätte. Zum Unwillen des Kaisers
sogar, der lediglich einen gewissen Kompromiß gewollt hätte, ging er
noctr weiter und suchte das l¡rtcinische Dogma in seiuem vollen Urnfang
M ohler', K¿rdinal Bessnrir¡n' t. 3
34 l. Rom utrd BYzanz' Ende dcr Uoion, Bekkos' Einfluß ¡uf dic Nachwelt. 35

leistet wurde, stammte meistens aus den Klöstern und oft génug euch
eus älteren Büchern. Etwas Monument¿les, Überwältigendes haben diese
Denker nicht zustande gebracht. Viele der griechischen Hierarchen waren
zudem urteilsunfähige Leute, die gewöhnlich der allgemein herrschenden
Richtung nachhingen und sich nur zu leicht von Verhetzung und be-
quemem Denken leiten ließen. Vollends in weiter entlegenen Landes-
teilen rvar eine tiefere theologische Bildung selten zu finden.l
Mehr als auf seine Gegenwart wirkte Bekkos mit seiner theologischen
Auffassung auf die Nachwelt. Obwohl n:it seiner Verbannung auch alle
Hoffnungen und Aussichten auf eine Änderung zu Grabe getragen waren,
so fanden sich doch immer wieder Leser seiner Schriften. Diese Lebens-
fahigkeit beruhte auf Bekkos' theologischem und schriftstellerischem Können.
Seine Leistungen stellten gegenüber allem Bisherigen einen erheblichen
Fortschritt dar. Bekkos verstand es, die sich ihm bietenden Probleme
klar und tîeí Æ erfassen. Die Gedankengänge der Gegner ufteilte er
nicht leichtfertig ab, sondern er suchte sie in ihren Grundlagen zu treffen.

lateinische Väter: Augustinus, Hieronymus, Gregor d. Gr. zog $ heran,


für die byzantinischen Theologen etwas ganz.Neues, Unbekanntes. Diese
Arbeitsweise sicherte ihm einen dauernrlen Leserkeis. Ftir alle späteren
Lateinerfrende wurden seine Werke eine Fundgrube, und selbst auf dem
Unionskonzil von Florenz waren sie noch von Bedeutung.r

vgl. Hefele, Conciliengeschicl¡te z' Aufl' VI' l6r f'


Mig nc P. gr. l6t, Lo29, tr
Die Unionsfreunde und ihr Ziel. Natioualkirchlich gesinnte Byzantiner. 37
36 r. Rom und BYzanz'

Ihr Ziel war die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit auf religiöser
Grundlage. Um das zu erreichen, verlangten sie die Anerkennung der
lateinischen Formulierung des Dogmas; dagegen sollten die Lateiner auf
den Zasatz des Filioque im Symbolurn Verzicht leisten. Das hatte schon
Niketas von Maronaia erörtert. Dasselbe wiederholte luch Johannes
Parastron,r und die gleiche Lösung wünschte rvieder Kaiser Michael VIII.
auf dem Konzil von Lyon, der sich hierin offenbar auf seinen Berater
Johannes Bekkos verließ. Auch Bessarion schwcbte dieser Vergleich als
ursprüngliches Ziel für das Florentinum vor Augen.2 Es wäre ein Aus-
weg gewesen, nrit dem äußerlich dem Nationalstolz der Griechen Rech-
nung getragen vr'ar, wie ja die Kritik an dem Zusatz des Symbolums auch
eine Begrenzung der päpstlichen Prinatialrechte darstellte.
Gegen alle Unionsbestrebungen erhoben die national gesinnten
Byzantiner den schärfsten Protest. Ihr Gebaren haben wir oben zur
çglgg9_ gekennzeichnet. Neben einer Menge von kleineren Geisteä
hatten sie in späterer Zeit ihre Hauptstützen in Gregorios Palamas und
Neilos Kabasilas. Palamas (f um 136o) wandte sich mit Ernst und
Eifer gegen die Schriften Bekkos'. Neilos Kabasilas, Palamas'Freund
und Nachfolger auf'dem Bischofsstuhl von Thessalonike, ist entschieden
der berühnteste Theologe im Kampf gegen die Lateiner. Was ein Jahr-
hundert früher Bekkos seinen Freunden gewesen, das wurde Kabasilas jetzt
ftir die Gegenpartei. Er tibte seine Wirkung auf alle Nachfolgenden aus.
Seine Beweisführung galt als das Beste und Abgerundetste in der späteren
byzantinischen Theologie. Er besaß bei seinen Freunden ein Ansehen
gleich einem der alten Kirchenväter. Sie zogen ilin deswegen heran
und schrieben ihn aus, wo sie konnten. Selbst der gefeierte Markos
Eugenikos trug seine Gedanken wieder vor. Auf dem Konzil zu Florenz
verlangte sogar einmal die Opposition, daß man aus Kabasilas' Schriften
in den Sitzungen vorlesen solle, um die Lateiner zu bekehren.s
Auch die hohe Politik spielte in diese Frage herein; die byzanti-
nischen Kaiser wünschten die kirchliche Union, weil sie zur Staatsnot-
wendigkeit geworden war. Es handelte sich um die Erhaltung des Reiches
gegen die türkischen Anstürmê, und hier stand es bitter ernst. Der
Machtbereich von Byzanz war im Laufe der Zeit bedenklich zusammen-

r vsl, Migne P. gr. r4r, t7.D. z5B. +¿c. 1248. 4oolt-c. BekÍos'urteil
über die
'""' '; Uiion von LYon ebda' 16 B'
\iCi'iï1'-j.'¡¡id i¡oit"tsi.¡re des hl. Johennes von Damaskos. Paderborn I9o9.
S. r r¿-¡?s,

Exheo¿Ç b"ei Migne P. gr. t¡z, 664-797'


38 2. Heimet, Bilduogsgang urd erste schriftstcllcrische Verguchc. Die politische Not des Reiches. - Bessarions Heimat Trapezunt' 39

geschmolzen. Ende des 14., anfangs des r5. Jahrhunderts mußte sich das sich noch unter seinen Jugendschriiten fiudet. lhre landschaftliche
das Reich allmählich auf seine Hauptstadt Konstantinopel bis Selymbria
und Herakleia beschränken. In Kleinasien hatte es außer dem unbedeu-
tenden Küstenort Schile am Schwarzen Meer gar keinen Besitz mehr.
Alle weiteren Stützpunkte sowie den kleinasiatischen Küstensaum an der
Propontis hatte es seit r39r an die Türken verloren. Im llgäischen Meer entzückt uud lieferten farbensatte Beschreibungen. Von den Neueren
war ihm neben den wenigen Inseln Thasos, Imbros, Lemnos und Skyros verstand kaum ienrand die landschatlliche Schönheit von Trapezunt an-
nur die Chalkidike mit Thessalonike geblieben. Der Peloponnes wer schaulicher zu malen als der für seine reichen Naturschilderutlgen bekannte
noch das einzìge größere, zusammenhängende Gebiet, das zu Byzenz Fallmerayer.r
gehörte. Das u'ar der ganze Bestand des Reiches, das ehemals gleich Vom Grtin der Gärten u'd Wälder umrahmt, stieg die Stadt nit
einem Bollwerk das gesamte Abendland vor dem Vordringen des Islan ihr.en Burgnrauern und Kuppeln terrassenförmig vom Meere au[. Seitdem
geschüzt hatte, und auch dieser letzte Rest war in Gefahr. Die Hilfe das Geschlecht der Komnenen hier seine Herrschaft aufgerichtet und von
des Abendlandes war dringend.notwendig. Zu erhalten war sie aber nur, diesem Punkte aus das Kaisertum Trapezunt, einen schmalen Küstensaum,
wenn eine kirchliche Union zustande kam. Also rein politische Beweg- regierte, erhob sich auch ihre Residenz zu Pracht und Glanz' Auf der
gründe. Und doch wäre es gefehlt, wollte man sie als das allein aus- obersten Plattform des Felsens erbaut, Itg
eine rlte Doppelburg, die
schlaggebenrle Gewicht in Rechnung setzen. Dafür war doch jene Zeit Akropolis, wie sie unter den Kaisern hiel3, nach Bessarion der älteste
noch zu sehr von religiösen Beweggränden beseelt. Es lassen sich auch Teil ier Stadt. Hier war der kaiserliche Palast, nach außen wohl ver-
einige Tatsachen für die religiöse Überreugung der byzantinischen Staats- wahrt mit dicken Mauern, Gräben und eisernen Toren, im Llnern mit
männer aufführen. So war Kaiser Johann IV. am r8" Oktober ry69 Wohnungen ftir die Fùrstlichkeiten und ihre Dienerschaft, mit Archiv und
aus freien Stücken für seine Person zur lateinischen Kirche übergetreten Schatzkammer. Ein Prunksaal mit glänzendem Fußboden von weißem
zu einer Zeit, da zwischen beiden Kirchen keine offizielle Union bestand. Marmor und goldstrahlender Decke verkündete den Ruhm der Komnenen'
Von Johann V., der die ftir ihn denkwürdige Reise zu UrbanV. machte, Ihre Ahnen waren auf den wanden von Künstlerhand verewigt' Im
gewinnt man ebenfalls diesen Eindruck, und von Kaiser Michael VIII. Stockwerk über diesem Saal waren die kaiserlichen Geschlftszimmer und
hörten wir, daß er selber die lateinische Lehre mit einer Schrift vertei-
digte. Vor allem \¡/eren aber auch die Theologen der verschiedenen
'lVeise
Richtungen zu hören. Wie sich in dieser teils religiös-kirchliche,
teils hierarchische, teils weltlich-politische Beweggründe einander kreuzten
und bald fördernd, bald hemmend aufeinander wirkten, wäre zwar keine
leichte, aber eine interessante Frage für den Historiker.l Auf dem Schau-
platz der Geschichte entwickelten sich all diese Bestrebungen ftir und
wider zu Kampfen von höchster Erbitterung. Die Gemüter waren hitzig
erregt. Die Einsicht war gegen ein Verständnis fremder Gründe ver- rankendem Wein. Außerhalb der Ringmauern rilaren schattige Ebenen
schlossen. So lagen die Verheltnisse, in die Bessarion eintrat und an zum Lustwandeln, Theater, Rennbahnen; auf den Hcihen lagen Kirchen
deren Weitergestaltung zu arbeiten er Vertrauen und Mut besaß. und Klöster in nicht geringer Zahl. Stadtpatron war der hì' Eugenios.
Die Natur selbst battã an verschwenderischer Pracht schon alìes auf-
2. Heimat, Bildungsgang und erste schriftstellerische Versuche. geboten und ein wahres Paradies geschaffen. Das Klima ist dort noch
Éeute wegen der Nehe des Meeres sehr angenehm und g-esund' Im
Im fernen Osten, zu Trapezunt am Schwarzen Meer war Bessarion Norden uid Westen durchziehen tiefe Talschluchten das Berggelande.
zu Hause. Er selbst schrieb auf seine Vaterstadt ein begeistertes Enkomion,
chen r827.
s' ¡o6 hsg' von
schließt die ' 17o_r-71.
andlung aus. Tafel
Was er von Bessa 3tv -r65v '
etos, hsg'
Byzanz Ferner
.und von Tafel in seiner Eustathius-Ausgabe p. 162-17o.

./
40 2. Heimat, Bildungsg:rug uncl erste schriftstellerische Vcrsuche, Trapezunt. Bessarions Geburtsdatum. ElternhaLrs. 4l
Dunkle Eichenrvälder wechseln hier ab nrit olivenpflanzungen. Zwischen- einem Autogramm in einem Plutarchkodex aus seiner Bibliothek feststellen
beraus ragen schlanke Zypressen. Die weinrebe wächst hier in ihrer läßt, hieß er mit Taufnamen Johannes. Der Name Bessarion ist erst sein
ursprünglichsten Heimat. Die Zitronenbäune sollen ungeahnte Größe Klostername. Name und Stand seines Vaters ist uns nicht tlberliefert. Zufällig
erreichen. Birnen und Äplel gedeihen neben Feigen und wissen wir, daß seine Mutter Theodule hieß, und zwar aul Grund eines
Granaten.
Rauschende wasse¡bäche schießen durch die tießchattigen waldschluchten Eintrags in einem alten Minoriten-Missale der Bibliotheca Barberina.l wie
und netzen Wiese und Feld. er selbst gelegentlich erwähnt, wâren neben ihm noch vierzehn Geschwister
Seine hauptsächlichste Becleutung iratte Trapezunt aber als Handels-
in der Familie, die aber sämtlich vor den E,ltern starben. Jene selbst
plalz. Von hier aus öffneten sich die Wege nach dem weiteren Orient, erreichten ein hohes Alter.2 Die häuslichen verhältnisse waren weder
nach Indien wie nach dem Westen, nacb Europa. Für den damaligen reich noch ärmlich. wenn Georgios Amirutzes einmal an einen Diener
Welthandel war Trapezunt eine wichtige Durchgangsstation und ein von Bessarions Mutter erinnert, so läßt sich daraus wohl kaum auf beson-
Hauptstapelphtz. Das hebt auch Bessarion der Theologe ausdrücklich deren vy'ohlstand schließen. Seine Eltern lebten, das sagt Michael Apo-
hervor.l Am Ufer entlang zog sich die ausgedehnte Handelsstraße, wo stolios, von ihrer Hande Arbeit, waren also wahrscheinlich Handwerker
ein Magazin neben dem anderen lag, und wo die Handwerker und oder Bauersleute. Daß Bessarion zum Studium und geistlichen stand
Künstler ihre Erzeugnisse feil híelten. Die Yenezianer und die Genuesen kant, verdankte er ausschließlich der Fürsorge des Bischofs von Trapezunt.
hatten sich daselbst mit l<aiserlicher Genehmigung zwei Kastelle gebaut, Er selbst erkennt es später noch gerne an, daß er g îz unverdientermaßen
um iederzeit ihren Kauf herren und deren Warenvorräten die nötige Sicherheit in eine höhere Laufbahn kam, wie er es von Haus aus niemals hätte
zu gewähren. Die verschiedenartigsten Nationen strömten hier zusammen. erwarten können. Die gegenteilige Angabe des f'ernerstehenden platina
Doch n'ar die einheimische Sprache griechisch wie in Konstantinopel. verdient keine Beachtung.s ob Bessarion von Geburt aus ein echter
Auch Kunst, Lebensgewohnheiten und kirchliche Verhältnisse trugen Grieche im byzantinischen sínne war, Iäßt sich bei den durcheinander-
dasselbe Gepräge wie in Byzanz. Der Metropolit von Trapezunt nrit flutenden Rassen, wie es in Trapezunt der Fall war, nicht mit Bestimmt-
seinen t5 Suffraganbischölen unterstand ja dem dortigen Patriarchen wie
der gesarute byzantinische Osten. Daß sich in dem ganzen Getriebe
dieser Handelsstadt, in Sprache, Rasse und Kunst noch ruehr die Einflüsse
des Orients geltencl machten als in Konstantinopel, ist leicht zu begreifen;
denn nach Asien hin war Trapezunt die äußerste Stätte europäischer
Kultur. Ein Bollwerk gegen Türken und Mongolen, überdauerte dieser
Herrschersitz den Fall der Kaiserstadt am Bosporus noch bis zurn
Jahre 1462.
Hier in Trapezuut war Bessarion geboren, nach den Berechnungen
von Vast, die richtig sein können, 2. Januar r4o1'.2 Wie sich aus
^m
42 2. Hc¡mat, Bildungsgang und erste schriftstcllerische Vcr¡uchc. Erster Untenicht. Studien. Eintritt in den Orden. 43

heit sagen. Wenn er es noch nicht gewesen sein sollte, nrachte ihn Neben der wissenschaftlichen Unterweisung ließen es Besserions Lehr-
meister auch nicht an Herzens- und Charakterbildung fehlen. Er sei
iedenfalls seine Erziehun¡¡ dazu.
Für die heimatlichen Verhältnisse bcdeutete Bessarions Bildungsgang einfach und mit bescheidenen Mitteln erzogen worden, sagt er, und
ctwas- ganz Außergewöhnliches. Bischof Dositheos von Trapezunt, aus frühzeitig habe er gelernt, Gehorsam zu üben und seinen eigenen Willen
Byzanz stammend, erkannte den geweckten Sinn des Knaben und sorgte zu meistern. Wir können bei ihm eine stark religiöse Veranlagung
1ür seine Ausbildung. Eine glückliche Verkettung der äußeren Unstände beobachten; denn er schreibt über sich weiter, er habe schon als Jüng-
half nit zu seinem Weiterkommen. Denn als eben Bischof Dositheos ling über den F'ortschritt im Guten vieles gelesen und sich mancherlei
sein Amt niederlegte und sich anschickte, in seine frühere Heimat zurück- Gedanken gemacht ùber die Nichtigkeit des Irdischen und die ewige
zukehren, bewog er die Eltern, 'den heranreifenden Jüngling, den er sogar Rechenschaft.l So bestimmte ihn eigene Neigung und auch seine äußere
adoptierte, mitreisen zu lassen. So kam Bessarion zu weiterem Sehen Umgebung zum Eintritt in den Basilianerorden.
und Lernen nach Konstantinopel. Das war, wie Vast berechnet, int Wir haben einige ganz genaue Daten über den Gang seines Kloster-
lebens. Am 3o. Januar r4z3 war er in den Orden eingetreten. Ein
Jahre r4I5 oder 16.1 Dazu paßt auch die sogleich noch zu erwähnende
Angabe Filelfo's, der ihn bald nach r4r5 in Konstantinopel kennen lernte. halbes Jahr später, am 30. Juli empfing er die Tonsur und legte die
Wahrscheinlich war er als Zögling in einem Kloster untergebracht. Ordensgelübde ab, wobei er sich den Namen des ägyptischen Anachoreten
Der frühzeitige Aufenthalt in der kaiserlichen Residenzstadt war für Bessarion wählte. Im Jahre 14z6 ward er Diakon und r43r wurde er
Bessarions geistige Entwicklung von unschätzbarem lV'ert. Er selbst zum Priester geweiht. Diese Daten hat er selber auf der ersten Seite
nennt Konstantinopel in einer gelegentlichen Aufzeichnung mit besonderem seìnes Horologiums vermerkt. Dieses Buch, das ihm zum täglichen
Nachdruck als die Statte seiner wissenschaftlichen Ausbildung.2 Die Gebrauch diente, und das er sich im Jahre I4z5 eigenhändig zusammen-
Stadt gab viel Anregung. Als staatlicher und kirchlicher Mittelpunkt, als geschrieben hatte, befindet sich noch als Cod. gr. 14 in der Marciana.z
alte Bildungsstätte wic als Handelsmetropole bot sie alle Voraussetzungen Gestalt und Leben erhalten diese trockenen Angaben, wenn man sie mit
zur Erweiterung des Gesichtsþreises, Sein Lehrgang bot zunächst die ge' anderen Nachrichten zusammenhält. So hören wir von Bessarions Reise
wöhnlichen Lehrfächer: Grammatik, Poetik, Rhetorik.s Zu seinen Lehrern nach Selymbria und seinem Studienaufenthalt in der Umgebung des
zählte jener Georgios Chrysokokkes, der auch in der italienischen Hu- dortigen Ei'zbischofs. Selymbria lag westlich von Konstantinopel auf
manistengeschichte eine Rolle spielte. In seiner Schule lernte er Francesco halbem Vy'ege nach Herakleia, unweit der Propontis.s Wegen der geringen
Apostolios erwähnt gar nichts d¿von - und weil
Filelfo kennen, den in seinem späteren Leben viel gefeierten Dichter und Bezeugung
- Michael
wir nicht einmal den Namen dieses vielgepriesenen Bischofs kennen,
Gräzisten, der ihn noch bis in seine ältesten Tage mit Briefen und Bitt-
gesuchen überschüttete. Drs war bald nach dem Jahre r4r5; denn wollte man schon diese ganze Reise ins Reich der Fabel verweisen.
Filelto sagt, es sei damals gewesen, als er sich nach dem Tod seines Andererseits gab das Fehlen jeder Nachricht tiber den Ort von Bessarions
Schwiegervaters Chrysoloras (f l4r5) nach Konstantinopel begeben hatte.a klösterlichem Aufenthalt Raum für die willktirlichsten Annahmen. Bald
So war sein Aufenthalt in Konstantinopel der höheren Schulbildung und soll das Kloster in Konstantinopel gewesen sein, bald im Peleponnes.a
der Aneignung von allgemeinem Wissen gewidmet (ca, r4r5-r44). Die spärlichen Nachrichten erhalten eine neue Beleuchtung durch eine
Angabe in der Trauerrede des Nicolò Capranica sowie durch zwei von
uns veröffentlichte Briefe Bessarions an einige Mitschüler aus der Zeit
von Seþmbria.
Capranica berichtet, Bessarion habe sich bei seinem Eintritt in
den Orden den Erzbischof Dositheos von Doros zum >Führer (dux) und
Lehrer< ausgesucht; der aber babe ihn nach Selymbria geschickt.6 Damit
44 z. Heimat, Bildungsgalrg urrd erste schriftstellcrische Versuche.
Klosteraufenthalt zu Selymbria. Geistlicbes Leben. Mysithra. 45

konrmen wir dem Kernpunkt der Sache wesentlich nâher. Wes soll neigte, rvird uns im Verlauf unserer Darstellung eine kleine Arbeit zeigen,
d¿s heißen: ducem sibi eum ac preceptorem eligens et admirandum die er noch vor dem Konzil von Florenz niederschrieb. Er trat nämlich
proponens? Nichts anderes, als daß Dositheos sein erster Klostervorsteher in die Reihen des lateinerfreundlichen Theologenkreises. Nicht anders
\¡r'âr. Denn dux ist hier nichts ancleres als der griechis che fiyoúpevoç, sein Mitschtiler, der vorhin erwähnte Hieromonachos Isidor, der als Metro-
ein l(lostervorstand. Wir müssen ur.ìs von dem Bild eines abendländischen polit von Kiew die gleiche Úberzeugung wie er vertrat. Das wirft auch
Erzbischofs freinachen und beachten, daß der griechische Bischof in der einiges Licht auf jenen Kreis in Selymbria im allgemeinen.
Einen Blick in sein geistliches Leben gewährt uns fi¡r die damalige Zeit
Regel ein Mönch war, uromöglich ein früherer Klostervorsteher, der auch
als Bischof keinen glänzenden Hof hielt, sondern r¡'ieder eine klösterliche sein oben schon erwähntes Horologium, sein Gebet- und Erbauungsbuch,
Ger¡einschaft ur¡ sich schuf. Dieser Art war auch die Umgebung des das er sich nach eigener Notiz im Jahre 425 zusammengeschrieben hat.
Erzbischofs von Selynrbria, in die Bessarion auI Vermittlung tles Dositheos
Es enth¿lt neben Hymnen (auxr¡gd) auf die Heiligenfeste des Kirchen-
jahres und dem Kanon eines Gregorios monachos zu den Heiligen des
eintrat, als dieser sah, daß der Novize wegen seiner hervorragenden
ganzen Jahres, das Menologium, Gebete zu Cbristus, zu den Schutzengeln
Geistesgaben den berühnrteren Lehrer brauchen konnte. Die Tatsächlichkeit
dieses klösterlichen Gemeinwesens wird bestätigt durch die Anwesenheit und anr Jungfrau Maria, schließlich auch eine Bußandacht (àxa\ouhía
tnderer Mönche, von denen uns die Hieromonachoi Dionysios, Matthaios uriVeag xai utpeøq) von dem Studitenmönch Theoktistos.l Wie er über
und Isidoros als ehenalige Mitbrüder Bessarions aus der damaligen Zeit seinen Klostervorsteher dachte, zeîgen jene Briefe an seine Mitschüler, in
bekannt sind. An sie richten sich die beiden obenerwähnten Briefe denen er den Tod des gemeinsamen Vaters und Lehrers beklagt. In
Bessarions aus der Zeit seines Peloponnesischen Aufenthalts, die den fod allem war er ihm ein Vorbild, durch sein Wissen nicht weniger als durch
des gemeinsamen >Vaters und Lehrers< zum Gegenstand haben.t Den seinen lauteren Charakter und seine tiefe Frömmigkeit. Auch Capranica
genannten Isidoros halte ich für keinen anderen als den später berühmt erwähnt von Bessarion, daß er jenen Führer noch hochbetagt nur mit
gewordenen Metropoliten Isidor von Kiew und nachmaligen römischen besonderer Hochschätzong genannt habe.
Kardinal, mit dem Bessarion zeitlebens in freundschaftlichem Verkehr staud. Auf den Klosteraufenthalt zu Selymbria folgte für Bessarion die
Selymbria war somit der eigentliche Klosteraufenthalt Bessarions. Studienzeit im Kreise Plethons zu Mysithra (Mistra) im Peloponnes,
Hier trat er nach seine¡r Aufzeichnungen alr 3o. Januar r43 r ein, und nahe bei denr antiken Sparta Çqr-t46).
hier verblieb er nach Capranicas Aulschlüssen ohne Unterbrechung, bis Georgios Gemistos Plethon, der als Lehrer für Bessarions
jugendliche Entwicklung den krörienden Abschluß bedeutet, gehört zu den
daß er sich atrf Anraten seines Bischofs nach dem Peloponnes begab, un-r
dort in Plethons Schule scin Wissen auf philosophischem Gebiet weiter denkwürdigsten Erscheinungen in der Geschichte der byzantinischen Lite-
auszubauen. Letzteres setzt aber voraus) daß er seine klösterliche Lauf- ratur und Philosophie. Was für ein Einfluß auf das Geistesleben des
Abendlandes teils wegen seiner Schüler, teils wegen seiner persönlichen
bahn zuvor zu einem gewissen Abschluß gebracht hatte, daß er also die
Priesterweihe enrpfangen hatte (r43r). Damit h¿tten wir die Zeit seines Berährung mit den Humauisten in Florenz ihm zuzuschreiben ist, läßt
eigentlichen, theologischen Studiums (r423- r$r) umrissen. sich noch nicht abmessen.2 Plethon
- diesen Namen hatte er sich erst
war etwa r355 ztJ Konstantinopel geboren und stammte
später beigelegt
Was ftir Väter und theologische Schriftsteller er damals studierte, -
aus angesehener Familie. r38o war er am Osmanischen Hof in Brusa
erfahren wir nicht. Wir können höchstens aus seinern späteren Arbeiten
Rückschlüsse ziehen. Das eine steht al¡er fest, daß er schon damals seine
in Kleinasien und hörte dort den Juden Elissaios, einen verkappten Poly-
ganze Aufmerksamkeit auf die zwischen Griechen und Lateinern bestehen- theisten. Das Schicksal dieses Mannes, der wegen seiner religiösen An-
sichten zunr Feuertod verurteilt wurde, veranlaßte ihn, den Osmanischen
den dogmatischen Gegensätze lenkte und zu einem entscbeidenden Urteil
zu kommen suchte. Wir wissen das wiederum von ihm selbst, denn in Hof zu verlassen. So siedelte er rjgi nach Mysithra über.
alten Tagen sagt er in einem Hiltenschreiben an seine Landsleute, er
habe ¡¡von Jugend au[< gerade sich nrit dieser Frage abgegeben und danach
gerungen, die Wahrheit zu finden.¿ Wohin sein Urteil schon damals
n rcrun it archi-
m þro elcc øtquø
admirabat
iefe n. 9.
ie Grieãh oúd
46 2. Heimât, Bildungsgang und erste schriftstellerische Versuchc'
Georgios Genristos Ptethon. 47

Christentums sahen. Es waren das die Anfange des Platostreites inner-


Plethon war so vielseitig, daß er sich nicht mit ein paar Worten
halb der byzantinischen Kirche, der später auch auf abendländischenr
charakterisiercn laßt; er war Mathematiker, Philosoph und Theologe, vof
Boden entbrannte. Um eine Verteidigung der christlichen Lehre durch
allem. vertrat er eine merkwürdige, auf Platonischer Grundlage sich auf-
Platon war es Gemistos bei seinem Eingreifen nicht zu tun. Ihm mußte
bauende Theosophie, eine Art neuheidnische Religion, die ihn in ganz
Platon für den Ausbau eines neuen Systems dienen, und dieses schuf er
sonderbarem Licht erscheinen läßt. Aber nicht nur, daß er Philosophie
sich in seinem Hauptwerk fi t6u uópøu aryygagf oder auch oi uópot,
das uns nur noch in Bruchstüclten erhalten ist, weil es Patriarch Gennadios
nach dem Tode des Verfassers inr Jahre 146o verbrennen ließ und überall
seine Vernichtung verlangte, wo mân seiner habhaft werden konnte.l
Plethon verwirft hier >auf das wahrste und weiseste< den ¡fhlschen
hatte deswegen oft r.inen Rat in wichtigen Regierungsunternehmungen
zu geben.z Auch auf dern Konzil von Florenz durfte er im Gefolge des
W.go, d. h. das Christentum, an dessen Stelle er seine >Dogmen< der
reinen Erkenntnis setzte, Er selbst will den Weg zur Wahrheit zeigen,
Kaiiers nicht fehlen. Seltsanr ist seine Rolle, die er sich als philo-
der wahren Gltickseligkeit des Menschen, die in der vollen Befriedigung
sophischem Lehrer gab. Als gltihender Verehrer des griechischen Alter-
seines Wesens besteht. Er nennt die Ftihrer zur Wahrheit, die antikeu
tums ahmte er g nz die Bräuche der antiken Lehrer nach. So sarumelte
Philosophen und Gesetzgeber, und setzt sich mit den Zweifeln auseinander,
er seine Schäler nach Platons Vorbild um sich in der Weise eines Ge-
heimbundes oder einer Akademie, in der er zwischen exoterischen und
die sich gegen die Richtigkeit seiner Lehren erheben können. Das System
esoterischen Jtingern (ai.gotipeuot) unterschied. Man wird aber nicht
vom Weltall, das er aufstellt, ist nichts anderes als eine Erneuerung des
hellenischen Heidentums in Platonischenr Sinne mit all den antiken Götter-
soweit gehen därfen, daß man hier eine besondere Sekte oder eine Art
namen ftir philosophische und naturwissenschaftliche Begriffe. Von Zeus
Freimauierorden annähme, ttolz seiner tópor., die tlafür sprechen könnten.
dem Schöpfer steigt er herab zu der ersten Daseinsstufe, der die Erzeugung
Es war doch in vielem nur Nachahmung des Alten, und nanches nur in
1 recht spielerischer Welse, Ebensowenig waren seine Schüler gleubige der Ideen zuzuschreiben ist, und die er Götter zweiter Ordnung nennt,
' Anhänger seiner berüchtigten aópot, wenn auch sein allgemeiner Einfluß die Olympier und die Titanen; und von hier zur zweiten Daseinsstufe,
nicht unterschätzt werden darl. Nacbbildungen seiner Einrichtungen gab den Gestirnen, die er als die Götter dritter Ordnung auffaßt. Die dritte
Daseinsstufe stellen die sterblichen Wesen dar, an deren Spitzc der Mensch
es auch nachher bei den italienischen Humanisten, so Bessarions Akademie,
und noch mehr in ganz drastischer Weise die Geheirnakademie des Ponr- erscheint. Er lehrt hier die Ewigkeit-und Unsterblichkeit der Menschenieele
ponius Laetus, die unter Papst Paul II. ihr ungltickliches Ende nahm, und vertritt die Lehre von einer Seelenwanderung. Dieser Entwicklung
Georgios Gemistos war durch und durch Platoniker, Es war ihnr stellt Plethon eine Tugendlehre und eine Lehre vom Staat gegenüber. Er
nanlentlich um seine religiose Lehre zu tun, Von diesem Standpunkt versäunrt es sogar nicht, besondere Kultusbestirnmungen festzulegen mit
aus verwarf er auch den Aristoteles, dessen ewige Welt ohne Gott als einem besonderen Festkalender und einer eigenen Liturgie. In diesen
Schöpfer und dessen Seelenlehre ohne persönliche Unsterblichkeit ihnr Umrissen be wegte sich die Spekulation dieses letzten Platonikers auf grie-
als tiefstes Laster und Gottlosigkeit erschien. Was er früher mündlich chischem Boden. In die Öffentlichkeit gelangte dieses Werk Plethons
vortrug, verdicbtete sich später zu seiner Schrift >De Platonicae et Ari- eigentlich nie; es befand sich nur in den Händen seiner eingeweihten
stotelicae philosophiae diffelentia<, in der er sich über die religiösen Schtiler. Wann es entstand, ist nicht €Tenau zu ermitteln. Jedenfalls lag
Probleme bei beiden Philosophen aussprach und den Aristoteles nach es aber im Jahre 1428, els Gennadios in den Peloponnes kam, schon
rlehrfacher Hinsicht ablehnte.E Freilich schuf er sich damit eine heftige fertig geschrieben vor.2
Gegnerschaft bei all jenen Theologen, die wie Patriarch Gennadios in denr Angesichts dieser grundstürzenden Lehren nruß es einigermaßen
.of di. kirchliche Lehre zugeschnittenen Aristoteles eine Hauptstütze des Verwunderung erregen, daß Bessarion, der religiös überzeugte Möuch
und spätere Bischol die Schule dieses ausgespfochenen Freigeistes be-
r Seine beiden Denkschriften nÜber die Angelegenheiten inr Peloponnes<, ediert
bei Ellissen r\. Analekten der mittel- und neuglieciischen Litteratur.-Leipzig l86o'
Bessarions Verhältnis zu Ptethon. 49
48 z. Heimat, Biklungsgang und erste schriltstellerisehe versuche.
angenehmer Darstellung. Auch hierin hat er von Plethon, der selbst im
suchte; ja, das wäre nicht einmal alles, daß er sogar zu seinen vertr¿utesten
besten Griechisch schrieb, wie von dessen großem Vorbild viel gelernt.
Schtilein gehörte und eine dauernde Begeisterung für jenen tehrer
ins
Weniger Nachdruck legen wir auf seine mathematischen Studien, mâg er
Leben mitnahm, ohne selbst je an clen christlichen Lehren irre zu werden'
auch damals die Scholíen des Johannes Alexandrinus zu Ptolemaios ab-
Das leßt sich nicht bebaupten, daß Plethon seine Theosophie nur in einem
geschrieben haben.l
ganz geheimen Kreis voigetragen habe, dem Bessarion nicht angehörte'
Auch als Kardinal bewahrte Bessarion für Georgios Gemistos ein
ó.nn Þ.rr.rion zeigt sich in seine[r Brief, den er auf die Nacbricht von
plethons T'od an ã.rr.n Söhne richtete, mit seinen Ansichten in der dauerndes Andenken, wenn auch seine ganze Weltauffassung wie seine
'Weltauffassung Stellung zur Kirche von Byzanz eine scheidewand zwischen ibm und
Syngraphe sehr wohl vertfaut.l Plethon hatte lus seiner
dem ehemaligen Lehrer aufrichtete. Wil beobachten l:ier trotzdem noch
,ãh.ìnti, nie ein Hehl gemrcht; das zeigt cÌer Bericht des Gennadios über
daß tnan den allerregsten Gedankenaustausch über Platons und Aristoteles' Lehr-
seine Reiseerfahrungen im Jahre t+28.2 Es scheint demnach,
im Osten rneinungen. Das Einzelne von diesen Dingen gehört in einen späteren
i' diesen schöngeisìigen und gelehrten Kreisen
"italienischin
byzantinischen
Abschnitt. Hier nur soviel, daß bei aller Ergebenheit und Ehrfurcht ftir
äl:nlich uie in-der Renaissance an deu freundschaftlichen
Geistern nach dieser Hinsicht den Philosophen von Mysithra Bessnrion nienals dessen Meinung ohne
Verkehr zrvischen völlig entgegengesetzten
nahm. Bessarion übertrug diesen freien weiteres zu der seinigen nachte. Wir begegnen den lebhaftesten Aus-
vorläufig keinen Anstóß
'och da er im Purpur cles l(ardinals einandersetzungen und Widersprüchen, die sich zwischen Lehrer und
Zug ,uîh auf seine spätere Lebenszeit,
und Schtiler über einzelne philosophische Begriffe entspannen. Einmal wâr es
mii Leuten von gânz zweifelhaftern Charakter _v-on .{er
äg.ße¡-s!eq
Gedanken- auch auf theologischem Gebiet hinsichtlich des filioque, wo sich beide
\¿ Linken in der italiÃischen Humanistenwelt im freundschaftlichen
scharf entgegentraten. Hier trennten sich die Geister. Aber auch den
auiìáusch stand.
sonst so hoch verehrten Platon ließ der Kardinal nicht so weit gelten,
Man kann es vielleicht als einen Gewinn bezeichnen, den er in
als es Plethon tat.2 Bessarion blieb auf christlichenr Boden stehen. Als
Plethons Schule errâng, nämlich daß er sich ein unbeirrtes urteil auch
aber der alte Meister fast hundertjahrig starb, da schrieb auch der Kar-
auf anderem Gebiet blewahrte, Wer weilì, ob er ohne diesen Einblick
dinal, von Plethons Geist sympathisch berührt, an seine Söhne Demetrios
in eine andere Gedankenwelt sich mit solcher Ktihnheit von den alt- und Andronikos: >Ich habe gehört, daß der gemeinsame Vater und Führer
üb.erkommenen und zäh festgehaltenen Ansichten der streng byzantinischen
'fheologenpartei frei geo]acht hatte! Bezüglich der kirchlichen Probleme alles lrdische hinter sich gelassen und nach dem lauteren Ort des Himmels
gegangen ist, um mit den Olympischen Göttern den rnystischen Jakchos
selber,äi.'di. Geiste; im Osten in Spannu'g hielten, war dagegen bei
zu tanzen, Ich freue mich wirklich, daß ich den Umgang eines Mannes
Plethán nichts zu lernen. Dafür hatte der Philosoph zu wenig Intetesse'
genossen habe, wie Griechenland nach Platon mit Ausnahme des Ari-
zwar 6ú er sich auch einmal zur sache geäußert, aber nur ganz gelegent-
lich in einem Schriftchen oÜber den Ausgang des Hl. Geistes<, das er itot.l.r nie einen Weiseren hervorgebracht hat. Wenn daher jernand die
gegen tlie lateinische Auffassung schrieb; und auch das war für die
Fach- Lehren der Pythagoräer und Platons annähnre, so würde ich kein Be-
sich einer ganz heidnischerr denken tr¿lgen, noch das hinzuzufügen, daß Platons Seele, als sie den un-
it åtog.n unbrauchbar, denn Piet6on bediente
abenderlichen Satzungen des Verhängnisses gehorchen uncl sich dcr not'
Beweisitihrung.u Was aber das Wertvollste war, des Bessarion von diesem
wendigen Wanderung unterziehen rnußte, auf die Erde herabstieg und
Lehrer .,npfrîg.n konnte, rvar iene Begeisterung für Plato', die ihm in
sich Gemistos' leibliche Htille und sein Leben auserrvählt habe. Und
späteren T.gen noch zu <iessen Ehrenrettung die Feder in
die Hand
wolltet Ihr nicht die hellste Freude darüber empfinden, daß Ihr von ihm
dïti.kt.. Vãn Plethon, der auf grie cltischem Bo<len erstmals wieder das
abstammet, so tätet Ihr großes Unrecht, Denn einen solchen Mann zu
Ansehen des Aristoteles angrifl geht hier tiber Bessarion die Vermittlung
bejammern, zielnt sich nicht. Eín Ruhmesstern für ganz Hellas war iener
weiter auf Marsilius Ficinus, den genialen Übersetzer von Platotrs Dialogen
Tlteologie Mann, eine Zierde wird er dem Lande auch fúr die Zukunft bleiben. Sein
und auf Pico von Mirancluia, der es versuchte, clie christliche
Christep- Gedächtnis wird nicht untergehen, und sein Name und sein Ruf mit immer-
auf Platon aulzubaue¡, weil er in Aristoteles einen Feind cles
währendem Preise der Nachwelt überliefert werden.<s
tums sah. Mit dieser Begeisterung für den autiken Philosophen verbancl
sich bei Bessarion auch das Str;ben nach stilistischer Schönheit und r lI. Ba¡d (Ungedruckte Texte) Capranica,_ Oratio in funere Nicaeni c. z.
¿ II. Band Besiarion, In calumn' Platonis I. ¡, 5.
r bisraiøns Srief an die Söhne Plethons, nebst íéinen oríyot e ìç tD.i¡,ïøva ènr
, Misne P. gr. 16l, 696 sq' ráotot:
t Vsi Alexindre l. c. not. préI. p. XV. ---'---Handscbriften:
a) Florenz, Laur, gr' Plut. ¡o' Cod. zI Íol. r67v-164'
' Oãiuú.i-ñÃfr.ies in dem Í.!ii tiUór Bessarions
Theologische Schriften.
Mob'lar, K¡rdi¡al Bes¡Àrion' l. 4
50 z. Heimat, Bildungsgang und erste schriftstellerische versuche, Bessarions Beziehungen zum kaiserlichen Hof. Seine hierarchische Laufbabn. 51

War demnach die Zeit in Plethons Akademie für Bessarions rein ge- sehr jungen Jahren bereits eine Stelle erreicht, die in der byzantinischen
lehrte ¡{usbildung schon von unsagbarem Wert, so brachte ftir ihn iener Kirche ftir die geistliche Laufbahn als die höchste galt, wenn ihm nicht
sich seine
Aufenthalt noch einen besonderen Gewinn, denn damals bahnten gar beschieden v/ar, den Patriarchalstuhl von Konstantinopel zu besteigen.
bãi.¡""g." zur allerhöchsten Stelle des Reiches an, die der weiteren Ge- Bei dem Stand der Dinge, bei seinem außergewöhnlichen Bildungsgang
hierin ist viel
;;i;;;; leines Lebens bestimmende Richtung gaben. Auch und seiner überragenden persönlichen Bedeutung wäre diese höchste Ehre
.of pt.it on zurückzuführen. Wir hörten ia, wie er in naher Fühlung zum ihm wohl nicht versagt geblieben; er selbst spricht wenigstens diese Ver-
Hofe von Byzanz stand, und daß Kaiser Johannes Palaiologos bei seiner mutung aus.1 Die kommenden Zeitverhältnisse wollten es anders und
Reise in d.n e.loponnes im Jabre r4z5 ihn persönlich
in seiner Ab- ftihrten ihn Wege, die er in seiner Jugend wohl nie geahnt hätte.
g.ì.ti.a.nheit aufsuchte, um seinen Rat zu wichtigen Schritten einzuholen' Es bleibt uns noch úbrig, daß wir den ersten schriftstellerischen
ín Mysithra befand sich zunächst der kleine Hof des Despoten Demetrios, Versuchen Bessarions in seiner frühesten Lebensperiode einige Auf-
"Bessarion
Wie zu ihm in ein ganz ïertrautes Verhältnis trat, zeigen uns merksankeit schenken. Es ist nicht alles wertvoll; manches ist nichts
seine noch erhaltenen Briefe an diesen Fürsten;l es zeigt uns das aber anderes als Übungsarbeit von der Schule her äpt, npdtas f¡ppíuE
besonders sein glticklich durchgeführter Vermittlungsversuch,
als es ge- rfis negi û' auyygágctv yvpuaaíag, sagt er - - und empfiehlt sich des-
legentlich zwiscËen dem Despóten und seinem kaiserlichen Bruder
zu
\\¡egen kaum mehr zur Veröffentlichung. Was diesen Versuchen ihren
Miinungru.rschiedenheiten gekommen war. In Konstantinopel wâr man
Reiz verleiht, ist deren persönlicher Wert; sie lassen das Ringen eines
wohl di'durch, wenn nicht ãuch durch Plethon auf Bessarions Fahigkeiten werdenden Schriftstellers nach künstlerischer Form erkennen. Anderes
die Ftihrung
aufruerksam geworden, denn der Kaiser übertrug ihm alsbald zeigt ihn wieder bei brauchbarem Stoff und fertigerem Ausdruck in forþ
zwischen Byzanz und-Trapezunt, die
Jipf"r.ii..h.n Verhandlungen geschrittener Entwichlung.
"""
ein Btådnis beider Staaten g.g* di. von neuem drohende Türkengefahr
Bessarion hat als Kardinal von XII Apostoìi (bis 5. März t449) die
,o, Folg. hatten. Die eheliihe Verbindung der beiden regierenden Häuser rneisten dieser Jugendschriften neben Arbeiten seines reifen Schaffens aus
ebenfalls Bes-
scheint"diesem Abkommen zugrunde zu liegen uncl scheint Liebhaberei in einem Sammelband vereinigt, der uns noch als Cod. gr.
sarions Werk gewesen zu seit.l,2 Sfi in der Markusbibliothek vorliegt. In einem eigenhandigen Vorwort
Bessarions diplomatische Erfolge wâren ausschlaggebend
für seine gibt er wichtige Bemerkungen über die Abfassungszeit der einzelnen
hierarchische Laufbåhn. Kaiser Johannes Palaiologos setzte
ihn nämlich als Schriften.2 Der Kodex selber besteht aus einzelnen zusammengebundenen
H.g;r.nor (Abt) eines Klosters in Konstantinopel ein. Das war wahr- Faszikeln, jeder in etwas anderer Schrift, die aber trotzdem überall von
,.hîinlich inr, Jahre t436, iedenfalls aber erst nach t433, da er damals' Bessarions Hand herzurühren scheint. Auch die Tinte wie die Zahl der
wie sich nachweisen Iäßt, noch als einfacher Hieromonachos tätig war'3 Zeilen wechselt, und das Format der einzelnen Faszikel ist nicht überall
Der erste Aufstieg war gemacht. Im Jahre t437 folgte sein_e_ Erhebung
dasselbe. Auch hierdurch lassen sich wieder Anhaltspunkte zar zeitlichen
zum Erzbischof von Nikaia, allerdings weniger um dieser Kirche vor-
zustehen, als unr in den sich eröffnenden unionsverhandlungen
mit Rang
noch in meros sagt Caprauica L c. .. , Bllantinus Basilii monasteriwn famae celeberrinae gu-
und Wúrde aulzutreten. Mit dieser Berufung hltte Bessarion bernandu¡n et cotidianis leclioniltus erudiendum ei tradídit.

b) fol' tv '
c) ',g\'tïg (CVIII') Nr- ró'
di l'-Corn-munale Cod' 35'
e)
f)
Druckausga
"'-;jï,-iì rient. et occident' perPeiua consensione' Co-
loniae 9t7'
b) Alex Trâité des Lois' Paris t858'
.j tttigo 6gz.
r IL Band,
, ji. s;"¿i 1, Platina, PanegYricus bei
Migne P, gr. 16r rron P' 3t'
" Auï dem die auf die. Despoina Kigopa'
'
wobei er nãch als er seine Erhebung zum Hegu-
4*
62 r. Heimat, bildungsgang und erste schriftstellerische versuche. Die Sammlurrg seiner frùhesten Schriften' óB

t
Einreihung gewinnen.l Inhaltlich bietet tliese Samrnlung
in chronologischer r9. Brief an die Hieromonachoi Matthaios und Isidoros Fol. 56-57' .
ö;;;;;;'(içrË,ts d't¡ roõ xpóuou nqoBaluovtos) folgende Schriften:2 zo. Ein Abriß der Glaubens- und Sittenlehre nebst Widmungs-
r. Monodie zum Tode Kaiser Mrno.l, Paiaiologos (t í¿r5).a 'i ' schreiben an Johannes Laskaris aus Leontarion.z Fol. 59t-ro6.
'-' tz-2.-
Fol. r5v. zr. Eine Verteidigungsschrift ftir den Erzbischof Dositheos von Trape-
Prosphonetikos an den Kaiser Alexios IV. Komnenos von Tr¿- zunt.3 Fol. roTv
-r2g.
zz. Enkomion auf 'frapezunt. Fol. r3rv-I65v.
r-*---' Fol. ¡5'-23n.
pezunt.
paraiíesis (Ãbdankungsgesuch) des Erzbischofs von Sophia' Fol. 23. Homilie auf den Text: Glücklich der Mann, der die V/eisheit
3.
2J'-_25. findet. Fol. 167! - t8z.
-r Komnena' Fol' 25"-39' 24. Drei Trostreden an den Kaiser zum Tod seiner Getnahlin. Fol.
a. Orei Monodien auf Theodora
5. Ktnon auf den Märtyrer S'
Pantaleon' Fol' 39-4r"' r 83-zoóv.

á. gri.f an einen unbe-kannten Adressatena (der Name ist Der übrige Inhalt des geDannten Kodex gehört nicht mehr hierher,
nach-
da jene Schriften bereits aus der Zeit des Florentinums oder Bessarions
Kardinalat stammen. Die aufgeführten Einzelstticke lassen sich entsprechend
den Angaben des Vorworts und auf Grund der Beschaffenheit der Hand-
schrift in einzelne Gruppen aus verschiedenen Epochen zusammenfassen.
So sind n. r-j samt und sonders schulmäßige Arbeiten aus der Zeit vor
seinem Eintritt ins Kloster (ptfue rua na Ba&pòu iegøaúar¡s'é1outt, ná-
va re tìia fi),txtav åm1.@ 'ht pot. ðutt). Die zweite Gruppe n. 6-t9
stammt aus der Zeit von Bessarions Aufenthalt in Mysithra. Die Briefe

auf das Grab der Kleopa sind in deren Todesiahr 1433 verfaßt. In diese
Gruppe gehört auch Bessarions Monodie auf Kleopa, die uns unabhangig
von Bessarions Sammelbandschrift überliefert ist.6 Die letzte Gruppe be-
steht aus größeren Arbeiten, von denen iecle in der Handschrift einen
selbständigen Faszikel bilclet. Sie stamrnen aus der Zeit, da er Hegumenos
oder Erzbischof geworden wâr. Die zuletzt genannten Trostreden wurden
*'"'";îñ;;Ë-äi.rè-s.Ëiir,.n
wertvolles Beweismittel dar.
hier rbsichtlich in der Reihenfolse, in der sie der Kodex sogar erst kurz nach dem Konzil verfaßt, denn die Gemahlin des Kaisers
.iåäi-ff rtJi'nf.tùã" .U' da es hier im wõsentlichen auf die Ent-
ùberliefert untl sehe Maria Komnena starb r44o.1 Möglicl:erweise gehört in diese letzte Gruppe
stehungszeit """ vat. lat, g750 fol, noch sein Enkomion auf den sel. Bessarion, wenn es nicht bei späterer
.
Dr gne P' gr' r6t, o'i2';'ltlr'nu' lateinisch)'
1 II' ' I' .II. Band D. Briefe n. r¡'
õ ll. Band D. Briefe n, z' , II. Band A. Schriftstell. Arbeiteu aus Bs, Jugeudzeit n. r'
6 ll Band D. Briefe n' 3.
tDr uckaussabe: Mieile P, gr, t6r,6zt' -... Lat. Übersetztn1i Mailand, Ambr. R. 4. SUP' fbl' 2óEv.
¡ Ha ;¡: : h;?rì ik h' ;;?;'d.* ;ã.n' " II. Band A. Scbrifistell. Arbeiten aus Bs. Jugendzeit n, u'
I I : 11 L1]; I l,¿ &:
Ë X : Ë;,il;iif , [i!iîål:
Rom, Bibl. Vallicellana Cod' gr' t9l
(CX) Nr. 23.
Dr uckausgabe: Migne P, gt' r6t,6zrÍ'
a II. Band Dì Briefe n. 4,
10 lt. Band D. Briefe n. t'
lt II, Band D. Briefe n' 6.
t2 II. Band D. Briefe n. 7.
ls II. Band D. Briefe n. 8.
t1 II. B and D. Briefe n. 9.
tô ll, B an d D. Briele n, lo.
uld Briefe. 55
61' z, Heimat, Bildungsgaug und erste schriftstellerische Versuche. Jugentlschriften

Gelegenheit entstanden ist.l Wahrscheinlich ist diese Lobrede mit der erklärt: >Durch die Macht eitter anfangs bewußt, dann latent fortwirkenden
von Platina genannten Vita des hl. Bessarion identisch.2
Was den Inhalt anbelangt, so sind nur die Schriften der zweiten
und dritten Gruppe von Interesse.
Die Schrift ftir Johannes Laskeris aus Leontarion, Bessarions erste
theologische Arbeit, ist ein Abriß der Glaubens- und Sittenlehre in z5 Namentlich seine Lobreden und Monodien auf seine Fürsten sind von
Kapiteln, die als kurzes Lehrbuch wohl praktischen Zwecken diente. N¿ch dieser Art. Er arbeitet hier nit einer schrecklich verschnörkelten Sprache
alten Mustern trug sie ein Widmungsschreiben an Laskaris, auf dessen und einer derart gekünstelten Wor:tstellung, daß man Mühe hat, sich durch
Anregung sie angeblich zurückging, untl ftir dessen Sohn Dernetrios sie cliesen Schwulst hindurchzufinden. Zum Glticl< blieb Besserion nicht bei
bestinrmt sein sollte. dieser Art stehen. Er selbst beseß, rvie er sich einem seiner Freunde
Die Verteidigungsschrift ftir den Erzbischof Dositheos von
Trapezunt (oben n. zr) richtet sich an eine Synode in Konstantinopel,
die sich mit der Sache dieses Bischofs zu befassen hat. Dieser war wider-
rechtlich von seiner Stelle verdrängt worden. Das Schreiben legt den
Sachverhalt klar und entwickelt die rechtlichen Grundsätze, die mit ge- er Anregung zu Geuüge. .Für seine späteren theologischen Abhandlungen
schichtlichen Beispielen belegt werden. Daß es sich nicht um einen waren dle Schriften der Väter Vorbild, besonders Basileios und Athanasios,
fingierten Fall handelt, beweist der später am Rande nachgetragene Ver- die er viel benutzte; für seine humanistische Schriftstellerei fast ausschließ-
merk über den Zweck der Schrift.s Die Ausdrucksweise dieses Vermerks, lich Platon. Es war aber ein weiter Weg von ienen ersten Versuchen
der nur von Bessarion stamruen kann, legt auclr die Vermutung nahe, bis zu seinen gut lesbaren, theologischen Schriften und zu iener flüssigen
daß es sich um jenen Dositheos handelt, dem Bessarion sein Studium Sprache, die sein Buch >zur Ehrenrettung Platons< dem Leser zu einem
verdankte. wahren Genuß rnacht.
In dem Enkomion auf Trapezunt (oben n. zz) will er seine tNo rden E. Die antike Kuustprosa vom VL Jahrhdt. v. Chr. bis in dic Zeit der
Vaterstadt verherrlichen. Er bietet hier eine genaue Beschreibung der Iìenaissance. Leipzig u. Berlin I9o9. S. 573.
, vgl , ll. 'Biiìd D. Briefe nu. t4-16.
unvergleicblichen Stadt, wie wir sie in der byzantinischen Literatur auch
von anderen Stedten und Landschaften besitzen. Ihre Entstehung verdankt
diese Schrift wohl dem Umstand seines diplomatischen Auftrags nach Tra-
pezunt, da kaum anzuneirmen ist, daß er schon in seiner Jugend einen
derartigen genauen Einblick in das Innere des kaiserlichen Palastes erhielt.
Den Inhalt der Briefe, die wir im IL Band veröffentlichen, werden
wir dort im einzelnen skizzieren.
Stil und Ausdruck ist in den genannten Schriften unterschiedlich
ausgefallen. Bessarion hatte die byzantinische Schule durchgemacht. Was
dort als Ideal galt, ist bekannt. Krumbacher charakterisiert einmal die
Schreibart eines byzantinischen Schriftstellers als einen ¡¡in nervösen
Windungen aufgeführten, stilistiscben Eiertanz, bei dem uns vor Augen
und Ohren schwindelt<.a Und Norden, der diesem Urteil beipflichtet,
, Nur in latein. Übersetzung 7ou Nicolò Perotti úberliefert:
Mailand, Ambr. R. 4. Sup. fol. zg -268.
Ermaogelung von ofüziellen Konzilsakten. Private Darstellungen. 57

und ofiziellen Schriftstücken zusanrmensetzt. Beide Quellen traben ilrren


eigenen Wert und ergänzen sich gegeuseitig. Einen willkommenen Bei-
trag für die innere Geschichte des Konzils stellt das rWerk des Groß-
Ekklesiarchen Syropulos dar, eine lebendig geschriebene Sanrr¡lung vorì
>Denkwürdigkeiten tiber das Konzil<. Dies alles sind Arbeiten rein
privater Natur ohne jede olfizielle Anerkennung von einer der beiden
Kirchen.
Tatsächlich wurden ¿u[ dem Konzil olfizielle Protokolle geftihrt; denn
II. Bessarlon und das Konzll von Florenz. wir hören, daß neben dem Dolmetscher, der die beiderseitigen Reden in
den Versammlungen übersetzt wiedergab, auch je drei vereidigte Notare
a. Von Konstantinopel nach ltallen. von beiden Parteien bestellt waren, um alles Gehörte solbrt niederzu-
schreiben und nach ieder Sitzung ihre Aufzeichnungen miteinander zu ver-
l. Dle Quellen zur Gescblchte iles Konzlls. gleichen.¡ Dann und wann vernehnen wir von ihrer Tatigkeit.,
Die Darstellung des weiteren Werdeganges, den Bessarion als grie-
Von dem Verbleib dieser Protokolle haben wir keine Kenntnis. Die
lateinische Fassung ist allem Anschein nach untergegangen; sonst wäre
chischer Erzbischof bis zu seiner Berufung in das Kollegium der Römischen
man später nicht dazu übergegangen, âus der genanntelì anonymen Kon-
Kardinäle innerlich noch durchzumachen hatte, stellt en uns die Forderung,
zilsgeschichte griechischer Herkunft eine lateinische Übersetzung als Ers¿tz
zunächst die ftir die Geschichte des Florentiner Konzils in Frage kom-
zu veranstalten. Das Vatikanische Archiv weist keir:e Spur von ihnen auf.
menden Quellen kritisch zu sichten. Die zeitgenössischen Darstellungen,
auf die es hier allein ankonmt, weichen nämlich bei ihrer subjektiven
Von den griechisch geführten Protokollen vermutet Frommann rvohl mit
Recht, daß sie bei der Eroberung Konstantinopels durch die Ttirken der
Färbung in einer Weise voneinander ab, daß uns die einseitige Berùck-
Vernichtung anheirngefallen sind.s Der gänzliche Verlust jener Aufzeich-
sichtigung der einen oder anderen ein ganz falsches Bild von der Sach-
nungen ist leicht zu begreifen, wenn man bedenkt, daß ¿u[ dem Konzil,
lage gäbe. Da wir es mit Schriften zu tun haben, die von verschiedenem
abgesehen von dem Unionsdekret, das beide Teile befriedigen sollte, keine
Parteistandpunkte aus abgefaßt sind, so erscheint auch Bessarion jedesmal
feierliche Sanktionierung irgentlwelcher authentischen Akten stattgefunden
in ganz anderem Lichte, besonders bei seinen Gegnern, denen wir eigent-
lich weit mehr Nachrichten verdanken als seinen Freunden. Was zu dieser
hat. Was aber ursprünglich vorhanden war, wurde in den drei angeführten
Darstellungen reichlich ausgenutzt. Eigentlich tut das Syropulos am we-
Frage die vorliegende Literatur zu bieten weiß, ist unzureichend und teil-
nigsten, und doch beruft er sich ausdrücklich auf jene Konzilsprotokolle.a
weise sogar irreführend.r
Die beiden anderen Schriftsteller übernahruen sie mebr oder weniger, meist
Offizielle Konzilsakten, die uns in erster Linie als Fundgrube
sogar wörtlich in ihre Darstellung.
dienen könnten, besitzen wir nicht. Statt dessen sind wir auf einen Ersatz
angewiesen, der allerdings als fast vollwertig gelten kann. Es ist das eine
enonyme akten mäßige Konzilsgeschichte in griechischer Sprache
und von griechischer Herkunft, deren Verfasser es überall umgeht, seine
Persönlichkeit erkennen zu lassen, und ferner eine lateinische Darstellung
aus der Hand des römischen Patriziers und Notars Andreas de S. Cruce,
die sich ebenfalls zum größten Teil aus aktenn:äßigen Aufzeichnungen
I Eine kritische Untersuchung der Quellen zur Geschichte des Florentinurns suchte
zu bìeten Th, Fro mmann, Kritische Beiträge zur Geschichte der Florentiner Ki¡chen-
i Frommann, Kritische Beiträge zur Gerichichte der Florentiner Kircbeneini-
gung p. 48.
, ropulos^VI. _ró, p.,t67: (ngg oi cÌxp$riç tìðívat f.oui+ópeuot
tjv aat tfioôe rfiç ouuófoo tòp4oouot. Sonst ltennt er diese ALten
euc ó¡tara und npuxrtxå, Létzteres entspricht völlig dem lateini-
sch a,
58 ¡. Die Quellerl zur Gesclìichte des Konzils. Die rActa gr^eca( Die Frage nach dem Verfasser. 59

Die schon ruehrl'¿ch erwähnte Anonyme griechische Konzils- Sonst sucht er jedes Urteil tìber die Veranstaltungen tles Konzils und dic
geschichtel stellt sich im rvesentlichen als eine Zusammenstellung der handelnden Persönlichkeiten zu vermeiden und nur o{üzielles Material zu
in den öffentlichenVersanrmlungen gehaltenen Reden dar, die durch knappe, bieten. Erst nachdem die öff'entlichen Sitzungen eingestellt sind, sieht er
tagebuchartige Einlagen lose miteinander verknüpft sind. Der Verfasser sich genötigt, über das Hin uncl ller zwischen Griechen und Lateinern
selbst scheint während der Sitzungen mitgeschrieben zu haben, wenn nicht mit eigenen Worten lângere Berichte zu geben.l Hier crhalteu wir vor
jene Stelle, der wir das entnehmen, lediglich auf die bestellten Notare zu rllem Kenntnis von inueren Vorgängen im griechischen Lager, die iedent
beziehen ist.r Vor irìlern kommt es ihm auf Kürze und Sachlichkeit an, lateinischen Berichterstatter hätten verborgen bleiben miìssen. Aber auch
Eine Vorgeschichte des Konzils gibt er nicht. Er beginnt sofort mit dem in diesem Abschnitt bewahrt der Vertãsser seinen ursprüngiichen einfachen
Eintrell'en der griechischen Flotte in Venedig und hemerkt; daß er die Stil und seine objektive Zurückhaltung, ohne jedwedes persönliche Urteil
Reise von Konstantinopel nach Italien diese mit einzuflechten. Es erscheint deswegen ganz angebracht, wentl das Werh
rrller Ausführlichkeit
- Syropuios beschreibt
als überflùssig übergehe.s Den feierlichen Empfang
bei seinem anonyn'ìerÌ Charakter in den Handschriften und Druckausgaben
-
des Kaisers und des Patriarchen in Ferrara schiklert er nur deswegen ein-
alsIlpawma rjq åyiaq xaì olxougeuøî¡ç Èu Q)'øçutlr¡ TeuopÉur¡e auuóÛou
gehender, weil sich hinter dem äußeren Zeremoniell kirchenrechtliche ocìer >Acta< bezeichnet wird.?
Probleme von ganz außerordentlicher Tragweite verbargen.a Um ähnliche Wer ist der Verfasser diescr sogeuanuten Akten i Die Ansicht des
Fragen handelte es sich später, als die burgundischen Gesandten auf dem Leo Allatius, der sich für den Groß'skeuophylax Theodor Xanthopulos
Konzil eintrafen. Auch hier berichtet unser Ges'ährsmann ausführlicher.s aussprach, beruht ebensolvenig auf einer kritischen Prülung des Textes
wie die Meinung, daß Georgios Scholarios in Frage komme' Beides
wurde denn auch längst schon als unhaltbar bezeichnet,s Hefele sprach
ursprünglich die Vermutung aus, daß Bessarion der Verfasser sei, schloß
sich aber später dem Ergebnis Frommanns att, der den Erzbischof Doro-
theos von Mityiene als Verfasser feststellte. Aber auch dabei blieb es
nicht, denn Vast erhob nochmals Bedenken gegen Frommann und nahm
die ,rAkten< wieder mit Nachdruck für Bessarion in Anspruch.a
Die Untersuchungen von Frommann beruhen auf einer stilistischen
Beobachtung, nach der die Akten ihren Bericht bei verschiedenen Ge-
legenheiten in der ersten Person der Mehrzahl (fipeiç) erstatten, während
sonst in ihrer Erzählung im allgemeinen die dritte Persou üblich ist.
Frommann zieht hieraus den Schluß, dall in solchen >Wir<-Berichten der
Verfasser der Akten selber mittätig za denken ist, und glaubt die Mög-
iichkeit in der Hand zu haben, aus einer größeren Anzahl von Nameu,
die in diesen Berichten genannt werden, eine bestimmte Persönlichkeit

r Acta gf votl p. 272 an (Labbé xlll. 38r). Ebenso vorher am schluß


der VerhandlunÀen^ec^
in Ferrari l. c. t5z ff. (Labbé XILI. zt7-zzo).
: Der Titel Ilpríxttza z. r. )., 6ndèt sich in den Éss. nur als Uberschrift, iru
Dorotheos von Mitylene oder Bessarion als Verfasser der rActa graecaa? 61
60 ¡. Die Quellen zur Geschichte des Konzils,

als den Berichterstatter herauszuschälen" Dieses Verfahren hat auf den tq1 nang ¿lnóureq, fi),#ov.<r Nach Frommann stellt sich hier der Ver-
fasser in'einen deutlichen Gegensatz zu Bessarion und zu Isidor von Kiew'
ersten Blick sehr viel Bestechendes an sich; aber Vast kommt mit der-
Es bleibt also nichts anderes übrig, als daß der Verfasser mit clem Bischof
selben Methode zu einern anderen Ergebnis, so daß sich Bessarion und
Dorotheos von Mitylene mit ziemlich gleich guten Gründen als Verfasser Dorotheos von Mitylene identisch ist. Die Akten sind daher das
der Ai<ten gegenüberstehen. Hören wir die näheren Begründungen! Werk dieses Bischofs.
Gegen dieses Ergebnis wendet sich Vast. Auch er stützt sich auf
Beide Forscher sind sich darüber einig, daß der Verfasser nur unter
,¡Wirr,-Bãrichte, in-denen er den Verfasser zu finden meint, und kommt
den Bischöfen zu suchen ist.l Frommann ftihrt daftir die Stelle an: xai
tòp ndnap ô naqrd.gyqq ì¡andaato tacdpeuoa Èa ri¡ naqe$'f¡petç öL auf diesem Weg auf Isidor von Kiew, Bessarion und Dorotheos von Mity-
xatgqpévou ô¡a 6t$àv aútoú xal rì¡v napeula, aùu tolç è$axacaxÂ,oeç'
lene. Von ihnin scheidet er Isidor aus, weil er nicht von Anfang an
oi ð' ä7Lo1 póuou rùv XetQa fi xai póuq tQ npooxuuí¡pan.z Hier unter- auf dem Konzil anwesend \il4r,2 also auch niclrt über die Reise und die
scheide sich der Schreiber mit seinen i1pelq offensichtlich von den nie- Vorgänge zu Beginn des Konzils berichten kann. Um zwischen Bessarion
deren Geistlichen, den è$oxaváxú.or (: üaugogópoq etwa Kanoniker?). und Doioth.o, uon Mitylene zu unterscheiden, stützt sich Vast auf einen
,rWir<-Bericht tiber die ¡. Sitzung,: troútøv à.vtmgìt xaÛúáacau àpú.ott'
In der Mitte zwischen ihnen ur.rd denr Patriarchen stehend, gehöre er un-
bedingt zu den Bischöfen. Vast führt noch treffender eine solche >Wir<-
pfi*q i¡ptu fi Ëuag$ts tfiç 6r.),'i$e@Ç..ltQotQd'ncis oitu it Ntxalaç xa|
',îqpiïoçúoug
, , .O M\l æúcøu xa9r6ávtau sind die beiderseitigen Kom-
Stelle auf, bei der sich der Berichterstatter ohne weiteres mit den Bischöfen
aufzählt.8
rnirrion.n von je sechs Mitgliedern gemeint, die in der Konzilsaula ihre
Fromrnann stützt sich des weiteren auf den Bericht über einc Be- Plätze zunächst dem Altar hatten. )orotheos von Mitylene konmt nach
sprechung im allerengsten Kreis rlit Eugen IV. am 9. und to. Juni, an Vast hier nicht weiter in Frage, da er nicht in die Kommission gewählt
der vier griechische Bischo[e beteiligt waren: .Bessarion, Isidor von Kiew, war. Das f¡pfv weise aber gerade hier recht deutlich auf Bessarion als
den Berichterstatter. So kommt Vast auf dem gleichen Wege wie From-
Dorotheos von Trapezunt und Dorotheos von Mitylene. Der Bericht
rnann überraschenderweise zu einem ganz anderen Ergebnis, Das muß
über ihre Reden bewegt sich hier durchweg nur in der ersten Person,a
clie angewandte Methode von vornherein als nicht ganz einwandfrei er-
so daß er nach deru Urteil Frommanns nur von einen: cler vier beteiligten
scheinen lassen.
Bischöfe herstammen kann. Von ihnen kommt als Verfasser der Metro'
polit von Trapezunt nicht in Frage. Er fehlt nämlich bei einer ähnlichen Vast leistet ferner Widerspruch, wenn Frommanu auf Grund ienes
Satzes: >èx|,e$dpcvor oõy ,tív te 'Pcoaíag xaì ròu Nmaíaç xai 6tio atau-
Zusamrnenkunft der drei übrigen Bischöfe am I L Juni, wo es sich wie-
gogópou¡ . , ., àneõttl2'apw atiroúç' dnú.Ûówegtoívuv xai tà nag'fipúv
deruru urr einen >Wir<-Bericht handelt.s Ebenso findet sich sein Name
7a-L,r¡ûíuta r@ nd,ng eìnóncg i¡.Ûou,< Bessarion als verfasser ausscheiden
nicht bei einer Abstimnrung über rìas Dogma, bei der zehn Biscböfe
in der ersten Person redend aufgefül:rt werden, während unter diesen will. Frommann sagt: So hann Bess trion nicht von sich selbst geschrieben
Bessarion,Isidor und Dorotheos genannt werden.6 Ferner l¿ßt From- fiaben; Vast aber erklärt: Dieses wir bezieht sich an dieser Stelle im all-
mann auch Bessarion und Isidor ausscheiden, was ihm auf Grund folgender
gemeinen auf die Griechen, und helt dem eine andere Stelle entgegen,
Stelle gelingt: nèxlegti.¡ttuo¿ oðv cóv re'Prnaiaç xai tòv Nmaiaq xal ðúy) ìie geeignet sein soll, den Dorotheos auszuscheiden: >>èiel,C$auto ôh xul
ot, fipicegot ànò rcõ ¡tíçouç aútõu tìtu Mttú.i1u4Ç /øgtiÛtov.<,+ From-
ataupogóqouç, tóu rt pé.yav yagogúLaxa xaì tìtv piyav È,xx2'r¡arcg7riu,
cineorel),apeu athotjç' ànelûóweq toituv xai tù, naq' i¡põu LaLqûéwa mann hatte hier mit Recht geltend tnachen können, daß dieser Beweis
von Wert wäre, wenn statt oá i¡phegoq das doch die dritte Person in der
Rede darsteltt, die erste Person mit fipefç angewandt wäre. Das scheint
Vast entgangen zu sein.
Ebensowenig vermag zu überzeugen, wenn Vast auf die feierliche
Verlesung des Unionsdekrets durch Kardinal Giuliano Cesarini und Bessa-
rion hinweist und die daran anknüp[ende Stelle auf Bessarion bezieht. Es
I
t Acta gr^ec¡. 271 (Labbê' XIII' 388)'
I
, iii¿òr"r,am tatsâéhl'ich erst spâter von -Rußland durch Deutschland nach Italien
I

"-"' "í'úãrt, Le cardinal Bessarion


zum Konzil,
XIII. ió).
!A?_n,2.. Vgl. Acta gt^ec^ zz (Labbê
I

n .Acti gr^ec¡- rz (Labbé XIII' zt)'


Bessarion nicht der Verfasser der r¡Acta Sraecac. 63
62 r. Die Quellen zur Geschichte des Konzils.

dort: xal rjanaad,peûa roõ øqnu 'cè¡ yóvu xai d¡a yelga' ì¡anaoa-
lreißt bestimmt umrissenen Plan ftir den Gang der Konzilsverhandlungen und
peûa óè xaì il.Lri7ouq, qopepíuot triv iegatu)u arcLrjv.l Hier ist aber ehem genau abgesteckten Ziel für deren Endergebnis in die Ereignisse
viel eher anzunehmen, daß sich die erste Person auf sämtliche Griechen einzugreifen. In den sogenannten Akten kommt das nicht zur Geltung,
bezieht, zumal des weiteren gesagt wird: óøe7gûpapev ôè xai rjpúç tar'; trnd wenn dort Bessarion auch gegen Schluß nehr hervortritt, so ge-
lðlarc yegaíu, úaneg xaì àucyuøaVr¡. Der Umstand aber, daß die Teil- schieht seiner doch nur in so fremder, unpersönlicher Weise Erwähnung,
nehmer dieser feierlichen Szene kirchliche Gewänder trugen, kann aber- wie Bessrrion von sich selbst wohl kaum berichtet hätte' Ein Verständnis
mals nìcht ruf Bessarion und Giuliano Cesarini allein bezogen werden.2 dafür, daß Bessarion eine Hauptrolle auf dem Konzil zugefallen war, und
Denn zu einenr so feierlichen Akte wie dem endgültigen Abschluß der daß gegen Ende alle Faden durch seine Hand liefeu, wie aus seiner ei-
Union werden alle griechischen Bischöfe im liturgischen Gewand er- genen Schrift und nach anderen Quellen unzweideutig feststeht, das hat
schienen sein. der Verfasser dieser Akten niemals errungen. Wo Bessarion bestimmend
Wie steht cs nun rnit dem positiven Material; das Vast zugunsten in den Gang eingreift, wird er genannt, aber nicht anders als die übrigen
tler Autorschaft Bessarions beizubringen versucht? Wichtig ist für ihn, Unionsfieunde, in deren Umgebung er sein Werk zur Durchführung bringt.
tlaß Bessaric¡ns Reden genauer wiedergegeben sind als die seiner Gegner, Ein Werk von dieser Art, das so wenig den leitenden Geist selber kennt,
namentlich genâuer als die Ausführungen eines Markos Eugenikos.s F'erner kann nicht von ihm herrühren; es muß für einen anderen Autor in An'
ftihrt er an, daß die Rede Bessarions über das Dognr:r in den Akten ihren spruch genommen werden.
Platz im'fext selber gefunden habe, während die drei Reden, die Geor- Ein anderer Umstand, der von Bessarion als Verfasser ablenkt, fellt
gios Scholrrios zugunsten der Union an seine griechischen Landsleute noch als bedeutsam auf: die Beurteilung der Lateiner. Diese er-
richtete, nur âm Schluß angehängt sind.a fahren in Bessarions Schreiben an Alexios Laskaris durchweg eiue ganz
Kann es nichtssagendere Grtinde geben? Es steht nun einmal fest, andere Würdigung als in den Akten, deren Verfasser sich bei aller Unions-
daß der Verfasser der Akten in einem gewissen Maße unionsfreundlich freundlichkeit namentlich im Anfang sehr zurückhaltend benimmt. Ein
gesinnt war. Was ist damit aber mehr zu erwarten, als daß er den Reden auffalliges Beispiel ist das Urteil über Kardinal Cesarini. Bessarion rühmt
Bessarions sein besonderes Interesse entgegenbringt? Die Einordnung der dessen Beweisführung, die sich gegen seine eigenen Ausführungen richtete,
rDogmatischen Rede< Bessalions in den Text kann aber gar nicht von als siegreich in einer Weise, daß man ihr von griechischer Seite nichts
Belang sein. Das können auch Willktirlichkeiten eines Abschreibers sein. Besseres mehr entgegensetzen konnte.l Hier anzunehmen, daß Bessarion
In den meisten Ausgaben ist sie übrigens an den Schluß gestellt, von seinem späteren Standpunkt aus die Sache in anderem Licht sieht, ist
Merkwürdigerweise hat es Vast ganz unterlassen, in dieser b-rage uicht statthaft, denn er äußerte sich auf dem Konzil selbst in der gleichen
eine einschlägige Schrift von Bessarion selber in Betracht zu ziehen. Wir Weise über Cesarinis Ausfül:rungen.z Demnach hat Bessarion schon da-
meinen sein >Dogmatisches Schreiben an Alexios Laskaris<, das r¡als ein völlig abgeklärtes Urteil über die lateinischen Theologen besessen.
sich zu einem großen Teil mit der Geschichte des Konzils beschäftigt.5 Einen anderen Eindruck erhält man dagegen von der Wirkung der latei-
Bei einem Vergleich zwischen dieser Schrift und den griechischen Akten rlischen Beweisführung auf den Verfasser der Akten. Nicht nur ist er un-
fallen uns sofort bedeutende Verschiedenheiten auf. Die Art der Dar- gehalten über die langen Reden der Lateiner, er vermâg auch ihre Trag-
stellung unterscheidet sich hier wie in den übrigen Werken Bessarions weite nicht einzusehen und halt auch dort, wo Bessarion sich selbst ftir
nerklich von der Auffassungsweise und der trockenen Berichterstattung úberwunden betrachtet, die Sache seiner Landsleute noch lange nicht ftir
der anonymen Konzilsgeschichte. Vor allem tritt hier Bessarions Persön- verloren.s Er tritt uns gerade bier als ein Mann entgegen, der selber
lichkeit rnit Nachdruck tatig in den Vordergrund. Wir sehen deutlich, noch völlig ohne eigenes Urteil, sich im besten Fahrwasser jener befindet,
wie er die Seele jener Partei war, die auf die Union mit Rom hinarbeitete; die zwar keine erbitterten Lateinergegner wâren, die aber in keiner Weise
er erscheint hier als der Mann, der von Anfang an gewillt war, mit einem gewillt'waren, dem lateinischen Standpunkt irgendwelche Zugeständnisse
, Actâ gtlec| lt zu machen. Auch aus diesem Sachverhalt ist eisichtlich, daß die anonyme
441,
2 Vasr a, a.O,44 ^rion
iser la møít Konzilsgeschichte als Bessarions Werk nicht ausgegeben werden kann.
et les uêtem.enls du þaþe, ue B¿ssariott
et Julien Césarini qui se boliser d.'une
facon øísibl¿ de tous I'Un t Migne P. gr. r6t, 14r
' s Vâst a, a, O, , i"i^-þià"'r^ ,is' tLàia¿ xttt. r8o).
442.
¿ Vast a, a. O. 44t. ¡ Acta graeca r47, r49 (Labbé Xlll. zrz. t'r1).
6 Migne P. gr. tór, 1zr-4o6
Dorotheos von Mitylenc mutmaBlicher Verfasser? Glaubwhrcligkeit der ¡Actea, 65
64' I. Die Quellerr tur Geschichte des l(onzils'

Damit dürfte die unhaltb¿rkeit der Aufstellungen von vâst erwieseu Wozu diese Methode führt, zeigt zur Genüge das Beispiel von Vast,
sein. Zugunsten von Frommann ist hiermit noch nichts entschieden, Es der mit demselben Hilfsmittel auf Bessarion als Verfasser konrmt, mit dem
bleibt noà eine kritische Betrachtung seiner Methode trbrig, die zu einem Frommann den Dorotheos feststellt. Auch in iener Stelle, die Vast heran-
Teil auch bei Vast zur Anwendung kanr. Die >Wir<-Berichte sollen zur zieht,l handelt es sich lediglich um eine stilistische Ungenauigkeit ähnlich
wie in den: Bericht über die,Reise nach Ferrara. Wenn Vast dazu be-
nrerkt, daß der Verfasser hier unbedin gt oÍ f¡phegor gesagt hätte, falls von
den Griechen im allgemeinen die Rede hätte sein sollen,2 so ist diese
Forderung angesichts unserer vorhin geruachten Beobachtung, daß f¡peÌç
auch ftir die Griechen im allgemeinen zur Anwendung kommt, nicht be-
gründet. In gleicher Weise l:ißt sich figús in iedenr der von Frommann
h.r.ngerog.nen Bericht e g nz im allgemeinen auf die Griechenpartei be'
ziehen.
Im Hinblick auf die gerügten Unsicherheiten in Frommânrìs Unter-
lagen halte ich auch den Beweis, daß Dorotheos von Mitylene der Ver-
fasser der Akten ist, nicht ftir vollständig erbracht, wenn auch immerhin
die Möglichkeit und einige Wahrscheinlichkeit für dieses Ergebnis bestehen
bleibt.
Wir kommen zur Frage nach der historischen Glaubwtirdigkeit
dieser anonymen Konzilsgeschicbte. Fronrtnann entscheidet darüber nicht
Berichte sein, auf denen Frommann seinen Beweis aufbaut; denn ein ohne Vorurteil. Er geht darauf lus, deu Wert dieses Werkes auf ein
iiußeres Unterscheidungsnrittel zwischen stilistisch ullgenauen und
genauen Mindestnlaß hefabzusetzen, spricht von ¡¡Trübungen der reinen Wahrheit<
Stellen gibt es nicht' und mahnt zur Vorsicht bei dessen Benutzung. Den Verfasser llennt er
Wilt man in dcn rWir<-Berichten tlen Verfasser iedesmal als mit- einen >feurigen Anhänger der römischen Kirclte<, und seine Erzählung
bezeichnet er als ein Tendenzwerk, das trotz seiner äußeren obiektiven
Ruhe >offenbar den Dingen eine andere Gestalt zu geben bemtiht sei, als
sie die Wirklichkeit gehabt(. Er glaubt deswegen der Dnrstellung cles
Syropulos, den er als einèn geradezu khssischen Geschichtsschreiber cha-
rakterisiert, durchweg den Vorzug geben zu müssen.s Für dieses ver-
werfende Urteil weiß Frommann iedocb mit keinem einzigen Beleg zu
dienen. Wo die Wahrheit in irgendeinem Punkte gefälscht sei, und was
für Entstellungen der Verfasser sich zu Schulden kommen lasse, sagt er
nirgends. Die einzige Kritik, die er übt, besteht darin, daß er die >letzte
zurückgekehrt, um den Patriarchen abzuholen' Sentenz( des Patriarchen als eine spätere Interpolation erklärt, und auch
dieses Verdikt hat Hefele bereits in ausführlicher Weise als falsch nach-
gewiesen;a wir werden hierauf im Verlaufe unserer späteren Darstellung
zurückkommen.
Was die Kunst der äußeren Darstellung anlangt, so besteht kein
Zweifel, daß das Geschichtswerk des Syropulos weit über der anonymen
Konzilsgeschichte erhaben ist. Dort haben wir die t'ein durchgeführte
IA XIII. t6) vgl. oben S. 6r n. 4.
rV rr 442,
sF itr^ge 57 tr. 84.
4F trägt 83 f, Hefele, Conciliengesc hichte VIl. 72t-
727. Die Aðta graeca 3o5 (Labbé XIIÍ. 49t-496).
lllohle¡, Karclinal Bessarion, l. Ð
66 r. Die Quellen ztrr Gescltichte des Korlzils' Ghubwürdigkeit tier ¡¡Àctar<. Ëntstehungszeir. 67

Arbeit eines Historikers, der ¡nit lìtrbe und Charakterzeichnung der ein- Läßt sich nun dem Verfasser bei dieser Stellungn:rhme irgeutlwie eine
zelnen handelnden Persönlichheiten seinen Stoff beherrscht und vor lllenr Entstellung der Tatsachen zur Last legen? Das wäre ein Punkt, bei denr
z.u berichte¡ weiß, was hinter der Szene Vor sich ging, hier ein trockenes, Frommann wiederum sein verwerfendes Urteil erst noch zu beweisen hätte.
clrroniknrtiges Aktenwerl<, das tttrs in erster Linie über die offiziellen Vor- Soweit wir die Akten ftir unsere Darstellung von Bessarions Tatigkeit auf
"clem
gänge auf Konzil unterrichtet. Anclers gestritet sicl: das Bild, wenn denr Konzil als entscheidende Quelle geprüft haben, stellt sich l'olgendes
ìn.n" beide Werlte als Geschiclrtsquelle heranzieht. Nach dieser Hinsicht als Ergebnis dar: Dem Verfasser ist es um eine aktenmäßige Darstellung
leistet gerade cliese nktenmäßige Konzilsgeschiclrte rnehr Dieuste als dls des Verlaufs der offiziellen Konzilsverhandlungen zu tun. Hierzu bietet
uon eiÃem subiektiven Gesichtspunkt geleitete Werk des Syropulos. Wie er die beiderseitigen Reden, soweit sie ihm noch naclr Beendigung des
Syropulos als Quelle einzuschätzen ist, vrerden wir unten lrören; hier nur Konzils vorliegen. Unl diese und das Zustandekomn¡en des Schlußdekrets
tiber die sogeununten Akten. zu erläutern, teilt er seine kurzen Nachrichten mit, in denen er tiber Vor-
wenn Frommtnn den Verl:rsser clieser Akten als einseitigen rörni- felle und Einzelheiten berichtet, soweit sie ihm bekannt sind. Eine Ent-
schen Pnrteigänger ltennzeichnet, und zwar ohne nähere Begründung, so stellung der Tatsachen liegt ihrn fern; denn er schildert Mißhelligkeiterr
läßt sich gelen dieses Urteil feststellen, claß dieser rvährend des Konzils jeder Art ohne Scheu. Schwierigkeiten seitens der Lateiner, Zwistigkeiteu
'Gésinnung
in sciner clauernd War-rdlungen durchnachte, die sich noch iru eigenen Lager, die Bedrohung der F'reiheit des Konzils durclr kaiser-
ietzt in seiner Darstellung widerspiegeln. \¡on
Hause aus wâr der Ver- liclre Maßregeln berichtet er, aber nur, wo es ihnr für den Gang der Dinge
insser ei,l überzeugter Anhänger der griechischen orthodoxie, ein Mit- angebracht erscheint. Kritik tibt er zuweilen an Vertretern der Lateinerr
glied iener Partei, ãie sehr wohl eine Union urit den Lateinern rvünschte, wie seiner eigenen Landsleute, :rber ùberall ohne leidenschnftliche Erregung.
ãie alre, von denr eigenen Besitz nichts preisgeben wollte. Das zeigt sich D:rgegen schweigt er über das rneiste, was hinter der Szene vor sich ging,
clarin, daß er den theòlogischen Ausfiihrungen seiner Landsleute zu Beginn tiber die sogenannte innere Geschichte des Konzils, d. h. Auseinander-
weit mehr Interesse zuwendet rls den lì.eclen der Llteiner. So in der setzungen persönlicher Nntur, Intrigen, Hemmnisse, diplonratische Ver-
Darstellung des Au[enthalts zu Ferrara, wo es sich utr die Symbolums- mittlungen, kurz alles, wofür Syropulos so reiches Material beibriugt,
frage hand'elte. Mit peinlicher Cenauigkeit bringt er hier _ieden Beleg, den worüber jener aber auch in ungezügelter Weise und von seinem extrenren
maitos von Ephesos für seine Ansicht lns den alten Synodnlakten an- Parteistandpuukt aus die bittersten urteile fàllt und seiue unbewiesenen
zuführen wußtã. Die lleclen Bessarions, die sich gegen clie lateinische Vermutungen aufstellt. Wenn hiervon in den Akten nichts zu findeu ist,
Auffassung richteten, teilt er ebenfalls auf clas genaueste mit. Wo ihrrr so ist das r:och keine Verdrehung der Wahrheit; unrgekelrrt ist aber l¡ei
aber der lateinische Rednel zu breit wird und voru Thema abzuschweifen Syropulos erst zu untersuchen, was irier der Wahrheit er.rtspriclrt und was
scheint, da legt er voll l\r'ger uncl Verdruß <lie Feder weg und verzichtet Klatsch ist.
auf jede rveitãre Aufzeichnung.t Selbst wo es recht eigentliclr auf die Als Gesamtwerk stellen sich die griechischen Akten niclrt als ein
Ausitihrungen der Lateiuer rttrl<omnrt, gibt er sie ntìr gel(i"lrzt inr Atrszug Tendenzwerk dar mit einem von vornherein fest un:rissenen Ziel, sondern
wieder.z Þin.r Markos Eugenikos, der so oft von seinem fheln¿ ab- als eine Gelegenheitsschrift. Das beweist der Umstand, daß del innere
sprîng, widerfährt von ihnr niemals ein derartiges Los. Erst später ändert Entwicklungsgang des verfassers noch klar zutage tritt, ferner die ungleich-
ri.n õí. Sinnesart des Verfassers; ¡rls närulich auf denr Konzil die Saclte mäßige Nacl¡schrift der verschiedenen Reden und schließlich die tagebuch-
der strengen Byznntiner unter Markos' Führung keine innere Überzeugungs- artige Form der persönlichen Berichte. Auch die Entstehungszeit wird
kraft rneÉr beiaß und als unterlegen gelten konnte, trat er zur Partei hierdurch klirr gekennzeichnet: das Werk ist während der Tagung des
Bessrrions tiber. Von cinem >feurigen< Eintreten für clen lateinischen Konzils selbst ¡riedergeschrieben, und einzelne stücke sind spâter noch
Stan<lpunkt ist bei ihrn aber aucl: hier uichts zu ben:erken. Eher spricht nachgetragen worde n. So die dogmatisclre Rede Bessarious, tlie drei
*o, ,äin.n Worten die Neigung, eiuen Kontpronifì zwischen den ver- Reden des Georgios Scholnrios, die letzte Sentenz cles Petriarchen, die
schiedenen Meinurrgen gutzuheißen. vielleicht gerade infolge dieser nacl:träglichen Einschiebur:g wie eine Inter-
polation erscheinen Lönnte.
Der immerhin empfi'dliche Mangel von olfiziellen Konzilsakten gab
im Abendlande schon ziemlich balcl Veranlassulg zu einer lateinischeu
).
t Vglj Ac11 g-1ae1a )77.42.. t44f. r47.279.ff. zB4 (Labbé Xlil. 57-6a. ro&
ê Xlll. 177-38o. 18I), 2r,2.457-46r.465), über Cesarini Acta gr. r41, i{6. r47 1Làbbé XIll. ¿oi}. 2og-. ttÀ).
ót
Andreas de S, Cruce. Horatius Justiniaui. Syropulos. 69
08 ¡, Die Qr¡ellen zur Geschichte des Konzils'
teilung der verschiedenen Schriftstücke, die oftmals zwischen beiden Par-
übersetz¡u g tlcr år)onymen grieclrischeu Konzilsgesclrichte. Eir:e solche teien zum Austausch kamen, die in den griechischen Akten aber nur dem
veranstaltete ãrstrnals Bartholouaeus Abrarìlus volì Kreta inr Jahre Inhalte nach wiedergegeben sind. Vy'eniger von Vorteil ist der Umstand,
daß Andreas seine Darstelluug in die Form eiues Dialoges kleidet. Im
übrigen ist das Gepräge dieses Werkes aktenmäßig. Wie bei der Stellung
des Verfassers zu erwarten ist, vertritt er den kurialen Standpunkt, ohne
sich jedoch irgendwelche Gehässigkeiten oder Entstellungeu zuschulden
Konziliensanrnrlung über und von da in die bekrnnten Sammlungen von kommen zu lassen,
Harduin, Labbé und Mansi.
Eine interessante Ergänzung zu rliesen beiden aktenmäßigen Beer-
Als l¿teinisches Gegenstück zu den rgriechischen Akten< 11âlllltelì
beituugen bildet das schon nrehrfach geuannte fesselnd geschriebene Vy'erk
wir oben die Darstelh.¡ng eines Zeitgenosserr, des päpstlichen Notars Att-
des Groß-Ekklesiarchen Sylvester Syrop ulos, eines streng byzantinisch
drels tle S. Cruce, der selber auf den Konzil anwesend war. Da es gesinnten Mannes aus der näheren Umgebung des Patriarchen. Der
Herausgeber dieser griechischen Konzilsgeschichte, Rob ert Creyghton,
gab denr Werk einen hochtrabenden und dazu noch tendenziösen Titel.
Syropulos selbst nannte es ganz eirfach >Denkwürdigkeiten << Qìn-
pvqpovcúpara), wes denr Inhalt ¿uch am besten entspricht.l
Vatikanischen Bibliothek Horntius Justiniani seine Manuskripte ent-
wendete.e Schließlich erschietr jenes Werk des Andrers de S. Cruce als Wir haben bei dieser Darstellung nicht mehr den Eindruck vou
zweiter Teil von Justinianis Acta Concilii Florentini, einem Konglomerat trockenen Akten, sondern ein Bild von eigenen Erlebnissen, gemalt in den
vo¡ Urkunden, Materialien und eigener Darstellung.Û Vou hier aus ist lebhaftesten Farben, ein Werk voll selbständigen Urteils über Freund und
auc6 diesc lateinische Konzilsbeschreibung Justininuis in die Konziliensamnr' Feind. Das Schwergewicht ruht bei Syropulos nicht auf den öffentlichen
lungen übergegangen.a Einzelne ergänzende Aktelrstiicke, dereu Justiniani Sitzungen und otliziellen Verrnstaltungen-des Konzils; er berichtet viei
bei seinem Oi.ùrt.¡l nicht habhait werden konrtte, veröffentlichte in neuçrer
lieber von den Vorgängen, die sich im eigenen Lager und fern von der
breiten Öffentlichkeit abspielten, oder von der Stellungnahme, die der ein-
Zeit Cecconi.s
Andrets schöpft seinen Stoff hflUptsåichlich aus cletu ursprünglichen zelne zu den bewegenden Fragen einnahm. Viel Bescheid weiß er über
lateinischen Protokòil. Dazu gibt er noch allerlei, was seiner eigenetr das Rankespiel einzelner Persönlichkeiten, über sensetionelle Zwischenfalle,

Beobachtung entstammt. Die Reden der Griechen sind dennach bei


ihn diplomatische Abmachungen, Tischgespräche; kurz, über fast alles gibt er
in {er Foril enthaltetr, wie sie der Dolmetscher nuF dem Konzil wieder'- Auskunft, was sich in seiner griechischen Unrgebung zutrug, bis zu den
kleinsten Kleinigkeiterr. Er bietet daher in der Hauptsache das Material zur
sogenannteD inneren Geschichte des Konzils, ist also lär unsere Aufgabe

das Werk nach anderer Hinsicht seinen eigenen Wert. So durch die Miç
I Seine Vorrede s. bei L¿rbbé XllI. Iz64t, Vgl. dazu auch die Benrerkungen
des Horatius Justiniani bei Labb-é XIII' 827'
¿ Leonis Altati]'i; . exercitatiotles. Romae
ñãU.itl CreyghtoDi'appirrâtutìì

--' Mansi
bei und Ha¡duirr
"'î'ð.ilà,ii, -St,iaì-'rtorici
sul Concilio di Firenze. Firenze I87o. tom. I.
?0 r. Die Quellen zur Geschichte dcs Konzits' Tendcnziöse Darstellung des Syropulos. Zu seiner KritiL. 'll
Einzclheiten, die fär eine unparteiische Bewertung des Kouzils Voreus-
setzung wären, so vor alleu das, was sich in den öffentlichen Sitzungen
ebspielte. Syropulos ist Fanatiker wie ein Markos Eugenikos, ohne iedoch
dessen Offenheit und. Char¿rktergrölìe zu besitzen. Das Urteil, des er irr
seinen¡ Geschichtswerk über die Union und ihr Zust¿ndekonruren fällt,
läßt sich schleclrt urit seiner Ur:terschriti unter dem Unionsclekret verein-
baren.
Dieser einseitige Staudpunkt trug Syropulos zurneist nur Mißtr¿uen
cin, uur so melrr, als der Herausgeber Robert Creyghton denr griechischeu
'l'ext eine höchst phantastische lateinische Übersetzung zur Seite gab, die
selbst wicder eine besondere 'fendenz an der Stirnc trug.l So ist es
nicht zu verwundern, wenn Labbé sagt, Syropulos habe so die Geschichte
des F'lorentinums geschriebeu, wie etw¡t Arius übcr das Konzil von Ni-
kaia oder Eutyches über das Konzil von Chalkedon geschrieben hätte.3
Es sctreint, als ob dieses Urteil Frommann veranlaßt habe, Syropulos'
Arbeit als ein geradezu klassisches Geschichtsrverk zu verteidigen, das er
seinem historischen'Wert nach weit tiber die griecbischen Akten stellte.¡
Den Beweis blieb Frommann schuldig; aber eine derartige Einschätzung
besitzt ebensowenig Berechtigung wie eine völlige Ablehnung.
Inwieweit die Darstellung des Syropulos den Tatsachen entspriclrt,
hat die Einzeluntersuchung festzustellen, da nrit allgemeinen Urteilen nach
dem Vorgange Fromnranns hier nicht gedient ist. 'Wichtige Hilfsmittel
dazu bieten die griechischen Akten und das Werk des Andreas de S. Cruce.
Auch die Schrift Bessarions au Alexios Lasharis hommt hier in Frage.
Was den äußeren Verlauf der Dinge betrifft, so stimmen diese Quellen
mit Syropulos übereir¡. Was sich bei ihm nicht kontrollieren läßt, sínd
einzelne Worte von leiteuden Persönlichkeiten und Einzelvorfälle, tlie uns
sonst nirgends überliefert sind. Aber selbst hierfür finden sich eiuige
anderweitige Belege. So ftir die Vorgeschichte des Konzils in rlen Akten-
stücken und Protokollen des Konzils von BaseF sowie in den Berichten,
die Johannes von Ragusa während seines Aufenthalts in Konstrntinopel
nach Basel erstattete.s Syropulos' Vorrvùrfe wegen der Hintanhaltung der
schuldigeu Verpflegungsgelder seitens des Papstes prtifte Gottlob an Hand
kraft seiner eindrucksvollen Darstellung beruht darauf. Er will die Nich- der Rechnungsbücher Eugeus IV. und kam zu dem überraschenden Ergebnis,
tigkeit des Konzils und der abgeschlossenen Union beweisen. Danach daß Syropulos, abgeseherl von einigen Nebenun:ständen und kleineren
riãht.t sich die Wahl seines Stoffes. Deswegen die vielen unkontrollier- ¡ Gegeu Creyglrtons Praefatio und Übersetzung veröffeutlichte Leo Allatius
seine Exercitatioaes, von denen aber nur ein Band erscllien. Leonis Allatii iu Ro-
versione Flore¡tini scriptam
i,iï,.T"i
er willkù
:ì'Iillå'd,"Íi J
I tlÍuili.i"Í"ð;uen zur Geschichte des co.eits
'Svropulos V.'1, p, rzr. VII[. g, P, 21osq. VIU. ro' P' 2r2sq' von Ba.s
ro' Conciliurn Basiliensc I. llq tr
' Siroþulos V. P. rzó'
72 ¡. Die Quellen zur Geschichte des Konzils'
Mittel zu Syropulos' Kritix. Seiae Quellen, 78

neben seinen anderweitigen Quellen auch die ursprünglichen Akten, auf


Verstößen in diesem Punkte völlig zuverlässig ist. Das Tendenziöse seiner
die er sich selbst gelegentlich beruft.l Vergleicht man derartige Stellen in
Darstellung liegt in seiner voreingenommenen Beurteilung der bisweilen
seiner Darstellung mit der¡r Text der Reden, den die anonyme Konzils-
stockenden Zahluugen; denn er legt dem Papst nur unlautere Beweg-
geschichte tiberliefert, so ist diese Vorlage sofort wiederzuerkennen, wenn
gründe zur Last, *i" *.nn dieser mit diesem Mittel einen Druck auf die
Syropulos sie auch nur im Auszug wiedergibt.e Auch sonst habeu wir
Ñachgiebigkeit dcr griechischen BischOfe in der dogmatischen Frage hätte
austib"en Jollen, wahrend Eugen mit den größten finanziellen Schwierig-
keiten zu känrpfen l:atte. Davon hatte der..geharnischte Byznrttiner aller-
dings auch niiht die geringste Ahnung.r Ähnliche Falle von Mangel an
tiefãrer Einsicht dürfte; auà sonst zu den verbissenen Kritiken bei Syro-
pulos beigetragen haben. Nach dieser Hinsicht mùßten die zeitgenössischen
Schriftsteller nur noch in größerem Umfang herangezogen werden. Einc
gute Quelle bietet z. B. Ambrogio Traversari in seinen Briefen. Manches
Ipricht ¡ier zugunsten des $yropulos. So, wenn Ambrogio von dem Un-
verstand spri.hì, den einzelné Italiener in ihrem Benehmen gegenüber den
Griechen ìn den Tag legen, oder von der Unzufriedenheit der Griechen
wegen der mäßigen Unterkunft, oder von den Schwierigkeiten wegen
der" zu genehmigãnden Flotte zu ihrer Heimreise.t In anderen Punkten
erfährt Sytopolor peinliche Korrekturen. So hinsichtlich seiner Klagen
tiber die Veìschleppung des Konzils, ùber die Verlegung nach Florenz, ¡ Eine Gegenüberstellung seines Referates und des Beriqhtcs der sog. griechisclten
oder über die sÑung Traversnris nach Florenz zur Beibringung von Akten i¡ber die I. Sitzung in Ferrara zeigt das deutlich.
Frag-
theologischen Handschriften.s Einen kleinen Beitrag liefert auch ein Acta graeca 3o (Lab bê XIIL 48), Syropulos VI. r7, p. tó6,
mcnt äes päpstlichen Sekretärs Lapo da Castiglionchio, eines Erzfeindes ... òge ll.e t fi,ùy,lna dítq r4peí- (i. e. àyån4t)
der Griechen.a ogai xal èu mîg ô¡¿l,([eou ì€ ,ipZñc s' ruílrcYa èv,tfi
pêygt r êIovç ôtà naoõv tõr'(t¡tí¡ocuv 7Í xcl¿ an,(tQ-
Wie es bei den Memoirenrverken die Regel ist, so schöpfte auch yv4olag xal xa$ap.dç, I yav tflt' d'ya'
n4t tqpeîtl.
Syropulos ftir seine Darstellung aus dem Hörensagen als seiner hauptsäch-
Acta graece 3o (tabbc XIII. aB). Syropulos VI. I7, p. t67.
lic¡sten Quelle. In ihrem ganzen Umfangc brauchen derartige Nach- , , .6rt rouloó¡tc\a toùç l,óyoug ntpl . ,1øev 6rø3 Poúi.çtut
richten gaì nicht falsch zu sein; es ist aber sehr wahrscheinlich, d¿ß es tfis è;! tÇ ,øappóAo¡ ¡'er,opbqe ngyli- reaì : tòv )'óyov notqøa-
oft geno"g auch leere Gerüchte waren, die ihm zu Ohren kamen und die '4,q9 ot¿ pl ôeov¡Qg êytvexo, pqôt 8Ë1v oïàt t oùx Êiiil atitoí1 èv
öl,aç yevéøïat. tcp o eh'at.
er ni'elleiJht um so lieber in sein Werk aufnahm, wenn sie seinem
Zwecke
selbst Augenzeuge. lm Acta graeca 3r (Labbé XIIL aS). Syropulos VL I7, p. t67'
dienlich sein konnten. Für vieles ist Syropulos
¿o,i'åi ^

übrigen fehlte es ihm auch nicht an geschriebenen Quellen. Ftir die Vor-
ù '"{¿ilJii!"'ì!f¿
e$¿¿ ¡rírc d¡6ó-
g.r.ti.ht., die er bietet, stützt er sich auf archivalische Unterlagen' So 7'ù,p
uc$a ¿r

t.n,.rkt er, daß er Einsicht in Papstbriefe nahm, die er in einem Kodex


vereinigt fand, in welchem sie zu seiner Zeit noch allgemein zugänglich
waren.ó Für die Begebenheiten während des Konzils benutzte syropulos
I Gottlob 4., Àus den Rechnunesbüchern Eugens IV. zur Geschichte des Floreu- Einzelne ALtenstücke können sie in den
sriechischen .{Lten in ihre wiederfinden' So
tinums. Histo¡isches Jabrbuch Ërwähnt er eingangs einige
noch Acta greeca 299 (Lab ,f *ìi'þ;i*¡Íi,Í;"'f"3:'¿"å'.t'ixIi!"*,Ti: im Zusamn¡enhãng-bringên.
die Akten nachher
folgen.
813' 89r4n.oorosii
Epistula e (ed, Mchus) I. 3r col. 6o sqq, vII' ¡z col, 34r, I. ¡¡ Acta graeca 3r f. (Labbé XIIL 49).
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{o'o3
t','n-
ADtrOV
lopev
Syropulos' Abfassungszeit. Bessarions und Amirulzes' Beitrãge. 76
7* ¡' Die Quellen zur Geschichte des Ko¡zils'
seinem kirchlichen Standpunkt und seiner Absicht, sich vor der Mitwelt
Gelegerrheit, Aktenstücke bei Syropulos wierlerzutnden. Manche sind utrs
zu rechtfertigen, auch erklärlicl¡ erscheinen, werum er mit dieser bitteren
Galle schrieb.
Wir erwähnten schon oben als rveitere Quelle Bessarions rDog-
matisches Schreiben an Alexios Laskaris<.1 Mit diesern wollte
Bessarion seinen Adressaten von der Wahrheit des abendl¿ndischen Dogmrrs
überzeugen. Er widmet deswegen unter anderem auch dem Verlauf des
Unionskonzils einige Kapitel. Um diese handelt es sich auch hier als
Quelle. Wie schon angedeutet, haben wir es bei ihnen nicht mit einer
eigentlichen historischen Arbeit zu tun; denn das We¡k ist eher eine
Zweckschrift, in der Bessarion neben der Rechtmaßigkeit des Konzils auch
für seine eigene Haltung auf dem Konzil eintreten will. Bessarion ent-
stellt die Tatsachen dabei nicht; er ft¡hrt aber nur an, wâs fúr ihn von
Wert ist. Das meiste wissen wir schon von anderer Seite her. In ei-
nigen Punkten liefert er uns eine willkommene Bestätigung von Nach-
richten, die wir von Syropulos haben. Zu beachten bleibt aber, daß Bes-
sarion auf denr Konzil noch nicht in dieser Vy'eise die Lage der Dinge
und die Tragweite seiner eigenen Leistungen beurteilte, wie das uns in
der Schrift entgegentritt. Diese Geistesverfassung stammt erst aus einer
späteren Zeit, ntchdem er sich längst zur lateinischen Auffassung in allen
Punkten bekehrt hatte. Hiernach sind auch seine Ausführungen zu be-
werten.
Ähnlich wie Bessarion war Georgios Anrirutzes schriftstellerisch
tätig, aber im unionsfeindlichen Sinne. Er verwirft die Union mit Rom.
Seine Schrift IIe pl rõu èu ti¡ iÞTogtatluV aatóðE oa¡tptpq*ótaa
treoóv tt, önep èoûv oïovcl xdQnoç tñs
,jpõv ngoa,gÉàeuç tì¡v dyánqv ô4laô4' war seither nur dem Titel nach bekannt.2 Ich fand sie in der Biblioteca
Vallicellana zu Rom und hatte Gelegenheit, sie im Oriens Christianus erst-
mals zu veröffentlichen.s Dem Inhalte nach ist sie bei weitem keine hi-
storische Arbeit, sondern eine Parteischrift, die das Konzil und seine Ab-
machungen als nichtig hinstellen v,'ill. Im Ton wird sie da und dort
sogat at Schmähschrift. Trotzdem liefert auch sie noch einige Beiträge
ayaTl,
Syropulos Yl, t7, P. 167- zur Geschichte des Konzils, wenn sie auch ebenso vorsichtig aufzunehmen
Acta graeca 3z (Labbé XIII.49). ist wie die Denkwürdigkeiten des Syropulos, in dessen Fahrwasser Ami-
. . . 6t, napÉPLerPcr' fi'Pla.Pa'ixì¡ èx7
xLqøia tiv dytinr¡v, xal ÛrcIú9q xøl n rutzes segelt,
ête4tq.
. . ,\tr dtaxal'ou¡téu4 ufu fi'Pøpatx)
ìxxinoia cùv tóte xatal,etgïtíoql' úy'i-
n4t, èonui,ôaoettr'ivø 'ê1.9opcv Èv¿aõ$a '''
úg å'ydnqç ngooêögapct'
es Kaisers und des Patriarcheu über das
ãfO, vgt. dazu Acta graeca 295' 296

oa\fiy1o póvov ttp ôtt¡yripan 'ìc àyü-


roa I'OyOO.
z. Druckausgabe:
Oriens Christianus VIIL (t9r9) p.20-15.
?6 z' Zsr Yorgeschichte des Koozils' Unionsverhandlungen unter Martin V. Neue Verwickluugen. 7'l

Eoenfalls im gegnerischen sinne geschrieben sind die Berichte des angeknüpfteu Verhendlungen setzten sich auch unter Martin V. nrit guten
Slmeon von Susdal, der mit Isidor von Kiew über Aussichten fort. Das päpstliche Schreiben, das Johannes Eudaimon aus
russischen Klerikers
den Landweg nach Ferrara kam und seine Reise beschrieb.l Große Be-
Rom mitbrachte, rief in Konstantinopel lebhafte Freude hervoq denn der
Papst redete den Patriarchen mit seinem offiziellen Titel an und nannte
deutung hatiiese Quelle nicht, da sie vom Konzil selbst nur einenVor-
grng der vierten öffentlichen Sitzung berichtet.t Ähnlich wie diese ihn Bruder. Man habe daraus geschlossen, sagt Syropulos, daß der Papst
q"if. ^î,ist die Reisebeschreibung eines Anãnymus von russiscber Herkunft.E auf eine Union hinarbeite.l Allerdings war die Union in Konstantinopel
Ftir die Geschichte des Konzils selbst kommt die Schrift Sinreons von weit nehr Gegenstand des Interesses, als Syropulos hier zugeben n:öchte;
man betrachtete sie in den politiscb und kirchlich maßgebenden Kreisen
Susdal ¿llenfalls in Betracht, wo es sich um die russische Vertretung auf
.lem Konzil handelt. Ihr Wert wird aber noch durch <ìie subiektive Dar'
sogar als dringend notwendig.2 Papst Martin V. schickte nochmals einen
Legaten im Jahre t4zz; aber alle Bemühungen scheiterten an dem über.
stellung sowie durch eine Reihe von Nachlassigkeiten und Irrtünlern
lauten Nationalbewußtsein der Byzantiner. Dazu kamcn noch äußere
herabgesetzt.
Hemmnisse: Kriegsgefahr, ein llegierungswechsel in Byzanz und Meinungs-
2. I,tt Yorgeechtchte dee Konzllc.
verschiedenheiten zwischen Kaiser und Patriarch. Schließlich starb auclr
Der Gedanke an eine wiederveréinigung mit der abendlândischen Martin V. (zr. Febr. r43l). Die griechischen Gesandten hörten vo¡r
Kirche wollte in Byzanz nicht mehr verstummen. Nachdem die Union seinem Tod, als sie eben von Konstantinopel unterwegs in Gallipoli an-
von Lyon QzTa-ï) in so tragischer weise ihren Abbruch erlebt hatte, legten, und gaben deswegen ihre Weitþrreise auf.
kam es doch immer íi.d., i.u.', Anknüpfungsversuchen, die schliefì- Damit war die günstige Aussicht auf baldige Union wieder ge-
"o
lich unter dem Pontifikat Eugens IV. (r43 t_-4ù zu rlen Verhandlungen schwunden. Denn unter Martins Nachfolger trafen die von Byzanz alr-
auf dem Unionskonzil von Fãrrara-Florànz ftihrten.n Die Anfange dieser bald wieder aufgenommenen Verhandlungen sofort auf die denkbar un-
erneuten Beziehungen gehen zurück bis in die Tage des Konstanzer Kon- günstigsten Verhältnisse. Nicht genug, daß schon in Byzanz die Wünsche
zils. Damals schon eÃchienen auf den deutschen Reichstegen Gesandte der einzelnen Parteiungen weit auseinandergingen und das Zustandekorumen
aus Konstantinopel, unr die politische Seite des kirchlichen Unternehmens des Werkes der Union von vornherein bedrohten, luch im Abendland
zu klären. Kaiser Sigismuni hatte sich in verschiedenen Schreiben an wurde der kirchliche Friede gestört. In Basel tagte seit 4. März r43 r
Kaiser Manuel über die Lösung der Frage ausgesprocben' Das Konstanzer das Reforn:konzil mit dem Ansprucb, die Oberleitung in der Kirche zu
Konzil selbst empfing mehrmãls Gesanâtschaften vonr Kaiser und Patriar- verkörpern. Vollends verworren wurden die Zustände, als das Konzil nach
chen. Wir stellen iuch fest, daß die Griechen darnals 36 Artikel nacb seiner Auflösung durcb Eugen IV. am 18. Dezember, ohne ar¡ ein Aus-
Konstanz schickten, um eine Verständigung in die Wege zu leiten'ã Die einandergehe¡r zu denken, die Gescllafte ¡tur um so beharrlicher weiter
besorgte. So gab es dso zwei Stellen, mit denen rlie Griechen in weitere
Verhandlungen treten konnten, und doch wollte keine von beiden an-
fünglieh auf die Frage eingehen. Eugen IV. bei den schwierigen Ver-
hältnissen nicht jederzeit recht bestimmt in seinen Entschlüssen, empfing
die griechischen Gesandten, die schon bald nach seiner Thronbesteigung
bei ihn vorstellig geworden wAren, mit aller Freundlichkeit und ließ sie
unverrichteter Sache wieder nach Hause gehen.E Aber auch das KonziL
Eugen lV. und das Konzil von B¡scl. Die Auffassuug zu Byzat.z, 79
78 2' Zur Vorgeschichte des Konzils'
hielten, verborgen bleiben mußte. Ganz konsequent ist er sich ebenso-
wiesdieUnionsangelegenheitvonsichabundschobsiedemPapstals wenig wie die übrigen Byzantiner. lìür ihn wie für rlle Anbänger cler
dessen eigentliche Aufgabe zu' Ikrdinal nationalkirchlichen Partei rvar die Existenz eines derartigen Konzils wohl
Basler Synodalen, verwahrte sich in eine deswegen erfreulich, weil es sich gegen den Antipoden des byzantinischen
:rllem Nãchdruck gegen tlie Behandlung Patriarchen richtete.l Möglicherrveise spielte hier auch die überragende
den wohldurchdachten Vorschlag, ntan s Bedeutung cler alten Konzilien mit, die cler Synode von Basel den Schein
,u'"¡"¿. Uti"gen und wegen der-Ùnionsfrage lieber
nach nnclerthalb Jahren
einer höheren Instar:z verlieh. Die politischen Kreipe von Byzanz machten
; ;i;; ; n . u.,' sy n o d e zi a m m e n tr "' n''.,,
s

Tî I äîii"il i;u' ;',i:'.i,:i:i


keinen Unterschied zwischen Papst und Konzil. Wenn sie auch nicht
ohne rveiteres auf päpstlicher Seite standen, so sprâchen sie doch auch
onzil sich von vornherein ein ganz dem Konzil keine Alleinberechtigung zu. Aber sie suchten tus den be-
llt hatte.¡ stehenden Verheltnissen Gewinn zu ziehen. So verhandelte der Kaiser
, als beide Parteien die schwebende anftinglich offen uncl im geheinren mit beiden Parteien und ließ die Ver-
Unionsfrage als ein Machtmittel in i
n'
Denn das war
handlungen mit den Baslern erst fallen, als einzusehen war, daß sich von
klrr: Wer es verstand, ein Werk vo
htlicher Bedeutung
hier aus wenig mehr zu seinem Vorteil erwarten ließ.e Anders der Pa-
zu uerrvirklichen, wie es die Wiede
beiden getrennten
triarch, der von Anfang an gesonnen war, die Union nur mit dern Papst
Kir.i;; darstelltá, dem mußte jetzt diesen innerkirch-
einzugehen unter völligen Ausschluß des widerspenstigen Konzils, ein
ii.f,.n rVirr.n zuiallen. Der Gedanke war in der Tat
sehr weitblickend,
Standpunkt, den er mit aller Hartnäckigkeit verteidigte.c l.'tir den obersten
für die sache; nicht ftir das Basler Konzil'
aber er war nicht von vorteil Hierarchen der byzantinischen l(irche, der sich auf ein und derselben
zuwandte uncl diese doch nur in
das sichdamit ganz tleuen Aufgaben Stufe mit dem römischen Pontifex sah, ist diese Haltung begreiflich. Es
konnte, und noch weniger
Rücksicht auf seine eigene Tetig[eit behandeln war die kuriale Auffassung des Abendlandes, übertragen nuf byzantinische
Eifer' der bei den
ütr ¿f. Unionsangel.g:.nhtit tJlbtt' Denn der neue zu Verhältnisse.
steigerte sich einer
sich streitenden part?ien wach geworden war, Die Schwierigkeiten, die sich bei den Verhandlungen zwischen Þapst,
fieberhaftenHast,mitderdasKonzilden-rPapstunddiesetdeml(onzil Konzil und Byzanz ergaben, waren durch clie ganz verschiedenen Interessen
zuvorzukonnrensuchte.H,skonnteauchdastraurigeSchauspielnichtden der einzelnen Parteien bedingt. Die Griechen hatten die neisten Wünsche,
Parteien
.rrprri ui.iuen, daß unbesonnene organe der streitenden
Boden vor den Was hier noch rveniger hervortrat, waren die Ansprüche hinsichtlich der
innerkirchlichen Konflìkt des Abendlandes
auf fremdem
hierarchischen Rangordnung gegenüber den Würdenträgern des Abend-
aog.n derer, die gerade versöhnlichkeit vonnöten hatten,
das Beispiel der landes. Das kam noch nach, als erst das Konzil wirklich tagte. Allenfalls
umstäntlen fast zu blutigen
öffentlich zum Austrag brachten, ttnd es unter beanspruchte der Kaiser für seine Person tlas Recht der Einberufung und
Auftritten hätten kommen lasseq'
ie ohnedies schon genug unr ihre innere Einheit
des Vorsitzes auf der Synocle. Hier ftihlte er sich
Gepräge der byzantinischen Welt höcbst benerkenswert
- ftir das archaisierendc
n sich bei dieser iage der Dinge auch wieder - geradezu in
der Rolle eines Konstantin des Großen, zumal er die kommende Synode
den augenblicklichen Auseinandersetzungen des mit denr Konzil von Nikaia verglich, dem er die neue Veranstaltung an
orrang ães Papstes oder des Konzils waren sie Bedeutung noch überordnete.a Trotz alledem hielt man ein gültiges Zu-
zu unerfahren, um sich sofortïit Bestimmtheit
für die eine oder andere
stnndekommen der Union nur für möglich unter Zustimmung und in
fand die Le¡re von der Superioritat
Auffassung ,o .ntr.i.i¿.n. und doch Anwesenheit des Papstes selbst für den lrall, daß das Basler Konzil die
des Konzils ;" ronrt-.Jnopel Widerhall.
Ftir ihre Verbreitung hatte das
Sache ganz in die Fland nahm. D¿s betonten die griechischen Amtsstellen
sich bisweilen bei Syropulos eine
Basler Konzil ,.r,on g.rorgi. So macht
geltend, wennschon
freudige Zustimmung";; d;" ko.nziliaren Forderungen
Abendland in Spannung
ihm ein tieferes V.riendni, ftir die I ragen, die
das

g,ï'
r",iå ro',1"1 tlö.olll
::' : -1;i iål.t
Kenntnis von der Gesamtlage der klrch-
besaß'
l. tzlfr.
Mansi xXX' 4r'
Die Bestreitung der l(osten für das Konzil. 81
80 z' Zur Vorgeschichte des Kon¿ils'
werden noch hören, wie sie dazu schreiten mußten, die kirchlichen Ge-
wicderholt gegenüber den Basler S rätschaften einzuschmelzen. Bereits bei den ersten Anknüpfungsversuchen
der abendländischen Fürsten oder d unter Martin V. hatten sie die Kostenfrage in den Vordergrund geschoben,l
Für das selbstbewußte Reformkonzil und auf dem Basler Konzil machten ihre Gesandten von vornherein darauf
Mcbr Ungemach bedeutete es fü aufmerksam, daß für die Kosten, die ihnen aus einer Reise nach denl
als Konzilsort Konstantinopel verlan Abendlande und dem Aufenthalt in einer fremden Stadt erwachsen würden,
wiederkehrte, bis sie sich mit einer das Konzil aufkonrmen müsse.? Schon während der Vorverhandlungen
erreichen war, zufrieden gaben'2 Vorteile
und Nachteile aus der Lage
mußte das Konzil ihnen mehrfach die Kosten erstatten.s Und in Kon-
Namentlich der schwerfallige
der Ko'zilsstadt lassen ,icÈ leicht ermessen" stantinopel mußte der Konzilsgesandte Johann von Ragusa mit seinen
Körper der bYzantinischen Kirche Geldern ftir die byzantinischen Gesandten aufkomruen. Zwei Gesandte, die
lungen fern von der Heimat geftilr nach B¿rsel gingen, erpreßten sich mehr als die Hälfte der notwendigen
dann der imrnerhin eng umgrenzten Summe.a Ebenso mußte er für die beiden Gesandten Emmanuel und Jo-
drückende Menge lateiniscber Prälate hannes Dishypatos, die nachträglich in Italien gar nicht im Sinne des
Georgios Gemistos den Kaiser zur Vo Konzils arbeiteten, die Beisteuer von je 5oo Dukaten bieten"s Er hatte
des K--onzilsortes war die Maioritet de sogar die Gesandten âuszustatten, die in kaiserlichem Auftrag zu den drei
se zu machen. Gegen allc anfäng- orientalischen Patriarchen nach Jerusalem, Antiochien und Alexandrien
asler zum Schlusse fest an Basel' gingen. Johann von Ragusa war schließlich in peinlicher Geldverlegenheit.6
nz Savoyen.a So überraschend diese
Dem Konzil zu Basel eröffneten sich zur Bestreitung der Kosten
die Wahl der genannten Orte doch
noch die meisten Hìlfsquellen. Kaiser Sigismund hatte, freilich nicht ohne
sich das Konzil samt seinem eigent-
persönliche Gründe, allein schon 2jooo fl. ftir die Griechensache den
eine italienische Stadt genehmigte'
Basler Synodalen zur Verftigung gestellt.z Sie selber schrieben kurzerhand
Denu dadurch begab es sich in den einen Griechenzehnten und einen Griecbenablaß aus.8 Das war alles
"ÏitHrït "'î:t"îå'.i: ,-"i-::;Ï: Eugen IV., weun er sich um die Union kümmern wollte, versagt. Nicht
besaß hier tatsächlich der Papst' Die
nur hatte ihm das Basler Konzil in seinem Refbrmeifer alle Einnahme-
h mit
seinen Wünschen vereinigen'
quellen abgeschnitten, auch aus dem Kirchenstaat floß ihm nichts zu.
achten Aussichten für Konstantinopel
Er war eigentlich in recht klaglicher Lage, In Rom hatte das Volk die
gelegel.tn in Vorschlag'õ
die St¿rdte Florenz, Udine oder sonst einen lltt:,Konzil Herrschaft an sich gerissen. Eugen hatte sich durch die Flucht gerettet.
Angebote von italienischen Steãten, die das in ihren
n.r.i,*i[ig" Dazu bedrohte der Bandenführer Niccolo Piccini das päpstliche Gebiet mit
Mauern wünschten' hatte er in H¿nden' Nahmen die Griechen einen wiederholten, verheerenden Einfällen. Eugen mußte die Einktinfte der
seiner Vorschläge an und kam das Konzil
zustande' so waren die Basler
apostolischen Kammer und einige Dörl'er des Kirchenstaates verpfänden, um
genötigt, zum päpstlichen Unionskonzil zu reisen' Geld ftir die Griechen in die Hand zu bekommen. Es wird erzählt, er
Andersverteiltensichdietasten,sobaldessichumdieDeckungg'ar habe sog:rr die Tiara dafür versetzt.e
konnten hierfür
der Kosten ftir das Konzil handelte. Die Griechen Infolge dieser allseitigen schwierigkeiten zogen sich die verhand-
nichtsleistenuncl*.'."gänziichaufdasAbendlandangewiesen'Wir lungen um das Zustendekommen eines l(onzils sehr in die Länge. An
überraschenden Zwischenfällen sollte es dabei wegen des wettlaufs der
t Syropulos II. rz, p. ro.
r Haller, Concilium Basiliense I.338.
Haller, Concilium Basiliense I. j6z tr.; vgl. auch l, 762, 761. 364. Mansi
XXXI. 255.
¡ Mansi XXXI. 256.
c Mansi XXXI. 257. z6of. 263.
Ìc. sen. saec. XV' l.
24.
- e Mansi XXXI. 256. Haller, Concilium Basiliense I. rzs. rg¡.
I':¡;l'lS+' 16I' Vgl' Ceccôni'E Studi storici sul Con- r__Haller,
Haller. Concilium Basiliense -Concilium Basiliense III. zzo. 2Tt. 277. ñg."'VgI, Ambrosii
- III. 28, Col. r3r. III. Epi_
cilio di'Firenze I. 62. stulae zg, Col. r7z.
a Haller, concilium Basiliense i.
I' Doc' 4ÇYL- 3_38. ^Anrbrosii Epistulae III. 39, col. r49.
: ¿I::åilï.urt','oi',1å,11t;"t concilio di Firenze
L Doc' cxvlll'
e Frommann, Kritische Beiträge 1.6-lB.
s Ççççeni t. strãi ;i;;i;i ;;i õóoiit¡o di Firenze ldohler, (mdinal Bessarion. L 6
82 z. Zur Vorgeschichte des Konzils" - Die Pläne des päpstlichen Legaten Garatoni. 83

beiden Parteien in der abendl¿ndischen Kirche nicht fehlen. Die erste An- freigebig versprochen hatte, war dem, Basler Konzil versagt. Daftir tiberließ
regung zur Wiederaufnahme der Verhandlungen ging vom Basler Konzil man den Griechen die Wahl zwischen mehreren Städten auf italienischem
âus. Am 3o. April 1433 trafen die Gesandten des Konzils, nämlich der Boden. Ftir die Reisekosten und den Unterhalt der Griechen während
Titularbischof von Suda Antonius aus Pera und der Augustinerprovinzial des Konzils wollte man aufkommen. Die Anwesenheit des Papstes konnte
fr. Albertus de Crispis in Konstantinopel ein.1 Feste Vorschläge hatten man in Basel ietzt um so leichter genehmigen, als Eugen IV. schon seit
sie nicht in Händen. In der Hauptsache trieben sie gemäß ihrer Instruk- Jahresfrist (r. August r433) sein Auflösungsdekret gegen die Synode zurück-
tionenz nut' eine eifrige Propaganda für das Konzil in Basel, dessen Vor- genolìln.ìen hatte und wieder dauernd durch seine Legaten auf dem Konzil
rang über den Papst sie vor den Griechen mit aller Nachdrücklichkeit vertreten war. Auf die genannten Bedingungen hin kam in der neun-
geltend mlchtcn. Sie hatten nach dieser Hinsicht schon gut gearbeitet, zehnten Sitzung am 7. September r434 eine Vereinbarung mit den Griechen
als im Spätsommer 1433 auch ein päpstlicher Legat, Cristoforo Garatoni, zustande, und die Gesandten leisteten einen Treueid zur Einhaltung des
in Konstantinopel eintraf.s Garatoni war dazu der geeignete Mann. Er Vertrages.l
war gewandt in Verhandeln. Dazu sprach er lateinisch und griechisch. S¿tmtliche Vereinbarungen blieben jedoch zweck- und gegenstandslos,
Auch die Vorschläge waren gut überlegt. Der Papst bot einfach att, das weil Eugen IV. selbständig dazwischengriff. Eben hatten in Basel die Ver-
Konzil in Konstantinopel abzuhalten. Wenn die Griechen trotzdem auf handlungen mit den griechischen Gesandten begonnen, da sandte auch
das Anerbieten nicht eingingen, so war es nur, weil Eugen ftir sich oder der Papst seinen Legaten Cristoforo Garatoni wieder nach Byzanz, vm
einen KaLdinallegaten den Vorsitz verlangte. Das war den Byzantinern seine früheren Vorschläge in günstigerer Fassung von neuem anzubieten
in ihrer Hauptstadt doch zuviel verlangt. (r3. Juli :ry1,¡). Mit diesem Schritt, der die Tätigkeit der Basler vereiteln
Der byzantinische Kaiserhof wußte in diplomatischer Weise weiter sollte, setzte denn auch das wüste Treiben ein, das den ganzen weiteren
zu verhandeln. Gegenüber dem Papste, an den der Kaiser eine freund- Verlauf der Verhandlungen kennzeichnet. Zum größten Teil lag die Schuld
liche Antwort mitgab, band er sich nicht, und den Basler Synodalen stellte an Garatoni, der auch vor Mitteln gewöhnlicher Art nicht zurückschreckte.
er auf Grund des päpstlichen Angebots Forderungen. Mit den Konzils- Garatoni besaß dieses Mal die weitgehendsten Vollnrachten: Die
boten gingeu auch seine Gesandten nach Basel. Es waren: der Groß- Griechen sollten das Konzil in Konstantinopel abhalten. Der Patriarch
Stratopedarch Dernetrios Palaiologos, ein Bruder des Kaisers, dann sollte selbst den Vorsitz führen. Garatoni begnügte sich, von einer bloßen
dessen Schwiegersohn Dishypatos und der Basilianermönch Isidor, Vertretung des Abendlandes durch einen Legaten des Papstes nebst einigen
Vorsteher vom Kloster des hl. Demetrios.a Sie überbrachten ein Schreiben Prälaten und Theologeî a) sprechen. Das waren Anerbieten, mit denen
des Kaisers mit Goldbulle und vom Patriarchen ein solches mit Bleibulle. die Basler Synodalen niemals Schritt halten konnten. Aber ebenso weren
Am rr. Juli 1434 trafen sie in Basel ein.5 es Versprechungen, an deren Erftillung von den Lateinern wohl niemand
Sie forderten Konstantinopel als Konzilsort und Anwesenheit des im Ernst dachte, und die nie zur Ausführung kamen.2 Auch sonst wußte
Papstes, wenn auch nur in Form einer Assistenz. Aber was Eugen IV. Garatoni seinen Aufenthalt, der dieses Mal durch keinerlei Beobachtung
tDas Datum ist durch die von Haller, Concilium Basiliense I.333 veröffent- seitens irgendeines Basler Sendlings beeinträchtigt wurde, in geschickter
lichten Berichte unzweideutig festgestellt. Vgl. aucir Syropulos II. zr, zz, p, t7 fr. Weise auszunutzen. Er kntipfte mit dem Kaiser von Trapezunt wegen
Zhishmen (a. a. 19) verlegl die Reise auf ein halbes Jahr später und erzielt dadurch
der Unionsfrage Beziehungen an und trat selbst mit den orientalischen
Patriarchen in Verbindung.s Sensationelle Nachrichten über das Basler
Konzil kamen ihm gelegen. So wurde gesagt, die Synode sei bereits
innerlich zeúallen und stehe davor auseinanderzugehen. Garatoni bestätigte
4
6 ense I.
334; daz XXIX.
6i7, auc geblich
unechte end ist
die gute Ü edenen Cluel
struk{ionen II. zì, p, t
bei Syrop n Kardinäle
wesen seie gen anderer
treffen <ier ropulos I.
L c. l, 314.
6r
84 z. Zur Yorgeschichte des Konzils' Maßnal:men des Basler Konzils gegen Garatoni. 85

das gern, ohne irgendwelchen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse Die neuen Vereinbarungen mit Byzanz boten dem Konzil verschiedene
zu tisitzen. Bei vielen fend er auch ein williges Ohr. Das berichtet Schwierigkeiten. Was fùr eine Bedeutung sollte ein besonderes Konzil
unabhangig vort dem konzilsfreundlichen Johann von Ragusa auch
Syro- in Konstantinopel haben, \ilenn nur eine kleine Vertretung der abend-
pulos, der hier vieles selbst mitangesehen hat' lendischen Kirche dort erscheinen durfte? Ökumenischen Charakter besäße
In Byzanz rang sich nur langsam ein Entschluß durch. Das Fehlen es nicht, namentlich solange das Konzil in Basel tagte. Die Beschlüsse
einer zielbewußten Þolitik machte sich gerade so fühlbar wie
im Jalrre mußten also in Basel nochmals vorgelegt werden. Ob das aber noch ge-
zuvor. Der Patriarch war für ein verhandeln mit dem Papst. Der Kaiser schahe? Wird man es überhaupt wagen dürfen, die Glaubensangelegenheit
hätte lieber den Weg über Basel beschritten.2 Schließlich nahm er die von einer so kleinen Vertretung lateinischer Theologen gegenüber einer
Hintertür
üãrrchlage Garatonis an, aber nicht, ohne sich im geheimen
eine erdrückenden Mehrheit von Andersdenkenden fern im Osten zum Austrag
Dishypatos, die
offen zu"halten. Die Gesandten Georgios und Emmanuel bringen zu lassen? Und außerdem noch: Wenn man es zugab, daß ein
nämlich die geheirne Instruktion: einziger pâpstlicher Legat diese dogmatische Angelegenheit in Ordnung
Garatoni an die Kurie folgten, bekamen
fti, ¿.n Fall, daß Papst und Konzil sich ftir ein Konzil in Konstantinopel brachte, was für Folgerungen konnten daraus die Päpste in Zukunlt
nicht einigen können, sollen sie sich an die bisherigen vereinbarungen ziehenll
-
Diese ablehnende Haltung des Konzils bot dem griechischen
scin Spiel
mit dem ñonzil von Éasel halten.s Der päpstiiche Legat,..der Gesandten Georgios Dishypatos Veranlassung, plotzlich den geheimen Vor-
ñ; ;;;"""en halten mochte, sollte erst später weitere Uberraschungen behalt des Kaisers bekanntzugeben. Alle Vereinbarungen mit Garatoni
erleben. wurden damit hinfallig; die Synode nahm neue Verhandlungen nit Byzanz
Vorher liefen aber auch in Basel die Dinge weiter. Um ftir
den in Aussicht und wählte dazu drei Gesandte aus: den Professor der Theo-
Vertrag vom logie Johann von Ragusa aus dem Dominikanerorden, ferner den Kon-
rnit den drei griechischen Gesandten zustandegekommenen
des Papstes zu erhalten, war der Ka- stanzer Domherrn Doktor Heinrich Menger und den Pariser Magister
an die Kurie gegangen. Was wollte Symon Freron.2
eigenen Legaten in diesen Dingen Am 24. Juni r45 reisten sie von Basel ab; am 24. September waren
oniker vorerst eine Zeitlang mit aus- sie in Konstantinopel.s Fast zur selben Zeit, jelzt zum dritten Male, er-
nn entließ ihn der PaPst am t5' No- dchien auch Cristoforo Garatoni mit seinen griechischen Begleitern.a Aus
welchem er in >recht sonderbarer diesem Zusammentreffen war nichts Ersprießliches zu erwarten. Denn
im allgemeinen guthieß'a Die an- jetzt suchten sich beide Parteien auf fremdem Boden gegenseitig euszu-
n Baslern gestört, als anfangs Februar spielen. Wohl tagte das Basler Konzil zar Zeit noch im Einvernehnren
"üi,# mit dem Papst; trotzdem sprach ihm Garatoni in Byzanz jede Befugnis zu
;,î:l., å:î ï1" I fi :,' ft
'.:. :l irgendeiner Beschlußnahme ab. Auch öffentlich hielt er nicht vor Schmäh-
" Abmachungen
erhielten, das alle bisherigen mit dem Konzil widerrief'5 reden gegen die Konzilsmitglieder zurück. Gegen seine offenbaren Ver-
hoch; vollends aber, als Garatoni in leumdungen mußte sogar Demetrios Palaiologos, der als Gesandter das
Begleitern Mitte Marz nach Basel Konzil aus Augenschein kennengelernt hatte, das Wort ergreifen.ó In
Sein Verhalten in KonstantinoPel Italien schon hatte Garatoni mit Mitteln ganz bedenklicher Art für sein
isers. Vor allem wurde gerügt, daß Unternehmen vorgearbeitet. Wie Johann von Ragusa glaubhaft versichert,
daß er von der her-
er ohne Auftrag des Konzils gehandelt habe' und veranlaßte er die Bank der Medici, auf die Anweisungen der Synodalen
!Lrt.it,.nEinhelt zwischen Pa[st und Konzil vor dem Kaiser absichtlich keine Zahlungen zu leisten.o Auf der anderen Seite hielten auch die Basler
nichts habe verlauten lassen'
1 ncilium Basiliense I. zs6 soo.
z lL.zr, p.zo gpà'Iaíur,rti,"Iiptxoç Moyxíp und gprì Ðlaøv. Ygl.
Mansi lhre Instruktionen bei Haller l. c. I. 364-372.
8
fehler.
X.65r.
- Der4. Sept. bei Haller l. c. I. r3o ist wohl ein Druck.
I Syropulos 7I. 25, p, zr. Dazu der ausführliche, farbenreiche Bericht, den
Johann von Ragusa an das Konzil erstattete, bei MansiXXXI. :48-z7z: abgedruckt
auch bei Cecconi L c, I. Doc. I78.
r Syropulos ll,26, p.211.
""""'";'"D;L
Basiliense 29.
I'S-.rt
r.it .n des Kaisers vom 16. N.v, 1434 bei Haller l. c, l. 741. 0 Mansi XXXI. 249. Vgl. Haller, Concilium Basiliense L l3o.
86 z, Zur Yorgeschichte des Konzils. Johann von Ragusa in Konstantinopel, 87

Gesandten nicht zurück. Den Griechen sollen sie gesagt baben, es sei Johannes Dishypatos. Johann von Ragusa, der es voÍzog, in Konstanti-
besser, wenn der Papst bei den Unionsverhandlungen gar nicht zugegen
nopel zu bleiben, mußte zu seinem Erstauríen die Reisekosten, 5oo Ve-
nezianische Dukaten für jeden, auf die Kasse des Konzils übernehmen.
wäre; dann besäße der Kaiser erst seine volle Freiheit.l Daß es auch zu
aufgeregten Szenen zwischen beiden Parteien kam, und daß die Basler Angeblich sollte die Gesandtschaft ein Einvernehmen zwischen beiden
Konzilsparteien herstellen als Vorbedingung ftir alle weiteren Abnrachungen
mit dem päpstlichen Legaten gar nicht sanft umgingen, sagt uns Syro-
pulos.2
mit dem Konzil; in Wirklichkeit hatten die Gesandten die Instruktion,
Byzanz blieb imner noch unschlüssig. Garatoni hatte immer
noch gehörige Einblicke in die Lage der Basler Synode zu nehmen und dann
je nach dem Stand der Dinge mit dem Papst oder dem Konzil weiter-
Aussichten. Er schlug als Konzilsort eine Stadt auf italienischem Boden
vor. Die Synodalen waren nicht so weit gegangen; ihre Gesandten zuverhandeln. Die Hauptfrage blieb der Konzilsort. Für den günstigsten
schlugen Basel vor. Aber das lag den Griechen nicht, vor allem nicht, Fall sollten sie erwirken, daß bis zum Herbst des nächsten Jahres Schiffe
nach dem Bosporos kämen, um die Griechen zum Unionskonzil zu führen.r
weil man sich nur bei vollem Einverständnis von Papst und Konzil einen
guten Ausgang der Sache versprach.s Um aus weiteren Verhandlungen Über die Ausführung dieses Auftrages vernahm man in Konstanti-
ungestört Vorteile ziehen zu können, verstand es die kaiserliche Diplo- nopel lange nichts. Im November 436 hatten die Gesandten ihre Reise
matie meisterhaft, die Sache in die Länge zu ziehen. Wegen eirier Kleinig- angetreten.2 Schon war der Sommer des nächsten Jahres da, ohne daß
keit es handelte sich um einen Forrnfehler in dem Synodalschreiben man irgendwelche Nachricbten hatte. Auf Johann von Ragusa deutete
-
nachByzanz mußten die Basler ihren Gesandten Heinrich Menger Ende man bereits nlit den Fingern. Er sollte für alles verantwortlich sein. Die
November
-
1435 an das Konzil zurückschicken.a So stockten vorläufig merkwürdigsten Gerüchte waren im Umlauf. Beld horte man, die Flotte
die Geschäfte. Es kanr aber noch mehr dazu. Der Domherr ließ fast des Konzils läge schon im Hafen von Genua; bald hieß es, sie sei in
ein Jahr auf seine Rückkehr wârten. In Konstantinopel verbreiteten sich Venedig. Das eine Mal wurde gesagt, Pisa werde Konzilsort; dann FIo-
infolgedessen die wildesten Gerüchte über das Konzil. Die Gesandten renz; dann wieder nach >sicherster Quelle< Padua oder Udine. Freude
hatten darunter mannigfach zu leiden.s Dazu brach jetzt noch die Pest und Niedergeschlagenheit wechselten einander ab.8
âus. Symon Freron wurde ihr Opfer. Das war bereits Ende Juli 1436. Endlich am 3. September r437 lief ein venezianisches Schiff cin, das
außer Garatoni noch die Bischöfe von Digne und Porto an Bord hatte. Sofort
Johann von Ragusa, nunmehr ganz allein, mußte wegen Ansteckungsgefahr
die Stadt verlassen. Unter der Obhut von Kaiser und Patriarch nahm er verbreitete sich die Kunde, daß der Friede zwischen Papst und Konzii
Zufiucht auf den griechischen Inseln. Er dachte schon daran, bei nächster hergestellt sei und daß der Union nunmehr nichts im Wege stehe. Johann
Gelegenheit die Heimreise anzutreten. Da endlich, am 6. September r436, von Ragusa eilte voll Freude den Bischöfen entgegen. Er sah freundliche
kehrte Heinrich Menger iber Durazzo mit der langersehnten Antwort Mienen und hörte so freundschaftliche Worte, daß er an den Nachrichten,
vom Konzil zurück. Seine Ankunft wurde in Konstantinopel mit großer die ihm andauernd aufs neue bestätigt wurden, in keiner Weise zweifelte.
Freude gefeiert. Man läutete die Glocken. Das Tedeum wurde gesungen.6 Die Form der Bullen, die die Bisch<ife mitbrachten, erschien ihm an[änglich
In Wirklichkeit war die Unionsangelegenheit um keinen Schritt weiter- noch auffällig. Doch wußten sie ihn mit dem Hinweis auf die Flast und
gekommen. Das ständige Hindernis wâren immer wieder die Zwiespältig- das Drängen der Geschäfte za beruhigen. Als Ort für das kommende
keiten in Abendland. Zwar war Eugen IV. durch seine Lcgaten in Basel Konzil nannte man ihm Florenz oder Udine" Auch seiner Frage, ob das
vertreten; aber das Konzil war jelzt gespalten. Eine konziliare Mehrheit Konzil sich in seiner Mehrheit dem Papste angeschlossen habe, wußte
und eine päpstliche Minderheit standen sich gegenüber.? Byzanz war des- man geschickt zu begegnen: Die Pars sanior habe entschieden, und diese
wegen zurückh¿ltend. Der Kaiser bestimmte von neuem zwei Gesandte sei gleichbedeutend mit dem ganzen Konzil. Was konnte er weiter ein-
nach Basel, seinen Siegelbewahrer Manuel und den schon früher genannten wenden! Er tat nun selbst sein möglichstes ftir die verr¡eintlich gemein-
same Sache. Er vermittelte zwischen den Spitzen von Byzanz und den
1 Syropulos II.3I, p.3L neu angekommenen Konzilsboten. Er spendete Gelder ftir die verschie-
z Syropulos lI. 36, p. 37 f. densten Zwecke. Einige Tage lebte er in der freudigsten Stimmung; da
I Mansi XXXL z5r. Vgl. Cecconi l, c, I. Io6 n. 7 . Syropulos Il.35, p.16.
Vgl. oben S. 8o n. ¡.
a Mansi XXXL z3r f. Syropulo s 11. z8-17, p. z 7-40.
õ Mansi XXIX. ¡z¡ ff. XXXL z54 tr. Haller L c. I. ,74. Syropulos IL : : t vom 17. November
18, P, 40.
datiert. L Doc.91. Vgl. dazu
6 Mansi XXXI. 256f. Haller L c. I. 574 f. die Ang
Vgl. Ambrosii-Epistulae l. t1, Col. jj. f Att,,., ,. c. r. 1Bz.
'
88 2. Zur Vorgeschichte des Konzils,
Stürmische Auftritte in Basel. Der Ausgang in Byzanz, 89

kam die ganze Flotte unter dem Kapitan Antonio Condolmiere, einern Konzils. Die Konzilspartei verlangte mit geringer Mehrheit als Konzilsort
Verwandten des Papstes. Hauptftihrer der Sendung war der Erzbischof Basel, unter Unständen auch Avignon oder sonst eine Stadt in Savoyen.
Marco Condolmiere von Tarentaise, ebenfalls ein Ncffe des Papstes. Ihm Hinter jedem Nanren standen hier andere Persönlichkeiten. Unverkennbar
zur Seite stand Magister Nikolaus von Cues. Johann von Ragusa eilte, waren auch französische Absichten dabei vertreten. Die päpstliche Obödienz
sie zu begrüßen. Der Erzbischof empfing ihn mit kt¡hler Gelassenheit und erklärte sich ftir Florenz oder Udine und hatte damit die kaiserlichen Ge-
Geringschätzung.l Es folgten die Empfänge.beim Kaiser und Patriarchen, sandten auch auf ihrer Seite. Beide Parteien tagten in getrennten Ver-
und auch hier verstanden es die Gesandten, den wahren Tatbestand und sammlungen. Jede nahm ftir sich das Recht in Anspruch, die wirkliche
gewisse Vorgänge, die ftir die Beurteilung der Sachlage wichtig waren, Synode zu vertreten. Am 7. Junî 1437 verkündeten sie in feierlichen
zu verschleiern. Sie berichteten von den Vereinbârungen ftir die Unions- Sitzungen ihre Dekrete über das Unionskonzil und die überftihrung der
verhandlungen, von der Wahl des Konzilsortes, wie wenn alles im besten Griechen nach einem geeigneten Hafen. Schwierigkeiten erhoben sich erst
Einvernehmen erfolgt wäre.2 Nanrentlich mahnten sie zur Eile, da die mit der Besiegelung ihrer Bullen. Der Mehrheit war es mit List gelungen,
Schiffahrt vor Winter noch günstig sei. das Siegel des Konzils anzulegeu. Die Minderheit griff zu einem Gewalt-
Bei Johann von Ragusa war die anfângliche Freude längst gewichen. rnittel und ließ auf Anstiften des Erzbischofs von Tarentaise die Siegel-
Er hatte seine ernsten Bedenken; aber es wollte ihm nicht gelingen, dieses kiste in der Nacht erbrechen.l Nun erfolgte die Ausrüstung beider Flotten.
Gewebe von Verheimlichung und Verstellung zu durchschauen. Einen Daq päpstliche Geschwader sammelte sich in Venedig; die Schiffe des
Monat lang hatte er der Sache zugesehen, da nahm alles plötzlich eine Konzils lagen etwa doppelt so stark in Genua. Beide Parteien suchten
überraschende Wendung. Von Per¿ ward die Kunde hereingebracht einander zuvorzukommen. Doch erlitten die Synodalen infolge widriger
war am 3. Oktober - es
eine zweite Flotte beabsichtige, im Hafen von Zwischenfälle und Intrigen des Erzbischo[s von Tarentaise eine solche
-,
Konstantinopel vor Anker zu gehen. Einzelnachrichten wußten bald zu Verzögerung, daß sie einen vollen Monat später als ihre Gegenpartei in
ergänzen, daß man es mit der wirklichen Flotte des Basler Konzils zu Konstantinopel eintrafen.2
tun habe. Mit einem Male begann sich jetzt Licht tiber das Bisherige zu Hier rangen nun beide Parteien mit aller Anstrengung um die Ent-
verbreiten: die zuerst gelandeten Abgesandten waren von der päpstlichen schließung der Griechen. Johann von Ragusa suchte nochmals die Sache
Minderheit des Konzils geschickt, und Johann von Ragusa war einer wohl- des Konzils zu retten. Wenn der Kaiser nach Basel käme, stellte er ihm
berechneten Täuschung zum Opfer gefallen. Zur ersten Überraschung vor Augen, brächte er der abendlândischen Kirche damit den Frieden.
kam noch eine neue Bestürzung, als der Kapitan der päpstlichen Flotte Er erinnerte an seine Bemühungen, an seine Geldausgaben. Aber um-
seine Leute zu den Waffen rief, um über die Konzilsfotte herzufallen. sonst; er erhielt nur die harte Abfertigung: Er möge nicht weiter reden.
Der Kaiser verlangte gebieterisch Ruhe und Frieden auf seinem Boden. Mehr als zwei Jahre habe er ihn belastigt, >Magister Johannes, was ich
Der Kapitän berief sich auf seinen Be[ehl, die Schiffe des Konzils, wo er geschrieben habe, bleibt geschrieben.<3 Das war das letzte Wort. Tat-
sie nur finde, anzugreifen und womögiich zu versenken.s Mit Mühe war sächlich hatte sich der kaiserliche Gesandte schon in Basel ftir Eugen IV.
die Ordnung wiederherzustellen. Am nächsten Tag durften die Schiffe festgelegt und erklärt, daß er das Konzil nur in jenen Bischöfen erkenne,
unter kaiserlichem Schutz den Hafen Kynegos bei Konstantinopel an- die auf seiten des päpstlichen Legaten ständen.a Der Kaiser stinrmte trotz
Iaufen. einiger Ausstellungen zu.6 Dahinter stand aber immer noch die alte Un-
entschlossenheit, die den Griechen bis an die Schwelle Italiens folgte.
Was hatte sich im Abendlande zugetragen?
- In Basel war es in
den lagen vom 6. und 7. Mai zu stürmischen Auftritten zwischen beiden
Konzilsparteien gekommen. Es handelte sich um die Wahl des Konzils- t Vgl. Haller, Concilium Basiliense L t57 f.
t S. darüber den Bericht des Erzbischofs von Kreta an den Erzbischof von Ta¡en-
ortes für die Griechen und damit zugleich um die Verlegung des Basler taise,,Haller, Concilium Basiliensr l. 4j5-4j8, sorvie den Bericht der Konzilsgesandten
ebenda V. 274-J57.
t Mansi XXXi. 264. ¡ Mansi XXXL z66 f. Vel. Syropulos IIL r r, p. 55.
2v gl. Cecconi, Studi sul Concilio di Firenze L r87-r89. Cecconi berichtet
{ Mansi XXXI. r383 f., a"bgedíuckt'bei Cecco"i i. ó.'I. Doc, r5o.
über diese Vorgänge, obne nur die leiseste Ahnung von den diploniatischen Winkelzúgen ¡ Mansi XXXI. 257. Syropulos lll. 5, p. 48 f. Vgl. auch die Rede der Ge-
zu haben. sandten vor Eugen lV,, Cecconi l. c. L Doc. rz4.
en
besser n;
s. Ha ns
von R e,
Labb
Für uncl wider das Konzil, Kantakuzenos. 91
90
Gregorios P¿lamas weiterlebte, verweigerten sogar die Herausp¡abe von
3. Die grlechlschen Konzniïi:i::,""JüH;i: theoroglschcr Standpunrt. alten theologischen Kodizes, die man fLir die Unionsverhandlungen brauchte.l
Am treuesten spiegelt sich die Stirnmung der strengen Byzantiner in der
Die Verhandlungen mit Eugen IV. und dem Konzil zu Basel \üeren Darstellung des Syropulos wider, der die vermittelnde Haltung des Kaisers
in Byzanz samt und sonders von politischen Erwägungen âusgegângen. in der bittersten Weise l¡eurteilt. Um die Lage des Reiches zu retten,
Die theologische Frage oder ein kirchliches Bedür[nis war bei der kaiser- hätte man in diesen Kreisen am Ende noch lieber ein Abkorumen mit
lichen Regierung, vorläufig wenigstens, nicht in Betracht gezogeî worden. den Türken gesehen.2 Anders dachte jene lateinerfreundliche Theologen-
Ftir den Kaiser war die Hauptsache, eine genügende Anzahl von Schiffen partei, die seit Bekkos in einzelnen Vertretern immer noch weiterbestand.
und Truppen zur Abwehr der osmanischen Macht geliehen zu erhalterr; Wohl fanden sie einen Rückhalt an der politischen Bewegung; aber ihr
denn die türkische Gefahr war drohender denn je, und die Kassen des Wunsch beruhte auf dognatischen Erwägungen. So fehlte also von dn
Reiches waren leer. Im November t436 schrieb Johann von lìagusa, noch an schon die innere geschlossene Einheit.
ganz unter dem Eindruck der eben gehörten Greuelnachrichtcn, einen Wie rnan über die schwebenden theologischen Schwierigkeiten ge-
verzweifelten Brief an das Konzil, in dem er die allgemeine Stirunrung sonnen war, zeigt eine vorberatende Versammlung, die der Kaiser ge-
schilderte, nach der man für das kommende Frühjahr auf den Einbruch legentlich nit den ftihrenden Theologen veranstaltete.s Es war das zur
der Türken rechnete.l Kein Wunder, wenn in Rcgierungskreisen das Zeit, als die kaiserlichen Gesandten Manuel und Johannes Dishypatos die
Filioque für nebensächlich gehalten wurde. Wie wir von Georgios Scho- letzten Abmachungen im Abendland tra[en, also 1436 aa( 37. Heran-
larios eiumal erfahren, gab es einzelne Persönlichkeiten, die bei den Unions- gezogen twâren die Bischöfe Joasaph von Ephesos und Antonios von Hera-
verhandlungen die dogrnatischen Fragen überhaupt ausgeschaltet wissen kleia, die Staurophoroi cler Kirche von Konstantinopel, unter ihnen Syro-
wollten,z Der Kaiser suchte zwar von Anfang an, den kirchlichen Cha- pulos, ferner Gregorios Pneumatikos und Markos Eugenikos, dieser damals
rakter der Angelegenheit zu wahren, indem er den Patriarchen zu den noch einfacher Hieromonachos, außerdenr noch einige theologisch ge-
Empfängen und Beratungen mit den Vertretern des Abendlandes heranzog. schulte Laien wie Johannes Kantakuzenos und Georgios Scholarios. Es
Auch mußten Fasten, allgerneines Gebet und Prozessionen angesetzt werdeu, handelte sich um die Art und Weise einer dogmatischen Vereinbarung mit
um die Stimmung im Volke zu wecken.s Aber mehr als dekorative Be- den Lateinern" Leider ist uns das Gutachten des Markos Eugenikos nicht
deutung besaß das alles nicht. Ein wirklich entscheidendes Wort wurde überliefert.
dem P¿triarchen nirgends zugestanden, und von den übrigen Bischöfen Kantakuzenos verlangte vor allem, daß auf dem Konzil stets die
war kein einziger herangezogen worden. äußere Form zu wahren sei. Wer die Sache der orientalischen Kirche
Um die theologische Seite des Unternehmens kümmerte man sich gegen clie Lateiner zu verteidigen habe, nrüsse sich versöhnlicher Worte
erst, als die Abmachungen mit den kirchlichen Spitzen des Abendlandes befleißigen. Vor allem sei zu beachten das war sein tieblingsgedanke --,
schon greifbarere Formen annahmen. Da aber zeigte es sich, daß die
-
daß die Trennung durch den widerrechtli chenZasatz eingerissen sei, den
kirchlichen Kreise von Byzanz ganz andere Ziele irn Auge hntten els die sich das Abendland beim Symbolum gestattete. Das sei also euf einem
kaiserliche Regierung. An sich waren die national-kirchlich gesinnten By- Konzil in erster Linie zu behandeln. Habe man darüber nur einmal Klarheit
zantiner, zu denen die meisten Bischöfe und Mönche zäblten, jeder Union geschaffen, dann werde es ein leichtes sein, auch die übrigen Unter-
mit Rom abgeneigt. Gegen eine politische Union sträubten sie sich nicht scheidungslehren zu prüfen. AIso aueh hier wieder die alte Fiktion über
weniger als gegen eine dogmatische Unterwerfung. Die griechischen Bi- den Ursprung des Schismas.
schöfe äußerten laut ihren Unwillen, daß sie in diesen Dingen nicht von 'Iiefer als Kantakuzenos dachte Georgios Scholarios, jener Mann,
Anfang an unr ihre Meinung gefragt worden waren.4 Der Patriarch Joseph Cer als Laie auf dem Konzil von Florenz die Union eine Zeitlang voll
von Konstantinopel zeigte keine recht entschiedene Haltung. Dazu war Herzen unterstützte, der aber als Mönch und Patriarch von Konstantinopel
er schon hochbetagt, als die Unionsangelegenbeiten zum erstenrral an ihn tlie Florentiner Vereinbarungen mit Fi.ißen trat und sein möglichstes in
herantraten. Die Mönche auf dem Athos, in denen noch der Geist eines Kampfschriften und haßerftillten Reden leistete. Dieser krasse Wandel gab

r Mansi XXIX, 664 B. Cecconi l. c. Doc. 93. I Syropulos III.7, p.5r.


,Vgl. die Reden des Georgios Scholarios nùrèp tiprjut¡çc, hsg. im Anhang z Vgl. Syrop ulos IIL 14, p. i8.
zu den Acta g,t^ec^ p. )59, t6o. 3 Syropulos ltl. 6, p.
3 Cee coni l. c. I. Doc. LXXVII. 49 sq.
r Vgl. Syropulos lII. rt, p. 58. a Vgl. Syropulos II" J7, p. )9 sq^.
92
Georgios Scholarios. Gemistos. Amirutzes. 93
1. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z. Konzil,
Mehr als in einer Hinsicht stand im Gegensatz zu Gemistos der
der Nachwelt Veranlassung zu der Hypothese von zwei verschiedenen Per-
Protovestiarios des Kaisers von T'rapezunt, Georgios Amirutzes. Auch
sönlicbkeiten, die denselben Namen geführt haben sollen.l Hier forderte
er war ein theologisch geschulter Laie und wurde als solcher von Johrnnes
Scholarios als Voraussetzung eine tiefgreifende Erörterung der Dogmen.
Palaiologos zum Konzilstheologen berufen. Es scheint, daß er einen ge-
Dann müsse dem eiuzelnen seine völlige Freiheit gesichert werden. Nur
wissen Ntmen besessen hat. Mit Bessarion war er, wie ein Brief zeigt,
so lasse sich die Einigung erreichen. Dagegen seien alle Beweggründe
schon von früher her bekannt.l Wir finden ihn auf dem Konzil auch
rein politischer Art, wie die Ttirkengefahr und eine notwendige militarische
stets auf dessen seite. In der dogmatischen Frage trat er mit den unions-
Unterstützung seitens des Abendlandes auszuschalten. Seine Worte fanden
freundlichen Theologen ftir die Formel ôù uú uloõ ein. Erst in spä-
in der Versammlung allgemeine Anerkennung, nur wurden sie später nicht
teren Tagen verwnrf er diese Lösung und mit ihr die Union, ein Ge-
in allweg befolgt. Georgios selbst hielt sich am wenigsten daran; für
dankenumschwung, der auch seinen sonstigen Launen entspracb.2 Auf
ihn waren nachgerade rein politische Gesichtspunkte ausschlaggebend.
dem Konzil weren Amirutzes und Gemistos mehr oder weniger nritein-
In welchenr Sinne die griechischen Theologen die dogmatische Frage
ander verfeindet. Einmal kam das in heftiger Weise sogar offen zum
zu behandeln gedachten, läßt die Auswahl der theologischen Schriftsteller
Ausbruch.s
erkennen, die als Richtschnur dienen sollten. Markos Eugenikos und sein
Den politischen Absichten des Kaisers entsprach es im übrigen nicht,
Schtiler Georgios Scholarios zogen nämlich in erster Linie den romfeind-
wenn die äußersten Gegner auf dem Konzil das Wort führten. Das ist
lichen Polemiker Kabasilas heran, der in der griechischen l(irche ein
geradezu kanonisches Ansehen besaß.2 Auf dem Konzil beherrschte er
wohl nit ein Grund, daß wir von den griechischen Bischöfen so wenige
Vertreter unter den Konzilstheologen finden. Denn soweit sie als füh-
später die griechischen Theologen der lateinerfeindlichen Ricl:tung voll-
rende Männer eine Rolle spielten) waren sie strenge Gegner jeder kirch-
ständig. Wenn die Unionsverhandlungen von seinem Geiste geleitet werden
lichen Vereinigung. Wohl deswegen sah es der Kaiser auch lieber, wenn
sollten, so lief das ganze Werk auf nichts anderes als auf eine Unter-
die Patriarchen von Alexandrien, Antioclrien und Jerusalem gar nicht in
werfung der lateinischen Kirche unter das griechische Dogma hinaus. Das
eigener Person am Konzil teilnahmen.a So hat er auch einen gewissen
war tatsächlich der Standpunkt eines Markos Eugenikos, der die Synode
Neilos Tarchaneiotes, der als theologischer Berater für die Konzilstagung
als ein Tribunal zu betrachten schien, vor dem sich die abendländischc
Kirche zu verantworten hatte.s
in Vorschlag gebracht wurde, abgelehnt, nur weil er ihn als Anhänger
einer ganz starren Auffassung kannte.6 In einem anderen hatte sich der
Noch eine andere wichtige Persönlichkeit erschien unter den Konzils-
Kaiser allerdings schwer getäuscht. Das war Markos Eugenikos, der
theologen, der Philos<lph Georgios Gemistos, Bessarions Lehrer. Er
auf dem Konzil sein ganzes Können einsetzte, um die Unionsbestrebungen
war ieder Vereinigung mit Rom abgeneigt. Als Kaiser Johannes Palnio-
zum Scheitern zu bringen.
logos t4zr ihn im Peloponnes aufsuchte, urn sein Urteil zu hören, riet er
von einer Fahrt nach Italien dringend ab, und zwar deswegen, weil dann Ein Erfolg war für die kaiserlichen Plene nur zu erhoffen, wenn
maßvoll gesinnte Führer es verstanden, bei den Verhandlungen mit den
die Lateiner in der Überzahl erscheinen werden und jeden anderen Antrag
Iateinischen Theologen eine einigende Formel zu finden. Lange zögerte
überstimmen werden. >Ihr werdet dann nicht zu einer Synode reisen,
der Kaiser mit seiner endgültigen Entscheidung. Schon r¡raren die beiden
sondern zu einer Aburteilung.<t Sollte aber dennoch ein Konzil inr Abend-
Flotten vom Papst und Konzil in Konstantinopel eingetroffen. Die Ab-
land zustandekommen, dann sei vorher zu überlegen, wie man einer Ü[¡er-
reise des byzantinischen Hofstaates und der griechischen BischOfe rückte
vorteilung geschickt begegnen könne.a Das war Gemistos' Rat. Über
bereits in nächste Nähe. Da endlich bestimmte der Kaiser zwei theo-
das Dogma äußerte er sich noch nicht. In Florenz dachte er wie alle
Iogische Sachverständige, die als nqóxpmo¿ auf denr Konzil das Wort ftihren
Byzantiner.6 Erst später griff er einmal zur Feder, um die griechische Auf-
sollten,o zwei Männer, die sich in ihrer unterschiedlichen Eigenart wie in
fassung zu rechtfertigen. Hier spielte aber eine so merkwürdige antike
ihrer kirchlichen Auffassungsweise unter Umständen leicht hätten ergànzen
Denkweise herein, daß ihn auch seine Parteigänger als unbr¿uchbar und
können. Es waren Markos Eugenikos und Bessarion. Um ihnen
gefährlich ablehnten.

1 IV' (t895) 56t-58o. s. ¡p.


ios Scholarios, in der Byz, Zschr. zo) zr
2 tò ßtß)'iov roú àvíou toú KeÊaoiTa'
f.
z abbê 'xul. 48)' Eine derartige Auffassung blickt
noch oft
{ Syropulos VI. ro, p. r55. npóxprtot trupriow èv
ó SÍropulos VIL 8, p. t98. fi ouuóöE.
94 3. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z. Konzil.
MarLos Eugenikos ur¡d Bessarion. 95

Ansehen zu verleihen, übertrug ihnen der Kaiser zwei Bischofsstühle. Markos Mönch geblieben.r Daß Markos Eugenikos, um seine Absichten zu er-
erhielt das unlängst erledigte Ephesos, und Bessarion wurde Erzbischof reichen, sich auch eines ieden Mittels bediente und selbst nicht vor Un-
von Nikaia. Er behielt davon sein Leben lang, auch unter veränderten ehrlichkeiten zurùckschreckte, wie Vast behauptet, ist nicht erwiesen.z
Verhältnissen, den Namen ô Nmalaç oder Nicaenus, wie ihn die Lateiner Wohl trtibt aber sein maßloser, eitler Stolz in etwa das Bild seines Cha-
nannten, wennschon er sein Bistum niemals gesehen haben soll.l In rakters. Eigene Fehler und Schwächen sieht er nie ein. Noch in spâ-
beiden Männern verkörperten sich zwei Gegensätze, die vorl¿ufig zwar teren Tagen sucht er seine Niederlage auf denr Konzil zu beschönigen.
noch nicht offensichtlich hervortraten, später aber dem Gesar¡tbild des Daß der Kaiser genötigt war, ihn rwegen seiner unfruchtbaren Kritik und
Konzils Leben und Farbe gaben. seines starrsinnigen Verhaltens von der weiteren Teilnahme an den Ver-
Markos Eugenikos tritt uns entgegen als eine herbe Natur, die handlungen auszuschließen, htt er vergessen. Er erfindet, er sei aus freien
ftir ihre Umwelt nicht gerade gewinnend sein mochte. Aber er fesselt Stücken ferngeblieben, weil er krank gewesen sei.s Sein Eigensinn wie
durch sein Wissen und seine kühnen Gedankengänge. Seine Ausftihrungen sein maßloser Stolz machten ihn blind gegen alle Gründe seiner theo-
auf den Konzil verraten sofort einen Verstand von seltencr Sch¡rfe. Mtg logischen Gegner. Ër hat auch das Unionsdekret zu Florenz niclrt unter-
auch sein Beweismaterial zum großen Teil von früheren Theologen seiner schrieben. Er blieb auch nachher hart und unbeugsam und verharrte bis
Richtung herstammen, jedenfalls hat er es jederzeit zu seiner Verfügung zu seinem Lebensende in der Ttennung mit Rom.
und weiß damit geschickt umzugehen. Stets bleibt er der kühle Denker. Neben Markos Eugenikos steht Bessarion, neben dem herben, ab-
Bei ihm gibt es keine Gefühlswerte, keine Empûndsamkeit, nur wasser- stoßenden Charakter das gemütvolle, herzgewinnende Temperament; neben
klare Logik und nüchterne Überlegung. Noch mehr aber ist sein ganzes dem einseitigen Parteiführer der umsichtige Diplomat, dem auch die
Wesen von einer ehernen Willenskraft beseelt, die sich bis zur Hartnäckig- Schwierigkeiten der eigenen Sache nicht verborgen sind; neben dem Po-
keit und zum Starrsinn steigern kann. In jeder Lage bleibt er unerschütter- lenriker der lreniker, neben dem Voluntaristen der ldealist.
lich, selbst da sucht er sich durchzusetzen, wo seine Ansichten in den Augen Es wäre aber verfehlt zu glauben, daß er, der die Union schließlich
des Gegners längst überwunden sind, für ihn allerdings ein Verhängnis.2 in die Wege leitete und es später sogâr zu E,hrenstellen bei den Lateinern
Wohl betont er einmal, man müsse nach der Wahrheit weitersuchen; brachte, auch von vornherein in jeder Hinsicht auf lateinischem Stand-
lber Wahrheit doch nur in seinem Sinne, seine eigene Meinung, zu der punkte sich befand. Seinen eigenen Landsleuten ,war es wenigstens da-
sich die anderen bekehren müssen.8 Der natürliche Ausdruck eines solchen mals noch nicht bekannt, daß er die Lehre der lateinischen Kirche unter-
Charakters ist kalt und frostig. Für gewöhnlich tritt Markos Eugenikos schreiben wollte. Hinsichtlich des papstÍichen Prirnates oder der Erlaubtheit
auch bersch und herausfordernd auf und erschwert so unnötigerweise den des lateinischen Zusatzes zum Symbolum war er bei seiner Berufung wie
Gang der Verhandlungen.a Seinem Gegner gibt er selten ein freundliches auf dem Konzil nicht weniger Grieche als jeder andere Theologe, der
Wort, er behandelt ihn zumeist von oben herab. Wird er angegriffen, aus dem Orient kam,a Er hatte auf dem Konzil und auch nachher noch
dann kann er gereizt und bissig werden.s Durch und durch eine KampÊ eine innere Entwicklung durchzumachen, bis er der Lateinerfreund wurde,
natur, war von ihm für das Zustandekommen eines Vergleichs wenig zu als den ihn seine späteren theologischen Schriften ausgeben. Was er sagt,
erhoffen. beruht aber auf seiner ehrlichen Überzeugung, nur macht er seine An-
Was man an ihm sicherlich anerkennen muß, das ist sein gerader sichten nicht in der herausfordernden Weise geltend wie Markos Eugenikos.
und offener Sinn, mit dem er für seine Überzeugung kämpft ohne Rück- Er ist sich bewußt, daß auch die Lateiner manchen triftigen Grund für
sicht auf anderes, selbst auf die Gefahr hin, seine Anhänger zu verlieren. ihre Anschauung vorbringen können; in späteren Tagen spricht er das
Er scheut sich auch nicht, dem Kaiser offen zu erklären: er müsse seine unumwunden aus. Der Gegner erfährt von ihm vor allem eine vornehme
Erhebung auf den Bischofsstuhl bedauern, wenn das nachtraglich von einern Behandlung.s In die Disputation greift er nie ein. Das war eher die
Verzicht auf seine bessere Überzeugung abhange; lieber wäre er einfacher

{ Acta gragca to5 (Labbê XIII. r5o), vgl. dazu Döllinger, Briefe und Er-
Llårungen ùber die V¿tiLanischen Dekrete, MUnchen r89o, p. 35.
¡ Acta graeca tg. gr. t2j (Labbé XllI. 6o. tr2. gj6).
96 3. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z. Konzil'
Bessarions dogmatischer Standpunkt vor dem Konzil, 97

Starke eines Markos von Ephesos. Dafür versteht er es aber, seine An- Unterscheidung laßt sich machen, insofern der Vater die oberste Ursache
sicht in schöner Fornr darzubieten und durch seinen Vortrag zu fesseln. und Quelle der Gottheit ist.t Auf diesen Sätzen beruht die Reihenfolge
Freilich ist er auf dem Konzil noch nicht auf der Höhe seines Könnens innerhalb derTrinität, wie sie Athanasios un<l Basileios tiefer begründen;2
angelangt; bei seiner theologischen Schriftstellerei kommt das bereits mehr ia, der Bestand der Trinität selber, denn diese wird durch eine andere An-
zum Ausdruck. Am vollendetsten handhabt er Darstellungskunst und nahme sogar schwer gefährdet, da eine Lehre wie die des Palamas folge-
Sprache in seiner Schrift zur Ehrenrettung Platons. Es war das aber erst richtig zum Tritheismus führt.3 Diese Lehrmeinung deckte sich doch
lange nach dem Konzil. Kleinlaut ist Bessarion nicht. Bei aller Zurück- schon vollständig mit der lateinischen Anschauung. Es handelte sich also
baltung von aufgeregten Szenen weiß er doch mit aller Entschiedenheit nur noch um eine endgültige Formulierung, bei der das 3z oder d¿à den
aufzutreten, sei es unr Übertreibungen im eigenen Lager zurückzuweisen,l Sieg davontragen mußte.
sei es aber auch um die Rechte seiner Landsleute wahrzunehmen.z Anders dachte Bessarion, \¡/enn es sich um die F'rage drehte, ob das
Bessarions dogmatischer Standpunkt wird ft¡r die damalige Zeit Dogma auch als Zusatz in das Symbolum aufgenommen werden durfte,
charakterisiert durch eine kleine Schrift zur Verteidigung des Patriarchen oder genauer, ob der lateinischen Kirche beziehungsweise dem römischen
Bekkos gegen Gregorios Pelamas.s Die literarischen Einzelheiten haben Papst das Recht zustand, einen derartigen Zasatz einzuführen. Hierin war
wir in dãm Abschnitt tiber Bessarions theologische Schriften zu behandeln. er, wie sich auf dem Konzil herausstellte, durchaus ein Gegner der latei-
Insbesondere kann die chronologische Einreihung der Abhandlung erst nischen Forderungen. Letzten Endes war es also die Lehre vom päpst-
dort mit Hilfe von weiteren Beweismitteln erfolgen. Hier nur das fertige lichen Primât, wo sich ftir ihn Schwierigkeiten erheben konnten. Doch
Ergebnis, daß Bessarion das Schriftchen vor dem Konzil verfaßt hat, als hoffte er zuversichtlich auf die Einsicht der Lateiner, die seiner Ansicht
er eben Erzbischof von Nikaia geworden war. Die Veranlassung dazu nach in diesem Punkte leicht ein Zugeständnis machen konnten, wenn
hatte Gregorios Pneumatikos gegeben, der nach Bessarions Angaben an nur die Griechen das lateinische Dogma anerkannten.a Wir sehen, es ist
ar:derer Stelle ihn wiederholt zu dieser Arbeit aufgemuntert hat.r Durch der alte Lösungsversuch, den schon Niketas von Maroneia im rz. Jahr-
letzteren Umstand wird manches noch klarer. Es bestand also von Anfang huridert als einen gangbaren Ausweg betrachtet hatte.6
an ein enger Zusammenschluß zwischen den unionsfreundlich gesinnten Trotz dieser vorläufigen Äußerungen hatte Bessarion jedoch in keiner
Theologen. Gregorios Pneumatikos zeigte sich nämlich bald offen als Weise die Absicht, sich auf ein bestimmtes Progranrm festzulegen, von
einen überzeugten Anhänger der lateinischen Lehre. Den Gegnern blieb dem er das Zustandekommen der Union abhangig machte. In der Weise,
das nicht lange verborgen. Syropulos merkt auch diese Tatsache mit wie er seinen dogmatischen Standpunkt umrissen hatte, war immerhin
einer gehässigen Anekdote an.5 Über Bessarion scheint man dagegen in noch reichlich genug Spielraum nach der einen oder anderen Seite hin
weiteren Kreisen lange im ungewissen geblieben zu sein.ô gegeben. Bessarions Gedanke war es viel eher, daß erst auf dem Konzil
Bessarion nracht sich in dieser Schrift hinsichtlich des Dogmas vom durch reifliches Abwägen die richtige Lösung gefunden werden könne.
Ausgang des Hl. Geistes ganz und gar den Standpunkt des Johannes Deswegen betonte er in seinen Reden immer wieder: man müsse ehrlich
Bekkos zu eigen. Das ist um so bedeutsamer, als sich daraus für seinen nach der Wahrheit forschen ohne jede Parteirücksicht und unter Verzicht
theologischen Entwicklungsgang die Tatsache ergibt, daß er schon vor auf eigene, liebgewordene, aber unhaltbare Ansichten.6 Dieser Grundsatz,
dem Konzil von der Alleinberechtigung der lateinischen Formulierung des den er bei Gelegenheit schon vor allen Verhandlungen ausgesprochen hat,
Dognras innerlich überzeugt war. Ein Wandel wâr nur noch nach der zeigt ihn uns in ganz anderem Licht als die gehässige Beurteilung seiner
Richtung denkbar, als etwa durch das Studium lateinischer Schriften eine Gegner. Kann ruan aber Bessarion, weil er nachher den lateinischen Stand-
Vertiefung seiner Auffassung sich erreichen ließ. Die Hauptsache war hier: punkt billigte, einen >kirchlichen Überlauf-ero nennen, r¡'ie ihn seine unver-
ôrà æú u[ori und Èx æõ uloû haben gleiche Bedeutung. Der Hl. Geist söhnlich gebliebenen Gegner brandrnarkten? Wenn seine Haltung auf dem
geht âus Vater und Sohn hervor, aber durch einen einzigen Akt. Eine Konzil von persönlichem Gewinn bestimmt gewesen wäre, dann ja. Aber
¡ Svrooulos VII. 6. p. ¡st. VUI. 2, D, 2rq. t Migne, P. gr, 16r, 248.
? Migne, P, gr. t6r, z6o f.,
, Só in'der ganren i.'sitriirg zu Ferraia. Ácta gr^ec^ 77-12 (Labbé XIII' a Migne, P, gr, t6t, z8z f,
¿ Syropulos X. to, p. zg7,
6 S. oben S, 3r f.
ß Vgl. dazu Migne, P.,gr. :61, jz1C. 3¡78 . 93 h. 6998. ìrcta graeca 9r
(Labbé XIIL I3z). Syropulos Y. 6, p. r r9. irú ber díe Konsekrationsworte(
c. 5o (Text des griechischen Originals im IIl,'Band , Ungedruckte Texte).
ìfohlor, K¡rdinnl Bessnrio¡r. I. 'I
7
98 Die griechischen Bischôfe und Würdenträger. 99
3. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z, Konzil,

es läßt sich nicht erweisen, daß er sich durch Vorteile oder Aussichten Antiochien und Jerusalem hatten ihre bevollmächtigten Stellvertreter
irgendwelcher Art hätte l¡estechen lassen. Die glânzende kirchliche Stellung, geschickt. Die geeigneten Persönlichkeiten hatte ihnen dazu der Kaiser
die er später innerhalb der lateinischen Kirche einnahm, konnte er a)t bestin:nrt, und zwar olìne Mitwissen seines Patriarchen, der sich nachher
Zeit des Konzils noch nicht voraussehen. Dagegen war ihm, wie er selbst trotz aller Einwände der Anordnung zu ftìgen hatte. So wollte es das
sagt, in der eigenen Kirche mit der Erhebung zum Bischof von Nikaia byzantinische Kirchenreginrent. Anfänglich verfügten diese Stellvertreter
eine für sein Alter unerwartete Ehrung zuteil geworden, die ihm bei seinen nicht einmal tiber eine unbedingte Beschlußfähigkeit filr das Konzil.l
glänzenden Geistesgaben die Aussicht eröffnete, noch Höheres, wenn nicht Zu den Bischofen kam noch, wenn âuch nur einfacher Mönch, Gre-
das Höchste zu erreichen.l Auch das hat einen Bessarion nicht zu beein-
gorios Mammas, auch Melissenos, gewöhnlich rnit dem Zusatz Pneu-
flussen vermocht. m atikos genannt. Er wurde Stellvertreter des Patriarchen von Alexandrien

Das Ziel, das Markos von Ephesos verfolgte, war von Bessarions und fand als solcher seinen Platz unmittelbar nach Antonios von Hera-
Absichten gânzlich verschieden. Er wollte in erster Linie seine dogma- kleia. Unliebsame Zusammenstöße mit Markos Eugenikos blieben des-
tische Ansicht zurn Sieg ftìhren. Ein Nachgeben oder ein Eingehen auf wegen nicht aus, zumal Gregorios, wie oben erwähnt, ein Parteigänger
frernde Meinungen kannte er nicbt. Ftir ihn war die Union nur möglich, Bessarions war.2 Schließlich traf noch ein Metropolit und ein BischoI aus
wenn das Abendland clas Dogma und die Forderungen der byzantinischen Georgien ein.
Theologie restlos rnnahm. Nach nlldem hatte die Wahl seiner Persönlich- Von den kirchlichen Würdenträgern in Byztnz (äppweç tfiq èxúq-
keit wenig Aussicht auf Erfolg; im Gegenteil, er mußte von Anfâng an oiaq) waren zur Teilnahrne am Konzil bestimnt: der Groß-Sakelìarios, der
elrer ein Hindernis fur alle Verhandlungen werden. Groß-Skeuopbylax, der Groß-Chartophylax, der Groß-Ekklesiarch, ein
AIlmählich hatten sich in Konstantinopel zwanzig Bischofe eingefunden, An:t, das Syropulos, der spätere Darsteller der Konzilsgesclìichte, bekleidete;
um mit dem Kaiser und dem Patriarchen Joseph von Konstantinopel dann der Protekdikos und der Nomophylax; ferner alle kirchlichen Be-
die Reise zum Konzil anzutreten.2 Die Prtriarchen von Alexandrien, amten âus der Reihe der òggtxtafuoq ausgenolnnlen den Hieromnetnon.
Als Vertreter des Mönchstandes erscbienen mehrere Hegumenoi (Kloster-
t Migne, P. gr. 16r, 46rD vorstelrer), dann noch Sänger (tpákat), eine Reihe von Klerikern und
- 464A.
cllung in den Acta gr^eca 9 (Labbé XIIL TT), dazu ihre Unter-
Unionsdekret. Acta graeca 3ur f. (Labbé XIII. 5r7 ft'.) Vgl.
und Mönchen bis zu clen niedersten Stufen. Sie waren zur Veranstaltung
bei Syrooulos Xll[. r j, p. S9. In der Reihenfolge, die ihnen einer größeren liturgischen Feier unentbehrlich.s
res Bischofsitzes un.l illrer Vertretungen rbwesender Kirchenfürsten Die größte Pracht sollte die byzantinische Kircl¡e vor den Augen
Antonios, Metropolit von I-lerakleia und Stellvertreter des Patriarchen Philo- der Lateiner entfalten. So mahnte der Patriarch, freiliclr nicbt, ohne den
theos von Alexandrien. Widerspruch des Bischofs von Herakleia zu erfahren. Die Wtirde der
Markos, Metropolit von Epbesos und Stellvertreter des Patriarchen Dorotheos
von Antiochien. rnorgenländischen Kirche verlânge das, betonte der Patriarch. Wenn ihre
Dionysios, Metropolit von Sardes und Stellvertreter des Patriarchen Joachirn Bischofe mit Prunk und Glanz auftreten, wird man vor ihnen in Italien
von Jerusalenr.
Dositheos, Metropolit von Monembasir und Stellvertreter deb Patriarchen Ehrfurcht haben. Es entsprach das durchaus der by2antinischen Denl<-
Joachim von Jerusalem. weise, wenn man auch zurzeit arm wâr ultd die glänzenden Tage für
Dorotheos, Metropoìit von'Irapezunt uud Stellvertreter des Bischofs von
I(aisareia. Konstantinopel längst vorüber waren. Man war ia so übel daran, daß
Metrophanes, Metropolit von Kyzikos und Stellvertreter des Bischofs von
Ankyra.
- Bessarion, Erzbischof von Nikaia und Stellvertreter des Bischofs von Sardes
(nach dcssen Tod).
Makarios, Metropolit von Nikomedeia.
Methodios, Metropolit von Lakedaimonia und Stellvertreter des Bischofs von
Nikomedeia.
Ignatios, Metropolit von Tornobos und Steìlvertreter des Bischofs von Niko-
medeia.
Dorotheos, Metropolit von Mitylene und Stellvertreter des Bischofs von Sidos
J<-rasaph, Metropolit von Amaseia.
Damianos, Metropolit der Moldowalachei und Stellvertreter des Bischofs von
Sebasteia.
Isaias, Metropolit von Stauropolis.
Nathanael, Metropolit von Rhodos.
Kallistos, Metropolit von Dristra (Distra).
Gennadios, Metropolit von Gannos. Batona¿ôloa,
7*
100 3. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt.
Die Reise z. Konzil. Die Geldbezùge der Konzilsteilnehmer. Die Ankunft in Venedig. 101

sich der Kaiser von dem päpstlichen Legaten einen Vorschuß von ISooo fl. schon zu wahren, und die Ärmeren hatten das Nachsehen.l Auf die Ver-
geben ließ.1 Alìe liturgischen Goldgefaße, welche die Hagia sophia besaß, haltnisse in der morgenländischen Kirche werfen diese Vorkornmnisse
wurden aufgebracht, um teils zum eigenen Gebrauche während des Konzils jedenfalls'kein günstiges Licht.
lJ

zu dienen, aber noch mehr, um die Bewunderung des Abendlandes zu Endlich nahte der Tag der Abreise. Arn 24. November 1437 lichtete
erregen. Alte Stticke, die nicht mehr den Geschmack entsprac[en, wurden die päpstliche Flotte im Hafen von Konstantinopel die Anker. Das Führer-
,o n.o.n Formen verarbeitet.2 Der Kaiser selbst sorgte für glänzendes schiff hatte den Patriarchen an Bord. Der Kaiser bestieg sein eigenes
Auftreten. Er ließ sich ftir seinen persönlichen Gebrauch kostbare Geräte Schnellschiff. Die Überfahrt nach ltrlien, die Syropulos mit einer un-
fertigen, Schrnuck für seine Wagen und Pferde, alles möglichst teuer. Um glaublichen Breite zu schildern weifJ,z dauerte r¡'eit über zwei Monate.
die Kosten zu bestreiten, zog er sogar Gelder heran, die sonst nur zu Arn 8. Februar 1438, dem aåB$acov toú daattots nach dem griechischen
kirchlichen Zwecken bestimmt waren. Dann wurden feierliche Bittgange Kirchenkalender, lief die Flotte bein Kloster St. Nikolaus auf dem Lido
vefanstaltet, um eine gltickliche Reise zu erflehen, zuerst in der Hagia vor Venedig an.
Die Ankunft der Griechen war tiberraschend. Noch glaubte man sie
in weiter F'erne; noch war der Vertreter des Papstes, der Kardiuallegat
Nicolo Albergati, nit dem Marchese von Ferrera, Nikolaus lil. von Este,
in dessen Stadt das Konzil stattfinden sollte, erst auf dem Wege nach
Venedig; da erschienen zwei Abgesandte, Syropulos und ein Hofbeamter,
im Dogenpalast, um die Ankunft des Kaisers und der Bischöfe der Re-
publik bekanntzugeben. Der Doge begab sich mit den Senatoren sofort
nach dem Lido, um den Kaiser zu begrüßen. Alles vollzog sich genau,
wie es die Hofetikette von Byzanz vorschrieb.s Tags darauf, am Sonntag
den 9. Februar, hielt der Kaiser seinen Einzug in die Lagunenstadt. Der
Empfang vollzog sich unter Aufwand aller Pracht. Der Doge fuhr mit
Auf den Einspruch des Patriarchen, der sogar drohte, nicht zum Konzil dem Senat auf dem Staatsschiff dem Kaiser entgegen. Dann hieß er den
zu gehen, erwiclerte er kühl: er solle nicht eine solche Menge unnùtzer fremden Herrscher und seine Bischöfe mit umständlichen Worten noch-
Kleiiker mitnehmen. 7oo Geistliche seien vorgesehen, nicht mehrl Wenn mals willkommen. Das Volk, das am Ufer stand oder auf leichten Gondeln
seine Listen noch eintnal nachgeprüft würden und nur die befahigten mit- nach Venezianer Art hinausgefahren \¡r'ar, brach in Jubel aus. Musikkapellen
gingen, dann reichten auch iene 6ooo fl. Kantakuzenos pflichtete ihm bei spielten allerorts. Die Glocken wurden geläutet. Der Kaiser fuhr auf
inð u.t*i.r auf die vielen persönlichen Ausgaben des Kaisers, der seine dem Canale Grande durch die Stadt bis zur Rialtobrücke. Dann führte
Trireme ganz auf eigene Kosten hatte ersteìlen lassen. Der Patriarch gab ihn der Doge nach dem Palast des Marchese von Montferrat, wo er
sich aber nicht zufrieden, er erwiderte ebenso schlagfertig: Der Kaiser Wohnung nahm. Der Patriarch stieg im Kloster San Giorgio ab.
Erst am nächsten Tag kam der Kardinallegat. In seiner Gesellschaft
reiste auch der Kamaldulensergeneral Ambrogio Traversari, dem es der
Papst als besondere Aufgabe zugedacht hatte, den nicbt leichten Verkehr
zwischen Griechen und Lateinern zu vermitteln. Daß die Wahl gerarle auf
seine Persönlichkeit gefallen war, läßt die Wichtigkeit dieses Mannes ahnen.
Traversari war schon von Jugend auf ein begeisterter Griechenfreund. Er
war Humanist und besaß als solcher vor allem einen lebendigen Sinn ftir
die griechische Literatur. Er meisterte ihre Sprache derart, daß er es fertig

1 Svropulos III. r8, P. ó1.


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100 3. Die gr. Konzilstheologen. Bessari<lns theol. Standpunkt. Die Reise z. KonzìI. Die Geldbezùge der Konzilsteil¡rehmer. Die Ankunft in Venedig. 101

sich der Kaiser von dem päpstlichen Legaten einen Vorschuß von r5ooo fl. schon zu wahren, und die ilrmeren hatten das Nachsehen.l Auf die Ver-
geben ließ.1 Alle liturgischen Goldgefäße, welche die Hagia Sophia besaß, heltnisse in der morgenländischen Kirche werfen diese Vorkornmnisse
wurden aufgebracht, um teils zum eigenen Gebrauche während des Konzils jedenfalls'kein günstiges Licht.
zu dienen, aber noch mehr, um die Bewunderung des Abendlandes zu Endlich nahte der Tag der Abreise. Arn 24. November 1437 lichtete
erregen. Alte Stticke, die nicht mehr denr Geschmack entsprachen, wurden die päpstliche Flotte im Hafen von Konstantinopel die Anker. Das Fûhrer-
zu neuen Formen verarbeitet.z Der Kaiser selbst sorgte für glänzendes schiff hatte den Patri¿rchen an Bord. Der Kaiser bestieg sein eigenes
Auftreten. Er ließ sich für seinen persönlichen Gebrauch kostbare Geräte Schnellschiff. Die Überfahrt nach Italien, die Syropulos mit einer un-
fertigen, Schrnuck für seine Wagen und P[erde, alles möglichst teuer. Um glaublichen Breite zu schildern weilJ,z dauerte u'eit über zwei Monate.
die Kosten zu bestreiten, zog er soger Gelder heran, die sonst nur zu Arn 8. Februar 1438, dem aaB$anv toõ daatov nach dem griechischen
kirchlichen Zwecken bestimmt waren. Dann wurden feierliche Bittgange Kirchenkalender, lief die Flotte beim Kloster St. Nikolaus auf dem Lido
veranstaltet, um eine gltickliche Reise zu erflehen, zuerst in der Hagia vor Venedig an.
Sophia, dann im Kloster rõu'O6qyõu. Allen Gebeten wurde die Bitte Die Ankunft der Griechen war überraschend. Noch glaubte man sie
hinzugefügt: >Wir flehen um Frieden, um eine glückliche Fahrt, um Er- in weiter Þ'erne; noch war der Vertreter des Papstes, der Kardinallegat
neuerung und Einigung der Kirchen Christi.<3 Nicolo Albergati, mit dem Marchese von Ferrara, Nikolaus III. von Este,
Wie kleinlich nan aber sonst in Byzanz dachte, zeigen die Streitig- in dessen Stadt das Konzil stattfinden sollte, erst auf dem Wege nach
keiten, die sich noch kurz vor der Abreise zum Konzil wegen Verteilung Venedig; da erschienen zwei Abgesandte, Syropulos und ein Hofbeamter,
der päpstlichen Gelder zwischen Kaiser und Patriarch entspannen. Von im Dogenpalast, um die Ankunft des Kaisers und der Bischöfe der Re-
den r5ooo fl., die der Kaiser erhalten hatte, überließ er dem Patriarchen publik bekanntzugeben. Der Doge begab sich mit den Senatoren sofort
zur Verwendung für die Bischöfe und den Klerus nur 6ooo fl. Seinen nach dem Lido, um den Kaiser zu begrüßen. Alles vollzog sich genau,
Bruder, den Despoten Demetrios, hatte er mit zooo fl. bedacht, und die wie es die Hofetikette von Byzanz vorschrieb.s Tags darauf, am Sonntag
Apokrisiarier, also kaiserliche Beamte, hatten rooo fl. in Empfang ge- den 9. Februar, hielt der Kaiser seinen Einzug in die Lagunenstadt. Der
nommen. Die übrigen 6ooo 11. waren ftir die kaiserliche Hofhaltung. Empfang vollzog sich unter Aufwand aller Pracht. Der Doge fuhr mit
Auf den Einspruch des Patriarchen, der sogar drohte, nicht zum Konzil dem Senat auf dem Staatsschiff den Kaiser entgegen. Dann hieß er den
zu gehen, erwiclerte er ktihl: er solle nicht eine solche Menge unnützer fremden Herrscher und seine Bischcife mit umständlichen Worten noch-
Kleriker mitnehmen. 7oo Geistliche seien vorgesehen, nicht mehrl Wenn mals willkommen. Das Volk, das am Ufer stand oder auf leichten Gondeln
seine Listen noch einmal nachgeprüft würden und nur die befähigten mit- nach Venezi¿ner Art hinausgefahren vr'ar, brach in Jubel aus. Musikkapellen
gingen, dann reichten auch jene 6ooo fl. Kantakuzenos pflichtete ihm bei spielten allerorts. Die Glocken wurden geläutet. Der Kaiser fuhr auf
und verwies auf die vielen persönlichen Ausgaben des Kaisers, der seine dem Canale Grande durch die Stadt bis zur Rialtobrticke. Dann führte
Trireme ganz auf eigene Kosten hatte erstellen lassen. Der Patriarch gab ihn der Doge nach dem Palast des Marchese von Montferrat, wo er
sich aber nicht zufrieden, er erwiderte ebenso schlagfertig: Der Kaiser Wohnung nahm. Der Patriarch stieg im Kloster San Giorgìo ab.
nröge nur die Zahl seiner Janitscharen verringern. Schließlich bat er noch- Erst am nächsten Tag kam der Kardinallegat. In seiner Gesellschaft
mals unr die Überlassung einer größeren Sunrnte, aber der Kaiser gab reiste auch der Kamaldulensergeneral Ambrogio Traversari, dem es der
nicht nach. Er verfügte, daß die reicheren unter den Bischöfen von den Papst als besondere Aufgabe zugedacht hatte, den nicht leichten Verkehr
päpstlichen Geldern keine Zuweisungen erhalten dürfen; sie hnben von zwischen Griechen und Lateinern zu vermitteln. Daß die Vy'ahl gerade au[
ihrem Besitz an die weniger dotierten Bischofe eine Abgabe zu leisten. se ine Persönlichkeit gefallen war, Iäßt die Wichtigkeit dieses Mannes ahnen.

Einzig der Patriarch solle eine Vergünstigung haben. Ihm wies er noch Traversari war schon von Jugend auf ein begeisterter Griechenfreund. Er
rooo fl. zu, damit er sie für sein eigenes Haus und seine nähere Um- war Humanist und besaß als solcher vor allem einen lebendigen Sinn für
gebung verwende. Trotz aller Verordnungen gingen die Bischöfe aber die griechische Literatur. Er meisterte ihre Sprache derart, daß er es fertig
ihre eigenen Wege. Die Machtigeren unter ihnen wußten ihre Vorteile
r Syropulos III. t8, p. ó3.
I Syroþulos llli 17, p.62. Syropulos liefert hier und sonst merkwürdige Be-
weise fùr seinen Aberglauben.
s Syropulos II'I. 18, p.
-xal 63. ...'&r ôeó¡te,9a ózà9 elgrit,t¡s, eio6,ìøeaç, ôtog-
$óotøç, bvdoco¡ç roit.èxxl,r¡ouív roõ XEotoí.
Y
102 ,. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt' Die Reise z' Konzil.
Die Griechen in Venedig. Ambrogio Tr¿versari' 103

die Zeremonien, die die Stadt zu Ehren des eben angekomntenen Kardinal-
brachte, eine erstaunliche Reihe von Übersetzungen aus griechischen Klas-
legaten entfaltete. Viel trug zu ihrer freudigen Stimmung auch die Gast-
sikern uud vor allem von den Kirchenvätern zu liefern. Selbst bis zu den
freundschaft der Venezianer bei, die sich nicht genug tun konnten, diese
Byzantinern stieg er herab. So gab er die Schrift des Manuel Kalekas,
Adversus errores Graecorunl de Processione Spiritus Sancti lateinisch Fremdlinge mit auserlesenen Speisen zu bewirten und in feinen Wohn-
räumen unterzubringen.l Aber auch, was Venedig wieder mit ihrer eigenen
wieder. Wir sehen, es sind Fragen, die sehr eng mit der Unionsange-
legenheit zusarumenhängen. Sie hatten Traversaris Interesse auf das leb- Kultur verband, wußten die Griechen genau zu beobachten. Hier fiel
hafteste in Anspruch genonrìren. Das zeigte sich auch auf dem Konzil ihnen besonders der Markusdom auf, den der Patriarch und seine Um-
zu Basel, wo er voil Eilèr ftir die Union der Griechen tätig war. Seine gebung eingehend in Augenschein nahm. Der Stil des Baues erinnerte
Briefe geben maunigfaitige Einblicke. Ihn zog Lust und tiebe zur Sache. sie sofort an die Heimat, an ihre Hagia Sophia. Heute noch überrascheu
uns die fremdartigen Bauglieder, die teilweise wie die Säulen der Fassade
Der Papst hatte Anrbrogio den Auftrag gegeben, den Kaiser und die
aus dem entlegensten Orient hergeholt sind. Die älteren Mosaiken irn
Biscböle nrit einer griechisclten Ansprache zu begrüßen' Er trug die Rede
Innern sind ia rein byzantinischen Stils. Syropulos schildert hier seine
bei sich. Aber sie wurde nicht gelialten. Die K¿rrdinäle hatten anders
Eindrücke. Er kann es aber dabei nicht unterlassetr, mit bissigen Worten
bestimrnt.l Drltir ließ es sich Tr¿vers¿rri lebhaft angelegen sein, mit den
zu bemerken, daß die Lateiner diese Herrlichkeiten samt und sonders von
Griechen persönliclr bekannt zu werden. Er wurde vom Kaiser emp-
ihnen gestohlen hätten. Manches sei aus der Hagia Sophia, und an an-
fangen, er k¿m wiederholt zum Patriarchen. Überall scheint er die besten
derem will er noch griecbische Inschriften und die Namen der Komnenen
Eindrücke hinterlassen zu haben. Er selbst besrß Weitblick genug, um
gelesen haben, wie bei dem Bildnis des Evangelisten Markus, dessen Her-
die frenden Gepflogenheiten richtig zu werten. Dafür geben seine Be-
kunft aus dem Kloster toú Ilavcoxqátogog ihm damit erwiesen war'2
richte und Vorschläge an Eugen IV. den besten Beweis.2 Tatsächlich war
Mitten in dem fremdartigen Zauber von Venedig, als man sich eben
der K¿rnaldulenser der einzige, der den Griechen in Venedig und auf ihrer
rüstete, zum Unionskonzil zu gehen, erhob sich in den Reihen der Griechen
lìeise nach Ferrara als Dolmetscher mit Liebe und Verständnis zur Seite
nochmals die alte Frage, ob man zu Eugen IV. gehen soll, oder ob es
staud.s Der alles wissende Syropulos weiß hiervon nichts zu erzählen.
doch nicht besser sei, nach Basel zum Konzil zu reisen. Der Kaiser wie
Auf die Grieclren übte die fremde Stadt einen unbeschreibbaren Reiz der Patriarch hatte zwar die feste Absicht, nur mit dem Papst weiter zu
eus. Sie waren überrascht von dem eigenartigen Stâdtbild, das heutzutage verhandeln; sie entschieden sich auch, mit dem päpstlichen Legaten Nic-
den Freruden noch ebenso fesselt. Die Paläste, der Reichtum ihrer Be- colo Albergati das Konzil in Ferrara abzuhalten. Als eben noch die Ver-
sitzer, der äußerlich schon in den künstlerischen Fassaden zum Ausdruck handlungen schwebten, versuchten die Basler Synodalen nochmals ihre
kam, die kostbrre Innenausstattung des Dogenpahstes, die Mannigfaltigkeit Sache zu retten. Noch war die endgültige Antwort nicht gegeben, da
und der bunte Schrnuck, wie er vor lllem an San Marco zu sehen war, steckten sie den Griechen ein Sendschreiben zu, das sie in ihrem Sinne
all das beri.ihrte sie lebhaft. Ailes war für sie treu: das Leben und Treiben beeinflussen sollte. Der Versuch kam zu spät. Der Kaiser schien zwar
aui den Straßen; die Höflichkeitsformen, mit denen der Doge sie begrüßte; schwankend geworden zu sein. Aber der Patriarch war beharrlicb' Er
verlangte nur, daß auch die Bischöfe des Basler Konzils nach Ferrara ein-
geladen würden. Die unionsfeindlichen Elemente unter den Griechen
suchten dagegen die allgemeine Beunruhigung zu fördern. Sie wären
lieber nach Basel gegangen.t Auch Syropulos gehörte dazu. Er kann die

CLXXXIV.
Vgl. urnrentlich Anrbrosii Epistulae I. 3o, C-ol- 58 sqg.; I' 3-r, Col. 59 s-q-q.
Über seine"Uuionsbestrebungen iu frtihérer Zeit L t9, Col. 4r; l. 26, Col. 5z sq.; III.
r5. r6, Col. rz3; III. 27, Col. r1r.
I Anriales Forolivienses bei M Scr
tonr. XXIL CoI. I35 sqq. Die X. Feþruari um
el se cttnlttlil Ferrariae in concilio, PosLridi sttt,t
Cuius audilor, et interþrts erot dettotus ornt de
carutt, et latinnrum peritíssimus,
-r-

104 3. Die gr. Konzilstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z, Konzil.
Kardinal Cesarini" Der Empfang in Ferrara. 10ö

Bemerkung nicht unterlassen, daß in diesem Augenblick die Gelder, die Hier kam es nun beim Empfang und vorher zu Zwischenfällen, die
Garatoni reichlich verteilte, ihre Wirkung taten und den Kaiser sich langsam das Verbaltnis zwischen beiden Kirchen grell beleuchteten. Eugen lV. sah
wieder für den Papst entscheiden ließen.l Besser werden wir über diese sich dem Patriarchen von Konstantinopel gegentiber wie einem seiner
Zwischenfälle von Traversari unterrichtet, der selber bei allen Verhand- abendländischen Bischöfe" Er verlangte von ihm den Fußkuß.1 Wer will
lungen als führende Persönlichkeit zugegen war.2 es dem Patriarchen verargen, wenn er sich beharrlich weigerte? Er ftihlte
Von größter Bedeutung ïvar unter diesen Verhältnissen die Sinnes- sich als das Haupt der gesamten morgenländischen Christenheit, die Rom
änderung bei Kardinal Giuliano Cesarini, der am r9. Februar von noch nicht unterstand" Die uralten Ansprüche von Byzanz, die man in
Basel her in Venedig eintraf. Cesarini war eines der geistig bedeutsamsten Rom vergessen zu haben schien, fielen mit in die Wagschale. Den Ab-
Mitglieder des Kardinalkollegiums. In Basel hatte er sich von Anfaug an gesandten des Papstes gab Patrìarch Joseph die kurze Antwort, an solche
unter der Gegnerschaft Eugens IV. gefunden. Nun hatte er dem Konzil Gewohnheiten werde er sich nicht halten. Er sei kein Untergebener des
den Rücken gekehrt und vertrat ganz und gar den päpstlichen Standpunkt. Papstes. Er hatte überhaupt zu bemängeln, daß zu seinem Empfang nur
Fra Ambrogio hatte recht, wenn er den Papst Jazu beglückrvünschte;e Bischöfe gekonrmen seien" Seiner Würde hätte es wohl entsprochen,
denn für Eugen war dieser unerwartete Gewinn kaum zu berechnen. Auf wenn ihm ein Kardinal die päpstlichen Wünsche überbracht hette.
die Griechen übte der Übertritt des Kardinals den größten Eindruck aus. Als die Forderung des Papstes unter den Griechen bekannt wurde,
braclr eine helle Empörung unter ihnen aus. Der Bischof von Trapezunt
Am 28. Februar brach der Kaiser von Venedig mit seinenr Gefoige
eilte zum Patriarchen, um ihn in seinem Verhalten zu bestärken. Der
auf. Die Reise ging zunächst zu Schiff den Po aufwärts bis Francolino,
Kaiser legte bei Eugen ganz entschiedeneVerwahrung ein. Dem Patriarchen
wo ihn der Marchese von Ferrara erwartete. Den übrigen Teil des Weges
legte er zu Pferd zurück. Der Empfang in Fertara war würdig, aber ab-
ließ er sagen, daß er auf keinen Fall nachgeben dürfe.2 Der Patriarch
selbst erklärte, er werde nicht eher seinen Fuß ans Land setzen, als bis
gemessen. Der Papst war schon lnwesend. Er empfing den Byzantiner
man ihn seinem Rang entsprechend zu behandeln gewillt sei. Der Papst
in seinem Palast. Als Johannes Palaiologos das Knie vor ihm beugen
mußte nachgeben. >Zeremonien sollen bei dem Werk der Einigung kein
wollte, ließ es Eugen nicht zu; er reichte ihm die Hand, die der Kaiser
Hindernis w€rden,( ließ er den Patriarchen beschwichtigen.
ktißte. Dann ließ er ihn, während die Kardinäle zum Fußkuß zugelassen
Das stellte die äußere Harmonie wieder her. Indes der Empiang
wurden, zu seiner Linken sitzen.a
am nächsten Morgen zeigt doch, wie sich beide innerlich gegenüberstanden.
Der Patriarch, der wegen Mangel an Fahrzeugen noch bis zum 4.Merz
Frühmorgens wâren vicr Kardinäle mit Nikolaus von Este erschienen, uttt
in Venedig geblieben war,6 legte die ganze Reise auf dem Wasserwege
den Patriarchen abzuholen. In Ferrara war dann sofort sein Emplang
zurück und traf am 7. März im Hafen von Ferrara ein.
beim Papst. Sechs griechische Bischöfe, darunter Bessarion und Markos
Eugenikos, ïvaren mitgegangen. Alles vollzog sich in enggemessenen
Formen. Der Patriarch ktißte den Papst auf die Wange. Dieser blieb
drbei stehen. Die griechischen Bischofe empfing er darauf sitzend. Sie
kt¡ßten Wange und Hand. Einige begnügten sich mit Handkuß oder Knie-
beugung. Die Unterbaltung zwischen beiden Kirchenfürsten war kurz und
hrlcbst offiziell. Die Griechen waren überrascht zu sehen, daß der Thron-
sessel des Papstes viel höher war als der ihres Patriarclten, der hier auf
derselben Stufe saß wie die Kardinäle.e
Das waren die ersten Eindrücke. Die Griechen waren froh, als sie
s Am bros wieder entlassen wurden und ihre Wohnungen aufsuchen konnten. Am
ii Epistulae I. 3r, Col. 58.
r Acta gr^eca 5 (Labbé XIIL Tz). Hier wird dieser Empfang mit Vorbedacht
ganz ausführlch geschildert, während Syropulos IV. r.8, p. 9o nur -den freundlichen ïJnrç
Émpfang durch ãen Marchese von Feríara'erwähnt. Übei díese Reise s, auch Am- ìxðÐt anáo¡
brosii Epistulae ll. 25, Col. 96; X, rr, Col. 466; XlY, ro, CoL 652. xaro Hafen
õ Actâ gr^ec^ 4 (Labbé XIII.
9). Syropulos IV. 18, p. 9o berichtet da- von Fe Xa¿QE-
gegen von Meinungsverschiedenheiten. Die griéchischen rlkten suchen das offenbar zu rrcpì'u
verbessern.
, Syropulos lV. z¡. p. 95 tr,
7

106 ,. Die gr. Konzitstheologen. Bessarions theol. Standpunkt. Die Reise z. Konzil.

nächsten Tag, am 9. März, \ryollte der Patriarch in seinem Palaste die


griechische Liturgie in feierlicher Vy'eise abhalten, weil es Sonntag war.
Aber wie groß war wieder das Erstaunen der Griechen, els sie dazu eigens
die Erlaubnis von Eugen einholen mußten. Die lateinischen Kanonisten
hatten sie auf diese Notwendigkeit verwiesen.l Voller Erwartung sahen
b. In Ferrara.
die Byzantiner dem weiteren Verlauf der Dinge entgegen.
1. Grlechen und Latelne¡. Bcssarlon und lllarkos ßugenlkos.
r Syropulos lY,21, p' 98 f. Àcta graeca 7 (Labbé XIII' t1)'
Ferrara \par zur Zeit des Konzils noch eine enge, ûnstere Stadt,
ohne jene Paläste und Gartenanlager.r, die erst die Renaissance des aus-
gehenden r5. Jahrhunderts als gänzlich neuen Stadtteil geschaffen hat. Es
stand aber bereits das trotzige Kastell, das mit seinen wuchtigen Türmen
noch heutzutage die Stadt beherrscht, damals freilich mit noch ernsterem
Gepräge als heute; denn die Renaissance hat auch hier die alte Bauweise
vielfach anruutiger gestaltet. Es stand auch schon der Dom, an dem ro-
manische und gotische Formen ineinander spielen. Er stammte aus dem
r3. Jahrhundert und wrr dem hl. Georg, dem Schutzpatron der Stadt,
geweiht. Seit Anfang Màrz r438 entfaltete sich nun hier ein frrbenreiches
Bild. Neben dem Purpur der Kardinäle und dem violetten Talar der
lateinischen Prälaten sah man die griechischen Bischöfe in schwarzem
Talar und blauer Cappa rnit weißen und purpurnen Säumen, auf der Brust
das Kreuz mit Iìeliquien. Daneben ihre Welt- und Klostergeistlichkeit in
schwarzem Talar und grauem Habit mit Ärmeln, die bis über die Hände
reichten.
Die Griechen v/¿lren in bedenklicher Minderheit. Waren doch I6o
lateinische Vâter zum Konzil erschienen. Allein 9 Kardinäle waren um
den Papst versammelt; und die Griechen hatten im ganzen mit ihrem
Patriarchen nicht mehr als zo Bischofe. Zu ihnen kam noch das welt-
liche Gepränge von Byzanz. Der Kaiser selbst, eine hübsche Erscheinung
mit l:rngen Locken und Spitzbart,l wie sein Bruder, der Despot Demetrios,
in Purpur gekleidet. Sein milit¿risches Gefolge und seine weltlichen Rat-
geber, unter denen der greise Georgios Gemistos wohl am meisten Auf-
sehen erregte, alles in erborgtem Glanz und erlo¡¡ener Herrlichkeit. Dazu
noch der Despot von Serbien, stattliche Vertreter aus Trapezuut, aus Ge-
orgien und aus der W¿lachei.2 Die theologischen Fuhrer der Griechen
nit Markos Eugenikos und Bessarion an der Spitze kennen wir bereits.
Unter den Lateinern traten bald hervor der tüchtige Kardina[ Giuliano
Cesarini, der erst vor kurzem dem Basler Kouzil den Rücken gekehrt
I Sein Bild auf einer Denkmünze von Vi ttore Pisano (Pisanello) im National-
museunr zu Florenz. Eine Abbildung bei Rauschen, Illustrierte Kirchengesclticlrte,
Mùnchen, r9rz, S.34o. Vgl. auch Bartolot.uneo di Michele del Corazzo it't
seinem Diaiio Fiorentino (Archivio storico ltaliauo. Vol. XIV, Ser. Y. p, 271-zg8)
p.297.
z S. Andreas de S. Cruce, Mansi XXXI. 1416 ff'
--

108 ¡. Griecheu und Lateiner. Bessarion und Markos Eugenikos. Die Konzilstheologen der Lateiner. Klagen der Griechen. 109

und sich auf die Seite des Papstes gestellt hatte. Ferner der Dominikaner verlegenheit, da der Kirchenstaat von feindlichen Truppen besetzt war,
Andreas von Rhodos, der Dominikanerprovinzial Johannes de Monte und andere Geldquellen flossen nicht mehr infolge der Verhältnisse, die
Nigro und Johannes von Torquemada, ein Augustiner-Eremit. Soviel, das Basler Konzil geschaflèn hatte. Mit den Zahlungen an die Griechen
unr nur die bedeutendsten unter den Doktoren der Theologie zu nenncn. war die päpstliche Kammer bisweilen im Rückstand, was .immer wieder
So waren endlich die Vertreter beider Kirchen, die sich seit Jahr- Anlaß zu neuer Unzufriedenheit bot. Syropulos spiegelt am besten die
hunderten nicht hatten verstehen können, beieinander, unr die große Kluft Stimmung der Griechen wieder, wenn er aus diesen Vorkommnissen sofort
zu ùberbrücken. Ob aber der Riß in der kulturellen Einheit zwischen den an sich uugerechtlertigten Schluß zog, daß Eugen IV. durch absicht-
Morgen- und Abendland nicht zu tief ging, um ihn mit einer Aussprache lichc Hintanhaltung der Gelder auf die Willfahrigkeit der Griechen einen
über die strittigen Dogmen der beiden Kirchen zu heilen? Und waren Druck rusüben wollte.l
sich dielenigen, die hier zusammengekommen waren, auch der welt- Die Träger zweier frender Kulturen traten ohne inneres Verständnis
geschichtlichen Bedeutung des gewaltigen Unternehmens bewußt? Äußerlich einander gegenüber. Diese Fremdlinge in Ferraia, die sich als die Erben
war alles Denkbare geschehen; was sich aber bei allen Bemühungen nicht der alten griechischen Bildung fühlten, sahen voller Geringschätzung auf
hatte erreichen lassen, das war die innere Harmonie der Geister. Kühl ihre neue Umgebung. Das Volk, das aus Schaulust zusammenströmte, um
und fremd standen sich beide Parteien gegenüber. den Patriarchen in seinem eigen:rrtigen Aufzuge zu sehen, betrachteten
Den Griechen gebrach es von vornherein an Vertrauen. Abgesehen sie rls eine blöde, gaffende Menge ohne jede höhere Bildung.2 Von den
von der tiefgreifenden Spaltung im eigenen Lager, die vorlaufig noch nicht lateinischen Mönchen wußte rnan sich in diesen Kreiseu zu erzählen, sie
zum Ausdruck gekommen war, sahen sie doch voll Beklommenheit auf hätten von dem Dasein und dem lnhalt der alten Konzilsakten bis dahin
die Überzahl der Lateiner, die ebenso wie die strengen Byzantiner von noch keine Ahnung gehabt und seien voll Staunen über das Wissen der
ihren Forderungen keinen Zoll breit zurückzuweichen dachten. Dazu die griechischen Tbeologen.s Sich selber wollten sie aber nicht eingestehen,
ihnen angeborene Kleinlichkeit, die so recht die letztetr Abkömmlinge daß ihnen die abendlöndische Theologie ebenso unbekannt gewesen ist,
einer großen Kultur kennzeichnet. Von Anfang an verfolgten sie mit Miß- sonst hätte später ein M¿nn wie Markos Eugenikos die vorgehaltenen Beleg-
trauen jeden Schritt, den die päpstliche Konzilsleitung unternahm. In der stellen aus den lateinischen Kirchenvätern nicht kurzerhand als Fälschungen
eifersüchtigsten Weise wachten sie darüber, ob ihnen auch überall das erklären können.a Es dauerte lange, bis sich bei einzelnen von ihrren der
gebtihrende Maß an Achtung und Ehre erwiesen würde. Wir hatten das Gedanke tlurchzusetzen vernlochte, daß unter den Lateinern ebenso tüch-
bereits beim Empfang ihres Patriarchen zu beobachten. Jetzt kam es zu tige Theologen zu finden seien, die sogar mit den griechischen Väter-
Rangstreitigkeiten um den Vorsitz, den die Griechen für ihren Kaiser schriften vertraut waren. Bessarion, auch hier wieder die vermittelnde
beanspruchten. Die Lateiner beriefen sich mit Erfolg auf die Akten der Natur, war einer der wenigen, der das erkannte und auch öffentlich aus-
frühereu Synoden.r Dann kam es zu Auseinandersetzungen wegen der sprach. Gelegentlich hören wir auch, daß der Kaiser das Wissen eines
Sitzordnung der Bischöfe und schließlich auch noch wegen des Versamm- Cesarini oder Capranica sch¡itzte.5 Aber die Mehrzahl w¡rr für solche Zu-
lungsrrumes. Eugen hatte die Versammlungen in seinenr Palaste an- geständnisse unzugänglich.
geordnet; die Griechen erwarteten sie in der Wohnung ihres Patriarchen.s Wie gaben sich aber die Lateiner? Viele ließen es auch bei ihnen
Die allgemeine Lage brachte naturgemäß allerlei Unbequemlichkeiten an der nötigen Wärme fehlen. Man hielt diese fremden Gäste nur zu
mit sich; aber die Griechen führten in ihrer üblen Laune und gescbäfts- schnell für eigensinnige Querulanten, die gar kein so ausgezeichnetes Ent-
mäßigem Eigennutz alles sofort auf die böse Gesinnung des Papstes zurück. gegenkomnren verdienten. Auf ihre Klagen hörte man nicht gern. Man
Die ersten Klagen begannen twegen ihrer Wohnungen in Ferrara. Dann kann es den Griechen nachfühlen, wenn sie auf ihre Vorstellungerr oft
drehte es sich um Speise und Trank. Bot ihnen der Marchese Verpflegung
in Naturalien, dann nahmen sie lieber Geld, und stellten sie sich dabei r eschichte
schlecht, rveil die Lebensmittelpreise infolge des starken Andranges in die desFlor sche Bei-
lräge16 f. Acta
Höhe gingen, so machterr sie wieder den Marchese dafür verantwortlich.s graeca 8ll.8gl.
Es war hier schwer zu helfen. Denn der Papst war selber in Geld-
I
s
. 85).
r Acta graeca 8 (Labbé XIII. I7). 6 Syropulos X, 3, p, z8z. Acta graeca
¡ Syropulos VI. r4, p. r6r. Vgl. Acta graeca zo (Labbé XIII. 35). 164 (La
3 Syropulos lV. 28, p. ro4.
Griechen und Lateiner' Bessarion und Markos Eugenikos'
MißstimmungderLateiner. VermittlungsversucheTraversaris' 111
110 r.
paarte sich kirchlicher Weitblick mit einem zur Versöhnung neigenden
Temperament. Vorlaufig war Bessarion zwar der einzige, der solche
Worte fand. Mit der Zeit tibte er aber einen ganz nachhaltigen Einfluß
auf einen Kreis von ähnlich gestimmten Männern aus. In römisch-kurialen
Kreisen war es Ambro gio Traversari, der die bestehende Kluft zu
überbrücken suchte. Das hing mit seiner Begeisterung für Literatur und
Sprache der griechischen Vorzeit zusammen; er war Humanist und batte
Klassiker wie Kirchenväter in nicht geringen Umfange ins Lateinische
übersetzt. Die Hauptsache aber blieb: Ambrogio war nicht engherzig.
Seitdem er die fremden Ankömmlinge erstmals in Venedig ¡¡esehen hatte,
blieb er tlauernd mit ihnen in Berührung. Er wußte über ihre Eigentünrlich-
keiten schonend hinwegzusehen und entdeckte manches Brauchbare. Aber
kaum schätzte er einen von ihnen höher als Bessarion. Mit ihm besprach
des Lachens erwelìren.4
genug er gemeinschaftliche Fragen, und in seinem Freundeskreis erzählte er wieder
Zu solchen Urteilen httten die Griechen allerdiugs Veranlassung
von dem hohen Sinn und der umfassenden Bildung des Erzbischofs von
Nikaia. Nach Vergangenheit wie nach Lebensanschauung hatten beide
Männer verwandte seelische Eigenschaften. Auch mit Isidor von Kiew
wurde Fra Ambrogio näher bekannt, und selbst beim Kaiser wie beirn
Patriarchen war er ein gern gesehener Gast.l
So war gerade dieser Kamaldulenser der Mann, der unter den An-
gehörigen seiner Kirche aufklärend wirken konnte, und er ließ es nach
dieser Hinsicht auch nicht an reicher Arbeit fehlen. Dem Papst gegen-
über, dem er als reformeifriger Klostervisitator wie als treuer Anhänger
aus der Zeit des Basler Konzils bekannt war, durfte er sich rückhaltlos
aussprechen. Wenn man etwas erreichen wolle, schreibt er ihm, müsse
man die Griechen mit Achtung gewinnen. Wenn sie leicht zu Klagen
geneigt sind, möge man sich nicht sofort beleidigt zeigen; die weite Reise
und der Aufenthalt im fremden Land habe sie stark mitgenommen. Der
Patriarch sei alt und kränklich; man könne ihn auf rchtzig Jalrre schätzen.
Sein weißes Haar flöße Ehrfurcht ein, und im Gespräch sei er freundlich
und herablassend. Verstöße, die den Griechen gegen die Etikette des
Abendlandes unterlaufen mögar, dürfe man ja nicht übel aufnehmen'
Manche Eigentümlichkeit erkl¿ire sich eben aus griechischer Landessitte.2
Llz ¡. Griechen und Lateiner. Bessarion und Markos Eugenikos' Humanistische Bestrebungen. 113

Wenn damals die deutschen Klöster mit ihren lateinischen Handscbriften


und der gesellige Austausch untereinander das Entzücken der römischen
Humanisten bildete, so war es jetzt die griechische Bildung, die alle fesselte.
Die Grundlage war in Italien schon vorher gegeben. Einige griechische
Wanderlehrer hatten ihre Sprache gelehrt und teilweise die griechischen
Klassiker verbreitet. Es hatte auch Italiener gegeben, die wie Filelfo nach
zu wirken. Angesichts seiner Stellung wie seiner vielseitigen Bildung Konstantinopel gingen, um unmittelbar aus den Quellen zu schöpfen. Aber
konnte er noch mehr auf einen allseitigen Erfolg rechnen. um nähere den meisten blieb das doch versagt. Jetzt brachte das Konzil zum ersten-
Beziehungen mit den Griechen anzuknüpfen, lud er einzelne ihrer ftih- mal die Träger der griechischen Sprache und Kultur in größerer Zahl auf
renden Persönlichkeiten zu sich ins Haus. So hatte er gelegentlich Bes- italienischen Boden. Nicht gerade jeder Bischof, der aus dem Osten ge-
sarion, Gemistos und Amirutzes z\ Gast, um bei gemeinsamer Tafel in kommen war, verfügte über ein Wissen, mit dem das humanistische Ver-
geistreicher Weise mit ihnen philosophische Fragen auszutauscben.z Be- langen hatte befriedigt werden können. Und doch waren sie nicht zu
achten wir, daß gerade zu dieser Zeit das Verlangen nach Platon neu er- unterschätzen. Traversari steht hier mit seinem Urteil nicht allein. Ge-
wâcht wer, und daß die humanistische Welt besonders von einem Georgios rade ein Lapo da Castiglionchio, der ihnen sonst weniger freundlich ent-
Gemistos neue Aulschlüsse erheischte. Wir werden hierüber noch lus- gegentrat, stellt den griechischen Bischofen ein rühmendes Zeugnis aus.
führlicher vernehmen. In
allem spielte im Augenblick noch das Interesse Er vergleicht diese Spätbyzantiner ohne weiteres mit den alten Griechen.
des berechnenden Diplomaten Cesarini mit. Später ergingen derartige Es gebe unter ihnen Leute, die in allen Fächern zu Hause seien. Wenn
Einladungen auch an Markos Eugenikos und dessen Bruder, den Nomo- er sich mit ihnen unterhalte, ftihle er sich zuweilen in der alten Akademie
phylax, dann wieder an den Bischof von Mitylene. Der Patriarch, dem oder im Lykeion.l
alles in abfalliger Weise hinterbracht wurde, war diesen Veranstaltungen Gerade Platon vrar es, über den man im Abendland Aufklärung ver-
abgeneigt und verbot diesen vertrauteu Verkehr. Um so bemerkenswerter langte, und diese konnte vor allem der greise Georgios Gemistos, sowie
ist es bei Markos, der sich nachher als den verbissensten Gegner der Bessarion, der aus dessen neuplatonischer Scllule kam, vermitteln. Gemistos,
lateinischen Kirche offenbarte, wenn er jetzt sich kein Gewissen dârâus der sich damals den Namen Plethon beilegte, hatte bald einen Kreis auf-
machte, gegen den Willen seines Patriarchen der Einladung des Kardinals lnerksamer Hörer um sich versammelt. Namentlich, als das Konzil nach
dennoch Folge zu leisten. So berichtet Syropulos. Florenz übergesiedelt war, wuchs der Zulauf zu ihm" Er machte damals
Markos ging noch weiter; er ließ sich sogar herbei, dem Papst auf auf die grundlegenden Unterschiede zwischen Platon und Aristoteles auf-
Cesarinis Anregung ein wohlberechnetes Schreiben zu unterbreiten, das merksanr. Er verfaßte in Florenz darüber auch sein diesbezügliches Schrift-
auf nichts anderes als auf einen gutgemeinten Vermittlungsversuch hinaus- chen, das Platon über Aristoteles stellte und nachher dadurch so vielen
lief. Die Lateiner sollten, so meinte der Ephesier, das Filioque eus dem Lärm laut werden ließ. Ftir das Abendland ist das alles ¡reu gewesen.
Symbolum streichen und den Gebrauch von ungesäuertem Brot bei der Auch Cosimo Medici, der diesen philosophischen Kreis in seinern Hause
Messe abstellen. Dann halte er die Union für möglich. Vorausgesetzt, und Garten tagen ließ, schätzte diesen platonisierenden Griechen. Au[
daß Syropulos hier genau berichtet, erkennen wir in diesem Vorschlag Gemistos' damaligen Aufenthalt ftihrt Marsilius Ficinus die Stiftung der
eher das Werk des geschickten Diplomaten Cesarini als die wirkliche An- Platonischen Akad¿mie in Florenz zurück. Wir sehen also, die abend-
sicht des Bischofs von Ephesos, Diesem allzu eigenmächtigen Zusammen- ländische Renaissance erhielt durch das l(onzil reiche Nahrung und Be-
gehen wurde ein jähes Ende bereitet, als der Patriarch dazwischenfuhr und geisterung. Freilich verkümmerte nlanches von diesen Neupflanzungen
der Kaiser dem Ephesier vor den versammelten Bischöfen eine öffentliche nach dem Weggang der Griechen wieder. Aber die Gedanken, die einmal
Rüge erteilte. geweckt waren, kamen nicht nlehr wieder zur Ruhe.e
Mit diesen mehr geselligen Zusamn:enkünften zu philosophischenr Eine ebenso wichtige wie interessante Einzelfrage ginge hier dahin,
Meinungsaustausch zeigt sich, daß das Konzil ftir den italienischen Huma- rñ¡as ân griechischen Schriftstellern und Kodizes bei Anlaß des Konzils ins
nisnrus seine besondere Bedeutung besaß. Es wiederholte sich hier ein t L-apo..da Castigli_gnchi_o, De commotlis bei Hodius, De
Schauspiel, wie es etwa z5 Jahre früher das Konstanzer Konzil geboten hatte. Graecìs illustribus p. t36. Vgl. obe-n S- alle von dieser Arr waren,
zeigt Bisch
da-s--Beispiel eines georgischen oteles verachtete. S. Syro-
t Ambrosii Epistuhe XVII. 39, Col, 8o9. pulos IX. t2, p, 270.
r Syropulos IV. 14, p.99;Y.2, p, Ir3f ¡ Nãheres s. unten in dem Abschn Humanist 3. a.
ìfohler, K¡¡dinrl Be¡eanion. I. g
Griechische Handschriften. Verzögerung des Konzils. f15
ll4 r, Griechen und Lateiner. Bessarion und Markos Eugenikos.
in stantinopel gekauft hatte, oder ob er Bessarion gehörte.r Wir hörten schon
Abendland gekommen ist. Manches ist damals wohl zum erstenmal früher, daß derartige Fälschungen in Byzanz g r nichts so Seltenes ge-
Italien wieder bekannt g eworden. Die Griechen hatten zu ihrem Hand-
wesen sind.2 Bemerkenswert bei den Handschriften, die auf dem Konzil
gebrauch nicht wenig an gri echischen Kodizes mitgebracht. Ambrogio in Gebrauch waren, ist auch Bessarions Neues Testament, der heutige
Interesse ent-
Traversari, der cliesen literaris chen Schätzen das lebhafteste Cod. Marc. gr. ro, der zur bequenteren Benutzung die lateinische wie die
gegenbrachte, machte auch hier wieder seine Freunde auf die
Bedeutung
r haben wir in erster Linie byzantinische Kapiteleinteilung nebst einer älteren Einteilung in roter Schrift
dieser FIandschriften aufmerksam Naturgemäß
Einzelne Stellen ihnen am Rande vermerhte.e Wenn wir den Katalog von Bessarions Bibliothek
an die griechischen Kirchenväter zu denken.
aus
werden durchmustern, so scheint doch manches auf dem Weg über das Konzil in
brachten sie in den öffentlichen Sitzungen zur Verlesung. Genannt seinen Besitz gelangt zu sein. Wir hetten diese Handschriften heute in
so: Athanasios,Basileios, die beiden Greg ore von Nazianz und NYssa,
einen Teil der Markusbibliothek zu Venedig.
Maximos der Bekenner, KY rillos von Alexandrien, Mindestens Lateiner und Griechen waren in Ferrara zusammengetreten. Die
bei sich gehabt haben; wir
davon müssen sie in mehrfac hen Handschriften eigentliche Aufgabe des Konzils wurde aber nicht angeschnitten. Miß-
hören, daß sie im Bedarfsfalle sofort zur textkritischen
Untersuc
daß man allein trâuen und Kleinlichkeit herrschte auf der einen Seite, fieberhafte Hast
zweifelh after Stellen sich herbeiließen.2 Bessarion berichtet,
Handschriften und Unnachgiebigkeit auf der anderen. Die Griechen schoben in den
schon von des Basileios Schrift >Geg en Eunomios< sechs Vordergrund, solange nicht alle lateinischen Bischofe vertreteu seien, handle
hatten die Griechen fùnf Exemplare
in ständigem Gebrauch hatte. Davon
es sich um keine ökumenische Synode. Im geheimen hofften sie in den
nach Italien mitgebracht.B Basler Synodalen auf Bundesgenossen, wenn diese ietzt in Ferrara teil-
Neben den Kirchenvätern erschienen spätere byzantinische Theologen nehnren sollten. Auf ihr Eintreffen sollte jetzt gewartet werden. So blieb
wohl zum erstenmal im Abendland. so der lateinerfreundliche Johannes auch Eugen IV. nichts anderes übrig, als das Konzil wunschgemäß ietzt
Bekkos und sein Antipode Neilos Kabasilas.a Selbst ein Historiker noch einmal um vier lange Monate zu verschieben. Die Synode durfte
Hermeias wurde ausgËgrab.n, wenn zwar auf lateinischer Seite, so
doch
Kodizes mit den vorläufig nur durch einen feierlichen Akt im Dom zu Ferrara verkündet
uon .in.* griechischerilionvertiten.s Dazu kamen noch werden. Das geschah am g.April r438.a
Band mit
Akten und Kanones der früheren Konzilien.6 Einen wichtigen Die Zeit zog sich nun hin. Das Osterfest ging vorüber. Weitere
hatte Bessarion ständig in
den Akten der sieben ökumenischen Konzilien Bischöfe stellten sich nicht mehr ein, am wenigsten kam jemand votn
Handschriften text-
seiner Wohnung.? Auch hier hatten nämlich einzelne Basler Konzil. Für den Papst kostete jeder Tag, der untätig verging, eine
kritische Bedeutung. So verweist cesarini auf einen Kodex mit
den Akten
schöne Summe, weil er ftir den Unterhalt der Griechen zu sorgen hatte'5
ãe, VL, VII. und"VIII. Konrils, in denr das èx coõ uáoti von
boshafter
noch zu Dazu war jede weitere Verschleppung ein Wagnis für das Gelingen der
Hand nachträglich ausradiert war, aber so, daß die Vy'orte doch
der die stelle un- Union. Man versteht es, wenn es den Lateinern in den Adern fieberte.
lesen waren. In Anbetracht des lateinischen Textes,
Aber es war nutzlos, wenn sie die gestellte Frist zu durchbrechen ver-
verkürzt las, war das wertvoll, unr so mehr als dieser Kodex aus Byzanz
in Kon- suchten. Ebenso nutzlos war es, wenn Kardinal Cesarini in diplonatischer
stammte. cesarini wußte nur nicbt, ob ihn Nikolaus von cues Weise zu ergründen suchte, wie man in Byzanz sich in etwa die zu er-
strebende Einigung gedacht habe. Anfänglich schwiegen die griechischen
Theologen; dann aber gab ihnen Bessarion, hier der mutige Anwalt seiner
Kirche, offen zu verstehen: >Wir gehen hier auf keine Vergleiche aus;
wir wollen nur die Wahrheit. Mit ihr muf3 die Einigung von selbst
konrmen.<6 Bei den griechischen Bischöfen konnte nichts verfangen. Und
r Cesarinis Brief an Traversari bei Ambrosii Epistulae XXIV. 5, Col' 975 ff.
s S. oben S. zt ff
0 Nàheres s. in dem Abschnitt ùber Bessarions Bibliothek'

8t
Verhandlungen über die Lehre vom Fegfeuer. lL7
116 r. Griechen und Lateiner. Bessarion und Markos Eugenikos.
geäußerten Anschauungen fest: Ein wirkliches Feuer zur Läuterung der
war nur die Annahme einer å,noxatd,õtaoq
Seelen wurde abgelehnt. Neu
der Verdammten.t Dieser Punkt scheint demnach von Markos herzu-
stammen.
Dieser Schriftenaustausch hatte aber ebensowenig wie vorher die
öffentliche Besprechung einen Ausgleich zwischen lateinischer und grie-
chischer Anschauung herbeizuführen vermocht. Inr Gegenteil, die Griechen
wurden im eigenen Lager gespalten. Die-sonst so nüchternen griecbischen
Akten bemerken: xal nú.2'ì¡ èyéueto negì toútou gú,ovewía.z Gregorios
Pneumatikos, der schon während der Verhandlungen mit Markos scharf
zusemmengeprallt war, sonderte sich von da ab offen von ihm ab. Ebenso
wâren Markos und Bessarion von jetzt an verfeindet. Der Patriarch wollte
der Sache noch keine besondere Bedeutung beimessen. Aber es sagt genug,
wenn Bessariqn damals sogar seinen Platz wechselte, um den Ephesier
nicht mehr im Auge zu haben.E

2. Bess¡rlons Rolle bei den nilheren Vorbereitungen aul dle Konzilsverh¡ndlungen.

Die vier Monate, die man das Konzil hatte aufschieben wollen, waren
längst verstrichen. Anfangs August hätten die Verhandlungen beginnèn
sollen; jetzt wurde es Oktober. Die Griechen weilten schon seit acht
Monaten auf italienischem Boden. Vor sieben Monaten waren sie in Fer.
rara eingezogen. Daß sie aber die eigentliche Aufgabe des Konzils in
Angriff nahmen, daran schienen sie nicht zu denken. Ihr Kaiser Johannes
Palaiologos, der den theologischen Probier¡en sehr fern stand, wohnte
während der heißen Jahreszeit in seinem Landhaus weít außerhalb von
Ferraru und ging eifriger Jagd nach.a Mit einer größeren Beteiligung von
papstgegnerischen Elementen hatte man sich im griechischen Lager ganz
gründlich verrechnet. Weder kam jenand von den Basler Synodalen, noch
sonst ein abendlendischer Bischof oder Fürst, der das Kräfteverhältnis ver-
schoben hätte. Das Konzil gewährte auch im Oktober noch denselben
Anblick wie bei seinem Zusammentreten anfangs März. Der einzige, der
das brütende Schweigen unterbrach, war der Metropolit Isidor von Kie't¡'.
Er war am ¡8. August über Riga nach Lübeck und von da auf dem Land-
weg durch Deutschland und Tirol mit großem Gefolge nach Ferrara ge-
kommen. Unter ihnen wâren der Archimandrit Vassian, sowie der Kleriker
Simeon von Susdal, der die ganze Reise beschrieben hat.5

r Svropulos Y, t-7, p. ttr-t22,


r 5ir¡eþulos !, t4, p. rzz.
. í,1i;;Ë. Þ,-nt, lði,'ttti Vgl, seine Worte bei Syropulos V' r¡, p' t3o'
¿ Acia sraeéa ¡ó (Lã6bé XIII. z8 f')'
(Labbé xlll' r9)'
' i;;;p";1";-v'-l+) p'.-tlr-rl+. Acîa gtaeca r7
Vorberatungen <ler Griechen. 119
118 z. Bessario¡s Rolle bei den näherenVorbereitungen auf tlie Konzilsver'handlungen'
Wahl und Reihenfolge der Gegenstände auf dern l(onzil war g Í12
Kein Wunder, vr'enn die Lateiner ângesichts dieser Zustände immer in das Belieben der griechischen Theologen gestellt. Eugen IV. hatte
mehr verärgert wurden. Selbst Fra Ambrogio verlor bereits in den ersten ihnen dieses Vorrecht liüher scbon bereitwilligst eingeräumt.1 Anfangs
Monaten das ehemalige Vertrauen auf einen glticklichen Verlauf der Synode. Oktober bestellte nun Joltannes Paliriologos seine Bischofe zu einer Be-
schon Ende Mai klagte er in seinem Freundeskreis: >Die Sache geht mit sprechung darüber in seincn Palast.2 Den Vorsitz führte der Kaiser.
den Griechen gar langsam voran. Ist es Zähigkeit oder Verbissenheitl Markos Eugenikos und Bessarion warell die mafìgebenden Persönlichkeiten,
Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll! Hoffentlich haben wir die Haupt- deren Wort zuerst gehört werden mußte. Der Kaiser war mit festeu Vor-
schwierigkeiten doch bald hinter uns.< Und im Hinblick auf die eigene schlägen gekontmen. Es handelte sich nur noch darum: Ist das Dogma
Partei entschied Ambrogio, daß es hier an Mut gebrach, einmal selbst- zuerst zu behandeln und dann das Synboiuml Oder umgekehrt? Mehr
bewußt durchzugreifen und dieser Verschlagenheit zu begegnen.l So ur- Rechte räumte die kaiserliche Gewalt auch hier den zünftigen Theologen
teilte der ausgesprochene Griechenfreund und nirnmermüde Vermittler. nicht ein.
Was sollten Leute sagen, die von vornherein den Griechen weniger ge- Bessarion trat r¡it Nachdruck ftir die Behandlung des l)ogmas an
wogen waren? Auch der Papst und die Kardinäle ráaren schließlich dieses erster Stelle ein, einmal aus praktischen Erwägungen und dann - wir
nutzlosen Zuwartens ntüde und drängten auf eine Entscheidung. Eugen IV. weil es so seinen Zielen am besten entsprach. Es
durchschauen ihn
richtete mit aller Nachdrticklichkeit eine Mahnung an die Griechen, in der - führte er aus, daß man in den Verhandlungen über
sei leicht denkbar, so
er ihnen vorrechnete, was von seiner Seite aus für das Konzil bis dahin das Dogma unterläge und die Lateiner ihre Lehrauffassung als richtig
geschehen sei, und seit wann schon die Union bei einigem guten Willen
erwiesen. Dann lasse sich gegen sie immer noch ins Feld führen, daß
hätte zum Abschluß kommen können.2 auch die Richtigkeit einer Lehre noch lange kein Grund sei, sie auch in
Da gab endlich Johannes Palaiologos nach und schickte sich zu den das Symbolum aufzunehmen. In dieser Weise könute man wenigstens
ersten Vorbereitungen ftir die Verhandlungen an. Man war sich ia noch
die streichung des Filioque im lateinischen Symbolum durchsetzen. um-
gar nicht klar, was und in welcher Weise mit den Lateinern zu verhandeln
gekehrt baute sich die Hoffnung von Bessarions Gegnern in der Versatnm-
war. Im Vordergrund stand die Lehre vom Ausgang des Hl. Geistes, die lung, die dessen Zìele und Absichten längst gekannt haben müssen) darauf
nach den vielen polemischen Erörterungen der vergangenell Jahrhunderte
auf, mit dem ersten Schlage das lateinische Symbolum zu treffen und mit
geradezu zum byzantinischen Nationaldogma geworden \ilar. Im Zusammen-
einer ersten Niederlage die Lateiner so zu entmutigen, daß sie auch in
hang damit stand das Symbolum, in das die abendl¿ndische Kirche vor der dogmatischen Frage versagen mußten.
Jahrhunderten, ohne den Orient zu hören, das Filioque aufgenommen Bessarion vermochte nichts mit Gründen auszurichten, Sofort scharte
hatte. Es handelte sich darum, mit welchem Recht die römische Kirche sich gegen ihn um Markos Eugenikos und Gemistos die streng byzan-
diesen Zusatz hatte vornehmen können. Tatsächlich wurde mit dieser
tinische Partei zusammen. Ihr wenig stichhaltiges Beweismittel war die
zweiten Frage bereits ein anderer strittiger Punkt berührt: die Tragweite
alte, erdichtete Vorstellung: Der lateinische Ztsatz zum Symbolum habe
des römischen Primats. Angesichts der uralten Bestrebungen der byzan-
den ersten Anlaß zur Trennung beider Kirchen gegeben, und darunl sei
tinischen Kirche, die an sich diese schneidenden Gegensätze zwischen
zuerst auch dieses tiefere Übel zu untersuchen; erst dann lasse sich über
Rom und Byzanz bedingt hatten,s hätte nun gerade über den Primat Roms
das Dogma selber reden.s Der überragende Einfluß und das geschickt
eine Aussprache einsetzen müssen. Wie aber die Geschichte die wahren des Bischofs von liphesos brachte auch die Versammlung in
gelúhrte Wort
Gründe der Spaltung verwischte und allmâhlich eine rein spekulative Frage Die von
letztgeäußerten Auffassung.
ihrer Mehrheit zur Annahme dieser
als das Trennende ausgab, so geschah es auch hier' Dogma und Sym- Anschauung, daß das
den früheren byzantinischen Polemikern verfochtene
bolum wâren die Ausgangspunkte ftir die Verhandlungen. Die Frage nach
Nicänische Symbolum nach dem III. ökLrmenischen Konzil durch Zusätze
dern Primat stand erst gegen Sclrluß des Konzils zur Erörterung; und
nicht mehr verändert werden könne, hielt man doch ftir zu gut begründet,
wenn man mit einem Urteil vorausgreifen darf, so wurde sie im Vergleich
als daß rnan in diesem Punl<te eiue Niederlage gegenüber den Lateinern
zu den breit behandelten Nebensächlichkeiten, die namentlich die erste
Hälfte der Tagung ausfüllteu, doch nur oberflechlich gestreift.
Qschr. Tùbingen V. (1823) 46-q. Vgl, Pierling, I-es. russ^es au concile de Florence
in der Revue des quest. hist. 52 (r89z) 5Esqq. Dazg- oben_S'.7q I.
t Ambrosii Epistulae XIII. i], Col. -ó4o; XIII' zo, Col.628.l.
2 Syropulos 1,1L 5, p. t49.
a S, oben S, z7 t,
120 z. Bessarions Rolle bei den näherenVorbereitungen aufdie Konzilsverhandlungen. Die erste Sitzung. Bessarions Eröffnungsrede, lzL
beftirchtete. Obwohl Bessarion hier und in den folgenden Konzilssitzungen redeu.l Er richtete herzliche Worte an alle. Seine ganze Seele sprach
noch glnz den byzantinischen Standpunkt vertrat, so verhehlte er doch aus ihm. Theologische Probleme, die das Konzil in den nächsten Wochen
nicht, daß die griechische Auflassung neben vielen bestechenden Seiten und Monaten behandeln sollte, berührte er mit keinem Worte. Das sollte
auch ihre bedenklichen Schwächen habe. Er trug ihnen die Gegenbeweise wohl vermieden werden. Aber auch kein Wort über die trostlose Lage
t]

vor, und das so geschickt, daß es fur den Augenblick keiner von seinen des byzantinischen Reiches und seiner gefahrdeten Hauptstadt, kein Hilferuf
Gegnern mehr für möglich hielt, seine fingierte Stellungnahme zu er- unr clie Unterstützung des Abendlandes. Alles war viel höher gestimnrt
schüttern. Trotzdem behielt Markos, als es zur Abstimmung kanr, die und erhob sich zu einem feierlichen Gebet: >O Christe König! Du allein
Oberhand. AuI Bessarions Seite fanden sich nur Georgios Scholarios, sollst unser König sein, mit dessen kostbarem Blut wir erkauft sind, der
Amirutzes und Syropulos wieder; Syropulos, wie er segt, aus juristischen du dich für uns zum Lösegeld gegeben, der du uns aus der Gewalt tles
Gründen, und weil Bessarions Vorschlag dem Vorgehen Kabasilas' ent- Tyrannen befreit. Mache aus zweien eine Herde, dul<le nicht, daß die
sprochen habe. Deinen miteinander streiten.< rHI" Geist, Quell aller Gaben, Geist der
Das Konzil konnte endlich an die Erledigung seiner Aufgabe heran- Weislreit, Geist der Erkenntnis, Geist der Furcht Gottes, ftir den und mit
treten. Am 8. Oktober r438 fand die erste öffentliche Sitzung statt.r dem die beiden Kirchen diesen Waffengang antreten, vertreibe von uns
Bessarion stand auch hier wieder im Mittelpunkt. Er war der erste, der ieden Gedanken des Stolzes, steige du zu uns in diesen Kampf herab,
von den Griechen das Wort zu erheben hatte in feierlicber Weise zur Er- den wir ftir dich unternommen, und zeige uns die Wahrheit.<2 Dann
öffnung der Synode. Denn jetzt erst begann ftir die Griechen .das Konzil. richtet er sich wieder an die Versammelten und sagt ihnen, weswegen
Jene frühere Anktindigung durch den Papst am 9. April galt ftir sie nichts. sie hier seien. Für beide Teile sei die Wiedervereinigung der getrennten
Deswegen verlangten sie die Abhaltung in der Kathedralkirche, ein Wunsch, Kirchen gemeinsames Ziel, das nit aller Gewissenhaftigkeit erstrebt werden
den ihnen die Lateiner freilich nicbt erfüllten. muß. Den Lateinern versichert er: Au[ keinen Fall sei er und seine
Als Versammlungsraum diente vorläufig die Kapelle des päpstlichen Landsleute mit der Absicht gekommen, lediglich einen Sieg zu feiern.
Paiastes. Da saßen auf der Evangelienseite die Lateiner, auf der Epistel- Das wäre nicht christlich und nicht vernünftig. Das Konzil rnüsse einzig
scite die Griechen. Es herrschte wenig Prunk, wiewohl an Purpur für uud allein von dem Verlangen beseelt sein, die Wahrheit zu suchen. Von
die Sitze von Papst, Patriarch und Kaiser nicht gespart war. In der Apsis ihr lasse er sich gerne besiegen. Ohne sie wünsche er auch keinen Sieg.
stand ein einfacher Altar, auf dem das Evangelienbuch aufgeschlagen lag. An den Papst richtet er sich und stellt ihm das Gltick vor Augen,
Links und rechts davon die silbernen Statuen der Apostel Petrus und das seiner wârte, wenn er die getrennten Kirchen wiedervereinige. Er
Paulus. Ihnen zur Seite brennende Kerzen auf sechs vergoldeten Leuchtern. rühmt seinen bisherigen Eifer. Aber man sei noch nicht am Ende. Es
tsei den Lateinern sah man zu oberst den Thronstuhl des Papstes. Da- bedtirfe noch gewaltiger Anstrengung. Doch habe er den gottesfürchtigen
neben stand ein Stuhl ftir den römischen Kaiser, obwohl Sigismund schon Kaiser zur Seite, der weder Entbehrungen und Mühen scheute, noch vor
im Dezember des vergangenen Jahres gestorben war und noch keinen dem Meere und seinen Gefahren verzagle. Er habe weiter den elrrwürdigen
Nrchfolger hatte. Dann folgten die Sitze ftir die Kardinäle, Erzbischöfe
t Handschriften:
und Bischöfe. Bei den Griechen führte der Kaiser den Vorsitz. Erst nach
ihm und eine Stufe tiefer hatte der Patriarch seinen Platz. Ihm reil¡ten
sich die Stellvertreter der drei orientalischen Patriarchen an, weiter die
Metropoliten und Bischöfe, dann die Vorsteher der Klöster und die Stauro-
ph'oroi von der Hagia Sophia. Der Despot Demetrios saß in unmittel-
Handschriften der lateinischen Übersetzung:
barer Nähe des Kaisers, um ihn herum auch die Staatsbeamten, aber nicht a. Venedig, Cod. Marc. lat. r37.
mehr auf dem Podium der kirchlichen Würdenträger. b. Venedig, Cod. Marc. l^t. r)4,
c. Venedig, Cod. Marc. lat. t35.
So saßen nun Lateiner und Griechen in feierlichem Ornat beieinander. d. Mailand, Cod. Ambr, lat. R.4 Sup. fol. z-i.
Der Erzbischof Andreas von Kolossoi, als Sprecher der Lateiner, eröffnete
die Sitzung. Dann erhob sich Bessarion zur wohlgesetzten >Eröffnungs-
sichtlich des Datums der e voneinander
ab. D n den 8., Syropulos den 6. den 9. Ok-
tober. ichheiten in-dei Verteilung owie in'der
Zâlrlun Vgl, H ef ele, Concilienges 8r, n. 4.
122 z. Bessarions Rolle bei den näherenVorbereitungen aufdie Konzilsverbaudlungen. Theologische Kor¡missionen, Der Dolmetscher des Konzils, t23

Patriarchen. Zwar habe ihn das Alter schon tief gebeugt; aber in seiner Zur gegenseitigen Vcrständigung in den Konzilssitzungen wurde ein
Seele sei er noch iung, und sein Geist sprühe von Feuer. Mit Freuden besonderer Dolmetscher berufen, für den vöìlige Beherrschung beider
nehme er an den Verhandlungen teil; mit ihm aber auch alle, dic aus Sprachen erforderlich war. vor Zeiten hatte Cesarini für diesen Posten
Griechenland und dem fernsten Osten gekommen sind. schon den Humanisten Francesco Filelfo in Vorschlag gebracht und
Den Kaiser fordert er auf, zu einem glticklichen Ende mitzuhelfen, diesem auch durch Enea Silvio das Anerbieten unterbreiten lassen. Doch
bald durch gute Ermrhnung, brld durch weisen Befehl. Vor allem aber nrußte Filelfo aus politischen Gründen, die seine persönliche Sicherheit
solle er dem greisen Vater beistehen, weun er unter Alter und Krankheit bedrohten, ablehnen.t Jetzt wurcle Nikolaos Sekundinos mit diesem
Amt betraut. Von Geburt Grieche
zusammenbrechen wolle. Nochmals erinnerte er mit aller Eindringlichkeit:
- er starnmte von der Insel Euböa -,
war er in beiden Sprachen so gewandt, daß er die lleden beider Parteien
¡Man darf nicht nach eitlern Ruhme streben. Die Wahrheit muß n:an
in den Sitzungen sofort aus dem Stegreif übersetzen konnte.2 Gelegentlich
suchen.<
- Bessarion sprach lange. Er reclete bis zum Abend. So wollte
es die griechische Oberleitung, und zwar in der Absicht, daß eine eigent- und auch außerhalb der Sitzungen leisteten Ambrogio 'Iraversari und
liche Konzilsfrage, wie es wohl die Lateiner gewünscht hätten, nicht mehr Cristoforo Garatoni ähnliche Dier:ste.3 Die Leistung des Sekundinos liegt
uns jetzt noch
angeschnitten werden konnte. Die Versammlung behielt infolgedessen das - ob in überarbeiteter Gestalt, wissen wir nicht -, in den
Gepräge einer feierlichen Eröflnung. übersetzten Teilen der griechischen Akten und bei Andreas de S. Cruce
Nun standen die weiteren Verhandlungen iìber die in Frage stehenden vor.a Drei Notare auf beiden Seiten schrieben die Reden griechisch und
Punkte bevor. Die Anwaltschrft daftir hatten beide Parteien einem Aus- lateinisch mit.5
schuß von je sechs Vertretern übertragen. Auf griechischer Seite waren
auch hier Markos Eugenikos und Bessarion die beiden Führer, die auch 3. Grlechen und Lateiner über die Symbolumsfrage, Bessarions Standpunkt,
als die hauptsächliclrsten Redner ftir die öffentlichen Konzilssitzungen be-
stirumt waren. Neben ihnen standen in erster Linie, aber immerhin nur Die Griechen hatten als ersten Beratungsgegenstand das Symbolum
rnehr beratend, Isidor von Kiew und Georgios Genistos. Von unter- verlangt. So wurde diese Frage sofort nach jener Eröffnungssitzung in
geordneter Bedeutung \ilaren die beiden übrigen, der Groß-Skeuophylax Angriff genommen. Die Verhandlungen darüber beschäftigten die Synode
Xanthopulos mit dem Beinamen Siderophas und der Groß-Chartophylax in ihrer g^nzen ersten Hälfte, solange sie zu Ferrara tagte. Vorträge und
Michael Balsamon. Bei den Lateinernl waren die eigentlichen Größen Aussprachen erstreckten sich über zwölf öffentlicbe Sitzungen vom r4. Ok-
die Kardinâle Cesarini und Nikolaus Albergati; dann der Erzbischof von tober6 bis zum 8. Dezember. Anfänglich, solange noch jeder Redner
Kolossoi, gewöhnlich Andreas von Rhodos genannt, und, wohl bedeu- seinen Standpunkt in zusammenhängender Form zur Darlegung brachte,
tender als dieser, der Provinzial Johannes de Monte Nigro aus dem Do- waren es ansprechende Erörterungen. Nachher zogen sich die Verhand-
minikanerorden;2 schließlich der Bischof Johannes von Forlì3 uncl Johannes lungen in endlosen Wortgefechten und ermüdenden Wiederholungen hin,
I von Torquemada.a I Cecconi, Storia del Concilio di Firenze. Vol. I, Documenti No. rrr und No rrz,
i

I
Das Datum ist beide Male rq7, nicht r43ó. Vgl. Rosmini, Vitâ di Fr. Filelfo. Mai-
land ¡8o8. Tom. I. p.45f. Voigt, Wiederbèlebung des classischen Alterthums II.
I t t7 n. 2...

schofvonForli. Der beiHefele,Concili


VII.69r n. z ist nicht rkung,des Horatius
(LabÚé Xlll. 928 n. 3. omen Ioannis-quondattt ¡ Acta gr aeca zr (Labbé XIIL 33).
sit allributum a Graeco enst eþtscoþ1.) ßl en e So nach Acta graeca
3o (Labbé Xlll. 45), Die anderen Quellen lassen die
Ausweq, Disputationen schon in der erslen Sitzung beginnen. Syropulos VI Z, p. t66. Labbê
í ¡ohannes de Torquemada, der nanrentlich nach Abschluß der öffentlichen XllI. 926 f. Für den t4. Oktober verzeichnei beide keine öffentliche Sitzung, wohl aber
Sitzungei hervortrat, ist spätèr Kardinal vom Titel S' Xysti. eine für den r3. Oktober,
---r-

124 3. Griechen und Lateiner über das Symbolunr' Bessarions Strndpunkt' Markos Eugenikos über das Symbolum. 125

bis zum Schluß alles in eine Silbenstecherei und Rechthaberei ohne jede Nicänische Symbolum ftirderhin unverändert und unverbrüchlich gewahrt
Aussicht auf irgendwclchen Erfolg âusartete. Die Griechen, die von einem werden nrüsse, und daß niemandem das Recht zustehe, etwas davon ab-
Sophisma ausgegangen \traren, wollten um keinen Preis nachgeben, so zustreichen oder hinzuzufügen, oder überhaupt einen anderen Glauben vor-
nichtig auch ihre letzten Gründe gewesen sind. Die Vernunft hatte sich zutragen. Das war das oberste Sophisma, auf dem die gesamte griechische
von ihnen zurückgezogen; denn Bessarion, der anfänglich ihre beste StÍitze Beweisftihrung beruhte, Bessarion so gut wie Markos Eugenikos. Es han-
gewesen war, hat sich an den letzten Zänkereien mit keinem Worte mehr delte sich nur darum, ob die IIL Synode diesen Sinn mit ihrem Dekret
beteiligt. Zu einem E¡de kam es nur dadurch, daß die Lateiner aus- verknüpft hatte. Das gedachte zunächst Markos durch umfangreiche Unter-
drücklich verlangten, daß über die Frage nicht mehr weiterverhandelt lagen aus dem Werdegang des Dekrets und aus den übrigen Synoden zu
werden dürfe. erweisen.
Die merkwürdige Frage, ob ein Zasatz zum Nicänischen Symbolum Zur Erklärung des Dekrets und zu seiner Deutung führte Markos
erlaubt sei, war erstmals in den späteren Tagen des Photios aufgeworfen aus: N¡rch dem ersten Konzil sçien an vielen Orten Provinzialsynoden
und verneint worden. In dem g nzeî Zwiespalt zwischen Griechen und abgehalten worden, von denen iede ihr eigenes Symbolum aufstellte. In
Lateinern spielte die Symbolumsfrage eine ganz nebensächliche Rolle, Über- den wenigen Jahren bis zum zweiten Konzil könne man infolgedessen
haupt war dieser Punkt von den bisherigen Theologen nur in Kürze be- mehr als dreißig verschiedene Fassungen zählen, in denen das Vfort épo-
handelt worden. Bessarion sagte einmal während der Verhandlungen, daß otiatoç zum allgemeinen Ärgernis unterdrückt wurde. Deswegen erklärte
selbst der größte aller Polenriker, Neilos Kabasilas, höchstens vier Folien das zweite ökumenische Konzil das Symbolunr ausführlicher. Das sei
darauf verwendet lrabe, während die Konzilsverhandlungen darüber bereits noch mit Fug und Recht geschehen, da ein diesbezügliches Verbot noch
ein ganzes Buch ftillten.l nicht bestand. Die Möglichkeit, in dieser Weise das Glaubensbekenntnis
Wenn Bessarion in diese Verbandlungen eingriff, so geschah das nur, zu erweitern, habe aber auch Nachteile in sich getragen. Jeder konnte sich
weil sich davon einen Vergleich erhoffte, mit dem'die Einigung sich
er daranf stützen. Die Nestorianer machten sich das zunutze und fälschten
schaffen ließ. Daß er selbst von seiner Beweisftihrung gegen die lateinische drs Nicänische Symbolum, indem sie darin Satze einftigten, welche gegen
Fornlulierung des Symbolunrs so sehr überzeugt gewesen ist, könnte man die Kirchenlehre verstießen. Ein solches Symbolum ließen sie sogar ihre
nach seinen späteren llußerungen bezweifeln. Es mag iedoch sein, daß er Katechumenen ablegen. Dieses verfälschte Symbolum, das auf cler III.
vieles von seinem.späteren Standpunkt aus in ganz anderer Perspektive sah, ökumenischeu Synode neben dem Nicänischen vorgelesen wurde, habe der
namentlich wenn er sein Eintreten ftir die griechische Anschauung als einen Synode Veranlassung ftir ihr Verbot gegeben. Wie streng es die Väter
>schatten von Hilfe< bezeichnete.2 Auf der¡ Konzil war ihm doch sehr damit hielten, zeige der Umstand, daß sie sich bei ihren eigenen dog-
viel daran gelegen. Von einer Aufnahme des Filioque in das Symbolum matischen Bestimmungen selber daran gebunden hielten. Das Wort Oeo-
wollte er bis zum Schluß des Konzils nichts wissen. róxog, das sie gegen die lrrlehre des Nestorios prägten, kan: nicht ins
Markos Eugenikos war der erste, der auf dem Konzil zu dieser Frage Symbolum. Und als Strafe für Übertretungen bestimmten sie für Bischöfe
das Wort ergriff. So entsprach es seinem stürmischen Temperament, und Amtsentsetzung, für Kleriker Ausstoßung aus dem Klerus, für Laien das
so wollte es vielleicht der Kaiser. Bessarion, der in diesem Punkt besser Anathem.l
unterrichtet war als alle anderen, sollte wohl für die Verteidigung auf- Markos Eugenikos erhärtete seine Schlußfolgerung mit einem BrieÇ
gespart werden, wenn Markos Eugenikos erschöpft war. So gestaltete sich den der Vorsitzende der Ephesinischen Synode, Bischof Kyrillos, an den
auch die Lage. Den kühnen Angriff des Ephesiers ließen die Lateiner Patriarchen von Antiochien richtete. Kyrillos sage dort: >Wie die Väter
durch Andreâs von Rhodos erwidern. Dann mußte Bessarion einspringen. auf dern Konzil sich selbst es nicht erlauben, so gestatten sie niemandem,
Die These des Ephesiers war: Die römische Kirche hat unrecht- an denr Symbolum der Väter zu Nikaia ein Wort oder auch nur eine Silbe
mäßigerweise das Filioque in das Symbolum eingeschoben. Die Unrecht- zu ändern.z Dieser Brief, betonte Markos, sei eigens auf der IV. Synode
mäßigkeit lag nach ihm nicht, wie sich ftir ihn viel leichter hätte beweisen wieder vorgelesen und als zweite Stütze des Glaubens nach den: Symbolum
lassen, in dem Unrstand, daß die Gesamtkirche vorher nicht befragt worden anerkannt worden. Ebenso sollen die vier nächsten ökumenischen Synoden
rver; sondern der zusatz verstielS nach ihm gegen ein Dekret der IlI. ausdrücklich betont haben, daß das Symbolum von Nikaia unveränderlich
ökumenischen Synode zu Ephesos. Diese hatte entschieden, daß das
t Syropulos VII. 6, p. tg3, __ , I Acta gÍ^eca 44 (La bbé XIII. 68),
t Migne, P. gr. t6r, 34oC, Ygl. oben S. rr9 f. , Acta graeca 47 (L^ bbê xtII. 72).
I

126 3. Griechen und Lateiner ùber das Synrbolum. Bessations Standpunkt.


Andreas von Rhodos. Die Griechen ùber seine Beweisführung, 127

vor Kürzungen oder Erweiterungen bew¿hrt werden müsse.l Das nänr- berufen, könne man nicht behaupten. Dazu habe für sie gar keine Ver-
liche bewiesen ihm einzelne päpstliche Schreiben, die im Anschluß an pflichtung bestanden. Sei denn die Lelrre vom Ausgang des Hl. Geistes
diese Konzilien ebenfalls lede weitere Veränderung des Symbolums miß- aus Vater und Sohn der griechischen Kirche fremd gewesen? Schon zur
billigten.2 So ein Brief von Papst Vigilius an den Patriarchen Eutychios Zeit der VI. Synode habe Rom so gelehrt. Das bestätige drüben auch
von Konstantinopel,s ferner ein Brief des Papstes Agatho an den Kaiser Maximos, und ihr Patriarch Tarasios habe diese Lehre in einem Brief an
von Byzanz.a Markos scbloß: Die griechische Kirche folge in Verehrung die VII. Synode offen vorgetrâgen. Nicht einmal Photios, der geschworene
ihren Vätern, bewahre deren Dekrete und ftirchte die angekündigten Strafen. Feind der römischen Kirche, meinte Andreas, habe dieser das Filioque
Daher könne sie das Filioque, das später als Zusatz in das Symbolum zum Vorwurf genracht. Daher seien alle Anklagen der Griechen gegen
k,am, niemals anerkennen.s das Abendland unberechtigt.
- So Andreas von Rhodos.
Aber u'eit entfernt, als ob die Griechen sich mit dieser Beweis-
Der Redner der Lateiner, der auf diese Ausführungen des Ephesiers
antwortete, war der Bischof Andreas von Kolossoi auf Rhodos, ein ge- ftihrung zufrieden gegeben hätten. Im Gegenteil, sie hatten nach den
lehrter Dominikaner. Er stammte aus Konstantinopel und hatte ursprüng- Ausführungen des lateinischen Redners das Geftihl, daß ihre Sache fester
lich der byzantinischen Kirche angehört.6 Die Kenntnis der griechischen begründet sei denn je. Selbst Bessarion, der über Wert und Unwert der
Sprache kam ihm besonders zugute; er bediente sich ihrer bei den Ver- eigenen Sache wohl unterrichtet war, fällte dieses Urteil, und nach dem
handlungen oft genug neben dem Lateinischen.? Er sprach zunächst in Konzil, da er längst für die lateinische Sache ohne Einschränkung eintrat,
den Sitzungen am zo. und 2j. Oktober. nahm er von dem früheren Verdikt nichts zurück.2 Jetzt kam er selber
Über das Dekret von Ephesos kam er hinweg, indenr er ein Verbot zu Wort. Nach allem bisherigen konnte man gespânnt sein, wie er <lie
nur für irrige Glaubenssätze gelten ließ. Ein Zusatz, der lediglich eine Sache auffaßte. Vielleicht deswegen war ihm volle Freiheit nicht gewährt.
nähere Erklärung zu einem alten Dogma sei, werde davon nicht betroffen. In einer Vorbesprechung der griechischen Theologen unter kaiserlichem
Dazu müsse auch die Kirche das Recht haben, wenn der richtige Glaube Vorsitz ward ihm die endgültige Form seiner Erwiderung festgelegt, und
und ihre Einheit bedroht ist. In diesem Sinne habe auch der Papst auf nachher vor dem Konzil wurde sein Vortrag überwacht. Georgios Scho-
einer Synode, zu der sich viele Väter des Abendlandes eingefunden hatten, larios hatte hierzu die Rede in doppelter Abschrift auszufertigen. Be.ssarion
das Filioque eingeführt. Das sei aber nichts Neues gewesen. Vor dem mußte wortgetreu vortragen, und der Kaiser las nach.8 Es war in der 6.
I. ökumenischen Konzil tagten mehrere Synoden dieser Art, die vom Ni- und 7, Sitzung, am r. und 4. Novenrber.a
caenum restlos angenommen wurden. Ebenso sei die Synode von Sar- Bessarion ging darauf aus, das um[angreiche Material aus Konzils-
dika überwiegend von abendländischen Bischöfen besucht gewesen und dekreten und Briefen, das Markos in den ersten Sitzurrgen vorgelegt hatte,
doch vom II. Konzil anerkannt worden. Daß die röurische Kirche es ver- historisch und theologisch gegen die Rechtfertigung des lateinischen Stand-
säumt habe, die morgenländischen Bischöfe zu der fraglichen Synode zu punhtes auszuwerten. So überzeugend auch der Erklärungsgrund des An-
dreas von Rhodos erscheinen mochte, Bessarion nrachte daran jetzt allerlei

(Arrn. XII. z7z) war er seit z. Mai t43z Bischof von Kolossoi. Eubel, Hierarchia
catholica medii aevi II. r48 (r, Aufl,) gibt irrtùmlich r4tt Andreas de S. Cruce nennt
^n.
a. Rom, Cod, Otlobon, gr. TS fol, 5-rlv; trv-r1.
b. Paris, Bibl. nat. Cod. gr. rz86 foL S7-t76Y.
c, In allen Hss. der Acta graeca. S, oben S.58 n, r.
Druckausgaben:
a, Harduin lX. z7-75.
b. Labbé XIII. ¡t-¿6.
c. Mansi XXXI. 6or-626.
d, Acta grâeca 90-rot,
128 3. Griechen und Lateiner über das Symbolum. Bessarions Standpunkt.
Bessarions Rede über das Symbolum. 129

Ausstellungen. Daß das Filioque vollends eine sich von seibst ergebende je ein Augenblick gefunden, der passender gewesen wäre, um das Sym-
Erweiterung der ursprünglichen Fassung sei, weist er von vornherein bolum zu bereichern? Und lasse sich irgendeine Fassung aufweisen, die
zurück. Dãzu seien doch noch allerlei Voraussetzungen nötig. Überdies besser als diese schon im Symbolum erhalten gewesen wäre? Der Aus-
habe er damit das eigentliche Thema verlassen. druck @eozózoç sei wirklich nichts anderes als eine nähere Erklärung, die
An sich handelte es sich bei ell diesen Auseinandersetzungen um kurze Formel für die Worte: fieòu d,Lr¡ïutòa èx &eoõ . . ôpooúatov te
ganz einfache Dinge; doch muß man sich einigermaßen verwundertt, mit uatql, . xatelïóata èx tõu oì;qaaaiv xai Õaqxaûéura èx nve,úpacoç
welcher Umständlichkeit hier alles zur Sprache kam. Um ganz nahe- ãyiou xai Maglee tfis naqûíuorl Und trotzden hielten sich die Väter
liegende Begriffe sich gegenseitig klarzumachen, schleppten sich beide an ihr Verbot und setzten den neuen dogmatischen Begriff nur in die
Redner, Bessarion nicht weniger als Andreas, mit einer Bergeslast von Kanones.
weit bergeholten Vergleichen und Autoritäten" Für ganz Nebensächliches Die Lateiner mögen ja nicht entschuldigen, daß hier ein Zusatz über-
griff man zurùck bis zu Aristoteles.l Dazu fehlte iede Kunst in der Dar- flüssig gewesen sei, weil da5 Dogma schon klar genug im Symbolum
stellung. Auf den heutigen Leser, der zudem diesen Dingen fernsteltt, enthalten war.l Auch andere Beispiele in der Geschichte der Konzilien
wirkt das sehr ermüdend. Auf dem Konzil wurde die Spannkraft vielleicht sprechen gegen die lateinische Auffassung. Stets handle es sich dabei um
dadurch erhöht, daß manche Punkte in lebendiger Rede und Gegenrede dogmatische Folgerungen, die längst in alten Sätzen des Symbolums ent-
zur Sprache kamen. halten waren, wenn auch nicht überall mit der Deutlichkeit wie in dem
Wenn Andreas von Rhodos einen Unterschied zwischen Zusatz und ebengenannten Fall. Und doch fanden sie nie Aufnahme in das Syrn-
Erklärung im Symbolum machte und nur ein Verbot für glaubenswidrige bolum. So die Lehre von der hypostatischen Vereinigung des Sohnes
Sätze gelten lassen wollte, so betonte ietzt Bessarion wieder: Das an- Gottes mit der menschlichen Natur, eine Frage, die ebenfalls die III. Syn-
geführte Dekret der III. Synode ist so zu verstehen, dalì von ihm iede ode beschäftigte. Dann die Lehre von dem Fortbestehen der beiden
Erweiterung des Nicänischen Symbolums betroffen wird, mag es sich um Naturen in Christus auf der IV. Synode. Ferner die tehre von dem
eirren neuen Glaubenssatz oder um die Erklärung eines bestehenden Dogmas Vorhandensein eines göttlichen und menschlichen Willens in Christus auf
handeln. Am besten lasse sich dieses Dekret aus seiner Vorgeschichte und der VI. Synode. Keine Synode habe es gewagt, diese Sätze, die ohne
den Urteilen der zeitgenössischen Bischofe heurteilen. Vor der Synode Zweifel nur nähere Erklärungen des Dogmas seien, in das Symbolum auf-
von Ephesos habe größtmögliche Freiheit bestanden, aber zum Schaden zunehnren. Eine Ausnahme scheine allein die VII. Synode mit dem Fi-
der Kirche. Denn dadurch, daß immer neue Fassungen des Syn:bolunx lioque zu machen, aber auch das nur in der lateinìschen Überlieferung
aufkamen, und von einigen auch Irrtümer aufgenommen wurden, sei die der Akten.z Wie es sich damit verhalte, sei noch eigens zu untersuchen.
größte Verwirrung entstanden. Es war also eine dringende Notwendig- Als Ergebnis sei für den Augenblick festgestellt: Keine Synode veränderte
keit, daß die III. Synode diese Maßregel traf. Wie die Synode ihr Verbot mehr das Symbolum" Jede verwies ihre erklärenden Zusälze an den allein
verstanden habe, das ergebe sich schon aus einenr Briefe des Bischofs richtigen Platz, in die Kanones.s
Kyrillos von Alexandrien, der den Vorsitz auf dem Konzil führte. Er Wenn aber die tateiner ihm das Gegenteil beweisen wollen, dann
schreibe an Akakios von Melitene: >Die Synode habe gesorgt, daß fürder- dùrfen sie nicht mit Beispielen komrnen, die aus der Zeit vor deru III.
hin außer dem Nicänischen Symbolum keine andere Fassung mebr auf- Konzil stammen wie der von ihnen angeführte Brief Gregors von Nazianz..
gestellt werden dürfe.<¿ Daß es sich hier nicht um ein Verbot irriger Sie mögen aufzeigen, daß später Zusätze zum Symbolum gemacht worden
Glaubenssätze handelte, wie der lateinische Redner meinte, sei eigentlich sind. Damit ließen sich auch die Griechen überzeugen. Er habe aber
doch selbstverständlich. Warum hatte man daftir ein eigenes Verbot kein Vertrauen, daß ihnen das gelingen werde" Mit seiner Feststellung
schaffen sollen? Aber auch das Verbalten der Väter zu Ephesos beweise habe das bemerkt er gegen Cesarini, der darauf aufmerksam gemacht
-
das. Sie hielten sich selber streng an ihr Verbot. Grund zu weiteren
Zusätzen hätte an sich genug vorgelegen. Die ganze Welt war ja damals
von den verdrehten Sätzen des Nestorios in Spannung gehalten. Eben
war seine Lehre verurteilt worden, und jene Väter hatten das 'Wort Oeo-
tóxoç als Ausdruck des wahren Glaubens gegen ihn geprägt. Hatte sich
I Acta gr^ec^ 6of. 97 f. (Labbé XIII. 88 f" I36 f.),
¡ Acta þraeca 95 (Labbé XIII. r37).
lllohls¡, Ka¡dinal Boæe¡ior. I' 9
130 Bessarion úber den Primat. Die Lateiner zu seiner Rede. lgl
3. Griechen und Lateiner über das Symbolum. Bess¡rions Standpunht.

hattel der Umstand nichts zu tun, daß einzelne Päpste wie Agatho und
des Abendlandes gewesen sein. Ebensogut ist es möglich, daß aus ihm
-
Sophronius oder der Vorsitzende des III. Konzils, Kyrillos, ihren Lehr-
die alte byzantinische Tradition sprach.l Ftir die Beurteilung seiner Ent-
wicklung ist das wichtig.
standpunkt außerhalb des Symbolums in bestimmte Formulierungen ein-
kleideten. Hier handelte es sich nicht um das Symbolum der Gesamt-
Die Rede Bessarions, die mit ihrer ruhigen Sachlichkeit und ein-
dringenden Kritik die Beweisführung des lateinischen vorredners ganz be-
denklich in Frage zu stellen schien, rief auf der Gegenseite große über-
raschung hervor. Besonders scheint der jahe schluß und die Aufforderung
zu sofortiger Verteidigung unerwartet gewesen zu sein. Er hatte gegen
Ende sehr geeilt. Seine Ausführungen waren zum Teil nur noch skizzen-
hafte Entwürfe. Hier lag ein wohlüberlegter Plan zugrunde. Die Lateiner
sollten genötigt werden, ihm zu antworten, ohne vorher noch Zeit zl
eingehender Überlegung zu haben.
Sofort nach Bessarions Vortrag zogen sich die Kardinäle mit ihrem
Redner und mehreren Theologen zurück, nahnren aber nach einiger Be-
nischen Symbolum als unerlaubt gehalten haben. Der Hinweis Bessarions, ratung die V/eiterftihrung der Versarumlung wieder auf. Bessarion zu wider-
daß man àuch der Hl. schrift nichts beizuftigen wagte, hat keine Bedeutung. legen war jedoch im Augenblick niemand imstande. Seiner Anregung, daß
man nach dialektischer Methode in Frage und Antwort über die strittigen
Punkte Übereinstimrnung schaffen sollç entsprach man ebensowenig, als
man darauf einging, die von ihm aufgeworfenen Schwierigkeiten im ein-
zelnen zu behandeln. Mit Mühe, daß Andreas von Rhodos das Wort er-
grifl und auch da blieb dieser nicht streng bei der Sache, Bald sei er
nach diesem, bald nach jenem Punkt abgeschweift, rügt der Verfasser der
griechischen Akten. Daß Andreas gar schon auf das Dogma einging, er-
bitterte die Griechen genz besonders. lhre Notare gaben es schließlich
voll Ärger gänzlich auf,, seine Rede noch weiter nritzuschreiben.s
Die Lateiner bef¿nden sich keineswegs in einer günstigen tage, selbst
nicht, als Johannes von Forll in der darauffolgenden Sitzung am 8. No-
vember eingriff. Seine Ausfûhrungen bedeuteten gewiß einen Fortschritt
gegenüber den Leistungen tags zavoÍ. Aber euch er befriedigte nicht,
zumal er auf die angeschnittenen Fragen historischer Natur nicht einging.
Er war vor allem scholastischer Theologe und berief sich vornehmlich auf
die mittelalterlichen Theologen des Abendlandes, auf Bonaventura und
Thomas von Aquin. Auf Bessarion wie überhaupt auf die griechischen
Konzilsteilnehmer, die sich hier auf keinem vertr¿uten Boden ftihlten,
zufassen. Die römische Kirche steht ihm neben ieder anderen Kirche nur machte diese Behandlungweise weniger Eindruck, denn sie kannten trotz
als gleichberechtìgt da. Sowenig als iede andere habe sie die Befugnis, früherer griechischer Übersetzungen des Thomas und Augustinus doch nur
selbãtherrlich am Symbolum ÄnJerungen vorzunehmen. Über dem Papst die eigenen Väter und die Kanones der Konzilien. Gemistos meinte bissig,
steht nach ihm das állgemeine Konzil.a Das kann ein Ausfluß der Zeitideen die Lateiner hätten sich den gaîzeîThomas samt ihren Syllogismen sparen

tI 3). ta graecl
ónóoa lo6rlq-r7'Papaixfi èxxlqola, finov opøç ioTitet
54 (L r44 f,). xa&o[txfiç éx x).4ø la,g,
i 690.
b¡é XIIL r31). Vsl.
,'9, 'PotPa'ixfic
abbé XIII. r53).
ebd. 38 (57).
êxxLr¡ è í¡trou a darn Ís'
9*
l:32 3. Griechen und Lateiner tiber das Symbolum. Bessarions Standpunkt' Cesarini ùber das Symbolum. 138

können, wenn sie dieVII. Synode gekannt hätten.l Auch die Rede des der Häresie erhoben, weil er ihr Bekenntnis nicht annahm. Zu seiner
Johannes von Forlì bricht in den griechischen Akten plotzlich ab;z es Rechtfertigung verlas nun Charisios auf dem Konzil jene nestorianische
fehlte daftir das Interesse. F-ormel sowie ein eigenes Bekenntnis. Letzteres deckte sich weder mit
Den ersten wirklichen Erfolg, den die Lateiner zu verzeichnen hatten, dem Symbolum von Nikaia, noch mit dem von Konstantinopel. So ließ
brachte ihnen Kardinal Giuliano Cesarini. Seine Ausftihrungen übten auf er Worte weg wie zoùg dà ).eyowaç' ì¡u nore 6ce oúx r)u in dem Ni-
Bessarions Entwicklungsgang nach dessen eigenem Geständnis den nach- cänischen; und auf der anderen Seite ftigte er bei tò nueõpa rò ä"yrca
haltigsten Einfluß aus.t Cesarini sprach erstmals an'r r I. November in õpooúorcv qi navgi xal tQ ulgî, was in keiner von beiden offiziellen
einem zusammenhängenden Vortrag. In der nächsten Sitzung am 15. No- Formeln stand. Mit diesem Bekenntnis bewies Charisios seine Recht-
vernbera kam es zwischen ihm und Markos Eugenikos, der hier plotzlich glaubigkeit, während er des nestorianische Bekenntnis als irrig ablehnte.
eingriff, zu lebhafter Rede uncl Gegenrede. Der Ephesier war nicht nur Nach diesen Vorf¿llen verfügte nun die Synode, es solle f'ürderhin nie-
scharf und kantig; er arbeitete nur mit Sophismen, und als seine Sache mandem mehr erlaubt sein, einen anderen Glauben (*épaa nioto) vor-
am Unterliegen r¡/ar, da versteifte er sich auf seine Meinung mit einer zutragen oder zu lehren; und dann sprach sie noch ein besonderes Ver-
Hartnäckigkeit, die sich gegen iede bessere Einsicht verschloß. Er be- dammungsurteil gegen das nestorianisch entstellte Symbolum eus. Die
hauptete noch Sieger zu seilt, als er längst am Boden lag. Cesarini da- Formulierung des Charisios habe die Synode dagegen mit keinem Worte
gegen war der klug abwägende, seine Rede wohl berechnende Diplomat. als verwerflich bezeichnet. Was ergibt sich daraus? frägt Cesarini. Die
Seine clurchschlagende Beweisführung war vornehmlich von iuristischer Nestorianer haben mit ihrem irrigen Bekenntnis zu dem Dekret Veran-
Denkart getragen. Kein Wunder, wenn ihn Bessarion später noch als den lassung gegeben, und das Verhalten der Syuode zeigt, daß die Väter mit
hervorragendsten Lateiner auf dem Konzil feiert.ó ihre¡n Verbot eines anderen Glaubens nur einen dem Nicaenum entgegen-
Cesarini begann sehr geschickt. Die bisherigen Erörterungen be- stehenden Glauben treffen wollten.l Hette die Synode nur an eine andere
zeichnete er als wissenschaftlich und tiefgehend; eigentlich könnten sie Fassung des Symbolums gedacht, dann h¿tte sie mit Fug und Recht auch
nur von den geschulten Theologen verstanden werden, sagte er, Wir die Aufstellung des Charisios rügen müssen.
sehen den gewiegten Diplomaten: er durfte doch den eigenen Rednern nicht Hatte aber nicht Bessarion zu verschiedenen Malen betont, daß jenes
vor den Kopf stoßen, und die Griechen durfte er weder.anerkennen noch Verbot der III" Synode ein privates Bekenntnis gar nicht treffen wollte,
sofort angreifen. Wenn er sagte, er wolle nur noch einige weniger ge- daß die Synode vielnrehr das öffentliche Symbolum cler Gesamtkirche im
lehrte Beiträge liefern, die auch den Laien faßlich seien, so hat er in Wirk- Auge hattel Handelte es sich in der Angelegenheit des Charisios nicht
lichkeit doch mehr geliefert. Er ging erstmals auf lateinischer Seite an um ein Bekenntnis ohne jeden offiziellen Charakter, das mit denr Verbot
eine gediegene Lösung der Frage. gar nichts zu tun hattel
Man muß das Verbot der Synode von Ephesos richtig zu verstehen Cesarini ging darauf ein. Die Abfassung eines Symbolums durch
suchen, verlangte Cesarini. Wie die Juristen ein Gesetz nur dann sach- die Gesamtkirche zu verbieten, dagegen einzelnen Personen die Aufstellung
gemäß auslegen können, wenn sie seine Entstehungsgeschichte kennen, eines Glaubensbekenntnisses gestatten zu wollen, bezeichnet er als eine
so auch im vorliegenden Fall. Danach war nach seiner Ansicht trotz ein- Auffassung, die mit den Text des Dekrets völlig unvereinbar sei. Nach
zelner Ansätze noch niclrt genügend gefragt worden. Einen wichtigen dem Kanon soll es nämlich überhaupt niemandem erlaubt sein. Bemerkens-
Beitrag dazu liefere ein Vorfall auf der Synode von Ephesos. Es handelte wert seien auch die Strafen, die neben Bischöfen und Klerikern auch
um einen Streitfall mit den Nestorianern. Ein paar eifrige Anhänger von Laien angedroht werden. Was haben aber in diesem Zusarnrnenhang die
ihnen: Anastasios, Photios und Jakobos hatten gegen Charisios den Vorwurf Laien zu tun, wenn es sich um das Symbolum der Gesamtkirche handeltl
Pflegen etwa die Laien das Symbolurr in der Kirche zu singen I Das
Dekret, so schließt Cesarini, betrifft eben nur die Einzelpersonen, nicht
etwa die Vertretung der Kirche.
- Und der Fall des Papstes Agatho?
Bessarion wollte in seinem Bekenntnis eine rein private Äußerung er-
blicken.z Cesarini stellt das Gegenteil fest. Hier handle es sich nicht
um die Äußerung einer Einzelpersönlichkeit, sondern um die Kundgebuug
r Acta graeca r rB f. (Labbê XIll. r7z).
¡ Acta graeca ro4 (Labbê Xlll. r 5z),
184 3. Griechen und Lateiner ùber das Symbolum. Bessarìons Standpunkt.
Cesarini ûber das Symbolum. 135

von etwa r2j abendländischen Bischöfen. Dieses Beispiel beweise also der Glaube der Väter, in dem er leben und sterben wolle. Flavian dagegen
für Bessarion nichts.l verstoße gegen das Dekret der Synode von Ephesos, das iedes andere
Wie in zweifelhaften Fallen bei jedern Gesetz, so sei auch die Ab- Bekenntnis, ieden Zusatz und jede Auslassung verboten habe. Denn er
sicht des Gesetzgebers zu untersuchen. In der Einleitung des Dekrets sage in seinem Bekenntnis, Christus sei von zwei Naturen und in zwei
heiße es, daß die Synode als erstes das Symbolum von Nikaia und Kon- Naturen. Im Nicänischen Symbolum werde nichts davon gesagt, daß

stantinopel zur Verlesung bringen wollte. Dann sei verlangt worden, daß Christus zwei Naturen hebe.

die einzelnen in Frage stehenden Sätze verlesen wurden, um die mit dem Gegen diese Schlußfolgerung erhob Eusebios von Dorylaion sofort
Symbolum übereinstimmenden anzuerkennen und die widersprechenden zu Einspruch: Einen derartigen Kanon gebe es nicht. Indes der Vorsitzende
verwerfen. Aus dieser Wendung lasse sich entnehmen, daß die Absicht der Synode, Dioskuros, verwies auf zwei Kodizes der Synodalakten, die
der Synode von Ephesos nur dahin ging, Aufstellungen zu lerbieten, die das bekannte Verbot der Synode von Ephesos enthielten. Daraufhin ent-
den wahren Glauben gefahrdeten. Ganz und gar aber wollten die Väter sc.hied dieses falsche Konzil gegen Flavian, und Dioskuros verfügte sogar,
nicht die Unantastbarkeit des bloßen Wortlautes verlangen. Daß das der daß Flavian und Eusebios auf Grund jenes Kanons von ihren Bischofs-
Sinn des Dekrets sei, werde durch Kyrillos bestätigt, der nach Verlesung stühlen abgesetzt würden. In dieses Urteil stimmten allc damals An-
des Nicänischen Symbolums sofort seine Übereinstimmung mit der Auf- wesenden ein"
fassung der Väter aussprach, dazu aber sofort auch eine Aufstellung dee Die Sache der beiden mißhandelten Bischöfe habe nun auf dem Konzil
rechten Glaubens aus seiner Feder in Aussicht stellte. von Chalkedon ihr Recht gefunden. Als hier die Verhandlungen der
Wenn in dieser Weise die Werdegeschichte des Dekrets es verlange, Räubersynode verlesen wurden, riefen alle: >Anathema dem Dioskuros.
in den neuen Maßregeln des Konzils nur ein Verbot von bedenklichen Er hat falsch geurteilt.< In selbiger Stunde wurde Dioskuros verurteilt.
und irrigen Sätzen zu erblicken, dann zeige erst recht der weitere Verlauf Durch diesen Widerruf des ersten Urteils äber Flavian entschied die Syn-
der Dinge den wahren Sachverhalt. Bereits die nächste allgemeine Synode ode, daß Flavian weder gegen die Synode von Nikaia, noch gegen
von Chalkedon liefere dazu einen Beitrag. Eine gewisse Partei machte Ephesos fehlte, und daß die Worte von den zwei Naturen in Christus,
es dem Papste Leo zum Vorwurf, er habe ein Glaubensbekenntnis ver- wenn euch nicht wörtlich im Synrbolum von Nikaia enthalten, doch nicht
öffentlicht und darin den Glauben in anderer Weise erklärt, als die Veter gegen die Wahrheit verstießen. Man könne aber noch mehr aus dieser
von Nikaia. Was habe die Synode darauf getan? Sie nahm den Papst Entscheidung entnehmen, sagte Cesarini, nämlich daß gegen niemanden
gegen diese Anschuldigung in Schutz. Leo habe mit seinem neugeprägten wegen eines Zusetzes oder einer näheren Erklärung eine Anklage erhoben
Bekenntnis nicht gegen das gesetzliche Verbot verstoßen. Denn sobald werden darf, solange sich seine Lehre mit der katholischen Wahrheit
Irrtümer wach werden, müssen die Bischöfe mit allen Mitteln dagegen deckt.l
einschreiten. Die von den Vätern festgelegten Glaubenssätze seien an sich Nicht ohne Absicht hatte sich der Kardinal auf die zaletzt angeftihrte
zwar genügend; da aber immer wieder Neuerungen aufkommen, die den Begebenheit mit Flavian in dieser Ausftihrlichkeit eingelassen; er betrachtete
wahren Sinn des Glaubens zu verändern drohen, müsse man das ursprüng- sie als ganz unerschtitterliches Zeugnis zugunsten des lateinischen Stand-
liche Glaubensbekenntnis immer noch eingehender klarlegen.e punkts. Sein Schlußsalz war: Das Verbot, einen anderen Glauben vor-
Besonders werde die Sachlage noch durch einzelne Zwischenfälle zutragen, richtet sich gegen eine Entstellung des Nicänischen Symbolums
beleuchtet, die sich auf dem Konzil von Chalkedon und vorher auf der durch irrige Sätze. Damit hielt er auch die ganze Frage für so end-
Räubersynode zu Ephesos mit Flavianus und Eutyches abspielten. gültig entschieden, daß er sofort den Antrag stellte, das bisher behandelte
Flavian hatte den Eutyches zu Konstantinopel der lrrlehre bezichtigt. Problem fallen zu lassen und nunmehr zur Untersuchung über das Dogma
Hierauf kanr unter dem Vorsitz des Dioskuros jene berüchtigte Synode vom Hl. Geist überzugehen.z
von Ephesos zustande, die später aber wieder umgestoßen wurde. Um sich
gegen den Vorwurf der Häresie zu rechtfertigen, stützte sich hier Eu- I Acta gt^ec^ r22-r24 (Labbé XIII' r76-r8o).
tyches auf das bertihmte Verbot der Ephesinischen Synode. Sein Glaubens- 2 Acta graeca rz4 (Labbê XIII. t8o).
bekenntnis, das er verlas, stir¡mte in der Tat wortwörtlich mit dem Ni-
cänischen Symbolum überein. Selbstgerecht bemerkte er dazu: Das sei
I Acta grâeca r t9 (Labbé XIll. r 7z).
¡ Acta graeca rzz (Labbê XIIL rT6 f.).
136 Markos gegen Cesarini. Bessarions Unbeugsamkeít, 137

4. Der Ausgang der Verhendlungen liber dae Symbolum. Er sprach sogar davon, daß die Fortsetzung der Synode in Frage gestellt
Dle Verlegung des Konzlle nach Florenz. sei. Der Papst bemühte sich gemeinsam mit dem Patriarchen um den
Auch nach Cesarinis Ausführungen weren die griechischen Theologen
Frieden. Die burgundischen Gesandten mußten sich zu guter Sitte be-
guemen.l
nicht gewillt, ihre Stellungnahme preiszugeben. Man muß zugeben, daß
Die Verhandlungen konnten weitergehen. Aber mit welchem Erfolg?
dieser Schritt durchaus nicht leicht war und erst ein allmähliches Um-
Immer wieder dieselben langwierigen Begründungen! Alles in endlosen,
denken zur Voraussetzung hatte. Der Hartnäckigste, der niemals nach-
ermüdenden wiederholungen! Markos und cesarini fochten den Kampf
gegeben hat, war Markos Eugenikos" Aber auch Bessarion, der später
unverhohlen gesteht, daß er Cesarinis Gründe in ihrer ganzen Tragweite
weiter; aber der eine verstand nicht mehr den anderen. Es kam selbst
zu unliebsamen Zwischenfällen. Auch cesarini fiel seinem Gegner in die
auf sich einwirken ließ, war hier noch weit davon entfernt, ihm recht-
Rede und ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen.z Auf einen Einwurf
zugeben. TVohl zollte er dem Kardinal sofort in der Sitzung seine volle
Anerkennung; aber ftir die meisten Punkte glaubte er noch mit einer an- von ihm erwiderte er in einer endlos langen Gegenrede von 28 Kapiteln.s
deren Lösung dienen zu können, die er für nachher in Aussicht stellte.l
Er ließ den Ephesier sogar wissen: .wenn er ihm ro Kapitel vorbringe, so
Dazu ist es lllerdings nicht mehr gekommen. In der nächsten Sitzung wolle er nrit ¡oooo sich gegen ihn verteidigen.a Er war gereizt durch
Markos' Eigensinn. Aber es war auch der Zusammenbruch.
am rj. November mußte er Markos den Vortritt lassen. Und d¿nn ver-
schob sich die Grundlage derart, daß auch sein Eingreifen die Lage der
Die unausbleibliche Folge war eine allgemeine Verstimmung in beiden
eigenen Partei nicht mehr retten konnte.
Lagern. Selbst die sonst so ruhigen griechischen Akten berichten nur
Die sofort sich anschließende Aussprache zwischen Markos und Ce- in ganz gereizter Stimmung über die letzten Phasen der verhandlungen.
sarini trug immer mehr Verwirrung in diese endlosen Verhandlungen. An Über Cesarini, der damals bei den Griechen die bestgehaßte Persönlichkeit
eine durchgreifende Widerlegung der von dem Kardinal angeführten Tat- gewesen sein mag, macht ihr Verfasser bittere Bemerkungen.s Cesarini
sachen wer gar nicht zu denken. Markos blieb anfänglich bei der An- hatte dem Ephesier aber auch arg yor den Kopf gestoßen. Die Hitzköpfe
gelegenheit des Charisios stehen, in der er keinerlei Sttitze ftir die latei- bei den Griechen, namentlich die Leute um Markos Eugenikos und den
nische Anschauung sehen wollte. Dann spielten wieder andere verwandte
Erzbischof von Herakleia verlangten, man solle alle weiteren Verhandlungen
Fragen herein. Beide sprachen ohne rechte Disposition. Von einer Frage abbrechen und sofort nach Konstantinopel zurückkehren. und die ernster
glitt man zur anderen über, manchmal sogar sehr hastig. So entstand ein Gesinnten konnte man sprechen hören: was soll man den Lateinern auf
unglaubliches Durcheinander, das mit seinen oftmaligen Wiederholungen ihre nichtigen Reden noch antworten? weder können sie uns überzeugen,
die Zuhörer sichtlich ermüdete. Bisweilen scheint Rede und Gegenrede noch gelingt es uns, sie auf unsere Seite zu ziehen.6 Kein einziger rilar
sehr erregt gewesen zu sein; aber Cesarini wußte sich zu meistern; er da, dcr die lateinische Ansicht angenommen hätte. Bessarion war schwan-
ließ es nie an Güte und Freundlichkeit fehlen.2 kend geworden. Wir hören, wie er die erhitzten Gemüter zu beruhigen
Eine kurze Unterbrechung erfuhren diese Verhandlungen durch die suchte. Aber den Lateinern beugte er sich doch nicht" Noch ein halbes
Ankunft der burgundischen Gesandten, die in der Sitzung am 27. No- Jahr später, als man sehon nahe vor dem Abschluß der Union stand, er-
vember mit den üblichen Förmlichkeiten empfangen wurden,ts Dabei kar¡ klärte er mitsamt seinen gleichgesinnten Freunden, daß er den zusatz zum
es zu ernsten Mißhelligkeiten. Die neuen Ankömmlinge ließen es in Symbolum niemals annehmen werde.?
merkwürdiger Weise an jeder Rticksicht auf die anwesenden Griechen Aber der Kaiser brauchte die Union, und sein Wille war mächtiger
f'ehlen. Gleich im Anfang unterließen sie es, den Kaiser und die Bischöfe als alle böse Stimmung seiner Bischofe. Sie waren kaum mehr freî zu
zu begrüßen, und dann verlasen sie ihre Begleitschreiben nur in lateinischer nennen, Ohne sie zu hören, verhandelte er längst im geheimen mit
Sprache. Die Lage erfuhr dadurch eine neue Spannung. Der griechische Eugen IV.8 Bessarion n:ußte zwischen den griechischen Bischöfen aus-
Kaiser war wütend. Er drohte, den Versammlungen künftig fernzubleiben. t Acta gtaeca
^ r44 l. (Labbê XIIL zo8), Andreas de S, Cruce, Labbé XIII.
978-987.

Abt von Clteaux.


138 4. Der Ausgang d, Konzilsverhandlungen
über d. Symbolum. Verlcg. nrch Florcnz. Die Einstellung der Verhandlungen ùber das Symbolum. 189

prüfen! Wenn wir von hier weggehen, ohne etwas über die dogmatische
Frage zu sagen, geben wir uns selbst auf. Dann ist unsere Rtickkehr
auch unsere Niederlage. So der Kaiser.l Aber wer stand hier anders
hinter ihm als Bessarion ?
gemacht.t Die Bischöfe mußten ihre Sache nochmels beraten. Ihre Einwände
Der Patriarch, in der letzten Zeit von Krankheit heimgesucht und wies der Kaiser mit Spott zurück. >Was liegt daran, wenn die Lateiner
behaupien, ihre Meinung sei richtig? Das ist noch keine Konzilsentschei-
dung. Die ökurnenische Synode spricht erst, wenn beide Teile überein-
stimmen.<2 An diesem Entscheid vermochte weder ein Syropulos noch
ein Gemistos mehr etwas zu ändern.s Zwei Tage später versammelte
der Kaiser sämtliche Bischöfe um sich.¿ Woh[ herrschte anfänglich keine
gute Stimmung. Man sprach von einem Theaterspiel. Man murrte über
ffihrung bisher gut gewesen sei und kaum widerlegt werden könne. Die den Kaiser.6 Und doch nahm alles sein gutes Ende. Auch die am meisten
Begrtiridung dei Lateiner sei dagegen nicht durchschlagend. Er glaubte, widerstrebten, beugten sich. Der Kaiser sprach von der Notwendigkeit,
ein"en Druck auf die Lateiner ausüben zu können, wenn men ietzt dem daß das Dogma zu behandeln sei. Er warnte, wie man es nie von ihm
gehört hatte, die Gastfreundschaft der Lateiner nicht zu mißbrauchen.
Dann sprach Bessarion irn gleichen Sinne. Ihm folgten sofort Isidor von
Kiew, Gregorios Pneumatikos und der Bischof von Mitylene. Es traten
aber auch bei der Erzbischof von Herakleia und Markos von Ephesos.
Damit war alles gewonnen. Nur vier Stimmen, darunter der Patriarch
und Syropulos, waren dagegen.6 So sollte denn das Konzil zur Beratung
des Dogmas ùbergehen. Die Symbolumsfrage galt als vorlau6g erledigt.
nleinte der Patriarcb, soile man den Lateinern noch Bedenkzeit lassen. Aber die Griechen behielten sich das Recht vor, die frühcren Verhand-
Gehe aber der Papst nicht darauf ein, dann stimme auch er mit den lungen jederzeit wieder aufzunehmen.?
übrigen Bischöfen ftir die sofcrrtige Rüstung der Abreise. Daß es Bessarion war, der dieses Mal das Konzil rettete, ist nach
Man sieht, die gereizte Stimmung stieg zur Siedehitze. Der einzige, dem geschilderten Verlauf der Dinge klar. Er war der erste und einzige,
der zu diesem Ausweg geraten hatte. Auch der Kaiser stand deutlich
unter Bessarions Einfluß. An sich lag ja dem l(aiser, der lieber tage- und
wochenlang der Jagd nachging,s nichts daran, ob so oder so entschieden
wurde. Das Interesse an der Union hatte bei ihm politische Gründe.
Die theologischen Bedenken, die er vortrug, waren Bessarions Gedanken.
täuschung groß werden. Denn der Kaiser wies alles in heller Empörung In gleicher Weise hat Bessarion jene drei, die von da an stets als seine
zurück. lwer hat denn Euch das Recht gegeben, ohne unsere Anordnung nächsten Freunde erscheinen, auf seine Seite gezogen, Isidor von Kiew,
und Gegenwart zu beraten?< Johannes Palaiologos war wütend. rWarum Gregorios Pneumatikos und Dorotheos von Mitylene. Wir wissen, daß
wollen ãie BischOfe nicht tiber drs Dogma verhandeln? Warum sind wir sie früher anders dachten.e Markos Eugenikos und sein Parteigenosse,
denn überhaupt zum Konzil gekommen? Doch nur, um das Dogma zu r Über das Ga¡ze Syro p ulo s VII. ó, p. tg2-t94.
rs opulos VII. P. r96.
ulos VIL 8, P, r97,
cta graeca r48 (Labbé XIII. zrz).

über ihn
I
(Labbé
140 4. Der Ausgang d. Konzilsverhandlungen ùber d. Symbolum. Verleg. nach Florenz.
Die Geldoot des Papstes. Die Pest in Ferrara. Nach Florenz. l4l
der Bischof von Herakleia, dürften sich dagegen auf anderem Wege seinem bischof von Herakleia und der Nomophylax Johannes Eugenikos. Auch
Vorschlag genähert haben. Markos von Ephesos war mit ihnen schon unterwegs. Bessarion hatte
Kaum war man nrit diesen letzten Schwierigkeiten glticklich zu Ende, den Fluchtversuch aufgedeckt, und der Kaiser ließ ihnen nachsetzen. Man
da drängte auch schon wieder eine andere Frage. Die Lateiner wünschten, erreichte sie eben noch, als sie ein Schiff auf dem Po besteigen wollten.l
das Konzil nach Florenz zu verlegen. Der tiefere Grund ist in den finan-
Das beleuchtet die Lage. Mit einer Verlegung des Konzils fürchteten die
ziellen Schwierigkeiten des Papstes zu suchen. Eugen war den Griechen Bischöfe noch Schlimmeres" Der Kaiser versuchte sein möglichstes; aber
jene beharrten in ihrer Weigerung.
bereits ftir ftinf Monate die versprochenen Gelder schuldig.l Am rz. Ja-
nuar konnte er anstatt 5ooo fl. nur 2412 fl. an sie auszahlen.r Er hatte Schon schien wieder alles in die Brüche zu gehen, da half im letzten
sogar schon Kostbarkeiten versetzt. Ferrara konnte ihm finanziell nicht Augenblick.eine offene Erklärung des Papstes. Er ließ mitteilen: In Fer-
helfen. Dagegen wollte Florenz die erforderlichen Mittel aufbringen, wenn rara sei ihm weiterhin ihr Unterhalt gänzlich unmöglich. Dagegen sollen
das Konzil dorthin verlegt würde.e Alles war nach dieser Hinsicht schon sie in Florenz alle rückständigen Gelder unverkürzt erhalten. Außerdem
vereinbart. Es kam nur darauf an, ob die Griechen in eine Verlegung wolle er sofort noch r2ooo fl. und zwei Trieren zur Unterstützung nach
einwilligten. Konstantinopel gehen lassen.2 Die Griechen atmeten auf. Sie kanen zu
neuer Beratung zusemmen. Der Patriarch, schwer erkrankt, hörte vom
Dazu kam noch ein äulSerer Anlaß. Schon längere Zeit war die
Pest in Ferrara aufgetreten und hatte auch unter den Konzilsteilnehmern Bett aus inr Nebenzimmer den Verhandlungen zD. Wichtig war, daß jetzt
ihre Opfer gefordert. Von den Griechen war Bischof Dionysios von Sardes der Bischof von Herakleia mit Markos Eugenikos seine Zustimmung gab.
schon in den ersten Tagen des Konzils gestorben. Ebenso wurden mehrere
Auch der Patriarch war einverstanden. So waren schließlich alle dafür
gewonnen, nach Florenz za gehen. Ihre Forderungen deckten sich im
von den lateinischen Bischöfen hingerafft.a Fra Ambrogio schreibt im
wesentlichen mit dem Angebot des Papstes. Nur sollten weiter keine
Juli von der Gefahr und spricht davon, daß die Verlegung des Konzils
Verlegungen des Konzils mehr statthaft sein, und die Verhandlungen dürften
nach Pisa oder einer anderen Stadt zu erwägen sei.ó Syropulos behauptet,
nicht ohne stark tendenziöse Färbung, die Seuche sei, als das Konzil Ende nicht mehr länger als vier bis ftinf Monate dauern.s Sie verlangten aucl:,
ktinftighin frei aus- und eingehen zu dürfen; doch war der Kaiser nachher
des Jahres verlegt werden sollte, bereits seit zwei Monaten ùberwunden
gewesen; doch erwähnt der Kaiser, ¿ls man im Januar Ferrara verließ, in Florenz nicht gewillt, diesem Verlangen zu entsprechen; im Gegenteil,
daß bis zur Stunde das Sterben noch nicht aufgehört habe.6
er ließ durch den städtischen Magistrat verordnen, daß kein Grieche zu
Pferd sich außerhalb der Tore begeben dtirfe. Und das wurde scharf
An Schwierigkeiten fehlte es nicht. Die griechischen Bischöfe sträubten
gehandhabt" Bessarion erfuhr das, als er nur einmal einen Spazierritt
sich. Es war reine Angst. >Sind wir erst in Florenz, dann ist uns die
machen wollte.r
Rtickkehr in die Heimat vollends erschwert, und wir müssen alles unter-
schreiben, was die Lateiner von uns verlangen.< Ihre persönliche Be-
In Ferrara wârtete men nur noch den Tag von Epiphanie ab, den
man nach griechischem Brauch mit höchster Feierlichkeit begehen wollte.
wegungsfreiheit war durch eine kaiserliche Verfügung schon in Ferrara
stark eingeschränkt. Keiner von ihnen durfte sich weit vor die Stadt be-
Am ¡o. Januar wurde das päpstliche Dekret verlesen, das die Verlegung
nach Florenz anordnete. Tags dar¿uf erhielten die Griechen ihre Gelder,
geben. Nicht ohne Grund; denn einzelne Unzufriedene hatten versucht,
und rgooo fl. wurden zur Hilfeleistung nach Konstantinopel gesandt.s
sich durch heimlichen Weggang dem Konzil zu entziehen. So der Erz-
Am ¡6. Januar trat Eugen IV. die Reise an. Zwdf weiße Pferde weren
aufgezäumt. Großes Gefolge war aufgeboten. Das Sanctissinrum wurde
in einem Schrein mitgeführt. joo Mann gingen zu beiden Seiten mit
brennenden Fackeln. Der Papst selbst zu Pferd, kam in Mitra und Chor-
kappe. Der Marchese führte am Zugel bis vor die Stadt. Kardinäle und

Bessarion.
Ambrosii Epistulae VII. r¡, Col.34t.
6
Acta gra.cä ¡sz (Labbé ÎIU. zii) ìniorao$t y,ïp,ïtr dnò æú 99lto-
0
napoa oú ratiru,t 8a4 toú-võv rò gavatu¿òv dnò cie Øeppapiaç.
112 nrch Florenz.
4. Der Ausgang d. Konzilsverhandlungen über d. Symbolum. Verleg.

Bischöfe folgten. Im Kloster San Antonio bei Ferrafa wafd nochmals


kurze Rast gemacht. Tags darauf ging es zu schiff und zu Land weiter
bis Modeua und von da nach kurzem Mittagsmahl auf steilen Wegen nach
Florenz.
Nach wenigen Tagen folgten die Griechen. Bei F'lorenz blieben sie c. Za Florenz.
erst noch einige Zeit in einem Kloster vor der Stadt. Am 13. Februar
zog der Patriarch in die Stadt ein. Der Empfang ftir beide war höchst l. Der Dogma der Lateiner und dle Elnwände der byzantlnlschen Theologle.
ehienvoll. zwei Kardinäle und an die 3o Bischöfe rileren mit viel volk
Die Griechen blieben in Florenz nicht lange untätig. Schon am Mitt-
ihm entgegengegangen. Aber es regnete in Strömen. Für den Empfãng
woch in der ersten Fastenwoch.t (t7. Februar) beschied der Kaiser die
des Kaiseri, der nach 3 Tagen folgte, hatte sich die Republik aufs glän-
Bischöfe zu einer Beratung in seineu Paiast. Die Lateiner erhielten Be-
zendste gerüstet. Die Griechen wereu sichtlich überrascht. >Wer vorher
noch hämische Wortc auf der Zange hatte, mußte von selbst zum Lobredner
richt von ihrer Bereitschaft. Der Patriarch war ernstlich erkrankt und
sah schon dem kommenden Ende entgegen.t Das brachte eine kleine
werden,< heißt es in den griechischen Akten.l Die Signoria kam zu Fuß
Verzögerung in dìe Wiederaufnahme der Verhandlungen. Denn ohne seine
bis an die Tore; alle Kardinäle waren erschienen; das Volk drängte sich
Anwesenheit wollte man die I. Sitzung nicht abhalten. In der darauf-
auf den Straßen und an den Fenstern. Zwischenhinein erklang frohe
folgenden Vy'oche, 26. Februar, sahen sich schließlich beide Parteien
Musik und das Schmettern der Trompeten. Der Kanzler selbst, Lionardo ^m
zum erstennlal in der neuen Konzilsaula, einem Saale in der pâpstlichen
Aretino, begrüßte den Kaiser in wohlgesetzter Rede und führte ihn durch
tlie Straßen. Ftir den nächsten Tag waren Schauspiele in der Rennbahn Residenz. Aber auch hier kam man noch nicht weiter als zu einer höchst
unangenehnren Aussprache über den Geschäftsgang des Konzils. Johannes
vorgesehen. Der Kaiser nahm Wohnung im Palazzo dei Peruzzi;2 der
Palaiologos in eigener Person und Kardinal Cesarini standen sich gegen-
Papst stieg im Kloster von S. Maria Novella ab.
über; sonst griff niemand ein. Der Kaiser zeigte Würde und freundliche
Zurückhaltung; er suchte erbitterte Zusammenstöße zu vermeiden. Aus
dem Kardinal sprach das lebhafte, etwas heftige Temperament des Italieners.
Er wünschte vor allem, daß die Ergebnisse, welche die Lateiner bisher
auf dem Konzil erreicht hatten, anerkannt würden. Um weiterhin er-
müdende Verhandlungen zu vermeiden, richtete er an die Griechen die
Frage, ob sie für das Dogma nicht eine bestimmte Formel vorlegen
könnten, welche die Union schneller in die Wege leitete'3 Das lehnten
die Griechen ab; sie wollten, daß das Dogma in seinem ganzen Umfang
erörtert würde. Vernünftig war ihr Vorschlag, man nröge besondere
Sitzungen ftir theologische Kommissionen veranstalten; doch das lehnte
Eugen ab. Lieber war ihm, wenn das Dogma nach seiner lateinischen
und griechischen Fassung in einer öffentlichen Konzilssitzung behandelt
würde.
So traten Lateiner und Griechen am 2. März endlich zusemmen, um
uin ökumenischer Weise< über die Lehrunterschiede im Dogma zu ver-
handeln. An der öffentlichen Aussprache beteiligten sich Markos Eugenikos

2ù. cfiç tghns naçú.9oítø1s rfi xu$apS

tio$bqo,ct å. rarpuipçqç., xal dyx,l.-


s. Vgl.'dazu l. c, t63, 164 Q13. 276).

lll, zz4-276). Andreas dc S. Cruce ùber-


chrraLter der dogmatischen verhandlungen. Johannes de Monte Nigro. 14á
141 l. Das Dogma der Lateiner und die Einwände der byzantinischen Theologie.
Überlieferung des Abendlandes hatten sie nact Markos' eigenem Zeugnisl
und auf seiten der Lateiner Johannes de Monte Nigro, nach griechischem
wenig oder gar keine Kenntnis, und als sie später von der Lehre der
Urteil ein Mann von ganz außergewöhnlicher Bildung.l Noch weniger lateinischen Väter hörten, erklärten sie die vorgetragenen Stellen als Fal-
als zu Ferrara kam bei diesen Verhandlungen das Material in einem ab-
schungen der Lateiner.2 Dafür boten die S¿tze aus den griechischen
gerundeten Ganzen zum Vortrag. Ein Sttick griff hier in das andere ùber,
vätern infolge der unsicheren textkritischen überlieferung una der per-
wie es gerade die Disputation mit sich brachte. Vieles wurde doppelt sönlichen Deutung der Griechen ihre besonderen schwierigkeiten.
gesagt und mancherlei war überflüssig. Papst und Kaiser waren in den acht
Zunächst legte Johannes zwei Stellen aus dem >Ancor¿tus< (aynJ-
Sitzungen, die sich mit dem Dogma beschäftigten, ständig zugegen. Den
Patriarchen verhinderte nur allzubald seine Krankheit an weiterer Teil-
p.,rcç) des Epiphanios vor. Das eine Mal hieß es: >sohn nenne ich
jenen, der aus dem vater ist; Geist aber den, der allein aus beiden ist.<s
nahme. Von Bessarion hören wir in diesen Sitzungen, abgesehen von
einigen beiläufigen Bemerkungen, nichts. Seine Ansicht über das Dogma Das andere Mal: >Keiner kennt den Geist außer dem vater und dem
hat er nur bei den engeren Zusammenkünften der Griechen vorgetragen, sohn, von dem der Geist en:pfängt und ausgeht"<a Aus beiden Stellen,
'Widerstand eines Markos verstummte. die nach Johannes zum Klarsten gehörten, was sich von den griechischen
und auch erst dann, als der laute
Das brachte an sich schon seine anders geartete Stellungnahme mit sich. vätern beibringen ließ, zog er den schluß, daß der Hl. Geisi von vater
Er konnte doch nicht zugunsten der lateinischen Formulierung eintreten, und sohn sein Sein empfängt. Der ersten stelle trat die zweite ergánzend
als es noch galt, den griechischen Standpunkt zu begründen. Und dann zur seite. Aus ihr war ihm ersichtlich, daß Epiphanios das sein und das
Empfangen aus Vater und Sohn für ein und dasselbe hi'elt.
war noch der'Wille des Kaisers maßgebend, gegen den auch keiner der
übrigen griechischen Theologen in die öffentliche Disputation eingriff. Gegen dieses Ergebnis erhob Markos Einspruch. Die beiden Stellen
Auch einem Markos ward gelegentlich verboten, über bestimmte Punkte berechtigen noch nicht zu dieser Folgerung. Der Ausdruck >aus einem
zu sprechen, bei denen sein Übereifer zu befÍirchten war.z sein< finde sich haufig, ohne daß damit auch jedesmal ein wesenhaftes
Das Dogma des Abendlandes, wie es vereinzelt mit dem 5., all- Flervorgehen gemeint sei. In der zweiten Stelle
gebrauche Epiphanios
gemein mit dem 8. Jahrhundert verbreitet war, nämlich daß der Hl. Geist die worte wie in der stelledes Evangeliums: >Der Geist wird vãn mir
vom Vater und vom Sohne ausgeht, ließ sich aus den lateinischen Kirchen- nehmen und euch verkünden.<5 E_piphanios bringe mit der unterscheidung
vätern mühelos beweisen. Demgegenüber sprachen sich die griechischen rag' oõ èxnoqeúetac und øøp' oú ùappdvu deutlich zum Ausdruck, daß
Väter, die den byzantinischen Theologen fast allein gelaufig waren, bei er unter beiden etwas verschiedenes verstehe. 'Exnoqeúetat, beziehe sich
weitem nicht mit jener Klarheit aus. Allerdings lagen auch die haupt- auf die Existenz aus dem vater; ),apSdvu besage die Lehrvermittlung an
sächlichsten Stellen in den jüngeren Handschriften langst nicht mehr in die Menschheit. Im gleichen Sinne erklären das ).apBáaet. irn Evangeìium
der ursprünglichen Gestalt vor. Auf dem Konzil fiel das verschiedentlich auch Chrysostonros und Kyrillos.6
auf.s Den Lateinern weren die griechischen Väter zumeist nur in Über- Basileios wurde in die Frage hereingezogen. Gerade dieser Kirchen-
setzungen zugänglich. Immerhin waren diese genau gemacht. Ambrogio vater besaß besondere wichtigkeit. Mehrere Äußerungen über das Dogma
Traversari hatte sich um die Übersetzung des Epiphanios und Basileios lagen von ihm vor. Kaum hatte der lateinische v/ortfúhrer eine sielle
besondere Verdienste erworben"a aus ihm ftir sich geltend gemacht, da sprang Markos auf. Aus Basileios
lasse sich für die lateinische Ansicht überhaupt nichts beweisen. Denn
Johannes de Monte Nigro, der die Verhandlungen eröffnete, sah bei
jener lehre in seiner schrift >Gegen Eunomios< ausdrücklich, der Hl. Geist
seiner Beweisftihrung von den lateinischen Vätern grundsätzlich ab. Bei
den Byzantinern hätte er damit doch kein Verständnis gefunden. Von der sei ¡¡aus dem vater selbst und nicht anderswoher< (èg aínoú toú øatgòç

lX. 7, p. 258.
ie, Stelle bei Mig.ne, p..gr, 4),
,ii:" ;;,i:;, w,n :i"i:g' f:;_
r). JVIign.e,. p.,
þr. +1,,36-C.-
"
ìoXpal ),é_
29)' nati¡g xat ò oiòg nrag, oú êznogcúetar,
. . . ëy rot oayypå,ppart AyxuptotÇ èpoú )'appdvet xal dtayvez'eî ópív'
oú ralatoi napà roõ Apppotolou, . .. . e Acta graec^ r7o (Labbé *ur. iîf>io
tolrlor. Kardí¡al Bes¡aúon. L t0
146 r. Das Dogma der Lateiner und die Einwãnde der byzantinischen 1'heologie, unterschiede in der beiderseitigen Terminologie. Textschwierigkeiten. l4l
xaï ot)y fuépæf:eu). Mit diesem Satz sei die ganze lateinische Beweis- klarlegen, ebenso die aristotelische unterscheidung zwischen erster und
führung unmöglich gemacht. Basileios verstehe das notwendig als >aus der zweiter Substanz. Das alles kostete unglaublich viel Zeit und Geduld.
Hypostase des Vaters und aus keiner anderen<.l Das stimmt nicht! sagte Eine Erklarung reihte sich an die andere. Auf das ursprüngliche Thema
¡oiunn.r. Zterst muß der richtige Sinn der Stelle erschiossen werdeu, kam man gar nicht mehr zu sprechen.
und dafür ist das Ziel de¡ Schriftstellers maßgebend. Basileios bekampfte Eine neue Frage tat sich auf. Es handelte sich um ein höchst be-
den Eunomios, nach dessen Ansicht der Hl. Geist nur geschöpflicher Natur deutsames wort von Basileios aus dessen Schrift gegen Eunomios: ¡was
war. Dem widersprach das >nicht anderswoher<. Man habe es also in besteht für eine Notwendigkeit, daß der Hl. Geist, wenn er der Würde
dem Sinne r¡nicht ¿us einer anderen Wesenheit< zu verstehen. >Aus dem und der ordnung nach der dritte ist, auch der Natur nach der dritte sein
Vater selbst< sei ihnr daher so viel wie >aus der Natur des Vaters<.2 nuß? Gemäß seiner Würde isr er nach dem Sohn der zweite, weil er
Markos hatte mit seinen Einwänden wenig Gläck. Er verwickelte aus ihm das Sein hat.< So lautete die stelle in dem Exemplar der La-
sich in die merkwürdigsten Widersprüche. Und nicht nur das; er beging teiner.l Johannes zog den Schluß daraus, daß n¿ch Basileios der HI. Geist
sein sein aus dem Sohn habe und zu ihm im verhaltnis wie zu seiner
Verstöße gegen die scholastische Terminologie, die nur noch mehr zur
Verwirrung beitrugen. So gab ihm der lateinische Redner zu bedenken, ursache stehe. Markos aber erklärte: Es sei gar nicht die persönliche
daß die Wesenheit des Vaters und Sohnes, ohne Hypostase zu sein, den
Meinung von Basileios gewesen, daß der Hl. Geist seiner wtiide und
Geist nicht hervorbringen könne. Und dann mußte er ihm wieder sagen, ordnung nach der dritte sein soll. Das stamnre von Eunomios. Basi-
daß vater und Sohn in ihrer wesenheit eins seien. Denn Markos glaubte
leios wiederhole dessen Meinung lediglich in hypothetischem Sinne, unr
inr Gegensatz zu seiner Deutung von tags ztJvor, die Lösung des frag- im Nachsatz dessen Hauptirrtum zu treffen. so verlauge es der Zusirmmen-
lichen Satzes gefunden zu haben, wenn ef sagte, der Geist sei aus der hang der Stelle.
Wesenheit des Vaters.s Markos beanstandete auch die Lesart der Lateiner. Nach dem Text
Solche Verstöße mochten den Lateinern wie böse Schtilerfehler vor- in den Exemplaren der Griechen sei der sinn deutlicher. Hier kenn-
kommen; in Wirklichkeit tat sich hier doch eine andere Kluft zwischen beiden zeichne das beigeftigte iaøg den vordersatz als hypothetisch, als bloße
Parteien auf. Die verschiedene Entwicklung der abend- und morgenländischen Einräumung. Der zweite satz sei in der Handschrift der Lateiner dqrch
Theologie lag dahinter. Die Griechen waren mit den theologischen Grund- den Zusatz è$ aòcoõ tò eiuat, 'éBoa, xal èg aùoõ ).appá,uou, xal àvayü).ou
begriffen, wie sie die abendlendische Scholastik formuliert hatte, und wie fiptu, xai äLøs cfiq aì:cfie ahla6 ègqppíaou erweitert. Das passe nicht
sie bei den Lateinern schon längst selbstverständlich waren, sehr wenig zum übrigen Zusammenhang. Sein Text kenne das nicht, sondern schließe
vertraut. Die byzantinischen Theologen in alter wie in neuer Zeit ver- sofort mit: å tfis eðocselag'ioøç øapaôíôæat 2"óyog.z
banden mit oìtaía and ttnóatalq andere Begriffe als die Lateiner. Auch Johannes trat demgegenüber für die unverÊilschtheit seiner Hand-
Bessarion verstand das nicht anders als seine Umgebung.a Bei Markos schrift ein. Den Kodex habe erst Nikolaus von cues nach Italien gebracht.
folgte allnrählich ein Mißverständnis auf das andere. Die Frage des latei- Er sei nicht auf Papier, sondern noch auf Pergament geschrieben. Seinem
nischen Redners, ob nach griechischer Anschauung die oìtale oder die Aussehen nach sei er mindestens 6oo Jahre alt, so daß er also längst
ónóataaq Ursache des Geistes sei, erschien dem Ephesier geradezu als
unverständlich. Schließlich wurde er dermaßen verwirrt, daß cr ausrief,
lryqrff!ü,iiïfi:.'i!Í1,.T'^T"J;,""i1'.3,i',,T1*åi;.,'s,9,1;:l,"lÎÁîüL';
Braunsberg 1882, S. ó¡-8¡.
er könne sich die Worte seines Gegners nicht mehr zusanrmenreimen.o
Um sich zu verständigen, hatte Johannes die allergewöhnlichsten
tWeise suchte er zu
Grundbegriffe auseinanderzusetzen. In schulmäßiger
erklären, daß nicht die oìtaia zeugt und haucht, sondern die Hypostasen.
Er mußte den Unterschied zwischen Prinzip und Ursache (àqyfi und alría)

Ð.
II. 249-z6o)'
6t)' '1.
¿q). Vgl. auch c. t96 (277). Uber die
.' Bardénhewer, Geschichte der altkirch-

6r f,). Vgl. l. c. t76 (z5z).


10+
I
I

Das Dogma bei Basileios. Markos' Ausstelltrngen an der lat. Auffassung' 149
148 r. Das Dogma der Lateiner urrd die Einwáncle cler byzantinischen Theologie.

vor dem Schisma geschrieben ¡¡/orden sei. Spätere Fälschung sei flus- oder Ursprünge ergäben. So behauptete wenigstens Markos. Johannes
geschlossen. Man könne nirgends eine Rasur oder Streichungen oder
hatte ihm schon einmal erklärt: Vater und Sohn lassen den Hl. Geist
gemeinsam hervorgehen, weil beiden ein und dieselbe Wesenheit zu eigetr
Zusätze feststellen. Wie also niemand in Konstantinopel etwas an dem
Text zugunsten der Byzantiner velsucht habe, so sei das Buch auch naclt ist. Also ist dabei nur ein Ursprung ânzunehmen.l Markos kam aber mit
dem neuen Einwand: Zeugen und Hervorgehenlassen sind keine Eigen-
seiner Úberbringung ins Abendland unversehrt geblieben.l
schalterr der göttlichen Natur, sondern kommen den göttlichen Personen
Zur Erörterung stand auch eine Stelle ;rus einem Brief des B¿rsileios
zu. Wenn der Hl. Geist aus Vater und Sohn hervorgeht, so stammt er
an seinen Brucler Gregorios. Es hieß dort, daß dcr Geist mit dem Sohn
verbunden sei und zugleich mit ihrn ohne Trennung gedâcht werde.2
von zwei Hypostasen her und bat demnach doppelten Ursprung und
erwiderte Johannes. Vater und Sohn stehen
Markos erklärte, hiernach sei es Basileios' Ansicht, daß der Hl. Geist
doppelte Ursache.
in
- Falsch!
einem wechselseitigen Verhlltnis. Wenu der Sohn nicht
ruiteinander
nicht vom Sohne ausgehe. Denn sein Verhaltnis zum Sohn \¡/erde mit
wäre, könnte auch der Vater nicht sein. Der Geist bezieht sich dagegen
dem Hervorgang aus dem Vater begründet.s Johannes erwiderte: f)er
als Geist weder auf den Vater noch auf den Sohn, insofern beide Vater
Ausdruck è$qqrfia#at fluo6 becleute soviel als >von iemandem seine ur-
und Sohn sind. Er muß sich auf den beziehen, der ihn hervorbringt.
saclre haben<.a Nach Markos war è$tiçtqrat gleich"Uedeutend mit oou-
Vater und Sohn lassen ihn zusammen mit einer Kraft hervorgehen' Dem-
téta,xtat. Es handle sich nur um die Stellung des Hl. Geistes nach
nach kennt die Lehre der Lateiner nur ein Prinzip, das seinen Ursprung
clem Sohn; uncl diese komme ihm zu, nicht aus einer inneren Ursache,
nach dem Vater eigen ist, von dem es aber auch der Sohn emplangen
weil er etw¿ aus ihm hervorgehe, sondern weil eine Aufzählung rein beide Personen in eine zu-
äußerlich nicht anders möglich sei" Vo'r den Sohn könne er nicht gesetzt
hat.
- Markos empörte sich: Das heißt
sammenziehen. Das ist nichts anderes als Sabellianismus.
werden, weil der Sohn der Eingeborene des Vaters sei. Auf diesen Er-
In der Gottheit gibt es nur eine Ursache"
- der
De
Johannes
Vater
widersprach:
wägungen beruhe die Reihenfolge in der Dreifaltigkeit. Eine andere Be-
beim Zeugen des Sohnes außerhalb ieder Zeit ruch den Geist hervorgehen
gründung kenne die Theologie nicht"s
läßt, so empfängt cler Sohn vom Vater sowohl sein Sein wie die Kraft,
Dem lateinischen Re<lner erschien diese tösung zu oberflechlich. Bei
den Geist hervorgehen zu lassen. In diesem Sinne ist der Vater in ur-
einer solchen Auûãssung wäre die Ììeihenfolge von Vater, Sohn und Geist
sprünglicher Weise die Ursache des Geistes. So kann einerseits nicht
nichts anderes âls eine Aufzähluug nrit leeren worten. Die Ordnung in
von zwei Ursachen die Rede sein, und anderseits ist der Vorwurf des
der Trinitat müsse vielmehr in der innersten Natur der Gottheit begründet
Markos auf Sabellianismus nicht berechtigt.z
sein. Wie zwischen Vater und Sohn diese innere Ordnung bestehe, in-
sofern der V¿ter die Ursache des Sohnes sei, so sei auch zwischen Geist Als man am 17, März wieder zusammentrat - es war das letzte
und Sohn nur eine innere Ordnung denkbar, nämlich dadurch, daß der Mal, daß Markos Eugenikos überhaupt bei díesen Verhandlungen zugegen
das Wort, um mit einem einzigen Sctrlage
Geist mit dem Sohn verbunden sei, und der Sohn die Ursache des Geistes war
-, da ergriff er sofort
das Dogma des Abendlandes zu treffen. Von den griechischen Vätern
sei.6 Markos in seiner hartnäckigen Art blieb dabei: Zwischen Vater und
Sohn bestehe wohl eine natürliehe Ordnung, insofern der Sohn sein Sein suchte er alles aufzubieten, was für die Berechtigung seines Standpunktes
aus dem Vater habe. Einzig und allein cliese R,eihenfolge sei entscheidend, sprach. Es war offenbar sein wertvollstes Material. Dagegen ging er auf
den Geist an dritter Stelle aufzuzählen.? die früher behandelten Fragen nicht mehr ein'
Besondere Beachtung verlangte noeh die Frage, ob sich nach der Zum Schriftbeweis führte er die Stelle an: >Wenn der Paraklet kotumt,
lateinischen Lehre für rlen Ausgang des Hl. Geistes nicht zwei Prinzipien den ich vomVater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater
ausgeht, er wird von mir Zeugnis ablegen.<3 Hier sei der Vater aus-
drücklich als die ursache genannt, von der der Geist sein sein empfange.
Der Sohn werde in Verbindung mit dem Vater nur insofern nanrhaft ge-
macht, als es von ihm heiße, daß er den Geist vom Vater sende. Gemeint

t Acla graec
z Acia eraec
8 loh. fS,26. ôv.èyò népqa tptu nagàt roú na-
tgóç., rò nteú¡ta tis g êxnogeúerat, É:tr'ívnç ¡tdetugr¡ott
lrc9L t(tov,
150 r. Das Dogma der Lateiner uud die Einwände der byzantiuischen Theologie. MarLos' Einwände. Sein Zusammenbruch. 151

sei die Offenbarung des Geistes an die Welt.l So erkläre die Stelle auch Verhältnis des Geistes zum Sohn anders begründet als sein Verhältnis zurn
Gregor von Nazianz.z Und ebenso erkläre Johannes der Theologe dem Vater. Der zweite Ausdruck wolle besagen, daß er von derselben Wesenbeit
Gregorios Thaumaturgos: Der Geist habe sein Sein aus Gott und ist durch rvie Vater und Sohn sei. Hätte nan geu'ußt, daß der Geist aus beiden
den Sohn der Menschheit geoffenbart worden.s ausgehe, warum sagte man das nicht im Synrbolum?
Aus den Vätern brachte Markos mehr als einen Beleg, der für ihn Die IIL Synode bef¿ßte sich mit dem Bekenntnis des Nestorios, das
zu sprechen schien. Die Eigentümlichkeit der griechischen Väter, die sich neben anderem die Wendung besaß, der Geist sei nicht der Sohn und
in diesem Punkte nie genau geäußert haben, kam ihm dabei sehr zu statten. habe auch nicht das Sein durch den Sohn. Diese Außerung nalrm das
Er konnte aber auch Beispiele anführen, die ftir die lateinischen Theologen Konzil stillschweigend als die Lehre der Veter hin. Denn wenn auch die
überraschend sein mochten. Dionysios der Areopagite wie Athanasios Nestorianische Lehre von der Menschwerdung verworfen wurde, so erfuhr
nennen den Vater rdie Quelle der Gottheit<.a Gerade dadurch sei er von er doch keinen Tadel, daß er hinsichtlictr der göttlichen Personen Falsches
Sohn und Geist verschieden. Denn beide haben keinen Anteil daran. gelehrt habe. Demnach habe die Synode auch nicht die Ansicbt vertreten,
Anders würde jeder Unterschied in der Gottheit aufgehoben. Wenn eber daß der Geist auch vom Sohn ausgehe.l Und Kyrillos, der den Nestorios
Quelle der Gottheit, so schließt Markos, dann ist der Vater auch der ein- vregen des fraglichen Punktes einer falschen Lehre zu bezichtigen schien,
zige, der den Hl. Geist hervorgehen läßt.6 erfuhr von Theodoret von Kyros lebhaften Widerspruch. Theodoret ver-
- Ferner habe Bischof Leontios
auf der I. Synode vorn Hl. Geist gesagt, daß er âus dem Vater hervor- warf das Filioque. Daraufhin beschwerte sich Kyrillos vor detr Bischof
gehe. Wenn er dazu bemerkte, daß der Geist auch dem Sohne zu eigen Euoptios, er sei fälschlich angeklagt. Demnach wollte auch Kyrillos lehren,
sei, weil ihn der Apostel den Geist Christi nennte (Röm. 8, 9), so wollte daß der Hl. Geist nur vom Vater ausgehe. Markos legte noch andere
Leontios damit nur wissen lassen, daß der Geist von gleichem Wesen Zeugnisse von Kyrillos vor, die sich auch in diesem Sinne aussprachen
und den Geist nur wegen der gleichen Wesenheit rnit dem Sohn ver-
wie der Sohn sei.
- InDieser
nicbt anders Basileios.
gleichem Sinne habe sich Kyrillos geäußert, und
erklâre im r8. Kapitel an Amphilochios: bunden sein ließen.r Damit schloß Markos Eugenikos.
Geist Christi heiße die dritte Person, weil er dem Sohn seiner Natur nach Die ganze Seele des Bischofs von Ephesos kam in diesen dogma-
eigen, d. h. weil er gleichen Wesens sei. Hette Basileios gewußt tischen Ausftihrungen zum Ausdruck. Wie immer, so ¡ilar er auch hier
der verdorbene Kodex wolle - wie
daß der Geist sein Sein vom Sohn er- von Anfang an einseitig auf die Frage eingestellt. Er war auch hier der
-,
halte, dann hette er hier sich nicht in dieser Weise geäußert, sondern wuchtige Polemiker, der dem Gegner auch in keinem Punkte ein Zu-
betont, daß er aus ihm hervorgebe.6 So sage er auch in seiner Schrift geständnis machte. Es kam auch vor, daß er ihm nrit wohlfeilem Spott
>Gegen Sabellius, Areios und Eunomios<: ,¡Ich verstehe seine (d. h.. des begegnete.s Wo ihm Tatsachen unbequem wurden, sprach er von Fäl-
Hl. Geistes) Verwandtschaft mit dem Vater, weil er aus dem Vater hervor- scbungen. Er beachtete aber nicht, daß auch seine Beweisführung manche
geht; seine Verwandtschaft mit dem Sohn, weil ich höre: Wer den Geist schwache Seite hatte, und d¿ß sein Material unter einem anderen Gesichts-
Christi nicht hat, gehrirt ihm nicht.<? Hätte Basileios, fragt Markos, punkt auch noch eine andere Deutung ermöglichte. Sein Widerspruchs-
wirklich so geschrieben, wenn er gewußt hatte, daß der Geist auch vom geist steigerte sich in den letzten Tagen zum unbeu¡¡sâmen Starrsinn, die
Sohne ausgehe? ihn ähnlich wie früher weder Gegengründe hören noch die eigene Nieder-
Nun zu den Symbola! Die I. Synode habe den Hl. Geist neben lage einsehen ließ. Er raste, tobte und wütete in der öffentlichen Sitzung
Vater und Sohn aufgezählt auf Grund der Taufformel und setzte in das in einer Weise, daß man selbst in: griechischen Lager sagte, Markos habe
Synrbolum : xai eìs rò nucõpa tò äyrcu. Die II. Synode wollte den den Verstand verloren und wisse nicht mehr, was er sage.a Es war so
inneren Grund ftir diese Aufzâhlung angeben und setzte bei: øò tÈx narpòç schlimm, daß der Kaiser ihm samt seinem Freund, dem Bischof Antonios
èxnopevópeaov xai auuôogaÇópevov. Also auch hier wieder werde das von Herakléia, verbot, noch weiterhin in den öffentlichen Sitzungen zu
erscheinen. Auch der Patriarch hielt das für geraten.s Gerade damit
setzte ein Umschwung in der Gesamtlage ein. Was Johannes noch in
den beiden nächsten Sitzungen, den letzten über das Dogma zu sâgen
t ttcla gÍ^ecA 257 1. (Labbê XlIl. 16r-169.
2 ltctt graeca 258-z6o (Labbé XllI. 164-$8).
6 Acta gÍaec^ z5o t (Labbé XIII. 152 f.).
8 Acta gra,eca 257 (Labbê XIII.
I Syropulos lX, z, p, z5r. 16r).
:? $-9tr gr^eca 254 f ..(Labbé XIII. ,t7-)6o). Migne, P. gr. 72, r47-rr4.
Migne, P, gr. 29, 652, 6 Acta gtaec^ 268 (Labbé Xlll 177).
162 e. Bessarion im Kanrpf um sein Ziel. Die Griechen unter sich. Eine einigende Formel bei Maximos. 153

vsußte, änderte das Gesamtbild nicht mehr. Im ganzen war das Thema nähergekommen. Mit großer Freude sprach man nach der Sitzung davon.r
ftir die Lateiner erschöpft, und neue Ergebnisse ließen sich auf diesen aus- Der Bischof von Mitylene, der das feststellt, gehörte von da an zu den
getretenen Pfaden nicht mehr erwarten. Unionsfreunden. li.hnliche Wandlungen machten auch die anderen füh-
renden Persönlichkeiten mit. Wann und wie leßt sich im einzelnen nicht
2. Bessarion lm Kampf um sein Zlel. sagen. Im ganzen scheint es ein allmähliches Werden gewesen zu sein,
das nanrentlich durch das Versagen des Bischofs von Ephesos geförclert
Die dogmatischen Verhandlungen hatten sich den ganzeî Monat März wurde. Die Seele der ganzen Bewegung war Bessarion.
über acht öffentlicl:e Sitzungen hingezogen. Im Gegensatz zur ersten Die neuen Eindriicke wurden durch die nächsten Zwischenfâlle ge-
Periode des Konzils war doch ein umfangreicher Stoff ohne Zeitvergeudung festigt. Wir können beobachten, wie sich allmählich eine zielbewußte
behandelt worden. Jetzt stellte Eugen IV. die Sitzungen ein, auf Wunsch Unionspartei herausbildete, die gewillt war, mit einer annehmbaren Formel
der Griechen, weil sie ihnen gegenstandsios geworden ìilaren. Wir haben eine Verständigung herbeizuführen. Johannes Palaiologos machte sich den
hier einen deutlichen Einschnitt in der Geschichte des Konzíls. Das ganze günstigen Augenblick zpnutze. Es war nach jener Sitzung, in welcher
Bild änderte sich. Der Schwerpunkt liegt vorr jetzt an in den engeren der Ausspruch des lateinischen Redners einen so frohen Widerhall bei den
Zusammenküníten der Griechen ohne öffentlichen Cbarakter und in Einzel- griechischen Bischöfen gefunden hatte; da berief er die Metropoliten auf
besprechungen mit den Lateinern. Abgesandte gehen hin und her. Schrift- den 19. März nt einer Besprechung in die Wohnung des Patriarehen.
stücke werden ausgetauscht. Alles zielt darauf ab, den beiderseitigen
Jene nachdrückliche Erklarung des lateinischen Reclners von einer einzigen
Standpunkt zu klären, um so einer Union näherzukommen. Aber es ist Ursache des I{1. Geistes hielt der Kaiser für eine geeignete Grundlage zur
nicht immer leicht, sich durch dieses Gewirr von öffentlichen und pri- Schaffung einer einigenden Formel. Er hatte sich die Worte von Johannes
vaten Veranstaltungen hindurchzufinden.l Jetzt kommt es auch offen zum sogar schriftlich gcben lassen, um sie mit seinem Episkopat in Erwägung
Ausdruck, daß die allgemeine Stimruung bei den Griechen eine grund- zu ziehen. Die tr(onzilsthcologen erhielten nun den Auftrag, zu forschen,
sätzliche Veränderung erfahren hat. Wir sind diesem stillen Entwicklungs- ob eine Formel, díe darauf beruhte, sich auch aus irgendwelchen Väter-
gang des theologischen Denkens innerhalb cles grieehischen Episkopats stellen rechtfertigen ließe. Da stießen sie auf den Brief des Patriarchen
bei der Schilderung der äußeren Ereignisse vorausgeeilt. Wir haben hier Maximos an Marinos. Hier hieß es, die Lateiner lehrten mit Kyrillos
noch etwas zurückzugreifen in die Zeit, als die öffentlichen Sitzungen noch von Alexandrien den Ausgang des Hl. Geistes aus Vater und Sohn, aber
voll im Gange \ 'âren. trotzdem kennten sie nur eine Ursache in der Gottheit. Abgesehen davon
Eigentlich täuscht der Bericht über die bisherigen Verhandlungen. forderte Meximos hier nur', daß das èx toú ui.oõ der Lateiner mit der
Man hört nur immer Markos Eugenikos in seiner ablehnenden Weise reden griechischen Formel ô¿à roõ aioõ pleichbedeutend sei.3
und nimrnt das leicht als die Gesamtstimmung hin. Aber zwischenhinein
Das war ebenso wichtig wie überraschend. Was die Lösung des
schon nach der dritten Sitzung zu Florenz gab Bessarion dem Ephesier
Briefes empfahl, war die Persönlichkeit des Maxinros, der zu den gefeiert-
einmal deutlich zu verstehen, daß er in der dogmatischen Frage eine andere
sten Lehrern der griechischen Kirche gehörte. Inhaltlich deckte sich sein
Auffassung habe.2 Das war zunächst nur Bessarion. Doch setzte auch bei
Wortlaut schon zum größten Teil mit der Erklarung des lateinischen
den übrigen Bischöfen ein langsamer Umschwung ein. Besonders hat
Redners. Jetzt bestand nur dic Frage, ob die Lateiner diese Formel an-
dazu die öffentlicbe Sitzung 17. März beigetragen. Der lateinische
^m nehmen wollten; und vorher noch, wie die griechischen Theologen sich
Redner gab dort kurz vor Schluß mit besonderem Nachdruck die Erklärung .dazu stellten.
ab, daß die römische Kirche es ablehne, dem HI. Geist zwei Ursachen
zuzuschreiben. Das machte auf einen großen Teil der griechischen Bi- Die beiden Quellen, die uns über den weiteren Verlauf berichten,
schöfe einen tieferì Eindruck. Man war sich tatsächlich einen Schritt stimmen nicht in allweg überein. Die Akten sind ntichtern und zurück-
haltend. Lebbaftere Farben erhält das Bild in der Darstellung des Syro-
pulos. Aber es fehlt bei ihm nicht an Bitterkeit und Galle, und dann
wird seine Tendenz fühlbar, \4'enn er die Freiheit cler griechischen Bischöfe

Ãcta graeca 266 (Ltbbê, XllI. 371).


Aeta graeca 267 (Labbé XlIl. 376).
Âcta graeca 267 çI ..a56¿ XÍfl..,776) . Ql,l"'1¡'.a. xal ,Ji ar)toú,npoïétat ôr¡-
a Syropulos YIII. z, p,2r9, Itioç6¡, xat vdvrÌJ xo auyagêç r4ç ovo¿aç xd¿ qnapdt.Id,tcoy naguafrlo@ot.
161 z. Bessarion im Kampf um sein Ziel. Parteigegensãtze und persönlíche Streitigkeiten. 155

in Frage stellt. Anderseits ist die Darstellung der Akten nicht einwand-
- von Johannes' letzter Rede begntigen.l Dieselbe Stimmung klingt auch
frei, insofern sie mit keinem wort den starken widèrspruch der unions- durch die Worte des Patriarchen, der sich persönlich schon längst in den
gegner berühren. was wir aus beiden Berichten entnehmen können, ist Gedanken eines erfolglosen Ausgangs aller Verhandlungen gefunden hatte.2
folgendes: Im griechischen Lager herrschte eine trostloseZerfahrenheit und Un-
Die unionsfreundliche stimmung gewann die oberhand, unbekümmert entschlossenheït. Dazu wurden die Parteigegensätze noch durch persön-
um den Einspruch des Ephesiers, der den Brief als eine Felschung der liche Zwistigkeiten verschärft. Der Kaise'r drängte unablässig zur Einigung.
L¿teiner ausgab.r Als aber der Kaiser die Frage stellte, ob sie auf áieser Er wußte, Konstantinopel war in beständiger Gefahr vor den Türken.
Grundlage mit den Lateinern die union eingehen wollten, .da kam es zu Schon längst ergab sich bei den Griechen die eine Maßnahn:e nicht mehr
stürmischer Erregung. Bessarion, Isidor von Kiew und Gregorios aus der anderen. Wie die Umstände und die Stimmung es eingaben, ließ
Pneumatikos traten sofort für den vorschlag lebhaft ein, Markos Eu- man sich tragen. Nirgends trat diese Zerklüftung mehr hervor als in den
genikos und mit ihnl der Bischof von Herakleia lehnten alles ab. Der Vers¿mmlungen, welche die griechischen Bischöfe von da an unter sich
Kaiser verlangte sofortige Abstimmung. Das gepchah. Hier sagen nun ver¿nstalteten. Es fehlte das Verständnis für jede gegnerische Ansicht; es
die Akten in Kürze, die versamr¡lung habe den vorschlag angenómmen.t fehlte selbst an guter Sitte und Anstand. Wir hören, wie die Bischöfe
Syropulos erzählt aber von dem starken widerwillen einer gronen zahl mit bitteren Worten aufeinander losfuhren.s
von Bischöfen. Das ist nach allem früheren begreiflich. Abãr er erzählt So trat allmählich eine Scheidung der Geister ein. Nachdem der
auch, der Kaiser habe die widerstrebenden genötigt, für den vorschlag zu öffentliche Widerspruch eines Markos.Eugenikos einnal zur Ruhe gekommen
stimmen. Auch die beiden Bischöfe von Ephesos und Herakleia wären war, begann der Kreis um Bessarion zu wachsen. Ursprünglich standen
gezwungen gewesen, sich in diesem Sinne zu äußern.s auf seiner Seite nur die beiden Laien Georgios Amirttzes und Geor-
Jedenfalls hatte die starke gegnerische Partei bereits eine heftige Er- gios Scholarios, zwei Männer von etwas zweifelhaftem Charakter. Scho-
schütterung erlitten, während die unionsfreundlichen Kräfte sich immer larios trat nur aus politischen Gründen ftir die Union ein. Das Konzil
mehr um ihren Führer Bessarion zusammenscharten. verließ er mit Gemistos schon vor dessen Abschluß.a Auf diese Partei-
Die Lateiner hatten von den vorgängen im griechischen Lager keine gänger war wenig Verlaß. Wichtig rilaren nur die Bischöfe. Der erste,
Ahnung; sonst hätte man wohl dem Beschluß der griechischen Bischrife der sich von ihnen Bessarion anschloß, war Isidor von Kiew. In der
Beachtung geschenkt, denn jene sahen in dem Brief des Maximos eine letzten öffentlichen Sitzung 24. März war er noch in keiner Weise
Grundlage zur Ermöglichung der union. statt dessen verlangten sie die ^m
fur die lateinische Ansicht gewonnen. Wohl sprach er dem Johannes de
Fortsetzung der öffentlichen sitzungen. Dazu fehlte den Griechen jede Monte Nigro seine Anerkennung aus; aber er ktindigte ihm auch eine
Lust. Auch der Kaiser wollte nicht mehr. Nur notgedrungen fanden sich gründliche Erwiderung an.5 Sobald er aber wieder hervortritt, sehen wir
beide Parteien wieder zusammen. Es weren die beiden letzten Sitzungen, ihn unentwegt auf Bessarions Seite. In der Folgezeit hat er dauernd in
die über das Dogma verhandelten. was half das Ausbleiben der Hrupt- seinem Sinne gearbeitet.6
eiferer, der Bischöfe von Ephesos und Herakleia? Jetzt sprach zrwar nur Fast gleichzeitig rnit ihm trat auch der Bischof Dorotheos von
noch der lateinische Redner; aber er sprach noch immer über die tiefsten Mitylene zu Bessarion über. Auch er war von Anfang an alles andere
Geheimnisse in der Gottheit; er sprach über die alten Sätze, nur in als ein Freund der Lateiner. Er äußerte sich einmal sogar, daß er von
anderer Beleuchtung; er sprach, ohne mehr recht Gehör zu finden. Die Jugend auf ein erbitterter Gegner des lateinischen Dogmas gewesen sei
griechischen Theologen baten höchstens noch um eine bündige Klar- und sich mit Wort und Schrift am Kampf gegen die abendlandische Kirche
legung der lateinischen Anschauung. Johannes erklärte: Die lateinische beteiligt habe. Auch sei'n Werk, die griechischen Akten, weisen in ihren
Theologie kenne nur einen einzigen ursprung des Hl. Geistes aus vater früheren Teilen noch Spuren genug von dieser Abneigung auf. Wie er
und Sohn, ohne d:rß an eine Vermischung der Personen zu denken sei.{
Das war das Wichtigste, was hier zutage gefördert wurde. Wie wenig die
Griechen für seine sonstigen Ausführungen aufnahmefahig waren, zeigen
am besten die griechischen Akten selber, die sich mit einem kurzen Auszug
t Syropulos YI. zo, p. t7zí.
2 gr.aeca__zf7 f. (La bbé XIII. 177).
I \cta
Syropulos VIll.5, p.z2t.
5
6
Acta graec^ z7z (Labbê XIll, l8¡).
. Acta gtaec^ 269 f. (Labbë XIII. 377-¡8o). Syropulos IX.8, p. 259-26r,
156 ¿. Bessarion im Kampf um seín Ziel. - Die Unionspartei Bessarions und ihre Gegner. 15?

in seiner dogmatischen Sentenz auf denr Konzil (3o. Mai) gesteht, hatte Mit der Aufzählung der Genannten -- es kämen dazu noch die Bi-
ihn an der Lehre der Lateiner besonders das Vorurteil irregemacht, als schöfle von Kyzikos und Lakedaimonl -- werden wir die Liste der Fr.eunde
ob nach ihnen in der Trinität zwei Ursachen anzunehmen seien.l Den Bessarions ftir die ersten 'rage nlch Beginn des umschwunges, also Ende
ersten Anstoß zu einer Sinnesänclerung gab bei ihm jene Erkiärung des Màrz, ziemlich vollständig haben. Bessarion mitgereehnet waren es im
Johanrres von Mónte Nigro, von der wir bereits berichtet haben.2 Aber ganzen nur 7 Bischöfe, die das Filioque inhaltlich anerkanuten. Ilinen
doch nahm er noch auf lange Zeit hin in der dogmatischen Frage eine stand eine überwiegende Mehrheit von r t Bischöfen gegenüber. wir hören
schwankende Haltung ein. So erklärte er einnral die griechische Ansicht aber scbon am 3o. Mai, daß bei einer Abstirnmung sich bercits ro Bischöfe
neben der lateinischen als gleichberechtigt.s Ausschlaggebend waren bei für das Filioque aussprachen. Syropulos freilich weiß in abfalliger weise
ihm nach seinem eigenen Urteil doch die Gründe der Lateiner. zu berichten, Bessarion habe die Bischöfe der Gegenpartei bei einer guten
Auch der Patriarch, der lange Zeit in seiner Stellungnahrne sehr un- Tafel in seinem Hause von Markos abgezogen, ebenso daß er zusam¡nen
sicher gewesen war,¿ ließ sich seit dem allgemeinen Stimmungsumschwung mit der¡ Patriarchen mit weniger ehrlichen Mitteln gearbeitet habe;2 alles
die Förderu¡rg einer Verständigung sehr angelegen sein. Ès kam so weit, Behauptungen, die bei der ausgesprochenen Tendenz dieses Schriftstellers
daß er sich bei wichtigen Anlässen bald nur noch mit den überzeugten nur mit der größten Vorsicht aufzunehmen siud.
Unionsfreunden beriet.õ Schließlich nahm er auch die Formel, die Bessarion Die Partei de.s Bischofs von Ephesos war ganz von dem starrsinn
ft¡r die Fassung des Dogmas vorschlug, restlos an.6 Von Syropulos hat ihres Frihrers beseelt. Die hauptsächlichsten Eiferer wâren die Bischofe
er da[ür eine weniger glimpfliche Beurteilung erfahren. Der eifrigste För- von Herakleia, Monembasia und rrapezunt. wenn sie gegen schlufì des
derer seiner Sache erwuchs für Bessarion in der Person des Gregorios Konzils zu Bessarions Partei übertraten, so taten sie das nur nit aus-
Pneumatikos. Er war ein Mann von herber, rechthaberischer Art, der gesprochenem widerwillen. Nur cer Bischof Isaias von Stauropolis gab
mit dem Bischof von Ephesos dauernd in Zwist rvar.? Schon vor dem nicht nach. Wie Markos Eugenikos unterschlieb auch er das lJnionsdekret
Konzil gehörte eÍ zar Unionspartei. V/ir hörten, daß er schon damals nicht. Besondere Gegner der Union waren die beiden Bischöfe aus Ge-
Bessarion die Anregung gab zu einer kleinen Schrift im Sinne einer ver- orgien. Die 5 wtirdenträger von der Hagia sophia bielten lange Zeit fest
mittelnden Lösung der dogmatischen Frage. Seine innere Einstellung war zu den Gegnern Bessarions. Auch Genistos war stets für Markos tätig.g
jedoch in weiteren Kreisen völlig unbekannt. Öffentlich gab er seine \{'enn auch die Letztgenannten bei der Abstinmung keine Rolle spielten
Meinung kund, erst als der Widerspruch des Markos in den Sitzungen es wâren hiervon anch clie Klostervorsteher ausgeschlossetr -
so ist
zum Schweigen gebracht war.8 Für Bessarions Partei besaß Gregorios' doch der noralische Einfluß auf die Gesamtheit, namentlich der-,des hoch-
Persönlichkeit ihre eigene Bedeutung. Seine strenge Sachlichkeit wie sein angesehenen Gemistos gar nicht zu unterschätzen.
machtbewußtes Auftreten ruußte Leute von unentschiedener Denkweise Kaiser Johannes Palaiologos stand den theologischen schwierigkeiten
mit sich fortreißen. Dazu kam noch, daß er beim Kaiser selbst in höch- dauernd innerlieh fremd, wenn auch nicht teilnahmslos gegenüber; aber
stem Ansehen stand. Seine Entscheidung für das lateinische Dogma und es waren für ihn lediglich positive Ziele maßgebend. Er erwartete die
die Union trug ihm seitens der Opposition ftir zeitlebens harte Vorwürfe n:aterielle Unterstützung des Abendlandes, die Rettung seiner Hauptstadt
ein. Zu einem sehr großen Teil ist auch sein ungestümes Temperament vor den Türken. Das sprach er in Augenblicken, da clie Fortführung des
und seine Tadelsucht, die auch vor den Höchstgestellten nicht haltmachte, Konzils gelahrdet war, offen vor seinen Bischöfen aus.a Daß er seinen
daran schuld, daß er bei vielen mißliebig wurde. Syropulos hat die
schwärzesten Urteile über ihn gefallt. Er charakterisiert ihn als verschlagen,
falsch und ehrgeizig.e
r Acta graec^ 297 (Labbë, XIIL ¿8¿).

, p. z7r f.

; vI' 21, p. I 8o.

von
9,P' z6z ff.
s. rm Oriens Chr
]3 Syropulos _I_4,_8, p. 259-26r. Vgl. Syropulos IX.6, p. 257; lX. ?, p.2ss.
Syropulos VIII. 5, p.zJ3ff.; XL i, p. lr3.' A.cta sraeèa áóA ff .ú¡b Xíti.
stia rrus VI. (r917) S. 2tj-222. CBS) - Syropulos lX. z, p. zb\-27o. Syropulos IX. í4, çt ¡..t2"",
0 Ein Ausfluß seines merkwürdigen Wesens war auch ein Zwist mit Isidor { Acra graeca z9r" zg8 f. (Labbé Xill.-476. 485).
158 z. Bessarion im Kampf um sein Ziel. Der Kaiser und die Synode, Bessarions Fúhrerrolle. Markos' Ausflüchte. 159

Willen mit so starkem Nachdruck geltend mechte, ließ viele Klagen über der kommenden Ereignisse steht seine umfangreiche >Rede über das
Dogma<.
persönliche Unfreiheit laut werden. Wohl erkl¿rte er einige Male, er sei
Am r. April waren sämtliche Bischöfe wieder im Hause des patri-
ni.ht H.rr der Synode und wolle eine Einigung nicht mit Gewalt.r Auch
archen zur Beratung. Dorotheos von Mitylene schob die Äußerung des
Bessarion betont nachher, daß die griechischen Bischöfe in allen Punkten
Maximos wieder in den vordergrund. Das entsprach dem Plane Bessarions.
volle Freiheit besaßen.2 Trotzdem wird nicht zu leugnen sein, daß der
Denn auf seiner Wendung drà coú vtoú baute er seine Lösung auf. Bes-
Kaiser doch einen scharfen Druck auf die Unionsgegner ausgeübt hat'
sarion verwies sofort noch auf eine Reihe von vätern, die dieselbe Formel
namentlich als das Konzil seinem Abschluß entgegenging.s Unter diesem
in Gebrauch hatten, vor allem auf Tarasios, einen ehemaligen Patriarchen
Eindruck handelten auch die kaiserlichen Beamten. Das zeigt die spätere
von Konstantinopel (78a-8o6). Bedeutsam war, daß die stelle das wesen-
Geschichte eines Georgios Scholarios. Der Despot Demetrios dagegen
hafte Hervorgehen des Hl. Geistes aus dem vater durch den Sohn lehrte.
verweigerte dauernd seine Zustimmung und verließ euf vreiteres Drängen
Das unterschied sich merklich von der bisher vorgetragenen Fassung des
hin dai Konzil samt Gemistos und dem bis dahin gefügigen scholarios.{
griechischen Dogmas. Bei den versammelten Bischöfen fand die Formel
Anklang. Der Patriarch ließ sich die Väterstellen Bessarions aufschreiben,
um sie in einer öffentlicben Sitzung zur Besprechung zu bringen.
Die nächste Zeit veruögerte die Geschäfte. Die Sitzung am Kar-
samstag (4. April) mußte ausfallen. Der Patriarch war schon so erkrankt,
daß er nur mit Mtihe der Weihe des Öles beiwohnen konnte.l Auch die
Gegenpartei wappnete sich mit Starrsinn. >Lieber sterben als Lateiner Osterwoche verging ohne weitere Tatigkeit des Konzils. Trotz alledem
werden!< rief der Bischof von Monembasia in die Versammlung. Markos machte der Einigungsgedanke Fortschritte. Am ro. April machte eine
hetzte: Daß man in den Lateinern Schismatiker sehe, sei nicht richtig; Abordnung der Griechen mit Bessarion an der Spitze dem Papst die Er-
sie seien längst Häretiker. Allenfalls gegen die Streichung des Filioque öffnung, die Lateiner mögen unter Vermeidung weiterer Disputationen
und die volle Annahme des griechischen Dogmas könne er eine Union einen Weg zur Einigung vorsch{agen. Lag bereits darin ein starker Verzicht
gutheißen. Sogar die lateinischen Kirchenväter nannte er Häretiker. auf die Alleinberechtigung der eigenen Sache, dann noch mehr, wenn jetzt
Bessarion rief ihm darauf in heller Empörung entgegen: >Gott sei mir Stimmen lautwurden: >Wie können wir behaupten, daß unser Dogma ¿llein
gnädigl Also auch di werden sollen gut seil Die Lehre der Lateiner ist doch auch von den Vätern bezeugt.
ãeine Lippen, die sich verlangte, daß Was laßt sich Stichhaltiges dagegen sagenl<2 Dazu erhob sich Gregorios
man ihre Aussprüche h aus. >Wer Pneumatikos gegen die Anschuldigungen, die Markos über die Texte der
weiß, ob diese Schriften nicht von den Lateinern verfälscht sindl< Das lateinischen Väter hatte laut werden lassen: nNur deswegen sie als ver-
war hier wie überall sein letzter Spruch.6 falscht bezeichnen, weil man ihre Lehre nicht annehmen will, ist verkehrt.
In der ganzen nächsten Zeit setzte Bessarion seine volle Kraft ein, Das wären Lügen, deren Verteidigung sich uns nicht ziemt.<8 Der Wille
um die Entscheidung zu erringen. Zwar kommt das in den giiechischen zu einer Verständigung war unverkennbar im Wachsen. Es fehlte nur
Akten ebensowenig wie bei syropulos recht zum Ausdruck. In ihrer noch eine Aufklärung, die weiteren Kreisen mit aller Ausftihrlichkeit die
Darstellung schiebt sich ein Ereignis chronikartig hinter das andere, und Gedanken verständlich machte, die den ftihrenden Köpfen längst Gemeingut
doch zeigen Vorfelle und Ergebnisse einzig auf Bessarions PIan hin. Alle waren. D¿s sollte Bessarion leisten.
Fäden liefen längst durch seine Hand. Das Machtwort des Kaisers rich-
tete sich nach seinem Wink. Der Patriarch rief auf seinen Wunsch 3. Bes¡erlon llber d¡s Dogma.
Versammlungen ein und ließ Abstimmungen vornehmen. lrn Mittelpunkt
Die griechischen Theologen waren geneigt, die Formel ôtà coõ ui.oõ
anzunehmen. Das lateinische Filioque betrachtete man trotz alledem mit
einiger Scheu, q¡enn man es nicht überhaupt verwarf. Es hatten sich
I Acta gtlece 275 (Labbê XIII. 385).
2 Açta graeca 276f. (Labbê XIIL 389).
I Acta graeca 277 (Labbê XIII. 389).
--

160 3. Bessarion über das Dogma.


Schwierigheiten bei den Kirchenvätern. 161

doch Jahrhunderte darum gestritten. Da schritt Bessarion dazu, die Gründe nur geschwiegen oder gar nichts Besonderes ihnen zu antworten
schwebenden Bedenken mit seiner >Rede über das Dogma< zu lösen"l gewußt. Die Frage bleibt: Wo sagen sie die Wahrheit? Und wo irren
Es war anì r3. und 14. April, daß er im Kreise seiner Mitbischöfe sprach,
sie? Also Eindringen! Abwägen! überlegen!
Es handelte sich für ihn im wesentlichen darum, daß die Kirchenväter von Die Hauptschwierigkeit bot der Unterschied in der Lehrweise der
htiben und drüben trotz scheinbarer Widersprüche rniteinander i.iberein- griechischen und lateinischen Kirchenväter. Nach Bessarion hatte man
stimmten, und daß die gefundene Einigungsforrnel ôù rcõ ulori sich mit während der öffentlichen Verhandlungen manches übersehen, \¡/as zur
<lem lateinischen Filioque inhaltlich deckte. Bessarion stand hier zu einem
Lösung dieser Schwierigkeiten unbedingt erforderlich gewesen wäre. Um
guten Teil auf den Arbeiten früherer byzantinischer Theologen;t und doch za zeigen, daß man trotz allem mit den Lateinern auf einem gemeinsamen
úat er selbständig geprüft und weitergearbeitet. Wenn den eigenen Lands-
Boden stehe, behandelte er als erstes einige Fragen hernreneutischer Art.
leuten der Erklarungsversuch Bessarions als weitgehende Annäherung an Nicht der Historiker, sondern der Dogmatiker spricht hier. Die Lehrer
des Morgen- und Abendlandes sind ftir ihn gegebene Größen, die rnit-
den lateinischen Standpunkt erscheinen mochte, so waren seine Gedanken-
gänge vorläufig auch ftir die tateiner <ioch noeh zu fremd, unr sofort
einander notwendig übereínstimmen. Wie Christus den Aposteln den
ihre volle Zustimmung zu erfahren. Die Nachwelt hat ihrn aber gerade Geist der Wahrheit versprochen hat, um durch sie untrüglich zu lehren,
so verkündeten auch die V¿iter in demselben Geist nur die Wahrheit. Die
auf abendländischem Boden das größte Entgegenkommen bewiesen.
Väter sind ihm Werkzeug des Hl. Geistes, der durch sie sprach. Sie
Einlcitend betont Bessarion wieder die Notwcndigkeit der klrchlichen
waren also gleichsam inspiriert wie die Hl. Schriften. Das waren alte
Einlreit. Aber es ist noch ganz und ga.r der Byzantiner, der aus ihm Grundsätze. Bessarion berult sich dafür auf die ökumenischen Synoden,
spricht. Das zeigen seine unverhohlenen Äußerungen über Primat, Schisma
die sich nicht auf die Überredungskungt menschlicber Weisheit und auf
und lateinische l{irche.a Die ursprüngliche Einheit der Kirche sei durch Syllogismen beriefen, sondern mit den Worten der Väter die Streitfragen
einen Fehler der lateinischen Kirche zerrissen worden.a Rom habe sich
schlichteten.
ohne gemeinsamcn Beschluß Zusi,lze zum genteinsamen Besitz des Glaubens
In den Vätern des Morgen- und Abendlandes müssen sich daher
erlaubt" l)ieses einseitige und eigenmächtige Vorgehen habe der gesamten noch heute Griechen und Lateiner wie auf einem gemeinsamen Boden
bisherigen kirchliehen Überlieferung widersprochen.6 Aus diesem Grunde
zusanrmenfinden. Denn jene Väter uraren von altersher gemeinsame
irabe elredem die Kirche von Byzanz die Gemeinschaft mit den Lateinern
Lehrer. Ihre Werke, in denen sie weiterleben, haben als Glaubensregel
abgebrochen. Sie habe seit damals gegen die rönische Kirehe Klage er-
zu gelten und sind der Hl. Schrift gleichzuachten. Danach habe man sich
hoben, erstens daß sie eine Lehre eingeführt habe, die mit den griechischen
zu richten, wenn man ihre Worte erklären will. Nun komme es aber
Anschauungen in Widerspruch stand, und zweitens, daß sie nie ein all-
bisweilen vor, daß sie sich in ihren Ausbprüchen nicht völlig decken"
gerneines l(onzil nach Art cler alten Synoden einberufen wollte, um da-
Derartige Falle haben sich oft genug herausgestellt. So auch in der vor-
seibst vor der gesamten Kirche die Frage zu prüfen. Das Unrecht habe
liegenden Frage, wenn die Morgenländischen segen, der Hl. Geist gehe
also bisher bei den Lateinern gelegeu, während die Kirche von Byzanz
vom Vater aus durch den Sohn, und die Abendlander, er gehe vom Vater
der alten Kirchenlehre die Treue bewahrte.
und vom Sohn aus; oder wenn die griechischenVäter in ihrer Gesamtheit
Jelzt aber mit dem augenblicklichen ökumenisehen Konzil änderc lehren, der Vater sei die Ursache des Sohnes und des Geistes, während
sich die Sachlage. Jetzt haben auch die Griechen die Pflicht, die schwe- Kyrillos mit den Lateinern den Ausdruck ahla bei den göttlichen Per-
bende Frage zu prüfen. Die Lateiner haben sich bereits zur Sache ge- sonen nicht zulassen will. In derartigen Fällen könne es sich aber nur
äußert. Ihren Ausführungen habe man zum Teil mit Erfolg widersproehen. um scheinbare Widersprüche handeln, die von den Widersprüchen der
In der dognatisciren Frage aber habe man zu den meisten und besten ihrer Philosophen grundverschieden seien. So mußte Bessarion allerdings ent-
r.Ûber Handschriften und DruckaLrsgaber¡ s, den Abschnitt über Bessarions theo- scheiden, wenn er die Theologie der Yorzeit als feste Größe betrachtete.
logische Schriften, Fú¡ das Folgende diente die Ausgabe bei Migne, P, gr, 16r, 541-' So hat man überhaupt noch lange geurteilt. Von historischer Entwicklung
6tz mir. Bessarions eigener Ubersetzung. oder von irgendwelchen Einflüssen, welche Charakterveranlagung, Zeit-
2 S. oben S. ff.
¡ Einige dieser1r Anschauungen hat er, wie seiue spätere lateinische Bearbeilgng umstände oder theologische Ansätze bei früheren Schriftstellern mit sich
beweist, aucÉ nach dem Kouzil nbeh bewahrt, Anderes erscheint abgeschwâcht, Vgl.
oben S. I 3o f. brachten, wußte er hier nichts.
I Migre, P. gr. 61, j45,
r Um in solchen Fällen scheinbaren Widerspruchs Übereinstimmung
r Migne, P. fr. úr, 545fi, Die lateinisehe Bearbeitung weist hier einen merk-
lichen Unterschicd auf, herzustellen, sei zunächst Ziel und,{bsicht des Schriftstellers zu ergründen.
ilohler, Karilinal Boesarion. f. 11
162 1, Bessarion ùber das Dogma. Die Formel ô¿ù toõ atoú bei den griechischen Vätern. 163

Ferner seien zuf Erklärung einer zweifelliaften oder mehrdeutigen Aus- Auffassung zu begegnen, als sei der Hl. Geist ein geschtipfliches Wesen,
drucksweise die klaren Stellen anderer Väter heranzuziehen. In dieser dessen Ausgang aus dem Vater durch den Sohn betont.l Auch der viel-
Weise müsse man auch an die Frage herantreten, die augenblicklich das umstrittene Basileios kommt hier mehrfach in Frage. Hier nur das wich-
Konzil bescheftige. Darüber komme man nicht hinweg, daß die Orien- tigste Zeugnis! Er nennt den Hl. Geist des öfteren >Geist des Sohnes<,
talen hier nicht vollig klar gesprochen haben. Sie lassen immer noch weil er, wie Basileios selber begrúndet, >durch den Sohn geoffenbart<
Bedenken offen. Die Okzidentalen bieten demgegenüber keine Schwierig- sei.2 Dieses >Geoffenbartwerden< (6t' aÌtcoõ negqvÉvar) bei Basileios ist
keiten. Sie lehrcn offen den Ausgang des Geistes von Vater und Sohn. niclrts anderes als das >Hervorgehen< (èxnopeóea&ar) bei Maximos dem
Solle man einen widerspruch zwischen beiden annehmen? Das sei nicht Bekenner und bei den abendländischen Vätern.e Maximos leßt die
angângig, da derselbe Geist aus beiden sprach. So bleibe nur übrig, die ursächliche Bedeutung von d¿á noch deutlicher erkennen; denn er billigt
griechischen Väter aus den lateinischen zu erklâren. dem Geist Natur und Wesen Gottes zu, weil er aus dem Vater durch
Das waren seine GrLrndsätze. Und nun das fragliche Dogma selber!-
den Sohn hervorgehe.a Gregor von Nyssa bewegt sich in derselben
Das Morgenland sagte ðtà toõ uiod, das Abendland ex filio. Beides besagte
Denkricbtung. Er weist des öfteren darauf hin, daß die einzelnen Per-
nach ihm dasselbe. Das hatte er zt zeigen Hier war etwas nachzuholen,
sonen in der Trinität nur durch Ursache und Verursachtes voneinander
unterschieden werden können. Der Geist ist nach ihm aber verschieden
das bisher noch gar keine Beachtung gefunden hatte: die Bedeutung von
6n in seiner Anwendung auf das vorliegende Dogma. An sich bezeichnet vom Sohn, weil er nicht als Eingeborener vom Vater gezeugt, sondern
óui, wie Bessarion ausführt, stets eine Ursache, genau genommen die vom Vater durch den Sohn geoffenbart sei.ó
Mittelursache. Der Gebrauch von ôru h¡tte zunächst also instrumentale Dasselbe wie eben sagt Gregor noch einmal in einem Schreiben
Bedeutung. Ebenso kann es sich auf Raum und Zeit beziehen. Im Hin- an Ablabios. Von einer Unterscheidung innerhalb der Trinitet könne nur
blick auf das tätige Subiekt kann ðrc effektive (noqtwóv), finale (rú.wóu) gesprochen werden, wenn Ursache und Verursachtes die Merkmale dafür
und formale (elôrctiu) Bedeutung haben. Angewandt auf einen innergött- abgeben. In dieser Weise unterscheide er den Sohn vom Geist nur mit
liclren vorgang, um den es sicir bei der wendun g ðù rcõ ufoõ handelt, der'lVendung 6t' utoõ. Der Sohn sei unmittelbar aus dem Vater. Der
kommen die genannten Wortbedeutungen nicht in Betracht, da es sich Geist ebenfalls, aber durch den Sohn; sonst könnten Sohn und Geist nicht
rveder unr ein Werkzeug noch um Ort und Zeit oder sonst eine Ursache voneinander unterschieden werden.6 Nach allern, so schließt Bessarion,
unvollkommenen Ch¿rraktcrs hrndelt. Hier paßt ôm nur in der Bedeutung hat öui ursächliche Bedeutung.
einer ursäcblichen Vermittlung (xwr¡ttxóu). Es besagt: Ein und dieselbe Ein Ausdruck verdiente in diesem Zusammenhang Beechtung. Bei
Kraft im Vater und Sohn l¿ßt den Hl. Geist hervorgehen. Das bestätigt den Vätern hieß es meistens ¡rdurch den Sohn geoffenbart rryerden(, $ro
Basileios, wenn er an Amphilochios schreibt: Das Schaffen durch den es sich offensichtlich um den Ausgang des Hl. Geistes handelte. In den
Sohn bedeute die Einheit ães Willens von Vater und Sohn. Genug, dr' Sitzungen hatte Markos Eugenikos gegenüber den Lateinern, die sich
uioõ ist in kausalem Sinne zu verstehen. Es bedeutet eine Ursache, die darauf beriefen, die Ausflucht sich zunutze gemacht, der Ausdruck sei von
eine Ordnung schafft. Denn wenn etwas aus etwas durch etwas besteht, der zeitlichen Offenbarung an die Welt oder von der Vern:ittlung der
so haben wir eine innerlich begründetc Rcihenfolge, rvie sie bei der Auf- Gnadengabe zu verstehen.T Bessarion sagt: Die Väter geben zu dieser Aus-
zählung der drei göttlichen Personen nötig ist. Auch chrysostomos ist deutung keine Berechtigung. Wenn z. B. bei Kyrillos dieses >Geoffenbart-
hier zu hören. Nach ihm erinnert ôuj an die Geburt aus dem vater, von werden< für den Sohn dessen ewige Subsistenz und Zeugung besagen
dem der Sohn alle Macht hat, auch die Macht, den Hl. Geist zu senden. soll, warum gilt dann nicht das gleiche für den Hl. Geist?8
Kurz g,esagt, ôm eignet sich eher als iedes andere Wort, um das in der
- Und wenn
Gregor von Nyssa wie in der oben angefülrrten Stelle die innere Ordnung
Trinitat notwendige Ordnungsverhältnis des Sohnes zum Vater und des
r Migne, r. 8r, 16r,565, Athanasios in seiner Refutatio hypocrisis Meletii
Hl. Geistes zu dieseu beiden zu kennzeichnen.l et Eusebii. Migne ,P, gr. 28, 85-89.
Die griechischen Väter haben durchweg diese ursächliche Bedeutung r Migne, P. gr. 16r, 568.
t Migne, P. gr, r6t,57r.
bei rJ¿rì roi aÍoõ im Auge. Bessario¡r führt zum Beweis mehrere Stellen r Migne, P. gr. r6t,57r.
an, die so aber nuf aus ihrem näheren inhaltlichen und geschichtlichen o Migne, P, of 16r, 57r f, Gregor v. Nyssa in seiner Schrift gegen Eunomios
bei Migne, P. gr. 45, 24t-t t22.
Zusammenhang verstanden werden können. So Athanasios' der, um der e Migne, P. gr. t6l, S:15 f. Gregor v. Nyssa
? Acta gr¿e ca 248 (Labbé XIII. 'Vgt. bei Migne, P.gr.45, rt5-t76.
149). oben S.- r49 f.
r Migne, P, gr, r6t,5t9-566' e Migoe, P. gr. 16r,577,
1l*
-
164 3 Bessarïon über das Dognra.
Johannes von Danraskos. Kyrillos' Sonderstellung. 165

nrit dem >Geoffenbartsein durch den Sohn< begründet, dann kann nran
þrocedcns sagen.l Was die Hauptsache aber ist: überall denken die V¿iter
das doch nicht von einer zeitlichen Sendung an die Welt verstehen. Denn nur an die innergöttliche Sendung des Hl. Geistes durch den Sohn, nicht
das ist doch einleuchtend, daß der Geist nicht mittels einer zeitlichen seine zeitliche Offenbarung an die Welt oler an die unpersönliche Gnaden-
Offenbarung an die Welt vom Logos unterschieden werden kann, da es vermittlung,2 wie Markos Eugenikos hatte glaubhaft machen wollen.s
sich um Báziehungen handelt, die vor aller Zett liegen.l Sollte einmal Mit der Darlegung der griechischen Väterlehre war Bessarions Auf-
wirklich die zeitliche Sendung wie in einem Fall bei Gregor von Nyssa gabe eigentlich erschopft. Nach ihm war es klar: auch die griechischen
Lehrer kennen neben dem Vater auch den Sohn als Ursache des Geistes.
Der ursprüngliche Gegensatz zu den lateinischen Vätern l¡¡ar danlit über-
brückt. Lateinei und Griechen konnten sich ia nach Bessarions grund-
sätzlicher Anschauung nicht widersprechen. Damit tnußte er sich freilich
aus denr Vater durch den Sohn hervorgeht<;z und zwar hat nach der begnügen. Denn einen tieferen Einblick in die Schriften der lateinischen
Lehre des Damaszeners der Geist damit sein Sein durch den Sohn. Aber Kirchenlehrer besaß weder er noch sonst einer der griechischen Konzils-
eine Schwierigkeit erbob sich hier: Wenn nämlich Johannes von Damaskos theologen. Er zählte auch nur allgemein die Namen der abendländischen
auch mit allei Entschiedenheit die Subsistenz des Hl. Geistes ¡durch den Leuchten au[ die sehr klar über die Sache geschrieben haben sollen. Im
übrigen verwies er auf die Ausführungen der Lateiner in den öffentlichen
Sitzungen. Daran müsse nran sich halten. Daß man es mit Fälschungen
zu tun habe, sei nicht denkbar.a Die Kodizes, die die Lateiner vorlegteu,
seien schon alt und seien außerdem in großer Zahl zugänglich. Eine tat-
sächliche Falschung habe ihnen noch niemand nachgewiesen. Er halte
das geradezu für unmöglicb.5
Bessarion schloß, man möge seine Gründe in Erwägung ziehen, ehe
man leichtfertig eine Entscheidung treffe. Nochmrls mahnte er: Die
Christen des Erdkreises müssen zusarnmenstehen und sich zu verstehen
druck, daß er den Sohn immer noch als Mitursache betrachte' Auf suchen. Denn schon drängt der Türke, um alles, was den christlichen
keinen Fall konne aber, wie die Gegner meinen, von einer Gleichsetzung Namen trägt, niederzutreten. Wenn es sich aber um den Anschluß an
des d¿d mit peta, das die Gleichzeitigkeit bedeuten sollte, die Rede sein. die Lateiner handelt, so wird damit nicht verlangt, einen lrrtum anzu-
Man müsse an der ursächlichen Bedeutung des d¿' uloõ festhalten.ó nehmen. Denn die Lateiner sind nun einmal nicht im Irrtunl. Sie folgen
Abgesehen von dieser schwerer zu verstehendeD Formel findet Bes- ihren Vätern, und sie folgen nicht rveniger auch den Vätern der griechischen
sarion selbst das è{uioú bei griechischen Vätern, und zwar im gleichen
ab-er Kirche.
sinne wie bei den Lateinern, nämlich um die subsistenz des Geistes aus Bessarions Rede war das Ergebnis eines fertigen Kopfes. Daß da
denl Sohn zu kennzeichnen. Kyrillos bediente sich dieser Formel nament- nicht alle mitkamen, war klar. Vor allem vr'ar es nicht anders zu er-
lich in seiner Erklärung zum g. Anathematismus der Synode von Ephesos.G warten, wenn Bessarion von seiten der strengen Unionsgegner lauten
Ebenso fand sich aas a5 utoõ in seiner Erwiderung gegen Theodoret. Widerspruch erfuhr. Das zeigte sich namentlich, als rÌrrn anr r7. April
Das ist dasselbe, sagt Bessarion, wie wenn Blsileios d¿à coõ utoõ ne- Bessarions Formel aul ihre praktische Verwendung in Erwägung 20g.6
grluos, Maxinros èxiopwópeuoy ôì aíttoõ und die Okzidentalen ex f'lio Markos Eugenikos legte gegen Bessarions Ausdeutung des di' uioû auf
das entschiedenste Verwahrung ein. Es kam sogar zu der alierheftigsten

---- Bilz,
und - -J l. c. 157 n. t. von
tøign gr., ì6r,'bdi
5Só 1. - Zu bea.chten wäre aber {-oth,"9iß Johannes Datierung ergibt
",'i'.
eine. Gleìchleúiáketr7üpõ Z.rgong und Ausgang spricht' Vgl' Migne, P' g'' 94' e @Ç r4ç nd,pd,o-
824 A,. Bllz l. c. 52. bei den Griechen
u Migne, Pl gr. t6l, 592' Kyrillos bei Migne, P' gt' 76, )55-160'
166 3. Bessarion über das Dognra.
Die Aufnahrue von Bessarions Rede, 167

Auseinandersetzung. Der Protekdikos entsetzte sich, wie doch fast die Spielraum.l AIs aber die griechischen Theologen bei der Überreichung
ganze Versammlung sich gegen Markos, d. h. gegen ¡>die eine Wahrheita den Lateinern beifügten, daß zwischen ihrem d¿d und dem lateinischen Èz
erheben könne. Andere Freunde des Ephesiers tuschelten dabei mitein- doch noch ein Unterschied bestehe, da verwahrten sich jene dagegen:
ander mit hämischem Lächeln, so daß ihnen der Kaiser das öffentlich ver- Ihr ö¿d besage ja nur ein Durchgehen des Hl. Geistes durch den Sohn
weisen mußte. Scholarios und Amirutzes, merkwürdigerweise auch Ge- wie etwa das Fließen des Wassers durch eine Röhre, so daß in Wirk-
mistos sollen jedoch offen zu Bessarion gehalten haben.l Bessarion selbst lichkeit zwei Tätigkeiten zum Ausdruck kämen. Vollends kam es zu Un-
hielt mit seiner Meinung vor seinen Landsleuten in keiner Weise zurück. stimmigkeiten, als die Lateiner Aufklärung verlangten, wie die griechischen
Er wiederholte dauernd, was er in seiner Rede gesagt hatte, und bekannte Theologen ihr d,uaBlu(Ew, nQooNEîa, ngotíuat \nd Èuíeotlu¿ näher ver-
sich offen zum lateinischen Dogma.z Auf der anderen Seite waren auch standen. Hier nämlich hatten jene ihre Sonderansichten geschickt ver-
die Lateiner gegenüber dieser neuen Formel vorläufig sehr zurückhaltend; borgen.2 Sofort wurden daraufhin bei den Griechen die verschiedensten
aber nur deswegen, weil die griechischen Bischöfe ihnen das di uiorl in Stimmen laut. Die einen schalten über die zu weit gehenden Forderungen
sehr verwässerter Auffassung vortru¡¡en. der Lateiner, und die anderen rietcn wie so oft, das Konzil zu verlassen.
Eugen IV. verwies gerade eben erneut auf die Notwendigkeit von l)as waren neben Markos wieder die Bischöfe von Herakleia, Monembasia
öffentlichen Verhandlungen hin.3 Von den wirklichen Vorgängen im grie- und Anchialos. Aber selbst bei den Unionslreunden herrschte wegen der
chischen Lager, von <lem ehrlichen Ringen der Unionsfreunde vermochte Zurückweisung Verstimrnung.s Der Kaiser, der deswegen persönlich zum
sich bei den Lateinern niemand ein rechtes Bild zu machen. Man sprach Papst eilte (13. Mai), konnte nichts anderes ausrichten. Es war klar, von
nur von der Saumseligkeit der Griechen, die das Konzil aufhielten; man einem Kompromiß war nichts zu erhoffen. Um so unerschrockener trat
beschuldigte hauptsächlich Markos Eugenikos, daß er die Verhrndlungen jetzt Bessarion mit seiner Partei hervor. F¡eilich mußte das die schlimmsten
unnötigerweise in die Lange gezogen habe; man glaubte auch, daß er nur Zusammenstöße heraufbeschwören. Man kann sich nach dem Vorher-
deswegen ausgeblieben sei, weil er beim Disputieren nicht mehr weiter- gegangenen die Szene ausmalen, wie jetzt zwischen Markos und Bessarion
konnte;a man rechnete ihnen schließlich höchst ungeschickt wieder die die bittersten Worte fielen, und rvie Antonios von Herakleia sciner Rede
nutzlosen Ausgaben für ihren Aufenthalt vor.ó Da sich die Griechen gegen die Zügel schießen ließ, bis auch der herbe Gregorios Pneumatikos keine
die Wiederaufnahme der öffentlichen Verhandlungen sträubten, mußten die Zurückhaltung mehr übte.a
Lateiner die Bildung vón Kommissionen von je ro Mitgliedern zur Be- Mehrfache Beratungen verliefen ohne Ergebnis. Am 28. und 29. Mai
ratung über eine einigende Formel genehmigen. Daß Bessarion und brachte Bessarion nochmals eirrschlagige Stellen aus morgen- und abend-
Markos auf griechischer Seite in die Kommission kanren, war selbstver- ländischen Vätern zur Verlesnng.ó Markos wies alles in höchster Er-
ständlich.6 Erfolg hatten ihre Beratungen aber so wenig als die öffentlichen bitterung mit einem alten Einwurf als Fälschung zurück. Bei Chrysostomos
Sitzungen. Man griff noch zu einem anderen Mittel und ließ einen schrift- stoße man auf ganz unüberbrückbare Schwierigkeiten. Patriarch Euthymios
lichen Meinungsaustausch daneben einhergehen. Weiter kamen private (f 4t6) habe hinsichtlich der zweiielhaften Textüberlielerung tlieses Schrift-
Sitzungen bei den Griechen dazu. Also ein wirres Knäuel von Veran- stellers die größten Bedenken geäußert. Wer wolle erst recht die latei-
staltungen, dessen Fäden nach den Quellen nur schwer auseinandelzu- nischen Schriftsteller nachprüfen. Sie können ebensogut gefälscht sein
halten sind. Auch jene erste Beratung über Bessarions Fortnel gel:örte wie die Akten der VII. Synode. Allenfalls wolle er noch die bekannten
schon dazu. Briefe des Maximos hinnehmen.6 Markos verlangte strtt allem, daß aus
Die Beratungen gingen weiter. Entwurf folgte auf Entwurf. Es Kabasilas vorgelesen würde.? Dieser galt ia den überzeugten Ryzantiuern
drehte sich stets um die griechische Fornel 6¿à æõ ufori und ihre Deu- soviel wie ein Kirchenvater.
tung. Ein neuer Entwurf nahm die Formel angeblich im Sinne des Ta- Derart war die Stimmung; aber Bessarion siegte trotzdem. Allmählictr
rasios wieder au[ ließ aber, um sämtlichen Anschauungen, auch der des kristallisierte sich die Formel heraus, die auch in das Unionsdekret überging.
Ephesiers noch Rechnung zu tragen, der persönlichen Auffassung weiten
r Der Entwurf bei Syropulos VIII. 17, p. 24J.
2 Ãcta gt^eca 284 (Labbé XIIL 465).
a Acta graec^ 285 (Labbé XIll.
{ Syropulos VIIL IX. p. z15-276.465).
¡ Acta gr^eca z9o ff. (Labbé XlIl. a71 -477).
e Syropulos lX. 7, p. z5z f.
z Syropulos IX.6, p.258.
168 4. Die letzten Wochen des Konzils. Die Erledigung der dogmatischen Frage. Der Tod des Patriarchen. 169

Der Patriarch bekannte sich offen zu Bessarions Deutung. Die Bespre- und in[olge der Stellung des mittelalterlichen Papsttums ihre besondere
chungen in den nächsten Tagen führten viele von den bisherigen Geg¡nern Verschärfung erhalten. Zu einer eingehenden Behandlung dieser Dinge
in Bessarions Lager.l Markos vereinsamte. Nur die Bischöfe ùon Hera- fehlte nun zu guter LetzlZeit und Lust. Und doch war nicht daran vorbei-
kleia, Monembasia und Anchialos hielten noch zu ihnr.2 Somit ließ sich zukomrnen. Eugen lV. eröffnete bereits am Tag nach der dogmatischen
doch ein Vorschlag erhoffen, der die Lateiner zufriedenstellen mußte. Be- Vereinbarung mehreren griechischen Bischöfen, daß er hinsichtlich vier
zeichnend ftir die Beweggründe des Kaisers war es, daß er den günstigen Punkten ihre Stellungnahme noch kennenzulernen wünsche, nämlich zur
Augenblick für seine politischen Zwecke ausnutzte. Der Papst mußte ihm Lehre vom Reinigungsort, zurl Primat des Papstes, zlm Gebrauch von
erneut den Schutz von Konstantinopel für seine Willfahrigkeit zusichern, gesäuertem und ungesâuertem Brot beim hl. Opfer und zu den Kon-
dazu wie früher schon Mittel und Fahrzeuge für die Rückreise und auclt sekrationsworten. Die Mehrzahl der griechisclren Bischcife hatte daftir
das Privileg, daß die Wallfahrt nach Konstantinopel gleiclrbedeutend mit nicht allzuviel Sinn. Eine Aussprache über das Fegfeuer oder über die
einer Pil$erreise nach dem Hl. Grab gelten sollte.s Konsekrationsworte lehnten sie von vornherein ab. Markos Eugenikos
Arn 4. Juni gaben die Bischöfe ihre Gutachten ab. Der Patriarch meinte, man hätte mit den vorgeschlagenen Gegenständen in einer Stunde
nahm das 6¿à æñ atoõ ganz im Sinne Bessarions an. Andere erklärten ins reine kommen können.l Der Eifer war eben erloschen. Am regsten
ó'ùt toõ utoõ în der Bedeutung von àq \poguoõ xai ópoouoíou. Der betätigten sich tlie ausgesprochenen Unionsfreunde Isidor von Kiew, Doro-
abendländischen Fassung ftgten sie vorsichtig óç d.nò ¡nãc nva3aeaç xal
theos von Mitylene und allen voran Bessarion. Daß auch Gregorios Pneu-
ìxnoget3aeøg bei.a Es war ein starkes Wagnis, daß die lateinischen Theo- matikos in der vordersten Reihe stand, bestätigt neben Syropulos2 sein
logen auch jetzt noch Ausstellungen machten und den Entwurf zurück- Brief an Philotheos von Alexandrien.s
gaben. Und doch ließen sich die Griechen zu einer Umarbeitung herbei. Als man sich eben noch zu Verhandlungen wegen der fraglichen
Es war, wie wenn sie nichts mehr preiszugeben hätten. In ihrem r¡Tomos<
Punkte anschickte, traf ein unglticklicher Zwischenfall das Konzil. Am
yom 7. Juni erklarten sie, daß das 6à toú oÍoú dasselbe besagen solle Abend des ro. Juni starb der Patriarch. Dadurch trat eine Verzögerung
wie das èx toõ vioõ. Die griechische Formulierung sollte mehr die Ur- und auch Bestürzung ein. Dem Tode nahe, hatte er noch seine >letzte
sache betonen, während die lateinische mehr auf das Prinzip schaute'5 Meinung< niedergeschrieben, mit der er die Dognten der röntischen Kirche
Mit dieser Lösung wâren auch die lateinischen Theologen einverstanden. und den Primat ihres Oberhirten anerkannte. Man fand sie, wie die
Engen IV. dankte mit bewegten Worten. Die Bischofe auf beiden Seiten griechischen Akten berichten, nachher in seinem Sterbezimmer. Griechen
standen auf und küßten sich. Bessarions Formel hatte den Sieg davon- und Lateiner beteiligten sich ohne Untersehied an seiner Beisetzung in
getragen. S. Maria Novella nt FIorenz.a
r So bei Johannes Plusiadenos Zuva{tiptou úç åyiag xal olxoupeutxí1Ç
outóôou, bei Migne, P. gr. r59, Col. Iro4.
n..Ñ..r,raosDl'"ii"ff"""i:;Ï""Ï,i':""'l'Lo,r..o"o.
Die dogmatische Frage hatte ihre Lösung gefunden. Der Abschlull
einer Union war damit nähergerückt. Mehr Zeil wat geopfèrt worden,
als man hätte brauchen dürfen. Denn eine Reihe von Schwierigkeiten
war noch zu beseitigen, die zum Teil ebenso wichtig, wenn nicht von
größerer Tragweite als das behantlelte Dogma vr'aren. Schon der Haupt-
punkt, die Frage nach dem Primat des römischen Stuhles und der Stellung
der orientalischen Patriarchen, war uralt. Sie hatte tlazu durch die V/eiter-
entwicklung der abendländischen Kirche seit dem Schisma des Photios ¡ ¿ vria fur ttextes überfl
' ê.ge spricht der U vier griechischen Bi-
I Acta graec a 298 (Labbé XIII. 485). Syropulos IX. 8, p. 259-z6r' schöle, diË beim Pnpst ch mit keinem Wort
2 Actâ den Tod ihr Erst bei der menkunft am rz. Juni
þraeca zg7 (Labbé XIII. ¿8¿).
o Acta
þraeca íj9'(Labbé XIII. a85 f.). Vgl. Ambrosii Epistulae I. y, kamE ,492u.
Col. 66. 496). genauer
I Acta gr^ec^ 3oo (Labbé XIII. +ç8). angibt, (.,. . Éf
5 Der gr'iechisché Eniwurf vom ist lateinisch erhalten bei Andreas de T
uj ôe¿ ,'oooÇ.)
7. Juni
S. Cruce, Labbé XIII. tt3o I iihnlicl occosutn
L70 Die letzten Wochen des l(onzils.
Weitere Unterschietle. Bessarion und das Symbolum. l7l
4.
wendigen Unterlagen ftir dic endgültige Fasssung des Unionsdekrets ab-
Sofort darauf wurde die Unionsangelegenheit wieder aufgenommen.
Am rz. Juni hatte Bessarion mit Eugen IV. eine Besprechung, in der geben sollten. Diese verschiedenen tópot od,er óçor, auch ypagaí, Xap-
er zunächst ohne jede Verbindtichkeit von sich aus eine Vereinbarung über claq t(étot;lar (cedulae), notulae cedularum sind nur selten noch in ge-
nauem Wortlaut erhalten.l Auch Bessarion hatte seinen Anteil daran, dcr
die Auswahl der fraglichen Unterschiede zu treffen suchte.l Der Kaiser
sich aber nicht mehr im einzelnen nachweisen laßt. Im ganzen bieten
wîr zu solchen Zugeständnissen nicht geneigt. Gleich im Anfang hatte er
nur mit Widerwillen von dem Vorschlag zu weiteren Verha[dlungen ge- die Quellen auf den ersten Blick ein verworrenes Vielerlei, namentlich
deswegen, weil die verschiedenen Veranstaltungen fast überall nebeneinander
hört.2 Jetzt geriet er in helle Aufregung, als die Lateiner mit der von
herliefen.
ihm getroffenen Auswahl nicht zufrieden sein wollten. Er legte in öffent-
licher Versammlung dem Papst gegenüber gegen iede weitere theologische Die nächsten Besprechungen betrafen den Gebrauch vou ge-
Erörterung Verwahrung ein. Er wollte nur die Heimreise beschleunigt
säuertem oder ungesäuerte m Brot bei der Messe. Ambrogio Trl-
versari sprach sich darüber in einer schriftlichen Erklärung wie in einem
wissen.s Doch setzten es die einsichtsvollefen seiner Bischofe durch, daß
sämtliche vorgeschlagenen Fragepunkte mit den Lateinern in Erwäg,ung
Vortrag vor beiden Parteien aus. Das Ergebnis lautete: Die Gebräuche,
gezogen werden durften. Der Kaiser wollte nachgeben; aber er ver- die in beiden Kirchen bestehen, sollen auch weiterhin gelten.2 Dann kam
langte -- hier zeigt sich, unter wessen Einfluß er stancl -, jene Bischöfe
man an die Lehre vom Fegfeuer. Auch dieser Punkt, den man schon
möchten zuvor den Bischof von Ephesos von ihrer Meinung überzeugen.a
vom Beginn des Konzils her kannte, bot keine Schwierigkeiten, wie er
Vy'as nutzte es aber, wenn sie auch nochmals ihm beizukommen versuchten?
auch in der Polemik bisher keine Rolle gespielt hatte. Das Schriftstück,
es war seine letzte Aussprache auf dem Konzil das Eugen IV. darüber den Griechen überreichen ließ, ging wörtlich in
Markos kam
-
wieder auf die längst erledigten Fragen von Dogma und Symbolum zu das Unionsdekret über.8
sprechen. Auf etwas anderes ging er gar nicht ein. >Der Rabe blieb Bessarion, der diesen Vereinbarungen gegenüber fernstand, äußerte
sich erst, als man wieder auf die alte Symbolumsfrage zu sprechen kam.
ein Rabe<, sagen bitter die griechischen Akten.ó
Die Verhandlungen zwischen Griechen und Lateinern nahmen in den Ein Endurteil lag hier bekanntlich noch nicht vor. Bessarion hatte von
nächsten Wochen ihren weiteren Verlauf. Doch kehrte man auch letzt
seiner ursprünglichen Stellungnahme noch keine Linie nachgegeben. Jetzt
.war ein Ausgleich nötig, und zwar ohne weitläufige Erörterungen. Bessarion
nicht zu der ursprünglichen Art der öffentlichen sitzungen zurück. Die
Zusarnmenkünfte der griechischen Bischofe im eigenen Kreis hatten soviel half sich, indem er in der Audienz am 12. Juni vor dem Papst die Er-
Bedeutung wie die gemeinschaftlichen Sitzungen. Wohl ließen die La-
klarung abgab: Beide Synbole sind gleich gut, und das Filioque stellt
teiner über einzelne Fragen von ihren besten 'fheologen Vorträge halten. keinen fremdartigen Zusatz zum Glauben dar.a Damit trat er zur latei-
nischen Ansicht über, wenn auch nur für den einen praktischen Fall, wie
Abgesehen von dem gelegentlichen Widerspruch des Kaisers6 entspann
sich jedoch keine Disputation mehr. In der Hauptsache legten die Par- ihn der Augenblick mit sich brachte. Größere prinzipielle Bedeutung besaß
teien ihre Ansichten in schriftlichen Entwürfen nieder, die später die not- die Sache weder an sich, noch fùr die Union.
Die eigentlich schwerwiegende Frage war für die Griechen der Primat
des Papstes. Hier standen sich alte Ansprüche gegenùber. Byzanz hatte
von altersher den Suplemat in der Kirche des Orients angestrebt und auch
errungen. Der römische Stuhl galt in Konstantinopel wohl als der erste
von allen Patriarchensitzen; aber es war den Byzantinern schließlich doch
nur ein Ehrenprimat und der Papst der Primus inter pares.s Dazu kam die

I W,". Goethe, Studien u, Forschungen p. rrJ benlùhte sich un: ihre genauerc
Feststellung, sagt aber, daß es >nicht so leicht sei, wie eì scheinen möchte, sich in hierbei
vorkonrmenden Schriften aller Art zurechtzufinden, . . . und die Differenz oder ldentität
der einzelnen nachzuweisen<.
t Der lateinische Wortlaut des Schriftstücks bei Andreas de S. Cruce, Labbé
XllL r116. Vgl. Acta graeca 3o8 (Labbé XII.5oo). Bei Andreas, nach dem Jo-
p. 27t.
hannes von Torquemada drruber sprach, scheint ein Irrtum vorzuliegen. L¿rbbé
- E hcta graeca XIII. 5oo). XIII. rr,f4.
¡o8 (Labbê I Labbé XIII. rr35.
1 Acte g,raeca 1o9 (Labbê XIII. <orl. .4ctq graece 1oó (Labbé XIII.497).
ó Acte gt,.c^ ro9 (Labbé xlII. iorj. 'd.peucv ô xol.oòç xd.oóç. ú S. oben S. 28.
o .'\cta graeca 1o8 (Labbé XIIL 5oo).
172 4. Die letzteo Wochen des Konzils' Der Primat des Papstes und die Rechte der orieutalischen Patriarchen. 173

Daß wir es hier mit Bessarions persönlichen Ansichten zu tun haben,


beweisen neben seinen früheren Äußerungen vor allem die Bemerkungen,
die er ein paar Tage vorher anlißlich jener Vorbesprechungen machte.
Hier hatte er doch vor Eugen IV. selber betont, daß denl Papste alle,
aber auch nur so viele Vorrechte zustehen, die er von altersher und vor
dem Schisma besessen habe. Wie früher, so auch jetzt wieder sprach er
dem Papst das Recht ab, ohne die übrigen Prtriarchen eine Glaubens-
entscheidung zu treffen oder, wie er es zuspitzte, eine Änderung im Sym-
bolum vorzunehn.ìen.l Diese Einschränkungen decken sich durchweg mit
ließen sich die Widersprüche nach dem Konzil hören'8 seiner öffentlichen Rede. Jedenfalls versagte Bessarion der Machtentlaltung
des mittelalterlichen Papsttums seine Anerkennung.
Bessarions Ausführungen erfuhren tags darauf eine Erwiderung durch
Johannes de Monte Nigro (zo. Juni). Er betonte: Nicht ein bloßer Ehren-
primat, sondern wirkliches Ansehen samt dem Recht, allgemeine Synoden
einzuberufen unabhangig von Kaiser und Patriarch; keine Einmischung
der weltlichen Gewalt in die geistliche; trotzdem aber keine Aufhebung
der >Privilegien< der Kirche von Konstantinopel, der Tochter der römischen
Kirche; im übrigen aber Unterordnung der Patriarchen und Metropoliten
unter den Papst.2
Daß bei solchen Gegensätzcn die Geister hart aufeinanderplatzten,
war zu erwarten. Beide Parteien teilten einander mit, daß sie nichts an-
nähmen und auf nichts verzichteten. Auch die eifrigsten Freunde der
Union hielten für einige Augenblicke die Einigung mit Rom kaum mehr
fúr möglich. Der Kaiser geriet in helle Verzweiflung. Alles schien die
Besinnung verloren zu haben. Bessarion und seinem engeren Freundes-
kreis war es zu verdanken, wenn die Ruhe wiederhergestellt wurde. Sie
erwirkten eine nochmalige Aussprache. A'm 26. Juni kam ein ausgewählter
Kreis im päp-stlichen Palast zusammen" Auch der Kaiser war anwesend,
Jede Partei war mit sechs Theologen vertreten. Es ist selbstverständlich,
daß wir auch Bessarion unter ihnen finden. Man saß in Gruppen bei-
Sprengel oder einem Patriarchen in seinem Patriarchat'7
einander. Der Papst ließ süßes Backwerk und Wein reichen. l)ie Zu-
sammenkunft glich eher einer diplomatischen Besprechung als einer Kon-
t Vgl' oben S. Io8.
oben S. r 3o f. zilsberatung. Aber der Erfolg blieb nicht aus. Zu Hause angekommen,
'8 VãI.
Amirutzes, ilífi roiu èr, rfi iÞ)-agevthtP owó6q ovppepqxhay c' r3-r6' fanden die Griechen noch am nämlichen Tage das erlösende Wort. Sie
waren bereit, den Papst anzuerkennen als obersten Hohepriester, als Statt-
halter und Stellvertreter Christi, als Hirt und Lelirer aller Christen, der
die Kirche Gottes leiten soll das alles unter Wahrung der Rechte der
-
Patriarchen des Orients. Und zwar soll der Patriarch von Konstantinopel
der zweite nach dem Papst sein; nach ihm kommen die Patriarchen von
Alexandrien, dann Antiochien und Jerusalem.s
1 Acta gÍ^ec^ loz ff (Labb ë XIIL 4gz l.).
z Labbê- XIII. ri4ó-rr51. Vgl. Acta graeca 3ro (Labbé XIIL 5ot).
r Labbé XIII. rr5z. 8 Acta graec^ 3rz (Labbé XIII. 5o4).
l?4 4' Die letzlen Wochen des Konzils'
Das Unionsdekret. L75

fest, daß die Konsekr¿tion in der Messe sich durch die Einsetzungsworte
Eugen IV. war zufrieden, als man ihm am nächsten Tag den Be-
des Herrn vollziehe. Allerdings füge man diesen Worten noch eine Bitte
schluß ti"berreichte. Noch am Abend des 27. Juni ließ er den Griechen
bei, die bekannte Epiklese. Doch entspreche diese ganz und gar einem
eröffnen, sein Wunsch sei, daß das Unionsdekret bis zum nächsten Morgen
Gebet im lateinischen Meßkanon.l
in lateinischer und griechischer Sprache vorgelegt und unterschrieben Das Unionsdekret war bereits in endgültiger Form festgelegt, da
würde.r Eile war also notwendig. Bessarion und Arnbrogio Tra- mußte Bessarion nochmals eine endgültige Erklärung bezüglich der Kon-
versari übernahmen gemeinsam die Ausarbeitung. Die bisherigen Verein- sekrationsworte abgeben. Er stützte sich in erster Linie auf Johannes Chry-
barungen, die lateinisch vorlagen, konnten ziemlich wörtlich in das Dekret
sostomos, nach dem nur die Einsetzungsworte die Wandlung vollziehen.2
übernãmmen werden. Ein paränetischer Eingang sollte mit feierlichen
Cesarini ließ darüber genaues Protokoll führen.8 Auf tlen ausdrücklichen
Worten den glticklichen Abschluß der Union verkünden" Das übernahm
Willen der griechischen Bischöfe durfte die Frage in das fertige Unions-
Fra Ambrogio. Bei der Festlegung des griechischen Textes unterstützte
dekret nicht nrehr aufgenomnren werden. Tatsächlich hatte Markos Eu-
ihn Bessarion, der die Ausdrücke prülte und auf guten Stil Bedacht nahm'
genikos schon früher auf das Ersuchen des Kaisers hin den gegenteiligen
Manches Wort sei stundenlang in Erwägung gezogen worden, sagt Syro-
griechischen Standpunkt schriftlich niedergelegt.a So herrschte also doch
pulos.2 Jedenfalls handelte es sich um keine leichte Aufgabe'
keine völlige Übereinstinrmung. Für Bessarion war auch dieser Punkt in
Am 28. Juni vereinigten sich Griechen und Lateiner in der Kirche späteren Jahren noch Veranlassung zu schriftlicher Auseinandersetzung.ó
San Francesco, unt das fertige Dekret zu hören. Johannes Palaiologos
hatte zu tadeln, daß im Eingang der Urkunde nur der Papst, nicht der
A- t.Juli, dem Sonntag nach Himmelfahrtstag, lag das Dekret zur
Unterschrift bereit.6 Alle griechischen Bischöfe waren erschienen, aus-
Kaiser und Patriarch genanttt wurden' ferner daß die päpstlichen Vorrechte
genommen Markos Eugenikos und Isaias von Stauropolis.? Markos sträubte
außer durch die Kanones der Konzilien auch in der Bibel und den Vitern
sich bis zum Ende gegen die Vereinigung mit Rom. Vergebens hatte
bcgründet sein sollten. >Entweder wird das geändert, oder wir verlassen
man in den letzten Tagen ihn umzustimmen versucht. Immer berief er
jetãt noch das Konzil,< drohte der Kaiser. Die Lateiner ftigten noch den
sich wieder auf die alten Gründe. Als er den Augenblick korumen sah,
i<aiserlichen Narnen ein. Cesarini rechtfertigte die gerügte Begründung
da er sich endgültig für oder gegen die Union aussprechen sollte, bat er
der päpstlichen Vorrechte durch Schrift und Väter. Daraufhin wurde das
den Despoten Demetrios, dem Kaiser sein letztes Wort zu übermitteln.
Dekiei angenommen. Sechs Schreiber hatten es griechisch und sechs Man kann ihnt nur Bewunderung entgegenbringen, wenn er sagte: Er
lateinisch auf Diptychen zu schreiben. An der lateinischen Ausfertigung
habe nicht nach der bischöflichen Wtirde gestrebt, zu der ihn der Kaiser
sollte die Bleibulle des Papstes, an der griechischen die Goldkapsel des
erhob. Lieber wäre er nach seinem ursprünglichen Plan in seiner einsamen
Kaisers hangen. Aber als man zutn Schluß beide Ausfertigungen mit-
Klosterzelle geblieben. Da er aber auf dem Konzil seinen Standpunkt
einander verglich, stellte sich eine Fälschung des griechischen Schrcibers
vertreten sollte, so habe er das aus voller Überzeugung getan. Nachdem
heraus, der die Vorrechte der vier orientalischen Patriarchen durch einen
Ztsalzbesonders hervorheben wollte.3 Die Lateiner sahen darüber hinweg.
Ein Punkt hatte in der Unionsurkunde keine Berücksichtigung ge-
funden: die liturgische Frage, ob die Konsekration durch die Vy'orte des
Herlr oder durch eine Epiklese, wie sie bei den Griechen im Gebrauch
war, zustandekomme. Aber nicht, als ob diese Frage bisher unbeachtet
geblieben wäre! Eugen IV. hatte mehrnrals auch hierüber eine Aussprache
verlangt; 2c..Juni hatte Johannes Torquemada die lateinische Lehre
^m
in einem längeren Vortrag erörtert.1 Doch schien die ganze Frage von
mehr untergeordneter Bedeutung zu sein, zumal die Griechen vielfach die to79-rto3.oi.n
lateinische Ansicht vertraten" Bessarion gab gelegentlich vor dem Papst Abschnitt: Bessarions theol. schriften, sowie IIL Band: Ungedruckte
darüber die Auskunft: In der rnorgenländischen Kirche halte man daran
Schriften Bessarions.

¡ Acta g,r^eca 1rt


r Syrop"ulos X.'3, e, Studien un.l Forschungcn P, r42'
3 Acte gr^eca Jt5
¡ Acta !r^rc^ joz. . 497). Die Ausführungen Torque-
madas bei Andreas. S. La
-
l?6 4. Die letzten Wochen des Konzils.
Die Feier der Uuion. Die Abreise der Griechen. L77

einen neuen Patriarchen zu wählen, dem er selbst die Hende auflegen


aber die Dinge anders verlaufen seien, als es seine öffentlichen Darlegungen
verlangten, möge man ihn nicht mehr zur Unterschrift nötigen, sondern
wollte.t In beiden Fellen sahen sie vielleicht nicht ohne Grund eine ge-
nach Hause gehen lassen. Johannes Palaiologos ließ ihn ge- fahrliche Einmischung in ihre Angelegenheiten.z
in Frieden
währen und sicherte ihm ungefahrdete Heimreise zu.l Dem Papst, der Von Florenz brachen die Griechen erst nach und nach auf. Schon
die Verurteilung des Widerstrebenden verlangte, gab Markos zur Antwort: 20. Juli machte sich eine größere Zahl von Bischöfen und Klerikern
^m
auf den weg. Bessarion reiste tags darauf wahrscheinlich mit dem Bischof
Ma¡ möge ihn zuerst widerlegen; vorher könne man ihn nicht aburteilen.2
Am 6. Juli wurde das Unionsdekret im Dom zu Florenz im Beisein von Mitylene.s .Die Gleichgesinnten taten sich ganz offensichtlich zu
der ganzen Synode in feierlicher Weise verkündet. Kardinal Cesarini Gruppen zusemmen. Zuletzt, arn 26. Juli, verließ der Kaiser die Stadt.
verlâs es zuerst lateinisch, dann Bessarion griechisch. Man hörte: Der Er traf am 6. September über Bologna in Venedig ein.a Markos Eugenikos,
Hl. Geist geht aus Vater und Sohn aus; aber er hat nur einen Ursprung der sich bereits in Florenz von den ùbrigen Bischöfeu abgesondert hatte,
aus beiden. Die Ausdrucksweise der griechischen Väter ¡durch den Sohn< war in seinem Gefolge.s Der Bischof von Stauropolis hatte schon vorher
schließt denselben Sinn ein. Der Zosatz dieser Lehre zum Symbolum ist das Konzil heimlich verlassen.6 Gemistos und Scholarios waren nlit dem
rnit Fug und Recht erfolgt" Aber die Griechen werden nicht verpflichtet, Despoten Demetrios allen Bemühur:gen des Kaisers zunr 1'rotz bereits
den Zusatz in ihr Symbolum aufzunehmen. Der Papst ist Nachfolger bald nach dem T'ode des Patriarchen aufgebrochen.?
Petri und St:rtthalter Christi gemäß den Kanones der früheren Konzilien, In Venedig feierten die Griechen auf Wunsch des Dogen die ab-
aber unter Wahrung aller Rechte der ftinf Patriarchen.s Als das Dekret geschlossene Union am t7. September nochmals mit ihrer Liturgie im
verlesen war, küßten die Griechen Fuß und Hand des Papstes. Lateiner Markusdom. Der Kaiser fehlte bei der Veranstaltung. Neben dem Des-
und Griechen gaben sich den Friedenskuß, und die griechischen Sänger poten kniete der Doge von Venedig. Alles vollzog sich nach griechischem
stimmten den Psalm an: Etigpatvéa*øõav of oitpauol, xal àyaï'7maÛø i¡ Ritus. Kein lateiuischer BischoÍ, kein lateinischer Priester war anwesend.
fí.n Die Union war zum Abschluß gebracht. Trotz allem standen sich Das Symbolum wurde, wie es das Unionsdekret zugestanden hatte, ohne
die Vertreter beider Kirchen innerlich fremd gegenüber. Wohl gingen das Fìlioque gesungen. Aber auch der Name des Papstes wurde nicht
einige Bischö[e unter Bessarions Vorantritt mit ganzer Seele die Einigung eingeftigt. Dazu legten die weniger unionsFreudigen Bischöfe eine ruffallende
ein; dafür waren andere um so zurückhaltender, wenn sie nicht gar mit Zurückhaltung an den Tag" Antonios von Herakleia war so verbissen,
feindseligen Gefühlen das eben vollendete Werk betrachteten. daß er jede Mitwirkung bei der Feier versagte.s
So machte sich schon auf italienischem Boden eine frostige Kühle Der Aufenthalt der Griechen in ltalien wnr nur noch kurz bemessen.
ftihlbar, die später alles zu Eis erstarren ließ. Als das langberatene Unions- Am r9. Oktober ging ihre Flotte unter Segel. Am r" Februar des nächsten
dekret verkündet werden sollte, vermochte man sich nicht einmal zu einer
Jahres landeten sie wieder in Konstantinopel.
gemeinsamen liturgischen Feier leicht zu einigen.6 Aber das waren erst
noch Geringftigigkeiten; bedenklicher wurde die Stimmung, rls Eugen IV.
Und Bessarion?
- Er ragte mit seiner Tatigkeit auf dem Konzil
zum erstenmal in seinem Leben in die ganz breite Öffentlichkeit hinein.
die Griechen zur Komn:union an seiner Messe aufforderte. Darüber brach Ein ansehnliches Sttick Kirchengeschichte hatte er hier geschaffen. Die
der offene Unwille âus, und selbst der Bischof von Mitylene, der noch Ereignisse wirkten aber auch auf ihn bestimmend ein. Als er das Konzil
eben zugesagt hatte, wurde wegen seiner Landsleute wieder kopfscheu,
verließ, vrar er in vielem ein anderer geworden. Wenn er auch noch
Noch mehr aber wurden die Griechen in ihrer Zurückhaltung bestärkt,
als der Papst an sie das Ansinnen stellte, daß Markos Eugenikos zur
Rechenschaft gezogen werden solle; und erst recht antworteten sie ihm
mit einem bestimmten Nein, als er ihnen den Vorschlag unterbreitete,
jetzt noch in seinem Beisein ftir den erledigten Stuhl von Konstantinopel

'Syro
'syro
t Denz Enchiridion Synrbolorum, definitionum et declaratio-
num, Friburgi n. 694 unterdiü_ckt die Stelle úber die Vorrechte der
orientalische-n h dér ganzen Vorgeschichte des Dekrets unzulässig o Syropulos XI. t, p. 313.
ist und inhaltlich den Sinn verändert.
{ Acta gr^ec^ 321 (Labbé XllL 5z4). Ambrosii
? Syropulos _4-I. ,, p. 3r4; XL rr, p. 266. 268.
Epistulae X, zr, Col. 474. E Syropulos XI. z-4, p. 3r4-tr9.
6 Syropulos X' 6, p.286.
liohler, Ksrdinnl Besga¡iorr. l. tz
-7-

1?8 {. Die letzterr Wocheu des Konzils'


und. für seine
ganz d.er griechische Theologe und Bischof geblieben war.
ftihlte er sich doch eines
Kirche besondere Rechte in Ãnsprucl nahm, so
Sinnes mit der lateinischen KirÀe. Vor allem hatte er
seinen Blick ge-
Kleinlichkeit
weitet und auch die Schwächen der eigenen Sache wie die
Zukunft Kirche
seiner Lrndsleute kennengelernt. Über die weitere seiner
III. Vom griechischen Bischof zum römíschen Kardinal.
wie seines Vaterlandes n.,ã.l,te er nur eine dunkle Ahnung haben'
Bessarion der Theologe.
l. Byzanz nach dem Unionskonzil.

Die Stimmung, die die zurückkehrenden Bischöfe in der Heimat vor-


fanden, wer für die aufrichtigen Unionsfreunde keineswegs erfreulich. Hier
herrschte geradeso wie früher bei [Ioch und Nieder, bei Volk und Geist-
lichkeit die alte Abneigung gegen jede Verständigung mit der Kirche des
Abendiandes. 'Welt- und Ordensklerus hatte, solange die Bischöfe auf dem
Konzil weilten, das Seinige getan, um die urteilslose Menge zum alten
fanatischen Haß gegen Rom und Papsttum aufzupeitschen. In den Heim-
gekehrten sah man nur noch Abtrünnige der eigenen Kirche, die ihren
Glauben gegen Geld und wohlfeile Versprechungen preisgegeben hatten.
Das Volk hielt sich von ihren gottesdienstlichen Feiern fern. Die Geist-
lichen brachen die Gemeinschaft mit ihren Mitbrüdern, die das Unions-
dekret unterschrieben hatten. M¿n nannte sie mit neuerlundenen Schmäh-
worten 2,atwioaateg und, ),at¿aógçoveç,r Von einem Priester nemens
Theophylakt wird erzählt, daß er aus reiner Neugier zu den Feierlichkeiten
der lnthronisation des neuen Patriarchen ging. Da allgemein bekannt war,
il
I
daß dieser auf dem Boden der Union stand, strafte die eigene Gemeinde
den Schaulustigen, indem sie nicht mel:r zu seinem Gottesdienst erschien.2
ii
Anr Sonntag der Orthodoxie, einem echt byzantinischen Feiertag, spielten
il
I sich erregte Szenen ab, weil man die Unionsverdächtigen von der Mit-
I
I

,l
feier der Liturgie ausschloß.3 Nieruandem fiel es ein, den Namen des
I
Papstes bei der Messe zu nennen, und selbst der Kaiser mußte es sich
I

I gefallen lassen, daß sein Name aus den Diptychen gestrichen wurde.a
I

I
Der Geschichtschreiber Dukas charakterisiert diese Zustände in der
I
anschaulichen Form eines öffentlichen Zwiegespräches, das sich zwischen
den eben gelandeten Konzilsteilnehmern und der Bevölkerung am Hafen
entsponnen haben soll. Die erste Frage ging nach der Lage der Dinge
urrd dem Ausgang der Synode. Da schrien die byzantinisch Gesinnten:
>Wir mußten unsern Glauben verkaufen! Wir haben unsere Religion
gegen die Gottlosigkeit eingetauscht und das reine Opfer preisgegeben !
Wir sind Azymiten geworden!< Antonios von Herakleia habe seine Hand
t Syropulos XIL ¡, P.
tro.
I Sj,ro!ulos XII. 5,P, 3J7'
3 Syropulos XII. I, p.J)t.
o Syropulos XII. z, p.l)r.
l2r
180 r. Byzanz nach dem Unionskonzil,
Lateinerfeindliche Stinrrnung. 181

Wie ganz anders hatten da doch die früheren Herrscher von Byztnz
unter den gleichen Umständen ihren Willen gezeigl, mochten sie nun die
Beziehungen zu Rom gerade angeknüpft oder abgerissen haben, Johannes
Palaiologos dagegen konnte sich inr Geftihl seiner Macht in kircblichen
Dingen mit seinen Vorschriften in einer Menge von Kleinlicbkeiten er-
schöpfen, sei es, daß es die Abhaltung der Liturgie oder daß es sonst das
kirchliche Zeremoniell betraf;l aber er v/ar zu schwach, um die aufreizenden
Reden und Schriften des unbeugsamen Ephesiers unwirksam zu machen
oder den Quertreibereien einzelner widersetzlicher Bischöfe ein Ziel zu
setzen. Er zeigle sich geradezu hilflos gegenüber jenen Bischöfen, die
nun mit einem Male ihre geleisteten Unterscbriften für hinfallig erklärten
und mit ihrem Auftreten bei den offiziellen Anlässen wie nanrentlich bei
der bald notwendig gewordenen Patriarchqnwahl eine ganz heillose Ver-
wirrung anrichteten.
Der Eindruck der Gleichgtiltigkeit oder mehr noch von Unentschieden-
heit in allen kirchlichen Fragen, den man aus Syropulos von diesem Herr-
schef unbedingt gewinnt, wird durch das Eingreifen von Papst Eugen IV.
vollaui bestätigt. An der päpstlichen Kurie war es nicht verborgen ge-
blieben, daß bei einem entschiedenen Zugreifen des Kaisers. die kirchliche
Lage im Orient längst eine andere Gestalt angenommen hätte. Deswegen
wandte sich Eugen kurzerhand über den Kopf des Kaisers hinweg an
dessen itingeren Bruder, den Despoten Konstantin, der bei seiner unions- I

freundlichen Gesinnung einen stärkeren Rückhalt ftir die kirchliche An- ir

gelegenheit abzugeben verhieß. Der Papst verlangte von ihm die sofor-
tige Verkündigung der Union und versprach ihm, wenn er auf den Thron I
t I

käme, berechtigte Aussichten dazu waren für Konstantin vorhanden


- -
seine tatkräftige Unterstützung. So schon in einem Schreiben vom zr. April 1

t44r, das Cristoforo Garatoni ihm überbrachte.2 l

Johannes Palaiologos war schwach als Herrscher und schwach als i

persönlicher Charakter. Auf seine letzten Tage


- er starb t448 - trat
er selber in die Reihen der Lateinerfeinde und verwarl das Werk der
Union wie so mancher seiner Bischöfe. Das bestätigt Georgios Scholarios, l
l

der nach dem Konzil fast ausschließlich sein Berater in kirchlichen Fragen
I
gewesen zu sein scheint.s Die politische Lage hatte ehedem den Kaiser I
{
zur Union gedrängt, und jetzt war es wiederum der türkische Druck, unter
¡
LI

dem er über die innere Lage des Reiches nicht mehr Herr werden konnte. L

Auch damit hing das Schicksal der Union zusammen. Denn sobald die
Tü¡ken einen Vorstol3 machten, stellten sofort auch die Lateinerfeinde
die Frage: >Wo bleibt die Hilfe des Abendlandesl Wie sorgt jetzt der
Papst, mit dem ihr Gemeinschaft geschlossen habt?< Solche Augenblicke
Dukas, Hist' Byz. c. ir bei Migne, p. gr. r57, rorlB. Syropulos xII.
p.Jj2. z,
t Vgl. Syropulos XI. 3. p. 316 f.
:.S¡,ropulos XI. p.)]6.
5, : Mansi XXXL 1743 sq.
3 Vgl, Migne, P. 9.. 16o, 258 D,
7
L82 t. Byzrnz nach detn Unionskonzil' Ma¡kos Eugenikos und Antotlios von Herakleia. 183

bewirkten, daß der Kaiser in seinen Entschlüssen immer mehr ins Wanken von jenen, Brüder! Sie sind falscbe Apostel und trügerische Gesellen, die
kam, und daß die wenigen Unionsfreunde, die mit der Zeit blieben, bald sich selber zu Aposteln nrachen.<
völlig allein standen. Mar*os Eugenikos zog bald víele, die ihm in Florenz zuneigten,
Führender Geist all derer, die sich gegen die Florentiner Beschlüsse wieder in seinen Bannkreis. Der erste, der sich in seinem Sinne rührte,
auflehnten, war der unbändige Markos Eugenikos. Als auf dem Konzil war Erzbischof Antonios von Herakleia. War ihm die Union schon
die Unionsurkunde eben unterschrieben worden war, hatte der Papst seine in Florenz zuwider, so bezeichnete er jetzt das Konzil als eine Pest für
Maßregelung verlangt, weil von dem ungehinderten Weitereifern des Bi- den wahren Glauben. Daß er selber unterscbrieben hatte, wußte er nicht
schofs eine Störung zu erwarten war. Der Kaiser hatte damals erklärt, bitter genug zu beklagen. Alles schrieb er dem unentrinnbaren Zwang
er werde die noch ungeklärte Angelegenheit selber in die Hand nehmen, ztr. Zunächst äußerte er sich so noch im Privatgespräch mit seinen Ge-
und ließ Markos schon vor der Abreise seines gesamten Episkopats auf sinnungsgenossen. Es dauerte aber nicht lange, da ließ er es auch öffent-
einem eigenen Schiff in die Heimat verbringen.l Mehr geschah gegen licb zum Bruch kommen. Diese Zwischenf¿lle reichen schon in die Tage
ihn vorerst nicht. InByzanz schürte und eiferte Markos ungehindert gegen der Patriarchenwahl, die im Mai t44o stattfand. Wir müssen hier den
das Konzil, und das mit einer inneren Überzeugung und Leidenscbaftlich- Ereignissen vorausgreifen.
keit, die sich ihresgleichen iuchte. Auf dem Konzil hatte er nur für ge- Antonios von Herakleia wurde zur Teilnahme an der Wahl in be-
übte T'heologen gesprochen; jetzt verschmähte er es nicht, sich auch in sonders eindringlicher Weise eingeladen. Das war nötig; denn mit seinem
populärer Form hören zu lassen. So richtete er wahrscheinlich schon Bischofsstuhl waren wichtige Befugnisse für den Vollzug des Wahlgeschäfts
bald nach seiner Rückkehr zwei Rundschreiben ¡¡An alle rechtglaubigen und der Weihe verknüpft.r Antonios wollte anfänglich nicht erscheinen,
Christen auf dem Festland und den Inseln<.2 Er dachte Aufklärung über schließlich ließ er sich aber durch die Bitten seiner Freunde, die ihm die
die Verbindlichkeit der abgeschlossenen Union in die weitesten Kreise zu Möglichkeit einer öflentlichen Aussprache ausmalten, umstimmen. Er er-
verbreiten. schien wirklich in der Versammlung vor allen Bischöfen und vor dem
Kaiser. Man glaubte nichts anderes, als daß er sich mit den übrigen am
Er verstand zu toben. r¡Was war es mit dem Konzil?< fragt er.
Wahlgeschäft beteiligen werde, Da bat er ums Wort. Wie waren alle
>Haben dort clie Lateiner ihre Lehre etwa als Wahrheit erwiesenl In
überrascht, als er erklärte, er verzichte auf diese Wahl; er sei nur ge-
allen Punkten sind sie uns den Beweis schuldig geblieben.< Dabei habe
kommen, um einmal vor aller Öffentlichkeit klipp und klar zu sagen, was
er auf griechischer Seite allein gekampft. Die übrigen haben geschwiegen.
er denke. Und er hielt nicht zurück. Wie regnete und hagelte es da an
Man habe die Griechen solange mit Reden hingehalten, l¡is sie mürbe
Vorwürfen gegen das Konzil! Seinen ga,nzeî Unmut ließ er gleich einem
wurden und ihre Unterschrift hergaben. Einer aus ihren Reihen habe
heftigen Gewitter über die Versamnlung niedergehen. Was man in Florenz
Verrat geübt, denn er wollte beweisen, daß das d¿â bei den Vätern gleichen
beschlossen habe, das habe er in seinem Innern niemals gutgeheißen. Er
Sinn habe wie 32. In solch klaglicher Weise habe jener ftir die lateinische
könne es heute noch nicht begreifen, wie er dazu gekommen sei, diesen
Lehre eine Sttitze erfunden.B Dann mahnt er weiter, die orthodoxe Lehre
lügnerischen Trug zu unterscbreiben. Denn das ganze Dekret halte er
festzuhalten. ¡>'îrolz aller Konzilsbeschlüsse glauben wir mit Johannes von
für absolut unvereinbar mit dem christlichen Glauben. Niemand von ihnen
Damaskos und allen Vätern, daß der Hl. Geist nicht aus denr Sobne ist.
Alles andere ist trügerische Erfindung, und die Lateiner sind nrit ihrer könne sich einen Begriff machen, wie seine Unterschrift gleich einer
Zentnerlast auf seinem Gewissen drückte. Jetzt danke er aber Gott, daß
Lehre Häretiker. Wir halten den Zusatz im Symbolum für einen Verstoß
gegen die Satzungen der Väter. Wir halten den Papst wie einen von er ihn offen habe sprechen lassen. Dann rief er mit lauttönender Stimnle:
>Ich verwerfe uncl verabscheue die Union. Ich widerrufe, was ich früher
den Patriarchen, und auch clann nur, wenn er nicht gegen den wahren
bestätigt habe sanrt jener Definition, weil ihr Inhalt den kirchlichen Dogmen
Glauben verstößt. Jene aber nennen ihn in ihrer Anmaßung den Stell-
vertreter Christi, den Vater und Lehrer der Christenheit.+ Deswegen weg widerstreitet. Ich stelle mich vor das Gericht der Kirche; sie soll mich
strafen, weil ich unterschrieben habe.<2 So überliefert Syropulos seine
I Syropulos Xl, z, p. 7t4. Worte. Sein Bericht wird bestâtigt durch die schriftlich ausgefertigte Meta-
, Béide'schreiben nîô¿c'ånavragoú tñs y-Ìtc xaì rõv'r'i¡oan àp9o6ó{oq XQç aoía des Bischofs von Herakleia.s
ot.a,yo rwiderungen des )oseph von Methone und des G¡e-
gorio zu den Konzilsakten bei Mansi XXXI . tzol-t267 und
tz67- P. gr, r 59, to2t-tog4, t Vgl, die oben S. z6 n. z angeführten Quellen,
2 Syropulos Xll. z, p. 117.
{ Mansì XXXI. r347. 8Im Cod. zo8 der Moskauer Synodalbibliothek; gedruckt bei Demetra-
184 t, Byza,nz nach denì Unionskonzil.
Abfatl von der Union, Syropulos. 185
Groß-chartophylax. Das war offene Trennung der kirchlichen Gemein-
Dem Metropoliten von Herakleia schloß sich sofort auch der Bischof
scha[t und eine plumpe Herausforderung des Kaisers. wohl machte dieser
von Trapezunt an. Er kam nämlich bei der Patriarchenwahl allen Ernstes
Miene, dieses Mal gegen sie einzuschreiten; aber die bauptsächiichsten
als geeignete Persönlichkeit in Vorschlag. Als man an ihn die Frage
Persönlichkeiten, der Bischof von Herakleia und Markos, entzogen sich
richtete, wie er sich innerlich zum Konzil von Florenz stelle, antwortete
durch die Flucht.t syropulos und sein Amtsgenosse ließen es auf einen
er ebenso entschieden wie Bischof Antonios: >Weder scheint mir die
neuen, Aufsehen erregenden Fall ankommen. vor den Kaiser zitiert, er-
Union gut, noch glaube ich, daß sie rechtlich zustandegekommen ist. Icb
schienen sie nicht. statt dessen ließen sie ihnr ein Schriftstück über-
lehne sie eb.(1 Daß der Trapezuntier wie der Bischof von Herakleia wegen
reichen, in dem sie inr sinne des Heraklensers die union verwarfen und
ibrer li,ußerungen völlig unbehelligt blieben, ist der beste Beweis ftir die
gleichzeitig ihren Rücktritt von ihren Kirchenämtern anzeigten.z Der
Unentschiedenheit des Kaisers. Man bedenke, daß in früheren Zeiten ein
Kaiser zeigte sich hier wieder in seiner ganzen schwäche. Eiwurde von
widerspenstiger Bischof ohne weiteres sein Amt verlor, wenn er nicht
dem neuen Abfall derart betroffen, daß er jede Härte vermied und es ver-
noch einer besonderen Verurteilung entgegensah. Aber Johannes Palaio-
suchte, beide durch vernrittelnde vorschläge ftir ihr Amt zu erhalten. Er
logos ließ die beiden Abtrünnigen nicht nur gewähren, er hatte nicht
ließ sich auch durch die Erfolglosigkeit einer persönlichen Aussprache, zu
einmal etwas dagegen einzuwenden, daß ihre Namen trotz allem bei der
der er sie geladen hatte, nicht verdrießen und schickte an sie nochmals
Patriarchenwahl doch noch ernstlich in Erwägung gezogen wurden. Noch
Beamte, die sie mit Gütc umstimnren sollten.¡ Auch das fruchtete nicbts.
nehr, er war sogar darüber ungehalten, daß beide freiwillig zurücktraten.
Beide verharrten ungestraft auf ihrem willen. l)er p¿triarch ward sogar
Die Worte der beiden Abtrünnigen, die halb wie ein Selbstbekenntnis,
veranlaßt, sanftere Saiten aufzuziehen; er gestattete ihnen abzudanken und
halb wie ein Ruf zum Aufruhr klangen, riefen eine tiefe Bewegung in
ließ ihnen hierüber eine Bescheinigung ausstellen.r
den Reihen der versammelten Prälaten hervor. Was die Unionsfreunde
Die erregten Formen, in denen sich diese vorfalle abspierten, lassen
erwiderten, berichtet Syropulos nicht; ihn interessiert als verbissenen
erkennen, wie vor allem bei den Gegnern der union der zorn bis ntr
Gegner nur die eigene Partei, für welche die beiden Bischofe aus der
siedehitze gestiegen war. Den Schmähungen des Ephesiers standen die
Seele gesprochen hatten. Daitir belohnte sie lebhafte Zustimmung. Einige
sprachen ihnen offen ihre Anerkennung aus. Denn unzufriedene Elemente,
beiden staurophoroi in keiner weise nach. Gerade Syropulos zeigte sich
unduldsam in höchster Potenz. Den kaiserlichen Sekreiär, d,er ihm die
die vordenl zu persönlicher Meinungsäußerung zt Îeige waren, gab es
Erwähnung des Papstes bei der Liturgie als unbedeutende sache zurecht-
genug. Diese jubelten ietzl, weil sie bereits die Union als hinfällig be-
legen wollte, gab er zur Antwort: r¡Es ist nicht in der ordnung, einen
trachteten und den Augenblick für eine Umwälzung ðúqÛæat's èmeL7'
ftir gekommen hielten'
-Einige gingen sogar Außenstehenden aufzunehmen. Kein Priester darf für einen Exkommuni-
ømauxi¡ nannten sie das2
-
so weit, daß sie Antonios von Herakleia ohne weiteres als Patriarchen
zierten beten. Der Papst gehört nun einmal nicht zu unserer Genlein-
schaft. Er stimmt mit uns nicht einmal im Dogma überein. oder heißt
verlangten, mochte er auch selber dagegen Verwahrung einlegen. Bessarion
es nicht im ro. Apostolischen Kanon: wenn jenand mit einem Exkom-
warnte mit aller Nachdrticklichkeit.s
Die völlige Ungestraftheit, mit der die genannten Bischöfe sprechen munizierten in ein und demselben Hause betet, so wird er selber ex-
durften, ermutigte sie zu weiteren Schritten. Als der neue Patriarch am
kommuniziert. Der Patriarch aber, der den Papst bei der Liturgie nennt,
betet nicht nur mit dem Pnpst, er betet sogar ftir ihn. Das ist ein Ver-
Pfingsttage rnit einer feierlichen Liturgie, bei der auch der Kaiser an-
brechen und steht im widerspruch mit den sitten unserer Kirche.<5
wesend war, seine Amtstäiigkeit eröffnen wollte, da blieben beide unter
nachdrücklicher Versicherung ihres Unwillens fern. Es fehlte auch Markos
Auf die ohnedies schon fanatisierten Massen des volkes und der
niederen Geistlichkeit wirkten diese Beispiele wie eine offene Aufforderung
von Ephesos, und diesem Beispiel folgten auch zwei Würdenträger der
zur Widersetzlichkeit gegen die Florentiner Beschlüsse. Die Folgen zeigten
Hagia Sophia, nämlich der Groß-Ekklesiarch Syropulos und mit ihm der
sich sofort: die Kirchen der >Henotiker< blieben leer. Man verschnrähte
Die wesentlichen dic Sakramente. aus ihrer Hand. Bei feierlichen Liturgien und festlichen
6i¡óaxa ìv
yv(o114v
Ê2IE¿OE ouvr e 0évr ¿

ìv 11'¡ ch nach 'f(tupú.óq, Markos zunächst nach

T/1! t9) L 6, p. 318 f.


7

186 r. Byzanz nach denr Unionskonzil. Die Patriarchenwahl im Jafue r44o. 187

Anlässen tler Unionsfreunde blieben die Kirchen leer. Dazu kamen noch handelte. Wir erinnern an die Zustände nach dem Konzil von Lyon
die aufreizenden Schriften der Polemiker, die den Glauben der abend- (tzl+) und wieder bei der Vertreibung von Johannes Bekkos (tz8z).
Iändischen Kirche als Aberwitz ausgaben und ieden Lateiner zum Häretiker Johannes Palaiologos, der solchen Wagemut nicht kannte, ließ es lieber
stempelten. Neben einzelnen Theologen, die den Weg der gelehrten oder zu einer regelrechten Vy'ahl nach der ursprünglichen Form kommen. So
popular.n Schriftstellerei wâhlten, waren es vor altem die Mönche, die trug er vor der Öffentlichkeit keine Verantwortung.
in diesem Sinne tätig weren. Die Klöster auf dem Athos wareî g nz Wir hörten: Antonios von Herakleia wurde vorgeschlagen, wenn-
besonders eine Sammelstätte aller Unionsfeinde und Lateinerhasser. schon er eben erst seinen Rticktritt von der union erklärt hatte. Er
selbst sträubte sich. Man drängte ihn. Aber Bessarion und der Mitylener
Wir sind der Zeitvorausgeeilt. Wir haben nocb von der Patriarchen-
warnten. Dann wurde der Bischof von Trapezunt genannt, mit ihm auch
wahl im Jahre r44o zu handeln. Bisclrof Metropbanes von Kyzikos. Der Trapezuntier 6ab alsbald seine
Noch vertrat der Kaiser den Standpunkt der Florentiner Beschlüsse.
Erklarung ab, mit der auch er die Union verwarf. Der Bischof von Ky-
Noch' hielt sich die Mehrzahl der Bischöfe durch ihre Unterschrift für ver-
zikos erklärte auf die Frage des Kaisers: >Ich habe unterschrieben und
pflichtet. Einzelne Mitglieder des griechischen Episkopats werden uns
halte mich an mein Wort, auch fíir die Zukunft,<t
sogar als besonders eifrig genannt. So der Bischof von Mitylene ¡rnd
Bischof Metrophanes von Kyzikos, ebenso der Beichtvater des Kaisers, Nach diesen rückhaltlosen Äußerungen der beiden Kandidaten hätten
Gregorios Pneumatikos; alles Namen von Männern, die schon au[ dem irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Wahl nicht mehr bestehen dürfen.
Konzil für die Unionssache mit Eifer eingetreten wâren. lsidor von Kiew Der an dritter Stelle vorgeschlagene Prohegumenos des Klosters toú Ba-
fehlte hier. Er war mit seinen russischen Begleitern auf eigenen Wegen tonatôioo Gennadios (nicht der spätere Patri¿rrch Gennadios) kam ja ernst-
nach Moskau gegangen.l Dagegen war Bessarion anwesend. Das ist lich nicht in Frage. Daß der Kaiser trotzdem noch schwankte, mußte
gegen Phrantzes festzuhalten, nicht so selrr wegen dessen böser Zunge,2 damals schon seine Stellungnahme gegenüber den Konzilsbeschlüssen in
als um des Umstandes willen, daß Bessarion sich hier durch eigenen recht merkwürdigem Licht erscheinen lassen. Die Entscheidnng wurde
ll
I
Augenschein einen Einblick in die Verhältnisse verschaffte. Für die Wür- dem Los überlassen. Metrophanes vo n Kyzikos wurde Patriarch.2
rl
digung seiner Schriften wie seiner Persönlichkeit ist das wichtig. Daß Es war am 4. Mai r44o, aî der Vigil von Christi Himmelfahrt. .

er damals wirHich in Konstantinopel war, sagt er selber, wenn er von Alt und kränklich, erlebte Metrophanes auf dem Stuhl von Kon-
l
seinen Studien und Funden berichtet, die er in den dortigen Klosterbiblio- stantinopel schwere Tage. Bei der Feier seiner Inthronisation blieb die
i
I
thekcn nrachte.s Außerden erwähnt ihn Syropulos dabei.a Kirche leer. Dann folgten jene Zwischenfalle, die Antonios von Herakleia a

Eigentlich hette der Kaiser, ohne die Bischtife zu befragen, eigen- und nach ihm Syropulos in Szene setzten. Aber auch von auswärts kamen I

mäcbtig einen Patriarchen auf den Stuhl von Konstantinopel erireben keine erfreulichen Nachrichten. Die ttirkischen Eroberungen machten Fort- I

können. Die eigentliche Wahlordnung \var schon geraume Zeit nicht ntehr schritte. Dann kam der verbrecherische Anschlag des Despoten Deme- l

gepflegt worden. Selbstbewußte Herrscher baben namentlich in solchen trios, des ei¡¡enen Bruders des I(aisers, ans Tageslicht. Er war mit den I

aufgeregten Zeiten tatkrâftig ihren Willen durchgesetzt, zumal wenn es Türkeu in Verhandlungen getreten, die auf die Eroberung von Konstanti- I

sich erst noch um die Beseitigung eines Mannes der anderen Richtung nopel abzielten (t442).3 Auch in Rußland stand es mit der Union nicht I

gut. In Moskau hatte Großfürst Wassili lll. samt denr russischen Epi-
v. skopat gegen die Einigung mit der lateiniscben Kirche protestiert. Der
e8 I
Metropolit Isidor war dieser Erhebung zurn Opfer gefallen. Noch emp- I

;ier findlicher mußte es sein, daß sich auch griechisches Sprachgebiet außerhalb
i
I

nach Twer zu Fürst Boris, d¿on nach Litauen und spâter nach Ronr. des byzantinischen Reiches wieder lossagte. Zwar hatten die Patriarchen ì
2 Nach Pbrantzes biieb Bessarion sofort in- Rom, unr hier seine Belohnung
von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem ihre bevollmächtigten Vertreter i

XII' 7' P' 335' i

XII. 3-5, p.Jt3- jj6. Charakteristisch fur Syropulos ist die An- I

ts, daß auf beiden Losen derselbe Nanre gestind-en habe, einmaI I

dann rBischof von Kyzikos<, Das ist niihts anderes als Stadt- I

s Phrantzes, Chronicon maius II. r8 bei Migne, P.gr. 156, 7gB A. Vgl. Sy- I
,
foPuros Àil. rI, p. 14ð. I

I
188 t, Byz^nz nâch dem Unionskonzil' Unter Patriarch Metrophanes. Die Synode von Jerusalem. 189

auf dem Konzil gehâbt, die ihrerseits der Union zugestimnrt hatten. Gre- phanes ab. In räuberischer'Weise habe er den Stuhl von Konstantinopel
gorios Pneumatikos hatte nech dem Konzil über dessen Verlauf an den an sich gerissen; die Rechtglaubigen haben unter sciner Verfolgung zu
Þatriarchen von Alexandrien Bericht erstattet und ausdrücklich die Grünele leiden; die Häretiker unterstütze er und befördere er zu Ehrenstellen.
ftir die Einigung dargelegt.l Eugen lV. hatte Überall im Sprengel von Konstantinopel habe er seine heßlichen Bischöf-
Patriarchen das Etgebnis mitteilen lassen und lein und Erzbischöflein eingesetzt. Selbst auf fremdem Gebiet wie in
arbeiten ermahnt. Die Antwort cles Patriarche Amasia, Neokaisareia, Tyana und Mokissos habe er sich solche Anrnaßungen
ist uns noch erhalten.2 Er war mit allem einverstanden und sprach seine geleistet. Deswegen bestimme die Synode, daß alle Bischöfe, Hegumenoi
Freude über den Ausgang der Synode aus. Der Name des Papstes sei und Priester, die der wahren Lehre nicht anhängen, ihrer li.mter entsetzt
in die Liturgie aufgenommen worden, schreibt er, und werde ietzt in der seien. Dem Exarchen von Kaisareia solle das oberste Aufsichtsrecht tiber
hl. Messe vor den Namen der Patriarchcn verlesen. So herrschte also die Ausführungen dieser Bestimmungen zustehen.l
volles Einverständnis. Auch Johannes Palaiologos hatte, wie Philotheos Da der Kaiser sich gegen alle Angriffe von innen und außen ohn-
erwähnt, den Patriarchen die Unionsurkunde zugeschickt, aber Widerspruch mächtig zeigte, wurde die Stellung des Patriarchen in Konstantinopel all-
mählich völlig unhaltbar. Metrophanes, persönlich sehr gewissenhaft und
dazu auch schon im Alter weit vorangeschritten, verrnochte es nicht,
diesen Zuständen mit Schweigen zuzusehen. Verbittert und voll Gram
zog er sich von den Regierungsgeschäften zurück, unr in einer Kloster-
zelle den verlorenen Frieden zu suchen. Der Kaiser war in Verlegenheit.
gestiftet, begab sich der Exarch votr Kaisareia nach Jerusalem, angeblich Die Osterwoche stand bevor. Ihre liturgische Feier war ohne die An-
um das hl. Grab zu besuchen, Es gelang ihnt, den Patriarchen umzu- wesenheit des Patriarchen in Konstantinopel undenkbar. Es wurden also
stimmen, und dieser berief daraufhin die übrigen Patriarchen zwecks einer Zustände geschaffen, die jetzt offene Anklage gegen das zweideutige Ver-
Revision des Flofentinums zu einer Synode nach Jerusalem. Noch vor halten des Kaisers erhoben. So verlegte er sich wieder aufs Verhancleln
ihrer Eröffnung im Dezember r44z rîchtete sich einer der Patriarchen mit dem gekränkten Patriarchen. Ër bat lange vergebens. Erst als er
mit einem erbitterten Schreiben an den Kaiser: Papst Eugen habe ihn ihm geradezu eidlich sich verpflichtete, daß er sofort nach Ostern die
jetzt schon zum drittenmal gemahnt, die Union durchzuführen und den kirchlichen Angelegenheiten im Sinne der Florentiner Beschlüsse in die
Namen des Papstes in die Liturgie aufzunehmen. Da ibn iedoch der Hand nehmen werde, gab Metrophanes nach und verrichtete die feierliche
verstorbene Patriarch von Konstantinopel über die wahren vorgänge zu Liturgie in der Hagia Sophia.
Florenz, über List und Trug der Lateiner nicht im Unklaren gelassen habe, Aber auch dieses Mal wieder wurde der Kaiser lassig. Der Patriarch
so habe er jetzt dem römischen Papst die Erklärung zugehen lassen: dagegen ließ sich nicht mehr vertrösten; er faßte díe ganze Energie eines
>Wenn er die orthodoxe Lehre annehme, so solle die Union ihre Gtiltig- alten Mannes zusammen, um seinen Willen, den sein Gewissen bestimmte,
keit besitzen und seiner im Gebete gedacht werden; andernfalls werde die durchzusetzen. Es ist trotz der gehässigen Umrahmung bei Syropulos
Synode von Florenz keine Anerkennung Ênden, und ieder Geistliche, der rührend zu lesen, wie er zu Werke ging. Er trat vor Johannes Palaio-
ihr anhänge oder den Namen des Papstes im Gebete nenne, werde ab- logos hin; er bat ihn und beschwor ihn; er drohte ihm, er u'erde nicht
gesetzt, die Laien aber exkommuniziert.< Dem Kaiser aber drolrte der eher den kaiserlichen Palast verlassen, bis der Kaiser seine Pflicht erftille;
B¡iefschreiber ebenfalls mit dem Ausschluß aus der Kirche, wenn er sich er zog in das benachbarte Kloster roõ Ilpoôqópou, von dern aus er zu
nicht von den Lateinern lossage.s Der Druck auf den Kaiser kam also seinen täglichen Gängen an den Hof einen kürzeren Weg hatte. Da regte
von allen Seiten. sich endlich auch in Johannes Palaiologos das Gefühl, wie wenn er noch
Die Synode trat in Jerusalem zusammen. In Apr'il 1443 gaben die eine Schuld abzutragen hätte. Ër traI Veranstaltungen zu einer Synode,
hier versammelten Bischöfe eine Erklärung geg€n den Patriarchen Metro- die alle Verhältnisse ordnen sollte. Syropulos und sein Amtsgenosse
wurden vorgeladen. Der Kaiser in seiner nervösen Erregbarkeit ließ sie
heftig an wegen ihres Abfalls, der nun schon vor drei Jahren erfolgt war.
Schon ließ er die Einladungen zur Synode an die Bischofe ergehen er
-
r Dieses Synodaldekret vom April t441 bei Leo Allatius, De ecclesiae occident.
et orient. perpetua consensione lll. 4. p. 939 fr.
t, nâch dem Unionskonzil' Die politische Lage. Gregorios pneumati[os ars patriarch. lgl
190 Byz¿,nz

raste dabei voll Zorn und Wut gegen alle, die nach seiner Ansicht diese
Lage verschuldet hatten -, da starb am r. August 1443 der -hairtgequälte
Meirophanes in seiner Klosterzelle. Alle Vorbereitungen auf die Synode
krren somit zum Stillstand; ieder Gedanke an eine Durchführung der
Union geriet in Vergessenheit.r Die trostlose Lage kam am anscbaulichsten
da,lurcli zum Ausdruck, claß der Stuhl von Konst¿rntinopel nunmehr zwei
volle Jahre verwaist blieb.
Mitbestimmend ftir diese Vorgänge waf iederzeit die politischeLage.
Solange noch die Türken freie Hand hatten und ihre Angriffe bis Nieder-
ungrri und an die'fheiß vortragen konnten, war auch das byzantinische
Reictr in Gefahr. Man verzweifelte allgemeiu an der Hilfe des Abend-
l:rncles und legte darurn auch wenig Wert auf seine kirchliche Gemein-
schaft. Als aber Eugen IV. den Peterspfennig fúr einen Kreuzzug gegen
die Türken erheben ließ, und Kardinal Cesarini als päpstlicher Legat in
Ofen es durchsetztg, daß der ungarische Landtag an Pfingsten t443 den
Krieg gegen die Osmanen beschloß, da hatte auch die Aufrechterhaltung
d.r Únion wieder Aussichten. Jedes gute Einvernehmen ward aber sofort 2. Die Polemik gegen das Konzil von Florenz.
wieder gestört, als das militerische Unternehmen ungünstig verlief. Mit
der Nieãerlage des christlichen Heeres bei Varna Âm Io. Novenrber r444, D.,r Kampf gegen die Florentiner Einigung erschöpfte sich nicht
die allerdings eine völlíge Vernichtung bedeutete, war auch die letzte Hofi-
.
den geschilderten Erscheinungsformen, indem einzelne gischofe ihren
in
Rtick-
nung in Konstantinopel wieder geschwunden. Wir haben weiter unten tritt erklerten, oder die fanatisierte Masse passiven widerstand leistete.
noch davon zu handeln. Kaum schienen nach der V/ahl des Patriarch.n di. kirchlichen Verhältnisse
Die Frage nach der Wiederbesetzung des Stuhles von Konstantinopel sich einigermaßen beruhigt zu haben, da griff auch die gegnerische po_
fand im dar"riffolgenden Jabr ihre Lösung. Der Kaiser selzte ohne iede lemik mit unverhaltener Gehässigkeit ein, um die ftihrenãe"n Geister
auf
weitere wahl den bisherigen Protosynkellos Gregorios Pneumatikos Hauptsächlich ihrer Tatigkeit ist es zuzuschreiben,
als Patriarchen ein (7. Juli, f 44Ð. Dieser Mann wäre nach ieder Hinsicht er der urteilslosen Menge irnmer größere Ausdehnung
eine geeignete Personlichkeit gewesen, mâg man sein tatkräftiges Auftreten b die Stellung des romfreundlichen patriarchen unter"_
*ie ì.in"ttr.ologisches Wissen in Betracht ziehen. Aber auçh Gregorios,
der eifrige Part.igenger Bessarions, erlebte wenig Freude' Denn das An sich war die Zahl dieser polemiker gar nicht so groß, nament_
Florentirium fand-ietzt keine Anerkennung. Gregorios überdauerte als lich wenn man sie mit denen in früherer zãit vergleicht." Infolge
der
patriarch den Tod des Kaisers Johannes Palaiologos (t t++8) noch um Absplitterung durch das Konzil hatten sie doch eine erhebliche
Einbuße
drei Jahre. Dann nlußte auch er voll Ärger und Gram sein Amt verlassen an geistigen Kräften erlitten; denn jeder von denen, die die union
(August r45r). >Gleich einem verbannten< schied er aus Konstantinopel. abschüttelten, war noch nicht zum schriftstellerischen Kampf befähigt.
Èr blgab ,i.ú ro seinem weiteren Aufenthalt nach Ronr, wo er hoch- Doch ist zu beachten, daß manches sttick dieser
geachtet im Jahre 1459 starb.z derlich tiefen - im tibrigen nicht son_
Literatur noch im staub der orientalischen
- Klosterbiblio-
Angebf[n. nf.t.Á berichten von einer Synode, die etwa im Jahre l!:\." begraben liegt. um so energischer waren die einzelnen persön-
I45o odãr r45r in Konstantinopel stattgelunden haben soll unter An- lichkeiten tätig. unter den meisten bestand ein reger, geistiger Austausch.
*.s.nh.it dei Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Einer drängte den anderen zum Haß und wideistanã. darauf beruhte
Auf dieser sei die union vollständig verworfen, Gregorios seines Amtes ihre Stärke.
I Die anpeblicben Syn verðffentlicht bei Leo
o;^?l{n1!t,. pii De ecclesia occÏdent. et oíie Allatius,
; i1::åil::,*åÏ,ål Micre, 8r. ¡56, 8'8 rr. com- Iil. 4
t.
rø¡¿l lib. XI."p. lóo'
A,.
. . ìlefuncto
" G.r''orio r)araus,lei H.a- duin IX. ¡ .C,dden¿a-adlib. p.
.r.le, con.ìri.igËråhi"¡t. r¡Eo.
nrentarii ;;;;;;.*;,"Uii'irä."er.".ãfurti
'äiiï¡T,à,à-'i"i' ff. Uber die Unechtheit *t.'ö'r.Ëi"ïïïliìi¿sl vlil.
,;;;;--qr- i,r;;t";;-i;; eil, no',' sine sanctiiatis opiníone Romae obiit. 58
",r.
192 u. Díe Polemik gegen das Konzil vou Florene'
MarLos Eugenikos nach dem Konzil. 193
die Frevler und Verächter des wahren Glaubens und der Gesetze unserer
Die Seele des Ganzen \ilar auch hier wieder Markos Eugenikos" väter mit meinen Beweisen. Alluberall stoßen sie diese schandmale aus.
Sein treuester Anhänger war Georgios Scholarios, rnit seinem Kloster- weder nehruen sie an ihren osterfeiern teir, noch billigen sie ihnen
namen Gennadios. überhaupt die Ehre des christlichen Namens zu.<l
Wir sehen Markos nach dem Konzil noch bei der ersten Patriarchen-
wahl. Auch nachher weilte er noch unbehelligt in-KonstantinoPel, bis er
es mit seinem Fernbleiben von der offiziellen Liturgie des Patriarchen anl

Aber- auch hier fand er keine Ruhe. Seelische Aufregung und körper-
liche Überanstrengunp¡ mögen dazu beigetragen haben, daß er schwer lirank
wurde. >Die Gottlosen( setzten ihm auch hier noch zu, behauptete er. zu ermahnen, daß sie lede Gemeinschaft mit diesem Eindringling fliehen
Außerden war er in Verlegenheit, weil er kein authentisches Schreiben und seinen Narncn bei der hl. Messe nicht nennen mögen. Sie sollen
seitens des Patriarchen ftir seine Befugnisse in Ephesos in Händen hatte.2 ihn überhaupt nicht fúr einen Bischof halten, sondern ftir ìinen wolf und
Zudenr war Patriarch Metrophanes sehr darum beflissen, alle Bischöfe, die Mietling. und schließlich mögen sie sich hüten, das hl. opfer in den
die Union nicht anerkannten, abzusetzen. Kurz, es stand so, daß Markos Kirchen der Lateiner zu feiern, danrit nicht über sie der Zorn Gottes
auch in Ephesos keinen dauernden Aufenthalt nehmelì konnte. So ist es komme, der über Konstanti'opel gekomme' sei wegen der dort began-
{enn nicht zu verwundern, wenn er sich mit der Absicht trug, sich in
ein Athos-Kloster zurückzuziehen. Von neuem ruachte er sich auf den
geneu Frevel.s
- wir haben keine stelle, an der sich Markos über seinen
Antipoden auf dem l{onzil, über Bessarion ausspräche. Er vermied es
Weg, kanr aber nicht weit. Denn der Kaiser ließ ihn jetzt auf Lenrnos offensichtliclr, auch nur seinen Nanlen zu nennen. Als er einrual Bessarions
festnehmen und zu dauernder llaft in einem Kloster unterbringen.s Ver-
Rede über das Dogma erwähnen mußte, behandelte er ihn wie irgendei'en
mutlich war es das Kloster Maganon, denn hier liegt er begraben.a unbedeutenden Unbekan¡fs¡.a Eugenikos war in seinem tiefsten
Von seiner Klosterhaft aus eröffnete Markos Eugenikos seine überaus Herzen von der Richtigkeit seines- Merkos
Standpunktes überzeugt. wir hatten
gereizte Schriftstellerei. ¡Das Wort Gottes und die Kraft der Wahrheit Gelegenheit, schon während des Konzils clas festzustellen.s Nach dem
iassen sich nicht fesseln,< schrieb er bald nach seiner Gefangennahme I(onzil brachte ihn kein ungemach und lceine Erschütterung von dem ein-
an Theophanes, einen Mönch in Euripos, der rnit ihm dachte und ftlhlte.s geschlagenen wege ab, und noch auf dem Sterbebett beteuerte er:
Alles wirkte bei ihm zusammen: seine Niederlage in Florenz und der weiter er von den Henotikern entfernt sei, desto näher stehe er Gott und
Je

Arfsgang des Konzils, seine innere Überzeugung, sein cholerisches Tem- den heiligen vätern der Kirche. In dieser überreogung lehnte er auch
perâment, das sich längst bis zum Stârrsinn gesteigert..hatte, nicht zu- angesichts des herannahenden Todes jede Gemeinschaft nrit dem unierteu
letzt seine Krankheit und der Verlust seiner Freiheit. Uberall in seinen Patriarchen ab.6
Briefen und selbst in seinen theologischen Abhandlungen klingen diese
Theophanes wâr nicht der einzige, dem Markos in Briefwechsel
Töne wieder und treffen verwandte Saiten. Viele hörten draußen auf ihn,
stand. Da waren es die Mönche auf denl'rit Athos, an die er sein Rund-
um jederzeit seiner Befehle zum Kampf gegen die Lateiner gewärtig zu schreiben verschickte;? da war es sein Bruder Johannes Eugenikos, der
sein. >Meine Brüder vertrauen auf meitle Verbannung und zerschmettern Nomophylax, der denselben harten Kopf besaß und ebenfalls nicht geneigt
war, die Union anzunehrnen. Auch an Johannes Palaiologos liegt uns
1 r 6o, to97 B.
2

s 16o, ro97 B.
I 1247. "H6r¡ ôÉ trç ntgì tñc 6tà qtÀooogeîv üçSo"o
u 75'
,

c Migne, P. gr. 16o, S7r-5t8.


? Mansi XXXI. roó8.
Mohlor, Kardinal Bes¡arion. L 18
--t

194 u, Die Polemik gegen das Konzil von Florenz' Georgios Scholarios' ursprÍrngliche Richtung. 195

noch ein Brief von M¿rrkos vor;1 doch ließen sich die Schranken zwischen Er scheint kein völlig klarer Kopf gewesen zu sein. Nicht nur, daß er
beiden nicht beheben. vor allen anderen war es Georgios Scholarios, zwischen Bxtremen schwankte; seine theologische Denkweìse trug auf
mit d€m er nach dem Konzil dauernd in enger Fühlung stand. Ihm der einen wie auf der anderen Seite durchweg einen mehr oder weniger
gegenüber gab er keinem ânderen den Vorzug. Beide gehörten zusâmnten, verschwommenen Charakter.
ãrtt Lehier und Schüler, dann als Freunde. llrre Lebenswege kreuzten In jungen Jahren stand er zu Markos Irugenikos in bestem Verhaltnis.
^k
sich mehr als einnral, meist in glticklicherWeise; nur auf dem Konzil war Er war sein Schüler, wie Scholarios sagt,1 und Markos äußert sich noch
es zu einer vorübergehenden Verstimnlung gekommen. So verdient neben auf dem Sterbelager, er habe ihn wie einen Sohn geliebt.z Demnach nuß
Markos Eugenikos auch Georgios Scholarios hier seine Beachtung. er ursprünglich in theologischer Hinsicht der strenge Byzantiner gewesen
Eine Lerkwürdige Theorie hatte über seine Persönlichkeit in der sein wie sein Lehrer. Das deutet Scholarios selbst an.s In Florenz da-
wissenschaftlichen Literatur eine Zeitlang Eingang gefunden. Man konnte gegen entfernte er sich von dem frütreren Lehrer, und zwar bewußter-
es sich nicht erklären, daß Scholarios, der als xago?'¿xòe aexqecágtoç toõ weise. Er ftihlte sich von der Überzeugungskraft der griechischen Wort-
paaú.Éa4 im Gefolge des Kaisers auf dem Konzil ftir die Union in öffent- fuhrer sehr enttäuscht; denn das lateinische Dogma schien ihm nach den
iicl-,en Reden eingetreten wâr, nach der Entscheidung als Bannerträger in Ausführungen der lateinischen Theologen besser begründet als die eigene
den Reihen der Opposition erscheinen konnte. Dabei lagen unter seinem Sache.a Diese Ansicht vertrat er in dem Schreiben, in dem er vor der
Namen noch Schriften vor, die sich für die Rechtm:ißigkeit des Konzils Synode für den Vollzug der Union seine Stimme erhob.
und des lateinischen Dogmas nussprachen. Leo Allatius und neben ilrm Seine Stellungnahme ist hier unbedingt auf den Einfluß Bessarions
in etwas anderer Weise Matthaeus Caryophilus nahmen, um die mannig- zurückzuführen. Das deutet nämlich nicht nur Markos Eugenikos an, wenn
faltigen Widersprüche zu erklären, zwei verschiedene Träger seines Namens er sagt, er habe sich durch menschliche Überredungsktinste verftihren lassen.ó
.in. Ansicht, die nicht wenig Verwirrung angerichtet hat.e Die Frage Auch die Vorschläge, die G. Scholarios dem Konzil unterbreitete, erinnern,
"n,
dürfte heutzutage, nachdem Dräseke die älteren Untersuchungen mit Hilfe so verschwommen sie auch sind, sehr stark an Bessarions ursprüngliche
von neuem Maierial und einer umf¿rssenden geschichtlichen Betr¿lchtungs- Unionsplänc. Er wollte damals auf alle Falle die Anerkennung dãs la-
weise nicht unwésentlich vertieft hat, endgültig dahin entschieden seiu, teinischen Standpunkts, zu gleicher Zeit aber auch die Aufrechterhaltung
daß der Unionsfreund Georgios Scholarios wie der sPätere Fanatiker gegen der griechischen Lehre. Über solche Nebensächlichkeiten hinaus sollte
das Konzil ein und derselbe Mann gewesen ist.e von ihm stammt die nan sich ¡¡in dem Höheren und Wesentlichen verbunden finden<.6 l)ailn
vorliegende polemische Literatur gegen das Florentinum, von der bis ietzt sei es auch durchführbar, daß beide Kirchen ihr altes Symbolum unver-
ein kleiner Teil veröffentlicht wurde. Einige andere romfreundliche ändert weiterbehielter:. Diese Gedanken sind doch sehr verwandt mit
Schriften aus späterer Zeit, die ihn vielfach zugelegt.rilurden, gehen da- Bessarions ursprünglichem Plan, da er das Dogma in der Formulierung
gegen nach ,ic'heren Gründen nicht auf ihn zurüch. Ältere Forscher wie >>ó¿à toú uÍoõ<< als Ideal betrachtete, dagegeh die Streichung des Zusatzes
Áttrüur wurden hier von den Angaben in den Handschriften irregeführt - im Synrbolum erwartete. Als Beweggrund war für Scholarios'Kompromiß
um so mehr ist auch die Aufstellung seiner Hypothese zu begreifen -, die politische Lage maßgebend, deren Gesundung nach seiner Auffassung
und selbst Hergenröther ließ sich in einen Falle täuschen'a durch einen äußerlichen Ausgleich der dogmatischen Zwiespältigkeiten zu
Ein Mann, der seiner Nachwelt solche Probleme über sich zu löseu erreichen war.
hinterließ, muß eine ziemlich komplizierte Persönlichkeit gewesen sein, und Noch während des Konzils trat bei Georgios Scholarios eine völlige
als solche erweist sich bei nälterem Zusehen auch Georgios Scholarios. Sinnesänderung ein. Das ist gegen Dräscke und die übrigen Forscher

. t Migne, P, gr. r6o, 533 B. G, Scholarios an .M. Eugenikos: . tiv toú


naóòg xaì paï4roú tciio trlptîv ngòç rlv gyth.4v å.yLuoúiry oou oúx àn4[íatou
,t@Íote . , .

6 Migne, P. gr. t6o, 5328,


. Gaß W,, Gennadios und Pletho S. 3.
l3*
-l

196 ¿. Die Polemik gegen das Konzil von Flore¡tz.

großen schar von,#ï;::iä* î::;Ï:, Scho,arios ,,.,.',i:


Kraft sei. Er bestellte ihn daher, als er seiner letzten Stunde entgegen-
ging, voll innerer Zuversicht zu seinem geistigen Nachfolger in der Ver-
teidigung >der guten Sache<. Wir besitzen noch seine letzten Worte und
'Wochen
der Synode; die Unionsurkunde war im Wortlaut bereits fest- die Antwort, die ihm Scholarios darauf gab. Die Szene spielte sich am
gelegt, die Bischöle hatten noch nicht unterschrieben.l Wenn wir hier- sterbelager des Ephesiers in dessen Klosterzelle ab. Neben scholarios
nach annehmen müssen, daß Georgios Scholarios schon während der weren noch einige Freunde anwesend.l Markos Eugenikos dachte und
ftihlte wie von ieher als der unversöhnliche Gegner der union. Er gltihte
auch jetzt noch von Haß gegen alles Lateinertum, das er in tiefster Seele
verachtete. >Ich sehe, ich muß von hier scheiden,< redete er die Um-
stehenden an. >Ich finde nun keinen anderen, der an meiner Stelle den
wahren Glauben besser verteidigen könnte als gerade Scholarios hier. An
ihn richte ich daher meine Bitte. Wenn es einmal die Zeit verlangt,
daß er die Kirche und ihre wahre Lehre beschirme, dann möge er dafür
Verschwindens besagen nur zu deutlich, daß Scholarios schon damals der eintreten und mit Gottes Hilfe zuwege bringen, was mir im Leben nicht
Union den Rücken gekehrt hatte. beschieden war.< Es fehle Scholarios nicht an nötigem Wissen und an
Der innere Unrschwung vollzog sich bei ihm entsprechend seiner Umsicht. Möge er sich bewußt bleiben, daß er einmal am Tage des
unentschlossenen geistigen Veranlagung durchaus nicht ohne längeres Gerichts über sein Amt Rechenschaft ablegen müsse. >Wenn Du gewillt
Schwanken. Auch das ist aus dem Brief des Ephesiers zu ersehen. >Was bist, diese Aufgabe zu übernehmen, dann sage es jetzt mit klaren Worten,
für eine Freude hattest Du uns bereitet, so schreibt er ilim, als Du den damit ich nicht trostlos aus diesem Leben scheiden muß, wie wenn ich
wahren Glauben und die von ungerechten Richtern verurteilte Lehre an- an der Erneuerung der Kirche verzweifeln müßte.<2
nahmst! Gerade so groß war aber unser Schrecken und Trauer, als wir Georgios Scholarios leistete ihm das Versprechen, das so schwer
lrören mußten, daß Du von neuem (nd.L'i,) das Gegenteil vertretest und wog als ein Eid.e Er rief Gott, die Engel und die Umstehenden als
mit den schlechten Hauswaltern Dich zu Halbheiten verleiten lassest. Wie Zeugen an. Und er hat Wort gehalten. Keiner von allen Unionsgegnern
war das nur möglich? Hat man Dir nrit Drohungen zugesetzt? Oder ist nachher in Wort und Schrift so unentwegt gegen die Union und für
hat man Dir Geld und Ehren angetragen, daß Du so leicht wieder (aitÛ4) die Aufrichtung der national-byzantinischen Kirche eingetreten wie scho-
larios. Es war zwar nicht in allweg der unduldsame Standpunkt des
Ephesiers, den er vertrat. Wenn er auch mit den Henotikern, wie man
die Anhänger der Union nannte, in dauernder Feindschaft lebte, so zeigte
er sich iu Einzelheiten doch immer versöhnlicher als sein Lehrer. Das
Sodoma und Gomorrha!< ruft er ihm waruend zu. zeigt sich in seinenr Schreiben an die Mönche des Sinai-Klosters. Jene
Entweder diese eindringlichen Worte oder die Einsicht, daß die ab- \üeren im Zweifel, wie sie sich gegenüber den Unierten in kirchlichen
geschlossene Union für seine Bestrebungen nicht den richtigen Platz übrig- Fragen verhalten sollten. Die Auskunft des G. Scholarios lautete: wenn
iieß, bewirkten, daß er sich eng an Markos Eugenikos anschloß. Jeden-'
falls gewann Markos mit der Zeit den Eindruck, dall aus der nicht allzu

¡tiu4 nap' aìru7v L'vaog. L. c. ioi6 B.


, Vgl. oben S. r77.
3 Migne, P. gr. t6o, togzf.
_Y

198 z. Die Polemik gegen das Konzil von Florenz' Gennadios. Markos' polemische Schriftstellerei. 199

die Armenier und Lateiner in Ehrfurcht zur Liturgie kommen und mit Wann Markos Eugenikos gestorben ist, läßr sich nicht bestimmt sagen;
den Orthodoxen ihre Andacht verrichten, so diirfen sie den Segen emp- ledenfalls war er 1443 schon tot.1 Vor seinem Hinscheiden hatte er sich
nochmals ausdrücklich verbeten, daß der Patriarch oder seine Priester zu
fangen. Es genügt, von ihnen das Sakrament (åymapóç) nicht zu nehmen,
*.il ,i. Anã..rgiaubige und Getrennte sind. Aber wenn sie das Sakra- seinem Leichenbegängnis kämen und Gebete ftir ihn verrichteten. Denn
ment von euch wollen, so dürft ihr sie nicht zurückweisen'l das hieße mit den Lateinern Genleinschaft halten. So lautete sein letzter
Wille, den er eigenhän dig (atzoayeöíø,ç) niederschrieb.2
Einen mehr vermittelnden Stlndpunkt soll er in seinen zwei Büchern
über den Hl. Geist einnehmen, die als Frucbt aus den Streitgesprächen In seiner Klosterhrlt hat sich dieser herbe, leidenschaftliche Mann
mit den lateinischen Abgesandterr hervorgingen.2 In den Jahren r445-48 ,in umfangreichem Maße der polemischen Schriftstellerei gewidmet.
Seine Hauptstärke beruhte in kürzeren BLiefen und Rundschreiben, die er
erschien n¡mlich eine päpstliche Gesandtschaft, an deren Spitze Bischof
Bartholomäus von Cortona stand, um über die Aufrechterhaltung der an seine Freunde und an größere Leserkreise schickte. I{ier zündete er;
Union zu verhandeln. Georgios Scholarios war attch hier der Sprecher denn er wußte die iüngsten Ereignisse in packender Rede zu verwenden.
Daneben verfaßte er auch größere Abhandlungen, in denen er die theo-
der strengen Byzantiner. Unbekehrbar, wenn auch nicht ganz unbelehrbar,
erklärte.r abei auch hier wieder: >wenn iemand diese firlsche, mit Ge- logischen Fragen von neuem erörterte. Neues hat er auf diesem Gebiet
nicht mehr zutage gefördert. Es waren die alten Gedankengänge, die er
schon au[ dem Konzil vorgetragen hatte, und die sich hier in endlosen
Wiederholungen aneinanderreihten. Ein Hauptwerk von ih¡n aus seiner
späteren Zeit, seine >Syllogistischen l(apitel gegen die Lateiner<, scheint
sich tatsächlich nur aus seinen Aufzeichnungen zusammenzusetzen, die er
in Florenz für seine lleden in den öffentlichen Sitzungen des Konzils
skizzierte. Ohne logische Gesamtdisposition folgen hier die verschiedensterr
gegen ganz entschieden'a Materien und Leitsätze aufeinander. Oft wird derselbe Gedanke immer
wieder von einer anderen Seite aufgegriffen und in spitzfindigster Weise
erörtert, mit dern Ergebnis, nicht daß der Leser überzeugt, sondern daß
er ermüdet wird. Es verlohnt sich deshalb kaum, diesen Stofl den im
Prinzip wahrscheinlich schon Kabasilas formuliert hatte, hier von neuem
auszugraben. Selbst Bessarion, der jener Gedankenwelt innerlich doch
näher stand als die Jetztzeit, gesteht seinen Überdruß und geht nur ge-
zwungen an die Arbeit des Widerlegens.s
Die Schriften des Markos Eugenikos, sowohl die polemischen rvie
traurigsten Tagen der Konstantinstadt, als das byzantinische Reich nicht die allgemein theologischen, sind bis jetzt nur teilweise bekannt und nur
mehr war, durfte Gennadios noch Patriarch werden. Durch des Sultans zum kleinsten Teile gedruckt.a Papadopulos-Kerameus beschrieb bereits
Gnade ward eine freie Patriarchenwahl zugestanden. Er blieb es nur bis
zurn Jahre 1457. Dann zog er sich mißgestimmt und unzufrieden in sein
Kloster zurück. Gennadios starb t464'6

I Migne, P. gr. 16o. 54oA'


's Gedruckt bei Simonides l. c. 51-72.
Simonides l. c.66. Wegen ãêr
-Migne'j þapstlicben Gesandtschaf! vgl..Chalkon-
dylas, óe reb. Turc. Vt. P. gr. ì 519, 29, tq, Demetrako[ulos, 'Op9ó-
ii,¿,,ic"'D¡,¡,": rr3 und d.ers.'lot"o1,ia'toõ"a7.ío¡tiroç r58. Dràseke in der Byz. Zschr.
200 z. Die Polemik gegen das Konzil von Florenz. Gennadios' Polemik. Syropulos äber das Konzil. 201

1884 einen autographen Kodex mit 54 Schriften,l Dräseke stellte l89r Einiges, meistens das im unionsfreundlichen Sinne Geschriebene ist gedruckt
aus verschiedenen Fundorten 4r Stticke zusammen.2 Naher untersucht sind bei Migne.l
sie bis jetzt noch nicht. Es ist an sich schon fraglich, ob alles ihn wirklich Kamen diese beiden Hauptführer im Kampfe gegen die Florentiner
zum Verfasser hat. So z. B. ist es nicht möglich, daß von ihm lene Ant- union wieder auf die theologischen Fraeepunkte zurück, die auf der Synode
wort auf Bessarions Enzyklika an die Griechen stammt.s Denn Bessarion verhandelt wurden, so griffen andere Gegner die verbindlichkeit' der
verfaßte sein Rundschreiben erst im Jahre r4$. Florentiner Beschlüsse an, indem sie den ökumenischen charakter und
Als polemische Schriften, die sich gegen das Florentinum richten, die innere Freiheit des Konzils in Frage stellten. Markos Eugenikos hatte
stechen besonders hervor seine schon erwähnten >tEú,X.oyrcrtxù, xegd),am schon während der Tagung in Florenz seine diesbezüglichen Ausstellungen
u(' flqòg tlaúuoug negi ú¡ç èxnoptúaeoq roõ åyiou nvtópatog<,a dann gemacht und den Widerspruch von Eugen IV. erfahren.z Später hat er
sein >Glaubensbekenntnis gegen die Lateiner<.5 Drei Arbeiten werden in seinen schriften bei Gelegenheit ähnliche Einwände erhoben.a Sonst
aufgezählt oÜber den Hl. Geist<,6 vier nÜber den Reinigungsort<,? dann leßt sich kein Beispiel anführen, daß einer der Theologen während des
seine Abhandlung >Über die Konsekrationsworte<.8 Meines Erachtens Konzils an dessen ökumenischem Charakter gezweifelt hätte. Es entsprach
ist es hier noch fraglich, ob diese Schrift, die auch Bessarion bei seiner damals durchaus der öffentlichen Meinung, wenn der Kaiser in einer
Widerlegung im Auge hat, mit der bei Migne, P. gt. 16o, rc79 -go ge- Ansprache die Synode den sieben Konzilien beizahlte, die die Griechen als.
druckten identisch ist" >Über das Symbolum< bandelt er in zwei Schriften.e allgemeine zu betrachten gewohnt waren.4 Auch nach dem Konzil war
Dazu kommt schließlich noch eine Auseinandersetzung, >Warum er die es in Byzanz herrschende Auffassung, daß das Florentinum das 8. alþemeine
Union nicht unterschrieb<.10 Konzil darstelle.6
Die Polemik des Georgios Scholarios, nachmals Gennadios, Der erste, der diese Auffassung zu durchbrechen wagte und auch
bewegte sich in demselben Gedanl;cnkreis. Er blieb aber hierbei nicht Erfolg damit hatte, war der Groß-Ekklesiarch Syropulos mit seinem
stehen. Nicht nur, daß er ,Über die Trinitat gegen Atheisten und Poly- schon oft genannten Gescbichtswerk über das Konzil. seine öffentlichen
theisten<l1 schrieb, er griff auch in den Streit ein, den Gemistos tiber Auftritte nach der wahl des Patriarehen Metrophanes (r44o) kennzeichnen
Platon und Aristoteles entfacht hatte. Wir werden darauf zurückkommen. seine Bersönliche Gesinnung zu Genüge.6 Nachdem er sein Kirchenamt
Hinsichtlich seiner theologischen und polernischen Schriften war es bis niedergelegt hatte, nrachte er sich an die Niederschrift seiner v¡Gedanken
jetzt noch weniger möglich als bei Markos Eugenikos, ein vollständiges und Erlebnisse auf dem Konzil<, wobei ihm seine gleichzeitigen Auf-
Verzeichnis seiner Arbeiten zusammenzubringen. Demetrakopulos machte zeichnungen noch zur verftigung standen. was er der öffentlichkeit
r4 Schriften gegen die Lateiner nambaft.tz Sinronides veröffentlichte vorlegte, war ein Tendenzwerk ersten Ranges. Man kann gegen Syropulos
einen seiner Traktate gegen das Florentinum aus einer Athos-Handschrift.rs zwar nicht dçn Vorwurf erheben, daß er die 'fatsachen direkt gefalscht
habe. Sein Kniff besteht in einer einseitigen Berichterstattung, die haupt-
I Yg1,'EÚ,nvtxòç qùol,oyrxòg otiTAoyoç èv Ko¡voravttvoanóJ.et I886 XVII. Za- sächlich unangenehme vorkommnisse und skandalgeschichten bucht.
pd,ptqpu p. 47 f. Andere Ereignisse deutet er von seinem Standpunkte aus, oder er ver-
2 Dräseke J., Marcus Eugenicus von Ephesus, in der Zschr. f. Kg, XIL (r89r)
97 to2. schweigt gar die wahren Gründe. Auf diesen Voraussetzungen beruhen
s Bei Dráseke n. 2t seine oft überraschenden Urteilc. Der fernstehende Leser dieses Tage-
¿ VonHergenröther irrtümlich als erstmals und nur unvollständig veröffentlicht
bei Migne, P.g,r.t6r,t=244, zusammen mit den Erwiderungen von Gregorios Pneu- buchs sollte auf diese Weise den Eindruck gewinnen, als ob auf der
matikos und Beisarion. Uber ältere Ausgaben vgl, Krumbacher, Gesch, d, byz, Li- Synode sich nicht ailes rechtmäßtg vollzogen hätte, daß es nicht an Trug
teratur p. rró.
Bei Dräseke, n.4. und List fehlte, daß vor allem die Synode nicht frei gewesen sei. Eine
Dräseke nn, ro. rr. rZ, derartige Kampfesweise vermochte, eher als jede spekulative Erwägung,
Dräseke nn,7.8.9.
Dräseke n. ó. die Verbindlichkeit der eingegangenen Union in Frage zu stellen.
Dräseke n, rz (bei Migne, P, gr. 16o, to99-rtoz), n. 25 gegen Andreas
von Rhodos.
¡o Drâseke n, J8
1
tt6z. Eine Schrift über deo Hl. Geist
bei Sim , Bibliotheca Graeca XI. 384.
"EÀAas rt4-rr6. Vgl, Hefele in der Túb. xòv ydg tìor oavéôgtou, . . .
Theol
a,u {}tú,oytxal ygqgaitéaoagtg. b loúilE
graeca 296. (Labbê XIII. 48r.)
1865 der Byz. Zschr. lV. (r89) 577 n. t. - Labbé XllL 1264.
l

202 z. Die Polemik gegen das Konzil von Florenz, Amirutzes. Johannes Eugenikos. Gemistos. 203 I

Auch Georgios Gemistos und Georgios Amirutzes setzten bei diesern auch einen an Bessarion, aber aus früherer Zeit. Leider sind alle undatiert.l I

Punkte an. Gemistos bestritt den ökumenischen Charakter des Floren- Und wie suchte er für seine Partei zu gewinnen! Amirutzes gegenüber,
tinums, weil der Patriarch von Konstantinopel vorzeitig gestorben sei und dem er das wahrscheinlich schon bald nach dem Konzil schrieb, läßt er es
nicht mehr unterschrieben habe, ferner weil die drei übrigen Patriarchen nicht an Tadel fehlen, daß er eine Zeitlang ftir die heuchlerische Einigung
die Unterschriften ihrer Stellvertreter nicht anerkannten. Ebenso machte eingenommen gewesen sei. Doch wolle er von ihm hoffen, daß er sich als
er die Unfreiheit der Synode als entscheidendes Merknral geltend, und Freund der Wahrheit um den wahren, von den Vätern ererbten Glauben uicht
zwar macht er den Kaiser dafhr verantwortlich, weil er die Bischö[e zur betrügen lassen werde.2 Amirutzes, einer der unzuverlässigsten Menschen
Unterschrift gezwungen habe. Wichtig erscheint ihm dabei auch, daß der er wurde später Mohammedâner und lieferte einen für seine Zeit berüch-
-tigten
Exarch der Synode, nämlich Markos von Ephesos nicht unterschrieb. Ein Eheskandals
- trat mit der oben erwähnten Schmähschrift gegen
Irrtum scheint ihm aber unterlaufen zu sein, wenn er auch den Metropoliten das Konzil offen zu den Unionsgegnern über. Auf dem l(onzil hatte er
von Kiew von der Unterschrift ausnimmt.l auf Bessarions Seite gestanden und h¿rtte auch schriftlich sein Gutachten in
Amirutzes verlolgte das gleiche Ziel in seiner Schrift rIlepi tõu dessen Sinne abgegeben.a Aber wenn er auch jetzt, ohne viel zu über-
Èu tfi Qlaçtutiurl aauóðE aupBeBr¡xóraz<, die er an den Hegemon von legen, die gröbsten Verleumclungen über clen neu kreierten griechischen
Nauplia richtete.2 Seine Darstellung ist eine gebässige Auswertung der Kardinal verbreitete,s so hinderte ihn das in späteren Jahren niclrt, den
Tatsachen. Den ökumenischen Charakter der Synode bestreitet er mit gleichen Mann in kriecherischer Weise um seine Hilfe anzugehen.6
l
den nämlichen Gründen wie Georgios Gemistos. Er stellt verwundert An Isidor, den Metropoliten von Kiew, über dessen angeblich unions-
die Frage: >Wie konnte diese um Geld erkaufte, simonistische Synode feindliche Haltung auch Genistos zu früh gejubelt hatte, wandte sich
ökunenisch seinl Nicht durch die Worte der Heiligen, sondern durch Johannes Eugenikos mehrmals. Schließlich konnte er sich nicht nrebr
die Gewalt und Drohungen des Kaisers ließen sich ihre Anhänger in die zurückhalten. ¡rDer Betrug ist doch jetzt ganz offensichtlich geworden,u
Irre führen. Deswegen haben auch die Patriarchen die Unterschriften wetterte er. >Seither war ich immer noch viel zu zurückhaltend, von
ihrer Stellvertreter auf einer Synode wieder verworfèn.(3 Dasselbe Urteil jetzt ab will ich um so freier reden und auch um so kräftiger tadeln;
lallte Jolrannes Eugenikos, der Bruder des Markos. Er sprach von trotz allem aber noch imrler mit derselben Liebe, ruit der ich auch früher
einer pwðaívupoçEuoõ16, von einer xatalXqpatrcpíuq eipi¡ar¡a und schrieb mahnte, als Ihr nicht darauf gehort habt. Als Mitstreiter in Gott habt
einen lóyos à,urtppqrmòç xatà, toú S2.a6qrjpou xai. tþflôoõs Sgou cí76 èu Ihr doch die edle Seele des Gennadios! Wir wollen doch, wie Gott es ü
I
tÞ).oryutíq, ouudöoa.6 Johannes Eugenikos vertrat ganz und gar die Sache will, nicht mehr Menschliches mit Gottlichem durcheinander mischen. I
I
tles Markos, des >gemeinsamen Lehrers, Vaters und Vorkämpfers<, wie Soll denn unsere Gesinnung noch weiter wie das Schilf vom Wind bewegt
er an David Komnenos schrieb.o werden?<7 Der Nomophylax konnte so noch oftmals bitten; bei'Isitlor
Daß die Laien sich in dieser Weise in die theologischen Angelegen- blieb er ohne Erfolg.
beiten mischten, war in Byzanz schon alter Brauch. Sie bedeuteten ähnlich Seltsam war die Haltung des Georgios Gemistos. Innerlich war er
wie in früheren Zeiten auch jetzl ganz besonders einen Rückhalt ftir die kaum noch Christ; und doch nlhm er mit Interesse an diesen Kämpfen
rorufeindliche Bewegung. Man lese nur die Briefe, die sich diese Männer tei'f. Er gehörte von jeher zu den Gegnern. Jetzt griff er ztrr Feder,
einantler schrieben, dann wird man es begreiflich finden, warum die Union um gegen das lateinische Dogrua zu schreiben. Eine seiner Schriften
in allen Kreisen auf jenen unbesiegbaren Widerstand stoßen mußte. richtete sich gegen eine Arbeit Bessarions.s Eine andere umfangreichere
Johannes Eugenikos war hier vor allem tätig. Er hatte nach allen Seiten
hin Beziehungen. Wir haben Briefe von ihm an Georgios Gemistos, an r bei Legrand E. l. c. 2gt -J12,
2 c. n. rJ, p. lo4 s.
1.
David Komnenos, an den Fürsten Nikephoros, an Antonio Malaspina, 8 Christianus IX. (tgzo) zo f.
4 hten von Amirutzes ist handschriftlich in der Pariser National-
t G. Gemistos in seinem Traktat >über den Ausgang des H!. Geistes<, zitiert
bei Leo Allatius, De eccl. occid. et orient. perpetua consensione III. z, p.9o8.
z S. meine Edition im Oriens Christianus IX. (r9zo) 2o-jo. Vgl. oben S.75.
20L Gemistos. Eugen IV. an Bessarion. 205
3. Bessarions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken,

wird von Leo Allatius erwäl:nt.r Von der übrigen polemischen Literatur Schreiben, das ihp, neben dem Bischof von Mitylene, zunächst mit der
stachen seine Erzeugnisse ganz gewaltig ab. Gemistos lebte in einer weiteren Förderung der einigenden Beziehungen zwischen morgen- und
abendlândischer Kirche offiziell betraute.l Als Entscbädigung und zur
anderen Welt. Er glaubte auch hier ohne seine antiken Anschauungen
nicht auszukomn.ìen. So spricht er von dem einen und höchsten Gott Deckung besonderer Ausgaben sicherte ihm das Breve 1ür seinen Auf-
inder heidnischen Theologie, von Göttersöhnen und ihrer Ordnung, von
enthalt in Konst¿ntinopel iahrlich 3oo fl. zu, die sich auf 6oo fl.
erhöhen
sollten, sobald er zurückkehrte und seinen ständigen Aufenthalt an der
Zeugung und Schöpfung. Das alles wendet er auf die vorliegende Frage
Kurie nähnre. Das Anerbieten verrät den Weitblick eines Eugen IV.
an und behauptet kühn, ienes Axiom der Lateiner: ,ìtv aÍ ôaud'pery
und seiner Ratgeber. Der Papst sah sehr wohl ein, daß bei dem nunmehr
ôtrlgogot, xai øùtà àa úva¿ xalç oiaíaq ôú:7oqa, passe ehet auf die
veränderten Verhaltnis zur Kirche des Orients dieser auch ein gewisser
heidnische Theologie, als daß es der kirchlichen Anschauung von Nutzen
Anteil in den leitenden Stellen zu gewähren sei; außerdem aber, daß es
wäre. Von Gemistos, der weder die Sprache der Kirchenväter noch die
scholastische Theologie kannte, war es nicht anders zu erwarten. Die Art
zur Leitung eines so fremdartigen Organismus, wie ihn die griechische
Kirche darstellte, auch besonderer Kräfte bedurfte, die mit den Eigentürn-
und Weise, wie er die Sache angriff, erinnert an das Gebaren gewisser
lichkeiten ,iener Kirche vollau[ vertraut waren. Eugen IV. folgte danrit
italienischer Humanisten, die ebenfalls mit den theologischen Begriffen
nicht vertraut waren, dabei sich aber zutrauten, in diesen Fragen mit- einenr alten Vorschlag, den ihm Ambrogio Traversari schon im
sprechen zu können. Gemistos fand auch bei den Fachtheologen keinen Jahre tq6 für den Fall einer Vereinigung beider Kirchen unterbreitet
Anklang. Dazu war auch sein Vertrauen in diesen Kreisen schon er- hatte. Traversari hatte sogar zu einer Berufung mehrerer griechischen
Bischöfe in das Kardinalskollegium geraten.2 Höchstwahrscheinlich war
schüttert worden. Seine einseitige Bekämpfung des Aristoteles hatte doch
auch Bessarions Kreation zum Kardinal der römischen Kirche, die im
viel Unmut erregt. Mit Gemistos' theologischer Leistung war auch
Dezember des gleichen Jahres erfolgte, schon bei dieser Gelegenheit
Gennadios nicht zufrieden. Er ktindigte ihm eine eingehende Unter-
suchung2 an. Er werde ihn zwar nicht mit Feuer, aber mit Vernunft-
ernstlich in Aussicht genommen. Dafür spricht die Bestimmtheit, mit
gründen angreifen.s Später, als Gemistos Plethon seine >Gesetze< der ienes Breve die Rückkehr Bessarions nach Ronl erwartete.
herausgab, mit denen er die christliche Religion völlig preisgab, ließ Ob jedoch eine ähnìiche Zusicherung auch an Isidor von Kiew
Gennadios, inzwischen Patriarch geworden, seine Schriften verbrennen.l erfolgte, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; doch ist es fast anzunehmen,
Überblicken wir das Ganze, so müssen wir feststellen, daß der Wider- weil ja auch er nachber mit Bessarion in das Kardinalskollegiunt eintrat.
spruch gegen das Ko¡zil erbitterter und hartnäckiger war als.vorher. Im Jedenfalls betraute Eugen auch Bischof Dositheos von Mitylene mit
ùönchtum wie beim Weltklerus .war es geradezu gerDeinsame Überzeugung, der gleichen Aufgabe unter ähnlichen Bedingungen wie Bessarion, nur dal3
daß die beschlossene Einigung mit detr Lateinern in sich nichtswürdig er nicht seinen Aufenthalt an der Kurie erwartete.s
und hiniällig sei. Demgegenüber bemühte sich die offizielle kircbliche Wenn Bessarion vorläufig sich durch die Einladung des Papstes noch
Vertretung noch mit Not um die Aufrechterhaltung der Einheit mit Rom. nicht in Italien festbalten ließ und mit den übrigen Bischöfen wieder in
Allerdings herrschte auch in unionstreuen Kreisen eine Uberzeugung, die die Heimat ging, so war die augenblickliche Lage dafür maßgebend. Schon
nicht stumm blieb; aber der sichere Bestand der neugeschaffenen kirch- beim Empfang der Konzilsteilnchmer durfte er als Hauptförderer der Union
lichen Verhältnisse war damit nicht gesichert. nicht fehlen, zumal noch in keiner Weise abzusehen war, was ein Markos

3. Bessarions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken.


Seine Berufung ins Kardinalskollegium.
Bessarion stand im Begriff, rnit seinen Landsleuten vorn Konzil in
die Heimat zu reisen, da erreichte ihn noch in Venedig ein päpstliches ? Ambrosii Epistulae L z6, Col. 5z sq. Prornouentlos aliqttos ex ipsis,-t|ui sunl.
digniores, ad suþremi i¡iatn cardinis apícent, habendosque apud .lc in__ho.nore. Traversari
r Leo Allatius, De eccl. occ. et or. pe III.- t,P.9o8'_ ha'tte unter andérem auch noch zur Grundung eines- grieèhischen Kollegs in Rom fùr
, Bei Alexandre C., Ptéthon. Traité IX. Paris
_
1858, künftige Priester geraten.
p. jrt-769 aoch bei Migne, P. gr' t6o, 597 von. G. Scholarios e Frommann, Kritische Beiträge S.8o. Vgl. auch Vast, Le cardinal Bessarjon 445
iibár Geinístos an Demetrios Raoul Kabakes b I1 s.
n. 2, der der Behauptung Frommanns, daß Dositheos diese Summe für geleistete Dienste,
s G. Scholarios bei Alexandre L c' 324.
a Vgl. Alexandre l. c' Notice préliminaire p. XXXII' n.3. etwa für die Abfass-ung-der Acta graeca erhalten habe, mit Erfoìg entgegentritt.
Textfälschungen in Basileios. Bessarions Entdeckungen. 207
206 3. Bessarions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken.

Eugenikos und seine Parteigenossen in ibrem Trotz geplant hatten. Zudem echte Text zu suchen war, wurde durch zwei besonders überraschende
stand die Patriarchenwahl bevor' Fälschungen an älteren Exemplaren bewiesen.
Noch ein Gedanke schrvebte Bessarion schon während seines Au[- Es war im Pantepoptos-Kloster (toõ oatfipoq Xgtotoõ toõ llaate-
er-rthaltes in Florenz vor Augen. Es war eine textkritische Frage, die nóncoo). Hier fand Bessarion zwei Basileioshandschriften. Die eine :rul
ebensosehr das behandelte Dogma wie seine innere Einstellung betraf. Pergament war, nach ihrem Aussehen zu urteilen, sehr alt (nú'aútatog
Er gedachte sie jetzt mit vermehrten Unterlagen in der Heimat nochmals 'ix ye öpeary). Ein Datum sei nicht angegeben gewesen. Die andere auf
nachzuprüfen
Borrbycinpapier (BapBaxr¡t'ov) war nach dem Datum am Schluß vor
Áuf dem Konzil hatte eine Stelle bei Basileios gegen Eunomios 3oo Jahren geschrieben (nqò póuav yeyqappíuov rprcxoaíau). In dem
Pergamentkodex war mit einem Messer radiert. Die Zeile hatte infolge-
dessen eine Lücke, aber die Silben erschienen noch halbwegs leserlich. In
der Papierhandschrift war über die fraglichen Worte: na{ aùcoú rò ivat
'ixov, xaì 6).øç èxeiur¡ç tr'.,g airlae è$2ppíuou, Tinte ausgegosselt. Hier war
der Betrug schon einem früheren Benützer aufgefallen, und zwar keinem
geringeren als dem bekannten Demetrios Kydones, der die Stelle
wieder an den Rand geschrieben und seinen Namen dazu gesetzt hatte.
War das nun kein überraschendes Ergebnis? Lag hier nicht der
klarste Beweis vor, einmal für die ohnmäclttige Verlegenheit der bvztn-
tinischen Fanatiker, dann für die Riclitigkeit der lateinischen Lehre? Es
war ân sich überflüssig, noch auf weitere Untersucbungen einzugehen.
Aber Bessarion zog auch noch stilistische Eigentümlichkeiten in Erwägung.
>Dieses Wort besitzt solche Schönheit, soiche sprachliche Vollendung und
Abrundung, solche attische Feinheit, daß es kein späterer Grieche, auclt
'wenn er die Sprache verstand, eingeflickt htben kann, geschweige denn,
eines Markos Eugenikos. Eigentiich lag nur eine einzige Handschrift vor, daß es einem Lateiner möglich war, diesen Satz zu schreiben.< So äußert
in der die Stelle eine Gestalt aufwies, die ftir die lateinische Stelle nicht er sich gegenüber Alexios Laskaris,l Vielleicht sprach in diesen stilistischen
mehr beweisend war. Derngegenüber hatten ftinf Exemplare den Text in Beobachtungen noch ein gutes Sttick subiektives Empfirrden mit; irnmerhin
beruhte sein letztes Urteil auf den unumstößlich festgestellten Fälschungen
in den Handschriften.
Bessarion selbst fand mit dieser Entdeckung dic volle Bestätigung
ftir die Richtigkeit all seiner bisherigeu Bemühungen. Niedrig und elend
kam ihm dieser Versuch vor. >Das hieß doch der erkannten Wahrheit
ciner anderen romfreundlichen Zeit gefalscht worden' widerstreben,< schreibt er. Gerade so niedrig und elend mußte ihm ietzt
die Art und Weise erscheinen, wie sich augenblicklich die Unionsgegner
in Konstantinopel benahmen, besonders das Aultreten jener tsischöfe, die
vor wenigen Monaten ihre Unterschrift unter die Unionsurkunde gesetzt
hatten und sich jetzt wieder lossagten.
Mitten in diesen auf und ab wogenden Kämpfen traf Bessarion die
Nachricht von seiner Wahl zum Kardinal der römischen I(irche. Noch
am r8. Dezember I4j9 hatte Eugen IY. t7 Kardinâle in dns l(ollegiurn
berufen, darunter zwei Griechen: Isidor, den Metropoliten vott Kiew,
als Kardinalpriester vom Titel St. Marcellin und Petrus , und Bessarion
1 Vgl. oben S. r47.
2 Bèssariou in seìnem >Dogmatischen schreiben an Alexios Lask¡ris<. Migne, lMi gnc, P. gr. t6r.3zBB. Der ganze Bericht über seirte Funde und Unter-
P. gr, I6r, 325 A. A-328 D.
suchungen ebd. 324
i

208 3. Bessàrions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken. Bessarions Berufung ins Kardinalskollegium. 209 I

als Kardinalpriester vom Titel der Zwölfapostelkirche. Seine Wahl war meine Überzeugung von dem wahren Glauben aufgewogen, um dessent- I

im Konsistorium mit lebhafter Zustimmung aufgenontmen worden. Ganz willen ich auch die chrenden Auszeichnungen verschn.rähte, die ich bei
besonders sollen die Kardinäle Capranica und Cesarini ftir ihn eingetreten
Euch besaß,
- ich hatte nicht u'enige - und ganz mich der Wahrheit
hingab.< >Es mag sein, daß ich jetzt ein hohes Kirchenamt bekleide und
sein.1 Bessarion blieb noch einige Zeit in Konstantinopel. Jedenfalls
eine glänzende Stellung einnehnre. Tatsächlich genieße ich hohe Ehrungen,
finden wir ihn dort noch bei der Patriarchenwahl am 4. Mai I44o. Wann
er nach Italien und an die Kurie übelsiedelte, Iäßt sich nicht genau er- die mein Verdienst übersteigen. Aber ftirs erste klm ich erst später dazu,
mitteln. Zum erstenmal erscheint Bessarions Name unter der Unions- wie Gott weiß, ohne daß ich darauf gehofft hatte; und dann kann man
urkunde fär die Jakobiten, die am 5. Februar 1442 (nach florentinischer wohl sagen, daß für mich bei Euch nach dieser Hinsicht noch größere
Aussichten bestanden batten. Bei Euch wäre ich nämlich ohne weiteres an
Zahlung r44r) zu Florenz au3gestellt wurde.2
erste Stelle getreten; hier aber, wo so viele sind, die mich an Tüchtigkeit
In alter wie in neuer Zeit hat es nicht an mißgünstigen Urteilen
überragen, bin ich kaum einer von vielen.<1 Daß es ihm nlit diesen
gegen Bessarion gefehlt, die ihm die Annahme des Kardinalshutes zunr
Worten nicht um eine Verschleierung der Dinge zu tun war, zeigen die
Vorwurf machten. Wir machten einzelne Urteile dieser Art schon früher
geschichtlichen Tatsachen seines Lebens. Daß er die Wtirden der latei-
nanrhirft.s Man hat ihm besonders Untreue gegen die eigene Kirche vor-
nischen Kirche nicht durch Treuiosigkeit gegen die eigene Kirche sich
geworfen und gesagt, daß seinè lateinerfreundliche Haltung auf dem Korrzil
erkaufen wollte, müssen wir ihm schon deswegen glauben, weil er sonst an
von der winkenden Ehrung bestirnmt gewesen sei.a Mtn hat ihm selbst
einern Punkt ¿ruÍ dem Konzil nicht hatte einsetzen dürlen, nämlich mit der
die Gelder vorgerechnet, die ihm Eugen IV. nach dem Konzil zusicherte.s
Schmälerung der Rechte der lateinischen Kirche und der Einschränkung
Schon Vast und Rocholl haben Bessarion gegen diese Verunglimplung in
des päpstlichen Primates, wie sie durch ihn ins Unionsdekret überging.
Schutz genontmen.6 E. Gothein hat ebenfalls dagegen schon lebhafte
Klage geführt und seinen Übertritt mit seinem edlen Streben zu verteidigen
Die Tatigkeit Bessarions im Kardinalskollegium soll einem eigenen
Abschnitt vorbehalten sein. Doch haben wir hier manches vorwegzunehrnen,
gesucht.r In der Tat erfâhrt Bessarions Stellungnahme ietzt wie früher
nänlicb alles, was sich gleichsar¡ als die natürliche Fortsetzung seines bis-
durch seinen geschilderten theologischen Entwicklungsgang und durch die
Zeitereignisse ihre volle Rechtfertigung. Nicht nur war er forn:ell im
heiigen Wirkens darstellt und was in enger Frihlung nrit seiner Heimat
steht. Dazu gehört sein Bemühen um die heimatlichen Verhältnisse ebenso-
Recht, die römische Kardinalswürde anzunehmen - Byzanz war ruit Ron
I

gut wie seine theologiscl:e Schriftstellerei über die mit der Union zustmrìren- l
-, €r hanclelt auch tatsäcblich nacir
wieder vereinigt besteur Gewissen,
hängenden Fragen.
denn nur sein aufrichtiges Streben nach der Wahrheit und seine innere I
I
Bessarion weilte vorläufig mit der Kurie wieder in Florenz. Das
Überzeugung lratte ihn zur Unterschrifì der Unionsurkunde geftihrt' Er
Konzil tagte auch nach der Abreise der Griechen, werìn auch in beschränktem
brauchte weder während des Konzils noch nachher sich gegen seine Über- i

zeugung auf neue Verhaltnisse einzustellen.


Unfang weiter, unl mit einzelnen morgeuländischen Kirchen und Volker- I

schaften wie den Syrern, Arnreniern und Athiopierrì wegen deren Ver-
Im offenbaren Hinblick auf die Anschultliguttgen seiner Gegner schrieb I

er selber in späteren Tagen an seitre Landslcute: >Mich tröstet, ie näher einigung mit Ronr VereinbarunÉJen zu treffen. Auch Bessarion war an I

I
I

diesen Arbeiten beteiligt. Einzelheiten kennen wir nicht. Sein Name er-
mein letztes Sttindlein kommt, mein unerschütterlicher Glaube. Ich hoffe, i
scheint aber, wie erwähnt, unter dem Dekret für die Jakobiten.2 Wir können
was mir von guten Werken zu meiner Rettung abgeht, werde durch l
annehmen, daß er auch nach der Verlegung des Konzils nach Rom bei den
I ngedruckte 'I'exte)' letzten Sitzungen (3o. September t444 und 7. August 1445) mittatig war;
Iacobi bilium' Francofurti denn für die Kurie war er in diesen Fragen die gegebene Persönlichkeit.s
r6t4, I onis, bei Migne,
P. gr. t Bessarions Blick richtete sich auch bald wieder in die engere Heimat,
2 undecimo. Man si
die wegen der Ëirchlichen untj politischen Verhältnisse einen siarken Rück-
XXXI. r743 A. Vgl. Hefele, Concilier,ge
I S. oben S. Io f. I Bessarion in seinem rRundschreiben an die Griechen<. Migne, P.gr,
tzes:
t6t, 46r C.
x:##
ôoEnc.

, t. Rocholl, Bessarion 5ó.


r S. obeu S. r r, n. 4,
I[ohler, Ka¡dinal Boesarion. I. l{
ì

210 3. Bessarions Arbeiten in griechischen Klosterbibliotheken.


Bessarion'als Kardinal und die heimatlichen Ângelegenheiten. 2ll I

halt brauchte. Kaiser Johannes Palaiologos, erfuhren wir, besaß nicht machte. Bessarion riet ihm zur Anlage von befestigten Plätzen auf dem
den Mut, den Sonderbestrebungen tatkräftig entgegenzutreten. Um so Peloponnes, er gab ihm Richtlinien zur Hebung der Volkswohlfahrt, zur
wichtiger war es, den zum Thronfolger bestimmten Despoten Konstantin Pflege des einheimischen Gewerbes, zur Ausbeutung der Naturschätze des
Palaiologos, der neben seinen beiden Brtidern Theodoros und Demetrios Landes, namentlich zur Förderung und Verarbeitung des Eisens, das sich
noch im Peloponnes residierte, zu gewinuett. Konstantin, der sich'iederzeit in der Nähe von Splrta und anr Eurotas finden sollte, zur Holzgewinnung
für die Aufrechterhaltung der Union einsetzte, scbeint Sanz unter Bessarions und zum Schiffsbau. Das Land sollte auch durch kriegerische Rtistung
Einfluß gestanden zu haben. Dazu '*'rr er von warmer Vaterlandsliebe nach außenhin stark werden. Unl das zu çrreichen, müsse er aber junge
beseelt. Seine späteren Schicksale zeigen ihn als einen Herrscher von Leute nach ltalien schicken, die die verlorengegangenen Erfahrungen und
durchaus ritterlicher Gesinnung. Zwischen ihru und seinem älteren Künste dort wieder erlernen sollten. Besonders durch seine Anwesenheit
Bruder Demetrios bestanden merkwürdige Gegensätze. Demetrios, vom werde das erleichtert.
Konzil her als Gegner ieder kirchlichen Verständigung nit dem Abend- In ähnlicher Weise suchte Bessarion auch sonst mit seinen Lands-
land bekannt, verwari die Union und schützte alle Abtrünnigen. Noch leuten in Verbindung zu bleiben, sei es, daß er mit ihnen in Briefwechsel
mehr, er hoffte mit Unterstützung des äußeren Feindes sein Ziel z! er- stand, sei es, daß er sie n:it Geldnitteln unterstützte. Wir haben in
reichen. Er scheute sich nicht, mit den Ttirken ein Abkomnen zu treffen, Einzelfällen noch davon zu handeln. Hier steht im Vortlergrund seine
um unter ihrer Führung r442 Konstantinopel zu belagern.l Werbearbeit ftir die vollzogene Union. Zweimal, wissen wir, hat er siclr
Von seiten der römischen Kurie geschrh alles, uut die Stellung an Alexios Lasklris, einen höheren kaiserlichen Beamten gewandt, um ihn
Konstantins zü festigen. Cristoforo Garatoni, der r44r als Legat irr in seiner unionsfreundlichen Haltung zu best:irken.1 An sämtliche Griechen
Byzanz gewesen war,2 brachte über ihn die besten Nachrichten mit. richtete er sich mit einem Rundschreiben, unl sie zu gewinnen und um
Eugen IV. richtete daraufhin an ihn ein Schreiben, in denl er ihm seine seine eigene Haltung zu rechtfertigen. Alle ruf den Konzil angeschnittenen
Anerkeunung fÍir seine Haltung aussprach und die Hilfe des Abendlandes Frrgen standen zur Erörterung. Eine umftrngreiche theologische Schrifç
zusicherte.s Mit bloßen Versprechungen ließ es der Papst nicht bewenden. stellerei ist daraus entstanden. Wir l:aben iur nächsten Abschnitt neben
Er rief zurn Türkenkrieg auf und verlatgte von den llischöferJ einen anderem näher darauf einzugehen.
Túrkenzehnten. Bekannt sind die ruhrureichett Erfolge des Kreuzheeres, Im Laufe der Jahre gewarìn Bessarion vou den früheren Ereignissen
das Nieder-Ungam vom Feind säuberte und I443 unter Wladislaw, Hunyadi einen größeren Abstand. Aber nicht als ob er für die alten Fragen den
und Skanderbeg über Sophia hinaus vordrang. Sultan Murad lI. war Sinn verloren hätte; die Gedanken an sein Vaterlrrnd, an die Heinrats-
genötigt, zu Szegedin einen zehniährigen Frieden zu schlief3en (t+++). getlossen, an die vergangenen theologischen Kärrpfe begleiteten ihn durchs
.Auch eine Kreuzzugsflotte griff ein, aber unter Bruch des Friedens und Leben. Noch in rlten Tagen ging er dartn, seine theologischen Schriften
zu spät. So endete das anfanglich so giänzende Unternehmen mit der lateinisch zu bearbeiten. Stendig sorgte er für sein Vaterhnd, namentlich
Katastrophe der Schlacht bei Varna (r+++). Wladislaw fiel in der Schlacht, als dessen Untergang durch die Eroberung I(onstnntinopels endgültig
und der Kardinallegat Cesarini, dem man den Vertragsbruch zur Last legte, besiegelt war. Den größten Mühen unterzog er sich, um das Abendland
,wurde auf der FIucht von den eigenen Leuten ermordet.a zum Befreiungskanrpf aufzurufen. Aber auch die bittersten Enttäuschungên
Bessarion unterhielt mit Konstantin einen dauernden Briefwechsel. hatte er danit zu erleben.
Der eine Brief,s tler uns von vielen erhalten ist,6 läßt uns das vertraute
Verhaltnis erkennen, aber auch die weitschauenden Pläne, die man sich 4. Bessarlons theologlsche Schriften"
I Phrantzes lL ¡8. An sich erschiene es naheliegend, die theologischen Schriften Bessarions
2Vast (Le cardinal Bessarion, p, rz8) fúhrte diese Gesandtschaft Garatonis zu
Unrecht auf Bòssarions Anregung zurück. Eher v"'ohl hâtte Garâtoni ihm die Wahl im Zusamn:enbang mit seiner übrigen Schriftstellerei zu behandeln und so
zum Kardinal zu eröffnen. ein Gesamtbild seines gelehrten Arbeitens zu bieten. So verlockend dieser
Gedanke auch sein måg, es ergäbe sich doch kein getreues Bild von
Bessarions Tatigkeit. Denn die vorliegenden theologischen Schriften stehen
zu seinen sonstigen gelehrten Bemühungen, vor allen: zu seinen Schriften

r Migne, P. gr. 16r, pt C. 7z4A.B.


14*
2I2 4. Bessarions theologische Schriften. Abgrenzung des Stoffes. Theologe und Humanist. 213
auf humanistischem Gebiet in keinem inneren Verheltnis. Zu einem wirk- vertieft.l und doch fehlte es ihm nicht an eigenen Gedanken und an
lichen Verständnis dieser theologischen Erörterungen gelangt man nur neuen Studien. D:rs zeigt vor allem jene Abhandlung, die er dem kaiser-
wenn man sie auf dem Hintergrund der theologischen und kirchlichen lichen Beamten Alexios Laskaris widmete. Ftir die Lateiner war das alles
Kämpfe betrachtet, die in der geschilderten Periode auf dem Konzil von neu. Für sie übersetzte dann Bessarion auch eigens ciie meisten dieser
Florenz und zu Byzanz zum Austrag kamen. schriften. v/ie hoch cr in Achtung blieb, das zeigen vor rllem die vielen
Auch nicht alles Theologische von ihm gehört hierher. Eine seiner Handschriften und die bald beginnenden Drucke seiner Schriften.2
Abhandlungen, seine exegetisch-kritische Erörterun.g über die Stelle des Nicht unerwähnt mag bleiben, daß bei allem echt griechischen
Vulgatatextes: Sic aolo eum ma.n¿re donec aeniam, quid ad te?t fällt außer- Kolorit auch die Seele des Humanisten sich in diesen theologischen Arbeiten
halb des gespannten Rahmens. Nach Veranlassung, Method.e und Ziel widerspiegelt. So, wenn er Sokrates und Platon oder Alexander Aphrodisias
gehort diese Schrift in den Gedankenkreis seines humanistischen Schaffens.2 als Beispiele anführt,3 oder wenn er in seinem Hirtenschreiben an die
Ebensowenig haben wir hier trotz des theologischen Inhalts auf seine Griecben gar ein Zitat aus ihrem Homer bringt.a Bei einem Manne, der
Homilien, seine Übersetzungen aus Basileiose oder gar auf einzelne seiner jene vier Bücher zur Ehrenrettung Platons scbrieb, war das unausbleiblicb,
Jugendschriften einzugehen. Hier stehen lediglich jene theologischen auch wenn er sich für eine genaue scheidung der Begriffe allein auf
Schriften zur Erörterung, in denen Bessarion zu den kirchlichen Zeitlragen Aristoteles berie[.5
Stellung nahm, und zwar sind neben den neuen Arbeiten, die in die Zeit
nach dem Kouzil fallen, auch jene einschlagigen Abhandlungen heran- a. Dle .Apologie für Johannes Bekkos gegen Gregorios palamas,
zuziehen, die wir im bisherigen Gang der Ereignisse bereits gestreift haben.
nqòç tùg tot) Palc4tã, x¡xtìt, toõ Béxxoa åtttgqí¡ottg.6
I-etzteres deswegen, weil sich nur auf diese Weise ein zusamtnenhängendes
Bild von Bessarions innerer Entwicklung und eine allseitige Wtirdigung Mit dieser schrift war Bessarion zum Konzil nach Florenz gekonrmen.
dieser Geisteserzeugnisse gewinnen läßt. Die Auswahl des Gegenstandes in ibr hatte er sich zunt erstenmal rnit den nicht leichten dognratischen
war für Bessarions Eingreifen ganz durch die Zeitereignisse bestimmt. Das Fragen über den Ausgang des Hl. Geistes auseiunndergesetzt und seine
Konzil und seine Union, das Dogma vom Ausgang des Hl. Geistes, drs
in cìer Darlegung der dognratischeu Frage
lateinische Symbolum und die Epiklese in der Liturgie waren die Brenn- t6r, r4o C, izavulç ùnóoagptiv te ,aì
puukte, in denen sich die Gedanken der ftihrenden Geister der byzan- -9aoüyrøy úpùc poxalí.v àv6pti,v
tinischen Theologie vereinigten. Noch auI andere Streitfragen hatte en Bessarions,die sich handscltriftlich nicht
eingegangen werden können; Bessarion wählte das Tiefere und Erhabenere. ern. So wird erwähnt ein >Rundschreiben
theca graeca XI. 428. Vgl. dazu unten
So bieten diese Schriften keine systematischen Abhandlungen, keine Schul-
theologie, wie sie etwa das abendländische Mittelalter kannte; vielmehr talitate animae et de incarn¡tione crrristi< t" otX?J.î%:iit'r"Lï::,ï:'f:;ru";;
l; :. 1..3; ferner'>De grimatu pap:re< bei Leo Allatiui, D.
sind sie in der Hluptsache als Gelegenheitsschriften zu den theologischen -nt.nruì. ilS.
raorlclus.1. c. n. rzi ferner >De S. Trinitate explicatio< bei Fabricius
g6A.
c. n. r3.
s So in seiner Schrift gegen Markos Eugeåikos,
Zeitfragen der späteren byzantinischen Welt anzusprechen. . Migne, p. gr. 16r, r4r É.
t6oD. t97 B.
Für die lateinischen Theologen bedeuteten sie vor allem deswegen { Migne, P. gr. út, 465C.
6 Migne, P.
etwas Neues und Willkommenes, weil ein Mann von durchaus griechischer 6 þr. r6r, r5ã B.
Handsc'riften:
Bildung mit einem eigenen Wissen in der griechischen V¿iterliteratur ihre fol. r-r6v.
Sache in Schutz nahm.a Dabei war nicht einmal alles, was er vorbrachte,
295'
hier zum ersten Mal gesagt. Mancherlei, wie die Gedankengänge seiner r 4 fol. 47 -6r,
Vorgänger, vor allem eines Johannes Bekkos, sind nur neu geformt und 4z sup.) fol. 98-r rzv.
gt.- t27 .
22)-3)rv.
t loh. zr, zz î. 74""'
2 gener Ubersetzung:
S. unten V. Bessarion als Hurranist, Abschnitt c, l.
3 S, ebenda sowie lV. Bessarion als Kardinal dèr ¡ömischen Kurie, Ab-
schnitt a, r.
r So in sein t Paul II., als er boa. z fol. ro6v-r 35.
ihm einige Überse raque in his csse
Bessarion s übersetzung 287-3to.
(dicentes) ø , cutn habcretúur, non
a. Romae ró7o.
þøraam fore Mig
xa. CoI.766.
2I4 4. Bessarions theologische Schrifton. Die Apologie für Johannes Bekkos gegen Gregorios Palanas. 215

persönliche Stellungnahme in
denr schwebenden Streit der byzantinischen aliem, versetzt uns die angeführte Schilderung der näheren Umstände g nz
Theologie festgelegt, wenn auch noch nicht mit iener Tiefe und All- in iene Ze\t, da noch der Name Bel<kos das Losungswort für die unions-
gemeinheit, die seine spätere Darstellung auszeichnet. Un: so wichtiger freundlichen Theologen war. Nach dem Abschluß der Union drehte sich
ist diese früheste Studie, 'wenn es sich um die Beurteilung seiner Haltung der Kampf nicbt nrehr unr Bckhos, sondern um clie Gültigkeit der Floren-
auf dem Konzil und seiner späteren Lehrweise handelt. Denn hier tritt tiner Beschlüsse.
uns Bessarion entgegen, noch völlig unberührt von den Gedanken der Dazu konlurt noch, daß Bessarion auch bei lnderer Gelegenheit seine
abendlendischen Theologie und ohne genaue Kenntnis der lateinischen Apologie für Bekkos gegenüber seiner dogmatiscbcn Rede offenbar als
Väter; und doch trägt er schon seine bekannte Lösung vor, die das d¿à älter kennzeichnet. Er beruft sich nämlich im Vorwort zu seiner letzten
roõ atoõ mit dem èx roõ uioû der Lateiner gleichsetzt, weil es kausal großen Schrift gegen Markos auf seine früheren diesbezüglichen Arbeiten,
zu verstehen sei, ohne eine zweite ahla oder dqXn in der Trinität zu be- die er in unrgekehrter lìeihenfolge aufzählt, und nennt dabei vorliegende
gründen. Das ist insofern von Bedeutung, als wir wissen, daß seine theo- Apologie an letzter Stelle.t Der von Bessarion chronologisch geordnete
logische Einstcllung schon vor dem Konzil eindeutig bestiurmt war. Auch Cod. Marc. gr. 527 lührt sie eirenfalls als älteste seiner dogmatischen
jenem leichtsinnigenVorwurf, daß er zu Florenz ein religiöser Überleufer Schriften aui. Die Apologie für Bel<kos ist denrnach unbedingt in die Zeit
geworden sei, ist damit von vornherein iede Spitze abgebrochen. Was er \torL r+37 - r4l9 zu verle¡¡en.z
hier lehrt, rilar der ureigenste Ausdruck seiner persönlichen Uberzeugung. Auch der Inhalt der ScÌrrilt rechtfertigt dieses Ergebnis. Wäre sie
nach dem Konzil verl:r[3t, so müßte docb siclt irgencleine Beeinflussung
Eine sichere Datierung der Apologie für Bekkos wird leicht er-
durclr die weitschiclrtigen dogrratischen Verhandlungen von Florenz zeigen.
möglicht, und zwar auf Grund einer Angabe, die Bessarion im Vorwort
zu seiner lateinischen Bearbeitung macht. Er sagt hier: Cun' autent hoc
Aber weder findet sich eine Anspielung, noclt werdeu auch nur einmal
(i. e. Vecci auctoritates atque Greglrii Pølamae refutøtíones)
die Lateiner genrnnt, die in der polerrischen Literatur uach dem Konzil
utriusque oþus
doch eine so großc Rollc spielen. Kein einziges Zeugnis der lateinischen
ad mnnts rtei, Bessarionis S. R. E. cnrdinalis Tusculani, turtc nrchieþi-
Väter, die Bessarion seit denr Konzil zu Gebote standeu, findet Anwen-
scoþi Nioaeni, þeraenisset, non þdssus suïn nec aequo atittto fuli, ut et
dung, noch erwälrnt er überlraupt ihre Bedeutung. Wo er einmll ihrer
clnûnunetn doctores calumniant þlterentur, et þro convicto atyrc þrof.igato falso
gedenkt, geschieht es in einer allgemeinen Wendung, die sofort den Grie-
ab aliquibus hic saþientissimus air Ilecuts þatriarchø þtrtaretur. Quøre contra
chen verrät, der sie nur von'r Flörcnsagen l<ennt.3 Umgekehrt behandelt
Palnmam et eius fucosas et aþþa.rentes contradictiones me oþþostti.L Bessarion
Bessarion auf den Konzil dieselben Fragen in seiner Rede über drs Dogma
besaß demnach, als er dieses Schrittchen rbfalSte, noch keine höhere kirch-
viel tiefer und gründlicher wie hier, so daß die Apologie sich geratlezu
Iiche Würde als den Bischofsstuhl von Nikaia, den ihm der Kaiser im
als die Vorstufe zu jener großen Drrlegung ausnimmt. Mit den vielen
Jahre 437 veriiehen hatte. Wichtig ist es, den Zeitraum, der fur die nel¡ensächlichen Einwürfen, clie Palamas erhebt, gibt sich Bessarion auf
Abfassung in Frage kommt, auch nach unten hin abzugrenzen. Daß er
dem Konzil gar nicht ab.
auf dem Konzil oder nachher die kurze Spanne bis zu seiner Berufung ins
Zum Inhalt ist folgendes zu bemerken: De r lateiLrerfreundliche Pa-
K¿rrdinalskollegium sich mit den ALrfstellungen des Pahnns befaßt hätte,
triarch Johlnnes Bekkos hrtte nach clern Konzil von Lyon, nu die
ist aus triftìgen Gründen nicht rnzunehnren. Währencl das Konzil in
Fassung des Dognras als rechtntäßig zu erweisen, unter verschiedenen
Florenz tagte, lag keine Veranlassung dazu vor. Dam:rls war der weit
Gesichtspunkten Stellen aus den Werken der griechìschen Väter zusammen-
gefährlichere Markos Eugenikos zu bekämpfen; Palamas gehörte längst
getragen, denen er jeweils liürzere Einliitungen und Bemerkungen (ðar-
der Vergangenheit an. Nach dem Konzil während seines vorübergehenden
"¡pagai beifägte.r Gegen diese Arbeit hatte sich Gregorios Palatr-ras
Aufenthaltes in Konstantinopel nal:tnen ihn aber seine oben gekennzeich-
neten Studien in den Klosterbibliotl:eken voll und ganz in Anspruch.2 In
traf er in I(onstantinopel ein, n:rch der Patriarchenwahl am 4. Mai I44o begab er sìch,
der wenigen freien Zeit, die ihm noch clie öffentlichen Angelegenheiten zunl Kardinal kreíert, wieder nach Italien.
übrigließen, war es ihm gerade noclt möglich, das später noch zu nen- 1
, Migne. P gt. 16r, r4o D.
Rocholl, Béssarion S. 7z verlegt die Schrift
nrit ein paar wertlosen Benrerkungen
nende Schriltchen gegen Maximos Plarludes abzufassen.e Abgesehen von in die Zeitnach dem Konzil.
3 Er sagt in der ganzen Schrift über die abendländischen Vàter nicht mehr als:
I Migne, P, gr. 16r, 288 C. Als Kardinalbischof von Tusculum (t449-68) Ot ôè óúttzot-natéqrç it xaì ôtöciozü.ot xaì èx roõ u'toú Èxnoptúalat (ôúcio.zouut).
M igne, P. gr. I6r, z8o C ôtôtioxouoL ist wohl nur im Migneschen Drucli weg-
faßte er die lateinische Bearbeitung ab.
¡ Vgl. oben S. zo7. gefallen,
ó Bei Migne, P.
s ,{ñr I9. Oktobei r4rg war er von Venedig abgefahren, am r. Februar r44o gr. t4t,6t3-724.
2L6 4. Bessarions theologische Schriften. Die Apologie fúr Johannes Bekkos gegen Gregorios palamas. 2L7

erhoben und ebenso viele Gegenreden (àurtpçfioerc) verfaßt. Sehr tief ursachen, wie sie Bekkos anstrebe.l Bessarion griff tiefer: Auch ohne
waren die Ausführungen des Palaruas nicht. Denn er trug in echt byzan- die Einheitin der Gottheit zu trennen, lasse sich das d¿d wie das èx .roõ
tinischer weise eine Reihe von väterstellen zusammen, um nrit diesen utoõ in Bekkos'sinne erklären. Denn man glaube niclrt, daß der Hl. Geist
dann ein philosophierendes spiel zu treiben. Man ftihlt in seiner Dar- aus zwei Personen ausgehe; vielmehr emplange er scin Sein nur durch
stellung noch jetzt die erbitterte Hitze des Kampfes; denn palam¡rs übt in eine einzige Tatigkeit von vater unti Sohn. ior allem bedeute des ôru
seiner Ausdruckv'eise oft wenig Zurückhaltung und ergeht sich in wilden eine ordnung oder Relation zwischen den einzelnen personen in der Tri-
Schmähungen gegen Bekkos.l nitit. Für 6ú sei die ursâchliche Bedeutung festzuhalten, und doch sei
Gegen diese Karupfesweise wandte sich Bessarion. Sein Ein- der vater
greifen gehörte mit zur vorbereitung auf die öffentliche Austragung des
- auch nach Maximos, dem Bekenner, die ahía, die ori-
- daß Bessarion diese
ginalursache des Hl. Geistes.2 Es war zum erstenmal,
Kampfes auf abendländischen Boden. Ein überzeugter Freund der union Lösung vortrug. Noch fehlte ihru die Krarheit und der logische Aufbau
durfte es niclrt gestatten, daß das Andenken eines Mannes, der selbst seiner späteren Arbeiten; dnzu schleppte er noch vieles mit, was als sehr
einmal die union verwirklicht hatte und mit seinen Schriften noch jetzt überfüssig erscheint.
zur Lösung des Prol¡lems beitragen konnte, in derart nichtswürdiger weise Palamas' Einwände, daß der Hl. Geist bei dieser Betrachtungsweise
verunglimpft wurde. So nach .Bessarions eigenen worten.2 Den letzten vom vater nur mittelbar ausgehe, weist Bessarion ebenfalls zurück: Mittelbar
Anstoß gab Gregorios Pneumatikos, der ihn zum schreiben drängte.s wäre es, wenn man sich zwei verschiedene Hervorgänge dächte, einen
Für die beiderseitigen Beziehungen ist auch das bemerkenswert. unvollkommenen aus dem vater und einen zweiten ars vervollkommnung
Bessarion stellte Joh. Bekkos' 'Enrypagaí in lz Kapiteln zusammen. aus dem sohn. Das lehne er ab untl lehre ein einziges Hervorbringen
Darauf l¡ßt er jedesnral die Gegenreden des palamas fólgen, auf die er durch beide, wobei der vater ursache und euelle <lei Gottheit bleibe.B
jeweils mit einer eingehenden widerlegung antwortet. seinen Stand- di: Ordnung innerhalb der Trinitat. Sie ist, wie Bessarion zeigt,
punkt sucht Bessarion vornehmlich auf spekulativem weg zu rechtfertigen. ?a:rn
nicht willktirlich angenommen, wie palamas gegen Bekkos will, son,ìein
Nur dann und wann beruft er sich auf Äußerungen der väter. verglichen in der Natur der Trinitat begründet. Sie stammt auch nicht von Euno-
mit seinenr Gegner Prlaruas iet Bessarion ungleich tiefer und sachlicher.a nrios, sondern ist schon nit der Taufformel gegeben. Das wirklicbe vor-
Er zeigt scbon hier eine ganz außerordentliche Beherrschun¿¡ seines Gegen- handensein dieser inrerlich begründeten or,ìnung war deswegen von
standes. Einzelne Gedanken, die er hier erst in großen umrissen vor- wichtigkeit, weil dadurcb das verh¿ltnis der göttlichen personen zuein-
trägt, kehren in seiner dogmatischen Reile auf dem Konzil in neuer Be- ander zum Ausdruck karu. l)er vorwürfen des Eunomianisnrus begegnete
handlungsweise wieder. So vor allem, rvas er über die Formel ðtà toú Bessarion mit dem Hinweis, daß er eine Rangordnung annehme, *.1.h.
uÍoú zu sagen weiß. Anderes dagegen war von palamas weit hergeholt einen unterschied in den Personen, nicht in der Naiur begrtinde. Da-
und blieb unfruchtbares Gedankenmaterial. durch behalte die These des Bekkos, nach der der Hl. Geist mit dem
Vater durch den Sohn verbunden ist, ihre bleibende Bedeutung.a
Noch auf einen schweren verstoß gegen die Trinitatsrehre macht
Bessarion seinen Gegner aufmerksam. palamas hatte die drei göttliche'
Personen in ihrem verh¿ltnis zur göttlichen wesenheit mit menschlichen
Personen in ibrem verhältnis zu ihrer wesenheit, der ihnen gemeinsamen
oder drà 'coú ui.o'ú sei den Vätern nur daran gelegen, die Einheitlichkeit Menschheit verglichen. Bessarion betont demgegenübcr: Ð-ie drei gött-
des göttlichen willens zum Ausdruck zu bringen. Auf alle Falle sei die lichen Personen nehme' an der göttlichen wesenheit teil nicht in der
Einheit in der göttlichen Natur festzuhalten, nicht eine Zweiteilung der weise, wie drei Menschen ihre wesenheit, die Menschbeit, unter sich
gemeinsam haben. Denn die Menschen habcn die Menschheit nicht der
]" JSf. Migne, P, g.. t6r, z5zC. 253 D. 257C.264A.
vgl oben 5. 2r4. zahl nach, sondern der Art nach zu eigen. Daher seien es der Zahl nach
Migne, P., gr, 16r, t4oD. xà.v roiç npìtç [Iú.apã.v únio rou ootooú Bíxxou.
3-
_ 2cEl.Fuoa,t¡oc drei Menschen. In der Trinität dagegen gebe es der zahr naêh nur eine
onu uø'i,rtõv tig4píuorç, schreibt Bessarion an Gregorios Mammaé
(Pneumatikos).
a Rocholl, Bessarion S. zr konrmt zu
dem so'derbaren u¡teil: >Es war der I Migne, P. gr. r 6 r, 245.
K^neg nüchterner scholastik geg-e-n. morgenländische phantastik.< Hier wenigstens 2 P. gr. r 6 r, 248 tr.
zergte. sich Palamas in keiner weise als Phantast. Anders war es allerdinfs im I Migne,
Migne, P. [r. r 6 t, 25)
Hesy cha stenst rei t.
' Migne, P, gr. r 6 r,257-z6r
218 4. Bessarions theologische Schriftcn. Die Rede über das Dogma. 219

göttliche Wesenheit und daher nur einen Gott. Diese göttliche Wesenheit schreiben an Alexios Laskaris ihre Fortsetzung und Ergänzung. Das Auf-
subsistiere in drei Personen , während die Menschheit weder in den ein- fallendeist, daß Bessarions Rede, wie die zahlreichen Handschriften untl
zelnen Menscben subsistiere, noch konstituierte sie mit den einzelnen In- Übersetzungen besagen, später so weite verbreitung fand, obwohl sie nach
dividuen ein einziges Wescrl. Eine derartige Ubertragung der Begriffe auf ihrer ursprünglichen Bestimmung nur auf die verhältnisse während des
die Gottheit führe glatt zum Tritheismus.l Konzils eingestellt war.1 Das licgt an denr neuen Lcxungsversuch, der
sich, unr die lateinische Formulierung des Dogmas zu beweisen , gtnz aul
b. Die Rede über das Dogma. den griechischen Vätern aufbaute. Dazu liommt noch die Persönlichl<eit
Bessarions.
IIgòg tr¡u åaøtoL.mì¡u outo6ot, ùoypatmìtg lóyog ;ì nrql åvoottttg,z Das Thema betraf die schwierige Frage: Wie weit gehen die V¿tter
Diese Rede, die unter dem, was rul der¡ Konzil geboten wurde, des Morgen- und Abendìandes in ihrer l,ehre über den Ausgang des
eine wahre Glanzleistung darsteilt, war dort ftir den engeren Kreis der Hl. Geistes auseinander, und wie läßt siclì in befriedigender weise eine
griechischen Bischöfe bestimmt, denen Bessarion nach der völligen Er- Übereinstirnmung unter ihnen erreichcn? Lißt sich ihre Formel 6à toõ
schopfung der byzantinischen Cegnerschaft in einer priv.rtcn Zusamrren- uÍoû mit dem lateinischen ¿¡r flio und dem 3x toõ uioú einzelner grie-
kunft am 13. und 14. April r439 seinen Lösungsversuch vortrug. Wir chischer Theologen in Einl<lang bringen? Hierzu hatte Beklcos nrit seinen
haben seine Leistung, insofern sie eine Wendung in dem Gang der Ereig- Väterstellen bereits reiehe vorarbeit geleistet.2 Bessarion baute daraus
nisse auf denl Konzil herl¡eiftihrte, bereits im Zusammenhang mit jenen seinen Beweis. Manche Frage hatte er schon in seiner ersten Schrift ge-
Vorfallen gewärdigt.3 streilt. Aber gegenüber seiner Apologie ftir Bekkos rvie auch gegenüber
Ihrer literarischen Bedeut¡rng uach ist Bessarions ltede uriter seinen sonstigen Leistungen der byzrrntìniscbeu Theologen zeigt die Rede doch
sonstigen Schriiten über dieses Thema hier einzureihen. Niclrt uur, daß einen bedeutsamen Fortschritt. Bessarion begnügte sich nicht damit, ein-
sie ein wichtiges Bincìeglied in Bessarions schriitstellerischer und theo- fach Vätersteilen aneinanderzureihen; er stellte eine eingehende sprachliche
logischer Entu,icklung darstellt; sie findet auch in Bcssarions dognratischenr und logische untersuchung über die liaglictie wenclung an. Dann stellte
er eingehende Regeln zur Erklärung unklarer Väterstellen auf. Das vor-
r Migne, P. gr. t6r, 284. gelegte Material hielt er sorgfeltig nebeneinander! unr eiue gegenseitige
2 Handschriften:
a. Rom, Cod. Vat, gr. r4z8 fol. 5-3ov. Erklârung zu erzielen und die richtige Bedeutung herauszusteìlen. Der
b. Ronr, Cod. V gr. ryg lol. z9 sqq. gegneriscben Meinung schenkte er seine Aufmerksamkeit; abcr er nimrrt
^t.
c. Rom, Cod. Ottobon. gr. r44 1o).8-76v,
d. Venedig, Cod. Marc. gr. S27 lol. t7-44Y. sie für seine Erörterung niclrt mehr zum Ausgangspunkt.
e. Venedig, Cod. Marc. gr. 511 fol.2t2-2)7. In dieserweise stellte nun Bessarion fest: wen.r die Vater vou denr
f. Vene.lig, Cod. Marc. gr.i89 fol.5-28.
g. Florenz, Laur. gr. Plut. ro Cod. 14 fol.4-21Y. Hervorgang des Hl. Gcistes èx natpòq, ôtà toõ ufor) sprechen, so verstehen
h. Mailand, Cod. Ambr. gr.9z8 (D tt8 inf.) fol. j1v-gS. sie damit nichts anderes als clie Mitwirkung des sohnes. Es soll daclurch
i. Paris, Cod. gr. rzTo fol.53-76
k. Wien, Cod. caes, gr. 257 fol. r 55-r88. die Einheit des willens von vater und sohn zum Ausdruck kommen.
l. München, Cod. gr, z7 fol r-27, .. /¿à roõ aioõ in dieser Bedeutung gefaßt, begründet die in der Trinitat
Handschrilten von Bessarions eigencr Ubersetzung:
vorhandene ordnung der Personen zueinander, wie sic in der Taufformel
ausgesprochen ist. >Durch den Sohn geoffenbart werden< ist bei Basileios
dasselbe wie >durch den Sohn hervorgehen< bei Maximos und dasselbe
wie >aus dem Sohn hervorgehen< bei den abendlindischen Vätern.
g. Rom, Cod. Ottobon. lat. 1754 fol.281-122. Bessarion besorgte von seiner Rede noch eine lateinische übersetzung,
h. Florenz, Laur. lat. Plut. t4. Cod. z fol. r -4o.
i. Mailand, Cod, Ambr. lat R.4. SLrp. fol. r2-SJ. ohne sich dabei immer genan an den gr.iechischen Text zu halten. An
Druckausgaben: ruanclien Stellen finden sich offenbare Abschwächungen der ursprünglichen
a. Migr: e, P. gr. r6t, 543-6r4 (nrit Bessarion.s Ubersetzung).
b. Labbé, Conc. Coll, XIII.39r-455 (nrit der Ubersetzrìng des Matthaeus
Caryop 1 Die Einteilung der Rede in r o Kapitel ist ursprùnglich und stammt von
c. Hardui Bessarion selbst.. So sagcn die Act l. graèca 278 (Läbbi'Xlü. 192) ... ).óyov
d, A,cta g )(ou Bevtîtxriyou) 4zo-46t, è¿éôaxe pioou.fi¡túv è,- Ntxaíaç xúptç"ß4ooapiai nt'pì iuaotutE ìí íe9a).ai'org
e. Mansi ôéxa 6tq¡p4pétoa.
3 Vgl. oben å Migne, P. gr. t6r,2448. Vgl. oben S.
zr5 ff..
Die Widerlegung der Syllogisr¡en des Maximos planudes. ZZL
220 4. Bessarions theologische Schriften.
Haltung; wie Kydones sagt, aus Furcht vor Kaiser Alexios II., einem ge-
Darstellung.l Um seinen lateinischen Lesern, die mit der Terminologie
schworenen Feinde Roms.l um vor verfolgung sicher zu sein, schrieb
der griechischen Theologen, sowie mit einzelnen kirchengeschichtlichen
er seine lateinerfeindlichen Syllogismer-r.¿ Gegen sie richtete sich nun
Vorgängen nicht durchweg vertraut sein konnten
- das Konzil hatte das
überdies schon gezeigt - , das Verständnis seiner Ausführungen zu er-
Bessarion.

leiclrtern, liete er dieser Ausgabe ein Nachwort an: Declaratio alirluorum, Als Abfassungszeit für Bessarions Gegenschrift komnen cie näch-
quae in dicta oratione dogrnatica continentur, quae Grnecis notissitna, Løtinis
ignolø sunt.z Er setzt hier den Unterschied von aìría und àgçri ausein-
ander; ebenso die verschiedenen Ausdrücke, die sich bei den griechischen
Vätern lur procedere finden, wie mitti, þrofttere, þrodire, ema.ndre, scnluriri
and oriri; ebenso die Erl<lärungss'eise der Gegner, die neben þroctdere nirumt. Seine ursprüngliche Stellungnahme in diesem punkt leßt vor der
je<ìen anderen Ausdruck von der Verteilung dcr Gnaden an die Menschheit Übersiedlung des Konzils von Ferrara nach Florenz eine derartige Äu-
und von der zeitlichen Sendung des Hl. Geistes verstanden. Daran ßerung nicht zu. Auch führt er hier zur Rechtlertigung des lateinischen
schließen sich noch einige geschichtliche Erläuterungen über die zweifel- Zusatzes einen der Gründe an, den die lateinischen Theologen für ihre
hafte Haltung des alten Theodoret.e sache geltend gemacht hatten. Anderseits ìäßt sich nachweiser:, daß eine
Gegenschrift, mit der Georgios Gernistos Plethon auf Bessarions Aus-
c. Dle Wlderlegung der Sylloglsmen des Maximos Planudes, stellungen antwortete, und ferner auch Bessarions abermalige Err,viderung
l7qòg toùg IVIø,$ípor: pouti2¿ots, ¡oú fll.ayoúô4, ncql tfiç èxnoqcaataç auf Gemistos jedenfalls vor seiner Erhebung zum Kardinal verfaßt worden
toú &¿íoo rveúpatog xatù tlqtittttu oal).oyrcpoíg3 sind. vielleicht ist die Schrift neben anderem eine Frucht jener Studien, bei
Wir haben es hier mit einer kleineu, aber tiefgehenden Studie zu der wir Bessarion nach seiner Rtickkehr in Konstantinopel getroffen haben.
tun, die in vier kurzen Kapiteln in Form von Erwiderungen aul die vier Bessarions Darstellung ist sehr anschaulich u'd lebendig. Er retlet
Syllogismen des Maximos Planudes ihren Stoff zur Dtrstellung bringt. seinen Gegner an, wie weun dieser noch zu den Lebenden gehörte und
Maximos Planudes, ein Mönch, gestorben urìr 14ro, und von der For- ihm auf seine Ausführungen erwidern könnte. Man wird unwillkürlich
schung zu den >byzantinischen Vorläufern des westeuropäischen Huma-
nismus< gerechnet,s hatte ursprünglich zur late inerfreundlichen Theologen-
partei gehört und als solcher Augustins >De Trinitate< ins Griechische
übertragen. Diese Einzelheiten, die durch die Angaben Bessarions und
vor ihm durch Demetrios Kydones feststehen, wurden neuerdings ohne sprüche der Väter gänzlich und entwickelt alles rein spekulativ.
rechte Begründung in Abrede gestellt.6 Später änderte Planudes seine r. Der Hervorgang des HI. Geistes aus vater und sohn ist nicht
als doppelter vorgang anzusehen, wie es Planudes eusiegte und als un-
I Vgl. oben S. 16o n. 3.
sinnig ablehnen wollte. Der Hl. Geist geht nämlich aus beiden personen
-r Mig_ne, P, gr. l6r, 6tt-6r.4. Handschriftlich in den nreisten oben nar¡haft
genrachten Kodizes _dêr .lateinischen übersetzung der Rede. hervor nicht wie aus einer Zweiheit, sondern r¡,ie wenn beide eins wären.
s Vgl. oben
S. 164.
{ Handschriften: Zwar sind in vater und Sohn zwei Personen, aber es gibt nur eire
a, Venedig, Cod, Marc, gr.5z weseuheit, die eine Gottheit, die einzig ursache und euelle ftir die dritte
b. Venedig, Cod. Marc. [r. i8 Person ist.3
9.Eom, Cod. Vat. gr. r4i8 fol.
d, Rom, Co<i. Vat. þr. l4z8 fol wur,le hier offenbar
versehentlich vom Schreiber de s angehängt.

ias.
v- 8z v'

Ronrae t67o, p 615 sqq.


antinischen Literatur. z. Aufl. 543. ¡ Planudes'Syllog-i sm.en fìnden sich in den Handschriften und Ausgaben
lanudis epistulae. Breslau r89o, S. r95. zusamnlen nrit Bessarions Widerlesuns.
I{one.. Yigne., P. gr. _t6t, 1t2ts. I Migne, P, gr, r6t, 7rz fi
y ol,Ly@v xoutay 21cr¿ ctov€yØv Ê1f aT.t.gn-
222 4. Bessarions theologische Sclrriften. Die Widerlegung der Syllogismen des Maximos Planudes. 223

z. Die dritte Person ist deswegen auch in sich ein und dieselbe. Die Abfassung von Plethons Gegenschrift wurde ohne nähere Be-
Wenn Planudes dagegen nreitrt, daß bei Anuahme des Filioque der Heil. gründung in das Jahr 1448 r;erlegt.t Sie scheint aber schon früher, und
Geist ein anderer sei aus dem Vster und ein anderer aus dem Sohn, so zwar bald nach dem Konzil geschrieben zu sein. Jedenfalls verweist das
denkt er sich diesen Vorgang stoflich. Vater und Sohn sind doch ihrer Nachwort auf den neuen Patriarchen (rq4o-r4$), der noch inl Amt
göttlichen Wesenheit nach nur eins und wirken daher nur urittels einer ist. Ob man auI Bessarions Betitelung mit å Nuaíag viel Gewicht legen
I
einzigen Tetigkeit.l kann, erscheint mir fraglich, da er auch, nachdenr er längst schon Kardinal
I

war, immer noch ¡r-icaenus genannt wurde.


3. Planudes warf ein, das Filioque bringe die Gefahr, daß ein dop-
I

I
i
I
peltes Prinzip in die f'rinität eingeführt werde. Deswegen hrbe dieser Merkwürdig genug ist es, daß gerade ein Mann wie Gemistos das
I

Zasalz, der überdies in der Schrift gar nicht begründet sei, keine Berech- Wort ergriff. Ihm, dem aulgeklärten Theosophen, konnte doch an diesen
dognratischen Kämpfen nichts gelegen sein. Vielleicht daß ihn der an-
l

tigung im Synrbolum. Bessariou erwidert mit den lateinischen Konzils-


gegriffene Platoniker Planudes anzog. Oder überwog bei ihm so der Haß
theologen: Auch der Zusatz des ópoorjorcs barg eine ähnliche Gefahr,
I

nämlich nichts Geringeres als den Sabellianismus. Aber auf die Böswillig- gegen die lateinische Kirche, daß er mit seinen Merkwürdigkeiten den
i
keit einzelner schlechtberatener Theologen ist keine Rücksicht zu nehmen, bedrängten Byzantinern zu Hilfe konrmen mußte?
,1

sondern auF die Wahrheit, wie jeweils die Zeit sie erfbrdert.2 Gemistos will den Bestand einer Ordnung in der Trinit¡it nicht in
Abrede stellen, weil sie tatsächlich durch die Taufforrnel gefordert werde ;
4. Planudes' Iächeriicher vierter Syllogismus, in dem er Quantitilt
I

aber er verfltichtigt sie dahin, daß er den Hl. Geist lediglich wegen
I
I
und Qualitat, wenn auch vielleicht nur in bildlicher Weise, auf die gött-
I
seiner zeitlichen Sendung durch den Sohn an die Menschheit nach diesenr
I
I lichen Personen tìberträgt, verdiente keine ernste Beachtunq. >Was für
aufzählt.
unpassende Vergleiche führst du doch' bester Freund, in die 'fheologie

'i
Ferner besteht nach ihm in der Anschauung, daß der HL Geist aus
ein.< >Genau genonrmen spricht dein Argurnent für die Lateiner. Sollte
Vater und Sohn hervorgel.re, eine doppelte Gefahr für d:rs Christentum:
nrau das bei diesem Mattne, der die dialel<tische Schulung doch ex pro-
Entweder ist derVater Ursache und der Sohn Mitursrche; drnn geht der
fesso tibte uncl tlen Augustin ùbersetzt hatte, noch ftir mögliclr halten?<3
Hl. Geist vollkonlmen aus dem Vatcr l:ervor und ebenso vollkomnlen
Der Angrìff Bessarions auI Mrximos Planudes blieb nicht ohne Wider- noçhmals aus dem Sohn; damit gelangc mân statt zu einer Dreipersön-
spruch. Georgios Genristos griff zw Feder, um das griechische Dogrna lichkeit zu einer Vierpersönlichkeit. Oder ruan nimmt, um das zu um-
in Schutz zu nehnren.a Daß die Spitze dicser Gegenschrift sich eigentlich gehen, mit den Lateinern eine einzige hervorbringende Kraft an. Lassen
gegen Bessarion richtete, ist mit völliger Klarheit nur aus dem handschrift- ihn dann Vater únd Sohn, insofern sie Personen sind, hervorgehen, so
lichen Exemplar der Laurenziana zu Florenz zu erkennen. Denn nicht entsteht eine Verquickung (ouua),oryi¡) beider Personen, und die Folge
nur wird hier Bessarion in der Titelangabe offen n:it Nanlen genannt; ist eine Zrveifaltigkeit statt einer Dreifaltigkeit. Die Lateiner sehen all
diese Handschrift überliefert auch eine Reihe von Randbemerkungen, die das nicht ein, weil sie einzelne Väter außer acht lassen oder nicht ver-
in der Überschrift zoù Nl,xalou ànoloyiat genannt werden und sich gegen stehen.
die einzelnen von Gemistos Plethon angeführten Argumente richten. Mit Bessarion widersprach nlit
kurzen Sätzen, die sich in der angeführten
tliesen Zutaten wie mit der nochnaligen kurzen Erwiderung Plethons, die Handschrift der Laurenziana als Randben:erkungen finden. Er fragt Ple-
sich auch in der Ausgabe bei Alexandre findet, wird Plethons Gegenschrift thon, warum er diese Gründe nicht auf dem Konzil vorgetragen habe.
erst in das rechte Licht gerückt. Plethon erwidert: ,Über meine Gründe sollen meine Leser entscheiden.<
>Warum ich auf der Synode Schweigen bewahrte? Damals durftet nur
M igne, P. gr. I 6r,313,
M igne, P. gr. t 6r, 3r6 B C. ihr Priester sprechen. Später hat es der Patriarch uns Laien von neuem
M r8n e, P. gr. t 6r,, 316 f- verboten. Ich sah aber den Ephesier stets voller Überzeugung kämpfen
H andschriften: und niemals unterliegen, bis auch ihm Schweigen auferlegt wurde, damit
A, Florenz, Laur. gr. Plut.56, Cod, ¡8 fol' 86v-91.
b. Trrrin, Cod. grI ¡6I fol. 5-8 (wurJe beim Braud der Bibliothek anr eure Pläne durchgingen.< In Zukunft wolle er Bessarion zuliebe still sein.2
26, Januar r9o4 zerstört).
Druckausgaben: I Vgl. Schultze,
a. Dositñeos , T'ópos ,ìy,inqç. Dt Ttuoi<p (Jassy) ró98' Georgios Gemistos Plethon, S. 98. Alexandre, Pléthon,
b. Misne. P. sr. ¡6o. qzs-q8o. Traité de.s lois. Note préliminaire, p. XXXVII.
r ¡ Uber Pleth ons sonderbare Beweismittel und deren Aufnahme seitens der
c. Ale"xaidre't. ptéttíórí, 'fraitê des lois, Paris r858, p' 3oo- 3r (mit
Plethons Nachwort p.3rI sq, das in a und b fehlt). griechischen Theologie vgl. oben S. zo3 f.
224 4. Bessarions theologische Schriften' Das dogmatische Schreiben an Alexios Laskaris. 221

d. Das dogmatische Schrelben an Alexlos Lasksris Phllanthroplnos' Die Veranlassung war von Alexios Laskaris Philanthropin os
IIgòç'Al'É$rct dúoxøgtt '¿òv ûú.q,tt&Q,anuot' ntgl rfiç èxroqcaoe'g ausgegangen, einem kaiserlichen Beamten, Dishypatos und Groß-Ch¿rto-
roõ èxyioa rteúpatog.r phylax.l Als solcher war er auf dem Konzil in ständiger Umgebung des
Kaisers, dessen Standpunkt er auch hinsichtlich der Union vertrat.2 Später
Diese Schrift, wohl eine der interessantesten, die Bessarion über-
nahm er eine Statthalterstelle in Patras ein. Er hatte, wie aus den Ein-
baupt verfaßt hat, verfolgt bei aller Mannigfaltigkeit des Inhalts einen ein-
gangsworten hervorgeht, Bessarion um Klarlegung der Dinge gebeten.
zigen Flauptzweck: die Rechtfertigung der Union von Florenz. Nebenbei
Bessarion hatte ihm früher schon einen umfangreichen Brief über das
blickt auch noch die Absicht durch, die Stellungnahrne seiner eigenen
gleiche Problem zugehen lassen. Offenbar ist uns dieser nicht mehr er-
Person zu decken. Bessarion faßte dazu alles einschlägige Material zu-
halten.s Jetzt übermittelte er ihm gleichzeitig mit dieser Schrift auch seine
sammen, dessen er habhaft werden konnte: seine persönlichen Erfahrungen
dogmatische Rede und dazu noch eine Zusammenstellung von Stellen aus
und Beobachtungen in Ferrara und Florenz, seine Studien und über-
abendländischen Vätern, die ftir das lateinische Dogma.zeugten.a Wenn
raschenden Funde nach dem Konzil zu Konstantinopel, die maßgebenden
Bessarion das große theologische Interesse des Alexios Laskaris hervor-
Gründe für seine ursprüngliche wie für seine spätere Haltung hinsichtlicli
hebt, so ist das cum grîno salis zu verstehen. Denn wie der Kaiser
cles Synrbolums der Lateiner, schließlich noch eine eingehende Beweis-
hatte jener in eister Linie doch nur ein rein politisches Ziel mit der Union
ffilrrung ftir die lateinische Formulierung des Dogmas. Bessnrion wußte
im Auge. Aber Bessarion, der die Lage kannte, wollte halten, was noch
das alleì in klrrer, tibersichtlicher Darstellung zu bieten, bei der eine stark
zu halten war. Das laßt er auch in seinem Brief an Papst Paul II. durch-
persönliche Note nicht fehlen durfte, da seine eigene Wirksrmkeit auf
blicken, als er ihm seine theologischen Schriften überreichte.s
tlen Konzil wie seine persönliche Beurteilung der Dinge im Vordergrund
,]
stand. Gerade drrin beruht Stärke und Schwäche dieser Schrift' Für die Abfassungszeit ist jener cbronologisch geordnete Cod. Marc.
'I
'I Der ganz verschieden geartete Stoff brachte es voll selber mit sich, gr. 533 mit Bessarions einleitenden Zeitangaben heranzuziehen.G Hier folgt
daß sich das Ganze nur schwer einem einheitlichen Gesichtspunkt unter- auf seine Jugendschriften vorliegende Schrift (fol. 48 -267o), dann der
I

ordnen ließ. Es blieb nur übrig, die Hauptabschnitte in loser weise neben- Brief an den Despoten Konstantin (fol. 268-z7:"). Über beide bemerkt
einanderzustcllen. Man sieht sogar, wie der Verfasser nach einenl passenden er, er habe sie verfaßt, als er Kardinal mit dem Titel der Zwölfapostelkirche
Titel suchte. Die griechische Überschrilt besagt lange nicht allcs, und der war.? Somit kornmt als spätester Termin das Jahr t449 in Frage, denn
Titel der lateinischen Bearbeitung, mit der Bessarion der Sache näherzukomnlen
Florentinø¿ et de þrocessione .Spiritus Sancti
- De
su.ccessu. synodi
I suclrte -,
Er selbst betrachtete diese Schrift als
I
'!l
ist ebenlalls nicht vollig zutreffend.
die Zusanlrnenfassung all dessen, was sich eigentlich zu dem Problem
il
sagen ließ. In dieser Weise äußerte er sich später zu Gregorios Mammas.2
irl
I
r Handschriften:
il
i

a. Venedig, Cod. Marc. lat. 133.


b. Venedig, Cod. Marc. Ial, t14
c. Venedig, Cod. Marc. lât. lr5,
d. Venedi[, Cod. Marc. tat. ri6 (angeblich der-autographus codex)'
.. Flot"nr",'Laur. lat. Plut. 54, Co¿. zTot. 47-rc6 (hierãnt'idotus genaont)'
Druckausgaben:
- ã. ùtig.J, P. gr. 16I.
)?r-4o9. Bessario-ns Übersetzung 41.7-4+8.
-Opuscula
b. Peirus Arãudius. aurea' Romae 167o, p. r6t,
c. Labb
2 Migne, nípno oot taúra zal pú),rcra ròv-ngòç'.7i'$rcv
ròr, rov xoîg ô479tîotu Ìoóp-euov, '¿xat'6ç zat' è ¡tì¡t
,ØrLarr$'p,i,lr
ytto pÌlv tTovt
llohlor, Kardinal Besgarion. l. lõ
226 4' Bessarions tbeologische Sch¡ifteo' Das dogmatische Schreiben an Alexios Laskaris. 22?

Und was besagte die Stelle? Ganz das lateinische Dogma! Es waren
am 5. Mäfz dieses Jahres wurde er Kardinalbischof von Sabina. Der Brieí
an úonstantin ist zwar nicht genau datiert, stammt aber nlch Inhalt und
Worte, die Basileios dem Eunomios entgegengehalten hatte, als dieser
Überschrift noch aus der Zeit vor dessen Thronbesteigurrg (6. Januar clie Folgerung zog: >Wenn der Hl. Geist der Reihenfolge und Würde
nach der dritte in der Trinitet ist, so ist er auch der dritte seiner Natur
nach, d. h. weniger göttlich.< r¡Inwiefern ist dieser Schluß aber not-
wendig,< fragte ihn Basileios,
- ))wenn man die wahre Begründung der
Reihenfolge bedenkt? Der Hl. Geist ist nämlich seiner Würde nach der
zweite nach dem Sohn, weil er von ihm das Sein besitzt und ganz von
Klosterbibliotheken.2
ihm als seiner Ursache abhängt.<1 Das war der Gedenkengang bei Basi-
leios, dem es damals auf die göttliche Wesensgleichheit von Sohn und
Bei den L¿teinern blieb <lie Schrift an Laskaris in weiteren Kreisen
Hl. Geist angekommen v/ar. Seine Begründung war in den augenblick-
noch lange unbekannt, bis sie Bessarion samt seinen úbrigen Arbeiten zu lichen Auseinandersetzungen von neuem brauchbar und bot sogar eine
dieser Frage unter Paul lI. lateinisch herausgab.s
der besten Stützen aus den griechischen Vätern. Deswegeu auch die
Was den Inhalt betrifft, so reihen sich drei hauplsächliche Teile Texteslälschung durch irgendeinen Fanatiker. Alle weiteren Erklärungs-
ohne systematischen Zusemmenhang aneinander: versuche, mit denen sich gewisse byzantinische Theologen der Wucht
I. Ein Nachtrag zu seiner Rede über das Dogma, dieser Stelle entwinden wollten, wie namentlich eine zeitliche Sendung
II. ein Bericht über die Vorgänge auf clem Konzil, an die Menscbheit sind hinfallig, weil sie vor allem dem von Basileios
III. der Beweis ftir das lateinische Dogma.a beabsichtigten Sinn nicht gerecht werden. Die Stelle ist einzig und allein
I. Wie erwä[nt, übersandte Bessarion gleichzeitig seine dognratische in wörtlicher Bedeutung zu nehmen und daher auch im lateinischen Sinne
Rede. Er konnte ihr eine wertvolle Ergänzung anfügen, nämlich den beweisend.2
- So Bessarion.
Nachweis ftir die Echtheit einer Stelle bei Basileios, die ru[ denr Konzil II. Hieran anschließend erstattet Bessarion seinen Bericht ùber das
bestritten worden war. Damit kommt er auf seine aufsehetrerregeuden Konzil und den Abschluß der Union.s Neben den bekannten Tatsachen,
Funde in den Klosterbibliotheken zu l(onstantinopel zu sprechen. Wir die nur in großen Umrissen zur Dlrstellung kommen, überliefert er auch
hörten oben, daß seine F'eststellungen in den Handschriften die Echtheit Angaben über einzelne Vorkommnisse, nanrentlich über seiue gruz persön-
der längeren Form jener Stelle, die von einschneidender Bedeutung in lichen Eindrücke in gewissen Fallen, tlurch die die ùbrigen Quellen zur
der ganzen Frage war, in tiberzeugender Weise bewiesen.ó Aber Bessarion Geschichte des Konzils eine r¡'ertvolle Ergrinzung, zuweilen auch ihre
begnügte sich nicht mit dem Ergebnis aus den Handschriften. Auch die Bestätigung erfahren. Trotzdem hal¡en wir es nlit eigentlicher Geschicht-
stilistische Feinheit des Ausdrucks wer ihm von Wert und nicht weniger - schreibung nicht zu tun; denn als Zweck seiner Darstellung schwebt ihm
man beachte seinen methodischen Beweisgang - die frühere Bezeugung letzten Endes nur die Rechtfertigung der Gescbelrnisse zu Florenz vor
durch andere Schriftsteller. So hatte sie ein Lateiner, ein gewisser Hug o, Augen, also vor allenl seine persönliche Stellungnalrure, dann die F¡eiheit
der vor 3oo Jahren gegen die Griechen schrieb, für scine BeweÍsfúhrung des Konzils, die Tragweite und Durchsclrlagskraft der Gründe von hi¡ben
benutzt.6 Bessarion war auf diesen Sachverhalt durch eine Abhandlung und drüben. Nicht als ob es ihm an Wahrhaftigkeit dabei gebricht; dazu
des Niketas, eines Bischofs von Tlress¡lonike,? aufmerksam geworden. war er viel zu ehrlich gesinnt; aber manches, nlrnentlich seine eigene
Niketas, der diesen vorfall erwähnte, hatte dje stelle ebenfalls als echt Einstellung ist doch von einem späteren Standpunkt aus gesehen und
betrachtet. spiegelt deswegen sein nachträgliches subjektives Empñnden.{
Dieser Eigentümlichkeit entspricht es auch, wenn Bessarion ganz be-
sonders seiner Stellungnahme hinsichtlich des Symbolums einen breiten
Raum gewährt.ó Bekanntlich hatte er zu Ferrara den griechischen Stand-

r Den griechischen W le s. oben S. zo6.


¡ Migne, P. gr. t6r,
I Migne, P. gr. 16r,
Hofe zu Konstantinopel lebte. 'Vgl. einen ähnlichen 6o n. 3,
? Gewðhnlich-Niketas õ Migne, P. gr. 16r,
von Maroneia genannt.
15*
-
228 4. Bessarions theologische Schriften.
f)as dogmatische Schreiben an Alexios Laskaris, 229

punlt mit allem Nachdruck vertreten. Wie kam es, daß er sich nachher nahmen. Seine These, daß der Hl. Geist vom Vater durch den Sohn aus-
unterwarfl Daraufhin ist auch sein Bericht eingestellt. Er wiederholt geht, begründet Bessarion in erster Linie spekulatir', dann auch positiv.
zusammenfassend seine ursprüngliche Begründung. Es sei das Beste ge- Seine erste Frage lautet: Was konstituiert die Person des Vaters?
-
Nur die Vaterschalt, der die hervorbringende T;ttigkeit folgt, nicht akzi-
'wesen, was sich zur Verteidigung der griechischen Sache sagen ließ'1 Er
zcigt auch, daß er in dieser Frage mehr wußte als die übrigen griechischen dentell, sondern gemäß seiner Natur. Das Zeugen ist die erste und un-
Theologen.2 Schon habe es den Anschein gehabt, als sollte der Sieg den mittelbare Tatigkeit des Vaters; das Hervorgehenlassen wird durch das
Griechen verbleiben, da ergriff Kardinal Cesarini, ¡tder edelste unter den Zeugen bewirkt.l Daher muß auch der Sohn daran teilnehmen. Denn der
lateinischen Theologen und wirklich eine Leuchte der Kirche<, das Wort. Sohn hat Anteil an aller Macht des Vaters. Demnach nruß der Hl. Geist
Was er vorb¡:echte, sei so klar, so übcrzeugend, so vollendet gewesen, auch vom Sohn ausgehen. Ob. ôz odeuJ¿á,ges;rgt wird, ist gar niclrt
daß alle Gegengriinde in Nichts zerrânnen. Vor seiner unwiderstehlichen von Belang. Das ergebe sich schon nach seinen früheren Ausführungen.2
Überzeugungskreft habe auch er sich gebeugt. Aber nicht nur sein per- Muß aber nicht auch der HI. Geist an der Tetigkeit des Hervor-
sönlicher Eindruck soll überzeugen. Sein Leser rnöge selber nachprüfen. bringens teilhaben, wenn sie wesenhaft ist, da er doch an allem Wesen-
Deswegen führt er in gedrängter Übersicht die Gründe Cesarinis und der haiten Anteil hat? Das ist unmöglich, weil nichts Ursache von sich selbst
Iateinischen Theologen auf. Alles ist hier wahr, was er sagt. Aber man sein kann.3
- Oder ist das Zeugen dem Hl. Geist gemeinsam? Auch
das nicht. Denn das Zeugen gehclrt zur konstitutiven Form des Vaters
darf nicht verkennen: alles erf¡lhrt auch seine Beurteilung von seinem
späteren Standpunkt aus. Keine Tat'sache wircì verdreht; aber seine eigene und ist nicht mitteilbar.4
Stellungnahme und ihre Festigkeit sieht er jetzt, da er von der gegnerischen Wäre es da nicht denkbar, daß auch der Hl. Geist mit dem Vater
Ansicht überzeugt ist, in anderem Licht als während des Konzils. den Sohn zeagt, wenn der Sohn nit dent Vater den Hl. Geist hervot-
gehen laßt? Nein ! Die Tatígkeit des Ze ugens ist zuerst erkannt und
Bessarion kommt hierauf auf die Verhandlungen über das Dogna zu
deswegen unn¡ittelbare Tätigkeit des Vaters. Das Hervorgehenlassen wird
sprechen. Auch hier zeigten sich die Lateiner mit allem vertraut. Nicht
nach dem Zeugen des Sohnes erkannt und durch dessen Zeugung bewirkt.
nur daß sie mit den abendländischen Vätern kamen, sie l<onnten selbst
mit einzehren griechischen Väterstellen aufwarten. Bei den griechischen Sie ist dalrer dem Sohn nicht unmöglich, sondern wird ihm notwendig
mitgeteilt.6
Konzilstheologen habe das keine geringe Überraschung hervorgerufen.
Kläglich sei es gewesen, daß diese zu der Behauptung von absichtlichen
Ist der Hl. Geist nun geringer als der Sohn, wenn ihm gegenüber
Fälschungen der vorgelegten Texte ihre Zuflucht uahmeu, oder wenn den beiden anderen Personen jede personbildende Titigkeit abgeht? Nein!
anclere meinten, ihre Sache mit der Annahme retten zu können, daß die
In der Trinitat bewirkt das Ursachesein oder Verursachtsein gegenüber
abendlendischen Väter eben Irrtünrer vorgetragen haben. Schließlich haben
einer aoderen Person nichts Höheres oder Geringeres.G
die griechischen Theologen genz geschwiegen. So siegten die Lateiner Auf diesen Gedankengängen baut er schließlich den Schluß auf:
auf der g Dzeî Linie, und es blieb nichts anderes übrig, als die Union Wenn neben der zeugenden Tätigkeit auch die hervorbringende Tatigkeit
zu unterschreiben. Zwei Bischölè standen davon ab. Die übrigen unter- eine Person konstituierte, so wäre der Vater mit doppelter Persönlichkeit
schrieben, und zrvar freiwillig, ohne Druck und Zwang.s ausgestattet. Das wäre aber absurd. Also konstituiert die hervorbringende
Tätigkeit in ihm keine Person mehr und ist deswegen mit dem Sohn
III. Unr das Filioque allseitig zu rechtfertigen, läßt sich Bessarion gemeinsan, so daß der Hl. Geist aus Vater und Sohn ausgeht.?
hier nochmals eingehend auf das Thema ein. Alles, was früher schon
Ein weiteres Kapitel sucht durch andere Fragestellung eine Lösung
gesagt worden war, verarbeitet er zu einem Ganzen: die Begründung der
des Problems: Morgen- und abendl¿ndische Vâter lehren übereinstimmend,
Lateiner, die Einwürfe der Gegner, seine früheren Beiträge und schließlich
daß der Hl. Geist aus der Wesenheit des Vaters und Sohnes ist. So hatten
noch einige neue Erklärungen zu Schwierigkeiten bei einzelnen Väterstellen.
es Basileios uud Athanasios gegen die Arianer und Eunomianer festgestellt;
Mit dieser Arbeit, die ihren Stoff systematisch zusammenfaßt, bringt er auch
die Behandlung des Stoffes zu eiuem gewissen Abschluß,a wenn auch noch
M gne' P. gr. 16 J64 C.
andere Theologen zu einzelnen Einwürfen der Gegner besonders Stellung M gne' P. gr. t6 3ó5BC
M gn €, P gr. 16 3ó8 A.
I M lgne, P. gr. 16r, ]4I D. M gne' P. gr. 16 168 B,
M ign e P. gr. 16r, 34c. M 8D ê' P. gr. t6 168 C.
3
M lsn e P. gr. 16r, 32,7 A,-76o8.
^. M 8ne' P. gr. 16 3ó8 D.
ö
M lgn e P, gr. r6t, 36o B-4o5 A. M 8n e, P. gr. 16 16g !¡,
- Das dogmatische Schreiben an Alexios Laskaris. 23L
230 4. Bessarions theologrsche Schriften.
2, Die Unrkehr des ersten Einwandes: Wenn keine Verquickung
denn jene hatten behauptet, daß der Sohn und ebenso der Hl. Geist nicht
stattfindet, dann ergeben sicb aus beiden Prirrzipien auclt zwei Ursachen.
dem Wesen nach, sondern durch den Willen aus deln Vater stamnretl.l
spricht am klrrsten Augustinus. Vater und Sohn stellen nicht
Diese Erkenntnis ist für Bessarion wichtig; denn er schließt weiter: Was -zweiDagegen
Prinzipien dar. In der Trinit¿tt gibt es nur ein Prinzip, närnlich
in der Trinität aus der Wesenheit kommt, ist auch aus der Person.
Gott. So Augustinus gegen die heidnische Annaltme mehrerer Gottheiten.
Warum? Wesenheit und Person sind bei den göttlichen Personen ein und
Vater und Sohn hssen den Hl. Geist mit ein und derselben Kralt hervor-
dasselbe und werden nur in Gedanken voneinander unterschietlen; anders
gehen, und da der Sohn diese Kraft âus dem Vater [tat, so liegt in Wirk-
käme man auf drei Personen und drei Wesenheiten. Und die Schluß-
lichkeit nur ein Prinzip vor,'
folgerung? Wenn der Hl. Geist aus dem Wesen des Sohnes ist, dann
auch dessen Person,2 3. Entweder ist der Hervorgang aus dem Vater vollì<ommen, dann
Bessarion begnügt sich damit noch nicht; er bringt noch weitere ist die Teilnahme des Sohnes überflüssig; oder der Hl. Geist ist notwendig
Vergleiche und Analogien, meistens aus den Vätern. Oft ist es auch aus dem Sohn, dann ist der l{ervorgang aus dem Vater unvollkommcn. -
weniger bedeutend als das eben Gesagte. Es fehlt dabei zuweilen an streng Diese Annahme ist nur möglich, wenn tuan Vater und Sohn auch hin-
sy.stematischer Durchführung. Anderes erscheint wieder u'ichtiger, So sichtlich ihrer Tatigkeit entsprechend der tnenschlichen [{andlungsweise
der Satz: Wenn der Hl. Geist nicht aus dem Sohn wäre, könnte lnan in zwei tätige Subiekte spaltet. Vater und Sohn unterscheiden sich nur
ihn auch nicht vom Sohn der Person nach urtterscheiden, und die Trias in der Person; im übrigen sind sie eins. Daher haben Vater und Sohn
würde zur Dyas. Denn ließe der Vater ihn allein hervorgehen, dann nicht nacheinander, sondern zugleich, zeitlos und mit einer Tatigkeit den
bestände kein Unterschied zwischen Sohn und Hl. Geist.s Hl. Geist hervorgehen lassen.2
Beweisend ist ihnr ruch die Schriftstelle: 'Dxúuoq yàg èx toõ èpoõ 4. Johannes Daruaskenos sagt: Ilveúpa uioú ),íyoyeu' èx roõ
2.rjtpetcrt.a Er exegesiert sie nach Sprachgebrauch und Zusammenhang. uioít ôè oìt Léyopev. Es handelt sich hier um zwei Gedanken: um
Das 3z roú èpoí; bezieht sich nicht au[ den Vater (: èx roû è¡toí: naqóq),
-
die Gleichheit der Macht und Vollkommenheit, mit der Vater uncl Sohn
sondern ist Neutrum. 'llpci oder ðz toõ èpoí; ist wegen der erhabenen den Hl. Geist hervorgehen lassen; dann um das Verh¿ltnis und die Ord-
Einfachheit in Gott nur sein Wesen. Nach Athanasios ist es aocpla und nung, die der Sohn beim Hervorbringen gegenüber dem Vater hrt. Bei
yvaiatq. Weisheit und Sein ist in Gott identisch. Daruit ist ruch der der Gebrecblichkeit der menschlíchen Ausdrucksweise ist es nicht möglicb,
Sohn Ursache ftir das Sein des Hl. Geistes.a Das aìs Muster für seine mit einem einzigen Worte alles zu treffen. So auch das èx und d¿d.
Schriftanwendung. Andere Stellen zog er in âhnlicher Weise, bald rnehr, Durch Èz kommt bei dem einander Gegenübergestellten mehr die Gleich-
bald weniger gekünstelt heran. heit als die Rangordnung zun'r Ausdruck; bei ôú. mehr drs gegenseitige
Mehrere Einwände der Gegner verdienen bei ihm ernstere Verhältnis, wobei ein Faktor immer geringer erscheint. Daher haben die
Beachtung. 'l'eils sind sie spekulativer Natur, teils beruhen sie auf einer Väter des Morgen- und Abendlandes sich je nach Bedarf beider Ausdrucks-
entsprechenden Wertung einiger griechischer Vâterstellen. So sagen sie: weisen bedient. Die Lateiner wollten mit ihren Vätern srmt einigen lus
r. Wenn der Hl. Geist aus Vater und Sohn hervorgelrt, dann tritt dem Orient nicht die ahia nqoxatapxtrxr'j, sonderrl die Wesensgleichheit
eine Vermischung beider zu einer Person ein. - Ja, erwidert Bessarion; zum Ausdruck bringen unci wählten daher È2. Anders Johannes Danaskenos,
das rväre aber nur der Fall, wenn man die Tetigkeit des Hervorbringens der mit der Mehrzahl der morgenländischen Väter allen Nachdruck auf das
als eine personbiidende des Vaters ausgäbe. In Wirklichkeit ist das aber gegenseitige Verheltnis legte und deswegen 6ú, bevorzagte. Daß clieses
nicht so; denn das konstitutive Element des Vaters ist die Vaterschaft Bestreben bei Johannes bestand, zeigt Bessarion an einigen Beispielen aus
oder das Zeugen. Dls Hervorgehenlassen ist eine Tetigkeit, die tlem seinen Schriften. So wenn er vom Vater sagt: Aritb'¿ pbu oðu Èort uoúç
konstitutiven Element folgt. Wenn deswegen der Sohn an dern Hervor- lóyou äßDaõoc, lóyou yeuuritap, xai ô¿à lóyoa rpoBú'aì:q È.xrpau. opmoú
gelrenlassen des Vaters teilnimmt, dnnn ninrrut er nicht auch Anteil a¡ Ilutúpatos. Otler wenn es vom Hl. Geist heißt: ?ò ôb Ilvúga tò äyrcv,
dessen Person. Also kann von eiuer Vernlischung der Persorlen nicht die rj èzgawoptxì¡ roõ xguçíou uje ûuitqtog ôóuapq toõ IIarpóc, èx IIatgóç
Rede sein.5 è,ût ôt' Yioõ íxxoqtuogíur¡.3
l Migne, P gt út, 169D-3728,
2 Migne, P 16r, l Migne,
b' 172 ts. P. gt. t6t, 789 13-192 C.
3 Migne, P 8r t6t, 176 C-lll !t. 2 Migne, P. gt, t6r, 192 D-jgJ ts.
{ Migne, P ot r6r, 38r A B. a Migne, P. gr. t6t, 196 C-4or A.
õ Migne, P gf r6r, 388 C-389 A.
232 4. Bessarions theologische Schriften. Gegen die Syllogistischen Kapitel des Markos von Ephesos. 233

5. Dionysios Areiopagites brachte den Satz: Móuq nqyì¡ tfie waren es die Matèrialien, die er auf dem Konzil für seine Vorträge in
- Zv richtigen Bewertung dieser Stelle
úteqouaioo *eót4toç ó natiq. den öffentlichen Sitzungen sich zurechtgelegt hatte, und die er nachher
wolle er vorerst sagen, tlaß es auch Väter gibt, die in ähnlicher Weise den teilweise in erneuter Form und mit Erweiterungen zu einer Kampfschrift
Sohn als Quelle bezeichnen (Írtyíl nõ åyíou nutúpatoç), und zwar in verarbeitete.l lnhaltlich waren es wieder die alten Dinge, die bereits auf
Hinsicht auf seine Person, niclrt wegen irgendwelcher Gaben, die ihn als dem Konzil bis zum Überdruß zur Sprache gekommen waren. Die Er-
Person nicht konstituieren. So versteht Athanasios in seiner Exegese zu widerung befaßte sich mit jedem einzelnen Kapitel noch ausführlicher, als
dem Psalm: ,í'Ott napù. aoi nyyì¡ !øí¡Ê<r die n4yrj vom Sohn und (oi¡ Markos geschrieben hatte. Auch Bessarion hat hier auf Veranlassung durch
vom Hl. Geist. Ebenso erklärt Basileios diesen Vers, wobei er mit äyrcu Gregorios Mammas mitgearbeitet. Seine Arbeit beginnt mit dem rB. Kapitel.
aueúpa nach seinem sonstigen Sprachgebrauch nur die Person des Heil. Eine derartige Teilung Iieß sich ohne Schwierigkeit vornehmen, da die
Geistes meint. Das willauch das Wort des Areopagiten nicht bestreiten; einzelnen Kapitel miteinander in keinem inneren Zusammenhang standen.
denn die Väter widersprechen sich nicht. Zuden handelt es sich bei Uber den Verfasser der r7 ersten Kapitel geben die Meinungen
Dionys hier um etwas ganz anderes. Er will l<eine Scl¡eidung treffen auseinander. Fabricius wies sie, ohne seine Gründe zu nennen, dem
zwischen den einzelnen Personen in der Gottheit, sondern nur zwischen Gregorios Mamnras zu. Spätere, wie Hefele und auch noch Rocholl,
Vater und Sohn. Aus diesem Grunde sagt er: Der Vater ist allein die hat¡en das wiederholt.2 Hergenröther, der die Druckausgabe bei Migne
Quelle, nämlich die Quelle des Sohnes, da der Sohn niemals Quelle des besorgte, legte sie dem Georgios Scholarios bei, undzwar auf Grund der
Vaters genannt werden kann. Es soll mit dieser Ausdrucksweise dem Vater Angaben in den Handschriften sowie der Aussage des þhannes Plusiadenos.
lediglich die Eigenschaft der tatpdtqe zugelegt werden.z Diese Annahme erweckte schon bei dem Herausgeber von Gennadios'
6. Wer noch weiter Zweifel hegt, möge zu Augustinus greifen. Werken einigen Zweifel.s Ebenso äußerten neuere Forscher Bedenken.a
Wenn Dionys den Vater die uqyì¡ ríjg #útqtos nennt, so bezeichnet ihn Wie steht es unr Scholarios als Verfasser? Seine persönliche Haltung
Augustinus im 4. Buclr De Trinitate nicht viel anders als princiþiuru totius haben wir bereits zur Genüge gekennzeichnet. Nach dem Konzil war er
Deitatis. Was Augustinus darunter versteht, ist klar. Er will sagen, daß mit Wort und Schri[t auf seiten der Gegner der Union, und in seiner
der Vater keine Ursache hat, aber selber Ursrche des Sohnes und des unionsfreund[ichen Zeit während des Konzils wußte er keiner Partei etwas
Hl. Geistes ist. Daß der Hl. Geist auch vonr Sohn a.usgeht, leugnet er
damit ebensowenig als Dionys.s
Bessarion schließt seine Abhandlung mit den Worten: Meine Aus-
drucksweise ist vielleicht schwer verständlich. Die Größe des behandelten
Gegenst;rndes ist nicht leicbt darzustellen. Möge daher jeder, der meine
Schrift liest, mit Bedacht und ohne Vorurteil in ihr forschen. Nutzen
bringen wird das sicherlich.a

e. Gegen die Syllogistischen Kapitel des Markos von Ephesos.


'lnóxgøtç ngòg tù, toú'EEóoou xeEtiTaca.6
Markos Eugenikos hatte sich wahrscheinlich schon bald nach
denr Konzil in einer umfangreichen Arbeit von 57 Kapiteln (xæpdlaru
aú,Loyrcrmá) gegen das lateinische Dogma gewandt. Wahrscheinlich
11\thanasii Expositio in Ps.
15, bei Migne, P, gr.27, r75
4Or A-. o4 B.
2 Migne, P. gr. rór,
âM igne, P. gr. 16r, 4o4 C-4o5 À.
1M igne, P. gr, 16r, 4o58.
6H andschriften:
a, Venedig, Cod. Marc. 8t. 527 f.ol. 58- lo3
b. Vcnedig, Cod. Marc. gr. 88 fol. tr sgq.
c. Venedig, Cod, Marc, 8r, ro5 fol. tr sqq. r Vgl. Drâsekc in der Byz. Zschr. IV. (1895) 562 ff. un<l Zschr, f. Kg. XII.
d. Venedig, Cod. Marc. gr. ,79. (r89r) gz'í.
T

234 4. Bessarions theologische Schriften' Gegen die Syllogistischen Kapitel des Markos von Eplresos. 235

Greifbares zu bieten. sein Lehrer Markos Eugenikos, der Mann mit eindringliche Erwiderung auf die Kapitel des gefeierten Markos erschien
stahlhartem Herzen, der in kirchlictrcn und theologischen Dingen keine dern neuen Patriarchen unter diesen Verhältnissen als ein dringendes
Bedürfnis. Aber auch Gregorios und ebenso Georgios Scholarios scheiden
als Verfasser aus. Bedenken könnte man höchstens an der Güte der
Überlieferung obiger Überschrift haben; aber wir wissen, Gregorios hat
auch Bessariorl zur Fortsetzung des Werkes aulgefordert. Wir fragen aber
auch: Warum sollte Bessarion ihm die weitere Arbeit leisten, wenu Gre-
gorios das Bisherige geliefert hatte?
Wie erwähnt, hat Bessarion die Weiterfiihrung der Arbeit vour
18. Krpitel an übernom¡uen. Daß das auf Bitten des Gregorios Pneu-
matikos geschah, hören wir aus Bessnrions Antwortschreiben.l Ein genauer
Zeitpunkt r'¿ird uns für diesen Briefwechsel und die Übernahme der Arbeit
nicht genannt. Doch lassen die äußeren Verhältnisse diesen ungefähr er-
kennen. Die Lage in Konstantinopel h¿tte sich allmählictr iuurer trehr
zuungunsten des unionsfreundlichen Patriarchen zugespitzt. Schließlich
hatte die gegnerische Partei die Oberhantl erlangt, und Gregorios Mamtnas
sicher jenen Plusiadenos zum Verfasser haben.s mußte r45o sein Patriarchat niederlegen. Im nächsten Jalrr kam er nach
Rom, um dauernd dort zu bleiben.2 Durch diesen Umschwung der Dinge,
namentlich durch die plotzliche Abreise des Patriarchen nach ltalien, scheint
die Arbeit an dem begonnenen Werk zum Stillstand gekommen zu sein.
Trotz allem hoffte man, die Union \n Byzanz noch zu retten. Kardinal
Isidor mußte sie nachher nochmals verkündigen. Vielleicht warerì derartige
Erwägungen auch für Gregorios, als er auf römischem Boden weilte, wieder
gebaut ist. Während Gregorios zu seinen Zwecken mit Vorliebe Stellen mitbestinn:end. Denn jetzt sandte er das unvollenclete Werk an Bessarion,
aus den Kirchenvätern heranzieht, kommt hier ein rein spekulativer der seit r45o als Legat in Bologna weilte, um es von ihtn zu einen.r
Beweis zur Geltung. Abschluß bringen zu lassen.
Von Wichtigkeit ftir die Verfasserfrage dürIle die Nachricht sein, daß Diese Entwicklung der Dinge erscheint mir bedeutcnd r"'ahrscheinlicher
es überhaupt Gregorios gewesen ist, der rls Patriarch von Konstantinopel als die Annahme Hergenröthers, daß Gregorios schon von Konstantinopel
G++S_r45o) die Abfassung der Gegenschrift veranlaßte. Das besagt die aus dem Kardinal das Werk habe zugehen lassen, und daß sich Bessarion
Überschrift: èg air4orcq toõ paxaqir-tu natçui,\\¿ott xupíou I'p47ogíou toú in der Zeit von r44j- 1447 seiner Aufgabe entledigte.s Innerlich fehlt
uéou itpú,oyi¡toa. Damit werden rvir solort in die Verhältnisse zuByzanz dieser Annahme jede Begründung. Wie sollte sich außerclem der rege
versetzt. Die Union war im Wanlien. Die Hauptgegner traten auf den Briefwechsel, der sich über diese literarischen Fragen zwischen beiden
Plan. Vor allem Gennadios, der frühere Georgios Scholarios, war in sofort entspann, bei jener weiten Entfernung so leicht erledigen hssen!
seinem Kloster zu l(onstantinopel der Rückhalt aller Unionsfeinde. Eine Wenn Hergenröther meint, diese Schrift noch zu Lebzeiten des Markos
Eugenikos ansetzen zu müssen, weil ihn Bessariorr wie einen Lebenden
anredet, so übersieht er dabei einen schriftstellerischen Brauch Bessarions.
Dieser redet nämlich den Maxin¡os Plnnudes, der um ein Menschenalter früher
schon gestorben war, in genau derselben Weise an wie hier clen Ephesier.a

I Vgl. Bessarions Antwort Migne, P. gr. rór, t)7-t4t u. 165 A.


'9Vgl. obeu S. r9o.
s Migne, R gr, 161,8 n
)2. Rocboll, Bessarion S.73 läßt die Frage
bequerneru,eise offen,
a Mign e, P, gr, 16r, 1r7,
'Gegen
236 4. Bessarions theologische Schriften. die Syllogistischen Kapitel des Markos von Ephesos. 237

Ausschlaggebend ist schließlich noclr, daß sich Bessarion auf sein Besteht in der lateinischen Lehre kein Dualismus hinsichtlich des Prinzips
Schreiben an Alexios Laskaris, das in det Zeit von r44o bis 1448 ent- in der Gottheit? Dann der Grund der Unterscheidung zwischen Sohn
standen ist, als auf ein längst geschriebenes Werk beruft, während er für uncl Hl. Geist. Ewige oder zeitlicbe Sendung des Hl. Geistes durch den
den vorliegenden Gegenstand nach seinen Äußerungen längst alle Lust Sohn? Mangel einer Stütze in der Hl. Schrift ftir die lateinische Lehre.
verloren hat. Nach allem kommt nur Bessarions Aufenthalt zu Bologna Die Rrngordnung in der Trinität. Ist der Hl. Geist das Bitd des Sohnes?
bis zum Jaltre t455 als Al¡fassungszeit für seine Weiterarbeit in Frage. Einiges war auch neu aufgegriffen. So, daß keiner der Väter lehre, der
Die Möglichkeit bis zu Gregorios' Tod (tqSÐ auszudehnen, hätte des- Hl. Geist sei aus der Hypostase des Sohnes.l 'Ex ist nicht gleichbedeutend
wegen keinen Sinn, weil nach Bessarions Rückkehr von Bologna der mit drcí, was erst durch Bessarion in den Vordergrund gestellt rporden war.2
geschilderte Briefwechsel tiberfltissig gewesen wäre. Unter anderem greilt Markos die lateinischen Theologen an und
Rechte Lust empfand Bessarion, wie erwähnt, zur neuen Vertiefung findet die Lösung des Thom as von Aquin hinsichtlich der Unterscheidung
in die alten, vielbesprochenen Gedanken nicht mehr. Das zeigt sich in dem der Personen in der Trinit¿tt auf Grund des Gegensatzes durch die Re-
einleitenden Schreiben an seinen Auftraggeber. Nach seinem Schreiben an lation (f xatà, oXéao duríûeatq) ungenügend.e Als unterscheidende Merk-
Alexios Laskaris und der Verteidigung des Bekkos, die er beide Gregorios male will er allein einen kontradiktorischen Gegensatz (ï¡ ratu d.nLtéatav
übersandte, erschien ihm iede weitere Beschäftigung mit diesen Dingen àurLgarml) gelten lassen: ungezeugt, gezeugt und hervorgegîngen (dyiu-
überflüssig. Zudem sah er den Ephesier für gar nicht so bedeutend an, yqrou, yevvqtóu wd ìxnoçtutóv), oder allgemeiner gefaßt: unvernrsacht
als daß man ihm jetzt noch so viele Beachtung schenken sollte. Seine und vernrsacht (à.vahrcz und aìrmtóu). Dadurch wird der Vater von
Ausführungen bezeichnet er sogar als ganz nichtige Sophismen. Damit Sohn und Hl. Geist unterscbieden; Sohn und Hl. Geist unter sich aber
hat er, wie ein Blick in die syllogismen des Markos zeigt, nicht unrecht. durch die Art ihrer Existenz: Zeugung und Hervorgang. Dafür beruft er
Es war eine endlose Kette längst abgedroschener Gedankengänge, die sich sich auf Gregor von Nazianz, der vom Hl. Geist sage: Er gehe aus vom
müde schleppend durch dîe ganze Literatur dieser byzantinischen Polemiker Vater, aber nicht nach Art des Sohnes, nänlich nicht durch Zeugung,
binzogen und auch schon in Florenz ieden, der die Frage in ihren Kern- sonderu durch Hervorgang.a Die Unterscheidung des Thomas von Aquin
punkten erfaßt hatte, nur gelangweilt hatten. Markos war hier sogar auf kenne keiner der Väter. Johannes Damaskenos uncl Gregor von Nyssa
den merkwürdigen Einfalt gekommen, sein Dogma an der Hand geome- unterscheiden nur nach Ursacbe und Verursachtent.
trischer Figuren beweisen zu wollen.l Wissenswert ist, was ihm sein unbekannter Gegner im ersten Teil
Bessarion dachte deswegen daran, es mit einem einzigen- grund- darauf erwidert. Es fallt ihm gar nicht ein, den Aquinaten in Schutz zu
legenden Kapitel bewenden zu lassen, dentl etwas Neues, sagt er, wisse nehmen. Es handle sich gnr nicht drrun, ihn zu retten; denn die La-
er doch nicht zu sagen.t Aber Gregorios drängte von neuem auf Fort- teiner überschätzen ihn nicht. Sie hrben noch andere Lehrer gemeint
setzung. So ging er, aber g nz gegen seinen Willen, auch an die Beant- sind die Skotisten die hier von Thomas abweichen und- den ver-
-,
schiedenartigen Hervorgang von Sohn und Hl. Geist als genügende Unter-
wortung der übrigen Kapitel, ohne sich selbst davon viel zu versprechen.s
Der Inhalt von Markos' Kampfschrilt wie seiner Gegenschrift ist scheidung betrachten. Inr übrigen sei aber auch Thomas ganz brauchbar.
nicht einfach zu beschreiben. Vielen Genuß bietet die Lektüre dieser Markos werde ia auch nicht alles von Kabasilas verteidigen wollen. Darüber
Capita syllogistica für den modernen Leser, auch für den theologisch ge- habe ja Kydones zur Genüge schon gehantlelt.s
schulten keinesfalls. Um seine alten, mit Starrsinn verfpchtenen Ansichten Mancber Gedanke kehrt bei Markos des öfteren unter verschiedenem
von neuem zu rechtfertigen, erhob Markos nochmals die alten Fragen: Gesichtspunkt wieder. Eine einheitliche Disposition vernreidet er. Jedes
Kann der Sohn zu gleicher Zeit Ursache und verursacht sein? Ist die Ver- Kapitel ist in sich vollständig. Die Folge davon ist, daß uns heute in
ursacbung des Hl. Geistes nicht eine unmitteilbare Eigenschaft des Vatersl den Handschriften zuweilen eine abweichende Anordnung der einzelnen
Kapitel begegnet.6
I

S. Mig ne, P, gr, t6t, z,


238 4. Bessarions theologische Schrifteu. Gegen die Syllogistischen Kapitel des Markös von Ephesos. 23 I
Markos' Gegner waren freilich im wesentlichen auf den von ihm gemeinsam ist, und anderseits daß sie mit der göttlichen Wesenheit selbst
gegebenen Stoff angewiesen. Der Verfasser des r. Teils der Gegenscbrift innerlich zusammenhängt. Alles weitere ist unnütze Rederei. Die bau-
bringt auch nicht viel Neues, nur d:rß er mit seinen tüfteligen und kniffe- chende Kraft ist der Zahl nach ein und dieselbe in Vater und Sohn. Des-
ligen Widerlegungsversuchen noch breiter und ungenießbarer wird. In der rilegen ist seine Anklage wegen einer Dualität der Prinzipien absurcl.
'Wege zu Markos könne eben nicht unterscheiden zwischen der zeugenden Fahigkeit
Hauptsacbe sucht er den Ephesier auf dialektischem entkräften.
Aussprüche der Väter sind spärlich verwendet. Seine spekulative Betrach- von Vater und Mutter im irdischen Leben und der hauchenden Kraft von
tungsweise ist aber oft nicht so durchsichtig als die Darstellung des Markos, Vater und Sohn in der Gottheit. Er wisse vielleicht bei seinen Ausfällen
der einfach und faßlich zu schreiben weiß und seine Angriffe weit packender gar niclrt, daß er sich gegen Augustinus erhebt; dieser habe nämlich zuerst
als jener formuliert. Anderes ist dagegen wieder verständlich und an- diese Antithese aufgestellt und in der besprochenen Weise gelöst. Das
schaulich.l nur gegen diesen einen Einwand.l
Charakteristisch für Markos Eugenikos wie für seine Widerlegung Alles übrige denkt er aber viel einfacher zu lösen, indem er drei
ist diese stete Wiederholung der alten Streitsätze und Beweisgründe, in Kanones aufstellt, die nichts anderes enthalten als die klaren Begründungen
<Jer nran seit Jahrhunderten nicht müde wurde. Jene Zeit glaubte durch und Begriffsbestinrmungen eines kurzgedrängten Abrisses der Trinitatslehre.
dieses rein verstandesmäßige Zergliedern gewisser Sätze und Stichworte Dadurch müssen alle seine Gegeneinwände von selbst als nichtig zusalrmen-
endlich docb ans Ziel zu kommen, erinnerte sich dabei aber nicht, daß fallen.t
das Nichtverstehenwollen und Nichtverstandenwerden seine ganz anderen Bessarions Arbeit hätte hiêr als erledigt gelten können. Aber Gre-
Wurzeln hatte. Letzten Endes war es bei den unverfälschten Byzantinern gorios Mammas drängte auf Vollständigkeit. Bessarion behandelte deswegen
nur glühende Leidenschaft und alteingefressener Haß, der diese gedanken- auch die übrigen Kapitel des Ephesiers. In der Tat war alles alt und oft
reichen Äußerungen über die verborgenen Tiefen der Gottheit zutage för- behandelt. So quält er sich nochmals ab mit der Bedeutung von 3z und
derte. Diese Arbeit war nicht mehr rein theologische Spekulation, sondern td, pruft nochmals die Frage der zwei Prinzipien und das Urteil der
einseitige Polemik. Ihre vertreter boten nicht Ruhe und Befreiung der Väter, verteidigt sich gegen den Vorwurf des Sabellianismus, um schließlich
Seele, sondern Spannung und Fesselung. Die lateinischen Theologen zu dem Schluß zu kommen, daß Demetrios Kydones mit seinen Arbeiten
beschäftigten sich lange nicht in dcm Maße mit dieser Frage und, wie gegen Barlaam und Neilos Kabasilas bereits alles widerlegt habe. Markos
Bessariou sagt, auch nicht mit diesem leidenscha{ilichen Eifer. Bei ihnen habe doch nur jene beiden ausgeschrieben. Er behandelte ihn schließlich
zeige sich, neitrt er, eine wohltuende Ruhe und vor allem ein festes Ver- auch nicht mehr als einen ernstdenkenden Merrschen, sondern weist seine
trauen auf die Wahrheit der eigenen Sache. Deswegen finde sich auch Beweisfúhrung mit sarkastischen Worten ab.8 Tatsächlich war es auch nicht
bei ihnen in diesen Dingen weit mehr ein abgeklärtes Urteil als bei ihren mehr viel der Mtihe wert, sich weiter mit diesen Argumenten herum-
Gegnern.2 zuschlagen, die eher schon an ein krankhaftes Gemüt erinnerten. Jene
Bessarion schlug daher ursPrünglich einen ganz richtigen Weg ein, ernste Logik, die Markos Eugenikos noch auf dem Konzil geübt, jene
wenn er bei seiner ersten Widerlegung, die alles erledigen sollte, mit interessanten Gedankengänge, die damals den L,ateinern zu schaffen gaben,
jene Fülle echter, Íiberzeugter Denkarbeit wal bei ihm geschwunden. Hier
einigen gruntllegenden Sätzen die innere Hohlheit und Haltlosigkeit tler
Gedankenginge seines alten Widersachers aufzudecken suchte. Ja uicht lag nur noch das Werk eines gebrochenen Mannes vor, der mit Eifer
Vielerlei und keine neuen Klügeleien, denn die Rede der Wahrheit ist noch verteidigen wollte, was nicht mehr zu halten war. Es war der Zer-
einfach und verlangt keine neuen Beweise! Das verheißt er als seinen fall von Mrrkos' Theologie.
Grundsatz.s Es macht sich bei ihm auch sofort seine alte Kunst geltenrl, In Wirklichkeit handelte es sich bei der griechischen Auffassungsweise
klar und lichtvolt und in einem munteren Ton über diese schwierigen doch nur um ein Stück zurückgebliebene Theologie. Das lateinische Dogn:a
Probleme seine Meinung darzulegen. AIs das wichtigste von Markos'Auf- von der Trinität batte sich folgerichtig weiterentwickelt und die völlige
stellungen erscheint ihm dcssen Vorwurf, daß die lateinische Lehre zwei Homousie der drei Hypostasen zum Ausdruck gebracht. Die Griechen
Prinzipien in der Gottheit annehme. Aber es ist zur Genüge schon früher 1 P. gr, 16r, t41-r52,
g.r*gi worden, daß einerseits die haucl:ende Kraft dem Vater und Sohn t Migne,
Migne, P. gr. 16r, 15z-165. - Dieser Abschnitt, als Bru
scheint den Anlaß zur Annahme gegeben zu haben, daß Bessarion eine
I Vgl. Migne, P. gt. t6r , t t2-tzo. >De Trinitate< schrieb. S. Fabricius-Harles, Bibliotheca graeca
I Migne, P. gr. I6t, r4o A B. Fragment im Cod. Marc. sr. 527. Ygl. oben S. 2tj n, 2.
3 ¡ Vgl. Migne, P, gt. 16r, tz9C,
Migne, P. gr. IóI, r4r B.
240 4. Bessarions theologische Schriften. Das Rundschreiben an die Griecben. 24L

hatten in ihrem Denken noch einen streng monarchianischen Zug, inso[ern auf Kreta, auf Euboea und in ltalien gab es noch genug Griechen, die
sie den Vater ausschließlich als die personbildende Monas betrachteten. Durch dem Neuern¿nnten zujubelten und mit der römischen Kirche sich çins
den Ausgang des Hl. Geistes vom Vater und yom Sohn schien ihnen die wußten.1 An sie, die Bischöfe, die Klostervorsteher, Priester, Mönche
Einheit ln der Gottheit gestört; bei den Lateinern wurde die Trinit¿tt und Laien, an alle, die dcm Patriarchat von Konstantinopel unterstanden,
dadurch erst richtig konstituiert. Darin liegt die dogmengeschichtliche richtete sich sein Rundschreiben, das er em 27. Mai 14$ in den Bädern
Bedeutung dieser Auseinandersetzungen. zu Viterbo niederschrieb. Es war ein Hirtenschreiben, abgefaßt in volks-
tümlichem Ton zur Verteidigung der Union und zur Rechtfertigung seiner
f. Das Rundechreiben ¡n dle Griechen. eigenen Person.
'E*øroLì¡ xø$oLuí¡.r Er erinnert seine Landsleute an die glorreiche Geschichte des alten
Rhomäer-Reiches. Wenn mit der Zei¡, alles anders kam und heute das
Bessarion war im Jahre t463 von Pius II. zum Patriarchen von Kon- Volk unter der Herrschaft der Barbaren schmachtet, so trägt einzig die
stantinopel erntnnt worden. Es handelte sich bei dieser Ernennung um Trennung von der Kirche des Abendlanrles daran die Schuld. Einzelne
kaum viel mehr als um einen Titularpatriarchen, wie auch schon bei verwegene Menschen, die nach Macht und Alleinberrschaft geizten, haben
seinern Vorgänger, dem Kardinal lsidor;2 denn seit die Ttirken Konstanti- sich ehedem losgerissen. Um diese Wunden zu heilen, wurde jene Synode
nopel in ihier Hand hatten und der vom Sultau begünstigte Lateinerfeind zu Florenz gefeiert. Ihre Satzungen Ânzunehmen, ist Pficht eines jeden
Gennadios (t+sl-sÐ die Kirche von Byzanz regierte, war die union Glaubigen. W:rs dort geschah, lant sich rechtfertigen. Das Dogma wurde
vou Florenz in die Brüche gegatrgeu. Aber auf den griechischen Inseln, dort eingehend untersucht, bis bei allen der eine Gedanke siegte, daß
I Handschriften: Vater und Sol¡n nur ein einziges Prinzip des Hl. Geistes seien, und daß
der Hl. Geist aus beiden wie aus einem Hauchenden hervorgehe. Daftir
sprachen die Veter des Morgen- und Abendlandes. >rNicht sorglos sah
ich dabei zu. Was babe ich darüber bis in die Nacht gesonnen, wieviel
innere Unruhe trug ich deswegen mit mir herum! Aber ich wich der
Wahrheit.< >Denn fern sei es, daß eine aufrichtige, eine christlich ge-
sinnte Seele vor der geoffenbarten Wahrheit das Auge verschlösse!<2
Kurz und faßlich begriindet er dann das Filioque.s Man sieht auch
hier in seinem Rundschreiben den geübten Theologen, der sich an Ge-
nauigkeit nichts vergibt. Auch den Einwänden schenkt er Beachtung. Es
ist eine ktrze Zasammenfassung dessen, was er früher in ganz gelehrter
Weise gehort und vorgetragen hatte. Man sieht aber auch, daß in der
morgenländischen Kirche wie schon zur Zeit eines Gregor von Nazianz
in weiten Volkskreisen ein reger Sinn ftir diese dogmatischen Fragen
bestand.
Bessarion mahnte alle, sich der römischen Kirche anzuschließen, wie
er es getan habe. Oder wolle man seinen Übertritt nicht ernst nehmen?
a. Venedig, Cod. Marc, lal. r'rt3. Nicht aus Unwissenheit und nicht aus Ebrgeiz habe er gehandelt. Von
b. Venedig, Cod. Marc. lat. r14
c. Vene dig Cod. Marc. lat. Jugend auF habe er gerade über das Dogma schon viel studiert. Und
d. Ront, Co d. Vat. ,526 råí.5 ì - 9" und fol. g2-toz. Ehrgeiz ! Die Vergänglichkeit aller irdischen Ehren habe er schon längst
e. Rom, Cod. Vat. I ^t,
at. 40)7 fol 48-52Y.
t erkannt. Und wenn ihn wirklich der Ehrgeiz getrieben hatte? Habe ihm
f, Rom Cod. Ottobon. lat t754 lol. z15v-z4z und fol. )84- jgt
Flor enz, Laur. lat. Plut.5 4 Cod. z fol, t35-I 48. denn nicht ohnedies schon in der Heimat eine glänzende Laufbahn offen-
h. M a ilan d, Cod. Ambr. lat. R. 4. Sup. 1ol. 165 -r82. gestanden? Was brauchte er sich erst an die Fremde zu wenden? Noch
Dru ck ausg ab en:
o o€t P, gr,
a. Mi Þ t6r, und Bessarions Übersetzun g 48r-49o.
b. P A rcudius, aurea. Romae ró7o, p.
- )27 sqq.
r Noiret, Lettres iné,lites de Michel Apostolis, p, 72.
zPi i II. p. too. Raynaldi annales ecclésiasiici ad annum 1463 2 Migne, P. gr. 16r, 452-456,
n, 58-7o. t Migne, P. gr. 16r,456Í.
llohler, Kardlnal Be¡sarion, f, l6
Y_

242 4, Bessarions tlieologische Schtiften. Das Rundschreiben an die Griechen. Über die Konsekrationsworte. 243

nicht z4 Jahre alt, haben ihn in Konstantinopel die Fürsten geehrt, bei g, Über dle Eucharlstle und dle Konsekretlonsworte.
den Kaisern habe er in Ansehen gestanden und einen der ersten Plätze
innegehabt; in Rom sei er nur einer von vielen.l flcg| roõ tfig itgí|ç eúgagøtelag paor4giou, aco,l tíg xotg ioú Kugioa
Den römischen Pontilex müsse man als Oberhirten in der Kirche Qripau ¡rá7øza ¡eX¡¿oútai zo æal ieqoaqyúzat.L
und als Haupt der Christenheit anerkennen. Denn wo kein Führer, da Wenn sich in den bisherigen Schrilten Bessarions immer noch der
keine Ordnung, und wo keine Ordnung, da Auflösung und Zerfal, sag,e große Hintergrund der leidenschaftlich miteinander ringenden Theologen-
schon Gregor von Nazianz. Einen Herrscher und einen König verlange parteien von Byzanz spiegelte, derart, daß Bessarion recht tätig in diesen
schon -- der alte Homer. Christus selbst habe für das staatliche Gemein- Kampf miteingriff und es bei seinem sonst so zurückhaltenden Tempera-
wesen der Monarchie gegenüber jeder anderen Regierungsform den Vorzug n'rent an einer munteren Kampfesweise bisweilen gar nicht fehlen ließ,
Hu- so tritt uns in seiner Schrift tiber die Eucharistie eine ganz andere, viel
gegeben, und
- hier zeigt sich wieder der im Altertum schwelgende
einer der Alten, Platon, habe nur einen, den Tüchtigsten, abgeklärtere Natur entgegen. Seine früheren Arbeiten sind
manist
-
ftir die Ausübung der Regierung vorgeschlagen. Für seine Kirche habe
- das Schreiben
an Alexios Laskaris und die dogmatische Rede vielleicht ausgenommen
Christus den Petrus als Grundfelsen bezeichnet und ihm die Hirtensorge bei allem aufbauenden Charakter in der Hauptsache doch Kampfschriften; -
sowie das Gebet für die Briïder auferlegt.z in der vorliegenden Schrift macht sich das nicht mehr geltend, trotzdem
Zum geschichtlichen Nachweis der päpstlichen Vorrechte gegenüber sie eine Spitze gegen Markos Eugenikos besitzt.z In ihrer äußeren Gestalt
den Patriarchen bringt Bcssarion einige Beispiele tus der Geschichte der rnacht dieses Werk aber einen weniger fertigen Eindruck. Es fehlt der
rönischen Kirche und ihrer Päpste. Alles ist uicht ganz genau, was er streng systematische Aufbau des Stoffes noch mehr als in dem Schreiben
sagt; vor allem dort, wo es sich um den Patriarchat von Konstantinopel an Laskaris. Vielleicht war das gerade eine der weniger starken Seiten
handelt. Wie Bessarion nteint, war der Rang dieses Patriarchen, den die seines Könnens.
Synode von Chalkedon gegenüber dem Alexandriner geschaffen hatte, Zum besonderen Thema stellte sich Bessarion die Frage, worin der
durch Papst Leo bestätigt worden. In wirklichkeit lagen die Dinge anders. Konsekrations¿rkt bei der Messe zu suchen sei, in der Epiklese der grie-
Konstantinopcl hatte sich zu Chalkedon nach Abreise der päpstlichen Le-
gaten seine Vorrechte erzwttngen'8 l Handschriften;
Voll beweisend für den päpstlichen PLimat sind die Eingrifie rönrischer a. Venedig, Cod. Marc. gr.527 fol, ro6-r4zv,
b. Rom, Bibl. Vallicellana Cod, gr. 5o [C. r 36].
Päpste in rein byzantinische Angelegenheiten. So, wenn Innozenz den c, Es curial.
Kaiser Arkadios und Eudoxia exkomt¡unizierte;a oder wenn ein Papst den d. Oxford. Bibl. Ilodl. Cod Barocc. go.
e. Oxford, Bibl. Colleg. novi Cod. 135.
Photios absetzte und den vertriebenen Ignatios rvieder eiuführte.6 Mit f, Oxford, Cod, Thom. Gale ¡zr.
welchem Recht h¿itte er das gekonnt, fragt Bessarion, wenn er nicht Ge- g, Moskau, Cod. synod. 194 n. 18.
h. Wien, Cod. caes. gr. 257 fol, 77-tr9.
walt über alle gehabt hätte? i. Jerusalem, ITatptapTeíoy Cod. i.¡ r foí. 475-486v.
,rDas alles erwäget! Leget ab iedes nichtige Vorurteil, allen un-
gerechten Haß uDd jede falsche Meinung über die Lateiner! Erfasset die
ìautere Wahrheit des Glaubens im Sinne der katholischen und römischen
Kirche !< So schließt Bessarion sein Htrtenschreiben, das er als öku-
menischer Patriarch zeichnete und mit dem Kardinalswappen untersiegelte.

l Migne , P.gr. 16r,46o-464^,


'9Migne
3
, P. gr. 16r, 464-468.
Andere Ûnriéhtiekeiieá b'eruiten teils auIungenauer Úberlief'erung des griechisc l:en
Textes, was sc hon P. Ãrcudius feststellte (s. Mlgne, P' gr' I6r, 4ó8 B betrefls der
Päpste Cölestin und Leo), anderc sind Verwechslungen von Nnnlen. Vgl. lc 477 B
I Migne , P. gr. t6r, 471-477.
6 Migne , P. gr. t6r, 478.
d. Lugduni ró77.
e, M-agna Bibliotheca Veterum Patrum graeco-latina Parisieosis. Tom. VI.
467 sqq.
¿ Markos_Eugenikos wird in der Schrift mit Nanren erwäbnt, Das gegen
Krumbacher, Gescñ. d. byz, Lit. p. rr8.
l6*
-7

2L4 4. Bessarions theologische Schriften. Über die Eucharistie und die Konsekrationsworte. 241)

chischen Liturgie oder in den Einsetzungsworten, wie es die Lateiner rücken dürfen, da in derselben überschrift seines neuen patriarchats (seit
verlangten. Als Einleitung schickte er dem Ganzen eine allgenreine Er- t463) ntt besonderem Nachdruck gedacht wird.1
örterung über das Altarssakrament voraus. Gegenüber den früher behan- Die Anregung für lìessarion gab eine scbrift des Markos Eugenikos,
delten Fragen verlangte der neue Gegenstand ein erneutes Studium der der es wie überall als seine Aufgabe betrachtete, den streng byzantinischen
Väter, dieses Mal auch der lateinischen wie eines An:brosius 'und Augu- Standpunkt durchzukämpfen. Fraglich erscheint es mir nur, ob diese
stinus, und dann auch eine Untersuchung der alten Liturgien. Was er Schrift mit jener kleinen Abhandlung identiscb ist, die bei Migue abgedruckt
zutage förderte, war eine dogmatische Darlegung, die sich auf überwiegend ist.2 In manchen Punkten spielt nänrlich Bessarion auf Außerungen an,
positiver Grundlage aufbaute, ohne jene spekuìativcn Gedankengänge seiner die sich hier nicht finden. Doch ist es denkbar, daß Bessarion nur die
früheren Schriften. weiteren Folgerungen aus Markos' Aufstellungen treffen will.
Bekannt v/ar diese Schrift bisher nur nach einer lateinischen Über- Markos fußte, wie Bessarion erwähnt, auch in diesen Dingen auf
setzung, die Migne nach einem älteren Dmck wiedergibt' Ich kann sie der Hauptquelle seiner theologischen Anschauungsweise, auf Kabasilas.B
im III. Band vorliegender Arbeit im griechischen Original ntitteilen, Iu seiner Ausführung stützte er sich mit nicht u'enig überzeugungskraft
das ich dem bisher unbeachteten Venezianer Cod. Marc. gt. 527 e¡tnehme' auf die alten Liturgien, die sarut und sonders auch nach den Einsetzungs-
Diese Handschrift, die offenbar nit Bessarions Bibliothek nach Venedig worten die Opfergaben noch als Brot und Wein bezeichnen, während sie
kam, zeigt noch den Vorzug, daß sie Bessarions eigenes Handexemplar in einer Epiklese den Hl. Geist zur verwandlung der dargebrachten Gaben
gewesen ist. Sie stellt eine Sammlung verschiedener Schriften von ihm herabrufen. So die Klern ens- und Jakobusliturgie, deren Wortlaut
dar, die er hier in ähnlicher Weise zusamntenstellte wie in Cod. Marc. gr. und Auffassung sich Basileios und Chrysostomos in ihren Liturgien
533 seine Jugendschriften.t Ausstattung und Schriftzüge sind hier keines- rückhaltlos ,nr.hlorr.n.a Warum soìl denn auch die Epiklese des Priesters
wegs erstklassig, so daß ich vermute, wir haben es hier mit einer ersten ohne wirksame Bedeutung sein, fragt Markos, wenn der Hl. Geist doch
Abschrift nach Bessarions Konzept zu tun. Zudem finden sich am Rande auch bei der Taule aul dic menschlichen Worte hin Heiligung und Gnade
noch einzelne Nachträge und Verbesserungen, die in dcn Zusammenhang verleiht? Die anders geartete lateinische Praxis sei offerrbar falsch, denn
gehören und in den übrigen Abschriften sowie in der lateinischen Uber- sie widerspreche der gesarnten Überlieferung der alten Liturgien und
setzung unverändert Aufnahme in den Kontext gefunden haben. Vy'ie ein der Väter.
Vergleich mit anderen Handschriftetr Bessarions zeigt, stttnmen sie un- Gegen diese Auffassung ricbtet sicb Bessarion. Von den Worten,
streitig von seiner eigenen Hand. Sonit lage in gettattntem Kodex der die die Konsekration bewirken, vcrlrngt er größtmögliche Sicherheit, und
authentische Text vor. zwar im Hínblick auf das große Mysteriurn der Eucharistie und die Heils-
Die Abfassungszeit der Schrift l¿ßt sich aus mehreren Urnständen gervißheit. Menschliche Worte seien dazu nicht imstande, weil es eben
einigermaßen erschließen. Schon der ruhige Ton verweist auf Bessarions Gebete sintJ, die wie jede andere Bitte von der persönlichen Heiligkeit des
alte Tage. Bedeutsam ist es, daß diese Schrift nicht unter denen war, vollziehenden Priesters abhängen. Dazu besage die Epiklese, weil bitt-
die Bessarion im Jahre 1464 Paul II. baltt nach dessen Regierungsautritt weise vorgetragen, noch keine Gewalt, sondern flehe erst um Gewalt.
ùberreichte. Und doch hätte sicb, da Bessarion alles Brauchbare für seine Rein äußcrlich betrachtet, weichen ihre F'assungen schon in den alten
Iiterarische Gabe zusammensuchte, kaum etwas Passenderes finden lassen, Liturgien voneinander ab, u'as nicht stltthaft sein dtirfe, weil die Form
zumal seine Familiaren, die hier bestimmend mitgewirkt hatten, seine in so wichtiger Sache unwandelber sein müsse. Bei den Einsetzungs-
Schriften vorher gelesen hatten.2 Diese Lùcke wird erklärt, wenn Bessarion worten des Herrn lassen sich derartige Nachteile nicht feststellen; denn
diese Arbeit irn Jahre r464 noch nicht geschrieben hatte. Und doch muß von Matthäus, Markus, Lul<as und Paulus in ein und derselben Form
er sie bis spätestens 1468 verfaßt haben. Das ergibt sich aus der Über- überliefert, besitzen sie die höchste Autorität des Herrn selber, ohne bei
schrift seines Handexemplars, das ihn noch als Kardinalbischof von Tus-
culum nennt. Diese Würde bekleidete Bessarion bis 1468; seit I4. Ok- r-Cod. lf,arc. g.t. j27 fol, ro6 .,. yúy óè ïti¡t çti:1,trt narçttíç7oa l{onotau-
'rtvounol.¿eg lrØpnç ytagr,,,
tober dieses Jahres war er wieder Kardinalbischof von Sabina. In dem
genannten Zeitraum wird man aber eher nach oben als nach unten ab-

r Vgl. oben S. 5 t f,
¡ S. den Brief an Paul IL bei Migne, P. gr. 16r, yg.
Y-

246 4, Bessarions theologische Schriften' Über die Eucharistie und die Konsekrationsworte. 247

ihrer Aussprache von sündhafter Gebrechlichkeit menschlicher Personen als das Wesentliche betrachtet.l Ähnlich auch der Damaszener. Markos
abhängig zu sein.1 hatte, wie immer, auch da seine Ausflüchte, während Bessarion bei ihrn
einen vollen Beweis für seine Meinung fand. Beweisend war für Bessarion
Ferner kann Bessarion alle menschlichenWorte nicht genügend finden,
auclr der Ritus, den Paulus bei seineru Bericht I. Kor. rr,23-26 vorAugen
weil nrit der Epiklese niemals gesagt werde, in welchem Augenblick das
hatte.2 Selbst die griechische Liturgie sprach fur ihn trotz ihrer Epiklese.
Sakrameut zustandekomme. Und doch sei das notwendig. Bei den Worten
Denn der Diakon deute bei den Einsetzungsrvorten mit den Fingern auf
des Herrn dagegen sei das gegeben. Bei ihnen komne die sich eben im
Brot und Kelch, gleichsam uru die Gegenwart Christi und die vollzogene
Augenblick vóliriehende Handlung, die Wandlung der Opferg.aben zu den
Konsekration zu bestätigen.3
koÃekrierten Gestalten, klar zum Ausdruck. Das klar und deutlich spre-
chende Präsens in den Einsetzungsworten könne durch kein Perfekt, keinen
In der Beurteilung der alten Liturgien hatte Besslrion votl eitler
historisch kritischen Erklärungsweise freilich keine Ahnung. Um die Epi-
Imperativ oder Optativ oder irgendein antleres Wort einer Epiklese ersetzt
klese zu erklären, machte er geltend, daß die Väter in ihren Liturgien nur
weìden; denn nur hier werde ausgesprochen, was vorher nicht vorhanden
den Eifer des Priesters, seine Ergriffenheit und Furcht zum Ausdruck
war und nunmehr vorhanden ist.z
bringen wollten.a Er beobachtete aber auch, daß in den Liturgien von
Damit aber die Worte des Herrn wirksam werden, sei erforderlich Chrysostouros und Basileios sich schon vor den Einsetzungsworten eine
ein gültig geweihter Priester; dann dessen wirklichg Absicht, die wandlung Epiklese fand, die der nachfolgenden nach Inhalt und Form durcbaus ent-
*llri.h.n, sowie die passenden Opfergaben, näntlich Brot aus Weizen sprechend war. Wozu aber noch eine zweite Anrufung, wenn die erste
"o
und Wein vom Weinstock. Alles andere wie Kleidung, Altar, Gebete und schon wirksam ist? Und woher die Wirksarnkeit der zweiten, wenn die
somit auch alles, was jene alten Liturgien dazugeben, sei nebensächlich.a
erste unwirksam istls
Auch das richtete sich gegen Markos Eugenikos, der wie von der Epiklese,
Markos Eugenikos hatte festgestellt, daß in den alten Liturgien auch
so auch vom Altar die Verwandlung abhängig machte.a
nach den Einsetzungsworten die Opfergaben noch Brot und Wein genannt
Die Lehre der Väter war auch in dieser sache zwiespältig; zum werden. Derngegenüber bedeutet es nicht viel, wenn Bessarion die Stelle
nindesten ließ sie Raum ftir eine mehrfache Ausdeutung offen. Ambrosius bei Joh. 6, 5o -56 heranzieht, weil sich dort der Herr selbst als das vom
und Augustinus im Abendland boten keine Schwierigkeiten; sie sprachen Himmel herabgekommene Brot bezeichne.6 Wenn aber Johannes Da-
für Bessarions Ansicht.s Aber die Väter der griechischen Kirche wâren maskenos die Opfergaben ¿ruch nlch den Einsetzungsworten Vorbilder des
nicht klar. Man kann deswegen die ablehnende Haltung der byzarrtinischen Leibes und Blutes Christi nenne, so sei das im mystischen Sinne zu ver-
stehen, insofern die Eucharistie auch Vorbild des mystischen Leibes Christi
sei, an dem die Glaubigen teilnehmen. Beide Male erscheint seine Aus-
kunlt gektinstelt. Doch laßt Bessarion noch die Möglichkeit offen, daß
der Damaszener sich hier nicht ganz riclrtig ausdrückte.7 Ähnliche un-
ietzt nur Christus die Verwandiung bewirke;7 aber die strengen Byzantiner
'balfen klarheiten bot Dionysios Areopagites, ohne daß iedoch Bessarion viel zu
sich: Woh[ verwandle Christus tuch noch heute, aber durch die seinern Verständnis beitragen konnte. Daß es bei aller guten Erklärung
Worte und Gebete des Priesters' doch noch mnncherlei dunkle Punkte in den Ausführungen der Väter gebe,
Indessen, so ist Chrysostomos nicht zu verstehen, erklärt Bessarion; räumt er selber ein.8
denn er sagt hier nichts davon, daß die Verwandlung durch die Worte
des Priesters geschehe. Gewiß hätte iener Lel:rer auch das noch erwähnt, 1 Bessarion, Konsekrationsworte c, 25. 28,
z Bessarion, Konsekrationsworte c. 2J.
wenn er es filr nötig erachtet hätte;8 doch hat sich Chrysostomos an 3 B essarion, I(on;ekrationsworte c.
r-36
andercr Stelle genauer ausgesPfochen und wirklich die Einsetzungsworte { Bqssarion, Konsekraliousworte c.38.
6 B essa ri on, I(onsekrationsworte c.J9. 40.
o B essarion, Konsekrttionsworte c.4).
I IlI. Band, llessarion >Über die Konsekrationsworte( c' 14. 7 B essari on, I(onsekrationsworte c. 45.
2 Bessarion, Konsekrationsworte c. 16. EB c. 46-49
a essarion, Konsekrationsworte
Bessarion, Konsekrationsworte c. t9.
{ Migne, P, gr. róo, ¡o88 B.
õ Beisarion, Konsekrationsworte c. 22'
6 Bessarion, Konsekrationsworle c' 2t.
? Bessárion, Konsekrationsworte c. 24.
I Bessarion, Konsekratiousworte c. 25.
_Y

Rom zur Zeit Bessarions, Seine Titelkirche, 249

soloras dem Kaiser Johannes Palaiologos erstattete,l mochte er auch nach


eigenen Worten in Konstantinopel Gewaltigeres und Schöneres gesehen
haben. Nicht wie die Erde, sondern wie ein Sttick des Himmels zeige
sich dieses Rom dem Besucher, sagt er voll überschwenglichkeit.2 Daß
sich auf Säulen und Statuen wiederholt Anzeichen griechischer Herkunft
fanden, war ihm besonders wichtig.s Auf allen Straßen findeu sich noch
lV. Bessarion als Kardinal der römischen Kirche. antike Bildnisse, darunter stets die besten griechischer Herkunft. Auch
die glanzenden Kirchen und clie Apostelgräber weiß er zu rühmen; aber
a. Von Eugen IV. bis Kalixt III.
nichts davon könne bis jetzt oder je in Zukunft mit dem Kuppelbau der
l. In Rom und Grott¡ferrata. Hagia Sophia in Konstantinopel wetteiferr.a So der Grieche über Rom.
Bessarion erhielt als Titelkirche die Zwölfapostelkirche. Dort sollte
Eugen IV. verließ im Sommer t443Flotenz für immer. Am z8' Sep- auch seine Wohnung sein. Aber alles war eng und verwahrlost. Obwohl
tember Èi.lt .r wieder in Rom seinen Einzug. Ehedem war er nit Bessarion keinen Hof hielt, stellte sich diese Behausung schon bald als
knapper Not auf einem Nachen der Revolution entftohen. Jetzt hatten völlig ungenügend heraus. Kaum daß er seine wenigen Familiaren unter-
sictr'die Verhältnisse geändert. Das Basler Konzil war in ein Nichts zer- bringen konnte. Aber nebenan in der danraligen Via Ergatica am Fuße
des Quirinals f:rnden sich Gebaulichkeiten, die zur Kirche S. Andrea ge-
hörten und Eigentum eines Nonnenlilosters waren, fünf kleine Häuser,
die sich samt und sonders in einem verlvahrlosten Zustand befanden.
Bessarion bewarb sich darum bei Eugen IV., und der Papst sprach ihnr
die Gebäude zu.5 Jetzt begann der griechische Kardinal zu bauen. Er
schuf sich eine Kurie, die ihm zeitlebens als Wohnung in Rom diente.
Kurie in Rom zu nehmeu. Auch weiter draußen an der Via S. Sebastiano in nächster Nähe von
Wie bot sich die Stadt seiDen Augen? Rom war eine Trümnerstätte. S. Cesareo baute sich Bessarion ein Haus zurn Sommeraulenthalt. In
Wohl war von antiken Überresten noch vieles mebr erhalten, als heute etwas verkommenem Zustand ist es heute noch zu sehen. Es birgt nur
zu sehen ist. Jedenfalls wird der Gesamteinclruck bedeutend malerischer einen Hauptraunr, der noch die Reste von Malereieu zeigt, Figurerì von
gewesen sein; denn das meiste befand sich noch an Ort und Stelle, und Heiligen, die an die griechische Heinat des Besitze-s erinnern. Nach den:
ilìr, *r, von uraltem Pflanzenwuclls überwuchert. Poggio hat das Bild Garten zu öffnet sich eine luitige Loggia mit drei Bogen aul schlanken
danrals in farbenreicher Schilderung festgehalten.l Auch das mittelalter- Säulen, so daß sich der Blick tiber das Grün der Sträucher uach der nlhen
liche Rom zeigte starken Verfall. Vom Kapitol bis zum Lateran ging man Kirche richtet.
nur durch Trümmer. Der Laterrnpalast war unbewohnbar. Der Vati- Schon vordem giug Bessarions Sorge auf die Regelung des Chor-
kanische Palast war sehr verfallen. San Paolo fuori le mura war erst von dienstes an seiner Titelkirche. Ursprünglich konnten zwöll I(anoniker
Mrrtin V. notdtirftig wiederhergestellt worden, und bei der Peterskirche unterhalten werden. Daun hatten sich die Einnahmen verringert. Schon
mußte unter Nikolaus V. (r45 r) die Bauiilligkeit amtlich festgestellt werden.z Innozenz IV. hatte die Zahl der Kanonilcer um ein Drittel I r.rzen müssen.
S. Maria Maggiore und die dortige Papstwohnung waren noch in gutent
Jetzt war auch das nicht mehr möglich. Kriegerische Zeitt t und andere
Zustand. Es wnr eben noch Zeit, daß ein rörnischer Humanist wìe Fllvio Umstände hatten die Einktinfte noch mehr herabgedrückt. So war diese
Biondo in seiner ¡rRoma instaurata< (r++6) und seiner >Roml triumpl:ans< Kirche im Laufe der Zeit wirklich arm gewor<ìen. Auf die Vorstellungen
(t+SÐ seine archàologischen Aufzeichnungen machte.3 Trotz allem mußte des griechischen Kardinals hin setzte Eugen IV. die Zahl Oer Kanoniker
die Papststadt auch dent geborenen Griechen noch Bewunderung abringen.
Das beweist dic Schitderung, die niclrt ganz 5o Jahre früher Manuel Chry- I Manuel Chrvsoloras bei Georsii Codini et alterius cuiusdam anonvmi
Exccrpta de antiquitatíbus Constantinopolitinis, ed. Petrus Lambecius. Parisiis r655.
r peqgio Bracciolirri, Historiarum de varietate fortunae libri ^quatuor, ed' a p. to7-t26,
Dominicã'deárgio. Lutet.'Paris. r723 p. i sqq. Vgl. Reumont, Gèschichte der
2 L. c. ro8B. loqts. s L. c. loqD. t L. c, tzzD.
r Die Bulle Eugeis IV. vom 25. Rugûst 1446 bei Uandini L c. rz5-t27, auch
Stadt llonr III. r S. 3 ff. bei Migne,-_P. gr. rõr, C<-'1. LXX sã¡. Vg"l. eaiåotfi P., Roma nell' eíà di'íner"i'o,
¡ Pastor L., Geschichte der Päpste I. 5o7.
s Voigt G.,'Die Wiederbelebunj des clâssischen Àltertums lI. 5oz. 5o4' Ronra r882. lI, 24.
250 ¡. In Rom und Grottafe¡rata Bessarion an der Kurie. Latein und ltalienisch. 251

am 19. Februar 1444 avf nur vier fest.l Die neuen Statuten ftir sie gab Wichtiger will uns erscheinen, daß sich Bessarion als Grieche ietzt
Bessarion selber. Sie erfuhren darin ihre Verpflichtungen für Chor und mit denr Lateinischen befaßte. Wir haben darüber einige Nachrichten
Altar. Sie haben secbs Monate mindestens Residenz zu halten. Alle zwei eines alten Chronisten. I)anach begab sich Bessarion nach seiner Berufung
Monate haben sie eidlich über ihre Anwesenheit und Tätigkeit Bericht zum Kardinalat nach Padua, wo er im Palazzo Pisauro nahe bei S. Sopbia
zu erstatten. Am l. Januar wählen sie ihren Kämmerer, der genau Buch Wohnung nahm. Ein gewisser Johannes Selengil von Kreta, Kanoniker
zu lühren hat über ihre Anwesenheit irn Chor und die Verteilung der Ein- von S. Giorgio dell' Alga, sei sein Lehrer im Lateinischen und Italienischen
ktinfte. Offenbar bestanden vordem keine geordneten Zustände. Warum gewesen. Seine ersten Übungen habe er an einer alten Übersetzung des
sonst auf einmal diese Regeln? Aber die Einktinfte waren nicht hoch Aristoteles gemacht, die sich zu Padua vorfand, und die er kommentierte.
bemessen trotz der herabgesetzten Zahl der Kanoniker. Wer ein l:albes Letzteres fande wobl darin seine Bestätigung, daß sich Besslrion schon
Jahr seiner Residenzpflicht genügt, bestimmen die Statuten, soll 6 fl. er- ziemlich bald an eine eigene Übersetzung von Aristoteles' Metaphysik traute.
halten. Wer das ganze Jahr ununterbrochen anwesend ist, bekommt wei- Nur kann das Jahr r44o, ðas für Padua verlang,t wird, nicht stimmen; es
tere 6 fl. Auch Strafen für Versäumnisse sind vorgesehen, sowie ein mußte etwas später gewesen sein.1 Wir habcn aber noch weitere Nach-
Eintrittsgeld von 8 fl. lür neue Mitglieder des Kapitels. Auch die Lebens- richten. So bezeugt auch Ammanati, er habe ursprünglich kein Latein
weise der Chorherren erfehrt.ihre Vorschriften. Sie hören unter anderem, gekonnt; aber sobald er endgültig nrch Italien kam, habe er in ganzkwzer
was für Besuch ihnen gestattet ist. Außer Mutter, Schwester oder Tante Zeit Latein bis zur Vollkonimenheit gelernt und sicli auch die italienische
darf keine Frauensperson ihre Zimmer betreten. Ebenso kennen sie die Sprache aus praktischen Gründen zu eigen gemacht.2 Seine vorzüglichste
Vorschriften für die Kapläne ihres Kapitels, über deren Anstellung und Schulung war fiir die nächste Zeit offenbar sein Umgang mit den Huma-
Ausscheiden, ihre Verpflichtungen und ihre Bezüge.2 nisten und Klerikern an der römischen Kurie. So wurde er nach Lorenzo
Die Zwölfapostelkirche und was mit ihr zusammenhing, war Bessarions Vallas Urteil bald der beste Lateiner unter den Griechen.
Sorge. Die Pfarrkirchen in der Stadt, die ihr unterstellt waren, klagten Trotz allem blieb Bessarion in seinem äußeren Auftreten Grieche.
über lìtickgang ihrer Einnahmen. Der Unschwung der letzten Jahrzehnte Zeitgenössische Gemälde zeigen ihn wohl mit dem Kardinalshut, aber
trug die Schuld. Der Unterhalt ihrer Geistlichkeit war gefährdet. Bessarion inrrner im Habit der griechischen Basilianernlönche. Dazu trug er nach
trug die Angelegenheit dem Papst vor es war schon Nikolaus V. heimatlicher¡ Brauch den Bart.o In Ron erregte das wie llles, was Richt
-
und erwirkte die Aufhebung von drei Kaplaneien.s
- nach bestinmtem Muster zugeschnitten ist, allerlei Aufsehen. Nach dem
Die Tatigkeit des >griechischen Kardinals<, wie Bessarion bald ge- Tod Nikohus' V. soll ihur der Rart die Tiara gekostet haben. Gregor
nannt wurde, war, in der ersten Zeit wenigstens, durch die Angelegen-
heiten bestimmt, die zwischen Rom und Byzanz in der Schwebe waren. r Fapadopuli, Nicolai Comneni, Historia Gymn:rsii Patavini. Yeneläs 1726.
Wir haben davon in anderem Zusammenhang schon gesproclten.a Für
andere Fragen kam er vorläufig sicl:er nicht in Betracht. Daß er schon
in den ersten Tagen seines Aufenthaltes an der Kurie unter den Augen
des Papstes Santa Croce zu Florenz einweibte (r44"), besagt an sich
nicht viel; aber es war seine erste Funktion in seinem neuen Wirkungs-
kreis. Unr ihn zu ehren, unterstellte ihm drmals Eugen IV. auch die Kirche
des hl. Mammas bei Ravenna. Bessarion hat sie später unbekümrnert den
Franziskanern auf ihre Bitten tiberhssen.s
¡ Die Bulle abgedruckt bei B a n d i n i, De Bessarìonis Cardinalis Nicaeni vita
commentarius p. rl5-rr8. Auch bei Migne, P. gr. r6r, Col. LXI-LXtV. Das Datum
¡44j ist hier nàch der Florentiner Zählung angegeben. Auf r444 führtl. þontifcalus nostri
ønno XIIL
, Col. LXIV-
Eiurichtuugen
i, Excerpta de

qq'
¿ s. oben s. zo9 ff.
r Wadding L., Annales Minorum, Romae 1714-15, XL zz7,
252 ¡. In Rom und Grottaferrata. Geselliger Umgang. Lateinische Versuche. 253

Heimburg nannte ihn auf dem Reichstag zu Frankfurt wegen seines Bartes Trapezuntios war mit dem Kardinal zu dieser Zeit noch eng verbunden
einen Bock.1 und ein ständiger Gast seines gelehrten Kreises. Bessarion schrieb ihm
A.ls Ifurdinal einen großen Hof zu halten, wie es bald in Rom Brauch zu der Übersetzung sogar eine längere lateinische Einleitung,r die
wurde, war weder Bessarions Sache, noch entsprach es seinen Mitteln. sich an Eugen IV. richtete, dem die ganze Arbeit gewidmet war. Er er-
Seine Einnahmen, die ihm Eugen IV. von vornherein bewilligt batte, innerte ihn an das große werk der union und stattete ihn seinen Dank
waren geradezu kärglich für einen Kardinal. Eine Verbesserung trat für für alles bewiesene Wohlwollen ab. Weiter übersetzte Bessarion selber
ihn ein, als ihn Nikolaus V. zum Bischof von Sabina erhob. Das war rber eine kleine Homilie des Basileios auf das weihnachtsfest. Thomas
erst nach mehr als ftinf Jahren Aufenthalt in Rom. Seine Einfachheit wie von Sarzana, der nachmalige Nikolaus V., der ebenfalls in seinem Hause
seine Höflichkeit rühmt an ihm Cortesi. Er stellt ihn darin neben Ni- verkehrte, hatte ihn dazu veranlaßt. lhm widmete er auch diesen ersten
kolaus von Cr¡es, mit dem Bessarion eng befreundet war, und neben Kar- versuch einer lateinischen Leistung, die noch ziemlich schwerfällig aus-
dinal Torquemada.2 gefallen ist.2 vom theologischen Gebiet führte seine übersetzung von
Bei den außerordentlichen geistigen Anlågen Bessarions blieb es nicht xenophons Memorabilien des sokrates ab. vielleicht hatte er sich
Iange aus, daß sich ein gelelrrter Kreis in seinem Hause sanrmclte, die nur zur Übung seiner sprnchlichen Fertigkeiten darangemacht; aber das
sogenannte >Akademie Bessarions<. Die Anfänge reichen bis in die Werk konnte sich sehen lassen.s Die Hauptsache ist uns lìier, daß er es
Zeit unter Eugen lV. zurück. Bessarions Akademie entwickelte sich im Laufe Kardinal Cesarini gewidmet hat. Demnach muß diese Arbeit vor 1444
der Jahre zu höclrster Bltite; sie wurde eiu Stück Weltberühmtheit in den zustande gekommen sein.
humanistischen Kreisen. Manche Anregung ist von hier ausgegangen. Die Auch Bessarions Übersetzung von Aristoteles' Metaphysik urrd von
gefeiertsten l{umanisten verkehrten hier, ehrenvoll gewiß für Bessarion, Theophrastes hat in diesem Zusammenhang ihre besondere Bedeutung.
aber nicht ohne Anforderungen an seine geistige Größe. Hase urteilt Wie wir hören werden, reicht auch diese Arbeit in die Zeit Eugens zurück.
hier richtig, wenn er sagt: >Es setzt ein geselliges Talent unci eine Über- Vielleicht hing sie anfanglich auch mit seinen Lateinstudien zusarnmen, die,
legenheit wahrer Bildung voraus, die nicht bloß durch Gelehrs:rnkeit er- wie erwähnt, ebenfalls mit einer alten Aristoteles-Übersetzung begaunen.
langt werden kounte, daß Bessarion Männer wie Flavio Biondo, Filelfo, Jedenfalls hat Bessarion diese Arbeit dem König Alfons voo Neapel ge-
Poggio, Campano, Perotti, Dom. Calderino, Platina usvr. um sich versam- widmet, mit dem er in dieser früheren Zeit seines Kardinalats ruch son-
melte, die ihn nach klassischer Weise bei seinen Auszügen begleiteten und stige Verhandlungen zu pflegen hatte; und Nikolaus V., der Humanist,
in ihren Schriften mit merkwürdiger Verehrung von ihnl sprachen, so ab- hat seinen besonderen Anteil daran genommen. was die literarische Seite
weichend sicher die Meinungen einzelner von den seinigen waren.(3 dieses werkes betrifft, so haben wir in einem besonderen Abschnitt noch
Seiner schriftstellerischen Arbeiten, die die theologischen Streitfragen eingehend darüber zu handeln.a
betrafen und hauptsächlich in dieser ersten Zeit seines Aufenthaltes an der
Kurie entstanden sind, haben wir bereits gedacht. Sie hingen mit seiner Der Wirkungskreis Bessarions wurde erweitert, als ihn Eugen IV.
früheren Tatigkeit zusarnmen. Daneben tauchen aber schon andere schrift- zum Protektor der Basilianermönche von Grottaferrata ernannte. Hier
stellerische Versuche auf, die von der neuen Umgebuug ihre Anregung trafen mehrete günstige Umstände zusammen. Nicht nur, daß Bessarion
erhalten hatten, Es sind die ersten Grundiagen seiner humanistischen als Grieche und Basilian er g nz in seinem Element war, nicht nur, daß
Leistungen. Wir haben in vorliegendem Zusammenhang nur ein paar er jetzt in Italien ein stück seiner Heimat zurückerhielt; es war ilrnr mit
kleinere Arbeiten zu beachten, nämlich insofern diese sein Verhältnis zu
Papst Eugen IV. und den Zeitgenossen beleuchten. So war es Bessarion, t Handschriften:
der damals den Georgios Trapezuntios veranlaßte, das Buch des Basi-
leios an Aurphilochios >Gegen Eunomios< ins Lateinische zu überselzen.L
t Voigt G., Enea Silvio de'Piccolonrini als Papst Pius II. Berlín r8;6. L 37o.
He fele, Conciliengeschichte VlI. 824,
2 Cortesius P., De cardinalatu libri III ad Iulium ll. Pont. Max. In Castro Cor-
tesio r5ro. 45, 83.
u FIase bei Ersch u. Gruber, Encyklopädie Sekt. r, Bd. lX, S, zg7.
¡ Bessarions Brief an Georgios 'lraþez, überliefert in Florenz, Bibl, Laur.
l_at,
^Plut. r7, Cod. 1r foL ry6-r37. Gedruckt im III. Band (Ungedruckte Texte) ;
Briete n. ¡f. :
254 ¡. In Ronr und Grottaferrata. Grottaferrata. BesiliaoerLlöster in ltalien. 266

der Leitung des Ordens und der Pflege der Studien in weiteren Klöstern, hattc Ende des ro. Jahrhunderts Rossano am Golf von Tarent gegründet.
die ihm bald übertragen wurden, ein weites Feld ansprechender Betätigung Von hier aus hatte er dann im Jahre lro4 Grottaferrala ins Leben ge-
eröffnet; vor allem war ihm r¡it der Klosterbibliothek auch neue Anregnng rufen.l Die Beziehungen nach Stiditalien blieben ständig wach. Das zeigt
zu wissenschaftlichen und humanistischen Arbeiten gegeben. Mit dem da- vor allem die kostbare Bibliothek von Grottaferrata, die manche Hand-
naligen Abt des Klosters, Petrus Vitalis aus Kalabrien, scheint Bessarion schrift enthielt, die von deru Stammkloster oder anderen süditalienischen
schon seit dem Konzil zu Florenz in Beziehung gestanden zu haben. Finden griechischen Klöstern hierhin gervandert sind.2 Das Kloster hatte schon
seine eigenen Hymnendichter gehabt, allerdings nur Nachzügler der besseren
wir doch seinen Namen unter der Unionsurkunde.
Grottaferrata liegt weit draußen vor den Toren von Rom euf den byzantinischen Leistungen.s
Albanerbergen. Von der Terrasse vor dem Kloster sieht man über die Als Bessarion sein neues Amt antrat, fand er das Kloster in trau-
fruchtbaren Htigel, die Öl und Wein tragen. Dann weitet sich der Blick rigem Verfall. Auch Ambrogio Traversari, der schon im Jahre 433 in
über die römische campagna. In der Ferne ragt heute die alles beherr- Grottaferrata nach griechischen Handschriften gesucht hatte, schildert die
Zustände als trostlos. Die größte Verwüstung habe geherrscht, namentlich
schende Peterskuppel. Links blitzt ein glänzender Streifen, das Meer.
Hinter dem Beobachter zur Linken erhebt sich der baumlose Monte Cavo infolge längerer militärischer Einquartierung.a Der neue Protektor sucbte
mit dem Albanersee, rechts über den mäßigen Erhebungen geht es zu zu bessern, wo er konnte. Vielleicht noch auf jener Generalversamm'!ung
den spärlichen, moosübergrünten Resten des antiken Tusculum. Die alte der Basilianer in Rom (r++6), sicher noch unter Eugen IV., hat er ihnen
Basilianerabtei besteht noch heute, wenn auch Kirche und Klostergebaude
Anweisungen erteilt. In erster Linie betrafen sie die liturgische Feier.
gegen die Zeit Bessarions manche Veränderung erfahren haben. Um einen Der Einfluß von seiten des Papstes ist dabei offensichtlich. Die litur-
Hof mit sorgfaltig gehütetem Pflanzenwuchs spannen sich weite Säulen- gischen Gebräuche der Basilianer in ganz Italien wurden reformiert. La,-
hallen. Dahinter liegen mannigfache Gebeulichkeiten nebst der Kirche teinisches fand Aufnabme; vielleicht, um rliese griechischen Klöster, die
mit ìhrem vierkantigen Turm. Drinnen trägt alles griechisches Gepräge, von jeher schon zur römischen Kirche gehörten, von den Byzlntinern zu
scheiden; vielleicbt auch, um mit einer inneren Verscllmelzung von Orieut
das Gewand der Mönche, die Ikonostasis, der Bilderschmuck, der Gottes-
dienst. Noch werden einige griechische Handschriften von Bessarion ge- und Okzident den Anfang zu machen. Ein Rituale im Kloster des hl. Ba-
zeigt, luch der Meßkelch, den er 1465 dem Kloster geschenkt hat,1 ebenso silius zu Rom, das sich auf diese Veränderungen durch Eugen IV. und
Bessarion beruft, gibt näheren Aufschluß.ó Sie dtirfen das von den Gliu-
ein Bild, eine Kopie nach einem besseren Gemälde.z
Wanu Bessarion Protektor von Grottaferrâta wurde, läßt sich nicl)t bigen gebrachte Brot als Opferbrot verwenden. Haben sie solches nicht,
dann sollen sie, u'ie es in Apulien, Kalabrien und Sizilien in ihren Klöstern
geneu sagen. Jedenfalls leitete er im Jahre r446 in Rom eine Versamm-
lung, die die Vertreter sämtlicher Basilianerklöster Italiens vereinigte, also schon Brauch ist, die Hostie der Lateiner nehmen. Sie darf abe? aus
noch unter dem Pontifikat Eugens IV. Auch tndet sich sein Name als Gesäuertem bestehen.6 Auch die liturgischen Gewänder der Lateiner dürfen
Protektor in liturgischen Büchern des Klosters eingetragen, die damals in
Gebrauch waren.s Seine Erhebung zum Kommendatarabt erlolgte erst
unter Pius ll. am z8. August Í462.4 Im Laufe der ze\t waren es außer
Grottaferrata noch sechs Basilìanerklöster, die ihm unterstanden.s
Die Basilianerklöster in Italien waren schon alt. Sie standen unter-
einander von jeher in einem gewissen Zusatltuenhang. Der hl. Neilos

' Wegen der Meßgewànder, die Bessario:r t465 an Grottafe_rrata.stiftete,_ s-_Eb n e r,


Hisrorisches'aus liturgisZhen Handschriften ltaliens- im Hist. Jahrbuch XIII (t892)
c -.-
-' "
J.t/ ) ).
2 Zustand der Abtei vgl. Rocchi 4., La badia di S, Mrria di
über den heutigen

6 Möglicherweise handelt es sich hier um das bei Fabricius, Bibliotheca graeca


XI. 428 namhaft gemachte >Rundschreiben riber das ungesäuerte Brot<, Vgl, oben
S. 2t) n. 2.
2ó6 ¡. In Rom und Grottlferrâta. Bessarions Sorge fûr die Basilianerklöster. Pius II, in Grottaferrata. 267

sie benutzen. Anderseits sicherte ihnen Eugen IV. den griechischen Ritus am 28. August 146z begonnen wurde und auf 98 Blättern die Liegen-
gegen lateinische Einsprüche.r schaften der Abtei beschreibt. Es trägt Bessarions Bildnis.r
Später hat der griechische Kardinal noch mehr zur Reform der B¡r-
An einer Bibliothek durfte es unter Bessarions Leitung in Grotta-
ferrata nicht fehlen. Als Abt ließ der Kardinal sofort durch Perotti ein
silianerrnönche getan, Er suchte sie wieder zur strengeren Beobachtung
Bilcherverzeichnis anlegen. r35 griechische Kodizes zåihlte die Bibliothek,
der Regel zurückzuführen. Es war unter Kalixt III. (r455 -58), der ihm
aber samt und sonders nur liturgischen und erbaulichen Inhalts.r Bessarion
als Archimandriten r456 das Kloster S. Salvatore zu Messina eigens unter-
selber hat aus seiner eigenen Bibliothek einige Handschriften an Grotta.
stellte. Vielleicht hing das mit seinen diplomatischen Abmachungen mit
ferrata testamentarisch vermacht. Sie sind jetzt noch dort. So ein ¡rEu-
Alf'ons I. v'egen eines Kreuzzugs zusammen. Bessarion hielt eine Kloster-
chologium patriarchale< aus dem 9. Jahrhundert, das auf dem Konzil von
visitation ab. Er fand, daß die Regeln des Ordensstifters nicht mehr recht
Florenz in Gebrauch war. Der Kardinal Cesarini hatte es schon besessEn
beobachtet wurden. Er stellte auch das Schwinden der Kenntnisse in der
und als Geschenk an Bessarion wieder in griechische Hände zurtickkomrnen
griechischen Sprache fest. Viele Möncbe, namentlich die lateinischer Ab-
lassen.s Ferner die 'Werke des Manuel Palaiologos, eine Prachthandschrift
stâmmung, konnten nach Bessarions Angabe das Griechische nicht einmal
aus Konstantinopel, ebenfalls von Bessarion gekennzeichnet.a Dann ein
mehr lesen.2 Bessarion unternahm es deswegen, die Regeln des hl. Basi-
Sammelband, der unter anderem eine Übersetzung von Demosthenes' Reden
leios in einem Auszug nebst einer kurzen Erklärung zu beerbeiten (Com-
pendium asceticarum S. Basilii constitutionum).3 So erfuhren die Mönche
enthält. Ein Vermerk berichtet die Herkunft.o
Die Gebaulichkeiten von Grottaferrata erfuhren durch Bessarion Aus-
in z4Kapiteln, wie sie es zu halten hatten mit dem Eintritt und Austritt
besserung und Erweiterung. Als Pius II. im Sommer 1463 auf den Al-
aus dem Kloster, mit der selbstgewrihlten Armut, mit den Gebetsstunden,
banerbergen einen Landaufenthalt nahm, besuchte er, von Frascati her-
mit Kleidung und Speise, mit Tischlesung und Schweigen, mit ihrem Ver-
kornmend, auch die Basilianerabtei. In seinen >Denkwürdigkeitena schildert
halten zu Vorstehern und Brüdern. Der neue Sittenordner erinnert sie
an den Apostel Paulus, nach dem nicht gerechtfertigt werde, wer das er in seiner glänzenden Humanistenart seine Eindrücke von den bârtigen
griechischen Mönchen, ihrem Gottesdienst und ihren griechischen Ge-
Gesetz hört, sondern wer es befolgt (ROm. 2, r3).
bräuchen. Auch das Marienbild, das der Evangelist Lukas gemalt haben
Auch das Studium fand durch Bessarion neue Belebung. hn Kloster
sollte, v'urde ihm gezeigt. Er bewunderte die Gebaulichkeiten frir Abt
zu Messina errichtete er einen Lehrstubl ftir griechische Sprache. Zunächst
und Mönche. Er hatte seine Freude an ihren Ölgarten und an dem spru-
wirkte daselbst Michael Glykas, ó oogdtatos xai l,oytdtaro3. Ihúr folgte
delnden Wasser in der Vorhalle der Kirche. Auch Bessarions gedenkt er,
bis r467 Andronikos Galinotos, dann Konstantin Laskaris, um dessent-
der diese Neubauten begonnen habe.6 Als der Papst wieder einmal nach
willen noch Pietro Bembo nach Messina ging.a Den bewährten Abt von
Grottaferrata kam, mußten die Mönche die Messe in seiner. Anwesenheit
Grottaferrata, Peter Vitalis, versetzte Pius II. 4$ ùs Arcbimandriten nach
nach griechischer Liturgie feiern.?
diesem Kloster S. Salvatore, wohl auf Bessarions Ansuchen, um die sizi-
Iischen Klöster nach dem Muster der Abtei auf den Albanerbergen auszu- Bessari existe
überliefe . XIt.
gestalten. Bessarion selber wurde dan:als Kommendatarabt von Grotta- tensi s.
ferrata.6 Ferner galt den Gütern der Klöster die Sorge ihres Protektors. 8., L" greci
Das Inv I in
Das Kloster zu Messina erhielt Zuwachs ¿n Besitztum. Vor allem aber (r889.¡ 39-+r.
8 Grottaferr_ata, Co^d. f.
ward Grottaferrata bedacht. Wir haben noch das Güterverzcichnis, das Ê.. 1.__- Fol. t; Eu,chologium þdtt'isrchøle, quo
usi sunt in Concilio Generali Oecumenico Florentino. Istum librum ãonnuit mihi Iutiäno
-
rratensi p. gt n, 5 auf Grund eines Breves
essarions Visitationsbefugnissen s, Jorga N,,

od. gr. t r7 (Zußfixt¡ B4ooaçiatrog xag-

ommentarius p. tt nn, óo. 6¡. Bei Migne,


e 1584 p, 57oC. ? Pii II. Commentarii lib. XI. p. 33r.
Itohle¡, Karilinal Besss¡io¡. L, L7
--j-

218 z, Bessarion und Nikolaus V. Als päpstlicher Legat in Bolognâ' Hunranistische Funde, Bessarion und Nikol¿us V, Z5g
Im Zusammenhâng mit den Basilianern steht wohl euch eine Ho- chischen Schriftsteller ins Lateinische übersetzen. Namhafte Geldsummen
milie Bessarions auf tlen Text: èàu pì¡ ànü'#o, 6 nagdú.qtoq oò plt ließ es sich der Humauist auf dem Papstthron für sie kosten; ebenso für
ëLtr¡ nçòq itpãq (Joh' t6, 7);1 möglicherweise gehört in ihre Umgebung seine Neugründung, die vatikanische ilibliothek, für die er zeitlebens Klas-
auch seine Lobrerie auf seinen Namensheiligen Bessarion, wenn diese nicht siker und Kirchenschriftsteller in wertvollen und schönen H¿ndschriften
unter seine Jugendschriften nJ rechnen ist.2 Gegen letztere Annahme sammelte. In gleicher weise richtete sich sein Sinn auf die Kunst. Ni-
spräche aber der Umstand, daß Perotti das Elogium ins Lateinische über- kolaus ließ bauen und rnalen. Die stadt Rom ge,lachte er völlig neu zu
rät"t.; wie sollte gerade er auf eine Jugendschrill des Kardinals gekomtnen gestalten. Der Plan des Neubaues der Peterskirche ist von ihm aus-
sein? Im Zusammenhang nit Grottalerrata stehen auch die verschiedenen gegangen. Er hat Angelico da Fiesole nach Ronr gerufen, um seine Ka-
-
Carmina auf Bessarions Tod von Hitarions und von anderen Mönchen der pelle von ihm malen zu lassen. Die allgemeine Lage innerhalb der Kirche
Abtei.4 hatte sich schon in den letzten Jahren Eugens IV. gebessert. wohl resi-
Höchst wahrscheinlich ist es auch, daß Bessarion auf einer seiner dierte in Lausanne noch der Gegenpapst Felix v.; aber papst Nikolaus
Visitationsreisen im Kloster S. Nikolaos bei Idronto in Apulien Kolluthos erlebte gar bald die Genugtuunp¡, daß jener auf die angemaßte vy'ürde
>Raub der Helenr<ó und Quintus Smyrnaeus' ?à peÛ'"opt¡qoz,6 die verzichtete. Das Basler Konzil, der schrecken seines vorgängers, hatte
beide verscbollen waren, gefunden hat. Dafür spricht aucb, daß gerade damit sein Ende. Die wenigen Teilnehmer wählten noch, eh1 sie aus-
Konstantin Laskrris diese Nachricht tiberliefert hat.l Daß Bessarion auf einantlergingen, unter glänzender Fiktion auch ihrerseits Tommaso von
seiner letzten Ausreise von Konstantinpel nach Italien diesen Fund gemacht Sarzana zum Papst. Das päpstliche Ans.hen war gesicherter denn je.
hätte, als er eben im BegrifÌ'e stand, sein Kardinalat anzutreten, ist durch Freilicb im Kirchenstaat gärte es noch. Bologna, nach Rom die wich-
nichts gestützt und klingt nicht recht glaublich.s Wir sehen aber ruch tigste Stxdt, hatte sich r444 gegen den Papst empört. Die Unruhen
hier: In Bessarion war der Kirchenfürst und der Gelehrte eng miteinander gingen noch weiter. Hier hatte Nikolaus Ruhe zu schaffen, und er be-
vereinigt. diente sich dazu des Kardinals Bessarion.
Das persönliche verhaltnis zwischen Nikolaus v. und Karcrinal Bes-
2. Bese¡rlon und Nlkol¡us V. Als päpstllcher Iægat ln Bologne. sarion hat seine höchst sonderbare Beurteilung gefuntlen. Man hiclt bcide
in ihrer Eigenschaft als Führer des Humrnismus nebeneinander und frnd,
6.März r447 erhoben die Kardinäle im Dominikanerkloster s. Maria
þ¡m
daß trotzderu keine engeren Beziehungen zwischen ibnen bestanden. Voigt
sopra Minerva den gelehrten Tommaso Parentucelli als Nikolaus V. auf
meint sognr, es scheine, >als hätte gerade wegen der Gleichartigkeit ihrer
den Papstthron. Mit ihm hielt die Renaissance in Rom und an der Kurie
Bestrebungen eine gewisse Eifersucht zwischen ihnen bestanden<. Die not-
ihren Einzug. Selber im Ruf des modernen Gelehrten stehend, wurde
rvendige Sendung eines Legaten nach den aufrührerischen Bologna be-
Nikolaus der Mäzen aller zeitgenössischen Humanisten. Er verlieh jedem
trachtet er geradezu als eine für den Papst erwünschte Gclegenheit, den
in Rom Gastrecht, selbst solchen, die wie Lorenzo Valla wegen ihrer nicht ganz genehnren Karrlinal in ehrenvoller Weise aus Rom zu entfernen.l
Geistesrichtung unter seinem Vorgänger dort noch verfemt gewesen waren.
Ich halte diese Beurteilung für ungcrechtfertigt. Soll hier rvirklich böser
Von ihnen ließ er sich Abhandlungen widmen, namentlich aber die grie-
wille vorliegenl wohl könnte es schcinen, als hätte in der Humanisten-
t Überlieferung: zeit der Sinn ftir die neuen wissenschaften ilas eigentlich Kirchliche über-
a. Rom, Cod. Vat. gr. 1488, wogen; allein für einen Nikolaus V. war bei all seinem Eifer ftir das
b. Rom, Cod. Vat' gr. 1497.
c. Rom, Bibl. Vallicellana Cod. 8r' rlr (VII-I). studium des Altertunrs das humanistische ldeal doch nicht die eiuzige
d, FIorénz, Bibl, Laurenziana gr, Plul. ¡o, Cod. 14 fol" 7o-78v' Sorge. Seine Regierungsmaßnahmen besagen das.
¡ Vgl. oben S. ll f.
! Hilarionis món. in Bessarionen: carmen encomiasticum, überlíefert in Rom, Dürfen wir aber überhaupt die hur¡anistischen Bestrebungen beider
Bibl. Vallicellana Cod. s,r. rgt (CX) Nr' q.
Männer zum Ausgangspunkt der Beurteilung ihres gegenseitigen verhalt-
¿ In Bessarionem car-mina elegiaca überliefert in Rom, Bibl. vallicell. cod. gr.
nisses machen? Zcitlich und zum Teil inhaltlich haben die Arbeiten beider
gar nicht allzu viele Berührungspunkte. Bessarions unrfangreiche huma-
nistiscbe Bet:itigung fellt erst in spätere Zeit. Unter Nikolaus V. zeigen
sich erst die leisen Anfänge davon. Aber selbst da, wo sich die beider-
" . Só Vast,Xll.
P. er. ¡6r. Col. Xlll.
Le cardinal Bessario¡ p. t67. t Voigt G,, Die Wiederbelebung des classischen Altertums, 3. Aufl. lI. rz8.
17*
Lorenzo Valla. Bessarions Benefizien. Bologna. 26L
260 2. Bessarion und Nikolaus V. Als päpstlicber Legat in Bologna,
die Bande zwischen Bologna und dem Kirchenstaat gelockert. Bologna
seitigen Bestrebungen stellenweise begegneten, ergaben sich keine Rei-
war allmählich geradezu eine unabhängige Republik geworden.l In der
bungen; im Gegenteil läßt sich hier ein Zusammenarbeiten beobachten.
Stadt herrschten aufgeregte Parteikämpfe zwischen den Ceneduli und Benti-
Schãn daß Bessarion seine Übersetzung iener kurzen Basileios'Homilie dem
vogli, die von Mailand her mit üblem Vorbedacht noch geschürt wurden.
Papst vor seiner Erhebung zueignete, läßt auf frühere gute Beziehungerr
Zu den wildesten Gewalttaten war es schon gekommen. EL',en hatten
schließen.r Das Wichtigste wird aber sein, daß es gerade Bessarion ge-
die beiden Parteihäupter versprochen, sich wieder auszusöhnen, da wurde
wesen ist, der bei Nikolaus V. vermittclte, damit L. Valla nach Rom
Annibale Bentivogli bei Anlaß einer Taufe, zu der er auf Einladung seines
kommen durfte. Valla hatte sich mit seinen Schriften im päpstlichen Ronr
Gegners Battista Ceneduli als Pate gekommen wâr, von diesem schindlich
unmöglich gemacht. Sein kühner Nachweis, daß man es bci der konstan-
niedergeschlagen. Battista ward dafür von der Menge, vor der er sich
tinischen Schenkung mit einer baren Fälschung zu tun habe, hatte doch
vergebens in einenl Keller zu verbergen suchte, erstor:hen. Mit den Zähnen
in den weitesten Kreisen Überraschung hervorgerufen. Über seine epi- wurde ihm das Herz aus dem Leib gerissen, sein Blut getrunken und der
Leichnam ins Feuer geworfen.2 Diese Szenen zeichnen die Stimmung in
der aufgeregten Stadt.
Die Bolognesen riefen nun den Santi Bentivogli, um ihm die Ge-
schicke ihrer Stadt anzuvertrauen. Auch mit diesem Manne hatte es seine
besondere Bewandtnis, Wer eigentlich sein Vater war, wußte kein Mensch,
Aus politiscben Gründen nrußte er bisher Bologna meiden und bei Florenz
als einlacher Wollweber seinen Lebensunterhalt suchen. Eugen lV., der
Feind der Bentivogli, hatte ihn exkommuniziert und für vogelfrei erklärt.3
Das Hauptgewicht von Bessarions Tatigkeit lag unter Nikolaus V.
noch auf rein i<irchlichem Gebiet. Einige Daten in der ersten Zeit wollen Jetzt übernahm der Geächtete die Leitung der Republik Bologna, und zwar
besaß er ein Ansehen, das ihn allmächtig machte.
nicht viel bedeuten. So wenu wir ihn neben anderen Kardinälen bei einer
Beweisaufnahme am Grabe des hl. Laurentius treffen, weil sich utr dessen So weit hatten sich die Dinge entwickelt, als Nikolaus V. Papst
ìeibliche Überreste zwischen den Minoriten uud cler Kirche San Lorenzo wurde. Er suchte die wichtige Stadt für den Kirchenstaat zurückzugewinnen,
cin Streit entsponnen hatte;s oder wenn er zum Informativprozeß bei der aber auf friedlichem Wege. Er gab den Bolognesern einen Bischof, der
Kanonisation Bernardins von Siena aus dem Franzisk¿nerorden beigezogen ihnen genebm \ryar, einen ihrer Mitbtirger. Dann trat er in Verhandlungen
rnit der Stadt. Die Republik stellte Forderungen, untl Nikolaus gab nach.
Ein päpstlicher Legat sollte in Bologna weilen. Trotzdem sollte neben
ihm noch der städtische Senat regieren. Bei der Besetzung der städtischen
Ämter wurde dem Legaten nur ein beschränkter Anteil zugestanden.
Äußerlich wurde die päpstliche Oberlehensschaft anerkannt. Auch zu be-
schränkten Leistungen hatte sich die Republik verpflichtet. Diese Verein-
barungen waren am 24. August t447 getroffen wordcn.a
Eine überragende Stellung ward ihm zugedacht mit seiner Sendung Eine Zeitlang versah ein päpstlicher Gouverneur, Astorgio Aguesi,
als apostolischer Legat nach Boiogna. Infolge der Wirren in Italien und <iie Geschafte. Als dieser aber Kardinal wurde und neue Unruhen drohten,
im liirchenstaat seit der Zeit des avignonesischen Papsttums hatten sich ernannte Nikolaus V. am 26. Februar I45o den Kardinal Bessarion zum
r Vgl. oben S. z jl, Der Brief Bessarions an Tommaso Parentucelli þe-i Vasl, Legaten für Bologna, die Romagna und die Mark Ancona. >Wie einen
Le cardina] Bessarion iiz f. nach dem Cod. lat. rToi fol. 95 der Pariser National- Friedensengel< schicke er ihnen diesen weitblickenden Mann, schreibt der
'--'"-',
bìt¡liothek.
i^urentii Vallae Opera. Basileae apud Henr. Petrum r_54o, Antidotum in 1 Vgl. Ambrosii Epistulae i, 7, Col. zo; L 8, Col. z1; I. zo, Col, 4z; IL zo,
poeeiu*-äb.-lV. p.34o. Nak Cardinatis Nicinus, air de nte oþtitne ttt.erÌlus, et -q.ui, Col. 89; lll. ¡ r, Col. rzr;, lll. 32, Col, r¡8.
il'fiio* uenirent'rníh'i autor exliîit, habet in oþere,neo þartetn' - Vgl' Mancini, Vita 2 Enea Silvio, Cosmographia, Europa c.54. Ygl. Platina bei Migne, P. gr.
di ---i- Valla, Firenze I89I. S. 236
f.
-- Lc¡renzo Bessaíionis viía commentarius p. 27 n. 42, beiMigne, P. gr. r6r, Col. CVIII.
S^rràini, O. I Enea Silvio I. c, 54.
---' Col.
r6¡, XVIII.
-;-s^i¿i"i ¿ Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 1. Aufl. VIt, ro6,
-
l. .. p. 28, bei Migne, P. 9r.--16-r, Col' Xlx' Pastor, Gesòhichte der Päpste I. mit rcichen ()uellenangaben,
¡ Eubel, Hierarihia catholicâ medii aevi II' 8' 4o7
262 z. Bessarion und Nikolaus V. Als päpstlicher Legat in Bologna. Bessarion als Legat in Bologna. Die Universität. 263

Papst. Er habe das feste vertrauen, daß er Bologna gut regieren v¿erde.l Die praktische Arbeit des Kerdinallegaten spiegelt sich in einer Reihe
In einem Schreiben an Bessarion setzt ihur der Papst neben der umgrenzung von Erlassen wider, die teils die Bologneser Stadtgeschichte, teils die
seiner vollmacht das Ziel seiner Sendung auseinander: vor allem auf- kirchliche Verwaltung angehen.l Die Eineelheiten gehören nicht in Bes-
rührerische Bewegungen zur Ruhe bringen, dann Gerechtigkeit walten sarions Geschichte. Es handelt sich unr Pfründeverleihungen, um die ver-
lassen, die Stolzen demütigen, die ungehorsamen beugen. von Bessarion waltung kirchlicher Einnahmen, Privilegien und Dispensen; einmal un¡ die
selber weiß der Papst zu rübmen, daß er ihn durch langen unrgang als Angliederung einer Kirche in Bresseda an die Abtei von S. Maria in Cos-
tatkräftigen, wissenschaftlich erfahrenen Mann und als sittenreine persön- medin zu Rnvenna; dann um Regelung einzelner Abgaben und Steuern.
lichkeit erprobt habe.2 Um der Verschwendung zu steuern, die damals in ganz ltalien über-
Am 16. März r45o traf Bessarion in Bologna ein. Er wurde mit handnahnr, gab der päpstliche Legat r453 eine scharfe Verordnung über
Ehren empfangen. Funf Jahre währte seine Amtszeit, bis sich mit dem die Frauenkleidung, freilich nicht ohne Widerspruch zu finden. Eine Bo-
Tod Nikolaus' V. das Ende von selber ergab.B Sei'e Aufgabe war nicht logneserin Niccolosa Sanuti richtete deswegen an den Kardinal eine Be-
leicht. Man denke an die Aulregungen der letzten Jahre, an die schlum- schwerdeschrift.t >Wenn die Männer das Priesiertum ausüben dürfen<
mernden Parteigegensätze und an das Schwinden der kirchlichen Autoritât. heißt es hier ))wenn sie in den Krieg ziehen und in Triumphzügcn
-
-,
auftreten dürfen, dann solr den F-rauen die Freude an Schmuck und KIei_
Hier konnte nur die Macht einér überragenden Persönlichkeit etwas leisten.
Zustatten kam es ihm vornehnrliih, daß er als Grieche über die strei- dung verwehrt sein?< Auch Guarino mischte sich in die Sache und
tcnden italienischen Parteien erhaben war. wandte sich in einem Brief an Santi Bentivogli gegen die Prediger, die
Bessarion mußte sich in der städtischen verwaltung trotz allem auf den Kardinal zu seinem Einschreiten veranlaßt hatten.e
die übermächtige Partei der Bentivogli stützen. Die Stellung eines Santi Seine besondere Sorge ließ Bessarion in Bologna der dortigen Uni-
Bentivogli, der rvie ein Fürst aufzutreten pflegte, war beirn Volke uner- versität zuteil werden. Das entsprach seinem gelehrten Grundzug. Die
schütterlich. Dazu war er mit einer Tochter des Alessandro Sforze von Berühmtheit der Bologneser Hochschule lag bereits in der Vergangenheit.
Mailand vernrählt. und doch scheute sich Bessarion nicht, ihm in öffent- Sie hatte einmal im J:rhre î262 gegen roooo Studierende gezählt. In der
licher Rede zu begegnen.a Ebenso klug wußte er seine Familie auszu- zeit der großen kirchlichen Auseinandersetzungen des abentllindischen
zeichnen. Den Luigi Bentivogli ließ er als Gesandten zu Nikolaus V. Schismas war sie zurückgegangen. Noch hatte nit Guarino, Aurispa und
gehen, freilich um mit ihm dem übernrichtigen Santi ebenso geschickt Filelfo der Humanismus seinen Einzug gefeiert, da ging währcnd der auf-
einen ebenbürtigen Rivalen erwachsen zu lrssen.s Auf der anderen Seite geregten städtischen Kämpfe der letzten Jahre alles unter. Einer der Uni-
waren die päpstlichen Recbte zu wahren. Sie kamen dtrin zum Ausdruck, versitätslehrer, Finetti, war r43o mit seinen Hörern nach Ferrara über-
daß der Stadt Bologna die politische Selbständigkeit entzogen war, inso- gesiedelt. Als nach einiger Zeit die Universität wieder eröffnet wurde,
fern sie mit keiner anderen Macht ein Bündnis eingehen durfte.6 hoffte man höchstens auf 5oo Hörer.a Jetzt kam Bessarion. Er baute;
er erneuerte die Verfassung; er berief Professoren; er unterstützte unbe-
nittelte Studierende.0 Nikolaus v. bestätigte auf sein Ansuchen von neuen)
die Privilegien der Universität. Der Besuch hob sich wieder. Wir 6nden
unter den Inskribierten Marsilius Ficinus uncl Antonius Plnormitanus,
Leute, mit denen Bessarion zeitlebens zu tun hatte. Ficinus hat wohl

¡ Platina, Panegyricus bei Migne, P, gr. rór, Çol. CIX,


964 a. Bessarion und Nikolaus V. Als pâpstlicher Legat in Bologna.
Niccolò Perotti. Bessarions Beziehungen zu Nikolaus V. 265

Kardinal mit einer Inschrift an dieser statte als ihren wohltäter ehrten?
durch ihn Platon kennengelernt; iedenfalls hat er die hauptsächlichste An- Es war nichts anderes, als wenn Jakob Ammanati von ihm schreibt, daß
regung von ihm erfahren.t seine untertanen ihm bei seinen: weggang mit Trauer und Dankl¡nrkeit
Rocholl berichtet
- allerdings ohne Belege zu bringen -, daß Bes-
sarion selber Poesie und Rhetorik an der Universität vortrug.z Bei Bes-
nacl:sahen. Auch späterhin galt er immer noch als patron von Bologna,l
Diese ganz einzigartige wertschätzung ftir Bessarions persönlichkeit be-
sarions Veranhgung ist das gar nicht unwahrscheinlich. Auch eine Stelle
gegnet uns überall in seinem Leben, hier in Bologna, wo man ihm In-
in seinem r¡In Calumniatorem Platonisa könnte man dahin deuten, daß schriften setzte und Bücher widmete,2 so gut wie ehedem bei Ambrogio
er schon einmal Rhetorik lehrte.s
- V/ichtig ist atrer, daß er Niccolo
Perotti, einen Schüler des Vittorino da Feltre, bestellte, daruit er die
Traversaris und später bei Pius II. oder in humanistischen Kreisen, die
ihre Anerkennung in Briefen und Versen zurn Ausdruck brachten.
genannten Facher am Studio vortrâge. Perotti l:atte zuvor noch die Vor-
Trotz seines Amtes als Kardinallegat in Bologna
lesungen L. Vallas gehört und war mit diesem, wie vier Briefe bestätigen,
liornmen wir auf unseren Ausgangspunkt zurück - und tlrmit
blieb Bessarion in
eng befreundet. Mit Poggio lebte er deswegen, wie nicht anders zu er- ständiger Fühlungnahme mit Rom und mit den humanistischen - Bestre-
warten war, in Zrnk und Hader. Sein Bundesgenosse gegen diesen 'war bungen..Nikolaus' V. so war e s Bessarion, der den Papst auf die lieder-
Niccolò Volpi, ebenfalls Lektor der Rhetorik in Bologna. Bessarion selber
lichen Übersetzungen aufmerksam nrachte, die Georgios Trapezuntios ge-
bemühte sich darum, beide auszusöhnen.
rade damals zu einigen griechischen Schriftstellern geliefert hatte. Seine
Perotti las in Bologna von r41t-Sj. Dann wurde er Bessarions Bearbeitung von Platons Gesetzen wies Nikolaus auf Bessarions und pe-
Sekretär. Er war damals erlt z4 Jahre alt.a Später hat er das Leben des rottis Ausstellungen sogar glatt zurück.a Das Bild dieses innigen Zu-
Kardinals geschrieben. Das Werk scheint aber wie so vieles von Perotti
samnrenarbeitens zwischen Bessarion und dem Humanistenpapst wird noch
verschollen zu sein. Wir wissen von dieser Arbeit nicht mehr als seine
'Wir vervollständigt durch die Angaben in einer Invektive des Trapezuntios
eigene kurze Angabe.s lernen bei der Wahl dieses Sekretärs Bessarions
eus dem Jahre 1454.6 Wir hören hier, daß Bessarion während seines
Ansprüche kennen. Er verlangte nach Humanisten. Auch andere seiner
Bologneser Aufentbaltes gelegentlich auch wieder in Rom gewesen ist,
Sckretäre und Faniliaren waren von dieser Art, wie Gasparro Zacchi6
\ryo er in die Streitigkeiten der römischen Humanisten eingriff. Von sich
und später ein gewisser Johannes Gatti, der ihm noch bei der Ab-
selbst erzählt da Georgios Trapezuntios gerade nichts Rtihmliches. Der
fassung seines >In Calumniatorem Platonis< Ratschläge gab,? ebenso wie
Kardinal nr¿chte ihm Vorhalt wegen seiner Angriffe auf Theodoros Gazes
Theodoros Gazes.s
wegen dessen Übersetzung von Aristoteles' Problemata. Aber nicht nur
Vor Bologna draußen, auf einem Hügcl, von dem aus sich der Blicl<
das; Bessarion eröffnete ihm auch, daß er Gazes und andere bei Papst
über den Appcnin und in die Ebene bis nach Ravenna weitet, steht die
Nikolaus für weitere Übersetzungen in Vorschlag bringen werde.6 So war
berühmte Wallfahrtskirche der Madonna di S. Luca. Das Bild soll I 16o
es also Bessarion, der die später so gerühmten Aristoteles-Übersetzungen
von Konstantinopel gebracht worden sein. Das verband den griechischen
bei Nikolaus angeregt hat. Er selber hatte sich offenbar durch seine Meta-
Kardinal wieder mit der Heimat. Er ließ die Kapelle von Galasso Ga-
physik-Übersetzung auf diesen Gedanken bringen lassen. Wie wir hören
lassi mit Fresken ausmalen. Fleutzutage ist nichts mehr davon zu sehen.
werden, hatte er sein Übersetzungswerk schon vor dem Pontifikat Niko-
Vom gleichen Künstler ließ er die Kirche der Madonna dtMezzaruta ruaien.
laus' V. in Angriff genommen.T Dadurch wird verständlich, wenn er dieses
Darf es uns angesichts des vielen wundern, wenn die Bolognesen den
anstatt dem Papst einem auswärtigen Herrscher widmete, ohne daß wir dafür
t Vgl Mohler, DieWiederbelebung des Platonstudiums in der Zeit der Renaissance
durch Ilardinal Bessarion, in der 3. Vereinsschrift der Görres-Ges, r9u t S. 48. r Iacobi card. Papiensis (Amnranati) Epistulae CXXVIt. p. 55¡. Platina,
, Rocholl, Bcssarion 88. Pnnegyricus in laudenr Bessariouis, bei Migne, P. gr. r6r, Col. CLX.
-'-
s Bes iatorem Platonis II. 8. Neque 2 So widmete ihm Andreas de Barbatia seìn Werk De praestantia cardinalium
Dentosthene c u.ia þraeceþta artis rhetoricae t und später Roderigo de Arevalo ein Werli >De remediis afiiètae ecclesiae<. Beide
kürzer oür' tptiïou x'al lr1poo$éuouç 6et waren Kanonisten zu Bologna.
'
p ).t)o94 ¡tov, I S. oben S. r¡¡.
¿ Dal i lettori legisti e artisti dello { Francisci Barbari Epistulae ab anno t4z5 ad ânnum r45J (ed. Quirini Brixiae
al 1799 Bologna 1888. I. p. ir, 34. 1741) CIC, p.294sg: Vgì. agch die Einleitung Quirini Diatriba p. jr6. Bessariou,
ó Nicolaus Perottus, Cornucopiae edit. Aldina. Venetiis riIS p. rgos qucnt.- In Calunrniatorem Platonis. lV. ró, 4. -
admodum in illius aita løtius a nobis þerscriþlum ¿st.
e Noiret H, Lettres inéJites de Michel Apostolis. Paris 1889. p. 48 f Wegen
6 dies
Auf rstenr¡al À. Gercke au[merksam. Wichtige
a
Auszüge daraus t. 1384 fol. I -ó6v bei Gercke, Theodorõs
eines Privilegs fùr vier Familiaren flessarions vom 8. Àpril r45o vgl. Jorga N., Notes Gazes. Festscìrri ld r9o3, S. r 3-r9.
et extrails II. 4J9, 6 Gercke
5 f.
r Bessarion, In Calumniatorem Platonis. lII. r8, r. ? S. unten
I Bessarion, In Calumr:iatorem Platonis. lll. r9,9. , Abschnitt a, z.
266 z, Bessario¡r und Nikolaus V. Als päpstlicber Legat in Bologna.
Hradscbriftenhäufe. Friedrich ltt. in lt¡lien. Tod Nikolaus'V. 267

irgendwelche Mißhelligkeiten oderTrübungen anzunehmen brauchen. Eine


Italiener nur Mitleid und Lachen übrig, wenn sie nicht gar mißgestimmt
derartige Annahme wird durch das genannte große Aristoteles-Unternehmen
und boshaft \rurden.1
geradezu verboten. Aber ein anderes Ereignis erschütterte zu jener Zeit die Christenbeit
bis in den letzten winkel: die Eroberung Konstantinopels durch die Ttirken
In gleicher Weise zeigte Bessarion auch für ein anderes Unternehmen
Jes Hurranistenpapstes regen Sinn, nämlich flir den Ausbau von dessen im Jahre 14y3. Auf diesen Fall, den man b¿itte ahnen können, s¿r doch
Bibliothek, und Nikolaus hat diese Unterstützung dankbar angenommen. niemand gefaßi', Bessarion wollte über diese Nachricht das Blut in den
Es war wiederum während seiner Bologneser Zeit, daß er durch seinen Adern stocken. Die Bektimmernis, die ihn niederdrückte, ist noch aus
Sekretär, den bekannten Niccolo Perotti, in seiner Heimatstadt Trapezunt einem Schreiben zu ersehen, das er, als er sich wieder fassen konnte, an den
ftir den Papst Hlndschriften kaufen ließ. Perotti konnte einmal dem Papst Dogen von Venedig richtete. Wir verweisen d¿für auf den nächsten Ab-
vier Kodizes schicken mit der ausdrücklichen Berufung auf Bessarions schnitt. Nur sei gesagt, daß mit dieser Katastrophe auch ein Wendepunkt
Vermittlung. Es war eine Handschrift nit den vier Evangelien, eine mit in seinem Leben eintrat. Hier war der Anstoß zu der Tätigkeit in den
gânzen nächsten Jahren gegeben, zu seiner Vy'erbearbeit für ein Kreazzugs-
den Reden des Gregor von Nazianz, dann die Problemata des Alexander
Aphrodisias und noch eine mit Demostlrenes' privaten Reden.t unternehmen, die ihn bis in die Zeit noch kurz vor seinem Tod ge-
fesselt hielt.
Mit diesen Feststcllungen dtirfte Voigts Annahme von Trübungen Bessarions Aufenthalt wurde jäh unterbrochen, als
in dem beiderseitigen Verh¿ltnis zwischen Nikolaus V. und Bessarion durch-
ihm am 23. Màrz
1455 die Botschaft von der schweren Erkrankung des Papstes gebracht
âus els hinf:rllig erscheinen. Demgemäß ist auch Bessarions Ä.ußerung zu
wurde. Noch in der Nacht reiste er nrit einigen Begleitern ab. Am
be'¡'erten, wenn er gegenüber Lorenzo Valla bedauert, daß er jetzt nicht
nach Rom zurückkehren könne, da er ganz von des Pontifex Willen ab-
r. April traf er in Rom ein.2 Der Papst war schon tot; er war in der
Nacht vom 24, aat 25. März verschieden. Ar 4.April, einem Karfreitag,
hängig sei.2 Das war nicht die Klage eines Mißgestirnmten, sondern eine
vereinigten sich die anwesenden r5 Kardinäle in der Kapelle Nikolaus'V.
Entschultligung.
im Vatikan zur Papstwahl. Ftir Besáarions Leben blieb sie denkwürdig;
In die lileine Welt von Bologna ragten die großen Weltereignisse. eine Nacht lang schwebte die Tiara ül¡er seinenr Haupte. Schon vor dcm
Es r¡'äre hier vielleicht des Besuches Friedrichs IIL zu denken, der am Konklave rangen zwei Parteien um ihren Besitz, Colonna und Orsini.
24. Jenuar 1452 i\ Bologna eintraf. Er war im Begrifl sich die Kaiser- Den Colonna fehlte eine Stimne zar Zweidrittelmehrheit. Kardinal Or-
krone und die Kcinigstochtdr Eleonore von Portugal als Braut heimzu- sini, der selber anfänglich nach dem Papststuhl gestrebt hatte, hielt mit
holen. Daß Perotti bei dieser Gelegenheit den Dichterlorbeer erhielt, Hilfe des Königs Alfonso von Aragon seine Partei von ftinf Stimmen zu-
weil er den König mit einer Festrede begrüßt hatte, und dal3 Bessarion sammen; aber es war fúr ihn nichts zu gewinnen, auch nicht, als er den
n:it den Behörden, mit den Professoren und der Geistlichkeit ihm zum Kardinal Pietro Barbo, den späteren Paul II., als Kandidaten aufstellte.s Eben-
EmpFang entgegeneilte, war etwas Selbstverständliches;3 aber das Ereignis sowenig hatte die Colonna.partei Erfolg, mochte sie auch von Anfang an
war ohne jede größere Bedeutung. Die Romzüge früherer deutscher unter Äufwand vieler Freundlichkeit nach Anhängern gesucht haben.r
llerrschef hntten lt:rlien. erzittern lassen. Jetzt fehlte es fast an einem So blieben drei Skrutinien ohne Ergebnis. Bereits murrte das Volk
lvfindestmaß r'on Achtung, nicht hier in Bologna, aber in Maihud, wo wegen der langen Verzögerung.5 Man mußte an einen Kandidaten denken,
sich der Kriser mit seinen 22oo Mann vorbeiwiuden nrußte. Als die der außerhalb und über den Parteien stand, und das war Kartlinal Bessarion.
Neugier bei den Festen und Empfingen vorüber war, hatten auch die Ihn empfahl daza noch seine ganze Persönlichkeit, sein lauterer Sinn,
seine wissenschaftliche Bedeutung, seine bisberige Tatigkeit in Bologna,

niclit bervieserr Es gehörte das in d¡s Lebcn Perottis.


¿ Bessarious Brief an L. Vrrlla verötlentlicht inr Gioruale di letter¡tura itrli¡na
XXI (r3gl) p. 47 Quod ad reditutn,tostrun, þertinet, si id in mnnibus uostris çsset, li-
cercl nohis tlir¡rr.id resþonderc, scd nosli id ilon er. r,oslrd, setl ex þontifcis naximi t'oluúale
þcnd t rc.
3
r Pas tor a. a, O L 831 Anhang n. 56 an den Herzog v, Mailand vom ¡6, M^rz t455.
Cronica di Bolognr. Muratori SS. XVIII. 189r. Vgl. Pastor, Gesch. d, r Pastor a. a. O. I. 8¡ó Anhang n.6¡ an den Herzoþ v. Mailand vom 8. April r455.
Päpste I. 48o n. r.
268 ¿, Bessarion und Nikolaus V. Als päpstlicher Legat in Bologna. Bcss¡rion als Papstkandidat. Throowcchsel iq Bymur. 269

vielleicht auch der Umstand, daß er als Grieche am ehesten die Stimmung kollegium vor Bessarions Strenge auf der Hut weren.r Doch sehe ich
ftir einen Kreuzzug zu entflammen vermochte. Die bittere Notwendigkeit eigentlich keinen Grund, die angeblichen Worte Alains als so unglâub-
eines Unternehmens gegen die Türken hatte man seit den Nachrichten wtlrdig zu erachten. Im Gegenteil, sie scheinen sogar die gereizte Stim-
von der Eroberung Konstantinopels längst erkannt. mung gegen die Griechen und das tlberlegene Bewußtsein des Franzosen
Bessarion hatte die größten Aussichten, Einige Kardinäle hatten ihn
nur zu gut widerzuspiegeln. Warum soll es uns wundern, daß unter
solchen Umständen das heßliche französische Temperament auch einmal
am Ostersonntag außerhalb des Skrutiniums in Vorschlag gebracht. Schon
eine boshafte, bei8ende Sprache ftihrte?
mehrten sich die Stimmen. In der Nacht glaubte man noch allgemein,
Nach einigem Schwanken wurde nun em Morgen tles 8, April ein
daß Bessarion aus dem nächsten Skrutinium als Papst hervorgehen werde,
Greis gewählt, der dem KOnig von Neapel nahestand, der Spanier Kar-
Roberto Sanseverino meint in einem Schreiben an den Herzog von Mai-
dinal Alonso de Borja, mit dem dieses bertlchtigte Geschlecht in Rom und
land: >Wenn der griechische Kardinal sich mehr beworben hätte, wäre
ihr¡ wohl die Tiara zugefallen.<r Er war also auch hier von durchaus an der Kurie festen Fuß faßte. Der neue Papst nannte sich Kalixt III.
Bessarion, der das Konklave wieder *ls Kardinal verließ, war rarsdsr t..
Iauterer Gesinnung beseelt. Am nächsten Morgen waren seine Aussichten
knickt noch verärgert.
verblichen wie ein schönes Traumbild. Seine Kandidatur stand überhaupt
nicht mehr in Frage.2 Wie kam das?
3. Dle Erobcrung Konstmtlnopola utrd dr¡ Abendlrnd.
Zwei Berichte geben uns darüber Auskunft: Nach den dramatisch Be¡¡¡rlon und dle €r¡ten VeÉuche zu elnem Kreuzzug.
geschriebenen Denkwürdiglieiten Pius' IL soll der französische Kardinal
Alain seinen Einfluß bei den einzelnen Mitgliedern des Konklaves geltend Mit dem Thronwechsel in Byzanz wie im Sultanat zu Adrianopel
gemacht haben. >Was sollen wir der lateinischen Kirche einen Griechen hatten sich Veränderungen vollzogen, die niclrt ohne Bedeutung für die
zum Papste geben?< soll er gefragt haben. >Warum einen Neophyten? weitere Entwicklung der politischen Lage blieben. Kaiser Johannes VIII.
Bessarion hat noch nicht seinen Bart abgelegt und soll unser Haupt sein? Palaiologos wer am 3. Oktober 1448 gestorben. Zu seinem Nachfolger
Ist die lateinische Kirche so ârm, daß sie zu den Griechen ihre Zuflucht hatte er seinen jüngsten Bruder Konstantin bestimmt; denn dessen älterer
nehmen muß, um einen Mann zu finden, der des höchsten apostolischen Bruder Demetrios war unzuverlässig, wenn es sich um die türkische Gefahr
Amtes würdig ist? Aber macht, was ihr wollt! Ich und wer mit mir denkt, handelte, und Thomas, der zweitälteste, bewies kein Herrschertalent. Am
wird niemals für einen griechischen Papst stimmen.<s Durch diese Rede 6. Januar 1449 wurde Konstantin XI. Dragases zu Mysithra das kaiser-
sollen sich einzelne haben umstimmen lassen, und bis zum Morgen sei Iiche Diadern überreicht. Sofort begab er sich nach Konstaútinopel, wo
die Wahl Bessarions aussichtslos geworden. Pastor halt diese Worte für er mit lautem Jubel begrüßt wurde. Ftir die vaterländische Sache war
>nicht gerade sehr glaubwürdig< und halt für den wahren Kern der Er- Konstantin begeistert. Der Union mit der abendländischen Kirche wâr er
zählung, ¡daß der Stolz einiger italienischer Kardinäle durch die Aussicht, gev/ogen. Wir hörten, er hatte sich dem Einfluß Bessarions zugänglich
ein Orientale, ein Glied der verhaßten griechischen Nation werde den gezeigt.z Politisch war er unklug. Das war um so verhängnisvoller, als
Stuhl des hl. Petrus besteigen, verletzt wurde, und daß die weltlichgesinnten das osmanische Reich im Jahre l45r einen Herrscher erhielt, der den Aus-
Kardinäle, wie Scarampo, die Strenge Bessarions fürchteten.< dehnungsbestrebungen des Reiches durch und durch gewogen wâr. Der
Die Meinung Pastors deckt sich einigermaßen mit der Begründung junge Mohammed [I. war ein gefährlicher Gegner, der ntit einem aus-
Platinas. Dieser führt an, daß einzelne iippig lebende Männer im Kardinals- gesprochen militärischen Talent politische Einsicht und Ausdauer verband.
Morgenländischc Begriffe hätten jenes Maß von Bildung, das er in sich
I Petrucelli della Gattina, Histoire diplomatique des conclaves. Paris t864. vereinigte, wohl kaum verlangt. Seine Jugend hatte er in Konstantinopel
I. z6q,
- verbracht und dort sich Wissen und Weitblick erworben. Neben seiner
¡ Vgl. Niccolò Capranica, Oratio in funere Nicaeni c, 7 (s, IIL Band, Un-
gedruckte Texte). Muttersprache beherrschte er noch fünf andere Sprachen mit Vollkommen-
- 3 Pii II. Commentarii rerum memorabilium. Francofurti 16t4. lib. I' p. 43. lVas heit. Bei aller äußeren Bildung offenbarte er aber auch die schnödeste
hierVast, Le cardinal Bessarion p. zr9 nach der Pariser Nat.-Bibl. Cod. lat' 5r53 als Treulosigkeit und schreckte auch vor schändlicher Grausanrkeit nicht zurück.
,Conclavé Calixti III< vorlegt, ist ,>nichis weiter als die unveränderte Redaktion der be-
treffenden Stelle der Kommentarien Prus' II.< (Pastor, Gesch. d, Päpste I. 616 n,,4).
r die Feststell a Sil Uber r Platina. Panegyricus bei Migne, P. qr' ¡ó¡, Col. CX. Der Bericht in der
dieser Stelle i egen daktion Trauerrede Capranicas (öíatio in funere-c. 7, Uanã III, Ungedruckte Texte) besagt nicht
versuchen, s. e Sy inedita. viel mehr.
r8z. Voigt, Pas t7 n.3. r S. oben S. ¡¡o f.
270 Nikolaus V. und Byzanz. Die Wiedererneuerung der Union. 271
3. Díe Eroberung Konstantir:opels und das Abendland'
im November traf er in der Kaiserstadt ein. Nochmals sollte sich die
Die politische Lage war im byzantinischen Osten seit der ungltick-
Einigung beider Kirchen vollziehen. Auf lz. I)ezember wâr eine besondere
lichen Scblicht bei Varna (r+++) sehr bedenklich gewordeu. Murad war in
Feier in der Sophienkirche angesetzt, bei der das Unionsdekret von Florenz
Makedonien und Thessalien eingerückt und konnte nicht einmal am Isthmos
verlesen und anerkannt werden sollte. Der Kaiser mit seinem Hofstaat
war dazu erschienen. 3oo Priester waren zugegen. Kardinal Isiclor sprach
feierliche Worte. Die Einheit mit Rom wurde von neuem verkündet und
beschworen. Der Name des Papstes und des vertriebenen Patriarchen
Gregorios, bestimrnte die Versammlung, sollte wieder in das Kirchengebet
aufgenommen werden.l
An den tatsächlichen Verhältnissen änderte auch dieseWiedererneuerung
nichts. Das Volk und der niedere Klerus hielten sich fern. Während in
oder selbst die Führung in die Hand zu nehmen. Der Herzog von Bur-
der Hagia Sophia Gelöbnisse gemacht wurden, zogen Mönche und Nonnen
in Scharen durch die Straßen, lärmten und stießen ihre Verwünschungen
gegen die Lateiner und Lateinerfreunde aus, Man zog vor dls Kloster
¡oõ llautoxpd,toqog, in das sich der unionsfeindliche Gennadios als Mönch
zuruckgezogen hatte. Von ihm wollte man hören, was weiter geschehen
Levantehandel zu retten. Dazu besaßen auch die Byzantiner herzlich wenig
solle, und er forderte mit einem Anschlag an der Klosterpforte auf: >Ilrr
Synrpathie. Sie galten als feig und treulos, und ihr Staat als ohnmächtig
ungltickseligen Rhomäer! Wohin haben Euch Eure Irrtümer geführt? Ihr
und tiberlebt. Daß ihr Reich den Abendland Jahrhunderte hindurch als
habt Gott verlassen und Eure Hoffnung auf die Lateiner gesetzt. Mit
Bollwerk gegen alle möglichen Eindringlinge gedient hatte, dessen ist
Eurer Stadt habt Ihr auch Eure Reiigion dem Untergang geweiht! Gott
n:an sich auch nie bewußt geworden. Aber auch die kirchlichen Zustände
sei mir gnädig! lch schwöre es vor Deinem Angesicht: ich habe keinen
sprachen mit. Johannes Palaiologos hatte <iie Florentiner Union schließlich
gegen ihre übermäclrtige Gegnerschaft nicht nrehr zu stützen gewagt, und
Anteil an dieser Schmach! Bedenkt, Ihr Unglücklichen, was Ihr tut! Mit
Eurer Stadt verliert Ihr den von den Vätern geerbten Glauben und be-
ielbst Konstantin mußte zusehen, wie Patriarch Gregorios r45o aus Kon-
lcennt Euch zum Unglauben. Wehe Errch, wenn Ihr gerichtet werdet!<2
stantinopel verdrängt wurde. Die kirchliche Einheit war so gut wie au[- -
gehoben.
Die Menge zog lärmend weiter. Die Matrosen und das gemeine Volk
stürmten die Weinheuser und leerten ihre Becher zu Ehren der hl. Jung-
Die äußere Not drängte schon gewaltig, da wandte sich Konstantin
liau. >Sie ist stark genug, urn uns zu retten. Was brauchen wir die
an Papst Nikolaus V. mit einem Schreiben, in dem er die kirchliche Lage
Hilfe der Lateiner und ihre Abgötterei?< Und der oberste Beamte des
zu entschuldigen suchte, nur um sich der Hilfe des Abendlandes zu ver-
Kaisers, zugleich aber auch der feigste Mann des Reiches, der Großherzog
sichern. Der, Fapst antwortete am I I. Oktober I45r.r Er rügte das Ver-
Lukas Notaras ghubte am besten zu handeln, wenn er der Volks-
halten der.Griechen seit ftinf Jahrhunderten. Er verwies auf die zahllosen
stimmung entgegenkanr, und sprach das für einen Staatsmann verhängnis-
Versuche zur Herstellung der kirchlichen Einheit. Er erinnerte an das
volle Wort: >Lieber den Turban des Sultans in der Stadt als die Tiara
Unionsdekret von Florenz, das in Konstantinopel keine Beachtung gefunden
des Papstes!<8 Die Massen waren von den Mönchen fanatisiert. >He-
habe. Schließlich forderte er den Kaiser aut, die Union mit der latei-
notiker<, >Lateinerfreunde<, rrAzymiten< waren die Schlagworte, mit denen
nischen Kirche auf Grund jener Beschlüsse herzustellen. Er werde dafür
mrn sich berauschte und betörte. Wer den Lateinern anhing, wurde als
die abendländische Christenheit für sich bereitfrnden. Verlangen nìüsse er
gebannt betrachtet. Die Sophienkirche galt als entweiht, seitdem Isidor
aber, daß er den Patriarchen Gregorios zurückrufe und den Namen des
die Union dort verkündet. Niemand wagte mehr, sie za betreten. Die
Papstes in die Diptychen aufnehme. Konstantin war dazu bereit.
Sakramente der Lateiner verschmähte man selbst auf dem Sterbebett.
So bestimmte Nikolaus V. den griechischen Kardinal Isidor als Le- Von lateinischgesinnten Priestern wollte man auch nicht begraben sein.
gaten nach Konstantinopel. Am zo. Mai t45z reiste er vorl Rom nb,2
r Isidors Schreiben an Nikolaus V. bei Jorga N,, Notes et extrâits pour servir
r Das Schreiben Nikolaus'V. bei Raynaldus, Annales ecclesiastici ad annum r454 à l'histoire des croisades au XVo siècle. Paris r890. ll. 5zz.
, Chalcondylas VI. r1j. Dukas, Hist. Byz. XXXÍ. p. rt9 (Migne, P. gr. r57,
nn. r. 2; die griechische Übersetzung, die-Iheodoros Gazes fertigte, bei Migne, P. gr. t
tóo,' zoo sqq. 4r -t 3D
44).
s Pà3tor, Geschichte der Pàpste I. 585 n. z. ukas, Hist. Byz. XXXVI. XXXVII (Migne, P. gr, r57, to57-ro7).
Tùrklsche Rilstungen. Byzanz und das Abendland, 273
LtZ ¡. Dia Erobcruog Konstantinopels und das dbendland.
den äußeren Feind bildete. Man empörte sich gegen die Lateinerfreunde,
In dicser Stïmmung ging Konstantinopel seinen schlimmsten Tagen ent-
man glfihte von Fanatismus in kirchlichen Dingen; aber, wo es gah, die ge-
gegen.
samte Grundlage vor dem Untergang ztr retten, wer man feige und versagte.
Moh¿mmed II. hatte von Anfang an seine begehrlichen Blicke auf die Demgegenüber trat Mohammed mit anderen Kräften auf. Jedenfalls
Kaiserstadt âm BosPoros gerichtet. Solange er von den kleinasiatischen war er militerisch den Belagerten weit überlegen, mâg man seine eigent-
Wirren in Anspruch genommen wurde, wiegte sich Byzanz noch in dem lichen Kampftruppen auf 8o ooo oder 5o ooo berechnen.l Wichtiger als
falschen Glauben an einen durchaus sicheren Frieden. Die außenpolitische alles war, daß sie von Eroberungslust und Haß gegen alles Christliche
Lage wußte man in keiner Vy'eise richtig zu beurteilen. Kurzsichtig genug, wie besessen wâren. Zur See jedoch hatte Konstantin die Oberhand. Er
dròhte Konstantin, er werde den türkischen Prinzen Urchan - einen un' besaß zwar nicht meår als z6 Kriegsschiffe; aber die türkische Flotte, die
bequemen Prätendenten des osmanischen Thrones, der in Konstantinopel noch in ihren Anfängen stand, hatte keine übergroße Bedeutung. Die
im sicheren Gewahrsam des Kaisers \ry¿r, - in Freiheit setzen, falls die beste Stütze bot den¡ Kaiser Giovanni Longo aus der Familie der ve-
geforderte Erhöhung der Pensionsgelder nicht geleistet wärde. Mohainmed nezianischen Giustiniani, eine Art Frcibeuter im Ägäischen Meere, der
war aufs höchste gereizt. Zunächst tat er wohl alles noch mit hoflichen sich ihm um den Preis der Insel Lemnos mit ftinf Schiffen und Mann-
schaften zur Verfügung stellte. Ebenso stellten sich die Genuesen und
Katalanen, sowie die venezianische Kolonie ztByzanz als Mitkampfer. Das
übrige Abendland stand fernab oder kam zu spät.
In Rom waren ursprünglich Stimmen laut geworden, man dürfe den
schismatischen Griechen keine Hilfe bringen.z Doch hat auch hier die
Vernunft über den Fanatismus gesiegt, und zwar gab Nikolaus V. den
Schiffe üblen Folgen zeigten sich bereits in der nächsten Zeit
sein. Die Ausschlag.s Zehn päpstliche Galeeren nebst Schiffen von Neapel, Genu:r
bei einigen venezianischen Schiffen, die wegen des Sundzolles nicht an- und Venedig fuhren aus. Aber alles scheiterte an dem Krämergeist der
legten. Eines ging bei einer Beschießung sogar verloren. Schlin:meres I(epublik Venedig, die mehr um den eigenen Handel und die Niederhaltung
war im Kriegsfalle für Konstantinopel zu erwarten. Was nutzten alle Pro- der übrigen italienischen Seestädte besorgt war als um die Abwehr des
teste des byzantinischen Kaisers? Mohammed schickte seine Gesandten gemeinsamen Feindes. So durfte eine venezianische Flotte von ro Schiffen
mit diplomatisch hochst unhöflichen worten nach Hause, und als Kon- erst am 7, M'Å 1453 unter Segel gehen, und ihr A<lmiral Jacopo Lore-
stantin nochmals Einspruch wagte, .drohte er, iedèn, der künftighin noch- dano hatte dazu noch ausdräcklichen Befehl, au[ dem Wege nach dem
mals mit Anträgen dieser Art komme, lebendig zu schinden. Es war kein Osten türkisches Eigentum in keiner Weise zu schädigen. So war alles
Zweifel, der Türkenherrscher holte zum letzten Schlage aus. In Voraus- zu spät. Die abendlendische Hilfsflotte lag noch vor Euboea, da traf sie
sicht dessen hatte Konstantin auch die geschilderten Unionsverhandlungen auch schon die Nachricht vom Falle Konstantinopels.
mit Rom eingeleitet. Seit 5. April 1453 lag Mobammed vor Konstantinopel, das sich seit
Byzanz war dem Feind nicht gewachsen. Konstantin hatte samt den einiger Zeit schon nach jeder Hinsicht in den Verteidigungszustand gesetzt
3ooo anwesenden Lateinern nur gooo Mann unter Waffen.l Mit ihnen hatte. Der Kaiser selbst zeigte sich als ein Mann von durchaus ritterlicher
war die ftinf Stunden lange Mauer zu verteidigen, welche die Landzunge, Gesinnung. Beim Tore des hl. Romanos leitete er die Verteidigung per-
auf der die Stadt lag, im Osten nach dem Festlande hin abschloß. Selbst sönlich. Die Belagertrng zog sich unter den verschiedensten Zwischen-
die Mönche, die mit Knütteln ausgerüstet wurden, hatten die Bewachung fällen zu Land und zur See bin, teilweise auch zugunsten der Byzantiner.
einer weniger bedrohten Seite zu übernehmen. Die eigentliche Bevölkerung Der Sultan bedrohte die Stadtmauer rnit schwerem Geschütz, namentlich
von Konstantinopel, die Gebildeten wie die Masse es handelte sich um
-
3o-31ooo Einwohner - war an ein schlaffes Leben gewöhnt und nahm
die vaterländische Sache lässig hin. Man verzehrte sich eher in leiden-
schaftlichen Parteikämpfen, als daß man eine geschlossene Einheit gegen

r Vgl, Gelzer, bei Krumbacher, Gesch. d. Byz. Tìt' S. ro-66.


-Pastor, Gescb.
d. Päpste sqo gibt 4973 Griechen und gegen zooo Fremde an' Vgl' Mordtmann À,
Il
Belajerung úía ËroUeäi'tg Constantinopels'durch d. Túrken i. J. ¡Àll. Stuttgart 1858'
S. 3o f.
Mohlor, Xardinel Bes¡erion. l. 1g
Y_

Das Ende des byzantinischen Reiches. Patriarch Gennadios. 276


274 3, Die Eroberurrg Konstantinopels und das Abendland'
>Die Spinne verrichtet Türsteherdienste in des Kaisers Hallen,
mit einer Riesenkanone,, die der Ungar Orban gegossen hatte, die siebenmal Die Eule stinmt das Feldgeschrei in A[rasiabs Palast an!<
im Tage ihre Steinkugeln von loo Zentnern Gewicht gegen die Stadt Dann aber wich diese Stimmung einer wilden, barbarischen Siegesfreude.
schleuderte. Er wütete aber auch sinnlos gegen seine eigenen Leute, wenu
Die kaiserlichen Beamten waren samt und sonders niedergehauen. Nur
ein Unternehmen mißlang. Einen seiner Führer ließ er deswegen in bru-
der feige Lukas Notaras, auf tlessen feile Dienste man noch gerechnet
taler Weise auspeitschen. Er ließ auch gelangene Italiener enthaupten, hatte, war vorläuGg noch verschont geblieben. Jetzt am Abend bein Gast-
was die Gegenseite mit der Enthauptung gefangener Türken beantwortete, mahl, vom Wein berauscht, verlangte der Sultan nach Notaras' r4jährigem
Die Sperrkette am Eingang des Goldenen Horns hatte es immer noch Sohn. Als der Vater sich weigerte, ließ er seine nächsten Anverwandten
verhütet, daß ttirkische Schiffe in diese Meerenge einfahren und die Stadt vor seinen Augen erschlagen und dann ihn selber enthaupten. Nicht
von Norden her bedrohen konnten; aber Mohammed vereitelte das, indem
wenige vornehme Gefangene, die tags zuvor wieder losgekaull worden
er seine Schiffe auf mühsamem Landweg in den oberen Teil der Bucht waren, ließ er niedermetzeln, Jungfrauen und Nonnen in seinen Harem
überführte. Dafür wurden die türkischen Minenangriffe durch den Deutschen schleppen. Das war das Ende von Byzanz, auch das Ende jeder kirch-
Johann Grant wirksam abgeschlagen. Trotzdem, ein Sturmangriff löste lichen Vereinigung mit dem Abendland. Die romfeindliche Stinrmung
den anderen ab.
nrachte sich Mohammed wohl zunutze, als er nach einiger Zeit wieder
Fast zwei Monate waien vergangen, dâ erfolgte der Hauptschlag.
friedliche Zustände einziehen ließ und seine Herrschaft einrichtete. Er ließ
Auf den 29. Mai nachts z Uhr war der ietzte Angriff unter Einsatz sämt-
den Mönch Gennadios zum Patriarchen rvählen und übenlahru alle Rechte
licher Streitkräfte angesetzt. 70 ooo Türken stürzten sich in den Kampf.
des früheren Kaisers gegenüber der griecbischen Kirche.l
Kaiser Konstantin war nicht unvorbereitet. Noch am Nachmittag vorher
Die Nachricht von der Eroberung Konstautinopels traf das Abend-
hatte er sich das Abenclmahl reicheu lassen. Zu Hause in seinem Palast
land wie ein Donnersclrlag. In Venedig hörte nran zuerst davon. Am
bat er jeden um Verzeihung, Dann war er auf seinem Posten am Ro-
29. Juni, als gerade der große Rat versarrnrelt war, trafen die Briefe des
manostor. Alles ging noch gut, bis Giustini¡rni als tapferer Kämpe ver-
Kastellans von Modone und des Bailo von Negroponte ein, die auch sofort
wundet wurde und dadurch eine allgemeine Verwirrung ausbrach. Mittler-
verlesen wurden. Man wußte sich vor Schrecken kaum zu fassen. Von
weile drangen die türkischen Jrrnitscharen durch eine kleine Pforte sowie
Venedig aus ging die Kunde weiter. Am 8. Juli wußte nlan es in Rom.
durch eine weite Bresche in die Stadt ein. Konstantinopel ließ sich nicht
Auch hielwar man aufs äußerste bestürzt. Bald vernahrr auch Bessarion
mehr halten. Konstantin fiel als eclrter Held ftir sein Vaterland im offenen
in Bologna die Trauerkunde. Er war niedergeschmettert. Die Ereignisse
Kampf, ungesehen und ungekannt, weil er alle Abzeichen seiner kaiser-
in der Heimnt mußten ihm noch mehr zu Herzen gehen als den Italienern.
lichen Würde- abgelegt hatte. Erst nachher erkannte ihn ein Türke an
Wir sagten schon, daß er deswegen an den Dogen Francesco Foscari
dem eingestickten Adler auf seinen Schuhen.
schrieb. Es war am r3. Juli. Seine Worte lassen seine seelische Ver-
In der Sta'dt wtiteten die türkischen Truppetr, denen der Sultan Pltin-
fàssung erkennen: >Ich Unglücklicher! Ich kann es ohne den größten
derung versprochen hatte. Jeder Widerstand war erlahmt" Die Bevöl-
Schn:erz nicht schreiben. Die altangesehene, bltihende Stadt, die Haupt-
kerung fltichtete zur Sophienkirche im Vertrauen auf eine alte Prophezeiung,
stadt von ganz Griechenland, Glanz und Zier des Morgenlandes, ist von
nach der hier den Túrken ein Engel entgegeutreten werde, um sie aus
den unmenschlichsten und grausamsten Feinden der Christenheit, von blut-
der Stadt und aus dem Land za verjtgen. Die meisten Einwohner, die
dürstigen Wilden erobert, geplùndert und verwüstet worden. Die öffent-
dem Blutvergießen entgangen waren, wurden zu Gefangenen gemacht,
lichen Kassen sind geplündert, der Reicbtum der Faurilien verschleudert,
unl teils als Sklaven verkauft, tcils in den Harem des Sultans verbracht zu
die Kirchen ihrer Schatze, ihrer Reliquien ur:d aller kostbaren Geräte be-
werden. Giustiniani entkam, aber starb in Chios an seiner Ver:wundung.
raubt. Die Männer gleich unvernünftigen Tieren niedergehauen, die Frauen
Kardinal Isidor konnte sich in Sklavenkleidung retten und nachher von Kreta
fortgeschleppt, die Jungfrauen entehrt, ia die Kinder aus den Armen der
aus seinen traurigen Bericht an Papst Nikolaus erstatten. Mohammed ritt
Eltern geraubt.< Er wolle um Hilfe flehen, nicht ftir sein Vaterland, nicht
nac'b der Sophienkirche, sprang auf den Altar und dankte Allah ftir den
für den untergegangenen Staat, sondern für Scbutz uncl Ehre der ganzen
Sieg. Die Leiche des gefallenen Kaisers wurde in Ehren bestattet, sein
Christenheit. Der F'eind mùsse von Venedig und den übrigen ehristlichen
Haupt auf dem Augusteum ausgestellt und dann nach Kleinasien geschickt.
Mohammed war im ersten Augenblick noch ernst, ia sogar schwermütig I Zu der bei Pastor, Gesch. d. Päpste I. 59o n. 4 genaunten Liter¿rtur ùber die
gestimmt. Beim Anblick des verödeten Kaiserpahstes der Blachernen habe Eroberung Konstantinopels konlmt noch Pears E" The déstrucrion of the Greek Em-
pire and the story of the capture of Constantinople by the Turks. London r9o3.
er nachdenklich die Worte des persischen Dichters gesprochen:
l8*
Y_

und das Abendland'


2'16 3. Die Eroberung Konstantinopels Nikolaus V. und die italienischen Staaten. 277

Fürsten sofort ietzt angegriffen und gebandigt we Ablaß; er verlangte den Zehnten von den Kardinälen und allen Beamten
sich aller In:cin, Pannoniens und lllyriens bemäc der Kurie; er drohte mit den härtesten Strafen ft¡r die Lieferung von
Italien ins Ungltick stürzen. Darum bitte und Waffen und Bedarf an die Ungliubigen.l Alles das war ohne Erfolg. Waren
sich gegen den gemein-
Frieden unter ãen christlichen Fürsteu zu stiften und au sich die Mittel Nikolaus' V. scl¡on nach dcm Urteil des Enea Silvio
samen Feind zu rüsten. An seiner Mithilfe werde er es
nicht fehlen lassen.t
nicbt genügend,2 russchlaggebend war doch: die italienischen Staaten waren
Mit noch ursprünglicherer Kraft richtete Kardinal Isidor anr l5' Juli
für das gemeinslme Unternehnren nicht zu gewinnen. Jeder suchte den
von Kreta aus als Augenzeuge seinen Bericht au Nikohus V.,2 utrd ebenso
eigenen Anteil zu retten, ieder machte seinen Sonderfiieden.
berichtete Lionartlo íon Chìos, der Erzbiscliof von Mitylene,
seiue Erleb-
Venedig schaute über die eriittenen Verluste und den Tod einer
nisse.s Auch Isidor stellte es als dringende Notwendigkeit hin, daß
in
nicht geringen Anzahl von Untertanen hinweg und stellte sich auf die
ItalienderFriedehergestelltwerdenmùsse,unrdannMohamneddie neuen Verhältnisse im Osten ein, um auch weiterhin seine Vormncht-
Spitze bieten zu können. stellung als Seehandelsstaat zu sichern. Bei dem Friederr, den <ìie Markus-
Davon war man freilich trotz des niederschnletteruden Eindrucks republik mit der Pforte schloß, war die Staatsleitung núr darauf bedrcht,
tler ersten Nachrichten weit entfernt. Ein gemeinsames Unternehnen des als meistbegünstigte Macht behandelt zu werden. Ideale Ziele nußten
Abendlandes nach Art der Kreuzzüge des Mittelalters
war im l5' Jahr-
dabei so weit zurücktreten, daß die Republik die Bedingung einging,
hundert langst nicht rrehr möglìch' Dazu waren gegen früher doch zu
keine andere christlicbe Macht mit Geld, Waffen odcr sonstigcm Bedarf
viele Veränãerungen eingetreten. Nicht nur, daß ienc frühere religiöse
gegen dìe Türken zu unterstützen.e Kaum viel anders dachte Genua;
eírl dahin war; es fchlte vor allem die
und Mailand samt dem verbündeten Florenz freuten sich offcn über
ichkeitsgeftihl, das im Mittelalter das clen Schlag, den das feintlliche Venedig erlitten hatte'a
hatte sich die Entwicklung der mo-
Der Papst versuchte angesicl.rts der Lrge im Orient wohl alles, die
rundlage mit nationalen Interessen streitenden Mächte auf einem Friedenskongrcß in Rom (r453) miteinander
vollzogen. Aus diesem Grunde mußten auch ietzt und nnchher alle ver- auszusöhnen; aber d:rs Unternehmen scheiterte wieder an den übertriebenen
suche zu einem Kreuzzug fehlschlagen' Was irgendwie
noch geschah'
Ansprüchen der einzelnen Beteiligten. Wenn trotzdetn im nlchsten Jabr
war von der Furcht weiterer Verwicklungen oder von tatsächlichen
Be-
der Friede von Lodi zustandekam und im Anschluß daran die große
unruhigungen an der Donaulinie eingegeben'
italienische Liga, bei der sich die vier M¿chte sarut dem Papst ftir z5 Jahre
Ñitãt.u, V., der die türkische Gefabr bisher wohl beachtet, abcr zu dauerndem Frieden zusammenschlossen, so geschah drmit immer noch
doch mehr für Bauten und Wissenschaft tls ftir kriegerische Rirstungen nichts zu einem Unternehmen gegen die Türken. Noch weniger war die
ausgegebenhatte,sandteschonindelrnächstenTagentlachdemBekannt- Teilnahme der nordischen Länder zu erwarten. Wohl veranstaltete der
ltaliens'
*.à* des Falles von Konstatrtinopel'seine Legaten an die Fürsten Herzog von Burgund, der d.rmals den glänzendsten Fürstenhof von Europa
in venedig
Auf seine Veranlassung nrußten zu nicht unerheblichen Kosten hielt, in Lille ein merkwürdiges Fest, das eine unerhörte Demonstration
sofort ftinf 'friremen Itit il,n gebaut werden. Er dachte sich den heiligen
))gegen dén Erzfeind des christlichen Glaubens< darstellen sollte;5 allein
Kri.g uo. r. Februar des nächsten Jahres ¿rb und versprach in seiner
zu Taten ließ er es bei all seinen hoclrtrabenden Versprechungen niernals
Krerizzugsbulle vom 3o. Septe*rber ftir tlie Teilnahme einen vollkommenen kommen. In Deutschland aber verschob Friedrich lll. die Türkensache
von einem Reichstag auf den anderen. Die Versprechungen von gânz ge-
ringen Truppenmassen hatten noch dazu das Mitwirken der italienischen
Mächte zur Voreussetzung.
I Bei Raynrldus, Annales ecclesiastici ad annum r45J n'9-rr. Vgl. Pastor,
Gesch. d. P¿osté L sqq f.
s Der'Brief déíÎnea Silvio in den Foutes rerum austriac. XX. 65.
s Vgl. das bei Pasror, Gesch. d. Päpste I. óo5 n. I namhaft gemachte Schreiben
Y

Die Kriegsrüstungen Kalìxts IIl. Bessarion in Neapel. 279


278 3. Die Eroberung Konstantinopels u¡d das Abcndlaod.
Münze umzuprägen oder zu verkaufen, nur um die Mittel für den Krieg
In ein neues Stadium trat rlie türkische Frage, als 1455 Kalixt IIl. in die Hand zu bekonmen, Die römischen Bauten, die Nikolaus V. im
auf den päpstlichen Stuhl kam. Der neue Papst wi,Jnrete seinen Pontifikat großen Stile begonnen hatte, wurden eingestellt. Auch von der Peters-
einzig und allein der Rüstung zum Türkenkrieg und war dafür trotz seiner kirche war nicht mehr die Rede. Statt dessen begann schon in: Herbst
8o Jahre von einem Feuereifer beseelt. Sofort nach der Wahl legte er r455 ein lustiges Zimruern der Schiffsbaumeister am Tiber, um eine päpst-
i

sogar ein Geltibde ab, daß er alles aufbieten wolle, um Konstantinopel liche Flotte zu schaffen. Kalixt lll. dachte sich mit dem Sultan zu Land I

wiederzuerobern. Wenn Pastor diese Stimmung des Papstes allein auf und zur See zu schlagen. Für alles ward gesorgt. Das Ausgaberegister, I

seine spanische Herkunft zuttickftihren willrl so ist das doch nur eine das wir noch besitzen, verzeichnet alles, was für eine umfassende Kriegs-
Seite, von der dieser Eifer herstammen könnte. Ebenso stark mag die rüstung nötig rrvar, bis zu den Flaggen und Zelten, dem Schiffszwieback
allgemeine Beklommenheit wegen der das Abendland und die christliche und dem nötigen Papier ltir die Stlbe.l Freilich aliein konnte der Papst
Kirche bedrohenden Gefahr gewirkt haben. Ganz ist dieses ununter- den Krieg nicht rüsten. AuF mehr als z5 Segel rnit 3oo Kanonen konnte
brochene Streben des Achtzigjährigen nur zu verstehen, wenn nran die die päpstliche Flotte nicht gebracht werden. Mehr aìs 5ooo Soldaten neben
Mitwirkung einzelner rühriger Persönlichkeiten inr Kardinalskollegium in Iooo Seeleuten konnte man nicht aufbringen. Aber der Anfang war ge-
Betracht zieht. ¡Iuxtø consil.ium aenerabilium frøtrum tneolttrn'( heißt es macht und das Beispiel gegeben. Erforderlich war die Mitwirkung der
schon in dem angeftihrten Gelübde Kalixts III.2 Hier ist neben Kardinal übrigen Welt.
Carvajal vor allem an Bessarions Einfluß zu denken. Platina hebt das In diesen Angelegenl:eiten ging Bessarion nach Neapel, um Alfons I.
mit Nachdruck hervor.s Allerdings, wenn wir die päpstlichen Aktenstücke zu gewinnen. Das Fehlen aller Archivalien legt die Vermutung nahe, daß
aus der Zeit Kalixts II[. durchmustern, so hat Bessarion keine Spur seiner es sich möglicherweise um einen privaten Schritt des Kardinals handelte,
Tätigkeit hinterlassen. Ganz anders Enea Silvio, der manches päpstliche
Es ist anziehend in hohem Maße, Bessârion, wenn auch nur vorüber-
Scbreiben als sein eigenes betrachten konnte.a Beachten wir aber die unr-
gehend, am Hofc König Alfons' L zu wissen. Der Hof wie sein Herr-
fangreiche Tatigkeit Bessarions unter Pius II., dem er als Legat und vertrauter
scher waren damals berühmt und mehr als unter einem Gesichtspunkt
Ratgeber die Hauptarbeit leistete, dann ergibt sich geradezu mit Notwendig-
der Gesprächsinhalt von ganz Itrlien und darüber hinaus. Die größten
keit, daß der damalige Enea Silvio und der griechische Kardinal von Anfang
Gegensätze herrschten in der Umgebung dieses Königs. Alfons selber
an in diesen Angelegenheiten gemeinsame Arbeit geleistet haben.
war Ritter und Hunranist. Er führte Kriege; er verst:rntl es aber eben-
In einem Fall trat Bessarion unter Kalixt III. aus seiner Zurtick-
sogut, glänzende Feste und Turniere zu feiern; über alles aber schätzte
gezogenheit hervor, nämlich als er Alfons von Aragon wegen der Türken-
er die nroderne Geistesbiltlung seiner Zeit. In seiner Utngebung waren
sache in Neapel aufsuchte. Nur Platina in seinem Panegyricus und Ca-
Leute angestellt wie Beccadelli und Lorenzo Valla, bcides naclrmals ge-
pranica in seiner Leichenrede berichten darüber;5 kein ofrzielles Aktenstück
feierte Humanisten. Von ihnen ließ er sich aus den Klassikern vorlesen,
weiß davon zu erzdhlen.
von denen er am nreisten Livius und Cäsar geschätzt haben soll. Man
In Rom faßte man die Sacbe ¡nit allem Ernst an. Des Papstes Maß-
erzählt, er habe sich in einer l(rankheit den Q'intus Curtius voriesen
nahmen zu einem Kriege waren weitumfassend. Seine Legaten gingen
lassen und sei damit gesund geworden.
überallhin. Nikolaus von Cusa war in Deutschland, Carvaial wirkte irr
Ungarn und Polen. Auch in die kleineren Staaten und Städte Italiens Aber was fär Widersprüche herrschten hier! Auf der einen Seite
gingen seine Boten. Die Bettelorden hatten den Kreuzzug zu predigen war Alfons fromm. Er betete des Morgens die Horen, hörte die Messe,
und den Ablaß zu verkünden. Alle Geistlichen wurden zum Türkenzehnten hielt strenge Fasten und stieg vom Plerd, vr'enn er einent Priester mit
verpflicbtet. Gegen die Widerspenstigen sollte eingeschritten werden. Ftir dem Sanktissimum begegnete, um bis ins H¡us des Sterbenden mitzugehen.
die Sicherheit der gesammelten Gelder w^t zí sorgen. Der Papst selber Auf der anderen Seite wrren die Humanisten, die er in seinen näheren Kreis
ging daran, clie Kostbarkeiten der päpstlichen Scbatzkammer in klingende zog, von der frivolsten und freiesten Art. Beccadelli ist ia der Verfasser
des widerlichen ,rHermapltroditus<, und Valh, ein geborener Römer, durfte
r Pastor,
z ft¿ynald nnum 1455 n. r8. sich wegen seiner I{ritik - er verwarf bekanntlich die konstantinische
I Plítina, ionis, bei Migne, P. gr. r6t, Col. CX.
Non destitit ta¡nen hortari, ut interþosila øuctorítatc þontif-
Schenkung
- und seiner halb epikureischen Schrilten nicht in llom schen
lassen. Seine Darlegungen ,¡Über die Lust und das höchste Lebensziel<
cølus sa¿uientem ulsaret,
r Aenea
6 Platiu bei Migne, P. gr. r6t. Col. CX I Vgl. Pastor, Gesch. d, Pâpste l' 674 t,
Niccolò Capr (lll' Bãnd: Uugedruckte Terte.)
Bessarion bei der Wahl Pius' IL 281
280 3. Die Eroberung Konstantinopels und das Abendland.

bergen eigentlich nur die Strömungen und Ansichten, die in Alfons' Um-
gebung herrschten. Alfons selber hatte zwar vierzehr:mal die Bibel ganz b. Unter Pius II. und Paul II.
gelesen, aber ebenso gern berief er sich auf Seneca. Mit seiner Gattin l. Bessarlons Stellung bei der Kurle.
Maria lebte dieser König in Zwist und T'rennung; als seine Liebe galt Auf dem Kongreß von Mantua und als Legat in Deutschland.
die schöne Lucrezia d'Alagno, die sich bei Kalixt lll. umsonst um eine
El:edispens bemühte. Der König selber behauptete allerdings, nur in einem Enea Silvio de'Piccolomini hatte bis jetzt eine außergewöhn-
platonischen Verhaltnis zu ihr zu stehen.l liche Laufl¡ahn hinter sich. Vom Sekretär Friedrichs lII. hatte er es unter
In diesen Kreis trat ftir einige Augenblicke Bessarion, un: für den Nikolaus V. zum Biscbof von Triest gebracht und war dann nach Siena
Kreuzzug zu werben. Er war wol:l bald nach der Wahl Kalixts III. noch versetzt worden. Seit ein und einem lralben Jalrre rvar er Kardinal (I8. Dez.
1455 in die Bäder von Pozzuoli gegangen. Von hier aus begab er sich r4j6), ein Ziel, das er lângst erstrebt hatte. Je-tzt schlug ihm die Stunde,
nach Neapel; ob im unmittelbaren Auftrag des Papstes, wird nicht gesagt. da er zur höchsten Würde der Christenheit errrporsteigen sollte. Am 14. Au-
Alfons L ging dem Kardinal mit glänzendem Gefolge bis Piedigrotta ent- gust 1458 war der S3jehrige Kalixt III. gestorben, voller Besorgnis wegen
gegen. Schon weil Hur¡anist, war ihm Bessarion willkorumen. Denn der imnler mehr sich ausdehnenden Türkengelahr, aber auch irl Bewußt-
in .diese Sphere war der griechische Karclinal bereits gestiegen. Er hatte sein, selber sein nröglichstes zu ihrer Abwehr getan zu haben. Am r6.
geraCe Alfons von Aragou schon seit einiger Zeit seine Übersetzung von August gingen die Kardinäle ius l(onklave; drei Tage später tlahtn Enea
Aristoteles' Metaphysik gewidmet. Jetzt wollte er, daß der König sich Silvio als Pius ll. die Huldigung der Kardinäle entgegen'
an: I(r'euzzug beteilige. Viel Gelvinn ftir die heilige Srche ergab sich aus Die Papstwahl hatte sìch eigentlich schuell vollzogen, und doch
Bessarions Schritten niclrt, mochte sich auch der König satnt seinen Ba- hgen die Verhältnisse nicht so einfach. Die Gegenprrtei wünschte den
ronen das Kreuz auf die Schulter heften lassen; im Gegenteil, Alfons fiel Kardinal von lìouen, Guilìaume d'Estouteville, oder vielmehr dieser wollte
mit seiner Flotte tiber die Genuesen her, die ihn früher einmal gefangen dieTiara. r¡Wie kann nlan Piccolomini zum Papst machen?< soll Estoute-
gehaiten hatteu, uud verwüstete ihr Küstenland. Das Schimpflichste aber ville gesagt haben. >Er leidet- ja an Gicht. Wie kann er der vefafn]ten
war: der Führer der päpstlicheu Flotte, Erzbischof Pietro Urrea von Tarra- Kircbe helfen? Er ist selber krank und arm!< Überraschend ist, daß
gona, Iieß seine Schiffe, die aus den Geldern der Christenheit zusammen- auch Bessarion für den französischeLr Kandtdaten eintrat. Die ltalier:er
gekon.ruren waren und ebeu gegen die Türken segeln sollten, gegen jeden fürchteten einen Franzosen auf dem pâpstlichen Stuhl. Sie wußten, wârum.
Befehl, in oflenem Verrat mit Alfons auf Genua losfahren. Besonders Neapel und Mailand arbeiteten ftir Kardinal Piccolomini. Bein
Dieser Art war es um den Eiier in der Christenheit bestellt. Wohl Akzeß trat Kardinal Colonna von der Gegenpartei auf die Seite des Kar-
darf rnan nicht vergessen, daß Hunyadi in diesen Tagen den Sieg von dinals von Sicna uncl machte ihn zum Papst.
Belgrad erfocht, mit dem er den Vormarsch der weiterstürmendeu Türken Bessarion ergriff sofolt das Wort, um Pius il. zu huldigen: >Wir
zum Stehen brachte (Juli 1456). Auch dieser Erfolg war die Frucht der sind r¡it deiner Erhebung einverstaLrden und glauben nach wie vor, dall
Bemühungen des Papstes, der rien Kardinal Carvajal und den Franziskaner- du dieses Amt würdig verwalten wercìest. Wenn wir dich niclrt gewählt
mönch Johann Capistrano mit der Kreuzzugspredigt beaultragt hatte. Von haben, so war flir uns dein Gesundheitszustand aussc[laggebend. Denn
den vielen Wünschen war es wohl der einzige, der Kalixt III. ganz in du leidest ja an den Füßen. Wir: glaubten der Kirche einen Mann geben
Erfüllung ging. zu müssen, der ruit rüstiger Körperkraft der drohenden Türkengefahr
entgegentreten könnte. Du aber bedarfst der Ruhe. Das zog uns nach
I Fastor, Gesch. d. Päpste I. 457-460, Voigt, Die Wiederbelebung des clas- dem Kardinal vou Rouen hin. Wen¡ du körperlich wohlauf gewesen
sischen Altertums I. 457-46o. Chledowski C. v., Neapolitanische Kulturbilder, XIV.-
XVIII. Jhdt. Berlin r9zo. S. r43-r85. wärest, dann hätte es heinen gegeben, den wir dir hätten vorziehen l<önnen,
Aber da es nuu Gott gefiel, so gefallt es auch uns. Wir ehren dich als
Papst, geben dir er¡eut unsere Stintme und werden dir in Treue dienen.<1
Wir können den Worten Bessarions glauben, mochten auch die fran-
zösischen Kardinäle ihre eigenen Gedanken hinter diesen mehr äußerlichen
Bedenken verborgen haben. In anderen Falien sah man ia gern iiber die

I Bessarions Worte bei Pii lI. Commentarii lib, I' p. 3osq


282 ¡. Bessa¡ions Stellung bei der Kurie. Bessario¡ und Pius lI, Der Krcis um Bessarion. 283

körperlichen Gebrechlichkeiten eines Papstes hinweg" In der Tat war Man hat auch Bessarion mit Enea Silvio verglichen und viele ilhn'
Pius'II. Körperkrrft gebrochen. Obwohl erst 5z Jahre alt, war er doch lichkeiten zwischen beiden festgestellt. Beide sollen diplomatische Fähig-
hinfallig. Seine Erscheinung war geradezu greisenhaft, sein Haar efgraut, keiten besessen haben, Weitblick, Überzeugungskraft, feines Auftreten, er-
die Wangen firhl, die Züge erschöpft. Mit clen: Aufgebot aller V/illens- finderischen und fruchtbaren Geist. In gleicher Weise sollen beiden die-
kraft mußte er die körperlichen Schtnerzen unterdrücken. Ein Gichtleiden selben Schwachheiten zu eigen gewesen sein. Diese Linien, die Vast
in den Füßen, das er sich in Schottland bei Eis und Schnee zugezoget'ì nicht ohne Geist gezogen hât,l werden aber gekünstelt, sobaid er ins
hatte, quälte ihn derart, d¿rß er oft nicht gehen und stehen konnte. Dazu einzelne geht. Zudem tut Vast Bessarion unrecht, wenn er ihn auch im
kam noch ein Steinleiden. wes¡*'egen er gern die Beder von Viterbo Streben nach hohen Würden mit Enea Silvio auf eine Stufe stellt. Ftir
aufsuchte. Standig hörte man ihn auch hüsteln. Bessarion sprach die Enea Silvio trifft das zu. Wer das von Bessarion behauptet, kennt ihn
Wahrheit. nicht. Sagen wir aber, daß beiden zuweilen der Sinn ftir die lVirklichkeit
Pius antwortete dem griechischen Kardinal ebenso diplomatisch ge- und das Erreichbare abging, daß sie widerstrebende Kräfte zu gering ein-
wandt: >Wenn ihr euerm Gewissen folgtet und uns nicht wählen zu dürfen scbätzten. Und fügen wir bei, daß sich beide auch auf gelehrtem Gebiet
glaubtet, rveil unsere Gesundlreit nicht genügte, so seid ihr mir dennoch begegnen, insofern jeder von ihnen neben der eigentlichen Berufsarbeit
willkontmen. Du hast aber besser von uns gedacht, als wir uns selber gern und erfolgreich zur Feder griff, wenn auch ieder sich nit ganz ver-
bewußt sind. Es liegt nicht allein an dem Fußleiden. Wir kennen noch schiedenem Wissensstoff abgab. Und geradeso gleichen sie sich in ihrer
andere Schrvächen und fUhlen uns für dieses Arnt nicht wtirdig. Aber ständigen Sorge um die Abwehr der Ttïrken.
wir hören auf den Ruf Gottes; denn was z$'ei Prrteien im Kardinals- Bessarion hatte zur Zeit, als Pius II. auf den päpstlichen Stubl kann,
kollegium erwirkt haben, das ist gewiß vonr HL Geist,<l in Rom schon festen Fuß gefaßt. Seine Akademie bltihte. Nicht un-
Ein höchst denkwürdiges Gepräge trug der neue Papst' Er, der jetzt bedeutende humanistische Arbeiten hatten ihn bereits bekanntgemacht.
die Rechte des römischen Stuhles besaß, hatte sie einst aof dem Konzil Um diese Zeit entstand, wie wir hören werden, sein größtes Werk, sein
zu Basel bekampft. Er war ehedem der Sekretär des Konzils; und nicht ¡In Calumniatorem Platonis<. Er besaß damals schon Freunde, die ihn
nur das, er \var auch Sekretär an der Kurie des Gegenprpstes Felix V., wie einen Vater ehrten, einen Niccolo Perotti, seinen Sekretär, und Jakob
bis er sich erst spät Eugen IV. zu Füßen rvarf. Er, der sich ietzt den Ammanati, den Sekretär Kalixts III. Ammanatis Briefwechsel aus ctrvas
,>Frommen< nanutc, hatte auch vor Zeiten laszive Briefe und Dichtungen späterer Zeit schildert uns das trauteste Verhältnis zwischen beiden.2 Amíce
geschrieben; selbst sein Leben \ilar in allen Punkten nicht einw¿ndlrei cdr¡ssímc redete ihn der Kardinal in seinen Briefen an.t Arnmanati bat
gewesen. Aber er hatte nachher, als der Jugendrausch verraucht war, uns das eingehendste und gewinnendste Charrkterbild Bessarions gezeichnet,
eine sittliche Urnwandlung erlebt und seine erotischen Schriften >retrak- das wir besitzen.a Wir werden darauf zurückkommen. Die Humanisten
tiert<. Er war ferner ein ebenso eleg¡anter Briefschreiber wie gewandter schrieben an Bessarion von auswärts. So vor allem Filelfo. Später
Redner. Er war der Verfasser gescbichtlicher und geograpllischer Werke. werden wir davon noch hören. Bessarion hatte seine Beziebungen auch
Er hatte den Verlauf des Basler Konzils beschrieben und eine Geschichte außerhalb dieser Kreise. Mit der Familie der Fürsten von Urbino scheint
Friedrichs III. geliefert; und das Merkwürdigste, was noch je ein Papst
geleistet hat, er begann jetzt die >Denkwürdigkeiten< seines Pontifik¿ts
niederzuschreiben, die er bis an sein Lebensende führte.
Pius II. war Humanist in größeren-r und umfassenderem Stil als Ni-
berichten.6 In Bess¿rions Kreis gehörten auch Männer wie der Hunnnisten-
kolaus V. .åuch Pius unterstützte die Hurnanisten; aber er wef wählerisch,
kardinal Nikolaus von Cues, dem er eine Abschrift seiner Metaphysik-
da er, selber durch und clurch in diesen Dingen erfahren, Bedeutendes
und Wertloses leicht zu scheiden wußte und mittelnräfSigen Leistungen voll
Selbstbewußtsein keine Beachtung schenkte. Eines war aber im Augen-
blick wichtiger: Pius II. war vor allem Staatsurann mit all derWelterfahrung
und dem Weitblick, den er sich als kaiserlicher Sekretär hatte erwerben
können.

r Pii U, Commentarii lib. I. p, 3t sq.


Benefuien und ii'mter. Persönliches. Die Türkengefahr. 285
281 r. Bessarions Stellung bei der Kurie.
Seite gern ertragen wurde, tritt unter Pius II., mit dem ihn bald innigere
Übersetzung schenkte. Das Exenrplar ist heutzutage in dem von Nikolaus Bande verknüpften, noch mehr hervor. Aber noch etwas anderes zeigte
gestifteten Hospital zu Cues an der Mosel.t sich: Bessarion begann zu kränkeln' Er war jetzt - wenn die Berechnung
Bessarion erhielt unter Pius II. neue Benefizien und Ämter. Das von Vast richtig ist
- 55 Jahre alt; nach der früheren Annahme wäre
Bisturu Mazzara auf Sizilien gab er auf und erhielt dafür am 26. Juli 1458 er sogar 63 gewesen. V/ir hören, daß er wegen seines Steinleidens Iän-
Panrplona in Spanien. Aber auch dicses war nur bis 146z in seiner Hand. gere Zeit in den Bädern vonViterbo zubrachte,r Auch die Bâder von La
Ob der Patriarchat von Konstantinopel das abgelöst hat? Diesen h;rt ihm Poretta scbeint er schon aus Erfahrung kennengelernt zu haben.2 Da er
Pius IL 1463 übertragen. Er war gewiß nrehr als ein Ehrenpatriarchat. jetzt seine Legationsreise nach Deutschland antreten sollte, konnte er gar
Ibm unterstanden dalür die unierter: Griechen aut Kreta und den Inseln. sehr über seine angegriffene Gesundheit klagen, und der Aufenthalt in
Die Einktinfte aus Liegenschaften, offenbar von Benefizialgütern, verwaltete Deutschland während des Winters ermattete ihn neben den ausgestandenen
ihm Lauro Quirini aus Venedig. Das ergibt sich aus den Briefen des
Anstrengungen und seelischen Euttäuschungen derart, daß es ihn bei seiner
Michacl Apostolios.2 V/ichtig war, daß ihnr Pius IL nach denr Tode Ca-
Rückkebr schon das Schlimmste befürchten ließ.8 Später mehren sicl-r
pranicas das Protektorat über den F'ranziskanerorden übertrug (ro. Sept.
diese Nachrichten.a
I4j8).e Sein Einfluß war bald in einzelnen Fällen fühlbar.a Auch die Pius' lI. Pontifikat war hauptsächlich von einem Gedan\en be-
Kanonikate an seiner ehemaligen 'Iitelkirche von XII Apostoli erfuhren
herrscht: Krieg gegen die Ttirken. Gedanke und Stimmung waren
infolgedessen eine Veränderung. Wie wir hörten ) waren die Einktinfte
eigentlich schon vererbt. Tatsächlich wurde <las Abendland seit einiger
dort gering, die Zrl:l der Chorherren deswegen friiher schon und drnn
Zeit schlimmer bedroht. Denn nachdem die Osmanen sich in Konstanti-
wieder unter Eugen IV. stark herabgesetzt worden, und die regelrechte Ein-
nopel seßhaft gemacht und auch weiter auf dem Balkan festen Fuß gefaßt
haltung des Gottesdienstes auf die Dauer nicht mehr gewäbrleistet. So setzte
hatten, drängten diese Feinde abendl¿indischer Kultur und christlichen
schließlich Pius II. auf Bessarions Veranlassung an Stelle der Kanoniker die
Glaubens unaufhaltsam gegen die Donaulinie weiter, während gleichzeitig
Minderl¡rüder, danrit sie künftighin den Gottesdienst uncl die Pfirrrgeschäite
ihre Glaubensgenossen von Afrika her über Granada Spanien bedrohten.
wahrnähmerr, während die Früchte der alten Stiitungen dem Administrator
Das Abendland stand nach wie vor dieser Gefahr ohnn:ächtig gegenüber.
der Kirche, dem Erzbischof Nikolaus von Siponto, zuflicßen solltcn.s
Statt zusamnrenzustehen und abzuwehren, zerfraßen sic[ die einzelnetl
Vicllcicht wollte man auch den Einkünlten dieses Mannes damit auf helfen.
Staaten lieber in eigenem Hader. So in ltalien, wo keine Republik der
Nach allem sehen wir: Bessarion war inr Laufe der 15 Jahre, die
anderen ihren Handel und Wohlstand gönnte; so in Frankreich, wo ruen
er jetzt schon an der Kurie weilte, rrit Land und Leuten von Rom und
Italien clurch und durch vertraut geworden. Er w¿rr einer der tüchtigsten
niit begehrlichen Blicken nach der Krone Neapels spannte; so in Deutsch-
land, wo Albrecht von Braudenburg mit Ludrvig dem Reichen von Bayern-
und angesehensten Kardinäle. Das besagen nicht nur die verschiedenen
Lantlshut kämpfte, und Friedrich IIl. mit Matthias Corvinus um die un-
Äntter, die ihm scbon übertragen worden waren, und von denen das
garische Krone rang, oder der Erzbischof von Mainz das Laud des Pfalz-
wichtigste seine Sendung als Legat nach Bologna gewesen v/âr; noch
grafen befehdete und brandsch¿tzte.
nrehr geht das aus seinem Auftreten hervor. Bei allen wichtigen Anlässen
steht er in vorderster Reihe und lassen sich die anderen von ihm An- Pius lI. hatte sich bereits am Tage seiner TV'ahl gegenüber den mai-
regungen geben. El¡enso war er gleichsanr der Vorsitzende der Kommission l¿ndischen Gesandten geäußert, <laß er deu Krieg gegen die Osnraneu
jener vier Kardinäle, die in den letzten Tagen Kalixts lll. zur Aufrecht- lufzunehmen gedenke;o und am 12. Oktober verkündete er, daß er die
erhaltung der Ordnung im Kirchenstart eingesezt worden und ttiglich zu
ihren Versamnrlungen zusammenkam.6 Dieses Fübrertalent, das von anderer
, Cu e s, Cod. gr. I 84 l'ol. lozv: Isløm lranslncionem fecit reu d, card, Nicenus, que lton
þosset nelior, et J'eci corrigi lil¡run ex originali de manu eiudem d, cardinalis. 14¡ j.
esse
: Michael l\postolios, Lettres inédites ed. H. Noiret. Ep. 54, p. 7)1, Ep.SS,
p.74î, Ep. s7, p.7sî. Ep. :8. p, 77. Ep. 66, p. 8s.
¡ Wadding, Annales minorum. Romae r735. Xlll 63.
o .So waltete Bessarion als Schiedsrichter in den theologischen Streitigkeiten, die
zwischen Franziskauern uu<[ Domir¡ikanern über das Blut Christi entstanden waren.
Wadding, Annales minorum XI|L z64, D. (02.
0 Die Bulle Pius'I[ vom ]o. Juni 1463 bei Bandini, De vita Bessrrionis com- d Pii ll. Comme¡rtarii lib. VllI, p. ¡98.
nientarius, Appendix u. V. bei Migne, P. gr. t6t, Col. LXXIII-LXXVI. á Psstor, Gesch, d. Päpste ll. fr3f. Anhang: UngedrucLte Aktenstücke n. z.
e Pastor, Geschichte der Päpstc I.758.
T

286 r. Bessarioo auf dem Kongreß von Manlua und als Legat in Deutschland. Bess¿rion mit Pius II. in Mantua, 287

christlichen Fürsten auf einem Kongreß in Mantua oder Udine zu einem Bei der Lage der Dinge wer die Kurie zu Mantua aaî lange Zeít
zur Untätigkeit verurteilt. Die Kardinäle suchten die unfreiwillige Mußezeit
durch Gondelfahrten und Lautenspiel abzukürzen. Auch Bessarion treffen
wir bei ihnen.l Der Kaiser wurde auf das bestimmteste erwartet. Aber
er blieb aus und entschuldigte sich mit den nichtigsten Ausreden. In Wirk-
lichkeit war er ohne Macht. Die deutschen Fürsten strebten nach eigener
ging auch in der Folge alles aus. Mit einem übersprudelnden Eifer wid-
äeie sicn nun der griechische Kardinal der Rettung seiner Heim¿t. Aller- Selbstherrlichkeit. I)azu kamen die Thronstreitigkeiten mit Matthias Cor-
vinus von Ungarn. Ebenso blieb Frankreich fern. Und Florenz wie Ve-
dings, er sollte Enìt¡iuschungen erleben, wie sie auch Pius II. während
nedig waren vorerst auch noch nicht erschienen.
seines Pontifikats erlebt hat.
Die beängstigende Stille wurde unterbrochen durch Gesandtschaften
rus dem Osten. Auch von dem Despoten Thonas Palaiologos aus dem
Peloponnes kamen Gesandte. Ihr Auftreten war mit einem \üort theater-
haft. Un Eindruck zu erwecken, brachten sie ¡6 türkische Gefangene
mit und versicberten mit Wichtigtuerei und Schmeichelei, eine Handvoll
Leute aus Italien genüge, um die Ttirken aus dem Lande zu schlagerr.
Bessarion, in dem Jugenderinnerungen aus seiner Zeit im Peloponnes
wach wurden, griff den Vorschlag sofort auf. Es war angesichts der über-
starken osmanischen Macht merkwürdig einfaltig, ein kleines Unternehmen
überhaupt in Frage zu ziehen. Aber Bessarion, der nicht mit Wirklich-
keiten rechnete, bemühte sich allen Ernstes darum. Mit 3oo Streitern
glaubte er etwas ausrichten zu können. So wandte er sich in seiner
Eigenschaft als Protektor des Franziskanerordens brieflich an Giacomo,
Franziskanerprovinzial der Mark Ancona (zo. Mai 1459).2 Er schilderte
schrieb der Paþst seine Briefe und Einladungen und ließ seine Boten an die Lage im Peloponnes, das Land samt seinen Hilfsquellen. Der Pro-
vinzial sollte ihm im ganzen Gebiet der Mark Ancona einen Kreuzzug
predigen lassen. 4o-jo Dukaten sollte ieder zu seiner Verpflegung haben.
Bis Mitte Juli müssen sie bereitstehen. Besser ietzt dreihundert als später
tausend. Für ein Jahr Kriegsdienst in Morea ward ihnen Ablaß. ver-
sprochen. Die Herzogin Bianca von Mailand war ihm zu Gefallen und
der Kardinäle ihm Vorhaltungen machen, mochte auch Kardinal Scarampo rÍistete die ersten roo Mann âus. Pius II., der ihm nicht länger wider-
seinen Plan ins Lâcherliche ziehen, mochten auch die französischen
Kardi- stehen wollte, stcllte noch 2oo Mann auf und gab ihm sogar ein Sehifl
näle überhaupt ausgeblieben sein. Klagen waren in Mantua bald zu hören' zur Überfahrt. Die Schar ließ sich noch den segen des Papstes geben
Es herrschte àrückende Hitze; die Gegend atmete nur Sunrpfluft;
der Wein und ging dann nach Ancona. Tatsächlich nahm diese mehr leichtf'ertig
als kühn in die Welt geschickte Truppe Patras in einem Handstreic|.

'Pii ll. Commentarii lib. II. p. 14. Vgl. IIl.


Band,.Briefe-n' 37' -
, Þiåtir", e"n.gyìì.ut in laudeó'Bess"arionis bei Migne, P. gr.-1.ór,.Col..CX.
d. Päpste II.49 n. r gegãn den 28. Mai bei Vast'
'Så nach'p^rtõi-Circh.2)r'
"- --'i'pii ll. CommLntaííi'liU. tlt,
Le cardinal Bessarion P' --.
p. r,o. Der Verlauf d.es ganzen. Kongresses. ist
tier in lii. ll. u. lll. geschitdert. Klasiisch ist irnmer noch die Darstellung bei voigt,
von Mantua und als Legat in Deutschland. Bessarions Rede zu Mantua. 289
2g8 r. Bessârion auf dem Kongreß
und raubend über Sie haben die Bilder der Heiligen in Scherben geschlagen. Sie haben mit
später zerstreuten sie sich auf eigene Faust plünderntl
Kot und Schmutz die Malereien besudelt. Unsere liturgischen Gewänder
und die Decken, mit denen wir nach unserem Brauch die hl. Geheimnisse
verhüllen, haben sie ihren Pferden und Hunden übergehängt, um unseren
Glauben zu verspotten. Das Bild der hl. Jungfrau haben sie seiner Kostbar-
keiten beraubt und in Stticke zerrissen. Die Bilder unseres Herrn haben
sie mit ihren Pfeilen und Hieben durchbohrt, so wie ehedem die Juden
die Seite des Gottmenschen durchstachen. Wie sie, so schreien die Türken:
Laßt sehen, ob er Gott ist und sich selber helfen kann.< Dann kommt
der Redner auf die weiter drohenden Gefahren zu sprechen, auf den tür-
kischen Vormarsch bis zur Donau und ihren Einfall in Ungarn.l
Bèssarions Worte besaßen vielleicht weniger Glette als die glanzende

konnte die L Sítzung des Kongresses stattfinden'


Art des einstmaligen Enea Silvio; aber um so gewinnender sprach er zu
Pius IL hielt zur Eröffnung eine wohlvorbereitete Rede, die drei den Herzen. Die angeführten Worte waren keine herkömmlichen Wen-
dungen; sie schilderten vielmehr eine traurige Wirklichkeit mit einer edlen
I{hetorik, der sich noch heute der Leser nicht leicht verschließen kann.
Aber was konnten 'Worte nützen, wo die tatsächlichen Voraussetzungen
fehlten! Und das Schlimmste war: es fehlte an Verständnis, daß'diese
Vorbedingungen nicht gegeben waren, ein Mangel, der sich bei Bessarion
in Deutschland rächte und einem Pius lI. schon zu Mantua die größten
Enttäuschungen bereitete.
Die Verhandlungen mit den verschiedenen staatlichen Vertretern zogen
sich in Einzelberatungen hin. Ersprießliches und Erfreuliches kam d¿bei
stadt des Ostens, von den Türken erobern lassen, und während wir in nicht zutage. Die italienischen Staaten wollten wohl Geldleistungen über-
nehmen, aber andere kämpfen lassen. Die meisten Schwierigkeiten machte
träger Ruhe daheim sitzen, dringen die Waffen dieser Barbaren bis an die
Do-nau und save vor.< Er ftihrte den Nachweis, daß das Abendland sehr
Venedig, das die Oberleitung bei dem Unternehmen ftir sich beanspruchte,
aber die Stellung von Truppen und die Bezahlung seiner Mitwirkung ver-
wohl die Kräfte zur Abwehr des Halbmondes aufbrachte. >Ja, wären sie
jetzt da,< so schloß er: >Gottfried von Bouillon, Balduin, Eustlch, Hugo, Iangte. Es kam bei allem nur so viel heraus, .daß die Geistlichen drei Jahre
bo.,oond, Tanlcred - wahrlich, sie ließen uns nicht so viele worte machen,
lang den ro., die Weltlichen den 3o., die Juden aber den zo. Teil ihrer
sie ständen auf und riefen wie einst vor Urban II., unserem Vorgänger: Einktinfte zum Krieg beisteuern sollten.2
Gótt will es, Gott will es!<o
Bessarion war es wieder, der zuerst das Wort ergriff, er lobte den

g. Neapel, Cod. IL D, 44.


h. Triest, Coll, Rossetti n. V.
i. Diion, Cod. 49o fol. z9 sqq.
k. Paiis, Bibl. nat, Cod. lat. 4154 1ol. 116-127.
l. Paris, Bibl, nat. Cod. lat. n57z lol. r87 sqq.
--.---, Druckausgaben (nach Vast l. c. 48 n, z ungedruckt):
pii lI. Commentarii lib. III. p. 6r. Voigt, Enea Silvio lll. 57. Pastor, Gesch'
a. Islebiae róo3.
d. Pãoste ll. 16 f.
' ¡ Voigt, b, Anecdot¿ Veneta ed, Contareni C. P, Venetiis t757'
Enea Silvio lIl. 7t. , Pii il. Commentarü lib. III. p.8rsqq. Vgl. Pastor, Gesch. d. Päpste II. ó7.
a Piuí'iI. Re¿e in seinen'Opera, Basileae r57o S. 905-914.
ilohler, Ka¡dlnal Be¡sûior. I. 19
ì---

290 ¡. Bessarion auf dem Kongreß von Mantua und als Legat in Deutschland' Die deutschen Gesandten zu Mantua. 29I
Größere Schwierigkeiten boten die deutschen Angelegenheiten. Sie werden, zumal er weder PiusII. persönlich gewogen, noch überhaupt dem
lagen derart, daß sie n^.h S.l.,lun des Kongresses die Sendung ei¡es päpst- war. Es rvar clie Stimmung des Basler Konzils,
Papsttum freundlich gesinnt
liJl,.n Legaten nach Deutschhnd zur Folge hatten' - W1¡ -von diesem die er bis zur Stunde bewahrt hatte. Hier in Mantua behandelte er den
letzten Versuch zu er'ñraften war, hätte ein politisch tiefer blickender
Mlnn ihm längst bek¿nnten Pius II. höhnisch und verächtlich. Es war schon
als Bessarion, der zu dieser Sendung ausersehen war, schon zu Mantua ein recht starkes Stück, daß er vor ihm in öffentlicher Versammlung den
erkennen müssen. Zunächst erlebte erst der Papst eine Niederlage. Hut nicht abnahm. Schlimmer wâr, d¿ß er auf das frühere Leben des
Erst im Oktober konnte Pius lI. mit den spät zu Mantua erschie- Papstes anspielte. Pius hatte nun einrual eine bewegte Vergangenheit,
nenen deutschen Gesrndten verhandeln. Aber was ftir ein Biltl innerer ohne daß er ein Hehl daraus machte; auch war sein Lebensgang allgemein
Zerrissenheit und Ha{ers! Kaiser und Fül'sten waren unter sich gespalten, bekannt. Aber die Art und Weise, wie die Äußerungen hicr fielen, zeugte
und auch die Fürsten standen gegeneinander' Weit zurückliegende Streit- von der giftigsten und gehässigsten Gesinnung.
fälle, die letzten Endes die Verfassung des Reiches und die Selbständigkeits- Für einen Kreuzzug hatte Gregor Heimburg nichts, aber auch rein
bestrebungen der Fürsten betralen, bielten die zwei Parteien der
Branden-
gar nichts tibrig. Keiner der Gesandten, mit denen Pius vorlìer verhandelt
burger un,l Wittelrbachcr in Atem, Markgral Albrecbt von Britndenburg hatte, Irat sich so ausgesprochen wie er. Heinrburg schaltete in dieser
war"im Schein des lìechtes,.indem er des Kaisers Partei ergriff und sich Frage jeden höheren idealen Gedanken, der frühere Zeiten beseelt hatte,
an die Reichsverfassung anlehnte; und doch geschah das nur, um seitìe völlig aus und rechnete vor, was ftir zeitliche Nachteile von einem Kreuzzug
Gewalt zu verallgemeinern. Ilrm gegenüber erschien Ludwig der Reiche zu erwarten seien. Er versicherte auch zu wissen, daß Papst und Kaiser
und sein Anhang als Feind von Reiclr und Kaiser, aber nur, weil er scine über die Verteilung des Zehnten bereits ein geheimes Abkommen getroffen
Rechte als LanJesherr verteidigte. War bei dieser Lage für ein ¡¡emein- hâtten, ein Verdacht, zu dem allerdings nach einem anderen Fall Veran-
sames Unternehmen, wie es der Kreuzzug dlrstellte, noch ein Erfolg zu lassung vorlag.l Was nutzte es, wenn Pius II. beteuerte: rKein Pfennig
erwarten ? Dazu kamen diese Gesandten unter der Ftihrung
des ver- soll zu anderen Zwecken verwendet werden!< Dieser Sekretär in ieder-
bissenen Nürnberger Stadtrechtsrates Gregor Heimburg, der nach seiner
manns Diensten stand im Ruf all die geheinren F¿iden der Politik und
kirchenpolitischen Auffassung wie nach seiner persönlichen Grundstimmung die Machenschaften der ftihrenden Persönlichkeiten zu kennen.
ftir die Plene Pius' Il'. das größte Hindernis bedeutete' Noch mehr war in Mantua zu verhandeln, Dinge, die mit dem Kreuz-
Ein seltsamer Mann war dieser Gregor Heinburg,l ein unange- zug an sich nichts zu tun hatten, die aber doch rnit hineinspielten. Es
nehnrer Charakter. Von der Widerspruchsnatur seines lehrers, des Kri- war der Fall des Kardinals Nikolaus von Cusa rnit dem Herzog Sigismund
tikers Lorenzo Valla, war auf ihn etwas übergegangen, Aber er \¡rar der von Tirol. Nikolaus von Cusa war seit r45r in Deutschland.2 Er war
trockene Advokat; wie er oft betonte, ohne Sinn ftir die humanistische kein Schöngeist im Sinne eines Enea Silvio; aber er kannte und schätzte
Austlrucksweise und Pose;1 ein nüchterner Denker, aber giftig und bissig, die moderne Bildung seiner Zeit. Er schrieb ein weniger flüssiges Latein,
höhnisch, sarkastisch. Man kann nicht bestreiten, daß er ein gewandter war aber eiu tüchtiger Theologe. Am Basler Konzil hatte er so lange
und kluger Jurist war. Alle Welt brauchte ihn und hatte ihn schon zu teilgenommen, bis es zum Bruch mit Eugen IV. kam. Jetzt hatte er
Diensten herangezogen. Seine erste Rolle hatte er auf dem Basler Konzil Deutschland durchzogen und allerorts seine Refornr des Klerus durchzu-
gespielt. Von i435 -6r war er ruit Unterbrechung im Dienste der Stadt lühren gesucht. Mit seiner strengen Richtuug hatte er aber nur wenige
ÑUinb.rg. Zwischenhinein arbeitete er für den Kurfürsten von Mainz, Erfolge gezeitigt; er war zu rauh und schroff in seinen Forderungen,
ebenso itir d.n von Trier; r45+ w^r er bei Ladislaus von Poleu; 1458 zu abstoßend in seinem Wesen. In Brixen war Cusa Bischof geworden
treffen wir ihn im Dienste des Erzherzogs Albrecht von Osterreich; inr (25. Màrz r45o), und nun suchte er auch hier zu reformieren. Die Stifter
gleichen Jahr auch bei Sigisruund von Tirol. Auch die Sache des Bischofs und Klöster sollten zur alten Strenge zurückkehreu. Es sollten aber auch
ion Wtirzburg hatte er schon vertreten. Jetzt war er der Sprecher der er wirkte hier wie ein Gregor VII. die alten Rechte gegenüber der
-
lVittelsbachschen Partei; aber auch die Gesandten Albrechts von Öster- -
reichs batten sich an ihn zu \ryenden. t Voigt, Enea Silvio IIL 95. Joachimsohn, Gregor Heimburg 165. Wegerr
so besaß Gregor Heimburg von langer Hand her in allen schwe- Teilung dcr Zehnteinnahmen vgl. Gottlob .{., Aus der Camèra Apostolicã des r5. Jatr-
hunderts. Innsbruck I889. S. t8l.
benden Staatsgeschäiten Einblick und Wissen. Er konnte also gefahrlich s Scharpff F. 4., Der Kardinal und Bischof Nikolaus von Cusa. L Das kinh-
liche Wirken, Mainz t843. Derselbe, D. Kard, u, Bisch. Nik. von Cusa als Reformaror
r Voist. Die Wicderbelebung des classischen Altertums Il.284-29o. Joachim- in Kirche, Reich und Pnilosophie des r5. Jahrhunderts. Tübingen t87r. Pastor, Gesch,
sohn P,, Grãgôr Heimburg' Bamberg 1891. d. Päpste ll. r18-145. Joachimsohn, Gregor Heimburg. r7z-r78.
1g+
Bessarion als Legat nach Deutschland bestimmt. 293
2gZ r. Bessarion auf dem Kongreß von Mantua uud als Legat in Deutschland.
Es war neben seiner ähnlich gearteten Sendung uach Frankreich in späteren
Jahren der unerquicklichste Abschnitt seines LeLens. Alles wirkte zu diesem
kläglichen Mißerfolg zusammen. Ein Land, das von derartigen Parteigegen-
sätzen zerrissen rilurde, war auch nicht mehr zu einem großen gemeinsamen
Kriegsunternehmen fähig. Dazu r','eht uns in der geistigen Stimmung der
erschien auch der Herzog, Heimburg vertrat seine Sache. Ein Vermittlungs- führenden Kreise bereits die Luft der Reformation entgcgen. Gregor Heimburg
versuch des Papstes mißlang, und der Herzog wandte ihm -i-n der Kreuz- hatte mit seinem Auftreten in Mantua geradezu die Gesinnung der gânzen
zugsangelegenf,äit den RUc[en. Pius II. hat nachher nit Weitblick alle
Nation zum Ausdruck gebracht. Es herrschte in kirchlichen Dingen allgemein
eine gefahrliche Gewitterspannung, die es bein: geringsten Anstoß zu Ent-
ladungen kommen lassen konnte. War wohl Bessarion unter solchen
Verhältrrissen der richtige Mann? Vielleicht war er doch zu wenig der
gewandte Diplomat. Einzelftille beweisen das, und Pius II. sah das nach
einiger Zeit selber ein.r Kardinal Carvajal äußerte gleich irn Anfang seine
schweren Bedenken.z Vor allern vvar er als Grieche in Nurnberg wie in
ÌWien doch landfremd. Er wußte sich weder der Stimmung, noch
den
staatlicben Verhältnissen jenseits der Alpen anzupassen. Noch klang ein
leiser Unterton seiner byzantinischeri Auffassungsweise durch, weun er in
Wien den Gesandten Vorwürfe machen zu können glaubte. Im übrigen
war es aber merkwürdig, wie er als Grieche sich schon ganz und gar
Denkweise und Auffassung der römischen Kurie zu eigen gemacht hatte.
Voigt nennt ihn wegen seines Auftretens einen >ungeduldigen, dtinkel-
haften Griechen<.3 Dieses Urteil ist sicher zu hart. Sein Wesen ergab
sich doch aus den geschilderten Umständen. Manches erklärt sich auch
aus seiner idealistischen Veranlagung, die ihn auch hier nicht mit der

ein Auftrag, der ihn auf einen völlig fremden Schauplatz führte' eine Tatig-
keit, die ihn seelisch und körperlich zermürbte, der er selber von vofn-
herein sicher in keiner Weise gewachsen war'
Für den Papst aber war Deutschland neben den ziemlich unsicheren
versprechungen der italienischen Machte die einzige Hoffnung. von an-
deren L¿ndern konnte keine Rede mehr sein. England konnte und wollte
nicht. Frankreich betrachtete es als das Wichtigste, in Mantua die alten
Ansprüche auf Neapel zu erneuern. So erfuhr Pius II. bittere Enttäu-
schungen, denen er in seiner Schlußrede lebhaften Ausdruck verlieh.2 Anl
r4. Januar 146o verließ Pius II. die Stadt. träge zur österreichisch-deutschen Geschichte im Zeitalter Friedrichs III. V/ien t892. n, z,

was der Kongreß mit der deutschen Nation nicht zu Ende gebracht,
übernahm jetzt Bessarion mit seiner unglücklichen deutschen Legation.s

diese Rede eigens bearbeitet vor'


s Zu BËssarions deutscher Legation machte Pastor, Gesch. d' Päp.ste II. r25.Lt. t r Voigt, Enea Silvio III. zt9.
.uf unrf*lr.i.lã-Aii¡i".1i." im Vaiikanischen Archiv aufmerksam' So-liegen in Arm'
294 ¡. Bessarion auf dem Kongreß von Mantua und aìs Legat in Deutschland.
Von Venedig bis Nürnberg. Bessarion auf dem Reichstag. 295

ließ.
Seltsarn genug-ist es, dâß ihn Pius über-
war auch hier wieder sehr schwach. Als Gesandte vom Kaiser waren da:
rauhen Wirklichkeit rechnen
der Kardinal von Augsburg und die Bisch<iie von Speier und Bamberg.
haupt zu dieser Sendung gewählt hat.
Von den Fürsten nur Markgraf Albrecht von Brandenburg. Einige Kur-
Am z. Januar l46o hat ihn Pius II. in einem geheirnen Konsistorium fürsten und Herzog Ludwig vorr Bayern ließen sich durch Gesandte ver-
ernannt.l Sein Auftrag gab ihm die Vollmachten eines legatus a latere' treten. Die stimmu.g wâr flau, hier auf dem Tag wie draufjen im Lande.
Den Krieg gegen die Ungläubigen sollte er verkünden, ein Heer sammeln, Wer dachte an den Türkenkrieg? Was der Menge aufficl, war nur der
einen Feùhauptmlun bestellen, vorher aber den Frieden unter den deut- ungewohnte Bart des Kardinallegaten, und daß er ein Grieche war. Und
schen Fürsten vermitteln; und wiclrtig wâr, er sollte auch den Zehnten als Zweck seiner sendung dachte man sich einzig die Vernrittlung des
verkünden.2 Gerade dieser Punl<t hat nachher zu den größten Unzuträglich- Friedens unter den Fürsten.l So auch auf der Tagung auf dem Nürn-
keiten geltihrt.. Denn auf dem Reichstag zu Wien v¿ollte niemand den berger Rathaus, wo die Anwesenden ihre Streitpunkte zum Austrag zu
Zehnten übernehnten; Bessarion erfuhr den Vorwurf, er sei zu weit 8e- bringen bofften.
gangen, und der P:rpst bestritt es, ihm den Auftrag gegeben zu haben' Bessarion eröffnete den Ileichstag rnit einer ertsten Mahnung zurn
Wir werden davon hören. Frieden,z freilich g,anz in seinem Stil. Hier sprach der Grieche, der Kar-
Im Februar l46o trat Bessarion, alt und kränklich, bei winterlicher dinallegat und der Humanist. Nur die uneinigkeit der christlichen Fürsten,
Kälte die nicht leichte Reise nach Deutschland an. vott venedig aus klagte er, habe die Macht der Türken so groß werdcn lrssen. Wenn
fuhr er auf verschneiten Wegen über den Brenner. Platina, aus dem hier jetzt die deutschen Fürsten nicht zunr Kampf gegen die Unglaubigen zu-
freilich der Italiener spricht, ftigt als besonders füLchterlich an, daß er sammentreten, so bleibe dls ewig Schmach und Schande. >Aber ihr
stellenweise mit dem Schlitten fuhr.g Gewiß war ihm aber das Klima könnt noch eure Ellre retten; ihr könnt auch Rul:m ernten, wenn ihr
gegen die Fcinde des Glaul¡ens auszicht. Daher schließt Frieden unter-
einander, erlauchte Fürsten ! Ich für meine Person verspreche für dieses
Werk alle Arbeit, alle Mühe, allen Fleiß, alle Sorgfalt mit redlichenr Sinn.<
So beteuerte Bcssrrion. Aber nirgends fand er widerhall, selbst nicht als
er einen Brief des Kardinals Carvajal verlesen konnte, dcr eben einen
Vorstoß der Osmanen gegen Ungarn meldete. Was lag den Fürsten an
diesen Ereignissen in fernem Land; boher schienen ibnen die Sorgen in
der Heimat. Die Gesandten erwiderten und tischten die alten streitf¡lle
auf. Besslri<lns Worte verballten auch hier.3 Er sah wohl schon die Miß-
erfolge kommen; er wîr ärgerlich. Es wird erzählt, er habe darun den
Segen mit der linken Hand gegeben.a
Es war kein Zweilel mehr, Deutschland sttnd vor dem Ausbruch
eines Krieges innerbalb seiner eigenen Grenzen. Mit dem brandcnburgisch-
wittelsbachsclren Gegensatz war auch die FchcJe zwischen dem Mrinzer
Kurfürsten Diether von Isenburg und dem Pfalzgrafen Frietlrich I. ver-
knüpft. Um die Mißbelligkeiten beizulegen, hatte der Kriser die Parteien
auf einen Theidungstag am 23. Mârz nach Worms geladen.s Auch damit
t Vgl, tlie Chronik vorr Nrirnberg in den Chroniken der deutschen Srádte,
Leipzig 1872. X.245. Annales Augstbuigenses, bei MencLenius, SS. Rer, Germ.
t. r$5. ..
z Uberlieferung:
4.Bom, Cod. Vat. l^1.4o1Z fol.8rv-8t.
b. Florenz, Laur. Iar. Plut.'t4. Cod. z fô1. 2r2-243v.
I Bessarions Auseinanderselzungen ruit den Gesandten übcr.iefert cod. vat. lat.
4q7 fol. 85-9,'.
¿ Sele.cta juris et historiarurn lV.3r5,
Senckenberg_,
Palacky F, Urkundliché Beiträge zur Geschichie -Bôhmens, in de' Fontes
Rerunr Austriaç. II, Abt. XX, Wicn 186o n, ztz.
in
In Worms und Mainz, 297
296 ¡. Bcssarion auf denr Kongreß von Mantua und als Legat Deutschland.

nach damaligem Brauch wilde, verheerende Ztlge, die mit einzelnen Trupps
\Ãrurde die Aussprache zu Nürnberg gestört.
Bessarion vefschob deswegen I gegenseitig das Land verwüsteten. Als Diether bei Pfeddersheim eine
den näcbsten Tag und beschloß, selber nach Worms zu gehen:
empfindliche Niederlage erlitt (4. Juli), karn es zu einem friedlichen Ab-
Diese Reise Bessarions nach Vy'orms ist in Dunkel gehtillt, mehr schluß und sogar zu einem Bündnis mit dem bisherigen Gegner. Offenbar
als Voigt ânnahm. Es liegt das nicht nur an der Unsicherheit einzelner brauchte das der Mainzer Erzbischof wegen seines nicht ungefährlichen
Nachrichten in den chroniken; mehr trug wohl die völlige Bedeutungs' Zusammenstoßes mit der römischen Kurie, eine Angelegenheit, die auch
losigkeit dieses Schrittes des Legaten dazu bei. Immerhin liefern die ar- wieder in Bessarions Legation hineinspielt.
chivllischen Unterlagen neue Beiträge, wenigstens zu einer genâueren Da- Diether vo n Isenburg war einer der typischen Vertreter des
tierung und zur Festlegung des Reiseweges. nationalkirchlichen Gedankens in der Zeit det Vorreformation. Darauf
Àm ¡8. März war Bessarion noch in Nürnberg; denr¡ an diesem ging auch sein Streitfall zurück. In Mantua hätte er vor dem Papst er-
Tage stellte er dort noch eine Urkunde aus.1 Er mag bald darauf auf- scheinen sollen,.um sich seine Wahl zum Mainzer Erzbischof bestätigen
gebrochen sein, und zwar in Begleitung des Erzbischofs von Nürnberg. zu lassen. Damals war ftir ihn Albrecht von Brandenburg eingetreten.
bie Unsicherheit des Landes erforderte ftir die Reise bewaffnetes Gefolge. Man erzählte auch, daß er die Mebrheit von einer Stimme bei seiner Wahl
Platina berichtet das, nicht ohne einen Seitenhieb auf die deutschen Ver- sich erkauft habe, Augenblicklich war er im Rückstand mit der Zahlung
hältnisse.2 Doch mögen bei den ständigen kriegerischen Unruhen und
von 2j 5oo rheinischen Gulden, die die Kurie ftir die Bestätigung und ftir
bei der Ohnmacht der Reichsgewalt derartige Zustände geherrscht haben, die Verleihung des Palliums verlangte. Der Erzbischof weigerte sich be-
wie sie ja auch zehn Jahre später Campani über Deutschland zu berichten harrlich zu zahlen, mit dem Hinweis, daß sein Vorgänger eine geringere
weiß.g Bessarions Weg ging erst nach Frankfurt. Wir haben einen Summe geleistet habe. Daftir hatten die Beamten der apostolischen K¿mmer
Erlaß, den er 26, Marz hier unterzeichnete.¿ Erst am 29.März abends
^m über ihn die sogenannte kleine Exkommunikation verhângt. Bessarion als
traf Bessarion in Worms ein. Das kann als bestimmt gelten; denn der päpstlichem Legaten fiel auch die Untersuchung dieses Falles zu, Er wagte
Wormser Rat gibt diese Nachricht zwei Tage später aus besonderen es indessen nicbt, ein Urteil zu fällen, und betraute den Johann Flasland,
Gründen nach Frankfurt bekannt.ó Dechant zu Basel, mit der Angelegenheit.l Es war ftir ihn die einfachste
Damit wird aber auch festgestellt, daß Bessarion in Worms offenbar zu
Lösung; denn immerhin handelte es sich um den ersten Kurftirsten des
spät gekommen ist. DieTagung war auf den 4. März angesetzt, und schon
Reiches. Wir werden hören, daß auf dem Reichstag zu Wien gerade von
vãrhãr, 2c.. März, hatte Diether von Isenburg mit seinem Domkapitel
^m dieser Seite aus lebhaft gegen Bessarions Uniernehmen gearbeitet wurde.
die Fehde dem Pfalzgrafen angesrgt. Am 27. ktindigte der Plalzgtaf dem
Bessarion trat bald wieder den Rückweg an. Am 3. April fertigte
Markgrafen Albrecht Fehde an und Ludwig von Bayern am 30. Mät2.6 Ftir
er in'Worms seine letzte Urkunde aus.2 Die Angabe in Pius' II. Denk-
Bessarion gab es in[olgedessen in Worms nichts mehr zu tun. Wenn er
wfirdigkeiten, daß er auch nach Mainz gekomnien sei,s wird durch den
noch mit irgend jemandem verhandelt haben sollte, so waren es nur neu- Bericht Bessarionsa an den Papst bestätigt. Es war bei seiner Rtickreise
trale Größen wie der Markgraf von Baden und der Bischof von speyer, von Worms. In Mainz erfuhr er nach seinen Angaben durch Rudolf von
die Platin¿ bei dieser Gelegenheit nennt, freilich ohne von seinem italie-
Rüdesheim Näheres über die Sinnesart I)iethers, >in dessen Hause alles
nischen Standpunkt aus den Sachverhalt durchschauen zu können.7
Schlimme gegen die Kurie geredet werde<. Er selbst hat sich wohl nicht
Erwähnen wir hier nur kurz, daß mittlerweile sich zwischen deru
in die Höhle des Löwen gewagt. Am 8. April treffen wir dann Bessaiion
Mainzer und dem Pfalzgrafen offene Feindseligkeiten entspannen. Es wílfen
in Aschaffenburg.ó In Nürnberg kam er, wie sich aus den Stadtrech-
1 Arch. Vat. Arm. XXXV. Tom' r34, Íol, 19a. Bisher galt als.-spåtestes Datum nungen ergibt,6 in den Ostertagerrwieder an, also um den r3. April (Oster-
der ¡6. März nach einer Urkunde in Cod.-germ. fó|. 37o des Pester Nationalmuseums.
Vgt. aie Chroniken der deutschen Städte X. 247 Anóêrkung. Pãstor, Gescbichte der sonntag). Der Papst, der von seinem Mißerfolg vernommen hatte, suchte
I Pii lL Commentarii lib. VL p. l43sq. Die Chroniken dér deutschen Stãdte
¡ 882 XVIII. 2o-2J. Me u z el, Diether von Isenburg l5o- tó8.
'¡ Arch. Vaf. Arm. XXXV. I'om. r14 fol. 55.
Pii IL Commentarii lib.Y, p, zz9. þrofeclus Norimbergam, Magunliøm usquc
þenelrøuit.
I Bessarions Bericht anPius l4ór bei Pastor, Gesch' d.
Päpste II. Anhang n, 44, p. d
729. . . . Wortnatiø redíretn ,
o Arch. Vat. Arnr, XXXV. Tom.
r8ó8. S. 58 f. 0 Die Chroniken der deutschen merkúng.
r Piatin¿, Panegyricus, bei Migne, P. gr. tó1, Col. CXL
Bessarion in Wien. Das Gepräge der Stadt. 299
298 r. Bessarion auf dem Kongreß von Manlua und als Legat in Deutschland.
So wurde der Reichstag abermals verschoben bis zum l. September, eine
ihn in einem Breve deswegen zu trösten. Wir nehmen aber auch wahr, daß lange wartezeit für Bessarion, dessen Eifer durch den Gedanken an die
Pius IL bereits Mißtrauen zu seiner Befähigung als Legat geschöpft hat.
Geschicke seiner Heimat beschleunigt wurde. wie platina weiß, hatte er
Denn fiir die weiteren Verhandlungen stellte er ihnr den geschältsgewandten
sich nach seiner Ankunlt nur einen Tag Ruhe gegönnt und dann sofort
Juristen Francesco von Toledo zur Seite.l Zwischen beiden, dem Griechen mit dem Kaiser wegen der schwebenden Fragen verhandelt. Jetzt war
und dem Spanier, bestand in der Folge das beste Einvernehmen. Und
nicht nur das; wie aus Bessarions Briefen an Atnnrnati zu ersehen ist,
schätzte er seinen juristischen Beirat auch ganz außerordentlich.2
Ende des Monats ging der Kardinallegat nach Wien. Am 26. April
war er in Regensburg. Mit dem Wiener Reichstag kam jetzt der zweite 'Wien
war drmals schon die Stadt von Weltbedeutung mit dem
Akt seiner Legation, der gerade so unglticklich, wenn nicht schlimmer als bunten Gepräge, das auch die spätereu Jahrhunderte kennen. Enea Silvio,
seine bisherigen Bemühungen enden sollte. Es lag an den allgemeinen
der ehederu als Sekretär Friedrichs III. hier seine Rolle spielte, hat uns
Verhältnissen; es lag auch an Bessarions Ungeschicklicbkeit.
ein anziehendes Bild von dem wien, das auch noch Bessarion kennen-
Bessarion traf am 4. Mai in Wien ein. Diese Angabe der öster-
Iernte, entworfen. Die Kaiserstadt an der Donau zählte drmals 5o ooo
reichischen Chronika wird duich die archivalischen Quellen insofern be-
Einwobner, r¡'ar also nach drmaligen Begriffen eine Großstadt ersten
stätigt, als er schon am 6. Mai ein Schriftstück in Wien unterzeichnet hat.a
Ranges, wohlverr','alrrt mit Mauern und rürmen. Enea Silvio, der doch
N:rch den Beschlüssen von Mantua h¡itte der Reichstag scbon am 3c.. März
mancherlei gesehen hatte und das im Jahre r438 nach Basel schreibt,
eröffnet werden sollen. Bessarion, der wegen der gewollten und un- rühmt die stattlichen Häuser nit ihrem blendenden Hrusrat, die bei den
gewollten Verzögerungeu nicht wenig verstinmt war,6 einigte sich mit
Bürgern sogar fürstlichen Eindruck erwecken, die Kirchen aus gehauenem
dem Kaiser auf den tr. Mai.6
stein mit ihren Säulenhallen und Malereien. Er erzâhlt von den Studierenden,
Mit frohen Erwartungen war Bessarion nach Wien gegangen. Der die wenig von Aristoteles wissen, aber in vergnügungen aufgehe' und
Kaiser hatte ihm einen überaus glänzenden Enrpftrng bereitct. Er war ihm
nur Sinn für wein und gutes Essen haben. Das sei überhaupt eine Eigen-
selber eine Meile weit entgegengekommen. Aber nur zu bald scblug die
tümlichkeit der Wiener Bevölkerung. Enea schildert die unglaublichen
Stinrmung des Kardinals um. Kein einziger Fürst, weder einer von den
Mengen von Eiern, Krebsen, Brot, Fleisch, Fisch und Geflügel, die tag-
Kriegftrhrenden noch ein neutraler, war zu dem Reichstag erschielen. Die
täglich verbraucht werden. Vom auswärtigen Wein nahm der Kaiser allein
Zahl der erschienenen Gesandten war ebenfalls gering.T Keiner besaß ge-
schon Ie ooo Gulden jälrrlich ein. >Die unteren volksschichten denke'
nügende Instruktionen. Bessarion verzagte. Er setzte die Lage dem Papst
nur en den Magen und ans gute Essen, und verbrauchen, was sie die
auseinander, und es scheint, daß er ihm gegenüber iede Zuversicht auf-
Woclre über vcrdient haben, nm Feiertag bis auf den letzten Kreuzer.<
gegeben hat. Denn Pius IL, der ihn längst kannte, bemühte sich in jeder
Weise, ihn zu halten. >Abwarten! Keine Überstürzung!< schreibt er ihm.
un das sittliche Leben sei es oft schlecht bestellt. >Ein lockeres und
schlampiges volk.< Die Frauen nur zu oft von allzu leichter Lebens-
>Auch in Itrlien geht nicht a-lles so schnell voran, wie wir gedacht hatten.<8
auffassung, von den M¿innern gar nicht zu reden. Kurtisanen gebe es
die Menge. Täglich ko.rme es zu streitigkeiten und schlägereien. Beld
Handwerker gegen studenten, bald Hofleute gegen Handwerker, bald eine
Zunft gegen die andere. Mit Religion und Frömmigkeit nehmen sie es
nicl¡t sonderiich ernst. Sie fürchten die Exkommunikation, weil sie ent-
ehrend sei, aber die Festtage werden mit wenig Andacht gefeiert. Die
Metzger fasten nicht; die Kutscher halten keine Sonntagsruhe.
Man glaubt in dieser Scbilderung schon das leichte Wiener Leben
späterer Tage zu finden. Man vergesse aber nicht, daß Enea Silvio deutsches
tE
kaner-K
Zur deu T;
6j-7 t . vi
schichte
300 ¡. Bessarion auf clenr Kongreß von Mantua und als Legat in Deutschland. In Berftbrung mit der Universirät. Der Wiener Reichstag. 301

Wesen nicht recht leiden konnte, und daß er deswegen gerne nur die Die Stimmung bei den Gesandten war nicht anders, als wie wir sie
Schattenseiten darstellt. bisher kennen lernten. Im allgemeinen war man von vornherein gegen
Enea spricht auch von der Universität; aber erwill wenig geistiges iede Forderung. vor allem \¡¿ar man nicht papstfreundlich. Es war die
Leben gefunden haben. Er nennt den bekannten Heinrich von Langen- stimmung des Basler Konzils, die nicht ausgestorben war, wie sie Gregor
stein und Nikolaus von Dinkelspühl, die vordem hier lehrten. Er kannte Heimburg in Mantua verkörpert hatte. Hier sprach derselbe Geist. Da-
noch den Thomas Ebeudorffer von Haselbach (f 1464), der brauchbare durch, daß Bessarion in seiner Eröffnungsrede unklugerweise noch bittere
geschichtliche Werke geschrieben habe, und dessen Schule er gern lobte, worte hatte laut werden lassen, hatte die Lage nur noch mehr spannung
vrenn er nicht seit zz Jahren über das I. Kapitel des Jesaias läse, ohne erfahren. Von diesem Standpunkt aus verstanden die deutschen Gesandten
darüber hinauszukommen. Zu viel Wert werde auf die Dialektik gelegt. auch die vollmrchtsbulle des tegaten. wir vermissen leider ihren wort-
Um Musik und Rhetorik kümmere man sich nicht, und noch weniger laut. Aber man war aufgebracht über die angeblichen Forderungen Bes-
um Arithmetik.r sarions, und zwar tritt das um so schärfer hervor, je länger die Vertreter
In dieses Wien war jetzt Bessarion ¡¡ekommen. Er knüpfte mit den auf dem Reichstag beieinander waren, also mit ein Anzeichen, daß der
Universit¿itslehrern freundliche Beziehungen an und muß allerlei doch anders Eindruck anfänglich nicht so schlimnl gewesen sein kann. Im Anfang
gefunden halrs¡, als es hier Eirea mit etwas Unnrut schildert. So fand er war ein eigentlicher Widerspruch gar nicht laut geworden.
Georg Peuerbach, der über Astronomie las; dann dessen Schüler Regio- Behauptet wird, der Legat habe verlangt: Er dtirfe von allen Geist-
montanus, der an astronomischen Tafeln arbeitete. Ihn hat er näher lichen den Zehnt einziehen, mit Strafen gegen die säumigen vorgehen
kennengelernt. Wir haben von ihm noch einen Brief an Bessarion: ¡rDe und bis zur Exkommunikation, Einkerkerung und Entziehung der Bene-
compositionè et usu cuiusdam metereoscopii.<2 Bessarion veranlaßte ihn, fizien schreiten. Die Bulle habe weiter die Laien zur Ausführung dieser
die Große Syntaxis des Ptolemaios z'u bearbeiten.s Johnnnes de Regiomonte Bestinrmungen gegen den deutschen Klerus aufgerufen.l Das hätte ailer-
folgte ihn: später nach ltalien. Vielleicht hängt mit seiner Bekanntschaft dings mit den Abmachungen zu Mantua ganz und gar in Einklang
auch Bessarions Erörterung über das astronomische Ostern zusammen, die gestanden, hatte auch iede weitere Beschlußfassung durch'icht
den augenblick-
et r47o Papst Paul II. überreichte.a Sein Wiener Aufenthalt trug also auch lichen Reichstag überflüssig gemacht. In ein anderes Licht wird der Fall
nach dieser Seite Früchte. durcb die nachtragliche Rechtfertigung Bessarions gerückt. Denn dieser
Der Papst, der Kaiser und der Legat hatten ihre EinladungsscËreiben verwahrt sich gegenüber Pius II. mit allem Nachdruck gegen eine der-
auf I. September nach überallhin verschickt.6 Aber auch jetzt war noch artige Unterstellung. Er habe über den Zehnt nicht mehr gesagt, als was
kein Fürst erschienen. So wartete nran weiter, bis schließlich Bessarion ihm der Papst aufgetragen habe. Gerade wegen der gereizten Stimmung
îm I7. September den Tag eröffnete.o Wenn auch nicht alle r¡o Städte, der.deutschen Gesandten sei er von Anfang an nach dieser Hiusicht vor-
tlie geladen waren, ihre Gesandten geschickt hntten, wenn auch von den sichtig gewesen. Die wahren Gründe ihrer Abneigung .gegen ihn seien
Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg keine Vertretung da war, in:merhin anderswo zu suchen, nämlich in dem guten Verhältnis zwischen ihm und
war die Versammlung nicht unrnsehnlich. rJ auswärtige Fürsten waren ge- dem Kaiser. .Aucb die Stimmung des Gregor Heimburg wie Diethers von
kommen, ro Erzbischöfe und Bischöfe, 8o-85 Gesandte von 34 St¿dten. Isenburg bringt Bessarion in diesen Zusan:menhang.2 Wir sehen, Bessarion
r'Wolkan R., Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini in den Fontes tiberblickte die Lage. Aus seinem Schreiben ergibt sich zur Genüge, daß
7 S. 8o-84, deutsch von M. Meil, Enen jener Unmut erst allmählich entstandcn ist und daß er diese angeblichen
Paris
Forderungen überhaupt nicht in dieser Form gestellt hat. Den Papst hat
It dies dann sein Sekretär Amnranati verteidigt.s
mung
anus

nist, Abschnitt a, I.
uni'146o in deu'sitzungsberichten der phil.-
it. ó55. Das Aus"schreiben des Paþstes
hist. Classe d. kais. Akatl. d. Wiss. zu Wien r85o.
vonr Ir. Juli ebd. 655 f.
. óie Akt.o âis Wiener Reichstages
- beil8I Senchenberg H. Chr., S.elec-ta juris
ncofurti urrd ab'¡'eichencl davon bei Kõnig
. Nachl hstags- uud reichsstä<tt. Kollegialhand- sine eonsensu nationis non þeteret. . . . Dc colligenda uero tractøuit; non tamcn ød exe-
riedrich reó-¡68. Zrvei Reden Bessarions çulionem. ulløm processit,
o17 fol. 9tv.
302 r. Bessarion auf dem Kongreß von Mantua und als Legat in Deutschland, Bessarion und die deutschen cesandten. seine Rückreise. g0B

Die Erklerungen des kaiserlichen Sprechers wie die Antworten des


kurfürstliche¡r und fürstlichen Kollegiums waren nichtssagend. Jeder ver-

um den öffcntlichen Sitzungen auszuweichen, empfing Bessarion die


Gesandten seit 29. September in seiner Wohnung im BarfUßerkloster. Der
>abgefeimte< Heinrich Leubing, der Vertreter Diethers von Isenburg,
ein Mrnn vom Schlage eines Gregor Heimburg, hatte den Widerstand an-
gefacht und drohte noch mebr Verwirrung anzurichten.r Aber auch auf
diesem Wege erreichte Bessarion nichts. Die Gesnndten stellten sich er-
sttunt. Was einzelne in Mantua in Aussicht gestellt haben, sei nicht
bindend ftir die ganze Nation. Sie vertrösteten ihn auf einen neuen
Reichstag. Der ganze Plan müsse auch von Männern erst geprütl werden,
die im Kriegswesen erfahren seien. Allen Vorstellungen des Legaten
gegenüber blieben die Gesandten abweisend. Bessarion, schon lângst ernst-
lich unzufrieden und verstimmt, ließ schließlich seiner Erbitterung freien
Lauf. Er nannte die Gesandten >hartnäckige und hinterlistige Menschen<.2
Er ließ sich auch einen scharlen Seitenhieb auf die tleutschen Fürsten
nicht entgehen. Seine harten Worte ließ er ihnen auf einem Zettel über- katen aufirehmen, um reisen zu können. Er habe sich verpflichtet, diesen
reichen, und er verlangte bei Strafè der Exkommunikation, daß sie diesen
Betrag in venedig zurückzuzahlen, habe aber bis dorthin nichts in der
überall vorzulegen hätten, sobald sie ihren Rezeß vorzeigten. Es entsprang
Hand. Dazu kämen die nicht geringen Kosten ftir die Reise in ltalien,
das der merkrvürdigen Laune eines verärgerten alten Mannes. Die be-
ebenso noch für die Beforderung seines Gepäcks, das er in Mantua und
leidigten Gestndten wollten nochmals bei ihm vorsprechen, wurden abef
nicht mehr zugelassen. So reisten sie ohne Abschied ab' Es war im
Oktober r46o.
Da Bessarion all seine Bemühungen scheitern salt, rvandte er sich
ietzt an den Papst und bat uln seine Abberufung. Aber Pius II. mahnte
ihn mit allen möglichen Trostgründen, doch zu bleiben. Er scbrieb auch,
er möge den Kaiser zum Feldhauptmann bestellen und den Wittclsbacher wieder Erholuug ein, so daß er weiterreisen konnte. Am zo. November
zu seinem Stellvertreter.s Das war unter den gegebenen Verhältnissen t46t tral er dann in Ronl ein.8
gerade so âbenteuerlich wie der wunderiiche Gedanke, auf den jetzt Bes-
sarion wieder verfiel. Er nrachte nämlich dem Papst den Vorschhg, mit
to ooo Mann, die er von überallher anwerben solle, den Peloponnes zu
befreien.a

I Menzel , Diether von Isenburg 72. Yoigl, Enea Silvio. lll, z,z6.
r Voigt, Enea Silvio. Ill. z3o n. 3. ,.. renitentium et tergiaersantíum hominutn
illas itdicanles, Nach Ebendorffer, Liber Regunr Romanorum (ungedruckt in der Wiener
Hofbibliothek) fol. 117,
I Mailath J., Geschichte der Magyaren. S¡ien r829. III. Anhang S. t4¡-t5t
Vgl. Pastor, Gesch. d. Päpsle ll. t12 o, ).
- n Voigt, Enea Silvio. lIl. 211,
-7

304 z, Die letzten Paläologen. Bessarion in Rom u. Venedig' Arn Sterbelager Pius' II.
Die Lage im Osten. Der Fall von Trapezunt. 305

Beziehungen gingen auch zu anderen Küsten und selbst nach dem Abend-
2. Dre rerzten ,",i.fI.,T*år.l,liTJ",f., und venedrg.
land. David nahm sofort nach seiner Thronbesteigung die Pläne seines
vorgängers wieder auf; aber es fehlten ihm persönlich die unentbehrlichen
Wehrend Bessarion in Deutschland weilte, begannen im fernen Osten voraussetzungen zu diesem großen Ziel, nämlich Entschlossenheit, Urn-
sich weitere Veränderungen vorzubereiten, die dem glühenden Vaterlands- sicht und Tapferkeit.
freund tiel in die Seele schneiden mußten. Die Eroberung Konstantinopels Mohammed I[., dem diese gefährlichen Anknüpfungsversuche nicht
war für Mohammed II. lange nicht letztes Ziel und Ende seiner Wünsche. verborgen blieben, ging nun daran, auch mit Trapezunt ein Ende zu machen.
Planmäßig schritt eÍ duztr, den gesamten griechischen Osten sich zu unter- Den Peloponnes hatte er unterworfen. Mit Skanderbeg schloß er Frieden.
wérfen. Sttick für Sttick fiel in seine Hand. Bis zum Jahre 1458 war Im Goldenen Horn hatte er r5o Kriegsschiffe kampfbereit vor Anker
es seinen Janitscharen gelungen, Sich in Serbien
dauernd festzusetzen. liegen. In Kleinasien bei Brussa sammelte er sein Heer. Schon beim
Athen war ebenfalls gefallen. Die Akropolis konnte sicb noch bis r458 ersten Vorstoß fielen die Stadte Amastris und Sinope. Usun-Hassan schloß
halten. Dann wurde das altehrwürdige Partlienon, das aus dem Altertum nach den ersten Angriffen Frieden, und der Komnene stand allein. Inr
nls Marienkirche noch unverändert erhalten war, in eine Moschee um- Herbst r46r war Trapezunt von der türkischen Flotte blockiert. 3zTage,
gewandelt.t Bald gritr die türkische Eroberung auf den griechischen Insel- nach Amirutzes 4o Tage, hielt sich die Stadt. Danu wurden die Lebens-
üranz über. Von Lernnos wurde die päpstliche Besatzung vertrieben. mittel und das wasser knapp. Die kriegsmüde Bevölkerung drang auf
Die Griechen hetten durch Verrat mitgeholfen. Lesbos frel t462. Chios verhandlungen mit den Feind. Die Hoffnung auf glimpfliche Behandlung
konnte sich nur mit einer großen Summe den Frieden erkaufen.'Mity- brachte eine bittere Enttäuschung.
lene war die einzige Insel, die längere Zeit noch ihre Freiheit bewahren David übergab die stadt. Die Bedingungen waren schmärrlich: ver-
konnte. Gleichzeitig drang die osmanische Macht in den Peloponnes vor. zicht auf die Herrschaft und Zwangsaufenthalt in Stambul, wo ihrn das-
Mysithra vermochte sich so wenig auf die Dauer zu verteidigen wie die selbe Jahresgehalt gewährt werden sollte, wie es der Despot Demetrios
tibrigen alten Frankenfestungen. D em etrios Palaiologos stieg die bezog. von den Bewohnern mußten die Reichen nach der türkische.
Felsentreppe herab, küßte die Erde vor dem Sieger und verzichtete auf Hauptstadt übersiedeln. Ihr Besitz fiel dem Eroberer anheim. Die Minder-
seine Herrschaft. Seine Tochter hatte er schon vordem in den Harem bemittelten, soweit nicht sparli'che Reste von ihnen sich in der Nähe vo.
des Sultans geben müssen; er selber ward am 3o. Mai 146o nacb Stambul Trapezunt ansiedeln durften, wurden als sklaven verkauft, unter die Jani-
verbracht. Thomas Palaiologos, der Des¡rot von Morea, mußte fliehen. tscharen eingereiht oder in den Harem gesteckt. In die Kaiserburg zog
Es gelang ihm, mit seiner Familie Ende Juli 146o nach Korfu zu ent- tler tùrkische Pascha ein. Die Stadt wurde mit Ttirken besiedeit. Auf
kommen.2
Jahre durfte kein christ mehr die Brücken überschreiten, die über die
Bessarion war schon wieder in Rom, da traf ihn von allen Nach- Gräben und Felsenschluchten nach der Flochburg führten. Auch Kaisbr
richten am schmefzlichsten der Brief des Georgios Amirutzess tiber David erfreute sich nicht mehr lang des Lebens. weil er sein christentum
seine Vaterstadt Trapezunt im Jabte t46t.a nicht abschwören wollte, ließ Mohammed seine Nefl'en und seine sieben
In Trapezunt trug seit 1458 David aus dem Hause der Komnenen Sohne vor seinen Augen hinschlachten und dann ihn selbst erschlagen.
die Kaiserkrone. Schon sein Vorgänger, sein Bruder Johannes IV., hatte Mit Not bestattete die Kaiserin Helena ihre Angehörigen heinlich in der.
sich die Herrscheft mit Unterwerfung und jahrlichem Tribut von der Pforte Nacht.
erkaufen müssen; aber er dachte noch daran, durch Verbindung mit Usun- Man kann sieh denken, was für einen Eindruck diese frischen Be-
Hassan, dem Khan der Turkomanen, dessen Reich von Armenien bis richte auf Bessarion nrachten, nachdem er eben erst, da er für die Ab-
zum Oxus ging, die Sklavenketten wieder zu sPrengen. Seine geheimen wehr der Türken arbeitete, so bittere Zurückweisung erfahren hatte.
Angabe von Stein (rìm Laufe d,es Jahres r46o<)-im Arch, f. Gesch' d.
stückes.
- Dic
Philosophie II. ¿¿8-kommt nicbt in Betracbt. Vast, Le cardinal Bessarion 251 nahm
Wir wundeln uns âber, daß Georgios Amirutzes es gewesen ist,
als späieren Termin lanuar t46z an. der dcn Weg zu Bessarion fand. Wohl kannten sich beide von Jugend
' 1 Gregoroviús F., Geschichte der Stadt Athen im Mittelâlter. Stuttgart 1889. auf. Abgesehen von jenem Brief aus Bessarions frühester Zeit,1 erinnert
It. rqó
" zf.Phrantzes, Chronikon lY, 17, r8 bei Migne, P. gt. r5ó, 98o sq. Amirutzes hier selber an die alte Bekanntschaft. Er erwähnt sogar Bes-
s Der Brief dôs ¡\mirutzes, eine der hauptiächlichsten Quelien über den Fall sarions Mutter, die gewiß schon längst gestorben war. Aber der über-
von Trapezunt, bei Migne, P. gr. t6t, 721-728.
{'Dies Datum hat Pastor, Geschichte der Pápste ll, 4t n. t gegefJ- die frühere
Ao¡ahnre vot r46z mit autheotischen Zeu ;nissen endgültig bestimmt'
t III. Band (Ungedruckte Texte) Briefe n.3. Vgl, oben S. 5z n,6.
tr[ohler, Kudi¡al Bessuion. I. ZO
306 z" Die letzten Pataologerr. Bessarion in Ror¡ u.Venedig. Am.Sterbelager Pius'II. Flochtige Griechen im Abendhnd. Thomas Palaiologos. 307

bringer des Briefes habe sie gekannt. Auch erinnert er, daß Besslrion Ancona gekonrmen. Mit sich brachte er eine vielbegehrte Reliquie, das
seinãn sohn Basileios getault babe.l Amirutzes, der den Kardinal früher Haupt des Apostels Andreas, das die Kirche von Rom zum Geschenk
haben sollte. VorliÍufig mußte das Heiligtum rüegen der kriegerischen Un-
wegen seiner römischen Würde der Unehrenhaftigkeit beschuldigt hatte,e
batletzt um Unterstützung, Er selbst habe, so schreibt er, nach Adrianopel ruhen der Burg von Narni in Verwahr gegeben werden. Um die Fasten-
wandern müssen. Doch was ihm zu Herzen gehe, das sei sein Sohn in
zeit des Jahres t46r trat Thomas als Hilfeflehender vor den Papst. Er
der Gefangenschaft. Daß er seiner beraubt sei, drücke ihn nieder. Er wird als ein schöner Mann geschildert, in langem, schv'arzem Kleid und
samtartigem, weißent Hut. Von den 7o Pferden, mit denen er einzog,
könne seine sinne verlieren, wenn er höre, daß er nißhandelt werde.
gehörten ihm allerdings nur drei. Der Papst, der ihn im Konsistorium
Und nicht nur das; auch sein christlicher Glaube sei in Gefahr, wenn
empfrng, wies ihm den Palast bei der Kirche Quattro Coronati als Woh-
auch bis jetzt weder Geschenke noch die Peitsche seinen Bekennermut zu
brechen vermochten. Darum bittet er den Jugendfreund um seiner Mutter
nung an. Am Sonntag Laetare gab er ihm die goldene Rose und sicherte
willen,s den Knaben loszukaufen. Seltsam genug war diese Sorge; clenn
ihm 6ooo Dukaten als Jahresgeh^lt za, wozu die Kardinäle z4oo Duketen
Alnirutzes, dieser Theologe, Philosoph und Mathematiker iu einer Person, beisteuerten.l Damit war die Laufbahn dieses heimatlosen Erben des by-
zantinischen Thrones beendet. Denn alles Werben für seine Sache in
trat nachher selber offen zum Islam über und widmete auch seine Dienste
Siena, Mailand und Florenz fruchtete nichts. Mochte auch Pius II. die
dem Sultan.a
Glaubigen aufrufen,. ihm Truppen zaÍ Verfügung zu stellen, mochte er
Was Bessarion in diesem Falle geantwortet und getan hat, entzieht
auch einen Ablaß dafür verkünden;2 dieser Ruf verhallte genau so wie
sich unserer Kenntnis. Aber er hat vielfach in dieser Weise für seine
ehedem die Reden des Papstes zu Mantua. Voller Gram und Enttäuschung
Landsleute gesorgt. Schon aus Amirutzes'Schreiben geht hervor, daß er
starb Thomas âm 13. Mai 1465 in't Spital von S. Spirito zu Rom.
nach der Eroberung von Konstantinopel viele der dortigen Gefangenen
losgekauft lrat. In dieser Weise hat er dem Michael Apostolios, den Jenes Geschenk dieses letzten Paläologen, das Haupt des Apostels
Andreas, gab Anlaß zu einem ganz außergewöhnlichen kirchlichen Fest.
er zeitlebens unterstützen mußte, die Freiheit verschafft. Anderen Griechen
Renrissancepomp und mittelalterliche Frömmigkeit fanden sich hier hart
half Bessarion unter ähnlichen Verhältnissen. So dem Theocloros Gazes,
nebeneinander. Für den Papst gab dieses Fest einc willkommene Ge-
der aus Thessalonike vor den 'fürken geflohen war; ferner dem Kon-
stantin Laskaris, einem gelehrten Grammatiker und Literaturkenner' legenheit zu einem erneuten Kampfruf gcgen die Ttirken. Bessarion
Auch Charitonymos, ein Schüler Plethons, der aus Mysithra nach Rom erscheint auch hier wieder als der Vertreter Griechenlands. In seiner
geflohen war, gehörte dazu. Wahrscheinlich hat auch der Geschicht- Auffassung und seinem Gebaren unterscheidet er sich aber kaum von
Pius II.8
schreiber Georgios Phrantzes, der mit Thomas Palaiologos geflohen
war, mit Bessarion Ftihlung genommen und von ihm vielleicht Unter- Der fromme Kardinal Oliva hatte vom Papst den Auftrag erhalten,
stützung erhalten" Durchweg waren es Schriftsteller und Gelehrte, die die Reliquie von Narni nach Rom zu überführen.a In seiner Begleitung
neben anderen auch in Bessarions Akademie wiederkehren.ã befand sich neben Kardinal Piccolomini auch Bessarion. Auf Palmsonntag
Neben diesen Gelehrten war eine Persönlichkeit aus Griechenland (rl. April) waten sie zurück und warteten vor den Toren Roms auf den
feierlichen Empfang durch den Papst. An den beiden nächsten Tagen
eingetroffen, die die Aufmerksamkeit der höchsten Kreise auf sich zog.
entfaltete sich dieses Fest, bei dem sich ganz Rom und auf die päpstliche
Es war der vertriebene Despot von Morea, Thomas Palaiologos. Auf
Einladung auch auswärtige Stadte beteiligten. Hier sc'hen wir nun Bessarion,
die Einladung Pius'II. war er am ¡6. November 1460 von Korfu nach
wie er an der Milvischen Brücke weinend dem Papst den Reliquienschrein
t Migne, P. gr. 16r, 726C, 728C. überreicht. Die Stelle ist noch heute durch das Standbild des hl. Andreas
¿ Am"iruizesi Iledîav b q ØAagcytlu¡ auvóôE ouppe Pr¡xltror c, 1(Oriens
Christianus X. [tgzo] z6). YgL oben S, 2o2. 2o).
o Migne, P, gr. t6t, 728C.
¡ Am"irutzes-starb r¡rütmafllich l{75.
-einIm Jahre r465 war er zu- Konstantinop.el.
Dorrhin richtet sich ein Brief von Filelfo, Empfehlungsschreiben für einen Archi-
tekten Antonio Averulino, vom 30. Juli r465. Legrand,-Cent-dix lettres grecques de
Fr, Filelfe n. gl- I, p. 82, Neue Aufschlüsse über Amirutzes
sind von den Ja
6 Plat ln , bei Migne, P. gr, 16r, Col. CXVsq.
Miseratus Gra ilt, illiøaureorwtt' þro redimendis cøþtittis
exþendit; þuelløs multøs inoþia þørentum mr rentes d,ere þroþrio dote Jøcta nuþtui
collocat. Inopes et aaletuditarios conlinuo iuaat,
20*
303 z. Die tetzten Palàologen. Bessarion in lìom u. Venedig. Am Sterbelager Pius' II. Eine Festfeier in Rom. Bessarior:s Sorge un: Thomas' Kinder. 309

gekennzeichnet. Wir sehen aber auch Pius II. als >echten Sohn seiner rhe- Vy'ir erinnerten noch an Bessarions Sorge um die Kinder des letzten
torischen Zeil<<, der mit schwungvollen Worten die Reliquie begrüßte: >So Paläologen. Thomas Palaiologos hinterließ zwei Söhne und zwei Töchter.
kommst du endlich, heiligstes Haupt cles Apostels, durcl.r die Wut derTürken Er batte sie kurz vor seinem Tod nach ltalien kommen lassen. In An-
von deiner Stätte vertrieben. Als Fltichtling korurust du zu deinet¡ Bruder, cona erfuhren sie, daß ihr Vater gestorben sei. Zu ihrem Vormund ward
dem Fürsten der Apostel. O felix exilium, quod tale reperit auxilium! nun Bessarion ausersehen. Wir haben noch den Brie[ den er an den
Dies ist die Alma Roma, welche du vor dir siehst. Geheiligt ist diese Erzieher der beiden verwaisten Prinzen Andreas und Manuel geschrieben
Stadt durch das kostbare Blut deines Bruders. Hier ist das Volk, das hat, um ihm Richtlinien für seine Einwirkung zu geben. Er stamn:t vom
Petrus und Paulus für Christus gewonnen haben.< D¿nn wurde das Te 9. August r465J Phrantzes, der mit Thonras aus Morea geflüchtet war
Deum angestimmt und der von Agapito de' Rustici gedichtete sapphische und auf Korfu die Geschichte des byza'tinischen Reiches schrieb, hnt
Festhymnus gesungen. Der Papst trug selber das Heiligtum bis zur Kirche diesen Brief in sein Werk mit eingeflochten"
S. Maria del Popolo und am nâchsten Tage nach der Peterskirche' Bessarion teilt zunächst mit, daß der Papst den
beiden Prinzen die
Über Bessarion merkt Pius II. in seinen Denkwürdigkeiten liebevoll Unterstützung, die der Vater bezog, weiterhin gewähre. Er gibt an, wie
an, daß es ihm nicht verstattet gewesen sei, siclr ganz aî dieser Pro- sie das Geld verwenden sollen für ihren Unterhalt, ihre Diener, für vier
zession zu beteiligen. Mit Mtihe habe er vom Campo di fiori bis zur Pferde und fär standesgenräße Kleidung. Dann ihre Erziehuu¡¡ und Aus-
Peterskirche gehen können. Und er ftigt bei das in diesem Zu- bildung. Ihr Vater hatte gewollt, daß sie in Italien lateinisch erzogen
sammenhang zu erfahren, ist für uns wichtig
- auch
daß es nicht das Alter, werden sollen. Das soll drtrchgeführt werden, an: besten in Sizilien, wo
-,
sondern Krankheit gewesen sei, was den griechischen Kardinal zerrüttet der Bischof von Como für sie rweitersorgen werde. Ihr Leben sei be-
habe.1 scheirien. Den Vorübergehenden auf der Straße sollen sie den Gruß er-
Wir sehen dann Bessarion wieder, als der Papst die Reliquie vor der
widern. Sie mögen ja nicht auf ihre kaiserliche Abkunft stolz sein; im
Gegenteil, sie müssen bedenken, daß sie vertrieben sind, heimatlos, ohne
Confessio Petri niedersetzte. Hier ergriff er das Wort zu feierlicher An-
Elternhaus. In wirklich mächtigen Ländern sei adlige Abstammung ohne
sprache: >Siehe, hl. Petrus, Fürst der Apostel, hier ist dein Bruder; und du,
auserwähltes Gefaß und Völkerlehrer, der du zuletzt zum Apostolat berufen
persönliche Ttichtigkeit wertlos. Sie sollen fleißig die Messe hören und
dabei knien, den Papst und die Kardinäle mit Kniebeugung ehren. Ihr
wurdest und zusammen rnit Petrus die gleiche Wtirde und Stellung erlangt
Erzieher soll daftir sorgen, daß sie eine kurze Anrede lür den Papst aus-
hast, siehe, euer Andreas, der zuerst berufen wurde und den übrigen den
wendig wissen. Mit Eifer sollen sie ihrer wissenschaftlichen Ausbildung
Weg zum Herrn gezeigt hat, ist nun ¡¡ekotnmen.< Dann schilderte er in
obliegen. Einen griechischen und einen lateinischen Lehrer brauchen sie,
rhetorischer Weise die Taten des Apostels und sein Martyriunr. Er sprach
dazu einen Dolmetscher; ferner zwei lateinische Priester zum Psallieren
von dem Einbruch der Unglaubigen, die diesem hl. Haupt seine Ruhe-
und zum Messelesen. An die abendlandischen Gebräuche müssen sie sich
stâtte geraubt haben; er forderte zum Kreuzzug auf; er redete den Papst
gewöhnen. Auch ihre Diener haben das zu beobachten. Sie dtirfen nicht
selber an: >Höre nicht aut die christlichen Fürsten zu ruahnen.< >Mögen
aus der Kirche weglaufen, wenn das Gebet ftir den Papst verrichtet wird.
sie zunr Angriff gegen die grausâmen Feinde ausziehen; sie werden sich
zum Heil des christlichen Volkes ewigen Ruhm erwerben.<2 Das klang Wer das nicht aushalten kann, möge lieber aus dem Land bleiben. Ftir
ihren Vater sei es geradezu verhängnisvoll gewesen, daß er die abend-
alles samt und sonders nicht anders, als wie Pius II. gesprochen hatte
ländischen Einrichtungen nicht verstehen wollte.
und wie er auch jetzt wieder auf Bessarions Ansprache erwiderte. Auch
der Papst steuerte wieder auf den Gedanken eines Kreuzzlges zù. Aber Viel Gltick solltc Bessarion an beiden Prinzen nicht erleben. Manuel
was nutzte es! Diese Worte verhallten an den Wänden wie die Reden ging wieder nach Konstantinopel, wurde Mohammedaner und ließ sich
auf dem Tag za Mantua. dafür ein Jahresgehalt von der Pforte zahlen. Andreas, den Pius II. als
Titulardespoten von Morea anerkannte, blieb in Roru; er sank aber bald
lib, B¿ssarion eþiscoþus I'usculanus þdrurn aa- in der öffentlichen Achtung, weil er eine Frauensperson heiratete, die in
i
í¡lus sese ad aed¿m. þri.ncipis Aposlolorum. non sine allerübelstem Rufe stand. Er starb l5oz. Von Thor¡as' beiden Töchtern
graui on t m morbis confraclus,
lat. r Überlieferung: Rom, Bibl. Vallicellana Cod. gr. r89 (CVIII) Nr. 24.
1586i 4o37.
b. Florenz, Bibl. Laur. lat, Plut, 54. Cod. z [ol. z88v-z9zv, Druckausgaben:
Druckausgabe: a. Georgii_ Phranzae-Chronik-on. Ingolstadii 16o4 p. 3o9 (u, öfter).
Pii II. Commentarii lib,VIII. p. 2oo-2o2. b Mign e, P. gr. 16r, 677 - 686.
Bessarion wird Patriarch. Der politische Unrschwung in Venedig. 311
310 z. Die lctzten Palàologen. Bessarìon in Rom u.Venedig. Anr Sterbelager Pius'II.

nahm Helena, die Serbenkönigin, in Leukadia den Schleier. Ihre jüngere


der eigentliche Führer der Friedenspartei, am 5, Mai t46z starb. Sein
Nachfolger Cristoforo Moro war, wenn auch persönlich etwas ängstlicher
Schwester Zoë blieb unter Bessarions Obhut. t46z verheiratete er sie an
den Großfürsen Iwan III. Wassiliéwitsch von Moskau und vererbte danrit
Natur, den Einflüssen der Kriegspartei zugänglich. Seine Wahl wurde
denn auch von der Kurie, die auf Krieg eingestellt war, mit den freu-
die Ansprüche auf Konstantinopel an Rußland.1
digsten Hoffnungen aufgenomnren. Der Papst und die Kardinäle richteten
Die Sorge Bessarions um seine Landsleute erhielt im Laufe der Zeit an ihn begeisterte Glückwunschschreiben.l Bessarion, der am 24. Mai
ihre besondere Ermächtigung durch seine Erhebung zum Patriarchen von t46z aus Viterbo schrieb, setzte auf den neuen Dogen die höchsten Er-
Konstantinopel. Noch am r" April r463 hatte ihm Pius lI. höchst passend
wartungen.2
das Bistum Chalkis auf Euboea übertragen. Jetzt nach einigen Wochen,
Die Forderungen der Kriegspartei nrußten durch einzelne Ereignisse
am 28. April, starb der griechische Kardinal Isidor, der seit dem Tod des
über See nur bestätigt werden. lm September t46z war Lesbbs unter
Gregorios Mammas <iie Patriarchenwürde getragen hatte.z Bessarion weilte
das türkische Joch gekommen und der venezianische Handel dadurch unr
gerade in den Bädern von Viterbo, als er seine Ernennung erfuhr. Von
ein weiteres gefährdet. In November hatte die Umgegend von Lepanto
hier aus richtete er anl 27. Mai seine Enzyklika an die Griechen. Wir und damit wieder venezianisches Eigentunr unter Brtndschatzungen zu
haben sie schon in anderein Zusammenhaug besprochen.s Bessarions
Ieiden. Im Frühjahr 1463 mußte die Republik hören, daß ihre Kolonien
griechische Untergebenen sind namentlich Eobo." und Kreta, dann in Argolis besetzt seien. Dann rückte der Sultan in Bosnien ein und
"oi
auch in Sizilien und Unteritalien zu suchen.4 Einzelne Anhaltspunkte haben
machte das Land zu einer türkischen Provinz. Seit langerer Zeit hatte
wir dafür in den Briefen des Michael Apostolios, der sich auf Kreta Mohamrued II. seine Streitkräfte, namentlich seine Seemacht auf eine Höhe
niedergelassen hatte. Hier gab es Anhänger und Gegner der Union. Über
gebracht, so daß der Krieg flirVenedig unvermeidlich sein mußte. So wurde
die kirchlichen Zustände wie tiber eine Propaganda erstattete Apostolios schließlich anì ro. Jani r463 der venezianische Gesandte an der Kurie
dem Kardinal Berichte.6 Apostolios selber war ein griechischer Fltichtling,
Bernardo Giustiniani beauftragt, den Papst über die Lage zu unterrichten
der ganz auf Bessarions Tasche lebte,6 ein Gelehrter, der es mit seiner
und die Bereitschaft der Republik zu einem bewafineten Eingreifen zo er-
wissenschaftlichen Betätigung nur nicht sonderlich weit brachte. Freilich
lilären. Und weiter um was sich Bessarion in Deutschland vergeblich
seinern langgehegten Wunsch, daß sein Beschützer auf Kreta fùr ihn eine -
bemüht hatte -, die Republik ließ arn 25. Juni bei Pius lI. um die Voll-
Schule gründete, ging nicht in Erfüllung.? Wie er ungeschickt in Bessarions
macht zur Erhebung des Zehnten, d,es Zwanzigsten und Dreißigsten nach-
Platonische Erörterungen eingriff, gehört in einen späteren Abschnitt.
suchen.s
Bei dem Papst weckten diese Nachrichten sofort wieder die alten
Mittlerweile hatten sich auf dem politischen Schauplatz Veränderungen
Hoffnungen. Er glaubte auch jetzt wieder, das Abendland zu einem ge-
vollzogen. Namentlich in Venedig hatte sich hinsichtlich der tùrkischen
r¡einsamen Unternehmen nach Art der Krev,zzüge fortreißen zu können,
Frage ein Umschwung angebahnt, wie ihn Bessarion und mit ihm Pius II.
namentlich wenn er sich an die Spitze stellte und in eigener Person mit-
einige Jahre früher wohl gewünscht h¿tten. Jetzt gab das zu neuer Be-
auszöge. Es war der alte Fehler. Bei rlittelalterlicher Geistesverfassung
tätigung Veranlassung. Bei aller bisherigen Weigerung gegenüber den
wäre ihm ein Erfolg sicher gewesen. Daß die europäische Staatenwelt,
Plänen des Papstes bestand in Venedig doch schon seit längerer Zeit eine
die seitdem eine durchgreifende Umbildung erfahren hatte, nur nach
Partei, die ìn der offenbar bedrohten Lage der Republik auf kriegerische
staatlichen Notwendigkeiten handelte, scheint damals wohl noch von nie-
Entscheidung drängte. Leute wie der entschlossene Vittore Capello hrtten
mandern empfunden worden zu sein. Lediglich staatliche Gesichtspunkte
sich längst gegen die nachgiebige Friedenspolitik der Regierung eingesetzt.
bestinrmten aber auch hier Venedig so gut wie Ungarn, wo augenblicklich
Die Lage erfuhr vollends eine Veränderung, als der Doge Prospero Malipiero,
die nämliche Kriegsstimmung herrschte. Daß Pius Ii, die Ziele Venedigs
r Hertzberg G. F., Geschichte Griechenlands seit denr Absterben des antiken unter dieser Hinsicht nicht zu würdigen vermochte, zeigt seinc Klage,
Lebens bis zur Gegenwart. Gotha t877. ll. 574 f. daß die Republik nur we¡len ihres Handels uncl der lockenden Einnahmen
c Pii It. Commentarii lib. XI. p.
s S. oben S. z4o loo. aus den Zöllen Morea erobern r¡'olle.a
I Migne, -242,
P. gr. rór, ó83D-ó86.¡r. t Päpste II. 24J n. 2,
¡ Noiret H., Lettres inédites de Michel Apostolis Paris t889 p.22.40.4t. , Ygl.
Ü-be Cod, Marc. lat. Class. XIII n.9o fol. rov-¡I.
Ep.
- 32.t 75. 8I. Dru (Ungedruckre Texte) Briefe n. j8.
L. c. Ep. 54. tt. t7. 58. 66. 67.69.7r. Vgl. tionén bei Pastor, Gesch. d. Päpste II. 245 n.2,
L. c. EÞ. tt.26. 27.28.29.3c. Vgl. Legrand E., Bibliographie hellénique '4 Pii
II. ,4o.' 247.248,249. 2jo, p. 3r4sg.
3I2 z. Die letzten Paläologen. Bessarion in Rom u. Venedig. Am Sterbelager Pius'II. Bessarion als Legat in Venedig. Für und gegen den Krieg. 313

Auf alle Fälle verlangten die kriegerischen Angelegenheiten der Markus- fahrden; denn Pius II. hatte die Vernichtung des Tyrannen von Rimini
republik die Sendung eines apostolischen Legaten. Als solcher ging Bes- aus bestimmten Gründen sich schon seit längerer Zeit zum Ziel gesetzt,
sarion am 5. Juli 1463 nach Venedig.l Der Ausgang seiner deutschen So mußte dem Legaten ein Eingreifen der Republik vorlaufig als ziemlich
Legation hätte vielleicht einiges Mißtrauen gegen ihn aufkommen lassen aussichtslos erscheinen. Da am 28. Juli trat das Überraschende ein: zu
dürfen. Aber wie ganz anders waren doch jetzt die Verh¿ltnisse gelagert! nächtlicher Stunde beschloß die Signorie den Krieg mit der Pforte. Bes-
Damals ein Ringen mit widerstrebenden Mächten; hier Vereinbarungerl sarion
- so gibt die Republik inhatte
und Ungarn zu erkennenr
ihrem Schreiben an ihre Gesandten in Ronr
den letzten Ausschlag dazu gegeben.
auf fast gleicher Grundlage. Bessarions Aufenthalt und Tatigkeit in Ve-
nedig gehört darum wieder zu den Glanzzeiten in seinem Leben. Die
-
Voll Freude erstattete der Legat am nächsten Tag dem Papst Be-
früheren Mißerfolge erscheinen als ausgeglichen. Daß freilich das End- richt.2 Für den foìgenden Sonntag setzte er ein Pontifikalarnt in San
ergebnis dennoch nichts einbrachte, lag außerhalb des Bereiches seines Marco und eine feierliche Prozession an. Arn j. August überreichte der
Könnens. Bei dem Empfang am 22. Juli rauschte dem griechischen Kar- Legat dem Senat die päpstliche Ermächtigutrg, den Zehnt im Sinne der
dinal die freudigste Stimmung entgegen. Die Republik empfing ihn als Beschlüsse von Mantua zu erheben. Ein Minorit predigte in Bessarions
ihren Ehrenbürger. Denn bei seiner Rückkehr aus Deutschland vor zwei Anwesenheit auf dem Markusplatz das Kreuz.s Dasselbe geschah im ganzen
Jahren hatte ihn der Senat in das goldene Buch des Staates eingetragen Gebiet der Republik. Für die G'ewährung eines vollkommenen Ablasses
und als Mitglied in den großen Rat aufgenommen (zo. Dezenrber r46r).2 wurden zo Dukaten verlangt. Mit dem Zehnt rechnete Bessarion I joooo
Jetzt fuhr ihrn der Doge mit dem Senat auf dem Staatsschiff entgegen. bis zoo ooo Dukaten im Jahr zu erzielen. Für die einzelnen Untertanen
Es war am 22. Júi 1463. hatte er genaue Abgaben festgesetzt: ftir die Geistlichen und Prälaten mit
In Venedig stand Bessarion im Mittelpunkt der politischen Ereig- 5o Dukaten Jahreseinkomnren r/z Dukaten, ebenso ftir die Begüterten; für
nisse.s Er hatte über alles zu verhandeln. Er trbte seinen Einfluß auf alle übrigen nur 1/.r Dukaten. Für Geistliche mit einem Einkommen bis
die Stimmung und Maßnahmen der Regierung aus. Gleich am Tage nach ¡oo Dukaten bestimmte er r Dukaten, und ftir jede weiteren 5o Dukaten
seiner Aukunft begann er mit seiner Tatigkeit. Es handelte sich darum, nochmals je 1/2 Dukaten. An Weihnachten, Ostern und Peter und Paul
das staatliche Unternehmen mit den Kreuzzugsplänen des Papstes au[ ge- w^r zt zahlen,a Trotz der angektindigten Exkommunikation sollen sich
meinsanre Bahn zu bringen. Ftir die Republik war wichtig die Hilfe- viele diesen Leistungen entzosen und alles lediglich als päpstliches Geld-
leistung des Papstes. Die Voraussetzung war, daß Venedig den Türken geschaft erklärt haben.ó
den Krieg erklärte. Bessarion sprach vor dem Senat. Man gab ihm Ant- Bessarion war in Venedig die Seele des Kriegsgedankens. Anregung
wort durch eine Gesandtschaft. Die Entscheidung der Republik konnte und Ermunterung mußten von ihm ausgehen. Er hattE von Anfang an
ihm nicht schnell genug fallen. Am 26. Juli klagte er dem Papst: Er mit Gegenströmungen zu kämpfen, die von der Friedenspartei ausgingen.
könne sich nicht genug wundern, warum die Signorie sich so schwer zu Es fehlte nicht an \¡ersuchen, durch allerlei Bedenken Beunruhigung in
dem Bruch mit der Pforte verstehen wolle, während sie doch bisher die Bevölkerung hineinzutragen. Es waren schon Stimmen laut geworden,
schon die größten Ausgaben ftir Flotte und Heer gemacht habe.a daß ruan denr übermütigen Gegner nicht gewachsen sei. Dieser Stimmung
Vorlaufig machte es Venedig für seinen Eintritt in den Krieg zur suchte Bessarion, wie er an den Papst berichtet, nach Kräften entgegen-
Voraussetzung, daß Frankreich mit dem Unternehmen einver.standen sein zuwirken. Er verhandelte desrvcgen mit der Regierung; er schickte zu-
müsse und daß zunächst der Friede in Italien verbürgt r'ürde. Vor allem verlässige und kundige Sprecher vor; er fand selbst den Weg zum Volk,'
wurde das Verlangen laut, daß der Papst die Streitigkeiten mit Sigis- dem er mit seiner ganzen Überzeugungskraft Aufklärung zu geben suchte.6
mondo Malatesta beilege. Gerade diese Forderung konnte den Plan ge-
I Das Datum stellte Pastor (Gesch, d. Pãpste IL z47 n, z) auf Grund der A,cta
consist. fol. 3rv im Vatikan. Archiv fest.

898 sq,
6 Pastor, Gesch. d. Päpste II. 74o Anhang n. 57b,
314 2, Die letzten Palâologen. Bessarion in Rom u Venedig. Am Sterbelager Pius'II. Die Stimmung in Venedig untl in ltalien. Pius II. und der Kreuzzug. 315

Und er drang durctr. Die Stimmung wurde dermaßen gefestigt, daß auch mit einer Flotte in den Küstengewässern. Er wurde durch Giustiniani
frühzeitige Mißerfolge in Morea keinen Rückscblag mehr bewirken konnten. abgelöst, und als am z. August 1464 das neue Geschwader ausfuhr, um
Die Begeisterung stieg aufs höchste, als der Legat am 28. Februar t464 in mit der Kreuzzugsflotte des Papstes zu segeln, trat nun ¡uch mit Wider-
San Marco die Weihe der Kriegsfahne vornahm. Auch der Doge Cristo- streben der Doge Cristoforo Moro an die Spitze. Gleichzeitig dachte nan
foro Moro, der wegen seines Alters zögerte, mit der Flotte *uszufahren, Bosnien mit ungarischer Hilfe in feste Hand zu bekommen. Das Ein-
ließ sich durch dieses Beispiel umstimn:en. Venedig hielt sicb allmahlich greifen Skanderbegs, der eben erst mit den Türken einen nehrjahrigen
seiner Sache für so gewiß, daß eine türkische Gesandtschaft mit einem Waffenstillstand geschlossen hatte, schien ebeufalls erforderlicb. Durch
Friedensangebot ihre Zuriickweisung erfuhr. Ermahnungen seitens der Signorie wie des Papstes ließ er sich zum Bruch
Auf Maßnahmen der Republik, die den Krieg betrafen, verstand es der eingegangenen Verpflichtungen bewegen. Man sieht, es ging bei dem
Bessarion, seinen bestimrnenden Einfluß auszuüben. Er drängte auf die Unternehmen in erster Linie um die Handelsvorteile der Republik Vcnedig.
Absendung einer Gesandtschaft an den König von Ungarn, um ihn als Alles andere wer nur ein religiöser Einschlag, der insofern brauchbar war,
Bundesgenossen zu gewinnen. Der Vertrag kam dann am I2. September als die kirchlichen Kreise ihre Mitwirkung zusagten.
I463 zustande. Er verlangte, daß Gesandte nach Deutschland, Böhmen Der kriegerischen Begeisterung Venedigs entsprach im übrigen Italien
und Polen gingen.l Nicht weuiger begann die Republik auf seine An- eine ebenso große Lassigkeit. Nur Pius II. war tätig. Um das Abend-
regung hin Verhandlungen mit Ludwig XL von Frankreich.2 Letzteres land von neuem zu einem Kreuzzug aufzurufen, berief er Konsistorien,
war besontjers wichtig und zeugte von Bessarions klarer Beobachtung; erließ Rundschreiben und schickte seine Nuntien. Seit dem zz. Septenrber
denn Frankreich hemmte den Burgunder und hemmte auch Italien in der 1463 verhandelte er auf einem Kongreß zu Ron mit den Gesandten der
Kr euzzu gsang ele ge nh eit. italienischen Machte. Von Erfolg war keine Rede. Vor allem verwahrte
Auch innerpolitisch gab der Legat neue Richtlinien. Es handelte sich Florenz, an einem Kampfe zugunsten von Venedig teilzunehmen.
sich um die Ausnahmestellung der Juden, die infolge der scharfen Be- Frankreich verhielt sich durchaus ablehnend, und danach ricbtete sich auclt
stimmungen Kalixts III. ftir Venedig sehr viele Unannehmlichkeiten nach das Verhalten von Mailand. Ebenso zögerten die übrigen italienischen
sich gezogen hatte. Kalixt hatte r456 jeden Handel nrit den Juden unter- Staaten, und im Kardinalskollegium fand Pius II. bezeichnenderweise den
sagt. Aul Zuwiderhandlung stand die Strafe der Exkomrnunikation und Widerstand der französischen Kardinäle. Aber auch außerhalb ihrer Reihen
ftir die Juden die Einziehung ihrer Güter.3 Angesichts des Krieges mußten hoffte man, daß aus dem Unternehmen des Papstes, der selber mit dem
diese Bestimmungen in Venedig zu unerträglichen Verhältnissen führen. Kreuzheer ins Feld ziehen wollte, nichts werde. Der Herzog von Burgund,
Sehr viele richteten sich aber auch nicht d¿nach. Hier griff auf das An- der schon so oft viel versprochen hatte, sagte nach vielem Schwanken zu,
suchen des Dogen Bessarion ein und erteilte Dispeusen, die ftir die bis- gab aber später unter Berufung auf die ablehnende Haltung seines Lehns-
herige Auffassung unerhört waren und seine Duldsamkeit in ganz beson- herrn, des Königs von Frankreich, wieder alles auf. Pius II. dagegen ließ
derem Lichte erscheinen ließen. Die Juden sollten in dem Gebiet der sich durch nichts von seinem Plane abbringen. Im Kirchenstaat wurde
Republik ungestört wohnen. Sie durften Handel treiben, und der Verkehr der Zehnt erhoben, die überflüssigen Kostbrrkeiten der Kirchen verkauft
mit ihnen sollte erlaubt sein. Alle Verträge, die mit ihnen eingegangen und der Ablaß ausgeschriebeu. Der Papst selber versprach aus eigeneu
waren, alle ihre Rechte und Privilegien seien gültig. Wer sich gegen die Mitteln zehn Dreiruderer und urehrere Frachtschiffe. Ihre Zahl ist aber
bisherigen Bestimmungen verfehlt habe, solle von den kirchlichen Strafén nie zusammengekommen. Sieben Kardinäle rüsteten je eine Galeere aus.
absolviert sein. So Bessarion am r 8. Dezember | 463.4 Auch Bessarion in Venedig ließ auf seine Kosten einen Dreiruderer bauen.l
Das Kriegsziel der Rcpublik war bauptsächlich Morea. Hier wollte Dabei ist aber zu bemerken, daß die Kurialen von allen Abgaben befreit
man festen Fuß fassen, um die alten Handelsplatze zu sichern und Stütz- weren. Ähnliche Angebote erhielt Pius von den italienischen Mächten,
punkte fiir den Osten zu haben. Loredano kreuzte schon seit August r463 wenn sie sich auch anfänglich gesträubt hatten. Cosimo dei Medici ver-
sprach eine Trireme. Genua wollte acht Schiffe ausrüsten.
I Pastor, Gesch. d. Päpste II, 738 Anhang n. 57^: Am 18. Jum t464 nahm Pius II. in der Peterskirche selber das
Vast, Le cardinal Bessarion p. z7o auf Grund des Liber secretorum IL
und r9, August r 463. Kreuz. Dann verließ er alsbald Rotn, um sich nach Ancona zu begeben,
I Bullarium diplornatum et privileg rum Pontificum...
cura A Jomasetti. Augustae Taurinorum, r. t456.
wo sich sein Heer samnlelte. Der Gesundheitszustand des Papstes ließ
4 Uberlieferuug: Venedig, Arch Tom. XV.
Druckausgabe: Vast,Lecardi ,IV,p.457sq. tlacobi card. Papiensis Epistulae CKXVII. p.554
316 z. Die letzten Paläologen. Bessarion in Ronr u.venedig. Am sterbelager pius'II.
Pius II. stirbt in Ancorra. Bessario¡ bei der Wahl Pauls II. 317

bereits Schlimmes befùrchten. Er hatte hohes 3. Becsarion und Poul II.


Fieber. Dazu die drückende
sommerhitze. so kon'te er nur langsam reisen. Endlich âm r9. Juli traf Der Tod Pius' II. ließ alle Zurüstungen zum Krieg gegen die Ttirken
er in Ancona ein. Das Bild, das sich ihm hier bot, war nicht erfreulich. in ein Nichts zerrinnen. Bessarions Arbeit in venedig hatte jegliche Be-
Das Heer der Kreuzfahrer, das hier zusam¡nengeströmt war, war schon deutung verloren. Die Kardinäle, die größtenteils nur notgedrungen den
lângst wieder in Auflösung begriffen. Es war überhaupt kein Heer, sondern Plänen des Papstes zugestimmt hatten, eilten nach Rom. Die Beftirch-
eine ungezügelte Masse ohne rechte Sinnesart und kriegerische Ausrüstung. tungen wegen Gefährdung der Freiheit der Papstwahl durch Antonio picco-
Die Stadt hatte sie nur widerwillig aufgenonrmen. Dazu breiteten sich bereits lomini, der die Engelsburg noch in fester Hand hatte, stellten sich zum
ansteckende l(rankheiten aus. und doch dachte der Papst daran, mit den Gltick als nichtig her¡us. Am Abend des 28. August 1464 gingen die
Resten nach Ragusa überzusetzen, weil er meinte, mit seinem Erscheinen r9 anwesenden Kardinäle ins Konklave, des in der Kapelle Nikolaus, V.
dort Eindruck hervorzurufen. Es fehlte ihm aber selbst an den nötigen im vatikan stattfand. Bessarion,. der älteste und nach den zeitgenössi-
schiffen, um das Vorhaben auszuführen. Das Ausbleiben der venezianischen schen Bericlrten auch der angesehenste unter den Kardinälen,1 war zunr
Flotte eriüllte ihn nit neuen Besorgnissen. Er wollte gar nicht mehr an Dekan bestimmt.2 Die Wahl am 3c, August voJlzog sich über Er-
ihr Erscbeinen glaubeìr, obwohl Bessarion, der Ende Juli mit seiner eigenen warten schnell, Schon beim ersten Wahlgang erhielt der K¿rdinal von
Galeere von Venedig her eingetroffen war,r in seiner Nähe weilte. S. Marco, Pietro Barbo, elf Stimmen. Im daran sich anschließenden
Pius IL war schon als Schwerkranker in Ancon¿ angeko¡nmen. Seit Akzeß fielen ihm noch drei weitere Stimmen zu. Daraufhin traten auch
den letzten wochen hatte sich sein Befinden zuselrends verschlimmert. die übrigen zu seiner Wahl bei, und Bessarion redete den Neugewählten
Noch einmal flackerte sein Lebenslicht auf, als arn rz. August die Nach- an: >Die hier versammelten Väter haben dich zum Oberhirten gewählt,
richt kanr, die venezianischen segel würden gesichtet. Der Papst ließ und ich wähle dich im Namen von allen.<8
sich sein Bett ans Fenster stellen, von wo er auf den Hafen und das Meer Der neue Papst war von mütterlicher Seite her ein Neffe Eugens IV.
sehen konnte. Es wrr der letzte Hoffnungsstrahl in seinem Leben. schon Er stammte aus einer reichen l(aufmannsfamilie in Venedig, war erst
konnte er den Dogen nicht mehr empfangen. von stunde zu Stunde zerrann
48 Jalrre alt und war eigentlich nur infolge der päpstlichen Würde seines
sein Leben. Arn r3. August ließ er sich nrorgens die Wegzelrrung reichen Oheims zur geistlichen Laufbahn gekommen. Seine wissenschaftliche Aus-
und legte ein Glaubensbekenntnis ab. Am nächsten Morgen umstanden bildung war nicht überragend. Einem Haupterfordcrnis seiner Zeit wie
die funf Kardinile, die in Ancona weilten, sein Sterbelager. Pius raffte seiner Stellung entsprach er von vornherein nicht: er vçrstand nicht, Latein
seine letzten Krefte zusammen, um von ihnen Abschied zu nehmen. Oft zu sprechen. Ftir humanistische Studien hatte er erst recht keinen Sinn.
mußte er seine mühevollen Worte unterbrechen. Die Kardinäle sollen Aber er besaß wertvolle Sammlungen von Münzen und Gemmen und war
das begonnene lVerk fortsetzen, mahnte er. Sie sollen ftir den christlichen ruch zu Bautätigkeit geneigt. Der heutige Palazzo di Venezia in Rom,
Glauben und den Kirchenstaat sorgen. Schließlictr bat er sie um Ver- damals Palast von S. Marco, ist sein Werk. Dazu beseelten ihn vor-
gebung, wenn er im Umgang gegen sie gefehlt habe. Alle waren tief nehme Launen wie die Veranstaltung eigenartiger'Wettrennen. Er schlief
bervegt. Bessarion, auch hier wieder der angesehenste, ergriff im Namen bei Tag und arbeitete bei Nacht. Er war schön von Gestalt und wolite
aller das Wort. Er erinnerte an die großen Werke, die der Papst in sich deswegen anfänglich den Namen Formosus geben, nannte sich aber,
seinen Leben verrichtet habe. Er dankte für seinen letzten Eifer. Er da die Kardinäle abrieten, Paul II.
verspracb, ftir ihn zu beten und weiteizuarbeiten in seinem Sinne. Dann Seine Wahl hatte ein Nachspiel, das ihn mit einer Reihe von Kar-
bat er um den Segen des Papstes. Alle weinten. Auch denr Papst standen dinälen, auch mit Bessarion entfremdete. Es handelte sich um die Wahl-
die Tränen in den Augen. Jetzt baten die Kardinäle um Verzeihung. Pius, kapitulation, die die Kardinäle im Konklave aufgestellt und ohne Ausnahme
der sich eben noch wenig erheben konnte, reichte allen die Hand. >Vergebe beschworen hatten. Auch Pietro Barbo hatte sie unterschrieben. Die
euch der barmherzige Gott,< sagte er. Dann gab er ihnen den Segen und
entließ sie. Er dachte am nächsten Tag, dern Fest von Mariä Hirumelfahrt,
nochmals das Abendnrahl zu empfangen. Es war ihm nicht mehr möglich.
In der Nrcht zum 15. August um die dritte Stunde verschied Pius II.2
I In dem Schreiben des J. de Aretio vom 7. August (bei Pastor, Gesch. .1.
Päpste II. 284 n. 4) heißt es: Mons. Niceno tnolti giorni Ja arriao qui.
2Iacobi card, Papiensis Commentarii lib. II. p. ¡ó8. Epistulae XLL p.488.
318 3. Bessarion und Paul II' Bessarions Anteil ¡n der Wahlkapitulation. 919

Aufstellungen bestimmten den Papst zur Fortführung des Ttirkenkrieges, eine gefahrliche Klippe ftir das monarchische Papsttum. So war es bald
zur Reform der Kurie, zur Einberufung eines allgemeinen Konzils binnen das Bestreben Pauls II., die getroffenen Bestimnrungen in päpstlichem
drei Jalrren. Sie verpflichteten, die Zahl der Kardinäle nicht über z4 zu Siune abzuändern. Gestützt aul das Urteil einzelner kurialgesinnter Kano-
erhöhen. Kein Kardinal sollte ernannt werden, der nicht 3o Jahre alt nisten wie des Bischofs von Feltre und Treviso, Teodoro de' Lellir oder
wäre. Ein einziger Nepote dtirfe den roten Hut erhalten. Dazu verlangtert des Andreas de Barbatia,2 sah Paul IL von der veröffentlichung einer Bulle
die Kardinäle ihre Zustimnrung bei der Wahl neuer Mitglieder ihres Kol- zur Bestätigung der v/ahlkapitulation ab und legte den Kardinälen eine
legiums, ferner ihr Einverständnis bei der Veräußerung von kirchlichem ganz anders lautende Auslertigung zur Unterschrift vor.
Besitz, ftir Kriegserklarung und fúr Bündnisse des Apostolischen Stuhles. Über die Vorgänge, die sich daran knüpften, sind wir durch den
Diese Bestimmungen sollen monatlich dem Papst im Konsistorium vor- Bericl:t Ammanatis eingehend unterrichtet. Die Kardinäle, soweit sie nicht
gelesen werden. Zweimal im Jahre sollen die Kardinäle untersuchen, ob durch Nachgiebigkeit etwas anderes erhofften, waren empört. Kardin¡rl
ãer Papst sie eingehalten habe. Für den Fall einer Nichtbefolgung sollen Alain sagte dem Papst die giftigsten worte ins Gesicht.B Gonzaga ließ
sie ihn dreimal an sein Versprechen erinnern.r ebenfalls abfallige urteile über den Papst laut werden.a Der 7ojährige
Bessarion hatte an der Aufstellung dieser Wahlkapitulation seinen carva jal unterschrieb nichts und gab keiner Drohung nach. Bessarion
ganz bestimmten Anteil. Das beweist, ohne daß wir auf die allgemeinen war wütend. Dem Ansuchen des Papstes setzte er hartnäckigen wider-
Begründungen bei Vast eingehen,2 das Zeugnis Ammanatis. Dieser be- stand entgegen; und doch brauchte Paul lI. gelade seine Zustinmung,
zeiihnet, wo er von den Umständen bei Vorlage des nachträglich völlig denn von Bessarion hing zu einem guten Teil die Haltung der übrigen
abgeänderten Aktenstückes spricht, Bessarion gera;deøt als þrinae sententiøe Kardinäle ab. Bei denr beharrlichen Willen des Kardinals konnte er nur
pølrernj Ammanatis Angabe hat um so mehr Gewicht, als er in Bes- nrit einem Gewaltstreich etwas ausrichten. Er ließ ihn zu sich komnren
sarions engsten Kreis gehörte und gegenüber dem neuen Papst ganz die und zog ihn, offenbar um genz unbehelligt zu sein, in sein Schlafgemach.
Ansichten seines väterlichen Freundes teilte.a In der Wahlkapitulation Daun ließ er, während er den Vy'iderstrebenden an der Hand festhielt, die
selber verraten die Forderungen bezüglich des Ttirkenkrieges ohne weiteres Türen schließen. Au[ Bessarions fortgesetzte Weigerung drohte er ihm
ihren urheber. Andere Gedanken sind ¿ber Bessarion fremd gewesen; nrit der Exkommunikation. Nur der Gewalt beugte sich der griechische
sie entstammen den Forderungen der Reformkonzilien oder entsprechen Kardinal und unterschrieb mit innerem widerstreben.s Bei Ammanati hat
den alten oligarchischen Bestrebungen des Kardinalskollegiums. Hier ist er sich nachher über diese Behandlungsweise bitter beklagt, und von der
wohl eher an den weltlich gesinnten Kardinal Estouteville zu denken, der Kurie zog er sich ftir die nächste Zeit zurück.
in einem Bericht als der Führer dieser Partei genannt wird,6 Was die Ammanati, ehemals derVertraute Pius'II., fiel bei Paul II. in Un-
nrit der Kapitulation zu erwartende Einschränkung der päpstlicben Gewalt gnade. Er dachte hinsichtlich der Forderungen der Kardinäle geradeso
betrifft, so deckte sich hier manches mit Bessarions frúheren Anschauungen wie Bessarion und, was wohl den hauptsächlichstcn Ausschlag zur Ver-
tlber den Primat des Papstes.6 stimmung gegeben hat: er wandte sich mit einem Schreiben an den Papst.
Nachdem Pietro Barbo einmal Papst geworden war, sah er diese >Was machst Du, Paulus? Ist Finsternis über Dich gekommen?
Wahlkapitulation n:it ganz anderen Augen an als damals, da er sie als O guter Jesus, was für eine Überstürzung! Wenn das die Anfänge Deines
Kardinal beschworen hatte. In der Tat bedeuteten diese Sätze eine ein- Pontifikates sind!< So redete er den Papst an und hielt ihm die jüngsten
schneidende Schmälerung der päpstlichen Rechte, wenn nicht einen um- Vorfelle rnit der Überrumpelung des ehrlich denkenden Bessarion vor.s
sturz der kirchlichen Verfassurtg. Manches wäre die Durchführung der I Sägmùller J. 8., Zur Geschichte des Kardinalates. Ein Tractat des Bischofs
Konstanzer und Basler Reformgedanken gewesen. Die Kapitulation war von Feltre und Treviso, Teodoro de' Lelli, ùber das Verhältnis von Primat und Kardi-
nalat. Rom t893,
I Die lVahlkapitulation in Iacobi card. Papien. Commentarii lib. II' P.)7tsq.
ruch
----- hei Ravnaldus, Annales ecclesiastici ad ann-uin 1464 n. 55'
i v.ii, Le crídinal Bessarion 281. Ygl, gegcn Vast Pasior, Gesch. d. Påpste
ll. qot n, z.
' Iacobi card. Papiensis (Ammanati) Commentatä lib' ll, p. 772,
". iacobi card, Papiensis Eþistulae CXXvl, p. 552; CXXXII. p. 5¡8; CCXLIV.
p,
r' 6¿6.
-a-'5
Otto von Caretto 2, SePt, t464, Pastor, Gesch, d' ó Iacobi card. Papiensis lL p,37z.
Epistulae CLXXXI. p.6o3so.
Päoste
So der Gesandte
II. 7o7 n.2. ^m 6Iacobi card. PàpiensisCommentarii
Epistulae CLXXXI, p.ðol. euid hoc ,si, paîlì¿
' ' Vgl,'oben S. r7oî, rTzt' Tenel¿rae enhn sunt, Quìd- øgis? , .- Lam¿nlatus est meòum cørdinalis Ttsculittus, uir
--

320 3. Bessarion und Paul II. Verstinrmung in humanistischen Kreisen. Bessariolrs Haltung. g2l
Am französischen Hofe verbreitete sich schon das Gerücht von einem
Schisma.l Es genügte die Verstimmung und der Gegensatz zwischen den
neuen Kardinälen Pauls IL und den Vertrauten seines Vorgängers. Doch
erhielten clie Kardinäle das rote Birett und das Recht, eine mit Perlen
besetzte Mitra aus Seide wie der Papst zu tragen. Die minder gut ge-
stellten Kardinäle erfuhren eine Aufbesserung ihrer Bezüge. an Filelfo nennt er Paul II. geradezu einen Sardanapal.r
Noch andere Zwischenfälle traten ein, die die Erbitterung gegen den
Papst nährten und ihre Kreise bis in Bessarions Umgebung zogen. Paul II.
not bald nach seinem Regierungsantritt die Stellen der Kanzlei-Abbrevia-
toren auÇ die meistens Humanisten durch Gnade oder Kauf innehatten.
Diese Leute waren damit plOtzlich auf die Straße gesetzt. Ihren Bitten und
öffentlichen Den:onstrationen waf der Papst unzugänglich' denn Paul II.
hatte keine humanistischen Neigungen wie Nikqlaus V. und Pius II., die
die neue Bildung auf diese. Weise begünstigt hatten. Einer dieser ge-
schitdigten Humanisten, Bartolomeo P I a t i n a, wagte sich mit einem
,lroheÀden Schreiben zu weit vor und hatte diesen Schritt mit Folter und
schwerer Haft zu btißen. Damit war Bessarions Kreis betroffen; denn
Platina gehörte zu seiner Akademie. Nur durch verwendung des Kar-
dinals Gonzaga wurde er nach vier Monaten wieder frei.z mdnere( (Jolr. zr, zz f.) schon lange vor dem pontifikat pauls II. begonnen.
Dann war es im Februar t464 die Angelegenheit mit Pomponio Ich verweise dafür auf den nächsten Abschnitt. Aber er fand doch ftir
Leto und seiner Akademie, die neue Aufregung in diesen Kreisen schuf. manches jetzt wieder Zeit, was lange liegen gebliebcn war. So entstand
Hinter dem Auftreten dieses Altertumsfreundcs war wohl mehr Spielerei jetzt wohl seine Schrift ,Über die Konsekrationsworte<.a Dann wandte
mit antiken Gepflogenheiten und Einrichtungen als ernstgemeinter Um-
sturz. Aber auch hier wieder war Platina in den Prozeß verwickelt, Bes-
sarions Kreis also neben den übrigen Humanistenzirkeln von neuem be-
troffen. Die Anklage v/egen einer geplanten Vetschwörung ließ sich nicht
aufrechterhalten. Bedenklich blieb immerhin die Anschuldigung wegen wolle.s Die eigentliche Lösung scheint aber der Schrußsatz zu geben, in
Häresie, ftir die belastende Unterlagen vorhanden waren. In seiner Not denr er den Papst unr seine Approbation zur veröffentlichung bitiet.6
wandte sich Platina an Bessarion, trdie einzige Stütze griechischer und
lateinischer Gelehrsamkeit<. Bessarion ließ ihn nicht fallen. Er war es t Uberlieferung _Rom, Cod, Vat. gr. t7g7 tol.48.
hauptsächlich, der ihm und seinen Genossen Erleichterungen und endlich
Druckausgabe III.
Band lUngedrulkte iáxte¡ Anhang zu Bessarions Briefen
N. II.
völlige Freilassung verschaffte.e 2 Vast, Le ca
I Platin-a,_Pa
Den Hurn¿nisten erschien Paul II. infolge von all dem als Greuel, als ql.?,'1,:lo-Ç!,yÌ.II:)t, bei Migne, p, gr, 16r, Col. CXII.
h ¿ozii¡ià 7,)nìi, q,ii,-
insenio iuo
Feind der neuen Bildung, als Wissenschaftshasser. Dieses Urteil war wohl qutd 0t1, d rebus pu|t ndum conlulit homo omnium' sioÌer-
lissimus.

deductum. 1645 p, 768.


Migne, ry L
----- ¡ Þt"tií.,ì l.'c. vita
Pauli II, Der Brief Platinas an Bessarion bei Bandini, De . Migne, t9, Tuae igílur clent.enttae erit, sunune po
" ... cetlere
vita Bessarionis commenlarius p. tor, bei Migne, P' gr' 16I, Col. LIX sq. --V-oigt'
lrccfrlei erga. Ie i¡n hunc lil.¡cnter accipias, demintque pro issittto
iudicio ael edas, Quod si edendunt. iudícnt'eris, ¡líuiniun
DieVy'iederbelebung des classischen Altertums. II. 217-24t, Pastor, Gesch. d' PäPste videbitur tud gra
ritatis
Il, 7zz-74o.
Mohler, Kardinal Bessarion. I. Zl
322 3. Bessarion und Paul I[.
Bessarions Verhältnis zn Paul Il. Seine Sorge fùr sein Grabdenkmal. 323

Das hatte also Bessarion nötig, der in Florenz mit diesen Gedankengängen Die Ereignisse wâren an Bessarion vorübergezogen, und er war dabei
die Einigung beider Kirchen zu erringen gesucht hatte. alt geworden. Sein ölters scharf einsetzendes Leiden hatte ihn schon
früher an sein dereinstiges Ende gemahnt. Schon unter Pius IL hatte er
Die persönlicl:e Verstimrrung war nicht der einzige Grund, daß
sein Testameut zum Teil genracht. Auch jetzt wieder beschlichen ihn
Bessarion von der Kurie fernblieb. Nicht u'enig spielte dabei auch sein
Todesahnungen, die ihn bestimmten, an seine Begräbnistätte zu denken.
altes Leiclen nrit, das ihn nötigte, die Bader von Viterbo aulzusuchen.
Wie es der Zeitgeschmack verlangte, errichtete er sich ietzt noch zu Leb-
Ammanati hielt ihn in dieser Zeit tiber die Vorgänge in Rom ruF dem
zeiten sein Grabdenkmal. Er wehlte dazu seine ursprüngliche Titelkirche,
lau[enden.t Ein herzliches Verhältnis zwischen beiden offenbart sich in
Arumanatis Briefen. Zu seiner Unterhaltung, so schreibt er ihm am
mit der ihn liebe Erinnerungen verknüpften.r Nebenan besaß er noch
seine Wohnung, die er sich mit vieler Mühe ausgebaut hatte. Er besaß
8. Mai 1465, schicke er ein Schriftchen aus seiner Feder, in dem auch
auch noch die Kirche als Kommende. Schon von Pius II. hatte er sich
von ihm viel die Rede sei. Er könne daraus sehen, daß es auch heut-
anr 30. Ãpril 1463 das Privileg erwirkt, hier die Kapelle der hl. Eugenie
zutage noch einen Sokrates gebe, der über das Verhalten gewisser Men-
in seinem Sinne ktinstlerisch erneuern und mit eigenen Mitteln zu ihrem
scheu lache.2 Hatte der Briefschreiber hier sein Verhältnis znm Papst inr
weiteren Unterhalt ausstatten zu dürfen.s Malereien waren vorgesehen:
Auge? Anmrnati gibt seinenr väterlichen Freund auch Ratschläge, alles
Christus, umgeben von der hl. Jungfrau, von St. Michael und Johannes
im heitersten Tone: >Vater Nicenus, nütze Deine Weisheit, höre auf die
dem Täufer, Bessarion als Stifter zu Füßen des Herrn kniend. Ob der
Ärzte, laß Deinen Geist von Sorgen ruhen, vergiß die Geschilte an der
Plan ausgeführt wurde, können wir nicht sagerr. Es kann auch alles
I(urie ganz und garl< Die Zeit in Viterbo solle er zu seiner Gesundheit
bei den später.en Umb¿uten verschwunden sein wie die Malereien des
verwenden, nach dem Badeu ausruhen und nicht zuviel fasten. Für den
Melozzo da F'orll, von dessen Altarbild die bertihmten Engelköpfe sich
Magen sei das nicht gut. Dazu tischt er eben noch einige Stadtneuig-
noch in der Sakristei von St. Peter finden. Jedenfalls setzte Bessarion
l<eiten ruf. Der Pontifex ist gesund. Der splnische Botschalter hatte
im Jahre t466 ín dieser Kapelle sein Grabdenkmal. Einzelheiten hatte er
Audienz. Ein Kardinal wurde befördert u. a. m. In dieser Weise war
dazu schon früher bestimmt: >Wenn man hereinkommt auf der rechten
Bessarion der Kurie fern. Auch 1468 treft'en wir ihn wieder in Viterbo;
Seite bei den Schranken soll mein Grab sein,< acht Fuß tief und aus-
denn von dort richtete er einen Brief an den Dogen, mit dem er seine
gemauert. Darüber eine Marmorplatte. An der Wand ein Epitaph mit
Bibliothek verschenkte.s
Marmortafel und Inschrift.s Sie lautete oben erst lateinisch:
Bessarions Verhaltnis zu Paul II.
nahm nach und nacb bessere Formen
BESSARIO EPISCOPVS THVSCVLANVS
an. Sein Name wird zuweilen wieder genannt, wo es sich um wichtige SANCTAE ROMANAE ECCLESIAE CARDINALIS
Angelegenheiten handelt. So in der böhnrischen Kirchenfrage, die aìler- PATRIARCHA CONSTANTINOPOLITANVS
dings von Pius II. her noch in der Schwebe war,1 oder, wie erwähnt, in NOBILI GRAECIA ORTVS ORIVNDIVSQVE
Sachen der Akademie des Pomponio Leto. Im Jahre r47o unterbreitete SIBI VIVENS POSVIT
Bessarion dem Papst ein Gutachten über die irrige Berechnung des Oster- ANNO SALVTIS MCCCCLXVI
festes,5 Erwägungen, die wieder aus seiner Akaden:ie stamnrten, und die Darunter griechisch (ein Distichon):
wir dort zu beachten haben. Aber schon im Jahre 1468 hören wir aus TOTTETI .BH>>APION
einem Gesandtschaftsbericht, daß Bessarion beim Papst wieder mehr An- ZON .ANY>A .>OMATI
sehen genieße als alle übrigen Kardinä1e.6 Und doch haben wir wahrzu- >HMA
TINEYMA . AE .OETEEITAT
nehmen, dafJ er Ammanatis Klagen über Paul I[. dauerncl ein williges NPO> .OEON , AOANATON
Ohr lieb.?
Über dem Ganzen fanden sich die bischöflichen Abzeichen, rechts und links
von der griechischen Inschrift sein Kardinalswappen.
r Bess na
r4ó8 erhielt gl.
I Bau 6t,
g For dal
ri, , zz6 n,656. Ygl. oben S, 40 n.2.
- Die Worte:
o in der Fassung, die sein Testament
lehlen vorsah.
.¡ Heutzutage befindet slch das Grabdenkmal im Kreuz-
zis XIL Apostoli.
Zl+
7

321 3. Bessarion und Paul iI.

Für jene Kapelle der hl. Eugenie, die seinem A¡denl<en geq'eiht sein
sollte, hatte Besstrion schon früher Sorge getragen. Als er als Legat in
Venedig weilte und den baldìgen I(reuzzug, vielleicht auch das Los des
Kardinals Cesarini vor Augen hatte, da lnachte er zum erstenmal sein
Testament. Hier bestimmte er, was für Messen nn den versclliedenen
V. Bessarion als Humanist.
Wochentagen zu lesen seien. Nach seinem Tod solle auch seiner Seele
dabei gedacht werden; sonst aber noch der Bischöfe Isidor und Dositheos, a. Anregungen und Anfldnge.
ebenso Theodors, Theodoras und Michaels. Es sind Naueu, die auch
in jenem früher schon geltannten Missale wiederkehren, offenbar seine l. Bessario¡s gelehrter Gesellschaftskrels.
nächsten Angehörigen.l Die Franziskaner von XII Apostoli sollen ftlr
Bessarion trat in die welt der italienischen Renaissance, als diese
die Einhaltung dieser Verfügungen Sorge tragen; bei ihrem etwaigen eben ihre erste Blüte entf¡ltet hatte. Boccaccio, Niccolò Niccoli, coluccio
Ausscheiden soll der Abt von S. Paolo oder der Prior von S. Maria del
Salutati, die auf Petrarcas spuren wrndelten, waren tot. Das neue Ge-
Popolo ftir sie eintreten.
schlecht schritt auf den eingeschhgenen Bahnen weiter. Cosimo Medici
Ftir die Dotierung der Kapelle bestimmte der l(ardinal zwei Land- war die führende Persönlichkeit. Er ließ bauen und malen, er hatte seinen
güter (Vignen), die an den Meistbietenden verkault werden sollten. Drzu
sclröngeistigen Kreis, er sorgte für Bibliotheken. Florenz wx( der Mittel-
kamen noch Stiftungen von Paramenten verschiedener Art; für den täg-
punkt, von dem alle Anregung nacb auswärts ging. Seit 1434 wölbte sich
lichen Gebrauch Meßgewänder aus weißem Damast; ferner kostbare âus Brunelleschis Kuppel; <hs BrptisÈrium besaß bereits die eine der beiden
Goldbrokat, die er aus dem Nachlaß des Kardinals Colonna und des Kar- Bronzetürcn Ghibertis; im Markuskloster malte Fra Angelico. Lionardi
dinals Isidor gek¿lu[t babe; dann ein Kelch ntit lratene, zwei silberne MelJ-
Bruni und Anrbrogio Traversari pflegten voll Eifer die Literrtur der Klassiker
kännchen, die er aus wien mitgebracht habe; zwei neue Kelche, die er i
und Kirchenväter. Neben Florenz stand Rom erst in den Anfângen dieser I

sich von dem Goltlschmied Simeon habe machen lassen; sein Legatenkreuz,
neuen Bilclung, wiewohl die dort erhaltenen Denkmäler mehr als sonst-
das in Bologna hergestellt lçar. Bis ins kleinste sorgte er; fúr seidene
I

\À/o an die Größe des Altertums erinnerten. Eugen IV. hatte erst vor
Tticber als Hüllen fúr die Kelche; [ür Altardecken; für eiu Missale, das
1

kurzem die römische Universität neu belebt Qq). Flavio Bioudo, der
I

er von Kardinal Isidor erworben habe; ftir Rauchfaß und Scbiffchen; für hier wirkte, beschrieb eben nit seiner Roma instaurata (r++6) und seiner
j

cin Weihwasserbecken; ftir zwei Kandehber; ftir ein großes Brevier, l


Roma triumphans (r459) die Altertünrer. Noch wichtiger rvill es scheinen,
wieder von Kardinal lsidor herstammend. Ebenso soll dortbin l<ommen ,J

daß die Vertreter der neuen Bildung wie ein Poggio sich in der päpst-
das Missale, das er augenblicklich gebrauche, ein griecbisches Rruchfaß,
lichen Kanzlei fande.n. Sie gaben dem Gesamtbild erst sein Gepräge.
ein Bischofsstuhl u. a. m.
Der Eifer dieser Humanisten ging auf die Erschließung des Alter-
So hatte Bessarion verftigt zu Venedig im Kloster S. Giorgio Maggiore
tums, auf das Sammeln der Schriftsteller, auf ihre Nacbahmung in Schritt
im Beisein des Bischofs Nikolaus von Siponto und zweier Notare.2
und Rede. Aus verlassenen Bibliotheken hatte man bereits das wertvollste
Anr ¡o. ApriI t467 bestätigte Bessarion nochmals seine Scl:enkung
gerettet, wenn nicht geraubt. In der Hauptsache war lÌran noch ¿ruf die
und vermehrte die Stiftung um ein reiches Grundstück, genltrnt Crsale
lateinischen Schriftsteller eingestellt. Wohl besaß nran griechische Klassiker
di Cicognola nova vor Porta Appia und eine einträgliche Vigna vor Porta
und Kirchenväter. Aber die Kenntnis der griechischen Spraclre breitete
Latina.s Paul IL bestätigte das Testarnent mit einer Bulle vom 16. Sep-
sich erst seit Chrysoloras, der auf dem Konstanzer Konzil gestorben war,
tember t467.4
langsam rus. Es gab vorerst nur lvenige wie Bruni und Ambrogio Traversari,
¡ Vpl. obe offe i die sich aul dieses Gebiet wagen l<onnten. Das KonziI von Florenz hatte
richtis s
ñnd"et
"r Bandini er Col zunr erstenn:al die Griechen in größerer zahl in das Abendland gefúhrt
.t6t
I Bandini t6r, und den Wunsch nach denl griechischen Altertum von neuem gerveckt.
gl' In dieser Welt hat auch Bessarion seine besondere Bedeutung er-
'Bandini
langt. Seine Wirksamkeit auf humanistischem Gebiete gibt seiner Er-
scheinung erst recht das Gepräge des Außergewöhnlichen. Er kann es.
hier vor allern als seinen Ruhm beauspruchen, daß er de¡l At¡endlaud
326 I. Bessarions gelehrter Gesellschaftskreis.
Bessarious Akadenlie. Sein älterer Freundeskreis. gZ7

Platon wiedergebracht hat. Denn das glänzendste Werk, das er geschrieben


fiat, seine vier Bücher >In Calumniatorem Platonis<, stellen den ersten
Versuch dar, das Leben und die Gedankenwelt des Gründers der Akademie
I

,l
dem Abendland zu eröffnen. Dazu ist Bessarion der Übersetzer von Ari-
stoteles'Metaphysik; er ist auch Kritiker, und er hrt die größte griechische
Handschriftenbibliothek zusammengebracht, die das Abendland kannte' Eine
Reihe ungedruckter Schriften und Briefe, namentlich der griechische Text
angegriffen. Die Problemata des Aristoteles mußte Gazes uochmals über- I

scines Hauptwerkes, vervollständigen das Bild von Bessarions humanistischer


arbeiten. Auf seine hcichst mangelhafte Bearbeitung von platons Gesetzen
Tätigkeit, das bisher so wenig wie seine theologischen Arbeiten volle
machte Bessarion aufmerksam. Der Kardinal legte später eine umfassende L

Würdigung erfahren hat.


Kritik dartiber vor. Bei Nikolaus v. fiel Trapezuntios wegen seiner ober-
Ausgang und Mittelpuukt dieses Wirkens war der gelehrte Kreis, flächlichkeit in ungnade. Dazu neigte er za zank und Streit. Auseinander-
den Bessarion in seinenr Haus in Rom utn siclr versammelte' seine Aka- setzungen mit Poggio endeten mit ohrfeigen. Er hatte sich allmählich so
demie. Allein schon dieser geistige Austausch wäre geeignet gewesen, nrißliebig gemacht, daß er im Frühjahr r45z aaf Geheiß des papstes auf
den Kardinal über seine kirchliðhe Umgebung und seine Zeit hinaus bekannt
einige zeít die stadt verlassen mußte. Krunr zurück, schrieb er mit spitzer
zu machen. Nicht als ob es sich um eine Akadenlie im eigentlichen Sinne
Feder eine Invektive gegen Gazes. s Der Hauptangriff richtete sich, wenn
des Wortes gehandelt hätte, wie spätere glaubten;1 Bessarions Akadenrie auch versteckt, gegen Bessarion (r453 oder Í45 jlSÐ.
war eine Art Salon, in dem die verscbiedensten Geister sich zusammen-
fanden, Lateiner und Griechen, Glaubige und Skeptiker, Theologen und
Mit seinen Fehdeschriften gab rrapezuntios dem Kardinal mehrfach
Veranlassung zu Erwiderungen, und nrerkwtildigerweise hat er hier un-
Humanisten, Laien und Geistliche; alle aber, um hier einen freien Meinungs-
gewollt zu den hauptsächlichsten Arbeiten, die aus der Akaderuie hervor-
austausch zu pflegen. Die Anfange gehen nach Platinas Zeugnis bis in
gegangen sind, die Veranlassung gegeben. Gerade die übersetzungen des
die erste Zeit von Bessarions römischem Aufenthalt zurück.z Der Name
>Akademie< tritt uns aber erst spät entgcgen, in einem Brief des Niccolo
Theodoros Gazes von Theophrasts Pflanzen und Aristoteles' Problemata
sind auf seine schlechte Arbeit hin entstanden.a Georgios,Comparationes
Perotti aus dem Jahr t47t.e
veranlaßten Bessarion zu seinen Büchern >In Calumniatorem Platonis<.
Zu den Gelehrten, die in der frühsten Zeit in Bessarions Haus ver-
Und seine weiteren Streitschriften rollten die Fragen um Platon und Ari-
kehrten, gehörten Theodoros Gazes, Georgios Trapezuntios, Poggio, dann
stoteles oder textkritische Erörterungen immer wieder von neueur auf.
auch Lorenzo Valla. Gerade daß Valla nach Rom kommen durfte, hatte
Bessarion bei Nikoleus V. durchgesetzt. Sein Zusanrmenarbeiten mit Bessarion
Theodoros Gazes bildete zu'frapezantios einen Gegensatz. Vor
haben wir unten zu würdigen. Vallas Streit mit Poggio trug den Zwist bis
allem war er ein Mensch, der es rnit Kleinigkeiten peinlich genau nahm.
in diesen Kreis hinein. Bessarion mußte schließlich vernitteln und erreichte Das besagen seine Übersetzungen so gut wie seine philosophischen Ab-
auch alles.r Im Herzen \ilâr Bessariou ntehr dem l<ritischen Valla geneigt. handlungen. Gazes war Aristoteliker wie Trapezuntios; aber er kannte
Das zeigt sein Brief vour 28. Oktober r453, itt dent er ihm seine Eindrücke nicht die Hirngespinste, wie sie iener in seinen Conrparationes vortrug;
mitteilt, die seine beiden Invektiven auf ihn genracht hatten.s um so besser kannte er den wirklichen Aristoteles. Seine Schriften
wir legerr sie im III. Bande erstrnals vorõ -
sind so nüchtern wie die
Georgios Trrpezuntios, ein Laie und verheiratet, galt damals -
noch als tüchtiger Gelehrter. Bei Ambrogio Trrversari wie bei Filelfo
I Vast, Le cardinal Bessarion p' r65 sq, Über andere Akademien-vgl.-Reu.mont,
Geschichte r. 1iz f.'tsirckhardt, Die Kultur dei Renaissance.
dei Starlt Ronr III,
ro. Aufl, L 3o8 f. Della Torre 4., Storia dell' Accademia Platonica di Firenze.
Firenze roo2 D. Io so,
"¡ ll^tin^, Pero-tti
Paåegyricus bei Migne, P. gr. 16r Col. CVll sq.
Niccolò ao Francesto Guarnério inr Anhang zu Pèrottis Corntrcopiae,
Venetiis in aedibus Aldi e Col. lo33 sqq.
a Poggii Epistulae lis, Florerrtiae t83z-6r) XII. 5. 6. 7. I8.
õ Ubéiliefêrung: 47 fol.225..
Druckausgabõ: letteratura italiana. Torino 1893. XXI.
P. 47 n. xvlll,
328 ¡. Bessarions gelehrter Gesellsehaftskreis. Theodoros Gazes. Bessarion in Bologna. 329

aristotelischen Schriften selber. Nicht umsonst hat er die griechische Gram- weil er bedenkliche Nachriclrten tiber ihn vernommen habe. Als Gazes <las
matik vorgetlagen und ein Lehrbuch, Institutionis grammaticae libri IV., schrieb, galt er selber schon als der >rprinceps Bessrrioneae Academiae<.1
geschrieben. 1 Seinen hoheu Bescbutzer sollte er danrals lebend nicht nlehr wieclersehen.
Gazes stammte aus Thessalonikg gehörte dem geistlichen Stande an Durch Bessarions Legation in Bologna erluhr der geistige Austausch
und hatte Bessarion wohl schon auf dem Konzil kennen gelernt. Die dog- in seinem römischen Kreis zu dieser frühsten Zeit eine Störung. Auch
matische Frage, damals das Vy'eltbe wegende in seiner Kirche, war für' ihn Valla, der eben nach Rom gekomnren war, empfand das. Immerhin unter-
rnit dem Spruch des Konzils entschieden. So äußert er sich I45t in einern hielt der Kardinal auch von seinern neuen Au[enthalt aus die gelehrten
Brief an seine Brüder Georgios und Demetrios.z Zu, Bessarions engerem Beziehungen mit Rom und, wie wir gegen die frühere Annalrme fest-
Kreis gehörte er unbedingt schon vor dessen Sendung nach Bologna stellen konnten, sogar mit Nikolaus V., mit dem er einen ecl:t hu-
(Marz r45o). Das müssen wir aus einen Brief von ihm an einen Lands- manistischen Geistes- und Güteraustausch pfiegte.2 Aber auch in Bolognn
rnar:n entnehnren, dern er schriltliche und, wenn nötig, auch mündliche hatte er seinen geselligen Kreis. Niccolo Perotti, den er dtmals für
Verwendung bei dem eben abgereisten Legaten zusichert.s Von da an Poesie und Rhetoril< an die dortige Universitit berief,B war seit 1453
liegen aber auch dauernd Zeugnisse für ein freundschaftliches Verhaltnis sein gelehrter Begleiter durchs Leben. Seine Hausgenossen waren durch-
beider vor. So empfiehlt ihn Bessarion Nikolaus V. fär die Aristoteles- gehend gelehrte Leute. Sie drängten ihn zur Herlusgabe seiner theo-
Ubersetzungen.a Er gewährt ihnr Einblick in seine bauptsächlichsten logischen Schriften;r sie unterstützten ihn bei seinen humanistischen Ar-
Arbeiten und bittet ihn dabei um seine Ratschlege.s Er läßt ihn eìnmal beiten wie Johannes Gatti. s
Als ein Sekretär Bessarions wird uris Gasparro
den aristotelischen Standpunkt vertreten, während er für Platon eintritt; Zacchi genannt, späterer Bischof von Osimo (t46o-74), ebenfalls eiu
und er nimr¡t ihn nachhaltig in Schutz, als Gazes deswegen angcgriffen Mann von Sinn ftir die neue Geistesrichtung.6
rvird. rDu tätest besser daran, Theodoros zu achten( ; warnt er den Wie rührig im Sinne der Humanisten Bessarion hier in Bologna arbei-
angriffslustigen Michael Apostolios. >Er steht tatsächlich auf solcher Höhe,
tete, zeigen sechs Bliefe von ihm an einen nicht genannten Enrpfänger,?
daß er Dir und anderen noch nüt2en könnte.<6 Das war im Jahr t462.
der aber niemand anders als Michael Apostolios zu sein scheint.s Sie
Der Kardinal rvollte Gazes dauernd in seine Umgebung ziehen. Doch sind, namentlich die vier letzten, noch ganz unter den wehmütigen Ein-
dieser pflegte lieber seine Merkwürdigkeiten. Ursprünglich lehrte Gazes
druck des Falles von Konstantinopel geschrieben. Aber gerade der Unter-
in Ferrara griechische Sprache. Dann lebte er in Neapel in der Nähe von gang des Reiches gab ihm den Gedanken ein zu retten, was nocb zu
Kcinig Alfons. Später zog er sich ganz auf seine Pfarrei S. Giovanni
retten war, das geistige Erbe des Griechentums. >Wenn die Griecheu
a Piro in Kalabrieq zurück. Bessarion suchte ihn vergebens nach Rour zu jetzt auch noch dieses verlieren<, schreibt er, >dann u'erden sie mundtot,
ziehen. >Ich wundere mich nicht nur<, so schrieb er ihm, >ich bin dann unterscheiden sie sich auch nicht mehr von Barbaren und Heloten<.
wirklich ärgerlich geworden, daß Du nicht gekonmen bist. Du sollst Es war zum erstenmal, daß in ihm der Geclanke keimte, das griechische
nicht standig unter Bauern leben. Wir wollen Dich hier hören, um Ge-
Schrifttunl in einer Bibliothek zu sammeln. Wie er selbst sagt, besaß er
winn von Dir zu haben.>? Und frül:er schon hatte er ihn genrahnt: wenn
bis letzt verhältnismäßig wenig Bticher. >Solange ein gemeinsamer Mittel-
er einmal seinen Platz ändern wolle, möge er zu niemandem anders als zu punkt aller Griechen bestand, dachte ich nicht daran, weil ich dort alles
ihm kommen. Was er besitze, solle auch ibm gehören.8 Wir haben noch
drei Briefe, die Gazes dem Kardinal nach Frankreich nachschickte,' also I So in dem Brief Perottis an Guarnerio s. oben S. 3:6 n. 3.
z Vgl. oben S. 259 f. 265.
aus Bessarions letztem Lebensjahr. Auch hier das ungetrübte Freunclschafts- 126.
t Vgl. oben S.264.
verhältnis beider. Er spricht hier von den neuesten Tagesereignissen in r So Bessarion in seinem Brief an Paul Il. Migne, P. gr. t6r, 3r9 lllinc enim,
Rom, er empfiehlt seiner angegriffenen Gesundheit die warmen Bader bei ul ederem, [atniliarmn ileoruil urgebal auctorilus.
0 Bessarion, In Calumniãtorem Platonis ltl. ¡8, ¡.
Bologna und P:rdua, und er spricht den Wunsch aus, bei ihm zu sein, e Noiret H., Lettres inédites de Mi
I Uberlielerung: Venedig, Co
Zuletzt gedruckt Basileae bei Nicolaus Brilingerus 154o. Drucliausgabe: IIl. Band (Un
s Die Zeit wird bestimmt durch die
Erobjrung von l{or.rst4ntinopel (nu. 2g. 3o).
des Empfiingers rvird gesagi: Er ist verhelr,
Stadt sein Verurögen uhd hat jetzt keir:eu rechten Aufenthaltsort nrellr. Bessarion weist
ihn an die rönrische Kurie und wa¡nt ihr: vor der Mißgunst, die dort einige gegen die
Fremdeu haben. (u. 3r), Daun erwähnt Bessarion, daß jéner ihn nit Andron-ikoiKallistos
bekannt gemacht habe. Auch Johannes Argyropulos wird hier geuarìnt (o, lÐ.
330 ¡. Bessarions gelehrter Gesellschaftskreis. Bessarions Bücherhäule und Abschriiten. Sein jüngerer Freundeskreis. 331

wohl aufbewahrt wußte. Als aber die Stadt fiel, da regte sich in mir das der Name einer Akademie im Sinne der Zeit gebührt. Neben älteren
Verlangen nach dem Besitz all dieser Werke.< Und jetzt schon spricht Mitgliedern wie Valla und Gazes verkehrten hier Domizio Calderini,l
er den Gedanken aus, alles müsse an einem einzigen sicheren Platz für Valerio von Viterbo, Bischof von Osimo, Giuliano Maffei, Erzbischof
seine griechischen Landsleute zugänglich sein.l Das ist besonders wichtig, von Ragusa, Gasparro Zrcchi, Johannes Gatti, Job. Bapt. Almadiano von
um die spätere Stiftung seiner Bibliothek nach Venedig zu beurteilen. Viterbo, Flavio Biondo, später auch Platina;2 \'on den Griechen Demetrios
Deswegen gibt Bessarion den Auftrag, von griechischen Handschriften zu Chalkondylas, Bartholomaios Argyropulos, Johannes Laskaris,s Michael
kaufen, was nur irgendwie nröglich sei, in Adrianopel, in Athen, in Thes- Apostolios und Andronikos Kallistos.d In späteren Jahren scheint diese
salonike. Eine Liste von besonders gesuchten Werken schickte er hier Akademie eine Einrichtung von ziemlich festen F'ormen geworden zu sein.
mit, ebenso an einen gewissen Theophanes in Athen. Imn.¡er und immer Bessarion ftihrte den Vorsitz. Täglich seien die Mitglieder, solange sie in
wieder komnt er in diesen Briefen auf die beabsichtigten Bücherkäufe zu Rom ihren Wohnsitz hatten, zu gelehrtem Austausch zusâmnrengekommen,
sprechen. Von Einzelbeiten nennt er gelegentlich die große Syntaxis des berichtet ein Zeitgenosse. Lateinische wie griechische Sprache und Literatur
Ptoleruaios und Aristoteles' Problemata, dann Theophrasts Pflanzen, ferner wurden gepflegt. Bessarion selbst ergriff das Wort, um bald dieser, bald
des Dionysios Geschichte, die er bei Lamponinos schön und richtig ge- jener Auffassung recht zu geben. Er selbst sei von vorbildlicher Höflich-
scl¡rieben gesehen habe, ferner die Pyroneia des Quintus und den Galenos.2 keit und Einfachheit gewesen.6
Vy'er diese Aufträge erhielt, kann doch niemand anders gewesen sein als Einzelne dieser humanistischen Freunde Bessarions standen unter siclr
Micheel Apostolios, rus dessen Briefen wir erfahren, wie er für Bessarion wieder in engerem Zusammenhang. Ihr Briefwechsel zeigt uns Bessarion,
gerade nach dieser Hinsicht ständig tätig gewesen ist.3 Filelfo, Ammanati, Campani, Enea Silvio, Gazes, Johannes Argyropulos
In ähnlicher Stimmung ist ein Brief an Theodoros Gazes geschrie- als eine feste Gruppe beieinander.
ben.a Auch hier beschäftigcn den Legaten die gelehrten Fragen. Er Kardinal Ammanati nahm in Bessarions Freundeskreis eine beson-
begltickwtinscht ihn zu seiner Übersetzung von Theophrasts Pflanzen und dere Stellung ein. Giacomo Ammanati, etwe 20 Jahre jtinger als Bessarion,
Aristoteles' Problenata. Auch ihm klagt er über den Verlust Konstanti- war höchst einfacher Herkunft aus der Gegend von Lucca (geb. t4zz).
nopels und die drohenden Gefabren auf kulturellem Gebiet, teils sogar mit Unter Nikolaus V. wrrr er nach Rom gekommen, unter Kalixt III. wurde
denselben Worten wie in den genannten Briefen. er Apostolischer Sekretär, nachdem er eine Zeitlang in Capranicas Diensten
Neben diesem Eifer ftir die Werke der Griechen tritt uns auch gestanden hatte. Pius II., der an dem klassisch gebildeten Manne Gefallen
Bessarions Sinn für die lrteinische Literatur entgegen. Gerede jetzt ließ hatte, übertrug ihm l46o das Bistum Pavia, nahm ihn in die Farnilie Picco-
er sich Tacitus abschreiben. Es ist das ein kleiner Beleg ftir Bessarions lomini auf und schenkte ihm auch das Bürgerrecht von Siena. Damals
umfassende Auffassungsgabe. Daß er sich um diese Dinge wieder während und schon früher stand Amanati in engen freundschaftlichen Beziehungen
seiner Zeit zu Bologna kümrnerte, ist um so bemerkenswerter. Sein kurzer zu Bessarion.6 Für diesen war Ammanati an der Kurie eine unentbehr-
Briefwechsel mit Francesco Barbaro in Venedig berichtet davon. Am 3. Mai liche Persönlichkeit, und der Apostolische Sekretär war imstande, dem
r453 dankte er ihrn ftir die überlasseue Tacitus-Handschrift; am 3o. Sep-
tember des gleichen Jahres konnte er ihm den Kodex schon wieder
zurückgeben. s

Mit dem Tode Nikohu.s' V. war Bessarions Aufgabe in Bologna zu


Ende. Sein Aufenthalt war wieder Rom, und jetzt erhob sich der gelehrte
Gesellschaftskreis in seinenr Hause zu besonderem Ansehen, so daß ihm

I IIl. Band, Briefe n. zg. d,],),'ós àv, cì'nou t'úv rí: 1,)-4veç,
t,l' ré
1t eloén_tua'pé).tro, npdiarc,r, nollà'{,èv tf,,pareQ, i¡u"tl
byn rùu,,aútõ yt u,út oú.oøv, 'éu rtlt ò oga).tí
tonE EúQoaÊt' aÚ.aod,¿cv.
, III. B
a Noiret H,, Leures inédites de Michel Apostolis, F,p.74, p.94; Ep. 76, p.96 f.,
Ep.8r, p. ror; Ep.8¿, p. Io!; Ep. Io5, p. tz4[.;Ep. rt4,p. tz9.
. fll. Band, tsricfe n.35.
5 Francisci Barbari Epistulae (ed, Quirino, Brixiae t743) 2tr p. Jzz;2J2
p. 323.
332 r. Bessarions gelehrter Gesellschaftskreis.

Kardinal aus persönlicher verehrung jeden Dienst zu erweisen. >Wir wollen schure in Konstant,"lo"'*"";';.,.::J:''i::Ï:... r.,,.,,""*." n:,t:
jederzeit Vater und Sohn sein, Diener und Herr, in wahrer Liebe ver- der von seiner Bedeutung stark überzeugte Humanist zu dern griechischen
bunden<, schreibt er einmal den Kardinll. 1 Von Wien aus enrpfahl Mönch damals noch nicht angeknüpft. Bessarion hatte aber eben unter
Bessarion denr Pnpst, bei der nächsten Kardinalswahl Amnrauati in das
hl, Kollegiurn aufzunehmen. ,Das verlangen die Verdienste des Bischofs
von Pavia, vor allenr seine lautere Treue gegen Eure Heiligkeit.< ,rlch
habe ihn von Jugend auf gescbätzt; ich schätze ihn heute wegen seiner
besonderen Febigkeiten und wegen seines Wohlwollens gegen nrich.< 2
Pius II. kreierte ihn am ¡8. Dezember t46t zum Kardinal. Ammanati
war ihm zeitlebens ein treuer Diener und auch sein dankbarer Schüler.
Pius II. sah er geradezu als erstrebenswertes Vorbild an; er wurde der
Fortsetzer seiner Denkwürdigkeiten und ist selber durch seine zahlreichen
Briefe im Stile Pius' lI. berühmt geworden.
Mit Bessarion blieb >dei Kardinal von Pavia< auch über den Tod
Pius' IL hinaus eng verbunden. >Ich werde es an nichts feblen lassen<,
schreibt er, ))inr Sinne Deiner väterlichen Weisungen tätig zu sein. Gebiete
und verlange, was Du willst. Nichts soll zu schwer sein.< Und ein
andermal : >Ich gehöre meinenr Nicenus, solange ich lebe.<3 Ammanatis
Haltung unter denr Pontifikat Pauls I[. haben wir bereits gekennzeicbnct.
Ebenso, daß er Bessarion rnit einem Schreiben an den Papst in Schutz
nahm, und daß er ihn bei seinem Fernsein von der Kurie mit den Tages-
ereignissen auf dem laufenden hielt.a So kanr auch jenes Charakterbild
zustande, das Arunranati in einem Brief an den Kardinal von Siena von
Bessarion entrvirft.s Hier schildert er ihn als den ersten Ratgeber . im
Kardinalkollegium, als den glänzenden Sprecher in den Konsistorien, als
Legaten mit seinen verschiedenen Aufträgen, aber auch als charaktervolle
Persönlicbkeit gegenüber anderen Kardinälen im damaligen Ron:. Auf- I Francisci Philelphi Epistolae. parisiis in aedibus loannis petit
fallend ist dabei nur, daß Bessarions gelehrte Bestrebungen nur mit wenigen 15o3. vot. l.
tol. 71,.
Worten gestreift werden. !ol..r8r; Vol. II. lib. VI. ep. 5
Filelfe ep. j r p, 95.
Was für Bessarion in seiner Akademie der persönliche Verkehr, das a-n9, r. c. eP. 77 P. rJ4.
bedeutete nach auswärts sein brieflicher Gedankenaustausch mit führenden lX. ep. z9 [ol. ro4; lib. XVI.
Humanisten. So stehen FilelFo, Beccadelli, Cgnibene da Leonigo, Marsiglio r46v; lib. XIIL ep. r9 fol. r55y; lib. XIV.
Ficino mit ihnl in Verbindung, und von den Griechen neben Theodoros
Idus.4ug. Med.iolanunt
Gazes, solange er von der Kurie fern war, Michael Apostolios, Andronikos n ldus Sex! n e/fløvisse
Kallistos und Johannes Argyropulos.6 lib. XIV. e
Francesco Filelfo hatte Bessarion schon auf Chrysokokkes' I" ep. 53 f9 .54 îot. z9;
74i eP'36 rãnd, l.'c.
t lacobi crrd. Papiensis Epistulae XXXIX p.48t.
2 Bessarion an Pius ll. am 29. März t46t, bei Pastor, Gesch. d. Päpste II.
Anhang u. 44, p. 73r f. ll Muratori IIl, n, e p. j7 f.
s lacobi card. Papierrsis Epistolae CI p. 5¡8. CCCCIII p.742.
t Vgl. oben S. 1t9. 1zz.
6Iacobi card. P:rpiensis Epistolae CXXVII, p.552-554. Valentinelli, Bibliotheca nranuscriota ad I

8 III. Band (Ungedruckte'fexte) Briefe nn. JI. 4J. 5c.6t, 5t. Anhang zu I. e¡ n. 4. Der Brief Fictrets rn Bejsarion
Fr. Fìlelfe p. 214 sq.
Bes.sarions Briefen nrr. z-.to, WegeLr Beccadelli vgl. auch Legrand E, Cent-dix lettres ,0 L egrand,- Ceut-dix lettres grecques de Fr.
grecques de Fr. Filelfe p. 3¡3. Filelfe p. zz6. zz7,
334 ¡. Bessarions gelehrter Gesellschaftskreis. Àrbeiten aus Bessarions Akademie. Die Buchdruckerkunst. 335

Anzeichen daftir liegen in seinen Schriften vor. So redet er in seinem sollen Bessrrions Abgesandte gespottet lraben, als sie bei Johannes Laskaris
In Calumniatorem Ptatonis den Leser wiederholt als Zuhörer an.1 Unver- das erste gedruckte Buch zu Gesicht bekamen. Und von Federigo von
kennbar vergleicht er hier auch seinen Kreis mit Platons Akadernie selber.2 urbino wird gesagt, er hätte sich tiber ein gedruclites Buch in seiner
Er beruft sich sogar auf Platon, der ebenfalls zuerst mündlich vortrug, Bibliothek wohl geschämt.1 Doch bediente sich Bessarion als einer der
wes er später niederscbrieb.s Er bezeichuet sein fertiges Werk geradezu ersten in Rom der neuen deutschen Kunst, als er 1469 sein In Calum-
als eine esoterische Schrilt für seine Zuhörer.a Auch der Eingang zu niatorem Platonis in die Öffentlichkeit geben wollte; und sein Korrektor
seiner Abhandlung über rSl¿ eunt. uolo mdflere( Iegt das nahe.5 Dasselbe bei sweynheim und Pannartz war kein geringerer als Johannes Andreas
sagt er in einem Brief an Argyropulos.o Auch die Arbeiten anderer Ge- de Bussi, Bischof von Aleria.2 Auch dieser Mann gehörte zu Bessarions
noissen reiften in Bessarions Akadernie, wie Gazes' Ilegi Éxouaíoa xal Akademie geradeso wie Canpani, der in der Druckerei von Ulrich Hahn
àxoualou oder sein Ávtryprynóu, Vallas Adnotationes hingen ebenfalls als Korrektor tätig war.3
eng mit Bessarions Kreis zusammen. Es war umfassende Geistesarbeit, was in Bessarions Kreis geleistet
Auch die Frage nrch dem astronomisch richtig berechneten Oster- wurde uud schon die Bewunderung der Mitwelt geweckt hat. Filelfos
Urteil war berechtigt: In Bessarions Haus sei die Akademie so gut zu
finden wie die peripatetische und die pytlragoreische Schule.a

2. Platonlsche und ¡rlstotellsche Begrlfre. Bess¡rlon und Plethon.


Dle Übersetzung von Arlstoteles' Illetaphyslk.

In Bessarion rang der Platoniker mit dem Aristoteliker. Mit beiden


der Kardinal sein Gutachten über die Frage Paul II.e Er wies darauf hin, Richtungen vrar er seit seiner Jugend vertraut. Zu Aristoteles batte ihn
daß mit dem schaltiahr eigentlich zu viel eingeschaltet werde. Die Folge seine theologische Ausbildung geführt, denn die griechische Scholastik
davon sei, daß nach 3oo oder mit anderen nach zoo Jahren die Tag- und kannte nur eine unverfälschte aristotelische Begriffsbestimmung; mit Platon
Nachtgleiche im Frühjahr um einen Tag zurückrücke. Das verursache aber hatte ihn Genristos bekannt genracht. Beide Systeme hatte er in sich auÊ
in diesen Jabren eine falsche Feststellung des Frühlingsvollmondes und genommen, ohne sich nach Art eines Gazes oder Gernistos endgültig für
damit ¿uch des Osterfestes. So feiere man auch im laufenden Jahr t47o diesen oder jenen Philosophen zu entscheiden. Selbst wo er für Platon
das Osterfest um mehr als einen Monat zu spät. So Bessarion über einen
eintritt, bemtiht er sich zuletzt um den Nachweis, daß die Anschauungen
Irrturn, der erst durch den Gregorianischen Kalender behoben wurde. beider sich miteinar:der vereinigen lassen, ähnlich wie der von ihm so
Neben wissenschaftlicher Aussprache richtete sich die Au[merksam- geschätzte Proklos das platonische Gedankengebäude auf aristotelischer
keit Bessarions und seines Kreises weiter auf die Sammlung der alten Grundlage zu schaffen versucht hatte. Daß ein Ausgleich ihm trotz allern
Handschriften und ihre Vervielfaltigung, dann auch auf Neuerscheinungen nicht gelang, war in der Natur der Sache begründet. Eigentlich vertauscht
und in iúngster Zeit a\f die neue Erfindung der Buchdruckerkunst. Zwar er nur die eine Denkweise mit der anderen, wobei er die ursprünglicl:e
Stellungnahme nicht vergessen kann.
r Bessarion, In Calumniatorem Platonis ll' 6,7.IV. z, lo, tt. rr, 27' lY,6, r Die aristotelische Richtung ist bei Bessarion das Frühere. Die ganze
lv 7. IV. ¡¡, ¡.
" t¡,Bessar¡on, erste Periode seines schriftstellerischen Schaffens, die wir mit seiner Rück-
In Cal. Plat. l, l, 6'
¡ Bessarionr In Cal, Plat. IV. 3, 9. kehr von Bologna nach Rom (r+i¡) abgrenzen können, ist davon be-
¿ Bessarion, In Cal. Plat. l. 2.6,
ó Griechíscher Text im lll. Baírd lUngedruckte Texte), lateinísch bei Migne, herrscht. Es war seine theologische Betritigung, die ihn in dieses Fahr-
P' gr' wasser drängte. Auch nichttheologische Arbeiten wie seine Übersetzung von
Briefe n. 61 xal vào ,tìt nú';'oís xal ngò
úpoiv Øùs åxgoaíàs ö'Pi'laß' t Burckhardt I., Die I(ultur der Renaissance, Leiozis loo8. ro. Aufl. L zro.
a gÍl'e.^ et latina. Bassani ¡8o2. I. r85. r86' .r.Ygl _die Vorréde des Andreas de Bussi ,u desien"Aísgabe voo L. Apuleji
Pl¿tonici Madaurensis philosophi metamorphoseos liber. Ronrae i469 in domo 'Petíi
de Maximo.
r rt. Tiraboschi, Storia della letterature ltaliana. Milano r823. II. ed, VI, r c. 4
t)4'
rr5. S 29. io,
r Francisci Philelphi Epistolae. Vol. Il. lib. ¡4. ep. ¿S. fol. r66. Dichtungen
4gr, - p, r9j-
auf Bessarion: von Filelfo bêi Lejrand, Cent-dix lettrei gräcqies de Fr. Filelfe
rg8, zo7 sq, 2ro sq,; von Andronikos Kallistos ebd, p. ãzo !g.
T

336 z. Platonische und aristotelische Begriffe. Bessarion und P.lethon, Bessarions philosophische Einstellung. 337

Aristoteles' Metaphysik sind von dieser Einstellung abhängig. Platonische Neigung zur platonischen Gedankenwelt. Unbekümmert um die scholastisch-
Denkweise wlr ihm hier noch nicht gestattet. Erst ist in seinem Werk aristotelische Grundlage seiner Theologie finden wir ihn hier mit den
>Gegen den Verleumder Platons< macht er auch an Platon auf theo- hauptsächlichen Vertretern der neuplatonischen Schule beschäftigt, mit
logischem Gebicte Zugeständnisse, wenn er betont, und das sogar mit Proklos, Jamblichos und Plotinos; aber auch das, ohne daß Aristoteles
Nachdruck, daß die l(irchenväter sich lieber auf Platon als auf Aristoteles dabei vergessen wird. Es handelt sich dabei um Erörterungen über pla-
gcstützt hrben.r Und erst in seiner Enzyklika an die Griechen stellt er toniscbe und aristotelische Begriffe. Einen Anhaltspunkt zur Datierung
Christus und Platon sich gegenäber.2 Das ist aber alles der Ausfluß seiner dieser Erörterungen bietet ein bisher übersehener Brie[ in dem Bessarion
neoen Denkrichtung, die erst einer zweiten Schaffensperiode angehört. ftir die Beantwortung seiner Fragen dankt.r Dieser Brief ist in der
Aus jener ersten Zeit stâmmen Bessarions theologische Schriften in ersten Hälfte des Jahres 1447 geschrieben. Die vier Anfragen sind ftir
ihrem hauptsächlichen Umfange. Hier zieht er Alexander von Aphrodisins die näcbste Zeit vorher anzusetzen. Plethons zweite Antwort erfolgte
und Thomas von Aquin als die >echten Aristoteliker< für seine Formu- bald nachher.2
lierungen beran,s und wo er Begriffe zergliedert, geschieht das im engsten Es handelte sich um Folgendes: Bessarion war bei verschiedenen
Anscbluß an Aristoteles.{ In diese Zeit fallen weiter noch einzelne philo- Platonikern auf allerlei Ungenauigkeiten und Widersprüche gestoßen, die
sopbische Arbeiten, die ihn, soweit sich nicht bereits eine andere Gedanken- er sich sclber nicht zu lösen traute.
welt ankündigt, als Aristoteliker kennzeichnen. ¡. Die Seinsursache der Seele. Nach Proklos, Hermeias und Da-
So, eine kleine Abhrndlung oÜbcr den aristotelischen Substanz- maskios sei anzunehmen, daß die Menschenseele und die höheren Geistes-
begriff<,5 vor allem aber seine n:ustergültigen Übersetzungen von Ari- wesen den Grund ihres Seins in sich selber tragen. Darauf beruhe nach
stoteles' Metapbysik und von Theoplrrasts glcichnanrigem Fragment.6 ihnen auch die Unsterblichkeit der Seele. Stimmen aber hiermit Porphyrios,
Seine ebenso gefirbte Abwehr gegen Plethon, der von seinern Stand- Jamblichos und Syrianos überein? Jedenfalls urteile Olympiodoros anders;
punkte eus den aristotelischen Substanzbegriff ablehnte, gehört merk- denn er schreibe der Seele eine doppelte Subsistenz zu, eine aus sich selbst
und eine aus Gott.
würdigerweise in seine spätere Zeit und liefert den besten Beweis, daß - Plethon warnte dcntgegenüber vor der Annahme
allzu großer Übereinstimmung bei diesen Denkern. Seine Ansicht ging
der Peripatetiker trotz aller Begeisterung ftir die Akadenie in ihn nicht
versturlmen wollte. dahin, daß jedes höhere Geistcswesen von der Erstursache hervorgebracht
Urngekehrt olïenbart sich in Bessarions philosophischem Briefwechsel werde und dann auch sich selbst hervorbringe"
mit Gemistos? zum erstennral in diesem früheren Lebensabschnitt seine z. Wie ist es zu erhlären, daß jene Platoniker die oberste Ursache der

t I[. Band, Bessarion, In Calumniatorem Platonis Il. r, z.

d. Rom, Bibl. Vallicell¡na Cod. gr. I89 (CVlIl); t9o (ClX).


e. Florenz, Laur. gr. Plut. 58 Cod. 33. foL 73-78v.
f. Mailand, Ambr. Cod. gr.3a8 (F 88 olim. V ¿86) fol. 15z-16r.

Uohlcr, Kar¿llasl Be¡sarion, L 22


338 z. Platonische und aristotelische Begriffe. Bessarion und Plethon. Bessarions Briefwechsel mit Plethon. Plethons Geistesart' 339

Sclröpfung bald als abhängig (p$extå), bald als unabhängig (àptgexta), in Betracht, daß es hauptsächlich die Neuplatoniker weren, die ihn an-
bezeichnen ? zogen.
3. In
welchem Verhältnis steht die sinnlich wahrnehmbare Welt zu In diesem Zusammenhang verdient auch das persönliche Verh¿ltnis
den Ideen: Soll man Proklos folgen, nach dem wie auch nach Platon den Bessarions zu dem bald rooiahrigen Gemistos seine Beachtung. Die engen
Ideen ein nçotoç úrat, der irdischen Welt ein ôewígary, elvar zukommtl Beziehungen zwischen beiden so grundverschiedenen Geistern sind in nicht
oder soll man sich Olynrpiodoros anschließen, nach dessen Auffassung geringem Maße auffallend. Für die psychologische Beurteilung Bessarions
sich die Abbilder mit deren Ideen decken? geben sie unserm heutigen Empfinden Rätsel auf geradeso wie sein enges
4. Gibt es nit Simplikios und Olympiodoros eine menschliche Verhaltnis zu gewissen italienischen Humanisten, zu einem Valla oder
Willensfreiheit ? Oder unterliegt alles, wie Proklos und Epiktet wollen, noch mehr zu Beccadelli.
einem ehernen, unentrinnbaren Geschick ? Proklos erklere damit das Gemistos war Bessarions Lehrer.l Die Union von F'lorenz halte
sichere Vorherwissen Gottes.
- Plethon gab ur Antwort, daß weder
Aristoteles noch Platon noch die Stoa das Fatum in Abrede stellen. Das
dieser national und ganz antik enrpfindende Grieche weder vorher noch
nachher gutgebeißen. Er schrieb gegen das lateinische Dogma und hat selbst
mensclrliche Wollen könne schon deswegen nicht völlig frei sein, weil Bessarion dabei scharf angegriffen.2 Angesichts der scharfen Spannung zwi-
sich auch die Seele nicht voit sich aus bewege. schen den Konzilsgegnern und Lateinerfreunden hätte das einen Bruch ver-
Bessarion beschaftigte sich weiter mit diesen Neuplatonikern. In anlassen können. Noch mehr hätte zu einer Scheidung der Umstand führen
dem vorhin erwähnten Brieft bittet er Gemistos um weitere Belege. Dazu müssen, daß Plethon das Christentum überhaupt verwarf ur,d einem ver-
soll er ihm Aufschluß geben über das >Abhängige<, das teils als xaì schwommenen religiösen Neuplatonismus das Wort redete. Plethon war
airiav, teils als xaùà ngóalr¡tpn gekennzeichnet werde; dann .noch über ein ausgesprochener Freigeist. Zum erstenmal hatte sich das schon im
das gegenseitige Verhaltnis in der Seinswelt. Platon setze die Gedanken- Jahre l4r5 in seinen politischen Denkschriften geoffenbart.s Zur offenen
dinge (uoqtl) mit der Erstursache (agõtou aitrcv) und dem reinen Sein Aussprache braclrte er diese Sinnesart in seinen >Gesetzen<, ein Werk,
(xuqías öa) gleich, ebenso die wahrnehmbare Welt (aio,9ryd) mit der das offenbar auch Bessarion nicht unbekannt gewesen ist.a Seine Äuße-
Gedankenwelt (uoqtá). Bessarion will wissen, was fÍ.ir einen Standpunkt rungen über das Fatum und den Demiurgen in seinem Briefwechsel mit
Bessarion zielten ebendahin. Gemistos machte sich hier die Ansichten cler
hier Aristoteles einnehnle.
- Von Wert ist es, in diesem Zusamnrenhang
zu hören, daß Bessarion sich damals schon mit Platons Staat und Gesetzen Neuplatonik eÍ g nz zu seiner eigenen Überzeugung. Als er noch in Florenz
abgab. weilte, gab er ein Kapitel aus seinen Nópot als eigenes Schriftchen Zegì
Plethon konnte mit umfangreicheren
Belegen nicht dienen. ,Über eipaqpéuqç heraus, in dem er lehrte, daß alles mit ewiger, unveränder-
das Unabhängige lies Platons Parmenides, wo sich genug findet.a Wegen licher Notwendigkeit geschehe, von der selbst Gott nicht ausgenommen
des Fatum verwies er ihn noch auf eine Stelle in Platons Epinomis. Er sei. Ein Wort, das von ihm aus seiner letzten Zeil überlief'ert ist, wirft
möge deswegen bei Platon die feinere Unterscheidung von innerer und ein grelles Licht auf seine Auffassung vom Christentum: Nach seinem
äußerer Notwendigkeit sich nicht entgehen lassen. Auch im Kratylos Tode werde es nicht mehr allzu viele Jaltre dauern, daß Mohammed und
unterscheide er zwischen äußerem Zwang Qìuayxq, Bia) und innerem Christus zu Fall kommen und die echte Wahrheit überall zum Durchbruch
Drang (ènt*upia); und letzteres bezeichne er als das Stärkere. Eine gelange.ó
Fehlerquelle sei es, wenn einzelne Philosophen die Seele von jeder äußeren wie verhielt sich im Anbetracht derartiger Äußerungen Bessarion
Notigung frei erachten, dazu aber jene úberirdische (*etotéga) Notwendig- zu dem ehemaligen Lehrer? Vast und in enger Abhengigkeit von ihm
keit übersehen.2 Rocholl sprechen von einer allmählichen Entfremdung. Besserions Gegen-
Bessarion hielt sich, wie seine spätere Stellungnahme zeigt, in diesem vorstellungen v/egen Plethons Ablehnung des aristotelischen Substanzbegriffes
Punkt durchaus nicht an die Meinung seines Lehrers. Für seine Ent-
wicklung ist es wichtig, daß er bei aller Ergebenheit an Aristoteles und
die von ihru beherrschte Theologie sich gleichzeitig in dieser eingehenden
s-rz; IL Denkschrift c. t1. 16.
Weise mit Platon abgab, und zur Bewertung seines Platonismus komrnt Plethon und seioe reformatorischen

I llI, Band (Urrgedruckte 1'exte) Briefe n. zo, totelis et Platonis, Venetiis t5r3.
z Migne, P. gr. 16t,72t-724. Kapitel.)
22*
-
340 e. Platonische und aristotelische Begriffe. Besserion und Plethon. Bessarions Verhältnis zu Plethon. Aristoteles' Metaphysik inr Mittelalter. 341
sollen die ersten Äußerungen seiner inneren Loslösung gewesen sein.1 Den charakteristischen Grundakkord in der ersten Schaffensperiode
Das leßt sich nun in keiner Weise festhalten. Abgesehen davon, daß die des Humanisten Bessarion gibt seine Übersetzung von Aristoteles' Meta-
letztgenannte Kritik Bessarions in spätere Zeit gehört, als Plethon längst physik und im Anschluß d¿rran die Übertragung des Metaphysik-Fragments
gestorben war, berührt sie sein inneres Verh¿tltnis zu ihm in gar keiner des Theophrastos, des begeisterten Erklärers der aristotelischen Schriften.
Weise. Aus seinem vorhin besprochenen Briefwechsel spricht dagegen Diese lateinische Metaphysik Bessarions hat bis heute noch nicht ihre Be-
eine ungetrübte, warme Begeisterung ftir den alten Philosophen. Sonst deutung verloren. Das beweist ihre Einverleibung in die Aristoteles-Aus-
feierte er ihn nicht als den >einzigen Eiugeweihten und den berufensten gabe der Berliner Akademie.
Fuhrer zu platonischem Schauen.< 2 Und diese Freundschalt bewahrte er Bessarions Metaphysik-Übersetzung war nicht die erste ibrer Art.
ihm über den Tod hinaus. Denn als Plethon starb (1452), schrieb er Auch er hat schon recht brauchbare Vorarbeiten gefunden, die bis dahin
seinen Söhnen Demetrios und Andronikos: Er schâtze sich glücklich, daß den scholastischen Theologen als Aristotelestext gedient hatten.r Für den
er den Umgang dieses Mannes genießen konnte. Er stellt hier Plethon Kenner des rnittelalterlichen Geistesleben ist das nichts Neues; doch stößt
sogar auf eine Linie mit Platon und Aristoteles, und er spricht davon, man außerhalb der eigenen Fachkreise hier auf urteile, riach denen der
daß bei Annahme einer Seelenwanderung Platons Seele ihn: wohl inne- lateiuische Aristoteles des Mittelalters nur noch ein Zerrbild des original-
gewohnt habe.3 Das gleiche, nur sachlicher, schrieb er an Nikolaus textes hätte sein müssen.2
Seknndinos,a dem er den Heimgegangenen als einen der größten Philo- Das Mittelalter besaß seinen Aristoteles in arabisch-lateinischer und
sophen schildert. Man mag solche Wendungen geradeso wie Bessarions unabhängig davon auch in griechisch-lateinischer übersetzung. Beide Be-
ariyot. ènrcagrct. auf Plethon6 als eine übertriebene Laud¿tio funebris be- arbeitungen \¡r'aren in den Handschriften gewöhnlich vereinigt und wurden
trachten; das ist jeclenfalls gewiß: die innige Freundschaft beider dauerte auch nebeneinander benutzt.s Zu Toledo wie zu Palermo bestanden gerade-
über das Grab hinaus, lrotz aller Sondermeinungen und trotz aller wider- zu Übersetzerschulen, die auch zu einem lateinischen Aristoteles mitgãholfen
christlichen Gedauken bei Plethon, Bessarion bewies das sogar durch die haben. Dazu fanden sich auch sonst noch einzelne Bearbeiter. Michael
Tat; Plethons Söhnen gewährte er für ihren Unterhalt von da ab eine Scottus, Alfredus Anglicus und Wilhelm von Moerbeke sind die bekann-
regelrechte Pension.6 testen. Die älteste Metaphysik-Übersetzung, die Metaphysica vetus,
Sonrit bleiben diese freundschaftlichen Beziehungen ein merkwürdiger die Grabmann in mehreren Handschriften als einen >fest umschriebenen
Einschlag in Bessarions Leben. Trotzdem wußte Bessarion auch Plethon Ubersetzungstypus< feststellen konnte, war aus dem Griechischen über-
gegenüber seine wissenschaftliche Selbständigkeit zu wahren. So, abgesehen tragen, umfaßte aber nicht nlehr als die drei ersten Bücher. Daß sie von
von den eben geurachten Beobachtungen, in seinem Werk über Platon, Boethius stammte, war eine alte Fabel; doch ist sie nicht lange vor rero
wo er ganz andere Bahnen einschlug als Gemistos und gelegentlich ihn in Paris bekannt geworden. Die Spuren ftir ihre Entstehung weisen auf
auch unverhohlen auf Schwächen in seinen Schriiten hinwies. ? Aber er Konstantinopel hin.a Gegenüber dieser älteren Bearbeitung wurden seit
ist auch objektiv genug, um ihn gegenûber den Aristotelikern seiner Zeit rz43 die arabischlateinischen Übersetzungen geläu69, in ihrer Gesamtheit
in Schutz zu nehmen.s als Metaphysica nova bezeichnet. Sie war umfassender, aber doch noch
t Vâst, Le cardinal Bessarion p.331. Rocholl, Bessarion S. 16l. nicht vollständig; es fehlte das r., das 13. und 14. Buch des griechischen
_r Migne, f. gr, 16l, 716 A,, oòu_ù,v tì14., oogarac' àaópõa, roú'póvoo ratút Textes. Über den Verfasser herrscht noch keine völlige I(larheit.6
tiq [D,at-ø.vtxñe þonre
, lfjgng, P. gr. 16r,695 sg. Vgl. oben S. 49. . . ,
íU,g puorayoyoú re xai puotou,

¿ [Jberlieferur
l Grabmann M oteles-Übersetzungen
a. Venedig, fol.8-8v. iç: {l¡l' Jahrhunderts. der Philosopìrie ães
'critiques
Mittelalters hsg. von C Recherches
tsi
b. Paris, ir. sur l'âge et I'orìgine d 19, z. Aufl. von Ch.
Bi'
c, Paris, ,o,
Bi
d, Paris, Jourdain 1843, deutsch
,2. 2 So Schultze F.. Georsios Gemistos Plethon S. rr f. Voist. Die Wieder-
_ e. Paris, Bi fi, belebung des clâssischen'Altertrims. 3. Aufl. 1.79, Il. r83, Pastorl Óeschichte der
Druckausqaben: Päpste. I. y35. Rocholl, Bessarion S. 86 weiß'es genau:'rlm Jahr t45o (uas nicht
a. Boivin lecad philosophes au XVo siècle, in Académie begrtindel uird) i|erselzte Bessarion Aristoteles'Metaphysik uud u'idñtete sie KOnig Alfons
-b, des inscriptions lI. 776. von Neapel. Denn man hatte sie bisher nur in Kommentâren von Àphródisias
Migne, P. gr. und Avèrroes<. Vielleicht hätte sich dieser Unsinn auch noch steisern iassen,
r Migne, P_. gr. t6 ben S. 49.
0 Norret, Lettres i lAoostoiii o. LÍ. eo. it. il- - u Grabrnann_,
^ ló.¿1. Forschungen über die lat, Aristoteles-Übersetzungën des XItl. Jhdts.
z ll. B_and, B-essarion, In Calumniatorem Plaionis IlIl ¡i, ¡i¡.' S. 5o f,9 f.
e III. Band,
. Grabnìanlt, a. a. O. S. r<15. r37,
(Ungedruchte Texte) Bessarion, De natur¿ ei arte c,6, 6 Grabmann, a.a, O. S. rr3-rró. r4r f. Jourdain, Recherches critigues p, rz8.
312 z. Platonische und aristotelische Begriffe. Bessarion und Plethon. Die mittelalterliche Übersetzung von Aristoteles' Mctaphysik. 343

Auch dieses Übersetzungswerk verlor an Bedeutung, rls eine neue sie haben durch die Scholastiker derartige Veränderungen erlitten, daß
Übersetzung nach dem griechischen Text bekannt wurde. Diese nova Aristoteles sie wohl selber nicht mehr als sein schriftstellerisches Eigen-
translatio, wie sie in einzelnen Kodizes genannt wurde, war der Text tum wiedererkennte.r So Bruni im Jahre l4ol.
der Hochscholastik. Vor allem benutzte sie Thonas von Aquin, während Aus dieser Erkenntnis erwuchs der Wunsch, den Stagiriten in ganz
Bonaventura noch bei der arabischlateinischen Bearbeitung blieb.l Das neuer, glänzender lateinischer Form wiederzugeben. Bruni selbst bearbeitete
neue Werk lag in den 12 ersten Büchern schon in den. sechziger Jahren die Nikomachische Ethik, die er r414 Martin V. tiberreichte, und als sein
des r3. Jahrhuntlerts vor; das 13. und 14. Buctr erwähnt Roger Bacon Bestes Aristoteles' Politik, die rq7 zum Abschluß kam und eine Ehren-
erstmals im Jahre n7z. Als Verfasser kommt allem Anschein nach r¡ur gabe ftir Eugen IV. wurde. Auch die pseudaristotelische Ökonomik tiber-
der bei den Zeitgenossen schon viel genannte Aristoteles - Übersetzer setzte er. Bei seiner Mitwelt erntete er damit überreiche Bewunderung;
Wilhelm von Moerbeke aus dem Predigerorden in Frage.2 Was diese später erfuhr auch dieses Lob wieder bedeutsame Einschränkungen. Gegen
neue Ubersetzung auszeichnet, ist das Streben nach größtmöglicher Ge- Brunis Übersetzungstreue regte sich allenthalben Mißtrauen, und ebenso
nauigkeit, die der Bearbeiter durch wortwörtliche Wiedergabe und auch fand seine abfellige Beurteilung der alten Übersetzer lebhafte Zurückweisung.
durch reichliche Beibehaltung griechischer Wörter zu erreichen sucht. Jenem Wilhelm von Moerbeke erwuchsen bei Tbeologen wie Humanisten
Gegenüber der Übersetzung aus dem Arabischen bedeutete die nova trans- Verteidiger. So Battista de' Giudici aus dem Dominikanerorden (t l+8+)
latio einen ganz unverkennbaren philologischen Fortschritt. und Pietro Vettori (t riSi).'
Bei den scholastischen Theologen fand die neue Metapbysik denn Das Wertvolle an Brunis Einspruch war vorläufig aber dcch, daß er
auch alle Anerkennung. Roger Bacon steht rnit seinem überscharfen, ab- die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit einer besseren Gestaltung des
lehnenden Urteil ganz vereiuzelt da.s Selbst nach Schafi'ung der huma- lateinischen Aristoteles gelenkt hatte. Das Endergebnis aller Bestrebungen,
nistischen Neubearbeituûgen'vermÒchten sich Moerbekes übersetzungen in die darauf abzielten, war das Unternehmen einer Neubearbeitung sämt-
den Theologenkreisen noch hnge zu halten. Sie fanden sogar noch reich- licher aristotelischen Schriften, das mit der reichen Unterstützung Niko-
liche Verbreitung durch den Buchdruck. Was den Widerwillen der Huma- laus' V. verwirklicht wurde. Der Plan dazu stammte nicht von dem
nisten hervorrief, war vor allem das weniger geschmackvolle Latein. Auch Humanistenpapst, sondern von Bessarion. Es war ein alter Lieblings-
die trockene Darstellungsweise des Aristoteles ließ sie an der Güte des gedanke des griechischen Kardinals, den er wahrscheinlich bei seinen
Textes zweifeln. Nach dern Urteil Ciceros, der dem Stagiriten >der Rede Lateinstudien nach seiner Übersiedelung von Konstantinopel nach Italien
goldenen Strom< nachrühmte, hatte man sich ein anderes Bild von de¡r .schon gefaßt hatte; denn als erstcs nahm er zûr Erlernung seines Latein
aristotelisclren Schriften gemacht.a Schon Petrarca hatte deswegen Ver- in Padua eine alte Aristoteles-Übersetzung zur Hand.3 Dann tauchte bei
dacht geschöpft auf gewalttatige Verstümmelung des echten Aristoteles.s ihm der Gedanke einer Neubearbeitung der Metaphysik auf. Wie er selbst
Bei vielen von diesen Schöngeistern, die sich bald gegen die scholastischen berichtet, war es der humanistisch begeisterte König Alfons von Neapel,
Ubersetzer, bald kurzerhand gegen Aristoteles selber richteten, mag auch der ihn dazu anregte, und zwar schon, ehe Nikolaus V. Papst wurde,
ein mangelndes philosophisches Verständnis die Schuld tragen. also vor 1447.4 Bessarion beschäftigte sich um iene Zeit eingehend mit
Ihren beredten Ausdruck fanden all diese Ausstellungen in Lionardo Aristoteles und Theophrast. Das besagen eiuige Randbemerkungen, die
Bruni. Er könne es gar nicht begreifen, sagt er, daß Aristoteles, der
doch selbst eine Rhetorik geschrieben habe, in seinen philosophischen r Leonardi nretini ad Petrum Paulum lstrum dialogus, bei Klette Th., Bei-
träg,e zur Geschichte und Litteralur der Italienischen Gelehrtenrenaissance. Greifswald
Abhandlungen auf glänzeude Darstellung keinen Wert gelegt haben sollte. r889.
' II...52.
2l]ber Battista de' Giudici vgl. Gra.bmann M., Eine ungedruckte Ver-
Dazu glaubte er auf Fehler verweisen zu können, die sich in gar nìcht
teidigungsschrift von Wilheh¡ von Moerbekes Ubersetzung der Nikomachischen Ethik
gerinþer Zahl und Bedeutung fänden. Nach dieser Hinsicht zielt sein gegenüber in der Festschrift Hertling. Freiburg i/8.
Urteil namentlich ¿ruf die lateinische Bearbeitung der Nikomachiscben Ethik i9i3 S. r3 panischen Juristen Alfonso de S. Maria
zu Brunis erbelebur,g des class, Altertums. II r 7o
ab.6 Er klagte aber auch ùber die aristotelischen Schriften im allgemeinen, n. 2, We et P., Siger de Brabaot et I'averroisme
Bessarions lvletaphysik-Übersetzung. 345
344 z. Platonische und aristotelische Begriffe. Bessarion und Plethon.

sich von im Cod. Marc. gr. 274 frnden und auf 1445 und
seiner Hand deren Text aber auch bei ihm wieder. Zuweilen verändert er nur die

46 datiert sind.1 lhre Fertigstellung erfuhr Bessarions Metaphysik-


Übersetzung2 unter Nikolaus Y. (t++l-55), und zwâr vermutlich in
den ersten Jahren von dessen Pontifikat. Das wird schon durch das
eben angefübrte Widn:ungsschreiben an König Alfons nahegelegt. Nach
diesem erscheint Bessarions Arbeit geradezu als der Ausgangspunkt ftir rhetorischen Aulputz, der bei den Humanisten seiner Zeit so beliebt war,
die übrigen Aristoteles-Übersetzungen, die Nikolaus in Auftrag gab. Außer- vermied er zugunsten der wissenschaftlichen Brauchbarkeit seiner Arbeit.t
dem sagt hier Bessarion noch zu Lebzeiten dieses Papstes, daß sein Werk Nikolaus von Cusa rühmt, daß Bessarions Übersetzung nicht besser llätte
schon längere Zeit fertig geworden sei.3 Wichtig ist auch ein Eintrag sein können. und Papst Nikolaus v. reihte sie zwischen den übrigen
in dem Exemplar des Kardinals Nikolaus von Cues. Wie dieser im Jahre Aristoteles-Übersetzungen ein, die ihm Theodoros Gazes, Gregorios Tifernas
r4j3 anlnerkt, hatte er seine Handschrift nach Bessarions Urschrift ver- und Johannes Argyropulos lieferten. Sie findet sich heute unter den Über-
bessern lassen.¿ Die Herstellung von Abschriften wie die umständliche setzungen der Aristoteles-Ausgabe der Berliner Akademie.
Vergleichung der Texte setzt aber den Abschluß von Bessarions Arbeit
lVilhelm v. Moerbeke. Bessarion,
schon für einige Zeit vorau5. Es liegt sogar nahe, daß der Cusanus
Omnes homíncs natura Otnnes ltomines nalura
diesen Auftrag schon r45o erteilte. Denn von da an war er auf Legations- scire desiderant. Signutn au- scire desiderønt. signunt au-
reisen dauernd von Rom abwesend. letn est s¿,tsuutn dileclio. tem est sensuum dil¿clio: nøn
þraeler enim ulilitaten þroþ-
'ter
Bessarion gab seincm Werk noch die Übersetzung des Metaphysik- seípsos dilígt¿nlur eI maxi-
ne a,liorum qui est þer iþsos
Fragments des Theophrast bei. Durch beides erhält seine frühere Schaffens- oculos. non enint' solutn ut
periode ihr besonderes aristotelisches Merkmal. sed el nihil agere
, iþswn øîdere þre
Als Vorlage für seine Arbeit benutzte Bessarion neben dem grie- ut dícam aliis eli- est
im¿
chischen Text, der seiner Zeit gelaufig war, die Übersetzung des Wilhelm gimus. causa autcm est quod
hrc maxtme sensl¿un, cogrtù- fa-
von Moerbeke. Bei Aristoteles' Darstellungsart war ihm ein weiter Spiel- scere nos føcít , el multas tias
raum nicht gegeben. Aristoteles eignete sich in der Hauptsache nur zu diferentias denanslrat. manifcsta.t.

einer wörtlichen Wiedergabe in fremder Sprache. Schon die mittelalter-


liche Übersetzung bewies das. Bessarion schlug denselben Weg ein, aber
er vermied die sklavische Übertragung seiner Vorlage. Vielfach erscheint A ë¡.. t. (ss¡b. s) åonep yàç tù r<,ív auxtepíï<ov ð.ppata -npò,s rò çi'yto3
ëxtt rò pe$' tp6áv, oí'rø xal tig ipttégaç Vv)lig ò voúç npòç xa Erl çaoet 9d't'88@'
tdÍa îlûvt@v.
I Mitgeteilt bei Migne, P. gr. rór, Col. CLV n. ¡.
r Hands chriften :
a, Venedig, Cod. Marc. l^t. 49o (von Bessarion eigenhändig),
b. Cesena, Bibl. Malatesta PIut. IV, Cod. z.
c. Cues, Cod. r84 (Aus dem Eigentum des Kard. Nikolaus von Cues; mit
Bessarions Urschrift verglichen. S. unten n. 4).
d. Escurial. Cod. lat. f. ilL. z6 foL 7-z6r v fSign. ant. IV, K. r7.] (Der
Kodex, den Bessarion Kónig {lfons von Aragon iìberreichte, eine besonders
reich ausgestattete Handschrift,)
Druckausgaben:
a. Venetiis apud Aldum, im Anhang zu Bessarion,In Calumniatorem
Platonis r5o3 uod r5r6
b. Aristotelis Opera ed. ÂcademiaRegia Borussica. Berolini r81r. III.
48t a-536b.
c. Der'Widmungsbrief an Alfons von Aragon auch bei Valentinelli, Biblio-
theca manuscripta ad S. Marcum Venetiarum. Codices manuscripti latini.
Venetiis I868- r873. IV. 64 sq.
s Bessarions Widmungsschreiben:
Quet4 (librun) iam diu a me þerfeclum, luae
søcrøe muiestali, r¿x ittclyle, dedicaaí.
¡ Cod. Cusanuí r84 fol. Ioz.v Istøn lrønslacionem feci! rea. d. cørd. Nicenus,
que fion þossel esse mclior, et feci corrigì lìbrun ex originøli d¿ manu eíusdem d. cardi-
nalis. t45j. Die Angabeu bei Rocholl, Bessarion S. z3i, der den Çod. 175 und
das Jahr 1443 - nennt, sind unrichtig.
7

Platon im Mittelalter. Die Anregungen tler Humanisten. 917

Wie Aristoteles nur unter erbittertem Widerspruch sich hatte wieder


einführen lassen, so v/ar auch nachher seine gesicherte Stellung nicht ohne
Kampf durch Platon zu erschiìttern. Wie ursprünglich der Heide Aristoteles
b. Im Kampf um Platon. gegenüber den christlich gewordenen pl:rtonischen Gedanken Mißtrauen
erregte, so erschien jetzt der Gründer der Akademie in seiner ursprüng-
l. Pl¡tons Äufnahme im .Abendland selt dem Wledererwachen der klasslschen Studlen.
lichen Gestalt gegenùber dem im kirchlichen Sinne verstandenen Lehr-
Georglos Gemistos und Georgios Trapezuntios.
systen.r des Stagiriten nicht nrinder gefahrlich.
In einem schönen Bilde hat man Platon und Aristoteres mit zwei Anfanglich waren es rein äußerliche Gründe, die wieder auf Platon
Sonnen verglichen, um die alle spâteren Gedankensysteme sich wie um führten: die Kunst seiner Darstellung und die Begeisterung des Altertums.
ihren Mittelpunkt bewegen. Aber nie, daß beide sonnen zu gleicher Zeit Petrarca, der in sein Lob einstimnrte, wußte über ihn nicht mehr, als was
am Firmamente stehen. Abwecbselnd überstrahlt das eine Gestirn das er bei Cicero und Augustinus gelesen hatte. Er besaß zwar l6 Schriften von
andere. und das ist das Auffallende: Jedesmal wenn das eine aus seiner Platon; aber sie blieben ihm verschlossen, weil er das Griechische nicht
zeitweiligen Stellung unter dem Horizonte wieder auftaucht, wälrrend das kannte. Immerhin gab Petrarca in seinen vielgelesenen Briefen neue An-
andere hinabsinkt, beginnt unter rveithin vernehmbaren Erschütterungen regung. Aber den ältesten Übersetzern wie einem Prlla Strozza und einem
eine neue Ära in der philosophischen Welt. Manuel Chrysoloras, der erstmals Platons Staat lateinisch wiedergab, fehlte
Im ausgehenden Altertum war Platon in der Gestalt des Neuplato- es an den notwendigen Hilßmitteln, dann an Kenntnis der platonischen Ge-
nismus maßgebend. Aristoteles diente dazu, wie bei proklos, die neu- danhenwelt und an Ausdrucksfähigkeit. Ihre Arl¡eiten blieben unbeachtet.l
platonischen Gedanken in ein geordnetes System zu bringen. Die Rück- Neue Anregung gab Lionardo Bruni. . Die künstlerische Form
kehr zu einen reinen Aristotelismus, wie es im 5. Jahrhundert philoponos von Platons Schriften wirkte auf die seelische Verfassung dieses Mannes
vom christlichen Standpunkte aus gegen Proklos verlangte, erfuhr lebhaften wie ein Zaaber.2 Platons umfangreiche Tonskala, wie sie eigentlich erst
widerspmch. Ebenso schöpften die Kirchenväter durch eine spätere neu- die moderne Forschung erkundete,s hat auch Lionardo Bruni, der Dichter,
platonische vermittlung aus der Philosophie Platons. so trug die abend- geftihlt. Platon verfüge über die denkbar reichste Ausdrucksfähigkeit, sagt er.
lendische Theologie, die sich zunächst auf diesen vätern aufbaute, durch- Allem verleihe er ein so anmutiges Wesen
aus platonisches Gepräge. Auch Boethius, dem eine erneute Vermittlung - TíQrc sagen die Griechen -,
daß man beim Lesen niemals ermüde.a Das Symposion gilt ihm als rPlatonis
einiger aristotelischer Schriften zu verdanken ist, bewegte sich noch ganz amoenissimus omnium liber<.5 Doch regte sich schon hier ein Widerwille
in platonischen Gedankengängen. Erst allmählich brach sicb Aristoteles gegen Platons ¡¡Staat<. Er lehnte es ab, dieses Werk zu übersetzen. Denn
Bahn. ohne Kamp[e ging es nicht ab. Noch rzr5 wurden die physischen hier finde sich doch allerlei, was mit der cbristlichen Auffassung in Wider-
und metaphysischen Schriften Aristoteles' an der Universität paris verboten. spruch stehe, Dinge, die man zur Ehre Platons besser ruhen lasse.6
rz3r wollte sie Gregor IX. freigeben, wenn sie von heidnischen Anschau- Anders urteilte er über Phaidon. Das gibt die Vorrede zu seiner
ungen gereinigt würden. zwmzig Jahre später wird in Paris aber schon Übersetzung zu erkennen, die er Papst Innozenz VlI. (14o4-o6) über-
regelmäßig über Aristoteles gelesen, und das nächste Geschlecht baut aus-
reichte: Die christliche. Religion brauche ja, rventr es sich um die Un-
schließlich auf dem Stagiriten seine christliche Gedankenwelt auf. Der sterblichkeit der Seele handle, keine besondere Stütze; dennoch trage es
platonischen Getlanl<en war man sich nicht mehr bewußt; aber sie waren
nicht wenig zur Glaubensgewißheit bei, wenn man sehe, daß der tief-
vorhanden, da man ständig aus den Kirchenvätern schöpfte. Es war ein sinnigste Philosoph des Altertums dasselbe über die Seele denke wie die
ständig fließender unterirdischer Strom, der dann und wann offen zutage
Vertreter der christlichen Theologie. Kein Wunder, wenn man auf den
trat. Aber es war kein lebendiges Erfassen Platons. Von seinen schriften
kannte das Mittelalter nur den Timaios in der übersetzung des chalcidius
und vielleicht einige Bruchstücke des Phaidon.r Ln übrigen wußte man
nichts Bestimmtes von seiner Philosophie. Es blieb bei fremder ver-
mittlung, die selbst nicht aus erster Hand empfangen hatte.z
I Lionardi Bruni Epistulae I.8, tom. I p. r5 sq.
I Gaul L.,
Alberts des Groß Plato. Mùnster rqrt. S. zz.
s Lionardi Bruni r, tom. II p.7o.
0 Lionardi Bruni
2 Grab_mann,. M., Die Ges lastischen Methodé. ' Freiburg i/B. tom. II p. t48. Equidettt liltros illos ìampridem
t.gog:t2.1r. Baeu_nrker., Ç1., Der Mittclalter. Festrede gehaltËn'in Iatinos faccre agsressus esse erent. Sid nrulta îun! in iis libris abholrenliø
d. öff Sitzung d. Kgl. Akademie d. ryt6, ø moribus nostiii, qude pro taccre satius- cst quatn proferre,
348 r. Platons Aufnahme im Äbendland seit dem wiedererwachen d. klass. studien. Lionardo Brunis Platon-übersetzungen. Gemistos in Florenz. S4g

Glauben kam, Platon sei mit dem propheten


Jeremias bekannt gewesen
ibm mit Spannung entgegen. Der Augenblick, da man über Platon end-
oder habe das Alte Testament gelesen. Nichts anderes als die tiber- gültig Aufklärung crhalten konnte, schien für sie gekonrmen. An der
raschende Übereinstirumung mit der christlichen wahrheit habe zu
dieser
gastlichen Tafel des Kardinals cesarini und in den lauschigen Gärten
Meinung geführt.1 cosimos konnte n.ìan nun Italiener und Griechen beieinander sehen.t Alles
Bruni übersetzte von Platon einige Hauptwerke. Auf phaidon folgte trug ein ganz anderes Gepräge als die hitzigen Erörterungen über die
noch Gorgias, Kriton und clie Apologie. cosimo Medici erhielt von ihm theologischen streitfragen in den Konzilssitzungen. Hier veikehrten Lio-
Platons Briefe. Im ]ahre r44 Iegte er auch den phaidros vor.z nardo Bruni und Ambrogio Traversari , die von den italienischen Huma-
über rlie Aufgaben .inã, g"u,.n übersetzung äußerte sich Bruni nisten wohl am meisten Einblick in die sache hatten. wir hören auch
gelegentlich gegentiber seinem Freunde Niccolo Niccoli, als
er ihm seinen von Peter calaber (Pomponius Laetus) und Hugo Benzius aus siena.
ersten Versuch vorlegte. Es sei auf die eigenartigen vorzüge der plato- wenn sich hier neben Markos Eugenikos gelegentlich auch Bessarion sehen
nischen Redeweise Rücksicht zu nehmen. Die bisherigen Biarbeitei, die ließ, so spielte er damals in diesem Kreise doch noch keine führcnde Rolle.2
ängstlich an den worten haften blieben, haben die künstlerische Form ver- vorläufig wâr er nur Theologe. Aber Gemistos verstand die meisten mit
nacblässigt. Bruni wollte bei aìler Genauigkeit keine allzu große Wörtlich- seinem vornehmen Auftreten, seinen Mitteilungen und seiner klassisch reinen
keit erstreben; aber er verhieß eine für das Lateinische passãnde Ausdrucks_ Sprache für sich zu begeistern. Man feierte ihn als den gemeinsan:en Lehrer
weise.s Das wa'en vielversprechende Grundsätze, und trotzdem blieb von Griechenland und ltalien, man nannte ihn geradezu einen zweiten pla-
seinem werk der BeifalI versagt, sowohl von einenl Ästheten wie Lorenzo ton.' Er hat damals auch den Namen Plethon angenommen, vielleicht um
Medici wie von Ambrogio Traversari, der doch Erfahru'g genug im über-
setzen hatte.a Andere urteilten zwar wieder anclers;6 aber auch zu Bessarions
Zeit waren nach dessen urteil die platonisclren Schriften den Lateinern
noch nicht in rechter weise zugänglich.6 Jedenfalls hatte aber Bruni An-
regung genug gegeben, so daß sich in Florenz ein Kreis sammelte, der Gemistos war Platoniker im sinne des Neuplatonismus eines proklos
auf das angelegentlichste das studium platons verlangte. weitere ver-
breitung fand die Kenntris Platons damals noch nicht, auch nicht auf
italienischem Boden. Bessarion konnte in den sechziger
Jahren sagen, daß
Plato¡r immer noch so gut wie unbekannt sei.
Einen neuen Anstoß erhielt diese Bewegung, als der platoniker
Georgios Gemistos in den Kreis der Humanisten trat. Gemistos, dieser
sonderbare Philosoph mit seinem reichen Wissen und schwärnrerischen äußere Fornr. sein Schülerkreis zu Mysithra war ebenlalls eine Nachahmung
Ideen, war als theologischer Berater im Gefolge des griechischen Kaisers von Platons Akademie. Bessarion, hörten wir, stamnrte aus seiner Mitte.;
zum unionskonzil nach Florenz ¡;ekommen.? Die humanistischen Schön- Gemistos' philosophische Einstellung war auch für seine Zeit in
geister, die im Hause dcs cosimo Medici ihren Mittelpunkt hatten, sahen Byzanz eine überraschende Erscheinung. Man bedenke, daß im osten
geradesogut wie im abendländischen Mittelalter Aristoteles die Führerrolle
zukam. Michael Pselios, der im r r. Jahrhundert an der neu errichteten
Akaden:ie zu Konstantinopel lehrte und gelegentlich platon über Aristoteles
erhob, war doch nur eine vereinzelte Erscheinung. schon sein Nachfolger
350 ¡. Platons Aufnahme im Abendland seit dem lViedererwachen d, klass. Studien. Gemistos i¡ber Platon und Aristoteles. 3ó1

Es fehlte eben Der Grundirrtumdes Aristoteles liegt nach Gemistos in der Meta-
Johannes Italos war in der Hauptsache wieder Aristoteliker.
die lebendige Verbindung mit der älteren Zeit. Die letzten kümmerlichen physik. Nach aristotelischer Anschauung geht das Einzelne dem Allge-
Reste des antiken Platonismus \¡¡aren mit der Schließung der Akademie meinen voraus. Der Gattungsbegriff ist etwas Abgeleitetes. Das sei falsch.
zu Athen durch Justinian untergegangen, und in der Theologie war seit Der Teil müsse doch unter dem Ganzen stehen. Sonst fehle dem Ein-
Johannes Damaskenos Aristoteles allein maßgebend. Gemistos
knüpfte zelnen wie dem All sein realer Gruncl.l Platons ldeenlehre habe Aristoteles
wieder an Psellos an. Seine Stellungnahme mußte freilich sehr bald den nicht verstanden und nicht widerlegt. Nach Leugnung der Ideen bleibe
Widerspruch der Aristoteliker und der Theologen wachrufen. für Aristoteles nur das Gesetz und die ewige Bewegung.z Die Folgen
Als der damals schon greise und gefeierte Philosoph von Mysithrâ dieser Irrtümer zeige Aristoteles in seiner Theologie. Nach Platon sei
mit dem humanistischen Kreis zu Florenz in Ftihlung trat, hatte er sich Gott der Schöpfer aller Dinge; nach Aristoteles sei die Welt ewig, und
schriftstellerisch über Platon noch nicht geäußert. Seine Geistesrichtung Gott weder ilrre Ursache noch ihr Schöpfer, sondern nur ihr Beweger.
war indessen längst festgelegt. Es war ihm deswegen ein leichtes, diesen Ferner leugne Aristoteles eine ihrer selbstbewußte göttliche Vernunft. Gott
Fragestellern, die sich noch gleichsam in den Anfangsgründen befanden, l¡abe als Zweck nur die Bewegung.s Ebensowenig gebe es bei ihm eine
Rede und Antwort zu stehen. Um welche Probleme es sich handelte, göttliche Vórsehung. Die Welt falle dem ZuhIIe anheirn; sie sei ein
spiegelt die kleine Abhandlung wider, die er in kranken Tagen noch zu Gescbchen ohne Ursache.a
Florenz aufs Papier warf: ,Über den unterschied zwischen Platon und Dann seine Ungereinrtheiten in der Psychologie. Aristoteles leugne
Aristoteles<.1 Die Anregung dazu war von seinem lateinischen Hörer- zwar nicht offen die Unsterblichkeit der Seele; aber allem Anschein nach
kreis ausgegangen.2 Es waren also Fragen, wie sie hier in der Luft habe er nicht an ein persönliches Fortleben nach dem Tode geglaubt. In
lagen, die sicher scl:on in diesem Kreise die Vertreter beider Richtungen der Metaphysik und in seiner Schrift >Uber die Seele< spreche er noch
entzweiten. Für die Weiterentwicklung des Kampfes um Platon war von der Unsterblichkeit; in seiner Ethik schweige er sich darüber aus.5
In der Ethik habe Aristoteles keine feste Grundlage. Er suche die Tugend-
gerade diese Schrift Plethons von besonderer Bedeutung. Denn hier hat
nach einem Jahrzehnt Georgios Trapezuntios angeknüpft, um Aristoteles als Mittellinie zwischen zwei Extremen, den Lastern. Die Idee des Guten
als alleinberechtigten Philosophen zu erweisen; und Bessarion schrieb sei ihm fremd. Das Glückerupfinden suche er in der Lust. Hier habe auch
gegen diesen, um Platon zu retten. der Epikureismus seine Wurzel. Nach Platon beruhe die Glückseligkeit in
Gemistos wollte nach seinen eigenen Worten nur die hauptsäch- der Anschauung des Ureinen und des Urguten.6
lichsten Unterschiede z',r'ischen beiden Philosophen behandeln; es sollte Bei den griechischen Theologen entfachte Plethons Schrift schon
aber offe¡sichtlich werden, wie sehr doch Aristoteles hinter Platon zttrück- damals große Aufregung. Georgios Scholarios schrieb schon 1443 gegen
stand.s rDie Griechen und die Römer der Vorzeit haben Platon weit ihn. Plethoir erwiderte. Nikolaus Sekundinos stand auf seiner Seite und
über Aristoteles gestellt. Die von heutzutage dagegerr, namentlich die schrieb ebenfails gegen Aristoteles.?
Abendlender wollen kltiger sein als iene und bewundern Aristoteles mehr Anders verlief die Entwicklung im Abendland. Hier fehlten eigent-
als Platon. Sie folgen darin lediglich dem Araber Averroes, der die ari- lich doch die Voraussetzungen zu einer nachhaltigen Wirkung. Bei den
stotelische Naturlehre als die Vollendung aller Weisheit ausgibt, der bei Humanisten löste Plethons Auftreten einige Begeisterung aus, am meisten
allem Ernst in anderen Dingen doch so albern ist, daß er die Seele als wohl bei Cosimo Medici, der nach Ficinos Angabe damals schon den
sterblich bezeichnet.< a Was Gemistos an Aristoteles auszusetzen hatte, Plan zur Gründung der Platonischen Akademie faßte.8 In der Hauptsache
betraf einzelne Punkte metaphysischer und religiös-ethischer Natur, nament-
lich seine Stellungnahme zur Unsterblichkeit der Seele.
r Georgii ilosophire co.m-
oaratio. Veneti"is ¡ Auszüge im An-
hrnq ,u Pléthon, Ill. P. z8r -288'
bei Migne, gr.
P. ? 1ree.c^ 4.1. SS.
i So'C."*¡ ios, bei Gass,
Gennadius und Pletho. II. tt3.
o. ll. rrz,
¿ bei Migne, P. gr' 16o, 889 A. Auf einen sinn-
störehde beigegebenen lateinischen lJbersetzung zu der an-
gefúhrte rgellNeue Heidelberger JahrbücherlX. [t899] 85
n, z) au
\.-

852 r. Platons Aufnahme im Abendland seit dem Wiedererwachen d. klass. Studien. GeorgiosTrapezurrrios'ContparationesAristotelisetPlatonis. 353

blieb aber nach Plethons Weggang im Jahre r44o wieder alles still" Auch Lehrer geneigt seien, Platou den Vorzug zu geben, so beruhe das nur darauf,
Cosimos Akademie kam erst viel später nach neuen Anregungen zur daß sie mit Aristoteles zu wenig und zu spät bekannt geworden seien (IL l).
Ausführung. Vereinzelt wurde gegen Gemistos Widerspruch laut.l Der Von Aristoteles weiß er zu rühnren, daß er Gott als erstem Beweger
eigentliche Angriff erfolgte aber erst nach Jahren durch Georgios Trape- d. h. als dern Absoluten Verehrung zollte; Platon dagegen habe den ganzen
zuntios, der ungefähr im Jahre 1455 mit seinen >Comparationes philo- mythischen Götterhimruel der Dichter beibehalten und die Geschicke der
sophorum Aristotelis et Platoniss 2 vor die Offentlichkeit trat. Die Schrift Menschheit mit ihrn in Zusan:menhang gebracht. Noch mehr aber findet
war im Gegensatz zu Gemistos' Comparatio lateinisch abgefaßt, zielte also Trapezuntios, daß Aristoteles auch schon die christliche Lehre von der
von vornherein auf Leser in Italien ab, namentlich auf die kirchlichen Trinitat lehre. Warum auch nicht! Der Apostel Paulus habe ja gesagt,
Kreise und die zünftigen Theologen. Von wissenschaftlicher Sacblich- dafJ sich die Spuren Gottes in der geschaffencn Welt finden. >So behaupte
keit war d¿rs Machwerk weit entfernt. Es war nichts als Klopffechterei. ich kühn<, sagt Trapezuntios, >daß Aristoteles die Dreifaltigkeit des einen
Trapezuntios griff Platons Leben und Werke in ganz fanatischer Weise Gottes erkannt hat, und daß er im I. Buch seines De caelo auf Grund
an. Bedeutsam war vielleicht, daß ein größerer Leserkreis hier zum dieser Spuren ln der Körperwelt seine Schlüsse aufgebaut lrat.< Aristoteles
erstenmal etwas Näheres über Platons Schriften zu Gesicht bekam; doch habe das aus der dreifachen Din:ension entnehrneu können, wie ia beinr
wurde alles in so einseitiger Auswahl und so schiefer Belcuchtung geboten, Würfel aus der Höhe die Breite fließe und die Oberflache bilde und aus
daß das Buch für die Wiedereinfubrung Platons geradezu eine Gefahr be- beiden als einem Prinzip die Tieie. Überall kehre bei Aristoteles die
deutete. Daß Trapezuntios auch Anhänger fand, beweist der später noch Dreizahl wieder. In seiner Sclrilderung des Weltalls, selbst bei den Zere-
vorgenonrmene Druck seiner Arbeit. monien seiner Opfer sei sie zu frnden. >Ja, Aristoteles hat einen drei-
Im I. Buch vergleicht Georgios das formale Wissen und Können einigen Weltschöpfér gelehrt<, bricht Georgios voll Bewunderung ausr
beider Philosophen. Platon und seine Schule vermögen nach ihm kein (LL z -$.
klares Wissen zu vermitteln. Unter deru Blendwerk ihrer Sprache ver- Um Aristoteles von Gemistos'Vorwürfen zu entlasten, stellt Georgios
bergen sie die grobsten Ungenauigkeiten. Bei allem Mangel rn äußerem verwundert die Frage: Ist es erlaubt, hinsichtlich der Weltschöpfung gegen
Glanz sei Aristoteles in Stil und Rede ihm überlegen. Bei Platon sei Aristoteles Einwürfe zu erheben ? Wohl sei die Welt nach ihnr ewig,
alles leerer Wortschwall, zumal er auch nirgends eine Rhetorik lebre und ohne Anfang und ohne Zeit. Jedoch das müsse man beachten: Aristoteles
im Gorgias sogar sage, es gebe keine Kunst im Reden (L l-l)' Stehe unterscheide genau zwischen der Ewigkeit der Welt und der Ewigkeit
es mit Platons Logik anders? Nirgends ein Syllogismus. Kein Wunder, ihres obersten Prinzips. Diesem komnre sie in eigentlichem Sinne zu
'Welt
wenn Aristoteles erst die Lehre vom Denken begründen mußte! Dann als immerwährende Gegenwart (semper et simul tota), der aber nur
die Topik. Auch sie habe vor Aristoteles niemand gekannt. Platon trage als endlose Zeit (II. 7).
alles ohne inneren Zusammenhâng vor. Statt Beweise biete er nur Rätsel. Das angebliche Verdienst Platons, daß er die Unsterblichkeit der
Um eine Schule zu begründen, sei er seiner ganzen Methode nach nicht Seele gelèhrt und damit dem Christentum einen Dienst erwiesen habe,
geeignet gewesen, Die jüngeren Platoniker sollen das meiste von Aristoteles sei nicht so bedeutsam, wie behauptet werde. Schon vor Platon, nament-
übernommen oder platonische Gedanken nach aristotelischer Methode ver- lich in der griechischen Mythologie habe man sich darüber ausgesprocheu.
arbeitet haben (I. 4-Io). Platon verdunkle vielmehr diese Lehre, da er sich die Seele als einen
Mit ganz lächerlichen Ungereimtheiten überrascht Georgios im II' Buch, sichtbaren Schatten vorstelle und an eine Seelenwanderung glaube. Nicht
wenn er beide Philosophen rnit den christlichen Lehrern im Zusammen- so Aristoteles. Nach ihm könne die Seele vom Leibe getrennt bestehen,
hang bringt. und darau[ beruhe bei ihm ihre Unsterblichkeit. Was Aristoteles sonst
r¡Wer ist denn der größere Fhilosoph?< ftegt et. >Doch nur, wer über die Seele sage, çei ftir die christliche Theologie äußerst wertvoll.
in höherem Maße der Wahrheit zugetan ist, d. h. der christlichen Wahr- Gerade hier zeige sich, wie treffend Aristoteles mit der katholischen Wahr-
heit.< Und triumphierend verkündet Trapezuntios, daß der Stagirite und heit übereinstinrme; Platons Lehre dagegen sei dunkel, voller Fabeln und
'Wenn einige christliche von der Wahrheit weit entfern¡z (II. ro-I3).
nur er mit der Kirchenlehre übereinstimme.
r Gre sorios Mon¿chos bei Alexandre. Pléthon. App' XIV' p.389. I Georgii Trap. ,r. D nilal¿nt
, Han äschriftliche (Iberlieferung: Escurial, Cóil' lat. c. IV. l5 fol. iil þvimo
int¿ll¿xisse, idque ¿x aesl rte.
r-2r 4'v , 'g Geo?gii
irap. tr. .., ia coa-
Drucka'usgabe: Ve,netiis per lacobum Pentium de Leuco, a Parlu Virgineo gruunt, de Platônis aero se ê quan denique
r5r¡, nonis lanuarii. /utiliter excogitalø sil,
Mohler, Kardinal Besearion. L 28
7

354 ¡. Platons Aufnahme im Abendland seit dem Wiedererwachen d. klass. Studien' Verherrlichung des Aristoteles. Angriffe auf Platon. 355

Der Kritiker Pl:rtons findet es geradezu wunderbar, daß Aristoteles, ein. Die Mittel, mit denen Platon den Staat
fi.ihre er verfängliche Tänze
der doch Heide war und Platons Schule durchlaufen hatte, in diesen Dingen
in seinem Bestande sichern wolle, müsse man als sinnlos bezeichnen. Man
beachte nur die Maßnahmen, die er sich hinsichtlich der Fremden denke,
nicht anders gedacht habe, als es die Kirchenlehrer sahen. So schreibe er dem
oder gegenüber den religiösen Kulten, oder seine Absicht auf die Errichtung
Intellekt göttlichen Ursprung zu. Er verwerfe die Praeexistenz der Seelen
gegen Platon, der alles Lernen als eine nachtragliche Wiedererinnerung auf-
eines kleinen und armen Staates, um darnit Revolutionen zu entgehen,
Bisweilen wolle es scheinen, als ob auch Platon noch ein Fünkchen Ver-
faßte. Aristoteles lasse die Seele nicht aus dem Stoff hervorgehen, sondern
stand besitze. So, wenn er als beste Staatsform einen wohlgegliederten
aus dem Nichts geschaffen werden im Augenblick, da der Leib entstehe
(lI. la). Ähnlicb sei es um die Lehre von göttlicher Vorsehung bei Ari- Organismus verlange, w¿rs
lei
- bei Trapezuntios eine berechnete Schmeiche-
in der Republik Venedig verwirklicht worden sei. Doch zeige anderes
stoteles und um das Fatum bei Platon bestellt (lI. 15. t6). -
Aristoteles decke sich überall mit der christlichen Orthodoxie. Man wieder baren Unverstand oder Verkommenheit. Man höre ttur, wie er
beachte aber, daß alle Häresien innerhalb der christlichen Kirche in ihren
den Nachwuchs in seinem Staat geregelt wissen wolle. In der Ehe habe
tiefsten Wurzeln auI Platon zuriickgehen. Origenes, dann Àrius, später er das Recht auf Kindererzeugung im g^nzen auf lo Jahre beschrankt
Eunomios fußen auf ihm. Auch das griechische Schism¡r sei letzten Endes und gebe sich, außerordentliche Vorkommnisse wie Pest oder Krieg aus-
in platonischen Anschauungen begründet. Die morgenlindische Kirche sei g,enommen, mit zwei Kindern zufrieden. Rein zahlenmäßig sei der F'ort-
bestand eines solchen Staates gefahrdet. Und etst die sittliche Seite I
überhaupt davon angesteckt. Zu erinnern sei an die Palamiten. Man
Sprachen sich dagegen nicht schon die Gesetze der Alten selber aus?
beachte dagegen die Segnungen, die der Kirche aus der aristotelischen Philo-
sophie erwachsen seien. Gerade ihre Einftihrung habe die schönste Blüte
(III.9-r4).
der christlichen Theologie gebracht, und zwar vornehmlich im lateinischen
Platon habe mit Aristoteles gar nichts gemeinsam; vielmehr gehöre
Abendland (ll. r7). Georgios wußte gar nicht, wie hoch er noch seine
er in eine Reihe mit Epikur und Mohammed. Wo hätte denn Aristoteles
das Laster verherrlicht wie Platon? Wo hàtte er die Päderastie zu einet'
Lobsprüche für rleu .Stagiriten steigern solle. So beging er das Wagnis,
geradezu feststehenden Einrichtung gemacht wie Platon, der diesem Laster-
ihn wegen seiner lìechtgläubigkeit und seiner einwandfreien Sittenlehre
lebcn einen Charakter nach Art der Ehe aufprägerr willl (üI. r7).
auf eine Stufe nrit den Heiligen der Kirche zu stellen. Zum mindesten
nrüsse er daran festhalten, meint er, daß Atistoteles sein ewiges Heil er-
Wenn Trapezuntios all das an Platon zu rügen hat, so entlädt sich
reicht habe (II. t8). vollends sein Zorn gegeu dessen neuesteu Wortverkünder G emistos.
In dieser Weise will Trapezuntios bewiesen haben, daß Aristoteles Gleich im Eingang seiner Schrift helt er ihm sein Neuheidentum vor. r
der überragende Philosoph sei, und daß es sich bei Platon nur um Mittel- Auf dem Konzil von Florenz habe er seine frevelhaften Bemerkungen
gernacht und gar auf dem Sterbebett habe er gespottet: es werde nach
rnäßigkeit handle. Noch schlimmer werde der Eindruck, wenn man Pla-
seinem Tode nicht lange dauern, dann r¡ erde man eine neue allgemeine
tons verwegenes Leben und die daraus abgeleiteten Lehren heranziehe.
Religion haben, in der kein Christus und kein Mohamrned mehr besondere
Hier kör:ne n)an vor ihm nur dringend warnen. Von diesent Standpunkt
Geltung habe.2 Gemistos sei darun-r geradeso schandlich; er bilde nur
aus geißelt der Kritiker ruit tlen bissigsten Worten Platons Phaidros, weil
die Fortsetzung jener Reihe von Platon auf Mohammed; und sein Buch
hieL die schändlichsten Laster Billigung finden sollen, ebenso seine Staats-
müsse von Rechts wegen verbrannt werden (III. zo).
lehre, weil er für seinen Staat Frauengemeinschaft verlange. Platon habe
die Frau prostituiert untl die Ehe geschändet (III. r - 5). -' Aber vielleicht
Bei der Stellung, die Aristoteles im theologischen und überhaupt
habe Platon bei all dern eine vaterländische Gesinnung besessen? Ganz
im wissenschaftlichen Denken einnahm, l<onnte eine derartige Kampfes-
weise gegen seinen Antipoden für dessen Wiedereinfübrung höchst ver-
und gar nicht! Denn gerade die großen Männer Griechenlands habe er
hängnisvolle Folgen zeitigen, zumal es sich hier um eine Gegeniiber-
heruntergerissen, eineu Perikles, Kimon, Miltiades, Themistokles. Diese
stellung des heidnischen Platon mit dem christlich verstandenen Aristoteles
schelte er Schmeichler und Verftihrer des Volkes, ohne zu bedenken, daß
des Mittelalters handelte, besonders schlirnm noch deswegen, weil eigent-
ohue sie Athen uichts gewesen wäre, und daß ohne sie nicht einmal er
lich niemand im Abendland die Schriften Platons kannte. Den kircblichen
selber hatte schreiben können (III. 6).
Kreisen mußten jene Schriften angesichts von Trapezuntios' Schilderungen
Platons Gesetze bilden nach Trapezuntios gar das Vollmaß der Ver-
blendung. Die ganze Lebensweise, die er da vorschreibe, sei verwerflich. I Gegrgii Trapezuntii Comparationes I.7' Homo ita Prudên.s øc doctus, ul
Die heranwachsende Jugend verderbe er bei Schmaus und Trinkgelagen. Chrislum ne!aaeri! el Platoni adhescril el scriþtís christiønos insequøtur suts
¡ Vgl. die Stelle untcn S. 357 n. r.
Die Sinne reize er mit den Spielen nackter Jünglinge und Mädchen. Ebenso 23.
7-
356 r. Platons Aufnahme im A,bendland seit dem Wiedererw¿chen d. klass. Studien. Abfassungszeit von Georgios' Comparationes. 357

ftir Christentum und Kirche nach jeder Hinsicht als gefahrlich erscheinen. die geeignet wäre, auf den Sommer r4il zu führen, übt Gercke mehr
Die Humanisten konnten hier ebcnfalls beeinflußt werden. Wir horten Zurückhaltung, weil sie auch schon eine rndere Erklärung firnd. und
ja, daß früher Lionardo Bruni, den man doch nicht wohl unter die kirch- docl¡ dürfte diese Stelle bei sinngemäßer Interpretation dieses Datum
lichen Vertreter rechnen kann, an Platons Staat selber schon Anstoß ge- sichern.
nommen hat.r Das bißchen schöngeistige Begeisterung, das bisher auf um nämlich Gemistos zu charakterisieren, sagt Trapezuntios: .4udiai
Platon hingeleitct hatte, war doch bald im Schwinden. An wirklicher ego ipsum Floreiliøe (aenit enim ad concilium. atm Graecis) assercndum unam
Sachkenntnis fehlte es. Man besaß, wie Bessarion betont, weder alle plato- eandetnque religionent uno ønimo, und. mcnle, una
þraedicatione unit¿rsum.
nischen Schriften, noch kannte men, was die Voraussetzung hätte sein orbem þaucis þost annis esse susceþturum, Cumque rlgdssctn, Christine an
müssen, die griechische Sprache.2 Auf diese Weise nrußte ein eingehendes Machumcti? Neutrum, inquit, sed non a gcnlilitate diferentem.
euibus
Studium Platons auf längere Zeit hinausgeschoben, wenn nicht gar un- uerbis commotus semþff odi et ut venenos(trrt viperam pertimui nec videre aui
möglich gemacht r¡/erden. Zu deutlich erinnert dieser Vorgang an jene audire ønþIí.us þotui. Perceþi etiam n nonnullis Graecis, qui ex peloþonneso
Kämpfe, unter denen sich z5o Jahre früher die Einführung des Aristoteles huc þrofugerunt, þaløm dixisse iþsunt, dntedquønt. rnortem obiisset (ianr.
in den Wissensbereich des christlichen Abendlandes durchsetzte. Hier war f ere triennio), non multis annis þost mortem suam et Machumetum et
dringend Abhilfe nötig. Sie sollte von Bessarion kommen. Christum løþsum iri et uerøm in omnes orbis oras aerítatcm. þerfulsu-an . .
.

Abgesehen von der Gesamtentwicklung dieses Streites um Platon Centum cnim þaene misera aetate annos conpleait.L
ist es auch, um die Lebensumstände Bessarions in ihrer richtigen Auf- F. Schultze erklärt unter Außerachtlassung des Vorhergegangenen
einanderfolge zu erfassen, notwendig, die Abfassungszeit von Georgios' den letzten satz dahin, daß es sich um einen Ausspruch von Gemistos
Cornparatiorres rnöglichst genau zu bestimmen. Die früheren Forscher handle, >wie er ihn auch später noch, drei Jahre vor seinem Tode, im
haben hier sehr willktirliche Annabmen getroffen.B Wie Gercke auÊ l)eloponnes getan haben soll<.2 Grammatikalisch mag diese Erklarung
merksam macht, läßt sich die Abfassungszeit mit den Jahren r4Jj-j8 möglich sein; inhaltlich erscheint sie mir aber ganz und gar nicht wahr-
unrschreiben, und zwar höchst einwandfrei; denn Georgios' eigener Sohn scheinlich. Daß Plethon gerade drei Jahre vor seinem Tod diesen Aus-
Andreas, der sich nit dieser Sache zur Verteidigung seines Vaters befaßte, spruch getan hätte, wäre eine Nachricht, die durch gar nichts begründet
gibt an, daß die Corrparationes unter dem PontiÊkat Kalixts III. ge- wäre. Abgesehen davon wird bei dieser Deutung das iam völlig unter-
schrieben wurden.a Gegenüber einer Stelle in den Comparationes selber, schlagen. Sobald man aber dieses iørn bei der Ubersetzung beibehelt, wird
das Unwahrscheinliche dieser Erkl¿ruhg um so einleuchtender.
Die Deutung der Stelle muß von ihrem ganzen Zusammenhang aus-
gehen. Trapezuntios wollte offensichtlich den Gemistos als widerwärtigen
Apostaten brandmnrken, und dazu bringt er die Beweise: Bereits während
des Konzils zu Florenz habe er sein neuheidnisches Religionssystem vor-
getragen. Von diesen Ansichten habe er sich auch nie mehr bekehrt.
Wie er, Georgios Trapezuntios, aus sicherer Quelle erfahren habe, hat
sich dieser Freigeist, bevor er starb das ist jetzt drei Jahre her
offen dahin ausgesprochen, es
-
werde nach seinem Tod nicht mehr
-
lange dauern, bis Christus und Mohammed zu Fall kämen. Fast roo Jahre
alt sei er geworden.
- Trapezuntios woilte also sagen, Gemistos sei auch
als Apostat gestorben. Das verlangt das Vorhergegangene, das legt auch
der Schlußsetz nahe. Unter diesem Gesichtspunkt verliert die Deutung,
daß er sich >schon drei Jabre vor seinem Tode< diesen Ausspruch ge-
leistet habe, jeden Sinn.s
Ge.orgii Tr nes lll. eo (gegen Scbluß). Die Klammern
im Text habe ich ers
r Schultze F. ethoo S. 77.
s Erwähnt sei
Jere trieiiio in der Bedeutuog von ))vor
nunmehr drei Jahren< ng auch sonst Georgios'Latinità't entspricht.
7-
858 z. Entstehungsgeschichte von Be ssarions ln Calumniatorem Platonis.
Der bisher unbekannte griechisclrc Text. Mehrfache Bearbeitungen 359

Das Èrgebnis ist: Georgios schrieb diesen Schlußsatz seines Werkes Man verlegte früher Bessarions In Calumniatorem Platonis fast all-
drei Jahre nach Plethons Tod. Wie Gercke durchschlagend nachgewiesen gemein in das Jahr 1469 und hielt diesc Annahme mit dem Hinweis auf
hat, starb Plethon eln 26. Juni l45z.t Damit werden wir für die Fertig- das Druckjahr der röurischen Ausgabe für hinreichend begründet.1 Damit
stelluug von Georgios' Comparationes auf den Sommer r455 getührt. trug man aber die größte Verwirrung in den Verlauf des weitausholenden
Streites. Wenn sich die Entstehungsgeschichte dieses ersten Werkes über
2. Platon nach unserer Darstellung wesentlich anders gestaltet, so beruht das
Entstehutrgsgeschichte von Bessarlons In Calumni¡torem Pl.tonls.
in der Hauptsache auf den Handschriften des griechischen Originaltextes,
Mit Georeios' Comparationes wurde die Frage, ob Platon oder Ari- die bisher s¿mt und sonders noch gar keine Beachtung gefunden haben.
stoteles, die in ibrer zugespitztcn Form bis dahin nur unter derÌ Griechen Allerdings hat auch Gercke die frühere Anr:ahme erschüttert und das Werk
eine Rolle gespielt hatte, auch innerhalb der italienischen Gelehrtenwelt rrrit guten Gründen um ein Jahrzehnt früher ))gegen r458159" angesetzt;2
autgerollt. Huruanisten wie Theologen rnußten in gleicher Weise davon aber es handelt sich hier doch wieder nur um eine neue Verschleierung
in Anspruch flenommeu werden. Und trotzdem erfolgte von hier aus des Tatbestandes, denn nicht der lateinische Text, der gewiß erst späteren
zunächst weder eine Zustinlmung noch ein Widerspruclr, der beste Beweis, Ursprungs ist, sondern dessen griechische Vorlage ist ungefähr in diese
rvie gering noch die Kenntnisse um Platon waren. Geradezu übermschen Zeit zu rücken.
mulJ, daß noch mehr als ro Jahre später ein Mann wie Filelfo nicht recht Nach unseren handschriftlichen Beobachtungen lassen sich inr ganzen
Stellung zu nel:men wegt,2 ja daß sogar die Universität Paris nicht recht vier Bearbeitungen von Bessarions Werk feststellen. Diese Zahl dtirfte sich
rveiß, wie sie sich zu den angeregten Fragen verhalten soll.3 Hier konnte auf ftinf erhöhen, wenn wir eine Umarbeitung, die Theodoros Gazes bald
überhaupt nur ein Mann das Wort ergreifen, der sich mit Liebe in die r:ach dem ersten Entwurf bestimmt lrätte, ftir gewiß nachweisen könnten.
Schriften beider Philosophen versenkt hatte, und das war Bessarion. Das Es würcle sich hierbei um Zusatze und Abstriche handeln, die Bessarion
Werk, nlit dem er in den aufgeworfenen Streit eingriff, waren seine vier von seinem Freund gewünscht hatte. Ob sie aber erfolgt sind, erscheint
Bi.icher In Calumniatorem Platonis. Sie haben ihm auf diesem Ge- mir mehr als fraglich. Was sich auf Grund der handschriftlichen Über-
biet scinen Ruhm eingetragen. lieferung als zweite Bearbeitung ergibt, weist gegenüber dem ursprüng-
Bessarions Werk sollte eigentlich eine Abwehrschrift gegen Trape- lichen Text Ergänzungen, Erweiterungen und Umstellungen auf; bei der
zuntios sein; aber was er leistete, bewegte sich in ganz anderen Bahnen. dritten Bearbeitung handelt es sich um die Einschiebung des unrfangreichen
Wohl erfuhr der >Verleumder< seine Widerlegung; in der Hauptsache IlI. Buches, und bei der letzten Ausgabe, díe 1469 im Druck erschien,
ließ es sich der Verfasser angelegen sein, über den Gründer der Akademie um die lateinische Übersetzung, die sich überwiegend als eine etwas freiere
einmal tieleren Aufschluß zu geben. So wurde Bessarions Werk die erste Bearbeitung, an manchen Stellen sogar nochmals als völlige Neubearbeitung
eingehende Arbeit über Platon, über sein Leben, seine Weltanschauung drrstellt. Somit decken sich die einzelnen unten namhaft gemachten Hand-
und seine schriftstellerische Tatigkeit, gescbrieben in unterhaltendem Ton, schriften des griechischen Textes nicht in allen Fällen.s Die Abweichungen
in feiner Sprache, geistreich. Der Gegner trat hinter der Ftille des Stoffes, sind aus dem beigegebenen kritischen Apparat meiner erstmaligen Ausgabe
den Bessarion zu bieten wußte, völlig zurück. Nicht einmal, daß er nrit im IL Bande zu erseheu.
Nrnten genannt wurde. Eigenartìg genug ist es, daß dieses Werk, denr Vor allen überkommenen Handschriften berichtet uns von dem eben
die Wiederbelebung des Platonstudiums im Abendland zu verdanken ist, in seiner ersten Bearbeitung entst¡ndenen Werk Bessarions ein Brief des
bisher nur in einer lateinischen Bearbeitung vorlag; und doch handelte
es sich um Bessarious vollendetste schriftstellerische Leistung.

e Gercke 4., Theodoros Gazes S. 16-18, 4r.


r Handschriften:
a,R om, Cod. Vat. gr, r415. fol. t - tz6v.
2 Legrand E., Cent-d:x lettres grecques de François Filelfe n. 8ó. p. I52 sq.
b.v enedig, Cod. Marc. gt. rgg fol. r-zz5
Vgl. unten. c.V enedig, Cod. Marc. gr. t98. fol. j-294
3 Vgl. die- Briefe Bessarions arl W. Fichet bei Legrand l. c. n. L p, 224 sg. d.M ùnchen, Cod. Mon. gr.8o fol. r-t63v.
n, p. zz8 n. 6, p. 4t. n. 8. p. 287. e.R om, Cod. Barb. r8¡ fol. t-r48.
t.
T_
360 2. Entstehungsgeschichte von Bessarions In Calumniatorem Platonis. tlbfassungszeit. Gazes' Mitarbeit, Die erste Bearbeitung, 361

Kardinals an Theodoros Gazes.t Leider ist das Schreiben nicht datiert; nech seinem Gutdünken zu bessern, namentlich im II. Buch , das von
aber es finden sich Anhaltspunkte zu einiger zeitlicher Festlegung. Ga¡z Platons Anschauungen iiber Gott, Welt, Seele, Vorsehung und ewiges
allgemein laßt sich sagen, daß tlas Schreiben aus dem Pontifikat Knlixts III. Verhängnis sorrie über sein Verhältnis zu Aristoteles handelte.r Aber
(8. April t45S-Í+. August r458) stammt, denn Bessarion befin<Jet sich kam das auch zustande? Bessarion machte seinem Freunde den Vorschlag,
in den Bädern von Viterbo und pflegt der Ruhe. Unter Pius lI. war gerade zu diesem Zweck zu ihm l¡rch Rom zu kommen; andernfalls wolle
ihm das erst nach seiner deutschen Legation wieder vergönnt. Ferner er das Werk im vorliegenden Zustande herausgeben, oder er könne ihm
hat Gazes einen Teil seiner Aristoteles-Übersetzungen (neg| ÇEøv tatoqlar, auch eine Abschrift des II. Buches zukomnren lassen.2 Wir wissen nicht,
neçi (qíau popian, rcgi (Eøv yeuéaeøç); die er im Auftrage von Niko- was hiervon zur Ausfülrrung kant. Einc Prüfung des uns vorliegenden
laus V. (t t+ll) begonnen, aber zu dessen Lebzeiten offenbar nicht mehr [[. Buches scheint keinerlei Einflt¡sse von seiten Gazes' zu verraten. Da-
vollendet hatte, bis dahin dem Kardinal noch nicht gesendet. Bessarion gegen führt uns das später eingefügte III. Buch, das nichts ancleres als
kennt nicht einmal die lateinische Titelgebung und bittet daher um Mit- eine Erweiterung des II. darstellt, zur Verruutung, daß eine Mit;rrbeit
teilung. Auch das weist wieder in diese Zeit. Noch näher die fragliche Gazes'wohl hier zu suchen sei , zumal es sich hier auch um Einflüsse
Zeit zu umgrenzen, ist vielleicht eine Bemerkung imstande, die Bessarion von anderer Seite und selbst unr eine etwas atrders geartete Darstellung
bei Erörterung der Hauptangelegenheit macht, seinem neuverfaßten Werk, handelt.
dem In Calunniatorem Platonis, dessen ersten Entwurf er Gazes zur Ein- Die älteste uns erreichbare Textgestalt und mutmaßlich erste Be-
sicht und Prüfung vorlegen will. Er sagt: Im vorigen Jahr sei ihm die arbeitung in Reinschrift liegt vor im Cod. Vat. gr.r43j, und zwar im
Schmähschrift des Trapezuntios in die Hande gekomnren, gegen die er fortlaufenden Kontext dieser Handscbrift unter Ausschaltung der stellen-
nun seine drei Bücher zur Abwehr geschrieben habe.2 Wir kennen 1455 weise sich findenden Randbenerkungen und nachträglichen Änderungen.
als das Jahr, in dem Jrapezuntios' Comparationes fertig wurden. Allzu Cod. Vat. 8r. r435 (: B) ist eine Papierhandschrilt von rz8 fol., von
lange kann es nicht gedauert haben, bis diese Schrift in Bessarions Hände denen die beiden letzten unbeschrieben sind, im Format von 3I \ zz,5 cm.
kam; man denke nur an seinen Aufenthalt in Rom, seine persönliche Anteil- Der Pergamentvorsatz, von einem älteren Kodex herstammend, ist lateinisch
nahn:e an dem erörterten Gegenstand, seinen hunanistischen Kreis, der beschrieben. Die Decken aus Holz sind mit hochrotem Safû¡nleder tiber-
ihm Derartiges doch sofort vorlegte, wie das auch in den späteren Er- zogen, Aulbeiden ist dasWappen Pauls V. (t6o5- zr) in Gold eingeprägt.
örterungen zu beobachten ist. So wird Bessarion Ende 1455 das Werk Fol. r trägt unten den Vermerk: emptus ¿x libris cørdinalis Sirlet,t ìn
des Trapezuntios erhalten und bis zum Ende des Jahres r4j6 am ersten moderner Schrift.
Entwurf seiner Gegenschrift gearbeitet haben. Will man noch mehr Spiel- Der Text ist eine saubere Reinschrift in der zeitgenössischen grie-
raum lassen, so käme als äußerste Grenze nach unten allenfalls Frühjahr chischen Minuskel. Auffallend sind vielfache, bald längere, bald kürzere
r458 in Betracht. Ergänzungen am Rande von zweiter Hand in verblaßter Tinte. Im Gegen-
Bessarions Werli war nach diesen brieflichen Mitteilungen, wie es salz zs dem sauber gescbriebeuen Text sind diese Zusàtze fltichtig und
auch in der ältesten handschriftlichen Gestalt vorliegt, in drei Büchern mit vielen Abkürzungen geschrieben. Einzelne Zeichen verweisen zur
abgefaßt. Als viertes Buch war eine Kritik von Trapezuntios' Uber- Einfügung auf bestimmte Stellen im Text. Ebenso sind im Text selber
setzung der Gesetze Platons beigeftigt. Bessarion wollte das Werk aber einzelne Worte oder Sätze gestrichen. Dazu findet sich noch fol. 46'
nicht herausgeben, ohne Gazes' Gutachten zu hören. Deswegen bat er ein Hinweis zu einer Umstellung eines größeren Teiles an spiterer Stelle
den Freund, davon Einsicht z.u nehmen und durch Abstriche oder Zusätze (tol. 49').
Die Niederschrift des fortlaufenden Textes erfolgte erst nach Mai
I Handschriften: 1463, de Bessarion in der Überschrift des I. und II. Buches als Patriarch
a. Florenz, Bibl, Laurenziana gr. Plut. 57 Cod. 13 fol. 99v-ror,
b. Rom, Cod. Vat. gr. t4r6. fol. r4ov-r4r.
c. Rom, Bibl. Vallicellana Cod. gr. r89 (CVlll) n. rl.
d. Wien, Cod. gr. 9o [ol.36v-38. (Diese Hs ist nicht besser als der Cod.
Laur., wie Gercke l. c. 36 n. z meint, sondern nur eine saubere Abschrift dieser Hs
mit sämtlichen dortigen Fehlern.
Druckausgabe; Ill. Band (Ungedruckte Texte) Briefe n.36,
z lfl. Baod iUnsedruchte Textè) Briefe n. 16. c. i. t,i yào noò toú'&er úxev
fipb, èç Ttpaç pgiíov't, toí dtarc\t¡toõ ltpryòç Teapytoi,'nàor¡| xaù lll.tfuøuoç
pAaogt1¡tia; peorót,
7
962 z. Entstehungsgeschichte von Bessarions In Calumniatorem Platonis. Die zweile und dritte Bearbeitung. 363

von Konstentinopel bezeichnet wird;1 sie besaß eber Eine dritte Bearbeitung karn zustande durch die Einfügung eines
daß sie Reinschrift ist
- abgesehen davon,
eine Vorlage. Das beweisen einzelne Schreib- weiteren Buches nach denr ll. Buch. Diese liegt uns vor im Cod, Marc'
-
fehler und Auslessungen, die durch Homoteleuton wrursacht sind und von gr. I98 (: V), einer Pergantenthandschrift von 316 fol. itn Format von
gleicher Hand überall berichtigt wurden (2. B. fol. 29"). Die Abschrift 2,65 X r,85 cm. Die Scbriit ist besonders sorgfaltig. Die Initialen.sind in
erfolgte nach Diktat. Das zeigen einzelne Hörfehler, die auf der byzan- rnehreren Farben gemalt und vergoldet. Am Rande finden sich lnhaltsangaben
tinischen Phonetik beruhen. Als Vorlage diente höchstwahrscheinlich in roter Schrift. Der Kodex entbalt von fol. )-291 In Calumniatorem
Bessarions eigener Entwurf, den er hier erstmals ins reine schreiben ließ. Platonis libri IV, außerdem von fol. 29+" - 3r6v den griechischen Text von
Das schließe ich daraus, daß Bessarion dieses Exenrplar für seine spätere Bessarions De natura et arte als V. Buch, und als VI. Buch seine Kritik
Umarbeit benutzte. Mit der Reinschrift war aber die r. Auflage des Werkes zu Georgios' Ubersetzung vou Platons Gesetzen ebenfalls griechisch. Vor
erstanden. den Ganzen steht ein Lobgedicl:t auf das In C¿rlumniatorem von An-
Die erwähnten Nachträge am Rande erweisen sich bei näherer Prü- dronikos Kallistos.l Der Umstand, daß hier auch De natura et arte auf-
fung als eine Überarbeitung des ursprünglichen Textes. Bessarions eigene geuommen ist, verweist ftir die Entstehung der Hanclschrift insofern auf
Hand leßt sich unschwer erkennen, \ryenn nr:rn die Einträge heranzieht, etwas spätere Zeit, als diese Abh:rndlung schon in dem wichtigen Cod.
die sich in einzelnen Kodizes seiner Bibliothek finden und die sicber von Marc. gr. 527, Bessarious Handexemplar, in etwas ursprünglicherer, wenn
ihnr stammen. Das gleiche ergibt nanrentlich ein Vergleich mit dem nicht der ersten Abschrift geboten wird. Trotzdem ist V uoch zu Leb-
früher schon erwähnten Cod. Marc. gr. j27, wo der Kardinal seine Er- zeiten Bessarions entstanden, deuu der Kodex gehörte wie U in seine
weiterungen in ähnlicher Weise anbracbte.z - Und das Ergebnis? Wir Bibliothek.
haben in dieser umgeänderten Form die zweite Bearbeitung seines Inhaltlich ist das neue Buch die schon früher in Aussicht gestellte
Werkes vor uns, die wohl bald nach der Fertigstellung von B, also viel- Erweiterung einzelner Punkte des ll. Buches. In seinem Gepräge unter-
leicht noch r463 zustande gekomnren ist. Die Änderungen bringen stili- scheidet es sich aber merklich von den übrigen Teilen. \üährend sich
stische Veränderungen, Umstellungen, weiter e Zitate, viclfach auch inhaltliche Bessarion sonst einer anschaulichen Sprache oder gar des Unterhlltungs-
Erweiterungen, ohne jedoch die ursprüngliche Fassung grundstürzend zu tones bedient, wird er hier lebrhaft trocken. Auch der Inhalt hebt sich
ändern. von dem früherem ab. Dort bewegt er sich fast nur im Rahmen des
Bessarion ließ von dieser Neubearbeitung rpiederum einc kalligra- klassischen Altertunrs, hier zieht cr die mittelalterliche Scholastik heran,
plrisclre Abschrift nehmen, die uns im Cod. Marc. gr. r9g (: U) vor- wie Albertus Magnus, Thomrs vou Aquin, Scotus Eriugena, oder auch
liegt, einer Pergamenthanclschrift von 225 fol. im F-ormat von 29,8 )( die Araber Avicenua, Averroes, Alpharabius.2 Das ist bei Besslriotr neu
2r,j cm. Au[ Bessarions Ver¿rnlassung zur Herstellung schließe ich, weil und entspricbt nicht seinem sonstigen Wissen. Auffallend ist aucb, daß
dieser Kodex zum Bestand seiner Bibliothek gehörte, mit der er nach er sich hier auctr mehr mit Aristoteles bescbäftigt, als es sein ursprüng-
Venedig kam.3 licher Plan und die übrigen Teile des Werkes verlangen.s Und doch
bricht sein früberes Wesen da und dort wieder durch.
I S. oben S. z4t.
, Vgl. oben S. 244 nicht verständlich waren, ch auf ihn einwirkten. Ebenso ist die auf fol'
¡ Wír haben in ¿¡ësem Zusammenhang auch zwei júngere Handschriften zu be- 46v in B vorgesebene Um orgenommen; doch gibt M 4¡qu die in B sich
6ndende Anweisung. Im sich der Text als eine möglichst genaue Ab-
schrift mit nur vereinzelte

berg und Weißeoborn, der sich in der z. Hällte dcs ró. Jahrhunderts eine größere Zahl
von Klassikern und Renaissanceschriftstellern in italienischen Bibliotheken abschreiben
ließ. Vgl. Hartig O., Die Gründung der Müochener Hofbibliothek, in d. Abhandlungen
d. Kgl. Bayr. Akademie d.'vViss. Phil. philol. u. hist. Klasse XXVllI. 3. Mùnchen r917.
S. 3r-46. r36.
Der Text bietet die Gestalt, wie sie Bessarions z. Auflage verlangte. Daß er
unmittelbar aus B entnommen ist, läßt, abgesehen von einzelnen orthographischcn Eigen-
tünrlicbkeiten, die Beibehaltung von Abkürzungen erkennen, die dem Abschreiber teils s Bessarion, In Calumniatorem Platonis. lll. to - 14'
7
Mitarbeiter bei der dritten Bearbeitung. Die lateinische Übersetzung. 365
961 z. Entstehungsgescbichte von Bessarions In Calunrniatorem Platonis.
Einzelne Kapitel sind umgestellt. Auffallend ist auch, daß Aristoteles mit
Hier waren offensichtlich fremde Einflüsse tätig, eine Beobachtung,
mehr trVohlwollen behandelt wird als in der griechischen Vorlage.l Vor
die Theodoros Gazes noch näher bestätigt. In einem Briefe, mit dem
allem scheinen die eigentlich philosophischen Kapitel nochmals selbständig
er das Werk, das bereits aucb ins Lateinische übersetzt ist, Filelfo an- 'Weniger rücksichtsvolle
behandelt worden zu sein.2 Bemerkungen gegen
ktindigt, spricht er sogar von mehreren Mitarbeitern aus Bessarions Um-
die lateinischen Gelehrten, die im Griechischen unbeachtet einfließen, sind
gebung.t Wir werden nicht fehl geben, wenn wir dabei in erster Linie
abgeschwächt oder unterdrückt.3
an Gazes selber denken, dessen Gutachten der Verfasser wegen der im
Die Übersetzung sucht jede sklavische Abhängigkeit zu vermeiden.
IL Buch behandelten Gegenstände anfanglich schon angerufen hatte. Gazes'
Überall zeigt sich das Streben nach gutem lateinischen Ausdruck. Grie-
trockene, an Aristoteles erinnernde Darstellungsweise findet sich, wenn
chisclre Eigentümlichkeiten sind aulgegeben. Stellen, die in der Vorlage
auch gemildert, rn den einschlägigen Stellen dieses IlI. Buches wieder'
nicht sofort ganz klar erscheinen, werden völlig verändert wiedergegeben,
Ich vermute deswegen, daß Bessarion hier Ausfülrrungen von Gazes vor-
nranchmal in starker Kürzung.a Anderes bleibt ganz weg.5 Umgekehrt
lagen, die er weiter verarbeitete.z
erscheinen Brachylogien des Originals im Lateinischen in ausführlicher
Abgesehen von Gazes, nennt Bessarion in der Scliriit selber seinen
Umschreibung.6 Eigenartiges Kolorit geht dadurch allerdings verloren.?
Familiaren Giovanni Gatti von Messana, einen erfaltrenen Theologen, der
Selbst Zitate aus antiken Schriftstellern erfahren auf diese We ise Ver-
ihm über skotistische Auffassungsweise Auskun[t gegeben hrbe's Danit
änderungen, wie der nicht leicht zu übertragende Brief des Pythagoreers
hetten wir auch die Quelle seines überraschenden Wissens über die abend-
Lysis.s Trotz allem tìnden sich auch ganz wörtlich wiedergegebene Stellen
lendische Scholastik.
der dritten Benrbeitung sind wir nur aul und sprachliche Härten.e
Für die Entstehungszeit
Die ganze Besclraffenheit des lateinischen Textes beweist, daß Besserion
Vermutungen angewiesen. Die überliefernde Handscl:rift (V) laßt keine
euch hier seine Mitarbeiter gehabt hat. Bestätigt wird das durch jene Be-
Schlüsse zu. Da die zweite Bearbcitung in die Zeit bald nach Bessarions
nerktrng Gazes' in dem vorhin angeführten Brief an Filelfo. Man wäre ver-
Erlrebung zum Patriarchen (Mai r4$) za verlegen ist, werden wir hier
sucht, hier an Niccolo Perotti zu denken, denn er war ein gewandter Stilist
offensichtlich in die erste Zeit Pauls II. (t+6+-7r) geftihrt.t Vermutlich
und grifl nachher auch selber mit einer Schrift gegen Trapezuntios in den
ging das III. Buch auch Bessarions De natura et lrte vorao; denn die
weiteren Verlauf des Streites ein. Aber er bekam, wie ein Brief zeigt,
dort behandelten Fragen hätten mit Leichtigkeit auch hier ihren Platz
das Werk erst nach der Fertigstellung zu sehen.ro Ob wohl Johannes
finden können. Auch jene Abhandlung haben wir, wie noch zu zeigen
Gatti oder Campani in Frage korrmen? Ammanati stand offenbar der
sein wird, in die Jahre 1464-66 zu verweisen.
Sache zu fern und ging auch ganz in seinen Geschäften auf. Die Kor-
Daran schließt sich dann die vierte Bearbeitung des Werkes in
rekturen von Bessarions In Calumniatorem Platonis las Andreas de Bussi,
der Form der lateinischen Übersetzung, die inr Jalrre t 469 zusamm etl mit
Bischof von Aleria.1l
De natura et arte und der Kritik von Georgios' Platonübersetzuug im
Druck erschien.5 Gegenüber der früheren Fassung ist hier einiges þeändert. h. Paris, Nationalbibl. Cod. lat. n 94ó. (Prachthandschrift. Am Ende
der Vernrerk: cxcriple et miniale þer me loachinutn de Giganlibus Rotenburgensem Pro
Xl/. Ianuarii t476.)
inuiclissittto Principe Ferdinando rege. Neaþoli, Die
an Filelfobei s G¡zes S. ¡q ff. Nach einer Druckausgaben:
Cl Compar^
rgios' 'i,ye ylrzy,nlol
a. Romae, bei Sweynheim und Pannartz. sine rnno (1469) in fol
oú uyyéypaçaotv íu c¿rta )'oyo"-,,rr xaì on,oa-
-B4oo.agløta
b. Venetiis in aedibus Aldi ri ot in fol
qq u 6È xal ti: r tereleyxótte -e ëTouott', oúnø c. Ven etiis in aedibus Aldi r
5
t6 in fol.
E" Bes sarion, In Calumniatorem Platonis I. 6, 3
1. II. j, ro sqq
c.
l. c. I. r, S; 4, ro.
l.c.L¡ , 4t 4, r,II. z, z; 4, 9.
l. c. I. 4t l,
l. c. I. 2,ti2,j.U.j,t
l. c. I.
l,c.I,z, )t 2,8; 4, 4.
l.c.I 9 tI. 6, r, iubeo mit ut konstruiert I. 8, z,
. Marc. lat.
lII. Ba o d (Ungedrucke Texte), Briefe, Anhang n. z.
c. zz8. rr Andrea s de Bussi in der Vorrede zu seiner Ausgabe von L. Apuleji Platonici
d. Marc. l^t. 229. Madaureosis philosophi metamorphoseos liber Romae r469 in donro Petri de Maxinro.
e, Marc. l^t. 2)o. lol.t. Equiden scriplø ø clarissimo Bessørione lunt cetera, tum þro Plalone naxime suþeri-
f. binaten. I96 fol. 18-277, (Prachthandschrift.) oribus mensibus lerlegens, Vgl. oben S. 3 35
g. Laur. [at.'Plut. i4. Cod. ¡ fol. r-zt 8.
Literarische Form und Einteilung von Bessarions In Calumniatorern Platonis. 36?
366 3. Bessarion über Platons Bedeutung
oder auch herben Worten streift, tut der Darstellung keinen Abtrag; es
3. Bessarion über Plctons Bedeutung' verleiht eher dem Werk den Ausdruck urrmittelbarer Frische und boden-
Bessarions In Calumniatorem Platonis trägt trotz des Titels nicht stàndiger Ursprünglicbkeit. Hören wir Bessarion selber!
das Gepräge einer Kampfschrift. wohl war der Angriff des Georgios >Es fiel mir
- so beginnt er - eine Schrift in die Hände, die eine
Trapezuntús der Ausgangrpunkt; doch will Bessarion aufbauende Arbeit kritische Gegenüberstellung von Platon und Aristoteles sein wollte. Ich
leisten. Er u'ill in Platons Gedankenrvelt einfirbren, er will mit seinen freute nrich über den F'und, Iieß alle ancleren Geschâfte liegen und machte
Schriften bekannt machen und sein Leben behandeln. Darauf beruht auch mich mit einem Feuereifer daran, sie zu lesen. Ich erwartete in dem
die einzigartige Bedeutung seines Werkes. Trotz aller Versuche, die bis Buche eine vergleichende untcrsuchung der Lehrsysteme beider philo-
dahin eriolgt wafen, war Platon den it¿lienischen Humanisten doch noch sophen zu ûnden, sei es in der Physik, in der Logik oder Ethik, wo
ein verschlJssenes Buch geblieben. weder konnte man sich, wie Bessarion beide ùbereinstimmen oder voneinander abweichen. Ob die erste oder
mit Nachdruck betont, einen unmittelb:rren.Einblick in seine Schriften ver- die zweite Substanz an oberster Stelle stehe. Ob es für sich selbst be-
schaffen, noch .waren die vorliegenden ÜbersetzulSen genügend.t Mit stehende Ideen gebe oder ob sie nur in unserem Denken vorhanden seien.
Bessarions Werk war, wie auch die zeitgenössischen Humanisten anerkattn- Ob drrs Weltall ungeworden und ewig, oder geworden und vergänglich
teu, zum erstenmal eine Einführung in Platons Lehre und Weltanschauung sei. Ob Gott als Urheber des Stoffes oder nur als Urheber der Bewegung
gegeben.2 zu denken sei. Ferner was der Endzweck des Menschen sei, ob die Tugend
Seiner Aufgabe wird Bessarion in drei Teilen gerecht, denen ursprüng- oder die schauende Erkenntnis.<
lich die drei Bücher entsprochen haben. Das I. Buch behandelt Platons Das seien die Fragen, die die alten Philosophen in Erwägung zogeu,
wissen in den grundlegenden Fächern: Grammatik, Rhetorik, Logik, dann um sich dabei ftir Platon oder Aristoteles zu entscheiden oder wie Sim-
seine Stellungnrhr. zur Naturphilosophie und T'heologie im allgemeinen, plikios und Boethius beide ruiteinander zu vereinigen. Das htbe er auch
schließlich noch sein Verhältnis zur antiken Allgemeinbildung in Mathe- in denr neuen Werk mit seinen prunkhaften Titel erwartet. Statt desser¡
matik, Musik und Astronoruie. Das II. Buch würdigt seine philosophischen habe er nur Schmähungen gefunden. Statt des erhofften Goldes fauden
Anschauungen über Gott, Welt, Seele, Vorsehung und erviges Verhängnis, sich nur Kohlen. Aristoteles suche der Verfasser herauszustreichen
mit Recht -; aber er erreiche das nur durch ungebührliche Herabsetzung
-
wobei der úe.fasrer ieweils die Denkweise des Aristoteles und der Kirchen-
väter berücksichtigt. Das nachträglich eingeschobene III' Buch sucht diese Platons. Nicht nur daß er ihm alles Wissen abspreche, er brandmarke
Fragen nochmals in einzelnen Punkten zu vertiefen. Im IV. Buch spricht ihn dazu noch als Wortverkünder aller erdenklichen Laster und hrlte ihm
., n-on Platons Lebensauffassung, von griechischer Knabenliebe, von seinen selbst sein Privatleben vor, nrit dem er das schlechteste Beispiel gegeben
sittlichen Vorschriften, von seinem Stlat und den Gesetzen' habe (I. l, r -6). Was solle man diesenr Verleumder erwidern? Auf
Diesen reichen Inhalt weiß Bessarion mit klarer Anschrulichkeit zu Einzelheiten in seiner Darstellung einzugehen habe keinen Sinn, wenn man
erörtern. Von der etwas scholastischen Ausdrucksrveise des III' Buches auch da und dort nicht dirran vorbeikomme. So zieht es Bessarion denn
in etwa abgesehen, herrscht überall die reichste Abwechslung und ein vor, den gânzen Stoff r:ach großen Gesichtspunkten darzustellen.
munterer Tonfall, der nie ermüdet und nie ohne Anregung verkliugt. Daß Im Vordergrunde stel¡t die Frage, ob man es mit Trapezuntios dem
er von dem ,¡Verleumder<, den er übrigens nienlals mit Namen nennt, Philosophen von Athen als Unwissenbeit auslegen könne, daß er über
seinen Ausgang nimmt, und daß er ihn auch sonst bisweilen mit launigen einzelne Lehrfächer, in denen Aristoteles so viel zatage förderte, nichts
geschrieben habe, namentlich d:rß er sich nicht tiber das Wesen Gottes
r Bessa¡ion, In Calumniatorem Platonis I. ¡, 5; ), 2) 5, 7, ll' t, 2; to' r ' geäußert habe. Wenn Platon nach dieser Hinsicht wirklich nichts Ge-
lY. z,'t 4.5. schriebenes hinterlassen hat, erläutert Bessarion, so entsprach das den
Ui. Br 3. Ognibene an Bessarion:
Ntm þltiloso ,to i- causø susceþta. esl quam .þrae.' pythagoreischen Vorschrifteu. Die Pytlragoreer durften volle ftinf Jahre
dicati'onibus, ta latine cogttosii .þossent. Ebenda lang keine Frage an den Lehrer richten oder über den vorgetragenen Stoft
n. z. Nicé Il d non tac¿re ¿t ndmirqri salis ac stuþore quo-
rn arliunt þaene itfinílan uin alque ntluran reden. Erst nachher fanden die Geeigneten Aulnahme in den engere¡ì
mihi dare'tur faciltøs litulum þro aolunlat¿ Kreis, und dann hatten sie erst recht die Lehren des Bundes geheimzu-
lhøsaurum inícriberem, Wilhèlm Fichet
Fitelfe p. 249 n. tt. halten. Ihre Lehrer durften nur mündlich ihre Wissenscbaft weitergeben.
lntuiss¿, quo Jtt, ttl not Deswegen ist auch von Pytlragoras nichts erhalten, Das Wenige, das er
n coclum exlulisli,
schriftlich hinterließ, hat seine Tochter Damas getreu ihren Vorschriften
368 3. Bessarion über Platons Bedeutung' Platon und die Lehrfãcher der antiken Bitdung. 369

der Öffentlichkeit vorentlralten. Wie die Preisgabe eines Geheimnisses auch sonst allen theatralischen Pomp; aber er versteht seine Sprache zu
in der pythagoreischen Scbule bewertet wurde, zeigt der Brief des Lysis modulieren und seinem Gegenstande anzupassen. Wie er immer wieder
an Hipplichot qt. z, 3¡. So blieb es bei den Pythagoreern Brauch bis auf auch am Fertigen feilte, zeigt der Umstand, daß man nach seinem Tod,
Platons Zeit, und Platon selbst hielt sich an diese Sitte. Wenn er sich wie Diogenes Laertios berichtet, den Anfang der Politeia noch in zwei
in theologischen Fragen nur kurz untl dunkel äußerte, so geschah das mit oder drei Entwürfen auf Wachs geschrieben fand (1. 4, 9-r2). Aristoteles
Absicht. bem Tyrannen Dionysios hat er eigens seine Gründe dafür aus- hat ganz anders geschrieben. Wenn er einmal in gehobener Weise sich
einandergesetzt. Er warnte vor Popularisierung (I' 2,..+)' Sein Grundsatz an Alexander wendet, so bleibt das eine Ausnahme, denn er bedient sich
war: Niiht schreiben, sondern auiwendig lernen. A'hnlich wie Platon sonst nur des lehrhaften Tones. Man lese aber Platon. Sind seine Bücher
haben auch andere über die höchsten Fragen nichts geschrieben' sie da- über den Staat nicht überraschend anziehend geschrieben? Oder der Ein-
rum unwissend zu nennen, ist schon deswegen verkehrt, weil doch gang zu Phaidon, zu Titnaios, Parmenides oder Kritonì Sein Gorgias
Aristoteles auf ihrer Grundlage weiterbaute (I' z, 6)' sprudelt von Beredsamkeit und bereitet detu Leser geradezu wunderbares
Staunen erregetl' wenn tnan be- Vergnügen. Wenn Platon sich über die zunftmäßigen Redner lustig
Jenes Urteil des Trapezuntios muß
tlenkt, daß Platon inr Altertum bei Peripatetikern so gut wie bei Aka- macht, so bleibt er selber doch der größte Redner. D¡rs ist ein Wort
demikern volle Bewunderuúg erluhr. In vielem stellte man ihn sogar über von Cicero (I.+, l¡). Und der Rhetor Hermogenes stellt ihn neben
Aristoteles, namentlich mit seiner Lehre vom höchsten Sein. Man nannte Homer und Demosthenes, im politischen Panegyrikus sogar über Demo-
Platon gotilich, Aristoteles dämonisch - dämonisch im Sinne eines Mittel- sthenes (t. 4, t6).
wesens zwischen irdischer Natur und Gottheit. Belege fUr diese Wert- 3. Dann die Logik. Wer hier einem Platon Kenntnisse abstreitet,
schätzung finden sich bei Cicero und Augustinus, und schließiich bei Ari- verkennt seinen Bildungsgang. Platon hörte doch zo Jahre lang den
stoteles lelber, der nach olympiodoros' Bericht eine Lobrede' auf Platon Sokrates. Nach dessen Tod ging er zu Kratylos, dann zu Eukleides nach
schrieb unrl ihn in Elegien feierte (I.¡, l). Man bedenke doch, daß Megara; später nach Kyrene-zu denr Mathematiker Theodoros; von da
Aristoteies Platons Schüler gewesen ist und zo Jahre lang seine Vorträge nach ltalien, um die Pythagoreer Philolaos und Eurytos zu hören; schließ-
hörte. Außer ihm und Sokrates hatte der Stagirite anfänglich keinen lich auch noch nach Agypten. Persien hätte er besucht, wenn ihn die
anderen Lehrer (I. I' S-Z). dortigen Kriegswirren nicht zurückgehalten hätten. Eine systematische
Was wußte und was hielt Platon von den einzelnen Lehrfächern Darstellung der Logik hat Platon allerdings nicht hinterlassen. Und doch
der antiken Bildungl Diese Frage war der eigentliche Gegenstand des hat er, wie Beispiele zeigen, iede Art von Syllogismus, den apodeiktischen
I. Buches. so gut wie den dialektischen oder den sophistischen, iu seinen Dialogen
¡. Zunächst die Grammatik. Darüber handelt zur Genüge sein Kra- zur Anwendung gebracht. Ist es nicht überraschend, wenn sich auch
tylos, in dem er über Etymologie und Wortbedeutung seiner Muttersprache Aristoteles in sejner Naturphilosophie der Beweisftihrung Platons im
t"n¿.tt, und zwar in einer Weise, daß er den Grammltiker Prodikos in Timaios anschloß? Wenn jener es allerdings zu anderen Ergebnissen
(I. 4, r).
Schatten stellt bringt, da er das All als etwas Ungewordenes erklärt, - nach Platon
z. Eine Rhetoiik h.t Platon allerdings nicht geschrieben - das ist es etwas Gewordenes - so ist das eine Sache ftir sich; die Haupt-
hatten vor ihm schon Gorgias und andere getan - und doch hatte Platon sache bleibt: Platon kannte das logische Beweisverfahren. Die Forde-
eine tüchtige Rednerschule. Demosthenes und Aischines sind daraus her- rungen, die Aristoteles dafür aufstellt, hat vor ihm schon Platon auf-
norg.grng*. Trotz allem frnden sich von ihm rhctorische unterweisungen gestellt. Untl die z4 Figuren des logischen Schlusses hat Platon bereits
in r.inem Phaidros. An sie hat sich auch Aristoteles gehalten (I. 4, z-8). in seinem Parmenides. Aiistoteles hat sie nur übernommen und weiter
Man beachte aber auch, wie Platon die Redekunst selber zu handhaben ausgebaut (I. S, z-l).
versteht, wie er den Gegner zu seinen Gründen und Schlußfolgerungen 4. Auf die Naturphilosophie l¿ßt sich Platon näher in seinem
zwingt. Und das geschiebt bei ihm i¡ solch glänzender Rede, mit einer
-Beweismitteln, Timaios ein, und zwar in einer Weise, daß ihn Aristoteles gar nicht über-
solch-en Fülle von drß er Gebildete und Ungebildete mit trifft. Gewisse Unterschiede zwischen beiden sind vorhanden; aber sie
sich reißt. Platon soll sich nur ein und desselben Stiles bedient haben? lassen sich miteinander vereinbaren. So leuft es auf dasselbe hinaus, ob
Er soll künstierische Gesichtspunkte nicht gekannt haben? wer das be- Aristoteles das Weltall aus elToç, iltT und atéqqatç aufbaut, oder ob Platon
hauptet, kennt keinen Pleton und keinen Aristoteies. Platons lì.ede ist das All auf die i6éa, 87q und die Vermittlung des ,9eòç 64prcug7óç zurück-
einfach, wo es sich um rein philosophische Dinge handelt; er vermeidet ftihrt. Nicht anders auclì, wenn beide äußerlich verschiedene Lehren über
toblor, K¡riliu¡l Bes¡arion. t. 24
3?0 Platon und die antike Bildung. Platon und Alistoteles: Gott. 371
1. Bessarion über Platorts Bedeuttrng.

die Zahl der Elemente und deren Gestalt vortragen. Zu vielenr, was Aus diesen kurzen Erwägungen erhellt, wie eiuseitig, ja wie geradezu
Aristoteles weit rusfúhrt, hat Platon die erste Anregung gegeben (I. 6). sinnlos die Auslassungen des Trapezuntios sind. Die platonische Weisheit
j. In der Theologie gesteheu ¿ruch Aristoteles' beste Schüler war etwas anderes als das Zerrbild eines Unerfahrenen. Pìaton war ein
einzig Platon den Vorrang zu. Auf Platon stützt sich auch der erste überragender Geist. Man muß seine Schriften heranziehen und ilnmer
Führer der christlichen Theologie, Dionysios der Areopagite. Über Gott wieder lesen. Dann wird man ibn verstehen und schätzen (I. g).
und göttlicl:e Dinge handelt Platon denn auch an mehreren Stellen in Im II. Buch verspricht Bessarion die Unterschiede in den grund-
'Weise. Eines nruß n:an ihn ganz besonders an- legenden Gedanken beider philosopbischen Systeme zu behandeln. Auch
ganz hervorragender
rechnen: Während einige Philosopben das letzte Ziel des Menschen im ihr Verh¿ltnis zu den christlichen Anschauungen solle erörtert werden.
Genuß, andere allenfalls noch in der Erkenntnis fnnden, verwirft Platon Hier müsse ganz besonders auf Platon eingegangen werden. Denn über
beides und bestimmt das höchste Gut als das vollkommene Glück des
Aristoteles können sich die abendländischen Theologen, die samt und
sonders Peripatetiker seien, leicht ein Urteil bilden; dagegen seien Platons
Menschen (1. l).
6. Die Mathenatik erfuhr bei Platon besondere Schatzung. Über Schriften bis ietzt noch im Abendland fast unbekannt, und die wenigen
Übersetzungen seien höchst fehlerhaft. Von einem Verständnis ftir Platon
Geometrie, Arithnretik, Musik und Astronomie hat er sich viehnals geäußert;
so tiet daß nur wieder eiir mathenlatisch geschulter Leser alles verstehen
könne laher bei den Gelehrten lateinischer Zunge zurzeit nicht die Rede
kann. Seine Erklärer hrben sich vieilach darüber verbreitet, und der sein (II. r. z). Wie die Dinge lagen, hat unsere bisherige Darstellung
Mathematiker Theon scbrieb eigens dafür eine Einftihrung zu Platons
gezeigt. Daß ein Buch wie Trapezuntios' Comparationes auch nur ntög-
Schriften. Pl¡ton selbst war sich der Notwendigkeit der Mathematik wohl lich war, daß es gar noch verbreitet und auch noch später gedruckt
bervußt. Wie die rründliche Überlieferung berichtet, stand über seiner wurde, besagt zur Genüge, wie wenig man allgemein von Platon wußte
Ttire die Aufschrift: Mqôeiq àyearyhpryoq ùahat} Seine ganze Ausbil- und mit was für unsinnigen Vorurteilen zu rechnen vn'ar. Vornehmlich
dung weist i:r schon auf sein mathematisches Wissen hin. Ging er doclt
hier liegt Bessarions Verdienst. Er hat tatsächlich zunr erstenmal nähere
Aufschltisse über Platon gegeben und ihn wieder in den Wissensbereich
nach Megara und Kyrene, um den Geonetriker Eukleides und den Matherna-
des Abendlandes eingeführt. Was er hier in Aussicht stellte, sollte eine
tiker Theodoros zu hören (L 8, r).
Noch eine andere Erzâhlung des Altertums best:itigt ihn als Mathen:a-
rein sachliche Erörterung sein. Es lag ihm fern, wie er sagt, nun ím
Gegensatz zu dem >Verleumder< Aristoteles zu verunglimpfen und Platon
tiker. Als die Athener unter der Pest zu leicien hatten, gab der Delphische
Apollo ihnen den Auftrag, seinen Altar, der die Form eines Würfels hatte, mit falschem Zierat herauszuputzen.
zu verdoppehr. Jene sollen daraufhin auf den Altar einen zweiten Wtirfel
l. Die Lehre von einem höchsten Wesen entwickelt Platon in seinem
Parmenides: Das Eine, dic Gottheit, besteht nicht aus vielem; es hat keine
gesetzt hrben. Die Seuche ließ aber nicht nnch. Auf neues Befragen gab
ihnen das Orakel den Bescheid: sie haben seinen Belehl nicht ausgeführt;
Teile, keinen Anfang, kein Ende und keine Mitte; es wird von keinem
er habe von ihnen verlangt, den Würfel zu verdoppeln; sie aber haben Orte begrenzt, nicht von außen her bewegt und untcrliegt keinen Ver-
:inderungen; es kennt keine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, denn
nur einen anderen Wtirfel au[ den ersten gesetzt. In ihrer Not seien nun
es ist zeitlos. Deswegen wird der Gottheit ruch kein Name und keine
die Athener zu Platon gegangen, der sie belehrte: Apollo mache ihnen
Begriffsbestimmung gerecht. Man vergleiche nrit dieser Ausdrucksweise
zum Vorwurt daß sie bis ietzt die Geometrie vernachlässigt haben. Dann -
die Sprache der christlichen Lehrer. Dionysios Areopagites nennt Gott
habe er aber n:it Hilfe einer neuen, von ihm erfundenen Proportion die
mit denselben Worten das unaussprechliche Eine, das keine Größe, keine
Lösung dieserAufgabe angegeben. Archimedes stützte sich nachher auf ihn.2
Bewegung, keine Räumlichkeit und zeitliche Begrenzung kennt. Was
Ist das aber nicht ein Beweis lür sein mathemrtisches Wissen? Aus diesem
Platon in seinen Gesetzen über Gott, über den Anfang und das Ende
Geiste heraus verlangt er auch im Anhang zu seinen Gesetzen, daß der
aller Dinge sagt, das stimmt sogar mit den Ausdrücken in den hl. Schrilten
Weise vornehmlich die vier nlathematischen Künste, Arithmetik, Musik,
überein. Aristoteles unterscheidet sich in seiner Auffassung hier wohl
Geonetrie und Astronomie pflegen müsse (I. 8, z. 3).
kaun: von Platon; aber bei aller Tiefe streift er dieses Gebiet doch nur in
r Einen Gewährsmann aus denr Altertum scheint es für diese Überschrift nicht Kürze (lI. 3).
lotópryat ôfi ye ntgl aitnú (1.8, I), und in der z. Die christliche Trinitatslehre den antiken Philosophen zuschreiben
a a màìoribui nostris tradilum øcceþi. Offenbar hat
7J, zu wollen, hat keinen Sinn. Wohl lassen sich von ihr da und dort
och spàter die Geister. Auch der bekannte Casa- Ahnungen nachweisen.
ion dú problème déliaque démontrée. Dresden r79o. 24+
372 3. Bessarion über Platons Bedeutung. P.laton und Aristoteles: Christliche Lehren. Weltschöpfung. 373

Seltsan war die Behauptung des Trapezuntios, daß Aristoteles in Irrtümern eines Origenes und Areios
seiner Schr\ft nqi toí, oòpauoû sich mit der Trinitatslehre als vertraut
Trapezuntios
-, daß Platon an den
Schuld trage, so könnte er mit gleichem Recht auch die hl. Schriften
zeige. Das beruht doch aul einern ganz groben Mißverständnis. Aristoteles dessen bezichtigen. Der Fehler liegt hier doch nur bei ienen späteren
spricht an der Stelle von der dreidirnensionalen Austìehnung der Körper- Denkern (II. 4, 8. 9). Auch der Vorwurf, daß Platon den Polytheismus
welt, um von ihr auf die Gestalt des $esamten Weltalls weiterzuschließen. lehre, ist widersinnig. Aristoteles war ebensogut Heide wie Pleton. Jener
'Von der Gottheit ist hier gar nicht die Rede. Das wäre auch deu christ-
hielt den Himmel und die Gestirne fi.ir beseelte Wesen und sprach ihnen
lichen 'Iheologen, namentlich einem Thomas von Aquin, der das christ- göttliche Natur zu. Das wertvolle an beiden ist, daß sie an Stelle des
liche Lelirgebaude auf aristotelischer Grundlage aufführte, nicht entgangen. herkömmlichen Heidentums ein einziges höchstes göttliches Wesen lehrten,
Zu bemerken ist, fügt Bessarion bei, daß der Satz, den Aristoteles über das ungeworden und unverursacht der Urgrund aller Dinge ist. Wenn
die Verbreitung einer Dreiheit in allen Verhältnissen aufführt, nach dessen beide ¿uch noch niedere Gottheiten annehmen, so war das ein Sttick nicht
Angabe aus der pythagoreischen Schule statnmt. Gerade das führt aber überwundenen Heidentums (lI. 4, ro-r3. vgl. dazu III. I5-I9).
wieder auf Platon (IL +, r-2).
Handelt es sich vielleicht um antike Ahnungen von einer Dreifaltig-
3. Weltschöpfung oder Ewigkeit der Welt? - Trapezuntios hatte
behauptet, Platon lasse die Welt von Gott aus der ewigen Hyle gebildet
keit in Gott, dann lassen sich solche eher bei Platon als bei Aristoteles sein; Aristoteles lehre dagegen, daß sie durch den göttlichen Willen aus dem
aufzeigen. Doch warnt Bessarion vor übertriebenen Hoffnungen. Der pù öv oder aus dem Nichts entstanden sei. Unter Umständen konnte hier
Grundgedanke ist der: Platon kennt ein göttliches Urprinzip, das als Platon für die christliche Theologie ein für allemal als Grundlage niclrt
Zweites den göttlichen Verstand oder die Ideenwelt hervorbringt und als mehr in Frage kommen. Das hatte der Verleumder wohl auch beab-
Drittes die Weltseele schafft (II. +, ¡). Bessarion führt das weiter aus sichtigt. Aber seine Behauptung stimmt nicht. Jedenfalls sprechen sich
und weiß besonders dadurch zu fesseln, daß er Platon selber mit seinetn die Erkllrer beider Philosophen anders aus. Platons Schriften ergeben
packenden Schwung zu Wort kommen läßt. Die Wirkung wird noch
ein anderes Bild. Platon, der ein zufälliges oder naturgemäßes Entstehen
erhöht, sobald Bessarion die Neuplatoniker einführt, und wenn er als der Welt in Abrede stellt, laßt sie durch göttlichen Verstand erschaffen
Schriften Platons heranzieht, was allerdings erst die spätere b-orschung als
sein. Und warum hat Gott diese Welt erschaffen? Platon antwortet:
neuplatonische Unterschiebungen festgestellt hat. So führt er den an-
Gott ließ sich durch seinen Willen und seine Güte dazu bewegen. Die
geblichen Brief Platons an Hermeias, Erastos und Koriskos I an, der ähn-
Welt beruht auf seiner Vorsehung. Und nach seinem Ebenbild hat er
liche, sicher neuplatonische Anspielungen enthält (lI. +, ¡). Weiter bringt sie erschaffen. Hat Aristoteles je etwas Ahnliches gesagtl Das eine Mal,
er Plotinos als einen >echten Platoniker< mit seiner Schrift negi tõv wo er auf die Bildung der Welt zu sprechen kommt, hat er sich nicht
cEõv àppxciv En¡attioeøv. Vieles mute hier geradezu christlich an. weiter geäußert, als daß Gott und die Natur nichts vergeblich tuen'
Plotinos spricht ja von dem ewig Vollkommenem, das. nur Vollkommenes
Platon setzt als Prinzipien der Welt: Stoff, Fornr und Gott. Trape-
zeugt; von dem höchsten Verstand, der als Zweites dem obersten Wesen
zuntios hatte hier auf das Vorherbestehen eines ewigen Stoffes verwiesen.
folgt und mit ihm verbunden ist, dem Bilde jenes obersten Wesens, Platon will aber anders verstanden sein. Dieser Stoff, die ungeformte
das alles Geschaffene liebt, und das Platon >Vater< und rrKönig über
Hyle, steht bei Platon in der Mitte zwischen Erzeugtent und Unerzeugtem,
alles< nennt, während der aoúg die Welt geschaffen hat,2 Ebenso ver-
gehört also noch nicht zu den wirklichen Dingen' Auch Gott gehört
weist Bessarion auf Porphyrios,e der nach Kyrillos' Zeugnis das oberste
nicht zu den Dingen, aber in anderer Weise; er ist über alle Dinge er-
Wesen als Gott uncl höchstes Gut, das zweite als Schöpfer und das
haben. Die Hyle gehört nicht zu den Dingen, weil ihr iede wirklichkeit
Dritte als Weltseele bezeichnet hat (lI. 4, 6). li.hnlich auch Numeniosa'
abgeht; sie ist die bloße Möglichkeit der Dinge. Wirklichkeit erlangt sie
und gar Amelios, der dem Evangelisten Johannes zu folgen scheine,
erst, wenn Gott sie mit der Form verbindet, die nur er geschaffen hat.
wenn er sagt: Dieser war der Logos, nach dem alles Gewordene ge-
In diesem Sinne ist die formlose Hyle als ewig zu betrachten, ohne daß
worden ist (lI. 4, 7).
ihr dabei die Seinsweise der Gottheit zugelegt wird (II. 5).
Wenn der Ankläger aber meint, - so wendet sich Bessarion gegen
Aristoteles kommt demgegenüber zur Annahme von Stoff, Form und
I Mangel (adgqoq) als dem Ursprung aller Dinge. Die Welt ist nach ihm
PIatonis,Ep_istulae _VIL 3z1 CD.
z - ùnoottiocav
X. Ilrpi t<iu rpruiv apT.txoiv
(
ewig, und den Stoff laßt er neben dem ewigen Gott als gleichewig bestehen,l
I Plotin.
c, ó sq.
Porphyrios bei Kyrillos, Contra Iulianum L Migne, P. gr.76,551Bl
I Numeñii fragmentà ed. Mullachius to p. 167,
t Aristoteles, Phys. A, r9tb,
374 Platon und Aristoteles: Seele, Vorsehung Gottes' 375
J. Bessârion über Platons Bedeutung.

Wichtig ist aber, daß er es ausdrücklich verwirft, daß etwas aus dem Nichts gerneinen Weltverstand gesprochen, an dem die menschlichen Seelen Anteil
entstehen könne. Einen göttlichen Willen nach dieser Hinsicht kennt Ari- haben. Theophrast spricht davon, und später haben Alexander Aphrodisias
stoteles nicht. Nach ihm gibt es nur ein Erzeugen wie ein Vergehen der und erst recht noch Averroes diesen Gedanken weiter ausgebaut. Danach
Dinge aus dem Entgegengesetzten in das Entgegengesetzte. gibt es aber keine persönliche Unsterblicbkeit, sondern nur Fortdauer der
- Überragt da
Platon nicht weit den Aristotelesì Und ist er nicht für die christliche Theo- ewigen, absoluten Denkkraft ohne Selbstbervußtsein und Erinnerung. Denn
logie brauchbarer als jener? Dazu komnt noch ein anderer Punkt. Über beide Seelenkrafte beruhen nach Aristoteles nur auI der Verbindung der
die rein körperliche Welt hinaus kennt Aristoteles weiter keine ewigen, Deni<kraft mit den Körpern und hören mit deren Aufhebung auf. Wer will
nichtstofflichen Substanzen. Platon war nuch hier nicht blind. Mit seiner hier aber von Aristoteles christliche Gedanken erwarten? (II. 7,8. t4-t6).
Lehre von gottgeschaffenen Mittelwesen hat er auch der christlichen Lehre Noch ein Wort zur äußeren Einkleidung von Platons Philosophie
von rein geistigen Krâften, wie sie die Engel oder die vernünftige Menschen- über die Seele, nach sprachlicher wie nach gedanklicher Hinsicht. Platon
seele d¿rstellen, die eigentliche Grundlage gegebeu (II. 6). spricht bei der Seele von zahlennâßiger Größe, Analogien, Teilen, von
Iireislinien und Geraden. In der Tat hat ihnr das schon Aristotelcs als
4. Von der Seele. Den Ausgangspunkt bilden hier einige Äuße-
rungen Platons im X. Buch seiner Gesetze. Bessarions Gedankengang ist
fesselnd. Al¡er ulan sieht, er kommt doch von der aristotelischen Schule
her. Platon war nicht iener Systematiker, wie hier Bessarion auftritt.
Bessarion stellt fest: Die Seele ist ein Wesen, das sich selbst bewegt. Sie
ist das zuerst Gewordene. Sie war vor der Körperwelt da. Das waren
tatsichlich platonische Cedanken. Wenn Bessarion in diesem Zusammen-
hang die Seele abcr auch die Form des Körpers nennt, so t¡var das aristote-
lische Formulierung (lI. l, 3-6). Er verweist aber auch auf Aristoteles,
der den platonischen Gedanken von der Selbstbewegung aufgegriffen habe
und von ihm aus zur Erkenntnis Gottes, des ersten unbewegten Selbsþ anschaulicht. Ein derartiger Mythos hatte ihm auch die Anschauung vorl
bewegten gekommen sei, nrochte er dieses nun zoûg oder puyí¡ nennen. einer Seelenwanderung nahegelegt (IL l, zz. 4)'
Es ist aber nicht die einzige wichtige Parallele zwischen beiden Philosophen, 5. Die Vorsehung Gottes in der 'welt. lrì:rch Trapezuntios soll
clie er hier zieht (lL Z, l). Platon für das Geschehen im Weltganzen ein unabänderliches Verhängnis
Die Ewigkeit und Unsterblichkeit der Seele hat Platon im Phaidros angenommen haben. Nennt es aber Platon im Gorgias nicht weibisch
und Phaioon begründet. Er geht dabei von ihrer Selbstbewegung aus. unã f.ig", an ein unvermeidliches Geschick zu glaubenl Im XII. Buch
Was sich selbst bewegt, trage den Grund seiner Bewegung in sich, rnüsse seiner Þoliteia richtet sich Platon gegen iene, die eine Vorsehung leugnen,
also ungeworden und aucb unvergânglich sein. Allerdings kommt Platon weil die Verteilung von GIück und unglück in der welt mit der persön-
dadurch auch auf die Meinung einer Praeexistenz der Seelen (II. 7, 8). lichen Güte der Menschen nicht ùbereinstimme. Platon sagt: Die göttiiche
Ein wesentlicher Satz in Platons Beweis ftir die Unsterblichkeit ist der Natur besitzt die vollkomurenste Erkenntnis aller Dinge. Gott will überall
Gedanke; Die Seele ist nicht eine einfache ldee, nicht Leben schlechtweg; und immer das Beste. Das ist nur rnöglich, ,wenn seine Vorsehung bis
sondern sie teilt ihre Idee anderem mit, so wie Wärme und Kelte sich ins einzelste und kleinste geht. Und doch erleidet nach Platon die mensch-
mitteilt. Das Feuer wird durch die ihm wesenhafte Wärme erhalten. Die liche Willenslreiheit keine Beeinträclrtigung. Jeder einzelne ist persönlich
Seele verbindet sich so mit dem Körper, daß sie ihm nur Leben mitteilt, Urheber von Gut und Böse. Deswegen auch ewige Belohntrng und Be-
niemals den Tod. Sie muß also selbst nur Leben haben, oder richtiger strafung. Nachdrücklich hält Platon an einer göttlicben Gerechtigkeit fest,
nur Leben sein (II. 7, ro). Als weiterer Grund kommt dazu die Einfach- *^, bei Annahme eines unabwendbaren Schicksaìs unstatthaft wäre. Auch
heit der Seele. Inl Gegensalz zu den Körpern gehört sie zu den unauÊ seine Opfer itir die Götter haben nur Sinn, u'enn er von dereD über-
lösbaren Wesenheiten. Diesen kommt Unteilbarkeit und infolgedessen natürlicher Leitung überzeugt war (II.7-rr).
Unvergänglichkeit zu. Sie mag ihre Schrvächen und Krankheiten haben; Von Aristoteles ist nicht alles mehr erhalten, um über ihn nach
aber sie wird nicht vernichtet (ll.Z, rr-13). dieser Hinsicht ein bestimmtes Urteil zu fällen. Nach Alexander Aphro-
Vielleicht nehnre man an Platons Lebre von einer Weltseele Anstoß. disias ließ cr die göttliche Vorsehung sich höchstens auf die Erhaltung
Aber auch Aristoteles hat das wieder aufgegriffen und von einem all- der materiellen Dinge erstrecken. Alles Geistige und das Weltall als
376 3. Bessarion über Platons Bedeutung. Platon und Âristoteles: Fatum, Naturbetrachtung, Bessarions III. Buch. 377

Ganzes hat er von ihr ausgeschlossen. Von den christlichen Schrift- schwierigkeiten gelingen will. Denn zwischen Aristoteles' Stoff-Formen-
stellern waren mehrere der Ansicht, daß Aristoteles eine Vorsehung über- theorie und diesen mathematischen Bildern war doch ein himmelweiter
haupt verworfen habe (II. 8, j-6). Unterschied. Aber er meint, bei Aristoteles kommen die eualitaten erst
6. Von einer ewigen Bestimmung kann bei Platon im Reiche des in zweiter Linie und auch die Pythagoreer seien zu den Figuren erst ge-
Geistigen und Immateriellen die Rede sein; in der Abfolge der ewigen kommen, als sie nach dem ursprung tler Qualitaten forschten. Es handle
und unveränderlichen Ursachen, in den Naturgesetzen und in dem gött- sich hier um einen ähnlichen versuch wie in der Astronomie, wo eben-
lichen Ratschluß, nach dem die ganze Welt erhalten und regiert wird. falls die einen von exzentrischen Bahnen, die anderen von Epizyklen oder
Platon unterscheidet da zwischen verschiedenen Notwendigkeiten. Für die vou rückwärtslaufenden Bahnen sprechen. Bei allem habe sich aber platon
oberen geistigen Wesenheiten besteht die àôpaaæia, eine Notwendigkeit selber geäußert, daß seine Theorie nur so lange Geltung haben solle, bis
nicht wie ein unentrinnbares Geschick, das die menschliche Willensfreiheit sie durch etwas Besseres ersetzt würde (lI. I r, 4-9. lat. ro, 5-ro).
aufhebt, sondern gleichsam ein uns eingeborenes göttliches Gesetz. In Auch der Theorien des Parmenides und Melissos, welche die Lateiner doch
der Naturwelt besteht die eÍpagpíu7 als eine Art Naturgesetz. Eine ähn- nicht kennen, gedenkt Bessarion in diesem Zusammenhang (II. ro, J - rr.
liche Unterscheidung traf auch Boethius (Il. g, I-3). lat. rl, r-Ð.
In diesem Zusammenhang kommt Bessarion auch auf die Astrologie Das III. Buch durchbricht die ursprüngliche Anlage des Werkes. Die
der Chaldeer und Agypter za sprechen, auf Gltick und Ungltick, auf das äußeren Umstände, namentlich die '|atsache fremder Mitarbeit haben wir
menschliche Streben nach Glückseligkeit. Er zieht Jamblichos heran, diese bereits gekennzeichnet. Was den Inhalt wie die Art der Darstellung be-
>Zierde aller Platoniker<, der die Lehre von zwei Seelen im Menschen trifft, erscheint diese Erweiterung innerhalb. des Ganzen als Fremdkörper.
von besonderer Herkunft und mit besonderen Fähigkeiten vorgetragen In der Hauptsache erfahren einzelne früher behandelte Punkte wie Trinitrits-
habe. Auch er sprach von einem Verhängnis; aber er ließ die mensch- lehre, Weltschöpfung, Seele, Vorsehung und Prädestination eine Vertiefung,
liche Willensfreiheit bestehen, wie ja alle Platoniker eine persönliche Ver- und zwar in mehr scholastischer Weise. Jene anziehende Darstellung, die
antwortung kennen (II. l, 4-7). Man werde aber gegen Platon. un'ì so in den übrigen Teilcn vorherrscht, macht einer schulmäßigen dialektischen
weniger einen Vorwurf erheben können, meint Bessarion, wenn man Sprache Platz. Der Stoff wird bisweilen in Thesen gegliedert. Das schul-
bedenke, wie schwierig die Fragen von göttlicher Vorsehung, Prädesti- mäßige Negøtur und Concedo verdrängt den freien F-luß der Rede. Auch
nation und göttlichem Vorherwissen seien. Es scheine sich da um etwas untergeordnete Dinge und müßige Fragen, zu denen Trapezuntios Veran-
Unéntrinnbares zu handeln. Schon Proklos rang hier nach einem Aus- lassung gegeben hatte, werden ausgiebig behandelt. Wahrend Bessarion
weg und selbst die christliche Theologie hat hier keine leichte Aufgabe sonst fast ausschließlich nur die griechiscl:en Klassiker und Kirchenväter
(II.g, 9-rr). heranzieht, kommen hier die Vertreter der mittelalterlichen Theologie
7. Über den Aufbau der Natur gehen die Ansichten beider Philo- wie Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Duns Scotus und sogar Erix
sophen auseinander. Trapezuntios glaubte sich hier auf Aristoteles' scharfe Andavensis zu Wort, alles Erscheinun¡¡en, die auf fremde Mitarbeit hin-
Kritik stützen zu können, um Platon geradezu ins Lächerliche zu ziehen. weisen. Ebenso die arabischen Erkiärer des Aristoteles. Das Bestreben
Doch ist bei der aristotelischen Darstellungsrveise zu beachten: Aristoteles geht dahin, das Verhältnis des Aristoteles zur christlichen Theologie her-
behandelt Ansichten, die er ablehnen will, stets in der Weise, daß er vor auszustellen, also eine Arbeit, die ursprünglich gar nicht so sehr im Plan
jeder anderen Würdigung deren schwache Seiten mit aller Scharfe betont, des Werkes gelegen hat. Platon tritt dabei freilich mehr und mehr in
um für seine eigene Beweisführung desto leichteres Spiel zu haben. Eine den Hintergrund. Aber trotzdem will Bessarion keinen verchristlichten
derartige Kritik darf man aber nicht als letztes Wort hinnehmen (II. to, z). Aristoteles geben. Gerade das sei der Fehler des Trapezuntios gewesen,
Platon nimmt vier Elemente an und schreibt ihnen nach dem Vor- der nicht die ursprün¡llichen Quellen, die aristotelischen Schriften, heran-
gange des Pythagoras bestimmte Gestalt zu, dem Feuer die Pyramide, der gezogeî habe, vielmehr sich auf das stütze, was die scholastischen Theo-
Luit den Oktaeder, dem Wasser den lkosaeder, der Erde den Kubus. logen über Aristoteles sagen (vgl. II. zo, 12. 22, S. 6. l).
Daraus sollen sich alle Veränderungen erklären lassen. 'Wenn aus weuig Das IV. Buch handelt von Platons Lebensauffassung, von seinen sitt-
Wasser viel Luft entsteht, so beruht das darauf, daß im lkosaeder mehrere lichen Anschauungen hinsichtlich der antiken Knabenliebe, des Ehelebens
Figuren enthalten sind. und der Jugenderziehung, schließlich von den Einrichtungen seines Staates
Diese Auffassungsweise sucht nun Bessarion nlit der aristotelischen und seinen Gesetzen. Als Quellen dienten neben Platons eigenen Schriften
Welterklärung in Einklang zo bringen, was ihm allerdings nicht ohne die späteren Biographien " Dazu war noch allerlei anderer Stoff aus dem
Päderastie' 379
378 3. Bessarion über Platons Bedeuturrg. Platons Lebensauffassung. Liebe.

Altertun heranzuziehen. Auch die christlichen Forderungen und Aristoteles habe, daß er ierner nur so viel Schlaf sich gönnte, als eben zur Erhaltung
sollten Berücksichtigung finden. Mit diesen Ausführungen bot Bessarion der Gesundheit notig war (IV' t, tz-t4).
den hunranistischen Zeitgenossen ganz überraschende Aufschlüsse. Bis jetzt z. Ein Hauptangriffspunkt in Platons Dialogen war für lrapezuntios
Knaben-
war darüber noch nichts geschrieben worden. Das einzige, was vieìlcicht das Thema non del- Liebe und im Zusammenhang damit die antike
in Betracht käme, waren die Philosophenbiographien des Diogenes Laertios, liebe. Bessarion weist ieden Vorwurf zurück. Wie die Dinge im Alter-
die Ambrogio Traversari ins Lateinische übersetzt hatte; aber sie waren tum in Wirklichkeit lagen, davon hatte er freilich keine rechte Vorstellung;
das hat auch erst die ipätere Forschung herausgestellt. Daß tlie Sache
als
nur knapp gehalten. Dazu fehlte jede Einsichtnahme in die platonischen
Schrilten. Bessarion bot statt dessen eine eingehende DarsteUung mit aller- Laster verbreitet *rr, *ußt. er aus den Römerbri.ef' Aber auch Platon habe
reichstem Stoff. Dazu war alles voller Abwechslung und warmer Begeisterung das nicht oþne Grund getadelt und in seinen Gesetzen serboten (IV. z, l).
ftir das Leben des Altertums. Auf alle Fälle sei zwischen Liebe und Liebe zu unterscheiden. Das
l, Trapezuntios hatte auch Platons ehrenhaften Charakter in Zweifel beachte der Anklager nicht. Bei seiner abfalligen Beurteilung habe Trape-
gezogen; besonders hatte er ihn eines unehrbrren Lebenswandels bezich- zuntios einen bösen Fehler beglngen: Er btirdet Platon auf, was einzelne
tigt. Das ist niclrts anderes als böswillige Verleumdung, halt ibm Bessarion personen in seinen Dialogen sagen. So macht er ihm die Rede des Lysias
entgegen. K:rum hat ein Philosoph mit so glühender Begeisterung von der zum vorwurf. Aber hai denn Platon den Standpunkt dieses Menschen
Tugend gesprochen wie Platon. Grundlage für seine Staatsverfassung ist nicht nachdrùcklich genug als niedrig und gemein gekennzeichnet? und
die Sittlichkeit. Er geht sogar so weit, daß er die Künstler und Dichter aus hat er nicht nachher gesagt, wie er über die Liebe denkt? Platon hat
seinem Staatswesen verl¡annt wissen will, wenn sie mit ihren Schöplungen sebr wohl zwischen der irdischer, gewöhnlichen Liebe und
der himm-
auf die Jugend nachteilig wirken sollten. Selbst an den Hornerischen Ge- Iischen, göttlichen Liebe zu unterscheiden gewußt. Diese
göttliche Liebe
sängen hat er nach dieser Hinsicht zu tadeln (IV. r, 2-6). Überall mahnt feiert ei ã1, .in, heilige Begeisterung, die aufwärts führen soll zur Schauung
des höchsten W.r.nr, als lene Begeisterung, die sich auch in
Platon zur Maßigkeit. In seinen Gesetzen erklart er von vornherein die der Seher-
Ehe nur dann für sittlich erlaubt, wenn sie der Nachkommenschaft diene. gabe und im künstlerischen Empfinden offenbart. So hat schon salomon
Knabenliebe, lesbische Liebe und außerehelichen Umgang brandmarkt er i.-m Hohen Liede die Liebe gefeiert, und auch Dionysios der Areopagite
Liebe zu
als schändliches Laster, das die Strafe eines unglticklichen Daseins schon hat sich wieder der worte Pl"tonr bedient, um die himmlische
in sicl: trage (IV. t,7-rt). bescþreiben. Wie will man sie auch erhebender feiern als
Platon, der die
flechtet
Dieses Bild des ideal denkenden Philosophen wird durch antìke Zeug- schönsten poetischen BiLler zu ihrem Preise wählte. Bessarion
nisse bestätigt. Was für eine Ehrfurcht spricht doch aus ienen wunder- einige diesår Bilder seiren Ausführungen ein und verleiht dadurch seiner
sanren Geschichten, mit denen man schon seine Jugend ausschrrückte! .ig.î.n Darstellung etwas von ienem Schwung, der die Dialoge Platons
Man sprach von seiner göttlichen Abkunft. Man erzählte, wie ein Bienen- ruszeichnet (lV' z, 2-t9).
scbwarm sich auf die Lippen des Neugeborenen niedergelassen und ihm Wie Platons Phaidiós, so hatte tuch sein Symposion von Trape-
zuntios scharfe Kritik erfahren. Bessarion geht darauf ein.
überirdische Weisheit eingefloßt habe. Oder daß ihn Sokrates. noch ehe Er schildert
er ihn kannte, im Traunre als singenden Schwan geschaut und tags daraufl Schauplatz und Aufb¿ru des Dialogs. Die einzelnen Personen sprachen
.\ron Li.b.. Georgios aber habe alles, auch
als er sich seinem Kreis nalrte, wiedererkannt habe. Ebenso wird aber tiber åie verschiedenen Arten
das Schlechte auf Platon übertragen' So, wenn der Komiker
auch erzählt, daß sich Platon in die Akademie zurückzog, nicht nur uru Aristophanes
Mann,
f-ern vom Lärm des Alltags für seine Gedankenarbeit Ruhe zu finden; noch seine zum Teil schlfipfrigen Fabeù erzählt, oder Phaidros, ein iunger
zwischen
mehr sei es ihm darauf angekommen, durch die Einsamkeit und fieberige der der gewöhnlichen I-lã¡. huldigt, das fre undschaftliche Verh¿ltnis
Admetos ins schlimme ver-
Luft der Gegend die Sinnlichkeit zu zügeln. Ebendahin zielt, rvenn gesagt Achilleri und Patroklos, zwischen Alkestis und
wird, daß Platon nicht verheiratet gewesen sei und doch die strengste Ent- kehrt. Kann man .lr, Þl*ton zur Last legen? Der Irrtutn wird durch den

Ausgaug des Symposions offenbar. Nachdem schon andere die


haltsamkeit beobachtete. Er habe einrual der Natur ein Sühnopler dar- sinnliche

Liebe verworfen haben, tritt hier Sok¡ates auf. Er verachtet


gebracht dafür, daß er keine Kinder gezeugt habe. Ftir diese Nachrichten alle mensch-
beruft sich Bessarion allerdings auî grnz späte Quellen, auf Hieronymus liche Liebe, jede Befleckung rnit der nenschlichen Natur und sucht nur
und Augustinus. Aber er weiß auch aus Cicero, Quintilianus, Macrobius die höchsté btuf., ,li. tiberlrdische Liebe, die allein ,las wahre Glück be-
und Seneca, daß Platon sehr mäßig gelebt habe, daß er nur die Oliven, deute. Das ist Platons Ansicht; denn wo er selber sprechen will, legt er
die im akademischen Haine wuchsen, und wenig Brot mit Wasser genossen Sokrates seine Worte in den Mund (IV. z, zo -27)'
380 Platons Staat. Kommunisntus. Imperialisrnus. 381
3. Bessarion über platons Bedeutung.
Wenn Platon unter solchen Voraussetzungen Frauengemeinschaft ver-
Diesen Ausführungen widerspricht, wie Bessarion beifügt, eigentlich
langte, so verkannte er doch nicht die Schwierigkeiten. Deswegen ging
nur der Bericht des Diogenes Laertios. Dieser erzähle von platon auch
er in seinen Gesetzen nachtraglich von den Forderungen seiner Politeia
schimpfliche Dinge und habe sogar nicht
.ganz einwandfreie Epigramme ab und empfahl die Einzelehe. Als ihm vollends Aristoteles und andere
von ihm mitgeteilt. wie aber andere Äußerungen beweisen, lcheine vorwarfen, er habe sich seinen Staat zu weltfremd ausgedacht, er habe
Diogenes selber nicht daran geglaubt zu haben. Im übrigen sei das über-
ihn wie aus Wachs gebildet oder Träum e erzählt, da gab er auch za, daß
lieferte charakterbild von Platon so einwandfrei, daß ein -fÀomas von Aquin
er einen Idealstaat vor Augen gehabt habe, der sich nicht verwirklichen
zu dem urteil komnre, Platon habe als einziger im Altertum sich von
ieder lasse. Er nahm deswegen neben diesem ersten Staat, in dem reiner
Lust enthalten (IV. z, 28. z9).
Kommunisnrus herrschte, uhd der höchstens ftir Gotter und Göttersöhne
3. vor allem überraschend müssen BessarionsAufschlüsse über platons gewesen wäre, einen zweiten Staat an, in welchem er jene kommunistische¡r
staat gewesen sein, da Lionardo Bruni vor einer übersetzung dieser Schrift
Maßnahmen aufgab (1V.3, lo. rl). So frend uns aber Platons Gedanken
wegen ihrer ganz unchristlichen Anschauungen gewarnt unã Trapezuntios
anmuten, zu beachten sei doch, daß bei verschiedenen antiken Völkern tat-
die allerschlimnrsten Dinge angedeutet hatte.r Zunächst zur Frauengemein-
sächlich Frauengemeinschaft bestanden hat und unter verschiedenfachen
scbaft, die Platon für seinen Staat verlangte. vom christlichen Staúdpunkt
Bedingungen gehandhabt wurde. Hierftir weiß Bessarion mit den merk-
aus sei das zwar nicht zu billigen. Doch meint Bessarion, als Heide habe
würdigsten Einzelheiten zu dienen (IV. 3, rz).
Platon nicbt ganz so verkehrt gedacht. Man müsse ihn aus seiner Zeit
heraus verstehen. Man müsse seine Gründe hören und dtirfe nicht ver- 4. Einen breiten Raun nehmen bei Bessarion einzelne Bestimmungen
und Einrichtungen des platoniscben Staates ein, die sich auf die niedere Lust
gessen' daß er auch tlie uuzuträgliclrkeiten nicht verkannt habe.
bezogen, und darum die Kritik des Trapezuntios herausgefordert hatten. So
Piaton baute seinen staat auf dem Kommunismus au[. Er ging von die gymnastischen Übungen unbekleideter Jtinglinge und Mädchen (lV. 5).
der voraussetzung aus, daß persönliches Eigentum die wurzel allei Glgen-
Seine Gesetze betreffs der widernatürliðhen Laster, der gesetzmäßigen Ehe;
sätze unter der Bürgerschaft sei, und daß nur gemeinsamer Besitz der Gtiter
seine Auffassung über außerehelichen Verkehr (IV. 6, r-ù. Sein Verbot
die eiuzelnen versöhne und zusammenschließe. völlig lasse sich das nur
des Heiratens bis zum 3o. Jahr und seine Stellungnahme zum Zweikinder-
verwirklichen, rvenn auch Frauen und Kinder gemeinsamer Besitz seien.
system (IY. l, r-Ð. Überall weiß Bessarion mit Einzelheiten zu dienen
Nur d¿rnn gebe es in allweg einen gemeinsamen Anteil an wohl und
und Platons Maßnahmen bald ¿us seiner Absicht, bald aus der antiken Auf-
wehe des Staates ohne Rücksicht auf vorteile ftir die einzelne person
fassung zu bewerten.
oder Familie.
Den Besitz des einzelnen will Platon in seinem Staate aus dem Grunde
Aristoteles widersprach hier allerdings. Er rnachte geltend, daß bei
nicht dulden, weil dadurch nur Standesunterschiede, üppigkeit, Wollust und
einer solchen Einrichtung Liebe und Ehrfurcht in der Familie gelockert
unzufriedenheit entstehen. Der Zusammenbruch des Staates sei die weitere
werden. Doch meinte Platon, dieser Gefahr durch die Erziehung begegnen
Folge. Der Staat solle weiter in der Lage sein, Übergriffe feindlicher Nach-
zu können. Ebenso stehe der aristotelischen Ansicht von dem baldigen
barstaaten abzuwehren und bedrängte Bundesgenossen zu schützen. Des-
untergang eines derartigen Staatswesens die platonische Erwägung gegen-
wegen dürfe er nicht mehr als 45 ooo Einwohner haben, und diese haben
über, daß das allgemeine Staatswohl hier nicht durch persönlichen Eigen-
roooo tüchtige Soldaten zu stellen, nicht etrva Söldner, sondern Bürger,
nutz ausgebeutet werden könne. Hier liege doch ein wahrer Gedanke,
die ftir Frauen, Kinder, Hausgötter und Gräber der Eltern einstehen, Ähn-
meint Bessarion; denn auch Rom sei groß geì¡vesen, als ein Junius Brutus
lich urteilt auch Aristoteles, daß nur ein Militärstaat Bedeutung habe. Auch
den eigenen Sohn dem Staatswohl bintansetzte; der zerrall habe begonnen,
er zieht Grenzen ftir die Zahl seiner Bürger. Die Höhe richtet sich bei
als Cäsar auf persönliche Vorteile ausging (IV. l, I j).
-
Platons Staat sollten nur die Philosophen regieren. Wie dachte er
ihm wie bei Platon nach dem Umfang des Ackerbodens (IV. 7).
sich diese Philosophen ? Sie sollten wahrheitsliebend sein, ein sicheres
5. Auf die imperialistische Richtung des Staates beziehen sich Pla-
tons li,ußerungen über die vier großen Staatsmänner von Athen: Miltiades,
Fachwissen besitzen, keine verschwommenen Ansichten vertreten, Lust-
Kimon, 'Ihemistokles und Perikles. Er bezeichnet sie als schlechte Diener
barkeiten verschnrähen, das Geld geringschätzen, den Tod nicht fürchten,
des Staates, als Schmeichler des Volkes und Urheber eines üppigen Lebens.
Gerechtigkeit pflegen usw. Solche Männer sind selten. Sie müßten gesucht
Auch das batte Trapezuntios zu fügen. Doch sei Platons Ansicht nicht
und erzogen werden (IV. 3, 6. 7). unbegründet, erwidert Bessarion. Nicht damit ist nach ihm dem Staats-
wohl gedient, wenn ein F'ührer allen eitlen Wünschen des Volkes nachgibt;
t Vgl. oben S. 347
Platon ùber den Lebensgenuß, Tyrannis, Schulbildung, Wirtschaltsfragen. 383
382 1. Bessarion über Platons Bedeutung.

nicht der ist ein vorzüglicher Staatsnann, der den äußeren Feind besiegt, Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Die übrigen Künste sollen
der lì.eichtum in das Land bringt, Festungsnrauern aufführt und die Stadt einem engeren Kreis vorbehalten bleiben, namentlich ftir die Hüter des
mit prunkvollen Gebeuden schmückt; wohl aber wer clen Bügern gute Sitten Staates. Ftir die Menge ist nur notwendig, was für den St¿rat nützlich
beibringt und sie zur Ttichtigkeit erzieht. Nach diesen Grundsätzen prüft ist. Der eigentliche Unterschied zwischen den Gebildeten und der Masse
er .im Gorgias jene vier Staatsmänner. Sie waren allerdings tüchtige Feld- liegt nrch ihnl in der Kenntnis der Mathematik (IV. r:).
lrerrn; sie haben den Staat in schwieriger Lage gerettet; aber sie habeu 9. Ebenso kommen Platons Ansichten über Freizügigkeit, Besteue-
ihr eigenes Streben nicht zu zügeln verstanden. Sie schmeichelten dem rung, Geldwirtschaft und Wohlstand der Bürger zur Sprache. Die Metökeu
spielten in der Antike eine Zeitlang eine besondere Rolle. Die älteste Zeit
Volk wie alle Volksredner. An ihrer einseitigen Politik ging Athen zu-
grunde. Man rüstete nur zur See und vernachlässigte die Landmacht. Mau ließ beigezogene Fremde im Staate nicht zu. Lykurgos fürchtete, daß sie
vernachlässigte aber auch den in¡eren Aufbau und die Erziehung des Volkes'
die Sitten seiner Bürger verdürben. Diese Gefahr hatte Platon zwar nicht
Die Folge ihres äußeren Sieges waren Woblstand, Ûppigkeit, Mtißiggang verkannt; aber er sucht die Zuwanderung der Fremden nicht zu verhin-
und Laster, und das hat dem Staate den StofJ gegeben (lV' 8). dern, geradesowenig wie die Auswanderung der einheimischen Bevölkerung.
6. In unterhaltsamer Plauderei bespricht Bessarion Platons Vor- Maßgebend w:rr ihnr der Handel der eigenen Bürger im Ausland und auf
schriften hinsichtlich des heiteren Lebensgenusses in Wein, Musik, Gesang der an.leren Seite die Pflege des frerrden Handwerks zu Hause. Den
und Tanz. Verwunderlich ist es nicht, so führt cr aus, daß Platon auch Fremden will er nicht länger als zo Jrhre Aufenthalt gestatten. Sie sollen
dieser Seite rnenschlichen Lebens Beachtung schenkt. Das tat vor ihm dabei Steuerfreiheit genießen und beim Wegzug ihr Privatvernrögen nrit-
schon Lykurg. Auf den Einwand des ganz nüchternen Lakcdämoniers, der
nehmen dtirfen. Nach dieser Bewährungszeit können sie aber auch in
gar keinen Weingenuß gestatten wollte, erwiderte Platon: Muß man denn, den Volksverband aufgenommen werden, wenn die einheimischen Bürger
wenn auf dem Felde durch einzelneZiegen Scheden entstehen, dieZiegen- danrit einverstanden sind (IV. t3).
zucht überhaupt verbieteu? So gestattet Platon den Weingenuß; aber er ro. Auch was Platon und Aristoteles über die Steuern sagerl, ist
will ein geordnetes Symposion, mit einem Archon an der Spitze, der die wicbtig. Platon enrpfiehlt ungleiche Steuern, ollne Furcht vor inneren Un-
Gespräche leitet und das M¡rß bestimmt. Deswegen zieht Platon auch ruhen. Ubertriebenheiten werden nach ihrn schon dadurch verhütet, dalJ
die Grenzen ftir dis einzelnen Lebensalter. Bis zu r8 Jahren soll derJtingling er keine grnz lì.eiclren wie auch keine ganz Armen iu seinenr Sta¡rte dulde.
überhaupt keinen Wein trinken. Man darf nicht Feuer zum Feuer gießen. Die Grundsätze finden sich in seinen Gesetzen: Der übergroße Reichtuur
Bis zu 3o Jabren sei Wein gestattet, aber ia recht mäßig. Den Alten soll führe zu Aufst:inden, drückende Armut zur Versklrvung. Vor allen Dingen
rnan ihr Gläschen gönnen, damit sie nrehr Beweglichkeit in die Glieder be- solle niemand seiner Kinder wegen n¿rch Reichtum trachten. Drs wäre
komrnen. llhnlich lauten auch seine Vorschriiten für die heitere Geselligkeit. für jene wie für die Gesamtheit von Nachteil, denn beiden droht danrit
Nur gute Dichterl Tänze und Gesang dem Alter entsprechend! Also nicht die Gefahr, daß sie in Lust und Uppigkeit aufgehen (lV. ta).
um derAusgelassenheit und Völlerei zu dienen, wieTrapezuntios verleumdet, Mit seinen Auslührungen über Platon war Bessarion zu Ende. Wir
gibt Platon seine Vorschriften, sondern unr Maß und Art des heiteren Lebens- hören aber noclr, wie es um Trapezuntios' wissenschaftliche Ehrlichkeit
g.nurr.r zu regeln. Lebensfreude sollte herrschen wie fröhliche Geselligkeit bestcllt war. Trotz seiner nroralischen Entrüstung über Platons Minder-
und gegenteitige Anregung, aber innerhalb bestimmter Grenzen (lV. g)' wertigkeit habe er die Gesetze ftir Nikohus V. ins Lateinische übersetzt,
und den Parmenides habe er lateinisch dem Kardinal Nikolaus von Cues
7. Die Tyrannis billigt Platon ähnlich wie Aristoteles ganz ent- überreicht. Dazu schrieb er beidemal Vorreden, die Platon als Menschen
gegen der denrokratischen Richtung seiner Zeit. Er will sie aber nicht
rts Ge*altterrschaft, die sich Rechtsverletzungen erlaubt, wohl aber nls und Philosophen mit den höchsten Tönen feierten. Später ließ er Platons
der Papst hatte sie nicht angenomnten .ler Republik Venedig
wohlgeordnete starke Regierung in der Hand eines Monarchen mit per- Gesetze
- -
sönlichen Fehigkeiten und gutem Willen (lV. ro). zugehen, abermals nit den glänzendsten Empiehlungen. Wie vertrage sich
8. Platon verlangt allgemeines und politisches wissen. Die Jugend das aber nit seiner Ehrlichkeit (tV. t6)?
soll aber nur so viel lernen, als für den Kriegsdienst, für das Familienleben Das war Bessarions Schri[t zur Ehrenrettung Platons. Das Wichtige an
und die Staatsverrvaltung notwendig ist. Drei Jahre Lesen und Schreiben, ihr war nicht, daß ein Klopffechter abgetan worden wer. Das wäre an sich
dann drei Jahre Musik. Da^) die Dichter, aber nur sittlich und religiös nebensächlich gewesen. Vielmehr wurde hier Platon zum erstenmal wieder
einwandfreie. schließlich die staatsgesetze (IV. rr). Ähnlich lauten auch in den Wissensbereich des Abendlandes eingeführt. Das war Bessarions
seine Forderungen ftir das höhere Studium. Filr d¿s btirgerliche Leben bleibendes Verdienst.
384 4. Die Aufnahme von Bessarions In Calumniatorem Platonis bei den Zeitgenossen. Niccolò Perotti. Marsiglío Ficino. Johannes Argyropulos. 38ó

4. Dle Ä,uln¡hme von Bessarlons In Crlumnl¡torem Plstonls bel den Zeltgenossen.


vom rJ. September r46g.L Ficino dankte.2 Die Begeisterung, mit der
Zur Bewertung von Bessarlons Pl¡tonlsmus, er dieses >unsterbliche Buch< gelesen, lasse sich nicht in Worte kleiden.
Jenes Gold der Weisheit, das sich Platon einst von Gott erbeten, sei
Bessarions In Calumniatoren Platonis gelangte in der lateinischen lange in seinen Schriften verborgen gewesen. Plotinos, dann Porphyrios
Bearbeitung alsbald nach der Drucklegung zu weiter Verbreitung. Einigen und Jamblichos, zuletzt noch Proklos haben es entdeckt. Dann seien
Freunden hatte Bessarion das Vy'erk selber zugeschickt. Wir hören das Zeilen gekommen, in denen die Uhue auf jene Weisheit schmähten. Platon
aus ihren Dankschreiben. Niccolo Perotti wrr voll heller Freude. Er selber habe diese Wiedererneuerung vorhergesagt, und diese Zeit sei ietzt
habe sich nur noch vier Stunden Schlaf gegönnt, urn, drls >wuuderbare gekommen. >Denn Du, Bessarion, hast das Licht der Akademie wieder neu
Buch< lesen und abschreiben zu können, schreibt er dem Kardinal.r Etwas erstrahlen lassen und die trüben Augen geheilt.< 3 So hat denn auch Ficino
Hervorragenderes habe er in seineru ganzen Leben noch nicht zu Gesicht an Bessarion wieder angeknüpft. Mag auch seit I459 Johannes Argyro-
bekommen. Sprachlich sei tlas Buch ein Meisterwerk. Der Einfluß Platons pulos sein Lehrmeister gewesen sein; dieser war doch ausgesprochener
sei unverl<ennbar. Daß man es mit einer Gegenschrift zu tun habe, komme Peripatetiker, war ausschließlich zur Erklärung des Aristoteles in Florenz
bei der rein sachlichen Darstellung nirgends zuru Vorschein. In Wirklicli- angestellt und las nur gelegentlich tiber die platonischen Schriften.a Zu'
keit sei das Werl< eine Einführung zu dem bisher noch ziemlich unbekann- dem stand Ficino mit seinen 36 Jahren noch mitten in seiner wissen-
ten Platon, und wegen seines reichen [nhalts nrüsse es einen ganz anderen schaftlichen Entwicklung, so daß Bessarions Platonwerk ihm gerade zur
Titel haben. Perotti war durch Bessrrions Werk so für Pl;rton begeistert rechten Zeit in die Hand kam.
worden, dlß er den Kardinal bat, er wolle jetzt doch Platons Gesetze fúr Argyropulos, dem Bessarion sein Werk ebenfalls hatte zugehen
den lateinischen Leserkreis bearbeiten und möglicherweise datir Gazes Iassen, war gerade in tiefer Trauer um seine beiden Söhne, die kurz nach-
heranziehen. Auch seine Mithilfe bot er dazu an. Ähnlich, nur in ruhigeren einander gestorben weren.á Er schreibt am 27. Oktober t469 an Bessarion'6
'fönen, schreibt Ognibene von Leonigo.2
Nach Überwindung des ersten Schmerzes sei er zuerst an sein neues Buch
In Florenz lasen das In Calumniatorem der Platoniker Marsiglio gegangen. Er habe gewußt, so könne nur er schreiben' Nichts fehle.
Ficino und der Peripatetiker Johannes Argyropulos. Das war nicht Die Sprache gleiche an Wohlklang der Ausdrucksweise Platons. Dazu
olrne Bedeutung. An Ficino knüpft sich die Gründung der Platonischen sein fein empfundenes Urteil. Jenen Rabulisten habe er gründlich abgetan;
Akademie zu Florenz.e Gerade er wurde der Mann, der von Platons
Schriften eine geniale lateinische Übersetzung schul die sie dem Abend- r Überlieferung:
land jetzt endgültig zugänzlich machte, und die lange dazu das einzige Florenz, BiË|. Laur. lat. Plut. 83. Cod. 18 foL 6z-fi'
Druckausgabe:
Mittel blieb. In der gleichen Begeisterung für die platonische Gedanken- .. Marsilii"Ficini Epistulae I. Iz (Opera Ba¡ileae I56r u, ö.)
welt übersetzte er auch Plotinos' Enneaden und begründete eine pla- 2 ÜberÌieferung:
a. Rom, Cod. Vat. l^t. ))9g lol. z6o-26t.
tonische Theologie. Von ihnr leitete die Überlieferung dann weiter zu b. Rom, Cod. Barb. XVI. 85 fol. ¡82.
Pico von Mirandola. Wir sehen aber, wem die Anregung eigentlich zu c. Venedig, Cod. Marc. lat. VI. zo¡'
verdanken ist. Bessarion hatte dem Platoniker zu Florenz sein Werk d. Venedig, Cod. Marc, lat. X. ¡2.
schon längst versprochen und jetzt auch zugeschickt.a Sein Brief stanmt

Überlieferung:
' a, Ronr, Cod. Vat. lat.tlgg îol, 251-256.
b. Rom, Cod. Barb. XVl. 8l fol. I79-t8o.
c. Venedig, Cod. Marc. lat. X. ¡z fol, ¡-¿,
d. Venedig, Cod. Marc. lat. VI. zro.

Druckausgaben:
35r n.8. a. MrlvaTia, Compendio storicö della basilica de' dodici apostoli di Rom¿.
1 Marsilii Ficioi Epistulae I. ¡2. Suþerioribus luslris ¿lucubralutt oþus nostrum Roma ¡66i.
et nuþ¿r editum in defensionìm Plalonis oot oé tt
missuros þromisimus. b. lII. Band (Ungedruckte Textc) Bricfe, Aohang n. 6.
ltohler, Karrlinnl Be¡¡srion l, 26
386 4. Die Aufnahme von Bessarions In Calumniatorem Platonis bei den Zeitgenossen.
Filelfo und Georgios Trapezuntios. 387

das Wichtigste sei aber, daß er die Lehrmeinungen beider Philosophen in sucbte aber die Urheberscheft jener Schmähschrift auf den Mönch Barla¿m
ihrer bauptsächlichen Gestalt einmal herausgestellt habe, und zwar habe aus Kalabrien abzuwälzen. Er meinte sogar, ienes Machwerk bei seinem
das auch ftir die ktinftigen Zeílen Bedeutung. Die Lateiner müssen ihnr früheren Aufenthalt in Konstantinopel gesehen zu haben.l Ähnlich schrieb
besonders daftir dankbar sein. Jetzt wissen sie über Platons Welt- und er an Bessarion.'
Lebensanschauung Bescheid. Das möge ihm für den Augenblick genügen. Filelfo war also noch nicht weitergekommen und scheint auch für
Nach Mailand kam Bessarions Werk nehr zufallig durch einzelne Bessarions neues Werk keine übergroße Aufmerksamkeit gehabt zu haben,
humanistisch beflissene Leute. So hatte es File lfo kennengelernt, aber trotz einzelner lobender Worte, die er spendete. Nach dieser Hinsicht
erst im Somtner t+7o.1 Aus Neapel weiß Beccadelli ahnlich zu be- wer von ihm auch nicht viel zu erwarten. In philosophische Fragen
richten.z Auch Naldo in FlorenzB und Cam pania haben davon erfahren besaß dieser Humanistenpoet keinen Einblick. Das hatte er schon dreißig
und schreiben dem Kardinal. Jahre frûher gezeigt, als Plethon dieses Gebiet zum erstenmal berührte.
Daß Bessarion das Buch an Filelfo nicht persönlich schickte, ist Damals äußerte sich Filelfo, der sich auf nichts näher einlassen wollte,
überraschend. Aber es zeigt auch, daß ihm an dem großsprecherischen voll Liebedienerei zu dem ganz aristotelisch eingestellten Georgios Scho-
Poeten, der ihn mit Bitç und Lobschreiben geradezu überschüttete, nicht
larios: >Aristoteles und die Wahrheit sind ein und dasselbe.<3
viel gelegen war. Nicht weniger überraschend ist Filelfos Stellungnahme. Und Trapezuntios? Gerade ihm bot die Haltung Filelfos, nit dem
Der Brief, in dem er sich darüber Bessarion gegenüber ausspricht, stammt er in nehen Beziehungen stand, eine Stütze. Es wäre nicht zum ersten-
mal gewesen, daß er den l(ardinal getroffen hätte, wenn auch nicht un-
vom ro. September r47o.5 Er wolle vorlaufig mit seinen Urteil über
Georgios Trapezuntios noch warten, bis er dessen Werk gelesen habe.
mittelbar. Er hatte seinen Pfeil iedesmal auf Gazes gerichtet, wenn er
Denn, daß jener über Platon sich in solch wahnsinniger Weise aus- an Bessarion mäkeln wollte. So in der Invektive vom Jahre 1453.a
Dann wieder in den letzten Jahren in dem Streit, der sich um Bessarions
gelassen haben soll, komme ihm vorläufig fast unglaublich vor. Filelfo
Schrift De natura et arte entspann. Jetzt wagte er es nach seinen kläg-
kam es eben schwer an, eigene Schwächen und Irrtünler zuzugeben. Er
lichen Leistungen, durch seinen Sohn Andreas eine Erwiderung auf Bes-
hatte bisher gerade auf Trapezuntios wissenschaftlich große Stticke gehalten
sarions In Calumniatorem Platonis der Universität Paris vorlegen zu lassen.
uud stand mit ihm in besten Beziehungen. Zwei andere Briefe, die er
deswegen schon im vergangenen Jahre an Gazes uncl Bessarion geschrieben
An sich eigentlich der beste Beweis, daß das Abendland von Platon auch
nicht die geringste Ahnung hatte. Bessarion legte der Sache vorlaufig
hatte, lassen das deutlich erkennen. Gazes hatte ihm von Bessarions In
Calumniatorem geschrieben und Trapezuntios mit Namen genannt'6 Filelfo tEç. Letztere Bemerkung verweist den Brief vor r469... Nach ande.ren_Bemerkungen
ùbér Pauls II. Verdienste îm den Frieden (Januar bis Aþril r468) ist die Datierung klar.
r III. fexte) Bri 4.
nuþer aduers tonis abs te urlt
deioltnn fuil,
, IlI. Texte), Br t.
fuerunt libri lumniatorem urtt

c. Venedig, Cod. Marc. lat. VI' z¡o.


d. Venedig, Cod. Marc. lat. X rz.
-T-

988 Perotti gegen Georgios Trapezuntios. Bessarions Platonismus. 389


4. Die Àufnahme von Bessarions In Calumnietotem Pletonis bei den Zeitgenosscn.

Im allgemeinen wurde Bessarions In Calumniatorem Platonis demnach


noch wenig Bedeutung bei, auch wenn er einfältige Behauptungen über
mit Begeisterung aufgenommen. Daftir hatte er doch einen über alle
sich von auswärts hörte. So erfand der Erzbischof von Tours, Elie de
Maßen überraschenden Einblick in Platons Gedankenwelt gegeben. Hier
Bourdeilles, er habe vorgetragen, daß Platon von einer Jungfrau geboren
hatte er seine Verdienste. Mit seinem nachdrücklichen Hinweis auf die
sei. >Aber sie sollen machen, was sie wollen<, schreibt er Fichet. uNicht
bis dahin herrschende Unzugänglickeit der platonischen Schriften hat er
das alberne Geschwätz jenes Mannes, sondern die Liebe zur Wahrheit und
auch Ficinus die Anregung zu seiner Platon-Übersetzung gegeben,t die
zur Philosophie Platons hat uns zum Schreiben veranlaßt.a 1
eine klassische Leistung geworden und dauernd geblieben ist. Auf lange
Als sich im Frühjahr r47r ftir Bessarion nochmals Gelegenheit zu
Zeit hielt Bessarions Werk die Geister wach. Das zeigt die Tatsache,
einem Briefwechsel mit Fichet bot, schickte er ihm sein In Calumniatorenr
daß es auch nach den Tode des Verfassers wieder gedrucìit wurde, im
Platonis, um es der Sorbonne vorlegen zu lassen. Er bemerkte dazu: >Ich
habe das Buch in der Absicht verfaßt, um die Weltanschauung Platons, der Jahre r5r6 sogar nochrnals in 3. Auflage. Wenn Bessarion aber auch
Platon wieder erschlossen hat, so ist es seiner Mitwelt doch entgangen,
deu Lateinern bis heute noch unbekannt ist, in ihren wesentlichen Stticken
daß er nicht in allweg einen reinen Platonismus bot. Bessarion verstand
klarzulegen. Man soll den Eindruck ge*'innen, daß Platon nichts anderes
Platon fast durchgehend im Sinne der Neuplatoniker. Das war eigentlich
vortrug, als was auch Aristoteles billigte, und umgekehrt, daß auch der
schon durch seine Ausbildung in Plethons Schule bedingt. Anderes beruhte
Stagirite nicht von Platon abgewichen ist. Ein ernster Philosoph muß
auf seiner späteren Beschäftigung nit Neuplatonikern wie Proklos, Her-
auf den Standpunkt beider eingehen und darf keinen verachten.<t Ein
meias, Jamblichos, Olympiodoros und andereu.2
mehrfacher Briefwechsel spann sich daran, abcr in Paris herrschte weniger
Wie sehr er sich mit ihnen abgab, zeigen außer den früher be-
Verständnis ftir die Sache, als sich Bessarion gedacht hatte. Ein volles
sprocheuen Erörterungen mit Plethon seine Randbernerkungen in Proklos'
Jahr laug erhielt er keine Antwort deswegen. Er wurde zum Schluß dartiber I(ommentar zu Platons Timaios, der in Cod. Marc. gr. I9o vorliegt und
ernstlich ungeduldig und verzagt.s Endlich bestätigte auch Ficbet, daB er
in seine Bibliothek gehorte. Auch die platonisierenden Kirchenväter, die
seinen Schlaf geopfert habe, um das Werk zu lesen. Auch wollte er es
ihm als Theologen vertraut waren, spielen da herein. Alles das kehrt in
überallhin bekanntgeben. Die Vorlage an die Universität blieb vorlaufig
seinem In Calumniatorem Platonis wieder. Die Kirchenväter wie Atrgusti-
aber erst sein Versprechen.r
nus, Gregor von Nazianz und ganz besonders Dionysios der Areopagite
Bessarions Freunde aber gingen auf die Herausforderung des Trape-
sind es, die ihm platonische Äußerungen in christlicher Auffassung er-
zuntios ein. Niccolò Perotti machte sich zu ihrem Wortftihrer und geißelte
scheinen Iassen.s Der alte Gedanke, daß Platon das Alte Testament
den >stinkenden Bock< mit seiner rRefutatio delyramentorum Georgii Trape-
gekannt habe, läßt ihn auch Anklange aus den Propheten, dem Hohenlìed
zuntii Cretensis.< 5 Das war nun allerdings eine Invektive ganz nach Huma-
und den Weisheitsbtichern finden.¡ Ebensosehr führen ihn aber auch die
nistenart, die von den rein sachlichen Ausführungen Bessarions gewaltig
späteren Erklärer wie Plotinos, Proklos, Jamblichos, Diogenes Laertios
abstach. Perotti bezeichnet den Trapezuntios als Auswurf der Menschheit.
oder Porphyrios und Numenios.s Selbst Philon zieht eÍ n)r Erklarung
Man solle ihn hängen, aber an den Füßen, und die Vorübergehenden sollen
der platonischen Weltschopfung heran.6 Wer nröchte aber ihm das ver-
ihn anspeien. Steine, Stockprügel und Jauche denkt er ihm zu. Das war
da seine Zeit überhaupt noch keinen Einblick in die philosopbie-
die vielfach übliche Sprache der Humanisten. Bessarion selber sah sich ^rgen,
geschichtliche Entwicklung gehabt hat !
genötigt zu mildern. Nach einer Äußerung von ihm ist anzunehmen, daß
die Striche bei den saftigen Stellen und einzelne Randbemerkungen in der I Die Editio princeps von Ficinos Platon-Übersetzung ist auf r483 zu datieren.
Handschrift von ihm stammen.d Vgl, Huit, Le Platdnismtj in den Annales de philosophie chrétienne. Louvain XXXÍII
(t895) 274 s 3, daß Ficino seine Ubersetzung schon 1453
r Der Brief Bessarions an W. Fichet vom r3. Dezember r47o bei Legrand ha
þpgonnen aers r4t1. l. c. z7j), ist nach Bessarions
l. c. n. ¡ p.224s.
Außerungen fen hintãllig.
z Vgl.
¡ Bèi Legrand l. c. p. zzt. s Bès nis I. 3, z II. t, zi 1, z lY. r, t3; 2, tr;
I Vgl. Bõssarions Ériefe'an Fichet bei Legrand L c. n. 5 p. z7z, n.6 2, t5; 2, 27i 3, 2. ti 4, 4.
P'231'.n¡'8 P','r"rrr., rBessarion, In Calumniatorem Platonis II. I, I lV.2,3. 13.
an Bessarion bei Legrand r. c. n. tr p. 249. vgl. oben 6 Bessarion, In Calumniatorem Platonis L z, z; 4, tz. t6 ll. 4,6. 7. rz; g,2,
5' lll; VrI. zro fot. 4-¡r. - rz lY. t, 14; z, 29.
6. 9.
6 Bessarion, In'Calumniatorem P.latonis
lro, IL 5, 9.
¡ che c. n. r p, zz5. Quøm aule.m
multø in lun loquì dccct, sttbduclís aitgulis
cøstìgaaimus.
Bessarions De natura et artc. 391
390 5. Neue Erörterungen ùber Platon und Aristoteles,
Auseinanclersetzung über Aristoteles' Auffassung von der Ursächlichkeit in
5. Neue Erörterungen i¡ben Platon und Arietoteles. Bessarlons De natura et arte.
De¡ ¡rlstotelische SubstanzbégrlfÍ und dle platonischen ldeen. Natur und Kultur, die ihren Abschluß in Bessarions De natura et arte
fand. Diese Fragen standen einigermaßen auch noch nlit jener. Ehren-
Bessarion hatte sein In Calumniatorem Platonis noch nicht in aller-
rettung Platons im Zusannrenhang. Die dritte griechische Bearbeitung wie
letzte Gestalt gebracht, als in seiner Akademie noch allerlei Einzelfragen die Druckausgaben haben {eswegen De natura et arte geradezu als V. Buch
auftauchten, die Platon und Aristoteles betrafen. Im Vordergrunde steht
dem In Calunniatorem Platonis angehängt. In dieser F'assung (im Gegen-
hier Theodoros Gazes. Georgios Trapezuntios mischt sich ebenfalls wieder
s tz m einem ersten Entwurf Bessarions) gibt uns diese Schrift selber
ein, wird aber entlarvt und von Bessarion als mißgünstiger Neidhammel eingehend Auskunft über den Hergang der Auseinandersetzung. Wir be-
wie als unwissenschaftlicher Schwätzer offen bloßgestellt. Alte Ansichten handeln hier den letztgenannten Streit ân erster Stelle.
des Georgios Gemistos kommen erneut zur Behandlung. Dazu lassen sich
Es h¡rndelte sich um die Stellungnahme zu einem Satze in Aristoteles'
Michael Apostolios und Andronikos Kallistos in blindem Eifer in den Streit
Physik: Handelt die Natur, wenn sie einen Zweck verfolgt, geradeso wie
der Meinungen hineinreißen, ohne gerade das wohlgefallen des Kardinals jede ruenschlicbe Betätigung auf den] Gebiete der Kultur mit bewußter
auf sich zu ziehen. Auch ein Fernstehender, Johannes Argyropulos in Absicht? Und was war hier Aristoteles'Meinung?r Plethon, der auch
Florenz, beteiligt sich zum Schlusse an den Erörterungen. Es waren Fragen,
hier wieder die Frage angeregt hatte, bielt mit Platon dafür, daß Kunst
tìie wohl mehr die damalige Zeît als uns zu fesseln vermochten; aber wie Natur überall mit Überlegung handeln. Aristoteles, der nach seinem
tler Streit dieser Griechen hat wieder zu den alten Autoren näher geführt. strengen Wortlaut das zu verneinen schien, lehnte er ab. Gegen diese
Zeit und Reihenfolge der einzelnen Schriften waren lange nicht sicher Die Sache, so führt er aus, Iiegt
Auffassung wandte sich G
^zesi
nicht so einfach, wie Plethon meint. Um den aristotelischen Text zu
verstehen, uruß t¡an unterscheiden zwischen npárteu im Sinne Yoî c7n-
sulto øgere und toteíu als gleichbedeutend mîl facere. Ersteres ist Sache
des überlegenden Verstandes; letzteres ist Sache der Kunst, trifft aber auch
die Titel und ,{nfangsworte der einzelnen Schriften verließ, ohne diese
ftir die Natur zu. Bewußte Überlegung ist aber nur da notwendig, wo
inhaltlich zu kennen.2 Gaspary besserte hier einiges, aber nicht alles.s
sich noch nicht sagen läßt, ob die verschiedenen Voraussetzungen einen
Zu Verwirrungen führte besonders das Druckiahr t469 von Bessarions gedachten Zweck erreichen können. Sie gehOrt also einer viel höheren
lateinischem In Calumniatorem Platonis, da man von der Entstehungs-
Sphäre an. Gazes wollte damit aber noch nicht das letzte Wort gesprocherr
geschichte des Werkes nichts kannte. Erst Gercke, der die fraglichen
haben; vielmehr bat er Bess¿rion um eitre eingehendere Darlegung.2
Abhandlungen in den Handschriften einsah, bewegte sich auf sicherem
Bessa¡ion äußerte sich daraufhin auf einem kurz hingeworfenen
Boden.a Doch ist zum Inhalt wie auch kritisch noch nanches nachzutragen.
Blatt, aber nicht in Gazes' Sinn. Er nahm den Standpunkt Platons ein,
Wir bringen diese Schriften, darunter auch tlen griechischen Text von Bes-
suchte dabei aber der aristotelischen Ansicht Verständnis abzugewinnen.
sarions De natura et xrte im III. Band zur Veröffentlichung-
Diese Skizze ist uns erhalten.s Ihr Inhalt ist nochmals, aber abgerundeter
Wir haben hier zwei Gruppen von Schriften zu unterscheiden, die
von grundverschiedenen Auseinandersetzungen herstammen, zeitlich aber
in Bessarions De nature et arte wiedergegeben: Platon und Aristoteles
stimmen nach ihm darin überein, daß die Natur Zwecke verfolge. Platon
zum Teil nebeneinander entstanden sind. Zuerst setzte der Streit über den
lehrt dazu, daß die Natur nichts ohne Überlegung tue; und zwar kommt
aristotelischen Substanzbegriff ein, der durch Bessarions Eingreifen r46r vor-
läufig zur Ruhe gebracht, dann aber unter anderem Gesichtspunkt wieder
angefacht wurde und endlich nach t469 mit Gazes' Anrypr¡trxór seine
Erledigung fand. Später begonnen und früher beendet war iene zweite

r Vast, Le cardinal Bessarion i:'t-144. Rocholl, Bcssarion Ió4 f. bietet noch


-'-",
wenlger.
im Archiv f'
St.in, L. or Gazt als Phìlosoph, Geschichte
d.' Philosophie.If. 4t8. -
t Grrpr.y áes Streites der Griechen über Plato und Ari-
stoteles im r'5. Jä f. Gesch d. Phil. Ill'.(I89o) 59-.t1. ..
¡ Geréktí Festschrift der Universität Greifswald t9o3'
s,i8-¿:'
----

392 5, Neue Erörterungen t¡ber Platon und Aristoteles, Bessariens De natura et arte. 393

er zu diesem Urteil, weil er eine erste Ursache anerkennt, die früher und er ein, sachlich, mit vielem Scharfsinn, aber auch mit vielen Wieder-
höher als die Natur ist. Während Aristoteles die Natur selber als oberstes holungen. Er ging auch auf Plotinos und Simplikios ein' Auch nach
Prinzip betrachtet, ist sie bei Platon nur Instrumentalursache. Als solcbe ihrer Erklerung kennt Aristoteles nur ein überlegtes Handeln. Aber die
wird sie durch Plan und Verstand bestimmt genau so wie die Kunst.l Der Platoniker schreiben die Überlegung nicht der Natur, sondern einer höheren
Unterscheidung von tpdttew uîd ilo.êlu legt Bessarion keine Bedeutung Vernunft zu. Darauf hin zielen auch die Kirchenväter, wenn sie von einer
bei. Die Schwierigkeiten werden damit nicht gelöst. Bei allem lasse aber Überlegung in Gott sprechen.
auch Aristoteles die Möglichkeit noch offen, daß Natur und Kunst mit Es ist sehr fraglich, ob Bessarion mit seiner platonisch gefârbten
Bewußtsein handeln, denn die von ihm verlangte Zielstrebigkeit setze doch Auslegung des Stagiriten recht h:rtte. Gazes, der den Aristoteles besser
einen Plan voraus.2 Mit diesem Versuch, Aristoteles mit Platon in Über- kannte, hat hier doch wohl richtiger gesehen. Bessarion konnte sich von
einstimmung zu bringen, tritt Bessarions ursprüngliche Meinung wieder seinem Bestreben, überall zu vermitteln, nicht frei machen.
zutage. Aber er weist doch darauf hin, daß Aristoteles das zweckmäßige Was die zeitliche Festlegung betrifft, so wird man diesen Meinungs-
Wirken der Natur letzten Endes auf den Weltverstand zurückführt, Platon austausch in die Jahre t464165 verlegen nüssen. Schon Gercke vermutete
dagegen auf eine göttliche Ursache.s das wegen einer Bemerkung Filelfos aus dem Jehre 1465, die sich auf
Jetzt brach über die Fragestellung ein widerlicher Streit aus, und Georgios' Schriit beziehen könnte.l Dazu kommt nun auch noch dic
zwar dadurch, daß Georgios Trapezuntios, der durch Indiskretion Bes- griechische Fc¡rm von Bessarions De natura et arte, die man seither nicht
sarions Entwurf eingesehen hatte, sich in die Sache einmischte. Der Weg kannte. Sie findet sich schon im Cod. Marc. gr. 198 mit dem in Calum-
zu Trapezuntios war über einen Griechen Hesaias von Kypros gegangen, niatoren: Platonis zusanìmen, und älter liegt sie in Bessarions Hand-
der neben Gazes als einziger eine Abschrift von dem Gutachten erhalten exemplar, dem chronologisch geordneten Cod. Marc. gL 527 vor, hier
hatte. Trapezuntios \rrar wegen seiner wissenschaftlichen Mißerfolge auf allerdings an letzter Stelle, weit nach der Schrift über die Konsekrations-
den Kardinal schon lange nicht mehr gut zu sprechen . Jelzt stachelte es worte.z Demnach ist die Annahme von Stein auf t46r wie die von
ihn, daß Pletbon doch wieder Recht bekam. Den Kardinal wollte er jetzt Gaspary auf t455-6o weiter herabzurücken, aber nicht tiber die 3. Be-
einmal belehren und von seinem einfaltigen Eifer ftir Platon abbringen. arbeitung des Platonwerkes hinaus.s
Das ging aber nur auf Umwegen. So gab er sich den Anschein, als ob Gleichzeitig mit diesen teils sachlichen, teils persönlichen Zänkereien
er Gazes ftir den Verfasser hielte, behauptete, ein gewisser Athanasios verlief der andere Streit tiber den aristotelischen Substanzbegriff. Bessarion
habe ihm das Schriftstück gezeigt, und verfaßte eine Gegenschrift in Form stand hier weniger im Vordergrund; aber den Ausgangspunkt bildete eine
eines Briefes an Hesaias.a Georgios verfocht das Thema wieder in streng kleine Skizze aus seiner Feder mit der Überschrift: IIgòs ù Illr¡Ûatuoq
aristotelischem Sinne: Die Natur überlegt nichts, auch wenn sie auf einen nqòg AqrctodTr¡ rcqì otiolae.a Die Frage war wieder in seiner Akademie
Zweck hin bandelt. Auch der Gottheit sei nach Aristoteles bei der Schopfung
keine Überlegung zuzuschreiben. Das alles erörterte er in nicht sehr fãinem c. Rom, Bibl. Vallicellana Cod. gr. r89 (CVIII) n' Iz.
Ton. Er schalt seinen Gegner einen Dunlrnkopf, der zu den Dunkel- d. Paris, Bibl. nationale Cod. gr.8r7 n. 16.
Handschriften der latcinischen Ubersetzung:
männern (gr1.o(ogottvteç, þbilotenebrae) zu rechnen sei und nichts von a. Venedig, Cod. Marc. gr. S27 fol. zoz-214t.
dialektischer Methode verstehe. Zum Schluß warnte er Hesaias vor den b. Venedig, Cod. Marc. l^1.229.
lar Plutí 54 Cod. L fol. zl9
e. Florenz]'tsibl. Laur. sqq.
Platonikern. Auch er wolle von Platon nicbts wissen. d. Rom, Cod. Urbinaten. lat. tgb fol, r-17Y,
Nach dieserLeistung kannte auchBessarion keineschonung mehr. Er Druckausgaben:
a. Als V. Buch von Bessarions Jn Calumniatorem Platonis, Romae 1469. Venetiis
schrieb ietzt seine Abhandlung De natura et arte,5 die den g nzen Hergang r5o7. t5r6 (nur lateinisch).
der Offentlichkeit unterbreiten sollte. Auf Georgios' Ausstellungen ging b. Ili. Ban-d (Ùngedruckte Têxte) Bessarion, De nâtura et arte (griech, u. lat').
t Gercke A, f'heodoros Gazes S. 39 f.
B essarion, De natura et arte 2l I
B essarion, De natura et arte a t
B essarion, De natura et arte 6.
4 B essarion, De natura et ârte
t, ¡. Die Gegenschrift des Trapezuntios
ist selbständig erhalten in Cod. Va t. g_r. to98 fol. z16-219, ist unveränderi aber auch
in Bessarions De natura et arte J, 2-ó aufgenommen.
5 Uberlieferung:
a. Venedig, Cod. Marc. gr. 5z7 Ío-1.- r 7 6-1 99v., (Bessarions Handexempl ar,)
b, Venedig, Cod. Marc. gf, r89. fol. zg4v-3r6v,
=--

394 t. Neue Êrörterungen über Platon und Aristoteles. Der Streit ùber den aristotelischen Substanzbegriff' 995

aufgeworfen worden, als man über Gemistos' Schriften sprach. Die Haupt- Bessarions rwillen sei,r und schrieb deswegen eine Erwiderung: Ilgòe
rolle spielte Theodoros Gazes, der aber außerhalb von Rom ìveilte.l ùq t,nÈg Àqøtotü.ous negi oiaíaç xaù llTtiÛøuog, Seo\atqou æõ fülr¡
Nach Aristoteles - so erörtert Bessarion ]7,¡¿1i¡tp,ttç.2 Es war im Jahre 1461. Der Kardinal , der von all dem
- waren die Einzelwesen
erste und hauptsichliche Substanz, nicht die allgemeinen Gattungen und keine Ihnuug hatte, war damals auf seiner Legationsreise in Deutschland.
Ideen. Genistos dagegen faßte die Substanz in platoniscbem Sinne. Er Michael Apostolios war einseitig. Aristotelesgalt ihm nichts' Die Platouiker,
hielt die Allgemeinbegriffe für das eigentliche Sein, während er die ari- namentlich Gemistos, schienen ihm zu Unrecht behandelt. Er legte Ver-
stotelische Betrachtungsweise als unbrauchbar ablehnte. Demgegenüber wahrung ein, was ohne harte Worte gegen Gazes nicht abging; denn er
verrät Bessarion auch hier wieder den Eklektiker. Seine Stellungnahme drohte ihm Vergeltung für die Unbill, die er dem >weisen< Plethon an-
ist noch nicht entschieden. Er will die Sache noch untersuchen lassen getan habe. Für den Fragepunkt bei Aristoteles dagegen zeigte Apostolios
und vorläufig nur die Wege zeigen; denn obwohl Platoniker, ist er von iein allzu großes Verständnis, und was er zugunsten der platonischen Ideen
der platonischen Ideenwelt noch nicbt überzeugt. Wenn es wirklich Platons vorbrachte, war nicht schwerwiegend (c' 3).
Ideen gäbe, so führt er aus, dann hätten sie als das zuerst Seiende zu gelten, Es dauerte nicht lange, da machte sich über diese schwache Apologie
Existieren diese Allgemeinbegriffe nicht, dann gibt Aristoteles mit Recht Andronikos Kallistos her mit einer unrfangreichen Gegenschrift, die
den Einzeldingen den Yoriag; dann haben jene ihre Existenz nur im sich an Bessarion richtete.s Man hat diese neue Kamplschriit verschieden
denkenden Subjekt. Die Entscheidung überlaßt Bessarion weiterer Kritik; beurteilt. L. Stein feiert sie als ein philosopbisches Meisterwerk, während
aber er will augenscheinlich doch wieder Aristoteles nit Platon in Ein- sie Gercke als Schmähschrift betrachtet.{ Mag im ersten Fall dem Byzan-
klang bringen. tiuer auch zu viel Ehre erwiesen sein, so war seine Arbeit doch uicht so
Da aus Bessarions Umgebung damals niemand eine Entscheidung inhaltlos, wie es nach den Proben bei Gercke scheinen könnte' Tatsächlich
geben konnte, wandte sich der Mönch Hesaias an Gazes, und dieser er- war Andronikos an philosophisctrer Bildung seinem Gegner doch tiberlegen.
örterte seinen Standpunkt in einer kleinen, aber gründlichen Schrift: ilçòg Ebensowenig war er einseitig auf Platon oder Aristoteles eingestellt. Beide
ID,í¡& av a ónèp Ápnt ot ü.oug.z kamen zu Wort. Gazes freilich hatte besonderes Lob zu erfahren, zumal
Gazes entscheidet sich ganz für Aristoteles. Plethon habe in seiner in der Einftihrung an Bessarion. Bei aller Gründlichkeit blieb aber auch
Erklärung des Aristoteles mehrfach Fehler begangen. Dann entwickelt er Andronikos nicht tiberall sachlich. In der ganzen Schrift regnet es ân
die aristotelische Unterscheidung von r. und z. Substanz, um mit Ari- persönlichen Vorwürfen und Schmähungen. Er rechnet den armen Apo-
stoteles zu zeigen, daß das Einzelding den Vorzug vor dem Allgemein- ,tolio, zu den Konödianten und versichert ihm, daß ihm Plethon wohl
begriff verdient. ' Für Platon und seine Schule hat er nur übrig: >Ari- selber Prügel verabreicht hätte.
stoteles hat das öfter und besser gesagt.< s Bessarion hörte von diesen Zänkereien erst, als er im November r46t
Der Ton der Schrift mußte reizen. Außerdem kannten die Ferner- aus Deutschland zurückkehrte.s Er war sehr ungehalten. Vielleicht hat
stehenden nicht den inneren Zusamrhenhang der Dinge. So n:einte auch seine Krankheit dazu beigetragen. Michael Apostolios erhielt einen
Michael Apostolios, daß das Eingreifen des Peripatetikers gegen 1 Vsl. dazu die drei Briefe an Bessarion und Hesaias, die Michael Apostolios
seiner Schr"il-t zum Geleit gab, bei Noiret, Lettres inèdites de Michel Apostolis nn' tz.
h. Mailand, Cod. Ambr. gr.9zB (D II8 inf.) fol. gt"-96. r3. 26. Y.gl. Legrand E, Bibliographie hellénique Il. z4o. 24t' 247'
i. Mailand, Cod. Ambr. gr. T. l. 6. '?Uberlieferung:Palat. gr. 275.
k. Escurial, Cod. gr,96 (>. III. r) fol. r48-r5rv. a. Rom, Cod.
l. München, Cod. gr. z7 îol.84a-85, b. Rom, Cod. Barb.84.
Druckausgabe; III. Band (Ungedruckte Texte), c.. F|orá,n2, Bibl. Laui. gr. Plut. 58' Cod. y foL 9r-96.
t Vgl. Legrand E., Bibliographie hellénique Paris r885. I. p, XXXV. d. Mailand, Cod. Ambr. gr. M 4I íol. 9o-97.
z Uberlieferung: e. Mailand, Cod. Anrbr. gr' M 95 fol. t-7.
f. Escurial, Cod. gr. 74 (2' I' r8) fol. I - Iov.

ó Vgl. oben S.
3o1.
T

396 5. Neue Erörterungen úber platon u¡rd Aristoteles. Michael Apostolios. Theodoros Gazes und Argyropulos. 39?

gehörigen verweis, bei dem man deutlich den Einfluß des Andronit¡os Schreiben um Nachsicht.r Damit hatte der unerquickliche Zwist sein Ende
herausfühlt. von viterbo aus) wo der Kardinal augenblicklich Erholung gefunden.
suchte, schrieb er ibm am rg. Mai 146z.r >Zu meinem Leidwesen habi Dieselben Fragen tauchten viele Jahre später, wenn auch unter einer¡
ich gehört, daß Du Theodoros der unwissenheit bezichtigt hast. Du hast anderen Gesichtspunkt nocbmals auf. Bessarion, Jobannes Argyropulos
aber auch Aristoteles selber einen unwissenden, albernen Schwätzer ge- und Theodoros Gazes waren daran beteiligt. Die bisherigen Darstellungen
nannt, und doch ist er unser Lehrer in jeder wissenschaft. Das ist doìh geben davon kein richtiges Bild. So helt L. Stein Gazes' Antirrhetikon
w¿hrlich mehr als unverschämt. Ich konnte es schon kaum ausstehen, falschlich für eine Erwiderung gegen Plcthon,2 und auch bei Gercke ergibt
wenn Plethon in dieser weise gegen Aristoteles polterte. Jener war noch sich kein klares Bild, wenn er Bessarions Brief an ,\rgyropulos lediglich
ein bedeutender Kopf. Du aber verstel¡st in diesen Dingen doch rein als ein Vorwort zu dem Antirrhetikon betrachtet.s
gar nichts.<2 Imrnerhin schienen Gazes wie Plethon dem Kardinal über Bessarion hatte in seinem In Calumniatorem Platonis 'die Be-
das rechte Maß hinausgegângen zu sein; aber Theodoros nennt er doch merkung gemacht: Er habe in dem Werk des Trapezuntios eine Unter-
den bedeuts¿msten Griechen seiner Zeit, und Plethon stellt er in eine Linie suchung der Frage gesucht, ob es Allgemeinbegriffe wie Fornren und ldeen
mit Plotinos, Porpbyrios und Attikos.B Aber möge sich Apostolios einen gebe, die ftir sich gesondert bestehen, oder ob sie von den Einzeldingen
Gazes zum vorbild nehmen und Platon wie Aristoteles gleich gut studieren. nicht zu trennen seien; und im ersten Falle, ob sie objektiv bestehen oder
Dazu mahnt er ihn, auch Andronikos' Schrift zu beachten. So Bessarion. nur in unserem Denken beruhen.r Diese Worte griff Johannes Argyro-
wertvoller als diese persönlichen Auseinandersetzungen will uns hier pulos auf und leistete Widerspruch. Leider ist seine Schrift bis heute
vielleicht der Blick in Bessarions Denken und Füblen scheinen. Seinen noch nicht wiedergefunden; wir haben nur einige, zum Teil wörtliche
Lehrer Plethon, den er hier tadelt und feiert, hat er doch sehr hoch ge- Zitate in Gazes' Antirrhetikon.
schätzt, und nicht weniger den jüngeren Gazes, also den Platoniker und Argyropulos knüpfte an die lateinische Ausgabe an. Dabei hatte
den Aristoteliker zu gleicher Zeit. Dem entsprach auch, wenn er schrieb: er aber den Text nicht rìchtig verstanden und fehlerhaft ins Griechiscbe
rrwisse, daß ich Platon liebe und nicht minder Aristoteles achte, beide zurückübersetzt. Wenn z. B. die lateinische Bearbeitung den Ausdrucli
aber als die weisesten Männer verehre.<{ Bessarion war Eklektiker. èv Vú.aîg èruola4 mit in secundis aninri conccþtibus wiedereegeben hatte,
Anr gleichen Tage schickte tler Kardinal eine Abschrift seines Briefes so entsprach das wohl der lateinischen Terminologie; aber Argyropulos
übersetzte letzteres wieder mit dp ðwtégarç èntaoíary.6 Daraus zog er
dem Andronikos Kallistos mit wenigen Begleitworten.ó Er war in allem
mit ihm einverstanden; aber er wollte die sache beigelegt wissen. weiter dann seine Folgerungen. Als Bessarion diese Ausstellungen zu Gesicht
kamen, ging er, wie er sagt, mit Gazes daran, den Sachverhalt zu prüfen,
hatte Andronikos die Genugtuung, daß ihm Nikolaos Sekundinos bei-
pflichtete. Das Schreiben dieses Manneso spiegelt die stimmung wider, d. h. die eigentliche Arbeit überließ er g nz dem Peripatetiker. Gazes
schrieb ietzt sein Antirrhetikon,6 eine trockene, aber eingehende Unter-
die er in Bessarions Kreis in Rom und viterbo vorfand. Hier war Gazes
suchung, mit der er die Frage in aristotelischem Sinne entschied. Im
als Gelehrter eine anerkannte Persönlichkeit. Michael Apostolios, der sein
genzen ist diese neue Schrift eine Vereinigung von Einzeluntersuchungen,
voreiliges Benehmen einsah, bat aber den Kardinal in einem demütigen
die als solche den Aristotelismus der Renaissance charakterisieren.
1Überlieferung: Bessarion v''ar mit der Leistung zufrieden; aber er zögerte doch, die
a. Paris, Bibl. nat. Cod. gr. r75r.
b, Paris, Bibl. nat. Cod. gr. r76o.
c. Paris, Bibl. nat. Coð. gr.2652.
_ d. Paris, Bibl. nat. Cod, gr. 3o53.
Dru c kau sga be n:
a. Boissonade, Anecdota graeca, Parisiis l8zq-31. V 'l 77'
b. Boivin in Atadémie des"inscriptions et bellós-lóítres lt. P.77t'
687-492.
so.
tí. 692 t.
c.
men mit Bessarions Brief an M ichael Apostolios
Druckaulgaben_: Neben den obengenannten bei Migne, P. gr. 16r,69t-696.
0 Sekundinos' Brief vom
t. Juni i56z bei Mignef p.' gt. 16r, 69t-766 ir
der Nota,
398 5. Neue Erörterungen ùber Platon und Aristoteles'

Schrift en Argyropulos weiterzugeben. Offenbar wollte der greise Kardinal


leidige Zwistigkeiten nach früheter Weise vermieden wissen. Wohl des-
wegen hatte auch Gazes seinen Gegner nirgends mit Namen genannt.
Am En<le ließ Bessarion die Arbeit denr gefurchteten Philosophen doch
noch zugehen, aber nicht, ohne daß er ihn in einem gleichzeitigen Begleir
schreibenl bat, sie >ohne Zank und Galle zu lesen und zu beantworten, c. Der Kritiker und Sammler.
wenn er das für nötig halten. Ob ein weiterer Widerspruch erfolgte,
wissen wir nicht.
r. H e rm eneu tr'" -i::îHJlìi.ï;. Ü bersetzun gen.
ln'"i'j:".
Zeitlich Iäßt sich dieser Meinungsaustausch in die Jalrre von r469-72
festlegen. Denn einerseits knüplt Argyropulos an die Ausgabe vom Jahre Als Humanist richtete sich Bessarion vornehmlich auf philosophisches
1469 an; anderseits begab sich der Kardinal im April r47z zrls Legat Gebiet. Dazu war er ein gründlicher Kenner des Altertums und nicht
nach Frankreich. Es war also zum letztenmal in seinem Leben. daß Bes- weniger ein geistreicher Schriftsteller. In diesem Lichte lassen ihn die
srrion in literarische Fragen eingegriffen hat. besprochenen Arbeiten erscheinen. Doch ist seine Bedeutung damit nicht
erschopft. Besserion war auch Kritiker. Wir hörten bereits von seiner
r lJberlieferung: Fahigkeit auf diesem Gebiete, da wir von seinen Textstudien über eine
a. Florenz, Bibl. Laur. gr. Plut. ¡i Cod. I¡ fol. rv.
b. Rom, Cod. Vat. gt. r)9, fol. 9-9v. verdächtige Stelle bei Basileios handelten. Das gehörte noch einem früheren
c. Rom, Bibl. Valliõellana Cod. gr. r89 (CVIll) n. 5. Lebensabschnitt an und stand ganz im Zusammenhang rnit den Fragen,
d. Mailand, Cod. Ambr. gr.9z8 (D, rr8 inf.) fol. Ilgv-I24v.
Druckausgaben: die das Konzil und die kirchliche Union betrafen.l Hier haben wir es
a. Bei Banãini, Catalogus codicum graecorum Bibliothecae Laurentianae Flo- abermals mit einer kritischen Leistung zu tun, mit der er sich wohl auf
rentiae r7ó8. ll. 275 sqq.
b. Ill. Band (Ungedruckte Texte) Briefe n. ó1. theologisches Gebiet begibt; aber es ist rein philologische Arbeit an einer
Bibelstelle obne irgendwelchen kirchlichen Hintergrund. Bessarion wird
hier der Vorläuler eines Lorenzo Valla und Erasmus.
Es handelte sich um die Übersetzung der lateinischen Vulgata von
Joh. zt, zz. Der griechische Text: 'EèÐ aòròa Sü"o péaew iag EpXo-
paq ti npètq aÉ; war lateinisch wiedergegeben mit: Sic eum aolo møner¿
donec aeniam., quid ad te? Bestand das zu Recht? Oder mußte es nicht
besser si eum volo tttønere heißen? Darüber war in kirchlichen wie huma-
nistischen Kreisen seit einiger Zeit ein Streit entbrannt, zu dem Georgios
Trapezuntios, die erste Veranlassung gegeben hatte, und zwar mit seiner
Übersetzung von Kyrillos'Kommentar zum Johannesevangelium. Das lag
mindestens schon bis zum Jahre l45o zurück.2 Trapezuntios vertrat den
Standpunkt, daß die lateinische Wendung Sic eum aolo manere allein richtig
sei, und daß der Apostel Johannes, wenn auch verborgen, noch am Leben
sei, wie die alte Legende von ihm berichte. Als die Erregung wegen des
Ftir und Wider schon hoch ging, äußerte er sich in einer eigenen Ab-
handlung, die en Petrus de Monte, Bischof von Brescia, gerichtet v/ar
und heutzutage verschollen zu sein scheint.e Jedenfalls ist sie mit der

I Vgl. oben S. zo6 f. Philologische Kritik i¡bte Bessarion selegentlich auch


- Brief des Patriarchen Maximos aõ Pãpst Marinus.
auf dem _Konzil -gegenùber dem
Migne, P. gr. 16r, 584.
,. Ay_r7.. April r45.o schrieb Trapezuntios deswegen an Barbaro, Vgl.
-Francisci Barbari Epistulae (ed. Q¡irind, Brixiae r741).
-Gazes
., D.r^ nach^Georgios in seiner Invektive gegeh
Theodoros Gazes .S. r8.
(Cages), bei Gercke,
400 ¡. Hermeneutisch-kritiscbe Fragen. Bessarions Übersetzungen' Bessarions Textkritik am Neuen Testement. 401

viel späteren, bei Migne gedruckten Schrift, die sich an Sixtus IV. richtet, die in der Kirche Alleinberechtigung erlangte. Für Bessarion ist das alles
nicht gleichzusetzen.l Auch dem König Alfons von NeaPel eröfterte Trape- Beweis genug, daß man ftir die Erklärung nicht an eine Übersetzung ge-
zuntioi seine Gründe, und zlilar in der Invektive gegen Gazes' Vor alleru bunden ist, daß man sehr wohl auf die Urtexte zurücftgehen kann (c. 5).
betonte er, daß die lateinische Fassung ihre Berechtigung habe und nicl:t Dann die kritische Gtite des Textes. Das griechische Neue Testament
dem griechischen Text zuliebe verändert werden dürfe.z An diesem erscheint ihm hier als feststehende Größe. Die Vulgata ist demgegenüber
Punkte griff Bessarion ein. Vermutlich hatte er sich zuerst in seiner nicht einwandfrei. Es finden sich Zusätze und Abstriche. Einzelne Worte
Akademie zur Sache geäußert. Aus diesen mündlichen Vorträgen ging sind nachtraglich durch ¿hnlich lautende von ganz andeiem Sinn ver-
seine diesbezügliche Schrift hervor, die nur in lateinischer Ubersetzung tauscht. Bessarion kann hierfür mit überraschenden Beispielen dienen, die
einige Verbreitung fand. Das griechische Orginal liegt ausschließlich in er einer alten Zusammenstellung aus der Mitte des lz. Jahrhunderts ent-
Bessarions Handexemplaf vor und blieb bisher unveröffentlicht.3 Bessarions nahm. Tatsächlich sei schon damals der Vulgatatext so verdorben gewesen,
Eigentùmlichkeit, den Gegner zu schonen, zeigt sich auch hier wieder: daß jener Verfasser, der Kardinaldiakon Nikolaus Hieronyntus? Worte an
in der iateinischen Übersetzung verneidet er es, ihn mit Namen zu Damasus wiederholen konnte: Quot codices, tot exemþløriø; wd damals
nennen.¿ schon seien Vorschläge zur Verbesserung der Texte gemacht worden
Was die Abfassungszeit betrifft, so war man früher geneigt, Bessarions (.. z. 8).
Abhandlung in die Jahre t47tl7z zu verlegen, weil man die z. Abhandlung So helt es Bessarion denn für aìlein richtig, in derartigen Fellen die
des Trapezuntios als die Veranlassung betrachtete. Da nach dessen In- Übersetzung nach dem Urtext zu verbessern, und zwar beruft er sich, um
vektive ãus der Zeit von ry53154 die Frage schon früher erörtert wurde, jedem Einspruch das Wort abzuschneiden, auf Hieronymus und Augustinus,
rückt auch Bessarions Arbeit weiter hinauf, vielleicht in die Zeit, da er die das ebenfalls als Regel aufgestellt haben (c. 9). Es war das zwar nicht
r4jj von Bologna zurückgekehrt war. In frühere Zeit verweist auch der der richtige Weg, unr den ursprünglichen Vulgatatext wiederherzustellen.
chionologisch geordnete Cod. Marc. gr. 527, der De natura et arte hinter Es hetten die einzelnen Handschriften nach Alter, Herkunft und Ver-
die vorliegende Abhandlung stellt' wandtschaft geprüft werden müssen, um eine Grundlage für einen ein-
Bevòr Bessarion auf die umstrittene Stelle eingeht, behandelt er ein- wandfreien Text zu schaffen. Bessarions Vorschlag wurde bald auch von
zelne Grundfragen aus der Textkritik und der Geschicbte der Bibeltiber- anderen Zeitgenossen angewandt. Da der griechische Text selber kritisch
setzungen. Um so bemerkenswerter ist das, als diese Gegenstände erst hcichst unsicher war, führte dieses Verfahren in den späteren \¡ulgataaus-
viel spater im Rahmen der biblischen Einleitungswissenschaft ihre Pflege gaben bekanntlich zu noch größeren Verheerungen.
erfahren haben. Bessarion spricht von der Septuagintâ, die auch bei den In vorliegendem Einzelfalle war freilich auf diesem Wege schon etwas
Lateinern im Gebrauch \tar; von den mehrfachen lateinischen Übersetzungen' zu erreichen. Das griechische 'Eàv aí:tòv ûé).ø pívew ist mit dem lateini-
¿uf die Augustinus verweist, die meist aus dem Griechischen, seltener aus sclren Src eum volo tna,nere gewiß nicht richtig wiedergegeben. Was ist
dem Hebräischen stammten; dann von der Übersetzung des Hieronymus, hier wahrscheinlicher, als daß ein ursprüngliches si in sic verändert wurde?
r Misne, P. gr. r6r, 861 -882, Trapezuntios spricht hier verschiedenttich von Bessarion ftihrt für derartigc geringscheiuende Varianten der Vulgata, die
seiner fri¡heien Schritt. Vgl. Col, 868 D. 87o A. 872 A. gegenüber dem griechischen Text einen völlig anderen Sinn ergeben, noch
e Das im Cod. Vat. lat, 1384 fol. S6v-63.
s Venedig, Cod. Marc. 8r' mehr ßeispiele an. So liest ein Kodex stett nec ex aoluntate carnis (Joh.
llberlieferung des griêihischen-Textesi 527
Íol. r6o-t74Y r, r3 otìdè èx &el.riparos aagxóc) ex alluþtdtc. Anstatt øccepit eam discipulus
Han-dschriften der lateinischen Ubersetzung: ílle in sua (Joh. rg, 27. "ElaBeu ó pagr¡tì¡ç aìnì¡u eì.ç øâ Tdra) haben
'
fast alle Kodizes øcceþit ea.n in suarn d,. h. in suøm tntüretn, was vielleicht
zlt-252. durch die vorhergehenden Worte lululíer, ecce f.lius tuus und ecce ma.ler
a. Sopt' fol,
. 54 Cod. z Íol. r99Y-zzza. tuø veranlaßt worden ist. Im Griechischen wäre diese Deutung nicht
to-27Y' möglich. In der Ste\le ødducunt Jesum a Caipha (Joh. 18, zB 'Ayouaru
6s-n'
4 f.ol. 267-278. oÌty tòp'fqaoõa à,nà' æõ Kairí7a eìç ù nçandEou) schlich sich, ad
D ruckausgaben: Cøíphøm in þraetorium ein. Im Griechischen ist des bei der Verschieden-
a. Hage;ovae, apud Joan, Secerium' I5J2 mense Febr' (nur lat')'
b. Miine, P. gr. ióI, 627-64o (nur lat.). heit von d¡d und øgds unmöglich. Dasselbe trifft ruch bei obigem si
i. lli,'S.áa (ÜngedrúcktóTexie), Bessa'rion, In illud: Sic eum volo manere und s¿c gegenüber griechischem êdp und újtos zu. Ebenso bringt Bes-
lpriech.
---n und lat,),
'o- Bessaíion, In illud: Sic eum volo manere' c. 17 (zweimal). sarion Belege, daß willktirliche Zusälze und Randbemerkungen in den
üohlcr, Ka¡dinal Bes¡a¡io¡. t, ,U
Bessarion und Lorenzo Valla. 403
402 ¡.Hermeneutisch-kritischeFragen. BessarionsÜbersetzunger,r.

lateinischen Text gekommen sind, Auch kann er ungenaue und falsche unmöglich. Der Text muß wie im Griechischen lauten: Si eum aolo
Übersetzung feststellen (c. ro). md.nere donec aeníøm, quid dd t¿? Tu nte sequere.
Alte Handschriften für die Richtigkeit des griechischen Textes kann Die Frage konnte damit als erledigt betrachtet werden. Was Trape-
der Kritiker freilich nicht anführen. Statt dessen verweist er auf die älteren zuntios nach Jahren nochmals vorbrachte, um die alte Legende zu retten,r
Exegeten wie Origenes, Chrysostomos, Kyrillos, denen der Text allgcmein brachte keine neuen Ergebnisse. Aber es beleuchtet sein Verhältnis zu
in der jetzigen Form vorgelegen habe. Diese Tatsache haLre auch Thomas Bessarion, wenn er dort zum Schlusse in versteckter Weise seine ge-
von Aquin bereits ermittelt (c. n). Daß Augustinus sich bei einer Er- hässigen Angriffe gegen ihn richtet.
klärung an sic gehalten hat, sei kein Gegenbeweis; er habe noch mehr
'Worte Bessarions Arbeit bliebnicht unbeachtet. Seine Entscheidung zog
Ungereimtheiten unbesehen hingenommen. Der Schwung seiner
vermöge den Leser nur zu leicht tiber die inneren Schwierigkeiten hinweg- ihre Kreise zu Lorenzo Valla und von da weiter bis zu Erasmus. Ftir
zutäuschen. Jedenfalls scheint ihm Hieronymus sich nirgends in dieseru Bessarion ist es höchst ehrenvoll, daß Valla, der erste Philologe seiner
Sinne geäußert zu haben (c, 13.r4). Allegorisch lasse sich freiiich ieder Zeit, dem er freilich tuch unschätzl¡are Dienste geleistet hatte, 2 große
Text erklären; für den Literalsinn versage aber alles, wenn der Text nicht Stticte auf ihn hielt. Schon bei seiner Thukydides-Übersetzung hatte Valla
genau ist (.. t¡). mit der Beihille des Kardinals gerechnet. Möglicherweise hatte Bessarion
I)er Einwand, daß in der Hl. Schrift keine Änderungen zulässig die erste Veranlassung zu diesem Übersetzungswerk gegeben. Wenn sich
seien, sei eigentlich schon nach dem gekennzeichneten Tatbestand hin- damals alles zerschlagen hat, so war nur der Umstand daran schuld, daß
fallig. Sage aber nicht Hieronymus, daß er selber am Bibeltext unablässig Bessarion wegen seines Legationsaultrages sich nach Bologna begeben
geändert und gebessert habe? Spätere haben die Bibelkorrektorien angelegt. mußte.3 Jetzt erhielt Valla durch die Abhandlung über das Sic cum aolo
Was soll jetzt der Änderung eines landgreiflichen lrrtums im Wege stehen manere die Anregung zu seinen Adnotationes zum Neuen Testament, einer
(c. r6)? kritischen Arbeif, die reichhaltigen Stoff zur Verbesserung der Vulgata
Und endlich der Sinn der Stelle. Die Anhänger des lateinischerr vorlegte, die dem kühnen Kritiker aber auch sofort den vorwurf ein-
Textes hatten zu beweisen gesucht, daß das griechische Èàa ûé7ø péuetv brachie, er wolle den hl. Hieronymus meistern.a valla beruft sicb bei
sich inhaltlich mit s¿c eum uolo rndncre decke. Denn, redeten sie sich ein, anderer Gelegenheit ausdrücklich auf iene Kritik Bessarions wie auf seine
Bàp mit dem Indikativ bedeute eine Gewißheit. Jener Satz sei also in Ratschläge.5 Allerdings fehlte valla, was auch Bessarion abgegrngen war:
bejahendem Sinne zu verstehen. Christus wollte sagen, er lasse seinen ein umfangreicher Handschriftenbestand und die Kenntnis von den besseren
Apostel nicht sterben; und der Schluß des Trapezuntios ist: der Apostel Lesarten.o Vielfach kannte Valla aber auch das Griechische nicht genügend,
vor ¡llem nicht das Hebräische. Daher vielfach seine unberechtigten Ur-
Johannes lebt noch heute und bis an das Ende der Zeiten'l Bessarion
widerspricht: Weder die Grammatiker noch die Dialektiker kennen ðdz teile. Das scheint auch Bessarion an Vellas Arbeit übersehen zu haben,
in dieser Bedeutung. Es handelt sich stets und auch hier um einen Be- und Nikolaus Cusanus, der sie als äußerst wertvoll betrachtete, merkte
dingungssatz, bei dem von einer Übereinstimmung mit jener lateinischen ebenfalls nichts tlavon.? Es war die erste Begeisterung, die bei dieseur
Wendung nicht die Rede sein kann. Auf alle Fälle ist aus dem griechischen
Wortlaut weder ein bejahendes, noch ein verneinendes Urteil zu entnehmen;
ebensowenig aus dem anderen Beispiel, das die Gegner anführen: Wenn
nämlich jemand an einem Fasttage geftagt, zur Antwort gäbe: .9r comedo,
quid ad te? Das kann ebensogut beiahend wie verneinend gemeint sein.
So auch hier. Der weitere Zusammenhang verlangt aber die Stelle in
verneinendem oder zweifelhaftem Sinne zu deuten; sonst käme man zu
Ungereimtheiten. Wie sollte tnan den Nachsatz des Evangelisten ver-
stehen, der ausdrücklich betont, daß der Herr gesagt habe, 3u oòx àno-
Ourjaxu (c. I8-zo)? Kurz, das l¡teinische sic ist nach jeder Hinsicht
-
II. -'-;
--' z¡8.
t Vgl. dazu Trapezuntios'spätere Schrift bei Migne, P.8r.r6t,872. Laurentii Vallae Opera. Antidotum in Poggium lib. IV' P. t4o' '' quo-

87t sqq' nìam multu¡n mihi þtacet et utilis est þro intclleclu sacra¿ scriþturae'
26r
_Y

104 r. Hermeneutisch-kritische Fragen, Bessarions Übersetzungen. Bessarion als übersetzer. 405

ganz neuen Versuch die Geister blendete. Wie sehr übrigens Bessarion Gedanke, seine Theologie auch im Abendland bekannt zu nrachen.l Etwas
für eine neue Übersetzung der Hl. Schriften eingenommen war, zeigt der Gelehrteneitelkeit spielte wohl auch mit. Aber die Lateiner waren ihm
als Graecus Venetus bekannte Cod. Marc. gr. 7 aus seiner Bibliothek.l daftir dankbar. Das beweisen die mehrfachen Abschriften. Einem merk'
würdigen Einfall entsprang die Übersetzung von Demosthenes' L Olyn-
Wir kommen zu Bessarions Übersetzungen. Seine frühesten Lei-
stungen, als die wir seine Übersetzungen einer Basileios-Homilie2
thischer Rede. Sie mußte ihm dazu dienen, um Italien zum Krieg
und
gegen die Türken aufzurufen, da er fand, daß Demosthenes' Lage der
von Xenophons Denkwürdigkeiten des Sokratess bereits namhaft
war.z Schließlich gehort hierher auch die lateinische Be-
seinigen ähnlich
rnachten, sind nichts weiter als Stilübungen in der neu erlernten lateinischen
arbeitung von Bessarions In Calumniatorem Platonis. Die äußere
Sprache. Beide Arbeiten kamen noch vor 1444 zustande. Eine besondere
Form wäre hier allerdings glänzend; aber es ist fraglich, r+'as hier Bessarion
Rolle spielte bei diesem Studium von Anfang an eine alte Aristoteles-
und was seinen Mitarbeitern zuzuschreiben ist.8 Immerhin galt der Kardinal
Ubersetzung, die wohl bei ihm auch den Gedanken zu einer völligen
Neubearbeitung der aristotelischen Schriften q'achgerufen hat. Das Er-
in seiner Umgebung damals als guter Lateiner, dem auch cin solches Werk
zuzutreuen war; sonst hatte ihn nicht Niccolò Perotti aufgefordert, im An-
gebnis war seine Übersetzung von Aristoteles' Metaphysik und von
schluß daran auch Pletons Gesetze ins Lateinische zu übertragen. Aber
Theophrastos'Metaphysik-Fragment. Sie fellt in die Zeit von
auch das erf¡hrt sofort wieder seine Einschränkung, denn Perotti enrpfiehlt
r447 - r45o und zeigt ihn bereits als fertigen Lateiner.a
ihm dazu seine und Gazês'Mithilfe, offenbar im Hinblick auf philosophisches
I¡n Zusammenhang mit den zaletzt genannten Arbeiten sei auch er- Wissen und sprachliche Abrundung.a
wähnt, daß uns Bessarion auch hier rvieder als Kritiker begegnet. Er Was für Anforderungen Bessarion arr einen guten Übersetzer stellte,
hatte gehört, daß einzelne Literaturkenner Theophrastos' Pflanzenbeschrei-
hat er gelegentlich einmal gesagt. ¡¡Wer übersetzt, muß vor allem die
bung dem Aristoteles zulegten. Der Stil wurde als aristotelisch betrachtet.
Sprache, aus der er überträgt, beherrschen. Er darf nicht nur allgemeir:
lìessarion, der infolge seiner Übersetzertätigkeit beide Autoren gut kannte,
den Inhalt wiedergeben, sondern muß Wort für Wort übertragen. Be-
hielt das für keinen durchschlagenden Beweis. Beide sind sich so ähnlich
sonders gilt das bei den Hl. Schriften, wo nicht nur die einzelnen Worte,
wie vater und Sohn, sagt er. Ihre Schriften lassen sich schwer vonein- sondern selbst deren Reihenfolge nach Möglichkeit zu wahren ist.<ó Diese
ander unterscheiden. Es gebe noch ein werk über die Pflanzen in drei
Grundsätze hatte er in früherer Zeit auch einrnal mit Georgios Trape-
Büchern, das unwidersprochen dem Aristoteles zugeschrieben werde. Das
zuntios besprochen und auch von ihm die Bestätigung erhalten, daß wört-
vorliegende, das einen größeren Umfang aufweise, fehle in den Listen der
lich zu übersetzen sei.0 Auch was er zugunsten des Johannes Argyropulos
aristotelischen Schriften; namentlich sei es den Lateinern unbekannt, die
über dessen Übersetzung von Aristoteles' I. Ethik gegen Lionardo Bruni
gerade über Aristoteles sehr gut Bescheid wissen. wichtiger ist ihm aber
sagt, zielt dahin.? Es ist das um so bemerkenswerter, als die zeitgenössiscben
ein Zeugnis aus dem Altertum. Galenos zitiert eine stelle wörtlich und
Humanisten sich die größten Freiheiten im Übersetzen erlaubten. Auch
nennt Theophrastos als verfasser. Bessarion vermerkte diese Beobach-
Ambrogio Traversari hat seine Kirchenväter nicht rein wörtlich übertragen.s
tungen in dem Exemplar seiner Theophrastos-übersetzung, dem heutigen
Der Zeitgeschmack verlangte bei elegantem Latein auch viel Schwung und
Cod. Marc. Iat. 274.5
Pathos, allerdings gar sehr auf Kosten der Genauigkeit. Die griechischen
Späterer Zeit gehören Bessarions übersetzungen von eigenen Ar-
Klassiker in lateinischem Gewand unterscheiden sich oft recht merklich von
beiten an: seine Apologie für Bekkos, seine dogmatische Rede auf dem
den ursprünglichen Texten. Bessarions Übersetzungen zeigen <iemgegenüber
Konzil, sein schreiben über das Dogma an Alexios Laskaris und sein
Rundschreiben an die Griechen.6 Maßgebend war hier, wie er sagt, der
I Vgl. Bessarions Brief en Paul II. bei Migne, P. gr. rór, 3I9 sq. Vgl'
oben S.lrt f.
t Vgl. desu'e¡eo unten. Weßen Demosthenes', der frùher und später ähnliche
Bedeutung-erlangt [at, sind die zù er*'artenden Veròffentlichungen von E, Drerup
heranzuziehen.
¡ Vgl. oben S.
. Vgl. oben S. ¡ó¡.
¡ Bðsserion, Iirl8¿.illud: Sic eum volo manere. c. ¡. Etwas freiere Grundsåtze
¡ Gedruckt Lovanii r5i3. vertrât
r Vgl, oben S. )lt-)45.
t.Die Bemerkungen gedruckt bei Migne, P. gr. 16l, Col. CLV n. r. Vgl. 1t,nl.''
-
r.?4J t.
oben
ungen urteilte, vgl. Vespasiano
. Vgl. oben S, zr3 n, 6; zr8 n. z; zr9 Í,;224 n, t;24o n, r, da Bi ed. Freti I. 53.
-T

406 r. Hermeneut¡sch-lritische Fragen. Bessarions Übersetzungen. lJessrrions sprachlichcs Können. 107

strengste Wrirtlichkeit. Mitunter mag daher sein Ausdruck nicht lateinisch Konzil zeigt.r Und wo er die Betrügereien mit Textfälscbungen bloß-
erscheinen, aber sein Text ist lesbar und, wie bei seiner Metaphysiktiber- stellt, bricht auch bei ihm seine Entrüstung durch.g
setzung zu beobachten ist, ungleich flüssiger als die älteren Übersetzungen. Später ändert sich sein Stil. In den kleinen philosophischen Schrilten
Wie er bei anderer Gelegenheit benrerkt, wagte er es, in seinem lateinischen ist er zwar trocken. Aber von einem eigenartigen Feuer sprüht sein Brief
Aristoteles sogar neue Fachausdrücke einzuführen. Er befand sich dabei an die Söhne Plethons.s Das ist nicht mehr der ntichterne Theologe, hier
iru bewußten Gegensatz zu den alten Erklärern und hat bei den Zeit- spricht der Platoniker, der sich an Gedanke und Sprache begeistert. Den-
genossen damit offenbar auch Aufsehen erregt. Al¡er er halte sich lieber selben Geist atmet sein In Calumniatorem Platonis. Hier hat Platon den
an den griechischen Text, erwidert er; und daß er dabei eine bessere Ausdruck bestimmt. Platons schwungvolle Bilder ergeben von selbst diese
Übersetzung geliefert habe, könne entscheiden, wer in beiden Sprachen Sprache. Platonische Farbengebung dringt überall durch. Von da stanrmt
zu Hause sei.1 Im Gegensatz zu diesem Streben nach wortgetreuer Wieder- die anziehende Kraft, die das Werk auf den Leser ausübt. Bei allem kunst-
gabe hat Bessarion seine theologischen Schriiten lateinisch in so freier mäßigem Aufbau findet sich auch hier zuweilen ein etwas verschlungener
Form bearbeitet, daß Petrus Arcudius sich veranlaßt sah, sie nochmals Stil. Eine Eigenheit von Bessarion ist es hier, für ein Verbum finitum
wörtlicher zu übersetzen, und daß ein späterer Herausgeber Bessarions das Partizip selbständig zu gebrauchen. Oder er verwendet anstatt eines
eigene Übersetzung nicht mehr neben den griechiscben Text setzte.z Satzes ein Substantiv, das von irgend einem regierentlen Verbum des vor-
Auch Bessarions Kritik an Trapezuntios' Übersetzung vorl hergehender¡ Satzes als abhangig gedacht ist.' Also eine ganz lebendige
Platons Gesetzen muß hier wieder erwähnt werden. Das Ergebnis war Schreibweise.
ftir Georgios, der ursprünglich so strenge Anforderungcn an eine brauch- Bessarion war von den Griechen, die nach ltalien gekommen waren,
bare Übersetzung gestellt hatte, höchst peinlich. Denn Bessarion hielt nicht der einzige, der auch lateinisch schrieb. Ob ihn hier Gazes und
mit seiner angeblichen Wissenschaftlichkeit ganz gründlich Abrechnung. Argyropulos in ihren Aristoteles-Übersetzungen übertroffen haben, steht
Dutzendweise konnte er ihm Mißverstandenes und Verclrehungen nach- d¿bin. Jedenfalls hatte die Fremdsprache ftir ihn als Kardinal viel größere
weisen. Diese Kritik wurde so un:fangreich, daß sie dem In Calumnia- Bedeutung als für jene Gelehrten, von denen zudem ieder ganz auf seinem
torem Platonis als eigenes Buch beigegeben werden konnte. Fertig war Gebiet blieb. Der Dienst an der Kurie verlangte von ihm Latein im
sie schon mit der ersten Bearbeitung jenes Werkes; das schrieb Bessarion schriftlichen Verkehr wie in freier Rede als etwas Alltagliches. Man denke
damals an Gazes.s dazu an seine Legationsreisen, an seine Propaganda für einen Kreuzzug,
Es bleibt nur noch ein Wort übrig zu Bessarions sprachlichem an seinen Briefwechsel persönlicher wie politischer Art. Wie er Lateiu
Können. Die Frage ist um so fesselnder, als Bessarion sich auf zweierlei und Ítalienisch lernte, hörten wir früher.5
Sprachgebiet bewegte. Den Zeitgenossen erschien er deswegen nach Bei seiner italienischen Umgebung fand Bessarion alle Bewunderung
Vallas Wort als Latinorum Grøecissimus, Grøecorun. Løtinissiruus. wegen seiner Erfahrenheit in ihrer klassischen Sprache. Ammanati schreibt,
Sinn ftir sprachliche Reinheit und künstlerische Darstellung war in Bessarion sei so gewandt, daß er bei einer Rede niemals ins Stocken
ihm offenbar in Plethons Schule geweckt rvorden, deren Gründer auch komme. Es sei eine Lust, ihn im Konsistorium zu hören. Abgesehen
nach dieser Hinsicht eine Wiedergeburt der Antike erstrebte. Gegenüber von seinem Gedankenreichtunt, sei es gerade der Redeschrnuck und die
Bessarions frühesten stilistischen Versuchen, die noch mit byzantinischem Kraft des Ausdrucks, womit er seine Zuhörer fessele.o Auch Niccolò Perotti
Schwulst beladen sind, haften an seinen theologischen Schriften weder rühmt Bessarions flússigen Ausdruck im Lateinischen. Seine Briefe, seine
Prunk noch Flitter. Vorbild waren ihm hier unverkennbar die großen Reden und Bücher habe er in beiden Sprachen oft gelesen, auch seine
Tbeologen der Vorzeit. Wie er sie nach der sprachlichen Seite ein- Übersetzungen kennengelernt und stets seinen gefalligen Stil bewundern
schätzte, zeigt eine gelegentliche Bemerkung¡ wo er die attische Fein- nrüssen.? Bessarion selber schätzte sein Können nicht so hoch. ,rWir
heit eines Basileios hervorhebt.a Jenes leidenschaftliche Temperament, das Griechen können nicht mit derselben Gewandtheit wie die Italiener Latein
seinen Gegner Markos Eugenikos beseelte, fehlt den Schriften Bessarions;
und doch ist er nicht ohne Wärme, wie seine Begrüftungsrede auf dem t Vgl. oben S. ¡zI f.
I Migne, P, gr.. tót, 328 B.
3 Vsl. oben S. ¿q. ¡¿o.
t Bessarion, In Calun:niatorem Platonis III. ro, ro. . Bãssarion, IfCálümniatorem Platonis II. ¡, S. 9i Il, 5. lY. r,z. - II. 5, r7.
I¡ Yg!. ¿i. Anmerkung_bei Migne, P. gr. rór, 287 sq 6 Vgl. oben S. z5l.
Vgl. oben S. gz. 161. '? Cärdinalis Pâpiensis (Ammanati) Epistulae CXXVII. p. 551.
I Migne, P. gr. 16r, 128 C. III. Band (Ungtidrucke Texte), Briefc, Anhang n. 2.
408 z, Bessarions Bibliothek. Bessarions Absichten auf sam'rrung des griechischcn schrifttums, 109

schreiben. Das kann ich aus eigener Erfahrung nur zu gut bezeugen. Ich geschätzt ist. Die Bibliothek Nikolaüs' V. hatte nach seinem Tod 824
verstehe doch fast gerade soviel Latein wie einer von ihnen, der es mit lateinische Handschriften, die Visconti in Pavia (t426) sogar 988.1
Eiler betrieben hat; und doch bringe ich es nicht fertig, etwas mit echt Bessarion hatte seine Bücher langsam zusammengebracllt. In früheren
lateinischem Ausdruck zu schreiben.<. So urteilt er gegenüber Alexios Jahren, als ihm noch die Mittel fehlten, schrieb er eigenhändig ab. Wir
Laskaris, aber in früheren Jahren.l Später hat er doch noch viel dazu hören, daß er bis in die Nacht hinein an seinem Scholion zu Ptolemaios
gelernt. Das beweist zunächst die Metaphysikübersetzung, noch mehr schrieb und infolge der Überanstrengung bedenklich erkrankte.2 Cod.
aber seine Reden und Briefe an die Fürsten Italiens. Mitunter blieb sein lvlarc. gr. 14 stamrnt zu einem guten Teil von.seiner Hand.e Ebenso die
Ausdruck aber hart. In auffallender Weise zeigen das einige seiner Briefe eodices Marc. gr. 533 und 527, die allerdings seine eigenen Schriften
von der deutschen Legation. Sie sind aber auch teilweise vom Kranken- enthalten. Als ihm..reichere Einkünfte zar Verftigung standen, kaufte er in
bett aus geschrieben.2 Aber abgesehen davon, In Calum- großem Umfange, was er nur bekommen konnte. Alle anderen Wünsche
- das lateinische
niatore¡n Platonis dtirfen wir hier nicht heranziehen auch in seinen guten nrußten vor seiner Bibliothek zurücktreten. >Was ich durch karge Lebens-
-,
Leistungen hat Bessarion den Glanz der Sprache, wie er den italienischen weise mir absparen konnte, gab ich für Bücher aus<, schreibt er als alter
Humanisten eigen war, nicht erreicht. Er blieb doch Griecbe, wenn auch Mann.a Vor allem stqlltg er. sich Abschreiber an. Neuerscheinungen be-
nach dem Urteil des Verfassers der Elegantiae >der lateinischstec.s kam er von den Verfassern oft zum Geschenk. Namentlich nach der
Eroberung von Konstantinopel suchte er von den Scbätzen dcr griechi-
2. Bessarions Bibllothek. schen Vergangenheit zu retten, was sich retten ließ. Damals schon
Bessarion hatte sich im Laufe der Jahre eine Bibliothek gesammelt, wurde, wie ein bis jetzt nicht beachteter Brief beweist, in ihm der Wunsch
die schon die Zeitgenossen staunen ließ.a An Umfang wie an Wert l¿ßt wach, alles hellenische Schrifttum ins Abendland zu überfülrren und an
sich krum irgendeine Privatbibliothek danraliger Zeit mit Bessarions Biblio- einem allen Griechen zugänglichen Platze aufzustellen, um einen neuen
tlrek_yergleichen. Nur wenige fürstliche Sammlungen haben sie übertroffen. Mittelpunkt für ihre bedrohte Kultur zu schaffen.s >Alle Kräfte, alle Geld-
Wesentlich war, daß niemand im Abendland so viele griechische Hand- mittel spannte icb an. Ich fürchtete, daß alles, was von der Arbeit der
schriften sein eigen nennen konnte wie Bessarion. Unr so erfreulicher ist nlten Schriftsteller erhalten war, noch untergehen könnte, geradeso wie
es, daß diese Bibliothek uns zum größten Teil noch erhalten ist. Sie die alten Bibliotheken, die uns nur in Resten erhalten sind<, schrieb er
bildet den Grundstock der Bibliothek von San Marco zu Venedig. Die später an den Senat von Venedig.d
Zahl der Handschriften wurde früher oft verschieden augegeben, meistens In dieser Hinsicht war Niccolò Perotti für Besserion tätig. Er machte
übertrieben hoch.5 Nach dem ursprünglichen Katalog, den Omont ver- l(eisen bis nach Trapezunt, um Bücherkäufe zu vermitteln.T Einen Ein-
öffentlicht hat, waren es im Augenblick, als sie Bessarion nach Venedig blick geben auch die Briefe des Michael Apostolios. Dieser Mann hatte
schenkte, 746 Handschriften, unter denen sich 482 griechische befanden.6 sich vermutungsweise schorr seit r455 auf Kreta niedergelassen und war
Demgegenüber besaß Federigo von Urbino 772, Kardinal Giordano Orsino von hier aus ebenfalls für Bessarion tätig.8 Wir teilten auch schon ntit,
(i.J.t+lÐ 254, die Este (r48o) rund 3oo, die Medici (t+56) r58 Bände. daß sechs Briefe Bessariòns aus dem Jahre r453, die uns ohne Überschrift
Niccolo Niccoli soll 6oo-8oo B¿inde gehabt haben, was vielleicht zu hoch überliefert sind, sich höchst wahrscheinlich an ihn richten, als er sich noch
in Rom auíhieìt. Sie behandeln vornehmlich Bessarions Bibliotheksfragen.r)
t Migne, P. gr. 16r, 728C. Sobald .Apostolios von neuen Kaufgelegenheiten etwas vernahm, unter-
'z Vgl. IIL Band (Ungedruckte 1'exte) Briefe n. 44. 47. richtete er seinen hohen Gönner. Wir hören, daß er Bessarion auf
r Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Altertums l, 4o3. 4o6. Mürrtz-
Fabre, La bibliothèque du Vatican au XVe siècle. Paris t887, p. 42.
'? III. Band (Ungcdruckte Texte) Niccolò Caprani ca, Acta in funere
Niceni c. z.

als 6oo Bände. Andere sclrätzten 9oo oder gar 98o. Vgl. Malipiero, Annali Veneti,
im Ârchivio storico italiano VIII.655. Lan:becius, Commentarii de augustissima
Bibliotheca Caesarea Vindobonensi, editio z. Vindobonae I778.
t Omont in der Revuc d. bibl. IV. (t899 r49-r79.
410 z. Bessarions Bibliotlrek. Bessarions Bùcherkäufe. Abschreiber in seinem Dienst. 411

Handschriften von Plutarchos, Proklos und Galenos aufmerksam machte. Was Bessarion von älteren Handschriften nicht käuflich ervüerben
Bessarion wollte genaue Titel. >Das ist nicht so leicht moglich<, schreibt konnte, ließ er -absc.hreiben. Er besaß mit der Zeit einen ganzen Stab
er zurück, >denn jener Buchhändler, ein gewisser Nikolaos, ist ein ganz von Schönschreibern. Vielfach benutzte er diese Gelegenheit, um seine
kniffig verschlagener Antiquar<. >Ein kleiner Mann wie ein Affe, aber mittelloren Landsleute zu .unterstützen. Auch Deutsche und Flamländer
von kundigem Geschiftssinn.< Mit Absicht halte dieser die genauen Titel standen in seinem Dienst. Griechische Handschriften fertigte ihrn in Rom
zurück, weil er nur noch mehr Geld herausschlagen wolle. Die über- Johannes Rhosos. Noch r3 Kodizes der Markusbibliothek lassen sich von
wiesenen zoo fl, hoffe er allein schon für Abschreiben einstreichen zu s_glner Hand nachweisen.l Michael Apostolios schrieb ebenfalls ftir Bes-
kön n en. Auch ein anderer Händ\er, tt Xp7ac òç B áô rcç, könne mit brauchbaren sarion. So teilt er ihm mit, daß er gerade an den gáppaxa des Galenos
Büchern dienen; nur seien diese erst von Zypern zu holen. Ferner habe sitze. Andere Werke von Galenos stellt er in Aussicht. Auch die òueqo'
er ein Scholion zur Geometrie des Proklos eingesehen, das Thomas Phy- xgrcmd, des Artemidoros von Ephesos sollen noch folgen.2 Von ihm
karnos in Methone verkaufen wolle. Schließlich habe ihm auch Theo- stammen die Codices Marc. gr. 267, 268 und 414. Dann Demetrios
doros, Großekklesiarch in Epidauros, der durch seine Frau mit ihm ver- Sguropulos, der ihm schon 1443 zu F'lorenz den Theophrastos abschrieb.s
wantit und Bessarion treu ergeben sei, in Aussicht gestellt, eine Schrift Fèrner Johannes Plusiadenos,a Kosmas monachos,s Georgios Zangaropulos.6
des Hippokrates aufzutreiben. In allem fehle es ihm aber an Geld zunr Lateinische Kodizes schrieben ihm Matteo dei Castagnoli, Notar zu Bo-
Kaufen. Lauro Quirini Iogna, ferner die Deutschen Dietrich Wulf aus Lübeck,? Petrus Turris'
- der Güterverwalter Bessarions - sei zu säunrig
mit seinen Anweisungen. Ohne Vorscbüsse sei es aber unmöglich, Ab- ein brandenburger Kleriker,s Jðhannes Caldarifex, ein deutscher Geistlicher
schriften zu besorgen.l So hat Apostolios ständig seine Klagen. Bald rus Montabaur,s schließlich der Flame Johannes Gherich von Diest.l0 Wie
fehlt ihm das Geld, bald wollen die Buchhendler nichts abgeben, bald sich Bessarion Bücher lieh, um von ihnen Abschrift nehmen zu lassen,
kosten die Abschriften zu viel.2 zeigt ein Brief von Francesco Barbaro. Dort war es ein Tacitus.ll Wohl
$uch_alg B_çS,iaf_rqjr _q_e-in-g Bibliothek schon längSt verschenkt batte, zum gleichen Zweck hatte er aus der Bibliothek Nikolaus' V. mehrere
sammelte er unverdrossen weiter. Noch r47r erhält Apostolios von ihm Handschriften entliehen.l2 Noch bis in seine !e!q!en Tage sorgte er für
.¡n È.ief.iren mit Auftragen. Er will Polos griechisch und l.t.inir.h, dann seipe Bibliothek. Das bezeugt ein Brief vom 23' Mai r47z an Lorenzo dei
Aelianus' IIouiTr¡ iatopla, von Dion Chrysostornos alles.s Im gleichen Jahr Medici, mit dem er wegen der Begleichung der Kosten für eine Abschrift
fragt auch Apostolios bei ihm noch an, ob er einige Kodizes kaufen soll: der Werke des hl. Augustinus verhandelt.re
-fheodoretos'
Kirchengeschichte, von Plutarchos die I'apuà naqayyü.pata, Bessarion samnrelte mit Umsicht und Sachkenntnis. Er wollte die
die ãnoç&iypata paoú.íau xai atgaø¡yõa, dann die Biographien der
Kaiser Galba und Otho und die 2.axøa¿xà ànogûíypam. Aber umgehende r Es sind die Codd. Marc. gr. zoo. 248. 26r:.. 263. z8o. 285. 287. lzz' )78.)84.
Antwort sei nötig.a
Anderes erwarb der Kardinal auf anderem Wege. Eine Handschrift,
den heutige" ç94.Mqc. lat. I. 63 kaufte et Í4ti in Venedig um 45
Venetianer Dukaten.s Auf seiner deutschen Legationsreise r46o erstand
er sich in Nürnberg von den Kartäusern die Postille des Nikolaus von 6 Cod. Marc. gr. z8o.
6 Cod. Mrrc.
fr. 369. 1,8o. Vgl. Migne, P. gr. t6r, Col. XLIX n. ¡8.
Lyra zum Pentateuch, den Qq_d. Ma¡,c. lat. 18,6 Ebendaher starnmen die 7 Cod. Marc. iat. 82. 164.'17r. i88.'lol.-Y,6. l8Z. Vgl. valentinelli,
ió.
Çq=diç-çp- Mlrc. ta!. 23. 27 und 3o. Auch das Basilianerkloster San Niccolo Bibliotheca manuscripta ad s. Marcum-venetiarum.- venetiis I868. Codd. mss. lat.
I. rz sqq.
di Casole bei Idronto lieferte ihm Handschriften.? & Cod. Marc. lat. 45. Am Ende: ,4d ersus
Eunomium Caþitula XXX excmplatø þer Petr nsenT
fa¡¡tiliarnn Reu¿rendissimi in Christo Patris Do osto-
I Noiret H, Lettres inédites de Michel Apostolis ep. 76 (von Ende 1467) "lorutn Presb. Cørcl. dignissittti, Nícaeni aulgarit Fe-
p96 s.
2 Noiret, !. .. .p. 7o p. 88; ep.74 p. 94; ep.8r p. ror; ep. 84 p. ro5. arc. lat. 16 ]66. di
3 Noiret, l, c, ep. tt4 p. t2g, rc. lat. 4o ( Hier an
a Noiret, l. c. ep. roj p. 124 s. de Monthabu 4t4. c.
6 Valentinelli, Bibliotheca manuscripta ad S. Marcum Venetiarum, Venetiis arc. lat. lI3 mitd at
8ó8. l.267. nacionis L Valentinelli, l. c. V. ¡zr.
0 Valentinelli, l. c. I. zrr. Cod. Marc. lat. ¡8 Íol. z: ts, cardinalis Tuscu- rt bari Epistulae 2jr.2j2 p. 122 sq. Vgl. oben S llo.
laní, emþtus Nuremberge de Carlusi¿nsibus, t¡ La Bibliothèque du Vatican p. 342 ss.
I Rodotà, l. c. IL rz. Vgl. oben S. 458, Bessarion r9i f. (o[ne Cluellenangabe).
's
__-l-

4t2 z. Bessarions Bibliothek. Einzelne merkwúrdige Handschriftert. 413


bekannten klassischen und nachklassischen profanen Schriftsteller auf allen
Gebieten, Geschichtsschreiber wie Philosophen, Dichter wie Geographen,
Er. r9o, einem Kommentar von Proklos zu Platons Timaios, und in
.Marc. gr. 3o4, Eukleides' Optik schließen wir auf Bessarions philo-
Mediziner wie Mathematiker; ebenso die Kirchenschriftsteller von den sophische und mathematische Studien. Marc. gr. ro, eine Pergament-
klassischen vätern bis zu den letzten Byzantinern. Auch die Konzils- handschrift saec. XIV.-XV., war Bessarions Handexenrplar des Neuen
akten mußten vorhanden sein. Dazu verlegte er sich auf weniger be- Testaments auf dem Konzil zu Florenz. Um sich in den Sitzungen schnell
kannte Schriftsteller und auf gesuchte Seltenheiten.r Den Fälscherkünsten, zurechtzufinden, hatte er die Kapiteleinteilung der Griechen und Lateiner
dor.ir diè sich ein Alphons úagnanimus oder ein cosimo dei Medici zu- vermerkt und dazu nähere Erklärungen gegeben.l Außerdem finden sich
weilen täuschen ließen,,. fiel er ni.ht
schön ausgestattete Bticher. Ein Katalog "o- Opfer. Er legte auch Wert auf
seiner Bibliothek vermerkt des
verschiedene Anmerkungen, die auf den abweichenden lateinischen Text
Bezug haben. In Marc. gr.r4, seinem Gebetbucb, gibt er einzelne Daten
öfteren i ltuuus liber et þulcher, liber þretiosus in þøþ1tris, þulcherrimo uolu- zu seiner Jugendzeit,2 in Marc. gr. 533 zu seinen Scbriiten.s Ein ander-
mine cooþertl, cun serico in þergarnenis, auch in þøþyris corio rubro, a,bet u'eitig überlieferter Eintrag in einer Plutarchhandschrift übermittelt uns
auch in þergømeno monastíce.2 Einzelne wie Cod. Urbin. gr. r37, Cod. als einzige Belegstelle Bessarions Taufnamen.a
Marc. gr. r98 oder Cod. Vindobon. gr.rS4 sind wertvolle Pracht- Noch zu seineo Lebzeiten trennte sich Bess¿rrion von seinen Iieb.
handschriften. Die Kosten, die Bessarion aufwandte, werden verschieden gewonnenen Büchern; er schenkte sie r468 der lìepublik Venedig, auf
angegeben. Platina schätzte den Gesamtwert auf 3oooo fl.s In Venedig daß sie, wie er in seinem Schreiben an den Senat sagt, jedermann zur
sprach man von der Helfte dieser Summe.a Benutzung offen ständen.ó In neuerer Zeit hat diese Verfügung, nament-
Bessarions ursprünglicher Katalog wurde in neuerer Zeit zam ersten- lich auch die Wahl vou Venedig zu allerlei Vermutungen geführt, weil
nral von Onlont veröffentlicht.6 Außerdem besteht noch eine Anzahl man erwartete, Bessarion h¿itte mit seiner Sammlung unter allcn Umständen
späterer Aufzeichnungen, die aber nicht vollständig sind und sich sogar die Bibliothek Nikolaus' V. vergrößern müssen. Bald soll ihn sein Ehr-
widersprechen.6 Einzelne Kodizes lassen sich in den vorhandenen Be- geiz davou abgehalten haben, bald bestimmten ihn seine Erfahrungen nrit
ständen auf Grund von Bessarions eigenen Einträgen oder seines Wappens Kalixt IIL, der die Bibliothek seines Vorgängers angeblich verschleuderte;
nachweisen.T dann wieder hätte sein Verhaltnis zu Paul II. nritgesprochen.6 All das
Bisweilen haben diese Einträge ihre besondere Bedeutung. So war ist nur Vermutung. Neues Licht tiber Bessarions Absichten bringe n
Cod. Urbin. gr. r37 ursprünglich xrfipa Bqooagíauoç xap6qvá1.eaç cõu einzelne l¡isher nicht beachtete Briefe von ihm, auf die wir oben schon
I'o,ú6x).a¡p (fol. av); später schenkte ihn Bessarion dem humanistisch be-
geisterten oddantonio von Feltre, dem Bruder des Fürsten Friedrich von B, Card, Nicenus, manu þroþr¡ø
Urbino. Aus den eingetragenen Versen erfahren wir, daß Antonio von 2ti7ot fiçatzoi
dem Kardinal getauft worden war.8 Aus den Randbemerkungen in Marc. Cr

B4ooapi c,tu z a g,) 4 vci:)t ç,


Dazu die Übersetzur:g von Niccolö Perotti:
Anloni librum hunc diui tilti donøt l:lomeri
gua e,
414 z. Bessarions Bibliothek. Die Stiftung an die Republik Venedig. 415

aufmerksam mechten. Danach bestand bei ihm schon seit der Eroberung An ihrem neuen Standort fand Bessarions Bibliothek zunächst wenig
Konstantinopels der Plan, alle erreichbaren Überreste griechischen Schrift- Beachtung. Die Bticher wanderten von einem Raum ih den anderen, bis
tums zu semmeln und mit ihnen für seine Landsleute einen gemeinsamen, sie 1485 auf Senatsbeschluß in einer Kantmer in Kisten aufgetürmt wurden.
leicht zugänglichen Mittelpunkt zu schaffen, zum Schutze des geistigen Da lagen sie nun, wie Giambattista Ramusio erzählt, 4o Jahre lang.l Es
E.rb_çs r*hrpr-Verga-ngenheit.l Das deckt sich aber völlig mit dem, was er wurde viel gestohlen, ungeachtet eines päpstlichen Breves, das mit dcrn
r 5 Jahre später nach Venedig schreibt. Allerdings, wie er selbst hier Kirchenbann drohte. Als man die drohende Gefahr der Verschleuderung
sagt, schwankte er eine Zeitlang in der Wahl der Stadt; doch werdeh erkannte, traf der Senat am rr. Juni 1492 den Beschluß, daß ohne Zu-
wir seinen Worten glauben dürfen. Er sah inlenedig ein zweites Byzanz. stimmung von drei Vierteln der Senatsmitglieder kein Buch mehr daraus
Venedig war für die Griechen die Pforte ltaliens. Der Gedanke, nrit seinen verliehen werden dürfe. Wer ein Buch zurückbehalte, solle 5oo Dukaten
Büchern die Bibliothek Nikolaus'V. nach der griechischen Seite auszubauen, Strafe zahlen. Erst im Jahre r5l5 wurde ein Neubau beschlossen, der
entspräche wohl dem heutigen Standpunkt. lhm scheint er doch fern- dem bekannten Künstler-Jacopo Sansovino zufrel. Von ihm stammt der
gelegen zu haben; denn sein Plan und die Absichten Nikolaus'V. waren heutige Bibliotheksbau, von dessen Gründung die Inschrift auf der Marmor-
hier im Grunde verschieden. platte über der Eingangstüre berichtet.z Von hier aus ist denn auch Bes-
Die näheren Umstände der Schenkung vollzogen sich in folgender sarions Bibliothek für das gesamte Abendland das geworden, was ibm
Weise. Llr.sp¡úigglich hatte Bessarion das Þenediktinerkloster San Giorgio üisprünglich' als !dea! vorschwebte.
!þgg!-or-g in den Lagunen von Venedig als Erben eingesetzt. Da ihm t Vgl. Reumont, Geschicbte der Stadt Rom. III, r S.5rl,
nachtraglich die L3ge des Klosters ru,f,_.einer Insel hinderlich erschien, ¡ Nâheres i¡ber die späteren Schicksale von Bessarions Bibliothek bei Vogel inr
nachte er am ¡6. September I467 diese Stiftung 5ückgäng!g,2 Am 14. Ma-i Serapeum II (r84r) gg-to1.

¡468 ließ er von Viterbo aus die Schenkungsurkunde für San Marco in
!g_ne,!ig ausstellen,s und am 3r. Mai machte er dem Dogen Cristo[oro
Moro wie dem Senat davon Mitteilung.a Dcr Senat versprach die Bücherei
des Kardinals als künftige Bibliothek von San Marco im bestgelegenerr
Saal des Dogenpalastes aufzustellen. Ioo Dukaten aus der Salzsteuer wurden
zur Herrichtung bestimmt. Anfangs 1469 kamen die Bticher auf r5 Maul-
tieren nach Venedig.6
Auch nach der Weggabe seiner Bibliothek sammelte Bessarion weiter.
Namentli'ch Drucke aus den neugegründeten römischen Druckereien von
Ulrich Hahn wie Sweynheim und Pannartz brachte er jetzt zusammen.
Sie wanderten nach seinem Tod mit seinen letzten Handschriften gleich-
falls nach Venedig.

t IlI. Band (UngedrucLte Texte), Briefe nn. 29. Jo. JS. Vgl. oben S. 33o n. L
I Die Bulle Pauls IL schon im Archivio storico italiano Ser.3. IX. z. (1869)
p.r9j-r97, nochmals bei Omont, Revue des bibliothèques lV (r89a) t4c^-r45.
a Die Schenkungsurkunde im Archivio stor. ital. l. c. t97-zot, bei Omont,
I c. r4t-¡48.
¿'ûberlieferung:
a. Rom, Coil. Vat. lal. 3962.
b. Rom, Cod. Vat. lat,51oz fol. lo8-lo9v.
c. Rom, Bibl. Angelica Cod, l^1.479. fol. rrg-tzz.
d. Rom, Bibl. Reginae Suec. Cod. lat, r49r. foL rTtv-r73.
e. Paris, Bibl. nat. Cod. lat, 1o64 fol. t6-tj.
Druckausgab el
a. Migne, P. gr. t6t, 7oo-7o2,
b, V¿lèntinelli, Bibliotheca manuscripta ad S, Marcum Venetiarum, Venetiis
¡8ó8 p. r6-t9,
c. Omoht, in dór Revue des bibliothèques IV. (1894) r38-r4o.
õ Vgl, Valentinelli L c, tg-zr,
--..-

Bessarions ,¡Reden gegen die Tùrkena. 417

Staatsmann, der mit den Erfahrungen der Geschichte arbeitete. Vor-


nehmlich das Altertum mußte ihm den Stoff liefern. Es war nicht nur
der Zeitgeschmack; der ihm das eingab. Bessarion malte die Gefahr in
allen Farben aus. Er schilderte die Verluste. Er sah aber auch den
sicheren Sieg. Überraschend ist, daß er Demosthenes' L Olynthische
VI. Bessarions letzte Jahre. Rede zu diesem Zweck lateinisch bearbeitete und ebenfalls vorlegte.l Er
benutzte die Worte des attischen Redners, um die türkische Gefahr zu
l. Bel der W¡hl Slxtus' lV. Dle lrenzöslsche Legatlon.
kennzeichnen. Bessarions Reden und Rundschreiben gingen überallhin. Sie
Nach menschlicher Berechnuug hatte Bessarions öffentliche Wirksant- richteten sich an die Fürsten ltaliens, an Papst Paul II. selber.2 Auch
keit mit dem Regierungsantritt Pauls II. ihren Abschluß erreicht. Der an den Benediktinerabt Bessarion von St. Severin zu Neapel schrieb er.
griechische Kardinal ging jetzt den siebenziger Jahren entgegen. Dazu Dieser Mann hatte dem Kardinal, dessen Namen er sich sogar als Kloster-
I
war sein Gesundheitszustand bedenklich. Meistens zu Viterbo hatte er namen gewählt hatte, seit seiner ersten Begegnung mit ihm in Bologna
Linderung gesucht.l Ammanati, der ihn in letzter Zeit am nreisten sah, eine besondere Verehrung gewahrt.s Eben hatte er ihm, wie wir aus
hatte schon lange nichts Gutes über ihn zu berichten.z Und doch ward dem Schreiben des Kardinals entnehmen, besondere Nachrichten über die
dem Greis noch eine Aufgabe zuteil, die ihn wieder in der breitesten politische Lage in Neapel zukommen lassen. Ebenso ließ Bessarion dem
Öffentlichkeit zeigte: Sixtus IV. betraute ihn mit einer diplomatischen Rekt<¡r der Universität Paris, Wilhelnr Fichet, am 13. Dezember r47o
Sendung nach Frankreich, die neben anderem noch einmal die Ttirken- ein Schreiben zugehen.a Auch eine griechische Rede Bessarions gegen
angelegenheit zum Gegenstand haben sollte. die Ttirken gehort hierher.s
Der Gedrnke an einen Kreuzzug war bei Bessarion immer wach Bessarions Arbeit war nicht ohne Wirkung. Es wiederholte sicb,
I
geblieben. Noch unlängst hatte er versucht, Kaiser Friedrich lll. daftir rilâs er ro Jahre früher auf sich genommen hatte. Paul II. dachte an die
zu gewinnen, als dieser im Jahre 1468 nach Rom kam, um sich die Möglichkeit eines Kreuzzuges. Kardinal Francesco Piccolomini, begleitet
Böhmenkrone zu holen. Der Kaiser sclrlug vor, daß ein Reichstag in von Campani, mußte als Legat nach Deutschland gehen, um sich in
Konstanz sich mit der Sache befassen sollte. Dabei blieb es. Regensburg der Hilfe tles Kaisers zu versichern. Alles verlief ähnlich ,;r¿ie
Die Ruhe dauerte nicht lange. Nachrichten aus den gefehrdeten Ge- früher bei Bessarions Sendung. Fast zwei Monate ließ der Kaiser den
bieten verbreiteten neue Aufregung. Die Ttirken drangen von neuem iu Legaten auf sein Erscheinen warten. Campani war auch in Bamberg und
Bosnien ein. Eubtia fiel endgtiltig in ihre Hand. Negroponte, bisher noch Nürnberg. Alles Verhandeln war fruchtlos. Umsonst aber wandte sich
irn Besitz von Venedig, mußte dem Feind die Tore öffnen. Mohammed ließ dieser Humanist an die Kurie wegen seiner Abberufung. Un:sonst gab
den Konrm¿ndanten in Stticke reißen. Die gesanrte männliche Bevölkerung
über ¡z Jahre wurde niedergemetzelt. Das Abendland fürchtete ftir einen I Uberlieferung:
Augenblick wieder das Schlimnlste. Bessarion ergriff das Wort. Es war
a, Rom, Cod. Vat. lat. 3585.

dcr Auft¿rkt zu seiner späteren diplomatischen Sendung unter Sixtus. Er


schrieb seine >Reden gegen die Türken<.e Er zeigte sich hier ganz als

a. Rom, Cod. Vat, I^1. 4ol7 fol. ¡o6v.


b, Rom, Cod. Vat, Lat. fi56 fol. z4v, Auf fol. 3rv: ex Urbe tlie 25. Au-
-
r9o4 vernichtet).
Dru
a, ad Guil' Fichetum et alios, ed. princeps
ta) t47r.
tr. nsis r 54¡.
c. orationes turcicae. 1596' Vol' 11. p. r97,
2ot. 2r5, 229.
d. Nórimber {,ae r5g1, Lipsiae r595, Islebiae r6o3 (Fabricius).
e. Migne, P. gr. tót,64r-676.
Itfohler, Karclin¡f Bessarion. I. 27
418 ¡. Bei der Wahl Sixtus' IV, Die französische Legation. Bessarion als Papstkandidar. Seine Beziehungen nach Frank¡eich. 419

er durch Domizio Calderini, Bessarions Sekretär, dem Kartlinal zu ver- abernur mit einer Stimme Mehrheit hatten die Kardinäle Roverella und
wolle.l Da änderte sich plotzlich die Lage:
stehen, daß er nicht bleiben Calandrini. Gewählt wurde Francesco della Rovere, der siclt
Am 26. Jali r47t starb Paul II. Sixtus IV. nannte.
Zunächst die Papstwahl! Auch ft¡r Bessarion war sie wieder ein- Der neue Papst war geringer Herkunft, gehörte dem Franziskaner-
mal bedeutungsvoll. Die Einzelheiten Iassen sich nicht in allweg fest- orden an und hatte eigentlich durch Bessarion seinen Aufstieg gemacht.
stellen, Wie Campani damals aus Deutschland schrieb, sollen weite Kreise Rovere hatte sich bis jetzt bewährt als akademischer Lehrer wie als ge-
einen Papst verlangt haben, der die Türkenangelegenheit mit ganzem Eifer wandter Diplomat in Frankreich, Ungarn und Aragon. Bessarion hatte
in die Hand nehme. Er bezeichnete Bessarion offen als die gewünschte selbst einmal zu seinen begeisterten Zuhörern in seinen Vorlesungen ge-
Persönlichkeit.2 In einem zweiten Brief an Bessarions Sekretär Calderini hört.t Es war nicht zuviel gesagt, wenn ietzt Filelfo an Bessarion schrieb,
kommt er wieder darauf zurück. >Österreich und Deutschland verlangen er habe aus einem Franziskanermönch zuerst einen General, dann einen
einstimmig den griechischen Kardinal.< Aber vor den Franzosen möge Kardinal und zuletzt einen Erzpriester gemacht.2 Mit Sixtus IV. hielten
er sich hüten.8 Auch die Humanisten setzten ihr Vertrauen auf ihn als seine Nepoten ihren Einzug, die dem Rorn der Renaissance wieder ein
einen wiederkehreuden Nikolaus V. Filelfo sprach es offen aus: >O daß neues Gepräge verliehen: Giuliano della Rovere, der spätere Julius II.
doch einmal unser weiser Herr Bessarion vor seinem Ende den Tbron und der verschwenderische Raffael Riario.
der ihm gebührenden Würde bestiege. Was ftir ein Gltick könnte damit Jetzt rückte eine andere Angelegenheit in den Vordergrund: Bes-
den Gelehrten wohl zuteil werden!<a sarions französische Legation, das letzte Unternehnren des greisen
Im Konklave kam aber alles anders, obwohl Bessarion einige Stimmen Kardinals, aber auch der tragische Abschluß seines Lebetrs. Unkenntnis
auf sich vereinigte. Daß gegen ihn wieder seine griechische Herkunft gel- und böser Wille haben schon bei den Zeitgenossen das geschichtliche
tend gemacht wurde, scheint eine Verwechslung mit den früheren Vorkomm- Bild dieser Sendung veruerrt. Manches ging davon in die spätere Beur-
nissen zu sein.6 Desgleichen ist die Nachricht bei Paolo Giovio abzuweisen. teilung über. Zu einem großen Teil wurde der Sachverhalt schon von
Nach ihm wären drei Kardinäle im Konklave zu Bessarion gekommen, um Vast herausgestellt. Spätere Veröffentlichungen bieten im einzelnen noch
ihn als Pontifex zu begrüßen. Von Perotti nicht vorgelassen, sollen sie ihm wertvolle Ergänzungen. Immerhin bleibt doch noch mancher Punkt in
ihre Stimme entzogen haben.6 Dem wahren Sachvcihalt weit näher bringen Dunkel gehtillt.
uns die von Pastor mitgeteilten Abstimmungslisten, die der Mailandische Die erste Anregung zu einer diplomatischen Sendung nach Frank-
Gesandte seinem Herzog übermittelte, r¡r'enr.ì auch hier nach eigener An- reich scheint dieses Mal von Bessarion selber ausgegangen zu sein, nur
gabe des Berichterstatters mit mancherlei Ungenauigkeiten zu rechnen sein daß ihm ursprünglich ein ganz anderes Ziel vor Augen schwebte. Noch
mag, die durch die Beschaffung der Unterlagen bedingt waren.t Von in der letzten Zeit Pauls II. stand Bessarion in Briefwechsel mit wilhelm
Nachteil ist namentlich, daß die einzelnen Skrutinien nicht auseinander- Fichet, dem Rektor der Sorbonne i¡ Paris.s Es handelte sich damals neben
gehalten werden. Es ergibt sich, daß Bessarion sechs Stimmen zufielen. gelehrten Fragen wieder um seine alte Herzénsangelegenheit: die Organi-
Sie stammten von den Kardinälen Roverella, Caraffa, Estouteville, Calan- sation eines Kreuzzugs gegen die Feinde seines Vaterlandes. So schickte
drini, Capranica und Ammanati. Ganz besonders die Republik Venedig er seine Reden, die er eben an die Fürsten Italiens gerichtet hatte, am
hatte sich für Bessarions Kandidatur eingesetzt.s Mehr Aussicht als er, 13. Dezember r+7o auch nach Paris, um von dort aus weiter werben zu
Iassen.a Fichet gab sie weiter an den König von England, an Herzog
Karl von Burgund, an Herzog Amadeus von Savoyen, an Ludwig Pîalz-
graf bei Rl:ein und Herzog von Bayern, an Markgraf Karl von Baden, an

Schmarsow 4., Melozzo da Forll. Berlin ¡886' 9. llS f.


Kl;ii;, tseitrage zur Geschichte der Italienischen Gelehiienrenaissance. III. r6t.
Uberlieferung:
Paris, Bibl. nat. Cod. lat, t8 59t'

I Pastor, Geschichte der Päpste ll. 779-78r, Anhang nn, ro8, ro9. I
8 Archivio della Società Romana di sloria pauia. XL z54, bringer
27.
420 I. Bei der Wahl Sixtus' IV. Die französische Legation. Die kirchenpolitische Lage in Frankreich, Bessarions Unentschiedenheit. 421

den Bischof von Metz, an eine Reihe von Bischöfen, Äbtet't, Doktoren, glaubig übernonrmen wurde: Papst Sixtus habe Bessarion mit dieser
Kanonikcrn und Ordensprovinzialen. Vor allen ließ er ein besonderes Sendung von der Kurie entfernen wollen, weil er ihm wegen seines
Exemplar ftir König Ludwig XI. herstellen.l Greifbarere Gestalt nahmen großen Einflusses unbequem geweseu sei.r Bessarions Alter, sein langes
Bessarions Plene ziemlich bald nach dem Regierungsantritt Sixtus'IV. an; Schwanken, seine später verbitterte Stimmung und schließlich sein vor
denn der neue Papst war für die Kreuzzugssache begeistert. Am 23. De- zeitiger Tod infolge der Anstrengutìgen der Gesandtschalt scheinen die
zember r47r erna,nnte er in einem geheimen Konsistorium fünf Kardinäle Unterlagen zu dieser Fabel gebildet zu haben. Im Gegensatz dazu macht
zu Legaten de latere für verschiedene Länder, darunter Bessarion ftir Frank- Ammanati später Bessarion geradezu den Vorwurf, er l:abe sich aus Ehr-
reich, Burgund und England.2 sucht zu der Legation gedrängt.2 Auch dieses Urteil ist nicht gerecht-
Aber noch ehe man soweit war, hatten die Legationsangelegenheiten fertigt, denu die Briefe, die Ammanati vordem an Bessarion selber rich-
mit Frankreich eine Veränderung erfaliren. Am 4. Novenber r47r war tete, geben ein anderes Bild. Ammanati war eben s.ehr schwankend
eine französische Gesandtschaft nach Rom gekommen, um über eigentlich in seinen Ansichten, und wie es scheint, auch schwankend in seinem
französische Fragen zu verhandeln. König Ludwig XI. war daran, die Charakter.
lìechte seiner Krone gegenüber dem Adel zu stärken, und stand deswegen Bessarion war anfänglich zu der gedachten Aufgabe mit Freuden be-
hart vor einem Krieg mit den Herzogen von Burgund und von der Bre- reit. Ammanati hatte kaum von denl Plane gehört, da stimmte er ihm
tagne. Notwendig war ihm vor allem der Beistand der Kurie, der durch auch zu und suchte ihn in seinem Vorhaben zu bestärken. Er stellte ihm
den Abschluß eines Konkordats zu gewinnen war. Noch bestand die vor Augen, wie diese Sendung ihn weit über den Alltag der römischen
pragnratische Sanktion von Bourges von r438, die die kirchenpolitischen Kurie erhebe. >Was tun wir hier in Ilom? Wir verkommen in Müßig-
Angelegenheiten in Sinne des Basler Konzils und der gallikanischen Frei- gang und kleinlicher Eifersucht. Du wirst die reichsten Erfolge haben.
heiten ordnete, die den Papst so ziemlich alle lìechte nahm, in Frank- Denn Frankreich ist eiue große Nation, kriegstüchtig und glaubensstark.<
reich aber nicht der Krone, sondern einer ganzen lìeihe anderer Körper- Schon die Erscheinung des greisen Kardinals, der seine eigene Gesund-
schalten zugute kam. Deswegen auch der Widerstand des Parlaments, heit nicht schonte, werde ihrn allerorts die Herzen näher bringen.s So
als der Konig ruit Pius II. wegen der Abschaffung der pragmatischen schrieb Anrmanati am r. Januar 1472. Aber es ist fraglich, ob das seine
Sanktion verhandelte. Durch neue Vereinbarungen nlit der Kurie konnten volle Uberzeugung gewesen ist. Zum r¡indesten hat er oft seine Meinung
also der König und der Papst Verbündete werden. Ferner hatten die geändert.
Gesandten in Rom noch Eiuzelwünsche vorzutragen. Sie betrafen das Bei Besserion folgte auf die erste Zustirnmung bald ein Rückschlag.
gerichtliche Verfahren gegen den verräterischen Kardinal Balue, gegen Die lange Reise, sein Gesundheitszustand, vielleicht auch Nachrichten über
dessen Gefangensetzung die Kurie bisher urusonst Einspruch erhoben die politische Lage in Franlireich schrecl<ten ihn.a So lehnte er ab. Be-
hatte; dann die Heirat eines Bruders des Königs mit eiuer burgundischen reits dachte man ân Ammanati, der an Bessarions Stelle gehen soilte.
Herzogin, ftir die päpstliche Dispens notwendig und möglich war, die Aber wie verstand der kluge Ratgeber, der cben erst die Pflichten eines
aber aus politischen Gründen dem König nicht erwünscht war. Zur Legaten so nachdrücklich erörtert hatte,s sich jetzt zu winden. >Ich Un-
Ordnung all dessen baten die Gesandten, einen Legaten an den Hof ihres glticklicher! In was für einen Abgrund will man rnich stürzen! Wie will
Königs zu senden. Daß die Kurie hierfür Bessarion in Aussicht nalrm, denn dieses arme Volk helfen? Frankreichs großer Name täuscht. Mein
fand bei den Franzosen anfänglich einiges Mißtrauen, weil man in der kleines Umbrien ist mir lieber.<6 So schon am 26. Januar, und in einem
Sache des Kardinals Balue seine Gegnerschaft beftirchtete. Doch ent-
schieden sie nachher anders.3 Das zeigt das überaus freundliche Hand- I Vespasiano da Bisticci, Vite di uomini del secolo XV. ed. Frati. I. r4o.
schreiben, mit dem der König den Kardinallegaten zur Reise nach Frank-
reich einlud. Man kann sogar sagen, dall er ihn dazu drängte.a
Angesichts dieses Ganges der Dinge erscheint umso sonderbarer die
Behauptung, die nach Bessarions 'fod aufkam und auch von späteren

l Legrand, l. c. nn. rj-lr p. 256-289.


2 P-astor, Geschichte der Päpste.'IL 467 n. z.
I Vast, I e cardinal Bessarion p. 4o8 s. 6lacobi card. Papiensis (Ammauati) Epistulae n.4r7 p.75o
{ Iacobi card. Papiensis (Ammanati) Epistulae n. $7 p.7Sg. 0Iacobi card. Papiensis (Ammanati) Epistulae n.428 p.756,
422 ¡. Bei der Wahl Sixtus' lV. Die französische Legation. Bessarions Reise nach F-rankreich. 423

weiteren Brief an Bessarion befürwortet er nochmals, daß iener die Sendung der Ausfertigung dieses Vernrächtnisses am l5. Mai r47z treffen wir
abgelehnt habe.l den Legaten in Bologna.r
Bessarion auf den ursprünglichen plan wieder ein.
und doch ging Dann aber wurde Bessarion von Frankreich aus lange in Italien hin-
Den Ausschlag scheinen die erneuten Bitten aus Frankreich gegeben zu gehalten. Ludwig XI. wollte Zeit gewinnen. Gelang es itrm zunächst
haben. Fichet wußte ihm am zt.März von seinem überaus freundlichen mit Waffengewalt über seine Gegner Herr zu werden, dann hatte er dem
Empfang bei Ludwig XI. zu berichten. Der Konig habe mit'wohlwollen Papst gegenüber weniger Nachgiebigkeit notig. Außerdern brauchte er eine
seine Reden entgegengenommen, iu dem fein ausgemalten Buch geblättert päpstliche Dispens in der genannten Heiratsangelegenheit nicht mehr zu
und ihn beim Lesen öfters um Auskunft gebeten.2 Nach allem sollte er befürchten. Sein Bruder, um den es sich handelte, war inzwischen ge-
als Legat in Frankreich nur Gutes zu erwarten haben. Das war der storben. Zwar ist die Behauptung seiner Feirrde, er habe ihn vergiften
Eindruck' Im gleicher weise schrieb Fichet an den papst. Es werde lassen, in keiner Weise bewiesen, aber sie kennzeichnet gut denr ver-
jetzt nicht leicht sein, bemerkt er, eine andere persönlichkeit zu finden, schlagenen Gewaltherrscher, wie'Ludwig XI. einer war. Bessarion klagte
die Bessarion voll ersetzte, Er müsse auf die früheren Legaten verweisen,
nlit denen man zuweilen schlimme Brfahrungen gemacht habe. Es war
bald lebhaft über d¿s lange Warten.2 Endlich
gewesen sein
- es wird schon August
erhielt er seine Pâsse. Von da an ging die Reise durch
-
Frankreich schnell vonstatteu. Wie sein Brief an den Köuig berichtet,
nichts anderes als die Furcht vor nachhaltig betonten päpstlichen Forde-
rungen, wie sie sich auch sonst aussprach.s Also Bessarion wurde dringend kam er über den Mont Cenis, dann nach Grenoble und scbließlich
verlangt. Daß auch der König selber in diesem Sinne an den Kardinal nach Lyon, wo er sich einige Zeit aufhielt.s
geschrieben hat, erfahren wir von Ammanati so gut wie aus Capranicas Inzwischen waren die Feindseligkeiten in Frankreich zum offenen
Trauerrede.a Ausbruch gekommen. Der Köuig hatte die Oberhand. Bessarion be-
war von neuem bereit. Die letzten Auskünfte über die
Bessarion schleunigte deswegen seinen Weg. Am I5. August t47z treffen wir ihn
stimmung Ludwigs XI. erbat er sich aus Florenz von Lorenzo de' Medici, in Saumur, einem malerisch auf einer Insel gelegenen Städtchen rnit
und zwar von Grottaferrata aus, wo er jetzt zum letzten Ma[e weilte.s einem festen Schloß, an der Loire zwischen Tours und Nantes. Von hier
Dann war er durch nichts mehr zu halten. Die vermählungsfeier der aus, also in einiger Nahe bei den 'rn'ogenden Kämpfen, schrieb er an ge-
letzten Tocbter aus dem Palaologenhaus, der Prinzessin zoë, fur die er nanntem Tage an den König.a Er schilderte die Beschwerlichkeiten seiner
so viel gesorgt hatte, mußte sich ohne seine Anwesenheit in Rom voll- Reise und betonte die Notwendigkeit des Friedens. Von seinem persön-
ziehen. Gazes berichtete ihm davon, als er schon in Frankreich weilte.6 lichen Ziel, dem Krieg gegen die Türken, wagte er hier schon nicht mehr
Am zo. A,priI t47z verließ Bessarion die Stadt. Der Greis mag geahnt offen zu reden. Es sind nur einige allgemeine'Worte, aus denen man
haben, daß er die Roma ae.terna, die ihm eine zweite Heimat geworden das lesen könnte. Seine Hoffnungen nach dieser Hinsicht nüssen dem-
war, nicht mehr sehen werde. Er war auf den Tod gefaßt. unterwegs nach damals schon sehr gering gewesen sein. Aber er bittet, unbedingt
traf er noch eine letztwillige Verftigung. Er übersandte dem Kloster den zu Ende gehenden Waffenstillstand zu verlängern. Er kündigt auch
Santa Maria della carità in venedig, dessen Sodalitet er seit seiner an, daß er sich demnächst auch zu dem Herzog von Bretagne nach Nantes
Yenezianer Legation angehörte, ein kostbares Pektoralkreuz. Es war eine begeben werde, um mit ihm im selben Sinne zu verhandeln. Schriftlich
letzte Erinnerung aus Byzanz, eine künstlerische Arbeit aus denl Ende war er mit diesem am selben Tage in Beziehung getreten.ó An Karl
des rr. oder Anfang des rz. Jahrhunderts. ursprünglich in kaiserlichem von Burgund hatte er sich schon vordem, vielleicht von Lyon aus gewandt,
Besitz, hatte es Bessarion r4j9 von Patriarch Gregorios geerbt. Bei

t Iacobi card. Papiensis (Ammanati) Epistulae n ¿îr. o. zç6 so.


..h, ul
grâecam
;:"Hq,;iî"Ì:lr
Ven
ariae Caritãtis "Xil"å"il':i:îl
card. Bessarione
2 Cent-dìx lettres grecques de Ër. Filelfe n.'¡o'p'íqo.' dono da
s !egrand,
Legrand, l. _c. n. rJ p. 2jt.' Karl der Kühne äußerte diese Klage über cht vorhanden. E (Jacobi card,
sãmtlic he päpstlichen Legaten, auch über Bessarion. vast, Le cardinal Bëssarion Papiensis Epistulae n. 459) vom ¡7. Joli t47z gibt darùber Auskunft.
p. 4t 6
t Migne, P. gr. ¡ór, ó99.
tniul'g"n¿ (ungedruckte Texte). Niccolò capranica, Acta in funere Niceni
¿ D'Ãchery f-. Spicilègium. Paris r6ó¡. lV. 4or. Paris t727. lll.84z. Hier-
c. 2, Vgl. oben S. 4zo n. 4. nach bei Misne. F, gr. ¡ór, óq9 sq.
o Übe"rliéferu-ng: París, Bibl. nationale, Collection Legrand' Tom. XV.
!_9 rych Ro_cholJ, Bessarion S. zo3, (ohne
|!. III.. euellenangabe).
Band (Ungedruckte Texte)Briéfe; Anhang n, g. ïgl. oben S. 3ro. Das fol. I ro.
Datum ist dort ìn r47z zu ändern. Druckausgabe: Vast, Le cardinal Bessarion, Appendice V. p.+lS.
424 l. Bei der Wabl Sixtus' IV. Die französische Legation. Bessarions Zusammenkunft mit Ludwig XI, Die Ri¡ckreise, 425

allerdings wie das schreiben des Herzogs an sixtus zeigt, ohne irgend- angelegenheit scheint dabei überhaupt nicht die Rede gewesen zu sein.
welche Ergebnisse. Von Beder¡Jung waren nur die augenblicklichen Känrpfe, und hier hat der
König, wie wir aus einem Briefe des Herzogs von Burgund an Sixtus IV.
erfahren, von dem Legaten kurzerhand verlangt, seine beiden Gegner zu
exkommunizieren, wenn sie den Kampf nicht einstellten.t Dazu war Bes-
sarion nicht gewillt. Ersichtlich ist aber aus dem Verlangen des Königs,
Nachrede wieder das Bild verzerrt. Der König, dem der Legat nicht ge- daß er Frieden brauchte. Und das war auch die Voraussetzung, daß er
nehm gewesen sei, soll Bessarion am Bart g.f.nt und dazu dà schlechten mit Bessarion über ein Konkordat bezüglich der kirchlich-staatlichen Be-
Hexameter gesagt l:aben; ziehungen verhandelte. Am 3r. Oktober wurde es von dem König wie
Barbarø grdecd. genus retinent quod haberc solebøtft.t von Sixtus IV. unterzeichnet.2 Es regelte die Besetzung der Benefizien
Lutlwig XI. scheute wohl nicht vor politischen verbreclren zurück; aber durch den Papst, dem in sechs Monaten das Recht hierftir zugestanden
er beging keinen derartigen Fehler, daß er den Kardinallegaten in das wurde. In den übrigen Monaten verblieb das Besetzungsrecht dem König,
Lager seiner Feinde getrieben hette. Die Fabel ist aber ìuch haltlos der Krinigin und dem Dauphin. Damit war die pragmatische Sanktion
aufgehoben, aber auch jegliches Recht irgendwelcher Adligen oder Körper-
schaften. Die Durchführung dieses Konkordats wurde freilich auch bald
wieder hinfallig. '
So vollendete sich Bessarions Legation. Seine Aufgabe war nicht
dankbarer als ro Jahre früher seine politische Senduug nach Deutschland.
Die äußeren Verhältnisse, vor allem welsche Tticke und Verschlagen-
heit waren auch hier stärker als das Können und tWollen eines Edel-
gesinnten.

2. Nach Ravenna und Rom.


Ferner ist es doch wahrscheinlich, daß er sich auch mündlich in seiner Um-
gebung über allerlei ausgesprochen hat. Namentlich wäre das für seinc Bessarion biieb nicht mehr lange am k<iniglichen Hoflager. Die
geplante Zusamrnenkunft mit dem Herzog von Bretagne unterblieb. Die
Enttäuschungen, die er erlebt hatte, waren zu herb. Sein Gesundheits-
zustand mußte darunter in bedenklicher Weise gefährdet werden. Am
r3. September wer Bessarion wieder in Lyon, von wo er noch zwei
Briefe absandte. In dem einen teilte er dem Papste nrit, daß er auf dem
Es ist darum nicht zu wenig gesagt, wenn man die Behauptung von vast Wege nach Rorn sei und daß er den Herzog von Burgund nicht mehr
schon als völlig unverständlich bezeichnet hat.g aufsucben werde, weil es der König nicht wünschte.3 In dem zweiten
antwortete er den Brüdern von S. Maria in Venedig, die ihm inzwischen
ftir die Stiftung seines Brustkreuzes gedankt hatten. Es war offenbar sein
Ietzter Gruß an seine frühere Mitwelt, der er noch einmal ein Gott

ua et sedis øþo-
nat, Colleclion

. -t_Bardi'i, De Vita Bessarionis comtuentarius p, 44, bei Migne, p. gr, lór, ";i,':i; :::;
T,:,,:'1,
^ LV.
Col.
_
e
trTtts'
2
n"'P'-4I9 in den ordonnances des rois de France de la troi-
u 's''" -
Republik_Florenz. Regensburg rggo. sièrne 548-554.
. .d.ie I. lrA.
(Ammanati) Epistulae n. il+ p, g'rz sq. (Jno'atque s ist anscheinend nicht mehr vorhanden. Sixtus lV. er-
eod¿rt it wähnt ihn in seinen.¡ Scbreiben an Karl von Burgund, Vgl. den oben n. r namhaft
t nr. Wien t892. z. Abt. 46. Bd. S. 44g. . . . qu¿n¿
gemachten Fundort
426 z. Nach Ravenna und Rorìr. Bessarions Tod in Ravenna. Die Trauerfeier in Rom 427

befohlen zurief.l Drun ging seine Reise in Begleitung von Wilhelm Fichet ereignet und die Natur in mir den schuldigen weg erftillt hat, ich meinem
durch die Dauphine und Savoyen über den Mont Cenis nach ltalien. Der Schãpfer die Seele rein und unbefleckt zurückerstatten kann.< Dann bat
greise Kardinal stöhnte unter den Anstrengungen.Er litt an Ruhr und er nåch um den päpstlichen Segen für seine sterbestunde und um die
fieberte. Bis Turin kam er, da mußte n.ìan, um ihn zu schonen, auf Genehmigung seines Testameuts.l
anderem Wege weiter zu kommen suchen. Man brachte ihn zu Schiff Bessarion kam nicht mehr auf. Das Leiden setzte von lleuelìl ein.
den Po abwärts nach Ferrara und dann nach Ravenna.2 Da ließ er einen Priester rufen, beichtete und empÊng innerlich bewegt
Seit Jthrhunderten liegt Ravenna fernab vom geniuschvollen die Sterbesakramente. Hierauf ließ er sich in den Hof herabtragen und
Weltverkehr. Bleierne Ruhe brütet über der einsamen Stadt, von der alle Türen öffnen, damit iedermann freien Zutritt zu ihm habe. Er richtete
mit den zurückweichenden Meer auch aller Lärm und jede geschäftige sich hier nochmals an seine nähere Umgebung, bat alle um Verzeihung
Hast geflohen ist. Wir wandeln in einer Stadt der Toten. Zerfallenes
Genräuer und uralte Kirchen neben den dtirftigen Häusern der heutigen
Bewohner. Grabstätten berühmter Namen finden sich über den ganzen
Stadtbereich zerstreut. Zwischen grünenden Sträuchern das wuchtige Grab-
mal Theoderichs, an die Kirche von San Francesco angelebnt die Ruhestätte eber auch gütig und barmherzig, und gedenke nicht meiner Missetaten.<
Dantes, hier liegt Honorius, dort eine byzantinische Kriserin. Alles von Dann starb er unter dem Weinen aller Umstehenden.2 Es war am I8. No-
Moos übergrünt und wie in die Erde versnnken, so daß man von der vember r472.3
Straße auf stufen hinabsteigen nuß. Noch rrgen die stilvollen Basiliken
Der Tote wurde inl bischöflichen Palast zu Raventra aufgebahrt, dann
und Taufkapellen, zum Teil noch aus arianischer Zeit, als Zeugen einst
nach Rom überiührt. In seiner urspiünglichen, ihm so lieben Titelkirche
hochstehender Kunst und eheurrligcr Bedeutung der Stadt, Der Oktogon-
von XII Apostoli fand am 3. Dezember die Trauerfeier statt. Sixtus IV.
bau von S. Vitale und nebenan das Mausoleum der Galla Phcidia mit
war selber dazu erschienen, Die Chronisten merken für diese Auszeich-
seiner stirnnrungsvollen Weihe und seinen Mos¿riken in Blau und Gold
nung an, daß in letzter Zeit nur noch Eugen IV. an den Exequien ftir
erinnern an die fri.ihere byzantinische Herrschaft. So frerndartig und
den Kardinal Nikolaus Albergati teilgenommen habe. Der Bischof von
überraschend uns dieses Ravenna beim erstenmal entgegentritt, umso
vertrauter nuß es Bessarion erschienen sein; denn er fand hier ein Stück
seiner Heimat wieder. Schon in früheren Jahren hatte er Beziehungen
hierher. Ihm unterstand hier eine Zeitlang die Kirche des hl. Mamnras,
und als Legat von Bologna hatte er wieder in die kirchlichen Verhelr
nisse einzugreifen.s .fetzt sollte ihm Ravenna zum letzten Ruhepunlit in
die sich der Kardinal als letzte Ruhestätte hatte errichten lassen.s Freilich
seinenr Leben',¡'erden.
llessarion nahm Wohnung im Hruse des venezianischen Statthalters
Antonio Dandolo. Arn 3r. Oktober schrieb er noch einmal an Papst 1 Dieser Brief in deutscher Úbersetzung bei Rocholl, Bessarion s. zo9 f. ohtre
Sixtus. Er spricht von der A.nstrengung der Reise, von seiner l{örper- ---o--- des Fundorts.
Angabe
Niccolò Capranica, in
iii.-Srnd lungedru.kte Texte) Acla funere
schwäche und seiner Krankheit, die ihn in Ravenna festgehalten habe. Niceni c. rz.
o Mehrfach werden andere Daten als Bessarions Sterbetag Senannt' P a s t o r
Er ftihlte sich gerade wieder etwas erleichtert und machte sich Hoffnung, 'ín
¡Geschlchieããi Þapri. 1i, q6g z) fand den überlieferten Tag ten Acta consistor.
nach völliger Herstellung von seiner Sendung in Bälde mündlich Rechen- bestätist. ".
". überlieferung:
schaft ablegen zu können. >Aber da ich genau weiß, daß in dieser Welt
a. Rom, Cod. Vat. l^t,274r.
nichts von Dauer und daß einem jeden Menschen der Tod bestimmt ist, b. Rom, Cod. Vat. l^t. 1g2o foL 41- 47.
hielt ich es für angemessen, nacl:denl ich das, was das Gewissen bedrückte, c. Rorn, Cod. Vat. lal. 52tg fol. rr5-rr8.
d. Rom, Cod. Ottobon. lal. z5zr 1ol.6z-7o'
bekannt, meine Seele mit Gott zu versöhnen, damit, wenn sich etwas e. Mün,chen, Cod. lat. fol.99 lo7v.
Dru ckausgaben:
a, Oratio häbita in funere Reverendissimi Cardinalis Graeci s. l. et-a. 6 fol' 40.
I Schioppalalbr, Dissertatio in tabularu, p. 147. U. trf"L""r¡a, Compendio storico della basilica de' dodici apostoli di Roma
: Ircobi card. Papiensis (Ammanati) Epistulae n. 498 p. 787 sq. Roma 1655 p.255.
n, 5OO, D, 544 c. III. Band (Ungedruckte Texte),
a Vgl. oben S. z5o. 261. 6 Vgl. oben S,
ltl.
428 z. Nach Ravenna und Rom. Der Nachruf von Bessarions Freunden' 429

blieb sie ihm nicht. Der umbau der Kirche traf auch Bessarions Grab. versagte nie. Er widerstand selbst Alter und Krankheit. Der Römische
Heute findet sich sein Grabdenkmal im anliegenden Klosterhof der Franzis- Stuhl besaß keinen Menschen, dessen er sich mehr rühmen konnte, keinen,
kaner, und an der Seite verkündet eine einfache Inschrift: den er zu seinem Dienst wirksamer hätte heranziehen können. Er hat
ohne Unterlaß gearbeitet und die Trägheit überall gerügt. Ihm wurden
MAGNI BESSARIONIS unsere Pläne unterbreitet, ehe sie ausgeführt wurden. An ihn wandten
CINERES
sich die auswärtigen Gesandten. Ohne Bessarion begann man nichts und
Eine spätere umständliche Inschrift in dcr Kirche vom Jahre 16g3 be- beendete man nichts. Alles ruhte auf" seinen Schultern. Vy'as soll man
ricbtet von der notwendigen verlegung und nochmals von den Ínten sagen von seiner Liebe zu uns, seinen Freunden, was von seinem reli-
des Kardinals.l giösen Sinn und Frömmigkeit, von seiner Freigebigkeit und seiner Seelen-
Bessarions Freunde klagten über seinen Tod. Das Kloster von größe, Er kannte niemals einen niedrigen Gedanken, nie einen Gedanken,
s. Maria della carità in venedig hielt ftir ihn am 6. Dezember das Toten- der seines Ranges nicht wtirdig gewesen wäre. Wir beide sind vom Un-
offizium. Noch im Jahre r48o beschlossen die Brüder, iährlich sein Ge- gltick betroffen, weil wir einen Vater verloren lraben, der uns liebte uncl
'sein
dechtnis zu feiern. Auch in Grottaferrata beging man Gedächtnis, uns gut gesinnt war. Einen zweiten Bessarion wertlen wir in Zukunlt
wahrscheinlich auch in den übrigen italienischìn Basilianerklöstern. Die nicht mehr haben.<1
Humanisten rü'hrten die Federn, um ihre Elogien und Nachrufe zu schrei- Das war die Klage eincs Freundes, der dem großen Kardinal per-
ben. Platina hatte noch zu Bessarions Leizciten seinen ausführlichen sönlich nahe stand und ihm viel zu verdanken hatte. Die Nachwelt auch
Panegyrikus verfaßt und darin manche Einzelzüge aus seinem Leben mit- von heute wird dankbar des griechischen Kardin¿rls gedenken. Bessarion
geteilt.z Auf ihn stützte sich schon capranica in seiner Trauerrede, wird seinen Platz behalten in der Kirchengeschichte als uneigennütziger
aber nicht ohne besondere Einzelheiten zu bieten. Beide sind ftir uns Förderer des kirchlichen Einheitsgedaukens wie als treuer nnd weitblicken-
wichtige Quellen. Auch aus Kreta kam ein Trauerruf von Michacl Apo- der Diener des Oberbaupts der Kirche, und in der Geistesgeschichte als
stolios.E Auch ein Den:etrios Kastrenos klagte wie wohl noch nr¿ncher einer ihrer hervorragendsten Wiederentdecker untl Vermittler verloren-
seiner griechischen Landsleute. sonst hatte nlan im osten den bedeut- gegan_gener geistiger Gtiter.
samen Mann vergessen. von seinen lateinischen Freunden schrieb Nic-
colò Perotti seine vita, die bis jetzt noch nicht wiedergefunden ist, t Iacobi card. Papieusis (Ammanati) Epistulae n.488 p,787 s,

und vespasiano da Bisticci vergaß ihn auch nicht in seinãr Sammlung


berühmter Männer, wenn hier auch die Züge sich im einzelnen schon ver-
wischen.a An wärmc und innerer Teilnahme übertraf wohl alle Amma-
nati, dem Bessarion einst zum Kardinalspurpur verholfen hatte. Er hatte,
wie wir erwähnten, auch schon zu Bessarions Lebzeiten ein charakter-
bild von ihm entworfen, vielleicht das lebendigste und inhaltreicbste, das
wir besitzen.s Jetzt schrieb er über Bessarions Tod an campani einen
Brief, der mehr besagt als jede der gehaltenen Trauerreden: ,rcampani,
lieber Bruder, Du wirst weinen und klagen: unser Nicenus ist tot. Er
rvar ohne Frage ein großer Mann. Ein Mann von ungeheurem wissen
und einzig dastehender veranlagung. sein Eifer fur die Allgemeinheit

u oben S. 264 n.5


6 tgl.
Vgl. oben S.
und S. r5.
132 n. 5.
Register. 431

Ebendortfer 300 Oeorgius Vari de Candia 257 Joseph v. Methone 182


E ¡r. 3 Jusiìnian 20-28, 350
E Cerntanos 99 n. 3 Justiniani, lìoratius ó8, 122 n. 3

R.gister. t
E
E '17
Gerorttios 99 n.3
Oherich, Joh'
- 41.1.
Oi"comó, Franziskanerprovinzial
l(abakes, Demet¡ios 204
Kabasilas. Neilæ 3ô 1.,
n.2
92,
.dl'lain, Kard. 2ó8 t., 319 .4,thanasios, 92 Caretto, Otto v. 318 n. 5 E 287
n.
il4, r20, 124, 157. toi.238
Athanasios, E Oiacotno d'Arezzo 3lÓ I Kalekas, Manuel 3ó, i02
AÞdala, Erzb. v. Edessa 209 von Caruajal, Kard. 218, 28o, 293,
E
,418
76 -178, Cigantibus, Joachinus de 364 Kalixt lll. 256, 2o8, 277 -283,
tr.3 Konstantin 303,319 n.5
Aelianus 3ó2 n. 3, 410 Alhanaeios, n. 3 Caryophilus, Matth. ó8, 123 n.4, 252 -256' 314, 321, l3l, 350, 300, 413,
Athanasios, 194, 218 n. 2, 303 291, 317, Oiovio Paolo 418 416
, 55,
Giudici, Battista de' 343 v. Dristra 98 n.
97, tl4, 162 1., 229 Castagnoli, Matteo di 4ll 325.343. 427
Oiustiniani, Bernardo 3ll , 315
Kallistos 2
Attikos 39ó Cenci, Agapito 308 Eugenikos,'Joh. 38 n. l, 52. Kanlakuzenos, Joh. 91, 100
Augustinus 17, 35, l3t, 2201., Ceneduli, Battista 2ól l-r2, t3l'f., l4l, 193, lS9 Giustiniani, Oiovanni Longo Karl, Markgral v. Baden 419
n. 2, 6l- 273 l. Kleopa Palaiol. 50-53
240 f., 3ó8, 378, 389, 401, 41 l Cesarini, Kard. 57
ó3, 70, 78, 104, r07, Olykas, Michael 25ó Kodinos 2ó, 177
rturispa 2ó3 109,
Coar, J ac. ó9 n. I
Averræs 341 t, 2, 350, 3ó3 lt2-1r6, r22 1., 129, 132,
Gonzaga, Kard. 319 l.
Kolluthos 258
Averulino, Antonio 30ó n. 4 l3ó, 143, 174-170, 190, 208, Konstantin XL Palaiol. 20, l8l,
Âvienna 3ó3 228, 253, 257, 324,344 n. 2, G¡anl, loh, 274 210,225, 268,272-274
290 Cregor d. or.35,225 n, 4
Alexander v. Aphrodisiae 213, 349 Kosmas, monachos 4ll
Cregor lX. 34ó Kydones, Demetrios 17, 36, 207,
266,336,341 n.2 Bacon, Roger 342 Chalcidius 34ó
Gregorios, Monachos 45, 349 '220 1., 237, 239
Alexios IL 221 Badios, Buchhándler 410 Chalkondvlas 331
Ã,2
IV. Balsamon, Michael 122 r-harisioó 132 f., 13ó Kyparissiotes, Joh, 3ó
Alexios
Alfons I.
Komnenos 52
253, 256, 267, 279, Balue. Kard. 420
Gregoriosv. Naziarz ll4, 129, Kyrillos v. Alex. 33, 114, 125,
r50, 241 f., 2óó, 389 128, 130, 133, 145, 151, 153,
328, 341, 343 Í., 400, 4t2 Barbaro, Franc. 33b, 399 n. 2, Gregorios v. Nyssa 2l, ll4,
Alionso de S. Maria 343 n, 2 411 1ó1, 1ó3 î.t 312, 329, 402
Barbo, Pietro, Kaú. 267,317 1. 148, 1ó3 1.,237,246
Alfredus Arrslictrs 341 Oregorios Thauntaturgos 150
Ahnadiano, Joh. Bapt. 331 Barbatia, Andreas de 265 n, 2, Fantinus v, Vallaresso 57 n. I Guarino 2ó3 Lamponios 330
Alpharabíus 3ó3 319 Federigo v. Urbino 283,335, Ouarnerio 326 ¡. 3,329 Lapo da Castiglionúio 72, 110,
Amadeus, Herzog v, Savoyen 419 Barlaam, Mönch 239, 387 408 113 n. 1
Arnbrogio Traversari 36, 70, 72, Barthrilomaeus Abramus ó8, 123 Felix V. 248, 259,282 Laskaris, Alexios ó3, ó9, 7l,
t0l-104, 110-1t4, u8, n.4 Feltre, Antonio da 283, 412 Hahn, Ulrich 335 206 r., 2tl, 213, 219, 224-
t22 r,, 140, 144, l7t, 174, Bartholomaeue, Bisch. v. Cor- Feltre, Vittorino da 2ó4 Heinrburg, Cr, 252, 290-293, 226, 236, 243, 404
'205, 255, 265, 325; 326, tona 198 Ferdinand, Könìg v. Aragon 301 Laskaris, Demetrios 54
348 f., 405 IJartolommeo di .Lr^chele del Co- Condolmiere, Anlonio 88 3ó4 n. 5 Helena Palaiol. 310 Laskaris, Joh. (Janos) 53 f.,
Ambrosius 225 n, 4,246 razzo 107 n, I Condolmiere. Marco 88 Fichet, W. 333, 3óó n, 2, 388, Êlelena, Kaiserin v, Trapezuni 225 n, l, 331
Amelios 372 Bartolommeo da Parerzo 424 Cordella 251 n. 3 417, 419, 422, 426 305 Laskaris, Konstantin 225 n, I'
Amirutzes, Oeorgios tl,
19, 41, Basileios, Kirchenvaler 22, 55, Cortesi 252 Ficino, Mars, ó, 48, ll3, 2ó3, llermeias 114, 337, 389 25ó, 30ó
52, 74, 93, tl2, tt6,
120, 97, tl[, t44-148, 162-t64, Corvinue, M. 285, 287 332,349 n. l, 351, 3ó4 n. 4, Ilermosenes 3ó9 Lelli. Teodoro de' 319
155, 1ó5, 202 1,, 208 n, 4, 206, 226 1,, 229, 232, 245, Creyghton 69, 71, 122 a, 3, 384 1., 389 n. 1 Hcsaiaã v. Kypros 3ó, 392- Leo i., Papst 28, 134, 225 n.4,
300, 304-30ó 247, 25r t, 3, 252, 260,327, 194 n. 2 Filelfo, Fr. 3, 42, ll3, 123, 395 242
399, 404, 46 Crispi, Albertus de Hieronymus 35, 251 n, 3, 37E, .l50
Ammanali, Kard. 251, 285,295, 82 252, 263, 283, 30ó n. 4, 331 Leontios, Bisch,
301, 303, 319, 32r f., 331, Becc¡delli (Antonio Panormi- n.7,3ó4 400-403 Leubing, Heinr. 302
416-424, 428 tano) 263, 279 I)amaskios 337 -333,335,351
n. l, 386 f., 393, 419 Hilarion, Mönch 258 Lionardo v. Chios 27ó
Andreas, Apostel 307 f, ûekkos, Joh. 11, 20-22, 32- f)amasug 225 n. 4, 4Ol Finetti 2ó3 Hílarius 225 n. 4 273, 314
Andreas de Barbatia 2ó5 n. 2, 37, 91, 96, 114, 157, 187, Damianos, Erzb. 98 n. 2 Flasland, loh. 291 Hugo Etherianus 226 n,6 g v. BaYern 285,
319 2tt-2t7,2r9, 236, 404 Dandolo, Ant. 426 Flavianus 134 f. llunyadi 210, 270, 280 302, 4t9
Andres de Bussi 3ó5 Ilellardi, Joh. 122 n. 3 David l(omnenos 202,3O4 l. Foscari, Fr. 275 Frankr. ?, 314,
Ândrss ó8, 71,
de S. Cruce 5ó, Bellini 251 n. 3 Demetrios, Sohn des Oemislos Franceschi, Piero dei 251 n.3 lgnatíos v. To¡nobos 98 n.2
123, 141 n. 5, 143 n. 3, ló9, Bembo, Pielro 25ó 49, 340 Francesco v. Toledo 298 Innozenz VIl. 347 Lysis 3ó5, 3ó8
t7t , 175 Bentivogli, Annibale 2ó1 I. f)€metrios Palaiologos 50, 52, Freron. Svmon 80 n. l. 84-8ó Isaias v. Jerusalem 83 n.3
Andreas Palaiologos 309 ßentivogli, Luigi 262 82, 85, 100, 107, 120, 156, Friettrích' 1., Pl alzgr al' 295 Isaias v. Stauropolis 98 n. 2, Xacrobius 378
Andreas v, Rhodos 108, 120- tsentivogli, Santi 2ó1-2ó3 175,177, 187, 19ó, 2lo, 268, Friedrich lll,, Kaiser 7,20ó, 157 , 175 Maflei, Ciuliano 331
131 Benzius, Hugo 349 304 f. 270, 277, 281 1., 285, ¿99, Isidor v, Kiew 20, 44 Í,, 53, Maffei, Timoleo 263 r, 2
Andronikos, Kaiser 20 Bernardin v. Siena 2ó0
lÞssarion, der hl. 53, 258
Demosthenes 257, 266, 368 f,, 302, 416 ó0 I., 82, 111, tl7-178, Makarios Makros 73
Andronikos, Sohn des Oemietos 4r7 Fugger, Joh. lak. 3ó2 n. 3 180 t., 203, 205, 2O7, 24tJ, Makarios v. Nikomedeia 98 n. 2
49, 340 ßessarion, Abt 417 Diether v, lsenbwg 295-297, 270 f., 274, 276,310,324 Malaspina, A¡1,202
n, 8,
Andronikos Kallistos 329 8iane, Herzogin 287 301 l. Malatestâ, Sig. 312
331 f.,335 n.4,3ó3 n, I, Biondo, Flavio 248, 252, 325, D .v.300 Galenos 330, 404, 410 t.
M
390, 395 t. 331 D os 369, 378, Calinotos, Androntkos 256
0aratoni, CristoIoro 82-87, M
Anna, Cemahlin votr K. Johan-
nes Pal. 53 n. 7 D 150, 232,247, 104, 123, r80 1., 210
Catti, 264, 329, 331,
Antouio v. Felt¡e 283 Joh
Antonios, Bisch. v. Herakleia Dionysioe Halik. 330 364 I.
9r, 98 f., 137, 140 f., 151, Dionisios Hieromort, 4l n. l, M
154, 157, 167 1., 177, 179, 52'Í. 30 f.
183-187, r92 Dionysíos v. Sardes 98 n,2' 1., 270 91

Anlonius, Tit,-Bi8ch. v. Suda 82 140 , 334 l" 210 Manuel. Komnenos 3l


Apostolioe, Michael 41, 43, 284, Dioskuros 134 l. f., 38ó, Manuel Palaiol., Kaiser 52, 7ó,
30ó, 3r0, 329-332, 390, 394 Dorotheos, Mönch 99 n. 3 3, 400, 257. 309
Mariá, Königin v. Nupel 280
t., 409, 411, 428 Dorothme v. Antioch. 98 n. 2 405 1,, 422
Dorothms v. Trapezunt tiO, 9E Cemistos, Oeorgios (PJethon) 2, Maria Komnena 53
Archimedes 334, 370
A n,2 1.2 6, 12, 32, 44-49, 55, 80, Martin IV. 343
A n. I Calandrini, Kard. 418 f. Dorotheos v. *lítylene 59-ó1, 92, tt2 t., 116, 1t9, 122, ¡\larlin V. 77, 81, 248, 343
05, 98 n. 2, 139; 154 f., 159, 131, 155-158, 165, 177, 196, Matthaios, Hieromon. 44, 53
A Caldarifex, Joh. 4ll
A n.8, Caldarini 252, 33t, 418 169,205 200-203, 221-223, 33t- Matthaios v. Melenikos 99
t.2 340, 348-358, 390-396, 404 Maximos. d. Bekenner 33, 114'
., 390, Campaîi 212, 296, 331, 335, Dositheos, P^tr.32 t27, lE3 r.,159,163 1., t6't,
3ó5, 38ó, 417 f., 428 Dositheos v. Doros 43 f. -407 . 217, 399 n. I
Dosilheos v. Dramå 99 Gennadios, Hegumenos 187
Capello, Vittore 310
Oennadios v. Cannos 98 n. 2 Mediii, Cosimo ll3, 315, 325,
^A 113, 128,
280, 288,
Caoistrano. Ioh. 2E0
Cabranica'46-44, 51, l09, 208,
Dositheos v. Monembasia 98 n. 2
Dosithæs v. Trapezunt 41 ., Gennadios (O. Scholarios) l9- î.2 348, 351, 412
349-356, 2ó8 n, 1, 418, 420 r, l, 422, 53 f., 324
f
21, 46-48, 172, 192, 198, loasaoh v. Amaseia 98 n. 2 Medici, Lorenzo 345, 4llt 422
388-398 427 Dukas 179 203 1., 233, 240, 271,215 ioasa'nh v. Eohesos 9l Melissos 377
A 411 Caraffa, Kard. 418 Duns Scotus 377 Georgios, Dishypalos 84 f, joseph, Patrl v. Kpel. 33, ó7, Meliteniote. Konst. 20, 34
Oeorgios Kyprios 34 90, 98, 105 Melozzo da Forlì 281 n' 3,323
432 Regisrer.

Philoponos
Philoiheos,
3,1ó
patr. v, Alex. tt9Irru. 4l n. 3, 400, 4le
98
n.2, 169
Ph.otios ló, 2t-90, 124, 127,
168
Phrantzes 30ó. 30S
Phykarnos, Tion. 4t0
Piccinino 8l
Picgglomíni, Enea Silvio 123,
277 !., 281, 289, 300, 30i;

265,
360,
Moses, Mönch 99 n, 3

Naldi 386

Poggio 248, 252,264, g2S-927


Pomponio i ¡ro aló, '920, 322,,
349
385, 389, 39ó
7 t., 346, 349,
389,410,413
300, 327, 330,
Psellos 30. 349
Pythagoraé 3ó?
gu¡qtqs !'. Smyrna 258, 330
(¿urnnr, Lauro 284,4lO
I Rammusío 415
Regiomontanus 299, 900. 334
l(hosos, Joh, 4ll Ifrban V. 38
Roverella, Kard. 418 f, Urrea, Pietro 280
Pachomíoe, Mönch 99 n. 3
t'11ï2¡r7'"t",ios 37 , el, e6 1., alutÂti 325

204,
Senee

277 n, 4, 288
\arser 8t,120
Herzog v. Tirol

Zacchi, Oaaoafto 264. 329


Philon 389 4lt
ziii:t:,Iii',ftïf;i

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