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ALTHEIM I GESCHICHTE DER HUNNEN

VIERTER BAND
FRANZ ALTHEIM

GESCHICHTE DER H U N N E N

VIERTER BAND

DIE EUROPÄISCHEN HUNNEN

MIT B E I T R A G E N VON

E U G E N LO Ζ Ο VAN, R U T H S T I E H L UND

ERIKA TRAUTMANN-NEHRING

ZWEITE, DURCHGESEHENE AUFLAGE

w
DE
G
WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK

1975
ISBN 3 r ι 004665 2
Copyright 1975 by Walter de Gruyter Co., vormals G. J. Göschensche' Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlags"
buchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit fit Comp., Berlin 30 — Printed in Germany — Alle Rechte
der Übersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch
auszugsweise — vorbehalten
Satz und Druck: Walter de Gruyter fic Co., Berlin
Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin
H O R S T W. H A R T W I C H ,
DEM L I E B H A B E R D E R G E S C H I C H T E
VORWORT

Der vorliegende Band behandelt die europäischen Hunnen. Ihre


Geschichte bestritt, allenfalls mit der (im ersten Band behandelten)
Vorgeschichte vereint, die bisherigen Darstellungen. Wie sehr sich
der Blickwinkel verschoben hat, zeigt sich darin, daß diesmal den
Hephthaliten allein zwei Bände zugewiesen wurden. Als geschicht-
liche Erscheinung von eignem Rang, als Muttervolk der europäischen
Hunnen, Awaren, Proto-Bulgaren und Chazaren, nicht zuletzt kraft
ihrer Bedeutung für die nestorianische Mission und die griechische
Überlieferung im Osten, bilden sie recht eigentlich die Mitte. Was nun
die Geschichte der europäischen Hunnen angeht, so gipfelt sie im
Auftreten Attilas; sie tut es in solchem Maße, daß die Ereignisse vor
und nach seinem Auftreten auf ihn bezogen sind. Überall kennt man
die Tatsachen, ist der geschichtliche Verlauf festgelegt, und alles ist
oftmals dargestellt worden. Hier konnte eine Zusammenfassung
genügen. Hingegen soll ausführlich behandelt werden, wo der ge-
schichtliche Ort dieser Hunnen innerhalb der spätantiken Welt zu
suchen sei. Dem ist eine längere Reihe von Untersuchungen gewidmet,
denen auch die Abschnitte über das Heldenlied und den Ritterroman
zuzurechnen sind. Zugehörigkeit zur frühsasanidischen Kultur scheidet
die Hunnen von ihren Nachfolgern, die durch die spätsasanidische
geprägt wurden. Dieser letzte Nachweis wird im fünften und ab-
schließenden Band zu finden sein.
Durch die Verlegung des Gewichts von der erzählend-pragma-
tischen Betrachtung weg auf die systematische gewinnen dieser
und der folgende Band ihr Gepräge. Der Wandel der Anschauung, der
sich darin ausdrückt, entspricht dem, was von einer künftigen Ge-
schichtswissenschaft verlangt werden wird; in dieser Auffassung
glauben wir uns mit einer großen Zahl von Historikern einig.
Vorwort VII

Erschließung bisher wenig und nicht beachteter Quellen war unser


Streben von Anfang an. Hier wird, sogleich im ersten Kapitel, die
zweite, rein aramäische Inschrift von Mchet'a erstmals vollständig
und in eigner Lesung mitgeteilt werden. Die geschichtliche Bedeutung
dieses einzigartigen Stückes ist vorerst kaum abzusehen. Es hat
unsere Auffassung allenthalben entscheidend bestimmt. Auch an
dieser Stelle danken wir all denen, die uns ermöglicht haben, an der
Erschließung dieser Inschrift mitzuwirken.
INHALTSVERZEICHNIS
Seite

Vorwort VI

Erstes Buch: Iran als geschichtlicher Hintergrund I


Erstes Kapitel: Zwei Neufunde. Zusammen mit Ruth Stiehl 3
Zweites Kapitel: Späte Arsakiden, Frühe Sasaniden und die Hunnen . . . 28
Drittes Kapitel: Sasanidische Ideogramme. Zusammen mit Ruth Stiehl . . 69

Zweites Buch: Heidentum und Christentum 101


Viertes Kapitel: Germanische Götter nach ihrer geschichtlichen Stellung . . 103
Fünftes Kapitel: Aux origines du christianisme Daco-Scythique.
Von Eugen Lozovan 146
Sechstes Kapitel: Videvdät und die zarathustrische Wiedergeburt . . . . 166

Drittes Buch: Hunnen und Burgunden 183


Siebentes Kapitel: Vorstöße nach Westen 185
Achtes Kapitel: Der Burgunden Untergang 193

Viertes Buch: Dichtung 207


Neuntes Kapitel: Tragik als geschichtliche Form 209
Zehntes Kapitel: Heldenlied. Zusammen mit Ruth Stiehl 218
Elftes Kapitel: Ritterroman. Zusammen mit Ruth Stiehl 234

Fünftes Buch: Attila 269


Zwölftes Kapitel: Attila und Ostrom 271
Dreizehntes Kapitel: Attila und Westrom 305
Vierzehntes Kapitel: Untergang und Nachfolge 330

Anhang 349
Nachträge zum ersten Band 351
Nachträge zum zweiten Band 351
Nachträge zum dritten Band 352
Druckfehlerverzeichnis zum zweiten Band 356
Druckfehlerverzeichnis zum dritten Band 356

Abbildungsteil. Von Erika Trautmann-Nehring 357

Register 365
1. Geschichtliches Register 367
2. Philologisches Register 382
ERSTES BUCH

IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

1 Altheim, Hunnen IV
1. KAPITEL

ZWEI NEUFUNDE

Nach langer Unterbrechung kehrt die Betrachtung zur Geschichte der


europäischen Hunnen zurück. Die geschichtlichen Voraussetzungen haben
sich freilich gegenüber bisher vertretenen Auffassungen (die eignen nicht
ausgenommen) gründlich verändert. Bei den Hephthaliten als östlichem
Teil des hunnischen Gesamtvolkes hat sich eine tiefgehende Durchsetzung
mit iranischem Wesen beobachten lassen. Sie führte, zumindest bei dem
herrschenden Stamm, zu einem Aufgehen in iranischem Volkstum und
iranischer Kultur. Auch die europäischen Hunnen sind nicht unberührt
geblieben. Erste Aufgabe ist darum, zu ermitteln, wieweit sie sich mit der
Welt, die Iran heißt, eingelassen haben. Wieweit diese Hunnen von ihr
geformt waren, bevor sie sich anschickten, in den benachbarten Bereich der
spätantiken und germanischen Welt überzutreten.
Ein glücklicher Umstand wollte, daß von zwei Neufunden zu berichten
ist, die beide Wesentliches zur Lösung der angedeuteten Frage beitragen.

Im Frühjahr 1957 fand sich auf der Rückseite einer 1422 ausgestellten
Urkunde, die von Rechtsstreitigkeiten über transdanubische Besitzungen
der Familie Batthyanv handelt, eine Liste von Wörtern der ungarländischen
Alanen oder, wie sie sich nannten, der Jassen. Eine lateinische oder alt-
ungarische Übersetzung war diesen j assischen Wörtern oder Wendungen
beigegeben. In insgesamt 18 Zeilen werden 41 jassische Wörter aufgezählt.
J. Nemeth hat dieses einzigartige Sprachdenkmal, von paläographischer
und iranistischer Seite beraten, jüngst herausgegeben und eingehend be-
handelt 1 .
Die Jassen, als Nachkommen der Alanen nordiranischen Ursprungs und
mit den heutigen Osseten verwandt, sind 1239 nach Ungarn gekommen. Sie

1 Eine Wörterliste der Jassen, der ungarländischen Alanen. I n : A b h . D t e A k a d .


Berlin, 1958, 4 (ersch. 1959).


4 I R A N ALS G E S C H I C H T L I C H E R HINTERGRUND

zogen westwärts im kumanischen Stammesverband, gleich dem T ü r k v o l k


vor den Mongolen flüchtend. In ihrer neuen Heimat wurden beide Völker-
gruppen der Masse nach zwischen der D o n a u und dem Unterlauf der Theiß
angesiedelt. Dort saßen sie zwischen Jäszbereny, Kecskemet und Halas im
Süden, griffen aber mit in weiter Streuung über beide Flüsse hinaus, nach
Westen und Nordwesten über die Donau, nach Südosten und Nordosten in
das sonstige Gebiet der Theiß 2 . Jene Liegenschaften, um die es in der Ur-
kunde von 1422 geht, befanden sich innerhalb des Donauknies, südlich von
Esztergom 3 . Der Wörterliste fügt Nemeth eine solche anderweitig erhaltener
jassischer Personennamen bei 4 .
V o m Alanischen kannte man bisher zahlreiche Personennamen und
einige wenige Ortsbezeichnungen. Quellen waren vor allem die griechischen
Inschriften der K r i m und weiterhin ganz Südrußlands. Mittelalterliche
Inschriften, ossetisch und in griechischer Schrift aufgezeichnet, lieferten
eine sparsam bemessene Ergänzung. Demgegenüber ist die Wörterliste
jünger, bietet aber eine Zahl v o n Appellativen, die an anderem Ort nicht zur
Verfügung steht.
Nemeth ist es gelungen, die Hauptmasse der Wörter mittels des Osse-
tischen zu deuten. N u r bei einem Siebentel des Bestandes, bei sechs Wörtern,
w a r kein Verständnis zu erreichen. A l s Ergebnis schien sich einzustellen,
d a ß das Jassische nähere Berührung mit dem West-Ossetischen (Digorisch)
aufwies als mit der östlichen Mundart (Ironisch). Wenn diese Feststellung
zutreffen sollte, besagte sie, daß zu dem Zeitpunkt, d a die Jassen nach
Westen abwanderten, also vor 1239, die Scheidung des Ossetischen in zwei
Mundarten bereits eingetreten war. U m so sorgfältiger muß geprüft werden,
ob die von N e m e t h gebrachten Beweise standhalten.
Folgende Feststellungen werden für die Berührung des Jassischen mit
dem W . Osset. angeführt: 5

1. Vorhandensein eines auslautenden -a in Übereinstimmung mit dem


W . Osset. -ä;
2. Gegenüber o. osset. I, w. osset. e hat das Jassische e;
3. Gegenüber o. osset. i, w. osset. « h a t das Jassische « ;
4. Gegenüber o. osset. j, w. osset. i hat das Jassische i (?);

4 Siedlungskarte bei J. Nimeth, a. O. 8.


' Karte bei J. Nimeth, a. O. 11.
* a. O. 23 f.
5 J. N£meth, a. O. 28.
ι. ZWEI NEUFUNDE 5
5. Bewahrung des vor-ossetischen xV hat das Jassische mit dem W. Osset.
gemeinsam;
6. Auslautendes -t und -k haben Jassisch und W. Osset. bewahrt.
Demgegenüber ist eine grundsätzliche Überlegung vonnöten. Feststellungen
derart, daß eine Mundart sich einer anderen „anschließt", daß sie mit ihr
„übereinstimmt" oder „zusammengeht" 8 , besagen an sich nicht allzuviel.
Es muß geklärt werden, ob zwei in Frage stehende Mundarten einen älteren
Zustand bewahrt oder ob sie gemeinsame Neuerungen geschaffen haben.
Von beiden Möglichkeiten ist für die vorliegende Fragestellung allein die
zweite von Gewicht. Die erste kann bestenfalls bestätigend hinzutreten,
wenn der zweite Tatbestand erwiesen ist. Nemeth hat sich diese Alternative
ersichtlich nicht gestellt. Er erkennt und betont in einzelnen Fällen, daß
dem Jassischen und W . Osset. gemeinsam gewisse Altertümlichkeiten
eignen, im Gegensatz zum O. Osset. Aber er stellt niemals die Frage, ob Jas-
sisch und W. Osset. zusammen eindeutige Neuerungen durchgeführt haben.
Unter 5 und 6 spricht Nemeth selbst davon, daß älteres und -t, -k
bewahrt worden seien. Aber was hier gesagt ist, gilt auch für die verschie-
denen Vokal Vertretungen. Bei jass. e gegenüber w. osset. e, o. osset. V
kommt Nemeth 8 zufolge nur jass. heca in Frage. Man besitzt w. osset.
xecau und o. osset. xicau, eine mit r-Suffix gebildete Erweiterung 9 . Der
Stamm kann nur auf *xVatya- zurückgehen. Dazu stellt sich avest. xvai-&ya-
mit i-Epenthese, soghd. xwty(y)10. Der Vokal der ersten Silbe kann nur
über ai sich zu e, i entwickelt haben. Wiederum handelt es sich auf Seiten
des Jassischen und seines w. osset. Gegenstückes um Bewahrung einer
Altertümlichkeit.
Dasselbe gilt für jass. u gegenüber w. osset. u, o. osset. t 1 1 . Jass. und
w. osset. jus „ S c h a f " entspricht avest. pasuS, bei dem sich unter Einfluß des
anlautenden Labials und des folgenden « ein Wandel zu *pausuS, *pousu§
vollzog. Dementsprechend hat sich in fus ein älterer Lautstand als in
o. osset. fis erhalten. Die von Miller weiter angeführten Beispiele bestätigen
das Ergebnis.

• J. Nimeth, a. O. 28.
' W. Miller, Die Sprache der Osseten (1903) 20 § 9.
4 a. O. 30 unter 4.

» W. Miller, a. O. 28 § 28, 2 Anm.


10 I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian (1954) 42 §269; 62 §402;

201 § 13361; 205 § 1390.


11 W. Miller, a. Ο. ig § 7, 2.
6 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Auch jass. i gegenüber w. osset. i, o. osset. ι 1 2 ist nicht anders zu be-


urteilen. Da der ossetische Vokal aus i, l oder allenfalls aus ai, ya entstanden
ist, muß die t'-Form gegenüber i in jedem Fall als ältere gelten.
Es bleibt auslautendes -a. Wieder bezeichnet es Nemeth selbst als
bewahrte Altertümlichkeit13. Seine Argumentation, daß man -a in den jass.
Wörtern dort finde, wo im W. Osset. -ä vorhanden sei, und daß -a im Jass.
dort fehle, wo dasselbe für -ä im W. Osset. gelte, trifft, genau genommen,
nicht zu. Nemeth selbst muß die Ausnahmen jass. manauona und huuas
feststellen14.
Es gibt demnach keinen Fall, darin Jass. und W. Osset. in einer ge-
meinsamen Neuerung sich träfen. Wo Gemeinsamkeiten sich einstellen,
handelt es sich stets um beiderseits bewahrten älteren Lautstand. Die
Folgerung liegt auf der Hand. Das Jassische stellt gegenüber dem Osseti-
schen eine ältere Stufe dar. Und es kann auf keinen Fall herangezogen
werden, um das Bestehen der Trennung in W. Osset. und O. Osset. zu
erweisen.
Das Bild bestätigt sich, wenn man heranzieht, was Nemeth übersehen
hat. Bearbeitung durch einen erfahrenen Iranisten wäre dem, wie immer
betont werden muß, einzigartigen Denkmal zugute gekommen. J . Har-
matta's Ergänzungen und Einwände, die Nemeth verzeichnet, gehören zu
dem, was die Deutung am meisten gefördert hat. Es kommt hinzu: Nemeth
beschränkt sich auf bekannte Nachschlagewerke: Miller, Abaiew und
Zgusta. Was dort fehlt, fehlt auch bei Nemeth.
Von besonderer Bedeutung sind die Inschriften des Topfes von La-
dänvbene, die zusammen mit J . Harmatta gedeutet wurden (oben 1,293f.;
3,291) die griechisch-aramäische Bilinguis von Mchet'a; schließlich die so-
gleich zu behandelnde aramäische Inschrift gleichen Fundorts. Die beiden
letzten liefern Material an alanischen Personennamen. Bei der ersten ist zu
bemerken, daß sie teils in aramäischem (armazischem) Alphabet, teils in
einer alten Form der germanischen Runen geschrieben ist. Ladänybene
liegt unfern von Kecskemet, also inmitten des zentralen kumanisch-
jassischen Siedlungsgebietes. Wieso es kam, daß die Jassen dort eingewiesen
wurden, wo in dem 3. nachchristlichen Jahrhundert bereits Alanen ge-
sessen hatten, läßt sich bestenfalls vermuten.

" W. Miller, a. O. 18 § 5.
13
a. O. 28.
14
a. O. 29.
ι. ZWEI NEUFUNDE 7

Auf der aramäischen Inschrift von Mchet'a werden als alanische Orts-
namen zmyzbl' Z. 4 und nykwrti Z. 10, ferner Z. 5 das Appellativum shr',
Z. 7 und 14 zyri begegnen: alles vollgültige Zeugen für das Alter des auslau-
tenden -ä.
Mit Sicherheit gelesenes xvat auf dem Topf von Ladänybene (oben
1,296) zeigt, wie zu erwarten, Erhaltung des anlautenden xV- und auslauten-
den Beides erscheint im Jassischen, während das W . Oss. xvädäg hat.
Wieder bestätigt sich, daß das Jassische eine alte Sprachstufe bewahrt hat.
Das Bild ergänzt sich bei jass. dan gegenüber w. osset. und o. osset. ion.
Man vergleiche dazu die oben gegebene Besprechung der Flußnamen Don
und Donau (oben 1, 355 f.).
Die Masse der jassischen Personennamen entstammt dem „Freibrief der
Jassen", den 1323 K a r l Robert aus dem Hause A n j o u erteilt h a t 1 5 . Furduh
wird von Nemeth1· richtig mit w. osset. furt, o. osset. fjrt sowie mit φουρτ,
Φούρτας zusammengestellt. Sodann Zuagan, womit Nemeth nichts hat
anfangen können 1 7 . Die genannte Inschrift sowie die griechisch-aramäische
Bilinguis bringen zywh, Ζ η ο υ α χ ο υ , eine Gemme Ζευάχηξ 1 8 - Dazu kommt
das adjektivische Suffix -änie. Zudak auf einer Urkunde von 1325 2 0 hat
sich gefallen lassen müssen, mittels des Rumänischen gedeutet zu werden.
In Wirklichkeit gehört es zur Stadt Sudak auf der Krim, dem Σ ο υ γ δ α ΐ α der
Inschriften 2 1 .
Das einzige, was dem Bild eines erhaltenen alten Sprachzustandes zu
widersprechen scheint, ist der Name der Jassen selbst. Zugehörigkeit zu
Ass und Verwandten (oben 1, 58; 60; 67; 73 f.) ist auch von Nemeth an-
erkannt. Aber er spricht von einem slawischen /-Vorschlag 22 . Einen Parallel-
fall bildet jass. jaika „ E i " , gegenüber w. osset. aikä, o. osset. aik. Hier ver-
weist Nemeth 2 3 indessen nicht aufs Slawische, sondern auf o. osset. yäfs
„ S t u t e " gegenüber w. osset. äfsä, avest. aspä24. Neuestens kommt hinzu

14 J. Nemeth, a. O. 6; 24t.
" a. O. 24.
1 7 a. O. 25.

1 9 Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum (1957) 75 f·

19 W. Miller, a. O. 92 § 9 5 , 15b.
" J. Nemeth, a. O. 25.
" W . Miller, a. O. 6 unten.
» a. O. 10.
23 a. O. 31 unter 10.

M W . Miller, a. O. 23 § 21, 3.
8 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Ίαμασάσττοι neben Άμάζασττος Gen. Sing 25 . E s ist klar, daß der/-Vor-


schlag nicht einmal aus dem Slawischen, das andere Mal aus dem Osseti-
schen gedeutet werden darf. Zuvor wurde gezeigt, (oben i , 358f.), daß in
altnord. Jassar- und im Namen der Ί δ σ τ α ι bei Ptolem., geogr. 6, 14, 1 1
(mit einem Plural, der osset. -tä entspricht) der Vorschlag ohne jede slawi-
sche Beeinflussung bereits bestand. Auch hier zeigt sich, daß das Jassische
eine Altertümlichkeit bewahrt hat 28 .

NACHTRAG

Durch die Güte Α. I. Charsekins (Machatschkala, Daghestanische SSR.)


ist uns die in Ordzonikidse i960 herausgegebene russische Übersetzung von
Nemeth's Veröffentlichung bekannt geworden. Ihr Wert liegt in dem
von W. I. Abaew beigesteuerten Nachtrag S. 17—23. Dieser beschäftigt
sich vor allem damit, Etymologie und Bedeutung der in der Liste enthaltenen
Wörter weiter zu klären. Auf die Fragen, auf die im Vorigen der Nachdruck
gelegt wurde, ist Abaew, soweit wir sehen, nicht eingegangen.

2
Mchet'a in Gruzinien ist der Fundort der bekannten griechisch-ara-
mäischen Bilinguis, die in zahlreichen Veröffentlichungen behandelt worden
ist. Auf eine zweite, an gleicher Stelle gefundene Inschrift konnten wir die
Aufmerksamkeit lenken 1 . Damals stand nur der Hinweis M. Gibellino
Krasceninnicowas 2 zur Verfügung. Sie bemerkt:
„ . . . in una altra iscrizione . . . in antico aramaico, e che si ricollega a quella
del 7 5 d. Cr. relativa a Vespasiano, trovata presso Mzkheta, l'Eristhavi Sciaragas,
. . . esalta le vittorie riportate nei paesi confinanti e menziona le fortifirazioni
espugnate all'Armenia."

Die Verfasser hatten erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden, als sie sich


nach dem Verbleib der Inschrift erkundigten. Diese wurden beseitigt dank
der fast grenzenlosen Hilfsbereitschaft Α. I. Charsekins in Machatschkala
(Daghestanische SSR). Die folgenden Angaben gehen in allem Wesentlichen
auf ihn zurück.
G. W . Cereteli in: Westnik drewnej istorii 2, i960, 12-ji.
25

2
' Nach Abschluß des obigen Abschnittes wurde mir die Besprechung \V. P.
Schmidts in: Indog. Forsch. 65 (i960), 1 8 8 f . bekannt.
1
Oben 1, S. 1 1 A n m . 73.
2
In: II Caucaso, Studio storico-archeologico (o. J . ) , S. 84.
ι. Z W E I NEUFUNDE 9

G. W. Cereteli, dem die Veröffentlichung der griechisch-aramäischen


Bilinguis aus dem gleichen Mchet'a zu verdanken ist, hat sich über die
zweite, aramäische Inschrift in zwei Vorträgen geäußert. Von beiden liegen
nur kurze Berichte vor 3 . Auch in Ceretelis russischer Veröffentlichung der
Bilinguis von Mchet'a ist die zweite Inschrift mehrfach erwähnt 4 , ebenso
in einem geschichtlichen Aufsatz 5 . Auf Grund dieser Angaben, die an
anderer Stelle mitgeteilt wurden 4 , und des dort ausgesprochenen Wunsches
nach weiterer Unterrichtung kam erneut Hilfe. Akademiker A. Schanidze
(Tbilisi) ließ uns das monumentale Werk Mzcheta i : Armazi-Chewi (1958)
zugehen, auf dessen Tafel 61 eine Aufnahme der Inschrift gegeben ist. Zu
ihr hat Cereteli auf S. 72t. einige Bemerkungen beigesteuert, die jedoch
nicht über das früher Mitgeteilte hinausgehen. Schanidze war so gütig, uns
einen Abzug der originalen Aufnahme zu senden, die der Tafel des Mchet'a-
Werkes zugrunde liegt (Abb. 1).

Auch diese Inschrift wurde, gleich der Bilinguis, einer älteren Anlage
entnommen und zum Bau einer frühmittelalterlichen Grabstätte verwandt.
Da eine Veröffentlichung der Inschrift seitens Ceretelis erwartet wird,
müssen wir uns auf eine vorläufige Lesung und Deutung beschränken.
Zunächst geben wir unsere Lesung:
1. mlyk mhrdt mlk rb br' zy prsmn mlk rb 'nh sr[gs
2. br' zy zywh rb wkyn 'nh srgs zy pythS [mh]rd( m[lk
3. mwly whkyn mwl zy mrwt mn 'rykyn mtrym bmytyt hlzn nhdt
4. IzmyzbV kyn Ikry my ums wbnynyn whkyn 'm mnw zy mwl zy mrwt
5. trysyt kzy 'nh srgs pyt[h]S lk[dm] ihr' hwyn ky[n
6. myhrdl mlk hw' Ikdm mzwryn wbydy Ί 'rmyn mtk byr[t
7. mtk byrt tbt wzyn zyn' 'rwst mlk Ikh mytyt wkyn kzy . . .
8. hkyn byny bgw hyl dhw' 'tr nknyt tr' lythty hwd wkyn '[nh
9. mzwr zy hzky Ikdm msknyt btkn snryt dhw' msryk wnwdyt z[y
10. Iwt mt 'klyt whkyn btlcn bz yslk mytyt twb nykwrh mtk wdyly by
11. Itt' yhwy wkyn 'nh ly srgs gmr . . . Ikdm msykyt byrt zy ywnt' lb[
12. Syn l . . . 'tr [w]Syn Ikh pkd zyn zyn' 'rwst bzlylc Ikh mytyt zy
13. srgs btr ß. f ? .zy 'sprwg br' zy mr' mskyt tnrw hww
14. zyn' 'rwst 'bt

* NadpisL· vremen Gruzinskogo carja Mitridata, iz Armazi. O p y t perevoda i inter-


pretacii teksta. Tezisy X sessii otdelenija obäcestvennych nauk A N Gruz. S S R , 1943,
S. 18—19. — Sasanidskaja nadpisb iz Armazi. Tezisy 28 sessii otdelenija obScestvennych
nauk A N Gruz. S S R , 1948, S. 14.
* A r m a z k a j a bilingva. Akad. N a u k Gruz. SSR, Inst, istorii 1942, S. 1, 19—20, 62 f.
5 In: Vestnik drevnej istorii 2, 1948, S. 52f.

* F. Altheim u. R. Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Acliaimeniden.


1. Lfg. 1959, S. 5 o f .
10 I R A N ALS G E S C H I C H T L I C H E R HINTERGRUND

Übersetzung:
1. „König (ist) Mihrdät, der große König, Sohn Parsmäns, des großen Königs. Ich
(bin) Sargas,
2. Sohn Zewax's des älteren, und ebenso (bin) ich, Sargas, Pitaxä Mihrdäts des Königs:
3. mein Besitz und ebenso der Besitz des Königtums erhebt sich seit langen (Zeiten)
in Mytyt. Siehe, für diesen (den König JNaxudät (bin ich)
4. über Zmizbilä; derart über die Wasserbrunnen und über die Menschen und über
die Gebäude und derart, wenn jemand zum Besitz der Herrschaft gehört.
5. In der Tat: Wenn ich, Sargas, der Pitaxä, der Stadt vorstehe, so steht
6. König Mihrdät dem Heer voran. Und durch meine Hilfe betrat er Armenien, eine
Burg erobernd,
7. erobernd die Burg Tbt. Und es stärkte die Waffentat dort, ο König, Mytyt. Und
wie (dort),
8. so (auch) inmitten des Heeres, das am Ort Nknyt stand, dem Tor unterhalb des
Berggipfels. Und so (war) ich
9. ein Krieger, der zum Sieg verhalf vor Msknyt, bei der Festung Snryt, die angrenzt,
und (vor oder bei) Nwdyt, das
10. bei dem Ort 'klyt (liegt), und in der Festung plünderte er (der König), während er
nach Mytyt (hinauf)zog. Auch Nykwrh riß er (der König) los, und mir gehört ein
Palast
1 1 . unterhalb (davon). Und so ich für mich, Sargas, vollendete . . . vor Mchet'a, der
Burg der Helden . . .
12. Friede für . . ., Reichtum und Frieden dort erstrebte er. Es stärkte die glanzvolle
Waffentat (wörtlich: die Waffentat im Glanz) dort Mytyt, (die Stadt) des
13. Sargas. Nachdem sie Asparüg, Sohn des Herrn von Mchet'a, besiegt hatten,
14. führtest du (o König) die Waffentat aus."
Soweit die Übersetzung, die sich möglichst an den Wortlaut hält. E i n
einleitendes Wort über Schrift und Sprache. Das Alphabet ist im wesent-
lichen das des aramäischen Teiles der Bilinguis. Einige Zeichen, besonders
manche Formen des y, stellen eine ältere Stufe dar 7 .
Auf sprachlichem Gebiet mußte angesichts der letzten Erörterungen das
Ergebnis mit Spannung erwartet werden. Zwischen W . B . Henning und den
Verfassern geht seit Jahren ein Streit darum, wie man die Denkmäler, die
zeitlich zwischen den Ausgang der Achaimeniden und das Aufkommen der
Sasaniden fallen, sprachlich zu verstehen habe. D a s damals Bekannte
haben wir in unserem Supplementum Aramaicum (1954) zusammengefaßt
und erstmals als rein aramäische T e x t e gedeutet. Hingegen hat Henning
noch zuletzt, und unter Betonung des Gegensatzes, im Handbuch der
Orientalistik 4 (S. 2 1 — 4 0 ) die Deutung als ideographische Schreibung ver-
7
Über das Verhältnis zur iberischen (grusinischen) Schrift sei auf H. Junker bei
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2, 1950, S. 50f. und Altheim-Stiehl a. a. O.
(s. Anm. 1) 1, S. 288 Abb. 5 verwiesen. Über die ältesten Formen der grusinischen
Schrift vgl. A. G. Schanidze, Jazyk i pismo Kavkazskich Albancev. Vestnik otdel.
obäcestv. nauk 1, i960, S. 168 f.
ι. Z W E I NEUFUNDE 11

treten: derart, d a ß der aramäische B e s t a n d z w a r in dieser Sprache ge-


schrieben, aber iranisch gelesen worden sei. Unsere A n t w o r t enthielt einen
Nachweis, der über unsere frühere Formulierung hinausging. V o n ara-
mäischen Ideogrammen — so zeigte sich — konnte für die Zeit der Arsakiden
überhaupt nicht gesprochen w e r d e n ; die Forschung war hier jahrzehntelang
einen Irrweg gegangen 8 .
Eine A n t w o r t darauf ist von Hennings Seite nicht mehr erfolgt. In der
T a t hat unsere A u f f a s s u n g — in den verschiedenen Stufen ihrer Entschieden-
heit — allseitig Z u s t i m m u n g gefunden 9 . W e n n wir vorauszusagen w a g t e n ,
unser negatives Ergebnis werde eine Erlösung bedeuten — „ e i n e Erlösung
von unbegründeten H y p o t h e s e n und teilweise von Zwangsvorstellungen,
die die Forschung auf diesem Gebiet bisher belastet h a b e n " 1 0 — , so h a t sich
dies bestätigt. Innerhalb der vorliegenden Inschrift folgt das Aramäische in
der H a u p t s a c h e den gleichen Gesetzen wie innerhalb der Bilinguis v o n
Mchet 'a. D a s gilt für die Schreibung der Vokale, den G e b r a u c h des S t a t u s
(über br' zu Zeile i ) bei den N o m i n a und das Z u r ü c k t r e t e n der Constructus-
Verbindung. A u c h diese Inschrift besitzt ein völlig intaktes aramäisches
Verbalsystem. Besonderheiten, wie das A u f t r e t e n v o n d- s t a t t zy, werden
an ihrem Ort besprochen. Die durchgehende metrische Gliederung bestätigt,
d a ß es sich um einen T e x t handelt, der aramäisch gelesen b z w . vorgetragen
wurde 1 1 .

Erläuterungen

Zeile ι: mlyk ist rnlk „ K ö n i g sein". Zur Schreibung vergleiche


Part. A k t . F^'al von
man Z. 3 der Bilinguis nsyh. — näseh, 4 'byd = 'äbed12. Doch ist an jüd.aram. mlyk
„ K ö n i g " zu erinnern. — mhrdl und sonst, nur Z. 6 myhrdt. — br', ebenso in der folgen-

8 Altheim-Stiehl a. a. O. (s. Anm. 6), S. 1 — 7 4 und in engl. Sprache in: E a s t and


West 10, 1959, S. 243—260.
9 Eine Äußerung G. L e v i Deila Vidas haben wir oben 2, S. 295 f. abgedruckt.
Weitere Zustimmung seitens M. Sznycers und A . Dupont-Sommers in: Die aram.
Sprache, 2. L f g . i960, S. 234f. A u c h J. Friedrich hat uns mündlich seine Zustimmung
mitgeteilt. C. B. Welles schrieb uns unter dem 21. 4. 60: „ I t seems to me t h a t you
make out a very strong case. A c t u a l l y , the Iranian element in these texts consists
mostly or exclusively of personal names or technical terms, and the assumption lies
near, that they are to be read as Aramaic".
10 Altheim-Stiehl (s. Anm. 6), S. 59.
11 O. Szemerenyi (brieflich 20. 7. 61): „ D i e Deutung als reines Aramäisch scheint
richtig zu sein; wenigstens kann ich nichts Iranisches finden (natürlich abgesehen von
Eigennamen)."
12 G. Dalman, Grammatik des jüd.-palästin. Aramäisch, S. 104. Siehe ferner unsere
Bemerkungen in: Die aram. Sprache, 1. Lfg., S. 43f., 45.
12 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

den Zeile und Z. 13. Die Bilinguis von Mchet'a schreibt demgegenüber bry und zu-
gehöriges brty (Ζ. i) 1 3 . br' neben bry bestätigt, wenn es dessen noch bedarf, daß im
zweiten Falle ideographische Schreibung nicht vorliegt, die Lösung also auf dem
von uns eingeschlagenen Weg gesucht werden muß. br' ist der einzige Stat. emphat.,
der sich innerhalb unserer Inschrift sowie der Bilinguis findet. Wie bry ist br'
dem Bestreben entsprungen, das zweiradikale Wort gewichtiger zu machen. Aus
gleichem Grund heißt im Neusyrischen der „Sohn" bruns. — mlk rb entspricht in der
Bilinguis gr. 6t. βασιλέως 'Ιβήρων μεγάλου Σηφαρνούγου, dem aram. 5 alleiniges mlk
gegenübersteht. — 'nh auch in der Bilinguis Z. i 1 4 . — nach Z. 2 und 13 zu er-
gänzen. Der Name ist alanisch, wie viele Personennamen unserer Inschrift und der
Bilinguis. Als zweiten Bestandteil erkennt man die Entsprechung zu osset. gäs „ H ü t e r " ;
im ersten sucht man die zu osset. sär „ H a u p t " . Doch muß dann im Anlaut ί statt ί
angesetzt werden. Bekanntlich hat s „ursprünglich im Klang S sehr nahe gestanden,
da es durch dasselbe Schriftzeichen ausgedrückt wird wie dieses, ging aber später in ein
gewöhnliches s über" 1 5 . So wurden s und i , dieses geschrieben mit dem gleichen Zeichen
wie £, verwechselt. Die Bilinguis schreibt prnws statt prnws, hsyprnwg statt hSprnwgie.
So ist im vorliegenden Falle srgs statt srgs geschrieben, wobei aram. iärä „ F ü r s t " hin-
eingespielt haben mag. Sachlich wird man an die hellenistischen σωματοφύλακες und
an Martials custos sacri lateris (6, 76, i ) 1 ' , der Bildung nach an mitteliran. sarSär
erinnert, was die Doctrina Addai mit reiä wiedergibt 18 . O. Szemerenyi hingegen 1 · er-
wägt als eine Möglichkeit Srgs mit iranischem ί , das mit f wiedergegeben sei. Dann wäre
„der Name iarkas Adler, osset. cärgäs, worüber (und die iranischen Varianten) Abajew,
Istoriko-etymologiceskij slovars 1 , 302 f. zu vergleichen ist. Ich möchte hinzufügen, daß
der Name in dem der Tscherkessen weiterlebt, s. Vasmer, R E W 3 s.v. ierhesy. Aram. (oder
eher mitteliran.) g für altiran. k ist wohl nicht zu früh für die Zeit der Inschrift". Schrei-
bung ί für iranisches l ist uns aus Mchet'a und verwandten Inschriften nicht bekannt.
Z e i l e 2: zywh begegnet auch in der Bilinguis: Ζηουάχου gr. 1, aram. 2 20 Mit
Vorbehalt erwägt Szemerenyi, ob zywh (*zivax) ein altiran. *zivaka- darstellt; dann
wäre armen. Zik zu vergleichen, was griech. als Ζηκας und Ζίχ erscheint 21 . — Schon
die ersten beiden Zeilen (und die folgende) bestätigen, daß der Gebrauch der Status
dem in der Bilinguis entspricht. Wieder ist der Stat. absol. verallgemeinert. Anders
ausgedrückt: Statt malkä rabbä wird geschrieben mleh rab(b) und ähnlich. — Der
Schreibung bthS der Bilinguis und byty'hl des Tellers von Bori 22 steht auf unserer In-

13
Zur Erklärung zuletzt ebd., S. 39, 4 1 ! . und in East and West 10, S. 249 f.
14
Uber den sakralen Redetypus έγώ ε!μι: Altheim-Stiehl, Supplementum Aramai-
cum, 1957, S. 79; oben 1, S. 2 5 1 ; 2, S. 96t.
15
Th. Nöldeke, Die semitischen Sprachen, 1887, S. i^.
16
Darüber zuletzt Altheim-Stiehl, Die aram. Sprache, 1. Lfg., S. 4 5 ! u. in: East
and West 10, S. 252.
17
Dazu F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 2, 1952, S. 506 Anm. 865.
18
G. Widengren, Iranisch-semitische Kulturbegegnung in parthischer Zeit, 1960,
S. 30 Anm. 107.
' · Briefl. Mitteilung vom 6. 9. i960.
20
Oben 1 , S. 247 Anm. 40.
21
E. Hübschmann, Armen. Grammatik 1, S. 41.
22
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum, S. 88f. — Hinzu kommt jetzt die
Inschrift einer früh-sasanidischen, um 290 gefertigten Silberschale, die in Armazischewi,
demnach in unmittelbarer Nachbarschaft unserer Inschriften, gefunden wurde (S. J a .
ι. Z W E I NEUFUNDE 13
s c h r i f t pyihS (ebenso Z. 5) gegenüber 2 8 . D a sich noch zeigen w i r d , daß diese älter ist
als die Bilinguis, h a t m a n d a m i t den bisher ältesten Beleg des Wortes. A u s d r ü c k l i c h sei
b e m e r k t , d a ß es mit a n l a u t e n d e m p, n i c h t b geschrieben ist und d a m i t d e m herodo-
tischen Πατιζείθης entspricht. D a m i t erledigt sich der lautliche E i n w a n d , den zu-
letzt noch Szemerenyi 2 4 gegen unsere A b l e i t u n g v o n *pati-xSäyafHya- vorgebracht hat
(wenn es dieses Hinweises noch b e d ü r f e n sollte). A u c h sachlich e r b r i n g t unsere In-
s c h r i f t die volle B e s t ä t i g u n g der A b l e i t u n g , die wir i m m e r v e r t r e t e n h a b e n ; denn
Z. 3 — 4 zufolge ist der pitaxS mit der königlichen V e r m ö g e n s v e r w a l t u n g b e t r a u t , erweist
sich also als rechter τ ω ν ο ΐ κ ί ω ν μελεδωνός, έττίτροττος τ ω ν οΙκίων oder, w i e es in der
Bilinguis heißt, rb trbs und έττίτροττος 25 .
Die überall kenntliche Ü b e r e i n s t i m m u n g mit der Bilinguis tritt a u c h im Personen-
kreis hervor. S a r g a s ist S o h n Z e w a x ' s , der der ältere (rab) g e n a n n t w i r d , i m Gegensatz
zu zywh klyl, Ζ η ο υ ά χ ο υ TOÖ νεωτέρον G e n . Sing, der Bilinguis. D a m i t ergibt sich
folgendes Nebeneinander (s. Seite 14 oben).
I n M c h e t ' a h a t t e m a n schon 1867 eine griechische I n s c h r i f t g e f u n d e n , die v o n einer
S c h e n k u n g V e s p a s i a n s und seines Mitregenten T i t u s a n den K ö n i g der Iberer, Mithri-
d a t e s , P h a r a s m a n e s * I. Sohn, berichtet 2 ®. M i t h r i d a t e s ' R e g i e r u n g muß d e m n a c h in den
siebziger J a h r e n begonnen haben. D a ß sie w i e die seines N a c h f o l g e r s l a n g g e w ä h r t h a t ,
bezeugt die T a t s a c h e , daß P h a r a s m a n e s I I . unter H a d r i a n 1 3 6 letztmals e r w ä h n t
w i r d 2 7 . J ü n g s t w u r d e die I n s c h r i f t v o n Cereteli 2 * b e h a n d e l t . E r konnte den N a m e n der
G a t t i n P h a r a s m a n e s ' I . , der bisher nicht e r k a n n t w o r d e n w a r , als Ί α μ α σ ά σ τ τ ο ι lesen.
D a m i t b r a c h t e er den G e n i t i v Ά μ α ζ ά σ τ τ ο ι 2 8 z u s a m m e n . W i e w e i t es noch andere Mög-
lichkeiten g i b t , bleibe u n e r ö r t e r t ; a n der neuen L e s u n g k a n n j e d e n f a l l s kein Zweifel be-
stehen.
Aufschlußreich ist der G e b r a u c h des Griechischen in der F a m i l i e der pythS. W ä h -
rend das K ö n i g s h a u s sich schon unter P h a r a s m a n e s I . des Griechischen bediente, h a t
sich jene F a m i l i e dazu erst zu einem Z e i t p u n k t entschlossen, d a ihre T o c h t e r Serapitis
die E h e m i t einem A d l i g e n einging, dessen V a t e r bereits römisches B ü r g e r r e c h t besaß.

A m i r a n a s w i l i i n : I s s l e d o w a n i j a p o istorii k u l t u r y n a r o d o w w o s t o k a i 9 6 0 , S. 2 8 3 f . ; bes.
S. 289 A b b . 5 ; zuletzt W . B . H e n n i n g i n : B S O A S . 24, 1 9 6 1 , S. 3 5 3 f . ) . D o r t erscheint
bthiy, also die spätere Schreibung. Vgl. N a c h t r a g S. 2 3f.
28
W . B . H e n n i n g ( H a n d b u c h der Orientalistik 4, 1 , 1 9 5 8 , S. 62) leitet bi- in mittel-
pers. bthiy, bythi und p a r t h . bythS aus älterem dun- ab. D a z u in A n m . 2 : „ D a ß der erste
B e s t a n d t e i l des T i t e l s das W o r t f ü r ,zweiter' ist, h a t N y b e r g , E r a n o s , X L I V , 2 3 7 A . 2
richtig g e s e h e n " . J e t z t ist a n l a u t e n d e s p nicht nur durch die griechische F o r m , sondern
durch pylhi unserer I n s c h r i f t belegt. Diese bildet d a s älteste bisher b e k a n n t e Zeugnis.
M i t älterem dwi- und D e u t u n g als „ z w e i t e r " ist es nichts. W i e d e r e i n m a l h a t sich eine
E t y m o l o g i e H e n n i n g s als unrichtig erwiesen.
24
B e i A l t h e i m - S t i e h l , D i e a r a m . S p r a c h e , 2. L f g . , S. 2 3 7 .
25
Z u r F r a g e zuletzt ebd., 1. L f g . , S. 8 3 L ; oben 2, S. 24.
26
W . D i t t e n b e r g e r , Orient, graec. inscript. sei. 1 , S. 5 8 6 f . , Nr. 379. — Diese
S c h e n k u n g w a r dazu b e s t i m m t , τ ά τ ε ί χ η zu v e r s t ä r k e n . W a s d a m i t gemeint w a r , ist bei
D i t t e n b e r g e r nicht gesagt. E r b e s c h r ä n k t sich d a r a u f , eine D e u t u n g A . v . G u t s c h m i d s
zurückzuweisen. „ D i e (bekannten) M a u e r n " können wohl nur V o r l ä u f e r der s p ä t e r e n ,
gegen E i n f ä l l e der H u n n e n gerichteten B e f e s t i g u n g e n a m K a u k a s u s gewesen sein.
27
Oben 1 , S. 248.
28
I n : V e s t n i k d r e v n e j istorii i 9 6 0 , S. 1 2 3 f .
21
G . K a i b e l , Inscr. graecae I t a l i a e et Siciliae, 1 8 9 0 , 1 3 7 2 .
14 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Könige pythi und rb trbs

prsmn (I.) zywh rb: Ar. 2


mlk rb, mlk: Ar. 1
j ~Ίαμασάσττοι

mhrdt irgs
mlyk, mlk rb,
br' zy prsmn mlk rb br' zy zywh rb,
(I.): Ar. 1 pythi (zyy mhrdt:
Ar. 1 f.

!
*
i
prsmn (II.) zywh klyl, 'gryp
mlk : Bil. 7 blhS zy prsmn (II.) rb trbs zy prsmn (II.)
mlk •. Bil. 2 f. mlk : Bil. 6 i.
Ζηουάχου τοΰ νεωτέρου Ποττλικίου ΆγρΙτΓττα
πιτιάξου: Bil. ι f. ττιτιάξου: Bil. 3 f.
hsyprnwg s'rpyt ~ ywdmngn
mlk: Bil. 5 brty zy zywh klyl: rb trbs zy hsyprnwg
βασιλέως 'Ιβήρων Bil. 1 f. mlk, bry zy 'gryp:
μεγάλου 5ηφαρνούγου: Σηραττεΐτις, Ζηουάχου Bil. 3 f.
Bil. 6 f. τοΰ νεωτέρου τπτιάξου Ποττλικίου Άγρίττττοί
θυγάτηρ ττιτιάξου uloö Ί ω δ -
Bil. 1 f. μανγάνου: Bil. 3 f ·
έτπτρόττου βασιλέως
Ι β ή ρ ω ν μεγάλου
5ηφαρνούγου: Bil. 6 f.

Sargas hat noch das altertümliche, auf seine nomadische Herkunft zurückweisende
tamya über seiner Inschrift angebracht. E s erscheint in übergroßer Form, während man
es von den Münzen der Küään und Hephthaliten nur in kleinstem Ausmaß kennt.
G. Vernadsky hat das Wort tamya aus dem Ossetischen abgeleitet 80 — eine glänzende
Entdeckung, die jetzt durch das Vorkommen des ältesten belegbaren tamya auf un-
serer Inschrift mit ihren zahlreichen alanischen Orts- und Personennamen bestätigt
wird.
Noch eine textkritische Bemerkung zur zweiten Zeile. In 6rgs zy pythl ist zy auf
kleinsten Raum beschränkt, auch in kleinerer und undeutlicher Schrift gegeben. Offen-
kundig ist es nachträglich eingefügt, nachdem der Schreiber das Wörtchen zunächst
ausgelassen hatte. Syntaktisch bedeutet zy eine Schwierigkeit. Ihr steht eine zweite
zur Seite: In pythi [mh]rdt erwartet man als bindendes Glied eben jenes zy, das zuvor
überschießt. Sollte es so gewesen sein, daß der Schreiber dieses fehlende zy hinter pyfhS
ausgelassen, das Fehlen bemerkt, aber das Wörtchen versehentlich hinter srgs ein-
getragen hat ?
Z e i l e 3—4: mwl ist jüd.-aram. mölä „Vermögen, Besitz". Da dieser Besitz sich
„erhebt", müssen Baulichkeiten gemeint sein, mtrym ist Partizip des Etp e *el von räm. —
mrwt „Herrschaft" begegnet auch Z. 4 Ende. — In mn 'rykyn (zu ergänzen: zabnln)
,0
In: J . Amer. Orient. Soc. 76, 1956, S. i88f.
I. ZWEI N E U F U N D E 15

wird mit mn ein Adverbialausdruck der Zeit gebildet, wie syr. men ledimn, meh.{h)dän,
wobei wegen der langen Zeit der Plural gesetzt ist. — mytyt ist ein Z. 7 und 12 wieder-
kehrender Ortsname. Er gehört zu avest. mait- „wohnen", mae&ana-, mae&anyä-
„Wohnung". Dessen Stamm ist mit dem aus dem Soghdischen bekannten Abstrak-
tions-Suffix -yt erweitert", das in sonstigen Ortsnamen wiederkehrt. — hlzn ist zu-
sammengesetzt aus h „siehe"· 4 , l „für" und zn, was man als Entsprechung von jüd.-
aram. und mand. den „dieser"* 5 ansehen kann; also: „siehe für diesen (den König,
in dessen Dienst ich bin) bin ich nhdt". — nhdt gehört zu nhwdr der parthischen In-
schrift von Käl-i Jangäl*·, Nohodares*7 und dem daneben bezeugten nhwbr, nhwbr.
Auch armen. Nixorakan, Nixavrakan, Ναχοραγάν, Ναχόεργαν, Nahurakän und Nahira-
§än** sowie syr. nakurgän*· werden auf einen *naxußar zurückgehen 40 . Unser nhdt war
mit dem Befehl über einen Küstenabschnitt (am Kaspischen Meer) betraut. Darauf
weist Umyzbl' zu Beginn der Z. 4. Auslautendes Älaf, zeigt, daß in einer Inschrift, die
sämtliche Masculina im Stat. abs. gibt, damit kein aramäisches Wort gemeint sein
kann. Die ossetische Etymologie ergibt sich, so scheint es, zwanglos: o.osset. zmis
„Sand" und w.osset. bilä, o.osset. bil „Lippe, Rand, Ufer" 41 , ai. bilam „Öffnung, Höhle,
Mündung" 42 . Die Bedeutung wäre dann „Sandufer". Schwierigkeiten macht nur das
Gegenüber von zmis und zmyz-, und dies gilt es zu klären. Es sei begonnen mit der
Gegenüberstellung von:
w.osset. tüxin, o.osset. toxun „aufwickeln" und z-düxin, äz-doxun „aufdrehen"";
altind. galati „träufelt herab, fällt herab" und w.osset. z-yälin, o.osset. äyzdlun (aus
äz-yälun) „herabfallen" 44 ;
altind. mathnati, marUhati, mdthati „schüttelt, rührt" und w.osset. z-mäntin, o.osset.
äz-mäntun „zusammenmischen, rühren" 46 .
In all diesen Fällen ist z-, äz- einem avest. Mi-gleichzusetzen4·. Dementsprechend wäre
möglich, auch in w.osset. äzmesä, o.osset. zmis „Sand" ein anlautendes u^-abzutrennen.
Weiter ist zu bedenken, daß w.osset. e, o.osset. i einem iran. ai, avest. ae entspricht 47 :
w.osset. mezun, o.osset, mizin „harnen", avest. maezaiti. Dann wäre als älteste Form

11 C. Brockelmann, Lex. Syriac. 2 , S. 647 r.


M Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Grammatik 2 , S. 97 § 155 A.
" I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian, S. 164 § 1073.
44 G. Dalman, Aram.-neuhebr. Wörterbuch, S. 1001.
45 Vgl. altaram. zn (Had. 1,14; Pan. 1,20) neben znh; phön. zn: J. Friedrich, Phön.-

pun. Grammatik, 1951, S. 4 8 ! , 5 1 1 3 b; 116c.


*· Zuletzt darüber Altheim-Stiehl, Philologia sacra, 1958, S. 24t., unter Besei-
tigung von Hennings Fehldeutungen.
1 7 Amm. Marc. 14, 3, 1; 25, 3, 13.

" Baläduri 262, 11 de Goeje; die Einzelheiten bei F. Justi, Iran. Namenbuch,
S. 219 r. f.
*· Chron. min. 1, 18, 28 Guidi.
40 Weiteres bei Widengren a. a. O. (s. Anm. 18), S. 33 Anm.
41 W. I. Abaev, Istor.-etym. slovarb osetinsk. jazyka 1, 1958, S. 277.
41 W. Miller, Die Sprache der Osseten, 1903, S. 33 § 37, 1.
a Ebd., S. 61.
44 Ebd., S. 57·

" Ebd., S. 63.


" Ebd.
47 Ebd., S. 20 § 9.
16 I R A N ALS G E S C H I C H T L I C H E R HINTERGRUND

*uz-maesa- a n z u s e t z e n , oder w e n n m a n auch zmyz- heranziehen will; *uz-maeza-, Zu-


g r u n d e liegt die Wurzel f ü r „ m i s c h e n " , avest. my as- m i t Ableitungen wie misvan-
„Zwischenreich" zu *misva- „ g e m i s c h t " 4 8 u n d triSti „ d u r c h e i n a n d e r , m i t e i n a n d e r " 1 8 .
Beide Bildungen besitzen ihre E n t s p r e c h u n g e n im Ossetischen. *uz-maesa- in w.osset.
äz-mesä, o.osset. zmis h ä t t e die L a u t f o r m misvan-, *misva- b e w a h r t , w ä h r e n d *uz-
maeza- in zmyz-bl' miSti f o r t f ü h r t u n d gelegentlich a u f t r e t e n d e s osset. ζ a u s a v e s t . ί n a c h
Vokalen zeigt 5 0 . Der „ S a n d " wäre also d e r „vollendet G e m i s c h t e " oder „ ü b e r a u s Ge-
m i s c h t e " g e n a n n t worden 5 1 . Z u m Befehl über eine ripa ( „ S a n d u f e r " ) g e h ö r t die Ver-
f ü g u n g Ikry my. D a s erste W o r t e n t s p r i c h t j ü d . - a r a m . karyä „ B r u n n e n " 5 2 , also krai
may(y) „ W a s s e r b r u n n e n " , eine C o n s t r . - V e r b i n d u n g , deren zweites Glied (eigentlich:
krai maiyä) d e m in diesen I n s c h r i f t e n üblichen G e b r a u c h des S t a t . absol. angeglichen
ist. my' wäre S t a t . e m p h a t . Plur., dazu gehören my(y)n als S t a t . absol. u n d my als
S t a t . constr. Zu einem S t a t absol. my k a m m a n , d a m a n d a s W o r t fälschlich singu-
larisch v e r s t a n d . Z u m G e b r a u c h des S t a t . absol. im zweiten Teil der G e n i t i v v e r b i n d u n g
vgl. in der Bilinguis a r a m . 4f. u n d 6 rab(b) tarbäf s t a t t rab(b) tarbäfä. W e i t e r b e s t e h t
V e r f ü g u n g über die B e w o h n e r u n d über die B a u l i c h k e i t e n . D a b e i war z u n ä c h s t bynyn
geschrieben, d a n n w u r d e u n t e r d e m ersten y ein η n a c h g e t r a g e n ; also benyänin zu s y i .
benyänä „aedificium, a e d i f i c a t i o " 5 3 . S o d a n n : „ w e n n j e m a n d z u m Besitz der H e r r s c h a f t
g e h ö r t " . D a m i t sind die λαοί des Königs g e m e i n t : Hörige, Leibeigene oder solche in
vergleichbarer Stellung. Auffällig ist m s t a t t μ i n : ' m „ w e n n " . Mit m (wie i m K a n a -
anäischen) erscheint die P a r t i k e l n u r H a d . 29 u n d D u r a P e r g . 12, 3 : k'm „wie w e n n " .
W . B a u m g a r t n e r (brieflich 8. 7. 1961) e r w ä g t Assimilation von η a n folgendes mnw.
E r verweist d a n e b e n (13. 8. 61) auf 'm „ w e n n " , neben hn, im M u r a b b a ' ä t - T e x t 20, 6; 8,
d o r t als H e b r a i s m u s b e z e i c h n e t . " "
Z e i l e 5: llcdm b e d e u t e t „ v o r , angesichts v o n " wie im J ü d . - A r a m . 5 4 . I m Bibl.-
A r a m . erscheint in lo-lc'bel „ v o r " die gleiche V e r b i n d u n g m i t l. D e m e n t s p r e c h e n d ist im
folgenden lythty Z. 8 n i c h t „ n a c h u n t e n " , s o n d e r n „ u n t e r h a l b " 5 5 . D a s gleiche b e d e u -
tungslose l- begegnet bei A d v e r b i e n ; vgl. d a s zu Z. 7 B e m e r k t e . lk[dm] Uhr' e n t s p r i c h t
im folgenden Ikdm mzwryn (über dessen B e d e u t u n g sogleich). Wie der König „ange-
sichts des H e e r e s " s t e h t , also d e m H e e r v o r s t e h t , so der pitaxl „ v o r der S t a d t (oder:
d e m L a n d ) " ; d e n n ihr' k a n n n i c h t s anderes sein als m i t t e l p e r s . Sa/r, n e u p e r s . Sahr.
D a s W o r t ist in osset. saxar „ S t a d t " als L e h n w o r t b e l e g t ; in unserer I n s c h r i f t m u ß es
Saxrä gelesen werden. — hwyn w ä r e syr. häwen „ich b i n " ; die F o r m e n t s p r i c h t ihrer
B i l d u n g nach genau m'ytyn Z. 11 der Bilinguis, die wir oben 2 S. 178f. unseres vor-
liegenden W e r k e s e r k l ä r t h a b e n . hwyn b e s t ä t i g t , falls es dessen noch b e d a r f , die von uns
f ü r m'ytyn gegebene E r k l ä r u n g . D e m e n t s p r e c h e n d ist in d e r folgenden Zeile hut' zu
v e r s t e h e n . E s e n t s p r i c h t syr. häwe.
48
C. B a r t h o l o m a e , Altiran. W ö r t e r b u c h , Sp. n 8 6 f .
" E b d . , S. 1187.
60
äxsäz „ s e c h s " zu avest. χίυαί u. a. m . : Miller a. a. O., S. 32 § 34, 3.
51
Über us-, uz- in p e r f e k t i v e r u n d steigernder B e d e u t u n g : H . Reichelt, Awest.
E l e m e n t a r b u c h , S. 277 § 557.
52
D a l m a n a. a. O. (s. A n m . 34), S. 197 r.
53
B r o c k e l m a n n a. a. O. (s. A n m . 3 1 ) , S. 78 r.
53a
Discoveries in t h e J u d a e a n Desert 11: Les G r o t t e s de M u r a b b a ' ä t (Benoit-
Milik-de Yaux), 1961, S. 113.
54
D a l m a n a. a. O. (s. A n m . 12), S. 1 8 1 .
45
W e i t e r e s bei T h . Nöldeke, Mandäische G r a m m a t i k , S. 360; Kurzgef. syr. G r a m -
m a t i k 2 , S. 99 § 1 5 6 ; D a l m a n a. a. O. (s. A n m . 12), S. i 8 o f . § 47.
ι. Z W E I NEUFUNDE 17

Z e i l e 6: mzwryn ist sonst nicht belegt. Man erwartet die versammelte Mannschaft
des Heeres. Also wird das W o r t zu hebr. mäzar „kräftig s e i n " 5 · , syr. mäzrä ,validus
corpore", arab. mazura „etre 6nergique" gehören, mäzörä, Stat. absol. mäzör (vgl. Z. 9
Anfang), müßte dann eine Kätöl-Bildung sein, wozu stimmt, daß diese nicht nur No-
mina agentis, sondern auch einfache Adjektiva bezeichnet 5 7 ; also „ k r ä f t i g " und hier
Bezeichnung des Kriegers. — Ζ 6—η, ίο mtk ist Part. Akt. Af'el von n/ak ,.auflösen".
„losreißen", „wegnehmen". Ob eine Eroberung oder die Befreiung eines vom einge-
drungenen Feind besetzten Gebietes gemeint ist, läßt sich zunächst nicht entscheiden.

Z e i l e 7 : Auffällig ist, daß, nachdem der Name der „losgerissenen" Burg Ende
der vorigen Zeile ungenannt blieb, mtle byrt wiederholt und hier ein N a m e gegeben wird.
Handelt es sich um gehobenen, dichterischen Stil ? Vergleichbares, nämlich die appo-
sitioneile Wiederholung eines Substantivs mit einer Genitivbestimmung, kennt man
aus dem Mandäischen 5 8 . — Der Name der Burg tbt muß unerklärt bleiben, zyn zyn'
'rwst ist möglicherweise Wortspiel. E s bleibe dahingestellt, ob das Verbum zyn zu syr.
zayyen P a " e l „ a r m a v i t " oder jüd.-aram. zän (zum) „ernähren", F*'al und P a " e l , ge-
hört. Im Syr. besagt zän P ^ a l „aluit, sustinuit, praebuit, donavit". In der Bedeutung
„darreichen, stiften" vgl. Tang-i Sarvak 3, 5 yzwn. Syr. zainä geht auf avest. zaena-,
mittelpers. zen, neupers. ztn zurück; zyn' 'rwst kehrt Z. 1 2 und 14 wieder. Zu lesen ist
*zenä arwast. Obwohl getrennt geschrieben, dürfte es sich um ein Kompositum han-
deln: „Waffen-Heldentat", hier mit „ W a f f e n t a t " übersetzt. — Ikh bedeutet nicht
„hierher", sondern „ h i e r " (so auch Z. 12). Man vergleiche andere Ortsadverbien mit
/-, ohne daß diese die Richtung bezeichnen: syr. l-taht „unten" (gegenüber l-tahlin
„nach unten"); mand. l-tyt „unten" neben tyt in gleicher Bedeutung; jüd.-aram. l-ra'
„ u n t e n " ; l-hal „ d o r t " , was im Syr. „dorthin" bedeutet; jüd.-aram., syr l-'el „ o b e n " ,
neben dem im Jüd.-Aram. 'ellä in gleicher Bedeutung steht, u. a. Vgl. das zu Ikdm
Z. 5 Bemerkte. Man beachte auch, daß l-kä im Syr. neben „hierher": „diesseits" be-
deuten kann (entsprechend l-hal „dorthin, jenseits") 5 *.

Z e i l e 8: Die Verdoppelung der Präposition 60 dient der Verstärkung: „innerhalb,


inmitten des Heeres". — 'tr „ a m O r t " wie byt „im H a u s " 6 1 ; vgl. bibl.-aram. atar d,
syr. atar d „ u b i " , akk. alar „ w o " . — nknyt ist Ortsname, mit demselben Suffix -yt
gebildet wie 3 mytyt, vgl. 7, 10, 1 2 ; 9 msknyt, snryt, 1 1 msykyt, 1 3 mskyt. Bei nknyt
steckt im ersten Teil ni-kan- „eingraben". — lythty mit Schreibung des Murmelvolkals
mittels yt2. Zur Bedeutung vgl. unter Z. 5 — hwd entspricht jüd.-aram. huddä (hwd')
„ P u n k t , Spitze". In d-hw' steht d statt üblichem zy (vgl. Z. 9).
Z e i l e 9 : hzky ist Haf'el zu zk', sonst nicht belegt. Im Syr. bedeutet das Af'el
„iustifieavit" 6 3 . W . Baumgartner verweist auf za-ki-it und za-ka-a-a im Uruktext

46
J . L e v y , Neu hebräisches und chaldäisches Wörterbuch, 1 8 7 6 — 1 8 8 9 , 3, S. 67 r.
57
Dazu Dalman a. a. O. (s. Anm. 1 2 ) , S. 1 2 1 unter 4 ; Nöldeke a. a. O. (s. A n m . 5 i ) ,
S. 1 1 4 oben.
48
Nöldeke (ebd.), S. 320, zweiter Absatz.
" Weiteres in den entsprechenden Grammatiken.
60
byn in der Bedeutung „ i n " : G. R . Driver, Aramaic Documents of the Fifth
Century B . C., 1954, S. 1 1 .
61
Nöldeke a. a. O. (s. Anm. 55), S. 3 5 1 § 245.
tz
Altheim-Stiehl, Suppl. Aram., S. 8 2 ; Die aram. Sprache, 1. Lfg., S. 4 2 t . ;
oben ι , S. 2 4 9 ; 2, S. 1 7 8 .
63
Brockelmann a. a. O. (s. Anm. 3 1 ) , S. 196 r.

2 Altheim, Hunnen IV
18 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Ζ. 3 f . — tkn zu syr. taknä „locus tutus"* 4 . — msryk zu srek, hier Part. Act.
A f ' e l (oder P a " e l ?) masrek, in der Bedeutung „ a d h a e s i t " · 5 . Wieder findet sich die
Schreibung des Murmelvokals wie in der B i l i n g u i s · · und zu Z. 8. Die verschiedenen
Bedeutungen, die srk in den anderen semitischen Sprachen hat, findet man bei Brockel-
mann® 7 . — snryt ist Ortsname wie alle auf -yt auslautenden. Fernzuhalten sind sowohl
jüd.-aram. sinnörä „ R i n n e , K a n a l " oder „ T ü r a n g e l " , ( = hebr. sinnör)88 als auch syr.
sennärtä, Plural sennäryätä „ h a m u s " · · .
Z e i l e 1 0 : mt entspricht jüd.-aram. mätä „ O r t s c h a f t , S t a d t " 7 0 , syr. mälä „ r e g i o " 7 1 . —
bzz „ p l ü n d e r n " ist damit erstmals inschriftlich belegt; vgl. J e a n - H o f t i j z e r , Diet, des
Inscr. Sem. de l'Ouest (i960). Hinweis W. Baumgartners. — nykwrh ist Ortsname ala-
nischer H e r k u n f t . I m ersten Bestandteil (nyk-) könnte altpers. naiba- „ s c h ö n " , mittel-
pers. ne.vak, neupers. nek stecken. Indessen war das Wort bisher nur im SW-Iranischen
bezeugt. Erst jüngst hat M. M a y r h o f e n 2 angedeutet, ilal.t naiba- von osset. njv ,,shape,
f o r m " , genau: dessen altiranischer Form, abgeleitet sein könnte, also „ f o r m o s u s " ,
„ r ü p a v a n t - " bedeutet habe. Versuchsweise hat er auch avest. "niva- dazugestellt.
Bedenkt man, daß im O.osset. ein 0, später κ, dem w.osset. vä entspricht 7 3 , so könnte
*naiba-ka- sich zu *neßak, *nevak, *nek gewandelt haben. F ü r diesen Lautwandel
darf der Name des Flusses Νέοκνος, an der Grenze der kaukasischen Lazike und Ibe-
riens gelegen 7 4 , angeführt werden. Ihn kann man nicht zu osset. näväg „ n e u " , auch
nvog und nog, altind. nava- stellen, sondern nur zu jenem W o r t : *nevak-näv- „schön,
gut zu b e f a h r e n " . Also: „schöne B u r g " , *nevak(nek)-värä, wobei der zweite Bestandteil
zu avest. var- oder wohl besser vara- „ B u r g " (vgl. altind. vara- „ R a u m " zu νχηοΗ, avest.
1
uar- „ v e r h ü l l e n " ) zustellen wäre. — d y l y gehört zu reichsaramäischem ζ vi-, jüd.-aram.
dyl- mit folgendem P r o n o m i n a l s u f f i x ; dyly kann geradezu „mein E i g e n t u m " heißen 7 4 .
Z e i l e 1 1 : Itt' zu jüd.-aram. tattä „ u n t e n " 7 · . — Der König hat Nykwrh erobert.
Aber da er dort Besitz sein eigen nannte, hat der mit seinem Herrn zusammen operie-
rende Sargas den Ort auch f ü r sich erobert. — msykyt ist derselbe Ortsname wie Z . 1 3
mskyt, nämlich griech. Μεσχίθα, ΜεαΓχητα. Zugehörigkeit zu w.osset. mäsug, o.osset.
mäslg „ T u r m " steht außer Zweifel. E r n e u t stellt man das A b s t r a k t - S u f f i x -yt fest,
wie zuvor bei myiyt u. a. — byrt zy ywnt'\ I m letzten Wort steckt die Entsprechung
zu altind. und avest. yuvan-, yün- „ J ü n g l i n g , H e l d " . Eine Weiterbildung ist das
alanische iunik oder wniA 77 , dazu o.osset. vän{g, vonig, on'tg „ j u n g e r S t i e r " , vüntä wäre
der Plural eines danach anzusetzenden alanischen *yün „ J ü n g l i n g , H e l d " . O. K l i m a

M
E b d . , S. 832 1. unter 7.
65
Brockelmann, S. 499 r.
·· Altheim-Stiehl, Suppl. Aram., S. 82; oben r, S. 249.
•7 Brockelmann, S. 499 1.
68
Dazu die letzte Äußerung bei Vincent-Steve, Jerusalem do ΓΑικκ-η Testa-
ment 2-3, 1956, S. 632 A n m . 2.
·· Brockelmann, S. 633 r.
70
Dalman, a. a. O. (s. Anm. 34), S. 246 r.
71
Brockelmann, S. 408 r.
72
Ann. Inst. Orient. Napoli 2, i960, S. 122 f.
7S
Miller a. a. O. (s. Anm. 42), S. 25 § 22, 7.
74
Agathias 1 9 1 , 7; 192, 1 3 Niebuhr.
75
Dalman a. a. O. (s. A n m . 12), S. 87 § 1 8 , 4.
79
Dalman a. a. O. (s. A n m . 34), S. 429 r.
77
Oben 1, S. 295 behandelt.
ι. Z W E I NEUFUNDE 19

h a t j ü n g s t diz-i redän , , K n a p p e n b u r g , c a s t e l l u m a r m i g e r o r u m " e n t d e c k t 7 8 . S z e m e r e n y i


m ö c h t e an *ywn „ G r i e c h e " d e n k e n , „ e i n N a m e , der seit d e m 8. J a h r h u n d e r t für
dieses V o l k g e b r a u c h t w i r d und a u c h im A r m e n i s c h e n w e i t e r l e b t , s. H ü b s c h m a n n ,
Armen. Gramm, i, 56".
Z e i l e 12: Ü b e r d e m zweiten W o r t ist o b e r h a l b der Zeile e t w a s Unleserliches nach-
getragen.
Z e i l e 1 3 : Auf bir f o l g t ein u n d e u t l i c h e r B u c h s t a b e oder eine L i g a t u r , d a n n ein
d o p p e l t e s zy. Ü b e r d e m u n d e u t l i c h e n B u c h s t a b e n und d e m ersten zy e r k e n n t m a n
ein d r e i f a c h e s g. Sollte d a d u r c h die T i l g u n g des D a r u n t e r s t e h e n d e n a n g e d e u t e t w e r d e n
— also e t w a g(ziz), g(di~d) „ a b g e s c h n i t t e n " oder g(hit) „ r a d i e r t , g e s c h a b t " ? — 'sprwg
zu Ά σ τ τ α ρ ο υ χ , Asparuch und V e r w a n d t e n gehörig. Ά σ τ τ α υ ρ ο ύ κ ι ς ™ erscheint auf einer
G e m m e aus M c h e t ' a , und d e m e n t s p r e c h e n d ist unser 'sprwg: br' zy mr' mskyt. Ά σ τ τ σ υ ρ -
neben 'Acrrrap- ist altes * aspaßara- neben asbara-, *aspara-so. Z w i s c h e n br' und mr'
ist zy über die Zeile geschrieben. — mskyt b l e i b t t r o t z den w e n i g d e u t l i c h e n drei ersten
B u c h s t a b e n w a h r s c h e i n l i c h ; denn z u v o r w a r M c h e t ' a e r w ä h n t w o r d e n , u n d m a n ver-
l a n g t den F o r t g a n g zu hören. —• tnrw hww. S u b j e k t sind S a r g a s (bydy Z. 6, hzky Z. 9)
und der K ö n i g M i h r d ä t (Z. 7). Ihre E r o b e r u n g e n in A r m e n i e n (Z. 6), byrt tbt (Z. 7),
Snryt, Nwdyt (Z. 9) und Nykuirh (Z. 10), w a r e n a u f g e z ä h l t w o r d e n . Z u l e t z t stand m a n
v o r M c h e t ' a selbst (Z. 11). W a s ist n u n tnrw hww? Man k e n n t v i e r r a d i k a l i g e V e r b a ,
die D e n o m i n a t i v e sind 8 1 . D a z u g e h ö r e n : talmed „ l e h r e n " zu talmidä „ S c h ü l e r " ; maiken
„ v e r p f ä n d e n " zu meikünä „ P f a n d " ; damwet „ G e s t a l t g e b e n " zu dmütä „ G e s t a l t " . E n t -
sprechend k ö n n t e tannar auf tannürä z u r ü c k g e h e n , d a s als s u m e r . - a k k a d . L e h n w o r t
im J ü d . - A r a m . in der B e d e u t u n g „ B a c k o f e n " 8 2 und im S y r i s c h e n als „ f u r n u s , l y c h n u -
c h u s " erscheint. I m S y r i s c h e n b e s t e h t d a n e b e n tannürtd „ f u r n u s " . D a z u : F. R u n d -
gren in : Orient. Succ. 6, 1947, S. 4 o f . D e n o m i n a t i v e s tannar k ö n n t e also „ b e h e i z e n " oder
„ e i n h e i z e n " b e d e u t e n . D i e M ä n n e r , deren E r f o l g e z u v o r beschrieben w u r d e n , h ä t t e n
A s p a r ü g , der in M c h e t ' a und in seiner „ B u r g der H e l d e n " b e f e h l i g t , „ b e h e i z t " , will
sagen, sie h ä t t e n i h m m i t F e u e r t ü c h t i g z u g e s e t z t . E s h a n d e l t e sich um die V e r w e n d u n g
von E r d ö l und E r d p e c h , die bei der B e l a g e r u n g v o n T i g r a n o k e r t a d u r c h L u c u l l u s 8 3 , der
v o n H a t r a d u r c h S e p t i m i u s Severus 8 4 und der v o n A q u i l e i a durch M a x i m i n u s T h r a x 8 5

' 8 I n : B y z a n t i n o s l a v i c a 22 (1961), i 6 f .
7 9 S o zu schreiben: M z c h e t a 1, S. 29 A b b . 4.

8 0 G . M o r a v c s i k ( B y z a n t i n o t u r c i c a 2 2 , S. 75 f.) f ü h r t die t ü r k i s c h e E t y m o l o g i e nach

wie v o r als erste an. W a s A b a e v z u g u n s t e n einer alanisch-ossetischen E t y m o l o g i e


v o r b r i n g t , v e r m ö g e n wir n i c h t n a c h z u p r ü f e n , d a die bei M o r a v c s i k g e n a n n t e n A r b e i t e n
uns u n z u g ä n g l i c h sind. G l e i c h s e t z u n g m i t osset. äfsurg, äfsorq a u s *aspa-uyra-,
Ά σ π ο υ ρ γ ο ς h a t die V o k a l i s i e r u n g gegen sich (Belege bei A b a e v a. a. O. [s. A n m . 41],
S. 1 1 2 f.). E s f ä l l t a u f , d a ß hsyprnwg der Bilinguis im G e n . Sing. Ι η φ σ ρ ν ο υ γ ο υ (gr. 7)
seine E n t s p r e c h u n g h a t , 'sprwg h i n g e g e n in ΆστταροΟκίζ, Ά σ τ τ α ρ ο υ χ , Asparuch. Das
sieht aus, als handle es sich beiderseits u m eine verschiedene B i l d u n g . — Über den
W e c h s e l o/u im T ü r k i s c h e n : A . v . G a b a i n , A l t t ü r k . G r a m m a t i k 2 , S . 5 0 § 2 3 ; M. R ä s ä n e n ,
Materialien zur L a u t g e s c h i c h t e der t ü r k i s c h e n S p r a c h e n , 1948, S. 86; über den W a n d e l
k/g, qjy . v . G a b a i n a. a. O., S. 54 § 33; R ä s ä n e n a. a. O . , S. I 4 3 f .
81 N ö l d e k e a. a. O. (s. A n m . 3.·), S. 125 § 180 u n t e n .
82 D a l m a n a. a Ο. (s. A n m . 34), S. 423 r.
83 D i o 36, 1 b, 1 ; Sallust., H i s t . 4 fr. 61 Maur.
84 D i o 75, 1 1 , 4 .
85 H e r o d i a n . 8, 4, 9.
20 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

bezeugt ist. Oder soll man an jene Belagerungstechnik denken, die Kutaiba b. Muslim
vor Paikand erprobte 8 ·? Oder d a r f man tbrw hww lesen? Dann hieße es: „nachdem
sie Asparüg . . . besiegt hatten"; die „ W a f f e n t a t " wäre die Eroberung Mchet'as.
Z e i l e 1 4 : In knappen Worten wird der Fortgang des Unternehmens gegeben:
König Mihrdät hat die Heldentat „getan" ('rwst 'bydw' in der Bilinguis Z. 4 und hier in
zyn' 'rwst 'bt wiederholt). E r wird in der zweiten Person angeredet; denn 'bt ist die
lautlich korrekte Form der 2. Sing. Masc. des P c 'al von 'bd.
Asparüg kennt man sonst nur von der zuvor genannten Gemme. Im
Stammbaum der fiitaxS, die in unserer Inschrift und in der Bilinguis er-
wähnt werden, erscheint er nicht und kann dort auch nicht eingeordnet
werden. E r erhält auch nicht den Titel pitaxS (obwohl er ihn doch auf der
Gemme trägt: τπτισξης), sowenig, wie seinem Vater dieser Titel zuerkannt
wird. Dieser ist nur „Herr" (mr' Z. 13) Mchet'as, sein κύριος und fak-
tischer Besitzer. Als rechtmäßigen Eigentümer erkennt ihn unsere Inschrift
nicht an. Diese ist gesetzt von Sargas, der sich mit König Mihrdät einen
Hauptanteil an der Eroberung Mchet'as zuschreibt. Sie haben zusammen
Stadt und Burg genommen. Es ist diese Eroberung und der dadurch be-
dingte Besitzwechsel, den die Inschrift festhalten will. Sie ist gewisser-
maßen Gründungsurkunde und Bestallung der pitaxS aus Zewax's Haus auch
über Mchet'a. Dieses Haus hat dann, soweit wir wissen, bis auf Zewax den
Jüngeren regiert, und Serapit der Bilinguis ist dessen Tochter.
Daß man Dichtung vor sich hat, zeigt bereits die Stilisierung der Rede.
Da gibt es feierliche Wiederholung (6 f. mtk byr[t], rntk byrt tbt) oder
schmückende Beiwörter ( 1 1 msykyt byrt zy ywnt'). Auch die Du-Apostrophe
am Schluß 1 3 f. wird man im gleichen Sinne verstehen. Dem entspricht, daß
sich die Inschrift metrisch gliedern läßt. Darin stimmt sie zumindest mit
dem Schlußteil der Bilinguis überein.
Einiges ist hinsichtlich der Metrik zu bemerken. Während bei der
Bilinguis sowohl G. Levi Deila Vida 87 als auch die Verfasser 88 von der An-
nahme siebensilbiger Verse ausgegangen sind, muß gegenüber der vor-
liegenden Inschrift, die rund 75 Jahre früher anzusetzen ist, ein anderes
Verfahren Platz greifen. Wenn irgendwo, so darf hier statt der silben-
zählenden Messung eine rhythmische, nach Hebungen rechnende erwartet
werden 89 . In der Tat läßt sich der gesamte Text als eine Abfolge von Drei-,
Vier- und Fünfhebern verstehen, denen eine wechselnde Silbenzahl zu-
88
Oben 2, S. 80 u. 82.
87
Oben 2, S. 295f.
88
Oben 1, S. 2 5 1 .
8
* C. C. Torrev in. J . Amer. Orient. Soc. 46, 1926, S. 241.
ι. Z W E I NEUFUNDE 21
geordnet ist. Unter den Dreihebern erscheinen vier-, fünf- und sechssilbige
Verse, unter den Vierhebern sieben- und achtsilbige90, unter den Fünf-
hebern acht- und neunsilbige. Alle diese Verstypen kennt man aus der
syrischen Dichtung 91 . Auch die Verbindung der genannten Verse innerhalb
einer einzigen Dichtung ist aus der syrischen Dichtung bekannt*2. Im
folgenden geben wir die Gliederung (Inkonsequenzen bei der Umschrift,
die ohnedies Versuch bleiben muß, wolle man in Kauf nehmen):
mälek mihrdät mlek rab(b) sechssilbiger Dreiheber
brä zi parsman mlek rab(b) sechssilbiger Dreiheber
'nä sargas brä zi zewah rab(b) achlsilbiger F ü n f h e b e r
w-ken 'nä kargas ptahS zi mihrdät mlek neunsilbiger F ü n f h e b e r
möl w-häken möl zi märüt siebensilbiger Vierheber
min arrikin met(t)rim b-mytyt achtsilbiger F ü n f h e b e r
hä-l-zen nahdät la-zmizblä siebensilbiger Vierheber
ken la-krai mat w-näS w-benyänln achtsilber F ü n f h e b e r
w-häken im mannü zi möl zi märüt 2 fünfsilbige Dreiheber
trifä'it kzl 'nä kargas ptahS achtsilbiger F ü n f h e b e r
la-kdäm Saxrä häwen sechssilbiger Dreiheber
ken mihrdät mlek häwe sechssilbiger Dreiheber
la-kdäm mäzörin fünfsilbiger Dreiheber
wa-b-yad 'al(l) armin mattek siebensilbiger Vierheber
birat mattek birat tbt ( ) achtsilbiger Vierheber
w-zayyen zenä arwast sechssilbiger Dreiheber
mlek Ikä mytyt viersilbiger Dreiheber
w-ken kzi . . . hätten bene b-gau hei neunsilbiger Fünfheber( ?)
da-hwä 'tar Nknyt tra' l-tahte hud{d) neunsilbiger F ü n f h e b e r
w-ken 'nä mäzör zi hazki siebensilbiger Vierheber
la-kdäm msknyt batlcen ;nryt neunsilbiger F ü n f h e b e r ( ?)
da-hwä masrek w-nwdyt sechssilbiger Dreiheber
zi Iwät mä{ 'klyt fünfsilbiger Dreiheber
w-häken ba-tken baz(z) yissak mytyt neunsilbiger F ü n f h e b e r
tüb nekvarä mattek sechssilbiger Dreiheber
w-dil be l-tattä yihwe sechssilbiger Dreiheber
w-ken 'nä Ii sargas fünfsilbiger Dreiheber
gämer . . . la-kdäm msykyt achtsilbiger Vierheber (?)
birat zi yuntä fünfsilbiger Dreiheber

, 0 A u c h T o r r e y s L e s u n g der aramäischen Stele v o n Carpentras als fünfzehnsilbige

Verse (S. 246: „ s e v e n in the first half and eight in t h e second h a l f " ) l ä ß t sich als A b -
folge sieben- und achtsilbiger Vierheber verstehen. In unserer Inschrift folgen sich
beide Glieder mehrmals.
n G. Hölscher, Syrische Verskunst. Leipz. Semit. Stud. Ν. F. 5, 1932, S. 83f.,
76 f., 73f. für die Dreiheber; 54 f. für die Vierheber; 97 f. für die Fünfheber. K r i t i k an H . s
metrischer D e u t u n g ist, n a c h d e m sich dasselbe Versprinzip im Mittel iranischen und
Jungavestischen gefunden hat, gegenstandslos geworden. D a z u W . B . H e n n i n g i n :
Transact, of the Philol. Soc. 1942, 51 f.
»2 Hölscher a. a. O., S. i 6 4 f .
22 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

/ . . . Sen I . . . 'tar w-Sen Ikä pkad


zayyen zenä anuast sechssilbiger Dreiheber
b-zallik Ikä mvtyt zi sargas achtsilbiger Fiinfheber
bätar zi asprüg fünfsilbiger Dreiheber
brä zi märe mskyt tbar hwau siebcnsilbiger Vierheber
zenä arwast 'bat(t) fünfsilbiger Dreiheber

Was angesichts der Bilinguis bereits vermutet werden mußte, hat sich,
wenn die vorangehende Aufstellung zutrifft, bestätigt. Man muß mit einer
Dichtung rechnen, die die Heldentaten und Waffenerfolge alanischer Herren
und Ritter besang. Das Besondere ist, daß diese Dichtung sich in aramäischer
Sprache geäußert hat. Und daran muß sich eine zweite Feststellung knüpfen.
Nicht nur die Bilinguis, sondern auch unsere Inschrift wurde aramäisch und
nur in dieser Sprache gelesen; denn nur dann ist der Gebrauch der Verse
verständlich. Erneut zeigt sich, daß sich von ideographischer Schreibung
keine Spur ermitteln läßt, geschweige denn, daß von „atropatenischem
Medisch", wie eine abenteuerliche Vermutung Hennings wollte 93 , gesprochen
werden kann.
Ob es sich auch bei dieser Inschrift um eine solche fürs Grab gehandelt
habe, bleibt fraglich. Es ließe sich durchaus denken, daß ein Tatenbericht
vorliegt. Daß es dergleichen gegeben hat, ist klar und könnte auch die
Kennzeichnung nahelegen, die in der Bilinguis Serapits Gatte Yödmangan
erhält. Er, der gleichfalls pitaxS (rb trbs) eines Königs war, „siegte und voll-
brachte große Heldentat". Das iranische Lehnwort 'ru'st, das an dieser
Stelle erscheint, kehrt, wie gesagt, in unserer Inschrift mehrfach wieder.
Um so mehr bedarf der Hervorhebung, daß beide Inschriften (die
Bilinguis in ihrem aramäischen Teil) den Typus Ιγώ είμι anwenden.
Sargas bedient sich seiner noch nachdrücklicher als Serapit, was zeigt, wo
man den Ursprung dieser literarischen Form zu suchen hat. In der Tat
bildet den nächsten Vergleich die Selbstprädikation des hephthalitischen
(soghdischen) Königs von Sümän, mit zweimal gesetztem anäM. Auch dort
geht es um eigene Heldentat, die gepriesen wird; nur daß man in Mchet'a
jetzt Dichtung als solche vernimmt, nicht Umsetzung in arabische Prosa.
Man faßt das Heldenlied — und wie wir sagen dürfen: das nordiranische,
von den Hunnen übernommene Heldenlied — in seiner frühesten erreich-
baren Form. Wie die Sage von Rustam und Sohräb sich zu der von Hilde-

*s In: Handbuch der Orientalistik 4, S. 38f. Grundsätzlich Ζ. I. Jampolsky,


Atropatena i kawkazskaja Albanija. Akad. Nauk Azerbajdz. S S R , Inst. ist. i960.
« Oben 2, S. 96L
ZWEI NEUFUNDE 23

brand und Hadubrand umgebildet hat 9 5 , so auch dieses nordiranische


Heldenlied zum germanischen; und — was das Wichtigste ist — beidemale
durch hunnische Vermittlung.

NACHTRAG

Auf die Silberschale wurde bereits 3, 293 und oben S. 12 A n m . 22 ver-


wiesen. Dort wurde sie um ihrer Darstellung und der Schreibung des Titels
bitaxs willen herangezogen. Jetzt geht es um Namen und A b s t a m m u n g des
Eigentümers. Anlaß zu neuer Behandlung gibt W . B. Henning's A u f s a t z
in B S O A S . 24 (1961), 353f. Den entscheidenden Passus liest und übersetzt
Henning: t'Sty p'pky bthSy BRH 'rthStr bth\sy} BRH [Sh]p[whry] b[thsy]
„ B o w l of P ä p a k the bitaxS, the son of ArtaxsaOr the bitaxs, the son of
Sähpuhr the bitaxS". Die Lesung des ersten Wortes hat Henning nachträglich
hinzugefügt 1 . Es handele sich um „the appropriate word for , b o w r " , wird
versichert. D a das Wort nicht in den für die Ideogramme verwendeten
Großbuchstaben gesetzt ist {t'Sty), könnte man auf den Gedanken kommen,
es handle sich um Iranisch. Und doch sollte klar sein, daß es, wenn denn
dieses Wort ein Trinkgefäß bezeichnet, sich von jüd.-aram. sHä, syr. stä
und Verwandten kaum trennen läßt. Wenn richtig gelesen, käme ein mittels
des Präfixes t- gebildetes Nomen actionis in Frage. Aber dieses Präfix tritt
in der Regel beim P a " e l , E t p a " a l und A f e l a u f 2 , nicht beim P e ' a l . Auch ist
eine Form t'Sty, soweit wir sehen, in einem der aramäischen Dialekte nicht
belegt. Wohl aber gibt es jüd.-aram. mist'yä „ G e t r ä n k " und syr. mastyä,
Stat. constr. mastai „ p o t u s " . Vermutlich wurde der Anfangsbuchstabe von
Henning verlesen, also m'Sty. Und man hat nicht „ b o w l " zu übersetzen,
sondern: „ D e r Trunk Päpak's usw.".
Das Wort m'Sty erscheint unter den bekannten Ideogrammen nicht. Es
ist auch nicht, wie dort üblich, im Stat. emphat. gegeben, sondern im Stat.
constr. Man könnte daran denken, m'sty p'pky sei eine regelrechte Con-
structusverbindung, was innerhalb eines mittelpersischen Textes eine
Ungewöhnlichkeit bliebe. Constructusverbindungen wie rb trbs und kry my
„Wasserbrunnen" in den beiden Inschriften von Mchet'a lassen sich ver-
gleichen. Einer Bemerkung bedarf noch die Vokalisierung der ersten Silbe.
95 E b d . , S. 76 f.
1 a. O. 355 A n m . 6.
2 Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. (1875) 133 § 112; Kurzgef. syr. Gramm. 3
(1898) 75 § 127.
24 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Ob plene-Schreibung Alaf für ä vorliegt, bleibt zweifelhaft. Denn syr.


maitai Stat. constr. steht im Jüd.-Aram. miite. Stat. absol. gegenüber,
erhalten im Targum Onkelos Gen. 26, 30. Eher darf man daran denken, daß
die weiter unten behandelten Formen von s'tä mit vokalischem Vorschlag
eingewirkt haben. Sie haben auch zum Ideogramm ' § T H W geführt, das an
gleicher Stelle besprochen werden wird.
Einer zweiten Bemerkung bedarf der bitaxs, Henning zufolge ein „Vice-
roy or Resident, who represented the Persian suzerain's interests". 3 Wir
bezweifeln freilich, ob die Erinnerung an Jüngstvergangenes, wenn auch
Glorreiches, einen Beitrag zur Stellung des bitaxs vermittelt; dies wird noch
zu erörtern sein. Aber wir bemerken nicht ohne Überraschung, daß diese
Deutung, wonach der bitaxs Stellvertreter des Königs gewesen sei (zuletzt
oben S. 13), von dem, der sie bisher bestritt, angenommen wurde. Daß
Henning unterlassen hat zu sagen, woher die Deutung als „Viceroy"
stammt, mag um des sachlichen Fortschrittes willen hingenommen werden.
Doch müssen andere Bedenken angemeldet werden.
„ I n P a h l a v i . . . bitaxs was invariably used without a definition of the
country over which he ruled; in the third century it was apparently under-
stood that bitaxS ordinarily meant 'bitaxs of Iberia'", meint Henning. Zu-
nächst wird uns zugemutet, daß bitaxS auf kein Land bezogen wird, obwohl
er über ein Land herrscht. Dann fällt auf, daß sorgfältig limitiert wird. Nur
für das 3. Jahrhundert galt, daß mit dem bitaxs der von Iberien gemeint war.
Worauf die Sonderstellung dieses Jahrhunderts in der Titulatur sich grün-
dete, wird nicht gesagt. Es muß hinzugefügt werden, daß wenig dafür
spricht. Das ergibt sich, sobald man die Zeugnisse heranzieht, die Henning
übersehen hat.
Prokop., Pers. 1 , 1 4 , 38 erwähnt einen τπτυάξης der Καδισηνοί, also einer
Truppe, die an der römischen Grenze stand (oben 2, 12; 195). Einen solchen,
der ein Regiment von 700 gepanzerten Reitern befehligte, nennt Zacharias
Rhetor 2, 96, I2f. Brooks (oben 2, 192). Der gleiche Autor nennt einen
aptahSä ,.einen ύ π α ρ χ ο ς des Königs", der als Steuererheber über die Dörfer,
„im Land der A r z n ä y e " gesetzt war (2, 97, 2 f . ; oben 2, 22). Betrachtet man
nun die Inschriften aus Mchet'a, die vor das 3. Jahrhundert fallen, so war
Sargas bitaxS des Königs Mihrdät, was sich dem , ,ύτταρχος des Königs" zur
Seite stellen läßt. Daß er mit der Verwaltung der königlichen Wirtschaft
beschäftigt war, zeigt die gleiche (aramäische) Inschrift aus Mchet'a. Ent-
» a. O. 355.
ι. ZWEI NEUFUNDE 25

sprechend, sind in der Bilinguis Zeuaches: bitaxS des Königs Parsmän,


A g r i p p a : rab(b) tarbäs desselben Königs und Iodmanganes: έττίτροττος
β α σ ι λ έ ω ς Ι β ή ρ ω ν μ ε γ ά λ ο υ Σ η φ α ρ ν ο ύ γ ο υ (oben 13 f·)· Von Iberien als Be-
reich ist vor dem 3. Jahrhundert nicht die Rede und nach ihm ebensowenig.
Der bitaxS als Stellvertreter des Königs ist nur diesem, nicht einem Aufgaben-
kreis zugeordnet. A l s ,,bitaxS des K ö n i g s " kann er an verschiedenen Stellen
eingesetzt werden. Seine Stellung beruht auf einem Vertrauensverhältnis
zu seinem Herrn, ist also persönlich und nicht einrichtungs- oder anstalts-
mäßig. Wenn ein Vergleich gezogen werden darf, so ist es der mit Attilas
λ ο γ ά δ ε ς oder mit den misst regit der Karolingerzeit. So war es vor dem
3. Jahrhundert, und so blieb es danach. Also war es in diesem Jahrhundert
selbst nicht anders. D a ß damals ein bitaxS allein solcher Iberiens oder Ge-
orgiens gewesen sei, ist von vornherein ein Unding.
Man wird dementsprechend Henning's Aufstellung der „ ' d y n a s t y ' of
the bitaxS-s of Georgia during the first century of Sassanian r u l e " 4 mit
Zurückhaltung betrachten. Hier die Aufstellung, wobei mit „ S h ä p ü r " die
große Inschrift des Königs an der K a ' b a - i Zrädust gemeint ist:
,,BitaxS Persian king Evidence Approx. date
Artaxsaör Ardashir Shäpür Pähl. 29 230—247
Sähpuhr Shäpür Shäpür Pähl. 3 1 ; bowl 248—265
Artaxsaör Bowl 266—283
Päpak Narseh Paikuli; bowl 284—300".
Voraussetzung dieser Aufstellung ist, d a ß P ä p a k der Silberschale mit dem
der Inschrift von Paikuli zusammenfällt. Anders ausgedrückt: daß diese
Schale in die Zeit der Inschrift oder allgemein: in die letzten Jahrzehnte
des 3. Jahrhunderts gehört. Die Schale wurde mit einer Goldmünze Valerians
zusammen gefunden. Der Herausgeber S. Amiranaswili entnahm diesem
Umstand, daß die Silberschale vorher, also in der ersten Hälfte des 3. Jahr-
hunderts entstanden sei. Henning 5 bestreitet die Gültigkeit dieses Argu-
mentes, das in der T a t seine Auffassung unmöglich macht. Soviel ist deut-
lich: Schale und Münze sind gleichzeitig dem Toten ins Grab gelegt worden.
Will man der Münze Datierungswert zuteilen, so sind beide Gegenstände
in der Zeit Valerians oder kurz danach unter die Erde gekommen. Dann
müßte die Schale vor Valerian (wie Amiranaswili wollte) oder spätestens zu
seiner Zeit angefertigt worden sein. Will man indessen auf Narseh's Zeit
1 a. O. 354-
« a. O. 356.
26 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

beharren, so m ü ß t e der Münze ein Datierungswert von vornherein ab-


gesprochen werden. D a n n k a n n das G r a b in eine u n b e s t i m m t e lange Zeit
nach Valerian fallen. Doch vorerst besteht kein Grund, auf den Datierungs-
wert der Münze zu verzichten.
Nun zur Liste. Für die von Henning b e f ü r w o r t e t e Gleichsetzung beider
P ä p a k spricht, d a ß beide bitaxs sind; dagegen spricht, wie gesagt, die Münz-
datierung. Ein V a t e r P ä p a k ' s begegnet nur auf der Schale. D a ß mit diesem
A r t a x s a ö r der Mann gleichen N a m e n s gleichzusetzen wäre, der Säpür Pähl.
34 (unter Säpür I.) als der ,,Sohn des bitaxi" (bthikn) begegnet®, ist un-
erwiesen. D e n n d a ß der Sohn des bitaxS auch seinerseits wieder bitaxs ge-
worden ist, setzt die R i c h t i g k e i t von Henning s A n n a h m e , jener gehörte
n a c h Iberien und es h a b e eine erhebliche D y n a s t i e solcher bitaxs dort ge-
geben, voraus. D a m i t wäre v o r w e g g e n o m m e n , w a s erst gezeigt werden
m ü ß t e . Der G r o ß v a t e r S ä h p u h r h a t einen gleichnamigen bitaxs unter Säpür I.
zur Seite. D o c h beruht — und dies ist ein erneuter E i n w a n d — S ä h p u h r der
Silberschale auf dem Vorhandensein eines einzigen Buchstabens. Endlich
ist die A n n a h m e , der bitaxS Sähpuhr der großen Inschrift (unter Säpür I.)
sei der Sohn des bitaxs A r t a x s a ö r auf der gleichen Inschrift (unter A r d a s e r I.),
erneut petitio principii. Auf der Schale wird ein entsprechender U r g r o ß v a t e r
P ä p a k ' s , also ein zweiter A r t a x s a ö r , überhaupt nicht genannt.

Doch d a m i t h a t es noch kein E n d e . Henning 7 selbst hat gesehen, d a ß


Kltslwby ZY bthsy Säpür Pähl. 33 keinesfalls „ V i c e r o y of I b e r i a " sein kann.
E r hilft sich m i t der Feststellung aus der Verlegenheit, dieser bitaxs erscheine
unter den unteren W ü r d e n t r ä g e r n , w ä h r e n d der bitaxi Iberiens jeweils
unmittelbar nach den Prinzen von G e b l ü t genannt werde. D o c h d a ß es sich
bei den zuletzt genannten bitaxS immer u m die Vizekönige Iberiens oder
Georgiens handelte, ist bisher unbewiesen geblieben. G a n z übersehen h a t
Henning die Inschrift des Silbertellers von Bori. Sie e n t s t a m m t einem
grusinischen F u n d o r t , ist v o r der Mitte des 3. J a h r h u n d e r t s geschrieben
und gibt bwz myhr byty'hs TB'9. Man h a t mit diesem Mann einen bitaxS,
der in Grusinien g e w i r k t h a t , aber sich keinesfalls Henning's ,.dynasty"
einfügt.
Henning's Neigung, D y n a s t i e n zu ermitteln, m u ß t e schon bei den In-
schriften von T a n g - i S a r w a k ein Riegel vorgeschoben werden. N a c h d e m wir

• a. O. 355 Anm. 1.
7 a. O. 355 Anm. 3.

• Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 88 f.


I. ZWEI NEL'FUN'DE 27

gegen dieses „ p i t t o r e s k e S t ü c k elymäischer G e s c h i c h t e " Einspruch erhoben


hatten 9 , ist es aus d e m Repertoire verschwunden. W i r fürchten, dasselbe
müsse im vorliegenden Fall geschehen, es sei denn, ein Neilfund belehre uns
alle eines Besseren.

• Altheim-Stiehl, a. O. 95 f.
2. KAPITEL

SPÄTE ARSAKIDEN, FRÜHE SASANIDEN


UND DIE HUNNEN

Geschichtliche Untersuchung führt zuweilen verschlungene Wege, und


in besonderem Maß darf dies von der vorliegenden gelten. Bisher nicht oder
nicht ausreichend herangezogene Quellen, von deren Ausmaß die Verfasser
zu Beginn ihres Unternehmens sich ungenügend Rechenschaft zu geben
vermochten, haben die politische und militärische, die kulturelle und re-
ligionsgeschichtliche Bedeutung der Hephthaliten erhellt. Ein geschicht-
licher Bereich, der sich bisher nicht abzeichnen wollte, verlangt danach,
eingeordnet und nach seiner Auswirkung begriffen zu werden.
Als zeitliche Anhaltspunkte sind zu nennen:
1. die Anwesenheit von Χοΰνοι nordwestlich des Kaukasus vor der
Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. (oben 1, 3f.);
2. Raubzüge der kaukasischen Hunnen in den dreißiger Jahren und
kurz nach der Mitte des 3. Jahrhunderts, sei es in KtesiphonsNachbarschaft,
sei es ins atropatenische Medien (ÄSurbaiyän) (oben x, 12f.);
3. Säpür II. (309—379) steht im Winter 356-7 auf der Grenze der
Chioniten (Hephthaliten) und K ü s ä n und zieht 359 mit dem König der
Chioniten als Verbündeten gegen A m i d a (oben 1, 35 und 246f.);
4. Säpür II. prägt als Kidara KuSana Sahi (oben 1, 35);
5. Die kaukasischen Hunnen, durch Nachschübe aus dem Osten ver-
stärkt, brechen 375 in Südrußland ein;
6. Die Prägung der sasanidischen Küsän endet mit Bahräm I V . Ker-
mänsäh (388—399). Die Hephthaliten erobern die Länder Ostirans, die
bisher unter der Herrschaft der sasanidischen Küsän standen 1 .
Man steht einer Reihe von hunnischen Vorstößen im Raum zwischen
Iaxartes und Don gegenüber. Die westlichen Teile des Volkes unternehmen

1 R. Göbl bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 243.


2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 29

Züge ins sasanidische Reich, die erfolglos bleiben. Der erste gelangt noch
bis v o r die Tore der Hauptstadt, während der zweite schon in Ä 5 u r b a i y ä n
umkehren muß. Hundert Jahre danach gelingt den östlichen Hunnen, sich
in der Sogdiane, also zwischen Oxos und Iaxartes, als sasanidische foederati
festzusetzen. E t w a s über ein Jahrzehnt später erfolgt der Einbruch in
Südrußland, der die westlichen Hunnen bis an den Unterlauf der D o n a u
führt. A b e r auch im Nordosten Irans hat sich hunnische Macht vermehrt.
Die Hephthaliten gewinnen B a k t r i e n und Teile Choräsän's und bereiten
der sasanidischen Herrschaft in diesen Gebieten ein Ende.

Eine entsprechende Gleichzeitigkeit findet sich hundert Jahre später.


Vor der Mitte des 5. Jahrhunderts ersteigt das westliche Hunnenreich unter
A t t i l a seinen Höhepunkt. A b e r auch die östlichen Hunnen, die unter
B a h r ä m V . Gör (420—438) sich noch zu Tributzahlungen hatten verstehen
müssen, erheben sich gegen Y a z d g a r d II., seinen Nachfolger (438—457).
Sie beenden die Tributzahlungen und greifen unter Hormizd I I I . (457—459)
und Peröz (459—484) erstmals in die Thronstreitigkeiten des sasani-
dischen Reiches ein. Man scheint vor einem neuen und allseitigen Auf-
stieg des Volkes zu stehen. D a erfolgt der Rückschlag im W e s t e n : erst die
katalaunische Schlacht 451 und der Zusammenbruch am Nedao wenige
Jahre darauf.

E s war eine entscheidende Schwächung der hunnischen Macht. Mit der


Fähigkeit, gleichzeitig sich im Westen und Osten auszubreiten, w a r es
vorbei. Zunächst verlegte sich das Schwergewicht nach Osten. Die Hephtha-
liten erstiegen den Höhepunkt ihrer Macht. In wiederholten Kämpfen
wurde Peröz besiegt und fiel 484 gegen den hunnischen Gegner. Sein Nach-
folger K a v ä 5 I. (488—531) hatte schon vorher am hephthalitischen Hof
gelebt und fand in seinen ersten Regierungsjähren dort Zuflucht. Mit
hephthalitischer Hilfe k a m er zurück, mit hephthalitischen Söldnern hielt
er sich an der Macht und führte seine Kriege gegen R o m bis zuletzt.

E r s t C h u s r ö I. Anösarvän (531—578) gelang, im B u n d mit den Westtür-


ken, das Hephthalitenreich 558 zu schlagen. Sasanidische Herrschaft reichte
wieder bis zum Oxos. Die Niederlage führte zur Abwanderung von
Stämmen, die dem hephthalitischen V e r b a n d angehörten; sie zogen nach
Westen. Zuerst waren es A w a r e n , zwei hunnische Stämme (Ούαρχουνΐτοα,
Ο ΰ ά ρ und Xouvf) 2 , die an der Donau erschienen; zwei Jahrzehnte darauf

2 H.-W. Haussig in: Byzantion 23 (1953), 275f.; besonders 345f.; 418.


30 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

(585) folgten Bulgaren, die sich südlich der unteren Donau, und Chazaren,
die sich nördlich des Kaukasus festsetzten (oben 1,85 f.). Damit verlagerte sich
das Schwergewicht nach dem Westen. Im Nordosten Irans hingegen beseitigte
die arabische Eroberung die letzten Reste der hephthalitischen Herrschaft.
Diesen Feststellungen, so einfach sie sein mögen, entspringen Folgerungen,
die sich, zumindest für den Aufbau der folgenden Darstellung, als grund-
legend erweisen werden. Als der westliche Teil des Gesamtvolkes, aus dem
Raum zwischen den Unterläufen des Don und der Wolga, nach Osteuropa
vorstieß, hatte er über 200 Jahre lang in der Nachbarschaft iranischer
Völker gestanden und in Berührung mit ihrer Kultur gelebt. Da waren die
nordiranischen Alanen nördlich des Kaukasus; da waren südlich dieses
Gebirges die stark iranisierten Königtümer Iberien und Armenien, und
weiter westlich Schloß sich ÄSurbaiyän, nordwestliche Provinz des eigent-
lichen Iran, an.
Alle Aufmerksamkeit der Hunnen, vom Raubzug bis zur Nachahmung
der benachbarten Hochkultur, war nach Süden und Südosten gewandt. Es
bedurfte langer Zeit und, wenigstens nach hunnischer Auffassung, eines
göttlichen Hinweises, um zu begreifen, daß sich im südlichen Rußland und
an der unteren Donau größere Möglichkeiten boten. Wie stark in der Zeit vor
375 die Berührung mit der iranischen Welt war, ist die erste Frage, die
gestellt werden muß. Die zweite hat dahin zu lauten, mit welcher Entwick-
lungsstufe dieser Welt man bekannt wurde. In Betracht kommen das letzte
Jahrhundert der Arsakiden und die ersten anderthalb Jahrhunderte der
Sasaniden. Will sagen: die Zeit des ersten Aufstiegs, die durch die Herrscher
Ardaser I., Säpür I. und II. gekennzeichnet ist. Umgekehrt ist wichtig,
sich klarzumachen, daß die westlichen Hunnen den spätsasanidischen
Staat und dessen Kultur, überhaupt die zweite Blütezeit des Reiches, die
mit Kavä5 I. und Chusrö I. Anösarvän begann, nicht mehr gekannt haben.
Mit der Wendung gegen Ostrom und dann gegen den römisch-germanischen
Westen fanden für diesen Teil der Hunnen alle iranischen Beziehungen ein
Ende. Man war in einen neuen geschichtlichen Bereich eingetreten.
Anders die im Kaukasus verbliebenen Teile des Volkes und der hunni-
sche Osten mit all den Stämmen, die dem hephthalitischen Verband an-
gehörten. Sie hatten gleichfalls den Aufstieg des frühsasanidischen Reiches
gesehen. Aber im Gegensatz zu ihren Vettern, die in Osteuropa Fuß gefaßt
hatten, war ihnen beschieden, die weitere Entwicklung des sasanidischen
Reiches und seiner Kultur mitzuerleben. Die Verbindung zur iranischen
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N UND D I E H U N N E N 31

Welt wurde nie gestört, auch dann nicht, als das große Hephtha-
litenreich zusammengebrochen war. Erst die arabische Eroberung setzte
dem nachbarlichen Zusammenleben des sasanidischen Reiches und der
Hephthaliten ein Ende. Der führende Stamm der letzten war schon zuvor
weitgehend im iranischen Volkstum aufgegangen. Daraus ergab sich, daß
man vor allem durch jene Form der sasanidischen Kultur sich beeinflussen
ließ, die unter K a v ä S I., Chrusrö I. und II. geschaffen wurde. Die voran-
gegangenen Betrachtungen über die Geschichte der Hephthaliten und über
den Kampf der Religionen, in deren Brennpunkt sie zuweilen standen,
haben gezeigt, wie stark man im Rahmen der spätsasanidischen Welt
lebte. Auch für die kaukasischen Hunnen wird sich dies erweisen.
Nach dem Zusammenbruch des großen hephthalitischen Reiches 558
wandte sich eine neue Welle nach Westen. Stämme lösten sich aus dem
hephthalitischen Verband und brachen in Osteuropa ein. Als erster die
Awaren, und ihnen folgten etwa zwei Jahrzehnte später Bulgaren und
Chazaren. Obwohl sie alle auf den Spuren der westlichen Hunnen wandelten,
war das kulturelle Erbe anderer Art. Man hatte (was den früheren versagt
geblieben war) die tiefe Einwirkung der spätsasanidischen Kultur erfahren.
So dürfen die Formen, die man im Laufe der Jahrhunderte gestaltete,
zumindest soweit sie sich auf iranischer Grundlage aufbauten, als spät-
und nachsasanidische Kultur bezeichnet werden.
Frühsasanidisch, spätsasanidisch und nachsasanidisch: drei Prägungen
sind damit gegeben. Sie gilt es, nach ihrer besonderen Art zu verstehen
und in ihrer Auswirkung auf die verschiedenen Teile des hunnischen
Gesamtvolkes, die verschiedenen Phasen seiner Geschichte zu begreifen.
Alle drei müssen sorgfältig beschrieben werden. Sie wurden von uns in
älteren Arbeiten bereits verwandt, vor allem im Bemühen, die Eigengesetz-
lichkeit des spätsasanidischen Staates und seiner Kultur herauszustellen 3 .
Jetzt geht es nicht mehr um Iran als solches, nicht mehr darum, welche
Stufe seiner Entwicklung auch immer zu verstehen. Iran soll nunmehr in
seiner Wirkung auf die Nachbarn begriffen werden. Als erste Aufgabe gilt es,
gewisse Eigenformen der frühsasanidischen Zeit und der von ihr untrenn-
baren spätarsakidischen zu ermitteln.

3
Altheim-Stiehl, E i n asiatischer S t a a t 1 (1954); Finanzgeschichte der Spätantike
(1957). Die älteren Arbeiten, vor allem das Sasaniden-Kapitel im ersten Band von:
Niedergang der Alten Welt (1952), tragen der Scheidung zwischen sasanidischcr Frühzcit
und Spätzeit noch nicht Rechnung.
32 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Der Finanzgeschichte hat die erste Betrachtung zu gelten. Der Steuer-


verwaltung der frühsasanidischen Zeit hat I. Hahn eine Untersuchung
gewidmet, von der alles Weitere auszugehen hat 1 . Auch diesmal (vgl.
oben 2, 185f.) müssen freilich Einwände sachlicher und philologischer Art
gemacht werden.
Einzige Quelle, über die Hahn verfügt, ist der babylonische Talmud.
Dieser unterschiedet drei Arten von steuerlichen Zahlungen:
1. krägä. Bäbä bäträ 55 a bezeichnet den krägä unter Berufung auf das
königliche Gesetz (dinä d-malkütä) eindeutig als Kopfsteuer. Er entspräche
damit der gizya der spätsasanidischen Zeit. Krägä lag „auf dem Kopf
(Schädel) der Menschen" und entspricht den Wendungen ksap gulgultä: Bäbä
bäträ 8a und ksep reSä bei Zacharias Rhetor 2 p. 97, 2f. (für die Zeit
KaväS's I.) 2 . J. L e v y 3 deutet: „Nur die Person des Steuerpflichtigen, nicht
aber seine Güter haften für die Kopfsteuer. Bezahlt er sie nicht, so sperren
ihn (wenn er nicht landflüchtig geworden) die königlichen Beamten wohl
ein, konfiszieren aber nicht seine Güter." Ebenso äußert sich L. Goldschmidt
zur Stelle 4 , sodaß, im Gegensatz zu Hahn's Ansicht®, erwiesen ist, daß
der dort gemeinte krägä nicht vom Vermögen erhoben wurde.
Es ist freilich noch offen, warum Kopfsteuer, also die gizya, mit einem
Wort bezeichnet wurde, das offenkundig den haräg meint. Bisher gegebene
Antworten darf man beiseite lassen, da alle Forscher, Hahn eingeschlossen,
übersehen haben, daß krägä nicht nur die gizya, sondern auch den haräg
bezeichnen kann. An der gleichen Stelle wird eine andere Meinung an-
geführt, wonach sogar die Gerste im Kruge für den krägä verpfändet war —
nicht nur die Grundstücke, wie L. Goldschmidt· scharfsinnig erläutert.
Demnach fallen sowohl Grundstücke als auch dessen Ertrag unter den hier
gemeinten krägä. Anders ausgedrückt: es handelt sich um den haräg,
dessen Einführung KaväS I. im Sawäd begonnen 7 und Chusrö I. Anösarvän
allgemein durchgeführt hat. Und damit erklärt sich denn auch die Ver-

1 Acta ant. Hung. 7 (1959), T53f.


2 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. 110; 149; oben 2, 22t.
' Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim 2 (1924), 395 r.
4 Der babylonische Talmud 6 (1933), 1086 Anm. 701.

s a. O. 158.

• a. O. 6, 1086 Anm. 702.


7 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1957) 43f • I 5 2 ·
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E SASANIDEN UND DIE HUNNEN 33

wendung des Wortes krägä hier für den haräg, dort für die gizya. Denn
immer wurde betont, daß beide zusammen als haräg bezeichnet werden
können 8 , und so mochte geschehen, daß jeder Bestandteil allein diese
Bezeichnung erhielt. Also nicht nur, wie natürlich, konnte haräg mit krägä
bezeichnet werden, sondern auch die gizya.
In den babylonischen Talmud sind Bestandteile sehr verschiedener Zeit
eingegangen. Mit unserer Stelle befinden wir uns in einer seiner spätesten
Schichten. Man steht im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts, als die neue
Steuerordnung, zumindest inBabylonien, durchgeführt war. Kopfsteuer, auf
die Person (will sagen: ihre Arbeitskraft) beschränkt, und Grundsteuer, den
Boden und zugleich dessen Ertrag umfassend, stehen sich gegenüber, also
die spätsasanidischen gizya und haräg, der diokletianischen capitatio und
iugatio entsprechend.
Mit alledem ist nichts für die frühsasanidische Steuerordnung gewonnen.
Anders jedoch steht es mit der Stelle Bäbä msi'ä 73 b. Erwähnung des 378
gestorbenen Rabbi Pappä führt in frühsasanidische Zeit. Es werden ver-
mögende Juden genannt, die für andere in Geld (züze) den krägä zahlen,
aber dafür von diesen Dienstleistungen verlangen. Die Form, sich an den
Schuldnern (die damit aus staatlichen zu privaten geworden sind) mittels
Leistungen, nicht mittels Rückgriff auf Besitz schadlos zu halten, zeigt,
daß es sich um Kopfsteuer handelt. Die Betroffenen verfügten über keine
Liegenschaften und mußten durch persönliche Dienstbarkeit ihre Ver-
pflichtungen ablösen. Es war ein χειρωνάξιον alter Art 9 , nur diesmal auf
ein privates Rechtsverhältnis übertragen. Wichtig ist, daß alles unter Hin-
weis auf eine königliche Verordnung (malkä 'mar) vor sich ging. Die Ur-
kunden (muhr1 ke)10 — doch wohl die über eine stellvertretende Zahlung
des krägä und über die für die Schuldner sich ergebenden Folgen — lagen
im königlichen „Behältnis" 1 1 , dem römischen scrinium vergleichbar.
2. taskä (Hahn schreibt regelmäßig taskä'). Diese Steuer liegt auf dem
Boden (ar'ä). Bäbä msi'ä 73b: der König hat angeordnet, daß, wer den
taskä zahlt, die Nutznießung des Bodens haben soll. Beide, Boden und

* Oben 2, 190. Auch in der Chronik von Se'ert 2, 580, 11 {. Scher ist der haräg,
den die Araber im Zweistromland nach ihrem Sieg im 5. Jahr Yazdgard's III. erheben,
die Gesamtheit der Steuern.
• Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. 148 f.
10 Andere Vokalisation: J. L e v y , a. Ο. 3, 41 τ.
11 Hahn spricht anläßlich des Falles von taskä, während es sich doch eindeutig
um krägä handelt (a. O. 154). -·- Der gluskmä d-hnSbänä, den G o t t trägt (t'in wä)\
Hcsychios im Coch. Syrohexapl. Ambros, cd- Λ Μ. f'eziani (1874) ρ 17

3 Altheim, Hunnen IV
34 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Nutznießung desselben, sind steuerlich geschieden, und Entrichtung des


taskä bezieht sich allein auf den Boden. Bäbä msi'ä n o a : wer eine Liegen-
schaft kauft, übernimmt damit die Verpflichtung zur Zahlung des taskä.
Wiederum ist taskä an den Boden als solchen geknüpft. Taskä besteuert
keinesfalls dessen Ertrag, bildet jedoch die steuerliche Voraussetzung dafür,
daß mit der jährlichen Bebauung begonnen werden darf. Vgl. noch Gittin
58b. Dementsprechend heißt der Beamte, der den taskä eintreibt, zah'rörä12,
nach zih'rä „Grundstück" (Bäbä bäträ 55 a 1 3 .) Mit dem haräg der spät-
sasanidischen Steuerordnung, der Boden und Ertrag zusammen erfaßte,
besteht keine Berührung. Vielmehr zeigt Nennung Giddöl's b. R"üläi in
Gittin 58b, eines Zeitgenossen des R. Pappä, daß man sich in frühsasani-
discher Zeit befindet. In gleiche Zeit 1 4 führen die Erwähnungen des taskä
seitens R. Abbai in Bäbä msi'a 54 b und R. Asi (375-427) in Bäbä msi'ä 73 b.
Wie die Kopfsteuer solchen, die nicht zahlen können, seitens Vermögender
vorgeschossen wird und die Gläubiger dafür von ihren Schuldnern Dienst-
leistungen verlangen, so geschieht es auch beim taskä. Der gleiche Giddol
b. R e 'üläi, der den krägä in keineswegs uneigennütziger Weise für Andere
entrichtet hatte, übernahm auch den taskä ärmerer Genossen für drei Jahre
im Voraus und eignete sich dadurch die Nutznießung ihrer Liegenschaften
für den gleichen Zeitraum an (Gittin 58 b).
Bäbä msi'ä n o a erwähnt die Möglichkeit, daß Liegenschaften nicht
zum taskä veranlagt sind. Wieweit dieser Fall überhaupt eintreten konnte,
wird aus der Äußerung nicht deutlich. Hahn 1 8 behauptet, an gleicher Stelle
seien solche dem taskä entzogene Grundstücke als ar'ä kny' bezeichnet.
Wir haben in L. Goldschmidt's Ausgabe, der einzigen uns zugänglichen,
eine entsprechende Äußerung nicht gefunden. Wie immer: wenn Hahn das
zweite Wort „zu Grunde des syrischen qanäjä = 'Käufer' als 'gekaufte',
d. h. in vollwertigem Eigentum sich befindende Erde" deutet, so unterliegt
das grammatischen und sachlichen Bedenken. Das syrische Wort ist kan-
näyä zu umschreiben. Seine Heranziehung ist nicht erforderlich, da der
entsprechende Stamm im Jüd.-Aram. vorhanden ist. In der Tat müßte
„gekauft", also das Part. Pass. P c 'al mit der Femininendung des Stat.

12
Vgl. J . Levy, a. Ο. ι, 5 1 7 1.
11
Hahn, a. Ο. 155 Anm. 43, denkt an Grundbesitzer und Steuerpächter, wozu
kein Anlaß ist.
11
Richtig Hahn, a. O. 155 und Anm. 48—49.
15
a. O. 155.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N UND D I E H U N N E N 35

absol. (ar'ä ist Femininum) kanyä heißen. Sachlich jedenfalls ist Hahns
Deutung wenig überzeugend. Wenn der Käufer einer Liegenschaft, wie
gesagt, ausdrücklich zur Übernahme des taskä verpflichtet war, so ist
nicht einzusehen, wie ein Kauf zur Befreiung von Grundsteuer geführt
haben sollte.
3. mnätä d-malkä (Hahn schreibt stets mantha oder manta de-malkäl),
hebr. menät ha-m-melek: Bäbä bäträ 8a. Bäbä kammä 1 1 3 b sagt, wer in
der Scheune angetroffen werde, müsse den Königsanteil bezahlen. Gemeint
ist: für die Anderen, die nicht anwesend sind, dann aber dem Zahlenden
ihren Anteil ersetzen müssen 18 . Hahn hat auf den besonderen Fall der
Gesamthaftung verwiesen und richtig gesehen, daß diese Steuer in natura
gezahlt werden konnte 17 . ,a bödä zärä 71 a und L. Goldschmidt's Bemerkung
dazu 1 8 bestätigen den Sachverhalt.
Für die frühsasanidische Zeit ergeben sich somit folgende drei Steuern:
1. Kopfsteuer, krägä. Ob sie abgestuft war, läßt sich nicht erkennen,
ist jedoch wahrscheinlich. Sie wird in Geld entrichtet.
2. Bodensteuer, taskä. Ob sie abgestuft war, ist nicht zu erkennen.
Möglicherweise war sie nach der Grundfläche berechnet, wobei die nötige
Abstufung durch die Ertragsteuer gewährleistet wurde (vgl. unter 3). Dann
wäre der taskä eine Repartitionssteuer gewesen, allein die pars quanta
berücksichtigend. Er wurde in Geld entrichtet.
3. Ertragsteuer, mnätä d-malkä. Sie war reine Quotationssteuer, auf
der pars quota beruhend.
Nach Hahn's Ansicht 19 waren die Unterschiede staatsrechtlich bestimmt.
Als „einzig mögliche Lösung" schlägt er vor: ,,taskä war die Bodenrente
der königlichen Felder — χώρα βασιλική (Hahn setzt auf χώρα den Zirkum-
flex!) —, mnätä d-malkä (Hahn umschreibt auch hier mantäl) die dem König
gebührende Steuer der freien Bauern, oder im allgemeinen: aller nicht auf
königlichem Gebiet lebenden Personen". Taskä als Bodenrente, königliche
Felder und χώρα βασιλική, die freien Bauern — alles ist ohne Anhalt in
der Uberlieferung. Wir sehen keine Möglichkeit, diese Deutung auch nur
in Erwägung zu ziehen.

16
L. Goldschmidt, a. O. 6, 425 Anm. 89.
17
a. Ο. 154 f.
18
a. O. 7, 1030 Anm. 13g.
19
a. O. 156.

36 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Vermeintliche Fortsetzungen in islamischer Zeit, die Hahn anführt 2 0 ,


dürfen außer Acht bleiben. Seine Beobachtungen stützen sich auf sekundäre
Literatur, und die Erörterung des islamischen Steuerwesens liegt außerhalb
der Absichten, aber auch der Fähigkeiten der Verfasser. Gänzlich entgangen
ist Hahn die Berührung der frühsasanidischen Steuerordnung mit der
achaimenidischen. Dieses wurde von uns zusammenfassend behandelt 21 ,
und das Folgende mag sich mit kurzen Hinweisen auf das dort Gesagte
begnügen.

Die Gleichsetzung der Kopfsteuer mit dem achaimenidischen έττικεφά-


λαιον 2 2 unterliegt keinen Bedenken. Die Ablösung dieser an sich in Geld
zu entrichtenden Steuer durch Dienstleistungen scheint, wie der daneben
erscheinende Ausdruck χειρωνάξιον zeigt, schon in achaimenidischer Zeit
ins Auge gefaßt worden zu sein. Möglicherweise liegt sie der Verpflichtung
zur Liturgie, die vor allem die breiten Massen erfaßte, zugrunde.
Von größter Bedeutung ist, daß B ä b ä bäträ 8 a und N'därim 62 b den
Königsanteil der frühsasanidischen Zeit dem bei E s r a 4, 1 3 und anderswo
genannten mindä oder middä gleichsetzen. D a dieser mit der τ α γ ή oder
bäzii eins ist 2 3 , so ergibt sich eine Verknüpfung, die alles für sich hat. Gleich
dem Königsanteil ist die achaimenidische Steuer in Naturalien zahlbar, und
man wird den Schluß nicht abweisen können, daß der mindä eine E r t r a g s -
steuer (pars quota) gewesen ist. In unseren früheren Darlegung haben wir
diesen Schluß, der auf der Hand liegt, noch nicht zu ziehen gewagt.
So bleibt für den taskä als Bodensteuer allein das έκφόρειον, auch δεκάτη
genannt 24 . Die zweite Bezeichnung würde besagen, daß man bei reiner
pars quanta jährlich ein Zehntel des angesetzten Bodenwertes als Steuer
zu entrichten hatte. Daß die achaimenidische Steuer so aufzufassen ist,
zeigt die Nachricht, daß zu ihrer Erhebung der Boden nach Parasangen
vermessen wurde (Herodot. 6, 42, 2) 2 5 .
Man bediente sich also in frühsasanidischer Zeit der aus achaimenidischer
überkommenen Steuerordnung. Dieser Zug ordnet sich dem Gesamtbild
der Zeit ein, das überall in der achaimenidischen Uberlieferung zu stehen

20
a. O. 156.
21
Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. 109f.
22
Altheim-Stiehl, a. O. 148 f.
a
Altheim-Stiehl, a. Ο. I40f.
24
Altheim-Stiehl, a. O. 1 4 5 ; 146 f.
26
Altheim-Stiehl, a. O. 145. Die dort angedeutete Alternative entfällt nunmehr.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E SASANIDEN UND DIE HUNNEN 37

und diese fortzusetzen wünschte 2 ·. Kein Mensch dachte daran, den Gegen-
satz zwischen Repartitionssteuer (taskä) und Quotationssteuer (mnätä
d-malkä) zu beseitigen, der eine doppelte Erhebung vor und nach der Ernte
vorsah und sonst manch andere Unzuträglichkeit gebracht haben mag.
Erst die Übernahme des spätrömischen Systems der iugatio enthielt das
Neue. Jetzt wurden beide Arten von Steuer gleichsam auf einen Nenner
gebracht. Durch Einführung des Ertragssolls, das man mit jedem Grund-
stück verband, wurde man der Berücksichtigung jährlich wechselnder
Erträge ledig. Man hatte eine neue Art der Repartitionssteuer geschaffen.
Zugleich ist damit ausgesprochen, daß keinesfalls die frühsasanidische
Steuerordnung dahin qualifiziert werden darf, sie habe das Entscheidende
der spätsasanidischen Reform bereits enthalten. Vielmehr schuf erst die
Übernahme von Diokletians Neuerung die Voraussetzungen, die ein bisher
nicht dagewesenes System der Erhebung und ein ebensolches Ausmaß der
Besteuerung ermöglichten. Auch sehen wir keinen Anlaß, von „Herstellung
der uralten Rechte der orientalischen Despotie" 2 7 zu sprechen. Nichts von
dem, was man sonst von Chusrö I. Anösarvän weiß, führt in dieser Richtung.
Übernahme der spätrömischen Besteuerung geht vielmehr, wenn nicht alles
täuscht, mit seiner Teilnahme an spätantiker Philosophie (oben 3, 85 f.)
Hand in Hand.

Das frühsasanidische Steuersystem ist nicht ohne Weiteres ein arsaki-


disches, nicht einmal ein solches aus arsakidischer Spätzeit. Auch wenn
man zugibt, daß die Sasaniden weithin auf den Schultern ihrer Vorgänger
standen, so bliebe doch ein Analogieschluß von dem, was etwa fürs Kriegs-
wesen feststeht 1 , auf ein anderes Gebiet des staatlichen Lebens unver-
pflichtend. Denn ebensooft setzte man sich dem, was der parthische Vor-
gänger getan hatte, entgegen. Und dies galt gerade für solche Fälle, für
die man sich auf die altpersische Vergangenheit berief.
Eine weitere Unbekannte bleibt, wie man unter den Seleukiden das
Steuerwesen gehandhabt habe. Muß man sich schon darein schicken, daß
man davon weit weniger weiß als von der Ordnung des ptolemäischen
2 · Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), i66f.; Finanzgeschichte der Spät-

antike 289 f.
" I. Hahn, a. O. 158f.
1 F. Altheim, Niedergang der Alten Welt 1 (1952), i8f.
38 IRAN ALS G E S C H I C H T L I C H E R HINTERGRUND

Ägypten, so ist darüber hinaus keineswegs gewährleistet, daß, was für


Kleinasien oder Syrien gegolten habe, auch in den Oberen Satrapien üblich
gewesen sei. Wie dort das Aramäische, also die Verwaltungssprache der
Achaimeniden, neben dem Griechischen fortbestand, so könnte auch die
achaimenidische Steuerpraxis sich dort gehalten haben.
Immerhin hat man originale Wirtschaftsurkunden aus arsakidischer
Zeit, vor allem das dritte Pergament von Avrömän und die Ostraka aus
Nisä, beide in aramäischer Schrift und Sprache. Was sich ihnen entnehmen
läßt, genügt, um ein eindeutiges Urteil zu fällen.
In Avrömän 2 geht es, wie auch in den beiden zeitlich vorangehenden
griechischen Urkunden, um den Verkauf eines bestimmten Weinberges.
Eine Besonderheit der aramäischen Urkunde bildet der bwmhwty Zeile 4.
In seiner Gegenwart 3 (kimth) haben die im folgenden aufgezählten Zeugen
„besichtigt und gemessen" (hmw 'klw). Wer der „Landlord" gewesen sei,
ist oft erörtert worden. Für einen Grundherrn, der über oder neben dem
jeweiligen Eigentümer des Weinbergs stünde, spricht nichts. So haben wir
an die iäre ha-m-m'dinöt, die τότταρχοι, des Buches Esther erinnert 4 . Doch
auch dies muß entfallen, denn die Gleichsetzung des bwmhwty mit dem in:
Bäbä bäträ 55 a genannten zah'rörä ist unausweichlich. Beide heißen
nach ihrer Verfügungsgewalt über den Boden (altpers. bümi-, aram. zih'rä).
Weiter ist es der zah'rörä, der über die Grundsteuer (taskä) gesetzt ist,
und diese als pars quanta beruht auf der Vermessung des Bodens. So ist
folgerichtig, daß anläßlich des Verkaufs, bei dem mit dem Grundstück
auch die Verpflichtung zum taskä weitergegeben wird, eine Vermessung
in Gegenwart des Beamten erfolgt. In Avrömän bestehen, so scheint
es, die gleichen Voraussetzungen, die in Babylonien entgegengetreten
waren.
Dasselbe zeigt sich angesichts der Ostraka aus Nisä®. Von den Wein-
bergen, deren Erträgnisse ins königliche Magazin kommen, werden als
Kennzeichnung abäzbare oder patbäBk gegeben. Gemeint ist damit, daß sie
„nicht steuerpflichtig" oder „steuerpflichtig", daß sie von der Ertragsteuer

2 Altheim-Stiehl, Supplementum A r a m a i c u m (1957) 64 f.


3 Altheim-Stiehl, Die a r a m ä i s c h e Sprache 1. Lfg. 38f. und in: E a s t and W e s t 10
( 1 9 5 9 ) . 249 r.
4 Altheim-Stiehl, Supplementum A r a m a i c u m 68f.
5 Altheim-Stiehl, a. O. 55 f.; neueste Behandlung hei E . Liwsic in: Westnik drewnej

istorii 2/1960, 14 f.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 39

(bäzis = mnätä d-malkä) beireit oder dieser unterworfen sind®. E s sei daran
erinnert: B ä b ä m s i ' ä n o a hatte von Grundstücken gesprochen, die im
Gegensatz zum sonst Üblichen dem taskä nicht unterliegen. Das damit
Gemeinte war zuvor unklar geblieben. Jetzt aber zeigt sich: die Kategorien
der Steuerbefreiung und der Steuerpflichtigkeit bestanden nicht nur für
die Grundsteuer, sondern auch für die Ertragsteuer.
Das Gesagte läßt sich noch schärfer fassen. Neben abäzbare und patbäzik
begegnet in den Ostraka noch eine dritte Kennzeichnung: patsäyik. Sie
muß sich nicht auf bäzis, τ α γ ή , mindä oder middä, mnätä d-malkä beziehen,
sondern auf eine andere Steuer. Man kennt sie aus neupers. säv, sä, und
mit der bäzis verbunden erscheint sie in der Wendung bäz u säv. Säv, sä
und patsäyik enthalten die im Avestischen belegte Verbalwurzel su-
, .benutzen". Wenn ein Grundstück patsäyik war, so besagte dies, daß es einer
„Benutzungsteuer" unterlag. D a m i t kann nur der taskä gemeint sein, auf
den die genannte Bezeichnung sachlich zutrifft. Denn der taskä mußte, so
hatte sich gezeigt, entrichtet sein, damit die Bebauung und Nutznießung
des Feldes beginnen konnte.
A u c h zwischen Nisä und den Angaben des babylonischen Talmud zeigt
sich eine völlige Übereinstimmung. A v r ö m ä n zeugt für Medien im Jahr
52-53 n. Chr., Nisä für Parthien seit den siebziger Jahren des 1. vorchrist-
lichen Jahrhunderts. Man darf die B e h a u p t u n g wagen, daß die achaimeni-
dische Steuerordnung in 'Iräk und Iran, will sagen: in den Oberen Satrapien
seit dem Untergang des altpersischen Reiches fortbestanden hat. Eine
andere Frage bleibt freilich, ob sie in nachachaimenidischer Zeit, demnach

6 Altheim-Stiehl, a. O. 57f. Jüngst hat G. Widengren, Iranisch-semitische Kultur-

begegnung in parthischer Zeit 12 und Anra. 37 Βαζιγράβαν δ έστι τελώνίΐον aus Isidor
von (,'harax 6 beigesteuert. Der „Greifer der bäziS" ist der lirheber der Ertragsteuer.
Die aramäischen Inschriften aus Hatra haben den parthischen Titel pigrb' (A. Caquot
in: Syria 30 [1954], 235 Nr. 28. 2) oder pzgryb' (ebenda 241 Nr. 36, 4) gebracht. Pigrb'
entspricht im ersten Glied neupers. subän, fbän ,,Hirt", mittelpers. spart, avest.
*fsu. päna-, vgl. armen. LW. spet, avest. *//«. paiti-, Pzgryb' zeigt den dialektischen
Wechsel von s (vgl. avest. pasav-) und ζ: P. Horn in: Grundr. Ir. Philol. 1, 2 (1898
bis 1901), 87 § 38, 7; 92 § 40, 7. Also liegt *pazu- zugrunde, mit erhaltenem Anlaut-
Labial wie ps-, pSu-, fsu- neben in-. Ohne solchen liegt, mit ζ statt das Wort in proto-
-bulgarischem und ungarischem ζονπταν. ζωπαν, ζουττάνος, slaw.-ungar. zupan (dazu:
G. Moravcsik, Byzantinoturcica 22 [1958], 131 f.) vor. Dessen langgesuchte Etymologie
ist damit gewonnen. Gegenüber iubän, ζουτταν und Verwandten sind psgrb' und pzgryb'
nicht der ,,Vieh-Herr", sondern der ,,Vieh-Greifer". Gemeint ist der Erheber der Vieh-
steuer, wie βαζιγράβαν nach dem „Greifer der bäzis" genannt ist. Uber das Greifen des
Viehs bei der Steuererhebung vgl. Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 136.
40 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

unter wesentlich veränderten Verhältnissen, sich als tauglich erweisen


sollte.
Eine Reihe gegenteiliger Beobachtungen drängt sich auf. E s zeigte sich
z u v o r : Besteuerung war nicht lückenlos durchgeführt. E s gab Befreiung so-
wohl von der Grundsteuer als auch von der Ertragsteuer, und solche k a m
keinesfalls den wirtschaftlich Schwachen zugute. Alles, was man weiß,
bestätigt, d a ß die großen Grundherren sich weitgehend steuerliche Vorteile
und in Einzelfällen sicherlich auch Befreiung verschafft hatten 7 . A b e r auch
die Voraussetzung des taskä, will sagen: die Vermessung des Bodens, war
lückenhaft durchgeführt. B ä b ä b ä t r ä 54 a A n f a n g bezeugt, daß es Felder
gab, deren Grenze man nur nach einer Seite markiert h a t t e ; weiter, d a ß
verheimlichte Felder nichts Ungewöhnliches waren, deren Besitzer dem
K ö n i g den taskä nicht entrichteten. Beides erklärt, warum K a v ä S I. und
Chusrö I. Anösarvän zuerst an eine allgemeine Neuvermessung gingen, die
allein gewährleistete, daß der Grundbesitz steuerlich restlos erfaßt wurde 8 .
A u c h die Ertragsteuer hatte ihre Mängel, und eben diese sollen K a v ä 5 I.
zur Einleitung der Steuerreform veranlaßt haben 9 . A u c h die Gesamthaftung,
die den anwesenden Steuerpflichtigen nötigte, für seine Genossen mitzu-
zahlen, wobei er zusehen mußte, wie er hernach seine Auslagen hereinbekam,
zeigt, wie groß die Neigung gewesen sein muß, sich der Ertragsteuer zu
entziehen. Schließlich muß jedem auffallen, daß weder den Arsakiden noch
den frühen Sasaniden gegeben war, Hortungen zu erzielen, die doch den
Achaimeniden und dann wieder den späten Sasaniden in großem A u s m a ß
möglich waren 1 0 .

Die Schäden der überkommenen und überalterten Steuerordnung lagen


überall zutage. A m stärksten sollten sie sich am Heerwesen bemerkbar
machen.

7 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 11 f.


8 Altheim-Stiehl, a. O. 32; 35.
8 Altheim-Stiehl, a. O. 7 f.

1 0 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. i 2 o f . ; Tabari, ann. 1, 1041, 1 f.;

11 f.; 1046, 6 f . ; Altheim-Stiehl, Finanzgesch. der Spätantike 45f.


2. SPÄTE ARSAKIDEN, F R Ü H E SASANIDEN U N D DIE H U N N E N 41

3
U m das spätsasanidische Heer zu kennzeichnen, seien zwei A n e k d o t e n
angeführt. B e i einem Syrer u n d einem A r a b e r b e w a h r t , beide aus per-
sischen Munde gesprochen, kennzeichnen sie die E i n s i c h t , die die von den
A r a b e r n Besiegten ergriffen h a t t e . Beide Geschichten lassen erkennen, d a ß
das, w a s m a n z u n ä c h s t als V o r z u g jenes Heeres und seiner A u s r ü s t u n g
ansehen mochte, sich angesichts des neuen Gegners als N a c h t e i l erwies.
W i r lassen zuerst B a r h e b r a e u s (chron. S y r i a c . ι ο ί , 1 5 f . B e d j a n ) sprechen.

N a c h ' O m a r ' s Regierungsantritt r ü c k t das arabische Heer n a c h K u f a ,


w o es sein L a g e r aufschlägt. I h m ziehen die Perser entgegen und lagern a m
E u p h r a t . ( 1 0 1 , 1 7 B e d j a n ) „ D i e Perser schickten einen arabischen (arbäyä:
also von den s e ß h a f t e n A r a b e r n des Sawäd) K u n d s c h a f t e r aus, der die A r a b e r
(der W ü s t e : tayyäye) b e o b a c h t e n sollte. Jener aber, als er näher g e k o m m e n
war, sah einen B e d u i n e n (ma'dyä corr.; ma'däyä B e d j a n ) , der sich g e h o c k t
h a t t e , u m W a s s e r z u lassen (C. B r o c k e l m a n n , L e x i c . S y r i a c . 2 383 r.), u n d
B r o t verzehrte. I h m (dem Beduinen) sagte der Späher in sarazenischer
Sprache (der beiden gemeinsamen arabischen): , W a s tust du ?' D e r B e d u i n e
a n t w o r t e t e : .Nun, wie du siehst, führe ich A l t e s aus und bringe Neues ein.'
D a r a u f kehrte er (der K u n d s c h a f t e r ) z u r ü c k u n d meldete den Persern: , D a s
V o l k , das ich gesehen habe, ist unbeschuht und nackt (ungepanzert),
überdies sehr tapfer.' E r erzählte d e m Befehlshaber, w a s er gehört hatte,
und (sagte), d a ß von G o t t her ihr (der Araber) Sieg (sicher) sei. A l s sie (beide
Heere) K r i e g führten, wurden die Perser besiegt und bis K t e s i p h o n am
Tigris zurückgeworfen. E i n Mann v o n den T a p f e r e n des Heeres der Perser
floh v o r einem B e d u i n e n , der hinter i h m her war. E r b e g a b sich in ein Dorf
der N a c h b a r s c h a f t , u n d ein B a u e r v e r s t e c k t e ihn. A l s dieser den (wörtl.:
jener jenen) B e d u i n e n erblickte, der gefolgt w a r , (und gewahrte,) d a ß dieser
ungeschützt w a r u n d nur einen S t a b in der H a n d hatte, b e g a b sich er (der
Bauer) ( 1 0 2 , 1 B e d j a n ) zu dem Perser und s c h m ä h t e i h n : ,Wie konntest du,
der d u m i t einem P a n z e r angetan bist und m i t all diesen W a f f e n an dir,
v o r einem, der u n g e s c h ü t z t ist, fliehen, s t a t t u m z u k e h r e n und ihm den K o p f
a b z u s c h l a g e n ? ' D e r Perser aber sagte z u m B a u e r n : .Bring mir einen Holz-
k l o t z ' , und als er (ihn) g e b r a c h t h a t t e , schoß er (der Perser) mit dem B o g e n
auf den K l o t z , d u r c h b o h r t e ihn und s a g t e : .Mehrmals h a b e ich auf diese
Weise auf einen B e d u i n e n geschossen, den ich erblickt h a t t e , und alle
Pfeile fing er mit seinem G e w a n d ä r m e l auf wie F l i e g e n ' . "
42 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Die zweite Anekdote findet sich bei Baläduri (268, 21 f. Büläk) und be-
zieht sich gleichfalls auf die Schlacht bei Kädisiya. Sie stammt aus dem
Mund eines Kämpfers auf persischer Seite, der sich selbst als magü& be-
zeichnet. Danach habe der Pfeilregen, mit dem die Araber die Schlacht
eröffneten, seine Wirkung ausgeübt. Dann heißt es: „Und es schoß bei uns
ein Mann aus der Armbrust ('an il-kausi n-näwakiya), aber nicht bewirkte ihr
(der Armbrust) Bolzen mehr, als daß er sich verfing im Kleide eines
von ihnen (der Araber), wohingegen der Pfeil von ihren (der Araber)
Pfeilen den festen Panzer und den doppelten Küraß spaltete, den wir
trugen."
Das Gemeinsame beider Berichte ist, daß die bessere und modernere
Ausrüstung auf persischer Seite ist, daß aber die Araber dessen nicht achten
und die Geschosse mit ihrem weiten Gewand auffangen. Da sind die Panzer
oder gar die doppelten Panzer, denen wir bereits begegnet sind (oben 2, 77;
276). Man bedient sich verschiedener Waffen, von denen Bogen und Arm-
brust erwähnt werden. Letzte wurde in China erfunden, schon unter den
späten Chou 1 , und hatte von dort den Weg nach Japan angetreten2. Auch
im sasanidischen Heer hatte man sich um diese Waffe bemüht, wie der
Bericht zeigt. Da sonst von der Armbrust nichts berichtet wird 3 und sie
sich auch auf den sasanidischen Denkmälern nicht dargestellt findet, mag
sie gerade eingeführt worden sein. Die Durchschlagskraft des persischen
Bogens veranschaulicht Barhebraeus' Erzählung, und Prokop bestätigt sie.
Nicht nur schießen die Perser rascher als alle anderen Menschen, sondern,
obwohl ihre Bogen ohne Mühe zu handhaben sind, durchdringen die Pfeile
Panzer, Helm und Schild (bell. 1, 18, 32f.).
Um so mehr erstaunt man über die Worte, die bei Barhebraeus dem
Kundschafter in den Mund gelegt sind: men allähäi zäküthön (chron. Syriac.
101, 23 Bedjan). Alle technische Überlegenheit fruchtete wenig. Man unter-
lag den Arabern gleichwohl und glaubte, es im Voraus gewußt zu haben.
1 Η. H. Doubs in: T'oung Pao 36, 70 f.; W. W. Tarn, Hellenist. Military and Naval

Developments 102f.; A.Stein, Serindia 2, 758f.; Innermost Asia 1, 29of.; F. Bergman


in: Archaeol. Researches in Singkian (Sino-Swedish Exped. 7) 163 f.; A. Lippe in: Amer.
Journ. Arch. 1952, 233; Κ. Huuri in: Studia Orientalia 9, 3 (1941), 110; Altheim-
Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 286.
2 M. Suenaga, Die Waffen des alten Japan (japan. 1941) Taf. 76; K. Huuri, a. O.

110; 197.
® Vermutungen bei K. Huuri, a. O. 101; 103; 109. Das Bekanntwerden der Byzan-
tiner mit der Armbrust schildert Anna Komnena 10, 8 P. 291 A ; 2, 42, 1 3 L ; dazu
Ducange's gelehrte Anmerkung 605 f. Bonn.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 43

Die Erörterung über Wert und Unwert der neuen Waffen war schon länger
im Gang. Ungleich zustimmender äußerte sich hundert Jahre vor Kädisiya
Prokop in der Einleitung zu seinem Geschichtswerk. Welch ein Unterschied,
meinte er, bestehe zwischen den Bogenschützen des Altertums und denen
seiner Zeit. In Panzer und Beinschienen zögen sie jetzt in den Kampf, rechts
den Köcher mit den Pfeilen, links das Schwert. Mancher habe noch einen
Speer und auf der Schulter einen kleinen Schild ohne Griff, um Gesicht und
Nacken zu schützen. Vom dahinsprengenden Pferd verstünden sie nach
jeder Seite zu schießen und den Gegner, sei es, daß man ihn verfolge, sei
es, daß man vor ihm fliehe, zu treffen. Den Bogen spanne man bis
zum rechten Ohr3": weder Schild noch Panzer widerstehe seiner Gewalt
(bell, ι, i, 12—15).
Das spätsasanidische Heer wurde mit den Mitteln aufgestellt und er-
halten, die Chusrö's I. Anösarvän Steuerreform zur Verfügung gestellt hatte.
An Geld fehlte es nicht, und so erhielten die Ritter eine Equipierungs-
summe, die ihnen eine Ausrüstung gestattete, derengleichen frühere Jahr-
hunderte nicht gekannt hatten. Gegen Anweisung von 4 000 Dirhem hatte
man auf gepanzertem Roß und selbst in doppelter Panzerung, in Harnisch
und darunter getragenem Kettenhemd, zur Musterung zu erscheinen. Arm-
und Beinpanzer sowie Helm, Schwert, Lanze, Schild, Keule und Streit-
kolben, Lasso und Bogentasche mit zwei Bogen und 30 Pfeilen, schließlich
zwei Ersatzsehnen vervollständigten die Wehr. Uber alles wurde ausführlich
Buch geführt 4 .
Neben den dehkän, die nur im Kriegsfall aufgeboten wurden, gab es
ein stehendes Heer. Es stand vornehmlich an den Grenzen, und den Rittern,
die in ihm dienten, waren Lehen zum Unterhalt zugewiesen. Ihre Regimenter,
die den Rückhalt der Verteidigung bildeten, wurden ergänzt durch die
Gardetruppen. Diese trugen klingende Namen, darunter den der „Un-
sterblichen" (oben 2, 24L und Prokop., bell. 1, 14,45; 49). a n die achai-
menidische Zeit erinnernd. Das Aufgebot der Vasallenkönige trat im Bedarfs-
fall hinzu, und besonders zeichneten sich die Lahmiden von Hira aus. Ihre
leichte arabische Reiterei kämpfte den Rittern zur Seite (Prokop., bell. 1, 17,

33
Shakespeare, Richard I I I . : 339 " D r a w , archers. draw your arrows to the head !
Spur your proud horses hard, and ride in blood! Amaze the welkin with your broken
stavt-s!"
4
Altheim-Stiehl, Ein asiatischer S t a a t ι (1954Κ ' 3 6 ί · ; Finanzgeschichte der Spät-
antike 62 t. hierzu und zum {olgenden.
44 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

ι ; iS, i ; 30), und mit sasanidischer Hilfe war man dazu übergegangen,
auch eine gepanzerte Truppe aufzustellen®. Der massierte Stoß der Ritter·,
die geschlossene und tiefgegliederte Aufstellung (Prokop., bell. 1 , 1 3 , 23)
fanden damit überall Eingang.
Daneben standen angeworbene Truppen, die sich aus benachbarten
Barbarenstämmen rekrutierten. Man schätzte diese um ihrer kriegerischen
Tüchtigkeit willen, hatte aber meist mit Unzuverlässigkeit und Unbot-
mäßigkeit zu rechnen. Wieder waren Araber 7 darunter (oben 2, 1 4 ; 16;
1 7 ; 20f.). Aber schon die kädiSäye waren Hunnen des Ostens, und Hephtha-
liten bildeten unter K a v ä 5 1 . weithin den Kern des Heeres. Daneben
wurden kaukasische Hunnen angeworben (Sahiren), kriegerische Gesellen,
raublustig und wankelmütig. Niemand sonst wechselte so rasch und be-
denkenlos die Partei, wenn es um den eignen Vorteil ging. Man suchte sie
dadurch zu halten, daß man ihnen außer Sold noch Anteil an der Beute
gewährte, wenn auch nicht immer mit Erfolg (Agathias 4, 1 3 ; p. 234, 1 7 f .
Niebuhr; oben 2, 36f.). Auch die hephthalitischen und sabirischen Reiter
waren in Regimenter von 1000 Mann Sollstärke eingeteilt, darin der per-
sischen Ritterschaft gleich (Prokop., bell. 1 , 8, 1 3 ; vgl. 7, 33; 15, 1 = drei
Regimenter, und oben 2, 1 9 2 ! ) .
Eine Sonderstellung nahmen die Delamiten (Διλιμνΐται) ein, insofern sie
eine Fußtruppe bildeten. Sie entstammten den Gebirgsländern südlich des
Kaspischen Meeres, standen nicht unter sasanidischer Botmäßigkeit, stellten
sich aber bereitwillig zur Verfügung. Mit Lanzen und Sarissen, Schwert
und Dolch bewaffnet, deckten sie sich hinter einem größeren oder kleineren
Schild. Zwischen Leichtbewaffneten und Hopliten die Mitte haltend, waren
sie der verschiedensten Verwendung fähig. Nahkampf scheuten sie nicht,
und kaum weniger verstanden sie sich auf das Ferngefecht. Dichtgeschlossen
führten sie ihre Angriffe und kämpften gleichwohl in aufgelöster Ordnung,
wenn die Lage es verlangte. Doch ihre eigentliche Stärke lag in der Benut-
zung durchschnittenen und gebirgigen Geländes, dessen sie sich zu
jeder Unternehmung, vom schnellen Rückzug bis zum überraschenden
5
Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 117 f.
6
Altheim-Stiehl, a. O. 122.
7
Unsere Gleichsetzung der Tamüräye mit den arabischen Tamüd (oben 2, 20f.;
195f.) geben wir auf. Sie hat den Widerspruch G. Levi Deila Vidas (brieflich 9. 8. 60),
aber auch solcher Kenner wie G. und J . Ryckmans gefunden (oben 2, 21). Wir be-
kennen gern, daß J . Ryckmans' Erörterung über die Frage der tamüdischen Inschriften
in: Bibliotheca Orientalis 17 (i960), I99f. den letzten Entscheid gebracht hat.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E SASANIDEN UND DIE HUNNEN 45

Vorstoß, zu bedienen wußten (Agathias 3, 17 p. 177, i 6 f . ; 3, 28 p. 203,


i3f.)8.
D e m Bild eines spezialisierten und technisch gut gerüsteten, für alle
K a m p f a r t e n mit Sonderformationen versehenen und weitgehend stehenden
Heeres entspricht endlich, d a ß man für Stellungs- und Belagerungskampf
wohlversehen war. Man verstand die Anlage von Dämmen und unterirdi-
schen Gängen; man handhabte die Belagerungsmaschinen mit Geschick
und wußte auch in der Verteidigung seinen Mann zu stehen (oben 2, 22f.;
Prokop., bell. 1, 7, 12 f.; Agathias 3, 6 p. 150, ji.; 3, 23 p. 189, gi.; 3, 25
p. 194, i g f . ) . Für alles war man gerüstet, sogar ein Pontontrain wird einmal
erwähnt (Agathias 3, 20 p. 183, i f . ) .

4
Eine Rückschau hat mit den Parthern zu beginnen. Der größte Teil
des Heeres bestand aus Unfreien (lustin. 41, 2, 4 ! ) , doch diese mußten
Reiten und Bogenschießen lernen gleich den Freigeborenen. Die berittenen
Bogenschützen der Parther begegnen auf Terrakotten, Dipinti und Grafitti,
aber auch in der Literatur. Sie bildeten die Hauptmasse des Heeres. Ge-
panzerte begegnen ihnen zur Seite, blieben aber an Zahl bei weitem zurück.
Sie bildeten nur einen geringen Bruchteil der berittenen Streitmacht.
Die Panzerung konnte sich auch auf das Pferd erstrecken (lustin. 41, 2,
10; vgl. Sallust. bei Serv. Aen. 1 1 , 7 7 1 ; Plutarch., Crass. 24, 1). H a u p t w a f f e
der schweren Truppe war die Stoßlanze. A b e r es g a b auch ungepanzerte
κοντοφόροι (Dio 40, 15, 2): „halfcataphractarian", wie man sie genannt
h a t 1 . Durch die Lanzenkämpfer vermochte man dem Feind im Nahkampf
gegenüberzutreten. H a t t e der Pfeilhagel der ihn allseitig umschwärmenden
Schützen den Gegner zermürbt, so w a r der Stoß der K a t a p h r a k t e n dazu
bestimmt, die Reihen seines Fußvolkes vollends aufzulösen 2 . Auf den
Höhepunkt hat diese T a k t i k der parthische Feldherr aus dem Geschlecht
der Süren gebracht, der den Legionen die Niederlage in der Schlacht bei
Karrhai zufügte. Tausend gepanzerte Reiter und neuntausend berittene
Schützen hatte er aus eignen Mitteln, teilweise aus den eignen Sklaven und
Hintersassen aufgestellt (Plutarch., Crass. 21, 7). Ein Z u g von tausend

8 Weitere Angaben bei Altheim-Stiehl, a. O. 65 Anm. 54.


1 M. Rostovtzeff in: E x c a v a t . at Dura-Europos 1 9 3 1 — 3 3 , 305f.; fig. 22.
2 W. W. Tarn, Hellenist. Military and N a v a l Developments 88 f.
46 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Kamelen begleitete die Truppe: sie trugen die Pfeile, auf daß es den Schützen
nicht an Schießbedarf fehle (ebenda 21, 7; 25, 1).
Die Sasaniden hatten diese Kampfesweise zunächst übernommen. Wie
noch unter dem letzten Arsakiden (Herodian. 4, 14, 3; die Stelle ist korrupt),
so erscheinen unter Säpür I I . 363 neben den gepanzerten Lanzenreitern die
Bogenschützen zu Pferd (Amm. Marc. 25, 1, 12—13). Man weiß nicht, in
welchem zahlenmäßigen Verhältnis sie zueinander standen. Aber während
die Schwerbewaffneten am Platze hielten (ebenda 25, 1, 13), schwärmten
die Schützen zu Beginn des Kampfes aus (sagittarios procursus: ebenda 17).
Nichts davon verlautet, daß man, wie später, in geschlossener Ordnung
verharrte (Prokop., bell. 1, 13, 23), daß gepanzerte Schützen den Pfeilhagel
eröffneten und aushielten (ebenda 1, 14, 35), daß dann die gleiche Truppe
zur Lanze griff und das Handgemenge begann (ebenda 37). Berittene
Schützen und berittene Kataphrakten oder κοντοφόροι waren im 3. und
4. Jahrhundert noch geschieden.
Ausdrücklich wird gesagt, daß die Parther ihr Heer nur begrenzte Zeit
zusammenhielten (άτσκτον πλήθος και προσκαίρως ώρισμένον Hero-
dian. 4, 14. 7)· Es wurde zum Kampfe eigens aufgeboten (lustin. 41, 2, 5 f.);
stehende Truppen gab es nicht. Für die frühen Sasaniden galt das Gleiche.
Wenn man glaubte, die bestehende Aufgabe bewältigt zu haben, wurde das
einberufene Heer aufgelöst und nach Hause geschickt (Herodian. 6, 6, 5).
Sold wurde in keinem Falle gezahlt (loh. Lydus, de magistr. 3, 34 Bonn.) 3 .
Die Mängel der Steuerordnung, die zuvor dargelegt wurden, schlossen nach
wie vor die Aufstellung eines stehenden Heeres aus. Denn diese Mängel
galten, da die Steuerordnung parthischen Ursprungs von den Sasaniden
gleichfalls übernommen wurde, auch für die hier behandelte Zeit.
Nur in einem Fall war man schon in frühsasanidischer Zeit über die
überkommene Kampfesweise hinausgegangen. Die Bewaffnung der ge-
panzerten Lanzenträger wurde wesentlich verstärkt. Anders ausgedrückt:
neben den Kataphrakten trat der Klibanarier.
Schon dieser Name enthält einen zeitlichen Hinweis. In der lateinischen
Literatur tritt clibanarius bei Lactantius (de mort. 40, 5) und Eutropius
(6, 9), Teilnehmer an Iulians Perserzug 363 und magister memoriae unter
Valens, erstmals auf. 4 Das Wort ist Weiterbildung des spätgriechischen

* Th. Nöldeke, Übers. 442. Es ist zu berücksichtigen, daß Nöldeke die Unterschiede
der früh- und spätsasanidischen Zeit noch nicht erkannt hatte.
* Glosse zu Paneg. lat. 10, 22; SHA., v. Al. 56, 5 ; Thes. ling. Lat. 3, 1 3 4 1 t .
2. S P Ä T E A R S A K 1 D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 47

κλίβανος, ursprünglich die Bratpfanne, später den gleichfalls eisernen


Ofen bezeichnend. Κ[η]λίβανα . . . ol 'Ρωμαίοι τά σιδηρά καλύμματα
άντϊ τοΰ κηλάμινα, sagt Iohannes Lydus (de mag. ι, 46). Sachlich er-
klärt sich die Benennung aus der Gleichsetzung der allseitig umschließenden
eisernen Rüstung mit dem Ofen, der seinen Inhalt in ähnlicher Weise um-
fängt. Hier wird bedeutsam, daß jüd.-aram., syr. tannürä den „Ofen",
das syrische Wort aber gleichzeitig den Panzer bezeichnet (C. Brockelmann,
Lexic. Syriac.2 829b). Das Nebeneinander der Bedeutungen in den ver-
schiedenen Sprachen läßt sich nur so deuten, daß es sich bei κλίβανος und
clibanarius um ein aus dem Osten gekommenes Ubersetzungslehnwort
handelt. Denn notwendiger Weise wird man das Ursprüngliche dort suchen,
wo die Panzerung von Reiter und Pferd aufgekommen ist.
Bei dieser Gelegenheit sei des Ortsnamen Tatinürin, Θαννύριος ge-
dacht (oben 2, 20; 23; 26; 260; 268), der ungeklärt geblieben ist. An
der oströmisch-sasanidischen Militärgrenze gelegen und Stätte kriegerischer
Auseinandersetzungen, wird er schwerlich eine Mehrzahl eiserner Öfen ge-
meint haben. Bedenkt man, daß das Kastell Sisauranon, an benachbarter
Stelle, als Garnison eines schweren Reiterregimentes bezeugt ist (oben
2, 192; 195), daß weiter die Ortsnamen5 asbara (Ibn Hurdädbeh 29, 1 ;
Kudäma 206, 1 de Goeje), asäwira (Kudäma 261, 1 1 ) und Hazärasp
(„1000 Pferde") ähnliches voraussetzen (oben 2, 192), so liegt der Gedanke
nahe, tannürln als „die Panzer, Klibanarier" zu deuten.
Syr. tannürä „lorica" begegnet erstmals bei Aprem, der unter Konstan-
tin in Nisibis geboren wurde und 373 in Edessa starb (3, 208 C ed. Bene-
dictus 1743). Damit ist man in früsasanidische Zeit gekommen. Noch
hundert Jahre hinauf führt eine weitere Bezeugung des persischen Panzer-
reiters. Der in den dreißiger Jahren des 3. Jahrhunderts entstandene Roman
Heliodors6 gibt von diesen eine ausführliche Beschreibung, und die etwa
gleichzeitig entstandenen Grafitti aus Dura-Europos führen sie im Bilde vor'.
Heliodors einläßliche Beschreibung ist nur verständlich, wenn er damit
etwas Neues brachte. Demgegenüber konnte Ammianus sich auf weit
kürzere Angaben beschränken (16, 10, 8; 24, 6, 8; 25, 1, 12f.). Äthiopen und
Perser haben sich im Roman zu einer Schlacht geordnet. Die Panzerreiter

5
F. Altheim, Geschichte der lateinischen Sprache (1951) 91 f.
• F. Altheim, Helios und Heliodor von Emesa. Albae Vigil. 12, 40f.; Literatur
und Gesellschaft i, 108f.; 2, 272f.
7
Excavat. at Dura-Europos 1 9 3 0 — 3 1 , 2 i 5 f . ; Tai. 2 1 , 3; 22, 2.
48 I R A N ALS G E S C H I C H T L I C H E R HINTERGRUND

bilden den Kern des persischen Heeres und nehmen in der Schlachtordnung
die Mitte ein. Sie sind als Phalanx bezeichnet (259, 8; 261, 12) und gleichen
einer undurchdringlichen Mauer (259, 4f.). In dichtgeschlossener Masse
greifen sie im Galopp an (261, i2f.; 25!), und ihre Taktik besteht darin, im
ersten Ansturm alles zu überrennen (261, 28). Brechen die Pferde aus, so
ist die Ordnung und die Wucht des Ansturmes dahin (262, 17).
Nur ausgewählte Männer von besonderer Körperstärke werden in diese
Truppe eingereiht. Denn nur sie können die schwere Rüstung tragen. Der
Helm ist aus einem Stück gearbeitet; er schützt Kopf und Nacken. Vorn
bildet er das Gesicht eines Mannes gleich einer Maske nach (προσωττεϊον
259, v
gl· Amm. Marc. 25, 1, 12). In der Rechten hält der Reiter die
lange Stoßlanze, den κοντός; mit der Linken führt er den Zügel. An der
Seite hängt die persische Hiebwaffe, die κοττίς (259, ιό). Im Gegensatz
zum spätsasanidischen Ritter wird der Bogen nicht geführt.
Der Panzer bedeckt den ganzen Körper und besteht aus rechteckigen
σκυτάλαι (259, 19) in Spannengröße. Es handelt sich also um einen
Plättchenpanzer oder, wie man ihn neuerdings nennt, einen Lamellen-
panzer (split armour)8. Aus Eisen oder Bronze gefertigt, sind diese Lamellen
derart untereinander verbunden, daß sie sich mit ihren äußersten Rändern
(κατ' άκρα των πλευρών 259, 2ΐ) aneinanderfügen. Die oberen Lamellen
schließen sich dabei an die unteren, und ebenso passen sich beide an die
seitlichen lückenlos an. Die Verbindung geschieht durch Schnüre (£αφαί
259, 2 4)· die an der Innenseite der Panzerung verlaufen (υπό τάς έττιτττυχάς
259, 2 4)· Sie umfassen die einzelnen Lamellen schlaufenförmig und führen
so eine feste Verbindung herbei (τήν συμττλοκήν άγκιστρώσαντες 259, 24).
Die Panzerung, fährt Heliodor fort, bleibt durch die Art ihrer Ver-
knüpfung beweglich, sie dehnt sich nach Wunsch aus oder zieht sich zu-
sammen (259, 28). Wie ein Schuppenkleid umschließt sie den Körper und
läuft an den Armen in regelrechte Ärmel aus (259, 25; χειριδωτός 29), sie
reicht vom Nacken bis zum Schenkel. Der Panzerrock ist unten geteilt, um
das Sitzen im Sattel zu ermöglichen. Die Beine werden nicht durch Panzer-
hosen, wie man sie aus Dura-Europos kennt 9 , sondern durch Beinschienen10
geschützt. Diese reichen bis zum Knie; dort schließt sich der Panzerrock an.
β
B. Thordemann in: Acta Archaeolog. 4, 1 1 7 .
• E x c a v a t . at Dura-Europos 1930—31, Taf. 23; F. E. Brown, ebenda 444!.
10
Zum N a m e der Beinschiene F. Rundgren in: Orientalia Suecana 6 (1957), 55f- >
letzte Behandlung bei G. Widengren, Iranisch-semitische Kulturbegegnung in par-
thischer Zeit g i f . , w o Rundgrens Ausführungen zum eigenen Schaden übersehen sind.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N . F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 49

A u c h das Pferd ist gepanzert. A n den Beinen trägt es Schienen und auf
dem Kopf ein Stirnblech (ττρομετωττίδιον 26ο, 5). Im übrigen ist das
Tier von einem Kettenpanzer geschützt (σκέπασμα σιδηρόττλοκον 26ο, 6),
der es durch seine Leichtigkeit nicht am Laufen hindert. Die Panzerung des
Reiters ist dagegen so schwer, daß er aus eigner K r a f t das Pferd nicht be-
steigen kann, sondern hinaufgehoben werden muß. Einmal gestürzt,
können die Reiter sich nicht mehr erheben; sie liegen wie „ K l ö t z e " (κορ-
μηδόν 202, 7 ; vgl. Zosim. i , 35, 4; A m m . Marc. 16, 12, 38). Beim Angriff
gibt der Reiter dem Tier die Zügel frei und stürzt sich auf diesem in vollem
Lauf gegen den Feind. Auf einem Grafitto aus Dura-Europos 1 1 sieht man,
wie Mann und R o ß dabei ihr Gewicht nach vorn verlegen.
Schließlich der κοντός. Der Vorderteil der offenbar sehr schweren
Lanze wird am Hals des Tieres festgeknüpft (δεσμω 260, i6) und so empor-
gehalten. Das Schaftende hängt an der Hinterhand des Tieres und ist dort
mittels einer Schlinge verankert. Die auf die beschriebene Weise einge-
hängte Lanze wird beim Angriff weit und plötzlich nach vorn gestoßen. Da
das Schaftende mit dem Pferd fest verbunden ist, kann es beim A u f s t o ß
nicht nachgeben. Die W a f f e wird mit der ganzen W u c h t des Rosselaufes
vorwärtsgetragen, wobei die Hand des Reiters ihr nur die Richtung gibt.
Die Gewalt des Stoßes ist so groß, daß die Lanze oft zwei Gegner
durchdringt (260, 23).

NACHTRAG

Das Voranstehende war geschrieben, als mir durch die Güte des Ver-
fassers die Untersuchung F. Rundgren's über clibanarius und Verwandte
in: Orientalia Suecana 6 (1957), 31 f. in die Hand kam. A u s ihr erfuhr ich zu-
nächst, daß E . Schwyzer, Griechische Grammatik 1, 39 clibanarius „als
einen mit dem doppelsinnigen aram. tannürä in Verbindung stehenden Fall
von sog. Sprach-Abklatsch (calque)" aufgefaßt hat (S. 51). Damit ist
unsere Deutung bereits vor uns ausgesprochen worden. Weiter ist zu sagen,
daß die Erwähnung der clibanarii S H A . , v. Alex. Sev. 56, 5, zumal sie in
einer Rede erscheint, nichts für die Zeit des Kaisers Alexander Severus
(222—235) besagt (S. 35), geschweige denn für parthische Zeit (S. 51); der
frühestmögliche Ansatz der V i t a fällt in Iulians Zeit, also gleichzeitig mit
der Erwähnung bei A m m . 16, 10, 8. Im übrigen geben wir Rundgrens

11 Exoavat. at Dura-Europos 1930—31, Taf. 22, 2.

4 Altheim, Hunnen IV
50 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Ergebnis, das er in einer umsichtig geführten und stoffreichen Untersuchung


vorgelegt hat, mit seinen Worten wieder (S. 50f.): „ W a s zunächst das im
Thesaurus gebotene clibanus .Panzerhemd' anbetrifft, so sollte dieses
Wort richtiger clibanum heißen, wie das im Griechischen entsprechende
Wort κλίβανον, κλιβάνιου heißt. Wo trotzdem ein clibanus in diesem
Sinn sich findet, beruht dies auf einer Vermischung mit clibanus ,Ofen'.
Sowohl clibanum, κλίβανου als auch die davon abgeleiteten Formen
clibanarius, κλιβανάριος sind auf mittel-iran. griv-pän, gnv-ßän zurück-
zuführen und von clibanus .Ofen', clibanarius .Bäcker' gänzlich zu trennen.
Dabei ist clibanarius entweder als eine durch -ärius abgeleitete Bildung zu
einem *crtbän < grivbän {grivßän) zu verstehen, oder es reflektiert als
Ganzes ein iran. grivßän-varA-ius . . . Im aram. tannürä sind ebenfalls zwei
verschiedene Wörter zusammengefallen, und zwar 1) ein iran. Lehnwort
< Han-vär ,Körperschutz' 2) ein altes Wanderwort *tanür-,Ofen'. Damit
haben jedoch die betreffenden lat. und griech. Wörter offenbar nichts zu
schaffen".

5
Es mag verwegen scheinen, von einem hunnischen Finanzwesen oder
einer Steuerordnung zu sprechen. Eine negative Feststellung ist vorab zu
machen. Die europäischen Hunnen kannten weder iugatio und capitatio
nach römischem Gebrauch noch haräg und gizya, wie Chusrö I. Anösarvän
sie eingeführt hatte. Vom einen wußten sie nichts, da sie mit dem Römerreich
nicht in Verbindung getreten waren, und vom anderen gleichfalls nichts,
denn Chusrö's Steuerordnung fiel anderthalb Jahrhunderte nach jenem
Zeitpunkt, da die Hunnen sich von dem hephthalitischen Verband gelöst
hatten. Dementsprechend kamen die Hunnen auch dort, wo sie römischen
Boden besetzten, zunächst nicht auf den Gedanken, die Steuerkraft des
ihnen zugefallenen Landes zu nutzen.
Sie standen darin im Gegensatz zu anderen Nomaden, die später sich
Teile anderer Reiche aneigneten. Da waren die Muslim, die unmittelbar
nach jeder Eroberung haräg und gizya einsammelten und keinen Augen-
blick zögerten, wie man zu verfahren habe. Und zwar gleichgültig, ob sie
sich auf dem Boden des sasanidischen Herrschaftsgebietes oder auf einst-
mals oströmischem sich niederließen. Ihr Prophet war ihnen, wie in anderem,
so auch darin vorangegangen. Als gewiegter Steuerpolitiker und Unter-
2. S P Ä T E ARSAKIDEN, FRÜHE SASANIDEN UND DIE HUNNEN 51

nehmer nicht weniger groß denn als religiöser Verkünder, war er zu dem
Araber geworden, der über die größten Einnahmen verfügte 1 .
Es besteht kein Zweifel, daß Mohammed und seine Nachfolger sich über
die Steuerordnung sowohl der Perser wie der Byzantiner vollkommen im
Klaren waren. Man hatte die Übernahme der iugatio und capitatio im Sasa-
nidenreich beobachtet und dementsprechend gehandelt. Dasselbe galt für
zwei hunnische Stämme, War und Chuni — anders ausgedrückt: die Awaren.
Als sie nach Westen wanderten, waren Chusrö's I. steuerliche Reformen
längst im Gebrauch. Man hatte im hephthalitischen Bereich nicht nur das
Wort dehkän als tägin übernommen, sondern mit ihm das System, das
zugrunde lag (oben 2, 273f.). Es sei an das früher behandelte Kapitel aus
Michael Syrus (oben 1, 85f.; dazu 2, 29t.) erinnert. Es ist von um so größerer
Bedeutung, als ihm der Bericht eines Zeitgenossen der Ereignisse, Iohannes'
von Ephesos, zugrunde liegt. Als die Awaren im oströmischen Bereich
Städte und Kastelle erobert hatten, sagten sie zu deren Bewohnern: ,,Geht
hinaus, säet und erntet, wir erheben (nur) die Hälfte der sunteliyyä von
euch". Mit der syrischen Entsprechung von συντέλεια war — das hat
sich gezeigt — nicht nur die capitatio, sondern in eins damit die iugatio
gemeint (oben 1, 93). Man hatte demnach auf awarischer Seite eine Vor-
stellung von den ländlichen Steuern und wußte deren Ertrag für die eigne
Kasse zu nutzen.

Was Attila's finanzielles Gebaren angeht, so steht es auf besonderem


Blatt. Es wird darauf zurückzukommen sein. Von den einbrechenden
Hunnen ergibt sich ein anderes Bild. Auri cupidine immensa flagrantes und
externa praedandi aviditate flagrans inmani: so kennzeichnet Ammianus
(21, 2, 11—12) ihr Verhalten. Von einer Finanz- und Steuerpolitik kann
angesichts der nackten Raubgier nicht gesprochen werden. Aber seit der
Unterwerfung der Ostgoten verfügte man über deren über es pagos (Amm.
Marc. 31, 3, 1). Wie ist man mit deren Ertrag verfahren?
Priskos berichtet von einem Eid, den die Goten (gemeint sind die Ost-
goten) einstmals unter sich geschworen hatten, wonach kein Vertrag mit
den Hunnen jemals gelten solle. Dem Volk, das die gotischen Lande gleich

1 A l t h e i m - S t i e h l , F i n a n z g e s c h i c h t e der S p ä t a n t i k e I 2 8 f . ; I 3 4 f . ; F . A l t h e i m , U t o p i e
und Wirtschaft (1957) 2 3 2 f . Hinzukommen j e t z t die D a t t e l p r e i s e in d e n Nessana-
P a p y r i . E x c a v a t . a t N c s s a n a I I I , T h e N o n - I , i t e r a r v P a p v r i (1958) 262 f. A u c h P>ar-
h e b r a e u s , c h r o n . eccl. 3, 1 1 5 f. A b b e l o o s - L a m y e r g ä n z t d i e A n g a b e n h i n s i c h t l i c h d e r
K o p f s t e u e r d e r C h r i s t e n v o n N a g r f m : 4 züz f ü r die A r m e n , 12 f ü r K a u f l e u t e u n d R e i c h e .


52 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Wölfen heimgesucht und deren Bewohner θεραπόντων τάξιν έχοντος zur


Arbeit für ihre Herren genötigt hatte (fr. 39, FHG. 4, 108). Soviel ist deut-
lich: die Hunnen haben das ostgotische Gebiet zunächst raubend und
plündernd „gleich Wölfen" heimgesucht. Danach haben sie die Bewohner
zu θεράποντες herabgedrückt und zur Arbeit genötigt, sich deren Ertrag
als Herren angeeignet. Der Zusammenhang mit den Verträgen, die in
Zukunft nicht mehr gelten sollten, kann nur der gewesen sein, daß hinsicht-
lich der Bearbeitung der ostgotischen Äcker und der Ablieferung der Er-
träge bestimmte Abmachungen getroffen worden waren. Aber die gens
infida der Hunnen hatte sich daran nicht gehalten, sondern unter Bruch der
Verträge mehr erpreßt als ihr danach zustand.
Also doch so etwas wie eine Festlegung der Abgaben oder eine Steuer-
ordnung, mochte sie auch nicht eingehalten worden sein ? Freiüch sind es
lediglich Abgaben, die auf dem Boden und seinen Erträgnissen lasteten.
Eine Kopfsteuer wird demnach nicht genannt. Zuvor hatte sich gezeigt, daß
seit arsakidischer Zeit bis zur Einführung von Chusrö's I. neuer Ordnung
zwei Steuern in Iran bestanden, und beide konnten die Hunnen noch
kennen gelernt haben. Einmal eine Bodensteuer, taskä, die dem König als
Herrn alles Grund und Bodens vor Inangriffnahme der Aussaat entrichtet
werden mußte, und dann eine Ertragsteuer, die als „Geschenk" — mnätä
d-malkä — figurierte. Man achte auf die Formulierung bei Priskos, wonach
die Goten θεράποντες, die Hunnen demzufolge Herren gewesen seien. Als
solche verfügten sie über das speergewonnene Land, das sie kraft des
Siegerrechtes als Eigentum beanspruchten und von dem sie eine der taskä
vergleichbare Bodensteuer erhoben. Auch der parthische Großkönig und
die frühen Sasaniden, so zeigte sich, erhoben diese Steuer, weil sie sich
grundsätzlich als Eigentümer alles Bodens betrachten.
Vergleichbar ist die griechische Inschrift eines frühen aksümitischen
Königs, die Kosmas Indikopleustes (104 C f.) erhalten hat 2 . Er spricht von
der Besiegung einer Anzahl von Nachbarstämmen und bemerkt dann:
τ α ϋ τ α δέ π ά ν τ α τά εθνη όρεσιν ΙσχυροΤς πεφρουρημένα αυτός έ γ ώ έν
ταΐς μάχαις π α ρ ώ ν νικήσας και ύποτάξας, έχαρισάμην αύτοΐς πάσας
τάς χώρας έπί φόροις ( ι ο 8 Β ; ρ. 75. n f · Winstedt). Dasselbe Verfahren
scheinen die Hunnen gegenüber den besiegten Goten angewandt zu haben.

2
W. Dittenberger, Orient. Graec. inscript. sei. 1, 2 8 5 ! . ; bisherige Datierung der In-
schrift: E. Littmann in: Deutsche Aksum-Expedition 1 (1923), 43 (erste Hälfte des
1. Jahrhunderts n. Chr.).
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E SASANIDEN UND DFE H U N N E N 53

Aber die Eroberer müssen noch einen Schritt weiter gegangen sein. Sie
haben sich nicht damit begnügt, den Besiegten das Land gegen Entrichtung
einer Bodensteuer zurückzugeben, sondern haben diese genötigt, darüber
hinaus für den Unterhalt der neuen Herren aufzukommen. Hier ist nicht
vom Eigentum des Bodens und dessen Überlassung an die bisherigen
Inhaber die Rede, sondern vom Ertrag. Man könnte daran denken, daß die
als „Geschenk" (mnätä, der achaimenidischen mindä und middä entsprechend)
bezeichnete Ertragsteuer gemeint ist. Diese pars quota mußte ständigen
Überforderungen ausgesetzt sein, wenn man die Wesensart der Hunnen
bedenkt. Die von Ammianus betonte cupiditas und avaritas des Volkes
hätte sich diesmal im Rahmen der steuerlichen Möglichkeiten ausgetobt.
Die Folgezeit sollte diese Seite veranschaulichen. Die Hunnen waren
Plagegeister, wo immer man es mit „Geschenken" an sie zu tun hatte, und
gerade Priskos konnte davon ein Lied singen. Aber auch die Erfordernisse
einer Politik, die große Teile der spätantiken Oikumene umfaßte, mochten
zur Erhöhung der Forderungen beigetragen haben. Solange man in der
Lage war, beide römische Reiche mit immer neuen Beutezügen heimzu-
suchen, waren die Summen gesichert, deren man zu weiterem Kriegführen
bedurfte. Aber nachdem die ersten Rückschläge eingetreten waren, blieben
Beutegelder und erpreßte Geschenke aus. Wenn man gleichwohl neue Unter-
nehmungen plante (Priskos fr. 9; Iordanes, Get. 225), mußte man die
eignen Untertanen schärfer heranziehen 3 . Darüber wird noch zu sprechen
sein.

Aus spätarsakidischer Zeit besitzt man keine Angaben, die etwas zur
Kampfesweise der Hunnen aussagen. Man sieht sich genötigt zu ver-
werten, was man über ihre Nachbarn und späteren Kriegsgefährten, die
Alanen, erfährt. Arrian, der gegen diese befehligte (oben 1, 12), gibt einige
Hinweise. Die Alanen besaßen gleich den Sarmaten eine Reiterei, die den
κοντός handhabte und den Gegner attackierte (έττελαύυουσιν tact. 4, 7).
Weitere Angaben findet man in der vom gleichen Autor verfaßten εκταξις
κατ' 'Αλανών. Da wird den eignen κοντοφόροι geraten, auf die Pferde,
3 Unter dem Druck des ersten punischen Krieges erhoben die Karthager die Hälfte
des Bodenertrages von den Libyern als Steuer und verdoppelten den φόρος für die
untertänigen Städte. Sie hielten darauf, daß keinerlei Nachlaß oder Stundung ge-
währt wurde (Polyb. I, 72, 2).
54 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

nicht auf die Reiter zu zielen. Denn an deren Schild und Panzer (Ουρεώ
και καταφράκτω θώρακι) stumpfe die eigne Waffe a b 1 (16—17). Man sieht
auch, daß die alanischen Berittenen sich gegen das römische Fußvolk
wandten. In solchem Fall wird empfohlen, sie schon beim Herannahen
durch Geschoßhagel zu verwirren. Andernfalls müßten die ersten drei
Glieder sich hinter den Schilden zusammendrängen und den Anritt aus-
halten, während das vierte und auch noch das dritte Glied nach wie vor
mit Schuß und Stoß den Reitern zuzusetzen hätten (26). Besondere Vorsicht
lasse man, geht es weiter, bei der έτπστροφή des Feindes nach anfäng-
lichem Weichen walten, also bei der verstellten Flucht (28—29). Auch
müsse man sich vor dem Überflügeltwerden hüten, das die Alanen έττιστρα-
φέντες ές κύκλους versuchen.
Den Kataphrakten zur Seite begegnen ΣκύΟαι γυμνοί τε όντες και
τοϋς nrrrous γυμνούς εχοντες (31). Obwohl der T e x t an dieser Stelle
abbricht, wird man nicht fehlgehen, wenn man in dieser Truppe die be-
rittenen Bogenschützen erkennt. Diese hatten sich in der parthischen
Reiterei aus den Hintersassen der Grundherren rekrutiert und waren dem-
entsprechend ungepanzert. Was die soziale Stellung der alanischen γυμνοί
war, läßt sich nicht einmal vermuten.
Die Alanen kämpften demnach auf gleiche Weise wie die Parther. Man
darf vergleichen, was Herodian von einer der letzten Partherschlachten,
der gegen Macrinus, berichtet. Die Reiter greifen die Römer τοξεύοντές
τε και καθιτητεύοντες (4, ΐ5. ι) an. Man erkennt die beiden Formationen:
berittene Schützen und zum Stoß angesetzte Kataphrakten. Beide werden
denn auch genannt (4, 14, 3). Was an der korrupten Stelle nicht ganz
deutlich wird, zeigt eine spätere. Die Kataphrakten sitzen nicht nur auf
Pferden, sondern auch auf κάμηλοι (4, 15, 2), mag man darunter Dromedare,
mag man Kamele zu verstehen haben. Von oben her führten die Reiter
mittels langer Lanzen (έττιμήκεσι δόρασι) ihre Stöße. Die Schützen
hingegen wirken durch die Masse ihrer Geschosse. Auch das κυκλώσασθαι
wird geübt (4, 15, 4) und über die römischen Gegenmaßnahmen berichtet.
Überhaupt scheinen die Römer sich der gleichen Formen der Abwehr
bedient zu haben, die Arrian empfiehlt. Auch in einer späteren Schlacht
gegen das Heer Ardaser's I. wird die Verschildung angewandt (6, 5, 9—10),
freilich gegenüber dem überlegenen Gegner ohne Erfolg. Noch in dem
1 Έμτταγεντοί τοΰ κοντοΰ καΐ διά μαλακότητα τοΰ σιδήρου έττικαμφθέντοϊ be-

stätigt, daß man keinen Stahl besaß (oben 1, I95f.).


2. S P Ä T E A R S A K I D E N . F R Ü H E SASANIDEN UND DIE HUNNEN 55

Treffen von Teil Besmai 503 begegnet das Verfahren, wiederum den hun-
nischen und arabischen Reitern gegenüber ohne Gelingen (oben 2, 14).
Glimpflicher mag das Unternehmen in einer von Iulian's Perserschlachten
363 ausgegangen sein (Amm. Marc. 25, 1, 17).
Die Hunnen, um nunmehr auf sie zu kommen, kannten den Pfeilhagel
der berittenen Schützen. Ihn wandten sie mit mörderischem Erfolg gegen
die Ostgoten bei den südrussischen Kämpfen des Jahres 375 an (Zosim.
4, 20, 4; oben 1, 350). Hingegen vermochte die mit Alanen und, wie sich
zeigen läßt (oben 1, 35if.), auch mit Hunnen vermischte 2 Reiterei der
Ostgoten in der Schlacht bei Adrianopel 378 gegen das feindliche Fußvolk
zu attackieren und dieses in einen Nahkampf (comminus) zu verwickeln
(Amm. Marc. 31, 12, 17). Zu concatervatis manipulis zusammengedrängt,
versuchte man sich des blitzartigen Ansturmes zu erwehren (ebenda 31, 13,
2). Von vornherein darf man vermuten, daß es sich bei den Reitern um
Kataphrakten handelte. Mutuis securium ictibus galeae perfringebantur et
loricae bestätigt, daß auch die Angreifer gepanzert waren. Noch auf einem
Wandgemälde aus Pangikant 3 stehen gepanzerte Lanzenreiter und Unge-
panzerte, gleichfalls zu Pferd, mit Bogentasche, geradem Schwert und
Nagajka ausgerüstet, nebeneinander.
Daneben erscheinen der überraschende Angriff und der ebenso über-
raschend eingeleitete Rückzug, also die verstellte Flucht:
acerrima nullo
Ordine mobilitas insperatique recursus
(Claudian., In Ruf. 1, 33of.). Sie war bei den Alanen begegnet. Der tumul-
tuarius primatium ductus der Hunnen, der ausführlich besprochen wurde,
(oben 1, 360—362), zeigt, daß das hunnische Aufgebot, wie nicht anders zu
erwarten, im Falle der Gefahr improvisiert wurde und improvisierter
Führung unterstand.
Es muß gefragt werden, ob man auf hunnischer Seite auch den Kli-
banarier und mit ihm den Lamellenpanzer, überhaupt die technisch ver-
feinerte Kampfesweise der schweren Reiterei übernommen habe. Der Zeit
nach wäre dergleichen möglich gewesen, und man sieht an den Hephtha-
liten, daß dies auch geschehen ist. Die Wandgemälde von Pangikant zeigen
2 Ε. Λ. Thompson, A History of A t t i l a and the Huns (1948) 25 kommt, von
anderen Voraussetzungen ausgehend, zum gleichen Ergebnis.
3 Α. M. Belenickij in: Materiali wtorogo sowestanija archaeologow i etnografow
Srednej Azii (1959) 201.
56 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

den Lamellenpanzer. Ebenso ist aus dem benachbarten Chinesisch-Turkestan


diese Panzerung aus den Wandgemälden und der Kleinplastik in zahl-
reichen Beispielen bekannt 4 . Doch alles Genannte gehört in weit spätere
Zeit. Augenscheinlich bedurfte es Jahrhunderte, bis die technischen Voraus-
setzungen zur Fertigung derart spezialisierter Panzerung sich eingestellt
hatten. Es kommt hinzu, daß in einem Gebiet mit städtischen Siedlungen
sich entsprechende fabricae leichter schaffen ließen als bei den Nomaden.
So darf kaum Wunder nehmen, daß man von hunnischen Klibanariern
nichts weiß.
Zuletzt ist noch eines Unterschiedes zwischen Hunnen und Alanen zu
gedenken. Die Pferdezucht der letzten war hoch entwickelt, und kein
Geringerer als Kaiser Hadrian besaß ein Lieblingspferd alanischer Ab-
stammung (oben i , 311). Das Pferd der Hunnen hatte keine äußeren Vor-
züge, konnte überhaupt nicht als edle Rasse bezeichnet werden. Ηuniscis
gründe et aduncum caput. . . latae maxillae . . . cauda silvosa, validissimae
tibiae, parvae bases ... in longitudine magis quam in altitudine statura pro-
pensior (Veget., mulomad. 3, 6, 5). Dazu halte man, was den Przewalski-
Typus kennzeichnet: grobknochiger, schwerer Kopf, den das Tier in
hängender Haltung trägt: langer Schnauzenteil; bis zur Wurzel hin lang
behaarter Schwanz; gedrungen gebaut; kurze Beine, niedrig gestellt 5 .
Auch die extantes oculi und die robusta cervix et rigida gehören dazu,
ebenso die iubae ultra pendentes. Wenn die Hunnen einen Sprößling des
Przewalski-Pferdes oder eine Kreuzung mit diesem ritten, müssen sie ihren
Schlag aus Mittelasien mitgebracht haben.

7
Hinsichtlich der Bewaffnung wurden wichtige Feststellungen bereits
gemacht. Manches weist nach Mittelasien und weiter nach Osten, anderes
auf das arsakidische und frühsasanidische Iran.
Erst die Hunnen, so hatte sich gezeigt, haben den „Säbel mit gerader
Klinge" mitgebracht (oben 1, 200f.). Ostasien als Heimatland dieser
Waffe ist ebenso gesichert wie etwa die Herkunft der gegossenen Bronze-
4 A. von Le Coq, Bilderatlas zur K u n s t und Kulturgeschichte Mittelasiens (1925)
1 1 ; fig. 59; 6 3 — 6 5 ; 6 7 — 6 8 ; 70; 74; 76.
5 Μ. Hermanns, Die Nomaden von Tibet 165 und A b b . 4. Uber das Przewalski-
Pferd bei den Hiung-nu vgl. N. E g a m i in: Memoirs of the Research Departm. of the
T o y o Bunko 13 (1951), io3f.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E SASANIDEN UND DIE HUNNEN 57

kessel. Über diese haben N. Fettich 1 , N. Egami 2 und zuletzt J . Werner 3 ge-
arbeitet und die Herkunftsfrage geklärt. Danach darf das Ordosgebiet als
Ausgangspunkt dieser Erzeugnisse betrachtet werden. Gleich jenem Säbel
sind sie ursprünglich den asiatischen Nomaden eigentümlich. Daneben ist
noch der hölzerne Sattel zu nennen.
Solche Sättel sind für die Hunnen bei Iordanes, Get. 2 1 3 (aus Priskos
stammend) bezeugt. Unter den Funden begegnen sie, mit goldenen oder ver-
goldeten Blechen beschlagen, von Borovoje in Kasakstan im Osten bis nach
Mundolzheim bei Straßburg im Westen 4 . In Ostasien ist der hölzerne Sattel
erst für 300—500 auf einem koreanischen Wandgemälde 5 , für 500—550 an
einer chinesischen Tonplastik®, weit später noch für Japan im Sösöin von
Nara 7 bezeugt. Dagegen weisen schon die Hiung-nu-Gräber von Noin Ula 8 ,
um die Zeitwende, Reste eines hölzernen Sattels auf. Dieser hat sich aus
dem weiteren mittelasiatischen Bereich nicht nur nach Westen, sondern
auch nach Osten verbreitet.
Für diesen Weg spricht nicht nur der Umstand, daß auf den Ton-
statuetten von Pferden und Reitern, die der frühen T'ang-Zeit ent-
stammen, der Holzsattel bei Darstellungen von reitenden Nomaden be-
gegnet, sondern auch, daß gelegentlich die zugehörigen Halteriemen, die über
Brust und Kruppe laufen, mit bronzenen Weinlaubblättern verziert sind.
A. Alföldi (unter dem 17. 4. 51) schrieb mir, als ich ihm die Aufnahme eines
derartigen Stückes zustellte9, er könne römische Belegstücke für derartigen
Pferdeschmuck im Fernen Osten nachweisen. E r plane darüber einen Auf-
satz mit eingehender Beweisführung (der indessen, soweit ich sehe, noch
nicht erschienen ist). Hingegen ist inzwischen von J . Hackin 1 0 aus Begram

1
In dem von G. N i m e t h herausgegebenen Sammelwerk: Attila £s Hunjdi (1940)
2 4 6 f . ; danach Archaeol. Hungar. 32 ( 1 9 5 3 ) , 141 f.
2
Die Kultur des alten Nordeurasien (japan. 1948) 3 8 7 ! . ; T a f . 5.
' Beiträge zur Archäologie des Attila-Reiches. Abh. Bayer. Akad. Wiss. N. F . 3 8
(1956) A 5 7 f .
4
J . Werner, a. O. 5 0 f . , besonders 52.
5
Werke der Weltkunst 7 (japan., T o k y o , o. J . ) Farbtafel 5.
β
Ebenda Taf. 53.
7
Verzeichnis der Schätze des Shösöin, herausg. vom Kaiserl. Hofministerium
(japan. 1 9 5 1 ) T a f . 29 (351).
8
J . Werner, a. O. 5 1 .
9
Abgebildet bei F . Altheim, Attila und die Hunnen ( 1 9 5 1 ) : Farbtafel vor dem
Titel.
10
Recherches ä Begram (Mem. Deleg. Arch. Fran^aise Afghan. I X ) pi. X X 46.
58 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

ein bronzenes Weinblatt mit Öse zum Aufhängen veröffentlicht worden,


was zeigt, daß der unmittelbare Ausgangspunkt in Ostiran liegt.
Wann der Holzsattel selbst nach China gekommen ist, läßt sich wenig-
stens vermuten. Als dort die berühmte, aus Feryäna stammende Pferde-
rasse eingeführt wurde 11 , machten diese schweren, zum Tragen gepanzerter
Reiter bestimmten Tiere den Gebrauch des Sattels erforderlich12. Mit der
bis dahin üblichen aufgeschnallten Decke oder den zwei Lederpolstern mit
Gras- und Haarfüllung, wie sie in Pazyryk gefunden wurden 13 , ließ sich
nicht weiterkommen. Zumindest ein Terminus post quem scheint mit
dieser Feststellung gegeben zu sein.
Bekleidung des Sattels mit vergoldeten oder Goldblechen gehört der
Technik nach zusammen mit den noch zu besprechenden goldenen Bogen
der Hunnen und ihrem mit aufgelegtem Goldflitter verzierten Zaumzeug14.
Älteres Vorkommen der Sitte, Holz und Kleidung, aber auch den Toten mit-
gegebene Pfeile mit Goldblech und Goldfolie zu überziehen, bezeugen die
Grabfelder von Taschtyk am Yenissei 15 (i. Jahrhundert v. Chr. bis 4. n.
Chr.) und, früher noch, die Kurgane von Pazyryk (300—100 v. Chr.) 1 ·. Die
goldenen Beschläge des Holzsattels von Kopen 17 beweisen indessen, daß die
Sitte noch während des 7.—8. Jahrhunderts im Yenissei-Gebiet fortbestand.
Anders das Langschwert mit breitem Querstück oder Parierstange:
es entstammt dem frühsasanidischen Bereich (oben 1, ig8i.). Noch in
parthische Zeit fallen die Schwertanhänger (oben 1, 83). Hier ist der
beinversteifte Reflexbogen anzuschließen, der zur Bewaffnung der Hunnen
gehört und ihnen die Überlegenheit in den Kämpfen mit den Ostgoten
(oben 1, 350) gesichert hat. Zum Bogen gehört der Köcher, und dem ent-
spricht, daß dessen Bezeichnung, zugleich mit französischem cuivre, als
Wort hunnischer Herkunft gedeutet wurde 18 . Im Westen taucht der bein-
11
F. Hirth in: Journ. Amer. Orient. Soc. 37, 95; 103; 106; J . J . M. de Groot,
Chines. Urkunden zur Geschichte Asiens 2, 1 4 ; 39f.; n o f . ; W. P. Yetts in: Eurasia
Septentr. Ant. 9, 2 3 1 f.; W . W. Tarn, Hellenist. Naval and Milit. Developments -j-ji.
und App. I I ; The Greeks in Bactria and India 2 16; 308f.; W. Eberhard in: Zeitschr. f.
Ethnologie 73, 229 Nr. 39; 257.
12
Hinweis H.-W. Haussig's.
ls
S. I. Rudenko in: Lebende Vergangenheit (dte. Übers. 1954) I 4 ° f -
14
J . Werner, a. O. 55.
15
S. W. Kisselew, Drewnaja istorija juinoj Sibiri 2 (1951) 393f.
" S. W. Kisselew, a. O. 307!.
17
S. W . Kisselew, a. O. 603; Tai. 57, 1 — 4 ; 58, 1—2.
18
J . Hubschmid, Essais de Philol. moderne. Bibl. Faculty Philosoph, et Lettres,
Lifege 129, 189 f.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 59

versteifte Reflexbogen bereits im augusteischen Legionslager von Oberaden


und in anderen Garnisonen der römischen Kaiserzeit auf 1 9 . Blickt man nach
Osten, so bilden Kenkol und die alanischen Funde der späteren Kaiserzeit die
Etappen der Wanderung 20 . Man denkt an die Alanen und ihre nomadischen
Vettern, und an die Parther hat man geradezu erinnert 21 .

NACHTRAG

J . Werner 1 hat vermutet, daß die zuvor erwähnten Bronzekessel zur


Bereitung des hunnischen camum, κάμος gedient hätten. Ähnlich J . Har-
matta 2 , der dieses Gerstenbier dafür anführt, daß zumindest ein Teil der
Hunnen seßhaft gewesen sein müsse. Daran ist soviel richtig, daß der
Trank nur bei Ackerbauern denkbar ist. Aber eben dies führt von den ge-
gossenen Bronzekesseln, einer auf die Nomaden beschränkten Gattung,
und damit von den Hunnen weg. In der Tat begegnet camum im Sprach-
gebrauch, bevor die Hunnen in Südosteuropa und weiter westlich aufge-
treten sind 3 . Dio Cassius 49, 6, 3 sagt überdies von den Bewohnern Panno-
niens, daß diese τάς τε κριθάς και τοϋς κέγχρουξ καΐ έσθίουσιυ
όμοίως και πίνουσιν. Dio wußte dies aus eigner Kenntnis, da er dort
tätig gewesen war (1. c. 4). In Pannonien könnten auch die Hunnen das
Getränk kennen gelernt haben. Dio's Bemerkung zeigt, daß der Genuß der
Gerste auch in flüssiger Form etwas Neues für die Hunnen sein mußte.
Denn für ihre ursprüngliche Lebensweise galt Claudian's praeda cibus,
vitanda Ceres (In Ruf. 1 , 327), und dies schloß den Anbau der Gerste
aus.
Damit entfällt die einst von mir vertretene Gleichsetzung von camum
mit dem nomadischen qumiz4, mittels Brotteig gesäuerter (nicht ge-
gorener) Milch 5 . Destillierter qumiz ist Arak, und damit kann sowohl Ge-
treide· als auch Milchschnaps bezeichnet werden. Daß Arak ein hunnisches
Wort und als solches nach Westen gekommen ist, hat B. Karlgren* gezeigt.

Eurasia Septentr. Ant. 7 (1932), 3 3 f .
20
J . Werner, a. Ο. Β Taf. 40, 4.
21
J . Werner, a. O. 48.
1
a. O. 60.
2
In: Acta archaeol. Hungar. 2, 301.
3
Maurenbrecher in: Thes. ling. lat. 3, 222.
4
Zuletzt bei Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen 85 f.
5
M. Hermanns, Die Nomaden von Tibet 66 f.
β
Philology and Ancient China (Inst. Samenl. Kulturforskn. A V I I I ) 137.
60 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Lautliche Einwände, die man gemacht hat, haben sich als gegenstandslos
erwiesen 7 .
M. Räsänen hat gemeint 8 , daß auch das Wort „Bier" hunnischen
Ursprungs sei. Wenn es sich dabei um das als camum bezeichnete Gersten-
bier gehandelt hat, so hätte dieses seinen Namen unter den Hunnen zu
unbekannter Zeit geändert.

Ein Abschnitt über die Herrschaftszeichen und -Zeremonien mag folgen.


Er wird erneut zeigen, daß die europäischen Hunnen von der frühsasa-
nidischen Zeit abhängig sind.
Zunächst sind die Diademe zu nennen, die man den Hunnen oder ihren
Nachbarn zugewiesen hat. Uber sie hatte P. Schramm 1 gehandelt, aber
J. Werner glückte es, weitere und von seinem Vorgänger übersehene Stücke
heranzuziehen 2 . Zu nennen sind die Diademe von Kara-Aga£ in der Akmo-
linsker Steppe 3 , des zweiten Kurgans von Pazyryk, aus Leder und Wolle
gearbeitet 4 , und von Karagalyk bei Alma-Ata 4 1 . Freilich wird durch Heran-
ziehung dieser Stücke die Gruppe der Diademe noch uneinheitlicher als sie
zuvor war. Die neu hinzugetretenen scheiden sich von den vorhandenen vor
allem durch das Fehlen der Inkrustation, aber auch durch andere Merkmale.
Eine weitere Feststellung Werners geht dahin, daß fast alle Diademe zur
Frauentracht gehörten®. In einem wichtigen Fall wird sich erweisen, daß
die Behauptung nicht zutrifft; in einem zweiten bleibt sie bloße Möglichkeit.
Ebenso von Schramm wie von Werner ist das Diadem mit kreuzweise über
der Schädelknappe sich schneidenden Bändern übersehen worden, das
einem Kurgan beim Dorf Ositnjaika im Kiewer Gebiet entstammt*. Seine
Bedeutung liegt darin, daß es eine Vorwegnahme der gotischen Königstracht
7 Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i , 296. Zuletzt O. Szemer^nyi in: Zeitschr.
f. vergleich. Sprachwiss. 75 (1958), 184.
8 In: Bull. Soc. neophilol. de Helsinki 53, 240f.; vgl. noch E. P o l o m i in: L a N o u v e l l e
Clio 1954, 51 f.
1 Herrschaitszeichen und Staatssymbolik 1 (1954), 128f.
2 Beiträge zur Archäologie des Attilareiches. Abh. Bayer. A k a d . Wiss. N. F. 38
(1956) A 61 £.
* Ebenda 63.
4 Ebenda 66.
*· Ebenda 67.
6 E b e n d a 66 f.
• E . O. PruSewskaja in: Anticnije goroda sewernogo pricernomorja (1955) 332.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 61

darstellt, und zwar ihres καμηλαύκιον mit den gleichfalls kreuzweise sich
schneidenden Bändern (oben i , 324!.). Die Form hat auf arsakidische
und frühsasanidische Vorbilder (oben 1, 325) geführt, und die iranische
Herkunft der griechischen Bezeichnung 7 hat dies bestätigt.
Hier sei zunächst auf das Diadem hingewiesen, das zur Sammlung
Diergardt gehört: nach den vorhandenen Angaben soll es auf dem Mithri-
datesberg bei Kertsch bei einer männlichen Leiche mit Schädelverformung
gefunden worden sein8. Diese Verformung und der Fundort sprechen nicht
dafür, daß es sich bei dem Beigesetzten um einen Hunnen gehandelt habe;
es kommt eher ein Alane in Frage 9 . Auch was Werner gegen die Tatsache
einwendet, daß ein männliches Diadem vorliege, ist wertlos und
unzulässige Verallgemeinerung der Beobachtung, daß in einer Reihe von
Fällen sich Frauen als Träger feststellen lassen. Schließlich ist seine Deutung
des Diadems unrichtig. Er meint: , ,Die Stirnplatte des dreiteiligen Reifs ist
von einem wappenartigen Gebilde aus zwei Raubvogelköpfen überhöht,
dessen runde Augen gleich der rhombischen Mittelzelle mit grünem Glas
ausgelegt sind" 1 0 . Werner vergleicht das Diadem aus dem zweiten Kurgan
von Sipo wo 1 1 , wo indessen nur zwei Augen, nicht aber das seiner Deutung
widersprechende Gegenstück im Mittelteil vorhanden sind. Letztes schließt
die Deutung als zwei Vogelköpfe aus. Es muß sich um etwas anderes
handeln.
Es gehört zu den Merkwürdigkeiten von Werners Behandlung, daß er
bei allen Diademen die Möglichkeit, es könne sich um Herrschaftszeichen
gehandelt haben, fernzuhalten wünscht 12 . So übersieht er die Parallelen,
die die Forschung der letzten Jahre zur Verfügung stellt. Die neuen Tat-
sachen, die R. Göbl für die sasanidische Krone ermittelt hat 1 3 , sind un-
' Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 332 Anm. 166; oben 1,
3 2 5 f . ; 42g.
8
J. Werner, a. O. 62; 66; Β Tai. 29, 9.
* Altheim-Haussig, Die Hunnen in Osteuropa (1958) 3 7 f . ; dort über Kertsch
S. 38/0: oben 1, 77f.. wo die Ansicht vertreten ist, daß die Schädelverformung auf die
Alanen zurückgeht. Auch das Auftreten der Erscheinung bei den Germanen ent-
springt der Nachbarschaft zu dem nordiranischen Volk, beispielsweise bei den Bur-
gunden. Dazu vergleiche man, was hinsichtlich der Alanen L. Schmidt in seiner Unter-
suchung „Beobachtungen zu burgundischen Kaminen" in: Schweizer Volkskunde 41
(1951) 33 f. ermittelt hat, besonders 37.
10
a. ü. 62.
11
a. Ο. Β Taf. 6, 8.
12
a. O. 66 Anm. 1.
13
Bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 58!.
62 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

berücksichtigt geblieben. D a z u ist inzwischen die Prägung der K ü s ä n ge-


treten, bei der derselbe Forscher 1 4 gerade den Ornat ausführlich und erfolg-
reich behandelt hat. Einen reichen Fundbestand wie den „ S a a l der chwärez-
mischen Herrscher" in T o p r a k - k a l a 1 5 , die chwärezmischen Münzen und
Silberschalen 1 6 sowie die Münzen v o n B u c h a r a 1 7 sollte man gleichfalls nicht
außer acht lassen.
Einen Vergleich mit dem Kertscher Diadem ermöglichen die Gold-
schüsselmünzen, die die Sasaniden als Nachfolger der K ü s ä n geprägt haben.
Der bei Göbl auf T a f . 15 unter 337 abgebildete Schüsseldinar zeigt den
dargestellten Herrscher mit einem P a a r seitwärts gebogener Widderhörner
über dem Diadem, deren Mittelteil durch ein nach oben abgerundetes
Gebilde (ursprünglich den Widderschädel oder -köpf) eingenommen wird
wie bei dem A u f s a t z des Kertscher Diadems. G ö b l 1 8 deutet den Herrscher
jenes Schüsseldinars als Säpür II., den „ K ö n i g der K i d a r a und K ü s ä n " ,
unter dem sich die Hephthaliten im Land nördlich des Oxos niedergelassen
hatten (oben 1, 35f.). Göbl erinnert geradezu an den für Säpür II. durch
A m m i a n u s Marcellinus bezeugten „ W i d d e r h e l m " . Der W o r t l a u t : aureum
capitis arietini figmentum interstindum lapillis cum iiademate gestiens
zeigt indessen, d a ß jene mit Edelsteinen inkrustierte Nachbildung eines
Widderhauptes am Diadem oder über demselben angebracht war. Sie
bildete demnach keinen Helm, sondern eine Kopfzier, die der in Kertsch ge-
fundenen weitgehend glich. Bezeichnend, d a ß Säpür diese Zier trug, als er
zusammen mit dem Chionitenkönig (1. c. 7), demnach als König der kida-
ritischen Hunnen und K ü s ä n , auftrat (oben 1, 35; 2, 258).
Wenn die vorgeschlagene D e u t u n g zutrifft, hätte man eine Verbindung
gefunden, die aus dem alanisch-hunnischen Bereich in Südrußland nicht
nur auf einen Sasaniden des 4. Jahrhunderts, sondern auf die erste Fest-
setzung der Hephthaliten in Nordostiran führte. Das Ergebnis bestätigt
sich an zwei weiteren Diademen, denen von Werchne-Jablocno und von
K a r a - A g a ö in K a s a k s t a n 1 9 .

14 Bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike (1958) 173 f.


15 S. P. Tolstow, Auf den Spuren der altchoresmischen K u l t u r (dte. übers. 1953)
197 f.
18 Zuletzt Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles (1954) 52/.
17 E b e n d a 44 f. und oben 1, 204!.
18 Bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 242!.; vgl. 231.
" J. Werner, a. Ο. Β T a f . 30, 4; 31, 2.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N , F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 63

Das zuletzt genannte Stück entstammt bezeugtermaßen einem weib-


lichen Grab 20 , während von dem ersten nichts dergleichen überliefert,
wohl aber von Werner vermutet wird 21 . Das Stück von Werchne-
Jablocno trägt über dem mit Cabochons besetzten Reif pilzförmige Auf-
sätze, die mit flachen Almandinen belegt sind22. Hingegen zeigt das weib-
liche Diadem von Kara-Agac vom Reif herabhängende Glöckchen, während
dieser selbst mit eingestempelten Dreiecken verziert ist23. Parallelen bietet
die Krone auf den Prägungen Säpür's II. 24 sowie eines chwärezmischen
Herrschers S'wSbr, der dem bei Berüni überlieferten iäwu$far2b entspricht 2e .
Im ersten Fall wird man erneut auf den zuvor genannten Sasaniden, im
zweiten wenigstens nach dem nordöstlichen Iran geführt.
An zweiter Stelle sind zu nennen die goldenen Bögen, die den hunnischen
Gräbern von Jakuszowice und Pecs-Uszög entstammen. In einer auf-
sehenerregenden Abhandlung haben G. Läszlo und J. Harmatta 27 diese
Bögen als Herrschaftszeichen angesprochen. Ihr Ergebnis hat dadurch nichts
von seiner Tragweite verloren, daß N. Fettich 28 gezeigt hat, daß von ver-
wendbaren Bögen nicht gesprochen werden kann. Es handelt sich um Nach-
bildungen aus Goldblech, die nur symbolische Bedeutung besessen haben.
Sie lassen sich als Grabbeigaben, aber sie lassen sich mit gleichem Recht
als Herrschaftszeichen deuten, die schon die Lebenden verwandten und die
ihnen dann ins Jenseits mitgegeben wurden. Die von Harmatta zusammen-
getragenen Zeugnisse sind keinesfalls zu übersehen29. Wieder könnte eine
frühsasanidische Vorstellung zugrunde liegen. Das sasanidische Täg-nämeh,
auf dessen Angaben sich Hamza von Isfahan beruft, zeigte Bahräm II.

20 Ebenda 65.
21 Ebenda 63.
22 Ebenda 63.

28 Ebenda 65.

24 R. Göbl bei Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1: Ausziehtafel 4 unter Sä-

pür II. a.
25 Chron. 36, 7.

28 Altheim-Stiehl, Porphyrios und Empedokles 49. Ο. I. Smirnowa in: Trudy

Tadzikskoj archaeolog. ekspedizii (1958) 219 hat jetzt eine soghdische Münze mit
iyipyr veröffentlicht, was unsere Deutung bestätigt. Auch R. N. Frye in: Harvard
Journ. Asiat. Stud. 19 (1956), 109 Anm. 14 hat die Lesung anerkannt. Zum Lautwan-
del $'u/Sbr> syspyr vgl. 1. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian (1954)
τ 4 § 106; 18 § 133 Χ ; 6 § 31.
27 Acta Arch. Hung. 1 (1951), 91 f.; 107L

28 Archaeol. Hungar. 32 (1953). 171 f.; dazu J. Werner, a. O. j o .

29 Gegen J. Werner, a. O. 50.


64 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

nicht mit Lanze, Schwert oder sonstigen Herrschaftszeichen, sondern mit


dem Bogen in der Rechten, drei Pfeilen in der Linken 30 . Schon Cassius Dio
49, 27 läßt Antonius' Gesandte vom Partherkönig empfangen werden,
während dieser έτη τε χρυσοΰ δίφρου καθήμενος και την νευράν τοΰ
τόξου ψάλλων eingeführt ist.
Andere Zeugnisse verweisen in den weiteren hunnischen Bereich. Die
proto-bulgarische Inschrift von Schumen hat den Titel yabäg erbracht 31 .
Zusammengesetzt aus alttürk. ya „Bogen" und bäg „Herr" stellt sich das
Kompositum zu dem gleichfalls aus den Türksprachen belegten yabyu32.

Im Ostiranischen wurde der Nominativ bagö zu βαγ, der Akkusativ


bagam zu ßayu33. Türkisches ya wurde mit ßayu verbunden: *ya-ßayu,

woraus mit Schwund des Vokals in mittlerer, offener Silbe yabyu wurde.
So stehen yabäg und yabyu nebeneinander.
Hephthalitische Münzen geben die Form toiryo und tcrrryu34. Im ersten
Fall ist α vor u der folgenden Silbe zu 0 umgelautet 35 . Daneben begegnet die
Pehlewi-Legende y p g w ' 3 * . Mahmüd al-Kasgari hat y a f y u , mit soghdischem
Wandel zu / 37 . Nach ihm wurde damit eine Würde bezeichnet, die zwei
Stufen unter dem Chäqän stand. Ein neupersischer Wandel von y zu 7 liegt
der Form gabguwaihi zugrunde, die Tabari 3 8 und Ibn Hurdädbeh 39 bieten;
auch auslautendes -waihi weist auf iranische Herkunft 40 .
Der yabyu erscheint zum ersten Male in den chinesischen Nachrichten,
zunächst mit den Hiung-nu verbunden 41 . Arch.-chines. * * y j e p - g ' u , alt-

30
H a m z a Isf. 50, 14 f. Gottwald.
31
V. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1, 206.
32
Zum Folgenden F . Altheim, a. O. 1, 2 0 8 f .
33
O. Szemerenyi bei F . Altheim, a. O. 1, 2 7 7 .
34
H. J u n k e r in: 1930, 6 6 5 ; R. Ghirshman, Les Chionites-Hephtalites (1948]
5 0 f . ; 6t>.
36
Α. V . Gabain, Alttürk. Gramm 4g § 22.
3
· H. Junker, a. O. 653. Ρ statt b ist der auch sonst bekannte Wechsel vor Kon-
sonanten: A . v. Gabain, a. O. 5 3 § 2 9 .
37
C. Brockelmann, Mitteltiirkischer Wortschatz 7 2 ; W. R. Henning in: B S O S .
10, 9 3 f .
38
Ann. 2. 1206. 9 ; dazu I. Guidi in den Addenda D C L X X X I I ; M. J . de Goeje
im Glossar C L V I I I ; J . Marquardt, Die Chronologie der alttürk. Inschriften 3 5 ;
57 Anm.
3
* 40, 10 de Goeje.
40
Th. Nöldeke in: S B A k . Wien 1 1 6 , 3 8 8 f .
41
J . J . M. de Groot, Chines. Urkunden zur Geschichte Asiens 1, 1 1 6 ; vgl. 2, 9 7 ;
zum Folgenden B. Karlgren, G r a m m a t a Serica Nr. 6 7 5 q ; 1 1 3 a.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N . F R Ü H E S A S A N I D E N U N D D I E H U N N E N 65

chines, yjep-ysu spiegeln das alttürkische Wort 42 . Erneut erscheint der


Titel unter den Küsän 43 . In fünf Teilfürstentümer, jedes unter einem yabyu
stehend, zerfiel Baktrien. Da bemächtigte sich einer dieser yabyu der
Herrschaft über die anderen vier und gründete eine neue Dynastie. Die
KüSän tragen auf den Prakrit-Legenden ihrer Münzen den Titel yavugasa
oder yavasa Gen. Sing., wobei der zweite in griechischer Schrift mit ζαοου
wiedergegeben wird44.
Yabyu und yabäg wurden an früherer Stelle als „Herr der Bogenschützen"
verstanden48. Nimmt man, was dasteht, so genügt „Herr des Bogens".
Chinesische Vasen, dem Brennofen Yüeh-chou bei Nan-chao (Honan) ent-
stammend und zwischen 300 und 600 angesetzt, zeigen solche „Bogenherren",
gleichzeitigen Türkstämmen angehörend4·.
Zum Schluß mag der Proskynesis gedacht werden. Ihre Geschichte auf
iranischem Boden ist zuvor ausführlich behandelt worden (oben 2,124—166).
Es hatte sich gezeigt, daß die Hephthaliten sie kannten und vom besiegten
Peröz verlangt hatten (oben, 2, 275). Auch bei den Hunnen ist sie bezeugt.
Priskos (Exc. de legat. 143, 1 1 f.) berichtet, was die Gesandten beider
Römerreiche zu tun hatten, bevor sie an dem Gelage des hunnischen Hofes
teilnehmen durften. ,,Da traten wir auf die Schwelle (des Thronsaales) an-
gesichts Attilas. Und einen Becher händigten uns (έττέδοσαν) die Mund-
schenke nach dortiger Sitte ein, so daß auch wir (καΐ ή μας) vor dem
(Herrscher-) Sitz (ττρό της 2δρας) die Anbetung vornahmen (προσεύξασθαι).
Als dies geschehen war, nippten wir von dem Becher und gelangten zum
Herrschersitz (έπΐ τούς θρόνους), wo wir, nachdem wir gegessen hatten,
das Gelage feiern sollten". Die römischen Gesandten durften demzufolge den
Saal, darin der Herrschersitz stand, nicht eher betreten, bevor sie die vor-
geschriebene Zeremonie vollzogen hatten. Zu dieser war am Eingang alles
vorbereitet. Die Mundschenken hielten Becher für die Ankommenden
bereit; die römischen Gesandten mußten wie alle anderen Geladenen
42
Anders und wenig wahrscheinlich Κ. H. Menges, The Oriental Elements in the
Vocabulary of the Oldest Russian Epos 33.
48
E.Chavannes in: T'oung Pao8, i 8 7 f . ; HanedaToru in: Bull, de la maison franco-
-japonaise 4, i f . ; G. Bataille in: Ar£thuse 5, 2 2 f . ; W . W . Tarn, The Greeks in Bactria
and India 2 3 4 2 ; 506.
44
P. M. Gardner in: BMC., Greek and Scythic Kings of Bactria and India i 2 o f . ;
1 2 3 ; 189; J . Marquardt, a. Ο. 70.
46
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1, 206.
4
· Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen (1953) 40f.; 80.
6 Altheim, Hannen IV
66 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

προσεύξασθαι und vom dargebotenen Wein trinken; erst danach durften sie
den Saal betreten und sich als Gäste des Hunnenherrschers betrachten.
Was war mit dem προσεύξασθαι gemeint? Das Zutrinken angesichts
des Herrschers kennt man von Alexanders Hof. Man trank diesem zu und
machte stehend die Proskynesis. So berichtet Chares von Lampsakos,
Alexanders Zeremonienmeister (FGrHist 125 F 1 4 ; Plutarch., Alex. 54, 4;
Arrian., an. 4, 12, 3—5 und oben 2, 152 Anm. 2). In parthischer Zeit galt
Ähnliches. Zumindest Tiridates und sein Gefolge προς τ ω βήματι
προσστάντες ττροσεκύυησαν αϋτόν, will sagen: Kaiser Nero (Dio 63, 4, 3
und oben 2, 155). Auf einer jüngst veröffentlichten frlihsasanidischen
Trinkschale aus Silber47 begegnet der zur Proskynesis gehörige Grußgestus
(oben 2, 158f.), und wiederum scheint sich das Ineins dieser Proskynesis mit
dem Zutrinken zu bestätigen.
Jenes προσεύξασθαι am Hunnenhof war demnach nichts anderes als die
Proskynesis. Priskos wünschte nicht zu bekennen, daß er sie gleich den
anderen Geladenen vor Attila vollzogen hatte. Denn dies konnte dahin aus-
gelegt werden, daß er den Hunnen als δεσπότης anerkannt hatte. So
wählte Priskos den verschleiernden, aber sachlich gleichwohl eindeutigen
Ausdruck. Auch die Hunnen hatten demnach den Brauch der Proskynesis
ihrer iranischen Umgebung entlehnt, und die besonderen Umstände (Zu-
trinken) zeigen, daß sie es in frühsasanidischer Zeit taten. Hunnen und
Hephthaliten stimmten in der Kenntnis der Proskynesis überein. Damit
rundet sich das bisherige Ergebnis ab.

9
Von chinesischen Einfuhrstücken und darüber hinaus von Nachahmung
chinesischer Vorbilder auf den Fundstücken der Völkerwanderungszeit hat
zuletzt Z. Takäts gehandelt 1 . Er zieht in erster Linie heran, was der Boden
des Karpathenbeckens geliefert hat, ohne sich jedoch darauf zu beschränken.
Takäts weist die Hauptmasse dessen, was chinesischen Ursprungs ist oder
den Einfluß der chinesischen Formenwelt erkennen läßt, den Hunnen zu.
Dahin gehören die bereits erwähnten Bronzekessel in gegossener Arbeit
(oben 1, 7) sowie Werke der Metallkunst, die auf den Ausgang der Han-Zeit
47
S. Ia. Amiranaschwili in: Issledowanija po istorii kultury narodow wostoka
(i960) 254 Abb. 1 ; 285 Abb. 2.
1
In: East and West 11 (i960), 121 f.
2. S P Ä T E A R S A K I D E N . F R Ü H E S A S A N I D E N UND D I E H U N N E N 67

weisen. Daneben stehen jedoch Stücke, die der nachhunnischen Zeit


angehören, oder anderes, das für die awarische Kesthely-Kultur kenn-
zeichnend ist. Zwei Epochen scheiden sich damit. Während die erste
dem Auftreten der Hunnen um die Wende des 4. Jahrhunderts zum 5.,
ihrem Verschwinden nach der Mitte des letzten entspricht, könnte die
zweite frühestens ins späte 6. Jahrhundert führen. Anders gewendet:
zeitlich betrachtet fallen beide Abschnitte mit dem zusammen, was zuvor
als früh- und spätsasanidische Zeit bezeichnet wurde. Auch in der dem
Osten Asiens entstammenden Einfuhr prägt sich demzufolge jener Unter-
schied aus, dessen Bedeutung die vorangehenden Betrachtungen erst-
mals hatten erkennen lassen.
Als Ergänzung mögen die chinesischen Spiegel und ihre Nachahmungen
herangezogen werden, die sich vorzugsweise in alanischen und ostgotischen,
weniger in hunnischen Gräbern gefunden haben (oben 1, 82f.). Zeitliche
Ansetzungen können versucht werden, seitdem A. Bulling's Untersuchung
zur Datierung der Han-Spiegel vorliegt2.
Wie angedeutet, muß zwischen Einfuhrstücken chinesischer Herkunft
und westlichen Nachahmungen solcher geschieden werden. Von den ersten
kennt man nur zwei Stücke. Das erste stammt aus Staraja Poltawka am
Unterlauf der Wolga 8 ; das zweite aus Istjack in Westsibirien4. Jenseits der
Wolga brechen die Funde ab 6 . Von beiden Spiegeln gehört der eine zur
Gruppe der „inscription mirrors", die von Bulling· ans Ende der Westlichen
Han und später gesetzt werden. Der andere entspricht den „ch'ing-pai"
oder „mtng-kuan mirrors" aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.7.
Die Nachfolge des zweiten Stückes ist in den einheimischen Spiegeln
ohne Weiteres zu erkennen. Dazu gehören solche aus Balta im Terekgebiet8,
aus Kranj-Krainburg in Slowenien9 und Csökmö in Ungarn 10 . Bulling
setzt die Entsprechungen11 ins 1. Jahrhundert n. Chr. 12 . Daneben stehen
2
The Decoration of Mirrors of the Han Period (i960).
• J. Werner, a. Ο. Β Taf. 46, 6.
* J . Werner, a. Ο. Β Taf. 46, 13.
' Eine Fundkarte bei J. Werner, a. Ο. Β Taf. 69, 2.
* A. Bulling, a. O. pi. 22—23; vgl. S. 30.
7
A. Bulling, a. O. pi. 24—25; vgl. S. 30.
8
J . Werner, a. Ο. Β Taf. 45, 1.
• J. Werner, a. Ο. Β Taf. 45, 3.
10
J. Werner, a. Ο. Β Taf. 48, 1 1 ; vgl. Taf. 47, 3 aus Giljac im Nordkaukasus.
11
A. Bulling, a. Ο. pi. 22—25.
" A. Bulling, a. O. 30 f.

68 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Formen, die konzentrische Kreise aufweisen. Sie stammen aus Suuk Su in


der Krim 1 3 , Korza in Nordkaukasien u , Phanagoreia 16 und St. Sulpice bei
Lausanne 1β . Ihnen lassen sich der chinesische chung cA'wan-Typus 17 oder
anderes 1 8 aus dem i . Jahrhundert v. Chr. und vom Ende der West-
lichen Han vergleichen. E s ist bezeichnend, daß Nachahmungen der
späteren TLV-Spiegel, die bis ans Ende des i . nachchristlichen Jahrhunderts
sich erstrecken 19 , über einen Fall nicht hinausgelangt sind 20 . Damit bricht
das Wirken des chinesischen Vorbildes ab. Was folgt, trägt das Gepräge
einer Sonderentwicklung, die sich ausschließlich auf westlicher Seite, auf
örtlicher Grundlage vollzogen hat. Ihr gehört auch der Spiegeltypus an,
der innerhalb der moldauischen Kultur des 2.—4. Jahrhunderts begegnet 21 .
Erst in der Spätzeit ist wieder chinesische Einfuhr erkennbar. Sie führt
nicht mehr zu den Stämmen Südrußlands und anderen, die weiter westlich
sitzen. Ibn Hisäm legt einem der Kuraiza aus Medina den Vergleich mit
einem chinesischen Spiegel (mir'ä siniya) in den Mund, „darin sich er-
blicken die Jungfrauen des Stammes" 2 2 . Die Nachricht gilt, wenn nicht für
Mohammeds Zeit, so doch für die Ibn Sihäb az-Zuhri's, Ibn Hisäm's und
Ibn Ishäk's Quelle. Damit ist man in China in die frühe T'ang-Zeit gelangt.
Auch an der chinesischen Einfuhr zeichnet sich das Gegenüber jener beiden
Zeitabschnitte ab, die zuvor als früh- und spätsasanidisch bezeichnet
wurden.

" J. Werner, a. Ο. Β T a i . 41, 6.


14 J. Werner, a. Ο. Β Tai. 44, 3.
15 J. Werner a. Ο. Β Tai. 48, 7.
" J. Werner, a. O. Taf. 48, 8.
17 A. Bulling, a. Ο. pi. 28.
18 A. Bulling, a. Ο. pi. 17.
1β A. Bulling, a. Ο. pi. 3 5 — 4 2 a ; vgl. S. 46f.
20 J. Werner, a. Ο. Β Taf. 44, 8 aus MoJary.
41 G. B. Fedorov in: Studii si Cercetäri de Istorie Veche 2/1959, 381 fig. 4, 11.
M v. Mohamm. 691, i 6 f . Wüstenfeld.
3· K A P I T E L

SASANIDISCHE IDEOGRAMME

Von der irühsasanidischen Kultur kann nicht gesprochen werden, ohne


daß der Ideogramme und der auf ihnen beruhenden Schreibung gedacht
würde. Weder das Wesen dieser Ideogramme wurde bisher verstanden
noch auch die Bedeutung, die die ideographische Schreibung für die Iran be-
nachbarten Nomaden gerade unter den ersten Sasaniden besaß.
Die vorsasanidischen Ideogramme, will sagen: die der arsakidischen
Zeit, sind oben (i, 3 9 1 f.) und bei anderer Gelegenheit 1 behandelt worden.
Diesmal soll es um die Ideogramme der sasanidischen Zeit gehen. Auch bei
ihnen müssen die Folgerungen aus dem, was man durch neue Funde hinzu-
gelernt hat, gezogen und manches, was bisher als sicherer Besitz der Wissen-
schaft galt, muß aufgegeben werden. Wie in unseren früheren Untersuchun-
gen wählen wir als Ausgangspunkt die zusammenfassenden Darlegungen, die
W . B. Henning vorgetragen hat 2 .

Wer diese Ausführungen sich vornimmt, wird die Frage nicht unter-
drücken können, wie es zu dem bisweilen unbegreiflich anmutenden Ver-
fahren der ideographischen Schreibung gekommen sei. Selten wurde, so
wird man sagen, eine bizarrere Art, Sprache aufzuzeichnen, erdacht.
Henning tut nichts, um diesen Eindruck zu beseitigen. Eher scheint er es
darauf angelegt zu haben, das Fremdartige und sozusagen Unverständliche
zu unterstreichen. Obwohl es sich um aramäische Ideogramme handelt,
sprechen manche seiner Deutungen den Gesetzen der aramäischen Gram-
matik Hohn; sie scheinen sich nicht einmal zu bemühen, den Regeln des
Sprachgebrauches, denen jede aramäische Sprache unterliegt, sich zu fügen.

Zunächst soll Hennings Anschauimg dargelegt werden, wobei wir uns


bemühen, ihn selbst sprechen zu lassen. Die Kritik im einzelnen wird sich
anschließen.

1
Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden 1. Lfg. (1959),
4f.; 3 3 f . ; East and West 10 (1959), 243f.
2
In: Handbuch der Orientalistik 4, 1 (1958), 3of.
70 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

„ S c h r e i b u n g e n mit I d e o g r a m m e n " , beginnt H e n n i n g (a. O. 30), bedeute,


d a ß man nicht die W ö r t e r der eignen Sprache „ a u s b u c h s t a b i e r e " , sondern sie
durch solche ersetze, die der aramäischen Schriftsprache entnommen
wurden und als „ W o r t b i l d e r " dienten. D i e W a h l solcher W o r t b i l d e r w a r
nicht dem einzelnen Schreibenden überlassen, sondern war festgelegt.
A l s b a l d regt sich die Frage, ob, wenn schon festgelegt wurde, dies von
b e s t i m m t e r Seite, an b e s t i m m t e n Ort und zu bestimmter Zeit geschehen sei.
Henning b e g n ü g t sich mit der Versicherung, d a ß m a n die Wortbilder
„ s c h u l m ä ß i g f e s t g e l e g t " habe (a. O. 30). E s wird kein Erfinder des Ver-
fahrens genannt und nicht einmal ein solcher, der dieses zu m a ß g e b e n d e r
B e d e u t u n g erhoben habe. D e r Ursprung v e r f l ü c h t i g t sich ins A n o n y m e ,
U n v e r a n t w o r t l i c h e , und es bedeutet nur geringen T r o s t , wenn eine Schule
oder eine Mehrzahl solcher für die B e i b e h a l t u n g sorgte. D e n n auch diese
Schulen bleiben Schemen, die sich vorerst mit keinem geschichtlichen Ge-
halt füllen.

D e r Schreibende b r a u c h t e sich, so geht es weiter, über den U r s p r u n g der


W o r t b i l d e r nicht im klaren zu sein. E r b r a u c h t e nicht zu wissen, d a ß es
sich u m aramäische W ö r t e r oder ü b e r h a u p t um W ö r t e r handelte. E s ge-
nügte, wenn er einfach die Zeichengruppe mechanisch sich einprägte und
beim Lesen a u t o m a t i s c h das fremde u n d unverständliche W o r t b i l d durch
die entsprechenden W ö r t e r der eignen Sprache ersetzte (a. O. 31).

Hier t r i f f t schon der A u s g a n g s p u n k t nicht zu. Die aramäischen Ideo-


g r a m m e bilden keine W o r t b i l d e r und dienten nicht als solche. E s k a n n kein
Z w e i f e l darüber bestehen, d a ß sie in der Schrift „ a u s b u c h s t a b i e r t " , will
s a g e n : mit den gleichen Zeichen und nach d e m gleichen Prinzip geschrieben
sind, wie die iranischen Wörter. Die Schreiber haben keineswegs, wie es
nach Hennings Ä u ß e r u n g scheinen könnte, darauf verzichtet, daß die
I d e o g r a m m e gelesen wurden. Im G e g e n t e i l : diese m u ß t e n genau und sorg-
fältig gelesen werden, auf d a ß man die richtige iranische Entsprechung
fand. Z u m a l die verbalen I d e o g r a m m e , die zuletzt fast ausschließlich die
E n d u n g -wn und zumindest in zahlreichen Fällen imperfektisches y- z u
A n f a n g aufwiesen, verlangten Aufmerksamkeit, damit man nicht Ver-
wechslungen z u m O p f e r fiel. D a ß der Schreibende nicht g e w u ß t habe, d a ß
es sich u m aramäische W ö r t e r gehandelt habe, ist w e n i g wahrscheinlich;
d a ß es nachgerade ausgeschlossen sein d ü r f t e , wird sich bestätigen, wenn erst
3- SASANIDISCHE IDEOGRAMME 71

die von Henning weitgehend verzeichneten geschichtlichen Voraussetzungen


richtiggestellt sein werden. Was mechanische Einprägung einer Zeichen-
gruppe dann besagen soll, bleibt unverständlich. Man sieht nicht ein, warum
man sich die Zeichengruppe als Ganzes, ohne sie „auszubuchstabieren",
mechanisch hätte einprägen sollen, wenn der Schreiber, der doch mit dem
Leser praktisch zusammenfiel, sie Zeichen für Zeichen zu verstehen ver-
mochte und in anderem Fall sie in gleicher Weise schreiben mußte.
Es sei einmal angenommen, daß manche, die sich dieser ideographischen
Schreibung bedienten, es mechanisch taten, ohne viel nach dem Woher und
Warum zu fragen. Dann konnte dies erst geschehen, als die ideographische
Schreibung als unbezweifelte Norm feststand. Hingegen: als sie geschaffen
und eingeführt wurde, als sie sich auch gegen andere Schreibungen durch-
zusetzen hatte, muß es anders gewesen sein. Vermutlich haben sich die
Erfinder, als sie ihr Verfahren festlegten und zur Nachahmung empfahlen,
etwas dabei gedacht. Und dieses Sinnvolle mußte es sein, was nicht nur
jene Männer leitete, sondern auch die Mitwelt veranlaßte, sich der ideo-
graphischen Schreibweise zu bedienen.
Henning freilich will von solchen Fragen nichts wissen. Den Gedanken an
bestimmte Erfinder und Verbreiter des Neuen weist er von sich. Er leugnet
einen „von oben her dekretierten Wandel" (a. O. 32) und spricht von
„Entwicklung", ersetzt also, was einer bestimmten Lage oder bestimmten
Bedürfnissen entsprungen sein könnte, erneut durch einen anonymen und
damit unverpflichtenden Vorgang. Immerhin empfindet er das Bedürfnis,
das Geschehen zu konkretisieren, und so sieht er sich veranlaßt, der sprach-
lichen oder graphischen „Entwicklung" den der sprachlichen „Verwahr-
losung" (a. O. 32) an die Seite zustellen. Man befindet sich in einer Zeit des
Verfalls, wenigstens, was die aramäischen Sprachkenntnisse angeht. Es
wurde immer schwerer, „trainierte Leute" zu finden.
Die Folgen ließen nicht auf sich warten. „Allmählich" (denn das gehört
zur „Entwicklung" und „Verwahrlosung") begann die aramäische Syntax,
der der eignen, mitteliranischen Sprache zu weichen. Dann wurde die ara-
mäische Flexion aufgegeben, und man schrieb jetzt für parth. puhr: bry,
für mittelpers. pus: brh, obwohl keines der aramäischen Wörter „Sohn",
sondern das erste „mein Sohn", das zweite „sein Sohn" bedeutet habe.
Man griff also erneut, ohne Rechnung zu verlangen oder zu geben, gleich-
wohl aber mit nachtwandlerischer Sicherheit nach dem Sinnlosen. Und man
tat dies, obwohl das einfachere und sinnvolle br, br' „Sohn" sich sozusagen
72 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

anbot. Wie immer: mit dieser T a t war, Henning zufolge, das Ideogramm
geschaffen.
Man war damit in den Besitz fester Wortbilder geraten, dazu bestimmt,
mitteliranische Wörter wenigstens in der Schreibung zu ersetzen. A b e r das
Verfahren genügte nicht, und man entschloß sich, einen letzten Schritt zu
tun. Denn man wünschte nicht nur Wortbilder, sondern empfand die Not-
wendigkeit, deren syntaktische Funktion innerhalb des Satzes zu kennzeich-
nen. Man erfand — nein: es entwickelte sich das „phonetische K o m p l e m e n t " .
Anders ausgedrückt: man fügte die iranische Wortendung an die „fest-
gefrorenen" aramäischen Ideogramme. Der Vorteil des eingeschlagenen
Verfahrens bestand darin, wenn man Henning Glauben schenkt, daß man
den „radikalen B r u c h " mit der Vergangenheit, will sagen: der aramäischen
Schriftsprache, vermied und sich in allmählicher Entwicklung auf eine
mitteliranische Schriftsprache zu bewegte.
Eine seltsame Welt, in die man geraten ist! Man steht in den Jahr-
hunderten, da von Palästina bis zum Persischen Golf Aramäisch gesprochen
und geschrieben wurde. Die Targume, die im babylonischen T a l m u d ver-
einigte Überlieferung waren im Entstehen, die midraschische Literatur be-
diente sich, wie das Genesis-Apokryphon gezeigt hat, seit dem Beginn des
i . vorchristlichen Jahrhunderts des Aramäischen 1 ; in der gleichen Sprache
trug Jesus seine Verkündigung vor und schrieb Iosephus die originale
Fassung seines „Jüdischen K r i e g e s " ; eine unabsehbare syrische Literatur,
Mani's originale Schriften und die Anfänge des mandäischen Corpus traten
hinzu. Nicht genug damit: die Hauptstadt des arsakidischen Reiches lag
inmitten des Sawäd und das besagte: inmitten des aramäischen Sprach-
gebietes. Nichts war leichter, als sich einen Untertan aus diesem Gebiet zu
nehmen und ihn zu verwenden. Hunderte, wenn nicht tausende geeigneter
Hände und K ö p f e standen zur Verfügung.
Ungewollt, aber eben darum schlüssig liefert G. Widengren's Unter-
suchung über „Iranisch-semitische Kulturbegegnung in parthischer Z e i t " 2
die Ergänzung, falls solche noch benötigt werden sollte. Gleich als wolle er
uns Beihilfe leisten, spricht Widengren von der „neuen großen Periode des
Aramäischen", die unter den Parthern beginne 3 . E s folgen umfangreiche

1 Altheim-Stiehl, Philologia sacra (lyjjri) 49 f.; Die aramäische Sprache 1. Lfg.,


-2141.
2 Arbeitsgemeinsch. f. Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Heft 70 (19O0).
3 G. Widengren, a. O.
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 73

Zusammenstellungen parthischer Lehnwörter im Aramäischen überhaupt 4 ,


im Mandäischen im Besonderen 8 . Alles legt Zeugnis dafür ab, wie eng unter
den Arsakiden Iran und aramäisches Mesopotamien, von Maisän bis zur
Adiabene und weiter, verbunden waren.
Man sieht, daß Hennings Ansicht an den geschichtlichen Verhältnissen
sich keinesfalls bestätigt. Im Gegenteil: sie wird widerlegt und als unbe-
gründet erwiesen. Aber auch in anderer Beziehung sieht es mißlich aus.
Während man in den ostaramäischen Sprachen iranische Lehnwörter in
großer Zahl übernahm, soll es den Iraniern selbst schwergefallen sein, sich
vom Aramäischen zu lösen? Dazu die umständliche Art, mit der die von
Henning bemühte „Entwicklung" gearbeitet haben soll. Welche Schwierig-
keiten konnten einem Versuch im Wege stehen, iranische Sprachen mittels
der aramäischen Schrift aufzuzeichnen? Schon am Ende des 5. vorchrist-
lichen Jahrhunderts mag dies mit Zarathustras Gä#ä's geschehen sein. In den
A£oka-Inschriften von Kandahar und Taxila, also um die Mitte des
3. Jahrhunderts v. Chr., liegt diese Schreibung fertig vor. Die Inschrift am
Grab Dareios I., zwischen 3 1 2 und 306 angebracht·, hatte das Altpersische
im aramäischen Alphabet aufgezeichnet. Die Manichäer schrieben ein reines
Parthisch und Mittelpersisch ohne jede Einfügung von aramäischen Ideo-
grammen. Auf die Parallele, daß man Mitteliranisches, möglicherweise
schon Avestisches im griechischen Alphabet aufzeichnete, genüge es, ver-
wiesen zu haben 7 .
Warum also das seltsame ideographische Verfahren, angeblich dazu
bestimmt, den radikalen Bruch zwischen der aramäischen Schriftsprache
und den kommenden mitteliranischen zu vermeiden ? Der Bruch hatte sich
längst, und er hat sich mehrmals vollzogen. Und doch hielt man in der
gleichen Zeit mit unbeirrbarer Sicherheit an der ideographischen Schreibung,
die zuvor gekennzeichnet wurde, fest.
Noch ein Letztes muß eingewandt werden. Eben die „flexionsarmen
westiranischen Sprachen" legten, wenigstens Henning zufolge, den größten
Wert darauf, die phonetischen Komplemente den Ideogrammen anzu-
hängen. Uberhaupt bedienten sie sich überall der ideographischen Schrei-
4
Ebenda 25—34.
4
Ebenda 89—108. Über den zeitlichen Ansatz der ältesten Mandäer S. 56 und
Anm. 200.
* Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache. 1. Lfg., ι ο ί . ; oben 1, 40g{.
' Altheim-Stiehl, Philologia sacra 9 f.; 29 f.
74 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

bung, während das Soghdische, an Flexion unendlich reicher, keineswegs


gewillt war, dieser Schreibung allzugroßen R a u m zu geben. A u c h dies ist
ein innerer Widerspruch, der sich ergibt, wenn man Hennings Aufstellungen
zusammenhängend durchdenkt.

Der stärkste Einwand steht indessen noch aus. E s m u ß gesagt werden,


d a ß Hennings Lehre nicht nur sachlichen und damit äußeren Einwänden
gegenüber anfällig ist, sondern daß sie auch in sich Widersprüche enthält.
Man vergegenwärtige sich nochmals, daß Henning bisher allein anonyme
Vorgänge für das von ihm gezeichnete Geschehen verantwortlich gemacht
hat. Entwicklung und sprachliche Verwahrlosung, der schulmäßige Betrieb
standen ihm im Vordergrund. Ineins damit war vor der Auffassung gewarnt
worden, es könne einen radikalen B r u c h gegeben haben oder es sei von
obenher verordnet worden. „Allmählicher" Übergang war das Bild, unter
dem das Werden der ideographischen Schreibung gesehen wurde.
Unmerklich ändert sich jedoch Hennings Konzeption. D a vernimmt
man, die Entwicklung gehe bei den verschiedenen Sprachen der mittel-
iranischen Zeit in gleicher Richtung (a. O. 32). Das wird an den Demon-
strativpronomina gezeigt, und im Anschluß daran wird von einem „ S y s t e m '
der (phonetischen) Komplemente" gesprochen (a. O. 33). Noch einmal
fällt Henning in die frühere Anschauung zurück. Die „achaemenidischen
Verhältnisse", also wieder etwas Anonymes und überdies wenig Durch-
sichtiges (a. O. 33), hätten den Nährboden für die folgende Entwicklung
abgegeben. Und diese Entwicklung habe durchaus an verschiedenem Ort
verschiedene Wege einschlagen können, wird versichert (obwohl zuvor
ihre einheitliche Richtung bemerkt worden war). Ohne Übergang folgt die
Wendung. D a ß das Ideogramm 'hy „mein B r u d e r " im Mittelpersischen,
Parteiischen und Soghdischen zur Bezeichnung des „Bruders" wurde,
genüge, „ u m die Annahme historischen Zusammenhanges bei der Ent-
wicklung der verschiedenen ideographischen Schreibsysteme zu erzwingen"
(a. O. 34). Der neue Weg, einmal eingeschlagen, wird in stürmischem Tempo
verfolgt. „Historischer Zusammenhang aber ist gerade für die Zeit des
.Überganges' gegeben, also etwa für die Zeit Mithridates' I., als in Persien ein
mächtiger Staat entstand, der sowohl die Persis wie (!) Parthien umfaßte und
auf die Länder am O x u s nicht ohne Einfluß blieb". „ Z u jener Zeit . . . war
3· S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 75
das Schreiben mit Ideogrammen von Babylonien aus, wo es seit alters
üblich war, den am Schriftverkehr Interessierten noch völlig geläufig".
Bedenken, die sich angesichts dieser Behauptung aufdrängen könnten,
werden rasch beseitigt. „Der Einwand, daß, was Sogdiana angeht, die An-
nahme historischen Zusammenhanges auf schwachen Füßen steht, kann
angesichts der tatsächlichen Ähnlichkeit, die zwischen dem Parthischen
einerseits und dem Soghdischen andererseits obwaltet, nicht bestehen"
(a. O. 34). In der Schrift und in den Verbalideogrammen, auch noch in der
Femininendung h zeige sich der Zusammenhang.
Erstmals steht man Argumenten gegenüber, mit denen man sich aus-
einandersetzen kann. Mit der geschichtlichen Stellung Mithridates' I. sei
begonnen. Die sprachlichen Beweise werden in gesonderten Abschnitten
folgen.
Als Babylonien 141 den Seleukiden entrissen wurde, unternahm De-
metrios II. seinen Zug, der die Wiedereroberung des Verlorenen beab-
sichtigte und ein Jahr darauf mit der Niederlage und Gefangennahme des
Königs endete. In diesen Zusammenhang gehört der Aufbau eines Reiches,
der Mithridates I. zum Herrscher auch über die Persis und über Teile des
iranischen Ostens werden ließ. Im Jahr 140 werden selbständige Baktrer
zum letzten Mal erwähnt. Zusammen mit Persern und Elymäern ließen sie
ihre Hilf Struppen zu dem Heer stoßen, mit dem Demetrios II. den Angriff
gegen Mithridates I. eröffnete (lustin. 36, 1, 4). Schon vorher hatten die
Griechen und Makedonen in den oberen Satrapien Gesandschaften an den
Seleukiden geschickt. Sie hatten ihm Unterwerfung und Kriegshilfe gegen
den Partherkönig angeboten (Ioseph., ant. 13, 185). Wiederum müssen die
Griechen Baktriens gemeint sein. Nach dem Scheitern und der Gefangen-
nahme Demetrios' II. Ende 140 oder Anfang 139 1 ging Mithridates I. daran,
sich an den Bundesgenossen seines nunmehrigen Gefangenen zu rächen.
Von dem Zug gegen die Elymais weiß man durch lustin. 41, 6, 8 und Strabon
744. Zwei Münzhorte in Susa wurden vor der parthischen Eroberung ver-
graben. Der eine zeigt als spätestes Stück eine Prägung des Alexander Balas
von 150-149 2 , der zweite eine solche Demetrios' II. von 139 (Münzstätte
Seleukeia am Tigris)3 und gibt damit das Datum. Die Münzen der ein-
heimischen Dynastie brechen ab, und es folgen in langer Reihe die parthi-

1
W. W. Tarn in: CAH. 9, 580; R. H. McDowell, Coins from Seleucia 57.
2
G. Le Rider in: Numismatique Susienne (i960) 26f.
3
G. Le Rider, a. Ο. 31 f.
76 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

sehen Unterkönige mit dem Titel malkä*. Uber die Persis ist nichts über-
liefert, aber das Abbrechen der Prägungen seitens der Frätadära und
dasselbe Auftreten parthischer Unterkönige wird seit alters dahin gedeutet,
daß Mithridates auch die Persis erobert habe (oben i , 379). Schließlich hat
dieser, nach 140 und vor seinem Tod 138-7, größere Teile des baktrischen
Reiches sich angeeignet. Denn darauf bezieht sich die Nachricht Iustins,
daß die Bactriani noch zur Zeit Mithridates' I. non regnurn tantum, verum
etiam libertatem verloren (41, 6, 3). Auch Strabons Nachricht, daß die
Parther άφείλουτο . . . της Βακτριανής μέρος wird hierher zu stellen
sein (515).
Alle Ereignisse fallen in die spätesten Jahre des Partherkönigs. Erst
seit 139 gehörten ihm Babylonien, die Persis und Teile Baktriens. Ein Jahr
später starb er. Die von Mithridates angehäufte Ländermasse ging unter
seinem Nachfolger Phraates II. wieder verloren, als dieser 129/8 gegen die
Skythen fiel. Das parthische Reich tat einen tiefen Sturz, aus dem es erst
Mithridates II. emporheben sollte.
Hätte Henning mit seinem Hinweis recht, so wäre die ideographische
Schreibung in den beiden letzten Regierungsjahren Mithridates' I. ge-
schaffen worden. Also innerhalb einer kurzen Spanne, die eine vorüber-
gehende Vereinigung ostiranischer Gebiete mit dem parthischen Reich
erbracht hatte. In diesen zwei Jahren müßte die „tatsächliche Ähnlichkeit,
die zwischen dem Parthischen einerseits und dem Soghdischen anderer-
seits obwaltet" — zumindest Henning zufolge — erwachsen sein. Von
vornherein ist dies wenig wahrscheinlich, und es wird ausgeschlossen durch
zwei weitere Feststellungen.
Welche Teile Baktriens Mithridates I. nach seinem Sieg an sich gerissen
habe, ist unbekannt. In Balch hat man bekanntlich in seinem Namen ge-
prägt: 140/39 und 139/85. Aber in Balch und ebensowenig in dem von
Henning als solches bezeichneten Baktrischen · zeigt sich nicht die Spur ideo-
graphischer Schreibung. Sie zeigt sich fürs Soghdische. Doch daß die Sog-
diane damals den Parthern zugefallen wäre, bleibt unbeweisbar. Und das-
selbe gilt für Hennings Behauptung, daß man eben damals jene Schreibung
fürs Soghdische eingeführt habe. Alles ist aus der Luft gegriffen.

4 G. Le Rider, a. Ο. i8f.
5 W. Wroth, BMC. Parthia I 2 f . Nr. 48f. ü b e r eine fälschlich der dortigen Münz-
stätte zugewiesene Prägung Mithridates' I. vgl. G. Le Rider, a. Ο. 12 Nr. 50.
• In: B S A O S . 23 (i960), 47.
3· S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 77
Unnötig zu sagen, daß die von Henning bemerkten „tatsächlichen Ähn-
lichkeiten" zwischen Parthisch und Soghdisch in der vorliegenden Frage
nichts besagen. Was immer man anführe — Gemeinsamkeiten in der
Schreibweise, in der Form der Ideogramme und in der Femininendung —,
es bleibt für geschichtliche Folgerungen wertlos. Denn daß diese Gemein-
samkeiten in Mithridates' I. Zeit zurückgehen, müßte erst bewiesen werden.
Und daß sie gar den vermißten Beweis für die Eroberung der Sogdiane
durch diesen König erbrächten, wird niemand Henning abnehmen. Es ist
bezeichnend für seine Art, daß er eine Seite später die Verwandtschaften
zwischen den drei mitteliranischen Sprachen zusätzlich „als die natürliche
Folge eines einigermaßen regen Briefverkehrs zwischen den verschiedenen
Ländern" erklärt (a. O. 35).
Dazu kommt eine zweite Feststellung. Aus der Zeit nach der Wieder-
herstellung des Partherreiches, aus den Jahren um die Mitte des 1. vor-
christlichen Jahrhunderts, stammen die Ostraka von Nisä. Träfe es zu, daß
unter Mithridates I. die ideographische Schreibung in Parthien, in der Persis
und der Sogdiane eingeführt wurde, so müßte man erwarten, diese auf der
Beschriftung der Ostraka zu finden. Es muß daran erinnert werden, daß
Henning solche Schreibung zu erkennen glaubt 7 . Aber schon I. N. Winnikow,
im Gegensatz zu Henning ein Kenner des Aramäischen, hat sich dafür aus-
gesprochen, daß Texte in dieser Sprache und nichts anderes vorlägen 8 .
Wir haben Hennings Deutungen, soweit sie hinsichtlich der Ostraka auf den
Nachweis ideographischer Schreibung abzielten, eingehend widerlegt*. Es
ist uns nicht bekannt geworden, daß er sich nochmals dazu geäußert, auch
nur seine alte Behauptung aufrecht erhalten hätte. Zuletzt sind die Heraus-
geber der Ostraka, I. M. Diakonow, Μ. M. Diakonow und W. A. Liwsiz,
erneut für den aramäischen Charakter eingetreten 10 . Damit hat sich die
Sache erledigt. Die Tatsache, daß man in parthischen Urkunden aus dem
1. Jahrhundert v. Chr. noch aramäisch schrieb und nichts von ideogra-
phischer Schreibung wußte, schließt aus, daß sie unter Mithridates I. in
den ihm zuletzt zugefallenen Ländern eingeführt wurde.
Auf anderem Blatt steht der Zusammenhang mit den sumerischen
Ideogrammen des Akkadischen. An solche können gleichfalls Endungen
7 a. O. 2 7 t .

• I n : Westnik drewnej istorii 2/1954, 1 T 5


• Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 54 f . ; Die aramäische Sprache 1. Lfg.
3 5 f . ; E a s t and West 1 0 (1959), 248f.
1 0 I n : Westnik drewnej istorii 2/1960, I 5 f .
78 I R A N A L S GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

angefügt werden. Einen Zusammenhang dieser Schreibung mit den Ideo-


grammen mitteliranischer Zeit möchte man von vornherein nicht ab-
weisen. Indessen glauben wir, es sei nicht unseres Amtes, darüber zu urteilen.

Es bleiben die sprachlichen Beweise. Daß hinsichtlich der phonetischen


Komplemente im Mittelpersischen, Parthischen und Soghdischen die
„Entwicklung" die gleiche Richtung eingeschlagen habe, zeige sich am
deutlichsten an den Demonstrativ-Pronomina. Henning gibt eine Zusammen-
stellung (a. O. 32f.), die hier wiederholt sei. Sie gewährt in der Tat Einblick
freilich nach anderer Richtung, als Henning annimmt.
Mittelpersisch: „dieser* LZNH = im
pl. LZNHsn = imesän
„jener" 'LH = avejöy
pl. 'LHSn = avesän
„auch jener" 'LHc = avecjöyic
Parthisch: „dieser" ZNH = im
pl. ZNHn = imln
„jener" LHw = hau
pl. LHwyn = havin
„auch jener" LHwyS = havic
Soghdisch: „jener" Nom. ZK = xaujxö
Akk. ZKw = (a)vu
Gen. ZKy = (a)ve
pl. Nom. ZKy = (a)ve
Gen. ZKySnw = veSanu
Zunächst sei das Mittelpersische betrachtet. Es fällt auf, daß ein Ideogramm
gewählt wird, daß „diesem" oder „diesen" bedeutet, nicht aber „dieser"
schlechthin. Ebenso bei der zweiten Gruppe: das Ideogramm bedeutet
„zu ihm" nicht aber „er" oder „jener". Es werden demnach Praepositionen:
l- und 7- vorangestellt, und nicht genug damit, daß dieses ohne ersichtlichen
Sinn geschehen ist, werden sie jeweils gewechselt. Es wird einerseits L-ZNH,
andererseits 'L-H geschrieben. Und doch müßte man, um des „Systems" 1
willen, verlangen, daß mit beiden Praepositionen dasselbe gemeint war.
1
So W. B. Henning, a. O. 33.
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 79

Nun gibt es innerhalb der geschichtlichen Entwicklung des Aramäischen


in der Tat eine Zeit, da l- und dasselbe bedeuteten und geradezu unter-
einander ausgetauscht werden konnten. Im Mandäischen kann Ί- in allen
Fällen für l·- geschrieben werden2. Selbst als Objektszeichen begegnet Ί-
zuweilen, in dem es l- vertritt.8 Seltener steht /- für ursprüngliches Ί*.
Schließlich dienen /- und 7- unterschiedslos zur Bezeichnung des logischen
Subjektes beim Passiv5. Wohlgemerkt: im Mandäischen ist diese Gleich-
setzung durchgeführt, und die Übereinstimmung beweist, daß die be-
handelten mittelpersischen Ideogramme in relativ später Zeit entstanden
sind.
Das läßt sich noch genauer fassen. W. H. Rossell, der letzte Bearbeiter
der aramäischen magischen Texte, bemerkt in seinem Abschnitt über die
Praepositionen: „the interchange of 'al- and /'-, as in Mandaic, is attested
in the texts" ·. Da diese Texte zwischen dem 3. Jahrhundert η. Chr. und etwa
600 anzusetzen sind7, ist die chronologische Seite geklärt. Wollte man nach
den Ideogrammen schließen, die für die Demonstrativa verwandt werden, so
käme man hinsichtlich ihrer Entstehung über die frühsasanidische Zeit
nicht hinauf. Es muß noch geklärt werden, ob dieser Ansatz, der der üb-
lichen Ableitung der Ideogramme aus dem Reichsaramäischen widerspricht,
sich an weiteren Beobachtungen bestätigen läßt.
Man erkennt weiterhin, daß eine Normierung erfolgt ist. An sich waren
in dieser Spätzeit /- und 7- gleichwertig. Es hätte statt LZNH ebensogut
'LZNH für „dieser" stehen können und umgekehrt. Aber es wurde nor-
miert: dem Demonstrativum, das das Näherliegende bezeichnete, wurde
eine andere Praeposition zugewiesen als dem, das das Fernerliegende meinte.
Eine weitere Beobachtung läßt sich machen. Im Soghdischen, wo
man gewisse Casus bewahrt hatte, ist einheitlich ZK gesetzt. Nicht nur der
Numerus wurde durch die Komplemente ausgedrückt, sondern auch die
Casus. Im Mittelpersischen gab es keine verschiedenen Casus mehr, sondern
nur einen Casus generalis. Bekanntlich war dieser seiner Herkunft nach
kein Nominativ. Nur uneingedenk dessen hätte man, wie im Soghdischen,
so auch im Mittelpersischen Z N H ohne Hinzufügung einer Praeposition als
1
Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 353 § 248.
• Ebenda.
4
Th. Nöldeke, a. O. 354.
* Th. Nöldeke, a. O. 355f.
• A Handbook of the Aramaic Magical Texts (1953) 57 unten.
7
F. Rosenthal, Die aramaistische Forschung (1939) 222 f.
80 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Grundform ansetzen können. Man muß vielmehr der ständigen Voranstel-


lung der gleichbedeutenden Praepositionen l- und Ί- entnehmen, daß man
noch wußte, das die mittelpersischen Formen, die den Ideogrammen und
Komplementen entsprachen, ihrer Herkunft nach oblique Casus waren.
Damit scheint uns eine entscheidende Feststellung gemacht zu sein. Im
Gegensatz zum Soghdischen, wo die Nominative xö und ave einem avesti-
schen Nom. Sing, hö und einem Nom. Plur. ave entsprachen, gehen die mit l-
und Ί- eingeleiteten mittelpersischen Formen sämtlich auf oblique Casus
zurück. Es spiegelt sich in im der altpersische Akk. Sing, imam, in imeidn
der Gen. Plur. imaii&m, in ave der Gen. Sing, avahyä, in aveSän der Gen.
Plur. avaiSäm. Der Wechsel zwischen mittelpersischem LZNH, *LH und
soghdischem ZK war durchaus sinnvoll. Wer immer diese Ideogramme
geschaffen hatte, wußte innerhalb der eignen Sprache Bescheid und
kannte zumindest das späte Aramäisch.
Eine Sonderstellung nimmt das Parthische ein. Hier ist zwischen dem
Ideogramm ZNH für das Näherliegende, LH für das Fernerliegende ge-
schieden. Diese Festlegung erweist die parthischen Ideogramme als nachträg-
liche Bildungen. Denn für ZNH, ZNH hat das Mittelpersische, für Gebrauch
des Nominativs (statt mittelpers. LZNH) das Soghdische Pate gestanden. LH
unterscheidet sich vom mittelpers. 'LH durch die Verwendung einer anderen
Praeposition, aber diese hat wieder ihr Vorbild im mittelpers. LZNH.
Weiter hat das Parthische mit dem Mittelpersischen gemeinsam, daß es
eine Differenzierung zwischen dem Demonstrativum, das das Näherliegende
bezeichnet, und dem für das Fernerliegende vornimmt. Aber im Gegensatz
zu den Vorbildern in den beiden anderen mitteliranischen Sprachen, die
deutlich zwischen der im Soghdischen bewahrten Casusflexion und der
Tatsache unterschieden, daß im Mittelpersischen die Formen sämtlicher
Demonstrativa auf ältere, im Altpersischen erhaltene oblique Casus zu-
rückgingen, läßt sich im Parthischen eine solche Berücksichtigung sprach-
geschichtlicher Tatsachen nicht erkennen. Man hat sich damit begnügt,
in äußerlicher Anlehnung an Vorhandenes eine Differenzierung zwischen
beiden Arten von Demonstrativa durchzuführen.
Ob die drei Gruppen von Demonstrativa wirklich dieselbe Entwicklung
verdeutlichen, ist zweifelhaft. Gewiß besteht darin eine Übereinstimmung,
daß man mit Ausnahme des Nom. Sing, an alle Ideogramme die phone-
tischen Komplemente treten läßt. Dieses Verfahren gab es schon im Akkadi-
schen, und wenn sich irgendeine Uberlieferung davon erhalten hatte, konnte
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 81

das dort Übliche mutatis mutandis auf jede mitteliranische Sprache über-
tragen werden. G e n a u : es konnte dies geschehen, auch ohne daß es sich
um gleichzeitige und zusammenhängende Maßnahmen handelte. Anders
hingegen steht es mit den Ideogrammen selbst. Sie zeigen im Mittelper-
sischen und Soghdischen eine originale Konzeption, die jeweils von den
Gegebenheiten der beiderseitigen Flexion ausging, dabei zu überzeugenden
und sinnvollen Lösungen kam. D a s Parthische hingegen erweist sich in
seinen Ideogrammen als äußerliche Angleichung an das, was man im Mittel-
persischen und Soghdischen unter Eingehen auf die geschichtliche S t r u k t u r
der Sprache durchgeführt hatte.
E s läßt sich die Probe aufs E x e m p e l machen. Henning ging bei seinen
Aufstellungen noch von der Voraussetzung aus, daß sämtliche Urkunden
aus arsakidischer Zeit — von den Ostraka aus Nisä bis zur Inschrift aus
Susa aus dem J a h r e 2 1 5 n. Chr. — sich der ideographischen Schreibung
bedient hätten. W i r haben den eingehenden Nachweis geführt, daß davon
nichts zutrifft 8 . Alle für das Bestehen solcher Schreibung beanspruchten
T e x t e sind rein aramäisch: es gibt keine Ideogramme aus arasakidischer
Zeit. Widerspruch hat Henning nicht mehr erhoben, und es wäre wohl auch
nicht geraten, dies zu tun. Denn wenn es noch nötig gewesen sein sollte,
hätte die „zweite " I n s c h r i f t aus M c h e t ' a bestätigt, daß man damals Ara-
mäisch schrieb und las und daß von ideographischer Schreibung keine
Rede sein kann (oben 10f.).
Noch ein zweites Ergebnis hatte sich uns eingestellt. Die erste ideo-
graphische Schreibung, die sich fassen lasse, finde sich in der dritten und
vierten Serie der Unterkönige, die in spätarsakidischer Zeit über die Persis
herrschen®. Hier könne erstmals, unter Mißachtung der korrekten Genetiv-
Verbindung, d'ryw MLK' Β RH wtprdt MLK' gesagt werden. Das größere
Alter der mittelpersischen Ideogramme bestätigte sich sich alsdann gegen-
über dem Parthischen. . . . E s war die einzige Konzession an Henning, die
wir damals noch für nötig hielten. Doch zeigen die aramäischen Inschriften
Hatra's, aus dem 2. und dem Anfang des 3. Jahrhunderts stammend:
7 h{y)' Sntruk mlk(') „für das Leben des Königs S a n a t r ü k " ; 'm' 'bdsmy'
„Mutter des 'bdsmy'" ; nsr' blgs „Sieg des Vologeses" und anderes mehr 1 0 .
Das Ostaramäische der Zeit konnte demnach die korrekte Constructus-

8
Altheim-Stiehl, Die aramäische S p r a c h e i. L f g . , 3 3 f . ;
• Altheim-Stiehl, Die aramäische S p r a c h e 1. L f g . , 5 1 f.;
10
A . C a q u o t in: S y r i a 3 0 ( 1 9 5 3 ) , 2 3 4 f · N r . 28, 4 t . ; 28, 1 f . ; 3 3 ; 3 4 , j i .

β Altbeim, Hannen IV
82 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Verbindung und deren Ersatz durch d oder dy außer acht lassen. Damit
entfällt der Beweis, daß es auf den Münzlegenden sich um ideographische
Schreibung handelt [über BRH = br sogleich]. Was man dafür hielt, war
wiederum eine ostaramäische Eigentümlichkeit.
Die Ubereinstimmung zwischen den mittelpersischen Ideogrammen
und dem Mandäischen wird sich im Folgenden bestätigen. Sie verwehrt,
an reichsaramäischen Ursprung zu denken, und sie wird auch für die Alters-
bestimmung der mitteliranischen ideographischen Schreibung von ent-
scheidender Bedeutung sein. Bei anderer Gelegenheit 11 haben wir auf die
Äußerung F. Rosenthals verwiesen, wonach dort Schreibungen auftreten,
„die s o n s t . . . nur aus dem Mandäischen bekannt sind, im Reichsaramäischen
aber sich sonst nirgendwo, nach heutigem Material zu urteilen, nach-
weisen lassen, wie die Benutzung von Älaf zur Bezeichnung des ä im Inlaut
und von 'Ain für e (t), ferner auch die Ersetzung des t durch t und des k
durch k, die sich schon meistens in mitteliranischen Inschriften findet" 12 .
In jüngster Zeit ist der Hinweis G. Widengren's 13 hinzugekommen, daß
parth. padgätn ebenso im Mandäischen pwgd'm' wie im paytäm des Fra-
hang-i Pahlavik mit Metathese begegne. Er bemerkt dazu, es sei gewiß kein
Zufall, daß die mandäische „mit der im Frahang belegten Form grundsätz-
lich übereinstimmt, da ja Ebeling sehr beachtliche Gründe für einen baby-
lonischen Ursprung des im Frahang enthaltenen aramäischen Materials
angeführt hat". Es folgt ein Verweis auf E. Ebeling, Das aramäisch-mittel-
persische Glossar Frahang-i-Pahlavik im Lichte der assyriologischen
Forschung (1941) 35.

4
Nunmehr muß Hennings Ansicht besprochen werden, derzufolge die
Ideogramme für „Sohn" (mittelpers. pus, parth. puhr), wörtlich übersetzt,
nicht dies, sondern mittelpers. brh „sein Sohn", parth. bry „mein Sohn"
bedeuten 1 . Es ist zuzugeben, daß beide dies bedeuten können. Aber sie

11Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache i. Lfg. 55.


11Die aramaistische Forschung 81.
" Iranisch-semitische Kulturbegegnung in parthischer Zeit 99. Trotz seiner
Themastellung vermeidet Widengren sorgfältig, von Ideogrammen aus arsakidischer
Zeit zu sprechen. Wir glauben dies als Erfolg unserer Widerlegung von Hennings
These buchen zu dürfen.
1 a. O. 32.
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 83

müssen es nicht, und wieder erhebt sich die Frage, ob eine offenkundige
Sinnlosigkeit hinzunehmen sei. Demgegenüber sei daran erinnert, daß
Henning anderslautende Deutungen bereits vorlagen.
Es handelt sich um Η. H. Schaeders Iranische Beiträge I (Schriften d.
Königsb. Gel. Gesellsch. 6,5 [1930]), eine Studie, die Henning wiederholt
anführt. Dort ist der Wechsel zwischen h und Älaf als Bezeichnung des
auslautenden -ä ausführlich erörtert 2 . Schaeder verweist darauf, daß das-
selbe Schwanken in den Ideogrammen begegne, und äußert sich dahin,
daß dort auslautendes -h auch als Älaf sich auffassen lasse. „ D a n a c h ist nun
meines Erachtens auch in Fällen wie pahl. 'trh == vyäk ,Ort', pars, brh = pus
,Sohn' (neben pahl. bry = puhr), gdh = farr .Glorie, Majestät', pars, ydh
(neben pahl. yd') = dast , H a n d ' , ' y n h (geschrieben 'ynh) = casrn ,Auge', rglh =
Päd ,Fuß', pwmh = dahän ,Mund' u. a. m. das h als Bezeichnung für das
-ä des stat. emph. anzusehen, — nicht, wie Nyberg will, für das -eh des
Suffixes der 3. sing. masc." 3 . Brh wäre demnach nichts anderes als br' und
hieße „(der) Sohn".
Von vornherein darf gesagt werden, daß jede Deutung, die ermöglicht,
den aramäischen Ideogrammen die gleiche Bedeutung zu sichern wie den
entsprechenden mitteliranischen Wörtern, den Vorrang zu beanspruchen
hat gegenüber solchen, von denen dies nicht gilt. Es ist ebenso einleuch-
tend, daß das Ideogramm brh = br' „ S o h n " bedeutet, wie es sinnlos ist, daß
man hier „sein Sohn" zu übersetzen habe. Insofern ist Schaeders Deutung
unbedingt der Vorzug gegenüber der Hennings zu geben. Nur eine Schwierig-
keit bleibt bestehen, -h im Wechsel mit Älaf beim St. emph. ist zunächst eine
Besonderheit des Reichsaramäischen und des Biblisch-Aramäischen, und
nur auf diese hat sich Schaeder berufen. Inzwischen hat sich erwiesen, daß
die angenommene Verbindung der mitteliranischen Ideogramme mit der
aramäischen Verwaltungssprache der achaimenidischen Zeit nicht besteht.
Das Verbindungsglied, nämlich die behauptete ideographische Schreibung
unter den Arsakiden, hat sich als Fehlinterpretation enthüllt. Alle dafür in
Anspruch genommenen Texte sind aramäisch; sie sind in dieser Sprache
geschrieben und gelesen worden. Auf den reichsaramäischen Wechsel
zwischen h und Älaf sich zu berufen, unterhegt nunmehr Bedenken. Es
müßte zuvor erwiesen werden, daß sich dieser Wechsel in den aramäischen

2 Iranische Beiträge 1, 3 3 f . ; vgl. auch W . Baumgartner in: ZAW., Ν. Γ . 4


(1927), gof.
8 a. O. 34 Anm. 2.

β·
84 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Urkunden der arsakidischen Zeit fortgesetzt und auf diesem Wege bis in
sasanidische Zeit erhalten habe.
Theoretisch wäre dergleichen durchaus möglich. Aber das Erhaltene
zeigt ein anderes Bild. Die Ostraka von Nisä schreiben hwt' und krm']das
Pergament von Avrömän hat yrh', krm', kl'; die aramäische Inschrift
von Mchet'a (oben S. 8f.) br'; der Silberteller von Bori tb'; Tang-i
Sarvak s/m', kwrsy', kwrs', 'hr'\ 'hyryn'; myd'; S'ys'; 'mwn ; die Inschrift
von Susa mlk'. Das Ergebnis dieser Durchmusterung ist eindeutig. Außer
bei den Pronomina zeigt sich auslautendes -h nirgends. Die Substantiva
im Stat. emph., auf die es hier ankommt, schreiben ausnahmslos im
Auslaut Älaf. So scheint keine Verbindung von einem brh der achaimenidi-
schen Zeit zu dem gleichlautenden Ideogramm zu führen.
Damit ist jedoch die Deutung des Ideogramms brh als br' keineswegs
erledigt. Denn fürs Jüd.-Aramäische gilt wieder, daß h und Älaf im
Wechsel für auslautendes -ä stehen 4 . Und dasselbe läßt sich in Hatra 6
und an den magischen Texten beobachten®. Beide Schreibweisen gehören
in die gleiche Zeit, aus der die mitteliranischen Belege bezeugt sind. Brh ist
demnach die Form, die fürs zeitgenössische Aramäisch Babyloniens möglich
und belegt ist. Man ist auf dasselbe Ergebnis gestoßen, das sich im vorigen
Abschnitt einstellte 7 . Die Sprache der Ideogramme ist zunächst die des
späteren Ostaramäisch, nichts anderes.
Es bleibt bry, Henning zufolge „mein Sohn". Es steht nicht allein,
sondern hat eine Reihe ähnlicher Bildungen neben sich: 'hy „Bruder",
mr'y (in wechselnder Schreibung) „Herr", mr'ty „Herrin" und andere mehr.
Es stellt sich die Frage, ob man „mein Herr" oder „Herr", „meine Herrin"
oder „Herrin" übersetzen soll, und dasselbe gilt für bry. Zweifellos gibt es
Fälle, wo die Anredeform des Typus „mein Herr" zum Titel erstarrt ist. Der
Vergleich mit monseigneur, monsieur, monsignore und Verwandtem drängt
sich auf. Mr'y als Titel begegnet in den Elephantine-Papyri, in den ArSäma-
Pergamenten. Im Syrischen kennt man mry als Titel von Geistlichen 8 .
In den Asoka-Inschriften von Taxila und Kandahar und in den In-

4 G. Dalman, Gramm, d. jüd.-palästin. Aramäisch 52.


4 A. Caquot in: Syria 29 (1952), i i o f . ; vgl. 32 (1955), 270 Nr. 74,4.
• W. H. Rosseil, a. O. 20; 36.
' Oben S. 81 f.
* C. Brockelmann, Lexic. Syriac.* 401 r.
3· S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 85

Schriften von Hatra 9 erscheint mr[')n in gleicher Funktion 1 0 . Im Syrischen


kann mm vor Kaisernamen, auch vor solche verstorbener Herrscher, ge-
setzt werden. Uberall wurde das beigefügte Personalsuffix nicht mehr als
solches empfunden. Auch bry ist solch eine erstarrte Form geworden. Auf
dem Pergament von Avrömän, in der Bilinguis von Mchet'a und der In-
schrift von Susa hat es zweifellos die Bedeutung „Sohn" und nicht „mein
Sohn". Es entspricht genau einem br auf den Inschriften von Tang-i Sarvak.
Es kommt ein Umstand hinzu. Im Syrischen und Mandäischen wurde
das Suffix der i . Sing, zwar geschrieben, aber nicht gesprochen 11 . Wäh-
rend aber im Syrischen br = bar, bry — ber lautet, zeigt mand. b'r,
br, bry, die alle gleichfalls „mein Sohn" bedeuten konnten, daß auch
bry = bar lautete 12 . Dies bewirkte, daß für den Schreiber, der einen Text
nach Diktat niederschrieb, zwischen bry „mein Sohn" und br „Sohn" kein
Unterschied mehr bestand. So konnte geschehen, daß die vollere Form bry
durchgehend an die Stelle von br trat, während umgekehrt im Mandäischen,
auf Grund der gleichen Erscheinung, gewisse im Possessivverhältnis der
i. Sing, gedachte Wörter durch die endungslose Form ausgedrückt wurden 13 .
Wieder ist man aufs gleichzeitige Ostaramäisch gestoßen. Bry statt
brh, br' ist lediglich eine Sache der Gewohnheit, und wenn es des Beweises
noch bedürfte, so hat ihn die aramäische Inschrift von Mchet'a geliefert.
Sie schreibt br' zy prsmn, br' zy zywh, br' zy mr', wo die Bilinguis brty zy
zywh, bry zy 'gryp setzt. Daß es sich hier wie dort um die gleiche Sprache
handelt, wird niemand bezweifeln. Es ist Schreibergewohnheit, ob man br'
oder bry anwendet; jedenfalls bedeutet auch bry „Sohn", nicht „mein
Sohn".

5
Henning folgt in dem Abschnitt über die „schwachen Verben" 1 fast
völlig dem, was zuvor Η. H. Schaeder dargelegt hatte 2 . Gemeint sind, um
zunächst die Bezeichnung richtigzustellen, die Verba tertiae infirmae.
Grundform der Ideogramme, soweit sie dieser Klasse angehören und nicht

• A . Caquot in: Syria 32 (1955), 50, Nr. 43, 1 u a m . ; ebenso mrln „unsere Herrin".
10 Altheim-Supplementum Aramaicum 16 f ; 95.
1 1 Altheim-Stiehl, a. O. 72 und Anm. 32.

1 1 Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 175.

1 1 Th. Nöldeke, a. O. 175.

1 a. O. 35 f.

1 Iranische Beiträge 1, 37 f.
86 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Imperfekte darstellen, bilden Formen des Imperativs Sing. masc.


vom Typus hyy „lebe" und Verwandten 3 . Für Henning verwandeln sich
diese Formen zu „Urideogrammen 4 ". Sie werden nicht vor dem i. Jahr-
hundert n. Chr. erweitert, und zwar mit den Formantien -h, -w und -t. So
entstehen Ideogramme der Typen HZYH, SDYW und SDYT. Schaeder
nahm an, daß die Erweiterungen „sekundär, in dem Maße, wie bei den
iranischen Schreibern die Unkenntnis des wirklichen Lautwertes und damit
die Erstarrung" der Ideogramme voranschritt, stattgefunden hätten. Der
Zusatz -h bei HZYH soll dabei auf parthische Imperfekte des Typus
YMT'H zurückgehen, bei denen er selbst teilweise schon sekundär ge-
wesen sei. Für -w beruft sich Schaeder auf die Endung der 2. Plur. des
Imperativs, die schon auf dem Pergament von Avrömän „ideogrammatisch"
mit dem Partizip verbunden worden sei (zbnw, mzbnw). Endlich -t bilde ein
phonetisches Komplement iranischer Herkunft. Henning ist in der Lage, auf
Grund der nach Schaeders Veröffentlichung gefundenen Inschrift von
Susa aus dem Jahr 215 BNY-t beizusteuern, auf der -t als iranisches Kom-
plement erwiesen sei. Als letzte Spielart der Erweiterung sei -tn, -twn hin-
zugetreten, eine Ansicht, die von Schaeder begründet und von Henning
übernommen wurde.
Diese Theorie mutet den Ideogrammen und ihren Schreibungen jeden
nur denkbaren grammatischen Widersinn zu. Grundsätzlich scheint alles
möglich zu sein. Man hätte sich, Henning zufolge, zunächst mit einem Ur-
ideogramm zu befreunden. Zugegeben, daß ein Urvolk, eine Ursprache, eine
Urheimat und was dergleichen mehr ist, bei verschiedener Gelegenheit
bemüht worden sind. Alledem war bisher gemeinsam, daß es in vorge-
schichtlicher .Urzeit' angesiedelt wurde, dort also, wo mangels genaueren
Wissens für solche Schemen und weitere ihrer Art Raum genug vorhanden
zu sein schien. Das Urideogramm indessen müßte in geschichtlicher Zeit ent-
standen sein und dort sein Wesen getrieben haben. Wenn man den Angaben
folgt, die Henning zur Verfügung stellt, müßte es vor dem 1. Jahrhundert
n. Chr., aber nach dem Ausgang der achaimenidischen Herrschaft geblüht
haben. Man befände sich demnach in hinreichend bekannter, geschichtlicher
Zeit, und man kann auch nicht sagen, daß es in dieser der Zeugnisse in
aramäischer Sprache ermangelte. Da sind die Inschriften Aäoka's aus
Taxila, Pul-i Daruntah und Kandahar; da sind weiter die vom See Sevan

* a. Ο. 39.
4 a. Ο. 36.
3· SASANIDISCHE IDEOGRAMME 87

in Armenien; es gibt die Ostraka von Nisä, das Pergament von Avrömän.
Nirgendwo läßt sich jenes Urideogramm, bislang unbekannte Species
innerhalb der grammatischen Fauna, fassen. Daß angebliches BNYt sich
inzwischen als einfaches aramäisches bnyt = banyat oder bnet erwiesen
hat, wird sich sogleich zeigen.
Nicht minder seltsam sind die Umstände, die bei einem zweiten Ausflug
in die gleichen Jahrhunderte zutage getreten sind. Denn daß die Vorstellung,
man habe sich damals aramäischer Sprachkenntnisse zusehends entäußert,
alle Wahrscheinlichkeit gegen sich hat, konnte zuvor gezeigt werden.
Henning beansprucht gerade die Jahrhunderte für seine sprachliche Ver-
wahrlosung, die als Blütezeit aramäischer Sprachen und aramäischen
Schrifttums gelten dürfen. Indessen, Urideogramm und Verwahrlosung
vereint verleihen den Vertretern der bisherigen Theorie, Schaeder und
mehr noch Henning selbst, sozusagen einen Freibrief. Kraft dessen ist
gestattet, Endungen des Imperfekts (oder was man dafür hält) an die
2. Sing, des Imperativs treten zu lassen, Endungen der 2. Plur. des Impe-
rativs wiederum an die 2. Sing, desselben Modus zu fügen oder Partizipien
mit der gleichen Endung zu versehen. Das zur Kennzeichnung dieses Ver-
fahrens gebrauchte Wort „ideogrammatisch" soll verdecken, daß es sich um
eine grammatische Sinnlosigkeit handelt. So wird dem geduldigen Leser
denn auch wenig erspart. Das — wohlgemerkt: iranische — Komplement -t
wird mittels des -«, -wn der aramäischen Imperfektformen zu -tn, -twn er-
erweitert, wohingegen Nöldeke, nüchterner Grammatiker alten Schlages,
das derart entstandene HZYTWN noch als 2. Plur. Perf. erklärt hatte 5 .
Niemandem scheinen gegenüber diesem Verfahren Bedenken gekommen zu
sein, und Henning spricht gar angesichts der Form HZYTWN davon, man
müsse sie ,,zwiebelgleich auswickeln", um zum „Urideogramm" H Z Y zu
gelangen.
Ein Appell ans philologische Gewissen scheint nachgerade erforderlich.
Bevor man sich zur Anerkennung grammatischer Anarchie versteht, sollte
man fragen, ob sich nicht doch ein Weg zur Erklärung aus der Ge-
schichte der aramäischen Sprache und ihrer Grammatik finden lasse. Und
bevor man die Sinnlosigkeit (ob „ideogrammatisch" oder nicht, bleibt eins)
der Erklärung substituiert, sollte man sich einen Augenblick überlegen, ob
nicht doch dem Verfahren ein Sinn zugrunde liege. Endlich: wenn Deutungen
aus dem Aramäischen der achaimenidischen Zeit nicht gelingen wollen,
s In: WZ KM. 16, 3.
88 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

hätte man zu erkunden, ob nicht spätere Spielarten der Sprache die ver-
mißten Möglichkeiten bieten.
H. S. Nyberg* ist eine Deutung gelungen, die an den Anfang gestellt sei.
E r hat HZYTWN als häzettön verstanden, demnach als Pluralform häzen
des Part. Act. P e 'al mit verkürztem Pronomen der 2. Plur. attön. Es be-
deutete dann: „ihr seid sehend, ihr seht". Schaeder 7 hat dagegen eingewandt,
derartige Bildungen kämen zwar im Ostaramäischen, aber nicht im älteren
Aramäisch vor. Das trifft zu. Aber was einstmals als Einwand gelten mochte,
dient heute zur Empfehlung. Nachdem die unmittelbare Verknüpfung der
Ideogramme mit der achaimenidischen Zeit sich gelöst, überhaupt das
Bestehen von Ideogrammen in arsakidischer Zeit sich ins Nichts ver-
flüchtigt hat, ist die Bedeutung des Ostaramäischen zur Erklärung der
überlieferten Formen zusehends deutlich geworden.
Nybergs Erklärung gestattet, andere Formen einzubeziehen. Zunächst,
was selbstverständlich ist, die sonstigen Angehörigen von Schaeders vierter
Gruppe, also MHYTN, KRYTN, SGYTN und andere mehr. Aber auch
die zweite Gruppe läßt sich anschließen. Zunächst mit -t: parth. H Z Y Τ wäre
häzet(t) „du siehst", RMYT: rämet(t) „du wirfst", demnach Part. Akt. P c 'al
mit den verkürzten Formen des Personalpronomens der 2. Sing. at(t). Auf die
Entsprechungen im Syrischen 8 , Mandäischen8 und Jüd.-Aramäischen 10 sei
verwiesen. Es trifft sich gut, daß auch Hennings BNYt der Inschrift von
Susa sich erledigt hat 1 1 . Der Satrap, der auf dieser Inschrift den König
anredet, sagt: bnyt hztk = banyat hzätäk „dein Bildnis (wurde) errichtet.
Oder es kann verstanden werden: bnet hzätäk „ich habe dein Bildnis er-
richtet".

* In: Le Monde Oriental 17, 225.


7
a. Ο. 40. — Schaeder fügt dem gleich zu nennenden Einwand einen zweiten hinzu
(a. O. 40 Anm. 1). HWYT(W)N lasse sich nicht als häwettön erklären, da im älteren
Aramäisch ein F*' al nicht bezeugt sei. Aber die dem Ideogramm zugewiesene Bedeu-
tung: „wissen" (dänistan) fügt sich der fürs P a " e l und Af'el bezeugten: „zeigen" so
gut, daß man annehmen muß, es habe ein solches f ' a l in einem späteren Dialekt
gegeben. Ein Hinweis darauf ist in jüd.-aram. h'wiitä „Unterrichtung" erhalten.
Oder darf man an ein Part. Pass. Plur. masc. vom P a " e l oder A f ' e l ohne das Präfix m-
denken ? Vgl. Anm. 19 und die dort gegebenen Belege aus dem Jüd.-Aramäischen. Wie-
der stößt man aufs Ostaramäische, Nyberg ist mit seiner Lesung im Recht gewesen.
* Th. Nöldeke, Kurzgef. Syr. Gramm. 2 44 f. §64.
• Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 230f.
le
G. Dalman, Gramm, des jüd.-paläst. Aramäisch 234t. §65.
11
Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg. 1 , 4 8 ; East and West 10
(1959), 257·
3· SASANIDISCHE IDEOGRAMME 89

Dem zur Seite treten die Formen mit -w. Denn die Erklärung der Verben
mzbnw, zbnw des Pergaments von A v r ö m ä n als ideographische Schreibung
mußte inzwischen gleichfalls fallen. Man hat in beiden Wörtern das Partizip
mit dem als Kopula verwandten Pronomen der 3. Sing, zu erkennen:
mzbn + {h)w, zbtt + ( h ) w 1 2 , demnach eine im Ostaramäischen zur Genüge
belegte Konstruktion. Danach besteht keine Schwierigkeit, parth. HZYW
als häze-(h)ü „er ist sehend, er sieht" oder RMYW als räme-{h)ü ,,er
w i r f t " , zu erklären 1 3 .
Den bisher erklärten Typen von Verbalideogrammen ist eigentümlich,
daß sie sämtlich praesentische Bedeutung besitzen, aber die Personen
wechseln können: HZYT, HZYW und HZYTN1* stehen nebeneinander.
Zwanglos schließt sich hier Schaeders dritte Gruppe an, die aramäischen
Imperfekte enthaltend: parth. YMT'H, YB'H, mittelpers. Y'TN, Y'
TWN, YHMTWN. Wieder wechselt die Person, aber die praesentische
Bedeutung ist diesen Formen mit den zuvor behandelten gemeinsam.
Damit bestätigt sich, was zuvor gesagt wurde: daß es nirgends auf
die Person ankam, überall aber auf die praesentische Bedeutung. Hier
wird nützlich sein, die ausgezeichneten Bemerkungen heranzuziehen, die
F . Rundgren in seiner Untersuchung über „ D a s altsyrische V e r b a l s y s t e m " 1 5
gemacht hat 1 6 : In dem Maß, wie die Form die ursprünglich den
konstativen Aspekt, gleichmäßig für Gegenwart und Vergangenheit, um-
faßte, in Richtung auf ein Praeteritum hin sich entwickelte, wurde das
zugehörige *yiktul mehrdeutig. E s mußte langsam dazu übergehen, neben
dem kursiven Aspekt, f ü r Gegenwart und Vergangenheit, auch den kon-
stativen für die Gegenwart zu übernehmen. Dem hat bereits im Bibl.-
Aramäischen entgegengewirkt, daß das aktive Partizip mit der Form
*yiktul in Wettbewerb trat. Das aktive Partizip wurde im Sinne eines
generellen Praesens, eines Praesens der echten Gegenwart gebraucht17.
Dementsprechend findet sich im Syrischen, in den ostaramäischen Mund-
14
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 65; an den zuvor, gen. 0.38 und
249. Es sei bemerkt, daß die Schreibung -w, also hw ohne h, sich auch im Syrischen
belegen läßt: dhilü in der Biographie des Mär Yaballähä 53, 15 Bedjan.
11
Über '$THW vgl. unten.
14
Das Ideogramm für däStan, von Nyberg YHSNW = yahsenü(tt), von Junker
YHSNN gelesen, ist zweifellos das zweite, wie jetzt die Synagogeninschriften von
Dura-Europos bestätigen: Altheim-Stiehl, Philologia sacra 60.
14
Ur Spräkvetenskapliga Sällskapets i Uppsala Förhandlingar 1958—60, 49 f.
" F. Rundgren, a. O. 57f.
17
Bauer-Leander, Gramm, des Bibl.-Aramäischen 290 f.
90 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

arten überhaupt als Ergebnis des Wettbewerbs zwischen *yiktul, nektol


und kätel ein neues Verbalsystem vor, in dem eine neue, echte — vom
aktiven Partizip aus geschaffene — Präsenskonjugation kätel, kätlä,
kätlat(t) usw. eine große Rolle spielt. Die weitere Entwicklung braucht
nicht verfolgt zu werden, da das Gesagte zum Verständnis genügt. Es zeigt
sich, daß die Formen häzettön, häzet{t), häze-ü auf der einen Seite, yetön,
ytnltün auf der anderen sich zu einer Zeit im Ideogrammsystem gegen-
übertraten, da beide neben dem kursiven Aspekt die praesentische Be-
deutung gemein hatten 18 .
Die Erklärung ist einfach. In unseren Handbüchern sind sämtliche
Formen mit Infinitiven des Praesens wiedergegeben: dänistan, xrästan und
anderen mehr. Im praktischen Gebrauch bezeichnet das bloße Verbal-
ideogramm ohne phonetisches Komplement die 2. Sing. Imper. Praes., was
bestätigt, daß es auch auf iranischer Seite nicht auf Infinitiv oder Imperativ,
sondern auf die praesentische Bedeutung ankam. Wenn diese Feststellungen
zutreffen, so hieße dies, daß die Verbalideogramme alles andere als will-
kürliche Bildung sind. Bisher spricht, was sich beobachten ließ, dafür, daß
sie mit grammatischem Verständnis gewählt und ausgebaut worden sind 19 .
Es bleiben die Verbalideogramme auf -h. Schaeder verteilt sie auf die
erste, und soweit dieser Auslaut an Imperfekte antritt, auf die dritte
Gruppe. Eingedenk der zuvor gemachten Feststellung, daß im Auslaut
Älaf und -h wechseln können (br' und brh), entsprechen parth. 'TYH,
mittelpers. ΒΎΗ, BRYH der Schreibung der Partizipien unserer Verben
im Mandäischen: k'ry', h'zy', *ty*, b'yy'20. Ebensowenig, wie hier das aus-
lautende Älaf im Mandäischen gesprochen wurde (dementsprechend vor
Suffix auch in der Schreibung verschwand), so auch in den Ideogrammen:
'TYH ist äte „kommend" und „er kommt", B'YH: bä*e „wollend" und

" F. Rundgren, a. O. 58.


1
* Allein HYTYW und das gleich zu nennende HYMNW machen Schwierigkei-
ten. Beide Verben sind Haf'el. Partizipien + hü anzunehmen, widerrät zunächst das
Fehlen des Präfixes m-. Aber im Gegensatz zum Syrischen begegnen im Jüd.-Ara-
mäischen gelegentlich Partizipialbildungen im Pa"el und Af'el ohne dieses Präfix:
'pkynn ,,wir bringen hervor"; 'dbkynn „wir schließen uns an" u . a . m . (G. Dalman,
Gramm, d. jüd.-palästin. Aram. 230 oben). Im Neuostaramäischen, dem Abkömmling
des Mandäischen und der Sprache des babyl. Talmud (K. Cereteli, oben 3, 219), ist
hmn< hymn ,.glauben" zum dreiradikalen Verb geworden (J. Friedrich, Zwei russische
Novellen in neusyr. Übersetzung und Lateinschrift, Abhandl. f. d. Kunde d. Morgenl.
33, 4 [1960], 74).
Je
Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 259.
3. SASANIDrSCHE I D E O G R A M M E 91
„er will" und steht demzufolge HZYT häzet(t) zur Seite. Auch die zuvor
angeführten Imperfekte auf -h, also Schaeders dritte Gruppe, erklären
sich auf gleiche Weise. Denn parth. Y B ' H findet wiederum im Auslaut
auf mandäischer Seite die Entsprechung: nykry', nyhzy', nySty', nyty',
nyby*21.
Das Ergebnis ist einfach und eindeutig zugleich. Die besprochenen
Bildungen sind zwanglos aus dem Ostaramäischen zu erklären, und hier
fügt sich alles den grammatischen Regeln. Nirgendwo braucht Willkür an-
genommen zu werden, im Gegenteil: die durchgehende praesentische Be-
deutung sowie die Gleichgültigkeit gegenüber der Person ordnet sich der
Tatsache ein, daß die mittelpersische Bedeutung regelmäßig mit dem
Infinitiv und Imperativ des Praesens wiedergegeben wird.

NACHTRAG

Die behandelten Formen des Typus HZYTWN = häzettön finden ihre


Vorgänger in den Inschriften von Mchet'a. Die Bilinguis hat m'ytyn „ich bin
sterbend", „ich sterbe", eine Bildung, deren Erklärung viel Schwierig-
keiten gemacht hat. Wir haben das Richtige oben 2, 178 f. gegeben. In
der aramäischen Inschrift vom gleichen Ort hat sich die entsprechende
Form gefunden: hwyn Zeile 5, was häwen „ich bin" ist (oben S. 16). Die
Merkwürdigkeit, daß Serapitis von sich selbst das maskuline Part. Perf.
P " a l gebraucht, findet im Mandäischen seine Entsprechung. Auch dort
wird das Masculinum gebraucht, wo man das Femininum erwartet (Th.
Nöldeke, Mandäische Gramm. 231; oben 2, 178). Entsprechend tritt im
Syrischen in den Formen der 1. Plur. fem. bisweilen das Maskulinum für
das Femininum ein: kätlln + hnan ) kätlinan statt kätlän -f- hnan ) kätlänan
u.a. (Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm. 2 45 § 64 Anm. 1). Aus den magi-
schen Texten sei ein weiteres Beispiel hinzugefügt: Ibisitten aus Ibisin -f-
atten „ y e (fem.) are clad": W. Η. Rossell, A Handbook of Aramaic Magical
Texts 51 unter 7. 16.

6
Was zuvor dargelegt wurde, bezog sich zunächst, ausgehend von den
Darlegungen Hennings und Schaeders, auf die Verben tertiae infirmae.
Was wir an Neuem und, wie wir annehmen, an Richtigem an die Stelle des
21 Th. Nöldeke, a. O. 258.
92 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Bisherigen gesetzt haben, beansprucht indessen, auch für die übrigen Ver-
balideogramme zu gelten. Darum sei zur Kontrolle durchmustert, was der
Frahang an die Hand gibt 1 .
In diesem ist, sozusagen als Normalfall, die Endung -wn durchgeführt.
Also nicht nur bei dem Typus HZYTWN, SDYTWN, wo -twn als ver-
kürztes attön legitim ist, sondern auch für alle Fälle, die bisher dem Typus
HZYW = häze + (h)ü zugerechnet wurden. Von auslautendem -w haben
sich nur vereinzelte Spuren erhalten (sämtlich vom Herausgeber verkannt):
1. ZBNW 24 und MZBNW 31, von Junker ZBNN und MZBNN verlesen,
aber durch zbnw und mzbnw des Avrömän-Pergamentes gesichert;
2. THNW = ärtan 32, von Junker als THNN verlesen;
3. MDMHW = sahistan 30 von Junker als MDMHN verlesen. Ein P a " e l
von dmä in der Bedeutung „similis fuit" ist fürs Ostaramäische be-
zeugt: C. Brockelmann, Lexic. Syriac. 2 157 1. Also mdamme-(h)ü, wobei
Nyberg das Partizip richtig beurteilt hat 3 .
Daneben stehen einige Fälle, die gesonderte Betrachtung verlangen.
HYMNW 13 (von Junker als HYMNN verlesen) gehört zu HYTYW und
ist wie dieses zu beurteilen (oben S. 90 Anm. 19). Sodann *§MHW = aS-
nütan und 'STHW — Wartan. Nyberg 3 erklärt das erste als 'ceSmä -f· ü, das
zweite als 'ceSte + w; an anderer Stelle werden beide mit schließendem -w
umschrieben 4 . Da ist zunächst festzustellen, daß bei 'STHW das zu Anfang
stehende 'Ain ein Älaf vertritt 6 * und damit auf syr., jüd.-aram. etti
verweist &b . Der Vorschlag ist nicht nur in diesen beiden aramäischen
Dialekten möglich®, sondern auch im Mandäischen, wo entsprechend
"STHW neben Älaf auch 'Ain, obzwar weniger oft, erscheint 7 . Da eine
3. Plur. Masc. nicht in Betracht kommt, muß man sich nach anderer Er-
klärung umsehen. Das Jüd.-Aramäische bietet 'yUh, „er trank" 8 . Aber
auch von dort scheint kein Weg zu 'STHW ZU führen.

1 Angeführt mit der Seitenangabe von H. F. J. Junkers Ausgabe von 1955.


2 Hilfsbuch des Pehlevi 2 (1931), 199; 297.
* a. O. 2, 25; 137.
4 a. O. 298.
** V g l . das Mandäische: T h . Nöldeke, Mandäische Gramm. 5 7 f . § 5 7 .
sb Darüber G. Dalman, Gramm, des jüd.-palästinens. Aramäisch, Anhang 38 r.
• G. Dalman, a. O. 6 7 ; Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm. 8 36f § 5 1 .
7 Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 25 § 24.
• G. Dalman, a. O. 6 7 ; 281;
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 93

Neben 'ysth bietet das Jüd.-Aramäische die Form it' ,,er trank"*, ent-
sprechend syr. Stä neben eStl. D a ß man diese Form auch sonst schrieb, zeigt
d a s O s t r a k o n Η 125 Α aus Dura-Europos 1 0 . Sein T e x t beginnt m i t : hmrn g
XX Stn. Nachdem man nicht mehr genötigt ist, ideographische Schreibung
für die arsakidische Zeit anzunehmen, kann man den T e x t ungezwungen ara-
mäisch lesen und verstehen (das Ostrakon mag in das 2. Jahrhundert n. Chr.
gehören oder in den Beginn des 3.). W i r verzichten darauf, anderweitige und
uns durchaus bekannte Vorschläge, die alle von der Voraussetzung ideogra-
phischer Schreibung ausgehen, zu kritisieren. Denn das Richtige bietet sich
an. Hmrn ist der zu erwartende Singular des allein im Plural erhaltenen syr.
hamräne11. Die A b k ü r z u n g g ist die Bezeichnung eines Maßes, und da es sich
um Wein handelt, wird syr. gräbä , , K r u g " gemeint sein, das in anderen ara-
mäischen Dialekten und in arab. giräb, äthiop. geräb seine Entsprechung be-
s i t z t 1 2 . Stn endlich ist entweder Plur. masc. Part. Act. P " a l (Säten) oder die-
selbe Form des passiven Partizips (Sten) zu Stä „trinken". Die korrekte
Bildung und die defective Schreibung wird durch die Parallelen des Jüd.-
Aramäischen gewährleistet 1 3 . Man hat demnach zu übersetzen: „(an) Wein
20 K r ü g e haben sie getrunken" oder „wurden getrunken". Das aktive Parti-
zip vertritt hier die Dauer in der Vergangenheit („sie haben nach und nach
entleert"), das passive wie üblich das Perfekt 1 4 . Die Schreibung des vorge-
schlagenen 'Ain ist also spätere Hinzufügung, nach dem Vorbild der genann-
ten ostaramäischen Formen; die Vertretung von Älaf durch h wurde bespro-
chen. h als Vokalstütze für i (e) zeigt das genannte 'ySth. 'STHWmt sich
demzufolge ungezwungen als Säte-(h)ü erklären. Die Folgerung für
lautet, daß auch da 'Ain späterer Vorschlag ist; er begegnet erstmals
auf der oben 3, 36f. behandelten Synagogen-Inschrift aus Dura-Europos.
A u s dem Mandäischen kennt man Erhaltung von 'Ain im Auslaut durch
Umwandlung in A 1 5 . Also * $ M H W < $ M ' W = Säme-(h)ü.

' G. Palman, a. O. 67; 281.


10 Abgebildet bei Altheim-Stiehl, Das erste Auftreten der Hunnen (1953) A b b . τ
(vor S. 9).
11 Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm. 2 49t., wo alle syrischen Wörter mit dieser
Pluralbildung zusammengestellt sind.
12 C. Brockelmann, Lexic. Svriac. 2 130 r.; C. F. A. Dillmann, Lexic. ling. Aeth.
(195.·)) 1156.
1S G. Dalman, a. O. 29of. b'n, r'n, snn und tin.
11 Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 374f.: 379f. § 2 6 2 ; Kurzgef. syr. Gramm. 8
206 § 274; 209 § 278 A.
ls Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 71 §64.
94 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

In den übrigen Formen ist statt -w die Endung -wn durchgeführt. Man
hat demnach die Formen auf -w als 3. Plur. Masc. mißverstanden. Da die
Perfekt-Endung -w in den ostaramäischen Dialekten durch -wn ersetzt wer-
den konnte — nicht nur im Syrischen, sondern auch im Jüd.-Aramäischen
und Mandäischen1· —, führte man die Endung bei den Ideogrammen durch.
Gleichwohl läßt sich, über das Gesagte hinaus, an einer Reihe von
Ideogrammen erkennen, daß ursprünglich die Verbindung eines Part. Act.
P " a l mit dem als Kopula verwendeten Personalpronomen der 3. Sing. Masc.
gemeint war. Jenes Partizip wird auf den beiden Inschriften von Mchet 'a,
wie wir gezeigt haben 17 , in der zweiten Silbe plene geschrieben: m'yt = tnä 'et,
n$yh = näseh, *byd = 'äbed, tnlyk = mälek. Diese Piene-Schreibung
kennt man bei dem gleichen Partizip im Jüd.-Aramäischen 18 und im
M a n d ä i s c h e n 1 9 . F o r m e n wie NBY'WN vextan 1 — 2 , 'BYDWN = kartan 1,
'RYKWN = virextan 2 zeigen somit, daß sie einstmals die Part. Act. P " a l
näbe', 'äbed, 'ärek als vorderes Glied enthielten.
Damit ist unsere Auseinandersetzung mit Hennings Darlegungen beendet.
Ähnlich wie bei den vorsasanidischen .Ideogrammen', hat sich auch bei
den sasanidischen gezeigt, daß bei genügender Kenntnis der aramäischen
Sprache sich sämtliche Formen grammatisch und sprachgeschichtlich ein-
wandfrei deuten lassen.
Es erübrigt sich, auf den Abschnitt, der die Verwechslung von 'Ain
und Älaf 20 behandelt, einzugehen. Die Übereinstimmungen mit dem Tal-
mudischen und Mandäischen21 sind zu augenfällig, als daß sie sich über-
sehen ließen. Wir dürfen sie als Bestätigung dessen werten, was im Vor-
angegangenen nachgewiesen wurde: daß das Aramäische der sasanidischen
Ideogramme in allem Wesentlichen mit dem Ostaramäischen übereinstimmt.

7
Die vorliegende Untersuchung folgt einer Reihe anderer, die das Ver-
hältnis der europäischen Hunnen zur frühsasanidischen Kultur behandeln.
Soviel ist deutlich geworden, daß die Ideogramme nicht das Ergebnis einer
Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 223.
17
Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 82; Die aramäische Sprache 1. Lfg.
42f.; 45; oben 1, 249; 2, 178 und in diesem Band S. 11.
18
G. Dalman, a. O. 230.
" Th. Nöldeke, a. O. 230.
10
a. O. 36 f.
11
Th. Nöldeke, a. O. 57t. und 58 Anm. 2; 6gi.
3. S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 95

Jahrhunderte währenden Entwicklung bildeten. Sie wurden mit dem


Emporkommen der Sasaniden erstmals konzipiert und in den Jahrhunderten
danach ausgebaut. Dabei scheint den Ideogrammen des Mittelpersischen
die führende Rolle zugefallen zu sein 1 : die Besprechung der Demonstrativa
hat ergeben, daß die parthischen denen des Mittelpersischen nachgebildet
sind. Gleichzeitig scheinen die Ideogramme des Soghdischen entstanden
zu sein. Sie hegen erstmals in den alten soghdischen Briefen zu Beginn
des 4. Jahrhunderts vor.
Das Ergebnis bestätigt sich an der Sprache der Ideogramme. Die bis-
herige Forschung hielt — im Banne der Vorstellung, daß sich die ideo-
graphische Schreibung in früharsakidischer Zeit entwickelt habe — den
Blick einseitig auf die Übereinstimmungen gerichtet, die sie zwischen der
aramäischen Verwaltungssprache der Achaimeniden und den Ideogrammen
zu finden glaubte. Solche Ubereinstimmungen sollen nicht geleugnet werden.
Aber sie beweisen nicht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem
Aramäisch der achaimenidischen Zeit und der ideographischen Schreib-
weise unter den Sasaniden. Sondern sie gehen darauf zurück, daß reichs-
aramäische Bestandteile (wie man ohnedies weiß) im schriftlichen Gebrauch
oder auch innerhalb der lebendigen Sprache durch die Jahrhunderte sich
erhalten hatten. In allem Übrigen bieten die Ideogramme das Bild des
späteren Ostaramäisch, und dies gilt insbesondere für das Verbum, dessen
Formen sich allein von dorther verstehen lassen; es gilt daneben auch für
lautliche Erscheinungen 2 . Überall lieferte das Ostaramäische den Schlüssel
zur Erklärung, während der Versuch, diese vom älteren Aramäisch aus zu
versuchen, zu Mißdeutungen, teilweise grotesker Art, geführt hatte. Genug:
die Sprache der Inschriften von Tang-i Sarvak, Susa und Hatra, der ersten
mugtasila (Fihrist 328, 5) und ihrer Nachfolger, der Mandäer 3 , das Aramäisch
der Targume und des babylonischen Talmud, endlich das der magischen
Texte — alle der spätarsakidischen und frühsasanidischen Zeit angehörig —
spiegeln sich in den Ideogrammen. Und dies zeigt, daß die zuvor gegebene
Datierung zutrifft.

1 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. I.fg., 51 f.


2 F. Rosenthal, Die aramaistische Forschung 81; Altheim-Stiehl, a. O. 55.
' Zuletzt O. K l i m a in: Archiv Orientilni 28 (i960), 5 1 7 ; G. Widengren, Iranisch-
semitische Kulturbegegnung in parthischer Zeit 56 und Anm. 200 zeigen, daß man
allgemein einer neuen Bewertung der Mandäer entgegengeht, die auch ihren Ursprung
höher hinaufsetzt, als es unter dem Einfluß der Kritik Lietzmanns und Schaeders zuletzt
üblich war.
96 IRAN ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

Keinesfalls in gleiche Zeit gehört der Frahang-i Pahlavik. Sein Heraus-


geber, H. F. J. Junker, hat sich auch in seiner letzten Ausgabe nicht dazu
verstanden, eine Vermutung über die genauere Zeit der Entstehung zu
äußern. Doch schwerlich wird man fehlgehen, wenn man sich den Frahang
erst in nachsasanidischer Zeit entstanden denkt. Dieser späte Zeitpunkt
spricht nicht dagegen, daß innerhalb der Sammlung Formen und Schrei-
bungen bewahrt sind, die in ältere, jedenfalls in spätsasanidische Zeit
zurückgehen. Es hatte sich schon gezeigt, an Bildungen wie '$THW und
'SMHW sowie an der Durchführung der Endung -ww, daß Einflüsse der
ostaramäischen Dialekte weiterhin sich auswirkten.
Wieder darf man daran erinnern, daß die Hauptstadt der Sasaniden
mitten im aramäischen Sprachgebiet lag. Mit dem 6. Jahrhundert kommt
man in die Zeit, da der babylonische Talmud abgeschlossen und ein großer
Teil der mandäischen Schriften bereits verfaßt war. Aber auch in Iran
selbst war man jetzt den Einflüssen der ostaramäischen Dialekte ausgesetzt.
Hier wird von Bedeutung, daß zuvor, vor allem im dritten Band, eine
ständige Aufmerksamkeit der nestorianischen Mission und, im Zusammen-
hang damit, der Entstehung der neusyrischen (neuostaramäischen) Sprache
zugewandt wurde.
Die nestorianische Mission, so zeigte sich, ging in doppelter Richtung.
Sie wandte sich den kaukasischen Hunnen und den Hephthaliten zu. Hier
gehen uns allein die zuerst genannten an. Schon vor der Mitte des 6. Jahr-
hunderts erstreckte sich eine nicht abreißende Kette von nestorianischen
Gemeinden vom Zweistromland aus bis nach Äöurbaiyän, Gurgän und Ray.
Uberall gab es Bistümer, gab es syrische Kult- und Schriftsprache, und
in Merw war gar ein Mittelpunkt nestorianischer Ubersetzungstätigkeit
erwachsen. In die gleiche Zeit müssen die Anfänge dessen zurückgehen,
was heute als neuostaramäische Dialekte entgegentritt. Von Mosul aus-
gehend, führen sie westlich des Urmia-Sees nach Norden bis Salamasa. Die
sorgfältige Untersuchung K . G. Cereteli's (oben 3, 218 f.) hat alles gegen-
wärtig Erreichbare zusammengestellt. Daß die Einwanderung ostaramäisch
sprechender Nestorianer nach Medien und ÄSurbaiyän mit den Anfängen
und der Verbreitung der nestorianischen Mission zusammenfällt, ergibt sich
aus der Sache und wird weiter unten an einem Einzelfall erhärtet
werden.
Auch über die sprachliche Herkunft hat Cereteli das Nötigste gesagt.
Das Neusyrische weist, trotz dialektischer Zersplitterung, eine Reihe
3· S A S A N I D I S C H E IDEOGRAMME 97

sprachlicher Gemeinsamkeiten auf, die zeigen, daß nicht das edessenische


Syrisch, sondern das Mandäische und die Sprache der babylonischen Juden
die nächsten Verwandten bilden. Cereteli zählt auf: Verlust der finiten Form
des Verbums und Konjugation, der post verbale Nomina (also Partizipien)
zugrunde liegen; bewahrtes ä, Übergang von h zu h. Aus seiner lautgeschicht-
lichen Untersuchung mag man den Verlust der Emphatica, von Älaf und
'Ain hinzufügen. Diese Merkmale lassen über die Herkunft des Neusyrischen
keinen Zweifel.
Erneut zeigt sich, wie unbegründet die Ansicht Hennings ist, daß es im
iranischen Bereich zu einem Absterben der aramäischen Sprachkenntnisse
gekommen sein müsse. Zum ständig wirkenden Einfluß des aramäisch
sprechenden 'Irak waren jetzt ostaramäische Enklaven im ganzen Westen
gekommen, von jenen nestorianischen Gemeinden nicht zu reden, die sich
am Nordrand Irans bis über den Oxos erstreckten. Welch tiefe Spuren das
Ostaramäische in den Ideogrammen der sasanidischen Zeit hinterlassen
hat, konnte im Vorangehenden gezeigt werden. Dem braucht nichts mehr
hinzugefügt zu werden, wohl aber bedarf es einer allgemeinen Bemerkung.
Wie hinsichtlich der arsakidischen Ideogramme, so ist auch hinsichtlich
der sasanidischen die Wissenschaft lange Zeit in die Irre gegangen. Die
Theorien Herzfelds und Schaeders hat Henning sich ohne Abstrich zu
Eigen gemacht, zu einer Zeit, da Kritik und Besinnung fällig, wenn nicht
überfällig waren. Die Verfasser haben bekannt, daß die Beseitigung der
arsakidischen Ideogramme für sie „sozusagen eine Erlösung bedeutet hat.
Eine Erlösung von unbegründeten Hypothesen und teilweise von Zwangs-
vorstellungen, die die Forschung . . . bis in jüngste Zeit belastet haben" 4 .
Jetzt darf hinzugefügt werden, daß auch, was immer über die sasanidischen
Ideogramme gelehrt wurde, in Zukunft zu entfallen hat.

8
Es ist nun so, daß die ideographische Schreibung auf die europäischen
Hunnen nicht eingewirkt hat und nicht einwirken konnte. Dies gilt un-
beschadet der Feststellung, daß die älteste Schrift sich an das Vorbild des
4 Die aramäische Sprache i. L f g . , 59. G. Le Rider in: Numismatique Susienne
(i960) 18 liest auf Prägungen des parthischen Unterkönigs der E l y m a i s , Orodes' I I . :
„Orodes roi, fils d'Orodfes" wie f o l g t : URUD MALKA BaRi URUD. Hoffentlich
läßt sich dadurch niemand zur Annahme ideographischer Schreibung veranlassen.
Nach Ausweis von T a f . 2, 138 steht d a : wrwd bry zy mlh' wruid.

7 Altheim, Bannen IV
98 I R A N ALS GESCHICHTLICHER HINTERGRUND

armazischen, also eines aramäischen Alphabets gehalten hat (oben i , 268f.).


Denn die Voraussetzung, die unumgänglich war: längerer Gebrauch der
aramäischen Schriftsprache, war nicht gegeben. Doch die Westwanderung
der Hunnen und ihr Ansturm auf die spätantiken Reichsbildungen war nur
Glied einer umfassenden Bewegung, die neben den ersten Wellen der Türk-
stämme auch die Araber und Dromedarnomaden erfaßt hat (oben 1, 99
bis 191). Man steht angesichts einer nomadischen Bewegung größten Um-
fangs, deren gemeinsame geographische und klimatische Gegebenheiten
sich erkennen ließen (oben 1, 100—123). So nimmt es nicht Wunder, daß
die ideographische Schreibung dort eine, wenn auch nur kurze, Nach-
ahmung gefunden hat, wo die Voraussetzungen vorhanden waren: bei den
Arabern.
Auch arabische Stämme hatten sich weitgehend des Aramäischen auf
den Inschriften bedient. An ihm hat man beispielsweise bei den Nabatäern
noch festgehalten, als man auf den südarabischen Inschriften, aber auch
auf den safaitischen und tamüdischen längst zum Gebrauch des ange-
stammten Dialektes übergegangen war. Die Übereinstimmung mit den
iranischen Verhältnissen ist demnach da, und so scheint es denn auf der
Bilinguis von Umm eg-gimäl im Haurän, gesetzt um 270, zu einer Schreibung
gekommen zu sein, in der die aramäischen Bestandteile mit „phonetischen
Komplementen" in arabischer Sprache versehen wurden. In diesem Sinn
haben wir zuvor (oben 1, 151 f.) npSw und rbw als NP§w und RBw gedeutet
und grundsätzlich einer Schreibung des Typus MLKn gleichgestellt (oben
1. 153)·
Bei diesem Versuch ist es, soweit wir wissen, geblieben. Immerhin ist
die Entsprechung augenfällig, und sie mag verhelfen, zur Beantwortung
einer letzten Frage beizutragen: der nach dem Sinn der ideographischen
Schreibung. An anderer Stelle haben wir der Äußerungen Ibn al-Mukaffa's
und Hamza's von I$bahän gedacht, die an die mutaSäbihät erinnern1. Es
ergab sich, daß damit über einen Sachverhalt, nicht aber über die Ent-
stehung der Ideogramme etwas ausgesagt war. Die arabische Parallele zeigt
zweierlei. Einmal, daß, was unter den ersten Sasaniden geschaffen wurde,
in ihrem Herrschaftsbereich, bei den Königen der Tanüh und in Hira, nach-
geahmt wurde. Sodann, daß ideographische Schreibung auch hier nicht
Etappe einer Entwicklung gewesen ist, die auf Ersetzung des Aramäischen
durch die eigne Sprache abzielte. Wie das Persische, so war das Arabische
1 Altheim-Stiehl, a. O. 17; 63 f.
3. SASANIDISCHE IDEOGRAMME 99

ohne Anwendung von Ideogrammen bereits geschrieben worden, bevor


man zu diesen griff. Uberhaupt ging es nicht um Zwangsläufigkeiten irgend-
welcher Art, sondern um einen freien Entschluß. Zur Zeit Gadima's hat
man sich bereit gefunden, die Schreibweise der persischen Oberherren
nachzuahmen. Bei den Sasaniden wird es schwerlich viel anders gewesen
sein. Zwar gab es kein Vorbild, an das man sich hätte halten können. Aber
das ehrwürdige Erbe der Vergangenheit, die von den Achaimeniden ein-
geführte und seitdem bewahrte aramäische Verwaltungssprache wollte man
auch jetzt nicht ganz missen. So verband man diesen Wunsch mit der
Forderung, die die Gegenwart stellte: der Anwendung des Mittelpersischen,
in zweiter Linie des Parthischen. Beides brachte die ideographische Schreib-
weise in Einklang.
Die angedeutete Auffassung wurde von uns an anderer Stelle2 bereits
vorgetragen. Vorerst besteht kein Anlaß, von ihr abzugehen.

• Altheim-Stiehl, a. O. 63 f.

ZWEITES BUCH

HEIDENTUM UND CHRISTENTUM


4. K A P I T E L

GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER


GESCHICHTLICHEN STELLUNG

Auf einem der Sockelreliefs des Konstantinsbogens in Rom trägt der


Schild eines römischen Offiziers ein Truppenwappen 1 . Oberhalb des Schild-
buckels zeigt er die Siegesgöttin, unterhalb zwei gegenständige Bocks-
köpfe, die langen, halbkreisförmig geschwungenen Hälsen entwachsen. Die
kriegerische Natur der Böcke hebt die antike Literatur hervor 2 . Columella,
der sie cornuti nennt, spricht von ihrer petulantia3. Seine Worte rufen die
Erinnerung an zwei berühmte Truppenkörper des spätantiken Heeres
wach: die Cornuti und Petulantes. A. Alföldi 4 hat nicht gezögert, in den
Truppenwappen des Konstantinsbogens einen Hinweis auf diese beiden
Abteilungen zu sehen.

Die Cornuti und mit ihnen die Bracchiati und die Petulantes gehörten
ursprünglich dem gallischen Heer an. Konstantins Sieg an der Milvischen
Brücke wurde durch dieses Heer erfochten. Die Münzen, die man bei dieser
Gelegenheit schlug, feiern die virtus exercitus Gallicani5. Auch der Triumph-
bogen des Kaisers war dem Gedächtnis dieser Schlacht geweiht. Das Trup-
penwappen der Sockelreliefs zeige, so meint Alföldi, daß die Cornuti und
Petulantes an ihr entscheidenden Anteil nahmen. Davon schreibe sich ihr
späterer Ruhm her.

Die Cornuti stimmten in der Schlacht bei Straßburg den germanischen


Kampfgesang, den barritus, an*. Sie waren demnach ein germanischer

1 v. Gerkan-L'Orange, D. spätantike Reliefschmuck d. Konstantinsbogens


Tai. 32 i; Germania 1935, 326 Abb. 1; Tai. 45.
1 Colum. 7, 3, 4.

* 7, 6, 4-
4 In: Germania 1935, 324!.; zustimmend Polaschek in: RE. 17, 1109.
6 A. Alföldi in: 25 Jahre Rom.-germ. Komm. 13.

• Amm. Marc. 16, 12, 43.


104 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Truppenkörper; die Batavi betrachteten sie als ihre conturmales1. Auch das
Schildzeichen, das die Cornuti führen, muß ein germanisches, zum mindesten
ein keltisch-germanisches sein8. Alföldi sucht es als Stangenbekrönung zu
deuten und erinnert daran, daß solche Feldzeichen bei anderen indoger-
manischen Völkern, aber auch bei den nordasiatischen Nomaden vor-
kommen. Für die gegenständigen und verwandten Bildungen wird die
keltische La Tene-Kunst herangezogen, die seit dem 2. Jahrhundert überall
an Boden gewonnen und auch auf die Germanen gewirkt hatte. Daneben
wird der „Rolltiere" in der Steppenkunst gedacht und die Möglichkeit
offen gelassen, daß in der asiatischen Heimat der Reitervölker die Heimat
auch des Schildzeichens zu suchen sei*.
Bei der Wichtigkeit von Alföldis Aufstellungen ist ein erneutes Durch-
denken unerläßlich. Es wird sich zeigen, daß sie einen Hinweis geben, daß
aber erhebliche Abstriche gemacht werden müssen.
Es ist niemandem verwehrt, die Geschichte der Cornuti und der ihnen
nahestehenden Truppenkörper bis in den Beginn des 4.'Jahrhunderts zu-
rückzuverfolgen. Aber es muß daran erinnert werden, daß die Überlieferung
von einer Teilnahme an der Schlacht bei der Milvischen Brücke nichts
weiß. Das erste Auftreten erfolgte in der Schlacht bei Straßburg.
Wie die Schildzeichen der Cornuti, Petulantes und Bracchiati aussahen,
zeigt das römische Heeres- und Staatshandbuch des ausgehenden 4. und
des beginnenden 5. Jahrhunderts: die Notitia dignitatum. Unter den ver-
schiedenen Truppenwappen, die sie gibt, erscheint or. 6, 9 bei den Cornuti
ein Doppeltier der Art, die auf Konstantinsbogen entgegengetreten war.
Dasselbe ist der Fall bei dem berittenen Teil der Zwillingstruppe, den
Bracchiati occ. 6, 4 1 0 . Doch beide Male besteht kein Anzeichen dafür, daß
Böcke oder auch nur hörnerbewehrte Tiere dargestellt sind. Die weitere
Frage, was die gegenständigen Doppeltiere der Cornuti und Bracchiati
bedeuten und wo ihr Ursprung zu suchen sei, bleibe unerörtert. Es ist
durchaus möglich, daß es sich um Standartenaufsätze handelt und daß die

' Amm. Marc. 16, 12, 45.


8 M a n darf an die S c h i l d z e i c h e n der Celiac N o t . d i g n . occ. 5, 1 7 erinnern.
• Rolltier auf chinesischem Spiegel unbekannten Datums b e i S. Umehara in:
A r t i b u s A s i a e 18 (1955), 256 u n d A b b . 13. D i e bisher u n v e r ö f f e n t l i c h t e n S t ü c k e auf
A b b . 4 — 5 e n t s t a m m e n d e m K u n s t h a n d e l . E s h a n d e l t sich u m b r o n z e n e T r e n s e n s c h e i b e n
d e r f r ü h e n C h o u - Z e i t . R o l l t i e r e auf d e n O r d o s b r o n z e n : J . G . A n d e r s s o n i n : BMFEA
S t o c k h . 4, 3 7 0 f . ; G . B o r o f f k a , S c y t h i a n A r t T a f . 45.
10 A b g e b . bei F. Altheim, Literatur und Gesellschaft ι (1949) T a f . X V I I .
4- G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . S T E L L U N G 106

Vorbilder im Osten zu suchen sind. Einflüsse von Seiten der nordeurasischen


Reitervölker auf die Kunst der Germanen sind seit dem Auftreten der
Hunnen, dann der Awaren zu beobachten 11 . Hier soll auf eine germanische
Eigentümlichkeit des Truppenwappens hingewiesen werden: das Auftreten
von Runen.
Runen als Schildzeichen sind nichts Auffälliges. Sie lassen sich den
Runen auf Lanzenspitzen 12 vergleichen, nur daß die Zeichen auf den
Schildern nicht eingeritzt oder mit Silber eingelegt, sondern aufgemalt
waren. Barbara fraxineis ptngatur rhuna tabcüis, heißt es in einem Gedicht
des Venantius Fortunatus 13 . Ein anschauliches Beispiel gibt das Schild-
zeichen der zu den auxilia palatina gehörigen Ascari seniores or. 9, 3.
Den Namen der Truppe hatte Mommsen1* als „halbgriechisches Äqui-
valent" von utricularii gedeutet, ihn also zu άσκός gestellt. Demgegenüber
schlug R. Much 15 eine Deutung aus dem Germanischen vor. Er erkannte
in dem Namen ein ahd. ask, aisl. askr, ags. oesc „Speer". Die Ascarii waren
also, keltisch ausgedrückt, Γαίσατοα, Γαίσατοι, Gaesati1* — römisch ge-
wendet: lanciarii17. Zur Deutung aus dem Germanischen stimmt das
Schildzeichen, das (vom Farblichen abgesehen) im Monacensis lat. 10 291
und im Parisinus lat. 9961 einheitlich wiedergegeben ist 18 .
Es handelt sich dabei um zwei gegenständige Bogen in Hakenform, in
der Mitte ineinanderhängend. Das ist genau die Rune j des gemeingerma-
nischen Futhark. Von annähernd zeitgenössischen Runeninschriften bieten
die gleiche „runde" Form, die in der Notitia erscheint, die Steine von
Tanum 1 9 und Tune 20 , die Felswand von Karstad 2 1 , der Stein von Steen-

11 A. Alföldi in: Eur. Sept. Ant. 9, 285^; J. Wiesner in: Germanien 1942, 210.
1J W. Krause in: Germanien u. Indog. 2, s86f.; Runeninschr. im alt. Futhark
I9f. Nr. 8 — 1 0 ; Arntz-Zeiß, D. einheim. Runendenkm. d. Festl. i f . ; Altheim-
Trautmann, Kimbern u. Runen* 55f.
1 1 7, 18, 19; unrichtig A. Menz in: Rhein. Mus. 86, 202 Anm. 22.

14 In: Herrn. 24, 205 Anm. 3 = Schrift. 6, 216 Anm. 1; H. Omont in der Pariser

Ausg. der Not. dign. (1911) Taf. 11.


" In: ZdA. 41, 9 5 f . ; D. Germ. d. Tac. 89.
1 4 R. Heuberger in: Klio 36, 6of.; zum Suftix -dt-: E. Norden, Altgermanien
182f.; 305.
" Η. M. Parker in: Journ. Rom. Stud. 23, i86f.
" Abgeb. bei F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 1 Taf. X V I I .
1 9 W . Krause, Runeninschr. im ält. Futhark 507 f. Nr. 49.

1 0 W . Krause, a. O. 354 f. Nr. 55.

21 W . Krause, a. O. 492 f. Nr. 44.


106 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

stad 22 . Auf diesem, der noch in der Mitte des 5. Jahrhunderts zu setzen ist,
besteht die /-Rune „aus zwei kurz umgebogenen, ineinandergreifenden
Haken, von denen der oben links befindliche ungefähr senkrecht steht,
während der untere schräg nach links unten verweist; die beiden umge-
bogenen Enden der Haken stehen sehr nahe aneinander"23. Das ist das
gleiche Zeichen, das der Schild der Ascarii aufweist.
Ein zweites Mal begegnet eine Rune auf dem Truppenwappen der
Vindices. Diese findet man einmal occ. 41, 18 unter den limitanei, die dem
dux Moguntiacensis unterstanden. Ihr Standort ist mit Nemetis (Speyer)
angegeben. Die Nemeter waren trotz ihres keltischen Namens germanischen
Ursprungs. Sie gehörten zu Stämmen, die Ariovist über den Rhein führte24.
Tacitus 25 kennt schon unter Claudius auxiliaris Nemetas im römischen
Heer. Bei der örtlichen Rekrutierung, die für die limitanei galt, darf man
in den Vindices einen ursprünglich germanischen Truppenteil erkennen.
Eine mehr oder minder starke Keltisierung ist darum nicht ausgeschlossen2*.
Des weiteren erscheinen die Vindices or. 6, 16 unter den auxilia palatina.
Sie führen, ähnlich den Cornuti und Bracchiati, ein Doppeltier im Schild.
Oberhalb desselben erkennt man die Rune $ , also die Odalrune des gemein-
germanischen Futhark 27 . Freilich ist die Überlieferung hier nicht einheit-
lich. Von den Abschriften des Archetypus der Notitia, des Spirensis28,
gibt nur der Monacensis lat. 10 291 die Odalrune den Vindices. Im Parisinus
lat. 9961, der ältesten Abschrift, führen dagegen die Mattiaci iuniores die
Rune 29 . Aber auch sie waren Germanen30.
Von hier aus läßt sich das Wappen der Cornuti or. 6, 9 verstehen. Diese
führen, wie gesagt, ein Doppeltier; die Köpfe zeigen eine vogelähnliche
Bildung. Der Mittelteil wird von einem Rund eingenommen, das auch bei
den Anglevarii or. 5,18 und den Falchovarii occ. 6, 18, ebenfalls germani-
22 W. Krause, a. O. 566 f. Nr. 64.
23W. Krause, a. O. 567.
24 Caes., b. G. i, 51; R. Much in: Paul u. Braunes Beitr. 17, 1031.; 105!.; D. Germ,

d. Tac. 267!.; A. Franke in: R E . 16, 2383.


25 ann. 12, 27.

" R. Much, a. O. 107; A. Franke, a. O. 2383; J. Scharf, Stud. ζ. Bevölkerungs-


gesch. d. Rheinl. io2f.; 165.
" Abgeb. bei F. Altheim, a. Ο. 1 Taf. X V I I .
28 Grundlegend P. Schnabel in: S B A W . 1926, 242f.; vgl. Polaschek in: R E . 17,

1102 f.
2» H. Omont, a. O. Taf. 22.

30 Schönfeld in: R E . 14, 2320 f.


4· GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 107

sehen Truppenteilen 31 , begegnet. Doch während bei diesen das Rund leer
bleibt, wird es bei den Cornuti von einem Zeichen eingenommen.
Zunächst muß die Uberlieferung behandelt werden. Am deutlichsten
spricht der Monacensis lat. 10 291, und zwar in den Miniaturen der zweiten
Fassung 32 . Zwei gegenständige, nach außen offene Halbkreise sind so in-
einandergeschoben, daß sie sich zweimal schneiden. Schwieriger zu deuten
scheint das Zeichen im Parisinus lat. 9961. Eine Nachprüfung am Original
ließ darüber keinen Zweifel, daß auch da die gegenständigen, sich schneiden-
den Kreisbögen vorliegen. Nur sind diese beiderseitig am oberen Ende zu
einer abwärts schwingenden Kurve verlängert. Die Holzschnitte in den
Ausgaben des Gelenius (Basel 1552) und Panciroli (Venedig 1593), für die
der Spirensis gleichfalls noch die Vorlage abgab, haben das ihnen unver-
ständliche Zeichen kurzerhand weggelassen.
Hält man sich an den Monacensis, so hegt die Bedeutung zu Tage.
Gemeint sein kann allein die Rune ng. Meist als Kreis oder Quadrat ge-
bildet, erscheint sie auf dem Themsemesser (um 700) und überhaupt auf
den angelsächsischen Denkmälern als £ 33 Das Schildzeichen gäbe dann die
gerundete Bildung wieder.
Lange hat man im 5 des Themsemessers die älteste Form der ng-Rune
erkennen wollen 34 . Als Beweis führte man den Stein von Opedal 35 aus der
Mitte oder der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts an. Aber nach der neuesten
Aufnahme 3 * scheint es zweifelhaft zu sein, ob dort wirklich die gerundete
Form erscheint. Man kann lediglich an der unteren Seite eine Verlängerung
der anzusetzenden Halbkreise über den Schnittpunkt hinaus erkennen.
Krause 37 hat darum angenommen, daß die Kreisform der ng-Rune die
älteste war. Vielleicht gestattet das Schildzeichen der Cornuti eine andere
Auffassung.
Sind die Cornuti Ingwäonen gewesen ? Nachdem man nicht mehr damit
rechnen muß, daß die Truppe schon bei der Milvischen Brücke mitkämpfte,
darf man die Regierungsjähre Constantins' II. ins Auge fassen. Unter ihm

31 Ihm in: RE. 1, 2193; 6, 1968.


52 Abgeb. bei F. Altheim, a. Ο. 1 Tai. X V I I .
» W. Krause, a. O. 438 f. Nr. 6.
M H. Arntz, Handb. d. Runenkunde 1 87. Anders in der zweiten Auflage 214.

" W. Krause, a. O. 551 f. Nr. 60.


·* W. Krause, a. O. 553 Abb. 76 b.
" a. O. 426; Zeitschr. 1. Deutschkde 1937, 353; ebenso H. Arntz, Handb. d.
Runenkde 2 214.
108 H E I D E N T U M UND C H R I S T E N T U M

werden Sachsen als Feinde an der Reichsgrenze genannt se . Sächsische


Söldner befanden sich in dem Heer, das Magnentius 350 gegen Constantius II.
führte3*. Es war eben dieses Heer, das Iulian im Spätjahr 355 als Caesar
übernahm, das er 357 bei Straßburg zum Siege führte. Seine Ernennung
war erfolgt, um neue Ursupationen zu vermeiden. Ein Mitglied des Kaiser-
hauses selbst schien die beste Gewähr zu bieten40. Wenn die Cornuti ganz
oder zu einem Teil sich aus Sachsen rekrutierten, dann wäre es verständlich,
daß sie sich als Ingwäonen fühlten und die /ng-Rune im Feld führten".
Unter dieser Voraussetzung gewinnt die Übereinstimmung der /«g-Rune
des Themsemessers mit der der Cornuti Bedeutung. Schwerlich kann es als
Zufall gewertet werden, daß auch die Angeln und Sachsen zu den Ingwäonen
gehörten. Die eckige Form und die runde der Cornuti stellen lediglich Ab-
wandlungen der gemein-ingwäonischen ng-Runen dar42. Man hätte sie von
der skandinavischen Form, deren ältestes Vorkommen die Jng-Rune des
Steines von Kylver 4 * wäre, zu trennen.
Darüber hinaus liegt zwar nicht in dem Themsemesser, wohl aber im
Schildzeichen der Cornuti das älteste überhaupt bekannte Auftreten der
Rune vor. Das gilt, wenn man die Zeit, in die die verschiedenen Redaktionen
der Notitia dignitatum fallen 44 , zugrunde legt, und es gilt erst recht, wenn
man auf das erste bezeugte Vorkommen der Cornuti zurückgreift. Auch
sonst geben die Runen der Schildzeichen Altertümliches. Die /-Rune der
Ascarii seniores stimmt nicht nur zu den Denkmälern des beginnenden
5. Jahrhunderts, sondern bereits zur Schwertzwinge von Tjorsbjaerg vom
Ende des 3.46 und zur Schnalle von Vi aus der Mitte des gleichen Jahr-
hunderts 4 ·. Die Odalrune der Vindices (wenn man hier dem Monacensis
lat. 10 291 folgt) wird man möglichst nahe an die Zeit zurückführen, da

Zosim. 3, 1, 1.
" Iulian., or. 1, 34 p. 51 Bidez; L. Schmidt. Gesch. d. dten. Stämme, 2, 1, 40;
E. Stein, Gesch. d. spätröm. Reiches 1, 217.
40 Artemii passio 15 bei Philostorg. p. 59 Bidez; Aur. Vict. 42, 17; E. Stein, a. O.

1, 221.
41 Spätere Rekrutierung von Sachsen war immer möglich. Sachsenkämpie des

älteren Theodosius bezeugt eine Inschrift aus Stobi (R. Egger in: Byzant. 5, <)1.;
15): es heißt dort μέγα δίμα Σαξονίίης.
41 Η. Arntz, a. Ο. 89.

" W. Krause, a. Ο. 430 f. Nr. 1.


44 Polaschek in: R E . 16, 1082t.; A. W. Byvanck in: Mnemos. 1940, 87f.; H.

Nesselhauf in: AbhBAW. 1938, 2, 37f.


46 W. Krause, a. O. 6oof. Nr. 78.
4 · W. Krause, a. O. 605 f. Nr. 80.
4- GERMANISCHE G Ö T T E R NACH I H R E R GESCHICHTL. S T E L L U N G 109

die Nemeter noch ihre ursprüngliche germanische Art bewahrt hatten und
noch nicht der Keltisierung erlegen waren 47 . So ist durchaus möglich, daß
die «g-Rune der Cornuti die älteste Form überhaupt darstellt.
Längst wurde vermutet, daß die Ingwäonen eben die ng- oder /ng-Rune
als Schildzeichen besessen hätten. Das mochte, als es ausgesprochen wurde,
als Kühnheit erscheinen48. Heute läßt sich manches dafür sagen. Die
Ingaevones, wie man heute einhellig nach der bei Plinius 4 ' vorliegenden
Uberlieferung schreibt60, gehen auf den «-Stamm Ingu- zurück. Er liegt
daneben in Inguiomerus, in dem adtnordischen Yngwi-Freyr, dem Ingunar-
Freyr der Lokasenna und in der Form enguz der Salzburg-Wiener Hand-
schrift vor. 5 1 Ingu- steht neben dem o-Stamm Ing-, wie in den italischen
Gottesnamen Ianus, Picus und Sancus u- und o-Stämme nebeneinander
erscheinen62. Krause" nimmt an, daß die /ng-Rune als altes, vorrunisches
Sinnbild nach dem Gott und Ahnherrn der Ingwäonen benannt war. Daß
man diese Rune als Schildzeichen tragen konnte, bestätigen die Cornuti.
Eine letzte Beobachtung wird K. A. Eckardt M verdankt. Er stellt fest,
„daß außer dem altgermanischen Himmelsgott Tyr (*Teiwaz) und dem
neuen Runengott Odin (*Wödanaz), den wir mit dem isländischen Runenlied
für den Träger der Asenrune halten dürfen, nur Ingwi der Ehre gewürdigt
worden ist, einer Rune den Namen zu geben." Er folgert daraus mit Recht,
daß die Runen von einem ingwäonischen Stamm geschaffen wurden. Daß
dies zur Auffassung vom kimbrischen Ursprung der Runen aufs beste
stimmt, wurde bereits bei anderer Gelegenheit hervorgehoben86.
Bisher wurden die Cornuti als Angehörige eines germanischen Stammes
betrachtet. Aber sie waren zugleich Angehörige einer Abteilung des spät-
römischen Heeres. Auch als solche wollen sie angesehen und gewürdigt
werden.

47 Zustimmend G. Baesecke, Vor- u. Frühgesch. d. dten. Schriftt. i, 106.


4» H.Wirth, Hl. Urschrift 48f.
** n. h. 4, 96.
M Zuletzt R. P. Robinson, The Germania of Tacitus 273 Anm. 12.
S1 K . Helm, Altgerm. Religionsgesch. 2, 1, 42.

" F. Specht in: KZ. 64, 4f.


a a. O. 426; Zeitschr. f. Deutschkde. 1937, 353f.
M Ingwi u. d. Ingweonen. Stud. ζ. Rechts- u. Religionsgesch. z, 7of.; ähnlich G.

Baesecke in: ZdA., Anz. 1939, 5; Vor- und Frühgesch. d. dten Schrifttums 1, 102;
H. Arntz, Handb. d. Runenkde. 2 228.
" Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen' 11; Kimbern als Ingwäonen: Plin.,
n. h. 4, 99; E. Norden, Altgermanien 285; oben 1, 298f.
110 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Konstantin der Große hat neben dem Umwälzenden, das er sonst


brachte, auch eine neue Einstellung des römischen Reiches gegenüber den
Germanen eingeleitet. Seit Aurelian waren diese in steigendem Maße zum
Heeresdienst herangezogen worden. Konstantin trat auch darin in die Fuß-
tapfen seines Vorgängers. Nur führte er durch, was jener angebahnt hatte.
Die Germanen nahmen fortan im Heere den ersten Rang ein und begannen
bereits, in die höheren Stellen aufzurücken. Germanische Sinnbilder zeigen
sich auf den Schilden, germanische Zierkunst an den Waffen, und germani-
sche Worte begannen sich im Vulgärlatein auszubreiten. Auch eine so
bedeutsame Einrichtung wie die protectores hat man auf die germanische
Gefolgschaftsvorstellung zurückgeführt.
Es war nicht nur so, daß das Germanentum innerhalb des Reichsheeres
emporstieg. Konstantin bedeutete auch darin eine Wende, daß er die nor-
dischen Stämme außerhalb der Grenzen religiös zu erfassen suchte 58 . Aus-
drücklich verzeichnete man, daß ein ,Skythe' unter den Bischöfen von
Nikaia zu finden war 5 7 . Also ein Gote, nach dem Sprachgebrauch, den
Dexippos eingeführt und Eusebios übernommen hatte. Skythen und Sar-
maten, also Goten und Alanen, unterwarf Konstantin nach den Worten
desselben Eusebios 58 , indem er im Vertrauen auf den Heiland das Sieges-
zeichen des Kreuzes vor ihnen aufpflanzte. Und wirklich scheinen die
religiösen Vorstellungen Konstantins ihren Eindruck auf die Germanen
nicht verfehlt zu haben.
Paulus Diaconus erzählt das Ende des Herulerkönigs Rodulf, der im
Gebiet der arianischen Rugier herrschte und um die Wende des 5. Jahr-
hunderts den Langobarden erlag 59 . Rodulf besaß ein vexillum, quod bandurn
appellant, und eine galea, quam in hello gestare consueverat. Beide fielen zu-
sammen mit ungeheurer Beute den Siegern in die Hand. Seitdem war es
mit der Kraft der Heruler vorbei, und sie hatten auch keinen König mehr 40 .
Vorstellungen verschiedener Herkunft sind in dieser Erzählung ver-
knüpft.
Germanisch ist die Anschauung, daß ein Königsornat, wenn er einmal
verloren ist, unersetzbar bleibt. Als Aligern Cumae mit dem ostgotischen

A. Schenk v. Stauffenberg in: Festschrift Haller 77f.


se

Euseb., v. Const. 3, 7, 1.
67

58 v. Const. 4, 5.

59 L. Schmidt, D. Ostgermanen 2 554 Anm. 4.

Paul. Diac., hist. Langob. 1, 20; G. Baesecke, Vor- und Frühgesch. d. dten.
Schrifttums 1, 323 f.
4- G E R M A N I S C H E G Ö T T E R NACH I H R E R GESCHICHTL. S T E L L U N G Hl

Königsschatz den Römern übergeben hatte, äußerte er · χ , daß ein künftiger


Gotenkönig — falls ein solcher noch einmal auftreten sollte — nicht mehr
im königlichen Kleid, sondern im Soldatenrock, wie ein Privater, erscheinen
müsse. Der ostgotische Ornat ließ sich also nicht einfach ersetzen wie der
parthisch-sasanidische, der römische und byzantinische. Es sieht wie eine
Weiterbildung dieser Anschauung aus, wenn seit dem Verlust von Königs-
helm und Königsbanner es mit Macht und Reich der Heruler zu Ende ist.
Aber gerade Helm und Banner als Unterpfänder der Herrschaft führen
auf einen zweiten Bereich. Germanische Vorstellung hat sich mit einer
anderen verschmolzen, als deren Ausgangspunkt Konstantin noch kennt-
lich ist.
Bandum ist gotisches bandwö. Bei Prokop ist es als βάνδος belegt und
wurde wohl schon vorher latinisiert·2. Paulus erklärt es als vexillum, und
dies erinnert bereits äußerlich an das viereckige Linnentuch, das nach
Eusebios* Beschreibung vom Querstab des Labarum herabhing· 3 ; die
Münzen unterrichten über sein Aussehen·4. Neben dem Labarum erwähnt
Eusebios den Helm Konstantins: beide waren durch das auf ihnen an-
gebrachte Christusmonogramm verbunden·6.
Der Helm Konstantins hat eine lange Geschichte··. Mit und ohne
Christusmonogramm erscheint er auf den Prägungen seit 315, erstmalig
auf einem Silbermedaillon aus Ticinum. Die Panegyriker kennen den Helm
seit 310· 7 . In der Schlacht an der Milvischen Brücke leuchtet er dem
siegreichen Heer voran: fulget nobilis galea et corusca luce gemmarum
divinum verticem monstrat·8. Der spätrömische Prunkhelm von Budapest
weist seiner allgemeinen Bildung nach mit dem kaiserlichen Übereinstim-
mung auf. Sie wird unterstrichen durch die eingesetzten Glasflüsse, die den
Edelsteinschmuck nachahmen. Vermutlich wurden solche Helme von der
kaiserlichen Leibgarde getragen··. Ähnliche Stücke sind an anderen Orten
des römischen Westens gefunden worden. Das zeigt, daß der Helm Kon-
stantins weitergewirkt hat, und das tat er nicht nur innerhalb der Grenzen
el
Agath. i, 20 p. 58, 11 f. Nieb.
M
b. Vand. 2, 2, 1; E. Gamillscheg, Romania Germanica 1, 28; 366.
·* v. Const. 1, 31, 2.
M
A. Alföldi in: Pisciculi Dölger 9; Tai. 1, 1 ; 2, 1—2.
• 5 v. Const. 1, 31, 1.
M
A. Alföldi in: Journ. Rom. Stud. 1932, 9f.; Acta arch. 5, 99!.
• 7 Paneg. lat. 7, 2 p. 224 Baehr.; A. Alföldi in: Journ. Rom. Stud. 1932, 12.
·* Paneg. lat. 4, 29, 5 p. 179 Baehr.; A. Alföldi, a. O. 12.
" A. Alföldi in: Acta arch. 5, i04f.
112 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Roms, sondern auch auf die Germanen. Die schweren Helme von Vendel
und Valsgärde in Mittelschweden, bedeckt mit den verschlungenen Bändern
und Gliedmaßen des nordgermanischen Tierstils, lassen sich auf die gleiche
Form zurückführen. Vor allem ein bei De Peel, Deurne in Brabant ge-
fundenes Stück, seiner Inschrift zufolge, den auch in der Notitia dignitatum
genannten equites Stablcsiani gehörig70, hat das Vorbild für die skandi-
navischen Nachahmungen abgegeben71.
Mit dem Helm Konstantins hat man den germanischen Königshelm des
frühen Mittelalters bereits zusammengestellt72. Paulus' Zeugnis wurde
dabei übersehen. Und doch bestätigt erst dieses die Verknüpfung. Denn
bei Rodulf erscheint der Helm nicht allein, sondern wie bei Konstantin:
galea und vexittum verbunden. Der Herulerkönig steht geradewegs in der
Nachfolge des ersten christlichen Kaisers.
Auch der Schild wurde unter Konstantin, gleich Labarum und Helm,
zum Träger des Christusmonogrammes. Clypeorum insignia scripserat...
Christus, sagt noch Prudentius 7 '. Es bedeutet eine weitere Bestätigung,
daß auch der Schild im germanischen Bereich fortgewirkt hat.
Die /«g-Rune der Cornuti steht auf einem Schild. Als Rune und ins-
besondere als runisches Begriffszeichen ist sie eine nota1*. Das erinnert
daran, daß Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke Christum
notat in scutis7&, also das Christusmonogramm auf die Schilde seines Heeres
malen ließ. Dieses Monogramm war gleich der /«g-Rune eine nota und,
darin ebenfalls mit ihr übereinstimmend, das Zeichen eines Gottes. Das
älteste unter den erhaltenen Christusmonogrammen Konstantins, auf dem
Silbermedallion von Ticinum aus dem Jahre 3I57*, ist am Helm innerhalb
eines Rundes angebracht. Das Monogramm auf dem Labarum, das Eusebios
beschreibt77, ist von einem Kranz aus Gold und Edelsteinen umgeben.
Kaum darf es als Zufall gelten, wenn auch die /«g-Rune der Cornuti,

70 Shetelig-Falk-Gordon, Scandinavian Archeology 258.


71. G. Arwidsson in: A c t a arch. 5, 25; 10, 57.
71 A. Alföldi, a. O. 139 f.
" c. S y m m . 1, 488; dazu A. Alföldi in: Journ. Rom. Stud. 1932, 10 Anm. 2.
74 Tacit., Germ. 10; dazu A. Mentz in: Rhein. Mus. 86, 194f.; G. Baesecke in: Z d A .
Anz. 1939, 2 f.; Vor- und Frühgesch. d. dten Schriftt. 1, 98; Altheim-Trautmann,
Kimbern u. Runen 1 46 f.
76 Lact., mort. pers. 44, 5.
" R. Delbrueck, Spätantike Kaiserportraits 7 2 ; Tai. 1, 1 1 ; A. Alföldi in: Journ.
R o m . Stud. 1932, ι ο ί . ; Pisciculi Dölger 4f.
77 V. Const. 1, 31. 1.
4- GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 113

anders als die übrigen Runen auf den Schilden der Notitia dignitatum,
innerhalb eines Rundes oder Medaillons erscheint. Und ebensowenig, daß
sie auf einem Schildzeichen des spätrömischen Heeres, unter christlichen
Kaisern, auftritt.
Sicherlich haben die Germanen von sich aus Runen auf Schilden an-
gebracht. Dazu bedurfte es keines äußeren Anstoßes, und die anderen runi-
schen Schildzeichen, die zuvor behandelt wurden, bestätigen es. Aber bei
der Tng-Rune der Cornuti treffen so viele Besonderheiten zusammen, daß
die Vermutung gerechtfertigt ist, daß ihre Anbringung nach christlichem
Vorbild erfolgt ist.
Anderes läßt sich diesem Ergebnis einordnen 78 . Gregor von Tours be-
zeichnete Chlodwig bei seiner Taufe als „neuen Konstantin". In der Sage
von Wolfdietrich, wie sie seit dem 6. Jahrhundert sich bildete, sind der
erste christliche Kaiser und der Frankenkönig sogar gleichgesetzt, wohnt
dieser in Konstantinopel. Und in dem französischen Epos von Floovent aus
dem 12. Jahrhundert heißt der Vater des Helden abwechselnd Clovis und
Constantin. Auch das zeigt, wie mächtig dieser im Gedächtnis der Germanen
fortgewirkt hat.
Jüngst hat E. Schaffran 79 , die Bronzestatuette eines sitzenden Ger-
manenfürsten veröffentlicht. Er glaubt in ihm (was sachlich und chrono-
logisch nicht ohne Weiteres überzeugt) einen langobardischen König aus
der Wende des 6. zum 7. Jahrhunderts zu erkennen. Wie immer: der Dar-
gestellte trägt Bestandteile der spätrömischen Kaisertracht. Die linke Hand
stützt er auf einen Rundschild, darauf wiederum die beiden gegenständigen
Bocksköpfe, den halbkreisförmig geschwungenen Hälsen entwachsend, an-
gebracht sind. Also das Gegenstück zum Truppenwappen des Konstantins-
bogens und zum Schildzeichen der Cornuti. Nur das diesmal nicht die
/«g-Rune, sondern das Christusmonogramm in der altertümlichen Form
erscheint. Also mit quergestelltem X , das zum Kreuz wird und dessen oberes
Ende zum Ρ umgebogen ist 80 . Der Dargestellte hat sich nicht nur das
spätrömische Truppenwappen, sondern auch die älteste, konstantinische
Form des Monogramms angeeignet 81 .

' · Zum folgenden zuletzt G. Baesecke, Vor- u. Frühgesch. d. dten. Schrifttums


ϊ. 4°5-
™ In: Rivista di Archeologia Cristiana 32 (1956), 243I.
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum χ (1949), 145.
81 Damit ergibt sich die Bestätigung der von mir gegebenen Deutung von Lact.,

De mort. pers. 44, 5 (a. O. 1, I45f.).


8 Altheim, Hnonen IT
114 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Daß unter den Truppenwappen des spätrömischen Heeres wertvolles


Gut der Erschließung harrt, hat sich damit ergeben. Doch schwerlich ist
anzuraten, sie alle unter gleichen Blickwinkel zu sehen. In der Tat führt
ein weiteres Schildzeichen auf gänzlich veränderte Voraussetzungen. Neben
den archäologischen Denkmälern 1 nimmt auch hier die handschriftliche
Uberlieferung der Notitia dignitatum 2 einen besonderen Rang ein. Enthielt
doch der Archetypus 3 dieses spätrömischen, wahrscheinlich 429/430 abge-
schlossenen 4 Staats- und Heereshandbuches auf 22 Seiten in farbiger Aus-
führung die Schildzeichen von nicht weniger als 283 Truppenteilen.
Unter den Truppen, die unter dem Befehlsbereich des Magister peditum
praesentalis des Westreiches stehen, erscheinen die felices Valentinianenses5.
Ihr Schildzeichen, wie es in der Ausgabe von 0. Seeck nach der ersten, un-
korrigierten Münchener Handschrift wiedergegeben ist zeigt einen stehen-
den Krieger in Vorderansicht. Bekleidet ist er mit einer Tunika, von der
sich schwer entscheiden läßt, ob sie als lang- oder kurzärmelig gedacht war.
A m unteren Saum ist sie zu einer Reihe von Halbkreisen ausgeschnitten,
die Hälfte der Oberschenkel und die Unterschenkel bleiben nackt. Die
linke Hand des Kriegers ist erhoben; in der rechten hält er einen Komposit-
bogen, dessen Griffteil scharf abgesetzt ist. Das Merkwürdigste bleibt der
Kopfputz. Über einem Stirnband erheben sich dicht nebeneinander eine
Reihe von Spitzen.
Was ist damit gemeint ? Der naheliegende Gedanke an eine Feder-
krone wird dadurch ausgeschaltet, daß eine genau entsprechende Truppe
des spätrömischen Heeres bekannt ist. Auf dem zeitgenössischen Fries des
Konstantinbogens 7 sind Bogenschützen dargestellt, die an der Belagerung
Veronas und an der Entscheidungsschlacht an der Milvischen Brücke mit-
wirken. Auch sie tragen die Tunika, teils kurz-, teils langärmelig. Ihre

1 A. Alföldi in: Germania 1935, 324f.; Polaschek in: R E . 17, 1109; F. Altheim
bei J. Kollwitz in: Gnomon 18, iogf.
4 Maßgebende Ausgabe von O. Seeck 1876.
4 Grundlegend P. Schnabel in: S B A W . 1926, 242f.
4 A . W . B y v a n c k in: Mnemosyne 1940, 87f.
4 Occ. 5, 60.
• Monac. lat. 10291; O. Seeck a. Ο. X X V I I I ; F . Altheim. Literatur und Gesell-
schaft 1 T a i . X X I I I unten.
7 Η. P. L'Orange in: S y m b . Osloens. 13, i o s f . ; Η. P. L'Orange und A. von Gerkan,
Der spät, antike Bildschmuck des Konstantinbogens 45 f.
4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . S T E L L U N G 115

Waffe ist der Kompositbogen, dessen typische beinerne Verstärkungen man


in den Kastellen des obergermanischen und rätischen Limes wiedergefunden
hat 8 . Hier zeigt sich auch der entsprechende Kopfschmuck. Er ist dadurch
entstanden, daß diese Schützen ihre Pfeile nicht im Köcher, sondern unter
der Kopfbinde tragen. Diese Sitte wird ausdrücklich von Stämmen des
oberen Nils, also von Äthiopen, berichtet9. Sie banden ihre kleinen Pfeile
mittels einer Haarbinde fest. Der gefiederte Teil lag am Kopf, die Spitzen
ragten nach außen, so daß sie wie Strahlen abstanden.
Bei der Ubereinstimmung in Tracht und Bewaffnung könnte man auf
den Gedanken kommen, daß die Bogenschützen des Konstantinbogens und
der auf dem Schild der felices Valentinianenses die gleiche Waffengattung
darstellen. Hier wie dort handelte es sich um Anwohner des oberen Nil, die
nach heimischer Art ausgerüstet waren. Daß dagegen auch derselbe Truppen-
teil wiedergegeben ist, dürfte kaum anzunehmen sein. Denn diese felices der
Notitia dignitatum hießen nach ihrem Gründer Valentinian I. (364—375)
oder II. (383—392), wie die daneben genannten felices seniores und iuniores
Arcadiani10, felices Honoriani seniores und iuniores11, Honoriani felices
Gatticani12, felices Theodosianiia, felices Theodosiani Isauri14 und felices
Theodosiani iuniores15 nach Arcadius, Honorius und Theodosius I. genannt
waren. Die Truppe, der das Schildzeichen der Notitia dignitatum gehörte,
war also über ein halbes Jahrhundert jünger als jene, die sich an der Mil-
vischen Brücke auszeichnete.
Η. P. L'Orange 1 · hat die Bogenschützen, die auf den beiden großen
Kampfreliefs des Konstantinbogens erscheinen, als maurische Auxilien be-
zeichnet. Aber diese Auffassung scheitert schon daran, daß maurische
Bogenschützen nirgends belegt sind 17 . Als Waffe der Mauren wird aus-
drücklich der Wurfspeer angegeben 18 . Als berittene Speerwerfer erscheinen
* K. Stade in: Germania 1933, n o f . ; H. van de Weerd und P. Lambrechts in:
Laureae Aquincenses 1, 241 Anm. 90; vgl. L'Orange-v. Gerkan, a. O. Tai. 19. Dazu
F. E. Brown in: Sem. Kondak. 9, i f .
• Heliod., Aith. 9, 19; Lukian., de salt. 18.
10 Or. 7, 2 = 36; 6, 22 = 24 = 63 = 65.
1 1 Or. 7, 3 = 37; 5, 21 = 62.

1J Occ. 5, 98 = 247 = 7, 89.

1 1 Or. 6, 21 = 62.

M Or. 5, 25 = 66.

15 Or. 9, 41·
1· Symb. Osloens. 16, io5f.; Roma 1936, n " j i . ; L'Orange-v. Gerkan, a. O. 4 5 !
17 Vgl. Gnomon 18, iogf.
" Herodian, 1, 15, 2; 3, 3, 4; 7, 2, 1.
β·
116 H E I D E N T U M U N D CHRISTENTUM

sie auf der Trajanssäule 19 . Es kommt hinzu, daß gerade auf der Gegenseite,
im Heer Maxentius', nicht in dem Konstantins, die Anwesenheit von
Mauren bezeugt ist 20 . Auch wird der Begriff der Mauren niemals auf die
Stämme am oberen Nil ausgedehnt, auch bei späteren Autoren nicht 21 .
Eine entsprechende Truppe ist weder inschriftlich noch literarisch be-
legt. Die equites sagittarii indigenae, die unter dem Dux der Thebais in der
Notitia dignitatum erscheinen 22 , scheiden aus, da es sich um eine Reiter-
truppe handelt. Eine Vermutung sei immerhin gewagt. Der Sieg an der
Milvischen Brücke wurde auf den Münzen Konstantins durch die Auf-
schrift virtus exercitus Gallicani gefeiert 23 . Vielleicht kommen darum die
sagittarii Gallicani24 in Frage, in deren Namen sich die einstige Zugehörig-
keit zum exercitus Gallicanus ausdrückt. Damit ist über ihre Herkunft noch
nichts gesagt. Aber auf ihrem Schildzeichen erkennt man zwei sich gegen-
überstehende Mohren, und das würde zur Herkunft der Bogenschützen und
ihre Kampfesweise passen. Die gleichen Mohren erscheinen unter dem
comes limitis Aegypti als Wappenzeichen von Parembole 25 in Oberägypten.
Bisher wurde nur das Schildzeichen betrachtet, das die felices Valen-
tinianenses in der ersten Fassung der Münchener Handschrift der Notitia
dignitatum führen. Nicht genügend beachtet ist, daß die Pariser Ab-
schrift des Speyerer Archetypus 28 ein ganz anderes Zeichen gibt. Auch da
sieht man einen stehenden Krieger in Vorderansicht. Wieder hebt er die
linke Hand und hält in der rechten die Waffe. Aber sonst bestehen eigen-
tümliche Verschiedenheiten. Während in der Münchener ersten Fassung die
Linke einen Zeigegestus macht, hält sie hier eine kreisförmige Scheibe
empor. Und die Waffe ist kein Bogen, sondern eine mit der Spitze abwärts
gerichtete Lanze. Der Pfeilkranz als Kopfschmuck fehlt, und statt der
Tunika erscheint ein langer, vorn geschlossener und karierter Umhang.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sowohl die Form des
Schildzeichens, das in der Münchener Handschrift erscheint, wie das, was
14
Cichorius 2, 295f.
ϊ0
Lact., De mort. persccut. 44, 3; vgl. Zos. 2, 15, 2 Καρχηδόνιοι.
21
Weinstock in: RE. 14, 2350; Claudian., De cons. Stilich. 1, 2481. bildet gewiß
keine Gegeninstanz.
Or. 3 1 , 25 f.
a
A. Alföldi in: 25 Jahre röm.-germ. Kommiss. 13.
M
Or. 5 , 1 3 — 1 4 ; 54—55·
" Or. 28, 10.
!
· Paris, lat. 9661. Abgeb. bei F. Altheim, a. Ο. 1 Taf. XVI; P. H. Schramm,
Herrschaftszeichen und Staatssymbolik 1 (1954) Taf. 8 g.
4· GERMANISCHE GÖTTER NACH I H R E R GESCHICHTL. STELLUNG 117

die Pariser Fassung bietet, auf dasselbe Vorbild zurückgehen. In der Grund-
haltung stimmen beide Kriegergestalten überein. Der senkrechte Bogen
dort entspricht der Lanze hier; beide Male ist der linke Arm erhoben. Und
in der straffen, aufwärts gerichteten Formgebung des Haares auf Seiten der
Pariser Fassung glaubt man etwas wie ein Rudiment der zuvor besproche-
nen Pfeilkrone zu erkennen.
Ist die Pariser Fassung die schlechtere, und gibt die Münchener Kopie
die originale Zeichnung des Spirensis richtiger wieder? Seeck hat hier der
ersten Fassung der Münchener Handschrift den Vorzug gegeben und sie
den Wiedergaben seiner Ausgabe zugrunde gelegt27. Aber es ist daran zu
erinnern, daß der Pfalzgraf Ottheinrich (1544—1559) in der für ihn an-
gefertigten Abschrift die Zeichnungen des Spirensis noch einmal wieder-
holen ließ, da die im Geschmack der Zeit angefertigte erste Kopie
ihm an Genauigkeit nicht genügte28. Es spricht gegen Seecks Ver-
fahren 2 ·, wenn man sieht, daß in der zweiten Fassung der Münchener
Handschrift das Schildzeichen weitgehend mit dem des Parisinus über-
einstimmt. Wieder sieht man einen Mann in langem, kariertem Umhang. Er
hat die linke Hand mit geöffneten Fingern erhoben und trägt in der Rechten
einen länglichen Gegenstand, der schwer zu bestimmen ist 30 . Das Fehlen
von Lanze und Scheibe bildet einen Unterschied. Aber sonst stimmen die
zweite Münchener und Pariser Fassung überein. Bezeichnenderweise
erscheint beide Male dasselbe straff aufwärts gerichtete Haupthaar.
Einen weiteren Anhalt bildet der Holzschnitt in der Ausgabe des
Gelenius (Basel, Froben 1552) S1 , dem gleichfalls noch der Spirensis vorlag.
Der lange Umhang stimmt mit der Pariser Kopie und der zweiten Münchener
Fassung, der Stab (oder die Lanze) in der Linken (die Figur ist im Gegen-
sinn gegeben) mit der Pariser, der Zeigegestus der Rechten wieder mit der
zweiten Münchener Fassung überein. Eine Besonderheit bildet die Zacken-
krone, offenbar eine Umstilisierung der Haartracht.
Damit scheint sich zu erweisen, daß die Pariser Kopie das Original am
genauesten wiedergibt. Die Haltung, der lange, karierte Umhang, die Haar-
tracht, die Lanze finden anderswo ihre Bestätigung. Einzigartig bleibt

" a. Ο. X X V I I I f.
» O. Seeck, a. Ο. IX.
" a. Ο. X X I X .
10
Notitia dignit., ed. E. Böcking, 2 Α p. ig.
" Abgeb. bei F. Altheim, a. Ο. 1 Tai. X X I I (unten rechts).
118 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

nur die Scheibe in der linken Hand. Hier sprechen die anderen Wieder-
gaben für eine Hand mit geöffneten Fingern; aber auch für die Scheibe
wird sich vielleicht die Möglichkeit einer Deutung ergeben. In der Tat ist
die Pariser Abschrift die älteste, die man von dem Spirensis besitzt. Da
sie sich spätestens 1451 im Besitz des Pier Candido Decembrio befand,
muß sie bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts 32 , nicht erst um
die Mitte des 16., wie der Monacensis, entstanden sein 33 . War die Zeichnung
des Schildzeichens im Spirensis, was die verschiedene Wiedergabe der Ab-
schriften nahelegt, im Laufe der Zeit undeutlich geworden oder teilweise
zerstört, so muß, wenn irgendeine Abschrift, die älteste und damit der
Parisinus die ursprüngliche Form am reinsten erhalten haben. Es kommt
hinzu, daß nicht nur die erste Münchener Fassung, sondern auch die anderen,
vor allem die Pariser, sinnvoll sind und durch andere Denkmäler bestätigt
werden.
Im Typenvorrat der spätrömischen Kunst wird man freilich vergeblich
nach einer Entsprechung suchen. Die nur in einer Nachzeichnung erhaltenen
Darstellungen des kleinen Goldhornes von Gallehus in Nordschleswig 34
zeigen auf ihrem breitesten, am oberen Rand verlaufenden Bildstreifen
einen Krieger in Vorderansicht. Wiederum hält er in der rechten Hand die
mit der Spitze abwärts gekehrte Lanze, mit der Linken eine Scheibe oder
einen Ring. Auf dem Kopfe trägt er zwei Hörner. Die Bilder des Gold-
hornes geben inhaltlich manches Rätsel auf. Immerhin scheint so viel
deutlich zu sein, daß es selbst kultischem Gebrauch diente 35 . In den
gleichen Bereich verweist die hörnertragende Gestalt. A. Olrik3* hat sie
mit Odin, dem Besitzer des Speeres Gungnir und des Ringes Draupnir, in
Verbindung gebracht. Der Helm von Sutton Hoo gibt eine ähnliche Gestalt,
aber die Bearbeiter haben auf eine Deutung verzichtet 37 .
Hier scheint sich ein Anhaltspunkt für die Deutung auch unseres
Schildzeichens zu ergeben. Freilich müssen zuvor einige Schwierigkeiten
32
P. Schnabel, a. O. 2 4 4 ! . ; vgl. R. Sabbadini in: Stud, di filol. class. 1 1 , 261
Anm. 1.
33
P. Schnabel, a. O. 247.
34
Zuletzt W . Krause, Runeninschriften im älteren Futhark 172, Nr. 76. — Der
hier folgenden Deutung hat K. Hauck bei P. H. Schramm, a. O. 167 f.; 203 Anm. 264
zugestimmt.
35
W. Krause, a. O. 174.
" Gudefremstillingar p& Guldhornene og andre celdre Mindesmaerker. In: Danske
Studier 1918.
37
The Sutton Hoo Ship Burial 25 Abb. 7.
4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . S T E L L U N G 119

geklärt werden. Man hat auf Grund einiger Einzelmotive, die mit süd-
russischen Funden übereinstimmen, bei den beiden Hörnern von Gallehus
auf jede Erklärung aus der germanischen Überlieferung verzichten wollen38.
Aber das ist schon angesichts der Inschrift des nordgermanischen Ver-
fertigers 39 :
ekhlewagastiR j holtijaR | horna J tawido |

,,Ich Hlewegast, Holtes Sohn, verfertigte das Horn" — ein kühnes Unter-
fangen. Mit Recht hat jüngst 0. Höfler 40 an Olriks Deutung festgehalten.
Stärkeres Gewicht scheinen einige Einzelheiten zu haben, in denen beide
Darstellungen, der Odin von Gallehus und das Schildzeichen der felices
Valentinianenses, sich unterscheiden. Das Schildzeichen gibt seine Krieger-
gestalt in langem, mantelartigem Umhang, der auf dem Gallehuser Horn
fehlt. Aber nicht nur Speer und Ring bilden die Abzeichen Odins. Auch der
Mantel gehört dazu 41 : nach ihm wird er geradezu als heklumadr „Mantel-
mann" bezeichnet42. K. Hauck, der der hier gegebenen Deutung zuge-
stimmt hat, denkt an einen Mantel aus Pelzflecken43. Auf der anderen
Seite trägt Odin des Goldhornes einen Ring an der linken Hand und
das Hörnerpaar auf dem Haupte. Beides fehlt auf dem Schildzeichen,
vielleicht ist der Ring dort durch die emporgehobene Scheibe ersetzt.
Längst hat man gesehen, daß auf den südskandinavischen hällristningar
eine ähnliche Gestalt erscheint44. Am bekanntesten ist das Felsbild von
Litlesby 45 . Eine gewaltige Figur von phallischer Bildung trägt hier die
Lan: e mit der Spitze schräg abwärts. Daneben erscheint sie, zumal auf den
bronzezeitlichen Felsbildern Östergötlands, in waagrechter Haltung 4 ·. In

58 E. Gjessing in: Norsk Tidskriit for Sprogvidenskap 1934, 253f.


' · W . Krause, a. O. 176; Arntz-Zeiß, Die einheim. Runendenkm. d. Festlandes
199; 342. K. hält mit Recht an der Deutung von tawido „verfertigte" gegenüber E .
Marstrander in: Norsk Tidskrift for Sprogvidenskap 3, 124f. fest.
40 Hist. Zeitschr. 157, 1 1 ; 19 Anm. 1.
41 M. Ninck, Wodan u. germ. Schicksalsglaube 1 1 ; 13; 26; 70; 84!.; 133; J. de
Vries, Altgerm. Religionsgesch. 2, 191 f.; O. Höfler, a. O. 19 Anm. 1.
4ä O. Höfler, a. O. 19 Anm. 1; vgl. J. Grimm, Dte. Mythol. 4, 1 2 1 ; 767f.
48 Bei P. H. Schramm, a. O. 167f.
44 J. de Vries, a. Ο. i , n g f . ; 2, 95; M. Ninck, a. O. 2 i 4 f . ; O. Höfler, a. O. n f .
mit reichen Nachweisen.
45 I - Baltzer, Hällristningar frAn Bohuslän Taf. 2 7 — 2 9 Nr. 1; M. Ninck, a. O.
Tai. 6, 2.
44 A. Nordin, Östergötlands bronsälder 185 gibt eine übersichtliche Zusammen-
stellung.
120 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

vielen Fällen ist die Lanze übergroß gebildet. Das zeigt, daß sie eine beson-
dere Bedeutung besaß. Die germanische Religionswissenschaft ist geneigt,
in diesem „Speer"- oder ,,Lanzen-Träger" einen göttlichen Vorgänger
Odins mit der Lanze Gungnir zu erkennen 47 .
Man hat freilich eingewandt, daß die phallische Darstellung der Fels-
bilder bei dem späteren Wodan und Odin keine Entsprechung finde. Nach
Adam von Bremen war Fricco (aisl. Freyr) der Schweden im Tempel
zu Uppsala cum ingenti priapo dargestellt (neben Thor cum sceptro und
Wodan als armatus). Andererseits könne der Lanzengott nicht mit Fricco-
Freyr wesenseins sein, da dieser als pacem voluptatemque largiens mortalibus
gedacht wurde. So habe die Verbindung von Lanze und Phallos keine Ent-
sprechung in der späteren nordischen Religion. Darauf ist zu erwidern,
daß der Phallos auf den Felsbildern keine besondere Bedeutung hat, sondern
einfach den Mann und somit auch die Gottheit männlichen Geschlechtes
bezeichnet. Der göttliche Beilträger, in dem man den Vorgänger Thors
und seines Hammers Mjollnir erblickt, ist ebenso mit dem aufgerichteten
Phallos dargestellt wie der Lanzengott 4 8 .
Auf drei Felsbildern aus Tanum 4 9 begegnet bei diesem Lanzenträger
auch die senkrechte Haltung der Waffe, mit der Spitze nach unten. Hier
ist die Ubereinstimmung mit der entsprechenden Gestalt des Gallehuser
Goldhornes und des Schildzeichens der felices Valentinianenses deutlich.
Sie bestätigt Olriks Auffassung und zieht die des Schildzeichens nach sich.
Auch der auf ihm erscheinende Lanzenträger wäre als Odin oder Wodan
anzusprechen. Zugleich ergibt sich die Deutung der Horner, die der Gott
auf dem Goldhorn trägt. Ihre lange, geschweifte Form weist auf Stier-
hörner: vielleicht bestand ein innerer Zusammenhang zwischen dieser an
sichtbarer Stelle angebrachten Darstellung und dem Goldhorn selbst, das
gleichfalls die Form eines Stierhornes besaß. Verbindungen zwischen Wodan
und dem Stier lassen sich ziehen. Die Berserker des Gottes tragen Stier-
hörner oder kämpfen in Tiergestalt 50 . Auf dem Felsbild von Kalleby bei
Tanum 5 1 (Bohuslän) erscheint eine riesige Gestalt, die ihre Lanze senkrecht

47 J. de Vries, a. 0.2,95 ; vgl. 169f.; ryöf., M. Ninck, a. O. 214!.; O. Höfler, a. O. 11 f.


49 O. Almgren, Nord. Felsbilder als relig. Urkunden 111 f.; Abb. 73 f.
4* L. Baltzer, a. O. Taf. 44 Nr. 4 ; 49—50 Nr. 7; 57—58 Nr. 2 links unten; Altheim-

Trautmann, Vom Ursprung der Runen Abb. 52; F. Altheim, Italien und Rom i 1 ,
Abb. 2.
50 M. Ninck, a. O. 7; 40; 46; 256.

51 O. Almgren, Felsbilder als relig. Urkunden 71 Abb. 38.


4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . S T E L L U N G 121

in den Boden eines Drachenschiffes einpflanzt. Schon O. Almgren 52 , dann


wieder O. Höfler 6 * haben die Lanze als heilig, die Gestalt als Gott gedeutet.
Sie ist der göttliche Lanzenträger mit senkrecht gehaltener Waffe, den
wir bereits kennen. Endlich sei ein selbstgefundenes Felsbild aus der Nähe
von Tanum genannt. Hier tritt erneut der göttliche Lanzenträger auf:
er trägt, wie auf dem Goldhorn, die Stierhörner auf dem Haupt 5 5 .
Noch ein letzter Hinweis. Die oberitalienischen Felsbilder aus der
Val Camonica zeigen neben anderen zahlreichen Übereinstimmungen mit
den südskandinavischen hällristningar54 — neben Sonnensymbolen, Kult-
wagen und Kultschiffen, Krieger- und Kampfdarstellungen — auch den
Lanzengott 5 7 . Die Ubereinstimmungen sind hier besonders deutlich. Vor
allem erscheint wiederum der Gott mit der abwärts gekehrten Waffe 5 8 .
Wenn die geistreiche Vermutung eines belgischen Gelehrten 6 · zutrifft, so
weist die von uns entdeckte Gestalt des Cernunnos· 0 auf nordische Vorbilder,
und zwar gerade auf den Lanzenträger. Dann hätte aber auch der lange
Umhang seine Entsprechung auf den Felsbildern gefunden. Schließlich
tritt die Besonderheit auf, daß auf dreien dieser Felsbilder — zwei stammen
aus Sassiner, eines von den Scale di Cimbergo' 1 — auch die mit der linken
Hand emporgehobene Scheibe wiederkehrt. In Sassiner ist die Darstellung
viermal wiederholt. Daneben steht ein Läufer im Hakenkreuzschema; auch
er hält die Scheibe in der Hand. Auf einem weiteren Felsbild, südlich von
Naquane gefunden 82 , treten weitere vier Lanzenträger mit diesem Attribut
auf. Auch da begegnet die senkrecht gehaltene Lanze, meist wiederum mit
abwärts gekehrter Spitze.
Damit hat die emporgehaltene Scheibe, die die Besonderheit des Schild-
zeichens bildet, ihre Entsprechung gefunden. Alle diese räumlich und zeitlich

" a. O. 71; 137.


ω a. Ο. 12.
" Abgebildet bei F. Altheim, D. Krise d. alt. Welt 1 Abb. 90.
56 Altheim-Trautmann in: Welt als Gesch. 3, 94t.; Wörter und Sachen 1938, 12 f.;

Vom Ursprung d. Runen 47 f.; Italien und d. Dor. Wanderung 21 f.; Kimbern und Ru-
nen2 13 t.
" Altheim-Trautmann, Vom Ursprung d. Runen 64!.
58 Altheim-Trautmann, a. O. Abb. 51—52.

M P. Lambrechts in: Rev. beige de philol. et d'hist. 1941, 6ig{.


Altheim-Trautmann in: Rom. Mitt. 1939, 3 Abb. 1; F. Altheim, Italien u.
Rom 2* Abb. 11.
Altheim-Trautmann, a. O. Abb. 49—50; 53.
M Altheim-Trautmann, a. O. Abb. 54.
122 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

so weit getrennten Darstellungen — Bohuslän und Östergötland, die Val


Camonica, das Gallehuser Goldhorn und das Schildzeichen der Notitia
dignitatum — geben offenkundig den gleichen Sinnzusammenhang, die-
selbe göttliche Gestalt wieder.
Die Verbindung der Scheibe mit Odin im besonderen wird vielleicht
durch die runischen /«^-Inschriften bestätigt. Dieses Formelwort, das als
lapu, lapa, lapödu erscheint und „Zitation" bedeutet, erscheint mehrfach
auf skandinavischen Brakteaten des 6. Jahrhunderts 83 . Die Verbindung
mit Odin ist durch die Darstellung eines Mannes (oder seines Kopfes)
über Pferd und Vogel gegeben. Sie kehrt bei den Brakteaten mit den
Aufschriften laukaR44 und ehwees wieder; deutlich ist hier das Pferd Odins
gemeint'·. Andere Beziehungen auf den Gott treten hinzu 47 . Auch der
Name des Runenmeisters auf dem Brakteat Nr. 24 aus Fünen houaR er-
innert an den Runengott Odin· 8 . In diesem Zusammenhang scheint der
Brakteat Nr. 27 aus Trollhättan·* von Bedeutung. Seine Aufschrift tawö
lapodu wird von W. Krause als „Ich nehme eine Zitation vor" übersetzt.
Die Darstellung zeigt den Oberteil eines Mannes, der den rechten Arm
emporhebt und in der Hand einen kreisförmigen Gegenstand hält. Das läßt
sich mit der Scheibe vergleichen, die der Gott des Schildzeichens, die auch
die Lanzen träger der Felsbilder halten.
Das Alter Odin-Wodan's ist schwer zu bestimmen. Doch darüber kann
kein Zweifel bestehen, daß die Kimbern Wodan gekannt haben. Das beweist
einmal das Erscheinen des Mercurius Cimbrianus, dem ein zwischen Rhein,
Main und Neckar verbliebener Splitter des Volkes im 2.—3. Jahrhundert
n. Chr. Inschriften setzte70. Das Heiligtum dieses kimbrischen Wodan ist,
mitsamt dem dazugehörigen Runensteinen 71 , auf dem Greinsberg bei

• 3 W. Krause, a. O. 40 f. Nr. 26 f.
• 4 W . Krause, a. O. 31 f. Nr. ιγί.
·* W. Krause, a. O. 47 f.
" W . Krause, a. O. 39; 40; 47.
· ' W. Krause, a. O. 33 Anm. 1 zu Nr. 1 7 ; 34 zu Nr. 20 („Hakenkreuz . . . das die
Sphäre der Asen symbolisiert"); 36 zu Nr. 22 (Hakenkreuz); 37 zu Nr. 23 (Haken-
kreuz); 38 zu Nr. 24 (Hakenkreuz); 39 zu Nr. 25 (Hakenkreuz); vgl. 40; 48 zu Nr. 32
und 33 (Hakenkreuz).
,e
W. Krause, a. O. 42 zu Nr. 28.
· · W . Krause, a. O. 4 3 f . ; Abb. 37.
70
S. Gutenbrunner, D. german. Götternamen d. antik. Inschriften 5 2 f . ; J . de
Vries, a. O. 1, i66f.
71
Altheim-Trautmann, a. O. 74f.; 83f.
4· GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 123

Miltenberg a. M. gefunden worden72. Als Zweites kommt die Tatsache hinzu,


daß die Kimbern nach dem Kampf die Erhängung der Unterlegenen Wodan
zu Ehren kannten. Indem wir auf unsere frühere Behandlung 73 der
Frage verweisen, beschränken wir uns darauf, daraus die Folgerungen zu
ziehen.
Daß die Felsbilder bereits Odin oder Wodan darstellen, ist nicht nach-
weisbar. Wir müssen den Namen des Gottes offenlassen und uns
damit begnügen, ihn als Vorgänger Odins zu bezeichnen. Auf der anderen
Seite kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Gott des Goldhornes
von Gallehus, das um 400 n. Chr. oder später entstand74, Odin ist. Und
dasselbe muß von der entsprechenden Gestalt des Schildzeichens gelten:
sie stellt Wodan dar. Da die Truppe der felices Valentinianenses unter
Valentinian I. oder II. aufgestellt wurde, so wurde das Schildzeichen noch
vor Ausgang des 4. Jahrhunderts geschaffen. Wir haben auf ihm die älteste
Darstellung des Wodan oder Odin überhaupt.
Die Folgerung, die sich daraus ergibt, ist, daß die felices Valentinianenses
eine Truppe germanischer Herkunft waren. Diese Annahme enthält keine
Schwierigkeit, denn germanische Truppenteile begegnen in der Notitia
dignitatum die Menge. Auch das Erscheinen germanischer Symbole kann
nicht befremden. Haben sich doch auf den Schildzeichen der Cornuti,
Vindices und Ascarii seniores Runen wiedergefunden75. Doch ein Punkt
bleibt zu klären: das Vorkommen des heidnischen Gottes Wodan auf dem
Wappenschild einer Truppe, die unter einem christlichen Kaiser aufgestellt
wurde.
Hier ist einmal daran zu erinnern, daß auch das Symbol eines anderen
germanischen Gottes auf einem Schildzeichen erscheint. Die Cornuti, die
sich wahrscheinlich aus Sachsen rekrutierten, also Ingwäonen waren,
trugen die /wg-Rune und damit das Zeichen ihres Stammesgottes Ing
(Ingu-) im Wappen. Darüber hinaus wissen wir, daß man die Stammes-
götter 7 ' und gerade die Asen nicht als volle Götter betrachtete. Iordanes77

72 Eine Übersicht im CIL. 13 p. 284.


™ Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen8 44!.
74 Shetelig-Falk-Gordon, Scandinavian Archeology 208; W. Krause, a. O. 176; O.

Höfler, a. O. 11; E. Gjessing, a. O. 274.


75 F. Altheim in: Klio 31, 51 f.; G. Baesecke, Vor- und Frühgesch. d. dten. Schrift-

tums 1, 106; oben S. io5f.


7 1 O. Höfler, a. O. 9; 13.

77 Get. 78; Ο. Höfler, a. Ο. 14 Anm. 2.


124 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

deutet die Ansis ausdrücklich als semidei. Ungleich wichtiger aber ist ein
Anderes. Von römischer Seite ließe sich das Erscheinen des Wodan am
besten erklären, wenn man an die Aufstellung der felices Valentinianenses
unter Valentinian II. denkt 78 . Zu Beginn seiner Herrschaft war dieser der
heidnischen Senatspartei nicht abgeneigt und hatte als magister militum
den Franken Bauto, einen Heiden. Und wenn der Kaiser sich auch von
einem Feind zu einem Freund des Ambrosius wandelte und asketische
Neigung entwickelte, so setzte doch mit dem späteren magister militum
Arbogast, dem Landsmann, Kriegsgefährten und Glaubensgenossen Bauto's,
eine neue heidnische Reaktion ein. Unter dem Regiment eines dieser beiden
Männer könnte durchaus der germanische Gott auf den Schild der neu-
geschaffenen Truppe gebracht worden sein. Daß Wodan nach alter Art zu
Fuß, nicht zu Pferde dargestellt ist, bedeutet eine Bestätigung. Denn
gerade die Franken haben am Fußkampf langehin festgehalten 79 und haben
ihren Gott entsprechend wiedergegeben.
Arbogasts Name ist mit dem letzten Kampf des römischen Heidentums,
das mit der Erhebung des Flavius Eugenius zum Kaiser und mit der
Schlacht am Frigidus 394 sein Ende fand, verknüpft. Wenn die zuvor
geäußerte Vermutung zutrifft, so würde das Bündnis zwischen dem heid-
nischen Franken und der römischen Senatspartei 80 in einem neuen Licht
erscheinen. Nicht nur unter dem Zeichen der römischen Götter hätte man
gegen Theodosios gefochten. Wie man auf den Pässen der Alpen geweihte
Iupiterstatuen 81 mit vergoldeten Blitzen in den Händen 82 gegen den heran-
nahenden Feind errichtete 83 , so führte man auch den lanzentragenden
Germanengott gegen ihn im Wappen. Iupiter und Wodan vereint wären
an den Ufern der Wippach gegen das christliche Heer zum Kampf angetreten.
Und sowenig man trotz des Sieges die Iupiteradler der alten Gardetruppe,
der Ioviani, antastete, sowenig scheint es mit dem Gott der felices Valen-
tinianenses geschehen zu sein.

78
E . Siein, Gesch. d. spätröm. Reiches 1, 3 1 1 ; 3 2 0 ; 3 2 5 .
' * Prokop., b. Goth. 2, 2 3 , 27.
80
F . Klinger, Vom Geistesleben im R o m des ausgehenden Altertums 3 2 f.
81
Augustin, De civ. Dei 5, 26: Iovis simulacra, quae adversus eum (sc. Theodosium)
fuerant nescio quibus riiibus velut consecrala et in Alpibus constituta.
82
Augustin., 1. c.: fulmina quod aurea fuissent.
88
Wielange sich in der Kaiserresidenz Trier die heidnische Vorstellungswelt
unter bereits christlichen Kaisern gehalten hat, zeigt das Trierer Kornmarkt-Mosaik:
J . Moreau, Das Trierer Kornmarktmosaik (Monum. Artis R o m . 2, i960) 5 ; 26.
4· GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 125

Germanischer Götterglaube hat sich nicht nur der heidnischen Oppo-


sition des späten Roms verbunden. Daß man auch aus dem iranischen Osten
Unterstützung empfing, zeigen zwei weitere Fälle, über die jetzt berichtet
werden soll.
Unter dem 24. 4. 1939 machte mir H. Arntz Mitteilung von einer Runen-
inschrift 1 , die er
γ^η*

las. „Sie steht auf einem Stein, der über einem Eisenmeteorstein befestigt
ist, in Dölzig bei Leipzig. Cand. phil. Eberhard Pinder in Leipzig hat sie bei
der Landesaufnahme für seine Dissertation entdeckt, und ich bin dann mit
ihm an dem Stein gewesen. Äußere Zeichen von Unechtheit können wir
nicht entdecken; ein Fälscher möchte im allgemeinen auch etwas Ver-
ständlicheres zuwege bringen und schwerlich etwas, das wie eine Bombe in
unsere 1939er Runentheorien einschlägt." E. Pinder bestätigte in einem
Brief vom 5. 7. 39 den Fund. Die Deutung gab H. Arntz: „(t)k Ingus wäre
die ostgermanische Form, die wir dort erwarten müßten." Er nahm an, daß
die Inschrift „ehedem wohl länger gewesen" sei.
Während des Krieges ruhten die Nachforschungen. Erst am 25. 8. 1945
untersuchte Dr. Η. E. Giesecke, als Kenner des Ostgermanentums, auf meine
Bitte hin erneut den Stein. Er fand ihn im Garten des Arnoldschen An-
wesens in Dölzig, Auenstraße 28, in seinem früheren Zustand vor. Er gab
folgende Beschreibung:
„Unregelmäßiger runder Stein mit konzentrischen Schleifspuren auf
der die ursprüngliche Oberfläche bildenden helleren Oberseite. An der
unteren Seite ist durch Absprengung diese Schicht verloren. Buntsandstein,
an der linken Kante springt ein Stück amorphen blauen Gesteins (Schiefer,
Basalt ?) vor. Etwas darüber ist auf der Oberfläche des Steins ein etwa 2 qcm
großer Kalksteineinschluß erkennbar. Die ganze Rückseite ist dicht mit
kristallinischen Kupferblendestücken, 0,5—3 mm groß, besät. Die In-
schrift wurde nach erfolgter Absprengung an der Unterseite angebracht.
Außer den auf der Aufnahme von E. Pinder erkennbaren t I und γ S Π f ,
wobei zwischen | und Y keine Schriftreste auf der abgesprengten Ober-

1 Abgebildet nach einer Aufnahme E. Pinder's bei F. Altheim, Literatur und Ge-
sellschaft 1 Taf. X V I I I oben.
126 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

fläche erkennbar sind, weist die Rückseite etwa gegenüber der Ing-Rune
nochmals ein Y mit einer langen, möglicherweise von Korrosion herrüh-
renden senkrechten Hasta auf. Links von dieser sind zwei Punkte wage-
recht nebeneinander eingehauen. Die Inschrift ist nachträglich teilweise
mit Silberbronze ausgezogen."

Nach einer Angabe Arntz' beträgt der senkrechte Durchmesser des


Steines etwa 20 cm, der wagerechte etwa 30 cm. Über den Fundort war
keine Auskunft zu erhalten. Arntz nahm ihn in der Nähe an, da andere
Stücke im gleichen Besitz — Säulen, Taufsteine, Kapitelle — gleichfalls
von dorther stammten. In der Nähe von Dölzig seien völkerwanderungs-
zeitliche Germanenreste nachgewiesen.

Die erste Frage muß die nach der Echtheit des Stückes sein. Arntz und
Pinder glaubten keinen Grund zum Zweifel zu finden, betonten aber beide,
daß erst eine genaue Untersuchung der Verwitterungsrinde Klarheit
schaffen könne. Infolge Weigerung des damaligen (1939) und des
späteren Besitzers (1945) war eine solche Untersuchung bis jetzt nicht
möglich. Auch hat die nachträgliche Ausziehung gerade der wichtigsten
Schriftzeichen mit Silberfarbe die Voraussetzungen dafür erschwert. Bei
dieser Sachlage muß man sich auf innere Gründe beschränken. Sie scheinen
den Eindruck, den Arntz und Pinder hatten, zu bestätigen.

Runeninschriften, die sich lediglich aus den Pronomen der ersten


Person und einem folgenden Namen zusammensetzen, konnten einem
Fälscher im Jahre 1939 nicht bekannt sein. Wohl gab es eine Reihe von
Inschriften, auf denen sich meist ein Heruler in erster Person nannte. Aber
sie waren ausnahmslos länger. Die Inschrift der Speerspitze von Rozwadöw
in Ostgalizien, die sich nach Form und Kürze mit dem Dölziger Stein ver-
gleichen läßt, war 1937 für W. Krause 2 und 1938 für H. Arntz 3 noch unver-
ständlich. Erst 1939 veröffentlichte Arntz 4 seine (übrigens nicht beweis-
bare) Deutung als [t]Ä [e]ruls: ,,ich (bin) ein Eruier". Die Runenfibel von
Bratsberg (B) in Norwegen mit der Aufschrift ek erilaz wurde zwar schon
1937 von B. Hougen und M. Olsen 5 veröffentlicht. Aber noch 1938 war sie
Arntz unbekannt. Erst im Jahre 1939 wurde sie durch ihn der deutschen

2 Runeninschr. im älteren Futhark 21.


' Runenschrift 45.
4 Arntz-Zeiß, D. einheim. Runendenkm. d. Festlandes 4255.

s In: Viking 1937, 53*·


4· GERMANISCHE G Ö T T E R NACH I H R E R GESCHICHTL. S T E L L U N G 127

Forschung zugänglich gemacht*. Die kunstvollen Binderunen haben keine


Entsprechung im Dölziger Stein.
Die Form Y für k galt bis 1939 als jüngere nordische Form. Man wies sie
nordischen, angelsächsischen und ostgermanischen Denkmälern seit dem
6. Jahrhundert zu 7 . Bei der kleineren Spange von Nordendorf leugnete man
eine Deutung von Y als k8. Arntz erwog 1939 zögernd diese Deutung,
sprach sich aber gegen Y = k auf der Urne von Sedschütz mit aller
Entschiedenheit aus. Auf deutschen Denkmälern komme dieses Zeichen vor
700 nicht vor 9 . Erst von E. Trautmann und mir wurde, anschließend an den
Fund von Y auf dem Miltenberger Toutonenstein, die Deutung k auch bei
Sedschütz vertreten 10 . Wir verwiesen auf die Scheibe von Fossum in
Bohuslän 11 und konnten 1942 Y = k auf den norditalischen Felsinschriften
von den Würmlacher Wiesen nicht weniger als dreimal belegen n . Auch dies
mußte einem Fälscher 1939 unbekannt sein.
Was die Form der einzelnen Runen angeht, so wurde über sie soeben
gesprochen. Der lange Stab könnte bedeuten, daß es sich nicht um die
einfache Form, sondern um eine Binderune ik handelt. Aber auf der einen
Seite ist die Schreibung k statt ik in einer Reihe von Fällen bezeugt 13 , auf
der anderen besitzt auch das k des Toutonensteines die überlange Hasta 14 .
Endlich ist die Binderune ik auf dem axtförmigen Anhänger von Hainspach
durchaus fraglich 15 . ^ ist kleiner als die normale Höhe der Runen; die
Form erscheint nur noch auf dem Brakteaten von Vadstena 1 '. Nicht übereck
gestellt begegnet die Rune auf dem Stein von Kylver, wiederum kleiner als
Normalhöhe 17 . Π u und £ s bieten ebenso wie t t und | i keine Besonder-
heit. Auf der Rückseite erneut auftretendes Y zeigt, daß der Schreiber ein
zweites Mal ansetzte.

• Arntz-Zeiß, a. O. 427f.
' W. Krause, a. O. 15; 17; 44; 183; 197; 205; H. Arntz, a. O. 88.
' W. Krause, a. O. 205 Anm.
• Arntz-Zeiß, a. O. 305; 307; 101.
10 Altheim-Trautmann, V. Ursprung d. Runen 85.

1 1 Altheim-Trautmann, a. O. 51 Abb. 22.

1 1 Altheim-Trautmann, Kimbern u. Runen 8 30.

M Arntz-Zeiß, a. O. 420 Wortliste unter (i)k.

14 Altheim-Trautmann, V. Ursprung d. Runen 79f.; Abb. 56.

1 5 Arntz-Zeiß, a. O. 251.

>· H. Arntz, Handb. d. Runenkde. 1 69; W. Krause, a. O. 11 f.


1 7 W. Krause, a. O. 8f.
128 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Die Lesung des Dölziger Steins ist zweifelsfrei.


a) (i)k (i)ngus
b) ti
c) (i)k
Zu c) ist das Nötige gesagt. Die Lesung ti auf b) ergibt sich daraus, daß
auch a) rechtsläufig geschrieben ist. Man kann an tii. . ., tipiipi, iiitii und
uiti der Inschriften von Sanzeno nell' Anaunia erinnern 18 . Auch der Pokal
von Vehlingen 1 9 zeigt t und dreimaliges i. Einer besonderen Bemerkung
bedarf noch die Schreibung (i)ngus auf a). Während die jüngere 20 Form der
/ng-Rune sich aus | i und ^ ng zusammensetzt, dennoch aber meist nicht
den Lautwert ing, sondern ng hat, ist es hier so, daß zwar das ältere ^
allein geschrieben ist, dieses aber nicht als ng, sondern als ing verstanden
werden soll. Die Erklärung ergibt sich aus der Geschichte des Zeichens.
hat ebenso wie \ ursprünglich das Sinnbild des Gottes Ing bedeutet 21 .
Als solches taugte es aber nur zur Wiedergabe des o-Stammes Ing, nicht des
daneben erscheinenden w-Stammes Ingu- (oben S. 109). Wollte man InguR
oder Ingus schreiben, so mußte man dem Begriffszeichen *t Ing noch die
fehlenden beiden Lautzeichen hinzufügen.
Innerhalb des Wortes (i)ngus stoßen demnach die beiden Gebrauchs-
weisen der Runen aufeinander. Die ältere Verwendung als Begriffszeichen
ist für den Gottesnamen Ing noch möglich, aber Ingus mußte bereits mit
Hilfe von Lautzeichen geschrieben werden. Man blickt in den Übergang von
den runischen notae zu Buchstaben in unserem Sinn, die zur Wiedergabe von
Lauten dienen, hinein.
Den Ubergang von der Begriffs- zur Lautrune hat man mit dem Vorbild
römischer, überhaupt antiker Inschriften in Verbindung gebracht 22 . Viel-
leicht läßt sich diese Auffassung gerade am vorliegenden Fall als richtig
erweisen.
Der Dölziger Stein mit (i)k (i)ngus gehört zu einer größeren Gruppe 23 ,
deren Angehörige sämtlich mit ik oder ek beginnen und dann meist eine
Amts- oder Machtbezeichnung bringen, seltener den Namen nennen. Oft

18 Altheim-Trautmann, Kimbern und Runen 2 30.


" H. Arntz, Runenschrift 28.
20 H. Arntz, Handb. d. Runenkde. 1 69.
21 H. Arntz, a. O. 2 2oof.; 216; 220f.
22 G. Baesecke, Vor- u. Frühgesch. d. dten. Schriftt. 1, H 9 f .
23 H. Arntz, Runenschrift 55; Arntz-Zeiß, a. O. 425t.
4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . S T E L L U N G 129

geben sie mit ek oder ik den Runenmeister, auf nordischen Denkmälern da-
neben auch den Toten. Im ersten Fall wird zuweilen eine Besonderheit
hinzugefügt, die Macht verleiht. So hebt der Runenmeister seine Abkunft,
etwa als Heruler, hervor oder seine Eigenschaft als „Geweihter", als
Zauberpriester.
All dies führt in sakralen Bereich. Der Stein von Dölzig tritt als weiteres
Glied der Gruppe hinzu. Nur nennt er weder Runenmeister noch Toten,
sondern einen Gott. Das gibt diesem Denkmal von vornherein eine be-
sondere Stellung. Formal steht die Inschrift der Fibel von Bratsberg (B)
mit ek erilaz am nächsten. Mim hat ihren Wortlaut bisher ergänzt zu: ,,ich
ritze die Runen" oder „ich weihe den Schmuck" 24 . Keine der beiden Er-
gänzungen kommt für den Dölziger Stein in Betracht. Er enthält lediglich
die Selbstvorstellung des Gottes „ich (bin) Ingus". Und es muß gefragt
werden, ob dann ek erilaz, wenn es gleichfalls allein dasteht, nicht auch:
„ich (bin) ein Heruler" bedeutet hat.
Eine vergleichbare Form der Selbstvorstellung findet sich im christ-
lichen und dem ihm gleichzeitigen Schrifttum. Es handelt sich um den,
wie man ihn genannt hat, soteriologischen Redetypus έγώ είμι28. Die
bekannten Belege seien in Kürze wiederholt. Έ γ ώ είμι ή θεοί/ Trais
ή πνεύμα θείον, läßt Celsus 2 · seine Christenfeinde sprechen. Häufig ist der
Gebrauch in johanneischen Reden 27 . Aber auch in den Synhedrion- und
Pilatusberichten der Synoptiker erscheint an betonter Stelle eine Abwand-
lung des Redetypus έγώ είμι28. Dazu kommen Belege aus gnostischer
und hermetischer Literatur 2 ·. Rückwärts läßt sie sich bis zu den Inschriften
der Achaimeniden oder denen vonMchet'a, vorwärts bis zu den Tatenberich-
ten der aksümitischen Könige 80 , des nubischen Königs Silko 31 und zur Ver-
kündigung Mohammeds verfolgen82.
" Arntz-Zeiß, a. O. 430.
15 E. Norden, Agnostos Theos i89f.; E. Schweizer, Ego eimi (Forsch, z. Relig. u.
Literat, des Alten und Neuen Test. N. F. 38). Hinweis von J. Schniewind.
1 1 Orig., adv. Cels. 7, 8f.; vgl. R. Reitzenstein, Poimandres 222f.; E. Norden,

a. O. 188 f.
27 E. Norden, a. O. 190.

i s E. Norden, a. O. 194 f.

2 · E. Norden, a. O. i 9 o f .

, 0 "Ezänä spricht zwar auf seinen Tatenberichten in erster Person. Aber die feier-

liche Selbstpraedikation mit ana „ i c h " begegnet erst bei Ha?änl Dan'Sl: E. Littmann
in: Deutsche Aksum-Expedition 4 (1913), 42f.
W. Dittenberger, Orient. Graec. inscript. sei. 1 Nr. 300.
M E. Norden, a. O. 2131.; igif.; E. Schweizer, a. O. i 2 f .
β Althelm, Hannen IV
130 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Wegen des ostgermanischen Charakters unseres Runendenkmals darf


das Schrifttum der Goten Aufmerksamkeit beanspruchen. Im Auxentius-
brief 43 ist eine Berufung Ulfilas' auf das Herrenwort: ego sum via et Veritas
et vita eingeführt, und sein Taufbekenntnis leitet der Gotenapostel mit
einer formal ähnlichen Selbst Vorstellung ein: ego Ulfila episkopus et con-
fessor semper sic credidi. In zahlreichen Fällen ist seine Übersetzung ent-
sprechender johanneischer Redenanfänge erhalten:
6. 35 ik im sa hlaifs libanais — έγώ είμι ό άρτο? της ζώης.
8, 12 ik im liahap manasedais — έ γ ώ είμι τ ό φως τ ο ϋ κόσμου,
ίο, 7 ik im daur pize lambe — έ γ ώ είμι ή θύρα τ ω ν προβάτων,
ι ι , 25 ik im so usstass jah libains — έγώ είμι ή άνάστασις κσΐ ή ζωή.
Auch Jesu Worte Marc. 14, 61 f. dürfen angeführt werden: aftra sa auhu-
mista gudja frah ina jah qap du tmma: pu ts Xristus sa sunus pis piupei-
gins ? ip is qafiuh: ik im — πάλιν ό άρχιερεύς έττηρώτα αύτόν καΐ λέγει
α υ τ ω · σ ύ εΐ ό χριστός ό υΙός τ ο υ εύλογητοΰ; ό 5έ Ιησούς είττεν · έ γ ώ είμι.

Hat dieser Redetypus bei den Runenschriften der Form ek erilaz und
(i)k ingus Pate gestanden ? Zumindest die Möglichkeit kann nicht geleugnet
werden. Freilich fällt ins Gewicht, daß bei den Runeninschriften die Kopula
fehlt, während sie an den angeführten Stellen der gotischen Bibelüber-
setzung stets vorhanden ist. Hier gab die griechische Fassung, wiederum in
sämtlichen Fällen, das Vorbild. Nur aus dem Buch der gnostischen
Peraten, das den Titel ΤΤροάστειοι trug, hat Hippolytos 34 die Wendung
erhalten: έ γ ώ φωνή έξυπνισμοΟ έν τ ω αΙών: της νυκτός. Weit
zahlreicher sind die Belege aus der griechischen Übersetzung des Alten
Testamentes3®. Und damit stößt man auf den Kern der Frage: im Fehlen
des Verbums hegt ein Semitismus vor. Es verdient hervorgehoben zu
werden, daß die Runeninschriften hier gegenüber der Ulfilasübersetzung
das Ursprüngliche bewahrt haben.
Dafür geben jetzt die beiden Inschriften von Mchet'a den gewünschten
Beleg. Beide sind in einer semitischen Sprache abgefaßt. Der aramäische
Teil der Bilinguis und die zuvor mitgeteilten Teile der zweiten, ausschließ-
lich aramäisch abgefaßten Inschrift machen vom Redetypus έ γ ώ ε!μι
reichlich Gebrauch. Sie verwenden ihn in der semitischen Form, will sagen:

** Η. E. Giesecke, Ostgermanen und Arianismus i6f.


" Refut. p. 184; vgl. 188; E. Norden, a. O. 190. Über die Herkunft der Peraten
P. P. Alfaric, Les icrit. manich. i , 17.
s s E. Schweizer, a. O. 21 f.
4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R N A C H I H R E R G E S C H I C H T L . STELLUNG 131

sie setzen 'nh ohne Kopula. Sprachlich könnte hier das Vorbild vorliegen,
und insofern darf dieser Hinweis den Vorrang beanspruchen. Es bleibt nur
die Frage, ob sich eine Verbindung herstellen läßt. Damit ist man bei der
Frage nach dem Alter und der Stammeszugehörigkeit des Dölziger Steines
angelangt.
Seiner äußeren Form nach erinnert er am ehesten an den Stein von Prex.
Aber der Vergleich hilft nicht weiter, da dieses Denkmal sich zeitlich nicht
bestimmen läßt3®. Die Form der Ing-Rune in Dölzig ist jünger als die auf
dem Schildzeichen der Cornuti. Dieses führt in die Zeit nach dem ersten Auf-
treten der Truppe in der Schlacht bei Straßburg 357. Auf der Schnalle von
Szabadbattyan hingegen erscheint bereits eine Form, die aus | i und ^ ng
zusammengesetzt, also jünger als das ^ von Dölzig ist. In Szabadbattyan
hat man noch, im Gegensatz zum späteren Gebrauch, den Lautwert ing37,
wie das der Zusammensetzung des Zeichens entspricht. Beide Formen,
^ und die jüngere, haben also ihren ursprünglichen Lautwert ing zugunsten
von ng aufgegeben. Gleichwohl läßt sich aus der Schnalle von Szabadbat-
tyan kein Terminus ante quem für Dölzig gewinnen. Denn der Brakteat
Nr. 22 von Vadstena zeigt, daß damals (Mitte des 6. Jahrhunderts) noch
^ geschrieben werden konnte 38 . Und zwar, wie der gleichzeitige Brakteat
von Grumpan 3 9 beweist 40 , neben der jüngeren Form. So bleibt es bei der
ziemlich weiten Zeitspanne zwischen 357 und etwa 550. Immerhin wird
der Stein eher ans Ende denn an den Anfang des Zeitraumes gehören.
Auch die Frage der Stammeszugehörigkeit ist vielleicht zu bestimmen.
Dölzig liegt nahe der östlichen Grenze eines geschlossenen Siedlungsge-
bietes beiderseits der Saale 41 . In den ersten Jahrhunderten n. Chr. wohnten
hier die Hermunduren 42 . Seit 400 sind die Thüringer geschichtlich bezeugt.
Gleichgültig, ob beider Namen etymologisch zusammengehören oder
nicht 4 3 : Funde aus dem 4.—6. Jahrhundert müssen von vornherein den
Thüringern zugewiesen werden.

' * H. Arntz, Handb. d. Runenkunde 2 53.


»' H. Arntz, a. O. 2 69; Arntz-Zeiß, a. O. 357 f.
M W. Krause, a. O. 11 f.
" W. Krause, a. O. 13.
40 Zur Zeitstellung H. Oberg, Guldbrakteaterna frän Nordens folkwanderungstid
74; 259; 264 (Hinweis von E . Löfstedt).
41 Mitteldeutscher Heimatatlas Karte 3; 8 — 9 . Die folgenden Angaben verdanke
ich fast ausschließlich W . Schulz.
42 W . Schulz bei H. Reinerth, Vorgesch. d. dten. Stämme 1, 401; 404^
48 W. Schulz, a. O. 401 f.; Th. Steche, D t e Stammeskde (Slg. Göschen 126) 117.

β·
132 H E I D E N T U M UND C H R I S T E N T U M

Innerhalb des Thüringerreiches müssen die Warnen Bedeutung besessen


haben 14 . Für diese thüringischen Warnen darf gerade das Land östlich
der Saale in Anspruch genommen werden, also auch die Gegend von Dölzig.
Die Bodenfunde zeigen Zusammenhänge mit Mecklenburg46, wo geschicht-
lich, archäologisch und in dem Flußnamen Warnow der Stamm bezeugt
ist. Seit wann Warnen in Mitteldeutschland saßen, ist umstritten. Zuletzt
dachte man an die Jahre um 40ο4·, aber vielleicht ist schon zwei Jahr-
hunderte früher eine warnische Ansiedlung anzunehmen47. Im Jahre 595
wurde das mitteldeutsche Warnenreich von den Franken zerstört.
Nicht nur zeitlich und örtlich würde sich der Stein dem warnischen
Siedlungsgebiet einordnen. Die Varini erscheinen bei Tacitus 48 unter den
Verehrern der Nerthus. Sie waren Ingwäonen, und den Gott Ingus muß
man von vornherein bei ihnen erwarten. Aber waren sie Ostgermanen?
Hier darf man zunächst daran erinnern, wie fraglich überhaupt die Scheidung
zwischen Ost- und Nordgermanen, zum mindesten was das Sprachliche an-
geht, ist 4 ·. Sodann bezeichnet Plinius 60 die Uarinne als Teil der Wandalen,
also eines ostgermanischen Stammes. Er trennt sie ausdrücklich von den
Ingwäonen. Der norwegische Name Varnes und Berührungen zwischen dem
anglo-warnischen und ostgermanischen Recht treten hinzu 61 . So scheint die
Zuteilung zu den Ostgermanen begründet. Man wird an die Schicksale der
Langobarden denken, die bei Tacitus neben den Warnen erscheinen. Auch
sie waren skandinavischer Herkunft 62 , saßen dann in Nachbarschaft der
Angeln und Sachsen, bevor sie nach Süden aufbrachen. Die langobardische
Sprache hat Spuren weniger ihres ostgermanischen Ursprungs, als solche
aus der späteren Nachbarschaft mit den Sachsen erhalten M . Am Ende wurde
sie gar in der Berührung mit Baiern und Alamannen von der zweiten Laut-
verschiebung erfaßt. Die Langobarden sprachen ein Hochdeutsch, das dem

** W. Schulz bei H. Reinerth, a. O. 1, 431.


41 K. Ziegel in: Jahresschrift Halle 31, 66f.
" K. Ziegel, a. O. 70.
47 So W. Schulz, nach eigner Mitteilung.

48 Germ. 40.

*' G. Baesecke, a. O. 1, 75 f.
50 n. h. 4, 99; R. Much in: Hoops Reallex. 4, 484.

" L. Schmid, a. O. 127. Dazu noch R. Much, D. Germania d. Tac. 347f.


1 1 L. Schmid, a. O. s66f.; G. Baesecke, a. O. 1, 79; 81; 307.

" W. Bruckner, D. Sprache d. Langobarden (Quellen u. Forsch. 75) 25f.;


G. Baesecke, a. O. 1, 81.
4· GERMANISCHE G Ö T T E R NACH I H R E R GESCHICHTL. STELLUNG 133

O b e r d e u t s c h e n n ä h e r s t a n d als d e r S p r a c h e d e r F r a n k e n M. I s t der D ö l z i g e r
S t e i n w a r n i s c h , so ist die N e n n u n g des I n g u s eine E r i n n e r u n g an die einstige
N a c h b a r s c h a f t m i t d e n I n g w ä o n e n . F ü r den h a s d i n g i s c h e n T e i l d e r W a n -
dalen sind V e r b i n d u n g e n m i t Ing literarisch b e z e u g t M , u n d selbst die G o t e n
k a n n t e n n a c h A u s w e i s der S a l z b u r g e r H a n d s c h r i f t den N a m e n enguz··.
E b e n s o darf m a n es f ü r die W a r n e n a n n e h m e n , die e i n m a l einen U n t e r -
s t a m m d e r W a n d a l e n g e b i l d e t h a b e n . A u f die s k a n d i n a v i s c h e n U r s p r ü n g e
d a g e g e n v e r w e i s t die o s t g e r m a n i s c h e S p r a c h e des D e n k m a l s . Auch die
W a n d a l e n sind, w i e die B e n u t z u n g d e r g o t i s c h e n B i b e l t i b e r s e t z u n g z e i g t ,
darin ihrer A b k u n f t bis z u l e t z t t r e u g e b h e b e n .
A n sich sind i m S a a l e g e b i e t a u c h a n d e r e B e r ü h r u n g e n m i t den O s t -
g e r m a n e n erfolgt® 7 . A b e r die W a r n e n d ü r f t e n d e n V o r r a n g b e a n s p r u c h e n .
54 G. Baesecke, a. Ο. i, 81; Paul u. Braunes Beitr. 59, 90f.; Das Hildebrandlied

58 f.; einen Rest bildet die Sprache der oberitalienischen „Zimbem": B. Schweizer,
Zimbrische Sprachreste 1, besonders S. 8.
" H. Arntz, Handb. d. Runenkde.* 227, mit weiteren Angaben: oben 1, 299£.
" H. Arntz, a. O. 226.
6 ' Ich gebe das Wichtigste, wiederum nach den Mitteilungen W. Schulz'. —
Im 3. Jahrhundert breitet sich eine von der mitteldeutsch-saaleländischen abweichende
Kultur von Osten her bis zur Schwarzen Elster (Kr. Liebenwerda) und westlich über die
Elbe hinaus aus (W. Schulz bei H. Reinerth, a. O. 412; Vor- und Frühgesch. Mittel-
deutschlands 197; Jahresschr. Halle 19, 62f.). Es zeigen sich Zusammenhänge mit der
Lausitz. Nach Kossinas Vorgang wird diese ostgermanische Gruppe allgemein mit der Aus-
breitung der Burgunder in Zusammenhang gebracht (zuletzt D. Bohnsack bei H. Reinerth,
a. O. 3, io33f.; i n 5 f . ) . Die Funde brechen im allgemeinen nach 400 ab (D. Bohnsack,
а. O. 1131). K. Ziegel (in: Mannus 32, 282f.) weist im Begräbnisplatz von Stößen,
Kr. Weißenfels, ein burgundisch beeinflußtes Tongeiäß noch im 5. Jahrhundert nach. —
Das archäologische Material spricht dafür, daß die Langobarden aus ihren Sitzen an
der unteren Elbe (Bardengau-Altmark) um 400 flußaufwärts nach Böhmen gezogen
sind. Von hier aus entwickeln sich im 5. bis 6. Jahrhundert enge Beziehungen zu den
Thüringern (W. Schulz bei H. Reinerth, a. O. 1, 430L; Vor- und Frühgesch. Mittel-
deutschlands 199; 200; F. Kuchenbuch in: Jahresschr. Halle 27, 63; 64). Bei Dresden
wurden zwei langobardische Gräber des 5. Jahrhunderts aufgedeckt (G. Bierbaum in:
Schumacher-Festschrift 337f.). Verbreitungskarte der langobardischen Bodenfunde im
б. Jahrhundert: E. Beninger bei H. Reinerth, a. O. 3, 831. — Gotische und alaman-
nische Verbindungen sind bei den Thüringern allgemein während des 5.—6. Jahr-
hunderts in Schmuck und Keramik nachzuweisen (N. Aberg, D. Franken u. Westgoten
i. d. Völkerwanderungszeit 79; W. Schulz in: I P E K 1928, 37f.; Vor- und Frühgesch.
Mitteldeutschlands 202f.). Schon vorher, im 4. Jahrhundert, zeigen die Fürstengräber
von Haßleben und Leuna Beziehungen zu den Germanen und Sarmaten im Donauraum
sowie zu den Goten in Südrußland (W. Schulz bei H. Reinerth, a. O. 1, 4i4f.; 430;
Frühgesch. Mitteldeutschlands i87f.; i92f.). — Endlich begegnen im 6. Jahrhundert
ostskandinavische Einflüsse (Fibeln von Aller und Wulfen: W. Schulz bei H. Reinerth,
a. O. 1, 431; nordische Goldbrakteaten: W. Schulz, Vor- und Frühgesch. Mitteldeutsch-
lands Abb. 255; 275).
134 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Durch Annahme warnischen Ursprungs erklären sich beim Dölziger Stein


Sprache und Gott.
Nun ist man soweit, um die zuvor fallen gelassene Frage erneut aufzu-
nehmen, ob sich eine Verbindung zwischen dem Redetypus des Dölziger
Steines und den beiden Inschriften von Mchet'a finden lasse. Die Neufunde,
die im vorhegenden Werke mitgeteilt werden, gestatten, Querverbindungen
zu ziehen, an die noch vor nicht allzulanger Zeit niemand hätte denken können.
Festzuhalten ist zunächst, daß man mit den beiden Inschriften von
Mchet'a in alanischen Bereich gelangt. Das zeigen die geschichtlichen
Ereignisse (oben i , iof.) sowie die Personen- und Ortsnamen der Inschriften
(oben S. 8f.). Wer hätte vermuten können, daß auf der Urne von Ladäny-
bene (oben i , 293f.; 3, 291) mit wandalischen Runen vergesellschaft eine
Inschrift in armazischen Alphabet, also dem in Mchet'a gebrauchten, er-
scheinen. Die Nachbarschaft von Alanen, die aus dem Kaukasus kamen,
und den im gleichen Gebiet ansässigen asdingischen Wandalen (oben i , 297),
erklärt diese Verbindung. Dergleichen ist also bei einem wandaüschen
Stamm wie den Warnen nicht ausgeschlossen, um so mehr, als auch im
weiteren Verlauf ihre Geschichte Wandalen und alanische Stammesteile
zusammenblieben. Beide sind zusammen nach Gallien, Spanien und zuletzt
nach Nordafrika gezogen.
Festzuhalten ist weiterhin, daß man mit Mchet'a und seinen Inschriften
auch in hunnischen Bereich gelangt ist. Das war zu Eingang dargelegt
worden (oben 1, 9 ! ) und hat sich an Hand der zweiten aramäischen In-
schrift zuvor bestätigt (oben S. 19). Die alttürkischen Runen sind durch
hunnische Vermittlung aus dem aramäischen (.armazischen') Alphabet von
Mchet'a entstanden (oben 1, 268f.; besonders 280f.). Wenn man Sidonius
Apollinaris (carm.7,324) glauben will, befanden sich die Thüringer (Toringus)
in Attilas Heer, das nach Gallien aufbrach 6 8 . Das ist die zweite Möglichkeit,
die sich anbietet. Über die Stellung, die Hunnen, neben ihren hephthali-
tischen Vettern, im .Kampf der Religionen' einnahmen, mag zum Schluß
noch etwas gesagt werden.

4
Der „eisernen Standarte" aus dem Schiffsgrab von Sutton Hoo (um
650—660) haben jüngst W. Berges und A. Grauert eine eigene Untersuchung

58 Ε. A. Thompson, A History of Attila and the Huns (1948) 136.


4 . GERMANISCHE GÖTTER NACH I H R E R GESCHICHTL. STELLUNG 135

gewidmet 1 . Beide Verfasser lehnen die Deutung als Fackel oder Lampen-
ständer ab. Für eine Standarte spreche die Länge des Stabes (1,95 m) und
die Bildung des Fußes (S. 240f.). Sie führen Bildzeugnisse an, die als Stangen-
aufsätze einen Widder, Hahn, Stier, Vögel (insbesondere Adler), Eber und
Drachen zeigen (S. 240—244). In keinem Fall begegnet der Hirsch, der in
Sutton Hoo an sichtbarster Stelle steht. Auch die Musterung der Uterarischen
Zeugnisse erbringt keine Klärung dieses Punktes. Man hört von effigies,
ferarum imagines, Löwe, Drache und Adler (S. 240—247), aber wiederum
nichts von Hirschen. Auch was im Abschnitt „Ethnologische Vergleichs-
stücke" (S. 251—255) zusammengestellt ist, hilft nicht weiter. Denn weder
die „Kommandostäbe des eiszeitlichen Kunstgewerbes" mit Ritzungen von
Rentieren, Elchen und Hirschen bilden eine Parallele noch die Hirsch-
standarten von Alaca Höyük aus dem 3. Jahrtausend v . C h r . (S. 252 f.);
über die Tierzeichen der Nordiranier (S. 233) wird noch zu sprechen sein.
Und doch ließe sich manches anführen; insbesondere sei auf das Kapitel
„Hirschsagen" in: Literat, und Gesellsch. 2 (1950), 15—39 hingewiesen.
In der Notitia dignitatum führt der Truppenteil der Cornacenses (occ. 5,
122; 7, 102) das Geweih eines Schauflers im Wappen. Uber die Geschichte
dieses Truppenteils; über die unterpannonische Stadt, nach der er hieß;
über ihren illyrischen Namen ist an anderer Stelle 2 das Nötige gesagt
worden. Einen Schritt weiter gelangt man mit dem Schildzeichen der
Cornuti or. 6, 9 (oben S. io6f.). Diese führen, wie sich gezeigt hat, einen
Standartenaufsatz in Form eines „Rolltieres" im Schild, der die ger-
manische Jng-Rune im weißen Feld enthält. Ähnliche Standartenauf-
sätze aus Bronze kannte bereits Luristan im 1. Jahrtausend v. Chr., und
ein weiteres Stück haben das neugefundene Relief mit Hadad und Atargatis
sowie ein weiteres mit Adler und Standarte aus Hatra gebracht 3 . Auch an
die vorrunischen Sinnbilder der skandinavischen und verwandter Fels-
1 Bei P. E. Schramm, Herrschaftszeichen und Symbolik 1 (1954), 238f. Die folgen-

den Ausführungen waren abgeschlossen, als P. Paulsen auf S. Lindquist, Kungl. Hu-
manist. Vetenskaps-Samfundet, Uppsala, Arbok 1951, 77f. und K. Hauck, Jahrb. f.
fränk. Landesforsch. 14 (1954), 9f· verwies. Es schien geraten, von Änderungen abzu-
sehen und eine Auseinandersetzung, sofern nötig, auf später zu verschieben. Den unten
angezogenen Denkmälern begegnet man in beiden Aufsätzen nicht: notwendig ent-
springt daraus ein anderes Ergebnis. Beides vereint rechtfertigt eine Darlegung wie
die folgende, mag sie auch unter begrenzterem Blickwinkel angestellt sein.
2 F. A l t h e i m , L i t e r a t u r und Gesellsch. 2, 21. Z u l e t z t C. D a i c o v i c i u in: Journ. R o m .

S t u d . 1961, 64 E d i t o r . N o t e .
3 A Survey of Persian Art 1, 41 A, C, D.; vgl. unten S. 138L
136 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Zeichnungen, die später zur Elch-Rune wurden, darf in diesem Zusammen-


hang erinnert werden 4 .
Die Cornuti sind die „Gehörnten", also Hirsche oder Stiere, wie auch
der etymologisch verwandte keltische Cernunnos bald mit Hirschgeweih,
bald mit Stierhörnern dargestellt wird 5 . Trotz ihres lateinischen Namens
waren die Cornuti, wie die /ng-Rune zeigt und ausdrückliche Bezeugung
bestätigt, Germanen. Solche Herkunft, sodann Hirsch und Stier, schließlich
die /«g-Rune führen zur Standarte von Sutton Hoo.
Die Standarte gliedert sich in zwei etwa gleich hohe Teile. Die untere
Hälfte des Schaftes ist glatt und läuft in einen Lanzenschuh aus, der
beiderseits durch zwei Voluten verstärkt ist. Der obere Teil trägt jenen
Schmuck, mit dem sich der folgende Deutungsversuch beschäftigen wird.
Zuoberst die Figur eines stehenden Hirsches* oder Elches mit ausladendem
Geweih. Sie ist angebracht auf einem kreisrunden Ring aus gedrehtem
Eisendraht, der seinerseits auf der Spitze des Schaftes aufsitzt. Eine pro-
filierte Tülle und ein auf ihr ruhender Knauf bilden die Verbindung. Un-
mittelbar unterhalb springen vier rechtwinklich einander zugeordnete
eiserne Arme waagrecht hervor, die an ihren Enden Stierköpfe tragen. In
einigem Abstand folgt der eiserne Rost, gleichfalls waagrecht angebracht
und an den vier Ecken erneut mit Stierköpfen versehen. Diese sind so
angeordnet, daß sie sich jeweils in den Winkeln der vier Arme darüber
befinden.
Obwohl aus gewundenem Eisendraht hergestellt, meint der Ring, dem
der Hirsch oder Elch aufsitzt, keinen torques (Κ. Hauck S. 204 Anm. 268).
Ein solcher müßte an einer Seite offen sein und dort in verdickte Enden
münden; er könnte auch keinen Hirsch tragen. Dagegen ergibt sich eine
Beziehung zur Ing-Rune, die meist in der Form eines Kreises erscheint
und als altes Sonnensymbol verstanden werden darf 7 . Stierköpfe und Hirsch
verbinden sich mit dem Namen der Cornuti, wie schon gesagt. Stier und
Hirsch gehören auch zu Odin-Wodan (K. Hauck S. 204f.); bei der Elch-
rune ergibt sich überdies die Beziehung zu den Alces, den' wandalischen

4 Altheim-Trautmann, Kimbern u. R u n e n 1 13f. Weiteres bei R . Merkelbach in:


Studi in onore di U g o Enrico Paoli (Florenz 1955) 513 f.
6 F. Altheim, Literatur u. Gesellschaft 2, 18.
• M. P. Hornik in: Arte del primo Millennio. A t t i del Convegno die Padova
(1950) 321.
7 H. Arntz, Handb. d. Runenkunde 1 149; 168; 186; 226f.; mit weiteren Angaben;
E . Graf Oxenstierna, Die Goldhörner von Gallehus (1956) I55f.
4- G E R M A N I S C H E G Ö T T E R NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 137

Dioskuren 8 . Auf den Felsbildern von Bohuslän erscheint mehrfach der


Hirsch oder Elch unter oder über dem Kreis (oder Rad), wobei dann dieser
durch zwei rechtwinklig aufeinanderstehende Durchmesser in vier Sektoren
geteilt sein kann®. Das entspricht dem Achsenkreuz unterhalb von Kreis
und Hirsch an der Standarte. A u c h der Hirsch h a t sich als zur Sonnen-
symbolik gehörig erwiesen 1 0 .
Endlich sind zu nennen 1 1 aus der Notitia dignitatum die Kreise oder
Rundscheiben, die auf einem stangen- oder tüllartigen Untersatz ruhen
(or. 5, ί ο — I i ; 24; 6 , 1 0 ; 7 , 2 ; 1 7 — 1 8 ; 20; 22; occ. 5, 6 1 ; 1 1 2 ; 1 1 3 ; 6 , 8 ; 10).
Durch Maximus von T y r o s (2, 8 p. 25 Hobein) weiß man, daß die Paionen
(zwischen Struma und Wardar) oder auch die Pannonier, jedenfalls Illyrier
in dieser Form die Sonne verehrten. Maximus spricht vor einem Sonnenbild,
aus einer kleinen Rundscheibe (δίσκος βραχύς) bestehend, die man auf
einen hölzernen Pfahl gestellt hatte. Wieder begegnen auf den skandina-
vischen Felsbildern ähnliche Darstellungen 1 2 .
D a m i t ergibt sich eine erste Deutung. Der Sonnenkreis und darüber der
Sonnenhirsch gehören dem gleichen Vorstellungsbereich zu. A u c h Inguz,
Wodan, die Alces lassen sich davon nicht trennen: sie stellen sich zu den
lichten Göttern. Darunter die sich kreuzenden A c h s e n : gleich der Sonnen-
symbolik führen sie ins Kosmische. Die vier Himmelsrichtungen sind k a u m
zu verkennen. Sinnvoll sind sie unterhalb der Sonnenzeichen angebracht 1 3 .
Der Stier begegnet nicht allein an den Spitzen des Achsenkreuzes; er
kehrt dann auch an den vier E c k e n des quadratischen Rostes wieder.
Während dieser den Sonnenkreis gleichsam überhöht und krönt, sind Stier-
köpfe überall dort angebracht, wo sich Achsen oder E c k e n in die Breite
erstrecken.

* Altheim-Trautmann, Kimbern u. Runen 2 1 3 f . ; H. Arntz, a. O . ' 2 1 3 f .


• L. Baltzer, Hällristningar f r i n Bohuslän (Göteborg 1881 f.) Taf. 5 — 6 ; 9—10.
10 F. Altheim, Lit. u. Gesellsch. 2, i 6 f . , mit weiteren Angaben.
11 F. Altheim, Niedergang der Alten W e l t 2, 346.
11 F . Altheim, Krise der Alten W e l t 3 A b b . 132 f.
18 Eine Parallele liefern die Fahnen, die die parthischen D y n a s t e n der Persis
auf ihren Münzen abbilden (Ph. Ackermann in: A Survey of Persian Art 3, 2768 und
fig. 959). Auf der Spitze erscheint ein Adler, darunter ein rechteckiges Vexillum, dessen
Innenzeichnung aus diagonal sich kreuzenden Streifen sowie Kreisen in den Winkeln
b e s t e h t . Ackermann bemerkt: T h a t t h e design h a d a symbolic significance is m o s t
probable. Clusters of small roundels had long been used to represent astral bodies,
and the quartering m a y refer to the ancient cosmological conception of the four quarters
of the universe. The eagles and falcons, though thev had already become the emblem
of r o y a l t y , w e r e a s s o c i a t e d f r o m a v e r y e a r l y p e r i o d w i t h t h e S k y G o d or t h e G r e a t G o d . "
138 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Es gibt ein weit älteres Paar bronzener Feldzeichen, das dieselbe Sym-
bolik 14 aufweist.Sie entstammen Luristan und gehören ins i. Jahrtausend
v. Chr.; das eine Stück befindet sich im Louvre 15 , das zweite gehörte zur
einstigen Sammlung F. Sarre 1 ·. Den Mittelteil der Standartenbekrönung
nimmt ein kreisförmiger Reifen in, dessen Inneres durch vier senkrecht
zueinander gestellte und sich gegenseitig an den Händen haltende, mensch-
liche Sitzfiguren gegliedert ist 17 . Auf dem Reifen eine liegende Hinde;
darunter zwei Stiere, die das Ganze tragen. Beide Stücke sind über ein
Jahrtausend älter als die Standarte von Sutton Hoo. Aber die entscheiden-
den Bestandteile sind bereits da: Hirsch oder Hinde auf der Spitze, der
Sonnenkreis, die Vierteilung und der Stier darunter.
R. Dussaud, der zuletzt die beiden Feldzeichen behandelt und sie mit
Verwandten zusammengestellt hat 1 8 , denkt an Sonnensymbolik. Seine
Deutung ist auch für das Stück von Sutton Hoo von Bedeutung. Es be-
stätigt sich, daß in der Standarte ein mythisches „Modell" ähnlicher Art
vorliegt. Oben die Sonne, vergegenständlicht im Kreis; darunter die Him-
melsrichtungen. Oben auch der Sonnenhirsch, Ausdruck des höchsten
Gestirns. Darunter die Häupter des Stiers, Bild der Kraft, darum dem
Königtum zugeordnet.
Natürlich führt von den beiden Standarten aus Luristan keine unmittel-
bare Verbindung zu der von Sutton Hoo. Man darf nach Zwischengliedern
suchen, und solche finden sich in parthischer und sasanidischer Zeit. Die
neugefundenen Reliefs aus Hatra haben mehrere Darstellungen von Stan-
darten erbracht 1 *. Es hat sich zeigen lassen, daß Ubereinstimmungen mit
dem von Lukian beschriebenen Stück aus dem Heiligtum der Syrischen
Göttin in Hierapolis bestehen20. Adler in der Mondsichel zuoberst, dann
das Bild des Sonnengottes und mehrere, die Planeten darstellende Scheiben
bilden die gemeinsamen Merkmale. Eine zugehörige Inschrift spricht von

14 In: Saeculum 6 (1955), 197f. hat K. Hauck einiges über Stiersymbolik zusam-

mengestellt.
15 A Survey of Persian Art 4, 12.
1β F. Sarre in: Klio 3 (1903), 363^
17 Zu „Männerpaaren über K r e u z " vgl. E . Graf Oxenstierna, a. O. i o i f . ; 108f.
18 In: A Survey of Persian Art ι , 261 f.
H. Ingholt, Parthian Sculptures from Hatra (Yale University Press 1954)
11

Taf. 7, ι — 3 ; La Nouvelle Clio 4 (1954), 260 Taf. 1; East and West 11 (i960) PI. 20.
20 H. Ingholt, a. O. 24 f.
4· G E R M A N I S C H E G Ö T T E R NACH I H R E R GESCHICHTL. STELLUNG 139

,»unserem Herrn", der dem Himmelsgott gleichgesetzt ist 2 1 . Auch hier


waltet das Bestreben, Sonne und Mond, daneben den gestirnten Himmel
in seinen Symbolen darzustellen. Mehr noch zeigt sich die Übereinstimmung
mit Sutton Hoo bei der Standarte Bahräms IV. (388—399) 22 . Er bildet
die seines Vorgängers Säpür III. (383—388) weiter, indem er über zwei
gekreuzten Balken, darunter ein Paar Troddeln hängt, einen Ring mit
aufsitzendem Hörnerpaar anbringen läßt. Mögen es auch eher Stierhörner
sein und der Hirsch diesmal fehlen, so begegnen doch erneut die bisherigen
Bestandteile in der für sie bezeichnenden Ordnung; die Troddeln werden
sogleich ihre Entsprechung finden. Dementsprechend lauten auch die Titel
der Sasaniden, die sich als himmlischem Geschlecht Entsprossene, Gott
des Lichtes, der Sonne und als des Mondes Bruder bezeichnen 23 .
Mit alledem ist gesagt, daß es sich bei der Standarte von Sutton Hoo
um kein „Tierbildfeldzeichen" handeln kann. Der aufgesetzte Hirsch nimmt
nicht 1 / 20 des Ganzen, die Stierköpfe noch weniger ein. Alle müßten sie
ungleich mehr ins Auge fallen, sollte die bisherige Deutung sich bewähren.
Doch bevor eine neue versucht werden kann, muß auf die Gliederung des
Rostes eingegangen werden. Soviel ist deutlich: er ist aus eisernen Stäben
gebildet, die sich um den durchlaufenden Schaft zu drei ineinanderliegenden
Quadraten ordnen, deren Umfang sich mit dem Abstand von der Mitte
vergrößert. Diagonale Verstrebungen stellen die Verbindung zwischen den
Quadraten her. Am rechten und linken Rand ist je ein weiterer Stab hin-
zugefügt, dessen oberem und unterem Ende die genannten Stierhäupter
entwachsen. Diese zusätzlichen Stäbe weiden beiderseits von einer eisernen
Verstrebung gestützt, deren unterer Ausgangspunkt sich genau in der Mitte
des Schaftes befindet.
Was bezweckte diese Verstrebung ? Keinesfalls hat sie den Rost als
solchen zu tragen. Denn der trug — und trägt sich heute noch — selbst.
Offenbar kam für die beiden zusätzlichen Stäbe noch ein Besonderes hinzu.
Es mußte Gewicht besitzen: das zeigt die Verstrebung. Es mußte aus
vergänglichen Stoff hergestellt sein: das beweist sein Verschwinden. Doch
was könnte es gewesen sein ?
21 Darüber zuletzt O. Eißfeld in: OLZ. 1955, 317: J. Pirenne in: Musion 69 (1956),

206f.; A. Caquot in: Syria 32 (1955), 59f.; G. Ryckmans in: Journ. Semit. Stud. 3
(1958), 225f.
22 F. Sarre, a. O. 3, 357f.; fig. 20; Ph. Ackermann, a. Ο. 2271. Über sasanidische

Standarten L. Vanden Berghe, Archeol. de l'Iran ancien (1959) 25.


28 F. Sarre, a. O. 357.
140 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Ein Relief aus Dura-Europos mit der Darstellung der sitzenden Hadad
und Atargatis zeigt im Hintergrund den Oberteil einer Standarte, wie sie
auch sonst neben und in den Händen der beiden Gottheiten erscheint*4.
Der Schaft dieser Standarte, mit runden Emblemen geschmückt, weist
darüber einen waagrechten Querbalken auf, an dessen Enden je eine Quaste**
oder ein herabhängendes Fahnentuch befestigt ist. Der Spitze des Schaftes
sitzt ein kreisförmiger Ring auf. Schon er stellt die Beziehung zur Standarte
von Sutton Hoo her, und dasselbe gilt für die beiden Quasten oder wohl
richtiger: Fahnen.
Die Verfasser werfen einmal die Frage auf (S. 255-256), ob die angel-
sächsische Standarte mit einem Fahnentuch ausgestattet war. Sicherlich
hatten die beiden überschießenden Stäbe rechts und links etwas zu tragen,
das an oder über ihnen hing. Nur so erklärt sich, daß sie mit einer Ver-
strebung abgestützt waren. Wenn irgendwo, so darf man sich an beiden
Stangen ein Fahnentuch angebracht denken. Es wäre dann mit seinem
oberen Rande an ihnen befestigt gewesen, gleich dem Fahnentuch des
konstantinischen Labarum, das gleichfalls an solcher Querstange hing.
Gewiß hat für jede Einzelheit der Standarte von Sutton Hoo sich die
Entsprechung, sei es im achaimenidischen, sei es im sasanidischen Bereich
auffinden lassen. Gewiß auch zeigt sich hier wie sonst die starke Einwirkung
iranischer Form und iranischer Vorbilder auf die germanische Welt 2 ·. Aber
Nachweis der einzelnen Teile besagt noch nichts über die besondere und
einmalige Verbindung, die diese Teile im Rahmen eines neuen Ganzen
eingegangen sind. So eindeutig die Teile sich auf iranischer Seite wieder-
finden lassen, teilweise sogar in der Zusammenstellung, die auf der Standarte
begegnet, so wenig findet sich eine Entsprechung, die in allen Einzelheiten
übereinstimmte. Um die Standarte von Sutton Hoo wirklich zu erklären,
muß noch ein weiteres Vorbild herangezogen werden.

24 L a Nouvelle Clio 6 (1954), fig. 2 zu S. 261.


25 Die Geschichte der Quaste oder Troddel als Ehrenzeichen oder Abzeichen ist
noch ungeschrieben. Sie beginnt mit den aus Quasten bestehenden Standarten auf
den Denkmälern der Streitenden Reiche (E. v. Erdberg-Consten in: Arch, of the
Chinese A r t Society of America 6 [1952], 24; 32 A n m . 10) und führt herab bis zu den
Sasaniden, zu Imru'uHfais' Vergleich: ha-huddäb ad-dimaks al-mujattal (Ibn Kutaiba,
Lib. poes. 50, 13 de Goeje).
" F. Altheim, Goten und Finnen 1 7 f . ; Niedergang d. Alten Welt 1, 105f.; 188f.;
L e döclin du monde antique 9 4 f . ; 169f.; oben 1, 322f.; G. Vernadsky in: Saeculum 1,
7 4 f . ; K . Erdmann, ebenda 1, 53of.
4- GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 141

Mit Konstantins des Großen Labarum ist jenes Feldzeichen genannt,


auf das hin sich die hier vorgeschlagene Deutung mit zunehmender Gewiß-
heit bewegt hat. Eusebios (v. Const, ι , 31, if.) beschreibt nach Konstantins
eigner Angabe, wie an einem langen, mit Gold beschlagenen Stab ein Quer-
balken (κέρας) angebracht wird, nach Art des Kreuzes 27 . Dessen Spitze
erhält einen Kranz aus Gold und Edelsteinen. In ihn kommt das Monogramm
Christi zu stehen. Man hat darin das Abbild des έν α ύ τ ω ούρανω ΰττερκεί-
μενον τουήλ(ου σταυροΰ τρότταιον (ι, 29), das φανένκατ' οΟρανόν σημεϊον
(ι, 28, 2). An dem κέρας hängt das quadratische, purpurne, mit Edel-
steinen und Gold geschmückte Fahnentuch. Darunter sind die Bilder des
Kaisers und seiner Söhne angebracht. Die Parallele zur Standarte von Sutton
Hoo stellt sich damit in allen Teilen ein.
Sonnenkreis und Goldkranz begegnen beiderseits auf der Spitze, nur
daß das eingeschriebene Christusmonogramm durch das aufgesetzte Bild
ersetzt ist. Die Beziehung zur Sonne kam bereits in Eusebios' Worten zum
Ausdruck. Darunter die vier Weltachsen mit dem Königssymbol des Stieres
dort, die Herrscherbilder hier. Die Träger des Lichtes, das dem Herrscher
entströmt, sind die Caesares, heißt es an anderer Stelle (1. Const. 3, 4); wie
Helios lenkt Konstantin ihr Viergespann. Also auch die Vierteilung kehrt
wieder. Schließlich die Fahne: bei der Standarte ist sie verdoppelt, und alles
ist auf einen hohen Schaft gesetzt. Es wird kaum einem Zweifel unterüegen,
daß die Standarte dem Labarum irgendwie nachgebildet wurde.
Paulus Diaconus (hist. Langob. 1, 20) erzählt das Ende des Heruler-
königs Rodulf 28 , der um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert den Lango-
barden erlag 28 . Es zeigte sich bereits (oben S. n o f . ) : Rodulf besaß ein vexil-
lum, quod bandum appellant, und eine galea, quam in hello gestare consueverat.
Beide fielen den Siegern in die Hand. Seitdem war es mit der Kraft der
Heruler vorbei, und sie hatten auch keinen König mehr 30 .
Vorstellungen verschiedener Herkunft sind in dieser Erzählung ver-
knüpft. Germanisch ist die Anschauung, daß ein Königsornat, wenn einmal
verloren, unersetzt bleibt 31 . Aber Helm und Banner als Unterpfänder der
Herrschaft führen auf den Helm und das Labarum Konstantins. Paulus

" Z u r Ü b e r l i e f e r u n g F . A l t h e i m , L i t e r a t u r u. Gesellsch. 1, 147 A n m . 26.


M F . A l t h e i m , L i t e r a t u r u. Gesellsch. 1, 2 3 7 f . ; d a z u K . H a u c k S. 148.
M L. S c h m i d t , D . O s t g e r m a n e n 2 554 A n m . 4.
30 G. Baesecke, V o r - u. F r ü h g e s c h . d. d t e n S c h r i f t t . 1, 323t.
11 I m e i n z e l n e n : F. A l t h e i m , a. O. 1, 237; K . H a u c k S. 148.
142 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

deutet bandum geradezu als vexillum, und dieses erinnert schon äußerlich
an das quadratische Fahnentuch, das nach Eusebios vom Querstab des
Labarum herabhing (v. Const, ι , 3 1 , 2). Die Münzen unterrichten über sein
Aussehen 32 .
Doch in der Standarte von Sutton Hoo liegt zweifellos kein christliches
Feldzeichen vor. Eher ist die Absicht zu erkennen, dem christlichen Labarum
ein heidnisches Gegenstück entgegenzustellen. Das führt in einen neuen
Zusammenhang.
N . Fettich 3 3 zufolge hatten die Hunnen versucht, neben der politischen
auch die geistiger Führung des nördlichen Europa an sich zu reißen. Damals
habe sich die Möglichkeit abgezeichnet, daß heidnisches Geistesleben eine
Neublüte erlebte, in einem Ausmaß und von einer Bedeutung, die sich nur
mit der europäischen Kultur der Hochbronzezeit, zwischen Rhein und
Wolga, vergleichen lasse.
Nach Attila und von ihm angeregt habe das heidnische Leben Europas
seinen Gipfel erstiegen. Damals seien die maßgebenden germanischen
Heldenlieder geschaffen worden (darüber im neunten Kapitel). Der zweite
und dritte Stil der germanischen Tierornamentik, sogar die Kunst des
ösebergschiffes besäßen ihre Voraussetzungen in der hunnischen Helden-
zeit.
Neben dem ösebergschiff darf jetzt als Fund von gleicher Bedeutung
Sutton Hoo genannt werden. Unmittelbar nach seiner Aufdeckung wurde
bereits die in den Funden sich äußernde bewußte Betonung des Heidnischen
erkannt 34 . Diesem Bild fügt sich die vorgetragene Deutung der Standarte ein.

5
Einer Bemerkung bedarf noch Attilas Stellung zu seinen germanische
Untertanen und Gefolgsleuten. E s fehlt nicht an Bezeugungen 1 , und was
diese aussagen, ist merkwürdig genug. Zuvor war von dem ostgotischen
Schwur gesprochen worden, demzufolge kein E i d mit den Hunnen jemals
gelten solle. Dem Volke, das die gotischen Lande gleich Wölfen heimgesucht

• 2 A. Alföldi in: Pisciculi Dölger 9; Taf. 1, 1 ; 2, 1—2.


M
In: Strena Α. M. Tallgren i 8 5 f . ; F . Althcim, Attila u. d. Hunnen 140; frz.
Ubers. 1 8 3 f . ; vgl. K. Hauck S. 197.
" R. L. S. Bruce Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial 42.
1
lord., Get. 42, 22of.; Ε . A. Thompson, a. Ο. i66f.
4- GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 143

und dessen Bewohner zu knechtischer Arbeit für ihre Herren genötigt habe
(oben S. 5if.). Es ist die Stimmung des einfachen Mannes, die darin sich aus-
spricht. Anders sieht es aus, sobald man sich den herrschenden Schichten
zuwendet. Der Gepidenkönig Ardarich habe um seiner unbedingten Treue
willen zum engsten Rat des Hunnenherrschers gehört. Auch Walamir,
König der Ostgoten, sei wegen seiner Verschwiegenheit, seines ansprechen-
den Wesens und seiner Anschlägigkeit geschätzt worden. Die Quellen sagen
geradezu, Attila habe Walamir geliebt, und noch ein Jahrhundert danach
rühmte Cassiodor seine Treue2. Während die übrigen Vasallenfürsten in
Furcht und Schrecken den Befehlen des Gewaltigen sich fügten 8 , waren es
zwei Germanenfürsten, die seinem Herzen nahestanden. So nahe, daß Attila
auf Walamirs und seines Volkes Treue im Kampf gegen die westgotischen
Vettern zählen durfte 4
Der Gegensatz des Urteils dürfte sich ungezwungen erklären. Der ein-
fache Gote hatte die Nachteile hunnischer Herrschaft zu ertragen. Ihn
traf die Verwüstung des Landes am härtesten, und er hatte in der Folge
jene Fron zu leisten, die den hunnischen Eroberern zugute kam. Die Könige
hingegen waren mit Attilas Zustimmung eingesetzt. Er wußte sich ihrer
Treue gewiß, denn nur darum hatte er darin eingewilligt. Gotischer und
gepidischer König sein hieß damals nicht mehr und nicht weniger, als für
den Gehorsam des eignen Volkes Gewähr leisten. Man war nicht nur Vasall,
sondern auch Vertreter der hunnischen Herrschaft.
Gleichwohl hat die Überlieferung daran keinen Anstoß genommen.
Hunimund, Sohn oder Enkel Ermanarichs, trug den Namen der Hunnen
in den seinen. Er, der „unter dem Mund der Hunnen stand" 6 , war wenig
mehr als ihr Statthalter. Iordanes' Worte sprechen dies aus: ita... ut
genti Gothorum semperum proprius, quamvis Hunnorum consilio, imperaret
(Get. 48, 249). Und doch hat Hunimund als „tapfer im Krieg und am ganzen
Körper von blühender Schönheit" im Gedächtnis seines Volkes gelebt*.
Wie anders Safrax oder Safrac, der mit einem Teil der Ostgoten und Alanen
sich dem hunnischen Joch entzogen und den Westgoten angeschlossen hatte
(oben 1, 352f.). Die Sage schildert ihn als den ungetreuen Sabene, alsWider-

4
Var. 11, 1.
* lord., Get. 38, 200.
4
lord., Get. 48, 253.
6
J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge 375.
• lord., Get. 48, 250; Cassiod., var. 1, 11, 19.
144 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

sacher Wolfdietrichs und der Berchtunge, als bösen Ratgeber seines Vaters
und seiner Brüder 7 .
Dem entspricht, daß Attila in der germanischen Sage eine ehrenvolle
Stellung erhalten hat. Fast sieht es so aus, als hätten ihn die Germanen
als einen der Ihren betrachtet. Welch andere Stellung nimmt Attila in ihrer
Uberlieferung ein als der mächtigste König aus den eignen Reihen: Erma-
narich. Dieser war der grausame Tyrann 8 , und als solcher ist er in die Sage
eingegangen.
Während die kirchliche Legende das Bild der virga furoris Dei, des
flagellum Dei zeichnete, ersteht im Hildebrandlied des 8. Jahrhunderts und
im Waithariepos eine „Eroberergestalt von episch gemessener, heroischer
Bewegungsform"·. Attila wird zum Völkerhirten und Heldenvater Etzel.
Er ist der unwiderstehliche Eroberer, der machtgeladene Weltherrscher,
aber gerade das Waithariepos, das in seiner Einleitung diese Züge heraus-
stellt, läßt ihn alles kriegerische Handeln seiner germanischen Umgebung
übertragen. Waither, die „Säule des Reichs", erficht für Attila die Siege.
Attila ist nicht dazu gekommen, sich alle Germanenstämme einzuver-
leiben. Priskos 1 0 legt Romulus, dem in Gesandtschaften und Geschäften
Erfahrenen, das Wort in den Mund, bis zu den Inseln des Ozean (oben i , 245
Anm. 28), will sagen: über ganz Germanien hinweg, erstrecke sich Attilas
Herrschaft, und dazu komme das gesamte Skythenland. Das Lied von
Attilas Tod spricht von den „skythischen und germanischen Königreichen",
die der Gewaltige „mit vordem unerhörter Machtfülle" besaß (oben 1, 244!).
In Wahrheit hatte der Ausgang der katalaunischen Schlacht solchen Plänen
eine Grenze gesetzt. Dennoch läßt sich die Wirkung auf die germanische
Gesamtheit kaum unterschätzen. Attila hat ihr die Frage nach ihrer
geschichtlichen Existenz aufgenötigt und den Entscheid darüber abver-
langt. Seitdem vollzog sich unter den Germanen die Trennung zwischen
solchen, die sich dem europäischen Westen und Süden, der Spätantike, dem
Katholizismus anschlossen, und jenen anderen, die einen eignen Weg
gingen.
Denn alle Stämme, die sich gegen die Hunnen stellten, haben entweder
ihren arianischen Glauben zugunsten des katholischen aufgegeben, wie
J. Marquart, a. O. 376.
7

J. Marquart, a. O. 376; F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i, 313.


8

• H. de Boor, Das Attila-Bild in Geschichte, Legende und heroischer Dichtung


(Neujahrsbl. Liter. Gesellsch. Bern 9, 9) 8f., unter Benutzung seiner Prägungen.
1 0 Exc. de legat. 140, 32 f.
4· GERMANISCHE GÖTTER NACH IHRER GESCHICHTL. STELLUNG 145

Burgunden und Westgoten. Oder sie haben sich diesem über kurz oder lang
zugewandt wie Franken oder Sachsen. Sie öffneten sich der spätrömischen
Kultur, verschmolzen mit der romanischen Bevölkerung, schufen gemein-
sam die germanisch-romanische Welt. Anders schon die Wandalen, die mit
den Alanen vereint in Nordafrika sich eine neue Heimat suchten. Sie ließen
nicht von ihrem Arianertum, steigerten sich zur Verfolgung alles Katho-
lischen und vermieden ein Aufgehen in fremden Volkstum. Darin sind
ihnen die Ostgoten gefolgt, die gleichfalls Arianismus und Trennung von
den Romanen beibehielten.

10 Altbelm, Hunnen IV
5. K A P I T E L

AUX ORIGINES DU CHRISTIANISME


DACO-SCYTHIQUE

Lorsque V. Pärvan s'attaquait en 1 9 1 1 au probleme des origines chre-


tiennes en Dacie et en Scythie Mineure 1 il ne disposait, pour appuyer ses
conclusions, d'aucun travail d'une certaine envergure 2 . Du coup il ouvrait un
champ de recherche et en etablissait la methode de prospection — la seule
susceptible d'atteindre des resultats durables — et qui consiste ä combiner
etroitement 1'archeologie, l'epigraphie, la linguistique et l'histoire des idees.
Son ouvrage, qu'il intitula, avec une modestie exemplaire,«Contributions»,
resta pendant longtemps la seule reference 3 en la m a ^ r e . Douze ans apres il
hesitait encore de revenir au sujet du debut de sa carriere et, indirectement,
laissait percer ses appr6hensions: «une histoire de l'eglise roumaine, bätie
dans un esprit large, qui prenne en consideration tous les phenomenes de
vie chretienne-orthodoxe de ces regions, exige non seulement une culture
riche d'erudit multilateral, mais aussi un certain don de la divination et de
la reconstruction»4.
Les etudes posterieures ä V. Pärvan n'ont pas rempli non plus cette
täche et l'on n'est pas tres loin de l'etat de la question oü il l'a laissee. II a
bien ete publie quelques decouvertes epigraphiques et archeologiques 5 ,
1
Contributii epigrafice la istoria cre§tinismului daco-roman. Bucure§ti, 1 9 1 1 . Cf.
I. Barnea, Vasile Pärvan problema cre?tinismului in Dacia Traianä. Studii Teologice,
Bucure§ti, 10 (1958) pp. 9 3 — 1 0 5 .
2
Cf. Contrib. epigr., la bibliographie antirieure p. 85 n. 386. Seul ouvrage &
retenir: L. Säineanu, Incercare iisupra semasiologiei limbii romane. Bucure§ti, 1887,
terminologie chrötienne pp. 25—64.
' Car l'ouvrage fondamental de Μ. J . Zeiller, Les origines chritiennes dans les
provinces danubiennes de l'Empire romain, Paris, 1918, 667 p. est surtout consacrö
ä la Pannonie et au Norique; il prend rarement en consideration la region au Nord du
Danube, cf. p. 41.
4
Memoriale, Bucure$ti, 1923, p. 73.
5
K. Horedt, Eine lateinische Inschrift des 4. Jahrhunderts aus Siebenbürgen,
Anuarul Inst. St. Cl. (Cluj) 4 (1941—1942) pp. 1 0 — 1 6 , li-dessus C. Daicoviciu, La
Transilvania nell'antichitä, Bucure§ti, 1943, p. 216. id., Au sujet des monuments
5· A U X O R I G I N E S DU C H R I S T I A N I S M E DACO-SCYTHIQUE 147

des essais d'interpretation des faits linguistiques·, des commentaires,


7
necessairement limites, dans les monographies , enfin, quelques tentatives
d'aperfus synthetiques 8 . Mais la veritable histoire du Christianisme daco-
scythique 9 reste encore ä ecrire. J u s q u ' a u jour oil l'on pourra realiser la
refonte d'un materiel dont, en somme, on a fait le tour, et cela surtout ä la
lumiere de quelque decouverte epigraphique decisive on devra se resigner a
l'hypothese de V . P ä r v a n : l'existence du Christianisme en Dacie avant 2 7 0
est une «necessite logico-historique» 10 .
Cependant, des precisions de detail sont possibles, voire souhaitables,
sur le terrain greco-latin; bien plus, des incursions dans d'autres domaines

chritiens de la Dacie Trajane, Melanges J . Marouzeau, Paris, 1948, pp. 119—124.


B. Mitrea, Ο gemä cre§tinä din Turda. Rev. 1st. Rom. 16 (1946) pp. 51—52. id., Une
lampe chritienne decouverte en Transylvanie. Dacia 9—10 (1941—1944) pp. 507—511.
M. Macrea, A propos de quelques dicouvertes chritiennes en Dacie. Dacia 1 1 — 1 2
(1945—1947) pp. 281—302. I. Barnea, Roman-Byzantine basilicas discovered in Dob-
rogea between 1948—1958. Dacia n. s. 2 (1958) pp. 331—349.
• N. Iorga, Histoire 2 pp. 109—118. S. Pujcariu, Dacoromania 1 (1920—1921)
pp. 434—439, ibid. 8 ( 1 9 3 4 — p p . 3 3 1 — 3 4 1 . Th. Capidan, Basilica, dans le vol.
Limbä §i culturä, Bucure§ti, 1943, pp. 243—256. H. Hatzfeld, Ecclesiastical terms in
Rumanian and their semantic implications. Bol. Inst. Caro y Cuervo (Bogota) 5 (1949)
pp. 3—20.
L'ouvrage de V. Pärvan, ci-dessus, est une mine de suggestions. Ainsi pp. 174—176
n. 776, il fait le relevi des termes religieux caractiristiques dans l'ceuvre de St. Nicita
et les met en rapport simantique avec les mots roumains. Meme si l'on accepte la thfese
de Μ. D. Μ. Pippidi, Selon laquelle l'eveque de Rim^siana n'aurait pas precM au Nord
du Danube (cf. ci-aprfes) la piste mirite d'etre suivie. La terminologie chritienne sur
les deux bords du fleuve ne pouvait pas etre trfes diffirente. A signaler ä ce propos:
H. Mihäescu, Scrisoarea lui Auxentius din Durostor, izvor pentru latinitatea balcanicä,
dans le vol. Omagiu lui I. Iordan, Bucure$ti, 1958, pp. 607—610. id., Quelques re-
marques sur le latin des provinces danubiennes de l'Empire Romain, dans le vol.
Recueil d'itudes romanes, Bucure§ti, 1959, surtout pp. 163—164.
7
R. Vulpe, Hist. Dob. pp. 287—292, 307—314, 321—357 et pass., pi. X L I V .
Ν. Iorga, Histoire 2 pp. 118—130. D. Tudor, Oltenia pp.370—373, bibliographie
anterieure p. 376.
8
L'ötat de la question chez D. M. Pippidi, in jural izvoarelor literare ale cre§tinis-
mului daco-roman, dans le vol. Contributii la istoria veche a Romlniei, Bucure§ti,
1958, pp. 234—247. id., Niceta din Remesiana §i originile cre§tinismului daco-roman,
pp. 248—264. — I. Barnea, Nouvelles considerations sur les basiliques chretiennes de
la Dobroudja. Dacia 1 1 — 1 2 (1945—1947) pp. 221—241. Gh. Stefan, Anciens vestiges
Chretiens k Dinogetia-Bisericuta, ibid. pp. 303—307. I. Barnea, Cre§tinismul in Scythia
Minor dupä inscriptii. Studii Teologice 1—2 (1954) PP· 64—112. id., Quelques consi-
derations sur les inscriptions chretiennes de la Scythie Mineure. Dacia n. s. 1 (1957)
pp. 265—288, 14-dessus J . et L. Robert, Rev. Et. Gr. 72 (1959) Bull. dp. n 0 " 257, 266.
• Nous employons ce terme dans un sens strictement g6ographique.
10
Contrib. ep. p. 74. Meme position adoptee par M. J . Zeiller, Orig. p. 407.
10·
148 HEIDENTUM U N D CHRISTENTUM

ne sont pas interdites 11 . Dans ce volume, du moins, le seul chapitre que l'on
puisse aborder est precisement celui qui tenterait de cerner l'histoire du
Christianisme daco-scythique dans ses rapports non-latins et non-helleniques.
Notre hypotl^se de travail se presente de la fa9on suivante: n'est-il pas
permis de supposer que sur le terrain de la preparation evangelique il y a
eu d'autres forces ä l'ceuvre 12 , qui ont contribue ä la floraison du Christia-
nisme? Autrement dit, les indigenes thraces non atteints par l'hellenisme
ni par la romanite, les divers peuples barbares, etablis dans la region (Goths,
Huns) et qui ont eu des contacts d'intensite variable avec l'activite mission-
naire, peuvent-ils etre consideres — et jusqu'ä quel point — comme des
elements constitutifs des assises spirituelles de la region ? Pour repondre ä
ces questions la demarche de la demonstration doit n6cessairement aborder
les et apes suivantes: i ° independance ethno-linguistique des populations
non-latines et non-helleniques, 2° degre de permeabilite & la parole du
Christ, 3° conditions du syncrötisme religieux.
Le probl^me ainsi pose, l'on n'aura pas l'ambition de le traiter dans toute
son ampleur; on se contentera d'un faisceau de faits qui pourraient servir
de cadre ä des developpements ulterieurs. Plus exactement, il sera question
ici: de l'emploi du parier thrace (besse) en tant que langue liturgique, du
culte de Diane et de sa survie, enfin de quelques t6moignages sur l'atmo-
sph£re de l'aube du Christianisme sur les deux rives du Danube.
Premiere question: le besse a-t-il servi ä la diffusion de la foi chr6tienne
dans les provinces danubiennes ? Les temoignages invoqu^s ä l'appui d'une
r6ponse affirmative sont connus depuis W. Tomaschek et Β. P. Hasdeu;
ils sont au nombre de quatre et attesteraient la survie de la langue de
peuplades thraces jusqu'au V I ' si£cle ap. J.-C. 1S . Rappelons-les. Antonin
de Plaisance, poursuivant en 570 son Itinerarium Hierosolymitanum

11
Cf. l'opinion de Μ. Η. Mihaescu: „dans les provinces danubiennes, le chris-
tianisme s'est propage sous une forme latine et non pas grecque" art. cit. Recueil p.
148. — Une troisidme possibilitö n'est pas envisag^e.
11
Comme en Afrique oü l'on peut suivre 1'ascension des „kohanim pheniciens eclairös
par la sagesse grecque, vers la rtvölation divine". G. Ch. Picard, Les religions de
l'Afrique antique, Paris, 1954, Ρ· 2 57·
N. Iorga a entrevu cette possibiliti: „tout le christianisme balkanique avant
Constantin sera reli6 au rivage de la mer, aux grandes stations des routes imperiales,
i l'existence des anciennes synagogues juives". Histoire 2 pp. 107—108.
M
La bibliographie antirieure eher I. I. Russu, Dispari^ia limbii §i a popula^iilor
traco-dace, Stud, cercet. ist. veche 8 (1957) PP· 2 5 3 — 2 6 5 e t surtout: Linjba traco-
dacilor. Bucure^ti, 1959, pp. n o — h i .
5· A U X ORIGINES DU CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 149

arrive . . . in uallem inter Horeb et Sina ad cuius montes pedes est fons ubi
Moyses adaquabat oues, quando uidit rubum ardentem. Qui fons est inclusus
infra monasterium, in quo sunt tres abbates scientes linguas, id est Grxcam,
Latinam, Syram, Mgyptiacam et Bessatn1*. D'autre part, St. Theodose 15 ,
«apr£s avoir parcouru une grande partie du desert est arriv4 ä l'endroit que
l'on appelle Cutila, et aux rives de l'6tang d'asphalte» (τήν π ο λ λ ή υ δέ διαβάς
της έρήμου γ η ν άχρι τ ο υ λεγομένου Κουτιλδ, καΐ τ ω ν της Άσφαλτίδος
λίμνης όχθων). C'est lä que le saint homme fondaun monast^re avec quatre
eglises; dans la deuxieme le peuple des Besses elevait des pri£res dans sa
langue au maitre commun ( Έ ν τ ω δευτέρφ δέ τ ό τ ω ν Βεσσών γένος τ η
σφετέρα φωνή τ ω κοινω Δεσπότη τάς εύχάς άπεδίδου). On ne saurait dire
si la subiba Bessorum et le monasterium Bessorum que mentionnent deux
moines syriensdu Jourdain—selon la relation de Joannes Moschus 1 ·—peuvent
etre identifi6s avec l'6tablissement monacal du lieu-dit Cutila. En tout cas le
thracisme de ce dernier ne peut pas etre contest6 17 ; aux archeologues et
toponymistes de la Terre Sainte de le localiser18. La meme imprecision
entoure la personnalitd de 'Ανδρέας έλέω Θευ πρεσβύτερος, καΐ ήγούμενος
μονής τ ω ν Βεσσών, signataire de la sentence du synode de Constantinople

14 PL vol. 72, col. 911—912. Cf. la note de l'iditeur: „Quid si pro Bessa lingua,

legas Persam seu Persicatn ?" A-t-on remarqu£ que ce volume de la PL parut en 1849;
il est done antirieur au volume 114 de la PG (1864) — que l'^diteur ne connut pas —
et oü il est de nouveau question des chants liturgiques des Besses (cf. ci-aprAs) ?
— Cf. l'opinion de Al. Philippide Orig. Rom. ι p. 453. D'autre part Eb. Nestle croyait
qu'il s'agissait plutöt des langues „abyssinienne" ou „iWrique". (Zeit, deutsch. Morgen-
land. Ges. 61 [1907] pp. 500—501). La conjecture n'est pas plus convaincante.
1 1 Symeon Metaphrastes, Vita saneti Theodosii Coenobiarchae, 9, 37. PG vol. 114,

col. 505—506.
1 1 Joannes Moschus, De uitis patrum, 10, 157. PL vol. 74, col. 199.
17 W. Tomaschek, Über Brumalia und Rosalia. Nebst Bemerkungen über den

hessischen Volksstamm. Sitzungsber., Akad. Wiss. Wien. Phil.-hist. Cl. 60 [1868]


p. 390, r^förences k Cothela, Cutila, Gudilse, etc. (Iordanes, Get. 10. Procope, Bell,
goth. 2,2).
La suggestion de l'iditeur du volume de la PG est Igalement 4 öcarter: „An h«ec
eorum lingua (sc. Bessorum) fuit fortasse quae hoc z u o Slauonica dicitur, et late per
septentrionem in officio ecclesiastico usurpatur". La presence de „Slaves" Chretiens
en Palestine λ cette ipoque est impossible.
18 Cf., ibid.: τόν δέ τρίτον τό των 'Αρμενίων φύλον είλήχασιν, έν φ δέ καΐ

ctÜTol ττ) ΤΓΟΓτρίω γ λ ώ τ τ η τ ω θεω τού$ ύμνου; άνέφερον. Ce passage dömontre


Γ atmosphere polyglotte qui rlgnait dans le monastfcre. A ^carter l'interprötation de
Β. P. Hasdeu (Istr. crt. Rom. 1 p. 71 n. 185) qui voyait dans ces 'Αρμενίοι des
Aroumains. II a mal lu le passage; il n'est pas question de la region sud-danubienne,
oü ces derniers auraient pu se trouver, mais du voisinage de „l'itang d'asphalte".
150 H E I D E N T U M UND C H R I S T E N T U M

(A. D. 536) contre Anthimius 1 ®. De ces quatre temoignages il resulte que


la persistence jusqu'au V I e si£cle d'un groupe de Thraces (Besses) 2 0 qui
employaient leur idiome ä des fins liturgiques n'a rien d'improbable. L'inter-
pr6tation de la Ιεςοη bessa comme une erreur pour «perse», «armenienne»,
«ethiopienne», «iberique», «slave» ne r6sout pas le probleme, eile le deplace
seulement 2 1 .
A v a n t de situer la question des Thraces (Besses) Chretiens dans le
cadre complexe du developpement religieux de la region danubienne on se
doit d'eclaircir les contacts avec le Moyen-Orient, car il est evident que ce
qui peut susciter le plus de scepticisme ä l'egard des temoignages cites
ci-dessus est la presence inattendue de Danubiens en Terre Sainte.
Les rapports commerciaux de la Dacie et de la Scythie Mineure —•
avant la conquete romaine — avec le sud de la Mediterranee et l'Orient
sont connus; des marchands originaires de Syrie, de Galatie et de Bithynie
sont frequemment signales entre la Mer Noire et les Carpathes 2 2 . Un
19
Mansi, Sacr. concil. coll. vol. 8, col. 987—988.
20
Pour la definition cf.: „Bessus nell'epoca imperiale . . . serviva come nome
generico per tutte le stirpi trace del Rödope e dello Haemus fino al Mar Egeo, e persino
per quei compressi dentro i limiti del vecchio regno degli Odrisi". G. G. Mateescu,
I Traci, Eph. D R 1 pp. 93—94. Cf. aussi W. Tomaschek, Zur Kunde der Hämus-
Halbinsel. Sitzungsber. kais. Akad. Wiss., Wien. Hist.-phil. Cl. 99 (1882) pp. 499—507.
St. Isidore fait la distinction entre Thraces, Daci, Bessi (Etym. 9, 2 §§ 3 1 — 1 1 8 ) .
Cf. aussi Chronicon Anonymi (A. D. 236): gentes autem qum linguas suas haben!, hsec
sunt . . . Scythse . . . Thraces, Mysi, Bessi, Dardan«, Sarmatx (PL vol. 3, p. 664).
81
C. Muellenhof s'est arreti k la conclusion suivante: „omnium Thracum Bessi
diutissime linguam patriam in saeculum usque sextum ipso sacro cultu retinuerunt",
Index loc., 158 des Getica (Iordanes, Mon. Germ. Hist.).
Par contre, Ν. Iorga — qui ne dödaignait pas les hypotheses audacieuses — se de-
mandait: „peut-on admettre, k une date aussi avancie, des Thraces ayant conserve
leur caractfcre et parlant leur langue et qui, de plus, auraient eu aussi une lilterature
d'Eglise? Surtout en tenant compte de ce dernier fait, ceci parait trfes difficile".
Histoire 2 p. 276. — On remarquera que lorsqu'on connatt le röle joui par les Thraces
dans les arm£es romaine et byzantine — N. Iorga le savait bien (ibid. pp. 275—276) —
on s'itonne moins de leur resistance a l'assimilation. Quant ä la „literature d'Eglise"
c'est un bien grand mot; il ne s'agit peut-etre que de la traduction de quelques priores.
Relevons enfin une contradiction du grand historien. II est question chez Iordanes,
Get. 25, 1 3 1 , de l'appel lancä par les Visigoths k l'empereur Valens: promittunt se, si
doctores linguse donauerit, fieri christianos. E t N. Iorga de remarquer (Histoire 2 p. 129):
„cela signifiait que tout autour il y avait un christianisme d'une autre langue, la langue
des anciens habitants".
24
Question amplement d^battue par V. Pärvan, Die Nationalität der Kaufleute
im römischen Kaiserreich, Breslau, 1909, p. 61, et par V. Christescu, Viata economicä
a Daciei romane, Pite§ti, 1927, p. 125. De plus, cf. C. Daicoviciu, Transilvania pp. 1 1 8 —
120.
5. A U X ORIGINES DU CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 151

indice sur certaines relations culturelles nous est fourni par Dion Chry-
sostome qui remarquait des «Scythes» parmi son public d'Alexandrie 23 .
Mais c'est surtout l'encadrement militaire de ces deux provinces qui les
met, a partir des I"—IP siecles ap. J.-C., de plain-pied avec la partie Orien-
tale de 1'Empire. On n'a que l'embarras du choix pour citer les corps
d'armee orientaux qui y stationnerent 24 . Iis devaient integrer moralement et
meme artistiquement la Dacie et le littoral pontique k la Mediterranee
Orientale28. Les exemples de soldats danubiens presents dans les unites
d'Orient ne manquent pas. Citons au moins: cohors I Vlpia Dacorum en
157 en Syrie (CIL X V I 106), uexillatio Dacorum Parthica (CIL III 1193).
De plus, on peut invoquer le temoignage des Res Gests diui Saporis2*.
En 260, apres le desastre d'Edesse, le cesar l'empereur Valerien fut fait prison-
nier, avec son armee, par l'empereur Säpür. Parmi les 70000 hommes
qui la composaient il y avait des soldats originaires du Norique, de Dacie
(άττό Δακείας 26νους), de Pannonie, de Mysie, etc (§§ 19—24) 27 . Iis
23 Discours 33, 40 (έά. Lceb vol. 3 p. 208). Le rhiteur ne se trompait pas sur
l'appartenance ethnique (cf. § 44). II connaissait bien la region pontique occidentale
grace ä son voyage ä Olbia; chez lui le terme de „Scythe" n'avait pas l'acception
vague que lui donnaient les Anciens, k savoir „nordique". Cf. aussi le discours 9, 5
sur les habitants de Borysthfene qui participaient aux jeux Isthmiens et rendaient visite
ä Diogines.
24 Enumeration chez D. Tudor, Oltenia pp. 265—281. A relever que le Numerus

surorum sagittariorum (ibid. p. 278) est reste en Dacie Inf6rieure pendant toute la
Periode romaine, depuis la conquete jusqu'ii l'abandon. II lui ichut la defense du limes
alutanus. Pour V. Pärvan (Dacia p. 191) la colonisation de la Dacie avec des Orientaux
s'expliquait par le souci des Romains de confier le terrain L· des „spicialistes". Autre-
ment dit les sentinelles des deserts mauritanien et scythique avaient a remplir la meme
täche. L'organisation du Fossatum Dacise ne devait pas etre tris diffirente de Celle
du Fossatum Africse.
24 L'histoire des cultes orientaux en Dacie a 6t6 faite par Oct. Floca, I culti orien-

tali nella Dacia, Eph. DR 5 (1935) pp. 204—239. — Selon M. G. Ch. Picard les dico-
rateurs du tropseum d'Adamklissi auraient έίέ igalement des Orientaux. Cf. Les
trophies romains, Paris, 1957, pp. 404—405.
2 · id. A. Maricq, Syria 35 (1958) pp. 295—360.
27 LÄ-dessus cf. Μ. Rostovtzeff, Res Gestie diui Saporis and Dura, Berytus 8

(1943—1944) pp. 17—80, qui, en discutant l'origo des soldats captures — ils apparte-
naient k 29 lieux d'origine — n'exclut pas la possibility que cette liste fut compile
„from documents of the military archives of the Roman forteresses and of the Roman
military camp captured by Shapur, and from oral information supplied by captured
Roman officers and soldiers". II y a certes une part de vantardise Orientale dans la
longue enumeration de Säpür, mais on ne peut oublier que Trajan avait profits, dans
la lutte contre les Parthes, de „l'expirience dacique" de ses soldats (cf. M. Cornelius
Fronto, Epist. 6d. Lceb 2 p. 204). II n'y a rien d'extraordinaire 4 ce que Valerien l'ait
imit6.
152 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

furent tous deportes en Perse, en Parthie, en Susiane et dans l'Asörestan


(§§ 24—26, 34—36). En rapportant les memes evenements, la chronique
nestorienne de Secert, qui date du X I · si£cle, precise que, du fait de cette
deportation . . . in regione Persarum christiani numero increuerunt; mo-
nasteria et ecclesix xiificatx sunt. Erant autem inter eos sacerdotes qui
Antiochia captiui fuerant abducti28.
Ainsi, les rapports commerciaux, culturels et, surtout, militaires entre
la region danubienne et le Moyen-Orient etaient des plus habituels, du
moins jusqu'ä la fin du III e siecle. On n'exagere pas en affirmant que les
deux marches de l'Empire etaient complementaires29. La presence, trois
stecles plus tard, de Besses (Thraces) en Terre Sainte n'a rien d'absurde; en
y allant ils suivaient un trajet ancien. Les circonstances dans lesquelles ils
y sont parvenus sont difficiles, sinon impossibles, ä eclaircir. On ne peut rien
dire non plus sur leur importance numerique. Chez Antonin de Plaisance
il est question seulement de trois moines, et encore scientes linguas, ce qui
pourrait signifier qu'ils n'etaient pas necessairement d'origine besse. Par
contre, Symeon Metaphrastes parle de των Βεσσών γένος, expression
qui n'est pas plus claire. Mais puisque Andreas s'intitulait πρεσβύτερος,
καΐ ήγούμευος μονής των Βεσσών, cela suppose au moins une petite
communaute monacale. Peut-etre a-t-on affaire ä quelques groupes de
veterans de l'armee byzantine, laquelle, suivant la tradition romaine,
s'alimentait en hommes dans la region danubienne. Selon Malala, l'empereur
Leon etait Βήσσος. Anastase combat, en 492, les rebelies Isauriens pre-
cisement avec l'aide des soldats Besses; de meme, en 502, dans la lutte contre
les Perses il fait appel aux Goths, aux Besses et ä d'autres peuples thraces
(στρατιά Γότθων τε καΐ Βεσσών καΐ έτέρων θρςτκών έθνών). Enfin
des «Scythes» viennent en aide en Orient ä Manuel Comnene30. Mais admettre
la conversion d'une poignee de Besses expatries ne signifie pas avoir prouve
la christianisation de leurs lieux d'origine.
18
Chronicon Seertense, P. Peeters, Patr. Orient. 4, p. 386 ss. lA-dessus cf.
E. Honigmann et A. Maricq, Recherches sur les Res Gestae diui Saporis, M6m. Acad.
Royale de Belgique, Lettres, 47 pp. 1 3 8 — 1 3 9 .
" On pourrait pousser plus loin l'analogie: dans la lutte pour la survie, contre le
monde extra-romain, il y a presque correlation k distance, cf.: Eo anno 563 [ = 2 5 1 — 2 5 2
A. D.] uastauit Sabur rex Persarum Syriam et Cappadociam. Et eo anno Barbari traie-
cerunt Danubium (lumen et deuastauerunt insulas (Chronicon miscel. Corpus Script.
Christ. Orient. 3 p. 149).
80
Malala, έά. Bonn pp. 368, 393, Thiophanes, ibid. p. 224. Cinnamus, ibid. p. 199.
LA-dessus W. Tomaschek, Brumalia p. 399.
5- A U X O R I G I N E S D U C H R I S T I A N I S M E D A C O - S C Y T H I Q U E 153

Les t6moignages des I I P — V I e siecles sur le Christianisme danubien


sont assez nombreux S1 . Seulement, comme le? memes indications se repetent
sans beaucoup de variation on est oblig6 de se demander si l'on n'a
pas affaire ä un de ces clichds — semblable a «l'arc getique», ä «la flfeche
sarmate», au «froid scythique» — que les p£res de l'Eglise se seraient pass6,
le ζέΐε, un certain manque d'esprit critique et, surtout, la meconnaissance
des realit6s g6ographiques et historiques, favorisant la confusion. Pourtant
l'apparence de l'oul-dire n'est pas necessairement une preuve negative; un
topos devenu tradition peut recouvrir, ä l'origine, une parcelle de verite.
E n discutant un passage de Tertullien (Ad. Jud. 7) qui affirmait le Christi-
anisme des Sarmates, des Daces et des Scythes, V . Pärvan concluait qu'il
etait annul6 par une information d'Orig&ie 3 2 . M. D . M. Pippidi fait sienne
cette conclusion et, de plus, £carte la tradition tardive, interpolee chez

31 W. Tomaschek, Brumalia p. 395 ss. V. Pärvan, Contrib. ep. p. 176 ss.


M Voici le texte de Tertullien (PL vol. 2, col. 649—650): In quem enim alium
uniuersae gentes crediterunt, nisi in Christum qui iam uenit ? Cui enim et aliae gentes
crediderunt ? Parthi, Medi, Elamitse, et qui inhabitant Mesopotamiam, Armenian,
Phrygiam, Cappadociam; et incolentes Pontum, et Asiam, et Pamphiliam; immorantes
JEyptum, et regionem Africee quae est trans Cyrenem inhabitantes, Romani et incolse.;
et in Hierusalem ludsei (Act. II, 9-11), et c«eterae gentes: ut iam Getulorum uarie-
tates, et Maurorum multi fines, Hispaniorum omnes termini, [et Galliarum diuersae
nationes, et Britannorum inaccessa Romanis loca, Christo uero subdita, et Sarma-
tarum, et Dacorum, et Germanorum et Scytharum, et additarum multarum gentium,
et prouinciarum] et insularum multarum nobis ignotarum, et quae enumerare minus
possumus ? In quibus omnibus locis Christi nomen, qui iam uenit, regnat: utpote ante
quem omnium ciuitatum port® sunt apertae, et cui nullae sunt clausae. . . .
L ' i t e n d u e de la citation dont faisait i t a t V. Pärvan a i t 6 mise entre crochets
[ . . . ] , car il est important de prendre connaissance du passage en son entier. Remar-
quons d'abord que Tertullien exclut de sa propre citation des Actes des Apötres (II. 9-11)
le membre de phrase suivant: audiuimus eos loquentes nostris Unguis magnolia Dei.
Le renseignement sur le chant liturgique reviendra — un peu plus embelli — chez
St. Jiröme et St. Paulin de Nole. On a ensuite l'impression que l'apologiste africain a
voulu procöder k une espfece de „mise k jour" des röcits apostoliques en y ajoutant
ses propres „informations". II n'en reste pas moins que ses connaissances sur
les r i a l i t i s danubiennes devaient etre des plus sommaires. Cf. N. Iorga, Histoire 2
p. 105, 106 n. 3.
Voici le passage nigateur d'Origfene (Ad Matth. 24, 9 ss): Quid autem dicamus de
Britannis aut Germanis, qui sunt circa oceanum, uel apud barbaros Dacos et Sarmatas
et Scythas, quorum plurimi nondum audierunt euangelii uerbum, audituri sunt autem in
ipsa ssecula consummatione. Meme si l'on ne rejette pas avec M. D. M. Pippidi l'inter-
pritation de quorum plurimi en tant que partitif, et qui Iaisserait quelque place k
une riponse positive, la contradiction des deux textes demeure.
A opposer ce passage de Lactance, particuliferement rhitorique: ut iam nullus esset
terrarum angulus tarn remotus quo non religio dei penetrasset, nulla denique [dei] natio
154 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Eus£be sur l'apostolat d'Andre en Scythie ('Ανδρέας δέ τήν Σκυθίαν


[εΐληχεν] Hist. Eccl. 3. 1)· II verse au meme dossier le temoignage negatif
de Macarios Magnes (IV· siecle) sur le Christianisme nord-danubien33.
Enfin si l'on rejette, avec le meme savant, la these sur «l'apostolat» de
Nic6ta de Remesiana l'on voit s'ecrouler tout l'echafaudage des temoignages
patristiques. Void encore deux textes relatifs ä la question. Salvien
ecrit au VI« siecle: Numquid Scytharum aut Gepidarum inhumanissimi
riius in maledictum atque blasphemiam nomen Domini Saluatoris inducunt ? ...
Vbi est lex catholica quam credunt? Vbi sunt pietatis et castitatis prsecefta
quae discunt ? Euangelia legunt, et impudici sunt; apostolos audiunt, et
inebriantur ? Christum sequuntur, et rapiunt; uitam improbam agunt, et
probam legem habere se dicunt (De gub. 4, 17. P L 53, col. 90). En 858 le
pape Nicolas έεπί k l'empereur Michel: Cum enim barbari omnes et Scythae,
ut insensata animalia uiuant, Deum uerum nesciant, ligna autem et lapides
adorent, in eo ipso quo uerum Deum colit lingua latina, quantum, barbaram
uel Scythicam linguam antecedat, agnoscitur (Epist. Mansi, vol. 15, col. 191).
II serait facile d'opposer h Salvien l'activite erudite de Th£otime,
eveque de Tomes 34 , le martyrologe de l'eglise de Scythie 35 , les debats et les
inquietudes des «moines scythes». Quant au pape Nicolas pouvait-il ignorer
les eveques tomitains 3 · ainsi que la correspondance du pape Pelage avec
les eveques d'Histria 37 ? De la masse des metaphores et des exagerations —
tam feris morxbus uiuens, ut non suscepto dei cultu ad iustitiee opera mitesceret (De mort.
pers. 3, 5). C'est une reprise de l'affirmation, igalement exagerie, de Inst. 4, 26, 35.
LA-dessus les remarques de Μ. J . Moreau, i d . critique vol. 2 p. 2 1 3 , Paris, 1954.
De plus cf. Nil Doxapatri sur l'extension de la foi en Europe et au dehors. Not.
thron, patr. P G vol. 132, col. 1085—1088.
" Contrib. ist. surtout p. 234. A propos du passage de Macarios (4, 13), M. D. M.
Pippidi note I'arri6re-pens6e apologitique de celui-ci. II 6tait tirailli entre le ζέΐβ de
proclamer l'universalisme de la foi du Christ. — voir Lactance ci-dessus — et le souci
de ne pas opposer un dementi k St. Matthieu (24, 14) en proclamant la victoire. . . .
καΐ τότε ήξει τό τέλοξ. Nous avouons pourtant trouver moins viridique la description
de la rdgion danubienne. E n tout cas le „froid scythique" et un clichi vieux de toute
antiquity (cf. E . Lozovan, R6alit0s pontiques p. 358). Quant k la precision de Macarios
sur les νομάδων βαρβάρων ίθνη δώδεκα, eile est assez suspecte. Quel cr6dit attacher
alors au reste du passage ?
M
St. Jiröme, De uiris inl. 1 3 1 .
** Critique serrie chez J . Zeiller, Orig. pp. 1 1 6 — 1 2 0 .
* · On peut suivre leur succession jusqu'au V I e sidcle. Cf. J . Zeiller, Orig. pp. 166—
173. De plus, une inscription d^couverte ricemment atteste, pour la premiere fois, au
V I e siecle le titre de 'Οδυσιτανοξ βικάρις . . . Μάρκελλος. I. Barnea, Un vicar de
Odessos la Tomis, Stud. cer. ist. veche 8, 1—4 (1957) pp. 347—352.
17
Acta concil. cec. έά Schwarz, vol. 4, 2 pp. 105—132.
5· A U X O R I G I N E S D U C H R I S T I A N I S M E D A C O - S C Y T H I Q U E 155

l'adoration des «bois et des pierres» au I X · siöcle est particulierement


douteuse — il y a ä retenir seulement l'affirmation de Salvien selon laquelle
les Scythes et les Gepides Euangelia legunt.
Devant tant de contradictions l'on est enclin ä croire non seulement
«qu'il ne s'agit pas du tneme peuple» 38 mais aussi que les temoignages
patristiques ne sauraient etre nullement invoques. Car ils portent presque tous
la lourde hypotheque des exigences apologetiques, des fioritures rhetoriques,
des meconnaissances historiques et geographiques 3 ·. A vrai dire ils peuvent
etre cites pour et contre; vu la diffusion inegale du Christianisme, lesp£res
de l'Eglise pouvaient — en toute bonne foi — citer des faits opposes. Les
exemples ne manquaient certes pas parmi le meme peuple, habitant la
meme region au meme moment. L a faute des Tertullien, Origöne, Macarios,
Salvien, Nicolas n'etait que la generalisation.

St. Jeröme 4 0 ecrit: deposuit pharetras Armenius, Hunt discunt Psalterium,


Scythix frigora feruent colore fidei (Epist. 107, 2). V . Pärvan attachait du
credit ä passage 4 1 ; M. D. M. Pippidi le rejette 42 . Voyons la chose de plus pr£s.
St. J6r6me fait son enumeration comme s'il regardait une carte: il commence
avec l'Armenie, en se dirigeant vers l'Ouest il continue avec le Bosphore
Cimm6rien 43 , pour s'arret er k la Scythie 4 4 . Ailleurs il affirme: Bessorum
feritas et pellitorum turba populorutn . . . stridorem suum in dulce crucis
fregerunt melos (Epist. 60). Ceci soul£ve le probleme du chant sacre chez les

3 8 D. M. Pippidi, Contrib. ist. p. 237. Sur la difinition de „ S c y t h e " ibid. p. 246 n. 1,

p. 247 n. 4. De plus E . Lozovan, ci-dessus 2 p. 207 n. 33.


· · Meme S t . Augustin ne voyait pas trSs clair dans les choses de l'Orient. Μ. H . - I .
Marrou remarquait, avec humour, que celui-ci ,,n'a jamais röussi k se reconnaitre au
milieu de tous ces Gr^goires". Que dire d'autres Occidentaux, moins „sp^cialistes" que
l'iveque d'Hippone, et qui icrivaient non sur des confreres qui avaient des noms et
des visages — rencontres dans les conciles — mais sur des peuples c a r r i m e n t exotiques ?
4 0 A qui Ton peut accorder un certain cridit. L e Pannonien de naissance qu'il

etait avait quelque competence dans les affaires danubiennes. L'on peut meme supposer
que dans son ermitage palestinien il a longuement r£fl6chi aux souffrances de sa patrie
d6vast£e. De plus il y garda des rapports. Voir sa correspondance avec S u n j a et Frithila,
membres de l'Eglise gothique de Constantinople, qui lui soumettaient leurs doutes au
sujet des divergences de traduction des Ecritures (Epist. 106). J . Zeiller, Orig. pp. 5 6 6 —
567.
4 1 Contrib. ep. pp. 1 7 6 — 1 7 7 .

1 2 Contrib. ist. p. 263.

4 1 Sur la conversion des Huns cf. J . Zeiller, Orig. p. 564.

44 Ne manquons pas de citer ce passage n6gatif: neque Britanni, fertilis prouincia

tyrannorum, et Scythse gentes omnesque usque ad Oceanutn per circuitum barbarse na-
tiones Moysen prophetasque cognouerant (Epist. 133,9).
156 H E I D E N T U M UND CHRISTENTUM

barbares danubiens4*. On serait tente de considerer ces «renseignements»


comme autant de souvenirs du passage des Actes des Apotres (2, 11)
qu'omettait Tertullien, mais qui devait etre dans toutes les memoires des
hommes d'Eglise. Seulement nos connaissances sur la conversion des Huns
cis-caucasiens ont sensiblement avance; l'eveque d'Arrän y a envoye une
mission qui a traduit les Ecritures en leur langue 4 ·. Ainsi l'affirmation de
St. Jeröme selon laquelle Hunt discunt Psalterium cesse d'appartenir au
domaine des belles m6taphores et descend sur le terrain des realites. Cette
confirmation s'6tend-elle aussi aux autres membres de la phrase? Ce
qui est vrai pour les Huns l'est-il moins pour les Scythes ? Comment resister
ä la tentation de repondre par l'aifirmative ?
Les magnolia Dei, τάξ εΰχάς . . . τ ω κοινω Δεσπότη, le dulce crucis
melos ont resonne peut-etre au cours des I I F - V r siecles — corde Romano ä
coup sur, dans d'autres idiomes, probablement — chez les Besses du lieu-dit
Cutila, chez les Huns Bosphorans, chez les Scythes danubiens. Mais cela a
constitue sans doute une exp£rience assez limitee dont on ne doit pas exagerer
la portee. II nous faut done rester, avec V. Pärvan, MM. J. Zeiller et D. Μ.
Pippidi sur la meme position d'attente de quelque document decisif qui
confirme ce qui, jusqu'ä nouvel ordre, n'est qu'intuition. Mais il est permis
d'envisager la perspective d'une contribution autre que greco-latine & la
consolidation du Christianisme danubien 47 .
Cette contribution est d6jä evidente lorsqu'on aborde le problöme de
l'Eglise gothique; son histoire est suffisamment connue pour qu'on n'ait pas
45 J. Zeiller, Orig. pp. 552, 558. Cf. St. Paulin de Nole: orbis in muta regione per

te / barbari discunt resonare Christum / corde Romano (Poem. 18, 261 ss). Bessus exultat]
quod humi manuque / ante quserebat, modo mente cselo / conligit aurum (18, 214—217).
M. D. M. Pippidi d£montre (Contrib. ist. p. 262), contre V. Pärvan, que ces Bessi
aurileguli vivaient dans la region de R£mösiana et non en Dacie nord-danubienne.
4e F. Altheim, ci-dessus 1 pp. 286—289.
47 Sur 1'Episode Mgendaire de la legio XII Fulminata (Dion Cassius Epit. 72, 14, 9)
et qui a έίέ souvent cit6 comme une preuve de la presence d'Orientaux Chretiens sur le
Moyen-Danube dfes le I e r si6cle, cf. J. Zeiller, Orig. pp. 42—46.
Pour la Thrace cf. ce passage de Pan. Lat. 21, 21: I toque sicut pridem tuo, Diocle-
tiane auguste iussu impleuit deserta Thracias translatis incolis A six. . . . et la remarque
de Ν. Iorga, Histoire 2 p. 44: „or, ceci repr^sente pour la propagation du christianisme,
itant άοηηέ ce que l'Asie Mineure reprisentait pour la nouvelle doctrine, un fait
jusqu'ici non-observ6, qui est de la plus haute importance". A rapprocher ici l'ins-
cription chritienne de Plovdiv sur Ζηνόβι(ο)5 Άντιοχεύξ publice par Μ. D. Tsont-
schev, Latomus 19 (i960) p. 119 ainsi que sa remarque: cette inscription et d'autres
semblables indiquent „qu'il y eut autrefois k Philippopolis des έmigrέs venus de tous les
endroits de l'Asie Antirieure".
5- A U X O R I G I N E S DU CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 157

besoin de s'appesantir sur ce point 48 . Une grande ondee 6vangelique — cer-


tainement anterieure au concile de Nicee, meme si l'organisation proprement
ecclSsiastique lui est post£rieure — va du Norique au Bosphore
Cimm6rien4*. Un grand nombre de questions, auxquelles on ne peut re-
pondre, demeurent telles que M. J. Zeiller les posait void plus de quarante
ans. Ainsi St. Jean Chrysostome a-t-il reellement pr§ch6 en leur langue chez
les νομάζοντεξ ol Γότθοι (Epist. 14. PG 52, col. 618) ? 50 Vu «l'apostolat»
de Th6otime parmi les Goths est-il gratuit de supposer que ceux-ci depen-
daient de l'£veche de Tomes 51 ? Enfin, vu l'activite febrile de traduction
d'ecrits liturgiques — elle aurait determine un veritable «mouvement d'etudes
bibliques» qui alia jusqu'ä une influence sensible de la Bible gothique
sur les versions latines occidentales62 — peut-on renoncer ä l'idee que, k
plus forte raison, la population danubienne en a profite ? En tout cas M. J.
Zeiller admet que «leur orthodoxie (sc. des Goths) meme rendit plus facile
leur fusion avec le reste de la population»53. N. Iorga est meme alle plus loin.
Apr£s avoir affirme que l'arianisme contribua «ä cr6er une vie latine, parce
que c'dtait aussi une croyance populaire de ces regions»61, il n'hesita pas de
supposer que les moines scythes «paraissaient indiquer la lutte d'un element
monacal, de caract^re indigene, contre l'eveque de Tomis, qui gagnera un
caractere grec»55. C'est peut-etre plus qu'une brillante vue de l'esprit. Le
vieux particularisme danubien n'etait pas mort. II allait de la mention
epigraphique qui en dit long, natione Thrax, domus Dacia, jusqu'aux
proclamations hautaines de Julien 54 et de Justinien 57 . Dans le giron de
l'Eglise l'expression de pareils sentiments «nationalistes» empruntaient des
accents plus doux. Lorsque Ulfila se fit aupräs de Theodose l'avocat de
Palladius de Ratiaria et de Secundinus de Singidunum, deposes par le

48 J. Zeiller, Orig. p. 417 avec la bibliographie anterieure.


4t On fera la part de la lögende et de la r6alit6 sur la diffusion du Christianisme k
Olbia et k Chersonese, op. cit. p. 410 ss. A retenir la presence de la croix sur les monnaies
de Tortosfcs, roi du Bosphore, ibid.
40 ibid. pp. 544—547·

41 ibid. pp. 440, 547—549·

M ibid. p. 468 ss.

53 ibid. p. 440. Car les dissonances confessionnelles passent au second plan; on en

arrive Ä un veritable 6clectisme liturgique.


44 Histoire 2 p. 122.

44 ibid. p. 268.

4* Lettre k Saluste; Misopogon, ed. Loeb vol. 2 pp. 194, 450.

47 Nou. 26. Cf. E. Lozovan, ci-dessus 2 p. 206 n. 31.


158 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

synode d'Aquilee en 381, defendait-il en eux uniquement des fr^res en Jesus-


Christ ou bien aussi et surtout des «compatriotes» ? Est-ce le hasard qui
fit de Selena — un μιξοβάρβαρος, fils d'un G o t h et d'une Fhrygienne — le
successeur d'Ulfila ? Ou bien y a-t-il lä une trace legere de n6potisme, com-
parable ä celui de Galore qui fait passer Maximin Daia avant Constantin en se
justifiant sechement: meus affinis? (De mort. pers. 18, 14) Quant ä Ulfila,
ce petit-fils de captifs cappadociens 6tait lui-meme un veritable «produit de
synthese» de la region danubienne; son trilinguisme — gothique, latin et
hellfenique — en est un bei exemple 6 8 . E t lorsque, ä sa mort, on lui fit a
Constantinople des funerailles solennelles c'est aussi cette «Eglise de syn-
thase» que Ton honora dans sa depouille.
D e cette serie d'elements nous retenons l'impression que Γ atmosphere
etait propice ä une collaboration Stroke sur les deux bords du Danube.
Cette Eglise non-hellenique et non-latine fonctionnait peut-etre «avec tres
peu de 'theologie' et meme de vraie hierarchie» 68 . C'est ce qui favorisa une
veritable «folklorisation» de la foi et dont le culte de Diane est l'illustration
la plus caracteristique.
Le dossier de la montium domina . . . siluarumque uirentium (Catulle 24)
a ete etabli, pour la Dacie, par V. P ä r v a n · 0 . On pourrait facilement

" Le nora d'Ulfila „ W ö l f l e i n " , pose aussi une inigme qui a passionnö bien des
esprits. M. Mircea Eliade suggfere (Les Daces et les loups. Numen 6, 1 (1959) pp. 1 5 — 3 1 )
que le nom ethnique des Daces signifie δάους „ l o u p " comme le voyaient Strabon
et Hösychius. C'est possible: l'onomastique indo-europienne connatt d'autres exemples
de noms-totems cf. thrace Oroles „ f a u c o n " . Par ce biais on arrive aux racines d'une
curieuse confusion ethnique, a savoir Get® = Gothi. Etait-elle due uniquement k un
rapprochement phon^tique ? Ou bien 6tait-elle, au contraire, le rdsultat normal de la
vie en commun de deux peuples qui partageaient les nourritures terrestres et spirituelles ?
Etrange hasard — si c'en est un — qui fit de ce „ W ö l f l e i n " l ' i v e q u e des Goths, devenus
„G6tes", eux-memes proches parents des Δάοι!
s · N. Iorga, Histoire 2 p. 109. J. Zeiller, Orig. p. 518. On pourrait alllguer comme

contre-argument a cette symbiose gotho-göto-latine l'inexistence de mots vieux-


germaniques dans la langue roumaine concernant la terminologie chrötienne. (Meme
pour d'autres parties du vocabulaire la controverse est äpre, cf. E. Lozovan. L a
lexicologie roumaine. Rev. ling. rom. 22 [1958] n M 606 ss). A quoi on röpondra que les
rapports christologiques de la population nord-danubienne avec les Goths ne devaient
nöcessairement pas laisser des traces linguistiques puisqu'elle a chang6 plusieurs fois
de langue rituelle (latine, slave, roumaine).
60 Contrib. ep. pp. 120—123 et pass. Getica pp. 163—164 et pass. Mise k jour

de la question par C. Daicoviciu, Transilvania p. 134. — Bibliographie ant£rieure


chez G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 1912, pp. 247—252; id. R E s. v.
Diana. F. Altheim, Griechische Götter im alten Rom, Gießen, 1930, p. 39 ss., id. Ge-
schichte der lateinischen Sprache, Frankfurt a. M., 1951, pp. 226—227.
5. A U X ORIGINES D U CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 159

l'enrichir en tenant compte des dernieres decouvertes 6pigraphiques ei . Ici


deux questions seules peuvent int6resser, 4 savoir la popularite du culte de
Diane dans la region danubienne et sa survie, ainsi que la possibilite de le
rattacher ä un culte indigene — en somme: le prolongement en deux direc-
tions. Sur ce point l'on est en mesure de verser quelques faits nouveaux dans
le debat. Les monographies soulignent ä l'envi la diffusion du culte d'Artemis-
Diane au Sud du Danube, en Pannonie, sur la cöte Adriatique, en Norique· 2 .
Un memoire encore inedit· 3 arrive ä la conclusion statistique — alleatoire
mais non moins significative — q u e les dedicaces ä Diane, au nombre d'une
quarantaine, les plus importantes de tout l'Empire, proviennent de Dacie.
Remarquons aussi que la seule manifestation religieuse locale ä laquelle
Ovide fasse allusion est constituee precisement par le culte de Diane (Tr.
4, 4, 6 i — 6 2 ; Pont. 1, 2, 80). De la Tauride au Bosphore Cimmerien· 4 , en
passant par Histria· 5 , la «famille apollinienne», le Latonasque genus duplex,
recevait des honneurs peu communs depuis les temps helleniques les
plus recules. Rappelons, enfin, le renseignement rapporte par Lactance
sur la mere de Galere: Erat mater eius deorum montium cultrix. Quae
cum esset mulier admodum superstitiosa, dapibus sacrificabat pxne cotidie
ac uicanis suis epulas exhibebat (De mort. pers. 11, 1). M. J. Moreau
suggere 47 que ces dii montium qu'adorait Romula*8, en compagnie de

41
Cf. V. Velkov, Nouvelles inscriptions latines de Montana (Moesia Inferior).
A r c h e o l o g i a 7, 1 (1955) PP· 9 1 — 1 0 1 • D i d i c a c e 4 Diana Regina d u e ä un uexillarius
equitum legionis I Italicx.
42
D. Detschew, Der Artemiskult im Gebiet des mittleren Strymon, Serta Ka-
zarowiana, Sofia, 1955, vol. 2 pp. 95—109, resumi par VI. Popovici et Ch. Picard,
Rev. Arch. 2 (1958) pp. 124—125. — Κ. Kertnyi, Die Göttin Diana im nördlichen
Pannonien, Pannonia 4 (1939) pp. 203—221. — Η . Petricovits, Zur Religionsgeschichte
der Adrialänder im Altertum, Wien, 1933, thfese inidite. Cf. G. Stadtmüller, Historia 3
p. 247 n. 5. — H. Kenner, Die Götterwelt der Austria Romana. Jahreshefte Öst. Arch.
Inst. Wien, 43 (1958) pp. 68—70, sur Diana Nemesis. — A. Alföldi, Diana Nemorensis.
Am Journ. Arch. 64,2 (i960) pp. 137-144.
ω
Ecole Pratique de Hautes Etudes, Paris, M. Rebuffat, Le culte de Diane dans
Tarmie [romaine]. Cf. Annuaire 1956—1957 p. 29. — Nous sommes seul responsable
des ces renseignements, notes lors de l'exposö oral fait par l'auteur a l'Ecole.
M
Cf. B. Latysev, Insc. Or® Sept. Ponti Eux. I l l n " 344, 421.
w
II y avait meme un mois dönomm^ 'Αρτεμισιών. D. Μ. Pippidi, Contrib. ist.
pp 119—120.
· · Originaire des Carpathes: Transdanuuiana infestantibus Carpis in Daciam
nouam transiecto amne confugerat ( D e m o r t . p e r s . 9 , 2 ) .
47
Commentaire k De mort. pers. vol. 2 pp. 267—268.
· · Ces cir6monies ont eu lieu done ä Rome, peu de temps avant l'ödit de Nico-
midie (311). Des manifestations paiennes se prolongferent au sifcele suivant. Cf. A.
160 H E I D E N T U M UND CHRISTENTUM

ses uicani, en signe de fidelite ä leur Dacie natale, etaient peut-etre


des divinites silvestres et agrestes telles que Silvain, Diane et Liber
Pater".

V. Pärvan a propose deux identifications d'Artemis-Diane: d'un cöt6 la


Bendis thracique 70 et de l'autre la Sänziana du folklore roumain. Pour la
premiere possibilite il faut se contenter, pour le moment, de quelques
suggestions. Diane 6tait une deesse «promise ä une grande popularite parmi
la plebe» 71 . La colonisation de la Dacie a eu le caractere militaire-paysan
que l'on sait. Cela suffit-il pour expliquer la «carte cultuelle» de la fille de
Latone et la place qu'elle occupa entre les Carpathes et le Pont Euxin ? Ou
bien son enracinement solide a ete rendu possible par l'annexion d'un culte
anterieur? Pareille assimilation n'a rien d'insolite; k Laodicee, Artemis se
transforma en Astartee 72 . Le temoignage sur les devotions de la m£re de
Galere aurait pu fournir ce chainon intermediate entre Bendis et Artemis-
Diane; malheureusement il est trop vague pour que l'on puisse en faire
etat.

La question de la survie de Diane est beaucop plus claire 78 . Procope


signale deux toponymes sud-danubiens Ζάνες (De aed. 4,4—4,6), qu'on
peut rapprocher des lieux-dits macedo-roumains Dzana et Ζςηα7*. L a Table
Peutingerienne atteste en Epire (7, 3) la station ad Dianatn75. Les langues
roumaine et albanaise ont garde le nom de la deesse avec la signification de

Alföldi, A festival of Isis in Rome under the Christian Emperors of the IV t h century.
Diss. Pann. 2, 7.
·* Sur Silvain en Dacie cf. V. Pärvan, Dacia p. 187.
70 En dernier lieu cf. Dacia pp. 146—147.
71 J. Bayet, Hist. pol. rel. rom. pp. 39—40.
7a R. Grousset, L'Empire du Levant, p. 34.
73 E. Qabej, Kult und Fortleben der Göttin Diana auf den Balkan, Leipziger

Vierteljahr. S.—O. Eur. 5 (1941) pp. 229—241. Cf. aussi avec les reserves du Ρ* V.
Laurent, Byz. Zeit. 51, 2 (1958) p. 452: M. Delcourt, Le complexe de Diane dans
l'hagiographie chr6tienne, Rev. Hist. Rel. 153, 1 (1958) pp. 1—33.
74 Th. Capidan, Top. mac6do-roum. p. 71. II va de soi qu'on ne doit pas n^cessaire-

ment conclure k une continuiti toponymique depuis l'antiquiti. Nous ne pouvons


pas dater ces lieux-dits qui ne sont peut-etre que l'appellatif zänä.
D'autre part Bendis apparait aussi dans la toponymie balkanique. cf. Bendipara,
r£f£rences chez I. I. Russu, Limba traco-dacilor, p. 59.
7 5 Identifiie par Μ. G. Stadtmüller avec Photihe. cf. Historia 3 pp. 247—248, oü

il rösume aussi: C. Gerojannis, Die Station ,,ad Dianam" in Epirus, Wiss. Mitt. aus
Bosnien u. Herz. 8 (1902) pp. 204—207. — Cf. aussi Zana (Diana Veteranorum) en
Afrique et la statio ad Dianam prfes le golfe d'Aquaba, portorium de Syrie.
5· AUX ORIGINES DU CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 161

«ίέο> ζάηά, zane'·. L a Diana, sancta potentissima de Sarmizegethusa (CIL


I I I 1 4 1 8 ) est devenue Sänziana, personnage populaire autant que com·
plexe du folklore roumain 7 7 . L a geographic linguistique atteste sa presence
sur la plus grande partie du territoire nord-danubien ( A L R I 624). Les
zane «commandent au vent» 7 8 , elles habitent dans les clairieres, pres des
sources et des fontaines 7 9 . L a fleur de sanziene (Galium verum), dot6e de
vertus miraculeuses doit etre cueillie la nuit du 24 juin; on en fait des
couronnes, parfois des bouquets en forme de croix 8 0 . D'une fagon ou d'une
autre Sänziana et sa pharmacopee sont associees a la lune; leur influence
s'est etendue meme chez les Slaves balkaniques 8 1 . Sans avoir k bätir
trop d'hypotheses il est possible d'entrevoir les etapes de cette metamor-
phose. Dans le milieu melange des deux rives du Danube 8 2 l'opposition

Pour les autres langues romanes cf. W. Meyer-Lübke R E W 2624. L'Etymologie


Diana > zänä, zane ne pose pas de difficultE et il est strange qu'on l'ait mise en doute
(O. Densusianu proposait diuina), vu surtout le contexte historico-folklorique dans
lequel eile se place. Cf. en dernier lieu Al. Rosetti, Melanges pp. 352—354.
A-t-on remarquE que c'est le prince moldave Dimitrie Cantemir qui. le premier,
a donne la bonne Etymologie: „Dzina, quam uocem a Dianae denominatione deductam
snspicaris. Raro tamen singulari numero earn celebrant, sed plerumque plurali Dzinele
utuntur, feruntque uirgines esse formosissimae et uenustatis largitrices". Descriptio
Moldaviae 1 p. 141 Ed. Acad. Roum. Bucuregti, 1872.
77
Sänziana < San(cta) Diana ne pose pas non plus de difficulty phonetique. On
s'Etonnera que certains savants optent pour l'etymologie Sanctus Johannes. Cf. Sever
Pop, Le piü importanti feste presso i Romeni, Rev. Et.indo-eur. 1 (1938) pp. 495—496.
11 y a lä impossibility phonEtique et historico-religieuse; V. Pärvan l'avait d E j i i e m a r q u e ,
Contrib. ep. n. 564. L'erreur remonte k Dimitrie Cantemir, qui cette fois fit fausse
route; il travaillait avec les instruments d'Erudition de son temps ( X V I I I e siEcle):
,,Syndzenele: nomen est S. Iohannis prodromi . . ." op. cit. p. 142. L'identification avec
St. Jean a eu lieu mais elle est secondaire. Autrer.ieiit la denomination Sf&ntu Ion
Zimzian n'aurait pas de sens et serait une fächeuse tautologie momastique.
Cf. De plus, C. Tagliavini, Divagazioni semantiche romene. Arch. Rom. 12 (1928)
pp. 180—183. O. Densusianu, Cu privire la Slnziene, Grai 51 suflet 3 (1928) pp. 433—
434. Al Cioränescu, Diccionirio etimolögico rumano, La Laguna, 1958 ss., no. 2464.
78
Stäpanele v&ntului, cf. T. Pamfile, Särbätorile de vara la Romani. Studiu
etnografic, Bucure§ti, 1910, p. 23. — C. Rädulescu-Codin, D. Mihalache, Särbätorile
poporului roman, Bucurejti, 1909, surtout pp. 73—74. — L. Säineanu, Les fEes mE-
chantes d'aprEs les croyances du peuple roumain . . ., MElusine 10 (1901) pp. 218—226,
243—254 (rEsumE de l'ouvrage: Ielele, Dinsele, Vintösele . . ., Bucure^ti, 1886).
7
· T. Pamfile, op. cit. pp. 26—34.
80
ibid. pp. 80—95.
81
G. Ivänescu, Les plus anciennes influences de la romanitE balkanique sur les
Slaves: luna „lune", lunatik „somnambule". Romanoslavica 1 (1958) pp. 44—51.
82
Ού les Goths vivaient melangEs k des Boranes (parents des Carpes ? J. Zeiller,
Orig. p. 408 n. 6) et parmi lesquels les prisonniers „oubliaient qu'ils Etaient des ChrE-
11 Altheim, HnDnen IT
162 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

entre paiens et chretiens etait assez tendue83. Les paysans, devots du dieu
Silvain, qui massacrerent Valeria84 ont du reellement apparaitre comme des
dianatici «les possedes de Diane» ( > roum. zänateci «fous, exaltes»)85. II
n'y a qu'eux pour croire ä la «saintete» de la deesse chasseresse. En lui
donnant un visage mi-chretien, mi-mythologique il importait aussi de lui
conferer une existence plus ou moins legale dans le calendrier. C'est ä ce
moment que la confusion avec St. Jean eut lieu. La phonetique fut assez
complaisante et y contribua86. Ainsi, dans les exorcismes roumains actuels
du type zdne, zdne de cäne c'est peut-etre l'ancienne Nemesis potentissima
qui survit.
Les textes qui nous decrivent cette transformation ne manquent pas.
St. Ambroise rapporte les faits suivants sur 1 'eveque de Poetovio: Vtasseritur,
et brachiale, Gothica profanatus impietate, more indutus gentilium, ausus sit in
conspectu exercitus prodire Romani: quod sine dubio non solum in sacerdote sac-
rilegium, sed etiam in quocumque christiano est; etenim abhorret a more Romano
(Epist. 10,9). Salvien precise, de son cöte, qu'il s'agit bien plus que del'aspect
extferieur: Et quamuis ab his ad quos confugiunt discrepant ritu, discrepant
lingua, ipso etiam, ut ita dicam corporum atque indumiarum barbaricarum
fetore dissentiant, malunt tarnen in barbaris pati cultu dissimilem, quam in
Romanis iniustitiam szuientem (De gub. 5, 5. PL 53, col. 99). II y a cer-
tainement dans ces foudres £piscopales d'un cöte un reste de l'horreur
aristotelicienne de la «barbarisation» et de l'autre quelque exageration,
commandee par un ton plus hausse, ex ambono. Mais les contaminations
culturelles exist£rent, comme, par exemple, le rite gothique du service ä
l'aube selon une vieille tradition germanique87 ou la celebration de la f£te
de St. Felix avec des peruigilia paiens88. La formule concise de St. Optat
tiens e t des Pontiques e t s'adonnaiet a u x moeurs b a r b a r e s " : TOOS μέν ούν
έγκαταλεχθέντα; τοις βαβάροις καΐ μετ' α ύ τ ώ ν έν αΙχμαλωσιφ έττΐλθόντα$, έτπλαθο-
μένου;, ότι ήσαν Ποντικοί καΐ Χριστιανοί έκβαρβαρωθένταξ . . . St. Grigoirc le
T h a u m a t u r g e , Epist. can. 7. P G vol. 10, col. 1040.
** Comme partout ailleurs, cf. P. de Labriolle, L a röaction paienne. E t u d e sur la
polemique antichrötienne du I e r au V I e sifecle. Paris, 1948.
84 J. Zeiller, Paganus. E t u d e de terminologie chritienne. Freiburg, Paris, 1917,

p. 49 et pass. — P L vol. 18, p. 742.


8 5 V . P ä r v a n , Contrib. ep. 120.

· · E n Moldavie il y a meme une deuxifeme confusion entre Sf. loan de varä et


Sf. loan eel nou ( X I V e siecle) de Suceava.
87 J. Zeiller, Orig. pp. 5 1 4 — 5 1 6 . E n 392 T h i o d o s e se v i t forc6 de publier un 6dit

contre le culte clandestin des P i n a t e s . J. B a y e t , op. cit. p. 63.


8 8 St. Paulin de Nole, Carm. 27, 560—570 ( P L vol. 61, col. 661).
5· A U X O R I G I N E S DU C H R I S T I A N I S M E DACO-SCYTHIQUE 163

prend ainsi un caractere realiste: Nom enim respublica est in Ecclesia, sed
Ecclesia in republica est (De schism. Don. 3, 40), avec les compromis
qui s'ensuivent. Iis vont jusqu'ä des episodes tristes, comme celui de
l'eveque de Margum qui, en 4 4 1 — 4 2 , livra sa ville aux Huns 8 9 . On pourrait
facilement multiplier les exemples de ce passage au Christianisme qui «est
souvent une simple traduction du paganisme anterieur» 90 . On se contentera
d'un symbole: le labarum constantinien, veritable survi vance de Γ art triom-
phal, ä la fois uexillum et trophee 91 .
Voici, pour conclure, quelques points de vue dont nous n'ignorons
pas le caractere provisoire. L a diffusion du Christianisme dans la region
danubienne aussi dans la langue des indigenes insuffisamment romanises
apparait comme une possibilite. On ne peut pas apporter la preuve
decisive sur l'emploi du thrace, ou de l'un de ses «dialectes», en tant
que langue liturgique. L'on peut supposer, sans trop de risques, qu'au
moins quelques prieres ont ete traduites et dites en un quelconque
parier de la region. L'atmosphere plurilingue sur les bords du Da-

8i
J . Zeiller, Orig. pp. 1 5 1 — 1 5 2 .
90
N. Iorga, Histoire 2 p. 103, id. 1 p. 93, oü, en interpretant Clement d'Alexandrie,
Strom. 4, 3, l'auteur considfere que l'ambassade des Thraces a Zalmoxis constituait
une „preparation aux martyrs chritiens". Pour les survivances linguistiques ä carac-
t£re paien cf. S. Pu^cariu, Limba rom. pp. 356—357.
G. Michailidis, Vestiges du culte solaire parmi les Chretiens d'Egypte. Bull. soc.
arch, copte 13 (1948—1949) pp. 3 7 — n o . Sur la fete des 'Ρουσάλια, au X I e sifecle
chez les Chretiens du Khorassan cf. J . Dauvillier, Byzantins d'Asie centrale et d'Ex-
treme-Orient au Moyen-Age, Rev. Et. Byz. 1 1 (1953) p. 65. — En Syrie on est alle
si loin qu'une veritable symbiose franco-musulmane s'itablit. R. Grousset, Bilan de
l'histoire, p. 218.
Pour la fusion des caractöristiques architecturales et melodiques cf. E. Dyggve,
Dödekult, Kejserkult og Basilika, Kobenhavn, 1943. — C. Heeg, Les rapports de la
musique chr^tienne et de la musique de Γ Antiquity classique, Byzantion 25—27
(1955—1957) pp· 383—452·
Cf. l'exemple parallele africain. D'aprfes M. G. Ch. Picard les sanctuaires consti-
tuent „une fusion definitive des traditions puniques avec le spiritualisme gr^co-romain
et les influences orientales". Rel. Afr. pp. 152—164.
M
G. Ch. Picard, Les trophies, p. 505 ss. — H. Leclercq, Diet, d'arch. chrit. s. v.
labarum, 8, 1.
Cf. cette opinion de Μ. G. Ch. Picard: „le d^veloppement du culte des saints et des
reliques, au haut Moyen-Age [a 6te] partout nourri souvent d'emprunts ä des mythes
et des rites locaux, de quality religieuse fort suspecte". Rel. Afr. p. 256. Cela eut lieu
meme avec une certaine complicity du clerge qui n'y voyait que des „fraudes pieuses"
qu'il acceptait „pour ne pas chagriner outre mesure des populations bien disposees a
recevoir la foi, mais attaches ä des habitudes ancestrales, somme toute innocentes"
ibid.
11·
164 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

nube a 6te particuli£rement favorable ä un syncretisme religieux dont il


n'est pas facile de d6meler l'6cheveau. Le culte de Diane n'est qu'un exem-
ple-type*2. Un fait est certain: le Christianisme danubien s'est alimente
aussi k d'autres sources que celles des foyers missionnaires grecs et latins.
Huns, Goths, Besses — atteints de fagon inegale par la parole du Christ —
ont contribue ä la construction d'un 6difice complexe autant que solide.
Vouloir definir le role qui revint έ chacun de ces peuples serait une entre-
prise impossible de mener & bien. Ce sont d'ailleurs ces origines multiples
qui font du Christianisme danubien cette r6alite vivante plongee ä la fois dans
l'histoire, le mythe et le folklore94. II n'y a pas de «bapteme de Clovis» sur
le Danube car il ne peut y avoir de date pour une conversion progressive
echelonn6e sur plusieurs siöcles. L'arbre a plus d'une racine. Pour bien
caract^riser cette situation il n'est que de citer les reflexions que sug-
g6rait ä M. Jeröme Carcopino l'histoire de l'Eglise africaine: «les forces
religieuses s'en vinrent de tous cötes travailler au triomphe de la foi nou-
velle; elles y collaborörent si 6troitement, quel qu'en eüt ete le point de
depart, qu'il devient parfois difficile d'en deceler la veritable apparte-
nance» M . II y a plus: «l'Empire romain, harcele par les invasions de ses
frontiöres, mine par les troubles que provoquaient la mis^re et le desordre

M On pourrait ajouter le culte de Mithra, contre lequel tonnait Tertullien (Lib.

de Praes. P L vol. 2, col. 66). Cf. M. Popescu, Le colinde della pietra. (Tracce del culto
di Mithra petrogenitus e Sol inuictus nel folklore romeno). Soc. Acad. Dacorom. Acta
Phil, ι (1958) pp. 55—62·
·* Le problfeme des Ecritures pose tout simplement celui de l^criture. Le christi-
anisme danubien tenait-il de la γραφή ou du λόγος ? Les Daces ont-il connu l'icriture
pour pouvoir fournir les bases d'une tradition autochtone ? (Cf. l'article, inacces-
sible , de Μ. C. Daicoviciu, Au cunoscut Dacii scrisul ? Steaua, Cluj, n 0 · 5—8 (1954)
pp. 121—124). Υ a-t-il eu riellement au I V e sifecle au sud du Danube des 6coles oü un
Auxence de Durostorum ait pu recevoir son instruction ? (cf. H. Mihiescu, art. cit.
supra n. 6). Faut-il aller jusqu'& Tridentum, Lauriacum, et Ovilava pour trouver des
scriptoria et la continuiti d'une certaine tradition Erudite ? (cf. G. Capovilla, Stud! sul
Noricum. Fontes Ambros. 25 (1951) p. 410). Ou bien doit-on g£n£raliser la remarque
de Dion Chrysostome sur les Gfetes ? „Ces hommes n'6taient pas betes mais ils n'avaient
pas le temps pour les discours" (Disc. 12, 16—21, id. Loeb vol. 2 pp. 20—24).
II est assez illogique de croire que la population de Dacie et de Scythie Mineure
ait attendu le döbut du deuxiftme millönaire et le contact avec les Slaves pour commencer
& icrire. Placöe entre les Huns et les Goths, en marge de l'Empire romano-byzantin,
chritienne des longue date, eile a dü icrire avant les X c — X I e siicles. Cf. St. Pa$ca,
Contributii la istoria tnceputului scrisului romtnesc, Cercet. ling. (Cluj) 1 (1956)
PP· 79—9°·
** Preface k G. Ch. Picard, Rel. Afr. p. VI.
5· AUX ORIGINES DU CHRISTIANISME DACO-SCYTHIQUE 165

economique, cherchait dans les esperances de l'au-delä un adoucissement ä


ses £preuves d'ici-bas»·5.
Le seul grand probl£me de la Romanite Orientale est sa survie mira-
culeuse, au milieu de tant de naufrages. II faudra considerer, aux c6tes des
autres facteurs de renouvellement, le r61e immense joue par le Christianisme
dans la cohesion morale de la r6gion.

·* ibid.
6. K A P I T E L

VIDEVDAT
UND DIE ZARATHUSTRISCHE WIEDERGEBURT

I.

Eine letzte Betrachtung mag sich der religiösen Wiedergeburt des


Zarathustrismus zu wenden (oben 3, 25f.). Sie begann in den Jahren
nach Mohammeds Tod, doch läßt sich zeigen, daß ihre Voraussetzungen in
älterer Zeit zu suchen sind.
Daß die Frage nach der Heimat der avestischen Sprache sinnvoll sei,
haben wir immer bezweifelt 1 . Gleichwohl hat sie die Forschung bis in
jüngste Zeit beschäftigt. Bei anderer Gelegenheit 2 wurde darauf hingewiesen,
welch seltsamer Wanderung jene angebliche Heimat auf der Sprachenkarte
des östlichen Iran sich hat unterziehen müssen. W. B. Henning hat nach-
einander die Sogdiane und ihre Nachbargebiete, Chwärezm und zuletzt
Sistän als Ursprungsgebiet des Avestischen beansprucht. Hier geht es um
die erste Etappe dieser Reise. Ausgehend von zweifellos vorhandenen Be-
rührungen zwischen dem Avestischen und dem Soghdischen, glaubte sich
Henning berechtigt, von der Zeit der Umschrift der avestischen Texte in
das heute vorliegende Alphabet abzusehen und jene Berührungen der
ursprünglichen Sprache selbst, will sagen: dem Avestischen der achaimeni-
dischen und nachachaimenidischen Zeit zuzuweisen3.
Demgegenüber wurde von uns betont, daß jene „Sogdizismen" der
avestischen Texte in den ältesten, in aramäischem Alphabet aufgezeichneten
Wörtern und Wendungen fehlen. Sie treten erstmals in solchen Stücken auf,
die im avestischen Vokalalphabet geschrieben sind. Unser Nachweis 4
wurde von O. Szemerenyi bestätigt und erweitert 5 . Demgegenüber mußte

1
Zuletzt: F. Altheim, Zarathustra und Alexander (Fischer Bücherei i960) 21.
1
Oben 1, 410 Anm. 1; Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1' Lfg. 32.
a
In: Transactions of the Philol. Soc. 1942 (ersch. 1944) 49*·
4
F. Altheim. Literatur und Gesellschaft 2 (1950), 202f.; R. Stiehl, ebenda 204f.
5
In: F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum (1951) 1 5 3 f . ; O. Szemerenyi
in: Altheim-Stiehl, Geschichte Mittelasiens im Altertum (1970) 736ff.
6. V I D ß V D Ä T U N D D I E Z A R A T H U S T R I S C H E W I E D E R G E B U R T 167

Henning die von ihm vertretene Ansicht aufgeben. Es kann kein Zweifel da-
ran bestehen, daß die Sogdizismen erst nachträglich, bei der Umschrift vom
aramäischen Konsonanten-Alphabet ins avestische, das Vokale schreibt, in
die avestischen Texte gelangt sind.
Diese Umschrift hat in Ostiran und in der zweiten Hälfte des 2. nach-
christlichen Jahrhunderts begonnen. Was wir auf Grund anderweitiger
Beobachtungen festgestellt hatten 4 , wurde durch die Auffindung einer In-
schrift in Surx Kotal bestätigt 7 . Schon vorher hatte O. Szemerenyi
sich unserer Datierung angeschlossen8. Indessen muß damit gerechnet
werden, daß jene Umschrift ins neugeschaffene avestische Vokal-Alphabet
einen Vorgang bildete, der sich längere Zeit hinzog. So darf eine zweite, von
Szemerenyi wenigstens angedeutete Möglichkeit erwogen werden. Danach
könnten die Sogdizismen erst nach dem Sturz der Sasaniden in die avestischen
Texte gelangt sein. Da dieser Zeitpunkt mit dem Beginn der zarathustri-
schen Wiedergeburt in der Sogdiane zusammenfällt, darf jene zweite Mög-
lichkeit nicht von vornherein abgewiesen werden.
Die zweite Hälfte des 2. und die erste des 3. Jahrhunderts waren die
Blütezeit der Küsän. Die Münzen zeigen die Stellung, die die zarathustrischen
Götter einnahmen9, und ein umfassendes Unternehmen wie die Schaffung
des neuen Vokal-Alphabets und die Umschrift der heiligen Texte in dieses
vermag man sich zu jener Zeit durchaus vorzustellen. Die Angriffe der ersten
Sasaniden und der Einbruch der Hephthaliten haben demgegenüber einen
politischen und kulturellen Rückschlag bedeutet. Notwendigerweise mußte
sich dergleichen auch in der Arbeit am Avesta auswirken. Umschrift und
die dazu gehörige Redaktion der Texte werden für eine Weile zum Erliegen
gekommen sein. Es trat hinzu, daß die Hephthaliten sich dem Buddhismus
zuwandten. Auch dann noch, als ihre Herrschaft gebrochen war, hingen

8
F. Altheim, Literatur und Gesellschaft 2, 197 f.
7
Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958) 2gf. Unsere Deutung ist W. B. Henning
in: BSOS. 23 (rg6o), 50 Anm. 9 unbekannt geblieben. Dort macht er den Versuch,
die gleiche Sprache wie auf der g r o ß e n Inschrift von Surx Kotal wiederzufinden.
Ζηνοβιδοι will er parth. zynpty, mittelpers. zynpt gleichsetzen. Henning muß indessen
zugeben, daß σηνο- dasteht. Damit scheidet seine Erklärung des ersten Kompositions-
bestandteiles aus. Zugunsten von Hennings Deutung des zweiten Bestandteiles könnte
auf Γορσζιβιδ der Siegesinschrift Säpür's I. in Naks-i Rustam verwiesen werden (W.
Eilers bei Altheim-Stiehl, a. O. 28). Doch auf der Inschrift wird die intervokalische
Tenuis in der Kompositionsfuge erhalten, nicht zur Media verschoben: βαγοττουροι.
8
a. Ο. 166.
• R. Gobi bei Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 1 9 3 ; 2 5 1 .
168 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

die Landschaften, darin hephthalitisches Volkstum sich behauptet hatte,


ausschließlich der Religion des Erleuchteten an. Dieser Zustand war bis in
die ersten Jahrzehnte des 8. Jahrhunderts hinein zu beobachten. Hingegen
war in der Sogdiane die Lehre Buddhas bis auf geringfügige Reste ver-
schwunden. Solchem Rückzug entsprach das erneute Aufleben des Zara-
thustrismus im gleichen Bereich.
Wie war es zu diesem Wechsel gekommen ? Wenn die zuvor geäußerte
Ansicht zutrifft, fiel er mit der Aufsaugung des hephthalitischen Volkstums
durch das soghdische zusammen. Erstarken des Zarathustrismus entsprach
dem der soghdischen Nation, dem Rückgang und Verschwinden der Heph-
thaliten. Es lag nahe, daß die Zarathustrier der Sogdiane das Werk der
Umschrift aufgriffen, das ihre Vorfahren fast vier Jahrhunderte zuvor
begonnen hatten, das dann aber, infolge der Ungunst der Folgezeit, liegen
geblieben war. Zumindest grundsätzlich muß mit der Möglichkeit gerechnet
werden, daß ab etwa 635 oder 650 neue Sogdizismen in die umgeschriebenen
avestischen Texte eingedrungen sind. Weiteren Feststellungen steht im
Wege, daß sich in die avestische Schriftenmasse nur an vereinzelter
Stelle eine chronologische Ordnung bringen läßt.
Zugegeben, daß Einiges sich hat klären lassen. Zarathustras Lebens-
zeit konnte festgelegt 1 0 und durch die schärfere Erfassung dessen bestätigt
werden, was der Revolte des Magiers Gaumätä zugrundelag 11 . Als Nachtrag
sei hinzugefügt, daß Barhebraeus* arabisch geschriebene „Geschichte der
Dynastien" für beides ein weiteres Zeugnis üefert. Hier ist Zarathustra
erneut unter Kambyses angesetzt; als sein Geburtsort Ä6urbaiyän oder
Assyrien angegeben (83, 11 f. Pocock). Der ganze Abschnitt geht auf einen
spätantiken oder frühmittelalterlichen Chronographen zurück; wen, weiß ich
vorderhand nicht anzugeben. Aber der Ansatz unter Kambyses zeigt, daß
die Angaben, die Porphyrios in seiner Chronik gemacht hatte 1 2 , von seinen
Nachfolgern übernommen und mit weiteren Nachrichten verarbeitet wurden.
Auch die Uberlieferungsgeschichte des Avesta liegt in großen Zügen fest.
Das Bestehen eines aramäischen Konsonantentextes, stärkeres Eindringen
der Matres lectionis und griechische μεταγραφή 1 3 , endlich die Umschrift

10 Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 21 f.; dazu noch Berum, chron. 27,


22 f. und Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg., 88 f.
11 Altheim-Stiehl, a. zul. gen. O. 75 f.
11 Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 45f.; 51 f.
M Altheim-Stiehl, Philologia sacra (1958) gf.; Geschichte Mittelasiens 248ff.;
O . S z e m e r e n y i , e b e n d a 732 ff.
6. VIDEVDÄT UND DIE ZARATHUSTRISCHE WIEDERGEBURT 169

ins heute gebrauchte Alphabet schon vor Beginn der sasanidischen Kodifi-
kation lassen sich nicht mehr bestreiten. A n den erzielten Ergebnissen wird
sich, fürchte ich, sowenig etwas ändern wie an der Erkenntnis, daß es
Ideogramme in vorsasanidischer Zeit nicht gegeben hat 1 4 . Doch das Er-
reichte darf darüber nicht täuschen, daß die eigentliche Arbeit noch aus-
steht. Solange das jungavestische Schrifttum nach Zeit und Herkunft eine
rudis indigestaque moles bildet, läßt sich eine avestische Text- und Über-
lieferungsgeschichte nicht schreiben.

In einer Untersuchung über avest. aspannö und byzant. άσττρον hat


E. Schwyzer 1 zwei Stellen des Videvdät behandelt, darin die Münzbezeich-
nung asp?rsnö vorkommt. Er betrachtet 5, 60 nöit aspgrmö.mazö nöit
avacinö.mazö „nicht (was) einen aspdrsna (als Pfand) wert ist, nicht (was)
noch weniger wert (ist)" als jüngeren Zusatz, „wahrscheinlich sogar einen
noch jüngeren Zusatz innerhalb des primären Zusatzstückes" 2 . Die zweite
Stelle, 4, 48 mit erneutem aspsrtnö. mazö, ist für Schwyzer 3 ein „Einschiebsel
aus anderem Zusammenhang". Beide Stellen, die aspiranö aufweisen, sind
„spät ins A v e s t a gekommen . . etwa bei Redaktionsarbeiten des 4. oder
des 6. Jahrhunderts" 4 . Damit stimme überein, daß zwischen 300 und 600
n. Chr. das Vorbild für aspgrgnö, das δ η νάριον άσττρον, zum νόμισμα άσττρον
und zum άσττρον schlechthin geworden ist 5 . Es war eine der Bezeichnungen
der spätrömischen und frühbyzantinischen Silbermünze.
Die gelehrten und scharfsinnigen Darlegungen Schwyzers, an deren
Richtigkeit nicht zu zweifeln ist, sollen den Ausgangspunkt weiterer
Betrachtungen bilden. Sie haben gezeigt, daß die abschließende Redaktion
des zarathustrischen Gesetzbuches möglicherweise in spätsasanidische Zeit
fällt. Diese Erkenntnis muß weiter verfolgt werden. Dabei gilt es, die zeit-
liche Festlegung zu präzisieren. Bei der grundsätzlichen Wichtigkeit, die
die Scheidung von früh- und spätsasanidischer Zeit inzwischen gewonnen

14 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg., 4 f . ; East and West 10 (1959),

243 f.; oben S. 69 f.


1 Indog. Forsch. 49 (1931), i f .

1 E. Schwyzer, a. O. 5.

3 a. O. 6.

4 a. O. 35.
4 a. O. 34.
170 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

hat, kann es bei der unbestimmten Zeitangabe, mit der sich Schwyzer
zufrieden geben mußte, nicht bleiben. Aber auch die Tatsache, die für ihn
vorab feststand, daß es sich um eine sasanidische Redaktion handeln müsse,
bedarf der Nachprüfung.
Zunächst sei an die Erörterung über den Namen der Stadt Buchara er-
innert. Im Gegensatz zu R. N. Frye·, der die bisherige Ableitung von vihära-
vertrat, haben wir bei verschiedener Gelegenheit an alttürk. buuqrq = buqaraq
erinnert, jene Form, die in den Orchon-Inschriften erscheint7. Mit der
„Stadt des Stieres" ließ sich avest. gäum yim suyöö.Sayanam Vd. i, 4
vergleichen. Wenn dieser Vergleich zutrifft, dann kann mit gava- nur
Buchara gemeint gewesen sein.
Gava- ist, so zeigte sich, im ersten Kapitel des Videvdät genannt. Es
bildet den zweiten Ortsnamen einer Reihe (1—7), die sich mit airyamm
vaejö beginnend, über maryav, bäxdi und nisäya hinzieht. Sollte man bereit
sein, in airyanam vaejö Chwärezm zu erblicken8, so begänne die Aufzählung
mit dieser Landschaft, die zu beiden Seiten des unteren Oxos liegt. Sie ginge
zunächst auf dem Nordufer nach Buchara, griffe dann auf das Südufer
mit Merw und Balch über und holte zuletzt das zwischen beiden gelegene
Nisä nach. Vergleichen läßt sich Yt. 10, 14 gaomca suxfomca x^äirizdtnca.
Chr. Bartholomae9 faßte zwar suxösmca als interpoliert, und F. Wolff folgt
dem in seiner Ubersetzung 10 . Aber es kann kein Zweifel daran bestehen,
daß die Sogdiane und Chwärezm neben dem „haräivatischen Maryav" und
gava-, also Merw und Buchara, genannt sind 11 . Das entspräche genau dem,
was im ersten Kapitel des Videvdät 1—7 aufgeführt ist. Über die Form
suxda-, die Bartholomae Anstoß geboten hat, wird zunächst zu sprechen
sein.
Suxda- statt des üblichen suyda- weist einen Lautwechsel auf, den
man aus dem Soghdischen kennt. Dort schwankt die Schreibung zwischen
den stimmhaften Spiranten β und γ und den stimmlosen / und x12. Hier
kommt allein der Wandel γ: χ in Frage. Er zeigt sich insbesondere vor t und
• Harv. Journ. Asiat. Stud. 19 (1956), io6f.
7 F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum (1951) i n f . ; Altheim-Stiehl, Ein

asiatischer Staat 1, 277 Anm. 2; in ausführlicher Widerlegung Frye's: Finanzgeschichte


der Spätantike 367 f.
8 Zuletzt W. B. Henning, Zoroaster, Politician or Witch-Doctor 43.

• Altiran. Wörterb. 1582.


10 Avesta (1924) 36.

1 1 H. Lommel, Die Yäät's des Awesta (1927) 68.

12 I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian 6 § 52.


6. V I D E V D Ä T UND D I E Z A R A T H U S T R I S C H E W I E D E R G E B U R T 171

t, wobei kein besonderer Unterschied zwischen beiden zu bestehen scheint 13 .


Einem suyda- entspräche in der Konsonantenschrift sgt- oder mit plene-
Schreibung swgt, wobei daran erinnert werden muß, daß auch in der
Schreibung des Soghdischen t und t, wenn sie an der Stelle von d (dt) er-
scheinen, als stimmhaft anzusprechen sind 14 . Eine Schreibung swxt statt
swgt fügte sich demnach durchaus soghdischem Brauch. Wieder hätte
man einen der Sogdizismen der avestischen Überlieferung vor sich, gleich
denen, die im vorigen Abschnitt besprochen wurden. Und wiederum stellt
sich die Frage, die zuvor offen gelassen wurde: in welcher Zeit dieser
Sogdizismus in den Text gelangt sei. Im vorliegenden Fall läßt sie sich,
im Gegensatz zum bisher Bemerkten, mit hinreichender Genauigkeit
antworten.

Es fällt auf, daß Y t . 10, 14 gava- neben der Sogdiane steht und daß
Vd. 1, 4 betont wird, es sei von Soghdern bewohnt. Bekanntlich wurde
Buchärä zu Anfang der dreißiger Jahre des 7. Jahrhunderts von einem
westtürkischen Fürsten gegründet 15 . Wer Buchärä neben der Sogdiane
stehen ließ, wußte davon, und wer hinzufügte, es sei von Soghdern bewohnt,
versuchte die türkische Gründung gleichwohl für diese zu reklamieren.
Wenn gava- nichts anderes als Buchärä ist, so bedeutet dies, daß die ent-
sprechende Stelle erst nach dem ersten Drittel des 7. Jahrhunderts ge-
schrieben worden sein kann. Das gilt für Y t . 10, 14 ebenso wie für Vd. 1, 4.
Hier soll die Folgerung fürs erste Kapitel des Videvdät gezogen werden.
Die Erwähnung von gava- kann kein Einschub oder Zusatz gewesen sein.
Sie steht fest im Zusammenhang. Sie zieht die Folgerung nach sich, daß
das ganze erste Kapitel in jenem Jahrhundert geschrieben worden sei.
Es wurde zuvor bemerkt, suxdamca Y t . 10, 14 sei einer der Sogdizismen
des Avesta. Zumindest von ihm läßt sich sagen, daß er aufs spätere 7. Jahr-
hundert weist. Er bestätigt die Folgerung, die für die Parallelstelle Vd. 1, 4
gezogen wurde. Aber es läßt sich noch ein zweiter Beweis erbringen, daß
das ganze Kapitel später verfaßt sein muß.
An 16. Stelle wird im Kapitel genannt: (1,19) upa aoöaesu ran hayä
yö asärö aiwyäxsayeinti ,,an den Quellen der Ranha, wo die wohnen, die
ohne Herren leben". Der sagenhafte Nordfluß 1 · wurde, wie Ptolemaeus'
13 I. Gershevitch, a. O. 7 § 56.
14 I. Gershevitch, a. O. 6 § 5 1 ; vgl. 39 §245, 4; §268—9.
1 5 Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 262f.; oben 2, 281.

" J. Markwart, Wehrot und Arang (1938) 133t.


172 H E I D E N T U M U N D CHRISTENTUM

(geogr. 5, 9, 12; 17; 19; 21; 6, 14, 1; 4) 'Ρδ zeigt, irgendwann zum Namen
der Wolga. Ihm entspricht, wie H. Jacobsohn gesehen hat 1 7 ; mordwin.
rava. Aber an unserer Stelle kann davon nicht gesprochen werden. Das
zeigt der weitere Fortgang der Strophe, darin taoiyä . . . dainhuL aiwiStära
„die taofischen Landesherren" erwähnt werden.
Bartholomae 18 hat mit dem Wort taoZya- (so Jp 1, Mf 2, Ρ ίο, L 4a. 2,
Br 1, Ml 2) nichts anfangen können. Der Name begegnet unter verschie-
dener Form. Arabische Verse Bahräm's V. Gör, die an anderem Ort be-
handelt wurden 1 ·, sprechen von der Aufteilung der Welt und sagen: „und
Tüg wurden gegeben die Türken". Ibn Hurdädbeh, der diese Verse anführt,
sagt: „Tü§ — und er ist Tüg — regierte im Osten, und die Könige der
Türken und Chinas20 sind seine Nachkommen" (15, 12 f. de Goeje). F. Justi
verzeichnet Tüg bei Tabari, ann. 1, 226, 14; Fihrist 12, 19 Flügel; Berüni,
chron. 102, 19 und einer Reihe anderer arabischer Autoren 21 . Er nimmt
mit Recht an, daß Tüc (päzend töi) des BundahiSn 78, 6; 9; 16; 79, 3 aus
arabischer Quelle stammt. Berüni, chron. 104,13 hat geradezu tüi at-turki
erhalten: in allen Handschriften. Taoiya- ist eine Vriddhi-Bildung zum
Namen und bezeichnet den Nachkommen eines *Tüi. Auf jeden Fall ist
die Bezeichnung erst in arabischer Zeit statt avest. Hürya- (zu Hura-) auf-
gekommen; auch in den Versen Bahräm's V. Gor können die überlieferten
Formen an die Stelle eines älteren Tür getreten sein22. Die Bemerkung
über die taoiyä . .. daimhuS. atwiStära Vd. 1, 19 kann demnach erst in arabi-
scher Zeit, also in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts geschrieben worden
sein.
Sachlich meint sie türkische, genauer westtürkische Oberherren23.
Sie entspricht damit der zuvor gemachten Feststellung, daß Buchärä
von einem westtürkischen Fürsten gegründet war. Daß das ganze
erste Kapitel des Videvdät erst jener Spätzeit entstammt, hat sich bestätigt.
Dann kann auch die Redaktion des Videvdät, die dieses Kapitel enthält,
also die uns vorliegende, erst aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts

17Arier und Ugrofinnen (1922) 24of.


" a. O. 624.
" Altheim-Stiehl, a. O. 373 f.
*· Daß damit die Nördlichen Wei, die türkischer Abstammung waren, gemeint
sind, ist an der zul. gen. Stelle 374f. gezeigt worden.
1 1 Iranisches Namenbuch 329 1.

» F. Justi, a. O. 328 r. f.; vgl. Chr. Bartholomae, a. O. 656.


a Auch Varana 17 hat nicht-arische Herren; vgl. 10 über Urvä.
6. VIDEVDÄT UND DIE ZARATHUSTRISCHE WIEDERGEBURT 173

stammen. Daß ältere und teilweise sehr alte Bestandteile von ihr erfaßt
wurden, bezweifelt niemand. Aber die vorliegende Schlußredaktion gehört in
die Jahrzehnte, da der muslimische Eroberer in Iran stand.

Es bleibt die Frage, ob es sich um eine sasanidische Redaktion handeln


könne. Durch den späten Ansatz ist sie bereits unwahrscheinlich geworden.
Sie läßt sich durch anderweitige Überlegungen denn auch ausschließen.
In den 16 Stätten und Orten, die Ahura Mazda geschaffen hat und
denen der böse Gott seine Widerschöpfung angedeihen ließ, sind außer
den bereits genannten enthalten: Haröiva 8, also Areia, weiter Vaekarata 9,
worin man Ptolemaeus' Βαγάρδα (geogr. 6,18, 5), am Paropamisos nördlich
von Kabul gelegen, richtig erkannt hat 1 . Urvä 10 mit Mesene gleichzu-
setzen, wird man Bedenken tragen 2 . Aber Xnanta in Vahrkäna 11 führt
nach Gurgän, Harax T aiti 12 nach Arachosien, Haetumant 13 an den Hil-
mend. Rayay 15 ist Ray, Caxra 16 ist Gazna oder Choräsän3, während die
Lage von Varana 17 sich nicht bestimmen läßt*. Yö hapta hindu 18 führen
ins obere Indusgebiet*, und über 19 wurde bereits gesprochen. Alle Orte,
soweit sie sich festlegen lassen, führen nach Ostiran.
Warum diese Beschränkung? Die Berücksichtigung der übrigen Teile
Irans war unter den Achaimeniden ebenso unerläßlich wie unter Arsakiden
oder Sasaniden. Also wäre ein ostiranisches Reich vorausgesetzt? Das
griechisch-baktrische, das der Küsän oder der Hephthaliten ? Aber nichts
weist auf eines der drei, es sei denn, man denke an die Trümmer und Nach-
folger des dritten. In erster Linie demnach an Soghder und Westtürken, die
das Erbe des großen hephthalitischen Reiches seit der zweiten Hälfte des
6. Jahrhunderts antraten. Wieder wird man auf die Spätzeit geführt, also
auf die Verhältnisse, die der arabische Eroberer antraf.
Alles wird verständlich, wenn man annimmt, daß die abschließende
Redaktion des Videvdät ein Werk der zarathustrischen Wiedergeburt im
Osten Irans gewesen ist. Chwärezm und die Soghder, Buchara und auch
Balch wurden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt. Freilich
1 Chr. Bartholomae, a. O. 1313.
' Ebenda 404; vgl. J. Markwart, a. O. 23.
' Chr. Bartholomae, a. O. 576.
* Ebenda 1372.
* J. Markwart, a. O. 96; 132 f.
174 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

hatte sich auch gezeigt, daß der ganze Süden Ostirans dem Zarathustrismus
verloren war und weiterhin der Lehre Buddhas anhing. Auch das tritt in
unserem Kapitel hervor, und zwar in der Art der Landplagen (paitiyära-),
die der böse Geist über sie verhängt hat. Nisäya kennt die „üble Zweifel-
sucht" (7), Haetumant und Vaekarata Zauberer beiderlei Geschlechts
(13:9), und Harax T aiti und Caxra (wenn Gazna) wollen vom Begraben
oder Kochen der Leichen nicht lassen (12; 16). Auch die zeitliche An-
setzung stimmt zu dem, was sich jetzt zu ergeben scheint. Ob es zuvor eine
sasanidische Redaktion des Videvdät (oder noch andere und ältere) gab,
läßt sich bestenfalls vermuten. Was wirklich vorliegt, ist nur verständlich,
wenn man es als Werk der zarathustrischen Wiedergeburt betrachtet, die
in Ostiran mit dem zweiten Drittel des 7. Jahrhunderts einsetzte.
Man steht in der Zeit der großen Gesetzeskodifikationen überhaupt.
Auf römischer Seite folgen sich der Codex Theodosianus 438 e , die Novellae
Posttheodosianae und um die Jahrhundertwende die Kodifikationen dreier
Germanenreiche: das Edictum Theoderici, die Lex Romana Wisigotorum
506 und die Lex Romana Burgundionum 516. Im Jahre 529 wird der Codex
Iustinianus, 533 werden Institutionen und Digesten, im Jahr darauf der
Codex repetitae praelectionis veröffentlicht. Dem schließen sich die Epitome
Tuliani und das Authenticum, frühestens unter Tiberios II. die griechische
Novellensammlung an. Dem gleichen Zeitraum gehören die östlichen
Kodifikationen an. Der Abschluß des babylonischen Talmud wurde ans
Ende des 5. Jahrhunderts verlegt 7 . Zuvor hatte sich gezeigt (oben S. 32f.),
daß in ihm noch Chusrö's I. Anösarvän Steuerreform berücksichtigt ist.
Man wird demnach in die erste Hälfte des 6. herabgehen müssen 8 . Am Ende
der Reihe steht das Videvdät. Die Sammlung und Redaktion aller Gesetzes-
werke ist in der vergleichsweise kurzen Spanne von wenig mehr als etwa
zwei Jahrhunderten vor sich gegangen.
Fast allen ist gemein, daß Bestandteile in sie aufgenommen wurden,
die der abschließenden Redaktion zeitlich weit vorausliegen. Es sind nicht
nur ältere, sondern teilweise älteste Bestandteile einbezogen und so erhalten
worden. Gerade auch von der avestischen Sammlung darf dies gelten.

• Bekanntlich war an dessen Zustandekommen jener Comes Maximinos beteiligt,


der später als Führer der Gesandtschaft an Attilas Hof im Sommer 449 begegnen wird
(Nov. Theod. 1, 7 (15. Febr. 438); dazu Ε. A. Thompson, A History of Attila und the
Huns 102.
7 Ε. L. Dietrich in: Handbuch der Orientalistik 3, ι (1953), 77.

* So C. Brockelmann, ebenda 3 (1954),


6. V I D E V D Ä T UND DIE ZARATHUSTRISCHE W I E D E R G E B U R T 175

H. Lüders hat eine Anschauung aus arischer Zeit an einer der Stellen
aufgezeigt, an der daneben eine spätere Umgestaltung und Erweiterung
nachgewiesen werden konnte (oben S. 169)8. Doch nicht nur einzelne Be-
stimmungen müssen in alte Zeit zurückgehen. Es scheint so, als sei es früh-
zeitig auch zu eigentlichen Kodifikationen gekommen. Xerxes spricht in
einer Inschrift aus Persepolis vom Gesetz, das Ahuramazda aufgestellt
habe (XPh 51 f.); der König tut es anläßlich der Zerstörung eines Heiligtums
der daiva10. Als guten Gesetzgeber seines Volkes nennt Piaton im 7. Brief
Dareios I. (332 B), und diese Bewertung wiederholt er in den Gesetzen
(695 C) 1 1 . Man hat gar das heutige Videvdät unter Dareios ansetzen wollen 12
oder doch an ein Ur-Videvdät gedacht 1 3 . Davon ist das Zweite eine Möglich-
keit, für die sich außer den beiden platonischen Stellen die nicht wenigen,
aus dem Altiranischen ins Aramäische übernommenen oder dort nachgebilde-
ten juristischen Ausdrücke anführen lassen. Hierhin gehören aram. data dl
malkä, i'rösüji, s'rösitä1*, "fars'käye oder rahhlk min und S"cl in der
Bedeutung „peinlich befragen 1 5 : sie zeigen, daß auf iranischer Seite
eine rechtliche Terminologie entwickelt war. Hingegen ist die erste der
beiden Möglichkeiten ausgeschlossen. Denn die Schlußredaktion des vor-
liegenden avestischen Gesetzbuches fällt fast 13 Jahrhunderte nach Dareios'
Zeit. Dies darf als gesichertes Ergebnis der vorangegangenen Erörterungen
festgehalten werden.

4
Die Bezeichnung des Magiers erscheint innerhalb der erhaltenen Teile
des Avesta nur einmal, und sie ist überdies in einem Kompositum erhalten:
moyu. tbis- „der die Magier, die Angehörigen des magischen Stammes, aus
dem die Priester hervorgehen, befeindet", Yasna 65, 7 1 . Demgegenüber
steht das Vorkommen von magav- innerhalb der Achaimeniden-Inschriften
und in der griechischen Literatur, später in der mittelpersischen, syrischen
• In: S B A W . 1917, 347f., besonders 367—372.
10 Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg. 95.
1 1 J . Irmscher in seiner Übersetzung (i960) 62 Anm. 2.
1 2 Η. H. Schaeder, Das persische Weltreich (1942) 26; wieder abgedruckt in: Der

Mensch in Orient und Okzident (i960) 71.


1 3 F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 1, 1 6 1 ; Zarathustra und Alexander (Fischer

Bücherei i960) 50 f.
1 4 F. Rundgren in: Vetus Testamentum 7 (1957), 4°°f·
1 5 G. Rundgren in: Ztschr. f. alttestam. Wiss. 70 (1958), 209f.
1 Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch 1176.
176 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

und arabischen2. An anderer Stelle3 wurde gezeigt, daß der medische


Stamm des Namens (Herodot. ι, 101) in der Tat mit Zarathustras ost-
iranischer Heimat nichts zu tun hat. Die Magier sind erst mit dem Vor-
dringen seiner Lehre in den iranischen Westen zu Priestern der zarathustri-
schen Kirche geworden.
In der Folgezeit hat sich darannichts geändert. Magier stellen sich nicht
nur in achaimenidischer, sondern auch in der Folgezeit bis zu den späten
Sasaniden stets zur Staatskirche westiranischer Prägung. Noch der Zara-
thustrier Bihäfrid, der den Beinamen al-magüSi führt, stammt aus der
Nachbarschaft von Neääpür (Fihrist 344, 21 f.), das immer zum Herr-
schaftsgebiet der Sasaniden gehört hat. Schon weiter nördlich, in Chwärezm,
kannte man die Magier nicht, und selbst die arabischen Autoren wenden
diese Bezeichnung nicht an.
Eine Besonderheit bilden die ahbär, von denen Tabari (ann. 2, 1237, 17)
anläßlich von Kutaiba's Zug gegen Chwärezm berichtet. S. P. Tolstow4
hat darin ein „eigenartiges synkretistisches Judentum" zu erkennen ge-
glaubt — jüdische Gelehrte, an denen der arabische Eroberer ein barba-
risches Strafgericht vollzogen habe. Bereits an anderer Stelle haben wir uns
gegen diese Auffassung gewandt5. Hibr bedeutet in der Tat zunächst den
Rabbiner, und eine starke Judengemeinde ist in Chwärezm bezeugt*. In
einem Vers des Abü Kais Saifi 7 werden indessen die christlichen Priester
der Abessinier als ahbär bezeichnet, was zeigt, daß man derart Vertreter
auch anderer Religionen benennen konnte. Entscheidend ist, daß Berüni
dort, wo er vom Untergang der chwärezmischen Gelehrten (kataba) spricht8,
die Tötung der herbad und die Verbrennung ihrer Bücher meint. Es waren
demnach Zarathustrier, an denen Kutaiba sein Gericht vollzog, und niemand
anderes können die bei Tabari genannten ahbär gewesen sein. Im Talmu-
dischen bezeichnen in der Tat habrä, habbärä den „Perser, Zarathustrier
J
Zur Herkunft des Namens: Benveniste, Les mages dans l'ancien Iran (1938);
Η. H. Schaeder in: OLZ. 1940, 376f.; S. Wikander, Feuerpriester in Kleinasien und
Iran (1946) 44 t.
* Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 1. Lfg. 89 f.
* Auf den Spuren der altchoresmischen Kultur (dte. Übers. 1953) 244 f.
5
Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 266 f.
• C. Inostrancev in: Journ. asiat. 1910, 1, I 4 i f . ; B. Spuler, Iran in frühislamischer
Zeit 216.
7
Bei Ibn Hiääm, v. Mohamm. 39, 14 Wüstenfeld; vgl. L. Caetani, Annali dell'
Islam 1, 1 2 7 nota 3.
• Chron. 48, 1 3 Sachau; vgl. 36, 2f.
6. VIDEVDÄT UND DIE ZARATHUSTRISCHE W I E D E R G E B U R T 177

und Feueranbeter"®. Die herbaö waren gleich den möbad10 Bewahrer der
schriftlichen Überlieferung, gerade auch der geschichtlichen, die Berum im
Auge hat. Nur daß er den Ausdruck möbad vermeidet und an dessen Stelle
herbaö setzt, wie er denn auch magüS nicht verwendet, sondern dafür
kataba setzt. Tabari schließt sich dem an und verwendet ahbär. All dies ist
nur unter der Voraussetzung verständlich, daß es in Chwärezm keine
Magier gab.

Erst ganz zuletzt treten diese in Ostiran auf, und auch dann nur inner-
halb eines festbegrenzten Bereichs. Tabari (ann. 2, 1442, 6) kennt den Ort
Muyün in der Nähe Dabüsiya's, also zwischen Buchara und Samarkand,
(oben 2, 119). Darin wurde zuvor der Name der Magier erkannt (oben
2,122 Anm. 1). Nur dürfte sich empfehlen, in ihm nicht ein Suffix -wn, δη
zu suchen, sondern -(a)«, das Platznamen bezeichnet: w'crn ,,bäzär",
prsprn ,.ground, floor" 1 1 . Also *moyav-an „Ort der Magier". Dazu wurde
der Name des Berges Muy gestellt, im gleichen Raum und zu gleicher Zeit
bezeugt. Narsahi liefert dazu die Ergänzung, indem er zur Zeit der arabischen
Eroberung und danach von Magiern in Buchara und dessen nächster Um-
gebung berichtet 12 . Und die soghdischen Manichäer sprechen von mwy 'nch
dynh, der „magischen Religion" 1 3 .
Dieses späte Magiertum Ostirans kann wohl nur die zarathustrische
Wiedergeburt des 7. Jahrhunderts geschaffen haben. Sie hat Einrichtungen
des iranischen Westen übernommen und ihrer kurzlebigen Schöpfung ein-
gefügt. Aber noch Narsahi scheidet den soghdischen Kalender von dem der
Magier, also dem persischen 14 , damit dessen nachträgliche Einführung und
zugleich die der Magier selbst bezeugend.

Damit kehren wir zum Ausgang zurück. Es hatte sich gezeigt, daß
Yasna 65,7 in dem Kompositum moyu. tbii- die einzige Erwähnung der
Magier enthält, die im erhaltenen Avesta sich findet. Es bleibt zu fragen,
wie die Stelle zu beurteilen ist, anders ausgedrückt: ob das Wort zum ur-
sprünglichen Bestand gehört.

' J. Levy, Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim 2 ( 1 9 2 4 ) , rof.; G. H.


Dalman, Aram.-neuhebr. Wb. 129 1.
1 0 Mas'üdi, tanbih 104, iof. de Goeje.
11 I. Gershevitch, A Grammar of Manichean Sogdian 156 § 1028.
11 R. Ν. Frye, The History of Bukhara ( 1 9 5 4 ) ' 7 ! 2 3 ! 3 1 · 57·
1S I. Gershevitch, a. O. 158 § 1040.
14 R. N. Frye, a. O. 118 Anm. 90.

12 Altheim, Hunnen IV
178 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Der Beginn der Strophe gliedert sich wie folgt:


mä.nö &pö duSmananhe: 8 Silben
mä.nö äpö duivacanhe: 8 Silben
mä.nö äpö duS.Syao&anäi: 8 Silben
mä duidaenäi: 5 Silben (zu lesen: duidayanäi)
mä haSi.tbiSe: 5 Silben
mä moyu.tbiSe: 5 Silben
mä varszänö. tbiSe: 6 Silben
mä näfiyö. tbiSe: 6 Silben
äpö vanuhiS vahiUä: 8 Silben (zu lesen: vahuvlS)
mazdadätä aSaoniS'. 8 Silben (zu lesen: artävaniS)
yö.nö airiricinam: 8 Silben (zu lesen: a-inricinam: Chr. Bar-
tholomae, Altiranisches Wörterbuch 190)
iririxSäite gaedanam: 8 Silben

Die metrische Gliederung ist durchsichtig. Nach drei achtsilbigen Versen


zu Anfang und vor anderen Achtsilblern im weiteren Verlauf stehen kürzere
Glieder, deren Umfang zwischen vier und sechs Silben beträgt. Die ersten
beiden Fünfsilbler vereinigen sich zu einem zehnsilbigen Vers:
mä duidayanäi mä haSi. tbiSe
und dasselbe gilt von den beiden letzten Gliedern, die sechs und sechs Silben
umfassend einen Zwölfsilbler ergeben:
mä vargzänö. tbiSe mä näfiyö.tbiSe.
Das Glied mä moyu.tbiie fällt aus dem metrischen Aufbau heraus. Es
kommt hinzu, daß haSi.tbiS- „der die Genossen der Priesterzunft befeindet" 1 5
dasselbe bedeutet, was moyu.fbiS- „der den Magier befeindet" besagen will.
Nur daß das erste Wort das echt avestische haxay-, haSi-, hai- „Freund,
Genösse" 1 6 enthält, das Yasna 68, 12 in der viergliedrigen Wendung
haSamca häviStanamca ae&rapaitin&mca aeihryananica in priesterlicher Um-
gebung 1 7 begegnet. Moyu.tbii- fällt also nicht nur aus dem metrischen
Aufbau heraus, sondern erweist sich als Glossem zu einem vorangehenden
Wort, das nach avestischer Weise gebildet ist.
Es kommt hinzu, daß moyu-, nicht magu- geschrieben ist. Der Laut-
wandel α zu 0 nach m ist im Jung-Avestischen auch sonst belegt 1 8 . Aber

15 Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch 1800.


16 Chr. Bartholomae, a. O. 1744.
17 Zu hävilta-: Chr. Bartholomae, a. O. 1806.
18 H. Reichelt, Awestisches Elementarbuch (1909) 68 § 132.
6. V I D E V D Ä T U N D D I E Z A R A T H U S T R I S C H E W I E D E R G E B U R T 179

der Verdacht liegt nahe, hier könne soghd. mwy, muy „Magier", neupers.
muy, möy eingewirkt haben. Er liegt um so näher, als die Tatsache jüngeren
Einschubes sich bereits aus der Analyse des metrischen und gedanklichen
Aufbaus ergeben hatte. Jetzt wird man sagen dürfen, daß moyu.tbiS- ent-
weder bei der sasanidischen Redaktion des Yasna eingeschoben werden
konnte (das würde zu pers. muy, möy stimmen) oder aber zur Zeit der
zarathustrischen Wiedergeburt in der Sogdiane (dann würde man in moyu-
ein soghd. mwy, muy zu sehen haben).

Noch ein Letztes ergibt sich. Der in Ostiran und im Avesta ursprüngliche
Ausdruck für den Angehörigen der Priesterzunft war haxay-, haSi-, haS-
,,Genösse, Freund". Wo er durch „Magier" ersetzt ist, stoßen wir auf eine
jüngere Entwicklungsstufe. Zugleich bestätigt sich, was zuvor vermutet
wurde. Tabari gebraucht für die zarathustrischen Priester in Chwärezm
das Wort ahbär. Es hatte sich gezeigt, daß er damit magüi vermeiden
wollte. In hibr, Plur. ahbär liegt nichts anderes als jüd.-aram. habrä, syr.
habrä vor. Das bedeutet aber nichts anderes als ,,Genösse, Gefährte,
Freund" 1 9 und meint im Zusammenhang Tabari's den Angehörigen der
zarathustrischen Priesterzunft. Es zeigt sich: noch im 7. Jahrhundert dachte
man in Chwärezm nicht daran, von Magiern zu sprechen. Sondern man
wählte das Wort, das avest. haxay-, haii-, hai- entsprach.

NACHTRAG

In die Zeit der großen Rechtskodifikationen führt die Etymologie eines


neu-syrischen (neu-ostaramäischen) Verbum.
J. Friedrichs Untersuchung: „Zwei russische Novellen in neusyrischer
Übersetzung und in Lateinschrift" 1 und die zahlreichen Arbeiten K . Ceretelis
(oben 3, 218 f.; 277 f.) haben die Aufmerksamkeit auf die geschichtlichen Fra-
gen gelenkt, die mit den Dialekten um den Urmia-See und der nach der UdSSR,
ausgewanderten Nestorianern gegeben sind. Den Historiker geht vor allem
zweierlei an. Einmal der Zeitpunkt, da diese Nestorianer nach ÄSurbaiyän
und in dessen Nachbargebiete gelangt sind; sodann, aus welcher Gegend
die syrisch oder ostaramäiscli sprechenden Bestandteile stammten und
welche der gegebenen Möglichkeiten — West- und Ostsyrisch, Talmudisch,

19 J. Levy, a. Ο. 2, 8f.
1 Abhandl. ζ. Kunde d. Morgenl. 33, 4 (i960).

12·
180 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Mandäisch — zum Zustandekommen der heutigen neusyrischen Dialekte


des Nordens (vom Fellihi-Dialekt der Mossul-Ebene sei vorerst abgesehen)
beigetragen haben. In der ersten Frage wurde zuvor festgestellt, daß zu
Beginn der vierziger Jahre des 6. Jahrhunderts, also in der Frühzeit von
Chusrö's I. Anöäarvän Regierung, nestorianische Gemeinden in Ä6urbaiyän
sich beobachten lassen (oben 3, 100f.). Was die zweite angeht, so bestehen
bisher allenfalls Vermutungen. Für die Geschichte der Hunnen ist eine
Beantwortung darum von Bedeutung, weil sich der Beginn der nestoriani-
schen Hunnen- und Hephthalitenmission damit erneut festlegen und das
Volkstum ihrer Träger ermitteln ließen.

Hier geht es um das Verbum prmy „verstehen". Es folgt der 2. Kon-


jugation, und als Aussprache gibt Cereteli 2 pirmi in Lautschrift, parmüye,
parmi, purme- im syrischen Alphabet. Im Glossar hat Friedrich die von
ihm ermittelten Formen zusammengestellt * Eine Etymologie ist von beiden
Gelehrten nicht angegeben. Auch Th. Nöldeke 4 hat sich dort, wo er die
vierradikaligen Verben mit schwachem letztem Radikal behandelt, nicht
ausgesprochen.

Nach dem Lautbild drängt sich der Vergleich mit neupers. farmüdan,
farmä-yam, farmä-yad „befehlen" auf, wozu man altpers. pramäna- und
kurd. farml „befahl" 6 stellen mag. Aber die Bedeutung bereitet unüber-
steigliche Schwierigkeiten. Vom „Befehlen" zum,, Verstehen" führt kein
Weg. So muß eine andere Erklärung gesucht werden.

Als auf y auslautendes vierradikaliges Verbum findet prmy im Neu-


syrischen selbst, im Talmudischen·, Mandäischen 7 und Syrischen Parallelen.
Die beiden Nomina, die Cereteli prmy zur Seite anführt, pärm\{änä und
Pärmita, sind zweifellos vom Verbalstamm abgeleitet. Bei mand. n'mby'
Plur. fem. Imper. „trauert", den Imperfekten mit Suffixen nyn'mbyyh,
nyn'mbyh und anderen Formen wäre Ableitung von nwmby' „Trauer,
Wehmut" nach Analogie der gleich zu nennenden syrischen Fälle möglich.
Doch äußert Nöldeke Bedenken gegen die semitische Herkunft des Wortes.

1 Chrestomatija sowremennogo assirijskogo jazika so slowarem (1958) 0168 1.

* a. O. 105.
* Gramm, der neusyrischen Sprache (1868) 258.
* A. Socin in: Grundr. Iran. Philol. 1, 2, 351.
* M. L. Margolis, Lehrbuch der aramäischen Sprache des babylonischen Talmuds
(1910) 56 § 40.
7 Th. Nöldeke, Mandäische Gramm. 266 § 194.
6. VIDEVDÄT UND DIE ZARATHUSTRISCHE WIEDERGEBURT 181

Er nennt neben nbmy „trauern" als zweites Verbum der gleichen Art nkry
„entfremden" unter Hinweis auf die syrische Entsprechung, und das
Syrische zeigt denn auch, daß es sich bei den vierradikaligen mit y als
viertem Radikal um Denominative handelt: nakrl „abalienavit, separavit"
von nukräyä „fremd", baiti οίκειοΰν von baitäyä οίκεϊος zu baitä „Haus" 8 .
Im Falle prmy kommt als zugrundeliegendes Nomen, soweit sich feststellen
läßt, nur pwrm' ,,forma] edictum imperatoris" (C. Brockelmann, Lexic.
Syriac. 2 598 1.) in Frage. Die Bildung des Verbum prmy muß über ein
anzusetzendes *pormäyä „zu forma gehörig" erfolgt sein. Als lateinisches
Lehnwort ist pwrm' nur zweimal in der Literatur belegt, beidemale inner-
halb der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Einmal in den Homilien des
461 gestorbenen Ishäk von Antiochien (1, 440, 1 Bedjan), und dann in der
um 500 verfaßten Biographie Petrus des Iberers (57, 19 Raabe). Die Ent-
wicklung der Bedeutung wird man so zu verstehen haben, daß es sich darum
handelte, die forma zu vollziehen oder auszuführen. Dabei galt als Voraus-
setzung, das kaiserliche Edikt, das, wie forma im Gegensatz zum später
gebrauchten τνττος zeigt, lateinisch verfaßt war, sprachlich und inhaltlich
zu erfassen, will sagen: zu „verstehen". Bezeichnend ist, daß syr. pwrm'
mit seinen beiden Belegen in eine Zeit fällt, da das Lateinische als Ver-
waltungs- und Rechtssprache innerhalb des oströmischen Reiches auf der
Höhe seiner Wirksamkeit stand.
Weiterbildungen von pwrm' finden sich innerhalb des Syrischen nicht.
Sie sind erst nach der Abtrennung der am Urmia-See angesiedelten syrischen
Nesiorianer erfolgt und gehören zu der damit einsetzenden Sonderent-
wicklung. Damit steht man erneut der Frage gegenüber, wann beide
anzusetzen sind. Die geringe Lebensdauer des lateinischen Lehnwortes
nötigt, die Entwicklung eines denominativen prmy möglichst kurz nach
der letzten Bezeugung um 500 anzusetzen. Das Nomen pwrm' mußte noch
in lebendigem Gebrauch sein, wenn ihm eine verbale Ableitung entsprungen
war. Unterste Grenze, die in Betracht kommt, ist das Ende des 6. Jahrhun-
derts, da die lateinische Spracheinwirkung auf den Osten ihren Höhepunkt
überschritten hatte (oben 2, 203!). Die sich damit ergebenden Grenzen —
zwischen 500 und 600 — für die Entstehung eines denominativen prmy
lassen sich mit der zuvor erwähnten Feststellung, derzufolge nestorianische
Gemeinden kurz vor der Mitte des 6. Jahrhunderts in ÄSurbaiyän erstmals
begegnen, aufs Beste vereinigen.
8 Th. Nöldeke, Kurzgef. syr. Gramm.2 125 § 180, 4.
182 HEIDENTUM UND CHRISTENTUM

Eines Wortes bedarf noch das talmud. forma ,.forma, L a r v e " . Es geht
auf das gleiche E t y m o n zurück, aber das lateinische W o r t ist in anderer
Bedeutung übernommen. A u c h diese Übernahme ist datiert, diesmal durch
die abschließende Redaktion des babylonischen T a l m u d (oben S. 32; 174).
Wieder kommt man in die Zeit vor der Mitte des 6. Jahrhunderts.

Erst nach dem Umbruch wurden die Aufsätze H. Humbach's in: W Z K M . 4 (i960)
36f.; 5 (1961), 68f. bekannt, die zu dem auf S. 1 7 0 — 1 7 3 Behandelten heranzuziehen
sind. Die Gleichsetzung von Bccyai (var. 1. Γάβαι) bei Arrian., an 4, 17, 4 mit gava-
ist sprachlich und sachlich, auch wenn man Γάβαι lesen wollte, unmöglich.
DRITTES BUCH

HUNNEN UND BURGUNDEN


η. K A P I T E L

VORSTÖSSE GEGEN WESTEN

Die Hunnen waren nördlich von Iran durch die Steppe gezogen; Aralsee
und Kaspisches Meer hatten sie links gelassen. Von Osten her traf ihr Stoß
Alanen und Goten, und nach Westen setzte er sich fort. Die Balkanhalb-
insel südlich der Donau, also das Kerngebiet des oströmischen Reiches
und dessen Hauptstadt, lag zunächst im toten Winkel. Dies besagt
nicht, daß es völlig unbehelligt geblieben wäre. Doch erwiesen sich die
dortigen Ereignisse als von geringerer Bedeutung. Um so folgenreicher war
der Druck auf alles, was weiter westlich lag. War schon der Sturz des
Gotenreiches von kaum absehbarer Bedeutung, so setzte, was folgte, eine
Lawine in Bewegung.

Ein Blick wenigstens mag auf das Land hinter den Karpathen geworfen
werden. Die drei dazischen Provinzen, nördlich der Donau einen römischen
Brückenkopf bildend, hatte Aurelian geräumt. Die Besatzungen und ein
Teil der Bewohner waren über den Strom abgezogen. Ein Restbestand hielt
sich im Bereich der Muntii Apuseni, den westlichen Bergen Siebenbürgens.
Zusammen mit dem Land an der unteren Donau bewahrte er die romanische
Sprache auf diesem fernsten Außenposten. Westgoten (Terwingen), Viktu-
alen, Gepiden und Wandalen drangen in die freigewordenen Räume; den
Germanen folgten Karpen und Dazier nach. Als die Hunnen erschienen, zogen
die Wandalen und Westgoten ab; ihnen schlossen sich die Taifalen an. Die
Gepiden unterwarfen sich den Siegern und breiteten sich, ohne von diesen
gehindert zu werden, bis in den Süden Siebenbürgens aus. Nach Attilas
Tod wurden sie zu Herren des Landes 1 .

1 C. Daicoviciu, Siebenbürgen im Altertum 193f.; oben 2, igyi.) 225 f. (E. Lozo-


van). — Wo im Folgenden der äußere Ablauf der Ereignisse geschildert wird, sei für die
Quellenzeugnisse auf E. A. Thompson, A History of Attila and the Huns (1948) ver-
wiesen. Nur dort, wo zu einer Kontroverse Stellung genommen oder eine andere Auf-
fassung vertreten wird, sind zusätzliche Angaben oder ausdrückliche Hinweise gegeben.
186 H U N N E N UND BURGUNDEN

Die Hunnen fanden nicht sogleich Gelegenheit, nachzustoßen. Zunächst


machten sie sich die Niederlage bei Adrianopel zunutze. In Theodosios' I.
erstem Jahr heerten sie südlich der Donau, zusammen mit Alanen und
Goten. Auch die daneben erwähnten Skiren und Karpodaker mögen unter
hunnischer Botmäßigkeit gestanden haben. Man hat vermutet, mit Recht,
daß damals die ersten Hunnen in Pannonien eindrangen 2 . Auch von ihren
alten Sitzen aus regte sich die hunnische Gefahr. Im Kaukasus verbliebene
Teile des Volkes drangen 395 durch Armenien und Kappadokien bis an
Syriens Grenzen vor. Man machte sich zu Nutze, daß Theodosios' Heer in
Italien stand. Brand und Verheerung kennzeichneten den Weg des Raub-
zuges; Massen von Gefangenen wurden abgeführt. Mit Mühe gelang dem
Eunuchen Eutropius, mit Goten und zusammengerafften Kräften den
Feind zu schlagen. Erst 398 war der Friede in die heimgesuchten Länder
zurückgekehrt.
Sofort änderte sich die Richtung des Angriffes. Ende 405 brach Rada-
gaisus mit gewaltigen Scharen in Italien ein, die, von den Hunnen auf-
geschreckt, nach Süden strebten. Zeitgenossen bezifferten sie auf mehrere
Hunderttausende. Auch wenn es sich um weit geringere Zahlen gehandelt
haben sollte, war die Zahl der Eindringlinge beträchtlich. Der Sturmflut
zu begegnen, mußte man die Rheingrenze von allen entbehrlichen Truppen
entblößen. In der Neujahrsnacht des folgenden Jahres überschritten
Wandalen, Sueben und Alanen den Fluß und setzten sich auf dem linken
Ufer fest. Auch sie waren dem Druck der Hunnen in ihrem Rücken gewichen.
Kämpfe mit den Verfolgern, aber auch unter den Flüchtlingen selbst waren
vorausgegangen; zwei gotische Gruppen, Alanen und Hunnen hatten sich
gegenseitig blutige Schlachten geliefert.
Nicht genug damit, hatten die Hunnen unter Uldis in der Moesia
secunda: Castra Martis erobert und waren plündernd nach Thrakien weiter-
gezogen (408). Freilich gelang, einen Teil der Mannschaften durch hohes
Soldangebot Uldis abspenstig zu machen; er mußte den Rückzug antreten 3.
Auf oströmischer Seite suchte man sich durch Anlage von Befestigungen
sowie Verstärkung der Donauflotte vor der Wiederkehr ähnlicher Vor-
kommnisse zu schützen In der Hauptstadt wurde die theodosianische Mauer
2
Ε . A. Thompson, a. O. 26 gegen A. Alföldi, Der Untergang der Römerherrschaft
in Pannonien 2 (1926), 66f.; 71 f.
3
Über Donatos und Charaton oben 1, 3 6 3 f . , im Gegensatz zu Ε . A. Thompson,
a. O. 34.
η. V O R S T Ö S S E G E G E N WESTEN 187

begonnen und 413 vollendet. Weit wichtiger war, daß man daran ging,
die Hunnen in eignen Sold zu nehmen.
Theodosios I. hatte 388 seinen Sieg über den Ursurpator Maximus mit
hunnischer Hilfe gewonnen; am flachen Ufer der Save konnte sich die
Kampfkraft der Reiter voll entfalten. Auch daran ist zu erinnern, daß
Uldis mit seinen Hunnen den Rebellen Gainas, der bereits über die Donau
entkommen war, gestellt und getötet hat. Gainas' abgeschnittener Kopf,
von Uldis mit der Bitte um Entlohnung nach Konstantinopel gesandt,
wurde dort am 3. Januar 401 öffentlich zur Schau gestellt. Ein entsprechen-
des Bild bot der römische Westen.
Schon unter Valentinian II. wurden durch hunnische Scharen die Ju-
thungen aus Raetien herausgeschlagen. Als beide Rivalen in Ost und West,
Rufinus und Stilicho, sich mit hunnischen Leibwachen umgaben, war es
doch der zweite, der ungleich größeren Gebrauch von der barbarischen
Kraft machte 4 . Stilichos hunnische Reiter bewährten sich in der Schlacht
bei Faesulae gegenüber Radagaisus' Scharen, Anfang 406. Sie schnitten
dem Feind die Verpflegung ab, und zuletzt bewirkten sie durch eine Flanken-
bewegung dessen Umzingelung und völlige Vernichtung. Der Hunnenkönig
Huldin, vermutlich kein anderer als Uldis, erlöste nach dem Sieg für jeden
Gefangenen nur einen Goldsolidus; so groß war das Angebot menschlicher
Ware.
Auch nach Stilichos Ermordung, vor der die hunnische Leibwache
eigens beseitigt werden mußte, mochte man von hunnischer Hilfe nicht
lassen. An der Spitze von dreihundert Hunnen trat der Minister des Kaisers
Honorius, Olympius, dem Schwager Alarichs, Athaulf, mit Erfolg entgegen.
Im gleichen Jahr 409, genügte das Erscheinen von angeblich 10 000
Hunnen 5 , um Alarich selbst von seinem geplanten Marsch gegen Rom ab-
zuhalten. In der Folgezeit war es die Kenntnis hunnischer Wesensart, der
inneren Verhältnisse und zweifellos auch wichtiger Persönlichkeiten, die
Aetius' Taten entscheidend bestimmte. Seine größten Erfolge hat er zu-
nächst mit Hilfe der Hunnen, dann gegen sie errungen.
Der junge Aetius gehörte zu den Geiseln, die von römischer Seite
gestellt wurden, als Stilicho sich vertraglich hunnischen Beistand sicherte.
4 Es überzeugt nicht, wenn Ε. A. Thompson, a. O. 35 aus Chunnorum, quo fulcie-
batur, praesidio (Chronic, min. ι p. 650 Mommsen) darauf schließt, „ t h a t the force
was of considerable dimensions".
5 Zur Zahl oben 1, 367.
188 H U N N E N UND B U R G U N D E N

Im Jahre 425 erschien Aetius erstmals an der Spitze einer hunnischen


Streitmacht in Italien: 60000 soll er damals zusammengebracht haben*.
Er bewies seine Fähigkeiten nicht nur in der Werbung und Entlohnung
des Haufens: er übertraf diese Leistung durch das Geschick, mit dem er
danach die gefährlichen Gäste ohne größeren Schaden wieder aus dem
Lande brachte. Sieben Jahre später erwies hunnische Hilfe erneut ihren
Wert. Aetius war von Bonifacius, Comes Africa's und Magister militum, in
einer Schlacht am fünften Meilenstein von Ariminum geschlagen worden.
Er hatte sich zunächst auf seine Güter zurückgezogen, doch nach
einem Mordversuch, den gegen ihn Bonifacius' Schwiegersohn Sebastianus
unternahm, war er über Dalmatien zu den Hunnen geeilt. Mit ihrer Unter-
stützung gewann er rasch seine einstige Stellung zurück. Aetius wurde
Patricius, und Sebastianus mußte nach Konstantinopel fliehen.
Der hunnische Herrscher, mit dem Aetius jetzt verhandelte, hieß Rua 7 .
Uldis oder Huldin war inzwischen verstorben. Rua gewährte seine Hilfe
nicht umsonst. Dem neuen Bundesgenossen überließ die weströmische
Regierung die Provinzen Valeria und Pannonia prima8. Valeria war bereits
prekärer Besitz des Reiches, der Verlust der Pannonia prima eine Frage
der Zeit. Erst die Pannonia secunda mit ihren Festungen, besonders mit
Sirmium als Mittelpunkt, bot einen Rückhalt; aber sie war seit 427 im
Besitz des Ostreichs. Der Abschluß des Vertrags zeigt, daß die Hunnen
damals bereits ihren Schwerpunkt in der Theißebene hatten9.
Rua starb während der Verhandlungen oder kurz danach (April—Mai
434) 10 . Das bewirkte, daß der Westen für anderthalb Jahrzehnte verschont
blieb. Hunnische Soldtruppen standen dafür zur Verfügung, und mit ihrer
Hilfe gelang Aetius, wesentliche Teile Galliens gegen innere und äußere
Gegner zu behaupten 11 .

* Zur Zahl oben i, 367.


7
Gegen Ε. A. Thompson, a. O. 63, ist daran zu erinnern, daß Mundzucus kein
König war; vgl. oben 1, 364.
* W. Ensslin in: Philolog. Wochenschr. 1927, 847^; 850; R. Egger, Der heilige
Hermagoras 45; 58.
* J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge 369 f. Anm.
10
Aetius' Sohn Carpilio wurde beim Abschluß als Geisel gegeben. Aber erst nach
433, dem angenommenen Jahr des Vertragsabschlusses. Denn Cassiodor (var. 1, 4,
iof.) sagt, Carpilio sei zusammen mit Aetius zu Attila gekommen, der seinerseits erst
434 zur Herrschaft gelangte.
11
Ungesichert bleibt die zeitliche und örtliche Einordnung des hunnischen An-
griffes auf die rechtsrheinischen Burgunden: oben i, 79 Anm. 11.
η. V O R S T Ö S S E G E G E N WESTEN 189
2

Im römischen Reich hatte das städtische Wesen geführt, bis diesem die
Einfalle und Prätendentenkämpfe des 3. Jahrhunderts schwere Schläge zu-
gefügt hatten 1 . Der Rückgang war allgemein, politisch und wirtschaftlich,
gesellschaftlich und kulturell. Die einst offenen und unbehindert sich aus-
breitenden Städte wurden jetzt mit Mauern umgeben. Diese setzten dem
Wachstum Schranken: man war, schon um der besseren Verteidigung willen,
genötigt, sich auf engstem Raum zusammenzudrängen. So entstand jener
Stadttypus, den man an Histria am Schwarzen Meer ebenso beobachten
kann wie am spätrömischen Straßburg. Die mittelalterliche Stadt — dumpf
und ungesund, aber wehrhaft und kaum mehr zu überrumpeln — war
damit geboren. Ihre neuen Freiheiten sollte sie freilich erst gewinnen.
Vorerst begannen sich Regierang und Bürokratie immer stärker in die
inneren Angelegenheiten einzumischen. Sie spannen das Netz ihrer Kontrolle
enger, und ständig nahm ihre Einflußnahme zu.
Auch die wirtschaftlichen Grundlagen begannen zu schwinden. Der Ein-
nahmen, die den Städten aus ihren Landgebieten zuflössen, mußten sie sich
zugunsten des Staates entäußern. Handwerk und Handel, Grundlagen jeder
städtischen Blüte, hatten unter den Schlägen des 3. Jahrhunderts schwer
gelitten. Eine auf ihre, wenn auch begrenzte Autonomie stolze Bürgerschaft
war wirtschaftlich aufs schwerste getroffen. Unaufhaltsam begann sich der
Schwerpunkt des Lebens aufs Land zu verlegen 2 .
Auch dort hatte die Reichskrise tiefe Veränderungen gezeitigt. Kleinere
Bauerngüter waren verschwunden oder hatten sich in Abhängigkeit begeben.
So war es zu gewaltigen Zusammenballungen gekommen. Auf dem Land
bestimmten Latifundien von erheblicher Ausdehnung, zuweilen von der
Größe einer Provinz, das Bild. Die Landsitze, auf denen die großen Eigen-
tümer lebten, wurden zu neuen Mittelpunkten des wirtschaftlichen und
geistigen Lebens. Die geschlossene Gutsherrschaft begann sich herauszu-
bilden. Sie stellte, was sie brauchte, mit geringen Ausnahmen selbst her
und machte sich von der städtischen Manufaktur unabhängig. Alsbald
1
Das Folgende ist der ausgezeichneten Besprechung, die P. Lambrechts (l'Antiquiti
classique 1949, 109!.) Μ. A. Piganiol's „L'empire chr6tien" (1947) gewidmet hat,
überall verpflichtet. Besonders S. 1 1 2 f. sind bis in die Formulierungen hinein benutzt
worden.
ä
Zum Folgenden K. F. Stroheker, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien
(1948)·
190 HUNNEN UND BURGUNDEN

verlor das Geld (abgesehen von seiner noch zu besprechenden Ent-


wertung) seine Bedeutung; der Tauschhandel trat an seine Stelle. Die
Grundherren saßen auf befestigten Schlössern, auch darin das Mittelalter
vorwegnehmend. Luxus und Kultur, soweit sie das Zeitalter noch zu bieten
hatte, fanden auf diesen Herrensitzen Pflege. Vornehmlich die Dichtung
zog sich dorthin zurück, und mit ihr verbunden war die Erinnerung an
die Größe Roms, die jetzt der Vergangenheit gehörte.
Mit der städtischen Wirtschafts- und Lebensform trat auch ihre Grund-
lage, die Haltung von Sklaven, zurück. Zahl und wirtschaftliche Bedeutung
nahmen ab. Dafür gerieten Schichten, die bislang als frei gelten durften, in
einen Zustand wirtschaftlicher Abhängigkeit. Der neue Stand der coloni,
obwohl formell frei, bearbeitete den Boden unter Bedingungen, die von
Versklavung sich wenig unterschieden. Die Kolonen durften ihre Gutsherr-
schaft nicht wechseln, waren fest an die Scholle gebunden. Kaiserliche
Edikte bemühten sich, diesen Zustand rechtlich festzulegen und, wenn
möglich, zu verschärfen. Sie taten es mit dem Erfolg, daß der Unterschied
zwischen Sklaven und Kolonen fast gänzlich schwand. Der große Grund-
besitz zerfiel in die terra iniominicata mit dem Herrensitz und die mansiones
der Kolonen. Diese hatten von ihren Parzellen einen Teil der Ernte abzu-
liefern und überdies auf der terra indominicata an einer bestimmten Zahl
von Tagen Roboten zu leisten.
An weiterer Festigung dieses Zustandes war neben den Grundbesitzern
selbst der kaiserlichen Fiskalverwaltung gelegen. Dieser gegenüber hafteten
die großen Güter mit einem Steueraufkommen, dessen Höhe sich nach
Ausdehnung und Ertragfähigkeit des Bodens bemaß. Um den Eingang der
festgelegten Steuersumme zu gewährleisten, mußten die Liegenschaften
bebaut, will sagen: die Kolonen an ihren Arbeitsplatz gefesselt werden.
Denn die Schwere der Lasten veranlaßte nur zu leicht, sich durch Flucht
der Verpflichtung zu entziehen. Fiskus und Grundbesitzer waren sich darin
einig, dem einen Riegel vorzuschieben. Zur persönlichen Bindung an die
Scholle trat die erbliche. Sie ging vom Vater auf den Sohn über, und jede
eheliche Verbindung mit einer Person, die nicht seinem Stande angehörte,
wurde dem Kolonen untersagt.
Die Zahlungen, die der Staat seinen Beamten und Soldaten zu leisten
hatte, waren einst in monetärer Form erfolgt. Doch seit dem Ende des
2. Jahrhunderts hatte sich der Gehalt der Silbermünze verschlechtert, und
seitdem war es weiter bergab gegangen. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts
η. V O R S T Ö S S E G E G E N WESTEN 191

war die völlige Geldentwertung da. Unter Gallienus kamen Prägungen auf,
deren Kupfer mit einem Silberabsud überzogen war, der im Verkehr rasch
schwand. Beamten und Militär weigerten sich, diese Münzen als Zahlung
anzunehmen. Sie verlangten, was in ihren Augen Wert besaß: Getreide,
Fleisch, ö l , Wein, Kleidung. Folge war, daß der Staat, um die verlangten
Lieferungen leisten zu können, seinerseits darauf bedacht sein mußte, das
Steueraufkommen zumindest zu einem Teil in Naturalien zu erhalten. So
war es unter Diokletian zur iugatio und capitatio gekommen, die eine
Abgabe vom Bodenertrag mit einer personalen, auf der bäuerlichen Arbeits-
kraft lastenden verknüpfte. Die Steuer war nach allem, was man weiß, hoch.
Aber der Staat in seiner finanziellen Zwangslage konnte auf nichts, auf den
Ertrag keines einzigen iugum verzichten. Er hielt an der Bindung des
Kolonen an die ihm zugeordnete Scholle und damit an seinen Herrn un-
erbittlich fest.

Das spätrömische Gallien gehörte zu den Ländern, in denen sich die


neuen Gegebenheiten am stärksten ausgewirkt hatten. Vom Leben und
Treiben der gallischen Grundbesitzer, von ihren literarischen und sonstigen
Interessen haben Ausonius und Sidonius Apollinaris ein lebendiges Bild
gezeichnet. Die Großgüter hatten einen gewaltigen Umfang angenommen,
und vom Ausmaß des Steuerdruckes macht man sich eine Vorstellung, wenn
die civitas Haeduorum allein 7000000 Hektoliter Getreide, wenn ganz Gallien
deren 210000000 aufzubringen hatte 3 . Wo der Druck der Lasten derart
angewachsen war, konnte die Gegenwirkung nicht ausbleiben. Seit dem
Ende des 3. Jahrhunderts war Gallien zum klassischen Land nicht nur der
Latifundien, sondern auch der Bauernaufstände geworden. Oft unterdrückt,
erhoben sich die Bagaudae stets von neuem.
Vor allem im Nordwesten machten sie sich zu Aerius' Zeiten bemerkbar.
Im Jahre 435 hatten die Bagauden des tractus Armoricanus sich vom
Westreich gelöst und ihre Selbständigkeit erklärt. Dies besagte, daß weit
über die heutige Bretagne hinaus das ganze Land zwischen den Mündungen
der Garonne und Seine bis hin nach Tours, Orleans und Auxerre sich im
Aufstand befand. Es war nicht nur den Grundbesitzern, sondern, was
schwerer noch wog, dem kaiserlichen Fiskus verloren gegangen.
Die Führung der Bagauden hatte ein gewisser Tibatto übernommen.
Zwei Jahre hindurch war er imstande, sich zu halten. Dann erlag er 437

3 A. Grenier in: Economic Survey of Ancient Rome 3, 602f.


192 H U N N E N UND B U R G U N D E N

Aetius' hunnischen Soldtruppen und ihrem Führer Litorius. Dies zeigt,


daß Aetius keinen Augenblick zögerte, auf wessen Seite er sich zu stellen
hatte. Seit 433 bestand der Vertrag mit Rua: jetzt zeigte sich, was die
Abmachung bedeutete.

3
Es lag nahe, die hunnischen Scharen auch gegen die Germanen ein-
zusetzen, die auf gallischem Boden Aetius schwer zu schaffen machten.
In unmittelbarem Anschluß an den Bagaudensieg ging Litorius gegen die
Westgoten im Süden vor. Auch diesmal schien sich der Sieg an seine Fahnen
zu knüpfen. Theoderich I. wurde gezwungen, die Belagerung von Narbonne
aufzuheben; die schwerbedrängte Stadt wurde sogleich neu verproviantiert.
Drei Jahre stetiger Erfolge schlossen sich an, und 439 standen Litorius'
Hunnen vor der Hauptstadt des Feindes, Toulouse. Die Stadt lag inmitten
eines dichten und geschlossenen westgotischen Siedlungsgebietes1. Vor
Toulouse schlug das Kriegsglück um. Die Schlacht schien glücklich zu ver-
laufen, da geriet Litorius in die Gewalt des Gegners. Nach dem Verlust des
Anführers wurde das hunnische Heer nahezu vernichtet. Erst Aetius per-
sönliches Eingreifen stellte die Lage wieder her und führte zum Friedens-
schluß2.
Mit den Hunnen verknüpft sich noch ein drittes Ereignis in der Geschichte
des damaligen Gallien: die Vernichtung der Burgunden. Zeitlich fällt sie
noch vor die Beendigung der Kämpfe mit Bagauden und Westgoten.

1
W. v. Wartburg, Die Entstehung der romanischen Völker 82 f.
2
Darauf bezieht Th. Mommsen die Kämpfe, die Merobaudes, Paneg. 2, 57 er-
wähnt; vgl. die Adnotatio zu v. 57.
8. KAPITEL

DER BURGUNDEN UNTERGANG

I
Von unserem Nibelungenlied her ist es eine vertraute Vorstellung, daß
Worms der Sitz der Burgundenkönige sei. Diese Vorstellung war so fest
eingewurzelt, daß man sie ohne weiteres von der Welt der Sage auf die
Geschichte übertrug. Auch das Herrschaftsgebiet des Burgundenkönigs
Guntiarios oder Gundicharius, der 436 die vernichtende Niederlage durch
die Hunnen erlitt, ebenso den Ort dieser Niederlage setzte man von jeher
in der Umgebung von Worms an. Erst in jüngster Zeit hat diese Ansicht
einen Stoß erlitten Statt Worms und der Provinz Germania prima nahm
man jetzt die Germania secunda für die ältesten linksrheinischen Sitze der
Burgunden in Anspruch. Zustimmung2 und Widerspruch3 haben seitdem
gewechselt.
Die neue Behauptung gründet sich zunächst auf einer textkritischen
Beobachtung. Olympiodor fr. 17 4 berichtet von der Erhebung des Gegen-
kaisers Iovinus, die 411 mit Hilfe der Alanen unter Goar und des Burgunden-
fürsten Guntiarius erfolgte. Bisher wurde „unter der Zwangsvorstellung,
daß Worms damals die Königsresidenz der Burgunder gewesen sei 5 ", diese
Erhebung auf Grund einer Konjektur David Hoeschel's in Mainz an-
gesetzt. Erst durch Hinweis auf die Überlieferung: έυ Μουνδιακω της έτέρας
Γερμανίας stellte sich heraus, daß nicht Mainz in der Germania prima,
sondern der in der Germania secunda gelegene Ort Mundiacum gemeint war·.
1 Zuerst J. R . Dieterich, D . Dichter d. Nibelungenliedes 26 f.
J E . Stein in: Ber. röm.-germ. Kommission 1928, 9 7 f . ; E . Norden, Altgermanien
18 Anm. 2; H . Grögoire in: Byzantion 9, i f . : 2 i 5 f . ; 7 7 5 ! . ; F . Ganshof in: R e v . beige
de philol. et d'hist. 14, 195 f.
' H. Nesselhauf in: A b h B A W . 1938, 2, 74 Anm. 1; A. W. B y v a n c k , Nederland in
den romeinschen tijd 2, 687; unklar: Mnemosyne 1943, 9 3 f . : L. Schmidt, D. Ostger-
manen 2, i 3 4 f . ; G. Baesecke, Vor- und Friihgesch. d. dt. Schrifttums 2, 243.
* F H G . 4, 64 M.
5 E . Stein, a. O. 98.
* E . Steins Versuch, a. O. 98f., Olympiodor mit Beobachtungen aus der Notitia
dignitatum zu stützen, ist durch H . Nesselhauf, a. O. 6 6 f . ; 74f. widerlegt. Doch vgl.
A. W . B y v a n c k in: Mnemosyne 1943, 88f.

13 Altheim, Hunnen IV
194 HUNNEN UND BURGUNDEN

Die Wiederherstellung der Überlieferung hat, wenn man von unwesent-


lichem Widerspruch absieht 7 , Zustimmung erfahren. Aber durchaus ver-
schieden waren die Folgerungen, die man daraus zog. Ubergangen seien
die Versuche, Mundiacum mit einem der heutigen Orte ähnlichen Namens
gleichzusetzen. Die Vorschläge, die gemacht wurden, stehen sich gegen-
seitig im Wege und zeigen, daß ein eindeutiges Ergebnis vorerst sich nicht
erzielen läßt 8 . Während nun die einen das Zeugnis Olympiodors dafür
ins Feld führten, daß die Burgunden am Niederrhein saßen, wurde von
anderer Seite heftig bestritten, daß man einen solchen Schluß zu ziehen
berechtigt sei. An der Ansetzung der Burgunden bei Worms, auf der sich
das Nibelungenlied gründe, dürfe nicht gerüttelt werden.
Nach Orosius 9 gingen die Burgunden Ende 406 zusammen mit Wandalen,
Alamannen und Sueben über den Rhein. Es folgte 411 die mit Hilfe des
Guntiarios bewerkstelligte Erhebung des Gegenkaisers Iovinus in Mun-
diacum. Zwei Jahre später machten die Burgunden Frieden mit der recht-
mäßigen Regierung des Constantinus: Burgundiones partem Galliae propin-
quam Rheno optinuerunt10. Wo dieses Gebiet lag, wird nicht, gesagt. Das
Zeugnis der Bodenfunde, das für eine Einquartierung in Mainz zu sprechen
schien 11 , ist zugestandenermaßen nicht schlüssig 12 . Jedenfalls blieben die
Burgunden in den ihnen zugewiesenen Sitzen über zwei Jahrzehnte ruhig.
Sodann erfährt man durch Sidonius Apollinaris 13 , daß Aetius die „trotzigen
Burgunder" bestraft habe, weil diese die Belgier vergewaltigt hätten. Aetius
gewährte 435 auf burgundische Bitten Frieden. Doch bereits 436 wurden die
Burgunden von Hunnen überfallien 14 , von denen man nicht weiß, ob sie
in Aetius' Sold standen. Gundicharius selbst fiel mit 20 000 seines Volkes 1 5 .
Wo die Katastrophe stattfand, ist nicht gesagt.
7 L. Schmidt, a. O. 135.
8 H. Nesselhauf, a. O. 74 Anm. 1.
• 7, 18, 3. Über einen vermeintlich alanischen Fund aus Mundolzheim bei Straßburg:
H . Zeiß in: Germanien 17, 127f.
10 Prosper 1250 a. 413, Chron. min. i , 467. Über die gallischen Grenzverhältnisse
zu A n f a n g des 5. Jahrhunderts E . Demongeot in: R e v u e d'Alsace 92 (1953) 7 f .
11 L. Schmidt, a. O. 134f.
11 H. Nesselhauf, a. O. 75 A n m . 2; dazu D. Bohnsack in H. Reinerth, Vorgesch.
d. dten Stämme 3, 1133 f.: die Gräber von Lampertheim sind burgundisch, aber ge-
hören ins 4. Jahrhundert; der burgundische Charakter der Gräber von Kostheim und
anderen des 5. Jahrhunderts ist unerwiesen.
11 Carm. 7, 234f.; vgl. H y d a t . 108, Chron. min. 2, 22f.
14 Prosper, a. 435, Chron. min. 1, 475; Chron. Gall. 118, Chron. min. 1, 66.
15 H y d a t . 110, Chron. min. 2, 23; Prosper I.e.; Chron. Gall. 1. c.
8. D E R B U R G U N D E N UNTERGANG 195
Nirgendwo in diesen Nachrichten ist Worms oder seine Umgebung
erwähnt 1β . Mundiacum in der Germania secundu ist die einzige Ortsangabe.
Gewiß darf man einwenden, daß ein Aufenthalt des Burgundenkönigs
Guntiarios 4 1 1 in Mundiacum nicht ohne weiteres etwas für den Ort der
Ansiedlung des Stammes im Jahre 413 beweise 17 . Aber es läßt sich nicht
übersehen, daß Prospers pars Galliae propinqua Rheno sich mit der Angabe,
daß die Erhebung von 4 1 1 έν Μουνδιακω της έτερος Γερμανίας stattfand,
unter der einfachen Voraussetzung vereinigen läßt, daß man 413 den Bur-
gunden die Landstriche als Eigentum zuwies, die bereits 4 1 1 in ihrem
Besitz waren. Die Regelung hätte dann, wie oft, die vollzogene Tatsache
anerkannt.

Sollte die Inschrift 1 8 des Hariulf, Sohn des Hanhavald, Neffe des Reutilo,
in Trier — regalis gentis Burgundionum und jetzt den protectores domestici
angehörig — einen weiteren Hinweis geben ?
Das bleibt zunächst nur eine Möglichkeit, wenn auch eine wahrschein-
liche. Hier springt das Zeugnis Sidonius Apollinaris' über Aerius'
Burgundensieg ein 19 . Von Sidonius' Schwiegervater Avitus, dessen Thron-
erhebung der Panegyricus feiert, heißt es, er sei den Fahnen Aerius' gefolgt.
Zusammen mit Avitus habe Aerius den Belgier befreit, den der trotzige
Burgunde vergewaltigt hatte. Dieses Zeugnisses wurde zuvor gedacht.
Dann geht es weiter: „Besiegt wird dort im Lauf der Heruler, der
Hunne im Geschoßwurf und der Franke im Schwimmen, der Sauromate
im Schildkampf, der Salier zu Fuß und im Kampf mit der falx der
Geloner".
Die gesuchte Ausdrucksweise des Sidonius macht nicht leicht, zu er-
kennen, was gemeint ist. Seit Tillemont 20 bis zu den letzten Äußerungen 21
hat man zwischen zwei Möglichkeiten geschwankt. Entweder standen die
genannten Stämme auf Seiten der Burgunden und wurden mit ihnen zu-
sammen besiegt. Oder aber: der Sieg im Wetteifer war gegen den gemein-

18
E. A. Thompson, A Hist, of Attila and the Huns 65 hat bei seiner Behandlung
(1948) die gesamte neuere Literatur übersehen.
17
Η. Nesselhauf, a. Ο. 74·
18
Fiebiger-Schmidt, Inschriftenslg. ζ. Gesch. d. Ostgoten Nr. 72; H.-E. Giesecke,
D. Ostgerm. u. d. Arianism. 140 Anm. 4.
" carm. 7, 23of.
20
Histoire des empereurs 6, 2 i o f .
21
Rappaport in: R E . 8, 1 1 5 3 ; L. Schmidt, D. Ostgerm. 2 559.
IS·
196 HUNNEN UND BURGUNDEN

samen Feind errungen. Dann wären die Stämme als Bundesgenossen Aetius'
im Kampf gegen die Burgunden zu verstehen.
Vincitur . . . Francusque natatu läßt sich veranschaulichen durch Chlo-
tachars II. Sieg über den Sachsenherzog Bertoald an der Weser22. Der
König selbst durchschwamm als Erster auf einem Roß den Strom, und
nur mit Mühe folgte das Heer ihm nach. Das Beispiel zeigt, daß durch
besseres Schwimmen kein Gegner besiegt wird, wohl aber, daß Kampf-
genossen sich darin in gemeinsamem Wetteifer gegenseitig übertreffen
können. Also waren die Franken mit Aetius verbündet, und während des
Feldzuges gelang, nach Ansicht des Sidonius, ihre große Fertigkeit im
Schwimmen, im Überschreiten von Gewässern durch eigene Leistung in
den Schatten zu stellen.
Es ist deutlich, daß v. 235 iUic sich auf die Gegend bezieht, da gegen
die Burgunden gefochten wurde. Also waren alle Völker, die an dieser Stelle
genannt wurden, an dem Kampf gegen die Burgunden beteiligt. Waren sie
deren Nachbaren ? Die Nachbarschaft zumindest eines Teiles der Hunnen
bildete die Voraussetzung der Katastrophe von 436. Daß mit den Sauro-
maten und Gelonen die Alanen, Hauptstamm der Sarmaten23, gemeint ist,
bleibt das wahrscheinlichste24. Sie begegneten soeben mit den Burgunden
vereint im Jahre 411. Deutlich sind sodann die West-Heruler, Franken
und Salier, die alle am Niederrhein saßen 25 . Faßt man auch sie als Nachbarn
der Burgunden, so erfährt das Zeugnis Olympiodors eine Bestätigung.
Nicht nur 411, sondern auch nach der Ansiedlung von 413 hätten die
Burgunden in der Germania secunda gesessen.
Die Hunnen waren seit dem Jahr 433 2i ständige Bundesgenossen für
Aetius. Dasselbe muß man für den Burgundersieg des Jahres 435 annehmen.
Aetius hätte dann ein Bündnis der Hunnen, Heruler, Franken, Salier und
Alanen, also der benachbarten Stämme gegen die Burgunden zusammen-
gebracht und dadurch das Übergreifen auf beide oder eine der Belgicae
verhindert. In Verfolgung dieser Politik hätte entweder Aetius 436 die
Hunnen nochmals gegen die Burgunden aufgehetzt und damit deren Ver-

2 i Lib. Hist. Franc. 41; ganz anders die Situation bei Paul. Diac., hist. Langob. i,

15, wo Lamassio mit der Amazone kämpft (in fluvio natatu pugnasse tamque peremisse).
Dazu G. Baesecke, a. O. 1, 322.
» M. Rostovtzeff, CAH. 11, 93 £.
24 Alanen und Gelonen zusammen genannt ep. 4, 1, 4.

1 5 Uber die Heruler: Rappaport, a. O. i i 5 2 f . ; L. Schmidt, a. O. 558f.

2 · Th. Mommsen in: Herrn. 36, 520; Ε. A. Thompson, a. O. 64f.


8. D E R B U R G U N D E N UNTERGANG 197

nichtung herbeigeführt, oder die Hunnen hatten sich an den Friedensschluß


nicht gehalten und eine günstige Gelegenheit genutzt.
Damit hat sich das Bild wesentlich verschoben. Die Behauptung von
einem vorübergehenden und zufällig bekannten Aufenthalt Gunthers Iv
Μουνδιακω „während irgendeines Heerzuges" 27 ist nur für den überzeugend,
der Worms als Sitz des Königs von vornherein für gegeben nimmt. Es
wird damit vorausgesetzt, was bewiesen werden soll. Nach Worms ver-
setzte Günthern erst das Waltharilied. Aber bezeichnenderweise sieht es in
ihm keinen Burgundenkönig, sondern einen solchen der Franken 28 . Das
beweist für das Ursprüngliche nichts; es beweist um so weniger, als in der
Edda weder das Bruchstück des älteren Brünhild-Sigurdliedes noch das
alte Lied von Atli etwas von Worms wissen. Erst das mittelhochdeutsche
Nibelungenlied verlegte den Sitz der Burgundenkönige dorthin.
Einer Erwähnung bedarf noch der angelsächsische Widsith". Vers 64 f.
wird bei den Burgunden Gudhere erwähnt als Spender eines Armreifs an
den Sänger des Liedes. Der „Weitfahrer" besucht ihn nach den Thüringern
und den „Throwenden". Vers 64 mid pröwendum wird jetzt meist „bei den
Drontheimern" (aisl. f>randir) verstanden s0. Sicher ist diese Erklärung nicht.
Aber die Trevirer, an die man gedacht hat, kommen aus sprachlichen
Gründen nicht in Betracht. Eigentlich müßte mid pröwendum sich auf ein
Volk zwischen den Burgunden und Thüringern beziehen, denn in dieser
Reihenfolge werden die Namen genannt. Vielleicht aber war der notwendige
Stabreim zu pyringum an der Nennung des mit Ρ anlautenden Namens
schuld81. Von Gudhere geht es weiter zu den Franken und Friesen v. 68.
Da hat schon Baesecke 82 vermutet, daß gegenüber der anderen Reihenfolge
der fränkischen Völkertafel von 520 s® die Franken von den Burgunden an-
gezogen wurden und damit das Bestehen der Nibelungendichtung für den
Widsith bezeugt sei. Vielleicht ist eine einfachere Lösung, daß noch die
alte Nachbarschaft von Burgunden und Franken nachwirkte, daß man sie
sich beide am Niederrhein sitzend dachte.

17 H. Nesselhauf, a. O. 74 und Anm. 1.


J» J. R. Dieterich, a. O. 28.
" J. R. Dieterich, a. O. 27; E. Stein, a. O. 98.
10 Das Folgende nach einer Mitteilung J. Weisweiler's.
11 Ein Wiederherstellungsversuch bei K. Malone, Widsith (1936) 33f.
M In: Germ.-Roman. Montaschr. 1936, 170.
** K. Müllenhoff, Dte. Altertumskde. 3, 325!.
198 HUNNEN UND BURGUNDEN

Daß die Burgunden anfänglich am Niederrhein als unmittelbare Nach-


barn der Franken saßen, hat man einen „Nachweis von weittragender
Bedeutung genannt" 1 . Und doch hat die germanistische Forschung, soweit
sie überhaupt dazu Stellung nahm, daraus keine Folgerungen gezogen.
Im 5. und 6. Jahrhundert formten nach allgemeiner Ansicht fränkische
Sänger die beiden Dichtungen, die die Vorgeschichte unseres Nibelungen-
liedes entscheidend bestimmt haben: die Sage von Brünhild und Siegfrieds
Tod, sodann das Lied vom Untergang der Burgunderkönige am Hunnenhof
und vom Tode Attilas 2 . Form und Inhalt erschließt man durch altnordische
Nachdichtungen, die in der Lieder-Edda Aufnahme fanden: das altertüm-
liche ,,Alte Sigurdlied" und das ältere, kürzere Atlilied. Beide Lieder und
die in ihnen gestaltete Sage gingen als dichterische Einheit getrennt durch
die Jahrhunderte, bevor sie in jenem einzigen Werk mündeten.
Gerade in ihren ältesten Fassungen unterscheiden sich die Lieder von-
einander: nicht nur nach ihrem Inhalt, sondern auch nach ihrer inneren
Form. In die Brünhildsage spielte Geschichtliches nur in geringem Maß
hinein 3 . Die Sitze der Franken und Burgunden am Rhein, die Namen der
burgundischen Könige, eine Episode aus der Geschichte der Ostgoten in
Italien 4 , kaum die fränkische Königin gleichen Namens 5 — das war alles.
Mythisches wie die Siegfriedgestalt und die einstige Walküre Brünhild war
gestaltet zu heldischem Schicksal, war umgedeutet zum Ausdruck unbeug-
samer Leidenschaften. „Der Gehalt der Brünhildsage ist ein Seelenkampf",
hat man gesagt 6 ; er war rein menschlich, und er war überzeitlich. In der
Burgundendichtung fehlten weder das Heldische noch das große Geschick.
Aber der Burgunden Untergang und Attilas Tod waren Geschehnisse, die
sich vor den Augen der germanischen Welt vollzogen hatten. Es waren

1 E. N o r d e n , A l t g e r m a n i e n 18 A n m . 2. F r e i l i c h : H . Gregoires B e h a u p t u n g (in:
B y z a n t . 10, 227), d a ß H a g e n der χαγαη, qayan der A l a n e n und mithin G o a r bei O l y m -
piodur sei, glaube ich nicht. A l a n e n sind keine T ü r k e n .
2 D a s F o l g e n d e n a c h A . Heusler, N i b e l u n g e n s a g e und N i b e l u n g e n l i e d 7 f . ; 44 f. —
teilweise u n t e r B e n u t z u n g seiner F o r m u l i e r u n g e n . U b e r D . v . K r a l i k s N i b e l u n g e n f o r -
s c h u n g e n W . Mohr in: D i c h t , u. V o l k s t u m 42, 8 3 f . ; H . S c h n e i d e r i n : Z d A . IQ41, SQf.
3 A . H e u s l e r , a. O. 13f.
4 M. L i n t z e l , D . hist. K e r n d. Siegfriedsage (Histor. S t u d . 245); z u s t i m m e n d A .

H e u s l e r , a. O. 1 3 f . ; H. Gregoire i n : B y z a n t . i o , 222f.
5 G . B a e s e c k e , V o r - und F r ü h g e s c h . d. d t e n . S c h r i f t t . 1, 249.

• A . Heusler, a. O. 15.
8. D E R B U R G U N D E N UNTERGANG 199

geschichtliche Ereignisse 7 , nicht Gestalten eines überzeitlichen Mythos wie


Siegfried und Brünhild.
Greifbar ist der Übergang des Geschichtlichen in die Heldendichtung
auch an Gudrun-Grimhild, der Gattin und Mörderin des Hunnenkönigs 8 .
Iordanes 9 berichtet nach Priskos, Attila sei in der Brautnacht an der Seite
der Iildico oder Hildico durch Blutsturz verschieden. Aber schon Kaiser
Iustinians Kanzler, der Chronist Marcellinus Comes 10 , ließ offen, ob nicht
das Messer des fränkischen Weibes den Tod herbeigeführt habe. Der weitere
Schritt, daß dieses Weib eine Rächerin der Ihren gewesen sei, lag nahe
genug. Der Dichter des Burgundenliedes hat ihn getan.
Dem Gegensatz zwischen Überzeitlichem und Zeitgebundenem, zwischen
Mythos und Geschichte tritt ein Zweites zur Seite: der Gegensatz zweier
Stämme. Siegfried ist von allem Anfang an Franke 1 1 ; schon im germanischen
Hercules Deusoniensis und Magusanus, die im 3. Jahrhundert n. Chr. im
Lande der Bataver und Franken verehrt wurden, glaubte man Siegfried
unter römischem Namen zu erkennen 12 . In der Brünhilddichtung fällt
alles Licht auf ihn und Brünhild: er ist der Helle, Hochgemute und Un-
bekümmerte; sie die Starke und Rächende. Die Burgunden spielen die
zweite Rolle: sie sind die Getriebenen, die Hintergründigen. Sie lassen sich
zur Tat anstiften. Gunther bricht die Treue am Schwager und Schwur-
bruder und muß sich dessen von Brünhild zeihen lassen. Die Lockung des
Nibelungenhortes, die Eifersucht gegenüber Siegfried drängen sie zum
Mord 13 . Hagen, der Dunkle, vollzieht ihn.
Angesichts von Siegfrieds Treue und Gunthers Eidbruch 1 4 darf kein
Zweifel aufkommen: dieses Lied schufen keine Burgunden, sondern ein
Franke. Siegfried war der Held fränkischen Stammes, die Burgunden
Verräter, bei denen er den Tod fand. Aber konnte auch die Burgundensage
von einem Franken gedichtet sein?
Es könnte für einheitlichen Ursprung sprechen, daß Brünhild- und
Burgundendichtung von Anfang an aufeinander eingestellt waren 1 5 . Aber
' G. Baesecke, a. O. 252.
8 G. Baesecke, a. O. 252; A. Heusler, a. O. 48.
» Get. 254.
1 0 Chron. a. 454, Chron. min. 2, 86.

1 1 G. Baesecke, a. O. 249.

12 E. Norden, D. germ. Urgesch. in Tacitus' Germania 1 7 2 ! ; 492t.

13 A. Heusler, a. O. 15; G. Baesecke, a. O. 243.

14 G. Baesecke, a. O. 243.

" A. Heusler, a. O. 54f.; G. Baesecke, a. O. 252f.


200 HUNNEN UND BURGUNDEN

diese Bande knüpfte nicht die geschlossenen, in dramatischer Wucht sich


vollziehenden Handlung des Nibelungenliedes. Sie waren von äußerer Art.
Grimhild, die Mörderin Attilas, war bereits Siegfrieds Gattin. Aber sie
war noch nicht seine Rächerin: sie warnte ihre Brüder vor hunnischer
Hinterlist. Auch Hagen war der Brünhildsage entnommen, aber noch blieb
er der zweite neben Gunther, blieb bloßer Gefolgsmann. Schließlich war der
Hort der Burgundenkönige, dessen Etzel begehrte, dem „asenentstammen-
den Nibelungenerbe" gleichgesetzt, „das Fehde unter die Männer bringt" —
also dem sagenhaften Schatz, der einst Siegfried gehört hatte. Aber das
waren, wie gesagt, äußere Verbindungen: der Blickwinkel hat sich im Bur-
gundenlied verschoben.
Alles Licht liegt jetzt auf den Burgunden. Sie sind die Helden, die Träger
eines großen Geschickes. Grimhild und ihre Brüder sind Glieder einer Sippe
und gleicher Gesinnung. Selbst Hagen ist einbezogen. Er ist Grimhilds
Halb- und Vollbruder, und sie ist auch ihm, nicht nur Gunther rache-
pflichtig 18 . Dagegen bilden jetzt die Hunnen die dunkle Seite. Sie sind
noch nicht die fast germanischen Helden, Atli noch nicht der väterlich-
-gütige Herrscher der späteren Dichtung. Sondern über ihnen liegt noch
der Hauch einer fremden, unheimlichen Volksart 17 . Hagens ausgeschnittenes
Herz, der Schlangenkerker, in dem Gunther endet, waren Ausdruck
asiatischer Wildheit 18 . Zum mindesten für diese Dichtung; denn etwas
genau entsprechendes ist für die Hunnen und die Nomaden überhaupt
nicht überliefert.
Nichts spricht dafür, daß diese Dichtung, wie noch A. Heusler wollte,
von einem fränkischen Spielmann geschaffen wurde. Um so mehr hat die
Meinung für sich, daß die Burgundensage in burgundischer Umgebung
entstanden sei 19 . Das ältere Atlilied ist das einzige der Edda, in dem die
Burgunden mit Namen genannt sind. Burgundisch sind die geschichtlichen
Ereignisse und die Einstellung des Dichters selbst. Es war das Schicksal des
eigenen Volkes, das er gestaltete — das nur ein Burgunde gestalten konnte.
Man bedenke, daß auch in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern das
burgundische Kontingent 20 gewaltige Verluste durch die Hunnen erlitt.

14 A. Heusler, a. O. 51.
17 A. Heusler, a. O. 59f.; G. Baesecke, a. O. 252; 273.
18 G. Baesecke, a. Ο. 2 7 6 I
1§ G. Baesecke, a. O. 251.
" lord., Get. 191.
8. D E R B U R G U N D E N U N T E R G A N G 201

Der Tod zahlreicher Männer führte dazu, daß alle Rechtssachen, die vor die
Schlacht fielen, durch die Lex Burgundionum als verfallen erklärt wurden 21 .
Durch die Erkenntnis, daß die alten Sitze der Burgunden nicht in Worms
und Umgebung, sondern in der Germania secunda und am Niederrhein
lagen, erklären sich jetzt auch die Fäden, die zwischen Brünhild- und
Burgundendichtung hin- und herliefen22. Franken und Burgunden waren
unmittelbare Nachbarn. Aus dem Burgundenland entnahm der Dichter der
Brünhildsage die geschichtlichen Namen der Burgundenkönige28. Um-
gekehrt entstammen mythische Gestalten wie Siegfried, Hagen und der
Nibelungenhort, wo sie im geschichtlichen Rahmen des Burgundenliedes
begegnen, der fränkischen Brünhildsage24. Das Überkommene ist in beiden
Fällen Fremdgut geblieben. Beide Lieder, das fränkische und das bur-
gundische, verband nur ein äußerlicher Motivzusammenhang. Erst der
Dichter des „baiwarischen Burgundenliedes", dem Mythos und Geschichte
in eins übergegangen waren und dem der Stammesunterschied zwischen
Franken und Burgunden nichts mehr bedeutete, hat den entscheidenden
Schritt vorwärts getan. Durch Umdeutungen und Neuschöpfungen schuf er
die Voraussetzungen für das einheitliche Nibelungenlied, das wir besitzen 26 .

3
Die Burgundendichtung setzt den Tod Attilas voraus, kann also erst
nach 453 entstanden sein. Damals saß der Stamm nicht mehr am Nieder-
rhein, sondern in dem „Tannenland" 1 Sapaudia. Aetius hatte dem Teil,
der der Katastrophe von 436 entgangen war, dort eine neue Stätte ange-
wiesen. In der Sapaudia muß man sich demnach die Dichtung geschaffen
und vorgetragen denken.
Sprachliche Zeugnisse bestätigen diesen Schluß. Die Personennamen
und die französischen Ortsnamen burgundischer Herkunft zeigen, „daß die
Heldennamen des Nibelungenliedes altes burgundisches Sprachgut sind" 2 .
Mehr noch: daß die Sage den savoyischen Burgunden gegenwärtig war; daß
11 Lex Burg., 1. const. 17, 1; Μ. G. Leg. 1, 2, 1 p. 55; L. Schmidt, a. O.* 139.
** G. Baesecke, a. O. 252 f.
* A. Heusler, a. O. 14.
1 4 A. Heusler, a. O. 51.
1 1 A. Heusler, a. O. 57f.; H. Baesecke, a. O. 275f.
1 R. Thurneysen bei F. Staehelin, Die Schweiz in römischer Zeit* § 15 Anm.;

L. Weisgerber, Die Sprache der Festlandkelten (20. Ber. Röm.-germ. Komm. 1931)208.
1 E. Gamillscheg, Romania Germanica 3. Vorwort.
202 HUNNEN UND BURGUNDEN

sie in ihr lebten. Denn nicht nur die Namen der Burgundenkönige sind
vorhanden 3 : Gibika (latinisiert Gebica*); Gundiharjis als Gundicarius,
Gondaharius, Gondaarius5; Gundrihamns in Gödhramns und dem Ortsnamen
Gondrane; Gislaharjis in Gislaharius und den Ortsnamen Gillarens1. Hagen
lebt, ebenso wie bei den Franken, so auch bei den Burgunden in reicher
Bezeugung fort 8 . Und zahlreich ist der Nibelungenname belegt 9 . Ihn trägt
in der Dichtung des Seneschall des Burgundengrafen Girard von Roussillon:
Nom. Neblos, Neblas, Akk. Nebion. Er erscheint in den Ortsnamen: Neu-
blans und Noblens, in Nivelungus und Nivelongus; das Grundwort Nibils
latinisiert als Nibilus. Vielleicht am meisten gibt zu denken, daß der Sohn
Sigmunds, der in der Völsunga-Saga Sinfjötli, im Ahd. Sintarfizzilo, Sinter-
fezzil heißt, im Ortsnamen Senarclens erhalten zu sein scheint 10 .
Das neue Burgundenreich unterschied sich von den anderen Germanen-
reichen auf gallischem Boden durch seine Aufgeschlossenheit gegenüber den
Romanen und ihrer Kultur 1 1 . Im Gegensatz zu Goten und Franken waren
Eheschließungen zwischen Burgunden und Romanen erlaubt 12 . Volks-
mäßig war man in der Minderzahl, vor allem in den Städten. Eine dichte
burgundische Bevölkerung saß nur nördlich des Genfer Sees 13 . Römische
Villen, wie die von Carouge bei Genf, hielten sich bis in burgundische Zeit 1 4 .
In Genf richtete man das einstige Prätorium zu einem burgundischen
Palast ein 15 . Ebenso war Lyon eine romanische Stadt geblieben, mochte
dort auch der König Hof halten. Die burgundischen Lehnwörter des Süd-
ostfranzösischen zeigen den Wortschatz des kleinen Mannes, besonders des
Bauern 1 4 ; Adel und Königshaus wurden rasch romanisiert. Syagrius, der
„burgundische Solon" 1 7 , sprach das Germanische fließend, — angeblich

3 Lex Burgund., 1. const. 3; Μ. G. Leg. 1, 2, 1 p. 43.


4 E. Gamillscheg a. O. 120.
5 E. Gamillscheg, a. O. 124.

β Ε. Gamillscheg, a. Ο. 8ι.

7 Ε. Gamillscheg, a. Ο. 122.

8 Ε. Gamillscheg, a. Ο. 126.

9 Ε. Gamillscheg, a. Ο. 141.

1 0 Ε. Gamillscheg, a. Ο. go; 149.

1 1 G. Baesecke, a. Ο. 92f.; 247f.

12 L. Schmidt in: Histor. Vierteljahrschr. 29, 437; E . Gamillscheg, a. O. 199.

1 1 E. Gamillscheg, a. O. 11 f.; Karte 1.

14 L. Blondel in: Genava 1940, 54f.

1 5 L. Blondel, a. O. 69 f.

1 β E. Gamillscheg, a. O. 64 f.

17 Sid. Apoll., ep. 5, 5, 3; Η. E. Giesecke, D. Ostgermanen u. d. Arianismus 140.


8. D E R B U R G U N D E N U N T E R G A N G 203

scheuten sich die Burgunden in seiner Gegenwart, einen Barbarismus in


ihrer eigenen Sprache zu begehen 1 8 . E r vermittelte aber auch ihren Großen
die Kenntnis des Lateinischen 1 9 . Chilperich sprach es bereits, und an
Gundobad wird die römische Bildung gerühmt. Unter ihm, der umgeben war
„von römischen und katholischen Ministern, eingewickelt in katholische
Disputationen, einer Katholikin verheiratet und somit das Katholische
begünstigend" 2 0 , wurde das um 490 verfaßte Gesetzbuch bereits lateinisch
geschrieben.
Sicherlich hat die Auffassung recht, die annimmt, daß unsere Bur-
gundendichtung nicht erst in dieser Spätzeit entstand, da germanische
Kraft im Sinken war 2 1 . Aber schon vorher trafen an diesem Hof Germa-
nisches und Römisches aufeinander. Unter Gundeok oder Chilperich sind
die Hendekasyllaben des Sidonius Apollinaris entstanden, die das Auf-
treten des germanischen Skop am Königshof und während des Gelages
schildern 22 . So sehr sich der Römer t u t :

inter crinigeras situm catervas


et Germanica verba sustinentem,
laudantem tetrico subinde vultu,
quod Burgundio cantat esculentus
infundens acido coman butyro —
die Burgunden müssen das fremde und für sie neue Kulturgut begierig auf-
genommen haben.
Den Römern selbst galten sie als die kulturell am weitesten vorge-
schrittenen Germanen 2 3 . Der Presbyter Salvianus spricht von der Wildheit
der Sachsen, der Untreue der Franken, der Unmenschlichkeit der Gepiden,
der Schamlosigkeit der Hunnen 2 4 : von den Burgunden wird nichts der-
gleichen gesagt. Feine seelische Empfänglichkeit und ein ausgebildetes
Innenleben hat sie immer ausgezeichnet; ihr Namensschatz und die bur-

1S Sid. Apoll., ep. 5, 5, 3.

" Sid. Apoll., ep. 5, 5, 3. Zur Romanisierung des burgundischen Königshauses


und zum betonten Katholizismus der provinzialrömischen Bevölkerung D. van Ber-
chem in: Schweizer Beitr. zur Altertumswiss. 8 (1956), 49t.
20 G. Baesecke, a. O. 248; Η. E. Giesecke, a. O. 140f.

21 G. Baesecke, a. O. 248; A. Loyen, Sidoine Apollinaire et l'esprit precieux en

Gaule i n ; 138.
22 carm. 12, 4 t.; G. Baesecke, a. O. 93 f.

23 E. Gamillscheg, a. O. 66.

24 De gub. Dei 4, 67!.


204 HUNNEN UND BURGUNDEN

gundischen Lehnwörter des Südfranzösischen sind dessen Zeuge25. So


öffneten sie sich bald der bunten Fabelwelt, die ihnen die antike Sage darbot,
und sie fühlten die Kraft, sie aus eigenem Wesen heraus um- und neuzu-
schaffen. Hier soll nicht die Frage erörtert werden, ob das älteste Wieland-
lied am Burgundenhof aus Motiven der Daedalus- und Volcanussage ge-
staltet worden sei 2 ·. Vielleicht gibt das Lied von der Burgunden Untergang
selbst davon Kunde. Denn die Schlachtung der eigenen Kinder durch die
Mutter Grimhild, das Verzehren ihres Herzens durch den Vater Atli könnte
auf die Sagen von Atreus und Thyestes, Tereus und Prokne zurückgehen.
Trotz der Zustimmung namhafter Forscher27 kann dies freilich nur als
Möglichkeit bezeichnet werden.
Die Landschaft Burgund hat schon damals die Rolle gespielt, die sie
später wieder und wieder spielen mußte: die eines Vermittlers zwischen Ost
und West, zwischen Germanentum und Romania. Viel später sind die
Franken gefolgt. Aber auch da ist die schöpferische Tat erst zu einem
Augenblick erfolgt, da die Berührung mit der spätrömischen Kultur ein-
getreten war.
Wie schon erwähnt, ist in die Brünhild-Siegfrieddichtung eine Episode
aus der Geschichte der Ostgoten in Italien eingegangen. M. Lintzel 28 hat
nach dem Vorgang J . Grimms darauf verwiesen, daß zwischen der
Siegfriedgestalt und der des Uraja, dessen Geschichte Prokop im zweiten
und dritten Buch 29 seines Gotenkrieges erzählt, auffallende Ähnlichkeiten
bestehen; A. Heusler30 und H. Gregoire31 haben ihm zugestimmt. Lintzel
hat die Übereinstimmung in knapper und schlagender Form folgendermaßen
zusammengefaßt: „Siegfried, der stärkste und reichste der Helden, weilt am
Hof des tief unter ihm stehenden Gunther und dient ihm. Uraja, der
stärkste und reichste der Goten, weilt am Hof des tief unter ihm stehenden
Ildibad und dient ihm. Gunther hat Siegfried das Höchste, das er besitzt,
zu verdanken, die Brünhild; Ildibad hat dem Uraja das höchste, das er
besitzt, zu verdanken, die Krone. Siegfried allein war wert, Brünhild zu
besitzen, er hat sie genommen, aber Gunther geschenkt; Uraja allein war

" E. Gamillscheg, a. O. 171; vgl. 65.


· · G. Baesecke, a. O. 2gSi.; vgl. 318.
17
A. Heusler, a. O. 51 f.; G. Baesecke, a. O. 271t.
14
Der historische Kern der Siegfriedsage (Hist. Stud. 245) 38 f.
" 2, 12, 37f.; 21, if.; 22, 6f.; 25, if.; 28, 28f.; 30, 4t.; 3, 1, 37f.
a. O. i3f.
11
In: Byzant. 10, 222f.
8. DER BURGUNDEN UNTERGANG 205

wert, die Krone zu besitzen, er hatte sie gewonnen, aber Ildibad geschenkt.
Gunther, der Siegfried alles verdankt, läßt ihn ermorden. Ildibad, der
Uraja alles verdankt, läßt ihn ermorden. Die Ermordung Siegfrieds ist
die Folge eines Streites seiner Gemahlin mit der Gattin Gunthers;
die Ermordung Urajas ist die Folge eines Streites seiner Gemahlin
mit der Gattin Ildibads. Der Zank der burgundischen Frauen spielt sich im
Bade ab, die Gemahlin Siegfrieds stellt sich über die Königin, und diese
fordert Rache; der Zank der gotischen Frauen spielt sich im Bade ab, die
Gemahlin Urajas stellt sich über die Königin, und diese fordert Rache.
Siegfried wird des Verrates gegen Gunther beschuldigt und stirbt un-
schuldig; Uraja wird des Verrates gegen Ildibad beschuldigt und stirbt
unschuldig. Siegfried fällt durch Meuchelmord, seinen Schatz nimmt
Gunther an sich, und Siegfried findet keinen Rächer; Uraja fällt durch
Meuchelmord, seinen Schatz nimmt Ildibad an sich und Uraja findet keinen
Rächer".
Wenn diese Übereinstimmungen zutreffen — und es läßt sich nicht
sehen, was dagegen eingewandt werden könnte — , so sind wesentliche
Teile der Siegfried-Brünhilddichtung der Geschichte des Uraja nachgeformt.
Da sein Tod ins Jahr 540-41 fällt, kann die Dichtung erst danach ent-
standen sein. Sie ist also wesentlich später als das Lied von der Burgunden
Untergang entstanden. Der Terminus post quem liegt für beide Dichtungen
fast hundert Jahre auseinander.
Damit erklärt sich ein Umstand, der zuvor bereits unterstrichen wurde.
Beide Dichtungen, die von Brünhild und die von der Burgunden Untergang,
waren durch mancherlei Fäden miteinander verknüpft, ohne daß darum jene
dramatische Straffung vorläge, die die mittelhochdeutsche Dichtung aus-
zeichnet. Es waren im wesentlichen einige Personen und Sagenzüge, die eine
lose, rein stoffliche Verbindung herstellten. Sobald man bedenkt, daß zur
Abfassungszeit des Burgundenliedes das andere Lied noch nicht bestand,
wird der Hergang klar. Die Sage von Siegfried und Brünhild hatte noch
nicht ihre maßgebende dichterische Gestaltung, hatte nicht einmal feste
Form erhalten. So konnte sie auf das stofflich sich anschließende Lied von
der Burgunden Untergang noch keinen Einfluß besitzen.
Mit den Jahren nach der Mitte des 6. Jahrhunderts kommt man in eine
Zeit, da die spätrömische Kultur, insbesondere die Literatur einen immer
stärkeren Einfluß auf die Franken auszuüben begann. Um 575 fing Gregor
von Tours an, seine Frankengeschichte zu schreiben, und in die erste Hälfte
206 HUNNEN UND BURGUNDEN

des folgenden Jahrhunderts gehören die ältesten Teile des sogenannten


Fredegar. Zum mindesten Gregor war gallisch-romanischer Abkunft, und
Romane war auch der Dichter, der gleichzeitig dem fränkischen Hof das
Gepräge gab.
Venantius Fortunatus stammte aus Treviso. Im Jahre 565 kam er über
die Alpen zur Hochzeit König Sigiberts und verließ den fränkischen Bereich
nicht mehr. Zwei Jahre später fand die Begegnung mit Radegunde, der
thüringischen Königstochter und Witwe Chlotars I., in Poitiers statt. Die
schwärmerische Verehrung, die Venantius ihr und ihrer Pflegetochter, der
Äbtissin Agnes, widmete, fand in einer Vita der Radegunde, vor allem aber
in den an beide gerichteten Gedichten ihren Ausdruck. Die Verbindung
einer seelisch-überirdischen Gemeinschaft mit einem unvermittelt durch-
brechenden Gefühl, das das Wort Liebe verdient und es auch nicht ver-
schmäht 32 , ist oft mißverstanden worden. Diese Verbindung ist echt und
sinnvoll: man wird ihr gerecht, wenn man hier die Anfänge der mittelalter-
lichen Minnedichtung erkennt . . , 33 . Venantius selbst hat germanischem
Wesen und germanischer Kultur so wenig Verständnis entgegengebracht,
wie Sidonius Apollinaris. Aber hier wie dort hat die ausgehende Antike der
Folgezeit ein kostbares Vermächtnis hinterlassen.
Hier kam es auf das Lied von der Burgunden Untergang an. Nicht im
reingermanischen Raum ist die Dichtung entstanden, ebensowenig wie ein
Sieg des eigenen Volkstums in ihr besungen wurde. Sondern eine Kata-
strophe, die die Burgunden der Auslöschung nahebrachte, hat den Sinn für
tragische und heldische Größe angerührt. Aber es war ein Stück eigener und
schmerzlicher Vergangenheit. Dieses bis dahin unbekannte Geschichts-
bewußtsein und der Wille, es dichterisch zu gestalten, entzündete sich an der
Berührung mit einem fremden Volkstum. Ebenso war es die Minnedichtung,
die die sterbende Antike, ohne es zu wollen oder davon zu wissen, dem
kommenden Germanentum mitgab.
Eigene geistige Form ist keinem Volk als fertiges Geschenk in die Wiege
gelegt. Sie muß erkämpft werden. Erst in der Auseinandersetzung mit
fremdem Volkstum, mit fremden Kulturen wird man der eigenen Möglich-
keiten inne. Zuweilen in Nachahmung, immer aber im Wetteifer mit dem
Andersartigen ringt man sich zur Fähigkeit selbständigen Gestaltens durch.

,2
carm. 8, 8, 2 ; 9, 1 1 ; 10, 2, 10; 7, 2 ; 10, 14 u. a. m.; eine genauere Erklärung
10, 6, i f . ; vgl. 16.
ss
Ähnlich F. Schneider, Rom und Romgedanke im Mittelalter 121 f.
V I E R T E S BUCH

DICHTUNG
g. KAPITEL

TRAGIK ALS GESCHICHTLICHE FORM

I
Kennzeichen unserer Zeit ist, daß sie den Erfolg hoch bewertet. Ihr
wohnt ein durchgängiges Streben inne, das auf Leistungssteigerung zielt.
Man erkennt dieses Streben ebenso in der Vermehrung der Erzeugung oder
der Ausfuhr wie darin, daß man bestehende Rekorde zu brechen und neue
aufzustellen wünscht: sportliche Rekorde oder solche der Geschwindigkeit,
Rekorde der Eheschließungen oder Scheidungen, der Geburtenzahl oder was
sonst in Betracht kommen mag.
Hand in Hand mit allgemeiner Leistungssteigerung geht das Ringen um
beruflichen oder wirtschaftlichen Aufstieg des Einzelnen. Auch er läßt sich
dem Bild einordnen, demzufolge Erfolg den Maßstab jeder Bewertung
bildet. Menschliche Wertschätzung fügt sich gleichfalls dem damit ge-
zogenen Rahmen. Auch da bilden Aufstieg und Erfolg selbstverständliche
Wertmesser, oft den einzigen, den man gelten läßt. Daß einer erreichte, was
er sich vorgesetzt hat, scheint zu besten Empfehlungen zu gehören, die man
einem Heutigen mitgeben kann. Diese Kennzeichnung wird mit solcher
Selbstverständlichkeit hingenommen, daß man die Frage nicht einmal
stellt, ob nicht die Art seiner Wünsche den Menschen stärker kennzeichne als
die zufällige Tatsache, daß er diesen Wünschen zur Erfüllung verholfen
habe.
Erfolg wird, gleich als gehöre es sich nicht anders, auch als geschicht-
licher Maßstab übernommen. Nur solchen, die gestellte Aufgaben oder die
Wirklichkeit überhaupt — wie man zuweilen hört — gemeistert haben, ist
man geneigt, die Ruhmespalme zu überreichen. Wohingegen wer unterlag,
verdientermaßen im Parterre der Geschichte seinen Platz erhält.
Dieser, wie nochmals gesagt sei, widerspruchslos hingenommene Maß-
stab hat zu Umwertungen geführt, die Gegenwart oder jüngste Vergangen-
heit in Gegensatz zu dem bringen mußte, was ältere Zeiten anders ein-
geschätzt hatten. Es ist noch erinnerlich, welchen Einbruch Mommsens
14 Altheim, Hunnen IV
210 DICHTUNG

Darstellung der römischen Geschichte in jene Anschauungen erzielte, die


bis dahin unter seinen Fachgenossen herrschten. Mommsen hat die schlichte
Frage, ob man reüssiert habe oder nicht, ohne viel Federlesens seiner
Beurteilung römischer Staatsmänner zugrundegelegt. So kam es zur,
Zeichnung Ciceros und Pompeius', des jüngeren Cato, über die sich schon die
zeitgenössischen Kritiker erregten. Sie stand in ausgesprochenem Gegensatz
zu dem, was römische Geschichtsschreibung selbst in ihren maßgebenden
Vertretern vorgetragen hatte. Ein weiterer Schritt ließ sich kaum vermeiden.
Denn jenes Verdikt, das Mommsen über die Staatsmänner fällte, Schloß
sinngemäß das über die Historiker ein, die solche Fehlurteile zu verant-
worten hatten. Auch Sallust, Livius, Tacitus gehören zu denen, die Momm-
sens harter Spruch getroffen hat.
Cato als Tyrannenfeind hat einstmals viele begeistert und zur Tat auf-
gerufen. Sallust, einstiger Caesarianer, wagte es als Erster, dem Herrn über
eine Welt jenen Mann, der in Utica, von allen verlassen, sich den Tod ge-
geben hatte, als moralischen Sieger gegenüberzustellen. Von den Caesar-
mördern gilt dasselbe: Renaissance und französische Revolution haben einen
wahren Kult mit ihnen getrieben. Was bliebe, wollte man dieser Revolution
Brutus und Cassius, das Vorbild der Selbstaufopferung, nehmen ? Für den
modernen Geschichtsschreiber Roms ist indessen auch diese zum Zeugnis
politischer Bankrotterklärung geworden.
Bei solcher Bewertung berief man sich, zumindest mit dem Schein der
Berechtigung, auf realpolitische Betrachtungsweise. Mangelnder Sinn für
Wirklichkeit und für die Forderungen der Stunde habe die Handlungweise
jener Männer diktiert, und damit sei das Urteil über sie gesprochen. Aber
Wirklichkeit bleibt ein vieldeutiges Ding. Was dem einen dafür gilt, braucht
den anderen keineswegs zu verpflichten. Es genüge allein die Frage, ob
jene vermeintliche Wirklichkeitsnähe nicht wesentliche Wirklichkeiten —
ich meine: die geistigen und sittlichen — übersehen haben.
Wie immer: man hat denen, die scheiterten, darum, weil sie es taten, die
Größe abgesprochen. Doch will es scheinen, als habe man damit Größe als
Prädikat des Urteilens allzu wörtlich oder, wenn man will, allzu eng und
nahsichtig aufgefaßt. Nach dem Anlaß zu solcher Auffassung braucht man
nicht zu suchen. Scheint doch der Hinweis auf Quantität, auf Meßbares im
Wort Größe selbst enthalten. Wie aber sollte man Größe dort suchen, wo
ein an sich Verzweifelnder, gleich dem jüngeren Cato, gleich Brutus, auf
immer schmaleren Raum beschränkt, den letzten Ausweg wählt, der sich
9. TRAGIK ALS GESCHICHTLICHE FORM 211

noch bietet? Wo er, der Erfolglosigkeit und damit der Fragwürdigkeit


seines Wollens überführt, vor sich und vor dem Schicksal mit leeren Händen
steht ?
Und doch besteht ein sichtbarer Unterschied zwischen Größe und
Größe. Als der baumlange General Augerau sich vor dem kleinen Bonaparte
aufpflanzte und meinte, er sei größer, erwiderte der so Angeredete trocken,
Augereau sei allenfalls länger. Export, Kinderreichtum, Rekorde im Lang-
streckenlauf oder in der Uberschallgeschwindigkeit haben ihre meßbare
Größenordnung. Sie lassen sich in Zahlen ausdrücken, und solche Wieder-
gabe erfaßt ihr Wesentliches. Aber menschlicher Größe läßt sich auf solchem
Wege nicht beikommen, und statistischen Methoden gegenüber bleibt sie
stumm. Obwohl man sich zu ihrer Bezeichnung eines quantitativen Aus-
drucks bedient, ist sie der Qualität zugeordnet.
Die besondere Stellung, die menschliche Größe einnimmt, offenbart
sich, sobald man ihr eine weitere Kategorie zur Seite stellt: das Tragische.
Auch das Tragische, wie immer man es umgrenze, entzieht sich der Meß-
barkeit. Man kann es weder produzieren noch seine Produktionszahlen
steigern, so wenig, wie man dies bei menschlicher Größe kann. Beide Werte
haben gemein, daß sie sich jeder Bemühung entziehen; daß sie weder er-
strebt noch herbeigeführt werden können. Und doch sind sie da, und ihr
Vorhandensein ist zu Zeiten höchst vernehmbar. Freilich kommen und
gehen sie nach eignem Gesetz.
Sind sie ein Geschenk der Stunde ? Doch wer wollte Tragik als Geschenk
bezeichnen ? Wir begnügen uns mit der Feststellung, es gebe Zeitalter, die
sich dem Tragischen erschließen und es gebe andere, denen dieses Tragische
sich zu verweigern scheint. Sollte es Zufall sein, daß eine Zeit, die sich derart
dem Götzen Erfolg verschrieben hat wie die unsere, dem Tragischen gegen-
über das Organ zu fehlen scheint ? Man blicke auf unseren so rührigen
Literaturbetrieb: die Vorstellung, eine seiner Tagesgrößen beabsichtige
eine Dichtung tragischen Charakters oder gar eine Tragödie zu schaffen,
vermag bestenfalls ein nachsichtiges Lächeln wachzurufen. Mehr noch:
irgendwie scheint sich das Tragische nicht nur unserer Dichtung oder
unserer Kunst, sondern auch dem Bild der Ereignisse selbst zu versagen.
Furchtbares haben wir in einem Ausmaß erlebt, daß wir darin den Vergleich
mit den meisten geschichtlichen Zeitaltern bestehen dürften. Doch weder
die Weltweite dieser Erlebnisse noch die Zahl der Opfer oder die Art ihrer
Leiden haben sich jenen Adelstitel erringen können, der in der Kennzeich-
14·
212 DICHTUNG

nung des Tragischen liegt. Nirgendwo gelang es, die Ereignisse zu solcher
Sicht zu läutern.
Blickt man umher und fragt, wann wohl zum letzten Male ein geschicht-
liches Ereignis als tragisch empfunden wurde, so muß man über ein Jahr-
hundert zurückgehen. Hoffmannsthal hat von dem „letzten großen euro-
päischen Phänomen" gesprochen und Napoleon gemeint. Schwerlich ist
Zufall, daß Napoleon auch die letzte tragische Gestalt der europäischen
Geschichte gebheben ist. Der Name Waterloo drängt sich auf die Lippen.
„Wunderbare Niederlage, bei der der Ruhm der Vernichteten höher strahlt
als der des Siegers! Bei der der Ruhm die Niederlage überdauert und der
Name des Siegers vielleicht im Triumphe untergeht". So äußert sich der
Verbannte auf St. Helena schon ein Jahr später, damit vorwegnehmend,
was erst die Folgezeit ihm gewähren sollte.
Selten mochten die Chancen geringer erscheinen, daß solche Voraussage
sich erfüllte. Endgültige Niederwerfung des Usurpators, das Ausharren des
eisernen Herzogs, Blüchers versprochene und trotz mancher Widrigkeiten
gewährte Hilfe, nächtliche Flucht des Besiegten: sie überstrahlten zu-
nächst alles. Glorioses Finale eines Befreiungskampfes, schien Waterloo
seiner geschichtlichen Einordnung gewiß zu sein. Und doch ist die Wende
gekommen.
Dichter waren es, die sich immer auf die Seite des Gestürzten geschlagen
haben. Goethe vor allem, aber auch Byron, Balzac, selbst Heine und nicht
zuletzt jener Abbate Monti, dessen Ode im Sterbejahr 1821 Europa daran
gemahnte, daß einer seiner Großen hingegangen war. Dazu kamen die
Lithographen und Holzschneider, Meister einer volkstümlichen Kunst und
Träger der rasch sich bildenden napoleonischen Legende. Sie haben die
Bilder geschaffen, die von Waterloo unzertrennlich sind: den heraufziehen-
den Abend, ein zurückflutendes Heer, das Sterben der Garde, die mit dem
Trauerflor verhüllten Standarten, der Kaiser im Viereck der letzten Getreuen.
Keine offiziöse Darstellung, kein Siegesdenkmal hat diesem Strom der
Vorstellungen gegenüber sich zu behaupten vermocht. Nicht der verzweifelte
Spieler, der nochmals gewagt und endgültig verloren hat, sondern der vom
Schicksal getroffene, dadurch erhöhte und in seiner Größe erst sichtbar
gemachte Titan ist es, was der metallisch dröhnende Name des Schlachtorts
wachruft.
Vergleiche stellen sich ungerufen ein. Wer an der Brücke von Benevent
steht oder auf dem Feld von Tagliacozzo, wird eher Manfreds und Konradins
9. TRAGIK ALS GESCHICHTLICHE FORM 213

gedenken als des siegreichen Anjou. Und der einsame Turm von Astura
gemahnt an das Schicksal des Verratenen, nicht an den schmachvollen
Lohn des Frangipani. Auch Chaironeia und die Thermopylen bleiben mit
dem Namen der Besiegten verknüpft, vor denen die Sieger ins Dunkel
treten.
Wie weit ist man hier von heutiger Uberschätzung des Erfolges entfernt!
Es sind die Erfolglosen, so scheint es, denen Unsterblichkeit gebührt. Den
Unterlegenen wendet sich das Mitgefühl zu, und an ihre Spuren heftet
sich der Ruhm. Nur ihm, der im Untergang sich treu bleibt und dem
Großen verhaftet, das sein Leben bestimmt hatte, ist Dauer und Unsterb-
lichkeit gewährleistet.

2
Man erwarte nicht, daß geschichtliche Tragik definiert werde. Solche
Festlegung würde mehr beengen als weiterhelfen. Was gemeint ist, kann,
wie so oft, nicht umgrenzt, sondern allein im Vollzug erfahren werden.
In einer Zeit, da man mit den fragwürdigen Erzeugnissen einer abstrakten
Kunst gespeist wird, tut es wohl, für eine Weile sein Auge auf einem Werk
der gegenständlichen ruhen zu lassen. Und während man gehalten ist,
sich an die „Kunst im Unterwegs" zu gewöhnen, erfreut man sich des
sozusagen verpönten Genusses einer Darstellung, die noch ganz im Bann
einer großen Uberlieferung steht. Girodet, einer der Meister der französischen
Romantik, hat den blutigen Kampf festgehalten, mittels dessen Bonaparte
die ägyptischen Aufständigen in der Hakim-Moschee niederwarf. Diese ,, Re-
vokes de Caire" laden auch darum zur Betrachtung ein, weil große Histo-
rienmalerei von den Fanatikern der modernen Kunst verschmäht wird. Man
darf dem mit Gewißheit entnehmen, daß ein bedeutender Gegenstand des
Entdeckers harrt.
Aus dem Kampfgewimmel, das den Rahmen zu sprengen scheint, sei die
Mittelgruppe herausgegriffen. Ein junger, vornehmer Mameluke ist unter
tödlichem Stoß zusammengesunken. Bleich, mit edlen Gesichtszügen, hebt
er sich durch seinen angeborenen Adel von den dunkelhäutigen Arabern
und den braungebrannten Dragonern ab, die gegen ihn andrängen. Zirkassier
oder Lesghier, wie die Mameluken zumeist, entstammt er einer reineren
und edleren Welt. Wie alles Vollendete, trägt er den frühen Tod in sich.
Klaglos sinkt er zurück, nichts entstellt das im Sterben verklärte Antlitz.
214 DICHTUNG

Ein Krummsäbel entfällt der Rechten, und das kostbare, mit den Pelzen
seiner nördlichen Heimat umsäumte Gewand umhüllt den Gefallenen gleich
einem Bahrtuch. Der Tod ihres Herrn hat die Diener zu wilder Rachsucht
entflammt. Ein unbekleideter Hüne hat mit der Linken den niedersinkenden
Körper des Toten gefaßt, mit der Rechten holt er zum Hieb aus.
Aber schon entblößt er in verhängnisvoller Unachtsamkeit die eigne
Flanke, sich nackt dem wohlgezielten Stoß darbietend. Der andrängende
Dragoner, mit einem Helm nach römischer Art angetan, hat den Umhang
des Bedrohten ergriffen. Im nächsten Augenblick wird die Wagrechte des
gezückten Degens in das muskulöse Fleisch des Gegners eingedrungen sein,
wird über dem gefallenen Herrn der getötete Diener zusammensinken.
Vergeblich sucht ein schwarzer Sklave, ans Bein des stehenden Genossen
sich klammernd, vom Boden her mit gezücktem Handschar gegen den
andringenden Sieger einen Stoß zu führen. Der Neger umfängt mit der
Linken seine Beute, den abgeschnittenen Kopf eines Franzosen. Doch man
weiß: ein zweites Mal wird ihm solcher Triumph nicht zufallen. Die Schlacht
zu seinen Häupten ist, obwohl noch in der Schwebe, in Wahrheit bereits
entschieden.
Furchtbarer Kampf der Leidenschaften: entfesselter Orient, der um das
nackte Leben kämpft; demgegenüber die disziplinierte Truppe in antikischer
Bewaffnung, gleich einem ehernen Fatum vorrückend und den Gegner
niederwerfend. Hier verzerrte Wut und funkelndes Auge, dort die grau-
same Entschlossenheit, der kein Erbarmen in den Weg tritt. Nur im Tod
verklärt sich, was im Leben Beute der Leidenschaften und menschlichen
Geworfenheit war. Dem Antlitz des zusammensinkenden Mameluken ent-
spricht der Ausdruck des abgetrennten Hauptes, das in der Hand des
Negers ein eignes Leben weiterführt: erstarrt gleich der Meduse und von
der geheimnisvoll-wissenden Schönheit Johannes des Täufers, wie ihn
Leonardo gemalt hat.
Seltsame Umkehr dessen, was man erwartet. Der Sieger bleibt gleichsam
im Dunkel der Anonymität. Er gewinnt den Kampf, aber er gewinnt, ohne
dafür die Anteilnahme des Künstlers und des Betrachters einzutauschen.
Man registriert die Tatsache, aber man tut nicht mehr. Der riesenhafte
Kämpfer, der gegen den Untergang mit aller Kraft seines aufgereckten
Körpers sich stemmt, und mehr noch sein Herr, den die Majestät des Todes
bereits umfängt, beanspruchen ausschließlich das Mitgefühl. Auch der
Franzose, der dieses Bild geschaffen hat oder für den es bestimmt war —
9- TRAGIK ALS GESCHICHTLICHE FORM 215

überhaupt jeder, der die Szene in sich aufnimmt, muß auf die Seite des
Besiegten treten. Niemand würde bereit sein, diesen die geringsten Chancen
zu gewähren. Doch eben die Unausweichlichkeit eines Geschicks, das sie
jeder nach seiner Weise auf sich nehmen, sichert ihnen die Teilnahme.
Es wurde gesagt, Girodets Werk stehe innerhalb einer langen Über-
lieferung. Da sind die Amazonenkämpfe auf den Reliefplatten des Mauso-
leums von Halikarnassos. Man hat im Britischen Museum oftmals vor
ihnen gestanden. Bei aller Bewunderung für die gestrafften, langgliedrigen
Körper ihrer Gegner, ihrer kriegerischen Leidenschaft, der Bravour ihrer
Posen, versammelt sich alles Mitgefühl auf Seiten der kämpfenden Frauen.
Man weiß, daß ihre Tapferkeit aussichtslos ist, und man zittert um ihr
Schicksal. Unvergeßlich die hochaufgerichtete Schöne, die mit dem Doppel-
beil sich wehrt. Kämpferische Leidenschaft hat ihre herrlichen Gluteen den
Blicken freigegeben: angesichts des Unterganges enthüllt sie ihr Geheimstes,
gleich dem apollinischen Schwan, dem erst die Todesstunde die Gabe des
Gesanges entbindet.
Das Mosaik mit der Alexanderschlacht in Neapel — wie fern ist auch
auf ihm der Sieger gerückt. Am linken Rand auftauchend, drängt er heran,
die Niederlage des Gegners zu vollenden. Und doch scheint eine Fügung
ihren Lauf zu nehmen. Mit weitgeöffneten Auge erschaut Alexander, was
sich vor ihm abspielt, was den Blick auch des Betrachters fast ausschließlich
festhält. Der Großkönig zur Flucht mahnend, wobei sein Gefährt sich rück-
wärts kehrt; ineins damit Verwirrung der Seinen, die auf ihren Herrn schauen
und der Gefahr des eignen Lebens nicht achten. Während der Makedone
mit seinen Reitern gestreckten Laufes herbeieilt, wendet sich das königliche
Gefährt langsam, fast widerwillig: weder das Drängen des Inhabers noch
die Geißel des Wagenlenkers vermag den Vorgang zu beschleunigen, von
dem doch alles abhängt. In diesem Augenblick opfern sich zwei der Getreuen:
der eine, indem er sich der Lanze des Siegers entgegenwirft; der andere,
indem er das eigne Pferd dem bangenden Herrscher zur Verfügung
stellt.
Dieses Pferd, in kühner, aber überzeugender Verkürzung gegeben, weist
erneut auf das Gefährt hin. Es akzentuiert die Situation, rückt den König
in den Mittelpunkt, aber indem es rechtwinklig zur Bildfläche gestellt ist,
verbindet es, was auf dieser sich abspielt, mit dem Beschauer. Dem besiegten
Herrscher wird, wenn er das Tier besteigt, der Ausweg zu uns offenstehen,
die wir seine Rettung mit Spannung verfolgen. Gleich jener Amazone, die
216 DICHTUNG

in höchster Not den Rücken dem Betrachter zukehrt, als finde sie bei diesem
Deckung und Rückhalt. Indessen schreitet auch in dieser Schlacht das
Schicksal voran: ein Gehege von Lanzen, aufrechter und gefällter, umrahmt
und umzackt, was sich an Unabwendbarem vollzieht.
Lanzen und senkrecht zur Bildebene gestelltes Pferd vermitteln den
Schritt zu Velasquez' „Übergabe von B r e d a " ; die Lanzen hatten dem
Bild einst den Namen gegeben. Erneut diese Teilnahme am Schicksal des
Unterlegenen, und der spanische Sieger erweist sich als solcher, indem er
seiner Teilnahme ritterlichen Ausdruck verleiht. Auch Goyas „Erschießung
der Geiseln" gehört in diese Reihe. Licht fällt auf die Todgeweihten allein,
während die Exekutoren sich zur bloßen Kulisse, zur Maschine zusammen-
schließen, die erhaltene Befehle mechanisch ausführen.
Merkwürdig, daß Verherrlichung des Sieges in antiker und europäischer
Kunst kaum jemals sich durchzusetzen vermochte. Das gilt von Raffaels
Stanze, die Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke darstellt; die Be-
deutung des Heliodor-Freskos liegt in anderem als geschichtlichen Bereich.
Siegesszenen der Neueren haben ohnedies ihren Lohn dahin. Was wiegen,
darstellerisch gesehen, Napoleons Schlachten erfolge gegenüber der Tragödie
von Waterloo!
Nun das Gegenbild! Die Kunst der Pharaonen hat nur einen geschicht-
lichen Vorgang gekannt, den sie in unzähligen Fassungen mehr wiederholte
als daß sie ihn abgewandelt hätte. Auf den Pylonen der Tempel von Medinet
Habu und Luxor, auf den Pylonen und dem Säulensaal des großen Tempels
von Karnak sieht man den Herrscher hoch zu Wagen als Jäger und sieg-
reichen Kämpfer. Wildes Getier und den menschlichen Gegner wirft er
mit dem Streitkolben nieder, ereilt er mit nimmer fehlendem Schuß, tritt
er in den Staub. Der besiegte Feind demütigt sich vor dem Gottgleichen,
die Gefangenen krümmen sich unter den Fesseln oder werfen sich zur Erde.
Nirgendwo ein Zug, der verriete, daß menschliches Schicksal, menschliche
Tragik auch hier walte: alles erschöpft sich im gnadenlosen Ausdruck groß-
königlicher Gewalt.
Selten zeigt sich derart, welche Weiten uns von dieser Kunst trennen.
Bebilderte Bücher von heute wählen zumeist den Ausschnitt aus der
Gesamtdarstellung, um diese erträglich zu machen. Gebärde und Physio-
gnomie der Gefangenen, Bittflehenden, Dahingeschleppten, der Todes-
kampf des getroffenen Wildes treten — unwillkürlich, möchte man sagen —
in den Vordergrund; sie bringen uns dieses Fremde, dieses so ganz anders
9· T R A G I K ALS GESCHICHTLICHE FORM 217

Geartete „nahe", indem sie es aus dem Zusammenhang reißen und ver-
fälschen. A m Bilde des siegenden Pharao hat noch niemand Gefallen zu
gewinnen vermocht.

Man weiß vom tragischen Zeitalter der Griechen; man weiß auch von
den Berührungen zwischen Tragödie und Geschichtschreibung, Sophokles
und Herodot, Euripides und Thukydides. Weniger geläufig ist, daß sich
eine der großen Ubergangsepochen der Weltgeschichte als tragisch ver-
standen hat. Gemeint sind die Jahrhunderte, da das ausgehende Altertum
sich anschickte, von der geschichtlichen Bühne abzutreten und einer neuen
Welt Platz zu machen. Spätantike und mittelalterliche Frühe haben eine
Reihe von Gestaltungen geschaffen, die alle den tragischen Untergang des
eignen Volkes gestalten. Die ihn weder zu erklären noch zu entschuldigen,
ihn auch nicht psychologisch zu deuten suchen, sondern den Vorgang in
seiner ungebrochenen Größe groß und einfach hinstellen.
ΙΟ. K A P I T E L

HELDENLIED

Das Lied von der Burgunden Untergang steht in einer langen Reihe
ähnlicher Heldenlieder. Im Gegenstand berührt es sich mit dem altnor-
dischen Lied von der Hunnenschlacht (oben i , 354f.): beidemale geht es
um die kämpferische Auseinandersetzung mit dem unheimlichen asiatischen
Volk. Wie manches andere Stück der altnordischen Dichtung hat man das
Lied von der Hunnenschlacht auf ein gotisches Vorbild zurückgeführt 1 .
Und mit den Goten ist man zu dem germanischen Stamm gelangt, der das
Heldenlied, der allgemeinen Ansicht nach, zugleich geschaffen und auf
seinen ersten Höhepunkt geführt hat 2 .
Durch neue Beobachtungen und nicht zuletzt durch neue Funde hat
sich dieses Bild gewandelt. Den Goten als Schöpfern des Heldenliedes
scheinen in den Nordiraniern und in deren Gefolge auch in den Hunnen
Mitbewerber zu erwachsen. Die Beantwortung der Frage, von wem der
Anstoß ausgegangen sei: den Ostgermanen oder ihren Gegnern jenseits des
Don, ist um so schwieriger, als beide in unmittelbarer Nachbarschaft
wohnten. Das Lied von der Hunnenschlacht spielt auf diese Nachbarschaft
an, und eben die Ostgoten, die von beiden Stämmen zunächst als Schöpfer
des älteren Liedes in Betracht kommen, saßen bis zum Don. Pervasis
Halanorum regionibus quos Greuthungis confines Tanaitas consuetude nomi-
navit läßt Ammianus Marcellinus (31, 3, 1) die Hunnen nach Westen vor-
dringen.
Von vornherein dürfen Alanen und Hunnen die frühesten Zeugnisse
für sich buchen. Attilas Grablied (oben 1, 240f.) zeigt das Bestehen einer
Liedform, die nicht nur Alter, sondern auch hohen Rang beanspruchen kann.
Sie besitzt bereits einen festen Stil, und dessen, was diesen prägt, weiß man

1 G. Baesecke, Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums i , 1 7 5 f . ; L.


W o l f f , Die Helden der Völkerwanderungszeit 5of.
2 F. R. Schröder in: Romanisch-germanische Monatsschrift 1939, 349.
10. HELDENLIED 219

sich mit Erfolg zu bedienen. Gegenüber dem germanischen Heldenlied er-


gibt sich freilich die Besonderheit, daß jenes hunnische Lied mit Tod und
Begräbnis verbunden ist und innerhalb des Totenkultes einen bestimmten
Platz einnimmt. Dasselbe gilt von der nenia, die bei Ammianus Marcellinus
(19. 1, 9—11) die Chioniten ihrem gefallenen Königssohn zu Ehren singen
(oben i , 247). Man kommt mit diesem Stück hunnischer Dichtung fast
hundert Jahre weiter zurück, und die Verhaftung mit Tod und Leichen-
begängnis bestätigt, daß man hier an einen Ausgangspunkt der ganzen
Entwicklung gelangt ist. Es bestätigt sich freilich auch der Unterschied
vom germanischen Heldenlied. Was dieses kündet, sieht von jedem kul-
tischen oder geschichtlichen Anlaß ab. Es wendet sich an eine Zuhörerschaft,
die zusammengekommen ist, um allein dem Wort des Sängers zu lauschen.
So könnte scheinen, als walte doch zwischen dem gotischen Lied und
dem hunnischer Herkunft ein Unterschied. Und je nach Temperament mag
man darin einen zufälligen oder einen wesenhaften erblicken. Doch darf
man eine Stelle bei Priskos nicht übersehen (Exc. de legat. 1, 145, 4f.).
Danach traten an Attilas Hof zwei barbarische Sänger auf, die mit άσματα
πεττοιημέυα, kunstmäßig abgefaßten Gesängen, sich vernehmen ließen. Man
weiß von den Liedern des Kaiewala, überhaupt von den finnischen Runen,
daß sie von zwei Personen vorgetragen wurden. Der eigentümliche Vers-
parallelismus dieser Lieder fällt mit der Art des Vortrages zusammen.
Zwei Sänger sitzen, einander an den Händen haltend, gegenüber 3 . Der erste
Vortragende bestimmt mit seinem Vers das Vorwärtsschreiten der Er-
zählung, während sein Gegenüber das Gesagte nochmals unterstreicht oder
ausmalt. Sollte die Zweiheit der hunnischen Sänger auf ein ähnliches Ver-
fahren weisen ? Doch wie dem sei: die Sänger am Hunnenhof künden von
Attilas Siegen und kriegerischen Eigenschaften. Die Lieder rufen tiefe Bewe-
gung unter der hunnischen Zuhörerschaft hervor. Darüber kann kein Zweifel
bestehen, daß, bevor noch bei Attilas Begräbnis das hunnische Lied er-
klang, auch hier eine Stufe erreicht war, da sich das Heldenlied von kultischer
Verhaftung gelöst und eignen, idealen Zwecken zugewandt hatte.
Die beiden Inschriften von Mchet'a (oben 1, 247f.; oben S. 8f.) führen
in die alanische Welt. Beide sind Dichtungen, wie sich gezeigt hat; sie
verwenden Maße, die man aus den späteren syrischen Memre kennt. Gegen-
über jener nenia der Chioniten ist man um mehr als weitere 200 und fast
300 Jahre rückwärts vorgestoßen. Wieder ist die Verhaftung an Tod,
* M. Haavio, Viimeiset runonlaulajat (1942) 65; 213.
220 DICHTUNG

Begräbnis und Leichenkult unverkennbar. Wenn noch nötig, ist die Ent-
stehung all dieser Dichtung bewiesen: Heldenlied war ursprünglich ein
Totenlied. Aber erneut muß vermerkt werden, daß nicht weniger deutlich
als solcher Ausgangspunkt die nachträgliche Lösung von diesem sich fest-
stellen läßt.
Es ist der in beiden Inschriften, besonders in der aramäischen, ver-
wandte Redetypus έ γ ώ είμι, der den Hinweis gibt. Die Verwendung dieser
Form bedeutet eine Besonderheit gegenüber dem germanischen Lied und
dem hunnischen, zumindest dem westhunnischen. Denn im hunnischen
Osten stellt sich sofort die Entsprechung ein. Eigner Lobpreis, der aus dem
Mund des hephthalitischen Königs von Sümän ertönt, bedient sich gleich-
falls der feierlichen Ich-Prädikation (oben 2, 96f.). Zugegeben, dieser
König spricht seine Worte, bevor ihn der Untergang ereilt. Aber er
ahnt nichts von dem Kommenden, und nur für den, der dem Lauf der
Ereignisse folgt, besteht dieser Zusammenhang. Anders ausgedrückt: ein
Bezug auf den Tod ist noch vorhanden, und gerade für den Hörer, der diese
Worte vernahm, mochte diese Beziehung sich einstellen. Er mochte ahnen,
daß Unvermeidliches bevorstand. Aber die Ich-Prädikation folgte nicht
dem Tod, sondern ging ihm voran. Jetzt war auch sie aus der Verhaftung
mit dem Grabkult gelöst und folgte in ihrer Anordnung rein dichterischer
Gesetzlichkeit.
Aus der gleichen Zeit wie der Untergang des Königs von Sümän mögen
jene Lieder stammen, von denen Narsahi wußte: kln-i Siyävus, von der
Magierschaft Buchärä's am Neujahrsfest gesungen. Sie feierten Jahr für
Jahr den Tod des Helden, wurden von Priestern einer Religion vorgetragen
und von deren Gemeinde vernommen (oben 2, 97). Davon hat sich der
Tod des Hephthalitenkönigs von Sümän gelöst, ebenso, wie er sich der
dinglichen Verhaftung mit Grabstein und dessen Inschrift entledigt hat.
Geblieben ist nur eines: jenes Tragische, das mit dem Untergang eines
Helden gegeben zu sein pflegt. Aber dieser Tod ist nicht mehr Einzelfall:
er steht für den Untergang des eignen Volkes, seiner Größe und seiner Frei-
heit. Und so ist denn nicht nur der König Sümän's, sondern als dessen
Gegenbild, der Herrscher Samarkands, in das Geschehen einbezogen.
Wiederum kann nicht gezweifelt werden, daß die Stufe, darin allein die
ideale Gesetzlichkeit der Dichtung sich ausdrückt, erreicht ist. Mehr noch:
was aus dem angeführten Stück spricht: der Schmerz um den Untergang
des Volkes, dessen Unvermeidlichkeit, aber auch tragisches Geschehen und
ΙΟ. HELDENLIED 221

tragische Stimmung stellen die Verbindung zum Lied von der Burgunden
Untergang her. Alles, was das germanische Heldenlied kennzeichnet, ist
irgendwo in dessen hunnischen und alanischen Vorgängern bereits vor-
handen. Kämpferische Tat ebenso wie das große Schicksal über ihr; eigne
Macht und Stärke, die an dem, was ,die Nome sprach', zerbricht und zu-
gleich sich behauptet; ins Tragische gesteigertes Heldentum als Maß der
Dinge 4 . Seltsam und zugleich kennzeichnend, daß diese Form auch an der
Auseinandersetzung mit dem hunnischen Gegner gewachsen ist, und wenn
die vorgetragene Auffassung zutreffen sollte, mittels einer dichterischen
Form, die dieselben Hunnen zuvor geprägt hatten.

Die ältesten Zeugnisse, die im vorangehenden Abschnitt aufgeführt


wurden, bildeten die beiden Inschriften aus Mchet'a: die griechisch-ara-
mäische Bilinguis und die zuvor erstmals gelesene Inschrift (oben S. 8f.),
im Folgenden kurz als die zweite Inschrift bezeichnet. Die Könige und die
Angehörigen ihrer nächsten Umgebung, die auf diesen Inschriften erscheinen,
tragen iranische, meist alanische Namen. Die Feststellung liegt auf der
Hand, daß diese Alanen auf den Gebrauch ihrer noch nicht literarisch
gewordenen Muttersprache verzichtet und sich des Aramäischen bedient
haben. Dieser Umstand, bemerkenswert und folgenreich, wie er ist, gestattet,
die zuvor behandelte Frage von neuem Standpunkt aus anzupacken. Er
ermöglicht, diesmal nicht vom germanischen Heldenlied als spätestem
Ergebnis, sondern umgekehrt von den aramäischen Anfängen auszugehen
und auf diesem Weg das bisherige Ergebnis nachzuprüfen. Solche Nach-
prüfung ist um so wünschenswerter, als das bisherige Ergebnis eine Umkehr
älterer Meinungen gebracht hat.

In der Tat stehen die beiden Inschriften aus Mchet'a in einer weit
zurückreichenden Überlieferungskette. Beide bedienen sich des Redetypus
έ γ ώ ε(μι, und beide zeigen Verse, die in einem Fall der Prosa eingefügt sind.
Während die Bilinguis eine Grabinschrift ist, gibt die zweite Inschrift
einen Tatenbericht. Zwei altaramäische Inschriften, die eine der ersten
Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr., die andere dem 7. zugehörig, geben
für beide Fälle die ältesten Beispiele.

* F. R. Schröder, a. O. 351.
222 DICHTUNG

D a ist zunächst die Inschrift des Königs Zkr von H a m a t 1 . Usurpator


auf dem Thron, hat er das benachbarte Königreich L a ' a s erobert und sich
auch dort zum K ö n i g gemacht. Hzrk, Hauptstadt dieses Königreiches, wird
von B a r H a d a d , König von Damaskus, und weiteren, mit ihm verbündeten
Staaten belagert. Zkr hat sie mit Erfolg verteidigt. Der T e x t beginnt in
der 3. Person: „ D i e s ist die Stele, welche setzte . . . " Darauf stellt sich Zkr
selbst vor und führt in der 1. Person fort. E r nennt sich einen demütigen
Mann und verweist auf die Eroberung von Hzrk mittels göttlicher Hilfe.
U m den eignen Abwehrerfolg ins rechte Licht zu rücken, beschreibt er die
gewaltigen Anstrengungen, die die Gegner gemacht haben. Und auch
diesmal hat sich Zkr an den Himmelsgott gewandt, und dieser hat ihm
Zusicherungen gewährt. Die Rede erhebt sich zu feierlichem Ton, kenntlich
daran, daß nur an dieser Stelle das kanaanäische Wau consecutivum ver-
wandt ist. Wie dann die Belagerer abgewehrt, die Stadt verschönt und aus-
gebaut, die Stele dem Gott zum D a n k errichtet wurden, wird gleichfalls in
Ich-Rede erzählt. Der Rest der Stele, von Β ι ό ab, kehrt zur 3. Person
zurück, um Verfluchungen dessen, der sich an dem Denkmal vergreift, und
ähnliches vorzubringen (der T e x t ist lückenhaft erhalten).

Das jüngere Stück ist eine Grabinschrift, gemeinhin als Nerab II be-
zeichnet. 2 . Sie ist von einem Priester des Mondgottes gesetzt. A u c h sie
spricht zunächst in der 3. Person: „(Stele) A g b a r ' s , Priesters des Mondgottes
in Nerab. Dieses ist sein Bildnis". Dann setzt auch hier der Ich-Stil ein:
„Meiner Gerechtigkeit zufolge . . . " und so fort bis zum Ende der zehn Zeilen
umfassenden Inschrift. Der Ich-Stil ist mit äußerster Folgerichtigkeit durch-
geführt. Wird doch betont, um seine A n w e n d u n g zu erklären, daß der
T o t e sehen und sprechen könne. Es folgt die Frage: „Mit meinen Augen,
was sehe ich ? " Der T o t e sieht alle, die an seinem Grabe trauern. Z u m Schluß
wendet er sich an solche, die der Versuchung unterliegen sollten, sein G r a b
zu schänden. Die Götter würden ihnen schlimmen T o d schicken und die
Nachkommen verderben.
Bisher hat man die Inschrift als Prosa gelesen, zumal sich eine Abteilung
von Versen nicht erkennen läßt. Wenn liier Verse vermutet werden 3 , so
hegt eine Schwierigkeit darin, daß man die Vokalisierung meist schwer

1 M. Lidzbarski in: Ephem. für semit. Epigraphik 3 {1909f.), 1 f.; A. l)upont-Sum-

mer, Les Arameens (1949) 45 f.


2 M. Lidzbarski, Handbuch der nordsemitischen Epigraphik (1898) 445.

3 Auch J. Friedrich hat diese Möglichkeit in seinen Vorlesungen erwogen.


10. HELDENLIED 223

fassen kann. W o die Matres lectionis fehlen, ist man auf Rückschlüsse a u s
späteren S p r a c h s t u f e n angewiesen. Immerhin scheint es möglich, wenn
auch nicht die genaue A u s s p r a c h e , so doch die Silbenzahl der W o r t e m i t
hinlänglicher Sicherheit festzulegen.
V o n vornherein darf man Siebensilbler erwarten, u n d diese stellen sich
denn auch bei der V e r f l u c h u n g s f o r m e l z u m S c h l u ß ohne Weiteres ein:
man at(t) ti'tak w-tihnasnl η
ihar w-nekal w-nuSku yhab'&ü η
mmätteh w-ahnteh ti'bad η
„ W e r immer du m i c h schädigst und r a u b s t ,
N e k a l und N u s k u sollen schlimm gestalten
seinen T o d , und seine N a c h k o m m e n s c h a f t soll zugrunde g e h e n " .
Die V e r f l u c h u n g s f o r m e l , aus d e m A k k a d i s c h e n ü b e r n o m m e n , ist hier in
Verse u m g e s e t z t w o r d e n 4 .
Vergleicht m a n d a m i t die beiden Inschriften aus M c h e t ' a , so zeigt sich,
d a ß die Bilinguis als Grabinschrift z u N e r a b I I , die zweite Inschrift als
T a t e n b e r i c h t zur Stele des Ζ kr gehört. D i e R e d e in i . Person ist beidemale
g e w a h r t und im F a l l der Bilinguis auch die Verse. N u n erscheinen diese
auch in der zweiten Inschrift. D i e V e r w e n d u n g solcher Verse zugleich im
T a t e n b e r i c h t ist Ü b e r t r a g u n g aus der Grabinschrift, w o sie ursprünglich
heimisch sind. D a s ist eine Neuerung, und d a ß sie in Grusinien geschehen
ist, zeigen die sonstigen T a t e n b e r i c h t e , die, im Ich-Stil a b g e f a ß t , aus der
Folgezeit erhalten sind 5 .
D a sind die meisten der altpersischen Königsinschriften, vor allem
D a r e i o s ' I. Inschrift von B i s u t ü n : T a t e n b e r i c h t e , darin der Herrscher in
i . Person spricht. In ihrer N a c h f o l g e stehen die Inschriften der frühen
Sasaniden, darin wiederum der G r o ß k ö n i g sich in der I c h - R e d e vernehmen
l ä ß t . E s folgen die Inschrift (Adulitana II) des ungenannten K ö n i g s von
A k s ü m , die K o s m a s Indikopleustes (104 Cf.) b e w a h r t h a t ; dann die R e i h e
der griechischen, sabäisch und äthiopisch geschriebenen T a t e n b e r i c h t e des
' E z ä n ä · u n d in dessen A r t , aber weit später v e r f a ß t , die des Hasäni D ä n ' e l 7 ,

4 Verfluchung und Gebet gehören wesenhaft zusammen. In diesem Zusammenhang

sei daran erinnert, daß C. C. Torrey gezeigt hat, daß das Vaterunser in Lukas' Fassung,
übersetzt man es ins Aramäische zurück, siebensilbige Verse ergibt: Zeitschrift für
Assyriologie 28 (1913), 312f.; vgl. Journ. Amer. Orient. Soc. 46 (1926), 241.
5 W . Dittenberger, Orient. Gr. Inscr. sei. 1, 285f.

6 E. Littmann in: Deutsche Aksum-Expedition 4 (1913), 4f.

7 E. Littmann, a. O. 43t.
224 DICHTUNG

aus Aksüm. Den Abschluß bildet die Inschrift König Silko's von Nubien 8 .
Alle sind sie in Prosa abgefaßt, gewiß in feierlich und kunstvoll stilisierter,
aber der Vers ist gemieden. Nur dort ist er geblieben, wo er mit der zweiten
Inschrift von Mchet'a eingedrungen war: bei den Nachbarn der Alanen,
will sagen: den Hunnen. Die beiden Sänger, die an Attilas Hof άσματα
πεποιημένα über die Taten und Siege des Herrschers vortrugen, haben dies
in Versen getan. Sie haben noch einen zweiten und dritten Schritt getan:
sie haben sich von der Inschrift gelöst, und sie haben von dem, dessen
Lob sie sangen, in 3. Person gesprochen 9 .
Damit ist man erneut an das Heldenlied nahe herangekommen. Natürlich
müssen nicht die beiden, uns unbekannten Sänger die Neuerungen ein-
geführt haben. Es mögen mittelbare oder unmittelbare Vorgänger gewesen
sein; das entzieht sich der Ermittlung. Entscheidend ist, daß der Bruch
mit dem Vorbild, das die aramäische Dichtung darbot, von den Nomaden
Osteuropas, Alanen und Hunnen, vollzogen wurde. Und daß dem so ist,
zeigen einige Angaben, die über ein weiteres Nomadenvolk, das im gleichen
Raum erstmals hervortrat, sich erhalten haben. Wir verdanken den Hinweis
unserem Freunde M. de Ferdinandy: es sind die alten Ungarn.
C. A. Macartney 1 0 bemerkt über die ältesten geschichtlichen Erinnerun-
gen, von denen man hört: ,,A salient trait of this type of .literature' was
its personal character. It dealt almost exclusively with the origins and the
exploits of individual champions. To this fact — which we could in any
case have deduced from the character of the material which has come
down to us — we have the explicit witness of more than one chronicler.
Anonymus, in what is almost certainly a quotation from some old epic,
writes of certain of his heroes that, after a victory, ,they rejoiced greatly,
and held a banquet, and each one extolled himself for this victory'. Another
writer explains the belief that Hungary was conquered by seven captains
alone by saying that the seven chief leaders had songs made up in their
own praise, in order to monopolize the credit".
Die erste der angeführten Stellen findet sich beim Anonymus im 22.
Kapitel 1 1 und lautet: Tunc Tuhutum et füius suus Horca de Ziloc egressi
venerunt in partes Mezesinas ad Zobolsum et Thosum et, cum se invicem
8 W. Dittenberger, a. Ο. 1 Nr. 301.
• Die griechische Fassung der Bilinguis steht auf besonderem B l a t t , vgl. oben
1, 248.
10 The Medieval Hungarian Historians (1953) 2.
11 SS. rer. Hung. 1, 64.
10. H E L D E N L I E D 225

vidissent, gaudio gavisi sunt magno et facto convivio unusquisque laudabat


se ipsutn de sua victoria. Hier ist die Ich-Rede erneut deutlich, dazu der
unter dieser Form vorgetragene Tatenbericht. Man mag dazu stellen, was
Agathias von einem Volk gleicher geographischer Zugehörigkeit berichtet,
den kaukasischen Lazen (3, 4 p. 145, 15f. Niebuhr): μέγιστον γ α ρ έθνος
και ά γ έ ρ ω χ ο ν ol ΛαζοΙ καΐ μεγίστων ά λ λ ω ν κρατοϋσι, τ ω τε π α λ α ί ω
τ ω ν Κ ό λ χ ω ν όνόματι βρενθυόμενοι πέρα τ ο υ μετρίου μεγαλαυχοϋσι,
και τ ά χ α ού λίαν ά λ ό γ ω ς .
In beiden Fällen wird nicht gesagt, daß das vorgetragene Selbstlob in
Versen abgefaßt war. Hier springt die zweite Stelle ein, auf die Macartney's
angeführte Worte sich bezogen. Sie findet sich im Chronicon Budense c. 36 12
und erzählt zunächst von einem ganz andersgearteten Ereignis: der
schweren Niederlage, die das ungarische Heer erlitten hatte. Sieben Über-
lebende berichten nunmehr nicht von Heldentaten, sondern von der
schmachvollen Behandlung, die sie erlitten haben, und bei dieser Gelegen-
heit wird der sieben Stammeshäuptlinge bei der Landnahme gedacht.
Accidit autem temporibus Toxun Hungarorum exercitum versus Galliam pro
accipiendis spoliis ascendisse... Quam dux Saxonie apud Ysnacum, Turingiae
civitatem, sine VII Hungaris ofnnes interfecit. Septem autem ex ipsis reservatis
amputatis auribus misit in Pannoniam. Ite, inquit, ad vestros Hungaros
taliter enarrantes, ut amplius non veniant in hunc locum tormentorum . . .
Hungaris autem VII sine auribus, pro eo ut vivi redierunt et se occidi cum
sociis non elegerunt, communitas talem sententiam dedisse perhibetur: omnia
quae habebant, amiserunt, tarn in re stabili quam mobili, ab uxoribus et pueris
illos separantes. pedites sine calceis, proprium nil habere permiserunt. Semper
etiam insimul de thabernaculo in thabernaculum mendicando usque dum
viverent ire compulerunt. Qui quidem septem ob offensam huiusmodi het Mogor
et Gok (stattdessen hat das Chron. Pictum Vindob.: Lazari) sunt vocati. Ex
istis itaque sie dampnatis vulgus dicit: non de septem capitaneis istis primis.
Praeterea cum sit quodammodo proprium mundanorum arrogantie plausum
plus de se assumere, quam ex alienis de se ipsis componentes, ideo isti capitanei
VII de se ipsis cantilenas componentes, fecerunt inter se decantari ob plausum
secularem et divulgationem sui nominis, ut quasi eorum posteritas his auditis
inter vicinos et amicos iactare arrogantia se valerent.
Hier bestätigt sich, daß bei dem Selbstlob die alte Form der Ich-Rede
noch fortbestand. Aber daneben hatte man eine andere Form. Die Wendung:
12 SS. rer. Hung, ι, 293—4.

15 Altheim, Hunnen I V
226 DICHTUNG

quam ex alienis de se ipsis componentes zeigt, daß es daneben noch derartige


Tatenberichte gab, die, von Anderen verfaßt, ihre Helden in der 3. Person
feierten. Freilich genügten sie den Gefeierten nicht, und so de se ipsis
cantilenas componentes fecerunt inter se decantari, zum Gedenken bei den
Nachfahren. Die letzte Wendung zeigt, daß es sich um φσματα πεττοιημέυα
gleich den am Attilahof vorgetragenen handelte. Die angeführte Stelle wird
übrigens ergänzt durch die Variante des Chronicum Posoniense1S, darin
wiederum von cantilenae und decantari gesprochen, also der Liedcharakter,
das Bestehen von Dichtung bestätigt wird.
Aus den Nachkommen der sieben Sänger, het Mogor et Gok oder Lazari,
gründet Stephan der Heilige den Spielmannsorden der „Armen des Heiligen
Lazarus": Praeterea isti capitanei iam dampnati13a VII cantilenas de se ipsis
componentes fecerunt inter se decantari ob plausum secularem et divulgationem
sui nominis, qui Zentlazar usque modo Zegun nuncupantur. Et he sic vacate,
quod Sanctus Stephanus omnes illicite procedentes corrigebat, istorum genera-
tiones vidit per domos et tabernas cantando ad ipsorum sectas et truffas voluit
edoceri; qui per singula, qualiter eorum patribus per communitatem acciderat,
enarraverunt. Sed Beatus Stephanus considerans, quod sine capite et principe
nemo bonus extitit, ideo eis commisit, ut ad subiectionem aversorum Sancti
Lazari de Strigonis subdere se teneantur, et ideo vocari Zentlazarygini
constat.
Noch ein Letztes muß gesagt werden. Wer in erster Person von seinen
Taten kündete, war ein Herrscher oder doch ein vornehmer Mann. Er
konnte sich in gesteigerter prosaischer Form äußern wie Zkr von Hamat
und La'as, wie Dareios I. und die Achaimeniden überhaupt oder wie, in
deren Nachfolge, die frühen Sasaniden. Oder er durfte in Versen sprechen,
wie dies Sargas auf der zweiten Inschrift von Mchet'a tat, oder endlich
sich der cantilena bedienen gleich den sieben Häuptlingen der frühen
Ungarn. Der Lobpreis hingegen, der in fremdem Mund erklang und sich
über den Gepriesenen folgerichtig in der 3. Person äußerte, bedeutete einen
Abstieg zumindest in gesellschaftlicher Hinsicht. Wer zum Lob eines
Helden sich hergab, vermochte von sich dasselbe oder doch Vergleich-
bares nicht zu künden, und begab sich, wenn er sich nicht schon in dieser
Lage befand, durch seine Bereitwilligkeit in die Lage des Abhängigen und
Klienten. Das zeigen die beiden namenlosen Sänger am Attilahof, und die
14
SS. rer. Hung. 1, 294 n. 2.
1Sa
Die Stelle wirft die VII dampnati mit den VII capitanti primi zusammen.
ΙΟ. HELDENLIED 227

„ A n n e n des Heiligen L a z a r u s " bestätigen es. Freilich bedeutete, was auf


der einen Seite gesellschaftlicher Abstieg war, auf der anderen die E n t -
stehung eines beruflichen Sängertums. U n d wie ohne den Skop das ger-
manische Heldenlied nicht denkbar ist, so oder ähnlich wird es zuvor an
hunnischen oder schon alanischen Höfen gewesen sein.
A u c h die altarabische Kaside, um dies noch anzuschließen, kennt das
L o b 1 4 . In ihrem Schlußteil tritt ihr Dichter als K ü n d e r eines solchen auf.
E r kann sich selbst loben, seinen Stamm, seine Vorfahren, seinen Vorge-
setzten und was immer. Der Dichter bringt damit ein persönliches und aus
einmaligen Verhältnissen geborenes Anliegen zur Sprache. A b e r auch da
ist unverkennbar, d a ß seine gesellschaftliche Stellung in Rechnung zu
ziehen ist. W e r von sich selbst sprach, beanspruchte einen anderen R a n g
als derjenige, der v o m L o b seines Herren und Brotgebers kündete. W a s
ein ' A n t a r a wagte, zeigte den eigenen Anspruch, der möglich war.
A b e r es wird in zunehmendem Maß einen Sonderfall gebildet haben. Beruf-
liches Sängertum und damit die gesellschaftliche Ein- und Unterordnung
mußte in dem Maße, wie die Kaside sich zum festen Genos wandelte, an die
Stelle treten. —
Das Gesagte bestätigt sich, wenn man die Nachfolge betrachtet, die die
zweite der altaramäischen Inschriften, nämlich Nerab II., gehabt hat. D a
ist zu nennen die Stele von Carpentras (CIS. II i , 141), zwar nicht in der
1. Person sprechend, aber gleichfalls in siebensilbigen Versen verfaßt und
an eine Verstorbene, darin der Bilinguis von M c h e t ' a gleich, sich wendend 1 5 .
Es folgt dieser die Bilinguis, wieder mit Siebensilbern durchsetzt. A b e r wie
die zweite Inschrift von M c h e t ' a die eingelegten Verse von der Grabstele,
so hat diese: Bestandteile des Tatenberichtes übernommen. E s wurde zuvor
darauf verwiesen (oben S. i 7 ; 2 o f . ) , d a ß die Bilinguis von Y ö d m a n g ä n ' s 'rwst
spricht, wie es die zweite Inschrift mit Sargas' 'rwst hält.
Die gegenseitige Angleichung, einmal begonnen, geht weiter. A t t i l a s
Grablied ist in Versen verfaßt, was zu dieser Form gehört. A b e r es spricht
in seinem gewichtigsten Teil v o m Toten in der F o r m eines Tatenberichtes.
Der gegenseitige Zusammenhang läßt sich unmittelbar aufzeigen, insofern
zwischen dem Lied und den Siegesinschriften der frühesten Sasaniden sich
Berührungen ergeben. Zwar hat sich die E r w ä h n u n g eines hunnischen

14 R. Stiehl bei F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum (1951) 132 f.


15 F. Rosenthal, Die aramaistische Forschung (1939) 26; dazu G. L e v i Deila V i d a
oben 2, 295.

16·
228 DICHTUNG

χαγαη, genauer eines solchen der Akatziren, als unrichtig erwiesen14. Aber
daß Wendungen und Vorstellungen aus Säpür 's I. Tatenbericht in Naks-i
Rustam sowie der Inschrift von Päiküli übernommen sind, steht außer
Zweifel 17 .
Mehr noch: Attila's Grablied spricht von dem, der dahingegangen ist, in
der 3. Person wie das entstehende Heldenlied. Die Hochschätzung derer,
die im Kampf gefallen waren, zeigt Claudians occisos pulchrum iurare
parentes (In Ruf. 1, 328). Von dieser Wertung hat sich das Lied gelöst
(oben 1, 246), aber die Beziehung zum Begräbnis beibehalten. Einen end-
gültigen Schritt bedeutet die Geschichte des letzten Königs von Sümän:
diesmal fehlt die Beziehung zu Grab und Totenklage, und vom Geschehen
wird in der 3. Person berichtet. Nur dem König wird im Rahmen der
Erzählung die Ichrede und das Selbstlob in den Mund gelegt. Aber beides
ist zu etwas Neuem geworden: zum Ausdruck einer tragischen Verkennung
dessen, was dem Sprechenden bevorsteht. Es geht nach Stoff und Gehalt
dem Heldenlied parallel und, wenn man den Vergleich mit den Magiern und
ihrem kin-i SiyävuS anerkennt, war es geradezu Gegenstand einer Lied-
dichtung. Dann wäre man erneut in den Bereich des Heldenliedes ge-
langt. Und es hätte sich bestätigt, was sich im ersten Abschnitt ergeben
hatte.
Unnötig, über das Gesagte hinaus die Entwicklung der Grabinschrift
zu verfolgen. Immerhin darf darauf verwiesen werden, daß die beiden
alttürkischen Orchoninschriften zu Gräbern gehören 18 . Der Tote spricht
nach alter Art in der 1. Person, aber die Dichtung ist verschwunden, und an
ihre Stelle ist der Tatenbericht in ausgeprägter Form getreten. Auch darin,
daß die prosaische Form wieder erscheint und damit gleichsam das Älteste
zurückgekehrt ist. Die gemeinsame Geschichte der ursprünglich getrennten
Formen, des Tatenberichtes und der Grabinschrift, ist noch einen Schritt
weiter geführt.
Noch ein Letztes mag bemerkt werden. Zuvor hatte sich die Scheidung
zwischen spätarsakidischer und frühsasanidischer Form einerseits, spät-
sasanidischer andererseits ergeben. Dabei war an Geldwesen und Heer
gedacht worden, und jetzt scheint sie sich auch für die Dichtung als wesent-
16 W. B. Henning, „A Farewell to the Khagan of Aq-Aqatäran", in: BSOS.

14, 501. Dazu vgl. den Anhang: „A Farewell to Niqätör Äwänä" S. 229 f.
17 Dazu vgl. den ausführlichen Nachweis oben 1, 243—245.
18 Thomsen-Schaeder in: ZDMG 78 (1924), 138; 140.
ΙΟ. HELDENLIED 229

lieh zu erweisen. Die Anfänge des Heldenliedes gingen noch in arsakidische


Zeit zurück. Aber auch die sasanidische Spätzeit hatte Anlaß, den gewaltigen
Vorwurf, den der Untergang der eignen Größe und Freiheit enthielt, zu
gestalten. Sie hat dazu nicht das Heldenlied gewählt: im Ritterroman
konnte es die dem Stoff gemäße Form finden.

Anhang: A F a r e w e l l t o N i q ä t ö r Ä w ä n ä

ι
Der Titel nimmt jenes ,,A Farewell to the Khagan of Aq-Aqatärän" auf,
das W. B. Henning über seinen Beitrag zur Minorsky-Festschrift gesetzt
hat 1 . Dieser Aufsatz besitzt das Verdienst 2 , E. Herzfeld's Lesung von
Päiküli 18: ]n 'L h'k'n ZY {'kk)tl'[n\. L..ph[ und die Deutung auf den
Qayan der Ά κ ά τ ζ ι ρ ο ι beseitigt zu haben. Henning schlägt stattdessen vor,
unter Verbindung der mittelpersischen mit der parthischen Fassung zu
lesen:
Mittelpers. 18: ]« 'L h'd'n ZY. dktl'.
Parth. i 6 \ ]r HWHnt hmy'bdyn[
„they all ( = hmy-'bdyn) came to Häyän of . D K T L ' . " Gemeint sind der
Hargupet Säpuhr „und die anderen Perser und Parther", die Narseh bis
zu dem genannten Ort entgegenkamen. Henning gibt dazu eine ausführ-
liche sprachliche Erläuterung. Sie soll im Folgenden geprüft werden.
Zunächst beschäftigt sich Henning mit der Deutung des von ihm ge-
lesenen h'd'n3. Er zieht zwei unveröffentlichte manichäische Bruchstücke
in mittelpersischer Sprache heran, in denen h'y'n'n und h'y['n begegnen.
Diesen weist er die Bedeutung „couch", „resting place", „mansion" zu und
bringt sie mit h'd'n zusammen. Daran schließt sich eine Ableitung von
*hädan- oder *hädäna- unter Hinweis auf altind. sädana-, altpers. und
awest. hadiü-, Ιδος, sedes. Als Grundbedeutung sei „seat" anzunehmen.
Sogleich stellen sich Einwände ein. Gleichsetzung von häyän und h'd'n
ist gewiß nicht zu beanstanden, wohl aber die vorgeschlagene Ableitung.
Sowohl *hädan- wie *hädäna- befriedigen nicht. Im ersten Fall bleibt der
lange Vokal in der zweiten Silbe von häyän unerklärt; im zweiten bestätigt
1 B S O A S . 14, 501.
1 D a ß der Teil des Aufsatzes, darin Akatziren und Chazaren behandelt sind, nicht
zutrifft, ist: E i n asiatischer Staat 1, 288f. und unten S. 2 7 4 ! gezeigt worden.
» a. O. 5i6f.
230 DICHTUNG

Vergleich mit altind. sädana-, daß man auf diesem Weg zu h'd'n, häyän
mit langvokaliger zweiter Silbe nicht gelangt. Henning selbst sind Bedenken
gekommen. An späterer Stelle 4 bemerkt er: „the ending -än, in place of the
expected -an, made that explanation not too attractive; it was merely in
the nature of a working hypothesis".
Statt dessen wird eine zweite Deutung vorgeschlagen. Doch bevor darauf
eingegangen sei, mag auf den Namen der Stadt Mekka hingewiesen werden,
der nach seiner Bedeutung eine Parallele zu dem von Henning angezogenen
h'y'n'n und h'y['n bildet.
Im Syrischen bedeutet mak (mkk) trans, „stravit, prostravit, extendit",
intrans. „subsedit", makkä „humilis" und makkätä „humilitas". Makkä
wird in örtlichem Sinn von den syrischen Geoponikern (ed. Lagarde [i860]
29, 17) gebraucht (C. Brockelmann, Lexic. Syriac. 2 384 r.). Dem ent-
spricht die Verwendung von jüd.-aram. makkik: es begegnet als Attribut
zu türä „ B e r g " , also türayyä makklkayyä (J. Levy, a. Ο. 3, 113 1.). Setzt
man makkä oder makkät(ä) „Niederung" an, so ergäbe sich die zu verlan-
gende Bedeutung des Namens Mekka. Das ,,kornlose T a l " (Sur. 14, 40)
hätte, gleich seiner Nachbarstadt Medina, einen aramäischen Namen ge-
tragen. Dieser hätte die Senkung bezeichnet, den batnu makka, darin
K a ' b a und Brunnen Zamzam liegen, und wenn Sure 3, 90 dafür bakka,
Niketas Choniates (Migne, Patrol, graeca 140, 132) Βάκχε bringen, so ist
das Übersetzung ins Arabische. Denn bakka bezeichnet wiederum das
Tal Mekkas und gehört zu bakka, das trans, „presser", intrans. „com-
pressus fuit" bedeutet.
Daß Makoraba bei Ptolemaeus, geogr. 6, 7, 32 (var. 1. Μακόβαρα)
nichts mit dem Namen makka zu tun hat, ist anerkannt (Buhl-Schaeder,
Das Leben Mohammeds [1930] I02f.). Glasers Deutung als „Heiligtum"
gründet sich auf äthiop. mekräb „locus propinquus, propinquitas, locus
ubi conveniunt" (C. F. A. Dillmann, Lexic. ling. Aethiop. [1955] 427). Nach
F. Praetorius in: ZDMG. 61 (1907), 6 2 i f . bedeutet das Wort auch „Heilig-
tum, Tempel". Sab. mkrb = mikräb, makrab scheidet wegen des anderen
Gutturals und der Vokalisierung aus. Grohmann in: R E . 14, 807f. führt
noch Plin., n. h. 6, 150 portus Mochorbae (var. 1. Mocorbe, Machorbae) an.
Auch da macht der Guttural Schwierigkeiten, und es ist nicht gesichert, ob
es sich um Mekka handelt. Ammian. 23, 6, 47 (bei Grohmann mit falscher

4 a. O. 520 Anm. 3.
10. H E L D E N L I E D 231

Stellenangabe) baraba muß zwar den Namen Mekkas enthalten, ist jedoch
verderbt. Arab, mukärab, makrab, makraba und makrüb scheiden aus
Gründen der Vokalisation oder der Bedeutung aus.

2
Damit kommen wir zur zweiten Deutung, die Henning vorgeschlagen
hat. Seinen Ausgangspunkt bildet diesmal der syrische Ortsname Nikätör-
Äwänä, für den er sich auf G. Hoffmann beruft 1 : ,,a place of unknown
situation within the confines of the Nestorian metropolity of Bet Garmai,
to which Paikuli and its neighbourhood belonged". Während .iktV. zu
Ny]dktl ergänzt wird ( = Nlkätör), soll jetzt h'd'n mit jenem äwänä von
Nikätör-Äwänä gleichgesetzt werden. Die Begründung lautet: altpers.
ävahana- „settlement, village" sei zu *ävän geworden, das in avana der
Kharosthi-Dokumente 2 , armen, awan, talmud. 'wwn', mand. 'w'n' und
dem entsprechenden syrischen Wort bewahrt sei. Im Mittelpersischen habe
sich *ävän zu *äyän, häyän weitergebildet.
Erneut stellen sich Bedenken ein. Das syrische Wort lautet nicht äwänä,
wie Henning vorgibt, sondern auwänä (awwänä), mit kurzem Vokal in der
ersten Silbe und nachfolgender Doppelkonsonanz. Dazu stimmt talmud.
'wwn'. Beides, kurzer Vokal und Verdoppelung von w, schließen eine Ver-
bindung mit ävahana- und *ävän aus 3 . Damit entfällt auch Henning's
Behauptung, auwänä sei ein iranisches Lehnwort im Aramäischen. Das
Syrische (um sich darauf zu beschränken) zeigt, daß eine gut bezeugte ein-
heimische Wortsippe vorliegt: ewä (vergl. arab. awä), auyä, auyütä, auwänä'it
uam. 4 Sie bestätigt, daß von einem iranischen Lehnwort nicht die Rede
sein kann. Der Tatbestand ist seit Th. Nöldeke's Darlegung unbestritten 5 .
1
Auszüge aus syr. Akten pers. Märtyrer 48 Nr. 4 1 7 ; 277.
2
T. Burrow in: BSOS. 7, 779.
s
Hennings Ansicht wird nachgesprochen v o n G. Widengren, Iranisch-semi-
tische Kulturbegegnung in parthischer Zeit 90. Da steht äwänä, wo es doch awwänä
heißt, im Syrischen und sonst, und keine Kunst kann dergleichen mit einem mittel-
iranischen ävän gleichsetzen. Die Sache ist von uns längst geklärt worden: Acme 8
(1955). 2 3f-; Südostforschungen 15 (1956) 6gf. Anhang 1. Das Richtige gibt F. Rund-
gren in: Orientalia Suecana 6 (1957), 56 Anm. 1. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt,
daß es mit der Schreibung des Syrischen auch sonst bei Widengren hapert: apadnä
S. 3of. und 1 5 7 statt äpadnä; aparsän S. 29 und 1 5 7 statt äparsänä; m'güüäyi S. 5 1
und 158 statt m'güläye, raurbäne S. 30 und 158 müßte gemäß der sonst bei Widengren
befolgten Schreibung raurbäne lauten.
4
C. Brockelmann, Lexic. Syriac.* 7.
6
Neue Beitr. z. semit. Sprachwiss. 190; Mand. Gramm. 136 und Anm. 1.
232 DICHTUNG

Einer weiteren Bemerkung bedarf die Verbindung Nikätör auwänä.


Wollte man sie, Henning folgend, h'd'nZY .dktt'. gleichsetzen, so käme man
auf „Poststation des Nikator". Nun steht nicht Ny]dktl da, sondern Ny]·
dktl'., was sich zu Ny]dkti'[y oder Ny]dktl'[n ergänzt. Henning* erwägt
diese zweite Lesung: „the Nicatorian mansion". Das bestätigt, daß er
tatsächlich Nikätör auwänä als „Poststation des Nikator" auffaßt.
Das nötigt zu grammatischer Berichtigung. Selbstverständlich kommt
keine Constructus-Verbindung, sondern allein eine nachgestellte Apposi-
tion 7 in Frage. Der auwänä selbst hieß Nikätör. Schon G. Hoffmann 8 und
J. Sturm· haben zutreffend von der „Poststation Nikator" gesprochen.
Damit entfällt die Gleichsetzung von Nikätör auwänä mit Häyän ig Nika-
torän — was auch immer dies heißen mag.
Natürlich war der vollständige Name von Nikätör ursprünglich Bet
Nikätör. Wegbleiben des vorgesetzten bet ist gerade bei griechischen
Namen bezeugt. Seleukeia erscheint als Bet Selök oder Bet Selök, daneben
als einfaches Selök, Selök, wenn man von der gleichfalls bezeugten Form
Seleukiyä absieht. Selök, Selök kann, obwohl sonst Seleukos belegt ist,
nur Seleukos meinen, nicht Seleukeia. Das zeigt die Sache und die akka-
dische Form Siluku.
Im übrigen hätte Henning das Richtige zwei weiteren Hinweisen G.
Hoffmann's entnehmen können. Neben Nikätör auwänä steht Spt' auwänä,
wiederum eine Station 1 0 . Und für den Text seiner „Märtyrer von K a r k ä "
schlägt Hoffmann v o r 1 1 : dab-nikätör auwänä, unter Hinweis auf Assemani 's
Acta mart, orient, ι , 99. Also: „oberhalb des Dorfes (?) Kanär, das bei
Nikätör (liegt), der Poststation".
Hennings Deutung bedarf nach Seiten des Aramäischen demnach der
Berichtigung. Sie bedarf deren auch im Griechischen.
Wer immer Nikator war, auf keinen Fall war er Postmeister. Nur eine
geschichtlich bedeutende Persönlichkeit kommt in Betracht. Nicht nur in
Nikätör auwänä und Häyän ig Nikatorän, auch in Bet Nikätör und in
Katrabbul = * Νικατορόττολις 12 kehrt der Name wieder. Während das

• a. O. 520 Anm. i.
7 Th. Nöldeke, Kurgef. syr. Gramm. 2 i 6 i f . § 212.

» a. O. 48.
• RE. s. ν. Νικοττόριον öpos S. 283.
1 0 G. Hoffmann, a. O. 277.

1 1 G. Hoffmann, a. O. 48.

1 1 G. Hoffmann, a. O. 41 Nr. 343; W. B. Henning, a. O. 521 Anm. 4.


ΙΟ. HELDENLIED 233

erste in Bet Garmai liegt — es ist das heutige Binkudrah, am Zusammen-


fluß von Diyäla und Holwän-Fluß 1 3 — gehört das zweite nach Bet Artnäye,
nordwestlich von Baghdad und auf dem Westufer des Tigris 14 . Zunächst
könnte man den Kultnamen Νικάτωρ heranziehen, den Seleukos I. nach
seinem Tode trug 15 , aber auch an Alexander den Großen ließe sich denken.
Strabon p. 737 heißt es: μετά 5έ "Αρβηλα καΐ τ ό Νικατόριον όρος
(δ ττροσωνόμασε 'Αλέξανδρος νικήσας τ ή ν ττερί "Αρβηλα μάχην).
Henning hat dieses Zeugnis übersehen: es ist um so wichtiger, als es von
Bet Garmai und Bet Armäye wegführt. Im Νικατόριον όρος hat J.
Sturm 1 · den Gebel Maklüb erkannt und dort auch Nlkätör auwänä an-
setzen wollen. Das spricht um so mehr an, als in diesem Ort Ishäk, Bischof
von Karkä d-Bet Selök, hingerichtet wurde 1 7 . Von Kirkuk aber ist Henning's
Bet Nikätör in der Luftlinie fast um das Doppelte dessen entfernt, was der
Abstand von Arbela beträgt.
Damit entfallen alle übrigen Kombinationen Henning's, nicht nur die
Gleichsetzung von Nlkätör auwänä mit Häyän ig Nikatorän. Zumindest
für das erste kommt jetzt neben Bet Garmai die Nachbarschaft zu Arbela
und zum Νικατόριον όρος in Frage. Eine Lösung bei diesem Stand der
Frage ergibt sich mittels Heranziehung von Diodor 19, 92, der seinerseits
auf Hieronymos von Kardia zurückgeht.
Nach der Rückeroberung Babylons 312 hatte Seleukos seinen neuge-
wonnenen Besitz gegen Nikanor, Satrapen von Medien, zu verteidigen. Er
zog dem Gegner von Babylon aus über den Tigris entgegen (διαβάς . . . τον
Tiypiv ποταμόν 2). Da Nikanor, wenn er aus dem medischen Bergland
gegen Babylon vorstieß, das Tal des Hulvän herunterkam, gelangt man in die
zuvor bezeichnete Gegend von Binkudrah. Seleukos lauerte dem Feind in
den Tigrissümpfen auf. Als dieser πρός τινι βασιλικω σταθμω (3)
lagerte, wurde er von den Seleukos überfallen, geschlagen und mit eigner
Hand getötet (Appian., Syr. 11, 55; 57 mit der üblichen Verwechslung von
Νικάνωρ und Νικάτωρ). Hier hat man im σταθμός den auwänä und
im Sieger die Ursache der zusätzlichen Benennung. Es war der Ort eines
Erfolges, der Seleukos die Susiane und Medien einbrachte (5).
11 W . B. Henning, a. O. 521 Anm. 6.
14 W . B. Henning, a. O. 52: Anm. 4.
15 Fünf Städtegründungen Seleukos' I . : G. H o f f m a n n , a. O. 45; vgl. 269.
"· a. O. 283.
17 W. B. Henning, a. O. 521.
II. K A P I T E L

RITTERROMAN

Mas'üdi 1 spricht von einem Buch der Perser, das von den Geschichten
(ahbär) des Bahräm Cöbin handelt. Gemeint war demnach ein in Pahlawi
abgefaßtes Buch 2 ; von einer Übersetzung sagt Mas'üdi nichts, obwohl er
seine Kenntnis nur aus einer solchen haben konnte. Genaueres gibt der
Fihrist. Auch er weiß von einem Buch des Bahräm Cöbin 3 ; wieder gehörte
es zu den persischen4, also in Pahlaw! geschriebenen. Als arabischen Über-
setzer nennt er Gabala b. Sälim, den Schreiber des Hisäm, der auch
sonst vom Persischen ins Arabische übersetzte5. In Hi§äm hat man den
berühmten Philologen und Antiquar, Hiääm b. Muhammad, genannt
Ibn al-Kalbi (gest. 206 H.), erkannt·.
Genauere Angaben über den Inhalt vermittelt allein Mas'üdi. Danach
las man darin von den Listen Bahräm's (makäyid) während seines Auf-
enthalts im Land der Türken. Genannt wird ein Ereignis: die Befreiung
der Tochter des Türkenkönigs von einem Wesen in Gestalt einer Ziege. Die
Prinzessin war von dem Untier geraubt worden, als sie sich inmitten der
Sklavinnen in ihrem Garten erging. Abschließend fügt Mas'üdi hinzu, das
Buch habe Bahräm's Leben vom Beginn bis zum Tod umfaßt und überdies
seine Abstammung mitgeteilt.
Das war also ein rechtes Buch der Abenteuer, das an mancherlei Fabu-
losem nicht vorüberging. Aber es bleibt zu fragen, ob es dies immer und
überall war. Möglicherweise gab es verschiedene Fassungen. Nöldeke, dessen
Abhandlung über den Roman Bahräm Cöbin's7 noch immer die Grundlage

1 Murü§ 2, 223, 8f. Barb.


* Th. Nöldeke, Übers. 474.
1 305, 10. Zur Lesung Th. Nöldekes Übers. 474 Anm. 1.

* 305, 8.
5 244. 31 f-
* T. Nöldeke, Übers. 475.
* Übers. 474 f.
II. RITTERROMAN 235
bildet, nahm an, daß ein einheitliches Werk in verschiedenen Auszügen
vorliege: bei Dinawari und dessen „schwindelhafter" Erweiterung in der
Nihäyat al-irab fi ahbär al-Furs wa-l-'Ara}fi; im persischen Tabari; Firdüsi;
dann bei Tabari selbst und bei Ya'kübi.
Die Verschiedenheiten, die diese Autoren aufweisen, suchte Nöldeke
dadurch zu überbrücken, daß er von mehr oder weniger umfangreichen
Auszügen sprach 9 . Die Nihäyat hätte einen vollständigeren Text vor sich
gehabt als Dinawari; manche Handschriften des persischen Tabari hätten
die Geschichten Bahräm's einläßlicher gegeben als andere, und Mas'üdi
habe sich auf einzelne Züge beschränkt. So konnte Nöldeke glauben, die
Erzählung sei im ganzen überall die gleiche gewesen. Und doch mußte er
zugeben, daß Abweichungen im einzelnen vorhanden seien, „wie das bei
einem orientalischen Werk der Art von vornherein zu erwarten war 1 0 ".
Die Annahme mehr oder weniger vollständiger Auszüge steht im Wider-
spruch zu der Beobachtung, daß „Abweichungen in einzelnen Zügen" er-
kennbar seien, sofern es sich dabei um inhaltliche Unterschiede handelt.
Der erste Fall setzt ein gleichbleibendes Original, der zweite hingegen vor-
aus, daß dieses sich verändert hat. Eben dahin zielte die Vermutung, die
oben geäußert wurde.
Für die Unterschiedlichkeit ein Beispiel: Wie entstand der Konflikt
zwischen Bahräm und König Hormizd ? Nöldeke zufolge 11 wurde im Roman
des Königs Argwohn durch den Verdacht erregt, daß B. das meiste der
Beute aus dem Türkenkrieg unterschlagen habe. Die absichtlich zurück-
haltende Formulierung Nöldekes vermeidet die Entscheidung darüber, ob
jener Argwohn berechtigt war oder nicht. Und doch ist dies für Bahräm's
Beurteilung entscheidend, und dasselbe gilt für den Konflikt zwischen ihm
und Hormizd. Es besteht kein Zweifel darüber, daß Dinawari Bahräm
eine Unterschlagung nicht zuweist. Im Gegenteil: der Urheber des Ver-
dachts mußte sich diesem gegenüber entschuldigen (86, 1 4 ! ) und konnte
auf gütige Annahme rechnen (87, 12f.). Ebenso die Nihäyat 1 2 , aber anders
Ya'kübi. Hier heißt es, daß der Sohn des Chäkän, der Bescheid wissen
mußte, Hormizd über die Unterschlagung Bahräm's unterrichtet und daß
des Königs Vertraute (umanä') diesen Bericht bestätigen (1, 189, I5f.).
* E. G. Browne in: J R A S . 1900, 233f.
* übers. 476.
10 a . O .

11 Ubers. 272 Anm. 3.

M E. G. Browne, a. O. 237f.
236 DICHTUNG

Auch wurde Hormizds Entschuldigung weder von B. noch von dessen


Heer angenommen (i, 190, 2f.), was besagt, daß man nicht gewillt war, den
eignen Beuteanteil herauszugeben. Bahräm's Bild verschiebt sich damit.
E r war kein makelloser Held mehr, sondern ein Abenteurer, ein Wagehals,
der die Empörung von vornherein plante.
Auch der Zweikampf zwischen Bahräm und dem Bruder des Chäqän
wird verschieden geschildert. Bei Dinawari ist er, wie sich noch zeigen wird,
eine höchst zeremoniöse Angelegenheit. Die Herausforderung vollzieht sich
in Rede und Gegenrede; der Chäqän selbst greift vermittelnd ein, und als
es dann doch zum Kampf kommt, werden die Bedingungen umständlich
festgelegt. Bei Ya'köbi (1, 193, 5 f.) nichts dergleichen. Alles vollzieht sich
rasch, und der Chäqän, statt einzugreifen, drückt jedem Kämpfer den
Pfeil in die Hand ( 1 , 1 9 3 , 8f.).
Zu den Abweichungen, die durch größere oder geringere Vollständigkeit
nicht zu erklären sind, gehören auch die Angaben über Bahräm 's Abstam-
mung. Mas'üdx, der ausdrücklich von genealogischen Angaben im Buch
Bahräm's spricht, bezeichnet diesen als Marzbän von Raiy, Sohn des
Cöbin, Sohnes des Miläd, aus der Familie Anüs, bekannt als ar-Räm l s .
Anders schon Tabari 1 4 . Hier lautet die Angabe: Sohn des Bahräm Gusnasp,
genannt Cöbin16; ebenso Theophylaktos Simokattes 1 ·, Eutychios 1 7 , Dina-
wari 1 8 und die Nihäyat 1 8 . Ya'kübi wußte von Bahräm nur, daß er nicht
zu den Vornehmen gehört habe und aus Raiy stamme 20 . Istahri 2 1 läßt ihn
aus Pars kommen.
Nachträgliche Umgestaltungen scheinen also nicht gefehlt zu haben.
Obwohl nach Nöldeke das Buch nichts davon wußte, daß es mit der sasa-
nidischen Herrschaft zu Ende ging 22 , gibt die Nihäyat die Prophezeiung
eines Mönchs, der die arabische Eroberung andeutet 23 . Doch wird hier noch
zu fragen sein, wieweit Nöldeke sich geirrt hat. Einschneidender sind die
18
Murüg 2, 213, 1.
14 ann. 1 992, 5f. de Goeje.
l s Zur Deutung: Th. Nöldeke, Übers. 270 Anm. 3.

1 1 5i dazu P. Peeters in: Anal. Bolland. 52, 97 Anm. 2.


17
2, 201, 9 Pocock., wo swnyr in iwbyn zu verbessern.
1 8 81, igi.
" a. O. 235.
2 0 1, 188, 7 f.; 10.
11
143, 9; Weiteres bei Th. Nöldeke, Übers. 270 Anm. 3.
β a. Ο. 477.
a a. Ο. 239
II. RITTERROMAN 237

inneren Unterschiede. D i e B e f r e i u n g der türkischen Prinzessin, die diesmal


ein A f f e e n t f ü h r t h a t , h a t auch die N i h ä y a t 2 4 . D a s stellt eine V e r b i n d u n g
z u m A b e n t e u e r r o m a n des M a s ' ü d i her. Die U n t e r r e d u n g B a h r ä m ' s m i t der
F e e 2 8 f ü h r t in den gleichen Bereich. A b e r w ä h r e n d sich bei D i n a w a r i , der
N i h ä y a t und anderen die B a h r ä m - E r z ä h l u n g ohne Schwierigkeiten aus d e m
umgebenden G a n z e n herausheben l ä ß t , fanden T a b a r i u n d Y a ' k ü b i sie
bereits in ihren Quellen v e r a r b e i t e t 2 e . Sie w a r f ü r sie geschichtlicher u n d
überlieferter Stoff in zusammenhängender Darstellung, nicht ein eigener
„Roman".
D a n a c h scheint es, als h a b e das R o m a n b u c h sehr verschiedenartige
Fassungen g e k a n n t , w a s besagt, d a ß es öfters bearbeitet u n d überarbeitet
wurde. O f f e n k u n d i g w a r es z u l e t z t z u m A b e n t e u e r r o m a n geworden, nach-
d e m es vorher als geschichtliche Quelle gedient hatte. A b e r die T a t s a c h e ,
d a ß der R o m a n u n a b h ä n g i g v o n den Gesamtdarstellungen f o r t b e s t a n d u n d
d a ß der Verfasser der N i h ä y a t sich v e r a n l a ß t fand, durch E i n f ü g u n g f a b u -
loser Z ü g e die ihm vorliegende F a s s u n g D i n a w a r i s zu erweitern, beweist,
d a ß der R o m a n ursprünglich e t w a s anderes war.
D o c h w a s wäre er gewesen ? D i n a w a r i s F a s s u n g scheint darauf eine
A n t w o r t z u geben. Sie unterscheidet sich von allen anderen durch eine
streng d u r c h g e f ü h r t e legitimistische T e n d e n z , ü b e r h a u p t durch sittliche
Maßstäbe, die sich bis in Einzelheiten nachweisen lassen. E s gilt, den Ge-
d a n k e n g a n g sorgfältig nachzuzeichnen. D a ß D i n a w a r i s F a s s u n g die ur-
sprüngliche ist, wird sich folgerichtig ergeben.
D i e E r z ä h l u n g beginnt angesichts der T ü r k e n g e f a h r , die unter H o r m i z d
I V . sich abzeichnet (81, 19f.). Der K ö n i g w e n d e t sich mit der B i t t e u m
Hilfe an den Befehlshaber der Grenzwehr v o n Ä Burbai y ä n u n d A r m e n i e n :
B a h r ä m , Sohn des B a h r ä m Gusnasp. Dieser gehorcht ohne Zögern u n d
beeilt sich, den B e f e h l auszuführen. H o r m i z d schenkt i h m volles V e r t r a u e n
und stellt ihm alles für den T ü r k e n k r i e g zur V e r f ü g u n g . E r öffnet i h m
S c h a t z h ä u s e r und R ü s t k a m m e r n ; er überläßt ihm die Stammrollen des
Heeres, auf d a ß er sich die ihm zusagenden M a n n s c h a f t e n auswähle (82,4f.).
B a h r ä m seinerseits n i m m t Marzbäne und Oberste (afräf) zu Hilfe u n d best
sich 12000 Mann aus, alle über 40 Jahre alt, also erfahrene Kämpfer
(82,6 f.).

M a. O. 241.
25a. O. 237 f.
" Th. Nöldeke. Ubers. 475!.
238 DICHTUNG

Daxaufhin fragt der König, warum Bahräm sich mit so wenigen Leuten
gegenüber 300 000 Türken begnüge. Bahräm antwortet mit Hinweisen auf
mythische Beispiele (82, 8f.). Rustam habe in ähnlichem Fall 27 auch mit
nur 12 000 gegen 200 000 gekämpft; ebenso Isfandiyär und Kaihusrau, der
mit 12 000 über 300 000 gesiegt. Anführung und Beweiskraft des mythischen
Beispiels werden noch öfter begegnen. Sie gehören zur ritterlichen Welt
dieses Romans. Hormizd entläßt Bahräm mit Ratschlägen und Ermahnun-
gen in den Krieg.
Der Chäqän der Türken, inzwischen durch einen gerissenen persischen
Unterhändler hingehalten (83, 4f.), versucht einen Gegenzug. Er bietet
Bahräm die persische Krone an (83, 13 f .). Dieser lehnt ab: Königtum gebühre
nur Angehörigen des königlichen Hauses, es sei nicht gestattet, daß es von
ihnen auf Andere übergehe (83, 14f.). Damit klingt zum erstenmal ein Haupt-
motiv an. Bahräm nimmt eindeutig Stellung im Sinn der im Roman ver-
tretenen These: der unbedingten Treue zum Sasanidenhaus. Er bewährt
sich als Gefolgsmann seines Herrschers. Hormizds Mahnung, das Maß nicht
zu überschreiten, denn Überheblichkeit treffe den Urheber (82, 17f.), hat
er beherzigt.
Aber neben der These steht die Antithese. Ebenso unbezweifelt wie die
Verpflichtung dem König gegenüber ist der einzigartige Rang des Helden.
Tragik beider ist, daß sie zusammenstoßen sollten.
Auch als Heerführer und Kämpfer bewährt sich Bahräm, indem er in
der Schlacht die Reihen der Türken durchbricht, den Chäqän mit eigner
Hand tötet (84, 1 f.). Nach dem Sieg äußert er sich friedliebend und maßvoll.
Einst hätten die Türken König Peröz getötet28, und die Perser mußten
mit ihnen Frieden schließen; jetzt sei der Chäqän gefallen, und die Türken
sollten sich gleichfalls zum Frieden bereitfinden (84, 8f.). Das geschieht
denn auch (84, 15 f.).
Hier zeigt sich eine weitere Eigentümlichkeit dieses ritterlichen Romans,
Perser und Türken werden gleichwertig eingeschätzt; der ritterliche Feind
wird geachtet. Alles vollzieht sich unter zeremoniösen Formen. Das zeigt
sich im Verkehr zwischen den Siegern, Hormizd und Bahräm, und dem
27
Zur Geschichte von Käwüs und Rustam vgl. Th. Nöldeke in: Arch. f. Reli-
gionswiss. 18, 5 7 7 f . ; R. Bleichsteiner in: Arch. f. Völkerkunde 8, 70 f.
28
Also waren hier „Türken" und Hephthaliten gleichgesetzt. Vgl. R. Ghirshman,
Les Chionites-Hephthalites 96f. Unrichtig M. J . Higgins, The Persian War of the Em-
peror Maurice 35 f.
II. RITTERROMAN 239

Sohn des gefallenen Chäqän, Yiltägin 2 9 (84, 6 f . ; I 2 f . ; i6f.). Die Achtung


vor dem tapferen Feind geht so weit, daß es geradezu heißt, Bahräm und
Yiltägin hätten sich voreinander „gefürchtet", und so sei es zum Friedens-
schluß gekommen (84, 6f.). Später wird Bahräm den Lohn für seine Haltung
empfangen, indem Yiltägin, dann selber Chäqän, den Vertriebenen gastlich
aufnimmt. Darin offenbart sich ein neuer Zug, der gleichfalls für den Aufbau
des Romans grundlegend ist. Könige bilden eine Gemeinschaft, die sich
in Fällen der Not gegenseitig unterstützt. So halten es nicht nur Hormizd
und Yiltägin, Yiltägin und Bahräm miteinander: auch Chusrö Aßarvez
wird einen ähnlichen Empfang bei dem byzantinischen Kaiser Maurikios
finden.
Bahräm schickt die Beute aus dem eroberten Lager des Chäqän nach
Hause, darunter dessen goldenen Thron: zusammen 300 Kamellasten
(84, 18f.). Als Hormizd das Angekommene besichtigt, entfällt dem Mund des
obersten Wezirs Yazdän Gusnasp die Bemerkung: „Wie reich war der
Tisch, von dem dieser Brocken abfiel!" (85, if.). Hormizds Vertrauen in
Bahräm zerbricht: er glaubt an das böse Wort. Wieviel Unglück, Krieg
und Kummer sollte es bringen (85,3!)! Tragische Verwicklung knüpft
sich, menschlicher Verblendung zufolge, durch unbedachte Rede. Alle
Versuche, das einmal Gesagte rückgängig zu machen, sollten wirkungslos
bleiben. Zwischen dem idealen Gefolgsmann Bahräm, dem Helden, der den
Vorbildern des Mythos nachlebt; dem höfischen Ritter; dem maßvollen,
vornehmen Gegner und seinem König tut sich ein Abgrund auf.
Hormizd läßt sich zum Zorn hinreißen, vergißt, was Bahräm geleistet
und schickt ihm Sklavenfessel 30 , Weibergürtel und Spindel zur Schmach
(85, 5f.). Er fügt hinzu, daß „Verrat und Undank Art der Weiber sei"
(85, 10). Nöldeke 31 sah darin eine schlechte Begründung. Denn jene
Sendung könne nur eine Beschuldigung der Feigheit bedeuten: er verweist
dafür auf Theophylakt 3, 6—8, wonach sich Bahräm von den Römern in
Albanien schlagen ließ 32 . Aber davon steht nichts bei Dinawari und eben-
sowenig bei einem der anderen, die den Roman benutzt haben. Hingegen
ist die gegebene Begründung eindeutig und in sich verständlich. Sie stimmt

24 Denn so ist im Gegensatz zu Guirgass zu schreiben.


,0 Arab, gämi'a ist „vinculum quo Collum cum manibus includitur". Vgl. Lisän
al-'arab I X 4 1 1 , 6 (Büläk 1301 H.). Th. Nöldeke Übers. 272 A n m . 3 spricht nur von
Weiberkleidung und Spindel.
,1 Übers. 272 Anm. 3.
M Dazu M. J. Higgins, a. O. 36f.; P. Peetcrs in: Anal. Boll. 65, 9 f.
240 DICHTUNG

überdies, was den Ausschlag gibt, zu sonstigen Urteilen. „ B e i den Weibern


herrscht mangelnder Verstand und Undankbarkeit für Wohltaten", heißt es
später (103, 13!). Das Herz des Verfassers schlägt allein für die virago.
Gurdiya, B a h r ä m ' s Schwester, ist ihm die schönste der Frauen, stark an
Geist und tadellos nach ihren Anlagen. Nach ihres Bruder Tod reitet sie
dessen R o ß und trägt seine Waffen (105, i f . ) . Dieser Roman weiß von keiner
Liebe und noch weniger von Minne. Die ritterliche Gesellschaft, deren An-
schauungen in ihm sich äußern, erkennt nur einen fraulichen Typus an, der
in seiner Haltung selbst das ritterliche Ideal verkörpert.
Bahräm fügt seinem bisherigen Verhalten ein neues Ruhmesblatt hinzu.
E r weiß ungerechte Behandlung zu ertragen. Er bezwingt seinen Zorn,
fügt sich in Gehorsam: er legt die Fessel um den Hals, gürtet sich mit dem
Weibergürtel und nimmt die Spindel zur Hand (85, iof.). Anders die Vor-
nehmsten seiner Genossen. Als er ihnen Hormizds Brief vorliest, ergreifen
sie die Partei des zu Unrecht Gekränkten. „ W i r werden sprechen", so
lautet ihre Rede, „so wie sprachen die ersten 33 unserer Rebellen (als sie
sagten): Nicht ist Ardaser (II.) König, nicht Y a z d ä n Wezir. Desgleichen
werden wir sprechen: Nicht ist Hormizd König und nicht Y a z d ä n Gusnasp
Wezir" (85, I 5 f . ) . Erneut beruft man sich auf ein Vorbild, diesmal auf ein
geschichtliches, nicht auf ein mythisches. Die Genossen drohen Bahräm
mit Absetzung, wenn er seinerseits mit Hormizds Absetzung zögere (86, if.).
Bahräm, zu entsagen gewillt, fügt sich erneut, traurig (86, 3) und wider
Willen. Nur unter Zwang erhebt er sich wider seinen Herrn. In Raiy läßt er
nach einem dort vorhandenen Münzstempel 10 000 Dirhem mit dem Bild
des Thronfolgers, Chusrö's Aßarwez, prägen 3 4 . Hormizd entnimmt dem,
daß sein Sohn Chusrö nach der Königswürde strebe (86, 6f.; 9f.). E r sucht
diesen zu töten, aber Chusrö entflieht nach ASurbaiyän. Daraufhin läßt
der König Bindöe und Bistäm rufen, um sie über den Geflohenen zu be-
fragen, und setzt sie, als er — wie ihm scheint — ausweichende Antworten
erhält, gefangen, (86, 13f.).
Auch der Gegensatz zwischen König und Sohn entspringt tragischer
Verkettung, die mit Gesinnung und Absichten beider nichts zu tun hat. Es
ist damit nicht anders als mit dem Gegensatz zwischen König und Gefolgs-
mann. Aber noch einmal scheint sich alles zum Guten zu wenden, Hormizd

M Wir lesen 'wlw statt Guirgass' 'wlw'; vgl. Z. 17: kissat awwali hawärigihim.
a4 Offenbar hielt man solchen Münzstempel vorrätig für den Fall, daß der re-
gierende König stürbe.
II. RITTERROMAN 241

v e r s a m m e l t seine Getreuen. Sie raten ihm, Y a z d ä n G u s n a s p solle sich, u m


B l u t v e r g i e ß e n zu vermeiden, bei B a h r ä m entschuldigen. D e r K ö n i g willigt
ein, u n d Y a z d ä n G u s n a s p m a c h t sich z u B a h r ä m auf den W e g (86, i 4 f . ) .
A b e r wieder wird alles vereitelt. Y a z d ä n findet durch die H a n d eines
V e t t e r s den T o d . Dieser überbringt B a h r ä m d a s H a u p t des E r m o r d e t e n
(89, gi.; 19f.). E r n e u t ist B a h r ä m Gelegenheit gegeben, sich zu bewähren.
O b w o h l v o n Y a z d ä n beleidigt, n i m m t er sofort f ü r den E r m o r d e t e n P a r t e i .
E i n e m L u m p e n ist der W e z i r in seiner hohen Stellung und seinem A d e l
z u m Opfer gefallen (87, 1 2 f . ) ! B a h r ä m w e i ß auch, d a ß Y a z d ä n um V e r -
zeihung nachsuchen, K ö n i g u n d Feldherrn versöhnen wollte. E r l ä ß t den
Mörder töten.
A l s die N a c h r i c h t v o n Y a z d ä n s T o d an den Hof gelangt ist, beschließen
die Großen, H o r m i z d abzusetzen u n d Chusrö z u krönen. B e f ü r w o r t e r des
Wechsels sind B i n d ö e und B i s t ä m , Oheime Chusrös. N o c h aus d e m Gefängnis
suchen sie den A d e l z u m A b f a l l z u bestimmen, unter Hinweis auf H o r m i z d s
feindliche Einstellung gegenüber dem ganzen S t a n d (87, 17f.)· Sie h a b e n
Erfolg. Man befreit die beiden A u f w i e g l e r aus der H a f t ; H o r m i z d wird
a b g e s e t z t , seines O r n a t s entkleidet und dieser zu Chusrö n a c h Ä B u r b a i y ä n
gesandt (88, i f . ) 3 5 .
D a m i t ist schweres U n r e c h t geschehen: B i n d ö e und B i s t ä m haben sich
an der königlichen M a j e s t ä t vergriffen. Chusrö, auf den T h r o n erhoben,
g e h t denn sogleich z u m V a t e r , k ü ß t dessen H ä n d e u n d F ü ß e , entschuldigt
sich u n d f r a g t n a c h seinen Wünschen. H o r m i z d fordert T o d und S t r a f e für
solche, die ihn abgesetzt und m i ß a c h t e t haben. E r nennt die N a m e n der T ä t e r
(88, 15f.). Chusrö erwidert, d a ß es d a m i t zu früh sei, solange B a h r ä m noch
lebe und die eigne Sache nicht besser stehe. Sei es aber soweit, werde er
die Ü b e l t ä t e r bestrafen (88, i 8 f . ) . D e r V a t e r ist d a m i t zufrieden.
Diese U n t e r r e d u n g gibt A u f s c h l u ß darüber, wie der F o r t g a n g zu ver-
stehen ist. Sie fällt aus berufenem Mund das Urteil über Bindöes u n d
B i s t ä m s Handlungsweise, und dieses Urteil wird, t r o t z scheinbarem S c h w a n -
ken, bis z u m S c h l u ß durchgehalten. Die Rollen aller Handelnden sind
d a m i t festgelegt. A b e r auch hier ist nur die These, nicht die A n t i t h e s e
gesetzt. D e n n B i n d ö e und B i s t ä m h a b e n sich nicht nur an d e m V a t e r ver-
85 Der Roman sieht von der Blendung des Königs (vgl. Tabari, ann. 1, 993, 14)

ab, um noch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung Hormizds offen zu lassen. Ohne
diese Möglichkeit wäre die im folgenden beschriebene Handlung Bahräms, der die Her-
stellung der Herrschaft Hormizds erstrebt, unverständlich. Erneut soll die Hoffnung
erweckt werden, daß sich doch noch alles zum Guten wenden könnte.
je Altheim, Hunnen I V
242 DICHTUNG

griffen, sondern haben auch dem Sohn zum Thron verholten. Diese Haltung
werden sie beibehalten.
Als Bahräm von Hormizds Absetzung hört, fällt aller Zorn von ihm ab.
Ihn ergreift Scham und Mitleid: er zieht sofort gegen Chusrö in der Absicht,
Hormizd wieder auf den Thron zu setzen (89, if.). Als Chusrö davon hört,
verheimlicht er dem Vater Bahräm's Anmarsch und bereitet sich selbst
vor, den Gegner zu bestehen.
Bahräm's Absicht ist vorerst nur, Unrecht zu rächen und Hormizd
wieder einzusetzen. Seine Sache ist gerecht, was von der Chusrös nicht in
gleichem Maße sich sagen läßt. Im Roman gilt es als ausgemacht, daß das
Gerechte über kurz oder lang siegt. Vor allem gilt gegenüber dem Königtum,
daß dessen Sache ipso facto und immer die rechte bleibt. Solange Hormizd
lebt, hat er allein Anspruch auf die Krone, auch gegenüber Chusrö. Bahräm's
Tragik besteht freilich darin, daß eben die Treue zum alten König ihn in
Gegensatz zum neuen, zu Chusrö bringen wird.
Aber noch ist Bahräm eindeutig Anwalt und Vorkämpfer der Gerechtig-
keit. Dementsprechend erhält er jetzt eine Aristie, die ihn in hellstem Licht
strahlen läßt. Sein Bild spiegelt sich zunächst im Bericht; dann tritt er mit
eigner Tat und Rede hervor.
Denn das ist es, was der Kundschafter meldet: Bahräm's Heer hält im
Marsch feste Ordnung, vergreift sich nicht an der Bevölkerung und das
Erstaunlichste: der Feldherr verlangt, wenn er in sein Quartier eingeritten,
nach belehrender Lektüre, dem Buch Kalila wa-Dimna (89, 8f.). Chusrö
kann sich des tiefen Eindrucks nicht erwehren. Zu Bindöe und Bistäm
bemerkt er (89, 12f.): „Nie fürchtete ich Bahräm so sehr, wie ich ihn jetzt
fürchte, da ich höre, daß er das Buch Kalila wa-Dimna studiert. Denn dieses
Buch gibt dem Mann besseres Urteil und größere Festigkeit, als er zuvor
besaß, dieweil es feinsinnige und kluge Gedanken enthält".
Bei Nahrawän kommt es zur Schlacht. Bahräm reitet vor Chusrös
Reihen und ruft: ,,Zum Teufel mit euch, Perser, die ihr euren König ver-
schmäht. Auf, Leute: bereut vor (Gott), eurem Herrn, was ihr getan habt.
Kommt zu mir alle, auf daß wir die Herrschaft eurem König zurückgeben,
bevor Gott auf euch seine Strafe herabsendet" (89, 20—90, 2). Darauf ver-
lassen Chusrö alle außer wenigen, darunter Bindöe und Bistäm. Bahräm
hat sich erneut bewährt: er hat zur Königstreue zurückgefunden.
Chusrös verbliebene Anhänger raten ihm zur Flucht. Bei der Brücke des
GüSarz kommt es noch einmal zu einem Scharmützel (90, 11 f.) und dabei zu
II. RITTERROMAN 243

einer ersten Begegnung zwischen Chusrö und Bahräm; Chusrö tötet im


Einzelkampf Bahräm's Streitroß, muß aber seinem übermächtigen Gegner
weichen. Bevor er die Hauptstadt verläßt, verabschiedet er sich von dem
Vater, sagt ihm jedoch auch diesmal nicht, daß Bahräm ihn wieder ein-
setzen will. Er berichtet nur vom Abfall seiner Genossen zu Bahräm. In
der mangelnden Ehrlichkeit Chusrös drückt sich die Fraglichkeit seiner
Sache aus. Hormizd bleibt die gerade Natur, als die er immer erscheint.
Er bleibt auch bei seiner gütigen Haltung gegenüber dem Sohn und rät ihm
das Beste, nämlich zum römischen Kaiser zu gehen und diesen um Hilfe
zu bitten (90, 20f.).
Chusrö folgt dem Rat seines Vaters. Mit neun Gefährten macht er sich
auf den Weg; er selbst ist der zehnte (91,2). Man spricht davon, daß Bahräm
in Kürze sich der Hauptstadt bemächtigen und Hormizd wieder auf den
Thron setzen werde, als sei es nie anders gewesen. Und dieser werde dann
an den Kaiser schreiben, um Auslieferung, um Tötung der Flüchtlinge
bitten, und nie werde Chusrö König sein, solange sein Vater lebe (91, ßf.).
Bindöe und Bistäm beschließen, die Angelegenheit zu ordnen. Hatte zuvor
Bahräm seine Aristie, so haben sie jetzt die ihre. Nur daß, wie Bahräm
gegen den König kämpfen mußte, so beide ihre Treue zu Chusrö mit dem
Blut seines Vaters besiegeln werden.
Beide reiten noch einmal in die Hauptstadt zurück. Sie finden Hormizd
mit seinem Gefolge im Palast: man weint und klagt über Chusrös Flucht vor
Bahräm, seinem Feind. Bindöe und Bistäm krönen ihr bisheriges Verhalten
mit der Tötung des alten Königs (91, 9f.). Sie halten damit Chusrö den
Weg zum Thron offen. Aber diese Königstreuen sind von Frevlern am König-
tum zu Königsmördern geworden.
Nach vollzogener Tat holen sie Chusrö wieder ein, sagen aber nichts
von ihrer Tat (91, 10). Es wird also vermieden, Chusrö ausdrücklich zum
Mitwisser des Mordes zu machen. Was seine Helfer taten, taten sie — an
dieser Fiktion wird festgehalten — auf eigene Verantwortung. Sie handelten
in Fortführung dessen, was sie von Anfang an bestimmt hatte: Treue gegen
Chusrö, Widersetzlichkeit gegenüber Hormizd. Offenkundig soll Chusrö
für seine führende Rolle im zweiten Teil des Romans unangetastet bleiben.
Es folgt die Szene im Mönchskloster von Hit. Die Flüchtlinge erhalten
Gerstenbrot, das sie in Wasser weichen, und Essig, den sie verdünnt trinken.
Chusrö lehnt sich erschöpft gegen Bistäm und schläft vor Müdigkeit ein
(91, 11 f.). Es ist der Tiefpunkt ihres Elends.
ιβ·
244 DICHTUNG

Später wird die Szene ihr Gegenstück erhalten, wenn Bahräm, gestürzt
und auf der Flucht, in der Bauernhütte einkehrt. Er wird dann, aus dem
Munde eines alten Weibes, das Urteil über sein Tun erhalten. Etwas
Ähnliches erwartet man auch für Chusrö in Hit, nur daß dessen Laufbahn
nicht abgeschlossen ist, sondern erst beginnt. Die Nihäyat hat an dieser
Stelle die Weissagung eines Mönchs3·, der Chusrö die Heirat mit der Tochter
des Kaisers, Niederwerfung der Feinde innerhalb einer bestimmten Zeit-
spanne und seine Regierungsdauer voraussagt. Ist darin etwas Ursprüng-
liches bewahrt? Dann müßte auch, was sich anschließt — die Äußerung
über Chusrös Nachfolger und die Herrschaft der Araber bis zum jüngsten
Tag 3 7 — , echt und ursprünglich sein.
Den Ausschlag gibt die Tatsache, daß der Mönch sich für seine Voraus-
sagen auf eine Danielapokalypse beruft. Daniel ist der Prophet, der von der
Abfolge der Reiche kündet, die alle ihre Zeit und ihre Stunde haben, von
denen aber keines Dauer besitzt. Yazdgard III. soll im Traum vor Gott
und Mohammed darum gefeilscht haben, wieviel Jahre er dem persischen
Volk noch gebe38. Es ist nur passend, daß der Mönch den Untergang der
Sasaniden heraufbeschwört und das Reich, das sie ablösen wird. So wie es
auch paßt, daß ihm, dem Apokalyptiker, der „Tag des Gerichts" als Abschluß
sich darstellt.
Also war der Roman erst unter arabischer Herrschaft verfaßt, und das
wird einen Schlüssel seines Verständnisses abgeben. Dann muß auch eine
weitere Prophezeiung des Mönchs ursprünglich sein: Bistäm, an dessen
Schulter sich der flüchtige Chusrö lehnt, werde sich gegen seinen Herrn
erheben. Daraufhin nimmt dieser Bistäm den Eid ab, solches nie zu tun.
Auch diesem Treuesten wird dereinst der Konflikt nicht erspart bleiben.
Zukünftiges, das sich — vorerst nur in dunklem Bilde — abhebt, bestätigt
sich durch das, was mit dem zweiten Getreuen, was mit Bindöe sich er-
eignet.
Die Mönche melden das Nahen von Reitern. Bahräm hatte in der Haupt-
stadt Hormizd tot vorgefunden, was Bahräm's Zorn gegen Chusrö noch
vermehrt. Er schickt seinen Namensbruder Bahräm, Sohn des Siyäwuä 39 ,
mit ι ooo Reitern hinter den Flüchtigen her. Jetzt sind diese von Übermacht
86 E. G. Browne, a. O. 239.
87 Von Browne in der Originalfassung mitgeteilt.
88 Tabari, ann. 1, 2681, 4 f.
8* 91, 17 f. und öfter steht bahräm ibn siyäwuiän.
II. RITTERROMAN 245

eingeholt, Chusrö verzweifelt an der Rettung. Da verspricht Bindöe, ihm


zu helfen, ohne daß er selbst sich einer Gefahr aussetze (91, 18f.).
Chusrö geht darauf sofort ein. „Wenn du mich unter Einsatz deiner
selbst schützest, wird dir das, ob du nun selbst davonkommst oder stirbst,
zu ewigem Angedenken und hoher Ehre genügen" (92, if.). Gesagt ist das
im Hinblick darauf, daß Chusrö später seinen Retter umbringen, also eine
Tat schnödesten Undanks vollbringen wird. Es schürzt sich der Konflikt
der Pflichten: Chusrö hat einerseits seinem Vater Bestrafung derer ver-
sprochen, die an der königlichen Majestät gefrevelt, und diese Verpflichtung
ist durch Hormizds Ermordung noch tiefer und nachhaltiger geworden.
Auf der anderen Seite hat er Bindöes Angebot angenommen und verdankt
ihm Rettung und Leben. Chusrö unterstreicht diese zweite Verpflichtung,
indem er, nach der Art dieses Romans, sich auf mythische und geschichtliche
Vorbilder beruft (92, 2f.).
In der Tat täuscht Bindöe den Verfolger: Chusrö entkommt, und
Bindöe, der sich für ihn geopfert hat, wird vor Bahräm gebracht. Dieser
wirft dem Gefangenen die Ermordung Hormizds und Rettung des „ruch-
losen" Chusrö vor (93, i6f.). Bindöe rechtfertigt die Tötung mit Hormizds
Wüten gegen den Adel, die Rettung Chusrös mit der beiderseitigen Bluts-
verwandtschaft. Auf Bahräm's Befehl bleibt er in Haft; zusammen mit
Chusrö soll er später den Tod erleiden (93, 2if.).
Bahräm steht auf der Höhe seiner Macht. Er richtet an die versammelten
Führer des Heeres die Frage, ob er bis zur Mannbarkeit Sahriyärs,
Hormizds Sohn, die Regentschaft führen solle (94, 3f.) 40 . Sein Vorschlag
erregt Zustimmung und Widerspruch (94, 6f.). Zu den Gegnern gehört
Müsel der Armenier 41 , der Bahräm mit einfachem ayyuhä l-isbahbad42 an-
redet (94, 7f.) und auf Chusrös Erbrecht durch Geburt hinweist. Bahräm
erwidert: „Wem es nicht paßt, der hebe sich hinweg aus der Hauptstadt,
und wenn ich nach drei Tagen noch einen, dem es nicht paßt, dort antreffe,
so lasse ich ihm den Kopf abschlagen" (94, 9f.). Daraufhin verlassen Müsel
und seine Gesinnungsgenossen, insgesamt 20 000, die Stadt und eilen nach
ÄSurbaiyän, wo sie Chusrös Rückkehr aus dem Römerreich abwarten.

40 Nöldekes Einwand (Übers. 282 Anm. 2) hat nur die geschichtlichen Vorgänge
im Auge. Aber der R o m a n geht ihnen gegenüber hier und sonst eigene Wege.
41 Über ihn Th. Nöldeke, Übers. 285 Anm. 3; Honigmann-Maricq, Recherches sur
les Res gestae D i v i Saporis 90.
42 Dazu Th. Nöldeke, Übers. 285 Anm. 3.
246 DICHTUNG

Der Sinn dieser Auseinandersetzung ist nicht mißzuverstehen. Nach


Hormizds Ermordung ist Chusrö König. Was Bahräm vorschlägt, tastet
eindeutiges Königsrecht an, und in diesem Sinn äußert sich Müsel. Bahräm
droht mit Gewalt, ohne sich um Recht und Einspruch zu kümmern. Der
wahre Ritter, der treue Gefolgsmann, der immer zur Pflicht zurückfand, ist
zum Tyrannen geworden.
Die veränderte Lage spiegelt sich sogleich im Verhalten Bindöes und
seines Wächters Bahräm, Siyäwus' Sohn. Es zeigt sich: in dem Augenblick,
da Bahräm Cöbin einen Fehltritt begeht, beginnen seine Anhänger von
ihm abzufallen. Bahräm Siyäwusän, bisher einer der ihm Nächsten und
Getreuesten, fühlt sich nicht mehr an seinen Herrn gebunden. Er behandelt
Bindöe, den Bahräm Cöbin ihm als Gefangenen übergab, besonders gut,
um sich für den Fall eines Umschwungs eine Rückversicherung zu ver-
schaffen. Endlich, als Bindöe ihm von der Gewalttat (zulm) Bahräm's
spricht, tut er den letzten Schritt. Er beschließt, den Usurpator zu töten
und den Menschen Ruhe vor ihm zu geben, damit die Königsherrschaft
zu Ordnung und Ursprung zurückkehre (94, 20f.). Aber sein Weib, eine
Nichte Cöbins, verrät diesem den Plan (95, 4. f.); wieder zeigt sich die un-
günstige Beurteilung der Frau. Wie ein rechter Tyrann ist Bahräm sogleich
einem Anschlag auf sein Leben ausgesetzt. Er bewährt sich freilich auch
hier, überführt Bahräm Siyäwusän und tötet ihn eigenhändig (95, 6 f.; dazu
oben 2, 34).
Inzwischen stellt Chusrös Ankunft im Römerreich 43 den Kaiser vor
einen unerwarteten Entscheid. Im Rat prallen die Meinungen aufeinander.
Des Kaisers Patrikier erinnern an die Untaten der Perser in der Vergangen-
heit. Man solle sie ihren Zwistigkeiten überlassen, denn Streit unter den
Feinden bedeute eignen Sieg (96, 1 f.). Hingegen rät der Oberste der Bischöfe,
dem Bedrängten zu helfen. Durch gute Tat sichere man sich dauernden
Frieden. Den Ausschlag gibt des Kaisers Frage, ob Könige sich erbetene
Hilfe versagen dürfen (96, 9f.).
Es sei an die Auffassung erinnert, die zuvor entgegengetreten war: die
Könige bilden, über alles Trennende und alle zeitweiligen Feindschaften
hinweg, eine Gemeinschaft, die sich in Gefahr untereinander verbunden
weiß. Hier wird die gleiche Haltung deutlich. Der Kaiser schließt mit
Chusrö Vertrag und Friedensbund, gibt ihm seine Tochter Maria zum Weib
43
Über die folgenden Ereignisse P. Peeters in: Anal. Bolland. 65, 6t. (Hinweis
H.-W. Haussig's).
II. RITTERROMAN 247

und stellt ein Heer, um den Vertriebenen auf den Thron zurückzuführen.
Anführer ist des Kaisers Sohn Theodosios; er zieht über Armenien nach
ÄSurbaiyän, wo sich die Königstreuen, Bindöe (inzwischen aus dem Ge-
fängnis entkommen) und Müsel an der Spitze, versammelt haben (96, 13f.).
Bahräm ist sofort zur Stelle. Er weicht dem Kampf nicht aus; beide
Heere rücken gegeneinander vor. Chusrö und Theodosios sitzen, allem
Volk weithin sichtbar, auf goldenem Thron (96, 15f.): sie sind Vertreter
königlicher Legitimität. Aber noch einmal strahlt Bahräm's Heldentum in
hellstem Glanz. Einem der zehn hazärmardän, die dem römischen Heer
beigegeben sind (96, 11 f.), spaltet er mit einem Schlag Helm und Rumpf,
so daß des Feindes Hälften rechts und links niedersinken (97, 2f.). Dem
„Schlag" Bahräm's rühmt Chusrö, Gegner und doch dem gleichen Land
entsprossen, vor dem Römer Theodosios.
Am dritten Tag fordert Bahräm Chusrö selbst heraus (97, 11 f.). Er ruft
das Gottesurteil des Zweikampfes an, und Chusrö geht darauf ein, trotz
Theodosios' Abmahnen. Aber auch Chusrö muß Bahräm's Kraft weichen 44 .
Vom siegreichen Gegner verfolgt, wird er diesem entzogen und von einer
übernatürlichen „Macht" (96, 16) über den Gipfel eines Berges hinweg
gerettet. Das Verständnis des Vorganges hat Nöldeke 45 erschlossen, indem er
darauf verwies, daß anstelle der „Macht" im persischen Tabari ein Engel,
bei Firdüsi Srös erscheine. Das Gottesurteil, das beide angerufen, vollzieht
sich, aber anders, als der Herausforderer Bahräm es sich dachte. Nicht der
Zweikampf entscheidet, sondern der Eingriff eines der Himmlischen. Er
erweist Chusrö durch seinen Beistand als den gottgeliebten König und damit
als den echten, allein berechtigten.
Alsbald vollzieht sich der Umschlag. Am vierten Schlachttag siegt
Chusrös Heer über das Bahräm's (96, 19 f.). Auf Bindöes Rat gewährt der
Sieger allen Überläufern Sicherheit. In der Nacht entweichen alle bis auf
4 000, die bei Bahräm ausharren. Das Gottesurteil erhält seine Bestätigung
durch das Heer. Zugleich wiederholt sich im Gegensinn, was sich zuvor
nach Chusrös Niederlage ereignet hat. Die strenge Entsprechung im
Geschehen zeichnet sich ab. Sie ist die gegebene Form einer Geschichte, die
sich in tragischen Gegensätzen entfaltet.
Am folgenden Morgen erblickt Bahräm das leere Lager und entschließt
sich zur Flucht (98, 8f.). Ein Reiterkorps, das Chusrö zur Verfolgung ab-
44 Y a ' k ü b i i, 192, i 6 f . „und er war dem Tode nahe".
45 übers. 286 Anm. 3.
248 DICHTUNG

schickt, wird von dem zahlenmäßig unterlegenem Bahräm geschlagen. E r


bleibt der Held und glänzende Feldherr, der er war, auch im Unglück. Doch
politisch ist er gescheitert. Das zeigt sich in zwei Episoden, die unmittelbar
aufeinander folgen.
Auf der Flucht hält Bahräm in einem Dorf, wo er in einer armseligen
Hütte bei einem alten Weibe übernachtet (98, 12f.). Dieses gibt ihm zu
trinken aus einem hohlen Kürbis, reicht ihm zu essen auf einer Worfschaufel.
Die Alte, so zeigt sich im Gespräch, kennt bereits Chusrös Sieg, und zwangs-
läufig entspringt daraus Bahräm 's Frage:,, Aber was sagst du von Bahräm!''
Sie erwidert ohne zu wissen, wen sie vor sich hat: „Ein Tor ist, wer das
Königtum sich anmaßt und nicht zum herrschenden Haus gehört" (98, 21 f.).
Darauf Bahräm: „Darum wird zum Trunk gereicht in dem Kürbis, zum
Essen gereicht von der Worfschaufel" 48 .
Wieder zeichnet sich die Architektonik des Aufbaus ab. Bahräm's Auf-
enthalt in der Hütte entspricht dem, was Chusrö auf der Flucht im Kloster
zu Hit geschah. Aber stärker noch soll unterstrichen werden, um was es in
dem Roman geht. Das geschieht durch die Erzählung von Kärin, der über
Choräsän, Kömis und Gurgän gebietet (99, 3f.).
Karin war bereits über hundert Jahre alt (99, 5). E r hatte seine Stellung
durch Chusrö Anösarvän erhalten; er war in ihr durch Hormizd bestätigt
worden. Nach Bahräm's Niederlage schickt er seinen Sohn mit 10 000
Reitern wider den Besiegten. Daraufhin Frage Bahräm's, ob dies Dankbar-
keit sei, und Antwort Karins: „Was mir obliegt an Verpflichtungen gegen-
über Chusrö und seinen Vorfahren, ist mehr, als was mich an dich bindet.
Gleiche Pflicht übernahmst du, — möchtest du es doch wahrhaben! — als
er dich ehrte. Aber du hast ihm dadurch vergolten, daß du ihm den Gehorsam
aufgekündigt und über das Reich der Perser Feuer und Krieg gebracht hast.
Alles, was dir zu tun bleibt, ist, daß du heimkehrst hoffnungslos und traurig
und für alle Völker ein Exempel (wörtlich: eine Geschichte) wirst" (99, 7f.).
Nirgendwo wird bei Dinawari davon berichtet, Chusrö habe Bahräm
„geehrt". Damit ist auf eine Episode angespielt, die Dinawari übergangen
hat, die sich aber bei Tabari findet 4 7 : die Unterredung zwischen Chusrö
und Bahräm, geschehen vor jener ersten Schlacht, die mit Chusrös Nieder-
lage endete. Chusrö will Bahräm zum SpähbaS des ganzen Reiches machen 48 ,

" Th. Nöldeke, Übers. 477 Anm. 1.


47
ann. 1, 997, 1 1 f.
48
ann. 1, 997, 13.
II. RITTERROMAN 249

worauf dieser mit Schmähungen antwortet. Vergeblich erinnert Chusrö an


die Treue, die ein Ahne Bahräm's gegenüber einem seiner eigenen Ahnen
bewiesen hatte 4 9 . Das mythische Beispiel erscheint hier wie zuvor auch,
bleibt indessen ohne Wirkung.
Auf Karins Rede gibt Bahräm eine verächtliche Antwort (99, 14f.)
Der derbe Ton, sonst bei Dinawari's Bahräm ungewohnt, stimmt erneut
zur angezogenen Episode Tabaris, wo Bahräm mit ähnlichen und noch
stärkeren Äußerungen nicht spart 5 0 und dessen von Gurdiya scharf ver-
wiesen wird 5 1 . Das vertrug sich, so scheint es, durchaus mit der ritterlich-
-heldischen Stilisierung, die sonst im Roman streng durchgehalten ist. So
wie auch den Helden Homers das Schmähen und Schimpfen keinen Eintrag
tut.
Karin zieht mit gewaltiger Übermacht gegen Bahräm heran, hat aber
ebensowenig Glück wie andere vor ihm. Kärins Sohn fällt, das Heer wird
in die Flucht geschlagen. Damit bestätigt sich das Bild, das einzuprägen
der Roman nicht müde wird. Bahräm bleibt der Held, der er immer war.
Um so eindrucksvoller ist, daß dieser Held scheitert, wo er sich gegen den
rechtmäßigen, den gottgeliebten König erhebt. Kärin versagt, sobald er
selbst sich Bahräm im Felde stellt. Aber die Kritik, die er an seinem Gegner
und seiner mangelnden Königstreue übt, bleibt bestehen.
Endlich findet Bahräm Aufnahme beim Chäqän der Türken. Damit
mündet der Roman in den Bereich, von dem er ausgegangen ist. Yiltägin,
von Bahräm zu Beginn seiner Laufbahn achtungsvoll behandelt, vergilt
nun seinem einstigen Wohltäter, indem er ihm alle Ehren erweist (99, 21 f.).
Erneut zeigt sich jene Architektonik des Romans, die überall Entsprechung
herzustellen weiß.
Wie zuvor, so bewährt sich Bahräm auch in dieser Umgebung. Nachdem
ihm der Kampf um die Krone mißlungen, findet er zur ursprünglichen
Haltung zurück: er wird wieder zum königstreuen Gefolgsmann. Aber wie
alles in diesem reichen und heldischen Leben der tragischen Widersprüche
voll ist, so auch der letzte Akt. Bahräm, der sich mit seinem Leben für
den Chäqän einsetzt, wird von der Hand Chusrös, jenes anderen Königs,
fallen, gegen den er sich einst erhoben hat. Was er tut, bleibt ein „Zu spät"
und ein „Umsonst".

4* ann. 1, 997, 18f.; dazu Th. Nöldeke, Übers. 279 Anm. 5; vgl. 271 Anm. 2.
60 1, 997, 6f.; 141.
S1 ann. 1, 998, 2 f.; vgl. Ya'lfübi 1, 191, 6f.
250 DICHTUNG

Gleichwohl oder, wenn man will: gerade darum ist dieser Teil des
Romans von besonderer Schönheit. Bahräm treibt durch seinen Tadel des
Chäqäns Bruder, der den Herrscher durch sein freies Benehmen gekränkt
hat, zum Zweikampf. Der Getadelte fordert heraus; Bahräm nimmt unter
der Bedingung an, daß ihm der Tod des Gegners nicht vergolten werde;
der Chäqän widerspricht, aber der Herausforderer besteht auf seinem Ver-
langen (100, 6f.). Es entfaltet sich alles Zeremoniell einer ritterlichen Aus-
einandersetzung, und höfische Sitte strahlt um so leuchtender, als sie sich
angesichts des Todes zu bewähren hat. Der wahre Held verzichtet auf
Blutrache; er läßt dem Gegner den Vortritt; er verbeißt sich den Schmerz
(101, iof.). Wenn Bahräm je Vorbild war, so hier, wo ihm die letzte Aristie
zufällt. Der Entscheid steht auf des Messers Schneide: da spannt Bahräm
den Bogen (101, 21 f.), wie nur er ihn zu spannen vermag (Bahräm war einer
der drei Perser, die berühmte Pfeilschüsse taten 5 2 ; überdies wurde ihm ein
Buch über die Schießkunst zugewiesen53). Sein Gegner fällt, und der Chäqän
spricht das Urteil über seinen toten Bruder und Gegner: „Gott möge keinen
anderen verfluchen als jenen, dem ich die Dreistigkeit untersagte und der
sich nicht daran kehrte" (102, 5f.).
Unterdessen ordnet Chusrö, was nach dem Sieg zu ordnen ist. Bindöe
erhält die gesamte Schatzverwaltung, Bistäm bekommt Choräsän (wo
Karin bleibt, wird nicht gesagt), Kömis, Gurgän und Tabaristän (102, i3f.).
Chusrös treueste Helfer empfangen ihren Lohn; wie es mit Hormizds Er-
mordung und der Strafe für sie gehalten werden soll, wird nicht erörtert.
Denn vorerst lastet auf dem neuen König die Sorge um Bahräm. Hoch-
geschätzt beim Chäqän, so fürchtet Chusrö, könne der gefährliche Feind
mit türkischer Hilfe den Kampf erneuern (102, i6f.). Ein Gesandter geht
zum Hof des Chäqän ab, um dem entgegenzuwirken (102, 18f.), wird aber
von diesem mit zornigen Worten abgewiesen (103, 8f.). Solidarität der
Könige untereinander, die sich bisher bewährt hatte, zerbricht. Chusrös
Gesandter muß andere Wege suchen.
Als letzte Zuflucht bleibt ihm die Chätün, Gattin des Chäqän (103, 13f.).
E r erinnert sie an ihren Onkel, Vater Yiltägins, der durch Bahräms Hand
fiel und Thron und Schätze an diesen verlor (103, I7f.). Es gelingt ihm, die
Chätün auf seine Seite zu bringen, denn (um die Bemerkung zu wieder-
holen) „bei den Weibern herrscht mangelnder Verstand und Undankbarkeit
52
Tabari, ann. i, 992, 1 2 f . ; dazu Th. Nöldeke, Übers. 271 Anm. 2 — 3 .
53
Fihrist 3 1 4 , 2 1 ; Th. Nöldeke, Übers. 272 Anm. 1.
II. RITTERROMAN 251

für Wohltaten" (103, 13f.). Sie sendet einen der Ihren, um Bahräm zu
ermorden. Dieser weiß um den Tag seines Todes, den Sterndeuter ihm ver-
kündeten, und hat sich gesichert. Trotzdem findet der Mörder Zugang und
tötet ihn (104, if.).
Chusrö hat gesiegt, denn er mußte es als rechtmäßiger König. Gegen diesen
Anspruch und gegen der Götter Hilfe vermochte auch ein Bahräm nicht
anzukämpfen. Er ist daran gescheitert und hat den Tod gefunden. Aber
auch Chusrös Glanz erlischt. Es zeigte sich zuvor: seines Verhaltens wurde
schonend gedacht. Er hatte sich seinem Vater gegenüber nicht loyal ver-
halten, aber dieser hatte ihm verziehen. Er hatte dem Vater die wahren Ab-
sichten Bahräms verheimlicht, aber Hormizd hatte dem Sohn geglaubt.
Es wurde die Fiktion aufrechterhalten, Chusrö habe von Bindöes und
Bistäms Mordplänen nichts gewußt. Aber von dem Mord an Bahräm
wußte er, und nach dessen Tode fällt die Maske. Im festen Besitz der Herr-
schaft, hatte Chusrö nichts anderes im Sinn, als seinen Vater Hormizd zu
rächen (105, 10f.). Dieser Wunsch drängt alle Dankespflicht, die er Bindöe
und Bistäm schuldet und zu der er sich noch zuletzt bekannt hat, in den
Hintergrund.
Zehn Jahre lang hat Chusrö seine Absicht geheimgehalten (105, 13) 5 4 .
Endlich findet er die rechte Gelegenheit. Bindöe weigert sich, eine königliche
Laune mit unsinnigen Summen zu honorieren (105, 15f.). Chusrö läßt ihm
darauf Hände und Füße abschlagen. Bindöe in seinem Blut liegend, schmäht
Chusrö und dessen Vater (er weiß also sofort, warum ihn das Gericht
traf) und höhnt die Treulosigkeit der Sasaniden und ihre Hinterlist (106, 1 f.).
Als Chusrö davon hört, meint er: „Bindöe behauptet, die Sasaniden seien
Verräter und Wortbrüchige. Aber er vergißt des eignen Verrats an dem
König, meinem Vater. Ist er doch bei ihm zusammen mit seinem Bruder
Bistäm eingebrochen. Sie warfen ihm die Schlinge um den Hals und er-
würgten ihn, feindlich und gewalttätig, um dadurch meiner Gunst teilhaftig
zu werden — gleich als wäre es nicht mein Vater gewesen" (106, 5f.).
Daraufhin reitet Chusrö zur Stelle, da Bindöe liegt, und läßt ihn steinigen
(106, 9f.).
51
Daß die Angabe in dieser Form ungeschichtlich ist, dürfte anerkannt sein: T h .
Nöldeke, Ubers. 4 8 7 ; P. Goubert, Byzance avant l'islam 1, 1 6 3 ; 2 8 3 f . — Gouberts
Behandlung der arabischen Quellen steht auf einem anderen Blatt. Der Verfasser
eines Buches, das den Islam im Titel trägt, scheint des Arabischen wenig oder gar nicht
mächtig zu sein. Auch W . Enßlins Zustimmung in: B y z . Ztschr. 1 9 5 3 , 384 erklärt sich
aus demselben Grund.
252 DICHTUNG

In dieser Wechselrede ist über das Für und Wider alles gesagt. Chusrö
hat sich in dem Konflikt der Pflichten entschieden. Bindöe hat seine Strafe
erhalten — eine Strafe, die nach den Anschauungen des Romans unum-
gänglich war. Aber Chusrö geht aus dieser Prüfung alles andere als makellos
hervor. Beim Sieger über Bahräm ist alles, was an diesem gerade und
aufrichtig war, zu Niedertracht und Hinterlist verkehrt. Wie groß und edel
war Bahräm noch dort, wo er irrte, und wie schmählich vergreift sich dieser
Chusrö selbst da, wo er der Gerechtigkeit freien Lauf läßt. Dieser Roman
hat tragische Dissonanzen überall aufklingen lassen und hat nichts getan,
ihnen den schrillen Ton zu nehmen. Aber eines schien bis jetzt makellos zu
bleiben: die königliche Majestät. Nun beginnt auch sie zu wanken.
Bistäm bleibt noch zu erledigen. Chusrö, entschlossen, auch ihn zu
verderben, und jetzt dazu genötigt, läßt den Bruder des Gemordeten durch
ein geheimes Schreiben eilig zu sich entbieten (106, n f . ) . Kurz vor dem Ziel
trifft Bistäm auf Bindöes Verwalter und erfährt, was geschehen ist. Er
kehrt sofort um und begibt sich nach Delam.
Delam ist die unzugängliche Gebirgslandschaft südwestlich des Kas-
pischen Sees, die nie von den Sasaniden bezwungen wurde. Nachbarland
Ä<5urbaiyän*s, ist es gleich diesem zur Stätte geworden, da sich alle, die mit
den Zuständen unzufrieden sind, sammeln. Dorthin sind Bahräm's Ge-
nossen nach der Ermordung ihres Herrn gegangen, um, wie sie sagen,
„Rache an unseren Königen zu nehmen, die uns vertrieben haben" (104,
20f.). Gurdiya, Schwester und Gattin 6 5 Bahräm's führt sie an: in ihres
Bruders Waffen und auf seinem Streitroß zieht sie ihnen vorauf (105, if.).
In Delam findet Bistäm offene Aufnahme. Man zögert nicht, ihm die
Königswürde anzubieten. „Warum besäße Chusrö mehr Anrecht auf die
Herrschaft als du ? Denn du bist der Sohn Säpürs, Sohnes des Churbundäd
vom Stamm der Nachkommen Bahman's, Sohnes des Isfandiyäd, und ihr
seid Brüder der Sasaniden und deren Genossen in der Herrschaft. Wohlauf,
wir wollen mit dir einen Bund machen und dir Gurdiya, Bahräm 's Schwester,
zur Frau geben. Wir haben einen goldenen Thron, den Bahräm aus der
Hauptstadt mitbrachte: setz dich darauf und wirb für dich! Siehe, die
Angehörigen deines Hauses sind Nachkommen des Därä, Sohnes Bahman's:
sie werden sich um dich scharen" (107, if.).

66
Th. Nöldeke, Übers. 279 Anm. 6; M. Th. Houtsma in seiner Ya'kübi-Ausg. 1 ,
195 adn. a.
II. RITTERROMAN 253

Es wird demnach ein genealogischer Nachweis gegeben, und dieser


Nachweis ist dort am erstaunlichsten, wo er abbricht und — schweigt.
Die Abfolge Isfandiyäd — Bahman — Därä kennt man auch aus dem
Stammbaum Mihr-Narse's bei Tabari 5 ·. Er führt über einen zweiten Därä
auf Kai-ASak, also den ersten Arsakiden. Dieser wird vom letzten Därä,
vom letzten Dareios abgeleitet 57 . Wohlgemerkt: der Roman nennt Kai-
ASak nicht, wie er die Arsakiden auch nicht nennt. Wenigstens nicht aus-
drücklich, denn an sich ließ es sich kaum mißverstehen, wenn Bistäm
zugerufen wurde: „Ihr seid Brüder der Sasaniden und deren Genossen in
der Herrschaft." Vor dieser Anschauung waren Arsakiden und Sasaniden
gleichwertig.

Eine ungeheuerliche Behauptung — wenigstens unter sasanidischer


Herrschaft. Aber ist sie wirklich unter ihr ausgesprochen worden? Zuvor
zeigte sich: der Roman wußte aller Wahrscheinlichkeit nach von der fest-
gegründeten Herrschaft der Araber über Iran. Nur der „ T a g des Gerichts"
würde sie beenden. Dieser yaurn ad-din war ein dunkel-doppeldeutiges
Wort. Auch der Zarathustrier kannte diesen Tag, und für ihn mußte er eine
andere Bedeutung besitzen als für den Muslim. Denn schwerlich schlug das
Herz dessen, der diesen Roman verfaßte, für die „Söhne Isma'ils ibn
Ibrahim (Gott segne ihn), die wohnen in den Einöden, deren Speise Früchte
und Fleisch sind, deren Trank die Milch" 5 8 . Sie waren und bleiben ihm das
unvornehme Volk: er hält es für des Hervorhebens wert, daß Chusrö vom
Arabischen „etwas" verstand (95, 14) . . . Daß an dieser Stelle erwähnt
wird, wie man sich verständigt, zeigt die Aktualität der arabischen Sprache.
Wenn Perser und Hephthaliten miteinander sprechen, erfährt man niemals,
in welcher Sprache das geschah.
Genug: erst aus weitem Abstand und zu einer Zeit, da Irans Größe
längst vorüber schien, konnte dem, der die Fremdherrschaft kannte und
über die Jahrhunderte zurückschaute, der Gedanke kommen, Arsakiden
und Sasaniden seien ein Geschlecht von Brüdern, gleicher Wurzel ent-
sprossen. Echte Brüder, waren sie zu Lebzeiten bitterlich verfeindet, aber
für diesen Blick schlossen sie sich zusammen, bildeten vereint die beiden

56 ann. 1, 868, 19f. Dazu Th. Nöldeke, Übers. 109 Anm. 1 ; Arrian, Parth. fr. 1,
leitet die Arsakiden von Artaxerxes 11. Mnemon ab (Bahman b. Isfandiyä^l ist
Artaxerxes 1 : Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. L f g . [1960] 191).
67 Th. Nöldeke, Übers. 279 Anm. 5.
68 E . G. Browne, a. O. 239.
254 DICHTUNG

Leuchten Irans, um ein bekanntes Wort 6 9 umzubilden. Auch die günstige


Beurteilung, die sowohl Hephthaliten wie Byzantiner im Roman erfahren,
zeigt, daß der Verfasser ein Rückschauender war. Hier spricht einer, der
alle Vergangenheit, auch vergangene Feinde, im rosigen Lichte sieht.
Der Fortgang bestätigt, daß die gegebene Deutung zutrifft. Denn so
fahren die Edlen Delams zu Bistäm in ihrer Rede fort: , ,Wenn dir gegeben
wird, was du willst, dann ist's, was wir wünschen und du wünschest. Fällst
du aber, so fällst du im Streben nach der Krone, und das wird dir noch
weiterreichenden Ruhm und ehrenvolleres Gedenken bringen" (107, 8f.).
So spricht man nur zu dem, der wirklich gleichberechtigt ist.
Bistäm willigt ein, ehelicht Gurdiya und besteigt den Thron. Er findet
große Gefolgschaft, zuletzt 100000 Mann (107, iof.). Er dringt in Medien
ein: Chusrös Beamte fliehen, und die dehkän schließen sich in ihre Burgen
ein oder entweichen auf die Spitzen der Berge (107, 15f.).
Chusrö versuchte es mit Überredung. In einem Brief weist er Bistäm auf
das Unrecht seines Tuns hin und sagt ihm Verzeihung zu (107, 19 f.). Damit
ist die Frage des beiderseitigen Rechtes angeschnitten: Bahräm's Genossen
hätten Bistäm mit einer Würde ausgestattet, die ihm nicht zukomme
(107, 20f.). In seiner Antwort übersteigert Bistäm, herausgefordert und
gereizt, seinen Anspruch. Er habe besseres Recht auf den Thron als Chusrö:
sei er doch Nachkomme des Därä, Sohnes des Därä, der mit Alexander
gekämpft habe (107, ßf.). „Ihr Söhne Säsän's habt uns um unser Recht
gebracht und uns Unrecht angetan, obwohl euer Ahnherr Säsän nur ein
Schafhirte war. Und wenn sein Vater Bahman geglaubt hätte, es sei etwas
Rechtes an ihm, hätte er ihn nicht zugunsten seiner Schwester Chumänä 8 0
vom Thron ausgeschlossen" (108, 6f.).
Damit ist Chusrös Anspruch abgewiesen, die Alleinberechtigung der
Sasaniden in Frage gestellt. Auch das Letzte, was aufrecht stand und sich
über alle Wechselfälle hinweg zu behaupten schien, ist erschüttert. Das
bestätigt sich, als es zum Entscheid durch die Waffen kommt. Bei Hama5än
entbrennt die Schlacht. Drei Tage wogen die Kämpfe hin und her, und
keiner darf sich des Sieges rühmen (108, 19f.). Es bleibt offen, wer den
wahren Anspruch besitzt: die Söhne Däräs und Kai-Asak's oder diejenigen
Säsän 's.

* · Petr. Patr. fr. 13, F H G . 4, 188.


,0 So von Guirgass vokalisiert. Churmäni bei Tabari ua.: F. Justi, Iranisches Na-
menbuch 132 1.
jI. RITTERROMAN 255

Der Roman drängt zum Abschluß. Chusrö ist alles mißlungen: List,
Überredung und Gewalt. Da hilft ihm der Bruder Bahräm's, des „Ver-
brechers", wie er ihn noch gerade genannt. Gurdöe, Bruder nicht nur des
Toten, sondern auch der Gurdiya, jetztigen Gemahlin Bistäms, war Chusrö
immer treu geblieben (109, 2f., vgl. 90, 8f.). Er erfindet eine List, und mit
Hilfe seines Weibes (109, I4f.) gewinnt er Gurdiya für den Anschlag.
Bistäm fällt von Gurdiyas Hand, diese wird Chusrös Gattin, ihr Sohn soll
die Nachfolge erhalten (109, 10).

Unter den Parallelfassungen nimmt die Guidi's syrischer Chronik


weitaus den ersten Rang ein, da sie eine unabhängige Darstellung gibt. Sie
ist oben 2, 31 f. in Übersetzung mitgeteilt worden und wird uns noch be-
schäftigen. Sodann ist zu nennen die erste Fassung der Chronik von Se'ert,
deren Übersetzung folgt:
„(2, 443, 1 Scher) Es wird berichtet die Gesamtheit dessen, was von
Chusrö Αßarvez seinem Vater Hormizd geschah, sowie dessen Ursache gemäß
dem, was erhalten ist in den Nachrichten der Könige. — Hormizd hatte einen
Heerführer, dessen Name Bahräm Cöbin (göbin) war, den er zur Bekämpfung
der Türken ausgesandt hatte. Er (Bahräm) siegte über sie und gewann
große Beute und brachte zu Hormizd, was übrig blieb von der Beute
(gemeint ist: nachdem Heer und Heerführer ihren Anteil erhalten hatten 1 ),
und schön war seine (Bahräm's) Aufnahme bei ihm (Hormizd). Da benei-
deten ihn (Bahräm) die Genossen des Königs, setzten ihn herab und ver-
kleinerten die Menge dessen, was er geschickt hatte, im Hinblick auf das,
was er sich selbst aus dem Land der Türken angeeignet habe. Er (Hormizd)
entgalt ihm (Bahräm) daraufhin seine Verdienste dadurch, daß er ihm
einen roten Kittel (nach Weiberart) zusandte und einen Spinnrocken mit
Spinnwirtel. Er sagte ihm: ,Einem gleich dir steht an, daß seine Kleidung
diese Kleidung sei.' Er (Hormizd) schickte das Heer weg, und sie (die
Angehörigen des Heeres) ergrimmten gegen ihn und kündigten den Ge-
horsam gegen König Hormizd auf. Zu ihm (Bahräm) kam der Befehl, daß
er vor ihm (Hormizd) erscheine. Er (Bahräm) nahm auf seiner Rückkehr

1 Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat i , 2oi.; Finanzgeschichte der Spätantike 20.


Also hasala unter Berücksichtigung dessen, daß im Folgenden davon die Rede ist,
Bahräm habe einen Teil der Beute aus dem Türkenkrieg für sich behalten. A. Scher
liest hassala wie Z. 5 und übersetzt demgemäß.
256 DICHTUNG

(aus dem Feindesland) Zuflucht zur Rebellion, und als er nach R a y ge-
kommen war, schlug er Dirhem, darauf der N a m e seines Sohnes — Chusrö's
Aßarvez, Sohnes Hormizd's — und sein Bildnis (zu sehen waren), und
schickte sie heimlich nach al-Madä'in. Sie kamen in die Hände des Volkes,
und es gelangte die Nachricht zu Hormizd, d a machte er sich daran, seinen
Sohn zu ergreifen. Dies erfuhr sein Sohn und floh nach Ä S u r b a i y ä n .
(444, ι Scher) Hormizd's Zorn bedrückte das Heer: er behandelte sie
(dessen Angehörige) rigoros und nahm ihnen ihren Besitz. E r tötete seine
Brüder, setzte die Oberen gefangen und nahm ihnen ihre Liegenschaften. E r
erbaute in A h w ä z und Mihragä Gefängnisse und setzte dort die Oberen der
L e u t e seines Reiches gefangen, pflegte sie mit Brot zu speisen, darin As'
(Kiesel? Die Parallelstelle 465, 4 f . spricht von „ B r o t , darein Gips, al-gass,
gemischt w a r " ) war, und ihnen bitterschmeckendes Wasser als T r a n k zu
geben. D a setzten sie (die Großen des Heeres) ihn gefangen und schrieben
an Chusrö Aßarvez, daß er käme. E r k a m zu ihnen und wurde König
über sie. Nicht fühlte das Heer sich sicher, daß von Hormizd eine
List angewandt würde: darum blendeten sie ihn. Dies erfuhr B a h r ä m
Cöbin (Söbtn): da zog er heran inmitten seines Heeres, vorgebend, erzürnt
zu sein über das, was dem König zugestoßen war. D a stellte sich ihm (Bah-
räm) A ß a r v e z entgegen, und A ß a r v e z mußte angesichts seiner (Bahräm's)
die Flucht ergreifen. E r eilte zu Maurikios, dem Kaiser R o m s , indem er
ihn um Hilfe bat gegen den, der ihm (Chusrö) das Königtum entrissen
hatte. D a schickte er (Maurikios) mit ihm (Chusrö) das Heer, nachdem er
sein (Maurikios') Schwiegersohn geworden war durch seine Tochter Maria —
Maurikios' Tochter. E r (Chusrö) gelangte nach al-Madä'in, B a h r ä m wurde
in die Flucht geschlagen, und sie errangen den Sieg über ihn. Ihm
(Chusrö) wurde das Königtum wieder zugestellt".
Nach ausdrücklicher Angabe entstammt der Bericht dem sasanidi-
schen Königsbuch. Aus diesem hat der Redaktor der Chronik oder
schon Daniel b. M a r y a m das Stück in seine Erzählung eingelegt. Quelle
bildete, wie schon der Beiname Cöbxns zeigt (oben 2, 33), der R o m a n
B a h r ä m Cöbin 's selbst, und abgesehen von der starken Verkürzung unter-
scheidet sich diese Fassung nur in unwesentlichen Einzelheiten von der
Dinawari's. Nöldeke, dem die Chronik von S e ' e r t noch nicht vorlag, hatte
bereits erkannt, daß T a b a r i ' s Vorlage, also das Königsbuch, den R o m a n
seiner Darstellung eingearbeitet hatte 2 .
2
Übers. 476.
II. R I T T E R R O M A N 257

Von den beiden syrischen Berichten (oben 2, 28) geben wir den aus
Barhebraeus' Chronicon Syriacum in Ubersetzung:
,,(92, 1 Bedjan) In Maurikios' achtem Jahr rebellierten die Perser
gegen Hormizd, ihren König, nahmen ihn durch List gefangen und blendeten
ihn; er starb. Nach zehn Monaten war jenen, die ihn (Hormizd) getötet
hatten wegen seiner vielen Missetaten, sein Sohn Chusrö willkommen, und sie
machten ihn zum König über sie (die Perser) für 38 Jahre. Bahräm aber,
einer der Großen des persischen Heeres, fügte sich Chusrö nicht und rebel-
lierte wider ihn auf gewalttätige Art mit viel Volks. Da nahm Chusrö
bei den Römern Zuflucht: er sandte insgeheim (die Bedeutung nicht bei
Brockelmann) an Maurikios, daß er bereit sei zu ihm zu kommen, wenn
er es erlaube. Als Maurikios dies hörte, freute er sich und schrieb, daß er
ihn mit allem unterstütze. Chusrö brach freudig auf und begab sich nach
Urhäi (Edessa). Es nahm ihn in seinem Hause auf Iohannes von Rü-
säpä und ehrte ihn hoch. Er (Chusrö) schrieb an Maurikios, daß er ihm gegen-
über wie ein Knecht sei. Maurikios aber antwortete, daß wie ein Vater
seinen Sohn er ihn ehren werde. Er schickte zu ihm (Chusrö) Iohannes, den
Heerführer der Thraker, mit einem Heer von 20000 (Mann) und Anastasios,
indem dieser mit sich führte an Armeniern und Bulgaren (weitere) 20000.
Er (Maurikios) schickte an Gold vierzig kantinäre, daß es fürs Heer auf-
gewandt würde (la-npakteh: über die Bedeutung von npak\ Altheim-
Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. 140!). Als Chusrö all dieses empfan-
gen hatte, brach er auf zu seinem Ort, und es kam zu ihm Hormizän der
Perser mit 20000 (Mann). Als aber die Rebellen (dies) hörten, rüsteten sie
sich zum Kampf: sie wurden besiegt und flohen (C. Brockelmann, Lexic.
Syriac. 2 250 r. unter hassä). Die Anführer unter ihnen wurden gefangen und
getötet, was übrig blieb, ging zu Chusrö über. Chusrö gab viele Ge-
schenke den Römern, und große Gaben sandte er an Maurikios sowie
seltene (C. Brockelmann, a. 0. 308 1. unter 4) Steine. Er gab zurück Därä
und Res'ainä den Römern. Chusrö ersuchte Maurikios, und dieser gab
ihm seine Tochter Maria zum Weibe; Bischöfe brachten sie. Auch mit
Theodosios' Tochter (l-barteh d-teödösiös corr. Bedjan; la-breh t. codd.)
feierte er eine höchst prächtige Hochzeit. Der Patriarch (von Konstanti-
nopel) setzte ihr (Maria) eine Krone auf. Chusrö baute drei große Kirchen:
der Gottesgebärerin, den Aposteln und dem Hl. Sergios, dem Märtyrer, und
es weihte sie der Patriarch von Antiocheia. Es verbreitete sich der christ-
liche Glaube in ganz Persien".

17 Altheim, Hunnen IV
258 DICHTUNG

Uber die Erwähnung der Bulgaren ist oben 2, 28 gehandelt. Zu den


Gaben (es ist auch da von „Gaben", *atä', nicht von Soldzahlung die Rede:
Altheim-Stiehl, Finanzgeschichte der Spätantike 64) bemerkt Tabari, ann.
1, 999, 16; 1000, 15, es hätten 60000 Mann (demnach wären Hormizän's
Perser eingeschlossen gewesen) 20000000 Dirhem erhalten, also auf
den Kopf durchschnittlich 333 Dirhem. Michael Syrus spricht von 400
züzln für jeden Soldaten: 387 mittl. Sp. Z. 15f. syr.; 2, 372 Ubers. Chabot.
Anders und schwerlich richtig Mas'ödi, murüg 2, 220, gi.; 222, 8f. Uber
Theodosios oben S. 247.
Maurikios' achtes Jahr fiel auf 589/590 und lief mit dem 12. 8. ab.
Rechnete man von seinem Beginn jene zu Eingang erwähnten zehn Monate,
so käme man etwa auf den Juni, und mit dem 27. Juni begann rechnungs-
mäßig Chusrö's II. Aßarvez erstes Jahr: Th. Nöldeke, Übers. 43of.
Mit den Syrern stimmt überein die zweite Fassung der Chronik von
Se'ert. Sie schildert zunächst das Emporkommen Chusrö's Aßarvez, und
wendet sich alsdann Bahräm's Rebellion zu:
„(465, 9 Scher) Es dauerte eine Weile, und Bahräm Cöbin (söbin), der
Rebell gegen ihn (Chusrö), entfloh, nachdem er den Anlaß gebildet hatte für
das Entstehen der Mißhelligkeiten zwischen ihm (Chusrö), seinem Vater
(Hormizd) und dem Heer (und nachdem) er ihn (Chusrö) bekämpft, des König-
tums beraubt und die Leute großes Unglück getroffen hatte. Aßarvez wurde
zur Flucht genötigt und wandte sich an Maurikios, den Kaiser Roms, indem
er ihn um Hilfe bat. Er schrieb an ihn über das, was ihm zugestoßen
war, und bat ihn, seine Hand zu ergreifen und 40000 Kämpfer zu schicken
(466, 1 Scher) und 40 kantär Gold für Auslagen wegen des Heeres. Da
willigte er (Maurikios) in das, was er (Chusrö) gebeten hatte, nahm ihn
auf, wie es sich für ihn schickte gemäß seinem Glauben, und sandte ihm, um
was er gebeten hatte. Er sandte mit dem Heer zwei Befehlshaber nach
Kirkesion und schrieb ihm, er solle nach 'Ana oder Nisibis gehen. Denn
diese waren die beiderseitigen Grenzstädte zwischen beiden Königreichen.
Da begab sich Chusrö nach Edessa (ar-ruhä), und es ehrte ihn, wer ihm
von den Römern auf seinem Weg begegnete. Dann zog er nach Mambig: da-
rauf traf er mit dem Heer zusammen, das ihm zugesandt worden war. Chusrö
kehrte nach dem 'Irak zurück, bekämpfte Bahräm und trieb ihn in die
Flucht nach Medien (al-gabal). Es verfolgten ihn die Römer: da floh er ins
Land der Türken. Chusrö bemächtigte sich des Königreiches (der Perser)
und beschenkte die Heere der Römer mit vielen und herrlichen Geschenken.
II. RITTERROMAN 259

Er schickte an Maurikios kostbare Gaben, nannte ihn seinen Vater und


ehelichte dessen Tochter Maria . . . Er räumte für ihn Därä und Mayä-
färikin, deren beider sein Vater Hormizd sich bemächtigt hatte.
Chusrö befahl, die Kirchen wieder herzustellen und ehrte die Christen
wegen Maurikios. Er baute für Maria zwei Kirchen und für Sirin (467, 1
Scher), seine Gattin aus dem Land der Nabatäer, eine große Kirche und ein
Schloß im Land Be-Läpät (so zu schreiben, vgl. Th. Nöldeke, Ubers. 41
Anm. 2; bl'sfr Scher). Und überhaupt hörte für die Christen zu seiner
Zeit der Friede nicht a u f . . . bis zum Tode Maurikios'".
Die Chronik von Se'ert kann nach ihrer Entstehungszeit weder aus
Michael noch aus Barhebraeus geschöpft haben. Alle drei müssen auf die
gleiche Quelle zurückgehen.
Der Beiname Cöbin ist in den arabischen Text der Chronik aus der
zuvor übersetzten ersten Fassung der Geschichte Bahräm Cöbin's einge-
drungen. Der nachträgliche Einschub erweist sich daran, daß die syrische
Fassung allein von Bahräm spricht.
Als letztes ist anzuschließen Barhebraeus' Bericht in seiner arabisch
geschriebenen „Geschichte der Dynastien":
,,(154,'3 Pocock) In Maurikios' achtem Jahr fielen die Perser über
Hormizd, ihren König, her und blendeten ihn, dann töteten sie ihn. Sie
machten zum König über sich Bahräm, den marzbän. Hormizd hatte einen
jugendlichen Sohn namens Chusrö, der als Anösarvän (sie) der Gerechte
bekannt war. Er (Chusrö) veränderte sein Äußeres in das eines Bettlers und
durchzog das Reich der Perser, bis er nach Nisibis gelangte. Er ging
nach Edessa (ar-ruhä) und von dort nach Bambyke. Er schrieb an Maurikios
einen Brief, dessen Text lautete: ,Dem gesegneten Vater und hohen Herrn
Maurikios, Kaiser von Rom, von Chusrö, Hormizd's Sohn, seinem
(Maurikios') Sohn, Gruß! Ich teile dir, dem Kaiser mit, daß Bahräm und
seine Anhänger, Knechte meines Vaters, nicht ihr Maß kannten und ver-
gaßen, daß sie Knechte sind und ich ihr Herr. Daß sie verleugneten die
Wohltaten meines Vaters ihnen gegenüber, feindlich gegen mich waren und
mich zu töten suchten. Da bemühte ich mich, zu einem gleich dir zu eilen,
deiner Güte teilhaftig zu werden und dein Untertan zu sein. Denn sich zu
unterwerfen einem König wie dir, auch wenn er einmal Feind war, ist erträg-
licher als in die Hände aufsässiger Knechte zu fallen, und mein Tod durch die
Hand von Königen ist ehrenvoller und weniger eine Schmach als durch die
Hand von Knechten. Darum bin ich zu dir geeilt, im Vertrauen auf deinen

17·
260 DICHTUNG

Edelmut und in der Hoffnung, daß du dich gütig zeigest gegenüber einem
gleich mir; daß du mir mit deinen Truppen zu Hilfe kommst, damit ich
mittels ihrer den Feind zu bekämpfen vermag, und auf daß ich dir ein
folgsamer und gehorchender Sohn werde, so Gott (erhaben ist er) will'.
Nachdem (155, 1 Pocock) Maurikios den Brief Chusrö's, Hormizd's Sohnes,
gelesen hatte, entschloß er sich, seiner (Chusrö's) Bitte (mas'alatihi corr.) zu
entsprechen, weil er zu ihm (Maurikios) geflohen war. E r kam ihm zu Hilfe
mit 20000 Mann, schickte ihm an Geld 40 Talente Goldes und schrieb ihm
einen Brief, dessen T e x t lautete: „ V o n Maurikios, dem Knecht Iesu, des
Messias, an Chusrö, König der Perser, meinen Sohn und meinen Bruder,
Gruß! Deinen Brief habe ich gelesen, und ich habe vernommen, was du in
ihm berichtet hast über das T u n deiner Knechte, die sich wider dich er-
hoben haben, und daß sie die Wohltaten deiner Väter und deiner Vor-
fahren mißachteten; daß sie gegen dich zu Felde gezogen sind und dich
aus deinem Königtum verjagt haben, und es hat mir eingeleuchtet. Dies
hat mich veranlaßt, mit dir Mitleid zu empfinden . . . und dir mit dem
zu helfen, um was du mich gebeten hast. W a s aber deine Worte angeht, daß
sich zu bergen unter den Fittichen eines feindlichen Königs und um Schutz
zu suchen an seiner Seite ehrenvoller sei als in die Hände aufsässiger Knechte
zu fallen, daß auch der Tod durch die Hand von Königen rühmlicher sei
als durch die Hand von Knechten, du aber das rühmlichere Verhalten ge-
wählt und uns darin angefleht habest, so halten wir dein Wort für aufrichtig,
nehmen deine Rede an, billigen deine Hoffnung, erfüllen deinen Wunsch,
führen aus, wessen du bedarfst, loben deinen Vorsatz, danken dir für die
gute Meinung, die du in diesem Fall über uns hegst, und schicken dir, was
du an Truppen und Geld erbeten hast. Ich mache dich zu meinem Sohn und
bin dir ein Vater. Nimm das Geld dir zum Segen, ebenso die Truppen, und
mach dich auf unter Gottes Segen und seiner Hilfe. Nicht mögen dich
Mißmut und Ungeduld befallen, vielmehr rege dich gegen deine Feinde und
laß nicht nach (156, 1 Pocock) in dem, das du tun mußt, da du von deinem
Rang gesunken und von deiner Würde herabgestiegen bist. Siehe, ich hoffe,
daß Gott dir den Sieg über deine Feinde bringe, daß er sie werfe unter das
Unterste deiner Füße, daß er zurückstoße ihre List in ihren Hals und daß
er dich zurückkehren lasse zu deiner Würde, in der Hoffnung auf Gott
(erhaben ist er)'. Nachdem die Truppen für Chusrö da waren, er die Gelder
erhalten und Mut gefaßt hatte beim Lesen von Maurikios' Brief, zog er mit
den Truppen der Römer gegen Bahräm und traf ihn zwischen Madä'in und
II. R I T T E R R O M A N 261

Wäsit. Da ergriff Bahräm die Flucht, und er (Chusrö) tötete alle seine
(Bahräm's) Genossen. Chusrö gab frei (zur Plünderung) die Heerlager
Bahräm's, kehrte zurück zu seinem Königtum, saß in ihm, und die Leute 3
versicherten ihn insgesamt ihres Gehorsams. Er (Chusrö) rief alle Römer,
gab ihnen Geschenke, sandte sie (die Römer) heim zu ihrem Herrn und
schickte an Maurikios an Geschenken und Geld die doppelte Menge, die er von
ihm erhalten hatte. E r (Chusrö) gab Därä und Mayäfärikin an die Römer
zurück, baute zwei Kirchen für die Christen in Madä'in und weihte die eine
von beiden der Herrin (Maria) und die andere dem Heiligen Sergios, dem
Märtyrer".

3
Der Roman gehört zu den geschichtlichen Vorwürfen, die ihren Be-
arbeiter zugleich anziehen und mutlos werden lassen 1 . Es läßt sich
nicht verhehlen, daß die Geschichte des Romans ein kaum überseh-
bares Feld darstellt. Sie gleicht einem Weltreich, dessen Provinzen mit
Erdteilen zusammenfallen. Wenige, die sich dem europäischen und ameri-
kanischen Roman der Neuzeit widmen, vergegenwärtigen sich, daß den
vorderasiatischen und ostasiatischen Romanen die gleiche Bedeutung
zukommt. Es will schon einiges bedeuten, wenn man der antiken und
mittelalterlichen Vertreter gedenkt. Umfangreiche Funde sind auch im
näheren Bereich an der Tagesordnung, wofür genüge, an den mittelhoch-
deutschen Lancelot zu erinnern2. Und wer hätte sich an eine litera-
rische und geschichtliche Deutung des Romanes gewagt, der von Bahräm
Cöbin's Schicksalen handelt 3 ! Und doch geht es um eine Dichtung, die, an
der Grenze von Spätantike und Mittelalter stehend, all jene Entscheidungen
in sich schließt, vor der man angesichts solcher Grenzlage sich gestellt zu
sehen pflegt.

s
D . h . der Adel: Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache i. Lfg., 93f.
1
Die Verfasser glauben aus Erfahrung sprechen zu können. Sie haben mancherlei
veröffentlicht: F. Altheim, Epochen der röm. Gesch. 2 (1935), 26;>f.; Helios und Helio-
dor von Emesa (1942); Literatur und Gesellschaft 1 (1949), 11 — 1 2 4 f . (zusammen mit
U. Schneider-Menzel); Roman und Dekadenz (1951); R. Stiehl in: W Z K M . 53 (1956),
4 — 2 2 ; Altheim-Stiehl, Die aramäische Sprache 2. Lfg. (i960), 1 8 3 — 2 2 2 .
2
Lancelot, herausgeg. von R. Kluge (1948).
* Zuletzt Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat 1 (1954), 2 ° 6 — 2 2 6 ; F. Altheim in:
East and West 9 (1958), 1 2 9 — 1 4 4 .
262 DICHTUNG

Dieser Roman hat mit dem Lied von der Burgunden Untergang gemein,
daß den Hunnen oder Hephthaliten eine bedeutsame Rolle zugewiesen ist.
Beidemale sind sie die Gegner, bald sind sie Verhängnis, bald der Hinter-
grund, der sich nicht wegdenken läßt. Sie begrenzen und bestimmen den
geschichtlichen Raum, darin das Geschehen abläuft, und hier wie dort
verhelfen sie dazu, daß Akzente gesetzt, Wertungen eingeführt und der
Spruch des Schicksals vollzogen werden. Mit dieser Feststellung ist man be-
reits inmitten der Fragen, deren Beantwortung der Roman aufgibt. In
dieser Betrachtung, in der es ums Grundsätzliche geht, mag vom Vor-
gänger und Gegenüber, dem Heldenlied, ausgegangen werden 4 .
Das Lied von der Burgunden Untergang zeigt (wofern man sich auf die
altnordische Fassung stützen darf) noch nichts von der höfisch-ritterlichen
Färbung und dem Reichtum der Episoden, die das mittelhochdeutsche
Nibelungenepos kennzeichnen. Im Lied ist alles, Personen und Geschehen,
„rund und da". Es ist auf die eigne Mitte bezogen, sich selbst genügend,
geschlossen und in dieser Geschlossenheit hingenommen. Handeln ge-
schieht aus der unmittelbaren Gegenwart, geradlinig und ohne Schwanken,
und in gleicher Haltung wird getragen, was an Gegenwirkungen und
Folgen sich einstellt. Wirklichkeit wird unbezweifelt gelassen; sie ist ab-
gemessen und überschaubar, gibt sich gegenständlich, greifbar und deutlich
umrissen. Hell und Dunkel, Geradheit und Hinterlist sind eindeutig auf-
geteilt. Anspielungen und Perspektiven gibt es ebensowenig wie einen
Aufbau, der sich erst im gegenseitigen Bezug erhellt. Was dasteht, steht
für sich und bleibt, was es ist; Innen und Außen, Stufen einer seelischen
oder charakterlichen Entwicklung sind ungeschieden. Nirgendwo eröffnet
sich ein Weg in fernes Land oder gar ins Uferlose: auf begrenztem Raum
hat man zu leben und sich zu behaupten. Zusammenstöße führen fast immer
zum Untergang dessen, dem zu unterliegen bestimmt ist. Daß der Betroffene
auch dann sich treu bleibt und, solange er atmet, sich nichts abdingen läßt,
sichert seinem Untergang den Kranz, der als höchster gilt: die tragische
Größe.
Von gleicher Art ist, was sich an Vorstufen oder älteren Formen des
Heldenliedes beobachten läßt. Allenfalls die Geschichte des Königs von
Sümän überschreitet die gesetzten Grenzen, jüngere Zeitgenossin des
Romans von Bahräm Cöbin, die sie ist. Denn hier setzt die gegenseitige
4 Wie bekennen gern, daß M. Wehrli's Betrachtung zum mittelalterlichen R o m a n
(Neue Zürcher Zeitung 30. 4. i960, Lit.-Blatt) uns angeregt hat.
II. RITTERROMAN 263

Bezogenheit in Geschehen und Aufbau erstmals ein, wenn der König


und Tarhün sich gegenübertreten. Der Ungebeugte und der Nachgiebige
müssen unterschiedslos den Weg des bitteren Endes gehen, der zugleich
der ihres Volkes ist (oben 2, 95f.; 288).
Mit dem Roman tritt man in eine andere Welt. Gegenüber dem Helden-
lied hat der Umfang gewaltig zugenommen, Ereignisse und Zahl der Han-
delnden haben sich vervielfacht. Der Gang der Erzählung ist schwerer zu
überschauen; er prägt sich erst nach wiederholtem Lesen ein. Schriftlich-
keit und Lesen ist überhaupt das Neue: wurde das Lied in größerem Kreis
vorgetragen und gehört, so erschließt sich der Roman in der Zurückge-
zogenheit sozusagen Seite um Seite. War er auf einer Rolle geschrieben, so
mußte diese hin- und hergerollt werden, um den Zusammenhang sich zu
vergegenwärtigen; las man im gebundenen Codex, so ging es schwerlich
ohne wiederholtes Vor- und Zurückblättern ab. Doch was zunächst lästiger
Zwang war, wandelte sich alsbald zum Vehikel einer neuen Darstellungs-
form. Man brauchte sich nicht mehr zu begrenzen, sondern vermochte sich
zu entfalten. Was im Heldenlied geschlossen vorlag und in diesem Zustand
verharrte, durfte sich regen. Es konnte vielschichtiger werden, im Reichtum
der Beziehungen sich ausleben und brauchte die Aufspaltung und das
Doppelsinnige nicht zu scheuen.
Genug: der Roman weiß von jener Einheit, Geschlossenheit und gerad-
linigen Folgerichtigkeit nichts mehr, die das Lied ausgezeichnet hatten.
Keine menschliche Gestalt und nicht einmal die eines Volkes enthalten jetzt
eine eindeutige Aussage, bilden eine bleibende Einheit. Iran stehen Byzanz
und die Hephthaliten zur Seite. Beide sind Feind und helfender Freund im
Wechsel, und diese überdies Asyl und neue Wirkungsstätte. Auch können
Chusrö und Bahräm nur im ständigen Gegenüber begriffen werden, wie sie
denn auch durch gemeinsamen Bezug zu Hormizd in wechselndes Licht
treten. Chusrö's Verhältnis zum Kaiser entspricht dasjenige Bahräm's zum
Chäqän. Niederlage, Verlassen wer den und Flucht, dann der Sieg Chusrö's
wiederholen sich in umgekehrter Folge an Bahräm, und was im Kloster zu
Hit verkündet wird, begegnet im Gegensinn in der Hütte des alten Weibes.
Aber auch in sich ist der Mensch nicht mehr einheitlich und folgerichtig.
Chusrö duldet den Vatermord und rächt ihn gleichwohl; er ist ansprechend
im Unglück und anmaßend, widerwärtig im Besitz der Macht. Bahräm ist
der Zuverlässige, Gehorsame und sich Fügende, Vorkämpfer des ange-
stammten Königtums, und greift gleichwohl nach der Krone. Bindöe und
264 DICHTUNG

Bistäm, zunächst die Treuesten der Treuen, verwandeln sich in Rebellen,


die gegen ihren König aufstehen, ihm und seinem Haus das Recht auf den
Thron absprechen. Gurdiya, solange sie unter dem Panzer ihrer Jungfräu-
lichkeit lebt, erweist sich als virago, welche dieser Dichter allein unter den
weiblichen Möglichkeiten gelten läßt. Dem Manne verfallen, sinkt sie zu
jener Niedrigkeit herab, die ihr mit ihresgleichen von der Natur bestimmt
ist. Auch das Schicksal, das über alles verfügt, scheint von gleicher Art: es
stürzt Chusrö und hebt ihn empor, wie es dies, wenn auch in anderer Ab-
folge, mit Bahräm tut. Aber wenn es beide im Glück entarten läßt, so ge-
stattet es dem, der aus dem Spiel endgültig ausscheidet, eben im Unglück
die höchste Bewährung. Sie ermöglicht Bahräm, in der Verbannung zum
untadeligen Selbst von einst zurückzufinden.
Zuweilen — und das kommt zum Bisherigen — führt das Gerüst der
Bezüge, das diesen Roman bestimmt und trägt, über dessen Handlung
hinaus. Von außen tritt eine Welt maßgebender Prägungen hinzu, und sie
überschattet oder erleuchtet, was auf dem abgesteckten Feld des Romans
sich ereignet. Wie im Roman des christlichen Mittelalters Gregorius nach
dem Vorbild Mosis ausgesetzt oder der arme Heinrich auf Hiob hin aus-
gerichtet wird, so beruft sich Bahräm für sein Handeln auf Rustam, Isfan-
diyär und andere Helden der Sage; tut Chusrö dasselbe bei den Mahnungen
und Versprechen, die er an seinen Gegner richtet; führt der Mönch von Hit
das Buch Daniel im Munde und zaubern die Delamiten die verfemten, ver-
gessenen Arsakiden aus dem Dunkel hervor. Der inneren Entsprechung, die
aus dem Geschehen des Romans selbst erwächst, tritt eine äußere, gleichsam
herangeholte zur Seite. Motivwiederholungen im gleichen und im Gegen-
sinn — man hat von Motivreimen gesprochen —, einprägsam wie alle
Wiederholungen und Reime, werden ergänzt durch den Bezug auf die
Altvorderen der Sage und Geschichte. In beiden verankert sich der Aufbau
des Ganzen, und so erhält der Leser die Sicherheit, deren er bedarf, um sich
dem Berichteten vorbehaltlos hinzugeben. Denn die Hinweise, obwohl den
Handelnden in den Mund gelegt, sind in Wahrheit solche des Dichters, der
sie nach eigner Entscheidung seinen Figuren zuordnet. Dieses Verfahren
gewährleistet jene Einheitlichkeit, die für eine Wertordnung unabdingbar
bleibt.
Erneut hat sich gegenüber dem Heldenlied eine Wandlung vollzogen.
An die Stelle des Eindeutigen ist die Mehrdeutigkeit getreten, zummindest
eine Zweiseitigkeit, die allem Geschehen gleich einem Nessosgewand an-
II. RITTERROMAN 265

zuhaften scheint. Unsicherheit, die daraus erwächst, nötigt dazu, neue


Sicherungen einzubauen. Nur sind sie von anderer Art als das, was im
Heldenlied an Unbezweifeltem, Unreflektiertem vorgegeben war. Mit
künstlichem Bedacht sind Ausblicke und Durchblicke eingeschaltet, die
sich Vollziehendes und im Vollzug sich Wiederholendes transparent werden
lassen. Und solches Gewahrwerden erweckt zumindest die Illusion, das
Gefüge des Menschlichen lasse sich einsichtig vergegenwärtigen.
Mit alledem stellt sich im Roman ein Bestandteil ein, dem man den
Vorwurf (wenn es denn einer ist), er theoretisiere und enthalte sich des
Lehrhaften nicht, kaum ersparen kann. Zuweilen verdichtet sich das neue
Ingrediens zum Moralisieren, und dieses vermittelt alsdann weiteren
Aufschluß. Denn von vornherein hat es sich ein Übergewicht gegenüber
allem, was ihm entgegentreten könnte, gesichert. Nocheinmal: in der Welt
der Spannungen, die sich überall ankünden und nur zu oft auch offenbaren,
bedarf es erneuter Gewißheit. Aber auch das Moralische wird schließlich
fraglich. Auf der einen Seite höchster Anspruch, zeigt es auf der anderen
eben darum stärkste Anfälligkeit. Und schwerlich ließ sich vermeiden, daß
jener Vorgang, der Mehrdeutigkeit und Aufspaltung allenthalben herauf-
führte, vor dem scheinbar Höchsten haltmacht. Einmal ins Rollen ge-
bracht, läuft er weiter und erfaßt auch jene umhegten Bezirke, darin
sich die neue Sicherheit, die nunmehr wieder unbezweifelte Wirklichkeit
gesichert zu haben wähnen. Neue Festigung der Gewißheit führt in diesem
Roman dazu, daß in dem Maß, wie sie sich zu bewähren scheint, sie erneut
fraglich wird. Und diese Aufweichung läßt am Ende auch Werte fraglich
werden, die zunächst für den Dichter außerhalb jeder Erörterung zu
stehen schienen.
Solchen Wert bildete für den Roman Bahräm Cöbln's die Treue. In
einem feudalen Staatswesen wie dem spätsasanidischen bewährte sich an
ihr der Zusammenhang bestehender Ordnungen. Treue des Lehnträgers
gegenüber dem Lehnsherrn, Treue des Lehnsherrn gegenüber dem Lehns-
träger besagte, daß die Stufenordnung dieses Systems mit Sinn und Wirken
erfüllt war, daß in ihr gedacht und gelebt wurde. Zuoberst der König, alle
Macht ausstrahlend und vergebend, von Stufe zu Stufe gewährend und
gewährleistend, vergab er Rechte und Anteile, die in sich Treueverpflich-
tungen enthielten 5 . Angezogene Parallelberichte, die gleichfalls Bahräm
4 Althcim-Stiehl, Ein asiatischer Staat, ι, 168I.; F. Altheim, Utopie und Wirt-

schaft (1957) '3®·


266 DICHTUNG

Cöbin's Schicksal behandeln, zeigen, daO erst der Roman Treue als sittlichen,
den feudalen Staat und seine Gesellschaft erhaltenden Wert zum Maßstab
der Beurteilung werden ließ. Während Bahräm sonst als Rebell erscheint,
der bedenkenlos persönlichem Machtstreben folgt, auch die neben ihm Auf-
tretenden kein anderes Verhalten kennen, hat im Roman alles durch Be-
zogenheit auf die Treueverpflichtung eine neue und eigne Mitte erhalten.
Bahräm ist der gehorsame Lehnsmann König Hormizds; als solcher hat
er trotz der Schmach, die ihm angetan wurde, die Treue gewahrt. Die
gleiche Haltung nimmt Bahräm am Hof des Chäqän ein, und dieser er-
widert dem Verbannten und Gestürzten mit Gleichem. Unerschütterliche
Treue kennzeichnet Gurdöe, Bahräm's Bruder. Auch Bindöe und Bistäm
halten unverbrüchlich zu Chusrö, verlassen ihn im Unglück nicht und
schlagen für ihn ihr Leben in die Schanze. Chusrö selbst mahnt seinen
Gegner Bahräm, nach geschehenem Abfall auch Bistäm zu gleichem Ver-
halten und erinnert an die großen Vorbilder der iranischen Sage. Diese
wird damit zur Norm alles Tuns und seiner Bewertung erhoben.
Doch der Roman wäre schwerlich, was er ist, hätte sich ihm nicht, was er
erhoben und festgelegt hatte, wieder ins Reflektierte und Vielschichtige
gewandelt. Indem Treue zu beherrschendem Rang aufstieg, wurde sie
anfällig, setzte sie sich der Versuchung und Entwertung aus. Bezeichnend
ist, daß sich Treuekonflikte ergeben. Verpflichtung tritt in Widerstreit mit
anderer Verpflichtung, und was eindeutig zu sein schien, erweist sich, vor
die Bewährung gestellt, als verschiedener Auslegung zugänglich. Nicht nur
Chusrö hat zwischen Rache und Treue zu wählen. Auch Karin sieht sich
der Frage gegenüber, ob er Bahräm oder Chusrö stärker verpflichtet sei.
Die aufsässigen Delamiten vollends sprechen aus, daß die Verpflichtung
gegenüber Arsakiden und Sasaniden sich durchaus die Wage halten.
Einschneidender noch ist, daß leuchtender Bewährung der Treue der
eindeutige Verrat gegenübersteht. Bahräm mißachtet Chusrö gegenüber die
Verpflichtung, die ihn an Hormizd gebunden hat. Auch Chusrö's Verhalten
i^t angesichts der Versuchungen, die Macht und eigenem Vorteil ent-
springen, anfällig. Daß er Bindöe und Bistäm dem eignen Vater gegenüber
gewähren läßt, daß er zuvor schon Hormizd die Wahrheit vorenthalten hat,
wirft einen schweren Schatten auf seine Sohnestreue. Dann bricht er, vor
den Entscheid gestellt, ob er den Vatermord rächen oder Vasallentreue
halten soll, den bisherigen Anhängern gegenüber das gegebene Wort.
Bistäm, bisher der Treuesten einer, wird daraufhin zum Rebellen, zu einem
II. RITTERROMAN 267

zweiten Bahräm. Er tritt offen dessen Nachfolge an, indem er Bahräm's


Schwester Gurdiya ehelicht. Gurdiya wiederum verrät Bistäm, um Chusrö's
Liebe zu gewinnen. Und Bahräm, Siyävus' Sohn, verhält sich ähnlich
gegenüber seinem bisherigen Herrn Bahräm Cöbin.
Mitten hinein in diesen Wirwarr von gelobter und gebrochener Treue,
von hohen Idealen und schmerzlicher Wirklichkeit fällt Bindöe's letztes
Wort. Es beschuldigt die Sasaniden ohne Umschweif des ständigen Verrats
und Wortbruchs. Wenn irgendwo, so darf man in dieser Äußerung das
Urteil des Dichters suchen. Wenn sich ihm überhaupt eine Antwort darauf
ergab, wie es zum Sturz des stolzen Königshauses von seiner Höhe kommen
konnte, so darin, daß Treue mißachtet und damit dem Bestehenden die
Grundlage entzogen wurde.
FÜNFTES BUCH

ATTILA
12. KAPITEL

ATTILA UND OSTROM

I
Nach längerer Unterbrechung kehrt die Darstellung zu den Hunnen
zurück. Uber sie gebot Rua in seinen letzten Jahren als Alleinherrscher;
sein Mitregent war vor ihm gestorben. Sofort machte sich ein Anziehen der
Zügel bemerkbar. Als die oströmischen Truppen in Nordafrika gegen die
Wandalen eingesetzt wurden,benutzte Rua die Entblößung der Balkanfront,
um durch seinen Unterhändler Esla in Konstantinopel Forderungen anzu-
melden (434). Die Oströmer sollten seiner Herrschaft gewisse Stämme
wieder zustellen, die zu ihnen geflohen seien. Als solche Stämme nannte
Esla die Amilzuren, Itimaren, Tunsuren und Boisker. Bei Nichterfüllung
der Forderung drohte man mit Krieg.
Alle Stämme tragen türkische Namen und waren Hunnen (oben 1,8)l.
Im Jahre 375 saßen sie nördlich des Asowschen Meeres, aber alles spricht
dafür, daß sie von dort mit den anderen Hunnen weitergezogen sind (oben
r> 35°)z· Offenkundig befand sich ihre wehrhafte Mannschaft auf ost-

römischem Gebiet. Dort, wo man immer nach kriegstüchtigem Ersatz


Ausschau hielt, wird man sie mit offenen Armen aufgenommen haben. Auf
der anderen Seite zeigt sich, daß Rua entschlossen war, alle hunnischen
Stämme unter seiner Herrschaft zu vereinen. Er verlangte demnach die
genannten Stämme als Untertanen und Entlaufene zurück.
Rua hatte den Zeitpunkt gut gewählt. Er war verfahren, wie dies der
Hunnen Art zu sein pflegte. Im Jahr 395 hatten sie die Abwesenheit von
Theodosios' I. Heer in Italien zu ihrem großen Einfall in die Ostprovinzen
benutzt, und 422 hatte sie der Abmarsch der Donaubesatzungen zum
Perser krieg nach Thrakien geführt. Angesichts der schwierigen Lage sandte
man von Konstantinopel zwei Heermeister, den Gothen Plintha und den
Konsul des Jahres 427 Dionysios, zu Verhandlungen ab. Sie erreichten
1
Zu Ε . A. Thompson, a. O. 71 Anm. 2.
1
Gegen Ε . A. Thompson, a. O. 71.
272 ATTILA

Rua nicht mehr, er war im Frühling 434 gestorben. Noch einmal traten zwei
Könige das Erbe an: Rua's Neffen Bleda und Attila (oben 1, 364 f.).
Beide waren von verschiedener Wesensart. Was man von Bleda weiß,
spricht nicht für ihn. Liebster Besitz war ihm ein maurischer Zwerg namens
Zerkon, an dessen stammelnder Sprache und verkrüppeltem Gang der
Hunne unbändige Freude hatte. Zerkon wurde alles verziehen und gewährt.
Was immer er tat oder wünschte, bildete den Anlaß zu nicht enden wollendem
Gelächter. Mochte Zerkon entfliehen und in Ketten zurückgebracht werden,
mochte er sich ein Weib wünschen oder eine Rüstung erhalten, immer war
er Gegenstand roher Späße, barbarischen Übermuts.

Attila vermochte Zerkon 's Anblick kaum zu ertragen . . . Er besaß eine


Vorstellung von herrscherlicher Würde — als erster unter den hunnischen
Königen, die nicht nur Bleda, sondern auch den Völler Uptar in ihren
Reihen zählten. Hier mag genügen, Priskos* Urteil anzuführen: „Stolz
schritt er einher und ließ seine Augen hierhin und dorthin schweifen, wobei
sein Machtbewußtsein in einem gestrafften Körper sich ausprägte; den
Krieg liebte er, aber er vermochte seinem Arm Einhalt zu gebieten; ge-
waltig war er im Rat und im Planen, aber'den Bittenden schenkte er
Gehör, und wen er einmal unter die Seinen aufgenommen hatte, dem blieb
er ein gütiger Herr; von kurzer Statur, breiter Brust, mächtigen Hauptes,
schlitzäugig, mit spärlichem und grauem Barthaar, plattnäsig und dunkel-
häutig besaß er alle Merkmale hunnischer Herkunft". Aber er plante
Großes und traute es sich zu, fährt der Bericht fort. Anlaß dazu habe das
Schwert des Kriegsgottes gebildet, das ein Hirt gefunden und Attila ge-
bracht hatte. Jetzt habe er vermeint, zum Herrn der Welt berufen zu sein:
das Recht zum Krieg und die Macht dazu sei ihm durch jenes Schwert
gewährt worden.

Derart ungleiche Herrscher konnten nicht lange nebeneinander be-


stehen. Das Gewicht des Jüngeren sicherte ihm von vornherein die führende
Stellung; die kommende Alleinherrschaft war vorauszusehen. Immerhin
fiel Bleda erst nach Jahren von des Mörders Hand (wahrscheinlich 445),
und Attila stand ohne Nebenbuhler da. Trotz aller Gegensätze waren sich
die Brüder dem äußeren Feind gegenüber einig. Oströmische Unterhändler
konnten nicht damit rechnen, den einen gegen den anderen auszuspielen.
Das zeigt der Vertrag, der vor den Mauern der Stadt Margos mit Attila und
Bleda 435 abgeschlossen wurde.
12. A T T I L A U N D OSTROM 273

Als Plintha mit dem Rhetor Epigenes, von dessen Fähigkeiten man sich
daheim Großes versprach, die beiden Hunnenkönige traf, fand er sich neuen
Forderungen gegenüber. Nicht nur wurde man zu dem Versprechen ge-
nötigt, keine hunnischen Flüchtlinge fürderhin aufzunehmen und die bis-
herigen zurückzusenden. Auch die aus hunnischem Gewahrsam entlaufenen
Kriegsgefangenen, die zu den oströmischen Grenzen zurückgefunden hatten,
mußte man ausliefern oder den überhöhten Preis von acht Goldstücken für
jeden erlegen. Mit keinem Volk, das sich mit den Hunnen im Kriegszustand
befand, durfte Ostrom ein Bündnis schließen. Damit nicht genug, ward ein
alter Vertrag hervorgeholt, der den Hunnen Handelsrechte in bestimmten
römischen Marktplätzen zusicherte. Er wurde erneuert und dahin ergänzt,
daß den hunnischen Händlern Gleichberechtigung mit den römischen zu-
stand und überdies Handelssicherheit gewährt wurde. Die jährlichen Zah-
lungen seitens des Reiches, die unter Rua 350 Goldpfunde betragen hatten,
wurden verdoppelt.
Der Vertrag offenbarte die gesteigerten Ansprüche eines Volkes und
seiner Herrscher, die sich ihrer Macht bewußt geworden waren. Sie erhoben
Forderungen gegenüber dem oströmischen Nachbarn, die mit dessen An-
spruch, den ersten Rang einzunehmen, kaum noch sich vereinen ließen.
Man spürt Attilas Hand hinter dem, wofür er zusammen mit dem Bruder
verantwortlich zeichnete. Die Politik, die der künftige Alleinherrscher
betreiben sollte, zeichnete sich ab.

2
Nach Abschluß des Vertrages von 435 machten sich Bleda und Attila
daran, die Völker ganz Skythiens zu unterwerfen und führten Krieg mit den
Sorosgern. So sagt Priskos, und seine knappe Angabe bedarf der Erklärung.
Wer die Sorosger waren, besagt allein der Name, und nach diesem waren sie
Hunnen 1 . Dagegen ist deutlich, was mit den Völkern ganz Skythiens
gemeint war. Sie bildeten die Gesamtheit der hunnischen, überhaupt der
Nomadenstämme Osteuropas bis hinauf in die Waldzone. Die beiden Hunnen-
könige setzten damit die Politik der Einigung fort, die sich ihr Vorgänger
Rua hatte angelegen sein lassen.
1 Σορόσγους Priskos in Exc. de legat. 122, 22 de Boor. Sie sind in G. Moravcsik's

Byzantinoturcica nicht aufgeführt. Den ersten Teil bildet das oben 1 , 8 behandelte
iur ,.Fürst, Held"; den zweiten alttürk. osuy „Art". Das Ganze bildet ein Bahuvrihi-
Kompositum der oben 1, 10 behandelten Form: *6or-osyu „solche, deren Art Helden
(oder Fürsten) sind".

Althelm, Hannen IV
274 ATTILA

Skythien umfaßt keinesfalls, wie man angenommen hat 2 , die germa-


nischen Stämme. Attilas Grablied scheidet Scythica et Germanica regna, und
auch die Inseln des Okeanos können nicht angezogen werden, denn sie
bezeichnen nach überkommener Art die Grenzen der Welt (oben x, 243!.).
Aber auch die Völker Skythiens im Gegensatz zur Σκυθική besitzen eigne
Färbung. Priskos spricht bei den Akatziren von πολλών κατά φυλά και
γένη Αρχόντων (Exc. de legat. 103, 8f.). Er meint eine Vielheit von
Stämmen und Häuptlingen. Anders an einer zweiten Stelle. In Byzanz
betonte man, daß weder unter der Herrschaft von Attilas Vorfahren noch
unter der anderer derart hochgestellte Gesandte geschickt wurden wie
unter Attila selbst (Exc. de legat. 123, 9—10). Τοϋτο γαρ οΰδέ έπί των
αύτοΰ προγόνων ουδέ έπΐ έτέρων των άρξάντων της Σκυθικής
γενέσθαι, lautet die entscheidende Wortfolge. Da sind beide Gruppen
durch ausschließendes ουδέ—οΰδέ „nicht einmal — noch auch" ge-
schieden : als Attilas Vorfahren regierten, taten es nicht die ετεροι und
umgekehrt. Daraus folgt, daß die πρόγονοι zur gemeinten Zeit allein an
der Herrschaft waren, was sinngemäß auf Königtum und nicht auf Stammes-
häuptlinge führt. Bestätigt wird dies dadurch, daß sowohl Attila als auch
seine Vorfahren als άρξαντες της Σκυθικής erscheinen, nicht als άρχοντες
κατά φϋλα των Σκυθών. Sie und er beanspruchten Könige des hun-
nischen Gesamtvolkes zu sein. Die πρόγονοι sind zweifellos Kua und
Octar, die einzigen, von denen man weiß. Rua's Poütik der Einigung wurde
von Bleda und Attila fortgesetzt.
Wieweit dieses osteuropäische Herrschaftsgebiet sich nach Norden er-
streckte, zeigt die Erwähnung der Akatziren. Bisher wurde ihr Name als
alttürk. *ayac-äri „Waldleute" 3 , der Stamm selbst als hunnischer ge-
deutet. Anlaß, sich damit erneut zu beschäftigen, gibt eine Darlegung, die
W. B. Henning Herkunft und Namen gewidmet hat 4 . Für ihn sind die
Akatziren nichts anderes als „weiße" Chazaren.
Hennings Deutung gründet sich auf eine Reihe von Mißverständnissen
quellenkritischer, sprachlicher und philologischer Art. Der Nachweis kann
nur durch ein neues Verhör der einschlägigen Zeugnisse geführt werden.
Den Akatziren hatte Theodosios II. Geschenke gesandt, um sie Attila
abspenstig zu machen (Priskos in: Exc. de legat. 103, 8f.). Doch der Über-
2
Gegen Ε. A. Thompson, a. O. 75 f.
* Gy. Moravcsik, Byzantinoturcica 2 2 , 58f.; D. Sinor in: Journ. Asiat. 253,
Κ . H. Menges in: Byiantion 17, 261.
* In: BSOS. 1952, 502f.
12. A T T I L A U N D O S T R O M 275

bringer hatte bei der Verteilung nicht die rechte Reihenfolge innegehalten:
ού κατά τάξιν έκάστω των βασιλέων του Ιθνους δίδωσιν. Die Akatziren
hatten demzufolge Könige, und zwar das Gesamtvolk, έθνος, nicht die
zuvor genannten φυλά καΐ γένη. Dann geht es weiter: ώστε τόν Κουρί-
δαχον πρεσβύτερον δντα τ ή άρχή, τά δώρα δεξάμενον δεύτερον, οία
δή περιοφθέντα καΐ τών σφετέρων στερηθέντα γερών, έπικαλέσασθαι
τόν Ά τ τ ή λ α ν κατά τών συμβασιλευόντων. Der Komparativ πρεσβύτερος
zeigt, daß es nur zwei Könige gab, und δεύτερος bestätigt es. Wenn im
Folgenden von συμβασιλεύοντες gesprochen wird, so widerspricht es der
gezogenen Folgerung nicht. Wenn der vermeintlich Geschädigte Attila
anruft „in Beziehung auf die zugleich Regierenden", so sind er und der
zweite König gemeint. Das Doppelkönigtum legt von vornherein nahe,
daß es sich um Hunnen handelt.
Eine Angabe über die Wohnsitze der Akatziren findet sich in Iordanes'
Getica 5, 36. Sie steht inmitten der Beschreibung Skythiens, die mit 5, 30
einsetzt. Mommsen 5 (dessen Ausführungen über Iordanes' Quellen Henning
unbegreiflicherweise übersieht) hat gezeigt, daß der Beginn sich an eine
geographische Karte hält. Diese Karte war der Peutingerschen ähnlich
und ging ins 2. Jahrhundert n. Chr. zurück. Es ist nicht deutlich, ob
Cassiodor, dessen Werk Iordanes ausgezogen hat, selbst die Beschreibung
nach der Karte angefertigt oder ob er eine ihm schon vorliegende Beschrei-
bung benutzt hat*. Mit 5, 34 quorum nomine, licet nunc per varias familias
mutentur setzen Ergänzungen ein, die den Angaben der älteren Karte solche
aus der Zeit der Schreiber hinzufügen. Daß wiederum Cassiodor zugrunde
liegt, zeigt der Sprachgebrauch 7 .
Seine zwölf Bücher gotischer Geschichte wurden zwischen 526 und 533
abgeschlossen 8 . Dazu stimmt, daß nach 5, 37 die Bulgaren supra mare
Ponticum wohnen. Gemeint ist die παλαιά oder μεγάλη Βουλγαρία, die sich
nach Nikephoros (p. 33 de Boor) παρά τή ν Μαιώτιν λίμνην κατά τόν Κώφι να
ποταμόν bis zum Don erstreckte. Seine Angaben werden durch Theophanes
(P· 357 de Boor) bestätigt. Die dortigen Bulgaren waren Nachfolger der
hunnischen Kutriguren oder, wie Nikephoros sie nennt, der Kotragen.
Prokop läßt die Wohnsitze der Kutriguren sich vom rechten Ufer des

* In der Einleitung X X X I f.
« Th. Mommsen, a. Ο. X X X I I I .
7
Th. Mommsen, a. O. 63 Anm. 1—2.
8
Th. Mommsen, a. O. X L I .
18·
276 ATTILA

Don bis zur Donau erstrecken (bell. Goth. 4, 5, 15f.). Diese Zeugnisse
bestätigen die Rückführung von 5, 37 auf Cassiodor von der chronologischen
Seite 9 .
Henning 10 scheint zu glauben, der ganze Abschnitt gehe auf Iordanes
selbst zurück. Seine Gründe sind unwesentlich, denn die quellenkritische
Analyse zeigt, daß Cassiodor und damit ein Zeuge ersten Ranges vorliegt.
Gerade für unseren Abschnitt gilt das in besonderem Maße. Hat doch
Cassiodors Herr, Theoderich, selbst mit den Bulgaren gekämpft 1 1 und zu-
dem seinen Kanzler Schreiben an die Aesti (vgl. 5, 36) richten lassen (var.
5- 2) 1 2 .
Genug: Iordanes, oder richtiger Cassiodor, weiß von einer Abfolge von
drei Völkern, die sich von Norden nach Süden zieht. Am Oceanus, also an
der Ostsee, sitzen die bereits genannten Aesti, südlich von ihnen 13 die
A catziri, und diesen schließen sich bis zum Pontus die Bulgaren an (5,36—37).
Die Akatziren wohnen also tief im Binnenland, in der Mitte eines Streifens,
der von der Ostsee zum Schwarzen Meer verläuft.
Ein weiteres Zeugnis gibt Priskos. Die Άκάτζιροι waren von einer
bestimmten Zeit ab Attila unterworfen, der seinen ältesten Sohn als Herr-
scher bestellte 14 . Dabei erfährt man, daß sie mit anderen Stämmen zu-
sammen τ η ν ττρός τον ΓΤόντον Σκυθική ν bewohnten 15 . Henning übersetzt:
„the Scythian lands on the Black Sea" 1 ®, und glaubt dem entnehmen zu
müssen, daß Iordanes' und Priskos' Angaben in unvereinbarem Wider-
spruch stehen. Henning entscheidet sich für Priskos; er glaubt, Iordanes'
Zeugnis jeden Wert absprechen zu dürfen.
8
Zum Zeitansatz G y . Moravcsik, a. Ο. 21, 1 7 1 . Danach W . B. Henning, a. O. 5 0 3
unten; vgl. Iordan., Rom. 363.
10
a. O. 503 f.
11
Ennodius, M G H . , auct. ant. 7, 205 t. Henning spielt auf dieses Zeugnis an (a. O.
unten), hat es aber ersichtlich nicht nachgeschlagen, sonst hätte er auf die Zusammen-
hänge stoßen müssen.
12
Th. Mommsen, a. O. 63 A n m . 1.
13
Daß quibus in austrum adsidet ursprünglich nicht auf die Aesti, sondern auf
einen anderen, uns unbekannten Volksnamen gefolgt sei (W. B . Henning, a. O. 503),
ist bloße Behauptung.
14
F G H . 4 p. 8 2 b , i 8 f . Müller, vgl. 8 9 a , i 6 f . Ich zitiere nach dieser textkritisch
unzulänglichen Ausgabe, weil Henning es tut und der Leser damit die Möglichkeit erhält,
unser beider Beweisgang zu vergleichen.
15
F H G . 4, p. 8 9 a , 1 7 .

a. O. 5 0 3 ; derselbe Fehler bei J . H a r m a t t a in: A c t a arch. Hung. 2 , 297.
12. A T T I L A UND OSTROM 277

Hennings Entscheid beruht indessen auf einem Ubersetzungsfehler.


„The Scythian lands on the Black Sea" müßte heißen: τ ή ν Trpos τ ω Πόντω
Σκυθική ν. Was Priskos meint, ist: Scythia qua ad Pontum vergit17. Das
besagt, daß die Heimat der Akatziren nicht an der Küste, sondern im
Landesinneren lag, freilich von den Skythien begrenzenden Meeren dem
Pontos am nächsten.
Der Tatbestand ist demnach anders, als Henning annimmt. Man besitzt
zwei selbständige Zeugnisse: Priskos für die Mitte des 5. Jahrhunderts und
Cassiodor für die zwanziger Jahre des 6. Beide Zeugnisse widersprechen
einander nicht. Für Priskos saßen die Akatziren im russischen Binnenland,
und für Cassiodor saßen sie immer noch dort. Eine genauere Festlegung ist
nicht möglich.
Priskos gibt noch weitere Nachrichten. Die Sahiren, gedrängt von den
Awaren, vertrieben die Saraguren, Urogen und Onoguren aus ihren Sitzen 1 8 .
Die Saraguren kamen zu den Akatziren und unterwarfen diese 19 . Zusammen
mit den Akatziren unternahmen dann die Saraguren einen Einfall nach
Iran 20 , über neue Sitze der Akatziren wird nichts gesagt. Im Gegenteil:
die Saraguren mußten aus den ihren weichen und kamen so zu den Akatziren,
die sich anscheinend immer noch am alten Ort befanden. Hennings Ansicht,
wonach die Akatziren damals nördlich des Kaukasus — in den Steppen
zwischen Kuban, Don und Wolga — lebten 21 , wird durch nichts nahegelegt.
Ausgeschlossen wird sie durch Prokops Angabe, daß dort westlich des Don
die Kutriguren, jenseits des Asowschen Meeres und östlich des Flusses die
Utiguren wohnten (bell. Goth. 4, 5, 17f.).
Damit entfallen Folgerungen, die Henning aus seiner irrigen Deutung
zieht 22 . Daß die im Inneren Rußlands lebenden Akatziren irgendetwas mit

17 L i v . 36, 1 5 , 1 0 : Callidromon . . . in cuius valle ad Maliacum sinum vergente iter


est etc.
18 FHG. 4 p. 1 0 4 b , igf.
19 F H G . 4 p. 1 0 5 a , 1 f.
20 F H G . 4 p. 1 0 7 b , i 6 f .
21 a. O . 503. H e n n i n g l ä ß t d i e A k a t z i r e n „in the S c y t h i a n lands on the Black
Sea" w o h n e n u n d f ä h r t d a n n f a h r t : „ o n e w o u l d n a t u r a l l y localize t h e m in steppes
b e t w e e n K u b a n , D o n , a n d V o l g a " . D i e s e S t e p p e n liegen indessen n i c h t „ o n t h e B l a c k
S e a " , sondern z w i s c h e n A s o w s c h e m und K a s p i s c h e m M e e r . A u c h diese A n s e t z u n g b l e i b t
Willkür.
22 a. O . 5 0 4 f . Sie sind, u m einen A u s d r u c k H e n n i n g s g e g e n ihn zu k e h r e n : „ l e a r n e d
bosh".
278 ATTILA

den Chazaren zu tun haben, wird schon dadurch widerlegt, daß man über
deren Herkunft ausgezeichnete Nachricht besitzt. Theophanes (p. 358) und
Nikephoros (p. 34) lassen sie aus Βερζυλιά kommen, worin J . Marquart
Daghestan erkannt hat 23 . Mas'üdi in dem berühmten 17. Kapitel seiner Μurüg
führt einen Schritt weiter. Danach entstammte der Kern der Chazaren, der
islamische Kriegeradel, der Nachbarschaft vonChwärezm 24 . Diese Nachricht
hat sich jüngst von sprachlicher Seite bestätigt. Bestandteil der Chazaren
bildeten, nach ausdrücklicher Bezeugung des Porphyrogenneten 25 , die
Magyaren. Nach O. Szemerenyi's Nachweis 28 enthält ihre Sprache eine
Reihe iranischer Lehnwörter, die dem ältesten Chwärezmisch entstammten.
Iohannes' von Ephesos Angaben, in verschiedener Brechung vorliegend,
(oben 1, 85f.; 2, 2gi.), haben den Nachweis erbracht, daß die Chazaren
erst 585 aus dem nordöstlichen Iran nach Westen gewandert sind. Daß
sich damit Hennings Auffassung endgültig erledigt, wurde zuvor bemerkt
(oben 1, 96f.). Tabari (ann. 1, 2876, 12) kennt noch im Todesjahr Yazd-
gard's III. in Nordost-Iran einen malika l-hazar. Unter denen, die Hilfs-
gesuche seitens des letzten Sasaniden erhalten, erscheint der Chazarenkönig
nach dem von Feryäna, vor dem von Kabul und dem dehkärt Merws.
Es bleibt der Name der Akatziren. Henning 27 deutet ihn als Zusammen-
setzung von alttürk. aq „weiß" und dem Namen der Chazaren. Ursprünglich
*xacir lautend, habe er sich über *xasir (vgl. syr. hasir, hasar) zu *xazir
entwickelt. Henning meint: „he would be a bold man who asserted that
a sound change of intervocalic -c- to -s- (and further to -z-) was impossible
in the language of the Khazars, or that it had not possessed the sound -c-".
Henning deutet den ersten Bestandteil von Άκάτζιροι aus dem Alt-
türkischen. Dann müßte auch der Rest dort seine Erklärung finden. Um
so mehr, als die Inschriften aus Nowotscherkask (oben 1, 274f.) zeigen, daß
die Chazaren tatsächlich diese Sprache gesprochen haben. Umsomehr bedeutet
der Einwand, daß das Alttürkische nirgends und mehr noch: daß keine
einzige Türksprache den von Henning geforderten Wandel von intervoka-
lischem c zu s und ζ kennt. Wo c (ts) auftritt, ist es eine Modifikation von c.
23
Osteurop. und ostasiat. Streifzüge 489f.; vgl. 485; zuletzt Κ. H. Menges in:
Byzantion 17, 2y6i.
24
2, 10, 2 Barb.; oben 1, 2jji.
25
De admin. 38—40 Moravcsik; dazu F. Altheim, Geschichte der latein.
Sprache 87 f.
" Bei F. Altheim, a. O. 66f.
17
a. O. 506.
12. A T T I L A U N D O S T R O M 279

Und von diesem hebt M. Räsänen 28 ausdrücklich hervor, daß es fast überall
sich erhalten hat.
Was Henning darüber hinaus anführt, trägt gleichfalls nicht. Denn daß
ksr bei Zacharias Rhetor „evidently" eine ältere Form des Chazarennamens
sei (syr. hasir, hasar), mag gelten, beweist aber nicht den Wandel von c zu s.
Und Geogr. Rav. 168, 13 f. quos Chazaros ... Iordanis Agaziros vocat, mutet
dem Verfasser eine Angabe zu, die sich bei diesem nicht findet. Im Übrigen
hat sie sich sachlich und sprachlich als gleich unzutreffend erwiesen. Damit
entfällt auch Hennings sprachlicher Beweis, und der Weg zur Erkenntnis —
richtiger: zur Wiederherstellung des Richtigen ist frei.
Priskos bezeichnet die Akatziren einmal als Σκυθικών έθνος 29 , ein zwei-
tes Mal eindeutig als Άκατίρους Οΰννους 30 . Henning scheint anzunehmen,
die Sprache der Hunnen habe sich vom Türkischen unterschieden 31 . Der-
gleichen bedarf heute keiner Widerlegung mehr, und positiv gewendet
besagt dies, daß der Name der hunnischen Akatziren aus dem Türkischen
erklärt werden darf. Ein zweiter Anhaltspunkt ergibt sich aus den Wohn-
sitzen des Stammes. Es zeigte sich: er lebte im russischen Binnenland, zwischen
Ostsee und Schwarzem Meer, und zwar mehr nach diesem zu. Damit ergibt
sich die Möglichkeit, daß sie bereits in der Waldzone saßen. Henning hat
eingewandt 32 , daß Iordanes' Kennzeichnung als gens ... frugum ignara
quae pecoribus et venationibus victitat (Get. 5, 36) dem widerspreche. Indessen
passen Jagd und Fehlen des Ackerbaus durchaus zur Waldzone. Daß auch
Viehzucht es tut, zeigt das Bild der Gorodischtsche-Kultur, das typisch für
die Waldzone ist M .
So kommt man wieder auf *ayac-äri „Waldleute". Uber die Gegenüber
dieser zu den „Feldleuten" braucht nach dem vielen, das zuvor darüber
gesagt wurde (oben 1, i n ; 341; 346f.), nicht mehr gehandelt zu werden.
Daß auch bei den südrussischen Türken „Feldleute" gegenüberstanden,
hat O. Szemerenyi an den Yazar nachgewiesen 34 .

2· Materialien z. Lautgesch. d. türk. Sprachen (Stud. Orient. 15) 173; 180 f.


*· F H G . 4 p. 82b, i g f .
,0 F H G . 4 p. 105a, 2. Richtig Ε. A. Thompson, a. O. 95.
" a. O. 506, vgl. 504.
,2 a. O. 506 Anm. 9.
81 Zusammenfassend A. M. Tallgren in: Eurasia Sept. Antiqua 10, 171 f.
Bei F. Altheim, Gesch. der lat. Sprache 74 Anm. 1.
280 ATTILA

Noch einmal muß auf den Vertrag von 435 eingegangen werden. Die
Unterhändler hatten sich in Margos, einer Stadt der Moesia Prima, an der
Mündung der Morawa in die Donau gelegen, zusammengefunden. Man traf
sich außerhalb der Stadtmauern, und die beiden Hunnenkönige bestanden
für ihre Person darauf, die Verhandlungen zu Pferd zu führen. Die ost-
römischen Beauftragten hatten sich dem anpassen müssen, so ungewohnt die
Sitte ihnen sein mochte. Die Verhandlung zu Pferde war die Art eines Reiter-
volkes, und nicht nur für die Hunnen ist sie bezeugt 1 . Erst in der Folgezeit
erhielt die hunnische Diplomatie einen Zuschnitt, der den an sie gestellten
Anforderungen besser entsprach.
Zunächst hatte der hunnische Adel sich nach seiner Zusammensetzung
geändert. Die einstigen Stammes- und Familienhäupter waren zurückgetre-
ten; nirgendwo stehen jene κοττά φΰλα και γένη άρχοντες im Vordergrund,
von denen Priskos anläßlich der Akatziren berichtet. Schon vor Attila 2 hob
sich ein neuer geschlossener Stand ab, den Priskos als λογάδες bezeichnet.
Sie waren Mitglieder des Hofes und wurden als Beauftragte ihres Herrn in
Kriegsführung, Steuereintreibung und in diplomatischen Aufträgen ver-
wandt. Die Forschung hat diesen λογάδβς frühzeitig ihr Augenmerk zu-

1 Von den P a r t h e r n wird dasselbe b e r i c h t e t . „ I m m e r sind sie zu P f e r d e " , s a g t


Apollodoros v o n A r t e m i t a (bei l u s t i n . 4 1 , 3 , 4; dazu F . A l t h e i m , W e l t g e s c h i c h t e
Asiens 1 [ 1 9 4 8 ] , 27), „ a u f ihm ziehen sie in den K r i e g , reiten sie zu ihren G a s t e r e i e n ,
erledigen sie ihre ö f f e n t l i c h e n und p r i v a t e n V e r p f l i c h t u n g e n . Zu Pferde gehen und
stehen sie, h a n d e l n sie und b e s p r e c h e n sich m i t e i n a n d e r . U n d endlich u n t e r s c h e i d e t
D i e n e r und H e r r e n dies, d a ß die einen zu F u ß g e h e n , die anderen s t e t s zu Pferd er-
s c h e i n e n " . V o n den P a r t h e r n (Herodian. 4, 1 1 , 6) wie von den H u n n e n (Amm. Marc. 3 1 ,
2, 6) h e i ß t es, d a ß sie nur i m S a t t e l sich f a n d e n ; d a ß sie zu F u ß unbehilflich und
wehrlos waren. W i e d e r u m b e g e g n e t die Vorstellung d a ß der adelige und h o c h g e s t e l l t e
M a n n sich e t w a s vergebe, wenn er bei V e r h a n d l u n g e n n i c h t zu Pferde errscheine. Als
n a c h der S c h l a c h t bei K a r r h a i Crassus n a c h r ö m i s c h e r S i t t e zu den B e s p r e c h u n g e n m i t
S u r e n a s zu F u ß e i n h e r s c h r i t t , rief der P a r t h e r a u s : „ W i e ? E i n I m p e r a t o r der R ö m e r
zu F u ß und wir im S a t t e l ? " Alsbald ließ er ein goldgeschirrtes P f e r d h e r b e i b r i n g e n
und n ö t i g t e Crassus, es zu b e s t e i g e n ( P l u t a r c h . , Crass. 3 1 , 3 ; vgl. 5). U m g e k e h r t d r o h t e
S a n d i l c h , H ä u p t l i n g der hunnischen U t i g u r e n , er werde seinen kutrigurischen V e t t e r n
zum Zeichen der U n t e r w e r f u n g die Pferde n e h m e n (Menander P r o t . fr. 3, F H G . 4
p. 203). Noch der gefangene B a j a z e t m u ß t e vor T i m u r v o m P f e r d e steigen (Michael
D u k a s p. 6 8 B o n n ). „ T h e begs or landowners were usually fine men with dignified
bearing. T h e y i n v a r i a b l y rode, regarding pedestrians with c o n t e m p t " , b e m e r k t P .
S y k e s aus K a s c h g a r (in: J o u r n . R . Central Asian S o c i e t y 1 9 3 7 , 3 ° 2 ) ·
2 E . A. T h o m p s o n , a. O. 2 0 9 ; vgl. 5 8 ; 1 6 3 .
12. A T T I L A U N D OSTROM 281

gewandt 3 . Zuletzt hat J . Harmatta bei verschiedener Gelegenheit sich über


sie geäußert.
Ursprünglich 4 waren ihm die λογάδες und έπιτήδειοι Attilas, von denen
man sechs mit Namen kennt, Fremdstämmige, darunter fünf nach Ausweis
der Namen Germanen, einer Römer. Demnach hätte kein Mitglied der
hunnischen Stammeshäuptlingschaft der neuen Klasse angehört. Die λογάδες
seien Herren kleinerer oder größerer Gebiete gewesen, wo sie in Attilas
Namen mit bewaffneter Hand schalteten und Steuern erhoben. Was man
zu fassen bekam, war nach Harmatta's Ansicht die Ablösung der einstigen
Stammesgemeinschaft durch den beginnenden Staat („a nascent state
organization") 5 . E s drückt sich darin die Stärkung der Königsgewalt im
Gegensatz zu den bisherigen Stammeshäuptern aus. Wie Attila sein eignes
Haus weitgehend ausgerottet habe, so habe er eine allein von ihm abhängige
Gesellschaft geschaffen, darin viele Fremde vertreten waren. Zwei J a h r e
darauf legte Harmatta ein neues Ergebnis seiner Forschungen vor, das sich
von dem vorangehenden unterschied®. Έ τ π τ ή δ ε ι ο ι und λογάδες sind jetzt
geschieden. Die ersten stehen in persönlicher Beziehung zu Attila wie bisher.
Aber λ ο γ ά ς erhält eine veränderte Bedeutung. E s handelt sich einfach um
hunnische Vornehme als gesellschaftliche Klasse. Sie seien den vazurgän
ub äzädän der Sasaniden-Inschriften 7 oder den bäglär unter den mittel-
asiatischen Türken zu vergleichen.

Ausgegangen sei von der Bedeutung des Wortes λ ο γ ά ς : „ausgelesen,


auserlesen, ausgewählt". Damit kann eine „ E l i t e " im militärischen oder
gesellschaftlichen Sinn bezeichnet werden, worin wiederum eine Auslese
mitverstanden ist. So wird Äoyas gebraucht mit Bezug auf νεανίαι (Herodot.
x, 36; 43; Eurip., Hec. 544) und von den τριηκόσιοι Στταρτιητέων λογσδες
(Herodot. 8, 124) gesprochen oder von den λογάδες Περσέων oi άριστοι χ ί -
λιοι (Herodot. 9, 63). Thukydides, der das Wort des öfteren verwendet,
nennt Ά ρ γ ε ί ω ν oi χίλιοι λογάδες (5,67,2 und ff.), die 600 λογάδες der syra-
kusanischen Hopliten, die Epipolai gegen die Athener bewachen sollen (6,
q6, 3), und τριακοσίους . . . σφών α ύ τ ώ ν λ ο γ ά δ α ς καϊ τ ω ν ψ ι λ ώ ν τιναξ εκ-
λεκτούς (6, ιοο, ι). Hinzugefügter Genetivuspartitivusbezeichnet dieGesamt-

* Ε. Α. Thompson, a. Ο. g8; 100; 1 5 5 ; 163 f.; 209.


4
In: Acta archaeol. Hung. 1, 136f.
8
a. O. 139 r.
• In Acta archaeol. Hung. 2, 297 1. f.
7
G. Widengren in: Orientalia Suecana 5 (1956), 107.
282 ATTILA

heit, der die Auswahl entnommen ist. Es kann diese Gesamtheit auch weg-
gelassen werden, zumal dann, wenn sie selbstverständlich ist. Aber auch
dann wird sie mitgemeint wie in den φωναί λογάδες, λέξεις λογάδες, von
denen Photios spricht. Herodian verbindet έπίλεκτοι λογάδες und έπίλεκτοι
και λογάδες (2, 13, 2 ΐ ; 8, 5, n ) und bestätigt damit das Ergebnis.
Bei Priskos liegt der gleiche Gebrauch vor. Nur daß er dort, wo er von
den λογάδες der Hunnen spricht, nicht nur diese als größere Gesamtheit
meint, sondern Attila als den Auswählenden hinzutreten läßt. Keine Rede
davon, daß damit etwas den sasanidischen äzädän Entsprechendes gemeint
war. Ein äzäö war Berichos, insofern er als τταρά Σκύθαις ευ γεγονώς άνήρ
bezeichnet wird, und äzädän waren die an anderer Stelle genannten κατά
γένος διαφέροντες. "Αριστος und μέγιστος, was man am ehesten mit vazurg
verbinden möchte, erschienen nie absolut verwandt (was doch solche
Gleichsetzung erst erwiese): μέγιστα κατά πόλεμον έργα διαπραξάμενος und
τ ά κατά ττόλεμον άριστος, beide Male von Edekon gebraucht. Im Gegensatz
zu den übrigen Hunnen (Σκύθαι) werden Edekon, Orestes und Skottas
και ετεροι τ ώ v έ v α ύ τ o ϊ ς λ o γ ά δ ω v z u s a m m e n g e ί a ß t (Exc. delegat. 125,22f.),
und neben Attila stehen πάντες ol άμφ' αϋτόν λογάδες (ebenda 147, 26).
Das läßt sich nur so verstehen, daß diese aufs engste zum Herrscher gehören
und, wenn von irgendeinem, so von ihm ausgewählt sind. Unverkennbar
ist der Tatbestand in Edekons Worten: ώς και επιτήδειος είη τ ω Ά τ τ ή λ ς ι
και τ η ν αύτοΰ τοΤς είς τ ο ΰ τ ο άποκεκριμένοις λ ο γ ά σ ι ν έμττιστεύεται φυλα-
κήν (ebenda 580, 16). Hier ist die ursprüngliche Bedeutung einer Auswahl
deutlich und darüber hinaus, daß die Auswahl für Attila oder durch ihn
erfolgt ist. Darum kann sich Edekon auch als θεράπων seines Herrn, als
έπιτήδειος und daneben als dessen πεπιστευμένος bezeichnen. Hier kennt
man sogar die alttürkische Entsprechung: inaneu zu inanmaq „vertrauen" 8 .
Alles weist auf unmittelbare Beziehung zu Attila, der Edekon und die
übrigen λογάδες aus der Gesamtheit der Hunnen ausgewählt hat. Die Be-
stätigung erbringt eine letzte Stelle (Exc. de legat. 136, if.). Danach war
es so geordnet, daß τους . . . άλόντας ά π ό τ ω ν ευπόρων μετά τον Ά τ τ ή λ α ν
έκκρίτους είχον οί τ ω ν Σκυθών λογάδες.. Die „Ausgewählten" unter den
Hunnen hatten nach dem Herrscher selbst die „Auswahl" unter den
Gefangenen und durften sich die Reichsten nehmen, die das höchste Lösegeld
brachten. Man erkennt ein überlegtes Spiel mit der Bedeutung. Wie Attila

' F. Altheim, Aus Spätantike und Christentum (1952) 95 Anm. 4; Altheim-Stiehl,


Finanzgesch. der Spätantike 48 A n m . 136; dazu Polyb. 3, 69, 1; Strabon 797.
11. A T T I L A UND OSTROM 283

seine λογάδες auslas, so wählten sich diese unmittelbar nach ihrem κύριος
die beste Beute.
Daß der Vergleich mit den vazurgän ud äzäöän nicht zutrifft, hat sich
gezeigt. Diese gab es bei den Hunnen, aber sie fielen nicht mit den λογάδες
zusammen. Doch auch im Sasanidenreich gab es „Ausgewählte". Tabari
(ann. i, 898, 3) sagt, Chusrö I. Anösarvän habe sich seine Richter, Beamten
{'ummäl) und Statthalter ausgewählt (tahayyara). Beamter ('ämil) und
Statthalter (wäli) war auch Onegesios, einer der λογάδες, der mit einem
Sohn Attilas zu den Akatziren gesandt wurde. Er sollte diesen dort als
König einsetzen (καταστησαι: Exc. de legat. 130, 25; 1 3 1 , 23f.), Berichos,
dessen vornehme Geburt zuvor erwähnt worden war, bezeichnet Priskos
an anderer Stelle (ebenda 1 4 7 , 1 1 ) als άνδρα τ ω ν λογάδων και ττολλών ευ x f j
Σκυθική κωμών άρχοντα. Er gehörte zu den λογάδες um Attila, verwaltete
demnach in dessen Auftrag jene Dörfer als dessen 'ämil oder wäli.
Man hätte demnach eine Übereinstimmung zwischen einer hunnischen
und einer spätsasanidischen, unter Chusrö I. bezeugten Einrichtung. Das
wiederspräche der bisher vertretenen Auffassung, wonach die (europäischen)
Hunnen im Gegensatz zu den im Osten verbliebenen Hephthaliten und
den in deren Verband lebenden Stämmen sich allein mit der frühsasani-
dischen Kultur berührt hätten. Es ist darum hervorzuheben, daß die Ein-
richtung der λογάδες weit früher bezeugt ist. Priskos zufolge (ebenda 154)
sandte Perözdem Kidaritenkönig mit der falschen Königstochter 300 άνδρας
τ ω ν λογάδων. Auch sie sind „Ausgewählte", und wie es bei solchem Ver-
fahren zuging, zeigt Dinawari (82, 3f.) nach dem Roman Bahräm Cöbin's.
Dieser, mit der Führung des Krieges gegen die Türken (Hephthaliten)
beauftragt, erhält Zugang zur Stammrolle des Heeres (diwän al-gund),
damit er sich auswähle (li-yahtära), wer ihm zusage. Nach Heranziehung
der marzbän und Obersten (al-aSräf) wählt er (intahaba) 12 000 Ritter aus.
Es bleibt noch Harmatta's Behauptung zu besprechen, wonach Attilas
λογάδες nicht hunnischer, sondern entweder gotischer oder römischer Her-
kunft gewesen seien. Zumindest in seiner früheren Abhandlung hatte er
diese Auffassung vertreten 9 , in seiner späteren jedoch sie fallen gelassen.
Harmatta gab von den Namen der Edekon, Eslas, Berichos, Onegesios
und Skottas gotische Etymologien. Er hätte auch daran erinnern kön-
nen, daß einmal λογάδες der Goten erwähnt werden (Priskos fr. 39,

• Acta archaeol. Hung, ι, 144t.


284 ATTILA

FHG. 4, 108). Aber diese waren eben solche der Goten, nicht der Hunnen.
Edekon wird von Priskos ausdrücklich als άνήρ Σκύθης und τ ο ϋ Oüvvou γέ-
νους bezeichnet. Damit entfällt die Wahrscheinlichkeit eines germanischen
Namens: die Gleichsetzung mit alttürk. ädgü bleibt bestehen 10 . Ebenso ist
Berichos Hunne (παρά ΣκύΘαις ευ γεγονότος άνδρός), und auch von seinem
Namen läßt sich eine alttürkische Etymologie geben 11 . Von Onegesios gilt
dasselbe, denn er gehört zu den Σκυθών λογάδες; er gibt einem griechischen
Gefangenen κατά τόν παρά ΣκύΟαις νόμον die Freiheit. Sein Name läßt sich
als alttürk. *on-iyiz deuten 12 . Skottas ist Onegesios' Bruder und damit
Hunne wie dieser, selbst wenn er einen gotisch klingenden Namen oder
wohl eher Beinamen „Schütze" (altnord. skyti, ahd. scuzzo, ags. scytta)13
getragen haben sollte. Immerhin darf darauf verwiesen werden, daß die
Handschriften nicht die Form mit doppeltem, sondern mit einfachem τ
geben 14 . Damit ergibt sich auch da die Möglichkeit einer alttürkischen
Etymologie. Die verbale Wurzel oz- „fliehen, entkommen, erretten, sich
befreien" wäre alsdann mit faktitivem -ytttu erweitert (neben oz-yur-, oz-
-qur-) und am Schluß mit dem deverbalen Nominalsuffix a14 versehen. Dem-
nach *ozyuta „Erretter, Befreier". Es bleibt Eslas (Ήσλας). Ein itazistisch
zu sprechendes *isla- kann keinem urgerman. *aisila > *esla17 gleichgesetzt
werden. Es kommt nur alttürk. iS, if „Tat, Geschäft, Unternehmen, Dienst"
und la, lä als Adjektivsuffix in Betracht 1 8 . Also *islä oder Hsla.
Damit entfällt die Aussicht, in den λογάδες Goten zu erkennen. Es bleibt
Orestes, aus Pannonien stammend und Vater des letzten weströmischen
Kaisers Romulus Augustulus 19 . Er wird ausdrücklich als einer der λογάδες
bezeichnet. Priskos nennt ihn zudem όττάονά τε καΐ ύττογραφέα Ά τ τ ή λ α
und sagt ausdrücklich, er habe an Ansehen einem gebürtigen Hunnen wie
Edekon gegenüber zurückstehen müssen. Für den Anonymus Valesianus
1 0 F. Altheim, Literatur und Gesellschaft i , 217; G. Moravcsik, Byzantinoturcica

2 2 , 121. Ein Skire Edika im 6. Jahrhundert bei O. Höfler in: Paul und Braunes Beitr.
77, 53, mit Literatur.
1 1 G. Moravcsik, a. O. 2 2 , 89 f.

12 F. Altheim, a. O. 1, 217; G. Moravcsik, a. O. 218. Harmatta berücksichtigt

bei seiner gotischen Etymologie die itazistische Aussprache des η, aber nicht die des y .
1 5 J. Harmatta, a. O. 148; G. Moravcsik, a. O. 2 2 , 279.

14 Die Angaben bei G. Moravcsik, a. O. 2 2 , 279.

1 5 A. v. Gabain, Alttürk. Gramm. 2 (1950), Nachtrag zu 80, 8.

1 1 A. v. Gabain, a. O. 70 § 106.

1 7 J. Harmatta, a. O. 145 r.

1 8 G. Moravcsik, a. O. 2 2 , 133.

1 9 Anonym. Vales. 38; Ε. Α. Thompson, a. Ο. 163 Anm. 5·


12. ATTILA UND OSTROM 285

war Orestes Attilas notarius. Daß ein Römer in den Kreis der λογάδες
aufgenommen wurde, freilich ohne volle Gleichberechtigung zu genießen,
hatte seinen Grund. Es wird sich noch zeigen, daß Attila nicht nur die
Anfänge eines Feudalsystems, sondern auch die einer Bürokratie und
Kanzlei geschaffen hat.

Genug: Attila umgab ein Kreis persönlich Beauftragter, die in Krieg-


führung, Steuereintreibung und diplomatischen Missionen verwandt wurden.
Dem erstarkten Herrschertum mußte daran gelegen sein, statt der eigen-
willigen und oft unzuverlässigen Stammeshäupter auf unbedingt ergebene
Männer zählen zu können. Darum war Attila bestrebt, den λογάδες den
königlichen Dienst anziehend zu machen. Er sorgte dafür, daß sie durch
Anteil an Beute, Tributgeldern und reiche Gaben, die Gesandtschaften
jeder Art mit sich brachten, entschädigt wurden.
Solche Vorteile konnten indessen nur gewährt werden, solange die
Quellen, aus denen die Einnahmen sich speisten, reichlich flössen. Sobald
die feindlichen Grenzgebiete ausgesaugt und verwüstet waren und mehr
noch: sobald Attilas Politik der weitreichenden Eroberungs-, Plünderungs-
und Beutezüge auf erfolgreichen Widerstand stieß, konnten sie versiegen.
Trat dieser Wendepunkt einmal ein, so hatte man die λογάδες aus neuen
Quellen zu befriedigen. Die Rolle der Zahlenden, Ausgebeuteten, in Gefangen-
schaft und Sklaverei Gehaltenen, die bisher der besiegte Feind gespielt
hatte, mußte anderen zugeschoben werden. Es konnte kein Zweifel bestehen,
wo man den Ersatz zu suchen hatte. Die bisherigen Untertanenstämme
wurden, sobald außerhalb Gewinn nicht mehr zu holen war, zum bevor-
zugten Ausbeutungsobjekt im Innern. Waren einst bei siegreichem Ausgang
der Feldzüge diese Untertanen immer noch, wenn auch in fühlbarem Ab-
stand, an der Beute beteiligt worden, so bekamen sie als erste deren Ver-
knappung, dann ihr Fehlen zu spüren. In gleichem Maß, wie beides eintrat,
wurden sie der nächsten Umgebung des Herrschers, als Eigentum, zumindest
als Gegenstand der Ausbeutung, zugewiesen. Sie sanken von Untertanen
des Hunnenherrschers zu Hörigen und Sklaven eines Grundherrn ab.

Dagegen erhob sich eine Erbitterung, wie man sie kaum erwartet hatte.
Damals mögen die Ostgoten den Schwur getan haben, daß fürderhin keine
Abmachung mit ihren Unterdrückern gelten solle. Ihnen, die sich selbst
um keinen Landbau gekümmert, die aber gotisches Land gleich Wölfen
heimgesucht und dessen Bewohner als Hörige (θεραπόντων τάξιν ϋχονταξ)
286 ATTILA

genötigt hatten, in harter Fron den Unterhalt ihrer Herren zu beschaffen


(Priskos fr. 39, FHG. 4, 108).
Zum politischen trat demnach ein wirtschaftliches Moment. Die Be-
deutung des letzten für die Ordnung der Abgaben und Steuern wurde bereits
besprochen (oben S. 51 f.). Den λογάδες wurde eine bäuerliche Grundherr -
schaft zugewiesen, die ein arbeitsfreies Renteneinkommen gewährleistete.
Entsprechend bezeichnete Priskos Berichos als ττολλώνένττ) Σκυθική κωμών
άρχοντα. Mehr noch: er war zum Inhaber einer feudalen Gutsherrschaft
geworden, die kommende Formen des Mittelalters vorwegnahm.

4
Zuvor wurde gesagt, Attila habe nicht nur die Anfänge eines Feudal-
systems, sondern auch eine Kanzlei und damit die Grundlage einer Büro-
kratie geschaffen. Auch diese Behauptung bedarf der Erläuterung.
Priskos sagt ausdrücklich, daß die Hunnen eine Schrift besaßen 1 . An
Attilas Hof wurden Listen geführt, und diese wurden von einem ύττογραφεύς
verlesen. Es hat sich gezeigt (oben 1, 283^), daß das Vorbild der alttürki-
schen Runen das armazische Alphabet in seiner spätesten Form war, das sich
bereits dem Pärsik genähert hatte. Da ab Mitte des 3. Jahrhunderts die ar-
mazische Schrift zu verschwinden begann, sie sich immer stärker dem Pärsik
angeglichen hat und zuletzt ihm gegenüber zurückgetreten ist, müssen die
nördlich des Kaukasus sitzenden Hunnen um oder nach 300 das Vorbild
kennengelernt haben, dem sie die Runen nachbildeten. Eine Bestätigung
hat die armazische Inschrift auf dem Gefäß von Lad&nybene geliefert (oben
i , 296). Auch die aus dem gleichen Bereich nach der Theißebene vorge-
drungenen Alanen hatten das armazische Alphabet im Lauf des 3. Jahr-
hunderts oder schon vorher übernommen. Daß im weiter südlich gelegenen
Iberien sich dies schon im 1. Jahrhundert vollzogen hatte, hat die ältere der
Inschriften aus Mchet'a erwiesen (oben S. 8 f.).
Wer waren die Schreiber ? Bei den Osttürken konnte, viele Jahrhunderte
später, solch ein Schreiber vornehmen Standes sein. Für die beiden großen
Inschriften des Bilgä qayan nennt sich Υ ο ΐ ϊ γ tägin als derjenige, der sie
1
Priskos in: E x c . de legat. 1 2 8 , 1 8 f . de Boor. Weiteres bei F . Altheim, Literatur
und Gesellsch. I, 2 1 6 A n m . 1 5 . D a die genannten Listen zunächst für den inneren Be-
darf geführt wurden, kam Aufzeichnung in griechischer oder römischer Schrift nicht
in Betracht. Prokop., b. Goth. 4, 19, 8 f . spricht nicht dagegen: mit den „ H u n n e n "
sind die Utiguren gemeint. Richtig G. Moravczik, a. Ο. 2 1 , 21, unrichtig Ε . A. Thomp-
son, a. O. 4.
12. ATTILA UND OSTROM 287

aufgezeichnet habe. Er bezeichnet sich als Verwandten des Herrschers 2 . Von


vornherein mußte der Betrieb der Kanzlei auf Mehrsprachigkeit gestellt
sein. Das brachten die politischen Beziehungen zu den T'ang, aber auch zu
den weiter westlich sitzenden Soghdern mit sich. Übernahme der chinesischen
Schriftführung und chinesischer Lehnwörter für „schreiben" {alttürk. biti-),
„Pinsel" (alttürk. bir, biir) und „Inschriftenstein" (alttürk. bi) bestätigen
dies. Andererseits hat man in alttürk. bitkäci „Schreiber" ein griechisches,
durchs Syrische und Soghdische vermitteltes Lehnwort erblicken wollen
(oben i , 254f.).
Ein Schreiberstand und Mehrsprachigkeit seines Betriebes zeigt sich
auch bei den Hunnen. Die Sprachenmischung war groß, und Priskos
belegt sie mit Beispielen 3 . Er nennt Hunnisch, Gotisch und Lateinisch —
letztes, soweit man mit Weströmern zu tun hatte. Neben jenem hunnischen
ύττογρσφεύζ, der Attila aus seinen Aufzeichnungen in einheimischer Schrift
vorliest, steht Orestes, der einer Gesandtschaft nach Konstantinopel bei-
gegeben wird 4 . Der Name zeigt, daß er zumindest von der Mutter her
griechisches Blut hatte; sein Vater hieß Tatulos und stammte aus Pan-
nonien 5 . Daneben wird Rustikios genannt, aus dem Oberen Moesien gebürtig
und seitens der Hunnen von dort verschleppt. Er verstand die hunnische
Sprache, hatte sich durch Gewandtheit in Wort und Schrift seinem Herrn
unentbehrlich gemacht und wurde bei der Abfassung von Schreiben ver-
wandt, die an den oströmischen Kaiser gingen·. Aber auch mit dem West-
reich stand Attila in schriftlicher Verbindung. Aetius hatte nacheinander
zwei Männer, die beide Constantius hießen, zur Abfassung solcher Briefe
eigens zur Verfügung gestellt 7 .
Man folgert daraus, daß die Weströmer keine ständigen Schreiber
hatten, um diplomatischen Notenaustausch in fremden Sprachen zu
führen. Im Gegensatz zu Ostrom, wo man eigne Dolmetscher besaß 8 , zog
man vor, Attila eine geeignete Kraft zur Verfügung zu stellen. Man weiß
vom Sasanidenhof, daß es dort ein festes Schreiberamt gab, das den könig-
lichen Briefwechsel mit den Arabern zu besorgen® hatte. Meist war es ein
1 IC 13 p. 28; IC D; Ic Β p. 54 Orkun.

• Exc. de legat. 135, 14f.; 145, 11 f.; 21.


4 Priskos I.e. 123, 30; 124, 5f.
4 Priskos, I.e. 132, 23; 143, 9.

• Priskos, I.e. 145, 31 f.


' Priskos, 1. c. 127, 9f.; 132, 22 f.; vgl. 132, 32—133, 1; Ε. A. Thompson, a. O. 127f.
g Prokop., b. Pers. 2, 21; 26; 27.

• Jabari, ann. 1, 1024, 14!.; Ibn Kutaiba, lib. poes. 114, 2f. de Goeje.
288 ATTILA

vornehmer Mann aus Hira, was zeigt, daß auch er von den dortigen Vasallen-
königen zur Verfügung gestellt wurde. Dazu stimmt, daß er von den
Arabern in natura entlohnt wurde. Zwei rote Füllen, frische Trüffel zu
jeder Jahreszeit, getrocknete dicke Milch und andere Erzeugnisse werden
genannt 10 . Man verfuhr demnach ähnlich, wie sich Aetius verhalten hatte.
Man mag den Gedanken noch weiter führen. Wenn Attila und Bleda bei
den Verhandlungen vor der Stadt Margos einen alten Vertrag hervorholten,
den Rua mit den Oströmern geschlossen hatte, um ihn sich bestätigen zu
lassen und ihn zu erweitern, so muß es eine Stelle gegeben haben, da man
solche Schriftstücke bewahrte. Auch am Sasanidenhof gab es ein Archiv,
darin die Korrespondenz aufgehoben wurde 1 1 . Dawäwin sind vermutlich
Kopierbücher gewesen, darin die Abschriften der Originale eingetragen
wurden. Immerhin muß daran erinnert werden, daß diese Einrichtung
erst aus spätsasanidischer Zeit bezeugt ist, den Hunnen also kaum aus Iran
zugekommen sein kann 1 2 .
Die Anfänge eines Schreiberstandes spiegeln gleich den übrigen λογάδες
den Aufbau eines organisierten Staatswesens. An Rang konnten sich diese
Schreiber, trotz ihrer Unentbehrlichkeit, mit den λογάδες, soweit diese
dem Adel oder gar dem Herrscherhause entstammten, — den „königlichen
Skythen", wie Priskos mit herodoteischer Wendung sagt 1 3 — nicht messen.
Daß ein Verwandter des Herrschers als Schreiber aufgetreten wäre wie der
zuvor erwähnte Yoliy tägin, war undenkbar. Und doch begannen auch die
Schreiber ihre Ansprüche zu stellen. Das zeigt die Begebenheit zwischen
Edekon und Orestes, die Priskos berichtet 14 . Gegenüber einem echtbürtigen
und adeligen Hunnen (Edekon, also ädgü, bezeichnet den άριστος) wagte
der halbgriechische Schreiber, Gleichwertigkeit zu beanspruchen. Man mag
das Aufkommen der aramäischen Schreiberkaste im Achaimenidenreich
vergleichen, die neben den persischen Adel, die „Häuser", trat 1 5 . An
anderer Stelle wurde gezeigt, daß in der Revolte des Gaumäta, was sie sonst
bestimmt haben mochte, auch jene beiden Kasten sich entgegentraten 16 .

10
Tabari, ann. i, 1024, 1 5 ί .
11
Tabari, ann. 1, 1026, i6f.
12
Einschränkend gegenüber Altheim-Stiehl, Ein asiatischer Staat, 1, 267.
13
Priskos, 1. c. 1 4 1 , 1 3 f . ; Ε . Λ. Thompson, a. O. 10.
14
Priskos, 1. c. 123, 7 f.
15
F. Altheim, Weltgeschichte Asiens 1, 1 5 4 ; Altheim-Stiehl. Die aramäische
Sprache 1. Lfg. 7 5 f . ; 92f.
16
Altheim-Stiehl, a. O. 95 f.
12. ATTILA UND OSTROM 289

5
lim was es den Hunnen ging, hatte der Vertrag von Margos 435 gezeigt.
In erster Linie verlangten sie Auslieferung der Stammesgenossen, die über-
gelaufen und in oströmische Dienste getreten waren. Die Römer sträubten
sich, solange es ging, denn diese Männer gehörten zu den besten Soldaten,
über die man verfügte. Die Uberläufer selbst waren alles andere als gewillt,
in eigner Person Attilas Forderung nachzukommen. Sie wußten, was ihnen
jenseits der römischen Grenze bevorstand. Mama und Atakam, aus Attilas
Verwandtschaft, hatten die Römer lange in der Festung Carsum, unfern
von Troesmis in der Dobrudscha, in Haft gehalten und dann ausgeliefert:
sie wurden alsbald gekreuzigt. Andere, die in Attilas Hand fielen, wurden
gepfählt. Es kam so weit, daß die Römer die Hunnen in ihren Reihen, die
fest entschlossen waren, nicht zu den Ihren heimzukehren, lieber umbrachten
als sie auslieferten. Im übrigen vergalt man Gleiches mit Gleichem. Die
Bürgerschaft von Asemos tötete sämtliche Hunnen, die in ihre Hand fielen,
um sie nicht dem Feind zu neuer Verwendung zurückgeben zu müssen.

Eine zweite Frage betraf den Rückkauf der Kriegsgefangenen. Der


Vertrag von Margos hatte bestimmt, daß nicht weniger als acht Goldstücke
für den Kopf erlegt werden mußten. Acht Jahre später war der Preis auf
zwölf gestiegen. Entsprechend stand es mit den jährlichen Zahlungen.
Schon 435 hatte man sie aufs Doppelte erhöht. Rückstände wurden er-
barmungslos eingetrieben: 443 berechnete man diese auf nicht weniger als
6000 Pfund Gold. Zugleich wurde die jährliche Rate aufs Dreifache, dies-
mal auf 2100 Pfund, gesteigert. Die Aufbringung war äußerst schwierig.
Vermögende Männer verloren über Nacht ihren Besitz und damn ihre
Stellung; manche, die dergleichen nicht überleben mochten, machten durch
den Strick ihrem Leben ein Ende. Es blieb dabei keineswegs. Die hunnischen
Gesandten, die in Attilas Auftrag an den Hof in Konstantinopel gingen,
erhielten persönlich neue und außerordentliche Summen. Es schien der
einzige Weg, um gegenüber den ständigen und ständig wachsenden Forde-
rungen des Hunnenkönigs einen Aufschub zu erwirken. Doch statt der
erhofften Erleichterung sah man sich neuen Gläubigern gegenüber, und
Jahr für Jahr kamen und gingen die Abgesandten, um sich an byzantini-
schem Gold, an kostbaren Geschenken zu mästen.

Unberufene wirkten auf beiden Seiten mit, um die Lage zu verschärfen.


Wenn sie die Gelegenheit für günstig hielten, konnte geschehen, daß die
19 AUhelm, Hunnen IV
290 ATTILA

Hunnen einen ihnen eingeräumten Markt nördlich der Donau kurzerhand


überfielen und die Waren raubten. Aber sie standen nicht allein. Der Bischof
von Margos hielt es mit seinen Amtspflichten für vereinbar, daß er die
nördlich der Donau gelegenen Gräber der hunnischen Könige plünderte,
vor allem nach Gold durchsuchen ließ. Als man in Konstantinopel der
berechtigten Auslieferungsforderung der Hunnen nicht nachkam, entbrannte
um dieses Ehrenmannes willen der Krieg. Schließlich sah sich die Regierung
genötigt, nun doch dem Gedanken der Auslieferung näher zu treten. Denn
es schien unerhört, daß um der Schandtat eines Einzigen willen ein ganzes
Volk leiden müsse. Aber der Bischof wußte sich dem drohenden Schicksal
zu entziehen. Von den Hunnen ließ er sich Sicherheit zusagen und öffnete
ihnen dafür die Tore der eignen Stadt. Sie traf das Schicksal aller derer,
die in hunnische Hand fielen. Ausgeraubt und niedergebrannt, ward sie
nie wieder aufgebaut; die Bevölkerung mußte den Weg in die Sklaverei
antreten.
Es war verständlich, daß man in sich Konstantinopel durch jede sich
bietende Gelegenheit dazu verführen ließ, die Zahlungen zu verzögern oder
einzustellen. Erfolg hatte man nicht, denn von der anderen Seite wurden
die aufgelaufenen Summen ohne Verzug eingefordert, sobald die Lage es
gestattete. Die Hunnen ihrerseits benutzten jede Schwierigkeit, darein
Byzanz geriet, um alte Forderungen in Erinnerung zu bringen und neue
hinzuzufügen. Und Byzanz hatte mit Schwierigkeiten auf allen Seiten zu
kämpfen. Der Fall Karthagos, die Festsetzung der Wandalen und die
Schaffung einer Seemacht durch Geiserich mußten die oströmische Politik
ebenso auf den Plan rufen wie die ständige Bedrohung der Ostgrenze durch
die Perser. Hier setzte die hunnische Politik ein. Die wandalische Flotte
konnte Rhodos wegnehmen und damit die ägyptische Getreidezufuhr der
Hauptstadt unterbrechen; Einfälle der Isaurier oder Blemyer mochten
bevorstehen; Erdbeben das Reich und insonderheit seine Städte heimsuchen,
Hungersnot oder ein schwerer Winter auf der Landbevölkerung lasten:
immer war der Feind an der Nordgrenze unterrichtet. Er zögerte keinen
Augenblick, seinen Forderungen durch Drohung mit sofortiger Kriegseröff-
nung Nachdruck zu verleihen, und seufzend mußte man sich in Konstanti-
nopel zu neuen Zahlungen, zur Begleichung alter Schulden verstehen.
Letzter Ausweg blieb, es auf einen Krieg ankommen zu lassen. Aber
die Lage wurde dadurch nur verschlechtert. Die Hunnen hatten den Zeit-
punkt der Kriegsdrohung meist so gewählt, daß die kaiserlichen Heere
12. ATTILA UND OSTROM 291

auf anderen Schauplätzen gebunden waren. So konnte geschehen, daß den


einbrechenden Horden keine Truppe in offenem Feld entgegentrat. Man
war auf die Grenzbefestigung oder auf den Schutz, den die neugeschaffene
Donauflotte gewährte, angewiesen. Aber die Flotte konnte ohne Basis
nicht operieren, und die Festungen waren mangelhaft oder gar nicht be-
mannt; sie lagen isoliert und wurden eingenommen, ohne daß man einander zu
Hilfe eilen konnte. Keine Sperrkette war dicht genug, den wendigen und
überraschend auftretenden Reiterheeren der Hunnen den Weg zu verlegen.
Die Folgen waren furchtbar. Von den Hunnen überrumpelt, sanken nach-
einander blühende Städte wie Viminacium, Singidunum und Margos in
Asche; erst nach einem Jahrhundert (und oft gar nicht) sollten sie wieder
erstehen. Selbst Sirmium, die Schlüsselfestung der nordwestlichen Balkan-
front, hielt dem Gegner nicht stand. Mit Ratiaria fiel 443 die Basis der
Donauflotte und der Sitz einer der kaiserlichen Waffenfabriken; im gleichen
Jahr wurde Serdica ausgeraubt. Das furchtbare Bild, das eine von den
Hunnen genommene Stadt darbot, hat Priskos aus eigner Anschauung
geschildert. In Naissos war sechs Jahre danach noch alles menschenleer;
nur in den heiligen Stätten lagen einige Kranke. Das Ufer des Flusses war
derart mit den Gebeinen der Erschlagenen bedeckt, daß es schwer hielt,
einen Platz für das Aufschlagen des Zeltes zu finden . . . Auch auf dem
Lande wütete man mit gleicher Unbarmherzigkeit; der Geistlichen und
Nonnen wurde nicht geschont, sie wurden wie alle überlebenden in die Skla-
verei verschleppt. Es gelang nicht einmal, die Städte des Binnenlandes zu
schützen. Philippopolis, Arkadiopolis und Markianopolis fielen, und oft
schweifte der Feind bis vor die Mauern der Hauptstadt.
Daneben fehlte es nicht an Beispielen heldenhaften Mutes. Das kleine
Asemos, an der Grenze zwischen Oiskos und Novae gelegen, leistete einem
überlegenen Hunnenheer unerschütterlichen Widerstand. Die Bürger selbst
legten Hand mit an und verstärkten die Befestigungen. Sie überfielen den
durch Beute und Gefangenenzüge behinderten Feind, nahmen ihm das
Gewonnene ab und fügten ihm schweren Verlust zu. Durch die Bestimmun-
gen des Friedensvertrages genötigt, die hunnischen Gefangenen freizulassen
und die befreiten Römer entweder auszuliefern oder um hohen Preis los-
zukaufen, töteten die Männer von Asemos die ersteren bis auf zwei und
stellten den anderen frei, sich in ihre Heimat zu begeben. Für alle, die
gleichwohl bei ihnen blieben, leisteten sie einen feierlichen Eid, nichts von
ihnen zu wissen. Denn sie rechneten es sich nicht zur Schande, um der
19·
292 ATTILA

Rettung der eignen Volksgenossen willen einen Meineid geschworen zu


haben.
In der Hauptstadt selbst ging man mit gutem Beispiel voran. Als 447
ein Erdbeben Konstantinopel verwüstete, die Gebäude niederwarf und die
Einwohner unter den Trümmern begrub, wurden auch die Mauern in
Mitleidenschaft gezogen. Aber unter der tatkräftigen Führung des Präto-
rianerpräfekten Flavius Constantinus erbauten die Mannschaften der
Zirkusparteien, während Attilas Horden bereits die Stadt bedrohten, in
sechzig Tagen das Zerstörte wieder auf. Sie begnügten sich nicht damit,
sondern legten eine neue Verteidigungslinie an, so daß die Stadt jetzt von
einem dreifachen Gürtel beschirmt wurde. Epigramme in griechischer und
lateinischer Sprache, an den wiedererrichteten Mauern angebracht, kündeten
von dem Geschehenen.
Schwieriger war die Lage im offenen Gelände. Auch wenn Umstände es
fügten, daß ein kaiserliches Heer zur Hand war, focht man nicht glücklich.
Die germanische Generalsclique, die an der Spitze stand, war unter sich
uneins. Es konnte geschehen, daß ein Wandale, der Heermeister Iohannes,
von einem Rivalen, vermutlich unter stillschweigender Billigung der
Stammesgenossen im Amt, beseitigt wurde. Drei Heerführer — Aspar,
ein Alane, und die beiden Germanen Areobindus und Arnegisclus — ver-
suchten vereint und einzeln ihr Glück gegen die Hunnen: sie erlitten mehr
oder weniger schwere Niederlagen. Aber mit derZeit gewann man auch da an
Widerstandskraft. Arnegisclus, der Attilas Scharen am Ufer des Vid (Utus)
in der Dacia Ripensis 447 entgegentrat, gelang es wenigstens, die Waffen-
ehre zu retten. Er selbst kämpfte mit vorbildlicher Tapferkeit; das Pferd
ward ihm unterm Leibe getötet, bevor er fiel. Auch die Hunnen erlitten
schwere Verluste; sie sahen sich gezwungen, von weiterem Kampf abzu-
stehen. Es war nicht nur ein blutiger Sieg: es war der letzte, den sie in
freiem Feld gegen ein römisches Heer erringen sollten.
Als auch dieser Waffengang mit Attila erfolglos geendet hatte, blieb
Ostrom auf das Mittel angewiesen, das ihm noch zur Verfügung stand: die
Diplomatie.
Zunächst mußte Friede geschlossen werden (448). Was der Sieger an
Zahlungen auferlegte, ist nicht bekannt. Der Nachdruck lag auf der For-
derung einer ödzone, die sich zwischen beiden Reichen erstrecken sollte.
Die mit viel Kosten und Arbeit erbauten Befestigungen an der Donau
hatten sich als nutzlos erwiesen. Die meisten Stützpunkte waren in Feindes-
12. A T T I L A U N D OSTROM 293

hand gefallen; die Grenzstädte waren zerstört und von ihren Bewohnern
verlassen; andere, die im Binnenland lagen, hatten von den Hunnen Furcht-
bares erlitten. So mußte man in Attilas Forderung willigen. Die zu räumende
Zone reichte von Singidunum im moesischen Westen bis nach Novae im
Osten. Landeinwärts erstreckte sie sich in einer Tiefe von fünf Tages-
märschen. Das besagt, daß die neue Grenze bei Naissos (Nisch) begann:
die Verteidigung der Donaufront mußte auf die Vorhöhen des Balkan
zurück verlegt werden.
Aber damit waren die Verhandlungen nicht beendet. Neue Forderungen
und Beschwerden des Siegers schlossen sich an. Man verweigere nach wie
vor die Auslieferung der hunnischen Überläufer, man räume die ödzone
nicht rasch und vollständig genug, hieß es jetzt; persönliche Wünsche des
Hunnenherrschers oder seiner Gefolgsleute traten hinzu. Bei diesen Ver-
handlungen entfalteten sich Verschlagenheit und Brutalität; alle Künste
des Zauderns und der Verschleppung, der Menschenbehandlung und der
Bestechung; hohe und niedrige Beweggründe . . . Priskos, der selbst an
einer Gesandtschaft beteiligt war, hat davon das anschaulichste Bild hinter-
lassen.
Ammianus 1 sagt von den Hunnen, sie hielten sich an Verträge nicht
und wendeten sich jeder neu auftauchenden Möglichkeit sofort mit
Leidenschaft zu. Was ehrenhaft sei oder nicht, wüßten sie nicht; ihre
Rede sei undurchsichtig und verschiedener Ausdeutung fähig; keine Religion,
nicht einmal ein Aberglaube lege ihnen Bindungen auf, und ihre Gier nach
Gold sei unermeßlich. Ihre Gesinnung schwanke derart, daß sie ihre
Freunde, ohne daß diese ihnen Anlaß dazu gegeben hätten, verrieten und
am gleichen Tage, ohne daß man sich darum bemüht habe, zu ihnen zurück-
kehrten. Jeder Satz aus Priskos bestätigt, daß diese Zeichnung zutrifft.
Da sind die hunnischen Unterhändler, Edekon und Orestes, die im Früh-
jahr 449 nach Konstantinopel reisen, um den Forderungen ihres Herrn
Nachdruck zu geben. Beide gehörten zu Attilas λογάδες. Edekon wird von
dem kaiserlichen Eunuchen Chrysaphios, pritnicerius sacri cubiculi und
spatharius2, insgeheim ein Plan unterbreitet, der auf Attilas Ermordung
abzielt. Der Hunne geht darauf ein, zumal ihm Geld und anderes mehr
versprochen wird. Er schwört Geheimhaltung, scheint geneigt, das Vor-
haben auszuführen, aber er ist nicht allein. Neben Edekon ist Orestes in

1
31, 2, I I .
2 Über seine Stellung Ε. A. Thompson, a. O. 99 Anm. 4.
294 ATTILA

Attilas Auftrag nach Konstantinopel gegangen, und die Stimmung zwischen


beiden ist gespannt. So hält es Edekon für geraten, Orestes Mitteilung von
seinen Geheimverhandlungen mit Chrysaphios zu machen; daheim ange-
kommen, enthüllt er Attila selbst das Komplott. Einmal im Zuge, teilt er
auch den Inhalt der Instruktionen mit, die die oströmischen Gesandten
mitbekommen hatten und deren Wortlaut bei den Geheimverhandlungen
zu Edekons Kenntnis gelangt war. Doch das hindert ihn nicht, den Ost-
römern und insbesondere dem in den Mordplan eingeweihten Bigilas gegen-
über den Biedermann und Zuverlässigen zu spielen. Denn es geht darum,
trotz diesem Verrat die ausbedungene Mordsumme in die Hand zu be-
kommen, und in der Tat gelingt, durch Bigilas' Unfähigkeit, der Plan voll-
kommen.
Uberhaupt hat man den Eindruck, als seien Zahlungen und Geschenke
die Argumente, denen die Hunnen das größte Gewicht beimaßen. Sind Mittel
zur Hand, so lassen sich auf diesem Wege auch schwierige Lagen meistern.
Edekon ist über einen Vergleich, der zwischen dem oströmischen Kaiser
und seinem Herrn daheim gezogen wird, beleidigt: chinesische Seide und
Perlen genügen, um diese Wolken zu verscheuchen. Die oströmischen
Gesandten sollen, so lautet Attilas Geheiß, umkehren, ohne bei Hof vor-
gelassen zu werden: auch da genügt das Versprechen von Geschenken,
damit der Hunne Skottas eine Audienz bei seinem Herrn erwirkt. Weitere
Gaben sichern, daß Onegesios sich im Interesse der Gesandtschaft verwendet.
Man ziert sich ein wenig, spricht von Treue, aber nur, um den Preis zu
erhöhen. Der Herr selbst ist in diesem Punkt nicht empfindungslos. So
kommt es dazu, daß er zuletzt dem Paar Chrysaphios und Bigilas, von denen
der eine den Mord geplant, der andere sich zur Mithilfe bereit erklärt hat,
volle Verzeihung gewährt.
Darüber hinaus verfügte man auf hunnischer Seite über eine reiche
Abstufung an Umgangsformen. Dunkle Rede, von der Ammianus spricht,
wurde gern geübt. Orestes, obwohl selbst Römer und Vater eines kommenden
weströmischen Kaisers (es sollte der letzte sein . . .), hatte sich hunnischer
Sitte gut angepaßt, wenn er in Form einer Beglückwünschung andeutete,
daß der Mordplan verraten sei (was freilich von der Gegenseite nicht be-
griffen wurde). Attila selbst wußte sich dieser Redeform zu bedienen. Als
die oströmische Gesandtschaft (Sommer 449), in deren Mitte der Mitwisser
des Mordplanes erschien, ihn ehrerbietig begrüßte, antwortete er kurz, er
wünsche den Römern dasselbe, was sie ihm wünschten . . . Aber daneben
12. A T T I L A U N D O S T R O M 295

stand die unvermittelte Brutalität. Daß den Gesandten sofortige Umkehr


befohlen wurde, blieb noch das Mindeste. Gegen eine untergeordnete und
derart bloßgestellte Persönlichkeit wie Bigilas ließ Attila seinem (allerdings
berechtigten) Zorn freien Lauf, sparte weder an Drohungen noch an groben
Worten, ohne bei deren Zusammenstellung wählerisch zu sein. Zu alledem
fügte er den Hohn, wenn Bigilas* Sohn der Sack, der die Mordsumme ent-
hielt, um den Hals gebunden und er so heimgeschickt wurde, um neues
Geld zu erpressen. Er sollte sich in solchem Aufzug dem Kaiser und Chry-
saphios zeigen und sie fragen, ob ihnen der Sack wohl bekannt erscheine . . .

Empfindlich sind diese Hunnen, wenn sie glauben, man übersehe ihren
Rang und bringe ihnen nicht die nötige Achtung entgegen. D a erwachen
Mißtrauen und gekränkter Stolz des Barbaren. Sie lassen sich, wenn über-
haupt, so wiederum nur durch entsprechende Zahlungen und Geschenke
beruhigen. Orestes beklagt sich über Bevorzugung Edekon's, Edekon
darüber, daß man Attila nicht die gebührende Ehre zukommen lasse. Ein
großangelegter Versuch, durch Zahlungen das Volk der Akatziren auf kaiser-
liche Seite herüberzuziehen, scheitert daran, daß man die verfügbare Summe
nicht nach dem Rang verteilt. Kuridachos 3 , der sich mißachtet fühlt, nimmt
zwar das Geld, aber macht Attila von den Vorgängen Mitteilung. Eifer-
süchtig wachen die Hunnen darüber, daß die oströmische Gesandtschaft ihr
Zelt nicht an einem Orte aufschlage, der höher als das Lager ihres Herrschers
liegt 4 . Immer kehrt die Klage wieder, daß man von Konstantinopel aus
Gesandte schicke, die nicht höchsten Ranges seien. Die Gegenseite sucht
sich zu rechtfertigen, mit wenig Geschicklichkeit und noch weniger Glück.
War es doch unverkennbar, daß hohe Würdenträger sich zu der beschwer-
lichen und gefahrvollen Reise ins Hunnenland nicht eben drängten. Und
begreiflicherweise wollte man das Leben eines der viri illustres nicht aufs
Spiel setzen, wenn man der Gesandtschaft insgeheim den Mordauftrag
mitgab.

Eine besondere Rolle spielt Attilas Absicht, seinem ab epistulis (um es


in der spätrömischen Amtssprache auszudrücken) Constantius in Konstan-

3 Κουρίδαχος könnte qur-yadäy „Führer der Fuütruppen" sein. Zu qur Mahmüd

al-Käsgari i , 273, 1; zu γαδαγ C. Brockelmann in: Asia Major 1, 54 ( = mittelpers.


piyäöak); vgl. G. Moravcsik, Byzantinoturcica 2 2 , 168. Ein schönes Beispiel für ira-
nischen Einfluß bei den europäischen Hunnen, das dem früher Bemerkten hinzuzu-
fügen ist.
* A. v. Gabain in: Islam 29, 36.
296 ATTILA

tinopel zu einer reichen Ehe zu verhelfen. Auch nachdem der Plan zunächst
fehlgeschlagen ist, hält Attila an ihm fest. E r erlebt es schließlich, daß
sein Untergebener eine seinen Wünschen entsprechende Partie erhält 5 .
Die Episode bedarf auch darum der Erwähnung, weil der sasanidische
Schreiber für die arabischen Angelegenheiten von den Arabern selbst ent-
lohnt wurde (oben S. 287f.). Man sieht sogleich: Attila hegte dieselbe Vor-
stellung über die Honorierung seines Schreibers. Constantius, der den Brief-
wechsel mit den Römern erledigte, sollte seitens dieser durch eine reiche
Partie mit einer Römerin entschädigt werden.

Auf der anderen Seite fand man sich in dieser fremden Welt nicht so-
gleich zurecht. Man rechnete am Kaiserhof nicht genügend mit der Ver-
schlagenheit des Gegners; man erwartete von einem Hunnen Vertrauen,
und man erwartete es gerade da, wo man selbst es aufs schnödeste brach.
Vor allem fehlte es an Männern, die mit der hunnischen Sprache vertraut
waren. Nur aus diesem Mangel erklärt es sich, daß der einzige Dolmetscher,
den man besaß, Bigilas, seine unheilvolle Rolle spielen durfte. Man wertete
diesen Menschen niedrig genug, um ihn allein, im Gegensatz zu den höher-
gestellten Mitgliedern der Gesandschaft, in das Komplott gegen Attila ein-
zubeziehen. Denn ein Maximinos, ein Priskos mochten sich schwerlich zu
dergleichen hergeben. Aber man überschätzte Bigilas auch dann noch.
Seine Tätigkeit, die Priskos so ergötzlich schildert, war ein Mißgriff, eine
Ahnungslosigkeit und Taktlosigkeit nach der anderen. Wie schon in Serdica
alles verraten ist; wie die Anzeichen sich mehren, daß da etwas nicht stim-
men könne; wie der Betrüger selbst hintergangen wird; wie er sich seiner
Stellung bei Attila rühmt und dessen Zorn zu spüren bekommt; wie er in
seiner Ahnungslosigkeit das Geschehene nicht begreift und zuletzt noch in
die ihm gelegte Falle geht, alles gestehen muß — das möge man bei Priskos
selbst nachlesen.

E s ist erstaunlich, daß trotz solcher Mißgriffe Attila das Gastrecht


wahrte und den Gesandten genügend Bewegungsfreiheit zugestand. Hun-
nische Gastlichkeit war freilich von eigner Art, und auch das hat Priskos
unübertrefflich dargestellt.

Zunächst ist Attila nicht sehr entgegenkommend, und er hat seine


Gründe, teils politischer (wie wir sahen), teils persönlicher Art. Nach dem

® Zuletzt Ε. A. Thompson, a. O. 1 2 1 f.
12. A T T I L A UND OSTROM 297

ersten Empfang dürfen die Gesandten dem Hofzug nicht folgen 6 , denn der
hohe Herr trägt sich mit Heiratsplänen. Zu seinen vielen Frauen wird sich
als weitere die Tochter Eskam's gesellen, und er gedenkt sich darin durch
die Anwesenheit einer oströmischen Mission nicht stören zu lassen. Diese
muß ihren eigenen Weg gehen und macht dabei, durchaus unfreiwillig, die
Bekanntschaft einer weiteren Königsfrau. Von einem nächtlichen Orkan
überrascht, sucht man, völlig durchnäßt, in einem Dorfe Schutz, und es
erweist sich, daß es einer der Witwen, die Attilas Bruder hinterlassen hat,
gehört. Man findet bei ihr freundliche Aufnahme, und mehr als das: hübsche
Weiber, mit denen der Umgang den Gästen freigestellt wird . . . Priskos
fügt hinzu, daß dergleichen bei den Skythen eine Ehrung bedeute. Obdach,
Speise und Trank nahmen die Reisenden mit Dank; auf die Ehrung in-
dessen verzichteten sie und begnügten sich damit, die angebotenen Ge-
fährtinnen zum Mahle zu laden.

Schließlich gelangte man zu Attilas Residenz. Man war nicht allein, denn
Gesandtschaften aus aller Welt kamen dort zusammen. Neben der ost-
römischen war eine solche aus dem Westen anwesend; eine weitere, diesmal
von Barbaren geschickt, kam hinzu. Der Aul des Hunnenherrschers lag in
einer weiten bäum- und steinlosen Ebene, darin Reiter sich tummeln
konnten. Nach Überschreitung mehrerer Flüsse (die sich heutigen schwer
gleichsetzen lassen) kam die Gesandtschaft an und schlug außerhalb
der Umwallung ihr Zelt auf. Die Siedlung 7 war größer als irgendeine, zu
der man bisher gekommen war. Attilas eigenes Haus stand auf einer Er-
hebung, war sorgfältiger als die anderen aus geglätteten Brettern gefügt;
ein Palisadenzaun mit hölzernen Türmen umgab das Ganze 8 . Ein zweiter
Palisadenzaun, diesmal ohne Türme, schützte Onegesios' Haus. Ihm zur
Seite stand ein aus Steinen errichtetes Badehaus. Die Werkstücke hatte man
mit unendlicher Mühe aus Pannonien herbeigebracht, und ein römischer
Architekt, Gefangener aus Sirmium, hatte das Wunder aufgeführt. Er hatte
gehofft, sich damit die Freiheit zu verdienen. Aber ihn erwartete Schlim-
meres : er war zum Bademeister seines Herrn bestellt worden.

• Uber den W e g der Gesandtschaft, insbesondere über die Ansetzung der von ihr
überschrittenen Flüsse: I. I. Russu in: Cercetäri lingwistica 2 (1958). Die Arbeit war
dem Verfasser nicht zugänglich.
7 Über die Lage von Attilas Residenz zuletzt R. Browning in: Journ. Hell. Stud.
73, i 4 3 f . ; Ε. A. Thompson, a. O. 2 2 i f .
* F. Altheim, Lit. u. Gesellschaft 1, 223 Anm. 40a.
298 ATTILA

In dieser Residenz spielte sich ein bewegtes Leben ab. Als Attila heim-
kehrte, empfing ihn ein Mädchenchor, hunnische Lieder singend. In Reihen
schritt dieser einher, während andere Weiber feines und weißes Linnen über
den Häuptern der Sängerinnen hielten. Onegesios' Gattin begrüßte den
Herrscher inmitten ihrer Mägde, die Speisen und Wein brachten: er nahm
von dem Angebotenen, zu Pferde sitzend, wobei Platten und Weinkelch
ihm hinauf gereicht wurden. Attilas Gattin Kreka 9 bewohnte ein eignes
Haus innerhalb des Palisadenzaunes, der Attilas Besitz umgab. Hier nahm
sie die Gaben der Gesandtschaft entgegen, auf weicher Decke gelagert,
während wollene Teppiche den Boden bedeckten (das Zeugnis ist bedeutsam
für das Alter des Nomadenteppichs, 9e vgl. oben 2,105; 280). Im Kreise saßen
ihre Mägde, die Leinen mit bunten Farben bestickten; diese Borten und
Besätze sollten der hunnischen Kleidung zum Schmuck dienen. Noch
weitere Gebäude gab es in diesem, dem Herrscher vorbehaltenen Teil zu
sehen; darunter solche, die man aus Balken blockhausmäßig errichtet
hatte; an den Außenseiten waren hölzerne Arkaden vorgeblendet 10 . Man
konnte Attila beobachten, wie er Rechtsuchenden seine Entscheidung
mitteilte oder fremde Gesandschaften empfing. Priskos fiel sein stolzer
Gang auf und der herrscherliche Bück, den er ringsrum schweifen ließ.
Weitere Gelegenheit, den Herrscher zu beobachten, bot die Aufforderung
zur Teilnahme an einem Bankett im Palast selbst. Auch die Weströmer
waren geladen, und zu festgesetzter Stunde stellte man sich ein. Nach
hunnischer Sitte wurde ein Trunk gereicht, und es mußte die Proskynesis
vollzogen werden, bevor man den Saal betrat und sich zum Mahle setzte.
Beiderseits an den Wänden der Halle saßen die Hunnen und ihre Gäste; in
der Mitte stand eine Kline, auf der Attila saß. Geradeaus blickte er auf die
Eingangstür, während hinter ihm sich eine zweite Kline befand, die un-
besetzt blieb. Stufen führten zu einem Alkoven empor, der mit Vorhängen
verschlossen war. Man befand sich in einem regelrechten Iwan nach ira-
nischer Art, der von der einen Schmalseite aus zugänglich war und dessen
Gegenseite der königliche Sitz einnahm.
Der Ehrensitz zu Attilas Rechten wurde durch Onegesios eingenommen.
Die Römer aus beiden Teilen des Reiches mußten sich mit Sitzen zur
• Zur Namensform und deren Varianten: G. Moravcsik, a. O. 2 2 , 173.
·* Der große Knüpfteppich aus P a z y r y k im Altai, die Filzteppiche aus Noin Ula
in der Mongolei, die Funde A. Steins in Ostturkestan, die sowjetischen in T o p r a k - K a l a ,
die Fresken von Bäzäklik und Tun-huang erbringen die Bestätigung,
1 0 Priskos bei Konstant. Porphyrog., de legat. 139, 26£., wobei ich δοκών lese.
12. A T T I L A U N D O S T R O M 299

Linken begnügen, wobei der Hunne Berichos noch einen Platz über ihnen
einnahm. Onegesios gegenüber saßen auf einem Stuhl zwei jüngere Söhne
Attilas; ein anderer, der schon älter war, hatte neben dem Vater auf der
Kline Platz genommen, aber aus Scheu vor diesem wagte er nur am äußer-
sten Rand zu sitzen und hielt die Augen gesenkt 1 1 . Dann wurde
Attila eine Schale Weines gebracht, und er trank einem jeden der Gäste zu.
Der jeweils Geehrte mußte sich erheben und durfte sich nicht eher setzen,
als bis der Herrscher dem Mundschenk die Schale zurückgereicht hatte.
Nach Abschluß dieser Begrüßung wurden die Tische hereingebracht, für
drei oder vier der Geladenen je einer, bedeckt mit Brot, Fleisch und Zukost.
Serviert wurde auf silbernen Tellern, wohl römischem Beutegut; nur
Attila speiste von einer hölzernen Platte und begnügte sich mit Fleisch.
Auch bediente er sich statt der goldenen und silbernen Becher, die den
Gästen vorgesetzt wurden, eines solchen aus Holz. Dieselbe Einfachheit
zeigte Attilas Kleidung. Sie unterschied sich in nichts von der jedes anderen
Hunnen. Auch fehlte an Schwert, Schuhen und Zaumzeug der Besatz von
Edelsteinen, den die Vornehmen zur Schau trugen 12 . Nachdem man dem
Mahl kräftig zugesprochen, wurde der Ehrentrank für den Gastgeber
wiederholt.

Als aber der Abend heraufkam, fährt der Bericht fort, wurden die
Fackeln entzündet, und zwei Sänger traten vor Attila und sangen von
seinen Siegen und Heldentaten. Und die Gäste sahen zu ihnen hin, wobei die
einen sich an den Gesängen erfreuten; in anderen wurde die Erinnerung an
vergangene Kriege wach, während die, welche das Alter von Kampf und
Feldzügen ausschloß, in Tränen ausbrachen . . . Andere Darbietungen
folgten, die stürmisches Gelächter erregten. Das Gelage dauerte bis tief in
die Nacht. Die Gesandten zogen sich vor seinem Abschluß zurück, da sie
nicht dem Trinken sich übers Maß hingeben mochten.
Weitere Einladungen schlossen sich an. Kreka sah die oströmischen
Gäste in kleinerem Kreise um sich, und Attila gab ihnen zu Ehren ein
zweites Bankett der gleichen Art. Nur saß neben ihm auf der Kline nicht

1 1 So ist die Stelle 143, 25f. zu deuten, vgl. 146, 18f. Πρεσβύτερος ist in beiden

Fällen im Hinblick auf die δύο τ ω ν Ά τ τ ή λ α τταΐδων gesagt. Ε. Α. Thompson, a. a. Ο.


n 6 f . , hat die Stelle mißverstand/n, wie es denn zu den Unbegreiflichkeiten seines
Buches gehört, daß er Priskos' großes fr. 8 nach L. Dindorfs Hist. Graeci min. 1 von
1870, nicht nach C. de Boors Ausgabe der Excerpta de legationibus (1903) zitiert.
1 2 X. Kondakoff. Gesch. u. Denkmäler d. byzantin. Zellenemails 56f.
300 ATTILA

der ältere Sohn, sondern sein Oheim Oebarsios. Drei Tage später erhielten
die Gesandten ihre üblichen Geschenke und machten sich auf den Heimweg
nach Konstantinopel.

6
Für Attilas Zeit bis herab zu dem Untergang seines Reiches steht eine
Quelle zur Verfügung, an die keine andere heranreicht : die Byzantinische
Geschichte des Priskos von Panion. Bruchstücke und Auszüge, die allein
erhalten sind, umfassen die Zeit von 434—471. Sie betreffen vornehmlich
das Gebiet, darin Priskos Autorität war: die Geschichte Attilas und der
Hunnen. Auch die späteren Geschichtsschreiber, wo immer sie auf das
Volk zu sprechen kommen, entnahmen ihre Kenntnis dem Werk, das nun
einmal maßgebend geworden war. Cassiodor hat seiner Gotengeschichte
große Teile aus Priskos einverleibt, und sie sind noch im Auszug des Ior-
danes kenntlich.
Priskos hat sich nicht entschließen können, von der leidigen Gewohn-
heit der spätantiken Geschichtsschreibung zu lassen, die die Barbaren ihrer
Zeit mit längstvergangenen, aber durch klassische Muster geheiligten
Namen bezeichnete. Er sprach nebeneinander von Hunnen und Skythen;
sogar die herodoteische Wendung von den königlichen Skythen konnte er
sich, wie schon vor ihm Zosimos, nicht versagen. Vielleicht hat er geschieden,
und den Namen der Hunnen dem Herrenvolk, den der Skythen der Masse
der unter sich recht verschiedenen Untertanen vorbehalten (sicher ist es
keineswegs). Mißverständnisse der Neueren waren die Folge, und oft
bedurfte es eines Neufundes, um Aufklärung zu verschaffen. Aber der-
gleichen wiegt wenig gegenüber den Vorzügen des Mannes.
Kein Zweifel: Priskos hat über ausgezeichnete Unterrichtung verfügt.
An einer Reihe von Begebenheiten hat er selbst teilgenommen. Hier ge-
winnt seine Schilderung eine Genauigkeit und Anschaulichkeit, die zu-
weilen erreicht, aber nie übertroffen wurde. Uberhaupt darf man sie den
Meisterwerken hellenistischer Geschichts- und Völkerbeschreibung zur
Seite stellen. Nur ein Vorurteil, das die Spätwerke griechischer Literatur in
Bausch und Bogen einschätzte, hat verursacht, daß ihm der Platz unter den
Großen, auf den er Anspruch hat, vorenthalten wurde 1 . Aber auch von

1 Es war ein seltsamer Einfalt, Olympiodoros als Geschichtsschreiber über Priskos

zu stellen: Ε. A. Thompson, a. a. O. 8f.


12. ATTILA UND OSTROM 301
Vorgängen, bei denen er nicht zugegen war, hat er sich Kunde aus erster
Hand zu beschaffen gewußt.
Man soll bei einem solchen Autor nicht zuviel nach literarischen Quellen
fragen. Akten und Geschäftspapiere mögen ihm, der an den Geschehnissen
beteiligt war 2 , durch die Hände gegangen sein. Aber er war kein Geschichts-
schreiber, der nach Vorlagen und noch nicht einmal einer, der nach Ur-
kunden schrieb (mag dies auch den Heutigen ein Nachteil dünken). Das
lebendige Miterleben; der ständige Austausch mit anderen, die gleichfalls
zu den Beteiligten gehörten; die Fülle der Erfahrungen, menschlicher und
sachlicher Art, die sich in den Kreisen der mit den Geschäften Befaßten
ansammelte und als mündliche, darum aber nicht minder unverlierbare
Überlieferung vererbte; das Wissen, wie man in verzweifelter Lage dem
überlegenen und diese Überlegenheit schamlos ausnutzenden Barbaren
dennoch beizukommen vermöge; das Fingerspitzengefühl eines Unter-
händlers, der mancherlei gesehen und mit mancher Lage fertig geworden
ist; überhaupt der physiognomische Blick des Menschenkenners —
dies und nichts anderes hat Priskos zum Geschichtsschreiber gemacht.
Damit steht er an der Spitze einer langen Reihe ähnlicher, die das Bild
byzantinischer Politik und Geschichtsschreibung prägen. Jener skeptischen
und scharfblickenden, klugen und überklugen, in keinen Schwierigkeiten
sich selbst aufgebenden Köpfe, die das Reich wieder und wieder aus den
Fluten eines allseitig anbrandenden Meeres von Barbaren gerettet haben:
Männer, die meist Erfolg hatten und doch den Schrecken nicht bannen
konnten; die um Mittel nie verlegen waren und doch wußten, daß eine
dauernde Heilung sich nicht finden ließ; die die Verachtung des fein-
empfindenden Kulturmenschen gegenüber dem Graus, darein sie das
Schicksal gestellt hatte, nie verloren und doch Unerhörtes gelitten haben
müssen; die an die Ewigkeit von Reich, Hauptstadt, Kaisertum und
Kirche glaubten und die doch, auf die Dauer gesehen, sich nicht verhehlen
konnten, daß alles Bemühen vergeblich war.
Ich weiß nicht, ob Priskos (falls ihm die Wahl freigestanden) sich für
das Zeitalter entschieden hätte, in das ein unerforschliches Geschick ihn
stellte. Aber dieser Mann entschloß sich, dem ins Auge zu sehen, was die
Gegenwart ihm darbot. Dafür ward ihm das Geschenk zuteil, daß ei dem
Gewaltigen, den seine Zeitgenossen als Gottesgeißel empfanden, gegenüber-
treten und ihn in fast täglichem Zusammentreffen beobachten durfte.
2 Über Priskos' Stellung: W. Ensslin in: Byzant.-neugriech. J a h r b . 5, 8.
302 ATTILA

Nichts führt darauf, daß er sich zu dergleichen Diensten gedrängt habe.


Aber er hat, als die Gelegenheit sich ergab, zugegriffen, und er hat mit allen
Poren in sich aufgenommen, was ihm sich darbot. Klug, erfahren und
skeptisch, wie alle seinesgleichen, hat er sich nie Hoffnungen hingegeben,
zu denen kein Anlaß war. Er hat dann erlebt, daß man das Unheil über-
stand. Aber er war abwägend und gerecht genug, um auch im Gegner und
Barbaren das Große, wo es ihm sich zeigte, anzuerkennen.
Nach der Weise antiker Geschichtsschreibung hat Priskos in seine
Darstellung einen Dialog eingelegt, dazu bestimmt, die Ansicht des Autors
von der fremden Welt zu geben, die ihm am Hunnenhof entgegentrat. Der
Beginn dieses Dialogs sei in Ubersetzung wiedergegeben.
„Als ich mich vor dem Palisadenzaun der Häuser aufhielt und dort
umherging, trat einer herzu, den ich für einen Barbaren hielt wegen seiner
skythischen Kleidung, und grüßte mich auf Griechisch, indem er χαίρε
sagte, so daß ich mich wunderte, daß ein Skythe griechisch sprach. Denn
viel Volk war da zusammengekommen, und außer der jeweiligen Barbaren-
sprache hörte man hunnisch oder gotisch oder lateinisch, soweit man mit
Römern verkehrte; nicht leicht aber spricht einer griechisch, es seien denn
Gefangene aus Thrakien und von der illyrischen Küste. Aber solche er-
kennt man an der zerrissenen Kleidung und an den schmutzstarrenden
Köpfen, die zeigen, wie sie heruntergekommen sind. Jener aber glich einem
wohlgenährten Skythen und war gut gekleidet und trug sein Haar nach
hunnischer Sitte geschoren. Ich grüßte wieder und fragte, wer er sei, wie er
ins Barbarenland gekommen und skythische Lebensweise angenommen
habe. Er fragte zurück, warum ich das zu wissen wünschte. Ich sagte, der
Grund meiner Neugier sei seine griechische Sprache. Da lachte er und gab
dahin Bescheid, er sei gebürtiger Grieche und als Kaufmann nach Vimina-
cium, einer moesischen Stadt an der Donau, gekommen. Lange habe er dort
gelebt und eine reiche Frau geheiratet. Aus seinem Wohlergehen sei er
gerissen worden, als die Stadt in die Hand der Barbaren fiel, und wegen
seines Besitzes haben man ihn bei der Verteilung der Beute dem Onegesios
selbst zugesprochen. Denn es sei Sitte, die Reichen unter den Gefangenen
nach Attila vorzugsweise den λογάδές zuzuweisen, da jene das meiste
einbrächten. Er habe sich dann ausgezeichnet in den Kämpfen gegen die
Römer und das Volk der Akatziren, habe seinem barbarischen Herrn nach
skythischer Sitte alle Kriegsbeute überlassen und sei so freigekommen. Eine
Barbarin habe er zur Frau und habe auch Kinder von ihr, und als Onege-
12. A T T I L A U N D O S T R O M 303

sios' Tischgenosse gefalle ihm sein gegenwärtiges Leben mehr als sein
früheres. Denn bei den Skythen lebe man, wenn der Krieg vorüber sei,
ungestört, ein jeder genieße das Vorhandene, und nie oder selten falle man
sich gegenseitig zur Last. Hingegen riskiere man bei den Römern in einem
Krieg das Leben, denn man müsse seine Hoffnung auf andere setzen, da
doch die dortigen Gewalthaber niemals zuließen, daß alle Waffen trügen;
und noch schlimmer sei die Lage derer, die die Waffen tragen dürften: infolge
der Untüchtigkeit der Feldherren, die den Krieg nicht zu führen verstünden.
Im Frieden liefen die Dinge noch schlechter als im Krieg infolge der er-
barmungslosen Steuereintreibung und wegen des Schadens, den die Bös-
willigen anrichteten. Sei doch das Gesetz nicht allen gegenüber gleich,
sondern wenn einer zu den Reichen gehöre, dann brauche er für sein Ver-
gehen keine Strafe zu entrichten; sei er aber arm, so müsse er, da er nichts
von Rechtshändeln verstehe, die vom Gesetz bestimmte Strafe gewärtigen,
es sei denn, daß er vor dem Urteil das Zeitliche segne, nachdem viel Zeit vor
Gericht habe vertan und viel Geld habe aufgewandt werden müssen 3 . Was
aber das Schlimmste von allem sei: nur gegen Zahlung könne man sein
Recht erhalten. Nicht einmal dem Geschädigten öffne sich der Zugang zum
Gericht, wenn er nicht zuvor für den Richter und seine Gehilfen eine Summe
entrichtet habe."
So weit die Worte von Priskos' Unterredner. Es ist eine Stimme, wie man
sie selten vernimmt; um so eindrucksvoller wirkt sie. Bei Priskos' Antwort
darf man sich kürzer fassen. Sie geht dahin, daß die Männer, die Roms Ver-
fassung geschaffen hätten, weise und gut gewesen seien. Sie hätten es so
geordnet, daß ein Teil des Volkes zu Wächtern über das Gesetz bestellt
würde, ein anderer das Waffenhandwerk ausübe und ein weiterer sich dem
Ackerbau widme und zugleich die Verteidiger des Landes ernähren müsse.

* Eine ähnliche Äußerung hörte ich 1938, als ich mich bei dem Oberscheich der
Sammär, 'Ägil (M. v. Oppenheim, Die Beduinen 1, 150f.), in K a l ' a t Sergät als Geist
aufhielt. Da wurde mir bedeutet, daß im Gegensatz zum europäischen Gerichtsverfah-
ren ('Ägil hatte eine längere Europareise gemacht), das Zeit und Kosten verschlinge,
der Scheich nach der Väter Art entscheide. Er kenne alles geschriebene und unge-
schriebene Recht der Stämme und sei in der Lage, jeden Rechtsfall sofort zu ent-
scheiden. Nie komme es dazu, daß eine der Parteien unzufrieden sei. Ich wurde auf-
gefordert, einer solchen Rechtssprechung am nächsten Morgen beizuwohnen. Da
hockten im Morgengrauen die Rechtsuchenden in langen Reihen vor dem Schloß des
Scheichs, Gewehr und Patronengurt umgetan und vor sich ein gefesseltes Lamm als
Sportel. Der Scheich entschied nach Anhörung beider Parteien sofort; auch ich konnte
kein Zeichen bemerken, daß man sich dieser Entscheidung nicht gefügt hätte.
304 ATTILA

Die Gerichte seien gewissenhaft und gerecht, und die lange Dauer der
Prozesse rühre davon her, daß man eine hastige und ungerechte Entschei-
dung vermeiden wolle. Daß man ihnen für ihre Mühe eine Entschädigung
zukommen lasse, sei nur angemessen. Ferner sei unrichtig, der Rechts-
sprechung Voreingenommenheit für die Reichen vorzuwerfen, unterstehe
doch der Kaiser selbst dem Recht. Endlich verhielten sich die Römer
menschlicher gegen ihre Sklaven als die Hunnen gegen ihre Untertanen. Sie
ständen zu den Sklaven gleich Vätern und Lehrern, und sie suchten sie zu
erziehen und zu bessern, wie sie es mit den eignen Kindern täten. Auch der
Weg zur Freiheit stehe den Sklaven offen.
Gibbon hat diese Antwort ,,a feeble and prolix declamation" genannt.
In der Tat, sie schmeckt nach der Rhetorenschule, und man faßt einen
anderen Priskos, den Verfasser rhetorischer Übungen (wovon die Suda
berichtet). Auch hier zeichnet sich sein Unterredner durch klareren Blick
aus. „Er antwortete unter Tränen, daß die Gesetze schön und die römische
Verfassung gut seien, aber die Herrschenden dächten nicht wie einst und
hätten diese Verfassung entstellt und ins Schlechte gewandt."
13- KAPITEL

ATTILA UND WESTROM

Das eurasische Festland weist klimatologisch eine ausgeprägte Zonen-


gliederung auf. Dem allmählichen Wechsel der Breitenlage entsprechen vier
Landschaftsformen: Tundra, Wald, Steppe und Wüste. Alle diese Zonen
sind geschieden durch Bodenbildung und Pflanzenwuchs, durch wirt-
schaftliche und kulturelle Sonderbildungen.
In der Tundra ist Ackerbau unmöglich. Die Bewohner, gering an Zahl,
sind auf Fischfang, Jagd, besonders Pelzjagd, und Holzverarbeitung an-
gewiesen 1 . Im größeren Teil des nördlichen Waldgürtels, der Taiga, ist
Ackerbau möglich, doch nicht ertragreich. Weitgehend bleiben die wirt-
schaftlichen Bedingungen der Tundra bestehen. Dagegen sind weiter südlich
innerhalb der Mischwaldzone, bei gemäßigtem Klima, alle Voraussetzungen
für guten landwirtschaftlichen Ertrag gegeben. Dasselbe gilt vom Nordteil
der Steppe, der Waldsteppe. Hier zieht sich in einem breiten Streifen von
der Wolga-Kama-Gegend bis zu Njemen und Weichsel die Gorodischtsche-
Kultur 2 (von etwa iooo v. Chr. bis 400 n. Chr.) hin. Haustierhaltung, Handel
und Metallhandwerk geben ihr in ihrem letzten Stadium das Gepräge.
Anders liegt es in ihrem Südteil, der Trockensteppe, die durch Pfriemgras und
Wermut bestimmt wird. Starke Klimaschwankungen und längere Dürre-
zeiten lassen anstelle intensiver Bodenbewirtschaftung die extensive treten.
Ackerbau geht in Vieh- und Weidewirtschaft über. In der Wüstenzone, die
sich nach Süden anschließt, hindern Mangel an Bewässerung, Salzböden und
Flugsand jede wirtschaftliche Ausnutzung. Die Zone des warmfeuchten
Mittelmeerklimas, zu der die Südküste der Krim, die kaukasische Küste
am Schwarzen Meer und Teile Südkaukasiens gehören, darf außer Acht
bleiben.

1 Charakteristisch die Funde aus der oberen Schicht von Winetie am I.acha-See:

Α. Μ Tallgren in· F,ur. Sept. Ant. το. i^qf. (um die Zeitwende).
2 Zusammenfassend Α. M. Tallgren in: Eur. Sept. Ant. 10, 171 f.

20 Althoim, Hunnen IV
306 ATTILA

E s kennzeichnet jedes der in R u ß l a n d lebenden oder einbrechenden


Völker, in welcher dieser Zonen es seinen Aufenthalt genommen hat. Den
Ugrofinnen fiel vor allem die Waldzone zu. Nur im Osten, südlich und
südwestlich des Ural, griffen sie auf die Steppe über. Frühzeitig scheinen
sie in die Taiga und an den R a n d der T u n d r a zurückgedrängt worden zu
sein. Ein ackerbauendes V o l k wie die Goten bevorzugte die Mischwaldzone
und die nördlichen Steppengebiete. E s suchte tunlichst die Schwarzerd-
gebiete, vor allem die fruchtbarsten Schwarzerdböden mit mäßiger Feuchtig-
keit und gemäßigtem Klima, zu besetzen. Von A n f a n g an aber haben die
Goten nördlich und südlich einen Streifen auch weniger ertragreicher Böden
sich genommen: braunen Waldboden und braunen oder kastanienfarbigen
Steppenboden. Beides war für ihre geschichtliche Rolle bedeutsam. Denn
im Süden kamen sie in Berührung mit den Reiternomaden, den Sarmaten
und Alanen, und nach Norden stießen ihre Pelzhändler, zusammen mit
solchen der Alanen, in das Waldgebiet an O k a und K a m a vor. Die Folgen
dieser Ausdehnung wurden zuvor besprochen (oben i , 3 i 7 f ).

Ähnliches beobachtet man bei den Slawen 3 . Im 7 . — 8 . Jahrhundert


bewegten sich die ostslawischen Stämme aus dem Waldgürtel, den sie
bisher bewohnt hatten, nach Osten und Süden. Ein Jahrhundert später
drängten sie die Wolga abwärts, ins Gebiet der alten Merens, der Tschere-
missen 4 . Die Ausgrabungen zeigen, daß im 7 . — 8 . Jahrhundert die sla-
wischen Ansiedlungen noch auf das Becken der oberen Oka, der Desna und
des Sejm beschränkt waren. Seit etwa 800 tauchten sie beiderseits des Psol
und der Worskla auf. Gegen Angriffe von der Steppe her suchte man sich
zu sichern, indem man unzugängliche Ausläufer hoher Flußufer bevor-
zugte und die Wohnstätten mit Gräben, Wällen und Palisaden umgab.
Annähernd zur gleichen Zeit erschienen andere slawische Gruppen am
oberen Don und stießen in das Becken des Donez vor. Überall ist deutlich,
daß man das ältere Gebiet erweiterte, weil man für die Pflugwirtschaft,
die man kennengelernt hatte, Ackerböden zu gewinnen wünschte. So
suchte man sich einen möglichst großen Teil des Schwarzerdgebietes zu
sichern.

' P. N. T r e t j a k o w in: Sowjetwissenschaft 1948, 2, n o f .


4 Einwirkung des tscheremissischen Vokalismus auf den altrussischen: W. Steinitz,
Geschichte des finno-ugrischen Vokalismus (Acta inst. Hungar. univers. Holm., Β
Linguistica 2) I 3 9 f . ; dazu J. Lohmann in: D L Z . 1949, 206; E . L e w y in: Lexis
1, 171 f.
13. A T T I L A UND WESTROM 307

Ins 5. Jahrhundert führen die Akatiren oder Akatziren 5 . Priskos nennt


sie einen skythischen Stamm und Hunnen*. Doch gehörte er nicht zu dem
hunnischen Herrenvolk, sondern mußte im Kampf unterworfen werden.
Der Name ist türkisch und bedeutet „Waldleute". Ihr Gegenstück sind die
Yazar „Feldleute" (entsprechend den gotischen Tervingi und Greutungi).
Doch sieht man von dem Sonderfall der Akatziren ab, so besaßen die
Hunnen ihre feste klimatisch-geographische Zone und haben an ihr mit
ungewöhnlicher Zähigkeit festgehalten. Als Nomaden bewohnten sie schon
in ihrer östlichen Heimat die Steppe und die angrenzenden Wüstengebiete.
Auch weiterhin hielten sie sich streng an den Steppen- und Wüstengürtel,
der durch Innerasien bis ins östliche und südöstliche Europa hinstreicht.
Sie zogen durch das Steppengebiet beiderseits des Balchaschsees an Fer-
y ä n a vorbei nach der Sogdiane. Und von dort gelangten die europäischen
Hunnen, Aralsee und Kaspisches Meer links, den Ural rechts liegen lassend,
in den südrussischen Bereich.

Es ist das Land, über das hinweg die Steppenwinde aus dem Innern
Asiens brausen. Im Sommer bedecken die turmhohen Sand wölken den
ganzen Strich zwischen Kasan und Astrachan: sie gestatten nur in den
ersten Tagen des Frühlings ein kurzes Grünen. Im Winter fegen die Schnee-
stürme bis zur Ukraine und über sie hinaus. Sie lassen es zu keiner Schnee-
decke kommen und rauben dem Land den wärmenden Schutz. Bitterste
Kälte wird von unvorstellbarer Hitze und Dürre abgelöst, und vom
furchtbaren Wechsel der Klimagegensätze, von ihrer Härte und Er-
barmungslosigkeit scheint das Land auch den Nomaden, die es durch-
ziehen, mitzuteilen. Durch Anlage von Waldgürteln, riesiger Wasser-
reservoire über und unter der Erde, durch eine neue Form des Frucht-
wechsels ist erst unsere Zeit diesen Plagen zuleibe gegangen.

Doch dieses Land ist zugleich das eines rauschhaften Frühlings, der das
Herz des Menschen ergreift und ihn hineinreißt in den Freudentaumel der
wieder erwachenden Natur. In Versen, die (mögen auch persische Gaselen
mitgewirkt haben) in der türkischen Dichtung einzig dastehen und die den
Vergleich mit den Frühlingsliedern eines Walther von der Vogelweide

4 J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge X X I V , 41; Κ. H.


Menges in: Byzantion 17, 261; Ε. A. Thompson, a. O. 9 5 i . ; G. Moravcsik, Byzantino-
turcica 2', 58f.; oben S. i j ^ i .

• G. Moravcsik, a. O. 5 8 f . ; oben 1, 5 und hier S. 2 74f.

20·
308 ATTILA

gewiß nicht zu scheuen brauchen, hat ihn dasQutadyu bilig 7 besungen. Es


hat das Blühen der Erde, den Jubel der Vogelstimmen und die Sehnsüchte
der Menschenherzen gemalt, dazu das Konzert der Farben, mit denen das
Land sich weit und breit, bergauf und bergab zu schmücken beginnt . . .
Auch in Südrußland blieben die Hunnen ihrer bisherigen Weise treu.
Das zeigt ihr Verhalten gegenüber den Ansässigen. Die „Feldleute", also
die Greutungen oder Ostgoten, machten sie sich Untertan; die ,,Waldleute",
die Terwingen oder Westgoten, entzogen sich ihnen teils in die Bergländer
Siebenbürgens, teils über die Donau. Wollten die Hunnen weiter dem
Steppehgürtel folgen, so mußte ihr Weg durch das südliche Bessarabien
und die Walachei führen. Als Endpunkt zeichnete sich die Theißebene ab,
wo wir Attilas Lager bereits begegnet sind. In der Tat entsprechen die
Bodenfunde hunnischer Herkunft dem eben gezeichneten Bild: sie gestatten,
den Weg ohne Unterbrechung zu verfolgen 8 .
Die Hunnen haben die Krim so wenig heimgesucht wie sie es vor-
her mit Chwärezm in Mittelasien taten. In Siebenbürgen begnügten sie
sich mit der Anerkennung ihrer Oberhoheit, ohne dort Fuß zu fassen. Das
einstige Dazien war ein fruchtbares Gebirgsland mit bäuerlich-seßhafter
Bevölkerung. Den Römern boten sich dort alle Voraussetzungen für das
Entstehen einer städtischen Zivilisation. Dagegen ist die Walachei niemals
unmittelbares Reichsgebiet geworden. Ihre Tiefebene bildete die Fort-
setzung der südrussischen Steppe, durch die Täler des Pruth und Dnjestr
ihr unmittelbar verbunden. Die gewaltige Fläche, gleichförmig sich zum
Horizont dehnend, war ein Land, geschaffen für alle Nomaden- und Reiter-
völker. überall begegnet man ihren Spuren, bis hinauf zu den Karpathen-
ausläufern (Odobeschti und Poiana-Prahova).
Ein ähnlicher Gegensatz entfaltet sich im Raum des heutigen Ungarn.
Südlich und westlich der Donau lag das antike Pannonien. Der Fluß selbst
ist ein Bruder des Rheins, ein europäischer Fluß. An seinem rechten Ufer
erheben sich die Berge zu mäßiger Höhe, und in ständigem Auf und A b
entfalten sich unter lieblichem Wechsel Hügel, Täler und Seen, malerisch
gelegene Dörfer und Schlösser. Weinberg und Obstgarten bestimmen die
Landschaft; intensive Bewirtschaftung zeigt sich in kunstvoller Pflege und
Züchtung. Der aromatische Duft des Landes und seiner Erzeugnisse, die

7 ι p. 23, 63f. Rahm. Das Stück verdient eine eigene Übersetzung, die die Fehler

der Radloffschen zu vermeiden hätte.


8 A. Alföldi in: Arch. Hungar. 9 Taf. 36 unten.
13- ATTILA UND WESTROM 309

Mannigfaltigkeit aller Bildungen, der halkyonische Glanz, der über


allem zu ruhen scheint, lassen das pannonische Land als Vorboten Italiens
erscheinen.
Anders die Landschaft östlich der Donau. Weit und einförmig erstreckt
sich das „große Feld" (Alföld). An die Stelle der intensiven ist die extensive
Bewirtschaftung getreten. Kornfelder erfüllen den Blick und begrenzen ihn
zugleich. Spärliche und niedrige Höfe ducken sich in den Boden, um den
Anblick dieser fruchtbaren Öde nicht zu stören. Daneben dehnt sich die
Pußta mit den Herden von Pferden, Kühen und Stieren; der berittene Hirt,
allenfalls der Zigeuner, war hier der Bewohner des Landes. Die Theiß mit
ihren Windungen und flachen Ufern, ihren sumpfigen Gestaden erinnert an
die Flüsse des mittleren und nördlichen Asien, an Orchon und Selenga, an
Jenissei, Irtysch und Ob.

Danach verteilten sich die Rollen beider Gebiete im Lauf der Geschichte·
Verwies schon die Natur Pannoniens nach Italien, so war kein Zufall·
daß die Römer hier Fuß faßten. Dionysos, seit alters in Pannonien Herr-
scher, hat sich in zahlreichen Darstellungen bis ins Mittelalter erhalten.
Auch was man als Form der ungarischen Kunst bezeichnet hat: den Sinn
für das Volle und Runde, die Freude am schön Gewölbten, in Malerei,
Plastik und in der Volkskunst — ist zu einem guten Teil römisches Erbe,
durch das römische Pannonien vermittelt. Sinnlichkeit und Körpergefühl
der Antike haben sich darin erhalten.
Umgekehrt sind die Nomadenvölker, soviele ihrer im Lauf der Jahr-
hunderte ungarisches Land betraten, südlich und westlich der Donau nie
heimisch geworden. Es war etwas Besonderes, daß Ärpäd seinen eignen
Stamm zwang, auch im transdanubischen Land festen Fuß zu fassen. Aber
in den weiten Gefilden von Alföld und Pußta ließen sich die Rosse tummeln,
weidete man die Herden und schlug das wechselnde Zeltlager auf. Skythen,
Sarmaten, dann Awaren und Magyaren haben hier ihren Wohnsitz genom-
men ; alle sind sie aus dem Steppengebiet Südrußlands hierher vorgedrun-
gen. Dasselbe gilt von denen, die danach kamen: Petschenegen und
Kumanen; auch sie haben sich in den flachen Niederungen zwischen
Theiß und Donau heimisch gemacht.

In ihrer Reihe stehen die Hunnen. Sie folgten damit dem Gesetz, dem sie
und alle ihresgleichen unterstanden. Attila war es, der sie erstmals diesen
Bereichen entreißen sollte. Er ist daran gescheitert.
310 ATTILA

Im Frühjahr 450 ging vom Goldenen Horn eine neue Gesandtschaft an


Attila ab. Sie wurde geführt von zwei Männern höchsten Ranges, wie es sich
die Eitelkeit der Hunnen stets gewünscht hatte: Anatolios, dem Unter-
händler des Vertrages von 438, und Nomos. Attila hatte das Jahr zuvor
neben einem dritten beider Namen ausdrücklich genannt. Sogleich änderte
sich die Haltung des Gefürchteten. Er kam seinen Gästen auf halbem Weg
entgegen, und sein hochfahrendes Benehmen milderte sich zusehends unter
dem Eindruck der zahlreichen Geschenke, die die Gesandtschaft mit sich
führte. Die Geschicklichkeit beider Männer brachte es dahin, daß Attila in
Bedingungen willigte, die man vor kurzem noch für undenkbar gehalten
hätte. Der Hunne beschwor, er werde sich an die Abmachungen des Friedens
von 448 halten. Forderungen wegen der Uberläufer sollten nicht mehr
gestellt werden, wohingegen Ostrom sich verpflichtete, keine weiteren auf-
zunehmen. Aber der größte Erfolg bestand darin, Attila zur Aufgabe der
Ödlandzone zu bewegen, die man auf Grund seines Verlangens südlich der
Donau hatte räumen müssen. Als persönliche Liebenswürdigkeit gegenüber
den beiden Gesandten verfügte der Hunne die Heimsendung der meisten
römischen Gefangenen ohne Lösegeld. Für die Entlassung des unseligen
Bigilas erwies man sich auf der anderen Seite erkenntlich, indem man
Constantius die reiche und vornehme Partie besorgte, um die Attila nach-
gesucht hatte. Kaiser Theodosios selbst hatte es sich nicht nehmen lassen,
bei der in Aussicht Genommenen ein Wort einzulegen.
Genug: man schied in vollem Einverständnis. Die beiden Unterhändler
wurden nach hunnischer Sitte mit Rossen und Pelzen beschenkt. Was war
geschehen ? Man hat kein Recht, an den Fähigkeiten der beiden Männer zu
zweifeln. Aber es war ihnen ein unerwarteter Umstand zu Hilfe gekommen.
Attilas Interessen hatten sich nach anderer Seite gewandt. An der Donau
wünschte er sich den Rücken zu decken. So willigte er ein, den bisherigen
Zustand durch einen Vertrag zu ersetzen, der den dringendsten Wünschen
des oströmischen Nachbarn Rechnung trug.
Zwei Episoden müssen noch nachgeholt werden, die Priskos in seinem
Gesandtschaftsbericht vom Vorjahr (449) mitgeteilt hatte. Als damals die
Frage der hunnischen Uberläufer zur Erörterung stand, beschwerte sich
Attila, daß sie nicht sämtlich ausgeliefert seien. Der Schreiber mußte die
Namen verlesen. Esla, Ruas einstiger Gesandter, so hieß es weiter, werde
13- A T T I L A U N D W E S T R O M 311
kommen und die Frage regeln. Alle Hunnen, die seit der Zeit, da sich
Aetius* Sohn Carpilio als Geisel am hunnischen Hof befunden habe, in
römische Dienste getreten seien 1 , müßten heimkehren. E r könne nicht
dulden, daß seine Sklaven in fremden Diensten stünden und gegen die
Seinen kämpften. Obwohl, so fügte Attila hinzu, sie schwerlich den Römern
von großem Nutzen sein würden, wenn es zum Krieg kommen sollte — was
sicherlich eintreten werde, falls man die Überläufer nicht zurückschicke.
Die Forderung richtete sich zunächst gegen Ostrom. Aber das Westreich
hatte vermutlich noch größeren Gebrauch von hunnischen Söldnern ge-
macht. Dadurch, daß die Namen Aetius und Carpilio genannt wurden, war
es miteinbezogen. Wer hellhörig war, mußte folgern, daß Attila die Mög-
lichkeit eines Kampfes mit Aetius ins Auge gefaßt hatte 2 .
Noch ein Zweites gab zu denken. Eine Gesandtschaft aus dem Westen
befand sich gleichzeitig am hunnischen Hof. Sie verhandelte in einer ver-
wickelten Angelegenheit, die ursprünglich privaten Charakter trug und sich
zur Staatsaktion ausgewachsen hatte. Sie lag Jahre zurück, und es ging ledig-
lich um ein paar goldene Gefäße, auf die Attila Anspruch zu haben glaubte.
Dem Rechtsstandpunkt, den die weströmische Gesandtschaft einnahm, ver-
weigerte der Hunne die Anerkennung. Er drohte, nach seiner Gewohnheit,
auch hier mit Krieg.
Attilas unbeherrschtes Temperament, unter dem beide zu leiden hatten,
führte die römischen Gesandtschaften zusammen. Sie konnten es nicht ver-
stehen, daß Attila so heftig auf seiner Forderung wegen jener Gefäße be-
stand, deren Unrechtmäßigkeit zutage lag. Da wurden sie belehrt von
Romulus, Orestes' Schwiegervater: einem Mann, dem Priskos wegen seiner
Stellung und seiner langjährigen Erfahrung größte Achtung entgegebrachte.
Attilas ungewöhnliches Glück, so hörte man jetzt, und die daraus erwachsene
Macht habe bewirkt, daß er auch gerechte Forderungen nicht mehr an-
höre, es sei denn, sie dienten seinen Zwecken. Niemand vor ihm, der über
Skythien oder über ein anderes Land geherrscht, habe in solch kurzer Zeit
derart Großes vollbracht. Gebiete er doch über die Inseln des Ozeans, über
ganz Skythien, und dazu habe er sich die Römer tributpflichtig gemacht.
Doch sei er dessen nicht zufrieden und begehre mehr: er wolle die Perser

1
Priskos bei Konst. Porphyrog., de legat. 128, 20 f.; E . A. Thompson, a. a. O. 109,
hat die Bedeutung der Stelle nicht erkannt.
2
„Ses menaces obscures etaient des pr^paratifs strat6giques" : R. Grousset, L'em-
pire des steppes 1 2 2 .
312 ATTILA

angreifen. Es folgt die Erzählung eines früheren hunnischen Unternehmens


gegen Medien (dazu oben 1, 12f.; unten Nachtrag S. 3i7f.). Es hatte soviel
gelehrt, daß Medien vom Skythenland nur wenige Tage entfernt lag (die
Beschreibung zeigt, daß man auf dem Rückweg am Erdölgebiet von Baku,
also am Westufer des Kaspischen Meeres, vorbeigezogen war). Der Weg
werde Attila keine Mühe bereiten, und zweifellos werde er Meder, Parther
und Perser unterwerfen.
Die Unterredner äußerten die Hoffnung, Attila könne sich gegen die
Perser wenden und so dem oströmischen Reich eine Atempause geben.
Constantiolus, ein anderes Mitglied der weströmischen Gesandtschaft, er-
widerte, der Hunne vermöge den neuen Gegner leicht zur Strecke zu bringen,
aber darum werde er nicht weniger schwer auf Ostrom lasten. Er werde sich
nicht mehr damit begnügen, wie bisher, die Zahlungen auf Grund der
Tatsache zu erhalten, daß er Heermeister in römischen Diensten sei (damit
suchte man römischerseits die Tatsache des Tributs zu verschleiern),
sondern man werde ihn dann als Kaiser begrüßen müssen. Ohnedies habe
ihm der Himmel eine Vermehrung der Macht angekündigt. Zeichen dessen
sei für Attila das Schwert des Kriegsgottes, einst bei den skythischen
Königen hochgeehrt, dann aber seit langem verschwunden. Durch eine
Kuh sei es wiedergefunden worden.
Urteilsfähige Köpfe, die Attila kannten, zweifelten keinen Augenblick
daran, daß er sich mit den bisherigen Eroberungen nicht zufrieden geben
werde. Seien es doch keine kühlen Überlegungen, die Attila antrieben. Man
spricht ganz offen von seinem Unverstand, der keinen rechtlichen Er-
wägungen zugänglich sei; von seiner mangelnden Fähigkeit, auf andere
einzugehen und Maß zu halten. Er werde nie Ruhe geben und werde nie
zögern, nach dem Höchsten zu greifen. Entscheidenden Anteil mißt man
dem Bewußtsein zu, von Gott berufen zu sein. Es sind dämonische, will
sagen: irrationale Kräfte, die Attila vorwärts drängen.
Eine Kuh habe zur Wiederentdeckung des göttlichen Schwertes ver-
holfen, sagte Constantiolus. Auch sonst hört man davon (oben i , 228). Es
ist also ein Tier, das die führende Rolle spielt, wie Tiere es sind, die wieder
und wieder in Tschinggischans Leben eingreifen und auf deren Verhal-
ten die Handelnden sich berufen . . . Eine Hinde hatte die hunnischen
Jäger über den maiotischen Sumpf geführt (oben 1, 235; 238 t.); bei der
Eroberung von Aquileia sollten Störche Attila den entscheidenden Hinweis
geben (oben 1, 224). Es ist das Leben und Denken im Tier, das hervortritt
13- A T T I L A U N D W E S T R O M 313

— wiederum einer der irrationalen, in religiösen Urgründen wurzelnden


Antriebe hunnischen Handelns.
Nur in einem irrte dieser Beurteiler: Attila sollte sich nicht nach Persien,
sondern nach Westen wenden. Das allmähliche Wachsen dieses Planes läßt
sich verfolgen. Aber wieder ist es so, daß das, was wir fassen können,
Symptom ist, nicht den ursprünglichen Entschluß gibt. Alles, was an
Gründen oder Anlässen greifbar wird, bleibt stets Vorwand, der gesucht,
Handhabe, die ergriffen oder herbeigezerrt wird. Nie fällt es mit dem zu-
sammen, was diesen Mann wirklich bewegte; das lag anderswo und lag
tiefer als solche Maskierung. Um so bedeutsamer ist, daß auf Attilas Inneres
einmal ein Streiflich fällt. Er war echter Nomade, echter Hunne geblieben.
Und wie alle seines Schlages, glaubte er sich von höheren Mächten ge-
trieben, geführt — und vielleicht war er es 3 .

Nicht nur im originalen Priskos, noch im Auszug des Iordanes tritt die
gleiche Auffassung hervor. Durch Mord an seinem Bruder Bleda sei Attila
zur Alleinherrschaft gekommen, habe alle Hunnen unter sich vereint, und
mit dieser Macht, verstärkt durch den Zuzug untertäniger Stämme, habe er
den Angriff gegen Römer und Westgoten geplant. Dann heißt es weiter:
er habe sich Großes zugetraut, aber sein Selbstvertrauen sei noch vermehrt
worden durch die Auffindung der Waffe des Kriegsgottes. Seitdem stand es
für ihn fest, er sei zum Herrn der Welt berufen, und durch des Gottes
Schwert werde ihm die Gewalt über die Kriege gegeben. Als schon der Plan
der Welteroberung festlag, habe ihn Geiserich zum Kriege gegen die West-
goten gehetzt, deren Rache zu fürchten er Ursache hatte. Denn der Wandale
hatte die ihm angetraute Tochter des Westgotenkönigs, auf den bloßen
Verdacht eines Mordversuchs hin, verstümmelt dem Vater wieder zugesandt
und sich so einen erbitterten Feind geschaffen.

Geiserichs Einwirken blieb nicht allein. Es kam ein Zweites hinzu, um


Attila in seinen Absichten gegen Westrom zu bestärken. Iusta Grata
Honoria, die Schwester des weströmischen Kaisers Valentinian III., die in

• In meiner Beurteilung Attilas stehe ich in entschiedenem Gegensatz zu Ε. A.


Thompson, der dergleichen nie in Erwägung zieht (a. O. ißof.). Dabei stütze ich mich
auf die eindeutigen Äußerungen unserer maßgebenden Quelle. Thompson h a t sie nicht
einmal der E r w ä h n u n g f ü r wert befunden, wie denn von Sage und Religion der H u n n e n
bei ihm kein W o r t verlautet. Einer grundsätzlichen Rechtfertigung wird meine Be-
trachtungsweise heute nicht mehr bedürfen.
314 ATTILA

Ravenna residierte und angeblich am Regiment Anteil besaß 4 , war durch


ihren Verwalter Eugenius verführt worden. Um weiterem vorzubeugen,
verheiratete man sie zwangsweise dem angesehenen Senator Herculanus. In
ihrer Erbitterung sandte sie Attila den Eunuchen Hyacinthus mit der Auf-
forderung, sie gegen Erstattung der Kosten aus der unerträglichen Ehe zu
befreien. Ihr Siegelring ward dem Eunuchen zur Bezeugung mitgegeben.
Als das Geschehene Valentinian zu Ohren kam, wurde Hyacinthus nach
seiner Rückkehr verhaftet. Er gestand unter der Folter und wurde ent-
hauptet. Auf den Rat des oströmischen Kaisers Theodosios II., Honoria
Attila kurzerhand auszuliefern, ging Valentinian nicht ein. Die ungeratene
Schwester wurde der Obhut ihrer Mutter übergeben, und man hörte nichts
mehr von ihren Schicksalen. Aber das Unheil, das sie in Bewegung gesetzt,
ließ sich weniger rasch beseitigen.
Am 28. Juli 450 starb Theodosius II., und am 25. August folgte ihm
Marcianus als Kaiser des Ostens. Der Thronwechsel bedeutete einen Wechsel
der Politik. Anatolios und Nomos hatten — geschickt und durch die Gunst
der Lage unterstützt — erträgliche Bedingungen von Attila erhalten. Die
Friedenspolitik Theodosios' II. und Chrysaphios' konnte einen Erfolg ver-
zeichnen. Trotzdem war Marcianus entschlossen, diesen Weg nicht weiter
zu verfolgen. Eine seiner ersten Handlungen war die Hinrichtung des
Eunuchen. Als Gesandte Attilas nach Konstantinopel kamen, um an die
Tribute zu erinnern, erhielten sie abschlägigen Bescheid. Man sei bereit,
Geschenke zu geben, falls die Hunnen Ruhe hielten, aber Krieg werde man
mit Krieg zu begegnen wissen. In dem Augenblick, da Attila glauben konnte,
durch den Vertrag von 450 sich die nötige Rückendeckung verschafft zu
haben, sah er sich einer veränderten Lage gegenüber.
Wenn eine vereinzelte Nachricht 5 zutrifft, könnte man annehmen, daß
Attila ursprünglich einen Zug gegen die Westgoten beabsichtigt hatte. Er
soll ihn geplant haben tamquam custos Romanae amicitiae. Dies würde
besagen, daß er, fußend auf dem ihm übertragenen Amt eines römischen
Heermeisters, die Feinde Valentinians III. und Aetius* zu Paaren treiben
wollte. Möglicherweise betrachtete er, der doch Ostgoten zu Untertanen
hatte, deren Vettern an der Garonne als entlaufene Sklaven, ähnlich wie er

4 Joh. Antioch. fr. 199 τ ω ν βασιλικών καΐ α ϋ τ ή έχομένη σ κ ή π τ ρ ω ν (von Ε. Α.

Thompson, a. Ο. 132, ialsch gedeutet). Sie erscheint als Augusta auf den Münzen:
O. Ulrich-Bansa, Moneta Mediolanensis 226f.; 227 Anm. 19; 234 Anm. 38.
5 Prosper a. 451, Chron. Min. 1, 481; Ε. A. Thompson, a. O. 131; 135.
13- ATTILA UND WESTROM 315

es mit den Hunnen in römischen Diensten oder seine Söhne es mit den ab-
gefallenen Ostgoten taten. Genug: diese zunächst aufrecht erhaltene
Fiktion mußte, wenn sie jemals bestand, bald aufgegeben werden.
Denn gleichzeitig mit der Gesandtschaft nach Konstantinopel war eine
solche an Westrom gegangen (vermutlich an Valentinian III. selbst, nicht
an seinen Patricius Aetius). Auf die Nachricht von dem, was dem Eunuchen
Hyacinthus widerfahren war, legte sich Attila dahin fest, daß Honoria
nichts Unrechtes getan habe. Sie habe sich ihm als Braut versprochen, und
er werde für sie eintreten, wenn man ihr nicht Anteil an der kaiserlichen
Herrschaft gewähre. Der Schritt der Ungeratenen, die Übersendung des
Siegelringes hatten damit eine neue Deutung erhalten. Doch man ant-
wortete nun auch im Westen abschlägig. Honoria könne Attila nicht zur
Ehe gegeben werden, da sie mit einem anderen Mann verheiratet sei. Mit
der Kaiserwürde habe sie nichts zu schaffen, denn in Rom komme diese
allein Männern zu.
Es war deutlich, daß Attila, wenn er auf seiner Forderung beharrte,
im Westen nicht mit einem, sondern mit zwei Gegnern zu tun haben
werde. Immerhin, Feindschaft mit Valentinian III. bedeutete nicht not-
wendig auch solche mit seinem Patricius. Aber auch da ließ es Attila zum
Bruch kommen. Streitpunkt war die Thronnachfolge bei den ripuarischen
Franken. Attila begünstigte den älteren Sohn des letzten Königs, Aetius den
jüngeren. Priskos wußte von dem Knaben, dem er im Schmuck seines langen
und dichten Blondhaares in Rom selbst begegnet war. Aetius hatte den
fränkischen Königssohn als Sohn angenommen und, was mehr war: Kaiser
und Patricius trafen sich in ihrer Wahl, überhäuften den jungen Mann mit
Geschenken und gewannen ihn für sich. Offenbar verfügte dieser Günst-
ling Roms über den größeren Anhang unter seinem Volk®. Denn Attila sah

• Priskos fr. 16 spricht von dem Grund des Krieges gegen die Franken. Damit ist
gesagt, daß die Ripuarier bei der Entscheidung auf der Seite von Attilas Gegner
standen (vgl. lord.. Get. 191), der jüngste Bewerber also die Krone erhielt. Im
zweiten Teil des Fragments wird von der letzten Gesandtschaft an Westrom berichtet.
Den Übergang nimmt Priskos in der Weise vor, daß er auf den einleitenden Satz, der
von dem Kriegsgrund gegenüber den Franken sprach, zurückgreift: „aus diesen Gründen
den Krieg unternehmend" usw. Daß damit nicht mehr als Wiederaufnahme und Ab-
schluß des Bisherigen gemeint ist, bestätigt der Schlußsatz des Ganzen. Danach
steht Attila erst in den Vorbereitungen. Alle Schlüsse, die Ε. A. Thompson, a. O.
137 und 138, auf Grund seiner falschen Interpretation des Fragmentes zieht, entfallen
damit. — Daß ich Malal. p. 358 Bonn, und Chron. Pasch, i , 587 (Ε. A. Thompson,
a. O. 137) keine Bedeutung zumesse, bedarf hoffentlich keiner Begründung.
316 ATTILA

sich durch den für ihn ungünstigen Verlauf des Thronstreits veranlaßt, seine
anderen Forderungen gegenüber Westrom um so nachdrücklicher zu ver-
folgen. Honoria sei seine Braut, so ließ sich eine neue Gesandtschaft ver-
nehmen, Beweis dessen sei der eingehändigte Siegelring; ihr gebühre die
Hälfte des weströmischen Reiches, die ihr der Bruder vorenthalte. Dem-
gegenüber traten Valentinian I I I . und Aetius vereint auf: man beschied auch
die neuen Forderungen abschlägig.

Für Attila hatte sich die politische Lage erheblich verschlechtert. In


Ostrom wußte man, daß es den Ruhelosen nach Westen drängte. Man ver-
stand die Chance zu nutzen. Zwei geschickte Unterhändler hatten den
Hunnen zu weitgehender Nachgiebigkeit vermocht; ein neuer Kaiser es
gewagt, die Tributforderungen zu verweigern. Im Westen bildeten die
Westgoten das ursprüngliche Angriffsziel der Hunnen. Unerwartet und dem
Hirn eines Weibes entsprungen, bot sich für Attila eine weitere Handhabe.
Mit der Hartnäckigkeit des Barbaren blieb Attila bei seinem Plan. Aber
statt der Hälfte des weströmischen Reiches fiel ihm die Gegnerschaft des
Hofes von Ravenna zu. Auch die Einmischung in die fränkischen Thron-
streitigkeiten schlug ihm zum Nachteil aus: er durfte nun auch Aetius zu
seinen Gegnern rechnen. Alles schien sich gegen Attila und seinen Plan
verschworen zu haben. E s war eine Frage der Zeit, daß sich zu der ge-
schlossenen Front von Gegnern, die bereits von Konstantinopel über Rom
und Ravenna bis zu Aetius und den ripuarischen Franken reichte, noch
die Westgoten hinzufanden.

Ein anderer hätte in dieser Lage zurückgesteckt. E r hätte auf das


Entferntere verzichtet und zunächst mit Marcianus und Ostrom Abrech-
nung gehalten. Bezeichnend, daß die weströmische Mission am Hunnenhof
noch 449 vermutete, Attila werde sich gegen das Sasanidenreich wenden und
dann Ostrom den Garaus machen. Priskos sagt, Attila habe geschwankt, ob
er sich gegen das Ostreich oder gegen den Westen wenden sollte. Dann habe
er sich für das größere Unternehmen entschieden, wo er sich gleichzeitig
Römern, Goten und Franken gegenüberfand. Im einen Falle lockten ihn
Honoria und ihre Schätze, gegen den Goten hingegen die Hoffnung, sich
Geiserich gefällig zu erweisen. Als seine letzte Gesandtschaft erfolglos aus
dem Westen zurückkehrte, war es für ihn nur ein Anlaß mehr, sich mit aller
Macht für die kommende Auseinandersetzung zu rüsten.
13- ATTILA UND WESTROM 317
NACHTRAG: E I N F Ä L L E IN IRAN

In der syrischen Chronik, die ihr erster Herausgeber J . P. N. Land


wenig passend als „Liber Calipharum" bezeichnet hat, findet sich unter
dem Jahre 395 folgender Bericht:
,,(Chron. min. 2, 136, 20 Chabot) In diesem Jahr kam das verfluchte
Volk der Hunnen ins Land der Römer. Sie durchzogen Sophene (oder:
Sophanene), Armenien, Mesopotamien, Syrien und Kappadokien bis nach
Galatien. Sie machten viele Gefangene und kehrten um, nach Hause zu
gelangen. Sie zogen längs ('al geb: C. Brockelmann, Lexic. Syriac.* 123b)
des Euphrat und Tigris, im Herrschaftsbereich der Perser, und kamen
zur Hauptstadt der Perser. Dort taten sie keinen Schaden, aber viele Gaue
an Euphrat und Tigris verwüsteten sie, töteten (viele) und nahmen viele
gefangen. Als die Hunnen hörten, daß die Perser ihnen entgegen rückten,
machten sie sich daran zu fliehen. (Die Perser) verfolgten sie und töteten
von ihnen eine Schar. Sie nahmen (2, 137, 1 Chabot) ihnen alle Beute ab,
die sie (die Hunnen) gemacht hatten. Außerdem befreiten sie Gefangene
von ihnen, an Zahl 18000. Sie (die Perser) brachten sie (die befreiten
Gefangenen) in ihre Städte Seleukeia (slök) und Köke (cod. kaukbä), die
Hardaser und Ktesiphon genannt werden. Sie (die Gefangenen) blieben
viele Jahre dort. Der König der Perser beorderte für sie annonae: Brot,
Wein, Rauschtrank (sakrä „sicera") und öl. Von diesen 18000 blieben
nur wenige . . . (Lücke) die erste Tausendschaft. Die Perser schickten sie
heim in ihre Länder. Als der persische König Yazdgard regierte, schickte
er wiederum von den Gefangenen 1330 nach Hause. Es blieben von ihnen
in Persien (oder: in der Persis) ungefähr 800 Gefangene. Der Rest von
allen starb an der Seuche der Magenerkrankung (dysenteria: C. Brockel-
mann, a. O. 314b) infolge der Bedrängnis und Not, die ihnen die ver-
fluchten Hunnen zugefügt hatten. Alles dies haben uns Gefangene erzählt.
Auch Christen und Mönche haben (es) erzählt. Junge Kleriker berichteten
von den Wohltaten, die den Gefangenen nach ihrer Aussage zuteil warden,
und von (ihrer) Dankbarkeit dem guten und barmherzigen König Yazdgard
gegenüber, dem Christen und Gesegneten unter den Königen, dessen
Gedächtnis gesegnet sein und dessen Ende schöner sein möge als sein
Anfang. Denn sein Lebtag hat er Schönes getan an den Armen und Elenden".
Die Herkunft dieses wertvollen Stückes ist im Text angedeutet: es
entstammt dem Munde der Gefangenen selbst. Da die Chronik erst im
Jahre 724 abgeschlossen wurde, muß ihr Verfasser dieses Stück einem
318 ATTILA

Autor entnommen haben, der den Ereignissen gleichzeitig war (I.-B.


Chabot, a. O. 61 Übers.). Man kommt damit in die Anfänge einer geschicht-
lichen Literatur bei den Syrern. Nur der Bericht über die Hochwasser-
katastrophe von 20i in Edessa, der der edessenischen Chronik voransteht,
ist älter.
'Ammä litä d-hünäye 136, 21 und ähnlich 137, 14 findet in der Kenn-
zeichnung der Awaren (oben 1,92) seine Parallele. Immanis natio, wie
Ammianus 2 8 , 5 , 9 Alamannen nennt, erklärt sich anders; das hat
K . F. Stroheker in: Eranion, Festschr. H. Hommel (1961) 127 unter Heran-
ziehung von Amm. 27, 10, 5 gezeigt. — Die Beschreibung des Hunnenzuges
beginnt erst, nachdem er römischen Boden betreten hat. Dabei ist $öp
entweder die Sophene oder die Sophanene (Weissbach in: R E . 3 A, i o i 5 f . ) .
Denn das syrische Wort bezeichnet beide Landschaften (Payne Smith 1,
3381). Wenn Weissbach (a. O. 1018) meint, söp bedeute die Sophene,
bet d-sö-panäye die Sophanene, so beruht solche Scheidung auf unrichtiger
Umschreibung im zweiten Fall. Es muß baitä d-söpnäye oder bet söpnäye
(Gebiet der Bewohner von Söp) gelesen werden. Im Laterculus des Polemius
Silvius folgt die Sophanene als römische Provinz der Mesopotamia, also
unserem bet nahrawwätä entsprechend. Armenien kann somit nicht Groß-
Armenien, sondern nur die römische Provinz meinen. — Auf dem Rückweg
ziehen die Hunnen das Tal der beiden Flüsse entlang, die sich bei Madä'in,
der Hauptstadt, ganz nahe kommen; die Hunnen müssen in Kappadokien
oder Syrien abgebogen sein. Seleukeia ist HardaSer gleichgesetzt, das eine
Korruptel von (We)h-ArdaSer sein dürfte, also der nördlichen Neustadt
Seleukeias (Honigmann in: R E . Suppl. 4, 1115). Überliefertes kaukbä hat
I. B. Chabot (a. O. 1, 104 Anm. 1) richtig in kökä oder Plur. köke ,,die
Hütten" (vgl. jüd.-aram. kükä, syr. kükitä, kühtä) verbessert. E r irrt
indessen in der Gleichsetzung mit Seleukeia, denn, wie der T e x t besagt,
ist Ktesiphon auf dem linken Tigrisufer gemeint 1 . Χ ω χ ή bei Steph. Byz.,
aus dem 11. B u c h von Arrians Παρθικά stammend (700, 12f. Mein.),
erbringt die Bestätigung (vgl. noch Payne Smith 2, 1693f.). — Daß
Yazdgard I. (399—420) christliche Neigungen hatte, erkannte bereits
Th. Nöldeke, Übers. 74 Anm. 3. Die ehrenden Beinamen, die dem König
von den dankbaren Christen gegeben werden, stehen in bewußtem Gegen-
satz zu der Kennzeichnung bazayar „Sünder" (Th. Nöldeke, a. O. 72

1 Hinzukommt, daß I. B. Chabot Seleukeia am Euphrat ansetzt!


13. ATTILA UND WESTROM 319

Anm. 4), den die zarathustrische Geistlichkeit dem gleichen Manne zu-
gelegt hat.
Da behauptet wurde (0. Maenchen-Helfen in: Journ. Amer. Orient. Soc.
79 [1959], 298 1.), der hunnische Einfall von 395 ins Perserreich sei eins
mit dem der Basich und Kursich, von denen Priskos (Exc. de legat. 1 4 1 ,
10 f. de Boor) berichtet, sei dieser haltlose Einfall richtiggestellt. Während
der syrische Autor die Hunnen auf der Rückkehr von einem Vorstoß, der
sie bis Galatien geführt hat, ins Perserreich einfallen läßt, geschieht der
Einfall bei Priskos von der Μαιωτϊς λίμνη aus. Nach dem Syrer gelangen
sie bis in den Sawäd und stehen zuletzt vor Madä'in, nach Priskos kommen
sie ές τήν Μηδικήν (1. c. 18). Bei dem Syrer kämpfen die Hunnen gegen
das Römerreich, bei Priskos verhandeln sie mit Rom um Waffenhilfe
gegen die Perser (13 f.; 'Ρωμαίων . . . μή συμβαλλόντων n f . ) . Das schließt
vorherige Verwüstung des römischen Gebietes, wie sie der Syrer beschreibt,
aus. Hinsichtlich der Datierung von Basich's und Kursich's Unternehmen
wird es bei dem oben 1, 1 2 f. Gesagten bleiben. Daß es das ältere ist, ergibt
sich schon daraus, daß damals die Hunnen den Persern noch standzuhalten
suchten und erst dem überlegenen Pfeilhagel wichen, im Jahre 395 es aber
auf einen Kampf gar nicht mehr ankommen ließen.

3
Früh im Jahre 451 begann der geplante Feldzug. Über die Stärke von
Attilas Streitmacht gibt es keine sicheren Angaben. Neben den Hunnen
zogen Ostgoten, Alanen und Gepiden, Skiren und Rugier, vermutlich auch
Thüringer (oben S. 134) mit; ob noch mehr, läßt sich nicht ausmachen. Die
Teilnahme der rechtsrheinischen Burgunden ist nicht bezeugt. Ebensowenig
erfährt man, ob Attila sich zuerst gegen die ripuarischen Franken wandte
und wo er den Rhein überschritt. Wir wissen nur, daß er einen neuen
diplomatischen Schritt unternahm, um der drohenden Vereinigung seiner
beiden Hauptfeinde, der Römer und Westgoten, zuvorzukommen. E r ließ
gleichzeitig an Valentinian III. und den Westgotenkönig Theoderich Briefe
abgehen, in denen er beiden versicherte, er kämpfe nicht mit dem jeweiligen
Adressaten, sondern mit dem Anderen. Dieser Schritt, allzu schlau erdacht,
führte dazu, daß man von römischer Seite den entscheidenden Schritt zur
Verständigung mit Aetius' bisherigem Feind, den Westgoten, tat. Der Ver-
such scheint nicht von dem Patricius, sondern von Valentinian III. aus-
320 ATTILA

gegangen zu sein 1 . Der Hof übernahm die Vermittlung zwischen den auf-
sässigen Foederaten und dem Reichsfeldherrn. In elfter Stunde kam es zum
Bündnis, und die Westgoten stießen mit ihrer ganzen Macht zu dem Heer,
das sich unter Aetius' Führung auf den Katalaunischen Gefilden ver-
sammelte.
Der Patricius hatte sich zuvor in Italien aufgehalten. Die feste Haltung,
die man allseitig gegen Attila einnahm, das gemeinsame Handeln, zu dem
sich Valentinian III. und Aetius im ripuarischen Thronstreit zusammen-
fanden, setzten voraus, daß beide in engster Verbindung standen. Aetius
konnte nur wenige Truppen aus Italien mitbringen. Was zusammenkam,
stammte fast ausschließlich aus Gallien. Neben ripuarischen Franken,
einigen salischen Genossen und Westgoten meldeten sich die Burgunden
und Bagauden. Beide waren sie gleich den Westgoten erbitterte Feinde
Aetius' gewesen. Aber sie hatten im Krieg mit ihm erfahren, was ein hun-
nischer Gegner bedeutete, und so fanden sie sich gleich den anderen zu
einem Bündnis bereit. Wenn Attila gehofft haben sollte, über den zu ihm
geflohenen Arzt Eudoxius auf die Bagauden in gegenteiligem Sinn ein-
zuwirken, so war das vergeblich geblieben. Auch die Sachsen an der Loire
und die Alanen, die Aetius 442 in der Nähe vön Orleans angesiedelt hatte,
brachten Zuzug, ebenso weitere Stämme germanischer und keltischer
Herkunft, die im einzelnen nicht aufgezählt werden. Iordanes nennt noch
die Liticianer und Olybrionen — , einstmals römische Soldaten, jetzt aber
den Auxilien zugerechnet ; über sie lassen sich bestenfalls Vermutungen
anstellen 2 .
Der Feind war inzwischen herangekommen und hatte am 7. April Metz
eingenommen. Der nächste Stoß richtete sich gegen Orleans. Der Alanen-
könig Sangibanus 28 verhandelte insgeheim mit Attila und plante, die ihm
unterstellte Stadt den Hunnen auszuliefern 3 . Doch der Anschlag ward
ruchbar und Sangibanus mit seinem Kontingent unter scharfe Bewachung
genommen. Orleans* Mauern erhielten durch gewaltige Anschüttungen die

1 D a ß Α v i t u s die V e r s t ä n d i g u n g h e r b e i g e f ü h r t h a b e , b l e i b t u n b e w e i s b a r , wie E .

A . T h o m p s o n , a. O. 139 A n m . 2, richtig e r k e n n t .
2 K . Zeuss, D i e D e u t s c h e n und ihre N a c h b a r s t ä m m e 57g f.

2 a Sein N a m e g e h ö r t zu a v e s t . sanht'i-, ssnghav-, savhvant-,


* R . G r o u s s e t ( L ' e m p i r e des steppes 1 1 8 A n m . 1) e r w ä h n t , d a ß die A l a n e n westlich
v o n Orleans a u c h archäologisch f a ß b a r s i n d : I.. F r a n c h e t , U n e colonie s c y t h o - a l a i n e
en Orl^anais au 5 e s i i c l e . Les bronzes caucasiens du V e n d ö m o i s , R e v u e s c i e n t i f i q u e , 8
und 22. f i v r i e r 1930. D a g e g e n A. A l i ö l d i i n : E u r . S e p t . A n t . 9, 286; 287 A b b . 1.
ΐ3· A T T I L A UND W E S T R O M 321

nötige Stärke 4 ; der schon eingebrochene Feind wurde herausgeschlagen,


mit Hilfe der vom Hl. Anianus angefeuerten Bürgerschaft 5 . Auf den Miß-
erfolg hin zog sich Attila zurück; er mußte jetzt dem Zusammenstoß mit
Aetius' Heeresmacht, die ihm in Flanke und Rücken stand®, ins Auge sehen.
Das Blatt hatte sich gewendet: er schlug sich bereits um den Rückzug.
Vor der Entscheidung befragte Attila die Orakel. Die hunnischen Seher
lasen die Zukunft aus den Eingeweiden der Opfertiere, aber auch aus dem
Geäder der vom Fleisch befreiten Knochen. Es ist dieselbe Art der Weissa-
gung, die heute noch in der Äußeren Mongolei geübt wird. Aus Kaidaunen
und aus den Sprüngen und Krakelüren der ins Feuer gelegten Schafs-
knochen, vor allem der Schulterblätter, ersieht man, was geschehen wird 7 .
Die Zeichen verkündeten den Sieg des Gegners, aber den Tod des feind-
lichen Anführers. Attila glaubte, in diesem mit Sicherheit Aetius zu er-
kennen (was sich als Irrtum erwies: es sollte der Westgotenkönig fallen),
und beschloß, die Schlacht anzunehmen. Aber vor dem Spätnachmittag
durfte sie nicht eröffnet werden, damit die hereinbrechende Nacht ihn vor
allzu großem Unheil rette.
Auch dieser Bericht geht auf Priskos zurück (s. u.). Er trägt in seiner
Kenntnis des Orakelbrauchs, in der eigentümlichen Mischung von Super-
stition und Verschlagenheit, die in Attila zutage tritt, alle Zeichen der
Echtheit 8 . Wieder empfängt man ein Streiflicht auf das, was diesen Mann
bewegte. Wie sehr es mit dem früher Bemerkten übereinstimmt, sei aus-
drücklich hervorgehoben.
So begann, etwa am 20. Juni 451, auf einem weiten, für den Reiterkampf
geeigneten Gelände die Schlacht. Zwischen beiden Heeren lag ein ab-
schüssiger Hügel, der das Schlachtfeld beherrschte. Beide Teile faßten dort
Fuß, aber der Kampf um die Kuppe blieb unentschieden. In der Ebene

* Das Verfahren ist bei dem belagerten Dura-Europos deutlich geworden.


5
So deute ich die unter sich nicht einheitlichen Angaben der Quellen ; im einzelnen
Ε. A. Thompson, a. Ο. i^oi.
* Über die Lage der katalaunischen oder maurischen Gefilde ist keine Einhelligkeit
erzielt. Man wird sie zwischen Troyes und Chalons auf dem linken Marneufer zu suchen
haben.
7
E. Haenisch, Die geheime Geschichte der Mongolen 167 Anm. 272; A. Kühn in:
Artibus Asiae 5 , 1 4 9 ^ M. Hermanns, D. Nomaden v. Tibet 86.
8
R. Grousset ist der einzige, der dergleichen bemerkt hat. Neben dem „coefficient
decalculetderuse" hebt er hervor: „une superstition profonde, unecr^dulite de sauvage
envers ses chamans" und — er vergißt nicht, hinzuzufügen — „un goüt pour l'alcool
qui faisait finir ses c£r6monics en seines d'ivresse" (L'empire des steppes 122f.).
21 Althelm, Hunnen I V
322 ATTILA

ordnete man sich derweilen zum Kampf. Theoderich führte den linken
Flügel, Aetius den rechten; den unsicheren Sangibanus hatte man in die
Mitte genommen. Von zuverlässigen Mannschaften bewacht, sollte ihm die
Möglichkeit zur Flucht abgeschnitten, sollte er zum Standhalten gezwungen
werden. Ihnen gegenüber stand im Zentrum Attila selbst mit den Hunnen,
dem Kern seines Heeres; die Kontingente der Vasallen standen auf die
Flügel verteilt. Es war so geordnet, daß die Ostgoten und Gepiden unter
ihren Königen Walamir und Ardarich Theoderichs Westgoten entgegen-
traten. Erneut begann der Kampf um die Hügelkuppe. Thorismund,
Theoderichs Sohn, und Aetius gelang jetzt die Besetzung; die angreifenden
Hunnen sahen sich zurückgeschlagen.
Nun wurde man auf der ganzen Linie handgemein. Attila selbst hetzte
die Seinen zum Kampf. Hochbetagt fiel Theoderich, als er durch die Reihen
der Seinen ritt, um sie anzufeuern; der Wurfspieß eines Ostgoten soll ihn
vom Pferd geworfen haben. In dem erbitterten Streit, der folgte, verschwand
sein Körper unter den Leichenhügeln, die sich häuften; erst am nächsten
Tage fand man ihn heraus. Jene Westgoten, die bis dahin neben den Alanen
gestanden hatten (um sie zu bewachen), trennten sich jetzt von diesen und
stürzten sich auf die ihnen gegenüberstehenden Hunnen 9 . Es gelang ihnen
um ein Geringes, Attila selbst zu töten; die Hunnen wurden in ihre Wagen-
burg zurückgeworfen. Bis in die Nacht dauerte der Kampf (wie es Attilas
Plan gewesen war), und wenig fehlte, daß Thorismund und Aetius, die beide
im Dunkel umherirrten, in der Feinde Gewalt gerieten.
Am Morgen übersah man, was geschehen war. Das Feld war voller Leichen,
die Hunnen hatten sich in ihre Wagenburg zurückgezogen und wagten nicht,
sich erneut zum Kampf zu stellen. Man erkannte, daß man den Sieg errun-
gen hatte. Aber noch stand der Besiegte in seiner Verschanzung: er ließ
seine Trompeten blasen, und es schien, als könne er nochmals beginnen.
Priskos vergleicht ihn mit einem Löwen, den die Speere seiner Verfolger in
eine Höhle gedrängt haben: er bewacht ihren Zugang, wagt nicht mehr
anzugreifen, aber sein unaufhörliches Brüllen schreckt seine Gegner und
hält sie in Schach. Westgoten und Römer beschlossen, den Gegner aus-
zuhungern, da ein Sturm aufs Lager wegen der ausgezeichnet postierten
Schützen keinen Erfolg verhieß. Attilas Mut war so weit gesunken, daß er
sich aus hölzernen Pferdesätteln einen Scheiterhaufen errichten ließ, ent-
schlossen, sich lieber der Flamme als dem siegreichen Gegner auszuliefern.
9 Α. E. Thompson's Schilderung (a. O. 141) ist hier ungenau.
13- A T T I L A UND W E S T R O M 323

Es kam anders. Die Westgoten, über den Tod ihres Königs erbittert,
wünschten die Vernichtung des Gegners. Es war kein Zweifel, daß, wenn
überhaupt, so jetzt die Voraussetzungen dafür gegeben waren. Eben das
war es, was Aetius vermeiden mußte. Anders als sein barbarischer Gegner,
der den Kampf trotz warnendem Seherspruch in der Hoffnung auf des
Patricius Tod begonnen hatte, wünschte dieser, aus wohlerwogenen Gründen,
dem Besiegten eine Brücke zu bauen. Aetius konnte nichts daran gelegen
sein, den Sieg der Westgoten vollständiger zu machen, als er war. So bewog
er Thorismund zum Abzug, mit dem Hinweis, daß die Regelung der Nach-
folge seine Anwesenheit daheim nötig mache. Bei dem jungen Frankenkönig
gelang ihm dasselbe Manöver. Auch dieser begab sich nach Hause: Aetius
hatte ihm vorgestellt, die Hunnen könnten beim Rückzug sein Land heim-
suchen.
Attila fand den Weg frei. Uber seinen Rückmarsch hörte man nichts.
Aber es war klar, daß er den Kampf nicht fortsetzen konnte; er räumte
das Feld. Zum ersten Male war ein hunnisches Heer in offener Schlacht
geworfen und zum Abzug gezwungen worden.
Zu Hause mußte Attila feststellen, daß man in Konstantinopel trotz allen
Drohungen festgeblieben war. Man war entschlossen, keinen weiteren
Tribut zu entrichten. Der Hunne schäumte vor Wut. Apollonios, den Ge-
sandten des Kaisers Marcianus, weigerte er sich zu empfangen. Trotzdem
stellte Attila die Forderung, die für ihn bestimmten Geschenke abzuge-
ben; andernfalls habe Apollonios den Tod zu gewärtigen. Aber die Zeiten
waren andere geworden. Apollonios gab zur Antwort, die Hunnen könn-
ten entweder Geschenke oder Beute erhalten. Damit deutete er an, daß sie
Geschenke bekämen, wenn sie ihn als Gesandten empfingen; daß sie sich
aber mit geraubtem Gut begnügen müßten, falls sie ihn töteten und, was
sie wünschten, mit Gewalt nähmen. Apollonios' Festigkeit triumphierte:
es blieb nichts übrig, als ihn unbehelligt ziehen zu lassen.

4
Die Schilderung der Katalaunischen Schlacht wurde Iordanes* Bericht
zugrunde gelegt (Get. 194—218). Es ist der einzige, der zählt, und ist
darum vielmals behandelt worden. Die Akten über ihn scheinen geschlossen
— es sei denn, es träte ein völlig Neues ins Blickfeld 1 . Bisher nicht beob-
1 R. de Coudenhove-Kalergi, der gegenwärtig an einer Geschichte Europas schreibt,

wird eine Zuschrift verdankt, die den Verfasser zu neuem Durchdenken eines oft
21·
324 ATTILA

achtet wurden eine Anzahl von Übereinstimmungen mit einem anderen


Schlachtbericht, der einem Geschichtsschreiber der Spätantike fernzuliegen
pflegt: mit Herodots Darstellung der Schlacht bei Salamis. Die Berührungen
erstrecken sich über beide Darstellungen hinweg; sie betreffen nichts
Allgemeines, das überall geschehen sein könnte, sondern heben entschei-
dende Einzelheiten heraus; sie zeigen schließlich eine Übereinstimmung
in der Wertung großer geschichtlicher Ereignisse, die nicht zufällig sein kann.
Es sei begonnen mit Get. 195—196. Vor der Schlacht mißtraut Attila
seinen Truppen und scheut sich vor der Schlacht. Er befragt seine aruspices,
und diese erteilen ihm eine Antwort, die trotz der Ankündigung einer
Niederlage ihn zur Schlacht verlockt. Es wird sich dann ergeben, daß die
dem Orakel entnommene Gewißheit von Aetius' Tod trügerisch war (209).
Auch Xerxes schwankt, ob er die Schlacht annehmen soll. Aber im Gegen-
satz zu Attila, der, ut erat consiliorum in rebus bellicis exquisitor, sich auf

erörterten Falles veranlaßt hat. In seinem Brief (vom i. 7. 61) geht es darum, ob
nicht der Sieg über die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern zu den großen Frage-
zeichen der Geschichte gehöre. E s wird vermutet, „daß die Hunnen in dieser Durch-
bruchsschlacht Sieger waren, daß aber die römischen Kriegsberichterstatter diesen
hunnischen Sieg in eine Niederlage umgelogen haben; sie hatten damit Erfolg, da die
Kriegsberichte Attilas nicht vorliegen".
Im einzelnen wird so argumentiert: ,,Die Hunnen unternahmen einen Plünde-
rungszug nach Gallien. Sie erreichten Orleans, zogen sich aber von dort . . . nach
Deutschland oder Ungarn zurück, um nicht nach Niederbrennung aller Dörfer im
ausgeplünderten Gallien zu verhungern. Aetius und seine Westgoten wollten ihm
den Rückzug verlegen, sein Heer vernichten und sich seiner reichen Beute bemäch-
tigen. Aber es gelang Attila, sich siegreich durchzuschlagen und seine ganze Beute
zu retten. Schon die Tatsache, daß er im nächsten Jahr einen neuen Plünderungszug
nach Italien wagen konnte, spricht gegen seine angebliche Niederlage".
Die weiterhin angeführten Parallelen aus der neuen Geschichte dürfen beiseite-
bleiben. Die Antwort auf de Coudenhove-Kalergi's Brief fiel aus, wie sie ausfallen mußte.
E s wurde darauf verwiesen, was Iordanes' Bericht — der einzige, der ausführlicher
gehalten ist — bestätigt, was er widerlegt und worin er schweigt. Das Ungenügen,
das der die Antwort Erteilende bei derartiger Auskunft empfindet, sei nicht geleugnet.
Immerhin war deutlich, daß solche Fragen, wie sie der nachdenkliche Betrachter
von heute zu stellen pflegt und sie wohl auch stellen muß, die antike Darstellung
aus ihrer Zurückhaltung nicht herauszulocken vermögen. Will man ihr über das
Bisherige hinaus etwas abgewinnen, so darf man sie nicht nach dem abtasten, was
uns heute am Herzen liegt. Sondern man muß versuchen, ob durch geduldige Inter-
pretation eine Absicht ihres Verfassers aufscheine, die sich uns noch nicht ab-
gezeichnet hat. Mit anderen Worten: man sollte nicht danach fragen, was wir wissen
wollen, sondern danach, was der antike Autor sagen will. Erst dann darf man er-
warten, daß das derart erzielte Ergebnis auch etwas zu dem beitrage, was der Heutige
zu erfahren wünscht.
13. ATTILA UND WESTROM 325

das Orakel beschränkt und im übrigen sich des eignen Verstandes bedient,
beruft Xerxes einen Kriegsrat (Herod. 8, 67—69). Trotz Artemisias R a t
läßt er es zur Schlacht kommen. Doch den letzten Anstoß gibt auch hier
ein Trug: die Botschaft, die Themistokles dem König zukommen läßt
(Herod. 8, 75).
Eine Einzelheit sei hinzugefügt. Iordanes' Wendung: diffidens suis
co-piis metuit inire conflictum entspricht Artemisias Hinweis, daß Ägypter,
Kyprier, Kiliker und Pamphyler nichts taugen. Aber Xerxes meint, wenn
auch seine Flotte bei Euboia, wo er nicht zugegen war, der Tapferkeit
ermangelt habe, so werde sie nunmehr, wo er selbst zuschaue, es daran
nicht fehlen lassen (Herod. 68—69). Auch Attilas Gegenwart läßt keinen
im Kampf zaudern. Trotz des Schrecklichen, das bevorsteht, praesentia
tarnen regis cunctationem morantibus auferebat (Get. 207). Ebenso kämpfen
die Perser tapfer, denn sie fürchten sich vor Xerxes und glauben, daß der
König geradewegs auf sie blicke (Herod. 8, 86; 89).
Die Mitte des Katalaunischen Feldes nimmt ein Hügel ein: erat autem
•positio loci declivi tumore in editum Collis excrescens (Get. 197). Beide Teile
wünschen ihn zu besetzen, quia loci opportunitas non parvutn beneficium
confert. Attila unternimmt als erster den Angriff. Aber Thorismund
(Thorismud) und Aetius kommen dem zuvor, venientesque Hunnos montis
beneficio facile turbaverunt (Get. 201; vgl. 211). Diesem Hügel entspricht
bei Herodot die Insel Psyttaleia. Sie liegt zwischen Salamis und dem
Festland. Die Perser besetzen sie als erste; sie tun es, um die dort während
der Seeschlacht angetriebenen Menschen und Schiffstrümmer entweder zu
retten oder zu vernichten (Herod. 8, 76). Doch auch ihnen wird die Insel,
durch Aristeides, entrissen (Herod. 8, 95). Alle auf Psyttaleia gelandeten
Perser werden erschlagen.
Nicht nur Attila mißtraut seinen Truppen. Auch auf Seiten der nach-
maligen Sieger gibt es Unzuverlässige: Sangibanus mit seinen Alanen
(Get. 197; vgl. 194). Dem entspricht bei Herodot Adeimantos, Feldherr der
Korinther. E r soll vor Beginn der Schlacht in seiner Angst davongefahren
sein, und als er dann, von den Göttern gemahnt, zurückkehrte, sei die
Schlacht schon vorüber gewesen. Herodot gibt dieser Nachricht den Vorzug,
obwohl er von einer anderen und besseren weiß, derzufolge die Korinther
in der Schlacht tapfer mitkämpften (8. 94).
Andererseits streiten auf Seiten der Besiegten solche, von denen man
zunächst annehmen möchte, sie gehörten nach ihrer Nationalität auf die
326 ATTILA

andere, die gleichwohl dort, wo sie stehen, Wunder an Tapferkeit im Dienste


eines fremden Herrn vollbringen. Ardaricus und Valamir, die Könige der
Gepiden und Ostgoten, sind Attilas Getreue. Reliqua autem, si did fas
est, turba regum diversarumque nationum ductores ac si satellites notibus
Attilae attendebant, was dann weiter ausgeführt wird (Get. 199—200).
Ardaricus ist fide et consilio gnarus (Get. 200; ähnlich 199). Seine Stellung
entspricht der Artemisias in Herodots Darstellung. Diese befehligt ein
griechisches Kontingent in Xerxes' Heer: die Schiffe aus Halikarnassos,
Kos, Nisyros und Kalydna (Herod. 7, 99). Gleichwohl steht sie auf persi-
scher Seite wie Ardaricus auf hunnischer, und beide erweisen sich des Ver-
trauens ihrer Oberherren als würdig. Artemisia sitzt im königlichen Rat
und gibt Xerxes die besten Ratschläge (Herod. 8, 68—69; 101—103); in
der Schlacht kämpft sie aufs tapferste (Herod. 8, 87—88).
Die Ostgoten insbesondere ragen unter dem übrigen Heer hervor
(Get. 199). Vom Speer des Ostgoten Andages fällt im Kampf Theo-
derich, der König über die westgotischen Brüder (Get. 209). Von den
Ionern kämpfen nur einige lau, die meisten jedoch zeigen den größten
Eifer. Herodot sagt, er könne eine Menge ionischer Schiffsführer nennen,
die hellenische Schiffe genommen haben. Er nimmt jedoch davon Abstand
und beschränkt sich darauf, zweier Männer zu gedenken (Herod. 85). Auch
sie bewähren sich, obwohl es gegen ihr eignes Blut geht.
Attila entzieht sich dem Tod durch Flucht (Get. 210: nisi providus
prius fugisset). Ihn schaudert davor, lebend in die Hand seiner Feinde zu
fallen: ne .. . m potestate hostium tantarum gentium dominus perveniret (Get.
213). Auch Xerxes fürchtet, daß er vom Rückzug abgeschnitten und dem
Untergang preisgegeben sei; so entschließt er sich zur Flucht (Herod. 8, 97),
die mit allen Farben ausgemalt wird (8, 115—120). Von dem stolzen Heer
brachte er nur einen kleinen Teil zurück. Wieder tritt eine Einzelheit hinzu.
Attila zieht sich zurück intra septa castrorum, quam plaustris vallatum
habebat (Get. 210). Auch Xerxes bindet phoinikische Handelsschiffe zu-
sammen, die als Brücke und Mauer dienen sollten (Herod. 8, 97). Er rüstet
scheinbar zu neuer Schlacht, wie denn auch Attila innerhalb seiner Wagen-
burg strepens armis tubis canebat incursionemque minabatur (Get. 212).
Der Sieg wird weniger Aetius als den Westgoten verdankt. Schon ihr
Beitritt zum Bündnis wird als felix procinctum, auxilium tutum (Get. 190)
apostrophiert. Unzählig sind die westgotischen Scharen, die zu den Römern
stoßen, der König mit zweien seiner Söhne an der Spitze. Fit omnibus ambitus
13- ATTILA UND WESTROM 327

pugnae, hostes iam Hunni desiderantur. Attila selbst bezeichnet die West-
goten als den eigentlichen Feind. In Vesegothas incumbite, ruft er aus: inde
nobis cita victoria quaerere (Get. 205). Der Angriff der Westgoten bringt
die Entscheidung. Sie greifen die hunnischen Kerntruppen an, und fast
wäre Attila selbst ihnen erlegen (Got. 210). Aetius fürchtet nach dem Sieg,
ne Hunnis funditus interemptis a Gothis Romanum praemeretur Imperium
(Get. 21(>). Er gibt darum Attila den Rückzug frei, nachdem er Thoris-
mund bewogen hat, nach Hause abzuziehen. Auch bei Salamis haben
nicht die Athener, nach Herodots Ansicht die wahren Sieger (Herod. 8,
123—124), befehligt, sondern der Spartaner Eurybiades. Sie drängen auf
sofortige Verfolgung und Ausnützung des Sieges. Aber gleich Aetius be-
schließt dieser Eurybiades, dem flüchtigen König goldene Brücken zu bauen,
ihm die Heimkehr freizugeben (Herod. 8, 108).
Weder Aetius noch Thorismund wissen, daß sie gesiegt haben. Beide
geraten in der hereinbrechenden Nacht in tödliche Gefahr, der sie nur
infolge der allseitigen Verwirrung entrinnen (Get. 211—212). Erst am
nächsten Morgen werden sie der Leichenhaufen gewahr und sehen, daß
sich die Hunnen nicht mehr aus ihrer Wagenburg hervorwagen. Sie er-
kennen, daß sie gewonnen haben: suam arbitrantes victoriam scientesque
Attilam nonisi magna clade confossum bella confugere (Get. 212). Man hält
daraufhin Kriegsrat, wie man mit Attila verfahren solle (Get. 213). Ebenso
nach dem Ende des Schlachttages von Salamis. Die Griechen glauben,
daß Xerxes am nächsten Tag den Kampf fortsetzen werde (Herod. 8, 96;
108). Dann erfahren sie, daß die persischen Schiffe abgefahren sind, und
werden erst dadurch ihres Sieges gewiß (Herod. 108). Auch sie beraten
über die Verfolgung. Doch wie Attila, so wird Xerxes der Heimweg frei-
gegeben. Darüber wurde zuvor gesprochen.
Was besagen die aufgezählten Übereinstimmungen ? Man könnte an-
führen, daß sie sich, zumindest teilweise, auf Einzelheiten beziehen. Aber
in diesem Zusammenhang ist keine Einzelheit belanglos, sondern jede
bedeutungsvoll und erhellend. Man mag hinzufügen, daß es sich um andere
Zeiten und um andere Schlachten handle; was für eine Landschlacht gelte,
tue es nicht ohne weiteres für eine zur See. Aber diese Unterschiede wiegen
wenig, so wenig wie der Umstand, daß die Gegner einmal Römer und
Hunnen, das andere Mal Hellenen und Perser heißen; daß zwischen Aetius
und Eurybiades keinerlei Beziehung besteht. Denn um so stärker leuchtet
die zwischen Attila und Xerxes ein, die beide, gewaltige Könige des Ostens,
328 ATTILA

scheinbar vor dem endgültigen Triumph stehen und ebendarum erliegen,


erliegen müssen. Damit ist denn auch die entscheidende Frage berührt:
die Stellung des Menschen, der unter großer und mehr als das: der unter
weltgeschichtlicher Entscheidung steht.
Da sind die Protagonisten: Attila und Xerxes. Beide wollen die Welt-
herrschaft, und Attila spricht angesichts der Entscheidungsschlacht von ihr.
Aber die Wendung: post orbetn, si consistatis, edomitum (Get. 202) nimmt
vorweg, was sich niemals erfüllen, was am eignen Ubermaß scheitern wird.
Sie zaudern denn auch, bevor sie in die Schlacht gehen. Was sie abmahnen
könnte, scheint für einen Augenblick auf. Aber es wird nicht gesehen, und
beide erliegen einem Trug, der sie verführt. Die Schlacht hat begonnen,
man kämpft um den Hügel zwischen den Fronten, wie man um Psyttaleia
kämpft, das zwischen Salamis und dem Festland liegt. Beide, Hügel und
Inseln, gehen denen verloren, die den kürzeren ziehen werden. Es ist eine
letzte Warnung: bereits ist es zu spät. Als dann die Niederlage kommt, ist
es ein schwaches Gebilde, hinter dem sie Rettung suchen: Attila hinter
einer Reihe untereinander verknüpfter Wagen, Xerxes hinter Handels-
schiffen, die er gleichfalls zum Wall zusammenfügt. Quamvis fragili muni-
mine, sagt Iordanes (Get. 210), eo tarnen quaesierunt subsidiutn vitae, quibus
paulo ante nullus poterat muralis agger subsistere. In Wahrheit liegt die
Rettung in der Flucht.

Aber nicht nur diese Führer sind als Menschen Geworfene und Irrende.
In einer Stunde, da guter Rat nicht gehört wird und da die sichersten
Pläne sich nicht erfüllen, da das Obere zum Niederen sich kehrt und Irr-
lichter den Menschen ins Verderben locken, steht auch die Gefolgschaft
auf der falschen Seite. Da gibt es Unzuverlässige, die der Sache derer, die
siegen werden, weil sie siegen sollten, zur Unzeit mißtrauen. Wie denn die
anderen, die sich der falschen Seite verschrieben haben, gleichwohl die
tapfersten Streiter sind, über die man dort verfügt.
I

Endlich die Sieger. Auch sie erliegen dem Trug. Sie ahnen nicht, was
ihnen zugefallen ist. Der Sieg ist eine Überraschung, die erst der nächste
Morgen bringt. Sie selbst sind seiner nicht gewahr geworden, und auch
als der Erfolg da ist, erkennen sie ihn allein daran, daß der Gegner auf
Fortsetzung des Kampfes verzichtet hat. Es kommt hinzu, daß nicht
gewonnen hat, wer den Oberbefehl in Händen hielt, sondern andere, die
solchem Befehl sich gefügt haben. Die Fraglichkeit beider, denen zufällt,
13. ATTILA U N D WESTROM 329

dessen sie schwerlich wert sind, bestätigt sich daran, daß sie den voll-
ständigen Sieg aus den Händen lassen.
Fraglichkeit und Geworfenheit, und doch eine weltgeschichtliche Ent-
scheidung hier wie dort — eine Entscheidung, die die folgenden J a h r -
hunderte bestimmen sollte. Beidemale unterliegt der Herrscher des Ostens,
der ungezählte Scharen der verschiedenartigsten Völker (Get. 198: multi-
plices populi et diversae gentes) zum Kampf heranführt. Kein Zweifel kann
daran bestehen, daß, wer dieses Bild der katalaunischen Schlacht als weit-
tragendes Ereignis gestaltete — Wirken der geschichtlichen Notwendigkeit
über alles Planen und Irren der Handelnden hinweg —, sie nach dem
Vorbild der salaminischen Schlacht modellierte. Wer diese Darstellung schuf,
hatte Herodot vor sich. Aber wer war es?
Daß es Priskos gewesen sei, hat Mommsen behauptet. Niemand wird
leugnen, daß Priskos zu großer Geschichtsschreibung imstande war.
Herodoteische Nachahmung ist bei ihm bezeugt (G. Moravcsik, Bvzan-
tinoturcica l 1 , 297), und in der Schilderung der Katalaunischen Schlacht
hat sie sich bestätigt. Doch Mommsen selbst hat darauf verwiesen, daß,
wenn an der Stelle Get. 209 der Sieg den Ostgoten zugeschrieben werde,
dies nicht auf Priskos zurückgehen könne (Praef. p. XXXV). Prosper von
Aquitanien wisse von solchem Verdienst der Goten nichts; nur Cassiodorus
sei es, der sage, daß Attila virtute Gothorum superatus abscessit (Chron. zum
J a h r 451; vgl. Mommsens Bemerkung in seiner Iordanesausgabe 111
Anm. 1). Die entscheidende Rolle der Goten zeigt sich nicht nur an dieser
Stelle: sie durchzieht die gesamte Darstellung. Gesagtes bedarf der Wieder-
holung nicht, aber ergänzt mag werden, daß auch die Schilderung der Toten-
feier, die die Westgoten ihrem gefallenen König ausrichten, in der bei
Iordanes vorliegenden Form nur von Cassiodorus, niemals von Priskos
stammen kann. Nachdem die gleiche Begehung an Attilas Grab dem ersten
zugewiesen ist (oben 1, 427f,), wird es nicht schwer fallen, hier und dort
die gleiche Hand zu erkennen.
Als Möglichkeit bliebe, daß Iordanes beide Vorlagen, Priskos und
Cassiodor, ineinandergearbeitet habe. Aber man wird sie nur anführen, um
sie sogleich zu verwerfen.Was sich ergibt, ist, daß Cassiodor Priskos be-
nutzt und in seinem Sinn umgearbeitet hat. Von Priskos aber stammt jene
Verwendung des herodoteischen Vorbildes, die hier zur Erörterung stand.
Ihm ist damit ein Schicksalsgemälde gelungen, das sich Herodot auch an
innerem Wert zur Seite stellen läßt.
i4. KAPITEL

UNTERGANG UND NACHFOLGE

Die Katalaunische Schlacht war ein Wendepunkt in Attilas Geschichte


und mehr noch: in der hunnischen Geschichte überhaupt.
In der spätantiken Kulturwelt hatte die Ermannung gegen die Hunnen
spät eingesetzt. Es erwies sich, daß diese keineswegs unüberwindlich waren.
Der zivilisierte und seßhafte, bäuerliche und städtische Mensch hatte die
Kraft gefunden, den nomadischen Reiterheeren entgegenzutreten und sie
im Kampf zu bestehen. Der Sieg auf den Katalaunischen Feldern hatte
darüber hinaus erstmals bisherige Gegner gegenseitig sich finden lassen.
Noch war den Mithandelnden nicht bewußt, was geschehen war, und doch
hatten sie einen Schritt von unabsehbarer Tragweite getan. Gegenüber den
Hunnen hatten sich Romanen und Germanen in der Verteidigung der spät-
antiken Kultur vereint. Es hatte sich, wie Ranke es bezeichnete: eine ger-
manisch-romanische Völkergemeinschaft zusammengefunden. Sie sollte weit
über ein Jahrtausend europäischer Geschichte bestimmen.
Noch einmal fiel Attila ein Erfolg zu. Als er sah, daß es mit dem Bund
zwischen Westgoten und Aetius aus war, holte er zu neuem Schlag gegen
Westrom aus. Er galt Italien. Im Frühjahr 452 überschritten die hunnischen
Reiter die von Garnisonen entblößten Ostalpen und drangen in die Ebene
Venetiens vor. Niemand hatte den Überfall erwartet: er traf Aetius und
seinen Kaiser völlig unvorbereitet.
Vor Aquileja kam der hunnische Vormarsch zum Stehen. Die starke
Festung schirmte Italien im Nordosten. Sie hatte im Verlauf ihrer Geschichte
manchem barbarischen oder halbbarbarischen Heer Halt geboten. Als
Maximin, der Sohn eines Goten und eines alanischen Weibes (oben 1,301 f.) 1 ,
im Frühjahr 238 mit seinem illyrisch-germanischen Heer gegen Italien zog,

1 Die neuerliche Bestreitung durch L. Vidman in: Griech. Städte und einheim.

Völker des Schwarzmeergebietes (her. von J. Irmscher und D. B. Schelow 1961) 155.,
kann hier nicht behandelt werden.
14· U N T E R G A N G UND NACHFOLGE 331

kam sein Vormarsch vor der wohlverwahrten, hinter Fluß und Kanälen
gedeckten 1 " Stadt zum Stehen. Während die Soldateska vor den Toren die
Rebstöcke und Fruchtbäume umhieb 2 und so die Grundlagen des wirt-
schaftlichen Wohlstandes vernichtete, ermannte sich die Bürgerschaft zu
entschlossenem Widerstand. Man setzte die Mauern instand 3 , die in langer
Friedenszeit verfallen waren; alles legte Hand an, sowohl die ansässige
Bevölkerung als auch die Masse der Landleute und Fremden, die in der
Stadt Zuflucht gesucht hatte 4 .
Städter pflegen in offenem Feld selten geeignetes Soldatenmaterial
abzugeben. In der Verteidigung des heimischen Bodens liegt ihre Stärke.
Der „aquileische K r i e g " , wie die Zeitgenossen ihn nannten 5 , ward Maximin
und seinem Hause zum Verderben. Vor den Mauern holten sich die Illyrier
blutige K ö p f e ; furchtbar wütete das brennende Pech unter den Stürmen-
den®. In Aquileia wußte man wohl, was der Stadt im Falle der Eroberung
bevorstand: sie war zur Einöde und zur Weide für das Vieh bestimmt 7 .
Erneut stand man jetzt einem furchtbaren Feind gegenüber. Wieder
setzte man alles in Verteidigungszustand, und auch diesmal schien den
Bürgern und der Besatzung Erfolg beschieden. Schon wurden unter den
Belagerern Stimmen laut, die äußerten, man müsse von weiterem Angriff
abstehen. Da, so erzählt Priskos 8 , beobachtete Attila bei einem Erkundungs-
ritt, wie Störche, die auf den Dächern der Stadt nisteten, gegen ihre sonstige
Gewohnheit ihre Jungen aus der Stadt landeinwärts trugen. Für ihn
lag darin ein Zeichen, daß die Stadt dem Untergang bestimmt war
(oben i , 223f.). Er wußte seine Überzeugung dem Heer mitzuteilen. Man
baute Belagerungsmaschinen, holte aller Art Torsionsgeschütz herbei und
begann den Ansturm von neuem. Endlich brach man ein, die Stadt wurde
geplündert und zerstört.
Die Geschichte Aquileias war damit nicht beendet 9 . Flüchtlinge, denen
es gelungen war, nach Grado zu entkommen, bauten die Stadt aus ihren
u
Herodian. 8, 2, 3 ; 4, 1 f.
2
Herodian. 8, 4, 5.
3
Herodian. 4, 2, 5.
4
Herodian. 4, 2, 4.
5
R . Paribeni in: Nsc. 1928, 3 4 4 ; A . Stein in: Hermes 1930, 2 2 8 f .
8
Herodian. 4, 4, 9.
7
Herodian. 4, 4, 8.
8
lord., Get. 220/21.
' G. Brusin. Aquileia 16 f.; R. Egger, Der heilige Hermagoras 68 f.; Ε . A. Thompson,
a. O. 1 4 5 , äußert sich, als habe er von Ausgrabungen in Aquileia nichts gehört.
332 ATTILA

Trümmern wieder auf. Hundert Jahre danach traten ein Mauerring und
einige Türme hinzu. Erst 568 vollendeten die Langobarden die Verwüstung
und damit das Schicksal Aquileias.
Ein Wort noch über Attilas Verhalten. Erneut ist es so, daß das Tier
mit seinem Wissen um Zukünftiges in menschliches Geschehen eingreift.
Wie die Kuh das verlorene Schwert des Kriegsgottes wiedergefunden, wie
Eingeweide und Knochen der Opfertiere den Ausgang der Schlacht um
Gallien vorausgesagt hatten, so wiesen diesmal Vögel dem Hunnenherrscher
den Weg. Die irrationale Bedingtheit seines Wesens sollte sich damit nicht
zum letzten Male äußern.
Oberitalien und mehr noch: die ganze Halbinsel lag Attila offen. Con-
cordia und Altinum fielen; es folgten Patavium und Verona, Brixia und
Bergamum. Auch Ticinum und Mailand kamen in hunnische Hand, wurden
aber im Gegensatz zu den vorigen nicht zerstört. Als Attila den kaiserlichen
Palast von Mailand betrat, ruhte sein erstaunter Blick auf einem Gemälde,
das die Kaiser von Ost- und Westrom auf dem Thron und die Skythen zu
ihren Füßen darstellte. Attila, so wird erzählt, ließ das Bild ummalen,
derart, daß jetzt er auf dem Thron zu sehen war, während die beiden
Kaiser zu seinen Füßen Gold aus einem Sack schütteten 10 .
Noch einmal erscheint bei Attila der Anspruch auf die Weltherrschaft.
Der Tribut der beiden Römerreiche ist bereits in seinem Totenlied begegnet
(oben 1, 244^). Doch wieder wurden die Grenzen sichtbar, an denen der
Eroberer scheiterte. Sie lagen in ihm, und sie lagen außerhalb, und beide
vereint haben auch den letzten Zug sinnlos werden lassen.
Wieder vernehmen wir Priskos. Attila habe geplant, auch gegen Rom
zu ziehen. Aber seine Nächsten, die es weniger um das Schicksal der Ewigen
Stadt als um das ihres Königs bangte, hätten ihn an den Ausgang des
Westgotenkönigs Alarich gemahnt, der nach Roms Eroberung rasch den
Tod gefunden habe. Erneut stößt man auf diesen besonderen Bereich in
Attilas Wesen . . . Während er noch schwankte, sei eine Gesandtschaft aus
Rom eingetroffen, in der niemand anderes als Papst Leo sich befunden habe.
Es ist ein Augenblick von sinnbildhafter Prägung. Hier der große Eroberer;
der Name, um den sich noch einmal das Heidentum des nördlichen und
östlichen Europa scharte; zugleich ein Mann, der den religiösen Vorstellungen
seines Volkes tief ergeben war. Auf der anderen Seite der Vertreter einer
10
O. Ulrich-Bansa, Moneta Mediolanensis 228 Anm. 22.
14- U N T E R G A N G UND NACHFOLGE 333

kirchlichen Einrichtung, unter der sich das europäische Mittelalter zusam-


menfinden und die ihm langehin die geistige Gestalt verleihen sollte.
Die Gesandtschaft hatte sich mit Aetius' Wissen auf den Weg gemacht.
Neben dem Papst gehörten ihr der einstige Präfekt 1 1 Trygetius und Gen-
nadius Avienus an, der Konsul des Jahres 450. Es gelang den dreien, Attila
zur Umkehr zu bewegen. Die Einzelheiten sind unbekannt. Nur dies weiß
man, daß sie den Hunnen an den Gestaden des Mincio trafen 1 2 , daß er den
Frieden gewährte und daß er versprach, sich ins Gebiet jenseits der Donau
zurückzuziehen. Freilich drohte er, er werde wiederkommen, wenn man
ihm Honoria mit ihren Schätzen nicht aushändige.
Abermals kehrte er heim, ohne daß ihm ein Sieg beschieden war. Der Rück-
marsch ging über Noricum, wobei noch Augsburg geplündert wurde 13 , und
Pannonien. Marcianus hatte Attilas Abwesenheit benutzt: man war über die
Donau vorgestoßen. Der oströmische Feldherr, der zufällig auch Aetius hieß,
hatte die ihm entgegentretenden Hunnen geschlagen. Möglich, daß die
Nachricht Attilas Heimkehr beschleunigte. Die Auseinandersetzung mit
Ostrom hatte Attila zwei Jahre aufgeschoben, um fernliegenden Plänen
nachzujagen. Im Jahre 453 gedachte er durchzugreifen. Eine Botschaft ging
an Marcianus, die für den Fall der Nichtbezahlung des Tributes mit der
Verwüstung der oströmischen Provinzen drohte. Ein neuer Waffengang
schien bevorzustehen. Es war fraglich, wie er ausgehen würde. Attilas
Macht war trotz der letzten Erfolge schwer getroffen. Erstmals war er
geschlagen; die Blüte seines Heeres lag auf den Schlachtfeldern; alle Welt
war zu seiner Abwehr vereint, und, wie sich nach seinem Tode zeigen sollte:
auch die untertänigen Stämme waren nicht mehr verläßlich. Doch zu dieser
letzten Machtprobe sollte es nicht mehr kommen.

So ruhmreich Attila gelebt, so wenig glanzvoll ist er dahingegangen.


Sein Tod erinnert an den seines Vorgängers Uptar, mochten sich auch beide
Herrscher sonst wenig gleichen. Unmäßigkeit des Genusses war diesem
Volke eigen, und auch sein Größter ist darin ein echter Hunne geblieben.

11 Prosper a. 352: viro praefectorio.


12 H . de B o o r , D a s A t t i l a - B i l d in G e s c h i c h t e , L e g e n d e und heroischer D i c h t u n g
( N e u j a h r s b l a t t der Literarischen G e s e l l s c h a f t Bern 9 , 9 ) 2 1 ; O. U l r i c h - B a n s a . a. O.
225 A n m . 14.
1 3 O . U l r i c h - B a n s a , a. O. 226 A n m . 16.
334 ATTILA

Merkwürdig genug, wie Attilas Tod sich in der zeitgenössischen Ge-


schichtsschreibung gespiegelt hat. Die westlichen Chroniken — Hydatius'
und Isidors Gotengeschichte, Prosper, Viktor Tonnensis und Fredegar —
beschränken sich auf die wenig abgewandelte Notiz, daß dei Gewaltige in
seiner östlichen Heimat verschieden sei. Mehr als diese lakonische Fest-
stellung gibt keiner; Gregor von Tours und Venantius Fortunatus verlieren
gar über das Geschehnis kein Wort. Für Westrom, so hat man gesagt,
verschwand Attila nach seiner Niederlage in demselben Dämmer der Ferne,
aus dem er unheilvoll aufgetaucht war. Die einzige Quelle, die Einzelheiten
berichtete, bleibt wiederum Priskos 1 . Er schildert den Hingang des Er-
oberers so genau und so anschaulich, wie man es bei ihm erwarten darf.
Nachdem Attila sich unzähligen Frauen, nach der Sitte seines Volkes,
verbunden hatte, fügte er als letzte Ildico hinzu. Von ihrer Herkunft weiß
Priskos nichts, aber der Name führt auf eine Germanin, und spätere Über-
lieferung bezeichnet sie als Frankin. Ildico war von großer Schönheit. Der
Hunne gab sich der Ausgelassenheit und den Freuden der Hochzeit mit
Leidenschaft hin, bis er, vom Wein und der Müdigkeit übermannt, einschlief.
In der Nacht suchte ihn, wie schon früher zuweilen, ein Blutsturz heim.
Sonst war dergleichen ohne ernstliche Folgen verlaufen. Diesmal drang das
Blut in die Kehle, und Attila erstickte daran.
Niemand ahnte, was in der Hochzeitsnacht geschehen war. Als sich am
nächsten Tag nichts regte, schöpfte man Verdacht. Da auf lautes Rufen
keine Antwort kam, erbrach man die Tür des Gemachs. Man fand Attila
ohne Wunde in seinem Blute und neben ihm das Mädchen, den Bück
gesenkt, mit einem Schleier das Gesicht verhüllend und weinend.
Der Tatbestand war eindeutig. Fast einhundertachtzig Jahre danach
sollte ein anderer Gewaltiger dieser Zeiten im fernen Higäz, zu Medina,
eines ähnlichen Todes sterben. Die „Mutter der Gläubigen", wie Ildico
einzige Zeugin und gleich ihr Ursache dessen, was geschehen war, bekundete
das nach langen Jahren. Sie schilderte Mohammeds zunehmende Schwäche
in seinen letzten Tagen, um dann fortzufahren: „Es starb der Gesandte
Gottes (Gott segne ihn und gebe ihm Heill) zwischen meiner Brust und
meiner Kehle, als die Reihe unter den Frauen an mir war. Dabei tat ich
ihm nichts Unrechtes, sondern es lag an meiner Torheit und Jugend, daß
der Gesandte Gottes (Gott segne ihn und gebe ihm Heil!) an meinem Busen
1
Die an ihn anschließende Überlieferung behandelt Gy. Moravcsik in: Körösi
Csöma Archiv 2, 83f.
14- U N T E R G A N G UND N A C H F O L G E 335

verschied. Dann umarmte ich sein Haupt auf dem Kopfkissen und stand
auf, mir Brust und Gesicht schlagend zusammen mit den Frauen 2 ".
Die Hunnen, als sie des Toten ansichtig wurden, so fährt Iordanes fort,
Schoren sich das Haar und zerfleischten sich die Wangen 3. Denn über einen
so gewaltigen Krieger solle nicht mit Weiberklagen und Tränen, sondern
mit Mannesblut getrauert werden. Attilas Leiche ward in freiem Feld unter
einem Zelt von chinesischer Seide aufgebahrt und zur Schau gestellt. Aus-
erlesene Reiter vollzogen den Umritt um den Toten und sangen von seinen
Taten in einem Lied, dessen Wortlaut in lateinischer Übersetzung erhalten
ist (oben, i , 240f.).
Nachdem das Totenlied beendet, bereiteten sich die Hunnen einen ge-
waltigen Totentrunk 4 , wobei sie nach ihrer Weise Klage und Scherz
mischten (es ist die Form der Trauer, die man seit Usener als „Lachen
und Weinen" kennt) 8 . Der Leichnam wurde bei Nacht in einem goldenen
Sarg, den ein silberner und ein eiserner umgaben, beigesetzt. Beigegeben
waren Waffen der getöteten Feinde, Attilas Rosseschmuck und seine
Abzeichen. Auf daß menschliche Habsucht nicht geweckt werde, tötete
man alle, die am Grabe mitgearbeitet hatten.
Das Totenlied hat auf alttürkische Vorstellungen geführt (oben 1, 240f.),
und der Bestattungsritus tut es nicht minder. Den Umritt ums Grab kannten
die mittelasiatischen Türken, nahe Verwandte der Hunnen®. Wenn die
gleiche Sitte daneben im Beowulf 7 erscheint, so haben sie die Germanen
von den Reiterstämmen des Ostens übernommen. Es ist derselbe Vorgang,
2 Ibn Hisäm IOII, i 8 f . W ü s t e n f e l d .
3 W e n d u n g e n , wie die, d a ß das Herz zerreißt (yüräk yirtüur), oder, d a ß die geheilte
W u n d e aufreißt (yätmiS baity qartadi), begegnen in der K l a g e über A l p Är T o n g a ,
die C. Brockelmann aus Mahmüd al-Käägari wiedergewonnen h a t (Hirth A n n i v e r s a r y
Vol. 4f.). Dazu die A n g a b e über die Osttürken bei S. Julien in: Journal asiatique
1864, 331.
4 Über strava l o r d . , Get. 49, 258; zuletzt F. A l t h e i m , Literatur und Gesellschaft 1,

2 1 9 f . D a ß es das einzige überlieferte hunnische W o r t sei, b e h a u p t e t Ε . A. Thompson


(a. O. 151) zu Unrecht. Ein paar Seiten weiter steht bei Iordanes Var (52, 269; dazu
J. M a r q u a r t , Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge 33 A n m . 2; 190); von der
Fülle der Namen und anderem zu schweigen. Gewöhnlich deutet m a n strava als gotisch;
eine E r k l ä r u n g aus dem Türkischen h a t B . v. A r n i m i n : Ztschr. slaw. Philol. 13, i o o f . ,
versucht.
5 H. Usener, K l . Schritten 4, 4 6 9 ^ ; dazu F. Altheim, Terra Mater 145 f.

* V. Thomsen, Inscriptions de l'Orkhon dechiffrees 5 9 f . ; vgl. O. Franke in: A b h .


B A W . 1901, 13; S. Julien in: Journal asiatique 1864, 3 3 1 ; R. Grousset, L'empire des
steppes 132.
7 3171 f.; weitere Zeugnisse bei O. Plassmann in: Germanien 1942, 83f.
336 ATTILA

der zuvor (oben i , 3 i 9 f . ) geschildert wurde: Königstracht, Schmuckformen,


B e w a f f n u n g und nicht zuletzt die reiterliche Kampfesweise haben den W e g
gewiesen. A u c h die T ö t u n g derer, die das Grab ihres Königs schaufelten,
haben die Westgoten sich nach fremden Vorbild angeeignet 8 .

3
Priskos erzählt, wie A t t i l a bei den groben Spaßen des Mauren Zerkon
inmitten des Gelächters seiner Hofleute ungerührt blieb. Erst als er seinen
jüngsten Sohn Ernas hereinkommen sah, ließ er sich eine Gemütsregung
anmerken. E r faßte den K n a b e n an der W a n g e und zog ihn zu sich heran,
ihn mit sanftem Blick betrachtend. Die Seher hatten A t t i l a verkündet, sein
Geschlecht werde einen tiefen Fall tun, aber in diesem K n a b e n werde es
sich erneut erheben.
Priskos führte sein Geschichtswerk bis zum Jahre 471 herab, kann es
demnach erst danach abgeschlossen haben. W a n n er die letzte Hand daran
legte, weiß man nicht. Doch was die Weissagung über den Fall von A t t i l a s
Haus und sein Wiedererstehen im jüngsten Sproß betraf, so war sie eine
vaticinatio ex eventu. Im Jahre 471 waren die entscheidenden Ereignisse
bereits vorüber.
A l s A t t i l a dahingegangen war, verteilten seine Söhne das Reich unter
sich. Ihre Zahl war groß: sie waren, da A t t i l a auch darin sich keine Be-
schränkung auferlegen mochte . . . fast ein eignes V o l k , bemerkt Iordanes.
Bei der Teilung ging man in einer Weise vor, die nach den Betroffenen
wenig fragte. Derselbe Iordanes sagt, man habe kriegserfahrene Könige mit
ihren Völkern verteilt, als sei es u m die Dienerschaft eines Hauses gegangen.
E s dauerte wenige Monate, und diese Völker merkten, d a ß die Zügel von
schwächeren Händen geführt wurden. Streitigkeiten der Erben traten hinzu.
Bald gärte es unter den Ostgoten, die man in der Theißebene angesiedelt
hatte. Seit der katalaunischen Schlacht wußte die Welt, d a ß man Hunnen
im offenem Feld bestehen konnte. Gewicht gewann die Erhebung, als der
Gepidenkönig Ardarich zu den Aufständischen übertrat und die unter-
jochten germanischen Stämme zur Freiheit aufrief. Ardarich war einer der
Getreuen Attilas gewesen. A b e r wenn er sich dem Gewaltigen unterworfen
hatte, so war er nicht bereit, dem Haufen jugendlicher Söhne die gleiche

8 lord., Get. 158.


I4. U N T E R G A N G UND NACHFOLGE 337

Ehrerbietung zu erweisen. E s gelang ihm, seinen Gesinnungsgenossen von


einst, den Ostgotenkönig Walamir, zu sich herüberzuziehen (vgl. den Nach-
trag S. 340f.).
Die Hunnen waren nicht gewillt, sich ohne K a m p f zu fügen. Noch er-
hielten sie Z u z u g von Teilen anderer Stämme. Aber die Hauptmasse der
Skiren, Rugier und anderer traten auf die Seite ihrer gotischen und gepi-
dischen Genossen. Nach einer Reihe blutiger Treffen kam es (wahrscheinlich
455) an dem der Lage nach unbekannten Flusse Nedao 1 in Pannonien zur
Entscheidung. Der Sieg, an dem Ardarich und die Gepiden den Hauptanteil
hatten, war ebenso unerwartet wie groß: 30 000 Hunnen sollen die Wahlstatt
bedeckt haben. A t t i l a s ältester Sohn Ellac befand sich unter den Er-
schlagenen ; er hatte bis zuletzt g e k ä m p f t , seiner Herkunft würdig und der
Sache, die er vertrat 1 ".
Die Sieger teilten sich in die Ländermasse, die ihnen zugefallen war.
Die Gepiden nahmen Siebenbürgen, die Ostgoten Pannonien als ihr Eigen.
Noch einmal versuchten die Hunnen das Glück. Ihr H a ß galt den Ostgoten,
die sie als Abtrünnige, ja als flüchtige Sklaven betrachteten. Sie überfielen
den K ö n i g des Volkes, Walamir, ohne d a ß ihm seine Brüder und Mitregenten
zu Hilfe eilen konnten. Das Ergebnis war eine neue Niederlage der Angreifer.
Nur ein Teil ihres Heeres entrann. Es zog sich in panischem Schrecken bis
zum Dnjepr zurück. Wenige Jahre darauf ereilte Attilas Sohn Dintzic
(Dengizich) 2 bei einem ähnlichen Versuch dasselbe Schicksal. Die Ostgoten
schlugen ihre Feinde derart, daß, wie unser Berichterstatter sagt, seitdem,
was von den Hunnen übrigblieb, bis heute vor der Goten W a f f e n mit
Schrecken erfüllt ist.
In den Kreisen dieser Germanen, vor allem der Ostgoten, ist denn auch
das dritte Attilabild entstanden, das bestimmt war, neben der Fluchgestalt
der kirchlichen Legende und dem Heldenvater und Völkerhirten Etzel in
die Nachwelt einzugehen 3 . Es ist der tätige und finstere, der zwar gleich-
falls heroische, aber zugleich brutale und heimtückische Hunnenfürst.
Hortgier und Grausamkeit gehören zu seinen Wesenszügen. Dergleichen war
bereits in der ältesten Fassung des Liedes von der Burgunden Untergang

1 Z u l e t z t \V. Steinhäuser in: Jb. L d e s k d e Niederöst. 301 (19Ο4), ^44 ff.


la Z u r N a c h w i r k u n g der S c h l a c h t a m N e d a o im gotischen Heldenlied : G Barbecke,
Vor- und F r ü h g e s c h i c h t e des d e u t s c h e n S c h r i f t t u m s 1, 2 o S f . ; Iii. Frings 111: D e u t s c h e
Y i e r t e l j a h r e s s c h r i f t 1 9 4 1 , 151 f . ; D . v. K r a l i k in: Z d . \ A n z . 62, 6 o f .
2 Z u m N a m e n J . M a r q u a r t in: Ungar. J a h r b . q, 83.
3 H. de Boor, a. Ο. 22 f.

22 Altheim, Hunnen IV
338 ATTILA

begegnet, bei einem Germanenstamm also, auf dem der Hunnen Hand
schwer gelastet hatte. Es kann hier nicht untersucht werden, inwieweit die
düsteren Züge des burgundischen und des ostgotischen Attilabildes mit-
einander verknüpft sind. Genug, ob gemeinsamer Wurzel entsprungen
oder ob voneinander unabhängig: diese Züge haben die Zeichnung der
skandinavischen Sage entscheidend bestimmt. Der hunnische Erbfeind, den
die gotischen Freiheitskämpfer in Attila sahen, hat in der Sage des germa-
nischen Nordens sich gehalten.
Große Teile der geschlagenen Hunnen stellten sich den Oströmern
zur Verfügung. Dort gliederte man sie bereitwillig ins Heer ein. Emnetzur
und Ultzindur, Verwandte der königlichen Hunnen, fanden Aufnahme in
der Provinz Dacia Ripensis südlich der Donau. Hier vertraute man ihnen
drei Festungen an: sie wurden Grenzbefehlshaber in römischen Diensten.
Auch andere Gruppen fanden südlich der Donau Aufnahme; unter ihnen
werden die Hunni Fossatisii erwähnt. Ihr Beiname ist gebildet von fossatum,
das ursprünglich das militärische Lager bezeichnet. Aber im Albanesischen
bedeutet das davon abgeleitete fiat, und ebenso im Rumänischen sat, das
Dorf 4 . Von dem zum Grenzer und Kolonen her abgesunkenen Soldaten
wurde das Wort an den Bauern weitergegeben. Was einst das mit Gräben
umgebene Standlager gewesen war, wurde jetzt zur ländlichen Siedlung.
Auch jene Hunnen waren diesen W e g gegangen: die Fossatisii waren erst
zu Grenzern, dann zu Bauern und Dörflern geworden.
Im gleichen Zusammenhang fällt der Name Ernac's. Mit einem Teil
der Hunnen fand er eine Heimat am äußersten Rand von Klein-Skythien 5 .
A m Rand, denn der Hauptteil war von anderen Stämmen: Skiren, Sada-

4 C. Daicoviciu in: Dacoromania 5, 478f.; Meyer-Lübke, R E W . 3 3, 461.


5 Ε. A. Thompsons Darstellung (a. O. 153f.) ist hier in Unordnung. Er schlieft sich
der Meinung A. Alföldis (Untergang der Römerherrschaft in Pannonien 2, 9 7 t . ; vgl.
W . Ensslin, Byzantinisch-Neugriechisches Jahrbuch 6, 150) an, wonach die Ostgoten in
der Schlacht nicht mitkämpften; darüber vgl. den Nachtrag. W o steht etwas von einer
Spannung zwischen ihnen und den Gepiden (allenfalls nach dem Sieg: 264), wo ein
W o r t von der Teilnahme Ernacs an dem letzten Zug gegen die Ostgoten ? In 269
heißt es, daß die geschlagenen Hunnen in die Teile Skythiens flohen, an denen die
Fluten Danabri amnis vorbeifließen. Wie kann man (C. A. Macartney in: Byzantinisch-
Neugriechisches Jahrbuch 10, 108 folgend) die Vulgatlesart Danubii vorziehen, die
durch eine Überlieferung wie den Ambrosianus geboten wird! Mommsen (p. L. f. der
Praefatio) hat kurz und schlagend das richtige vermerkt. Und worauf mag sich die
Vermutung stützen, daß Ernac als „obscure mercenary" in römischen Diensten ge-
fallen sei ? Auf Priskos gewiß nicht, denn er läßt den Wiederaufstieg von Attilas Haus
mit ihm beginnen (Exc. de legat. 145, 24 de Boor).
14- U N T E R G A N G UND N A C H F O L G E 339

gariern* und Alanen besetzt. Klein-Skythien aber ist nichts anderes als die
heutige Dobrudscha. E r n a c saß demnach an der Donaumündung, zunächst
südlich des Flusses'. E r nahm hier keine andere Stellung ein als Emnetzur
und Ultzindur. Seine Hunnen bildeten eine Truppe in oströmischen Diensten;
er selbst war ihr Befehlshaber an der Donaugrenze.
Aber es scheint, daß sich E r n a c auf diese Stellung nicht beschränkt
hat. Bald muß er nördlich der Donau übergegriffen und sich dort eine
eigene Herrschaft gegründet haben 8 . D a s zeigt die Nachricht, wonach er
zusammen mit den anderen Söhnen Attilas den Kaiser Leo (457—474)
darum bat, man möge ihnen und ihrem Volk einen Markt an der Donau
gewähren. A l s die Bitte abgeschlagen wurde, entschloß sich Dengizich zum
Krieg. E r n a c aber hielt sich zurück, weil K ä m p f e im eignen L a n d ihn be-
schäftigten 9 . Demnach lag der Schwerpunkt seiner Herrschaft außerhalb
der römischen Grenzen und das will sagen: nördlich der Donau. E r war hier
Nachbar des restlichen Hunnenvolkes, das beiderseits des Dnjepr s a ß 1 0 ;
E m a c s Herrschaft wird etwa bis zum Dnjestr gereicht haben 1 1 . Aus der
gleichen Gegend hört man von einem letzten Hunneneinfall unter dem
Kaiser Zenon ( 4 7 4 — 4 9 1 ) 1 2 .

• J . Harmatta in: Biblioth. Orient. Hungarica 5, 17 f.


7 G. Feher in: Ungar. Jahrb. 15, 4 1 1 .

8 Die Auffassung wurde bestritten von G. Fehir, a. O. 4 1 1 f. Er nimmt an, dal)

lord.. Get. 265—267 Ereignisse schildere, die erst 466, als zehn Jahre nach der Schlacht
am Nedao, einzusetzen seien. Nach dem Wortlaut ist dazu kein Anlaß. Der Beginn:
Sauromatae vero . . . (265) schließt sich an die Niederlassung der Ostgoten in Pannonien
an (264), grammatisch (vero) und sachlich, denn diese Goten erhalten wie alle im folgen-
den genannten Gruppen ihre neue Sitze mit kaiserlicher Einwilligung. Die Festsetzung
der Ostgoten in Pannonien aber setzt auch F. (S. 412) unmittelbar nach der Schlacht
am Nedao an. Wenn dann geschildert wird, wie die Skirell 466 nördlich der Donau von
den Ostgoten eine Niederlage erleiden, so korrigiert die Bemerkung über die Skiren,
qui tunc super Danubium consedebant (275), durch ihr tunc die frühere Ansetzung der
skirischen Sitze in Klein-Skythien und Nieder-Mösien (265). — Schließlich gibt F.
selbst zu, daß Priskos fr. 36 voraussetzt, daß Ernac mit den anderen Attila-Söhnen
nördlich der Donau wohne (S. 414). Nur sehe ich keinen Grund zu der Annahme, daß
er sich ,,noch" am Nordufer befindet. Wie die Skiren. so hatte auch er nachträglich
über den Fluß hinweg ausgegriffen. Zuletzt V. Besevliev in: In Memor. C. Daicoviciu
(1974) 35ff-
9 Priskos fr. 36. Zum Ausgang von Dengizichs Unternehmen: Chron., Pasch. 598,

'3 Bonn.; Marcellinus a. 469.


1 0 Iordanes, Get. 269.

1 1 Hier sind die Funde hunnischer Kessel aus der Kleinen Walachei und Nachbar-

schaft zu nennen: J . Nestor u. C. S. Nicolaescu-Plopsor in: Germania 1937, 178f.;


181 f.
l ä Euagr., h. eccl. 3, 2; F.. A. Thompson, a. O. 157 Anm. 5.

22·
340 ATTILA

Ernac ist der jüngste Sohn Attilas und mithin derselbe, der bei Priskos
Ernach oder in gräzisierender Forma Ernas heißt. Im Alttürkischen bezeichnet
ärnäk, äräväk, ärängäk den „Finger", „Däumling", wörtlich: „Männchen";
dies ist, dächte ich, kein schlechter Name für den jüngsten und damit kleinsten
Sohn 13 . Das Gebiet, das ihm zufiel, war von altersher ein bevorzugter Sitz
für Stämme von ähnlicher Art wie die Hunnen. Das zeigt die Bezeichnung
als Klein-Skythien: hier hatte das iranische Reitervolk, nach seiner Be-
siegung durch die Sarmaten, eine letzte Zuflucht gefunden.
Das Innere der Dobrudscha entspricht dem Bild, das man danach
erwarten darf. Es bildet eine Steppe ohne Baum und Strauch. Der Hoch-
sommer wandelt es zur braungebrannten Öde. Einsame Fischadler ziehen
ihre Kreise über den Lagunen. Nur die großen Herden durchbrechen die
Einförmigkeit der Landschaft oder die Kurgane, einzige Hinterlassenschaft
der nomadischen Bewohner; als größere oder kleinere Kuppen zeichnen sie
sich gegen den Horizont ab.
Doch ein anderes darf nicht vergessen werden. Das Gebiet zu beiden
Seiten der unteren Donau gehört zusammen mit den Bergen des westlichen
Siebenbürgen zu den Keimzellen des Rumänentums. Hier war es, wo roma-
nisches Volkstum und romanische Sprache sich auch nach Räumung der
dakischen Provinzen nördlich der Donau hielten (oben 2, I97f ).
Diese Vorgänger der Rumänen waren Hirten, mochten sie auch weit-
gehend seßhaft sein. Die Hunnen legten sich demnach als Herrenvolk
über eine wirtschaftlich gleichartige Unterschicht romanischer Herkunft.
Da die Untertanen auch nördlich der Donau saßen, folgten ihnen die Herren
dorthin 14 .

NACHTRAG 1

H. Rosenfeld vertritt die Ansicht, die Ostgoten hätten in der Schlacht


am Nedao auf Seiten der Hunnen gegen die Gepiden gekämpft. Er beruft sich
dafür auf Iordanes und lehnt Paulus Diaconus' Auffassung ab, wonach der
Ostgotenkönig Walamir Urheber des Aufstandes gegen die hunnische
13 M. Räsänen, Materialien zur Lautgeschichte der türkischen Sprache (1949) 157

erwähnt j a k u t . irgäx aus *erkäk „ M ä n n c h e n " . Ä h n l i c h ist von är „ M a n n " mittels der
S u f f i x e -)- °y und + ° A , q (A. v. G a b a i n , A l t t ü r k . G r a m m . 2 65 § 78; 62 § 57 Diminu-
tivum) ärnäk gebildet.
14 Sommer- und Winterweide mit L a n d w i r t s c h a f t , „ t r a n s h u m a n c e " mit Seß-
haftigkeit verbunden schildert E . 0. Curven an den Verhältnissen auf der Isle of L e w i s :
Plough and Pasture (1946) 82 f.
14- U N T E R G A N G U N D NACHFOLGE 341

Herrschaft gewesen sei, der Gepidenkönig Ardarich hingegen nur


Mitläufer 1 .
Iordanes (Get. 260) bezeichnet Ardarich in der Tat als den, der mit der
Erhebung begann (primus insurgit). Dementsprechend erscheinen die
Gepiden post multos... gravesque conflictos als solche, denen die inopinata
victoria zufällt (262). Aber Ardarich stand bei seinem Kampf nicht allein.
Sein Abfall gab für andere Stämme das Zeichen, qui pariter premebantur
(260). Dementsprechend erscheint die Schlacht am Nedao als ein Kampf
verschiedenster Völkerschaften. Iordanes' Schilderung lautet:
ubi cernere erat, (6 Silben)
(a) contis pugnantem Gothum, (7 Silben)
(b) ense furentem Gepida, (8 Silben)
(c) in vulnere suo Rugum tela frangentem. (13 Silben)
Die doppelte Silbenzahl in c markiert einen Einschnitt. Dann geht es
weiter:
(d) Suavum pede (5)
(e) Hunnum sagitta (5)
praesumere (4)
(f) Alanum gravi (5)
(g) Herulum levi (5)
armatura acietn strui (8).

Auch dieser Teil ist in Entsprechungen gebaut. Auf zwei fünfsilbige,


sich in je eine akkusativische und ablativische Nominalform gliedernde
Kola folgen zwei Infinitive, im zweiten Fall mit der doppelten Silbenzahl
der ersten.
Was besagt diese Gliederung ? Rosenfeld meint, sie geschehe unter
Berücksichtigung von ..Kampftechnik und Bewaffnung". „Die Nahkampf-
technik der Goten, Gepiden und Rugier unter Gebrauch von Spieß und
Speer wird mit der Schnelligkeit der Sueven, der Bogenkunst der Hunnen,
der schweren Rüstung der Alanen und der leichten Bewaffnung der Heruler
kontrastiert" 2 .
Demgegenüber muß ein Übersetzungsfehler Rosenfelds berichtigt wer-
den. Das Kämpfen der Goten, Gepiden und Rugier mittels Spieß und Speer
berücksichtigt Iordanes' Wortlaut nicht. Gewiß, die drei Germanenstämme
1 Paul und Braunes Beitr. 77 (1955), 22of.
2 a. O. 221.
342 ATTILA

erscheinen auch in Rosenfelds Wiedergabe. Aber seltsamerweise nennt er


nur zwei Waffen, obwohl Iordanes von dreien (contis, ense, tela) weiß und
diese den drei Trägern zuordnet. Es befremdet, daß Rosenfeld bei den
Gepiden das Schwert, von allen drei genannten die ausgesprochenste Nah-
kampfwaffe, ungenannt läßt. Und es befremdet gleichfalls, daß tela frangere
als Kampf mittels des Speeres gedeutet wird. Dessen „Zerbrechen" in
vulnere suo wäre doch eine wenig geeignete „Nahkampftechnik". Gewiß:
der Gepide wütet mit dem Schwert, wie der Gote mit der Lanze kämpft.
Der Rugier aber zerbricht die in seiner Wunde steckenden tela. Er tut es, um
weiterkämpfen zu können; er läßt sich durch das empfangene Geschoß
nicht zurückhalten.
Weiter ist deutlich, daß der Rugier gegen einen Gegner ficht, der Ge-
schosse aussendet. Damit kann, wenn man Iordanes' Text mustert, nur
der Hunne gemeint sein, von dem sagitta fraesumere gerühmt wird. Hier
scheiden sich zwei Parteien. Auf der einen Seite stehen Goten und Gepiden,
die den Nahkampf suchen, und die Rugier, die der Wirkung einer Fernwaffe
nicht achten. Daß dies die richtige Deutung ist, zeigen Iordanes' voran-
gehende Worte: in mutuum igitur armantur (260) und: ipsi mutuis se
vulneribus sauciantes (261).
Was auf Goten, Gepiden und Rugier folgt, sind solche, die sich dem
Nahkampf und seinen Folgen zu entziehen versuchen: der Sueve durch
Leichtfüßigkeit; der Hunne durch Gebrauch des Bogens; Alanen und
Heruler durch schwere oder leichte Bedeckung. Beide Gruppen sind ge-
schieden durch ungleiche Silbenzahl der Kola, markierten Einschnitt nach
den Rugiern und verschiedenen Aufbau, der a — c und d — g jeweils einander
zuordnet. Gegenseitig bezogen sind beide Gruppen, indem die Wirkung der
hunnischen Fernwaffe (e) auf die Rugier (c) bemerkt wird.
Anders gewendet: mit Lanze und Schwert dringen die drei Germanen-
stämme vor, ohne des hunnischen Pfeilhagels zu achten. Gegenüber ihrem
Ansturm weichen die Sueven, wehren die Hunnen mit ihrem gefürchteten
Pfeilhagel ab, decken sich Alanen und Heruler unter ihren Schutzwaffen.
Träger des Ansturms sind die Gepiden, die mit dem Schwert „wüten",
während die Goten mit den Lanzen nur „kämpfen". Ardarichs „Schwert"
wird der Sieg zugeschrieben (262). Träger der Verteidigung sind die hunni-
schen Pfeilschützen, während Sueven, Alanen und Heruler eher auf Rettung
und Erhaltung ihres Lebens bedacht sind. Aber auch die Hunnen „weichen"
zuletzt (263). Ich dächte, anschaulicher könne die Kampfesweise beider
14· U N T E R G A N G U N D NACHFOLGE 343

Parteien in der Schlacht und der im Nahkampf errungene Sieg der ver-
einigten Goten, Gepiden und Rugier nicht geschildert werden.
Mit dieser Interpretation ist das Verständnis der Stelle — wie ich hoffe —
endgültig gesichert. Bestätigt wird die Interpretation dadurch, daß in
beiden Parteien die Vorkämpfer jeweils an zweiter Stelle stehen: Gepiden
(b) und Hunnen (e). Überdies haben die Alanen (f) mit Sicherheit auf
hunnischer Seite gekämpft.
Schon der kunstvolle Aufbau zeigt, daß die Schlachtenschilderung nicht
auf Iordanes' Rechnung zu setzen ist. Es kommt hinzu, daß 261 ein be-
rühmtes Bild aufgenommen wird. Dividuntur regna cum -populis, fiuntque
ex uno corpore membra diversa, nec quae unius passioni compaterentur, sed
quae exciso capite in invicem insanirent. Unter dem Kennwort sine suo
capite membra habe ich Iordanes' Vorgänger zusammengestellt 3 . Ihre Reihe
reicht von Plutarch über Curtius Ruf us bis zum lateinischen Panegyricus
auf Konstantin d. Gr. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß
Bild und Schlachtenschilderung auf einen der letzten Kenner der antiken
Uberlieferung: auf Iordanes' Quelle Cassiodor zurückgehen. Der Fortgang
bestätigt, daß am Nedao die Goten Waffenbrüder der Gepiden waren.
Wieder hat Rosenfeld Entscheidendes nicht beachtet.
Die Gepiden sind es allein, die velut victores (264) die Früchte der
hunnischen Niederlage ernten. Sie sichern sich Dazien. Im Gegensatz dazu
(vero) gehen die Goten leer aus. Sie müssen zusehen, wie die Gepiden die
früheren Sitze der Hunnen beanspruchen (Hunnorum sedes sibi defendere)
und wie die Hunnen die einstige Heimat der Goten, das litus Pontici maris
(263: ubi prius Gothos sedisse descripsimus), einnehmen. Die Hunnen
kommen damit den Goten zuvor, oder wie dies Iordanes ausdrückt: Hunno-
rumque populum suis (i. e. Gothorum) antiquis sedibus occupare (264). Die
Goten verzichteten darauf, ihre Ansprüche durchzusetzen (cum suo dis-
crimine invadere alienas sc. terras) und weichen nach Pannonien aus. Dort
lassen sie sich mit römischer Erlaubnis nieder; ebenso finden die anderen
am Kampf beteiligten Stämme (265—267) auf römischen Boden südlich
der Donau neue Heimstätten.
Doch die Hunnen kehren wieder. Sie kümmern sich freilich weder um
die Gepiden, noch um Freund und Feind, die sich jenseits der Donau an-
gesiedelt haben. Sie stürzen sich auf die Ostgoten: quasi desertores domina-
tions suae, velut fugacia mancipia requirentes (268). Mehr noch, die Hunnen
3 F. Altheim, Rom. Religionsgesch. 2 (1953), 302 f.
344 ATTILA

lassen von den drei Brüdern, die über die Goten herrschen, Thiudemer
und Videmir, unbeachtet und greifen ignaris aliis fratribus Valamir allein
an. Dieses Verhalten ist nur verständlich, wenn die Hunnen in Valamir
einen besonderen Gegner erblicken. Dieser war gleich dem Gepidenkönig
Ardarich einst Attilas Vertrauter gewesen (200—201). Die hunnische
Gegnerschaft erklärt sich, wenn Valamir gleich Ardarich von ihnen abge-
fallen war. Die zuvor gemeldete Feststellung, daß Gepiden und Goten am
Nedao gemeinsam gegen die Hunnen standen, hat sich bestätigt. Was
Valamir im besonderen angeht, so wird sich zeigen, daß Paulus Diaconus
(hist. Rom. 15, 11) ihn noch vor Ardarich als Urheber der Erhebung gegen
die Hunnen nennt.
Der Angriff der Hunnen bleibt erfolglos. Valamir, obwohl auf sich
gestellt, besiegt sie (269) und besiegt den Hunnenkönig Dintzic noch ein
zweites Mal (272—273). Die Hunnen verschwinden endgültig aus dem Ge-
sichtsfeld (269; 273). Auch die Sueven bekommen die gotische Kraft zu
spüren (273—274).
Es folgt ein neuer Waffengang. Valamir fällt gegen die Skiren (275),
aber diese werden im Anschluß von den Goten geschlagen (276). Es kommt
zum Bündnis zwischen Sueven, Sarmaten, Skiren, Gepiden und Rugiern.
Aber alle erliegen den Goten (277—279).
Man erkennt eine Steigerung gotischer Erfolge. Zuerst ein Sieg unter
Führung der Gepiden, aber unter Beteiligung der Goten. Es war eine
victoria inopinata. Das gepidisch-gotische Bündnis zerfällt infolge der
eigensüchtigen Haltung der Gepiden. Die Goten stehen den Hunnen allein
gegenüber. Trotzdem schlagen sie den Feind. Der Sieg ist diesmal der
vollständigste, der sich denken läßt. Die Hunnen treten zu neuem Waffen-
gang nicht mehr an. Es kommt zu einer dritten Auseinandersetzung.
Wiederum stehen die Goten allein: den Skiren, sodann hunnischen Bundes-
genossen (Sueven, Sarmaten), schließlich den eignen Waffenbrüdern
(Gepiden, Rugiern) gegenüber. Sie erweisen sich auch den vereinten Feinden
und Freunden von einst als überlegen.
Rosenfeld ist also im Unrecht, wenn er die Ostgoten zunächst auf hunni-
scher Seite fechten läßt 4 . Was er sonst zugunsten seiner Ansicht vorbringt,
4 Rosenfeld hatte die Freundlichkeit, seine Argumente brietlich zu präzisieren. Sie
lauten: „1.) Jordanes sagt nichts von der Beteiligung der Goten am Sieg, während er
die Gepiden als Sieger ausdrücklich nennt und sonst stets Siege der Goten aus-
drücklich heraustellt. 2.) Die Sueven können ihrer geographischen Lage und
ihrer Bundesgenossenschaft mit den Gepiden nach unmöglich auf hunnischer Seite
I4. UNTERGANG UND NACHFOLGE 345

t r ä g t n i c h t . W e n n d i e H u n n e n d i e O s t g o t e n quasi desertores dominationis


suae einzufangen suchen ( l o r d . 268), so folgert Rosenfeld daraus, daß
die G o t e n n o c h w ä h r e n d des A u f s t a n d e s auf Seiten der H u n n e n standen
u n d deshalb von diesen noch als U n t e r t a n e n b e t r a c h t e t w e r d e n k o n n t e n " 5 .
D a s h a t sich i n z w i s c h e n als u n r i c h t i g erwiesen. E b e n s o w e n i g b e s a g t , w e n n
T h e o p h a n e s unter 5977 ά π ό κ τ ί σ ε ω ς κ ό σ μ ο υ berichtet, erst h ä t t e n A t t i l a s
Söhne, d a n n V a l a m e r über die G o t e n g e h e r r s c h t : Ο ϋ α λ ά μ έ ρ ο ς μετά τ ο ϋ ς
' Α τ τ ί λ α π α ϊ δ α ς ή γ η σ α μ έ ν ο υ τ ω ν Γ ό τ θ ω ν , έττι Λ έ ο ν τ ο ς β α σ ι λ έ ω ς ( g e m e i n t
ist L e o 1 . 4 5 7 — 4 7 4 ) · R o s e n f e l d m e i n t , d a m i t b e s t ä t i g e sich die n o t g e d r u n g e n e
T r e u e der G o t e n z u A t t i l a s Söhnen. E i n seltsames MißVerständnis, d a die
Jahresangabe (= 4 6 9 n. C h r . ) s i c h n i c h t v e r w e r t e n läßt. E s bleibt die
A n g a b e P a u l u s ' D i a c o n u s (hist. R o m . 1 5 , 1 1 ) .

gekämpft haben. 3.) Da die Feindschaft der Goten und Gepiden die Geschichte
vor und nach Nedao erfüllt, ist ein gemeinsames Handeln ausgerechnet in der Schlacht
am Nedao unwahrscheinlich. 4.) Die Gepiden haben seit jeher die Gotensitze in Dacien
begehrt. Deshalb müssen die Goten die Hunnen unterstützen, um ihre angestammten
dacischen Sitze gegen die Gepiden zu verteidigen. Infolge der Niederlage der Hunnen
müssen die Goten aus Dacien fliehen und neue Sitze suchen; das beweist eindeutig, daß
sie eben nicht aui der Seite der Sieger, sondern auf der der Geschlagenen gekämpft
haben."
Darauf sei erwidert: i. lordanes nennt die Goten als Gegner der Hunnen an erster
Stelle. 2. Sueb en sind mit den Gepiden nicht mehr verbündet: Paul. Diac. i , 21; lord.,
Get. 273—74 kämpfen die Sueven allein gegen die Goten, und als sie 2 7 7 — 7 9 zum
zweitenmal, zusammen mit Verbündeten, zum Kampf antreten, erscheinen unter
diesen Gepiden und Rugier erst nach Sarmaten und Skiren. 3. Der Gepide Ardarich
und der Gote V'alamir begegnen zusammen in Attilas nächster Umgebung (200—01).
Nach dem Tode ihres Herrn waren beide in gleicher Lage. Nichts ist wahrscheinlicher,
als daß sie aus solcher Lage heraus gemeinsame Entschlüsse faßten. D a ß eine Koalition
nach der Beseitigung des gemeinsamen Gegners sich auflöst, ist eine bekannte Er-
scheinung. 4. In Dazien saßen seit der Räumung durch Aurelian Westgoten, nicht
Ostgoten. Die Westgoten waren nach dem Hunnensturm 376 auf römisches Gebiet
übergetreten. Dazien war also aufgegeben und konnte nach der hunnischen Niederlage
am Nedao besetzt werden. lordanes sagt kein Wort davon, daß die Ostgoten ihren
westgotischen Vettern im Besitz Daziens gefolgt seien, nennt vielmehr allein das
luus Pontici maris 263 als einstige Heimat der Ostgoten.
5 Brieflich formuliert Rosenfeld: „ W e n n die Hunnen sich für die Tötung Ellaks

und die Niederlage am Nedao hätten rächen wollen, hätten sie sich auf Ardarich
stürzen müssen, der zum mindesten der Hauptinitiator war und nach lordanes eigen-
händig Ellak erschlagen hatte. Wenn die Hunnen aber auf die Goten als entlaufene
Sklaven sich stürzen statt auf die Gepiden, so läßt das nur die eine Deutung zu, daß jene
länger als die Gepiden Untertanen waren, also noch am Nedao den Hunnen die Treue
hielten". Ich bestreite das Zwingende dieses Gedankenganges. Entlaufene Sklaven
waren für hunnische Auffassung sowohl Goten wie Gepiden. Wenn die Hunnen Valamir
angriffen, so darum, weil sie hier größere Aussichten auf Erfolg vermuten durften,
zumal da sie ihn tgnaris aliis fratribus fassen konnten.
346 ATTILA

Auch hier müssen Behauptungen Rosenfelds berichtigt werden. Paulus


erwähnt Valamir an erster Stelle, und er tut es unter Berufung auf seine
frühere Erwähnung (14, 2). Dort erscheint zwar Ardarich vor Valamir,
aber in der hier zugrunde liegenden Angabe Iordanes' (Got. 199—200)
steht der Ostgote vor dem Gepiden. Bei Paulus heißt Ardarich rex ille
Gepidarum famosissimus, aber in Steigerung wird von Valamir wiederholt
(vgl. lord., Get. 199), er sei edler als sein Oberherr Attila gewesen (ipso
cut tunc serviebat rege nobilior). Genug: es heißt ausdrücklich, Valamir sei,
bevor die Hunnen ihren ersten Rachezug (vgl. lord., Got. 268) unternahmen,
bereits abgefallen (Hunni vero dolentes Walamirem eiusque exercitum non
solum se a suo ditionis iugo excussisse, sed etiam ceteris nationibus, ut similia
facerent, incentores fuisse, mox ut fugitiva mancipia eos insequentes usw.).
Und damit gewinnt man genau das, was sich aus der Betrachtung von
Iordanes' Darstellung bereits ergeben hatte. Es ist unnötig, sich mit
Rosenfeld* darüber zu streiten, ob Paulus außer Iordanes noch andere
Quellen benutzt habe (so H. Droysen in der Praefatio seiner Ausgabe MG. II
p. L X I I f . ; LXI) oder nicht, ob man Berichte ausgleichen oder sich für
eine Version entscheiden müsse. Vielmehr bezeugen Iordanes und Paulus
dasselbe, und damit hat sich die hier vertretene Auffassung, falls dies noch
nötig sein sollte, bestätigt.

NACHTRAG 2

Das Vorangehende war geschrieben, als mir durch die Güte des Ver-
fassers G. Labuda, Zrödla sagi i legendy do najdawnieszych dziejöw Polski
(i960) zuging. Labuda behandelt die Stellen Iordan., Get. 260—262; 264;
268 in meinem Sinn (und gegen Rosenfeld) S. 145 f. Schon vorher hatte er
die Frage nach der örtlichkeit des altnordischen Hunnenliedes im gleichen
Sinn (vgl. oben i, 354!) entschieden (a. O. i2of.) 1 . Eine Zusammenfassung
in französischer Sprache findet man S. 302 f.

NACHTRAG 3

Die Deutung des Namens Ernas, Ernac als „Männchen" (oben S. 340)
führt weiter. Dareios III. trägt bei lustin. 10, 3, 3 die zusätzliche Bezeich-
nung Codomannus. Wenn man von einem Versuch (Philol. N. F. 10, 186)

• a. O. 222.
1
Über den Myrkwiä „Finsterwald" jetzt noch G. Widengren, Iranisch-semitische
Kulturbegegnung in parteiischer Zeit 60; O. Klima in: Archiv Orientalin 28 (i960), 305.
14- UNTERGANG UND NACHFOLGE 347

absieht, ist noch nichts vorgeschlagen worden. Es sei an die oben 1, 325f.;
429 gegebene Erklärung des καμηλαύκιον erinnert, abgeleitet von dem
dae vischen Wort für den Kopf: avest. ka-marada-, eigentlich „was für ein
Kopf", „scheußlicher Kopf", vergleichbar italien. testaccio (Chr. Bartho-
lomae, Altiranisches Wörterbuch 440). Uber die Form der Bildung hat
W. Schulze in: KZ. 33, 244 gehandelt. Codomannus wäre dementsprechend
als *ka-däman- oder *kö-daman- „Was für ein Geschöpf", „Mißgeschöpf"
anzusehen. Arrian., anab. g, 22, 2 kennzeichnet ihn als μαλθακός και ου
φρηνήρης. Man war in ähnlichem Fall auch sonst den Achaimeniden gegen-
über nicht zurückhaltend. Dareios II. trug den Beinamen νόθος, und in
der arabischen Übersetzung aus Porphyrios' Chronik bei Eutychios 1, 74,
lOf. Cheikho (Altheim-Stiehl, Supplementum Aramaicum 45f.) erscheinen
er und Arses mit der Bezeichnung näkit (Dozy 2, 720).
ANHANG
NACHTRÄGE

ZUM ERSTEN BAND


S. 11 Anm. 2. Chusrö II. Parv6z wird vor Dara von einem Lasso erfaßt, aber dieses
wird von seinem Begleiter abgeschnitten (Chron. min. 1, 21, 3f. Guidi).
S. 93. sunteliyyä bezeichnet auch loh. Ephes. 3, 82, 7 die Gesamtheit der Steuern,
die man dem Perserkönig bezahlt.
S. 127. loh. Ephes. 3, 220, 2 Brooks hält Tiberios I I . : Mundir b. Härit der Krone
des Königtums (l-tägd d-malkütä) für würdig.
S. 129. Zur Lesung '[mr]m zuletzt J. Pirenne, Le Royaume Sud-arabe de Qatabän
et sa Datation (1961) 30 pi. I.
S. 184f. Uber die nordafrikanischen Stämme unter dem Prinzipat J. Burian in:
Sbornlk Historicky 8 (1961), 5f.
S. 195. Uber die ältesten Stahlschwerter H. Maryon in: Amer. Journ. Arch. 65
(1961), 173f.
S. 213. E. Lozovan in: Zeitschr. Roman. Philol. 76 (1960), 579f. trägt rumän.
cäpcänu ,,ogre" bei.
S. 325f. E. Lozovan, a. O. 581, vergleicht rumän. camilafcä ,,chapeau typique des
moines et £veques orthodoxes".

ZUM ZWEITEN BAND


S. 26. Kitriz unmittelbar an der persischen Grenze: loh. Ephes. 3, 330, 25 Brooks.
S. 96. Sohräb und Arissätin: O. Klima in: Archiv Orienten! 29 (1961), 335f.; 337.
S. 159 Anm. 5. Sirin redet Chusrö II. ParvSz als „Gott" (allähä) an: Chron. min.
1, 28, 2 Guidi.
S. 164. Nachdem die Orthodoxen über die Nestorianer in einer Disputation vor
dem Perserkönig gesiegt haben, vor diesem npal sgedün: loh. Ephes. 3, 317, 20 Brooks.
Demnach bildete das Niederfallen etwas, was zur Proskynese hinzukam, nicht in ihr
enthalten war.
S. 169. 'byd kann auch als finite Verbalform, und zwar P e 'il 3. Sg. masc. Perf.auf-
gefaßt werden: ,,Schuldbegleich wurde vollzogen".
S. 179. Daß die Tote von ihrem eigenen Sterben spricht, erinnert an die alt-
aramäische Inschrift 2 aus Nerab (Z 4): bytvm mtt pmy l't'hz mn min „am Tage, da ich
starb, wurde mein Mund nicht verschlossen hinsichtlich der Worte".
S. 294. Zu jüd. aram. k a säsävgl. noch äthiop. höfä ..glarea, arena": Chr. Fr. A. Dill-
mann, Lexicon linguae Aethiopicae (1955), 606f.
S. 297. Zu baräz O. Klima, a. O. 337 f.
352 ANHANG

ZUM D R I T T E N BAND

S. 10 Zeile 26. „(die andere Hälfte von) H o t t a l " .


S. 36. ü b e r t r i t t zum Christentum Chron. min. 1, 23, 11 f. Guidi.
S. 36 f. Zu unserer Lesung der Inschrift der Synagoge von Dura-Europos schreibt
C. B . Welles unter dem 10. 8. 1961 : " I was particulary interested, as you would expect,
in the re-reading of the Synagogue dipinto. I cannot control either the language or the
paleography, of course, but it is hard not to see a connection between your t e x t and the
fresco of the broken image of Baal just above and to the left. This is on the adjacent
wall, of course; on the west wall, while the dipinto is on the north wall, but the distance
is not great. I t would, then, be a commentary on a picture, like those connected with
E l i j a h ; and not a rather vague and pointless observation. I t is an excellent suggestion."
Man kann das Gesagte auf den beiden Tafeln 18 und 19 in: T h e Excavations a t Dura-
Europos, Final Report V I I I , Part I ; T h e Synagogue (1956) verfolgen.
S. 76. Die maronitische Chronik berichtet (Chron. min. 2, 59, l f . Brooks) von
Skythianos, daß er die „Häresie des Empedokles (pwdklys) und P y t h a g o r a s " ins
Christentum eingeführt habe. Skythianos' Schüler Büdos sei nach seines Lehrers Tod,
mit dessen Weib, ins Land Babel gegangen, habe sich als Sohn der Jungfrau bezeichnet
und dort vier Schriften, die namentlich angeführt werden, verfaßt. Diese habe sich
später Mani unter eigenem Namen zugelegt.
S. 80. Zu divinitas erneut zustimmend J . Vogt in: Eranion Festschrift H. Hommel
(1961), 150. Das Wort begegnet im äthiopischen T e x t der Homilie Severus' von Synnada
als malköt : A. Dillmann, Chrestomathia Aethiopica 2 (1950), 99 Seite 22; ebenso 9 1 , 24
uara. (Kvrillos von Alexandreia).
Zwei Seiten später liest man die Ablehnung einer Deutung, wonach Konstantin
„als neuer Aurelian an die Stelle des Sonnengottes den Glauben an Christus gesetzt"
habe und „selbst der sonnenhafte Gottherrscher geblieben" sei. Diese Deutung wird
mit meinem Namen verbunden. Schon die ungeschickte Ausdrucksweise spricht da-
gegen . . ., und in der T a t habe ich nie dergleichen geäußert. „Denn wir wissen j e t z t " ,
fährt Vogt fort, „daß die vermeintliche Statue des Constantin-Helios in Constantinopel
garnicht den Sonnenherrscher dargestellt hat, und halten uns an das Zeugnis des
Kaisers Iulian, der seinem Oheim den schweren Vorwurf macht, er habe den Helios
verlassen". Neue Unrichtigkeit, denn der Vergleich Konstantins mit Aurelian gründet
sich nicht (wie dies nach Vogts Worten scheinen könnte) allein auf jene Statue, zu-
mindest nicht bei mir. Man wolle nachlesen: Literatur und Gesellschaft 1 (1949),
138—150.
Indes geht es Vogt um die Statue des Kaisers, die sich in der Gestalt des Helios
auf dem Forum Constantini in Konstantinopel erhob. E r beruft sich auf I. Karyanno-
pulos' Ausführungen in: Historia 5 (1956), 341 f., denen zufolge für Konstantin zwischen
328 und 330 kein engeres Verhältnis zu Helios mehr in Frage komme. Karyannopulos
widmet dieser Frage zwei Abschnitte. Im ersten sucht er allgemein nachzuweisen, was
soeben angedeutet wurde (a. O. 343—349). Unbequem für Karyannopulos ist die Tat-
sache, daß Eusebios noch in seiner Rede zum dreißigjährigen Regierungsjubiläum
Konstantins und in der Vita des Kaisers sich an zahlreichen Stellen des Vergleichs mit
der Sonne bedient. Sie sind aufgezählt i n : Literatur und Gesellschaft 1. 138f. Dabei
wurde Nachdruck darauf gelegt, daß in Konstantins eigenem Munde solcher Vergleich
begegnet. Karyannopulos führt Eusebios' Worte unvollständig auf (a. O. 348 Anm. 4)
und verschweigt Konstantins Äußerungen (Literatur und Gesellschaft 1, 140) gänzlich.
NACHTRÄGE 353
E r tut es aus naheliegendem Grund. Denn diese Stellen genügen, um seine Auffassung
zu beseitigen. Sie zeigen aber noch ein Weiteres. Es ist verkehrt, danach zu fragen, ob
Helios genannt werde. Vielmehr entscheidet, unter welcher Form er angeführt wird.
Er ist immer im Vergleich genannt, und auch dafür sei auf meine Darlegungen ver-
wiesen. Damit kommen wir zum zweiten Teil von Karyannopulos' Darlegungen
(a. O. 351—354).
Hier handelt es sich darum, ob Konstantin in der genannten Statue unter der
Gestalt des Helios dargestellt sei. Karyannopulos lehnt dies ab. Unbequem sind diesmal
die beiden ältesten Nachrichten, über die man verfügt. loh. Malal. 312, 12f. Bonn,
zufolge, hat der Kaiser sein Standbild aufgestellt ίχουτα έν τη κεφαλή αύτοΟ άκτϊνσς
έτττά. Wenn Anna Komnena diese Strahlen nicht erwähnt (12, 4—5), so besagt dies
nichts, da weitere Autoren es tun (I. Karyannopulos, a. O. 351 vierter Abschnitt) und
Leo Grammaticus 87, 13f. Bonn, keinesfalls von Malalas abhängt. Sodann Hesych. 41
(SOC. 17, lOf. Preger): Κωνσταντΐνον όρώμεν δίκην 'Ηλίουπρολάμττοντα TOIS πολίταις.
Karyannopulos meint (a. Ο. 350), daß keinesfalls ,,eine Identifizierung Konstantins
mit Helios vorliegt, zumal diese Statue der Uberlieferung nach vergoldet war und, auf
hoher Säule nach Osten gerichtet, freilich das erste Sonnenlicht widerstrahlen mußte.
Es handelt sich um eine rhetorische Wiedergabe des Eindruckes, den die leuchtende
Statue auf die Zuschauer machte." Nichts von Identifizierung bei Hesych, nichts vom
ersten Sonnenlicht und vermeintlichem Eindruck auf die Zuschauer. Hesych bedient
sich des Vergleichs: δίκην "Ηλίου, nicht anders als Eusebios. Natürlich auch nichts von
Vogts ,,sonnenhaftem Gottherrscher", und endlich ebensowenig von Rhetorik. Hat
Karyannopulos nicht gesehen (oder hat er nicht sehen wollen), daß Hesych auf den
Wortlaut der Inschrift anspielt, die Leo Grammaticus (87, 17 Bonn.) bewahrt h a t :
Κωνσταντίνω λάμττο ν τ ι ' Ηλίου δίκη ν ? Beide Nachrichten bestätigen einander, und wenn
es noch dessen bedürfen sollte, sei auf die Worte Eusebios' hingewiesen, denen zufolge
Erwähnung des sonnengleichen Leuchtens Konstantins bis in dessen letzte Jahre üblich
war (Literatur und Gesellschaft 1, 140f.). Man braucht nur nachzulesen. Vogts Bemer-
kung (bei I. Karyannopulos, a. O. 351 Anm. 3), Leo Grammaticus' Wortlaut füge sich
nicht dem Schema der griechischen Weihinschriften (sie), fällt ins Nichts.
Einen zusätzlichen Einwand glaubt Karyannopulos darin zu finden, daß loh.
Malal. zufolge die Statue eine Lanze getragen habe, die Helios nicht gebühre. Kon-
stantin wird δίκην "Ηλίου dargestellt und trägt infolgedessen sonnenhafte Attribute,
aber er bleibt der Kaiser. Und als Kaiser trägt er die Lanze. Gallienus als Sol mit der
hasta: SHA., v. Gall. 18, 2f.; dazu die Münzen bei M. Rosenbach, Galliena Augusta
(Άπαρχαί 3, 1958) 50. Soll man noch eingehen auf Karyannopulos' Vermutung (a. O.
352), wonach „die angeblichen .Strahlen' der Statue in Wirklichkeit nichts anderes
gewesen seien als Metallplatten, vielleicht vergoldete, die zur Bildung des neuartigen
Juwelenkranzes des Kaisers dienten". Seltsam: einmal sollen die Strahlen überhaupt
gefehlt haben (a. O. 353f.), und dann sollen sie Metallplatten gewesen sein. Alles ist
aus der Luft gegriffen: loh. Malal. spricht von άκτίνες und von sonst nichts.
Um nicht nur Kritik zu treiben, sei die Erörterung um eine bisher unbeachtete
Stelle bereichert. Ps.-Stylites 22, 17 f. Wright zufolge stand in Edessa eine Statue Kon-
stantins, die das Kreuz von einer Elle Höhe hielt. Syriaca non leguntur . . . Immerhin
sieht man den Unterschied zu dem, was über die Konstantinopler Statue berichtet
wird.
Daß Karyannopulos' Beweisführung der Prüfung nicht standhält, überrascht nicht
(vgl. oben 2, 191 f.). Nunmehr zurück zu Vogt, der sich auf seine Entdeckung beruft,
wonach Iulian seinem Oheim Konstantin vorgeworfen hat, er habe Helios verlassen
23 Altheim, Hannen IV
354 ANHANG

(orat. 7 p. 228 D; dazu in: Historia 4 [1955], 845 Anm. 1). Der dort erzählte Mythos
geht zweifellos auf Konstantin und seine Söhne. Aber wohlgemerkt: der Vater ver-
nachlässigt nur die von den Vorfahren erbauten Heiligtümer (όλιγωρηθέντα "πρότερον
ύττό του πατρός), erst die Söhne reißen sie ein (228 Bf.). Das ist deutlich, und deutlich
ist auch der zu Helios gesprochene Satz: δ$ σε άττολιπών α ύ τ ω τε καΐ γένει καΐ τταισίν
αίτιο; έγένετο των τηλικούτων παθημάτων (228 D). Man muß nur Griechisch können.
Άττολιπών ist Aorist, und dies besagt:,, In dem Augenblick, da er dich (Helios) verließ'',
hat er sich und seinen Söhnen die geschilderten παθήματα gebracht. Wer wollte über-
sehen, daß die Taufe auf dem Sterbebett gemeint ist ? Und weiter: daß mit der Wen-
dung gespielt wird ? Man sollte homerisches λιττών φάος ήελίοιο kennen und heraus-
hören, um das doppeldeutige Wort und in ihm die Anspielung auf die Todesstunde zu
verstehen. Denn nun wird αύτω sinnvoll. Es war der entscheidende Augenblick, den der
Aorist festhält, und dies besagt, daß in den Augen selbst dieses schärfsten Kritikers
ein Festhalten an Helios bis zu jenem letzten Zeitpunkt bestand. Die Stelle beweist
wieder einmal das Gegenteil dessen, was sie beweisen soll.
S. 99. Freilich brachte die Abhängigkeit der Nestorianer vom König mit sich, daß
Chusrö II. ParvSz einfach bestimmte, wen die Synode zum Katholikos wählen mußte:
Chron. min. 1, 17, 18 Guidi.
S. 105. In den letzten Jahren Yazdgard's I I I . bekehrte Elias, Metropolit von Merw,
viele Türken und solche anderen Stammes: Chron. min. 1, 34, 12f. Guidi.
S. 114 Anm. 2. Die von E. Sachau aus der Handschrift angeführte Stelle aus Elias'
von Nisibis Chronographie findet sich in Brooks-Chabot's Ausgabe 2, 128, l f . Danach
berechnete Anianus von Alexandreia den Abstand von Adam bis zum Beginn der Ära
Alexanders auf 5181 Jahre.
S. 130. Eine Schilderung Merw's zum Ausgang der Sasanidenzeit gibt Chron. min.
1. 34, 13f. Guidi.
S. 191. O. Szemertnyi schreibt unter dem 17. 7. 61: „Ich verstehe nicht ganz, was
die Ionier und Phryger in Byzanz sollen. Kann prögäye nicht f ü r prng- stehen und sich
auf das Reich der Franken beziehen ? Also auf das lateinische Kaiserreich in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts ? Oder sollen wir an parth. prwtn = Fröm (Hröm) denken ?
Auch die Ionier scheinen mir schwierig, kann aber nichts Besseres sehen." Keiner der
Vorschläge, für die ihrem Urheber gedankt sei, dürfte zutreffen. Es handelt sich um das
Kaiserreich Nikaia, das die einstmals ionische Küste und den Nordteil des alten Phry-
gien umfaßte. Rabban Saumä hat sich einer gelehrten Ausdrucksweise bedient, wie er
es auch getan hat, als er den „Wir"-Bericht anwandte (S. 203 Anm. 45). Bei dem Wett-
streit, wer Konstantinopel von der Herrschaft der Lateiner befreien würde, siegte
Nikaia über den Despotat Epeiros. Als Vertreter und Erben des Kaiserreiches von Ni-
kaia walteten die Palaiologen in Konstantinopel.
S. 191 Anm. 7. Eine kellitä hat auch Bischof Kyriakos von Nisibis; sie wird mit
dem Schatzhaus der Metropolitie zusammen genannt: Chron. min. 1, 31, 13; 15 Guidi.
"Ερημον οίκοϋσι τόττον καΐ τ ά κέλλια έκ διαστήματος ίχουσιν, cos μηδένα γνωρίζεσθαι
ττόρρωθεν ύ φ ' έτέρου heißt es von den Eremiten der nitrischen Wüste in der Historia
monachorum in Aegypto 20, 7 p. 170 Festugifcre.
S. 193 Anm. 13. Dazu die edessenische Chronik z. J. 636: Chron. min. 1, 4, lOf.
Guidi.
S. 199 Anm. 31. Ebenso loh. Ephes. 3, 183, 5f. Brooks: 'atnmä . . . d-l(au wä
ba-fhömä ma4nhäyä 4-febis (Thebais) da-l-gau men mefr in.
NACHTRÄGE 366
S. 285 f. Dem Brief eines amerikanischen Freundes (unter dem 10. 1. 61) entnehme
ich folgende Stelle: „Ich glaube, es ist für Sie von Interesse, was mir unser lieber
Vernadsky (13.12.60) schreibt:, A poisonous review of my Origins of Russia' appeared
in No. 91 of Slavonic Review of London (July 1960). Contrary to my habit, I decided
to write a letter to the Editor — not to argue with the reviewer (D. M. Lang) but to
reveal his falsehoods and distortions of facts. I sent them my letter on Sept. 1. They
kept thinking over until October 25 when they answered that they 'shall not be able'
to publish my letter because of 'the general policy of the Review not to publish corre-
spondance of any kind'.' Er schrieb auch seinem französischen Verleger, der antwortete:
,Je constate que pour votre travail, il existe une sorte de cabale.' Vernadsky schließt:
,A British friend of mine writes me that he thinks that the originator of the 'cabale' is
Henning'." Den Gewährsleuten muß die Verantwortung im Einzelnen überlassen
bleiben. Aber das gezeichnete Bild stimmt zu dem, was sich mir ergeben hat.

23·
366

DRUCKFEHLER -VERZEICHNIS

ZUM ZWEITEN BAND

S. 312 Zeile 23 rechts: Täbit

ZUM D R I T T E N BAND
S. 68 Zeile 14: einzelne
S. 294 Zeile 17 links: καλουμένην όζολίμνην
S. 304 Zeile 24: kirchlichen
ABBILDUNGSTEIL
ABBILDUNGSTEIL 359
360 ABBILDUNGSTEIL

Abb. 2—3. Am Paß von Derbend. Aufnahme A. [. Charsekin (Machatschkala).


Abb. 4 — 5 . Am 1'al.S von Derbend. A u f n a h m e Λ. I. Charsekin ( M a c h a t s c h k a l a ) .
362 ABBILDUNGSTEIL
A b b . 7. Trensi'iibrschlaii. B r o n z r . Chou. Ix-rlin, K u n s l h a i i d t ' l . A u f n a h m e K. K i ^ c r s .
364 ABBILDUNGSTEIL
REGISTER
l. G E S C H I C H T L I C H E S REGISTER

Herrscher und Dynasten

Achaimeniden, achaimenidisch 10. 36. 40. Chlotar I. 206


74.83. 86. 86—88. 88. 95. 99. 129. 140. Chou 104 Anm. 9
166. 173. 176. 226. 397 Chusrö I. AnöSärvän 29. 30. 31. 32. 37.
Alarich" 187. 332 40. 43. 50f. 52. 174. 283
Alexander der Große 66. 233. 254 — II. AßarvSz 31. 239—261. 263—266.
Alexander Balas 75 351· 354
Anna Komnena 42 Anm. 3. 353 Constantinus 194
Antonius, Marcus 64 Constantius II. 108
Ardarich 143. 322. 326. 336. 337. 341.
Dareios I. 73. 175. 223. 226
344—34 6 — III. 3 4 6 f .
Ardaägr I. 30. 54
Demetrios II. 75
— II. 240
Dintzic, Dengizich 337. 339 Anm. 9. 344
Ärp4d 309
Diokletian 156 Anm. 47. 191
Arsakiden, arsakidisch 28—68. 69. 81.
82 Anm. 13. 83f. 88. 93. 95. 97. 173. Ellac, Ellak 337. 345 Anm. 5
228. 253. 253 Anm. 56. 264. 266. Ermanarich 143. 144
Arses 347 Ernas, Ernac 336. 338—340. 338 Anm. 5.
Artaxerxes I. 253 Anm. 56 "£zänä von Aksüm 129. 129 Anm. 30. 223
— II. 253 Anm. 56 Flavius Eugenius 124
Artemisia 325 f. Frätadära 76
Athaulf 187
Attila 25. 29. 51. 65f. 134. 142—144. 174 Gadima, König der Tanüh 99
Anm. 6. 185. 188 Anm. 10. 198. 201. Galerius 159 f.
219. 224. 226. 271—347 Gallienus 191. 353
Geiserich 290. 313. 316
Aurelian 110. 345 Anm. 4
Goar 193. 198 Anm. 1
Avitus 195. 320 Anm. 1
Gudhere 197
Bahman, Isfandiyäd's Sohn = Artaxerxes
Gundeok 203
I. 252 f. 253 Anm. 56
Gundobad 203
Bahräm II. 63f.
Guntiarios, Gundicharius 193, 194
— IV. Kermänääh 28. 139
— V. Gör 29. 172 Hadrian 13. 56
Bajazet II. 280 Anm. 1 Han 66—67
Bar Hadad 222 Ha§äni Dan'el von Aksüm 129 Anm. 30.
Basich 319 223
Bertoald von Sachsen 196 Honorius 187
Bilgä qayan 286 f. Hormizd I I I . 29.
Bleda 272—274. 288. 313 — IV. 235—241.251.255—260.266
Charaton 186 Anm. 3 Huldin 187 f.
Chilperich 203 Hunimund, König der Ostgoten 143
Chlodvig 113 Ildibad 204 f.
Chlotachar II. 196 Iovinus 193 f.
23 b·
368 REGISTER

Iulianus A p o s t a t a 55. 108. 157 Säpür II. 28. 30. 62. 63


Iustinian 157. 199 — I I I . 139
Sasaniden 10. 28—68. 69—99. i n . i38f.
K a m b y s e s 168
139 Anm. 22. 140. 140 Anm. 25. 167.
Karl Robert (Anjou), König Ungarns 7
169. 173. 174. 176. 227. 228f. 238. 244.
K a v ä S I. 29. 30. 31. 32. 40
251. 253. 254. 266. 267. 281. 283. 287.
Konstantin der Große 110. 111 f. 113. 116.
296. 316
140—142. 158. 343. 352—354
s'wibr, sawusfar, König von Chwärezm
Kursich 319
63. 63 Anm. 26.
KüSän 14. 28. 62. 65. 167. 173
Seleukiden 75
Lahmiden 43 f. Seleukos I. 233
Leo der Große (Papst) 332 Sigibert 206
— I· 339 Silko 129. 224
Magnentius, Kaiser 108 Streitende Reiche 140 Anm. 25
Manuel Komnenos 152
Marcianus 314. 316. 323. 333 T ' a n g 57. 68. 287
Maurikios 239. 256—261 Theoderich I. Westgoten 192. 319. 322
Maxentius 116 — (Ostgoten) 276
Maximinus Daia 158 Theodosios I. 108 Anm. 41. 115. 124. 186.
— T h r a x 330 t. 187. 271
Mithridates I. (Arsakide) 7 4 — 7 6 . 76 — II. 186. 274. 310. 314
Anm. 5. 77 Thiudemer 344
— II. 76 Thorismund 322f. 325. 327
Mithridates (Mihrdät), K ö n i g v o n Iberien Tiberios II. 174. 351
10—14. 19. 20. 24 Timur 280 Anm. 1
Mungir b. Härit 351 Titus, Kaiser 13
T r a j a n 151 Anm. 27
Nero 66 Tschinggischan 312
Octar 274 Uldis (Huldis) 187f.
'Omar 41 Uptar 333
Orodes II. (Elymais) 97 Anm. 4 Valens 150 A n m . 21
Ottheinrich, Pfalzgraf 117 Valentinian I. 115. 123
Palaiologen 354 — II. 123. 124. 187
Pfiröz 29. 65. 238. 283 — III. 3 1 3 — 3 1 6 . 3 i 9 f .
Pharasmanes (Parsmän) I., König der Valerian 151. 151 Anm. 27
Iberer 13 f. 25 Vespasian 8, 13
— II., dergl. I3f. Videmir 344
Phraates II. 76 Walamir (Valamir), König der Ostgoten
Radagaisus 186. 187 143. 322. 326. 337. 344—346
Radegunde 206 Wei, Nördliche 172 Anm. 20
Richard I I I . 43 Anm. 3
Xerxes I. 175. 325—328
Rodulf, Herulerkönig n o f . 112. 141
R u a 188. 192. 2 7 i f . 273t. 288. 310 Y a z d g a r d I. 317 f.
— II. 29.
Sanatrüif 81
— I I I . 244. 278. 354
Sandilch 280 Anm. 1
Y i l t ä g i n 239. 239 Anm. 29. 249. 250
Sangibanus 320. 320 Anm. 2 a. 325
Säpür I. 30. 151. 151 Anm. 27. 152 Anm. Zenon 339
29 Ζ kr v o n H a m a t und La'aS 222. 226
REGISTER 369
Andere geschichtliche Personen

Adeimantos 325 Flavius Constantinus 292


Aetius 187 f. 188 Anm. 10. 191 f. 194—196. Frithila, Gote 155 Anm. 40
201. 287t. 311. 3 i 5 f . 319—329. 330. 333
Gabala b. Sälim 234
Agnes 206
Gainas 187
Agrippa, Poplikios 13. 14. 25
G a u m ä t a 288
Aligern 110
Gennadius Avienus 333
Alp Är T o n g a 335 Anm. 3
Gurdiya 240. 249. 252—255. 264. 267
Anastasios 257
Gurdöe 255. 266
Anatolios 310
Andages 326 Hariulf, Hanhavalds Sohn 195
Anianus, Hl. 3 2 1 . 3 5 4 Hiääm b. Μuhammed 234
Anüs 236 Honoria, Iusta Grata 3 1 3 — 3 1 6 . 333
Apollonios 323 Hormizän 257f.
Arbogast 124 Hyacinthus 314
Areobindus 292 Ildico, Hildico 199. 334
Aristeides 325
Iohannes 257
Arnegisclus 292
Iohannes von Rüsäpä 257
Aspar 292
Iosephus 72
Asparüg 10. 19 f.
Ishäk, Bischof 233
A t a k a m 289
Karin 248—250. 266
Bahräm Cöbin 234—267. 283 K r e k a 298
Bahräm Guänasp 236. 237 Kuridachos 275. 295. 295 Anm. 3
Bahram, Siyäwuä' Sohn 244—246. K u t a i b a b. Muslim 20. 176
267 Kyriakos, Bischof von Nisibis 354
Batthyany 3
Bauto 124 Lamassio 196 Anm. 22
Berichos 282. 283. 299 Litorius 192
Bigilas 294 f. 296. 310 Mama 289
Bindöe 240. 2 4 1 — 2 5 1 . 263!. 266 Maria, Maurikios' Tochter 246f. 256—261
Bistäm 240. 241—255. 264. 266 Maximinos, Comes 174 A n m . 6. 296
Bonifacius 188 Maximus 187
Carpilio 188 Anm. 10. 311 Mihr Narse 253
Chrysaphios 293—295. 314 Miläd 236
Constantiolus 312 Mundzucus 188 Anm. 7
Constantius 287. 296 Müäel der Armenier 245 f. 247

Dionysios, Cos. 427. 271 Nikanor 233


Donatos 186 Anm. 3 Nomos 310
Edekon 282. 283!. 288. 293—295 Oebarsios 300
Elias, Metropolit von Merw 354 Olympius 187
Emnetzur 338 t. Onegesios 283 f. 294. 297. 298f.
Eskam 297 Orestes 282. 284f. 287. 293—295. 311
Esla(s) 271. 283 f. 310
Eudoxius 320 Palladius von Ratiaria 157
Eurybiades 327 Päpak, pitaxi, und seine Vorfahren 25 f.
Eugenius 314 Plintha 271. 273
Eutropius, Eunuch 186 Priskos 296. 300—304

24 Altheim, Hunnen IV
370 REGISTER

Romulus 144. 3 1 1 Syagrius 202 f.


Rufinus 187
f a r h ü n 263
Rustikios 287
Tatulos 287
Safrax, Safrac 1 4 3 Theodosios, Maurikios' Sohn 247. 257
Sahriyar 245 Tibatto 191 f.
Säpür, Churbundäd's Sohn 252 Trygetius 3 3 3
Sargas 10. i2. 14. 18. 19. 20. 22. 24. 226.
227 Ultzindur 338 f.
Uraja 204 f.
Sebastianus 188
Secundinus von Singidunum 157 Yazdän GuSnasp 239—241
Serapitis, Serapit 1 3 f. 20. 22 Yazdgard III. 244
Sirin 259. 3 5 1 Yödmangän, Iodmanganes 22. 25. 227
Skottas 282. 283f. 294
Yoliy tägin 2 86 f. 288
Stilicho 187
Sunja, Gote 1 5 5 Anm. 40 Zerkon 272. 336
Süren 45 Zewax, Zeuaches 13. 20. 25.

Länder- und Völkernamen. Provinzen

Adiabene 73 'Αρμένιοι 149 Anm. 18


Ä Surbaiyän (Atropatene) 28 f. 30. 96. 168. Armoricanus tractus 191
179. 180. 1 8 1 . 237. 241. 245. 247. 252. Aromunen 149 Anm. 18
256 Arrän 1 5 6
Aesti 276. 276 Anm. 1 3 Asörestän 1 5 2
Ägypten, ägyptisch 1 1 6 . 1 5 3 Anm. 32. 290. Assyrien 168
325 Äthiopen, Äthiopien, äthiopisch 47. 1 1 5
Ahwäz 256 Awaren, awarisch 29. 31. 51. 67. 105. 309.
Akatziren, Akatiren 229. 229 Anm. 2. 318
274—279. 280. 307
Aksüm, aksümitisch 52 Babylonien 33. 38. η^ί. 82. 84. 90 Anm.19.
Alamannen 1 3 2 . 1 3 3 Anm. 57. 194 95· 97· 354
Alanen, alanisch 3 — 2 3 . 30. 53·—56. 59. 61. Baiern 1 3 2
61 Anm. 9. 67. 110. 134. 143. 145. 185. Baktrien, Baktrer, baktrisch 29. 65. 7 5 f .
186. 194 Anm. 9. 196. 196 Anm. 24. Bardengau 1 3 3 Anm. 57
218. 221. 224. 227. 306. 3 1 9 — 3 2 2 . 330. Bataver 199
339· 3 4 1 — 3 4 3 Be Läpät 259
Albanien 239 Belgier, Belgica 194. 195. 196
Alföld 309 Βερζυλιά 278
Alma-Ata 60 Bessarabien 308
Altmark 1 3 3 Anm. 57 Bessi, Βεσσοί i 4 9 f . 150 Anm. 20. 152. 1 5 5 .
Amilzuren 2 7 1 156. 164
Angelsachsen, (Angeln), angelsächsisch Bet Armäy6 2 3 3
107. 108. 1 2 7 . 132. 140 Bet Gartnai 2 3 1 . 2 3 3
Araber, Arabien, arabisch 30. 3 1 . 4 1 ! . 44. bei nahrawwätä 3 1 8
55. 98f. 173. 227. 244. 253. 2 8 7 f . 296 Bithynien 150
Arachosien 1 7 3 Blemyer 290
Armenien, Armenier 10. 30. 1 5 3 Anm. 32. Böhmen 1 3 3 Anm. 57
155. 186. 237. 245. 247. 257. 3 1 7 Boisker 271
REGISTER 371

Boraner 161 Anm. 82 Anm. 32. 185. 192. 203. 204. 219. 221.
Bretagne 191 274. 292. 320. 330. 334. 335. 338
Britannier 153 Anm. 32, 155 Anm. 44 Getae 158 Anm. 58—59. 164 Anm. 93
Bulgaren 3of. 257f. Goten, gotisch 51—53. 6of. n o f . 133.
Burgunden, burgundisch 61 Anm. 9. 133 133 Anm. 57. 142. 148. 155 Anm. 40.
Anm. 57. 145. 188 Anm. 11. 192. 193— i56f. 158. 158 Anm. 58—59. 161 Anm.
206. 320. 338 82. 162. 164. 164 Anm. 93. i85f. 202.
Byzanz, Byzantiner, byzantinisch 42 218. 306. 316. 337· 338. 341—343
Anm. 3. i n . 152. 254. 263. 28gi. 354 Greutungen 218. 307. 308
Grusinien 26
Chazaren 3of. 229 Anm. 2. 274—279 Gurgän 96. 173. 250
Chinesen, China, chinesisch 42, 57. 65.
66—68. 172. 335 Haeduer 191
Chioniten 28. 62. 219 Hasdinger, (h)asdingisch 133. 134
Choräsän 29. 163 Anm. 90. 173. 273. 250 H a u r ä n 98
Chwärezm, chwärezmisch 62. 166. 170. Hephthaliten 3. 14. 22. 28—31. 44. 50. 62.
173. 176. 278. 308 64f. 66. 96. 134. i67i. 173. i8o. 220. 238
Anm. 28. 253. 254. 262. 263
Dacia Ripensis 292. 338 Hermunduren 131
Daghestan 278 Heruler, Eruier 110. 1 1 2 . 126. 129. 141.
Dalmatien 188 i95f. 196 Anm. 25. 341—343
Δάοι 158 Anm. 58 Higäz 334
Dardaner 150 Anm. 20 Hiung-nu 57. 64
Dazien, dazisch 146—165. 185. 340. 343. H o t t a l 352
345 Anm. 4
Delam, Delamiten 44f. 252. 254. 264. 266 J a p a n 42
Dobrudscha 289. 339. 340 Jassen 3—8
Dromedarnomaden 98 Iberien 24—27. 30
Ildico 334
Elam, Elymais, Elymäer 75. 97 Anm. 4.
Illyrier, illyrisch 135. 302. 331
153 Anm. 32
Ingwäonen 107—109. 123. 132 f.
Epeiros, Despotat 354
Ioner 326. 354
Euboia 325
"Irälf 39. 97· 258
F e r y ä n a 58. 278. 307 Iran, Iranier, iranisch 3. 3of. 39. 56. 66.
Franken 124. 133. 195—197. 198—201. 69. 72f. 86. 97. 98. 125. 140. 185. 263.
202. 203. 204. 205f. 316. 323. 334 266. 278
—, ripuarische 315. 315 Anm. 6. 316. 320 Isaurier 290
—, salische 320 Italien 186. 188. 309. 330
Friesen 197 Itimaren 271

Galatien 150. 317. 319 J u d e n 97. 153 Anm. 32. 176


Gallien 134. 188. 191 f. 194. 194 Anm. 10. Juthungen 187
195. 206. 320 Kappadokien 152 Anm. 29. 153 Anm. 32.
Gelonen 195 f. 196 Anm. 24 186. 3 1 7
Georgien 25 K a r p a t h e n 66. 150. 160. 185
Gepiden 143, 154!. 185. 203. 319. 322. 336. Karpen 159 Anm. 66. 161 Anm. 82. 185
337· 338 Anm. 5. 341—346 Karpodaker 186
Germania prima 193 Kasakstan 57. 62
— secunda 193. 195. 196. 201 Kelten, Keltisch 104. 106. 109. 320
Germanen, germanisch 103—145. 153 Kidariten, Kidara 28. 62
24*
372 REGISTER

Kilikien, Kiliker 3 2 5 Odryser 1 5 0 Anm. 20


K i m b e r n , kimbrisch j o g . 122 f. Onoguren 277
K ö m i s 248. 2 5 0 Osseten 3 — 8
K o r e a , koreanisch 57 Ostaramäer, ostaramäisch 73. 8 i f. 84. 85.
K r i m 4. 7. 68. 3 0 5 8 8 . 88 Anm. 7 . 8 9 f . 9 1 . 9 2 . 9 4 . 9 5 f . 9 7
K u m a n e n 309 Ostgermanen 1 3 2 f. 1 3 3 Anm. 57. 2 1 8
K u r a i z a 68 Ostgoten, ostgotisch 51 f. 55. 67. I i i . 1 4 3 .
Kutriguren, Kotragen 2 7 5 f. 277. 280 145. 2 0 4 f . 285. 308. 3 i 4 f . 3 1 9 . 322. 326.
Anm. ι 329. 33&—346
Kypros, Kyprier 3 2 5 Ostrom, oströmisch 47, 5 1 . 65. 111. 185.
K y r e n e 1 5 3 Anm. 32 186. 2 7 1 — 3 0 4 . 332. 333. 339
Osttürken 286f.
L a ' a J 222
Paionen 137
Langobarden, langobardisch 110. Γ13.
Palästina 72. 1 5 5 Anm. 40
132. 332
P a m p h y l i e n 1 5 3 Anm. 32. 3 2 5
Lausitz 1 3 3 Anm. 57
P a n n o n i a prima 188
Lazike 18
— secunda 188
Libyen, L i b y e r 5 3 Anm. 1
Pannonien 59. 1 3 5 . 1 3 7 . 1 4 6 Anm. 3. 1 5 J .
Luristan 135. 1 3 8
1 5 5 Anm. 4 0 . 1 5 9 . 1 8 6 . 2 9 7 . 3 0 8 f. 3 3 3 .
Magyaren 309 337· 339 Anm. 8. 343
Mai Jan 7 3 Paropamisos 1 7 3
Makedonon 75 Parther, P a r t h i e n , parthisch 37. 39. 45 f.
Mandäer, mandäisch 73. 73 Anm. 5. 79. 54· 59- 64. 72. 7 4 f . 7 5 — 8 l · 8 6 · 95
8 2 . 8 5 . 8 8 . 9 0 Anm. 1 9 . 9 1 . 9 2 . 9 3 . 9 4 f . i i i . 1 3 7 Anm. 1 3 . 1 3 8 . 1 5 1 Anm. 2 7
J52· ! 5 3 Anm. 32. 280 Anm. 1. 312
9 5 Anm. 3 . 9 6
Mauren, maurisch 1 1 5 f. 272 Perser, Persien, persisch 4 1 . 4 7 f . 5 5 .
Mecklenburg 1 3 2 75f. g8f. 152. 177. 242. 244. 246. 250.
Medien, Moder 96. 1 5 3 Anm. 32. 254. 3 1 2 . 2 5 7 . 2 5 8 . 2 5 9 . 2 7 1 . 2 8 8 . 3 1 1 £. 3 1 7 . 319.
319 326. 327. 3 5 1
Merens 306 Persis, Pars 7 4 — 7 6 . 77. 8 1 . 1 3 7 Anm. 1 3
Mesene 173 Persischer Golf 72
Mesopotamien 73. 1 5 3 Anm. 32. 3 1 7 . 3 1 8 Petschenegen 309
Mittelasien 56. 57 Phoinikien, phoinikisch 3 2 6
Mittelpersisch 73. 74. 7 8 — 8 2 . 9 1 . 95. 99 Phrygien, Phryger 1 5 3 Anm. 32. 1 5 8 . 354
Moesia prima 280. 287. 293. 302 P u ü t a 309
— secunda 186. 3 3 9 Anm. 8 Raetien 187
Mongolen, Mongolei 4. 3 2 1 R o m , R ö m e r 1 8 7 . 190. 245. 247. 256. 257.
Mysicn. Myser 1 5 0 Anm. 20. 1 5 1 258. 298. 308. 309. 3 1 1 . 3 1 3 . 3 1 5 . 316.
317. 318. 319. 322. 327
Nabatäer, nabatäisch 98. 259
R o m a n e n 145. 185. 202. 203 Anm. 19. 204.
Nagrän 5 1 Anm. 1
206. 340
Nemeter 106. 109
R u g i e r 1 1 0 . 3 1 9 . 3 3 7 . 3 4 1 — 3 4 3 . 344
Neuostaramäer, neuostaramäisch (Neu-
R u m ä n e n 338. 340
syrer, neusyrisch) 90 Anm. 19. 9Öf.
170—181 Sabircn, sabirisch 44. 277
Nikaia, Kaiserreich 354 Sachsen 108. 108 Anm. 4 1 . 1 2 3 . 1 3 2 . 196.
Nordafrika 1 3 4 . 3 5 1 203. 320
Noricum 1 4 6 Anm. 3. 1 5 1 . 159. 3 3 3 Sadagaren 338 f.
Nubien, Nubier, nubisch 1 2 9 . 224 Safaiten, safaitisch 98
REGISTER 373

Salier 1 9 5 f. Terwingen 1 8 5 . 307. 308


äammär 3 0 3 Anm. 3 Thrakien, Thraker, thrakisch 148 f. 150.
Sapaudia 2 0 1 1 5 0 A n m . 20. 1 5 2 . 1 5 7 . 1 6 3 Anm. 90.
Saraguren 2 7 7 186. 2 5 7 . 2 7 1 . 302
Sarmaten, Sauromaten 5 3 . 110. 133 prowendum, mid 1 9 7
Anm. 5 7 . 1 5 0 Anm. 20 1 5 3 . 1 5 3 A n m . Thüringer 1 3 1 f. 1 3 3 A n m . 57. 1 3 4 . 197.
3 2 . 195f. 306. 309. 3 3 9 A n m . 8. 340. 319
344· 345 A n m . 4 Tscheremissen 306. 306 A n m . 4
Sawäd 3 2 . 4 1 . 3 1 9 Tundra 305 f.
Scythia Minor 150. 164 Anm. 9 3 . 3 3 9 . 3 3 9 Tunsuren 2 7 1
A n m . 8. 3 4 0 Türken 6 5 . 98. 1 7 2 . 1 7 2 A n m . 20. 2 3 4 .
Siebenbürgen 1 8 5 . 308. 3 3 7 2 3 7 — 2 3 9 . 2 3 8 Anm. 28. 249. 2 5 5 . 2 7 1 .
Sistän 166 281. 335
Skiren 1 8 6 . 3 1 9 . 3 3 7 . 338f. 3 3 9 A n m . 8.
Ugrofinnen 306
344· 345 Anm. 4 Ungaren, Ungarn 3 f. 2 2 4 — 2 2 7 . 309
Skythen, Skythien 76. 1 1 0 . 1 4 4 . 1 4 6 — 1 6 5 . Urogen 2 7 7
2 7 3 — 2 7 7 . 2 8 2 . 284. 286. 288. 297. 3 0 2 f . Utiguren 2 7 7 . 280 Anm. 1. 2 8 6 Anm. 1
307. 3 1 1 . 3 1 2 . 3 3 2 . 3 3 8 Anm. 5
Valeria 1 8 8
Slawen 306
Varini 132
Sogdiane, Soghder, soghdisch 22. 29. 74.
Varnes 1 3 2
7 5 — 8 1 . 95. 1 6 6 — 1 6 8 . 1 7 0 f . 1 7 3 . 1 7 7 .
Venetien 3 3 0
3°7
Viktualen 1 8 5
Sophene, Sophanene 3 1 7 . 3 1 8
Sorosger 2 7 3 . 2 7 3 A n m . 1 Walachei 308. 3 3 9 A n m . 11
Spanien 1 3 4 Wandalen, wandalisch 1 3 2 . 1 3 3 . 1 3 4 . 1 3 6 f .
Südaraber, südarabisch 98 1 4 5 . 1 8 5 . 186. 194. 2 7 1 . 290. 3 1 3
Sueben, Sueven 186. 194. 3 4 1 — 3 4 3 W a r und Chuni 29. 51
Susiane 1 5 2 Warnen 1 3 2 f.
Syrien, Syrer, syrisch 4 1 . 85. 88. 9 1 . 94. Warnow 132
96. 97. i4Qf. 1 5 2 Anm. 29. 1 6 3 A n m . 90. Westgoten, westgotisch 1 4 3 . 1 4 5 . 1 5 0
186. 3 1 7 . 3 1 8 . 3 1 9 A n m . 2 1 . 1 8 5 . 192. 308. 3 1 3 . 3 1 4 . 3 1 6 .
3 1 9 — 3 2 9 . 345 Anm. 4
Jabaristän 2 5 0
Weströmer, W e s t r o m 3 1 1 . 3 1 3 . 3 1 5 . 3 1 6 .
Taifalen 1 8 5
332. 334
Taig& 305 f.
Westtürken 29. 171. 1 7 2
Tamüd, tamüdisch 98
Tanüh 98 „Zimbern" 1 3 3 Anm. 5 4

Ortsnamen (einschließlich solcher von Flüssen, Seen und Gebirgen

Ad Dianam 160. 1 6 0 A n m . 75 Aquileia 19. 1 5 8 . 3 1 2 . 3 3 0 — 3 3 2


Adrianopel 5 5 Aralsee 1 8 5 . 307
Akmolinsk 60 Arbela 2 3 3
Aksüm 129. 1 2 9 A n m . 30. 2 2 3 Ariminum 188
Alexandreia 1 5 1 Arkadiopolis 2 9 1
Altinum 3 3 2 Asemos 289. 291 f.
A m i d a 28 Asowsches Meer 2 7 1 . 2 7 7
'Ana 2 5 8 Ά σ φ α λ τ ί δ ο ξ λίμνη 149. 1 4 9 A n m . 18
Antiocheia 1 5 2 . 1 5 6 A n m . 47. 2 5 7 Astrachan 3 0 7
374 REGISTER

Augsburg 333 Haemus 150 Anm. 20


Auxerre 191 Halikarnassos 326
HamaSän 254
Babylon 233
HardaSer = We(h) Ardaäer 3 1 7 . 3 1 8
Β ά γ α ι (var. 1. Γάβαι) 182
Haßleben 133 Anm. 57
Baghdad 233
Hatra 19. 39 Anm. 6. 81. 135. I38f.
Βάκχε 230
Hazärasp 47
Baku 3 1 2
Hierapolis 138
Balch 76. 170. 173
Hilmend 173
Balchaschsee 307
Hira 98. 288
Bergamum 332
Histria 154. 159. 189
Bosporus, Kimmerischer 155. i 5 6 f . 159
Hit, Mönchskloster 243f. 263. 264
Brixia 332
Holvän 233
Buchara 170. 1 7 1 . 172. 173. 177. 220
Hzrk 222
Carsum 289. Iaxartes 28 f.
Castra Martis 186
Chalons 321 Anm. 6 Jenissei 309
Chersonnesos 157 Anm. 49 Jerusalem 153 Anm. 32
Concordia 332 Indus 173
Cumae 1 1 0 Irtysch 309
Dabüsiya 177 Kabul 173. 278
Damaskus 222 Kädisiya 42 f.
Danabrus amnis 338 Anm. 5 K a l ' a t Sergät 303 Anm. 3
Därä 257. 259. 261 Kalydna 326
Desna 306 K a m a 305. 306
Dnjepr 337. 338 Anm. 5. 339 Karkä d-bgt Selök 233
Dnjestr 308. 339 Karpathen 308
Don 7. 28 f. 276. 277. 277 Anm. 2 1 Karrhai 45
Donau 4. 7. 29. 30. 133 Anm. 57. 146 Karthago, Karthager 53 Anm. 1. 290
Anm. 3. 148. 153. 154. 156. 159. 161. Kasan 307
i 6 3 f . 164 Anm. 93. i 8 5 f . 187. 276. 290. Kaschgar (Kääyar) 280 Anm. 1
291. 293. 302. 308. 310. 333. 338. 339. Kaspisches Meer 18g. 252. 307
339 Anm. 8. 340. 343 Katalaunische Schlacht 29. 144. 200. 320
Dresden 133 Anm. 57 —329. 330
Dura-Europos 140. 321 Anm. 4. 352 Katrabbul, *Νικατορόπολΐ5 232 f.
Durostorum 164 Anm. 93 Kaukasus, kaukasisch 13 Anm. 26. 18. 28
Edessa 47. 97. 257. 258. 318. 353 30. 3 1 . 68. 96. 134. 186. 277. 305
Elbe 133 Anm. 57 Kecskemet 4. 6
Euphrat 3 1 7 Kenkol 59
Kertsch 61
Faesulae 187 Kiew 60
Garonne 1 9 1 . 3 1 4 Kirkesion 258
Gazna 173 Kirkuk 233
Genf 202 Kitriz 351
Genfer See 202 Kök€, Χ ω χ ή 3 1 7 f.
Goldenes Horn 3 1 0 Konstantinopel 155 Anm. 40. i86f. 188.
Grado 3 3 1 271. 289f. 292. 293. 295f. 314. 3 1 5 . 316.
Greinsberg bei Miltenberg a. M . J i 2 2 f . 323. 352—354
Gudärz, Brücke des 242 Kophen, Kuban 275f. 277. 277 Anm. 21
REGISTER

Korinth, Korinthier 325 N o v a e 291. 293


K o s 326
O b 309
Κουτιλα 149
Odobeschti 308
Ktesiphon 28. 317
Oiskos 291
Lacha-See 305 Anm. ι O k a 306
Laodikeia 160 Olbia 157 A n m . 49
Lauriacum 164 Anm. 93 Orchon 309
Leuna 133 A n m . 57 Orleans 191. 320. 324 Anm. 1
Liebenwerda 133 Anm. 57 O v i l a v a 164 Anm. 93
Loire 320 Oxos 29. 74. 97
L y o n 202
Paikand 20
Macoraba 230 Parembole 116
Madä'in 256. 260 f. 319 P a t a v i u m 332
Mailand 332 Persepolis 175
Main 122 Philippopolis 156 Anm. 47. 291
Maiotis 275. 312. 319 Poetoevio 162
Mambig, B a m b y k e 258. 259 Poiana-Prahova 308
Margos 163. 272. 280. 288. 289f. 291 Pontos 276 f. 343. 345 A n m . 4
Markianopolis 291 portus Mochorbae 230
Marne 321 A n m . 6 P r a t h 308
Mayäfarilfin 259. 261 Psol 306
Mchet'a 18—23. 24 Psyttaleia 325. 328
Medina 68. 230. 334
Mekka 230 f. Ratiaria 157. 291
Merw 96. 170. 278. 354 R a v e n n a 314. 316
Mihragä 256 R a y 96. 173. 236. 256
Milvische Brücke 104. 107. m f . 114. 116 RSS'ainä 257
Mincio 333 Rhein 142. 308
Morawa 280 Rhodope 150 Anm. 20
Mossul 180 Rhodos 290
Μουνδιακόν, Mundiacum 193—197 Rü?äpä 257
Mundil Apuseni 185
Saale 131 f. 133
Nahrawän 242 Salamasa 96
Naissos (Nisch) 291. 293 Salamis 324—329
Narbonne 192 Samarkand 177. 220
Neckar 122 Sarmizegethusa 161
Nedao 29. 337. 340—343 Save 187
Nemetis (Speyer) 106 Schwarze Elster 133 A n m . 57
NeSäpür 176 Schwarzes Meer 276. 279. 305
Nikaia 110 Seine 191
Νικατόριον fipos 233 Sejm 306
Nikomedeia 159 Anm. 68 Selenga 309
Nil 115 Seleukeia a m Tigris 75. 3 i 7 f .
Nisä 170 Serdica 291
Nisibis 258. 259. 354 Singidunum 157. 291. 293
Nisyros 326 Sirmium 188. 291. 297
Nitrische W ü s t e 354 Sisauranon 47
Njemen 305 Sparta, Spartaner 327
376 REGISTER

Stößen, Kr. Weißenfels 133 Anm. 57 Ural 306. 307


Straßburg 103t. 131. 189 Urhäi 257
Struma 137 Urmia-See 96. 179. 181
Sudak, Σουγδαΐα η
Sümän 22. 220. 228. 262 Verona 114. 332
Susa 75 Vid (Utus) 292
Viminacium 291. 302
Teil Beämai 55
Thebais 116 Wardar 137
Theiß 4. 308. 309 Wäsit 261
Ticinum 332 Weichsel 305
Tigranokerta 19 Weser 196
Tigris 317 Winetie 305 Anm. 1
Tomoi 157 Wippach 124
Toulouse 192 Wolga 30. 67. 142. 172. 277. 277 Anm. 21.
Tours 191 305. 306
Treviso 206 Worms 195—197. 201
Tridentum 164 Anm. 93 Worskla 306
Troesmis 289
Troyes 321 Anm. 6 Yenissei 58

Titel und Amier


ab epistulis 295 f. marzbän 236. 237. 259
al-asräf 283
Ναχοραγάν, Ναχόεργαν 15
'dmil 283
notarius 285
Augusta 314 Anm. 4
Notitia dignitatum 104—124
bäglär 281
Patrikier 246
βικάρις 154 Anm. 36
ττετπστΕυμέυος 2«2
Bürgerrecht, römisches 13
pitaxS, bitaxl 12 i. 20. 23—26
Chäkän 238—250. 263. 266 primicerius sacri cubiculi 293
Chätün 2501.
σωματοφύλακες 12
custos sacri lateris 12
SpähbaS 245. 248
dehkän 254. 278 spatharius 293
Doppelkönigtum, hunnisches 273. 275 vazurgän u6 äzäbän 281—283
έτπτήδειοι 281 f. wäli 28 2
inaneu 282 Wezir 239—241

Xoy66es 280—286. 293. 302 ΰττογραφεύζ 2 86 f.

Truppenteile
Anglevarii 106 Celtae 104 Anm. 8
Ascarii seniores i o s f . 108. 123 cohors I Ulpia Dacorum 151
Auxilien 320 Cornacenses 135
Bogenschützen 41—43. 45!. i i 4 f . Cornuti io3f. 106—109. i i 2 f . 123. 131.
Bracchiati io3f. 106 135. 136
REGISTER 377

Falchovarii 106 Leibgarde 1 1 1


Felices Valentinianenses 114—124 Leichtbewaffnete 44
foederati 29 limitanei 106
Liticianer 320
Γαίσαται, ΓαΙσατοι, Gaesati 105
Gardetruppen, sasanidische 43 Mattiaci iuniores 106
„halfcataphractarian" 45 numerus Surorum sagittariorum 1 5 1 Anm.24
Hopliten 44 Olybrionen 320
Ioviani 124 Petulantes 103 f.
protectores 1 1 0 . 195
Kataphrakten 45 f. 54
Klibanarier 46—50 Speerwerfer, maurische 1 1 5 f .
lanciarii 105 Stablesiani equstes 1 1 2
legio I Italica 159 Anm. 61 vexillatio Dacorum Parthica 151
legio XII Fulminata 156 Anm. 47 Vindices 106. 108. 123

Gruppen und Einrichtungen

Archiv 288 λαοί i6


Authenticum 174 Lex Romana Burgundionum 174. 201. 203
Bagaudae 191 f. 320 Lex Romana Wisigotorum 174
Blendung 241 Anm. 35 limes Alutanus 1 5 1 Anm. 24
Limes, obergermanischer und rätischer
capitatio 33. 5of. 191
115
Codex Iustinianus 174
Codex repatitae praelectionis 174 manstones 190
Codex Theodosianus 174 Notitia dignitatum 103—124. 137
Coloni 190 Novellae Posttheodosianae 174
Dolmetscher 287 Proskynesis 65 f.
Edictum Theoderici 174
ripa 16
Epitome Iuliani 174
Equipierung, ritterliche 43 Schädelverformung 61 Anm. 9
Feudalismus 265 Schildzeichen 103—124
Flucht, verstellte 54. 55 Soldzahlung 46. 257—261
Steuern 32—40
fossatum Africae 1 5 1 Anm. 24
terra indominicata 190
Greifen des Viehs 39 Anm. 6
Verschildung 54 f.
iugatio 33. 37. 50f. 191
iugum 191 Wagenburg 322. 326. 328

Sachen

Arak 59 f. Bogen, goldene 58


Armbrust 42. 42 Anm. 3 Bronzekessel 56 f. 59. 66 f.
Belagerungsmaschinen 45. 3 3 1 ch'ing-pai mirror 67
Bier 60 chung-ch'üan minor 68
378 REGISTER

Dattelpreise 51 Anm. ι Nagajka 55


Diademe 60—63
Palisaden 298
Erdöl, Erdpech 19 f. Panzer, doppelter 42
Pfeile in der Haarbinde 114 f.
Fahne n o f . 137 Anm. 13. 140—142
Pfeilschüsse, berühmte 250
Gerstentrank 59 Plättchenpanzer 48
Gips 256 Pontontrain 45
Glasflüsse 111
Reflexbogen 41—43. 58 f.
Goldblech, Goldfolie 58. 63
Goldbögen 63 Säbel mit gerader Klinge 56 f.
Goldbrakteaten 122. 133 Anm. 57 Sattel, hölzerner 57f.
Schüsseldinar 62
Holzbauten 297 f. Seide, chinesische 294. 335
Inkrustation 60. 62. 299 Spiegel 67 f.
Iwan 298 Stahl 54 Anm. 1. 351
Standarten(aufsätze) 104. 13g. 138 f. 139
Kompositbogen 115 Anm. 22. 140—142
Königsbanner n o f . Stangenbekrönung 104. 136
Königshelm i n f . 141
Königsornat 110. 141 Teppich 298
Krone 61 f. TLV-Spiegel 68
torques 136
Lamellenpanzer 48. 55 f. Trensenscheiben 104 Anm. 9
Langschwert mit Parierstange 58 Troddeln 139 f. 140 Anm. 25
Lasso 351 Tunika 114. 116
ming-kuan mirror 67 Weinlaubblätter, bronzene 57 f.
Münzstempel 240 Anm. 34; vgl. 256 Widderhelm, Widderhaupt 62

Dichten und Schreiben

"Antara 227 Floovent-Epos 113


Architektonik des Romanes 239. 243 f. Frahang-i Pahlavik 82. 92. 96
247. 248. 249. 252. 263f. Frau, Rolle der 206. 239 f. 246. 250 f. 264
Aristie 242. 243. 247. 250 Fredegar 206
Armazisches Alphabet 98. 134
Genesis-Apokryphon 72
Atli-Lied, altes 197. 198. 200. 337 f.
Gregor von Tours 205
Attilas Grablied 2i8f. 227f. 274. 332. 335
„Ausbuchstabieren" 70 Heldenlied 22f. 142. 218—229. 262t.
het Mogor et Gok 225 f.
„baiwarisches Burgundenlied" 201
Hunnenschlacht, Lied von der 218. 346
Barbarismus 203
Hunnische Sänger 219. 224. 226
Binderunen 127
Brünhild-Sigurdlied, altes 197 Kaiewala 219
Burgundenlied 198—206. 221. 262. 337f. Kaiila wa-Dimna 242
Kaljide 227
cantilenae 225 f.
Kin-i Styävui 220. 228
Du-Apostrophe 20 Könige unter sich 239. 246. 250. 259 f.
έγώ είμι 12 Anm. 14. 22. 129—131. 220— Lancelot, Roman 261
227 Lazari 226. 227
REGISTER 379

MSmrä 219 Selbstlob 224 f.


Minne 206. 240 Septem capitanei primi 22$i. 226 Anm. 13"
Motivreime 264 Septem dampnati 225 f. 226 Anm. 1 3 a
Mythisches und geschichtliches Beispiel Sigurdlied, altes 198
238. 23g. 240. 245. 248. 249. 264. 266 Skop 203. 227
,,Solon, burgundischer" 202
nenia (Chioniten) 219
Nibelungenlied 193. 197. 198. 201. 262 Totenlied 219. 220. 228. 332
nota 1 1 2 Tragik 206. 209—217. 220. 221. 228, 238.
240. 252. 262
Qutadyu bilig 308
virago 240. 264
Ritterroman 229. 234—267 Venantius Fortunatus 206
Roman 261—267 Waltharilied 197
Roman des Bahräm Cöbus 234—267 Widsith 197
Runen 105—134 Wiederholung 20
—, alttürkische 134 Wielandlied, altes 204
Schmähen der Helden 249 Zentlazar, Zentlazarygini 226

Religion, Kirche, Sage

Ahuramazda 175 Christusmongramm i n f . 113. 141


Alces 136 f. Chumänä 254
Andreas, Apostel der Skythen 154 Churbundäd 252
Arianer, arianisch 144 f. 157
Daedalus 204
Ariääätin 351
Danielapokalypse 244. 264
Artemis 159. 159 Anm. 62. 160
Därä, Sohn Bahman's 252 f. 254
Asen, Ansis 109. 123f.
—, Sohn Därä's 253
Astarte 160
Diana 148. 158—164
Atargatis 135. 140
Dionysos 309
Atli 204
Dioskuren, wandalische 136f.
Atreus und Thyestes 204 divinitas 352
Avesta, avestisch 73 Drachenschiff 121
—, Alphabet 167 Draupnir, Ring 118 f.
—, Chronologie 169
—, Heimat der Sprache 166 f. Elia 352
•—, Sogdizismen des i66i. 168. i7of. Empedokles 352
Erhängung 123
Baal 352 Etzel, Atli 200. 337 f.
Bahman, Säsän's Vater 254
Fricco (altisl. Freyr) 120
Bendis 160
Berserker 120 Gaumätä 168
Bihäfrid von Neääpür 176 Gnostiker, gnostisch 129, 130
Brünhild 198—201. 204 f. Gudrun-Grimhild 199 f.
Buddhismus 167 f. Gottesurteil 247
Büdos 352 Gungnir, Speer 118. 120
Gunther 197. I99f. 204f.
Cernunnos 121. 136
Christen, Christentum 51 Anm. 1. 101. Hadad 135. 140
146—165. 257. 259. 261 Hagen 198 Anm. 1. 199—201
380 REGISTER

Hakenkreuz; 1 2 2 Anm. 67. 138. 138 Odin, Wodan 109. 1 1 8 — 1 2 4 . 1 3 6


Anm. 17 Orakel, hunnische 3 2 1
Heidentum, germanisches 1 0 1 . 142 Orthodoxe 3 5 1
Helios 1 4 1 . 3 5 2 — 3 5 4
herbat 176 f. Peraten, Gnostiker 1 3 0
Hercules Deusoniensis 199 pervigilia 162
— Magusanus 199 Phallos 1 1 9 f.
Hermetiker, hermetisch 129 Planeten 138
Hildebrand und H a d u b r a n d 22 f. P r o s k y n e s e t>5f. 3 5 1
Himmelsgott 1 3 9 Pythagoras 352

J e s u s 72 Runenmeister 1 2 2 . 126. 129


Ρουσάλια 163 A n m . 90
/»ig-Rune 107. 109. 1 1 2 f. 1 2 3 . 1 2 5 — 1 3 1 .
R u s t a m 238. 238 Anm. 37. 264
135- 1 3 6
— und Sohräb 22
Ingu-, Ing- 109. 1 2 3 . 1 2 5 — 1 3 1 . I 3 2 f .
I s f a n d i y ä r 238. 264 Sabene 143 f.
Iupiter 124. 124 Anm. 81 Säsän 254
K a ' b a 230 Scheibe, emporgehaltene n 6 f . 1 1 9 . 1 2 1 f.
K a i - A § a k 253. 254 Schwert des Kriegsgottes 3 1 2 . 3 1 3 . 332
K a i h o s r a u 238 Senkrecht gehaltene Lanze 1 1 6 — 1 2 1
Katholikos 354 Sergios der M ä r t y r e r 257. 261
Shar 223
Katholizismus, katholisch 144 f. 203. 203
A n m . 19 Siegfried 1 9 8 — 2 0 1 . 204 f.
K ä w ü s 238 Anm. 27 Sigmund 202
Silvanus 160. 160 Anm. 69. 162
L a b a r u m 1 1 1 f. 1 4 0 — 1 4 2 . 1 6 3 S k y t h i a n o s 352
L a n z e Wodans 1 1 7 — 1 2 1 Sohräb 3 5 1
Lanzenträger, göttlicher 1 1 9 — 1 2 2 Sol tnvictus 164 Anm. 92
L a t o n a 159 Sonne, Sonnensymbole 1 3 6 — 1 3 9 . 1 4 1
Liber 160 Sonnengott 138
Sprechen der Toten 222. 3 5 1
Magier 168. 1 7 5 — 1 7 9 . 220
Syrische Göttin 1 3 8
Mani, Manichäer 73. 177. 352
Mercurius Cimbrianus 122 „ T a g des G e r i c h t s " 244. 253
Mithra petrogenitus 164 Anm. 92 T a l m u d , babylonischer, talmudisch 3 2 —
MjQllnir, H a m m e r 120 40. 72. 90 A n m . 19. 94. 95. 96. 174. 182
möbah 1 7 7 T a r g u m 72. 95
Mohammed 5 0 f . 68. 129. 244. 3 3 4 f . Tereus und Prokne 204
Mond 138 f. Theotimos, Bischof von Tomoi 1 5 7
Mondgott 222 Thor 1 2 0
Muslim, muslimisch 1 7 3 . 253 T y r 109

Nemesis 162 Ulfilas, Auxentiusbrief 1 3 0


N e k a l 223 — , Bibelübersetzung 130. 1 3 3 . 1 5 7 f.
Nerthus 132 —, Taufbekenntnis 130
Nestorianer, nestorianische Mission 96. 97. — Name 158 A n m . 58
179. 180. 1 8 1 . 2 3 1 . 3 5 1 . 354 Vaterunser, aramäisches, in Siebensilblern
Niketas von R e m e s i a n a 154 223 Anm. 4
Nuäku 223 Videvdät 166—182
Odalrune 106. 108 Volcanus 204
REGISTER 381
Walküre 198 Zamzam 230
Wolfdietrich 113. 144 Zarathustra, Zarathustriamus 73. 168.
174· 253
Zalmoxis 163 Anm. 90 Zarathustrische Wiedergeburt 166—182

Adler 135. 137 Anm. 13 Löwe 135


Doppeltier 104. 106 Pferd 280. 280 Anm. 1
Drachen 135 — , alanisches 56
Dromedar 54 — aus F e r y ä n a 58
Eber 135 — Odins 122
Elch 135. i36f. Przewalski-Pferd 56
Elch-Rune 136 Rentier 135
ferarum imagines 135 ,,Rolltiere" 104. 104 Anm. 9. 135

Hahn 135 Stier 135. 136t. 138t. 138 Anm. 14. 14t
Hirsch, Hinde 135 f. 137. 138 f. 312 Storch 312. 331
Hörnerpaar 118. 1 1 9 — 1 2 1 . 139
Tierstil 112. 142
Kamel 54
K u h 312 Widder 135

Archäologische Fundorte und Denkmäler

A l a i a Höyük, Hirschstandarten 135 „inscription mirror" 67

Bäzäklik, Fresken 293 Anm. 9 a Kalleby (Tanum), Felsbild 120 f.


Begram, bronzenes Weinblatt 57 t. K a r a - A g a i , Diadem 60. 62 f.
Bohuslän, Felsbilder 120. 122. 137 Karagalyk, Diadem 60
Borovoje, Goldblech 57 Kesthöly- Kultur 67
— , Sattel 57 Konstantinsbogen (Rom) 103. 1 1 4 — 1 1 6
Budapest, Prunkhelm von 111 Kopen, Holzsattel mit goldenen Beschlä-
gen 58
Carouge bei Genf, römische Villa 202 Kostheim, Gräber 194 Anm. 12
Chinesisch-Turkestan, Wandgemälde 56
Lampertheim, Gräber 194 Anm. 12
— , Kleinplastik 56
Litlesby, Felsbild 119
Chwärezm, Münzen 62
— , Silberschalen 62 Mithridatesberg bei Kertsch, Diadem 61.
62
De Peel (Deurne), Helm von 112 Moldauische Kultur 68
Dura-Europos, Grafitti 47. 49 Mundolzheim bei Straßburg, Grabfund
— , Panzerhosen 48 57. 194 Anm. 9
Nara, Sösöin 57
Gallehus, Goldhörner 118 f. 122. 123
Noin Ula, Hiung-nu-Gräber 57
Gorodischtsche-Kultur 279. 306
— , Filzteppiche 298 Anm. 9 a
hällristningar 119 f. 121
Oberaden, augusteisches Legionslager 59
Jakuszowice, Goldbögen 63 Ordosbronzen 104 Anm. 9
382 REGISTER

ösebergschiff 142 Tanum, Felsbilder i2of.


Ositnjaika, Diadem 60 Taschtyk, Überziehen mit Goldfolie 58
Östergötland, Felsbilder 1 1 9 . 122 Ticinum, Silbermedaillon von i n . 1 1 2
Toprak-Kala, Saal der chwärezmischen
Pangikant, Wandgemälde 55. 5 5 f .
Herrscher 62
Pazyryk, Diadem 60
—, Teppichfunde 298 Anm. 9 a
— , Polsterung für Reitpferde 58
Trier, Kornmarkt-Mosaik 124 Anm. 83
—, Überziehen mit Goldblech und Gold-
Tun-huang, Fresken 298 Anm. 9 a
folie 58
P6cs-Üszög, Goldbögen 63
Val Camonica, Felsbilder 1 2 1
Sassiner, Felsbild 1 2 1 Valsgärde, Helm von 1 1 2
Scale di Cimbergo, Felsbilder 1 2 1 Vendel, Helme von 1 1 2
Sutton Hoo, Helm 1 1 8
— Standarte 1 3 4 — 1 4 2 Werchne-Jabloöno, Diadem 62 f.

2. P H I L O L O G I S C H E S REGISTER

Arabisch und Äthiopisch

altsüdarab. '[mr]m 351 hazar 278


asbara, asdwira 47 hibr, ahbär 176. 179
'atä' 258 äthiop. höfä 351
bakka 230 magüii 176
batnu makka 230 äthiop. mSkräb 230
mugtasila 95
dawäwln 2S8
mutaSähibät 98
diwän al-gund 283
gabal 258 Nahurakän, Nahiragän 15
näkit 347
gämi'a 239 Anm. 30
§izya 32. 33. 50 ruhä 258
h a r ä i 32. 33. 33 Anm. 8. 34. 50 tamüd 44 Anm. 7
hasala, hassala 255 Anm. 1 tüg, tüS 172

Aramäische Mundarten (einschließlich der iranischen und sonstigen Lehnwörter)

'bt 20 'SMHW 92. 93. 96


'byd ix. 351 'sprwg 19
'BYDWN 94 'STHW 89 Anm. 13. 92 f. 96
a
fars*käye 175 'tr „ a m Ort" 17
'gryp 14 'TRH 83
ΉΥ 74. 84 Syr. auwänä, talmud. 'ww'n, mand.
Ί 78—80 'w'n 231 f. 231 Anm. 3
'm 16 ΎΝΗ 83
syr. aptahSä 24 jüd.-aram. 'ySth 92 f.
arKä kny' 34 f.
'rwst 17. 20. 22 bnynyn 16
'RYKWN 94 bnyt (BNYt) 86. 87. 88
REGISTER 383
br', bry u. n f. hebr. mäzar, syr. mäzrä 17
BRH, BRY, BR' 71. 81. 82—85 MDMHW {MDMHN) 92
brty 12 mhrdt, myhrdt 11. 14
neusyr. brum 12 mindä, middä 36. 39. 53
bthi, byty'hS I2f. 13 A n m . 23 mlk rb 12. 14
bwmhwty 38 mlyk I i . 14
byn „ i n " 17 Anm. 60 mn 'rykyn 14
byrt 17 mnätä d-malkä 3 5 — 3 7 . 39. 52. 53
byt „ i m H a u s " 17 mr', mr'y, mr'ty, mry, mr'n, mrtn 20. 84/.
bzz 18 85 A n m . 9
mrwt 14
syr. da-l-gau men 354
msknyt 17
dätä di malhä 175
msykyt, mskyt 17. 18. 19
dyly 18
msryk zu srek 18
g dreimal gesetzt 19 mt 18
— , A b k ü r z u n g 93 mtk zu syr. n(ak 17
GDH 83 mtrym 14
muhr*kä 33
jüd.-aram. habrä, syr. habrä 179
mwl 14
talmud. habra, habbärä 176 f.
mytyt 15
jüd.-aram. ha$äsä 351
mzbnw, zbnw 86. 89. 92
syr. hasir, hasar 278 f.
mzwryn 17
hlzn 15
htnrn 93 syr. nakurgän 15
fuyprnwg 12. 14. 19 A n m . 80 NBY'WN 94
hw' 16 nhdi 15
hwd 17 Nikätör, Νικάτωρ 232 f.
hwyn 16. 91 Nikäiör auwänä 229—233
HWYT(W)N 88 Anm. 7 nknyt 17
HYMNW 90 A n m . 19. 92 N P S w 98
HYTYW 90 Anm. 19. 92 n$yh 11
hzky, Haf'el zu zk' 17 nykwrh 7. 18
H Z Y H 86
talmud. pormä 182
H Z Y T 88f. 90. 91
neusyr. prmy 180 f.
HZYTWN 87f. 89f. 91. 92
pmws, prnws 12
HZYW 89f.
prsmn 14
syr. kädüäye 44 plgrb', pzgryb' 39 A n m . 6
k'm 16 mand. pwgd'm' 82
syr. kellitä 354 PWMH 83
kräyä 32—35 syr. pwrm' 181
kry my 16 pyihS 1 2 — 1 4
l- bei Ortsadverbien 17. 78—80 rahhik min 175
Ikdm 16. 17 rb „ ä l t e r " 13
Ikh 17 rb trb$ 13. 14. 16. 22. 25
bibl.-aram. lo-k°bel 16 RBw 98
Itt' 18 RGLH 83
lythty 16 RMYT 88
syr. makhä 230 RMYW 89
m'ytyn 16 särä 12
384 REGISTER

s'rapyt 14 inrw hww 19


P'el 175
s'röSita 175 YDH 83
l'röSiiß 175 YHSNW 89 Anm. 14
Ihr' 7. 16 ywdmngn 14
fnryl 17. 18 ywnt' 18 f.
syr. söp 3 1 8
zaharörä 34. 38
Srgs 12. 14
syr. zainä 17
Itn 93
ziharä 34. 38
syr. sunteliyyä 5 1 . 351
ZK 78—80
syr. tamüräye 44 Anm. 7 zk', H a f ' e l hzky 17
tannürä, syr. tannürtä 19. 47. 49 f. zmysbl' 7. I5f.
syr. Tannürin 47 ZNH 78—80
<as,feä 33—37- 38. 39· 4°· 5* fy Η
= m'Sty 23 *y» 17
tattä 18 ryn' 7
tkn 18 zyn' 17
THNW (THNN) 92 fyuiÄ 7. 12. 13.· 14

Iranische Mundarten (einschließlich armenischer Eigennamen)

parth. abäibare 38 f. Γοραζιβιδ 167 Anm. 7


av. airyanim vaejö 170
mittelpers. h'd'n, häyän 22g{. 231. 232t.
Άμάζασττος Gen. Sing. 8. 15 f.
avest. haetumanl- 173. 174
avest. aspä 7
avest. harax'ati 173. 174
avest. aspirana- 169
avest. haroiva- 170. 173
altpers. dvahana- 231
avest. haxay-, haH-, haS- 178 f.
osset. dz-, z- 15
hazärmardän 247
mittelpers. baräz 35 1 jass. heca 5
avest. bäx 8i 170 jass. huuas 6
mittelpers. bazayar 3 1 8 f. jass. jaika, \v. osset. aikä, o. osset. aik 7
βαζιγράβαν 39 Anm. 6
Ίσμασάσττοι 8. 13 f.
altpers. bäziS 39. 39 Anm. 6
w. osset. bilä, w. osset. bij 15 Ίδσται 8
Ίωδμανγάνον, Gen. Sing. 14
osset. cärgäs 12 alan. iunik, unik, o. osset. vän\g r8
avest. iaxra- 173. 174
mittelpers. ööbin, iöbin 25S f. καμηλαύκιον bi. 347
Codomannus 346 f. avest. ka-msrfda- 347

jass. dan, \v. osset. o. osset. don 7 avest. maet-, maeüana-, mae&anvä- 15
dehkän 43. 51 altpers. magav- 175
mittelpers. diz-i redän igf. jass. manauona 6
avest. maryav- 170
jass. Furduh, Φούρταζ η
Μεσχίθα, Μεστχητα i s
w. osset. furt, o. osset. firt, φουρτ j
avest. moyu. tbii- 1 7 5 — 1 7 9
jass., w. osset. fus, o. osset. fts 5
soghd. Muyün< *mcryav-an 177
osset. gäs 12 soghd. mury'nch dynh 177
avest. gava- 170 f. 182 soghd. mvuy, muy, neupers. muy, möy 179
REGISTER 385
altpers. naiba- iS avest. xturya-, ltura- 172
Νέοκνος i8
avest. urvd 173
parth. nhwdr 15
avest. «ζ- 15. 16 Anm. 51
avest. nisäya- 170
osset. niv 18 avest. vaektrita-, Βαγάρδα 173. 174
armen. Nixorahan, Nixavrakan 15 avest. vartna- 173
avest. vihrkäna- 173
parth. paöyäm 82
avest. paitiyära- 174 w. osset. xecau, o. osset. xicau 5
avest. pasuS 5 Ξηφαρυούγου, Gen. Sing. 12, 14. 19
parth. patbälik 38 f. Anm. 80. 25
ΠστιζεΙθηξ 13 avest. xnmta- 173
parth. patsäyik 39 w. osset. x'ädäg 7
mitteliran. pitaxf, bitaxS 13. 20. 23—27 avest. xvaidya- 5
τπτιάξης 2o. 24 avest. xväiriza- 170
alan. 7
' P ä 172 soghd. *u>/;y(y) 5
avest. ragay- 173
avest. ravha- 171 f. o. osset. yäfs, w. osset. tf/sdi 7
osset. sär 12 soghd. alan. -yt 15. 17
mitteliran. sardär 12
avest. zaena-, mittelpers. zen, neupers. zin
chwärezm. S'wübr, SäwvSfar 63. 63 Anm. 26
17
osset. saxar 16
Ζηκας, ΖΙχ i2
mittelpers. ipan 39 Anm. 6
ζηνοβιδοι 167 Anm. 7
armen. Spet 39 Anm. 6
Ζηουάχου, Ζευάχη; η. 12. 13. 14
neupers. Subän, Subän 39 Anm. 6
armen. Zik 12
avest. suxSa- 170 f.
ο. osset. zmis 15
soghd. Syipyr 63 Anm. 26
parth. znpty, mp. zynpt 167 Anm. 7
avest. taoiya- 172 jass. Zuagan 7
mittelpers. *«£, päzend <öi 172 jass. Zudah 7

Germanisch

enguz 133 Myrkwiä 346 Anm. 1


anord. Sinfjötli, ahd. Sintarfizzilo, Sinter·
heklumadr 119
fezzil 202
altnord. jassar· 8 tawido 119. 119 Anm. 39

Griechisch

ÄOTTpOV 169 f. ίκφόρειον 36


έτπκεφάλαιον 3 6
βάνδος HI. έτπστροφή 54
Γα(σαται, Γσίσστοι 105 έττίτροττος 13
γυμνοί 54 θαννύριοξ 47
θεράποντες 5 2
δεκάτη 36
Διλιμνϊται 44 κάμηλοι 54
25 Altheim, Hunnen IV
386 REGISTER

κάμοξ 59 Σηραττείτις 14
κλίβανος, κλίβανον 4 7 — 5 ° σκυτάλαι 48
κοντό? 4 Η · 53 σ τ α θ μ ό ς 233
κ ο ν τ ο φ ό ρ ο ι 45· 4 6 · 53 συντέλεια 51
κοττίζ 4 8
κ υ κ λ ώ σ α σ θ α ι 54 τ α γ ή 3^. 39
τότταρχοι 38
λ ο γ ά δ ε ς 25- 2 8 ο — 2 8 6 . >88

μελεδωνώς 13 ύτταρχος 24
μ ι ξ ο β ά ρ β α ρ ο ς 158
χ ε ι ρ α ν ά ξ ι ο ν 33· 3 6
Ποττλίκιος Α γ ρ ί τ π τ α 14 X o ö v o i 28
τΓρομετωττΙδιον 49 χ ώ ρ α β α σ ι λ ι κ ή 35

Lateinisch und romanische Sprachen

aruspices 324 r u m ä n . tuna, lunatih 161 A n m . 81


Asparuch 19. 19 A n m . 80
Neblos, Neblas, A k k . Nebion 202
bandum 111 Neublans, Noblans 202
Nibilus 202
camum 59 f.
Nivelungus, Nivelongus 202
r u m ä n . camilafcä 351
Nohodares 15
r u m ä n . c&pcänu 351
clibanarius 46. 49 f. Oroles 158 A n m . 58
clibanus, clibanum 50
r u m ä n . Sinziana 160. 161. 161 A n m . 77
cornuti 103
r u m ä n . sanziene 161
r u m ä n . Dzina 161 A n m . 76 scrinium 33
Senarclens 202
fabricae 56
sine suo capite membra 343
forma 181
Suavus 341
Fossatisii 338
fossatum, a l b a n . fsat, r u m ä n . sat 338 r u m ä n . Syndzenele 161 A n m . 77

Gibika 202 Vulgärlatein 110


Gillarens 202 r u m ä n . ζάηά, zane 160 A n m . 74. 161. 161
Gislaharius 202 A n m . 76
Gödhramns 200 r u m ä n . zänatecit, *dianatici 162
Gondran 202 r u m ä n . zdne, zäne de cane 162
Gundicarius, Gondaharius, Gondaarius 202 Ζώνες, m a k . - r u m ä n . Dz&na, Zlna 160

Türksprachen

ädgü 284. 288 a l t t ü r k . bitkäti 287


*ayaiäri 274. 2 7 9 a l t t ü r k . buqaraq 170
a l t t ü r k . ärtoäk, äräeäk, ärangäk 340. 340 lor 273 A n m . 1
A n m . 13. 346f.
Ά σ π α ρ ο υ χ , Ά σ τ τ α υ ρ ο ϋ κ ι ς i g . 19 A n m . h e p h t h a l . Ιοττγο, lonryu 64
80 Κ ο υ ρ ι δ α χ ο ς 295 A n m . 3
REGISTER 387

osuy 273 Anm. r χαγαη, qayan 198 Anm. 1


qumiz 59 yabäg, yabyu 64 f.
mitteltürk. qur 295 Anm. 3 mitteltürk.)αδαγ, mittelpers. piyädak 295
Σορόσγου; 273 Anm. 1 Anm. 3
strava 335 Anm. 4 ostmitteltürk. yafyu 64
Yazar 279. 307
tägin 51
tamya 14 ζαοου 65
bulgar. ζουτταν, ζωτταν, ζουττάνοξ 39
Οϋαρχουνϊται, Ούάρ und Χουυί 29
Anm. 6
Var 335 Anm. 4 ungar. iufan 39 Anm. 6

Inschriften, Grammatisches und Metrisches

Adulitana I I 223 Jungavestischer Vers 21 Anm. 91


*Ain, statt Älaf 92. 94 Karstad, Felswand von 105
— als Vorschlag 93 Kylver, Stein 108. 127
Armazischewi, Silberschale von 12 Anm.
22. 23—27 Ladanybene, Inschrift 6. 134. 286
Aäoka-Inschriften (Kandahar, Pul-i Da- /a^-Inschriften 122
runtah, Taxila) 73. 84. 86 Maskulinum für Femininum 91
Assimilation 16 Matres lectionis 168. 223
Avrömän, Pergament von 38. 39. 84. 85. Mchet'a, aram. Inschrift 6. 8—23. 24t. 81.
86. 87. 89 84. 85. 91. 129. 130t. 134. 2 i 9 f . 2 2 1 .
Bahuvrihi 273 Anm. 1 223f. 227. 286
Bori, Teller von 12. 26. 84 —, Bilinguis 6. 9—25 passim. 91. 129.
Bratsberg, Runenfibel Β 126. 129 130t. 134. 2 i 9 f . 2 2 1 . 223f. 227
—, Gemme 19
Carpentras, Stele von (CIS. I I 1, 241) 21 μεταγραφή it>8
Anm. 90. 227 Metrik 1 1 . 20—1>. 178. 223
Casusflexion 79 f. Miltenberg, Toutonenstein 127
Constructus-Verbindung 12. 16. 23. 8rf. Mundarten, Verwandtschaft von 5
Demonstrativa in den mitteliranischen Münzdatierung 25 f.
Sprachen 74. 78—81. 95 Murmelvokal, Schreibung des 17. 18
Dölzig, Runenstein 1 2 5 — 1 3 4 Nalf<j-i Rustam, Inschrift Säpür's I 167
Dura-Europos, Ostrakon Η 125 A 93
Anm. 7. 228
—, Synagogen-Inschriften 352
Nerab II, Inschrift 222f. 227. 351
Fossum, Scheibe 127 Nisä, Ostraka von 38f. 77. 81. 84. 87
Fünen, Braktaat Nr. 24 122 Nordendorf, Kleinere Spange 127
Nowotscherkask, Inschriften 278
Grumpan, Brakteat 1 3 1
Grusinische Schrift 10 Anm. 7 Opedal, Stein von 107
Orchoninschriften, alttürkische 228
Hainspach, Anhänger 127
Hatra, aramäische Inschriften 81. 84!. Paikuli, Inschrift von 228. 229—233
Hebungen 20 f. Pärsik 286
Präfex m-, Fehlen beim Partizipium 88
Ideogramme, ideographische Schreibung Anm. 7. 90 Anm. 19
i o f . 23. 69—99 Prex, Stein 1 3 1
25'
388 REGISTER

R o z w a d ö w (Galizien), Speerspitze 126 u- und o-Stämme 109


U m m eg-gimäl, Bilinguis v o n 98 f.
Sedschütz, Urne 127
„ U r i d e o g r a m m " 86f.
Siebensilbler 20
Steenstad, Stein von 105 f. Vadstena, B r a k t e a t 22. 127. 131
Surx Kotal, Kleine Inschrift 167. 167 Verallgemeinerung des Stat. absol. 12. 16
Anm. 7 Verba tertiae infirmae 85—91
— , große Inschrift 167 A n m . 7 Verbalideogramme mit Ausnahme der
Susa, Inschrift v o n 215 n. Chr. 81. 84. 85. tertiae infirmae 9 1 — 9 4
86. 87. 88. 95 Verbalsystem, syrisches 89 f.
S z a b a d b a t t y i n , Schnalle 131 Verdoppelung der Praeposition 17
Tang-i Sarwak, Inschriften 17. 26f. 84. Vi, Schnalle 108
Vierradikalige V e r b a 19. 181
85· 95
Tanum, Stein v o n 105 Wau consecutivum 222
Themsemesser 107
Wechsel von h und Älaf 83 f.
Tjorsbjaerg, Schwertzwinge 108
Würmlacher Wiesen, Felsinschriften 127
Trollhättan, B r a k t e a t Nr. 27 122
Tune, Stein von 105 Zkf, Stele des 222. 223

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