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2 | 2013 Rubrik
Das Schweizer Logistikmagazin

CEO-Talk mit
Thomas Amstutz,
Feldschlösschen AG
S. 26

Schienengüterverkehr –
Vorbild Schweiz?
Foto: Hans Musterann

Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten


europäischen Güterkorridor
SBB Cargo  2 | 2 013 1
Inhalt

Schienengüterverkehr –
Vorbild Schweiz?

4 4

Cargoland Schweiz
Reportage: Von Basel nach Chiasso

12 Facts & Figures


Faszination Cargo

14 Interview
«Peter Füglistaler, wie wird die ­
Güterbahn konkurrenzfähiger?»

17 Essay von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle


«Logistik trägt zum Wohlstand bei»

18 Regionale Cargo-Produktion
Wie von Geisterhand bewegt
Nord-Süd-Achse: Eine Reise quer durch die Schweiz.
22 Schienengüterverkehr in der Fläche
«Wir benötigen mehr
unternehmerischen Spielraum»

24 Schotter
Neuigkeiten aus der Logistikbranche
26 CEO-Talk
«Grundsätzlich kann jedes Gut auf
die Schiene»

29 Cargo-Klick

12  Rollende Landstrasse

Auf einen Blick: Die Dimensionen des über die Schweiz 30 Meine Logistik
abgewickelten ­Gütertransports in bildhaften Vergleichen. Evelyne Binsack, Abenteurerin
und Bergführerin

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2 | 2013
Das Schweizer Logistikmagazin
Rubrik
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Thomas Amstutz,
Feldschlösschen AG
S. 26

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Schienengüterverkehr –
Vorbild Schweiz? SBB Cargo-Zug bei geben Sie uns Ihre neue Adresse, Änderungen oder die Löschung des
Foto: Hans Musterann

Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten


europäischen Güterkorridor
SBB Cargo 2 | 2 013 1

Wassen am Gotthard. Abonnements bekannt.


 Editorial

Liebe Leserin,
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S icher ist es Ihnen aufgefallen: Sie halten die erste Ausgabe des neu
konzipierten Magazins von SBB Cargo in Ihren Händen. Damit
möchten wir Ihnen von nun an ein Logistikmagazin bieten, das noch
anschaulicher über Branchentrends, Technologien und neue Perspektiven
informiert. Natürlich soll auch Überraschendes, Kontroverses und
Impressum Cargo 2 | 2013
Unterhaltendes nicht zu kurz kommen. Neu ist zudem, dass wir uns mit
Das Logistikmagazin von jeder Nummer ein bestimmtes Thema vornehmen und dieses ausführlich
SBB Cargo erscheint dreimal
pro Jahr in Deutsch,
beleuchten.

M
Französisch und Italienisch.

Gesamtauflage it «Schienengüterverkehr – Vorbild Schweiz?» ist das erste


13 000 Exemplare Themenmagazin betitelt. Als Marktführerin im schweizerischen
Redaktion (SBB Cargo)
Martin Radtke (Leitung), Schienengüterverkehr möchten wir Ihnen einen Einblick geben in
Karin Grundböck, die Besonderheiten unseres Alpenlands. Wo liegen die Unterschiede zu den
Martina Riser,
Miriam Wassmer, Nachbarn, welches sind die Herausforderungen, was haben wir zu bieten
Matthias Widmer und worum dreht sich bei uns die aktuelle Debatte in der Verkehrspolitik?
Redaktionelle Mitarbeit
(Crafft) Um das herauszufinden, haben wir kompetente Journalisten auf die Piste
Roy Spring (Leitung), geschickt, Experten um ihre Meinungen gebeten und spannende Menschen
Peter Krebs, Robi Wildi,
Pirmin Schilliger, interviewt. Für die Premiere haben wir uns ein ganz besonderes Datum
Jean-Pierre Ritler ausgesucht: Vom 4. bis 7. Juni findet in München bekanntlich die Transport
Konzept, Gestaltung
und Realisation Logistik statt – ein absoluter Pflichttermin unserer Branche. Auch für uns!

S
Crafft Kommunikation AG,
Coverfoto: SBB Cargo, Fotos: Roland Tännler, Illustration: Hansjakob Fehr, 1Kilo

Zürich
Übersetzungen BB Cargo stellt die Weichen für die Zukunft. Zusammen mit Ihnen
Traductor, Basel wollen wir neue Wege gehen, interessante Möglichkeiten erkennen,
Lithografie und Druck
Neidhart + Schön AG, Zürich wertvolle Potenziale ausschöpfen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
Redaktionsadresse eine anregende Lektüre.
SBB Cargo «Redaktion
Logistikmagazin cargo»
4065 Basel, Schweiz Martin Radtke
cargomagazin@sbbcargo.com
Leiter Crossmedia SBB Cargo
Das Copyright für dieses martin.radtke@sbbcargo.com
Magazin liegt bei SBB Cargo.
Der Abdruck von Artikeln ist
unter Quellenangaben erlaubt.
Bitte schicken Sie uns jeweils
ein Belegexemplar.
1. Rheinhafen Basel-Kleinhüningen: Die Bedeutung der Achse Rotterdam–Basel–Genua steigt weiter.
2. Rangierbahnhof Basel-Muttenz: Die wichtige Drehscheibe im europäischen Netz wird modernisiert.

Cargoland
Schweiz
Mitten durch die Schweiz führt der wichtigste
europäische Güterkorridor. Hier werden zwei Drittel
der Waren auf der Schiene befördert – eine grosse
Herausforderung für SBB Cargo und ihre Partner.
Unterwegs auf der Strecke von Basel nach Chiasso.
Cargoland Schweiz

Text: Pirmin Schillinger Kleinhüningen das trimodale Terminal


Fotografie: Roland Tännler Basel Nord. Es umfasst ein drittes Hafen-
becken sowie Gleis- und Krananlagen für

A
die rund 700 Meter langen Züge. «Ein
ussichtsplattform Bernoulli- Quantensprung in der Bahnproduktion»,
Silo in Basel-Kleinhüningen so Röthlingshöfer. Heute müssen die
am Dreiländereck: Rund 50 Züge, weil die Gleise an den Piers lediglich
Meter über dem Boden fällt 150 bis 200 Meter lang sind, zerlegt und
der Blick steil auf die mit Lagergebäuden, mühsam wieder formiert werden. Für SBB
Hallen und Gleisen bebaute Hafenanlage. Cargo bedeutet das Terminal Basel Nord
Ein Kran greift sich Schrott aus einem das zweite Grossprojekt für den Güterum-
Waggon und lässt ihn nach einer elegan- schlag im kombinierten Verkehr, nebst
ten Drehung in einen Schiffsbauch pol- dem neuen Gateway beim Rangierbahn-
tern. Der Rhein durchschneidet die Land- hof Limmattal.
schaft und verliert sich im Morgendunst. Wenige Minuten nur dauert es, bis ein
Am Rande des Hafenbeckens rollt ein in den Rheinhäfen beladener Güterzug
mächtiger Kran hin und her; der stähler- in den Rangierbahnhof Basel-Muttenz 2.
ne Koloss wirkt aus der Distanz beinahe einfährt. Ein Meer aus Schienen und Mas-
spielerisch. Hapag-Lloyd, Hanjin, Maersk  – ten, Bauteams verlegen neue Schienen,
aus der ganzen Welt hat die Übersee- die Modernisierung der Anlage Basel I ist
fracht auch in Containern ihren Weg nach im September 2013 abgeschlossen. Danach
Basel gefunden. gilt das klassische Rangierprinzip weiter-
Rund 320 Güterzüge verlassen den
Über die Bedeutung des Hafens 1. Rangierbahnhof Basel-Muttenz an einem hin: Die von einer Rangierlok über den Ab-
lässt Florian Röthlingshöfer, Projektleiter durchschnittlichen Verkehrstag. laufberg geschobenen Waggons bewegen
Areale und Hafenbahnen der Schweizeri- sich wie von Geisterhand übers Areal. Rol-
schen Rheinhäfen (SRH), keine Zweifel: len über Weichen in den weit sich öffnen-
«Die Achse Rotterdam–Basel–Genua ist den Fächer von Richtungsgleisen, kommen
der mit Abstand wichtigste europäische schliesslich mit sanftem Ruck zum Stehen.
Güterverkehrskorridor. Basel bildet eine «Das Rangieren ist weitgehend automati-
natürliche Schnittstelle in diesem Ver- siert, aber einen Geisterbahnhof haben wir
kehrssystem, weil hier die schiffbare noch lange nicht», meint Christoph Buser,
Rheinroute endet.» Was über rund 900 stellvertretender Leiter des Rangierbahn-
Kilometer in vier Tagen flussaufwärts hofs Basel. Rangierarbeiter kuppeln wie eh
transportiert wird und weiter südwärts und je Waggons. Verschwunden sind hinge-
soll, muss am nördlichen Eingangsportal gen jene Männer, die früher die Waggons
zur Schweiz umgeladen werden. Rund 40 mit Reglern und Hemmschuhen manuell
Prozent der Ware gelangt auf Lastwagen, gestoppt haben. Gebremst wird nun elek‑
60 Prozent nimmt die Bahn auf, 85 Pro- trodynamisch. Also leiser, das schätzen
zent davon SBB Cargo. Rund 7500 Züge die Anwohner.
mit 100  0 00 Waggons zirkulieren hier
jährlich und verteilen die Güter, teilweise Lokführerwechsel in Goldau
über Zwischenstationen, in der ganzen Basel-Muttenz ist eine internationale
Schweiz. Gewisse Frachten werden auch Drehscheibe. Einerseits findet hier für
in den Transitverkehr auf die Nord- Züge aus Frankreich und Deutschland der
Süd-Achse eingeschleust, etwa Schrott Lokwechsel statt. Andererseits werden
aus Deutschland für norditalienische Güterzüge für die lokale Verteilung der
Stahlwerke. Güter in der Nordwestschweiz oder den
Weil der Warenfluss auf den Weltmee- Transit nach Italien neu formiert. Rund
ren wächst und der Seehafen Rotterdam 320 Güterzüge verlassen an einem durch-
seine Kapazitäten massiv ausbaut, geraten schnittlichen Verkehrstag den Rangier-
die Häfen im Hinterland in Zugzwang. bahnhof. In Zukunft soll die Anlage Basel
Laut Prognosen wird sich der Container- I, die den Südverkehr bündelt, zusammen
verkehr zwischen der Nordsee und mit der für die Nordrichtung verantwort-
den Schweizerischen Rheinhäfen in den lichen Anlage Basel II zu einem der mo-
nächsten zwanzig Jahren verdoppeln bis dernsten Rangierbahnhöfe im europäi-
verdreifachen. «Die Nachfrage nach mehr «Basel bildet eine schen Netz werden.
Umladeleistung vom Schiff auf die Bahn ­natürliche Schnittstelle in Anderthalb Stunden nach der Abfahrt
wird massiv steigen», so Röthlingshöfer. in Basel-Muttenz erreicht ein mit Contai-
Darum planen die Schweizerischen Rhein-
diesem Verkehrssystem.» nern beladener, ursprünglich in Ludwigs-
häfen und SBB Cargo gemeinsam in Florian Röthlingshöfer hafen gestarteter Güterzug über Bözberg–

6 SBB Cargo  2 | 2 013


 Cargoland Schweiz

Freiamt–Rotkreuz den Bahnhof Goldau. Interview mit Daniel Marbach, Logistikchef bei AMAG
Hier beginnt das Nadelöhr der Gotthard-
Strecke: Alle Zugangskorridore aus dem
Mittelland verschmelzen zu einer einzi- «Die Bahn ist uns ein
gen Linie. Ein Lokführerwechsel 3. ist an-
gesagt: Dominik Baumberger löst seinen zuverlässiger Partner»
Kollegen Damian Schelbert ab. Die beiden
Männer tauschen ein paar Informationen Die AMAG Automobil- und Motoren AG ist mit einem
aus – und schon geht die Reise weiter. Markt­anteil von 29 Prozent der grösste Autoimporteur der
Baumberger, 34, seit elf Jahren ausgebilde- Schweiz. Warum sie bei der Einfuhr der Volkswagen,
ter Lokführer, kennt die Nord-Süd-Route Audi, Skoda, Seat und VW-Nutzfahrzeuge mehrheitlich auf
die Schiene setzt, erklärt Logistikchef Daniel Marbach.
wie seine Hosentasche. Weil die Waggons
schwer beladen sind, wird in Erstfeld eine
SBB Cargo: Wie viele der von AMAG im letzten Jahr importierten
dritte Lok angehängt. Sie sorgt für zusätz- 90  0 00 Autos gelangten per Bahn ins Zentrallager nach Birrfeld?
lichen Schub. Durch Kehrtunnels gehts Daniel Marbach: Mehr als 50 000 Fahrzeuge waren es, die auf der
nach oben zum Nordportal des Tunnels. Schiene importiert wurden.
Die Gotthardstrecke 4. verlangt erhöh-
te Aufmerksamkeit. Mit einem Auge späht Folglich wurden rund 40 000 Fahrzeuge im letzten Jahr auf der
der Lokführer auf die Hänge, wo Stein- Strasse in die Schweiz gebracht. Wer oder was entscheidet über
die jeweilige Transportart?
schlag und Lawinen drohen, mit dem an-
Diese Frage können wir wohl nicht ganz befriedigend beantworten.
deren kontrolliert er die Instrumente. Die Transporte in die Schweiz werden von der Volkswagen AG in
«Nach so vielen Jahren kennt man die Deutschland organisiert. Wir haben nur eine geringe Mitsprache, wie
Strecke und merkt schnell, wenn etwas die Transporte in Deutschland organisiert werden. Wir setzen uns
nicht stimmt», sagt Baumberger. Bei für die Lieferung per Bahn ein, jedoch entscheidet die Volkswagen AG
­einem Zwischenfall würde er sofort die aufgrund von Preis, Leistung und Herkunft.
Leitstelle in Olten kontaktieren. Diese
Eine wie lange Bahnreise legen die Autos im Schnitt zurück?
plant nicht nur die Einsätze der Lokführer
Die Fahrt vom jeweiligen Produktionswerk bis nach Birrfeld inklusive
und Lokomotiven. Sie begleitet, steuert Pufferung in Basel beträgt im Schnitt sechs Tage. Die längste
und überwacht überdies die bis zu 100 Reisezeit haben die Waggons aus Pamplona in Nordspanien. Sie
Transitzüge, die an Spitzentagen von SBB sind durchschnittlich zehn Tage unterwegs.
Cargo International auf der Nord-Süd-
Achse gefahren werden. Warum setzt AMAG überhaupt auf die Bahn? Was sind die Vorteile
Rund zwölf Stunden dauert die Fahrt gegenüber der Strasse?
Die Bahn ist für uns ein zuverlässiger, preiswerter und ökologischer
von Ludwigshafen nach Gallarate bei Mai-
Verkehrsträger. Die Kapazitäten sind auch für grössere Mengen
land. Knapp die Hälfte der Zeit entfällt auf geeignet. Zudem setzt auch unser Partner in Deutschland, die Volks-
die Strecke durch die Schweiz. Schichtlei- wagen AG, wenn immer möglich auf die Schiene.
ter Thomas Galliker sagt zur Herausforde-
rung, die sich ihm und seinem Team stellt: Auch für die Teilelogistik, also die Auslieferung von Ersatzteilen,
«Wir sind verantwortlich, dass der Zug nutzt die AMAG für längere Distanzen die Bahn. Wofür konkret?
plangemäss von A nach B gelangt.» Bis zu Wir nutzen die Bahn für die Belieferung unserer regionalen Ersatz­
teillager im Tessin und in der Westschweiz ab unserem Teilelogistik-
vier Bildschirme flimmern auf dem Tisch
Center in Buchs ZH.
eines Disponenten. Sie erlauben ihm den
Überblick vom Güterzugs-Fahrplan bis zu Was ist bei dieser Distribution die eigentliche Stärke der Bahn?
Details der Fracht in den einzelnen Wag- Der grosse Vorteil ist die Nutzung der Nachtzeit. Dank dem täglichen
gons. Pünktlich trifft Baumberger nach Nachtsprung mit ein bis zwei Schiebewand-Güterwagen zwischen
zweieinhalb Stunden in Bellinzona ein Buchs und Crissier-Lausanne können Kunden in der Westschweiz bis
und übergibt den Güterzug an einen Tes- um 17 Uhr am Abend Ersatzteile bestellen, die sie dann am nächsten
Tag ausgeliefert bekommen.
siner Kollegen. In ein paar Jahren wird
die Fahrzeit dank der neuen Alpentrans- Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in Zukunft: Wird die Bahn
versale (NEAT) deutlich kürzer sein. für die Logistik von AMAG noch wichtiger?
Die Zukunft kündigt sich in Erstfeld Die weitere Entwicklung ist noch nicht genau absehbar. Ich gehe
und Bodio vor den Eingangsportalen des davon aus, dass das Auftragsvolumen stabil bleiben wird. Jedoch
Gotthard-Basistunnels an. Der Talboden muss sich auch unsere Logistik immer wieder den Anforderungen des
ist überstellt mit Werkstätten, Baracken, Marktes stellen. Entsprechend werden unsere Logistikpartner aufs
Neue gefordert sein, eine exzellente Leistung zu vertretbaren
Lastwagen und Baggern. Im Moment wird
Kosten zu erbringen. Die Bahn ist dazu gut aufgestellt – an uns soll
Bahntechnik in den Berg eingebaut: Die es nicht liegen.
Arbeiter verlegen die Gleise und installie-
ren Sicherheits- und Leittechnik. SBB
Cargo transportierte einen grossen Teil
des Aushubs für den 57 Kilometer >

SBB Cargo  2 | 2 013 7


3. Arth-Goldau: Lokführer Dominik Baumberger (links) löst seinen Kollegen Damian Schelbert ab.
4. Gotthard-Basistunnel: Göschenen wird durch die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) entlastet.
langen Tunnel. Die rund 25 Millionen
Tonnen entsprechen dem fünffachen Vo-
lumen der ägyptischen Cheops-Pyramide.

Sauberer Strom aus den Bergen


Der neue Gotthard-Basistunnel wird,
wenn er im Dezember 2016 eröffnet wird,
die Reisezeit um mehr als eine Stunde ver-
kürzen. Davon soll nicht nur der Perso-
nen-, sondern auch der Güterverkehr pro-
fitieren. Beim Bundesamt für Verkehr
hofft man, dank des Basistunnels die bis
2030 prognostizierte Verdoppelung des
Güterverkehrs auf der Achse Rotterdam–
Genua auf der Schiene auffangen zu kön-
nen. Ob der neue Tunnel zum Meilenstein
in der Verlagerungsstrategie wird, hängt
auch von verschiedenen politischen Ent-
scheiden ab. Notwendig ist etwa der Aus-
bau von Zufahrtsstrecken. Unverzichtbar
sind durchgehende Viermeterkorridore
für den Transport der Auflieger oder
Wechselbrücken von Sattelschleppern.
Diese machen auf der Nord-Süd-Achse 60
Prozent der Nutzfahrzeuge aus.
Mit der Eröffnung des Gotthard-Basis-
5. Cadenazzo: Das neue Umschlagterminal zwischen Bellinzona
und Locarno bietet alles auch für den kombinierten Verkehr. tunnels wird die Nachfrage nach Strom
deutlich steigen. Um den zusätzlichen Be-
darf südlich des Gotthards abzudecken,
will die SBB zusammen mit der Azienda
Elettrica Ticinese (AET) das Kraftwerk
Ritom erneuern. Geplant sind bis 2018
zwei neue Turbinen von je 60 Megawatt
Leistung. Sie werden vier deutlich schwä-
chere Turbinen ersetzen. Die entspre-
chenden Druckleitungen, die eine Fall­
höhe von 850 Metern nutzen, sind als
auffällige Schneise im Schutzwald bei
Ambrì weithin sichtbar. Parallel zu den
mächtigen vier grünen Röhren führt ein
Bahngleis nach oben. Mit bis zu 87 Pro-
zent Steigung fährt hier eine der steilsten
Standseilbahnen der Welt hinauf in die
Nähe des Ritomsees.
Ein Stausee speist seit Jahrzehnten
das Kraftwerk unten im Tal. Mit einer
Leistung von 44 Megawatt gehört es zu
den kleineren der insgesamt sechs Was-
serkraftwerke der SBB. Mit dem geplanten
Ausbau wird es aber an Bedeutung gewin-
nen. Bis spätestens 2025 sollen alle Züge,
so die Energiestrategie der SBB, mit Strom
aus erneuerbaren Quellen fahren. Heute
beträgt der Anteil nachhaltig produzierter
Energie bereits 80 Prozent.
Vier Gleise, drei Schotterbette, zwei
Betonrampen und ein kleines Betriebs‑
gebäude: Vor einem Jahr wurde im In‑
dustriegebiet von Cadenazzo 5. das neue
Umschlagterminal eröffnet. Luca Bogana
6. Chiasso: Obschon im Güterverkehr immer mehr ganze Zugskompositionen
von Nord- nach Südeuropa verschoben werden, spielt der Grenzbahnhof als
Rangierknoten weiterhin eine wichtige Rolle.
 Cargoland Schweiz

steuert den Reachstacker, der Container tungen, die für die Abwicklung des Güter- Zahlen und Fakten
bis zu vierzig Tonnen zu heben vermag, an verkehrs am Grenzbahnhof Chiasso nötig
einen Waggon heran. Der Koloss erinnert sind», sagt Leiter Marcelino Mantilla. Seit
an einen Tintenfisch, auch wenn er nicht dem Beitritt der Schweiz zum Schengener
Wettbewerbsfähig
zehn, sondern nur vier Arme ausfahren Abkommen 2008 ist zwar vieles einfacher ab 100 Kilometern
kann. Diese umklammern einen Contai- geworden. Davon profitieren vor allem die
ner, hieven ihn in die Luft und bugsieren rund 120 Transitzüge, die hier täglich Schweizerische Rheinhäfen:
ihn mit einem Viertelschwenker vorsich- durchfahren. Doch im Import-/Exportver- 12 Prozent des Warenimports in die
tig auf einen Lastwagen. Die Fracht, die kehr zwischen der Schweiz und Italien Schweiz oder rund 6,2 Mio. Tonnen
nun ein Chauffeur von Galliker-Logistik werden die Güter weiterhin an der Grenze wurden 2012 in den Schweizerischen
im Tessin feinverteilen wird, ist am Mor- kontrolliert. Im Gebäude von SBB Cargo Rheinhäfen (SRH), umgeschlagen:
gen mit einem Zug aus dem Rangierbahn- haben auch die Beamten der Guardia di Mehr als die Hälfte des benötigten
Erdöls, grosse Mengen an Massen-
hof Limmattal eingetroffen. Weitere Con- Finanza ihre Büros. «Wir führen stets
gütern wie Nahrungs- und Futter­
tainer warten auf die Tentakel der mobilen Sichtkontrollen und gelegentlich Stich- mitteln, Dünger, Aluminium, Eisen,
Umschlagmaschine: Gelb leuchtende von proben bei den Ladungen durch», verrät Stahl und Buntmetallen, Zellstoffen
Post Logistics zum Beispiel, oder mit der italienische Zollverantwortliche. und chemischen Erzeugnissen.
Zwiebeln, Käse, Tomaten und Salat deko- Aufwand verursachen an der Grenze
rierte von McDonald’s. Auch die Fastfood- auch die unterschiedlichen eisenbahn- Alpenquerender Güterverkehr:
kette setzt beim Transport ihrer Kühlcon- technischen Vorschriften der beiden Län- Schon heute rollen rund 65 Prozent
des Güterverkehrs durch die Schwei-
tainer auf die Schiene. der. Dabei geht es vor allem um Sicher-
zer Alpen über die Schiene, mehr-
heitsaspekte. Für den Transport von heitlich im kombinierten Verkehr,
Gefahrgut etwa gelten in Italien andere ein kleinerer Teil im Wagenladungs-
«Die neue Umschlags- Bestimmungen als in der Schweiz. Nicht verkehr. Der Marktanteil der Schiene
zuletzt sorgt in Chiasso eine achtköpfige
philosophie müssen viele Leitstelle für den möglichst reibungslosen
im alpenquerenden Güterverkehr
beträgt in Österreich 30 Prozent,
erst noch entdecken.» Einsatz von Menschen und Maschinen. in Frankreich 10 Prozent.
Das von Franz Hurschler geleitete Team
Giorgio Biasca Vernünftiger Energieverbrauch:
arbeitet dabei eng mit der Zentrale von Mit lediglich 4 Prozent Anteil am
SBB Cargo, mit DB Schenker und anderen Energieverbrauch des Verkehrs
Ein Jahr nach der Eröffnung sind die vier Bahnunternehmen sowie mit SBB Infra- transportiert die SBB 17 Prozent der
je 220 Meter langen Gleise zwar noch struktur zusammen. Menschen und 38 Prozent der Güter
nicht ausgelastet. Aber Giorgio Biasca, der Obschon im Güterverkehr immer in der Schweiz. Zusätzlich leisten
mit einem Dutzend Leuten das neue Ter- mehr ganze Zugskompositionen von SBB und SBB Cargo dank der
umweltfreundlichen Gewinnung des
minal betreut, macht sich keine Sorgen. Nord- nach Südeuropa verschoben wer-
Schweizer Bahnstroms aus Wasser-
«Wir haben mit einer gewissen Anlaufzeit den, spielt der Grenzbahnhof als Rangier- kraft (80 12) einen erheblichen
gerechnet», sagt er. Die neue Umschlags- knoten weiterhin eine wichtige Rolle. Beitrag an den Klimaschutz in der
philosophie müssten viele Unternehmen Rund 60 Güterzüge, die hier neu gebün- Schweiz.
eben erst noch entdecken. Cadenazzo bie- delt werden, verlassen täglich den Bahn-
tet den Transporteuren und Spediteuren hof. Die Transitzüge wiederum schalten,  arktführerin SBB Cargo:
M
jedenfalls alle für den kombinierten Ver- wenn sie nach fünf bis sechs Stunden die SBB Cargo hat einen Anteil von
23 Prozent an der gesamten Trans­-
kehr notwendigen Umschlagmöglichkei- Schweiz passiert haben, an der Grenze
portleistung auf Schiene und
ten. Und der Wirtschaftsraum zwischen zwecks Lok- und Lokführerwechsel einen Strasse. Sie ist damit das grösste
Bellinzona und Locarno hat einen um- rund einstündigen Zwischenhalt ein. Gütertransportunternehmen der
weltfreundlichen Anschluss an die übri- Visiteur Elvis Corti schreitet Wagen Schweiz.
gen Umschlagplattformen in der Schweiz für Wagen ab, kontrolliert den techni-
erhalten. schen Zustand, Bremsen und Profile. Der- Wettbewerbsfähiger Güterverkehr:
Cadenazzo ist nicht nur Umschlagter- weil tauschen der Wagenkontrollbeamte Die Wahl des Transportmittels im
Güterverkehr ist in hohem Masse
minal für Container. Cadenazzo ist auch Sandro Brazzola und der Lokführer vorne
vom relativen Preisniveau zwischen
einer von 374 Bedienpunkten im Wagen­ bei der Lokomotive noch ein paar Worte. Schiene und Strasse abhängig. In
ladungsverkehr in der Schweiz, den SBB Dann gibt Brazzola das Signal zur Ab- der kleinräumigen Schweiz muss der
Cargo und die anderen Bahnen regel­ fahrt. Pünktlich nimmt der mit Eisen- Schienengüterverkehr bereits auf
mässig anfahren. Dieses Transportsystem bahnschienen beladene Zug Fahrt auf. kurzen Strecken ab 100 Kilometern
ist für die Schweiz wichtig. Das Netz ist wettbewerbsfähig sein.
auch im europäischen Vergleich sehr dicht.
Effizienter Transport:
Ein Güterzug aus Bologna wartet vor
Die effizienteste Transportart im
dem Kompetenzzentrum von SBB Cargo kombinierten Verkehr ist der   Contai-
in Chiasso 6. auf die Weiterfahrt. Die tech- ner- und Wechselbehälterverkehr,
nische Kontrolle ist eine der vielen Aufga- vor demjenigen von Sattelaufliegern
ben eines Grenzbahnhofs. «Wir bieten und von kompletten Lastwagen
den Bahnverkehrsunternehmen alle Leis- (Rollende Landstrasse, RoLa).

SBB Cargo  2 | 2 013 11


Facts & Figures

Faszination Cargo
Die Dimensionen des über die Schweiz abgewickelten
­Gütertransports sprengen oft jede Vorstellungskraft.
­Folgende Vergleiche helfen, sie besser zu verstehen.

425
Jumbojets

Das Gewicht, das SBB Cargo jeden Tag ­transportiert,
entspricht dem Gewicht von 425 voll beladenen
Jumbojets*, näm­lich 175   0 00 Tonnen. Jährlich bewegt
SBB Cargo 43  700  0 00 Tonnen Güter.
* Boeing 747 - 4 00

16  

6,5 
Fussballfelder
Um einen Getreidewagen von 66 Tonnen zu

Frachter füllen, sind 16 Fussballfelder à 6500 m 2 Getreide


nötig. Daraus lassen sich über 1  300  0 00 Brötchen
backen – damit könnte man die Bevölkerung der
Containerschiffe sind die Giganten der Weltmeere. Stadt Luzern für gut zwei Wochen mit Frühstück
Illustration: Hansjakob Fehr, 1Kilo

Das derzeit grösste Transportschiff fasst gut versorgen.


16  0 00 TEU. Fast 6,5 Frachter sind nötig, um die
Anzahl TEU zu transportieren, die jährlich über
die Schweizerischen Rheinhäfen laufen.

12 SBB Cargo  2 | 2 013


 Facts & Figures

79  2 0 0   a rg o ru n
km
d 7 9  2 0 0
K ilomete
le g e
r weit –
n d ie Wa
gen
Z ü g e v on S B B C g e l. Je d e Woche o n d z u rü ck .
ä g li c h fa h ren d ie w e im a l d ie Erd k u r Erde bis zu m M r w e it .
T it z n z v on de ilomete
nden som d ie Dista illionen K
u nd u m ru C a rg o
Ca rgo 2 8 ,9 M
v on S B B e v on S B B
u nd L ok s n d ie Züg
h r fa h re
P ro Ja

600  km

100 000 
Von Basel bis nach Venedig würde man


kommen, wenn man sämtliche Container
aneinanderreihen würde, die pro Jahr im
Import und Export über die schweizerischen
Rheinhäfen abgewickelt werden.

Container
Im Import und Ex­port werden jährlich rund 100  0 00
Container* über die schweizerischen Rheinhäfen in Basel
abgewickelt. Würde jeder Container mit einem einzelnen
Lastwagen transportiert, so müsste alle fünf Minuten
ein Lastwagen die Landesgrenze passieren – rund um die
Uhr während 365 Tagen.
* Die Masseinheit eines Standardcontainers heisst TEU. 1 TEU entspricht
einer sogenannten Twenty-foot Equivalent Unit und entspricht einem
Container von 20 Fuss Länge und 8 Fuss Breite ( 2 ,4 x 6 m ) und einem
Volumen von 33 m3 .

1000
Haushalte
Ein Ölwagen von ChemOil, einer Tochter
von SBB Cargo, fasst 65  0 0 0 Liter. Um einen
Öltanker zu leeren, sind drei Züge mit
gefüllten Wagen mit einem Fassungsvermö-
gen von 3  510  0 00 Litern nötig. Mit dieser
Menge Öl könnte man 1000 Haushalte ein
ganzes Jahr lang heizen.

Sonder
aus­stellung
-
Verke
SBB Cargo im Verkehrshaus Luzern h rs
Lu z e r h a u s
n

Bis zum 20. Oktober 2013 ist SBB Cargo – zusammen mit Schulklassen und Jugendliche haben die Möglichkeit, die
anderen Firmen aus dem Transport- und Logistikbereich – Berufe im Transport- und Logistiksektor kennenzulernen.
Teil der Sonderausstellung «Cargo – Faszination Trans- Erwartet werden insgesamt rund 350 000 Besucher.
port» im Verkehrshaus Luzern. In 40 Containern können
auf spielerische Weise die Zusammenhänge und Hinter-
gründe erlebt werden. Anhand konkreter Beispiele http://bit.ly/11HH3Tf
wird aufzeigt, wie die globale Transportkette funktioniert. Video über die Ausstellung im Cargo-Blog.

SBB Cargo  2 | 2 013 13


Interview

Direktor des Bundesamts für Verkehr

«Peter
Füglistaler,
wie wird die
Güterbahn
konkurrenz-
Foto: Peter Schneider / Keystone

fähiger?»
14 SBB Cargo  2 | 2 013
 Interview

Die Bahn hat im Güter­ Der Schweiz ist es als einzigem Alpen- wir dem Parlament eine Vorlage unter-
land im Nord-Süd-Transit gelungen, den breiten, die diese Finanzierung beinhal-
ver­kehr europaweit Schwerverkehr mengenmässig zu stabi‑ tet. Italien und die Schweiz haben ein
einen schweren Stand lisieren. Dank der Verlagerungspolitik entsprechendes «Memorandum of Under-
können wir pro Jahr rund 600  0 00 Last- standing» unterzeichnet. Mit dazu gehört
gegenüber der Strasse. wagenfahrten durch die Schweizer Alpen der Bau eines zusätzlichen Terminals
Im Transit durch die vermeiden. Der Bundesrat hat aber schon östlich von Mailand. Zusammen mit
Schweizer Alpen ist sie vor zwei Jahren gesagt, dass mit den gel- den Streckenanpassungen in der Schweiz
tenden gesetzlichen Möglichkeiten das geht es um ein Projekt von fast einer Mil-
aber die Nummer 1. «Das Ziel von 650  0 00 Fahrten nicht zu errei- liarde Franken. Das zeigt den Willen der
wird auch so bleiben», chen sei. Das ist jedoch keine Absage an Schweiz, die Verlagerung voranzutreiben.
die Verlagerungspolitik. Deshalb planen
sagt Peter Füglistaler, wir neue Impulse. Wie steht es mit dem Ausbau der Zulauf‑
Direktor des Bundesamts strecken in Deutschland?
Um die Alpentransitbörse, die die Fahr– In den letzten zwei Jahren gab es deut­
für Verkehr. Dazu braucht ­tenzahl beschränken würde, ist es liche Fortschritte. Es wurde ein Projekt-
es Impulse und neue aber ruhig geworden. Ist sie vom Tisch? beirat eingesetzt, der die Anliegen der
Infrastrukturen. Wir sind weiterhin im Gespräch mit der Anwohner aufnimmt. Gewisse Ausbauten
Europäischen Union, um solche steuern- kommen nun voran, so dass die nötigen
den Instrumente umsetzen zu können. Kapazitäten schrittweise bis 2025 zur
Die Akzeptanz ist aber sehr gering. Der Verfügung stehen werden.
Zeitpunkt für eine mögliche Umsetzung
ist nicht absehbar.

Somit spielen die neuen Infrastrukturen «Wir wollen den Anteil


eine umso grössere Rolle. Was verspre‑ der Schiene auf diesem
chen Sie sich vom Gotthard-Basistunnel
und vom Viermeterkorridor für den
hohen Wert halten.»
Bahngüterverkehr, die 2016 bzw. 2020
er­öffnet werden sollen?
Der Gotthard-Basistunnel wird zusam- Der Bundesrat erhöht die Schweizer
men mit dem Ceneri-Basistunnel die Trassenpreise in zwei Schritten. Er
Flachbahn durch die Alpen realisieren. verteuert damit den Bahngüter­verkehr.
Das wird die Wettbewerbsfähigkeit der Ein Widerspruch zur angestrebten
Text: Peter Krebs
Schiene steigern. Dank des Korridors Verkehrsverlagerung?
Im alpenquerenden Transitgüterver‑ werden ab 2020 Lastwagen bis vier Meter Auch für die Bahn gilt die Kostenwahr-
kehr gilt die Schweiz als Vorbild. Eckhöhe und 700 Meter lange Güterzüge heit. Die ungedeckten Infrastruktur­
Die Schiene hat einen Marktanteil von von Rotterdam bis in die Terminals nach kosten der Bahn betrugen 200 Millionen
über 60 Prozent. Warum ist der Modal Mailand verkehren können. Davon ver- Franken. Der Güterverkehr musste davon
Split deutlich höher als von Frankreich sprechen wir uns einen weiteren deutli- nur 20 Millionen Franken tragen. Zudem
und Österreich nach Italien? chen Produktivitätsfortschritt. haben wir die Trassenpreise differen-
Peter Füglistaler:  Das ist eine Folge der ziert. Wer ausserhalb der Spitzenzeiten
konsequenten schweizerischen Verlage- Wie wird sich das auf den Modal Split fährt und lärmarmes Rollmaterial ver-
rungspolitik. Verschiedene Elemente tra- auswirken? wendet, kommt günstiger weg. Zu erwäh-
gen dazu bei, insbesondere die leistungs- Wir gehen davon aus, dass wir die Last- nen ist auch, dass das Bundesamt für
abhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA), wagenfahrten bei etwa 1,2 Millionen Fahr‑ Verkehr den Bahnstrom für den Güter-
das Nacht- und Sonntagsfahrverbot auf zeugen pro Jahr stabilisieren können und und Regionalverkehr per Anfang 2013 um
der Strasse, die Förderung des Kombi- dass die Schiene den grössten Teil des 10 Prozent reduziert hat.
nierten Verkehrs und die Markt­öffnung zu erwartenden Wachstums übernehmen
auf der Schiene. Wir wollen den Anteil kann. Für Lärmschutz im Bahnverkehr hat
der Schiene weiter auf diesem hohen der Bund viel Geld in die Hand
Wert halten. Der Bundesrat will auch den Aus­­­­bau genommen. Hat die Schweiz auch hier
der beiden Zulaufstrecken in Italien eine Vorreiterrolle inne?
Laut Gesetz sollen bis 2018 höchstens mitfinanzieren: zwischen Mailand und Wir sind weit voraus. Den nationalen Wa-
650  000 Lastwagen über die Schweizer ­Chiasso sowie auf der Luino-Linie. genpark haben wir schon weitgehend auf
Alpenpässe fahren. Letztes Jahr waren Macht Italien da mit? lärmarmes Material umgestellt. Ab dem
es immerhin noch über 1,2 Millionen. Italien sieht die Bedeutung von guten Jahr 2020 wollen wir als erstes Land
Die Schiene hat sogar Verkehrsanteile Bahnlinien in seinem Hauptmarkt nach lärmige Güterwagen verbieten. Davon
verloren. Welche neuen Impulse braucht Deutschland. Es verfügt aber nicht über werden auch die Anwohner nördlich und
die Verlagerung? ausreichend Geldmittel. Deshalb werden südlich der Schweiz gratis profitieren. >

SBB Cargo  2 | 2 013 15


Interview

Die fünf Säulen im


Güterverkehr
1.  2. 3. 4. 5.
Der Auftrag LSVA Die Neat Viermeter- Nacht- und
Laut der Bundesverfas- Die Schweiz erhebt die Die neuen Eisenbahn-
korridor Sonntags-
sung, dem Schweizer leistungsfähige Schwer-
verkehrsabgabe LSVA
Alpentransversalen
bestehen aus zwei
Auf der Gotthardachse fahrverbot
Grundgesetz, muss der ist es bisher nicht
Gütertransitverkehr von seit dem Jahr 2001. Sie Achsen mit zwei langen In der Schweiz existiert
möglich, die immer
der Strasse auf die wurde in Absprache mit Basistunneln. Jener für den Güterverkehr auf
beliebteren Sattelauf­
Schiene verlagert der EU eingeführt, wobei durch den Lötschberg ist der Strasse ein Nacht-
lieger und Container mit
werden. Das Verlage- die Schweiz gleichzeitig seit 2007 in Betrieb. Der und Sonntagsfahrverbot.
vier Metern Eckhöhe zu
rungsgesetz konkretisiert die Gewichtslimite Gotthard, der längste Das schont den Schlaf
transportieren. Ein
diesen Auftrag. Es von 28 auf 40 Tonnen er­- Tunnel der Welt (57 km), und die Gesundheit der
durchgehender Korridor
limitiert die Anzahl der höhte. Die LSVA gilt auch wird 2016 eröffnet. Die Anwohner von stark
soll für 940 Millionen
Lastwagenfahrten durch im Binnenverkehr. Schweiz finanziert die befahrenen Strassen und
Franken realisiert werden,
die Alpen. Neat alleine. ist für die Bahn ein
wenn das Parlament die
Finanzierung gutheisst. wichtiger Wettbewerbs-
vorteil.

Wir erachten das für die Akeptanz der Die Interoperabilität ist ein altes gen. Wir unterstützen diese Absicht. Eine
Verlagerungspolitik als sehr wichtig. Der Sorgenkind. Warum gibt es in Europa Machbarkeitsstudie wird zeigen, wie rea-
Lärm bedeutet das grösste Umweltpro­ immer noch kein einheitliches Zug­ listisch sie tatsächlich ist. Es handelt sich
blem der Schiene. sicherungssystem? um ein System mit relativ kleinen Palet-
Nachdem sich auch Deutschland entschie- ten, die auch vergleichsweise langsam un-
Am Gotthard will der Bundesrat eine den hat, das internationale Zugkontroll- terwegs sein werden.
zweite Strassentunnelröhre, damit die system ETCS einzuführen, naht der Zeit-
erste saniert werden kann. Die Gegner punkt, an dem Züge und Lokomotiven mit Ab dem Fahrplanwechsel 2013/2014
befürchten einen Wettbewerbsvorteil für nur noch einer Sicherung quer durch wird SBB Cargo im alpenquerenden
die Strasse. Wie beurteilen Sie das? ­Europa fahren können. Das war ein lan- Verkehr einen grossen Kundenauftrag
Die Verlagerungspolitik hängt nicht da- ger, schwieriger Weg, aber er ist absolut über­nehmen, den bisher die BLS Cargo
von ab, wie man diesen Strassentunnel notwendig. ausführte. Wie beurteilen Sie diese
saniert. Wir konnten das Verkehrsauf- Entwicklung?
kommen stabilisieren, obschon es im Meine persönliche Haltung ist zwiespäl-
Strassentunnel meistens freie Kapazitä- «Der Gotthardtunnel ist tig. Grundsätzlich herrscht freier Wett­
ten hat. Der Gotthardtunnel ist nicht der bewerb, das ist politisch so gewollt. Mir
Engpass auf der Nord-Süd-Achse. Er ist nicht der Engpass auf der wäre es aber lieber, wenn man die Güter
nur zu den Ferienzeiten überlastet. Nord-Süd-Achse.» von der Strasse auf die Schiene holen
könnte, statt dass sich zwei Schweizer
Welchen Beitrag können die Bahnen Bahnunternehmen mit sehr harten finan-
leisten, damit sie konkurrenzfähiger Das neueste Schweizer Projekt heisst ziellen Bandagen bekämpften. Ich hoffe,
werden? «Cargo sous terrain». Experten dass dieser Wechsel sich für beide Bahn-
Am wichtigsten sind die Kundenorientie- schlagen vor, den Güterverkehr auf unternehmen auch langfristig finanziell
rung und die Verlässlichkeit. Die Angebo- den Hauptstrecken unter die Erde rechnet.
te im Güterverkehr müssen die Bedürf- zu verlegen: auf eine vollautomatische
nisse der Kunden erfüllen und zuverlässig Autobahn. Ein Pionierprojekt oder
abgewickelt werden. Vor allem im grenz- eine Utopie?
überschreitenden Verkehr gibt es noch zu Es ist im Moment eine Idee, um den wach-
viele Probleme und Unzulänglichkeiten. senden Binnengüterverkehr zu bewälti-

16 SBB Cargo  2 | 2 013


 Essay

«Logistik trägt zum Wohlstand bei»


Essay von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle über die rosigen Zukunftsaussichten

B is vor wenigen Jahren erahnten nur Experten


das Potenzial des Schweizer Logistikmarkts. In
der Bevölkerung hingegen wurde dieser kaum
oder nur negativ wahrgenommen, Letzteres vor allem
in Gestalt des Güterverkehrs mit seinen Schadstoff-
zent des gesamtschweizerischen Transportaufkom-
mens entspricht. Insgesamt betrug Letzteres in der
Schweiz im Jahr 2011 454 Millionen Tonnen (inklusive
Import-, Export-, Transit- und Binnenverkehren). Die
Strasse stellt mit einem Anteil von 78 Prozent den be-
und Lärmemissionen oder als Belastung für die Infra- deutendsten Verkehrsträger dar, gefolgt von der Schie-
struktur. Heute gilt eine leistungsfähige Logistik als ne mit einem Anteil von 14 Prozent. Rohr­leitungs- und
Garant für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Schiffsverkehre haben einen Anteil von 4 Prozent bzw.
und als wichtiger Standortfaktor für den Werk- und 3 Prozent, Luftverkehre unter 1 Prozent.

Z
Handelsplatz Schweiz. Der Material- und Warenaus-
tausch wird national ebenso wie international mass- unehmende Kapazitätsengpässe im schweize-
geblich von der Logistik bewältigt. Insofern stellt die rischen Strassen- und Schienennetz sind eine
Logistik das Blut im Wirtschaftskreislauf dar – und Herausforderung, der sich sämtliche Akteure
der Logistikmarkt den Blutkreislauf. Denn letztlich des Schweizer Logistikmarkts stellen müssen. Diese
profitieren alle Konsumenten von vollen Regalen. Lo- lassen sich einerseits auf das in den vergangenen Jah-
gistik trägt ohne Zweifel zum Wohlstand bei und ren ständig gewachsene Transportvolumen zurück-
übernimmt damit eine wertschöpfende Funktion in führen, andererseits ist der Strassengüterverkehr auf-
der Schweizer Wirtschaft. In der Schweiz sind derzeit grund des Nachtfahrverbots auf den Tag beschränkt.
rund 172  600 Mitarbeiter in der Logistik beschäftigt. Hinsichtlich Nachttransporte besitzt die Schiene ge-

B
genüber der Strasse einen klaren Vorteil, jedoch steht
asierend auf der jüngsten Logistikmarktstudie der Schienengüterverkehr in zunehmender Konkur-
Schweiz 2013 wies die Schweizer Logistik 2011 renz zum Personenverkehr auf der Schiene. Aufgrund
ein wertmässiges Marktvolumen von 37,1 Mil­ unterschiedlicher Geschwindigkeitsprofile und Takt-
liarden Franken auf, was gemessen am Bruttoinland- zeiten sowie der Priorisierung von Personen- gegen-
produkt (BIP) der Schweiz 6,3 Prozent ausmacht. über Güterzügen sind künftige Engpässe absehbar.

Z
­Berücksichtigt sind dabei Gütertransporte im Bin-
nenverkehr, im Import und Export sowie im Transit. wei Megatrends sorgen dafür, dass die Zukunft
Massgeblich für die Erfassung ist, dass eine Logistik­ für den Logistikmarkt und speziell für den
leistung auf Schweizer Territorium erbracht wird. ­Güterverkehr rosig aussieht. Erstens wird der
­Zudem werden die Kernleistungen Umschlagen und Logistikmarkt im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung
Lagern, ergänzt um Kommissionieren und Ver­ durch weiterhin abnehmende Wertschöpfungstiefen
packen, sowie die Mehrwertdienstleistungen pro und die damit einhergehende zunehmende Arbeits-
Marktsegment ermittelt. Nicht berücksichtigt sind teiligkeit in der Schweiz überproportional steigen.
hingegen ­ aufgrund von Abgrenzungsproblemen Zweitens bedarf es eines breit abgestützten Konsen-
produktions­logistische Aktivitäten seitens der Indus- ses, um auch die Wohlfahrtsbeiträge der Logistik kla-
trie, so dass das gesamte Marktvolumen gar noch hö- rer zu kommunizieren und eine Priorisierung knap-
her liegen dürfte. per öffentlicher Mittel vornehmen zu können. Dies

W
würde ein «Masterplan Mobilität Schweiz 2050»
ertmässig stellt die Stückgutlogistik den leisten: ein integrierter Gesamtverkehrsplan unter
­
grössten Teilmarkt dar. Ein anderes Bild Berücksichtigung des Personenverkehrs, der die
zeigt sich bei mengenmässiger Betrach- Verkehrsträger gemeinsam als Verkehrssystem be­ -
tung: Demnach entfallen etwa 190 Millionen Tonnen leuchten und die Bundes-, Kantons- sowie Gemeinde-
auf den Teilmarkt der Massengutlogistik, was 42  Pro- ebene mit einbeziehen müsste.

Prof. Dr. Wolfgang Stölzle ist seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement
an der Universität St. Gallen. Er erforscht komplexe Problemstellungen der Logistik,
Foto: zVg

des Supply Chain Management und des Verkehrs. Wissenschaftliche Mitarbeit: Kerstin Lampe.

SBB Cargo  2 | 2 013 17


Reportage

Michael Schildknecht, Der Joystick, der per Funk mühelos


Spezialist regionale Cargo-Produktion
2000 PS dirigiert, das neue iPad
im Führerstand und ein Handy, das im

Wie von Notfall selbständig die Ambulanz


­alarmiert – auf Schweizer Rangierbahn-
höfen kommt modernste Elektronik

Geisterhand zum Einsatz. Ein Besuch bei


RCP-Spezialist Michael Schildknecht
in Romanshorn zeigt die Gegenwart

bewegt und Zukunft des Rangierens.

18 SBB Cargo  2 | 2 013


 Reportage

Text und Fotografie: Jean-Pierre Ritler

Ein kühler Dienstagmorgen auf dem Ran-


gierbahnhof von Romanshorn. Es regnet,
der nahe Bodensee liegt träge unter dem
Nebel. Michael Schildknecht schiebt lang-
sam den Joystick seiner Fernbedienung
nach vorne. Die blau-rote Lokomotive er-
wacht brummend zum Leben, setzt sich
wie von Geisterhand geführt in Bewegung
und schiebt zwei Güterwagen sanft zu-
sammen. Was klingt wie das Spiel eines
kleinen Jungen mit seiner Eisenbahn, hat
in Wahrheit ganz andere Dimensionen:
Michael Schildknecht ist 33 Jahre alt und
die Lokomotive ist eine Am 843 – 80 Ton-
nen schwer und über 2000 PS stark. Doch
der kleine Joystick bewegt den Koloss prä-
zise wie eine Spielzeuglok.
Die Funkfernsteuerung ist nur eines
der elektronischen Geräte, die immer
mehr Einzug in die vormals rein manuelle
Welt des Rangierens Einzug gehalten
haben. Wenn Michael Schildknecht im
Führerstand sitzt, liegt vor ihm ein iPad,
auf dem sämtliche Sicherheitsdokumente
abgespeichert ist. In der Tasche hat
Schildknecht ein Notfallhandy, das ihm
auto­matisch das Leben retten kann, und
die Daten der Güterwaggons erfasst er mit
einem mobilen Eingabegerät.

Der Stolz des Lokführers


Als Michael Schildknecht vor 16 Jahren
seine Lehre als SBB-Betriebsangestellter
abschloss, konnte man von solchen Ent-
wicklungen nur träumen. Die Zukunft be-
gann im Juli 2004 mit der Einführung der
Links:  Mit einem Fingerdruck steuert RCP-Spezialist Schildknecht die 80 Tonnen schwere Am 843. Am 843, die standardmässig mit einer
Oben:  Die Daten jedes Waggons werden mobil erfasst und per Handynetz an die Zentrale übermittelt. Fernsteuerung ausgerüstet war; danach
kamen laufend weitere elektronische Ge-
räte dazu.
«Zum Glück wurde die neue Technik
langsam und stufenmässig eingeführt»,
erklärt Schildknecht. «So konnten auch
ältere Kollegen mit der Entwicklung gut
Schritt halten.» Allerdings gibt er zu:
«Von nichts kommt nichts. Man muss
schon hinter die Bücher und sich da rein-
knien.» Doch das Erreichte befriedigt
auch. «Vor allem die Fernsteuerung, das
kann nicht jeder. Man muss viel lernen
und abschliessend eine Prüfung beste-
hen. Dazu braucht es eine hohe Eigen­
verantwortung – und natürlich ist man
dann auch stolz darauf», sagt Schildknecht
zufrieden.
Die Vorteile der neuen Technik liegen
auf der Hand: «Heute macht man vieles
alleine, wozu früher zwei oder drei >

SBB Cargo  2 | 2 013 19


Reportage

Personen nötig waren», sagt der Lokfüh- um seinen Besitzer im Notfall automa- Die klugen Helferlein
rer aus Oberaach (TG). «Zuvor war es ab- tisch lokalisieren zu können. Bleibt der
solut nicht möglich, alleine Züge zu ver- Bewegungssensor im Gerät zwei Minuten
schieben. Da musste immer mindestens lang regungslos, schickt das Handy per
einer bei den Wagen sein und ein anderer SMS automatisch einen Alarm an die Not-
die Lokomotive steuern.» Heute steht der fallzentrale in Zürich-Kloten. Gleichzeitig
Lokführer mit seiner Fernbedienung dort, wird eine Telefonverbindung aufgebaut.
von wo er den Fahrweg am besten be­ Antwortet der Besitzer nicht, wird sofort
Funkfernsteuerung
obachten kann. die Ambulanz losgeschickt. Zudem kann Der Traum jedes Jungen:
der Mitarbeiter per einfachen Knopfdruck Mit der Funkfernsteuerung werden
Hohe Sicherheitsanforderungen auch manuell den Alarm losschicken. tonnenschwere Lokomotiven
Die neue Technik stellt hohe Anforderun- per Fingerdruck bewegt.

gen an die Sicherheit. Wenn ein Mensch Mobil statt Büro


ganz alleine tonnenschwere Züge bewegt, Michael Schildknecht hat inzwischen meh-
muss jedes Risiko ausgeschaltet werden. rere Güterwaggons angekoppelt, verscho-
So darf die Funkfernsteuerung nur an ben, wieder neu zusammengestellt. Die
Standorten benutzt werden, die einen um- Daten jedes neuen Wagens erfasst er mit
fassenden Sicherheitscheck bestanden ha- einem mobilen Gerät. Das sogenannte
ben. Unübersichtliche Bahnübergänge, zu Wobo sendet die Daten per Handynetz an
Wobo
viele Zugsbewegungen oder enge Gleis­ einen zentralen Rechner. So kennen alle Mobiles Büro: Mit dem elektronischen
radien stellen ein Risiko dar und verhin- Beteiligten bei SBB Cargo in Echtzeit die Eingabegerät werden die Daten
dern den Einsatz. Details der Zugsformationen, deren Länge, jedes Waggons in Echtzeit an den
Auch für die Sicherheit der Mitarbeiter wo Gefahrengut gelagert ist und welche zentralen Computer übermittelt.

mussten neue Lösungen gefunden wer- Rangiervorschriften für die einzelne Wag-
den. Wer alleine unterwegs ist, muss sich gons gelten. «Das musste ich früher von
regelmässig melden oder ein Notfallhandy Hand aufschreiben und dann später im
bei sich tragen. Der elektronische Lebens- Büro im Computer eintippen. So ein mobi-
retter verfügt über einen empfindlichen les Gerät erleichtert die Arbeit enorm»,
Bewegungssensor und eine GPS-Ortung, freut sich RCP-Spezialist Schildknecht.
iPad
Elektronik statt Papierberge:
Im persönlichen iPad sind sämtliche
Sicherheitsdokumente gespeichert,
die man für das Fahren auf einer
Lokomotive braucht. Die Vorschrift
verlangt, dass die Sicherheits-
dokumente in zweifacher Ausführung
verfügbar sind. Daher gibt es im
Führerstand zusätzlich einen Laptop
mit den gleichen Daten.

Notfallhandy
Der kleine Lebensretter: Ist das
Notfallhandy zwei Minuten
lang regungslos, ruft es automatisch
nach Hilfe und zeigt dank eingebauten
GPS den genauen Standort
des Besitzers an.

LEA Cargo
Immer auf dem aktuellen Stand: Dank
des «Lokführer Electronic Assistant»
mit Online-Zugang hat der Lokführer
Dank der Funkfernsteuerung kann Michael Schildknecht die Züge alleine zusammenstellen. Zugriff auf alle nötigen Daten
Früher brauchte es dafür mindestens zwei Personen. wie Fahrpläne oder Streckenhinweise.

20 SBB Cargo  2 | 2 013


 Reportage

Trotz aller Elektronik werden immer noch


Weichen auf Nebengleisen von Hand gestellt.

Noch mehr freut er sich aber über das


iPad, das ihn immer begleitet. «Früher
mussten wir seitenweise Reglemente rum-
schleppen; diese Zeiten sind zum Glück
vorbei.» Der Clou ist, dass er das iPad
auch privat nutzen darf. Dadurch sind die
Geräte besser gepflegt, die Apps werden
von den Mitarbeitern selber aktualisiert,
das Handling verbessert sich und vor al-
lem: Es motiviert ungemein, sich noch
mehr in die neue Technik einzuarbeiten.
Dank des persönlichen iPads kann der Lokführer alle Reglemente und Informationen bequem abrufen.
Neben dem iPad steht dem Lokführer
auch noch ein Laptop zur Verfügung.
Dank des LEA Cargo (Lokführer Electro-
nic Assistant) von Dell und eines Online-
zugangs hat Schildknecht unterwegs
­Zugriff auf alle nötigen aktuellen Daten
wie etwa Fahrpläne oder Streckenhinwei-
se. Das LEA ist dabei besonders kosten-
günstig, da auf eine speziell angefertigte
Software verzichtet wurde und ein Stan-
dardprodukt ohne überflüssige Zusatz-
funktionen verwendet wird.

Es gibt noch viel zu tun


Doch trotz aller Elektronik: Manchmal ist
noch immer die gute alte Muskelkraft ge-
fragt. Michael Schildknecht steht jetzt
zwischen den Puffern von Lokomotive
und Waggon, wuchtet die 35 Kilo schwere
Kupplung auf die Halterung und trennt
die Bremsschläuche. Laut zischend ent-
weicht die Druckluft. Eine vollautomati-
sche Zugskopplung wäre der nächste gros­
se Schritt in der Rangiertechnik. Doch
dafür müsste das gleiche System europa-
weit eingeführt werden, was mindestens
noch 10 bis 15 Jahre dauern wird. Die Zu-
kunft muss da noch etwas warten. 

http://bit.ly/12MA8JA
Ein Video über Michael Schildknecht und
das Berufsbild Rangierspezialist finden Sie im Der nächste grosse Schritt im Güterverkehr wäre die automatische Zugskopplung.
Cargo-Blog. Heute ist es noch schwere Handarbeit.

SBB Cargo  2 | 2 013 21


Politik

Bernhard Adamek von SBB Cargo über Schienengüterverkehr in der Fläche Text: Pirmin Schilliger
Illustration: Jörn Kaspuhl

«Wir benötigen mehr Unter Schienengüterverkehr in der


Fläche versteht der Laie nur Bahnhof.
Was ist genau gemeint?

unternehmerischen
Bernhard adamek:  Es geht sowohl um
den schweizerischen Binnen- als auch um
den Import- und Exportschienengüter-

Spielraum»
verkehr. Ausgenommen ist einzig der al-
penquerende Transitgüterverkehr, der be-
kanntlich länger schon verkehrspolitisch
geregelt ist. Überdies sind alle Angebote
angesprochen, insbesondere der Einzel-
Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, wagenladungsverkehr, aber auch die
Ganz­­züge und der Kombinierte Verkehr.
eine Gesamtkonzeption für den schweizerischen
Schienengüterverkehr in der Fläche auszuarbeiten. Um welches Marktvolumen geht es?
Welche Chancen und Herausforderungen lassen Der Schienengüterverkehr in der Fläche
verzeichnet heute einen Marktanteil von
sich daraus für den Wagenladungsverkehr ableiten? über 25 Prozent an der gesamten Güterver-
kehrsleistung im schweizerischen Binnen-,
Import- und Exportverkehr. Er entlastet
das Schweizer Strassennetz um jährlich
über drei Millionen Lastwagenfahrten.

Die Wahl des Gütertransportmittels


wird heute primär über den Preis
ent­­schieden. Ist er das einzige Kriterium?
In der Logistik werden unternehmerische
Kaufentscheidungen getroffen. Dabei be-
stimmt der Preis in hohem Mass die
Wahl des Verkehrsträgers, aber nicht aus-
schliesslich. Was angesichts der sich wan-
delnden Logistikbedürfnisse auch immer
wichtiger wird, sind intermodale Lösun-
gen, Laufzeit der Transporte, Flexibilität,
Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des
Angebots. Ausserdem gewinnen «Green
Logistics» an Bedeutung. Der Druck auf
die Transportbranche steigt, um­ welt­
freundliche Lösungen anzubieten.

Kann SBB Cargo das von den Kunden


gewünschte Angebot nicht ohne politische
Massnahmen auf die Beine stellen?
Ein leistungsfähiger Schienengüterverkehr
in der Fläche muss sich auf einen kohären-
ten und langfristig stabilen verkehrspoli­
tischen Rahmen abstützen können. Sonst
kann er die Erwartungen der Kunden nicht
erfüllen und wird zunehmend seine Wett-
bewerbsfähigkeit gegenüber der Stras­ se
verlieren.

Was will SBB Cargo zur Verbesserung


der Wettbewerbsfähigkeit unternehmen?
SBB Cargo muss ihre Hausaufgaben ma-
chen, das betrifft insbesondere Kosten-
senkungen. Dazu sanieren wir den Wa-

22 SBB Cargo  2 | 2 013


 Politik

genladungsverkehr und reduzieren unsere Der Bund strebt für den Güterverkehr in Umfrage:
Strukturkosten. Daneben muss es uns ge- der Fläche ein nachhaltiges Miteinander
lingen, gemeinsam mit den Kunden die der Verkehrsträger an. Die SBB begrüsst Das sagen Experten
Ressourcen besser auszulasten und sie fle- diese Stossrichtung. Nach unserem Ver-
Ulrich Weidmann
xibler zu dimensionieren. Durch eine brei- ständnis hat Nachhaltigkeit eine ökonomi- Professor am Institut für
tere Positionierung in der logistischen sche, ökologische und soziale Dimension. Verkehrs­planung und Transport-
Wertschöpfungskette und im Aufbau neu- Vorstellungen, denen zufolge einzig wett- systeme (IVT) ETH Zürich
er marktfähiger Produkte mit unseren bewerbliche Aspekte die Aufgabenteilung
Kunden wollen wir uns zudem gezielt stär- zwischen Strasse und Schiene bestimmen, «Die leistungsabhängige Schwerver-
ken. Primär ausschlaggebend für die Kon- greifen ebenso kurz wie die Idee, in der kehrsabgabe (LSVA) fliesst derzeit zu
zwei Dritteln an den Bund. Dieser
kurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber Fläche eine Verlagerungspolitik genau
verwendet die Mittel hauptsächlich für
der Strasse sind jedoch die verkehrspoliti- nach dem Vorbild des alpenquerenden Gü- die Bahn 2000, die NEAT, für Lärm­
schen Rahmenbedingungen. terverkehrs zu verfolgen. Richtig ist, dass sanierung und Anschlüsse ans Hoch­
die Strasse und die Schiene in Zukunft im geschwindigkeitsnetz. Dabei profitiert
Welche Punkte stehen im Vordergrund? Binnenverkehr jeweils gemäss ihrer Stär- vor allem der Personenverkehr, während
Um auf die Herausforderungen des Markts ken eingesetzt werden und noch enger ab- gleichzeitig dem Güterverkehr Mittel für
gestimmt in kombinierten Lösungen Gü- dringend nötige Erweiterungen fehlen.
richtig reagieren zu können, benötigen wir
Ein gelebtes Verursacherprinzip würde
mehr unternehmerischen Spielraum. Ein- ter transportieren werden.
bedeuten, die LSV-Abgaben konse-
seitige Auflagen an SBB Cargo aufgrund quent und gezielt für den Güterverkehr
strategischer Ziele des Bunds l­ehnen wir Das heisst zum Beispiel? auf der Schiene zu verwenden.»
ab. Das führt zu ungleichen Wettbewerbs- Angesichts des enormen Verkehrsaufkom-
bedingungen für die verschiedenen Ak- mens und der vielen Staustunden auf der Ueli Stückelberger
teure. Zentral ist weiter, die Kapazitäten A1 denke ich zum Beispiel an einen Ausbau Direktor des Verbands öffentlicher
und die Qualität im Infrastrukturzugang von Angeboten des Kombinierten Ver- Verkehr (VöV)
zu steigern und zu verbessern. Nicht zu- kehrs auf der Ost-West-Achse.
letzt müssen die in der Schweiz für den «Ich setze mich dafür ein, dass der
Transport auf der Strasse geltenden Re- Im Import- und Exportgüterverkehr ist Wagenladungsverkehr (WLV) in der
geln beibehalten werden. für die Schweiz eine mit dem europä­ Schweiz eine Zukunft hat. Dafür sind
ischen Raum abgestimmte Lösung Errungenschaften wie dichtes An-
Konkret? zentral. Allerdings ziehen am Horizont schlussgleisnetz, Nacht- und Sonntags-
Unbedingt beizubehalten sind das Nacht- dunkle Wolken auf . . . fahrverbot zu erhalten. Von der Politik
braucht es ein Bekenntnis zum WLV,
fahr- und Kabotageverbot, die leistungs- Es sind natürlich schlechte Signale, wenn
zudem sind die nötigen Rahmenbedin-
abhängige Schwerverkehrsabgabe und die Länder wie Frankreich und Italien gungen zu schaffen. Gerade weil die
Gewichtslimiten für Lastwagen. den Einzelwagenladungsverkehr teilweise Herausforderungen gross sind, müssen
oder gar vollständig einstellen. Anderer- wir zu einem nachhaltigen WLV Sorge
Welche Aufgabenteilung zwischen seits führt auch für die EU-Länder kein zu tragen.»
Schiene und Strasse ist wünschenswert? Weg an einem Ausbau des Schienengüter-
Paul Wittenbrink
verkehrs mitsamt dem Wagenladungs­
Professor für Transport und
verkehr vorbei. Sonst können sie ihre
Logistik an der Dualen Hochschule
Politische Agenda verkehrspolitisch festgelegten Verlage­
­ Baden-Württemberg
14. Oktober 2010 rungsziele und die angepeilte Reduktion
Die Verkehrskommission des Ständerats der Treibhausgase nicht erreichen. Aller- «Der Einzelwagenladungsverkehr
reicht die Motion «Zukunft des Schienengüter- dings warten im europäischen Raum noch (EWLV) wird sein Potenzial nur aus-
verkehrs in der Fläche» ein. etliche grössere Aufgaben. So etwa im Be- schöpfen, wenn auch neue Ansätze zum
reich einer güterverkehrsorientierten In­ Zuge kommen. Hierzu zählen der
24. November 2010 verstärkte Aufbau und die Einbeziehung
Der Bundesrat begrüsst die Stossrichtung der frastrukturpolitik, beim Abbau von Hür-
von Speditionen, die Überprüfung der
Motion und empfiehlt deren Annahme. Am den im grenzüberschreitenden Verkehr hohen Fertigungstiefe, eine stärkere,
30. November 2010 (Ständerat) bzw. 11. April oder bei der weiteren Ausgestaltung der auch relations- und regionenbezogene
2011 (Nationalrat) stimmt das Parlament der politischen Rahmenbedingungen für die Verantwortung, Innovationen und mehr
Motion zu und beauftragt den Bundesrat, eine
Strasse und Schiene.»  Wettbewerb um die besten Lösungen.
Gesamtkonzeption zu erstellen. Der EWLV braucht effiziente Rahmenbe-
http://bit.ly/10loVxt
dingungen, Planungssicherheit und
13. Dezember 2012 Das Positionspapier der SBB zum
Schienengüterverkehr in der Fläche realistische Ziele. Nicht zuletzt sind die
Die SBB legt in einem Positionspapier zur
Kunden gefragt, langfristig auf das
Motion ihre Vorstellungen zum Schienengüter-
System zu setzen, mehr feste Kapazitä-
verkehr in der Fläche dar.
ten zu buchen und auch unkonven­
April bis August 2013 tionelle Lösungen zu entwickeln.»
Bernhard Adamek
Offizielle Vernehmlassung zur Gesamtkonzeption. verantwortet bei SBB Cargo die
politischen und regulativen Themen
Fotos: zVg

2014 (voraussichtlich)
und somit auch das Dossier «Schie-
Beratung und Abstimmung im Parlament.
nengüterverkehr in der Fläche».

SBB Cargo  2 | 2 013 23


Schotter

Schotter
HSL Logistik
Lokvermietung immer rentabler
Mit der Vermietung von elektrischen Streckenlokomotiven
betreibt SBB Cargo seit Jahren ein funktionierendes und
wachsendes Nebengeschäft. «Wir können damit bestehende
Restressourcen gewinnbringend vermarkten und erst noch Frischer und informativer: der neue Cargo-Blog.
zufriedene Kunden an uns binden», erklärt Frank Menzel vom
Flottenmanagement von SBB Cargo. Bedeutendste Kundin für

Cargo-Blog im neuen Look


solche Lokvermietungen mit einem Auftragsvolumen im
mittleren einstelligen Millionenbereich für das Jahr 2013 ist die
deutsche HSL Logistik GmbH. Das Transportunternehmen mit
Sitz in Hamburg nutzt im Mietverhältnis elf Loks der Typen
Re 482 und Re 421 von SBB Cargo. Diese decken zwei verschiede- Nach dem Relaunch präsentiert sich der Blog von SBB Cargo
ne Leistungsklassen ab und können von HSL Logistik je nach (blog.sbbcargo.com) seit Anfang Mai in einem neuen Look.
Bedarf gezielt eingesetzt werden. «Wir schätzen die hohe Der Blog bildet zusammen mit der Website seit 2007 die Basis
Zuverlässigkeit und Schweizer Qualität der Loks. Sie bieten uns der Online-Kommunikation des Schweizer Güterbahnunter­
eine maximale Beweglichkeit und Flexibilität hinsichtlich ihrer nehmens. Er soll Wissen vermitteln, Interesse wecken, Fragen
Einsatzmöglichkeiten», sagt Haiko Böttcher, Inhaber und beantworten und zum Diskutieren anregen.
Geschäftsführer von HSL Logistik. Das Unternehmen feiert heu- Das neue Erscheinungsbild entspricht einem modernen
er sein zehnjähriges Bestehen. Die Partnerschaft mit SBB Cargo Unternehmensblog – der Aufbau ist leserfreundlich, klar und
wurde im Jahr 2005 lanciert. übersichtlich. Zudem ist der Blog neu in mehrere thematische
Kategorien gegliedert. Besucher können sich so schneller
und besser orientieren. Alle Beiträge sind im Blog namentlich
gezeichnet. Entsprechend den Leserbedürfnissen und der
unternehmensweiten Kommunikation von SBB Cargo werden
vereinzelte Beiträge neu mehrsprachig publiziert.

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24 SBB Cargo  2 | 2 013


 Rubrik

Sassan Rabet
Jahresbilanz Holzhackschnitzel stellt bei Xrail die Weichen.
Schwache Konjunktur Mehr Effizienz
Die Jahresbilanz 2012 von SBB Cargo SBB Cargo setzt für alle Holzhack­
fällt durchzogen aus. Negative Einflüsse schnitzelverkehre neu ein Umschlag­
wie die anhaltende Konjunkturschwäche system mit kippbaren Containern ein. Xrail
in Europa sowie der Abbau von Indus­ Die Drehentladung der österreichischen Sassan Rabet wird CEO
triekapazitäten in der Schweiz (vor allem Firma Innofreight erlaubt ein schnelleres
Papier- und Metallindustrie) haben auf Entladen, was den Kunden eine signifi- Xrail, die europäische Allianz zur
das Geschäft gedrückt. Erschwerend kam kante Effizienzsteigerung bringt. Das Stärkung des internationalen Einzel­
die dreimalige Sperre der Gotthard-Berg- Transportsystem kommt seit Anfang wagenverkehrs, hat per 1. Mai Sassan
strecke wegen Felsabbrüchen bei Gurt- April zum Einsatz. Rabet zum CEO ernannt. Der 41-jährige
nellen hinzu. Trotz dieser Widrigkeiten Neu verkehrt SBB Cargo mit vier Diplom-Verwaltungswissenschaftler war
hat sich SBB Cargo relativ gut geschlagen. Kompositionen, bestehend jeweils aus zuvor stellvertretender CEO von Xrail. Er
Bei der Verkehrsleistung resultierte mit 24 Wagen und 72 Containern, von ver­- stiess 2001 zu SBB Cargo, wo er als Senior
12 132 Millionen Nettotonnenkilometern schiedenen Standorten in der Deutsch- Project Manager Business Development,
gegenüber 2011 eine verhältnismässig und Westschweiz nach Mortara in Leiter Produktsteuerung und zuletzt
geringe Einbusse um 1,7 Prozent. Pro Nord­italien. Dort werden die Holzhack- Leiter Business Development Prozesse &
Tag wurden im letzten Jahr 175 000 Ton- schnitzel zu Spanplatten verarbeitet. Qualität Schweiz tätig war. 2008 wurde
nen Güter transportiert. Der Betriebsver- Das neue System ist nicht nur beim er von SBB Cargo in das Central Team
lust von SBB Cargo betrug CHF 51,2 Mio. Entladen, sondern auch beim Transport von Xrail entsandt. «Wir sind überzeugt,
gegenüber CHF 46 Mio. im Jahr zuvor. effizienter. «Die Zahl der Wagen konnte dass Sassan Rabet mit seiner langjährigen
Die SBB begegnet den Herausforderungen bei gleichbleibender Schnitzelmenge Erfahrung im Schienengüterverkehr
mit einer konsequenten Ausrichtung um rund ein Drittel reduziert werden», der Richtige für die künftigen Weichen-
des Angebots im Güterverkehr auf die sagt Heinz Frauchiger, Key Account stellungen bei der Xrail Allianz ist»,
Stärken der Eisenbahn. Manager bei SBB Cargo. betonte Ferdinand Schmidt, Vorsitzender
des Aufsichtsrats von Xrail.

Martin Haller
neu bei SBB Cargo. SBB Cargo
4200 Tonnen Steine für den Sechseläutenplatz
Der prominenteste Platz mitten in Zürich wird komplett neu
gestaltet. Die Platten für die 14 000 Quadratmeter kommen
Kombinierter Verkehr
aus dem bündnerischen Vals – und werden von der Rhätischen
Neuer Leiter Bahn und von SBB Cargo grösstenteils auf dem Schienenweg
Martin Haller, 32, leitet seit 1. März 2013 transportiert.
die Business Unit Kombinierter Verkehr.
Nach dem Betriebswirtschaftsstudium
hat er in Frankfurt und Hongkong
gewirkt, jeweils mit Fokus auf die
Transportindustrie. Während der letzten
acht Jahre hat Haller bei Booz & Com‑
pany als Berater gearbeitet. In dieser
Rolle hat er das Projekt Kombinierter
Verkehr bei SBB Cargo mitgestaltet.

Bündner Platten für Zürich, geliefert von


SBB Cargo.
Fotos: SBB Cargo

SBB Cargo  2 | 2 013 25


CEO-Talk 

Nicolas Perrin (links) und Thomas Amstutz im Sudhaus der Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden.

26 SBB Cargo  2 | 2 013


 CEO-Talk

Nicolas Perrin trifft Thomas Amstutz, CEO Feldschlösschen

«Grundsätzlich kann
jedes Gut auf die Schiene»
Der führende Bierbrauer der Schweiz ist auch einer der grössten Kunden von
SBB Cargo. Ein Gespräch zwischen Feldschlösschen-Chef Thomas Amstutz
und Nicolas Perrin, CEO bei SBB Cargo, über Wettbewerb, Verkehrspolitik und
Zukunftsaussichten.

Interview: Roy Spring hatte Feldschlösschen sofort eine schweiz- Sinn. Dass dies eine Dampfloki symboli-
Fotografie: Markus Bertschi weite Anbindung und wurde innert 20 siert, schätze ich als Eisenbahner natür-
Jahren Markführer. Diesen Pioniergeist lich sehr.
haben wir bis heute beibehalten.
Herr Amstutz, Sie werden oft als Warum ist Feldschlösschen prädestiniert
Bierbaron bezeichnet. Welchen Adelstitel In Rheinfelden unterhalten Sie einen für den Schienengüterverkehr?
würden Sie Herrn Perrin verleihen? eigenen Rangierdienst. Warum? Amstutz: Grundsätzlich kann jedes Gut
Thomas Amstutz: Auf solche Titel spreche Amstutz: Der eigene Rangierdienst garan- auf der Schiene transportiert werden, das
ich nicht so gut an, da ich keinen hier­ tiert uns maximale Flexibilität und ein ho- ist nur eine Frage der Einstellung. Wir sind
archischen Führungsstil pflege. Darum hes Abwicklungstempo. Wir sind der Bahn unserer Strategie seit 137 Jahren treu ge-
möchte ihn lieber als Weiterentwickler aber auch emotional verbunden. So haben blieben: Unser Logistikkonzept ist voll auf
und Sanierer bezeichnen. wir eine nostalgische Rangier-Dampflok den Zug ausgerichtet. Rund 60 Prozent un-
Nicolas Perrin: Damit kann ich sehr gut auf dem Brauereigelände, das 137 Jahre alte serer Güter gehen bei der Grobverteilung
leben. Sanieren ist die Basis, damit sich «Tigerli» von Krauss-Maffei. In Dietikon über die Schiene. Unsere Verteilzentren
SBB Cargo weiterentwickeln kann. Wir und Givisiez arbeiten wir mit SBB Cargo haben alle einen Bahnanschluss.
haben viele gute Ideen, die ohne positives zusammen, das funktioniert bestens. Perrin: Feldschlösschen gehört zu unseren
Resultat leider nicht realisierbar sind. Mit grössten Kunden. Mit dem Bekenntnis, das
Sanieren und Entwickeln investieren wir Logistikkonzept auf die Bahn auszurich-
in die Zukunft. ten, haben sie in SBB Cargo ein grosses
«Wehe, es ist eine Vertrauen gesetzt. Das fordert uns zu einer
Feldschlösschen ist ein Kunde der ersten
Stunde von SBB Cargo. Der Transport
einzige Flasche nicht täglich perfekten Leistung heraus, um die
Richtigkeit dieses Entscheids zu beweisen.
mit der Eisenbahn ist seit der Firmen‑ perfekt gekühlt!» Amstutz: Auch wir setzen uns immer wie-
gründung 1876 wichtig. Was bedeutet Thomas Amstutz
der Aufgaben, die uns zu Höchstleistungen
das für Ihr Unternehmen? zwingen. So haben wir zum Beispiel die
Amstutz: Wir haben 1889 unser erstes An- letzten drei Austragungen des Eidgenössi-
schlussgleis gebaut. Die SBB wurde erst schen Schwingfestes bestritten. Das be-
1902 gegründet – wir sind also noch vor Perrin: Bierbrauen ist wie Eisenbahn mit deutet: Wir haben ein Stadion irgendwo im
der SBB auf die Bahn gekommen. Dass die Tradition verbunden. Feldschlösschen be- Grünen ohne jede Infrastruktur. Dorthin
Gründer die Brauerei 1876 an das nationa- treibt in diesem Sinn ein gutes Marketing. kommen an einem Wochenende 200  000
le Zugnetz bauten, war ein visionärer Aber nicht nur: Tradition verpflichtet und Leute und wollen mit Bier und Getränken
Entscheid. Während andere Brauer noch ist eine Herausforderung. Das spürt man versorgt werden. Und wehe, es ist eine ein-
mit Pferdekutschen unterwegs waren, bei Feldschlösschen klar und im positiven zige Flasche nicht perfekt gekühlt! >

SBB Cargo  2 | 2 013 27


CEO-Talk 

Feldschlösschen AG, Rheinfelden einen Seite zunehmend zentralisiert, auf ­ arantie der Fahrplantrassen sowie die
G
der anderen Seite müssen immer kleinere Kosten für die Nutzung von sehr hoher
Feldschlösschen ist einer der ersten und
Lose flexibel und schnell dem Endkunden Bedeutung. Hier liegt verkehrspolitisch
grössten Kunden von SBB Cargo.
Der Transport mit der Eisenbahn ist seit der zugestellt werden. Unser Konzept sieht noch einiges drin.
Firmengründung 1876 bei der führenden vor, auf den längeren Distanzen die Güter Amstutz: Die Bahn muss schauen, dass sie
Bierbrauerei und dem grössten Getränke­ wie auf einer S-Bahn zu befördern. Die konkurrenzfähig zum Strassenverkehr
hersteller der Schweiz wichtig. Die Bözberglinie Verteilung auf den letzten Kilometern er- werden kann. Es bringt nichts, sich den
führt unmittelbar am Feldschlösschen- folgt effizienter auf der Strasse. schwarzen Peter zuzuschieben. Wenn
Gelände vorbei, das 1889 einen direkten man versucht, die Konkurrenz durch ord-
Bahnanschluss erhielt.
Wo sehen Sie gemeinsame Ziele in der nungspolitische Eingriffe zu verhindern,
Logistik und in der Verkehrspolitik? macht man Wettbewerb kaputt – und alle
Kundenzahlen 2012 Perrin: Eine leistungsfähige und nachhal- verlieren. Ein härterer Wettbewerb würde

255 000 t
tige Verkehrsinfrastruktur ist für die sich aber auch für die Schiene positiv aus-
Wirtschaft, die Standortpolitik und den wirken.
Transport sehr wichtig. Die freien Kapazi-
Güter transportierte Feldschlösschen via täten werden immer knapper, die Finanz- Auch die Bierbranche hat Umwälzungen
SBB Cargo in 12 360 Bahnwagen mittel sind es heute schon. Hier geht hinter sich, viele Schweizer Traditions‑
es um das Gesamtsystem und nicht um brauereien wurden geschluckt...

20 000 t Stras­
se gegen Schiene. Mit der Vorlage
«Finanzierung und Ausbau der Bahninf-
rastruktur» (FABI) plant der Bund einen
Amstutz: Wir haben mit dem Bierkartell
bis 1991 exemplarisch erlebt, was passiert,
wenn man einen Markt künstlich am Le-
Malz wurden in Rheinfelden in 400 soliden Ausbau der Bahninfrastruktur. ben erhält. Ich behaupte, ohne diese Re-
Bahnwagen von SBB Cargo angeliefert
Zudem werden in den nächsten zwei Jah- gulation könnte auch Feldschlösschen
ren die Rahmenbedingungen für den sein, was Carlsberg heute ist: die Nummer

35 000 t Schienengüterverkehr im politischen Fo-


kus stehen. Hier haben wir klar gemeinsa-
me Ziele.
vier auf dem Weltmarkt. Die Nordländer
mussten damals das Wachstum ausser-
halb ihres Heimmarkts suchen, während
Leergut wurden von SBB Cargo in
Rheinfelden und Rhäzüns angeliefert
die Brauer in der Schweiz zu bequem wa-
ren. Andere, nicht regulierte Unterneh-
«Die SBB bekennt sich men haben es hingegen geschafft, zum
klar zum Güterverkehr in Beispiel Nestlé, ABB oder Swatch. An die-
sem Negativbeispiel kann sich heute auch
der Schweiz» SBB Cargo orientieren. Darum sage ich
Welche Bedeutung hat die Logistik in Nicolas Perrin
auch Herrn Perrin immer: «Bieten Sie uns
Ihrem Unternehmen? attraktive Lösungen an, die sich für uns
Amstutz: Wenn man über 30 0 00 Kunden rechnen.»
direkt beliefert, muss man die Logistik Was sind die wichtigsten Massnahmen Perrin: Für mich ist der Austausch mit
im Griff haben. Wir stellen uns täglich die in der Verkehrspolitik? engagierten Menschen immer Weiterbil-
Frage: Wie bringe ich das Bier und das Mi- Perrin: Die SBB bekennt sich klar zum dung. Bei Herrn Amstutz trifft das beson-
neralwasser am einfachsten, am schnells- Güterverkehr in der Schweiz. Und wir be- ders zu, weil wir einen offenen und direk-
ten und umweltschonendsten in den Kel- kennen uns zur unternehmerischen Aus- ten Austausch pflegen und Meinungen
ler der Gastronomie? Unsere Vision ist, in richtung, weil wir überzeugt sind, damit und Vorstellungen ohne Umschweife und
Zukunft völlig CO2 -neutral zu sein. Das die beste Leistung für die Schweizer konstruktiv auf den Tisch legen. Das passt
heisst, mit der Bahn so nahe wie möglich Wirtschaft und die Versorgung des Lan- mir, weil nur so Neues entsteht und wir
zum Kunden zu fahren und die letzten des zu erbringen. Umgekehrt erwarten besser werden. So kann Feldschlösschen
paar Kilometer schadstoffarm zurückzu- wir, dass die Rahmenbedingungen so ge- langfristig profitieren und wir trinken
legen, am besten mit Elektrolastwagen. staltet sind, dass sich Güterverkehr auf auch in Zukunft Bier, das mit SBB Cargo
der Schiene lohnt, auch finanziell. Dazu transportiert wurde.
Was erwarten Sie von SBB Cargo? gehört primär ein wettbewerbsfähiger
Amstutz: Vor allem mehr Flexibilität und Zugang zur Infrastruktur. Dies betrifft
mehr Innovationskraft. Wir wollen, dass einerseits Terminals und Anschlussgleise. http://bit.ly/11ZBJYD
SBB Cargo im kombinierten Güterverkehr Andererseits sind die Qualität und die Der CEO-Talk in voller Länge.
einen massiven Schritt weiterkommt. Wir
haben SBB Cargo unsere Visionen mitge-
teilt. Nun geht es darum, das an einem
konkreten Beispiel umzusetzen.
Perrin: Für uns ist klar, dass wir künftige Thomas Amstutz, 45
Marktbedürfnisse verstärkt mit kombi- ist CEO der Feldschlösschen Getränke AG in Rheinfelden. Seine Karriere
nierten Lösungen Schiene/Strasse erfül- startete der Betriebs­w irtschaftler bei Unilever, später wurde er CEO von Hero
len müssen. Die Logistik wird auf der Schweiz und war vier Jahre lang für die Carlsberg-Gruppe im Ausland tätig.

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 Cargo-Klick

Rollende Landstrasse
Markus Bertschi ist freischaffender Fotograf
und ein aufmerksamer Beobachter des Details

«Am 18. Dezember 2012 war ich unterwegs im Kanton Appenzell Innerrhoden. Es war Fastnachts-
zeit, und auf einmal sah ich auf der Hauptstrasse diese mehrstöckige Hochzeitstorte. Logistik,
einmal ganz anders.»

blog.sbbcargo.com
Hier finden Sie regelmässig weitere Cargo-Klicks von Markus Bertschi.

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Meine Logistik

Evelyne Binsack, Abenteurerin und Bergführerin

«Das Risiko Mensch


ist unkalkulierbar»
Text: Robert Wildi
Fotografie: Markus Bertschi

Mit dem Velo vom Grimselpass bis zum der Reise mit politischen oder religiösen führern begleitet. Im Schlepptau zog sie
Südpol fahren – auf diese verrückte Idee Problemen konfrontiert zu werden.» einen 115 Kilogramm schweren Schlitten.
kam Evelyne Binsack vor elf Jahren. Doch Persönliche Sicherheit wurde für Eve- Die Fracht: Benzin für den Kocher, Schlaf-
sie liess die Bergsteigerin und Extrem- lyne Binsack dennoch zum Thema. In Me- säcke, Zelte und vor allem viel Esswaren.
sportlerin nicht mehr los. Sie begann mit xiko wurde sie wiederholt von Männern Ihre 80-jährige Mutter hatte für sie sogar
der Planung und reiste in die Antarktis belästigt. «Das kostete Nerven und Ener- einen grossen Schweizer Käse nach Chile
zum Rekognoszieren. Dies vier Jahre vor gie.» Ihr damaliger Freund reiste kurzer- geschmuggelt.
dem Startschuss zur «Expedition meines hand aus der Schweiz an, um sie durch die
Lebens» im September 2006. «Ich musste Südstaaten zu begleiten. Zuvor hatte sie Ärger mit peruanischen Zöllnern
wissen, wie sich minus 55 Grad Celsius an- sich zum Schlafen jeweils hinter Felsen Einreiseprobleme hatte die Schweizerin in
fühlen, wie man bei solchen Temperatu- und Büschen versteckt und nie Feuer ent- keinem der 16 Länder, die sie auf der Süd-
ren die Schuhe bindet oder im Freien auf facht. «Das Riskiko Mensch ist unkalku- polexpedition durchquerte. «Ich brauchte
die Toilette geht.» lierbar», sagt sie. nirgends ein Visum.» Ärger machten nur
Die Handhabe von Schnürsenkeln bei Die Übergriffe verunsicherten die die Behörden in Peru, wo die Zöllner einen
Ex­tremfrost war eines von vielen Elemen- hartgesottene Abenteurerin. Ein Bekann- Führerschein für ihr Velo verlangten. Da
ten, die das happige Vorbereitungspro- ter aus der Region bot ihr für die sie keinen hatte, wollte man ihr das Zwei-
gramm der 45-jährigen Nidwaldnerin mit Durchquerung der Mittelamerikaländer
­ rad wegnehmen. «Ich habe dann einmal
Wohnsitz im Berner Oberland prägten. Guatemala, Nicaragua, El Salvador und ordentlich Luft geholt und in meinem
Körperliche Fitness und vor allem geisti- Honduras Hilfe an und organisierte einen schärfsten Spanisch losgewettert», lacht
ges Stehvermögen waren für die 16-mona- privaten Escort-Service. «Die von den Evelyne Binsack. Das wirkte Wunder.
tige Extremtour zwingend. Im Rückblick Menschenhand ausgehende Gefahr be- Heute ist die Abenteurerin überzeugt:
räumt Evelyne Binsack ein Versäumnis schäftigte mich permanent und war der Um 25 000 Kilometer per Velo und zu
ein. «Ich hatte mir das Intensivvelotrai- unberechenbarste Punkt innerhalb mei- Fuss abspulen zu können, braucht es nicht
ning mit 40 Kilo Gepäck erspart und dach- ner Reiselogistik.» nur eine ausgeklügelte Logistik, sondern
te, das würde unterwegs schon klappen.» Ansonsten kam Evelyne Binsack ohne Improvisationsgeschick und vor allem
Die Quittung folgte. In den ersten Wo- grössere Probleme durch. Im 40-Kilo-­ Willenskraft. Woher der Mensch diese
chen auf dem Velo litt sie unter schmerz- Velogepäck waren stets genug Nahrungs- Willenskraft schöpft, fragt sie sich seit der
haften Verspannungen. mittel und Wasserreserven. Nachschub Rückkehr vom Südpol unentwegt. Ende
kaufte Binsack unterwegs und kehrte auch März dieses Jahres hat sich Evelyne Bin-
Haferflocken in der Antarktis mal im Restaurant ein. «Vor längeren Teil- sack auf die Suche gemacht. Mit Bergaus-
Da kam es Binsack wenigstens zugute, strecken durch unbewohnte Prärie füllte rüstung, Kamera und einem detaillierten
dass sie ihre Routenplanung kurzfristig ich die Taschen mit Haferflocken, Nutella, Routenplan im Gepäck ist die Alpinistin in
angepasst und die erste Velostrecke ver- Milchpulver und Bananen.» Trockennah- den Himalaya geflogen und klettert am
kürzt hatte. An der portugiesischen Atlan- rung für die Antarktis. Binsack setzte von Mount Everest. An der senkrechten Wand
tikküste bestieg sie ein Schiff, das sie in Punta Arenas in Südchile über. Das letzte muss sie mit Steigeisen, Haken, Karabi-
die USA brachte. Zuerst wollte sie durch Teilstück war ein 1200 Kilometer langer nern und Seilen jeden Handgriff beherr-
ganz Afrika radeln, um von da auf dem Fussmarsch durch Schnee und Eis. Von schen. Eine logistische Herausforderung,
Wasserweg in die Arktis zu gelangen. «Ich der Antarktisküste bis zum Südpol. Evely- die für einmal sogar lebenswichtig sein
hatte aber Respekt davor, gleich zu Beginn ne Binsack wurde von vier lokalen Reise- kann.

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 Meine Logistik
Vergessen verboten:
Eine komplette Ausrüstung ist
die Basis für Evelyn Binsacks
Überlebenslogistik.
Wir sind da, wo
Ziele gemeinsam
erreicht werden.
Wir nehmen alles sehr persönlich: vor allem die
Zufriedenheit unserer Kunden und die Qualität unserer
Leistungen. Dank unserem Transport-Know-how
verstehen wir die Bedürfnisse unserer Auftraggeber
und garantieren so Dienstleistungen mit Zukunft.
Für ein gemeinsames Ziel. www.sbbcargo.com

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