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Liberale Ansätze
Liberale Ansätze
1. Einleitung
Mitte der 1980er Jahre bemerkten die Statistiker, dass sie etwas
übersehen hatten. Bislang meinten sie, dass Demokratien in ihrer
Außenpolitik genauso gewaltbereit agieren würden wie andere
Staaten auch. Offenkundig schreckten sie weder vor militärischen
Konflikten noch vor der bewaffneten Einmischung in die inneren
Angelegenheiten fremder Länder zurück. Die USA kämpften in Viet-
nam, England kämpfte um die Falklandinseln, Frankreich kämpfte in
Schwarzafrika und Indien kämpfte gegen Pakistan, um nur vier Bei-
spiele zu nennen. Außerdem hielten westliche Demokratien über
Jahrzehnte hinweg eine Politik der nuklearen Abschreckung auf-
recht. Sie signalisierten ihre Entschlossenheit, im Falle eines sowje-
tischen Angriffs eher den massenhaften Tod unschuldiger Zivilisten
in Kauf zu nehmen, als sich einer fremden Macht zu beugen.
Mit dieser offenkundigen Gewaltbereitschaft gewählter Regie-
rungen erfuhr die realistische These von der Bedeutungslosigkeit
der Innenpolitik für die Außenpolitik eine auf den ersten Blick
eindrucksvolle Bestätigung (vgl. hierzu den Beitrag von Andreas
Jacobs in diesem Band). Zeigte doch das ‚normale‘ Verhalten von
Demokratien, dass alle Staaten unter den Bedingungen internatio-
naler Anarchie ihre nationalen Interessen rational und notfalls
auch mit militärischen Mitteln verfolgen würden. Für Realisten
zulässig.
legenden Respekt vor der Würde und den Rechten des Anderen
eine fundamentale Präferenz für Interessenausgleich und Kompro-
miss. Nach Russett (1993: 31) hat sich in Demokratien mit ande-
ren Worten eine Kultur des „Live-and-let-live“ etabliert, und diese
Kultur macht sich auch in den auswärtigen Beziehungen demokra-
tischer Staaten bemerkbar, weil die Bürgerinnen und Bürger von
ihren Regierungen erwarten, dass sie so wenig Gewalt wie mög-
lich bei der Verfolgung nationaler Interessen einsetzen.
Im Unterschied zu Demokratien herrscht für liberale Autoren in
Autokratien eine Kultur der Gewalt. Anders ist es beispielsweise
nach Czempiel (1986: 113-114) nicht zu verstehen, wie es einer
Minderheit gelingen kann, auf Kosten der Mehrheit zu regieren.
Demnach gehen autokratische Systeme notwendigerweise mit ei-
ner ungerechten Verteilung von Wohlfahrts- und Teilhabechancen
in einer Gesellschaft einher. Würden sie dies nicht tun, könnten sie
ihre Politik in freien Wahlen zur Abstimmung stellen. Ungerech-
tigkeit aber lässt sich auf Dauer nur mit organisiertem Zwang auf-
rechterhalten. Doyle (1986: 1161) bemerkt deshalb: „Non-liberal
governments are in a state of aggression with their own people“.
Da kulturell geprägte Verhaltensdispositionen unteilbar sind, über-
trägt sich interner Unfrieden auf externen Unfrieden. Autokrati-
sche Regierungen gelten als notorisch unfähig, Konflikte mit
friedlichen Mitteln zu lösen. Vielmehr stellen sie eine permanente
Gefahr für die internationale Sicherheit und den Frieden in der
Welt dar. Entsprechend wachsam müssen Demokratien im Um-
gang mit Autokratien sein (Russett 1993: 32-33).
Der „demokratische Frieden“ wird damit aus liberaler Perspek-
tive aus dem innenpolitischen Entscheidungsumfeld gewählter Re-
gierungen heraus erklärt, die ein fundamentales Interesse am Er-
halt ihrer Ämter haben. Sie müssen darauf achten, für militärische
Einsätze in internationalen Konflikten eine möglichst breite und
anhaltende Unterstützung innerhalb des politischen Systems und
zulässig.
ist ihnen, dass sie die etablierten Ansätze um Analysen der inter-
demokratischen Beziehungen erweitern. Denn es spricht einiges
dafür, dass sich Demokratien anders verhalten, wenn sie Demokra-
tien begegnen. Aber diese Unterschiede im Verhalten müssen
nicht ausschließlich auf Akteursmerkmale rückführbar sein, son-
dern können auch etwas mit der Art ihrer Beziehungen zu tun ha-
ben. Während allerdings Vertreter des ersten Weges argumentie-
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lich friedfertig. Dies sei freilich nur der Fall, weil die vielen For-
men verdeckter und struktureller Gewalt des Nordens gegenüber
dem Süden ausgeblendet werden und weil die militärische Unter-
stützung von Unrechtsregimen durch Waffenlieferungen und Mi-
litärberater nicht berücksichtigt würde. Wenn diese in die Analyse
mit einbezogen werden, dann erscheinen die demokratischen Zo-
nen im internationalen System weniger als Friedensregionen denn
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Literaturverzeichnis
Empfohlene Literatur
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Arena, Philip 2008: Success Breeds Success? War Outcomes, Domestic Op-
position, and Elections, in: Conflict Management and Peace Science 25: 1,
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Barkawi, Tarak/Lafey, Mark 1999: The Imperial Peace: Democracy, Force
and Globalization, in: European Journal of International Relations 5: 4,
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