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34 Tipps zur Charaktererschaffung

von Justin Achilli, Deird'Re M. Brooks u.a.

Übersetzt aus dem Englischen von Andreas AAS Schroth (www.midnightdance.de)

Im folgenden sind einige Tipps zur Charaktererschaffung vom neuen White Wolf Hauptautor Justin
Achilli (u.a.) zusammengestellt. Bitte lies Dir diese Tipps sorgfältig durch, ehe Du Dich an die Aus-
arbeitung Deines Charakters machst.
Die folgenden Regeln und Tipps mögen Dir als Anregung oder Korsett für deine Ideen erscheinen –
tatsächlich aber sollen sie Dich nur davor bewahren, einen Charakter aufzustellen, der auf dem Pa-
pier zwar gut aussieht, im Live Spiel aber schlichtweg nicht funktioniert.
Es kommt immer wieder vor, dass Charakterkonzepte im Spiel nicht funktionieren. Wenn Du die fol-
genden Tipps aber beachtest, verminderst du dieses Risiko erheblich.

34 Tipps zur Charaktererschaffung

1. Spiele niemals ein Mitglied einer Kultur oder Subkultur, die Du nicht verstehst, selbst wenn
diese gerade im Trend liegt. Ganz BESONDERS wenn diese gerade im Trend ist. Also lie-
ber Hände weg von Roma, Indianern, Kelten... lass es einfach.
2. Stell Deinen Charakter nicht anhand der Grundhaltung seines Clanes auf. Wie Robert K.
sagt, sogar Assamiten hatten einen Arbeitsplatz vor ihrer Erschaffung. Justin Achille gibt
folgenden Tipp: Charaktere sind zuerst Menschen, dann Vampire, dann Clan, dann Sekte.
Folge diesem Prinzip.
3. Mache Deinen Charakter einzigartig durch seine Persönlichkeit, nicht seine Deko. Ausrüs-
tung, Kräfte, Clan oder sonstige Äußerlichkeiten definieren den Charakter nicht, sondern
sollten sich natürlich aus dem zentralen Konzept des Charakters quasi von alleine ergeben
– nicht umgekehrt.
4. Stelle etwas dar, statt es zu erzählen (Show, don’t tell). Dein Charakter soll nicht jedem erst
erzählen, dass er früher ein Professor an der Uni war. Die anderen Spieler sollten das auch
ohne Deine Erzählungen bemerken können.
5. Nach der allgemeinen Erfahrung kann kaum jemand Militär-Charaktere wirklich darstellen.
Es ist nichts Übles daran, eine Person mit Militärhintergrund zu spielen, aber reduziere den
Charakter nicht darauf. Auch Militärs haben Hobbies, Freunde, Interessen. Missbrauche
nicht das Label “Militär”, um eine Ausrede für hohe Kampffertigkeiten zu haben (ein Infante-
rist in der Welt der Dunkelheit z.B. hat gerade mal Nahkampf 1, Fernkampf 2-3). Wenn Du
einen Militärcharakter spielen willst, konzentriere dich auf den Menschen hinter dem Militär
und wie sein Beruf sein Denken beeinflusst hat, aber mach ihn nicht zu einem 2D-Abzieh-
bild eines Jungen aus "Platoon" (gilt im übrigen analog auch für Mafia-Charaktere und ei-
gentlich alle gewaltfokussierten Konzepte).
6. Vampire mit Militärhintergrund sind immer Ex-Militärs, da sie als Vampire nicht im regulären
Militär länger tätig sein können (Militärs sind nachts und tagsüber aktiv). Dieses im Hinter-
kopf, ist nicht einzusehen warum ein Militärcharakter leichter als sonst irgendjemand an ein
M16 herankommen sollte. Also Abstand vor militärischen Ausrüstungsgegenständen, Mili-
tärhintergrund hin oder her.
7. Wenn Du einen Charakter aufstellst, beginne beim Menschen. Beschreibe seine Geschich-
te als Sterblicher, seine Familie, seine Freunde, wie gut er in der Schule war, alles, was Du
jemandem über Dich erzählen würdest, dem Du ermöglichen möchtest, eine Vorstellung
von Deiner Person und Motivation zu bekommen. Behalte außerdem im Hinterkopf, dass
Kandidaten für die Erschaffung durch einen Vampir in den allermeisten Fällen irgendeine
außergewöhnliche Eigenart haben. Vampire erschaffen keine abgeschlafften Hausmeister
aus Unterursel. Die Erschaffung ist ein rares Geschenk – auch für den Erschaffer – und
dieser sollte eine überzeugende Motivation haben, ausgerechnet Deinen Charakter als
Kind auserwählt zu haben.
8. Erforsche den Hintergrund Deines Charakters und lege Dir - wo nötig - Hintergrundwissen
zu. Das betrifft sowohl die Zeit, in der der Charakter gelebt hat (was dachten die Menschen
damals? Welche sozialen und ethischen Werte- und Moralvorstellungen herrschten?), als
auch den Ort und die Kultur, aus der er entstammt. Wenn Dein Charakter ein Seiner-Zeit-
vorausreisendes-Genie-der-Hermatologie-der-durch-die-Assamiten-erschaffen-wurde-um-
den-Blutfluch-zu-bezwingen-und-der-nun-keine-Ahnung-hat-was-er-mit-seinem-Leben-an-
fangen-soll ist, lege Dir genug Wissen zu, um diese Rolle auch überzeugend darstellen zu
können.
9. Du bist, wen Du kennst. Hintergrund-Punkte sind nicht nur Flecke auf dem Charakterbogen,
es sind Aufhänger für Plots. Deine Aufgabe besteht darin, ein “supporting cast” für Deinen
Charakter aufzustellen: Familie, Bekannte, Freunde und Kontakte, die zu Deinem Charak-
ter passen und ihm ein soziales Umfeld geben, in dem er sich bewegt und das mit ihm in-
teragiert. Versuche dieses Umfeld auch interessant für Deine SL zu machen – interessante
Geschichten und Verwebungen generieren auch dort weitere Ideen, und je besser und in-
teressanter Deine Vorarbeit ist, desto besser wird auch der Plot, den die SL Dir damit auf
den Leib schneidert.
10. Wenn Dein Charakterkonzept mit irgendeinem Namen einer Eigenschaft oder Disziplin oder
dem Wort Kain beginnt, kannst du gleich wieder gehen. J
11. Keine Indianer-, Zigeuner- oder Kelten-Gangrel. Sehr wohl jedoch welche, die durch ihren
Sire hierin unterrichtet wurden, bedenke jedoch, dass sie immer noch über ihre Erfahrun-
gen, Werte und Normen aus der Zeit als Sterbliche z.T. verfügen.
12. Nicht jeder Giovanni ist ein Mafioso. Nicht jeder Mafioso ist ein Giovanni.
13. Nicht jeder Malkavianer läuft mit Zwangsjacke herum. Dito mit Teddybär.
14. Dass Du Dominate als Clansdisziplin hast bedeutet noch lange nicht, dass Du 8. Generati-
on bist.
15. Dass Du Tremere-Neonate bist, heißt noch lange nicht, dass Du Thaumaturgie 5 hast,
selbst wenn Du die Punkte hättest, Dir dies zu kaufen.
16. Dass die Tremere zusammenhalten, heißt noch lange nicht, dass sie befreundet sind. Je-
der Tremere ist der schärfste Konkurrent seines Bruders. Immer daran denken.
17. Bitte vermeide Trenchcoats. J
18. Bitte vermeide schwarze Trenchcoats. J
19. Bitte vermeide schwarze Trenchcoats und Katanas. J
20. Bitte vermeide schwarze Trenchcoats, Katanas und langes, zum Pferdeschwanz zusam-
mengebundenes Haar. J
21. Vermeide Meister fernöstlicher Kampfkunst ohne auch nur den geringsten Punkt in Etikette,
Handwerk, Autofahren etc.. Meister der Kampfkunst bestehen aus mehr als nur Punkten
auf Schleichen, Nahkampf, Ausweichen und Karate.
22. Bitte vermeide “Toughe Konzepte” wie Special Forces, Navy Seals, Profikiller etc. Du wirst
Dich zu Tode langweilen und veralbert werden. Glaub mir.
23. Eine coole Waffe macht noch keinen coolen Charakter.
24. Kein Charakter hat verwandtschaftliche Verbindungen zu Werwölfen, Magiern oder Wech-
selbälgern. Ich hatte mal einen Spieler der wollte, dass seine Mutter ein Werwolf ist, sein
Vater ein Magier und dessen Großvater ihn als Totengeist besuchte.
25. Bitte vermeide alle Merits und Flaws die dich menschlicher wirken lassen (Baby Face, Eat
Food, Walk in Sunlight, whatever) – andernfalls: Was ist der Sinn, Vampire zu spielen?
26. Nein, du kannst keine Art von Lore-Wissen haben.
27. Vermeide die Natur “Einzelgänger”.
28. Vermeide die Namen “Duncan”, “MacLeod”, “Blade”, “Lestat”, “Fox”, “Nick”, “Knight”, “Bela”,
“Vlad” für Deinen Charakter.
29. Vermeide es, einen Charakter des anderen Geschlechtes zu spielen. Die wenigsten kön-
nen es überzeugend darstellen, und Dein Konzept wird am unterbewussten Widerstand der
anderen Charaktere scheitern.
30. Keine bayerische, sächsische oder sonstige Mundart, bitte. Ich weiß, es wäre realistisch,
aber schallendes Gelächter ist im Elysium fehl am Platze.
31. Wenn du Dein Haar als “Schwarz wie das Gefieder eines Raben” beschreibst, fällt ein bren-
nendes Klavier auf Dich. J
32. Ein weiteres brennendes Klavier trifft Dich jedes einzelne Mal, wo in Deiner Charakterbe-
schreibung das Wort “dunkel” auftaucht. J
33. Wenn Du es je wagen solltest, eine dämliche Aktion mit den Worten “Okay, aber ich bin ein
Malkavianer / Sabbatianer / Toreador (whatever)” zu entschuldigen, fällt eine brennende
KlavierFABRIK auf Dich. J
34. Sollte Dein Name oder Dein Pseudonym eines der folgenden Worte enthalten, fällt Dein
Charisma und Status auf Null, weil die Leute sich über dich kaputtlachen: “Dark”, “Raven”,
“Death”, “Black”, “Mort”, “Blood”, “Star”. J

Ich bin ein Monster!


Nachwort von AAS

Am einen oder anderen Punkt wird es Dir – gerade als Neonate – passieren, dass Du Dich und Deinen
Charakter als machtlos, ohnmächtig und klein fühlst. Dieser Effekt tritt im Spiel leider ab und an auf, und
zwar besonders immer dann, wenn gerade kaum Ghule und gar keine Menschen gespielt werden.
Wenn Du beginnst, Deinen Charakter nur innerhalb des Systems der Vampire wahrzunehmen, als impo-
tenten Bauern in einem Spiel, als “Nichts-Könner”, vergegenwärtige Dir die eigentliche Thematik des
Spiels:

Du spielst einen echten VAMPIR.


Du bist UNTOT.
Du hast KRÄFTE.
Du trinkst BLUT.
MEIN GOTT!

Was kann den krasser sein, als so ein Wesen zu spielen? Bemiss Dich nicht daran, was für heftigere
Mächte “da draußen” existieren – das bleibt den Ahnen und Ancillae vorbehalten, die bereits Jahrhun-
derte als Vampir zugebracht und sich daran gewöhnt haben. Als Neonat aber ist Deine Erschaffung
praktisch gerade erst passiert – DEIN Bezugs- und Bemessungspunkt ist der MENSCH – und damit das
Herz deines Charaktzerkonzeptes.

Wer warst Du? Was ist aus Dir geworden?

Dies ist der Schlüssel Deines ganz persönlichen Horrors, und das wahre Herz des Spiels. Politik und In-
trige sind nur Beiwerk, nur Schmuck, nur Aufhänger und Anstoß für die Veränderungen in Dir. Nimm die-
se Anregungen auf, aber beschränke Dich nicht alleine auf sie – bei Vampire hast Du die Chance, Dei-
nen Horror auf jede Art zu erleben.
Im dekadenten Gehabe des Elysiums, den schwarzen Intrigen des Prinzenhofes UND im Peitschen der
Schüsse über dem Asphalt sowie dem Heulen der geketteten Bestie in Dir.

Und DU bist Dein eigener Spielleiter. Dein eigener Führer in Deine Welt der Dunkelheit. Dein eigener
Moderator dieser größten Horrorshow der Welt – Deinem verdammten Leben als Vampir.

Willkommen bei VAMPIRE!

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