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Copyright W. Kohlhammer GmbH. Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch für: Stefan Krapp
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Städtebaurecht
Einführung und Handbuch
Verlag W. Kohlhammer
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6., erw. und überarb. Auflage 2019
Print:
ISBN 978-3-17-033622-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-033623-0
epub: ISBN 978-3-17-033624-7
mobi: ISBN 978-3-17-033625-4
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Vorwort zur 6. Auflage mit einer freundlichen
Bitte an die Leser
Die sechste Auflage dieses Buchs mit dem Stand vom Dezember 2018 erscheint recht
genau fünf Jahre nach der fünften Auflage. Die letzte Baurechtsnovelle, die in der
fünften Auflage berücksichtigt werden konnte, war die BauGB-Novelle 2013 – also
das Gesetz zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013, überwiegend in
Kraft getreten zum 20.9.2013.
Seitdem ist das Baugesetzbuch achtmal geändert worden. Sieben Änderungen erfolgten
im Kontext anderer Gesetze und betrafen nur einzelne Vorschriften; eine „echte“ No-
velle enthielt nur Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU
im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom
4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057) (betreffend § 1, § 3, § 4, § 4a, § 4c, § 6, § 6a (neu),
§ 9, § 10, § 10a (neu), § 11, § 12, § 13, § 13a, § 13b (neu), § 22, § 34, § 35, § 172,
§ 173, § 213, § 214, § 245c, Anlage 1 und auch die BauNVO, §§ 6a (neu) und 13a
(neu) mit entsprechenden Anpassungen in den §§ 1 und 17).
Daneben wirkten folgende Gesetze zwischen 2014 und 2018 auf das BauGB ein:
– Artikel 1 des Gesetzes zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe
von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen
vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 954) (betreffend § 249 BauGB);
– Artikel 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung
der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1748)
(betreffend §§ 1, 31, 246 BauGB);
– Artikel 118 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Au-
gust 2015 (BGBl. I S. 1474) (betreffend § 9a BauGB);
– Artikel 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015
(BGBl. I S. 1722) (betreffend § 246 BauGB);
– Artikel 6 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und ande-
rer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017
(BGBl. I S. 1298) (betreffend §§ 3, 214 BauGB);
– Artikel 2 des Hochwasserschutzgesetzes II vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2193)
(betreffend §§ 1, 5, 9 BauGB);
– Artikel 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeits-
prüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) (betreffend §§ 3, 4, 214, 245c BauGB
und die Anlage 2 zum BauGB).
Nach wie vor hat sich das „Rote Buch“ die Aufgabe gestellt, das deutsche Städtebau-
recht auf der Grundlage einer Einführung in die Systematik und die Instrumente des
öffentlichen Rechts auch für Nichtjuristen verständlich darzustellen. Das bisherige
Echo zeigt, dass dies weitgehend gelungen ist. Die Hinwendung auch an Nichtjuristen
kommt auch in der Zusammensetzung des Autorenteams zum Ausdruck: Es handelt
sich um zwei Stadt- und Regionalplaner – nämlich Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch
(BTU Cottbus-Senftenberg) und Prof. Dr.-Ing. Reinhold Zemke (FH Erfurt) – und um
den Juristen Prof. Dr. jur. Gerd Schmidt-Eichstaedt (ehem. TU Berlin).
Das Buch befindet sich auf dem Stand vom Dezember 2018. Ausgewählte einschlägige
Rechtsprechung ist in den Fußnoten zitiert. Jedes Kapitel wird mit Hinweisen auf die
seit 2010 neu erschienene Literatur (Zeitschriftenaufsätze und Monographien zu den
zum Kapitel gehörenden Einzelfragen des Städtebaurechts) abgeschlossen; im Einzel-
fall wird auch auf zuvor Erschienenes hingewiesen. Die bis zur 5. Auflage im Buch
enthaltenen vollständigen bibliographischen Hinweise bis zum Jahr 2009 sind im In-
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VI
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Inhaltsverzeichnis
VII
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VIII
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IX
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XI
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XII
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XIII
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
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XVII
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Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen
XVIII
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Abkürzungsverzeichnis
B-Plan Bebauungsplan
BauGB Baugesetzbuch
BauGB-MaßnG Maßnahmengesetz zum BauGB
BauNVO Baunutzungsverordnung
BauO Bauordnung
BauR Baurecht (Zs.)
BauROG Bau- und Raumordnungsgesetz
BauZVO Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR
BaWüVbl. Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt (Zs.)
BayGT Bayerischer Gemeindetag (Zs.)
BayVbl. Bayerisches Verwaltungsblatt (Zs.)
BBauG Bundesbaugesetz
BBBl. Bundesbaublatt (Zs.)
BbgBO Brandenburgische Bauordnung
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof
BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz
BImSchV Verordnung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz
BKompV Bundeskompensationsverordnung
BNatSchG Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege
BoBauE Entscheidungssammlung Boden- und Baurecht
BRS Baurechtssammlung
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgericht
BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (Zs.)
F-Plan Flächennutzungsplan
FWW Die Freie Wohnungswirtschaft (Zs.)
XIX
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Abkürzungsverzeichnis
GG Grundgesetz
GS Gesetzessammlung
GuG Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zs.)
LBO Landesbauordnung
LKRZ Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/
Saarland
LKV Landes- und Kommunalverwaltung (Zs.)
PlanZV Planzeichenverordnung
prALR Preußisches Allgemeines Landrecht von 1794
UP Umweltprüfung
UPR Umwelt- und Planungsrecht (Zs.)
UVP Umweltverträglichkeitsprüfung
UVP-Gesetz Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
VA Verwaltungsakt
VA Verwaltungsarchiv (Zs.)
VBlBW Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zs.)
XX
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Abkürzungsverzeichnis
XXI
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Standardliteratur
2. Kommentare
a) BauGB
Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Löhr, Rolf-Peter, fortgeführt von Battis, Ulrich/Mitschang,
Stephan/Reidt, Olaf, Baugesetzbuch, 13. Aufl., München 2016
Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, hrsg. von Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, 3. Aufl.,
Köln (Loseblatt)
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, München (Loseblatt)
Jäde, Henning/Dirnberger, Franz, Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung, Kommentar,
9. Aufl., Stuttgart 2018
Jarass, Hans D./Kment, Martin, Baugesetzbuch, 2. Aufl. München 2017
Kohlhammer-Kommentar zum Baugesetzbuch, Mitbegr. von Hermann Brügelmann, Stuttgart
(Loseblatt)
Kröninger, Holger/Aschke, Manfred/Jeromin, Curt M., Baugesetzbuch mit Baunutzungsverord-
nung, Handkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2018
Schiwy, Peter (Hrsg.), Baugesetzbuch (BauGB), Sammlung d. gesamten Bau- u. Städtebauförde-
rungsrechts d. Bundes u. d. Länder, Starnberg-Percha (Loseblatt)
Schrödter, Wolfgang (Hrsg.), Baugesetzbuch – Kommentar, 9. Aufl., München 2018
Spannowsky, Willy/Uechtritz, Michael, Baugesetzbuch – Kommentar, 3. Aufl., München 2018.
b) BauNVO
Boeddinghaus, Gerhard/Grigoleit, Klaus Joachim, BauNVO – Handkommentar, 6. Aufl., Mün-
chen 2014
Bönker, Christian/Bischopink, Olaf, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 2. Aufl. Baden-Ba-
den 2018
XXII
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Standardliteratur
3. Entscheidungssammlungen
Baurechtssammlung (BRS), Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der Oberverwal-
tungsgerichte der Länder und anderer Gerichte zum Bau- u. Bodenrecht, hrsg. von Thiel/
Gelzer, Düsseldorf 1950 ff.
BoBauE, Entscheidungssammlung Boden- u. Baurecht, Neuwied 1983 ff. (Loseblatt)
Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
Köln 1957 ff. (Loseblatt)
BVerwGE – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Köln
Hoppe, Werner/Stüer, Bernhard, Die Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht, Stuttgart 1995.
4. Fachzeitschriften
Baurecht (BauR), erscheint monatlich im Werner Verlag, Postfach 105354, 40044 Düsseldorf
Bundesbaublatt (BBl.), erscheint monatlich im Bauverlag, 65173 Wiesbaden
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.), erscheint zweimal monatlich im Heymanns Verlag, 50939
Köln
Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG), erscheint sechsmal jährlich im Werner Verlag,
Postfach 105345, 40044 Düsseldorf
Landes- und Kommunalverwaltung (LKV), erscheint monatlich im Nomos-Verlag, Waldsee-
straße 3–5, 76530 Baden-Baden
Natur und Recht (NuR), erscheint zwölfmal jährlich im Springer-Verlag, Abraham-Lincoln-
Str. 46, 65189 Wiesbaden
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), erscheint monatlich im Beck-Verlag, 80801
München
Die öffentliche Verwaltung (DÖV), erscheint zweimal monatlich im Verlag W. Kohlhammer,
Heßbrühlstr. 69, 70565 Stuttgart
Umwelt- und Planungsrecht (UPR), erscheint monatlich in Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm
GmbH, Hutschiner Str. 8, 81677 München
Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR), erscheint achtmal
jährlich im Verlag Vahlen München = Beck-Verlag, Wilhelmstr. 9, 80801 München
Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR), erscheint sechsmal jährlich im Nomos-Verlag, Waldsee-
straße 3–5, 76530 Baden-Baden.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
I. Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?
Es entspricht einer gern geübten Gewohnheit, den Beginn eines wissenschaftlichen
Textes mit einem Zitat in lateinischer Sprache zu schmücken. Für ein juristisches Buch
kann man dazu auf eine große Auswahl zurückgreifen; denn die Traditionen der
Rechtswissenschaft reichen bis weit in das Römische Recht zurück. Zwei lateinische
Sätze sollen zitiert werden, um den Sinn, aber auch die Beschränkungen einer Rechts-
ordnung deutlich werden zu lassen.
Der erste Satz lautet: „Autoritas, non veritas facit legem“1 (Durchsetzungskraft, nicht
Wahrheit macht das Gesetz aus). Der zweite Satz heißt: „Securitas, non iustitia facit
pacem“2 (Sicherheit, nicht Gerechtigkeit schafft den Frieden).
Das sind zwei provozierende Sätze. Soll es für eine Rechtsordnung wirklich nicht auf
„veritas“, also auf Wahrheit, und nicht auf „iustitia“, also Gerechtigkeit, ankommen,
sondern nur auf „autoritas“, also Durchsetzungskraft, und „securitas“, also Sicher-
heit? In dieser Umkehrung darf man die Sätze nicht lesen. Denn eine lügnerische und
ungerechte Rechtsordnung schafft weder Sicherheit noch Frieden. Was hier gemeint
ist, ist etwas anderes:
Es genügt nicht für eine Rechtsordnung, wohltuende Programmsätze aufzustellen und
milde Gutmütigkeit zu verkünden. Von einer Rechtsordnung kann man vielmehr erst
dann reden, wenn bestimmte Regeln mit Durchsetzungskraft, mit Autorität versehen
sind und wenn diese Regeln auch gegenüber Anfechtungen derart verteidigt werden,
dass die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft vor Unrecht von außen und vor Willkür
von innen verschont bleiben und somit „Sicherheit“ genießen. Von einer Rechtsord-
nung kann also erst dann gesprochen werden, wenn ihre Regeln hoheitlich durchge-
setzt werden. Diese Ordnung darf nicht ungerecht und unsozial sein, wenn sie auf
Dauer Bestand haben soll. Ob ein Gesetz, eine Rechtsregel jedoch inhaltlich „wahr“,
ob sie „gerecht“ ist, das lässt sich in vielen Fällen nicht eindeutig beantworten. Die
Geltungskraft einer Regel darf man von diesem Befund nicht prinzipiell abhängig ma-
chen. Man sollte die Bedingung vielmehr umgekehrt formulieren: Wenn eine Norm
nicht eindeutig lügnerisch, wenn sie nicht eindeutig ungerecht ist, dann ist ihrer Gel-
tung der Vorzug gegenüber der regellosen Unordnung zu geben. Denn ohne eine funk-
tionierende Rechtsordnung kann eines der höchsten Güter der Gemeinschaft, der in-
nere Frieden, nicht aufrechterhalten werden. Ohne Rechtsordnung gilt das Faustrecht,
der Schwache muss sich dem Starken beugen. Die Ungerechtigkeit und Rechtlosigkeit,
die unter dem Faustrecht herrschen, sind umso vieles schlechter als eine auch nur
mäßige Rechtsordnung, dass es sich lohnt, sich auch dann auf die Seite des Gesetzes
zu stellen, wenn man selbst als Gesetzgeber anders gehandelt hätte.
Aus dem Gesagten lässt sich eine erste Definition der modernen Rechtsordnung ablei-
ten: Rechtsordnung, das ist der Inbegriff der hoheitlich durchzusetzenden, mindestens
gerichtlich feststellbaren Regeln für alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens
mit dem erkennbaren Ziel, eine gerechte soziale Ordnung herzustellen und zu erhalten.
Ob diese Definition für alle Zeiten gilt und gegolten hat, ob und welche anderen
Definitionen möglich sind, soll hier nicht erörtert werden, bis auf den Hinweis, dass
andere Meinungen dazu möglich sind und auch vertreten werden.3
1 Der Satz wird Thomas Hobbes, Autor des „Leviathan“ (1651), zugeschrieben; vgl. Thomas Hobbes, Levia-
than, 2. lateinische Fassung 1668, Kap. 26, etwa Mitte, in deutscher Fassung hrsg. von Iring Fetscher,
Neuwied 1966, S. 110 ff. und S. 203 ff.
2 Weitere lateinische Rechtsregeln in: Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, zusammengestellt,
übersetzt und erläutert von Detlef Liebs, München 1982.
3 Näheres und anderes z. B. bei Uwe Wesel, Juristische Weltkunde, Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl.,
Frankfurt am Main 2004, S. 35 ff.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
In der obigen Definition ist davon die Rede, dass manche Rechtsregeln doch nicht
hoheitlich durchsetzbar, aber wenigstens gerichtlich feststellbar sein müssen. Was ist
damit gemeint?
Die Rechtsregeln sind nicht die einzigen Regeln, die in einer Gesellschaft Geltung
beanspruchen. Neben den Rechtsregeln gibt es moralische Regeln, es gibt den „An-
stand“ und die „guten Sitten“ (man spuckt nicht auf den Bürgersteig, auch wenn es
nicht verboten ist); auch die Mode und die wechselnden Umgangsformen können bei-
nahe zwingende Regeln auferlegen.
Auch diese Regeln dienen dem menschlichen Zusammenleben, sie werden aber nicht
hoheitlich durchgesetzt. Das liegt teilweise daran, dass sie von minderer Bedeutung
sind (wie z. B. die Mode), teilweise aber auch daran, dass man ihre Einhaltung nicht
mit den Mitteln des äußeren Zwanges durchsetzen kann. Dies gilt zum Beispiel für
hohe moralische Forderungen. Moralische Forderungen richten sich an das innere
Verhalten des Menschen, an sein inneres Selbst. Moralisch handelt nicht schon der,
der äußerlich Gutes tut und Schlechtes vermeidet, sondern nur der, der das Gute um
des Guten willen tut und das Schlechte nicht, weil er es innerlich verabscheut. Ein
solches Verhalten kann man nicht erzwingen.
Nicht oder kaum erzwingen kann man auch höchstpersönliche Verhaltensweisen von
einiger Dauer, die eigentlich die ständige aktive Mitwirkungsbereitschaft des Betroffe-
nen voraussetzen. Wer solches durchsetzen will, muss sehr direkt auf die Person ein-
wirken, er muss in Konfliktfällen ihren Willen mit physischer Gewalt brechen. Das ist
immer schwierig und oft schmerzhaft. Wenn es nicht dringend geboten ist, sollte der
Rechtsstaat sich nicht mit Brachialgewalt durchsetzen. In Übereinstimmung mit die-
sem Grundsatz sind einige Rechtsnormen, durch die jemand auf Dauer zu einem nur
von ihm persönlich erreichbaren Erfolg verpflichtet wird, nur gerichtlich feststellbar,
aber nicht hoheitlich durchsetzbar. Die wichtigsten dieser Rechtsregeln sind
– die Verpflichtung zu einer bestimmten Arbeit durch einen Arbeitsvertrag und
– die Pflichten aus einer Ehe.
Auch wenn man sich in einem Arbeitsvertrag dazu verpflichtet hat, einem bestimmten
Unternehmer oder einem bestimmten Betrieb Dienste zu leisten, kann man dazu vom
Gerichtsvollzieher nicht gezwungen werden. Das Gericht kann zwar feststellen, dass
man zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, aber man wird nicht zur Zwangsarbeit vorge-
führt werden. Allenfalls muss man Schadenersatz leisten, wenn man seinen arbeitsver-
traglichen Pflichten nicht wie versprochen nachkommt.
Auch die Pflicht zur „Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ kann vom Ge-
richt nur festgestellt, aber nicht durchgesetzt werden. Ein Eingriff des Staates in diesen
Bereich hätte so starken Zwangscharakter, dass er wohl von niemandem akzeptiert
würde.
Dieses sind jedoch Ausnahmefälle. Im Grundsatz und im Regelfall gilt: Eine Rechts-
ordnung muss hoheitlich durchgesetzt werden. Dies ist gleichsam die Bedingung und
die Gegenleistung dafür, dass die Bürger untereinander darauf verpflichtet werden,
außerhalb von Notwehr und Nothilfe auf jegliche Gewaltanwendung zu verzichten.
Im Rechtsstaat hat der Staat das Gewaltmonopol inne: Allein die staatlichen Organe
dürfen physische Gewalt anwenden. Erst durch diesen Grundsatz werden die archai-
sche Blutrache im Strafrecht und die brachiale Selbsthilfe im Zivilrecht verhindert.
Wenn Selbsthilfe in Form von „Bürgerwehren“ wieder auftaucht, so ist dies ein Anzei-
chen dafür, dass staatliche Ordnungsgewalt nicht hinreichend präsent ist.
Wenn der Staat durch seine Gesetze etwas verlangt, dann muss er auch dafür sorgen,
dass man sich danach richtet. Häufige und hilflose Duldung von Unrecht im Kleinen
zieht Ungehorsam und Unrecht im Großen nach sich. Aus diesem Grund liegt eine
ernste Gefährdung des Rechtsstaates darin, wenn sich die Rechtsordnung außerstande
zeigt, dem Beschmieren von Wänden und Gegenständen im öffentlichen Raum, dem
Zerkratzen der Scheiben in Bussen und Bahnen wirksam entgegenzutreten. Das Straf-
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Der Aufbau der Rechtsordnung II.
recht mit seinen Paragraphen über die Sachbeschädigung nützt hier offensichtlich gar
nichts. Der Gesetzgeber muss sich zur Abwehr etwas anderes – etwas jugenderzie-
hungsgerechtes – einfallen lassen.
Die auf dem Abschluss von Verträgen fußende Privatrechtsordnung muss dadurch
effektiv gemacht werden, dass der Staat Gerichte und Gerichtsvollzieher bereitstellt,
die es den Vertragspartnern erlauben, ihre vertraglich formulierten Rechte einzuklagen
und auch zeitnah entschieden zu bekommen. Prozesse dürfen bis zur rechtskräftigen
Entscheidung nicht lange dauern – sonst verzweifeln die Bürger an ihrem guten Recht.
Und nicht zuletzt: Wenn der Staat sich selbst eine rechtliche Ordnung, eine Verfassung
gibt, dann muss er sie auch selbst einhalten. Ein Rechtsstaat muss sich an seine eigenen
Regeln halten, muss sie auch gegenüber sich selbst durchsetzen.
Für das Bau- und Planungsrecht gilt also ebenfalls: Es handelt sich um hoheitlich
durchzusetzende Regeln mit dem Ziel, Ordnung herzustellen und zu erhalten. Diese
Regeln gelten nicht nur für den Bürger, sondern auch und gerade für den Staat selbst,
für die öffentliche Verwaltung.
Literatur:
Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?
Braun, Johann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 4. Aufl., Tübingen 2011;
Braun, Johann, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Tübingen 2011;
Engisch, Karl (Hrsg.), bearbeitet von Würtenberger, Thomas, Einführung in das juristische Den-
ken, 11. Aufl. 2010;
Hoerster, Norbert, Was ist Recht?, 2. Aufl. München 2013;
Radbruch, Gustav, Einführung in die Rechtswissenschaft, Studienausgabe von Ralf Dreier, Mün-
chen 2011;
Wesel, Uwe, Geschichte des Rechts in Europa: Von den Griechen bis zum Vertrag von Lissabon,
München 2010;
Wesel, Uwe, Juristische Weltkunde, Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl., Frankfurt am Main
2004.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
4 Das Bild vom Strom des Gewohnheitsrechts stammt von Gustav Radbruch, Einführung in die Rechtswis-
senschaft, 13. Aufl. (bearb. von Konrad Zweigert), Stuttgart 1980, S. 174.
5 Vgl. BVerwG, U. v. 10.1.1957 – I C 82.56 –, DÖV 1957, 153 (zur gewohnheitsrechtlichen Wegebau- und
Unterhaltspflicht); zum Fall einer Verneinung von Bundesgewohnheitsrecht vgl. BVerfG, B. v. 14.2.1973 –
2 BvR 667/72 –, BVerfGE 34, 293 (303): Es gibt kein Bundesgewohnheitsrecht, das es den Strafgerichten
gestattet, solchen Anwälten die Verteidigungsbefugnis zu entziehen, die im Verdacht stehen, an der dem
Beschuldigten zur Last gelegten Tat beteiligt gewesen zu sein (Fall Gudrun Ensslin – Verteidiger Otto
Schily).
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Der Aufbau der Rechtsordnung II.
oder um Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten durch nationale Gesetzgebung umge-
setzt werden müssen.
Wenn man das Bundesgesetzblatt und die Gesetz- und Verordnungsblätter der Länder
durchsieht, wird man darin zwei verschiedene Arten von Rechtsvorschriften finden,
nämlich „Gesetze“ und „Rechtsverordnungen“. Der Zahl nach überwiegen dabei die
Rechtsverordnungen. Der Unterschied zwischen „Gesetzen“ und „Rechtsverordnun-
gen“ besteht darin, dass die „Gesetze“ vor ihrer Verkündung von einem Parlament
(also vom Bundestag oder von einem Landtag) beschlossen, die Rechtsverordnungen
aber nicht vom Parlament, sondern „nur“ von der Regierung, einem Ministerium oder
einer sonstigen Verwaltungsinstanz formuliert und beschlossen werden. Welcher Sinn
steckt hinter dieser Zweiteilung?
Grundsätzlich müssen Rechtsnormen von einem Parlament beschlossen werden; denn
der Staatsbürger hat Anspruch darauf, dass die Regeln, denen er sich unterwerfen soll,
von der Volksvertretung diskutiert und nur dann in Kraft gesetzt werden, wenn sich
dafür im Parlament eine Mehrheit gefunden hat. Dies geschieht auch mit allen Vor-
schriften, die den formellen Titel „Gesetz“ tragen; man nennt diese Vorschriften daher
„formelle Gesetze“ oder besser noch „Parlamentsgesetze“. Einige wenige formelle Ge-
setze tragen nicht diesen Titel, sondern sie werden als „Ordnung“ bezeichnet, wie
z. B. die Zivilprozessordnung und andere Prozessordnungen, die Abgabeordnung, die
Gemeindeordnungen. Diese „Ordnungen“ sind häufig Verfahrensgesetze; im Übrigen
besteht jedoch kein Unterschied zu den formellen Gesetzen.
Der Grundsatz, dass Gesetze vom Parlament gebilligt werden sollten, kann jedoch
nicht in allen Fällen durchgehalten werden. Der moderne Rechts- und Gesetzesstaat
ist auf eine solche Vielzahl von Regelungen angewiesen, dass die Parlamente in Bund
und Ländern völlig überfordert wären, wenn sie sich mit jeder Einzelheit selbst befas-
sen müssten. Das ist auch nicht erforderlich. Der Bundestag muss zum Beispiel nicht
darüber beschließen, ob ein Stoppschild sechseckig oder achteckig zu sein hat, wie ein
Rückstrahler an einem Fahrrad aussehen muss, ob in einem Dorf eine Tankstelle zuläs-
sig sein soll oder nicht. Solche Dinge kann man der Verwaltung überlassen.
Unter diesem Gesichtspunkt der Arbeitsvereinfachung und Entlastung ist es dem parla-
mentarischen Gesetzgeber durch Art. 80 GG erlaubt worden, die Einzelheiten einer
Regelung der ausführenden Verwaltung zu überlassen. Der Gesetzgeber muss dann in
seinem formellen Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß dessen, was er der Verwaltung
überlassen will, genau beschreiben. Aufgrund einer solchen „Ermächtigung“ darf die
Verwaltung die generalisierende Regelung des Gesetzes „weiterdenken“, sie darf dazu
eine Rechtsverordnung erlassen. Rechtsverordnungen sind genauso verbindlich wie
formelle Gesetze, sie sind daher „Gesetze im materiellen Sinn“. Da sie nicht vom
Parlament erlassen werden, ist allerdings verständlich, dass alle schwerwiegenden Ein-
griffe in die Rechte des Bürgers unter „Parlamentsvorbehalt“ stehen: Sie dürfen nicht
durch eine Rechtsverordnung angeordnet werden, sondern nur durch formelles Gesetz.
Dies gilt z. B. gemäß Art. 104 Abs. 1 GG für Beschränkungen der persönlichen Frei-
heit. Ganz allgemein folgt aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundge-
setzes, dass „wesentliche Entscheidungen“, insbesondere im „grundrechtsrelevanten
Bereich“, vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sind6 und nicht der Verwal-
tung überlassen werden dürfen.
Rechtsverordnungen dienen also dazu, vorhandene gesetzliche Regelungen auszu-
bauen, sie mit Einzelheiten zu versehen. Im Bereich des Bau- und Planungsrechtes ist
die wichtigste Rechtsverordnung die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die auf der
Grundlage einer Ermächtigung im Baugesetzbuch (BauGB) ergangen ist. In der Bau-
nutzungsverordnung hat das Bundesbauministerium im Einzelnen beschrieben, welche
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
Festsetzungen in einem Bebauungsplan über die Art und das Maß der baulichen Nut-
zung sowie über die Bauweise getroffen werden können. Dass solche Festsetzungen
prinzipiell möglich sind, steht allgemein formuliert im § 9 Abs. 1 des Baugesetzbuchs.
Nur die Einzelheiten sind durch die Ermächtigung in § 9a BauGB dem Verordnungsge-
ber überlassen worden.7
Manchmal werden Verordnungen vom höherrangigen Gesetzgeber durch Parlaments-
gesetz geändert (so geschehen mit der Baunutzungsverordnung durch die BauGB-No-
velle 2013 zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden). Die
geänderte Vorschrift besitzt dann eigentlich Gesetzesrang. Sie könnte vom Verord-
nungsgeber nicht mehr geändert werden. Um dadurch entstehende Komplikationen zu
vermeiden, gibt es dann im Parlamentsgesetz eine „Entsteinerungsklausel“.8 Damit
wird angeordnet, dass die durch Gesetz in einer Verordnung geänderte Vorschrift wei-
terhin nur noch den Rang von Verordnungsrecht genießen soll. Damit kann sie später
vom Verordnungsgeber geändert werden.
Wie bereits erwähnt, gibt es neben den Parlamentsgesetzen und den Rechtsverordnun-
gen als dritte Kategorie von Normen noch die „Satzungen“. Im Bau- und Planungs-
recht interessieren am meisten die von den Gemeinden als Satzung erlassenen Bebau-
ungspläne. Was ist das für eine Rechtsform? Die Gemeinden haben wie Bund und
Länder eine Volksvertretung, ein Parlament. Auch dieses Parlament darf „Gesetze“
erlassen, sie heißen dann allerdings Satzungen. Weil die Gemeinden im Staatsaufbau
erst die dritte Stufe (nach dem Bund und nach den Ländern) einnehmen, sind sie bei
der Gestaltung ihrer Gesetze wesentlich mehr Einschränkungen unterworfen als die
Länder und der Bund. Sie müssen sich an einen „Rahmen der Gesetze“ halten, der
ihnen vom Bund und von den Ländern vorgegeben ist. Innerhalb dieses Rahmens
besitzen sie jedoch „Satzungsautonomie“, sie dürfen insoweit die örtlichen Angelegen-
heiten selbst und in eigener Verantwortung regeln. Diese Satzungsautonomie ist ein
wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung: Sie setzt die Gemeinden
(und Kreise) in die Lage, auf die örtlichen Verhältnisse gezielt einzugehen, in ihren
Plänen genau das festzusetzen, was den örtlichen Verhältnissen angemessen ist.
Im Bild 1 sind die Rechtsquellen noch einmal zusammengefasst: Es gibt gesetztes (posi-
tives) Recht, das im Gesetzblatt verkündet ist, und „Gewohnheitsrecht“, das aufgrund
allgemeiner Überzeugung und fortdauernder Übung gilt. Im deutschen Rechtskreis
besteht der Großteil des Rechts aus gesetztem Recht.
Innerhalb des gesetzten Rechts gibt es drei Arten: die formellen Gesetze, die Rechtsver-
ordnungen und die (kommunalen) Satzungen. Die formellen Gesetze werden vom zu-
ständigen Parlament in einem vorgeschriebenen Verfahren verabschiedet und verkün-
det. Die Rechtsverordnungen werden von der Exekutive aufgrund parlamentarischer
Ermächtigung erlassen. Die Satzungen werden von den kommunalen Selbstverwal-
tungskörperschaften aufgrund ihrer Befugnis, die Angelegenheiten der örtlichen Ge-
meinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, erlassen.
Eher eine philosophische Frage als eine Frage von praktischer Bedeutung ist die Erwä-
gung, ob es über dem vom Gesetzgeber ausformulierten, dem im Gesetzblatt verkünde-
ten Recht noch ein so genanntes „überpositives“ Recht gibt. Nach Art. 20 Abs. 3 GG
sind die Staatsorgane der Bundesrepublik an „Gesetz und Recht“ gebunden. Damit
erkennt das GG an, dass überpositives Recht über dem geschriebenen Gesetz stehen
kann. Unter überpositivem Recht versteht man solche Regeln, die auch dann gelten,
wenn sie nicht aufgeschrieben sind, kein Gewohnheitsrecht sind, deren Brisanz aber
7 Zu den Grenzen der Verordnungsermächtigung in § 9a BauGB (bis zum 20.7.2004 § 2 Abs. 5 BauGB) vgl.
BVerwG, U. v. 27.2.1992 – 4 C 43.87 –, BVerwGE 90, 57: § 25c Abs. 2 BauNVO 1990 ist nichtig, weil
das BauGB nicht zum Erlass von Vorschriften ermächtigt, die unmittelbar in rechtsverbindliche B-Pläne
eingreifen.
8 Beispielfall: BVerwG, U. v. 16.1.2003 – 4 CN 8.01 –, ZfBR 2003, 476.
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Der Aufbau der Rechtsordnung II.
darin besteht, dass sie sich sogar gegenüber dem geschriebenen Recht durchsetzen,
wenn dieses anderslautend ist. Die Frage nach dem überpositiven Recht – auch „Na-
turrecht“ genannt – erhebt sich immer dann, wenn die Geltung des gesetzten Rechts
bestritten wird. In der Bundesrepublik Deutschland kommt es nur selten zu solchen
Konfliktsituationen. Denn ein großer Teil dessen, was früher als Gegenstand des über-
positiven Rechts betrachtet wurde, ist heute im Grundgesetz, zum Teil auch in völker-
rechtlichen Verträgen und Konventionen – wie z. B. der Menschenrechtskonvention –
festgehalten. Dies betrifft insbesondere die allgemeinen Menschen- und Freiheits-
rechte; zu ihrer Durchsetzung bedarf es heute nicht mehr der Berufung auf das Natur-
recht, auf das überpositive Recht. Im Zusammenhang mit dem überpositiven Recht
wird häufig auch das „Widerstandsrecht“ zitiert. Auch das Widerstandsrecht ist je-
doch unter dem Grundgesetz kein überpositives Recht mehr. Denn gemäß Art. 20
Abs. 4 GG darf jedermann gegen den, der es unternimmt, die gerechte verfassungsmä-
ßige Ordnung zu beseitigen, Widerstand leisten. Was unter dem Nationalsozialismus
noch formell illegal war, nämlich der Widerstand gegen die Staatsgewalt, das wäre
in der Bundesrepublik materiell legal, wenn die Herrschenden selbst unrechtmäßige
Herrschaft ausüben würden. Ein solcher Staatsstreich von oben ist jedoch in der Bun-
desrepublik bisher nicht versucht worden, auch in Zukunft ist er wenig wahrschein-
lich.
Bild 1: Die Rechtsquellen
Rechtsverordnungen
von der Exekutive aufgrund
parlamentarischer Ermächtigung
erlassen
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
sen sich alle anderen Vorschriften messen lassen. Direkt unter dem Grundgesetz sind
das Europarecht und die Bundesgesetze einzuordnen, wobei rechtmäßiges Europarecht
höher steht als deutsches Bundesrecht. Zum Bundesrecht gehören auch die Rechtsver-
ordnungen, die aufgrund von Bundesgesetzen ergangen sind. Auch sie gehören zum
Bundesrecht, welches Landesrecht bricht. Unterhalb des Bundesrechts rangieren die
Landesgesetze (einschließlich der Rechtsverordnungen kraft Landesrechts) aus den
sechzehn deutschen Bundesländern. In den Rahmen des Bundes- und Landesrechts
müssen sich wiederum die Satzungen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaf-
ten einfügen.
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Der Aufbau der Rechtsordnung II.
(in der Regel geschieht dies in einer Präambel – sog. Zitiergebot). Wird die Ermächti-
gung überschritten, ist die Rechtsverordnung insoweit nichtig.
Unterhalb der aus dem Grundgesetz, dem Bundes- und Landesrecht sowie den kom-
munalen Satzungen aufgebauten Normenpyramide gibt es schließlich noch die soge-
nannten Verwaltungsvorschriften. Diese Verwaltungsvorschriften werden als „Er-
lasse“, als „Richtlinien“ oder als „Rundschreiben“ von der Ministerialbürokratie des
Bundes oder der Länder verfasst und an die beteiligten Verwaltungsbehörden ge-
schickt. Es handelt sich dabei zwar nicht um Rechtsnormen, dennoch haben Verwal-
tungsvorschriften einen ganz erheblichen Einfluss.
Der Einfluss beruht darauf, dass die Verwaltung hierarchisch organisiert ist. Der Ins-
pektor muss dem Regierungsrat gehorchen, der Regierungsrat dem Oberregierungsrat
und alle Beamten und Angestellten einer Fachverwaltung dem zuständigen Staatssekre-
tär und dem Minister. In der Beamtenhierarchie besteht Befehlsgewalt der höheren
über die jeweils nachgeordneten Dienststellen, und diese Befehlsgewalt kann durch
Verwaltungsvorschriften in die Tat umgesetzt werden. So heißt es z. B. in § 35 des
Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern
(Beamtenstatusgesetz – BeamtStG): 1Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten
zu beraten und zu unterstützen. 2Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen
auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. 3Dies gilt nicht, soweit die
Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen
nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind. Wenn also ein hoher Beamter
einer Baugenehmigungsbehörde seine nachgeordneten Mitarbeiter anweist, keinerlei
Ausnahmegenehmigungen mehr für den Ausbau von Dachgeschossen zu erteilen, dann
wirkt dies gegenüber den betroffenen Bürgern genauso, als ob dies in einem Gesetz
stehen würde. Wirksam ist eine solche Anordnung natürlich nur dann, wenn keine
höherstehende Vorschrift etwas anderes sagt. Gibt es aber keine Vorschrift, in der
geregelt ist, unter welchen Umständen die Genehmigung für den Ausbau von Dachge-
schossen erteilt werden muss, dann kann eine Verwaltungsvorschrift der Erteilung von
solchen Genehmigungen einen Riegel vorschieben.
An dem Beispiel wird deutlich, dass Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger
wie Gesetze wirken können, und zwar sowohl mit negativem als auch mit positivem
Effekt. Der mögliche positive Effekt beruht auf dem Gleichheitssatz des Grundgeset-
zes. Wenn eine Verwaltung sich selbst Regeln gesetzt hat (und dies geschieht durch
Verwaltungsvorschriften), dann darf sie nicht mehr willkürlich von einer solchen Re-
gelung abweichen. Wenn also (in Umkehrung des obigen Beispiels) durch eine Verwal-
tungsvorschrift geregelt wird, unter welchen Bedingungen die Genehmigung zum Aus-
bau von Dachgeschossen in der Regel erteilt werden soll, dann kann die Verwaltung
nicht mehr willkürlich im Einzelfall eine Genehmigung versagen, wenn die vorformu-
lierten Bedingungen eingehalten sind. Denn niemand darf willkürlich ungleich behan-
delt werden, dies ist vom Grundgesetz garantiert.
b) Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat. Innerhalb der Vor-
schriftenhierarchie soll noch ein näherer Blick auf die (gerade im Bau- und Planungs-
recht wichtigen) Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Gemeinden für die
Normsetzung geworfen werden.
Die Grundregel über die Gesetzgebungskompetenzen in der Bundesrepublik Deutsch-
land steht im Art. 70 GG. Dort heißt es, dass die Länder das Recht zur Gesetzgebung
haben, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die
Motive für diese Regelung zugunsten der Länder können am besten durch einen Blick
auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes verdeutlicht werden.
Das Grundgesetz wurde wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gleich-
sam unter der Oberaufsicht der drei westlichen Siegermächte von deutschen Beauftrag-
ten (vom parlamentarischen Rat) entworfen. Die drei westlichen Siegermächte wollten
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
unter allen Umständen verhindern, dass sich auf deutschem Boden erneut ein zentralis-
tisch organisierter Einheitsstaat etablierte. Daher machten sie den „Vätern des Grund-
gesetzes“ zur Auflage, dem Zentralstaat (also dem Bund) nur so viele Befugnisse einzu-
räumen, wie es zum Funktionieren des Gesamtstaates unbedingt erforderlich sei. Eben
dies ist in Art. 70 GG geregelt: Der Bund darf nur dort gesetzgeberisch tätig werden,
wo es ihm (kraft Einsicht in die Notwendigkeit einer zentralen Regelung) ausdrücklich
erlaubt ist.
Bei der Ausarbeitung des Grundsatzes, den Bund nur mit den Zuständigkeiten auszu-
statten, die zum Funktionieren des Gesamtstaats nötig sind, wählte man zunächst eine
dreifache Abstufung der Intensität der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes:
Es gab (und gibt immer noch) Bereiche (wie z. B. die Ein- und Ausfuhrzölle an den
Staatsgrenzen, das Passwesen, das Währungs-, Geld- und Münzwesen), die allein vom
Bund geregelt werden dürfen und sollten; das ist der Bereich der ausschließlichen Ge-
setzgebung des Bundes. Die Länder haben hier die Befugnis zur Gesetzgebung nur,
soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 GG).
In einem zweiten Bereich hat der Bund die Befugnis zur Gesetzgebung, sobald und
soweit sich ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung herausstellt. Solange und
soweit der Bund von diesem Gesetzgebungsrecht nicht durch Gesetz Gebrauch ge-
macht hat (Art. 72 GG), bleibt die Regelungskompetenz bei den Ländern. Dieser Rege-
lungsbereich – zu dem u. a. das „Bodenrecht“ und damit auch das Bauplanungsrecht
gehört – wird der Bereich der „konkurrierenden Gesetzgebung“ genannt.
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 GG gibt es ein Zugriffs-
recht von zwei Seiten: Erst wenn der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzge-
bung tätig wird, werden etwa vorhandene Landesgesetze, die die gleiche Materie re-
geln, verdrängt. Eine Verdrängung von Landesrecht durch Bundesrecht erfolgte zum
Beispiel mit dem Bundesbaugesetz von 1960. Bis 1960, dem Verkündungsjahr des
Bundesbaugesetzes, gab es kein Bauplanungsrecht des Bundes, sondern nur entspre-
chende Landesgesetze. Diese Landesgesetze wurden 1960 vom Bundesbaugesetz ver-
drängt. Seit 1986 ist das Bundesbaugesetz mit dem 1971 erlassenen Städtebauförde-
rungsgesetz zum Baugesetzbuch zusammengefasst.
Eine dritte Kategorie gab es nur bis zur Föderalismusreform, die am 1. September
2006 in Kraft getreten ist. Bis dahin gab es die Zuständigkeiten des Bundes zur sog.
Rahmengesetzgebung: Hier musste sich der Bund in seiner Regelungsintensität so weit
zurückhalten, dass den Ländern noch Raum für eigenständige materielle Regelungen
blieb. Es sollte also nur ein (relativ grober) Rahmen geschaffen werden, in den sich
die Länder dann mit ihren Gesetzen einordnen konnten. Aufgrund dieser Rahmenset-
zungskompetenz ist 1965 das (Bundes-)Raumordnungsgesetz entstanden, das von den
Landesplanungsgesetzen im Einzelnen fortgeschrieben und ausgefüllt wurde. Die
Kompetenz des Bundes zur Rahmengesetzgebung wurde 2006 abgeschafft und in das
Recht des Bundes zur konkurrierenden Gesetzgebung integriert. Allerdings darf der
Bund in den ehemaligen Bereichen der Rahmengesetzgebung nur tätig werden,
a) wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesge-
biet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen
Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, und
b) die Länder sind auch danach nicht gehindert, hiervon abweichende Regelungen
zu treffen (außer bei den Grundsätzen des Naturschutzes und dem Arten- und
Meeresnaturschutz – Art. 73 Abs. 3 GG).
Der Bund ist wiederum befugt, nach einem Abweichungsgesetz der Länder erneut
einzugreifen und die Materie seinerseits anders und wieder neu zu regeln. Die Länder
müssen dem Bund sogar nach einem „Abweichungsgesetz“ sechs Monate Zeit zur
vorsorglichen Korrektur geben, denn ein Abweichungsgesetz darf gemäß Art. 73 GG
erst sechs Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. Bislang (bis 2018) ist es
(wie wohl zu erwarten war) nicht zu einer solchen „Ping-Pong-Gesetzgebung“ gekom-
10
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Der Aufbau der Rechtsordnung II.
men. Die komplizierte Regelung war das Ergebnis eines Kompromisses in der Födera-
lismusreform und beendete einen langjährigen Streit zwischen Bund und Ländern.
In Art. 73 GG ist die Liste der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung aufge-
führt, in Art. 74 GG die Liste der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung
mit Benennung der Gegenstände, in denen die Länder eine Abweichungskompetenz
besitzen (das ist im Wesentlichen der ehedem in Art. 75 GG geregelte Bereich der
Rahmengesetzgebung). Gemäß Art. 72 Abs. 4 GG kann durch Bundesgesetz bestimmt
werden, dass eine vorhandene bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlich-
keit im obigen Sinne nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.
(Auch dies ist bis 2018 noch nicht vorgekommen). Alles, was nicht in diesen Listen
enthalten ist, gehört zum Regelungsbereich der Länder.
Wenn man sich die Listen der Art. 73, 74 GG allerdings im Einzelnen ansieht, dann
merkt man, dass der Bund sehr viele Regelungsbereiche für sich behalten hat. Statt
der Regel, dass die Länder für alles zuständig sind (mit Ausnahme des einen oder
anderen, das dem Bund zugewiesen ist), gilt die Erfahrung, dass die Länder vom gro-
ßen Kompetenzreservoir nur das erhielten, was beim Aufräumen übrig blieb. Als wich-
tigste Zuständigkeiten blieben ihnen das Kulturrecht (z. B. das Denkmalschutzrecht)
und das Ordnungsrecht (z. B. das Bauordnungsrecht, das Polizeirecht einschließlich
des Gaststättenrechts mit und ohne Rauchverbote und das Recht der Regelung des
Ladenschlusses). Eine zusätzliche wichtige Kompetenz der Länder besteht immerhin
darin, dass sie im Prinzip für die Ausführung aller Gesetze zuständig sind, auch die
der Bundesgesetze. „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene aus“ – so heißt
es in Art. 83 GG. Dazu später mehr.
Wo sind nun die Gemeinden in diesem Kompetenzgefüge zu finden? Die Gemeinden
haben, wie gesagt, das Recht auf Selbstverwaltung. Sie müssen sich aber an den Rah-
men der Gesetze halten. Ihre Kompetenz besteht darin, „die Angelegenheiten der örtli-
chen Gemeinschaft“ in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze zu regeln. Was
allerdings zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört, ist nicht leicht
zu definieren und deshalb auch im Einzelfall häufig umstritten. Im Kapitel IV. (Der
Aufbau der öffentlichen Verwaltung) wird dazu Näheres gesagt. Bild 3 fasst alle diese
Kompetenzen noch einmal übersichtlich zusammen.
Bild 3: Die Verteilung der Regelungskompetenzen in der Bundesrepublik Deutschland
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes laut Grundgesetz
Bundesrecht
Art. 73: Liste der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (definiert in Art. 71
GG)
z. B.: Art. 73 Nr. 6: Luftverkehr; Art. 73 Nr. 9a: Abwehr von internationalem Terrorismus;
Art. 74: Liste der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung,
(definiert in Art. 72 GG)
z. B.: Art: 72 Nr. 18: Bodenrecht (ohne Erschließungsbeitragsrecht)
Art. 72 Abs. 3: Aufzählung der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung, bei denen die Länder
eine Abweichungskompetenz besitzen,
z. B. – Nr. 4: Raumordnung; Nr. 5: Wasserhaushalt
Gesetzgebungskompetenz der Länder laut Grundgesetz
Landesrecht
Art. 70: Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung
– soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
Regelungskompetenz der Gemeinden, garantiert vom GG
Ortsrecht
Art. 28 Abs. 2: Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein,
– alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
– im Rahmen der Gesetze
– in eigener Verantwortung zu regeln.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
gen und Grundbegriffen des Verwaltungsrechts gilt das nächste Kapitel. Vor dem end-
gültigen Übergang zum Verwaltungsrecht ist allerdings noch der Hinweis erforderlich,
dass zum öffentlichen Recht nicht nur das Verwaltungsrecht gehört (durch das gewis-
sermaßen das Alltagsgeschäft der öffentlichen Verwaltung geregelt wird), sondern
auch das Staats- und Verfassungsrecht. Das Staats- und Verfassungsrecht regelt die
Grundvoraussetzungen des staatlichen Handelns, es setzt dem Staat selbst seine Maß-
stäbe.
Literatur
Der Aufbau der Rechtsordnung
Badura, Peter, Staatsrecht, 7. Aufl., München 2018;
Berg, Wilfried, Staatsrecht: Grundriss des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte,
6. Aufl., Stuttgart 2011;
Ipsen, Jörn, Staatsrecht, 30. Aufl., Köln 2018;
Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1966;
Müller, Georg, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2. Aufl., Zürich 2006;
Noll, Peter, Gesetzgebungslehre, Reinbeck 1973;
Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I bis V, München 1999–
2011.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
a) Die leistende Verwaltung. Die leistende Verwaltung tritt dem Bürger mit helfender
Hand, mit dem Angebot der Inanspruchnahme gegenüber. Aufgrund von sogenannten
„Geldleistungsgesetzen“ kann man, sofern man bestimmte Voraussetzungen erfüllt,
Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz bekommen, Ausbildungshilfen nach dem Bun-
desausbildungsförderungsgesetz, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetz-
buch. Nach anderen Leistungsgesetzen sind nicht nur Geldzahlungen, sondern auch
Unterstützung durch Sachleistungen (Zuweisung einer Unterkunft), Beratung (z. B. in
Erziehungsfragen), und Auskünfte (z. B. über den Wohnsitz einer ordnungsgemäß ge-
meldeten Person) möglich. Ein klassischer Bereich der leistenden Verwaltung sind auch
die kommunalen Einrichtungen: Bürgerhäuser, Kinderspielplätze, Theater, Museen
sind Leistungen für die Bürger, deren Nutzung häufig durch Satzung geregelt ist. Für
manche dieser kommunalen Einrichtungen muss man allerdings Eintrittsgelder bezah-
len, wenn man sie in Anspruch nehmen will – z. B. für ein Schwimmbad oder für einen
Theaterbesuch. Damit ist bereits der zweite Bereich der Verwaltung angesprochen: die
Abgaben erhebende und damit Geld einnehmende Verwaltung.
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
messenen Verhältnis zu der Leistung stehen muss (Äquivalenzprinzip). Auch eine Bei-
tragszahlung steht in einem konkreten Gegenleistungsverhältnis zu einer öffentlichen
Leistung. Für die Entstehung einer Beitragspflicht genügt es aber, wenn man die öffent-
liche Leistung in Anspruch nehmen kann – ob man sie wirklich in Anspruch nimmt,
bleibt dann der eigenen Entscheidung überlassen. Im Bau- und Planungsrecht ist der
wichtigste Beitrag der „Erschließungsbeitrag“, der von den Gemeinden dafür erhoben
wird, dass sie in einem Neubaugebiet Straßen und Fußwege einrichten, Grünanlagen
anpflanzen und die Straßen beleuchten lassen. Jeder, der ein Grundstück in einem
solchen Neubaugebiet (Erschließungsgebiet) hat, wird zum Erschließungsbeitrag he-
rangezogen; dies gilt auch dann, wenn der betreffende Eigentümer sein Grundstück
noch gar nicht baulich nutzt, die neugebaute Straße und den Lärmschutzwall also
konkret noch gar nicht braucht.
Es liegt auf der Hand, dass es für das Funktionieren eines Staats und für die Bürger
sehr wichtig ist, dass und welche Steuern erhoben werden dürfen und wer die Steuer-
gelder bekommt. Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung sind diese Fragen im Grund-
gesetz selbst geregelt, nämlich in dessen Abschnitt über die Finanzverfassung. Gemäß
Art. 106 GG stehen einige Steuern allein dem Bund zu (so z. B. die Versicherungssteuer
und die Wechselsteuer), einige andere Steuern allein den Ländern (so z. B. die Kraft-
fahrzeugsteuer und die Erbschaftssteuer); die wichtigsten Steuern (wie die erwähnte
Einkommensteuer und die Umsatzsteuer) gehören zu den sogenannten Gemeinschafts-
steuern. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer sind der
Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an
der Umsatzsteuer werden durch das Bundesgesetz über den Finanzausgleich zwischen
Bund und Ländern im zweijährigen Abstand neu festgesetzt.
An den Gemeinschaftssteuern sind auch die Gemeinden beteiligt, und zwar in mehrfa-
cher Weise: Sie erhalten zunächst einen Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer,
der durch Bundesgesetz bestimmt wird, seit 1979 in Höhe von 15 % des Aufkommens.
Der Schlüssel zur Verteilung auf die einzelnen Gemeinden wird nach einem relativ
komplizierten Verfahren berechnet, das im Grundsatz die Leistungen dorthin zurück-
führt, wo sie hergekommen sind; die Steuerleistungen von sehr hohen Einkommen
fließen jedoch nicht in vollem Umfang in die Gemeinden zurück, „wo die Millionäre
wohnen“, sondern werden auf alle Gemeinden etwa gleichmäßig verteilt. Außer dieser
quasi direkten Beteiligung an der Einkommensteuer bekommen die Gemeinden ab
1998 auch noch 2,2 % vom Aufkommen der Umsatzsteuer; schließlich müssen die
Länder sie gemäß Art. 106 Abs. 7 GG durch weitere Zuweisungen aus ihrem Anteil
bedenken. Näheres über die finanzielle Ausstattung der Gemeinden findet sich in Kapi-
tel A.IV. unter 3. c).
Über die Verteilung der Steuern an verschiedene Empfangsberechtigte hinaus gibt es
einen horizontalen und vertikalen Finanzausgleich im Bundesstaat. Mit dem vertikalen
Finanzausgleich ist der Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft zwischen dem Bund,
den Ländern und den Gemeinden gemeint, mit dem horizontalen Finanzausgleich die
Herstellung etwa gleicher Finanzausstattung zwischen den Ländern (Länderfinanzaus-
gleich) und – auf anderer Ebene – zwischen den Gemeinden (kommunaler Finanzaus-
gleich). Die Einzelheiten des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs sind eine
Wissenschaft für sich, die hier nicht im Einzelnen ausgebreitet werden soll.
c) Die ordnende Verwaltung. Als dritter Regelungsbereich des Verwaltungsrechts
wurde schließlich die ordnende Verwaltung erwähnt. Innerhalb der ordnenden Ver-
waltung kann man wiederum die eingreifende, die schützende und die planende Ver-
waltung unterscheiden. Die eingreifende Verwaltung (oder die Eingriffsverwaltung) ist
das klassische Feld der Hoheitsverwaltung. Sie verbindet sich mit dem Begriff der
Polizei, weil die Polizei (insbesondere die uniformierte Schutzpolizei) dem Bürger als
Eingriffsmacht am stärksten sichtbar wird. Seit 1945 hat man allerdings versucht, die
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
11 BVerfG, U. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83,
1 BvR 484/83 –, BVerfGE 65, 1 (Volkszählungsgesetz). Zur Rechtslage seit 2019 vgl. die Datenschutz-
grundverordnung der Europäischen Union.
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
fene unterste Verwaltungsinstanzen der Länder tätig. Die Einzelheiten dieses Behör-
denaufbaus werden im Kapitel A.IV. „Der Aufbau der Verwaltung“ näher erläutert
werden. Zunächst soll auf das Hauptinstrument des Verwaltungshandelns eingegan-
gen werden, auf den Verwaltungsakt.
2. Der Verwaltungsakt
a) Definition des Verwaltungsakts (VA). Die Verwaltung ist eine eigenständige Staats-
gewalt, deren Mitarbeiter die Aufträge des Gesetzgebers mit- und weiterdenkend aus-
zuführen haben. Die Verwaltung hat Leistungen an die Bürger zu verteilen (etwa Sozi-
alhilfe, Wohngeld, Studiengelder). Sie hat Steuern, Gebühren und Beiträge
einzusammeln, sie greift ein (Verkehrsregeln), sie beaufsichtigt (die Gaststätten und
Gewerbebetriebe), sie plant (die Straßen, die Bebauung). Fast immer, wenn die Verwal-
tung nicht nur plant, sondern direkt handelt, geschieht dies in Form eines „Verwal-
tungsakts“. Der Verwaltungsakt ist gleichsam das Konzentrat, in dem sich die Vielzahl
der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Tat, zur Aktion verdich-
tet. Im Bild 5 ist dargestellt, wie Bundesgesetze, Landesgesetze, Rechtsverordnungen
und kommunale Satzungen zusammenwirken, wie sich die Vorschriften schließlich in
einem Punkt – dem Verwaltungsakt – konzentrieren.
Bundesgesetze
Landesgesetze
V RVO
Kommunale Satzungen
E BVerwG R
RVO
R E
W C
A H
L T
T S
U Verwaltungsvorschriften, Rundschreiben, Erlasse P
N
G OVG R
VHG E
Konkretisierung durch C
H
Verwaltungs- U
akt N
Überprüfung G
Einzelfall
VG
Bürger
Juristische Personen
Der Bürger, dem eine Baugenehmigung (das ist ein Verwaltungsakt) erteilt wird, be-
kommt nicht all die Gesetze und Vorschriften zugeschickt, auf denen diese Genehmi-
gung beruht, sondern nur den Bauschein, den Brief, mit dem ihm mitgeteilt wird, dass
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
das beantragte Vorhaben zulässig (oder gegebenenfalls unzulässig) ist. Die Juristen
definieren diesen Verwaltungsakt als „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitli-
che Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerich-
tet ist“ (so § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes [VwVfG] vom 25. Mai 1976; die-
ses Gesetz gilt unmittelbar nur für die Verwaltungstätigkeit von Bundesbehörden; die
darin enthaltenen Grundregeln gelten jedoch kraft Übernahme oder identischer Rege-
lung auch für die Verwaltungsbehörden der Länder).
Die Sichtbarkeit, die Greifbarkeit von Verwaltungsakten kommt zunächst dadurch
zum Ausdruck, dass ein Verwaltungsakt vor Gericht angefochten werden kann. Über
diese Angreifbarkeit hinaus ist die Figur des Verwaltungsakts zum grundsätzlichen
Verständnis der Verwaltung als einer eigenständigen Gewalt wichtig: Im Verwaltungs-
akt kommt zum Ausdruck, dass die Verwaltung über das Gesetz hinaus selbst etwas
regelt.
Die Mitarbeiter der Verwaltung sind eben nicht nur gesetzesausführende, komplett
vorprogrammierte „Automaten“, sondern über den Auftrag nachdenkende und han-
delnde Personen. Sie regeln etwas, sie gewähren oder versagen Leistungen, sie gestatten
oder verbieten etwas. Darin liegen ihr Auftrag und ihre Verantwortung. Es wird später
noch daran zu erinnern sein, dass die Gerichte der Verwaltung diesen Auftrag, diese
Kompetenz nicht wegnehmen dürfen. Die Gerichte als dritte Gewalt dürfen sich nicht
an die Stelle der Verwaltung setzen und so tun, als ob sie diejenigen seien, die in erster
Linie zu entscheiden haben, was aus einem gesetzgeberischen Auftrag folgt. Auch
wenn ein Bürger die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme der Verwaltung bestreitet, wird
damit nicht automatisch das angerufene Gericht für diese Entscheidung zuständig. Die
Verwaltung ist und bleibt der Entscheidungsträger. Das Gericht darf und muss nur
überprüfen, ob die Entscheidung der Verwaltung, gemessen am mehr oder weniger
bestimmten Wortlaut des gesetzgeberischen Auftrags, rechtmäßig gewesen ist. Wenn
die Verwaltung vernünftig und vertretbar gehandelt hat, dann darf das Gericht die
Verwaltungsentscheidung nicht etwa deswegen aufheben, weil das Gericht selber viel-
leicht eine andere, auch mögliche und auch vernünftige Entscheidung getroffen hätte.
Die Grenze zwischen den eigenen Befugnissen der Verwaltung und den Eingriffsrech-
ten der Justiz sind nur schwer zu bestimmen. Am Schluss dieses Buches wird noch
einmal darauf eingegangen.
In der Definition des Verwaltungsaktes kommt auch zum Ausdruck, dass man erst
dann vor Gericht ziehen darf, wenn die Verwaltung mit verbindlicher Wirkung nach
außen handeln wollte und gehandelt hat, nicht schon dann, wenn sie nur eine Aus-
kunft12 oder Belehrung erteilen wollte, nur eine interne Weisung weitergegeben hat
oder in der Form einer internen Beteiligung tätig geworden ist. Wer von der öffentli-
chen Verwaltung etwas Wirksames, Verbindliches verlangt, muss einen Verwaltungs-
akt herbeiführen.
Die Verwaltung kann zwar auch Verträge schließen so wie die Bürger untereinander,
und zwar sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Verträge. In diesen
Fällen wird die Verwaltung jedoch gewissermaßen untypisch tätig. Sie benimmt sich
dann entweder wie ein Privatmann, indem sie zum Beispiel Computer kauft oder Öl
für die Heizung des Rathauses; oder sie regelt etwas, was sie eigentlich auch durch
Verwaltungsakte regeln könnte, durch verbindliche Vereinbarung mit dem oder den
Betroffenen, z. B. die Erschließung eines Baugebiets einschließlich der Kostenüber-
nahme. Im Beispiel des privaten Kaufvertrags tritt die Verwaltung dem Verkäufer nicht
als übergeordnete Instanz, sondern wie jedermann, eben als Käufer gegenüber. In die-
sen Fällen sind die Rechtsbeziehungen dann auch nicht anders als im Falle eines priva-
12 Zur Haftung für eine falsche Auskunft vgl.: BGH, U. v. 20.11.1997 – IX ZR 286/96 –, ZfBR 1998, 93;
BGH, U. v. 3.5.2001 – 3 ZR 191/00 –, ZfBR 2001, 412.
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
ten Käufers. Wenn die soeben gekauften Computer mangelhaft sind, dann muss sich
die Verwaltung, wenn der Verkäufer sie nicht zurücknehmen will, wie jeder Bürger an
das Gericht wenden; sie kann keinen Polizisten in das Computergeschäft schicken und
ihn beauftragen, die Computer in das Regal zurückzulegen und dafür die Kaufsumme
mit Gewalt aus der Kasse zu nehmen.
Auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag bewegt sich die Verwaltung auf der gleichen
Stufe wie der Vertragspartner. Der Gegenstand eines öffentlichen Vertrages muss aller-
dings in Bereichen angesiedelt sein, in denen nur der Staat, nur die öffentliche Verwal-
tung tätig werden kann. Dadurch ist er vom privatrechtlichen Vertrag unterschieden.
Ein Beispiel ist der schon erwähnte „Erschließungsvertrag“:13 Die Erschließung von
Bauland ist Aufgabe der Gemeinden. Ein Privatmann darf sein am Rand der Stadt
gelegenes, noch nicht über eine Straße erreichbares Wiesengrundstück nicht aus eige-
ner Initiative in ein Baugrundstück verwandeln. Er darf keine Straße bis zur nächsten
Dorfstraße bauen, Elektrizität und Wasser verlegen und die Wiese auf diese Weise
zu Bauland machen. Üblicherweise muss dies alles von der Gemeinde veranlasst und
durchgeführt werden. Die Gemeinde darf aber mit dem betreffenden Eigentümer einen
Vertrag abschließen, der die Aufschließung des Grundstücks in seine Hände legt. Dies
ist dann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, weil der Gegenstand des Vertrags (die Er-
schließung) im Prinzip Aufgabe der Gemeinde ist und deshalb nur eine Gemeinde, also
ein Subjekt des öffentlichen Rechts, einen wirksamen Vertrag über diesen Gegenstand
schließen kann. Bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen sind der Grundstücks-
eigentümer und die Gemeinde zwar gleichberechtigt, niemand kann sie zum Vertrags-
abschluss zwingen. Die Vertragsbedingungen müssen aber sowohl einen gerechten
Ausgleich der beiderseitigen Interessen herbeiführen als auch den Sonderbedingungen
des öffentlichen Rechts genügen.
b) Arten der Verwaltungsakte. Zwei Arten von Verwaltungsakten sind die häufigsten
und wichtigsten: Die begünstigenden und die belastenden Verwaltungsakte.
Beispiele für begünstigende Verwaltungsakte sind: Die Gewährung von Wohngeld (in
bestimmter Höhe für eine bestimmte Zeit), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
für einen Ausländer (befristet oder unbefristet), die Gewährung einer Zuwendung (für
einen Forschungsauftrag), die Beförderung eines Beamten in eine höhere Position.
Als Beispiele für belastende Verwaltungsakte können genannt werden: Die amtliche
Stilllegung eines Kraftfahrzeugs, das Verbot der Benutzung einer Wohnung durch die
Wohnungsaufsicht, die Enteignung eines Grundstücks, der Kraftfahrzeugsteuerbe-
scheid.
Belastende Verwaltungsakte dürfen nur auf der Grundlage eines Gesetzes ergehen
(Vorbehalt des Gesetzes). Die Vorschrift, die einem belastenden Verwaltungsakt zu-
grunde liegt, nennt man die „Eingriffsgrundlage“. Wenn ein belastender Verwaltungs-
akt nicht durch eine Eingriffsgrundlage gedeckt wird, dann ist er fehlerhaft. Auf wel-
che Weise (und mit welchen Fristen) man fehlerhafte Verwaltungsakte angreifen kann,
wird im nächsten Kapitel behandelt werden.
Auch begünstigende Verwaltungsakte haben in der Regel eine Rechtsgrundlage. Die
Bindung an das Gesetz ist hier jedoch weniger streng, eben weil der Bürger nicht
belastet, sondern begünstigt wird. Die Gewährung von Vergünstigungen ist jedoch
keinesfalls ein rechtsfreier Raum. Beispielsweise dürfen Vergünstigungen nicht willkür-
lich und unter Verletzung des Gleichheitssatzes gewährt werden. Schon um das Gleich-
heitsprinzip einzuhalten, ist es notwendig, die Verteilung von Geldleistungen und sons-
tigen Vergünstigungen an Regeln zu binden – und diese Regeln ergehen fast immer in
der Form eines Gesetzes. Man denke zum Beispiel an die Sozialhilfeleistungen, für die
es genaue Kataloge gibt, oder an das Wohngeld, dessen Höhe in sehr detaillierter Form
13 Vgl. §§ 11, 124 BauGB. Näheres dazu unten im Kapitel „Städtebauliche Verträge“.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
vom Gesetzgeber bestimmt wird. Nur in relativ schmalen Bereichen entscheidet die
Verwaltung allein – so zum Beispiel bei der Gewährung von Fördermitteln für wissen-
schaftliche Arbeiten oder Forschungsaufträge, die im Interesse eines Ministeriums lie-
gen. Auch über Subventionen anderer Art wird zuweilen ohne detaillierte Regelung
entschieden. Als Mindestvoraussetzung muss jedoch auch für derartige, sonst gesetzes-
freie Aufträge oder Subventionen eine Haushaltsstelle in einem öffentlichen Haushalts-
plan vorhanden sein, in der die entsprechenden Gelder genau für diesen Zweck vorge-
sehen sind.14
Kompliziert wird die Situation, wenn ein Verwaltungsakt gegenüber einer Person be-
günstigende, gegenüber einer anderen aber belastende Wirkungen hat. Gerade im Be-
reich des Bau- und Planungsrechts kommt dies des Öfteren vor. Denn eine Baugeneh-
migung hat recht häufig ein doppeltes Gesicht: Der Antragsteller, also der Bauherr,
freut sich, wenn ihm die Baugenehmigungsbehörde gestattet, auf seinem Grundstück
dicht an der Grenze zum Nachbarn noch eine Garage zu bauen, die dort eigentlich
nicht vorgesehen war. Der Nachbar, an dessen Grenze die Garage sich befinden wird,
wird darüber kaum begeistert sein. Erstens fällt mehr Schatten auf sein Grundstück
als vorher, zweitens fährt das Auto auf seinem Weg von und zur Garage vielleicht
gerade an seiner Gartenterrasse vorbei und stört ihn mit Geräuschen und Abgasen.
Obwohl der Nachbar eigentlich gar nicht der Adressat des Verwaltungsakts (der Bau-
genehmigung) ist, wird er dennoch von ihr betroffen, auch ihm muss im Streitfall
Rechtsschutz gewährt werden. Dies ist bei den Verwaltungsakten mit Doppelwirkung
(manche nennen sie auch „Verwaltungsakte mit Drittwirkung“) durchaus anerkannt;
in den Kapiteln A.V. 3. c) und B.IX. 3 findet sich darüber Näheres.
c) Fehlerhafte Verwaltungsakte. Ein Antrag auf Rechtsschutz wird immer nur dann
Erfolg haben, wenn der Verwaltung bei ihrem Verwaltungsakt ein Fehler unterlaufen
ist. Je nach der Art des Fehlers unterscheidet man verschiedene Fehlerfolgen, die im
Bild 6 nebeneinandergestellt sind.
Vorab und als einer der wichtigsten Grundsätze zur Fehlerhaftigkeit von Verwaltungs-
akten ist festzuhalten, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt nicht automatisch wir-
kungslos ist, sondern dass er rechtzeitig angegriffen (juristisch ausgedrückt: angefoch-
ten) werden muss, wenn er beseitigt werden soll. Wenn ein fehlerhafter
Verwaltungsakt von demjenigen oder denjenigen, die sich durch ihn belastet fühlen,
nicht rechtzeitig angegriffen wird, dann erwächst er in Bestandskraft und muss endgül-
tig hingenommen werden. Hinsichtlich der Geltung dieses Grundsatzes gibt es nur
zwei Einschränkungen: Auf der einen Seite gibt es Verwaltungsakte, deren Fehler so
gravierend und so offensichtlich sind, dass sie auch ohne Anfechtung als nichtig ange-
sehen werden müssen. Auf der anderen Seite gibt es Verwaltungsakte mit Fehlern, die
offenkundig so unbedeutend sind (wie Schreibfehler), dass sie auch eine Anfechtung
unbeschadet überstehen. Übrigens: Das nahverwandte Wort Rechtskraft ist allein Ge-
richtsurteilen vorbehalten, die nicht mehr angegriffen werden können; weder Verwal-
tungsakte noch Pläne werden „rechtskräftig“, sie werden bestandskräftig (Verwal-
tungsakte) oder rechtsverbindlich (Bebauungspläne).
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
Die Anfechtbarkeit
Ohne Auswirkung auf ist die regelmäßige Die Nichtigkeit gibt
die Bestandskraft Folge von Fehlern es nur sehr selten bei
bleiben: Evidenz
Offenbare Unrichtig- Formfehler gemäß VwVfG:
keit (Schreibfehler) – Erlassende Behörde
Verfahrenfehler
Berichtigung nicht erkennbar
– Unzuständigkeit
– Verletzung strenger
Rechtsbehelfsbeleh- – Fehlende Mitwirkung
Formvorschriften
rung fehlt anderer Stellen
– qualifiz. örtl. Unzustän-
Frist beginnt nicht – Fehlen einer
digkeit
zu laufen Entsch.voraussetzung
– Fehlen der
leichte, auf das – objektive Unmöglich-
Begründung
Ergebnis ohne Ein- keit
fluss gebliebene Ver- Materielle Fehler
fahrensfehler – keine Ermächtigungs- – Strafbarkeit
ohne Auswirkung grundlage – Sittenwidrigkeit
– unrichtige Tatsachen-
feststellung
– unrichtige Gesetzes-
anwendung
– Ermessensfehler
Der Sonderfall der Nichtigkeit tritt nur dann ein, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des
Verwaltungsakts jedem einigermaßen vernünftigen Betrachter von vornherein auf-
drängt, wenn sie dem Verwaltungsakt gewissermaßen „auf der Stirn geschrieben“
steht. Anerkannt ist eine solche Nichtigkeit z. B. in folgenden Fällen (vgl. § 44
VwVfG):
– Der Absender des Verwaltungsakts ist nicht erkennbar, sodass man sich gegen
diesen Verwaltungsakt nicht wehren kann.
– Der Verwaltungsakt kommt von einer örtlich offensichtlich völlig unzuständigen
Behörde (das Straßenverkehrsamt in München verbietet die Benutzung einer Woh-
nung in Hannover).
– Die Ausführung des Verwaltungsakts ist objektiv unmöglich (ein Grundstücksei-
gentümer wird – unter Verwechslung der Grundstücksadresse – zur Beseitigung
eines auf seinem Grundstück gar nicht vorhandenen Gartenhäuschens verpflich-
tet).
– Der Verwaltungsakt fordert zu einer strafbaren Handlung auf (ein Bescheid auf
Wohngeld wird unter der Bedingung erteilt, dass 1.000 A auf das Konto des Sach-
bearbeiters eingezahlt werden).
Nur wenn Fehlerhaftigkeit, Unsinnigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts
in dieser Weise offenkundig sind, darf man darauf verzichten, gegen die Maßnahme
einer Behörde anzugehen, die man nicht hinnehmen möchte. In allen anderen Fällen
muss man, in der Regel innerhalb eines Monats, einen Rechtsbehelf gegen den Verwal-
tungsakt oder gegen die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts einlegen, wenn
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
man sich mit dem Verlauf der Dinge nicht abfinden will. Der übliche Rechtsbehelf ist
der „Widerspruch“: Wenn man einen begünstigenden Verwaltungsakt beantragt hat
und dieser abgelehnt worden ist oder wenn man die Nachricht über einen belastenden
Verwaltungsakt im Briefkasten vorfindet, dann muss man bei der Behörde, von der
die Ablehnung bzw. der belastende Verwaltungsakt ausgegangen ist, schriftlich oder
mündlich zu Protokoll der Behörde Widerspruch einlegen.
Im Widerspruchsverfahren – geregelt in §§ 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) – soll der Behörde Gelegenheit gegeben werden, die eigene Entscheidung
noch einmal zu überdenken. Meint die Behörde, dass sie sich geirrt oder etwas überse-
hen habe, kann sie ihren Verwaltungsakt ändern. Wenn die Behörde ihre Entscheidung
nicht abändern möchte (was wohl die Regel ist), dann gibt sie den Vorgang an ihre
vorgesetzte Behörde (die „Widerspruchsbehörde“) ab, sofern sie nicht selbst die inso-
weit oberste Instanz darstellt. Die Widerspruchsbehörde erlässt den Widerspruchsbe-
scheid. Bleibt im Widerspruchsbescheid der beanstandete Verwaltungsakt (wenn auch
vielleicht in veränderter Form) bestehen, so muss der betroffene Bürger sich wiederum
innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids an das zuständige
Gericht wenden, wenn er nicht nachgeben will.
Das Gericht wird die Ablehnungsentscheidung der Verwaltung bzw. den belastenden
Verwaltungsakt aufheben, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft und der Fehler weder
geheilt noch kraft Gesetzes vor Gericht unbeachtlich ist und der Kläger durch diesen
Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. Als Fehler kommen zunächst Verfah-
rens- und Formfehler in Betracht.
Verfahrensfehler sind zum Beispiel:
– das Unterlassen der Anhörung eines Beteiligten trotz Anhörungspflicht (in § 28
des VwVfG ist vorgeschrieben, dass jedem Betroffenen vor Erlass eines belastenden
Verwaltungsakts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll);
– die fehlende Mitwirkung einer Behörde (vor Erteilung einer Baugenehmigung ist
das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde nicht eingeholt worden).
Formfehler sind zum Beispiel:
– das Fehlen der Begründung des Verwaltungsakts;
– Fehler bei der Bekanntgabe (z. B. fehlende Unterschrift beim schriftlichen Be-
scheid).
Solche Verfahrens- und Formfehler können nur dann zur Aufhebung des Verwaltungs-
akts führen, wenn sie nicht während des Widerspruchsverfahrens, spätestens aber bis
zur Erhebung der Klage, behoben werden. Wird z. B. die erforderliche Anhörung der
Betroffenen oder die fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde rechtzeitig nachge-
holt, die fehlende Begründung nachträglich gegeben („nachgeschoben“), dann bleibt
der Verwaltungsakt bestehen (vgl. § 45 VwVfG). Manche Fehler können sogar noch
während des gerichtlichen Verfahrens beseitigt werden; das Gericht kann das Verfah-
ren zu diesem Zweck aussetzen. Mehr noch: Selbst wenn die Fehler nicht behoben,
nicht geheilt werden, bleiben sie vor Gericht unbeachtlich, wenn in der Sache keine
andere Entscheidung hätte ergehen können (vgl. § 46 VwVfG).
Bei materiellen Fehlern sind die Folgen häufig schwerer. Sie können nicht geheilt wer-
den und bewirken (fast) immer die Aufhebung des Verwaltungsakts – wenn er rechtzei-
tig angefochten wird und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt ist.
Als materielle Fehler kommen in Betracht:
– das Fehlen oder die Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage (Beispiel: Das
Bundeskartellamt verbietet die weitere Veräußerung von Superbenzin, nachdem
alle Mineralölgesellschaften ihre Preise gleichzeitig um 20 % angehoben haben:
Diese Maßnahme ist im Kartellgesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig);
– unrichtige Tatsachenfeststellung (die Bauaufsichtsbehörde ordnet wegen Baufällig-
keit den Abriss sämtlicher Balkons eines Hauses an, obwohl nur ein bestimmter
Balkon baufällig ist);
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
richt der letzten Instanz stammen, rechtskräftig. Wenn ein Urteil rechtskräftig gewor-
den ist, kann es von dem Gericht, von dem es gefällt worden ist, nicht mehr geändert
oder aufgehoben werden. Möglich ist (z. B. in zivilrechtlichen Streitigkeiten über Dau-
erschuldverhältnisse) nur ein abänderndes Urteil in einem neuen Verfahren, oder (z. B.
bei Strafsachen) eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sich herausstellt, dass das
angegriffene, aber rechtskräftige Urteil auf einem Justizirrtum beruht. Für derartige
Verfahren ist aber immer ein Antrag der Betroffenen erforderlich; das Gericht kann
nicht von sich aus tätig werden.
Die Bestandskraft von Verwaltungsakten ist nicht so strikt wie die Rechtskraft von
Urteilen. Das ist auch nicht erforderlich, weil Verwaltungsakte nicht schon ihrer Natur
nach eine Streitentscheidung enthalten (so wie jedes Urteil), sondern einen Sachverhalt
regeln. Wenn sich später herausstellt, dass eine andere Sachverhaltsregelung günstiger
oder gerechter wäre, dann ist nicht einzusehen, warum die Verwaltung einer besseren
Erkenntnis nicht folgen können sollte.
Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob der Verwaltungsakt, der geändert
werden soll, fehlerhaft oder fehlerfrei ist; eine weitere, sehr wichtige Differenzierung
muss danach vorgenommen werden, ob der zu ändernde Verwaltungsakt ein den Emp-
fänger begünstigender oder belastender Akt ist. Im Einzelnen gilt folgendes:
Für die erste Unterscheidung (rechtswidriger oder rechtsfehlerfreier Verwaltungsakt)
leuchtet ohne Weiteres ein, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt leichter veränderbar
sein sollte als ein fehlerloser. Aber auch bei fehlerhaften Verwaltungsakten verdient
der Bürger einen gewissen Vertrauensschutz, wenn es sich um einen begünstigenden
Verwaltungsakt gehandelt hat. Deshalb ist es sowohl bei fehlerhaften als auch bei
fehlerlosen Verwaltungsakten schwieriger, eine begünstigende Entscheidung aufzuhe-
ben als eine belastende.
Ein belastender Verwaltungsakt kann eigentlich immer problemlos aufgehoben wer-
den, gleichgültig ob der Erstbescheid mit Fehlern behaftet war oder nicht. Bei fehler-
freien belastenden Verwaltungsakten ist eine Aufhebung aber dann nicht zulässig,
wenn sich aus dem zugrunde liegenden Gesetz ergibt, dass dieser Verwaltungsakt in-
haltlich so und nicht anders ergehen musste und dass er auch nicht zeitlich verschoben
werden kann. Unter diesen Umständen würde ein Widerruf nur dazu führen, dass in
kürzester Zeit der gleiche Verwaltungsakt noch einmal erlassen werden muss. Das
kann nicht sinnvoll sein. Ganz anders ist es bei begünstigenden Verwaltungsakten,
insbesondere bei solchen „mit Dauerwirkung“:
Wenn die Verwaltung jemandem versehentlich zuviel Geld (Sozialhilfe, Studienförde-
rung) bewilligt und ausgezahlt hat, dann darf dieses Geld nur dann zurückgefordert
werden, wenn der Betroffene die Überzahlung ohne weiteres hätte erkennen können
und müssen. Wenn das nicht ohne weiteres klar war, genießt der Zahlungsempfänger
Vertrauensschutz. Er durfte dann damit rechnen, dass er das Geld behalten und ausge-
ben durfte. Eine Rückzahlungsforderung wäre jedenfalls dann ungerecht, wenn das
Geld nicht mehr vorhanden ist (vgl. § 48 Abs. 2 VwVfG). Dieser Grundsatz, dass ein
berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand eines begünstigenden Verwaltungsakts zu
schützen ist, gilt für die Abänderung aller begünstigenden Verwaltungsakte, auch für
fehlerhafte.
Das bedeutet im Einzelnen: Die Rücknahme eines begünstigenden fehlerhaften Verwal-
tungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit ist nur selten möglich. Zulässig ist es
aber fast immer, die Wirkung eines fehlerhaften begünstigenden Verwaltungsaktes für
die Zukunft aufzuheben. Wenn also zum Beispiel ein fehlerhafter BAföG-Bescheid für
ein Jahr ausgesprochen worden ist, von dem bereits drei Monate vergangen sind, dann
darf der Empfänger die Zahlung für die ersten drei Monate behalten, die Verwaltung
darf jedoch für die Zukunft die Summe berichtigen und die überhöhte Zahlung einstel-
len.
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
Ein wichtiger Merkpunkt sollte noch der Terminologie gelten: Die Juristen sprechen
von Rücknahme, wenn ein fehlerhafter Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben
werden soll; sie sprechen von Widerruf, wenn ein fehlerloser Verwaltungsakt von der
Verwaltung nachträglich geändert oder aufgehoben werden soll.
Wenn nicht die Verwaltung selber ihren Verwaltungsakt abändert oder aufhebt, kann
die Änderung oder Aufhebung nur im gerichtlichen Verfahren herbeigeführt werden.
Natürlich gibt es auch Verwaltungsakte, die sich von selbst durch Zeitablauf erledigen
(z. B. das Verbot einer Veranstaltung für einen bestimmten Tag). Solche Verwaltungs-
akte nachträglich zu ändern, hätte wenig Sinn. Wenn man sich über die Rechtmäßig-
keit derartiger erledigter Verwaltungsakte streiten will, dann muss man eine Feststel-
lungsklage erheben mit dem Antrag festzustellen, dass der Verwaltungsakt
rechtswidrig war. Diese Feststellung kann für Schadensersatzansprüche und für Fol-
genbeseitigungsansprüche von erheblicher Bedeutung sein.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
cken. Dabei sind (wie im Bild 8 dargestellt) die Vollstreckung von Geldforderungen
einerseits und die Vollstreckung von Pflichten zu einer Handlung, Duldung oder Un-
terlassung andererseits zu unterscheiden.
Die Vollstreckung einer Geldforderung funktioniert im Prinzip genauso wie das Ein-
treiben einer Geldforderung durch einen privaten Gläubiger nach einem positiven Ge-
richtsurteil: Die Verwaltung kann entweder den allgemeinen Gerichtsvollzieher oder
einen besonderen Vollstreckungsbeamten ihrer Verwaltung (diesen gibt es insbeson-
dere bei der Finanzverwaltung) damit beauftragen, Gegenstände aus dem Eigentum
des Schuldners zu pfänden. Aufgrund einer solchen Pfändung können die betreffenden
Gegenstände anschließend zwangsversteigert, im Ergebnis also zu Geld gemacht wer-
den. Der Erlös, der bei der Versteigerung erzielt wird, dient dazu, die Geldforderung
zu begleichen.
Eine weitere Möglichkeit zur Vollstreckung von Geldforderungen liegt darin, eine
Geldforderung des Schuldners zu beschlagnahmen (im privaten Vollstreckungsrecht
sagt man dazu: pfänden und überweisen zu lassen). Am häufigsten werden Lohn- oder
Gehaltsansprüche beschlagnahmt. Hier passiert folgendes: Wenn die Verwaltung als
Gläubiger in Erfahrung bringen kann, gegen wen der Schuldner seinerseits Geldan-
sprüche hat (z. B. gegen seinen Arbeitgeber), dann kann sie durch einen „Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss“ erreichen, dass der Dritte (also der Arbeitgeber, der ei-
gentlich an den Schuldner zahlen müsste) sein Geld nicht an den Schuldner schicken
darf, sondern an den Gläubiger (hier also die Verwaltung) überweisen muss. Das Geld
(richtiger: die Forderung) wird also gewissermaßen beschlagnahmt (und damit vom
Schuldner getrennt) und dann an den Gläubiger überwiesen, sodass er auf diese Weise
indirekt zu dem Geld kommt, das eigentlich direkt vom Schuldner an ihn gezahlt
werden müsste.
Eine dritte Möglichkeit der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen liegt im Zu-
griff auf Grundstücke des Schuldners. Sofern der Schuldner Eigentümer eines Grund-
stücks ist, kann die Verwaltung für ihre Geldforderung eine Zwangshypothek zu
Lasten des Grundstücks im Grundbuch eintragen lassen und dann die Zwangsverstei-
gerung dieses Grundstücks einleiten. Diese Möglichkeit ist für das Bau- und Planungs-
recht wichtig, weil es hier häufig um Entscheidungen geht, die sich auf Grundstücke
beziehen. Wenn also zum Beispiel der Eigentümer eines Grundstücks, das durch ein
Sanierungsverfahren im Wert verbessert worden ist, sich weigert, den Sanierungsvor-
teil als sogenannten Ausgleichsbetrag an die Gemeinde abzuführen, dann kann die
Gemeinde ihre Forderung zwangsweise vollstrecken, indem sie die Eintragung einer
Zwangshypothek bewirkt. Diese Zwangshypothek wird im Grundbuch eingetragen.
Wenn der Eigentümer sich nicht in letzter Minute dazu entschließt, seine Schulden an
die Gemeinde zu bezahlen, wird das Grundstück zwangsversteigert, und die Gemeinde
bekommt aus dem Veräußerungserlös den Betrag, der als Ausgleichsbetrag zuvor er-
rechnet worden ist.
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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.
Geht es nicht um die Vollstreckung von Geldforderungen, sondern darum, den Adres-
saten eines Verwaltungsaktes zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlas-
sung zu zwingen, dann stehen der Verwaltung folgende vier Instrumente der Vollstre-
ckung zur Verfügung: Erstens die Ersatzvornahme, zweitens das Zwangsgeld, drittens
der unmittelbare Zwang und viertens die Erzwingungshaft (auch Ersatzzwangshaft
genannt).
Die Ersatzvornahme ist das richtige Mittel, wenn die Handlung, die die Verwaltung
fordert, nicht unbedingt vom Adressaten des Verwaltungsakts selbst ausgeführt wer-
den muss. Wenn die Verwaltung zum Beispiel von einem Grundstückseigentümer ver-
langt, eine illegal errichtete Garage wieder abzureißen, dann braucht der Abriss nicht
vom Eigentümer selbst ausgeführt oder auch nur veranlasst zu werden. Wird der Ei-
gentümer nicht innerhalb einer bestimmten Frist tätig, so kann die Verwaltung die
Ersatzvornahme anordnen. Sie erteilt dann den Abrissauftrag an einen Abrissunterneh-
mer, der bei dem betreffenden Eigentümer vorfährt und die Garage beseitigt. Die Kos-
ten dieses Unternehmens müssen vom ungehorsamen Eigentümer bezahlt werden; (die
Vollstreckung dazu richtet sich nach den Regeln für die Vollstreckung von Geldforde-
rungen).
Wenn die geforderte Handlung dagegen direkt vom persönlichen Verhalten des Adres-
saten abhängt, muss die Verwaltung entweder mit Zwangsgeld oder mit unmittelba-
rem Zwang arbeiten. Hat die Verwaltung zum Beispiel dem Eigentümer einer Woh-
nung untersagt, die Wohnräume als Praxisräume für eine Rechtsanwaltskanzlei
zweckentfremdet zu verwenden, dann kann diese Anordnung am besten durch
Zwangsgeld vollstreckt werden, wenn der Adressat sich weigert, der Anordnung nach-
zukommen. Das Zwangsgeld kann – anders als eine Strafe – mehrfach verhängt wer-
den, so dass die Weigerung schließlich so teuer wird, dass der Adressat bei einem Rest
von Vernunft seinen Widerstand aufgeben wird. Bei Uneinbringlichkeit des Zwangs-
geldes kann (für jedes festgesetzte Zwangsgeld) Ersatzzwangshaft von höchstens zwei
Wochen verhängt werden.
Der unmittelbare Zwang wird relativ selten eingesetzt. Ein Fall von unmittelbarem
Zwang liegt z. B. vor, wenn eine bestimmte Straße wegen eines bevorstehenden Umzu-
ges gesperrt wird und im Gefolge dieser Anordnung Fußgänger von Polizeibeamten
notfalls durch unmittelbares Zugreifen daran gehindert werden, die Straße zu über-
queren. Im Festhalten und Zurückschieben liegt dann unmittelbarer Zwang. Auch in
der Versiegelung einer Wohnung wegen gesundheitsgefährdender Zustände liegt die
Anwendung unmittelbaren Zwangs.
Alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch die Verwaltung sind selbständige
Verwaltungsakte, die ihrerseits mit Widerspruch und Klage angegriffen werden kön-
nen. Wer alle Rechtsmittel ausschöpft, kann dadurch erhebliche Verzögerungen bei
der Vollstreckung erreichen. Beim unmittelbaren Zwang allerdings wird der spontane
Widerspruch wenig helfen, denn hier ist die Vollstreckung schneller bei der Hand als
das aufschiebende Rechtsmittel. Hier kann das Gericht nur mit einer nachträglichen
Feststellungsklage angerufen werden, sofern dafür (z. B. wegen eines möglichen Scha-
densersatzanspruchs) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Literatur
Grundbegriffe des Verwaltungsrechts
Bull, Hans-Peter/Mehde, Veith, Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre, 9. Aufl.,
Heidelberg 2015;
Detterbeck, Steffen, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl.,
München 2018;
Ipsen, Jörn, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl., München 2017;
Knack, Hans Joachim (Hrsg.) fortgeführt von Henneke, Hans-Günter, Verwaltungsverfahrensge-
setz, Kommentar, 10. Aufl., Köln 2014;
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und Strafgerichte, die Geldstreitigkeiten der Bürger schlichten und der Autorität des
Staates durch Kriminalstrafen Geltung verschaffen.
Die moderne Gewaltenteilung sieht wesentlich anders aus. Im modernen Staat, insbe-
sondere in der Bundesrepublik Deutschland, hat die Dritte Gewalt eine sehr wichtige
eigenständige Position gewonnen. Die Gerichte legen die Gesetze aus. Da Gesetze in
vielen Fällen allgemeine Begriffe benutzen und damit relativ unbestimmt sind, wird
die letzte Entscheidung häufig nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Gericht getroffen.
Wenn man die Innehabung der obersten Gewalt daran misst, wer in einem Streitfall
das allerletzte Wort hat, dann muss man in der Bundesrepublik sogar die Gerichte als
die oberste Gewalt bezeichnen. Denn im Streitfall entscheiden letztlich die Gerichte,
an ihrer Spitze das Bundesverfassungsgericht, darüber, ob ein Gesetz Bestand hat,
das vom Bundestag erlassen worden ist. Auch die Wirksamkeit einer Änderung des
Grundgesetzes kann vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden – der eigentliche
Souverän ist also insoweit nicht das Parlament (als Repräsentant des Volkes), schon
gar nicht der Bundespräsident (der die Gesetze zu unterzeichnen hat), sondern die
Gerichtsbarkeit. Allerdings haben die Gerichte immer nur die Möglichkeit, die Gel-
tung von vorhandenen Gesetzen anzuzweifeln und eine Überprüfung durch die Verfas-
sungsgerichte herbeizuführen. Sie können kein neues Gesetz, keine neue Regelung an
die Stelle einer etwa als verfassungswidrig erkannten Vorschrift setzen. Dies ist und
bleibt das alleinige Recht der Legislative.
Während die Bedeutung der Dritten Gewalt, der Gerichte, einen ungeheuren Zuwachs
erfahren hat, ist die Trennung der Gewalten zwischen der Legislative und der Exeku-
tive mittlerweile insoweit verschwommen, als es um die Aufteilung der Macht zwi-
schen Parlament einerseits und Regierung andererseits geht. Wie jeder weiß, wird der
Kanzler bzw. die Kanzlerin als Regierungschef vom Parlament gewählt; die Regierung
ist auch bei fast allen Vorhaben von der Zustimmung der Mehrheit des Parlaments
abhängig. Hier liegt also eigentlich keine Trennung, sondern eine enge Verschränkung
der beiden Sphären vor. In gewisser Weise unabhängig von der Gesetzgebung ist nicht
mehr die Regierung, sondern nur noch die Bürokratie, also die eigentliche Verwaltung.
Nach deutscher Tradition sind die Ministerien und die wichtigsten Positionen in allen
Behörden von Beamten besetzt. Diese Beamten sind für ihr ganzes Berufsleben un-
kündbar, nur die Spitzenbeamten können ohne Angabe von Gründen in den einstweili-
gen Ruhestand versetzt werden. Alle anderen Beamten (und auch die meisten Verwal-
tungsangestellten) überdauern die Regierungen und die Veränderungen der
Mehrheiten in den Parlamenten. Die Verwaltung unterliegt zwar dem „Prinzip der
Gesetzmäßigkeit“, sie darf im Prinzip nur dort tätig werden, wo ein Gesetz dies er-
laubt. Gesetze sind jedoch keine Computerprogramme, die von der Verwaltung als
nur ausführendem Organ schematisch vollzogen werden könnten. Vielmehr handelt
es sich um Handlungsanweisungen, die häufig nur generalklauselartig die Ziele des
Handelns vorgeben, Aufträge mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschreiben, man-
ches auch recht detailliert anordnen, im Regelfall jedoch in der vielfältigsten Weise
ausgeführt werden können. Insoweit ist die Verwaltung durchaus eine eigenständige,
unabhängige Staatsgewalt. Dies ist keine negative, sondern eine positive Feststellung.
Denn angesichts des häufigen Wechsels der Regierung und der Einzelfallbezogenheit
von Gerichtsentscheidungen wird die eigentliche Kontinuität des Staates von der Ver-
waltung garantiert. Ein unter Juristen berühmter Verwaltungsrechtslehrer sagte ein-
mal: „Verfassung vergeht, Verwaltung besteht“.15 Die Kontrolle der Verwaltung er-
folgt durch die Rechnungshöfe, die Gerichte und nicht zuletzt durch die Journalisten
und die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit, die man auch als die „vierte Gewalt“
bezeichnet.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
Die moderne Gewaltenteilung ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass Parlament
und Regierung zusammengewachsen sind, die Gerichte an Macht gewonnen haben
und die Kontinuität durch die Verwaltung garantiert wird, sondern auch dadurch,
dass es eine weitere Art der Gewaltenaufteilung gibt: die sogenannte vertikale Gewal-
tenteilung, die neben die bisher besprochene horizontale Gewaltenteilung zwischen
Legislative, Exekutive und Judikative getreten ist. Bild 9 verdeutlicht diesen Sachver-
halt.
Bild 9: Das Prinzip der Gewaltenteilung
Horizontale Gewaltenteilung (Montesquieu)
Zentralstaat
Bundesrepublik
Deutschland
Bundesländer (Staaten)
Selbstverwaltungskörperschaften
Kreise Kreisfreie
Städte
Gemeinden
Unter vertikaler Gewaltenteilung versteht man die Aufteilung der Staatsgewalt auf
verschiedene, übereinander geschichtete politische Ebenen. In der Bundesrepublik
Deutschland ist die Staatsgewalt auf drei Ebenen verteilt, nämlich auf Bund, Länder
und die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (die Städte, Gemeinden und
Kreise). Wie diese Gewaltenteilung funktioniert, ist zum Teil schon bei der Beschrei-
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
einerseits und den kreisangehörigen Gemeinden andererseits besteht ein gewisses, kei-
neswegs durchgehendes Über- und Unterordnungsverhältnis.
Im ersten Abschnitt dieses Kapitels sollen die Bundesbehörden und die Landesbehör-
den näher betrachtet werden.
a) Die Bundesbehörden. Die Einrichtung von bundeseigenen Verwaltungsbehörden
muss nach dem Grundgesetz die Ausnahme sein. Dies gilt nun allerdings nicht für die
obersten Bundesbehörden, nämlich für die Bundesministerien: Bundesministerien
muss es geben, sie sind keine Ausnahmeerscheinung; denn ohne Ministerium ist ein
Bundesminister nicht handlungsfähig. Einrichtung und Abgrenzung der Bundesminis-
terien werden von den jeweiligen Regierungsparteien ausgehandelt; das letzte Wort in
dieser Hinsicht hat der Bundeskanzler, auf dessen Vorschlag die Bundesminister vom
Bundespräsidenten ernannt und entlassen werden. Die Abgrenzung der Ressorts wech-
selt von Legislaturperiode zu Legislaturperiode. So gab es in den Anfangsjahren der
Bundesrepublik einen „Wohnungsbauminister“; seit Anfang der siebziger Jahre hieß
das entsprechende Ressort „Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und
Städtebau“, danach hieß es „Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen“ oder auch „Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung“. Der
Wohnungsbau wurde nicht mehr als primär öffentliche Aufgabe verstanden. Seit dem
Zustrom von Migranten auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union ist die
Verantwortung des Bundes, der Länder und der Gemeinden für den Wohnungsbau
wieder zum Gegenstand der politischen Diskussion geworden.
Neben den Bundesministerien als obersten Bundesbehörden gibt es noch „Bundesober-
behörden“, die für das ganze Bundesgebiet zuständig sind, und nicht rechtsfähige Bun-
desanstalten. Bundesoberbehörden sind z. B. das Bundeskriminalamt, das Bundesamt
für Verfassungsschutz (beide zugehörig zum Bundesinnenministerium), das Kraftfahrt-
bundesamt (zugehörig zum Bundesverkehrsministerium), das Bundesamt für Finanzen
(zugehörig zum Bundesfinanzministerium) usw. Bundesanstalten bzw. Bundesämter
sind zum Beispiel das Bundesarchiv, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die
Bundesagentur für Arbeit, die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Ernäh-
rung und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR. Mit diesen Behörden
nimmt der Bund seine zentralen Aufgaben in einem tendenziell entpolitisierten Raum
wahr – denn insbesondere der Entpolitisierung dient die Ausgliederung der Sonderbe-
hörden und Anstalten aus den jeweils zuständigen Bundesressorts.
Unterhalb der obersten und oberen Behörden werden die Bundesbehörden dann spär-
lich. Eigene Mittelbehörden gibt es nur für einige wenige Behördenzweige, so zum
Beispiel die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen. Auch die Oberfinanzdirektionen sind
Bundesmittelbehörden, gleichzeitig jedoch oberste Landesbehörden. Zur Einrichtung
dieser bundeseigenen Verwaltungen ist der Bund durch Art. 87 GG ermächtigt. Bis
zur Privatisierung der Post gehörten auch die Oberpostdirektionen und die Postämter
sowie die Bundesbahndirektionen zur bundeseigenen Verwaltung. Seit der Ablösung
des Bundesbahngesetzes durch das Allgemeine Eisenbahngesetz gibt es nur noch das
Eisenbahnbundesamt, das für die Fahrstrecken der Bahn zuständig ist. Der Fahrbetrieb
und die Bahn selbst sind privatisiert. Auch die Post ist privatisiert, das Bundespostmi-
nisterium wurde zum 31.12.1997 abgeschafft. Eigenständige Postämter wurden – zum
Kummer vieler Bürger – sang- und klanglos abgeschafft.
Bundesunterbehörden werden daher immer seltener, nach der Auflösung der Kreis-
wehrersatzämter infolge der Aussetzung der Wehrpflicht gehören dazu nur noch die
Wasser- und Schifffahrtsämter. Überall dort jedoch, wo der Bund für die Ausführung
der in seinen Gesetzen geregelten Aufgaben keine eigene mittlere und untere Verwal-
tung hat, werden diese Gesetze von den Ländern „als eigene“ (das heißt so, als ob das
betreffende Gesetz vom Land erlassen worden wäre) und damit in völliger Eigenver-
antwortung ausgeführt; nur ausnahmsweise verwalten die Länder einzelne Angelegen-
32
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
heiten im Auftrag des Bundes; nur dann sind sie abhängig auch von Einzelweisungen
der obersten bzw. oberen Bundesbehörden.
Das Baugesetzbuch wird – dem Regelfall entsprechend – von den Ländern „als eigenes
Gesetz“ ausgeführt; folgerichtig gibt es in jedem Land eigene Ausführungsregelungen
zum BauGB, häufig ein eigenes BauGB-Ausführungsgesetz. Ein Beispiel für die seltene
Auftragsverwaltung der Länder im Auftrag des Bundes ist die Verwaltung der Fern-
straßen (Bundesautobahnen, Bundesstraßen) durch die Länder gemäß Art. 90 Abs. 2
GG.
b) Die Landesbehörden. Da der Bund nur ausnahmsweise über eigene Ausführungsbe-
hörden verfügt, wird die deutsche Verwaltung eigentlich sichtbar und präsent erst in
den Landesbehörden und in der kommunalen Selbstverwaltung. Die Landesbehörden
der Flächenstaaten sind – wie die Bundesbehörden – grundsätzlich in drei Instanzen
gegliedert. Es gibt auch hier die obersten Landesbehörden (das sind die Landesministe-
rien), die Landesmittelbehörden (das sind die Regierungspräsidenten bzw. die Bezirks-
regierungen) und die unteren Landesbehörden (diese sind in die Landkreise, zum Teil
auch in die kreisfreien Städte integriert). In Schleswig-Holstein und im Saarland gibt
es seit jeher keine Landesmittelbehörden, also keine Regierungspräsidien, weil diese
Bundesländer dafür zu klein sind. In Niedersachsen hat man seit 2003 die Regierungs-
bezirke und Regierungspräsidien abgeschafft, auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt
gibt es diese Behörden nicht mehr. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und
Thüringen gibt es bereits seit 1990 – also seit dem Beitritt – keine Landesmittelbehör-
den, weil man die SED-Bezirksgliederung auch in variierter Form nicht fortbestehen
lassen wollte. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist ein (räumlich gegliedertes) Landes-
verwaltungsamt an ihre Stelle getreten. Im Freistaat Sachsen gibt es die räumlich ge-
gliederte Landesdirektion. Auch in Niedersachsen gibt es seit der Auflösung der Regie-
rungspräsidien auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Landesämter.
Auch in den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg gibt es keine dreigeteilte
Verwaltung; es existiert dort allerdings eine Zweistufigkeit der Verwaltung durch die
Einrichtung von Verwaltungsbezirken; darauf wird später noch einzugehen sein.
Zunächst zurück zur Landesverwaltung: Für die Einrichtung und den Zuschnitt von
Landesministerien gilt das gleiche, was bereits zu den Bundesministerien gesagt wurde:
Die Ministerien werden in jeder Legislaturperiode neu gebildet und neu zugeschnitten.
Es ist dabei durchaus keine Seltenheit, dass Zuständigkeiten hin und her wandern. So
war beispielsweise die Zuständigkeit für die Regional- und Landesplanung in Hessen
zunächst bei der Staatskanzlei (also direkt beim Ministerpräsidenten), dann beim In-
nenministerium angesiedelt; danach lag sie wiederum bei der hessischen Staatskanzlei;
dann beim Wirtschaftsministerium. Für die Landesmittelbehörden, also für die Regie-
rungspräsidenten bzw. Bezirksregierungen, gilt das Prinzip der Konzentration: Der
Regierungspräsident vereinigt in seiner Hand fast alle sachlichen Zuständigkeiten. Bis
auf einige ausgegliederte Verwaltungsbereiche (wie die Bezirksfinanzdirektionen und
die Oberforstdirektionen) hat der Regierungspräsident in allen mittleren Verwaltungs-
angelegenheiten das letzte Wort. Er ist obere Bauaufsichtsbehörde, Gewerbeaufsichts-
behörde, Umweltschutzbehörde, Zivilschutzbehörde usw. usw. Zugleich führt er die
Rechtsaufsicht über die kreisfreien Städte und die Landkreise, die als Selbstverwal-
tungskörperschaften wiederum Instrumente der Dezentralisation sind. Sowohl nach
oben als auch nach unten sind die Zuständigkeiten, die beim Regierungspräsidenten
in einer Hand vereint sind, auf mehrere Behörden aufgefächert.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
B. Landesmittelbehörden
Regierungsbezirke gibt es nur noch in vier Bundesländern, nämlich in:
Bundesland Regierungsbezirke Behördenbezeichnung
Baden-Württemberg Freiburg Reg.-Präsidien
Karlsruhe
Tübingen
Stuttgart
Bayern Oberbayern Regierungen
Niederbayern
Oberpfalz
Oberfranken
Mittelfranken
Unterfranken
Schwaben
Hessen Darmstadt Reg.-Präsidenten
Kassel
Gießen
Nordrhein-Westfalen Düsseldorf Reg.-Präsidenten
Köln
Münster
Detmold
Arnsberg
C. Landesunterbehörden
Die untere Landesverwaltung ist in die Landratsämter und in die übrige kommunale Selbstverwal-
tung – insbesondere die kreisfreien Städte – integriert.
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
16 BVerfG, B. v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 –, BVerfGE 79, 127 (Rastede).
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
In Bild 11 sind die einzelnen Aufgabenarten mit der zugehörigen Aufsichtsform des
Staates noch einmal schematisch dargestellt.
Bild 11: Kommunale Selbstverwaltung – Aufgabenarten
Gemeindliche
Verwaltungstätigkeit
Selbstverwaltungsangelegenheiten
Pflichtaufgaben Auftrags-
Freiwillige Pflichtige nach Weisung angelegenheiten
Weisungsrecht unbeschränktes
nach Maßgabe der Weisungsrecht
gesetzl. Regelung (Fachaufsicht)
(Sonderaufsicht)
Staatliche Rechtsaufsicht
b) Arten der kommunalen Gebietskörperschaften. Der Grad der Freiheit bei der Auf-
gabenerfüllung hängt nicht nur von der Dichte der gesetzlichen Vorgaben, sondern
auch von der Verwaltungskraft der ausführenden Gemeinde ab. Eine kleine ländliche
Gemeinde kann weniger leisten, kann weniger freiwillige Aufgaben übernehmen, weni-
ger vom Normstil der Verwaltung abweichen als eine Großstadt mit vollen Kassen,
deren Verwaltungschef vielleicht auch noch gute Beziehungen zu den Fachressorts der
Landesregierung hat.
Mit Hilfe der Gemeindegebietsreform, die in den damaligen acht Flächenstaaten der
alten Bundesrepublik Deutschland Ende der sechziger Jahre begonnen und Mitte der
siebziger Jahre abgeschlossen wurde, hat man versucht, die westdeutschen Gemeinden
und Kreise nach ihrer Größenordnung so zuzuschneiden, dass auch kleineren Gemein-
den ein Mindestmaß an Verwaltungskraft zukommt. Dabei hat man verschiedene Me-
thoden benutzt. In Nordrhein-Westfalen, in Hessen und im Saarland wurden neue
Einheitsgemeinden mit einer Mindestbevölkerungszahl von 5.000 bis 8.000 Einwoh-
nern gebildet.
In diesen Ländern hat sich die Anzahl der sehr kleinen ländlichen Gemeinden radikal
vermindert. In den anderen Flächenstaaten strebte man sowohl eine Zusammenfüh-
rung von sehr kleinen Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern mit ihren Nach-
bargemeinden zu größeren Einheiten (mindestens 2.000 Einwohner) an als auch die
Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, innerhalb derer dann auch kleinere Gemein-
den selbständig bleiben konnten. Auf diese Weise wurde die Zahl der Gemeinden im
Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland mit folgendem Ergebnis verringert: Zu
Beginn jener Reform, im Jahre 1966, gab es noch mehr als 24.000 selbständige Ge-
meinden. An deren Ende gab es nur noch 8.506 Gemeinden. Bei den kreisfreien Städ-
ten betrug die Veränderung aufgrund der Reform minus 34 % (von 135 auf 91 kreis-
freie Städte), bei den Kreisen minus 45 % (von 425 auf 236 Kreise) und bei den
kreisangehörigen Gemeinden minus 65 % (von 24.282 auf 8.409 Gemeinden). Von
den 8.506 Gemeinden wurden wiederum 6.028 in 1.042 Verwaltungsgemeinschaften
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Tab. 1: Verwaltungsgliederung in Deutschland (Stand: 30.9.2018)
Land Fläche km2 Bevölkerung2) Re- Kreise Davon Ge- Da- Gemeindeverbandsebene5) Gemeindefreie
1)
gie- ins- mein- runter Gebiete
insgesamt männlich weiblich je km2 rungs- ge- kreis- Land- den3) Städ- insge- Ge- ver- ver- ins- be- unbe-
be- samt freie kreise insge- te4) samt mein- bands- bands- ge- wohnt wohnt
zirke Städte samt dever- freie ange- samt
bände hörige
31.12.2016 (Jahr) Gemeinden
01 Schleswig-Holstein 15 802,28 2 881 926 1 412 665 1 469 261 182 – 15 4 11 1 106 63 172 84 86 1 020 2 – 2
02 Hamburg 755,30 1 810 438 886 289 924 149 2 397 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –
03 Niedersachsen 47 709,83 7 945 685 3 923 396 4 022 289 167 – 45 8 37 945 159 431 116 290 653 25 2 23
04 Bremen 419,84 678 753 335 474 343 279 1 617 – 2 2 – 2 2 2 – 2 – – – –
05 Nordrhein-Westfalen 34 112,74 17 890 100 8 776 760 9 113 340 524 5 53 22 31 396 271 396 – 396 – – – –
06 Hessen 21 114,99 6 213 088 3 066 957 3 146 131 294 3 26 5 21 423 191 427 – 423 – 4 – 4
07 Rheinland-Pfalz 19 858,00 4 066 053 2 006 503 2 059 550 205 – 36 12 24 2 304 129 186 143 42 2 262 1 – 1
08 Baden-Württemberg 35 748,28 10 951 893 5 435 665 5 516 228 306 4 44 9 35 1 101 313 462 270 190 911 2 – 2
6)
09 Bayern 70 542,03 12 930 751 6 400 820 6 529 931 183 7 96 25 71 2 056 317 1 427 311 1 074 982 42 – 42
10 Saarland 2 571,11 996 651 489 416 507 235 388 – 6 – 6 52 17 52 – 52 – – – –
11 Berlin 891,12 3 574 830 1 755 700 1 819 130 4 012 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –
12 Brandenburg 29 654,42 2 494 648 1 231 683 1 262 965 84 – 18 4 14 417 113 199 52 147 270 – – –
13 Mecklenburg-Vorpommern 23 293,73 1 610 674 795 467 815 207 69 – 8 2 6 750 84 117 76 40 710 1 – 1
14 Sachsen 18 449,99 4 081 783 2 009 991 2 071 792 221 – 13 3 10 421 169 310 72 238 183 – – –
15 Sachsen-Anhalt 20 452,14 2 236 252 1 102 454 1 133 798 109 – 14 3 11 218 104 122 18 104 114 – – –
16 Thüringen 16 202,37 2 158 128 1 067 878 1 090 250 133 – 23 6 17 821 124 206 103 103 718 – – –
Deutschland 357 578,17 82 521 653 40 697 118 41 824 535 231 19 401 107 294 11 014 2 058 4 511 1 245 3 189 7 823 77 2 75
davon:
Früheres Bundesgebiet 248 634,40 66 365 338 32 733 945 33 631 393 267 19 324 88 236 8 386 1 463 3 556 924 2 556 5 828 76 2 74
(ohne Berlin-West)
Neue Länder 108 052,65 12 581 485 6 207 473 6 374 012 116 – 76 18 58 2 627 594 954 321 632 1 995 1 – 1
(ohne Berlin-Ost)
Berlin 891,12 3 574 830 1 755 700 1 819 130 4 012 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –
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Quelle: Gemeindeverzeichnis-Informationssytem GV-ISys – Statistisches Bundesamt (Destatis) 2018
1) Abweichungen bei den Flächenangaben sind durch Runden der Zahlen möglich.
Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
Aufgrund fachlicher und methodischer Umstellungen in der Vermessungsverwaltung auf das „Amtliche Liegenschaftskataster-Informationssystem“ (ALKIS®) ist der Vergleich der Flächendaten ab 2014 mit
den Flächendaten vorangegangener Jahre nur eingeschränkt möglich.
2) Die Ergebnisse für das Berichtsjahr 2016 sind nur bedingt mit den Vorjahreswerten vergleichbar und es kommt zu Einschränkungen bei der Genauigkeit der Ergebnisse, ausführliche Erläuterungen dazu un-
ter www.destatis.de beim Bevölkerungsstand. 3) Ohne unbewohnte gemeindefreie Gebiete; einschl. Städte. 4) Einschl. kreisfreie Städte.
5) Die Summe in der Spalte „insgesamt (der Gemeindeverbandsebene)“ ergibt sich aus den Spalten „Gemeindeverbände, verbandsfreie Gemeinden sowie den gemeindefreien Gebieten“ (ausgenommen unbe-
wohnte gemeindefreie Gebiete in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern).
6) Anzahl der Landkreise in Bayern, in denen unbewohnte gemeindefreie Gebiete vorkommen.
– = nichts vorhanden
© Daten (im Auftrag der Herausgebergemeinschaft Statistische Ämter des Bundes und der Länder) – Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018 – Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugs-
weise, mit Quellenangabe gestattet.
39
IV.
A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
40
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
Alle diese Gemeinschaftsbildungen unter kleineren Gemeinden sollen dazu dienen, ein
Mindestmaß an Verwaltungskraft und Finanzausstattung zusammenzufassen, um auf
diese Weise die örtlichen Angelegenheiten angemessen regeln zu können.
c) Die Finanzausstattung der Kommunen. Selbstverwaltung ist ohne eine ausreichende
Finanzausstattung nicht möglich. Deshalb gehört eine ausreichende Finanzausstattung
untrennbar zum Kernbereich dessen, was von der kommunalen Selbstverwaltungsga-
rantie erfasst wird. Angesichts der eben geschilderten Unterschiede der kommunalen
Gebietskörperschaften liegt es auf der Hand, dass von einer durchgehend einheitlichen
Finanzstruktur aller Gemeinden nicht die Rede sein kann. Es gibt nur gemeinsame
Grundlinien, die dann je nach örtlichen Gegebenheiten, speziell der örtlichen Wirt-
schaftskraft oder Wirtschaftsschwäche, unterschiedlich verlaufen.
Allen Gemeinden gemeinsam ist folgende Haushaltsstruktur: Jede Gemeinde besitzt
Steuereinnahmen, erhebt Gebühren und Beiträge, erhält Zuweisungen vom Land und
hat sonstige Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung, Beteiligungen, Miet- und
Pachtverträgen usw. Schließlich wird ein gewisser Anteil des Gemeindehaushalts auch
mittels Kreditaufnahme finanziert. Die „Säule“ der gemeindlichen Einnahmen setzt
sich also zusammen aus Steuern, Zuweisungen, Gebühren und Beiträgen sowie sonsti-
gen Einnahmen. Das Verhältnis dieser Anteile ist in jeder Gemeinde unterschiedlich.
Zählt man alle kommunalen Einnahmen bundesweit zusammen, so ergibt sich folgen-
des Bild:
Die Steuern machen in den Alt-Bundesländern etwa 30 % der gemeindlichen Gesamt-
einnahmen aus; in den neuen Ländern ist diese Quote immer noch weit geringer. In
Kapitel IV. wurde bereits erwähnt, dass der 15 %ige Anteil an der Lohn- und Einkom-
mensteuer und der Gewerbesteueranteil die wichtigsten steuerlichen Finanzquellen für
die Kommunen bilden. Außerdem erhalten sie über die Länder noch einen Anteil von
rund 2 % an der sehr aufkommensstarken Umsatzsteuer.
Außer ihren Anteilen an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer bekommen die
Gemeinden auch die Erträge der sogenannten Realsteuern. Die wichtigsten Realsteu-
ern sind die Grundsteuer und die (bereits erwähnte) Gewerbesteuer. Die Grundsteuer
wird in unterschiedlicher Höhe erhoben, je nachdem, ob es sich um ein landwirtschaft-
lich genutztes Grundstück oder um ein bebaubares Grundstück handelt (Grundsteuer
A oder Grundsteuer B). Ihrer Bemessung liegen sogenannte Einheitswerte zugrunde,
die von den Finanzämtern festgesetzt werden. Nach dem Urteil des BVerfG vom
10. April 2018, mit dem die Verfassungswidrigkeit der Verwendung von Einheitswer-
ten aus dem Jahr 1964 ohne jede Fortschreibung festgestellt wurde, muss der Bundes-
gesetzgeber das Grundsteuersystem – zumindest die Bemessungsgrundlage – neu re-
geln.
Die Gewerbesteuer wird nach der Abschaffung der Lohnsummensteuer und der Ge-
werbekapitalsteuer nur noch vom Gewerbeertrag (d. h. vom Gewinn des Unterneh-
mens) erhoben. Zur Berechnung im Einzelnen wird ein „Steuermessbetrag“ gebildet,
der dann mit dem individuellen Hebesatz der Gemeinde multipliziert wird. Bis 1979
wurde die Steuer zum Teil auch nach der Lohnsumme, das heißt nach den im Betrieb
ausgezahlten Löhnen, errechnet, und zwar unabhängig von der Ertragslage. Diese
Steuerart wurde abgeschafft, weil man sie für arbeitsplatzvernichtend und damit für
arbeitnehmerfeindlich hielt. Die Gewerbekapitalsteuer wurde 1997 als investitions-
feindlich abgeschafft.
Seit der Gemeindefinanzreform von 1969 bleibt das Gewerbesteueraufkommen nicht
mehr in vollem Umfang in der Kasse derjenigen Gemeinde, in der der Gewerbebetrieb
sich befindet. Seitdem gibt es vielmehr eine sogenannte Gewerbesteuerumlage, auf-
grund derer die Gemeinden zur Abgabe eines gewissen Anteils ihrer Gewerbesteuerein-
nahmen an den Bund verpflichtet sind (davon können bis zu 30 % des Aufkommens
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
betroffen sein). Durch diese Umlage soll ein Ausgleich zwischen steuerstarken Indus-
triegemeinden und steuerschwachen reinen Wohngemeinden herbeigeführt werden.
Konzessions-
z.B. abgaben
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
1996 abgeschafft. Zum gleichen Zeitpunkt endete ein weiterer Unterschied im Kom-
munalverfassungsrecht der Länder: Seit 1996 wird der leitende Verwaltungsbeamte in
allen Bundesländern direkt vom Volk gewählt und nicht mehr – wie zuvor in der
Mehrzahl der alten Bundesländer – von der Gemeindevertretung. Dabei sind – wie bei
den Gemeinderatswahlen – alle Bürger aus den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union mindestens aktiv wahlberechtigt. Die passive Wahlberechtigung (also das
Recht, sich um das Amt des Bürgermeisters zu bewerben) darf nach der einschlägigen
Richtlinie der Europäischen Union, die den rechtlichen Grund für die Einführung des
kommunalen Wahlrechts für alle Bürger der EU gelegt hat, Kandidaten deutscher
Staatsangehörigkeit vorbehalten bleiben.
Die Befugnisse der Bürgermeister sind aber auch nach der bundesweiten Einführung
der Direktwahl in der erwähnten Weise unterschiedlich geblieben. Am schwächsten
ist der Bürgermeister in Hessen, wo er trotz seiner direkten Wahl nur als primus inter
pares dem Magistrat angehört, der als Kollegialorgan die Verwaltung leitet. In der
„Magistratsverfassung“ besteht die Spitze der Gemeindeverwaltung nicht aus dem
mehr oder weniger allein regierenden Bürgermeister, sondern aus dem Bürgermeister
und seinen Beigeordneten, die zusammen den Magistrat als kollegiales Führungsorgan
bilden. Entscheidungen an der Verwaltungsspitze werden nach dem Mehrheitsprinzip
in diesem Kollegium gefällt. Entsprechendes gilt in den größeren Städten in Rheinland-
Pfalz, in denen es einen sogenannten Stadtvorstand gibt.
Bild 13: Innergemeindliche Organisation
Verwaltungsspitze
Ämter
Abteilungen Eigenbetriebe
Sachgebiete Rechtlich
verselbständigte
Unternehmen
(Aktiengesellschaft,
Stellen GmbH)
Die wichtigsten Mitarbeiter des Bürgermeisters sind in allen Bundesländern die von
den Gemeindevertretungen gewählten Beigeordneten oder Dezernenten (in Bayern hei-
ßen sie Berufsmäßige Stadträte). Diese Beigeordneten leiten jeweils Geschäftskreise,
für die sie in der Regel eine besondere Ausbildung besitzen. Das Finanzwesen wird
häufig von einem Volkswirt oder Juristen besetzt. Die Stadtbauräte sind in der Regel
Architekten oder Stadtplaner. Die Dezernate Schule und Kultur oder Soziales und
Gesundheitsverwaltung werden von Pädagogen, von Politikwissenschaftlern, von Ju-
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risten oder ganz einfach von denjenigen verwaltet, denen die Gemeindevertretung die
erforderliche Befähigung zutraut.
Der Geschäftskreis eines Beigeordneten ist in jeder Stadt etwas anders zugeschnitten.
Örtliche Verhältnisse, insbesondere politische Konstellationen, spielen hier eine große
Rolle. Manchmal wird ein Beigeordneter auch nach einem Wechsel der Mehrheiten
im Gemeinderat bestimmter Zuständigkeiten entkleidet, die dann einem (neuen) Beige-
ordneten von der anderen Couleur zugewiesen werden.
Unterhalb der Beigeordnetenebene beginnt das Feld der Fachbereichsleiter und der
Amtsleiter und der ihnen nachgeordneten Abteilungen und Sachgebiete mit entspre-
chenden Abteilungs- und Sachgebietsleitern. Diese Hierarchie ist in Bild 13 wiederge-
geben (wobei auf die in diesem Bild auftauchenden verselbständigten kommunalen
Wirtschaftsunternehmen am Schluss dieses Kapitels eingegangen wird).
b) Die Ämtergliederung. Die kommunalen Ämter sind aufgrund eines Standardvor-
schlags, der von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
(KGSt) (bis 2013 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung ge-
nannt) in Köln erarbeitet worden ist, in fast allen Gemeinden der Bundesrepublik
Deutschland ähnlich organisiert. Die KGSt hat zahlreiche organisatorische Empfehlun-
gen für fast alle kommunalen Leistungsbereiche ausgesprochen. Grundlage hierfür war
in den 1980ern das KGSt-Modell der institutionellen Organisation (Aufgabengliede-
rungsplan, Verwaltungsgliederungsplan). Ausgangspunkt der organisatorischen Ge-
staltung war bis zu den 1990ern immer die einzelne Aufgabe, wobei versucht wurde,
ähnliche oder fachlich zusammenhängende Aufgaben jeweils in einer Aufgabenhaupt-
gruppe zusammenzufassen. Mit dem Neuen Steuerungsmodell (NSM) rückten jedoch
die Leistungen und ihre Ergebnisse sowie Wirkungen in den Mittelpunkt der Verwal-
tungssteuerung. Nicht mehr die öffentliche Aufgabe, sondern das Produkt und damit
die zu erzielenden Wirkungen und Ergebnisse beim Bürger wurden Ausgangspunkt
von Prozessen und Strukturen. Folgerichtig wurde auch die kameralistische Buchfüh-
rung durch die kaufmännische doppelte Buchführung ersetzt. Die kaufmännische dop-
pelte Buchführung zeichnet sich dadurch aus, dass parallel zum „Kontenblatt“ auch
ein „Journal“ geführt wird, in dem alle Einnahmen und Ausgaben des aktuellen Jahres
auf den Tag genau aufgelistet sind. Das Kontenblatt gibt den zuvor festgelegten Zweck
der Einnahme oder Ausgabe wieder. Im Hinblick auf die Zweckzuordnung noch ge-
nauer als die Kontierung ist die Budgetierung. Mit der Budgetierung wird auch inner-
halb der Verwaltung jede geldwerte Tätigkeit oder Übergabe von Sachwerten für oder
an eine andere Abteilung oder Dienststelle festgehalten und einer bestimmten Aufga-
benerfüllung oder einem „Projekt“ zugeordnet. Dadurch entsteht ein recht genaues
Bild darüber, wieviel ein bestimmtes Verwaltungsprojekt wirklich kostet und was es
ggf. einbringt.
Das Organisationsmodell der KGSt sieht in der Grundstruktur einen dreigliedrigen
Aufbau der Verwaltung einer Kommune vor:18
– Zentrale Steuerung und Service,
– Bürgerdienstleistungen,
– Bauen und Stadtentwicklung.
Zu jedem dieser Fachbereiche gehört eine Reihe von Ämtern, die hier nicht einzeln
aufgelistet werden sollen. Die Einzelheiten hängen sehr stark von der Größe der Kom-
mune ab. Neben der eigentlichen Verwaltung gibt es in vielen Kommunen noch ver-
selbstständigte wirtschaftliche Betriebe. Sie können als Eigenbetriebe ohne eigene
Rechtsperson in der Verwaltung geführt werden oder als juristisch selbständige Be-
triebe, sog. Eigengesellschaften. Umstritten ist die Frage, ob es ratsam ist, nicht nur
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Die Stadtgemeinde Bremen ist flächendeckend in Ortsämter gegliedert, das sind Au-
ßenstellen der Verwaltung. Ihnen sind sogenannte Beiräte zugeordnet, die entspre-
chend dem örtlichen Ergebnis der Bürgerschaftswahl von der Stadtbürgerschaft ge-
wählt werden. Ihre Befugnisse bestehen im Wesentlichen aus Vorschlags- und
Anhörungsrechten in den Angelegenheiten des betreffenden Bezirks. Sie spielen in der
Praxis der bremischen Kommunalpolitik eine nicht unwesentliche Rolle.
b) Hamburg. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg wird von einem Senat regiert,
dem der Erste Bürgermeister vorsitzt. Auch hier heißt das Parlament „Bürgerschaft“.
Die hamburgische Stadtverwaltung ist dadurch dezentralisiert, dass Hamburg in Be-
zirke gegliedert ist, die wiederum in Ortsämter unterteilt sind. Die Bezirksämter sind
Verwaltungseinheiten für räumliche Teilgebiete der Einheitsgemeinde Hamburg ohne
Selbstverwaltungsrecht. In jedem Bezirk gibt es eine mit Berufsbeamten besetzte Be-
zirksverwaltung (genannt Bezirksamt), die von der gleichzeitig mit der Bürgerschaft
direkt gewählten Bezirksversammlung überwacht wird. Die Bezirksversammlungen
haben nur wenige Befugnisse zu selbständigen Entscheidungen; sie können jedoch ge-
nerell Empfehlungen aussprechen und damit Verwaltungshandeln anregen. Zu ihren
alleinigen Rechten gehören die Beschlussfassung über die Verwendung der Sondermit-
tel des Bezirks und das durch Wahl auszuübende Vorschlagsrecht zur Bestellung des
Bezirksamtsleiters; dieser wird dann durch den Senat von Hamburg ernannt. Die Be-
zirksversammlungen können durch die Wahl eines Nachfolgers die Abberufung des
Bezirksamtsleiters fordern (ein Fall des sog. „konstruktiven Misstrauensvotums“).
Rund um die Zentren der Bezirke gibt es sogenannte Ortsämter als Außenstellen der
Verwaltung. Den Außenstellen sind Ortsausschüsse zugeordnet, denen jeweils 15 Mit-
glieder angehören, die von den Bezirksversammlungen berufen (also nicht direkt ge-
wählt) werden. Dabei werden in großem Umfang sogenannte sachkundige Bürger be-
rufen. Für die ortsamtsfreien Zentren der Bezirke gibt es den Ortsausschüssen
vergleichbare „Kerngebietsausschüsse“. Der Oberbegriff für die Orts- und Kernge-
bietsausschüsse lautet (wenig glücklich) „Regionalausschüsse“.
c) Berlin. In Berlin ist die Bezirksverfassung in Deutschland entwickelt worden; sie hat
hier immer noch ihre stärkste Ausprägung. Bezirke gibt es in Berlin bereits seit 1920.
Im Jahre 1920 wurde die damals von der Fläche her noch relativ kleine Hauptstadt
des Deutschen Reiches und des Staates Preußen durch das sogenannte „Großberlin-
Gesetz“19 mit mehr als 90 bis dahin selbständigen, teils großen, teils kleinen Umland-
gemeinden und Gebietseinheiten zu seiner jetzigen Gestalt zusammengefasst. So sind
zum Beispiel die Großstädte Charlottenburg und Spandau erst 1920 zum Stadtgebiet
von Berlin hinzugekommen. Mögliche negative Folgen des Zusammenschlusses suchte
man durch die gleichzeitige Einrichtung von 20 Bezirken zu mildern, wodurch jeden-
falls den großen eingemeindeten Städten ein gewisses Maß an Selbständigkeit blieb.
Die Bezirke behielten ihre Bürgermeister, außerdem behielten bzw. erhielten sie eine
direkt gewählte Volksvertretung, die Bezirksverordnetenversammlung.
Die Bezirksverfassung von Berlin hat seit ihrer Einführung im Jahre 1920 mannigfache
Änderungen und Reformen erfahren, auf die hier nicht näher eingegangen werden
kann. Im Kern ist sie unverändert geblieben. Die nach außen sichtbarste Reform er-
folgte im Jahr 2002 durch die Zurückführung der Anzahl der Bezirke von bis dahin
22 auf nunmehr zwölf. Damit verbunden war der Versuch, die Kompetenzen der Be-
zirke weiter zu stärken. Gemäß Art. 50 Abs. 2 der Verfassung von Berlin (VvB) werden
die Bezirke jedoch an der Verwaltung Berlins weiterhin nur „nach den Grundsätzen
der Selbstverwaltung“ beteiligt – sie genießen kein echtes Recht auf Selbstverwaltung.
In Berlin hat im Zweifel nach wie vor die Hauptverwaltung das letzte Wort.
19 Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27.4.1920 (Preußische GS, S. 123).
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
Die Hauptverwaltung besteht aus den Senatsverwaltungen mit jeweils einem Senator
als leitendem Wahlbeamten. Die Senatoren bilden den Senat von Berlin, dem der Re-
gierende Bürgermeister vorsitzt. Der Regierende Bürgermeister und die Senatoren wer-
den vom Berliner Landesparlament, dem „Abgeordnetenhaus“ gewählt. Eine Berliner
Besonderheit besteht darin, dass die vom Regierenden Bürgermeister nach dessen Wahl
vorzuschlagenden Senatoren einzeln vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden müssen.
Die Bezirke sind in der folgenden, zugleich im Bild 14 zusammengefassten Weise an
der Verwaltung von Berlin beteiligt:
Im Interesse einer dezentralisierten Verwaltung sind in der 1995 reformierten Verfas-
sung von Berlin drei Aufgabenarten vorgesehen, nämlich
– die Aufgaben der Hauptverwaltung (früher: Vorbehaltsaufgaben);
– die den Bezirken zur Erfüllung unter Fachaufsicht zugewiesenen Aufgaben der
Hauptverwaltung (früher: übertragene Vorbehaltsaufgaben);
– die Bezirksaufgaben (früher: bezirkseigene Angelegenheiten).
Die Aufgaben der Hauptverwaltung sind – wie schon der Name sagt – diejenigen
Aufgaben, die vom Landesgesetzgeber der Hauptverwaltung zugeordnet sind. Die den
Bezirken zur Erfüllung unter Fachaufsicht zugewiesenen Aufgaben sind kraft allgemei-
ner Regelung oder durch Einzelakt an die Bezirke übertragen; die Hauptverwaltung
hat hier das Recht der Fachaufsicht und damit des laufenden Eingriffs, notfalls des
Selbsteintritts. Diese Aufgaben sind vergleichbar mit den Angelegenheiten zur Erfül-
lung nach Weisung, auch den Auftragsangelegenheiten des Kommunalrechts der Flä-
chenstaaten. Alles, was nicht durch Berliner Gesetz oder Verordnung als Aufgabe der
Hauptverwaltung oder nur übertragene Aufgabe reklamiert ist, gehört zu den bezirks-
eigenen Angelegenheiten. Bei den Bezirksaufgaben kann die Hauptverwaltung nur eine
Rechtsaufsicht ausüben – bei der Fülle der Vorschriften und der Dehnbarkeit der Be-
griffe gibt es jedoch kaum etwas, was die Hauptverwaltung nicht auch im Namen
einer bloßen Rechtsaufsicht anordnen könnte; in § 7 des Allgemeinen Zuständigkeits-
gesetzes (AZG) ist zudem festgehalten, dass die Bezirke auch bei den Bezirksaufgaben
nicht nur an Rechtsvorschriften, sondern auch an allgemeine Verwaltungsvorschriften
der Hauptverwaltung gebunden sind. In vielen Einzelfällen ist darüber hinaus bedeut-
sam, dass immer dann, wenn ein Bürger gegen die Entscheidung eines Bezirksamts
Widerspruch einlegt, letztlich die Hauptverwaltung als (Rechts-) und Aufsichtsbe-
hörde tätig werden kann (wenn sie nicht ohnehin für die Entscheidung über den Wi-
derspruch zuständig ist). Das letzte Wort liegt damit nicht mehr beim Bezirksamt,
sondern bei der Hauptverwaltung. Besonders hier zeigt sich, dass die Bezirke kein
echtes Selbstverwaltungsrecht genießen; damit ist auch rechtlich ausgeschlossen, dass
sie sich gegenüber Maßnahmen der Hauptverwaltung durch eine Klage vor dem Berli-
ner Verwaltungsgericht verteidigen könnten. Die Beteiligung der Bezirke an der Ver-
waltung nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung ist nur ein nicht rechtsmittelfähi-
ges Organisationsprinzip.
Es ist hier nicht der geeignete Ort, im Einzelnen nachzuvollziehen, welche Aufgaben
in Berlin Aufgaben der Hauptverwaltung, welche bezirkseigen sind; darüber geben die
Anlagen zum AZG und des ASOG (Allgemeines Gesetz zum Schutz von Sicherheit
und Ordnung in Berlin) genaue Auskunft. Nur im Hinblick auf den hier interessieren-
den Bereich des Bau- und Planungsrechts und der Bauverwaltung seien schon ein paar
Grundzüge skizziert, die später (im Kapitel B.III. Verfahren der Bauleitplanung) näher
ausgeführt werden.
Im Bereich der Bauleitplanung gilt – grob gesprochen – die Arbeitsteilung, dass die
Hauptverwaltung unter Einschaltung der Bezirke den Flächennutzungsplan aufstellt,
während die Bebauungspläne als Bezirksaufgaben von den Bezirken erarbeitet werden,
soweit sie keine überbezirkliche Bedeutung haben. Bei „dringendem Gesamtinteresse
Berlins“ kommen der Hauptverwaltung Fachaufsichts- und Weisungsrechte zu; in Fäl-
len von „außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“ ist die Hauptverwaltung für
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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.
Die Hauptverwaltung
nimmt die Aufgaben der Hauptverwaltung wahr
Das Abgeordnetenhaus
(Landesparlament)
wählt den Regierenden Bürgermeister und die Senatoren, die
den Senatsverwaltungen vorstehen (Ressortprinzip)
Die Bezirksämter
nehmen die ihnen zur Erfüllung unter Fachaufsicht
zugewiesenen Aufgaben und die Bezirksaufgaben
Die Bezirksverordneten- wahr
versammlungen
wählen den Bezirksbürgermeister und
vier Bezirksstadträte
Eigene Rechte:
– Etatvorschlag Jeder Bezirksstadtrat steht einer Abteilung des
– Bewilligungsmittel Bezirksamts vor
– Zustimmungsrechte zum Die Verwaltungstätigkeit der Bezirke unterliegt
Entwurf von B-Plänen der Rechtsaufsicht und
– Eigene Grundstücke – bei den unter Fachaufsicht stehenden Aufgaben –
Entscheidungsvorberei- auch der Fachaufsicht des Senats
tung in Ausschüssen
mit Bürgerdeputierten
Schon aus diesen kurzen Darlegungen dürfte erkennbar sein, dass die Bezirksver-
waltungen einschließlich der gewählten Vertretungsorgane auf Bezirksebene, der Be-
zirksverordnetenversammlungen (BVV), nicht allzuviel zu bestimmen haben. Die Be-
zirksverordneten wählen zwar die Mitglieder des Bezirksamts und den
Bezirksbürgermeister. Da die Bezirke jedoch kein eigenes Haushaltsrecht haben und
auch nur wenige frei verfügbare Sondermittel, wird auf Bezirksebene manchmal mehr
geredet als gehandelt. Die politischen Abhängigkeiten und Verflechtungen sind groß.
Als Organ der überbezirklichen Abstimmung ist der „Rat der Bürgermeister“ vorgese-
hen, der aus dem Regierenden Bürgermeister und den Bezirksbürgermeistern besteht.
Auch dies ist jedoch kein sehr effektives Gremium. Die eigentlichen Entscheidungen
fallen in den Sitzungen des Senats von Berlin und des Abgeordnetenhauses, gesteuert
von den Mehrheitsfraktionen der im Senat vertretenen Parteien.
Literatur
Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
Literaturhinweise zum Staatsrecht sind am Ende des Kapitels II. „Der Aufbau der Rechtsord-
nung“ zu finden.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Die Dritte Gewalt V.
Instanz, nämlich an das Landgericht wenden. „Über dem Landgericht wölbt sich der
Himmel“, sagen die Juristen, um darauf hinzuweisen, dass es nach dieser Instanz keine
Möglichkeit des Weiterstreitens mehr gibt, wenn man vor dem Amtsgericht begonnen
hat.
Für Streitigkeiten mit einem Streitwert von mehr als 5.000 A ist von vornherein das
Landgericht die erste Instanz. Entsprechendes gilt für Strafsachen von größerem Ge-
wicht. Die Urteile der Landgerichte können mit der Berufung vor den Oberlandesge-
richten angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 A über-
steigt oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung in seinem Urteil zugelassen
hat. In Berlin hat das Oberlandesgericht die Traditionsbezeichnung „Kammergericht“.
Wenn vom Oberlandesgericht eine Revision zugelassen worden ist (weil die Rechtssa-
che grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert), kann der Rechtsstreit nach
einem Urteil des Oberlandesgerichts vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gezogen
werden. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist das selbständige Rechtsmittel der
„Nichtzulassungsbeschwerde“ nach § 544 ZPO eröffnet, in dem nur über die Zulas-
sung der Revision entschieden wird.
Berufung (zum Oberlandesgericht) und Revision (zum Bundesgerichtshof) dürfen
nicht miteinander verwechselt werden. Die Berufung ist der Fachausdruck für die An-
fechtung eines erstinstanzlichen Urteils. Im Berufungsverfahren wird der gesamte Sach-
und Streitstoff noch einmal nachgeprüft. Das Berufungsgericht kontrolliert sowohl,
ob alle Tatsachen richtig ermittelt worden sind, als auch, ob die Rechtsfragen richtig
beantwortet sind. Wegen der erneuten Tatsachenprüfung können in der Berufungs-
instanz auch noch neue Tatsachen und Beweismittel eingebracht werden (es sei denn,
sie werden wegen Verspätung zurückgewiesen).
Anders ist dies in der Revisionsinstanz. Die Revision ist eine reine Rechtsprüfung. Das
Revisionsgericht legt den Sachverhalt zugrunde, der sich aus den Akten des Berufungs-
urteils ergibt. Wenn es zu der Ansicht kommt, dass die Tatsachen unvollständig ermit-
telt sind, weist es die Angelegenheit zurück an das Oberlandesgericht (OLG) zur weite-
ren Sachaufklärung. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Berufung und Revision
innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern auch in den Spezialgerichtsbarkei-
ten, damit auch vor den Verwaltungsgerichten.
Die (in Bild 15 aufgeführten) Spezialgerichtsbarkeiten sind erst allmählich aus der or-
dentlichen Gerichtsbarkeit ausgesondert worden. Die wichtigste Spezialgerichtsbarkeit
ist wohl die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie hat über die „öffentlich-rechtlichen Strei-
tigkeiten“ zu entscheiden, soweit diese nicht ausdrücklich einem anderen Gericht zuge-
wiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind (in Analogie zur Unterscheidung
zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht) solche Streitigkeiten, bei denen
der Kläger (in der Regel eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts) dem
Staat (der Bundesrepublik Deutschland oder einem Bundesland) oder einer Kommune
im Verhältnis der Unterordnung gegenübersteht oder bei denen es um Rechte und
Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geht.
Die Verwaltungsgerichte haben sich erst im 19. Jahrhundert aus einer behördeninter-
nen Überprüfungsinstanz von Verwaltungsentscheidungen zur unabhängigen Gerichts-
barkeit entwickelt. Neben der süddeutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit (im Großher-
zogtum Baden wurde sie bereits 1863 eingeführt) ist besonders die Preußische
Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der Gründung des Preußischen Oberverwaltungsge-
richts im Jahre 1875 zu großem Ansehen gelangt. (Die erste Instanz der Verwaltungs-
kontrolle war in Preußen auch nach 1875 noch in die Verwaltung – nämlich die Kreis-
verwaltungen – integriert.)
In der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es heute drei Instanzen: Die Verwaltungsge-
richte, die Oberverwaltungsgerichte (oder in Süddeutschland: Die Verwaltungsge-
richtshöfe) und das Bundesverwaltungsgericht (in Leipzig). Den Verwaltungsgerichten
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
VERFASSUNGSGERICHTSBARKEIT
Landesverfassungsgerichte
Bundesverfassungsgericht
Amtsgerichte Verwaltungsgerichte
Landgerichte
Oberverwaltungsgerichte
Verwaltungsgerichtshöfe
Oberlandesgerichte
Bundesgerichtshof Bundesverwaltungsgericht
Disziplinarsachen
Wehrstrafsachen
Finanzgerichte
Bundesfinanzhof
Sozialgerichte
Landessozialgerichte
Bundessozialgericht
Arbeitsgerichtsbarkeit
Arbeitsgerichte
Landesarbeitsgerichte
Bundesarbeitsgericht
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Die Dritte Gewalt V.
oder „Staatsgerichtshöfe“; diese Bezeichnung deutet auf die Tatsache hin, dass diese
Gerichte nicht mit hauptamtlichen Richtern besetzt sind und nicht ständig tagen; in
den Ländern besteht dafür kein Bedarf. Anders ist dies beim Bundesverfassungsgericht
mit Sitz in Karlsruhe, dem höchsten und auch in höchstem Ansehen stehenden Gericht
der Bundesrepublik Deutschland.
Die Verfassungsgerichte sind zum einen zuständig für Streitigkeiten zwischen Verfas-
sungsorganen (also zwischen dem Landtag und der Landesregierung bzw. zwischen
dem Bundestag und der Bundesregierung usw.) und zwischen Bund und Ländern über
ihre verfassungsmäßigen Rechte. Zum anderen können sie auch vom Bürger angerufen
werden, wenn er eine Verfassungsverletzung geltend macht. Allerdings ist dabei zu
beachten, dass die Verfassungsgerichte (insbesondere das Bundesverfassungsgericht)
immer erst dann angerufen werden können, wenn die übrigen Rechtsmittel erschöpft
sind. Ein Student, der meint, in seinem Recht auf freie Berufswahl durch die Nichtzu-
lassung zu einem bestimmten Studium verletzt worden zu sein, kann sich also nicht
unmittelbar an das Bundesverfassungsgericht wenden; er muss vielmehr zunächst die
Nichtzulassung vor dem Verwaltungsgericht anfechten und sämtliche Instanzen durch-
schreiten, um eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erheben zu können. Auch
wenn die formale Voraussetzung der Erschöpfung des Rechtsweges erfüllt ist, wird
noch nicht jede Klage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Erstens muss es
sich bei dem Klagevorbringen um eine spezifische Grundrechtsverletzung handeln, und
zweitens muss die Klage eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie nicht bereits
vom Vorprüfungsausschuss abgewiesen werden soll.
Mit dieser Vorprüfung reagiert das Bundesverfassungsgericht auf eine sehr hohe Inan-
spruchnahme. Weil manche Bürger das Bundesverfassungsgericht, von dem grundsätz-
lich keine Gerichtsgebühren erhoben werden, als eine freizugängliche Petitionsinstanz
für querulatorische Anliegen jeder Art ansehen, ist 1985 die Möglichkeit eingeführt
worden, in Fällen besonders krassen Missbrauchs eine „Missbrauchsgebühr“ in Höhe
von bis zu 2.600 A zu erheben. Wer mit seiner Verfassungsbeschwerde unterliegt, be-
kommt seine notwendigen Auslagen nicht erstattet; wer obsiegt, darf mit einer Erstat-
tung seiner notwendigen Auslagen rechnen (so geregelt in §§ 34, 34a des Bundesver-
fassungsgerichtsgesetzes).
2. Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten
Im Bau- und Planungsrecht sind die Verwaltungsgerichte der wichtigste Gerichtszweig.
Innerhalb des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten gibt es zwei Hauptklagearten,
die darauf abstellen, dass das typische Handlungsinstrument der öffentlichen Verwal-
tung der Verwaltungsakt ist (den wir im Kapitel A.III.2. bereits kennengelernt haben):
Die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage.
Die Anfechtungsklage richtet sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Sie ist für
den Bürger das geeignete Instrument, wenn er die Aufhebung eines ihn in seinen Rech-
ten verletzenden Verwaltungsakts erreichen möchte. Die Verpflichtungsklage richtet
sich darauf, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erhalten. Auf diese Klageart
muss der Bürger zurückgreifen, wenn er die Verwaltung mit Hilfe des Gerichts zum
Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes veranlassen will. Neben diesen beiden
Hauptklagearten gibt es noch die Feststellungsklage, die schlichte Leistungsklage, die
vorbeugende Unterlassungsklage; auf diese Klagearten soll hier jedoch nicht weiter
eingegangen werden, weil sie nur zum Spezialfundus der ausgebildeten Verwaltungsju-
risten gehören.
In Bild 16 ist dargestellt, welchen Weg der Bürger nehmen muss, wenn er eine Anfech-
tungs- oder eine Verpflichtungsklage erheben will. Wie bei der Erläuterung der Be-
standskraft von Verwaltungsakten im Kapitel A.III.2 bereits geschildert wurde, darf
er (in der Regel) nicht sofort das Gericht anrufen, wenn er mit dem Handeln der
Verwaltung nicht einverstanden ist. Vielmehr muss er der Behörde zunächst die Mög-
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
lichkeit geben, ihr Handeln selbst noch einmal zu überprüfen. Dies geschieht durch
die Einlegung eines Widerspruchs. Nochmals sei betont, dass dieser Widerspruch bin-
nen einer Frist von einem Monat ab Zugang des Verwaltungsakts eingelegt werden
muss, wenn man mit einem Verwaltungsakt oder der Ablehnung eines Verwaltungsak-
tes durch eine Behörde nicht einverstanden ist. Anderenfalls erwächst der Verwal-
tungsakt in Bestandskraft (von einigen Ausnahmen wie mangelnder Rechtsmittelbeleh-
rung oder Sonderfällen, in denen ein Vorverfahren nicht erforderlich ist, abgesehen).
Hat der Bürger zum Beispiel gegen die Versagung einer Baugenehmigung oder gegen
die Verfügung der Gaststättenaufsicht, ein Gartenlokal um 22.00 Uhr zu schließen,
Widerspruch eingelegt, so überprüft die erlassende Behörde ihren Verwaltungsakt
noch einmal darauf, ob sie alle Form- und Verfahrensvorschriften eingehalten hat, die
zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und die Entscheidung inhaltlich von den
einschlägigen Rechtsvorschriften getragen wird. Gelangt sie zu der Erkenntnis, dass
ihr Handeln fehlerhaft gewesen ist, „hilft sie dem Widerspruch ab“. Das bedeutet,
dass sie ihre vorherige Entscheidung korrigiert oder sogar ganz aufhebt.
Wenn die den Verwaltungsakt erlassende Behörde bei der Überprüfung zu der Ansicht
gekommen ist, dass ihr Verhalten rechtmäßig war, muss sie ihre Akten zusammen
mit dem Widerspruch der Widerspruchsbehörde vorlegen. Das ist in der Regel die
nächsthöhere Behörde. Wenn allerdings gegen den Verwaltungsakt einer Selbstverwal-
tungskörperschaft in einer Angelegenheit Widerspruch eingelegt wird, die dem eigenen
Wirkungskreis der Körperschaft zuzurechnen ist, dann gibt es in dieser Sache keine
„höhere“ Behörde. Die Stadt bzw. der Kreis muss dann eigenverantwortlich selbst
entscheiden; möglicherweise wird jedoch ein besonderer „Widerspruchsausschuss“ als
neutrales Gremium eingeschaltet.
Ist auch die Widerspruchsbehörde bzw. der Widerspruchsausschuss der Ansicht, dass
der Verwaltungsakt nicht geändert werden sollte, weist sie den Widerspruch zurück.
Erst gegen diese Zurückweisung des Widerspruchs darf der Bürger Klage vor dem
Verwaltungsgericht erheben. Auch dies muss er innerhalb einer bestimmten Frist (in
der Regel innerhalb eines Monats ab Zugang des Bescheids, vgl. § 74 Abs. 1 VwGO)
tun, wenn der Verwaltungsakt nicht bestandskräftig werden soll.
Die Klage ist dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht zuzuleiten. Das Gericht
prüft, ob die Klage zulässig und begründet ist. Die Gesichtspunkte, die dabei eine
Rolle spielen, sind bei jeder Klage verschieden. Für die Zulässigkeit immer erforderlich
ist jedoch, dass der Kläger behauptet, in seinen Rechten verletzt zu sein. Dabei muss
man das Wort „seinen“ unterstreichen. Man darf also nicht bereits klagen, wenn man
meint, dass die Verwaltung irgendwo irgend jemandem Unrecht getan hat; vielmehr
darf man gerichtliche Hilfe nur dann in Anspruch nehmen, wenn es um die eigenen
Rechte geht. Um eigene Rechte geht es auch dann nicht, wenn ein Grundstück nur
deshalb erworben wird, um die Klageberechtigung zu erlangen.20 Mit dieser Klausel
(niedergelegt in § 42 Abs. 2 VwGO) soll die sogenannte „Popularklage“ verhindert
werden. Eine „Popularklage“ ist gleichbedeutend mit der Klage von jedermann für
jedermann. Der Gesetzgeber befürchtet, dass die Möglichkeit der Popularklage zur
Überlastung der Gerichte und zu einer Welle von unnötigen Streitigkeiten führen
würde.
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Die Dritte Gewalt V.
tungsgerichts auf eine Nichtzulassungsbeschwerde auch Hinweise dazu, wie das Bun-
desverwaltungsgericht in der Hauptsache entscheiden würde. Solche Hinweise gibt es
dann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wird; ist die Beschwerde
erfolgreich, wird zunächst nur lapidar die Revision zugelassen. Das Bundesverwal-
tungsgericht nutzt dann die Gelegenheit der Entscheidung in der Hauptsache, um dem
Untergericht und der Öffentlichkeit seine Rechtsmeinung kundzutun.
Eine besondere Klageart vor dem Oberverwaltungsgericht muss noch erwähnt werden:
Das Verfahren der direkten (oder abstrakten) Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Im
Verfahren der direkten (abstrakten) Normenkontrolle geht es nicht um die Überprü-
fung eines Verwaltungsakts, sondern um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer
Norm (daher „Normenkontrolle“). Diese Normenkontrolle ist insbesondere für Be-
bauungspläne zulässig. Im Schlusskapitel „Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach
dem Baugesetzbuch vor den Gerichten“ wird darauf näher und ausführlich eingegan-
gen.
3. Einstweiliger Rechtsschutz
Aus der Schilderung des über mehrere Instanzen reichenden Verfahrens vor den Ver-
waltungsgerichten, an dessen Beginn ein Widerspruchsverfahren noch in der Verwal-
tung selbst steht, ergibt sich, dass es ziemlich lange dauern kann, bis ein Rechtsstreit
endgültig abgeschlossen ist. Wenn ein Prozess bis vor das Bundesverwaltungsgericht
getragen wird, kann es sechs oder noch mehr Jahre dauern, bis die Parteien ein rechts-
kräftiges Urteil in der Hand haben. So lange Fristen sind gerade in Bausachen oft
unerträglich. Das gilt sowohl für den Bauherrn, der gerne bauen möchte, aber seine
Baugenehmigung nicht bekommt, als auch für den Gegner eines genehmigten Bauvor-
habens, der während des Prozesses vielleicht zusehen muss, wie das von ihm be-
kämpfte Gebäude immer höher wächst, bis es schließlich fertiggestellt ist.
Auch in anderen Verwaltungsrechtsstreitigkeiten kann eine lange Prozessdauer prak-
tisch zur Entwertung des Rechtsschutzes insgesamt führen. Wenn die Schließung einer
Gaststätte angeordnet und durchgesetzt wird, nützt es dem Gastwirt wenig, wenn ihm
nach zwei Jahren bescheinigt wird, dass diese Schließung nicht gerechtfertigt war,
denn seinen Kundenstamm hat er inzwischen verloren. Umgekehrt nützt es auch dem
Ordnungsamt wenig, wenn es die Abstützung eines Balkons anordnet, der Hauseigen-
tümer aber allein durch eine Klageerhebung erreichen kann, dass er dieser Anordnung
so lange nicht Folge zu leisten braucht, bis der Prozess entschieden ist. Wenn das
drei Jahre dauert, wird der Balkon – wenn er wirklich baufällig war – inzwischen
heruntergefallen sein.
In allen diesen Fällen ist eine vorläufige Regelung des Streitstoffes für den Zeitraum
bis zum Abschluss des Prozesses erforderlich. Diese Regelung ist nach zwei Vorschrif-
ten der Verwaltungsgerichtsordnung möglich, nämlich zum einen nach § 80 VwGO
mit seinem sogenannten „Suspensiveffekt“ und zum anderen nach § 123 VwGO mit
einer sogenannten „einstweiligen Anordnung“.
a) Der Suspensiveffekt nach §§ 80, 80a und 80b VwGO. Der Suspensiveffekt nach
§ 80 VwGO ist von Bedeutung, wenn sich ein Bürger gegen einen ihn belastenden
Verwaltungsakt wehrt. Häufig ist es so, dass ein einmal durchgeführter belastender
Verwaltungsakt nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden kann. Wenn zum
Beispiel eine Straße verbreitert werden soll und dafür ein Stück Vorgarten von einem
dagegen protestierenden Eigentümer benötigt wird, dann haben Rechtsmittel praktisch
keine Bedeutung mehr, wenn der Vorgarten durch eine Planierraupe beseitigt und die
Straße über das ehemalige Gartenland gebaut worden ist. Um derartige vollendete
Tatsachen zu verhindern, ordnet das Gesetz an, dass Widerspruch und Anfechtungs-
klage „aufschiebende Wirkung haben“. Das bedeutet, dass mit der Einlegung eines
Widerspruchs und der nachfolgenden Klage die Wirkungskraft des belastenden Ver-
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Die Dritte Gewalt V.
b) Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. Der soeben geschilderte Suspen-
siveffekt passt im Wesentlichen nur beim Rechtsschutz gegen belastende Verwaltungs-
akte. Wenn es um einen begünstigenden Verwaltungsakt geht, soll ja nichts aufgescho-
ben werden; vielmehr will der Kläger hier in der Regel möglichst bald zu seinem
vermeintlichen Recht kommen. Hier kann einstweiliger Rechtsschutz nicht durch Auf-
schieben erreicht werden, sondern nur durch eine „einstweilige Anordnung“, wie sie
in § 123 VwGO geregelt ist. Dort heißt es, dass das Gericht auf Antrag auch schon
vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, vor allem bei dau-
ernden Rechtsverhältnissen, zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesent-
liche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern.
Wenn jemand zum Beispiel nach dem Abitur einen Studienplatz durch ein gerichtliches
Verfahren erkämpfen will, dann nützt es ihm wenig, wenn er zwar gute Erfolgsaussich-
ten hat, mit einer Entscheidung über seine Klage aber erst nach achtzehn Monaten zu
rechnen ist. Dann sind schon drei Semester verstrichen. In solchen Fällen kann das
Gericht durch einstweilige Anordnung anordnen, dass der betreffende Anwärter vor-
läufig einen Studienplatz zugeteilt erhält, damit er für den Fall, dass er den Prozess
gewinnt, nicht drei Semester verloren hat. Solche vorläufigen Regelungen sind auch
möglich, wenn jemand einen bestimmten Betrag als Ausbildungsförderung einklagt
und ohne Förderung völlig mittellos dastehen würde.
Ist eine einstweilige Anordnung erlassen worden, gilt für die Fortsetzung des Streites
ähnliches wie bereits für den Suspensiveffekt: Der jeweilige Gegner kann das Gericht
gegen die einstweilige Anordnung anrufen und gegen die erstinstanzliche Entscheidung
wiederum Beschwerde einlegen. Streitigkeiten über den Suspensiveffekt oder über
einstweilige Anordnungen finden erst dann ein zuverlässiges Ende, wenn der Rechts-
streit in der Hauptsache entschieden ist.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
gegenüber einem anderen aber belastend auswirken. Dafür ist eine Baugenehmigung,
mit der ein Nachbar des Bauherrn nicht einverstanden ist, das häufigste Beispiel. Wie
funktioniert der „einstweilige Rechtsschutz“ in solchen Fällen? Darüber waren sich
noch nicht einmal die Verwaltungsgerichte einig, sodass der Gesetzgeber mit Wirkung
ab 1. Januar 1991 eine eigene Regelung dieses Problems in die Verwaltungsgerichts-
ordnung (VwGO) eingefügt hat – den § 80a VwGO.
§ 80a VwGO hat zunächst der von der Mehrzahl der Oberverwaltungsgerichte22 und
dem Bundesverwaltungsgericht23 geteilten Meinung zur Geltung verholfen, wonach
Widerspruch und Klage eines Nachbarn gegen eine seiner Ansicht nach zu Unrecht
erteilte Baugenehmigung die „normale“ aufschiebende Wirkung haben, so wie sie je-
dem Rechtsbehelf gegen einen belastenden Verwaltungsakt nach § 80 VwGO beigelegt
ist. Wenn es keine zusätzliche Regelung gäbe, würde nach dieser Grundregel auch
jede Baugenehmigung durch Widerspruch und Klage eines Nachbarn suspendiert, also
wirkungslos gemacht; der Bauherr stünde so da, als hätte er keine Baugenehmigung.
Aufgrund des sechsten Änderungsgesetzes zur VwGO von 1996, das zum 1.1.1997 in
Kraft getreten ist, haben Widerspruch und Klage gegen die bauaufsichtliche Zulassung
eines Vorhabens jedoch keine aufschiebende Wirkung mehr; diese Regelung findet sich
aber nicht in der VwGO (deren § 80a die aufschiebende Wirkung auch bei Verwal-
tungsakten mit Doppelwirkung vorsieht), sondern in § 212a BauGB. Damit ist der
Bauherr eines mit Bauschein genehmigten Vorhabens demjenigen gleichgestellt, der ein
genehmigungsfreies Vorhaben errichtet. Die Zahl der genehmigungsfreien Vorhaben
ist seit etwa 1995 erheblich angestiegen, weil die Länder dazu übergegangen sind,
zumindest Wohnungsbauvorhaben geringer Höhe im Geltungsbereich qualifizierter
Bebauungspläne von dem Erfordernis einer förmlichen Baugenehmigung freizustellen;
häufig ist nur noch eine Anzeige des Vorhabens erforderlich (siehe dazu Kapitel VII.
Die Baugenehmigung).
Der widersprechende Nachbar muss nunmehr bei der Behörde beantragen, die Vollzie-
hung der Baugenehmigung auszusetzen, wenn er den Bau effektiv aufhalten will. Zu-
gleich kann er „Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte“ beantragen, worunter ins-
besondere die Verhängung eines Baustopps zu verstehen ist. Sofern die Behörde
solchen Anträgen nicht folgt, können die Beteiligten das Verwaltungsgericht anrufen,
das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dieselben Anordnungen erlassen
und auch „Maßnahmen treffen kann“. Es bleibt aber dabei, dass der eine Baugenehmi-
gung angreifende Nachbar zunächst einen Versuch bei der Verwaltung gemacht haben
muss, von dort Hilfe zu bekommen. Erst wenn die Verwaltung die Aussetzung der
Vollziehung (und damit zugleich auch den Ausspruch eines Baustopps) verweigert hat,
darf das Gericht bemüht werden. Vorher ist der Antrag an das Gericht unzulässig.
22 VGH BaWü, B. v. 31.10.1974 – VIII 927/74 –, BRS 28 Nr. 136; Bayerischer VGH, B. v. 20.8.1976 – Nr. 82
I 76 –, BRS 30 Nr. 148; BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, BRS 42 Nr. 23; Hamburgisches OVG, B.
v. 8.6.1978 – Bs II 105/77, Bs II 106/77 –, MDR 1979, 344; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 31.5.1976 – 1 B
2/76 –, NJW 1977, 595; OVG des Saarlandes, B. v. 23.1.1980 – 2 W 1.1/80 –, BRS 36 Nr. 206.
23 BVerwG, U. v. 21.10.1968 – 4 C 33.68 –, NJW 1969, 202.
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Die Dritte Gewalt V.
wendung kommen. Anhand dieser Regeln kann und muss das Gericht darüber befin-
den, zu wessen Lasten sich die Nichtaufklärbarkeit bestimmter Umstände auswirkt.
Als Faustregel gilt: Wer sich auf bestimmte (besondere) Umstände beruft, trägt für
diese Umstände die Darlegungslast. Können diese Umstände nicht nachgewiesen wer-
den, unterliegt der Anspruchsteller.
Soweit es um die Auslegung von Rechtsvorschriften geht, können sich die Richter auf
anerkannte Auslegungsregeln stützen. Dabei ist zu bedenken, dass bei der Betrachtung
einer Norm sowohl die Umschreibung des Sachverhalts („Wenn das öffentliche Wohl
es erfordert“) als auch die Umschreibung der Rechtsfolge („kann von einzelnen Fest-
setzungen des Bebauungsplans Befreiung erteilt werden“) auslegungsbedürftig sein
können. Die meisten Normen haben (wie das soeben zitierte Beispiel) eine „wenn/
dann“-Struktur: Zunächst werden mehr oder weniger bestimmte Voraussetzungen for-
muliert (= wenn), bei deren Eintritt mehr oder weniger bestimmt umschriebene Rechts-
folgen zu verwirklichen sind (= dann). Die Auslegungsregeln helfen bei der Beantwor-
tung der Frage, ob und in welcher Weise die auf Papier festgehaltene „tote“ Norm
auf den Lebenssachverhalt wirklich passt, ob sie zu seiner Regelung wirklich geeignet
und gedacht ist.
In manchen Fällen ist dies leicht zu beantworten. Wenn zum Beispiel das Parken in
einer Straße dadurch verboten ist, dass am Straßenrand ein Parkverbotsschild aufge-
stellt ist, und ein Autofahrer parkt direkt neben diesem Schild, halb auf der Straße,
halb auf dem schmalen Bürgersteig, dann bereitet die grundsätzliche Bejahung der
Anwendbarkeit der entsprechenden Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und des
Ordnungswidrigkeitengesetzes, wonach für diesen Fall eine gebührenpflichtige Ver-
warnung oder eine Geldbuße angedroht ist, keinerlei Schwierigkeiten.
Schwieriger wird es schon im zweiten Schritt, wenn zu entscheiden ist, ob der Kraftfah-
rer „mit Behinderung“ geparkt hat, wonach eine höhere Gebühr fällig wird. Ist eine
„Behinderung“ nur dann gegeben, wenn der Kraftfahrzeugverkehr behindert wird,
oder auch dann, wenn nur Fußgänger behindert werden? Dem Gesetz allein läßt sich
die Antwort nicht entnehmen.
Um derartige Unsicherheiten lösen zu können, haben die Juristen verschiedene Metho-
den der Auslegung entwickelt, von denen nun die Rede sein soll.
a) Methoden und Kriterien der Auslegung von Rechtsvorschriften. Auslegung ist ein
Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm in der Regel vor
dem Hintergrund eines zu entscheidenden Falles problematisch geworden ist, ver-
ständlich macht.
Vier Kriterien sind bei der Auslegung besonders wichtig:
1. der Wortsinn (grammatische Auslegung);
2. der Bedeutungszusammenhang (systematische Auslegung);
3. der Zweck der Vorschrift (teleologische Auslegung anhand der Motive des Gesetz-
gebers);
4. die Einordnung in höherrangige Normen (wertorientierte, verfassungskonforme
Auslegung).
Diese Gesichtspunkte helfen dabei, Zweifelsfragen aufzuklären, die bei der Anwen-
dung fast jeder Norm entstehen. Man denke zum Beispiel an die Frage, was zu den
„baulichen Vorhaben“ gehört, die nach den §§ 30 bis 36 BauGB genehmigungspflich-
tig sind. Dass die Errichtung eines Mehrfamilienhauses unter diese Vorschriften fällt,
bedarf keiner langen Überlegung. Aber ist auch die Errichtung eines Jägerstands aus
Baumstämmen genehmigungspflichtig? Oder die Aufstellung eines Wohnwagens?
Oder die Verankerung eines Wohnboots am Ufer eines stillgelegten Kanals? Beim Jä-
gerstand hilft schon die wörtliche Auslegung: Dieser Stand wird gebaut; er ist daher
– jedenfalls von einer bestimmten Größe an – baurechtlich zu genehmigen oder min-
destens anzuzeigen.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
Schwieriger wird es beim Wohnwagen: Der rollt auf Rädern an seinen Platz und wird
(jedenfalls an dieser Stelle) nicht gebaut. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte
Auslegung führt jedoch dazu, auch einen Wohnwagen dann als bauliche Anlage zu
behandeln, wenn er nicht nur für eine Nacht und vorübergehend, sondern dauerhaft
an einer bestimmten Stelle abgestellt wird. Er hat dann nämlich die gleiche Wirkung
wie ein Wochenendhaus. Wenn er nicht genehmigungspflichtig wäre, würden viele
diese „Gesetzeslücke“ nutzen und statt eines Gartenhäuschens oder eines Zweitwohn-
sitzes ihren Wohnwagen an den schönsten Plätzen in der Natur abstellen. Die Eigentü-
mer von derartigen Grundstücken hätten Hochkonjunktur. Sie könnten diese Grund-
stücke zwar nicht als Baugrundstücke, aber als bewohnbare Wochenendgrundstücke
sehr teuer verkaufen oder verpachten.
Aus dem gleichen Grund kann auch die dauerhafte Verankerung eines Schiffes in einer
bestimmten Bucht baurechtlich genehmigungspflichtig sein. Wenn das Schiff die Funk-
tion eines Wohnhauses hat, muss die Verankerung bauaufsichtlich genehmigt werden.
An diesen Beispielen zeigt sich, dass es bei der Auslegung von Rechtsvorschriften häu-
fig nicht nur auf das Lesen der Worte im Gesetz ankommt, sondern auch darauf, den
dahinterliegenden, nicht aufgeschriebenen Sinn zu erforschen. Aber auch bei dieser
„Sinnerforschung“ kann man in Schwierigkeiten kommen. Denn „der Sinn“ eines Ge-
setzes kann verschieden sein, je nachdem, welche Methode man bei der Sinnerforsch-
ung anwendet. Dies soll am Beispiel der zwei wichtigsten Methoden der Sinnerforsch-
ung erläutert werden, der historisch-subjektiven und der objektiv-normativen
Methode. Die historisch-subjektive Methode erforscht den psychologisch realen Wil-
len, die Motive des historischen Gesetzgebers. Sie versucht, die Vorschrift so zu lesen,
wie sie „der Gesetzgeber“ gemeint hat. Die objektiv-normative Methode erforscht den
objektiv zweckmäßigen Sinn der Vorschrift unter Berücksichtigung des Wandels der
Verhältnisse, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob der Gesetzgeber die Vorschrift
auch so gemeint hat, wie sie der heutige Leser vernünftigerweise versteht.
Der Unterschied dieser beiden Methoden soll an einem Beispiel aus dem Straßenver-
kehrsrecht deutlich gemacht werden: Durch das „Gesetz über den Verkehr mit Kraft-
fahrzeugen“ vom 3.5.1909 (heute: Straßenverkehrsgesetz – StVG) wurde eine beson-
dere Haftung der Kraftfahrzeughalter eingeführt. Nach § 7 müssen sie alle Schäden
ersetzen, die „beim Betrieb“ ihres Kraftfahrzeugs entstehen, ohne dass es darauf an-
kommt, ob sie den Schaden verschuldet haben. Eine solche Haftung nennt man „Ge-
fährdungshaftung“; sie wird dann angeordnet, wenn man sich gefährlicher, nicht leicht
zu beherrschender Gegenstände bedient. Die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeug-
halters gilt noch heute; sie wurde inzwischen auf den Betrieb von Anhängern erweitert,
die dazu bestimmt sind, von einem Kraftfahrzeug geführt zu werden.
In Anwendung des § 7 StVG musste der BGH vor Jahren folgenden Fall entscheiden.24
Ein LKW-Fahrer hatte auf der Autobahn einen von ihm nicht verschuldeten Motor-
schaden. Er musste sein Fahrzeug deshalb hart am rechten Fahrbahnrand abstellen;
die örtlichen Verhältnisse ließen es nicht zu, den Wagen mit allen vier Rädern von der
Fahrbahn zu bekommen, so dass das Fahrzeug noch in die rechte Fahrspur hinein-
ragte. Während der Fahrer den Pannendienst herbeitelefonierte, fuhr ein anderer LKW
in den abgestellten Wagen hinein. Der zweite LKW-Fahrer hatte das Pannenfahrzeug
nicht gesehen oder nicht beachtet. Es entstand bei beiden Fahrzeugen hoher Sachscha-
den. Der BGH musste entscheiden, ob ein Teil des Schadens auch von der Haftpflicht-
versicherung des abgestellten Fahrzeugs zu tragen war.
Als Haftungsgrundlage kam nur die Gefährdungshaftung des § 7 StVG in Frage. Denn
ein Verschulden traf den Fahrer des abgestellten LKW keinesfalls. Die Haftung nach
§ 7 StVG setzt jedoch voraus, dass der Schaden „beim Betrieb“ des Kfz entstanden
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Die Dritte Gewalt V.
ist. Befand sich der am Autobahnrand abgestellte LKW im Sinne des Gesetzes noch
„in Betrieb“? Nach der historisch-subjektiven Methode kann diese Frage nicht beant-
wortet werden; denn 1909 gab es noch keine Autobahnen. Der Gesetzgeber von 1909
hatte wohl eher die Vorstellung, dass „der Betrieb“ eines Kfz mit dem Abstellen des
Fahrzeugs und dem Ausschalten des Motors am Straßenrand endet (sog. maschinen-
technische Auffassung). Der BGH kam jedoch nach der objektiv-normativen Methode
zu einem anderen Ergebnis: Angesichts der Tatsache, dass alle Autobahnen ausschließ-
lich für den fließenden Verkehr bestimmt sind und dass jedes Parken am Fahrbahnrand
verboten ist, ist auf Autobahnen auch ein nur vorübergehend abgestelltes schadhaftes
Fahrzeug im Sinn der Gefährdungshaftung noch „in Betrieb“. Die Haftpflichtversiche-
rung des Pannenfahrzeugs musste daher einen Teil des durch den Auffahrunfall beim
LKW entstandenen Schadens ersetzen. (In Betrieb ist im Übrigen auch ein Fahrzeug,
das in einer Waschanlage unbeabsichtigt anspringt und Schäden verursacht, weil der
Fahrer die Zündung eingeschaltet gelassen hat und die Drehung der Räder in der
Anlage den Motor wie beim Anschieben in Betrieb setzt25).
Dieser Sinn der Vorschrift konnte nur durch eine am heutigen Zweck des Gesetzes
orientierte Auslegung und die Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Haf-
tungsvorschriften erreicht werden. Die Juristen haben für diese den Gesetzgeber ergän-
zende, zuweilen sogar korrigierende Form der Auslegung eine schöne Formel gefun-
den. Sie heißt: „Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber“.
Die objektiv-normative ist im Zweifel die bessere Methode als die historisch-subjek-
tive. Dies hat noch einen weiteren Grund: Wenn man genau hinsieht, dann wird man
bei Anwendung der historisch-subjektiven Methode feststellen, dass es „den Gesetzge-
ber“, den realen Willen des Autors eines Gesetzes, gar nicht gibt. Sicherlich wird jeder
Gesetzestext irgendwann einmal von irgendjemandem zum ersten Mal aufgeschrieben.
Häufig sind das die Referenten im zuständigen Ministerium; sie versuchen, mit ihrer
Formulierung „dem Willen des Hauses“ – des Ministers, der Partei des Ministers –
oder vielleicht dem Kompromiss einer Koalitionsvereinbarung Ausdruck zu geben. Im
Laufe des Gesetzgebungsprozesses wird dieser Text jedoch von so vielen Personen
begutachtet, verändert, hin- und hergewendet, mit den verschiedensten Motiven und
Kommentaren versehen, dass man von einem dahinterstehenden einheitlichen Wollen
nicht mehr sprechen kann. Im Übrigen ist der nur schwer zu identifizierende Autor
eines Gesetzestextes keineswegs „der Gesetzgeber“. Der Gesetzgeber ist das Parlament.
Das Parlament aber hat keinen einheitlichen Willen. Es besteht aus Mehrheitspar-
tei(en) und Opposition; in den meisten Fällen muss zum Zustandekommen des Geset-
zes nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat zustimmen. Auch der Bun-
desrat bringt noch seine eigenen Motive ein. Unter solchen Umständen nützt es wenig,
wenn man die Bundestagsprotokolle liest, um den Willen des Gesetzgebers zu erfor-
schen. Viele Entscheidungen fallen in den Vorberatungen der Ausschüsse, viele Reden
werden aus Gründen der politischen Opportunität, nicht aber zur direkten Begrün-
dung eines bestimmten Paragraphen gehalten. Demnach gilt: Vorsicht bei der Anwen-
dung der historisch-subjektiven Methode, die objektiv-normative Methode ist die bes-
sere.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen selbst die objektiv-normative Methode nicht
weiterhilft, weil der Gesetzgeber etwas vergessen hat. Solche Gesetzeslücken können
und müssen von der Verwaltung und von der Rechtsprechung geschlossen werden.
Vom Gesetz – auch nach Auslegung – nicht geregelte Fälle gibt es in mehrfacher Hin-
sicht:
Es gibt „offene Lücken“, das sind vom Gesetzgeber übersehene Fälle, die sich in der
Praxis alsbald auftun.
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
Es gibt „verdeckte Lücken“, das sind vom Gesetzgeber noch nicht vorhersehbare Fälle,
deren Möglichkeit sich erst später, zum Beispiel aufgrund fortgeschrittener Technik,
herausstellt.
Möglich ist auch eine bewusste Untätigkeit des Gesetzgebers in Fällen, in denen kein
politischer Kompromiss gefunden werden konnte. Hier liegt keine „Lücke“ vor, son-
dern ein bewusst offen gelassener Punkt.
Auch solche offenen Punkte müssen von den Gerichten ausgefüllt werden, wenn auf
andere Weise ein Streitfall nicht entschieden werden kann. Denn jeder, der sich an ein
Gericht wendet, hat einen Anspruch auf eine Entscheidung. Das Gericht darf niemals
von einer Entscheidung mit der Begründung absehen, dass der Gesetzgeber dafür noch
keine Regelung getroffen habe. Dieses „Rechtsverweigerungsverbot“ ist schon vom
napoleonischen Code Civil im Jahre 1804 so formuliert worden: „Ein Richter, der sich
weigert, Recht zu sprechen, unter dem Vorwand des Schweigens, der Dunkelheit oder
der Unzulänglichkeit des Gesetzes, kann wegen Justizverweigerung verfolgt werden.“
Derzeit gibt es viele offene Punkte im Arbeitsrecht. Der Gesetzgeber der Bundesrepub-
lik Deutschland scheut sich in vielen Fällen, in die Rechte und Pflichten der Arbeitneh-
mer und der Arbeitgeber regelnd einzugreifen, weil er fürchtet, dass man ihm Partei-
lichkeit vorwerfen würde. So ist zum Beispiel die zentrale Frage, ob eine Aussperrung
zulässig ist oder nicht, vom Gesetzgeber nicht geregelt. Die Entscheidungslast lag und
liegt beim Bundesarbeitsgericht.
Verdeckte Lücken findet man häufig im Urheberrecht. Hier sind die technischen Ent-
wicklungen so rasant, dass der Gesetzgeber mit seinem Bemühen, auch geistiges Eigen-
tum zu schützen, nicht mitkommt. Während früher nur auf Papier geschriebene Worte
oder Noten und dann bald die in Schellack gepressten Töne geschützt werden mussten,
muss sich der Urheberrechtsgesetzgeber heute mit dem (illegalen?) Herunterladen von
Text- und Musikstücken aus dem Internet beschäftigen. Solange er dazu keine neuen
Regeln verfasst hat, muss man die alten Schutzregeln sinngemäß anwenden. Sinnge-
mäß heißt: Da geistiges Eigentum geschützt werden soll, müssen auch die in den Com-
putern gespeicherten Programme und Daten (einschließlich von Musikstücken) vor
unberechtigtem Zugriff geschützt werden, selbst wenn derartige Tatbestände im Ge-
setz noch nicht formuliert sind.
Ab und zu kommt es auch vor, dass der Gesetzgeber offensichtlich etwas übersieht.
Ein berühmter Fall aus der Rechtsgeschichte in dieser Hinsicht ist die sogenannte
positive Forderungsverletzung nach dem Bürgerlichen Recht. Als der Gesetzgeber im
Jahre 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft setzte, waren dort zwei Arten von
Vertragsverletzungen berücksichtigt: Die (teilweise oder völlige) Nichterfüllung und
der Verzug. Nichterfüllung bedeutet, dass zuwenig oder gar nicht geliefert wird (bei
einem Kaufvertrag), Verzug bedeutet, dass zu spät angeliefert wird. Nicht vorgesehen
ist jedoch der Fall, dass der Lieferant pünktlich und mit voller Ladung seine zugesagte
Lieferung anfährt, danach jedoch seinen Lastkraftwagen nicht wieder vom Hof fährt,
so dass weitere Zulieferer nicht mehr an die Laderampe fahren können, der Betrieb
ins Stocken gerät und dadurch ein erheblicher Schaden entsteht. Dies ist weder Nicht-
lieferung noch Verzug, sondern „Schlechterfüllung“. Es leuchtet ein, dass der Waren-
empfänger seinen Lieferanten auch für diese Handlung zur Rechenschaft ziehen kön-
nen muss. Nur stand davon nichts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese Lücke wurde
vom Reichsgericht nach wenigen Jahren durch das Rechtsinstitut der „positiven For-
derungsverletzung“ gefüllt. Sie wurde erst mit der Schuldrechtsreform von 2006 – also
nach 100 Jahren – in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen; auch zuvor war sie
jedoch fester Bestandteil jedes juristischen Lehrbuchs.
b) Auslegung, Ermessen und freie Rechtsschöpfung. Mit dem Kapitel Auslegung sind
zwei wichtige Fragen verknüpft – eine eher philosophische und eine eminent prakti-
sche.
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Die Dritte Gewalt V.
Die eher philosophische Frage richtet sich darauf, in welchem Umfang man überhaupt
noch von Auslegung reden kann, wenn ein zu entscheidender Fall vom Wortlaut des
Gesetzes nicht direkt getroffen wird, so dass die Entscheidung aus dem Gesetz nicht
abgelesen werden kann, sondern auf andere Weise, nach herkömmlicher Auffassung
eben mit Hilfe von Auslegungsregeln, gefunden werden muss. Die sogenannte freie
Rechtsschule vertritt dazu den Standpunkt, dass beinahe jede Auslegung nichts ande-
res sei als die nachträgliche Begründung eines schon vorher vom frei urteilenden Rich-
ter gefundenen Ergebnisses. Die freie Rechtsschule legt daher weniger Wert auf dog-
matische Auslegungskunststücke als auf die Auswahl der Richter. Die Qualität der
Rechtsprechung wird danach weniger von der juristischen Fachausbildung der Richter
als von ihrer Persönlichkeit bestimmt.
Die zweite, eher praktische Frage hängt mit diesem Problem eng zusammen. Wenn
Gesetze auch nach Auslegung nicht zum eindeutigen Ergebnis führen, wenn ein Fall
bei Geltung desselben Gesetzes unterschiedlich entschieden werden könnte, dann ist
es sehr wichtig zu wissen, wer dazu befugt ist, unter mehreren möglichen Entscheidun-
gen die eine auszuwählen, die schließlich gelten soll. Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten,
in deren Verlauf die Parteien schließlich vor den Richter treten, ist diese Frage leicht
zu beantworten: Hier entscheidet das Gericht in erster und letzter Instanz über das,
was gelten soll.
Schwieriger ist es im Verwaltungsrecht. Denn hier wird das Recht, schon bevor der
Streit vor das Gericht kommt, durch einen hoheitlichen Akt konkretisiert, nämlich
durch den Verwaltungsakt. Das, was im Zivilrecht erst vor Gericht geschieht, nämlich
eine hoheitliche, autorisierte Anwendung des Rechts auf einen Lebenssachverhalt, das
geschieht im Verwaltungsrecht schon durch den Verwaltungsakt. Demnach wäre es
nur konsequent, wenn man im Verwaltungsrecht die Befugnis, unter mehreren mögli-
chen, mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren Entscheidungen die eine auszuwählen,
die subjektiv vom Entscheidungsträger als die beste empfunden wird, der Behörde
zugestände. Denn die Behörde darf den Verwaltungsakt nicht erlassen, ohne zuvor zu
prüfen, ob er mit dem Gesetz in Einklang steht. Sie muss das Gesetz dabei auslegen
und anwenden, ihr sollte also das Recht der Erstinterpretation zugestanden werden.
Soweit diese Erstinterpretation vertretbar ist, muss sie auch vor Gericht Bestand ha-
ben. Die Gerichte hätten in diesem Fall nur noch die Aufgabe, die Grenzen eines
solchen Verwaltungsermessens zu kontrollieren. Kontrollmaßstab wären die im Gesetz
enthaltenen, mehr oder weniger unbestimmten Rechtsbegriffe, die von der Verwaltung
anlässlich des Verwaltungsakts ausgelegt und angewendet worden sind.
Die herrschende Rechtsprechung kennt jedoch kein so weitgehendes Verwaltungser-
messen. Die Gerichte beanspruchen derzeit die uneingeschränkte Kontrolle darüber,
ob die Verwaltung alle unbestimmten Rechtsbegriffe genau in dem Sinne „richtig“
angewendet hat, wie es das Gericht nach seiner subjektiven Überzeugung für richtig
hält. Wegen dieses von der Verwaltungsgerichtsbarkeit vertretenen „Grundsatzes der
Vollkontrolle“ bei unbestimmten Rechtsbegriffen ist es zu einer bedenklichen Macht-
verlagerung im Gefüge der Gewaltenteilung der Bundesrepublik Deutschland gekom-
men. Nicht mehr die Gerichte sind (mit den Worten Montesquieus) „en quelque façon
nulle“ – in gewisser Weise ohne eigene Machtbefugnisse –, sondern vom juristisch
herrschenden Dogma ist mittlerweile die Verwaltung in die Rolle des Vollstreckungs-
automaten gedrückt worden; sie soll nurmehr willenloser „Mund des Gesetzes“ sein.
Angesichts der Tatsache, dass die meisten, ja fast alle Gesetzesbegriffe mehr oder weni-
ger unbestimmt sind, lohnt es sich für die Bürger immer, eine Klage vor dem Verwal-
tungsgericht zu erheben, wenn sie mit einer Verwaltungsentscheidung nicht einverstan-
den sind. Denn das Gericht könnte ja anderer Ansicht sein. Dass eine solche
Verschiebung der Masse der Entscheidungskompetenz (nicht der Masse der Entschei-
dungen!) zu den Gerichten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen
kann, ist evident. Es mehren sich deshalb auch die Stimmen, die der Verwaltung wieder
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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts B.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Bauordnungsrecht 2
Nachbarrecht 3
Örtliches 4
Planungsrecht
Überörtliches
• Brandschutz • Fensterrechte • Monarchische Planungsrecht/
• Abfallbeseitigung • Lichtrechte Ästhetik Fachplanungs-
• Baupflicht • Hammerschlagrechte • Stadterweite- recht
innerhalb der • Leiterrechte rungen des • Agglomerationen
Stadtmauern • Traufrechte 19. Jahrh. • Eisenbahnnetz
FRÜHER:
HEUTE:
Angesichts der Enge der mittelalterlichen Städte ist auch nicht verwunderlich, dass auf
Grundstücken innerhalb der Stadtmauern Baupflicht bestand.
Diese Regeln gab es nicht überall in geschriebener Form. Aber auch dort wo sie nicht
schriftlich niedergelegt waren, mussten sich die Bürger kraft Gewohnheitsrechts an
entsprechende Vorschriften halten.
Heute gehört das Bauordnungsrecht zur Gesetzgebungskompetenz der Länder26, die
jeweils eigene Bauordnungen erlassen haben. Für eine gewisse Übereinstimmung sorgt
die Musterbauordnung, die von einer Sachverständigenkommission der Arbeitsge-
meinschaft der für das Bauwesen zuständigen Minister der Länder (der sog. ARGE-
BAU) erarbeitet worden ist; die regelmäßig fortgeschriebene Musterbauordnung27
liegt auch den Bauordnungen aller Bundesländer zugrunde. Daher gibt es in der Glie-
derung und bei den eher technischen Regeln eine weitgehende strukturelle und inhaltli-
che Übereinstimmung; es gibt aber auch von Land zu Land eigene Akzente, deren
26 Vgl. dazu das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3,
407.
27 Die jeweils neueste Fassung wird u. a. herausgegeben von: Dieter Böckenförde u. a., Musterbauordnung
für die Länder der Bundesrepublik Deutschland.
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
Anzahl und Bedeutung eher zu- als abnimmt. Unterschiede betreffen vor allem fol-
gende Punkte:
– Die Freistellung von Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungs-
plans von der Genehmigung und das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren;
– die Regelung von „Abweichungen“, Ausnahmen und Befreiungen;
– das Abstandsflächenrecht;
– die Stellplatzpflicht und die Möglichkeiten zu deren Ablösung durch Geldleistun-
gen.
28 Zur Zulässigkeit von landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzen neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch vgl.
Art. 3 EGBGB.
29 Vgl. das Berliner Nachbarrechtsgesetz vom 28.9.1973 (GVBl. S. 1654) mit nachfolgenden Änderungen, die
übrigen Fundstellen der Landesgesetze sind abgedruckt in: Palandt-Degenhardt, BGB-Kommentar, Art. 14
EGBGB Anm. 2.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
stück auch dann zu betreten, wenn sie mit dem Nachbarn in so heftigem Streit liegen,
dass dessen Einwilligung nicht zu erreichen ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn
die Befugnis, die beabsichtigten Bau- und/oder Instandsetzungsarbeiten am eigenen
Gebäude vom Grundstück des Nachbarn aus durchzuführen, auch besteht.30
Neben diesem privaten Nachbarrecht hat sich inzwischen ein „öffentliches Nachbar-
recht“ entwickelt. Das öffentliche Nachbarrecht betrifft die Frage, in welchem Umfang
sich die Nachbarn von Grundstücken gegeneinander und gegenüber dem Staat darauf
berufen können, dass Vorschriften des öffentlichen Rechts eingehalten werden, die
sich zu ihrem Vorteil auswirken. Eine solche Vorschrift ist z. B. die Regelung des
Grenzabstands vom Gebäude zur Grundstücksgrenze (auch „Bauwich“ genannt).
Grenzabstände sind prinzipiell im öffentlichen Interesse aus Gründen der Feuersicher-
heit und des gesunden Bauens im Bauordnungsrecht vorgeschrieben. Es liegt auf der
Hand, dass Vorschriften über den Abstand zwischen Gebäuden auch im Interesse der
jeweiligen Nachbarn liegen. Anhand der Grundsätze des öffentlichen Nachbarrechts
müssen die Gerichte entscheiden, ob der Eigentümer eines Grundstücks Anspruch da-
rauf hat, dass der Staat seinen Nachbarn unerbittlich zur Einhaltung des Grenzab-
stands zwingt, oder ob der Staat im Wege der Befreiung erlauben darf, dass der Nach-
bar näher an die Grundstücksgrenze heranrückt. Diese Fragen sind bis heute im
Wesentlichen nicht durch aufgeschriebene Paragraphen, sondern durch die Rechtspre-
chung (also durch „Richterrecht“) beantwortet.
3. Das örtliche Planungsrecht
Die meisten Städte und Siedlungen des Mittelalters waren noch so klein und wuchsen
in der Regel so langsam, dass sie einer vorhergehenden ordnenden Planung nicht be-
durften, sondern sich lebendig entwickeln konnten. Allerdings gab es auch schon im
Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit Städte, die nach einem ganz festen und
verbindlichen Baumuster errichtet wurden. Insbesondere Residenz- und Fürstenstädte
sind zuweilen nach einem vorgegebenen Plan des absoluten Herrschers gebaut und
erweitert worden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der geometrische, in 136 Rechtecke
eingeteilte Stadtgrundriss der Mannheimer Altstadt, 1606 durch Kurfürst Friedrich IV.
von der Pfalz gegründet. Auch die fächerartig vom Schloss ausgehenden Straßenzüge
Karlsruhes beruhen auf markgräflicher Planung des 18. Jahrhunderts. Insgesamt gese-
hen waren dies jedoch eher Ausnahmen. Die eigentliche Zeit der städtebaulichen Pla-
nung beginnt erst mit den Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts. Diese Stadterwei-
terungen wurden zum einen ausgelöst durch die rasant wachsende Zahl der
städtischen Bevölkerung, zum anderen durch den Wegfall der Notwendigkeit, Städte
und Siedlungen mit Wällen und Wassergräben zu sichern. Diese Art der Verteidigung
war inzwischen überholt, denn Wälle und Wassergräben boten gegenüber dem Angriff
moderner Artillerie und dem Sturm der Massenheere, die sich im Gefolge der Französi-
schen Revolution entwickelt hatten, keinen Schutz mehr. Es wurde daher eine Ausdeh-
nung in die Fläche möglich und notwendig, durch die in wenigen Jahren Städte und
Siedlungen von einer Größe entstanden, für deren Entwicklung bis dahin Jahrzehnte
und Jahrhunderte benötigt worden waren. Dieses schnelle Wachstum musste gesteuert
werden, wenigstens dadurch, dass man den Verlauf der Straßen und Plätze bestimmte
und den Eigentümern vorschrieb, nur entlang dieser Straßen und Plätze zu bauen.
Eben solche Vorschriften enthielten die süddeutschen Bauordnungen aus der Mitte des
19. Jahrhunderts und das preußische Fluchtliniengesetz von 1875.31 Die süddeutschen
Bauordnungen und das preußische Fluchtliniengesetz können als die ersten Planungs-
gesetze bezeichnet werden. Sie wurden ergänzt durch städtische Bauordnungen, mit
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
deren Hilfe das Stadtgebiet in verschiedene Bauzonen eingeteilt wurde.32 In den Bau-
zonen waren jeweils Gebäude unterschiedlicher Höhe und unterschiedlicher Zweckbe-
stimmung zugelassen. Auf diese Art und Weise wurden bereits im 19. Jahrhundert
Vorstufen jener städtebaulichen Planung und Ordnung entwickelt, die heute über eine
zweistufige Planung, nämlich über den Flächennutzungsplan (vgl. hierzu Kap. B.IV.)
und die Bebauungspläne (vgl. hierzu Kap. B.V.), gesichert werden sollen.
Die Fortentwicklung dieser ersten Ansätze des Bau- und Planungsrechts zu einer relativ
einheitlichen Rechtsmaterie hat fast 100 Jahre gedauert. Es gab zwar mehrere Anläufe,
über landesrechtliche Regelungen wie das preußische Ansiedlungsgesetz33 und das
preußische Wohnungsgesetz34 hinaus auch eine reichseinheitliche Städteordnung35 zu
kodifizieren. Diese Ansätze blieben jedoch immer wieder in Anfängen stecken, so dass
auch nach 1945 die Materie des Bau- und Planungsrechts zunächst noch bei den Län-
dern verblieb. Die Länder verfassten unterschiedliche Aufbaugesetze36, die durch
„Trümmergesetze“ ergänzt wurden. Durch die Trümmergesetze wurden die Grundei-
gentümer verpflichtet und die Gemeinden ermächtigt, die Kriegstrümmer beiseite zu
räumen. Durch die Aufbaugesetze wurde die Bautätigkeit einem rechtlichen Gefüge
unterworfen. In unterschiedlicher Dichte und Stufung wurden Pläne vorgesehen, Bau-
gebote oder Bauverbote ermöglicht, Vorkaufsrechte eingeführt, Umlegung und Grenz-
regelung in Paragraphen gefasst. Die Aufbaugesetze waren in sich durchaus zweckmä-
ßig, sie waren jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden.
Um Rechtseinheit zu erreichen, forderte der Bundestag die Bundesregierung schon
relativ früh, nämlich im Jahre 1950, dazu auf, eine Gesetzesinitiative dafür zu ergrei-
fen, das Baurecht in den Ländern durch einheitliches Bundesrecht zu ersetzen. Das
Grundgesetz räumt dem Bund in Art. 74 Nr. 18 die Kompetenz zur konkurrierenden
Gesetzgebung im Bereich des Bodenrechts ein. Umstritten war aber zunächst, welche
Materie zum „Bodenrecht“ im Sinne des Grundgesetzes gehört: Sollten durch diesen
Begriff Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht zusammengefasst werden? Um einen
Verfassungsverstoß zu vermeiden, ließ sich die Bundesregierung ein Gutachten vom
Bundesverfassungsgericht37 zu dieser Frage erstellen (dies war nach damaligem Recht
möglich, heute sind derartige Gutachten nicht mehr vorgesehen). Das Bundesverfas-
sungsgericht berücksichtigte bei seiner Auslegung des Begriffs „Bodenrecht“ vor allem
historische Argumente. In historischer Sichtweise gehörte das Bauordnungsrecht als
materielles Polizeirecht stets zur Gesetzgebungskompetenz der Länder. Diese Tradition
sollte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts durch das Grundgesetz nicht gebro-
chen werden. Das Bundesverfassungsgericht beschränkte daher die Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes auf das Planungsrecht im engeren Sinne, versagte es aber dem
Bundesgesetzgeber, sich in bauordnungsrechtlichen Fragen zu betätigen. Aus diesem
Grund enthielt das Bundesbaugesetz von 1960 ausschließlich Regeln über die städte-
bauliche Planung und deren Verfahren, über die Bodenordnung und Grenzregelung
(heute Umlegung), über Enteignung und Erschließung, aber nicht zu bauordnungs-
rechtlichen Fragen der Gefahrenabwehr (präventive Genehmigungspflicht für bauliche
Vorhaben, Feuersicherheit, Standsicherheit, Einhaltung technischer Normen).
Das Recht der Stadtsanierung und der Stadterneuerung wurde erstmals 1971 in einem
besonderen Gesetz, dem Städtebauförderungsgesetz, kodifiziert; in diesem Gesetz wa-
32 Beispiel: Die Frankfurter Zonenbauordnung von 1891, abgedruckt in: Juan Rodriguez-Lores/Gerhard Fehl
(Hrsg.), Städtebaureform 1865–1900, Hamburg 1985.
33 Preußische GS. 1876, S. 405.
34 Preußische GS. 1918, S. 23.
35 Preußisches Städtebaugesetz, Entwurf vom 17.7.1929, LT-Drs. 3015; Reichsstädtebaugesetz, Referenten-
entwurf von 1931, veröff. in: Reichsarbeitsblatt 1931, Teil I, S. 266 ff. (Nr. 32 vom 15.11.1931).
36 Aufgezählt in § 186 BBauG von 1960.
37 Vgl. dazu das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3,
407.
71
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
38 BGBl. I S. 1509; die BauGB-Novelle 2013 (BGBl. I S. 1548 vom 20.6.2013) ist drei Monate nach Verkün-
dung, also am 20.9.2013, in Kraft getreten; bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, also am
21.6.2013, sind die Änderungen zum Erschließungsvertrag und zu den Ermächtigungen der Gemeinde zu
von der geänderten BauNVO abweichenden Regelungen (§ 245a Abs. 2 BauGB) in Kraft getreten. Die
Änderungen zur Wertermittlung in den §§ 192 und 198 gelten mit Wirkung vom 20.12.2013 (also sechs
Monate nach Verkündung der Novelle).
39 BGBl. I S. 1057.
40 BGBl. I S. 1298 vom 1.6.2017.
41 BGBl. I S. 2193 vom 5.7.2017.
42 BGBl. I S. 2808 vom 28.7.2017.
43 BGBl. I S. 3634 vom 10.11.2017.
44 BGBl. I S. 3786 vom 21.11.2017.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
2015 Ergänzend zu den vorgenannten Erleichterungen im Recht der Bauleitplanung enthält das
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz in seinem Artikel 6 ebenfalls bis 31.12.2019 befristete
Erleichterungen der Flüchtlingsunterbringung zur Zulässigkeit von Vorhaben.45
5/2017 Die große BauGB-Novelle 2017 reagiert mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/
52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vor al-
lem auf europarechtliche Vorgaben und das neue Wachstum deutscher Großstädte; Baunut-
zungs- und Planzeichenverordnung werden ebenfalls geändert.
5/2017 Nach der Streichung der Präklusionsregelung in § 47 Abs. 2a VwGO entfällt mit dem Gesetz
zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa-
und völkerrechtliche Vorgaben auch der Hinweis hierzu in § 3 Abs. 2 BauGB.
6/2017 Das Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung
von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) verpflichtet zur nach-
richtlichen Übernahme von überschwemmungsgefährdeten und Hochwasserentstehungs-Ge-
bieten.
7/2017 Das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung enthält eine
nochmalige „handwerkliche“ Korrektur der Beteiligungsfristen in den §§ 3 Abs. 2 und 4
Abs. 2.
11/2017 Neubekanntmachung des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung.
45 Inhaltlich unbedeutend aber nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Änderung des Namens des
zuständigen Bundesministeriums durch Artikel 118 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung
vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474 (1494)).
46 Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911 (PrGS. S. 123).
47 W. Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland – Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über
die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen (1933),
2. Aufl. 1968.
74
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
ten haben. Durch die im Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August
200648, in Kraft getreten am 1. September 2006, verankerte „Föderalismusreform“
wurde der Bereich der Raumordnung aus der sog. Rahmengesetzgebung (dieser Kom-
petenztyp wurde abgeschafft) in die sog. konkurrierende Gesetzgebung überführt.49
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Ge-
setzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht
durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.50 Das Gesetz zur Neufassung des Raumord-
nungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) passte das Raumord-
nungsgesetz im Jahr 2008 deshalb erneut in mehreren Punkten an die veränderte
Rechtslage an.51 Das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom
23. Mai 201752 diente hingegen vor allem der Umsetzung der so genannten „MRO-
Richtlinie“,53 die neue Anforderungen an die Raumordnung im Bereich des Meeres
formuliert. Inzwischen gibt es in sämtlichen Bundesländern Landesplanungsgesetze,
die Landesplanung ist auch in den neuen Ländern etabliert, Regionalpläne oder Ge-
bietsentwicklungspläne werden mit zunehmender Genauigkeit und Regelungsdichte
aufgestellt. Die Probleme, die diese überörtliche Planung wiederum für die Gemeinden
aufwirft, die sich in ihrer Selbstverwaltungsfreiheit beeinträchtigt fühlen, werden an
anderer Stelle noch zu behandeln sein.
Für bestimmte Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur musste es allerdings schon
vor der Entstehung einer amtlichen „Raumordnung“ und „Landesplanung“ ein zuver-
lässiges Planungssystem geben – nämlich für die überörtlichen Verkehrswege. Es ist
daher kein Zufall, dass das erste Fachplanungsgesetz für die Eisenbahnplanung in
Preußen ergangen ist. Solche „Fachplanungsgesetze“, deren ortsübergreifenden, häufig
vernetzten Planungen Vorrang vor der kommunalen Bauleitplanung haben und haben
müssen, gibt es inzwischen für eine Reihe von wichtigen öffentlichen Einrichtungen:
Für Straßen (das Fernstraßengesetz), für Eisenbahnen (das Allgemeine Eisenbahnge-
setz), für Flughäfen (das Luftverkehrsgesetz), für Schifffahrtskanäle (das Bundeswas-
serstraßengesetz) und weitere Vorhaben. Allen diesen Gesetzen ist gemeinsam, dass sie
für die endgültige Festschreibung der Planung ein eigenes Verfahren vorsehen, das sog.
Planfeststellungsverfahren.54 Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird die jeweilige
Planung per Verwaltungsakt bekräftigt. Mit Bestandskraft des Verwaltungsakts kön-
nen die beabsichtigten Maßnahmen in die Tat umgesetzt werden. Eine weitere Bauge-
nehmigung ist nicht mehr erforderlich. Einzelheiten sind für alle Verfahren gemeinsam
im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes geregelt. Ein Sonderfall der netzförmigen
Infrastruktur sind die Hochspannungs-Freileitungen nach dem Energiewirtschaftsge-
setz; der Bau solcher Leitungen musste (bislang) nach § 4 Abs. 2 EnWG den Behörden
nur angezeigt werden, woraufhin gegebenenfalls eine „Nichtbeanstandungserklärung“
erging.55 Manche Landesplanungsgesetze sahen eine ausdrückliche raumordnerische
Genehmigung der Trasse vor.56
48 BGBl. I S. 2034.
49 Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 Grundgesetz (GG).
50 Im Unterschied hierzu haben die Länder für den Kompetenztyp der sog. ausschließlichen Gesetzgebung
nach Art. 71 GG die Befugnis eigene Gesetze zu erlassen nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundes-
gesetz ausdrücklich ermächtigt werden.
51 Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), zuletzt geändert durch Artikel 2 Ab-
satz 15 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808).
52 BGBl. I S. 1245.
53 Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines
Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. EU L 257/135).
54 Vgl. §§ 72 ff. VwVfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102) mit
nachfolgenden Änderungen.
55 Zur (Nicht-)Anfechtbarkeit seitens der betroffenen Gemeinden vgl. BVerwG, B. v. 30.8.1995 – 4 B 86.95 –,
ZfBR 1995, 323.
56 VGH Baden-Württemberg, UPR 1998, 35 (anfechtbarer Verwaltungsakt).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Im August 2011 hat der Bund im Rahmen der Energiewende eine Bundesfachplanung
für die Sicherung von länderübergreifenden oder grenzüberschreitenden Höchstspan-
nungsleitungen eingeführt und damit die bisherige Zuständigkeit der Bundesländer
zur räumlichen Steuerung von Energietrassen und -netzen weitgehend an sich gezo-
gen.57 Dabei bildet die Bundesfachplanung bzw. der bei der Bundesnetzagentur ge-
führte Bundesnetzplan, in den die Trassenkorridore aus dem Bundesfachplan nach-
richtlich aufgenommen werden, die letzte Ebene der Energiefachplanung nach dem
Energiewirtschaftsgesetz, die unter Beteiligung der Länder schrittweise konkretisiert
und regelmäßig – mindestens alle drei Jahre – konkretisiert wird. Die letztendliche
Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung dieser Leitungen bedarf nach § 18
Abs. 1 NABEG der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.
b) Das Raumordnungsgesetz. Das 1965 erstmals erlassene Raumordnungsgesetz ist
mehrfach grundlegend novelliert worden. Bereits 1998 sind Aufgabe und Leitvorstel-
lungen sowie Grundsätze der Raumordnung neu definiert worden (§§ 1, 2 ROG
1998). Der für die Bauleitplanung besonders wichtige Begriff der „Ziele der Raumord-
nung“ ist nunmehr kraft Legaldefinition „den verbindlichen Vorgaben in Form von
räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder
Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegun-
gen in Raumordnungsplänen“ vorbehalten (so die Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 2
ROG). Begriffe, mögliche Inhalte und Bindungswirkung der Raumordnungspläne sind
insgesamt wesentlich klarer als bisher definiert und umrissen (§ 3–9 ROG 1998); die
Möglichkeit der Untersagung raumordnungswidriger Planungen und Maßnahmen
muss von den Ländern auch unbefristet vorgesehen werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 – damit
wird der Wegfall der Anzeigepflicht für aus dem F-Plan entwickelte Bebauungspläne
ordnungsrechtlich aufgefangen); das Raumordnungsverfahren hat seine endgültige
Form gefunden (§ 15 ROG 1998); die Vorhaben, für die kraft Bundesrechts ein Raum-
ordnungsverfahren durchgeführt werden soll, sind in § 1 der ebenfalls neu gefassten
Raumordnungsverordnung vom 18.8.199758 aufgelistet. Auch für Raumordnungs-
pläne gilt der Grundsatz der Planerhaltung (§ 10 ROG 1998). Eine direkte Verknüp-
fung der Regionalplanung mit der Bauleitplanung unter Einsparung einer Planungs-
ebene stellte der in § 9 Abs. 6 ROG 1998 eröffnete regionale Flächennutzungsplan
dar (im aktuell geltenden ROG 2017 in § 13 Abs. 4 verankert).
Durch das EAG Bau wurde im Jahr 2004 ein § 18a in das Raumordnungsgesetz einge-
fügt.59 Darin ist vorgesehen, dass das (damalige) Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Wohnungswesen in der deutschen „ausschließlichen Wirtschaftszone“ im Meer
Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Sinne des § 3 ROG 2004 hinsichtlich der
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, hinsichtlich der Gewährleistung der
Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt
aufstellt. Die Aufstellung der Ziele und Grundsätze erfolgt durch Rechtsverordnung,
die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Für die Ausarbeitung der Ziele ist
das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zuständig. Im Jahr 2009
wurden für Nord-60 und Ostsee61 Verordnungen über die Raumordnung in der deut-
schen ausschließlichen Wirtschaftszone erlassen.
57 Vgl. Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1690),
§ 2.
58 BGBl. 1997 I S. 2081 mit nachfolgenden Änderungen.
59 Heute enthalten in § 17 Abs. 3 ROG.
60 Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee vom
21. September 2009 (BGBl. 2009 I S. 3107).
61 Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ostsee vom
10. Dezember 2009 (BGBl. 2009 I S. 3861).
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
Die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) im Meer ist vom sog. Küstenmeer zu un-
terscheiden. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom
10.11.1982 (SRÜ)62 können Meeresanrainerstaaten ihr Hoheitsgebiet auf ein vor der
Küste liegendes Meeresgebiet von zwölf Seemeilen erstrecken. Dies hat die Bundesre-
publik Deutschland mit einer Proklamation von 199463 getan. Die anschließende 200-
Seemeilen-Zone ist jene „ausschließliche Wirtschaftszone“, für die § 17 Abs. 3 ROG
in der Fassung vom 22.12.2008 gilt (vormals § 18a ROG 2004).64 Die 200-Seemeilen-
Zone ist exterritorial, sie gehört nicht mehr (wie noch die 12-Seemeilen-Zone) zum
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland; die Rechte der Bundesrepublik stützen
sich hier ausschließlich auf das SRÜ als Völkerrecht. Von daher ist es logisch, dass
das ROG die Raumplanungskompetenz für die AWZ ausschließlich dem Bund zuge-
ordnet hat und nicht den angrenzenden Küstenländern; diese sind allerdings unstreitig
für die Raumordnung in der 12-Seemeilen-Zone zuständig und haben für diese auch
bereits Bestimmungen in ihre Landesraumordnungspläne aufgenommen.
Das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer
Vorschriften (GeROG) passte das Raumordnungsgesetz im Jahr 2008 auf Grund der
bereits unter Buchstabe a) genannten Föderalismusreform im Wesentlichen in vier Be-
reichen an die neue Rechtslage an. Im Einzelnen wurden die gesetzlichen Grundsätze
der Raumordnung überarbeitet, die Regelungen über die Planerhaltung genauer ge-
fasst, die Bestimmungen über die Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Regionen,
Kommunen und Personen des Privatrechts sowie der informellen Planung erweitert
und die Regelungen über den Planungs- und Koordinierungsauftrag des Bundes geän-
dert.65
Der Katalog der Grundsätze der Raumordnung (§ 2 Abs. 2 ROG) ist neu strukturiert
worden. Die ehemals 15 Nummern wurden in nunmehr acht Punkten zusammenge-
fasst. In der neuen Nummer 8 kommt der europäische Gedanke zum Tragen. Danach
soll die europäische Zusammenarbeit u. a. durch die Gewährleistung der räumlichen
Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren
europäischen Raum verbessert werden. Der neue Grundsatz Nr. 8 bringt damit die
wachsenden Verflechtungsbeziehungen Deutschlands in einem größer werdenden eu-
ropäischen Verbund zum Ausdruck.
Eine weitere Änderung betrifft den Hinweis, dass dafür Sorge zu tragen ist, dass Städte
und ländliche Räume auch künftig ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfül-
len können (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1–8 ROG 2008). Hierdurch soll die Kooperationsbereit-
schaft zwischen Stadt und Peripherie erhöht und die interkommunale Zusammenarbeit
gestärkt werden. Die Gewährleistung der Versorgung mit Dienstleistungen und Infra-
strukturen der Daseinsvorsorge „in angemessener Weise“ bekennt sich zum Zentrale-
Orte-Konzept und berücksichtigt zugleich die Auswirkungen des demografischen
Wandels im Hinblick auf die Tragfähigkeit zentraler Einrichtungen. Im Grundsatz
Nr. 4 werden raumbedeutsame Wirtschaftsaspekte zusammengefasst. Außerdem sind
hier wesentliche Inhalte der bisherigen Grundsätze Nr. 6 (ländliche Räume) und 10
(Land- und Forstwirtschaft) enthalten. Schließlich sollen die Änderungen im Grund-
satz Nr. 4 den Ausbau der Stromnetze unterstützen, die erforderlich sind, um den
dezentral produzierten Strom aus erneuerbaren Energien aufzunehmen. Ziel ist eine
kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung. Der Grundsatz
Nr. 5 erfasst die raumbedeutsamen Aspekte der Kulturlandschaften, während im
Grundsatz Nr. 6 der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel durch die
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Verminderung der Neuinanspruchnahme von Fläche für Siedlung und Verkehr beson-
ders betont werden.
Schließlich soll hier noch auf die erweiterten Möglichkeiten der raumordnerischen
Zusammenarbeit hingewiesen werden, nach denen u. a. auch vertragliche Vereinba-
rungen als Form der Kooperation nach dem Vorbild städtebaulicher Verträge (vgl.
Kap. VI.) an Bedeutung gewinnen sollen. In diese Kooperation werden zugleich Private
und Verbände einbezogen. Auch die interkommunale Zusammenarbeit soll hierdurch
gestärkt werden.
Das Raumordnungsgesetz 2017 führt auf Grund der bereits genannten MRO-Richtli-
nie der Europäischen Union erneut einige Änderungen zur Raumordnung im Küsten-
und Meeresbereich ein. Vor allem betroffen sind hier die §§ 7 Abs. 1 und 8, 9 Abs. 1,
2 und 4, 10 Abs. 4, 13 Abs. 6, 17 Abs. 1 und 25 ROG.66 Hauptanliegen der MRO-
Richtlinie ist es, die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer in der maritimen
Raumordnung der Mitgliedstaaten stärker als bisher zu berücksichtigen.67 Außerdem
wird für das Raumordnungsverfahren in § 15 Abs. 1 bis 3 ROG die verbindliche Ein-
führung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Prüfung sinnvoller Projektalternativen
bestimmt. § 17 Abs. 2 enthält eine neue Ermächtigung für das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur zur Aufstellung länderübergreifender Raumord-
nungspläne für den Hochwasserschutz.
2017 wurden im Raumordnungsgesetz außerdem noch einige redaktionelle Anpassun-
gen vorgenommen, die durch das neu strukturierte Gesetz über die Umweltverträglich-
keitsprüfung erforderlich geworden sind, im Kern aber über die Anpassung der Num-
merierung von Paragraphen nicht hinausgehen.
5. Korrespondierende Rechtsbereiche
Das Städtebaurecht der Bundesrepublik Deutschland ist seit Inkrafttreten des Bauge-
setzbuchs mehr als zuvor in einem Gesetz konzentriert – jedenfalls so weit, wie die
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes reichen. Der Bund ist gesetzgeberisch zustän-
dig für das Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 18 (dazu gehören das Recht der
städtebaulichen Planung, das Recht der Bodenordnung, der Bodenbewertung und Er-
schließung ohne das Erschließungsbeitragsrecht), das Bodenverkehrsrecht ebenfalls im
Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG sowie für das zugehörige Enteignungsrecht nach Art. 74
Nr. 14 GG. Seit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform ist der Bund auch für den
Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege zuständig, der unter Nr. 29 in
den Katalog des Art. 74 GG aufgenommen worden ist. Das Bundesnaturschutzgesetz
war zuvor nur Bestandteil der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG a. F.), die weitrei-
chendere Gesetzgebungskompetenzen für die Länder vorsah, welche im Zuge der Fö-
deralismusreform vollständig weggefallen sind. Unzugänglich für den Bund waren und
sind jedoch (wie gesagt) das Bauordnungsrecht (einschließlich des Baugestaltungs-
rechts) und das Denkmalschutzrecht, das als Belang der Kultur ebenfalls den Ländern
obliegt.
Die im Baugesetzbuch und den zugehörigen Verordnungen (BauNVO, PlanZV, Immo-
WertV) und Ausführungsgesetzen konzentrierten Vorschriften repräsentieren jedoch
beileibe nicht alles, was im Rahmen der Bauleitplanung und Baugenehmigung zu be-
achten ist. Das BauGB ist vielmehr selbst nur ein Teil des Umweltrechts, das mit seinen
Regeln zu den Umweltmedien Luft (Bundesimmissionsschutzgesetz nebst Verordnun-
gen), Boden (Abfallrecht, Bodenschutzgesetze, Bergrecht), Wasser (Wasserhaushaltsge-
setz, Wassergesetze der Länder) und zur belebten und unbelebten Natur (Bundesnatur-
schutzgesetz, Landesnaturschutzgesetze/Landespflegegesetze) vielfältigen Einfluss auf
66 Vgl. hierzu auch im Folgenden: Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23. Mai
2017 (BGBl. I S. 1245) und BT-DRS. 18/10883 vom 17.1.2017 (Gesetzentwurf der Bundesregierung).
67 Vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 der RL 2014/89/EU.
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
die Bauleitplanung nimmt. Auch das Denkmalschutzrecht der Länder muss beachtet
werden. Schließlich muss noch auf das sog. Baunebenrecht hingewiesen werden, das
auch und gerade aus inkorporierten technischen Vorschriften besteht.
Diese Materien können hier nicht ausführlich vorgestellt werden; ihnen sind jeweils
eigene Lehrbücher und Monographien gewidmet. Nur stichwortartig soll umrissen
werden, welche korrespondierenden Rechtsbereiche im Einzelnen gemeint sind. Als
vorzugsweise zu beachtendes Umweltrecht sind zunächst in den Blick zu nehmen:
– Das Immissionsschutzrecht;
– das Wasserrecht;
– das Abfallrecht, Bodenschutzrecht und Bergrecht;
– das Recht zum Naturschutz und zur Landschaftspflege.
In allen vier Bereichen sind sowohl bundesrechtliche als auch landesrechtliche Normie-
rungen vorzufinden; ergänzend wirkt das kommunale Satzungsrecht.
68 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274)
mit nachfolgenden Änderungen.
69 Luftqualitätsrahmenrichtlinie (2008/50/EG) über die Luftqualität und saubere Luft für Europa vom
21.5.2008 (ABlEG L 152/1).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
Das Wasser unterliegt nach Bundes- und Landesrecht einer sehr viel stärkeren Sozial-
bindung als der Grund und Boden. Auch das Eigentum an einem Gewässer berechtigt
nicht zu einer wesentlichen Gewässernutzung. Jede Nutzung (Einleitung, Entnahme,
Nutzung als Verkehrsweg usw.) bedarf der Erlaubnis bzw. Bewilligung, auf die grund-
sätzlich kein Anspruch besteht.
Bauleitpläne können also einliegende Wasserflächen und Gewässer nicht freihändig
mitgestalten. Was zulässig oder unzulässig ist, entscheidet das Wasserrecht.
c) Das Abfallrecht. Die Abfallbeseitigung war über lange Zeit nur Regelungsgegen-
stand örtlichen Polizeirechts: Örtliche Satzungen verboten die Entleerung von Nacht-
geschirren auf die am Fenster vorbeiführenden Straßen; die Tierkörperbeseitigung war
nur an bestimmten Plätzen erlaubt. Erst in der Überflussgesellschaft wurde das Prob-
lem „Abfall“ zentral regelungsbedürftig. Dabei ist bezeichnend, dass der Titel des
ersten einschlägigen Bundesgesetzes (in Kraft getreten am 1.6.1972) noch lautete: „Ge-
setz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz – AbfG)“. Dieses Ge-
setz bezog sich zunächst nur auf Hausmüll und hausmüllähnlichen Abfall. Erst das
„Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen“ vom 27.8.1986 kenn-
zeichnet den Übergang von der „Wegwerfgesellschaft“ zur „Abfallverwertungsgesell-
schaft“. Dieses Gesetz bezieht sich auch auf die Beseitigung und Überwachung gefähr-
licher Abfälle aus Gewerbe und Industrie.
Den endgültigen Schritt zum nachhaltigen Umweltschutz vollzog der Gesetzgeber mit
dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das 1994 erstmals in Kraft getreten ist.75
Leitgedanke der neuen Gesetzgebung ist die Stufenfolge: Abfallvermeidung – Abfall-
verwertung – Abfallentsorgung (durch thermische oder chemische Behandlung, letzt-
lich durch Ablagerung). Abfälle sind alle beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer
entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder deren geordnete Entsorgung zur Wah-
rung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schutzes der Umwelt, geboten ist
(objektiver Abfallbegriff).
Für das Bau- und Planungsrecht ist insbesondere die Ablagerung von Bedeutung: Da-
für müssen Standorte bereitgestellt werden, die erhebliche Auswirkungen auf die Bau-
leitplanung der davon betroffenen Gemeinden haben können. Die Festlegung der De-
ponie-Standorte geschieht in eigenen Planfeststellungsverfahren; gemäß § 38 BauGB
müssen sich diese Verfahren nicht der kommunalen Bauleitplanung unterwerfen; die
kommunalen Belange müssen jedoch in der Abwägung berücksichtigt werden. Von
besonderer Brisanz sind nicht ordnungsgemäß beseitigte oder gelagerte Abfälle, die
sog. Altlasten. Gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 3 und § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB sollen für bauliche
Nutzungen vorgesehene Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden
Stoffen belastet sind, in den Bauleitplänen gekennzeichnet werden. Wenn dies fahrläs-
sig versäumt wird, können fehlgeleitete Bauherren u. U. Schadensersatzansprüche gel-
tend machen.76
d) Bodenschutzrecht und Bergrecht. Mitte 2017 waren in der Bundesrepublik
Deutschland ca. 19.700 Altlastenflächen mit unbestreitbarem Sanierungsbedarf be-
kannt;77 die Beseitigungspflichten werden derzeit durch das Ordnungsrecht und das
Wasserrecht in z. T. so strikter Weise gesetzt, dass die öffentlichen Körperschaften ihre
(theoretischen) Handlungspflichten nicht erfüllen können, wenn nicht aus technischen,
so doch aus finanziellen Gründen. Die Akteure stehen aber z. T. unter Strafandrohung.
Hier müssen durch Bundesrecht eindeutige Maßstäbe gesetzt werden, die einerseits
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78 Vgl. § 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten
(Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. 1998 I S. 502) mit nachfolgenden
Änderungen.
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Puffer und Speicher für Stoffe werden vom Wasserrecht, vom Abfallrecht, vom Bun-
desimmissionsschutzrecht gewährleistet und geschützt. Der Boden als Archiv der Na-
tur- und Kulturgeschichte ist Gegenstand des Denkmalrechts und auch des Natur-
schutzrechts mit seinen Boden- und Naturdenkmalen. Vor diesem Hintergrund muss
gefragt werden, was denn noch fehlt zum wirksamen Bodenschutz. Vier Punkte sind
hier zu nennen:
– Es muss dafür gesorgt werden, dass dem Boden und seinem aktuellen Zustand
mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird; dafür müssen mehr Informationen bereit
gestellt werden.
– Die Eingriffsvoraussetzungen müssen aus dem Polizei- und Ordnungsrecht heraus-
geholt und in ein System adäquater Zugriffsmöglichkeiten eingeordnet werden:
Wenn eine polizeirechtliche Gefahr konstatiert werden kann, ist es oft schon zu
spät zum wirksamen Schutz. Das Vorsorgeprinzip muss stärker zur Geltung ge-
bracht werden.
– Das Zugriffsinstrumentarium muss verstärkt werden: vom Betretungsrecht der
Grundstücke bis zum Recht der Ersatzvornahme schon vor Gefahreneintritt be-
steht Regelungsnotwendigkeit.
– In allen drei Sektoren ist eine gewisse Vereinheitlichung anzustreben, vorrangig
im Bereich der Festlegung bestimmter stofflicher Werte (Zielwerte, Risikowerte,
Gefahrenwerte) als Voraussetzung für bestimmte Maßnahmen.
Mit diesen Stichworten ist weitgehend das beschrieben, was Bund und Länder mit
ihren Bodenschutzgesetzen erreichen wollen. Das erste Bundesbodenschutzgesetz
wurde Anfang 1998 verabschiedet; in vier Bundesländern waren zu diesem Zeitpunkt
bereits Landes-Bodenschutzgesetze in Kraft (zum Teil allerdings noch spezifiziert auf
die Altlastenbeseitigung), und zwar in Baden-Württemberg, in Hessen, im Freistaat
Sachsen und im Land Berlin. Mittlerweile haben alle Bundesländer Bodenschutzgesetze
erlassen.79 Darüber hinaus gibt es bereits ausländische Erfahrungen und Beispiele, z. B.
in der Schweiz, den Niederlanden, Italien, auch in Asien.
Wenn vom Bodenschutzrecht die Rede ist, muss auch das sehr viel ältere und traditi-
onsreiche Bergrecht erwähnt werden, das sich mit den tiefer im Boden liegenden Bo-
denschätzen beschäftigt. Das bis dahin landesrechtlich zersplitterte Bergrecht wurde
1980 durch das Bundesberggesetz80 vereinheitlicht. Rechtlich am wichtigsten ist die
Unterscheidung zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Durch die
bergfreien Bodenschätze wird die Grundregel des BGB durchbrochen, wonach sich
das Bodeneigentum auch in die Tiefe („bis zum Erdmittelpunkt“) erstreckt. Nach
§ 905 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auf den Raum
über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer
kann jedoch solche Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe
vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Durch das
Bergrecht sind die dort aufgezählten bergfreien Bodenschätze (alle Metalle, Erze,
Kohle, auch Erdöl, Erdgase, Erdwärme) aus dem Grundeigentum herausgenommen
und dem Staat zugeordnet. Das Aufsuchen und Gewinnen der bergfreien Bodenschätze
bedarf der staatlichen Erlaubnis, Bewilligung oder (als intensivste Form der Verlei-
hung) der Gewährung des sog. Bergwerkseigentums. Zuvor muss in aller Regel ein
Betriebsplan eingereicht werden.81 Im Eigentum des Grundeigentümers verblieben
sind (vorbehaltlich anderslautenden Landesrechts) insbesondere oberflächennahe Bo-
denschätze wie Ton, Kies, Steine, Sand, Schiefer. Der Abbau dieser Stoffe unterliegt im
79 Z. B. Thüringen, vgl. Thüringer Bodenschutzgesetz (ThürBodSchG) vom 16. Dezember 2003 (GVBl. 2003,
S. 511) mit nachfolgenden Änderungen.
80 Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) mit nachfolgenden Änderungen.
81 Zum Verhältnis von Bebauungsplänen und bergrechtlichen Betriebsplänen vgl. BVerwG, B. v. 16.3.2001 –
4 BN 15.01 –, ZfBR 2001, 347.
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schaftspflege auf der Grundlage des Landschaftsrahmenplans von den unteren Natur-
schutzbehörden, die Grünordnungspläne auf der Grundlage des Landschaftsrahmen-
plans und der Landschaftspläne von den Trägern der Bauleitplanung, also arbeitsteilig,
erstellt werden.87 In den Landschaftsplänen sind die örtlichen Erfordernisse und Maß-
nahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschafspflege
mit Text, Karte und zusätzlicher Begründung näher darzustellen. Grünordnungspläne
sollen in besonderem Maße Darstellungen von Zustand, Funktion, Ausstattung und
Entwicklung der Frei- und Grünflächen enthalten.
Landschafts- und Grünordnungspläne sollen Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und
zur Entwicklung von Natur und Landschaft insbesondere zugunsten folgender Ge-
sichtspunkte beschreiben oder festsetzen88:
1. für den Arten- und Biotopschutz unter Berücksichtigung der Ausbreitungslinien
von Tieren und Pflanzen wildlebender Arten, insbesondere der besonders geschütz-
ten Arten,
2. zum Schutz von Freiflächen, die zur Erhaltung oder Verbesserung des örtlichen
Klimas von Bedeutung sind,
3. zur Vermeidung von Bodenerosionen, zur Regeneration von Böden sowie zur Er-
haltung und Förderung eines günstigen Bodenzustands,
4. zur Erhaltung und Verbesserung der Grundwassersituation, Wasserrückhaltung
und Renaturierung von Gewässern,
5. zur Erhaltung der typischen Landschafts- und Ortsbilder sowie zur Beseitigung
von Anlagen, die das Landschaftsbild beeinträchtigen und auf Dauer nicht mehr
genutzt werden,
6. zur Errichtung von Grün- und Erholungsanlagen, Kleingärten, Wander-, Rad- und
Reitwegen sowie landschaftsgebundenen Sportanlagen,
7. zur Anlage oder Anpflanzung von Flurgehölzen, Hecken, Büschen, Schutzpflan-
zungen, Alleen, Baumgruppen oder Einzelbäumen,
8. zur Erhaltung und Pflege von Baumbeständen und Grünflächen.
Dieser umfassende Katalog macht sichtbar, dass die Landschafts- und Grünordnungs-
planung herausragende Bedeutung auch für die Bauleitplanung haben kann, wenn sie
offensiv genutzt wird. Einige Bundesländer schreiben vor, dass Bauleitplanung ohne
parallele oder vorgehende Landschaftsplanung grundsätzlich nicht möglich ist.89 In
anderen Ländern soll die Landschaftsplanung in integrativer Form zusammen mit der
Bauleitplanung stattfinden (so das bayerische Modell). In den Bundesländern, in denen
Landschafts- und/oder Grünordnungspläne als selbständige Rechtsnorm (Satzung)
aufgestellt werden können, sind die Grundeigentümer nach entsprechender Aufforde-
rung durch die Gemeinde verpflichtet, die festgesetzten Maßnahmen entweder selbst
durchzuführen oder ihre Vornahme seitens der Gemeinde zu dulden. Ein Anspruch
auf Entschädigung besteht nur dann, wenn „Beschränkungen der Nutzungsrechte oder
Pflichten in einem Ausmaß auferlegt werden, das über die Sozialbindung des Eigen-
tums hinausgeht“.90 Als Faustformel kann man sagen, dass Vorschriften mit dem Ziel
der Erhaltung und der natur- und landschaftsgerechten Fortführung des gegenwärtigen
Zustands eines Grundstücks entschädigungslos hingenommen werden müssen; Dünge-
mittelverbote, Umwandlungsgebote (Acker zu Grünland), Untersagungen bestimmter,
vorher ausgeübter Nutzungen sind dagegen in der Regel entschädigungspflichtig. Na-
87 Vgl. § 5 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes für Natur und Landschaft (ThürNatG) in der Fassung der Bekannt-
machung vom 30. August 2006 (GVBl. 2006, S. 421) mit nachfolgenden Änderungen.
88 In Anlehnung an § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Bereinigung des Brandenburgischen Naturschutzrechts vom
21. Januar 2013 (GVBl. 2013 Nr. 3).
89 So z. B. Rheinland-Pfalz – vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 22.8.1993 – 10 C 12502/92 –, NVwZ
RR 1995, 75.
90 So § 71 BgbNatSchG.
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
Wolfram, Tieffrequenter Schall als zu bewältigender Konflikt u. a. bei der Genehmigung von
Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken in der Nachbarschaft zur Wohnbebauung, in: ZfBR
2011, 217–227; Weick, Günter, Die rechtliche Bewältigung von Schäden durch Bäume, in: NJW
2011, 1702–1708; 2012: Kirchhof, Florian, Durchsetzung und Abwehr nachbarrechtlicher An-
sprüche auf Duldung von Baumaßnahmen am fremden Grundstück, in: NZBau 2012, 206–209;
Lüneborg, Cäcilie, Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nur bei „grenzüberschreitender“ Im-
mission?, in: NJW 2012, 3745–3751; 2014: Michl, Fabian, Duldungsverfügung, Privatrecht und
Rechtsschutz des Drittberechtigten zur Entbehrlichkeit der sicherheitsrechtlichen Duldungs-
verfügung, in: NVwZ 2014, 1206–1211; 2015: Stollenwerk, Detlef, Der qualmende Kamin des
Nachbarn, in: KommJur 2015, 326–329; Kuchler, Ferdinand, Der wechselseitige Abstandsflä-
chenverstoß, in: BauR 2015, 1580–1601; Keldungs, Karl-Heinz, Die Rechtsprechung der Ober-
landesgerichte zum privaten Baurecht 2014, in: BauR 2015, 1395–1404; 2017: Charnitzky, Mi-
lena/Rung, Christoph, Die Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte im öffentlichen Baurecht –
Teil 1, in: BauR 2017, 1254–1258; Charnitzky, Milena/Rung, Christoph, Die Verwirkung nach-
barlicher Abwehrrechte im öffentlichen Baurecht – Teil 2, in: BauR 2017, 1406–1416.
4. Raumordnungsrecht, Recht der Landesplanung:
2010: Deutsch, Markus, Raumordnung als Auffangkompetenz? – Zur Regelungsbefugnis der
Raumordnungspläne, in: NVwZ 2010, 1520–1524; Kuschnerus, Ulrich, Die Steuerung des Einzel-
handels durch landesplanerische Ziele der Raumordnung, in: ZfBR 2010, 324–331; Scheidler, Al-
fred, Vorgaben zur Umweltplanung im Raumordnungsgesetz 2009, in: NVwZ 2010, 19–22; Ver-
heyen, Roda, Die Bedeutung des Klimaschutzes bei der Genehmigung von Kohlekraftwerken und
bei der Zulassung des Kohleabbaus, in: ZUR 2010, 403–411; 2011: Durner, Wolfgang, Die aktuel-
len Vorschläge für ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) – Bewertung der Verfassungs-
mäßigkeit und des Beschleunigungspotentials, in: DVBl 2011, 853–862; Erbguth, Wilfried, Unter-
irdische Raumordnung – zur raumordnungsrechtlichen Steuerung untertägiger Vorhaben, in: ZUR
2011, 121–126; Kment, Martin, Raumplanung unter Ungewissheit, in: ZUR 2011, 127–132;
Langguth, Niklas, Die Grenzen der Raumordnungsplanung – Zur Abgrenzung der Gesetzgebungs-
kompetenzen für Raumordnung und Bauleitplanung, in: ZfBR 2011, 436–441; Lieber, Tobias,
Aufgaben und Kompetenzgrenzen der Raumordnung – Eine Erwiderung, in: NVwZ 2011, 910–
914; Milstein, Alexander/Schnittker, Daniel/Jarass, Hans D., Schwerpunktbereich – Einführung in
das Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, in: JuS 2011, 215; Moench, Christoph/Ruttloff,
Marc, Netzausbau in Beschleunigung, in: NVwZ 2011, 1040–1046; Reidt, Olaf, Regelungsmög-
lichkeiten und -grenzen in Raumordnungsplänen – dargestellt am Beispiel des Klimaschutzes, in:
DVBl 2011, 789–796; Rojahn, Ondolf, Umweltschutz in der raumordnerischen Standortplanung
von Infrastrukturvorhaben, in: NVwZ 2011, 654–662; Schubert, Mathias, Landes- und Wirt-
schaftsentwicklung zu Wasser: Raumordnungspläne für die Nord- und Ostsee 18. Rostocker Ge-
spräch zum Seerecht und Infrastrukturrecht am 15.11.2010, in: NVwZ 2011, 150–152; Schütte,
Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Entwicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR 2011, 554–558;
Uechtritz, Michael, Neues zur raumordnerischen Einzelhandelssteuerung: Zulässigkeit von Kon-
gruenzgeboten als Soll-Ziele, in: ZfBR 2011, 648–656 – zugleich Anmerkung zu BVerwG, Urt. v.
16.12.2010 – 4 C 8.10, ZfBR 2011, 255 und ZfBR 2011, 648; 2012: Appel, Markus/Eding, Anne-
gret, Verfassungsrechtliche Fragen der Verordnungsermächtigung des § 2 Absatz II NABEG, in:
NVwZ 2012, 343–347; Erbguth, Wilfried, Energiewende: großräumige Steuerung der Elektrizi-
tätsversorgung zwischen Bund und Ländern, in: NVwZ 2012, 326–332; Herrmann, Friederike/
Sanden, Joachim/Schomerus, Thomas/Schulze, Falk, Ressourcenschutzrecht – Ziele, Herausforde-
rungen, Regelungsvorschläge, in: ZUR 2012, 523–531; Hofmann, Heiko, Kommunale Konzessi-
onsverträge im Lichte des Energiewirtschafts- und Wettbewerbsrechts, in: NZBau 2012, 11–17;
Jenn, Matthias, Windenergie: Zahlreiche rechtliche Besonderheiten, in: ZfBR 2012, 13–24; Klin-
ger, Remo/Wegener, Henrike, Klimaschutzziele in der Raumordnung, in: NVwZ 2011, 905–910;
Kment, Martin, Ebenenspezifische Planung – Konfliktbewältigung – Erforderlichkeit der Planung:
Die Raumordnung im Spannungsfeld planerischer Gebote, in: BauR 2012, 1867–1872; Kümper,
Boas, Flächennutzungsplan, Raumordnungsplan und Fachplan – Vertikale Anpassungs- und hori-
zontale Koordinierungserfordernisse, in: ZfBR 2012, 631–640; Schmitz, Holger/Jornitz, Philipp,
Regulierung des deutschen und des europäischen Energienetzes: Der Bundesgesetzgeber setzt Maß-
stäbe für den kontinentalen Netzausbau, in: NVwZ 2012, 332–338; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Ist
in der Regionalplanung Parzellenschärfe erforderlich?, in: LKV 2012, 49–56; Schmidt-Eichstaedt,
Gerd, Zur Methodik und Wirkung der Festlegung von Eignungsgebieten für die Windkraftnutzung
durch die Regionalplanung, in: LKV 2012, 481–488; Schmitz, Holger/Jornitz, Philipp, Regulie-
rung des deutschen und des europäischen Energienetzes: Der Bundesgesetzgeber setzt Maßstäbe
89
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
für den kontinentalen Netzausbau, in: NVwZ 2012, 332–338; 2013: Appel, Markus, Bundesfach-
planung versus landesplanerische Ziele der Raumordnung, in NVwZ 2013, 457–463; Hellriegel,
Matthias, Rechtsrahmen für eine Raumordnung zur Steuerung unterirdischer Nutzungen, in:
NVwZ 2013, 111–116; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Repowering in der Regionalplanung – Welche
Festlegungen sind in Regionalplänen zugunsten des Repowering zulässig oder sogar geboten?, in:
ZfBR 2013, 639–647; 2014: Knöbl, Jan, Die Agglomerationsregelung in der Regionalplanung, in:
ZfBR 2014, 331–335; Haselmann, Cosima, Zur bauplanungsrechtlichen Ausschlusswirkung der
raumordnerischen Gebietsarten, in: ZfBR Jahr 2014, 529–534; Kümper, Boas, Das Verhältnis der
Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur Raumordnung der Länder, in: NVwZ 2014, 1409–
1415; 2015: Schmitz, Holger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die raumplanerische An-
siedlungssteuerung des großflächigen Einzelhandels, in: ZfBR 2015, 124–131; Schink, Alexander,
Vorranggebiete für die Windenergienutzung in Regionalplänen, in: ZfBR 2015, 232–239; Kümper,
Boas/Milstein, Alexander, Wirksamkeitsakzessorietät und Planerhaltung bei Raumordnungsplä-
nen, in: NVwZ 2015, 8–13; Reese, Moritz, Klimaanpassung im Raumplanungsrecht, in: ZUR
2015, 16– 27; Weghake, David, Raumplanung und Klimawandel, in: BauR 2015, 44–49; 2016:
Wagner, Stephan, Verbindlich oder (ausnahmsweise) doch nicht? Die raumordnungsrechtliche
Ewigkeitsfrage der Letztabgewogenheit von Zielen der Raumordnung, in: ZfBR Jahr 2016, 537–
547; Discher, Konrad H.J./Lippert André, Umsetzung raumordnungsrechtlicher Vorgaben in
FOC-Mietverträgen, in: ZfBR Jahr 2016, 651–658; Battis, Ulrich, Raumplanungsrecht und Wett-
bewerb, in: ZRP 2016, 107– 111; Schlacke, Sabine/Schnittker, Daniel, Fracking und Raumord-
nung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, in: ZUR 2016, 259–269; 2017:
Erbguth, Wilfried, Private Belange in der raumordnerischen Abwägung: Eigentumsschutz versus
Typisierung, in: NVwZ Jahr 2017, 683–685; Hager, Gerd, Wettbewerbsneutralität – Dogma oder
Mantra des Raumplanungsrechts?, in: BauR 2017, 194–199; 2018: Kümper, Boas, Raumordnung
und Bauleitplanung – Überörtliche und örtliche Gesamtplanung als Planungshierarchie und aus
Sicht der Vorhabenzulassung, in: DVBl 2018, 70–79; Butt, Mark/Linde, Eva, Die Steuerung von
Einzelhandelsagglomerationen in der Raumordnung, in: BauR 2018, 40–50; Kümper, Boas,
Raumordnung und Bauleitplanung – Regelungsbefugnisse der Raumordnung und Bindungswir-
kungen raumordnerischer Festlegungen für die Bauleitplanung –, in: ZfBR 2018, 119–127.
5. Raumordnung im Küstenmeer und in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone:
2010: Wolf, Rainer, Eingriffsregelung in der AWZ, in: ZUR 2010, 365–371; 2011: Böttcher, Leif,
Das Meer als Rechtsraum – Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts auf Offshore-Windkraftanla-
gen und Möglichkeiten der Kreditsicherung, in: RNotZ 2011, 589–601; Dannecker, Marcus/
Kerth, Yvonne, Die Verwaltungspraxis des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)
bei der Genehmigung von Offshore-Windparks – Stärken, Schwächen, Reformbedarf, in: DVBl
2011, 1460–1467; Schubert, Mathias, Landes- und Wirtschaftsentwicklung zu Wasser: Raumord-
nungspläne für die Nord- und Ostsee – 18. Rostocker Gespräch zum Seerecht und Infrastruktur-
recht am 15.11.2010, in: NVwZ 2011, 150–152; 2012: Büllesfeld, Dirk, Das neue Zulassungsre-
gime für Offshore-Windenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), in: ZUR
2012, 274–280; Matz-Lück, Nele/Fuchs, Johannes, Die Ausweisung mariner Schutzgebiete in ho-
heitsfreien Räumen am Beispiel des OSPAR-Abkommens, in: ZUR 2012, 532–543; Spieth, Fried-
rich/Uibeleisen, Maximilian, Neues Genehmigungsregime für Offshore-Windparks, in NVwZ
2012, 321–326; 2016: Pesch, Sebastian, Maritime Grenzen zwischen Bundesländern in der deut-
schen Ausschließlichen Wirtschaftszone, in: DÖV 2016, 645–651; 2017: Uibeleisen, Maximilian,
Das neue WindSeeG, in: NVwZ 2017, 7–12; 2018: Salomon, Markus/Schumacher, Jochen, Natura
2000-Gebiete in der deutschen AWZ – Wann wird aus Schutzgebieten Schutz?, in: ZUR 2018, 84–
94.
6. Das Raumordnungsverfahren:
2010: Kment, Martin, Das Raumordnungsverfahren – Befristung und Fristverlängerung, in:
NVwZ 2010, 542–545; 2012: Hertel, Wolfram/Munding, Christoph-David, „Frühe Öffentlich-
keitsbeteiligung“ bei der Planung von Großvorhaben, in: NJW 2012, 2622–2625; Ziekow, Jan,
Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentari-
schen Demokratie, in: NJW 2012, 91–94; 2015: Schmitz, Holger/Haselmann, Cosima, Das raum-
ordnerische Wegplanen von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen und seine entschädi-
gungsrechtlichen Folgen, in: NVwZ 2015, 846–851.
7. Fachplanungsrecht/Planfeststellung:
2010: Dziallas, Olaf, „Projekthindernis“ Planfeststellung, in: NZBau 2010, 362–363; Götze,
Roman/Boelling, Anemon/Löscher, Lucretia, Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Fachplanungs-
flächen – Planungsrechtliche und vergütungsrechtliche Rahmenbedingungen am Beispiel der
90
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
Nachnutzung von Deponien, in: ZUR 2010, 245–252; Holznagel, Bernd/Nagel, Janina, Verfah-
rensbeschleunigung nach dem Energieleitungsausbaugesetz – Verfassungsrechtliche Grenzen und
Alternativen, in: DVBl 2010, 669–667; Ogorek, Markus, Die Anfechtung von Planfeststellungsbe-
schlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NVwZ
2010, 401–405; Zabel, Lorenz, Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung nach dem novellier-
ten Wasserhaushaltsgesetz, in: DVBl 2010, 93–102; 2011: Durner, Wolfgang, Möglichkeiten der
Verbesserung förmlicher Verwaltungsverfahren am Beispiel der Planfeststellung, in: ZUR 2011,
354–363; Steinberg, Rudolf, Die Bewältigung von Infrastrukturvorhaben durch Verwaltungsver-
fahren – eine Bilanz, in: ZUR 2011, 344–351; 2012: Elspaß, Mathias/Schwoon, Christina, Energie-
wende ohne Erdkabel? Das Verfahrensregime zur Zulassung von Erdkabeln in EnWG, EnLAG und
NABEG, in: NVwZ 2012, 1066–1071; Hertel, Wolfram/Munding, Christoph-David, „Frühe Öf-
fentlichkeitsbeteiligung“ bei der Planung von Großvorhaben, in: NJW 2012, 2622–2625; Krappel,
Thomas, Kommunale Bauleitplanung auf gewidmeten Eisenbahnflächen, in: BauR 2012, 1569–
1576; Otto, Christian-W., Die Steuerung gewerblicher Nutzungen auf Flughäfen durch die Ge-
meinde, in: ZfBR 2012, 737–741; Schröer, Thomas, Vorstellung des Gesetzentwurfs zur Verbesse-
rung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben, in: NZBau 2012, 490; 2014: Faßbender,
Kurt, Aktuelle Entwicklungen der wasserwirtschaftlichen Fachplanung, in: NVwZ 2014, 476–
484; Kümper, Boas, Das Verhältnis der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur Raumord-
nung der Länder, in: NVwZ 2014, 1409–1415; 2015: Peters, Birgit, Befriedet Beteiligung den End-
lagerstreit?: deutsche und Schweizer Endlagersuche im Vergleich, in: DÖV 2015, 629–636; Küm-
per, Boas, Das Verhältnis der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur kommunalen
Bauleitplanung, in: DÖV 2015, 278–288; Waechter, Kay, Infrastrukturvorhaben als Komplexitäts-
problem, in: DÖV 2015, 121–128; Kment, Martin, Bundesfachplanung von Trassenkorridoren für
Höchstspannungsleitungen Grundlegende Regelungselemente des NABEG, in: NVwZ 2015, 616–
626; Schlacke, Sabine, Bundesfachplanung für Höchstspannungsleitungen, Der Schutz von Natur
und Landschaft in der SUP und der fachplanerischen Abwägung, in: NVwZ 2015, 626–633; 2016:
Kümper, Boas, Die öffentliche Antragskonferenz als neues Verfahrensinstrument des Energiepla-
nungsrechts: Gundzüge und Funktion, in: DÖV 2016, 929–939; Fraenkel-Haeberle, Cristina, Zur
Multifunktionalität der Partizipation bei großen Infrastrukturvorhaben, in: DÖV 2016, 548–555;
Wegner, Nils, Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanungen – Analyse aktueller Ge-
richtsentscheidungen, in: ZfBR Jahr 2016, 548–555; Fest, Phillip/Nebel, Julian, Asmus, Das Ge-
setz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus, in: NVwZ 2016, 177–
184; Kümper, Boas, Abwägung bei Infrastrukturvorhaben: aktuelle Rechtsfragen, in: NVwZ
2016, 592–594; Kümper, Boas, Der Unterbleibensbescheid im Planfeststellungsrecht nach der Be-
reinigung des Fachplanungsrechts durch das Planvereinheitlichungsgesetz, in: NVwZ 2016, 1280–
1285; 2017: Kümper, Boas, Die Freistellung von der Planfeststellungspflicht: verfahrensrechtliche
Modelle nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht und besonderem Fachplanungsrecht, in:
DÖV 2017, 856–867; Lau, Marcus, Arten- und Gebietsschutz in der Bundesfachplanung, in:
NVwZ 2017, 830–836; Rubel, Rüdiger, Aktuelle Probleme bei der Planfeststellung von Höchst-
spannungsleitungen in: DVBl 2017, 585–595; Appel, Markus/Rietzler, Andreas, Artenschutzrecht
in der Bundesfachplanung und den anschließenden Planfeststellungsverfahren, in: NuR 2017,
227–239.
8. Umweltschutz; Immissionsschutz; Naturschutz:
2010: Dippel, Martin, Praxisfragen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren
nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, in: NVwZ 2010, 145–153; Gellermann, Martin, Na-
turschutzrecht nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NVwR 2010, 73–79; Lietz,
Franziska, Windenergieanlagen im Wald, in: UPR 2010, 54–60; Ogorek, Markus, Die Anfechtung
von Planfeststellungsbeschlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfs-
gesetzes, in: NVwZ 2010, 401–405; Scheidler, Alfred, Gebietsbezogener Immissionsschutz auf lo-
kaler Ebene – Die Verordnungsermächtigungen des § 49 BImSchG, in: KommJur 2010, 4–9;
Scheidler, Alfred, Aktuelle Änderungen im Bundes-Immissionsschutzrecht – ein Überblick, in: UPR
2010, 17–21; 2011: Cosack, Tilman/Enders, Rainald, Atomenergie nach Fukushima, in: DVBl
2011, 1446–1453; Groß, Thomas, Die Bedeutung des Umweltstaatsprinzips für die Nutzung er-
neuerbarer Energien, in: NVwZ 2011, 129–134; Hinsch, Andreas, Windenergienutzung und Ar-
tenschutz – Verbotsvorschriften des § 44 BNatSchG im immissionsschutzrechtlichen Genehmi-
gungsverfahren, in: ZUR 2011, 191–198; Gärditz, Klaus Ferdinand, Die Entwicklung des
Umweltrechts im Jahr 2010 – Umweltschutz im Schatten des Klimawandels, in: ZfU 2011, 383;
Scheidler, Alfred, Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Baurecht, in:
ZfBR 2011, 228–232; Scheidler, Alfred, Das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissions-
91
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
schutzgesetzes, in: NVwZ 2011, 838–842; Scheidler, Alfred, Der neue § 22 Absatz 1 a BImSchG
und sein Zusammenspiel mit dem Bauplanungsrecht, in: ZfBR 2011, 742–746; 2012: Anger, Chris-
toph, Klimaschutz und Naturschutz im Konflikt – naturschutzrechtliche Probleme bei der Verwirk-
lichung von EEG-Anlagen, in: ZfBR 2012; Beckmann, Klaus, Windenergieanlagen (WEA) – eine
kritische Gesamtschau dieses erneuerbaren Energiesegments, in: KommJur 2012 (Sonderausgabe
Juli, S. 90–94; Scheidler, Alfred, Bindung der Gemeinden an Pläne des Wasser-, Abfall- und Immis-
sionsschutzrechts im Rahmen der Bauleitplanung?, in: KommJur 2012, 241–246; Stapelfeldt, Al-
fred, Lärmschutz in der Bauleitplanung – eine Einführung, in: KommJur 2012, 415; 2013: Gaßner,
Hartmut/Buchholz, Georg, Rechtsfragen des Erdgas-Fracking – Grundwasserschutz und UVP, in:
ZUR 2013, 143–150; Pohlenz, Rainer, Anerkannte Regeln der Technik und Gebäudeschallschutz
(Beilage 2a), in: BauR 2013, 352–362; 2014: Uechtritz, Michael, Schutzobjekte i. S. des Art. 12
Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie, in: BauR 2014, 1098–1109; Scheidler, Alfred, Pläne des Wasser-,
Abfall- und Immissionsschutzrechts als Abwägungsbelang in der Bauleitplanung, in: ZfBR Jahr
2014, 125–129; 2015: Gärditz, Klaus Ferdinand, Die Entwicklung des Umweltrechts in den Jahren
2013–2014: Umweltschutz im Zeichen von Verfahren und Planung, in: ZfU 2015, 343–366; 2016:
Hyckel, Jonas, Die materiell-rechtliche Transformation des Umweltschutzes in der Bauleitplanung,
in: ZfBR 2016, 335–350; Köck, Wolfgang, Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung und Umwelt-
gerechtigkeit als Problem des Städtebau- und Bauplanungsrechts, in: DVBl 2016, 1296–1306;
Ekardt, Felix, Das Paris-Abkommen zum globalen Klimaschutz, in: NVwZ 2016, 355–358; Schra-
der, Christian, Windenergie und seismologische Stationen – neue „Baustopper“ im BImSchG-Ge-
nehmigungsverfahren?,, in: NVwZ 2016, 584–588; Schütte, Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Ent-
wicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR 2016, 696–699; 2017: Louis, Hans Walter,
Naturschutz- und Bauplanungsrecht: Schnittpunkte, aktuelle Entwicklungen und Konfliktfelder,
in: DÖV 2017, 362–372; Schink, Alexander, Vier Jahrzehnte Immissionsschutzrecht, in: NVwZ
2017, 337–346; Reidt, Olaf, Die Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG, in: NVwZ 2017,
356–360; Arnold, Martin, Aktuelle Probleme der bau- und immissionsschutzrechtlichen Zulas-
sungsvoraussetzungen von Tierhaltungsanlagen, in: NVwZ 2017, 497–504; Saurer, Johannes, Kli-
maschutz global, europäisch, national – Was ist rechtlich verbindlich?, in: NVwZ 2017, 1574–
1579; Schütte, Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Entwicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR
2017, 375¬379; Kreuter-Kirchhof, Charlotte, Das Pariser Klimaschutzübereinkommen und die
Grenzen des Rechts – eine neue Chance für den Klimaschutz, in: DVBl 2017, 97–104; 2018: Span-
nowsky, Willy, Lärmschutz- und luftreinhaltungsrelevante Änderungen im Bauplanungsrecht, in:
ZfBR 2018, 25–36; Hofmann, Ekkehard, Luftreinhalteplanung und ihre Umsetzung, in: NVwZ
2018, 928–937; Brandt, Andreas, Luftreinhalteplanung und ihre Umsetzung, in: NVwZ 2018,
945–949; Jarass, Hans D., Die (umfangreichen) neuen Regelungen im Bundes-Immissionsschutz-
gesetz für Störfallanlagen, in: NVwZ 2018, 185–190; Oerder, Michael/Schwertner, Inga/Wör-
heide, Daniel Planung und Vorhabenzulassung im Umfeld eines Störfallbetriebs, in: BauR 2018,
436–462; Gassner, Erich, Verhältnismäßige Steuerung von Maßnahmen des Natur- und Land-
schaftsschutzes, in: NuR 2017, 753–757; Longo, Fabio, Klimaschutz im Städtebaurecht, in: DÖV
2018, 107–116; Stäsche, Uta, Landesklimaschutzgesetze in Deutschland: Erfahrungen und Ent-
wicklungsperspektiven unter Berücksichtigung der aktuellen bundespolitischen Lage, in: ZUR
2018, 131–143; Halstenberg, Michael, Zur Zulässigkeit von umweltrechtlich motivierten Verwen-
dungsverboten und -beschränkungen für Bauprodukte in Bebauungsplänen, in: BauR 2018, 603–
621; Franzius, Claudio, Baustellen des Umweltschutzes, in: DVBl 2018, 410–417; Franßen,
Yvonne, über die Bewältigung von Lärmkonflikten in der Stadtentwicklung, in: DVBl 2018, 480–
492.
9. Denkmalschutzrecht:
2010: Bovet, Jana, Ausgewählte Probleme bei der baulichen Errichtung von Kleinwindanlagen, in:
ZUR 2010, 9–15; 2011: Beck, Joachim, Konsequenzen des § 13b UStG für die Denkmalschutzab-
schreibung, in: DStR 2011, 1702–1703; Groth, Klaus-Martin/Beckmann, Jörg/Merget, Mario, Ei-
gentumsentziehung im Denkmalrecht, in: LKV 2011, 344–348; Hornmann, Gerhard, Drittschüt-
zende Wirkung des Denkmalschutzrechts, in: NVwZ 2011, 1235–1239; 2012: Drosdzo, Wolf-
Dietrich, Aktuelle Entwicklungen der erbschaftsteuerlichen Grundstücksbewertung, in: Zeitschrift
für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2012, 17–21; Grothmann, Torsten, Auswirkungen des
Staatszieles Klimaschutz auf den Ermessensspielraum am Beispiel des Denkmalschutzrechtes, in:
ZfBR 2012, 100–109; Schiffer, Tassilo, Der denkmalrechtliche Übernahmeanspruch, in: KommJur
2011, 129–132; Schröer, Thomas, Das denkmalschutzrechtliche Abwehrrecht, in: ZfBR 2012,
224–226; 2013: Körner, Raimund, Denkmalschutz und Eigentumsschutz – Neues aus der Recht-
sprechung, in: LKV 2013, 57–63; 2014: Stellhorn, Holger, Moscheen im Denkmalrecht, in: UPR
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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
97 BGBl. I S. 2253.
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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.
Für die Zeit der Aufstellung von Bebauungsplänen gibt das Gesetz den Gemeinden
das Instrument der Veränderungssperre nebst Zurückstellung bzw. einstweiliger Unter-
sagung von Vorhaben an die Hand (§§ 14–18). Mit deren Hilfe kann erreicht werden,
dass die Planung nicht durch störende Vorhaben durcheinandergebracht wird. Der
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Sicherung der Bauleitplanung dienen auch die beiden Instrumente, die in den daran
anschließenden Vorschriften des BauGB geregelt sind, nämlich die Teilungsgenehmi-
gung und die gemeindlichen Vorkaufsrechte. Seit 2004 unterliegt die Teilung von
Grundstücken zwar keiner planungsrechtlichen Genehmigung mehr. In Fremdenver-
kehrsgemeinden (und nach Maßgabe von Landesrecht auch in städtebaulichen Erhal-
tungsgebieten) kann jedoch die Bildung von Wohnungseigentum über das Instrument
der Teilungsgenehmigung kontrolliert und unterbunden werden (§§ 19–23). Durch die
gemeindlichen Vorkaufsrechte (§§ 24–28) soll die Gemeinde in die Lage versetzt wer-
den, im Vorfeld, während oder nach der Aufstellung eines Bebauungsplans insbeson-
dere solche Grundstücke zu erwerben, die sie als Gemeinbedarfsflächen (Straßen,
Schulen usw.) für die Verwirklichung der Planung benötigt oder die dem Wohnungs-
bau zugeführt werden sollen. An die Vorschriften über die gemeindlichen Vorkaufs-
rechte schließt sich der Abschnitt über die „Zulässigkeit von Vorhaben“ an. Diese
Vorschriften sind aus der Sicht der Grundstückseigentümer und Bauherren die zentra-
len Vorschriften des BauGB. Denn mit ihnen wird geregelt, ob ein bauliches Vorhaben
in planungsrechtlicher Hinsicht zulässig oder unzulässig ist. Angesichts dieser Tatsache
ist es nur natürlich, dass sich auch die Gerichte gerade mit diesen Vorschriften, näm-
lich den §§ 29 bis 36, überdurchschnittlich häufig befassen müssen.
Das System über die Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29–38) ist durch eine Dreiteilung
gekennzeichnet. Zunächst und in der Hauptsache gibt es drei Vorschriften, nach denen
ein Vorhaben als zulässig oder unzulässig zu beurteilen ist. Die erste Vorschrift ist
§ 30, nach der ein Vorhaben dann zulässig ist, wenn es den Festsetzungen eines „quali-
fizierten“ Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Ein
„qualifizierter“ Bebauungsplan liegt dann vor, wenn der Plan die Mindestsumme an
Festsetzungen enthält, die es ermöglichen, die (planungsrechtliche, nicht bauordnungs-
rechtliche) Zulässigkeit des Vorhabens allein anhand dieser Festsetzungen abschlie-
ßend zu prüfen. Das Gesetz definiert diese Mindestfestsetzungen als Vorschriften über
Art und Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen so-
wie über die örtlichen Verkehrsflächen. Dem qualifizierten Bebauungsplan gleichge-
stellt ist der „vorhabenbezogene Bebauungsplan“, der auf dem Vorhaben- und Er-
schließungsplan eines mitwirkungsbereiten Investors aufbaut.
Die zweite maßgebliche Vorschrift, nämlich der § 34, regelt die bauliche Zulässigkeit
von Vorhaben für solche Grundstücke, für die es keinen qualifizierten Bebauungsplan
gibt, die aber dennoch durch ihre Lage innerhalb von Ortsteilen, die im Zusammen-
hang bebaut sind, für eine Bebauung prädestiniert und freigegeben sind. Die Bebaubar-
keit als solche ist hier gleichsam kraft Gewohnheitsrechts garantiert, da das Grund-
stück innerhalb eines bebauten Ortsteiles liegt. Der Maßstab der Zulässigkeit kann
hier nicht ein Plan sein (der ja nicht existiert); vielmehr misst sich die Zulässigkeit
eines Gebäudes an der vorhandenen Umgebung. Das beabsichtigte Vorhaben muss
sich nach Art und Maß der beabsichtigten Nutzung, nach Bauweise und zu überbauen-
der Fläche in die vorhandene Bebauung der näheren Umgebung „einfügen“.
Die dritte Kategorie für die Zulässigkeit (hier besser gesagt: für die Unzulässigkeit)
von baulichen Vorhaben betrifft alle sonstigen Grundstücke; sie werden unter dem
Begriff des „Außenbereichs“ zusammengefasst. Wenn ein Grundstück nicht im Gel-
tungsbereich eines qualifizierten Plans liegt und auch nicht innerhalb eines im Zusam-
menhang bebauten Ortsteils, dann gehört es zum Außenbereich. Der Außenbereich
soll im Grundsatz von Bebauung freigehalten werden. Im Wesentlichen dürfen hier nur
die sog. privilegierten Vorhaben errichtet werden. Wichtigstes Beispiel für privilegierte
Vorhaben nach § 35 sind landwirtschaftliche Anwesen. Derartige Gebäude gehören in
den Außenbereich, sie sind daher auch gesetzlich dort vorgesehen.
Die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen, über den Flächennutzungs-
plan und den Bebauungsplan, sowie über die Zulässigkeit von Vorhaben machen den
eigentlichen Kernbereich des örtlichen Bau- und Planungsrechts aus. Was jetzt im Bau-
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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.
mit allgemeinen Vorschriften und Zuständigkeitsfragen (§§ 200–206), mit Regeln über
das Verwaltungsverfahren (§§ 207–213), Sondervorschriften zum gerichtlichen Ver-
fahren vor den Kammern und Senaten für Baulandsachen (§§ 217–232) und den
Grundsätzen der Planerhaltung (§§ 214–216). Ganz besonders wichtig sind hier die
Vorschriften der Planerhaltung, nach denen bestimmte Form- und Verfahrensfehler,
auch Abwägungsfehler, vor Gericht entweder von vornherein oder nach Ablauf einer
Rügefrist von einem Jahr unbeachtlich werden oder nachträglich behoben werden
können.
Insgesamt betrachtet ist das Baugesetzbuch sehr logisch und konsequent aufgebaut:
Die Regelungen über das Aufstellungsverfahren und über den Inhalt des Flächennut-
zungsplans und der Bebauungspläne sind vorangestellt. Nach den Abschnitten über
die Sicherung der Bauleitplanung durch Veränderungssperre und Vorkaufsrechte folgt
der zentrale Teil über die Zulässigkeit von Vorhaben. Nach dem Planungsschadens-
recht schließen sich die Vorschriften über die Bodenordnung und die Enteignung an.
Das Erschließungsrecht bildet den nächsten wichtigen Abschnitt. Ihm folgt das Son-
derrecht der Stadterneuerung und der Entwicklungsmaßnahme, des Stadtumbaus und
der Sozialen Stadt, verbunden mit der Erhaltungssatzung und den städtebaulichen
Geboten. Vorschriften zur Wertermittlung, zu den Gutachterausschüssen und zum ge-
richtlichen Verfahren stehen am Ende des Gesetzes. Den eigentlichen Abschluss bilden
die Überleitungs- und Schlussvorschriften (§§ 233–249), von denen die Sonderregelun-
gen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie (§ 248) und zur Windenergie
in der Bauleitplanung (§ 249) erst 2011 Eingang in das Baugesetzbuch gefunden ha-
ben.
2. Die Entwicklungsstufen des Baugesetzbuchs: Vom BauGB 1987 bis zu den
Novellen des Jahres 2017
Als das Baugesetzbuch 1987 erstmals in Kraft trat, schienen dem Städtebau und der
Stadtentwicklung relativ ruhige Zeiten bevorzustehen. Die Versorgung der westdeut-
schen Bevölkerung mit Wohnraum war gewährleistet; die Geburtenzahlen waren seit
1970 so niedrig, dass mit erheblichem Bevölkerungswachstum nicht gerechnet werden
musste. Die Wirtschaft lief ausgeglichen und ohne überschwänglichen Flächenbedarf.
Das alles schien Grund genug, das „Wachstumsinstrument“ Entwicklungsmaßnahme
abzuschaffen und sich im Übrigen mit der Zusammenfassung des Bewährten zu begnü-
gen. So bestand denn die einzige revolutionäre Tat des BauGB 1987 darin, die städte-
bauliche Entwicklungsmaßnahme abzuschaffen. Die betreffenden Vorschriften
(§§ 165–172) blieben nur noch als Überleitungsrecht im Gesetz.
Dann kam die Wiedervereinigung, die Grenzen nach Mittel-Ost-Europa öffneten sich,
Bevölkerungsströme setzten sich in Bewegung. Plötzlich herrschte wieder ein verstärk-
ter Wohnraummangel. Also führte man mit dem in das BauGB-Maßnahmengesetz
eingebetteten Wohnungsbauerleichterungsgesetz von 1990 (das 1993 mit dem Investi-
tionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz novelliert wurde) die städtebauliche Ent-
wicklungsmaßnahme wieder ein. Der Vorhaben- und Erschließungsplan wurde erfun-
den. Durch den Einigungsvertrag wurde ein § 246a in das Gesetz eingefügt, in dem
eine Reihe von Sonderregelungen für das Beitrittsgebiet enthalten waren.
Mit dem BauGB-MaßnahmenG unternahm man den Versuch, alle im Baugesetzbuch
noch vorhandenen Möglichkeiten zur Verfahrenserleichterung und -verkürzung bei
der Bauleitplanung (zunächst speziell für Wohnungsbauvorhaben) aufzuspüren und
auszuschöpfen. Einiges davon ist später als generelle Regelung in das BauGB übernom-
men worden. Stichwortartig sind folgende (noch heute geltende) Regelungen zu nen-
nen:
– Die Auslagefrist für Bauleitpläne kann bei wiederholter Auslage verkürzt werden.
– Die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange müssen innerhalb bestimmter
Frist erfolgen.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
– Bebauungspläne müssen nur dann noch von der höheren Verwaltungsbehörde ge-
nehmigt werden, wenn sie nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt sind.
– Städtebauliche Verträge und Vorhaben- und Erschließungspläne (Vorhabenbezo-
gene Bebauungspläne) gehören nunmehr zum Standardinstrumentarium des Städ-
tebaurechts.
– Die kommunalen Vorkaufrechte wurden im Hinblick auf Wohnbauflächen erwei-
tert.
Mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz vom 18. August 1997 wurde das 1990 erlas-
sene, 1993 novellierte, in seiner Geltung auf den 31.12.1997 befristete Maßnahmenge-
setz zum Baugesetzbuch (abgekürzt: BauGB-MaßnahmenG) in das BauGB integriert,
soweit es sich bewährt hatte. Zudem wurden alle für das Gebiet der ehemaligen DDR
ebenfalls bis zum 31.12.1997 geltenden Sonderregelungen, zusammengefasst in
§ 246a, außer Kraft gesetzt. Damit wurde das Kapitel „Sonderregelungen für das Bau-
und Planungsrecht in den neuen Ländern“ endgültig abgeschlossen. Das BauGB hatte
seine (vorläufig) endgültige Struktur gewonnen.
Die Notwendigkeit zur erneuten Novellierung des BauGB in der Fassung des BauROG
ergab sich aus europarechtlichen Vorgaben. Zunächst musste die Änderung der Richt-
linie Nr. 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestimmter öffentli-
cher und privater Projekte durch die Richtlinie Nr. 97/11/EG in nationales Recht um-
gesetzt werden. Dies erfolgte (leicht verspätet) mit dem Artikelgesetz vom 3. August
2001. Mit diesem Gesetz wurde der Umweltbericht nach § 2a erstmals als gesonderter
Teil der Begründung von Bebauungsplänen in das Gesetz eingeführt. Die seitdem gel-
tenden Regelungen über Umweltprüfungen im Kontext der Bauleitplanung wurden
durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau, ebenfalls ein Artikelgesetz)
vom 24. Juni 2004 modifiziert und ergänzt. Mit dem EAG Bau wurde die Richtlinie
Nr. 2001/37/EG über die Umweltprüfung bestimmter Pläne und Programme in das
Recht der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Die Gelegenheit wurde zur No-
vellierung einiger weiterer Kapitel des BauGBs genutzt. Dies betrifft vor allem die
Zulässigkeit von Vorhaben, das Recht der Bodenordnung und die Vorschriften über
die Planerhaltung. Neu in das BauGB aufgenommen wurden Abschnitte über den
Stadtumbau und das Programm „Soziale Stadt“.
Zwei Jahre später waren es vorrangig nationalstaatliche Interessen, die zur erneuten
Änderung des BauGB führten. Kern des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvor-
haben für die Innenentwicklung der Städte war die Einführung des beschleunigten
Verfahrens für so genannte Bebauungspläne der Innenentwicklung. Außerdem wurden
weitere städtebauliche Anliegen einer städtebaurechtlichen Lösung zugeführt, wie z. B.
die Schaffung eines neuen Instruments zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Ver-
sorgungsbereiche, ein alternatives (deutlich unkomplizierteres) Abrechnungsverfahren
zur Ermittlung des Ausgleichsbetrags im Sanierungsverfahren und die Stärkung von
privaten Initiativen, die einen Beitrag zur städtebaulichen Verbesserung von Stadtquar-
tieren in funktionaler und gestalterischer Hinsicht leisten.
Die für die 17. Legislaturperiode vorgesehenen Änderungen im Baugesetzbuch wurden
in zwei Gesetzgebungsverfahren durchgeführt. Der energie- und klimapolitische Teil
der Bauplanungsrechtsnovelle wurde nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im
März 2011 als Bestandteil der „Energiewende“ vorgezogen und trat am 30. Juli 2011
in Kraft. Durch die neu eingefügte „Klimaschutzklausel“ wird der Klimaschutz im
Baugesetzbuch programmatisch gestärkt, die Darstellungs- und Festsetzungsmöglich-
keiten zum Einsatz und zur Nutzung erneuerbarer Energien und aus Kraft-Wärme-
Kopplung werden erweitert, die Windenergienutzung durch neue Sonderregelungen
weiter gefördert und die Nutzung von Solaranlagen in, an oder auf Gebäuden erleich-
tert. Mit den Änderungen im Besonderen Städtebaurecht soll die Notwendigkeit der
Berücksichtigung von Klimaschutz und Klimaanpassung auch für diesen Bereich des
Städtebaurechts verdeutlicht werden. Innerhalb des besonderen Städtebaurechts wur-
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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.
den Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zunächst nur im Zusammen-
hang mit Stadtumbaugebieten gestärkt. Bei der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme
konnte der Gesetzgeber den Klimaschutz hingegen 2011 noch nicht „platzieren“. Dies
gelang erst mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und
Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.6.201398, bei
dem erneut, aber nicht nur die Stärkung der Innenentwicklung im Fokus steht. Die
Möglichkeit der Neuerrichtung von Gebäuden in bestimmten Einzelfällen als sonstiges
Vorhaben im Außenbereich passt nicht ganz zu der Maxime des Änderungsgesetzes,
durch das erstmals seit 1990 auch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert
worden ist. In der BauNVO sind Anlagen zur Kinderbetreuung in den Regelkatalog
zulässiger Anlagen innerhalb reiner Wohngebiete aufgenommen worden. Solaranlagen
und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung sind auch dann wie Nebenanlagen im Sinne
des § 14 BauNVO zu behandeln, wenn die erzeugte Energie ins öffentliche Netz einge-
speist wird. Insbesondere Großstädte werden sich über Erleichterungen bei der Be-
gründung der Überschreitung von in der BauNVO gebietsweise vorgegebenen Nut-
zungsmaßobergrenzen freuen. All dies wird in diesem Buch an zugehöriger Stelle noch
genauer geschildert.
Mit der Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen
zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen99 verfolgte der Gesetzgeber
2014 das Ziel, länderspezifische Regelungen für Mindestabstände zwischen Windener-
gieanlagen und Wohnnutzungen zu ermöglichen, wovon innerhalb der im Gesetz ver-
ankerten Frist – 31.12.2015 – jedoch lediglich der Freistaat Bayern Gebrauch gemacht
hat100.
Von bundesweiter Bedeutung war dagegen das im gleichen Jahr in Kraft getretene
Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung
von Flüchtlingen.101 Angesichts von 200 000 erwarteten Flüchtlingen im Jahr 2014102
sah sich der Gesetzgeber veranlasst, den im § 1 Abs. 6 verankerten Belangekatalog zur
Bauleitplanung um die Interessen von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer
Unterbringung zu ergänzen (neue Nr. 13), die Flüchtlingsunterbringung in § 31 Abs. 2
Nr. 1 als Befreiungsgrund aufzunehmen sowie einige bis zum 31.12.2019 befristete
Erleichterungen zur Flüchtlingsunterbringung vor allem in Gewerbegebieten aufzuneh-
men (neue Absätze 8 bis 10 des § 246). Wegen des „präzedenzlos“ anhaltenden Stroms
von Flüchtlingen wurde 2015 über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz103 noch
einmal nachgesteuert. Diverse Bundesgesetze wurden geändert, durch Artikel 6 auch
das Baugesetzbuch. Durch diese zweite BauGB-Flüchtlingsnovelle wurden § 246 die
Absätze 11 bis 17 hinzugefügt. Ebenfalls verbunden mit Fristen bis zum 31.12.2019,
enthalten sie weitere Regeln zur Zulässigkeit von Aufnahmeeinrichtungen, Gemein-
schaftsunterkünften und sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende.
Änderungen im Recht der Bauleitplanung enthalten die Vorschriften nicht. Für die
Zwecke der Flüchtlingsunterbringung sind somit weitere Abweichungsmöglichkeiten
vom Recht der Zulässigkeit von Vorhaben geschaffen worden, die in Absatz 14 in eine
Art „Generalbefreiungsklausel“ münden, nach der als ultima ratio im erforderlichen
Umfang auch ohne neue Bauleitplanung dringend benötigte Flüchtlingsunterkünfte
bauplanungsrechtlich realisiert werden können.
101
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Copyright W. Kohlhammer GmbH. Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch für: Stefan Krapp
Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.
– das Gesetzespaket im Überblick, in: NVwZ 2011, 1025–1035; Söfker, Wilhelm, Das Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, in: ZfBR
2011, 541–549; Stüer, Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Die BauGB-Klimanovelle und das Energie-
fach- und -finanzierungsrecht 2011, in: DVBl 2011, 1117–1126; Wickel, Martin, Klimaschutz
und Städtebau – Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten
und Gemeinden, in: UPR 2011, 416–422; Wilke, Reinhard, Die „Klimaschutznovelle“ als erste
Stufe zur Reform des Bauplanungsrechts, in: BauR 2011, 1744–1753; 2012: Antweiler, Clemens/
Gabler, Andreas, Klimaschutz durch Bauleitplanung, in: BauR 2012, 39–47; Bunzel, Arno, Das
Planspiel zur BauGB-Novelle 2011 – Neuerungen für eine klimagerechte Stadtentwicklung, in
ZfBR 2012, 114–122; Krautzberger, Michael, Urbane Strategien zum Klimawandel, in: UPR
2012, 99–102; Mitschang, Stephan, Die Auswirkungen der Klimaschutz-Novelle auf die kommu-
nale Bauleitplanung, in: DVBl 2012, 134–141; Schröer, Thomas/Kullick, Christian, Lagebericht
zur Novellierung des Baugesetzbuchs – Klima und Innenentwicklung, in: NZBau 2012, 98–100.
10. Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts 2013:
2011: Spannowsky, Willy, Aktuelle Rechtsprechung zu den Instrumenten der Innenentwicklung,
in: UPR 2011, 241–250; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungsrechts
2012/2013, in: ZfBR 2013, 211–217; Mitschang, Stephan, Städtebauliche Planungsinstrumente
für die Innenentwicklung, in: ZfBR 2013, 324–336; Hagebölling, Clemens, Das Gesetz zur Stär-
kung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts, in: NuR 2013, 99; Schlesinger, Ivonne, Novellierungen des BauGB 2011 und
2013 mit den Schwerpunkten Klimaschutz und Innenentwicklung, in: NVwZ 2013, 269; Stüer,
Bernhard/Krautzberger, Michael, BauGB-Novelle 2013 – Gesetz zur Stärkung der Innenentwick-
lung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts, in: DVBl
2013, 805–815; 2014: Beckmann, Klaus, Die Baurechtsnovelle BauGB 2013 – eine Übersicht
über die wichtigsten formellen und materiellen Änderungen des BauGB in: KommJur 2014, 286–
293; Mitschang, Stephan, § 17 BauNVO — Städtebauliche Dichte und Innenentwicklung, in:
UPR 2014, 248–255.
11. Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwi-
schen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen:
2014: Raschke, Marcel, Privilegierter Föderalismus – Länderöffnungsklausel im BauGB?, in:
NVwZ 2014, 414–418; Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Viel Wind für weniger Wind-
energie?, in: BauR 2014, 1403–1412; Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Einführung in die Länder-
öffnungsklausel zur Regelung von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässi-
gen Nutzungen im Baugesetzbuch, in BauR 2014, 1232–1242; Scheidler, Alfred, Die Windkraft-
Länderöffnungsklausel im BauGB und ihre Umsetzung in Bayern, in: UPR 2014, 214–219; 2015:
Albrecht, Eike/Zschiegner, André, Landesgesetzliche Abstandsregelungen für Windkraftanlagen
nach § 249 Absatz III BauGB auf dem rechtlichen Prüfstand, in: NVwZ 2015, 1093–1099;
Albrecht, Eike/Zschiegner, André, Noch einmal landesgesetzliche Abstandsregelungen für Wind-
kraftanlagen nach § 249 III BauGB, in: NVwZ 2015, 1254–1258; Grüner, Anna-Maria, Die
Länderöffnungsklausel im BauGB, in: NVwZ 2015, 108–112; Decker, Andreas, Vorgaben der
Länderöffnungsklausel nach § 249 Abs. 3 BauGB für Windenergieanlagen und deren Planung,
in: ZfBR 2015, 322–329; Fülbier, Viktoria/Wegner, Nils, Die 10-H-Abstandsregelung für Wind-
energieanlagen – zur Umsetzung der Länderöffnungsklausel in Bayern, in: ZUR 2015, 149–
156. 2016: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Wem gehört der Wind? – Zur Länderöffnungsklausel im
Baugesetzbuch, in: BauR 2016 Heft 1, 37–48.
12. Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von
Flüchtlingen:
2014: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Das Gesetz über Maßnahmen im Baupla-
nungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen, in: NVwZ 2014, 1609–1613;
2015: Scheidler, Alfred, Die neue Befreiungsvorschrift des § 246 X BauGB und ihr Verhältnis
zu § 31 II BauGB Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten, in: NVwZ 2015, 1406–1410;
Krautzberger, Michael, BauGB-Novelle 2014 II: erleichterte Unterbringung von Flüchtlingen, in:
DVBl 2015, 73–79; Kment, Martin/Berger, Anja, Aktuelle BauGB-Novelle 2014 – Gesetz über
Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen, in:
BauR 2015, 211–220; Scheidler, Alfred, Die zweite BauGB-Flüchtlingsnovelle, in: UPR 2015,
479–486; Scheidler, Alfred, Änderungen im Bauplanungsrecht zur erleichterten Unterbringung
von Flüchtlingen, in: UPR 2015, 41–46; Augustin, Julian, Die Beschlagnahme leer stehender
privater Wohnungen und Liegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehren-
105
Copyright W. Kohlhammer GmbH. Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch für: Stefan Krapp
B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
der, in: BauR 2015, 1934–1943; Bienek, Heinz G./Reidt, Olaf, Bauplanungsrechtliche Fragen
im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, in: BauR
2015, 422–433; 2016: Gohde, Christian, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben
zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, in: ZfBR 2016, 642–650; Kment,
Martin/Wirth, Stefan, BauGB-Novelle 2015: Die privilegierte Genehmigung von Flüchtlingsun-
terkünften und ihre Beschränkung durch die kommunale Planungshoheit und den verfassungs-
rechtlich geforderten Nachbarschutz, in: ZfBR 2016, 748–755; Hornman, Gerhard, Errichtung
von Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünften ohne Grenzen?, in: NVwZ 2016, 436–439;
Beckmann, Klaus, Kritische bauplanungsrechtliche Gesamtschau über Flüchtlingsunterkünfte –
Teil 1, in: KommJur 2016, 321–327; Beckmann, Klaus, Kritische bauplanungsrechtliche Gesamt-
schau über Flüchtlingsunterkünfte – Teil 2, in: KommJur 2016, 366–376; Ewer, Wolfgang/Mut-
schler-Siebert, Annette, Die Unterbringung von Flüchtlingen – Bau-, ordnungs- und vergabe-
rechtliche Aspekte, in: NJW 2016, 11–18; Scheidler, Alfred, Unterkünfte für Flüchtlinge und
Asylbegehrende im Außenbereich – Die Interimsvorschriften in § 246 Abs. 9 und 13 BauGB, in:
ZfBR 2016, 27–32; Krautzberger, Michael, Die Flüchtlingsnovelle BauGB 2014/2015 – jenseits
der Innenentwicklung? in: UPR 2016, 95–100; Blechschmidt, Rolf/Reidt, Olaf, Vorhaben zur
Unterbringung von Flüchtlingen – und danach?, in: BauR 2016, 934–944; 2017: Scheidler, Al-
fred, Ausnahmen vom Bebauungsplan allgemein und speziell für Flüchtlingsunterkünfte, in:
BauR 2017, 1455–1462.
13. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz:
2015: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnah-
mengesetz 2015, in: NVwZ 2015, 1633–1639; 2016: Neundorf, Kathleen, Neuerungen im Auf-
enthalts- und Asylrecht durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, in: NJW 2016, 5–11;
Ewer, Wolfgang/Mutschler-Siebert, Annette, Die Unterbringung von Flüchtlingen – Bau-, ord-
nungs- und vergaberechtliche Aspekte, in: NJW 2016, 11–18.
14. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des
neuen Zusammenlebens in der Stadt:
2017: Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Entwurf der Städtebaurechtsnovelle 2017, in:
BauR 2017, 474–482; Wickel, Martin, Urbane Gebiete – neue Möglichkeiten und Grenzen, in:
RaumPlanung 190/2-2017, 21–26; Bunzel, Arno, Neues Städtebaurecht im Planspieltest – die
Novelle 2016/2017, in: ZfBR Jahr 2017, 220–228; Battis, Ulrich/Mitschang Stephan/Reidt,
Olaf, Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung
des neuen Zusammenlebens in der Stadt (BauGB-Novelle 2017), in: NVwZ Jahr 2017, 817–
826; Schink, Alexander, Die neue Baugebietskategorie: Urbane Gebiete nach § 6 a BauNVO, in:
NVwZ 2017, 1641–1646; Franßen, Yvonne, „Urbane Gebiete“ und Auswirkungen auf Stadtent-
wicklung und Umwelt, in: ZUR 2017, 532–539; Mailänder, Mathias, Das „Urbane Gebiet“ –
Wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer verpassten Chance?, in: BauR 2017, 1606–1613; Hauth,
Michael, Faktische Baugebiete gem. § 34 Abs. 2 BauGB – auch in Form der (neuen) urbanen
Baugebiete nach § 6a und der Sondergebiete nach § 10 und § 11 BauNVO?, in: BauR 2017,
1463–1470; 2018: Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Städtebaurechtsnovelle 2017, in:
DVBl 2018, 7–16.
15. Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an eu-
ropa- und völkerrechtliche Vorgaben:
2013: Seibert, Max-Jürgen, Verbandsklagen im Umweltrecht, Aktueller Stand, Perspektiven und
praktische Probleme; NVwZ 2013, 1040–1049; 2014: Klinger, Remo, Umweltverträglichkeits-
prüfung und Rechtsschutz, ZUR 2014, 535–541; 2015: Moritzm, Grunow/Nadja, Salzborn,
Zum Prüfungsumfang der Umweltverbandsklage, in: ZUR 2015, 156–160; Fellenberg, Frank,
Weiter frischer Wind aus Luxemburg – Zu den Klagemöglichkeiten im Umweltrecht, in: NVwZ
2015, 1721¬1726; 2016: Müggenborg, Hans-Jürgen, Stellungnahme des Deutschen Anwaltver-
eins zur geplanten Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NuR 2016, 473–475; 2017:
Schlacke, Sabine, Die Novelle des UmwRG 2017, in: NVwZ 2017, 905–912; 2018: Franzius,
Claudio, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorga-
ben?, in: NVwZ 2018, 219–222; Seibert, Max-Jürgen, Die Fehlerbehebung durch ergänzendes
Verfahren nach dem UmwRG, in: NVwZ 2018, 97–105.
16. Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Ver-
fahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II):
2017: Reinhardt, Michael, Trial and Error: Die WHG-Novelle 2017 zum Hochwasserschutz, in:
NVwZ 2017, 1585–1590.
106
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
107
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Arbeits- Tätigkeit §§
schritt
8 Entwurf – Vorläufige Abwägung: Die öffentlichen und privaten Belange 1 Abs. 6,
sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen Ausle- 1 Abs. 7,
gungsbeschluss 1a
9 Öffentliche Auslegung mit Benachrichtigung der beteiligten Behörden; 3 Abs. 2,
Bekanntmachung auch im Internet 4a Abs. 4
10 Endgültige Abwägung – 1 Abs. 7,
evtl. Wiederholung der öffentlichen Auslegung 4a Abs. 3
11 Satzungsbeschluss über den Rechtsplan 10 Abs. 1,
(beim F-Plan: Feststellungsbeschluss) 6
12 Beim F-Plan und bei B-Plänen, die nicht aus dem F-Plan entwickelt 6, 10,
sind: Genehmigung der höhere Verwaltungsbehörde 246 Abs. 1a
13 Ausfertigung, Bereitstellung der Planunterlagen – auch im Internet – ein- 6 Abs. 5,
schließlich der zusammenfassenden Erklärung 6a Abs. 1,
10 Abs. 3,
10a Abs. 2
14 Inkrafttreten des Plans; Mitteilung an die TöB und die Absender von 6, 10, 3 Abs. 2
Stellungnahmen über das Ergebnis der Abwägung
15 Durchführung des Monitoring 4c
112 Beispiele: BVerwG, U. v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 –, ZfBR 2004, 563 (Plan kann innerhalb der nächsten
zehn Jahre nicht verwirklicht werden); Bayerischer VGH, U. v. 31.3.2004 – IN 01.1157 –, ZfBR 2004,
696.
108
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
keit kann sich zu einer Planungspflicht verdichten, wenn der B-Plan erforderlich ist,
um Ziele der Raumordnung durchzusetzen.113
Wenn ein positives Planungserfordernis im Sinne einer „Erstplanungspflicht“ der Ge-
meinde besteht, scheitert die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 (oder auch nach
§ 35) am öffentlichen Belang der Planungserforderlichkeit.114 Eine Planung kann auch
erforderlich sein, wenn ihre städtebaulichen Ziele mehr auf Bewahrung als auf Verän-
derung der vorhandenen Situation abstellen.115 Festsetzungen in einem Bebauungsplan
sind jedoch als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen
der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung
zu verhindern.116
Schließlich spielt die Planungserforderlichkeit noch eine Rolle im Zusammenhang mit
dem Grundsatz des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden. Wenn der Bauleitplan
bislang anderweitig genutztes Land für Bauzwecke eröffnet, muss auch dies „erforder-
lich“ sein. Die Ausweisung neuen Baulands ist nicht erforderlich, wenn noch hinrei-
chend Bauland im Innenbereich zur Verfügung steht (und auch tatsächlich verfügbar
ist). Mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemein-
den und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts wurde diese „Pflicht zur Innen-
entwicklung“ 2013 als § 1 Abs. 5 Satz 2 in den Katalog der Planungsgrundsätze aufge-
nommen und damit nochmals unterstrichen; die städtebauliche Entwicklung soll
grundsätzlich vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. Dass es
der Gesetzgeber damit ernst meint, unterstreicht er, indem er in § 1a Abs. 2 Satz 3
verfügt, dass die Umwandlung von landwirtschaftlich genutzten Flächen oder von
Wald unter Berücksichtigung von Innenentwicklungsmöglichkeiten nachvollziehbar zu
begründen ist. Allerdings muss nach der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen
ein konkreter aktueller Bauflächenbedarf für ein stimmiges städtebauliches Konzept
regelmäßig nicht vorliegen. Die Gemeinde darf vielmehr auch für einen Bedarf planen,
der sich erst für die Zukunft abzeichnet.117
Die Vorlaufphase zu einem Flächennutzungsplan ist länger als bei Bebauungsplänen.
Denn beim F-Plan, der für das ganze Gemeindegebiet gilt und der daher nur in größe-
ren Abständen von etwa fünfzehn Jahren neu aufgestellt oder grundlegend überarbei-
tet wird, muss das Konzept der Gemeinde für ihre räumliche Planung insgesamt über-
dacht und diskutiert werden. Das ist in ein paar Monaten nicht zu erledigen. Das
Aufstellungsverfahren für einen F-Plan dauert auch deshalb insgesamt im Durchschnitt
etwa drei bis fünf Jahre. Häufig werden gleichzeitig oder vorher Stadtentwicklungs-
pläne oder Stadtteilentwicklungspläne aufgestellt – damit wird der F-Plan vorgedacht
und zugleich für eine Koordination mit anderen Fachplanungen gesorgt. Die Bedeu-
tung dieser integrierten Planungsansätze ist in den letzten Jahren stetig gestiegen.118
Die Ergebnisse derartiger informeller Planungen sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 in der
Bauleitplanung zu berücksichtigen, wenn sie von der Gemeinde beschlossen worden
sind. Ist der F-Plan einmal wirksam, lassen sich bei Bedarf Teilflächen ändern, um so
auf neue Entwicklungen zu reagieren – ein komplettes Neuaufstellungsverfahren ist
dann nicht erforderlich. Diese Änderungsverfahren unterliegen dem gleichen Ablauf
wie das Aufstellungsverfahren insgesamt, sie können je nach Planungskomplexität
ebenfalls Jahre dauern. Bei Änderungsvorhaben, von denen die Grundzüge der Pla-
113 Beispiel: BVerwG, U. v. 17.9.2003 – 4 C 14.01 –, ZfBR 2004, 171 (Notwendige Überplanung eines
angeblich zum Gewerbepark bestimmten Gebiets im Innenbereich, in dem fortlaufend großflächiger
Einzelhandel nach § 34 zugelassen wird).
114 Vgl. BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01–, ZfBR 2003, 38 (FOC Zweibrücken).
115 Vgl. BVerwG, B. v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 –, BauR 2012, 1067.
116 Vgl. BVerwG, B. v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 –, NVwZ 1991, 875.
117 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 14.7.2014 – 2 B 581/14.NE –, in: BauR 2014, 2031–2042.
118 Vgl. hierzu z. B. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Auf dem Weg zu
einer Nationalen Stadtentwicklungspolitik, Memorandum, Bonn 2007.
109
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
nung nicht berührt werden, kann das „vereinfachte Verfahren“ nach § 13 angewendet
und der Arbeits- und Zeitaufwand damit verkürzt werden, aber nur dann, wenn für
den betreffenden Planungsvorgang keine Umweltprüfung durchgeführt werden muss.
Dieses ist nur dann der Fall, wenn von der Planung keine UVP-pflichtigen Vorhaben
aus der Liste im Anhang zum UVPG oder nach Landesrecht betroffen sind, keine
Auswirkungen auf Natura-2000 Gebiete zu befürchten und keine Pflicht zur Vermei-
dung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1
Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beachten sind (neu 2017). Weichen so genannte
Bebauungspläne der Innenentwicklung (§ 13a) oder die 2017 – einstweilen bis zum
31.12.2019 befristet – eingeführten Bebauungspläne zur Einbeziehung von Außenbe-
reichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13b) von den Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans ab, d. h. sind sie nicht im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 entwickelbar,
darf der Flächennutzungsplan im Wege der Berichtigung – ohne förmliches Verfahren
– angepasst werden (vgl. hierzu Kapitel B.III.9). Dieses „außer Kraft setzen“ des Ent-
wicklungsgebots ist jedoch nur möglich, wenn die städtebauliche Entwicklung des
Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt wird. Die Bebauungspläne nach den §§ 13a und
13b ersetzen damit quasi die „dringenden Gründe“, die für die Aufstellung eines sog.
vorzeitigen Bebauungsplans i. S. d. § 8 Abs. 4 erforderlich waren. In der Summe wer-
den F-Pläne oder Änderungen zum F-Plan weniger häufig in Angriff genommen als
die Aufstellung oder Änderung von B-Plänen. Die 2004 eingeführte Bestimmung des
§ 5 Abs. 1 Satz 3 (BauGB 2004), nach der F-Pläne spätestens 15 Jahre nach ihrer erst-
maligen oder erneuten Aufstellung überprüft und – falls erforderlich – geändert, er-
gänzt oder neu aufgestellt werden sollten, wurde bereits zum 1.1.2007 wieder aus dem
BauGB entfernt und blieb deshalb bedeutungslos.
Art und Intensität der Vorlaufphase zu einem B-Plan hängen davon ab, von wem die
Initialzündung zur Aufstellung dieses Planes ausgeht. Als Veranlasser kommen sowohl
die Gemeinde selbst als auch Grundeigentümer oder sonstige Interessenten, auch an-
dere Behörden, in Frage. Die Gemeinde selbst muss sich um einen B-Plan bemühen,
wenn sie eigene Vorhaben, wie z. B. den Bau einer Gemeindestraße oder einer Schule,
verwirklichen möchte. Handelt es sich um die Errichtung von Wohnbauten oder um
den Bau oder die Erweiterung von gewerblichen Betrieben, wird die Initiative nicht
selten von den Grundstückseigentümern, auch von großen Wohnungsbaugesellschaf-
ten oder von Unternehmen, also Investoren im weiteren Sinne ausgehen (s. auch
Bild 21).
110
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Gewichtung
Städtebauliche Entwurfsvorstellungen entwickeln:
Wie drückt sich das ermittelte Planerfordernis in einem
bestimmten Plangebiet baulich/räumlich aus?
(bei Investorenplänen regelmäßig vorhanden)
Entwickelter Bebauungsplan(vor)entwurf:
Die städtebaulichen Entwurfsvorstellungen werden in die
Sprache des Bebauungsplans übersetzt!
* Integriertes Stadtentwicklungskonzept
** Einzelhandels- und Zentrenkonzept
111
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Investor, nicht wirksam zur Aufstellung eines B-Plans verpflichten. Der Bundesge-
richtshof (BGH)119 und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)120 haben dement-
sprechend Verträge und Zusagen, einen B-Plan bestimmten Inhalts in bestimmter Zeit
aufzustellen, für nichtig erklärt. Der allein entscheidungsberechtigte Gemeinderat
kann weder durch einseitige schriftliche Zusagen, z. B. des Bürgermeisters, noch durch
Verträge vorab gebunden werden. Der BGH hält allerdings Schadensersatzansprüche
des Vertragspartners der Gemeinde wegen enttäuschten Vertrauens für möglich, wenn
der vertraglich verabredete Bebauungsplan unerwartet nicht zustande kommt.121 Au-
ßerdem ist durch § 12 Abs. 2 für den „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ (in Ver-
bindung mit einem Vorhaben- und Erschließungsplan) angeordnet, dass die Gemeinde
auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung dieses speziellen Bebauungsplan-
verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Damit ist die willkürli-
che Ablehnung der Aufstellung eines vorhabenbezogenen B-Plans – dessen Kosten ein-
schließlich der Erschließung vom Vorhabenträger übernommen werden – als
rechtswidrig gekennzeichnet. Auch wenn ein vorab zugesagter B-Plan (trotz der Nich-
tigkeit der Zusage oder des Vertrags) schließlich erfolgreich vom Gemeinderat be-
schlossen wird, können der Gemeinde aus der rechtlich unzulässigen Vorwegbindung
noch Schwierigkeiten erwachsen. Dazu später mehr unter dem Stichwort „Abwä-
gungsgebot“.
2. Die Anpassung an die Ziele der Raumordnung
In eine sehr frühe Phase der Aufstellung eines Bauleitplans gehört auch die sog. landes-
planerische (oder raumordnungsrechtliche) Anfrage. Diese Anfrage ist nicht im
BauGB, sondern in den Landesplanungsgesetzen vorgeschrieben. Dort heißt es sinnge-
mäß: „Die Gemeinde hat die Absicht, einen Bauleitplan aufzustellen, der für die
Raumordnung zuständigen Stelle unter allgemeiner Angabe ihrer Planungsabsichten
mitzuteilen und anzufragen, welche Ziele der Raumordnung und Landesplanung für
den Planbereich bestehen“. Der Sinn der landesplanerischen Anfrage liegt darin, dass
der Gemeinde schon vor Eintritt in die eigentliche Planungsarbeit die nicht durch
Abwägung überwindbaren Ziele der Raumordnung mitgeteilt werden sollen. An diese
Ziele muss sich die Gemeinde anpassen. Durch frühzeitige Kenntnisnahme von diesen
Zielen werden unnötige Verirrungen vermieden. Im Einzelfall kann sich die gesamte
Planungsabsicht als undurchführbar herausstellen, weil ein Ziel der Raumordnung
dagegen steht. Die landesplanerische Anfrage sollte jedoch nicht mit der Beteiligung
der Landesplanung als Behörde vermengt werden. In der Beteiligung der Behörden
und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 kann die Landesplanungsbehörde
auch Wünsche und Anregungen vortragen, die in die Liste des Abwägungsmaterials
aufgenommen werden. Als Antwort auf die landesplanerische Anfrage sollen (und
dürfen!) nur durch Abwägung nicht überwindbare Ziele mitgeteilt werden. In der
Praxis wird dieser Grundsatz leider nicht immer eingehalten. „Ziele“ der Raumord-
nung im Sinne des § 1 Abs. 4, an die sich die Bauleitpläne anzupassen haben, sind
nicht etwa die (relativ) abstrakten Leitvorstellungen und Grundsätze des Raumord-
nungsgesetzes oder der Landesplanungsgesetze. Ziele können vielmehr nur in Regio-
119 BGH, U. v. 8.6.1978 – 3 ZR 48/76 –, NJW 1978, 1803; BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –,
NJW 1980, 826.
120 BVerwG, U. v. 1.2.1980 – 4 C 40.77–, ZfBR 1980, 88; ebenso BVerwG, U. v. 29.5.1981 – 4 C 72.78 –,
ZfBR 1981, 241. Das BVerwG bejaht den Verwaltungsrechtsweg, weil die in einem Grundstückskauf-
vertrag enthaltene Verpflichtung zur Bauleitplanung öffentlich-rechtlicher Natur sei. Der BGH hatte in
einem ähnlichen Fall wegen des Überwiegens privatrechtlicher Elemente die zivilgerichtliche Zuständig-
keit bejaht: BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –, NJW 1980, 826; ebenso BGH UPR 1983, 264.
Vgl. weiterhin BVerwG, U. v. 29.5.1981 – 4 C 72.78 –, BauR 1982, 30.
121 BGH, U. v. 8.6.1978 – 3 ZR 48/76 –, NJW 1978, 1804; BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –,
NJW 1980, 826; BGH, U. v. 1.12.1983 – 3 ZR 38/82 –, ZfBR 1984, 146; ZfBR 1984, 42.
112
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
113
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
129 So BVerwG, B. v. 15.4.1988 – 4 N 4.87–, BRS 48 Nr. 21: Eine bundesrechtliche Verpflichtung, einen
Planaufstellungsbeschluss zu fassen, besteht nicht.
130 Vgl. Mediationsgesetz (MediationsG) vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577) mit nachfolgenden Änderun-
gen.
114
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
senten wird jedoch nur dann zulässig sein, wenn es keine schwerwiegenden Interessen-
konflikte gibt. Wo Konflikte zu schlichten sind, dort muss ein neutraler Moderator
(oder Mediator) gefunden werden.
4. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden
Wenn eine Gemeinde im Begriff ist, einen Bauleitplan aufzustellen oder zu ändern,
muss sie so früh wie möglich die Öffentlichkeit (zu der seit 1.1.2007 ausdrücklich
auch Kinder und Jugendliche gehören) informieren und den Behörden nebst anderen
Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dadurch soll so-
wohl die Informationsgrundlage der Verwaltung verbessert als auch den betroffenen
Bürgern und Behörden frühzeitig die Chance gegeben werden, ihre Vorschläge und
Argumente einzubringen. Die §§ 3 und 4 regeln die Zweistufigkeit der Beteiligung:
Erste Stufe = Frühzeitige Beteiligung nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1; Zweite Stufe =
Förmliche Beteiligung der Behörden mit gesetzlicher Frist zur Rückäußerung innerhalb
von einem Monat, mindestens jedoch von 30 Tagen, nach § 4 Abs. 2; förmliche Beteili-
gung der Öffentlichkeit durch öffentliche Auslegung für die Dauer eines Monats, min-
destens jedoch von 30 Tagen, nach § 3 Abs. 2. § 4a enthält gemeinsame Vorschriften
zur Beteiligung sowohl der Öffentlichkeit als auch der Behörden. Mit der frühzeitigen
Beteiligung kann schon vor dem Aufstellungsbeschluss begonnen werden. In der Regel
schließt sie sich an den Aufstellungsbeschluss unmittelbar an. Die Öffentlichkeit wird
durch das Amtsblatt, ggf. auch durch eine Zeitungsanzeige (siehe Beispiel in Bild 23)
darüber unterrichtet, dass und für welchen Bereich des Stadtgebiets ein Bauleitplan
aufgestellt werden soll. Dabei wird angegeben, wo und wann (in der Regel im Rathaus
während der Sprechzeiten) die Bürger ihre Bedenken und Anregungen vorbringen kön-
nen, wenn sie nicht den schriftlichen Weg wählen wollen. Für den Bebauungsplan der
Innenentwicklung, der genauso im beschleunigten Verfahren nach § 13a aufgestellt
wird wie der in dem neuen § 13b definierte „Bebauungsplan zur Einbeziehung von
Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren“ (vgl. Kapitel B.III.9), gelten
besondere Hinweispflichten, nach denen insbesondere der Verzicht auf die Umwelt-
prüfung nach § 2 Abs. 4 ortsüblich bekannt gemacht werden muss.
Bei besonders wichtigen oder umstrittenen Vorhaben tut die Verwaltung gut daran,
die Öffentlichkeit in einer Ausstellung durch Vorträge und Schautafeln zu informieren
und den Bürgern dann vielleicht sogar noch in einer besonderen Veranstaltung Gele-
genheit zur mündlichen und schriftlichen Stellungnahme zu geben. Zu solchen Bürger-
versammlungen kann über die ortsübliche Bekanntmachungsform hinaus (i. d. R. im
Amtsblatt) durch zusätzliche Postwurfsendungen, durch Plakate usw. eingeladen wer-
den. Die Einberufung einer Bürgerversammlung zur Information der Bürger über
wichtige Planungen wird übrigens nicht nur vom Baugesetzbuch befürwortet, sondern
auch in den meisten Gemeindeordnungen vorgeschrieben. Seit 2017 verpflichtend ist
auch die Bekanntmachung der Beteiligung über das Internet, und zwar einerseits auf
den Internetseiten der Gemeinde, andererseits auf einem zentralen Internetportal des
Landes (dazu gleich noch mehr unter Punkt 6 in diesem Kapitel). Von der Unterrich-
tung und Erörterung nach § 3 Abs. 1 kann ohne vorhergehenden Beschluss der Ge-
meindevertretung abgesehen werden, wenn sie bereits zuvor „auf anderer Grundlage“
erfolgt sind (z. B. anlässlich von Stadt(teil)entwicklungsplanungen, städtebaulichen
Rahmenplanungen oder im Rahmen der öffentlichen Sitzungen von Stadtteilvertretun-
gen). Der Verzicht auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit darf nicht analog
bei der Behördenbeteiligung angewendet werden – hier bleibt die Pflicht zur frühzeiti-
gen Beteiligung nach § 4 Abs. 1 bestehen. Bei der Aufstellung oder Aufhebung eines
Bebauungsplans kann auch dann von der frühzeitigen Beteiligung abgesehen werden,
„wenn sich dies (die Aufstellung oder Aufhebung) auf das Plangebiet und die Nachbar-
gebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt“ (Ähnliches gilt bei der Aufstellung eines
115
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
B-Plans im vereinfachten bzw. beschleunigten Verfahren nach den §§ 13 bzw. 13a oder
13b – dazu später mehr).
Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit soll in Gang gesetzt werden, bevor die
Planung sich so verfestigt hat, dass Änderungen praktisch nicht mehr möglich sind.
Die bis zum konkreten Entwurf gediehene Planung wird in einer zweiten Stufe der
Beteiligung der Öffentlichkeit nochmals vorgestellt. Dies geschieht durch eine förmli-
che Auslegung der Pläne für die Dauer eines Monats, mindestens aber von 30 Tagen
(siehe Punkt 10). Eine erneute „frühzeitige Beteiligung“ ist auch dann nicht erforder-
lich, wenn der Planentwurf gegenüber der frühzeitigen Fassung erheblich geändert
wurde; auch die Plangrenzen dürfen geändert werden.131
5. Festlegung des Umfangs und des Detaillierungsgrads der Umweltprüfung
Gemäß § 2 Abs. 4 hat die Gemeinde für jeden Bauleitplan – ausgenommen Pläne, die
nach den Vorschriften der §§ 13, 13a und 13b aufgestellt werden – festzulegen, in
welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Umweltbelange für die
jeweilige Abwägung erforderlich ist. Damit wird in der Regel auch die Frage geklärt,
welche Gutachtenaufträge vergeben werden müssen.
Das BauGB sagt nichts darüber, wer in der Gemeinde diese Festlegung zu treffen hat
und wann sie erfolgen sollte. Die bisherigen Erfahrungen mit der Eingriffsregelung
und der Umweltverträglichkeitsprüfung (dazu mehr im nächsten Abschnitt) zeigen,
dass es jedenfalls in nicht vollständig unkomplizierten Fällen ratsam ist (und spätestens
seit Ergänzung der Anlage 1 im Zuge der BauGB-Novelle vom 4. Mai 2017 auch gebo-
ten – vgl. Punkt 7c und d), dass sich die Gemeinde bei dieser Festlegung von den
Umweltbehörden (Naturschutz, Forst, Gewässer, Bodenschutz) beraten lässt sowie in-
teressierte Vereine und Verbände und auch Vorhabenträger im Plangebiet (soweit
schon bekannt) in die Beratung einbezieht. In komplexen Fällen empfiehlt sich die
Einladung zu einem sog. Scopingtermin, in dem sich alle einschlägig Betroffenen und
legitim Interessierten treffen, um vorhandene Kenntnisse einzubringen und den Um-
fang der Umweltprüfung möglichst einvernehmlich festzulegen. Das Gesetz fordert die
Gemeinde ausdrücklich auf, die von ihr zu beteiligenden Behörden und sonstigen Trä-
ger öffentlicher Belange schon im Rahmen der frühzeitigen Information nach § 4
Abs. 1 zur Äußerung über den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Um-
weltprüfung aufzufordern. Dabei sollte die Gemeinde auch um die Übersendung ein-
schlägiger umweltbezogener Informationen bitten, die bei der späteren öffentlichen
Auslegung des Planentwurfs ebenfalls öffentlich ausgelegt werden müssen.
Wenn es einen Scopingtermin gegeben hat, dürfte zur einstweiligen Festlegung des
Umfangs und Detaillierungsgrads der Umweltprüfung ein offizielles Protokoll dieses
Termins genügen; im Protokoll sollte auf diese Funktion ausdrücklich hingewiesen
werden. Bei Änderungen der Sachlage und Erlangung neuer Kenntnisse sind selbstver-
ständlich Änderungen des Untersuchungsumfangs möglich oder sogar geboten. In je-
dem Fall sollte es am Anfang des Umweltberichts einen Abschnitt geben, der sich
ausdrücklich mit der Festlegung von Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprü-
fung auseinandersetzt. Die Festlegung sollte nach Einholung der notwendigen Stel-
lungnahmen möglichst frühzeitig erfolgen. Bei hochrangigen und potenziell folgenrei-
chen Konfliktentscheidungen sollte die Gemeindevertretung eingeschaltet werden. Die
Einschaltung der Gemeindevertretung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn teure Gut-
achtenaufträge erteilt werden müssen.
116
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
6. Die förmliche Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher
Belange (TöB); Beteiligung der benachbarten Gemeinden
Vom Inhalt eines neu aufzustellenden F- oder B-Plans (oder einer Planänderung) sind
nicht nur die Bürger und die Öffentlichkeit, sondern neben den Behörden und anderen
Trägern öffentlicher Belange sehr häufig auch die benachbarten Gemeinden betroffen.
Das Baugesetzbuch schreibt daher vor, dass alle Behörden, deren Aufgabenbereich von
der Planung berührt wird, sowie die benachbarten Gemeinden zu beteiligen sind. Zu
diesen „Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange“ – kurz TöB – gehören
z. B. die Gewerbeaufsicht, die Naturschutz-, Denkmalschutz- und Wasserschutzämter,
die Straßenbauämter, die Energieversorgungsunternehmen, die öffentlichen und priva-
ten Verkehrsbetriebe, die Bundeswehr, Industrie- und Handwerkskammern – kurzum
alle Behörden, Dienststellen, Versorgungsträger und öffentlichen Verbände, die von
der Planung berührt sein könnten. In der Regel sind dies 50 bis 60 Stellen. Private
Verbände sind keine Träger öffentlicher Belange, selbst wenn sie wie z. B. Naturschutz-
verbände öffentlich anerkannt sind.132 Ihre unaufgeforderte Einbindung im Rahmen
der Behördenbeteiligung kann dennoch im Hinblick auf einen wünschenswerten koo-
perativen Austausch sinnvoll sein. Natürlich hängt es vom Inhalt des Plans ab, welche
Behörden im Einzelfall berührt sein könnten. Nur diese müssen beteiligt werden.133
Dazu muss ihnen ein (Vor-)Entwurf des Plans mit Begründung zugestellt werden. Die
öffentliche Auslegung des Planentwurfs nach § 3 Abs. 2 BauGB hat für die „Dauer
eines Monats“, jetzt auch mindestens für die Dauer von 30 Tagen zu erfolgen. Mit
Blick auf den sehr kurzen Monat Februar wurde diese Frist 2017 konkretisiert – und
zwar in zwei kurz aufeinander folgenden Novellierungsschritten: Zunächst wurde
durch Novelle des Gesetzes vom 4.5.2017134 festgelegt, dass die Frist bei einem Frist-
beginn im Monat Februar jedenfalls mindestens 30 Tage zu betragen hat und bei Vor-
liegen eines „wichtigen Grundes“ angemessen zu verlängern sei. Nachdem erkannt
wurde, dass sich die „30-Tage-Marke“ bei einem Auslegungsstart am letzten oder
vorletzten Tag im Januar noch immer unterbieten ließe, wurde die Vorschrift im Zuge
des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom
20. Juli 2017135 handwerklich nachgebessert. Nunmehr gilt unabhängig vom Beteili-
gungsmonat eine Mindestfrist von 30 Tagen. Dieser Mindestzeitraum ist gleicherma-
ßen in § 4 Abs. 2 zur förmlichen Beteiligung von Behörden und sonstigen Trägern
öffentlicher Belange aufgenommen worden.
Da trotz Durchführung einer frühzeitigen Beteiligung der Behörden nach § 4 Abs. 1
die förmliche Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 oft noch Anlass zur Änderung
des Planentwurfs gibt, wird dieser Beteiligungsschritt in vielen Fällen noch vor der
öffentlichen Auslegung des (endgültig gemeinten) Entwurfs des Plans durchgeführt.
Sind Planänderungen im Ergebnis der Beteiligung nach § 4 Abs. 2 hingegen nicht zu
befürchten, spricht nichts gegen eine gleichzeitige Durchführung der Verfahrens-
schritte nach § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2. In diesem Fall erspart sich die planaufstellende
Gemeinde Verwaltungsaufwand, da die nach § 3 Abs. 2 Satz 3 erforderliche Informa-
tion der Behörden über die Durchführung der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung
mit dem Anschreiben zur Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 verbunden werden und
somit auf ein weiteres Schreiben verzichtet werden kann. Außerdem verkürzt sich
hierdurch natürlich die Dauer des Aufstellungsverfahrens. Entsprechendes gilt für die
benachbarten Gemeinden (allerdings ohne Fristsetzung).
Der zum 13.5.2017 neu gefasste § 4a Abs. 4 bestimmt, dass neben der ortsüblichen
Form der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung nunmehr auch eine Infor-
117
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
mation im Internet verpflichtend zu erfolgen hat. Dazu ist der vollständige Inhalt der
Bekanntmachung einschließlich der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 auszulegenden Unterlagen
in das Internet einzustellen. Nach dem Mustereinführungserlass wird dieser Verpflich-
tung nachgekommen, wenn die auszulegenden Unterlagen, etwa über das Internetpor-
tal der Gemeinde, für die Öffentlichkeit auffindbar und abrufbar sind. Die Gemeinde
sollte in geeigneter Weise dokumentieren, dass die Unterlagen über das Internet auf-
findbar und abrufbar waren. Hierfür kommen auch technische Möglichkeiten, in ers-
ter Linie wohl Screenshots, in Betracht.136 Ob der Ausdruck eines einzigen Screenshots
als Nachweis für die Internetbekanntmachung auf Dauer von der Rechtsprechung
akzeptiert werden wird, bleibt abzuwarten. Um Unsicherheiten vorzubeugen, empfeh-
len sich mindestens zwei Screenshots, einer zu Beginn des Erscheinens im Internet, ein
weiterer am letzten Tag der Internetbekanntmachung – jeweils versehen mit einem
durch den Computer automatisch generierten Datum. Für die Kundenfreundlichkeit
des Internetnutzers ist es zuträglich, den Upload der Planunterlagen und Bekanntma-
chungstext auf einer Internetseite zu vereinen (und nicht auf voneinander unabhängi-
gen Unterseiten der Homepage). Im Übrigen gibt es Online-Dienste zur Archivierung
von Web-Seiten – die auf diese Weise archivierten Web-Seiten dürften der Nachweis-
pflicht genügen.
Für die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unterbrei-
tet der Gesetzgeber den planenden Kommunen ebenfalls einen Vorschlag zur Optimie-
rung des Verwaltungsaufwands: Nach § 4a Abs. 4 Satz 2 können die Behördenstel-
lungnahmen eingeholt werden, indem diesen Ort und Dauer der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Absatz 2 sowie die Internetadresse mitgeteilt werden, unter der
der Inhalt der Bekanntmachung und die Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 im Internet
eingesehen werden können. Diese Mitteilung darf auch elektronisch übermittelt wer-
den. In diesen Fällen hat die Gemeinde der Behörde oder einem sonstigen Träger
öffentlicher Belange auf Verlangen den Entwurf des Bauleitplans und der Begründung
aber zusätzlich auch in Papierform zu übermitteln.
Gemeinden verfolgen in aller Regel genau, was bei den Nachbarn vor sich geht. Wenn
mitten im Stadtgebiet einer großen Gemeinde eine Straße verbreitert werden soll, dann
wird die Nachbargemeinde wohl kaum Interesse daran haben. Soll jedoch am Rand
der Gemeinde ein Industriegebiet eingerichtet werden, dessen Emissionen bei der übli-
chen Windrichtung auf das Gebiet der Nachbargemeinde geweht werden, dann ist bei
der Nachbargemeinde höchster Alarm.137 Auch bei der Eröffnung eines Baugebiets
für den großflächigen Einzelhandel oder für ein ganzes Einkaufszentrum läuten bei den
Nachbargemeinden häufig die Alarmglocken, weil sie um ihren eigenen Einzelhandel
fürchten. Das Gesetz schreibt daher aus guten Gründen vor, dass die Nachbargemein-
den beteiligt werden und ihre Argumente gehört werden müssen. Nachbargemeinden
sind nicht nur unmittelbar angrenzende Gemeinden, sondern alle umliegenden Ge-
meinden, die von den Auswirkungen des Plans unmittelbar betroffen werden. Unter-
bleibt die Beteiligung, kann die Nachbargemeinde den Plan oder eine aufgrund des
Plans erteilte Genehmigung vor Gericht anfechten.138
Gemäß § 2 Abs. 2 können sich die benachbarten Gemeinden auch untereinander auf
die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswir-
136 Vgl. Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt und zu weiteren Änderungen des
Baugesetzbuchs (BauGBÄndG 2017 – Mustererlass) vom 28.9.2017, 15, verfügbar: https://www.bau-
ministerkonferenz.de/verzeichnis. aspx?id=993&o=759O986O993 (Zugriff: 14.11.2017).
137 BVerwG, U. v. 17.9.2003 – 4 C 14.01 –, UPR 2004, 137–143 („Gewerbepark Mühlheim-Kärlich“).
138 Vgl. BVerwG, U. v. 8.9.1972 – 4 C 17.71 –, BVerwGE 40, 323; BVerwG, B. v. 26.7.1989 – 8 B
112.89 –, ZfBR 1990, 154; BVerwG, U. v. 11.2.1993 – 4 C 15/92 –, ZfBR 1993, 191; BVerwG, B. v.
9.1.1995 – 4 NB 42/94 –, NVwZ 1995, 694 (SO-Gebiet).
118
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
kungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen. Diese Vorschrift zielt insbe-
sondere darauf ab, Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ außerhalb des landespla-
nerisch vorgegebenen Zentrengefüges zu verhindern, indem benachbarten Gemeinden
Abwehrrechte zugestanden werden. Für die Schutzwürdigkeit eines zentralen Versor-
gungsbereichs kommt es aber nicht darauf an, dass der zentrale Versorgungsbereich
als Ziel der Raumordnung in einem Raumordnungsplan festgelegt ist. Zentrale Versor-
gungsbereiche können sich nicht nur aus planerischen Festschreibungen, sondern auch
aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen ergeben.139 Das inter-
kommunale Abstimmungsgebot schützt die Nachbargemeinden in diesem Sinne vor
unzumutbaren städtebaulichen Auswirkungen auf ihre Innenstädte, nicht aber die dort
ansässigen Einzelhandelsbetriebe vor Konkurrenz.140 Bei der Bestimmung, wer Nach-
bargemeinde i. S. d. § 2 Abs. 2 ist, kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen
der Gemeinden, sondern auf die Reichweite der planungsrechtlichen Auswirkungen
eines Vorhabens an141, die vor allem je nach Lage, Größe und Branchenmix der pla-
nungsrechtlich vorbereiteten Einzelhandelsvorhaben sehr unterschiedlich sein kann.
Für ein in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 festgesetztes Sonderge-
biet für einen Möbelmarkt mit 25.000 m² Verkaufsfläche (wovon 1.700 m² zentrenre-
levante und 6.200 m² nicht zentrenrelevante Sortimente waren) sind die Ziele der
Raumordnung und Landesplanung einer 8 km entfernten Gemeinde (§ 2 Abs. 2 Satz 2,
2. Alt.) z. B. zu berücksichtigen.142
Das gleiche städtebauliche Ziel verfolgt § 34 Abs. 3 für den so genannten unbeplanten
Innenbereich (vgl. dazu Kapitel B.VIII. „Zulässigkeit von Vorhaben“).
Durch Anwendung von § 9 Abs. 2a können zentrale Versorgungsbereiche auch im
Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung durch Bebauungsplanung
geschützt werden (vgl. dazu das Kapitel B. V. „Die Bebauungspläne“).
Alle in das Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden einbezoge-
nen Adressaten müssen ihre Belange rechtzeitig zu Gehör bringen, wenn diese berück-
sichtigt werden sollen. Bei verspätetem Vorbringen sind sie möglicherweise mit ihren
Argumenten (nicht mit Tatsachen!) ausgeschlossen. In § 4a Abs. 6 ist die Ausschluss-
wirkung einer Fristversäumung durch einen TöB nunmehr zusammen mit den Folgen
einer Fristversäumung für beteiligte Bürger geregelt. § 4a Abs. 6 stellt auch klar, dass
sich die Präklusion von verspätet vorgebrachten Gesichtspunkten nur auf Argumente
und Wünsche des Absenders bezieht – nicht auf die Mitteilung entscheidungserhebli-
cher Tatsachen. Ein Träger, der seine eigenen Planungen verspätet vorträgt, kann unbe-
achtet bleiben. Verspätet gemeldetes Tatsachenmaterial muss allerdings in die Abwä-
gung eingestellt werden, wenn es von Bedeutung ist oder sein könnte. In der
Abwägung dürfen außerdem keine verspätet gemeldeten Planungen und Gesichts-
punkte außer Acht bleiben, die der Gemeinde hätten bekannt sein müssen. Nach § 7
haben öffentliche Planungsträger, die nach § 4 oder – im vereinfachten bzw. beschleu-
nigten Verfahren – nach § 13 beteiligt worden sind, im Flächennutzungsplanverfahren
über die Beteiligung hinaus die Möglichkeit zum Widerspruch (bleibt ein Widerspruch
aus, muss der öffentliche Planungsträger erforderlichenfalls seine Planung so anpassen,
dass sich kein Widerspruch zum F-Plan ergibt). Der Widerspruch muss allerdings bis
zum Feststellungsbeschluss der Gemeinde eingelegt werden (eigentlich selbstverständ-
lich). Ein insoweit nachträglicher Widerspruch würde die Kostenfolge in entsprechen-
119
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
der Anwendung des § 37 Abs. 3 auslösen; nach § 37 Abs. 3 muss der Träger der Maß-
nahmen der Gemeinde alle die Aufwendungen ersetzen, die ihr entweder im Zuge der
Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des betreffenden Bauleitplans entstehen oder
die sie als Entschädigung an Dritte zahlen muss, weil sie ihre Planungen nunmehr mit
Rücksicht auf den verspäteten Widerspruch ändern muss. Hier kommt insbesondere
ein Vertrauensschaden nach § 39 in Betracht, wenn der Widerspruch erst nach Festset-
zung eines Bebauungsplans, aber vor dessen Ausführung eingeht.
Angesichts der Tatsache, dass (bis auf die Schweiz) alle Nachbarstaaten der Bundesre-
publik Deutschland zur Europäischen Union gehören, ist es beinahe selbstverständlich,
dass auch die jeweils benachbarten ausländischen Gemeinden und die dort betroffenen
Träger öffentlicher Belange im Fall „erheblicher Auswirkungen“ im Sinne des § 4a
Abs. 5 „nach den Grundsätzen der formellen Gegenseitigkeit und der materiellen
Gleichwertigkeit“ zu unterrichten sind. Formelle Gegenseitigkeit bedeutet, dass der
deutsche Gesetzgeber eine gegenseitige Information erwartet; materielle Gleichwertig-
keit heißt, dass auch die Qualität der Informationen im Wesentlichen gleichrangig
sein sollte. Auf der Grundlage der gegenseitig vermittelten Informationen sind auch
„Konsultationen“ (d. h. Gespräche) zulässig; ein Umweg durch Einschaltung des Au-
ßenministeriums zur Herstellung der Kontakte ist jedenfalls auf deutscher Seite nicht
(mehr) erforderlich. Sofern in diesem Verfahren Fehler gemacht werden, können sie
seit 1.1.2007 nach Ablauf eines Jahres geheilt sein (vgl. § 214 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m.
§ 215 Abs. 1). Zuvor galt eine „Heilungsfrist“ von zwei Jahren. Auf eine ggf. erforder-
liche grenzüberschreitende Beteiligung ist auch bei der Bekanntmachung für die öffent-
liche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 hinzuweisen (vgl. hierzu die Verpflichtung in
§ 4a Abs. 5 Satz 3).
143 Grundlegend: BVerwG, U. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 –, BVerwGE 34, 301 = BauR 1970, 32; im
Anschluss an das BVerwG auch der BGH, U. v. 11.11.1976 – 3 ZR 114/75 –, NJW 1977, 388; Bestäti-
gung in BVerwG, U. v. 11.12.1981 – 4 C 69.78 –, NJW 1982, 1473: Das Abwägungsgebot wurzele
im Verfassungsrecht und gelte daher auch ohne ausdrückliche Normierung.
144 Vgl. erstmals BVerwG, U. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 –, BauR 1970, 32.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
muss das für die Bauleitplanung zuständige Organ – also der Gemeinderat – in einer
Weise eingeschaltet worden sein, die es gestattet, ihm die Planung zuzurechnen, die
Vorabverhandlungen müssen sachlich begründet und das inhaltliche Ergebnis muss
unbedenklich sein145 (wohlgemerkt: Diese Grundsätze gelten für den Fall, dass der
vorher abgesprochene Plan schließlich zustande gekommen ist; eine rechtliche Bindung
der Gemeinde, den Plan wie abgesprochen aufzustellen, kann es aus den oben bespro-
chenen Gründen nicht geben). Sind diese Bedingungen nicht eingehalten, ist der Plan
unwirksam.
(2) Beim Abwägungsvorgang sind – positiv – alle Argumente, Gesichtspunkte und
Erkenntnisse zu berücksichtigen, die „nach Lage der Dinge“ eingestellt werden müs-
sen; umgekehrt dürfen sachfremde Argumente oder bodenrechtlich unbeachtliche
Sachverhalte keine Rolle spielen. Wettbewerbssteuerung ist z. B. ein unzulässiges Argu-
ment. Das heißt: Alle Tatsachen und Argumente, die einem sorgfältig vorgehenden
und vernünftigen Menschen zugänglich sind und die nach dem Urteil eines solchen
Menschen bei dieser Planung eine Rolle spielen können und dürfen, müssen ermittelt,
in ihrer Bedeutung bewertet und in die Abwägung einbezogen werden. Wird in die
Abwägung nicht eingestellt, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, liegt
ein Abwägungsdefizit vor. Die Klarstellung in § 2 Abs. 3, dass „bei der Aufstellung
der Bauleitpläne [sind] die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwä-
gungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten“ sind muss abstrakt bleiben, weil eine
gesetzliche Umschreibung der abwägungsbeachtlichen Belange – für jeden erdenkli-
chen Planungsfall in jeder der 11.059 deutschen Gemeinden146 – nicht möglich wäre.
Die rechtlichen Anforderungen an diese Zusammenstellung sind erfüllt, wenn alle
Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwä-
gungsentscheidung eingestellt werden müssen, ermittelt, bewertet und schließlich ge-
geneinander und untereinander gerecht abgewogen worden sind. Nicht abwägungsbe-
achtlich sind allerdings geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie
solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht147.
(3) Bei der Abwägung des Für und Wider von einzelnen Argumenten und bei der
Herstellung des Gesamtergebnisses müssen die Gewichte so gesetzt werden, dass sie
nach dem Urteil eines vernünftigen Betrachters nicht außer Verhältnis zueinander ste-
hen. Die Bedeutung jedes einzelnen öffentlichen oder privaten Belangs darf nicht ver-
kannt werden. Dazu gehört insbesondere, dass ein einzelner (öffentlicher oder priva-
ter) Belang nicht in einer Weise bevorzugt oder benachteiligt werden darf, die zu
seinem objektiven Gewicht außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität).148
Innerhalb dieser Grenzen besitzt die Gemeinde planerische Gestaltungsfreiheit, zu der
auch gehört, dass sie es nicht jedermann recht machen kann (zum Abwägungsvorgang
s. auch Bild 22).
121
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Ermittlung
der von der Planung betroffenen Belange
Aus Aus Aus
Bestandsaufnahme Akten und Gutachten Beteiligung
Was sich an Nach Scoping- Was von
Bedingungen Ergebnis und Behörden und
und Vorgängen Auswirkungen Öffentlichkeit
zum Plangebiet der Planung geltend gemacht
feststellen lässt wird
Gewichtung
Gewichtung
der von der Planung betroffenen Belange
Nach Nach
tatsächlicher Betroffenheit wissenschaftlichen Vorgaben
auch durch das Denkmal-,
z.B. durch das Ausmaß
Natur-, oder
der Lärmbelästigung
Artenschutzrecht
Ausgleich
der von
zwischen dender
vonPlanung betroffenen
der Planung Belange
betroffenen Belangen
Welche
Nach Belange sollen
tatsächlicher Welche
Nach Belange dürfen
normativen Vorgaben
bevorzugt werden?
Betroffenheit benachteiligt werden?
Bebauungsplan
als sachgerechtes Abwägungsergebnis
Die Grundsätze mögen sich abstrakt gut lesen. Bei der konkreten Planung sind sie
schwierig genug einzuhalten; dies gilt insbesondere für das zweite Postulat. Was „nach
Lage der Dinge“ in den Abwägungsvorgang einzustellen ist, kann im Einzelfall durch-
aus zweifelhaft sein. Folgendes darf oder muss unberücksichtigt bleiben:
a) Offensichtlich nebensächliche Belange, die sich vernünftigerweise auf das Abwä-
gungsergebnis nicht auswirken können;
b) verborgene Gesichtspunkte, die während der Planaufstellung weder von den Be-
hörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange noch von der angemessen betei-
ligten Öffentlichkeit zur Sprache gebracht worden sind; solche Gesichtspunkte
brauchen nicht berücksichtigt zu werden – es sei denn, es besteht eine spezifische
Aufklärungspflicht der planenden Gemeinde;
c) in der Abwägung dürfen nur solche Belange eine Rolle spielen, die von bodenrecht-
licher Bedeutung sind; rein wirtschaftliche Gesichtspunkte (z. B. Schutz von Ge-
schäftsleuten vor unerwünschter Konkurrenz) oder parteitaktische Gesichtspunkte
(Ausweisung eines „bürgerlichen Wohnviertels“ mit Reihenhäusern statt Geschoss-
wohnungsbau, um bürgerliche Wähler anzuziehen) dürfen nicht in die Abwägung
eingestellt werden.
122
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Wenn die Gemeinde irgendein Argument nicht berücksichtigt, das sie nach dem Urteil
des schließlich angerufenen Gerichts hätte berücksichtigen müssen, dann leidet der
Plan an einem Abwägungsdefizit. Beim dritten Schritt, bei der Gewichtung der einzel-
nen Argumente, besitzt die Gemeinde zwar planerische Gestaltungsfreiheit; ob und
wann die Grenzen dieser Freiheit jedoch überschritten werden, ist nur selten einfach
zu entscheiden. Die planerische Gestaltungsfreiheit greift nach der Rechtsprechung
erst dann ein, wenn die Kommune nach der fehlerfreien Zusammenstellung des Abwä-
gungsmaterials die einzelnen öffentlichen und privaten Belange untereinander und ge-
geneinander abwägt. Hier prüfen die Gerichte nur, ob die Abwägung nicht in einer
Weise vorgenommen worden ist, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange
außer Verhältnis steht (Beispiele dazu im Kapitel B.XVII). Innerhalb dieser Grenzen
ist die Gemeinde frei, sich in der Kollision zwischen den verschiedenen Belangen für
die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen
Belangs zu entscheiden. Hierin liegt nach der Rechtsprechung die eigentliche planeri-
sche Entscheidung, in der die Gemeinde autonom ist. Dies sei das schöpferische Ele-
ment der Planung, das es jeder Gemeinde ermöglichen solle, sich ihre eigene Individua-
lität, ihr unverwechselbares Stadtbild zu geben.149
Durch die Änderungsgesetze zum Baugesetzbuch 2014 und 2017 ist die Liste der öf-
fentlichen und privaten Belange in § 1 erneut ergänzt worden. Hinzu gekommen sind
2014 die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung
(neue Nr. 13 von § 1 Abs. 6).150 Mit der BauGB-Novelle 2017151 wurden zunächst
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als Aspekt der sozialgerechten Bodennutzung in
die Planungsgrundsätze des § 1 Abs. 5 aufgenommen und in § 1 Abs. 6 Nr. 2 nochmals
hervorgehoben, dass hier insbesondere Familien mit mehreren Kindern gemeint sind.
Mehrere Ergänzungen erfuhr der Katalog der Umweltbelange in § 1 Abs. 6 Nr. 7. Neu
eingefügt wurde das Schutzgut „Fläche“ in Buchst. a) (es soll den Bauleitplaner zu
flächensparender und flächenbewusster Planung motivieren – bislang hielt neben den
ergänzenden Umweltschutzvorschriften des § 1a bereits das Schutzgut „Boden“ dazu
an); nach dem modifizierten Buchst. i sollen Wechselwirkungen zwischen einzelnen
Umweltbelangen auch den Belang der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks der Na-
tura 2000-Gebiete umfassen und als Gesamtbelang in der Abwägung berücksichtigt
werden; nach Buchst. j sind ferner die Auswirkungen auf die Belange nach den Buch-
staben a bis d und i in die Abwägung einzustellen, die aufgrund der Anfälligkeit der
nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen
zu erwarten sind – die für die Abwägung erforderliche Auswirkungseinschätzung soll
nicht auf die Folgen schwerer Unfälle oder Katastrophen in Folge von Seveso-III-Un-
fällen beschränkt werden, sondern auch Auswirkungen aufgrund sonstiger Unfälle
oder Katastrophen einbeziehen. Mit dem Hochwasserschutzgesetz II152 sind 2017
schließlich die gleichnamigen Belange in § 1 Abs. 6 Nr. 12 um die Belange des Küsten-
schutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere der Vermeidung und Verringe-
rung von Hochwasserschäden, ergänzt worden.
Besondere Aufmerksamkeit muss folgenden Gesichtspunkten zukommen, denen daher
im Folgenden eigene Kurzabschnitte gewidmet sind:
149 Vgl. BVerwG, U. v. 12.7.1985 – 4 C 40.83 –, NVwZ 1985, 737: Die planerische Gestaltungsfreiheit
erstreckt sich umfassend auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur bestmöglichen Verwirklichung
der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe und zugleich auch zur Bewältigung der von dem Vorha-
ben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind.
150 BGBl. I S. 1748 vom 24.11.2014.
151 BGBl. I S. 1057 vom 12.5.2017.
152 BGBl. I S. 2193 vom 5.7.2017; nach Art. 5 des ist der überwiegende Teil des Gesetzes, vor allem die
Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes, am 5.1.2018 in Kraft getreten; die Änderungen im Bauge-
setzbuch sind zum Teil bereits am 6.7.2017 in Kraft getreten; diese betreffen die genannte Neufassung
von § 1 Abs. 6 Nr. 12 und § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB.
123
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
153 Gebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April
1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103 vom 24.4.1979).
154 Vgl. Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992).
124
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Die 1993 in § 8a BNatSchG formulierten Grundregeln gelten nunmehr auf der Grund-
lage des § la Abs. 3, der §§ 135 a–c und der komplementär verkürzten Nachfolgevor-
schrift im BNatschG (nunmehr §§ 13 ff. BNatSchG) weiter. Etwas verkürzt dargestellt
bedeutet dies Folgendes: Wenn durch einen Bauleitplan „Eingriffe“ vorprogrammiert
werden (und welche Baumaßnahme auf bisher unbebautem Land stellte keinen Ein-
griff in Natur und Landschaft dar?), dann muss nach Maßgabe einer sorgfältigen, das
Gewicht der Belange von Natur und Landschaft gewissenhaft berücksichtigenden
(nicht „wegwägenden“) Abwägung im Bauleitplan über Ausgleichs- und Ersatzmaß-
nahmen entschieden werden.155 Das BauGB verwendet den Begriff der „Ausgleichs-
maßnahme“ gemäß § 200a in einem umfassenden Sinn; der Ausgleich im Sinne des
BauGB umfasst sowohl Ausgleichs- als auch Ersatzmaßnahmen im Sinne des Natur-
schutzrechts. Ein unmittelbarer räumlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen
Eingriff und Ausgleich ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Im Naturschutz-
recht unterscheidet man zwischen Ausgleichsmaßnahmen (Wiederherstellung der Na-
tur am Ort des Eingriffs) und Ersatzmaßnahmen (gleichartiger oder gleichwertiger
Ersatz des am Ort des Eingriffs zerstörten Naturguts an anderer Stelle). Das BVerwG
hat die ratio dieser Unterscheidung in folgender Weise beschrieben: „Wer – zulässiger-
weise – in Natur und Landschaft eingreift, ist zum Ausgleich verpflichtet. Dieser Aus-
gleich ist in erster Linie durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschafts-
pflege zu leisten, um den Eingriff ungeschehen zu machen. Das ist jedoch nicht immer
möglich. In diesen Fällen gilt es einer fortschreitenden Erosion des Naturhaushalts
insgesamt, der weiteren Denaturierung unserer Umwelt in einem dicht besiedelten,
weitgehend verstädterten Raum entgegenzuwirken, indem jedenfalls an anderer Stelle
Werte oder Funktionen des Naturschutzes oder des Landschaftsbildes hergestellt oder
in ihrem Bestand gesichert werden (Ersatzmaßnahme i. S. d. § 15 Abs. 2 BNatSchG).
Es liegt in der Konsequenz des Verursacherprinzips, auch solche Ersatzmaßnahmen
demjenigen aufzubürden, der den Eingriff vorgenommen hat. Erst damit wird eine
gleichmäßige Anwendung des Prinzips gewährleistet. Denn eine Besserstellung des Ver-
ursachers allein deswegen, weil der Eingriff im Einzelfall nicht real ausgleichbar ist,
erscheint jedenfalls aus der Sicht des Naturschutzes nicht einsichtig“.156 Diese Grund-
gedanken werden durch das BauGB in folgender Weise umgesetzt:
Wenn oder soweit eine Kompensation auf dem jeweiligen Eingriffsgrundstück nicht
möglich oder untunlich ist, können Ersatzmaßnahmen auf anderen (auch weit entfern-
ten) Grundstücken vorgesehen und durch Bebauungsplan dem „Eingriffsgrundstück“
ganz oder teilweise zugeordnet werden. Die Durchführung der Maßnahmen muss
dann vom Eigentümer des Eingriffsgrundstücks bezahlt werden. Der Verteilungsmaß-
stab der Kosten einer Sammelmaßnahme auf mehrere Eingriffsgrundstücke kann in
einer dem Erschließungsbeitrag vergleichbaren Weise von der Gemeinde durch beson-
dere Satzung geregelt werden.
Einzelheiten der Festsetzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zum Ausgleich von Ein-
griffen sind im übernächsten Kapitel V. „Die Bebauungspläne“ unter 2. (Die Regelung
des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft, die aufgrund eines Bebauungs-
plans zu erwarten sind) dargestellt. Differenzierte Hinweise über die Art und Weise,
wie die Belange von Natur und Landschaft in der Abwägung zu berücksichtigen und
155 Vgl. die vier Grundsatzurteile des BVerwG zur Eingriffsregelung nach § 8a BNatSchG a. F.: U. v.
31.1.1997, UPR 1997, 403 (zur Abwägung insgesamt); U. v. 21.2.1997, ZfBR 1997, 261 (Eine voll-
ständige Erfassung der betroffenen Tiere und Pflanzen ist nicht erforderlich); U. v. 23.4.1997, UPR
1997, 409 (Die Gemeinde ist bei der Eingriffsbewertung nicht an standardisierte Bewertungsverfahren
gebunden); U. v. 9.5.1997, UPR 1997, 411 (Vertragliche Regelungen des Ausgleichs auch außerhalb
des räumlichen Geltungsbereichs des B-Plans sind zulässig; ebenso ein entsprechend geteilter B-Plan).
156 BVerwG, U. v. 20.1.1989 – 4 C 15.87 –, BVerwGE 81, 220; ebenso BVerwG, U. v. 27.9.1990 – 4 C
44.87 –, BVerwGE 85, 349. Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe nach dem Baden-Würt-
tembergischen NatSchG, vgl. BVerwG, U. v. 4.7.1986 – 4 C 50.83 –, DVBl.1986, 1009.
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welche Festsetzungen noch oder nicht mehr zu rechtfertigen sind (z. B. die Festsetzung,
mit welcher Anzahl von Großvieheinheiten ein als Fläche zum Ausgleich festgesetztes
Grünland zu beweiden ist), finden sich in der Rechtsprechung.157
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
27.000 FFH- und Vogelschutzgebiete bei ca. 18 % der Landfläche aller Mitgliedstaa-
ten (Stand: Dezember 2015). Von allen Gebieten stellen 4.557 FFH-Gebiete, die in
Brüssel vorgelegt wurden, den größten Anteil. Dies entspricht einem Meldeanteil von
9,3 % bezogen auf die Landfläche. Dazu kommen 2.128.727 ha Bodensee sowie Mee-
res-, Bodden- und Wattflächen (Stand: 04.12.15). Von diesen marinen Schutzgebiets-
flächen entfallen 943.984 ha auf die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) Deutsch-
lands. Außerdem wurden bisher 742 Vogelschutzgebiete (BSG) gemeldet. Dies
entspricht einem Meldeumfang von 11,3 % bezogen auf die Landfläche. Dazu kommt
1.970.450 ha Bodensee sowie Meeres-, Bodden- und Wattflächen. Von diesen marinen
Schutzgebietsflächen entfallen 513.930 ha auf die Ausschließliche Wirtschaftszone
(AWZ) Deutschlands.
Nach deutschem Naturschutzrecht werden sie nicht als eigene Kategorie festgesetzt;
sie sind vielmehr Gegenstand oder Bestandteil von Naturschutzgebieten oder Land-
schaftsschutzgebieten, im Einzelfall möglicherweise auch kraft Gesetzes geschützte
Biotope nach §§ 39 ff. BNatSchG i. V. m. dem jeweiligen Landesnaturschutzgesetz. Da
Bebauungspläne nicht in Natur- oder Landschaftsschutzgebiete hineinreichen dürfen,
ist die Aufstellung von Bebauungsplänen im räumlichen Bereich von Vogelschutzgebie-
ten so gut wie ausgeschlossen. Der Schutzzweck von Vogelschutzgebieten kann aber
auch für Bauleitplanverfahren oder Einzelprojekte außerhalb dieser Gebiete Bedeutung
gewinnen, wenn Plan oder Projekt geeignet sind, den Schutzzweck des Vogelschutzge-
biets einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Plänen oder Projekten erheblich zu
beeinträchtigen. Das kann vor allem bei „Trittsteingebieten“ oder durch „Fernwirkun-
gen“ der Fall sein. Trittsteingebiete sind solche Flächen, die für den An- und Abflug
oder als Zwischenlandeplätze für Vogelschutzgebiete von Bedeutung sind. Mit „Fern-
wirkungen“ sind z. B. Emissionen aus Baugebieten gemeint, die sich bis in Vogelschutz-
gebiete hinein negativ auswirken können. Derartige Tatbestände führen gemäß § 7
FFH-Richtlinie zur Anwendung der Verfahrensregelungen des § 6 FFH-Richtlinie bzw.
Art. 4 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie.159
Diese Verfahrensregelungen wurden z. B. der Umgehungsstraße von Bensersiel in der
Gemeinde Esens zum „Verhängnis“. Diese heute gebaute, aber für den Verkehr ge-
sperrte Straße liegt, wie am Ende das Bundesverwaltungsgericht bestätigte,160 in einem
so genannten „faktischen Vogelschutzgebiet“. Auch nach mehrmaliger Aufforderung
der EU-Kommission hatte es das Land Niedersachsen bis 2006 „versäumt“, das Gebiet
in vollem Umfang zu melden, obwohl die Voraussetzungen hierfür unstreitig vorlagen.
c) Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung. Die Umweltprüfung wurde zunächst als
projektbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung durch das „Gesetz zur Umsetzung
der Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öf-
fentlichen und privaten Vorhaben“ vom 25.6.2005161, das sog. UVP-Gesetz bzw.
UVPG, in die Bauleitplanung hineingetragen. Das UVPG ist am 24. Februar 2010162
neu gefasst worden; zuletzt wurde es durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. September
2017163 geändert. Das UVP-Gesetz wurde wie das Baugesetzbuch im Jahr 2017 gleich
mehrfach novelliert. Die Änderung aufgrund von Artikel 1 des Gesetzes zur Moderni-
sierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017164 hat zu
einer Umstellung und Neustrukturierung geführt. Die jüngste Änderung aufgrund von
159 Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die
Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. EU L 20/7 vom 20.1.2010).
160 Vgl. auch im Folgenden BVerwG, U. v. 27.3.2014 – 4 CN 3.13 –, UPR 2014, 345.
161 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar
2010 (BGBl. I S. 94) mit nachfolgenden Änderungen.
162 BGBl. I S. 94.
163 BGBl. I S. 3370.
164 BGBl. I S. 2808.
127
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Artikel 12 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen
Wirkung ionisierender Strahlung vom 27. Juni 2017165 ist am 1. Januar 2019 in Kraft
getreten.
Das UVPG ordnet an, dass bestimmte – in einer Liste im Anhang zu diesem Gesetz
mehr oder weniger eindeutig definierte – Vorhaben der Industrie, des Straßenbaus
und ähnliche Großvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterworfen
werden müssen. Die kürzeste Definition der Projekt-UVP lautet: Erfassen, Bewerten,
Berücksichtigen von Umweltauswirkungen des Projekts im Rahmen der Entscheidung
über dessen Zulässigkeit. Etwas ausführlicher lautet sie: Die UVP dient der Vermei-
dung, der Verhinderung, der Minderung oder dem Ausgleich schädlicher Umweltaus-
wirkungen von Maßnahmen. Sie ist ein Teil der Entscheidungsvorbereitung und be-
zieht sich sowohl auf das „Wie“ als auch auf das „Ob“ der Maßnahmen. Sie ist
ein staatlich geregeltes Verfahren mit bestimmten verfahrensmäßigen und inhaltlichen
Mindestelementen, nicht lediglich eine Studie oder ein Gutachten, der ein bereichs-
übergreifender, ganzheitlicher Ansatz zugrunde liegt.166
Die Verbindung zur Bauleitplanung wird durch § 50 UVPG (bis zur Novellierung auf-
grund Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 in § 17 geregelt) hergestellt. § 50 UVPG
schreibt vor, dass bei Bebauungsplänen, mit denen gezielt die Zulässigkeit von solchen
Vorhaben hergestellt wird, die nach der Anlage zum UVP-Gesetz einer UVP unterzo-
gen werden müssen, die UVP im Rahmen der Abwägung nach den Vorschriften des
BauGB als Umweltprüfung stattfinden muss. Das wichtigste Ergebnis der Umweltprü-
fung ist der Umweltbericht.
Der Umweltbericht wurde erstmals im Jahr 2001 mit dem damals neuen § 2a in das
BauGB eingeführt. Durch § 2a wurden die Kommunen zunächst nur verpflichtet, für
alle Bebauungspläne, mit denen die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen „Projekten“ be-
gründet wird, einen Umweltbericht in die Begründung des B-Plans aufzunehmen.
Mit dem EAG Bau ist dann auch die Plan-UP oder auch SUP (Strategische Umweltprü-
fung) in das BauGB eingefügt worden. Damit hat ein Richtungswechsel stattgefunden:
Ursprünglich war die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf be-
stimmte, in § 17 UVP-Gesetz und in der Anlage 1 zum UVP-Gesetz definierte Bebau-
ungspläne begrenzt. Nunmehr ist eine (im Rahmen der Abwägung vorzunehmende)
Umweltprüfung für alle Bauleitpläne – also auch für Flächennutzungspläne und für
alle Bebauungspläne – vorgeschrieben, es sei denn, der Plan wird im vereinfachten
Verfahren nach § 13 oder im beschleunigten Verfahren nach § 13a oder § 13b (einge-
führt mit Wirkung vom 13.5.2017) aufgestellt.
Demzufolge ist eine Umweltprüfung, abgesehen von den soeben genannten Fällen, für
alle Bauleitpläne vorgeschrieben. Allerdings kommt das beschleunigte Verfahren in der
Planungspraxis häufig zur Anwendung, sodass Bauleitpläne ohne Umweltprüfung
keine Ausnahmeerscheinung darstellen (zum beschleunigten Verfahren im Einzelnen
vgl. B.III.9). Die Umweltprüfung bezieht sich auf diejenigen Inhalte des Bauleitplans,
mit denen der Rahmen für umwelterhebliche Vorhaben gesetzt wird, sowie auf die
möglichen Auswirkungen der Verwirklichung des Bauleitplans auf europarechtliche
Schutzgebiete. Die Umweltprüfung hat sich – wie schon bisher die UVP – in einem
Umweltbericht niederzuschlagen, der dem Bauleitplan gemäß § 2a bereits im Aufstel-
lungsverfahren beizufügen ist. Der Umweltbericht bezieht sich auf alle Schutzgüter der
Natur einschließlich des Menschen sowie auf Kultur- und sonstige Sachgüter. Mit dem
EAG Bau 2004 ist die Umweltprüfung endgültig zu einem Verfahrensbestandteil der
Bauleitplanung geworden.
„Der Umweltbericht bildet einen gesonderten Teil der Begründung“ (§ 2a). Häufig
wird er als eigenständiger Abschnitt unmittelbar in den Begründungstext eingebunden.
128
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Handelt es sich bei dem Umweltbericht hingegen um ein sehr umfassendes Werk,
empfiehlt es sich, ihn als Teil II der Begründung hintanzustellen.
Das BauGB macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Umweltprüfung sich nur
auf das bezieht, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten
Prüfungsmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans ange-
messener Weise verlangt werden kann (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 3). Bei einer gestuften
Prüfung (F-Plan/B-Plan/Vorhabenzulassung) sollen die Ergebnisse der anderweitigen,
vorhergehenden oder auch nachfolgenden Prüfungen berücksichtigt werden. Der Be-
richt muss aber in sich vollständig sein. Nach § 214 Abs. 1 Nr. 4 ist eine Verletzung
von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht nur dann unbeachtlich, wenn der
Bericht als Bestandteil der Begründung nur in unwesentlichen Punkten unvollständig
ist.
Die für den Umweltbericht maßgebliche UVP-Richtlinie ist zuletzt durch die Richtlinie
2014/52/EU vom 16. April 2014167 novelliert worden. Geändert wurden auch die Vor-
gaben zu den Angaben für den UVP-Bericht in Anhang IV der UVP-Änderungsrichtli-
nie. Diese Vorgaben haben 2017 ihren Niederschlag in Anlage 1 zum BauGB gefun-
den. Nach der Novellierung ist die Grundstruktur der Anlage 1 gleich geblieben. Der
Umweltbericht soll danach (weiterhin) aus drei Hauptteilen bestehen, nämlich aus
einer Einleitung, einem zweiten Teil zur Beschreibung und Bewertung der Umweltaus-
wirkungen sowie einem Teil mit zusätzlichen Angaben. Die Anforderungen an Teil I
sind unverändert geblieben, während sich neue Anforderungen im letzten Teil III da-
rauf beschränken, dass auch eine Referenzliste all der Quellen in den Umweltbericht
aufzunehmen ist, die für die im Umweltbericht enthaltenen Beschreibungen und
Bewertungen herangezogen worden sind. Für das Herzstück des Umweltberichts, näm-
lich für Teil II, wartet der Gesetzgeber seit 2017 jedoch mit einem feingliedrig aufgelis-
teten Prüfprogramm auf. Der Anlage 1 zum BauGB zufolge ist Teil II des Umweltbe-
richts zunächst in folgende fünf Abschnitte zu untergliedern:
a) Eine Bestandsaufnahme des Umweltzustands, das sog. Basisszenario, und die Ein-
schätzung der Entwicklung bei Nichtdurchführung der Planung;
b) eine Prognose bei Durchführung der Planung;
c) die Maßnahmen zur Vermeidung, Verhinderung, Verringerung und zum Ausgleich
nachteiliger Auswirkungen;
d) die anderweitigen Planungsmöglichkeiten sowie
e) bei Aufstellung, Änderung oder Ergänzung eines B-Plans die nachteiligen Auswir-
kungen, die aufgrund der Anfälligkeit der zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle
oder Katastrophen zu erwarten sind.
Vor allem das mit dem Buchstaben b) verbundene Untersuchungsprogramm ist mit
großem Untersuchungsaufwand verbunden; denn die Prognose soll sich, jedenfalls so-
weit dies noch angemessen ist, auf die erheblichen Auswirkungen der geplanten Vorha-
ben und ihrer Umsetzung während der Bauphase und während der Betriebsphase be-
ziehen. Dabei sind die Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 a) bis i) abzuarbeiten. Dabei ist
auf die Auswirkungen auf die Schutzgüter wie z. B. Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden und
Wasser, auf die Erhaltungsziele und die Schutzzwecke der Natura 2000-Gebiete, auf
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie auf
die Bevölkerung insgesamt einzugehen. Ferner werden Ausführungen hinsichtlich der
Möglichkeit zur Vermeidung von Emissionen, zum Einsatz erneuerbarer Energien und
zur Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität erwartet. In Analogie zum Anhang IV
der UVP-Änderungsrichtlinie soll die auf die einzelnen Belange bezogene Prognose der
Umweltauswirkungen hinsichtlich unterschiedlicher möglicher Einflussfaktoren erfol-
gen. Diese Einflussfaktoren können sein:
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
– Der Bau und das Vorhandensein der geplanten Vorhaben, soweit relevant ein-
schließlich Abrissarbeiten,
– die Nutzung der natürlichen Ressourcen, insbesondere Flächen, Boden, Wasser,
Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt, wobei soweit möglich die nachhaltige Ver-
fügbarkeit dieser Ressourcen zu berücksichtigen ist,
– die Art und Menge an Emissionen von Schadstoffen, Lärm, Erschütterungen,
Licht, Wärme und Strahlung sowie der Verursachung von Belästigungen,
– die Art und Menge der erzeugten Abfälle und ihrer Beseitigung und Verwertung,
– die Risiken für die menschliche Gesundheit, das kulturelle Erbe oder die Umwelt
(zum Beispiel durch Unfälle oder Katastrophen),
– die Kumulierung mit den Auswirkungen von Vorhaben benachbarter Plangebiete
unter Berücksichtigung etwaiger bestehender Umweltprobleme in Bezug auf mögli-
cherweise betroffene Gebiete mit spezieller Umweltrelevanz oder auf die Nutzung
von natürlichen Ressourcen,
– die Auswirkungen des Vorhabens auf das Klima (zum Beispiel Art und Ausmaß
der Treibhausgasemissionen) und der Anfälligkeit des Vorhabens gegenüber den
Folgen des Klimawandels sowie
– die eingesetzten Techniken und Stoffe.
Damit die Beschreibung der Umweltauswirkungen vollständig in der gesamten Band-
breite erfolgt, schließt Nr. 2b der Anlage 1 zum BauGB mit einer Liste möglicher
Merkmale von Auswirkungen ab (direkt, indirekt, sekundär, kumulativ, grenzüber-
schreitend, kurzfristig, mittelfristig, langfristig, ständig, vorübergehend sowie positiv
und negativ). Diese sind als Stichwörter zu verstehen, auf die einzugehen ist, soweit
sich dazu relevante Aussagen treffen lassen. Neu seit der BauGB-Novelle vom 4. Mai
2017 ist mit Buchstabe 2e) die Pflicht zu prüfen, inwieweit bei Aufstellung, Änderung
oder Ergänzung eines Bebauungsplans eine Anfälligkeit der zulässigen Vorhaben hin-
sichtlich schwerer Unfälle oder Katastrophen besteht. Dabei sind die Ausführungen
nicht allein auf denkbare Unfälle im Zusammenhang mit Seveso-III-Betrieben zu be-
schränken, sondern auf mögliche schwere Unfälle und Katastrophen aller im Städte-
bau denkbaren Art zu beziehen.
Auch wenn sich dies aus Anlage 1 zum BauGB nicht unmittelbar ergibt, sind auch die
ergänzenden Vorschriften des BauGB zum Umweltschutz im Rahmen des Umweltbe-
richts zu behandeln. Zentraler Bestandteil ist dabei die Abarbeitung der naturschutz-
rechtlichen Eingriffsregelung. Doch auch die mit der Bodenschutzklausel und Umwid-
mungssperrklausel (beide in § 1a Abs. 2) sowie mit der Klimaschutzklausel (§ 1a
Abs. 5) verbundenen Umweltbelange müssen im Umweltbericht abwägend behandelt
werden. Dies ergibt sich nicht aus der Anlage 1 zum BauGB, sondern aus § 2 Abs. 4
Satz 1 BauGB.
Angesichts dieser neuen Fülle an nunmehr „verbrieften“ Prüfposten ist die in § 2
Abs. 4 Satz 2 normierte Festlegung von Umfang und Detaillierungsgrad der Umwelt-
prüfung von sehr großer Bedeutung. Die Gemeinde entscheidet selbst – im Ergebnis
eines Scopings oder einer schriftlichen Abfrage von Umweltbehörden im Rahmen der
Beteiligung nach § 4 Abs. 1 – in dem ihr zustehenden Ermessen darüber, in welcher
Untersuchungstiefe und in welchem Detaillierungsgrad die Ermittlung der Umweltbe-
lange für die Abwägung erforderlich ist. Sie darf die Prüfaspekte ausscheiden, die sich
nicht nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden
mit angemessenem Aufwand ermitteln lassen. Die Festlegung der Gemeinde muss in
nachvollziehbarer Art und Weise aktenkundig gemacht werden. Dazu bieten sich auch
Ausführungen im Umweltbericht an. Befolgt die Gemeinde dieses Vorgehen, wird sich
der Vorwurf der Unvollständigkeit des Umweltberichts in einem Rechtsstreit kaum
durchsetzen können.
130
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
168 Vgl. hierzu z. B. Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Klimaschutz in Kommunen – Praxisleitfaden,
Berlin 2011.
169 Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden
(Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519) mit nachfolgenden Änderun-
gen.
131
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
170 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658) mit nachfolgenden Ände-
rungen.
171 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2074) mit nachfolgenden Änderungen.
172 Vgl. hierzu auch die Auswahl klimaschutzorientierter Festsetzungsmöglichkeiten in Kap. B.V.1.
132
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173 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 24.6.2005 – 1 S 1674/04 –, VBlBW 2006, 20–23; VGH Bayern,
U. v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 –, Jurion RS 41553 (auf einer Anhöhe positionierter Windkraftanlage
können denkmalpflegerische Belange – hier Blickbeziehung zu einem Schloss – entgegenstehen).
174 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Baulandbericht, Bonn (Bad Godes-
berg) 1983, S. 19.
175 Ebd.
176 Ebd., S. 5.
177 Vgl. hierzu u. a.: Die Bundesregierung (Hrsg.): Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine
nachhaltige Entwicklung, Berlin 2002.
133
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
rücksichtigung von Stellungnahmen, die nicht fristgerecht abgegeben worden sind so-
wie der Hinweis auf den Verzicht zur Durchführung einer Umweltprüfung. Die Hin-
weispflicht auf die Präklusionsregelung in § 3 Abs. 2 ist im Jahr 2017 entfallen (auch
§ 47 Abs. 2a VwGO wurde gestrichen181). Hinter der Streichung steht das Urteil des
EuGH vom 15.10.2015182 zu einem von der Europäischen Kommission gegen die
Bundesrepublik Deutschland geführten Vertragsverletzungsverfahren zur Umweltver-
träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten.
Das vereinfachte Verfahren entbindet nicht von der Pflicht zu einer erneuten Beteiligung,
wenn der Entwurf des Bebauungsplans nach der (ersten) Beteiligung geändert wird.183
9. Das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung und zur
Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren
Das zum 1.1.2007 eingeführte beschleunigte Verfahren, das seitdem für Bebauungs-
pläne der Innenentwicklung angewendet werden kann, stellte den Kern der BauGB-
Novelle 2006 dar und ging zurück auf Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und SPD vom November 2005. Ausdrückliches Ziel war die Verminderung
der Flächeninanspruchnahme und die Beschleunigung wichtiger Planungsvorhaben in
den Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastrukturausstattung. Im Mittel-
punkt des Gesetzes steht die beschleunigte Durchführung von Bebauungsplanverfah-
ren der Innenentwicklung, die eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme durch
eine verstärkte Inanspruchnahme vorhandener Innenentwicklungspotenziale, wie die
Wiedernutzung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahme der Innenent-
wicklung, bewirken sollen.184
Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung
von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung im
beschleunigten Verfahren aufgestellt werden (qualitative Voraussetzung: Maßnahme
der Innenentwicklung). Damit wird an die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 Satz 1
angeknüpft.185 Zudem darf der Bebauungsplan bestimmte Schwellenwerte (zulässige
Grundfläche, zulässige Versiegelung) in der Größe nicht überschreiten (quantitative
Voraussetzung). Außenbereichsflächen, die jenseits der äußeren Grenzen eines Sied-
lungsbereichs liegen, dürfen nicht in einen Bebauungsplan der Innenentwicklung ein-
bezogen werden.186 Nach der Auffassung des VGH Baden Württemberg können mit
einem Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1
BauGB aber auch unbebaute Flächen, deren Überbauung sich bislang nach § 35
BauGB richtete, jedenfalls dann entwickelt werden, wenn sie auf allen Seiten von Be-
bauung umgeben und damit dem Siedlungsbereich zuzurechnen und von diesem ge-
prägt sind oder wenn sie Teil einer solchen Fläche sind.187
Bei der Vorschrift des § 13a handelt es sich um eine „Kann-Vorschrift“, d. h. der
Plangeber kann, wenn die gesetzlich geforderten Anwendungsvoraussetzungen erfüllt
sind, einen Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren aufstel-
len (zu den Anwendungsvoraussetzungen des beschleunigten Verfahrens im Einzelnen
vgl. Kapitel B.V.8 und Bild 37).
181 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
182 EuGH, U. v. 15.10.2015 – C-137/14 –, JurionRS 2015, 28245.
183 So ausdrücklich Bayerischer VGH, U. v. 12.2.2004 – 1 N 02.406 –, ZfBR 2004, 569.
184 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/2496, S. 1.
185 Ebenda, S. 12.
186 Vgl. BVerwG, U. v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 –, ZfBR 2016, 260–263 (Gemeinde Zickhusen).
187 So VGH Baden-Württemberg, U. v. 30.10.2014 – 8 S 940/12 –, BauR 2015, 783. Höchstrichterlich ist
diese Frage noch nicht entschieden (zum Begriff „Außenbereich im Innenbereich“ vgl. BVerwG, B. v.
15.9.2005 – 4 BN 37.05 –, BauR 2006, 348–349).
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
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Bild 23: Anzeige zur erneuten öffentlichen Auslegung nach § 4a Abs. 3 BauGB
Die Aufstellung von B-Plänen der Innenentwicklung mit einer zulässigen Grundfläche
von weniger als 20.000 m² hat der Gesetzgeber zudem dadurch erleichtert, dass Ein-
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
griffe in Natur und Landschaft „als im Sinne des § 1a Absatz 3 Satz 5 vor der planeri-
schen Entscheidung erfolgt oder zulässig“ gelten (vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 4). Das bedeu-
tet, dass entgegen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Eingriffe in Folge der
B-Planaufstellung nicht ausgeglichen werden müssen. Dieser Freifahrtschein befreit
jedoch nicht von der Beachtung des Vermeidungs- und Minimierungsgebotes. Auch
die artenschutzrechtlichen Bestimmungen werden selbstverständlich nicht ausgehebelt,
sodass im beschleunigten Verfahren im Falle des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (zulässige
Grundfläche von weniger als 20.000 m²) die Belange von Umwelt und Natur nicht
vollständig ausgeblendet werden dürfen. Bei der zulässigen Grundfläche sind nur sol-
che im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO zu berücksichtigen. Die Grundfläche von
Nebenanlagen i. S. d. § 14 BauNVO oder von Garagen und Stellplätzen mit ihren Zu-
fahrten auf den Grundstücken oder von baulichen Anlagen unterhalb der Gelände-
oberfläche, die nach § 19 Abs. 4 BauNVO bei der Ermittlung der Grundflächen mitzu-
rechnen sind, sind demnach nicht auf die Grundfläche anzurechnen, auf die in § 13a
abgestellt wird. Dafür müssen aber Grundflächen von benachbarten Bebauungsplänen
mitgerechnet werden, wenn sie in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang stehen. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Gemeinden
nach dem Salamitaktik-Prinzip ein großes Plangebiet in mehrere Teile mit dem Ziel
aufsplitten, B-Pläne mit einer Grundfläche von jeweils weniger als 20.000 m² aufstel-
len zu können.
Die im Verfahren nach § 13a durch die Rechtsprechung des BVerwG als unzulässig
bewertete Einbeziehung von Außenbereichsflächen am Siedlungsrand ist mit der Ein-
führung des Plans nach § 13b mit Wirkung vom 13.5.2017 ausdrücklich möglich –
solange das Verfahren rechtzeitig eingeleitet und bis zum 31.12.2021 abgeschlossen
worden ist (vgl. hierzu ausführlich Kap. B.V.9).
10. Der Auslagebeschluss und die öffentliche Auslage
Wenn das Stadtplanungsamt (oder das private Planungsbüro, das als „Dritter“ im
Sinne des § 4b im Auftrag der Gemeinde den Planentwurf herstellt) das Kunststück
der Zusammenstellung aller Abwägungsargumente und ihrer richtigen Gewichtung
vollbracht zu haben meint, wird der Planentwurf in vielen Fällen der Gemeindevertre-
tung zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob er nun den Bürgern in fertig gezeichneter
Form vorgestellt werden soll. Der angestrebte Beschluss heißt „Auslage-“ oder „Ausle-
gungsbeschluss“ – er ist bundesrechtlich nicht vorgeschrieben“. An ihn schließt sich
das Verfahren der förmlichen Auslage für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch
für die Dauer von 30 Tagen an. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muss die Ausle-
gungsdauer angemessen verlängert werden. Zu den wichtigen Gründen gehören insbe-
sondere besonders komplexe Planwerke und -verfahren, die sich gerade von einem
Laien nicht so leicht erschließen lassen. Auch ein Zeitraum, der mit Feier- und/oder
Ferientagen zusammenfällt, kann die Gemeinde zu einer verlängerten Auslegungsfrist
veranlassen. Die Gemeinde sollte bei der Prüfung der Auslegungsdauer also Sorgfalt
walten lassen; denn eine grundlos unterlassene angemessene Verlängerung bei Vorlie-
gen eines wichtigen Grundes gehört zu den beachtlichen Fehlern gemäß § 214 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. d). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muss verlängert werden. Wenn
die Gemeinde meint, es liege kein Grund zur Verlängerung vor, muss sie diese An-
nahme nachvollziehbar begründen und dokumentieren. Nur dann bleibt ein solcher
Fehler unbeachtlich. Es bedarf also einer bewussten Entscheidung der Gemeinde, auf
einen angemessen längeren Auslegungszeitraum zu verzichten, der sich nachvollzieh-
bar begründen lässt. Die Gemeinde sollte die Gründe für die Entscheidung aktenkun-
dig machen, um sie im Streitfall parat zu haben – diese Gründe müssen aber nicht in
die Begründung zum Bebauungsplan aufgenommen werden.
Auch hinsichtlich der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung wurden über
§ 4a Abs. 4 im Jahr 2017 Neuerungen eingeführt: Aus der Empfehlung („Bei der Öf-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bau-
leitplan unberücksichtigt bleiben können.
Zu den Inhalten der Bekanntmachung gehören auch Angaben darüber, welche „Ar-
ten“ umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Zu den Arten umweltbezogener
Informationen gehören neben dem im Regelverfahren obligatorischen Umweltbericht
Hinweise über vorliegende Umweltgutachten sowie über vorliegende umweltbezogene
Stellungnahmen (am besten unter Angabe der Behörde und des Umweltbezugs). Nach
den Vorschriften über die Planerhaltung (vgl. hierzu Kapitel B.XVII.4) ist für die Wirk-
samkeit des Bebauungsplans jedoch unbeachtlich, wenn (nur) einzelne Angaben dazu,
welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben (vgl.
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 Alternative 2).195 Die relevanten Themen müssen
aber vollständig erfasst sein.196
Nach der Rechtsprechung haben sich folgende Anforderungen hierzu herauskristalli-
siert:
– Der Begriff der „umweltbezogenen Stellungnahme“ ist im Sinne der „Öffentlich-
keitsbeteiligungsrichtlinie“197 weit auszulegen198;
– eine ausnahmslose Auflistung aller eingegangenen Stellungnahmen ist nicht erfor-
derlich, weil das Gesetz nur Angaben zu den „Arten“ umweltbezogener Stellung-
nahmen fordert199;
– vielmehr sind alle umweltbezogenen Stellungnahmen (z. B. von Behörden, Fachgut-
achtern oder vom Träger des Projekts) mit Angabe ihrer Themen zusammenzufas-
sen und öffentlich bekannt zu machen; der bloße Hinweis auf ein artenschutzrecht-
liches Gutachten und den Umweltbericht reicht nicht aus, weil diesen Angaben
keine themenbezogene Kurzcharakteristik zu entnehmen ist200;
– auch lapidare Verweise auf den Umweltbericht, den Grünordnungsplan oder Stel-
lungnahmen des Landkreises201 reichen nicht aus, weil nicht davon auszugehen
ist, dass die Öffentlichkeit weiß, dass dieser alle umweltrelevanten Informationen
enthält;
– die Gemeinde hat nach Ansicht des Bayerischen VGH202 und des BVerwG203 kein
Recht, bei der Bekanntmachung aus den ihr vorliegenden umweltbezogenen Stel-
lungnahmen eine Auswahl zu treffen (obwohl nach § 3 Abs. 2 Satz 1 bei der Ausle-
gung nur Planentwurf und Begründung und die „nach Einschätzung der Gemeinde
wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen“ öffentlich
auszulegen sind;
– umweltbezogene Stellungnahmen, die erst nach dem Beschluss des Gemeinderats
der Begründung beigefügt werden, sind ebenfalls mit auszulegen.204
195 Z. B. ein fehlender Hinweis zu den wasserwirtschaftlichen Auswirkungen eines Bebauungsplans, vgl.
Bayerischer VGH, U. v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713, 1 N 07.2917, 1 N 07.2963 –, juris.
196 OVG Lüneburg, U. v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 –, BeckRS, 149376.
197 Vgl. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156/17, sog. „Öffentlichkeitsbe-
teiligungsrichtlinie“).
198 Er kann z. B. auch ein von der Gemeinde eingeholtes Gutachten über einen boden-mechanischen Stand-
sicherheitsnachweis für ein Bebauungsplangebiet im Uferbereich eines gefluteten Tagebaurestlochs mit
einer bergrechtlichen Bauwarnung umfassen (Sächsisches OVG, U. v. 20.3.2012 – 1 C 21/10 –, BauR
2012, 1747–1750).
199 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.6.2010 – 5 S 884/09 –, BRS 76 Nr. 14, BauR 2011, 80.
200 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 12.6.2012 – 8 S 1337/10 –, DVBl 2012, 1177–1181.
201 So Niedersächsisches OVG, U. v. 4.11.2015 – 1 KN 199/13 –, BauR 2016, 624–626.
202 Vgl. Bayerischer VGH, U. v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713, 1 N 07.2917, 1 N 07.2963 –, juris.
203 BVerwG, U. v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 –, JurionRS, 42808 (das Bekanntmachungserfordernis erstrecke
sich dabei auch auf solche Arten umweltbezogener Informationen, die in Stellungnahmen enthalten
sind); bestätigt durch BVerwG, U. v. 11.9.2014 – 4 CN 1.14, ZfBR 2015, 159.
204 Sächsisches OVG, U. v. 20.3.2012 – 1 C 21/10 –, BauR 2012, 1747–1750.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Für die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung fordert die Rechtsprechung ins-
besondere eine Kurzcharakterisierung der vorhandenen Informationen, die mehr ist
als eine bloße Aufzählung der Schutzgüter – Mensch, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser,
Luft, Klima, Stadt- und Landschaftsbild –, zu denen Informationen vorhanden sind.
Die Auflistung aller nach § 3 Abs. 2 Satz 1 auszulegenden Stellungnahmen erfordert
der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 dabei aber gerade nicht.205 Notwendig und unab-
dingbar ist lediglich, dass alle in den bisher eingegangenen Gutachten und Stellungnah-
men angesprochenen Themen, wenn sie relevant sind, erfasst werden und dass sich
die erforderliche „Anstoßwirkung“ ergibt, die den Bürger in die Lage versetzt oder
ihn ermuntert, sich über den Plan zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen
beizutragen, meint ausdrücklich das OVG Lüneburg.206 Um den Anforderungen
des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu genügen, bedarf es nach der Auffassung des OVG
Rheinland-Pfalz aber – neben einer themenbezogenen Kurzcharakterisierung des In-
halts – auch Angaben zu der Art des Dokuments, das zu dem bezeichneten Thema
jeweils verfügbar ist (z. B. „Behördenstellungnahme“, „Fachgutachten“, „Stellung-
nahme aus der Öffentlichkeit“, jeweils unter Nennung des Namens oder der Bezeich-
nung des Urhebers).207 Erforderlich ist also beides: Eine Kurzcharakteristik der The-
men und die Angabe der Herkunft der Informationen hierzu.
Mit dem Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vor-
schriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017208 ist außerdem
die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a VwGO (a. F.),209 nach der ein Antrag auf
Normenkontrolle zu einem Bebauungsplan unzulässig war, wenn mit ihm nur Einwen-
dungen geltend gemacht wurden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung
nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden
können, fortgefallen, um vor allem den uneingeschränkten Zugang zu den Gerichten
in umweltrechtlichen Fragen zu gewährleisten. Dementsprechend wurde durch Art. 6
des genannten Gesetzes im Baugesetzbuch der Verweis in § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter
Halbsatz auf diese Regelung gestrichen. Seit 2.6.2017 ist ein Normenkontrollantrag
gegen einen Bebauungsplan also auch dann wieder zulässig, wenn sich der (private)
Antragsteller eben nicht im Rahmen der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 geäu-
ßert hat. Dementsprechend ist auch die Heilungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c) hierzu entfallen.210 Diese entspricht im Übrigen der rechtlichen Lage, wie
sie bis zur BauGB-Novelle 2007 entsprach. In jedem Fall ist sehr wichtig, dass bei
der Bekanntmachung der bevorstehenden Auslegung das Plangebiet hinreichend genau
bezeichnet wird, damit die betroffenen Bürger sich auch wirklich angesprochen fühlen
und ihre Beteiligungsmöglichkeiten wahrnehmen. Nach dem BVerwG211 reicht es aus,
wenn das Plangebiet mit einem vorhandenen und geläufigen geographischen Namen
bezeichnet wird, auch wenn es mit dem durch diesen Namen bezeichneten Gebiet
nicht vollständig identisch ist. Gibt es keine ortsübliche Bezeichnung, kann das Plange-
biet anhand von Straßen, Bauwerken, Flurnamen oder ähnlichem umschrieben wer-
den. Die Aufzählung der Flurnummern ist zwar exakt, erfüllt jedoch die sog. Anstoß-
205 Vgl. auch die Hinweise der Fachkommission Städtebau zur Angabe der Arten umweltbezogener Infor-
mationen in der Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vom 2. Oktober 2014, verfügbar:
https://www.bauministerkonferenz.de/verzeichnis.aspx?id=993&o=759O986O993 (Zugriff:
16.12.2017)
206 OVG Lüneburg, U. v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 –, BeckRS, 149376, Rn. 34.
207 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.6.2017 – 8 C 10068/17 –, ZfBR 2017, 808.
208 BGBl. I S. 1298 vom 1.6.2017.
209 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
210 Was handwerklich allerdings erst mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung vom 20.7.2017 (BGBl. I S. 2808) umgesetzt wurde.
211 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, NJW 1985, 1570.
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funktion nicht und ist deshalb nicht ausreichend. Die Auslagefrist nach den früheren
Fassungen des BauGB/BBauG von einem Monat durfte keinesfalls unterschritten wer-
den. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) hat im Jahr
1977 sogar entschieden, dass eine auf die regulären Sprechzeiten der öffentlichen Ver-
waltung beschränkte Möglichkeit der Einsichtnahme während der Auslagefrist nicht
genüge.212 (Im Beispielsfall waren es 26,5 Stunden – keine Sprechstunden am Freitag-
nachmittag). Dieses Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen ist seinerzeit vielfach kriti-
siert worden. Das Bundesverwaltungsgericht213 hat später die Entscheidung getroffen,
dass die Bereitstellung während der Zeiten für den Publikumsverkehr genüge, wenn
sie nicht allzu gering seien. 33 Stunden in der Woche reichten offensichtlich aus. Aus
der Tatsache, dass solche und ähnliche Einzelfragen von den obersten Bundesgerich-
ten214 entschieden werden mussten, ist zu erkennen, welche hohe Aufmerksamkeit
diesen Verfahrensvorschriften gewidmet werden muss und wie strikt sie einzuhalten
sind. Das ist auch inhaltlich verständlich. Denn die öffentliche Auslage ist die letzte
Gelegenheit für die Bürger, den Plan vor seiner endgültigen Verabschiedung im Rat
noch zu beeinflussen. Der Plan leidet an einem Form- oder Verfahrensfehler, wenn bei
der Ankündigung oder Abwicklung der förmlichen Auslage etwas falsch gemacht
wird. Es reicht z. B., wenn in der Ankündigung der Auslage eine falsche Adresse zur
Einsichtnahme angegeben wird oder wenn die Auslage versehentlich um einen Tag zu
früh abgebrochen wird. Da einem derartige Fehler recht leicht unterlaufen können,
enthält das Baugesetzbuch dazu in den §§ 214, 215 die vorsorgliche Regelung, dass
Form- und Verfahrensfehler dieser Art binnen eines Jahres nach der Schlussbekannt-
machung des Plans bei der Gemeinde (nicht nur gegenüber dem Gericht!) schriftlich
gerügt werden müssen.215 Anderenfalls dürfen die Fehler vom Gericht in einem Streit
über die Wirksamkeit des Plans nicht mehr beachtet werden. Die Berücksichtigung
von Fehlern bei der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung ist den Gerichten sogar von
vornherein verwehrt. Nicht durch Zeitablauf heilbar sind nur:
– eine fehlende oder unwirksame Beschlussfassung,
– eine fehlende Genehmigung bei genehmigungsbedürftigen Plänen und
– solche Fehler bei der Schlussbekanntmachung, die diese letzte Bekanntmachung
tatsächlich unwirksam gemacht haben, indem der mit der Bekanntmachung ver-
bundene Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Derartige Fehler können – ebenso wie Fehler der Abwägung mit Einfluss auf das
Abwägungsergebnis – allenfalls in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4
behoben werden.
Bei einer (nach Überarbeitung der Planung erforderlichen) erneuten Auslegung kann
gemäß § 4a Abs. 3 bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten
und ergänzten Teilen vorgebracht werden können. Werden durch die Änderung oder
Ergänzung des Entwurfs eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt,
kann gemäß § 4a Absatz 3 die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Ände-
rung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Träger öffentlicher
Belange beschränkt werden. Schließlich kann bei wiederholter Auslage die Dauer der
Auslegung nach § 4a Abs. 3 „angemessen verkürzt“ werden; bis zum Inkrafttreten des
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
EAG Bau 2004 war dies nur bis auf kürzestens zwei Wochen zulässig. Seit 2004 sind
auch noch kürzere Fristen denkbar. Fehler bei der Bemessung der vorgegebenen Fristen
zur Ankündigung und zur Auslegung sind grundsätzlich vor Gericht beachtlich216; sie
müssen aber binnen eines Jahres gerügt werden (§ 214 Abs. 1 Nr. 2, § 215).
Eine Änderung oder Ergänzung i. S. von § 4a Abs. 3 Satz 1 liegt vor, wenn Festsetzun-
gen eines Plans einen anderen Inhalt bekommen, also keine bloße Klarstellung oder
redaktionelle Anpassung erfolgt, sondern der materielle Regelungsgehalt verändert
wird,217 wie z. B. Änderungen von Festsetzungen zur Nutzungsart oder die Erhöhung
der Zahl der zu pflanzenden Bäume auf einem öffentlichen Parkplatz oder einer priva-
ten Stellplatzanlage.
Zu der Frage, ob der Umweltbericht in Folge einer Änderung oder Ergänzung nach
der Offenlegung gemeinsam mit den anderen Planunterlagen noch einmal gemäß § 4a
Abs. 3 Satz 1 ausgelegt werden muss, hat das BVerwG Folgendes entschieden:
„1. § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB verpflichtet die Gemeinde nicht zur erneuten Auslegung,
wenn nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB nicht der Entwurf
des Bebauungsplans selbst, sondern lediglich der Umweltbericht als Bestandteil der
Begründung des Bebauungsplan-Entwurfs geändert wird.
2. § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB steht jedenfalls dann mit Unionsrecht im Einklang, wenn
der geänderte Umweltbericht lediglich eine Neubewertung bereits vorhandener Sachin-
formationen enthält.“218
Das BVerwG begründete die Entscheidung damit, dass der Öffentlichkeitsbeteiligung
„der Zweck einer die Behörden unterstützenden ‚Sachverstandspartizipation‘ zuge-
messen“ wird. Sie soll auch den behördlichen Entscheidungsprozess hinsichtlich Um-
weltfragen optimieren und besser gestalten.219 Außerdem soll sie Vollzugsdefiziten im
Bereich des Umweltrechts entgegenwirken.220 Daraus lasse sich aber die Verpflichtung
zur erneuten öffentlichen Auslage nach einer Änderung des Umweltberichts jedenfalls
dann nicht ableiten, wenn der geänderte Bericht lediglich eine Neubewertung bereits
vorhandener Sachinformationen enthält, weil insoweit der Zweck der Sachverstands-
partizipation bereits im Rahmen der Erst-Auslegung erfüllt worden sei und die Öffent-
lichkeit die Möglichkeit hatte, sich zu den entscheidungserheblichen Umwelttatsachen
zu äußern. Unionsrecht verpflichte schließlich auch nicht zu einer mehrfachen Beteili-
gung in Bezug auf die mit dem Plan verbundenen Umweltfragen. Auch nach Änderung
der UVP-RL aufgrund der RL 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16. April 2014 dürfte die Rechtsprechung Bestand haben, weil die Argumentation
des BVerwG auch nach der Änderung nicht in Frage gestellt wird. Mehr Vorsicht sollte
die planende Gemeinde jedoch dann walten lassen, wenn der Umweltbericht nach der
Auslage um neue Sachinformationen ergänzt wird, die Anstoß für die interessierte
Öffentlichkeit für eine kritische Stellungnahme hätten sein können.
Wird ein Bebauungsplan geändert oder ergänzt und wird in der Bekanntmachung
hierzu bestimmt, dass Stellungnahmen gemäß § 4a Abs. 3 nur zu den geänderten oder
ergänzten Teilen – und nicht mehr zum gesamten Plangebiet – abgegeben werden
können, braucht in der Bekanntmachung schließlich auch nur auf die Arten umweltbe-
zogener Informationen hingewiesen zu werden, die zu diesen geänderten oder ergänz-
ten Teilen des Planentwurfs verfügbar sind.221 Die ggf. vorliegenden umweltbezogenen
216 Vgl. BVerwG, B. v. 23.7.2003 – 4 BN 36.03 –, ZfBR 2004, 64 (es genügt, wenn durch eine verlängerte
Auslegungsfrist eine Unterschreitung der Ankündigungsfrist ausgeglichen wird).
217 Vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2010 – 4 BN 42.09 –, BRS 76 Nr. 50 = BauR 2010, 1554.
218 Vgl. BVerwG, U. v. 8.3.2017 – 4 CN 1.16 –, ZfBR 2017, 675.
219 Vgl. Erwägungsgrund 16 der RL 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
13.12.2011 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – UVP-RL, ABl. L 26
S. 1.
220 Vgl. BVerwG, U. v. 12.11.1997 – 11 A 49.96 –, BVerwGE 105, 348.
221 Vgl. BVerwG, U. v. 7.5.2014 – 4 CN 5.13 –, BauR 2014, 1736.
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222 Vgl. OVG Schleswig, U. v. 27.6.1995 – 1 K 9/94, BRS 57 Nr. 37; OVG Münster, U. v. 19.7.2013 – 10
D 107.11NE, BauR 2013, 1807.
223 BVerwG, B. v. 11.11.2002 – 4 BN 52.02 –, ZfBR 2003, 264.
224 Zur Zuständigkeit für den Auslagebeschluss vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 29.9.1981 – 10 C 21/
80 –, NVwZ 1982, 124; VGH Baden-Württemberg, B. v. 16.4.1970 – II 102/68 –, BRS 23 Nr. 14.
225 BVerwG, U. v. 3.2.1984 – 4 C 17.82 –, BVerwGE 68, 369 = ZfBR 1984, 142.
226 VGH Baden-Württemberg, U. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 –, UPR 1997, 196.
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Wenn sich das Planungsamt und ihm folgend der Gemeinderat durch Argumente, die
erst bei der Auslage im vollen Umfang zutage getreten sind, in wesentlichen Punkten
des Plankonzepts hat umstimmen lassen und der Plan daraufhin geändert wird, muss
er verständlicherweise erneut ausgelegt werden. In aller Regel muss der ganze Plan
neu ausgelegt werden. Anders ist es nur, wenn nach den tatsächlichen Umständen des
Einzelfalls vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass Änderungen des Plans
in einem Teilbereich den Inhalt des Plans im Übrigen Geltungsbereich verändern könn-
ten. Für diesen Fall braucht nur der betreffende Ausschnitt des Plans erneut ausgelegt
zu werden.227 Auf diese Weise kann es bis zu fünf oder mehr öffentlichen Auslagen
kommen. Das Baugesetzbuch enthält zu dieser wiederholten Auslage die Möglichkeit
zu Verfahrensvereinfachungen und -verkürzungen: Bei der wiederholten Auslage kön-
nen die Anregungen und Bedenken auf die geänderten Teile des Plans beschränkt wer-
den (§ 4a Abs. 3 Satz 2). Bei Veränderungen, von denen die Grundzüge der Planung
nicht berührt werden, kann von einer erneuten öffentlichen Auslage ganz abgesehen
werden; es genügt dann, wenn die betroffenen Bürger und die berührten Träger öffent-
licher Belange gezielt informiert werden (§ 4a Abs. 3 Satz 4). Aus der Möglichkeit,
in bestimmten Fällen von einer erneuten Auslage abzusehen und stattdessen nur die
Betroffenen zu benachrichtigen, ergibt sich auch, wann selbst von dieser Benachrichti-
gung abgesehen werden darf: Wenn nämlich die betreffenden geringfügigen (das sons-
tige Plangebiet nicht tangierenden) Änderungen auf dem einhelligen Vorschlag der
davon Betroffenen beruhen. Nicht erneut auslagebedürftig sind auch bloße Klarstel-
lungen von im Entwurf bereits enthaltenen Festsetzungen.228 In jedem Fall kann die
Dauer der erneuten öffentlichen Auslage und die Frist zur Stellungnahme nach § 4a
Abs. 3 „angemessen“229 verkürzt werden (die Frist darf in einfach gelagerten Fällen
auch kürzer als die üblichen zwei Wochen sein). Dabei sollte jedoch bedacht werden,
dass die Gefahr des Nichterkennens von abwägungserheblichen Belangen bei sehr kur-
zen Beteiligungszeiträumen steigt und dadurch das Abwägungsergebnis, also der B-
Plan selbst, fehlerhaft werden kann.
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Nicht im VwVfG erwähnt ist die Maßgabe. Unter einer Maßgabe ist eine Inhaltsbe-
stimmung des Verwaltungsakts zu verstehen. Sie legt im Einzelnen fest, wie der Ver-
waltungsakt zu verstehen ist. Maßgaben können nicht durch den Adressaten des Ver-
waltungsakts erfüllt werden – sie sind als der vom Absender = Urheber des
Verwaltungsakts einseitig gesetzte Inhalt seines Verwaltungsakts hinzunehmen. Wenn
der Adressat mit den Maßgaben nicht einverstanden ist, kann Rechtsschutz nur durch
Widerspruch und Verpflichtungsklage auf einen nicht durch Maßgaben interpretier-
ten, insoweit veränderten Verwaltungsakt erreicht werden.
Bei den Auflagen ist noch auf die in der Praxis nicht selten benutzte sog. „modifizie-
rende Auflage“ hinzuweisen. Dieser Begriff wurde vom BVerwG entwickelt und be-
zeichnet eine Nebenbestimmung, mit der dem Antragsteller eine andere Erlaubnis oder
Genehmigung angeboten wird als er sie beantragt hat (auch aufgedrängte Erlaubnis/
Genehmigung genannt).232 Sofern es sich um die Genehmigung eines Bauleitplans han-
delt, wird die modifizierende Auflage erst wirksam, nachdem der durch die Modifika-
tion abgewandelte Plan vom Beschlussorgan gebilligt wurde (sog. Beitrittsbeschluss).
Da der Plan durch die Modifikation verändert wird, muss vor dem Beitrittsbeschluss
regelmäßig eine erneute Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und Behörden nach
§ 4a BauGB stattfinden.
Der Begriff der modifizierenden Auflage wird in der Literatur weitgehend abgelehnt,
weil sich dahinter juristisch korrekt die Ablehnung der beantragten Genehmigung ver-
birgt, verbunden mit der Genehmigung des veränderten Plans unter der aufschieben-
den Bedingung, dass das Beschlussorgan der Modifikation nach ordnungsgemäßem
Verfahren beitritt.
Auflagen sind demnach nur solche Nebenbestimmungen, die vom Adressaten unab-
hängig vom Vollzug des Hauptverwaltungsakts erfüllt, notfalls vom Urheber der Auf-
lage durch Verwaltungszwang herbeigeführt werden können. Die Nichterfüllung einer
Auflage rechtfertigt gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG den Widerruf des Hauptakts,
wenn es unverhältnismäßig oder unzweckmäßig oder auch unmöglich wäre, die Erfül-
lung zu erzwingen.
Äußert sich die Genehmigungsbehörde nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist (und
beantragt sie keine Fristverlängerung bei der zuständigen übergeordneten Behörde),
so gilt die Genehmigung als erteilt. Die höhere Verwaltungsbehörde darf den ihr vorge-
legten Plan nur dann nicht genehmigen, wenn sie Form- oder Verfahrensfehler ent-
deckt oder wenn sie ihn für materiell rechtswidrig hält. Sie darf mit anderen Worten
nur eine Rechtskontrolle vornehmen, nicht aber sich in inhaltliche Fragen einmischen,
die nicht nach rechtlichen, sondern nach gestalterisch-planerischen Kriterien zu ent-
scheiden sind. Wenn die Genehmigung zu Unrecht verweigert wird (oder ungerechtfer-
tigte Beanstandungen geltend gemacht werden), kann die Gemeinde die Genehmigung
bzw. ihr Recht auf Inkraftsetzung des zu Unrecht beanstandeten Plans einklagen.233
Die Grenze ist oft schwer zu ziehen, insbesondere bei der Prüfung der Frage, ob die
Anforderungen des Abwägungsgebots eingehalten sind. Rechtskontrolle und Inhalts-
kontrolle liegen hier sehr dicht, nach Ansicht vieler Kommunen zu dicht beisammen.
Die häufigsten Beanstandungen der kommunalen Aufsichtsbehörden betrafen (bei Be-
bauungsplänen):
– die Entwicklung des Plans aus dem F-Plan;
– die Beachtung der Ziele der Raumordnung;
– Überschreitung oder falsche Anwendung der Festsetzungsmöglichkeiten des § 9
Abs. 1 und 4 i. V. m. der BauNVO;
232 BVerwG, U. v. 8.2.1974 – 4 C 73.72 –, BRS 28 Nr. 111 = BauR 1974, 261.
233 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, ZfBR 1991, 77 (Klage einer Gemeinde auf Genehmigung eines B-Plans);
Niedersächsisches OVG, 15.11.2001 – 1 OB 2961/01 –, ZfBR 2002, 283 (Klage auf Genehmigung der
Änderung eines F-Plans).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
erfolgen – denn nur ein ausgefertigter Plan kann ordnungsgemäß eingesehen wer-
den.237
Ein zusätzlicher Authentizitätsvermerk nach der öffentlichen Bekanntmachung ist je-
doch unschädlich.238 Wenn diese Urkunde verloren geht, ist der Plan nicht automa-
tisch unwirksam, sofern wenigstens noch Duplikate vorhanden sind. Es können sich
jedoch Beweisnachteile ergeben.
Die Ausfertigung hat die Aufgabe, mit öffentlicher Wirkung zu bezeugen, dass der
zeichnerische und textliche Inhalt des Plans mit dem Willen der Gemeindevertretung
übereinstimmt und die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet
sind. Die Ausfertigung kann ggf. schon vor der Abgabe des Plans zur Genehmigung
an die höhere Verwaltungsbehörde erfolgen; mit Rücksicht auf noch mögliche Ände-
rungen im Gefolge von Auflagen der Genehmigungsbehörde kann es aber zweckmäßig
sein, die Ausfertigung bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens zurückzustel-
len. Für diesen Fall kann sich die Ausfertigung auch auf die Tatsache der Genehmigung
beziehen.239 Die Ausfertigung muss auch selbst mit einem Datum versehen werden,
anderenfalls gilt sie als unwirksam.240
Bei Bebauungsplänen, die in aller Regel nur einen sehr kleinen Teil des Gemeindege-
biets betreffen, und bei Teilflächennutzungsplänen241, ist Voraussetzung für die Wirk-
samkeit der Bekanntmachung und damit für das Inkrafttreten des Plans insgesamt,
dass die Leser der Bekanntmachung hinreichend genau darüber informiert werden,
um welches Gebiet es sich handelt. Die Bekanntmachung der Genehmigung bzw. des
Satzungsbeschlusses hat zwar keine „Anstoßfunktion“ mehr für die Wahrnehmung
von Beteiligungsrechten, denn der Plan wird damit rechtsverbindlich. Die Bezeichnung
muss den Bürger aber in die Lage versetzen, bei der Gemeinde den richtigen Plan zu
finden. Die bloße Bezeichnung des Plans mit einer Nummer genügt dazu nicht.242 Die
Bekanntmachung, nach der „der Bebauungsplan Nr. 12/86 genehmigt und in Kraft
getreten ist“, wäre demnach allzu pauschal und folglich unwirksam.243 Im Übrigen
genügt es, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklä-
rung nach § 10a Abs. 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten, auf Verlangen über
den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo
der Bebauungsplan eingesehen werden kann.244 Die sog. zusammenfassende Erklä-
rung, die darüber Auskunft geben soll, wie die Umweltbelange und die Ergebnisse der
Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung im Bauleitplan berücksichtigt wurden und
warum der Plan im Ergebnis der Abwägung auch anderweitiger in Betracht kommen-
der Planungsmöglichkeiten gewählt wurde, ist sowohl dem B-Plan als auch dem F-
Plan beizufügen. Die Vorschriften dazu sind mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richt-
linie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in
237 Ausfertigung am Tag der Bekanntmachung ist (noch) möglich, vgl. BVerwG, B. v. 27.1.1999 – 4 B
129.98 –, ZfBR 1999, 159.
238 BVerwG, B. v. 27.10.1998 – 4 BN 46.98 –, ZfBR 1999, 45.
239 Vgl. BVerwG, B. v. 8.9.1988 – 4 NB 15.88 –, ZfBR 1988, 274 (275); VGH Baden-Württemberg, U. v.
18.4.1989, ZfBR 1989, 228; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 9.8.1989 – 10 C 36/88 –, BRS 49 Nr. 28;
BVerwG, B. v. 16.5.1991 – 4 NB 26.90 –, ZfBR 1991, 216; zur Zulässigkeit der Zusammenfassung
mehrerer Planänderungen in einer erneuten Ausfertigung vgl. BVerwG, B. v. 9.5.1996 – 4 B 60/96 –,
BauR 1996, 670.
240 So Niedersächsisches OVG, U. v. 9.9.2014 – 1 KN 215/12 –, in: BauR 2015, 61–65.
241 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 6.12.2017 – 7 D 100/15.NE –, BauR 2018, 468.
242 Niedersächsisches OVG, BauR 1976, 105; BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BauR 1978, 276;
BVerwG, B. v. 5.12.1988 – 4 B 182.88 –, ZfBR 1989, 79.
243 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, NJW 1985, 1570: Es genügt, wenn das Plangebiet mit einem
vorhandenen und geographisch geläufigen Namen bezeichnet wird; die Aufzählung der Flurstücknum-
mern genügt nicht. Die „Erteilung der Genehmigung“ muss bekanntgemacht werden, nicht etwa der
Wortlaut der Genehmigung: BVerwGE 75, 262.
244 BVerwG, B. v. 3.6.2010 – 4 BN 55.09 –, BauR 2010, 1733.
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der Stadt vom 4. Mai 2017 von § 6 in den § 6a (F-Plan) bzw. von § 10 in den § 10a
(B-Plan) verschoben worden. Neu ist, dass der in Kraft getretene Plan mit der Begrün-
dung und der zusammenfassenden Erklärung ergänzend auch in das Internet einge-
stellt und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich gemacht werden
soll. Im Unterschied zur Regelung in § 4a Abs. 4 handelt es sich hierbei lediglich um
eine „Soll“-Vorschrift.
Die Verpflichtung des Einstellens in das Internet (der Gemeinde) ist zu unterscheiden
von der zusätzlichen Bereitstellung der genannten Unterlagen über ein zentrales Inter-
netportal des Landes. Ersteres entspricht bereits der eingeübten Praxis vieler Gemein-
den. Die Einrichtung der zentralen Portale wurde im Gesetz zur Modernisierung des
Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 geregelt.245
Wird im Bebauungsplan z. B. auf DIN-Vorschriften verwiesen, ist das rechtsstaatliche
Publizitätsgebot gewahrt, wenn der Plangeber sicherstellt, dass die Planbetroffenen
sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich Kenntnis verschaffen können.246
Fest steht auch, dass ein nicht ordnungsgemäß bekanntgemachter Plan auch dann
nicht „kraft Gewohnheitsrecht“ wirksam wird, wenn er jahrelang von allen Beteiligten
als wirksam betrachtet worden ist. Nur eine Neuverkündung kann die originäre Un-
wirksamkeit beseitigen247; seit der Neufassung des § 214 Abs. 4 durch das EAG Bau
2004 auch mit Rückwirkung. (Umgekehrt ist aber das Außerkrafttreten eines wirksa-
men Plans durch Gewohnheitsrecht oder wegen „Funktionslosigkeit“ in Ausnahmefäl-
len möglich – siehe unten.)
Rechtlich nicht zulässig wäre es, wenn eine Gemeinde einen genehmigten bzw. rechts-
gültig beschlossenen Bebauungsplan nicht bekanntmachte, um ihn auf diese Weise
nicht wirksam werden zu lassen und dadurch einer Normenkontrollklage zu entzie-
hen.248 Der dadurch entstehende Schwebezustand wäre rechtsstaatlich nicht zu verant-
worten. Wer gegen einen als rechtswirksam bekanntgemachten Bauleitplan Einwen-
dungen erheben will, muss dies innerhalb bestimmter Fristen tun: Wenn er Form-
oder Verfahrensfehler geltend machen will, muss er diese Fehler binnen eines Jahres
schriftlich gegenüber der Gemeinde rügen – sonst werden die Fehler vor Gericht unbe-
achtlich. Die alleinige Rüge in einer Klageschrift an das Gericht genügt nicht! Durch
die Planerhaltungsvorschriften des Baugesetzbuchs soll zur Bestandskraft der Bauleit-
pläne und Satzungen nach dem BauGB beigetragen werden, und zwar nach Möglich-
keit, bevor es zu einem Prozess gekommen ist.
Das Monitoring – die Überwachung der Umweltauswirkungen – nach § 4c BauGB ist
mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und
zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 12. Mai 2017 um die
Überwachung von Ausgleichsfestsetzungen und -maßnahmen im Sinne des § 1a Ab-
satz 3 Satz 2 und Satz 4 erweitert worden. Nach der Anlage 1 (zu § 2 Absatz 4 und
den §§ 2a und 4c) zum BauGB werden diese auch unter Ziffer 3 – Sonstige Angaben,
Buchst. b – als Bestandteil des Umweltberichts genannt.
153
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gemacht worden sind. Nach der Fehlerbehebung kann sie die Satzung ohne vollstän-
dige Wiederholung des Verfahrens in Kraft setzen, und zwar auch mit Rückwirkung.
Bis zur Behebung der Mängel entfaltet die Satzung keine Rechtswirkungen.
Mit dem seit 1998 ausdrücklich eröffneten „ergänzenden Verfahren“ für Flächennut-
zungspläne und Satzungen nach dem BauGB wurde auf eine Möglichkeit zurückgegrif-
fen, die bei Planfeststellungsbeschlüssen schon zuvor eingeführt, erprobt und akzep-
tiert war, nämlich die Ergänzung eines Beschlusses um bestimmte, zunächst übersehene
oder zu Unrecht unterlassene Aspekte. Das klassische Beispiel für die Ergänzung eines
Planfeststellungsbeschlusses liegt in der Hinzufügung von Lärmschutzmaßnahmen
beim Neubau einer Straße, wie sie nicht selten nach einem streitigen Verfahren von
Anwohnern eingeklagt werden. In solchen Fällen ist es wenig sinnvoll, den ganzen
Planfeststellungsbeschluss aufzuheben; die Aufhebung hätte zur Folge, dass das ge-
samte Verfahren neu abgewickelt werden müsste; die Ergänzung kann in einem we-
sentlich kürzeren Verfahren nachgeholt werden. Die Regelung des § 214 Abs. 4 knüpft
hieran an und ersetzte 2004 die bisherige Vorschrift hierzu in § 215a.
Der Unterschied zu § 215a liegt darin, dass es sich bei Planfeststellungsbeschlüssen
um Verwaltungsakte handelt, die, anders als Satzungen und Rechtsverordnungen,
nicht dem sog. Nichtigkeitsdogma unterliegen. Verwaltungsakte können auch dann,
wenn sie Fehler aufweisen, in Bestandskraft erwachsen; daher muss es gleichsam erst
recht möglich sein, sie ohne Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit von Anfang an nach-
zubessern. Bei Satzungen wurde dies bislang anders gesehen: Satzungen konnten nach
bisher herrschender Dogmatik nur entweder wirksam oder nichtig sein.
Dieser Grundsatz wurde schon durch die Heilungsvorschriften der §§ 214, 215 a. F.
angetastet. Denn im Fall der unterlassenen Rüge wurde auch schon bisher eine eigent-
lich fehlerhafte Satzung nach Fristablauf als rechtswirksam anerkannt. Nun ist sowohl
im BauGB als auch in der VwGO einheitlich angeordnet, dass fehlerhafte Satzungen
nur „unwirksam“ (aber nicht „nichtig“) sind. Nur diese Folge wird vom Normenkon-
trollgericht ausgesprochen. Ist der Fehler behebbar, kann die Satzung nur bis zur Behe-
bung des Fehlers keine Rechtswirkungen entfalten; nach der Fehlerbehebung tritt sie
in Gänze in Kraft, möglicherweise mit Rückwirkung. Kann der Fehler nicht behoben
werden oder unterbleibt dies, bleibt die Satzung auf ewig unwirksam. Gemäß § 214
Abs. 1 Nr. 1 sind bei der Ermittlung der von der Planung berührten Belange Fehler
nur dann beachtlich, wenn abwägungserhebliche Belange „in wesentlichen Punkten“
nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der (dadurch eingetre-
tene) Mangel offensichtlich sowie auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen
ist. Durch diese Vorschrift ist der gesamte Vorgang des Ermittelns und des Bewertens
von Belangen zum Bestandteil des Abwägungsvorgangs gemacht worden. Die beiden
ersten Schritte des Abwägungsvorgangs (nämlich das Ermitteln und das Bewerten von
Belangen) sind damit vollständig erfasst; nicht erfasst ist im Rahmen des Abwägungs-
vorgangs nur das der Ermittlung und Bewertung folgende Einstellen der ermittelten
und bewerteten Belange in die Schlussabwägung. Mit diesem Rest des Abwägungsvor-
gangs befasst sich wiederum § 214 Abs. 3. Nach der Klarstellung, dass die in § 214
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 geregelten Gesichtspunkte nicht als Mängel der Abwägung geltend
gemacht werden können, wird hier angeordnet, dass auch übrige Mängel im Abwä-
gungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungser-
gebnis von Einfluss gewesen sind. Hier wird also der Rest des Abwägungsvorgangs
erfasst. Daraus folgt: Wenn wesentliche, richtig ermittelte und richtig bewertete Be-
lange nicht eingestellt werden, dann ist auch dies nur dann erheblich, wenn der da-
durch entstandene Mangel im Abwägungsvorgang offensichtlich und auf das Abwä-
gungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Nach der Rechtsprechung genügt es insoweit,
wenn der Mangel aus den Akten erkennbar – offensichtlich – und mit hinreichender
praktischer Wahrscheinlichkeit auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Dieser Tat-
154
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
bestand ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht,
dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre.249
Mit der BauGB-Novelle vom 4.5.2017250 sind die vormals als Fließtext auch für Ge-
übte nur schwer leserlichen Unbeachtlichkeitsvorschriften des § 214 Abs. 1 Nr. 2 re-
daktionell in die Buchstaben a) bis g) gegliedert und den Erfordernissen der Rechtsän-
derungen angepasst worden. Neu sind die Vorschriften der Buchstaben d) und e):
– Nur wenn die Gemeinde den Verzicht auf die Verlängerung der Auslegungsdauer
trotz gegebenen Anlasses nachvollziehbar begründen kann (und nur wenn die Ge-
meinde einen Beschluss zum Verzicht auf eine angemessen verlängerte Auslegung
gefasst und im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundig gemacht hat), bleibt der
Verzicht auf eine Verlängerung der Auslegung unbeachtlich (Buchst. d).
– Zum anderen ist es unbeachtlich, wenn bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1
der Inhalt der Bekanntmachung und die auszulegenden Unterlagen zwar in das
Internet eingestellt, aber nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugäng-
lich gemacht worden sind (Buchst. e).
Nach Streichung der Hinweispflicht auf die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a
VwGO in der Bekanntmachung zur öffentlichen Auslegung bei einem Bebauungsplan,
musste die darauf bezogene Unbeachtlichkeitsvorschrift – im BauGB i. d. F. vom
4.5.2017 zunächst noch enthalten – in den Planerhaltungsvorschriften entfallen. Für
den neuen Bebauungsplan nach § 13b zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in
das beschleunigte Verfahren greifen die gleichen Unbeachtlichkeitsregeln wie für den
Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a. Für Bebauungspläne, die im be-
schleunigten Verfahren nach § 13a und b aufgestellt werden, ist es nach § 214 Abs. 2a
unbeachtlich, wenn den Hinweispflichten des § 13a Abs. 3 (es fehlt z. B. der Hinweis
auf die unterlassene Umweltprüfung) nicht genüge getan wird.251 Bis zur BauGB-No-
velle 2013 war auch unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des
beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 Satz 1 unzutreffend beurteilt worden
sind. Damit konnten auch Pläne eine gerichtliche Kontrolle überstehen, die zu Unrecht
als Bebauungspläne der Innenentwicklung eingestuft worden waren, in Wirklichkeit
jedoch den Außenbereich betrafen. Dieser Passus in § 214 Abs. 2a ist 2013 wieder
gestrichen worden.
Beachtlich für Bebauungspläne nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b ist jedoch:
– eine nicht nachvollziehbare Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 (unbeachtlich ist hingegen die fehlende Beteiligung von einzelnen Behörden
oder sonstigen Trägern öffentlicher Belange an diesem Verfahren; gilt wegen des
Schwellenwerts von 10 000 m² aber nicht für § 13b);
– eine nicht nachvollziehbare Beurteilung der Ausschlussgründe nach § 13a Abs. 1
Satz 4 zum Erfordernis der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung;
– wenn nach § 13a Abs. 1 Satz 5 Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung
Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Un-
fällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
155
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Die Fristenregelung in § 215 Abs. 1 führt wiederum dazu, dass eine nach § 214 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 bis 3 und in Abs. 2 und 2a aufgeführte Verletzung von Vorschriften sowie
beachtliche Abwägungsmängel im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 innerhalb eines Jahres
seit Bekanntmachung des Plans schriftlich geltend gemacht werden muss. Nach dieser
Frist werden diese eigentlich beachtlichen Verletzungen und Mängel unbeachtlich. Es
muss also innerhalb von einem Jahr schriftlich gerügt werden, wenn nach Ansicht des
Beschwerdeführers
– abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt
oder nicht zutreffend bewertet worden sind;
– zutreffend ermittelte und bewertete Belangen nicht in die Abwägung eingestellt
worden sind;
– sachfremde oder zulässigerweise nicht berücksichtigungsfähige Belange in die Ab-
wägung eingestellt worden sind.
Zusätzlich muss glaubhaft gemacht werden, dass die gerügten Mängel offensichtlich
(d. h. aus den Akten erkennbar) und (mit hinreichender praktischer Wahrscheinlich-
keit) auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen sind.252
Von der gegebenenfalls nach einem rügefreien Jahr eintretenden Unbeachtlichkeit
nicht erfasst sind nur solche Fehler im Abwägungsvorgang, die zu einer groben Verzer-
rung des Abwägungsergebnisses geführt haben. Eine solche grobe Verzerrung liegt vor,
wenn bestimmte Belange zwar im Wesentlichen richtig ermittelt, bewertet und auch
in die Abwägung eingestellt worden sind, dann aber im Verhältnis zu anderen Belan-
gen in einer Art und Weise berücksichtigt worden sind, die zu ihrem objektiven Ge-
wicht außer Verhältnis gestanden hat. Eine grobe Verzerrung des Abwägungsergebnis-
ses ist in der Regel auch anzunehmen, wenn sachfremde oder von Rechts wegen nicht
berücksichtigungsfähige Belange in den Abwägungsvorgang eingebracht worden sind.
Derartige Mängel der Abwägung sind dauerhaft beachtlich; sie unterliegen keinerlei
Verfristung, so wie dies nach dem bis zum 20.7.2004 geltenden Recht mit der Sieben-
jahresfrist für die Geltendmachung von Mängeln der Abwägung der Fall gewesen ist.
Pläne, die von solchen Mängeln behaftet sind, können auch nicht durch Fehlerbehe-
bung mangelfrei gemacht und dann mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden, so wie
dies für Pläne mit Form- und Verfahrensfehlern der Fall ist.
Offen ist zur Zeit, ob die Ein-Jahresfrist für die Geltendmachung der Verletzung von
Vorschriften wegen des drohenden Verstoßes gegen europäisches Recht überhaupt er-
halten werden kann. Das BVerwG hat hierzu ein Revisionsverfahren ausgesetzt und
bei der Frage, ob Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU253 der Anwendung des § 215
BauGB entgegensteht und ob damit eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Be-
schränkung der Kontrolle von städtebaulichen Satzungen begründet ist, um Vorabent-
scheidung des EuGHs gebeten254. Bereits die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a
VwGO a. F. scheiterte vor dem EuGH, u. a. an Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU255
und wurde daraufhin wie erläutert vom Gesetzgeber aufgehoben.
Unbeschadet der Möglichkeit, Fehler zu beheben, bleibt es jedoch dabei, dass ein B-
Plan von einer Gemeinde bis zum Abschluss eines förmlichen Aufhebungsverfahrens
auch dann weiter angewendet werden muss, wenn die Gemeinde meint, einen Fehler
erkannt zu haben; das gilt sogar dann, wenn der Fehler (z. B. wegen eines bereits
252 In der Rüge sind die Mängel schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend zu machen. Dabei ist der
Sachverhalt, der den Mangel begründen soll, darzulegen. Damit verlangt das Gesetz Substantiierung
und Konkretisierung (BVerwG, B. v. 19.1.2012 – 4 BN 35.11 –, BauR 2013, 55).
253 Richtline 2011/92/EU des europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. der Europäi-
schen Union, L 26).
254 vgl. BVerwG, B. v. 14.3.2017, Az. 4 CN 3.16, ZfBR 2017, 468 (OVG Lüneburg).
255 vgl. EuGH, U. v. 15.10.2015 – C-137/14, EnWZ 2016, 78 (Vertragsverletzungsverfahren gegen die
Bundesrepublik Deutschland).
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
256 Vgl. dazu den Fall BVerwG, U. v. 31.1.2001 – 6 CN 2.00 –, ZfBR 2001, 342.
257 Vgl. BVerwG, U. v. 22.12.1989 – 4 NB 32.89 –, UPR 1997, 102 (kein Anspruch auf Fortsetzung eines
begonnenen Planaufstellungsverfahrens oder auf Behebung von Verfahrens- und Formfehlern).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
lage; nur die Bekanntmachung muss wiederholt werden.258 Dies gilt auch, soweit es
sich lediglich um Form- und Verfahrensfehler handelt, denn es wird nur ein formell
fehlerhafter durch einen inhaltsgleichen fehlerfreien Plan ersetzt.259
Eine rückwirkende Inkraftsetzung nach dieser Maxime ist jedoch ausgeschlossen,
wenn das Abwägungsergebnis wegen nachträglicher Ereignisse nicht mehr haltbar
ist.260
14. Änderung, Aufhebung und Außerkrafttreten von Bauleitplänen
§ 1 Abs. 8 ordnet lapidar an, dass „die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Auf-
stellung von Bauleitplänen auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung gel-
ten“. Einige Besonderheiten sind dennoch festzuhalten; sie beziehen sich vor allem auf
die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens nach § 13 sowie auf die Anwendbar-
keit des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a.
a) Änderungen und Ergänzungen im vereinfachten und im beschleunigten Verfahren.
Wie oben im Rahmen der Vorschriften zur Umweltprüfung in der Bauleitplanung be-
reits dargestellt wurde, können Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans nur dann
im vereinfachten Verfahren vorgenommen werden, wenn feststeht, dass die betreffende
Planergänzung oder -änderung keinen Anlass für eine Umweltprüfung enthält. Weder
UVP-pflichtige Projekte noch FFH- oder Vogelschutzgebiete dürfen von der Planergän-
zung oder -änderung betroffen sein, noch dürfen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes
vom 4.5.2017261 Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur
Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50
Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind. Wenn durch die beab-
sichtigte Änderung oder Ergänzung die Grundzüge der Planung nicht berührt werden,
kann von der frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit und der Behörden (§ 3
Abs. 1 und § 4 Abs. 1) ganz abgesehen werden. Die öffentliche Auslegung nach § 3
Abs. 2 und die Beteiligung der Behörden nach § 4 Abs. 2 kann außerdem wahlweise
auf den Kreis der von der Planung „betroffenen“ Öffentlichkeit und „berührten“ Be-
hörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden. Die Durchfüh-
rung einer „normalen“ öffentlichen Auslegung empfiehlt sich in allen Fällen, in denen
die Betroffenen nicht eindeutig identifiziert werden können. Die Genehmigungsbedürf-
tigkeit der Änderung oder Ergänzung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der
§§ 6 und 10. F-Plan-Änderungen müssen stets genehmigt werden; B-Plan-Änderungen
bedürfen dann der Genehmigung, wenn sie nicht aus dem F-Plan entwickelt sind.
Insofern lohnt sich zu überprüfen, ob im Falle einer Planänderung oder -ergänzung
nicht besser auf das beschleunigte Verfahren mit den gleichen Erleichterungen zurück-
gegriffen werden sollte. Denn im beschleunigten Verfahren bedarf es selbst dann nicht
einer Genehmigung, wenn der B-Plan nicht aus dem F-Plan entwickelt ist. Stattdessen
darf der F-Plan im Wege der Berichtigung angepasst werden.
In allen Fällen kann das vereinfachte Verfahren auch dazu benutzt werden, einen ge-
richtlich oder außergerichtlich erkannten Rechtsfehler eines Bebauungsplans auch au-
ßerhalb der Fehlerbehebung nach § 214 Abs. 4 zu „heilen“, indem die als fehlerhaft
erkannten räumlichen oder sachlichen Teile des Plans korrigiert, im korrekten – ergän-
zenden – Verfahren neu beschlossen und (u. U. mit Rückwirkung) in Kraft gesetzt
werden. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist selbstverständlich,
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
dass es sich um solche Teile des Plans handelt, von denen die Grundzüge der Planung
nicht berührt werden.262
Gemäß § 13a Abs. 4 gelten die Vorschriften über den Bebauungsplan der Innenent-
wicklung auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen, welche die
Anwendungsvoraussetzungen des § 13a Abs. 1 erfüllen, d. h. ein ergänzendes Verfah-
ren nach § 214 Abs. 4 kann auch nach den Vorschriften des § 13a Abs. 1 bis 3 im
beschleunigten Verfahren durchgeführt werden.
b) Aufhebung von Bebauungsplänen im vormaligen Geltungsbereich älterer Pläne:
Lebt der alte Plan wieder auf? Nach dem oben Gesagten erfolgt die Aufhebung von
B-Plänen im gleichen Verfahren wie eine Neuaufstellung. In der Regel wird das Nor-
malverfahren mit zweistufiger Beteiligung und Umweltprüfung zur Anwendung kom-
men, soweit sich die Planaufhebung nicht als „andere Maßnahme der Innenentwick-
lung“ im Sinne des § 13a interpretieren lässt. Das vereinfachte Verfahren steht
aufgrund seiner Anwendungsvoraussetzungen nicht zur Debatte. Isolierte Aufhebun-
gen sind relativ selten; dessen ungeachtet kann die ersatzlose Aufhebung nach der
Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen ein legitimes Planungsziel sein, setzt aber
hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe und eine ordnungsgemäße Abwägung
voraus.263 Weitaus häufiger ist die Ersetzung eines alten, überholten Plans durch einen
neuen Plan oder eine so grundlegende Überarbeitung des alten Plans, dass sie einem
neuen Plan gleichkommt. Probleme können entstehen, wenn sich im weiteren Verlauf
herausstellt, dass der neue Plan aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam
ist. Lebt der „alte“ Plan dann wieder auf? Oder fällt das Gebiet damit in den Status
„unbeplant“, weil der neue Plan unwirksam und der alte Plan nicht mehr vorhanden
ist?
Das BVerwG hat die Rechtsfrage wie folgt beantwortet: Wenn ein neuer Plan erlassen
wird, verliert der alte Plan ohne weiteres seine Wirksamkeit, weil der gewohnheits-
rechtlich anerkannte Satz gilt, dass die spätere Norm die frühere verdrängt. Auf den
Willen der Gemeinde kommt es insoweit nicht an. Ist der neue Plan unwirksam, so
konnte er als Verdrängungsfaktor nicht wirksam werden; der alte Plan lebt wieder
auf, er gilt also unbeeinträchtigt fort.
Falls eine Gemeinde diesen Regelfall nicht wünscht, muss sie in dem Beschluss über
den neuen Plan ihren ausdrücklichen Willen zum Ausdruck bringen, dass der alte Plan
aufgehoben sein soll, und zwar auch für den Fall, dass der neue Plan sich als endgültig
unwirksam herausstellen sollte. Dieser Aufhebungsbeschluss muss dann auch als iso-
lierte Aufhebung den Abwägungsgrundsätzen des § 1 genügen.264
c) Planverwerfungskompetenz der Gemeinde. Lange Zeit höchst kontrovers diskutiert
wurde die bereits erwähnte Frage einer „Planverwerfungskompetenz“ der Gemeinden:
Soll den Gemeinden neben der kraft Gesetzes vorhandenen Möglichkeit, unzeitgemäße
B-Pläne im normalen, d. h. dem Planaufstellungsverfahren grundsätzlich gleichen Ver-
fahren aufzuheben, auch die Befugnis eingeräumt werden, bestimmte B-Pläne in einem
vereinfachten Verfahren oder sogar durch einmaligen Beschluss als ungültig zu verwer-
fen?
Diese Verwerfungskompetenz sollte sich nach dem Vorschlag ihrer Befürworter auf
die Pläne beziehen, die sich aufgrund nachträglicher Erkenntnisse als rechtsfehlerhaft
erweisen und die damit „eigentlich“ ohnehin unwirksam sind. Wenn ein Rechtsfehler
nachträglich erkannt, der betreffende Plan aber (noch) nicht von einem Gericht für
unwirksam erklärt worden ist, dann besteht nicht selten ein höchst unangenehmer
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Schwebezustand für die Gemeinde und für die Betroffenen. Häufig ist man jahrelang
von der Wirksamkeit des Plans ausgegangen. Plötzlich wird – z. B. in einem Rechts-
streit über einen anderen Plan aus der gleichen Zeit oder aus einer anderen Gemeinde
– vor Gericht ein (Form-)Fehler aufgedeckt, der unzweifelhaft oder mit gewisser Wahr-
scheinlichkeit auch diesem Plan anhaftet. Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der Pra-
xis: Der zuständige Verwaltungsgerichtshof fordert unerwartet, aber mit Geltung auch
für die Vergangenheit, dass das Original jedes B-Plans vor seiner Bekanntmachung mit
zwei Unterschriften „ausgefertigt“, d. h. vom (Ober-)Bürgermeister und vom Vorsit-
zenden des Gemeinderats, unterschrieben und gesiegelt sein muss. Was geschieht mit
den vielen Plänen, die so nicht „ausgefertigt“ worden sind? Soll man sie deswegen
nicht mehr anwenden, auch wenn die Bürger weiterhin von der Geltung ausgehen?
Wie könnte man sie umgekehrt unauffällig loswerden, wenn sie sich auch materiell
inzwischen überlebt haben? Muss man dazu – um Klarheit zu schaffen – ein vollständi-
ges Aufhebungsverfahren abwickeln?
Im juristischen Schrifttum265 sind dazu mehrere Lösungsvorschläge gemacht worden.
Sie reichen von der Rücknahme der Genehmigung des Plans durch die Aufsichtsbe-
hörde über einen klarstellenden einmaligen Beschluss der Gemeindevertretung, dass
der betreffende Plan unwirksam sei, bis zu der Feststellung, dass die ganze Diskussion
zu einem solchen Stichwort „inadäquat“ sei, weil es eine „Verwerfungskompetenz“
dieser Art für die Gemeinden gar nicht geben könne.266
Ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.1986267 hat der wis-
senschaftlichen Diskussion zur Verwerfungskompetenz praktisch ein Ende bereitet.
Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
1. Die höhere Verwaltungsbehörde als Plangenehmigungsbehörde ist nicht befugt, die
Nichtigkeit (seit dem BauROG 1998 spricht man von „Unwirksamkeit“) eines von
ihr als ungültig erkannten Bebauungsplans verbindlich festzustellen. Ebenso wenig
kann sie die rechtswidrig erteilte, inzwischen aber gemäß § 10 (das Urteil bezog
sich noch auf die Regelung des § 12 BBauG) bekanntgemachte Genehmigung des
damit in Kraft getretenen Bebauungsplans zurücknehmen.
2. Auch ein als ungültig erkannter Bebauungsplan ist – abgesehen von der gerichtli-
chen Nichtigkeitserklärung (heute endgültige Erklärung der Unwirksamkeit) im
Normenkontrollverfahren – in dem für die Aufhebung von Bebauungsplänen gel-
tenden Verfahren aufzuheben, um damit den Anschein der Rechtsgeltung zu besei-
tigen. Beruht die Ungültigkeit des Plans auf einem Verfahrens- oder Formfehler,
hat die Gemeinde darüber zu entscheiden, ob sie den Plan, statt ihn aufzuheben,
unter Behebung des Fehlers und Wiederholung des nachfolgenden Verfahrens rück-
wirkend in Kraft setzt.268
Dementsprechend hat auch der Gesetzgeber nach wie vor keine Verwerfungskompe-
tenz im Baugesetzbuch vorgesehen – weder für die Gemeinden noch für andere, vom
Plan betroffene Behörden. Allerdings hat er sich bemüht, die „Heilungsvorschriften“
durch Hinzufügung des oben geschilderten Grundsatzes der Planerhaltung so auszudif-
ferenzieren, dass auch nach Aufdeckung von Fehlern alle brauchbaren Teile eines Plans
erhalten werden können. Bei Form- und Verfahrensfehlern tritt schon seit 1976 nach
rügelosem Ablauf eines Jahres – eine zwischenzeitliche Verlängerung der Frist auf zwei
265 Vgl. z. B. Gierke, Hans-Georg: Die Behandlung rechtswidriger Bebauungspläne, in: ZfBR 1985, 14 ff.,
62 ff.; Mutius, Albert von/Hill, Hermann: Die Behandlung fehlerhafter Bebauungspläne, 1983; Jung,
Doris: Gemeindliche Verwerfungsbefugnis bei rechtsverbindlichen Bebauungsplänen außerhalb § 2
Abs. 6 BBauG, in: NVwZ 1985, 790 ff.; Jade, Henning: Die „Aufhebung“ nichtiger Bebauungspläne,
in: BayVBl. 1988, 5.
266 Weyreuther, Felix: Das Bundesbaurecht in den Jahren 1980, 1981 und 1982, in: DÖV 1983, 575 (580).
267 BVerwG, U. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 –, BauR 1987, 171.
268 BVerwG, U. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 –, ZfBR 1987, 96; ebenso BGH, B. v. 20.12.1990 – 3 ZR 179/
89 –, ZfBR 1991, 77 = JurionRS 1990, 15488.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Jahre ist 2007 wieder zurückgenommen worden – seit der (wirksamen) Bekanntma-
chung des Plans gleichsam automatisch eine Heilung ein. Alle Form- und Verfahrens-
fehler (außer einer fehlenden Beschlussfassung des Gemeinderats und fehlender Geneh-
migung sowie Fehlern bei der Schlussbekanntmachung) können danach vom Gericht
nicht mehr aufgegriffen werden, es sei denn, sie wären zuvor fristgemäß schriftlich
gegenüber der Gemeinde gerügt worden. Seit dem EAG Bau 2004 werden auch Fehler
beim Abwägungsvorgang, soweit sie nicht zu einer unvertretbaren Verzerrung des Ab-
wägungsergebnisses geführt haben, zu den heilungsfähigen Verfahrensfehlern gerech-
net (vgl. § 215 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 214 Abs. 3 Satz 2).
d) Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit. Neben der Möglichkeit, einen Bebau-
ungsplan im ordentlichen Verfahren aufzuheben, gibt es – nach der Verneinung einer
Planverwerfungskompetenz der Gemeinde – nur noch zwei Möglichkeiten des Außer-
krafttretens:
– die Aufhebung durch Gewohnheitsrecht (die sehr selten ist, weil sie langjährige
Nichtanwendung und allgemeine Überzeugung voraussetzt, dass der betreffende
Plan nicht mehr rechtsgültig sei)269 und
– das Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit.
Nach der Rechtsprechung tritt ein Bebauungsplan ganz oder teilweise wegen Funkti-
onslosigkeit außer Kraft, wenn die tatsächliche Entwicklung in dem von dem Plan
oder der strittigen Festsetzung betroffenen Gebiet einen Zustand erreicht hat, der eine
Verwirklichung der Planfestsetzungen auf Dauer ausschließt und die Erkennbarkeit
dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der jedem Vertrauen in den Plan seine Schutz-
würdigkeit nimmt.270 Auch das Fehlen der für die Realisierung der Planung benötigten
Finanzmittel kann ein tatsächliches Hindernis sein, das der Verwirklichung der Pla-
nung auf unabsehbare Zeit entgegensteht und damit zu seiner Funktionslosigkeit füh-
ren kann.271 Ebenfalls zur Funktionslosigkeit führt die Festsetzung eines Kleinsied-
lungsgebiets nach § 2 BauNVO, wenn im betroffenen Gebiet auf absehbare Zeit nicht
mehr mit einer Rückkehr zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, die auf dem
Grundstück gewonnen werden, zu rechnen ist und sich die Bewohner erkennbar auf
diesen Zustand eingestellt haben.272 Dagegen genügt es keinesfalls, dass die plange-
bende Gemeinde oder eine andere öffentliche Stelle den Plan zunächst nicht umsetzt,
sondern einfach liegen lässt; auch eine anderweitig dokumentierte Änderung des Pla-
nungskonzepts der Gemeinde reicht nicht aus.273 Ebenfalls nicht zur Funktionslosig-
keit führt der bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines B-Plans.274 Eine
nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 getroffene Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche „Postdienstge-
bäude“ für die ehemalige Deutsche Bundespost ist im Zuge der Postreform und der
Privatisierung der Post nicht funktionslos geworden.275 Es ist vielmehr nach wie vor
zulässig, eine Gemeinbedarfsfläche für die Grundversorgung mit Postdienstleistungen
festzusetzen.276
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283 Gesetz über den Wegfall von Genehmigungen, Anzeigen oder Zustimmungen nach dem Baugesetzbuch
vom 7.7.1987 (Brem. GBl. S. 215).
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288 Vgl. Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt und zu weiteren Änderungen des
Baugesetzbuchs (BauGBÄndG 2017 – Mustererlass), beschlossen von der Fachkommission Städtebau
am 28. September 2017, 5.
289 Vgl. KOM (2006) 231 vom 22. September 2006.
290 ABl. EU L 124 vom 25. April 2014.
291 So auch die beispielhafte Aufzählung der Schutzgüter und der Art ihrer Betroffenheit im UVPG An-
lage 4 Ziff. 4 Buchst. b (BGBl. I S. 3370).
292 Vgl. BR-Drs. 806/16 vom 30.12.2016, 31.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Nach der Regelung waren die Belange des Hochwasserschutzes schon bislang bei der
Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen, d. h. mit ihrer jeweils konkret nach
Planungsanlass, Planungsziel und örtlichen Gegebenheiten zu gewichtenden Bedeu-
tung in die Abwägung einzustellen295. Mit der Ergänzung von § 1 Abs. 6 Nr. 12 wird
klargestellt, dass von diesem Abwägungserfordernis auch die Vermeidung und Verrin-
gerung von Hochwasserschäden erfasst werden. Die Ergänzung steht im Zusammen-
hang mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes, das aufgrund des Art. 1 des
Hochwasserschutzgesetzes II vom 30. Juni 2017 (BGBl I S 2193) und mit Wirkung
vom 5. Januar 2018 geändert wurde. Von Relevanz sind in diesem Zusammenhang
vor allem der geänderte § 78 WHG sowie die neu eingeführten §§ 78a bis 78d WHG.
g) Flüchtlinge und Asylbegehrende und ihre Unterbringung als neuer Belang der Bau-
leitplanung (§ 1 Abs. 6 Nr. 13). In der neuen Nr. 13 von § 1 Abs. 6 werden die Belange
von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung namentlich genannt
(in Kraft seit 26.11.2014).
Nach den Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge war bereits im Sep-
tember 2014 von bis zu 200.000 nach Deutschland kommenden Flüchtlingen auszuge-
hen, deren Unterbringung vor allem angesichts angespannter Wohnungsmärkte in den
Ballungszentren ein Problem darstellte.
Mit der Aufnahme der Belange von Flüchtlingen und Asylbegehrenden und ihrer Un-
terbringung in den Katalog der insbesondere bei der Bauleitplanung zu berücksichti-
genden Belange will der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Belangen von Flüchtlingen,
Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und insbesondere deren Unterbringung bei der
Bauleitplanung verstärkt Rechnung getragen wird, z. B. bei der Feststellung des Planer-
fordernisses nach § 1 Abs. 3296. Hiermit im Zusammenhang stehen die weiteren Ände-
rungen zur Zulässigkeit von Vorhaben, die die erleichterte Zulassung von Flüchtlings-
unterkünften in Gewerbegebieten, die Erweiterung der Ausnahmetatbestände des § 34
Abs. 3a sowie der Begünstigungstatbestände des § 35 Abs. 4 zum Gegenstand haben
(vgl. hierzu Kap. VIII. 4–6).
h) Modifizierung der Auslegungsfrist von einem Monat (§ 3 Abs. 2). In § 3 Abs. 2
wird die Auslegungsfrist von einem Monat zunächst bei einem Fristbeginn im Monat
Februar auf die Dauer von mindestens 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen
Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist, bestimmt (in Kraft mit
Wirkung vom 13.5.2017 bis einschließlich 28.7.2017). In der Folge wird eine Min-
destfrist von 30 Tagen unabhängig vom Zeitpunkt des Fristbeginns bestimmt, die die
zwischenzeitliche Regelung wieder ersetzt (in Kraft seit 29.7.2017).
Die Neuregelung ist ebenfalls europarechtlich intendiert; Regelfall soll aber nach der
neuen Formulierung von § 3 Abs. 2, „für die Dauer eines Monats, mindestens aber
30 Tage“, die Monatsfrist bleiben. Bedeutung erlangt die Neuregelung also bei einem
Fristbeginn im Monat Februar oder am 30./31. Januar, denn gemäß § 188 Abs. 2 BGB
endet eine so genannte Ablauffrist nach § 187 Abs. 2 BGB – um eine solche Frist
handelt es sich bei der Monatsfrist der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 – mit
dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem
Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist
entspricht.
Hintergrund ist die Neufassung von Artikel 6 Abs. 7 der UVP-Richtlinie, der für den
Umweltbericht erstmals europaweit eine 30-Tage-Frist als Mindestbeteiligungszeit-
raum für die Öffentlichkeit fordert.
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297 BGBl. I S. 1298 vom 1. Juni 2017, in Kraft getreten zum 2. Juni 2017.
298 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
299 Was handwerklich allerdings erst mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) umgesetzt wurde.
300 Vgl. z. B. NVwZ 2015, 1665.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
chung auf diese Folgewirkung hingewiesen wurde – so die neue Vorschrift des § 3
Abs. 3. Die Passage in der Bekanntmachung liest sich dann streng nach Vorschrift wie
folgt: „Vereinigungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes
sind in einem Rechtsbehelfsverfahren nach § 7 Abs. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgeset-
zes gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit allen Einwendun-
gen ausgeschlossen, die sie im Rahmen der Auslegungsfrist nicht oder nicht rechtzeitig
geltend gemacht haben, aber hätte geltend machen können.“ Als Laie wird man mit
dem Hinweis, der vor Kettenverweisen nur so strotzt, nichts anfangen können. Die
angesprochenen Umweltvereinigungen werden sich hingegen angesprochen fühlen.
Eine Übersetzung des Passus‘ in eine allgemeinverständliche Sprache wäre mit der
Gefahr verbunden, ungenau zu werden und die Präklusionswirkung zu verlieren.
k) Modifizierung der Frist zur Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentli-
cher Belange (§ 4 Abs. 2). Analog zur Änderung in § 3 Abs. 2 (s. Buchst. h) wird die
Frist zur Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange in § 4
Abs. 2 von einem Monat zunächst bei einem Fristbeginn im Monat Februar auf die
Dauer von mindestens 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die
Dauer einer angemessenen längeren Frist, bestimmt (in Kraft mit Wirkung vom
13.5.2017 bis einschließlich 28.7.2017). In der Folge wird eine Mindestfrist von
30 Tagen unabhängig vom Zeitpunkt des Fristbeginns bestimmt, die die zwischenzeit-
liche Regelung wieder ersetzt (in Kraft seit 29.7.2017).
Nunmehr gilt unabhängig vom Beteiligungsmonat eine Mindestfrist von 30 Tagen.
Hält eine Behörde diese Frist nicht ein und äußert sich verspätet, greift die Vorschrift
des § 4a Abs. 6, nach der nicht rechtzeitig abgegebene Stellungnahmen bei der Be-
schlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können, sofern die Ge-
meinde deren Inhalt nicht kannte und nicht hätte kennen müssen und deren Inhalt für
die Rechtmäßigkeit des Bauleitplans nicht von Bedeutung ist.
Ist der Inhalt einer verspätet abgegebenen Stellungnahme für die Rechtmäßigkeit eines
Bebauungsplans aber von Bedeutung, darf sie also nicht unberücksichtigt bleiben, egal
wie stark verspätet sie abgegeben wurde.
l) Neue Anforderungen an die Nutzung des Internets (§ 4a Abs. 4). Nach dem neu
gefassten § 4a Abs. 4 sind der Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung und die auszu-
legenden Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 zusätzlich in das Internet einzustel-
len und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen (in Kraft
seit 13.5.2017).
Die bislang freiwillige Nutzung des Internets wird durch die Neufassung des § 4a
Abs. 4 Satz 1 nunmehr verbindlich geregelt. Nach dem Mustereinführungserlass ist
der Verpflichtung zur Einstellung in das Internet genügt, wenn die auszulegenden Un-
terlagen, etwa über das Internetportal der Gemeinde, für die Öffentlichkeit auffindbar
und abrufbar sind. Die Gemeinde sollte in geeigneter Weise dokumentieren, dass die
Unterlagen über das Internet auffindbar und abrufbar waren. Hierfür kommen auch
technische Möglichkeiten, z. B. Screenshots, in Betracht301. Ob der Ausdruck eines
einzigen Screenshots der Internetseite genügt, um ein ordnungsgemäßes Vorgehen
während eines mindestens 30 Tage währenden Zeitraums zu belegen, lässt sich an-
zweifeln. Auch wenn sich aus § 4a Abs. 4 nichts Genaueres ergibt, wird man unterstel-
len müssen, dass dem Gesetzgeber daran liegt, dass der Internetauftritt die gesamte
Zeit der öffentlichen Auslegung über andauert und die Bekanntmachung bereits eine
Woche vor dem Start des Beteiligungszeitraums erfolgte. Um Unsicherheiten vorzubeu-
gen, empfehlen sich daher mindestens zwei bis drei Screenshots, einer unmittelbar mit
dem Erscheinen der Bekanntmachung im Internet, ein weiterer mit der Bereitstellung
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
der Plandokumente zum Beginn der Auslegungsfrist und ein dritter nach Ende der
Auslegungsfrist – jeweils versehen mit einem durch den Computer automatisch gene-
rierten Datum – ggf. mit einer automatisch generierten Uhrzeit.
Für die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unterbrei-
tet der Gesetzgeber den planenden Kommunen ebenfalls einen Vorschlag zur Optimie-
rung des Verwaltungsaufwands: Nach § 4a Abs. 4 Satz 2 können die Behördenstel-
lungnahmen eingeholt werden, indem diesen Ort und Dauer der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Absatz 2 sowie Internetadresse mitgeteilt werden, unter der der
Inhalt der Bekanntmachung und die Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 im Internet
eingesehen werden können. Diese Mitteilung darf auch elektronisch übermittelt wer-
den. In diesen Fällen hat die Gemeinde der Behörde oder einem sonstigen Träger
öffentlicher Belange auf Verlangen den Entwurf des Bauleitplans und der Begründung
aber zusätzlich auch in Papierform zu übermitteln.
m) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen als neue Überwachungs-
gegenstände (§ 4c). Durch den neuen Satz 2 in § 4c wird bestimmt, dass auch die
Durchführung von Darstellungen oder Festsetzungen nach § 1a Absatz 3 Satz 2 und
von Maßnahmen nach § 1a Absatz 3 Satz 4 Gegenstand der Überwachung sein muss
(in Kraft seit 13.5.2017).
Das Monitoring – die Überwachung der Umweltauswirkungen – nach § 4c wird mit
dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur
Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 12. Mai 2017302 um die Über-
wachung von Ausgleichsfestsetzungen und -maßnahmen im Sinne des § 1a Absatz 3
Satz 2 und Satz 4 erweitert. Nach der erweiterten Anlage 1 (zu § 2 Abs. 4 und den
§§ 2a und 4c, s. Buchst. t unten) werden diese auch unter Ziffer 3 – Sonstige Angaben,
Buchst. b – als Bestandteil des Umweltberichts genannt.
Nach Artikel 8a Abs. 4 Satz 2 der UVP-Richtlinie müssen die Art der zu überwachen-
den Parameter und die Dauer der Überwachung aber der Art, dem Standort und dem
Umfang des Projekts sowie dem Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt ange-
messen sein. Ein unverhältnismäßiger und/oder unbefristeter Prüfaufwand kann hie-
raus also gerade nicht abgeleitet werden; vielmehr kommt es auf die Planungssituation
im Einzelfall an.
n) Zusammenfassende Erklärung (§§ 6a Abs. 1 und 10a Abs. 1). In § 6 Abs. 5 wird
der Hinweis auf die dem Flächennutzungsplan beizufügende zusammenfassende Erklä-
rung (Satz 2) gestrichen und stattdessen auf den neuen § 6a Abs. 1 verwiesen. Analog
hierzu wird für den Bebauungsplan § 10 Abs. 4 gestrichen und unverändert in den
neuen § 10a Abs. 1 überführt (in Kraft seit 13.5.2017).
o) Einstellen in das Internet/zentrales Landesportal (§§ 6a Abs. 2 und 10a Abs. 2).
Der neue § 6a Abs. 2 enthält die Bestimmung, dass der wirksame Flächennutzungsplan
mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung ergänzend auch in das
Internet eingestellt und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich ge-
macht werden soll. Gleiches gilt nach dem neuen § 10a Abs. 2 für den Bebauungsplan
(in Kraft seit 13.5.2017).
Hintergrund der Regelung ist § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglich-
keitsprüfung,303 nach dem die Länder zentrale Internetprotale einzurichten haben, um
den Inhalt der Bekanntmachung der auszulegenden Unterlagen zur Öffentlichkeitsbe-
teiligung nach dem UVPG (§ 19 Abs. 1 und 2 UVPG) zugänglich zu machen. In das
Internet einzustellen sind nach Abs. 2 der Vorschriften des § 6a bzw. des § 10a der
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
304 BGBl. I S. 1057 vom 12. Mai 2017, in Kraft getreten zum 13. Mai 2017.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
e) bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1 der Inhalt der Bekanntmachung und die
auszulegenden Unterlagen zwar in das Internet eingestellt, aber nicht über das
zentrale Internetportal des Landes zugänglich sind,
f) bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Um-
weltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g) bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung
der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind.
Die Buchst. a und b der mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im
Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai
2017305 neu gegliederten Vorschrift werden redaktionell unverändert aus Halbsatz 2
des BauGB a. F. übernommen. Buchst. c wird später wieder gestrichen (s. Punkt r).
Buchst. d betrifft den Fall, dass trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes – etwa eines
besonders komplexen Planungsverfahrens – keine angemessene Verlängerung der Aus-
legungsfrist vorgesehen wird. Dies ist unbeachtlich, soweit die Begründung für die
Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist. Buchst. e
erklärt den nicht gegebenen Zugang über ein zentrales Landesportal bei Anwendung
des § 4a Abs. 4 Satz 1 (Inhalt der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung und
auszulegende Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2) für unbeachtlich, wenn die
Angaben in das Internet eingestellt werden, z. B. über die Homepage der Gemeinde.
In den Buchst. f und g sowie in § 214 Abs. 2a werden teils redaktionelle, teils weitere
Anpassungen an die neue Rechtslage vorgenommen, die z. B. den neuen § 13b berück-
sichtigen.
Das Unterbleiben des Hinweises auf die neue Präklusionsregelung nach § 3 Abs. 3 bei
Flächennutzungsplänen ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans nach
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht beachtlich. Fehlt der Hinweis, hat das allerdings zur
Folge, dass die ansonsten präkludierte Umweltvereinigung auch dann in einem Rechts-
behelfsverfahren gegen einen Flächennutzungsplan vorgehen kann, wenn sie während
der öffentlichen Auslegung ihre Plankritik nicht zu Protokoll gegeben hat.
r) Streichung der Unbeachtlichkeitsvorschrift zum fehlenden Hinweis auf die Präklu-
sion nach § 47 Abs. 2a VwGO a. F. (§ 214 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c). § 214 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c, der die Unbeachtlichkeit des fehlenden Hinweises auf die Präklusion nach
§ 47 Abs. 2a der Verwaltungsgerichtsordnung a. F. in der Bekanntmachung zur öffent-
lichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 enthielt, wurde gestrichen (in Kraft seit 29.7.2017).
§ 214 Abs. 1 Nr. 2 wurde 2017 zweimal geändert. Buchst. c enthält noch in der seit
13. Mai 2017 gültigen Fassung den Hinweis auf die Unbeachtlichkeit des fehlenden
Hinweises nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 auf § 47 Abs. 2a der Verwaltungsge-
richtsordnung a. F. (Präklusionsregelung). Dieser Buchst. c wird mit dem Gesetz zur
Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017306
wieder aufgehoben, weil die Präklusionsregelung durch Gesetz zuvor307 auch in der
Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben und der Hinweis hierzu in § 3 Abs. 2 Satz 2
Halbsatz 2 des Baugesetzbuchs ebenfalls gestrichen wurde (s. auch Punkt i).
Aktuell ist noch unklar, ob § 215 BauGB (Ein-Jahresfrist für die Geltendmachung
der Verletzung von Vorschriften) erhalten werden kann und mit europäischem Recht
vereinbar ist. Das BVerwG hat hierzu ein Revisionsverfahren ausgesetzt und bei der
305 Ebd.
306 BGBl. I S. 2808, in Kraft seit dem 29. Juli 2017.
307 Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und
völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Frage, ob Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU308 der Anwendung des § 215 BauGB ent-
gegensteht und ob damit eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Beschränkung
der Kontrolle von städtebaulichen Satzungen begründet ist, um Vorabentscheidung
des EuGHs gebeten309.
s) Ergänzung von Überleitungsvorschriften für die Durchführung von Verfahren nach
dem BauGB (§ 245c Abs. 1). In § 245c Abs. 1 werden aus Anlass des Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen
Zusammenlebens in der Stadt Überleitungsvorschriften für Verfahren nach dem
BauGB ergänzt (in Kraft seit 13.5.2017); der Wortlaut des Gesetzes in § 245 Abs. 1
wird mit dem UVP-Modernisierungsgesetz nochmals angepasst (in Kraft seit
29.7.2017).
Abweichend von der Grundregel für die Durchführung von Verfahren nach dem Bauge-
setzbuch des § 233 Abs. 1 Satz 1, nach der Verfahren, die vor dem Inkrafttreten einer
Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, auch nach den bisher geltenden
Rechtsvorschriften abgeschlossen werden dürfen, bestimmt § 245c Abs. 1 hierzu abwei-
chend, dass dies nur dann gilt, wenn erstens das Bauleitplanverfahren durch einen Auf-
stellungsbeschluss vor dem 13. Mai 2017 förmlich eingeleitet und zweitens die frühzei-
tige Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4
Abs. 1 Satz 1 vor dem 16. Mai 2017 gestartet wurde. Der 16. Mai 2017 entspricht dem
Fristende für die Übersetzung der neuen UVP-Richtlinie in nationales Recht und bedeutet
auch, dass die Festlegung des erforderlichen Umfangs und Detaillierungsgrades der Um-
weltprüfung wenigstens eingeleitet worden sein muss. Über die Möglichkeit, das Verfah-
ren nach altem Regelwerk durchzuführen, muss gar nicht erst nachgedacht werden, wenn
die Gemeinde auf den Aufstellungsbeschluss verzichtet hatte (was durchaus häufig vor-
kommt). Fand keine frühzeitige Beteiligung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 statt, ist der Zeitpunkt
der sich Behörden bietenden Gelegenheit zur Stellungnahme im Sinne des § 13 Abs. 2
Nr. 3 Alt. 1 maßgeblich. Durch eine Anpassung des Gesetzeswortlauts im Rahmen des
UVP-Modernisierungsgesetzes310 ist dies klargestellt worden.
t) Erweiterung und inhaltliche Ausdifferenzierung der Anlage 1. Die Anlage 1, die die
Anforderungen an den Umweltbericht enthält, wird um zusätzliche Bestandteile erwei-
tert und differenziert die bestehenden Bestandteile detaillierter aus (in Kraft seit
13.5.2017).
Mit dem EAG Bau von 2004311 ist die Umweltprüfung für nahezu alle Bauleitpläne
endgültig zu einem eigenen Bestandteil des Bauleitplanverfahrens ausgebaut worden.
Die inhaltlichen Anforderungen sind seit dem – von einer redaktionellen Anpassung
zum 1.01.2007312 abgesehen – unverändert geblieben. Mit dem BauGBÄndG vom
4. Mai 2017 werden erstmals umfangreiche inhaltliche Differenzierungen vorgenom-
men, die der Anpassung an die Richtlinie 2014/52/EU dienen.
Diese Anpassungen betreffen vor allem die Beschreibung und Bewertung der Umwelt-
auswirkungen nach Ziffer 2, die sich in eine Bestandsaufnahme zum Umweltzustand
– die jetzt „Basisszenario“ heißt – und eine Prognose über die Entwicklung des Um-
weltzustands bei Durchführung der Planung gliedern. Insbesondere die Anforderungen
an diese Prognose werden im Vergleich zur bisherigen Anlage 1 nicht nur deutlich
differenzierter, sondern stellen darüber hinaus höhere Anforderungen an Querprüfun-
308 Richtline 2011/92/EU des europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. der Europäi-
schen Union, L 26).
309 vgl. BVerwG, B. v. 14.3.2017 – 4 CN 3.16 –, ZfBR 2017, 468 (OVG Lüneburg).
310 BGBl. I S. 2808, in Kraft seit dem 29. Juli 2017.
311 BGBl. I S. 1359.
312 BGBl. I S. 3316.
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
gen, wenn in Ziffer 2 Halbsatz 3 von „direkten und [den] etwaigen indirekten, sekun-
dären, kumulativen, grenzüberschreitenden, kurzfristigen, mittelfristigen und langfris-
tigen, ständigen und vorübergehenden sowie positiven und negativen Auswirkungen
der geplanten Vorhaben“ die Rede ist, auf die sich die Beschreibung beziehen soll.
Das sind hohe Anforderungen an die Konkretisierung der Auswirkungen von geplan-
ten Vorhaben, die – selbstverständlich – nur dann in dieser detaillierten Form erfüllt
werden können, wenn die eigene Planung entsprechend konkret, also möglichst vorha-
benbezogen ist. „Die gute Nachricht“ ist in diesem Zusammenhang nach wie vor die
einschränkende Formulierung des § 2 Abs. 4 Satz 3, wonach sich der Umweltbericht
als Ergebnis der Umweltprüfung nur auf das beziehen muss, „was nach gegenwärtigem
Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detail-
lierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann.“ Dieser Um-
stand wird auch vom Gesetzgeber selbst betont313. Nach § 2 Abs. 4 Satz 3 legt die
Gemeinde für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die
Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Will sich eine Gemeinde in
einem Bauleitplanverfahren gegenüber überzogen erscheinenden Prüfkriterien aus der
ergänzten Anlage 1 wehren, bedarf es dieser Festlegung, woraus sich ergeben muss,
dass im vorliegenden Fall auf spezielle Untersuchungen verzichtet werden konnte. Un-
terbleibt diese Festlegung hingegen, könnten sich Einwender ggf. darauf berufen, dass
der Umweltbericht in wesentlichen Teilen unvollständig ist. Damit ergäbe sich ein
beachtlicher Fehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 3.
u) Redaktionelle Anpassung der Anlage 2. Die Anlage 2 wird in Punkt 1.1 redaktionell
an das neue Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung angepasst (in Kraft seit
29.7.2017).
Die Anpassung der Anlage 2 beschränkt sich auf eine redaktionelle Änderung, die auf
Grund der Neugliederung des UVPG durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts
der Umweltverträglichkeitsprüfung314 erforderlich geworden ist. Der vormals in § 14b
Abs. 3 UVPG verankerte Verweis zum Ausmaß, in dem der Bebauungsplan einen Rah-
men im Sinne des UVPG setzt, befindet sich nunmehr in § 35 Abs. 3 UVPG. Hierauf
nimmt Ziffer 1.1 der Anlage 2 jetzt Bezug.
Last but not least: Das neu zugeschnittene und entsprechend umbenannte vormalige
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung heißt in der Verordnungs-
ermächtigung des § 9a nun namentlich Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (in Kraft seit 8.9.2015).
Literatur zum Kapitel III: Das Verfahren der Bauleitplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Ingold, Albert, Auswirkungen von Planungsdefiziten höherstufiger Planungsebenen auf
nachgeordnete Pläne, in: NVwZ 2010, 1399–1402; Köck, Wolfgang, Rücknahme von Baurecht,
in: LKV 2010, 404–407; Schröer, Thomas, Mehr Öffentlichkeit in der Bauleitplanung, in:
NZBau 2010, 36–37; Spannowsky, Willy, Die Zulässigkeit abwägungsdirigierender Verträge, in:
ZfBR 2010, 429–439; Uechtritz, Michael, Die Bedeutung informeller Planungen für die Bauleit-
planung und für Genehmigungsentscheidungen, in: ZfBR 2010, 646–653; 2011: Melissas, Dimi-
tris K., Die Umsetzung der Strategischen Umweltprüfung für Flächennutzungspläne in Griechen-
land – Zugleich ein Beitrag zur europäischen Verwaltungsrechtsvergleichung, in: ZfBR 2011,
120–126; Weyrauch, Bernhard, Die Tücken der Alternativenprüfung in der Bauleitplanung, in:
BauR 2011, 446–456; 2012: Anger, Christoph, Klimaschutz und Naturschutz im Konflikt –
naturschutzrechtliche Probleme bei der Verwirklichung von EEG-Anlagen, in: ZfBR 2012, 90–
94; Durinke, Peter, Zulässigkeit und Grenzen von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in der
175
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Das Verfahren der Bauleitplanung III.
Lichte der Espoo-Konvention, in: NVwZ 2015, 483–489; Dusch, Christian, Neues zur Bekannt-
machung von Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Bauleitplanung, in:
BauR 2015, 433–442; 2016: Decker, Andreas, Die erneute Offenlegung nach § 4a Abs. 3 BauGB
– Stolperstein für viele Gemeinden, in: ZfBR 2016, 440–451; Durinke, Corinna/Durinke, Peter,
Rechtlicher Rahmen und Grenzen von informellen Beteiligungsprozessen, in: KommJur 2016,
241–253; 2018: Decker, Andreas, Die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Bauleitplanverfah-
ren über das Internet nach dem neuen § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB, in: ZfBR 2018 325–328; Stüer,
Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben – gemeindliches Ein-
vernehmen Rechtsprechung des BVerwG 2015–2017, in: DVBl 2018, 294–302.
6. Anpassung an die Ziele der Raumordnung:
2011: Langguth, Niklas, Die Grenzen der Raumordnungsplanung – Zur Abgrenzung der Gesetz-
gebungskompetenzen für Raumordnung und Bauleitplanung –, in: ZfBR 2011, 436–441; 2013:
Schrödter,Wolfgang, Auswirkungen von windkraftbezogenen Zielen der Raumordnung auf Bau-
leitpläne unter besonderer Berücksichtigung von Haftungs- und Entschädigungsfragen, in: ZfBR
2013, 535–546; 2015: Spannowsky, Willy, Umfang und Grenzen des Anpassungsgebots nach
§ 1 Abs. 4 BauGB, in: ZfBR 2015, 445–454; 2017: Kümper, Boas, „Verwerfung“ und „Überwin-
dung“ von Raumordnungszielen durch die Träger der Fachplanung und der Bauleitplanung?, in:
DVBl 2017, 1216–1223.
7. Das Abwägungsgebot:
2010: Özdemir, Fatos, Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von
Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau, in: DVBl 2010, 1360–1361; 2012: Scheid-
ler, Alfred, Pläne des Umweltschutzes und Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Abwä-
gungsbelange in der Bauleitplanung, in: UPR 2012, 241–247; Scheidler, Alfred, Pläne des Immis-
sionsschutzrechts als Abwägungsbelang für die Bauleitplanung, in: BauR 2012, 439–445; 2017:
Beckmann, Martin, Abwägung als Verfahren – Abwägung als materielles Recht, in: BauR 2017,
1417–1428.
8. Die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung:
2010: Scheidler, Alfred, Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Bau-
recht, in: ZfBR 2011, 228–232; 2013: Schink, Alexander, Innenentwicklung und Eingriffsaus-
gleich, in: BauR 2013, 861–874; 2016: Schink, Alexander, Die naturschutzrechtliche Eingriffsre-
gelung in der Bauleitplanung – Arten von Kompensationsmaßnahmen und ihre Sicherung in:
NuR 2016, 441–450; 2018: Ivo Appel, Alexander Stark, Naturschutzrechtliche Ausgleichs-
pflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in Natur und Landschaft, in: NuR 2018, 34–44; Schink,
Alexander, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Vorhabenzulassung und der Bau-
leitplanung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: NuR 2018, 585–594; 2018: Appel, Ivo,
Stark, Alexander, Naturschutzrechtliche Ausgleichspflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in
Natur und Landschaft, in: NuR 2018, 34–44.
9. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie; Verträglichkeitsprüfung:
2012: Scheidler, Alfred, Windräder in Natura 2000-Gebieten?, in: DVBl 2012, 216–221; 2014:
Hösch, Ulrich, Summation und FFH-Verträglichkeitsprüfung, in: UPR 2014, 290–296; 2016:
Beier, Arno, FFH-Verträglichkeitsprüfung „reloaded“, in: NVwZ 2016, 575–580; Frenz, Walter,
Unsicherheiten in der FFH-Verträglichkeitsprüfung, in: NuR 2016, 30–37; 2017: Beier, Arno,
Artenschutz in der Bauleitplanung, in UPR 2017, 207–211; 2018: Korbmacher, Andreas, Neuere
Entwicklungen im Habitatschutzrecht, in: UPR 2018, 1–8.
10. Umwelt-(verträglichkeits-)prüfung im Bauplanungsrecht (einschließlich Monitoring):
2014: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Nochmals zu § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB: Was sind Arten von
umweltbezogenen Informationen? Wie ist ihr Vorliegen bekannt zu machen? in: BauR 2014, 48–
54; Böhm, Monika, Die gerichtliche Kontrolle von UVP-Fehlern, in: UPR 2014, 201–205; 2015:
Dusch, Christian, Neues zur Bekanntmachung von Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB in der Bauleitplanung, in BauR 2015, 433–442; Balla, Stefan/Peters, Heinz-Joachim, Die
novellierte UVP-Richtlinie und ihre Umsetzung, in: NuR 2015, 297–305; 2017: Rieger, Alexan-
der Stefan/Groß, Johannes, Wegfall der Präklusion in UVP-Verfahren, in: NZBau 2017, 195–
200; Balla, Stefan, Die UVP-Vorprüfung – im Einzelfall schwierig, in: NuR 2017, 239–248;
2018: Faßbender, Kurt, Die Strategische Umweltprüfung: Anspruch und Wirklichkeit, in: ZUR
2018, 323–330; Pauli, Felix, Die UVP-Vorprüfung und deren Heilung, in: UPR 2018, 8–17;
Schink, Alexander, Entwicklungen und Stand der UVP, in: NuR 2018, 21–29; Weyrauch, Bern-
hard, Der Umweltbericht nach novellierter Anlage 1 zum BauGB in: UPR 2018, 81–90.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Der Flächennutzungsplan IV.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Umland-Verbände“ oder auch spezielle Regionalverbände, die für die notwendige Ko-
ordination sorgen sollen. Die bekanntesten dieser Verbände sind: Der Planungsver-
band Frankfurt-Rhein-Main (wo ein Regionaler Flächennutzungsplan nach § 8 Abs. 4
ROG a. F.315 aufgestellt wurde, der 2011 in Kraft trat); der „Stadtverband Saarbrü-
cken“ mit der Zuständigkeit für einen gemeindeübergreifenden Flächennutzungsplan;
der Verband für die Region Stuttgart hat nur die Kompetenz zur Regionalplanung
(nicht zur gemeinsamen Flächennutzungsplanung); das Gleiche gilt für die „Region
Hannover“, die an die Stelle des Kommunalen Großraumverbands Hannover (KGH)
getreten ist. Am Beispiel des Stadtverbands Saarbrücken hat das Bundesverfassungsge-
richt vor Jahren klargestellt, welche Grenzen dem Landesgesetzgeber gesetzt sind,
wenn er die Kompetenz zur Flächennutzungsplanung an einen Verband oberhalb der
betroffenen Gemeinden übertragen will: In einem solchen Verband müssen die Ge-
meinden selbst Mitglieder sein oder jedenfalls diejenigen Mitwirkungsrechte haben,
die sie in einem mitgliedschaftlich organisierten Verband hätten. Unzulässig ist es,
die Entscheidung über einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für alle beteiligten
Gemeinden einem direkt von den Bürgern aller verbandsangehörigen Gemeinden ge-
wählten Organ (z. B. einem auf diese Weise gewählten „Stadtverbandstag“) zuzuord-
nen316.
Das Baugesetzbuch enthält in den §§ 203 bis 206 einige Sondervorschriften über die
Bildung von „Planungsverbänden“ zur gemeinsamen Bauleitplanung mehrerer Ge-
meinden sowie zur Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans durch be-
nachbarte Gemeinden entweder auf Initiative der betroffenen (benachbarten) Gemein-
den oder der Landesplanung. Die praktische Bedeutung dieser Vorschriften war bis-
lang eher gering317; auch die Städte und Gemeinden in den neuen Ländern haben
kaum darauf zurückgegriffen, obwohl die sehr einwohnerschwachen Gemeinden des
ländlichen Raums gerade dort auf überörtliche Zusammenarbeit angewiesen sind. Die
1998 durch das BauROG eingeführte Möglichkeit zur Aufstellung eines „regionalen
Flächennutzungsplans“ nach § 8 Abs. 4 ROG (bis 2008 § 9 Abs. 6 ROG, heute in
§ 13 Abs. 4 ROG) wurde bislang nur vereinzelt erprobt. Bekannte Beispiele sind der
Ballungsraum Frankfurt-Rhein-Main und die Planungsgemeinschaft „Städteregion
Ruhr“, die aus den Städten Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der
Ruhr und Oberhausen besteht. Theoretisch ist seine Aufstellung auch in den Ländern
Sachsen und Sachsen-Anhalt möglich; deren Landesplanungsgesetze haben die bundes-
rechtliche Ermächtigung aufgegriffen. Durch § 9 Abs. 6 des Raumordnungsgesetzes
i. d. F. von 1998 sind die Landesgesetzgeber dazu ermächtigt worden, einem Regional-
plan die Funktionen auch eines gemeinsamen Flächennutzungsplans zukommen zu
lassen, sofern die Regionalplanung durch Zusammenschlüsse von Gemeinden und Ge-
meindeverbänden zu regionalen Planungsgemeinschaften erarbeitet worden ist. Durch
das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23.5.2017318 ist
die Regelung in § 13 Abs. 4 ROG überführt worden. § 8 ROG a. F. wurde aufgehoben.
Die in § 13 Abs. 4 des Raumordnungsgesetzes 2017 enthaltene Verweisung auf § 204
BauGB ist nur als Verweisung auf die notwendigen Voraussetzungen eines gemeinsa-
men F-Plans, aber nicht als Verfahrensverweisung zu verstehen. Eine Verfahrens-
verweisung würde bedeuten, dass jede einzelne Gemeinde im Geltungsbereich des regi-
onalen Flächennutzungsplans dem Flächennutzungsplan durch Beschluss der Gemein-
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Der Flächennutzungsplan IV.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
6. die Flächen für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz ge-
gen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgeset-
zes;
7. die Wasserflächen, Häfen und die für die Wasserwirtschaft vorgesehenen Flächen
sowie die Flächen, die im Interesse des Hochwasserschutzes und der Regelung des
Wasserabflusses freizuhalten sind;
8. die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Stei-
nen, Erden und anderen Bodenschätzen;
9. a) die Flächen für die Landwirtschaft und b) Wald;
10. die Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von
Boden, Natur und Landschaft (sog. „SPE-Flächen“).
Die „SPE-Flächen“ nach Nr. 10 werden neben den Grünflächen nach Nr. 5 am häu-
figsten benutzt, um als Flächen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich von Eingriffen
in Natur und Landschaft zu dienen. Nach dem durch das BauROG 1998 neu in § 5
eingefügten Abs. 2a können die Flächen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich im Gel-
tungsbereich des Flächennutzungsplans den Flächen, auf denen Eingriffe in Natur und
Landschaft zu erwarten sind, auch schon ganz oder teilweise zugeordnet werden. Diese
Zuordnung dient der Vorbereitung der Kostenerstattung nach den §§ 135 a–c durch
die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke, wenn die zugehörigen Ausgleichsmaßnah-
men seitens der Gemeinde durchgeführt worden sind. Die Zuordnung im Flächennut-
zungsplan ist – anders als die Zuordnung durch B-Plan – keine zwingende Voraus-
setzung für die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen. Sie erleichtert jedoch die
Argumentation gegenüber kostenerstattungspflichtigen Eigentümern. Im Fall der Zu-
ordnung gilt das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2.
Die nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d darstellbaren zentralen Versorgungsbereiche sind
2013 in das Gesetz eingefügt worden. Der Begriff taucht an verschiedenen Stellen des
Baugesetzbuchs auf (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 4, § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 2a, § 34 Abs. 3) und ist
als zentrales Anliegen einer bestandsorientierten, auf Innenentwicklung abstellenden
Stadtentwicklung einer der Handlungsschwerpunkte bei der Weiterentwicklung des
Städtebaurechts in der jüngeren Geschichte gewesen. Die Erhaltung und die Entwick-
lung zentraler Versorgungsbereiche soll durch eine ausdrückliche Darstellungsmög-
lichkeit in § 5 Absatz 2 weiter gestärkt werden, um insbesondere auch die wohnort-
nahe Versorgung sicherzustellen, was als Aufgabe im Kontext einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung angesichts des zunehmenden Anteils älterer und weniger
mobiler Menschen stetig an Bedeutung gewinnt. In den Flächennutzungsplänen einiger
Städte, wie Berlin und Leipzig, kennt man schon seit Längerem zentrale Versorgungs-
bereiche. Ihre Darstellung war bereits vor 2013 unproblematisch, da die Auflistung
des § 5 Abs. 2 nur beispielhaft und nicht abschließend war und ist. Insofern diente die
Aufnahme in die Liste des § 5 Abs. 2 im Jahr 2013 wohl in erster Linie dazu, die
planaufstellende Kommune auf die Möglichkeiten zur räumlichen Steuerung zentraler
Versorgungsbereiche auf der Ebene der F-Planung aufmerksam zu machen. Auch im
Übrigen kann die Gemeinde von sich aus weitere Darstellungen hinzufügen oder –
umgekehrt – Darstellungen aus dem Katalog des § 5 entfallen lassen. Neben den „Dar-
stellungen“ muss oder soll ein F-Plan noch eine Reihe weiterer Informationen enthal-
ten:
1. Eine Kennzeichnungspflicht besteht für Flächen, bei deren Bebauung (a) besondere
Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen erforderlich sind oder bei denen (b)
besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten geboten sind. Sie
besteht ferner für Flächen, unter denen (c) der Bergbau umgeht oder für Flächen,
die (d) für den Abbau von Mineralien bestimmt sind. Schließlich sollen (e) Flächen
gekennzeichnet werden, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind, sofern sie für bauliche Nutzungen vorgesehen sind.
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Der Flächennutzungsplan IV.
319 Zum Begriff Grundzüge der Planung vgl. BVerwG, U. v. 18.8.2005 – 4 C 13.04 –, BVerwGE 124, 132;
BauR 2006, 52.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
tiert-subjektiver werden auch die Argumente und Pressionen. Aus dieser Sicht können
auch nahezu „parzellenscharfe“ F-Pläne durchaus sinnvoll sein. Insgesamt ist der Flä-
chennutzungsplan von unbestrittener Nützlichkeit. Im Idealfall koordiniert er die flä-
chenbezogenen Planungen einer Gemeinde, trifft die wichtigsten Standortentscheidun-
gen, informiert die Bürger, Unternehmen und interessierten Dienststellen der
öffentlichen Verwaltung über die räumliche Gesamtplanung der Gemeinde und enthält
auf diese Weise ein kompaktes, jedermann zugängliches Entwicklungsprogramm für
das gesamte Gemeindegebiet (vgl. Bild 25). Seine Bedeutung ist zwischen 1998 und
2007 dadurch gestiegen, dass aus dem F-Plan entwickelte B-Pläne nicht mehr geneh-
migt und – vorbehaltlich einer abweichenden landesrechtlichen Regelung – auch nicht
mehr angezeigt werden müssen. Mit der Einführung der Regelungen zum B-Plan der
Innenentwicklung im Jahr 2007 ist dem F-Plan jedoch wieder Boden entzogen worden,
denn, wie dargestellt, lassen sich B-Pläne nach § 13a – und seit 2017 auch nach § 13b
– auch aufstellen, wenn sie von den Darstellungen des F-Plans abweichen (der F-
Plan wird ohne gesondertes Verfahren im Wege der Berichtigung angepasst). Weder
F-Planänderung noch B-Plan bedürfen hierbei der Genehmigung durch die höhere Ver-
waltungsbehörde.
Bild 25: Der Flächennutzungsplan gem. § 5 BauGB
> Der Flächennutzungsplan (FNP) hat nicht die Qualität einer Rechtsnorm.
Vorbereitungsfunktion > Erst die Bebauungspläne setzen den „behördenverbindlichen" FNP
in für jedermann bindendes Recht um.
Entwicklungsplanerisches > Der FNP ist ein Gesamtkonzept für die Gemeinde, das die
Gesamtkonzept Bodennutzung in den Grundzügen vorbereitet.
> Aus den Darstellungen des FNP werden die Festsetzungen der Bebau-
Behördenverbindliche ungspläne entwickelt („Entwicklungsgebot" des § 8 Abs. 2 BauGB).
Vorgaben > Abweichungen sind möglich, soweit das Entwicklungsgebot gewahrt bleibt
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Der Flächennutzungsplan IV.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
deutsame Vorhaben, deren Standorte durch die Landesplanung nach Abwägung aller
Gesichtspunkte festgelegt sind, ausdrücklich an. Seit 1998 ist durch § 35 Abs. 3 Satz 3
zudem geregelt, dass ein Flächennutzungsplan – ebenso wie die Raumordnungspla-
nung – positive Standortsteuerung für bestimmte privilegierte Vorhaben mit der Wir-
kung betreiben darf, dass außerhalb entsprechend dargestellter „Konzentrationszo-
nen“ den privilegierten Vorhaben i. d. R. öffentliche Belange entgegen stehen und sie
daher nicht zugelassen werden können. Diese Klausel findet in der Praxis insbesondere
Anwendung bei der Steuerung der Windenergie324, gilt aber auch für die anderen
privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6. Durch das EAG Bau 2004 wurde
§ 5 Abs. 2b BauGB eingeführt, der den Gemeinden ausdrücklich erlaubte, „für Dar-
stellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3“ sachliche Teilflächennut-
zungspläne aufzustellen. Durch die Klimanovelle 2011 wurde die Vorschrift umformu-
liert, um klarzustellen, dass sich sachliche Teilflächennutzungspläne auch nur auf Teile
des Gemeindegebiets beschränken dürfen (dies entsprach ohnehin der Mehrheitsmei-
nung im Schrifttum zur Vorschrift des § 5 Abs. 2b a. F.). Das war bereits im Zusam-
menhang mit § 5 Abs. 2b a. F. mit dem Argument „a maiore ad minus“ nicht unlo-
gisch; die Darstellung einer Konzentrationsfläche führt dazu, dass auf der vom Plan
erfassten „übrigen Fläche“ die vom Plan erfassten Anlagen regelmäßig unzulässig sind.
Warum soll eine Gemeinde stets ihr gesamtes übriges Gebiet sperren müssen, wenn sie
an einer bestimmten Stelle ein Konzentrationsgebiet ausweist?
Bindungswirkungen aus dem Flächennutzungsplan gibt es schließlich noch gegenüber
anderen Planungsträgern; deren Planungen nennt man im Unterschied zur integrieren-
den Bauleitplanung „Fachplanungen“; diese anderen Planungsträger müssen – wie
oben beschrieben – als Träger öffentlicher Belange am Aufstellungsverfahren des Flä-
chennutzungsplans beteiligt werden. Sie müssen in diesem frühzeitigen Stadium die
Gemeinde darüber unterrichten, welche Vorhaben sie planen und der Gemeinde damit
Gelegenheit geben, sich auf diese Planungen (z. B. von Wasserschutzgebieten, Natur-
schutzgebieten, Straßen und Schienenwegen, Flughäfen usw.) einzurichten. Wenn die
Träger öffentlicher Belange nicht durch einen förmlich erhobenen Widerspruch bis
zum Tag der endgültigen Beschlussfassung über den Plan in der Gemeindevertretung
zu erkennen gegeben haben, dass sie Vorhaben durchführen wollen, die mit der im
Flächennutzungsplan ausgewiesenen Nutzung der Fläche unvereinbar sind, dann müs-
sen sie sich nach der Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans an dessen Vorgaben
anpassen (§ 7). Allerdings gibt es hier eine wichtige Einschränkung, die dazu führt,
dass die mächtigen Fachplanungsträger sich nicht selten über einen ihnen nicht mehr
genehmen Flächennutzungsplan hinwegsetzen dürfen: Die Bindungswirkung des Flä-
chennutzungsplans für den anderen Planungsträger kann durch dessen nachträglichen
Widerspruch beseitigt werden, wenn „eine Veränderung der Sachlage eine abwei-
chende Planung erforderlich macht“ und ein Einvernehmen zwischen der Gemeinde
und dem öffentlichen Planungsträger nicht erreicht werden kann. Seit dem Baugesetz-
buch von 1986 ist die Position der Gemeinden dadurch verbessert worden, dass der
nachträgliche Widerspruch des Fachplanungsträgers (und damit die nachträgliche Ab-
weichung vom Flächennutzungsplan) gemäß § 7 Satz 5 nur dann zulässig ist, „wenn
die für die abweichende Planung geltend gemachten Belange die sich aus dem Flächen-
nutzungsplan ergebenden städtebaulichen Belange nicht nur unwesentlich überwie-
gen“. Im Zweifel genießt also der Flächennutzungsplan den Vorrang vor der Fachpla-
nung. Außerdem muss der Fachplanungsträger, wenn er sich mit einer veränderten
Planung durchsetzt, die Gemeinde von allen Schadensersatzansprüchen und Aufwen-
dungen freistellen, die sich aus einer dann notwendigen Änderung oder Ergänzung
324 Dazu mehr im Kapitel „Zulässigkeit von Vorhaben“. Die Anforderungen an die Darstellung von Kon-
zentrationsflächen im FNP hat das BVerwG grundlegend geklärt, vgl. BVerwG U. v. 20.5.2010 – 4 C
7.09 –, BVerwGE 137, 74.
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Der Flächennutzungsplan IV.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Entlassung zeitlich nicht abzusehen ist, ist der Plan auch im Sinne des § 1 Abs. 3 nicht
erforderlich und damit fehlerhaft. Eine unzulässige Normkonkurrenz ist jedoch nicht
gegeben, weil der Planfeststellungsbeschluss nur die Rechtsqualität eines Verwaltungs-
akts hat. Immerhin hält es das BVerwG für möglich, dass eine Planfeststellung (teil-
weise) „funktionslos“ geworden und deswegen außer Kraft getreten sein kann330. Da-
mit wird der Planfeststellungsbeschluss aber erneut so behandelt als sei er eine Norm;
denn das Konstrukt der Funktionslosigkeit wurde vom BVerwG für B-Plan-Festsetzun-
gen – also für Normen – entwickelt (siehe oben Kapitel B.III.9). Dass Verwaltungsakte
durch Zeitablauf gegenstandslos werden können, ist längst erkannt und anerkannt.
Die Bahn darf auch nicht eigenmächtig zu einer bahnfremden Nutzung übergehen,
indem sie nicht mehr benötigte Flächen oder Gebäude für bahnfremde Nutzungen an
Dritte vermietet oder verpachtet oder in Bahnhöfen bahnfremde Nutzungen gestat-
tet331.
Eine gewisse Freistellung von den Genehmigungspflichten des Baugesetzbuches genie-
ßen nach § 37 auch bauliche Maßnahmen des Bundes und der Länder, insbesondere
Vorhaben, die der Landesverteidigung, dem Bundesgrenzschutz oder dem zivilen Be-
völkerungsschutz dienen. Für solche Vorhaben ist zwar eine planungsrechtliche Ge-
nehmigung erforderlich. Nicht notwendig (oder durch eine Entscheidung der höheren
Verwaltungsbehörde ersetzbar) ist jedoch das sonst erforderliche „Einvernehmen“ der
Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren (im Regelfall muss nach § 36 diejenige Ge-
meinde, auf deren Gebiet ein Vorhaben verwirklicht werden soll, von der Baugenehmi-
gungsbehörde vor Erteilung einer Baugenehmigung gefragt werden, ob sie einverstan-
den ist; stimmt sie nicht zu, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden). Sofern
eine Gemeinde mit Vorhaben nach § 37 nicht einverstanden ist, wird sie dadurch ge-
tröstet, dass der Träger der Maßnahmen sie von etwaigen Entschädigungsansprüchen
und Kosten für eine veränderte Planung freistellen muss. Die betroffene Gemeinde
kann im Übrigen die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde bzw. des Verteidi-
gungsministeriums zu dem Vorhaben durch Widerspruch und Anfechtungsklage an-
greifen332. Sobald die militärische Nutzung aufgegeben wird, richtet sich die Zulässig-
keit einer Umnutzung „ganz normal“ nach § 35333.
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Der Flächennutzungsplan IV.
und nicht betretbare militärische Liegenschaften im Außenbereich als sog. „harte Ta-
buzonen“ der Windenergie entgegenstehen, können durch den Plan weitere Flächen
für die Windkraftnutzung gesperrt werden. Dies geschieht durch eine Konzentrations-
flächenplanung. Die Planung erlaubt es, neben den harten auch weiche Tabuzonen
festzulegen, innerhalb derer ebenfalls keine Windenergieanlagen zulässig sein sollen.
Weiche Tabuzonen sind entweder städtebaulich motiviert (insbesondere freizuhaltende
Abstandszone um Siedlungsränder herum) oder dienen dem Schutz weiterer Belange,
etwa Naturschutzbelangen, die für sich genommen noch keinen kategorischen Aus-
schluss für Windkraftanlagen begründen. Nach Abzug von harten und weichen Tabu-
flächen334 (sowie aller Innenbereichslagen nach §§ 30 und 34) verbleiben sog. Potenzi-
alflächen, die für die Windenergie in Betracht gezogen werden müssen. Möchte man
auch aus dem Kreis der Potenzialflächen Flächenteile ausschließen, bedarf es weiterer
Gründe. Übrig bleiben die Konzentrationsflächen, die im sachlichen Teil-Flächennut-
zungsplan als Sondergebiete oder Sonderbauflächen dargestellt und mit einer sog. Aus-
schlusswirkung verbunden werden. Aufgrund dieser Ausschlusswirkung dürfen nach
Inkrafttreten des Plans neue Vorhaben nach den Nr. 2 bis 6 (hier am Beispiel der
Windenergieanlagen nach Nr. 5) in der Regel nur innerhalb der Konzentrationsflächen
errichtet und betrieben werden. Große Bedeutung hat der sachliche (und räumliche)
Teilflächennutzungsplan vor allem bei der Steuerung von Windkraftanlagen – auch
bestimmte Tierhaltungsbetriebe lassen sich mit dem Instrument räumlich steuern. Da-
bei ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG für die Planung
von Konzentrationsflächen ein räumliches Gesamtkonzept erforderlich ist, innerhalb
dessen sowohl die für die Windkraftnutzung geeigneten als auch die ungeeigneten
Flächen zu betrachten sind. Um auch diesen Aspekt zu vereinfachen, stellte der Gesetz-
geber 2011 klar, dass auch räumliche Teilpläne zulässig sind – mit anderen Worten:
Ein Teilflächennutzungsplan muss nicht das gesamte Gemeindegebiet in den Blick neh-
men, er kann sich auf einen Teil des Gemeindegebiets beschränken und nur dort die
Konzentrationswirkung und Ausschlusswirkung herbeiführen. Auf diese Weise kann
das Gemeindegebiet auch schrittweise nacheinander durch mehrere räumliche und
sachliche Teilflächennutzungspläne bearbeitet werden. Allerdings darf die Planung die
Windkraftnutzung nicht in einer Weise einschränken, dass der Windenergie nicht mehr
substanziell Raum gegeben wird.
Dem sachlichen und räumlichen Teilflächennutzungsplan ist eine weitere Aufgabe zu-
gewachsen, seitdem es die zweite Generation von F-Plänen mit Konzentrationsflächen
gibt. Nach einer ersten Welle von Plänen aus den Jahren um die Jahrtausendwende
(mit denen erstmals Konzentrationsflächen für die Windkraftnutzung ausgewiesen
wurden, und zwar in der Regel eher restriktiv) machen sich die Gemeinden an die
Arbeit, ihrer Planung im Zuge der Energiewende weitere Konzentrationsflächen hinzu-
zufügen. Der Gesetzgeber hat vorsorglich in § 249 Abs. 1 Satz 1 klagestellt, dass man
aus der Hinzufügung zusätzlicher Konzentrationsflächen in den geltenden F-Plan nicht
schließen darf, dass die vorhandenen Darstellungen nicht ausreichend seien. Der alte
Plan behält also auch bei der Hinzufügung von weiteren Flächen zur Nutzung durch
die Windkraft seine Konzentrationswirkung.
Hier kommt nun wieder der sachliche und räumliche Teilflächennutzungsplan ins
Spiel: Der Bauleitplaner kann der vorhandenen Flächennutzungsplanung die zusätzli-
che Fläche im Wege der sachlichen und räumlichen Teilflächennutzungsplanung hinzu-
fügen, ohne in den Gesamtplan einzugreifen. Er korrigiert damit die Ausschlusswir-
kung des Erstplans, indem er eine weitere Fläche für die Windkraft freigibt. Er muss
334 Vgl. hierzu aus der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG: U. v. 3.12.2018 – 4 CN 3.18 –,
BeckRS 2018, 38528; B. v. 12.5.2016 – 4 BN 49.15 –, ZfBR 2016, 587; U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12 –,
BauR 2013, 1396; U. v. 31.1.2013 – 4 CN 1.12 –, BVerwGE 146, 40; U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/
11 –, NVwZ 2013, 519.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
335 Zusammenfassend BVerwG 15.9.2009 – 4 BN 25.09 –, ZUR 2010, 96; dem folgend OVG Berlin-
Brandenburg, U. v. 24.2.2011 – 2 A 24/09 –, BeckRS 2011, 48127; OVG Lüneburg, U. v. 26.10.2017
– 12 KN 119/16 –, NUR 2018, 348.
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V. Die Bebauungspläne
Bebauungspläne sind aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ent-
wicklung und Ordnung erforderlich ist. Sie enthalten die rechtsverbindlichen Festset-
zungen, aus denen sich für und gegen die Grundeigentümer ergibt, ob und wie sie ihre
Grundstücke bebauen können. Die Festsetzungen können durch Zeichnung, Farbe,
Schrift oder Text zum Ausdruck gebracht werden. Damit sich nicht jedes Stadtpla-
nungsamt neue Farben und Zeichen ausdenken muss, gibt es die bundeseinheitliche
„Planzeichenverordnung – PlanZV“336, in der vorgeschrieben ist, welche Farbe oder
welche Schraffur für welche Gebietsart steht und welche Abkürzungen für welche
Festsetzungen zu verwenden sind. Da § 2 Abs. 1 Satz 1 PlanZV nur verlangt, dass die
in ihrer Anlage enthaltenen Zeichen verwendet werden „sollen“, ist ein B-Plan nicht
allein deshalb fehlerhaft, weil er von der PlanZV abweicht. Es genügt, wenn der Inhalt
der Festsetzungen eindeutig erkennbar ist337. Im Jahr 2017 wurde die Planzeichenver-
ordnung zum zweiten Mal seit 1990 geändert (das erste Mal war 2011, als zwei neue
Planzeichen für Anlagen und Einrichtungen für erneuerbare Energien (EE) und für die
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eingeführt worden sind). In Ziffer 1 „Art der bauli-
chen Nutzung“ wurde in Punkt 1.2.3 die Abkürzung MU für Urbane Gebiete nach
§ 6a BauNVO ergänzt; dazu mehr unter Punkt 3 in diesem Kapitel.
336 Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichen-
verordnung – PlanZV) vom 18.12.1990 (BGBl. 1991 I S. 58), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes
vom 4.5.2017 (BGBl. I S. 1057).
337 So das BVerwG, B. v. 10.1.2001 – 4 BN 42.00 –, ZfBR 2001, 420 = BauR 2001, 1061.
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Die Bebauungspläne V.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine flächendeckende Überplanung des zur
Bebauung vorgesehenen Gemeindegebiets mit inhaltlich vollständigen, sog. qualifizier-
ten Bebauungsplänen – von der das BBauG 1960 noch ausging – in aller Regel aus
Zeit- und Kostengründen nicht möglich ist. Das Aufstellungsverfahren für B-Pläne
dauert – beim Regelverfahren – insgesamt durchschnittlich etwa zwei bis drei Jahre.
Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensschritte einschließlich der öffentli-
chen Auslegung ist es praktisch kaum möglich, eine Aufstellungsdauer von einem Jahr
(ab Aufstellungsbeschluss) zu unterschreiten. Im vereinfachten oder beschleunigten
Verfahren kommen Verfahrensdauern von weniger als einem Jahr hingegen vor.
Die Haupteinsatzfelder des Bebauungsplans sind einerseits Neubaugebiete und ande-
rerseits solche bereits bebauten Bereiche, die städtebaulich umstrukturiert werden sol-
len, in denen konkrete Probleme zu lösen sind. In diesen Gebieten schaffen Bebauungs-
pläne Planungssicherheit. Sie sind (fast) unersetzlich als Grundlage für die
Bodenordnung und für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen; sie erleichtern den
Grunderwerb für die öffentliche Hand; sie verschaffen (jedenfalls nach dem Überste-
hen eines gerichtlichen Kontrollverfahrens) Rechtssicherheit.
Die Frage, unter welchen Umständen die Gemeinde wegen „Planungsbedürftigkeit“
eines Vorhabens oder der „Beplanungsbedürftigkeit“ eines ganzen Gebiets einen Be-
bauungsplan aufstellen muss, ist häufig nicht leicht zu beantworten. Das Gesetz sagt
dazu nur, dass die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, „sobald und soweit
dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ (§ 1 Abs. 3).
Die Frage der Planungsbedürftigkeit ist zunächst vor allem im Zusammenhang mit der
Errichtung von Großvorhaben im Außenbereich, wie z. B. von Kraftwerken, diskutiert
worden. Die eine Partei in dem Meinungsstreit meinte, die Anwendung des gesetzlich
ausgestalteten Planungsverfahrens sei gerade bei Großvorhaben sowohl für die Ver-
waltung als auch für die Bürger so wichtig, dass eine Genehmigung derartiger Vorha-
ben ohne Plan ausgeschlossen sei. Geschehe dies trotzdem, so seien die von dem Vor-
haben betroffenen Bürger allein wegen des unterlassenen Planungsverfahrens
klagebefugt338. Die Gegenseite vertrat die Ansicht, auch ein Genehmigungsverfahren
ohne Bebauungsplan könne die notwendige Rechtsprüfung garantieren339. Das Bun-
desverwaltungsgericht stand zunächst auf dem Standpunkt, dass es einen „öffentlichen
Belang der Planungsbedürftigkeit“, der der Genehmigung eines Vorhabens ohne vor-
hergehende verbindliche Bauleitplanung entgegenstehen könnte, zumindest im Außen-
bereich nach § 35 nicht geben könne340. Der Gesetzgeber habe nämlich selbst geplant,
indem er in § 35 Abs. 1 BauGB durch Auflistung entschieden habe, welche Vorhaben
in den Außenbereich gehören (sofern nicht im Einzelfall öffentliche Belange entgegen-
stehen). Dieses Argument galt seinerzeit vor allem im Streit um die Standorte von
Atomkraftwerken, atomaren Entsorgungseinrichtungen und Kernforschungsanlagen,
die bis 2011 zu den nach § 35 Abs. 1 genehmigungsfähigen Vorhaben zählten, also
keiner förmlichen Standortplanung durch einen Bebauungsplan nach den Vorschriften
des Baugesetzbuchs bedurften (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 7 a. F.). Seit dem Inkrafttreten der
sog. „Klimaschutznovelle“ am 30.7.2011 ist die Neuerrichtung von Anlagen zur Spal-
tung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität von der Privi-
legierung ausgenommen. Die Herausnahme erfasst lediglich die Errichtung neuer
338 VG Bremen Gewerbearchiv 1981, 33; zuerst VG Berlin, U. v. 14.12.1976 – XIII A 419.76 –, DVBl.
1977, 353 und NJW 1977, 2287; vgl. auch Hamburgisches OVG, B. v. 13.1.1977 – Bs II 79/76 –,
BauR 1977, 256: Bei ständiger Befreiung von nicht nachbarschützenden Normen besteht Nachbar-
schutz wegen Verletzung von Verfahrensrechten.
339 Vgl. VGH Baden-Württemberg ESVGH 29, 117 (122).
340 BVerwG, U. v. 24.10.1980 – 4 C 3.78 –, NJW 1981, 2427; noch deutlicher in NJW 1984, 1771; zur
Planungsbedürftigkeit von Vorhaben im Außenbereich vgl. BVerwG, U. v. 18.2.1983 – 4 C 19/81 –,
NJW 1983, 2716.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Kernkraftwerke, nicht jedoch die Veränderung von bestehenden Anlagen oder ihres
Betriebs.
Von dieser Rechtsprechung ist das BVerwG inzwischen mit Recht abgerückt (wenn
auch nicht im Zusammenhang mit den Kernkraftwerken). Es ist nämlich (bei Vorha-
ben mit deutlichem Bezug zur innerstädtischen Ordnung) durchaus denkbar, dass ei-
nem Vorhaben im Außenbereich der Belang der Planungsbedürftigkeit entgegensteht,
wenn und weil das Vorhaben die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beein-
flusst. Ein „Factory-Outlet-Center“ darf z. B. nicht ungeplant in den Außenbereich
gesetzt werden341 – es muss durch Planung in den Kontext der benachbarten Städte
und Gemeinden gesetzt werden. Eine Planungspflicht kann sich nach dem BVerwG
auch aus Zielen der Raumordnung ergeben, wenn ein von der Regionalplanung vorge-
gebener Standort für ein Großvorhaben nur mit Hilfe eines Bauleitplans verwirklicht
werden kann342.
Hinsichtlich des möglichen Inhalts von Bebauungsplänen gilt Folgendes: Wegen des
Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dürfen in einem Bebauungsplan nur sol-
che Festsetzungen stehen, die der Gesetzgeber im § 9 vorgesehen hat. In Bild 26 sind
die kraft § 9 in einem Bebauungsplan möglichen Festsetzungen den im § 5 aufgeführ-
ten möglichen Darstellungen im Flächennutzungsplan gegenübergestellt.
Bild 26: Darstellungen und Festsetzungen in der Bauleitplanung
Darstellungen im F-Plan Festsetzungen im B-Plan
nach § 5 Abs. 2 Nr.: nach § 9 (Abs.) Nr.:
Nr. 1 Bauflächen und Baugebiete (1) Nr. 1 Art und Maß der baulichen Nutzung
(1) Nr. 2 Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen,
Stellung der baulichen Anlagen
(1) Nr. 2a Vom Bauordnungsrecht abweichende Abstands-
flächen
(1) Nr. 3 Mindestmaße für Größe, Breite, Tiefe der Baugrund-
stücke, für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße
(1) Nr. 4 Flächen für Nebenanlagen,
(1) Nr. 19 Anlagen für Kleintierhaltung
(1) Nr. 6 höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohnge-
bäuden
(1) Nr. 7 Flächen für Wohngebäude für Personengruppen mit
besonderem Wohnbedarf
(2b) Regelung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten für
die im Zusammenhang bebauten Ortsteile
Nr. 2a Gemeinbedarfseinrichtungen (1) Nr. 5 Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und
Spielanlagen
(1) Nr. 9 Flächen mit besonderem Nutzungszweck
(1) Nr. 22 Flächen für Gemeinschaftsanlagen
Nr. 2b Anlagen, Einr., Maßn., die dem (1) Nr. 12 Anlagen und Einrichtungen für die Nutzung erneu-
Klimawandel entgegenwirken erbarer Energien
Nr. 2c Anlagen, Einr., Maßn., die der An- (1) Nr. 23b Gebiete, in denen bei der Errichtung von Gebäu-
passung an den Klimawandel dienen den/sonstigen Anlagen Maßnahmen für die Erzeugung, Nut-
zung oder Speicherung von Strom, Wärme, Kälte aus erneu-
erbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen
werden müssen
Nr. 2d Zentrale Versorgungsbereiche (2a) Festsetzungen zur Zulässigkeit des Einzelhandels
zwecks Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbe-
reiche
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Die Bebauungspläne V.
Neu hinzugekommen sind durch das Gesetz vom 4.5.2017343 erweiterte Festsetzungs-
möglichkeiten zum Hochwasserschutz in § 9 Abs. 1 Nr. 16, zum gebäudebezogenen
Störfallschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 23c, der im Zusammenhang mit dem ebenfalls
neuen § 9 Abs. 2c steht (vgl. Pkt. 10c in diesem Kapitel), und die ausdrückliche Nen-
nung der Geräusche als schädliche Umwelteinwirkung in § 9 Abs. 1 Nr. 24.
Aus der Gegenüberstellung wird deutlich, wie die generalisierenden Darstellungen des
F-Plans im B-Plan verfeinert werden können und sollen. Der Katalog der möglichen
Festsetzungen kann hier nicht im Einzelnen erläutert werden, dazu sind die Kommen-
tare besser geeignet. Wichtig ist jedoch der Hinweis darauf, dass ein Bebauungsplan
nur dann als sog. qualifizierter B-Plan allein über die Zulässigkeit von Vorhaben in
seinem Geltungsbereich entscheidet, wenn er (allein oder in Verbindung mit sonstigen
baurechtlichen Vorschriften) die in § 30 Abs. 1 aufgeführten Mindestfestsetzungen
enthält. Dies sind Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung,
die überbaubaren Grundstücksflächen sowie über die örtlichen Verkehrsflächen.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
344 Der vorlaufende einfache Plan kann als „Koordinierungsplan“ für nachfolgende Einzelpläne dienen.
Beispiel: Berlin – Potsdamer Platz; zustimmend: BVerwG, B. v. 12.3.1999 – 4 BN 6.99 –, ZfBR 1999,
225.
345 Dabei ist unbestritten, dass die Gemeinde im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumen-
tarium des § 9 BauGB für eine eigene Verkehrspolitik nutzen kann, soweit diese einen örtlichen Bezug
hat (BVerwG, B. v. 25.1.2011 – 4 BN 39.10 –, BauR 2011, 981).
346 Beispiel: Hamburgische Baustufenpläne, dazu: BVerwG, U. v. 17.12.1998, ZfBR 1999, 160.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
198
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350 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 21.10.1983 – 8 S 889/83 –, BauR 1984, 151; ZfBR 1985, 96.
351 BVerwG, U. v. 5.7.1974 – IV C 50.72 –, BVerwGE 45, 327; VGH Baden-Württemberg, BaWüVBl.
1980, 24; Bayerischer VGH, U. v. 21.10.1982 – Nr. 2 N 81 A.2080 –, BauR 1983, 336 und NJW
1983, 300; BGH, U. v. 21.12.1989 – 3 ZR 49/88 –, ZfBR 1990, 92.
352 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013
(BGBI. I S. 1274) mit nachfolgenden Änderungen.
353 BGBl. I 1990 S. 1036.
354 Zur Rechtslage vor der Verabschiedung der VerkehrslärmschutzVO vgl. insbes. BVerwG, U. v.
22.5.1987, ZfBR 1987, 290 sowie BVerfG, B. v. 30.9.1988, ZfBR 1989, 115.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
werden, haben die Betroffenen Anspruch auf Lärmschutz. Die Richtwerte der Sportan-
lagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) gelten für die Errichtung, die Beschaffen-
heit und den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zwecke der Sportausübung
betrieben werden und einer Genehmigung nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzge-
setzes nicht bedürfen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV). Um Sport auch wohnortnah besser
betreiben zu können, wurden die Richtwerte 2017 „liberalisiert“. Mit Ausnahme von
Kurgebieten wurde für die Baugebiete der Strengezuschlag in Höhe von 5 dB (A) in
den normalerweise abendlichen Ruhezeiten zwischen 20 und 22 Uhr aufgehoben. Glei-
ches gilt für die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15 Uhr.355
In der Abwägung gilt folgende Stufenfolge:
– unerhebliche Geräusche sind kein „Lärm“ und bleiben in der Abwägung folgenlos;
– spürbare, aber noch zumutbare Geräusche müssen als abwägungserheblicher Be-
lang im Festsetzungsgefüge des Plans allgemein berücksichtigt werden;
– lästige Geräusche oberhalb der Zumutbarkeitsgrenzen lösen einen Anspruch der
Betroffenen auf individuelle Schutzvorkehrungen aus;
– unzumutbare und intensive Geräusche oberhalb der Grenze der Gesundheitsge-
fährdung wirken sich gleichsam enteignend aus; in unvermeidlichen Fällen muss
die Wertminderung in Geld ausgeglichen werden, wenn der Betroffene das Grund-
stück nicht mehr sinnvoll nutzen kann, kann er die Übernahme des Grundstücks
gegen die Zahlung einer Entschädigung verlangen (vgl. § 40 Abs. 2).
Im Sechsten Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§§ 47a bis 47f BImSchG) ist
die Lärmminderungsplanung geregelt. Die zuständigen Behörden waren danach aufge-
fordert, bis zum 30. Juni 2007 Lärmkarten für Ballungsräume mit mehr als 250.000
Einwohnern sowie für Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von
über sechs Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr, Haupteisenbahnstrecken mit einem
Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen pro Jahr und Großflughäfen auszuarbei-
ten. Gleiches galt bis zum 30. Juni 2012 und gilt danach alle fünf Jahre für sämtliche
Ballungsräume sowie für sämtliche Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstre-
cken. Alle fünf Jahre sind diese Lärmkarten zu überarbeiten. In einem weiteren Schritt
hatten die zuständigen Behörden bis zum 18. Juli 2008 (für Orte in der Nähe der
Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6 Mio. Kfz pro Jahr,
für Haupteisenbahnstrecken mit mehr als 60.000 Zügen pro Jahr und für Großflughä-
fen sowie für Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern) bzw. bis zum 18. Juli
2013 (für die übrigen Ballungsräume, für die übrigen Hauptverkehrsstraßen und
Haupteisenbahnstrecken) Lärmaktionspläne aufzustellen, mit denen Lärmprobleme
und Lärmauswirkungen geregelt werden sollen. Die aus den Lärmkarten abzuleitende
Festlegung von Maßnahmen in den Plänen ist dabei in das Ermessen der zuständigen
Behörden gestellt.
Für den Umgang mit den Regelwerken kann man sich als Faustformel merken, dass
städtebauliche Planung grundsätzlich dafür sorgen muss, dass man in reinen Wohnge-
bieten keinen Straßenverkehrslärm erdulden muss, der tags im Mittel über 50 dB (A)
Außenpegel, nachts über 40 dB (A) hinausgeht. Diese Werte basieren auf den Orientie-
rungswerten der DIN 18005. Als Orientierungswerte sind sie einer Abwägung zugäng-
lich. Als Faustformel für die Ermittlung der Verkehrszunahme bei der Planung von
neuen Wohngebieten geht der Hessische Verwaltungsgerichtshof beispielsweise davon
aus, dass je Wohneinheit etwa 1,5 Fahrzeuge vorhanden sind und dass jedes Fahrzeug
ca. 2,5-mal am Tag bewegt wird. Ferner sei ein motorisierter Besucherverkehr sowie
ein Güterverkehr von insgesamt 2 Fahrten pro Wohneinheit am Tag in Ansatz zu
bringen.356 Insbesondere in sog. vorbelasteten Gebieten können die Werte der
355 Vgl. Sportanlagenlärmschutzverordnung vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) mit nachfolgenden
Änderungen.
356 Vgl. Hessischer VGH, U. v. 17.8.2017 – 4 C 2760/16.N –, JurionRS 2017, 23353.
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Die Bebauungspläne V.
DIN 18005 noch höher sein: Wer in Kenntnis der Existenz oder auch nur der verbind-
lichen Planung einer emittierenden Anlage (z. B. einer Autobahntrasse) eine störanfäl-
lige Nutzung (wie es das Wohnen in aller Regel ist) daneben plant oder verwirklicht,
muss wegen dieser Vorbelastung des Gebiets unter Umständen einen höheren Dauer-
schallpegel hinnehmen357. Die Werte der TA Lärm sind hingegen auch in der Bauleit-
planung einzuhalten. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die TA Lärm lediglich
Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen enthalte,
aber nicht den Konflikt eines vorhandenen Betriebs mit einer – kraft Planung – an
diesen heranrückenden Wohnbebauung regele. Die TA Lärm gilt vielmehr spiegelbild-
lich. Aus der Spiegelbildlichkeit ergibt sich, dass mit der Bestimmung der Anforderun-
gen an den emittierenden Betrieb durch die TA Lärm zugleich das Maß der vom Nach-
barn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die – gemeinsame –
Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht358. Planungspraktisch kann dies
zu Problemen führen, weil die TA Lärm keine passiven Lärmschutzmaßnahmen (wie
Schallschutzfenster) als Mittel der Konfliktlösung zwischen gewerblichen Nutzungen
und Wohnen vorsieht. Für die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm sind
vielmehr Immissionsorte außerhalb der betroffenen Gebäude maßgeblich (Die Mes-
sung ist nämlich 0,5m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Ge-
räusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raums nach den Bestimmungen
der DIN 4109 durchzuführen). Dadurch werden die Anforderungen an die Planung in
sogenannten Gemengelagen deutlich erhöht.
Zur Konfliktlösung können genutzt werden:
– Festsetzungen zur Stellung baulicher Anlagen;
– Festsetzungen zur Lage schutzbedürftiger Räume auf der von der Lärmquelle abge-
wandten Seite des Gebäudes;
– Festsetzung nicht zu öffnender (festverglaster) Fenster359.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch speziell kippbare, im Übrigen aber
nicht zu öffnende Schallschutzfenster (Hamburger Fenster) als nicht öffenbare Fenster
gelten und daher TA-Lärm-kompatibel sind.
In der für den Gewerbelärm anlagenbezogen anzuwendenden TA Lärm sind die Werte
für die neuen Urbanen Gebiete nach § 6a BauNVO mit 63 dB(A) für den Tag und 45
dB(A) für die Nacht festgelegt worden. Der Nachtwert ist dabei gegenüber den im
Vorfeld dieser Novellierung kritisierten Entwurfsfassungen nochmals um 3 dB(A) re-
duziert worden und entspricht für die Nachtzeit damit dem in Mischgebieten einzuhal-
tenden Richtwert. Die fast gewerbegebietstypischen 63 dB(A) am Tag werfen die Frage
nach den immer einzuhaltenden gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen im Sinne
des § 1 Abs. 6 Nr. 1 auf. Je weiter die Orientierungswerte der für die Bauleitplanung
einschlägigen DIN 18005 im Rahmen der Abwägung allerdings überschritten werden,
desto gewichtiger müssen die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe
sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten
(z. B. durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes, die Stellung und Gestaltung von
Gebäuden oder die Anordnung der Wohn- und Schlafräume sowie Kombinationen
hiervon) auszuschöpfen, die ihr zur Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhin-
dern360. Was im Einzelnen gilt und zumutbar ist, lässt sich abstrakt nicht ermitteln.
Die Gemeinde ist bei ihrer Abwägung – außerhalb der Verkehrswegeplanung – auch
357 Vgl. BVerwG, U. v. 14.4.1978 – 4 C 68.76 –, DVBl. 1978, 621; BVerwG, U. v. 14.12.1979 – 4 C
10.77 –, DVBl. 1980, 301; BVerwG, U. v. 22.3.1985 – 4 C 63.80 –, DVBl. 1985, 896; BVerwG, U. v.
22.5.1987 – 4 C 33.83 –, ZfBR 1987, 290.
358 Vgl. BVerwG, U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BauR 2013, 563 = NVwZ 2013, 372.
359 Zustimmend BVerwG, B. v. 7.6.2012 – 4 BN 6.12 –, BauR 2012, 1611.
360 BVerwG, B. v. 17.2.2010 – 4 BN 59.09 –, BauR 2010, 1180; BVerwG, U. v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 –,
BauR 2007, 1365.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
nicht durch den Gesetzgeber auf die Verwendung bestimmter technischer Regelwerke
festgelegt361. Wenn jedoch von dem zu erwartenden Verkehrslärm bei dem Neubau
oder der wesentlichen Änderung eines Verkehrswegs die Grenzwerte der 16. BImSchV
überschritten werden, muss das Stufenprogramm der §§ 50, 41 und 42 BImSchG ab-
gearbeitet werden. § 50 BImSchG enthält den sog. Trennungsgrundsatz. Danach sind
bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung
vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen
auf ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete sowie auf sonstige
schutzbedürftige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. (Entsprechendes gilt
für Anlagen, von denen schwere Unfälle im Sinne der sog. Seveso-III-Richtlinie der
Europäischen Union 2012/18/EU362 ausgehen können, vgl. hierzu ausführlich Kapitel
B.VIII.5). § 50 BImSchG verlangt vom Planer, dass er störende Nutzungen und Aktivi-
täten vom Wohnen möglichst fernhält363. Wenn dies – wie so häufig – nicht möglich
ist, muss gemäß § 41 BImSchG die Machbarkeit aktiven Lärmschutzes geprüft wer-
den. Aktiver Lärmschutz vermeidet den Lärm oder hält ihn an der Quelle fest – z. B.
durch Lärmschutzwände oder Wälle. Sofern auch dies – z. B. wegen der innerörtlichen
Lage eines Verkehrswegs – nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer ist, haben die
Betroffenen gemäß § 42 BImSchG Anspruch auf Erstattung der Kosten des passiven
Lärmschutzes (z. B. von Schallschutzfenstern) an den betroffenen baulichen Anlagen.
Was insoweit notwendig und erstattungsfähig ist, regelt die 24. BImSchV (Verkehrs-
wege-Schallschutzmaßnahmenverordnung)364.
Weniger deutlich geregelt als der Schutz gegen Lärm sind Vorkehrungen gegen Ge-
ruchsbelästigungen (obwohl der Geruchssinn des Menschen erheblich differenzierter
ist als die Fähigkeit des Hörens). Unterhalb der durch § 3 Abs. 1 BImSchG bestimmten
Erheblichkeitsschwelle365 darf jede Gemeinde eigenständig das Maß der gebietsbezo-
gen hinzunehmenden Geruchsbeeinträchtigungen steuern (z. B. durch ein SO-Gebiet
für landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Tierzucht und Tierhaltung)366. Ver-
gleichsweise neu ist die von den Gremien der Umweltministerkonferenz erarbeitete
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)367, die auf der Basis von sogenannten Jahresge-
ruchsstunden gebietsbezogene Vorschläge für das zumutbare Maß von Geruchsimmis-
sionen entwickelt hat. Außerdem ist in der GIRL geregelt, wie diese Jahresgeruchsstun-
den methodisch ermittelt werden. Dass die GIRL für die Bewertung der Erheblichkeit
von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann, ist mittler-
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Die Bebauungspläne V.
weile auch von den Gerichten anerkannt worden368, und zwar unabhängig davon, ob
sie in dem jeweiligen Bundesland als Verwaltungsvorschrift übernommen wurde oder
nicht. Nach einer Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen ist z. B. die Festsetzung
eines Gewerbegebietes auf Flächen, auf denen ein Geruchsimmissionswert von 0,20
i. S. der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) überschritten wird (im zu entscheidenden
Fall wurde das Gewerbegebiet an vorhandene, stark emittierende landwirtschaftliche
Betriebe herangeplant), in aller Regel abwägungsfehlerhaft, weil dadurch die künftigen
Nutzer des Gewerbegebietes entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einer erheblichen
Belästigung ausgesetzt werden.369
Immer wieder streitig ist die Frage, ob es für die Bebauungsplanung ein „Gebot der
vollständigen Konfliktbewältigung“ gibt. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur straßenrechtlichen Fachplanung370. Danach sind in die
Planung alle Gesichtspunkte einzubeziehen, die zur möglichst optimalen Erfüllung der
Planungsaufgabe und zur Bewältigung der aufgeworfenen Probleme von Bedeutung
sind. Daraus folgt die Notwendigkeit einer einheitlichen, alle Konflikte lösenden Pla-
nungsentscheidung. Diese Maximen hat das OVG Berlin371 auf die Planung von Stra-
ßen durch Bebauungsplan übertragen. Der entsprechende Bebauungsplan müsse selbst
über die Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen, über Maßnahmen zum Schutz
von Natur und Landschaft entscheiden. Für die Planung eines Kraftwerks im Belas-
tungsgebiet hat das OVG Berlin372 die Festsetzung umfangreicher Vorkehrungen gegen
schädliche Umwelteinwirkungen wie Stilllegungsanordnungen, Immissionsgrenzwerte,
Verwendung bestimmter Heizstoffe, Lagerflächen für Kohle usw. verlangt. Es sei nicht
zulässig, die umweltrechtlichen Fragen in das immissionsschutzrechtliche Genehmi-
gungsverfahren zu verlagern.
Das Bundesverwaltungsgericht373 hat diese Rechtsprechung des OVG Berlin korri-
giert. Festsetzungen von Bebauungsplänen müssten zwar konkret individuell sein, d. h.
auf die Lösung etwaiger Konflikte in einem bestimmten Gebiet abzielen. Sie dürften
dabei aber auch planerische Zurückhaltung üben. Planerische Festsetzungen seien
nicht notwendig, wenn sie nicht mehr leisteten als nachbarliche Abstimmung. Soweit
der Bebauungsplan keine vollständige Konfliktlösung bewirke, könne sie über das
Gebot der Rücksichtnahme im Genehmigungsverfahren erreicht werden374. Das erfor-
derliche Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplans richte sich
danach, was nach den Umständen des Einzelfalls (Planungsziele, örtliche Verhältnisse)
für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sei375. Dabei dürfe der
Plangeber berücksichtigen, dass § 15 BauNVO die Lösung von Konflikten auch noch
im Genehmigungsverfahren ermögliche. Was bei realistischer Erwartung später bewäl-
tigt werden kann, muss nicht im B-Plan geregelt werden376. Das BVerwG hat aller-
dings auch klargestellt, dass über § 15 BauNVO die Festsetzungen eines Bebauungs-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
plans nur restriktiv verengt, nicht aber im Sinne einer inhaltlichen Korrektur geändert
werden können. Eine „falsch“ geplante Tiefgaragenzufahrt kann also nicht über § 15
BauNVO im Baugenehmigungsverfahren an eine andere Stelle verlegt werden377. Alle
sich stellenden und auf der Ebene der Bebauungsplanung im Wege der Abwägung
lösbaren städtebaulichen Aufgaben und Probleme, muss ein Bebauungsplan auch lö-
sen. Dies fordert das sogenannte Gebot der „Konfliktbewältigung“. Der Transfer von
solchen Aufgaben und Problemen auf die der Bebauungsplanung folgende Ebene des
bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens ist unzulässig, wenn der Konflikt dort bei
vorausschauender Betrachtung nicht sachgerecht gelöst werden kann378. Bei Konflik-
ten, die auf Störungen der Nachbarschaft durch Emissionen beruhen, ist besonders zu
beachten, dass es rechtlich nicht zulässig ist, Emissionsgrenzwerte und Immissions-
grenzwerte im Bebauungsplan als Zaunwerte festzusetzen379, die dann nach dem
Windhundprinzip ausgenutzt werden können: „Wer zuerst lärmt, lärmt am besten“.
Ein Zaunwert als Summenpegel ist also deshalb ungeeignet, weil er im Gegensatz
zu einem immissionswirksamen flächenbezogenen Schalleistungspegel nicht bestimmt,
welche Emissionen von einer einzelnen Anlage oder einem einzelnen Betrieb ausgehen
dürfen. Ein angemessenes Ergebnis lässt sich nur über die Festsetzung von „Immissi-
onswirksamen Flächenbezogenen Schalleistungs-Pegeln (IFSP)“ erreichen380. Damit
wird jedem Grundstückseigentümer ein individuelles Lärmkontingent zugeteilt381. Die
Untersuchungsmethode hierfür wird durch die DIN-Vorschrift 45691 „Geräuschkon-
tingentierung“382 festgelegt, in der die Begriffe und das Verfahren für die Geräusch-
kontingentierung in der Bauleitplanung aus akustischer Sicht normiert werden. Im
Unterschied zu den genannten Zaunwerten, die ein von vielen Anlagen verursachtes
Emissionsgeschehen festlegen wollen, kann auf der Grundlage der DIN 45691 be-
stimmt werden, auf welche Bezugsfläche die Schallleistung zu verteilen und nach wel-
cher Methode die tatsächliche Ausbreitung der betrieblichen Schallleistung im Geneh-
migungsverfahren zu berechnen ist383. Sollen Lärmemissionskontingente in einem
Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt werden, muss das
Baugebiet mit Blick auf den vom Gesetz vorausgesetzten Betriebs- oder Anlagenbezug
grundsätzlich intern anhand der zulässigen Schallleistungspegel in einzelne Teilgebiete
gegliedert werden; daran fehlt es nach einer Entscheidung des OVG Nordrhein-West-
falen regelmäßig, wenn für das gesamte Baugebiet ein einheitliches Emissionskontin-
gent festgesetzt wird.384 Diese Auffassung hat auch das Bundesverwaltungsgericht be-
stätigt. Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns wird nur Rechnung getragen, wenn
das Baugebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten
zerlegt wird.385 Allerdings gibt es über diese baugebietsinterne Gliederung hinaus auch
noch die Möglichkeit einer baugebietsübergreifenden Gliederung. Voraussetzung hier-
für ist, dass neben dem über ein einziges und intern nicht gegliedertem Gewerbegebiet
noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in welchem
keine Emissionsbeschränkungen gelten.386 Die Anwendung der Lärmemissionskontin-
gentierung in einem Bebauungsplanverfahren dient nicht nur dazu, die Belastung au-
ßerhalb des Plangebiets liegender Immissionsorte zu begrenzen; sie bezweckt auch eine
204
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Die Bebauungspläne V.
205
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
sind Vergnügungsstätten auch nach der BauNVO 2013394 nur in Kerngebieten (MK).
Gänzlich unzulässig sind sie in Kleinsiedlungsgebieten (WS), reinen und allgemeinen
Wohngebieten (WR und WA) sowie in Industriegebieten (GI).
Bild 28: Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für die Aufstellung von Bebauungs-
plänen
394 Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990
(BGBl. I S. 132).
395 Vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 12.9.2002 – 8 S 1571/02 –, ZfBR 2003, 47 (Spielhallen sind ab
ca. 100 m2 Nutzfläche als kerngebietstypisch einzustufen); gleichlautend: OVG Nordrhein-Westfalen,
B. v. 15.6.2012 – 2 A 2992/11 –, BauR 2013, 638.
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396 Vgl. BVerwG, B. v. 20.11.2006 – 4 B 56.06 –, BauR 2009, 1530 = ZfBR 2007, 270; OVG Nordrhein-
Westfalen, U. v. 27.4.2006 – 7 A 1620/05 –, BauR 2006, 2103.
397 Dazu OVG Berlin, U. v. 17.3.1999 – 2 S 6.98 –, ZfBR 1999, 355, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg,
B. v. 21.3.2003 – 3 A 57/00.Z –, IBR 2003, 329 sowie Thüringer OVG, U. v. 19.3.2003 – 1 KO 853/
01 –, NVWZ 2004, 249.
398 Vgl. dazu Bayerischer VGH, U. v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 –, ZfBR 2002, 698.
399 Zur Problematik von Sportstätten in der Nähe von Wohnungen vgl. BVerwG, U. v. 15.2.1985 – 4 C
46.82 –, NJW 1986, 393; OVG Bremen, U. v. 3.12.1985 – 1 BA 110/83 –, BRS 44 Nr. 5; OVG Nord-
rhein-Westfalen, U. v. 27.2.1986 – 7 a NE 18/84 –, BRS 46 Nr. 28; BVerwG, U. v. 19.1.1989 – 7 C
77.87 –, ZfBR 1989, 127/128; BVerwG, U. v. 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, ZfBR 1991, 219.
400 Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärm-
schutzverordnung – 18. BImSchV) vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) mit nachfolgenden Ände-
rungen; vgl. dazu auch folgenden Fall: BVerwG, U. v. 12.8.1999 – 4 CN 4.98 –, ZfBR 2000, 125.
401 Vgl. zum Heranrücken eines Wohngebiets an eine Sportanlage BVerwG, B. v. 26.5.2004 – 4 BN
24.04 –, ZfBR 2004, 566.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gung des Konflikts durch „architektonische Selbsthilfe“ möglich ist402. Um den Spiel-
betrieb auf Sportanlagen zu fördern, sind die Immissionsrichtwerte für die abendlichen
Ruhezeiten (20–22 Uhr) sowie die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15
Uhr vom Gesetzgeber im Jahr 2017 aber an die tagsüber geltenden Werte angepasst
und um 5 Dezibel erhöht worden.403 Diese Liberalisierung gilt nur nicht für die Kurge-
biete. Die Festsetzung von Nutzungszeiten für Sportanlagen ist in einem B-Plan man-
gels Ermächtigungsgrundlage nicht möglich404. Ballspielplätze für Kinder sind keine
Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV405. Der von Kindern ausgehende Lärm ist
als sozialadäquat hinzunehmen und zwar auch dann, wenn Grenz- oder Richtwerte
lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden406. Die auch in § 22 Abs. 1a des
BImSchG verankerte Privilegierung des Kinderspielplatzlärms erfasst dabei sowohl die
von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von den Spielgeräten
herrührenden Geräusche407. Für die notwendige Einzelfallabwägung normiert § 22
Abs. 1a Satz 1 BImSchG für den Regelfall ein absolutes Toleranzgebot408.
Unter „Störaspekten“ schlägt sich auch ein dritter und vierter Problemkreis in der
Rechtsprechung nieder, der wegen seiner sozialen Brisanz auch erhebliche Diskussio-
nen in der Öffentlichkeit ausgelöst hat. Es handelte sich (zunächst) um das Problem
der Zulassung von Altenpflegeheimen in Wohngebieten, sodann um die Einrichtung
und/oder Zulassung von Unterbringungsstätten für Übersiedler und Asylbewerber in
Wohnquartieren oder auf öffentlichen Grünflächen (Container-Unterkunft). Bei den
Altenpflegeheimen wirkte sich ein Urteil des VGH Baden-Württemberg409 wie ein
Zündsatz aus. Der VGH hatte (mit eigentlich nachvollziehbarer Argumentation) ein
stark auf Altenpflege ausgerichtetes Heim mit Krankenpflegestation und eigenen
Schwesternzimmern im Unterschied zu Altenwohnheimen und „normalen“ Altenhei-
men nicht als „Wohngebäude“, sondern als „Anlage für gesundheitliche und soziale
Zwecke“ eingestuft und daher im reinen Wohngebiet für unzulässig erklärt. Das Urteil
löste einen Sturm der Entrüstung aus und veranlasste den Verordnungsgeber 1990, in
einem neuen Absatz des § 3 der BauNVO „klarzustellen“, dass zu den zulässigen
Wohngebäuden in allen Baugebieten auch solche gehörten, die „ganz oder teilweise
der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen“. Nach wie vor über § 15 BauNVO
unzulässig ist jedoch die Einordnung von Altenpflegeheimen in Gewerbegebieten; im
Gewerbegebiet soll nicht gewohnt werden410.
Bei der Unterbringung von Asylbewerbern bestand bis zum Jahr 2014 eine ähnliche
Fragestellung: Werden die ihnen zugedachten Unterkünfte mit hoher Belegungsdichte
noch zum „Wohnen“ im Sinne der BauNVO genutzt und sind die Heime dementspre-
chend „Wohngebäude“? (dann wäre die Eröffnung solcher Heime auch in reinen
Wohngebieten regelmäßig zulässig), oder kann bei einer Unterbringung von neun bis
zehn Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung von z. B. 76 m2 nicht mehr von einem
Wohnen, sondern nur noch von (vorübergehender) Unterbringung gesprochen werden,
weil eine auf Dauer gerichtete selbständige Haushaltsführung unter solchen Bedingun-
gen nicht mehr stattfinden kann (dann handelte es sich bei solchen Unterkünften um
„Anlagen für soziale Zwecke“, aber nicht um Wohngebäude)? Die Instanzgerichte
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Die Bebauungspläne V.
waren sich über diese Frage durchaus nicht einig411. Das Bundesverwaltungsgericht
hat die Merkmale des Wohnens im Sinne der BauNVO klargestellt412 (vgl. Bild 29).
Bild 29: Merkmale des Wohnens im Sinne der Baunutzungsverordnung
1. Eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit.
Gegensatz: Ferienwohnung.
2. Eigengestaltung der Haushaltsführung und des eigenen Wirkungskreises.
Gegensatz: Altenpflegeheim.
3. Freiwilligkeit des Aufenthalts.
Gegensatz: Amtliche Einweisung. Aber:
Individuelles und spontanes Ausscheren einzelner Bewohner beseitigt noch nicht die Unfrei-
willigkeit des Aufenthalts.
Mit der BauNVO 2013 wurde zulasten überempfindlicher Bewohner von reinen
Wohngebieten angeordnet, dass Anlagen für die Kinderbetreuung fortan auch in rei-
nen Wohngebieten nach § 3 BauNVO allgemein zulässig sind. Dies gilt allerdings nur,
wenn sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Bislang waren hier sämt-
liche Kindergärten unabhängig von ihrer Größe nur ausnahmsweise zulässig. Da zahl-
reiche Kommunen bereits in der Vergangenheit häufig von der Ausnahmemöglichkeit
Gebrauch gemacht haben, kommt der Neuregelung eher eine klarstellende Funktion
zu. Wie durchschlagend sich die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen in
solchen reinen Wohngebieten allerdings verbessern wird, bleibt abzuwarten, denn
durch die Beschränkung der allgemeinen Zulässigkeit auf solche Kindertageseinrich-
tungen, „die den Bedürfnissen der Bewohner dienen“ dürfte es bei den nicht selten
kleineren reinen Wohngebieten häufig zu Tragfähigkeitsproblemen kommen.413
Angesichts einer Vielzahl von erwarteten Flüchtlingen414 sah sich der Gesetzgeber im
Jahr 2014 zum Handeln veranlasst. Im Rahmen des Gesetzes über Maßnahmen im
Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen415 wurde in
§ 31 Abs. 2 Nr. 1 ein weiterer Befreiungsgrund aufgenommen, nämlich der Bedarf zur
Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden. Zugleich wurde § 246 um die
neuen Absätze 8 bis 10 ergänzt, die ebenfalls, allerdings bis zum 31.12.2019 befristete,
Erleichterungen zur Flüchtlingsunterbringung vor allem in Gewerbegebieten zum In-
halt haben. Der anhaltende Strom von Flüchtlingen führte 2015 schließlich noch zur
Verabschiedung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes416, in dessen Zuge § 246
um die Absätze 11 bis 17 ergänzt wurde – verbunden mit weiteren Möglichkeiten
zur vereinfachten Schaffung von Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften
oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende. Auch diese Regelun-
gen, auf die in Kap. B.VIII.9 noch gesondert eingegangen wird, wurden bis zum
31.12.2019 befristet. Änderungen im Recht der Bauleitplanung sind mit dem Asylver-
fahrensbeschleunigungsgesetz nicht verbunden gewesen. Auch wenn sich die Anforde-
411 Zur Unterbringung von Asylbewerbern vgl.: VGH Baden-Württemberg, B. v. 19.5.1989 – 8 S 555/
89 –, ZfBR 1989, 223 (kein Wohnen); OVG Bremen, U. v. 12.2.1991 – 1 B 78/90 –, ZfBR 1991,
129 (die Bereitstellung vorübergehenden Obdachs auf dürftigem Niveau ist kein Wohnen, sondern ein
Gewerbebetrieb); für Wohnen: OVG Berlin, B. v. 2.6.1987 – 2 S 38.87 –, NVwZ 1988, 264; OVG
Schleswig-Holstein, U. v. 19.11.1991 – 1 M 64/91 –, NVwZ 1992, 589 und 590; gegen Wohnen: auch
Niedersächsisches OVG ZfBR 1991, 274.
412 BVerwG, B. v. 25.3.1996, BauR 1996, 676 (677).
413 Das OVG Hamburg hat zur Bestimmung dieser dienenden Funktion z. B. das Kriterium der fußläufigen
Erreichbarkeit herangezogen, für die im entschiedenen Fall ein Umkreis von 500 m herangezogen
wurde; auf die Zugehörigkeit zu demselben Gebiet kam es dem OVG dabei nicht an (OVG Hamburg,
B. v. 31.5.2018 – 2 BS 62.18 – ZfBR 2018, 585).
414 Vgl. BT-Drs. 18/3070 vom 5.11.2014.
415 BGBl. I S. 1748 vom 24.11.2014.
416 BGBl. I S. 1722 vom 23.10.2015.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
rungen seit Inkrafttreten beider Gesetze schrittweise immer mehr in Richtung einer
gesellschaftlich tragfähigen Integration von Geflüchteten verlagert haben, haben sich
in der Folge auch die Gerichte mit dem Thema Flüchtlingsunterbringung befasst: Nach
dem Hessischen VGH handelt es sich bei der Unterbringung von Asylbewerbern in
einem genehmigten Wohnhaus um „Wohnen“ i. S. v. § 3 Abs. 1 BauNVO, wenn auf-
grund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Räumlichkeiten eine hinreichende
Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises in einem
baulich abgeschlossenen Bereich mit eigener Küche und Bad für eine gewisse Dauer
ermöglicht wird. Bei einer Asylbewerberunterkunft, die die Merkmale des Wohnens
nicht erfüllt, handelt es sich um eine soziale Einrichtung, die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO in einem reinen Wohngebiet als Ausnahme zulässig ist.417 Das OVG-Nord-
rhein-Westfahlen hält Beeinträchtigungen durch verhaltensbedingte Geräuschimmissi-
onen, die über die bestimmungsgemäße Nutzung der Unterkunft für die Unterbrin-
gung von Flüchtlingen hinausgehen, als für die baurechtliche Beurteilung nicht
maßgeblich.418
Zur Frage des „Gebietserhaltungsanspruchs“ meint das OVG Nordrhein-Westfalen,
dass dieser nicht gegenüber einem Vorhaben der Flüchtlingsunterbringung greift, das
nach § 246 Abs. 10 in einem Gewerbegebiet im Wege der Befreiung nach § 31 Abs. 2
zugelassen werden kann.419
Ein weiteres Problem mit anhaltender Konjunktur (und großer Bedeutung in den
neuen Bundesländern) stellen die großflächigen Einzelhandelsbetriebe und Verbrau-
chermärkte dar, die sich vorzugsweise an den Rändern der Städte und Gemeinden „auf
der grünen Wiese“ ansiedeln und nicht selten das Gefüge der Innenstädte erheblich
beeinflussen. Dieses Problem wird in § 11 Abs. 3 der BauNVO angesprochen; überdies
ist es wiederholt Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen420. § 11
Abs. 3 der BauNVO bestimmt, dass Einkaufszentren und großflächige Einzelhandels-
betriebe, die sich auf Raumordnung und Stadtentwicklung nicht nur unwesentlich
auswirken können, nur in Kerngebieten oder eigens für sie ausgewiesenen Sonderge-
bieten421 zulässig sind. Dabei gilt ein Betrieb kraft der widerleglichen Vermutungsregel
des § 11 Abs. 3 BauNVO in der Regel als raumbedeutsam, wenn seine Geschossfläche
1.200 m2 überschreitet. Die Vermutungsregeln des § 11 Abs. 3 BauNVO sind auf alle
„großflächigen Einzelhandelsbetriebe“ anzuwenden. Das BVerwG hat entschieden,
dass Einzelhandelsbetriebe großflächig im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO
sind, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten422. Zugleich bedeutet
dieser Wert nicht, dass sich bei knapp darunter liegenden Verkaufsflächengrößen die
Großflächigkeit kategorisch ausschließen lässt. Der Richtwert darf also nicht allzu
starr angewendet werden. Für eine hinreichende Einschätzung müssen daher die vo-
raussichtlichen Auswirkungen (insbesondere auf die verbrauchernahe Versorgung)
prognostiziert werden423. Was alles zu dieser Verkaufsfläche gehört, hatte das BVerwG
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Die Bebauungspläne V.
bereits im Jahr 2005 entschieden: Über den Verkaufsraum im engeren Sinne hinaus
sind dies auch vom Kunden nicht betretbare Thekenbereiche, Kassenvorräume ein-
schließlich der Bereiche zum Einpacken der Ware und zur Entsorgung des Verpa-
ckungsmaterials sowie ein Windfang.424 Eine außerhalb des Gebäudes vorhandene
überdachte Fläche für das Abstellen der Einkaufswagen tritt nach der jüngeren Recht-
sprechung des BVerwG jedoch nicht zur Verkaufsfläche hinzu.425 Großflächige Einzel-
handelsbetriebe sind dann, wenn konkrete raumbedeutsame Auswirkungen nachge-
wiesen werden können, nach § 11 Abs. 3 nur im Kern- oder Sondergebiet zulässig. Im
Übrigen darf durch konkrete Festsetzungen in Bebauungsplänen auch eine weitere
Differenzierung vorgenommen werden, mit deren Hilfe auch kleinere Ladengeschäfte
ausgeschlossen werden können. Die großen Einzelhandelsketten haben inzwischen
Strategien entwickelt, mehrere Betriebe mit einer jeweils unter dem Richtwert liegen-
den Verkaufsflächengröße nebeneinander anzuordnen, um so die Restriktionen des
§ 11 Abs. 3 BauNVO zu vermeiden. So stellt man z. B. einen Lebensmitteldiscounter
neben einen Getränkemarkt – beide mit einer Verkaufsfläche von jeweils weniger als
800 m2. Ist § 11 Abs. 3 BauNVO darauf anwendbar? Dies wäre der Fall, wenn durch
die beiden Läden entweder ein kleines Einkaufszentrum426 entsteht oder wenn man
sie als „Funktionseinheit“ zusammenrechnen dürfte. Entscheidend für die Zusammen-
rechnung ist, dass es sich um ein ausgelagertes Ergänzungsangebot handeln muss, das
dem Hauptangebot untergeordnet ist. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei
– Backshops, Obst- und Gemüseshops, Frischfleisch und Wurstshops mit eigener –
im Hauptbetrieb nicht angebotener – Portionierung der Waren,
– kleineren Verkaufsstellen für Zeitschriften, Schreibwaren, Tabakwaren u. a. sowie
– kleineren Blumenständen mit Schnitt- und/oder Topfware427.
Diese Voraussetzungen waren lange Zeit ungeklärt428. Im Jahr 2004 hat das BVerwG
klargestellt, dass eine Zusammenrechnung jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt
ist, wenn die Verkaufsstätten die Merkmale eines eigenständigen Einzelhandelsbetriebs
erfüllten und sich von außen eindeutig voneinander abgrenzen ließen429.
Die Tendenz zur Vergrößerung der Verkaufsflächen auch im Lebensmitteleinzelhandel
war und ist jedenfalls ungebrochen430.
Wie bereits in Kapitel B.IV.2 beschrieben, ist die Sicherung solcher Bereiche einer
Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungs-
funktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt – zentrale Versorgungs-
bereiche431 – ein zentrales Anliegen einer bestandsorientierten, auf Innenentwicklung
abstellenden Stadtentwicklung. Seit 1.1.2007 besteht für diese Bereiche gemäß § 9
Abs. 2a die Möglichkeit, sie durch spezielle Festsetzungen zur zulässigen Art der bauli-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Bebauungspläne V.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Bild 31: Zeitliche Varianten der Planung und Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
AUSGLEICH VOR EINGRIFF (FAKTISCHES ÖKOKONTO):
§ 135a Abs. 2 Satz 4: Die Maßnahmen zum Ausgleich können (mit oder ohne Ausgleichs-B-Plan)
bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden. ERGEBNIS: Die Ge-
meinde schafft „Grün“, die Investoren zahlen später kraft Zuordnung im Eingriffsbebauungsplan
oder per Vertrag die aufgelaufenen Kosten; Problem: Welche Kosten dürfen hoheitlich abgerech-
net werden? Können die vorab aufgewendeten Gelder mit Verzinsung abgerechnet werden?
AUSGLEICH ZUSAMMEN MIT EINGRIFF (NORMALFALL):
Die Gemeinde stellt Eingriffsbebauungsplan auf.
Der/die Eigentümer und/oder die Gemeinde führen die Ausgleichsmaßnahmen zusammen mit den
Baumaßnahmen durch. Abrechnung über Kostenerstattungssatzung oder Vertrag.
AUSGLEICH WESENTLICH SPÄTER ALS EINGRIFF:
Vertragliche Vereinbarungen können den Ausgleich auch wesentlich später als den Eingriff vorse-
hen und zugleich Sicherungsabreden durch Hinterlegung oder Bankbürgschaft treffen. Bei einer
hoheitlichen Lösung ist jedoch zu fragen:
Müssen Eingriffs- und Ausgleichsbebauungsplan zeitgleich aufgestellt werden?
Eine strikte Regel, dass der Ausgleichsbebauungsplan spätestens zusammen mit dem Eingriffs-B-
Plan rechtsverbindlich werden muss, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aber:
a) Das Ausgleichs-Konzept muss in seinen wesentlichen Grundzügen bereits bei Abwägung des
Eingriffsbebauungsplans feststehen, da sonst die erforderliche Abwägung der Angemessenheit
der Ausgleichsregelung nicht möglich ist.
b) Planreife des Eingriffs-Bebauungsplans tritt erst dann ein, wenn die tatsächliche Durchführung
der vorgesehenen (und ggf. zugeordneten) Ausgleichsmaßnahmen gesichert ist. Dazu gehört
insbesondere die Absicherung, dass derjenige, der die Ausgleichsmaßnahmen tatsächlich
durchführen wird und durchführen muss, im Zeitpunkt der vorgesehenen Maßnahmen rechtlich
und tatsächlich über die betreffenden Grundstücke verfügen kann.
c) Der Eingriffs-B-Plan darf nicht in Kraft gesetzt werden, bevor die zu b) genannten Voraus-
setzungen vorliegen, da anderenfalls das Abwägungsergebnis nicht hinreichend abgesichert ist.
d) Wenn die Bedingungen zu a) bis c) eingehalten werden, darf der Ausgleichsbebauungsplan
dem Eingriffsbebauungsplan zeitlich nachfolgen, sofern und solange keine willkürliche oder un-
sachgemäße Verzögerung vorliegt.
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Die Bebauungspläne V.
Fragen ist vielmehr einer besonderen Verordnung vorbehalten, nämlich der Baunut-
zungsverordnung (BauNVO), die nach 2013 im Jahr 2017 erneut (und seit ihrem
Bestehen im Jahr 1962 zum insgesamt fünften Mal) überarbeitet wurde442. Das Wissen
um die unterschiedlichen Fassungen der BauNVO ist im Umgang mit alten B-Plänen
von Bedeutung (dazu später mehr).
Die Baunutzungsverordnung ist eine Rechtsverordnung (also ein Gesetz im materiellen
Sinne, das nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber, sondern von der Exekutive ver-
fasst worden ist). Gesetzgeber der Baunutzungsverordnung ist jeweils der für das Bau-
wesen und den Städtebau zuständige Bundesminister. Die für den Erlass dieser Rechts-
verordnung notwendige Ermächtigung findet sich in § 9a (bis 2004: § 2 Abs. 5). Es
heißt dort: „Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung
Vorschriften zu erlassen über
1. Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen über
a) die Art der baulichen Nutzung,
b) das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung,
c) die Bauweise sowie die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grund-
stücksflächen;
2. die in den Baugebieten zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen (usw.).
Die Baunutzungsverordnung gibt dem Planer (nicht dem Bürger) Vorschriften und
Hinweise dazu, wie die Art und das Maß der baulichen Nutzung sowie die Bauweise
in einem Bebauungsplan geregelt werden können. Dementsprechend ist die Baunut-
zungsverordnung in drei Hauptabschnitte – „Art der baulichen Nutzung“ (§§ 1–15),
„Maß der baulichen Nutzung“ (§§ 16–21a) sowie „Bauweise, überbaubare Grund-
stücksfläche“ (§§ 22–23) – gegliedert. Zur zeichnerischen Umsetzung der in der Bau-
nutzungsverordnung angebotenen Regelungen enthält die bereits erwähnte, ebenfalls
als Rechtsverordnung ergangene Planzeichenverordnung (PlanZV) die notwendigen
Darstellungsmittel: Buchstabenkennungen, Schraffuren, Farben, Linientypen, Kurzzei-
chen.
a) Vorschriften zur Art der baulichen Nutzung. In ihren Paragraphen zur Art der bauli-
chen Nutzung beschreibt die BauNVO eine Reihe von typisierten Bauflächen und
Baugebieten. „Flächen“ sind dabei die gröberen, nur im F-Plan anwendbaren Darstel-
lungsarten, „Gebiete“ die feineren, vorrangig für B-Pläne gedachten, aber auch im F-
Plan anwendbaren Standardbeschreibungen von Grundstücksgesamtheiten. Durch die
Definition und nähere Umschreibung von Wohnbauflächen, gemischten Bauflächen,
gewerblichen Bauflächen und Sonderbauflächen sowie von zwölf verschiedenen Bau-
gebietstypen stellt die BauNVO dem Planer einen Baukasten von verschiedenen Flä-
chen- und Gebietstypen zur Verfügung, die er dann im individuellen Flächennutzungs-
und Bebauungsplan den örtlichen Gegebenheiten entsprechend zusammensetzen kann.
Der Planer braucht im Bauleitplan nur den Gebietstyp festzusetzen; mit der Festset-
zung werden die entsprechenden Vorschriften der BauNVO kraft Gesetzes zum Inhalt
des Plans.
Durch die bundesweit einheitliche Beschreibung z. B. eines „allgemeinen Wohnge-
biets“, eines „Dorfgebiets“ oder „Kerngebiets“ in der BauNVO wird erreicht, dass F-
Pläne und Bebauungspläne rationeller zu entwerfen und für jedermann sehr viel leich-
ter lesbar sind, als wenn jedes Stadtplanungsamt und jedes private Planungsbüro ganz
auf sich gestellt seine eigenen Gebietskategorien komponieren müsste. Unter Zuhilfe-
nahme der Planzeichenverordnung genügt für den Eingeweihten schon die Angabe von
zwei Buchstaben für ein Baugebiet, um zu wissen, welche Art der baulichen Nutzung
442 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
hier zulässig sein soll: Wenn er z. B. in einem Bebauungsplan für ein Gebiet die beiden
Buchstaben „GE“ angegeben sieht, dann weiß er, dass es sich um ein Gewerbegebiet
im Sinne der BauNVO handelt. Dieses Gewerbegebiet ist im § 8 der BauNVO im
Einzelnen umschrieben. So heißt es in Abs. 1: „Gewerbegebiete dienen vorwiegend der
Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.“ In Abs. 2 ist
aufgezählt, welche Arten von Nutzungen im Gewerbegebiet regelmäßig, in Abs. 3,
welche ausnahmsweise zulässig sind. Regelmäßig zulässig sind Gewerbebetriebe aller
Art, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen sowie Anlagen für sport-
liche Zwecke. Ausnahmsweise können Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschafts-
personen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, außerdem Anlagen für kirchli-
che, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke sowie Vergnügungsstätten
zugelassen werden.
In derselben Weise sind alle Gebietsarten in der Baunutzungsverordnung umschrieben.
Neben die für jedes Gebiet als allgemein und ausnahmsweise zulässig zusammenge-
stellten Anlagen treten dann noch die in § 12 BauNVO geregelten Stellplätze und
Garagen, die in § 13 BauNVO geregelten Gebäude und Räume für freie Berufe443, die
seit 2017 in § 13a definierten Ferienwohnungen (eine neue Vorschrift mit aus Sicht
des Gesetzgebers lediglich klarstellendem Charakter) und die grundsätzlich überall
zulässigen Nebenanlagen nach § 14 BauNVO. Auch im Zusammenhang mit Nebenan-
lagen kann es jedoch zu erbitterten Streitigkeiten kommen – z. B. über die Zulässigkeit
von Antennenanlagen von Hobby-Funkern oder der in den vergangenen Jahren stetig
zunehmenden Mobilfunkanlagen444. Einen Streitpunkt stellte auch die Frage dar, ob
beispielweise eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses eine Nebenan-
lage im Sinne des § 14 BauNVO sein kann, wenn die gewonnene Energie ins öffentli-
che Stromnetz eingespeist wird. Eine solche Anlage mag untergeordnet sein und in
seiner Eigenart dem Baugebiet nicht widersprechen. Sie dient aber nicht dem Grund-
stück oder dem Baugebiet im eigentlichen Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO. Der
Gesetzgeber hat in diesem Fall mit der BauNVO 2013 für Klarheit gesorgt, indem er
dem § 14 einen 3. Absatz angefügt hat, aus dem sich die Zulässigkeit als Nebenanlage
auch dann ergibt, wenn die „erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das
öffentliche Netz eingespeist wird“. Entsprechend sind Kraft-Wärme-Kopplungsanla-
gen zu behandeln. Geklärt ist auch, dass Nebenanlagen nur Anlagen sein können, die
nicht Bestandteil des (Haupt-)Gebäudes sind. Zur Abgrenzung einer Nebenanlage vom
Teil einer Hauptanlage können funktionelle und räumliche Gesichtspunkte herangezo-
gen werden. Von dieser Abgrenzung zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Nebenan-
lage untergeordnet ist.445
Für den auf sein Werk stolzen Stadt- und Regionalplaner mag der Hinweis nützlich
sein, dass der Verfasser eines B-Plans trotz dieser Vereinheitlichung der Darstellungsart
und der Inhalte von B-Plänen Urheberrechtsschutz genießt446; denn jeder Plan hat
durch die individuelle Zuordnung der Gebiete zueinander, durch besondere Festset-
443 Zur zulässigen Größe (nicht größer als eine Wohnung) vgl. BVerwG, U. v. 18.5.2001 – 4 C 8.00 –,
ZfBR 2001, 491.
444 Eine Mobilfunksendeanlage, die bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine unter-
geordnete Funktion hat, ist eine fernmeldetechnische Nebenanlage i. S. von § 14 Abs. 2 Satz 2
BauNVO dazu: Niedersächsisches OVG, B. v. 6.12.2004 – 1 ME 256/04 –, BRS 67 Nr. 64 = BauR
2005, 975; Hessischer VGH, U. v. 6.12.2004 – 9 UE 2582/03 –, BRS 67 Nr. 65 = BauR 2005, 983;
OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 6.5.2005 – 10 B 2622/04 –, BRS 69 Nr. 83 = BauR 2005, 1284;
Bayerischer VGH, U. v. 1.7.2005 – 25 B 01.2747 –, BRS 69 Nr. 85 = BauR 2005, 339; OVG Rheinland-
Pfalz, B. v. 5.2.2010 – 1 B 11356/09 –, BRS 76 Nr. 178; VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.4.2010 –
8 S 33/10 –, BRS 76 Nr. 82 = BauR 2010, 1194; BVerwG, B. v. 3.1.2012 – 4 B 27/11 –, BauR 2012,
754.
445 BVerwG, U. v. 14.12.2017 – 4 C 9.16 –, NJW-Spezial 2018, 76.
446 Vgl. BGH, U. v. 25.10.1955 – I ZR 200/53 –, BGHZ 18, 319.
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Die Bebauungspläne V.
zungen usw. sein eigenes Gesicht. Außerdem enthält die BauNVO selbst im § 1 die
Möglichkeit, die typisierten Gebiete individuell zu variieren447 und zu gliedern. So
können z. B. kleinere Mischgebiete in dem Wohnen und der gewerblichen Nutzung
dienende Bereiche gegliedert werden, sofern dadurch nicht der durchmischte Charak-
ter des Gebiets vereitelt wird448.
Damit aus der durch die BauNVO bewirkten Typisierung keine Zwangsjacke wird,
werden die Planungsbehörden in der einleitenden Vorschrift der BauNVO (§ 1) er-
mächtigt, die typisierenden Umschreibungen dieser Verordnung im Sinne ihrer örtli-
chen Besonderheiten abzuändern (siehe hierzu Bild 32). Sie dürfen z. B. festsetzen, dass
bestimmte Arten von Nutzungen, die nach dem Regelkatalog der Baunutzungsverord-
nung allgemein zulässig sind, in ihrem konkreten Fall unzulässig oder nur als Aus-
nahme zulässig sind. Sie können auch einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten
eigentlich vorgesehen sind (z. B. Tankstellen in einem Dorfgebiet), für ihren Plan als
unzulässig erklären.
Bild 32: Feinsteuerungsmöglichkeiten nach § 1 BauNVO
Bei Überplanung bereits bebauter Gebiete können sonst unzulässige Anlagen im Inte-
resse des Fortbestands von Betrieben zugelassen werden – auch wenn gleichartige Neu-
linge gezielt ausgeschlossen werden449. Schließlich ist es möglich, die Baugebiete nach
der BauNVO noch feingliedriger auszugestalten, wenn besondere städtebauliche
Gründe dies rechtfertigen (§ 1 Abs. 9 BauNVO). Sinnvoll kann dies z. B. sein, wenn
die in einer Innenstadt angebotenen Sortimente des Einzelhandels vor den Angeboten
von Einzelhandelsbetrieben in stadtperipheren Lagen geschützt werden sollen450 oder
ein „Nachbarschaftsladen“ oder „Convenience-Store“ mit einer beschränkten Nutz-
fläche in einem Bebauungsplan festgesetzt werden soll451. Auf diese Art und Weise hat
die BauNVO einen guten Kompromiss zwischen generalisierender Beschreibung und
447 Vgl. BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 –, BVerwGE 77, 308 sowie BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C
77.84 –, BVerwGE 77, 317 zur Differenzierungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO.
448 Niedersächsisches OVG, U. v. 13.3.2002 – 1 K 4221/00 –, ZfBR 2002, 586 = BRS 65 Nr. 33.
449 BVerwG, B. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 –, ZfBR 1999, 279.
450 Zu den Möglichkeiten der Sortimentsbeschränkung des Einzelhandels auf der Grundlage von § 1 Abs. 9
BauNVO vgl. BVerwG, B. v. 4.10.2007 – 4 BN 39.07 –, BauR 2008, 325.
451 BVerwG, B. v. 8.11.2004 – 4 BN 39.04 –, BauR 2005, 513.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Bebauungspläne V.
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Urbane Gebiete dienen nach dem neuen § 6a BauNVO dem Wohnen sowie der Unter-
bringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen,
die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Satz 2 bringt den in nutzungsstrukturel-
ler Hinsicht wesentlichen Unterschied zum Mischgebiet nach § 6 BauNVO zum Aus-
druck: „Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein.“ Nach der Vorstel-
lung des Gesetzgebers soll den Kommunen hiermit und mit dem gegenüber dem
Mischgebiet deutlich nach oben korrigierten maximal zulässigen Nutzungsmaß464 zur
Erleichterung des Bauens in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibilität
eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu verlas-
sen. Wesentliche Motivation ist der Wunsch nach erleichterter Umsetzung der nut-
zungsgemischten Stadt der kurzen Wege.
Gegenüber dem Mischgebiet besteht zum Ersten ein Vorteil also in einer frei konfigu-
rierbaren Nutzungsmischung, bei der auch eine Nutzung „erkennbar vorherrschen“
darf,465 z. B. auch das Wohnen. In Mischgebieten kommt es hingegen auf eine annä-
hernde Gleichverteilung von Wohnen einerseits und von das Wohnen nicht wesentlich
störendem Gewerbe anderereseits an. Im urbanen Gebiet kommen als weitere für die
Zweckbestimmung relevante Nutzungskomponenten soziale, kulturelle und andere
Einrichtungen hinzu. Diese Nutzungskomponente ist vor allem für den Planer bei
Aufstellung eines Bebauungsplans relevant. Es wäre mit der allgemeinen Zweckbestim-
mung nicht vereinbar, wenn innerhalb eines MU eines Bebauungsplans soziale, kultu-
relle und andere Einrichtungen ausgeschlossen würden – nur für untergeordnete Teil-
flächen ist dies denkbar, wenn ein städtebauliches Erfordernis dafür vorliegt.
Zum Zweiten sind hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung – auch im Vergleich
zum Mischgebiet – sehr hohe Obergrenzen festgelegt worden, die der Plangeber aus-
nutzen kann, aber nicht muss. Auch wenn die Anforderungen zur Begründung einer
Überschreitung von Obergrenzen nach § 17 Abs. 1 BauNVO 2013 deutlich reduziert
wurden (vgl. Abschnitt 3b in diesem Kapitel), liegt ein wesentlicher Vorteil darin, bei
Festsetzung einer hohen Dichte von städtebaulichen Ausgleichsmaßnahmen entlastet
zu bleiben. Es entfällt auch der Begründungsaufwand, der bei Ausweisung eines MI
mit einer hohen GFZ von z. B. 2,5 statt 1,2 verbunden wäre, denn seit der „Entschär-
fung“ des § 17 Abs. 2 BauNVO im Jahr 2013 brauchen keine besonderen städtebauli-
chen Gründe mehr vorzuliegen.
Kritikwürdig bleibt zum Dritten das Verhältnis zum Immissionsschutzrecht und die
jedenfalls in dieser Hinsicht nicht mehr nachvollziehbare Stellung der Urbanen Gebiete
in der Abfolge der Baugebietstypen nach der TA Lärm zwischen Kern- und Gewerbe-
gebieten, während die BauNVO diese Einordnung mit ihrem neuen § 6a zwischen
Misch- und Kerngebiet vornimmt.
b) Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung. Auch für das Maß der baulichen
Nutzung stellt die Baunutzungsverordnung einen Katalog von Regelvorgaben auf, die
dann im Einzelfall verändert und den Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse ange-
passt werden können. Durch das Maß der baulichen Nutzung wird angegeben, welche
Anteile der Grundstücksfläche überbaut werden dürfen und wieviel Baumasse (ggf.
bis zu welcher Höhe) auf diesem Grundstück „angehäuft“ werden darf. Zur Regelung
464 Die maximal zulässige Grundflächenzahl entspricht mit 0,8 der des Gewerbegebietes nach § 8
BauNVO; die maximal zulässige Geschossflächenzahl erreicht mit 3,0 hingegen den Wert des Kernge-
bietes nach § 7 BauNVO; vgl. hierzu die Tabellenwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO.
465 Vgl. BVerwG, U. v. 4.5.1988 – 4 C 34.86 –, in: BVerwGE 79, 309–318; um die Verdrängung einer
Hauptnutzungsart und damit ein „Umkippen“ eines Mischgebietes zu verhindern und seine Eigenart
zu wahren, ist es nach den Entscheidungsgründen erforderlich und zugleich aber auch ausreichend,
dass im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und/oder Umfang
beherrschend und in diesem Sinne „übergewichtig“ in Erscheinung tritt.
222
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Die Bebauungspläne V.
dieser Fragen benutzt die Baunutzungsverordnung vier Bezugseinheiten, die dem Pla-
ner bekannt sein müssen, nämlich:
– die Grundfläche, regelbar durch die Angabe der Grundflächenzahl (GRZ) oder die
Festsetzung der Grundfläche in m2;
– die Geschossfläche, regelbar durch die Angabe der Geschossflächenzahl (GFZ)
oder der Größe der Geschossfläche in m2;
– die Baumasse, regelbar durch die Angabe der Baumassenzahl (BMZ) oder der Bau-
masse in m³ und
– die Höhe der baulichen Anlage (regelbar durch Festsetzung über einen zu bestim-
menden Bezugspunkt).
Bild 33: Die von der Baunutzungsverordnung vordefinierten Baugebiete
(§§ 2–11 BauNVO)
1. Art der baulichen Nutzung
( § 9 Abs. 1 Nr.1 des Baugesetzbuchs - BauGB - ,
§§ 1 bis 11 der Baunutzungsverordnung - BauNVO - )
schwarz - weiß farbig
1.1 Wohnbauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO) W W W
Rot mittel
1.1.1 Kleinsiedlungsgebiete
(§ 2 BauNVO) WS WS WS
Rot mittel
1.1.2 Reine Wohngebiete
(§ 3 BauNVO) WR WR WR
Rot mittel
1.1.3 Allgemeine Wohngebiete
(§ 4 BauNVO) WA WA WA
Rot mittel
1.1.4 Besondere Wohngebiete
(§ 4a BauNVO) WB WB WB
Rot mittel
1.2 Gemischte Bauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) M M M
Braun mittel
1.2.1 Dorfgebiete
(§ 5 BauNVO) MD MD MD
Braun mittel
1.2.2 Mischgebiete
(§ 6 BauNVO) MI MI MI
Braun mittel
1.2.3 Urbane Gebiete
(§ 6a BauNVO) MU MU MU
Braun mittel
1.2.4 Kerngebiete
(§ 7 BauNVO) MK MK MK
Braun mittel
223
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Grau mittel
1.3.1 Gewerbegebiete
(§ 8 BauNVO) GE GE GE
Grau mittel
1.3.2 Industriegebiete
(§ 9 BauNVO) GI GI GI
Grau mittel
1.4 Sonderbauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO) S S S
Orange mittel
1.4.1 Sondergebiete
die der Erholung dienen SO
WOCH
SO
WOCH WOCH
SO
(§ 10 BauNVO) Orange mittel
1.4.2 Sonstige Sondergebiete
(§ 11 BauNVO) SO
KLINIK
SO
KLINIK
SO
KLINIK
Orange mittel
der Nummern 1.1 bis 1.4 bei farbiger Darstellung der Buchstabe
entfallen.
Die Grundflächenzahl gibt an, wieviele Quadratmeter „Grundfläche“ (das ist die Flä-
che, auf der das Fundament eines Gebäudes ruht) je Quadratmeter Grundstücksfläche
zulässig sind. Eine Grundflächenzahl von 0,5 bedeutet z. B., dass von einem m2 Grund-
stücksfläche die Hälfte (0,5) überbaut werden darf (zur Berechnung der Grundstücks-
fläche vgl. § 19 Abs. 3 BauNVO).
Auf das ganze Grundstück bezogen, kann man die angegebene Grundflächenzahl so-
mit auch als Prozentwert der überbaubaren Grundstücksfläche verstehen. Eine Grund-
flächenzahl von 0,8 bedeutet beispielsweise, dass 80 % der Fläche des Grundstücks
von Gebäuden bedeckt oder doch zumindest versiegelt sein dürfen. (Daraus folgt wie-
derum, dass die höchste Grundflächenzahl 1,0 ist; denn in diesem Fall dürfte das
gesamte Grundstück überbaut werden). Alternativ oder auch neben einer GRZ466 darf
die zulässige Grundfläche auch durch Festsetzung einer absoluten Zahl (maximal zu-
lässige Grundfläche in m2) festgesetzt werden.
Bereits durch die BauNVO 1990 wurde die Berechnungsweise der festgesetzten
Grundfläche „ökologisiert“, indem nach § 19 Abs. 4 BauNVO die Flächen von Ne-
benanlagen einschließlich der Anlagen, mit denen das Baugrundstück lediglich unter-
baut wird, anders als zuvor mitzurechnen sind. Damit ist die GRZ beinah zu einer
„Versiegelungszahl“ geworden. Zur Unterbringung der rechnerisch hinzugetretenen
Nebenanlagen darf die festgesetzte Grundfläche in m2 oder die Grundflächenzahl um
224
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Die Bebauungspläne V.
max. 50 % überschritten werden, höchstens jedoch bis zu einer GRZ von 0,8. Rechen-
beispiel: Bei einer festgesetzten GRZ von 0,4 darf die den offenen Innenhof unterbau-
ende Tiefgarage danach also auf weiteren 0,2 (sprich 20 % der Grundstücksfläche)
untergebracht werden. Die Grundflächenzahl nach § 19 BauNVO ist der Maßbestim-
mungsfaktor, der bei einem qualifizierten Bebauungsplan festgesetzt werden muss.
Fehlt diese Festsetzung, sind alle Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in
einem Bebauungsplan unwirksam467. Die nachfolgenden Bestimmungsfaktoren zur
Geschossflächenzahl, Geschossfläche, Zahl der Vollgeschosse (§ 20 BauNVO), zur
Baumassenzahl, Baumasse (§ 21 BauNVO) oder zur Höhe baulicher Anlagen (§ 18
BauNVO) können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden. Im städtebauli-
chen Kontext der Städte und Gemeinden wird man regelmäßig städtebauliche Gründe
finden, um auch die Geschossfläche und/oder die Höhe(nentwicklung) baulicher Anla-
gen vorzugeben bzw. zu beschränken.
Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter „Geschossfläche“ (das ist die
Summe der Flächen, die in allen Vollgeschossen eines Gebäudes vorhanden sind) je
Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Die Geschossflächenzahl berücksich-
tigt also nicht nur die Grundfläche eines Gebäudes, sondern auch, wieviel Quadratme-
ter Fläche in darüber liegenden Vollgeschossen errichtet werden dürfen. Das heißt:
Bei eingeschossigen Gebäuden ist die Grundflächenzahl im Wesentlichen gleich der
Geschossflächenzahl, weil Nebenanlagen, Terrassen und Wege bei der Ermittlung der
Geschossflächenzahl außer achtgelassen werden (§ 19 Abs. 4 BauNVO). Bei mehrge-
schossigen Gebäuden kommt pro Geschoss die dadurch verwirklichte Geschossfläche
hinzu. Ebenfalls bei der Ermittlung der Geschossfläche nach § 20 Abs. 3 Satz 1
BauNVO zu berücksichtigen ist z. B. auch ein an den Außenwänden eines Gebäudes
angebrachter Vollwärmeschutz, mit dem den Anforderungen der Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) Rechnung getragen werden soll468.
Beispiel: Eine Geschossflächenzahl von 1,5 bedeutet, dass in mehreren Geschossen
auf einem Grundstück das Eineinhalbfache der Fläche des gesamten Grundstücks als
Geschossfläche verwirklicht werden darf. Wenn also z. B. die Hälfte der Fläche des
Grundstücks überbaut werden darf (GRZ = 0,5), dann werden mindestens zwei Ge-
schosse benötigt, um die Gesamtfläche des Grundstücks als Geschossfläche unterzu-
bringen und damit eine GFZ von 1,0 zu verwirklichen. Für die Realisierung einer
GFZ von 1,5 benötigt man bei einer Grundflächenzahl von 0,5 also mindestens drei
Geschosse.
Bei festgesetzter GFZ errechnet sich die auf einem Grundstück zulässige Geschossflä-
che nach folgender Formel:
Grundstücksfläche × GFZ = zulässige Geschossfläche.
Bei vorgegebener Geschossfläche prüft man die Einhaltung der festgesetzten GFZ an-
hand folgender Formel:
Geschossfläche: Grundstücksfläche = tatsächliche GFZ.
Die Baumassenzahl dient dem gleichen Zweck wie die GFZ, nämlich der Begrenzung
der Gebäudemasse, die auf einem Grundstück verwirklicht werden darf. Die BMZ
muss in Industrie- und Gewerbegebieten, evtl. auch in Sondergebieten dann benutzt
werden, wenn die auf den Grundstücken zulässigen Gebäude nicht notwendig in Ge-
schossbauweise errichtet werden müssen oder Geschosse von überdurchschnittlicher
Höhe aufweisen dürfen; das Hauptbeispiel dafür sind Fabrikhallen. Die Festsetzung
einer GFZ erreicht hier nicht den gewollten Zweck, nämlich den Gesamtumfang des
Gebäudes zu begrenzen – eine eingeschossige Fabrikhalle von 30 Metern Höhe ist
467 BVerwG, B. v. 18.12.1995 – BVerwG 4 NB 36.95 –, NVwZ 1996, 894; Thüringer OVG, U. v.
15.12.2004 – 1 N 92/00 –, ThürVBl. 2005, 89; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 15.11.2012 – OVG
10 A 10.09 –, juris.
468 BVerwG, U. v. 7.6.2006 – 4 C 7.05 –, NVwZ 2006, 1065 = ZfBR 2006, 686.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
durch eine GFZ nicht zu erfassen. Hier hilft nur die Baumassenzahl, mit der festgesetzt
wird, wie viele Kubikmeter umbauten Raums je Quadratmeter Grundstücksfläche zu-
lässig sind. In den Bildern 31 und 32 sind GRZ und GFZ noch einmal grafisch erläu-
tert:
– Die Grundflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratme-
ter Grundstücksfläche zulässig sind.
– Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quad-
ratmeter Grundstücksfläche zulässig sind.
Bild 34: Die Grundflächenzahl (GRZ)
Grundstücksfläche = 1.200 m2
Grundfläche = 240 m2
GRZ = 0,2
20 m
40 m 12 m
30 m
Schließlich kann der Planer noch durch die Festsetzung der Zahl der höchstens, min-
destens oder zwingend zulässigen „Vollgeschosse“ Einfluss darauf nehmen, in welcher
Weise die zulässige GFZ auf dem betreffenden Grundstück verwirklicht wird. Wer
allerdings in der BauNVO etwas Näheres zum Begriff des „Vollgeschosses“ sucht,
wird nicht fündig: Die BauNVO definiert das Vollgeschoss nicht; § 20 Abs. 1
BauNVO verweist dazu auf das Landesrecht und damit auf die Landesbauordnungen.
Dort sind die Vollgeschosse mit bestimmten Mindesthöhen und Höchstgrenzen defi-
niert. Im Zuge der Novellierung der Landesbauordnungen wurde in verschiedenen
Ländern die Definition des Vollgeschosses, z. B. hinsichtlich der Anrechnung von
Dachräumen, geändert. Gilt diese Änderung auch für Pläne, die vorher rechtsverbind-
lich geworden sind? Der Hessische VGH469 wendet die neuen Bestimmungen auch für
alte Bebauungspläne an, während der VGH Baden-Württemberg470 zutreffend eine
dynamische Verweisung auf die Landesbauordnung verneint. Es gilt jeweils der bei
Inkrafttreten des Bebauungsplans maßgebende Geschossbegriff. Anderenfalls würde
der Inhalt des Bebauungsplans nachträglich geändert, und zwar ohne planerische Ent-
scheidung der Gemeinde, die bei der Abwägung nur von der damals geltenden Landes-
bauordnung ausgehen konnte.
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Die Bebauungspläne V.
20 m
40 m
12 m
30 m
GRZ, GFZ und BMZ sind Zahlen, die wie dargestellt das Verhältnis im Vergleich zur
Größe des Baugrundstücks zum Ausdruck bringen. Nicht immer ist es ratsam, mit
diesen relativen Verhältnisangaben zu arbeiten. Besteht bei ungleich großen Baugrund-
stücken z. B. das städtebauliche Ziel in einer einheitlichen Größe der baulichen Anla-
gen, lassen sich auch absolute Zahlen, also die Größe der Grundfläche in Quadratme-
ter, die Größe der Geschossfläche in Quadratmeter sowie die Größe der Baumasse in
Kubikmeter, regeln. Bei den relativen Festsetzungen von GRZ, GFZ und BMZ ist zu
beachten, dass sich die Zahlen stets auf die Größe des Baugrundstücks und nicht
zwangsweise auf die Gesamtgröße des Grundstücks beziehen. Wenn z. B. nur ein Teil
des Grundstücks als Baugebiet (WA) festgesetzt ist und ein anderer als private Grünflä-
che (mit Festsetzungen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft), dann
ist für die Berechnung von GRZ, GFZ bzw. BMZ nur der innerhalb des Grundstücks
als Baugebiet ausgewiesene Bereich maßgeblich.
Bei der Festsetzung der Höhe von baulichen Anlagen muss ein eindeutig auffindbarer
bzw. messbarer Bezugspunkt gewählt werden. Abstrakt eindeutig ist die Bezugnahme
auf NHN (Normal-Höhen-Null). Da es dem Planer jedoch nicht auf die Höhe über
NHN, sondern auf die Gebäudehöhe über dem Gelände ankommt, muss zuvor Klar-
heit gewonnen werden, wie hoch das Gelände über NHN liegt. Häufig werden dazu
Geländepunkte eingemessen. Die Festsetzung der Höhe „über gewachsener Erdober-
fläche“ oder „über Gehweg“ darf nur gewählt werden, wenn das Geländeniveau im
Plangebiet weitestgehend gleich ist oder wenn es am Ende auf einen halben Meter
nicht ankommt. Im Zweifel ist diese Festsetzung zu unbestimmt! Soweit Grundstücke
an mehr als eine Straße grenzen, muss der Plangeber, der auf die Höhe erschließender
öffentlicher Verkehrsflächen als unteren Bezugspunkt – hier für die maximal zulässige
First- und Traufhöhe – verweist, klarstellen, welche Straße maßgeblich ist; dies ist nur
dann entbehrlich, wenn alle in Betracht kommenden Verkehrsflächen höhengleich
sind. Unterbleibt dies, ist die Angabe nicht hinreichend bestimmt, was in einem ent-
schiedenen Fall zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt führte.471 Unprob-
lematisch ist es hingegen, wenn in der Planunterlage ein vermessener Höhenbezugs-
punkt enthalten ist, auf den sich alle weiteren Höhenfestsetzungen (z. B. die Trauf-
oder die Firsthöhe von Gebäuden) beziehen. Bei der Festsetzung der exakten Höhe
baulicher Anlagen kann auch in einer städtebaulich sehr (vor-)bestimmten Weise auf
eine Nachbarbebauung Bezug genommen werden, z. B. auf ein Baudenkmal. Dabei ist
es je nach städtebaulichem Erfordernis möglich, die Höhe der Oberkante, die First-
und/oder die Traufhöhe baulicher Anlagen festzusetzen.
Für den Planer in der Praxis ist es wichtig, die Summe der Möglichkeiten des Zusam-
menspiels von Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl und der Anzahl der Geschosse
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
228
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Die Bebauungspläne V.
478 BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 –, ZfBR 2000, 415. Anders (zu Recht) VGH Baden-Württem-
berg, U. v. 25.6.1996 – 5 S 2572/95 –, BauR 1997, 274; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, U. v.
14.8.1997 – 10 B 1869.97 –, ZfBR 1998, 104 (wie BVerwG).
479 BVerwG, U. v. 7.6.2001 – 4 C 1.01 –, ZfBR 2001, 558.
480 BVerwG, B. v. 29.7.1999 – 4 BN 24.99 –, ZfBR 1999, 353.
229
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Die Baunutzungsverordnung ist seit ihrem erstmaligen Erlass im Jahr 1962 (BGBl. I
S. 429) bereits mehrfach überarbeitet worden, nämlich in den Jahren 1968
(BGBl. 1968 I S. 1238; 1969 I S. 11) und 1977 (BGBl. I S. 175); 1985 (nur § 11
Abs. 3), 1990 (BGBl. I S. 132), 2013 (BGBl. I S. 1548) und 2017 (BGBl. I S. 3786).
Besonders wichtig ist der Grundsatz, dass die älteren Fassungen der BauNVO nach
wie vor für all die Bebauungspläne heranzuziehen sind, die bei Geltung der jeweils
älteren Fassungen aufgestellt worden sind481. Das hat seinen Grund darin, dass die
Definitionen der BauNVO gleichsam eine amtliche Legende zum Planinhalt darstellen.
Wenn 1965 ein „Industriegebiet“ festgesetzt wurde, dann sollte für dieses Industriege-
biet nach dem planerischen Willen der Gemeinde die Umschreibung gelten, die ihm
in der 1965 geltenden BauNVO beigelegt wurde. Eine nachträgliche Änderung der
Umschreibung des Industriegebiets in der BauNVO von 1968 kann an dieser Tatsache
nichts ändern. Das Industriegebiet im B-Plan von 1965 muss also nach wie vor mit
Hilfe der BauNVO von 1962, nicht etwa zusammen mit der neuesten Fassung der
BauNVO, gelesen werden.
Es gilt also der wichtige Merksatz:
Zu einem Bebauungsplan ist jeweils die Baunutzungsverordnung (bei Plänen aus der Zeit
vor 1960: die Bauordnung) heranzuziehen, die (unter Beachtung des jeweiligen Überlei-
tungsrechts) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Plans gegolten hat.
Abweichungen von dieser Regel können nur durch ein reguläres Änderungsverfahren
zum Bebauungsplan herbeigeführt werden. Bei der BauNVO-Novelle 2013 verhält es
sich allerdings etwas anders. Denn in § 245a Abs. 1 BauGB ist eine Überleitungsvor-
schrift aufgenommen worden, wonach die neuen Regelungen zur Zulässigkeit von
Anlagen zur Kinderbetreuung im reinen Wohngebiet (WR) oder aber von Anlagen
zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auch für
Bebauungspläne, die vor der Novelle 2013 in Kraft getreten sind, gelten. Dies soll bei
den Kinderbetreuungseinrichtungen nur dann nicht der Fall sein, wenn diese im B-
Plan ausdrücklich für unzulässig erklärt wurden. Gemeinden, die nicht damit einver-
standen sind, aufgrund der Überleitungsvorschriften Kinderbetreuungseinrichtungen
im WR und Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopp-
lungsanlagen in den Baugebieten „frei Haus geliefert“ zu bekommen, müssen ihre B-
Pläne ändern (§ 245a Abs. 2 BauGB).
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Die Bebauungspläne V.
zungsplan noch landwirtschaftliche Nutzung vorsieht, kann die Gemeinde kein neues
Wohngebiet einrichten.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Bebauungspläne doch relativ häufig von den Vorga-
ben des Flächennutzungsplans ganz oder teilweise abweichen müssen. Damit das Flä-
chennutzungsplan-Änderungsverfahren, das allein durch die Abwicklung der notwen-
digen Verfahrensschritte mindestens ein Jahr (in der Regel mehrere Jahre) in Anspruch
nimmt, nicht zeitlich vor dem Bebauungsplan abgewickelt werden muss, dessen Auf-
stellungsverfahren im Durchschnitt ebenfalls drei Jahre (kürzestenfalls etwas mehr als
ein Jahr – noch kürzere Verfahren sind nur im vereinfachten oder beschleunigten Ver-
fahren möglich – einzelne Ausnahmen bestätigen diese Regel) dauert, räumt das Gesetz
die Möglichkeit des „Parallelverfahrens“ ein. Der Flächennutzungsplan kann dadurch
„parallel“, also gleichzeitig mit dem Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans, geän-
dert werden. So addieren sich die benötigten Zeiträume nicht, sondern sie fallen zu-
sammen.
Zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen kann ein im Parallelverfahren aufgestellter
B-Plan sogar vor Abschluss des Änderungsverfahrens zum F-Plan bekanntgemacht
(und damit in Kraft gesetzt) werden, „wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten
anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans entwickelt sein wird“ (§ 8 Abs. 3 Satz 2). Die Fachleute sprechen
in derartigen Fällen von einem „planreifen“ F-Plan. Bis 1976 durfte der B-Plan von
der Rechtsaufsicht nicht genehmigt werden, bevor die F-Plan-Änderung genehmigt
war482.
Wenn die Gemeinde noch gar keinen Flächennutzungsplan hat, kann sie natürlich
einen Bebauungsplan auch nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickeln. Dieser Fall
ist zwar in den Alt-Bundesländern selten geworden, in den neuen Bundesländern gibt
es aber immer noch recht viele Gemeinden ohne rechtsverbindlichen Flächennutzungs-
plan. Diese Gemeinden können einen oder mehrere „vorzeitige“ Bebauungspläne nach
§ 8 Abs. 4 aufstellen. Dort ist geregelt, dass ein B-Plan auch ohne Flächennutzungsplan
aufgestellt werden darf, „wenn dringende Gründe es erfordern und der B-Plan der
beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegen-
steht“483. Nur sehr kleine Gemeinden können sich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 berufen, der
einen F-Plan für entbehrlich erklärt, wenn der B-Plan ausreicht, um die städtebauliche
Entwicklung (der ganzen Gemeinde) zu ordnen484 (sog. selbständiger Bebauungsplan).
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Bebauungsplänen hat es in der Vergangen-
heit relativ häufig Streit zwischen den Gerichten und der Verwaltung darüber gegeben,
welche Abweichungen ein Bebauungsplan vom Flächennutzungsplan aufweisen darf,
ohne dass die Gemeinde sich vorwerfen lassen muss, er sei nicht mehr aus dem
Flächennutzungsplan „entwickelt“. Nach der Formel des BVerwG erweist sich die
Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan „als eine von Gestaltungsfreiheit gekenn-
zeichnete planerische Fortentwicklung der im Flächennutzungsplan dargestellten
Grundkonzeption“485. Unwesentliche Abweichungen von den Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans sind danach möglich, wenn nur dessen Grundkonzeption gewahrt
wird486. Zur Grundkonzeption gehört in der Regel die Zuordnung der einzelnen Bau-
flächen zueinander. Um den Spielraum der Verwaltung möglichst weit zu halten, ist
482 Vgl. (noch zum vor 1976 geltenden Recht) BVerwG, U. v. 29.9.1978 – 4 C 30.76 –, BauR 1978, 449.
483 Zu den Voraussetzungen vgl. BVerwG, U. v. 14.12.1984 – 4 C 54.81 –, ZfBR 1985, 87.
484 Vgl. aber VGH Baden-Württemberg, B. v. 27.7.1979 – 3 3871/78 –, BRS 35 Nr. 19.
485 Vgl. BVerwG Buchholz 406.11 § 8 BBauG Nr. 3; ebenso BGH, U. v. 28.5.1976 – 3 ZR 137/74 –, BauR
1976, 336; relativ großzügig auch BVerwG, U. v. 26.1.1979 – 4 C 65.76 –, BauR 1979, 206; BVerwG,
U. v. 26.1.1979 – 4 C 65.76 –, BRS 35 Nr. 20; BVerwG, U. v. 28.2.1975 – 4 C 74.72 –, BVerwGE 48,
70.
486 Beispiel: BVerwG, B. v. 12.2.2003 – 4 BN 9.03 –, ZfBR 2003, 381 (Entwicklung von SPE-Flächen aus
der Darstellung von Wald).
231
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
für die gerichtliche Überprüfung seit 1976 durch eine Sonderregelung ausdrücklich
festgelegt, dass das „Entwicklungsgebot“ so lange als nicht verletzt gilt, wie die sich
aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung nicht
beeinträchtigt worden ist (vgl. § 214 Abs. 2 Nr. 2 und 4). Dabei ist Folgendes zu be-
achten: Die Frage, ob ein Bebauungsplan im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 aus dem
Flächennutzungsplan entwickelt ist, beurteilt sich nach der planerischen Konzeption
für den – engeren – Bereich des Bebauungsplans. Für die Frage hingegen, ob durch
den nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplan im Sinn des
§ 214 Abs. 2 Nr. 2 die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende, geordnete städte-
bauliche Entwicklung beeinträchtigt wird, ist die planerische Konzeption des Flächen-
nutzungsplans für den größeren Raum, in der Regel das gesamte Gemeindegebiet,
maßgebend487. Die Frage nach der Beeinträchtigung der geordneten städtebaulichen
Entwicklung des Gemeindegebiets spielt im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan
der Innenentwicklung nach § 13a eine besondere Rolle, da dieser Plan vom Entwick-
lungsgebot nach § 8 Abs. 2 ausgenommen wurde, solange keine solche Beeinträchti-
gung zu befürchten ist (Näheres dazu unter Abschnitt 8 in diesem Kapitel).
Das Bundesverwaltungsgericht488 hat noch vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuchs
die Freistellung der Gemeinden von der strikten Einhaltung des Verhältnisses von
„Vorher-Nachher“ bei F- und B-Plan ausdrücklich gebilligt. Das BVerwG führte sinn-
gemäß aus: Das Gebot, Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln
(§ 8 Abs. 2), bestehe in der Pflicht zu einer inhaltlichen, nämlich planerisch-konzeptio-
nellen Ableitung. Das Ziel der zweistufigen Planung liege darin, die Gemeinde anzu-
halten, ihre städtebauliche Entwicklung nach Maßgabe einer Grundkonzeption für
das gesamte Gemeindegebiet zu steuern. Entspreche ein Bebauungsplan diesem Anlie-
gen, sei die Einhaltung der diesem Zweck dienenden Verfahrensvorschriften zweitran-
gig; ihre Verletzung berühre kraft § 155b BBauG (jetzt: § 214 Abs. 2 BauGB) die
Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht.
Das Parallelverfahren ist nach Auffassung des BVerwG dadurch gekennzeichnet, dass
die einzelnen Abschnitte beider Planverfahren in einem angemessenen zeitlichen Bezug
stehen und dass eine dem Entwicklungsgebot entsprechende inhaltliche Abstimmung
der Planentwürfe möglich und gewollt ist. Die einzelnen Verfahrensschritte müssen
nicht im zeitlichen Gleichlauf stattfinden. Der Bebauungsplan kann sogar in einzelnen
Verfahrensabschnitten einen Vorlauf haben, wenn er inhaltlich auf den Entwurf des
Flächennutzungsplans abgestimmt ist.
5. Weitere Inhalte und Bestandteile eines Bebauungsplans
Hauptinhalte des Bebauungsplans sind die bereits besprochenen Festsetzungen nach
§ 9 Abs. 1 Ziffer 1 bis 26, unter denen wiederum die Festsetzungen über die Art und
das Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen und über
die örtlichen Verkehrsflächen die wichtigsten sind. Durch das EAG Bau 2004 ist mit
§ 9 Abs. 2 die Möglichkeit hinzugekommen, im Bebauungsplan festzusetzen, dass be-
stimmte darin festgesetzte Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeit-
raum zulässig sind (z. B. während eines Großereignisses wie einer Bundes-/Landesgar-
tenschau) oder nur bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind (Zulässigkeit der Wohnnutzung z. B. erst ab Betriebsfähigkeit eines Schienenan-
schlusses). Die Möglichkeit der Kopplung von Festsetzungen an Fristen oder Bedin-
gungen ist im Rahmen der Klimaschutznovelle 2011 ausgeweitet worden, indem sich
für die Zwecke des Repowering von Windkraftanlagen nach § 249 Abs. 2 regeln lässt,
dass die Neuerrichtung von Windkraftanlagen an die Bedingung geknüpft wird, dass
(auch außerhalb des Plangebiets, sogar des Gemeindegebiets liegende) Altanlagen in-
232
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Die Bebauungspläne V.
nerhalb einer zu bestimmenden Frist zurückgebaut werden (Gleiches lässt sich sogar
nach § 249 Abs. 2 Satz 3 in F-Plänen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3
regeln – vgl. hierzu auch Kapitel B.IV.5.f). Seit 1.1.2007 können in besonderen Bebau-
ungsplänen für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einer Gemeinde Festlegun-
gen zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Abs. 2a) und
seit 2013 Festlegungen zur Steuerung von Vergnügungsstätten (§ 9 Abs. 2b) getroffen
werden. 2017 ist schließlich mit § 9 Abs. 2c die Möglichkeit hinzugetreten, Bebau-
ungspläne zur Vermeidung oder Verringerung von Störfallrisiken aufzustellen, die mit
gebäudebezogenen Festsetzungen nach dem ebenfalls neuen § 9 Abs. 1 Nr. 23c verbun-
den werden können. Außerdem im Jahr 2017 neu hinzugekommen sind der Bebau-
ungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren
sowie differenziertere Festsetzungsmöglichkeiten zum Hochwasserschutz in § 9 Abs. 1
Nr. 16, der sich jetzt in die Buchstaben a bis d gliedert.
Neben den Festsetzungen nach Bundesrecht sind in Bebauungsplänen auch Festsetzun-
gen nach Landesrecht möglich, wenn das betreffende Bundesland die in § 9 Abs. 4
enthaltene Ermächtigung des Bundesgesetzgebers aufgegriffen hat. Folgender Sachver-
halt steckt hinter dieser Möglichkeit: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das
Recht der Bauordnung und Baugestaltung bei den Ländern liegt; hinzu kommt die
Kulturhoheit der Länder, mit der z. B. die Befugnis verbunden ist, das Recht der Bau-
denkmale zu regeln. Baugestaltungsvorschriften und Denkmalschutzvorschriften kön-
nen also einerseits nicht kraft Bundesrechts in einen Bebauungsplan hineingeschrieben
werden. Andererseits ist es offensichtlich zweckmäßig, örtliche Vorschriften über die
Gestaltung von Häusern (z. B. über die Dachneigung, über die Farbe der Ziegel, über
die Gestaltung der Außenfassaden) nicht in einer besonderen Satzung neben dem Be-
bauungsplan festzulegen, sondern in einem Plan, nämlich dem Bebauungsplan, festzu-
setzen. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber den Ländern erlaubt, in ihren Vorschriften
zu regeln, dass landesrechtliche Festsetzungen in einen Bebauungsplan (nach Bundes-
recht) übernommen werden können. Die meisten Länder haben von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht. Deshalb kann man in einem Bebauungsplan nicht nur Festset-
zungen nach § 9, sondern auch örtliche Festsetzungen nach den jeweiligen
Landesbauordnungen489 oder auch denkmalschützende Festsetzungen nach den Denk-
malschutzgesetzen490 vorfinden. Sog. örtliche Bauvorschriften können insbesondere
sein:
– Vorschriften über die äußere bauliche Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchfüh-
rung baugestalterischer Absichten;
– besondere Anforderungen an die Art, die Größe, die Gestaltung, die Farbe und
den Anbringungsort von Werbeanlagen;
– besondere Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz bestimmter Bauten,
Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebauli-
cher Bedeutung sowie von Baudenkmalen und Naturdenkmalen;
– Vorschriften über die Lage, Größe, Beschaffenheit, Ausstattung und Unterhaltung
von Kinderspielplätzen;
– Vorschriften über die Gestaltung der Gemeinschaftsanlagen, der Stellplätze für be-
wegliche Abfallbehälter usw.
Gestaltungsvorschriften müssen von einem Gestaltungskonzept getragen sein; Einheit-
lichkeit der Gestaltung allein stellt kein Gestaltungskonzept dar491.
Einige Bundesländer haben es auch ermöglicht, landschaftsplanerische Festsetzungen
in den Bebauungsplan aufzunehmen. Damit wird die rahmenrechtliche Verpflichtung
des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach die Gemeinden Landschaftspläne aufzustellen
233
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
haben, sobald und soweit dies erforderlich ist, konstruktiv umgesetzt492. Umstritten
ist, ob die örtlichen Festsetzungen kraft Landesrechts den gleichen Maßstäben im Hin-
blick auf Abwägung und Gerichtskontrolle unterliegen wie die planerischen Festset-
zungen kraft Bundesrechts493. Die Logik spricht eher dafür; denn der Bürger ist von
landesrechtlichen Festsetzungen nicht weniger (und nicht mehr) betroffen als von bun-
desrechtlichen. Damit hängt auch die Frage zusammen, in welchem Verfahren die kraft
Landesrechts in einen B-Plan aufgenommenen Festsetzungen Aufnahme in den Plan
finden können. Der Bundesgesetzgeber hat in § 9 Abs. 4 vorgesehen, dass darüber das
Landesrecht entscheiden solle („Die Landesgesetzgeber können durch Rechtsvorschrif-
ten bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als
Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen
die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden“). Was gilt, wenn das Landes-
recht dazu nichts aussagt? Sollen Gestaltungsvorschriften – sofern deren Aufnahme in
B-Pläne kraft Landesrechts ohne nähere Verfahrensregelung erlaubt ist – dann wegen
ihrer Natur als Ordnungsrecht vom Bürgermeister allein und nicht im Kontext des
Satzungsbeschlusses von der Gemeindevertretung beschlossen werden? Das wäre ziem-
lich absurd. Man wird den § 9 Abs. 4 i. V. m. dem landesrechtlichen Übertragungsakt
daher so auslegen müssen, dass die Verfahrensregeln des BauGB immer dann auch auf
kraft Landesrechts in einen B-Plan übernommene Festsetzungen Anwendung finden,
wenn der Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat. Eine auf
Landesrecht beruhende Festsetzung verliert aber nicht ihren materiellen Charakter als
Landesrecht, wenn sie in einen B-Plan aufgenommen wird. Wenn Verstöße gegen lan-
desrechtliche Festsetzungen kraft Landesrechts mit einem Bußgeld geahndet werden
können, dann ist dies auch dann möglich, wenn die Festsetzung in einem Bebauungs-
plan steht.
Neben Festsetzungen kraft Bundes- und Landesrechts finden sich in Bebauungsplänen
auch „Kennzeichnungen“ und „nachrichtliche Übernahmen“. „Kennzeichnungen“
sind Hinweise auf Bodenbelastungen mit umweltgefährdenden Stoffen („Altlas-
ten“494) oder naturräumliche Gegebenheiten, die man beim Bauen besonders beachten
muss. In Kohlebergbaugebieten ist es z. B. wichtig zu wissen, ob unter dem Grundstück
„der Bergbau umgeht“. Davon kann die Standfestigkeit der Gebäude beeinflusst wer-
den; der Bauherr muss sich darum kümmern. Auch eine Kennzeichnung als „Über-
schwemmungsgebiet“ ist für den Bauherrn wichtig. Solche Gebiete können keineswegs
immer völlig von der Bebauung freigehalten werden (man denke nur an die vielen
Städte im Verlauf des Rheins oder der Donau, die fast alle Altstadtquartiere direkt am
Ufer des Flusses aufweisen, die bei Hochwasser zwangsläufig überschwemmt werden).
Durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom
3. Mai 2005 sind die Gemeinden zunächst verpflichtet worden, nach dem Wasserhaus-
haltsgesetz festgesetzte Überschwemmungsgebiete „nachrichtlich zu übernehmen“
(vgl. den 2005 eingefügten § 9 Abs. 6a). Das Hochwasserschutzgesetz II bestimmt
492 Zur hess. Regelung vgl. Hessischer VGH, U. v. 25.1.1988 – 3 N 13/83 –, ZfBR 1988, 236.
493 Bejahend VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.8.1982 – 5 S 858/82 –, BaWüVBl. 1983, 179 = ESVGH
32, 249 – BRS 39 Nr. 133; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.12.1981 – 2 N 12.80 –, NJW 1981,
845; verneinend Niedersächsisches OVG, U. v. 12.2.1982 – 1 A 231/80 –, NJW 1982, 2012: Weder
Begründung noch Abwägung nötig; vgl. auch: OVG des Saarlandes NVwZ 1983, 42 = UPR 1982,
266: § 47 VwGO eröffnet keine Normenkontrolle gegen örtliche Bauvorschriften im Bebauungsplan;
das bejaht wiederum OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 19.8.1983 – 10a NE 1/81 –, NVwZ 1984, 595;
ebenso Niedersächsisches OVG, U. v. 11.3.1983 – 6 A 47/81 –, NVwZ 1984, 252: Verfassungsmäßig-
keit örtlicher Baugestaltungssatzungen.
494 Zur Haftung der Gemeinde bei Überplanung einer ehemaligen Mülldeponie als Wohngebiet vgl. BGH,
U. v. 26.1.1989 – 3 ZR 194/87 –, ZfBR 1989, 119 sowie BGH, U. v. 6.7.1989 – 3 ZR 251/87 –,
ZfBR 1989, 261; vgl. auch BGH, U. v. 21.12.1989 – 3 ZR 118/88 –, ZfBR 1990, 88; speziell zur
Kennzeichnungspflicht BGH, U. v. 21.2.1991 – 3 ZR 245/89 –, ZfBR 1991, 167.
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Die Bebauungspläne V.
mit Wirkung vom 5.1.2018 darüber hinaus, dass die mit der Novelle neu ins Gesetz
aufgenommenen, außerhalb von Überschwemmungsgebieten liegenden Risikogebiete
im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentste-
hungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes ebenfalls nach-
richtlich in den Bebauungsplan übernommen werden sollen (§ 9 Abs. 6a, § 5 Abs. 4a
hierzu analog für den Flächennutzungsplan).
Die „nachrichtlichen Übernahmen“ betreffen die Ergebnisse von anderen Planungsver-
fahren, die vor allem nach den bereits erwähnten Fachplanungsgesetzen möglich sind:
Insbesondere der Verlauf von Eisenbahnen und Straßen wird nicht nach dem Bauge-
setzbuch, sondern nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz, dem Bundesfernstraßenge-
setz oder dem Landesstraßengesetz geplant. Zur Festsetzung der für die Eisenbahn
bzw. eine Straße benötigten Fläche gibt es das bereits erwähnte besondere Verfahren,
das Planfeststellungsverfahren. Wenn ein solches Planfeststellungsverfahren rechtsver-
bindlich abgeschlossen ist, steht die Trasse einer bestehenden oder künftigen Eisen-
bahn oder Straße damit fest. Gebäude dürfen auf dieser Trasse selbstverständlich nicht
errichtet werden. Es leuchtet ein, dass eine derartige Trasse im Bebauungsplan ver-
merkt werden muss, damit nicht der irrige Eindruck entsteht, mit der Fläche könnte
irgendetwas anderes angefangen werden. Die Übernahme solcher anderweitigen Pla-
nungen in einen Bebauungsplan nennt man „nachrichtliche Übernahme“, weil die
Rechtswirksamkeit der betreffenden Festlegung nicht vom Bebauungsplan, sondern
von den anderweitigen Planungsverfahren ausgeht. In der Praxis ist es üblich, auch
auf im Verfahren befindliche Planfeststellungen durch „Vermerke“ im B-Plan hinzu-
weisen. Die Sperrwirkung solcher Vermerke kann annähernd so stark sein wie die
nachrichtliche Übernahme erfolgter Planfeststellungen.
Aus der Erwähnung von „Festsetzungen“, der „Legende“, der „Übernahmen“ und
der „Vermerke“ wird deutlich, dass die Planurkunde eines Bebauungsplans in aller
Regel mehrere Bestandteile hat.
In aller Regel sind dies (s. auch Bild 36):
– die eigentliche Planzeichnung mit den gezeichneten Festsetzungen kraft Bundes-
und Landesrechts sowie den nachrichtlichen Übernahmen und Vermerken; auch
Nebenzeichnungen sind möglich;
– die zugehörige Legende, beruhend auf der Planzeichenverordnung und der Baunut-
zungsverordnung;
– die textlichen Festsetzungen (sie werden nach Möglichkeit neben der Planzeich-
nung auf der Planurkunde mit abgedruckt; dies ist jedoch nicht immer möglich
und zur Rechtsgeltung auch nicht erforderlich);
– die Hinweise ohne Normcharakter (mit solchen Hinweisen werden den Bauherren
Vorschläge z. B. für eine angemessene Pflanzenauswahl oder zur Farbgestaltung
gemacht, ohne dass diese Vorschläge Verbindlichkeit beanspruchen. Durch die
Aufnahme in die Planurkunde erhalten solche Vorschläge ein besonderes Gewicht);
– die Verfahrensvermerke einschließlich der Ausfertigung;
– der sog. Plankopf mit dem Titel des Plans und Angaben zum Verfahrensstand, zum
Stand der Planunterlage, Maßstab, Nordpfeil und dem Namen der planaufstellen-
den Kommune;
– Übersichtskarte zur räumlichen Einordnung des Plangebiets im gemeindlichen
Kontext.
Schließlich enthält die Planurkunde üblicherweise noch einen Hinweis auf die Rechts-
grundlagen (also das BauGB, die BauNVO, die PlanZV, die GemO, die BauO usw.).
Sofern der Bebauungsplan auch örtliche Bauvorschriften auf der Grundlage der Lan-
desbauordnung enthält, ist die Angabe der Rechtsgrundlage absolut unverzichtbar.
Hier gilt nämlich das sog. Zitiergebot entsprechend Art. 80 GG i. V. m. der entspre-
chenden Vorschrift der Landesverfassung. Danach muss in jeder Verordnung die
Rechtsgrundlage mit Paragraph, Absatz und ggf. Nummer genau angegeben werden.
235
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Die Begründung gehört zum Bebauungsplan, nimmt jedoch nicht an seinem Charakter
als Norm teil. Was in der Begründung steht, kann Auslegungshilfe sein – es ist jedoch
niemals allein als Begründungstext verbindlich.
Bild 36: Empfehlung zur Blattaufteilung eines Bebauungsplans
Planzeichen-
erklärung
Maßstab/-band M 1: 5.000/10.000
kartengrundlage Verfasser/Stand
495 BVerwG, U. v. 5.7.1974 – 4 C 50/72 –, BVerwGE 45, 309 (331); BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C
28.83 –, NJW 85, 1569.
496 So ausdrücklich Niedersächsisches OVG, U. v. 7.11.1997 – 1 K 3601/96 –, ZfBR 1998, 155.
497 Grundlegend BVerwG, U. v. 7.5.1971 – 4 C 76.68 –, NJW 1971, 1626; im Anschluss daran auch BGH,
U. v. 2.4.1992 – 3 ZR 25/91 –, BGHZ 67, 320.
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Die Bebauungspläne V.
wird (wenn ein Gericht eine solche Nachbesserung fordert, ist dies selbstverständlich
immer von berechtigtem Interesse). Im Übrigen ist die Unvollständigkeit der Begrün-
dung jedoch vor Gericht unbeachtlich – wenn es nicht um den Umweltbericht als
gesonderten Teil der Begründung geht. Der Umweltbericht darf nur „in unwesentli-
chen Punkten unvollständig“ (§ 214 Abs. 1 Nr. 3) sein; wenn er darüber hinaus lü-
ckenhaft ist, liegt darin ein beachtlicher Fehler. Dieser Fehler muss wiederum innerhalb
eines Jahres ab Bekanntmachung des Plans schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt
werden, wenn er vor Gericht geltend gemacht werden soll. Ebenso ist es, wenn die
Begründung völlig fehlt: Darin liegt ein rügefähiger Formfehler, der grundsätzlich vor
Gericht beachtlich ist und der prinzipiell zur Unwirksamkeit des Plans führt. Auch
dieser Formfehler muss binnen eines Jahres seit Bekanntmachung des Plans schriftlich
gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sein, damit er weiterhin beachtlich
bleibt. Unterbleibt eine solche Rüge, ist der bekanntgemachte Plan als von Anfang an
wirksam zu behandeln – der Fehler wird also gleichsam durch rügelosen Fristablauf
geheilt498. Im Streitfall muss eine fehlende Begründung jedoch vor Gericht nachgeholt
werden – auch wenn ihr Fehlen nicht mehr als Formfehler beachtlich ist. Die Recht-
sprechung hat alle diese Regelungen als verfassungskonform akzeptiert499. Zu beach-
ten bleibt aber, dass nach dem BGH eine Begründung bereits dann im Rechtssinne
„fehlt“, wenn sich die Begründung in einer Beschreibung des Planinhalts erschöpft
und die planerische Motivation – also die Entscheidungsgründe für das Ergebnis der
Abwägung – allenfalls angedeutet wird500.
Wiederholend sei darauf hingewiesen, dass die Begründung zu einem Bebauungsplan
als gesonderten Bestandteil stets einen Umweltbericht enthalten muss (es sei denn, der
B-Plan wurde im vereinfachten Verfahren nach § 13 oder im beschleunigten Verfahren
nach § 13a bzw. § 13b aufgestellt). Die Begründung ist nicht mit der „Zusammenfas-
senden Erklärung“ nach § 6a Abs. 1 (F-Plan) bzw. § 10a Abs. 1 (B-Plan) über den
Umgang mit den Erkenntnissen des Umweltberichts und den (dazu) eingegangenen
Stellungnahmen der Behörden und der Bürger zu verwechseln. Diese Erklärung ist ein
eigenständiges Dokument, das sich zwar als Anlage der Begründung beifügen, sich
aber genauso gut an anderer Stelle in die Verfahrensakte zum Bauleitplan einfügen
lässt. Sie muss aber ebenso wie die Begründung nach Abschluss des Verfahrens zur
Einsichtnahme bereit gehalten werden.
498 So BVerwG, U. v. 21.2.1986 – 4 N 1.85 –, ZfBR 1986, 142; bestätigt von BVerwG, U. v. 30.6.1989 –
4 C 15.86 –, ZfBR 1990, 30.
499 BGH, U. v. 1.10.1987 – 3 ZR 184/86 –, ZfBR 1988, 145 (146).
500 BGH, U. v. 11.6.1981 – 3 ZR 14/80 –, ZfBR 1981, 295.
501 VGH Baden-Württemberg, B. v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 –, BauR 2000, 1704.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
stimmt sie dem Vorhaben- und Erschließungsplan zu, evtl. mit einigen notwendigen
Ergänzungen, z. B. hinsichtlich der Wegeführung im und am Gebiet. Die Gemeinde
kann ihre Zustimmung zum Antrag des Vorhabenträgers selbstverständlich auch ver-
weigern; die Entscheidung darüber, ob sie ein Aufstellungsverfahren einleitet oder
nicht, muss sie gemäß § 12 Abs. 2 aber nach pflichtgemäßem Ermessen treffen und
dem Antragsteller mitteilen. Rechtswidrige Verweigerung kann (in seltenen Fällen)
zum Schadensersatz verpflichten. Ein Anspruch auf eine positive Entscheidung besteht
jedoch nicht. Nach dem VGH Baden-Württemberg handelt es sich bei dieser Entschei-
dung nicht um einen Verwaltungsakt502.
Grundsätzlich gibt es mehrere Wege bei der technischen Umsetzung des Instruments, die
hier nicht im Einzelnen erläutert werden können. Da die Gemeinde im Bereich des VEP
gemäß § 12 Abs. 3 weder an den Festsetzungskatalog des § 9 noch an die Bestimmungen
von BauNVO503 und PlanZV gebunden ist, kann der Plan des Vorhabenträgers auch ein
sehr ins Detail gehendes Planwerk sein, das ähnlich den Bauvorlagen beim Bauantrag aus
mehreren Blättern besteht. Insgesamt genügt also ein hinreichend genauer Projekt-
plan504. Auf der Grundlage dieses VEP wird der vorhabenbezogene Bebauungsplan ange-
fertigt, der dem Festsetzungsduktus nach entweder einem normalen Bebauungsplan äh-
nelt oder – alternativ – im Wesentlichen nur den Geltungsbereich nachzeichnet und im
Übrigen auf den VEP verweist („Trauerrand-Plan“). Alternativ besteht die Möglichkeit,
den Vorhabenplan zeichnerisch in einen Bebauungsplan umzuwandeln und damit den
VEP vollständig in den B-Plan zu integrieren. Diese Möglichkeit hat in der Vergangenheit
jedoch Planwerke hervorgebracht, die sämtliche Spezifika des Vorhabens ausklammer-
ten. Diesen Weg hat die Rechtsprechung für unzulässig erklärt und klargestellt, dass ein
Plan nicht vorhabenbezogen ist, wenn er die planungsrechtliche Grundlage für nahezu
beliebige Vorhaben darstellt. Vielmehr hat die Gemeinde Vorsorge dafür zu treffen, dass
das planerisch vorgegebene Nutzungsspektrum in seinem Kern erhalten bleibt505. Auch
die Kubatur des im Durchführungsvertrag vereinbarten Vorhaben muss im VEP im We-
sentlichen festgelegt sein506. Zwar besteht ein wirksamer vorhabenbezogener Bebau-
ungsplan im Sinne des § 12 aus drei Elementen, nämlich dem VEP, dem Bebauungsplan
und dem Durchführungsvertrag. Der VEP kann jedoch vollständig in die Planurkunde
des B-Plans integriert werden, sodass das Vorhaben auch ohne gesonderten VEP durch
den Plan hinreichend genau beschrieben ist507.
Der Gesetzgeber hat die Entwicklungen in der Praxis und die Rechtsprechung zum
Anlass genommen, § 12 im Rahmen der BauGB-Novelle 2006 um einen Abs. 3a zu
ergänzen: „Wird in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des
Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der
Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung
allgemein festgesetzt, ist unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 festzusetzen,
dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu
deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet.“
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan darf sich nun mit relativ allgemein gehaltenen
Festsetzungen begnügen und im Übrigen auf den Durchführungsvertrag verweisen.
Dazu muss dann eine bedingte Festsetzung nach § 9 Abs. 2 in das Planwerk aufgenom-
men werden, wonach der Vorhabenträger nur solche Vorhaben verwirklichen darf, die
502 VGH Baden-Württemberg, U. v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 –, ZfBR 2000, 417; vgl. auch Niedersächsi-
sches OVG, B. v. 10.12.2008 – 1 LA 150/06 –, BauR 2009, 777.
503 Die BauNVO besitzt allerdings eine Leitlinien- und Orientierungsfunktion auch für einen VEP – so das
BVerwG, U. v. 6.6.2002 – 4 CN 4.01 –, ZfBR 2002, 792.
504 So ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, 25.11.1996 – 8 S 1151/96 –, UPR 1997, 157.
505 BVerwG, B. v. 10.8.2004 – 4 BN 29.04 –, BauR 2004, 1908.
506 BVerwG, B. v. 2.5.2018 – 4 BN 7.18 –, BauR 2018, 1243.
507 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 23.1.2006 – 7 D 60/04 –, ZfBR 2006, 490.
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Die Bebauungspläne V.
508 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.5.2012 – 2 D 11/11.NE –, JurionRS 2012, 15858; BauR 2012,
1357.
509 Niedersächsisches OVG, U. v. 24.4.2002 – 1 KN 2792/01 –, ZfBR 2002, 588; VGH Baden-Württem-
berg, U. v. 14.11.2002 – 5 S 1635/00 –, ZfBR 2003, 268.
510 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 30.8.2001 – 1 C 11768/00 –, ZfBR 2001, 560.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
sem Fall kann (logischerweise) auf eine Fristbestimmung zur Ausführung des Vorhabens
im Durchführungsvertrag verzichtet werden.
Nach dem neuen § 12 Abs. 7 soll es in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan
seit 2017 auch möglich sein, in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der
Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung zuzulassen (vgl. auch Punkt 11.f in die-
sem Kapitel).
8. Der Bebauungsplan der Innenentwicklung
Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung
von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung im
beschleunigten Verfahren aufgestellt werden (zu den Erleichterungen im beschleunig-
ten Verfahren im Einzelnen vgl. Kapitel B.III.9).
Die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 enthält gleichlautend die Begriffe Wieder-
nutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen der Innen-
entwicklung. Diese Klausel ist gemäß § 1a Abs. 2 Satz 3 in der Abwägung zu berück-
sichtigen. Die Vorschrift ist auf die Verringerung der zusätzlichen
Flächeninanspruchnahme gerichtet und stellt zur Erreichung dieses Ziels die Möglich-
keiten der städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde durch Maßnahmen der Innen-
entwicklung heraus511. Durch die Anknüpfung des § 13a an die Begrifflichkeiten der
Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 wurde mit dem Bebauungsplan der Innenentwick-
lung ein Instrument geschaffen, das die Innenentwicklung forcieren und dadurch das
Ziel der Verringerung der Flächeninanspruchnahme unterstützen soll. Diese Rechnung
scheint insoweit aufzugehen, als ein Großteil der seit 2007 durchgeführten B-Planver-
fahren im beschleunigten Verfahren durchgeführt wird.
Um das beschleunigte Verfahren anwenden zu können, müssen Bebauungspläne der
Innenentwicklung im Einzelnen folgende Voraussetzungen erfüllen:
a) Zweck des Bebauungsplans. Der Zweck des Bebauungsplans muss die Wiedernutz-
barmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder eine andere Maßnahme der In-
nenentwicklung sein. Bebauungspläne der Innenentwicklung sind vor diesem Hinter-
grund grundsätzlich abzugrenzen von Bebauungsplänen, die gezielt Flächen außerhalb
der Ortslagen einer Bebauung zuführen sollen, auch wenn diese in einem Zusammen-
hang mit einer Innenentwicklung gesehen werden könnten, z. B. durch die Aufstellung
eines Bebauungsplans im bisherigen Außenbereich, der der Verlagerung eines Betriebs
aus dem Innenbereich dienen soll, um dort Flächen für die Innenentwicklung zu schaf-
fen. Somit werden nur solche Planungen durch den Bebauungsplan der Innenentwick-
lung erfasst, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem
Umbau vorhandener Ortsteile dienen512. Diese Formulierung nimmt Bezug auf § 1
Abs. 6 Nr. 4. Bebauungspläne der Innenentwicklung können auch für die Umnutzung
von Flächen aufgestellt werden. Nach der vorliegenden Rechtsprechung des BVerwG
ist es ausdrücklich nicht möglich, solche Außenbereichsflächen in den Plangeltungsbe-
reich einzubeziehen, die jenseits der äußeren Grenzen eines Siedlungsbereichs lie-
gen.513 Nach der Auffassung des VGH Baden-Württemberg können mit einem Bebau-
ungsplan der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BauGB aber
auch unbebaute Flächen, deren Überbauung sich bislang nach § 35 BauGB richtete
jedenfalls dann entwickelt werden, wenn sie auf allen Seiten von Bebauung umgeben
511 Krautzberger in: Ernst, Zinkahn, Bielenberg, Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 1a Rn. 36.
512 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/2496, S. 12.
513 Vgl. BVerwG, U. v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 –, ZfBR 2016, 260–263.
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Die Bebauungspläne V.
und damit dem Siedlungsbereich zuzurechnen und von diesem geprägt sind oder wenn
sie Teil einer solchen Fläche sind.514
In Betracht kommen im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 34, inner-
halb des Siedlungsbereichs befindliche Brachflächen sowie innerhalb des Siedlungsbe-
reichs befindliche Gebiete mit einem Bebauungsplan, der infolge notwendiger Anpas-
sungsmaßnahmen geändert oder durch einen neuen Bebauungsplan abgelöst werden
soll515. In Betracht kommen auch sogenannte „Außenbereiche im Innenbereich“516,
d. h. Flächen, die zwar selbst zum Außenbereich zählen, aber von einer baulichen
Nutzung umgeben sind. Flächen, die räumlich in den Außenbereich hineinragen, die-
sen aber lediglich abrunden sollen, können ebenfalls Gegenstand eines Bebauungs-
plans der Innenentwicklung sein (vgl. hierzu auch Kapitel B.VIII.5 Buchst. g). Da das
BauGB selbst keine weitere Definition des Begriffs „Innenentwicklung“ enthält, wird
man bei Abgrenzungsfragen regelmäßig auf das Ziel des Gesetzgebers zurückkommen,
der die Außenentwicklung zugunsten einer verstärkten Wiedernutzbarmachung oder
Nachverdichtung von Flächen begrenzen wollte. In diesem Sinne wäre z. B. die Über-
planung einer selbständigen öffentlichen Grünfläche im Innenbereich keine Maß-
nahme der Innenentwicklung, weil sie eben nicht der Wiedernutzbarmachung von
Flächen oder der Nachverdichtung dient. Anders wären dagegen Grün- und Freiflä-
chen zu beurteilen, die selbst Bestandteil der privaten Baugrundstücke sind und damit
sehr wohl für die Nachverdichtung nutzbar gemacht werden könnten, wenn die übri-
gen Anwendungsvoraussetzungen vorlägen.
b) Schwellenwerte für festgesetzte Grundflächen. Bebauungspläne der Innenentwick-
lung dürfen bestimmte Schwellenwerte für festgesetzte zulässige Grundflächen im
Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht überschreiten, wenn sie im beschleunigten Ver-
fahren aufgestellt werden sollen. Die Bezugnahme auf § 19 Abs. 2 BauNVO bedeutet,
dass die für Nebenanlagen, Garagen, Stellplätze und ihre Zufahrten sowie für unter-
halb der Geländeoberfläche liegende bauliche Anlagen eingeräumte Überschreitungs-
möglichkeit des § 19 Abs. 4 BauNVO (sog. „Zweit-GRZ“) bei der Ermittlung der
zulässigen Grundfläche im Sinne des § 13a nicht berücksichtigt wird.
Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich zwei Fallkonstellationen:
1. Der Bebauungsplan setzt weniger als 20.000 m² zulässige Grundfläche fest, wobei
die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räum-
lichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind.
Liegen auch die übrigen Anwendungsvoraussetzungen vor (es darf kein UVP-pflichti-
ges Vorhaben begründet werden, es dürfen keine Anhaltspunkte für die Beeinträchti-
gung von Erhaltungszielen und Schutzzwecken von Natura 2000-Gebieten bestehen,
es dürfen auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten
zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50
Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind), kann der Bebauungs-
plan in diesem Fall gänzlich ohne Umweltprüfung aufgestellt werden. Außerdem gel-
ten in diesem Fall des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Eingriffe, die aufgrund der Aufstellung
des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 5 vor der
planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig (vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 4). Durch die
Einführung dieser als „Fiktionsregelung“ bezeichneten Bestimmung ist im beschleunig-
514 So VGH Baden-Württemberg, U. v. 30.10.2014 – 8 S 940/12 –, BauR 2015, 783. Höchstrichterlich ist
diese Frage noch nicht entschieden (zum Begriff „Außenbereich im Innenbereich“ vgl. BVerwG, B. v.
15.9.2005 – 4 BN 37.05 –, BauR 2006, 348–349).
515 Ebenda, S. 26.
516 Zu den Begriffen vgl. BVerwG, B. v. 15.9.2005 – 4 BN 37/05 –, BauR 2006, 348; zu Abgrenzungsfragen
und zum methodischen Vorgehen vgl. BVerwG, U. v. 1.12.1972 – 4 C 6.71 –, BRS 25 Nr. 36; BVerwG,
U. v. 17.2.1984 – 4 C 55.81 –, BRS 42 Nr. 94; BVerwG, U. v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 –, BRS 52 Nr. 146;
BVerwG, B. v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 –, BRS 59 Nr. 78.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
ten Verfahren kein Ausgleich für die planungsrechtlich vorbereiteten Eingriffe mehr
notwendig. Ungeachtet dessen bleibt es bei der Beachtung der naturschutzfachlichen
Aspekte in der Abwägung nach § 1 Abs. 6 Nr. 7a; das Vermeidungs- und das Minimie-
rungsgebot gelten fort, die Kompensationspflicht aber entfällt. Diese Erleichterung
wird von den Städten und Gemeinden in der Planungspraxis neben der Zeitersparnis
und dem Fortfall der förmlichen Umweltprüfung als ein besonders bedeutsamer Vor-
teil gesehen517.
Die überbaubare Grundfläche von Bebauungsplänen, die in einem engen sachlichen,
räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, ist in die Grundfläche des
in Rede stehenden Bebauungsplans mit einzurechnen. Eine Umgehung der europarecht-
lich intendierten Vorgaben des EAG Bau 2004 für großflächigere Vorhaben durch eine
„von langer Hand geplante Salamitaktik“ aufeinander folgender Bebauungspläne, die in
eben jenem Zusammenhang zueinander stehen, sollte damit bewusst erschwert werden.
Bei der Berechnung der zulässigen Grundfläche nach § 13a Abs. 1 sind alle im Plan
festgesetzten Grundflächen zu berücksichtigen. Die Frage, welche davon erstmals fest-
gesetzt werden bzw. welche bereits verwirklicht sind, spielt erst im Rahmen einer
notwendigen Vorprüfung für die Pläne der Fallgruppe 2 eine Rolle, in deren Rahmen
geprüft wird, ob der Plan voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat.
2. Der Bebauungsplan setzt zwischen 20.000 m² und weniger als 70.000 m² zulässige
Grundfläche fest.
Setzt der Bebauungsplan 20.000 m² oder mehr, aber weniger als 70.000 m² als zuläs-
sige Grundfläche fest, ist die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nur zulässig,
wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2
des BauGB genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungs-
plan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4
Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die
Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch
die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteili-
gen. Der Fortfall der Kompensationspflicht von Eingriffen in Natur und Landschaft
gilt für diese Fallgruppe jedoch nicht. Sie sind im Sinne des § 1a Abs. 3 im Rahmen
der Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen. Im Rahmen der Vorprüfung sind
jedoch nur die Festsetzungen relevant, die noch nicht verwirklicht wurden.
Wird in einem Bebauungsplan weder eine zulässige Grundfläche noch eine Größe der
Grundfläche festgesetzt, ist für die Frage, ob und welchem Schwellenwert sich die
Planung zuordnen ließe, allein die Fläche maßgeblich, die bei Durchführung des Be-
bauungsplans voraussichtlich versiegelt wird.
Wird in einem Bebauungsplan aber eine zulässige Grundfläche für ein oder mehrere
Baugrundstücke im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO festgesetzt, findet § 13a Abs. 1
Satz 3 keine Anwendung mit der Folge, dass die voraussichtliche Versiegelung auf
anderen Grundstücken bei der Ermittlung der Flächenianspruchnahme außer Betracht
bleibt. Im vom BVerwG entschiedenen Fall war die Fläche eines nach § 9 Abs. 1 Nr. 11
festgesetzten Fußgängerbereichs bei der von § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB geforderten
Ermittlung der zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht zu
berücksichtigen.518
c) Ausschlussgründe. Die Anwendung des § 13a (und b) ist ausgeschlossen, wenn
– die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer UVP nach
dem UVPG oder Landesrecht unterliegen, vorbereitet oder begründet wird oder
517 Jachmann, Simone; Mitschang, Stefan: Bebauungspläne der Innenentwicklung – Studie zur Anwendung
von § 13a BauGB in der kommunalen Planungspraxis, in: BauR 2009, 913.
518 BVerwG, B. v. 8.12.2016 – 4 CN 4.16 –, UPR 2017, 260.
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Die Bebauungspläne V.
* Hinweis: Bei B-Plänen ohne festgesetzte Grundfläche ist als Schwellenwert zu erwartende
Versiegelungsfläche maßgeblich
Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Aufstellung eines Bebauungsplans
im beschleunigten Verfahren das Abstandsgebot des § 50 Satz 1 hinsichtlich der Ge-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
fahr schwerer Unfälle des Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beachten ist, ist die An-
wendung mit Wirkung vom 13.5.2017520 ebenfalls ausgeschlossen. Im Ergebnis geht
es um die Einhaltung eines „angemessenen Sicherheitsabstandes“ zwischen den so
genannten „Betriebsbereichen von Störfallbetrieben“ i. S. d. § 3 Abs. 5a BImSchG und
so genannten „schutzbedürftigen Objekten“ i. S. d. § 3 Abs. 5d BImSchG. Maßgeblich
sind hier die von der Kommission für Anlagensicherheit vorgesehenen Abstände. Zwar
können auch geringere als diese vorgesehenen und für die Praxis maßgeblichen Ab-
stände noch das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein. In solchen Fällen ist aber
das Normalverfahren zu einem Bebauungsplan anzuwenden.521
In beiden Fällen greift der Gesetzgeber die bereits für das vereinfachte Verfahren (§ 13
Abs. 1 Nr. 1 und 2) geltenden Ausschlussgründe auf und macht damit deutlich, dass
ein Vorliegen dieser Gründe auch die Durchführung des beschleunigten Verfahrens
ausschließt. Anhand der nachfolgenden Checkliste können die Anwendungsvorausset-
zungen für den B-Plan der Innenentwicklung überprüft werden (Bild 37).
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Die Bebauungspläne V.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
BauNVO diejenigen Nutzungen auszuschließen, die nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5
BauNVO i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise zugelassen werden können.
In derselben Entscheidung stellt der 15. Senat fest, dass „anschließen“ an im Zusam-
menhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 13b entgegen anderslautender Auffassung
jedenfalls mehr bedeute, als ein bloßes „Berühren“ von geplanten Wohnnutzungen
mit dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. § 13b gestatte es jedenfalls nicht, der
Zersiedlung des Außenbereichs dadurch Vorschub zu leisten, dass nicht integrierte
Standorte „auf der grünen Wiese“ einer Bebauung zugänglich gemacht würden. Hier-
von sei aber gerade dann auszugehen, wenn – trotz des Angrenzens einzelner Baupar-
zellen des neuen Plangebiets an den Ortsrand und trotz der Einhaltung der Größenbe-
grenzung von 10.000 Quadratmetern überbaubarer Fläche – der vorhandene
Siedlungsbereich nicht lediglich „abrundend“ in den Außenbereich erweitert wird,
sondern bei städtebaulich wertender Betrachtung tatsächlich ein neuer Siedlungsbe-
reich im bisherigen Außenbereich entsteht, der sich vom bestehenden Ortsrand ersicht-
lich „absetzt“ und deshalb einen qualitativ neuen Ansatz für künftige Siedlungserwei-
terungen vorgibt.
Flächen, auf denen die Zulässigkeit von Wohnnutzungen begründet wird, schließen
sich im Sinne des § 13b deshalb dann nicht mehr an im Zusammenhang bebaute
Ortsteile an, wenn eine Anbindung an den bestehenden Siedlungsbereich nur über eine
im Verhältnis zur Gesamtgröße des neuen Baugebiets völlig untergeordnete gemein-
same Grenze erfolgt, der weitaus größte Teil des neuen Baugebiets sich aber derart
vom bestehenden Ortsrand in den Außenbereich hinein absetzt, dass im Ergebnis ein
neuer Siedlungsansatz entsteht.
Nach diesen beiden ersten Entscheidungen ist also vor fingerartigen Auskragungen
des Siedlungsbereich in den Außenbereich – ggf. entlang vorhandener Erschließungs-
straßen – ebenso zu warnen, wie vor einer zu großzügigen Ausgestaltung des zulässi-
gen Nutzungsspektrums!526
526 Siehe auch OVG Koblenz, U. v. 7.6.2018 — 1 C 11757.17 —, BeckRS 2018, 11941: Die Festsetzung
eines Mischgebiets im Verfahren nach § 13b ist ausgeschlossen.
527 Vgl. BVerwG, U. v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 –, BVerwGE 133, 310 = BRS 74 Nr. 1, BauR 2009, 1245;
bestätigend: BVerwG, B. v. 21.2.2011 – 4 BN 7.11 –, BauR 2011, 1127.
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Die Bebauungspläne V.
meinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass nur bestimmte Arten
der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Einzelhandelsnutzungen zulässig oder
nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.
Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept i. S.
des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder
zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeinde-
teils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbe-
reichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Ver-
sorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen
Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
Die neue Vorschrift muss im Zusammenhang mit der durch das EAG Bau 2004 einge-
führten Regelung des § 34 Abs. 3 gesehen werden, nach der von Vorhaben keine
schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in
anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Im bauaufsichtlichen Vollzug erwies sich
in der Folge, dass die Aufklärung dieses Sachverhalts – liegen schädliche Auswirkun-
gen auf zentrale Versorgungsbereiche vor oder nicht? – regelmäßig komplex und die
Praktikabilität der Vorschrift unter den zeitlichen Restriktionen des bauaufsichtlichen
Genehmigungsverfahrens eingeschränkt war. Nicht selten führten Gutachten, die die
standortbezogenen Auswirkungen eines beantragten Einzelhandelsvorhabens zum Ge-
genstand hatten, in der Folge zu einem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungs-
plan, verbunden mit Veränderungssperre und Zurückstellungsantrag. Deshalb hat der
Gesetzgeber mit dem einfachen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a ein Instrument einge-
führt, das nach erfolgter Abwägung auf der Grundlage eines stadtweiten Einzelhan-
dels- und Zentrenkonzepts geeignet ist, die Genehmigungsgrundlagen zu verbessern.
Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde,
denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungsfunktion über
den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Sie können sich sowohl aus planeri-
schen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben528. Der Be-
griff „zentral“ ist in diesem Zusammenhang nicht als geographische Lagebezeichnung
zu verstehen, sondern unterstreicht, dass eine bloße Ansammlung von Einzelhandels-
nutzungen in einem räumlich abgrenzbaren Bereich allein noch keinen „zentralen“
Versorgungsbereich ausmacht. Der Bereich muss vielmehr ein örtlich relevantes Ver-
sorgungszentrum darstellen. Auch Grund- und Nahversorgungszentren können zent-
rale Versorgungsbereiche sein529.
Auch der am 21.3.2007 von der Bauministerkonferenz beschlossene Muster-Einfüh-
rungserlass zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwick-
lung der Städte530 gliedert zentrale Versorgungsbereiche in drei Typen:
– Innenstadtzentren, vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich;
– Nebenzentren in Stadtteilen sowie
– Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen auch von kleineren
Gemeinden.
Auch eine räumlich konzentrierte Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben, die darauf
angelegt ist, einen fußläufigen Einzugsbereich zu versorgen, kann nach der Auffassung
des OVG Nordrhein-Westfalen einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des Ge-
setzes bilden. Entscheidend sei auch hier, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art
und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten
Einzugsbereich zentrale Funktion hat.531
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
b) Der Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten nach § 9 Abs. 2b. Der
§ 9 Abs. 2b wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts 2013 in das Bau-
gesetzbuch eingefügt.
532 BVerwG, U. v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 –, BVerwGE 129, 307 Rdnr. 15 = BRS 71 Nr. 89 = BauR 2008,
315; BVerwG, B. v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 –, BRS 74 Nr. 9 = BauR 2010, 740.
533 OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 17.5.2017 – 2 K 51/15 –, BauR 2017, 1640.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Bebauungspläne V.
– die Belange der Baukultur des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhal-
tenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder
städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Ortsbilds (Nr. 5);
– die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestell-
ten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge (Nr. 6);
– die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer
verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung (Nr. 8a)541.
Der vorangegangene Überblick zur Intention des Gesetzgebers, zum Regelungsgegen-
stand Vergnügungsstätten und den möglichen Inhalten eines Bebauungsplans nach § 9
Abs. 2b macht deutlich, dass es sich bei Zulässigkeitsfragen zu Vergnügungsstätten um
ein komplexes Abwägungsgerüst handelt, das in einen konkreten räumlichen Bezug
hineingestellt werden muss. Nur so werden städtebauliche Gründe nachvollziehbar.
Die Verhinderung von „Trading-down-Effekten“ mit nachgewiesenem Bezug zur örtli-
chen Problemkonstellation stellt einen besonderen städtebaulichen Grund im Sinne
des § 1 Abs. 9 BauNVO dar, der den Ausschluss derartiger Vergnügungsstätten recht-
fertigen kann542.
Ein gebietsbezogenes Konzept erscheint insofern unerlässlich, selbst wenn es rechtlich
genauso wenig zwingend vorgeschrieben ist, wie das stadtweite Einzelhandels- und
Zentrenkonzept für einen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a. Als ein von der Gemeinde
beschlossenes städtebauliches Entwicklungskonzept oder eine von ihr beschlossene
sonstige städtebauliche Planung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 nähme es mit entspre-
chendem Gewicht am Abwägungsvorgang teil. Der Untersuchungsbereich muss dabei
so weit gezogen werden, wie sich die konkreten Vergnügungsstätten mit ihren Unterar-
ten in städtebaulich relevanter Weise auswirken können. Aktuelle Erfahrungen mit
dem Instrument des „Bordellkonzepts“ machen trotz bislang weniger Anwendungsbei-
spiele zum Thema Mut, bei gegebenem Planerfordernis von der neuen Steuerungsmög-
lichkeit des § 9 Abs. 2b Gebrauch zu machen543.
Festsetzungstechnisch handelt es sich um die Regelung der Zulässigkeit zu einer be-
stimmten Nutzungsart – und ihren Unterarten. Naheliegend ist insoweit die Anwen-
dung des § 1 Abs. 9 BauNVO, wonach für die Anwendung der Feinsteuerungsmög-
lichkeiten des § 1 Abs. 5 bis 8 BauNVO bestimmt werden kann, dass nur bestimmte
Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder
sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelas-
sen werden können, wenn besondere städtebauliche Gründe vorliegen. Diese besonde-
ren städtebaulichen Gründe dürften regelmäßig in der besonderen Zielstellung dieses
Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2b zu suchen sein, was auch durch die grundlegende
Rechtsprechung zu § 1 Abs. 9 BauNVO gedeckt ist544. Hauptanwendungsfeld wird
im Sinne der städtebaulichen Zielstellung wohl der Ausschluss oder die Beschränkung
auf die ausnahmsweise Zulässigkeit von Vergnügungsstätten und ihren Unterarten
sein. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zu den überbaubaren Grund-
stücksflächen sowie zur Bauweise kommen dagegen nicht in Betracht.
Für einen Vergnügungsstätten-Bebauungsplan, der gleichzeitig auch auf rechtsverbind-
liche Bebauungspläne ausgedehnt werden soll, gilt das Gleiche, was das zuvor bereits
zum strategischen Einzelhandels- und Zentren-Bebauungsplan ausgeführt wurde. Ei-
nen Überblick über das Instrument verschafft das Bild 38.
541 Vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 3.3.2005 – 3 S 1524.04 –, NVwZ-RR 2006, 170,
172.
542 BVerwG, U. v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 –, BRS 56 Nr. 61 = BauR 1995, 361; bestätigend und hierauf
Bezug nehmend: BVerwG, B. v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 –, BauR 2009, 76.
543 Vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 –, juris (Freiburger Bordellkonzept).
544 BVerwG, B. v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 –, NVwZ 1987, 1072, 1073.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Bild 38: Der Bebauungsplan für die Steuerung von Vergnügungsstätten gemäß § 9
Abs. 2b BauGB
> Der einfache Bebauungsplan kann (auch für Teile seines räumlichen
Festsetzungsmöglichkeiten Geltungsbereichs) festsetzen, dass Vergnügungsstätten oder
(§ 9 Abs. 2b Satz 1 Halbs. 2) bestimmte Arten von Vergnügungsstätten
- zulässig oder
- nicht zulässig sind oder
- ausnahmsweise zugelassen werden können.
Unterscheide:
> Kerngebietstypische Vergnügungsstätten (KV)
- sind zentrale Dienstleistungsbetriebe,
- die für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sind.
- KV sind nur im Kerngebiet (§ 7 BauNVO) allgemein
- und im Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) ausnahmsweise zulässig.
> Nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten (nKV)
- dienen der Freizeitgestaltung
- in einem begrenzten Stadtgebiet.
- nKV sind nur im Kerngebiet und in den gewerblich geprägten
Teilen eines Mischgebietes allgemein
- und in den übrigen Teilen eines Mischgebietes sowie im
besonderen Wohngebiet, im Dorf- und im Gewerbegebiet
ausnahmsweise zulässig.
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Die Bebauungspläne V.
545 BVerwG, Urteile v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 ; – 8 C 7.15 –, BeckRS 2016, 118421;
– 8 C 8.15 –, BeckRS 2016, 117422; – 8 C 4.16 –, BeckRS 2016, 117040; – 8 C 5.16 –, BeckRS 2016,
117419; – 8 C 8.16 –, BeckRS 2016, 117423.
546 Landesgesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Grün-
dung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz – LGlüG –) vom
22. Juni 2012 (GVBl. 2012, 166).
547 Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin – SpielhG Bln)
vom 20. Mai 2011 (GVBl. 2011, 223).
548 Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung vom 20. Juli 2012 (GVBl. 2012, 238).
253
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
wird durch die Regelungen verhältnismäßig beschränkt. Zudem sind die Regelungen
mit dem Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.
Was bedeutet dies für die bauleitplanerische Steuerung und die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit von Spielhallen? Da Spielhallen eine Unterart der Vergnügungsstätten
darstellen, ist die Steuerung solcher Betriebe über städtebauliche Konzepte und/oder
Bebauungspläne, insbesondere nach § 9 Abs. 2b BauGB möglich. Mit den Abstandsre-
gelungen der Gesetze der Länder wird eine solche Steuerung jedoch nicht obsolet, da
diese einer ordnungsrechtlichen und nicht einer bodenrechtlichen Zielsetzung unterlie-
gen. Für die bauleitplanerische Steuerung von Spielhallen bedeuten die Urteile des
BVerwG vielmehr, dass ein Stück weit Rechtssicherheit bei der Bezugnahme auf die
gängigen Regelungen der Länder zu Mindestabständen von Spielhallen zueinander
und zu Einrichtungen für Minderjährige hergestellt wurde. Abzuwarten bleibt aber
weiterhin, wie sich das BVerfG zu den Spielhallengesetzen der Länder äußern wird.
Die dort anhängigen Verfassungsbeschwerden behandeln die Frage, ob verschiedene
Vorschriften in mehreren Landesgesetzen zur Neuregelung des Rechts der Spielhallen,
insbesondere das sogenannte Verbundverbot, das Abstandsgebot und die Übergangsre-
gelungen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Nimmt man dies an, so kann zwar
die Schutzwirkung eines Bebauungsplans mit vorrangigem Steuerungsgegenstand von
Spielhallen auf der Grundlage von § 9 Abs. 2b im Sinne von § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 de
facto obsolet sein, wenn Spielhallen durch Landesgesetzgebung durch Abstandsrege-
lungen nicht mehr in unmittelbarer Umgebung zu Schulen und Kindertagesstätten zu-
lässig sind. Für andere Unterarten von Vergnügungsstätten werden solche Regelungen
durch die Länder jedoch nicht getroffen bzw. ist die räumliche Entfernung zu Wohn-
nutzungen oder Kirchen (auf deren Schutzwirkung § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 BauGB ab-
zielt) nicht durch Landesgesetze geregelt. Denkbar ist auch, dass bestehende oder ge-
plante Spielhallen mit Abständen über 500 m (bzw. insbesondere 250 m, wie sie in
einigen Ländern als Mindestabstand vorgegeben sind) zu Wohnnutzungen oder schutz-
bedürftigen Anlagen diese beeinträchtigen, woraus ein bauplanungsrechtlicher Steue-
rungsbedarf resultiert. Wenn eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnü-
gungsstätten vermieden werden soll, die sich aus der Agglomeration verschiedener
Unterarten von Vergnügungsstätten und somit nicht allein von Spielhallen ergibt, wird
das Ausbleiben bauplanungsrechtlicher Steuerung dann nicht mit Verweis auf die Lan-
desgesetze erfolgen können, wenn diese – wie bislang – nicht die Abstände von Vergnü-
gungsstätten allgemein, sondern ausschließlich von Spielhallen sowie das Verbundver-
bot regeln.
Aus städtebaulichen Gründen können sich auch weit größere Abstände zwischen Spiel-
hallen als notwendig ergeben, als sie in den Landesgesetzen vorgegeben sind. Denkbar
ist dies beispielsweise, wenn geplante Spielhallen eine schutzwürdige Wohnnutzung
gefährden könnten. Vice versa können städtebauliche Gründe dafür sprechen, Stand-
ortbereiche festzulegen, in denen Vergnügungsstätten bauplanungsrechtlich zulässig
und somit städtebaulich erwünscht oder zumindest vertretbar sind, wenngleich sich
aus dem Spielhallengesetz am entsprechenden Standort lediglich eine ausnahmsweise
Zulässigkeit ergibt. Denkbar ist hier der Fall einer geplanten Spielhalle, die sich in
unmittelbarer räumlicher Entfernung zu Einrichtungen von Minderjährigen befindet
(200 m Luftlinie zu einer Schule), durch städtebauliche (insbesondere verkehrliche)
Gegebenheiten jedoch von dieser schutzwürdigen Einrichtung räumlich isoliert liegt.
Den Städten und Gemeinden ist anzuraten, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
von Vergnügungsstätten in eigener Verantwortung und ohne das ausschließliche „Ver-
trauen“ auf die Verfassungsmäßigkeit der Spielhallengesetze der Länder zu regeln.
Diese sind zweifelsfrei weiterhin in die Abwägung einzustellen, jedoch sind sie nicht
bodenrechtlicher Natur und betreffen lediglich Unterarten von Vergnügungsstätten.
Schon allein der Begriff der Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO hat nichts mit
dem der GewO bzw. des Steuerrechts gemeinsam.
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Die Bebauungspläne V.
c) Der Bebauungsplan zur Verbesserung des Störfallschutzes nach § 9 Abs. 2c. Die
Einhaltung eines „angemessenen Sicherheitsabstandes“ nach § 50 Bundes-Immissions-
schutzgesetz (BImSchG) zwischen den so genannten „Betriebsbereichen von Störfallbe-
trieben“ i. S. d. § 3 Abs. 5a BImSchG und so genannten „schutzbedürftigen Objekten“
i. S. d. § 3 Abs. 5d BImSchG macht seit ihrer erstmaligen Einführung im Jahr 1997549
Probleme bei der städtebaulichen Planung. Der Gesetzgeber hat hierauf auch unter
Berücksichtigung von Entscheidungen des EuGH550 und des BVerwG551 reagiert und
mit der BauGB-Novelle 2017552 u. a. einige Neuerungen im Recht der Bauleitplanung
hierzu vorgenommen.
§ 9 Abs. 2c enthält eine Steuerungsmöglichkeit für die Ansiedlung von Nutzungen
beziehungsweise Gebäuden in der Nähe von Störfallbetrieben: „Für im Zusammen-
hang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft
von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a BImSchG kann zur Vermeidung oder Verringe-
rung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder
für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige
bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig,
nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für
Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen
werden“.
Um das Planungsziel, Störfälle zu vermeiden oder ihre Folgen zu mindern, sachgerech-
ter erreichen zu können, sollen
– sowohl neue Bebauungspläne in der Nähe von Betriebsbereichen i. S. d. § 3 Abs. 5a
BImSchG (Störfallbetriebe) mit den neuen Differenzierungsmöglichkeiten nach
Art, Maß oder Nutzungsintensität für zu bestimmende Gebäude oder sonstige bau-
liche Anlagen aufgestellt,
– als auch bestehende qualifizierte Bebauungspläne nach § 30, die dieses Instrumen-
tarium noch nicht zur Verfügung hatten, geändert werden können.
Die Änderung bestehender Bebauungspläne muss dabei in zwei Fallgruppen unterteilt
werden, nämlich die Bebauungspläne, die vor der Geltung der Abstandsbestimmungen
der Seveso-Richtlinien II und III rechtswirksam geworden sind und die Thematik über-
haupt noch nicht in die ihnen zu Grunde liegende Abwägung einstellen mussten und
solche, die die Seveso-Richtlinien II und III bereits berücksichtigen mussten, aber noch
nicht über die neuen, über § 1 Abs. 4 und Abs. 9 BauNVO hinaus gehenden Differen-
zierungsmöglichkeiten zur Nutzungsintensität von Gebäuden verfügen konnten. Der
Änderungsbedarf kann sich also schon insofern, unabhängig von der Einzelfallsitua-
tion, fallweise unterschiedlich gestalten.
Störfallbetriebe konnten und mussten über das Abwägungsgebot und die hiermit ver-
bundenen Anforderungen auch bislang schon im Rahmen der Bauleitplanung berück-
sichtigt werden, denn die Einhaltung notwendiger Mindestabstände zwischen Störfall-
betrieben – den so genannten Betriebsbereichen im Sinne des neuen § 3 Abs. 5a
BImSchG – und schutzwürdigen Nutzungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2a der Seveso-
III-Richtlinie – benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Abs. 5d BImSchG – ist
schon seit langem eine Aufgabe der Bauleitplanung.
Ausgangspunkt für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplan in der Nach-
barschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a des Bundes-Immissionsschutzgeset-
549 Europäische Gemeinschaft: Richtlinie 96/82/EG, in: ABl. EG Nr. L 10, 13, 1997; es handelt sich um
die Seveso-II-Richtlinie, die 2012 durch die Seveso-III-Richtlinie (2012/18/EU, in: ABl. 212 L 197)
ersetzt wurde.
550 Vgl. EuGH, U. v. 15.9.2011 – C53/10 –, in: ZfBR 2011, 763. Vgl. dazu auch den Vorlagebeschluss
des BVerwG, B. v. 3.12.2009 – 4 C 5.09 –, in: ZfBR 2010, 262 (VGH Kassel).
551 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11/11 –, in: NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).
552 BGBl. I S. 1057.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
zes mit Festsetzungen nach § 9 Abs. 2c und anderen ist zunächst die Lage seines Gel-
tungsbereichs im so genannten angemessenen Sicherheitsabstand553. Methodische
Hinweise zur Ermittlung dieses Abstandes geben die Leitfäden der Kommission für
Anlagensicherheit554 und der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonfe-
renz.555 Dieser fachgutachterlich nach anlagenbezogenen Faktoren des Störfallbetriebs
und der Schutzbedürftigkeit der vorhandenen und geplanten Nutzungen im Geltungs-
bereich des Bebauungsplans zu ermittelnde Abstandswert kann im Rahmen des Er-
mittlungsvorgangs zunächst nicht unterschritten werden, ist also einer Abwägung
nicht zugänglich und unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.556
Schutzbedürftig sind nach dem im vorgenannten Sinne neu gefassten § 3 Abs. 5d
BImSchG folgende „Objekte“:
– Ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete,
– öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete,
– Freizeitgebiete,
– Hauptverkehrswege
– und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder beson-
ders empfindliche Gebiete.
Öffentlich genutzte Gebäude können dabei vielgestaltig sein und dienen dem nicht
nur vorübergehenden Aufenthalt eines wechselnden Benutzerkreises, reichen also von
sozialen und kirchlichen Einrichtungen über Gebäude und Anlagen mit Publikumsver-
kehr, z. B. Einkaufszentren, bis hin zu Büro- und Verwaltungsgebäuden, wenn diese
einen regelmäßigen Besucherverkehr aufweisen.557
Für den Bewertungsvorgang über das Gewicht der störfallspezifischen Faktoren und
der ggf. für eine Unterschreitung des ermittelten angemessenen Abstands sprechenden
sozio-ökonomischen Belange gilt, dass dieser erst nach der Ermittlungsphase einsetzen
darf und dabei insbesondere soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange im Sinne
der §§ 1 Abs. 5 und 6 und 1a Abs. 2 und 3 zu berücksichtigen sind.
Für den gutachterlich nach technisch-fachlichen Kriterien bestimmten angemessenen
Abstand empfiehlt es sich, diesen als Hinweis in die Planzeichnung zum Bebauungs-
plan zu übernehmen, weil die getroffenen Festsetzungen mit dieser abwägungserhebli-
chen Hintergrundinformation besser nachvollzogen werden können.
Erst in einem zweiten Schritt kommen dann – gegebenenfalls – die sozioökonomischen
Faktoren zum Tragen; und zwar im Rahmen einer umfassenden (planerischen) Abwä-
gung. Steht nach der Ermittlung des angemessenen Abstandes fest, dass das zu bepla-
nende Gebiet den angemessenen Abstand nicht einhält, bedarf es der Entscheidung,
ob im Einzelfall die Unterschreitung des Abstandes gerechtfertigt ist.
Ausschlaggebend sind hierbei, in welchem Ausmaß die planungsrechtlich ermöglichten
Vorhaben das Unfallrisiko ansteigen lassen oder die Unfallfolgen verschlimmern. Um
dies zu bestimmen, seien die vom EuGH genannten Kriterien zu untersuchen, unter
anderem die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren Unfalls, die Unfallfolgen,
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Die Bebauungspläne V.
die Art und Intensität der neuen Nutzung sowie die Leichtigkeit, mit der im Notfall
Hilfe geleistet werden kann.558
Welche Festsetzungen kommen in Betracht? Zu denken ist hier insbesondere an die
schon gegebenen Gliederungs- und Festsetzungsmöglichkeiten nach den §§ 1 Abs. 4,
5 und 9 BauNVO sowie 9 Abs. 1 Nr. 24 Alt. 3. Zum Beispiel kann es sachgerecht sein,
großflächige Einzelhandelsbetriebe, „große“ Vergnügungsstätten (z. B. Diskotheken),
Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Anlagen für
Verwaltungen, Kirchen u. ä. von der Zulässigkeit in den Baugebieten auszuschließen
oder solche Nutzungen nur ausnahmsweise zuzulassen. Stets ist in solchen Fällen na-
türlich darauf zu achten, dass die Zweckbestimmung des festgesetzten Baugebietes
insgesamt – der Gebietscharakter – gewahrt bleibt.
Soll die „Intensität“ der vorstehend genannten Nutzungen planungsrechtlich gesteuert
werden, ggf. in Verbindung mit abgestuften Ausnahmeregelungen, wird der Innovati-
onsgehalt des neuen § 9 Abs. 2c deutlich. Denkbar wäre die Festsetzung der Zulässig-
keit bzw. Unzulässigkeit von Vorhaben in Abhängigkeit von der Zahl der zu erwarten-
den Besucher oder des Zeitraums der Nutzung. Wie dies im Planungsvollzug auch
umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten!
Durch Anwendung des ebenfalls 2017 neu eingeführten § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c
können die vorgenannten Festsetzungen ggf. mit solchen kombiniert werden, die ge-
zielt bauliche und sonstige technische Maßnahmen an Gebäuden ermöglichen, die der
Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, z. B. die Festsetzung
fensterloser Fassaden.
In der Abwägung dürften bei Anwendung des § 9 Abs. 2c also solche Aspekte wie die
ganztägige oder zeitlich begrenzte Nutzung, die Mobilität von Menschen, das Verhält-
nis ortskundiger Personen zu Ortsfremden, die besondere Schutzbedürftigkeit betroffe-
ner Personengruppen, oder die Leichtigkeit, mit der Notfallkräfte am schutzbedürfti-
gen Objekt eingreifen können eine bisher nicht gekannte Bedeutung erlangen.
11. Änderungen und Neuerungen zu den Bebauungsplänen nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013
Die Vorschriften des Baugesetzbuchs für Bebauungspläne sind in folgenden Punkten
geändert worden:
a) Erweiterte Festsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung oder Verringerung von
Hochwasserschäden (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a-d). Die Festsetzung zu den Wasser-
flächen und anderen hochwasserbezogenen Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1
Nr. 16 werden in die Buchst. a bis d gegliedert und erweitert (in Kraft seit 6.7.2017).
Die Buchst. a und b enthalten die bisherigen Festsetzungsoptionen zu den Wasserflä-
chen und den Flächen für die Wasserwirtschaft (Buchst. a) sowie den Flächen für
Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses (Buchst. b).
Hinzugekommen ist die Möglichkeit, Gebiete festzusetzen, in denen bei der Errichtung
baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden
müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich
Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen (Buchst. c). Eben-
falls neu ist die Möglichkeit, Flächen festzusetzen, die auf einem Baugrundstück für
die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müs-
sen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen,
vorzubeugen (Buchst. d).
In der Abwägung könnten insbesondere bei Festsetzung von Versickerungsflächen
nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. d Abgrenzungsprobleme zu Festsetzungen mit gleichem
558 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11/11 –, in: NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Zweck, die aber aus anderen städtebaulichen Gründen getroffen werden, auftreten.
Zu nennen sind hier insbesondere Festsetzungen über die Rückhaltung und Versicke-
rung von Niederschlagswasser nach § 9 Abs. 1 Nr. 14, wenn diese nicht getroffen wer-
den, um Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregenereignisse zu
vermeiden, was dann nach Nr. 16 Buchst. d zu erfolgen hätte.
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Die Bebauungspläne V.
Da die Vorkehrungen nach Nr. 24 Alt. 3 baulicher und technischer Art sein müssen,
können keine Bestimmungen über die Einzelheiten des Betriebsablaufs oder zu einer
bestimmten Fertigungsart getroffen werden. Auch Regelungen zu Betriebs- oder Pro-
duktionszeiten, z. B. zur Anlieferung von Materialien oder zur Entsorgung von Abfäl-
len, sind unzulässig.
d) Neue Festsetzungsmöglichkeiten zur Zulässigkeit von Vorhaben in der Nachbar-
schaft von Störfallbetrieben (§ 9 Abs. 2c). Mit dem neuen § 9 Abs. 2c können in einem
im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34) oder in Gebieten nach § 30 in der Nach-
barschaft von so genannten „Störfallbetrieben“ differenzierte Festsetzungen zur Zuläs-
sigkeit von Vorhaben getroffen werden (in Kraft seit 13.5.2017).
„Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in
der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a BImSchG kann zur Vermei-
dung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten
von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende
Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden,
dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festset-
zungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unter-
schiedlich getroffen werden“.
Diese neue Festsetzungsoption muss im Zusammenhang mit dem ebenfalls neuen § 9
Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c gesehen werden (vgl. vorstehenden Punkt b). Danach können
aus dem gleichen städtebaulichen Grund, nämlich zur Vermeidung oder zur Minde-
rung der Folgen von Störfällen, bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnah-
men in einem Bebauungsplan festgesetzt werden können (vgl. hierzu auch Kap.
B.III.16.e und ausführlich Kap. B.V.10.c).
e) Neue nachrichtliche Übernahme von Risikogebieten auch außerhalb von Über-
schwemmungsgebieten (§ 9 Abs. 6a). § 9 Abs. 6a bestimmt analog § 5 Abs. 4a für den
Flächennutzungsplan (vgl. Kap. B.IV.5), dass nunmehr auch Risikogebiete außerhalb
von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Abs. 1 des WHG sowie Hochwas-
serentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Abs. 1 des WHG ebenfalls nachrichtlich in
den Bebauungsplan übernommen werden sollen (in Kraft seit 5.1.2018).
Unter Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten versteht § 78b Abs. 1
WHG Gebiete, für die nach § 74 Abs. 2 WHG Gefahrenkarten zu erstellen sind und
die nicht nach § 76 Abs. 2 oder Abs. 3 als Überschwemmungsgebiete festgesetzt oder
vorläufig gesichert sind.
Diese Gebiete mussten bislang im Bebauungsplan lediglich vermerkt und sollen jetzt
nachrichtlich übernommen werden.
f) Neue Regelungsmöglichkeit zur Zulässigkeit von Dauerwohnnutzungen in bisheri-
gen Erholungssondergebieten im vorhabenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 Abs. 7).
Nach dem neuen § 12 Abs. 7 soll es in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan
möglich sein, in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsver-
ordnung auch Wohnnutzung zuzulassen (in Kraft seit 13.5.2017).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht es § 10 Abs. 2
Satz 1 BauNVO, in einem Sondergebiet, das der Erholung dient, vorhandene gebiets-
fremde Bauvorhaben (hier: Wohngebäude) durch Festsetzungen zu sichern. Voraus-
setzung dafür ist es, dass das gesamte Plangebiet trotz der bestandssichernden Festset-
zungen sein Gepräge als Gebiet zu Erholungszwecken wahrt. Die Festsetzung eines
Sondergebiets, in dem über die Bebauung zu Erholungszwecken Wohnnutzung über
einen vorhandenen Bestand hinaus (ausnahmsweise) zulässig ist, war im entschiedenen
Fall hingegen unwirksam559. In seinem Urteil vom 18.10.2017 hat das BVerwG jedoch
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Bebauungspläne V.
b) Begriff der Ferienwohnungen (§ 13a BauNVO). § 13a BauNVO enthält eine neue
klarstellende Regelung zum Begriff der Ferienwohnungen (in Kraft seit 13.5.2017).
Ferienwohnungen sind vom bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nach
der bisherigen Rechtsprechung nicht umfasst. Sie sind auch kein Betrieb des Beherber-
gungsgewerbes563 und deshalb jedenfalls in reinen wie auch allgemeinen564 Wohnge-
bieten bislang nicht zulässig gewesen.
Irritierend war in diesem Zusammenhang besonders die Rechtsprechung des OVG
Greifswald, nach der Ferienwohnungen mit Ferienhäusern im Sinne von § 10 Abs. 1 in
Verbindung mit Abs. 4 BauNVO gleichzustellen und nur in eigens für sie festgesetzten
Sondergebieten zulässig sein sollten565, was ein Grund zur Klarstellung des Begriffs
durch den Gesetzgeber im neuen § 13b BauNVO gewesen ist.
Nach dieser neuen Vorschrift sind Ferienwohnungen je nach Gebietstyp nunmehr nicht
störende Gewerbebetriebe, sonstige Gewerbebetriebe oder (kleine) Betriebe des Beher-
bergungsgewerbes mit spezifischen Zulassungsmöglichkeiten und -beschränkungen, je
nachdem, ob Gebäude oder nur Räume für diese Nutzung in Anspruch genommen
werden sollen. Hierdurch sollen die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Umgang mit
diesem Wohnungstyp vermieden und den Gemeinden außerdem ein Steuerungsinstru-
ment an die Hand gegeben werden, mit dem die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von
Ferienwohnungen verbindlich geregelt werden kann. Gerade in den Großstädten geht
dem Wohnungsmarkt schon seit geraumer Zeit eine signifikante Wohnungszahl durch
Umwandlung in Ferienwohnungen verloren, was jetzt auch mit den Mitteln des Bau-
planungsrechts verhindert werden kann.
563 Vgl. BVerwG, U. v. 11.7.2013 – 4 CN 7.12 –, in: BVerwGE 147, 138 = BauR 2013, 1992.
564 So Niedersächsisches OVG, U. v. 15.1.2015 – 1 KN 61/14 –, in: BauR 2015, 630–631.
565 OVG Greifswald, U. v. 19.2.2014 – 3 L 2U/U –, BauR 2015, 81.
261
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer, Bernhard, Gesetz zur Förderung des Klimaschut-
zes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten, in: NVwZ 2011, 897–
904; Frenz, Walter, Energieträger zwischen Klimaschutz und Kernschmelzen, in: NVwZ 2011,
522–525; Kuschnerus, Ulrich, Die planerische Steuerung von Industrievorhaben (Teil 2), in:
BauR 2011, 761–769; Reidt, Olaf, Störfallschutz und Städtebaurecht – Schutzabstände in der
Bauleitplanung und bei der Vorhabengenehmigung, in: BauR 2012, 1182–1195; Scheidler, Al-
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Scheidler, Alfred, Die Steuerung von Windkraftanlagen durch die Bauleitplanung, in: ThürVBl
2011, 169–176; Schmitz, Holger, Zugriffsmöglichkeiten der Gemeinde auf verwahrloste Immo-
bilien de lege lata und de lege ferenda, in: ZfBR 2011, 641–647; Schröer, Thomas/Kullick, Chris-
tian, Schutz des Einzelhandelsbestandes versus Niederlassungsfreiheit, in: NZBau 2011, 349–
351; Strunz, Anton/Wallraven-Lindl, Marie-Luis, „Garagenbonus“ für Fahrradabstellplätze?, in:
KommJur 2011, 361–367; 2012: Bunzel, Arno, Das Planspiel zur BauGB-Novelle 2011 – Neue-
rungen für eine klimagerechte Stadtentwicklung, in: ZfBR 2012, 114–122; Grigoleit, Klaus Joa-
chim, Photovoltaik in der Bauleitplanung, in: ZfBR 2012, 95–99; Köck, Wolfgang/Bovet, Jana,
Zulässigkeit von Kleinwindanlagen in reinen Wohngebieten, in: NVwZ 2012, 153–157; Scheid-
ler, Alfred, Bindung der Gemeinden an Pläne des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts
im Rahmen der Bauleitplanung?, in: KommJur 2012, 241–246; Scheidler, Alfred, Ausweisung
zusätzlicher Flächen für die Windenergie bei bereits vorhandener bauleitplanerischer Steuerung
– Eine Betrachtung des neuen § 249 Abs. 1 BauGB –, in: ZfBR-Beil. 2012, 76–82; Scheidler,
Alfred, Die Sicherung gemeindlicher Planungen für Windkraftanlagen durch die Zurückstellung
von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 BauGB, in: ZfBR 2012, 123–129; Stapelfeldt, Alfred, Lärm-
schutz in der Bauleitplanung – eine Einführung, in: KommJur 2012, 415–419; 2013: Otto,
Christian-W., Innenentwicklung und Klimaschutz – Besteht ein Vorrang?, in: ZfBR 2013, 434–
437; Söfker, Wilhelm, Fragen bei der Änderung und Erweiterung der planungsrechtlichen Grund-
lagen für die Windenergie durch Bauleitplanung, in: ZfBR 2013, 13–19; 2014: Kerkmann, Anja,
Das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten: zugleich Anmer-
kung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3-6-2014 – 4 CN 6.12, in: UPR 2014,
328–333; 2015: Petz, Helmut, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
Rücksichtnahmegebot, in: ZfBR 2015, 644–654; 2016: Krüper, Julian, Kollektive Wohnformen
in der Bauplanungsrechtsdogmatik zu Rationalitätskriterien verwaltungsrechtlicher Begriffsbil-
dung, in: DÖV 2016, 793–801; Hamer, Martin, Zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplanfes-
tetzungen als Gemeindebedarfsflächen für Postzwecke, in: BauR 2016, 608–614; 2017: Schind-
ler, Jörg Michael, Innenentwicklung durch (Gemeinschafts-)Dachgärten im Bebauungsplan in:
UPR 2017, 161–167; 2018: Dillmann, Oliver/Mohrenstein, André/Schlesinger, Daniel/Vielberg,
Arne/Zemke, Reinhold, Woran scheitern Bebauungspläne? Ergebnis einer bundesweiten Analyse
von abstrakten Normenkontrollverfahren, in: BauR 2018, 179–188; Lippert, André/Lukosek,
Sandra, Die planungsrechtliche Einordnung von Pick-up-Points als neues Einzelhandelskonzept,
in: ZfBR 2018, 439–443; Spannowsky, Willy, Allgemeine Feinsteuerungsmöglichkeiten nach § 1
Abs. 4 bis 10 BauNVO und deren Verhältnis zu speziellen gesetzlichen Festsetzungsmöglichkei-
ten zur Art der baulichen Nutzung, in: ZfBR 2018, 447–453.
2. Zur Entwicklung von B-Plänen aus dem F-Plan:
2017: Mitschang, Stephan, Zur planungspraktischen Bedeutung von § 7 BauGB, in: ZfBR Jahr
2017, 28–39.
3. Bauleitplanung und Immissionsschutz/Konfliktbewältigung/Klimaschutz/Lärmschutz:
2010: Mitschang, Stephan, Die Umsetzung klimaschützender und energieeinsparungsbezogener
Anforderungen in der Bauleitplanung und im Besonderen Städtebaurecht – Sachstand und Per-
spektiven, in: ZfBR 2010, 534–551; Rojahn, Ondolf, Kinderlärm zwischen Immissionsschutz
und Sozialadäquanz, in: ZfBR 2010, 752–757; Scheidler, Alfred, Bau- und immissionsschutz-
rechtliche Vorgaben für Massentierhaltung, in: ZfBR 2010, 654–657; Scheidler, Alfred, Gebiets-
bezogener Immissionsschutz auf lokaler Ebene – Die Verordnungsermächtigungen des § 49
BImSchG, in: KommJur 2010, 4–9; 2011: Kahl, Wolfgang, Kommunaler Anschluss- und Benut-
zungszwang an Fernwärmenetze aus Klimaschutzgründen, in: VBlBW 2011, 53–59; Koch, Hans-
Joachim, Klimaschutzrecht, in: NVwZ 2011, 641–654; Krumb, Joachim, „Kinderlärm“ als Ge-
genstand rechtlicher Auseinandersetzungen, in: BauR 2011, 1251–1263; Reidt, Olaf, Die Kon-
tingentierung von Gerüchen und sonstigen Luftverunreinigungen in Bebauungsplänen, in: BauR
2011, 1444–1454; 2012: Antweiler, Clemens/Gabler, Andreas, Klimaschutz durch Bauleitpla-
nung, in: BauR 2012, 39–47; Böhm, Monika/Schwarz, Philip, Klimaschutz durch Anschluss-
262
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Die Bebauungspläne V.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Bebauungspläne V.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Städtebauliche Verträge VI.
men, die der Gemeinde für städtebauliche Planungen, andere städtebauliche Maßnah-
men sowie Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, entstehen. Auch
die Bereitstellung erforderlicher Grundstücke konnte vereinbart werden. Die Kosten
und Aufwendungen sowie die Planungen, städtebaulichen Maßnahmen, Anlagen und
Einrichtungen mussten Voraussetzungen oder Folge des vom Bauwilligen geplanten
Vorhabens sein. Die vertraglichen Leistungen mussten den gesamten Umständen nach
angemessen sein.
Mit § 54 BauZVO ist erstmals auch die Überwälzung von Planungs-, Bereitstellungs-
und Folgekosten gesetzlich für zulässig erklärt worden. In der Problematik der sog.
Folgekostenverträge wurde lange Zeit das Hauptproblem der städtebaulichen Verträge
gesehen. Mit Hilfe eines Folgekostenvertrags ließen sich die Gemeinden auch solche
Anlagen und Einrichtungen von Investoren herstellen oder bezahlen, die sie nach dem
Erschließungsbeitragsrecht nicht abrechnen konnten, obwohl die Anlage durch das
neue Baugebiet mehr oder weniger zwingend verursacht worden war; manchmal wa-
ren es Anlagen der äußeren Erschließung wie z. B. ein Straßenbahnanschluss, häufiger
Wohnfolgeeinrichtungen im Gebiet wie Kindergärten, Schulen und Sportplätze. Bis zu
einer Grundsatzentscheidung des BVerwG, mit der solche Verträge unter bestimmten
Bedingungen für zulässig erachtet wurden, war die Rechtmäßigkeit derartiger Verträge
unsicher und umstritten. Nach der höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage (über
die unten Näheres berichtet wird) hat der Gesetzgeber die Basis für städtebauliche
Verträge endgültig verfestigt, indem er eine positive Grundsatzregelung in das Städte-
baurecht aufgenommen hat. Das war zunächst § 6 BauGB-MaßnahmenG, seit dem
Bau-ROG 1998 ist es § 11 BauGB. Wie gesagt, sind seit 2013 auch die Erschließungs-
verträge in § 11 mitgeregelt. Im Gegenzug wurden die Hauptinhalte des bis 2013
geltenden § 124 gestrichen. Seitdem beschäftigt sich § 124 ausschließlich mit dem Fall
einer Erschließungspflicht durch die Gemeinde, die erwächst, wenn sie ein zumutbares
Vertragsangebot ablehnt. Folgerichtig trägt § 124 nun nicht mehr die Überschrift „Er-
schließungsvertrag“.
2. Die Typen städtebaulicher Verträge nach § 11 BauGB
Vier Varianten von Leistungen lassen sich die Städte und Gemeinden am häufigsten
über städtebauliche Verträge zusichern:
– Übernahme von Planungen und Maßnahmen durch den Investor auf dessen Kos-
ten;
– unentgeltliche Übertragung von Grundstücken;
– Übernahme von Kosten durch den Investor, welche die Gemeinde für städtebauli-
che Maßnahmen im Kontext der Baulanderschließung oder des Projekts aufwen-
den muss;
– Übernahme spezieller Bindungen durch den Bauherrn.
Diese vier Leistungsvarianten sollen nachfolgend gesondert erläutert werden.
Während der „Unternehmer-Erschließungsvertrag“ bis zur BauGB-Novelle 2013 in
§ 124 geregelt war, geht er nun in § 11 Abs. 1 Nr. 1 auf. Hinter dieser Regelung steht
das Prinzip, dass der Investor Maßnahmen und Planungen, also die physische Herstel-
lung bestimmter Bauwerke (Straßen, Kindergarten, Sporthalle), häufig zzgl. der Vor-
lage der Entwürfe der notwendigen städtebaulichen Pläne sowie zugehöriger Gutach-
ten, auf eigene Kosten übernimmt. Das Gesetz stellt klar, dass die Verantwortung der
Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren unberührt bleibt.
Das gilt auch dann, wenn der Investor die Vorbereitung und Durchführung einzelner
Verfahrensschritte wie die Öffentlichkeitsbeteiligung ganz übernommen hat, was
grundsätzlich zulässig ist (vgl. auch § 4b). In umstrittenen Fällen sollte der Investor
allerdings nicht mit der organisatorischen Betreuung des ihm geltenden Bebauungs-
plans beauftragt werden. Wenn der Investor für das Baugebiet einen Kindergarten
errichtet, dann muss er dazu auch das erforderliche Grundstück bereitstellen. Nach
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Fertigstellung wird das Grundstück in aller Regel an die Gemeinde übereignet. Dass
diese „Bereitstellung von Grundstücken“ im Rahmen von städtebaulichen Verträgen
zulässig ist, steht zwar erst in § 11 Abs. 1 Nr. 3, es gilt aber auch für Nr. 1.
Im Übrigen ist gerade bei der Bereitstellung von Grundstücken die Grundregel des
§ 11 Abs. 2 wichtig, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach
angemessen sein müssen. Die Gemeinde darf sich zwar – z. B. im Rahmen einer freiwil-
ligen Umlegung nach Nr. 1 – mehr Fläche abtreten lassen als jene 30 %, die nach § 58
Abs. 1 Satz 2 als Umlegungsvorteil in einer Flächenumlegung höchstens einbehalten
werden dürfen. Es muss sich aber immer um Flächen handeln, die unter Wahrung
des Sachzusammenhangs und der Angemessenheit566 für öffentliche Zwecke benötigt
werden567. Die Obergrenze des insoweit Zulässigen dürfte dann erreicht sein, wenn
sich die Gemeinde Flächen gewissermaßen als Zahlung abtreten lässt und aus dem
Erlös durch deren Wiederverkauf eine öffentliche Aufgabe bezahlt, die auch der Inves-
tor selbst nach den Maßstäben des § 11 hätte übernehmen dürfen. Beispiel: Der Inves-
tor stellt zugunsten der Gemeinde nicht nur das Grundstück für eine Grundschule im
Baugebiet bereit, sondern daneben auch so viel Fläche für Wohnungsbau, dass aus
dem Erlös der Bau der Schule bezahlt werden kann. Eine allgemeine Flächenabgabe
für den sozialen Wohnungsbau wäre dagegen ebenso unzulässig wie die Zahlung eines
Geldbetrags zur Ablösung einer solchen Pflicht. Allerdings wurden in den letzten Jah-
ren zunehmend Vertragsmodelle zur Herstellung bezahlbaren und sozialverträglichen
Wohnraums entwickelt. München hat bereits Mitte der 1990er Jahre das Modell „So-
zialgerechte Bodennutzung“ (SoBoN) entwickelt. Erst in den letzten Jahren und ange-
sichts deutlich steigender Immobilienpreise im Wohnungsbau wurden in anderen
wachsenden Städten ähnliche Vertragsmodelle eingeführt. Beispielsweise besteht nach
dem „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ die Verpflichtung,
30 Prozent der Geschossfläche für die Wohnnutzung als förderfähigen Wohnraum zu
bauen, also so herzustellen, dass der Bau dieser Wohnungen mit Mitteln des sozialen
Wohnungsbaus gefördert werden könnte.
Die Übernahme von Kosten nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ist an die Voraussetzung geknüpft,
dass die finanzierten Maßnahmen „Voraussetzung oder Folge“ der vom Investor ge-
planten Vorhaben sind. In dieser Formulierung spiegelt sich die Rechtsprechung zum
Folgekostenvertrag wider. Das BVerwG hat betont, dass der Verkauf von Hoheitsrech-
ten nach wie vor unzulässig ist; dagegen steht das sog. Koppelungsverbot: Das Koppe-
lungsverbot ergibt sich insbesondere aus § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein
öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden, wenn die Gegenleistung für einen
bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben dient. Hoheitliche Leistungen dürfen nicht von im Gesetz nicht
vorgesehenen Gegenleistungen des Empfängers oder Nutznießers abhängig gemacht
werden568. Zulässig ist es aber, wenn sich die Gemeinde solche zusätzlichen Aufwen-
dungen vom Investor erstatten lässt, die als Voraussetzung oder Folge notwendig mit
seinem Vorhaben verbunden sind; die Aufwendungen müssen unmittelbar kausal im
Sinne einer notwendigen Bedingung mit der Aufschließung des vom Investor ge-
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Städtebauliche Verträge VI.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
sichtigung sich der Investor verpflichtet, wenn er den Ausgleich auf seinem eigenen
Grundstück selbst durchführt (wie z. B. die Festlegung auf einheimische Pflanzensor-
ten). Wenn der Investor sich zur physischen Durchführung einer Sammelausgleichs-
maßnahme im Auftrag der Gemeinde auf deren Grundstücken verpflichtet, dann ist
dies ein Vertrag nach Nr. 1; wenn er der Gemeinde die Kostenerstattung für deren
Maßnahmen zusagt, ist dies ein Vertrag nach Nr. 3. Das Bild 39 gibt diese Mixtur
noch einmal im Überblick wieder.
Während sich der naturschutzrechtliche Ausgleich unstrittig im Rahmen eines städte-
baulichen Vertrags regeln lässt und auch eine Verkaufsflächenbegrenzung im städte-
baulichen Vertrag577 denkbar ist, kommt der Abschluss eines die Bauleitplanung erset-
zenden Vertrags, der also an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der
Bauleitplanung tritt, nicht in Betracht. Dies hat das Niedersächsische OVG im Zusam-
menhang mit der Feinsteuerung der Windenergienutzung entschieden578.
Bild 39: Städtebauliche Verträge im Kontext von Ausgleichsmaßnahmen
RECHTSGRUNDLAGE: § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB:
Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein: (…) die Durchführung des Aus-
gleichs im Sinne des § 1a Abs. 3.
In § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB heißt es: Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch ver-
tragliche Vereinbarungen nach § 11 (…) getroffen werden.
UNTERSCHEIDE:
A. ERGÄNZENDE STÄDTEBAULICHE VERTRÄGE (neben Festsetzungen zum Ausgleich)
a) Durchführung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen durch den Investor auf dem eigenen Grund-
stück (= Regelfall des § 135a Abs. 1), verknüpft mit vertraglichen „Auflagen“ über die Art und Weise
des Ausgleichs (z. B. Pflanzenliste) = Bindungsvertrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB.
b) Durchführung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen durch den Investor auf fremden Grundstü-
cken (Gemeindeland/Staatsforst) = Übernahme von städtebaulichen Maßnahmen durch den Ver-
tragspartner auf eigene Kosten nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
c) Erstattung der Kosten von festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen an plangerecht durchführende Ge-
meinde seitens des Investors nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
B. ERSETZENDE STÄDTEBAULICHE VERTRÄGE (anstelle von Festsetzungen zum Ausgleich)
Die Übernahme von Ausgleichsmaßnahmen durch städtebaulichen Vertrag kann gemäß § 1a Abs. 3
Satz 3 auch anstelle von Festsetzungen im B-Plan erfolgen. Danach ist möglich:
a) Vertragliche Verpflichtung des Investors zur Durchführung auf eigenem Grundstück oder auf frem-
dem Grundstück innerhalb oder außerhalb der Gemarkung der Gemeinde auf seine Kosten (§ 11
Abs. 1 Nr. 1).
b) Vertragliche Verpflichtung zur Kostenerstattung an die durchführende Gemeinde (§ 11 Abs. 1 Nr. 3).
Die Durchführung ist wiederum auf gemeindeeigenen Grundstücken oder auf fremden Grundstücken
(gemeindeintern oder gemeindeextern) möglich. Im Vertrag kann die Zahlung durch den Investor auf
ein Sicherungskonto auch deutlich vor der Durchführung der Maßnahmen vorgesehen werden. An-
ders ist es bei Anwendung einer Kostenerstattungssatzung: Nach § 135a Abs. 3 Satz 3 BauGB ent-
steht die Erstattungspflicht des Investors erst „mit der Herstellung der Maßnahmen“; die Anordnung
von Vorauszahlungen dürfte nur zulässig sein, wenn die „endgültige Herstellung“ der finanzierten
Ausgleichsmaßnahme in den nächsten vier Jahren zu erwarten ist (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
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Städtebauliche Verträge VI.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
schaft über die zu erschließenden Grundstücke; ein Eigenbetrieb582 kommt als Ver-
tragspartner dagegen nicht in Frage. Die Frage, ob als „Dritter“ auch eine kommunale
Eigengesellschaft mit der Durchführung der Erschließung auf ihre Kosten beauftragt
werden durfte, war lange umstritten und wurde im Schrifttum kontrovers diskutiert.
Das BVerwG hat im Jahr 2010, also noch vor Übernahme des Erschließungsvertrags
in den Regelungskanon des § 11, eine kommunale Eigengesellschaft als „Dritte“ im
Sinne des § 124 Abs. 1 a. F. ausgeschlossen. Das BVerwG begründete seine Entschei-
dung mit dem Gesetzgebungsprozess und der Gesetzesbegründung, worauf hier nicht
im Detail eingegangen werden kann. Nur so viel: „Wäre es der Gemeinde erlaubt, ‚im
Mantel‘ ihrer als ‚Dritter‘ auftretenden Eigengesellschaft die Erschließung durchzufüh-
ren und die Erschließungskosten vertraglich ohne die Begrenzungen des Beitragsrechts
auf die Grundstückskäufer abzuwälzen, wäre praktisch kein Fall mehr denkbar, in
dem es nicht im Interesse der Gemeinde läge, die Erschließung auf ihre Eigengesell-
schaft zu übertragen“583, heißt es dazu in der Urteilsbegründung. Erst durch Einbet-
tung des Erschließungsvertrags in § 11 ist nun erreicht worden, dass auch kommunale
Eigengesellschaften als mögliche Vertragspartner für die Gemeinde beim Erschlie-
ßungsvertrag in Frage kommen. Klarstellend hat der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 einen
neuen Satz aufgenommen, wonach die Gemeinde städtebauliche Verträge auch mit
einer juristischen Person abschließen kann, an der sie selbst beteiligt ist. Hinsichtlich
des Umfangs der Kostenübertragung regelt § 11 Abs. 2 Satz 3, dass „eine Eigenbeteili-
gung der Gemeinde nicht erforderlich“ ist, wenn der Vertragspartner die Kosten über-
nimmt und die Kostenübernahme sowie die Übernahme sonstiger Aufwendungen den
gesamten Umständen nach angemessen ist. Einschränkung: Auf den Vertragspartner
dürfen keine Leistungen abgewälzt werden, auf die dieser auch ohne Gegenleistung
Anspruch gehabt hätte.
Aufgrund des Erschließungsvertrags entfällt der „Finanzierungsumweg über die Ge-
meindekasse“, der sonst dadurch entsteht, dass die Gemeinde die Erschließung zwar
zunächst bezahlt, sich aber später (oder auch durch die Erhebung von Vorausleistun-
gen gleichzeitig) 90 % der beitragsfähigen Kosten über den Erschließungsbeitrag von
dem Unternehmen oder den späteren Grundeigentümern im Erschließungsgebiet zu-
rückholt.
Lange Zeit war auch strittig, ob sich Gemeinden über einen Erschließungsvertrag auch
der in § 129 Abs. 1 S. 3 geregelten Mindestbeteiligung von 10 % entledigen darf, in-
dem sie diese Kosten auf den Vorhabenträger abwälzt. Nach der früheren Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts584 musste die Gemeinde auch im Fall des Ab-
schlusses eines Erschließungsvertrags mindestens 10 % der Kosten selbst tragen; ganz
generell konnten nach dem BVerwG durch Erschließungsvertrag nur die Kosten über-
gewälzt werden, die auch durch Beitragsbescheid hätten eingefordert werden können.
Nur diese Kosten durften nach der Rechtsprechung Gegenstand eines Erschließungs-
vertrags sein. Wenn die Gemeinde jedenfalls zunächst kein eigenes Geld in die Erschlie-
ßung stecken wollte, musste sie einen „Vorfinanzierungsvertrag“ mit dem Investor
abschließen585. Damit verpflichtete sich der Investor, die Erschließung im Auftrag der
Gemeinde zunächst vollständig auf seine Kosten herzustellen. Die Gemeinde wiederum
582 Mit Eigenbetrieb werden gemeindeeigene unselbständige Unternehmen bezeichnet. Eigenbetriebe sind
Teil der Gemeinde, verfügen aber über einen eigenen Haushalt. Im Gegensatz dazu spricht man von
einer Eigengesellschaft bei einem rechtlich selbständigen Unternehmen, an dem die Gemeinde die An-
teile hält. Auch Eigengesellschaften verfügen über ein vom Gemeindehaushalt losgelöstes Budget.
583 Vgl. BVerwG, U. v. 1.12.2010 – BVerwG 9 C 8.09 –, BauR 2011, 945.
584 Erstmals: BVerwG, U. v. 23.4.1969 – 4 C 69.67 –, NJW 1969, 2162 = BVerwGE 32, 67; ebenso
BVerwG, 4.2.1972 – 4 C 59/70 –, NJW 1972, 1588; bestätigt durch BVerwG, U. v. 23.8.1991 – 8 C
61.90 –, in: ZfBR 1992, 76; ebenso BGH, DVBl. 1976, 390: Überwälzungen durch Vertrag sind nur
in dem Umfang möglich, in dem auch durch Beitragsbescheid Kosten erhoben werden könnten.
585 Beispiel: BGH, B. v. 6.7.2000 – V ZB 50.99 –, ZfBR 2001, 125.
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Städtebauliche Verträge VI.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
bedarfs- und Folgeeinrichtungen (also Baumaßnahmen nach § 148 Abs. 2 Nr. 3) auf-
grund eines Vertrags ganz oder teilweise dem Eigentümer überlassen (§ 146 Abs. 3).
Die Gemeinde kann per Ablösungsvertrag mit einem Grundeigentümer über den Aus-
gleichsbetrag zur Deckung der Kosten der Sanierungsmaßnahme auch einen höheren
Betrag als den Ausgleichsbetrag vereinbaren. Die Höhe des Ausgleichsbetrags ist nicht
maßgeblich; Vertragsfreiheit geht – in den Grenzen der Angemessenheit – vor (§ 154
Abs. 3). Nach § 155 Abs. 6 muss die Gemeinde dem Eigentümer die im Rahmen der
Durchführung der übertragenen Maßnahmen aufgewendeten Kosten, soweit sie den
Ausgleichsbetrag überschreiten, nur dann erstatten, wenn die Erstattung nicht vertrag-
lich ausgeschlossen wurde.
In Stadtumbaugebieten nach §§ 171a ff. soll die Gemeinde die Möglichkeit nutzen,
Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage von städtebaulichen Verträgen insbeson-
dere mit den beteiligten Eigentümern durchzuführen. Gegenstände der Verträge kön-
nen insbesondere auch sein:
– die Durchführung des Rückbaus oder der Anpassung baulicher Anlagen innerhalb
einer bestimmten Frist und die Kosten dafür;
– der Verzicht auf die Ausübung von Ansprüchen nach dem Planungsschadensrecht
(§§ 39–44 BauGB);
– der Ausgleich von Lasten zwischen den beteiligten Eigentümern.
In Gebieten der Sozialen Stadt soll die Gemeinde gemäß § 171e Abs. 5 zur Verwirkli-
chung und Förderung der mit dem einschlägigen Entwicklungskonzept für die Soziale
Stadt verfolgten Ziele sowie für die Übernahme von Kosten mit den Eigentümern
und sonstigen Maßnahmenträgern städtebauliche Verträge abschließen. In allen diesen
Vorschriften kommt zum Ausdruck, dass städtebauliche Verträge vom Gesetzgeber
ausdrücklich gewünscht sind und begrüßt werden, weil sie im Regelfall konfliktfreie
Lösungen herbeiführen. In Bild 40 sind die gängigsten Typen von städtebaulichen Ver-
trägen noch einmal zusammengefasst.
Bild 40: Typen städtebaulicher Verträge
Vertragstyp Rechts-
grundlage
Typ A: Übertragung der physischen Durchführung von Maßnahmen auf Kosten des Ver- § 11 Abs. 1
tragspartners Nr. 1 und
Beispiele: Nr. 4
– Vorlage von Plänen und Gutachten
– Bau von öffentlichen Einrichtungen
– Vornahme einer Neuordnung der Grundstücksverhältnisse
– Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
– Errichtung von Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung eines Baugebiets mit
Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung
– Übertragung der Vornahme der Erschließung (seit der BauGB-Novelle 2013 nicht
mehr als Spezialfall geregelt)
– Regelungen zur Berücksichtigung baukultureller Belange
Typ B: Vereinbarung der Erstattung der Kosten von Maßnahmen der Gemeinde durch § 11 Abs. 1
den Vertragspartner Nr. 3
Beispiele für erstattungsfähige Kosten:
– Bau einer Grundschule
– Erweiterung der Abwasserkläranlage
– Öffentliche Grünanlage
– Kindertagesstätte
– Planungskosten außerhalb der Kommunalverwaltung
– Erschließungskosten
– Regelung von Folgekosten
– Die Erstattung der eigenen Verwaltungskosten der Gemeinde, soweit an Dritte über-
tragbar.
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Städtebauliche Verträge VI.
Vertragstyp Rechts-
grundlage
Typ C: Vereinbarung von Bindungen § 11 Abs. 1
Mit Bindungsverträgen werden die Verpflichtungen des Vertragspartners im Rahmen der Nr. 2, Nr. 4
Bebauung und Verwertung seines Grundstücks über die Festsetzungen des B-Plans hin- und Nr. 5
aus konkretisiert und spezifiziert. § 249 Abs. 2
Beispiele:
– Baupflicht (z. B. für einen Solarpark im Zusammenhang mit einem vorhabenbezoge-
nen Bebauungsplan) in bestimmter Frist
– Rückbauverpflichtung z. B. von Windkraftanlagen im Zusammenhang mit dem Repowe-
ring
– Errichtung von Behindertenwohnungen
– Verpflichtungen über die energetische Qualität von Gebäuden
– Einsetzen nur bestimmter Pflanzen
– Veräußerung von Wohnraum nur an bestimmten Personenkreis (einkommensschwä-
chere, weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung)
– Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung, Verteilung,
Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien
oder Kraft-Wärme-Kopplung
Typ D: Vereinbarung zur Abwendung von sonst seitens der Gemeinde ausgeübten Ho- § 27, § 166
heitsrechten Abs. 3
Beispiele: Satz 3:
– Abwendung des Vorkaufsrechts
– Abwendung des Bodenerwerbs im Entwicklungsbereich
Typ E: Ablösung von Zahlungspflichten § 129, § 154
Beispiele:
– Ablösung des Erschließungsbeitrags
– Ablösung des Ausgleichsbetrags
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Solche Vereinbarungen sollen nur getroffen werden, wenn die Ziele und Zwecke der
Planung bzw. der Maßnahme entsprechend auf den Klimaschutz ausgerichtet sind.
Mit den „Planungen“ sind insbesondere Bebauungspläne gemeint. Der Begriff der
„Maßnahmen“ bezieht sich beispielsweise auf Baumaßnahmen im Sinne des § 148 im
Rahmen von städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahmen.
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags kann im Zusammenhang mit der Wind-
kraftnutzung auch das „Repowering“ sein. Hierzu bestimmt der ebenfalls 2011 einge-
führte § 249 Abs. 2, dass sich in einen B-Plan oder auch in einen Flächennutzungsplan
mit Konzentrationsflächen für die Windenergie, der die Rechtswirkungen des § 35
Abs. 3 S. 3 hat, Bestimmungen aufnehmen lassen, wonach für die Errichtung neuer
Windenergieanlagen andere (nämlich alte und leistungsschwächere) im B- bzw. F-Plan
gekennzeichnete Anlagen innerhalb einer festzulegenden Frist zurückgebaut werden
müssen. In der Praxis stößt diese Regelung auf Probleme, weil sich das aus städtebauli-
cher Sicht Gebotene oft mit den Zugriffsmöglichkeiten und Eigentumsverhältnissen
beißt. Die in den B- bzw. F-Plan aufzunehmenden Regelungen müssen zudem exakt
formuliert werden. Die zurückzubauenden Anlagen müssen als Gruppe oder als Ein-
zelanlagen hinreichend genau bezeichnet werden. Es muss geregelt werden, in welchem
Verhältnis das „Repowering“ vollzogen werden soll (z. B. eine neue Anlage ersetzt drei
alte Anlagen). Schließlich muss die Frist eindeutig festgelegt werden. Diesen Anforde-
rungen in einer Festsetzung gerecht zu werden, ist nicht einfach. Klarstellend lassen
sich Details in einem ergänzenden städtebaulichen Vertrag regeln. Allerdings stellt sich
vor dem Hintergrund unterschiedlicher Windkraftbetreiber und Eigentümer stets die
Frage der Umsetzbarkeit der „Repowering“-Regelung (nicht realisierbare Festsetzun-
gen sind nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 und der Plan dadurch unwirksam
bzw. teilunwirksam). Die Umsetzbarkeit wird im Regelfall nur sichergestellt sein, wenn
sich alle Beteiligten vertraglich haben einigen können. Für die Vereinbarungen zwi-
schen den privaten Beteiligten kommen zivilrechtliche Verträge in Betracht.
6. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwick-
lung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 für städtebauliche Verträge
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur
Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057)
wurde § 11 Abs. 1 Nr. 2 geändert. Nach der alten Fassung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 durften
städtebauliche Verträge Regelungen zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungs-
gruppen mit besonderen Wohnversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der örtli-
chen Bevölkerung enthalten. Einige deutsche Kommunen haben darin die Möglichkeit
gesehen, sog. Einheimischenmodelle zu entwickeln und Ortsansässigen beim Grunder-
werb einen Preisnachlass zu gewähren, unabhängig davon, ob eine Hilfebedürftigkeit
vorlag oder nicht. Die Europäische Kommission hat dagegen ein Vertragsverletzungsver-
fahren geführt; denn sie erkannte darin eine europarechtswidrige Diskriminierung. Eine
europarechtskonforme Ausgestaltung zur Steuerung setzte voraus, den Preisnachlass
beim Erwerb von angemessenem Wohnraum auf „einkommensschwächere und weniger
begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung“ zu beziehen.
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Städtebauliche Verträge VI.
Rechtsprechungs- und Literaturbericht, DVBl. 6/2010, 333–344; 2011: Anders, Sönke, Der Er-
schließungsvertrag nach dem Urteil des BVerwG vom 1.12.2010 – 9 C 8.09 – (Anmerkung), BauR
9/2011, 1455–1458; Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer,
Bernhard, Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Ge-
meinden in Kraft getreten, NVwZ 15/2011, 897–904; Birk, Hans-Jörg, Der Erschließungsvertrag
gem. § 124 BauGB nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.12.2010 – 9 C 8.09 –,
(Anmerkung), VBlBW 9/2011, 329–337; Filtzinger, Stephan, Anmerkung zu BFH, U. v. 13.1.2011
– V R 12/08 – (Kein Vorsteuerabzug bei Zuwendung von Erschließungsanlagen; Lieferung von Er-
schließungsanlagen durch Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung), UR 8/2011, 303–
307; Köster, Bernd, Erschließungsverträge mit kommunalen Eigengesellschaften. Das (endgültige)
Ende einer bewährten Praxis?, BauR 2011, 932–940; Krautzberger, Michael, Gesetz zur Förderung
des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, UPR 10/2011, 361–365;
Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Neues Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klima-
schutzes. Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemein-
den, BauR 9/2011, 1416–1424; Lembke, Ulrike, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 24.3.2011 – 4 C
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öffentlichen Grund nach Wünschen der öffentlichen Hand. Zugleich Anmerkung zu EuGH, U. v.
25.3.2010 – Rs. C-451/08 – Helmut Müller, ZWeR 4/2011, 422–433; Söfker, Wilhelm, Das Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, ZfBR 6/
2011, 541–549; Stüer, Bernhard, Bauleitplanung – Rechtsprechungsbericht 2010, DVBl. 7/2011,
381–391; Wiggers, Christian, Erschließungsvertrag – Unangemessener Vertrag zu Gunsten Drit-
ter?, NJW-Spezial 6/2011, 172–173; 2012: Decker, Andreas, Lernbeitrag Öffentliches Recht: Aus-
gewählte examensrelevante Probleme des städtebaulichen Vertrages nach § 11 BauGB, JA 4/2012,
286–293; Heinemann, Daniela, Erschließungsverträge mit kommunalen Erschließungsgesellschaf-
ten: Wirksamkeitsvoraussetzungen und Nichtigkeitsfolgen, BauR 2012, 1330–1339; Kment, Mar-
tin, Die Begleitung der Energiewende durch kommunale Bauleitplanung. Schafft das Gesetz zur
Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden neue Optionen?,
DVBl. 18/2012, 1125–1130; Krautzberger, Michael, Klimaschutz bei städtebaulichen Planungen
und Maßnahmen. Zur BauGB Novelle 2011, UVP-report 2/2012, 59–64; Söfker, Wilhelm, Die Be-
rücksichtigung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung in der BauGB-Novelle
2011 und ihre Bedeutung für die Praxis, FuB 1/2012, 25–31; Spannowsky, Willy, Fortentwicklung
des Rechts städtebaulicher Verträge, (Zugleich Anmerkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8/
09 –), ZfBR 8/2012, 742–751; Stüer, Bernhard, Öffentliches Baurecht von 2007 bis 2012 in der
Gesetzgebung. Bebauungsplan der Innenentwicklung, Energiewende und weiterer Reformbedarf,
AL 3/2012, 166–173; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungsrechts
2012/2013, ZfBR 2013, 211–217; Chatziathanasiou, Konstantin/Towfigh, Emanuel V., Die Ange-
messenheit der Vertragserfüllungsbürgschaft bei städtebaulichen Verträgen, DVBl. 2013, 84–92;
Grziwotz, Herbert, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 – (Fehlende gesetzliche
Grundlage für Folgekostenvertrag über beitragsfähige Erschließungsaufwendungen der Ge-
meinde), ZfIR 2013, 207–209. 2014: Edelbluth, Markus, Rezension: Hans Jörg Birk, Städtebauli-
che Verträge: Inhalte und Leistungsstörungen, 5. Aufl., Stuttgart 2013, in: VBlBW4/2014, S. 159;
Geßner, Janko, Städtebauliche Verträge und Windenergie. Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet?
Möglichkeiten, Grenzen und Alternativen bei Verträgen mit der öffentlichen Hand, in: AnwBl 1/
2014, S. 39–45; Hellriegel, Matthias/Teichmann, Lisa, Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN). Vo-
raussetzung und Grenzen für städtebauliche Verträge zwischen Plangebern und Bauherren, in:
BauR 2/2014, S. 189–197; Linke, Hans-Joachim, Rezension: Thomas Burmeister, Praxishandbuch
Städtebauliche Verträge, Bonn 2014, (FuB aktuell), in: FuB 6/2014, S. 5; Linke, Hans-Joachim,
Rezension: Hans Jörg Birk, Städtebauliche Verträge: Inhalte und Leistungsstörungen, 5. Aufl.,
Stuttgart 2013, (FuB aktuell), in: FuB 1/2014, S. 5; Patzelt, Wolfgang, Beteiligung von Gemeinden
an Windkraftanlagen über städtebauliche Verträge? (Zugleich Anmerkung zu OVG Schleswig-
Holstein, U. v. 4.4.2013 – 1 LB 7/12 –), in: ZUR 2/2014, S. 89–92; Patzelt, Wolfgang, Die Absiche-
rung von Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen im Bebauungsplanverfahren über städtebauli-
che Verträge, in: ZUR 11/2014, S. 600–604; Söfker, Wilhelm, Rezension: Arno Bunzel, Diana
Coulmas, Gerd Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge. Ein Handbuch, 4. Aufl., in: ZfBR 2/
2014, S. 169; 2015: Bunzel, Arno, Soziale Wohnraumförderung durch städtebauliche Verträge, in:
ZfBR 1/2015, S. 11–18; Diessner, Annika, Bestechungsdelikte und städtebauliche Verträge. Hat
der 3. Strafsenat im Schulfotografen-Fall die Büchse der Pandora geöffnet? (Anmerkung BGH, U.
v. 26.5.2011 – 3 StR 492/10 –), in: FS Beulke 2015, S. 379; Gohde, Christian, Tagungsbericht: „Ko-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
590 Zur Frage der Verhinderung unerwünschter Sex-Shops und Vergnügungsstätten vgl. VGH Baden-Würt-
temberg, U. v. 3.3.2005 – 3 S 1524/04 –, BauR 2005, 1892. Zur Frage der Sicherung eines gemeinde-
weiten B-Plans zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 6.4.2009 –
1 MN 289/08 –, BauR 2009, 1421. Zum Einsatz der Veränderungssperre mit dem Ziel des Schutzes
zentraler Versorgungsbereiche vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 27.1.2010 – 1 A 10779/09 –, BauR
2010, 1186 sowie OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 16.3.2012 – 2 B 202/12 –, BauR 2012, 1212. Zur
Frage der Wirkung von Veränderungssperren ggü. verfahrensfreien Vorhaben (Mobilfunkanlagen) vgl.
Bayerischer VGH, U. v. 23.11.2010 – 1 BV 10.1332 –, BauR 2011, 807. Zur Veränderungssperre im
Zusammenhang mit der Steuerung von Tierhaltungsanlagen vgl. Niedersächsisches OVG, B. v.
9.9.2011 – 1 MN 112/11 –, BauR 2012, 223.
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
gänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans gefasst hat. Die Bekanntmachung des
Aufstellungsbeschlusses braucht also nicht erst abgewartet zu werden, muss aber nach-
folgen591. Solange der Beschluss nicht bekanntgemacht und kein Zurückstellungsge-
such erfolgt ist, dürfen Baugesuche nicht mit Verzögerung bearbeitet werden592. Im
Beschluss über die Veränderungssperre brauchen keine inhaltlichen Angaben über Ziel
und Zweck der Sperre gemacht zu werden; allerdings muss im Rahmen des Aufstel-
lungsverfahrens zum zugehörigen Bebauungsplan bereits erkennbar sein, „wohin die
Reise geht“. Die Gemeinde muss also bereits positive Vorstellungen über die B-Planin-
halte entwickelt haben – eine reine Negativplanung genügt nicht593. Es muss ein Min-
destmaß dessen erkennbar sein, was Inhalt des aufzustellenden B-Plans sein soll. „Die-
ses Mindestmaß an Vorstellungen muss geeignet sein, die Entscheidung der
Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit
der beabsichtigten Planung zu befinden hat. Diese Vorstellungen können sich nicht
nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen
erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben.“594 Die Bedingung, dass ein Min-
destmaß an planerischer Vorstellung für den Erlass einer Veränderungssperre vorhan-
den sein muss, gilt auch dann, wenn der Planung unterschiedliche Ziele in Form von
Alternativen (also entweder Entwicklung eines allgemeinen Wohngebiets oder Ent-
wicklung eines Mischgebiets) zugrunde liegen.595 Die Planung muss auf einer positiven
Planungskonzeption beruhen, die nicht nur vorgeschoben sein darf.596 Das Ziel der
Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen darf aber Hauptzweck
eines Bebauungsplans mit gleichzeitiger Veränderungssperre sein.597 Somit ist es zuläs-
sig, in einem Gewerbegebiet die Ansiedlung von weiteren Bordellen und Vergnügungs-
stätten zur Abwendung eines Trading-Down-Effekts auszuschließen.598 Wenn sich die
Planungsabsichten grundlegend ändern, muss der Aufstellungsbeschluss entsprechend
geändert (oder neu beschlossen) und auch die Veränderungssperre neu beschlossen
werden599. Allerdings kann aufgrund des „Konservierungszwecks“ der Veränderungs-
sperre zum frühzeitigen Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses eine detaillierte Pla-
nung nicht in jedem Fall erwartet werden. Insofern kommt eine Änderung von Zielen
noch in Betracht, sofern frühere Planungen und private Interessen ausreichend berück-
sichtigt bleiben.600 Zweifelsohne kann die Veränderungssperre nicht nur bei erstmali-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
ger Aufstellung eines Bebauungsplans zum Einsatz kommen, sondern ebenso gut bei
der Änderung, Ergänzung oder auch Aufhebung.601
Bild 41: Sicherung der verbindlichen Bauleitplanung durch Veränderungssperre, Zurück-
stellung von Baugesuchen und Untersagung von Vorhaben
Durch die Veränderungssperre werden alle baulichen Vorhaben im Gebiet der Sperre
(das sich nicht unbedingt mit dem Plangebiet decken muss, dies aber in der Regel tut)
untersagt, auch diejenigen, die von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht
freigestellt sind. Untersagt sind auch solche „erheblichen“ Veränderungen der von der
Sperre betroffenen Grundstücke, die nicht den Begriff des baulichen Vorhabens erfül-
len; dazu gehört z. B. das Abholzen eines bislang bewaldeten Grundstücks oder die
Freilegung von Geröll und Gestein. Nur ausnahmsweise kann die Baugenehmigungs-
behörde Vorhaben und Veränderungen zulassen, „wenn überwiegende öffentliche Be-
lange nicht entgegenstehen“. Das ist der Fall, wenn das Vorhaben mit der laufenden
Planung in Übereinstimmung steht. Eine solche Ausnahme muss auch für sonst nicht
genehmigungspflichtige (freigestellte) bauliche Vorhaben beantragt werden. Die Ent-
601 Zum Einsatz der Veränderungssperre bei der Aufhebung eines B-Plans vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.
v. 17.10.2012 – 1 C 10493/12 –, ZfBR 2013, 58.
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
die Sperre zwar neu beschlossen werden, wenn es für die Dauer des Planungsverfah-
rens besondere, ganz wichtige Gründe gibt; lagen diese Gründe jedoch nicht vor, ist die
Sperre rechtswidrig und muss aufgehoben werden, auch wenn die Gemeinde dadurch
Schaden erleidet609. Eine erneute Verabschiedung der Veränderungssperre nach Ablauf
der vier Jahre kann für die Gemeinde jedoch teuer werden, da sie den oder die Betrof-
fenen für die nach Ablauf der vier Jahre entstehenden Vermögensnachteile entschädi-
gen muss. Als Entschädigungsbetrag ist die Summe zu zahlen, die ein Nutzer als Miet-,
Pacht- oder Erbbauzins für das Recht gezahlt hätte, auf dem Grundstück diejenigen
Nutzungen vorzunehmen, die die Veränderungssperre unterbunden hat. Hiervon ist
der Wert der Nutzung abzuziehen, den zu erzielen der Betroffene durch die Verände-
rungssperre nicht gehindert war (eine Entschädigung kommt selbstverständlich nur
für diejenigen in Frage, deren Grundstücke ohne die Sperre zulässigerweise hätten
bebaut werden können)610.
Sehr wichtig ist, dass eine Entschädigungspflicht nicht nur durch eine förmlich als
Satzung beschlossene Veränderungssperre, sondern auch durch eine sog. faktische
Bausperre611 ausgelöst werden kann. Eine faktische Bausperre liegt zum ersten vor,
wenn die Gemeinde eine zwar faktisch durchaus wirksame, sich aber später als rechts-
widrig und nichtig herausstellende Veränderungssperre beschlossen hat; die Nichtig-
keit kann sowohl auf der Verletzung von Form- oder Verfahrensvorschriften beim
Erlass der Satzung als auch auf materiellen Rechtsfehlern beruhen. Zum zweiten ist
eine faktische Bausperre gegeben, wenn die Baugenehmigungsbehörde Baugesuche
nicht bearbeitet oder mit der Erklärung, die Erteilung einer Baugenehmigung sei ausge-
schlossen, den Eigentümer von der Stellung von Baugesuchen oder von der Veräuße-
rung des Grundstücks abgehalten hat.
Für eine solche faktische Bausperre ist der Betroffene wie folgt zu entschädigen: Lagen
die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14
vor, dann hat die Behörde zwar formell, aber nicht materiell rechtswidrig gehandelt,
als sie sich so verhielt, als gebe es eine Sperre. Denn sie hätte, wenn sie nur gewollt
hätte, die Satzung jederzeit erlassen können. Ausgehend von dem Grundsatz, dass
Veränderungssperren regulär vier Jahre entschädigungslos hingenommen werden müs-
sen, braucht der Betroffene nur für den Zeitraum entschädigt zu werden, der über drei
Jahre hinausreicht612. Ein Jahr bekommt die Gemeinde von der entschädigungsfreien
Zeit abgezogen, weil sie Arbeit und Zeit zur Aufstellung der Veränderungssperre ge-
spart hat.
Fehlt es dagegen auch an den materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verän-
derungssperre, dann braucht der Betroffene die Sperre von vornherein nicht entschädi-
gungslos zu dulden. Ihm ist unter den materiellen Voraussetzungen des § 18 eine Ent-
schädigung von Anfang an zu gewähren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der
Bürger bei rechtswidrigem Vorgehen der öffentlichen Verwaltung nicht die Wahl hat,
ob er sein Recht gerichtlich geltend machen will oder ob er sich lieber gleich mit einer
Entschädigung für das ihm angetane Unrecht zufriedengeben will. Hat der Bürger
erkennbaren Grund, an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns zu zweifeln,
so muss er Rechtsbehelfe ergreifen613. Unterlässt er dies schuldhaft, so steht ihm für
die Nachteile, die durch Einlegung von Rechtsmitteln hätten vermieden werden kön-
nen, keine Entschädigung zu. Faktische Bausperren sind rechtswidrig. Der Bürger ist
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Entschädigung bekommt er bei Unterlassung eines Direktangriffs nur dann, wenn ihm
der Angriff nicht zuzumuten war – z. B., weil ihm die zuständige Verwaltung glaubhaft
und seriös von Widerspruch und Klage abgeraten hat – oder wenn er sich in angemes-
sener Zeit gar nicht wehren konnte. „Der Bürger muss nicht klüger sein als der Be-
amte“ – so hat der BGH617 in diesem Zusammenhang geurteilt. Als Rechtsgrundlage
der Entschädigung nimmt der BGH dann einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch aus
„Aufopferung für das gemeine Wohl“ an, so wie er ursprünglich im Preußischen Allge-
meinen Landrecht geregelt war.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
nung würde sonst durch das strittige Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich
erschwert werden. Die Zurückstellung ist auch möglich, wenn sich das Genehmigungs-
verfahren nach dem BImSchG richtet und die für die Genehmigung zuständige Be-
hörde nicht die in § 15 Abs. 3 ausdrücklich genannte Baugenehmigungsbehörde ist.
Umstritten ist noch die Frage, ob es nach Ablauf der Zurückstellung möglich ist, das
beantragte Vorhaben schon auf der Grundlage eines nur planreifen Flächennutzungs-
plans endgültig abzulehnen627.
Bis zur BauGB-Novellierung im Jahr 2013 war die Zurückstellung für längstens ein
Jahr möglich. Deshalb mussten Flächennutzungspläne mit Konzentrationswirkung bis-
lang innerhalb dieses Zeitraums nach dem Zurückstellungsantrag wirksam geworden
sein, um das Vorhaben sicher zu verhindern628. Angesichts des in der Regel umfangrei-
chen Untersuchungs-, Abstimmungs- und Abwägungsaufwands bei der kommunalen
Steuerung der Windkraftnutzung oder der Biomasse stellt eine auf zwölf Monate be-
schränkte Frist eine echte Herausforderung für die planaufstellende Kommune dar,
wenn sie sich noch im Anfangsstadium der Planung befindet. Der Gesetzgeber hat
erkannt, dass das Zeitfenster für die Steuerung der Windenergie oder der Biomasse in
vielen Fällen zu kurz bemessen sein kann. Aus diesem Grund hat er der Genehmi-
gungsbehörde das Recht zugestanden, die in § 15 Abs. 3 Satz 1 geregelte Zurückstel-
lungsfrist von zwölf Monaten auf Antrag der planaufstellenden Kommune um höchs-
tens ein weiteres Jahr zu verlängern. Allerdings ist die Möglichkeit an die Bedingung
gekoppelt, dass „besondere Umstände“ diese Verlängerung erfordern. Dieser Zusatz
birgt in sich Sprengstoff. Im Bereich der Windenergie wird man davon ausgehen kön-
nen, dass Windkraftbetreiber das Vorliegen „besonderer Umstände“ stets hinterfragen
und gerichtlich angehen werden. Vor diesem Hintergrund sollte sich die Kommune
eine Art „Fahrtenbuch“ anlegen (leicht aus der Verfahrensakte ableitbar), aus dem
sich ergibt, dass sie ohne Zeitverzug an dem F-Plan gearbeitet hat und eine noch
zügigere Vorgehensweise weitgehend ausgeschlossen war. Gute Karten zur Begrün-
dung der besonderen Umstände wird die Gemeinde dann haben, wenn die Fristverlän-
gerung wegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gemeinde nicht selbst zu ver-
antworten hat, erforderlich ist (solche „besonderen Umstände“ sind auch
Voraussetzung für eine Verlängerung einer Veränderungssperre um ein weiteres – vier-
tes – Jahr). So wird man der Gemeinde beispielsweise zugestehen müssen, einen Sat-
zungsbeschluss eines Regionalplans zur Steuerung erneuerbarer Energien oder aber
einen angekündigten und absehbar vor der Veröffentlichung stehenden (erneuten) Ent-
wurf eines Regionalplans noch abzuwarten, um sicher zu sein, dass die Bauleitplanung
an die Ziele der Raumordnung angepasst ist bzw. in Aufstellung befindliche Ziele der
Raumordnung ausreichend berücksichtigt wurden. Auch wenn der Flächennutzungs-
plan unmittelbar vor dem Inkrafttreten steht, nur noch die Genehmigung aussteht und
die Gemeinde die Planung ohne vorwerfbaren Zeitverzug auf den Weg bringt, sollten
die „besonderen Umstände“ bereits vorliegen. Schwierig könnte es für eine Gemeinde
werden, wenn sich Zeitverzögerungen dadurch einstellen, dass der Flächennutzungs-
plan erneut öffentlich ausgelegt werden muss, weil er korrekturbedürftige materielle
Fehler enthält, die bereits im vorangegangenen Entwurf nicht notwendig gewesen wä-
ren oder weil selbst verantwortete Formfehler (Wiederholung wegen falscher Fristen
627 Vgl. BGH, U. v. 2.12.2010 – III ZR 251/09 –, BauR 2011, 814; BVerwG, U. v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 –,
BauR 2010, 1879; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 18.2.2005 – 7 B 10012/05 –, BauR 2005, 1897 sowie
OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 4.2.2010 – 8 B 1652/09 –, NVwZ-RR 2010, 475. Vgl. auch OVG
Niedersachen, B. v. 7.10.2004 – 1 ME 169/04 –, BauR 2005, 69.
628 Vgl. Schmidt-Eichstaedt, Gerd; Zurückstellung von Baugesuchen und gemeindliches Einvernehmen; in:
BauR 2011, 1754.
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
bei der ersten Auslegung) wieder gutgemacht werden müssen629. Nach dem OVG
Nordrhein-Westfalen sind besondere Umstände abstrakt dann gegeben, wenn sich das
Planverfahren von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstä-
tigkeit abhebt, sich also z. B. Planungsumfang, Schwierigkeitsgrad oder Verfahrensab-
lauf deutlich vom Durchschnitt absetzen und sich daher eine längere Planungszeit
rechtfertigen lässt.630Bei der Berechnung der Frist ist der Zeitraum zwischen dem Ein-
gang des Baugesuchs bei der zuständigen Behörde bis zur Zustellung des Bescheids
zur Zurückstellung des Baugesuchs nicht anzurechnen, soweit der Zeitraum für die
Bearbeitung des Baugesuchs erforderlich ist. Der Antrag der Gemeinde auf Zurückstel-
lung kann auch noch nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist des § 36 Abs. 2 gestellt
werden – gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 hat die Gemeinde längstens sechs Monate Zeit,
nachdem sie von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat. In jedem Fall
muss der Antrag bei der Zulassungsbehörde eingegangen sein, bevor das Vorhaben
genehmigt worden ist. Daher ist jedes zeitliche Taktieren über die Zwei-Monats-Frist
des § 36 Abs. 2 hinaus risikobehaftet, wenn die Gemeinde nicht über den Stand der
Unterlagenprüfung und den voraussichtlichen Zeitraum der Entscheidung bei der Zu-
lassungsbehörde Bescheid weiß. Im Genehmigungsverfahren hat die Zulassungsbe-
hörde gemäß § 10 Abs. 6a BImSchG sieben Monate Zeit für die Entscheidung über
den Antrag. Erfolgt die Genehmigungsentscheidung im vereinfachten Verfahren nach
§ 19 BImSchG, verbleiben sogar nur drei Monate. Der Bayerische VGH verlangt als
Voraussetzung für die Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 ein Mindestmaß an planeri-
scher Konzeption. Die planerischen Vorstellungen dürfen im Zeitpunkt des Zurück-
stellungsersuchens nicht völlig offen sein. Der mögliche Inhalt des zu erwartenden F-
Plans muss bereits erkennbar sein. Dafür reicht es nicht aus, wenn nach dem Stand
der Planung eine bloße (verbotene) Negativplanung zu erwarten ist.631
3. Teilungsgenehmigungen
Die Möglichkeiten, die flächige Teilung von Grundstücken planungsrechtlich genehmi-
gungspflichtig zu machen, sind durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 erheb-
lich eingeschränkt und durch das EAG Bau 2004 nahezu vollständig abgeschafft wor-
den.
Bis 1998 konnte die Teilung von Grundstücken in planungsrechtlich relevanten Fällen
ohne vorherige Genehmigung nicht grundbuchrechtlich vollzogen werden. Diese Tei-
lungsgenehmigung für Grundstücke war in den §§ 19 bis 21 geregelt. Sie hatte zum
einen den Sinn, im Interesse der öffentlichen Bauleitplanung zu verhindern, dass durch
Teilungen Grundstücke geschaffen werden, die für eine Bebauung nicht (mehr) geeig-
net sind. Zum anderen sollten potenzielle Käufer vor dem Erwerb von nach einer
Teilung nicht mehr bebaubaren Grundstücken geschützt werden. Während die Geneh-
migungspflicht früher für die Teilung aller im räumlichen Bereich einer Gemeinde
befindlichen Grundstücke, die jetzt oder später bebaut werden können, galt (dies wa-
ren die Gebiete bzw. Grundstücke (a) innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines
Bebauungsplans, (b) in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und städtebaulichen
Entwicklungsbereichen, (c) innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, (d)
im Außenbereich, die für eine Bebauung oder kleingärtnerische Dauernutzung vorgese-
hen sind und (e) im Bereich einer Veränderungssperre), betrifft sie seit dem EAG Bau
nur noch Sanierungsgebiete und städtebauliche Entwicklungsbereiche (§ 144 Abs. 2
Nr. 5 sowie § 169 Abs. 1 Nr. 3). Daneben besteht nur in Fremdenverkehrsgebieten
nach § 22 und in den Gebieten des Besonderen Städtebaurechts (also in den städtebau-
629 Zu den Hürden bei der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3. vgl. VG Wiesbaden, U.v. 17.8.2016 – 4 K
350/16.WI –, BeckRS 2016, 110781.
630 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 25.11.2014 – 8 B 690/14 –, NVwZ-RR, 323.
631 Vgl. Bayerischer VGH, B. v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u. 22 CS 12.356 –, BauR 2012, 1217.
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men, dass die Teilung von Gebäuden zum Zweck der Bildung von Wohnungseigentum
oder die erstmalige Errichtung von Gebäuden mit Wohnungseigentum einer besonde-
ren Genehmigungspflicht unterliegen. Im Gebiet liegende Gemeinbedarfsflächen und
andere „Nicht-Wohn-Flächen“ müssen nicht ausgenommen werden634. Die Genehmi-
gung darf versagt werden, wenn durch die Begründung des Wohnungseigentums die
Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauli-
che Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt werden. Wenn es für einen Grundstücks-
eigentümer infolge der Versagung der Teilungsgenehmigung wirtschaftlich unzumut-
bar wird, das Grundstück zu behalten, muss die Gemeinde das Grundstück von ihm
übernehmen (§ 22 Abs. 7). Zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften kann in der
sonstigen Satzung auch die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden
festgesetzt werden (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB). Damit wird insbesondere der von
gewitzten Makler-Juristen erfundene Umweg der Bildung von Bruchteilseigentum an
Wohngebäuden ökonomisch erschwert, weil die festgesetzten „normalen“ Wohnungs-
größen in der Regel als Ferieneigentum zu groß bzw. zu teuer sind (Bruchteilseigentum
ist kein Wohnungseigentum im Sinne des § 22, weil es sich nur um ideelle Anteile am
Haus handelt; die Genehmigungspflicht nach § 22 erfasste diese Fälle zunächst nicht;
die Veräußerungsverträge wurden so gestaltet, dass den Käufern reale Wohnungen
zugewiesen werden). Um die Bildung von Bruchteilseigentum zu unterbinden, hat der
Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 die
Bandbreite der Genehmigungsvorbehalte nach § 22 Abs. 1 auch auf diese Fälle erwei-
tert. Die Regelung wurde zudem auf die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder
Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnungen ausgedehnt, wenn die Räume insge-
samt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt sind. Die neuen Rege-
lungsoptionen in § 22 berühren und ersetzen nicht die Möglichkeit, Neben- und
Zweitwohnungen auf Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in einem entspre-
chenden Sondergebiet auszuschließen635.
Die Entscheidungsfristen sind kurz: Sofern eine Gemeinde die Bildung von Wohnungs-
eigentum in Fremdenverkehrsgebieten unter Genehmigungsvorbehalt gestellt hat,
muss die Baugenehmigungsbehörde gem. § 22 Abs. 5 im Einvernehmen mit der Ge-
meinde binnen eines Monats über den Antrag entscheiden. Die Frist kann, sofern die
Prüfung in diesem Zeitraum nicht abgeschlossen werden kann, durch Bescheid an den
Antragsteller bis auf höchstens drei Monate verlängert werden. Das (stets notwendige)
Einvernehmen der Gemeinde gilt nach Ablauf von zwei Monaten seit Eingang des
Ersuchens bei der Gemeinde als erteilt. Rechtswidrige Versagungen der Genehmigung
können zu Entschädigungsansprüchen des Antragstellers wegen Amtspflichtverletzung
oder (bei Schuldlosigkeit der Genehmigungsbehörde) auch wegen enteignungsgleichen
Eingriffs führen636.
Mit der Mitteilung der Gemeinde über die Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts
beim Grundbuchamt fällt die sog. Grundbuchsperre weg und § 22 Abs. 6 Satz 1 ist
nicht mehr anzuwenden.
Die Genehmigungspflicht für die Bildung von Wohnungseigentum in Milieuschutzge-
bieten nach § 172 kann nur durch Initiative der jeweiligen Landesregierung mit dem
Geltungsbereich einer kommunalen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 ver-
bunden werden; die Geltungsdauer dafür auf Landesebene zu erlassender Verordnun-
gen ist auf höchstens fünf Jahre begrenzt. Die Einführung dieser Variante dürfte auf
Großstädte zielen, in denen die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung aus
älteren Wohngebieten mit großen Wohnungen nicht selten ohne bauliche Umstruktu-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
fer dienen muss. In Bild 42 ist die Dreiecksbeziehung zwischen Verkäufer, privatem
Erstkäufer und der Gemeinde als Vorkaufsberechtigten optisch verdeutlicht.
Das Vorkaufsrecht diente früher häufig dazu, den Grundbesitz einer Familie zusam-
menzuhalten. Wenn nach einem Erbfall der Grundbesitz unter mehreren Familienange-
hörigen aufgeteilt wurde und einer von den Erben das Grundstück an eine familien-
fremde Person verkaufen wollte, dann konnten die Familienangehörigen in den
Kaufvertrag eintreten, um den Grundbesitz in der Familie zu halten. Heute ist einer
der wesentlichsten Einsatzbereiche des Vorkaufsrechts das vom Baugesetzbuch den
Gemeinden eingeräumte Vorkaufsrecht an bestimmten Grundstücken im Gemeindege-
biet. Dabei sind verschiedene Vorkaufsrechte der Gemeinden zu unterscheiden:
– das „allgemeine Vorkaufsrecht“ nach § 24 und
– das „besondere Vorkaufsrecht“ (oder auch „Satzungsvorkaufsrecht“) nach § 25.
Bild 42: Die Wirkungsweise der gemeindlichen Vorkaufsrechte
638 Nach dem bis 1986 geltenden BBauG erstreckte sich das Vorkaufsrecht nach § 24 auch auf Wohnungs-
eigentum (BGH, B. v. 16.2.1984 – V ZB 24/83 –, NJW 1984, 1617). Das BauGB hat dem ab 1.1.1987
ein Ende gesetzt.
639 Beispiel: BVerwG, B. v. 15.3.1995 – 4 B 33. 95 –, BauR 1995, 663 (lange Dauer des Sanierungsverfah-
rens führt nicht zum Untergang des Vorkaufsrechts).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
oder zumindest mittelbar Wohnzwecken zugeführt wird – i. d. R. wird dazu die Auf-
stellung eines B-Plans erforderlich sein.643 Mindestvoraussetzung für die Ausübung
des Vorkaufsrechts ist, dass die Gemeinde überhaupt irgendwelche Planungsvorstel-
lungen aufweisen kann. Es reicht nicht aus, schlicht auf bestehende städtebauliche
Konflikte zu verweisen, ohne zugleich planerisch zum Ausdruck zu bringen, worin die
Lösung städtebaulich bestehen könnte.644
Der (jedenfalls bislang) in der Praxis häufigste Fall der Ausübung von Vorkaufsrechten
ist der Erwerb von Grundstücken, auf denen der Bau von öffentlichen Einrichtungen,
insbesondere von Erschließungsstraßen, vorgesehen ist. Wenn die Gemeinde für eine
geplante Straße ein Grundstück nur teilweise benötigt, kann (und darf) sie ihr Vor-
kaufsrecht auch nur für diese Teilfläche ausüben645.
Häufig bemühen sich die Gemeinden, den Verlauf von Erschließungsstraßen so zu
legen, dass möglichst viele Grundstücke bereits in ihrem Eigentum sind. Der Verlauf
der Straße wird dann nicht erst aufgrund des rechtsverbindlichen Bebauungsplans fest-
gesetzt, sondern der Bebauungsplan richtet sich in seinen Festsetzungen nach den vor-
handenen Eigentumsverhältnissen. Diese Wechselwirkung zwischen Planung und Ei-
gentumsverhältnissen ist in den Paragraphen über das Vorkaufsrecht dadurch
berücksichtigt, dass sich die Gemeinde nach § 25 zur Sicherung einer geordneten städ-
tebaulichen Entwicklung Zugriff auf weitere, nicht von § 24 erfasste Flächen verschaf-
fen kann, wenn sie dies im Rahmen einer Satzung eigens beschließt. Das „besondere
Vorkaufsrecht“ kann die Gemeinde einerseits bei solchen unbebauten Grundstücken
im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ausüben, auf die nicht die Tatbestandsvo-
raussetzungen des § 24 Abs. 1 für das allgemeine Vorkaufsrecht zutreffen. Anderer-
seits kann das besondere Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 auch in den Gebieten
zum Zuge kommen, in denen die Gemeinde „städtebauliche Maßnahmen in Betracht
zieht“, wenn dies zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erfor-
derlich ist. Durch die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 2 soll die Sicherung einer langfris-
tig geordneten Planung und Entwicklung durch eine an städtebaulichen Interessen
orientierte Bodenvorratspolitik ermöglicht werden. Zu den durch die Gemeinde in
Betracht gezogenen „städtebaulichen Maßnahmen“ gehören alle Maßnahmen, die der
Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen, vorausgesetzt,
sie weisen einen städtebaulichen Bezug auf. Dieser Voraussetzung genügt z. B. die Auf-
stellung eines Bebauungsplans. Förmlich konkretisierte Planungsabsichten sind keine
zwingende Voraussetzung. Die Gemeinde muss jedoch „überhaupt irgendwelche Pla-
nungsvorstellungen haben; wie bereits angemerkt genügt es nicht, lediglich einen städ-
tebaulichen Konflikt zu bezeichnen, ohne zum Ausdruck zu bringen, welche städte-
baulichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts in Betracht kommen. Wie konkret
die in Betracht zu ziehenden städtebaulichen Maßnahmen bezeichnet werden müssen,
hängt maßgebend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.“646 In jedem Fall
muss die gemeindliche Planung in Bezug auf die Realisierbarkeit den Grundsätzen der
Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 genügen647.
Während das allgemeine Vorkaufsrecht bereits kraft Gesetzes in den jeweiligen Ge-
bietstypen und unter den genannten Bedingungen des § 24 besteht, bedarf das beson-
dere Vorkaufsrecht einer eigenständigen gemeindlichen Satzung. In den Fällen des § 25
643 Vgl. BVerwG, B. v. 25.1.2010 – 4 B 53.09 –, BauR 2010, 874; vgl. auch VGH Baden-Württemberg,
U. v. 25.6.2009 – 5 S 574/08 –, BauR 2010, 71.
644 BVerwG, B. v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 –, BauR 2010, 81.
645 Vgl. BGH, U. v. 15.1.1971 – V ZR 164/68 –, DVBl. 1971, 318; BGH, U. v. 5.7.1990 – III ZR 229/
89 –, ZfBR 1990, 300.
646 BVerwG, B. v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 –, BauR 2010, 81; vgl. auch zur Ausübung des Vorkaufsrechts
während des Planaufstellungsverfahrens OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.4.2011 – 8 A 11405/10 –,
BauR 2011, 54.
647 BVerwG, B. v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 –, BauR 2010, 871.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Abs. 1 Nr. 2 müssen die erforderlichen Flächen in der Satzung genau bezeichnet wer-
den, an denen der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zustehen soll.
Das sog. Satzungsvorkaufsrecht kann die Gemeinde in den Fällen des § 25 Abs. 1
Nr. 1 auch durch Aufnahme entsprechender Festsetzungen in dem betreffenden Bebau-
ungsplan regeln. Durch das Satzungsvorkaufsrecht wird die Gemeinde in die Lage
versetzt, schon in einem Stadium der Planung, in dem die Standorte öffentlicher Ein-
richtungen und der Verlauf öffentlicher Straßen noch nicht feststehen, auf alle die
Grundstücke zuzugreifen, bei denen die Eigentümer durch ihre Verkaufsbereitschaft
zu erkennen gegeben haben, dass sie bereit sind, ihr Grundstück abzugeben. Durch
frühzeitigen Erwerb per Vorkaufsrecht können spätere Enteignungsmaßnahmen ver-
mieden werden: Sind die für öffentliche Zwecke benötigten Grundstücke bereits durch
(Vor-)Kauf in der Hand der Gemeinde, erübrigen sich Enteignungen.
„Durch Satzung“ nach § 25 (d. h. auch durch Übernahme entsprechender Festsetzun-
gen in einen Bebauungsplan) kann die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht innerhalb des Ge-
biets eines Bebauungsplans auf alle unbebauten Grundstücke erstrecken. Hier muss
man sich daran erinnern, dass das allgemeine Vorkaufsrecht nach § 24 im Geltungsbe-
reich eines Bebauungsplans zwar stets gilt, aber nur für solche Grundstücke, für die
eine öffentliche Nutzung festgesetzt ist; das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 gilt
nur für Wohnbauland, also nicht für Grundstücke, die nur evtl. für öffentliche Zwecke
benötigt werden. Auch durch dieses Satzungsvorkaufsrecht soll der Wechselwirkung
zwischen Planung und Eigentumsverhältnissen Rechnung getragen werden: In vielen
Fällen ist es zweckmäßig, eine Nutzung für öffentliche Zwecke gerade für solche
Grundstücke festzusetzen, die sich bereits im Eigentum der Gemeinde befinden. Es
ist daher besonders sinnvoll, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans das Satzungs-
Vorkaufsrecht durch eine entsprechende Festsetzung auch auf unbebaute Grundstücke
zu erstrecken, damit für öffentliche Vorhaben geeignete Grundstücke frühzeitig erwor-
ben werden können. Die Schilderung der (in Bild 43 noch einmal zusammengefassten)
möglichen Einsatzbereiche des Vorkaufsrechts darf nicht den Eindruck erwecken, als
werde dieses Instrument von den Gemeinden sehr häufig angewendet648. Die Rechts-
tatsachenforschung noch zum BBauG hat ergeben, dass die Gemeinden in weniger als
1 % der Fälle, in denen ihnen nach dem BBauG ein Vorkaufsrecht grundsätzlich zu-
stand, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.
648 Beispielfälle: BVerwG, B. v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 –, ZfBR 1990, 207; BVerwG, B. v. 15.2.2000 – 4
B 10.00 –, ZfBR 2000, 347 (Ausübung zur Verhinderung des Baus einer Landesmesse).
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
§ 24 § 25
Allgemeines Vorkaufsrecht Satzungsvorkaufsrecht
chennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbau-
fläche oder Wohngebiet dargestellt ist, sowie
6. in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 oder 34
Abs. 2 vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut
werden können, soweit die Grundstücke unbe-
baut sind.
7. in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden
Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhal-
ten sind, insbesondere in Überschwemmungs-
gebieten.
Die Gemeinde kann für ihr ganzes Gebiet oder für sämtliche Grundstücke einer Gemarkung auf die Aus-
übung ihrer gesetzlichen Vorkaufsrechte verzichten (§ 28 Abs. 5).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Kaufpreise, die den Verkehrswert deutlich überschreiten, auf den Verkehrswert herun-
tersetzen konnten. Diese generelle Möglichkeit einer Preisherabsetzung ist durch das
Baugesetzbuch zunächst abgeschafft, durch das BauROG aber wieder eingeführt wor-
den (§ 28 Abs. 3). Zugleich ist klargestellt worden, dass die Gemeinde den Kaufpreis
auf den Verkehrswert herabsetzen kann, dies aber nicht tun muss. In manchen Fällen
empfiehlt sich auch die Akzeptanz eines höheren Preises, weil die Herabsetzung zur
Auslösung eines Rücktrittsrechts des Veräußerers führt; wenn der Veräußerer zurück-
tritt, muss die Gemeinde auch noch die Kosten des (notariell beurkundeten!) Vertrags
bezahlen. Zu einer nicht durch Rücktritt zu beseitigenden Preisbestimmung auf den
Verkehrswert ist die Gemeinde nur im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts nach
§ 24 Abs. 1 Nr. 1 befugt – also bei Erwerb von Flächen für öffentliche Zwecke, zu-
gunsten derer auch eine Enteignung erfolgen könnte (§ 28 Abs. 4). Die unausweichli-
che Bemessung des zu zahlenden Preises am Verkehrswert auch im Vorkaufsfall ist
hier sinnvoll, weil der Verkehrswert auch im Enteignungsverfahren den Betrag der
Entschädigung bestimmen würde.
Praktisch wichtig ist die Einsetzung des Verkehrswertes (statt des vereinbarten Kauf-
preises) vor allem beim Erwerb von Teilflächen von Grundstücken, weil der Verkehrs-
wert pro Quadratmeter der Teilfläche (Straßenland) oft sehr viel niedriger liegt als der
im Kaufvertrag für das ganze Grundstück (als Bauland) vereinbarte Preis pro Quadrat-
meter.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zur Sicherung der
Bauleitplanung
Änderungen und Neuerungen basieren allein auf dem Gesetz zur Umsetzung der Richt-
linie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in
der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057) und beziehen sich ausschließlich auf § 22
zur Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen sowie auf die dazugehö-
rige Überleitungsvorschrift in § 245c Abs. 2. Gerade Tendenzen zu „Rollladensiedlun-
gen“ an Nord- und Ostsee mit Gebieten, in denen die längste Zeit des Jahres Zweit-
und Nebenwohnungen ungenutzt leer stehen und den Eindruck weitgehend ausgestor-
bener Viertel hinterlassen, haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Regelungsbe-
fugnisse von Gemeinden zur Sicherung lebendiger Gebiete mit Fremdenverkehrsfunkti-
onen auszuweiten. Bis 2017 beschränkte sich die Steuerungsmöglichkeit auf den
Genehmigungsvorbehalt bei Begründung oder Teilung von Wohneigentum oder Teilei-
gentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes und auf die in den §§ 30 und 31
des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte. Nunmehr sind diese beiden Op-
tionen für den Genehmigungsvorhalt auf folgende weitere Fälle ausgeweitet worden:
a) die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 BGB an Grundstücken mit
Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben, wenn zugleich nach § 1010 Abs. 1 BGB
im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehre-
ren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhe-
bung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist,
b) bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 BGB an Grundstücken mit Wohn-
gebäuden oder Beherbergungsbetrieben eine im Grundbuch als Belastung einzutra-
gende Regelung nach § 1010 Abs. 1 BGB, wonach Räume einem oder mehreren Mitei-
gentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der
Gemeinschaft ausgeschlossen ist,
c) die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben als Ne-
benwohnung, wenn die Räume insgesamt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres
unbewohnt sind.
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Sicherung der Bauleitplanung VII.
Es ergeben sich somit insgesamt fünf Regelungsoptionen. Neben der ortsüblichen Be-
kanntmachung der Satzung (die auch in Form einer Ersatzbekanntmachung erfolgen
kann) hat die Gemeinde dem Grundbuchamt den Beschluss über die Satzung, Datum
des Inkrafttretens sowie die Bezeichnung der betroffenen Grundstücke mitzuteilen.
Die Mitteilung an das Grundbuchamt unterbleibt nur im fünften grundbuchrechtlich
nicht relevanten Regelungsfall, mit dem die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden
oder Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnung verhindert werden soll, wenn die
Räume insgesamt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt bleiben. In
diesem Zusammenhang ist die Vorschrift des § 213 über Ordnungswidrigkeiten
ebenso im Rahmen der Novelle 2017 ergänzt worden. Nach dem neuen Absatz 2
handelt nunmehr auch ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen dort
genannten Raum als Nebenwohnung nutzt, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 einer
Genehmigung bedurft hätte.
Auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 in einem Bebauungsplan oder in
einer sonstigen Satzung nach § 22 getroffene Genehmigungsvorbehalte greifen nach
der Überleitungsvorschrift des § 245c Abs. 2 nicht, wenn die Regelung des § 1010
Abs. 1 BGB vor dem 13.5.2017 getroffen worden ist (Regelungen nach § 22 Abs. 1
Nr. 3 und 4) bzw. wenn die Nutzung als Nebenwohnung bereits vor dem 13.5.2017
aufgenommen worden ist (Regelung nach § 22 Abs. 1 Nr. 5).
Literatur zum Kapitel VII: Sicherung der Bauleitplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen:
2010: Hauth, Michael, Der Vorbescheid – Plädoyer für eine „praxisorientierte Dogmatik“, BauR
2010, 32–42; Hoffmann, Martin, Kassow, Jörn, Der Einfluss von städtischen Einzelhandelskon-
zepten auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, BauR 2010, 711–717; Spindler, Mi-
chael, Die Verpflichtung zur Aufhebung einer Veränderungssperre nach § 17 Abs. 4 BauGB und
ihre Durchsetzung im Prozess, DÖV 5/2010, 217–224; Stüer, Bernhard, Ehebrecht-Stüer, Eva-
Maria, Reformbedarf im BauGB?, DVBl. 24/2010, 1540–1547; Stühler , Hans-Ulrich, Prostitu-
tion und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013–1033; Uechtritz, Michael, Veränderungssperre
und verfahrensfreie Vorhaben: Nebenwirkungen der Deregulierung, BauR 2010, 365; 2011:
Fackler, Melusine, Anmerkung zu BVerwG, B. v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – (Unwirksamkeit
einer Veränderungssperre mangels konkreter Planung?), IBR 6/2011, 366; Jäde, Henning, Die
Veränderungssperre in der prinzipalen verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, ZfBR 2/
2011, 115–119; Kröninger, Holger, Die Verhinderung unerwünschter Spielhallen. Jammern gilt
nicht, LKRZ 11/2011, 406–411; Pützenbacher, Stefan, Anmerkung zu Hessischer VGH, U. v.
13.1.2011 – 3 A 1987/09 – (Kein großflächiger Einzelhandel in Industriegebieten!), IBR 5/2011,
305; Seifarth, Dennis, Der Anspruch auf Entschädigung bei einer Veränderungssperre mit dau-
erndem Bauverbot, BauR 4/2011, 611–619; Schmidt-Eichstaedt, Gerd; Zurückstellung von Bau-
gesuchen und gemeindliches Einvernehmen, BauR 2011, 1754–1762; Schrödter, Wolfgang, Ak-
tuelle Fragen zur Planung und Genehmigung von Anlagen der Intensivtierhaltung im
Außenbereich, AuUR 5/2011, 177–190; Stüer, Bernhard, Plansicherung, Besonderes Städtebau-
recht und BauNVO – Rechtsprechungsbericht 2010, DVBl. 12/2011, 739–747; 2012: Frank,
Oliver, Auswirkungen der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB auf das gemeindliche Einver-
nehmen, BauR 2012, 445; Hentschke, Helmar Gramsch, Alexander, Neue Hürden für die ge-
werbliche Tierhaltung? Bestehende Steuerungsmöglichkeiten und aktuelle Reformdebatte, LKV
10/2012, 433–442; Hentschke, Helmar Gramsch, Alexander, Bauplanungsrecht und gewerbliche
Tierhaltung – bestehende Steuerungsmöglichkeiten und aktuelle Reformdebatte, AuUR 9/2012,
329–337; Rieger, Wolfgang; Zurückstellung und Flächennutzungsplanung, ZfBR 2012, 430–
436; Scheidler, Alfred; Die Sicherung gemeindlicher Planungen für Windkraftanlagen durch die
Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 bauGB, ZfBR 2012, 123–129; Schmidt-Eich-
staedt, Gerd; Nochmals: Gemeindliches Einvernehmen und Zurückstellung von Baugesuchen für
Windkraftanlagen, BauR 2012, 729–736; 2013: Böhm, Monika, Recht der Bauleitplanung, JA
2/2013, 81–88. 2014: Jäde, Henning, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 5.11.2013 – 14 CS 13.1376
– (Vorläufige Nutzungsuntersagung; Veränderungssperre; hinreichend konkretisierte Planungs-
absicht; Einzelhandelskonzept; Bestandsschutz; Änderung der Nutzung von Drogerie- auf Textil-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
heraus sie die bauplanungsrechtliche Genehmigung erteilen muss, sofern die Voraus-
setzungen der einschlägigen Vorschrift erfüllt sind.
In den übrigen Regelungsbereichen des Baugesetzbuches ist dies anders: Der Bürger
hat keinen Anspruch darauf, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird; er hat keinen
Anspruch darauf, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt. Es gibt auch keinen
Anspruch auf die Einleitung eines Umlegungsverfahrens; auch auf die Erschließung
eines Grundstücks hat der Eigentümer grundsätzlich keinen Anspruch, selbst wenn
das Grundstück in einem Bebauungsplan als zukünftiges Bauland ausgewiesen ist (von
diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen; sie werden später im Kapitel B.XIII.
„Erschließung“ – dargestellt).
Alle diese Beispiele lassen erkennen, dass sich das Baugesetzbuch ganz überwiegend
an die öffentliche Verwaltung wendet, dass es Vorschriften für die Verwaltung, aber
nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) für den Bürger enthält. Nur bei den §§ 30, 34
und 35, in gewissem Umfang auch noch bei den Vorschriften, die sich mit weiteren
genehmigungsbedürftigen Vorgängen beschäftigen, wie z. B. dem § 171d (Durchfüh-
rungssicherung beim Stadtumbau), dem § 172 (Erhaltungssatzung), und bei den Ent-
schädigungsvorschriften ist dies anders: Aus diesen Vorschriften kann der Grundeigen-
tümer direkt ableiten, ob ihm eine Baugenehmigung, eine sonstige Genehmigung oder
ein Entschädigungsanspruch zusteht oder nicht. Unter diesen Umständen versteht es
sich von selbst, dass diese Paragraphen für die Bürger, besonders aber für Grundeigen-
tümer und deren Nachbarn, von allergrößter Bedeutung sind.
Bild 44: Zulässigkeit von Vorhaben
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Länder aufgegeben. Bis zum 31.12.1997 unterlagen nur solche Vorhaben unmittelbar
den §§ 30 bis 37, die (nach Landesrecht) einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder
Zustimmung bedurften oder die der Bauaufsichtsbehörde angezeigt werden mussten.
Damit sollte ursprünglich eine pragmatische Übereinstimmung zwischen der Reich-
weite der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflichtigkeit und der bauplanungs-
rechtlichen Prüfung erreicht werden. Die ersten Risse in dieser Übereinstimmung wur-
den sichtbar, als das Bundesverwaltungsgericht betonte, dass es nicht in der
Kompetenz der Landesgesetzgeber liege, Vorhaben mit bodenrechtlicher Relevanz von
der bauordnungsrechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht freizustellen, weil an-
derenfalls die Wirkungskraft des Bauplanungsrechts unzulässig beschränkt werde.
Schon seit dieser Entscheidung war deutlich, dass es möglicherweise bodenrechtlich
relevante Vorhaben geben kann, die vom Bauordnungsrecht nicht erfasst sind. Diese
Tendenz ist überdeutlich sichtbar geworden, seitdem die Landesgesetzgeber dazu über-
gegangen sind, vor allem Wohnungsbauvorhaben geringer Höhe im Geltungsbereich
eines qualifizierten Bebauungsplans von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungs-
pflicht freizustellen.
Der Bundesgesetzgeber hat diese sich fortsetzende Tendenz zum Anlass genommen,
den Vorhabenbegriff des § 29 vollständig vom Bauordnungsrecht zu lösen. Dem Bau-
planungsrecht unterliegen nunmehr alle bodenrechtlich relevanten Vorhaben, welche
die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt
haben, auch Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschach-
tungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Eine Nutzungsänderung liegt immer
dann vor, wenn eine planungsrechtlich relevante Änderung vorgenommen wird. Oder:
Sobald die einer Genehmigung zugrunde liegende Variationsbreite durch eine Ände-
rung verlassen wird, dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können
und sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt, ist von
einer Nutzungsänderung auszugehen652. So hat das BVerwG die Umstellung einer bis-
lang nur im Winter für Skiläufer betriebenen Almgaststätte auf ganzjährigen Betrieb
als Nutzungsänderung eingestuft653. Der Betreiber muss aber für eine Nutzungsände-
rung selbst aktiv werden; eine durch den Wandel der Verhältnisse eingetretene Nut-
zungsintensivierung allein ist keine Nutzungsänderung654.
Durch § 29 Abs. 2 wird klargestellt, dass die planungsrechtliche Genehmigungspflicht
neben anderen Regulierungen gültig ist. Mittelbar kann aus der Aufzählung des § 29
Abs. 2 („Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche
Vorschriften bleiben unberührt.“) auch geschlossen werden, dass jedenfalls der Bun-
desgesetzgeber eine bauordnungsrechtliche Genehmigung nicht als Schlusspunkt einer
Prüfung versteht, in der alle Vorschriften geprüft worden sind, die dem baulichen
Vorhaben möglicherweise entgegenstehen könnten. Durch eine Baugenehmigung wird
die Übereinstimmung des betreffenden Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Vorschrif-
ten immer nur soweit bescheinigt, wie die betreffende Landesbauordnung den Prü-
fungsumfang definiert hat. So gehört es z. B. in aller Regel nicht zu den Aufgaben der
Bauaufsichtsbehörden, das Vorliegen einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung zu
prüfen und – soweit noch nicht vorhanden – die Baugenehmigung zu versagen. Bauge-
nehmigung einerseits und denkmalschutzrechtliche Genehmigung andererseits sind
i. d. R. gänzlich voneinander unabhängige Prüfungs- und Genehmigungsverfahren655.
Im Land Brandenburg jedoch schließt die bauordnungsrechtliche Genehmigung auf-
grund ihrer Konzentrationswirkung die Erlaubnis nach § 9 des Brandenburgischen
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
656 Gesetz über den Schutz und die Pflege der Denkmale im Land Brandenburg (Brandenburgisches Denk-
malschutzgesetz – BbgDSchG) vom 24.5.2004 (GVBl. I S. 215).
657 Zur Frage der landesrechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für bauliche Vorhaben vgl.
BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, DVBl. 1986, 190 (Whyl) sowie BVerwG, B. v. 22.2.1988 –
7 B 28.88 –, ZfBR 1988, 242 (Nr. 40).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gen kann die Landschaft erheblich verändert werden, Zeltplätze können wahre Men-
gen von Campern anlocken und die Aufstellung von Wohnwagen kann die gleiche
Wirkung haben wie der Auf- und Ausbau von Wochenendhäusern. Wenn alle diese
Vorhaben jedenfalls in baurechtlicher Hinsicht genehmigungsfrei wären, dann wären
die möglichen Beeinträchtigungen der Landschaft voraussichtlich sehr groß. Es ist des-
halb unter den Juristen unstreitig, dass zu den baulichen Anlagen eben nicht nur Ge-
bäude im klassischen Sinn gehören, sondern jede mit dem Erdboden auf einige Dauer
ortsfest verbundene, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlage. Eine „ortsfeste
Verbindung“ besteht bereits, wenn die betreffende Anlage durch ihr eigenes Gewicht
fest auf dem Erdboden steht. Damit wird klar, dass z. B. Zäune658 und Werbeanla-
gen659 ganz zweifellos zu den genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen im Sinne
des Baugesetzbuchs gehören. Ein Zeltplatz wird allerdings erst dann baurechtlich ge-
nehmigungspflichtig, wenn er einige ortsfeste, aus Baustoffen bestehende Anlagen hat,
wie z. B. sanitäre Einrichtungen, Duschen oder Holzpodeste, auf denen die Zelte ste-
hen sollen660. Der Auf- und Abbau von Zelten allein genügt nicht, um eine bauliche
Anlage anzunehmen – es sei denn, ein Zelt wird für die dauerhafte Benutzung ortsfest
mit dem Erdboden verbunden. Entsprechendes gilt für Wohnwagen: Das Abstellen
eines Wohnwagens für eine Nacht auf einem Grundstück ist baurechtlich noch nicht
genehmigungspflichtig. Wenn ein Wohnwagen allerdings für Wochen und Monate auf
dem Grundstück bleibt, wird er zur baulichen Anlage und ist damit genehmigungs-
pflichtig661. Auch dieses Ergebnis ist offensichtlich gerecht, weil sonst jedermann, der
an einem Wochenendhaus interessiert ist, dies aber nicht genehmigt bekommt, statt
dessen einen Wohnwagen an die schönsten Stellen von Flussauen und Wäldern stellen
könnte. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind zum Verkauf angebotene
Wohnwagen auf einer Wohnwagen-Verkaufsstelle nicht als bauliche Anlagen im Sinne
des § 29 anzusehen, da das Ziel ist, diese Campingmobile so schnell wie möglich
wieder zu veräußern. Dadurch fehlt dem Wohnwagen das Merkmal der Dauerhaftig-
keit, um als Anlage im Sinne des § 29 gewertet zu werden662. Ein Floß mit Regendach
kann wiederum zur baulichen Anlage werden, wenn es ortsfest in einer Bucht veran-
kert wird und so zum ständigen Aufenthalt dienen kann663. In einem anderen Rechts-
streit war zu entscheiden, ob der Bereich eines Baugrundstücks, auf dem in der kalten
Jahreszeit auf einem Anhänger ein Boot winterfest gelagert wird, dem Regime des § 12
BauNVO unterliegt und somit Bestandteil eines Stellplatzes ist oder umgekehrt als
Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO gewertet werden könne. Beides ist
selbstverständlich zu verneinen. Vielmehr erfüllt auch das mehrere Monate lang auf
einem Grundstück gelagerte Boot den Tatbestand der baulichen Anlage und ist vor
diesem Hintergrund zu bewerten.664 Nicht nur die Errichtung, sondern auch die Ände-
rung, ja auch die Nutzungsänderung von baulichen Anlagen ist genehmigungspflich-
tig. Der vollständige Abbruch einer baulichen Anlage ist jedoch kein Vorhaben im
Sinne des § 29, auch nicht als Unterform der Nutzungsänderung665. Nutzungsände-
rungen sind wiederum auch dann genehmigungspflichtig, wenn sie keinerlei bauliche
Maßnahmen voraussetzen oder zur Folge haben. Die Genehmigungsbedürftigkeit auch
von reinen Nutzungsänderungen wird verständlich, wenn man bedenkt, dass in einem
658 VGH Bayern, U. v. 12.7.1977 – 525 VIII 75 –, BRS 32 Nr. 121 (eingezäunter Tennisplatz).
659 Beispiel: OVG Berlin, 7.1.2002 – OVG 2 SN 30.01 –, ZfBR 2002, 374.
660 Vgl. BVerwG, U. v. 1.11.1974 – 4 C 13.73 –, BRS 28 Nr. 89.
661 Vgl. Hessischer VGH, B. v. 8.2.1985 – 3 OE 26/83 –, ES VGH 35 (1984/85), 146.
662 BVerwG, U. v. 26.6.1970 – 4 C 116.68 –, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 9.
663 Vgl. BVerwG, B. v. 13.3.1973 – 4 B 8.72 –, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 14 (Wohnfloß in einem
Baggersee); vgl. auch Niedersächsisches OVG, U. v. 12.12.1986 – 6 OVG A 112/85 –, ZfBR 1987,
217 (Werbetafel als bauliche Anlage).
664 BVerwG, B. v. 5.7.2011 – 4 B 20.11 –, BauR 2011, 1789.
665 In diesem Sinn klarstellend: VGH Baden-Württemberg, B. v. 29.6.1992 – 8 S 593/92 –, UPR 1993, 72.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
Bebauungsplan auch die Art der Nutzung festgesetzt werden kann mit der Folge, dass
in einem bestimmten Baugebiet nur bestimmte Nutzungsarten zulässig sind: Im reinen
Wohngebiet nur das Wohnen, im Industriegebiet Wohnungen nur für notwendige Auf-
sichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter. Jede
Nutzungsänderung, die das im Plan vorgesehene Gefüge stören könnte, ist baupla-
nungsrechtlich relevant und somit genehmigungspflichtig: Wenn ein Kino in einen
Supermarkt oder in ein Tanzlokal666 umgewandelt werden soll, ein Fotoladen in eine
Peep-Show oder eine Tankstelle667 in einen Schnellimbiss, dann muss dies von der
Baugenehmigungsbehörde daraufhin geprüft werden, ob die neue Nutzung in dem
Gebiet erlaubt werden kann. Die Grenze der Genehmigungspflicht nach § 29 ist die
„bodenrechtliche Relevanz“. Sie fehlt z. B. bei einer Nutzungsänderung vom Lebens-
mitteleinzelhandel zur Drogerie in einem Mischgebiet – in einem Gebiet also, in dem
jeglicher Einzelhandel auf kleinerer Verkaufsfläche zulässig ist; sie fehlt auch bei einem
auf einer Bundeswasserstraße fest verankerten Wohnschiff. Dies ist – obwohl Vorha-
ben im Sinn des § 29 – nicht nach dem Bauplanungsrecht zu beurteilen, weil dieser
Tatbestand abschließend im Bundeswasserstraßengesetz geregelt ist668. Auch für ein
Tanz-Schiff, das im Hafen von Konstanz verankert ist, benötigt der Betreiber (nach
Ansicht des VGH Baden-Württemberg669) keine Baugenehmigung, weil der Bodensee
einschließlich des Konstanzer Hafens nicht zur Gemarkung von Konstanz gehört. Bo-
denrechtlich relevant (und damit genehmigungspflichtig) ist wiederum die Nutzungs-
änderung einer Soldatenunterkunft im Außenbereich zum Asylbewerberheim670.
Durch § 29 Abs. 1 ist schließlich geregelt, dass auch für Aufschüttungen und Abgra-
bungen „größeren Umfangs“ (Faustformel: mindestens 1 m tief bzw. hoch und 3 m
breit, wobei ausschlaggebend die auf den Einzelfall bezogene planungsrechtliche Rele-
vanz ist und nicht etwa landesrechtliche Bestimmungen zur Baugenehmigungsfreiheit)
sowie für Ausschachtungen (Steinbrüche, Kiesgruben) und Ablagerungen (Mülldepo-
nien, Schrottplätze, auch Reifenlager) die Zulässigkeitsvorschriften der §§ 30 bis 37
anzuwenden sind.
666 Bayerischer VGH, U. v. 17.11.1978 – Nr. 333 II 73 –, BRS 33 Nr. 127; BVerwG, U. v. 18.5.1990 – 4
C 49.89 –, ZfBR 1990, 245 (Diskothek in Spielhalle).
667 Vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 27.10.1978 – I B 78/78 –, BRS 33 Nr. 128.
668 So BVerwG, U. v. 5.7.1974 – 4 76.71 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 112; vgl. auch BVerwG, U.
v. 31.8.1973 – 4 C 33.71 –, BVerwGE 44, 59.
669 VGH Baden-Württemberg, U. v. 7.7.1995 – 5 S 3071/94 –, UPR 1996, 192.
670 OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 12.12.1996 – 3 M 103/96 –, UPR 1997, 473.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
hand des Bebauungsplans zu beurteilen. Die vorhandene Umgebung und sonstige Ge-
sichtspunkte brauchen (bis auf die Erschließung) nicht herangezogen zu werden. Wenn
das Vorhaben den Festsetzungen des qualifizierten Plans nicht widerspricht und die
Erschließung gesichert ist, muss die planungsrechtliche Baugenehmigung erteilt wer-
den. Zu beachten ist, dass Vorhaben bereits dann zulässig sind, wenn sie den Festset-
zungen des Bebauungsplans nicht widersprechen, positive Übereinstimmung wird
nicht gefordert.
Die Ausschlusswirkung des Bebauungsplans ist beschränkt. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts671 ist nur eine „qualifiziert planwidrige“ Nutzung aus-
geschlossen, d. h. eine Nutzung, die entweder die Verwirklichung des Plans ausschließt
bzw. wesentlich erschwert oder die die vorhandene Situation mehr als geringfügig
verschlechtert und deshalb situationswidrig ist.
Aus der Aufzählung von Mindestvorschriften im § 30 Abs. 1 darf zudem nicht ge-
schlossen werden, dass ein Bebauungsplan immer zumindest diese Festsetzungen ent-
halten muss. Es sind vielmehr auch „einfache“ Bebauungspläne zulässig. Dies ist in
§ 30 Abs. 3 ausdrücklich klargestellt. Aus der Natur des einfachen Bebauungsplans
folgt allerdings, dass er als Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob das beantragte
Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist oder nicht, allein nicht ausreicht. Es muss
vielmehr zusätzlich entweder § 34 oder § 35 herangezogen werden.
Es gibt auch Bebauungspläne, die in Teilbereichen die Mindestfestsetzungen des § 30
Abs. 1 enthalten, jedoch in anderen Teilbereichen nicht den Mindestanforderungen
an den qualifizierten Bebauungsplan genügen. Bei der Prüfung der Zulässigkeit von
Vorhaben innerhalb des nicht die Mindestfestsetzungen des § 30 Abs. 1 umfassenden
Planteils ist im Übrigen (also hinsichtlich der nicht geregelten Mindestfestsetzung) § 34
oder § 35 heranzuziehen.
Der „vorhabenbezogene Bebauungsplan“ nach § 12 entscheidet gemäß § 30 Abs. 2
allein darüber, ob ein Vorhaben in seinem Geltungsbereich zulässig ist. Dazu ist weder
erforderlich, dass der Plan die Mindestfestsetzungen nach § 30 Abs. 1 enthält, noch
sind die §§ 34 oder 35 daneben anwendbar (abgesehen von den Grundstücken, die
von der Gemeinde außerhalb des Umgriffs des VEP in den Plan einbezogen worden
sind). In allen Varianten des § 30 muss jedoch die Erschließung gesichert sein. Bild 45
gibt diesen Sachverhalt noch einmal im Zusammenhang wieder.
Die Notwendigkeit einer gesicherten Erschließung ist leicht einzusehen. Ein Grund-
stück ist erschlossen, wenn es an das öffentliche Straßennetz, an Energie, Bewässerung
und Entwässerung angeschlossen ist. Es versteht sich wohl von selbst, dass ein Grund-
stück nicht bebaut werden kann, bevor diese Voraussetzungen nicht mindestens „gesi-
chert“ sind. Es ist rein praktisch beinahe unmöglich, ein Grundstück zu bebauen,
zu dem noch keine öffentliche Straße führt. Die Lastwagen mit Mauersteinen und
Dachziegeln würden irgendwann im Gelände steckenbleiben, wenn noch keine Straße
vorhanden wäre. Deshalb gilt als Hauptmaßstab einer gesicherten Erschließung, dass
eine befahrbare Straße zu dem Grundstück führt und dass damit zu rechnen ist, dass
bei Fertigstellung des Gebäudes die sonstigen notwendigen Anschlüsse, z. B. an das
Wasser- und Entwässerungsnetz, bereitstehen werden.
Von der Erschließung des einzelnen Grundstücks, ohne die eine Bebauung stets unzu-
lässig ist, muss die allgemeine, die „äußere Erschließung“ des gesamten Ortsteils unter-
schieden werden. Zur Erschließung des einzelnen Baugrundstücks gehört nur, was
erforderlich ist, um dieses Grundstück bewohnbar und benutzbar zu machen: Zufahrt,
Wasser, Entwässerung, Energie. Die äußere Erschließung (z. B. der Anschluss des Orts-
teils an das Autobahnnetz) ergänzt diese Anlagen; zur äußeren Erschließung wird
heute auch das Vorhandensein einer biologischen Abwasserkläranlage gerechnet. Eine
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
solche Anlage ist noch nicht für alle Gemeinden errichtet worden; die Zahl der meist
kleinen, ländlichen Gemeinden, die sich lediglich mit Auffanggruben behelfen, deren
Überläufe dann ungeklärt irgendwohin ablaufen oder versickern, nimmt aber weiter
ab. Solange eine solche Gemeinde nicht an eine biologische Abwasserkläranlage ange-
schlossen ist, wird ihr die höhere Verwaltungsbehörde nicht gestatten, durch die Auf-
stellung neuer Bebauungspläne weitere Baugebiete auszuweisen. Denn die mit der
Neuansiedlung von Gebäuden verbundene Erhöhung von unzureichend gereinigtem
Schmutzwasser würde dem höherrangigen Ziel des Gewässerschutzes widersprechen.
Dennoch müssen bauliche Vorhaben in den vorhandenen Baugebieten genehmigt wer-
den, soweit sie noch an das alte Kanalnetz anzuschließen sind. Denn deren Erschlie-
ßung ist im Sinne des Gesetzes immer noch gesichert.
Für die Zulässigkeitsprüfung von Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen
ist die Überleitungsvorschrift des § 245a zu beachten. Die 2013 ins BauGB aufgenom-
mene Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Novellierung der Baunutzungsver-
ordnung vom 20. September 2013. Nach § 3 Abs. 2 BauNVO sind in einem reinen
Wohngebiet den Bedürfnissen der Bewohner des Wohngebiets dienende Anlagen zur
Kinderbetreuung zulässig. Die Aufnahme der Kinderbetreuungseinrichtungen in § 3
Abs. 2 BauNVO geht auf einen Rechtsstreit in Hamburg zurück, in dem es u. a. um
die Frage der Einstufung als „kleine“ Kindertageseinrichtung ging.672 Die Überlei-
tungsvorschrift des § 245a Abs. 1 regelt dazu, dass Anlagen zur Kinderbetreuung im
Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auch im Geltungsbereich von Bebauungsplänen
zulässig sein sollen, die auf der Grundlage der BauNVO in einer Fassung vor dem
20. September 2013 in Kraft getreten sind. Das gleiche soll nach dem Wortlaut des
Gesetzes ebenfalls für Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-
Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden gelten, die seit 2013 gemäß § 14
Abs. 3 BauNVO auch noch dann als zulässige, untergeordnete Nebenanlagen bewertet
werden sollen, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentli-
che Netz eingespeist wird. Die Überleitungsregelung greift nach der Vorschrift nur
dann nicht, wenn diese Anlagen im betreffenden B-Plan ausdrücklich als unzulässig
festgesetzt worden sind. Ansonsten kann sich die Gemeinde gegen die Überleitungsre-
gelung laut Regelung nur dadurch zur Wehr setzen, dass sie den betreffenden B-Plan
bzw. die betreffenden B-Pläne ändert, nämlich insbesondere durch Festsetzungen zur
Feinsteuerung der Nutzungsart nach § 1 Abs. 5, 8 und 9 BauNVO. Der 2. Halbsatz
des § 245a Abs. 2 stellt in diesem Zusammenhang noch klar, dass das Verfahren zur
Änderung der B-Pläne bereits vor der BauNVO-Novelle eingeleitet worden sein durfte.
Diese Regelung, mit der in dieser Weise Bebauungspläne rückwirkend geändert wer-
den, muss kritisch betrachtet werden. Die Abwägungsentscheidung der Gemeinde zur
Inkraftsetzung ihres Bebauungsplans erfolgte unter anderen individuellen Vorzeichen,
bei der die Zulässigkeit etwa von Kinderbetreuungseinrichtungen oder von Photovol-
taikanlagen in einem reinen Wohngebiet in ihre Erwägungen weder einbezogen wurde
noch berücksichtigt werden musste. Ortssatzungen wie Bebauungspläne können im
Rahmen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur vom Ortsgesetzgeber geändert werden. Die
Voraussetzungen für einen Eingriff durch Bundes- oder Landesrecht sind hingegen eng
– überragende Interessen des Allgemeinwohls müssten dem zugrunde liegen.
Fremdeinwirkungen durch Bundes- oder Landesrecht sind nur mit eindeutiger Rechts-
grundlage möglich, wie z. B. die Durchsetzung des Anpassungsgebots an die Ziele der
Raumordnung nach § 1 Abs. 4 durch die Kommunalaufsicht mittels An-sich-Ziehen
des Änderungsverfahrens nach den Regeln der jeweiligen Gemeindeordnung. Der Bun-
desgesetzgeber kann bei Bedarf (mit Zustimmung des Bundesrats) auf der Rechts-
672 Vgl. Hamburgisches OVG, B. v. 2.7.2009 – 2 Bs 72/09 –, BauR 2010, 56. Zur Frage der Nachbarver-
träglichkeit einer Kindertagesstätte vgl. im Übrigen Thüringer OVG, B. v. 13.4.2011 – 1 EO 560/10 –,
BauR 2012, 635.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
einer Ausnahme noch auf die Erteilung einer Befreiung besteht (im Regelfall) ein
Rechtsanspruch673.
Zunächst zur Ausnahme: Aus dem Text des § 31 Abs. 1 wird deutlich, dass die Aus-
nahmen noch keine wirkliche Abweichung vom Bebauungsplan darstellen, sondern
dass hier ein Weg für die Genehmigung genutzt wird, der vom Plan selbst schon eröff-
net ist. Ausnahmen im Sinne des Abs. 1 sind solche Vorhaben, die zwar nicht überall
und nicht in großer Zahl in dem betreffenden Baugebiet verwirklicht werden können
(z. B. eine Tankstelle in einem Wohngebiet), die aber doch im Einzelfall gebaut werden
dürfen. Die Baunutzungsverordnung hat für die typisierten Gebiete schon alle die Aus-
nahmen aufgelistet, die automatisch zum Bestandteil des Bebauungsplans werden,
wenn ein von der BauNVO typisiertes Gebiet darin enthalten ist. Von einer Genehmi-
gung muss die Baugenehmigungsbehörde nur dann ohne weitere Prüfung und ohne
Einschaltung der Gemeinde Abstand nehmen, wenn im B-Plan unter Anwendung des
§ 1 Abs. 6 BauNVO ausdrücklich festgesetzt wurde, dass eine der in der Baunutzungs-
verordnung aufgelisteten Ausnahmen nicht Bestandteil des B-Plans ist. Die Gemeinde
darf gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO in einem B-Plan auch einzelne Nutzungsarten, die
nach der Baunutzungsverordnung in einem Baugebiet als allgemein zulässig deklariert
sind, als nur ausnahmsweise zulassungsfähig festsetzen, soweit die allgemeine Zweck-
bestimmung des Baugebiets noch gewahrt bleibt.
Das eigentlich Unvorhergesehene ist nicht in § 31 Abs. 1, sondern in Abs. 2 geregelt.
Hier tauchen die Fälle auf, an die der Planer bei Planaufstellung nicht gedacht hat,
mit denen er bzw. die Baugenehmigungsbehörde erst später und überraschenderweise
konfrontiert wird. Der klassische Fall der Befreiung ist in § 31 Abs. 2 Ziffer 3 formu-
liert: Danach kann die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde
eine Befreiung erteilen, „wenn die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offen-
bar nicht beabsichtigten Härte führen würde“674. Hier hat der Planer offensichtlich
etwas nicht bedacht, es wäre eine unbeabsichtigte Härte, wenn man den Plan so durch-
hielte, wie er rechtsverbindlich geworden ist. Wenn ein Plan z. B. eine Baulinie enthält,
an die die Grundstückseigentümer heranbauen müssen, dann wird derjenige, auf des-
sen Grundstück die Baulinie im Gegensatz zu allen anderen Grundstücken nur mit
unverhältnismäßig hohem technischen Aufwand einzuhalten ist, sich auf § 31 Abs. 2
Ziffer 3 berufen dürfen. Es liegt in der Natur dieses Befreiungsgrundes, dass er nicht
für jedes Grundstück im Geltungsbereich des B-Plans geltend gemacht werden kann,
sondern nur für „atypische“ Fälle. Wenn alle Grundstücke von einer Festsetzung
„hart“ getroffen werden, kann dies von Rechts wegen nicht unbeabsichtigt sein. Wenn
die Planer nicht wussten, was sie taten, dürfte der Plan falsch abgewogen und damit
nichtig sein. § 31 Abs. 2 Nr. 3 gilt also nur für „atypische Fälle“.
Nach der Rechtsprechung waren Befreiungen nicht nur im Rahmen des § 31 Abs. 2
Nr. 3, sondern ganz generell nur im „atypischen Sonderfall“ zulässig, um „punktuelle
Randkorrekturen der Planung“ vorzunehmen675. Ein „atypischer“ Sachverhalt lag
nach der Rechtsprechung nicht vor, wenn die Gründe, die für die Befreiung sprechen,
für jedes oder nahezu für jedes Grundstück im Planbereich gegeben sind. In solchen
Fällen musste nach der Rechtsprechung der Plan geändert werden676.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts musste „Atypik“ auch bei
Befreiungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 vorliegen. Der Befreiungsgrund nach Nr. 2 wurde
erst 1979 in das Gesetz eingefügt. Ursprünglich sollten „städtebauliche Gründe“ die
Abweichung „rechtfertigen“. Nachdem die Rechtsprechung mit diesem Tatbestand
307
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
sehr engherzig umgegangen war677, forderte der Gesetzgeber (ab 1987) nur noch eine
„städtebauliche Vertretbarkeit“. Auch diese Erleichterung der Befreiungsmöglichkei-
ten wurde von der Verwaltungsgerichtsbarkeit jedoch mit der Forderung nach einem
jeweils atypischen Einzelfall als Rechtfertigungsgrund konterkariert678. Damit wurden
Befreiungen ausgeschlossen, die zwar städtebaulich vertretbar waren, aber für jedes
Grundstück im Planbereich hätten geltend gemacht werden können. In diese Fall-
gruppe gehören z. B. Dachausbauten in Altbaugebieten, in denen die ursprünglich als
Wäschetrockenboden eingerichteten Dachbereiche nicht mehr für das Aufhängen der
Wäsche benötigt werden. Können jedenfalls die ersten Dachausbauten im Wege der
Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 genehmigt werden? Hier scheiden sich die Geister.
Die einen meinen, dass alles, was überall im Plangebiet geschehen könnte, nur durch
Planänderung zulässig gemacht werden könne. Anderenfalls gelte das Windhundprin-
zip und der ursprüngliche Plan werde willkürlich durchlöchert. Die anderen meinen,
dass jedenfalls die ersten Dachausbauten noch als städtebaulich vertretbar genehmigt
werden könnten, wenn und weil schädliche Auswirkungen z. B. auf die Infrastruktur-
auslastung im Gebiet nicht zu befürchten seien.
Der Gesetzgeber hat sich schon mit § 4 BauGB-MaßnahmenG in der Fassung von
1990, endgültig dann mit dem BauROG 1998 der zweiten Meinung angeschlossen.
Er hat deswegen die ursprüngliche Beschränkung der Befreiung auf den „Einzelfall“
aus § 31 Abs. 2 gestrichen und stattdessen allein auf die Grundzüge der Planung Bezug
genommen. Befreiungen sind generell nur zulässig, solange die „Grundzüge der Pla-
nung nicht berührt werden“. Mit der „Atypik“ als generelle Voraussetzung einer Be-
freiung sollte es nun ein Ende haben679. Bei den Grundzügen der Planung680 wird
man eine qualitative und eine quantitative Grenze betrachten müssen. Die Grundzüge
der Planung sind qualitativ berührt, wenn eine „tragende Festsetzung“ betroffen ist.
Wenn in einem aus geschlossenen Baublöcken bestehenden Baugebiet im Interesse aller
Beteiligten die Nichtüberbaubarkeit und Begrünung der Innenhöfe vorgeschrieben ist,
darf davon auch im Einzelfall nicht befreit werden. Auch von den bauordnungsrecht-
lich festgelegten Mindestmaßen von Fenstern, die als zweiter Rettungsweg dienen,
kann nicht befreit werden, weil die Regelung auf einer Grundsatzentscheidung des
Gesetzgebers beruht, die den am Bau Beteiligten Rechts- und Planungssicherheit gibt
und die es den Bauaufsichtsbehörden ermöglicht, die Einhaltung der Vorschrift ohne
größeren Aufwand festzustellen681. Die quantitativen Grenzen sind berührt, wenn die
Anzahl städtebaulich vertretbarer und daher genehmigungsfähiger Vorhaben eine
Grenze erreicht, wo die Quantität in Qualität umschlägt. Wenn weitere Dachausbau-
ten in der Summe mit den bereits per Befreiung genehmigten Ausbauten den Zuzug
so vieler Haushalte ermöglichen würden, dass die Kinderspielplätze im Gebiet nicht
mehr ausreichten, dann darf nicht mehr befreit werden; vielmehr muss umgeplant
werden. Im Übrigen ist der Anzahl der Befreiungen jedoch keine quantitative Grenze
677 Vgl. dazu sehr restriktiv Niedersächsisches OVG, NJW 1980, 1408: Unterfall des „Wohls der Allge-
meinheit ohne wesentliche eigenständige Bedeutung“.
678 Zur engen Auslegung dieser Vorschrift vgl. OVG Berlin, U. v. 14.8.1987 – 2 B 10.86 –, ZfBR 1988,
54; OVG Berlin, B. v. 25.2.1988 – 2 S 1.88 –, ZfBR 1988, 239; BVerwG, B. v. 20.11.1989 – 4 B 163/
89 –, ZfBR 1990, 148.
679 Ebenso VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.6.2003 – 3 S 2324/02 –, ZfBR 2004, 71. Vgl. allerdings
auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 2.11.2006 – 8 S 361/06 –, BauR 2007, 1546, wonach eine Befrei-
ung die Grundzüge der Planung u. a. dann i. S. des § 31 Abs. 2 BauGB berührt, „wenn sie aus Gründen
begehrt wird, die in gleicher Weise eine Vielzahl anderer von der Festsetzung betroffener Eigentümer
anführen könnte“.
680 Beispiel: VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.12.2002 – 5 S 1985/02 –, ZfBR 2003, 263 (Ausrichtung
an topografischen Gegebenheiten).
681 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 28.1.2009 – 10 A 1075/08 –, BauR 2009, 802; vgl. auch OVG
Berlin-Brandenburg, B. v. 3.8.2009 – 2 N 5.08 –, BauR 2009, 1937.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
gesetzt. Neben den „offenbar nicht beabsichtigten Härtefällen“ und der „städtebauli-
chen Vertretbarkeit“ (sie liegt vor, wenn die Abweichung auch Inhalt eines abwägungs-
gerechten B-Plans sein könnte682) enthält § 31 Abs. 2 noch einen weiteren Befreiungs-
grund, nämlich die „Gründe des Wohls der Allgemeinheit“683. Gründe des
allgemeinen Wohls sind nach der Rechtsprechung schon dann gegeben, wenn „ver-
nünftige Gründe“ im Interesse der Allgemeinheit für die Befreiung sprechen. Das be-
troffene Grundstück muss dazu keineswegs „atypisch“ sein. Es liegt jedoch in der
Natur der Sache, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit in aller Regel nur für einen
bestimmten Einzelfall, für einen singulären Zweck geltend gemacht werden können.
In der Praxis der Genehmigungsbehörden geht man recht häufig ziemlich großzügig
mit dem Instrument der Befreiung um. Denn Befreiungen sind schneller und unbüro-
kratischer zu handhaben als die Durchführung von Planänderungsverfahren (mit einer
Laufzeit von mindestens einem, häufig mehreren Jahren). Auch bei Anerkennung des
Arguments der Zeiteinsparung darf aber nicht verkannt werden, dass ein Plan durch
die Erteilung von vielen Befreiungen völlig durchlöchert werden kann. In der Mehrzahl
der Fälle bieten die Tatsache, dass eine Befreiung nur im Zusammenwirken zweier
Behörden erteilt werden kann (nämlich von der Baugenehmigungsbehörde im Einver-
nehmen mit der Gemeinde), und die allgemeine Rechtsaufsicht der höheren Verwal-
tungsbehörde eine gewisse Gewähr dafür, dass keine gravierenden Missbräuche einrei-
ßen. In den kreisfreien Städten ist die Baugenehmigungsbehörde jedoch Bestandteil der
Gemeindeverwaltung, so dass es insoweit keine gegenseitige Kontrolle gibt. Deshalb
ist die Befreiungspraxis gerade in größeren Städten und besonders im Stadtstaat Ber-
lin684, in dem auch keine von der Gemeinde unabhängige „höhere Verwaltungsbe-
hörde“ vorhanden ist, des Öfteren Gegenstand heftiger Kritik gewesen.
Auch für den Bauwilligen hat eine Befreiung zwei Seiten: Einerseits kommt er auf diese
Weise schneller zu seiner Baugenehmigung, als wenn der Bebauungsplan geändert
würde; andererseits besteht auf die Erteilung einer Befreiung kein Rechtsanspruch (die
Baugenehmigungsbehörde „kann“ die Befreiung erteilen), so dass die Bauherren nicht
selten in geradezu kaufmännische Verhandlungen darüber eintreten müssen, ob und
unter welchen Umständen sie in die Gunst einer Befreiung gelangen können. Sie müs-
sen dann vielleicht Zugeständnisse etwa bei der Baugestaltung machen, zu denen sie
allein aus Rechtsgründen nicht verpflichtet wären. Im Übrigen wird für die Erteilung
einer Befreiung auch eine besondere Gebühr erhoben.
Ein gewisser Schutz gegen allzu großen Missbrauch ist dadurch gewährleistet, dass die
Grundstücksnachbarn Befreiungen nicht ohne weiteres hinnehmen müssen. In einem
durch Bebauungsplan geregelten Baugebiet hat im Prinzip jeder Grundstückseigentü-
mer Anspruch darauf, dass dieser Plan auch eingehalten wird. Wenn der jeweilige
Nachbar großzügig befreit wird, kann man sich jedenfalls dann dagegen wenden,
wenn man in seinen eigenen Rechten (z. B. auf Vermeidung unzumutbarer Störungen
und Behinderungen) beeinträchtigt wird. Man kann dann eine Nachbarklage gegen die
Erteilung der Befreiung einreichen, die vom Verwaltungsgericht auf ihre Berechtigung
geprüft wird. Die Verwaltungsgerichte haben sehr dezidierte Prüfungsmaßstäbe entwi-
ckelt, die eine uferlose Ausdehnung der Befreiungspraxis verhindern; nach der „Typi-
sierungslehre“ darf beispielsweise ein gewerblicher Betrieb durch eine Befreiung nur
in das nächst schutzwürdigere Baugebiet gebracht werden, aber nicht in eine völlig
fremde Gebietsart „einbrechen“. Was eigentlich nur im Mischgebiet zulässig ist, darf
also per Befreiung allenfalls im allgemeinen, aber nicht im reinen Wohngebiet zugelas-
sen werden. Diese Regel gilt entsprechend für alle Baugebiete685.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Im Ergebnis wird eine gegen eine Befreiung gerichtete Nachbarklage unter folgenden
Voraussetzungen Erfolg haben: Im für den Nachbarn besten Fall werden die Festset-
zungen, von denen der Bauherr befreit werden soll, vom Gericht als „nachbarschüt-
zend“ anerkannt. Dann ist die den Nachbarn belastende Befreiung objektiv und sub-
jektiv rechtswidrig und die Nachbarklage hat ohne Weiteres Erfolg. Wenn die
Festsetzungen, von denen befreit werden soll, als solche nicht nachbarschützend sind,
wird die Lage für den klagenden Nachbarn schwieriger, aber nicht aussichtslos. Er
kann sich immer noch darauf berufen, dass jede Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 nur
„unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ erteilt werden darf. Insofern ist § 31
Abs. 2 als solcher in gewissem Umfang nachbarschützend. Dieser Schutz greift aller-
dings erst unter qualifizierten Voraussetzungen ein: Erst wenn die durch die Befreiung
eintretenden Nachteile in „qualifizierter und individualisierter Weise“ das Maß dessen
übersteigen, was einem Nachbarn unter Beachtung des Gebots der gegenseitigen Rück-
sichtnahme noch zumutbar ist, ist die Befreiung ihm gegenüber rechtswidrig und daher
aufzuheben686. Wenn der klagende Nachbar nicht in dieser qualifizierten Weise betrof-
fen ist, bleibt seine Klage erfolglos – auch wenn die Befreiung eigentlich nicht hätte
erteilt werden sollen, also objektiv rechtswidrig ist. Es fehlt dann an der notwendigen
subjektiven Betroffenheit, der Nachbar ist nicht in seinen Rechten verletzt687. (Eine
detaillierte Beschreibung des von der Rechtsprechung entwickelten Gesamtsystems des
Nachbarschutzes findet sich im Kapitel B.IX. – „Die Baugenehmigung“). Der „si-
chere“ Nachbarschutz tritt demnach über „nachbarschützende“ Festsetzungen ein.
Hinter der Formel des „Nachbarschutzes“ steckt der Gedanke, dass nicht jede Bauvor-
schrift und nicht jede Festsetzung in einem Bebauungsplan dem direkten Interesse der
Grundstücksnachbarn Rechnung tragen soll. Viele Vorschriften zielen in der Hauptsa-
che auf die Einhaltung allgemeiner, öffentlicher Interessen und kommen den Nachbarn
allenfalls mittelbar zugute. „Nachbarschützend“ im Sinn der Rechtsprechung sind nur
solche Festsetzungen, die direkt den Nachbarinteressen dienen. Dazu gehören z. B.
Festsetzungen über die Art der Nutzung, weil damit die verschiedenen Nutzungsarten
ganz konkret in ein örtlich zuträgliches Verhältnis zueinander gebracht werden sollen.
Auch Abstandsvorschriften sind nachbarschützend, nicht aber allgemeine Festsetzun-
gen über das Maß der Nutzung, auch nicht über die zulässige Zahl der Vollgeschosse“.
Ausnahmsweise können aber auch Festsetzungen der Geschosszahl und der Geschoss-
flächenzahl nachbarschützend sein, wenn sich aus dem Bebauungsplan oder seiner
Begründung ergibt, dass sie dem Schutz der Nachbarschaft dienen sollen688. Weitere
Einzelheiten dazu finden sich im folgenden Kapitel B.IX. – „Die Baugenehmigung“.
Neben Ausnahmen und Befreiungen gibt es noch Abweichungen. Der Gesetzgeber hat
2011 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima einige
klimarelevante Regelungen in das BauGB aufgenommen. In § 248 wurde verfügt, dass
bestimmte, dem Klimaschutz dienende Maßnahmen an zulässigerweise errichteten Ge-
bäuden im Geltungsbereich von Bebauungsplänen oder Entwicklungs- und/oder Er-
gänzungssatzungen zulässig sind, selbst wenn dazu geringfügige Abweichungen von
den Festsetzungen der Satzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen, zum Maß
der baulichen Nutzung sowie zur Bauweise akzeptiert werden müssen. Als Maßnah-
men, denen diese Vergünstigung zu Gute kommt, kommen solche Änderungen an
Außenbauteilen bestehender Gebäude in Betracht, die zur Erfüllung der in Anlage 3
der Energieeinsparverordnung festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten dienen
686 Richtungsweisend dazu BVerwG ZfBR 1987, 47. Vgl. auch BVerwG, B. v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 –,
BRS 73 Nr. 82; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 –, BauR 2012, 756.
687 Ein über die Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme hinausgehender Anspruch auf ermessensfeh-
lerfreie Entscheidung besteht nicht – BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 –, ZfBR 1999, 54.
688 BVerwG ZfBR 1981, 149; ZfBR 1983, 290, vgl. auch BVerwG, U. v. 9.8.2018 – 4 C 7/17 –, NVwZ
2018, 1808 (Ableitung des Nachbarschutzes aus der örtlichen Situation).
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
und in dieser Anlage unter den Nummern 1 bis 6 aufgelistet sind (insbesondere
Dämmmaßnahmen der Außenwände und Dächer von Gebäuden). In den Genuss die-
ser Vergünstigung können auch öffentliche Gebäude kommen, an denen zur Erfüllung
einer Pflicht im Sinne des § 3 Abs. 2 bis 4 EEWärmeG entsprechende Maßnahmen
durchgeführt werden sollen. Die Zulässigkeit solcher geringfügiger Abweichungen von
den Festsetzungen der Satzung setzt jedoch voraus, dass diese sowohl mit den nachbar-
lichen als auch mit baukulturellen Belangen vereinbar sind. Nach Satz 2 lässt sich diese
Vorschrift entsprechend auch innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils
anwenden, der nachfolgend behandelt wird.
5. Die Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich
Wenn ein Grundstück innerhalb eines Ortsteils liegt, der zusammenhängend bebaut
ist, darf es auch ohne Bebauungsplan bebaut werden. Das Recht, eine Baulücke zu
schließen oder auch nach dem Abriss eines vorhandenen Gebäudes ein neues Haus an
gleicher Stelle zu errichten, gehört in geschlossenen Ortschaften zum Eigentumsinhalt
der betreffenden Grundstücke689; sie sind gleichsam ihrer Natur nach Baugrundstü-
cke. Das Recht auf Bebauung kann nicht ohne Entschädigung entzogen werden. Wenn
und insoweit kein Bebauungsplan vorhanden ist, dient die vorhandene nähere Umge-
bung als Maßstab der Zulässigkeit. Dies ist in § 34 Abs. 1 festgelegt. § 34 ist als
Genehmigungsvorschrift für alle Vorhaben in traditionell bebauten Gebieten, für die
es (noch) keine Bebauungspläne gibt, von größter praktischer Bedeutung. Denn der
Anteil unbeplanter, im Zusammenhang bebauter Ortsteile im Verhältnis zur Gesamt-
siedlungsfläche einer Stadt oder Gemeinde ist bundesweit groß, in manchen Gemein-
den liegt er bei über 80 % der Bauflächen. § 34 steht demnach als Genehmigungsvor-
schrift nahezu gleichberechtigt neben dem bereits geschilderten § 30.
a) Die ursprüngliche Fassung des § 34 im Bundesbaugesetz von 1960. § 34 ist seit
dem erstmaligen Erlass des BBauG im Jahre 1960 verschiedentlich geändert worden.
In der ersten Fassung las sich dieser Paragraph wie eine Übergangsvorschrift. Es hieß
dort damals:
„In Gebieten, für die die Gemeinde noch nicht beschlossen hat, einen Bebauungsplan
aufzustellen, oder für die die Aufstellung eines solchen Bebauungsplans nicht erforder-
lich ist, ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig,
wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich ist.“ Die
Einleitungsworte dieses Textes lassen klar erkennen, dass der § 34 wenigstens zur
Hälfte als vorübergehende Regelung gedacht war: Dort, wo die Gemeinden „noch“
keinen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst hatten, sollte die Be-
bauung in den Fällen ermöglicht werden, in denen dies „unbedenklich“ war. Der Cha-
rakter als tendenziell eher unbedeutende Übergangsvorschrift kommt auch dadurch
zum Ausdruck, dass als Kriterium für die Zulässigkeit eines Vorhabens nur ein einziger
Begriff benutzt wurde – die „Unbedenklichkeit“.
Die „Unbedenklichkeit“ ist einer jener unbestimmten Rechtsbegriffe, die einer sehr
unterschiedlichen Auslegung zugänglich sind. Man kann diesen Begriff in Anlehnung
an den Wortsinn relativ eng auslegen, indem man nur das als „unbedenklich“ aner-
kennt, was in keiner Hinsicht zum Nachdenken Anlass gibt. Ein Vorhaben müsste
dann in jeder Hinsicht völlig unproblematisch sein, wenn es genehmigungsfähig sein
sollte. So eng ist § 34 aber von der Rechtsprechung nie verstanden worden. Das
BVerwG hat vielmehr das Wort „unbedenklich“ einer eher wertorientierten Auslegung
mit dem Ziel unterzogen, die eigentumsrechtlich garantierte Baufreiheit nicht mehr als
unbedingt nötig einzuschränken.
689 Vgl. BVerwG ZfBR 1980, 294; BVerwG Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 89; BGH, U. v. 1.10.1981
– III ZR 109/80 –, BauR 1982, 354.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Auf diese Weise gelangte das Gericht zu einer relativ weiten Auslegung, nach der
alle die Vorhaben als „unbedenklich“ betrachtet wurden, durch die die städtebauliche
Situation „nicht mehr als nur unwesentlich verschlechtert“ wurde690. Das BVerwG
betonte, dass § 34 BBauG eine rein konservierende Funktion habe. Maßstab der Zu-
lässigkeit oder Unzulässigkeit sei allein das Vorhandene, ohne Rücksicht auf seine
städtebauliche Qualität. Auch wenn ein in der Umgebung vorhandenes Gebäude pla-
nungsrechtlich nicht erwünscht sei, könne es als Maßstab für das, was in dem Gebiet
zulässig sei, nicht einfach beiseite geschoben werden. Als „Fremdkörper“ im Bestand
sei nur das außer Acht zu lassen, was den bodenrechtlichen Charakter des Baugrund-
stücks tatsächlich nicht präge.
In der kommunalen Praxis führte diese Auslegung des § 34 durch die Rechtsprechung
dazu, dass die Baugenehmigungsbehörden nicht selten städtebaulich unerwünschte
Vorhaben genehmigen mussten. Die „Verschlechterungsrechtsprechung“ hatte zur
Folge, dass sich der Charakter von städtebaulich unerfreulichen Gebieten unter der
Herrschaft des § 34 BBauG weiter ins Negative entwickeln konnte.
Um dem abzuhelfen, wurde 1976 der Gesetzeswortlaut des § 34 BBauG grundlegend
überarbeitet. An die Stelle der „Unbedenklichkeitsklausel“ trat nun die „Einfügungs-
klausel“.
b) Die Einfügungsklausel von 1976. Von 1976 bis zum Baugesetzbuch von 1986 lau-
tete § 34 Abs. 1 wie folgt: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist,
sofern § 30 keine Anwendung findet, ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzun-
gen eines Bebauungsplans nicht widerspricht und es sich nach Art und Maß der bauli-
chen Nutzung, Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in
die Eigenart der näheren Umgebung unter Berücksichtigung der für die Landschaft
charakteristischen Siedlungsstruktur einfügt, die Erschließung gesichert ist und wenn
sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen, insbesondere die Anforderungen
an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild nicht
beeinträchtigt wird“691. Mit diesem voluminösen Satz versuchte der Gesetzgeber, der
Baugenehmigungspraxis ein Instrument an die Hand zu geben, durch das sie in die
Lage versetzt werden sollte, städtebaulich unerwünschte Vorhaben zu verhindern. Dies
dürfte im Ergebnis auch gelungen sein.
Die Rechtsprechung blieb zwar bei ihrer Aussage, wonach § 34 eine rein konservie-
rende, keine planersetzende Funktion habe. Als maßgebliche „nähere Umgebung“ sei
weiterhin alles das zu berücksichtigen, was „prägend auf das Baugrundstück ein-
wirke“ und „sich auf das Vorhaben auswirken könne“692. Der VGH Baden-Württem-
berg formulierte für die Bestimmung der näheren Umgebung folgende Faustformel:
„Zur maßgebenden Umgebung gehört in der Regel das Häuserviertel, in dem das
Grundstück liegt und die gegenüberliegende Häuserfront“ – aber nur solche Gebäude,
die noch zum Innenbereich gehören693. Benachbarte Außenbereichsbebauung be-
stimmt den für das Einfügen maßgeblichen Rahmen nicht694.
Zur Bestimmung des „Einfügens“ ging das BVerwG695 jedoch von seiner „Verschlech-
terungsrechtsprechung“ ab. Das Einfügen könne nicht am Maßstab der Verschlechte-
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
rung der vorhandenen Situation gemessen werden, weil die Beurteilung, ob ein Vorha-
ben eine Verschlechterung bringe, oft eine Kompensation verschiedener Belange und
damit eine planerische Abwägung voraussetze. Dies sei jedoch der Bauleitplanung vor-
behalten. Das Merkmal des Einfügens dürfe nicht dahin verstanden werden, dass über
eine Abwägung zu ermitteln sei, ob das Vorhaben insgesamt zu einer Verschlechterung
führe. Ziehe ein Vorhaben auch nur in einer Hinsicht eine so eindeutige Verschlechte-
rung nach sich, dass es nur durch eine Kompensation mit anderen Belangen zu retten
wäre, so füge es sich nicht ein und sei damit ohne weiteres unzulässig696. Mit dieser
Formel war die vom Gesetzgeber gewollte Einengung des Zulässigkeitsmaßstabs er-
reicht und vollzogen. Das BVerwG stellte ausdrücklich fest, dass mit dem Einfügen
mehr gefordert sei als zuvor mit der Unbedenklichkeit697. Eine weitere Einengung
setzte sich durch, als das BVerwG die Einfügungsklausel mit dem zunächst direkt aus
dem Grundgesetz abgeleiteten „Gebot der Rücksichtnahme“ verfeinerte.
c) Das Gebot der Rücksichtnahme. Nach der Einfügungsklausel ist ein Vorhaben im
unbeplanten Ortszusammenhang dann zulässig, wenn es sich in den durch die Umge-
bung gebildeten Rahmen einfügt. Der Maßstab der vorhandenen Umgebung bildet
dann gleichsam den Ersatz für den nicht vorhandenen Bebauungsplan. Aber ebenso,
wie in einem durch B-Plan festgesetzten Baugebiet ein normalerweise zulässiges Vorha-
ben im Einzelfall unzulässig sein kann, wenn und weil von ihm unzumutbare Belästi-
gungen ausgehen (vgl. § 15 BauNVO!), kann auch in Gebieten nach § 34 ein Vorha-
ben trotz äußerlicher Einfügung in den Rahmen der Umgebung unzulässig sein, wenn
es an der ausreichenden Rücksichtnahme auf sonstige Nutzungen fehlt. Dieses „Gebot
der gegenseitigen Rücksichtnahme“ wurde von der Rechtsprechung nach 1976 (zu-
nächst ohne eigentliche Grundlage im BBauG, gleichsam als allgemeingültiges Prinzip,
das letztlich in der Verfassung wurzele) entwickelt und immer feiner ausziseliert698.
Mittlerweile verortet man es im einfachen Recht, in § 34 Abs. 1 soll es „im Begriff
des ,Einfügens‘“ aufgehen“699. Innerhalb des § 34 ist es ein Korrektiv, das für Vorha-
ben, die sich bei generalisierender Betrachtung noch innerhalb des durch die Umge-
bung geprägten Rahmens halten, zur Unzulässigkeit führen kann. In besonderen Fällen
kann es nachbarschützende Wirkung haben700 (siehe dazu Kapitel B.IX. – „Die Bauge-
nehmigung“ unter 3.). Das Gebot der Rücksichtnahme ist z. B. dann verletzt,
– wenn ein Vorhaben unzumutbare Emissionen verursacht (Schreinerei neben Wohn-
häusern im Mischgebiet) oder
– wenn es sich schädlichen Umwelteinwirkungen aussetzt (Ersetzung von als Arbei-
terhäusern errichteten Wohngebäuden neben Chemiefaserwerk durch freiverkäuf-
liche Reihenhäuser)
und dadurch zu bewältigungsbedürftigen Spannungen führt701. Im Übrigen hängen
die Anforderungen, die aus dem Gebot der Rücksichtnahme abzuleiten sind, von den
696 Zur Unzulässigkeit einer „planersetzenden“ Abwägung innerhalb von Entscheidungen nach § 34
Abs. 1 vgl. BVerwG, B. v. 12.6.1990 – 7 B 72/90 –, ZfBR 1990, 305. Vgl. auch BVerwG, U. v.
15.2.1990 – 4 C 23/86 –, ZfBR 1990, 198 (200).
697 BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BVerwGE 55, 369 (Harmonieurteil).
698 Zuerst wohl BVerwG, U. v. 12.12.1975 – 4 C 71.73 –, BVerwGE 50, 49; intensiv BVerwG, U. v.
25.2.1977 – 4 C 22.75 –, NJW 1978, 62; BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BauR 1978, 276;
BVerwG, U. v. 10.12.1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460 und BVerwG, U. v. 18.2.1983 – 4 C
18.81 –, NJW 1983, 2713; BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 –, ZfBR 1987, 47.
699 So BVerwG, U. v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 –, BauR 1986, 542.
700 Grundlegend BVerwG, U. v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 –, BVerwGE 52, 122; bestätigt von BVerwG, U. v.
13.3.1981 – 4 C 1/87 –, DVBl. 1981, 928 und BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 4 B 152/93 –, GewArch.
1994, 250.
701 Vgl. BVerwG, U. v. 16.3.1984 – 4 C 50/80 –, DÖV 1984, 857 im Anschluss an BVerwG, U. v.
27.5.1983 – 4 C 67/78 –, ZfBR 1984, 45; BVerwG, B. v. 5.3.1984 – 4 B 20/84 –, DÖV 1984, 860:
Pumazwinger fügt sich in Wohnbebauung nicht ein.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung der Betroffenen ist,
desto mehr Rücksichtnahme wird verlangt. Je verständlicher und unabweisbarer die
mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, desto weniger Rücksichtnahme ist gebo-
ten. Vom Rücksichtnahmegebot werden hingegen die Glasbausteine eines Nachbarge-
bäudes, durch die ein Treppenhaus belichtet wird, nicht erfasst, wenn bei faktisch
geschlossener Bauweise ein Grenzbau errichtet wird702. So wie ein Vorhaben einerseits
auch dann, wenn es sich in den Rahmen der Umgebung einfügt, als Folge der Verlet-
zung des Gebots der Rücksichtnahme unzulässig sein kann, so ist es andererseits auch
möglich, dass ein Vorhaben selbst dann, wenn es den Rahmen der Umgebung über-
schreitet, doch zulässig ist, sofern es (ausnahmsweise) keine ausgleichsbedürftigen bo-
denrechtlichen Spannungen begründet oder vorhandene Spannungen nicht erhöht.
Denn das Einfügen ist nicht auf Einheitlichkeit, sondern auf Harmonie ausgerichtet,
es soll individuellen Ideenreichtum nicht blockieren.703 Hier gilt die Faustformel: Was
in einem durch Bebauungsplan geordneten Gebiet per Ausnahme oder Befreiung zuge-
lassen werden könnte, das kann auch in einem Gebiet nach § 34 noch zugelassen
werden704. Dieser Gedanke ist mittlerweile im § 34 Abs. 2 ausdrücklich kodifiziert.
Mit dem EAG Bau 2004 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer „Befreiung“ nicht
nur im Rahmen des § 34 Abs. 2 bei entsprechender Anwendung der BauNVO, son-
dern auch gegenüber einem strikt verstandenen „Einfügen“ durch einen neuen § 34
Abs. 3a zum Ausdruck gebracht. Sowohl durch das Gesetz zur Erleichterung von Pla-
nungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 als auch durch
das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 als auch durch das
Gesetz zur Umsetzung der RL 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des
neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 wurde § 34 Abs. 3a nochmals
modifiziert. Dort heißt es nun: Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der
näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden,
wenn die Abweichung
1. einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a) der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässi-
gerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b) der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten,
Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c) der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu
Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2. städtebaulich vertretbar ist und
3. auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen ver-
einbar ist.
Diese Regelung ist nicht anwendbar auf (großflächige) Einzelhandelsbetriebe mit negati-
ven Auswirkungen auf die Innenstadt, das Zentrengefüge der Gemeinde selbst oder einer
Nachbargemeinde. Der erfahrene Baurechtler wird in dieser Vorschrift den 1998 abge-
schafften § 34 Abs. 3 a. F. wiedererkennen. Diese Vorschrift hatte folgende Entstehungs-
geschichte: Nachdem man durch die Novellierung des § 34 im Jahre 1976 versucht hatte,
den von der Rechtsprechung wohl allzu großzügig gesetzten Genehmigungsmaßstab zu
korrigieren, zeigte sich seit Beginn der 1980er Jahre die Kehrseite der Medaille: Der Tat-
bestand des § 34 war nun so eng geworden, dass er im Einzelfall auch die Zulassung von
erwünschten Vorhaben nicht mehr zu erlauben schien. Bei den erwünschten Vorhaben
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
ging es insbesondere um die angemessene Lösung des Nebeneinanders von Wohnen und
Gewerbe, also um die sog. Gemengelagen. Eine großzügige Entmischung durch Auslage-
rung von Gewerbebetrieben aus den Wohngebieten war unter den sich verschärfenden
ökonomischen Bedingungen der frühen 1980er Jahre nicht mehr in dem Umfang möglich
wie in den 1960er und 1970er Jahren. Die Betriebe mussten also an ihren Standorten
bleiben. Die Nachbarn hatten unter diesen Umständen gewisse Beeinträchtigungen hin-
zunehmen. Solange ein Betrieb unverändert blieb, konnten die Nachbarn kaum etwas
dagegen unternehmen, denn Betrieb und Gebäude genossen insoweit Bestandsschutz.
Wurde jedoch eine Betriebserweiterung oder gar ein Neubau nach Abriss fällig, dann war
sofort zweifelhaft und streitig, ob die Betriebserweiterung oder der Neubau sich wirklich
noch in die vorhandene Umgebung „einfügten“, ob die gesunden Wohn- und Arbeitsver-
hältnisse wirklich gewahrt blieben.
Den Baugenehmigungsbehörden ist es in der Praxis zwar im Allgemeinen gelungen,
auch problematische Fälle in Gemengelagen entweder durch Genehmigung nach § 34
oder nach Aufstellung eines Bebauungsplans unter Nutzung des § 1 Abs. 10 BauNVO
zu ermöglichen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung der Frage, ob ein
Vorhaben nach § 34 noch genehmigungsfähig sei oder nicht, war jedoch nicht zu
leugnen. Um derartige Unsicherheiten abzubauen, hat der Gesetzgeber des Baugesetz-
buchs 1986 für die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung und Erneuerung von
zulässigerweise errichteten baulichen und sonstigen Anlagen einen neuen Genehmi-
gungstatbestand in § 34 eingefügt: Derartige Vorhaben konnten nach § 34 Abs. 3 im
Einzelfall auch dann zugelassen werden, wenn sie sich nicht einfügten, wenn aber
entweder die Zulassung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich oder
das Vorhaben einem Betrieb diente und städtebaulich vertretbar war. Die Abweichung
vom Einfügungsgebot (oder von den Zulässigkeitsmaßstäben des § 34 Abs. 2, die nach
§ 34 Abs. 3 a. F. ebenfalls erlaubt war) musste „auch unter Würdigung nachbarlicher
Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein“. Sie durfte nicht angewendet
werden auf „Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölke-
rung beeinträchtigen können“ (womit augenscheinlich Verbrauchermärkte und groß-
flächige Supermärkte gemeint waren).
Durch den § 34 Abs. 3 a. F. sollte gerade in Gemengelagen eine solide Genehmigungs-
grundlage und damit Rechtssicherheit für gewerbliche Vorhaben geboten werden. § 34
Abs. 3 a. F. enthielt ebenso wie der neue § 34 Abs. 3a gleichsam die Möglichkeit einer
„Befreiung“ von den sonst geltenden Anforderungen des § 34 Abs. 1. Das ist in sich
nachvollziehbar und vernünftig. Dennoch lässt sich nicht ohne eine gewisse Akrobatik
ausmachen, welche Vorhaben sich einerseits unter voller Anwendung der von der Recht-
sprechung entwickelten Grundsätze zum Einfügen im weiteren Sinne nicht einfügen,
gleichwohl aber „städtebaulich vertretbar“ und auch noch „unter Würdigung nachbarli-
cher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ sein sollen! Im Kern dürfte es
um Vorhaben gehen, die einerseits zunächst bodenrechtliche Spannungen auslösen (und
daher nach § 34 Abs. 1 nicht genehmigungsfähig sind), andererseits aber mit Bedingun-
gen versehen werden können, die am Ende doch zu einem verträglichen Nebeneinander
führen. Auch danach nicht genehmigungsfähige Vorhaben können vielleicht noch über
einen Vorhaben- und Erschließungsplan genehmigungsfähig gemacht werden. Vorhaben,
die aus Gründen des Bestandsschutzes für vorhandene Betriebe genehmigt werden sol-
len705, müssen in die gesetzlich vorgegebenen Genehmigungstatbestände eingeordnet
werden, sonst sind sie nicht genehmigungsfähig. Einen darüber hinausgehenden, eigen-
tumsrechtlich begründeten Bestandsschutz gibt es nicht (mehr).
705 Zum Bestandsschutz vgl. zunächst BVerwG, U. v. 17.1.1986 – 4 C 80/82 –, BVerwGE 72, 362 („erwei-
terter Bestandsschutz“), aufgegeben durch BVerwG, U. v. 12.3.1998 – 4 C 10.97–, ZfBR 1998, 259
(„Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus
eigentumsrechtlichem Bestandsschutz“).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Für das Maß der baulichen Nutzung ist bei der Frage des Einfügens in die Eigenart
der näheren Umgebung „die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im
Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung“ maßgebend. Ob z. B. die Traufhöhe hierbei
prägend ist, hängt von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen ab.707 Wichtig ist für
die Ableitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung auch, mit welchen Maß-
faktoren sich die vorhandenen Gebäude der näheren Umgebung zueinander in Bezie-
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
hung setzen lassen. Vorrangig bieten sich als Bezugsmaße die (absolute) Größe der
Gebäude nach Grundfläche, Geschossfläche, Geschosszahl und Höhe an. Ein Vorha-
ben fügt sich nach dem Nutzungsmaß ein, wenn die in Betracht zu ziehende nähere
Umgebung Referenzobjekte aufweist, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von
Grundfläche, Geschosszahl und Höhe vergleichbar sind708. Bei offener Bauweise ist
zusätzlich das Verhältnis der vorhandenen Gebäude zur umgebenden Freifläche als
Maßfaktor in den Blick zu nehmen709. In erster Linie ist die Bebauung entlang des
Straßenzugs als nähere Umgebung zu betrachten710. Je Beurteilungskriterium (Nut-
zungsart, Nutzungsmaß, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche) kann sich hin-
sichtlich der für die Beurteilung heranzuziehenden näheren Umgebung ein abweichen-
der Betrachtungskreis ergeben.
Wenn es um die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines
gewerblichen Betriebs, die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässiger-
weise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder um die Nutzungsänderung
einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich
einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung geht, ist zusätzlich die Möglichkeit
der Abweichung nach § 34 Abs. 3a zu prüfen. In Bild 47 sind die logischen Schritte
zur Bestimmung der „Eigenart der näheren Umgebung“ wiedergegeben.
Bild 47: Schritte zur Bestimmung der „Eigenart der näheren Umgebung“
Erster Schritt: Es ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was in der näheren Umgebung tat-
sächlich vorhanden ist. Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung darf dabei nicht von vornhe-
rein vernachlässigt werden.
Zweiter Schritt: Nicht jegliche Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt ihren Charakter. Daher
muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Es muss alles außer Acht gelassen
werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint.
– Auszusondern sind zum einen bauliche Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild
(Ausdehnung, Höhe, Zahl) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflus-
sen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt.
– Zum anderen können auch solche Anlagen auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblich-
keitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der nähe-
ren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen; das sind insbesondere singuläre Anlagen im
auffälligen Kontrast zur übrigen Umgebung (Unikate).
Dritter Schritt: Derartige Unikate dürfen aber nur dann ausgeklammert werden, wenn sie wegen ihrer
Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung nicht beeinflussen und nicht etwa ihrerseits trotz ihrer An-
dersartigkeit tonangebend wirken. Dafür kommen neben der Größe des Gebäudes auch die Ausstrah-
lungswirkungen in Betracht. Stets ist zu prüfen, ob sich in der Umgebung Störfallbetriebe i. S. d. Se-
veso-III-Richtlinie befinden und welche Achtungsabstände diese jeweils auslösen.
Im Zweifel sprechen große Qualitätsunterschiede zwischen einer einzelnen Anlage und ihrer im Wesent-
lichen homogenen Umgebung dafür, dass die Anlage als ein für die Eigenart der näheren Umgebung
unbeachtlicher Fremdkörper zu werten ist.
(nach BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 –, ZfBR 1990, 198)
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Hinterhof nach Abriss der Gebäude noch einmal rings umbaut wird, weil sich die
neue Bebauung in die alten (ungesunden) Verhältnisse einfügt.
In Bezug auf das Ortsbild muss bedacht werden, dass § 34 keine Ermächtigung zur
Denkmalpflege und zu aktiver Gestaltungspolitik enthält. Nach dem BVerwG kann
das Ortsbild über § 34 Abs. 1 Satz 2 nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen ge-
schützt werden, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Festsetzun-
gen nach § 9 Abs. 1 BauGB i. V. m. der BauNVO möglich wäre711. Nur das, was
bundesrechtlich festsetzbar ist, kann über § 34 Abs. 1 Satz 2 geschützt werden.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
quartieren aus der Gründerzeit, deren Strukturen einem MU hinsichtlich der Nut-
zungsart oft entsprechen, wird die prüfende Baugenehmigungsbehörde in der Regel
weiterhin auf § 6 BauNVO zurückgreifen können, soweit sie nicht alternativ zu dem
Ergebnis kommt, dass ein faktisches Baugebiet (außer dem nicht zu Anwendung kom-
menden MU) nicht vorliege.
Die Regelungen des § 31 Abs. 1 und 2 zu den Ausnahmen und Befreiungen sind inner-
halb der so zu beurteilenden Vorhaben (also in dem Fall, in dem die Baugenehmigungs-
behörde für die Zulässigkeitsprüfung die BauNVO zur Hand nehmen muss) entspre-
chend anzuwenden. Die Prüfung von Ausnahmen und Befreiungen macht nur im
Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb faktischer
Baugebiete nach den Gebietskategorien der BauNVO Sinn, da der Zulässigkeitsspiel-
raum bei einer Prüfung nach § 34 Abs. 1 ohnehin größer ist. Nach dem alten § 34
Abs. 3 BBauG i. d. F. von 1976 konnte die BauNVO nicht nur für die Beurteilung der
Zulässigkeit der Art der Nutzung, sondern auch für das Maß der Nutzung herangezo-
gen werden. Denn es hieß in § 34 Abs. 3 BBauG: „Nennt die Baunutzungsverordnung
Höchstwerte für das Maß der baulichen Nutzung, so dürfen diese Zahlen, bezogen
auf die in der Umgebung überwiegend vorhandene tatsächliche Geschosszahl, nicht
überschritten werden. Abweichungen können im Einzelfall zugelassen werden.“ Die
Bezugnahme auf das Maß der baulichen Nutzung hat sich im Zusammenhang mit
§ 34 nicht bewährt. Einerseits erzwang sie durch den Verweis auf die „tatsächlich
vorhandene Geschosszahl“ recht komplizierte Berechnungen der danach geltenden
Höchstwerte (von denen dann nach § 34 Abs. 3 Satz 3 BBauG doch wieder Abwei-
chungen zugelassen werden konnten); andererseits lieferten die errechneten Werte kei-
nen Zulässigkeitsmaßstab, der nicht bereits durch die Einfügungsklausel des Abs. 1
gedeckt gewesen wäre. Beim Einfügen in das Maß der näheren Umgebung kommt es
nach dem BVerwG „auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der BauNVO zum Maß
der baulichen Nutzung“ nicht an; allein entscheidend sei, ob sich das Vorhaben „ein-
füge“713. Die Anwendung des Artenkatalogs der Baunutzungsverordnung hat sich da-
gegen als nützlich erwiesen. Deshalb ist in den Formulierungen des Baugesetzbuches
seit 1987 nur die Bezugnahme auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der
BauNVO erhalten geblieben, die Verweisung auf das Maß der baulichen Nutzung
dagegen gestrichen worden.
Praktische Bedeutung hatte die entsprechende Anwendbarkeit der BauNVO innerhalb
des § 34 bisher vor allem bei der Abwehr von nicht willkommenen Verbrauchermärk-
ten und städtebaulich unerwünschten großflächigen Einzelhandelsbetrieben, die nach
§ 11 Abs. 3 BauNVO nur in Kerngebieten und in dafür vorgesehenen Sondergebieten
zulässig sind. Durch die über § 34 Abs. 2 herbeigeführte entsprechende Anwendbar-
keit dieser Vorschrift in Gebieten nach § 34 ist es möglich, Verbrauchermärkte und
großflächige Einzelhandelsbetriebe auch nach § 34 abzulehnen, wenn die nähere Um-
gebung des beabsichtigten Standorts z. B. einem Gewerbegebiet, einem Industriegebiet
oder auch einem Mischgebiet vergleichbar ist.
Die Sperre über § 11 Abs. 3 BauNVO wirkt allerdings nicht, wenn das betreffende
Gebiet mit keinem der Baugebiete nach der BauNVO vergleichbar ist, sodass allein
die Einfügungsklausel des § 34 Abs. 1 zur Anwendung kommt. Der Gesetzgeber des
EAG Bau hat dem dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass er in § 34 Abs. 3 ange-
ordnet hat, dass von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 und 2 keine schädlichen Auswirkun-
gen auf zentrale Versorgungsbereiche714 in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden
zu erwarten sein dürfen, wobei zur räumlichen Abgrenzung zentraler Versorgungsbe-
319
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
reiche nach § 34 Abs. 3 auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist715. Diese
Vorschrift ist vor allem für Einkaufszentren und Vorhaben des großflächigen Einzel-
handels relevant, aber nicht nur: Das BVerwG hat klargestellt, dass § 34 Abs. 3 auch
auf Einzelhandelsbetriebe Anwendung findet, die nicht die Schwelle der Großflächig-
keit erreichen.716 Mit dieser Regelung wurde § 246 Abs. 7 entbehrlich, in dem bis
zum 20.7.2004 die folgende Ermächtigung stand: „Die Länder können bestimmen,
dass § 34 Abs. 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, groß-
flächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne
von § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist.“ In einer weiteren Ent-
scheidung hat das BVerwG festgehalten, dass schädliche Auswirkungen auf einen zent-
ralen Versorgungsbereich auch dann zu erwarten sind, wenn bereits vorhandene Ein-
zelhandelsbetriebe diesen Versorgungsbereich schädigen und die Schädigung durch
einen neu hinzutretenden Einzelhandelsbetrieb verstärkt wird717. Weitergehenden Re-
gelungsbedarf hat der Gesetzgeber dadurch erfüllt, dass er im Zuge des Gesetzes zur
Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom
21.12.2006 den § 9 Abs. 2a einführte, der die Aufstellung von gemeindeweiten Bebau-
ungsplänen zur Steuerung des Einzelhandels erlaubt (Einzelheiten dazu siehe Kapitel
B. V. „Die Bebauungspläne“).
g) Der „im Zusammenhang bebaute Ortsteil“ und die Klarstellungs-, Entwicklungs-
und Ergänzungssatzung. Ein Baurecht nach § 34 besteht nur „innerhalb der im Zu-
sammenhang bebauten Ortsteile“. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies „jeder Be-
bauungskomplex, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht
besitzt, Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist und deshalb ein Bereich für
eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung ist“718. „Welche Fortentwicklung
angemessen ist, ist mit Blick auf das im Begriff des Ortsteils anklingende Ziel einer
organischen Siedlungsstruktur zu bestimmen“719. Grenzt ein bebautes Grundstück an
einen Bebauungszusammenhang an, gehört es in der Regel zum Bebauungszusammen-
hang. Im Einzelfall kann sich etwas anderes ergeben. Ausschlaggebend bei der Beurtei-
lung der aufeinander folgenden Bebauung ist, inwieweit die baulichen Anlagen den
Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln.720 Unbebaute
Grundstücke begründen hingegen auch dann noch keinen Bebauungszusammenhang,
weil sie nach § 30 bebaubar sind.721 Ein Ortsteil im Sinne des § 34 kann sich nach
dem BVerwG nicht unter Überschreitung der rechtlichen Gemeindegrenzen hinweg
bilden722, weil dadurch die Planungshoheit einer Gemeinde ausgehebelt werden
320
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
könne. Etwas anderes dürfte gelten, wenn zwei oder drei Gemeinden bewusst auf die
Bildung eines gemeinsamen Ortsteils hinwirken (Beispiel: Das Einkaufs- und Erlebnis-
zentrum „Nova Eventis“ (ehem. „Saalepark“) in Günthersdorf zwischen Halle und
Leipzig, das auf einem rund 500 ha großen, zuvor landwirtschaftlich genutzten Terri-
torium dreier kleiner Gemeinden liegt). Die Voraussetzungen für einen Ortsteil sind
bei regelloser, d. h. willkürlich erscheinender Anordnung der vorhandenen Gebäude
nicht erfüllt. Kann die optische Regellosigkeit aber sinnvoll erklärt werden, z. B. durch
die Funktion der Gebäude, durch Bodenbeschaffenheit oder ähnliche Umstände, kann
der regellos erscheinende Bestand dennoch Ausdruck einer organischen Siedlungs-
struktur sein und die Anwendung des § 34 rechtfertigen. Ob ein Ortsteil im Zusam-
menhang bebaut ist, lässt sich im Einzelfall oft nur schwer beantworten. Jedenfalls
müssen die Gebäude dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Ställe und Gar-
tenhäuser sind grundsätzlich keine Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1723. Auch ein
Sportplatz stellt keinen Bebauungszusammenhang her, selbst wenn dort ein Kassen-
häuschen und Flutlichtmasten vorhanden sind724; entsprechendes gilt für befestigte
Tennisplätze725. Kleingartengebiete oder Baulichkeiten, die ausschließlich landwirt-
schaftlichen Zwecken dienen, können ebenfalls für sich genommen keinen Ortsteil
bilden726. Gleiches gilt für 20 Ferienhäuser727, während ein Weiler mit fünf Wohnhäu-
sern und fünf landwirtschaftlichen Nebengebäuden durchaus ein Ortsteil sein kann728.
Eine aufgegebene Nutzung eines Kasernengeländes kann mangels organischer Sied-
lungsstruktur keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil mehr bilden – der Fläche
fehlt die prägende Kraft hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung729. Dies gilt jeden-
falls dann, wenn nach der Verkehrsauffassung nicht mehr mit einer gleichartigen Nut-
zung gerechnet werden kann; denn sogar eine beseitigte bauliche Anlage kann die
Eigenart der näheren Umgebung noch prägen, wenn mit Wiederaufnahme einer der
vorherigen Nutzung vergleichbaren Nutzung gerechnet werden kann. Diese Wieder-
aufnahme der Nutzung lässt sich unterstellen, wenn sie fortlaufend Gegenstand der
kommunalpolitischen Diskussion und der örtlichen Berichterstattung gewesen ist730.
Ist die Nutzung einer baulichen Anlage seit längerem aufgegeben worden, ohne dass
das Grundstück mit dem leerstehenden Gebäude den Bebauungszusammenhang unter-
bricht, so prägt diese Anlage zwar die nähere Umgebung nicht mehr hinsichtlich der
Art der baulichen Nutzung. Das heißt aber nicht, dass dieser Anlage die Chance auf
Neunutzung genommen ist – hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bestimmt
sich die Zulässigkeit wiederum nach der vorherrschenden Nutzung in der näheren
Umgebung. Eine unbebaute Fläche in der Innenstadt, die ganz von Bebauung umgeben
ist, liegt nicht innerhalb des Bebauungszusammenhangs, wenn sie so groß ist, dass
sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung auf-
drängt731. (Dies ist dann ein sog. Außenbereich im Innenbereich, dazu unten mehr.)
Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt,
diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach
der maßgeblichen Betrachtung der „Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Be-
bauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
732 So wörtlich das BVerwG, U. v. 14.11.1991 – 4 C 1/91 –, NVwZ-RR 1992, 227. Ähnlich BGH, B. v.
14.10.1982 – III ZR 65/82 –, WM 1982, 1315 (Eindruck der Geschlossenheit entscheidet).
733 BVerwG, B. v. 22.7.1993 – 4 B 78.93 –, unveröffentlicht (Außenbereichsanlage) in: Hoppe/Stüer, Die
Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht – RzB, RdNr. 362.
734 Zum Begriff vgl. BVerwG, B. v. 11.10.1999 – 4 B 77/99 –, ZfBR 2000, 425. Vgl. auch BVerwG, U. v.
19.4.2012 – 4 C 10.11 –, BauR 2012, 1626.
735 OVG des Saarlandes, B. v. 14.9.1981 – 2 N 4/80 –, NVwZ 1982, 125 (im Anschluss an BayVGH, U.
v. 21.11.1980 – 2.N – 675/79 –, BayVBl. 1981, 340); zu den rechtlichen Grenzen einer Abgrenzungssat-
zung nach dem BBauG vgl. auch Hessischer VGH, B. v. 6.3.1985 – 3 N 207/85 –, NVwZ 1985, 839
und BayVGH, B. v. 28.6.1985 – 2 N 84 A 1816 –, BayVBl. 1985, 567 und BayVGH, U. v. 29.7.1985
– 14 N 84 A 1390 –, BayVBl. 1985, 690. Zur Abrundungssatzung nach dem BauGB 1987 vgl. BVerwG,
U. v. 18.5.1990 – 4 C 37/81 –, ZfBR 1990, 248: Die Einbeziehung einzelner Außenbereichsflächen in
den Geltungsbereich einer Satzung, mit der die Gemeinde die Grenzen für im Zusammenhang bebaute
Ortsteile festlegt, stellt nur dann eine „Abrundung“ des Innenbereichs dar, wenn dadurch die Grenzlinie
zwischen Innen- und Außenbereich „begradigt“ oder in anderer Weise vereinfacht wird.
322
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
736 Zur Frage der Prägung bei der Ergänzungssatzung vgl. BVerwG, B. v. 3.12.2008 – 4 BN 26.08 –, BauR
2009, 617. Zur Frage der einzubeziehenden Flächen vgl. BVerwG, B. v. 26.11.2009 – 4 BN 31.09 –,
BauR 2010, 444. Vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 11.8.2010 – 2 K 108/09 –, BauR 2011, 92.
737 Vgl. BVerwG, U. v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 –, BauR 2011, 226.
738 BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 –, ZfBR 2016, 67.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Zulässig sind aber wohl nur Festsetzungen zur Regelung der durch die Satzung zuge-
lassenen Vorhaben – keine sonstigen „allgemeinen“ Festsetzungen739. Die Festsetzun-
gen dürfen sich außerdem nur auf die einbezogenen Flächen nach den Nrn. 2 und 3,
nicht auf den nur klargestellten sonstigen Innenbereich beziehen. Speziell durch die
Aufnahme dieser Möglichkeit sind die Satzungen nach § 34 inhaltlich einem einfachen
Bebauungsplan erheblich näher gerückt. Es ist daher nur konsequent, dass sie (in
entsprechender Anwendung der Regeln des vereinfachten Verfahrens nach § 13) ein
dem Bebauungsplanverfahren ähnliches Aufstellungsverfahren durchlaufen müssen. Es
ist also entweder eine öffentliche Auslegung und eine Behördenbeteiligung durchzu-
führen oder der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Trägern öffentlicher
Belange mit individuellen Anschreiben Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben – da-
bei ist die Hinweispflicht des § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 entsprechend zu beachten (nicht
fristgerecht abgegebene Stellungnahmen können bei der Beschlussfassung über die Sat-
zung unberücksichtigt bleiben). Ein frühzeitiger Beteiligungsschritt nach § 3 Abs. 1
und § 4 Abs. 1 ist hingegen nicht erforderlich. Die Ergänzungssatzung nach Nr. 3 muss
sich darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § la Abs. 3 mit einem abwä-
gungsgerechten Ausgleich befassen, da für die einbezogenen Grundstücke erstmals
Baurecht begründet und damit ein Eingriff vorbereitet wird. Nur dieser Satzung muss
kraft Gesetzes eine Begründung beigefügt werden, in der die Ziele, Zwecke und we-
sentlichen Auswirkungen der Satzung darzulegen sind. In der Praxis werden alle Sat-
zungstypen nach § 34 Abs. 4 mit einer Begründung versehen, um zumindest die Ge-
meindevertretung angemessen zu informieren.
Für die Satzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 musste bis zur BauGB-Novelle aufgrund des
EAG Bau nach dem damaligen § 35 Satz 2 BNatSchG740 eine Verträglichkeitsprüfung
durchgeführt werden, wenn Schutzgebiete beeinträchtigt werden konnten. Die Pflicht
zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung kann jedoch seit dem EAG Bau im
Kontext von Satzungen nach § 34 Abs. 4 nicht mehr entstehen, ebenso wenig wie eine
Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung. Denn mit dem EAG Bau wurde der
Anwendungsbereich aller Satzungen nach § 34 Abs. 4 (und auch der Außenbereichs-
satzung nach § 35 Abs. 6) auf Fälle außerhalb der UP-Pflichtigkeit beschränkt. Durch
eine Satzung nach § 34 Abs. 4 oder § 35 Abs. 6 darf die Zulässigkeit von Vorhaben,
die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen
oder die Auswirkungen auf FFH-Gebiete oder Vogelschutzgebiete haben könnten,
nicht begründet werden. Dies ist notwendig und konsequent, weil die Aufstellung
dieser Satzungen in einem vereinfachten Verfahren analog zu § 13 BauGB betrieben
werden darf; dieses vereinfachte Verfahren genügt nicht den Anforderungen, die im
Verfahren der Umweltprüfung gelten. Seit 2017 kommt eine Satzung nach § 34 Abs. 4
BauGB ferner nicht in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der
Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren
Unfällen nach § 50 Abs. 1 BImSchG zu beachten sind.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich von Entwicklungs-
und Ergänzungssatzungen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 ist seit 2013 auch die Vor-
schrift zu den Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 entsprechend anzuwenden.
Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in diesen Satzungen wie er-
wähnt auch klassische B-Planfestsetzungen aufnehmen lassen, insbesondere solche zur
Art und zum Maß der baulichen Nutzung sowie zur überbaubaren Grundstücksfläche.
Im Zusammenhang mit diesen Festsetzungen macht die Prüfung, ob ein Vorhaben
739 Vgl. Bayerischer VGH, 16.10.2003 – 1 N 01.3178 –, ZfBR 2004, 181 (Festsetzung einer öffentlichen
oder privaten Grünfläche unzulässig).
740 Heute findet sich die Vorschrift zu den Plänen in § 36 BNatSchG – die Vorschrift ist mittlerweile auch
inhaltlich angepasst.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
ausnahmsweise zugelassen werden kann oder ob von den Festsetzungen der Satzung
sogar befreit werden kann, Sinn.
Bild 48: Unterscheidungsmerkmale zwischen Innenbereichs-Satzungen nach § 34 Abs. 4
und Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB
Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6
Zweck der Satzung:
KLARSTELLUNGSSATZUNG AUSSENBEREICHSSATZUNG
Nr. 1: Im Zusammenhang bebaute Ortsteile wer- Bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht über-
den abgegrenzt. wiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in de-
ENTWICKLUNGSSATZUNG nen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vor-
Nr. 2: Bebaute Bereiche im Außenbereich, die im handen ist, werden für weitere Vorhaben
Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt zugänglich gemacht.
sind werden zum Innenbereich erklärt und gewin-
nen damit Baulandqualität.
ERGÄNZUNGSSATZUNG
Nr. 3: Einzelne Außenbereichsflächen, die durch
die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs
geprägt sind, können – unabhängig von den Inhal-
ten des Flächennutzungsplans – einbezogen wer-
den.
Der notwendige Inhalt der Satzung:
Abgrenzung der zum Ortsteil gehörenden, bebau- Geltungsbereich der Satzung
baren Flächen. Soweit erforderlich: Einzelne Fest- mit Bestimmung, dass Vorhaben,
setzungen nach § 9 Abs. 1, 3 und 4 BauGB (Fest- • die Wohnzwecken dienen, sowie
setzungen sind nur für die einbezogenen Flächen • kleineren Handwerksbetrieben sowie
nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 u. 3 zulässig) • kleineren Gewerbebetrieben
folgende Belange nicht entgegengehalten werden
können:
– dass sie einer Darstellung im F-Plan über Flä-
chen für Landwirtschaft oder Wald widerspre-
chen oder
– die Entstehung oder Erweiterung einer Splitter-
siedlung befürchten lassen.
In der Satzung können nähere Bestimmungen
über die Zulässigkeit getroffen werden.
Die Voraussetzungen für die Satzungen nach § 34 Abs. 4 bzw. § 35 Abs. 6 sind identisch:
• Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung,
• UVP-pflichtige Vorhaben werden nicht begründet,
• Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung von Erhaltungszielen oder Schutzzwe-
cken der Natura 2000-Gebiete.
• Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder
Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Abs. 1 BImSchG zu beachten sind.
Besonderheiten des Verfahrens: Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 13 bei der Aufstel-
lung – keine Umweltprüfung.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Interesses genehmigt werden, und dies auch nur dann, wenn keine zumutbare Alterna-
tivlösung möglich ist. Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses
können auch sozialer oder wirtschaftlicher Art sein; können jedoch prioritäre natürli-
che Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen sein, kommen als zwingende
Gründe nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentli-
chen Sicherheit oder aber maßgeblich günstige Auswirkungen des Vorhabens auf die
Umwelt in Betracht. Nachteilige Folgen müssen ausgeglichen werden; die Kommission
der EU ist über die Ausgleichsmaßnahmen zu unterrichten. Nähere Einzelheiten sind
in § 34 BNatSchG geregelt; diese Vorschrift beruht auf Art. 6 Abs. 3 der Fauna-Flora-
Habitat-Richtlinie.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
747 Vgl. EuGH, U. v. 15.9.2011 – Rd. C-53/10 – Slg. I 8311 – Tz. 44.
748 BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11.11 –, BauR 2013, 887.
749 Vgl. BVerwG, B. v. 28.3.2013 – 4 B 15.12 –, ZfBR 2013, 479; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen,
U. v. 15.10.2011 – 2 A 2645/08 –, BauR 2012, 1090.
750 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 31.8.1972 – 4 B 60.72 –, BRS 25 Nr. 58; BVerwG, B. v. 12.12.1969 –
4 B 14.69 –, BRS 23 Nr. 75.
751 Zum Begriff der Landwirtschaft vgl. § 201 BauGB sowie BVerwG, B. v. 11.8.1989 – 4 B 151/89 –,
ZfBR 1989, 269.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
Landwirtschaft gehört, ist in § 201 definiert; dazu gehören z. B. auch die „berufs-
mäßige Imkerei“ und die „berufsmäßige Binnenfischerei“);
2. der gartenbaulichen Erzeugung dienen (schon zu Nr. 1 gehören solche gartenbauli-
chen Betriebe, bei denen die baulichen Anlagen nur einen untergeordneten Teil der
Betriebsfläche einnehmen und nicht – wie bei Gewächshäusern – die gesamte Flä-
che überziehen);
3. der öffentlichen Infrastruktur (Elektrizität, Gas, Wärme, Wasser, Abwasserwirt-
schaft, Telekommunikationsdienstleistungen) oder einem ortsgebundenen gewerb-
lichen Betrieb dienen (Hauptbeispiel für ortsgebundene Betriebe sind Kiesgru-
ben752);
4. wegen nachteiliger Wirkungen auf die Umgebung, ihrer besonderen Zweckbestim-
mung oder besonderer Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich
ausgeführt werden „sollen“ (wobei die Errichtung, Änderung oder Erweiterung
von Tierhaltungsanlagen nur dann privilegiert ist, wenn sie nicht einer Pflicht zur
Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung bzw. einer
Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegt);753
5. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie die-
nen;754
6. der energetischen Nutzung von Biomasse dienen755 (und eine Reihe von zugehöri-
gen Bedingungen erfüllen);
7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwe-
cken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen, wobei als Ergebnis der
„Energiewende“ im Jahr 2011 die Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von
Kernbrennstoffen davon nicht (mehr) erfasst ist;
8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflä-
chen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dienen, wenn die Anlage dem Ge-
bäude baulich untergeordnet ist756.
Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft ist die Frage zunehmend wich-
tig, unter welchen Umständen ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb noch als
privilegierter land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb eingestuft werden kann. Gewinn-
erzielungsabsicht und Gewinnerzielung sind ein wichtiges Indiz: Der landwirtschaftli-
che (Nebenerwerbs-)Betrieb muss nach Art und Umfang grundsätzlich geeignet sein,
mit Gewinnerzielungsabsicht geführt zu werden757. Auch andere Indizien, wie z. B.
die Größe der Betriebsfläche, die Betriebsorganisation, das aufgewendete Kapital, der
Bestand an Maschinen und Tieren oder die Zahl der Arbeitnehmer können für die
Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit für die Betriebseigenschaft im Sinne
752 Vgl. Bayerischer VGH, U. v. 27.10.1978 – 79 VIII 78 –, BayVBl. 1979, 406 und Bayerischer VGH, U.
v. 4.4.1979 – 40 XV 76 –, BayVBl. 1979, 501; Niedersächsisches OVG, U. v. 23.4.1980 – 3 OVG A
107/78 –, NuR 1981, 137; BVerwG, U. v. 6.10.1989 – 4 C 28/86 –, ZfBR 1990, 41 (Gipsabbau).
753 Ein Kühlhaus, das nicht nur dem Auskühlen des Wildes, sondern auch dem Zerlegen und der Aufbe-
wahrung dient, weist nicht die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 Nr. 4 auf. Vgl. OVG Rhein-
land-Pfalz, U. v. 19.8.2009 – 8 A 10308/09 –, BauR 2010, 62. Für die Errichtung einer Sternwarte im
Außenbereich muss der Vorhabenträger ein Konzept vorlegen, aus dem sich ergibt, dass die Sternwarte
wegen der speziellen Anforderungen nicht im Innenbereich ausgeführt werden kann und dass sie über-
wiegend der Allgemeinheit dient. Vgl. dazu BVerwG, B. v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 –, BauR 2011, 1299.
754 Auch ein Windmessmast, mit dem die Windhäufigkeit festgestellt werden soll, ist eine privilegierte
Anlage im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5. Vgl. dazu OVG des Saarlandes, B. v. 2.9.2010 – 2 B 215/10 –,
BauR 2011, 983.
755 Zum Status im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB a. F. vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v.
5.10.2000 – 10 S 660/00 –, ZfBR 2001, 348 (Privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.E).
756 Zur Frage der Zulässigkeit von Solaranlagen als einer Windkraftanlage im Außenbereich dienenden
Nebenanlage vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.9.2007 – 8 A 11166/06 –, (nicht rechtskräftig) BauR
2008, 337.
757 BVerwG, U. v. 11.10.2012 – 4 C 9.11 –, BauR 207, 207.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
der Nr. 1 sprechen. Entscheidend ist demnach auch, dass die Nachhaltigkeit der land-
wirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet ist758.
In der amtlichen Definition des Begriffs der Landwirtschaft in § 201 ist die zur Land-
wirtschaft gehörende Tierhaltung durch das EAG Bau erweitert aufgenommen wor-
den. Bis 2004 gehörte kraft Definition des § 201 die „Pensionstierhaltung auf überwie-
gend eigener Futtergrundlage“ zur Landwirtschaft. Seit 2004 gehört zur
Landwirtschaft die „Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum land-
wirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt
werden kann“. Mit dieser Formulierung wird auf die Tatsache Rücksicht genommen,
dass viele Landwirte das Futter für ihre Tiere zwar erzeugen könnten, darauf jedoch
verzichten, weil es mit weniger Aufwand auch eingekauft werden kann. Daran soll
die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 nicht scheitern.
Durch das EAG Bau ist für landwirtschaftliche Betriebe und Betriebe mit gartenbauli-
cher Erzeugung eine zusätzliche Aktivität im Außenbereich legitimiert worden, näm-
lich die Installation von Biogasanlagen. Die Regelung ist aufgrund der BauGB-Novelle
2011 ein erstes Mal und aufgrund der BauGB-Novelle 2013 ein weiteres Mal modifi-
ziert worden. Je Hofstelle oder Betriebsstandort ist eine Biogasanlage mit einer Kapazi-
tät von nicht mehr als 2,3 Millionen Normkubikmeter erzeugten Biogases pro Jahr
zulässig, und die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen, die zwar Biomasse ver-
werten, aber kein Biogas erzeugen, darf 2,0 Megawatt nicht überschreiten.
Zudem ist die Zulässigkeit solch einer Anlage an die Bedingung geknüpft, dass
– sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb steht (also
nicht isoliert irgendwo im Außenbereich/die Hofstelle oder der Betriebsstandort
darf sich auch im Innenbereich befinden759) und
– die verwendete Biomasse überwiegend aus diesem Betrieb oder überwiegend aus
diesem und aus nahe gelegenen landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrie-
ben (einschließlich Tierhaltungsbetrieben auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4) stammt.
Das Tatbestandsmerkmal „im Rahmen eines Betriebs“ verlangt, dass die Biogasanlage
nur im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage – also anknüpfend
an einen schon vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb (Nr. 1), an einen Gartenbau-
betrieb (Nr. 2) oder an einen Tierhaltungsbetrieb (Nr. 4) – im Außenbereich errichtet
und betrieben werden darf. Der Eingriff in den Außenbereich in Form einer solitär
stehenden Anlage ist demnach nicht zulässig. Aus dem Erfordernis des räumlich-funk-
tionalen Zusammenhangs lässt sich jedoch nicht ableiten, dass sich die Biogasanlage
z. B. einem klassischen landwirtschaftlichen Betrieb unterzuordnen oder ihm gegen-
über nur dienende Funktionen zu übernehmen hätte760. Vielmehr darf die landwirt-
schaftliche Nutzung allein dazu angelegt sein, die Biomasseanlage mit verwertbaren
Erzeugnissen zu „füttern“. Einschränkungen ergeben sich für die Biomasseanlage inso-
weit ausschließlich aus den Buchstaben a) bis d) des § 35 Abs. 1 Nr. 6, wozu insbeson-
dere die Beschränkung der Biogaserzeugungsmenge auf jährlich nicht mehr als
2,3 Mio. Normkubikmeter gehört, während die zulässige Feuerungswärmeleistung an-
derer, kein Biogas erzeugender Anlagen 2,0 Megawatt nicht überschreiten darf. Einer
überwiegend überregionalen Anlieferung des für die Biogaserzeugung benötigten Roh-
materials setzt der Gesetzgeber dadurch Grenzen, dass die erforderliche Biomasse
„überwiegend“, also zu mehr als 50 % aus dem eigenen Betrieb einschließlich nahe
gelegener Betriebe stammen muss. Der Antragsteller muss dies im Rahmen der immis-
sionsschutzrechtlichen Genehmigung nachweisen761.
758 BVerwG, U. v. 11.4.1986 – 4 C 67/82 –, NVwZ 1986, 916; BVerwG, B. v. 31.8.1988 – 4 B 153/88 –,
NJW 1989, 601 und BVerwG, B. v. 3.2.1989 – 4 B 14/89 –, ZfBR 1989, 177.
759 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 7.2.2014 – 1 B 11320/14.OVG –, ZfBR 2014, 384.
760 BVerwG, U. v. 11.12.2008 – 7 C 6.08 –, DÖV 2009, 377.
761 BVerwG, U. v. 11.12.2008 – 7 C 6.08 –, DÖV 2009, 377.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
geführt werden „soll“. Hierzu ist durch die Rechtsprechung klargestellt worden, dass
es bei dem „sollen“ im Sinne der Nr. 4 nicht um den subjektiven Willen des Antragstel-
lers geht, nach dessen Absicht z. B. ein Campingplatz oder ein Golfplatz ganz unzwei-
felhaft im Außenbereich errichtet werden „soll“. Vielmehr geht es darum, ob das
konkrete Vorhaben objektiv betrachtet nur im Außenbereich verwirklicht werden
kann und ob es nach der vernünftigen Wertung der Genehmigungsbehörde mit der
Funktion des Außenbereichs so eindeutig vereinbar ist, dass es bei wertender Betrach-
tung dort platziert werden „soll“. Dabei ist auch der Gleichheitssatz zu beachten mit
der Folge, dass durch die Platzierung eines Vorhabens im sonst vor Bebauung ge-
schützten Außenbereich nicht eine bestimmte Nutzergruppe in ungerechtfertigter
Weise gegenüber der sonstigen Bevölkerung bevorzugt werden darf. Nimmt man die
Prüfung des „Sollens“ in dieser Weise vor, dann „sollen“ z. B. Campingplätze nicht in
den Außenbereich, weil sie – jedenfalls generell – nicht mit den Außenbereichsfunktio-
nen der vorwiegend land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und des für alle zugängli-
chen, unbesiedelten und daher ruhigen Erholungsraums vereinbar sind773.
Nach diesem wertenden Maßstab gehören wohl auch Autokinos nicht in den Außen-
bereich, die von der Rechtsprechung früher einmal als nach Nr. 5 privilegiert angese-
hen worden sind774. Nicht privilegiert sind auch Anlagen der Freikörperkultur775,
Tennisplätze und Golfplätze776; sie dienen der Erholung, dem Spielspaß und/oder der
Gewinnerzielung bestimmter Gruppen, nicht dem Erholungsbedürfnis der Allgemein-
heit. Zu verneinen ist eine Privilegierung nach Nr. 5 auch für Wochenendhäuser777,
Minigolfanlagen778, Kurheime für Schlafgestörte779, ein Schulungsheim780, ein priva-
tes Altenheim781, einen privaten Sportboothafen782 oder einen Lagerplatz für
Schrott783. Mit der Novelle im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber auch für solche Tierhal-
tungsbetriebe eine Zulässigkeit auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 4 ausgeschlos-
sen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 unterfallen und zugleich
umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig sind oder einer standortbezogenen oder allge-
meinen Vorprüfung bedürfen. Ist ein Vorhaben dieser Art für sich genommen weder
UVP-pflichtig noch vorprüfungsbedürftig, kann es dennoch aufgrund kumulierender
Wirkung gemeinsam mit anderen Tierhaltungsanlagen ausgeschlossen sein. Als kumu-
lierende Vorhaben sind alle diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen, die auf
demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder
baulichen Einrichtungen verbunden sind. Bei dieser Regelung wird der Wortlaut des
§ 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG aufgegriffen. Er klärt darüber auf, wann ein so „enger
Zusammenhang“ vorliegt, dass die Anlagen als kumulierende Vorhaben zu werten
sind. Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn sich die Umweltauswirkungen der Vor-
haben überschneiden und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander be-
zogen sind784. Dieser funktionale und wirtschaftliche Bezug setzt ein planvolles Vorge-
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
hen des Vorhabenträgers voraus. Ein solches Vorgehen lässt sich unterstellen, wenn
das Nebeneinander der Tierhaltungsanlagen nicht dem reinen Zufall geschuldet ist,
sondern Ergebnis eines koordinierten Verhaltens des Vorhabenträgers ist785. Im Übri-
gen richtet sich die UVP-Pflicht sowie das Erfordernis zur Durchführung einer Vorprü-
fung des Einzelfalls oder einer standortbezogenen Vorprüfung grundsätzlich nach
§§ 3a bis 3f UVPG.
Die einschränkende Regelung zur privilegierten Zulässigkeit von Anlagen zur Tierhal-
tung in § 35 Abs. 1 Nr. 4 hat auch Auswirkungen auf die Überleitungsvorschriften.
Denn in (sachlichen Teil-)Flächennutzungsplänen lassen sich auch Konzentrationszo-
nen für die Zulässigkeit von Tierhaltungsanlagen mit den Rechtswirkungen im Sinne
des § 35 Abs. 3 Satz 3 (Ausschlusswirkung von Tierhaltungsanlagen außerhalb der
Konzentrationsflächen) ausweisen. Sofern eine Gemeinde einen solchen F-Plan vor der
BauGB-Novelle 2013 aufgestellt hat, regelt § 245a Abs. 3, dass die Ausschlusswirkung
auch nach Inkrafttreten der Novelle fortgilt. Sollte aufgrund der Modifizierung in § 35
Abs. 1 Nr. 4 ein Widerspruch mit den städtebaulichen Zielen des F-Plans erkennbar
werden, ist die Gemeinde nach dem 2013 eingeführten § 245a Abs. 3 befugt, den
Flächennutzungsplan auf einfache Art im Wege der Berichtigung anzupassen. Die An-
passung eines F-Plans im Wege der Berichtigung ist eine von Gemeinden im Zusam-
menhang mit B-Plänen der Innenentwicklung mittlerweile gut eingeübte Angelegen-
heit. Die F-Plan-Anpassung darf im Fall der Tierhaltung erst erfolgen, wenn die
Gemeinde durch Gemeindebeschluss den Widerspruch zu den städtebaulichen Zielen
des F-Plans festgestellt und diesen Beschluss ortsüblich bekannt gemacht hat. Durch
die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses werden die entsprechenden Darstel-
lungen im F-Plan gegenstandslos. In diesem Zuge erfolgt die F-Plan-Anpassung durch
Berichtigung.
Als weitere Übergangsregelung regelt § 245a Abs. 4 den Fall von vor dem 4. Juli 2012
eingegangenen Zulassungsanträgen für Tierhaltungsanlagen, die nicht dem Anwen-
dungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 unterfallen. Für diese Fälle war § 35 Abs. 1 Nr. 4
in seiner Fassung vor Inkrafttreten der BauGB-Novelle 2013 anzuwenden.
Dagegen können im Einzelfall nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 genehmigt werden
– als Vorhaben mit besonderen Anforderungen an die Umgebung: Aussichtstürme,
Stern- und Wetterwarten, Freilichtbühnen, Heilstätten;
– als Vorhaben mit nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung: Sprengstoff-Fabri-
ken, Tierkörperbeseitigungsanlagen, Schweinemästereien, Tierheime786;
– als Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung in den Außenbereich
gehören: Fischerhütten787, Jagdhütten788, Geräteschuppen789 und Bienenhäu-
ser790.
Bis zur Einfügung der heutigen (2011 noch einmal modifizierten) Nr. 7 (zunächst
Nr. 6) in § 35 Abs. 1 war sehr umstritten, ob Kernkraftwerke und zugehörige Entsor-
gungseinrichtungen als Großvorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 oder
4 privilegiert sind oder ob ihre Genehmigung im Außenbereich ohne vorherige Bauleit-
planung durch die Gemeinde am „öffentlichen Belang der Planungsbedürftigkeit“
scheitern muss. Das Niedersächsische OVG791 (zum Zwischenlager Gorleben in Lü-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
chow-Dannenberg) und das BVerwG792 haben die Privilegierung (noch auf der Grund-
lage des § 35 Abs. 1 Nr. 4) bejaht. Zwar könne der öffentliche Belang der Planungsbe-
dürftigkeit auch einem nach § 35 Abs. 1 privilegierten Vorhaben entgegenstehen, wenn
eine Koordinierung der Interessen innerhalb des Plangebiets durch förmliche Planung
erforderlich sei (sog. Binnenkoordination). In dem zu entscheidenden Fall bestand aber
innerhalb des Betriebsgeländes des Zwischenlagers kein Bedürfnis für einen Ausgleich
unterschiedlicher Interessen. Eine Koordination nach außen sei bei einer Entfernung
von etwa 1.500 m zum nächsten Siedlungsgebiet nicht erforderlich. Für privilegierte
Vorhaben im Außenbereich habe der Gesetzgeber den Gemeinden aus Gründen der
Rechtsvereinfachung und Rechtseinheitlichkeit die Planung abgenommen793. Die Re-
aktorkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 veranlasste die Bundesregierung
zum Beschluss der sog. Energiewende. Seitdem gehören nach Nr. 7 zwar weiterhin
Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedli-
chen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Fälle dienen, zu den privilegierten
Vorhaben. Von dieser Regelung ausgenommen ist seit 2011 allerdings ausdrücklich
die Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen
Erzeugung von Elektrizität.
Im gleichen Atemzug hat die Bundesregierung bestimmte Solaranlagen als Nummer 8
in die Liste der privilegierten Vorhaben aufgenommen. Die Nutzung solarer Strah-
lungsenergie durch Photothermie oder Photovoltaik ist im Außenbereich zulässig,
wenn die Anlagen an bzw. auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise
genutzten Gebäuden installiert werden und diesen Gebäuden untergeordnet sind. Pho-
tovoltaikfreiflächenanlagen werden demnach von dieser Privilegierung nicht erfasst.
Der Gesetzgeber hat die Privilegierung bewusst auf im Außenbereich befindliche, zu-
lässigerweise „genutzte“ Gebäude beschränkt und sich im Zuge des Gesetzgebungsver-
fahrens vom Passus eines zulässigerweise „errichteten“ Gebäudes verabschiedet, da
vermieden werden sollte, dass mittlerweile ungenutzte bauliche Anlagen, z. B. ehema-
lige Stallanlagen, allein deshalb als bloße Hülle erhalten werden, um Energie aus sola-
rer Strahlungsenergie gewinnen zu können. Da die Vorschrift von „Gebäuden“ und
nicht etwa von „baulichen Anlagen“ spricht, kommen nur solche baulichen Anlagen
in Betracht, die Gebäude im Sinne der Landesbauordnung sind. Der bauordnungs-
rechtliche Gebäudebegriff der Länder weicht mitunter leicht voneinander ab. Nach
Art. 2 Abs. 2 der Bayerischen Bauordnung sind Gebäude „selbständig benutzbare,
überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können“. In Bran-
denburg spricht man von Gebäuden bei „selbstständig benutzbaren, überdeckten bau-
lichen Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder be-
stimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen“ (§ 2 Abs. 2
BbgBO).
Schon seit längerem ist das BVerwG von der These, dass ein Planungsbedürfnis im
Außenbereich nur bei der Notwendigkeit einer Binnenkoordination bestehe, abge-
rückt. Auch im Außenbereich bestehe ein Planungsbedürfnis, wenn sich eine sachge-
rechte Koordination der Belange nur im Wege der Abwägung herstellen lasse. Dafür
reiche das Konditionalprogramm des § 35 nicht aus. Wenn ein im Außenbereich zu
verwirklichendes Vorhaben eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten
öffentlichen und privaten Belange auslöst, dass die in § 35 vorausgesetzte Entschei-
dungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens (ohne vorherige Planung) nicht mehr gege-
ben ist, wird die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Damit wird
auch klar, dass die in § 35 Abs. 3 Satz 1 aufgeführten öffentlichen Belange nur beispiel-
792 BVerwG, B. v. 27.6.1983 – 4 B 206/82 –, NVwZ 1984, 169; die Privilegierung nach Nr. 4 lässt das
BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, DVBl. 1986, 190 ausdrücklich offen, während die Privilegie-
rung nach Nr. 5 bestätigt wird.
793 BVerwG, U. v. 25.10.1967 – 4 C 86.66 –, BVerwGE 28, 148 (150).
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
haft sind. Und es liegt nahe, dass zu den weiteren möglichen Belangen das Erfordernis
einer förmlichen Planung wegen hoher Konfliktlage gehört794.
Die Standortbestimmung für im Außenbereich privilegierte Großvorhaben von heraus-
ragendem öffentlichen Interesse, zu denen seit der Novelle 2011 die Neuerrichtung
von Atomkraftwerken nicht mehr gehört, wird jedoch auch in Zukunft nicht von
der kommunalen Bauleitplanung, sondern von den Landesplanungsbehörden und den
Fachbehörden vorbereitet und auf dieser Grundlage vollzogen werden. Weigert sich
eine Kommune, die landesplanerischen Vorgaben nachzuvollziehen, kann sie dazu mit
den Mitteln der Kommunalaufsicht angehalten werden.
Auch wenn das Vorhaben nach § 35 genehmigt werden kann und soll, muss die Kom-
mune, in deren Gemarkung das Vorhaben errichtet werden soll, vor der Erteilung der
Baugenehmigung ihr Einvernehmen zum Ausdruck bringen; sie darf das Einvernehmen
aber nur aus Rechtsgründen verweigern; handelt sie rechtswidrig, darf ihr Einverneh-
men durch die nach Landesrecht zuständige Behörde ersetzt werden (§ 36 Abs. 2).
Soweit Ziele der Raumordnung nicht entgegenstehen, kann die Kommune die Ansied-
lung von privilegierten Vorhaben im Außenbereich nicht nur positiv durch die Aufstel-
lung von Bebauungsplänen, sondern auch negativ durch die Darstellung von Konzen-
trationsflächen im Flächennutzungsplan steuern. Bereits 1984 hatte das BVerwG795
(entgegen seiner bis dahin geübten Rechtsprechung und entgegen der bis dahin herr-
schenden Meinung) entschieden, dass sachlich und räumlich hinreichend konkrete
Darstellungen des Flächennutzungsplans auch einem privilegierten Außenbereichsvor-
haben entgegenstehen können. In der Entscheidung führte das Bundesverwaltungsge-
richt aus: § 35 enthalte zwar eine generelle, den §§ 30 und 34 vergleichbare Planung
für den Außenbereich, jedoch keine Entscheidung über den konkreten Standort eines
Vorhabens. Dieser sei unter Beachtung der öffentlichen Belange im Baugenehmigungs-
verfahren festzulegen. Deshalb könnten konkrete, standortbezogene Aussagen des Flä-
chennutzungsplans (und auch von Programmen und Plänen der Landesplanung) als
öffentlicher Belang auch der Zulässigkeit eines privilegierten Vorhabens entgegenste-
hen, wenn der Standort bereits „anderweitig verplant“ sei, obwohl weder der F-Plan
noch die Programme und Pläne der Landesplanung Außenwirkung hätten. Dies gelte
allerdings nicht für privilegierte Vorhaben, die sich bereits vor der höherstufigen Pla-
nung eigentumskräftig verfestigt hätten. Die standortbezogenen Aussagen von Flä-
chennutzungs- und Raumordnungsplänen seien daher nicht wie verbindliche Normen
anzuwenden. Ihre Durchsetzungsfähigkeit resultiere daraus, dass sie Unterstützung
und Fortschreibung tatsächlicher Gegebenheiten seien. Es bleibe also Raum für eine
Abwägung zwischen den Standortinteressen des privilegierten Vorhabens einerseits
und der Bedeutung der flächensperrenden Aussagen des F-Plans bzw. der Landespla-
nung andererseits.
An diese bahnbrechende Rechtsprechung hat der Gesetzgeber angeknüpft, als er im
Zusammenhang mit der bereits zum 1.1.1997 eingeführten Privilegierung der Wind-
energieanlagen einen neuen Satz an § 35 Abs. 3 anfügte. Dort heißt es nunmehr: „Öf-
fentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch
dann entgegen, wenn hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als
Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.“
Damit wurde das Institut der sog. Konzentrationsflächen in das BauGB eingeführt.
Mit der Darstellung von Konzentrationsflächen kann eine Gemeinde ihren Willen zum
Ausdruck bringen, dass die betreffenden Anlagen nur innerhalb dieser Flächen errich-
tet werden sollen – nicht aber an anderer Stelle, für die der Flächennutzungsplan
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
796 BVerwG, B. v. 5.1.1996 – 4 B 306.95 –, BauR 1996, 363; auch schon OVG Nordrhein-Westfalen, U.
v. 23.9.1980 – 7 A 622/80 –, BauR 1980, 549.
797 BVerwG, U. v. 17.12.2002 – 4 C 15.01 –, ZfBR 2003, 370.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
nutzungsplans). Die Vielzahl der dazu geführten Prozesse798 zeigt, welche starken
wirtschaftlichen Interessen hier im Spiel sind.
Die weithin sichtbaren Windenergieanlagen mit ihren massiven, in den Boden versenk-
ten Fundamenten waren wohl auch der Grund dafür, dass seit dem 20.7.2004 alle
Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 nur noch dann zugelassen werden dürfen, wenn
der Antragsteller zuvor eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, mit der er sich
bei endgültiger Aufgabe der Nutzung zum Rückbau der Anlage einschließlich Beseiti-
gung der Bodenversiegelung verpflichtet hat (§ 35 Abs. 5 Satz 2). Die Erfüllung der
Verpflichtung muss (z. B. durch Bankbürgschaft oder Hinterlegung) sichergestellt sein.
Gleichsam die Umkehrung des Grundsatzes der potenziellen Sperrwirkung von Dar-
stellungen im Flächennutzungsplan enthält der 2. Halbsatz von § 35 Abs. 3 Satz 2.
Danach gilt Folgendes:
„Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widerspre-
chen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht ent-
gegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumord-
nung abgewogen worden sind.“
Dieser auf den ersten Blick etwas rätselhaft klingende Satz enthält vor und nach dem
Semikolon zwei recht unterschiedliche Aussagen. Der erste Halbsatz („Raumbedeut-
same Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen“) verschafft
den Zielen der Raumordnung über § 1 Abs. 4 hinaus auch gegenüber einzelnen Vorha-
ben Geltung, wenn es sich um raumbedeutsame Vorhaben handelt. Bei der Anwen-
dung dieses Satzes muss beachtet werden, dass sich die Ziele der Raumordnung grund-
sätzlich nur an öffentliche Planungsträger richten. Sie genießen keinen strikten und
unabdingbaren Geltungsanspruch auch gegenüber privaten Vorhabenträgern. Das
raumordnungsrechtliche Ziel (z. B. Vorranggebiet für Erholung) kann sich gegenüber
einem privaten Vorhaben (z. B. Gipsabbau) nur aufgrund einer „nachvollziehenden
Abwägung“ durchsetzen, innerhalb derer die Belange, die zu der Ausweisung des Ziels
Anlass gegeben haben, den Interessen des Vorhabenträgers gegenüber zu stellen
sind799.
798 Vgl. aus der neueren Zeit nur: BVerwG, U. v. 21.10.2004 – 4 C 2.04 –, juris; BVerwG, U. v. 20.5.2010
– 4 C 7.09 –, BauR 2010, 1879; BVerwG, B. v. 15.9.2009 – 4 BN 25/09 –, BauR 2010, 82; BVerwG,
U. v. 24.1.2008 – 4 CN 2.07 –, NVwZ 2008, 559 = BauR 2008, 951; BVerwG, B. v. 12.7.2006 – 4 B
49.06 –, ZfBR 2006, 679; BVerwG, B. v. 16.3.2006 – 4 BN 38.05 –, ZfBR 2006, 468; BVerwG, B. v.
28.11.2005 – 4 B 66.05 –, BauR 2006, 495; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 24.2.2011 – OVG 2 A
2.09 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 14.9.2010 – OVG 2 A 1.10 –, juris; OVG Berlin-Branden-
burg, U. v. 21.9.2007 – OVG 10 A 9/05 –, juris; Niedersächsisches OVG, U. v. 18.5.2007 – 12 LB 8/
07 –, ZNER 2007, 229; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.3.2007 – OVG 10 A 3.05 –, juris; OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 9.8.2006 – 8 A 3726/05 –, BauR 2007, 74; OVG Bautzen, U. v. 7.4.2005
– 1D 2.03 – juris; BVerwG, B. v. 29.3.2010 – 4 BN 65.09 –, BauR 2010, 2075; BVerwG, U. v.
20.5.2010 – 4 C 7.09 –, BauR 2010, 1880; BVerwG, U. v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 –, BauR 2010, 1874;
BVerwG, U. v. 1.7.2010 – 4 C 6.09 –, BauR 2011, 98; BVerwG, B. v. 25.8. 2010 – 4 B 17.10 –, BauR
2011, 96; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 24.6.2010 – 8 A 2764/09 –, BauR 2011, 253 (Bestätigung
des OVG-Urteils zur optisch bedrängenden Wirkung von WEA); BVerwG, B. v. 23.12.2010 – 4 B
36.10 –, BauR 2011, 813; Niedersächsisches OVG, U. v. 31.3.2011 – 12 KN 187/08 –, BauR 2011,
1300; Hessischer VGH, U. v. 17.3.2011 – 4 C 883/10.N –, BauR 2012, 459; Niedersächsisches OVG,
U. v. 8.3.2012 – 12 LB 244/10 –, BauR 2012, 1072; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.7.2012 – 10
D 47/10.NE –, BauR 2012, 1898; Sächsisches OVG, U. v. 3.7.2012 – 4 B 808/06 –, BauR 2012, 1904;
BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 –, juris; BVerwG, U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12 –, juris.
799 BVerwG, U. v. 19.7.2001 – 4 C 4.00 –, ZfBR 2002, 65; OVG Niedersachsen, B. v. 16.5.2013 – 12 LA
49/12 –, FuNds 2014, 114; BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 –, I+E 2014, 115; OVG Lüneburg,
U. v. 17.6.2013 – 12 KN 80/12 –, NJOZ 2018, 18; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 1.7.2013 – 2 D
46/12.NE –, UPR 2014, 153; OVG Niedersachsen, U. v. 28.8.2013 – 12 KN 22/10 –, – 12 KN 146/
12 –, FuNds 2014, 118; OVG Niedersachsen, U. v. 11.11.2013 – 12 LC 257/12 –, ZfBR 2014, 268;
OVG Thüringen, U. v. 26.3.2014 – 1 N 676/12 –, ThürVBl. 2015, 111; OVG Niedersachsen, U. v.
14.5.2014 – 12 KN 29/13 –, BauR 2015, 50; OVG Lüneburg, U. v. 14.5.2014 – 12 KN 244/12 – FuB
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
2014, 239; OVG Schleswig, U. v. 20.1.2015 – 1 KN 6/13 –, NordÖR 2015, 261; BVerwG, B. v. 9.2.2015
– 4 BN 20.14 –, ZfBR 2015, 489; OVG Niedersachsen, U. v. 30.7.2015 – 12 KN 220/14 –, BauR 2015,
1829; OVG Niedersachsen, U. v. 30. 7.2015 – 12 KN 265/13 –, BauR 2016, 63; BVerwG, U. v. 18.8.2015
– 4 CN 7.14 –, ZfBR 2016, 50; OVG Berlin–Brandenburg, U. v. 10.11.2015 – OVG 10 A 7.13 –, ZfBR
2016, 283; OVG Sachsen–Anhalt, U. v. 20.1.2016 – 2 L 153/13 –, NuR 2016, 642; BVerwG, B. v.
10.2.2016 – 4 BN 37.15 –, ZfBR 2016, 376; BVerwG, B. v. 10.3.2016 – 4 B 7.16 –, ZfBR 2016, 378;
BVerwG, B. v. 24.3.2016 – 4 BN 42.15 –, BBB 2016, 61; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 9.5.2016 – 2
B 999/15.NE –, ZfBR 2016, 807; BVerwG, B. v. 12.5.2016 – 4 BN 49.15 –, ZfBR 2016, 587; OVG
Niedersachsen, U. v. 23.6.2016 – 12 KN 64/14 –, ZfBR 2016, 689; OVG Lüneburg, U. v. 6.4.2017 – 12
KN 6/16 –, UPR 2017, 280; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 17.5.2017 – 2 D 22/15.NE –, KommJur
2017, 380; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 9.6.2017 – 8 B 1264/16 –, NWVBl. 2017, 473; OVG Nieder-
sachsen, U. v. 13.7.2017 – 12 KN 206/15 –, DÖV 2017, 878; OVG Rheinland–Pfalz, B. v. 25.7.2017 – 8
B 10987/17 –, NuR 2018, 45; OVG Niedersachsen, U. v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16 –, FuBW 2018,
428; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 21.11.2017 – 8 B 935/17 –, I+E 2018, 125; OVG Nordrhein–
Westfalen, B. v. 29.11.2017 – 8 B 663/17 –, UPR 2018, 240; BVerwG, B. v. 21.12.2017 – 4 BN 3.17 –,
DÖV 2018, 289; VGH Hessen, B. v. 25.1.2018 – 4 B 11535/17.N –, ZfBR 2018, 382; OVG Nordrhein–
Westfalen, B. v. 20.2.2018 – 8 B 840/17 –, NWVBl. 2018, 295; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 6.3.2018
– 2 D 95/15.NE –, ZfBR 2018, 602; OVG Niedersachsen, U. v. 15.3.2018 – 12 KN 38/17 –, DÖV 2018,
581; OVG Niedersachsen, B. v. 6.4.2018 – 12 KN 243/17 –, NdsVBl. 2018, 6; OVG Lüneburg, B. v.
11.5.2018 – 12 MN 40/18 –, NordÖR 2018, 412; OVG Mecklenburg–Vorpommern, B. v. 8.5.2018 – 3
M 22/16 –, NVwZ–RR 2018, 5; OVG Niedersachsen, B. v. 15.6.2018 – 12 ME 85/18 –, NdsVBl. 2018,
5.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
lässig, mit denen z. B. die Standorte der Anlagen näher bestimmt und auch
Höhenbegrenzungen vorgenommen werden dürfen (siehe auch Kapitel B.IV.)800.
Bei allen landesplanerischen Gebietsausweisungen mit Sperrwirkung ist der oben be-
reits erwähnte Grundsatz zu beachten, dass sich die Vorgaben der Raumordnung in
erster Linie an die planende oder standortgenehmigende Verwaltung richten – nicht
an private Vorhabenträger (mit Ausnahme der „halböffentlichen“ Vorhabenträger
nach § 4 Abs. 1 Satz 2 ROG, an denen öffentliche Stellen mehrheitlich beteiligt sind
oder deren Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finan-
ziert werden). Nach § 4 Abs. 1 ROG sind die Ziele der Raumordnung bei (1) raumbe-
deutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen, (2) Entscheidungen öf-
fentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen
anderer öffentlicher Stellen sowie bei (3) Entscheidungen öffentlicher Stellen über die
Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privat-
rechts, die der Planfeststellung oder der Genehmigung mit den Rechtswirkungen der
Planfeststellung bedürfen, zu beachten. Allerdings gilt auch dies nur nach Maßgabe
einer „nachvollziehenden Abwägung“: Nur die Belange, die durch das Ziel der Raum-
ordnung legitimerweise erfasst werden konnten und sollten und im Rahmen der Ab-
wägung abwägungsgerecht behandelt wurden, entfalten gegebenenfalls Sperrwirkung.
Kleinräumige Einzelfallentscheidungen sind – jedenfalls im Regelfall – nicht Gegen-
stand der Regionalplanung. Sie werden daher von ihr auch nicht parzellenscharf er-
fasst. Wenn die Kommune als Trägerin der Flächennutzungsplanung nicht die Mög-
lichkeit sieht, aufgrund örtlicher Besonderheiten eine ausgewogene Planung zu
beschließen, bleibt ihr nur übrig, die Zulassung von Windenergieanlagen unter An-
wendung des § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 „durch das Geltendmachen von öffentli-
chen Belangen im Einzelfall zu steuern.“801
b) Die nichtprivilegierten Vorhaben. Alle Vorhaben, die nicht unter § 35 Abs. 1 Nr. 1
bis 8 subsumiert werden können, sind nicht privilegiert, sie gehören nicht in den Au-
ßenbereich. Gemäß § 35 Abs. 2 können sie im Einzelfall aber dennoch als „sonstige
Vorhaben“ zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Be-
lange nicht beeinträchtigt. Diese Generalklausel liest sich auf den ersten Blick recht
großzügig. Es wird der Eindruck erweckt, als hätte man auch nach Abs. 2 gute Chan-
cen für die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich. Diese Zuversicht wird
jedoch nachhaltig getrübt, wenn man im § 35 Abs. 3 nachliest, welche öffentlichen
Belange einem Vorhaben insbesondere entgegengehalten werden können. Zu diesen
öffentlichen Belangen zählen die Darstellungen des Flächennutzungsplans, die Darstel-
lungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, schädliche Umwelteinwirkungen
sowie unwirtschaftliche Aufwendungen für Erschließungsmaßnahmen (im Einzelnen
aufgeführt in Bild 49).
800 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 2.4.2003 – 7 B 235/03 –, ZfBR 2003, 573 (Höhenbegrenzung durch
B-Plan mit Veränderungssperre); Niedersächsisches OVG, 22.7.2003 – 1 LA 238/02 –, ZfBR 2003,
786 (Höhenbegrenzung zulässig); Niedersächsisches OVG, 16.7.2003 – 1 LA 277/02 –, ZfBR 2003,
788 (Begrenzung der Zahl der Anlagen zulässig). Aber: Keine Veränderungssperre für das gesamte
Gemeindegebiet: Niedersächsisches OVG, 18.6.2003 – 1 KN 56/03 –, ZfBR 2003, 790.
801 BVerwG, B. v. 15.9.2009 – 4 B 51.09 –, BauR 2010, 64.
339
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Bild 49: Öffentliche Belange als Hinderungsgründe gegen das Bauen im Außenbereich
Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt beim Bauen im Außenbereich im Sinne des § 35 Abs. 2
BauGB insbesondere in folgenden Fällen vor:
1. Widerspruch zu Darstellungen eines Flächennutzungsplans;
2. Widerspruch zu Darstellungen eines Landschaftsplans oder eines sonstigen Fachplans, insbeson-
dere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts;
3. Schädliche Umwelteinwirkungen können durch das Vorhaben hervorgerufen werden, oder das Vorha-
ben wäre solchen ausgesetzt;
4. Verursachung unwirtschaftlicher Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für
Anlagen der Ver- oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben;
5. Beeinträchtigung von Belangen des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des
Denkmalschutzes oder der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes, Verun-
staltung des Orts- und Landschaftsbilds;
6. Beeinträchtigung von Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur, Gefährdung der Wasserwirt-
schaft oder des Hochwasserschutzes;
7. Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung;
8. Störung der Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen.
Nur die vier fett gedruckten öffentlichen Belange können begünstigten Vorhaben nicht entgegen-
gehalten werden.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Soweit Stand-
orte für raumbedeutsame Vorhaben bereits durch höherstufige Pläne der Landesplanung festgelegt
sind, können ihnen öffentliche Belange auf der örtlichen Ebene nicht mehr entgegengehalten werden.
Sofern es um raumbedeutsame Vorhaben geht, dürfen diese den Zielen der Raumord-
nung nicht widersprechen. Ziele der Raumordnung sind nicht durch Abwägung über-
windbar.
Diese lange, noch erweiterungsfähige Liste macht deutlich, dass nichtprivilegierte Vor-
haben nur selten genehmigungsfähig sind. Praktisch besteht insoweit im Außenbereich
ein Bauverbot. Auch die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst vermag daran
wenig zu ändern, wenn sie z. B. für die Aufstellung von Monumentalplastiken griechi-
scher Göttinen im Außenbereich in Anspruch genommen wird802. Umstritten ist die
Frage, ob der Baugenehmigungsbehörde (und gegebenenfalls auch der Gemeinde im
Rahmen des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1) bei der Genehmigung von nichtprivile-
gierten Vorhaben im Außenbereich ein Ermessen zusteht oder nicht. Der Wortlaut des
Gesetzes spricht eindeutig für ein solches Ermessen, denn sonstige Vorhaben „können“
(nach § 35 Abs. 2) im Einzelfall zugelassen werden. Das Bundesverwaltungsgericht
hat sich allerdings in einer Entscheidung aus dem Jahr 1964803 unter Berufung auf die
Eigentumsgarantie auf einen anderen Standpunkt gestellt: Wenn die Tatbestandsvo-
raussetzungen des § 35 Abs. 2 vorlägen, müsse das Vorhaben genehmigt werden. Da-
bei käme der Genehmigungsbehörde kein Ermessen zu.
Des Rätsels Lösung liegt in grundsätzlichen dogmatischen Erwägungen über die
Rechtsnatur des Ermessens: Wenn feststeht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des
§ 35 Abs. 2 vorliegen, also durch „Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens öf-
fentliche Belange nicht beeinträchtigt werden“, ist es in der Tat gerecht, dem Eigentü-
mer einen Anspruch auf Zulassung zu gewähren. Die Frage ist nur, wer in erster
Linie dazu aufgerufen ist, die Feststellung zu treffen, dass öffentliche Belange nicht
beeinträchtigt sind: Soll dies die Genehmigungsbehörde unter Gewährung eines rechts-
staatlich gebundenen Einschätzungsermessens tun – oder gibt es „nur eine richtige
Entscheidung“, über die letztlich die Verwaltungsgerichte zu befinden haben?804 Wer
auch immer für die Auslegung zuständig ist, muss beachten, dass der Tatbestand des
802 BVerwG, B. v. 13.4.1995 – 4 B 70/95 –, ZfBR 1995, 273 (Artemis und Aurora von Arno Breker).
803 BVerwG, U. v. 29.4.1964 – 1 C 30.62 –, BVerwGE 18, 247 (250).
804 Näheres zu dieser Frage bei Gerd Schmidt-Eichstaedt, Ermessen, Beurteilungsspielraum und eigenver-
antwortliches Handeln der Verwaltung, in: AöR Bd. 98 (1973), 173 ff.; vgl. auch Karsten-Michael
Ortloff, Ermessen in § 35 Abs. 2 BauGB – Hat der Gesetzgeber doch recht?, in: NVwZ 1988, 320
sowie Heribert Fislake, Das Ermessen in § 35 Abs. 2 BauGB, in: ZfBR 1988, 166.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
„Beeinträchtigens“ (§ 35 Abs. 2) eher gegeben ist als „das Entgegenstehen“ eines öf-
fentlichen Belangs (§ 35 Abs. 1). Bei privilegierten Vorhaben muss der öffentliche Be-
lang frontal „entgegenstehen“, um ein Vorhaben unzulässig zu machen; bei nichtprivi-
legierten Vorhaben genügt es, wenn ein öffentlicher Belang gleichsam nur am Rande
„beeinträchtigt“ wird, und schon ist das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Eine
Gruppe unter den nichtprivilegierten Vorhaben hat der Gesetzgeber allerdings doch
wieder positiv hervorgehoben, indem er ihre Genehmigung etwas erleichtert hat. Diese
Vorhaben, die alle an bereits bestehende bauliche Anlagen im Außenbereich anknüp-
fen, sind unter der Überschrift „begünstigte Vorhaben“ zusammenzufassen. Einen ers-
ten Überblick über die „begünstigten Vorhaben“ gibt das Bild 50, in dem auch die
dreifache Abstufung der Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben im Außenbereich noch
einmal verdeutlicht ist.
c) Die begünstigten Vorhaben. Bis 1976 gab es nur den krassen Gegensatz zwischen
den privilegierten und den nichtprivilegierten Vorhaben. Dies wirkte sich besonders
hart in den Fällen einer „Entprivilegierung“ aus. Von einer Entprivilegierung spricht
man, wenn die Nutzung eines bislang nach § 35 Abs. 1 in den Außenbereich gehören-
den und damit privilegierten Gebäudes (z. B. eines Bauernhofs) in der bisherigen Form
aufgegeben und durch eine nichtprivilegierte Nutzung (z. B. durch Vermietung als Feri-
enwohnung) ersetzt werden soll. Solche Nutzungsänderungen sind genehmigungs-
pflichtig; bis 1976 waren sie häufig nicht genehmigungsfähig – eben weil die Gebäude
durch die Nutzungsänderung entprivilegiert wurden805, die angestrebte Nutzung ge-
hörte „eigentlich“ nicht in den Außenbereich. Wurde die Nutzungsänderung dement-
sprechend nicht genehmigt, mussten die Gebäude dem Verfall preisgegeben werden –
ein sowohl wirtschaftlich als auch allgemein sehr unbefriedigendes Ergebnis. Um dem
abzuhelfen, wurden 1976 die ersten begünstigten Vorhaben in das Bundesbaugesetz
eingeführt. Das gemeinsame Merkmal aller begünstigten Vorhaben ist, dass sich die
Begünstigung auf im Außenbereich bereits vorhandene, zulässigerweise806 errichtete
bauliche Anlagen bezieht, die nun (in der Regel wegen einer Nutzungsänderung) nicht
mehr zu den privilegierten Vorhaben gehören. Ein klassisches Beispiel dafür sind ei-
gentlich erhaltenswerte, das Bild der Kulturlandschaft prägende Gebäude, deren Nut-
zung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgegeben worden ist. Man denke z. B.
an eine alte, aber noch gut erhaltene Windmühle, in der schon lange kein Getreide
mehr zu Mehl gemahlen wird. Steht sie an landschaftlich reizvoller Stelle, wäre es
schade, wenn sie verfallen müsste807. Wenn sich jemand findet, der in diesem Gebäude
einen Jugendtreffpunkt, eine Teestube oder ein Museum einrichtet, dann ist dies eine
bessere Lösung als der Verfall. Das Gesetz ermöglicht diese Umnutzung, wenn das
Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung des Gebäudes und der Erhaltung des Ge-
staltwertes dient (vgl. § 35 Abs. 4 Ziffer 4).
805 Zur Problematik vgl. insbesondere BVerwG, U. v. 15.11.1974 – 4 C 32.71 –, BauR 1975, 44.
806 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit muss geprüft worden sein; nach BauO genehmigungsfreie Vor-
haben sind keine „zulässigerweise errichteten“ Gebäude im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB – so BVerwG,
8.10.1998 – 4 C 6.97 –, ZfBR 1999, 46.
807 Bereits zu Ruinen verfallene Gebäude sind nicht mehr begünstigt: BVerwG, U. v. 18.8.1982 – 4 C 33/
81 –, NJW 1983, 949; ebenso BVerwG, B. v. 18.9.1984 – 4 B 203/84 –, NVwZ 1985, 184. Zur
Nutzungsänderung eines alten Bahnhofs vgl. BVerwG, B. v. 17.1.1991 – 4 B 186/90 –, ZfBR 1991,
131. Zum Begriff des die Kulturlandschaft prägenden Gebäudes BayVGH, U. v. 25.1.1995 – 2 B
92.2869 –, NVwZ-RR 1995, 320.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Nicht kulturell von Belang, aber wirtschaftlich sinnvoll ist es, wenn ein nicht mehr
für die Landwirtschaft genutztes Gebäude einer neuen Nutzung als Ponyhof oder
Landmaschinenwerkstatt oder auch nur als Reifenlager808 zugeführt wird; derartige
Nutzungsänderungen sind zulässig, wenn sie sieben, im Gesetz in § 35 Abs. 4 Nr. 1
genannte Bedingungen erfüllen, darunter die Voraussetzung, dass die äußere Gestalt
des Gebäudes im Wesentlichen erhalten bleiben muss, was demnach nicht ausschließt,
dass teils erhebliche bauliche Änderungen im Gebäudeinnern möglich und zulässig
sind. Als im Wesentlichen erhalten erkennt der Bayerische VGH die äußere Gestalt
des Gebäudes, wenn von den die äußere Gestalt bestimmenden Gebäudeteilen (Außen-
wände, Dach) wesentliche Teile erhalten werden809. Das BauGB erlaubt seit dem Ge-
setz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zudem unter bestimmten Be-
dingungen den Gebäudeabriss und Neubau von einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb dienenden Gebäuden. Hierfür kommt nur ein begründeter Einzelfall in Frage,
in dem
1) das abzubrechende ursprüngliche Gebäude wegen seines äußeren Erscheinungs-
bilds auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert erscheint,
808 Vgl. Hessischer VGH, U. v. 20.1.1984 – 4 OE 22/81 –, BauR 1984, 274 (Umnutzung abgelehnt).
809 VGH Bayern, U. v. 5.2.2007 – 1 BV 05/2981 –, BauR 2007, 1693.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
2) die Neuerrichtung keine stärkere Belastung des Außenbereichs erwarten lässt, als
sie zu erwarten wäre, wenn im Zusammenhang mit dem Gebäude auf eine andere
Begünstigung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 zurückgegriffen würde,
3) die Neuerrichtung mit den nachbarlichen Interessen vereinbar ist,
4) die sechs Bedingungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe b) bis g) eingehalten wer-
den.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 sind in einem solchen Einzelfall – gemessen am beseitigten
Gebäude – sogar eine geringfügige Erweiterung des neuen Gebäudes und selbst gering-
fügige Abweichungen vom bisherigen Standort zulässig.
Die Nutzungsänderung – oder auch der Abriss und Neubau – kann sowohl Anlagen
betreffen, die insgesamt „entprivilegiert“ sind (also die Umnutzung eines ehemaligen
Bauernhofes insgesamt) als auch einzelne Gebäude im räumlich funktionalen Zusam-
menhang mit der Hofstelle eines noch laufenden land- oder forstwirtschaftlichen Be-
triebs oder auch nur Gebäudeteile810. Die Gebäude(teile) bleiben auf diese Weise erhal-
ten und werden zweckmäßig verwendet. In jedem Fall unzulässig sind Umnutzung
und/oder Umbau von frei in der Landschaft stehenden Gebäuden ohne Anschluss an
die (ehemalige) Hofstelle. Umbau und Umnutzung für Wohnzwecke dürfen nicht mehr
als drei zusätzliche Wohnungen erzeugen. Zu den sieben Bedingungen gehört nach
§ 35 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c) auch, dass die Aufgabe der bisherigen Nutzung nicht
länger als sieben Jahre zurückliegt. Nach § 245b Abs. 2 können die Länder jedoch
bestimmen, dass diese Frist nicht anzuwenden ist. Von dieser Möglichkeit haben einige
Länder Gebrauch gemacht: Baden-Württemberg (§ 1 AGBauGB BaWü), Bayern
(Art. 82 BayBO), Mecklenburg-Vorpommern (§ 3 AGBauGB M-V), Niedersachsen
(§ 1 NBauGBDG), Nordrhein-Westfalen (§ 1 BauGB-AG NRW) und Schleswig-Hol-
stein (Art. 1 Abs. 3 AGBauGB S-H).
Der Aus- und Umbau von Wohngebäuden im Außenbereich ist sogar in der Weise
zulässig, dass anstelle eines mangelhaften Gebäudes, das zulässigerweise als Wohnhaus
errichtet worden ist811, ein gleichartiges Wohngebäude an (im Wesentlichen) gleicher
Stelle errichtet wird (§ 35 Abs. 4 Nr. 2)812. Ebenso wie eine Erweiterung ist der Neu-
bau allerdings nur dann zulässig, wenn damit der Eigenbedarf des bisherigen Eigentü-
mers, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, oder seiner Familie erfüllt wird (§ 35
Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d) und Nr. 5 Buchst. c)); wer zur Familie gehört, richtet sich nach
§ 8 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes813. Wohnzeiten anderer Voreigentümer sind
nicht anzurechnen814, wohl aber die eines Erblassers. Eine Erweiterung muss auch im
Verhältnis zum bereits vorhandenen Wohngebäude und unter Berücksichtigung der
Wohnbedürfnisse der angestammten Bewohner „angemessen“ sein; denn zur Weiter-
vermietung an Städter sollen die Ausbauten nicht dienen. Die Erweiterung ist auf bis
zu höchstens zwei Wohnungen begrenzt. Im Zusammenhang mit der Erweiterung eines
Wohngebäudes im Außenbereich auf bis zu höchstens zwei Wohnungen nach § 35
Abs. 4 Nr. 5 hat das Bundesverwaltungsgericht eine alte Position zum Bestandsschutz
im Urteil vom 8.10.1998 – 4 C 6.97 –, BVerwGE 107, 264 aufgegeben. Ein Gebäude
gilt nach neuer Rechtsprechung als zulässigerweise errichtet im Sinne des § 35 Abs. 4
Nr. 5 a), wenn das Gebäude entweder „in Übereinstimmung mit dem materiellen Be-
bauungsrecht errichtet oder wenn – trotz materieller Illegalität – eine Baugenehmigung
810 BayVGH, U. v. 28.9.2001 – 1 B 00.2504 –, ZfBR 2002, 170 (Umbau des Mitteltrakts eines Bauern-
hofs).
811 “Zulässigerweise errichtet“ sind genehmigte oder im Zeitpunkt ihrer Errichtung genehmigungsfähige
Gebäude; vgl. BVerwG, U. v. 8.6.1979 – 4 C 23.77 –, NJW 1980, 1010.
812 Zu den Grenzen siehe BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 C 4.03 –, ZfBR 2004, 456.
813 BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 82.77 –, NJW 1981, 1225, bestätigt von BVerwG, B. v. 31.5.1988 –
4 B 88/88 –, ZfBR 1988, 285–286.
814 BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 82.77 –, NJW 1981, 1225 und BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 2.78 –,
NJW 1981, 2143; vgl. auch BVerwG, B. v. 10.3.1988 – 4 B 41/88 –, ZfBR 1988, 198.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
erteilt worden ist“815. In dem Urteil aus dem Jahr 1998 wurde solchen baulichen
Anlagen der Bestandsschutz abgesprochen, deren Errichtung nicht den bundesrechtli-
chen Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprach.
Auch ehemals zulässigerweise errichtete gewerbliche Betriebe im Außenbereich dürfen
nach Entprivilegierung noch baulich erweitert werden, wenn die Erweiterung im Ver-
hältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist (vgl. § 35 Abs. 4
Nr. 6816). Insbesondere in diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, dass es
neben den gesetzlichen Tatbeständen keine Ansprüche auf Zulassung von Vorhaben
aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes gibt!817
Für alle diese Vorhaben (schließlich auch noch für die Wiedererrichtung von durch
Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten Gebäuden
an gleicher Stelle und in gleichartiger Weise, vgl. § 35 Abs. 4 Nr. 3818) hat der Gesetz-
geber in § 35 Abs. 4 angeordnet, dass dem Aus-, Um- oder Neubau bestimmte öffentli-
che Belange nicht entgegengehalten werden können, die üblicherweise die Unzulässig-
keit des Umbaus, des Ausbaus, der Umnutzung oder des Wiederaufbaus dieser nicht
mehr privilegierten Gebäude herbeiführen würden. Folgende öffentliche Belange sind
nicht als Ablehnungsgründe verwendungsfähig:
– Widersprüche zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Land-
schaftsplans;
– die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft;
– die Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung.
Bildlich ausgedrückt ist bei den begünstigten Vorhaben die Schranke der Unzulässig-
keit zwar nicht ganz, aber doch halb geöffnet, so dass die Chance der Genehmigung
weitaus größer ist als bei sonstigen nichtprivilegierten Vorhaben. Es bleibt aber darauf
hinzuweisen, dass alle die öffentlichen Belange, deren Schrankenwirkung durch § 35
Abs. 4 nicht beseitigt ist, dem Antrag auf Zulassung eines begünstigten Vorhabens
durchaus entgegengehalten werden können819. Die Um-, Aus- und Neubauvorhaben
sind nur zulässig, sofern sie im Übrigen auch unter Berücksichtigung des § 35 Abs. 5
Satz 1 „außenbereichsverträglich“ sind (also in einer flächensparenden, die Bodenver-
siegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden
Weise gebaut sind) und solange sie nicht zu wesentlichen Veränderungen820 im Ver-
gleich mit dem bisherigen Gebäudebestand führen.
Besonders wichtig ist die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 6 für solche Aus- und
Umbauten von Betrieben im Außenbereich, für die der Bestandsschutz gilt. Bestands-
schutz heißt, dass ein materiell zulässigerweise errichtetes Gebäude nicht abgerissen
zu werden braucht, wenn sich die rechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit des Bau-
ens am Standort des Gebäudes ändern. Ein zunächst im Außenbereich nach § 35 zuläs-
siger Gewerbebetrieb braucht z. B. nicht deshalb eingestellt zu werden, weil er heute
an der gleichen Stelle nicht mehr errichtet werden dürfte. Der Gewerbebetrieb darf
allerdings auch nicht mehr ausgebaut, sondern nur noch in seinem Bestand gehalten
werden. Nach Einführung der begünstigten Vorhaben gibt es neben den gesetzlich
geregelten Möglichkeiten keinen auf Bestandsschutz gegründeten Anspruch auf Bauge-
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
821 Vgl. BVerwG, B. v. 18.7.1997 – 4 B 116/97 –, GuG 1998, 125 unter Einschränkung von BVerwG, U.
v. 17.1.1986 – 4 C 80/82 –, DVBl. 1986, 677.
822 Vgl. BVerwG, U. v. 24.5.1988 – 4 C 62.66 –, BauR 1988, 574; BVerwG, U. v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 –,
DÖV 1996, 42.
823 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 13.6.2006 – 4 C 2.05 –, BauR 2006, 1858.
824 Zu den Merkmalen einer Splittersiedlung vgl. BVerwG, B. v. 22.5.2014 – 4 B 45.14 –, ZfBR 2015,
584.
825 Niedersächsisches OVG, 27.7.2000 – 1 L 4472/99 –, ZfBR 2001, 66.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
829 Vgl. dazu grundlegend BVerwG, U. v. 17.12.1964 – 1 C 36.64 –, BVerwGE 20, 127.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
werden können. Eine Befreiung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der
Planinhalt im Übrigen schon so gefestigt ist, dass sich eine Planänderung „nicht mehr
lohnt“. Wenn sich die Planaufstellung noch in einem recht frühen Stadium befindet,
kann stets der Plan noch dem Vorhaben angepasst werden.
Neben dem Vorliegen eines bekanntgemachten Aufstellungsbeschlusses müssen für
eine Genehmigung nach § 33 noch drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum ersten muss
feststehen, dass der alsbald zu verabschiedende Bebauungsplan nicht plötzlich doch
noch geändert wird; zum zweiten muss der Antragsteller unterschreiben, dass er die
erst zukünftig verbindlichen Festsetzungen für sich und seine Nachfolger bereits jetzt
anerkennt. (Ein solches Anerkenntnis bezieht sich gegebenenfalls auch auf im Plan
enthaltene Festsetzungen nach Landesrecht830). Drittens muss die Erschließung gesi-
chert sein.
Um die erste dieser drei Voraussetzungen sicherzustellen, ordnet das Gesetz im § 33
Abs. 1 unter Ziffer 1 an, dass eine Genehmigung nach § 33 grundsätzlich erst dann
erteilt werden darf, wenn die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 durchgeführt und
die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 beteiligt wor-
den sind. Auch die in § 4a Abs. 2 bis 5 genannten Schritte müssen – soweit erforderlich
(Beteiligung über das Internet, erneute öffentliche Auslegung und Behördenbeteili-
gung/Unterrichtung bzw. Beteiligung von Gemeinden und Behörden eines Nachbar-
staats) – erfolgt sein. Erst nach Durchführung aller etwa erforderlichen Beteiligungs-
schritte einschließlich einer wiederholten öffentlichen Auslage besteht eine große
Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine neuen Argumente mehr auftauchen werden und
der Plan somit in seinen Einzelheiten nicht mehr geändert werden wird. Man spricht
unter diesen Umständen von der „formellen und materiellen Planreife“ des B-Plans.
Praktisch tritt diese „Planreife“ erst kurz vor oder erst mit dem Satzungsbeschluss der
Gemeindevertretung ein, denn erst dann steht fest, dass die Gemeinde von sich aus ihr
Konzept nicht mehr ändern wird, erst dann kann mit hinreichender Sicherheit beurteilt
werden, ob das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Plans nicht entgegenstehen
wird.
Der Zeitgewinn durch eine Genehmigung nach § 33 Abs. 1 gegenüber einer Genehmi-
gung nach § 30 beträgt nicht selten nur relativ kurze Zeit. Dies gilt umso mehr, seitdem
durch das BauROG 1998 alle aus dem F-Plan entwickelten B-Pläne von der Genehmi-
gungspflicht freigestellt sind. Diese Pläne können unmittelbar nach dem Satzungsbe-
schluss bekannt gemacht und damit in Kraft gesetzt werden. Selbst wenn der B-Plan
genehmigt werden muss, beträgt der Zeitgewinn nach § 33 Abs. 1 nur wenige Monate,
denn üblicherweise wird ein genehmigungsbedürftiger Bebauungsplan sofort nach dem
Satzungsbeschluss der Aufsichtsbehörde mit dem Ziel vorgelegt, ihn nach Genehmi-
gung, spätestens nach Ablauf der Genehmigungsfrist (i. d. R. drei Monate) als rechts-
verbindlich bekanntmachen zu können.
Im regulären Planaufstellungsverfahren kann eine Zulassung von Vorhaben vor der
Rechtsverbindlichkeit des Plans nur dann erfolgen, wenn mindestens eine öffentliche
Auslegung und eine förmliche Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfolgt sind.
Muss ein Plan nach § 4a Abs. 3 erneut ausgelegt und den Behörden zur Stellungnahme
vorgelegt werden, kommt die Zulassung eines Vorhabens vor diesen Beteiligungs-
schritten in Frage, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des B-
Planentwurfs nicht auf den Teilbereich auswirkt, in dem das Vorhaben realisiert wer-
den soll, und wenn im Übrigen die materielle Planreife gegeben ist. Man spricht in
diesem Zusammenhang von der teilweisen Planreife. Die teilweise Planreife kann zu
einem erheblichen Zeitgewinn für die Genehmigung von Vorhaben im „unstreitigen
Teil“ des Plangebiets führen. Hier ist § 33 von großem Nutzen.
348
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
In der Praxis gibt es zudem Bebauungspläne, die schon vor der öffentlichen Auslegung
und vor der förmlichen Einschaltung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange so weit stabilisiert sind, dass man ohne Risiko Genehmigungen nach § 33
erteilen könnte; sie sind dann materiell, aber noch nicht formell planreif. Solche Situa-
tionen sind beispielsweise dann gegeben, wenn der B-Plan durch eine öffentlich disku-
tierte städtebauliche Rahmenplanung so weitgehend vorstrukturiert worden ist, dass
praktisch nur noch die bereits gefundene Lösung aufgezeichnet wird. Bis zum Inkraft-
treten des EAG Bau 2004 konnte man in solchen Fällen zur Erzielung weiteren Zeitge-
winns eine Genehmigung nach § 33 Abs. 2 erteilen. Danach bestand die Möglichkeit,
bereits vor der Durchführung der öffentlichen Auslegung und vor der förmlichen Be-
teiligung der Träger öffentlicher Belange ein Vorhaben zuzulassen, wenn die sonstigen
Voraussetzungen der Vorschrift (materielle Planreife) gegeben waren und den betroffe-
nen Bürgern und berührten Trägern öffentlicher Belange zuvor (z. B. anlässlich der
Aufstellung eines städtebaulichen Rahmenplans) Gelegenheit zur Stellungnahme gege-
ben worden war. Seit Inkrafttreten des EAG Bau ist dies im regulären Planaufstellungs-
verfahren nicht mehr möglich, weil ohne mindestens eine öffentliche Auslegung und
ohne mindestens eine förmliche Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffent-
licher Belange die Verfahrensanforderungen der Umweltprüfung nicht erfüllt sind.
Schlussfolgerichtig lässt sich diese Variante, also die mögliche Zulassung eines Vorha-
bens vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, die seit dem
EAG Bau in § 33 Abs. 3 geregelt ist, nur bei B-Planverfahren anwenden, die ohne
Durchführung einer Umweltprüfung auskommen, also auf Pläne, die im vereinfachten
(§ 13) bzw. im beschleunigten Verfahren (§ 13a oder § 13b) aufgestellt, geändert oder
ergänzt werden. Voraussetzung ist weiterhin die materielle Planreife. Der betroffenen
Öffentlichkeit sowie den berührten Behörden und Trägern öffentlicher Belange ist
dann allerdings vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme inner-
halb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit
hatten. Erleichterungen nach § 33 Abs. 2 beschränken sich darauf, die Genehmigung
eines Vorhabens bereits vor einer erneuten Auslegung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 zu ge-
statten, wenn sich die zur Notwendigkeit der erneuten Auslegung führende Änderung
oder Ergänzung des B-Plans nicht auf das betreffende Vorhaben auswirkt und im
Übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 (Planreife, Erschließung, Anerkenntnis)
gegeben sind. Wie auch in den Fällen des Absatzes 1 muss der Antragsteller die künfti-
gen Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennen, bevor
die Baugenehmigung erteilt wird. Befreiungen von einzelnen Festsetzungen dürften in
diesem frühen Stadium des Plans untunlich sein, weil der Planentwurf hier noch jeder-
zeit eventuell veränderten Anforderungen angepasst werden kann. Der § 33 Abs. 2
dürfte auch in den Fällen anwendbar sein, in denen das Aufstellungsverfahren eines
B-Plans wegen zu spät oder sogar erst vom Gericht entdeckter Formfehler in der Betei-
ligung ab Auslegung wiederholt werden muss, ohne dass der Plan inhaltlich geändert
wird.
In Bild 51 ist die Rechtslage zu § 33 noch einmal zusammengefasst.
Bild 51: Die Genehmigung von Vorhaben während der Planaufstellung nach § 33 BauGB
Die Genehmigung von Vorhaben während der Aufstellung eines Bebauungsplans ist sowohl im regulä-
ren als auch im vereinfachten und im beschleunigten Verfahren der Planaufstellung möglich.
I. Im regulären Verfahren der Planaufstellung ist die Erteilung einer planungsrechtlichen Ge-
nehmigung nur möglich, wenn
1. die Behörden und sonstigen Träger öffentlichen Belange nach § 4 Abs. 2 beteiligt worden sind
(eine Beteiligung nach § 4 Abs. 1 genügt nicht) und innerhalb der Monatsfrist keine dem Plan dau-
erhaft entgegenstehenden Stellungnahmen abgegeben haben (Behördenbeteiligung);
2. die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 (einschließlich der Internetbeteiligung nach § 4a Abs. 4)
durchgeführt worden ist und innerhalb der Monatsfrist keine dem Plan dauerhaft entgegenstehen-
den Stellungnahmen abgegeben worden sind (förmliche Auslegung);
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
3. anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Plans nicht entgegenste-
hen wird (mindestens teilweise Planreife, möglicherweise erst durch Abwägung eingegangener
Stellungnahmen herstellbar);
4. der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkannt
hat (Anerkenntnis);
5. die Erschließung gesichert ist.
II. Im vereinfachten Verfahren der Planaufstellung nach § 13 und im beschleunigten Verfahren
nach § 13a oder § 13b genügt es, wenn
– anstelle der förmlichen Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange den
berührten Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessener
Frist gegeben worden ist und
– anstelle der öffentlichen Auslegung den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen an-
gemessener Frist gegeben worden ist.
Planreife und Anerkenntnis müssen auch hier vorliegen (o. g. Punkte 2 bis 5).
III. Sofern nach Beteiligung gemäß §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 eine erneute Auslegung oder Be-
teiligung erforderlich ist, kann die Genehmigung in beiden Verfahren bereits vor der erneu-
ten Auslegung bzw. Beteiligung erteilt werden, wenn sich die Änderung oder Ergänzung
des Planentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt. Auch hier müssen Planreife und Aner-
kenntnis vorhanden sein.
Nicht (mehr) anwendbar ist § 33, wenn die planende Gemeinde alles Erforderliche
zum Abschluss der Planung getan hat (einschließlich der Herbeiführung einer etwa
erforderlichen Genehmigung), dann aber ohne rechtfertigenden Grund den Bebau-
ungsplan nicht durch öffentliche Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 in Kraft setzt.
§ 33 darf nicht als taktisches Mittel gebraucht werden, z. B. um eine Normenkontroll-
klage zu verhindern. § 33 eröffnet daher nur ein zeitlich begrenztes Fenster zwischen
der Planreife und dem Zeitpunkt, zu dem der Plan bei ordnungsgemäßer Handhabung
hätte in Kraft gesetzt werden können. Danach ist die Vorschrift nicht mehr anwend-
bar.831
Ob gegen einen im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan, von dem be-
reits kräftig durch Baugenehmigungen nach § 33 Gebrauch gemacht wird, eine Nor-
menkontrollklage nach § 47 VwGO zulässig ist, wurde vom BVerwG bislang offenge-
lassen832. Grundsätzlich setzt eine Normenkontrollklage eine bekanntgemachte
Satzung voraus.
8. Verträglichkeitsprüfungen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes
Die europarechtlich geschützten Natura 2000-Gebiete können durch einzelne Vorha-
ben beeinträchtigt werden. Daher ordnet § 34 Abs. 1 BNatSchG eine Verträglichkeits-
prüfung an, wenn Vorhaben einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten
oder Plänen geeignet sind, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Die
Regelungen des § 34 Abs. 1 bis 7 BNatSchG gelten mit Ausnahme von Bebauungsplä-
nen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Geltungsbereich von B-
Plänen nach § 30 oder im Geltungsbereich von in Aufstellung befindlichen B-Plänen
(Zulässigkeit während der Planaufstellung nach § 33). Das hängt damit zusammen,
dass die Verträglichkeitsprüfung bereits im Rahmen der obligatorischen Umweltprü-
fung erfolgt. Dementsprechend findet die Verträglichkeitsprüfungspflicht gemäß § 36
Satz 2 BNatSchG auch bei Bauleitplänen und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB
keine Anwendung. Das vereinfachte Verfahren nach § 13 und das beschleunigte Ver-
fahren nach § 13a bzw. § 13b, in denen von der Umweltprüfung abgesehen werden
kann, sind wiederum nur zulässig, wenn keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchti-
gung von Erhaltungszielen und Schutzzwecken von Natura 2000-Gebieten vorliegen.
831 Dazu insgesamt BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, ZfBR 2003, 38 (FOC Zweibrücken); ähnlich
OVG Nordrhein-Westfalen, 14.3.2001 – 7 B 355/01 –, ZfBR 2001, 424 (Genehmigung nach § 33
BauGB zehn Jahre nach faktischer Einstellung des Planungsverfahrens).
832 BVerwG, 15.10.2001 – 4 BN 48.01 –, ZfBR 2002, 172.
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
Gleiche Bestimmungen gelten für Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 (vgl. § 34
Abs. 5 Satz 1 Nr. 3).
Vorhaben nach §§ 34 und 35 unterliegen hingegen einer Pflicht zur Durchführung
einer Verträglichkeitsprüfung nach dem BNatSchG, sofern von ihnen erhebliche nach-
teilige Auswirkungen auf Schutzgebiete ausgehen könnten.
833 Der Begriff der baulichen Anlage wurde erst durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz im Okto-
ber 2015 eingeführt; nach dem Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der
Unterbringung von Flüchtlingen bezog sich die Regelung zunächst auf zulässigerweise errichtete „Ge-
schäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude“.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
allerdings mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein und nachbarliche Interessen
müssen gewürdigt worden sein.
Im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes wurden auch die Möglichkei-
ten im Außenbereich ausgeweitet. Ohne wie in Abs. 9 unmittelbaren Siedlungsan-
schluss (oder zumindest die unmittelbare Nachbarschaft zu einem qualifizierten B-
Plan) vorauszusetzen, kann einerseits – wiederum befristet auf längstens drei Jahre bis
Ende 2019 – die Aufstellung mobiler Unterkünfte und andererseits die Nutzungsände-
rung zulässigerweise im Außenbereich errichteter baulicher Anlagen in Aufnahme-
und Unterkunftseinrichtungen für Flüchtlinge und Asylbegehrende selbst noch dann
zugelassen werden, wenn die Ursprungsnutzung bereits aufgegeben wurde (z. B. im
Fall ehemaliger militärischer Liegenschaften). Die Umnutzung darf mit einer erforder-
lichen Erneuerung oder sogar mit einer Erweiterung verbunden werden. Für Vorhaben
im Sinne des Absatzes 13 gilt eine Rückbauverpflichtung, die nur dann entfällt, wenn
die Flüchtlingseinrichtung im Fall 2 der Umnutzung lediglich wieder der vorherigen
Nutzung weicht oder wenn durch zwischenzeitliche Aufstellung eines Bebauungsplans
dauerhaftes Planungsrecht für die Nachfolgenutzung geschaffen wurde – mindestens
muss der Stand der Planreife nach § 33 erreicht worden sein.
Können auch unter Ausschöpfung all der in den Absätzen 8 bis 13 eröffneten Erleich-
terungen nicht oder nicht rechtzeitig Unterkunftsmöglichkeiten in einer Gemeinde ge-
schaffen werden, obwohl sie dringend benötigt werden, erlaubt Absatz 14 weitere
Abweichungen vom Bauplanungsrecht. Die Zuständigkeit liegt in diesem Fall aber bei
der höheren Verwaltungsbehörde, die die Gemeinde anhören muss, es sei denn, die
Gemeinde oder ein von ihr beauftragter Dritter ist Vorhabenträger. Ist hingegen das
Land (oder ein von ihm beauftragter Dritter) der Vorhabenträger, sind in entsprechen-
der Anwendung des § 37 Abs. 3 bei der Gemeinde anfallende Entschädigungs- und/
oder Planungskosten vom Vorhabenträger zu ersetzen.
Im Übrigen tritt bei baulichen Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asyl-
begehrenden die Genehmigungsfiktion bereits dann ein, wenn das Einvernehmen der
Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde das Ersuchen nicht
binnen eines Monats (in allen anderen Fällen bestimmt § 36 Abs. 2 Satz 2 eine Frist
von zwei Monaten) verweigert werden (Absatz 15). Für die Herstellung des Beneh-
mens mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde gilt bei
Vorhaben im Außenbereich nach Abs. 9 und 13 entsprechend § 18 Abs. 3 Satz 2
BNatSchG eine Frist von einem Monat. Nach Fristablauf darf davon ausgegangen
werden, dass das Benehmen hergestellt ist (Absatz 16). Wie eingangs erwähnt sind
sämtliche Neuregelungen zu den Einrichtungen und Unterkünften für Flüchtlinge und
Asylbegehrende mit der Frist des 31. Dezembers 2019 verknüpft. Der Gesetzgeber
stellt in Absatz 17 klar, dass sich diese Befristung lediglich auf den Zeitraum bezieht,
bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Absätzen 8 bis
16 Gebrauch gemacht werden darf. Die Anlagen und Einrichtungen können jedoch
über dieses Datum hinaus genutzt werden – teilweise jedoch nur mit einer befristeten
Nutzungsdauer von längstens drei Jahren.
10. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zur Zulässigkeit von
Vorhaben
Seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Juni 2013 sind Vorschriften mit Einfluss auf
die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Vorhaben durch drei Gesetze geändert worden,
nämlich durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung
der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 in Kraft (BGBl. I S. 1748), das
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (BGBl. I S. 1722 (Nr. 40)) so-
wie das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4.5.2017 (BGBl. I S. 1057).
Die Neuerungen aufgrund der beiden erstgenannten Änderungsgesetze sind vorange-
gangen bereits beschrieben worden; sie beziehen sich allein auf die in § 246 neu aufge-
nommenen Regelungen zur Lösung der mit den jüngeren Flüchtlingsströmen aufge-
kommenen städtebaulichen Herausforderungen. Das Gesetz vom 4.5.2017 betrifft
u. a. den Umgang mit dem neu eingeführten urbanen Gebiet (§ 6a BauNVO), das gem.
§ 245c Abs. 3 nicht als faktisches Baugebiet zur Prüfung der zulässigen Art der Nut-
zung (vgl. § 34 Abs. 2) herangezogen werden darf. Von Tragweite sind auch die Neue-
rungen zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen nach § 13a BauNVO.
a) Ergänzung der Öffnungsklausel zur Abweichung vom Einfügungsgebot nach § 34.
Durch das Gesetz vom 4. Mai 2017 wurde § 34 Abs. 3a modifiziert und spezifiziert.
Eine städtebauliche Vertretbarkeit, die Würdigung nachbarlicher Interessen sowie die
Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen vorausgesetzt, darf vom Erfordernis des
Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelfall abgewichen werden,
wenn die Abweichung einem Vorhaben der nachfolgenden Art dient:
a) der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässiger-
weise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b) der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten,
Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c) der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu
Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.
Die Neuregelung dient der Erleichterung der Schaffung von Wohnraum. Eine Nut-
zungsänderung baulicher Anlagen zu Wohnzwecken innerhalb des nicht beplanten
Innenbereichs soll – im Unterschied zur Vorgängerregelung nicht nur bei Gewerbe-
und Handwerksbetrieben möglich sein, sondern bei allen baulichen Anlagen. Die Neu-
regelung erfasst auch die Fälle der Änderung oder Erneuerung. Diese Möglichkeit
wurde zuvor in der Anwendungspraxis teils bezweifelt, die alte Vorschrift ließ sich
unterschiedlich auslegen.
b) Ergänzung der Voraussetzungen zur Aufstellung von Entwicklungs- und Ergän-
zungssatzungen sowie von Außenbereichssatzungen. Entwicklungs- und Ergänzungs-
satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 sowie Außenbereichssatzungen nach § 35
Abs. 6 dürfen nur aufgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von
schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 BImSchG zu beachten sind. Diese Regelungen sind
flankierend zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie getroffen worden. Die Regelungen
gehen über den sich aus der Richtlinie ableitenden Umsetzungsbedarf hinaus.
c) Nichtanwendung des § 6a BauNVO als faktisches Baugebiet (§ 245c Abs. 3). Mit
der Einführung des urbanen Gebiets nach § 6a BauNVO hat der Gesetzgeber auf
immer lauter werdende Forderungen insbesondere aus dem Kreis der wachsenden
Großstädte nach einem neuen Baugebietstypus reagiert. Der Bedarf zur Schaffung sehr
dichter, gemischt genutzter Quartiere mit bisweilen relativ hohem Wohnanteil, dessen
Lärmschutzanspruch jedoch unterhalb anderer Wohngebiete liegt, ist in den zurücklie-
genden Jahren stark gewachsen. Die Zweckbestimmung nach § 6a Abs. 1 BauNVO,
der Katalog der allgemein zulässigen Nutzungen nach Abs. 2 sowie die zulässigen
Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 1
BauNVO sind den heute typischen Strukturen der Gründerzeitquartiere deutscher
Großstädte entliehen. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten In-
nenbereich ist jedoch zu beachten, dass § 34 Abs. 2 (wonach sich die Zulässigkeit
eines Vorhabens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in Gebieten, die faktisch
einem der Baugebiete der BauNVO entsprechen, nach den BauNVO-Bestimmungen
zur Art der baulichen Nutzung richtet) gemäß § 245c Abs. 3 auf Baugebiete nach § 6a
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
BauNVO keine Anwendung findet. Aus Sicht des Immissionsschutzes ist die Vorschrift
vernünftig – sie schützt solche, urbanen Gebieten faktisch entsprechenden Bestands-
quartiere (das sind oft z. B. die heute beliebten, in der Gründerzeit entstandenen Alt-
bauquartiere) vor der Anwendung der erhöhten Immissionsrichtwerte der TA Lärm.
Da der Katalog der in einem urbanen Gebiet allgemein zulässigen Nutzung dem des
Mischgebietes nahezu entspricht (beim urbanen Gebiet fehlen lediglich Tankstellen
und Vergnügungsstätten, die jedoch als Ausnahme zugelassen werden können), ist
der Entscheidungsrahmen der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich der Art der baulichen
Nutzung durch die Vorschrift in § 245c Abs. 3 nicht beschränkt. Schranken ergäben
sich nur, wenn von einem etwa beantragten sonstigen Gewerbebetrieb Belästigungen
oder Störungen ausgehen könnten, die aus Gründen des Immissionsschutzes nach der
Eigenart eines Mischgebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumut-
bar wären (vgl. § 15 BauNVO).
835 Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.3.2015 – 3 M 38/15 – NordÖR 2015, 322; vgl. auch
U. v. 19.2.2014 – 3 L 212/12 –, BauR 2015, 717.
836 Vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.9.2014 – 1 KN 123/12 – U. v. 24.7.2013 – 1 LB 245/10 – BauR 2014,
229
837 Vgl. BVerwG, U. v. 18.10.2017 – 4 CN 6.17 –, ZfBR 2018, 158.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.
nach § 34 Abs. 4 BauGB, KommP BY1/2018, 4 – 8; Stüer, Bernhard, Stüer, Eva-Maria, Planungs-
rechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, gemeindliches Einvernehmen. Rechtsprechung des
BVerwG 2015 bis 2017, DVBl. 5/2018, 294–302; Klepper, Marian, Anmerkung zu OVG Sach-
sen, B. v. 7.8.2017 – 1 B 143/17 – (Wann übt ein Vorhaben erdrückende bzw. einmauernde
Wirkung aus?), IBR 2/2018, 100.
2. Begriff des Vorhabens; Sonderfälle (z. B. Mobilfunkanlagen):
2010: Fackler, Melusine, Anmerkung zu VGH Bayern, U. v. 10.6.2010 – 15 BV 09.1491 – (Büro
eines Sanitärbetriebs im reinen Wohngebiet?), IBR 9/2010, 529; Franz-Peter, Anmerkung zu
OVG Sachsen, U. v. 28.1.2010 – 1 A 498/08 – (Errichtung von 12 Stellplätzen in allgemeinem
Wohngebiet rücksichtslos?), IBR 6/2010, 360; Uechtritz, Michael, Agglomerationsregelungen in
der Regionalplanung zur Steuerung des Einzelhandels, VBlBW 5/2010, 185–192; 2011: Jäde,
Henning, Anmerkung zu Bayerischer VGH, U. v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – (Mobilfunk-Basissta-
tion; Ausnahme; faktisches reines Wohngebiet; Gebietserhaltungsanspruch; Rücksichtnahmege-
bot; Nachbarklage), BayVBl. 23/2011, 727; 2012: Reidt, Olaf, Störfallschutz und Städtebau-
recht – Schutzabstände in der Bauleitplanung und bei der Vorhabengenehmigung, BauR 8/2012,
1182–1195.
3. Ausnahmen und Befreiungen:
2010: Schaber, Michael, Mitentscheidung des Gemeinderats über Bauvorhaben nach §§ 31, 33
bis 35 BauGB bei Gemeinden mit eigener Baurechtszuständigkeit?, VBlBW 12/2010, 464–466;
2011: Schlarmann, Hans/Uechtritz, Michael/Krappel, Thomas, Nochmals: Erfordern Entschei-
dungen der unteren Baurechtsbehörde nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB in Stadtkreisen und Großen
Kreisstädten das Einvernehmen des Gemeinderats? Zugleich Anmerkung zu VGH Baden-Würt-
temberg, B. v. 6.10.2010 – 1 S 1944/10 – und VG Karlsruhe, B. v. 3.8.2010 – 6 K 1488/10 –
und Erwiderung auf Schaber, VBlBW 2010, 464, VBlBW 4/2011, 136–141; 2016: Gohde, Chris-
tian, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen
und Asylbegehrenden, in: ZfBR 7/2016, S. 642–650.
4. Genehmigung während der Aufstellung des Bebauungsplans:
2010: Scheidler, Alfred, Wissens-Check: Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 33 BauGB –
Übungsaufgabe aus dem öffentlichen Baurecht, apf/GA 12/2010, 378–381; Uechtritz, Michael,
Die Bedeutung informeller Planungen für die Bauleitplanung und für Genehmigungsentscheidun-
gen, ZfBR 7/2010, 646–653; 2011: Schlarmann, Hans/Uechtritz, Michael/Krappel, Thomas,
Nochmals: Erfordern Entscheidungen der unteren Baurechtsbehörde nach §§ 31, 33 bis 35
BauGB in Stadtkreisen und Großen Kreisstädten das Einvernehmen des Gemeinderats? Zugleich
Anmerkung zu VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.10.2010 – 1 S 1944/10 – und VG Karlsruhe,
B. v. 3.8.2010 – 6 K 1488/10 – und Erwiderung auf Schaber, VBlBW 2010, 464, VBlBW 4/2011,
136–141; 2014: Pauli, Felix, Zulässigkeit von Windenergieanlagen während der Planaufstellung,
in: BauR 5/2014, S. 799–805.
5. Bauen im unbeplanten Innenbereich:
2010: Brandenburg, Christoph/Brunner, Tanja, Die Steuerung von Spielhallenansiedelungen,
BauR 11/2010, 1851–1859; Bunzel, Arno, Tagungsbericht: Berliner Gespräche zum Städtebau-
recht, DVBl. 24/2010, 1551–1554; Cymutta, Stephan, Sicherheitsabstand zu „Störfallbetrieb“:
Prüft Baubehörde das Störfallrecht?, IBR 7/2010, 377; Graupeter, Uwe, Demografischer Wandel,
Gemeindeneugliederung und Bauplanungsrecht, ZfBR 8/2010, 742–751; Guckelberger, Annette/
Heimpel, Silvia, Studium und Ausbildung: Die Moschee im allgemeinen Wohngebiet, LKRZ 7/
2010, 276–280; Hoffmann, Martin/Kassow, Jörn, Der Einfluss von städtischen Einzelhandels-
konzepten auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, BauR 5/2010, 711–717; Jäde, Hen-
ning, Baugenehmigungspflicht für Mobilfunksendeanlagen?, KommP BY 1/2010, 17–25; Kor-
mann, Joachim, Zur Situation von Handwerksbetrieben nach geltendem Bauplanungsrecht.
Fortsetzung zu GewArch 2010, 396 ff., GewArch 11/2010, 432–436; Schoen, Hendrik, Zulässig-
keit von Einzelhandelsvorhaben im Anwendungsbereich des § 34 BauGB, BauR 12/2010, 2034–
2046; 2015: Falke, Christian/Kupke, Dana/Maslaton, Martin/Müller, Martin, Kapitel 1: Aus-
wahl geeigneter Windenergieanlagen-Standorte aus planungsrechtlicher Sicht. III. Zulässigkeit
im unbeplanten Außenbereich und entgegenstehende Belange, in: Maslaton 2015, S. 23–76;
2017: Bienek, Heinz G., Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich, in: GuG 3/
2017, S. 162–175; 2018: Scheidler, Alfred, Bauen im unbeplanten Innenbereich, die Anwen-
dungsvoraussetzungen des § 34 Baugesetzbuch (BauGB), UBWV 3/2018, 73–78.
6. Satzungen nach § 34 und § 35 BauGB:
2008: Rabe, Klaus, Die Außenbereichssatzung Eichhof. Fallbearbeitung, DVP 7/2008, 286–294.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Baugenehmigung IX.
2012, 216–221; Spannowsky, Willy, Steuerung der Windkraftnutzung unter veränderten landes-
politischen Vorzeichen, ZfBR Sonderausgabe Juli 2012, 53–64; Wemdzio, Marcel, Naturschutz-
rechtliche Belange im Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen, AuUR 1/2012, 9–16;
2014: Pauli, Felix, Zulässigkeit von Windenergieanlagen während der Planaufstellung, in:
BauR 5/2014, S. 799–805; 2015: Falke, Christian/Kupke, Dana/Maslaton, Martin/Müller, Mar-
tin, Kapitel 1: Auswahl geeigneter Windenergieanlagen-Standorte aus planungsrechtlicher Sicht.
III. Zulässigkeit im unbeplanten Außenbereich und entgegenstehende Belange, in: Maslaton
2015, S. 23–76; Hörnicke, Johannes, Zulässigkeit einer Kleinwindenergieanlage zur Versorgung
eines landwirtschaftlichen Hofes im Außenbereich. Anmerkung zu OVG Lüneburg, U. v.
29.10.2015 – 12 LC 73/15 – (Kleinwindenergieanlage; Privilegierung; Windenergieanlage), in:
AuUR12/2015, S. 470–472; 2016: Sittig-Behm, Peter, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 22.9.2016
– 4 C 2/16 – (Zulässigkeit einer Windenergieanlage bei möglicher Störung einer Wetterradaran-
lage), in: ER 2/2017, S. 80–81.
11. Wirkung der Ziele der Raumordnung bei der Zulassung von Vorhaben:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
12. Nichtprivilegierte Vorhaben (einschl. Golfplätze):
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
13. Begünstigte Vorhaben:
2010: Sauer, Ralph, Unschädliche Nutzungsunterbrechung des Eigentümers oder Erben für die
Begünstigung gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB – Ersatzbau eines abgängigen Wohngebäudes im
Außenbereich, BauR 2010, 1007–1012.
14. Die Baulast:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
840 Die Beseitigung baulicher Anlagen ist je nach Landesbauordnung i. d. R. verfahrensfrei, kenntnisgabe-
bzw. anzeigepflichtig.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
lienhauses (oder Wolkenkratzers) über die Aufstellung einer Werbetafel bis hin zur
Aufstellung oder zur Änderung eines Springbrunnens (oder Kunstwerks). Die Mitar-
beiter der bei den Landkreisen oder kreisfreien Städten in einer gesonderten Abteilung
der Stadtverwaltung ansässigen Bauaufsichtsbehörden wären einem nicht zu bewälti-
genden Aktenberg ausgesetzt, müsste jede dieser Baumaßnahme bis aufs kleinste De-
tail hinsichtlich der materiell-rechtlichen Anforderungen des öffentlichen Rechts über-
prüft werden. Es macht daher Sinn, die Bauvorgänge in Kategorien unterschiedlicher
Tragweite einzuteilen und dabei die präventive Kontrolle auf bestimmte Bau- oder
(Nutzungs-)Änderungsmaßnahmen zu beschränken – zumal grundsätzlich Bauherr
und die am Bau Beteiligten für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften
verantwortlich zeichnen. Aus diesem Grund wird in den Bauordnungen unterschieden
zwischen:
– dem (ordentlichen) Baugenehmigungsverfahren – Regelverfahren,
– dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren,
– dem Anzeige- bzw. Kenntnisgabeverfahren/dem Genehmigungsfreistellungsverfah-
ren sowie
– der Baugenehmigungsfreiheit (auch Verfahrensfreistellung genannt).
Das ordentliche Baugenehmigungsverfahren muss immer dann durchgeführt werden,
wenn andere Verfahren nicht vorgesehen sind. Bei baugenehmigungspflichtigen Anla-
gen prüft die Bauaufsichtsbehörde die Zulässigkeit nach den Vorschriften des Bauge-
setzbuchs, nach den Vorschriften der geltenden Landesbauordnung sowie nach allen
anderen für das Vorhaben beachtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit die
Landesbauordnung dies vorsieht. Die technische Prüfung des Vorhabens einschließlich
der Überwachung der bautechnischen Nachweise obliegt weitgehend dem Objektpla-
ner. Das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren kommt nicht zum Zuge, sofern der
Gesetzgeber ein spezielleres Verfahren zur Genehmigung vorgesehen hat. So müssen
z. B. alle im Anhang der 4. BImSchV aufgeführten Anlagen in einem immissionsschutz-
rechtlichen Genehmigungsverfahren geprüft werden. Kraft ausdrücklicher Regelung
sind die Bauordnungen auch nicht auf den Bau öffentlicher Straßen anwendbar, ob-
wohl auch der Bau von Straßen unter den Begriff des „Vorhabens“ im Sinne des § 29
BauGB fällt und daher dem Bauplanungsrecht unterliegt, sofern nicht das Fachpla-
nungsrecht eingreift.
Bauherren können sich zudem bei bestimmten Vorhaben dem – vergleichsweise auf-
wendigen – ordentlichen Baugenehmigungsverfahren entziehen, wenn die Landesbau-
ordnung ausdrücklich andere Möglichkeiten vorsieht. So kann etwa nach § 63 Abs. 1
BbgBO für die Errichtung und Änderung von Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1
bis 3 (das sind Gebäude geringerer und mittlerer Höhe) auf Antrag des Bauherrn ein
vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden841. Voraussetzung ist,
dass das Vorhaben im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans liegt,
dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Im verein-
fachten Baugenehmigungsverfahren reduziert sich die Prüfungspflicht der Baugeneh-
migungsbehörde darauf zu prüfen, ob die Festsetzungen des B-Plans und – soweit
relevant – andere öffentlich-rechtliche Vorschriften beachtet werden. Selbstverständ-
lich ist dies nur möglich, wenn der Plan eine entsprechende Festsetzungsdichte enthält,
die nur bei qualifizierten Bebauungsplänen nach § 30 Abs. 1 sowie bei einem vorha-
benbezogenen Bebauungsplan nach § 30 Abs. 2 gegeben ist. Die Zulässigkeitsprüfung
für die Errichtung eines Wohngebäudes geringer oder mittlerer Höhe im Geltungsbe-
reich eines einfachen Bebauungsplans darf also nicht im vereinfachten Baugenehmi-
841 In Sachsen oder Nordrhein-Westfalen wäre dieses Vorhaben sogar genehmigungsfrei gestellt, wenn die
Gemeinde nicht innerhalb einer Frist von 3 Wochen bzw. einem Monat erklärt, dass das vereinfachte
Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll (vgl. 62 Abs. 2 SächsBO bzw. § 67 Abs. 1 BauO
NRW).
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Die Baugenehmigung IX.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
ten baulichen Vorhaben. Bei einem Verstoß gegen materielles Bauordnungsrecht kann
die Bauaufsichtsbehörde gegen das Vorhaben vorgehen842. Eine Baugenehmigung ent-
fällt auch, wenn es sich um ein Vorhaben des Bundes, der Länder oder ihrer rechtsfähi-
gen Anstalten, Körperschaften und Stiftungen handelt und wenn die Leitung der Ent-
wurfsarbeiten und der Bauüberwachung von eigenen (geeigneten) Fachkräften
durchgeführt wird (vgl. § 83 LBO R-P). In diesem Fall reduziert sich der formale Weg
auf ein sog. Zustimmungsverfahren, dessen Voraussetzungen von Landesbauordnung
zu Landesbauordnung teils unterschiedlich ausgestaltet sind.
Aus der unterschiedlichen Anwendbarkeit der Bauordnung ergeben sich hinsichtlich
der Genehmigungspflicht von baulichen Vorhaben sechs unterschiedliche Typen, die
in Bild 52 zusammengefasst sind.
b) Das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung. Gemäß § 36 Abs. 1 werden
alle (förmlichen) bauplanungsrechtlichen Genehmigungen über die Zulässigkeit eines
Vorhabens von der Baugenehmigungsbehörde erteilt. Trotz der Loslösung des pla-
nungsrechtlichen Begriffs des Vorhabens vom Bauordnungsrecht ist es bei der verfah-
rensrechtlichen Anbindung der planungsrechtlichen Genehmigung an die vom Bauord-
nungsrecht geprägte Baugenehmigungsbehörde geblieben. Für alle genehmigungspflich-
tigen baulichen Vorhaben muss der Bauherr einen Bauantrag einreichen. Nicht jede
Landesbauordnung normiert das schriftliche Einreichen der Bauantragsunterlagen. In
Brandenburg ergibt sich erst aus der sog. Bauvorlageverordnung, dass Bauantrag oder
Anzeige mit den erforderlichen Bauvorlagen vom Bauherrn und vom Objektplaner,
dem „Bauvorlageberechtigten“ auch schriftlich und unterzeichnet einzureichen sind.
„Bauherr“ ist in der Regel, aber nicht immer, der Eigentümer; es kann auch ein Erbbau-
berechtigter oder auch nur der Pächter eines Grundstücks sein.
Bauvorlageberechtigt sind in den jeweiligen Fachkammern gelistete Architekten und
Bauingenieure. Durch diese Vorschrift soll dafür Sorge getragen werden, dass der not-
wendige technische Sachverstand dokumentiert wird. Dem Bauantrag sind alle für die
Beurteilung des Bauvorhabens und für die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen
Unterlagen (Bauvorlagen), mitunter ein amtlicher Lageplan, ein Außenanlagenplan,
ein Grundstücksentwässerungsplan, Bauzeichnungen, bautechnische Nachweise und
Baubeschreibungen, beizufügen, damit das Vorhaben insgesamt beurteilt werden
kann. Da die Anfertigung eines vollständigen Bauantrages wegen der zugehörigen Ent-
wurfsleistungen des Architekten in der Regel erhebliche Kosten verursacht, kann man
die Frage, ob das Bauen auf dem betreffenden Grundstück überhaupt planungsrecht-
lich zulässig ist, durch eine sog. Bauvoranfrage klären lassen. Nach der Honorarord-
nung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist die Genehmigungsplanung als Leis-
tungsphase 4 normiert. Bis dahin sind vom Architekten 27 % der Gesamtleistungen
erbracht worden – es wird ein entsprechendes Honorar fällig. Wenn sich erst zu diesem
Zeitpunkt die Unzulässigkeit der Planung herausstellt (und auch Veränderungen der
Planung nicht zum Ziel führen würden), hätte der Bauherr viel Geld umsonst ausgege-
ben. Die Antwort auf eine hingegen schon frühzeitig eingereichte Bauvoranfrage be-
zieht sich in der Hauptsache auf die planungsrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässig-
keit des Vorhabens – also auf die Frage, ob das Vorhaben nach den §§ 30, 34 oder
35 genehmigungsfähig ist. Auch für die Dienstleistung der Bauaufsichtsbehörde selbst
fallen Kosten an, die Gebühren genannt werden und deren Höhe in den Baugebühren-
verordnungen der Länder und anderen Regelwerken zur Arbeit der Ingenieure und
Prüfsachverständigen geregelt ist. Der auf eine – gebührenpflichtige – Bauvoranfrage
hin erteilte Bescheid ist gleichsam der erste Teil der Baugenehmigung (oder deren Ab-
lehnung); wird die Genehmigung erteilt, hat sie auch gegenüber einer Veränderungs-
sperre Bestand, sofern die Landesbauordnung dem Vorbescheid nicht ausdrücklich
362
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Die Baugenehmigung IX.
diese Wirkung abspricht843 (vgl. dazu auch Kap. B.VII. unter 1. „Die Veränderungs-
sperre“). Allerdings muss der Vorbescheid – wie alle Verwaltungsakte – zunächst
durch Ablauf der Rechtsmittelfristen bestandskräftig geworden sein, ehe er alle seine
Wirkungen entfalten kann. Ein noch nicht bestandskräftiger Vorbescheid wird – so
das BVerwG844 – mit der endgültigen Baugenehmigung wiederholt (es handelt sich
damit um einen sog. Zweitbescheid); ein im Hinblick auf die Gesamtgenehmigung
(noch) widerspruchsbefugter Nachbar kann also die Baugenehmigung mit ihrem ge-
samten Inhalt anfechten, weil die Gesamtgenehmigung den Vorbescheid in sich aufge-
nommen und damit innerhalb der gleichen (insoweit verlängerten) Frist anfechtbar
gemacht hat, die für den Hauptbescheid gilt.
Bild 52: Übersicht über die Typen genehmigungspflichtiger und nicht genehmigungspflich-
tiger Vorhaben
Typ Beispiele
A. Von der Bauordnung nicht erfasste Vorhaben Bau von öffentlichen Straßen; Vorhaben im Rah-
men von Planfeststellungsbeschlüssen mit Kon-
zentrationswirkung.
B. Bauordnungsrechtlich nicht relevante und daher Gebäude ohne Aufenthaltsräume, Toiletten
nicht genehmigungspflichtige Vorhaben (sog. oder Feuerstätten mit nicht mehr als 75 m³ um-
genehmigungs- bzw. verfahrensfreie Bauvorha- bauten Raum; Fahrgastunterstände des ÖPNV;
ben) Wärmepumpen, Masten und Antennen bis zu
10 m Höhe.
C. Bauordnungsrechtlich relevante, aber von der Wohngebäude bis zu einer Maximalhöhe im
Genehmigungspflicht freigestellte Vorhaben/an- Geltungsbereich eines qualifizierten oder eines
zeigepflichtige bzw. kenntnisgabepflichtige Vor- vorhabenbezogenen Bebauungsplans, andere
haben Vorhaben je nach Landesbauordnung.
D. Bauordnungsrechtlich genehmigungspflich- Alle baulichen Anlagen, die nicht unter A, B
tige Vorhaben mit den Varianten oder F fallen. Bauliche Anlagen des Typs C
– ordentliches Baugenehmigungsverfahren können je nach Landesrecht auch einer regulä-
– vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren ren Genehmigung gem. D. zugeführt werden.
Sofern für diese Vorhaben eine zusätzliche
bauplanungsrechtliche Genehmigungs-
pflicht gemäß E. besteht, erstreckt sich das
Genehmigungsverfahren auch auf die zusätz-
lich notwendige Genehmigung.
E. Vorhaben, die unabhängig von der bauord- Vorhaben im Geltungsbereich:
nungsrechtlichen Genehmigungspflicht einer be- – einer Veränderungssperre
sonderen bauplanungsrechtlichen Genehmi- – einer Sanierungssatzung
gung bedürfen. – einer Entwicklungssatzung
– einer Stadtumbausatzung
– einer Erhaltungssatzung
F. Bauordnungsrechtlich relevante Vorhaben des Regierungsbauten
Bundes oder der Länder, bei denen die Ent-
wurfs- und Überwachungsleitung in den Hän-
den geeigneter bundes- bzw. landeseigener
Fachkräfte liegt: sog. Zustimmungsverfahren
BEACHTE: Die Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben im BauGB (§§ 29–37) begründen als
solche keine Genehmigungspflicht. Sie regeln nur die materielle Zulässigkeit bodenrechtlich relevanter
Vorhaben. Die Reichweite der §§ 29 ff. BauGB richtet sich allein nach der bodenrechtlichen Relevanz
des Vorhabens. Eine amtliche Bescheinigung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens
nach den §§ 30 bis 35 BauGB kann jedoch nur im Rahmen eines bauordnungsrechtlichen Genehmi-
gungsverfahrens (ggf. auch durch einen Vorbescheid) erlangt werden.
843 So OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 1.10.1981 – 7 A 2283/79 –, BauR 1982, 50; ÖVG Lüneburg NJW
1982, 1772; BVerwG ZfBR 1984, 144; unter Aufgabe von BVerwG DÖV 1966, 578.
844 BVerwG, U. v. 17.3.1989 – 4 C 14/85 –, ZfBR 1989, 170.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
des Bauscheins die Zulässigkeit seines Vorhabens im Hinblick auf alle öffentlich-recht-
lichen Vorschriften bestätigt wird (so die früher herrschende „Schlusspunkttheorie“).
Das Baugenehmigungsverfahren ist i. d. R. auf die Prüfung der Einhaltung der bau-
rechtlichen Vorschriften beschränkt. Sofern z. B. ein Baum gefällt werden muss, ist die
Fällgenehmigung gesondert zu beantragen845. Die Baugenehmigungsbehörde darf die
Erteilung der Baugenehmigung auch nicht deshalb verweigern, weil eine andere Ge-
nehmigung (z. B. eine Baumfällgenehmigung oder eine Genehmigung zur Zweckent-
fremdung) noch nicht erteilt ist846, es sei denn, dass dieses landesrechtlich angeordnet
ist. Neben der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach den §§ 30 bis
35 sind fünf weitere planungsrechtliche Genehmigungen nach dem BauGB kraft Geset-
zes an die Baugenehmigungsbehörde verwiesen: Zum Ersten wird die Genehmigung
für eine Maßnahme, die wegen einer Erhaltungssatzung nach § 172 einer besonderen
Genehmigung bedarf, gemäß § 173 Abs. 1 durch die Baugenehmigungsbehörde im
Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt, wenn für die Maßnahme eine baurechtliche
Genehmigung erforderlich ist (anderenfalls ist die Gemeinde alleine zuständig); zum
Zweiten gilt diese Regelung auch für Genehmigungen im Geltungsbereich einer Sat-
zung zur Sicherung der Durchführung von Maßnahmen des Stadtumbaus nach
§ 171d; zum Dritten ist die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 in der glei-
chen Weise mit der Baugenehmigung verbunden (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 1); über § 169
Abs. 1 Nr. 3 BauGB gilt dies – zum Vierten – entsprechend für die entwicklungsrechtli-
che Genehmigung. Die fünfte an die Baugenehmigungsbehörde vergebene planungs-
rechtliche Genehmigung ist die Genehmigung zur Begründung oder Teilung von Woh-
nungseigentum nach § 22.
Die zu beachtenden Fristen für genehmigungsbedürftige Vorhaben im Geltungsbereich
einer Sanierungs-, Entwicklungs- bzw. Erhaltungssatzung wurden zwischen 2007 und
2011 schrittweise geändert; sie gelten gleichermaßen in Stadtumbaugebieten, sofern die
Gemeinde dort eine Durchführungssicherungssatzung erlassen hat. Beschränkt sich die
Genehmigungsbedürftigkeit allein auf von der Gemeinde selbst zu prüfende Belange, so
gelten die in § 22 Abs. 5 Sätze 2 bis 5 geregelten Fristen (im Falle von Sanierungs- und
Entwicklungssatzungen seit der BauGB-Novelle 2007, im Fall von Erhaltungssatzungen
und Durchführungssicherungssatzungen in Stadtumbaugebieten aufgrund der BauGB-
Novelle Erneuerbare Energien vom 12.4.2011). Danach wird der Gemeinde das Recht
zugestanden, die Frist von einem Monat nach Eingang des Antrags vor ihrem Ablauf zu
verlängern und dies dem Antragsteller mitzuteilen. Diese Verlängerungsoption beläuft
sich auf maximal drei Monate. Wenn nicht innerhalb dieser Frist eine Versagung erfolgt,
gilt die Genehmigung als erteilt (Genehmigungsfiktion). Ist bei Sanierungs- bzw. Ent-
wicklungssatzungen daneben auch eine baurechtliche Genehmigung oder eine baurecht-
liche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbe-
hörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt – in diesem Fall findet § 22 Abs. 5
Satz 4 weder direkt noch analog Anwendung. Eine Baugenehmigung im Geltungsbereich
einer Erhaltungssatzung ohne gemeindliches Einvernehmen ist insoweit rechtswidrig, so
schlussfolgert das Niedersächsische OVG im Zusammenhang mit einem vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren847.
Sofern im Verfahren Zweifelsfragen auftauchen, wird sich die Baugenehmigungsbehörde
in aller Regel mit dem Antragsteller in Verbindung setzen. In städtebaulich umstrittenen
Fällen ist die Frage nicht ohne Brisanz, ob sie auch die Nachbarn des Vorhabens anhören
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Die Baugenehmigung IX.
sollte. Man könnte eine Pflicht dazu aus § 28 VwVfG (Anhörung Beteiligter) herleiten,
aber dies ist weder nach dem Text der Vorschrift noch nach deren Kommentierung im
wissenschaftlichen Schrifttum eindeutig zu beantworten. Nach herrschender Praxis wer-
den die Nachbarn nur bei solchen Genehmigungsentscheidungen vorher einbezogen, bei
denen entweder das Bundesrecht ausdrücklich die Berücksichtigung der Nachbarn for-
dert, wie z. B. bei der Erteilung von bauordnungsrechtlichen Abweichungen oder Befrei-
ungen nach § 31 Abs. 2, oder in denen die jeweilige Landesbauordnung die Einvernahme
der Nachbarn anordnet. Umgekehrt muss die Baugenehmigungsbehörde unverzüglich
den Bauantragsteller unterrichten, wenn ein Nachbar am Ende gegen die erteilte Bauge-
nehmigung Widerspruch einlegt; bei Unterlassung kann sie sich wegen Amtspflichtverlet-
zung schadensersatzpflichtig machen848.
§ 36 Abs. 1 Satz 1 sieht (durch Nichterwähnung des § 30 in der Reihe der Fälle, in
denen die Gemeinde an der Erteilung einer Baugenehmigung beteiligt werden muss)
vor, dass bei Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans die
Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit allein von der Baugenehmi-
gungsbehörde getroffen werden kann. Die Gemeinde muss aber auch hier vorab infor-
miert werden, damit sie über die Notwendigkeit einer Veränderungssperre befinden
kann.
c) Das gemeindliche Einvernehmen; Zustimmungserfordernisse. Wenn die Baugeneh-
migung dagegen unter Anwendung des § 31 (Ausnahme oder Befreiung) oder nach
§ 33 (während der Planaufstellung), § 34 (im unbeplanten Innenbereich) oder § 35
(im Außenbereich) erteilt werden soll, muss die Baugenehmigungsbehörde das Einver-
nehmen mit der Gemeinde herstellen. Die Vorschrift über das notwendige Einverneh-
men der Gemeinde hat folgenden Sinn: Träger der Planungshoheit ist die Gemeinde.
Die Erteilung von Baugenehmigungen ist aber nur in kreisfreien Städten und in größe-
ren kreisangehörigen Städten ein vom Staat delegiertes Aufgabenfeld der Gemeinde-
verwaltung. Für alle kleineren Gemeinden liegt die Zuständigkeit für die Erteilung von
Baugenehmigungen beim Landkreis (als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde). Mit
Rücksicht auf die Planungshoheit auch der kleineren Gemeinden ist es daher sinnvoll
und zweckmäßig, die Gemeinde am Genehmigungsvorgang zu beteiligen. Wenn die
Gemeinde allerdings einen qualifizierten Bebauungsplan aufgestellt hat, dann kommt
ihr planerischer Wille hinreichend in diesem Bebauungsplan zum Ausdruck. In diesem
Fall kann die Baugenehmigungsbehörde also allein entscheiden. Sofern die Baugeneh-
migungsbehörde (oder die Widerspruchsbehörde auf Beschwerde eines Bauantragstel-
lers) eine vom Bebauungsplan nicht gedeckte Baugenehmigung ausspricht, verletzt sie
die Planungshoheit und damit das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Die Ge-
meinde kann sich dann durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen diese
Rechtsverletzung wehren und die Baugenehmigung zu Fall bringen. Sie hat einen ein-
klagbaren „Planbefolgungsanspruch“849. Das Einvernehmen ist allerdings nur dann
erforderlich, wenn die Baugenehmigungsbehörde nicht Bestandteil der betreffenden
Gemeindeverwaltung ist850. Ob und wie sich die Ämter und Dezernate innerhalb einer
Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung abstimmen müssen, ist Sache der inneren Organisa-
tion. Das Erfordernis zum Einvernehmen lebt auch dann nicht wieder auf, wenn eine
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
851 BVerwG, U. v. 19.8.2004 – 4 C 16.03 –, ZfBR 2004, 805 unter Aufgabe der bisherigen Rechtspre-
chung.
852 Ebenso BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 –, ZfBR 2004, 460.
853 VGH Bayern, U. v. 10.12.2007 – 1 BV 04/843 –, BauR 2008, 654. Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz,
U. v. 13.3.2006 – 8 A 11309/05 –, BauR 2006, 1873.
854 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 –, UPR 1997, 252.
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855 Vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.12.2010 – 8 B 1426/10 –, BauR 2011, 1296.
856 BGH, U. v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 –, BauR 2011, 495.
857 Hessischer VGH, B. v. 18.6.1984 – 4 TG 506/84 –, NVwZ 1984, 738; BVerwG, B. v. 24.5.1984 – 4
CB 2/84 –, NVwZ 1985, 566.
858 BVerwG, U. v. 8.9.1972 – 4 C 17.71 –, BVerwGE 40, 323.
859 OVG Brandenburg, B. v. 4.11.1996 – 3 B 134/96 –, BauR 1997, 90.
860 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen. U. v. 18.8.2009 – 8 A 613/08 –, BauR 2010, 199.
861 Vgl. BVerwG, U. v. 14.2.1991 – 4 C 20/88 –, ZfBR 1991, 176 (Richtfunkturm der Bundespost in der
Ortslage).
862 Beispiel: BVerwG, B. v. 21.11.2000 – 4 B 36.00 –, ZfBR 2001, 200.
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und Abs. 4 (begünstigte Vorhaben) im Benehmen mit den für Naturschutz und Land-
schaftspflege zuständigen Behörden ergehen müssen – dies gilt unabhängig davon, ob
mit den betreffenden Vorhaben ein Eingriff verbunden ist.
Nur für Vorhaben nach § 35 BauGB greift die Eingriffsregelung des BNatSchG i. V. m.
Landesrecht uneingeschränkt, so dass dort eine „Vollkompensation“ vorgeschrieben
ist. Hingegen sind nach § 18 Abs. 2 BNatSchG die Vorschriften der Eingriffsregelung
auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB, auf Vorhaben wäh-
rend der Planaufstellung nach § 33 und auf Vorhaben im Innenbereich nach § 34
BauGB „nicht anzuwenden“. Damit scheidet dort auch die Erhebung einer Ausgleichs-
abgabe aus. Sofern ein Gebiet nach § 34 nachträglich mit einem Bebauungsplan verse-
hen („überplant“) wird, ist ein naturschutzrechtlicher Ausgleich nur insoweit erforder-
lich, als der (mögliche) Eingriff nicht bereits nach § 34 BauGB zulässig gewesen wäre.
Das gilt auch für bereits mit einem Bebauungsplan überplante Gebiete, wenn z. B. die
überbaubare Grundstücksfläche vergrößert wird. Kompensation ist also nur für neues
Baurecht geboten, das über das hinausgeht, was bis zum Zeitpunkt der Neuplanung
nach § 34 BauGB, nach Alt-Bebauungsplan (§ 30 BauGB) oder auch nach Fachpla-
nungsrecht (Planfeststellung) bereits zulässig war.
Fazit: Die Eingriffsregelung ist für das Baugenehmigungsverfahren materiell nur inso-
weit von Interesse, als es um Genehmigungen nach § 35 BauGB geht. Für diese Fälle
gilt dann allerdings der volle Kompensationskatalog nach dem Bundesnaturschutzge-
setz i. V. m. dem jeweiligen Landesrecht. Für alle unvermeidbaren Eingriffsfolgen kön-
nen und müssen physische Kompensationsmaßnahmen gefordert werden. Wenn und
soweit diese nicht vorgenommen werden können oder untunlich sind, sind Ausgleichs-
zahlungen in Geld zu fordern. Die Bemessung der Ausgleichszahlungen richtet sich
wiederum nach Landesrecht. Als Anknüpfungspunkt werden entweder die hypotheti-
schen Kosten der unterbliebenen physischen Kompensationsmaßnahmen benutzt oder
bestimmte Listen, mit deren Hilfe sowohl der Eingriff als auch die gebotene Kompen-
sation durch ein Punkt- oder Wertstufensystem bewertet werden können. Ein Beispiel
für ein Wertstufensystem ist der Brandenburgische Erlass zur Kompensation von Be-
einträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen863; Beeinträchti-
gungen des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen lassen sich regelmäßig nicht
vollständig kompensieren. Daher ergeben sich aus dem Erlass erforderliche Ersatzzah-
lungen, die aus Dauerhaftigkeit und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der
dem Verursacher erwachsenden Vorteile abgeleitet werden. Hessen bedient sich einer
eigenen Kompensationsverordnung, die eine stark ausdifferenzierte Wertliste nach
Nutzungstypen enthält. Bei der Bemessung des Ausgleichs sind alle Schutzgüter des
Naturschutzrechts funktionsbezogen, unterschieden nach biotischen und abiotischen
Komponenten des Naturhaushalts und dem Landschaftsbild abzuarbeiten864. Außer-
halb der Genehmigungen nach den §§ 30, 33 sowie innerhalb von Gebieten mit
Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 (Ergänzungssatzung) ist das Benehmen mit den Na-
turschutzbehörden herzustellen (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG). Diese „Sonderbe-
handlung“ ist deshalb gerechtfertigt, weil in diesen Fällen über etwa erforderliche
Maßnahmen zum Ausgleich bereits im Rahmen der Aufstellung des zugehörigen B-
Plans bzw. der Satzung nach § 34 entschieden worden ist (vgl. § la Abs. 3 und § 34
Abs. 5 Satz 4 BauGB).
863 Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft zur Kompensation
von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen des Landes Brandenburg
vom 10. März 2016.
864 Vgl. VG Berlin zur geplanten Grünanlage „Schöneberger Schleife – Grünzug Wannseebahngraben“, B.
v. 24.9.2015 – VG 24 L 63.15 –, openjur.de
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Die Baugenehmigung IX.
865 Vgl. BVerwGE 44, 294 bestätigt durch BVerwG ZfBR 1988, 41 und BVerwG ZfBR 1988, 144 und
BVerwG NVwZ 1991, 1182; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 13.32017 – 8 A 11416/16.OVG –,
ZfBR 2016, 483.
866 BVerwG, B. v. 13.8.1996 – 4 B 135.96 –, BauR 1997, 281.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
eines Plans, sondern nur solche, die auch und gerade dem Schutz der vom Plan Betrof-
fenen dienen (und nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Entwick-
lung des Baugebiets und der Gemeinde). Entscheidend ist, ob ein durch den Bebau-
ungsplan zwischen den Grundeigentümern gewährleistetes „Austauschverhältnis“, ein
gegenseitiges Geben und Nehmen im Hinblick auf bestimmte Beschränkungen, durch
die Abweichung gestört wird. Wenn alle Gebäude eine bestimmte Höhe nicht über-
schreiten dürfen, damit alle Eigentümer eine unverbaubare Aussicht haben, dann ist
die Festsetzung der Gebäudehöhe nachbarschützend. Wenn es „nur“ um das histori-
sche Ortsbild geht, ist die entsprechende Festsetzung von „H“ nicht nachbarschüt-
zend. Durch eine Vielzahl von Nachbarrechtsprozessen ist im Wesentlichen geklärt,
welche Festsetzungen in einem B-Plan nachbarschützend sind und welche nicht. Nach-
barschützend sind (kraft Bundesrechts) Festsetzungen über die Art der Nutzung867;
nicht nachbarschützend sind (i. d. R.) Festsetzungen zur GRZ und GFZ868; Festsetzun-
gen über die Zahl der Vollgeschosse können nachbarschützend sein, ebenso Festset-
zungen von Baulinien und Baugrenzen. Sofern bei diesen letzteren Festsetzungen (ein-
schließlich der Maß-Festsetzungen) eine nachbarschützende Wirkung beabsichtigt ist,
muss dies in der Begründung zum Bebauungsplan deutlich zum Ausdruck gebracht
werden; die Entscheidung darüber liegt bei der festsetzenden Gemeinde869. Zum nach-
barschützenden Charakter von Maßfestsetzungen empfiehlt sich die Lektüre einer Ent-
scheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2017870 und des BVerwG vom
9.8.2018871. Die Befreiung nach § 31 Abs. 2 kann nachbarschützende Wirkung haben.
Sie verletzt den Nachbarn dann, wenn die Behörde bei der Ermessensentscheidung
nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat872. Die
Regelungen der Landesbauordnungen zum Abstandsflächenrecht sind nachbarschüt-
zend.
Die bloße Einhaltung der Abstandsflächen befreit jedoch die Bauaufsichtsbehörde
nicht davon zu prüfen, ob in ausreichender Weise auf die Nachbarbelange Rücksicht
genommen wird873. Vor diesem Hintergrund kann eine Nachbarklage im Geltungsbe-
reich eines Bebauungsplans auch dann Erfolg haben, wenn die Genehmigung nicht
gegen nachbarschützende Festsetzungen verstößt. Das ist zunächst dann der Fall, wenn
die Genehmigung mit dem B-Plan übereinstimmt, aber der B-Plan selbst durch die
in ihm enthaltenen (oder nicht enthaltenen) Festsetzungen die rechtlich geschützten
Interessen des Nachbarn außer Acht lässt. Ein solcher Plan würde im Rahmen der
inzidenten Normenkontrolle als nichtig befunden werden; dies würde in der Regel
auch zur Aufhebung der Baugenehmigung führen (es sei denn, sie könnte über § 34
oder § 35 gerechtfertigt werden). Aber auch wenn der Bebauungsplan der inzidenten
Überprüfung standhält und die Baugenehmigung „nur“ gegen nicht nachbarschüt-
zende Festsetzungen verstößt, kann der klagende Nachbar Erfolg haben, wenn der
genehmigte Bau in qualifizierter Weise das Gebot der Rücksichtnahme verletzt (Bei-
spiel: Windenergieanlage in einem Industriegebiet mit nur 170–200 m Entfernung zu
370
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Die Baugenehmigung IX.
einem reinen Wohngebiet874). Diese Möglichkeit hat das BVerwG in seiner Rechtspre-
chung vor allem aus der entsprechenden Anwendung des § 15 BauNVO unter Berück-
sichtigung der Interessenbewertung des § 31 Abs. 2 BauGB abgeleitet. Aus diesen bei-
den Vorschriften ist Folgendes abzuleiten:
– Gemäß § 15 BauNVO sind Vorhaben unzulässig, die „eigentlich“ in dem betref-
fenden Baugebiet zulässig sind, wenn von ihnen im konkreten Fall unzumutbare
Beeinträchtigungen ausgehen. Dieser Grundsatz ist allgemein anwendbar: Was abs-
trakt zulässig erscheint, kann aufgrund konkreter Zusatzbedingungen dennoch un-
zulässig sein; § 15 BauNVO ist somit Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, er
konkretisiert das Gebot der Rücksichtnahme.
– Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB darf von den Festsetzungen eines B-Plans nur dann
durch die Erteilung einer Befreiung abgewichen werden, wenn dies auch mit nach-
barlichen Belangen vereinbart werden kann (auch darin kommt das Gebot der
Rücksichtnahme zum Ausdruck).
Aus der Zusammenschau beider Vorschriften ergibt sich, dass ein Nachbar auch in sol-
chen Fällen nicht schutzlos sein darf, in denen er durch eine Baugenehmigung unzumut-
bar betroffen wird, die sich ohne Bezugnahme auf § 31 Abs. 2 BauGB und außerhalb des
Geltungsbereichs der BauNVO nicht an die Vorgaben des Plans hält. Denn wenn schon
gegenüber Baugenehmigungen, die in Übereinstimmung mit den Festsetzungen eines B-
Plans (auch eines Alt-Plans, z. B. dem Hamburger Baustufenplan875) erteilt worden sind,
eine Verletzung des § 15 BauNVO geltend gemacht werden kann, und wenn eine im Übri-
gen mögliche Befreiung an den Belangen des Nachbarn scheitern kann, dann muss dies
im Ergebnis erst recht gelten, wenn eine Baugenehmigung im Widerspruch gegen vorhan-
dene Festsetzungen ohne Befreiung erteilt wird. Dies gilt im Prinzip auch dann, wenn die
Planfestsetzungen als solche nicht nachbarschützend sind.
Nach der hochabstrakten Formel des BVerwG führt eine Verletzung des Gebots der
Rücksichtnahme für Nachbarn aber nur in den Ausnahmefällen zum Erfolg, in denen
„in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen
eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“. Solche Aus-
nahmefälle liegen vor, wenn – erstens – die tatsächlichen Umstände handgreiflich erge-
ben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist, und – zweitens – eine besondere rechtliche
Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist876.
Entsprechende Grundsätze gelten bei Nachbarklagen gegen Befreiungen: Sie sind
„ohne Weiteres“ erfolgsgekrönt, wenn von nachbarschützenden Festsetzungen ohne
Zustimmung des Nachbarn befreit wurde. Auch wenn die Festsetzung, von der befreit
wurde, nicht nachbarschützend ist, kann eine Klage ausnahmsweise erfolgreich sein,
wenn im Einzelfall in qualifizierter und individualisierter Weise gegen das Gebot der
Rücksichtnahme verstoßen worden ist877. Auch die Erteilung von Ausnahmen nach
§ 31 Abs. 1 BauGB kann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen878. Bei Bau-
genehmigungen im unbeplanten Innenbereich (ohne jeglichen Bebauungsplan) und im
Außenbereich scheidet ein Verstoß gegen Festsetzungen eines B-Plans naturgemäß aus.
371
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
879 Zu § 34 BBauG: BVerwG, U. v. 13.6.1969 – 4 C 234.65 –, BVerwGE 32, 173; zu § 35 BBauG: BVerwG,
U. v. 6.12.1967 – 4 C 94.66 –, BVerwGE 28, 268; BVerwG, U. v. 21.10.1968 – 4 C 13.68 –, DVBl.
1969, 263.
880 Zur Zulässigkeit eines Wettbüros (Vergnügungsstätte) innerhalb des im Zusammenhang bebauten Orts-
teils vgl. Hessischer VGH, B. v. 25.8.2008 – 3 UZ 2566/07 –, BauR 2009, 781; vgl. auch OVG Nord-
rhein-Westfalen, B. v. 4.9.2001 – 10 B 332/01 –, UPR 2002, 160. Zur Frage von Nachbarschutz gegen
Abweichungen von nicht nachbarschützenden Vorschriften eines B-Plans und zur Frage des Nachbar-
schutzes im unbeplanten Innenbereich vgl. Hessischer VGH, B. v. 25.8.2008 – 4 B 1320/08 –, BauR
2009, 618. Zur an einen Gewerbebetrieb heranrückende Wohnbebauung vgl. OVG Nordrhein-Westfa-
len, U. v. 1.6.2011 – 2 A 1058/09 –, BauR 2012, 476.
881 So BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 4 B 152/93 –, GewArch 1994, 250; ähnlich schon BVerwG, U. v.
30.8.1985 – 4 C 50/82 –, NJW 1986, 393 (privater Tennisplatz in Wohngebiet).
882 BVerwG, U. v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 –, BauR 1977, 244 (Neuer Stall für 300 Mastschweine neben
rechtmäßig errichteten Wohnhäusern).
883 BVerwG, B. v. 20.9.1984 – 4 B 181/84 –, NVwZ 1985, 37 u. 38; OVG Berlin, U. v. 18.5.1984 – 2 B
151.83 –, BauR 1985, 434.
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Die Baugenehmigung IX.
In Gebieten GRUNDSATZ: Kein Nachbarschutz allein über das Einfügungsgebot, wohl aber bei
nach § 34 entsprechender Anwendung der BauNVO im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB.
AUSNAHME: Der Nachbar ist durch die erteilte Baugenehmigung in qualifizierter
Weise und individuell besonders in schutzwürdigen Interessen betroffen (Gebot der
Rücksichtnahme). (= Nachbarschutz in entsprechender Anwendung der Rechtsge-
danken in § 15 BauNVO und in § 31 Abs. 2 BauGB: Im Einzelfall kann auch das mit
Rücksicht auf einen Nachbarn unzulässig sein, was sonst zulässig wäre.)
In Gebieten GRUNDSATZ: Kein Nachbarschutz.
nach § 35 AUSNAHME: Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme: Dazu muss „in qualifi-
zierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen Rücksicht zu neh-
men sein.
Dies gilt für diejenigen Ausnahmefälle, in denen – erstens – die tatsächlichen Um-
stände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist und – zweitens –
eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist“
(BVerwG NJW 1984, 138/139).
Insgesamt ist zu beachten, dass die Vorschriften des BauGB nach der Rechtsprechung
des BVerwG grundsätzlich nur den Eigentümern benachbarter Grundstücke Nachbar-
schutz gewähren, nicht aber den Mietern benachbarter Wohnungen oder Gewerbestät-
ten884. Dieser Grundsatz ist allerdings umstritten, besonders nachdem das Bundesver-
fassungsgericht885 den Mietern von Wohnungen einen eigentumsähnlichen Status
attestiert hat.
4. Die Möglichkeiten des Einschreitens gegen nicht genehmigte bauliche Vorhaben
In der Bundesrepublik Deutschland wie in ganz Nordeuropa sind Rechtstreue und
Ordnungssinn der Bürger sowie die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
immer noch so intakt, dass bauliche Vorhaben nur selten ohne die erforderliche Bauge-
nehmigung begonnen werden. In den Mittelmeerländern war die Quote der ohne Bau-
genehmigung errichteten Gebäude dagegen zumindest in der Vergangenheit erheblich
größer. Im Weichbild der Großstädte der Türkei wurden ganze Stadtteile – die sog.
gecekondular – ohne Genehmigung, zum Teil auf fremdem Grund und Boden errichtet.
Den zuständigen Behörden blieb angesichts der Anzahl und der Tatkraft der Bewohner
dieser Gebiete oft gar nichts anderes übrig, als die Siedlungen nachträglich zu legalisie-
ren. Derartige Siedlungen finden sich auch in Italien und in Portugal. Die Bauaufsichts-
behörden in der Bundesrepublik Deutschland brauchen nicht mit illegal errichteten
Stadtteilen zu kämpfen. Dennoch gibt es auch hier Bereiche, die für sog. Schwarzbau-
ten sehr anfällig sind. Dies ist vor allem der Außenbereich, in dem unversehens und
ungenehmigt Wochenendhäuser gebaut werden. Aber auch im Innenbereich gibt es
sensible Zonen, in denen das Bauen ohne Baugenehmigung durchaus häufig ist, so
z. B. der unerlaubte Ausbau von Dach- und Kellergeschossen und unerlaubte Nut-
zungsänderungen.
Wenn die Bauaufsichtsbehörde derartige Vorgänge aufdeckt, kann sie ihr Eingriffsins-
trumentarium erfolgreich dagegen anwenden. Manche genehmigungspflichtigen, aber
nicht genehmigten baulichen Veränderungen können zwar nur entdeckt werden, wenn
die Beamten der Bauaufsicht befugt sind, das Grundstück und das Gebäude zu betre-
ten. Dies ist aber durch die Bauordnungen gesichert: Die Vollzugsbeamten der Bauauf-
sicht dürfen fremde Grundstücke und bauliche Anlagen einschließlich der Wohnungen
betreten. Regelungen hierzu finden sich in der jeweiligen Landesbauordnung i. d. R.
unter der Überschrift „Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden“. Das
Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ist insoweit eingeschränkt.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Baugenehmigung IX.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
– Der Abriss kann (nicht „muss“) nur bei materiell rechtswidrigen Gebäuden verfügt
werden.
– Ob ein Gebäude materiell rechtswidrig ist, richtet sich nach den Bauvorschriften,
die im Zeitpunkt seiner Errichtung oder irgendwann danach gegolten haben. Es
gibt keinen nachträglichen Eintritt der Rechtswidrigkeit wegen einer Änderung der
Vorschriften (z. B. nach einer Planänderung). Jedes genehmigte oder irgendwann
genehmigungsfähige Bauvorhaben gilt als rechtmäßig.
– Jedes materiell rechtmäßig vorhandene Gebäude genießt Bestandsschutz. Alle not-
wendigen Instandsetzungsmaßnahmen sind zulässig. Der sog. erweiterte Bestands-
schutz, der bei Betrieben im unbeplanten Innen- und im Außenbereich auch solche
maßvollen Umbauten abdecken sollte, die zwar über eine bloße Instandsetzung
des Gebäudes hinausgehen, aber zur Fortführung des Betriebs notwendig sind, ist
durch das EAG Bau 2004 (modifiziert durch die BauGB-Novellen vom 11. Juni
2013 sowie vom 4. Mai 2017) vollständig vom Gesetzgeber eingefangen worden:
Im unbeplanten Innenbereich deckt § 34 Abs. 3a alle Erweiterungen von Betrieben
ab, die sich nicht einfügen, aber dennoch genehmigt werden sollen. Im Außenbe-
reich nach § 35 gibt es keinen „erweiterten“ Bestandsschutz, der über das hinaus-
geht, was in § 35 Abs. 4 als begünstigtes Vorhaben geregelt wurde891.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Bereich der
Erteilung von Baugenehmigungen
Mit der BauGB-Novelle vom 29. Mai 2017 ist auch § 173 Abs. 3 ergänzt worden. In
der Vorschrift geht es u. a. um die Pflicht der Gemeinde, im Geltungsbereich einer
Erhaltungssatzung vor der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag u. a. auch
die Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten zu hören. Die Informations-
pflichten der Gemeinde gegenüber diesem Personenkreis sind ergänzt worden. Die
Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten sind nun auch zu informieren,
wenn dem Eigentümer der Immobilie gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Landesrecht
eine Genehmigung zur Umwandlung in Wohnungseigentum erteilt worden ist, weil er
gemäß § 172 Abs. 4 Nr. 6 zugesichert hat, in den ersten sieben Jahren nach Erteilung
der Genehmigung Wohnungen nur an Mieter zu verkaufen. Die Mieter sollen sich auf
diesen Sachverhalt einstellen können.
Auch in § 172 Abs. 4 Nr. 6 hat sich eine Änderung ergeben, die näher erklärt werden
muss. Wie soeben schon erwähnt wurde, muss eine Genehmigung zur Umwandlung
in Wohneigentum in Milieuschutzgebieten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 erteilt werden,
wenn sich der Eigentümer der Immobilie verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab
Aufteilung in Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern. Da-
durch werden die Mieter sieben Jahre geschützt. Diese Schutzfrist musste vom Gesetz-
geber mit den Schutzvorschriften des § 577a BGB harmonisiert werden. Nach § 577a
Abs. 1 BGB kann sich der Erwerber einer Eigentumswohnung, die aus der Aufteilung
eines Mietwohngebäudes in Wohneigentum entstanden ist, drei Jahre lang nach der
Aufteilung nicht auf Eigenbedarf berufen; er darf dem Mieter nicht aus diesem Grund
kündigen. Diese Schutzfrist entfällt gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB, wenn
die Sieben-Jahres-Frist gilt – denn der Mieter ist dann durch die Sieben-Jahres-Frist
geschützt.
Nach § 577a Abs. 2 BGB verlängert sich die Schutzfrist des BGB gegen eine Eigenbe-
darfskündigung jedoch auf bis zu zehn Jahre (je nach Landesrecht), wenn in der betref-
fenden Gemeinde oder Teilen davon die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit
Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Wenn man
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Die Baugenehmigung IX.
diese beiden Fristen ohne Harmonisierung zusammenrechnen dürfte, wären die Mieter
von Wohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, bis zu 17 Jahre
vor einer Eigenbedarfskündigung seitens des Wohnungseigentümers geschützt. Das
wäre aus Gründen des Eigentumsschutzes bedenklich. Daher hatte der BauGB-Gesetz-
geber zunächst angeordnet, dass die BGB-Frist (max.10 Jahre) bei Geltung der BauGB
Frist von sieben Jahren um sieben Jahre verkürzt werden müsse. Der Schutz des Mie-
ters gegen eine Eigenbedarfskündigung endete nach dieser Formel spätestens nach
zehn Jahren (7 Jahre kraft BauGB plus max. 10 minus 7 = 3 Jahre kraft BGB).
Mit der Novelle 2017 hat der Gesetzgeber den harmonisierenden Abzug von der
(max.) 10-Jahres-Schutzfrist des § 577a Abs. 2 BGB von sieben auf fünf Jahre herabge-
setzt. Damit genießen die Mieter nun eine Schutzfrist von sieben Jahren kraft BauGB
zuzüglich 10 minus 5 = max. 5 Jahren kraft BGB i. V. m. Landesrecht. Im Ergebnis
wird den Mietern damit eine verlängerte max. Schutzfrist von zwölf Jahren (statt
bisher 10 Jahren) ab Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein-
geräumt.
Literatur zum Kapitel IX: Die Baugenehmigung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2011: Beckmann, Edmund, Der praktische Fall: Baugenehmigung mit anschließender Beschrän-
kung der Zufahrt und Verweigerung der Akteneinsicht, VR 2/2011, 52–56; Bringewat, Jörn,
Geltungsverlust einer Baugenehmigung bei Nutzungsunterbrechung: Neue Entwicklungen? An-
merkung zu Niedersächsisches OVG, B. v. 3.1.2011 – 1 ME 209/10 –, NVwZ 12/2011, 733–
735; Jäde, Henning, Aktuelle Entwicklungen im Bauordnungsrecht 2010/2011, ZfBR 5/2011,
427–435; Kahle, Christian, Genehmigungsrechtliche Folgen der Wiedererrichtung von beschä-
digten oder zerstörten immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen, NVwZ 19/
2011, 1159–1165; Kasper, Michael, Rolle des umweltfachlichen Beitrags innerhalb des Genehmi-
gungsantrags einer Biogasanlage, UVP-report 2 & 3/2011, 105–111; Lörler, Sighart, Anerken-
nung eines Bauwerks als rechtmäßiges Wohngebäude. Widerrechtlichkeit und Verjährung bei
Eigenheimen, NJ 2/2011, 57–61; Schmid, Michael J., Aufklärungspflichten beim Verkauf von
Wohnungseigentum und Grundstücken, ZfIR 2/2011, 41–45; 2012: Beckmann, Edmund/Peters,
Marc, „Die Zeit frisst alles“ – auch eine Baugenehmigung, DVP 9/2012, 387–391; Geßner,
Janko/Genth, Mario, Windenergie im Wald? Besonderheiten des Genehmigungsverfahrens am
Beispiel des brandenburgischen Landesrechts, NuR 3/2012, 161–165; Greim, Jeanine/Michl, Fa-
bian, Grundfälle zur Staatshaftung im Baurecht, Jura 5/2012, 373–379; Hornmann, Gerhard,
Keine Feststellung in der Baugenehmigung zum nicht zu prüfenden Recht. Anmerkung zu OVG
Rheinland-Pfalz, U. v. 22.11.2011 – 8 A 10636/11 –, NVwZ 20/2012, 1294–1298; Scheidler,
Alfred, Genehmigungsvoraussetzungen für Windkraftanlagen, VR 12/2012, 397–404; Schmeel,
Günter, Aktuelle Entwicklungen im Architekten- und Ingenieurrecht, MDR 11/2012, 625–627;
2013: Sauthoff, Michael, Erweiterung der Feststellungswirkung einer Baugenehmigung über das
gesetzliche Prüfprogramm hinaus. Zugleich Anmerkung zu OVG Rheinland-Pfalz, U. v.
22.11.2011 – 8 A 10636/11 –, BauR 2012, 781, BauR 3/2013, 415–423; 2014: Fischer, Hart-
mut, Geltungsdauer der Baugenehmigung, in: BauR 12/2014, S. 2022–2028; Muckel, Stefan,
Anmerkung zu BVerwG, U. v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – (Baugenehmigung zur Errichtung einer
Mobilfunksendeanlage im Außenbereich), JA 5/2014, S. 397–398; Nägele, Christoph J./Lindner,
Josef Franz, Erlöschen der Baugenehmigung durch Zerstörung des Bauwerks?, in: ZfBR 5/2014,
S. 442–447; Nies, Volkmar, Anmerkung zu VG Münster, U. v. 18.7.2013 – 2 K 210/12 – (Aus-
senbereich, Baugenehmigung, Intensivtierhaltung), in: AuUR 3/2014, S. 116; Nies, Volkmar, Re-
zension: Michael Hauth, Vom Bauleitplan zur Baugenehmigung, 11. Aufl. München 2014, in:
AuUR 4/2014, S. 160; Sennekamp, Christoph, Fall 1: „Der Selbstbedienungsladen“. (Anspruch
auf Einschreiten, Planungshoheit, Baugenehmigung, Nutzungsänderung), (Beilage), in: VBlBW
10/2014, S. 3–9; Weidemann, Holger, Die abgelaufene Baugenehmigung I, in: DVP 5/2014,
S. 209–212; 2015: Elzer, Oliver, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 15 CS 14.949 –
(Klagebefugnis der Wohnungseigentümer; gewillkürte Prozessstandschaft, Baugenehmigung;
Oberflächenentwässerung; Sicherung der Erschließung; Gebot der Rücksichtnahme), in: ZMR 6/
2015, S. 500–501; Grziwotz, Herbert, Anmerkung zu BGH, U. v. 24.4.2015 – V ZR 138/14 –
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Die Baugenehmigung IX.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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Bodenordnung X.
tina, Berlin: Stillstand in der Wohnungspolitik. Seit gut einem Jahr setzt in Berlin eine linke Stadtent-
wicklungssenatorin konsequent auf Mieter- und Bestandsschutz, IWR 1/2018, 30–31.
8. Vorhaben nach § 37 BauGB: Bauvorhaben der Landesverteidigung, öffentliche Bauten:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
9. Vorhaben nach § 38 BauGB:
2007: Versteyl, Andrea, Zur Anwendbarkeit des § 38 BauGB bei der Errichtung/Änderung von
Müllverbrennungsanlagen und EBS-Kraftwerken, AbfallR 3/2007, 120–130.
X. Bodenordnung
Der Abschnitt „Bodenordnung“ des BauGB enthielt bis zum Inkrafttreten des EAG
Bau 2004 zwei Instrumente: Die Umlegung und die Grenzregelung. Beide Verfahren
dienten der Neuordnung von Grundstücksgrenzen mit dem Ziel, nach Lage, Form und
Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke zu
schaffen. In einem Umlegungsverfahren wird eine Vielzahl von Grundstücken einem
solchen Neuordnungsverfahren unterworfen. Bei einer Grenzregelung ging es nur um
einzelne, in der Regel benachbarte Grundstücke. Die „Grenzregelung“ ist 2004 durch
das Verfahren der „vereinfachten Umlegung“ ersetzt worden. Zwar hat man an den
Grundzügen der ehemaligen Grenzregelung festgehalten, der Anwendungsbereich ist
jedoch erweitert worden. Die Umlegung ist das städtebauliche Pendant zur landwirt-
schaftlichen Flurbereinigung. Die heute vorhandene klare begriffliche Trennung zwi-
schen einerseits der „Flurbereinigung“ als der Bodenordnung für landwirtschaftlich
genutzte Grundstücke und andererseits der „Umlegung“ mit dem Ziel, Baugrundstü-
cke zu schaffen, war nicht immer vorhanden. Ältere Gesetze benutzten die „Umle-
gung“ (oder auch die „Verkoppelung“) als beides umfassenden Oberbegriff. Heute
gibt es nur noch die Möglichkeit räumlich-sachlicher Überschneidung: Im Einzelfall
darf in eine Flurbereinigung auch „die Ortslage“, das sind die im Ort befindlichen,
bebauten Grundstücke mit den Hofstellen, Wohnhäusern und Werkstätten eines Dor-
fes, einbezogen werden. Für diesen Fall (oft aber auch schon, wenn Flurbereinigungs-
gebiete und Baugebiete nur aneinandergrenzen) muss eine gegenseitige Abstimmung
zwischen der für die Bauleitplanung zuständigen Gemeindeverwaltung und der (staat-
lichen) Flurbereinigungsbehörde stattfinden892. Die Einzelheiten dieser Abstimmung
sind in den §§ 187 bis 190 näher geregelt.
Durch Umlegung wird das Eigentum nicht beeinträchtigt, sondern nur umgestaltet.
Das BVerfG hat ausdrücklich anerkannt, dass die Baulandumlegung nach den §§ 45 ff.
BauGB eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Ei-
gentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt893.
892 Zur „städtebaulichen Flurbereinigung“ vgl. BVerwG, U. v. 14.3.1985 – 5 C 130/83 –, BVerwGE 71,
108 und BVerfG, U. v. 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85 –, DÖV 1987, 488 (Boxberg).
893 BVerfG, B. v. 22.5.2001 – 1 BvR 1512, 1 BvR 1677/97 –, ZfBR 2001, 478.
894 So klarstellend geregelt mit dem EAG Bau 2004 in § 45.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
895 Vgl. auch BGH, U. v. 13.12.1990 – III ZR 240/89 –, ZfBR 1991, 72: Umlegung zugunsten einer
überörtlichen Umgehungsstraße ist zulässig.
896 Zur Rechtswirkung des Umlegungsbeschlusses vgl. BGH, U. v. 2.4.1981 – III ZR 15/80 –, NVwZ
1982, 148.
897 BGH, U. v. 12.3.1987 – III ZR 29/86 –, ZfBR 1987, 286.
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Bodenordnung X.
sam erklärt worden ist. Es reicht in diesem Fall aus, wenn ein neuer Aufstellungsbe-
schluss vorliegt, mit dem die ursprünglichen Planungsziele weiter verfolgt werden898.
(2) Mit der Durchführung der Umlegung im Einzelnen wird in der Regel ein von der Ge-
meinde unabhängiger „Umlegungsausschuss“ beauftragt. Im Umlegungsausschuss sitzen
zum einen Spezialisten, die mit den für eine Umlegung notwendigen Verwaltungsschritten
vertraut sind (wie z. B. Fachleute der Vermessung, der Bauleitplanung, der Grundstücks-
bewertung). Zum anderen sitzen im Umlegungsausschuss auch Mitglieder der Gemeinde-
vertretung, damit ein gerechter Interessenausgleich herbeigeführt wird. In welcher Weise
die Umlegungsausschüsse zusammenzusetzen und mit welchen Befugnissen sie auszustat-
ten sind, können die Bundesländer jeweils gesondert durch Rechtsverordnung regeln (vgl.
§ 46 Abs. 2). Die Umlegungsausschüsse haben sich als sachverständiges und Interessen
ausgleichendes Organ in der Vergangenheit sehr bewährt, nur Hamburg hat auf ihre Ein-
richtung verzichtet. In der Hansestadt ist zwar eine sog. „Kommission für Bodenord-
nung“ eingerichtet, ihre Befugnisse gehen jedoch nicht so weit wie bei den Umlegungsaus-
schüssen, die mit der Durchführung der Umlegung beauftragt werden.
(3) Mit der Bekanntmachung des Umlegungsbeschlusses tritt gemäß § 51 eine Verfü-
gungs- und Veränderungssperre für alle Grundstücke ein, die im Umlegungsgebiet ge-
legen sind. Nach Eintritt dieser Sperre dürfen im Umlegungsgebiet nur mit schriftlicher
Genehmigung der Umlegungsstelle
– Grundstücke geteilt, dinglich belastet und/oder verkauft werden,
– erhebliche tatsächliche Änderungen an einem Grundstück (Veränderungen der Erd-
oberfläche oder sonstige wertsteigernde Veränderungen) vorgenommen werden,
– nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtige, aber wertsteigernde
bauliche Anlagen errichtet oder wertsteigernde Änderungen solcher Anlagen vor-
genommen werden oder
– genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtige bauliche Anlagen errichtet
oder geändert werden.
Die Veränderungssperre führt nicht dazu, dass im Umlegungsgebiet überhaupt keine
Flächen mehr verkauft, verpachtet, bebaut oder verändert werden dürfen; alles dies
unterliegt nur einer besonderen Genehmigungspflicht. Die Genehmigung darf nur ver-
sagt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Vorhaben die Durchfüh-
rung der Umlegung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde. Die Reich-
weite der Veränderungssperre nach § 51 ist durch das EAG Bau 2004 den
Freistellungsvorschriften der Landesbauordnung angepasst worden. Auch Vorhaben,
von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat
und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätten be-
gonnen werden dürfen, werden von der Veränderungssperre nach § 51 nicht berührt
(Parallelregelung wie in § 14).
898 OLG Karlsruhe, U. v. 9.11.2011 – 21 U 2/11 Baul – (rechtskräftig nach Beschluss des BGH vom 13.9.
2012 – III ZR 4/12 –), BauR 2013, 212.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
§§ Fahrplan: Umlegung
Umlegungsverfahren § Umlegungstechnik §
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Bodenordnung X.
(4) Zugleich mit dem Beginn des Umlegungsverfahrens muss die Umlegungsstelle dem
zuständigen Grundbuchamt und „der für die Führung des Liegenschaftskatasters zu-
ständigen Stelle“ (also in der Regel das Katasteramt oder das Vermessungsamt der
Stadt oder des Landkreises, ggf. auch das Flurbereinigungsamt) die Einleitung des
Verfahrens und die nachträglichen Änderungen des Umlegungsgebietes mitteilen. Dazu
hatte die Umlegungsstelle das Umlegungsgebiet zuvor so abzugrenzen, dass die Umle-
gung zweckmäßig durchgeführt werden kann. Das Gebiet darf aus räumlich voneinan-
der getrennten Bereichen zusammengesetzt sein. Insbesondere sollten einzelne Grund-
stücke, welche die Durchführung der Umlegung erschweren können, aber für die
Neueinteilung nicht von Bedeutung sind, ganz (bei Bedarf auch teilweise) ausgenom-
men werden. Das Grundbuchamt hat in die Grundbücher der umzulegenden Grund-
stücke den „Umlegungsvermerk“ einzutragen, mit dem zum Ausdruck gebracht wird,
dass ein Umlegungsverfahren im Gange ist. Um die Bedeutung dieses Vorgangs zu
verstehen, muss man wissen, welche Funktion die Grundbücher haben. Deshalb ist im
Bild 55 zusammengefasst, was es mit den Grundbüchern auf sich hat.
(5) Wenn der Umlegungsbeschluss entweder nicht angefochten wird oder entspre-
chende Streitigkeiten gütlich bzw. durch Gerichtsurteil beigelegt worden sind, kann
die eigentliche Umlegung beginnen. Dazu bedarf es einer besonderen „Umlegungstech-
nik“, die im nächsten Abschnitt gesondert geschildert werden soll. Hier soll nur das
grundsätzliche Ziel der Umlegung angesprochen werden, das darin besteht, die Grund-
stücke zweckmäßig neu zu ordnen. Die neu geschnittenen Grundstücke sollen bebau-
bar sein. Das Gesetz ordnet daher an, dass eine Umlegung grundsätzlich mit einem B-
Plan verbunden werden muss. Aber auch innerhalb der im Zusammenhang bebauten
Ortsteile (§ 34) ohne B-Plan darf eine Umlegung angeordnet werden, „wenn sich aus
der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der
Grundstücke ergeben“ (so § 45 Satz 1 Ziffer 2). Im Allgemeinen muss jedoch durch
einen B-Plan vorgezeichnet werden, wie die künftige Bebauung vonstattengehen soll;
der zugehörige Umlegungsplan schneidet die Grundstücke so zu, dass sie entsprechend
dem B-Plan bebaut werden können. Manchmal ist der B-Plan schon vor Einleitung des
385
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Umlegungsverfahrens vorhanden, dann richtet sich die Umlegung nach dem fertigen
B-Plan. Häufig werden aber auch Umlegung und Bebauungsplanung gleichzeitig
durchgeführt, sie beeinflussen sich dann wechselseitig. Allerdings muss der B-Plan in
Kraft getreten sein, bevor die Gemeindevertretung durch Beschluss des „Umlegungs-
plans“ (bestehend aus einer Karte der neu geordneten Grundstücke und einem entspre-
chenden Grundstücksverzeichnis) endgültig festlegt, wie die Grundstücksgrenzen nach
erfolgreichem Abschluss des Umlegungsverfahrens aussehen sollen. Denn die Grund-
stückseigentümer sollen vor dieser Beschlussfassung beurteilen können, ob der Zweck
der Umlegung mit der vorgeschlagenen Neuordnung erreicht wird. Erst durch das
Nebeneinanderlegen von B-Plan und Umlegungskarte kann man feststellen, ob die
neuen Grundstücke wirklich zweckmäßig für die Bebauung geschnitten sind899. Eine
amtliche Umlegung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans darf ausschließlich der
Umsetzung der im B-Plan getroffenen Festsetzungen dienen. Die Erschließung der Bau-
grundstücke darf nicht im B-Plan offen gelassen werden, um den damit verbundenen
Konflikt stattdessen ins nachfolgende Umlegungsverfahren zu verlagern (der Umle-
gungsplan kann unterlassene Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht ersetzen)900.
Umgekehrt dürfte einleuchten, dass nicht jeder Bebauungsplan die Einleitung einer
Umlegung rechtfertigt: Ein Umlegungsbeschluss, der nur dazu dient, der Gemeinde die
im B-Plan ausgewiesenen Gemeinbedarfsflächen durch Vorwegabzug und Einbehalt
des Umlegungsvorteils zu verschaffen, ist rechtswidrig901.
(6) Nach erfolgreicher Anwendung der „Umlegungstechnik“ (inkl. öffentlicher Ausle-
gung von Bestandskarte und Bestandsverzeichnis für die Dauer von einem Monat,
Ausfilterung der „Verteilungsmasse“ aus der „Umlegungsmasse“, Neuordnung und
-verteilung der Flächen, Anfertigen des Umlegungsplans und Erörterung mit den Ei-
gentümern) beschließt die Gemeinde den Umlegungsplan, der die Umlegungskarte und
das Umlegungsverzeichnis umfasst und aus dem sich der in Aussicht genommene Neu-
zuschnitt der Grundstücke (mit den neuen Grundstücksgrenzen und -bezeichnungen
sowie mit den Erschließungsflächen und den übrigen erforderlichen Flächen im Sinne
des § 55 Abs. 2) ergibt. Der Beschluss ist von der Umlegungsstelle in der Gemeinde
ortsüblich bekannt zu machen. Jeder, der ein berechtigtes Interesse darlegen kann, darf
diesen Umlegungsplan einsehen.
(7) Zugleich wird den Beteiligten ein ausschließlich ihre Rechte betreffender Auszug
aus dem Umlegungsplan zugestellt. Sind Grundeigentümer (oder sonstige Beteiligte)
mit dem in Aussicht genommenen Neuzustand nicht einverstanden, kann der Plan
entsprechend seiner Natur als Verwaltungsakt durch Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung angefochten werden. Zuvor ist kraft Landesrechts i. V. m. § 212 BauGB ein Wi-
derspruchsverfahren erforderlich (vgl. dazu im Einzelnen Kapitel B.XVII.). Nimmt die
Umlegungsstelle – z. B. aufgrund eines eingelegten Widerspruchs – Änderungen am
Umlegungsplan vor, sind die Bekanntmachung und Zustellung zu wiederholen. Dabei
genügt es jedoch, die Bekanntmachung und die Zustellung des geänderten Plans auf
die von der Änderung Betroffenen zu beschränken. (In der Praxis bemüht man sich,
den Umlegungsplan so lange durch Verhandlungen mit den Betroffenen abzustimmen,
dass alle einverstanden sein können. Angesichts der Vorteile, die auch die Eigentümer
von der Umlegung haben, gelingt dies recht häufig.) Regt sich schließlich kein weiterer
Widerstand gegen den Umlegungsplan mehr, ist mit Fristablauf der Zeitpunkt der
Unanfechtbarkeit des Plans ortsüblich bekannt zu machen.
(8) Aus der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans folgen die
Rechtswirkungen des § 72, wonach der frühere Rechtszustand mit den ungünstigen
899 Vgl. BGH, U. v. 10.11.1983 – III ZR 131/82 –, DVBl. 1984, 337 und BGH, U. v. 14.4.1985 – III ZR
190/84 –, BGH WM 1985, 901.
900 BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 4 CN.14 –, ZfBR 2015, 689.
901 Vgl. auch LG Karlsruhe, U. v. 10.6.1983 – O (Baul.) 21/83 –, VBlBW 1984, 122.
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903 Zu den Voraussetzungen vgl. BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR 185/82 –, NJW 1984, 2219.
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den Anlagen und Einrichtungen verbunden sind, deren Flächenbedarf Gegenstand des
Vorwegabzugs ist. In der Hauptsache betrifft diese Regelung den Bau der Erschlie-
ßungsstraßen. Selbstverständlich darf eine Umlegung nicht allein das Ziel verfolgen,
der öffentlichen Hand unentgeltlich Verkehrsflächen zu verschaffen. Es kann aber vor-
kommen, dass im Zuge einer Neuordnung aufgrund der Abtrennung der für den Ver-
kehr erforderlichen Flächen Restflächen übrig bleiben, die dann nicht mehr zweckmä-
ßig nutzbar sind904. Die Flächen, die dem Ausgleich des Eingriffs dienen, der z. B.
durch die Versiegelung der Straßen herbeigeführt wird, werden in den Vorwegabzug
einbezogen. Auf diese Weise kann eine Straße durch einen begrünten und mit Bäumen
bepflanzten Mittelstreifen breiter als nach reinen Erschließungsgesichtspunkten erfor-
derlich gestaltet werden. Möglich ist aber auch der Ausgleich auf (im Umlegungsge-
biet, nicht außerhalb) gesondert festgesetzten Flächen für Maßnahmen zum Schutz,
zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft; diese Flächen gehören
dann mit zum Gegenstand des Vorwegabzugs.
Nach § 55 Abs. 2 Satz 3 dürfen – zum Zweiten – die zum Vorwegabzug gehörenden
Grünflächen „auch bauflächenbedingte Flächen zum Ausgleich umfassen“. Damit ist
Folgendes gemeint: Die Eigentümer von Baugrundstücken sind zum naturschutzrecht-
lichen Ausgleich verpflichtet. Dafür werden häufig besondere Grünanlagen festgesetzt,
deren Herstellung dann über Kostenerstattungsbescheide nach §§ 135 a-c abgerechnet
werden kann. § 55 Abs. 2 Satz 3 ermöglicht es, dass diese Grünflächen zum Ausgleich
von Eingriffen auf Baugrundstücken unmittelbar den erschließungsbedingten Grünflä-
chen zugeschlagen und per Vorwegabzug einbehalten werden. Damit erspart sich die
Gemeinde den Umweg von Kostenerstattungsbescheiden und die Grünplanung wird
erleichtert.
Im Übrigen wurde die Pflicht der Grundeigentümer zum naturschutzrechtlichen Aus-
gleich schon durch das BauROG komplett in das Umlegungsrecht eingearbeitet. Dies
geschah auf die folgende Weise:
(a) Die Möglichkeiten des Vorwegabzugs nach § 55 Abs. 2 wurden um die Flächen
erweitert, die zum Ausgleich für diejenigen Eingriffe benötigt werden, die durch
die Anlagen und Einrichtungen herbeigeführt werden, zu deren Gunsten ein Vor-
wegabzug möglich ist (also Erschließungsstraßen, Lärmschutzwälle, Regenrück-
haltebecken usw.).
(b) Außerdem dürfen die in den Vorwegabzug einbezogenen Grünflächen um die Flä-
chen erweitert werden, die für bauflächenbedingte Ausgleichsmaßnahmen benö-
tigt werden.
(c) Der Wert der Einwurfsgrundstücke ist unter Beachtung der Verpflichtung zum
Ausgleich zu ermitteln (d. h. in aller Regel zu reduzieren).
(d) Flächen zum Ausgleich sind (soweit dies nach Lage der Dinge möglich und abwä-
gungsgerecht ist) in die Zuteilungsgrundstücke werterhöhend zu integrieren.
Durch diese Regelungen zur Wertberechnung wird erreicht, dass der Soll-Anspruch
der Eigentümer rechnerisch vermindert und der Wert der gegebenenfalls zugeteilten
Fläche um den Wert der gegebenenfalls einbezogenen Fläche zum Ausgleich erhöht
wird. Die Herabsetzung der Soll-Ansprüche hat zur Folge, dass sich der der Gemeinde
im Umlegungsgebiet zu Gebote stehende Flächenanteil erhöht. Dieser Umstand kann
zur Festsetzung von Flächen zum Ausgleich im Umlegungsgebiet genutzt werden. Bei
Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen außerhalb der Baugrundstücke werden die
Kosten des Flächenerwerbs entweder über den Kostenerstattungsbetrag nach den
§§ 135 a-c erhoben oder (soweit die Ausgleichsmaßnahmen auf öffentlichen Grünflä-
904 OLG Karlsruhe, U. v. 9.12.2011 – 21 U 2/11 Baul – (rechtskräftig nach Beschluss des BGH vom 13.9.
2012 – III ZR 4/12 –), BauR 2013, 212.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
chen stattfinden, die Gegenstand des Vorwegabzugs waren) im Wege des Vorwegab-
zugs auf die Eigentümer abgewälzt.
Was nach dem „Vorwegabzug“ noch übrigbleibt, ist die sog. Verteilungsmasse nach
§ 55 Abs. 4. Öffentliche Planungsträger, insbesondere die Gemeinden selbst, genießen
im Hinblick auf diese Verteilungsmasse immer noch eine gewisse Vorzugsstellung, die
in § 55 Abs. 5 beschrieben ist: Danach können Flächen, für die nach dem Bebauungs-
plan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist, aus der Verteilungsmasse
ausgeschieden und dem jeweiligen Bedarfs- oder Erschließungsträger zugeteilt werden,
wenn dieser geeignetes Ersatzland in die Verteilungsmasse einbringt. Das Ersatzland
kann auch außerhalb des Umlegungsgebiets liegen. Hier ist insbesondere an Fälle zu
denken, in denen die Eigentümer von bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstü-
cken Wert darauf legen, weiterhin landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke zu erhal-
ten. Derartige Eigentümer können besser mit Grundstücken außerhalb des Umlegungs-
gebietes abgefunden werden, da die Grundstücke im Umlegungsgebiet ja zukünftig
bebaut werden sollen. Hier wäre es ein günstiges Zusammentreffen von verschiedenen
Interessen, wenn die innerhalb des Umlegungsgebiets freiwerdende Fläche gleichzeitig
für öffentliche Zwecke eingesetzt werden könnte.
Wenn die öffentlichen Bedarfsträger erhalten haben, was ihnen gebührt, beginnt die
Verteilung unter den an der Umlegung beteiligten Eigentümern. Jetzt muss eine der
schwierigsten und auch wichtigsten Entscheidungen getroffen werden, nämlich die,
nach welchem Maßstab die Neuverteilung stattfinden soll. Als Grundregel gilt, dass
jeder Eigentümer für seinen in die Umlegung eingebrachten Grundbesitz ein oder meh-
rere Grundstücke mit mindestens dem gleichen Verkehrswert zurückerhalten soll. Der
Bundesgerichtshof nennt dies den „Grundsatz der wertgleichen Abfindung in
Land“905. Besonders in diesem Grundsatz kommt zum Ausdruck, dass die Umlegung
nicht Eigentumsentzug, sondern Umgestaltung des Eigentums im Rahmen der Eigen-
tumsbindung ist. Die Juristen sprechen insoweit von „dinglicher Surrogation“: Das
Eigentum der Umlegungsbeteiligten geht auch im „großen Topf“ niemals unter; viel-
mehr kehrt es daraus nur in veränderter Gestalt wieder zurück. Deshalb gehen z. B.
auch die Hypotheken, die auf einem eingebrachten Grundstück gelegen haben, ohne
Weiteres auf das neu zugeteilte Grundstück über. Juristisch ist das neue Grundstück
identisch mit dem alten.
Tatsächlich kann aber (fast) niemand das gleiche Stück Erdoberfläche wieder zugeteilt
erhalten, das er vorher besessen hat. Denn zum einen sind vom Eigentum an dieser
Erdoberfläche, nachdem sie im „großen Topf“ verschwunden war, bestimmte Teile
schon an die Gemeinde ausgegeben worden (nämlich der Vorwegabzug). Zum ande-
ren besteht der Zweck der Umlegung eben darin, die Grundstücksgrenzen auf der
Erdoberfläche zu verändern. Im Ergebnis muss also jeder flächenmäßig etwas weniger
und etwas anders zugeschnittenes Land bekommen, als er vorher hatte (vgl. Bild 56).
905 Zum Grundsatz der wertgleichen Abfindung im Land vgl. BGH, U. v. 12.10.1959 – III ZR 48/58 –,
BGHZ 31, 49 (56), BGH, U. v. 21.2.1980 – III ZR 84/78 –, NJW 1980, 1634; die Wertgleichheit
bezieht sich nach dem BGH nicht auf die absoluten Werte des eingeworfenen und des zugeteilten
Grundstücks, sondern auf das Verhältnis der Wertanteile an der Einwurfsmasse einerseits und der
Zuteilungsmasse andererseits. Vgl. auch BVerwG, U. v. 21.6.1955 – 1 C 173.54 –, BVerwGE 2, 154
und BVerwG, U. v. 6.10.1960 – 1 C 64.60 –, BVerwGE 12, 1 sowie BGH, B. v. 13.2.1969 – III ZR
123/68 –, BGHZ 51, 341.
390
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Bodenordnung X.
Damit die notwendigen m²-Abzüge in gerechter Weise auf alle Eigentümer verteilt
werden können und die Neuzuteilung insgesamt gerecht vor sich geht, stellt das Gesetz
zwei Verteilungsmaßstäbe zur Verfügung: Den Flächenmaßstab und den Wertmaßstab.
Je nachdem, welcher Maßstab angewendet wird, spricht man entweder von einer
„Wertumlegung“ oder einer „Flächenumlegung“ (vgl. Bild 57). Wenn alle Beteiligten
einverstanden sind, kann auch ein anderer Maßstab verwendet werden.
Anhand des Verteilungsmaßstabs werden die „Sollansprüche“ der Beteiligten ausge-
rechnet. Beim „Sollanspruch“ geht es (jedenfalls primär) nicht um den oben zitierten
„Grundsatz der wertgleichen Abfindung“, wonach jedem Eigentümer möglichst ein
Grundstück mit dem gleichen Verkehrswert wie das von ihm eingeworfene Grund-
stück zuzuteilen ist. Die Errechnung der Sollansprüche dient vielmehr dazu, das Ver-
hältnis der an der Umlegung beteiligten Grundeigentümer untereinander gerecht zu
ordnen; jeder Beteiligte soll nach der Umlegung im Verhältnis zu den übrigen Beteilig-
ten nicht schlechter und nicht besser dastehen als vorher. Die Sollansprüche werden
daher nicht absolut in m2 (Flächenmaßstab) oder in A (Wertmaßstab) ausgedrückt,
sondern relativ als Anteile an der Verteilungsmasse. Die Anwendung des Flächenmaß-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
stabs führt dazu, dass das Verhältnis der Flächenanteile der Eigentümer an der Ein-
wurfsmasse als Richtschnur für die Verteilung der nach dem Vorwegabzug noch vor-
handenen Fläche angewendet wird; die Anwendung des Wertmaßstabs führt dazu,
dass das Verhältnis der Werte der eingeworfenen Grundstücke als Maßstab für die
Verteilung der in der Verteilungsmasse befindlichen Werte an die Eigentümer zugrunde
gelegt wird. Wird der Flächenmaßstab angewendet, so wird ausgerechnet, welcher
Anteil an der zur Verteilung gelangenden Fläche jedem Beteiligten zusteht. Dies ge-
schieht, indem errechnet wird, in welchem Verhältnis die eingeworfenen Flächen zuei-
nander standen. Dies Verhältnis soll dann auch bei der Neuverteilung der Fläche in
m2 beibehalten werden. Wer 20 % der Einwurfsmasse besaß, soll auch 20 % der Ver-
teilungsmasse bekommen.
Bild 57: Wertumlegung und Flächenumlegung
Wertumlegung
Jeder Eigentümer erhält von der Verteilungsmasse den gleichen Wertanteil, den er zuvor
an der Einwurfsmasse hatte
Eigen- Flur- Wert des ein- Summe Anteil an Wert des/r zuzu- Anteil an
tümer stücks- geworfenen in g der Ein- teilenden der Vertei-
Nr. Grundstücks wurfs- Grundstücks/e lungsmasse
in g masse (= Sollan- in %
in % spruch) in g
215 31.000 144.000 14,5 216.050 14,5
A
217 113.000
B 216 69.510 69.510 7,0 104.300 7,0
218 29.000
219 19.000
C 124.125 12,5 186.250 12,5
221 14.000
223 62.125
220 117.000
D 222 37.500 208.500 21,0 312.900 21,0
224 54.000
E 225 312.500 312.500 31,5 469.350 31,5
F 226 85.000 85.000 8,5 126.650 8,5
227 50.000 50.000 5,0 74.500 5,0
G
Summe: 993.635 100 1.490.000 100
Jeder Eigentümer hat die Wertdifferenz zwischen dem Wert des eingeworfenen Grundstücks als Roh-
bauland und dem lt. Sollanspruch zugeteilten Grundstück als baureifes Land in Geld an die Gemeinde
zu begleichen (Ausgleich des Umlegungsvorteils in Geld. Hier A = 72.050 e (216.050 e – 144.000 e);
B = 34.790 e; C = 62.125 e usw.)
392
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Bodenordnung X.
Fläche in m² Anteil in %
Verkehrsfläche 3.034 12,3
Grünfläche (Ausgleichsmaßnahmen) 4.192 17,0
Gesamtflächen der zuzuteilenden Grundstücke 17.470 70,7
Summe: 24.696 100
Statt des bei der Wertumlegung einzuziehenden Umlegungsvorteils in Geld erhält die Ge-
meinde bei Gebieten, die erstmals erschlossen werden, von der Einwurfsmasse einen Flä-
chenanteil in Höhe von maximal 30 % der Fläche (im nur teilerschlossenen Beispielfall sind
es 12,3 %).
Mehr- oder Minderzuteilungen gegenüber dem Sollanspruch sind sowohl bei der Wert- als
auch bei der Flächenumlegung in Geld auszugleichen.
Im Hinblick auf die zur Verteilung gelangenden Werte kann dieser Maßstab natürlich
nur dann zu gerechten Ergebnissen führen, wenn Grund und Boden im Umlegungsge-
biet pro m2 etwa den gleichen Wert haben, und zwar sowohl vor als auch nach der
Umlegung. Wenn die Wertverhältnisse vorher unterschiedlich sind, ist der Flächen-
maßstab schon im Ansatz verfehlt, weil er ungleiche Werte gleich behandelt; sind die
Werte nachher unterschiedlich, kann die am vorherigen Besitz orientierte Zuteilung
von z. B. 20 % der Fläche dazu führen, dass der Betroffene 30 % des Werts der Vertei-
lungsmasse (oder noch mehr) erhält; obwohl er vorher nur mit 20 % am Wert der
Einwurfsmasse beteiligt war.
In allen Fällen von Wertungleichheit ist daher der Flächenmaßstab ungeeignet, und
man muss zur „Wertumlegung“ übergehen. Bei der Wertumlegung werden die Sollan-
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sprüche der Beteiligten nicht anhand der Fläche, sondern anhand des Werts der einge-
worfenen Grundstücke im Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses errechnet. Wer 20 %
des Werts zur Umlegungsmasse beisteuerte, der soll 20 % des Werts der Verteilungs-
masse erhalten.
Wenn man bei der „Wertumlegung“ an die Ausrechnung der Werte der eingeworfenen
und der zur Verteilung gelangenden Grundstücke geht, wird man fast immer feststel-
len, dass sich der Wert des Lands pro m2 im Zuge der Umlegung erheblich erhöht hat.
Diese Wertsteigerung ist eine Folge der Tatsache, dass jede Umlegung dazu dient, die
Grenzen der betroffenen Grundstücke zu verbessern. In aller Regel waren die Grund-
stücke vor der Umlegung nicht oder nur sehr ungünstig bebaubar. Jedermann weiß,
dass ein einwandfrei bebaubares Grundstück pro m2 mehr wert ist als ein nicht oder
nur schlecht bebaubares. Es gilt daher der Erfahrungssatz, dass jedes Umlegungsver-
fahren zu einer beträchtlichen Wertsteigerung der betroffenen Grundfläche führt.
Diese Wertsteigerung ist in 99 % der Fälle größer als das, was durch den Vorwegabzug
an Fläche aus der Umlegungsmasse herausgenommen wird. Am Beispiel ausgedrückt:
Wenn aus 10.000 m2 „Rohbauland“ (so nennt man noch nicht erschlossenes und noch
nicht zweckmäßig eingeteiltes Bauland) zu einem Wert von 30 A pro m2 nach Vorweg-
abzug von 2.000 m2 schließlich 8.000 m2 Bauland zum m²-Preis von 50 A zur Vertei-
lung gelangen, dann ist die nach der Fläche geringere Verteilungsmasse immer noch
100.000 A mehr wert als die Summe der eingeworfenen Grundstücke vor der Umle-
gung. Die Forderung des Gesetzes, dass jeder ein Grundstück mit mindestens dem
gleichen Verkehrswert zugeteilt erhalten soll wie sein eingeworfenes Grundstück, lässt
sich also rechnerisch fast immer erfüllen. Das gilt auch nach der Erweiterung des
Vorwegabzugs durch Einbeziehung von Flächen zum naturschutzrechtlichen Aus-
gleich. Der Gesetzgeber des BauROG hat dafür zusätzlich Sorge getragen, indem er
anordnete, dass bei der Einschätzung des Werts des eingeworfenen Grundstücks auch
die „Pflicht zur Bereitstellung von Flächen zum Ausgleich“ wertmindernd berücksich-
tigt werden muss (§ 57 Satz 2).
Nach alledem steht fest, dass nach einer Umlegung (am Bodenwert bemessen) fast
immer mehr zur Verteilung gelangen kann, als vorher zu Buche stand. An dem obigen
Beispiel ist dieses bereits deutlich geworden: 8.000 m2 Bauland zum Wert von 50 A
pro m2 ergeben einen Bodenwert von 400.000 A, der zur Verteilung gelangen kann,
während die ursprünglich landwirtschaftlich genutzten 10.000 m2 als Rohbauland nur
300.000 A wert gewesen sind, als Bauerwartungsland sogar nur 150.000 A (Bauerwar-
tungsland nennt man nach der Terminologie der Immobilienwertermittlungsverord-
nung solches Land, das im Flächennutzungsplan als Baufläche ausgewiesen ist, für das
es aber noch keinen Bebauungsplan gibt). Was geschieht aber mit dem Wertvorteil in
Höhe von 100.000 A oder sogar von 250.000 A?
Im Grundsatz sollen die speziell durch die Umlegung herbeigeführten Wertvorteile bei
der Gemeinde bleiben. Die Eigentümer sind deshalb zur Abführung des sog. Umle-
gungsvorteils an die Gemeinde verpflichtet. Bei der Wertumlegung müssen sie den
Unterschied zwischen dem Wert des eingeworfenen Grundstücks906 und dem des
Grundstücks, das sie aus der Umlegung erhalten haben, in Geld an die Gemeinde
zahlen. Bei der Bewertung des eingeworfenen Grundstücks wird aber nicht von der
schlichten landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen, sondern vom Wert als Rohbau-
land. Dadurch soll erreicht werden, dass die Grundeigentümer nicht den gesamten
Gewinn abführen müssen, der sich aus der Umwandlung des bisherigen Ackerlands in
906 Zur Berechnung, insbesondere zu den Stichtagen für die Wertberechnung vgl. BGH, U. v. 21.2.1980 –
III ZR 84/78 –, NJW 1980, 1634 und BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR 185/82 –, NJW 1984, 2219 im
Anschluss an BGH, U. v. 22.6.1978 – III ZR 92/75 –, BGHZ 72, 51 sowie BGH, U. v. 6.12.1984 – III
ZR 174/83 –, BGHZ 93, 103.
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907 Vgl. BGH, U. v. 22.6.1978 – III ZR 92/75 –, NJW 1978, 1980; ebenso BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR
185/82 –, NJW 1984, 2219; OLG Köln, U. v. 18.10.1990 – 7 U (Baul.) 24/90 –, ZfBR 1991, 75.
908 Beispiel: BGH, U. v. 5.10.2000 – III ZR 71/00 –, ZfBR 2001, 123.
909 Zur Berechnung vgl. BGH, U. v. 6.12.1984 – III ZR 174/83 –, BGHZ 93, 103 (= ZfBR 1985, 187).
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anstieg größer war als der gedeckelte Flächenbeitrag. Mit dem EAG Bau wurde diese
Ungleichheit behoben: Soweit der Umlegungsvorteil den Flächenbeitrag übersteigt, ist
der Wertvorteil in Geld auszugleichen (§ 58 Abs. 1 Satz 4). Die durch Vorwegabzug
einbehaltene Fläche ist auf den Flächenbeitrag anzurechnen. Die Umlegungsstelle kann
an Stelle eines Flächenbeitrags auch ganz oder teilweise einen entsprechenden Geldbei-
trag erheben. Der Flächenbeitrag darf durch Vertrag freiwillig erhöht werden (sog.
Mehrflächenabtretung), der Beitrag muss jedoch angemessen bleiben910. Verallgemei-
nernd kann man also sagen: Bei der Wertumlegung müssen die Eigentümer die Wert-
differenz zwischen dem Rohbaulandwert des Grundstücks, das sie in die Umlegung
eingebracht haben, und dem Baulandwert des Grundstücks, das sie aus der Umlegung
erhalten, in Geld an die Gemeinde abführen. Die Kosten der Erschließung und des
naturschutzrechtlichen Ausgleichs müssen zusätzlich bezahlt werden; dabei hat die
Gemeinde die Wahl, ob sie die Grunderwerbskosten für Flächen, die im Wege des
Vorwegabzugs einbehalten sind, in die Beitragspflicht einbezieht oder in den Umle-
gungsvorteil einrechnet. Bei der Flächenumlegung wird nach Möglichkeit von vornhe-
rein so viel Fläche zugunsten der Gemeinde einbehalten, dass eine solche Wertdifferenz
nicht entsteht. Ist dies nicht möglich, ist der Wertvorteil in Geld auszugleichen. In
der Praxis kann man die neu zuzuteilenden Grundstücke natürlich nicht immer so
zurechtschneiden, dass die nach dem Flächen- oder Wertmaßstab errechneten Sollan-
sprüche bei der Ist-Zuteilung genau eingehalten werden. Mancher, der ein relativ klei-
nes Grundstück eingeworfen hat, wird später ein größeres Grundstück erhalten, weil
anderenfalls eine Bebauung gar nicht möglich wäre. Mancher, dessen eingeworfenes
Grundstück sehr groß und sehr viel wert war, wird vielleicht etwas weniger als vorher
erhalten, damit keiner der beteiligten Eigentümer ganz leer ausgehen muss. Derartige
Wertunterschiede sind von der Gemeinde in Geld auszugleichen, wenn ein Eigentümer
weniger, als nach dem Sollanspruch vorgesehen, bekommt. Erhält umgekehrt ein Betei-
ligter mehr als ihm nach dem Sollanspruch zusteht, muss er die Wertdifferenz an die
Gemeinde bezahlen. Ein Geldausgleich wird auch solchen Grundstückseigentümern
gewährt, die so wenig eingeworfen haben, dass ihnen gar kein Baugrundstück zugeteilt
werden kann.
Ausgleichszahlungen für nicht wertgleiche Zuteilungen, die den Sollanspruch nicht
nur unwesentlich unter- oder überschreiten, werden nach Enteignungsgrundsätzen
aus- und abgerechnet; denn soweit beteiligte Grundeigentümer fühlbar weniger Land
erhalten als sie eingeworfen haben, wirkt sich das Umlegungsverfahren für sie – aus-
nahmsweise – doch enteignend aus911. Die Enteignungsvorschriften fordern eine zeit-
nahe Bewertung des entzogenen Vermögens, damit sich der Betroffene mit dem Ent-
schädigungsbetrag ein gleichwertiges Grundstück auf dem Markt beschaffen kann
(vgl. dazu im Einzelnen Kapitel B.X.). Dementsprechend ist als Stichtag für die Bemes-
sung der Entschädigungssumme für Minderzuteilungen der dem Ende des Umlegungs-
verfahrens relativ nahe Zeitpunkt des Beschlusses der Gemeinde über den Umlegungs-
plan festgesetzt worden; für die Berechnung der Höhe des an die Gemeinde zu
zahlenden Umlegungsvorteils ist ein in der Regel wesentlich früherer Stichtag, nämlich
der Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses, vorgeschrieben. Der Zeitpunkt des Beschlus-
ses über den Umlegungsplan ist ebenfalls maßgeblich für die Berechnung der Geldaus-
gleichsleistungen der Eigentümer an die Gemeinde wegen nicht nur unerheblicher
Mehrzuteilungen, wenn dadurch die bebauungsplanmäßige Nutzung des Grundstücks
ermöglicht wurde. Dadurch soll die „Spiegelbildlichkeit“ der Höhe dieser Ausgleichs-
zahlungen gewährleistet werden.
396
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Bodenordnung X.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
398
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Bodenordnung X.
schen der regulären Umlegung und einer Umlegung im vereinfachten Verfahren sind
in Bild 58 noch einmal übersichtlich zusammengefasst.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Bereich
Bodenordnung
Seit 2013 sind im Recht der Bodenordnung keine Veränderungen vorgenommen wor-
den.
Bild 58: Die Unterschiede zwischen der regulären Umlegung und einer vereinfachten Um-
legung
Reguläre Umlegung Vereinfachte Umlegung §§
* Einleitung durch Umlegungsbe- * Kein förmlicher Einleitungsbe- § 47 Abs. 1, § 50/
schluss (Verwaltungsakt mit der schluss erforderlich § 80 Abs. 2
Folge der Veränderungssperre) Satz 2
* Betrifft ein ganzes Gebiet, das durch * bezieht sich nur auf wenige direkt § 52/§ 80
den Umlegungsbeschluss festgelegt benachbarte oder in enger Nachbar-
wird schaft befindliche Grundstücke
* Im Umlegungsgebiet kommt der Ge- * Kein Vorkaufsrecht, da keine förmli- § 24 Abs. 1 Nr. 2
meinde ein Vorkaufsrecht zu che Gebietsfestlegung erfolgt
* Komplette Neuordnung der Grund- * Beschränkung auf Tausch von Grund- § 55
stücksgrenzen mit Vorwegabzug zu- stücken oder Grundstücksteilen unter
gunsten der Gemeinde den Nachbarn sowie einseitige Zutei-
lung von Splittergrundstücken oder
Grundstücksteilen – kein Vorwegabzug
* Komplette Neuordnung aller Belas- * Neuordnung von Grundpfandrechten § 61/§ 80 Abs. 4
tungen nur, wenn alle Beteiligten dem
neuen Rechtszustand zustimmen
* Abführung des durch die Umlegung * Wertausgleich findet grundsätzlich §§ 57, 58/§ 81
bedingten Vorteils an die Gemeinde nur zwischen den betroffenen Eigen-
(in Fläche oder in Geld) tümern statt (mit der Gemeinde als
Zahlungsstelle). Ist der Wertvorteil
des Annehmenden bei Tausch oder
Zuteilung größer als die Wertminde-
rung beim Abgebenden, bleibt die
Differenz bei der Gemeinde.
399
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
in der Erschließungsumlegung, in: FuB 2/2015, S. 80–87; 2017: Scheidler, Alfred, Bodenordnung
durch Umlegung, in: BauR 4/2017, S. 629–639.
2. Zur freiwilligen Umlegung:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
3. Zum Umlegungsausschuss:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
4. Zur vereinfachten Umlegung (früher: Grenzregelung):
2012: Reinhardt, Wilfried, Die vereinfachte Umlegung: in der Praxis angekommen, GuG 2012,
269–278.
5. Zur Flurbereinigung:
2010: Thomas, Klaus, Das Eigentumsgrundrecht, Flurbereinigung und Bodenordnung, (s. a. Er-
widerung von Weiß, FuB 6/2010, 281), FuB 2010, 276–280; Weiß, Erich, Zur Definition von
Privatnützigkeit und Fremdnützigkeit in Planung und Bodenordnung nach dem Flurbereini-
gungsgesetz, FuB 2010, 36–39; Weiß, Erich, Stellungnahme zum vorstehenden Beitrag „Das
Eigentumsgrundrecht, Flurbereinigung und Bodenordnung“ von Klaus Thomas, (FuB 2010,
276–280), FuB 2010, 281–282; 2011: Hunke-Klein, Martina, 125 Jahre Flurbereinigungsverwal-
tung im Rheinland. Von der Gemeinheitsteilung zur modernen Bodenordnung, FuB 2011, 288.
Siehe im Übrigen die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter
www.planundrecht.de
400
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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.
stücke für den Bau von Erschließungsstraßen, für Kinderspielplätze, für Schulen916
oder Krankenhäuser, für eine Kläranlage usw. Dies ermöglicht § 85 Abs. 1 Nr. 1,
allerdings nur für öffentliche Zwecke, nicht als „privatnützige Enteignung“917. Die
Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 ist trotz des relativ weit reichenden Wortlauts
der Nr. 1 (Durchsetzung der in einem Bebauungsplan festgesetzten Nutzung) an
das „Wohl der Allgemeinheit“ gebunden und setzt damit eine Rechtfertigung
durch einen öffentlichen Zweck voraus918. Weit weniger häufig ist die Enteignung
für folgende, auch zulässige Zweckrichtungen:
– Schließen von Baulücken innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
(dieser Möglichkeit geht der Ausspruch eines Baugebots nach § 176 vor),
– Beschaffung von Grundstücken für eine Entschädigung in Land,
– Ermöglichung von Ersatzleistungen für enteignete Rechte,
– Enteignung zur Erhaltung von Gebäuden im Geltungsbereich einer Erhaltungssat-
zung nach § 172, wenn der Eigentümer für deren Bestand nicht garantieren kann
und
– Enteignung von baulichen Anlagen im Geltungsbereich einer Durchführungssiche-
rungssatzung nach § 171d (Stadtumbau), um „im Geltungsbereich einer Satzung
zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus eine bauliche An-
lage aus den in § 171d Abs. 3 bezeichneten Gründen zu erhalten oder zu beseiti-
gen.“
Nach § 171d Absatz 3 Satz 1 darf im Geltungsbereich einer Durchführungssicherungs-
satzung zum Stadtumbau gehandelt werden, „um einen den städtebaulichen und sozia-
len Belangen Rechnung tragenden Ablauf der Stadtumbaumaßnahmen auf der Grund-
lage des von der Gemeinde aufgestellten städtebaulichen Entwicklungskonzepts
(§ 171b Abs. 2) oder eines Sozialplans (§ 180) zu sichern“. Damit kann die Beseiti-
gung eines Gebäudes zur Unzeit ebenso verhindert werden wie eine Investition in
ein Gebäude, das nach dem städtebaulichen Entwicklungskonzept alsbald abgerissen
werden sollte.
Die in § 171d vorgesehene besondere Genehmigung für bauliche Maßnahmen sowie
für die Beseitigung baulicher Anlagen muss allerdings gemäß § 171d Abs. 3 Satz 2
erteilt werden, wenn unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von
dem Vorhaben oder der Maßnahme wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. In solchen
Fällen ist die Enteignung nach § 85 Abs. 1 Ziffer 7 die letzte Notbremse. Ein Übernah-
meanspruch kann sich aus der Anwendung des § 171d nicht ergeben.
In dem von der Gemeinde aufzustellenden städtebaulichen Entwicklungskonzept müs-
sen nach § 171b Abs. 2 „die Ziele und Maßnahmen im Stadtumbaugebiet schriftlich
dargestellt“ werden. In einem Sozialplan nach § 180 sind die Ergebnisse des Erörte-
rungsprozesses mit den Betroffenen und der Prüfungen über geeignete Maßnahmen
zur Vermeidung oder Milderung nachteiliger Auswirkungen des Stadtumbaus im kon-
kreten Fall schriftlich darzustellen. Nach § 180 Abs. 1 hat die Gemeinde im Vorfeld
von Stadtumbaumaßnahmen zugunsten der im Gebiet wohnenden und arbeitenden
Menschen Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie nachteilige Auswirkungen mög-
lichst vermieden oder gemildert werden können und dies mit den Betroffenen zu erör-
tern. Wenn Betroffene nach ihren persönlichen Lebensumständen nicht in der Lage
916 Vgl. BGH, U. v. 7.7.1988 – III ZR 134/87 –, ZfBR 1989, 31: Enteignung auch für eine Waldorf-
(Privat-)Schule zulässig. Denn auch eine Privatschule dient dem Wohl der Allgemeinheit.
917 Vgl. dazu BVerfG, U. v. 10.2.1981 – 1 BvR 92/71 –, BVerfGE 56, 249 (Bad Dürkheimer Gondelbahn);
vgl. auch BVerfG, U. v. 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85 –, BVerfGE 74, 264 (Boxberg – Automobilteststre-
cke): Keine Enteignung nach § 85 BauGB für (angebliche) Zwecke der regionalen Wirtschaftsförde-
rung.
918 Vgl. BVerfG, B. v. 8.7.2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 – (Enteignung einer Straßenverkehrsfläche;
Inzidentkontrolle der bauplanerischen Entscheidung; Wohl der Allgemeinheit; gerichtliche Prüfungs-
dichte), in: BayVBl. 2010, 107–110.
401
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
sind, Empfehlungen und anderen Hinweisen der Gemeinde zur Vermeidung von Nach-
teilen zu folgen, hat die Gemeinde geeignete Maßnahmen zu prüfen. All dies muss
sich im Sozialplan niederschlagen.
In einem förmlich festgelegten Entwicklungsbereich nach §§ 165–171 ist die Enteignung
ohne Bebauungsplan zugunsten der Gemeinde oder des Entwicklungsträgers zur Erfül-
lung ihrer Aufgaben ohne Beschränkung auf die speziellen Zwecke des § 85 zulässig. § 85
(Enteignungszweck), § 87 (Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung) und
§ 88 (Enteignung aus zwingenden städtebaulichen Gründen) sowie § 89 Abs. 1 bis 3
(Veräußerungspflicht) sind im städtebaulichen Entwicklungsbereich nicht anzuwenden;
es braucht also in einem förmlich festgelegten Entwicklungsbereich auch nicht im Einzel-
nen nachgewiesen zu werden, dass „das Wohl der Allgemeinheit“ im Sinne des § 87 die
Enteignung erfordert; das Vorliegen von Gründen des Wohls der Allgemeinheit wird zu-
sammen mit der förmlichen Festlegung des Gebiets entschieden, denn die förmliche Fest-
setzung darf gemäß § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB nur erfolgen, „wenn das Wohl der Allge-
meinheit die Durchführung der Entwicklungsmaßnahme erfordert“.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Enteignung zur Bereitstel-
lung von Ersatzleistungen für enteignete Rechte wird deutlich, dass eine Enteignung
nicht immer darauf hinauslaufen muss, einem Grundstückseigentümer sein Grund-
stück völlig wegzunehmen. Eine Enteignung ist vielmehr auch in der Weise möglich,
dass der Gemeinde nur bestimmte Rechte an einem Grundstück verschafft werden,
umgekehrt gesagt, dass der Eigentümer zur Duldung bestimmter Dinge auf seinem
Grundstück verpflichtet wird. Wenn die öffentliche Hand zum Beispiel beabsichtigt,
eine dicke Abwasserleitung quer über ein ihr nicht gehörendes Grundstück zu legen,
so braucht sie dafür ein Leitungsrecht. Wenn der Eigentümer mit einem solchen Lei-
tungsrecht nicht einverstanden ist, dann muss ihm als Reaktion darauf nicht gleich
das ganze Grundstück weggenommen werden. Es genügt vielmehr, ihn auf der Grund-
lage einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 soweit zu enteignen, dass er die Abwas-
serleitung auf seinem Grundstück dulden muss. In dieser Verpflichtung liegt dann eine
Teilenteignung. Vergleichbar sind Fälle, in denen jemand durch Teilenteignung dazu
verpflichtet wird, an seinem Haus die Anbringung einer Befestigung für eine Straßen-
bahnoberleitung zu dulden, ein Wegerecht zu gewähren, die Errichtung eines Stützpfei-
lers für eine Straßenüberführung zu dulden. Alle zulässigen Gegenstände der Enteig-
nung sind in § 86 aufgezählt919. Seit 1998 sind auch die Rückübertragungsansprüche
nach dem Vermögensgesetz hier genannt; sie waren zunächst in § 246a Abs. 1 Nr. 10
aufgeführt. (Dass der Hauseigentümer die Befestigung einer Straßenbeleuchtung an
seinem Haus dulden muss, ist übrigens ausdrücklich in § 126 geregelt.)
Im Zusammenhang mit der in § 85 Abs. 1 an vorletzter Stelle genannten Möglichkeit, ein
Grundstück zum Zweck der Gebäudeerhaltung zu enteignen, wird klar, dass es bei der
Enteignung auch nicht vorrangig um das Grundstück, sondern ebenso sehr auch um das
darauf stehende Gebäude gehen kann. Wenn nach § 85 Abs. 1 Ziffer 5 eine Enteignung
ausgesprochen werden kann, um ein gefährdetes Gebäude im Bereich einer Erhaltungs-
satzung zu erhalten, dann liegt der Enteignungszweck ganz eindeutig nicht in der Erlan-
gung des Rechts am Grundstück, sondern in der Erlangung der Verfügungsbereitschaft
über das darauf stehende Gebäude. Da (anders als nach dem Recht der DDR) nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch das Eigentum an einem Grundstück einerseits und an dem da-
rauf stehenden Gebäude andererseits nicht getrennt werden kann, ist es nicht möglich,
ein Gebäude ohne das zugehörige Grundstück zu enteignen; denkbar wäre allerdings die
Enteignung mit dem Ziel der Begründung eines Erbbaurechts.
Enteignungen sind in der Praxis relativ selten. Das liegt nicht nur daran, dass sich die
Verwaltung gegenüber dem Eigentümer, auf dessen Rechte sie zugreift, einigermaßen
919 Zur Enteignung von Miet- und Pachtrechten vgl. BGH, U. v. 7.9.1982 – III ZR 114/80 –, BGHZ
83, 1.
402
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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.
unbeliebt macht. Denn wenn die Verwaltung den Zweck der Enteignung hinreichend
verdeutlichen kann, wird sie deswegen in der Öffentlichkeit keinen Tadel auf sich
ziehen. Entscheidend ist vielmehr, dass die rechtlichen Bedingungen für die Zulässig-
keit einer Enteignung außerordentlich eng gefasst sind. Eine Enteignung ist gemäß
§ 87 nur zulässig, „wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteig-
nungszweck auf eine andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann“. Ob die
Tatbestandsmerkmale dieser recht vagen Generalklausel im Einzelfall gegeben sind,
ist immer nur mit einem gewissen Grad an verbleibender Unsicherheit zu beurteilen.
Einerseits steht fest, dass die Verwaltung nur bei absoluter Notwendigkeit enteignen
darf, andererseits kann sich die Verwaltung fast nie ganz sicher sein, ob diese absolute
Notwendigkeit vorliegt. Der grobe Keil kommt also nur dann in Frage, wenn auf
andere Weise ein Fortgang der Dinge überhaupt nicht zu erreichen ist. Unter diesen
Umständen scheint es sich nahezu von selbst zu verstehen, dass jedem Enteignungsver-
fahren die vorherige Bemühung um freihändigen Erwerb zu angemessenen Bedingun-
gen vorausgegangen sein muss. Praktisch wirkt sich diese Vorschrift jedoch preistrei-
bend aus, da die Verwaltung in der Verhandlungsphase auf das Entgegenkommen des
Grundeigentümers angewiesen ist. Das niederländische Recht hat diese Problematik
dadurch gelöst, dass jeder Enteignung ein spezieller Enteignungsplan vorangeschickt
werden muss. Wenn dieser Plan nach öffentlicher Auslegung und Diskussion von „der
Krone“ als der obersten Verwaltungsinstanz genehmigt worden ist, kann die Enteig-
nung dem Grunde nach praktisch nicht mehr angegriffen werden. Der Eigentümer
kann dann nur noch in der Gewissheit über den Preis verhandeln, dass er am Ende
enteignet werden kann. Das reguliert den Preis.
2. Das Enteignungsverfahren
Das in Bild 59 zusammengefasste Enteignungsverfahren wird gemäß § 105 durch ei-
nen Antrag auf Enteignung an die Enteignungsbehörde eingeleitet. Die Enteignungsbe-
hörde soll als neutrale Entscheidungsinstanz fungieren, sie ist daher nicht bei der Ge-
meinde verortet. In der Regel liegt die Enteignungsbehörde bei der staatlichen
Mittelbehörde, also bei den Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen (soweit vor-
handen), anderenfalls bei den Landkreisen oder der Landesregierung. Das Landesrecht
kann der Entscheidungsinstanz ehrenamtliche Beisitzer zuordnen – so geschehen in
Baden-Württemberg sowie in Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Nach einer pauschalen Prüfung der Zulässigkeit und der Erfolgsaussichten des Enteig-
nungsantrags, als deren Ergebnis die Enteignungsbehörde die Eröffnung des Verfah-
rens auch ablehnen kann920, leitet die Enteignungsbehörde das Enteignungsverfahren
durch Beschluss ein. Gleichzeitig wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung anbe-
raumt. Der Einleitungsbeschluss hat die Wirkung einer Verfügungs- und Verände-
rungssperre mit dem gleichen Inhalt wie die Verfügungs- und Veränderungssperre bei
einer Umlegung (siehe oben Kapitel B.IX.).
Mit der in § 109 geregelten Verfügungs- und Veränderungssperre wird angeordnet,
dass nach Bekanntmachung der Einleitung des Enteignungsverfahrens für bestimmte
Grundstücke alle auf dieses Grundstück bezogenen Rechtsvorgänge der Genehmigung
der Enteignungsbehörde bedürfen. Die mit der BauGB-Novelle 2013 in § 109 Abs. 4
eingeführte Verweisung auf § 122 Abs. 5 Satz 2 bis 5 bedeutet Folgendes:
– über die Genehmigung ist grundsätzlich innerhalb eines Monats zu entscheiden;
– diese Frist kann höchstens um drei Monate verlängert werden;
– die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird;
– darüber hat die Behörde auf Antrag ein Zeugnis auszustellen.
920 Vgl. BGH, U. v. 28.9.1967 – III ZR 164/66 –, NJW 1968, 152; zum notwendigen Versuch, das Grund-
stück freihändig zu erwerben vgl. BGH, U. v. 1.3.1984 – III ZR 197/82 –, BGHZ 90, 243.
403
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
§§-Fahrplan: Enteignungsverfahren §§
Antrag auf Enteignung an die Enteignungsbehörde (in der Regel: Re- 105
gierungspräsidien/Bez.Reg.) 104/105
Der Einleitungsbeschluss der Enteignungsbehörde – mit Anberau- 108 Abs. 5
mung eines Termins zur mündlichen Verhandlung – ist ortsüblich be- 109/51
kanntzumachen.
Wirkung: Verfügungs- und Veränderungssperre
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung 108
Ziel: Verfahrenskonzentration
Mündliche Verhandlung 110
1. Ziel: Einigung über Rechtsübergang und Entschädigung
2. Ziel: Teileinigung über Rechtsübergang 111
3. Ziel: Entscheidungsreife für hoheitlichen Beschluss herstellen 112
4. Ziel: Vorzeitige Besitzeinweisung bewirken 116
Wenn weder Einigung noch Teileinigung erreichbar sind, ergeht der 112, 113
Enteignungsbeschluss als anfechtbarer Verwaltungsakt
Falls die Sache nicht insgesamt entscheidungsreif ist, kann auf Antrag 112 Abs. 2
eine Vorabentscheidung über den Rechtsübergang unter Abtren-
nung des Streites über die Höhe der Entschädigung ergehen
Ausführung des Enteignungsbeschlusses: 117
– nach Vorauszahlung oder Hinterlegung der Entschädigung
Einweisung des neuen Eigentümers in den Besitz am Grundstück
Abwicklung der Entschädigung 93 ff.
– i. d. R. durch Zahlung in Geld 100
– ausnahmsweise durch Zuweisung von Ersatzland
404
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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.
405
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaf-
ten, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf
ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre“.
Die Benutzung des Konjunktivs in diesem Satz zeigt, dass es sich um einen hypotheti-
schen Wert handelt, der nicht real, sondern nur durch Gutachten ermittelt werden
kann. Die Grundlage derartiger Gutachten sind sogenannte Vergleichspreise: Die Gut-
achter müssen versuchen, reale An- und Verkaufspreise für solche Grundstücke zu
ermitteln, die dem enteigneten Grundstück vergleichbar sind. Damit solche Schätzun-
gen auf Vergleichsbasis einigermaßen zuverlässig sind, müssen zehn bis fünfzehn Ver-
gleichspreise zur Verfügung stehen. Auch dann wird sich immer noch eine gewisse
Bandbreite des Verkehrswertes ergeben. Damit die Gutachter es nicht allzu schwer
haben, hat das Gesetz in §§ 192 ff. angeordnet, dass (in der Regel in kreisfreien Städ-
ten und Landkreisen) sogenannte Gutachterausschüsse mit einer Geschäftsstelle zu
errichten sind; die Geschäftsstelle dient als Sammelstelle für alle Grundstückskaufver-
träge, die im Gebiet der Geschäftsstelle abgeschlossen werden. Alle Käufer und Ver-
käufer von Grundstücken sind verpflichtet, eine Abschrift ihres Kaufvertrages an die
Geschäftsstelle des Gutachterausschusses zu schicken. Der Gutachterausschuss ge-
winnt so eine Marktübersicht, die sich in der jährlichen Veröffentlichung von Boden-
preis-Richtwerten niederschlägt. Näheres dazu wird im Kapitel B.XV. „Bodenwerter-
mittlung“ geschildert werden. In der Praxis besonders wichtig ist der Stichtag, der bei
der Wertermittlung zugrunde gelegt wird (vgl. dazu Bild 60).
Bild 60: Die Enteignungsentschädigung in Geld
Leitgrundsatz:
Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Ver-
EURO kehrswert des Grundstücks – § 95 i. V. m. § 194
Beachte:
Im Hinblick auf den Zustand des Grundstücks ist der
Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Enteignungsbe-
hörde über den Enteignungsantrag entscheidet.
Im Gesetz heißt es dazu, dass für die Bemessung der Entschädigung sowohl im Hin-
blick auf den Zustand des Grundstücks (§ 93 Abs. 4) als auch im Hinblick auf die
406
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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.
922 Vgl. dazu die sog. „Steigerungsrechtsprechung“ des BGH, z. B. BGH, U. v. 22.1.1959 – III ZR 186/
57 –, BGHZ 29, 217; BGH, U. v. 27.6.1963 – III ZR 166/61 –, BGHZ 40, 87; BGH, U. v. 8. 4.1965
– III ZR 60/64, BGHZ 43, 300 (306); BGH, U. v. 27.9.1973 – III ZR 131/71 –, BGHZ 61, 240 (246);
BGH, U. v. 20.3.1975 – III ZR 153/72 –, BRS 34 Nr. 120.
407
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
(1) die Wertsteigerung eines Grundstücks, die infolge der Aussicht auf eine Änderung
der zulässigen Nutzung eingetreten ist, wenn die Änderung in absehbarer Zeit nicht
zu erwarten ist (dies betrifft spekulative Erwartungen, zum Beispiel in Richtung auf
eine künftige Bebaubarkeit, die nicht von den Realitäten gedeckt sind);
(2) Wertveränderungen, die infolge der bevorstehenden Enteignung eingetreten sind
(Beispiel: Ackerland gewinnt an Marktwert, weil darüber diskutiert wird, dass es für
den Bau einer Ortsumgehungsstraße benötigt wird; die Eigentümer sollen nicht allein
deshalb einen höheren Preis erhalten, weil zufällig auf ihren Grundstücken eine öffent-
liche Einrichtung gebaut werden soll; das Prinzip gilt auch umgekehrt – wenn wertvol-
les Bauland für eine Straßenverbreiterung genutzt werden soll, muss der Baulandpreis
gezahlt werden, nicht etwa der geringe Wert für Straßenland);
(3) Werterhöhungen, die nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, in dem der Eigentümer
zur Vermeidung der Enteignung ein Kauf- oder Tauschangebot des Antragstellers mit
angemessenen Bedingungen hätte annehmen können;
(4) wertsteigernde Veränderungen, die während einer Veränderungssperre ohne Ge-
nehmigung der Baugenehmigungsbehörde vorgenommen worden sind;
(5) wertsteigernde Veränderungen, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens
ohne behördliche Anordnung oder Zustimmung vorgenommen worden sind;
(6) Vereinbarungen, soweit sie von üblichen Vereinbarungen auffällig abweichen und
Tatsachen den Eindruck rechtfertigen, dass sie getroffen worden sind, um eine höhere
Entschädigungsleistung zu erlangen (es soll dem Eigentümer nichts nützen, wenn er
noch kurz vor der Enteignung einen fingierten Kaufvertrag über das Grundstück zu
einem sehr hohen Preis abschließt und auf diese Weise beweisen zu können glaubt,
dass für sein Grundstück ein ganz besonders hoher Preis zu erzielen gewesen wäre);
(7) Bodenwerte, die bei einer Entschädigung nach den Vorschriften des Planungsscha-
densrechts (§§ 42–44) nicht zu berücksichtigen wären. Beispiel: Hohe Mieteinnahmen
(und damit auch der Bodenwert) beruhen auf einer städtebaulich unvertretbaren ho-
hen Ausnutzung des Grundstücks (z. B. eine besonders dichte Bebauung mit Seitenflü-
geln und Hofgebäuden, die nach modernem Baurecht gar nicht mehr zulässig wäre).
Dadurch verursachte Bodenwerte bleiben nach § 43 Abs. 4 unberücksichtigt. Ob die
Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 auch in diesem Zusammenhang anzuwenden ist, ist
umstritten923. Näheres dazu ist im Kapitel B.XII. „Planungsschadensrecht“ nachzule-
sen; nach der hier vertretenen Auffassung wirkt sich der Ablauf der Sieben-Jahres-
Frist nur bei Herabsetzungen der privaten Ausnutzbarkeit eines Grundstücks entschä-
digungsmindernd aus, aber nicht bei Enteignungen.
(8) Alle baulichen Anlagen, deren „Rückbau“ (so heißt es in § 95 Abs. 3 seit 1998
anstelle des Worts „Abbruch“) entschädigungslos gefordert werden kann, werden in
der Enteignungsentschädigung ebenfalls nicht berücksichtigt.
Die angesprochenen Korrekturen führen zu dem sogenannten „bereinigten Verkehrs-
wert“, der als Entschädigung für das Grundstück und das darauf stehende Gebäude
an den Eigentümer auszuzahlen ist. Wenn die Enteignung gleichzeitig zur Aufgabe
eines Betriebes nötigt oder zu sonstigen Vermögensschäden führt, dann sind die Betrof-
fenen dafür ebenfalls zu entschädigen. §§ 96 und 97 enthalten die dafür notwendigen
Grundregeln. Danach erhält der Betroffene neben der eigentlichen Enteignungsent-
schädigung für folgende Einbußen einen Geldausgleich:
– für Erwerbsverluste, das sind vorübergehende oder dauernde Mindereinkünfte aus
der Berufs- und Erwerbstätigkeit;
– für Wertminderungen am (nicht enteigneten) Restbesitz; Hauptfall ist der Verlust
oder die Beeinträchtigung der bisherigen Nutzungsmöglichkeit für das gesamte
923 Vgl. dazu BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273.
408
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Planungsschadensrecht XII.
Grundstück, obwohl nur ein Teil enteignet wurde (z. B. die Beeinträchtigung der
Jagdverhältnisse durch Zertrennung des Jagdgebiets durch eine Straße);
– notwendige Umzugskosten.
4. Änderungen und Neuerungen im Enteignungsrecht nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
vom 11.06.2013
Seit der BauGB-Novelle 2013 ist das Enteignungsrecht im BauGB nicht geändert wor-
den.
Literatur zum Kapitel XI: Enteignung und zur Enteignungsentschädigung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Enteignung allgemein:
2010: Meifort, Cornelia, Der Begriff der Enteignung nach der Rechtsprechung der internationa-
len Schiedsgerichte zum internationalen Investitionsschutzrecht, Frankfurt am Main [u. a.]:
Lang, 2010 (Zugl.: Hamburg, Bucerius Law School, Diss., 2009; 2012: Riedel, Daniel, Eigen-
tum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit: zur Ausgestaltungsgarantie der Eigentumsge-
währleistung, zum Enteignungsbegriff und zur Gemeinwohlbindung der Enteignung, Berlin:
Duncker & Humblot, 2012 (Zugl.: Düsseldorf, Univ., Diss., 2011); 2014: Aust, Manfred/Paster-
nak, Dieter/Jacobs, Rainer, Die Enteignungsentschädigung: Handbuch, 7., neu bearb. Aufl., Ber-
lin: de Gruyter Recht, Berlin 2014.
2. Zum Enteignungsverfahren:
2001: Stadler, Andreas, Die Enteignung zur Verwirklichung von Festsetzungen eines Bebauungs-
plans, Zentralinstitut für Raumplanung und Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der
Universität Münster, Münster 2001; 2011: Kühnl, Markus, Enteignung und Mediation: Ansätze
mediativer Konfliktlösung hinsichtlich einer Enteignung zur Realisierung planfeststellungsbe-
dürftiger Großvorhaben, Frankfurt am Main; Berlin [u. a.]: Lang, 2012 (Zugl.: Marburg, Univ.,
Diss., 2011)
3. Zur Enteignungsentschädigung:
4. Enteignungsgleicher Eingriff/Aufopferung:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
XII. Planungsschadensrecht
In den weiteren Zusammenhang von Enteignung und Entschädigung gehört auch das
Planungsschadensrecht. Es ist im Baugesetzbuch zwar schon in einem Abschnitt vor
dem Enteignungsrecht, nämlich in den §§ 39 bis 44, geregelt. Zum besseren Verständ-
nis ist es jedoch nützlich, das Planungsschadensrecht im Zusammenhang mit Enteig-
nung und Enteignungsentschädigung zu schildern. Denn sowohl bei der Enteignung
als auch beim Planungsschadensrecht geht es darum, die Eigentümer von Grundstü-
cken für die Folgen eines rechtmäßigen Zugriffs der öffentlichen Hand auf ihr Grund-
stück zu entschädigen. Dabei kann die juristisch-dogmatische Frage dahinstehen, ob
das Planungsschadensrecht Entschädigungsleistungen für „Enteignungen“ im Sinne
des Art. 14 GG gewährt oder ob es sich hier um Ausgleichsleistungen für Eingriffe
handelt, die noch im Bereich der Eigentumsbindung liegen. (Im Ergebnis dürfte es sich
um eine Form der Eigentumsbindung handeln, es sei denn, das Gesetz gewährt einen
Übernahmeanspruch).
In jedem Fall geht es beim Planungsschadensrecht nach §§ 39 bis 44 nicht um „Scha-
densersatz“ in dem Sinn, wie man ihn seinem Nachbarn zu leisten hat, wenn man
ihm durch unvorsichtiges Ballspiel eine Fensterscheibe eingeworfen hat, oder wie bei
Amtspflichtverletzungen. Die Pflicht zum Schadensersatz beim Einwurf von Fenster-
scheiben beruht darauf, dass man etwas Rechtswidriges getan (nämlich das Eigentum
des Nachbarn beschädigt) und sich dabei zumindest fahrlässig, also schuldhaft verhal-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
ten hat (nämlich nicht die gebotene Sorgfalt hat walten lassen). Die Haftung der An-
stellungskörperschaft für Amtspflichtverletzungen ihrer Bediensteten beruht auf
schuldhaft unrichtigem Verhalten (so wie es auch bei der Aufstellung von Bebauungs-
plänen durchaus vorkommen kann!924). Das Planungsschadensrecht behandelt demge-
genüber die Folgen rechtmäßiger Planungen, nicht etwa die Pflicht zum Schadensersatz
nach rechtswidrigen und schuldhaften Beschädigungen. Wenn eine Gemeinde also
durch ihre städtebauliche Planung einen „Planungsschaden“ auslöst, dann hat sie sich
nicht etwa etwas zuschulden kommen lassen, und die Angestellten im Stadtplanungs-
amt müssen nicht etwa ein schlechtes Gewissen haben; es geht vielmehr um die unver-
meidlichen Folgen rechtmäßigen Handelns, das insgesamt dem Wohl der Allgemein-
heit dient, beim Einzelnen jedoch zu einem Vermögensschaden geführt hat. Mancher
Kommunalpolitiker ist sich über diese Tatsache nicht hinreichend im Klaren; Pla-
nungsschäden im Sinn der §§ 39 bis 44 werden häufig als Folgen rechtswidrigen Han-
delns angesehen mit der Folge, dass Vorlagen der Verwaltung, die Ersatzpflichten nach
diesen Vorschriften auslösen könnten, prinzipiell abgelehnt werden. Damit ist der städ-
tebaulichen Planung nicht gedient. Wenn es aus städtebaulichen Gründen erforderlich
ist, müssen Planungsschäden riskiert werden. Die Konsequenzen dieses (rechtmäßi-
gen!) Handelns sind dann in den §§ 39 bis 44 geregelt. Mit der Haftung des Staats
und seiner Körperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) für etwa rechtswidriges
Handeln ihrer Bediensteten hat das Planungsschadensrecht nichts zu tun.
Bild 61: Schadensersatz bei Änderung der zulässigen Nutzung
924 Beispiel: BGH, U. v. 29.7.1999 – III ZR 234/97 –, ZfBR 2000, 49 (wegen Bergschäden unsicheren
Baugrund nicht erkannt).
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Planungsschadensrecht XII.
(2) Welche Ansprüche hat ein Eigentümer, für den die private Nutzbarkeit seines
Grundstücks durch öffentliche Planung unter Fortbestand der Privatnützigkeit gegen-
über dem früher zulässigen Maß heruntergesetzt worden ist?
Bild 61 gibt einen ersten Überblick über das System des Planungsschadensrechts. Der
Vertrauensschaden wird gemäß § 39 sowohl bei einer Inanspruchnahme einer bisher
privaten Fläche für öffentliche Zwecke als auch bei einer Änderung der nach wie vor
privaten Nutzbarkeit eines Grundstücks gezahlt. Bei der Inanspruchnahme einer bisher
privaten Fläche für öffentliche Zwecke besteht im Übrigen aber nur ein Übernahmean-
spruch nach § 40 gegen Geld – aber kein Schadensersatzanspruch nach § 42. Diesen
Anspruch gibt es nur bei einer wertmindernden Änderung der privaten Ausnutzbarkeit
eines privat bleibenden Grundstücks.
925 Beispiel aus der Rechtsprechung: BVerwG, B. v. 21.2.1991 – 4 NB 16.90 –, ZfBR 1991, 125.
926 Zu den Voraussetzungen der Unzumutbarkeit vgl. BGH, U. v. 13.12.1984 – III ZR 175/83 –, NJW
1985, 1781; zur Festsetzung von Flächen für Ausgleichsmaßnahmen vgl. BGH, U. v. 9.10.1997 – III
ZR 148/96 –, ZfBR 1998, 42.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Übernahmeanspruch kann u. a. auch durch die Festsetzung von SPE-Flächen zum Aus-
gleich für Eingriffe in Natur und Landschaft ausgelöst werden. Dies gilt selbst dann,
wenn die betreffenden Flächen unter anderem (aber nicht nur) zum Ausgleich von
Eingriffen bestimmt sind, die auf künftigen Baugrundstücken stattfinden, die demsel-
ben Eigentümer gehören. Der Wertvorteil, den der ausgleichspflichtige Eigentümer
durch die Umplanung einiger seiner Grundstücke zum Bauland genießt, kann und
muss bei der Entschädigung für das von der Gemeinde zu übernehmende Grundstück
im Wege des Vorteilsausgleichs berücksichtigt werden927.
Ein „Übernahmeanspruch“ entspricht also gewissermaßen einem „Anspruch auf Ent-
eignung“; so betrachtet ist es kein Zufall, dass die Enteignungsvorschriften und insbe-
sondere die Vorschriften über die Enteignungsentschädigung anzuwenden sind, wenn
die Gemeinde den Übernahmeanspruch des Eigentümers nicht freiwillig erfüllt. Die
Gemeinde kann den Übernahmeanspruch des Eigentümers auch nicht dadurch umge-
hen, dass sie einerseits schwere Belastungen eines Grundstücks auslöst, zum Beispiel
indem sie eine Hauptverkehrsstraße mit erheblichem Verkehrslärm direkt daneben
plant, andererseits aber darauf verzichtet, das Grundstück durch eine nach § 40 ent-
schädigungspflichtige Festsetzung zum Beispiel als „von der Bebauung freizuhaltende
Schutzfläche“ (§ 40 Abs. 1 Ziffer 4) ganz offiziell in Anspruch zu nehmen. Entweder
müssen die Lärmbeeinträchtigungen durch planerische Festsetzungen (Lärmschutz-
mauer an der Straße) unter die Schwelle der Unzumutbarkeit gedrückt werden, oder
das Grundstück muss „unmittelbar enteignend“ in einer die Entschädigungspflicht
nach §§ 40 ff. auslösenden Weise beplant werden. Die Verursachung unzumutbarer
Beeinträchtigungen durch „mittelbar enteignende“ Festsetzungen eines B-Plans ist
rechtswidrig928, weil es dann keine gesetzlich geregelten Entschädigungsansprüche für
den Eigentümer gibt.
Ist ein Grundstück für eine zukünftige öffentliche Nutzung vorgesehen, so darf der
private Eigentümer verständlicherweise auf diesem Grundstück keine neuen Gebäude
mehr errichten oder die vorhandenen Anlagen (zum Beispiel seine Fabrikationsge-
bäude) erweitern, es sei denn, dass er nach § 32 für sich und seine Rechtsnachfolger
auf Ersatz seiner Investitionen für den Fall schriftlich verzichtet, dass der Bebauungs-
plan durchgeführt wird. Zu einer solchen Verzichtserklärung wird der Eigentümer in
aller Regel nicht bereit sein, weil sich die Angelegenheit dann wirtschaftlich nicht mehr
lohnt. Im Planungsschadensrecht (und zwar in § 40 Abs. 2 Nr. 2) ist geregelt, dass der
Eigentümer auch in den Fällen die Übernahme des Grundstücks verlangen kann, in
denen derartige Erweiterungs- und Modernisierungsvorhaben (die im § 32 angespro-
chen sind) nicht ausgeführt werden dürfen, wenn dadurch die bisherige Nutzung einer
baulichen Anlage aufgehoben oder wesentlich herabgesetzt wird. Wird die bisherige
Nutzung des Grundstücks dadurch nur wirtschaftlich erschwert, bleibt aber insgesamt
sinnvoll, so ist eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.
Entschädigung in Geld (und nicht der sonst allein929 in Frage kommende Übernahme-
anspruch) ist nach § 41 auch vorgesehen, wenn im Bebauungsplan Flächen festgesetzt
werden, die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belasten sind, und wenn Bindun-
gen für Bepflanzungen und für das Erhalten von Bäumen und Sträuchern festgesetzt
werden, die über das „bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderliche Maß hin-
ausgehen“. Für Bepflanzungen, mit denen nur die aus dem Bauordnungsrecht folgende
Pflicht erfüllt wird, nicht überbaute Flächen des Baugrundstücks gärtnerisch zu gestal-
ten, wird selbstverständlich keine Entschädigung gezahlt.
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Planungsschadensrecht XII.
Bei Umplanungen von privater Nutzbarkeit in eine öffentliche Nutzung ist zu beach-
ten, dass die „Ermäßigung“ des § 42 Abs. 2, 3, wonach bei einer Rücknahme der
baulichen Nutzbarkeit nach Ablauf von sieben Jahren nur noch die Wertdifferenz
zwischen der ausgeübten Nutzung und der nun festgesetzten neuen Nutzung zu zahlen
ist, nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Anwendung findet. Die Plangewährleis-
tungsfrist des § 42 bezieht sich nur auf Herabstufungen der privaten Nutzbarkeit –
nicht auf die Beendigung der Nutzung zugunsten öffentlicher Zwecke. Eine „be-
grünte“ Baulücke im Innenbereich, die jederzeit bebaubar wäre, aber mehr als sieben
Jahre nicht bebaut wurde, kann in aller Regel nicht zum Grünlandpreis für öffentliche
Zwecke eingezogen werden930. Für den Übernahmeanspruch gilt nach dem BGH931
auch nicht die „Anmeldefrist“ des § 44 Abs. 4. Nach § 44 Abs. 4 erlischt „ein Ent-
schädigungsanspruch“ (aber nicht ein Übernahmeanspruch), wenn er nicht binnen
drei Kalenderjahren nach der Entstehung fällig gestellt wird, indem er schriftlich gel-
tend gemacht wird.
Die soeben geschilderte Rechtsprechung des BGH, wonach die Sieben-Jahresfrist bei
„isolierter eigentumsverdrängender Planung“ nicht angewendet werden kann, ist aller-
dings durch eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts infrage gestellt
worden. Das BVerfG932 hat dem BGH vorgeworfen, das Instrument der verfassungs-
konformen Auslegung des § 42 BauGB überdehnt zu haben, als er – der BGH – die
Anwendung der Sieben-Jahres-Frist mit ihrer Begrenzung der Entschädigung auf die
Fälle isolierter eigentumsverdrängender Planung ablehnte. Wenn man den § 42 BauGB
auf diese Fälle nicht anwenden wolle, müsse man den § 42 BauGB insoweit für verfas-
sungswidrig erklären. Dies stehe aber nur dem BVerfG nach entsprechender Vorlage
durch den BGH zu.
Der BGH hat diese Entscheidung des BVerfG nicht zum Anlass genommen, dem BVerfG
die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 42 BauGB vorzulegen. Vielmehr hat er die Be-
grenzung der Entschädigung in dem von ihm zu entscheidenden Einzelfall933 für vertret-
bar erklärt, weil der herabstufende B-Plan nicht nur ein einziges privates Grundstück in
eine öffentliche Grünfläche umwandelte, sondern aufgrund einer übergreifenden Pla-
nung alle noch verbliebenen Grünflächen im Plangebiet. Es handelte sich also nicht um
eine „isolierte“ eigentumsverdrängende Planung, sondern um eine städtebauliche Neu-
ordnung. Das Kammergericht Berlin wendet die Sieben-Jahres-Frist in allen Fällen an,
weil es sich um eine verfassungskonforme Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigen-
tums handele934. Die Streitfrage ist wohl noch nicht endgültig entschieden.
930 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273, bestätigt durch BGH, U. v. 11.7.2002 – III
ZR 160/01 –, ZfBR 2002, 799.
931 BGH, U. v. 8.7.2010, – III ZR 221/09 –, BGHZ 186, 136–151 = BauR 2010, 1808.
932 BVerfG, B. v. 16.12.2014, – 1 BvR 2142/11 – ZfBR 2015, 263.
933 BGH, U. v. 7. 07.2016 – III ZR 28/15 – ZfBR 2017, 58.
934 KG Berlin, U. v. 10.7.2015 – 9 U 1/13 Baul – ZfBR 2016, 150 mit Anm. Schmidt-Eichstaedt S. 122.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
mers auslöste. Dieser Grundsatz ist durch die BBauG-Novelle von 1976 mittels der
Einführung einer „Plangewährleistungsfrist“ von sieben Jahren eingeschränkt worden.
Seitdem gilt folgendes: Wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellt, dann enthält
dieser Plan nur noch für sieben Jahre, gerechnet vom Beginn der Zulässigkeit der Nut-
zung an, das Angebot an und die Garantie für die betroffenen Grundeigentümer, dass
sie ihr Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Plans bebauen dürfen. Wenn die
Gemeinde innerhalb dieser sieben Jahre eine Umplanung vornimmt, dann muss sie die
betreffenden Eigentümer in vollem Umfang für die Wertminderung entschädigen, die
durch die Veränderung der Planung an den Grundstücken eintritt.
Nach dem Ablauf der sieben Jahre ist die Gemeinde an ihr Angebot für die Grundei-
gentümer jedoch nicht mehr gebunden. Sie kann die Planung dann insoweit entschädi-
gungslos zurücknehmen, als die Grundeigentümer davon noch keinen Gebrauch ge-
macht haben. Die Gemeinde darf dann die rechtliche Nutzbarkeit entschädigungslos
so weit zurückführen, dass sie der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks – beispiels-
weise als Kleingartenland – entspricht. Es muss jedoch insgesamt bei einer privatnützi-
gen Verwendung des Grundstücks bleiben. Wenn das Grundstück für öffentliche Zwe-
cke in Anspruch genommen wird, muss der Wert entschädigt werden, den das
Grundstück aufgrund seiner zulässigen Nutzung hatte – ohne Rücksicht darauf, wie
lange diese Nutzung zuvor zulässig gewesen ist. Der BGH begründete dies mit dem
Hinweis darauf, dass der Eigentümer, dessen Grundstück für öffentliche Zwecke in
Anspruch genommen werde, ein Sonderopfer erbringe, für das er in vollem Umfang
entschädigt werden müsse935. Ob das BVerfG dieser Rechtsansicht zu folgen bereit ist,
ist auch nach dem oben zitierten Beschluss offen. Denn bislang (2018) ist es nicht zu
einer Vorlage an das BVerfG gekommen, mit der die Verfassungswidrigkeit des § 42
bei strikter Anwendung auch auf Fälle der Umplanung von privater zu öffentlicher
Nutzung geltend gemacht wurde.
Geht die Gemeinde mit ihrer Planausweisung allerdings hinter das zurück, was der
realen Nutzung des Grundstücks nach Art und Maß entspricht, so muss sie auch nach
Ablauf der sieben Jahre eine Entschädigung an den Grundstückseigentümer zahlen.
Der Eigentümer kann erstens eine Entschädigung insoweit verlangen, als durch die
Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder
die sonstige wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks wesentlich erschwert oder
unmöglich gemacht wird. Zweitens kann er hinsichtlich der Beeinträchtigung des Bo-
denwerts den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des Grundstücks, den es hätte,
wenn die Planausweisung mit der ausgeübten Nutzung übereinstimmen würde, und
dem Wert verlangen, den das Grundstück nunmehr aufgrund der unterhalb der tat-
sächlichen Nutzung liegenden Planausweisung hat. Beispiel: Wird ein industriell ge-
nutztes Grundstück nach Ablauf der Plangewährleistungsfrist zum Kleingartenland
herabgestuft, dann sinkt der Bodenwert dieses Grundstücks von ursprünglich z. B.
80 A auf 50 A, weil der Markt auf die Tatsache reagiert, dass die industrielle Nutzung
dieses Grundstücks nur noch im Rahmen des Bestandsschutzes, aber nicht mehr durch
Neubau möglich ist. Die Wertdifferenz von 30 A pro m2 muss die Gemeinde als Pla-
nungsschadensersatz an den Grundeigentümer bezahlen.
Entsprechende Grundsätze gelten (jedenfalls nach wohl herrschender Ansicht) nicht
nur für Umstrukturierungen durch förmliche Planung, sondern auch für Änderungen
des Gebietscharakters von Baugebieten innerhalb im Zusammenhang bebauter Orts-
teile im Sinne des § 34: Wenn in einem ursprünglich gemischt genutzten Gebiet nach
§ 34 über Jahre nur noch Wohnbauten beantragt und genehmigt worden sind, kann
die Gemeinde nach Ablauf von sieben Jahren nach Abschluss dieser Entwicklung
durch Bebauungsplan die jetzt überwiegende Wohnnutzung des Gebiets festschreiben,
935 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273; ebenso BGH, U. v. 7.7.2011, – III ZR 156/
10 –, BauR 2012, 67.
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Planungsschadensrecht XII.
936 Zur Genehmigung von heranrückender Wohnbebauung an ein Gewerbegebiet vgl. BGH, U. v.
18.12.1986 – III ZR 174/85 –, ZfBR 87, 107 (kein Anspruch für den Gewerbetreibenden aus § 42
BauGB); vgl. auch BGH, U. v. 1.10.1987 – III BR 1988, 145 –, ZfBR 1988, 145.
937 OVG Saarlouis, U. v. vom 25.6.2009 – 2 C 478/07 – juris.
938 Flächennutzungspläne und Regionalpläne dürfen entschädigungslos geändert werden. Dies gilt auch
dann, wenn Konzentrationszonen für die Windenergienutzung geändert werden; vgl. BVerwG U. v.
11.4.2013 – 4 CN 2.12. –, ZfBR 2013, 569.
939 Als Beispielfall vgl. BGH, U. v. 10.5.1990 – III ZR 84/89 –, ZfBR 1990, 298.
940 Niedersächsisches OVG, 5.4.2000 – 1 K 4846/98 –, ZfBR 2001, 54.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Schließlich muss bei der „Ausnutzung“ der Plangewährleistungsfrist durch die Ge-
meinde noch folgendes beachtet werden: Wie oben bereits betont wurde, bezieht sich
die Beschränkung der Entschädigung auf den Unterschied zwischen der festgesetzten
und der tatsächlichen Nutzung nach Ablauf der Siebenjahresfrist nur auf Herabsetzun-
gen der privaten Nutzbarkeit. Wenn dagegen eine bisher für Wohnzwecke nutzbare
Baulücke – seit 1945 baulich nicht genutzt, aber nach § 34 jederzeit baulich nutzbar
– als Spielplatz für einen kommunalen Kindergarten festgesetzt werden941 oder als
öffentliche Grünfläche dienen soll942, muss – jedenfalls nach dem BGH – der volle
Wert als Wohnbauland (und nicht nur der Wert als Grünfläche) gezahlt werden. Der
Eigentümer darf nicht zu einem Sonderopfer gezwungen werden, indem nur sein
Grundstück für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen wird. Die Plangewährleis-
tungsfrist gilt nur im Rahmen der Eigentumsbindung, aber nicht im Rahmen einer
Enteignung. Seit der Entscheidung des BVerfG vom 16.12.2014, – 1 BvR 2142/11
darf man dies aber nicht aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 42 BauGB
ableiten. Eine Ableitung aus Sinn und Zweck der Vorschrift und der Systematik des
Planungsschadensrechts ist auch ohne Rückgriff auf die Verfassung möglich. Eine end-
gültige Entscheidung des BVerfG zu dieser Frage steht aber noch aus.
Wer § 42 des Baugesetzbuches liest, wo die Plangewährleistungsfrist geregelt ist, wird
eine Reihe von Absätzen finden, die Sonderfällen gewidmet sind; in diesen Sonderfäl-
len ist die Siebenjahresfrist zwar formal abgelaufen, innerhalb der Frist die Bebauung
jedoch durch Umstände behindert worden, die nicht der Verantwortung des privaten
Bauherrn zugerechnet werden können. Wenn beispielsweise während der Siebenjahres-
frist eine Veränderungssperre auf dem Grundstück gelegen hat, dann muss der Zeit-
raum der Veränderungssperre gleichsam zu der Sieben-Jahres-Frist hinzugerechnet
werden. Weiterhin darf ein Eigentümer nicht benachteiligt werden, wenn er seinen
Bauantrag zwar rechtzeitig vor Ablauf der sieben Jahre einreicht, die Verwaltung ihn
aber schuldhafterweise so lange liegen lässt, dass eine Baugenehmigung vor Ablauf
der sieben Jahre nicht erteilt wird. Der Gesetzgeber hat versucht, all diese Konfliktfälle
vorauszusehen und zu regeln. Einzelheiten sind in § 42 nachzulesen.
3. Der Ersatz von Vertrauensschäden
Immer dann, wenn ein Bebauungsplan einem Eigentümer eine bestimmte Nutzbarkeit
seines Grundstücks in Aussicht stellt und diese Nutzbarkeit später geändert wird (sei es
durch Festsetzungen im öffentlichen Interesse, sei es durch Herabsetzung der privaten
Nutzbarkeit), kann es vorkommen, dass der Eigentümer im Vertrauen auf die zunächst
vorgesehene Nutzung Aufwendungen gemacht hat, die sich nun als wertlos erweisen.
Er kann zum Beispiel einen Ingenieur damit beauftragt haben, die Tragfähigkeit des
Geländes zu prüfen. Er kann einen Architekten damit beauftragt haben, Ideen für die
zulässige Bebauung des Grundstücks zu entwickeln. In § 39 ist angeordnet, dass die
Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen können, soweit solche
Aufwendungen durch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungspla-
nes an Wert verlieren. Dieser Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens bezieht sich
nicht auf den Kaufpreis für ein Grundstück, das als Bauland gekauft wurde und sich
später als grüne Wiese darstellt. Bodenwertveränderungen sind nicht durch § 39, son-
dern durch § 42 erfasst. Der Käufer eines teuren Baulandgrundstücks muss sich also
insoweit privatvertraglich (oder durch die Einholung einer Baugenehmigung) absi-
chern. Im Übrigen gibt es einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens auch nur,
wenn Eigentümer (oder sonstige Nutzungsberechtigte) im berechtigten Vertrauen auf
den Fortbestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans Vorbereitungen für die
941 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273, bestätigt durch BGH, U. v. 11.7.2002 – III
ZR 160/01 –, ZfBR 2002, 799 und BGH, U. v. 19.7.2007 – III ZR 305/06 –, BauR 2008, 486–491.
942 BGH, U. v. 7.7.2011, – III ZR 156/10 –, BauR 2012, 67.
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Planungsschadensrecht XII.
Verwirklichung von Nutzungsmöglichkeiten getroffen haben, die sich aus dem Bebau-
ungsplan ergeben. Vertraut ein Eigentümer auf einen Plan, der sich in einem späteren
gerichtlichen Verfahren als nichtig herausstellt, so kann er einen Schadensersatzan-
spruch gegen die Gemeinde jedenfalls nicht auf § 39 stützen; möglich sind allenfalls
Ansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG wegen einer Amtspflicht-
verletzung von Gemeindebediensteten943.
Der Vertrauensschadensersatzanspruch nach § 39 ist gewissermaßen vor die Klammer
des allgemeinen Planungsschadensrechts gezogen, er gilt sowohl im Bereich der Über-
nahmeansprüche nach § 40 als auch in dem der Plangewährleistungsansprüche nach
§ 42. Ein wichtiger Unterschied zum Schadensersatzanspruch nach § 42 (Plangewähr-
leistung) liegt darin, dass der Anspruch auf Ersatz von Vertrauensschaden nicht vor-
aussetzt, dass die bauliche Nutzung zulässig geworden ist, sondern bereits dann gel-
tend gemacht werden kann, wenn ein Bebauungsplan rechtsverbindlich geworden ist.
Zur Erinnerung: Die Verwirklichung von Vorhaben auch im Bereich eines rechtsver-
bindlichen Bebauungsplans wird erst dann zulässig, wenn die Erschließung gesichert
ist. Solange die Erschließung noch nicht gesichert ist, kann der Bebauungsplan unter
dem Aspekt des Plangewährleistungsanspruchs entschädigungslos aufgehoben werden;
nur Ansprüche auf Ersatz von Vertrauensschäden nach § 39 müssen bedacht und er-
füllt werden.
Als Einschränkung für die Schadensersatzansprüche nach §§ 39 und 42, also für die
Entschädigungsansprüche in Geld, aber nicht für den Übernahmeanspruch944 nach
§ 40 ist zu beachten, dass der Entschädigungsanspruch erlischt, wenn er nicht inner-
halb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vermögensnachteile
eingetreten sind, angemeldet wird. Jedermann, der entsprechende Ansprüche innezu-
haben meint, muss sich also innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjah-
res, in dem der Schaden eingetreten ist, an die Gemeinde oder an denjenigen wenden,
zu dessen Gunsten die schädigende Festsetzung im Bebauungsplan enthalten ist. Sonst
verliert er seinen Anspruch.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
wendigkeit dieser Straßenbauarbeiten nicht als schuldig bezeichnet werden, die unzu-
mutbare Vermögensbeeinträchtigung der Geschäftsleute war dennoch rechtswidrig.
Sie wirkt sich aus wie eine gezielte Enteignung auf Zeit. Der Bundesgerichtshof hat
deshalb in ständiger Rechtsprechung die Verursacher derartiger Eingriffe zum Scha-
densersatz verpflichtet, indem er zunächst das Rechtsinstitut des „enteignungsgleichen
Eingriffs“ entwickelt hat. Seit der dogmatischen Klarstellung durch das Bundesverfas-
sungsgericht, dass ein enteignender Eingriff stets einen direkten Zugriff der öffentli-
chen Hand voraussetzt, aber nicht mittelbar geschehen kann, stützt der BGH densel-
ben Anspruch auf das Rechtsinstitut der „Aufopferung für das gemeine Wohl“,
abgeleitet aus dem prALR, fortgeltend kraft Gewohnheitsrechts. Zum Inhalt dieses
Rechtsinstituts ist oben im Kapitel B.VII. („Sicherung der Bauleitplanung“) im Zusam-
menhang mit dem Problem der „faktischen Bausperren“ Näheres gesagt worden.
Bild 62: Das Planungsschadensrecht im Vergleich mit der Haftung des Staats und seiner
Körperschaften für anderweitige von ihren Bediensteten verursachte Beeinträchti-
gungen
Haftung für die Folgen Haftung für die Folgen
rechtmäßiger Planung rechtswidriger Hand-
lungen
Eingriffs- Bebauungsplan Amtshandlung
instrument
Folge des Öffentliche Nutzung an- Verminderung der privaten Personenschaden, Sach-
Eingriffs stelle privater Nutzung Nutzbarkeit von Grundstü- schaden, Vermögens-
cken schaden
Mögliche § 40 BauGB: Übernahme- § 42 BauGB: Ersatz der § 839 BGB i. V. m. Art. 34
Anspruchs- anspruch + Wertminderung + GG: Amtshaftung; Folgen-
grundlagen für § 39 BauGB: Vertrauens- § 39 BauGB: Vertrauens- beseitigungsanspruch;
Schadensersatz schaden schaden Aufopferungsanspruch
Beispiele Umwandlung von Vorgär- Herabstufung von Wohn- Irrtümlicher Abriss; über-
ten in Straßenland bauland zu Kleingarten- lange Straßensperrung;
land Manöverschäden auf
Ackerflächen
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Erschließung XIII.
XIII. Erschließung
1. Die unterschiedlichen Begriffe der Erschließung
Unter Erschließung versteht man die Summe der Maßnahmen, die notwendig sind,
um ein Grundstück erstmals bestimmungsgemäß durch Bebauung nutzen zu können.
Innerhalb dieser allgemeinen Definition muss das Wort „erstmals“ unterstrichen wer-
den: Als Erschließungsmaßnahme im Sinne des Baurechts zählt nur das, was für die
erstmalige Nutzung des Grundstücks als Baugrundstück getan wird. Spätere Ausbau-
und Verbesserungsmaßnahmen, z. B. die Verbreiterung einer Straße, die Umstellung
der Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom, dies alles gehört nicht zur Erschließung
im Sinne des Baurechts. Es kann somit nicht über den „Erschließungsbeitrag“ abge-
rechnet werden, auf den später noch eingegangen wird. Dafür sind vielmehr landes-
rechtliche Gesetze vorhanden, die sog. Kommunalabgabengesetze. Die Unterscheidung
zwischen dem zunächst bundesgesetzlich geregelten Erschließungsbeitrag und den lan-
desrechtlich geregelten Kommunalabgaben und den zugehörigen „Straßenausbaubei-
trägen“ beruht auf der ursprünglichen Kompetenzzuweisung nach Art. 74 Nr. 18 GG.
Danach gehörte das Bodenrecht (zu dem unstreitig das Erschließungsrecht gehört)
zunächst einschließlich des Erschließungsbeitragsrechts zur konkurrierenden Gesetzge-
bungszuständigkeit des Bundes. Durch eine Änderung des Grundgesetzes im Jahre
1995 ist das Erschließungsbeitragsrecht aus der konkurrierenden Gesetzgebungskom-
petenz des Bundes herausgenommen worden. Art. 74 Nr. 18 lautet: „Die konkurrie-
rende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 18. […] das Bodenrecht (ohne
das Recht der Erschließungsbeiträge) […]“.
Seitdem sind die Länder für das Erschließungsbeitragsrecht zuständig. Das im BauGB
enthaltene Bundesrecht zum Erschließungsbeitrag gilt jedoch noch solange weiter, bis
es von den Ländern durch eigene Regelungen ersetzt worden ist. Dies geschieht nach
und nach durch Ergänzung des landeseigenen Kommunalabgabengesetzes (KAG). Sehr
weit gehen die Ergänzungen in Baden-Württemberg (vgl. Vierter Teil, 1. und 3. Ab-
schnitt im KAG BW). Im Freistaat Bayern war lange lediglich angeordnet, dass das
Erschließungsbeitragsrecht des BauGB (mit bestimmten Maßgaben zur Berücksichti-
gung von „notwendigen“ Grünanlagen) weiterhin anzuwenden sei. Mittlerweile regelt
Art. 5a des Bayerischen KAG jedoch die Maßgaben zur Erhebung des Erschließungs-
beitrags durch die Gemeinden. Die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland sowie – in
abgewandelter Form – Sachsen-Anhalt haben das Prinzip der wiederkehrenden Bei-
tragszahlung eingeführt. Danach können die Gemeinden durch Satzung bestimmen,
dass anstelle der Erhebung einmaliger Beiträge die jährlichen Investitionsaufwendun-
gen für die öffentlichen Straßen, unselbstständigen Gehwege, Wege und Plätze (Ver-
kehrsanlagen) als wiederkehrender Beitrag auf die Grundstücke verteilt werden. In
den drei Stadtstaaten existieren ebenfalls eigene Erschließungsbeitragsgesetze – diese
sind jedoch im Kern als stadtstaatliche Erschließungsbeitragssatzungen zu begreifen,
nicht als landesrechtliche Regelungen zur Ablösung der Vorschriften des BauGB.
In diesem Buch soll das in den meisten Bundesländern noch immer zur Anwendung
kommende (teils durch Landesregelungen leicht modifizierte) bundesrechtliche System
des Erschließungsbeitragsrechts vorgestellt werden. Das Baugesetzbuch verwendet den
Begriff der Erschließung in mehreren Vorschriften im unterschiedlichen Sinn. Es ist
daher wichtig, sich über die in Bild 63 dargestellte unterschiedliche Bedeutung im Kla-
ren zu sein.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Erschließung im Erschließung im
engeren Sinn Innere weiteren Sinn
§ 127 Abs. 2 Erschließung § 127 Abs. 2 + 4
(örtl. Wegenetz) (Wasser, Energie)
Äußere
Erschließung
Anschluss an Fern-
heizungsnetz;
S-Bahn-Anschluss
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Erschließung XIII.
Der Begriff der weiteren Erschließung ist gemeint, wenn in den §§ 30, 34 und 35 eine
gesicherte Erschließung als Voraussetzung für die Zulässigkeit von baulichen Vorha-
ben genannt wird. In dem Kapitel B.VIII. „Zulässigkeit von Vorhaben“ wurde bereits
darauf hingewiesen, dass in der Tat eine Genehmigung der Bebauung nicht sinnvoll
sein kann, bevor das Baugelände nicht erschlossen ist: Wenn noch keine Straßen in
das Gebiet führen, wenn die späteren Bewohner eines Hauses weder Strom- noch Gas-
noch Wasseranschlüsse vorfinden, dann muss eine Bebauung unterbleiben.
Neben der „inneren Versorgung“ eines Baugebiets mit den notwendigen Straßen und
Leitungen gibt es für die Nutzung des Gebiets auch noch andere Einrichtungen von
großer Bedeutung; diese Einrichtungen können ganz oder teilweise auch außerhalb
des Baugebiets liegen. Man denke z. B. daran, dass Trabantenstädte von Großstädten
vernünftigerweise einen S-Bahn- oder U-Bahn-Anschluss haben sollten; auch die Ein-
richtung von Schnellstraßen erscheint unabdingbar, wenn nicht sehr lästige Verkehrs-
probleme entstehen sollen. Weiterhin nützt die schönste Kanalisation wenig, wenn an
deren Ende nicht eine Kläranlage steht, die der Menge des anfallenden Abwassers
gewachsen ist. Eine solche Kläranlage wird normalerweise nicht in dem Baugebiet
selbst, sondern irgendwo an anderer Stelle des Gemeindegebietes liegen. Solche mehr
oder weniger notwendigen Einrichtungen, die häufig außerhalb des eigentlichen Er-
schließungsgebiets zu finden sind (darunter fallen beispielsweise auch Heizkraft-
werke), gehören zur „äußeren Erschließung“. Ihre Kosten können ebenfalls nicht über
den Erschließungsbeitrag abgerechnet werden; sie werden aus allgemeinen Steuermit-
teln, über spezielle Abnahmepreise oder über die bereits erwähnten städtebaulichen
Verträge finanziert.
2. Die Erschließungslast der Gemeinde
Gemäß § 123 ist „die Erschließung Aufgabe der Gemeinde“. „Erschließungslast“ be-
deutet also, dass die (jedenfalls finanziell) belastende Pflicht zur Erschließung bei der
Gemeinde liegt. Zu betonen ist allerdings von vornherein, dass der Bürger, insbeson-
dere der Eigentümer eines Grundstücks, grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Er-
schließung hat, und zwar auch dann nicht, wenn für das Grundstück bereits ein quali-
fizierter Bebauungsplan aufgestellt und rechtsverbindlich geworden ist. Die
Erschließung von Bauland ist als Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde im Rahmen
ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und nach Maßgabe des politischen Ermessens der
kommunalen Vertretungskörperschaft zu leisten. Es kann also durchaus einen Unter-
schied geben zwischen den Gebieten, die durch einen Bebauungsplan zur Bebauung
vorgesehen sind, und den tatsächlich bebaubaren Flächen in einer Gemeinde. Was
noch nicht erschlossen ist, ist noch nicht bebaubar, ohne Rücksicht darauf, ob es dafür
bereits einen Plan gibt.
Eine Gemeinde handelt allerdings politisch nicht klug, wenn sie Bebauungspläne in
der klaren Erkenntnis aufstellt, dass die zugehörige Erschließung ihre Kräfte überstei-
gen wird. Sie löst damit Erwartungen aus, die sich in politischen Druck umwandeln
können, der kommunalpolitisch viel Ärger verursachen kann – zumal ein auf Dauer
nicht umsetzbarer Bebauungsplan nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 und somit
unwirksam ist. Eine Koordinierung zwischen Bauleitplanung und Erschließung ist des-
halb geboten, weil es von der Regel, dass der Bürger keinen Anspruch auf Erschließung
hat, einige Ausnahmen gibt. Die erste Ausnahme ist dann gegeben, wenn sich die
Gemeinde gegenüber einem bestimmten Eigentümer zur Erschließung verpflichtet hat.
Das geschieht in der Praxis z. B. dann, wenn finanzstarke Investoren in einer Gemeinde
eine größere Fläche ankaufen, um darauf eine neue Produktionsanlage zu errichten.
Die Gemeinden sind an solchen Anlagen interessiert, weil dadurch Arbeitsplätze ge-
schaffen werden und Gewerbesteuereinnahmen in ihre Kasse fließen. Wenn der Unter-
nehmer sich für einen bestimmten Standort und damit für eine bestimmte Gemeinde
entschieden hat, dann ist er darauf angewiesen, dass das Gelände in der beabsichtigten
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Weise nutzbar wird. Es genügt nicht, wenn die Gemeinde dafür einen Bebauungsplan
aufstellt, das Gelände muss auch erschlossen werden. In solchen Fällen werden im
Hinblick auf die Erschließung bindende Zusagen abgegeben, die von dem Unterneh-
men notfalls eingeklagt werden können.
Eine zweite Möglichkeit zur Entstehung eines Rechtsanspruchs auf Erschließung be-
steht darin, dass die Gemeinde bereits Vorauszahlungen auf den Erschließungsbeitrag
bei den Eigentümern der Grundstücke in dem betreffenden Gebiet erhoben hat. Solche
Vorauszahlungen setzen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 voraus, dass mit der Herstellung der
Erschließungsanlagen begonnen wurde und die Fertigstellung innerhalb von vier
Jahren zu erwarten ist (für die Beurteilung der Machbarkeit innerhalb des 4-Jahre-
Zeitfensters kommt es auf eine nachvollziehbare und überprüfbare Prognose an946).
Darüber hinaus kann von einzelnen Eigentümern die Durchführung der Erschließungs-
maßnahme durch Vorauszahlung forciert werden, wenn auf ihrem Grundstück ein
Bauvorhaben genehmigt wird. Die Vorausleistung ist selbstverständlich mit der end-
gültigen Beitragsschuld zu verrechnen. Nach § 133 kann die Gemeinde mit den Anlie-
gern auch Ablösungsverträge abschließen, durch die die mit der Erschließung verbun-
denen Zahlungspflichten gleichsam vorab durch Zahlung einer fest bemessenen
Summe erledigt werden947.
Die Gemeinde kann nicht einerseits von den Grundeigentümern Geld für Erschlie-
ßungsmaßnahmen vorweg verlangen, um dann andererseits die Erschließung nicht vo-
ranzutreiben – auch deshalb ist die Möglichkeit der Vorauszahlung an eine Realisie-
rungsfrist innerhalb von vier Jahren geknüpft948. Im Einzelfall kann sich die Gemeinde
dadurch aus der Affäre ziehen, dass sie die Vorausleistungen zurückzahlt. Oder anders
herum, nämlich aus Sicht der betroffenen Eigentümer ausgedrückt: Vorausleistungen
im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 können zurückverlangt werden, wenn die Beitrags-
pflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden ist.
Bei der Berechnung des Rückzahlungsbetrags sind jährliche Zinsen anzusetzen, die mit
2 v. H. über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegen – gemessen wird ab Erhebung
der Vorausleistung. Für die Berechnung der Verzinsung wird – seit Novellierung durch
das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts von 11.6.2016 – nicht mehr auf den
Diskontsatz der Deutschen Bundesbank Bezug genommen.
Eine weitere Konstellation, in der die Gemeinde zur Erschließung verpflichtet ist, tritt
dann ein, wenn die Gemeinde ein zusammenhängend bebautes Gebiet im Sinne des
§ 34 mit einem B-Plan überzieht, der ein neues Bebauungs- und Erschließungssystem
vorsieht. Sobald dieser B-Plan rechtsverbindlich ist, können Grundstücke, die zuvor
nach § 34 bebaubar waren, wegen fehlender Übereinstimmung mit dem B-Plan und
wegen fehlender Erschließung möglicherweise nicht mehr bebaut werden. Der B-Plan
wirkt sich also bis zur Herstellung der neuen Erschließungsanlage de facto wie eine
Bausperre aus. Solche Bausperren (in der Terminologie des BauGB: Veränderungssper-
ren) sind nach §§ 14 ff. nur befristet zulässig; nach Ablauf von vier Jahren sind Ent-
schädigungen zu zahlen. Aus diesem Grund muss die Gemeinde im oben geschilderten
Fall die geplante neue Erschließung alsbald in die Tat umsetzen949. Die geschilderte
Konstellation enthält jedoch einen Sonderfall. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass al-
lein die Aufstellung eines B-Plans (auch eines qualifizierten B-Plans) nicht zu einer
Erschließungspflicht führt.
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Erschließung XIII.
Eine vierte Möglichkeit, nach der die Gemeinde zur Erschließung verpflichtet sein
kann, ist dann gegeben, wenn das gesamte Gelände in der Hand eines Eigentümers ist
oder sich alle betroffenen Eigentümer zu einer Erschließungsgemeinschaft zusammen-
schließen und sodann der Gemeinde das Angebot unterbreiten, das Bauland zu er-
schließen. Sofern dieses Angebot inhaltlich überzeugend ist und finanziell zumutbare
Bedingungen enthält950, muss die Gemeinde es annehmen und mit dem Anbieter einen
„Erschließungsvertrag“ abschließen951. Nimmt sie das Angebot nicht an, ist sie ver-
pflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen. Dieser zunächst von der Rechtspre-
chung entwickelte Grundsatz ist seit 1993 auch in das Gesetz übernommen, und zwar
in den mit dem Wohnbaulandgesetz 1993 neu gefassten § 124 BauGB – bis zur Novel-
lierung 2013 noch überschrieben mit „Erschließungsvertrag“. Dieser Grundsatz ist
zugleich das Einzige, was nach der Novellierung des Baugesetzbuchs 2013 als Rege-
lung in § 124 übrig geblieben ist.
Mit dem Stichwort „Erschließungsvertrag“, der nach eben dieser BauGB-Novelle nicht
mehr in § 124, sondern in § 11 unmittelbar bei den städtebaulichen Verträgen geregelt
wird, ist auch die fünfte Möglichkeit verbunden, bei deren Eintritt die Gemeinde zur
Erschließung verpflichtet sein kann (Ausführungen zum Erschließungsvertrag siehe
B.VI. „Städtebauliche Verträge“). Es handelt sich hier um den Fall des fehlgeschlage-
nen Erschließungsvertrags, weil der betreffende Unternehmer in Konkurs geht. Die
Straßen sind dann vielleicht halb fertig, die ersten Einfamilienhäuser schon verkauft. In
solchen Fällen tritt die Gemeinde gleichsam als Garant in ihre alte Erschließungspflicht
wieder ein. Sie muss, notfalls auch auf ihre Kosten, dafür sorgen, dass die Erschließung
fertiggestellt wird. Um diesen Kosten zu entgehen, lassen sich die Gemeinden bei Ab-
schluss eines Erschließungsvertrags in aller Regel die dauerhafte Zahlungsfähigkeit des
Investors durch eine Bankbürgschaft garantieren und absichern. Solche „fehlgeschla-
genen Erschließungsverträge“ sind recht selten. Im Regelfall werden die notwendigen
Anlagen von der Gemeinde oder von dem vertraglich beauftragten Erschließungsträger
planmäßig gebaut. Planmäßig heißt auch, dass für den Bau von Erschließungsanlagen
grundsätzlich ein Bebauungsplan erforderlich ist. „Die Herstellung der Erschließungs-
anlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 [d. h. der öffentlichen Straßen, Wege, Plätze, der
Grünanlagen usw.] setzt einen Bebauungsplan voraus“, so heißt es in § 125 Abs. 1.
Liegt ein Bebauungsplan (ausnahmsweise) nicht vor, so dürfen die Erschließungsanla-
gen nur hergestellt werden, wenn sie ohne weiteres den in § 1 Abs. 4 bis 7 bezeichneten
Anforderungen, d. h. dem Abwägungsgebot, entsprechen (§ 125 Abs. 2). Wenn boden-
rechtliche Spannungen bewältigt werden müssen (z. B. Verkehrslärm), muss förmlich
geplant werden. Die bis 1997 vom Gesetz geforderte Zustimmung der höheren Ver-
waltungsbehörde zum Bau von Erschließungsanlagen ohne Bebauungsplan ist nicht
mehr erforderlich. Die entsprechende Vorschrift wurde im Kontext der Zurückführung
der Genehmigungs- und Anzeigeerfordernisse im BauGB schon durch das Bau- und
Raumordnungsgesetz 1998 aufgehoben (Einzelheiten zum Erschließungsvertrag in Ka-
pitel B.VI.).
950 Zu den Voraussetzungen eines „zumutbaren“ Angebots vgl. BVerwG, B. v. 13.2.2002 – 4 B 88.01 –,
ZfBR 2002, 503.
951 So BVerwG, U. v. 10.9.1976 – 4 C 5/76 –, NJW 1977, 405 (407); vgl. auch § 124 Abs. 3 BauGB i. d. F.
des BauGB vor der Novellierung im Juni 2013 bzw. § 124 i. d. F. aufgrund des Gesetzes vom 11. Juni
2013.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gen, hat der Gesetzgeber angeordnet, dass das Gros der Kosten von den Grundeigentü-
mern zu tragen ist. Die Beitragspflicht der Grundeigentümer im Erschließungsgebiet
ist allerdings von vornherein in mehrfacher Weise begrenzt:
– Sie brauchen nur die Kosten bestimmter Anlagen zu übernehmen. Diese Anlagen
sind (soweit das Bundesrecht noch gilt) in § 127 Abs. 2 abschließend definiert.
– Sie brauchen sich nur an bestimmten, durch diese Anlagen verursachten Kosten,
nämlich nur am „beitragsfähigen Erschließungsaufwand“, zu beteiligen. Der bei-
tragsfähige Erschließungsaufwand ist in §§ 128952, 129 umrissen.
– Sie brauchen „nur“ maximal 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands zu
tragen (§ 129 Abs. 1 Satz 3: Selbstbehalt der Gemeinde von mindestens 10 %).
– Sie brauchen nur die (so begrenzten) Kosten derjenigen Anlagen zu tragen, von
denen ihr eigenes Grundstück konkret erschlossen ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1). Eine
pauschalierende und abstrahierende Summenbildung findet nicht statt. Grundsätz-
lich wird jede Anlage einzeln abgerechnet.
Die Begrenzung der Beitragspflicht auf einen vom Baugesetzbuch definierten Kreis von
Anlagen, aus deren Herstellungskosten sich dann der „beitragsfähige Aufwand“ er-
gibt, hatte den Sinn, die Beitragspflicht insgesamt in einem bundesweit einheitlichen
Rahmen zu halten. Seit 1995 können die Länder darüber entscheiden, ob und in wel-
chem Umfang sie an dem alten System festhalten wollen. Im Folgenden wird das Sys-
tem des BauGB dargestellt. Sofern das Bundesrecht in den Bundesländern durch eigene
landesrechtliche Regelungen verdrängt worden ist, lehnen sich die Bestimmungen je-
doch im Wesentlichen an die erprobten des Baugesetzbuchs an.
Nach dem BauGB sind nicht die Kosten für alle Baumaßnahmen beitragsfähig, die die
Gemeinde im Zusammenhang mit der Erschließung vornimmt, sondern nur die Kosten
für einen im Gesetz genau umrissenen Katalog von Maßnahmen. Beitragsfähig sind
nur die Kosten folgender Anlagen:
1. zum Anbau bestimmte öffentliche Straßen, Wege und Plätze;
2. die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen
nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege,
Wohnwege);
3. notwendige Sammelstraßen;
4. Parkflächen (also Flächen für das Parken von Fahrzeugen) und öffentliche Grünan-
lagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie innerhalb der Baugebiete
zu deren Erschließung notwendig sind953,
5. Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen954.
Die öffentlichen, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen
nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege und
Wohnwege) wurden erst vom BauGB ausdrücklich als beitragsfähige Erschließungsan-
lagen anerkannt. Der 8. Senat des BVerwG hatte 1983 in einem vielkritisierten Urteil
anders entschieden955. Der 4. Senat des BVerwG hatte dagegen die Beitragsfähigkeit
von Fuß- und Wohnwegen noch 1973 inzidenter bejaht956.
Die Kosten für den Bau von Kinderspielplätzen, die nach § 127 Abs. 2 Ziffer 4 BBauG
1960 noch beitragsfähig waren, können nach dem Baugesetzbuch nicht mehr auf die
Eigentümer im Baugebiet umgelegt werden; sie sollen von allen Steuerzahlern in der
952 Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Berechnung von Erschließungsbeiträgen bzw. die
Erstellung der Heranziehungsbescheide entstanden sind, zählen nicht zu den Kosten im Sinne des § 128
Abs. 1, so das BVerwG, U. v. 2.3.2015 – 9 C 7.14 –, ZfBR 2015, 375.
953 Zur (noch) abrechnungsfähigen Größe von Grünanlagen vgl. BVerwG, U. v. 11.11.1988 – 8 C 71/87 –,
ZfBR 1989, 70.
954 Vgl. dazu BVerwG, U. v. 19.8.1988 – 8 C 51/87 –, ZfBR 1988, 278.
955 BVerwG, U. v. 3.6.1983 – 8 C 70/82 –, DVBl. 1983, 908.
956 BVerwG, U. v. 23.5.1973 – 4 C 19.72 –, DVBl. 1973, 887.
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957 Zu den Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für nicht in die gesetzliche Bau-
last der Gemeinde fallende Erschließungsanlagen vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2015 – 9 C 27.14 –, ZfBR
2016, 372 (Voraussetzung ist die Übernahme der Baulast durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit
dem gesetzlichen Baulastträger – jedenfalls gilt dies für den Fall von kleinen Grenzkorrekturen).
958 BVerwG, U. v. 29.4.1977 – 4 C 1.75 –, BauR 1977, 261.
959 BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 9 C 14.14 –, ZfBR 2015, 571.
960 BVerwG, U. v. 7.3.2017 – 9 C 20.15 –, ZfBR 2017, 785.
961 BVerwG, U. v. 10.6.2009 – 9 C 2/08 –, NVwZ 2009, 1369.
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Ziel: (Höchstens) 90% der Kosten sollen von den Grundeigentümern 129
wieder hereingeholt werden.
Weg: Muss durch Satzung geregelt werden mit folgenden Schritten: 132
Bestimmung der erforderlichen Erschließungsanlagen (Einrichtungs-
programm);
Ermittlung des Erschließungsaufwands (= Gesamtkosten) entweder 130
individuell oder nach Pauschalsätzen;
Berechnung des beitragsfähigen Aufwands hinsichtlich jeder 128, 129
einzelnen Anlage;
Bestimmung des Verteilungsmaßstabs; mögliche Verteilungs- 131
maßstäbe sind:
– Art und Maß der baulichen und sonstigen Nutzung,
– die Grundstücksflächen,
– die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage
(„Frontmetermaßstab“);
Verteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die beitragspflichtigen 133, 134
Eigentümer;
Beitreibung bei den beitragsfähigen Betroffenen; die Erhebung von 133
Vorausleistungen ist möglich,
– wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen
worden ist,
– wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird;
Die endgültige Abrechnung erfolgt nach der endgültigen Herstellung 132
der Erschließungsanlagen gemäß Ausbauprogramm. Die Merkmale der
endgültigen Herstellung müssen in der Erschließungsbeitragssatzung
festgelegt sein.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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2. die Grundstücksflächen;
3. die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Nach dem Gesetz „können“ diese Verteilungsmaßstäbe miteinander verbunden wer-
den; praktisch müssen sie es, weil auf andere Weise kaum eine gerechte Zurechnung
zu erreichen ist. „Gerecht“ ist eine Zurechnung dann, wenn die individuelle Beitrags-
höhe und der von den Erschließungsanlagen vermittelte individuelle Nutzen in einem
angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Wegen der von der Rechtsprechung eingehend überwachten Beitragsgerechtigkeit ist
der dritte Verteilungsmaßstab heute kaum noch anwendbar. Dieser Maßstab ent-
spricht dem alten preußischen System des „Frontmetermaßstabs“. Nach preußischem
Recht967 wurde der Erschließungsvorteil bei der Erhebung des „Anliegerbeitrags“ pau-
schaliert danach bemessen, mit wie viel Meter Breite das Grundstück an einer öffentli-
chen Straße lag. Wenn alle Grundstücke die gleiche Grundstückstiefe haben und auf
dieselbe Art und Weise genutzt werden dürfen, dann kann dieser Maßstab zu gerech-
ten Ergebnissen führen. Ein klassischer Fall von Ungerechtigkeit tritt jedoch bei An-
wendung dieses Maßstabs auf Eckgrundstücke ein: Solche Grundstücke liegen an zwei
öffentlichen Straßen, sie müssen beim reinen Frontmetermaßstab den doppelten Bei-
trag bezahlen, obwohl der Nutzen der Erschließung für derartige Grundstücke mit
Sicherheit nicht doppelt so groß ist wie für die Grundstücke, die nur mit einer Seite
an einer Erschließungsstraße liegen. Für solche Fälle muss die gemeindliche Satzung
dann eine Ermäßigung anbieten968. Die Rechtsprechung hat dazu sehr detaillierte For-
meln entwickelt. Im Übrigen müssen auch unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten
der Grundstücke von einer Erschließungsbeitragssatzung berücksichtigt werden969. Es
ist wohl leicht vorstellbar, dass sich die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten für
Grundstücke, die sich entweder aus einem B-Plan oder auch nur nach § 34 ergeben,
nicht ohne weiteres in Euro und Cent umrechnen lassen. Auch ein einzelnes Hinterlie-
gergrundstück muss von einer Erschließungsbeitragssatzung erfasst werden. Dieses
Grundstück ist dann ein beitragspflichtiges Grundstück, wenn es entweder durch eine
dauerhafte, rechtlich gesicherte Zufahrt mit der Erschließungsanlage verbunden ist
oder wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke seine Einbeziehung nach den
bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können970. Man kann
über die Gerechtigkeit der Verteilung des Erschließungsaufwands fast immer mit guten
Argumenten streiten. Die Rechtsprechung hatte sich anfangs – bis hinauf zum Bundes-
verwaltungsgericht – zunächst sehr kleinlich verhalten und sehr viele gemeindliche
Satzungen für nichtig erklärt971. Mittlerweile erkennen die Richter jedoch an, dass sie
den Ortsgesetzgeber nicht ohne Not korrigieren sollten972. Sie greifen nur noch bei
eindeutigen Ungerechtigkeiten ein.
967 Vgl. § 15 Preußisches Gesetz über die Anlage von Straßen und Wegen in Ortschaften vom 18.4.1875
(Preußisches Fluchtliniengesetz) PrGS 1875, S. 561.
968 Vgl. BVerwG, U. v. 30.7.1976 – 4 C 65.74 –, DÖV 1977, 247; BVerwG, U. v. 3.2.1989 – 8 C 78/88 –,
ZfBR 1989, 218.
969 Vgl. BVerwG, U. v. 11.12.1987 – 8 C 85/86 –, ZfBR 1988, 228 (Erschließung vom Bahnhofsgelände).
970 BVerwG, U. v. 7.3.2017 – 9 C 20.15 –, ZfBR 2017, 785.
971 Vgl. BVerwG, U. v. 16.2.1973 – 4 C 52.71 –, BauR 1974, 194; BVerwG, U. v. 3.6.1971 – 4 C 28/70 –,
BVerwGE 38, 147; BVerwG, U. v. 23.6.1972 – 4 C 15.71 –, BVerwGE 40, 177; BVerwG, U. v.
28.11.1975 – 4 C 45.74 –, BauR 1976, 198; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 5.5.1977 – III A 1028/
75 –, BauR 1977, 269; OVG NRW, U. v. 1.12.1977 – III A 797/76 –, DVBl. 1978, 304; OVG NRW,
U. v. 5.9.1979 – III A 2240/78 –, KStZ 1979, 215.
972 BVerwG, U. v. 24.9.1976 – 4 C 22.74 –, BauR 1977, 126; BVerwG, U. v. 20.1.1978 – 4 C 70.75 –,
BauR 1978, 396 (nur noch Teilnichtigkeit statt Gesamtnichtigkeit bei Fehler in der Verteilungsregelung
wie noch BVerwG, U. v. 2.11.1973 – 4 C 25.72 –, BVerwG, DVBl. 1974, 295). Besonders eindeutig:
BVerwG, U. v. 26.1.1979 – 4 C 61.75 –, NJW 1980, 72; BVerwG, U. v. 14.12.1979 – 4 C 23.78 –,
ZfBR 1980, 94–95; BVerwG, U. v. 7.3.1980 – 4 C 40.78 –, ZfBR 1980, 144 und BVerwG, U. v.
22.2.1980 – 4 C 95.76 –, ZfBR 1980, 148.
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In jedem Fall ist zu bedenken, dass von einer Erschließungsbeitragssatzung stets viele
Bürger betroffen sind, so dass bei einer Aufhebung wegen eines einzelnen Unzufriede-
nen auch alle diejenigen in ihrem Vertrauen auf die Bestandskraft der Satzung ent-
täuscht werden, die sich daran gehalten und ihren Beitrag bezahlt haben. Tröstlich für
die gutwilligen Zahler ist immerhin, dass die Rechtsprechung und damit auch die
Praxis noch nie Bedenken hatten, die rückwirkende Inkraftsetzung von Beitragssatzun-
gen zuzulassen, und zwar auch dann, wenn dadurch eine Lücke gestopft werden sollte,
die durch den Wegfall einer zuvor als rechtswidrig erkannten Satzung gerissen war973.
Durch diese Großzügigkeit bei der Zulassung auch rückwirkender Fehlerkorrekturen
hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit ihre höchst kritischen Überprüfungsmaßstäbe zum
guten Teil kompensiert.
Welche Einzelprobleme von der Rechtsprechung „aufgespießt“ werden, lässt sich bei-
spielhaft daran nachvollziehen, welche Spezialfälle vom Gesetzgeber ausdrücklich auf-
gegriffen worden sind, nachdem die Rechtsprechung zuvor anderslautende Entschei-
dungen getroffen hatte. Abgesehen von dem bereits erwähnten Problem der
Wohnwege sind dies folgende Fälle:
– Sofern die Neuzuteilung von Grundstücken in Umlegungsgebieten erschließungs-
flächenbeitragspflichtig erfolgt (eine Möglichkeit, die den Gemeinden vom Bauge-
setzbuch entgegen einem zuvor anderslautenden Urteil des BVerwG ausdrücklich
eingeräumt worden ist), werden auch die Werte der durch Vorwegabzug nach § 55
von der Gemeinde erworbenen örtlichen Verkehrsflächen dem beitragsfähigen Er-
schließungsaufwand hinzugerechnet (§ 128 Abs. 1 letzter Satz).
– Abschnitte einer Erschließungsanlage, für die der beitragsfähige Aufwand geson-
dert ermittelt und abgerechnet werden kann, können nicht mehr wie bisher nach
der Rechtsprechung nur nach am Ort des Geschehens äußerlich erkennbaren
Merkmalen, sondern auch nach rein rechtlichen Gesichtspunkten gebildet werden
(wie z. B. anhand der Grenzen von Bebauungsplangebieten, von Umlegungsgebie-
ten, von förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) (§ 130 Abs. 2).
– Mehrfach erschlossene Grundstücke sind (entgegen der zunächst anders lautenden
Rechtsprechung des BVerwG974) bei gemeinsamer Ermittlung des Erschließungs-
aufwands in einer Erschließungseinheit bei der Verteilung des Beitrags nur einmal
anzusetzen (§ 131 Abs. 1 Satz 2).
Endgültig bezahlen müssen die Grundeigentümer, wenn die Erschließungsanlagen her-
gestellt, die Grundstücke bebaubar sind und ihnen ein Beitragsbescheid von der Ge-
meinde zugestellt worden ist. Wenn die Gemeinden den Erschließungsbeitrag immer
erst nach vollständiger Herstellung der Erschließungsanlagen einziehen könnten,
müssten sie die gesamten Kosten über Jahre hinweg vorfinanzieren. Dies kann nicht
gerecht sein. Das Gesetz hat ihnen daher die oben beschriebene Möglichkeit der Erhe-
bung von Vorausleistungen eingeräumt.
Hat die Gemeinde Vorauszahlungen gefordert, muss sie die Erschließung zügig durch-
führen; die endgültige Herstellung der Anlage muss innerhalb von vier Jahren zu er-
warten sein. Ist die an die endgültige Herstellung gebundene Beitragspflicht auch sechs
Jahre nach dem Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, so kann
die Vorauszahlung (wie bereits erwähnt) zurückverlangt werden, wenn die Anlage bis
zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist975. Interessant ist auch der umgekehrte
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Erschließung XIII.
Fall: Was geschieht, wenn sich ein Eigentümer eine Baugenehmigung erteilen lässt, die
Gemeinde daraufhin einen Vorausleistungsbescheid abschickt, der Eigentümer aber
von der Baugenehmigung keinen Gebrauch macht? Das Bundesverwaltungsgericht976
hat entschieden, dass der Vorauszahlungsbescheid nicht mehr vollstreckbar ist, sobald
die Baugenehmigung ungültig geworden ist; das ist in aller Regel nach drei Jahren der
Fall: Nach den Bauordnungen der meisten Bundesländer wird eine Baugenehmigung
ungültig, wenn binnen drei Jahren nach Erteilung nicht mit dem Bau begonnen worden
ist. Selbstverständlich sind von der Gemeinde auch Überzahlungen zurückzuerstatten,
und zwar grundsätzlich auch dann an den konkret Vorausleistenden, wenn dieser das
Grundstück zwischenzeitlich veräußert hat977.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Erschließungsrecht
Seit 2013 sind im Baugesetzbuch zum Erschließungsrecht keine Veränderungen vorge-
nommen worden. Das Erschließungsbeitragsrecht wird im zunehmenden Maße von
landeseigenen Vorschriften verdrängt.
Literatur zum Kapitel XIII: Erschließung
Erschließung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Auf kommunale Eigengesellschaft übertragene Erschließung er-
laubt keine vertragliche Refinanzierung. Anmerkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –,
DVBl. 2011, 691–696; 2012: Scheidler, Alfred, Genehmigungsvoraussetzungen für Windenergiean-
lagen, VR 2012, 397–404; 2013: Baars, Anja, Die Sicherung der Erschließung von Außenbereichs-
vorhaben durch Abschluss eines Erschließungssicherungsvertrages, in: BauR 4/2013, S. 546–551;
Kümmel, Dennis, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 30.1.2013 – 9 C 11/11 – (Erschließung ohne Aus-
schreibung?), in: NZBau 6/2013, S. 363; 2014: Moll, Pascal/Fritz, Martin, Die Erschließung von
Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan und im Genehmigungsverfahren, in: VR 10/2014,
S. 338–345; Reuter, Franz, Erschließung von Windenergiebauland durch hoheitliche Umlegung?,
in: FuB 5/2014, S. 201–207; 2015: Elzer, Oliver, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 15
CS 14.949 – (Klagebefugnis der Wohnungseigentümer; gewillkürte Prozessstandschaft, Baugeneh-
migung; Oberflächenentwässerung; Sicherung der Erschließung; Gebot der Rücksichtnahme), in:
ZMR 6/2015, S. 500–501; Kraus, Stefan, Die Rechtsprechung zum öffentlichen Baurecht 2014.
Eine Übersicht. Teil 1: Bauordnungsrecht, in: KommP BY 2/2015, S. 48–50; Tiedtke, Werner, An-
merkung zu OLG München, B. v. 21.11.2014 – 34 Wx 221/14 – (Zur Bewertung eines Wiederkaufs-
rechts zur Absicherung einer sog. negativen Bauverpflichtung sowie der Übernahme von Kosten für
die erstmalige technische Erschließung durch den Käufer), in: MittBayNot 3/2015, S. 259–260;
2016: Fricke, Hanns-Christian, Darf in projektbezogenen Bebauungsplänen die Erschließung im
Wege eines Konflikttransfers einem Umlegungsverfahren vorbehalten werden? Anmerkung zu
BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 4 CN 4/14 –, in: ZfBR 4/2016, S. 332–334: Versteyl, Andrea, (K)ein Weg
zur Deponie?! Rechtsfragen der Erschließung und andere Zulassungsfragen aus der aktuellen
Rechtsprechung, in: AbfallR 2/2016, S. 96–98; 2017: Dodos, Panagiotis, Anmerkung zu BFH, U.
v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets; Zahlungen der Grundstückserwerber
an Vorhabenträger als Entgelt von dritter Seite für an Gemeinde erbrachte Erschließungsleistungen),
in: MwStR 11/2017, S. 473–474; Jacobs, Helge, Anmerkung zu BFH, U. v. 22.2.2017 – XI R 17/
15 – (Erschließung eines Baugebiets; Zahlungen der Grundstückserwerber an Vorhabenträger als
Entgelt von dritter Seite für an Gemeinde erbrachte Erschließungsleistungen), in: DStRK 15/2017,
S. 232; Kraft-Zörcher, Sabine, Die überlastete Baulast. Die öffentlich-rechtliche Sicherung der Er-
schließung ersetzt die Grunddienstbarkeit nicht, in: NotBZ 4/2017, S. 130–134; Rothenberger,
Franz, Anmerkung zu BFH v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets durch Pro-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
jektentwickler; Zahlungen der Erwerber als Entgelt von dritter Seite), in: UStB 5/2017, S. 136; Trei-
ber, Andreas, Anmerkung zu BFH, U. v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets;
Zahlungen der Grundstückserwerber an Vorhabenträger als Entgelt von Dritter Seite für an Ge-
meinde erbrachte Erschließungsleistungen); in: BFH/PR 7/2017, S. 238–239.
2. Erschließungsanlagen:
2014: Schmitz, Andreas, Vorhandene Erschließungsanlagen im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB aus
bayerischer Sicht, in: BayVBl. 20/2014, S. 613–618; 2015: Däumichen, Nadine, Pflicht zur gemein-
samen Abrechnung von Erschließungsanlagen. (Zugleich Anmerkung zu OVG Bautzen, U. v.
16.12.2014 – 5 A 624/13 –), in: LKV 5/2015, S. 201–204; 2017: Herrmann, Klaus, Kommunale
Anliegerbeiträge in 23 Stichworten, in: LKV 3/2017, S. 101–105.
3. Erschließungsvertrag:
2013: Bier, Wolfgang, Vertrag statt Beitragsbescheid? Erschließungsvertrag und Folgekostenvertrag
in der neuen abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, (Zugleich An-
merkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –, BVerwG, U. v. 10.8.2011 – 9 C 6.10 –, BVerwG,
U. v. 30.5.2012 – 9 C 5.11 – und BVerwG, U. v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 –), in: DVBl. 9/2013,
S. 541–546.
Siehe hierzu auch Literaturverzeichnis zu B.VI. „Städtebauliche Verträge“.
4. Zum Erschließungsbeitrag (allgemein):
2011: Anders, Sönke, Der Erschließungsvertrag nach dem Urteil des BVerwG vom 1.12.2010, BauR
2011, 1455–1458; Ruff, Erwin, Argumente für die Veranlagung von Vorausleistungen auf den Er-
schließungsbeitrag, DWW 2011, 91–96; 2012: Heinemann, Daniela, Erschließungsverträge mit
kommunalen Erschließungsgesellschaften: Wirksamkeitsvoraussetzungen und Nichtigkeitsfolgen,
BauR 2012, 1330–1339; 2014: Ruff, Erwin, Eintreten der Ablösungswirkung für den Erschlie-
ßungsbeitrag, in: ZKF 6/2014, S. 125–127.
Weitere Aufsätze mit Bezug zum Erschließungsbeitrag in Schriftsätzen zum Erschließungsvertrag
(vgl. Literaturverzeichnis zu B. VI. „Städtebauliche Verträge“).
5. Verteilungsmaßstab:
2015: Weber, Marcel, Zum Verteilungsmaßstab in der Erschließungsumlegung, in: FuB 2/2015,
S. 80–87; 2017: Herrmann, Klaus, Kommunale Anliegerbeiträge in 23 Stichworten, in: LKV 3/
2017, 101–105
6. Vorausleistungen:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.
tiger Grund für die Zurückstellung derartiger Regelungen lag darin, dass die Stadter-
neuerung nach den damaligen Vorstellungen der Parlamentarier durch den Einsatz
von Bundesmitteln gefördert werden sollte. Für den Transfer von Bundesmitteln an
die Gemeinden zum Zwecke der Stadtsanierung und Stadterneuerung gab es aber bis
zur Gemeindefinanzreform von 1969 keine grundgesetzliche Ermächtigung. Eine sol-
che Ermächtigung ist notwendig, weil der Bund nicht nur gesetzgeberisch, sondern
auch durch Zuweisung von Geld nur dort tätig werden darf, wo ihm dies vom Grund-
gesetz ausdrücklich erlaubt ist. Dahinter steht die Absicht der Verfassungsgeber, den
Zentralstaat nicht stärker werden zu lassen als unbedingt nötig. Nur das, was ihm
ausdrücklich zugewiesen ist, darf er tun. Alles Übrige gehört in die Gesetzgebungs-
und Verwaltungskompetenz der Länder.
Wenn man dem Bund erlaubte, seine Finanzmittel auch dort einzusetzen, wo er weder
eine gesetzgeberische noch eine Verwaltungskompetenz besitzt, würde man ihm eine
zwar indirekte, praktisch aber sehr wirksame Steuerungsmöglichkeit, den sog. golde-
nen Zügel, an die Hand geben. Das Grundgesetz verbietet daher finanzielle Zuwen-
dungen des Bundes an die Länder oder an die Gemeinden, soweit sie nicht im Grund-
gesetz selbst vorgesehen sind.
Die Möglichkeit des Einsatzes von Städtebauförderungsmitteln wurde für den Bund
erst durch Art. 104a GG (seit Inkrafttreten der Föderalismusreform am 1.9.2006
Art. 104b GG) geschaffen. Die dort geregelten Finanzhilfen des Bundes an die Länder
für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden haben einen ihrer
wesentlichsten Anwendungsbereiche in der Städtebauförderung gefunden. Die Ausge-
staltung im Einzelnen erfolgte zunächst durch die §§ 71 ff. des Städtebauförderungsge-
setzes vom 27.7.1971. Dieses Gesetz sollte
(a) die hoheitliche Veranlassung,
(b) die hoheitliche Steuerung und
(c) die öffentliche Finanzierung
von städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen ermöglichen.
(a) Die hoheitliche Veranlassung von Stadterneuerungsmaßnahmen im Sinne der Er-
neuerung größerer Stadt- (oder auch Dorf-)gebiete nach einem für alle Einzelmaß-
nahmen geltenden einheitlichen Konzept ist notwendig, weil der Anstoß dazu al-
lein von den betroffenen Eigentümern kaum ausgehen kann. Die erforderliche
Koordinierung und die Organisation der Erneuerung eines ganzen Stadtquartiers
sind durch freiwillige private Absprachen praktisch nicht zu leisten. Stadterneue-
rung als geordneter Prozess kann nur von der öffentlichen Hand in Gang gesetzt
werden. Das StBauFG und nunmehr das BauGB ermächtigen die Gemeinden daher
zu entsprechenden Beschlüssen: Die Kommunen dürfen sog. vorbereitende Unter-
suchungen anordnen, wenn der Verdacht der Sanierungsbedürftigkeit oder der
Entwicklungsfähigkeit und -notwendigkeit besteht; stellen sich städtebauliche
Missstände oder Entwicklungsbedürftigkeit heraus, kann das Gebiet (auch gegen
den Willen von Eigentümern) förmlich als Sanierungsgebiet oder städtebaulicher
Entwicklungsbereich festgelegt werden. Der Vorgang der Sanierung, Erneuerung
und/oder Entwicklung wird durch einen verbindlichen Bauleitplan oder (bei der
Sanierung) durch einen städtebaulichen Rahmenplan der Gemeinde gesteuert.
Wegen der nachhaltigen Eingriffe in das betroffene Gebiet muss das Recht der
Stadterneuerung und Stadtentwicklung schon für die Anstoß-, aber auch für die
Durchführungsphase Regeln über die Beteiligung der Betroffenen, über eine Sozial-
planung und über einen Härteausgleich enthalten.
(b) Die hoheitliche Steuerung setzt voraus, dass der öffentlichen Verwaltung geeignete
Durchsetzungsinstrumente wie Genehmigungsvorbehalte, Prüfungsrechte, Vor-
kaufsrechte, Erwerbsrechte, Gebote zur Verfügung gestellt werden und dass ihr
gestattet wird, geeignete Träger in die Stadterneuerung und -entwicklung einzu-
schalten.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
(c) Die Finanzierung der Stadterneuerung und Stadtentwicklung setzt angesichts des
Umfangs der benötigten Mittel eine angemessene Beteiligung aller drei Ebenen der
öffentlichen Haushalte, also des Bundes, der Länder und der betroffenen Kommu-
nen, voraus. Sofern den Eigentümern der betroffenen Grundstücke aus dem Ein-
satz der öffentlichen Mittel spezielle Vorteile entstehen, erscheint es gerecht, eine
Ausgleichspflicht derjenigen Eigentümer vorzusehen, die ihre Grundstücke nicht
im Verlauf des Sanierungs- bzw. Entwicklungsprozesses an die Gemeinde oder
ihren Treuhänder veräußern. Im Falle des Erwerbs der Grundstücke durch die
Gemeinde kann ein Finanzierungsbeitrag durch die Kaufpreisdifferenz beim An-
kauf (niedriger Preis) und Verkauf (höherer Preis, weil saniert bzw. entwickelt
wurde) erlangt werden. Bleibende Eigentümer haben als Kostenbeitrag für die Sa-
nierung bzw. für die Entwicklung einen Ausgleichsbetrag an die Gemeinde abzu-
führen, der aus der Differenz zwischen dem hypothetischen Bodenwert für den
Fall, dass eine Sanierung bzw. Entwicklung weder beabsichtigt noch durchgeführt
worden wäre (Anfangswert) und dem wirklichen Wert nach vollzogener Sanierung
bzw. Entwicklung (Endwert) zu berechnen ist. Stichtag für die Wertberechnung ist
der Tag der Aufhebung der Sanierungs- bzw. Entwicklungssatzung.
Durch die zu (a), (b) und (c) genannten Stichworte sind die Hauptinhalte des jetzigen
zweiten Kapitels des Baugesetzbuchs, des ehemaligen Städtebauförderungsgesetzes, be-
reits gekennzeichnet: Es geht nach Begriffsdefinition und Zweckklärung (§ 136) um
die Vorbereitung und Durchführung von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen
durch die öffentliche Verwaltung (§§ 140 bis 151), die Beteiligung der Eigentümer, der
Betroffenen sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange an diesen
Maßnahmen (§§ 137 bis 139), es geht um die Bereitstellung besonderer bodenrechtli-
cher Instrumentarien zur Steuerung der Stadtsanierung und Stadterneuerung (§§ 144
bis 148) einschließlich besonderer sanierungsrechtlicher Vorschriften zu Ausgleichbe-
trägen, Kosten und Finanzierung (§§ 152 bis 156a), es geht um Regeln für den Einsatz
von Sanierungsträgern, wenn die zuständige Gemeinde die Sanierung nicht selbst in
eigener Trägerschaft durchführen möchte (§§ 157 bis 161), und schließlich um den
Abschluss der Sanierung (§§ 162 bis 164). In förmlich festgelegten Entwicklungsberei-
chen (geregelt in den §§ 165 bis 171) sind die meisten Vorschriften des Sanierungs-
rechts entsprechend anwendbar. Auch hier gibt es vorbereitende Untersuchungen, Be-
troffenen- und Behördenbeteiligung, Durchsetzungsinstrumente, Entwicklungsträger,
Ausgleichsbeträge. Der wesentliche Unterschied zum Sanierungsrecht besteht in der
Bodenerwerbspflicht der Gemeinde in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich.
Anders als in Sanierungsgebieten soll die Gemeinde in einem städtebaulichen Entwick-
lungsbereich alle Grundstücke zum Anfangswert erwerben (§ 166 Abs. 3), um später
aus den Verkaufserlösen zum Endwert die Entwicklungsmaßnahme refinanzieren zu
können.
Die im StBauFG enthaltenen Finanzierungsregeln über eine gemeinsame Finanzierung
der Stadterneuerung durch Bund, Länder und Gemeinden wurden zunächst nicht in
das Baugesetzbuch übernommen. Seit 1998 gibt es auch im BauGB einen mit „Städte-
bauförderung“ überschriebenen Abschnitt. In den zugehörigen §§ 164a und b ist fest-
gehalten, dass zur Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen als Ein-
heit (Gesamtmaßnahme) weiterhin Städtebauförderungsmittel eingesetzt werden
(§ 164a), dass der Bund dazu den Ländern Finanzhilfen nach Art. 104b GG für Inves-
titionen der Gemeinden und Gemeindeverbände gewähren kann und dass Bund und
Länder zur Regelung der näheren Einzelheiten Verwaltungsvereinbarungen abschlie-
ßen können (§ 164b).
Die Pflicht der Eigentümer, sich mittels der Zahlung von Ausgleichsbeträgen an den Kos-
ten der Sanierung bzw. Entwicklung zu beteiligen, gilt nur für das „Normalverfahren“,
nicht jedoch für das – nur bei der Sanierung mögliche – „vereinfachte Verfahren“ (§ 142
Abs. 4). In der Bereitstellung zweier Verfahrensarten für die Sanierung kommt zum Aus-
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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.
druck, dass der Gesetzgeber bei der Übernahme der Vorschriften zur städtebaulichen Sa-
nierung in das Baugesetzbuch die Erfahrungen berücksichtigt hat, die bis dahin mit dem
StBauFG gesammelt worden waren. Manche Vorschriften und gesetzlich vorgesehenen
Maßnahmen hatten sich als allzu schwerfällig und kompliziert erwiesen. Anknüpfend an
die bereits zum 1.1.1985 wirksam gewordene Novellierung des StBauFG baut das Gesetz
seit 1987 auf der Erkenntnis auf, dass es Stadterneuerungsmaßnahmen sehr unterschied-
licher Qualität gibt – von der einfachen Stadterneuerung, bei der behutsam von Haus zu
Haus vorgegangen wird und bei der Sondervorschriften kaum benötigt werden, bis zur
großen, komplizierten Flächensanierung, die eines spezifischen Instrumentariums be-
darf. Im ersten Fall kommt die Gemeinde in aller Regel mit dem „vereinfachten Sanie-
rungsverfahren“ aus, im letzteren Fall ist es meistens erforderlich, es beim aufwendigeren
„Normalverfahren“ zu belassen und damit die besonderen sanierungsrechtlichen Vor-
schriften (§§ 152 bis 156a) anzuwenden. In beiden Verfahrensarten gehört es zu den in
das Ermessen der Gemeinde gestellten Wahlmöglichkeiten, ob sie einen Bebauungsplan
für das Sanierungsgebiet aufstellen möchte oder nicht; bis 1985 war der Sanierungsbe-
bauungsplan noch verbindlich vorgeschrieben.
Nachfolgend sollen die Verfahrensschritte und die Eigenheiten einer städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme einerseits und die einer städtebaulichen Entwicklungsmaß-
nahme andererseits getrennt geschildert werden.
978 Für die spätere Berechnung des Ausgleichsbetrags wird der „eingefrorene“ Bodenpreis wie gesagt hinge-
gen nicht mehr zu Grunde gelegt, sondern der hypothetische Wert, den das Grundstück im Zeitpunkt
der Erhebung des Ausgleichsbetrags hätte, wenn die Sanierungsmaßnahme weder beabsichtigt noch
durchgeführt worden wäre.
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führt. Diese Maßnahmen dienen dazu, den Wohnungsmarkt durch Verknappung des
Wohnungsangebots in einem Umfeld hoher Leerstandsquoten wiederzubeleben. Dies
hat mit der Kahlschlagsanierung der 1970er Jahre jedoch nichts zu tun, denn die
betroffenen Quartiere sind von großem Wohnungsleerstand gekennzeichnet – umfang-
reiche Umsiedlungen von Bewohnern sind damit nicht verbunden. Mittlerweile ist aber
auch der Bedarf am Rückbau deutlich zurückgegangen – viele, insbesondere größere
Städte verzeichnen (auch getrieben durch aktuell niedrige Zinsen sowie durch den
Zuzug Geflüchteter) aktuell eine Phase des Wachstums. Schrumpfungstendenzen sind
heute vor allem ein Problem strukturschwacher ländlicher Regionen.
Bild 65: Das Verfahren der städtebaulichen Sanierung
§§-Fahrplan: Sanierungsverfahren §§
Wenn die Gemeinde das Verfahren nicht selbst in die Hand nehmen 157–161
will: Beauftragung eines oder mehrerer Sanierungsträger-Unterneh-
men
Vorbereitende Untersuchungen mit Beteiligung und Mitwirkung der 141, 137,
Betroffenen und Auskunftspflichten der Eigentümer und sonstigen Be- 138
troffenen
Beginn der Aufstellung eines Sozialplans; laufende Fortschreibung 180
Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange 139
Förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets, dabei: 142 Abs. 4
– Wahl zwischen Normalverfahren (Erhebung von Ausgleichsbeträ-
gen möglich) oder vereinfachtem Sanierungsverfahren (keine Erhe-
bung von Ausgleichsbeträgen)
– Beschlussfassung über den möglichen Ausschluss der besonderen
Genehmigungspflichten nach § 144 im Sanierungsgebiet
Bekanntmachung der Satzung, Mitteilung an das Grundbuchamt 143 Abs. 1
143 Abs. 2
Je nach Verfahrensart und Instrumenteneinsatz: 154
* Prüfung aller Grundstücksvorgänge im Sanierungsgebiet 153
* Besondere Berechnung von Entschädigungsleistungen sowie
Grundstücksan-und -verkaufspreisen im Sanierungsgebiet
Durchführung der Ordnungsmaßnahmen und der Baumaßnahmen 147, 148
Soweit erforderlich: Gewährung von Härteausgleichszahlungen 181
Sobald der Sanierungszweck für einzelne Grundstücke erreicht ist: 163
Entlassung der betreffenden Grundstücke aus der Sanierung durch
Abschlusserklärung
Nach Durchführung der Sanierung insgesamt: Aufhebung der Sanie- 162
rungssatzung
Nur im Normalverfahren: Berechnung und Erhebung der Ausgleichs- 152–155
beträge
Bilanzierung durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausga- 156a
ben. Bei Einnahmenüberschuss: Auszahlung des Überschusses an
die Eigentümer
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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.
979 Zur Gebietsabgrenzung vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, UPR 1996, 262.
980 Dazu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 18.4.2002 – 1 C 10590/01 OVG –, ZfBR 2002, 501; vgl. auch
BVerwG, B. v. 24.3.2010 – 4 BN 60.09 –, BauR 2010, 1176.
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meinde ein weiter Beurteilungs- und Abwägungsfreiraum zu981. Die künftige Nutzung
braucht dabei noch nicht erkennbar zu sein982; wohl aber muss die Gemeinde nach-
weisen, dass in dem Gebiet „städtebauliche Missstände“ vorliegen, deren Behebung
im „öffentlichen Interesse“ liegt. Die Beurteilung eines städtebaulichen Missstands
kann und muss z. T. auf prognostischen Annahmen beruhen. Prognosen sind insbeson-
dere im Zusammenhang mit der Funktionsschwächensanierung (z. B. bei der Entschei-
dung über die quartiersaufwertende Wirkung umfangreicher Verkehrsberuhigungs-
maßnahmen) von Bedeutung, da hierbei der städtebauliche Missstand mit der
angestrebten zukünftigen Funktion und Struktur des Gebiets begründet wird. Auch
insoweit räumt das Gesetz der Gemeinde einen weiten Beurteilungsspielraum ein983.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 2 ist das Sanierungsgebiet so zu begrenzen, dass sich die Sanie-
rung zweckmäßig durchführen lässt. Nach Satz 3 der Vorschrift können einzelne
Grundstücke, die von der Sanierung nicht betroffen werden, aus dem Gebiet ganz
oder teilweise ausgenommen werden. Umgekehrt ist aber auch die Einbeziehung von
Grundstücken denkbar, auf denen selbst keine Maßnahmen wie bauliche Veränderun-
gen durchzuführen sind; bei der sog. Funktionsschwächensanierung kann dieser Fall
häufiger auftreten984.
Eine Stärkung des Klimaschutzes erfuhr das besondere Städtebaurecht im Zuge der
BauGB-Novelle 2013, nachdem Bemühungen dazu im Gesetzgebungsverfahren 2011
noch gescheitert waren. Der Gesetzgeber stand vor der Frage, ob ein städtebaulicher
Missstand im Sinne des § 136 auch einem – ggf. ansonsten makellosen – Quartier
attestiert werden darf, wenn dieses in Bezug auf die Gesamtenergieeffizienz nicht mehr
heutigen Maßstäben genügt, die sich insbesondere aus den Bestimmungen der Energie-
einsparverordnung (EnEV) ergeben. Der Gesetzgeber hat diese Frage mit Ja beantwor-
tet und damit deutlich gemacht, dass Klimaschutz zukünftig auch im Zusammenhang
mit dem besonderen Städtebaurecht eine wichtige Rolle spielen kann (aber nicht
muss). Vor diesem Hintergrund wird klargestellt, dass städtebauliche Missstände in
einem Gebiet auch dann vorliegen, wenn dieses nach seiner Bebauung oder nach seiner
sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Ar-
beitsverhältnisse oder an die Sicherheit der Menschen auch unter Berücksichtigung
der Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung nicht entspricht (§ 136 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1). Es liegt im Ermessen der Gemeinde zu entscheiden, inwieweit eine „kli-
magerechte Stadterneuerung“ z. B. durch Errichtung von Blockheizkraftwerken, durch
geeignete Wärmedämmmaßnahmen, durch Installation von Solaranlagen oder durch
einen Anschluss an ein Fernwärmenetz zum Gegenstand von Sanierungsmaßnahmen
gemacht werden soll. Wenn, dann gehört in einem Sanierungsverdachtsgebiet eine
Prüfung zu dieser Frage zum Gegenstand der vorbereitenden Untersuchungen nach
§ 141. Im Ergebnis ist die Liste der möglichen Substanzschwächen in § 136 Abs. 3
Nr. 1 durch Aufnahme eines neuen Buchstabens (h) ergänzt worden. Die Substanz-
schwächen beschränken sich seitdem nicht mehr nur auf Mängel in Bezug auf Fragen
der Belichtung, Belüftung und Besonnung, in Bezug auf Gebäudebeschaffenheit, Zu-
gänglichkeit der Grundstücke sowie bestimmte erhebliche Emissionen und Immissio-
nen. Als mögliches Beurteilungskriterium im Rahmen vorbereitender Untersuchungen
kann auch die energetische Beschaffenheit, die Gesamtenergieeffizienz der vorhande-
981 BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, DVBl 1996, 691; BVerwG, 19.5.2009 – 4 BN 1.09 –, GuG
2011, 60; BVerwG, U. v. 4.3.1999 – 4 C 8.98 –, ZfBR 1999, 228.
982 BVerwG, U. v. 20.10.1978 – 4 C 48/76 –, NJW 1979, 2577; an die Konkretisierung der Sanierungsziele
sind zu Beginn des Sanierungsverfahrens noch keine hohen Anforderungen zu stellen – BVerwG, U. v.
4.3.1999 – 4 C 8.98 –, ZfBR 1999, 228.
983 BVerwG, B. v. 24.3.2010 – 4 BN 60.09 –, BauR 2010, 1176. Vgl. auch BVerwG, U. v. 10.7.2003 – 4
CN 2.02 – BauR 2004, 53.
984 Vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, BRS 58 Nr. 243. Vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen,
U. v. 23.10.2008 – 7 D 37/07.NE –, GuG 2009, 312.
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985 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, 17. Wahlperiode vom 14.11.2012, Drucksache
17/11468, S. 19.
986 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.11.2015 – 7 D 66/14.NE – BauR 2016, 800.
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einem Eigentümer freihändig oder nach den Vorschriften des BauGB ohne Hergabe
von entsprechendem Austauschland, Ersatzland oder Begründung von Rechten der in
§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Art („Bestellung oder Übertragung von Mitei-
gentum an einem Grundstück, grundstücksgleichen Rechten …“) erworben, so hat
dieser (frühere) Grundstückseigentümer gegenüber dem aktuellen Eigentümer einen
Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks. Dieses regelt § 164. Seit dem
1.1.2007 greift der Anspruch auf Rückübertragung von Grundstücken auch, wenn die
Sanierungssatzung ordnungsgemäß nach dem neuen § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 aufge-
hoben wird, die Sanierung jedoch nicht durchgeführt worden ist.
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gehört, die bezüglich der Ziele und Zwecke der Sanierung und der erforderlichen
Sanierungsmaßnahmen als Einheit anzusehen sind – fehlt noch ein Mosaikstein für
die vollständige Verwirklichung des Sanierungsziels, z. B. die zu einer Maßnahme da-
zugehörige Herstellung einer Tiefgaragenzufahrt sowie deren Überbauung auf einem
Nachbargrundstück, so darf die Abschlusserklärung noch nicht erfolgen990. Die Sanie-
rungsmaßnahme bleibt Inhaltsbestimmung des Eigentums, die entschädigungslos hin-
genommen werden muss; sie ist auch bei sehr langer Zeitdauer nicht als entschädi-
gungspflichtige Enteignung anzusehen991.
Wurde die Sanierung im „Normalverfahren“ und nicht im „vereinfachten Verfahren“
durchgeführt, gehört i. d. R. zum Abschluss auch die Abrechnung der Bodenwertsteige-
rungen. Die Eigentümer der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke haben zur
Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu ent-
richten, der der durch die Sanierung bewirkten Werterhöhung des Bodenwerts der
Grundstücke entspricht. Die Erhebung von Vorauszahlungen auf den Ausgleichsbetrag
ist zulässig. Der Bewertungsaufwand für die einzelnen Grundstücke kann erheblich
sein. Seit 2007 sieht das Gesetz eine deutlich vereinfachte Bilanzierung auf der Grund-
lage des entstandenen Aufwands für die Erweiterung oder Verbesserung der Verkehrs-
anlagen vor (dazu später Näheres). Außerdem wird Gemeinden die Möglichkeit einge-
räumt, auf die Erhebung von Ausgleichsbeträgen ganz zu verzichten, wenn gutachtlich
ermittelt worden ist, dass die Bodenwerterhöhung insgesamt geringfügig ist und daher
der Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Ausgleichsbeträge in keinem angemes-
senen Verhältnis zu den möglichen Einnahmen steht. Insgesamt gehört die Möglichkeit
zur Erhebung von Ausgleichsbeträgen zum bodenrechtlichen Sonderinstrumentarium
der Stadterneuerung. Darauf ist jetzt näher einzugehen.
5. Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium
Das Sonderinstrumentarium der Stadterneuerung ist in Bild 66 zusammengefasst. Aus
dem Bild ergibt sich: Gleichsam routinemäßig gilt in jedem förmlich festgelegten Sanie-
rungsgebiet das allgemeine Vorkaufsrecht des § 24 Abs. 1 Nr. 3, das von der Gemeinde
zur Durchsetzung der Ziele und Zwecke der Sanierung eingesetzt werden kann. Eben-
falls ohne zusätzliche Beschlussfassung der Gemeinde besteht in Sanierungsgebieten
die Möglichkeit, unter den allgemeinen Voraussetzungen der Enteignungsvorschriften
Grundstücke direkt zugunsten von Sanierungsträgern zu enteignen. Diese beiden Ins-
trumente werden in der Praxis jedoch nicht allzu häufig angewendet. Wirklich bedeut-
sam sind erst die beiden folgenden Instrumente:
– die besonderen Genehmigungspflichten nach § 144;
– die Erhebung von Ausgleichsbeträgen nach § 154 einschließlich der damit verbun-
denen Sonderregeln für Preisgestaltung, Preisprüfung und Entschädigung beim An-
kauf, Verkauf und Eigentümerwechsel von Grundstücken im Sanierungsgebiet
während der Sanierung.
a) Die sanierungsrechtliche Genehmigung nach §§ 144, 145 BauGB. § 144 macht eine
Reihe von Vorgängen im Sanierungsgebiet besonders genehmigungspflichtig. Von
§ 144 Abs. 1 sind betroffen:
– alle baulichen Vorhaben im Sinne des § 29 (d. h. insbesondere die Errichtung, Än-
derung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen sowie Aufschüttungen und
Abgrabungen größeren Umfangs);
– die Beseitigung baulicher Anlagen;
– erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und
baulichen Anlagen;
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– schuldrechtliche Verträge über den Gebrauch oder die Nutzung von Gebäuden
und Grundstücken auf bestimmte Zeit von mehr als einem Jahr.
Von § 144 Abs. 2 sind betroffen:
– Veräußerungen von Grundstücken;
– die Bestellung oder Veräußerung von Erbbaurechten;
– Belastungen von Grundstücken (z. B. mit Hypotheken oder Grundschulden), so-
weit sie nicht mit Baumaßnahmen im Sinne der Sanierung im Zusammenhang
stehen;
– schuldrechtliche Verträge über die drei zuvor genannten Rechtsvorgänge;
– die Teilung von Grundstücken (trotz der bundesrechtlichen Abschaffung der pla-
nungsrechtlichen Teilungsgenehmigung);
– die Begründung, Änderung oder Aufhebung einer Baulast.
Bild 66: Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium in der Sanierung
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
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b) Die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen nach den §§ 152 ff. BauGB. Die
Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags (Sonderinstrument Nr. 2) trifft die Eigen-
tümer nur im Normalverfahren. Der Ausgleichsbetrag muss von all den Eigentümern
gezahlt werden, deren Grundstücke „durch die Sanierung“, d. h. vor allem durch die
im Sanierungsverfahren betriebenen und von der öffentlichen Hand bezahlten „Ord-
nungsmaßnahmen“ (siehe oben unter 3.) wertvoller geworden oder geblieben sind, als
sie es ohne Sanierung gewesen wären996. Es kommt nicht auf einen Wertzuwachs im
Zeitablauf der Sanierung an; in Zeiten stark fallender Bodenpreise kann ein Aus-
gleichsbetrag auch dann fällig werden, wenn der Bodenwert des Grundstücks zu Be-
ginn der Sanierung höher war als am Ende. Dieses kann z. B. dann der Fall sein, wenn
die Sanierung zwar keinen Wertanstieg herbeigeführt, aber anderenfalls eingetretene
Wertverluste gemindert hat. Laut gesetzlicher Definition in § 154 Abs. 2 besteht der
Ausgleichsbetrag „aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das
Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchge-
führt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück
durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des Sanierungsgebiets ergibt (End-
wert)“. Es kommt also nicht auf die im Zeitablauf vorzufindenden Preisdifferenzen,
sondern auf die am Ende der Sanierung gestellte Frage „Was wäre wenn?“ an. In
krassen Fällen der formal notwendigen Einziehung von Ausgleichsbeträgen – bei nur
verhindertem Wertverfall (anstelle objektiver Wertsteigerung) – kann die Gemeinde
gemäß § 155 Abs. 4 „im Einzelfall von der Erhebung des Ausgleichsbetrags ganz oder
teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger
Härten geboten ist“. Dies geht auch schon vor Abschluss der Sanierung. Von einem
öffentlichen Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann ausgegangen werden, wenn
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
durch den Verzicht auf den Ausgleichbetrag ein im allgemeinen öffentlichen Interesse
der Gemeinde liegendes Vorhaben gefördert werden kann. Ein solches öffentliches
Interesse sieht das Bundesverwaltungsgericht nur bei einem spezifisch sanierungsrecht-
lichen Zusammenhang gegeben. Das bedeutet, dass sich der Verzicht auf Ausgleichsbe-
tragserhebung damit begründen lassen können muss, dass der Einnahmeausfall da-
durch kompensiert wird, „dass der begünstigte Eigentümer einen Beitrag zur
Förderung der mit der Sanierung verfolgten Ziele und Zwecke erbringt“. Sonstige
öffentliche Interessen, etwa die Förderung eines als gemeinnützig anerkannten Trägers
seines betreuten Seniorenwohnheims, begründet noch nicht den Erlass eines Aus-
gleichsbetrags im Sinne der Vorschrift997. Zum „Endwert“ gehören auch die durch
einen Sanierungsbebauungsplan vermittelten Wertsteigerungen998. Wenn sich die Ge-
meinde für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen entschieden hat, können auch die
Kosten für (zusätzliche) Erschließungsmaßnahmen im Sinne des § 127 Abs. 2 sowie
von der Gemeinde zunächst getragene Kosten für Maßnahmen zum Ausgleich nur
über den Ausgleichsbetrag erhoben werden (dieses gilt dann nicht, wenn Erschlie-
ßungs-Beitragspflichten bereits vor der förmlichen Festlegung als Sanierungsgebiet ent-
standen sind)999. Grundsätzlich ist der Ausgleichsbetrag nach Abschluss der Sanierung
zu erheben. Der Abschluss ist (regelmäßig) identisch mit der Aufhebung der Sanie-
rungssatzung1000. Das Ausrechnen des Wertunterschieds zwischen dem „Anfangs-
wert“ und dem „Endwert“ von Grundstücken in Sanierungsgebieten ist nicht immer
einfach, weil der Anfangswert ein rein hypothetischer Wert ist1001 und auch der End-
wert meist nicht real anlässlich einer Veräußerung ermittelt, sondern nur durch Ver-
gleichspreise1002 bestimmt werden kann. Zur Bestimmung des Anfangswerts muss
man so tun, als wäre die Sanierung nicht durchgeführt worden; der Endwert kann
real nur ermittelt werden, wenn das Grundstück nach Abschluss der Sanierung zu
regulären Marktbedingungen verkauft wird (was keineswegs der Regelfall ist). Eine
aus bestimmten Faktoren im Vorher-/Nachher-Vergleich abgeleitete Wertsteigerung
(z. B. aus einer Verbesserung der Infrastruktur, dem Anteil der Ausstattung der Woh-
nungen im Gebiet mit Bad und Sammelheizung usw.) kann den gesetzlichen Anforde-
rungen genügen1003. Die errechneten Werte müssen dem Marktgeschehen entsprechen.
Die zahlungspflichtigen Grundeigentümer müssen nur das bezahlen, was der Markt
hergibt. Unter diesen Umständen kann es vorkommen, dass der Verwaltungsaufwand
zur exakten Ermittlung der einzelnen Bodenwerte und zur Beitreibung der Abgabe
größer ist als der Ertrag, der schließlich durch die Ausgleichsabgabe von den Gemein-
den vereinnahmt werden könnte. Der Gesetzgeber hat daher die Gemeinden durch die
Novellierung des Städtebauförderungsgesetzes noch im Jahr 1985 – also schon wäh-
rend der Beratungen zum Baugesetzbuch – ermächtigt, von der Erhebung des Aus-
gleichsbetrags abzusehen, wenn eine geringfügige Bodenwerterhöhung gutachtlich er-
mittelt worden ist und der Verwaltungsaufwand für die Erhebung des
Ausgleichsbetrages in keinem vernünftigen Verhältnis zu den möglichen Einnahmen
steht (§ 155 Abs. 3). Die gutachtliche Bewertung der Bodenwertveränderungen
braucht sich in diesem Fall wohl nur auf das Gebiet insgesamt zu beziehen, vermeidet
also die schwierigen und streitbefangenen Einzelberechnungen. Fehlen ausreichende
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1004 Vgl. dazu die Bewertung des „Chemnitzer Modells“ durch das Sächsische OVG, B. v. 5.3.2009 – 1 A
374/08 –, BauR 2010, 895.
1005 BVerwG, U. v. 27.11.2014 – 4 C 31.13 –, ZfBR 2015, 268.
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beginnt sie mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die
Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der förmlichen Aufhebung der
Sanierungssatzung. Allerdings tritt die Sanierungssatzung wie dargestellt auch nach
Fristablauf so lange nicht außer Kraft, wie es an einer rechtsförmlichen Aufhebung
fehlt. Mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und –vorherseh-
barkeit1007 darf die Gemeinde die Aufhebung einer Sanierungssatzung jedoch nicht
unterlassen, obwohl die Voraussetzungen für eine Aufhebung gegeben sind. Handelt
eine Gemeinde in diesem Zusammenhang treuwidrig, verwirkt sie ihr Recht zur Erhe-
bung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge. Treuwidriges Verhalten der Gemeinde
liegt noch nicht bei verspäteter Aufhebung der Sanierungssatzung vor, sondern erst
dann, wenn es infolge der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung aller
Umstände nicht mehr zumutbar erscheint, vom Bürger die Abgabe zu verlangen1008.
6. Die Einschaltung von Sanierungsträgern und anderen Beauftragten
Manche Gemeinden ziehen es vor, die Sanierung nicht in eigener Regie, sondern unter
Einschaltung von Sanierungsträgern durchzuführen. Besonders in Berlin ist dieses Ver-
fahren in großem Umfang angewendet worden. Wegen der großen Verantwortung, die
der Träger im Hinblick auf die schwerwiegenden Auswirkungen der Sanierung gegen-
über Eigentümern und Betroffenen zu übernehmen hat, durften bis 2004 als Sanie-
rungsträger nur solche Unternehmen beauftragt werden, denen die nach Landesrecht
zuständige Behörde bestätigt hatte, dass sie für die Übernahme der Aufgaben als Sanie-
rungsträger geeignet seien. Mit dem EAG Bau ist diese Vorprüfungs- und Bestätigungs-
pflicht abgeschafft worden. Die Gemeinden sollen eigenverantwortlich entscheiden
dürfen, wen sie als Sanierungsträger einschalten möchten. Für die Einschaltung als
Sanierungsträger kommen nur Unternehmen in Frage, die nicht selbst als Bauunter-
nehmen tätig sind oder von einem Bauunternehmen abhängen, sowohl nach der Ge-
schäftstätigkeit als auch nach den wirtschaftlichen Verhältnissen konzeptionell zur
Leitung einer Sanierung geeignet sind, sich einer öffentlichen Prüfung unterworfen
haben oder unterwerfen und deren leitende Angestellte die erforderliche Zuverlässig-
keit besitzen.
Wenn ein geeigneter Sanierungsträger gefunden worden ist, kann dieser im Auftrag
der Gemeinde die Ordnungsmaßnahmen durchführen, Grundstücke oder Rechte an
ihnen zur Vorbereitung und Durchführung der Sanierung im Auftrag der Gemeinde
erwerben und auch die der Sanierung dienenden Mittel bewirtschaften. Die rechtliche
Verpflichtung des Sanierungsträgers erfolgt durch städtebaulichen Vertrag. Dies ist
einer der acht Vertragstypen, die in städtebaulichen Veranstaltungsgebieten vom Ge-
setz vorgesehen sind. Die übrigen Typen sind:
a) Abwendung von Genehmigungshindernissen im Rahmen des § 144 durch vertrag-
liche Zusicherungen;
b) Übertragung der Durchführung von Ordnungsmaßnahmen nach § 147 auf den
oder die Grundeigentümer;
c) Regelung der Modalitäten der Zahlung des Ausgleichsbetrags durch Ablösung
oder Umwandlung in ein Darlehen nach §§ 154 Abs. 3 und 5;
d) Erwerb von Grundstücken im Gebiet unter besonderen und kontrollierten Bedin-
gungen: Preiskontrolle nach § 153 Abs. 3 und 4, Vorkaufsrecht der Gemeinde nach
§ 24 Abs. 1 Nr. 3, Übernahmeanspruch des Eigentümers nach § 145 Abs. 5 bei
Versagung einer Genehmigung nach § 144;
e) Bindung eines Grundstückskäufers an Ziele der Maßnahme bei Abwendung des
Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1;
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1009 Zur Entwicklungsmaßnahme alten Rechts vgl. aus der Rechtsprechung: OVG Schleswig-Holstein, B.
v. 5.11.1975 – I C 3/74 –, NJW 1976, 2281; OVG Schleswig-Holstein, 1978, 72; OVG Schleswig-
Holstein, U. v. 15.12.1977 – 1 A 311/74 –, NJW 1979, 1316; Hessischer VGH, B. v. 30.12.1980 – 4
N 10/74 –, BRS 38 Nr. 218 (Dietzenbach); BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 16.78 –, ZfBR 1981, 290
(Brunsbüttel); BVerwG, U. v. 15.1.1982 – 4 C 94.79 –, ZfBR 1982, 87; OVG Bremen, U. v. 12.4.1983
– OVG 1 N 1/82 –, DÖV 1983, 637 (Güterverkehrszentrum); VGH Baden-Württemberg, U. v.
4.7.1985 – 8 S 1923/83 –, ZfBR 1986, 52; BGH, U. v. 12.1.1984 – III ZR 99/85 –, NJW 1984, 1880
(Brunsbüttel); BGH, U. v. 2.10.1986 – III ZR 99/85 –, ZfBR 1987, 110 (Regierungsviertel Bonn);
Hessischer VGH, B. v. 27.1.1987 – 4 N 4/81 –, ZfBR 1987, 204 (Neu-Anspach); BayVGH, U. v.
17.12.1987 – 2 N 86 – 01623 –, Mitt. DST 887/88 v. 23.9.1988 (Regensburg).
1010 So das OVG Berlin, U. v. 28.11.1997 – 2 A 7.94 –, ZfBR 1998, 211 (Eldenaer Schlachthof).
1011 BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 BN 22.98 –, ZfBR 1998, 313 (Bestätigung von OVG Berlin – Eldenaer
Schlachthof).
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1. Kernstück der Erklärung zum Entwicklungsbereich ist die Aufforderung des Geset-
zes an die Gemeinde, im von ihr förmlich festgelegten Entwicklungsbereich alle
Grundstücke zu erwerben (es sei denn, die künftige Nutzung eines Grundstücks
ist bereits bestimmbar und der betroffene Eigentümer sichert eine plangemäße
Nutzung des Grundstücks zu). Grundstücke, deren Eigentümer nicht veräuße-
rungsbereit sind, können ohne Bebauungsplan und ohne zusätzliche Prüfung der
Frage, ob „Gründe des allgemeinen Wohls“ im Sinne des § 87 gegeben sind, enteig-
net werden. Dies ist deshalb konsequent, weil städtebauliche Entwicklungsmaß-
nahmen mitsamt dem Eingriffsinstrumentarium nur unter den Voraussetzungen
des § 165 Abs. 3 Nr. 1 – 4 durchgeführt werden dürfen, also unter anderem nur
dann, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der Entwicklungsmaß-
nahme erfordert. Diese Frage wird bereits im Zuge der vorbereitenden Untersu-
chungen geprüft und muss daher nicht erneut untersucht werden. Eine Entwick-
lungsmaßnahme kann nicht mit dem Wohl der Allgemeinheit begründet werden,
wenn die mit ihr verfolgten Ziele ebenso gut mit Hilfe der Instrumente des allge-
meinen Städtebaurechts erreicht werden können.1012 Unterm Strich ist die Ent-
wicklungsmaßnahme gerade wegen der „enteignungsrechtlichen Vorwirkung“
„das schärfste Schwert des Bodenrechts“. Die Rechtsprechung gewährt insoweit
keinen Abwägungsspielraum1013. Privates Eigentum kann nach Art. 14 Abs. 3
Satz 1 GG nur dann durch Enteignung entzogen werden, wenn es für die Verwirk-
lichung besonders schwerwiegender und dringender öffentlicher Interessen benö-
tigt wird. Soweit die Ableitung dieses Interesses auf Prognosen beruht, müssen
diese sachgerecht und vertretbar sein, d. h. auf der Grundlage von Tatsachen und
wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt worden sein. „Gegriffene“ Ansätze
dürfen nicht herangezogen werden, obwohl ex ante betrachtet bessere Möglichkei-
ten zur Entwicklung der Prognose bestanden.1014 Es liegt jedoch auf der Hand,
dass die Enteignungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der förmlichen Festlegung des
Gebiets für ganz bestimmte einzelne Grundstücke noch nicht abschließend geprüft
werden können; die konkretisierte Prüfung erfolgt erst im Enteignungsverfah-
ren1015. Prognosen lassen sich auch nicht exakt naturwissenschaftlich beweisen.
Daher hat die Rechtsprechung zu §§ 165 ff. einen Prognosespielraum anerkannt,
wenn die Ergebnisse nachvollziehbar und methodisch einwandfrei ermittelt wor-
den sind.1016
2. Als Kaufpreis bzw. Enteignungsentschädigung darf nur der Betrag gezahlt werden,
der den Bodenwert des Grundstücks ohne Aussicht auf die Entwicklungsmaß-
nahme wiedergibt. Im günstigsten Fall einer Entwicklungsmaßnahme „auf der grü-
nen Wiese“ ist dies der „begünstigte Ackerlandwert“, also der Preis von Ackerland
im Umkreis von Siedlungen ohne konkrete Bauerwartung.
3. Eigentümer, denen die Weiternutzung ihrer Grundstücke im Sinne der Entwick-
lungsmaßnahme nicht zuzumuten ist, haben einen Übernahmeanspruch gegen die
Gemeinde.
4. Im Geltungsbereich der Entwicklungssatzung sind alle wesentlichen Rechtsvor-
gänge im Zusammenhang mit den betroffenen Grundstücken genehmigungspflich-
tig.
5. Es besteht ein besonderes gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde an allen
Grundstücken im Bereich der Entwicklungssatzung.
6. Die Betroffenen müssen beteiligt werden, sie sind ihrerseits auskunftspflichtig.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
1017 Die B-Pläne teilen aber nicht notwendig das Schicksal der Entwicklungsmaßnahme. Ist diese nichtig,
führt das nicht automatisch zur Unwirksamkeit bereits aufgestellter B-Pläne – BVerwG, B. v. 31.3.1998
– 4 BN 4.98 und 4 BN 5.98 –, ZfBR 1998, 251, 252.
1018 Vgl. dazu Hessischer VGH, U. v. 17.9.1999 – 4 UE 952/99 –, ZfBR 2000, 282.
1019 Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.1.1995 – 8 S 841/94 –, ZfBR 1995, 275: Die Zuschlags-
entscheidungen der Gemeinde sind nur eingeschränkt überprüfbar.
1020 BVerwG, B. v. 16.2.2001 – 4 BN 55.00 und 4.BN 56.00 –, ZfBR 2001, 492 und 494.
1021 Zum Allgemeinwohlerfordernis: BVerfG, 4.7.2002 – 1 BvR 190/01 –, NVwZ 2003, 71; BVerwG,
27.5.2004 – 4 BN 7.04 –, ZfBR 2004, 579.
1022 Vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 13.1.2013 – 4 BN 4.12 –, ZfBR 2013, 365.
1023 BVerwG, B. v. 16.2.2001 – 4 BN 55.00 –, ZfBR 2001, 492 (Vielzahl weiterer öffentlicher Interessen
kommt in Betracht).
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1024 Vgl. BVerwG, B. v. 30.1.2001 – 4 BN 72.00 –, ZfBR 2001, 276; BVerwG, B. v. 17.12.2003 – 4 BN
54.03 –, ZfBR 2004, 375 (Bremen).
1025 BVerwG, B. v. 5.8.2002 – 4 BN 32.02 –, ZfBR 2003, 45.
1026 Vgl. dazu den vom Bayer. VGH entschiedenen Fall „Nördliche Wolfgang-Siedlung“ der Stadt Landshut
– (U. v. 23.10.1995 – 15 N 94/1693 –, BRS 57 Nr. 286), mit kritischer Anmerkung von Rudolf Schäfer
in: ZfBR 1997, 125–142.
1027 Vgl. BVerwG, B. v. 27.9.2012 – 4 BN 20.12 –, BauR 2013, 66.
1028 BVerwG, U. v. 12.12.2002 – 4 CN 7.01 –, ZfBR 2003, 483 (Großraum Hannover).
1029 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 3.7.1998 – 4 CN 2.97 –, ZfBR 1998, 312.
1030 BVerwG, 17.6.2000 – 4 BN 51.00 –, ZfBR 2001, 137 (Rummelsburger Bucht, Berlin); vgl. auch OVG
Berlin, U. v. 13.7.2000 – 2 A 5.95 –, ZfBR 2000, 566 ebenfalls zur Rummelsburger Bucht.
1031 BVerwG, B. v. 16.2.2002 – 4 BN 56/00 –, NVwZ 2001, 1053.
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1032 BVerwG, U. v. 3.7.1998 – 4 CN 5.97 – ZfBR 1999, 100 = NVwZ 1999, 407 (Gewerbepark Nürnberg/
Fürth/Erlangen).
1033 Vgl. OVG Berlin, U. v. 13.7.2000 – OVG 2 A 5.95 –, ZfBR 2000, 566 (Rummelsburger Bucht).
1034 Vgl. BVerwG, B. v. 16.6.2010 – 4 BN 67.09 –, BauR 2010, 1894.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
2017: Trautner, Wolfgang, Anmerkung zu OLG Celle, B. v. 29.6.2017 – 13 Verg 1/17 – (Schwel-
lenwert; Schätzung des Auftragswerts; Gesamtpreis; 48-facher Monatswert; Dokumentation;
nachträgliche Begründung; Sanierungsträger), in: VergabeR 6/2017, S. 783.
5. Finanzielle Förderung, Abrechnung:
2010: Wulfhorst, Reinhard, Die Auswirkungen des neuen Art. 104b GG auf die Städtebauförde-
rung – eine Entgegnung (auf Battis/Klein/Rusteberg, DVBl. 2009, 682 ff.), DVBl. 2010, 28–32;
Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die (Rück-) Verteilung eines Überschusses an die Eigentümer nach
Abschluss einer städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahme nach § 156a BauGB,
verbunden mit einem Reformvorschlag zugunsten der Kommunen, GuG 2009, 93–100; 2011:
Meyer, Josef, Ein gut gestimmtes Instrument. Städtebauförderung, IWR 2011, 17; Mittler, Ger-
not, Kein Geld mehr für Sanierung und Städtebau. Deutscher Verband. Die KfW-Förderung für
die CO2-Gebäudesanierung soll gestrichen, die Städtebauförderung halbiert werden, IWR 2011,
13; 2012: Mittler, Gernot, Mehr Anreize für die energetische Stadtsanierung. Zuschüsse für
kommunale Konzepte, IWR 2012, 18; 2014: Schwamberger, Gerald, Sanierungsmaßnahmen
und die steuerlichen Folgen bei KMU. Teil 1: Forderungsverzichte, Sanierungsgewinne und spezi-
fische kapitalorientierte Instrumente bei Kapitalgesellschaften, in: KSI 1/2014, S. 22–26.
6. Ausgleichsbeträge:
2011: Mathony, Karl Heinz, Der kostenorientierte Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 2a BauGB
(Teil 1), GuG 2011, 257–264; Mathony, Karl Heinz, Der kostenorientierte Ausgleichsbetrag
nach § 154 Abs. 2a BauGB (Teil 2), GuG 2011, 351–359. 2018: Hebbel, Hartmut, Anmerkung
zu OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 10.7.2017 – 2 B 1/16 –, – 2 B 7/16 –, – 2 B 11/16 – und B.
v. 25.1.2018 – 2 B 18/16 – (Sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag; Wertermittlungsspielraum;
Wertermittlungsverfahren; Vergleichswertverfahren; Bodenrichtwertverfahren; maßgebliche Art
der baulichen Nutzung für die Bestimmung des Anfangswerts; Herabzonung durch Sanierungs-
bebauungsplan; Zielbaummethode; Zielbaumverfahren; Ableitung des Endwerts aus einem nach
dem Wertermittlungsstichtag bestimmten Bodenrichtwert; intertemporaler Abgleich; Wahl des
Wertermittlungsverfahrens; Begründungspflicht; maximal veränderlicher Lagewertanteil
(LVmax); Plausibilisierungsanforderungen; Berechnungsfehler; fehlende Spruchreife infolge des
Wertermittlungsspielraums), GuG 3/2018, 193.
7. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.
Noch bis vor wenigen Jahren war die Stadtentwicklungsdebatte landaus, landein vor
allem geprägt von Überlegungen zum Umgang mit verheerenden Schrumpfungsprozes-
sen, die dem Immobilienmarkt stark zusetzten. Spätestens ab Mitte der 1990er Jahre
wurde diese Entwicklung in vielen Städten durch eine extreme Zunahme leer stehender
Immobilien, insbesondere Wohnungen, gut sichtbar. Entwicklungen dieser Art wurden
noch befeuert durch den ökonomischen Strukturwandel, der den Zusammenbruch
ganzer Industrien zur Folge hat. Von Überalterung und Schrumpfung betroffenen Re-
gionen, viele davon in Ostdeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen, machte (in Tei-
len bis heute) insbesondere der Wegzug junger Leute zu schaffen. Demografischer
Wandel, Strukturwandel und seine Folgen sind zu einer enormen Herausforderung
und zu einem wichtigen Aufgabenfeld der Stadtplanung in der Nachwendezeit gewor-
den. In Sachsen-Anhalt hat sich die Internationale Bauausstellung Stadtumbau zwi-
schen 2003 und 2010 mit den städtebaulichen Herausforderungen beschäftigt, die
dieser Wandel mit sich bringen kann. Im Zentrum von Halberstadt wurde „Leere
kultiviert“, während in Aschersleben Riesengemälde in freigeräumten Baulücken in
der Innenstadt aufgestellt wurden. Die Entvölkerung und Entleerung von Räumen
führen zu einer Unterauslastung von Infrastruktur, etwa von Abwasserleitungen und
Wasserwerken, und sie entziehen dem Immobilienmarkt bei stark nachlassender Nach-
frage seine wichtigen Marktmechanismen, sodass der Stadtumbau eine sehr komplexe
Herausforderung der Stadtentwicklung geworden ist.
In den von Schrumpfungstendenzen bis heute betroffenen Teilräumen der Bundesre-
publik wird der Bevölkerungsrückgang nur zum Teil durch Zuwanderung von Fach-
kräften aus dem Ausland zumindest abgemildert. Ein nicht unerheblicher Anteil von
Zugezogenen geht in Deutschland schlecht bezahlten Jobs nach, und sie fragen Woh-
nungen in Quartieren mit niedrigen Mieten nach. Das sind i. d. R. zugleich Quartiere,
deren Wohnungen teils erheblichen Sanierungsbedarf aufweisen – Quartiere, die auch
von anderen benachteiligten Gruppen geprägt sind. Auf diese – hier sehr vereinfacht
und verkürzt dargestellte – Weise entstehen soziale Brennpunkte mit teils erheblichen
Problemen. Wegen der einseitigen Zusammensetzung der Bevölkerung sind die Voraus-
setzungen und Lernbedingungen an den Schulen dieser Gebiete äußerst ungünstig.
Perspektivlosigkeit macht sich breit, der öffentliche Raum einschließlich der Gebäude-
substanz verwahrlost. In solchen Quartieren werden soziale Missstände aufgrund der
Zusammensetzung der Bewohnerschaft und der angespannten wirtschaftlichen Situa-
tion der dort lebenden und arbeitenden Menschen allgegenwärtig. Daher bedürfen
auch solche Quartiere fein abgestimmter städtebaulicher Gegenmaßnahmen.
Angesichts solcher Problemlagen sah sich der Gesetzgeber des EAG Bau im Jahr 2004
zur Reaktion gezwungen. Im Nachgang zum Wettbewerb Stadtumbau Ost 2002 und
zur Einführung des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt im Jahr 1999 wurden
die Kategorien „Stadtumbaugebiet“ (§§ 171 a-d) und die Gebiete der „Sozialen Stadt“
(§ 171e) eingeführt. Durch die Klimaschutznovelle 2011 wurden die mit dem EAG
Bau 2004 eingeführten Vorschriften zum Stadtumbau an die Herausforderungen des
Klimawandels angepasst. Dem städtebaulichen und sozialen Verfall von Dörfern und
Städten soll mit den Mitteln des besonderen Städtebaurechts – soweit möglich – entge-
gengesteuert werden.
Impulsgeber für eine positive Stadtentwicklung können auch private Initiativen sein.
Mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung
der Städte vom 21.6.2006 (BGBl. I S. 3316) ist mit § 171f eine Vorschrift in das Bau-
gesetzbuch aufgenommen worden, die Eigentümern und Geschäftsleuten durch Zu-
sammenschluss ermöglichen soll, die Entwicklung im Quartier selbst in die Hand zu
nehmen und positiv zu gestalten. Durch Eigeninitiative lassen sich sowohl Einkaufs-
straßen als auch Wohn- oder Gewerbegebiete umgestalten, wenn das jeweilige Landes-
recht hierfür entsprechende Voraussetzungen geschaffen hat.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Neben der Gegensteuerung zur Behebung von städtebaulichen und sozialen Problemen
in Stadtumbaugebieten oder Gebieten der sozialen Stadt gibt das Besondere Städtebau-
recht der Gemeinde auch ein Instrument zur Wahrung und Konservierung bestimmter
erwünschter städtebaulicher und/oder sozialer Verhältnisse an die Hand. Mit Hilfe der
Erhaltungssatzung lassen sich unter anderem die städtebauliche Eigenart eines Gebiets
oder die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten. Weitere Gestaltungsmög-
lichkeiten ergeben sich in Form eines Katalogs „städtebaulicher Gebote“, die zusam-
men mit der Erhaltungssatzung im sechsten Teil des Zweiten Kapitels des Baugesetzbu-
ches geregelt sind.
Nachfolgend wird auf die Instrumente des Stadtumbaus und der Sozialen Stadt, auf
die privaten Initiativen, auf die Erhaltungssatzung und die städtebaulichen Gebote
eingegangen.
1. Stadtumbau
a) Maßnahmen zum Stadtumbau. Mit den §§ 171a–d lassen sich sog. „Stadtumbauge-
biete“ festlegen. Im Unterschied zu den städtebaulichen Sanierungsgebieten und den
städtebaulichen Entwicklungsbereichen werden diese Gebiete nicht durch Satzung,
sondern durch einfachen Beschluss der Gemeindevertretung festgelegt (eine zusätzliche
Satzung kann allerdings zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen ins Spiel ge-
bracht werden). Damit folgt das Gesetz der bisherigen Praxis in der Verwaltungsver-
einbarung zwischen dem Bund und den Ländern nach § 164b. Danach kann der Bund
zur Förderung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen nach Art. 104b Abs. 4 GG den
Ländern nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes Finanzhilfen für Investitio-
nen der Gemeinden und Gemeindeverbände nach einem in gleicher Weise geltenden,
allgemeinen und sachgerechten Maßstab gewähren. Der Maßstab und das Nähere für
den Einsatz der Finanzhilfen werden durch die Verwaltungsvereinbarung zwischen
Bund und Ländern festgelegt. Die Praxis der Vereinbarung zwischen Bund und Län-
dern hat dazu geführt, dass der Einsatz der Mittel nicht auf förmlich festgelegte Sanie-
rungsgebiete und förmlich festgelegte Entwicklungsbereiche beschränkt ist, sondern
auch in Gebieten, die durch einfachen Beschluss der Gemeindevertretung festgelegt
worden sind, Anwendung findet. Diese Praxis ist durch § 171b Abs. 4 (analog dazu
durch § 171e Abs. 6 bei der Sozialen Stadt) gesetzlich abgesichert. Danach sind die
§§ 164a und 164b (über den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes) im Stadtumbauge-
biet entsprechend anzuwenden.
Stadtumbaumaßnahmen dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Es handelt sich dabei
um Maßnahmen, durch die in Gebieten, die von erheblichen städtebaulichen Funkti-
onsverlusten betroffen sind, Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebauli-
cher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste
liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für
bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist. Seit
der Änderung des Baugesetzbuchs durch die Klimaschutznovelle 2011 können städte-
bauliche Funktionsverluste auch angenommen und Stadtumbaumaßnahmen ergriffen
werden, wenn in einem Gebiet die allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz
und die Klimaanpassung nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund gehören zum Bei-
spielkatalog von Stadtumbaumaßnahmen auch Maßnahmen, die dazu beitragen, die
Siedlungsstruktur den allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klima-
anpassung anzupassen. Die Bandbreite denkbarer Aktivitäten in Bezug auf den Klima-
schutz ist groß. Sie beschränkt sich auch nicht allein auf vorbeugende Maßnahmen
des Klimaschutzes wie der Wärmedämmung oder der Installation von Solaranlagen,
sondern bezieht sich auch auf Maßnahmen, die auf die veränderten Bedingungen im
Zuge des fortschreitenden Klimawandels reagieren. Dazu können z. B. auch Pflanz-
maßnahmen zur Verbesserung des Klimakomforts oder die Einrichtung Schatten spen-
dender Sonnensegel über öffentlichen Plätzen gehören.
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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.
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1036 Vgl. Krautzberger in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB-Kommentar, Lfg. 101, September 2011,
§ 171b BauGB Rn. 7.
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Aufgabenträgern gehören zum einen die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange, zum anderen der Bund, einschließlich seiner Sondervermögen, die Länder, die
Gemeindeverbände sowie die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts. Betroffene sind die Eigentümer, Mieter, Pächter und sonstige Be-
troffene. Ändern sich im Zuge der Fortschreibung des städtebaulichen Entwicklungs-
konzepts die darin niedergeschriebenen Ziele und Maßnahmen, sind die öffentlichen
Aufgabenträger erneut zu beteiligen. § 139 Abs. 2 ordnet dazu an, dass § 4 Abs. 2 und
§ 4a Abs. 1 bis 4 und 6 bei Vorbereitung (Konzepterarbeitung) und Durchführung
der Maßnahmen auf Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange sinngemäß
anzuwenden sind. Die Träger öffentlicher Belange haben die Gemeinde im Gegenzug
ebenso über Änderungen ihrer Absichten zu informieren. Dies bedeutet:
Den Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange wird ein Monat Zeit (erfor-
derlichenfalls mit Verlängerungsoption) zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
Ändern sich die Ziele des städtebaulichen Entwicklungskonzepts sowie die Maßnah-
men, wird eine erneute Beteiligung erforderlich, wobei sich die Frist zur Abgabe einer
Stellungnahme angemessen verkürzen lässt. Nicht rechtzeitig abgegebene Stellungnah-
men können unberücksichtigt bleiben, sofern die Gemeinde deren Inhalt weder kannte
noch hätte kennen können und sofern deren Inhalt für die Abwägungsentscheidung
nicht von Bedeutung ist.
In den Fällen, in denen Planungen und Maßnahmen der Träger öffentlicher Belange
mit den Zielen und Zwecken der Stadtumbaumaßnahmen aufeinander abgestimmt
worden sind, müssen sich die an dieser Abstimmung Beteiligten unverzüglich mitei-
nander ins Benehmen setzen, sobald sich auf der einen oder auf der anderen Seite
Änderungen ergeben.
Für die Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen liegen weniger formale Standards
vor. Bedingung ist zunächst die möglichst frühzeitige Einbindung, die bereits in der
Konzepterarbeitungsphase und somit zu einem Zeitpunkt einsetzt, zu dem sich die
Planung noch nicht zu stark verfestigt hat. Wie bei der städtebaulichen Sanierungs-
maßnahme soll aber auch und insbesondere die Mitwirkung der Betroffenen während
der Umsetzungsphase erreicht werden. Dazu soll die Gemeinde die Betroffenen aktiv
animieren. Der Gemeinde obliegt zudem eine Beratungspflicht.
e) Die Satzung zur Sicherung der Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen. In An-
lehnung an die Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 ist wie erwähnt in
§ 171d eine Durchführungssicherungssatzung kodifiziert worden. Im Geltungsbereich
einer solchen Satzung sind alle Vorhaben und Maßnahmen, die im Geltungsbereich
einer Veränderungssperre der Genehmigung bedürfen, wiederum genehmigungspflich-
tig. Durch die Verweisung auf § 14 Abs. 1 sind folgende Vorhaben und Maßnahmen
erfasst:
1. Vorhaben im Sinne des § 29 (also die Errichtung, Änderung oder Nutzungsände-
rung von baulichen Anlagen sowie Aufschüttungen und Abgrabungen größeren
Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten);
2. die Beseitigung baulicher Anlagen;
3. erhebliche oder wesentlich wertsteigende Veränderungen von Grundstücken und
baulichen Anlagen, soweit sie nicht ohnehin Vorhaben im Sinne des § 29 darstel-
len.
Durch Aufnahme eines zweiten Satzes in § 171d Abs. 1 aufgrund des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortent-
wicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 ist die Möglichkeit der Ersatzbe-
kanntmachung eröffnet worden. Daher kann entweder die Satzung komplett bekannt
gegeben oder aber durch Bekanntmachung schlicht darüber informiert werden, dass
eine Satzung zur Regelung des Genehmigungsvorbehalts im Stadtumbaugebiet oder
in einem Teil davon beschlossen worden ist (Ersatzbekanntmachung). Im Falle der
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Ersatzbekanntmachung ist zugleich über den Ort der Einsichtsmöglichkeit und über
den Tag des Inkrafttretens der Satzung zu informieren. Die Ersatzbekanntmachung
verlangt nämlich zugleich, dass die Satzung in der Gemeindeverwaltung zu jedermanns
Einsicht bereit gehalten wird, wobei zudem Auskunftspflicht über den Inhalt besteht.
Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Durchführungssicherungssatzung gefasst
und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In Bezug
auf die Durchführung von Vorhaben und Maßnahmen, die von der Durchführungssi-
cherungssatzung erfasst werden, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Ge-
meinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen
Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durch-
führung der Stadtumbaumaßnahmen unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert
werden würde. Es kann auf Antrag der Gemeinde auch eine vorläufige Untersagung
ausgesprochen werden, wenn kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wird.
Die Versagung von Vorhaben und sonstigen Maßnahmen kommt nur in Frage, um
einen den städtebaulichen und sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf der
Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage des von der Gemeinde aufgestellten städte-
baulichen Entwicklungskonzepts oder eines Sozialplans im Sinne des § 180 zu sichern.
Die Genehmigung ist jedoch zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allge-
meinwohls ein Absehen von dem Vorhaben oder der Maßnahme wirtschaftlich nicht
zumutbar ist. Wie bei § 172 dürfte hier die subjektive Zumutbarkeit des individuellen
Eigentümers entscheidend sein; anderenfalls würde der konkrete Eigentümer in Ver-
luste gedrängt, was unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
unzulässig wäre.
g) Anhörung der Eigentümer und der Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberech-
tigten in Stadtumbaugebieten. Die im Zusammenhang mit der Erhaltungssatzung gel-
tenden Regelungen zur Genehmigung des § 173 sind gemäß § 171d Abs. 4 entspre-
chend auch im Zusammenhang mit der Durchführungssicherungssatzung anzuwenden
– der in § 173 Abs. 2 geregelte Übernahmeanspruch kommt hingegen nicht zum Zug
(dazu gleich). Danach wird die Genehmigung durch die Gemeinde erteilt. Ist eine
baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erfor-
derlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen
mit der Gemeinde erteilt. Vor der Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung
einer Maßnahme, die durch die Durchführungssicherungssatzung nach § 171d unter
eine besondere Genehmigungspflicht gestellt worden ist, hat die Gemeinde die für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhal-
tung Verpflichteten zu erörtern und ggf. die Mieter, Pächter sowie sonstigen Nutzungs-
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
berechtigten anzuhören. Mit dieser Vorschrift wird erneut der auf Kooperation ausge-
richtete Ansatz des Stadtumbaus betont.
Da die Genehmigung gemäß § 171d Abs. 3 Satz 2 zu erteilen ist, wenn auch unter
Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von dem Vorhaben oder der Maß-
nahme wirtschaftlich nicht zumutbar ist, kommt der in § 173 Abs. 2 formulierte Über-
nahmeanspruch des Eigentümers des Grundstücks gegen die Gemeinde auf Übernahme
des Grundstücks im Geltungsbereich einer Durchführungssicherungssatzung nicht in
Frage. Vor der Entscheidung sind – wie ausgeführt – die Eigentümer sowie auch die
Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten zu hören.
Kraft Verweisung auf § 26 Nr. 2 und 3 in § 174 ist die Genehmigungspflicht auf fol-
gende Grundstücke nicht anzuwenden:
1. Grundstücke im Eigentum eines öffentlichen Bedarfsträgers, die für Zwecke der
Landesverteidigung, der Bundespolizei, der Zollverwaltung, der Polizei oder des
Zivilschutzes genutzt werden;
2. Grundstücke im Eigentum von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentli-
chen Rechts, die für Zwecke des Gottesdienstes oder der Seelsorge benutzt werden;
3. Grundstücke, auf denen Vorhaben errichtet werden sollen, für die ein Planfeststel-
lungsverfahren eingeleitet oder durchgeführt worden ist.
Die soeben genannten Bedarfsträger sind allerdings durch § 174 Abs. 2 dazu aufgefor-
dert, der Gemeinde anzuzeigen, wenn sie ein eigentlich genehmigungspflichtiges Vor-
haben im Geltungsbereich der Durchführungssicherungssatzung beabsichtigen. Der
Bedarfsträger soll auf Verlangen der Gemeinde von dem Vorhaben absehen, wenn die
Voraussetzungen vorliegen, welche die Gemeinde berechtigen würden, die Genehmi-
gung nach § 171d zu versagen, und wenn das Absehen von der beabsichtigten Maß-
nahme dem Bedarfsträger auch unter Berücksichtigung seiner Aufgaben zuzumuten
ist. Seit dem EAG Bau 2004 gehört zu den gegen die Vorschriften des Baugesetzbuchs
als Ordnungswidrigkeiten verfolgbaren Verstößen (geregelt in § 213), dass eine bauli-
che Anlage im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung der Durchführung von
Stadtumbaumaßnahmen (§ 171d Abs. 1) ohne Genehmigung rückgebaut oder geän-
dert wird. Diese Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 213 Abs. 2 mit einer Geldbuße
bis zu 25.000 A geahndet werden.
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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.
oder einem Sozialplan. Diese Enteignung wird sicherlich in der Praxis nur sehr selten
(wenn überhaupt) angewendet werden. Sie steht jedoch als Drohpotenzial zur Verfü-
gung, wenn ein Eigentümer nicht mitwirkungsbereit ist und darüber hinaus bauliche
Maßnahmen entweder verweigert oder zu einem Zeitpunkt durchführt, der nicht mit
dem Konzept der Gemeinde zu vereinbaren ist. In solchen Fällen bieten sich die Andro-
hung und – als allerletzter Schritt – auch die Durchführung einer Enteignung an. Diese
Maßnahme dürfte im Zweifel zielführender sein als der Ausspruch eines Abbruchdul-
dungsgebotes nach § 179 oder sonstiger Planverwirklichungsgebote.
j) Fazit. Die Vorschriften des Stadtumbaus (und auch der Maßnahmen der Sozialen
Stadt) sehen eine weitgehende Kooperation mit den Grundeigentümern und den Be-
troffenen vor. Dies ist sicherlich das richtige Konzept. Es gelingt aber nicht immer, die
Betroffenen ohne Weiteres zum Abschluss von städtebaulichen Verträgen zu veranlas-
sen. Daher ist der Einsatz öffentlicher Mittel zur Umsetzung von Stadtumbaumaßnah-
men von großer Bedeutung. Die Zwangsmittel zur Durchsetzung von Stadtumbau-
maßnahmen sind relativ eingeschränkt. Die Satzung nach § 171d zur Sicherung der
Durchführung von Maßnahmen des Stadtumbaus ist eher dazu bestimmt, Maßnah-
men aufzuhalten als dieselben anzustoßen. So bleibt am Ende als aktive Maßnahme
zur hoheitlichen Durchsetzung des Stadtumbaus nur die Enteignung nach § 85 Abs. 1
Nr. 7. Die dadurch erzwungene konsequente Vorgehensweise der Gemeinde ist jedoch
keineswegs ein Nachteil. Auf diese Weise wird von vornherein klargestellt, welche
Möglichkeiten es gibt: entweder die kooperative Mitwirkung oder – im verfassungs-
rechtlich eingegrenzten Ausnahmefall – die Enteignung. Dazwischen liegen die Pro-
zesse der langwierigen Verhandlung und der mühsamen Einigung. Neben den Vor-
schriften zum Stadtumbau bleibt den Gemeinden aber auch weiterhin das klassische
Instrument der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, die sich ebenfalls zur Steuerung
des Stadtumbaus eignet. Altes und neues Recht können und sollten kombiniert einge-
setzt werden. Ausdrücklich heißt es in § 171a Abs. 1, dass Stadtumbaumaßnahmen
nicht nur anstelle, sondern auch ergänzend zu sonstigen Maßnahmen nach dem Bauge-
setzbuch durchgeführt werden können. Die Gemeinden haben nunmehr für die (Wie-
der-)Aufwertung von Gebieten die Wahl zwischen mehreren Maßnahmearten, der Sa-
nierung, der Entwicklung und dem Stadtumbau. Als weitere Möglichkeit sind der
Gemeinde Maßnahmen der Sozialen Stadt an die Hand gegeben. Damit beschäftigt
sich das nachfolgende Kapitel. Die Erhaltungssatzung als fünfte Maßnahmenart dient
nicht der Aufwertung, sondern der Werterhaltung.
2. Soziale Stadt
Städtebauliche Maßnahmen zur Sozialen Stadt sind Maßnahmen zur Stabilisierung
und Aufwertung von durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen oder anderen
Teilen des Gemeindegebiets, in denen ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht. So-
ziale Missstände liegen insbesondere vor, wenn ein Gebiet aufgrund der Zusammenset-
zung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden und arbeitenden Menschen
erheblich benachteiligt ist. Ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht vor allem dann,
wenn es sich um benachteiligte innerstädtische oder innenstadtnah gelegene Gebiete
oder verdichtete Wohn- und Mischgebiete handelt, in denen es einer aufeinander abge-
stimmten Bündelung von investiven und sonstigen Maßnahmen bedarf.
Zu den Handlungsfeldern der Sozialen Stadt können unter anderem gehören:
– Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen (z. B. im Rahmen eines Projektes
„Solarmobil – Berufsvorbereitende Orientierung und Teilqualifizierung in den Be-
reichen Handwerk und Solartechnik“ in Galgenhof/Steinbühl, Nürnberg),
– Beschäftigung, soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur (z. B. Einrichtung eines
Stadtteil- und Kindercafés „Blocksberg“ in der Bremer Großsiedlung Blockdiek,
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1037 Einen Überblick über Maßnahmen der Sozialen Stadt kann man sich unter www.sozialestadt.de ver-
schaffen.
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1038 Vgl. Schmidt-Eichstaedt in: Brügelmann: Baugesetzbuch – Kommentar, 63. Lfg., Juni 2007; § 171f,
Rn 25.
1039 Als verfassungskonform bestätigt durch BVerfG, B. v. 26.1.1987 – 1 BvR 969/83 –, NJW 1987, 2995 =
ZfBR 1987, 203.
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ner der Gebäude selbst unterrichtet werden kann und sollte. Dazu müssen die Betroffe-
nen wissen, dass es in ihrem Wohngebiet eine Erhaltungssatzung gibt und was sie zu
bedeuten hat.
b) Das Erhaltungsgebot. Die Zurückstellung eines Abrissantrags leitet über zur zwei-
ten Stufe des Erhaltungsgebots. Diese zweite Stufe besteht darin, dass konkrete An-
träge auf Abriss, Änderung oder Umbau von baulichen Anlagen unter den speziellen
Gesichtspunkten des § 172 geprüft werden; bei der Entscheidung kommt der Ge-
meinde ein Ermessen in dem Sinne zu, dass die Genehmigung auch bei Erhaltungswür-
digkeit der Anlage erteilt werden kann, wenn die Gemeinde z. B. eventuellen Übernah-
meansprüchen nicht gewachsen ist1043. Wenn für das entsprechende Vorhaben eine
bauordnungsrechtliche Genehmigung oder eine bauordnungsrechtliche Zustimmung
erforderlich ist, dann liegt die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung bei
der Baugenehmigungsbehörde, die aber – in Bezug auf die Erhaltungsgesichtspunkte
– nur im Einvernehmen mit der Gemeinde handeln darf. Nur wenn die Angelegenheit
bauordnungsrechtlich genehmigungs- und zustimmungsfrei ist, liegt das Genehmi-
gungsverfahren gemäß § 173 Abs. 1 allein bei der zuständigen Gemeinde. In allen
Fällen (also sowohl dann, wenn die Baugenehmigungsbehörde entscheidet, als auch
dann, wenn die Gemeinde allein zuständig ist) hat die Gemeinde vor der Entscheidung
über den Genehmigungsantrag mit dem Eigentümer die für die Entscheidung erhebli-
chen Tatsachen zu erörtern. Wenn das Gebäude zur Erhaltung der Wohnbevölkerung
oder zur Ablaufsicherung bei städtebaulichen Umstrukturierungen erhalten bleiben
soll, hat sich die Gemeinde vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag auch
mit den Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten in Verbindung zu set-
zen (§ 173 Abs. 3 Satz 2). Spätestens an dieser Stelle findet also eine gezielte Betroffe-
nenbeteiligung statt, auch wenn die Gemeinde in der ersten Stufe darauf verzichtet
haben sollte. Erfolgt eine Genehmigung im Sinne des § 172 Abs. 4 Nr. 6 (weil sich
der Eigentümer dazu verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung von
Wohneigentum nur an die Mieter zu verkaufen), muss die Gemeinde seit der Novelle
vom Mai 2017 den gleichen Personenkreis, nämlich die Mieter, Pächter und sonstigen
Nutzungsberechtigten, über die Erteilung der Genehmigung informieren. Zu den Mie-
tern gehören auch die Mieter anderer Wohnungen im betroffenen Gebäude.
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die Abwägung im Einzelfall, dass mit der Erhaltung des Gebäudes so hohe Kosten
verbunden sind, dass sie aus den Erträgen des Gebäudes nicht erwirtschaftet werden
können, so muss dem Eigentümer die beantragte Maßnahme (Rückbau) gestattet wer-
den, es sei denn, er hat die aktuelle Höhe des Erhaltungsaufwands selbst herbeigeführt,
indem er notwendige und zumutbare Instandhaltungsmaßnahmen über Jahre hinweg
pflichtwidrig unterlassen hat. Wenn die Gemeinde das Gebäude in jedem Fall erhalten
will, muss (und darf) sie es nach § 85 Abs. 1 Nr. 6 enteignen.
Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungs-
änderung baulicher Anlagen zur Sicherung von städtebaulichen Umstrukturierungen
verhindert werden sollen (Fallgruppe Nr. 3: Umstrukturierung): Auch in diesen Fällen
ist der Ausspruch eines Erhaltungsgebots (durch Versagung der Genehmigung) nur
dann zulässig, wenn die (hier in der Regel zeitlich beschränkte) Erhaltung des Gebäu-
des dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist.
Etwas anderes gilt nur bei der Verfolgung des ersten der drei oben genannten Ziele,
also bei der Bemühung um die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets
aufgrund seiner besonderen städtebaulichen Gestalt. Wenn es um dieses Ziel geht, darf
die Rückbau- oder Änderungsgenehmigung für ein Gebäude ohne Rücksicht auf die
wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Eigentümer versagt werden, wenn die bauliche
Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild,
die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbe-
sondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Das Erhaltungsinteresse
lässt sich nicht nur mit dem Argument in Frage stellen, dass die zur Erhaltung anste-
hende bauliche Anlage allein das Ortsbild nicht maßgeblich prägt, sondern erst im
Zusammenspiel mit weiteren baulichen Anlagen. Andererseits reicht für eine Versa-
gung nicht aus, dass die bauliche Anlage innerhalb eines Erhaltungsgebiets liegt.1044
„Für eine Prägung des Ortsbilds i. S. v. § 172 Abs. 3 kommt es ausschließlich auf die
optischen Wirkungen einer baulichen Anlage an. Sie muss ihren räumlichen Wirkungs-
bereich gestalterisch nicht nur unwesentlich positiv beeinflussen. Der Abriss einer das
Ortsbild prägenden baulichen Anlage ist regelmäßig als Beeinträchtigung der Ziele
einer auf Erhaltung des Ortsbilds gerichteten Erhaltungssatzung anzusehen.“1045 Laut
dem VG Köln geht der Schutz des Ortsbilds und der Stadtgestalt über den „normalen“
Verunstaltungsschutz hinaus, der gemäß § 34 Abs. 1 erst dann greift, wenn nach dem
ästhetischen Empfinden eines (Durchschnitts-)Betrachters ein hässlicher, verletzender,
belastender und als Unlust erregend empfundener Zustand zu beklagen ist. Eine Beein-
trächtigung der städtebaulichen Gestalt in einem Erhaltungsgebiet liegt hingegen be-
reits bei einer nachteiligen Veränderung des Ortsbildes oder der Stadtgestalt vor. In
dem zu entscheidenden Fall ging es um den Bau einer 6,5 m hohen Mobilfunkantenne
in einem Agrardorf, das in dem zu betrachtenden Teilgebiet von Hofanlagen aus dem
19. Jahrhundert geprägt ist.1046 Hier lagen demnach die Voraussetzungen für eine Ver-
sagung der Genehmigung vor. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat später in dieser
Angelegenheit auch noch klargestellt, dass die Verfahrensfreiheit nach der Landesbau-
ordnung (in dem Fall der Mobilfunkanlage) keine indizielle Bedeutung für die Beurtei-
lung der Verträglichkeit hat.1047 Selbst eine denkmalbehördliche Unbedenklichkeitser-
klärung muss die erhaltungsrechtliche Unzulässigkeit baulicher Anlagen nicht
ausschließen.1048 Die uneingeschränkte Ermächtigung zur Versagung der beantragten
Genehmigung ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Eigentü-
mer hat allerdings gemäß § 173 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 2 zur Folge, dass dieser von
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der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen kann, wenn und soweit
es ihm mit Rücksicht auf die Versagung der Genehmigung wirtschaftlich nicht mehr
zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer ande-
ren zulässigen Art zu nutzen. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen in den Fällen der
wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für den Gebäudeeigentümer lassen die nach Voraus-
setzungen und Rechtsfolgen durchaus unterschiedlichen Strukturen der verschiedenen
Satzungstypen nach § 172 besonders deutlich erkennen. In Bild 68 ist dies noch einmal
dargestellt.
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Verfolgung des zweiten und dritten Zieles auf die Erhaltung der Gebäude verzichtet
werden muss, wenn sie unwirtschaftlich ist; notfalls kann man die betroffene Wohnbe-
völkerung auch an anderer Stelle unterbringen und sich dort um die als schützenswert
erkannten Belange bemühen.
d) Praktische Erfahrungen mit der Erhaltungssatzung. Das 1976 durch die Novelle
zum Bundesbaugesetz eingeführte Instrument der Erhaltungssatzung ist seither in vie-
len Städten der Bundesrepublik mit Erfolg angewendet worden. In der Mehrzahl der
Fälle ging es um die Erhaltung von städtebaulich wertvollen Gebäuden (also um die
Fallgruppe Nr. 1), in einigen Fällen auch um die Erhaltung der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung (Fallgruppe 2, oft in einem Umfeld steigender Mieten und knapper
werdenden Wohnraums); die Satzung der Fallgruppe 3 (Verfahrenssicherung bei städ-
tebaulichen Umstrukturierungen) wird kaum angewendet, weil in den in Frage kom-
menden Fällen in aller Regel zur Sanierungsmaßnahme nach § 136 gegriffen wird.
Das zweistufige Verfahren der Erhaltungssatzung hat sich insbesondere zur Erhaltung
wertvoller Gebäude und Gebäudegruppen bewährt. Die Gemeinde braucht sich im
ersten Schritt noch nicht konkret darauf festzulegen, welche Gebäude im Einzelnen
unverändert stehenbleiben sollen, sie braucht nur das Gebiet insgesamt zu kennzeich-
nen. Erst auf konkrete Rückbau- und Änderungsanträge muss dann reagiert werden.
Die Gemeinde kann vorher durch Öffentlichkeitsarbeit versuchen, die Grundstücksei-
gentümer in dem Gebiet für ihre Zwecke zu gewinnen und sie von vornherein von
Rückbau- und Änderungsanträgen abzuhalten. Allerdings muss die Gemeinde beim
Erlass von Erhaltungssatzungen und bei der Versagung von Genehmigungen der Fall-
gruppe 1 Folgendes beachten: Der durch die Erhaltungssatzung des Typs Nr. 1 be-
wirkte Schutz hat einen anderen Gehalt als der Denkmalschutz, denn er muss nach
der Rechtsprechung von städtebaulicher Dimension sein. Den Denkmalschutz muss
die Gemeinde dem Landesrecht und den danach zuständigen Behörden überlassen.
Das bedeutet zum einen, dass mit der Erhaltungssatzung z. B. die Verhinderung von
Werbeanlagen an Gebäuden in der Regel nicht möglich ist1049; derartige Anlagen sind
dazu zu klein. Das bedeutet zum anderen, dass ein Erhaltungsgebot nach dem BauGB
nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass in einem im Übrigen völlig unscheinbaren
Gebäude nur ein berühmtes historisches Ereignis stattgefunden hat; ein geschichtlicher
Wert im Sinne einer Erhaltungssatzung muss sich stets mindestens auch aus der bauli-
chen Struktur des Gebäudes, aus seiner baugeschichtlichen Bedeutung ergeben1050.
Prägt dieses Gebäude das Ortsbild zwar nur im Zusammenspiel mit anderen baulichen
Anlagen maßgeblich, so ist hingegen – wie bereits erwähnt – eine Versagung einer
baulichen Änderung aus Gründen der Ortsbilderhaltung im Geltungsbereich einer Er-
haltungssatzung zulässig.1051 Städtebauliche Erhaltungssatzungen werden sehr häufig
erlassen, um den im BauGB auch im Sanierungsgebiet normierten Genehmigungsvor-
behalt in die Zeit nach Aufhebung einer Sanierungssatzung zu retten. Wer jahrelang
mit viel Mühe und noch mehr öffentlichen Mitteln im Rahmen einer Sanierungsmaß-
nahme für die Beseitigung städtebaulicher Substanzschwächen gesorgt hat, möchte
auch die weitere städtebauliche Entwicklung überprüfen können. Gerade für diese
Zwecke ist die Erhaltungssatzung ein geeignetes Instrument; denn es bringt die Ge-
meinden in den Austausch mit Bauwilligen und ermöglicht eine positive Einfluss-
nahme.
Die Rechtsvorschriften des Bauplanungsrechts, des Bauordnungsrechts und des Denk-
malschutzrechts sollten im Übrigen bei der Erhaltung und Gestaltung von baulichen
Anlagen in konstruktiver Zusammenwirkung genutzt werden (vgl. dazu Bild 69).
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Einige Probleme haben Satzungen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbe-
völkerung (sog. Milieuschutzsatzungen) aufgeworfen. Beispielsweise hat man auf dem
Weg über Erhaltungssatzungen des Typs Nr. 2 versucht, Arbeiter- und Zechensiedlun-
gen im Ruhrgebiet zu erhalten, bei denen die dazugehörigen Schachtanlagen oder gro-
ßen Eisenhütten inzwischen aufgegeben worden waren. Die Zechenunternehmen ver-
kauften diese Siedlungen an Wohnungsbaugesellschaften, die statt der eher einfachen
und kleingeschnittenen Arbeiterhäuser nun luxuriöse Einfamilienhäuser auf die inzwi-
schen wertvollen Grundstücke bauen und anschließend an zahlungskräftige Bevölke-
rungskreise verkaufen wollten. In diesen Fällen konnten sich die Gemeinden mit dem
Satzungsziel durchsetzen, die Arbeiterbevölkerung dieser Siedlungen als schützens-
werte Wohnbevölkerung zu erhalten, unterstützt mit dem Argument, die Zechensied-
lungen seien auch aus städtebaulich-architektonischer Sicht erhaltungswürdig. In einer
zweiten Gruppe von Anwendungsfällen der Satzungen zur Erhaltung der Zusammen-
setzung der Wohnbevölkerung waren die Kommunalverwaltungen weniger erfolg-
reich. So hat man in vielen Fällen vergeblich versucht, über eine Erhaltungssatzung
die Umwandlung von aufwendig gebauten und großzügig geschnittenen Gründerzeit-
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1052 Vgl. BVerwG, B. v. 26.7.1989 – 8 B 112.89 –, ZfBR 1990, 151 einerseits und BGH, B. v. 14.2.1991 –
V ZB 12/90 –, ZfBR 1991, 116 andererseits. Zum Problem vgl. Wolf-D. Deckert, Neue öffentlich-
rechtliche Rechtsprechung verhindert die Begründung von Wohnungseigentum an Altbauten, in: ZfBR
1990, 109–113.
1053 Zur Hamburger Regelung vgl. BVerwG, U. v. 30.6.2004 – 4 C 1.03 –, ZfBR 2004, 801.
1054 Vgl. LG München I, 3.8.1981 – 0 18478/80 –, NVwZ 1982, 59.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
1055 Niedersächsisches OVG, U. v. 25.4.1983 – I C 1/82 –, ZfBR 1983, 238: Schutz der ortsansässigen
Wohnbevölkerung (Westerland/Sylt) vor der Verdrängung durch Errichtung von Ferienappartments in
Form von Eigentumswohnungen ist über eine Erhaltungssatzung möglich; im Ergebnis ebenso Hessi-
scher VGH, B. v. 28.4.1986 – 3 N 1578/85 –, DVBl. 1986, 693 für Studentenquartier im Altbaubereich.
1056 BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97–, BauR 1997, 992 = UPR 1998, 26.
1057 BVerwG, B. v. 17.12.2004 – 4 B 85.04 –, BauR 2005, 839.
1058 Ablehnend dazu OVG Berlin, U. v. 30.1.2004 – 2 B 18.02 –, Das Grundeigentum 2004, 354.
1059 BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97–, BauR 1997, 992.
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nicht umgelegt werden). Es liegt auf der Hand, dass einkommensschwache Mieter
durch eine solche aufgezwungene Mieterhöhung überfordert sein können; im Ergebnis
müssten sie aus der Wohnung ausziehen. Um dies zu verhindern, dürfen die Gemein-
den – so das BVerwG – nach empirisch belegter Feststellung der durchschnittlichen
Zahlungsfähigkeit der vorhandenen Mieter für ein bestimmtes Gebiet festlegen, welche
Kostenfolge von Modernisierungsmaßnahmen maximal ausgelöst werden darf – dieses
ist dann die „Mietpreisobergrenze“. Bauliche Maßnahmen, die im Ergebnis zu einer
die Obergrenze übersteigenden Miete führen würden, werden nicht genehmigt. Die
Durchsetzbarkeit derartiger Mietobergrenzen ist allerdings vom Gesetzgeber im BGB
und im BauGB mit folgenden Einschränkungen versehen worden: Die Mieter einer
Wohnung sind nach § 555a BGB zur Duldung von Erhaltungsmaßnahmen kraft Geset-
zes verpflichtet, „die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforder-
lich sind“. Hinsichtlich Modernisierungsmaßnahmen, zu denen neben den bekannten
Maßnahmen zur dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Mietverhältnisse auch
bauliche Veränderungen gehören, durch die z. B. Endenergie, nicht erneuerbare Pri-
märenergie oder der Wasserverbrauch nachhaltig eingespart wird, haben sich im Zuge
des Mietrechtsänderungsgesetzes vom 11. März 2013 (BGBl. I 434) Änderungen erge-
ben. Durch die Reform wird das gesamte Recht der Duldung von Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen in einem neuen Kapitel 1a in den §§ 555a bis 555f BGB
geregelt. Im gleichen Zuge wurde § 554 BGB aufgehoben. Die Vorschriften wurden
zugleich mit dem Mieterhöhungsrecht nach Modernisierung (§§ 559 bis 559b BGB)
abgestimmt. Es sollte die Duldungspflicht von Modernisierungen aus Gründen der
Energieeinsparung und des Klimaschutzes gestärkt werden. Eine Duldungspflicht für
Modernisierungen besteht nur dann nicht, „wenn die Modernisierungsmaßnahme für
den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeu-
ten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermie-
ters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeinspa-
rung und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist“ (§ 555d Abs. 2 BGB). Der
Mieter hat dem Vermieter die Umstände, die eine entsprechende Härte begründen,
mitzuteilen. Vermieter und Mieter können aus Anlass von Erhaltungs- und Moderni-
sierungsmaßnahmen u. a. Vereinbarungen über die zeitliche und technische Durchfüh-
rung der Maßnahmen, über Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche
sowie über die künftige Miete treffen. Bemühungen um einen besseren Mieterschutz
wurden im Rahmen des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (MietNovG) vom 21. April
2015 (BGBl. I S. 610) unternommen, indem für „Gebiete mit angespannten Woh-
nungsmärkten“ neue Vorschriften erlassen wurden. So darf in solchen Gebieten die
Miete zu Beginn eines Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um
10 Prozent überschreiten – für die damit verbundenen Neuregelungen hat der Gesetz-
geber die Bezeichnung “Mietpreisbremse“ gefunden.
Den erläuterten Duldungspflichten im BGB steht auf Seiten des BauGB § 172 Abs. 4
Nr. 1 gegenüber. Danach sind, wie oben bereits dargestellt, alle Maßnahmen zu geneh-
migen, „die der Herstellung eines durchschnittlichen Ausstattungsstandards einer ver-
gleichbaren Wohnung dienen“ (dem OVG Berlin1060 genügt insoweit ein 50 % über-
steigender Verbreitungsgrad). Die Heranführung von Häusern und Wohnungen an
einen zeitgemäßen Ausstattungsstandard hat also nach dem Willen des Gesetzgebers
Vorrang vor dem Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Die betreffen-
den Baumaßnahmen müssen genehmigt werden, und zwar ohne Auflagen aus Grün-
den des Milieuschutzes. Die Berliner Bezirke im ehemaligen Ostteil der Stadt haben
diese Rechtslage zunächst verkannt; sie haben versucht, durch den Beschluss von Miet-
obergrenzen in Sanierungsgebieten und in Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
1061 OVG Berlin, U. v. 10.6.2004 – 2 B 3.02 –, ZfBR 2004, 697: Auflagen zur Einhaltung von Mietober-
grenzen sind bei der Erteilung einer milieuschutzrechtlichen Genehmigung für bauliche Maßnahmen,
die nur zu einem zeitgemäßen Ausstattungsstandard einer durchschnittlichen Wohnung führen, nicht
zulässig. Dabei ist kein gebietsbezogener, sondern ein bundesweiter Vergleichsmaßstab heranzuziehen.
1062 BVerwG, U. v. 24.5.2006 – BVerwG 4 C 9.04 –, BauR 2006, 1726.
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Flächen mit
Bebauungs-
plan*
Im Zusam-
menhang be-
baute Orts-
teile* (ohne
B-Plan)
Außenbe-
reich* (ohne
B-Plan)
Gebiete ge-
mäß beson-
derer Satzung
* Ausgenommen Grundstücke, die besonderen Zwecken im Sinne des § 175 Abs. 4 dienen.
Nur bei entsprechender Festsetzung im B-Plan.
Demnach sind – neben dem Erhaltungsgebot nach § 172 – fünf weitere städtebauliche
Gebote innerhalb des BauGB zu unterscheiden:
– das Baugebot nach § 1761063,
– das Modernisierungsgebot nach § 1771064,
– das Instandsetzungsgebot1065, ebenfalls in § 177 geregelt,
– das Pflanzgebot1066 nach § 178 und
– das Rückbau- und Entsiegelungsgebot1067 (das frühere Abbruchgebot) nach § 179.
1063 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Baugebots als Inhaltsbestimmung des Eigentums schon BVerwG, U.
v. 30.10.1958 – 1 C 29/58 –, BVerwGE 7, 297 = NJW 1959, 165; Zu den Anforderungen nach dem
BauGB vgl. BVerwG, B. v. 3.8.1989 – 4 B 70.89 –, ZfBR 1989, 265 sowie BVerwG, U. v. 15.2.1990 –
4 C 41.87 –, ZfBR 1990, 143 und BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990, 196; BVerwG,
U. v. 11.4.1991 – 4 C 7.90 –, ZfBR 1991, 179.
1064 Zur Frage der Kostentragung vgl. BVerwG, B. v. 20.11.2012 – 4 B 7.12 –, ZfBR 2013, 177.
1065 Vgl. BVerwG, B. v. 9.7.1991 – 4 B 100.91 –, ZfBR 1991, 275.
1066 Vgl. OVG Berlin, U. v. 31.5.1991 – OVG 2 B 11.89 –, ZfBR 1991, 230.
1067 Vgl. OVG Bremen, U. v. 25.2.1986 – 1 BA 83/85 – BRS 46 Nr. 197; OVG Berlin, U. v. 20.2.1987 –
OVG 2 A 4.83 –, ZfBR 1987, 163; BVerwG, B. v. 22.6.1988 – 4 NB 13/18 –, Buchholz 406.11 § 39d
BBauG Nr. 1 (Abbruchgebot).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Die Funktion aller dieser Gebote besteht weniger darin, dass sie von den Gemeinden
ausgesprochen und durchgesetzt werden, als vielmehr in ihrer Signalwirkung für die
Eigentümer. Die Grundeigentümer werden durch das Vorhandensein dieser Vorschrif-
ten darauf hingewiesen, dass sie zu bestimmten notwendigen Baumaßnahmen an ihren
Gebäuden notfalls durch Verwaltungsakt verpflichtet werden können. Erwünscht ist,
dass diese baulichen Maßnahmen von den Eigentümern freiwillig und im Einverneh-
men mit der Kommune in Angriff genommen werden. Wenn es dann doch einmal zum
Streit mit einem widerborstigen Eigentümer kommen sollte, dann sollte die Gemeinde
zwar nicht davor zurückschrecken, das Zwangsinstrument einzusetzen; es wird sich
dabei jedoch zeigen, dass die Schritte bis zur Rechtsverbindlichkeit und bis zum Ein-
satz von Verwaltungszwangsmitteln zur Vollstreckung des Gebots so zahlreich und
kompliziert sind, dass darüber Monate, wenn nicht Jahre vergehen können1068. Ein
solcher Zeitablauf kann dazu führen, dass das Instrument sich als relativ stumpf er-
weist. Dies kann und darf jedoch kein Grund dafür sein, das Instrumentarium insge-
samt als unbrauchbar und unpraktikabel zu den Akten zu legen.
b) Das Verfahren vom Erlass bis zur Vollstreckung eines Gebots. Der erste Schritt vor
Erlass eines Gebots besteht darin zu prüfen, ob für das Grundstück ein etwa erforderli-
cher Bebauungsplan vorhanden und ob die alsbaldige Durchführung der erwogenen
Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist. Jedes Gebot ist eine
Zwangsmaßnahme, die in die Verfügungsfreiheit des Eigentümers eingreift und somit
nach dem Grundsatz der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein
muss. Schon diese städtebauliche Rechtfertigung eines Gebots kann Schwierigkeiten
bereiten. Denn im Allgemeinen entscheidet der Eigentümer allein, ob und wann er ein
Grundstück, das von der Bauleitplanung für die Bebauung freigegeben worden ist,
bebauen möchte. Auch über Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen haben im
Grundsatz die Eigentümer im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigen-
tumsfreiheit allein zu entscheiden. Es müssen also schon gewichtige Gründe vorgetra-
gen werden können, wenn man die Grundeigentümer zu baulichen Maßnahmen ho-
heitlich verpflichten will.
Kommt eine Gemeinde z. B. aufgrund der Erwägung, dass vor der Ausweisung von
neuem Bauland zunächst die vorhandenen Baulücken geschlossen werden sollten, zu dem
Entschluss, ein oder mehrere Baugebote auszusprechen, dann muss sie diesen Entschluss
zunächst mit den betroffenen Eigentümern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtig-
ten erörtern. Sie muss die Betroffenen im Rahmen ihrer Möglichkeiten beraten, wie die
Maßnahme durchgeführt werden kann und welche Finanzierungsmöglichkeiten aus öf-
fentlichen Kassen bestehen. Im Ergebnis darf das Baugebot nur angeordnet werden,
wenn die Maßnahme für einen „normalen“ Eigentümer wirtschaftlich zumutbar, d. h.
rentabel ist (objektive wirtschaftliche Zumutbarkeit). Wenn die Bebauung des Grund-
stücks dagegen nur für den oder die konkreten Eigentümer wegen ihrer schlechten wirt-
schaftlichen Lage oder wegen komplizierter Eigentumsverhältnisse (z. B. in einer räum-
lich weit verstreuten und zahlreichen Erbengemeinschaft) nicht finanzierbar ist
(subjektive wirtschaftliche Unzumutbarkeit), darf das Baugebot verhängt werden; die
nicht handlungsfähigen Eigentümer haben jedoch unter diesen Umständen einen Über-
nahmeanspruch gegen die Gemeinde: Die Gemeinde muss ihnen das Grundstück gegen
Zahlung des Verkehrswertes abnehmen. Im Übrigen gilt Folgendes:
– Mit dem Baugebot kann die Verpflichtung verbunden werden, innerhalb angemes-
sener Frist den für die bauliche Nutzung des Grundstücks erforderlichen Bauantrag
zu stellen.
1068 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.5.1987 – 7 A 1979/86 –, BRS 47 Nr. 188; BVerwG, U. v.
15.2.1990 – 4 C 41.87 –, ZfBR 1990, 143 und BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990,
196.
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– Für die Durchsetzung eines Baugebots kann sowohl durch die üblichen Mittel
des Verwaltungszwangs gesorgt werden (insbesondere durch die Verhängung von
Zwangsgeld) als auch – als ultima ratio – durch Enteignung. Wenn Zwangsgelder
und andere „einfache“ Vollstreckungsmittel nicht geholfen haben, kann das Ent-
eignungsverfahren auch vor Ablauf der Frist eingeleitet werden, die dem Eigentü-
mer bis zum endgültigen Vollzug des Baugebots gesetzt worden ist (§ 176 Abs. 8).
– Wenn der von einem Baugebot betroffene Eigentümer das Gebot bestandskräftig
werden lässt und sich erst gegen die Vollstreckung und schließlich gegen die Enteig-
nung wehrt, ist im Enteignungsverfahren kraft Gesetzes davon auszugehen, dass
die gesetzlichen Voraussetzungen des Baugebots vorliegen; das Vorliegen der ge-
setzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung muss jedoch wei-
terhin geprüft werden (§ 176 Abs. 9).
In der Praxis hat sich gezeigt, dass ohne den Einsatz öffentlicher Fördermittel Gebote
kaum Aussicht auf Erfolg haben. Dies gilt insbesondere für das Modernisierungsgebot.
Das Modernisierungsgebot unterscheidet sich vom Instandsetzungsgebot dadurch,
dass das Gebäude hier mit einem technisch gegenüber dem ursprünglichen Zustand
erhöhten Ausrüstungsniveau versehen werden soll. Klassische Beispiele für eine Mo-
dernisierung sind der Einbau von Duschen, Innentoiletten oder Zentralheizungen in
solchen Gebäuden, die noch vor dem Ersten Weltkrieg ohne „Nasszellen“ und mit
Einzelofenbeheizung gebaut worden sind. Eine solche Modernisierung zieht so erhebli-
che Kosten nach sich, dass der Eigentümer sie häufig nicht allein finanzieren kann.
Die Gemeinde ist daher vom Baugesetzbuch dazu verpflichtet, die „nichtrentierlichen
Kosten“ solcher Maßnahmen zu tragen, wenn sie den Eigentümer durch ein Moderni-
sierungsgebot zum Handeln zwingt.
Anders verhält es sich beim Instandsetzungsgebot: Die Instandhaltung eines Gebäudes
gehört zu den normalen Pflichten des Eigentümers. Wenn er die Instandhaltung über
Jahre unterlässt und es dadurch zu Mängeln an dem Gebäude gekommen ist, dann
muss der Eigentümer grundsätzlich die erforderlichen Reparaturen aus der eigenen
Geldbörse bezahlen. In diese Geldbörse fließen ja auch die Mieteinnahmen des instand
zu haltenden Gebäudes. Nur wenn die Mieteinnahmen in der Vergangenheit nachweis-
lich und objektiv für die Instandhaltung nicht ausreichend waren, muss sich – nach
Erlass eines Gebots – wiederum die Gemeinde an den Kosten auch der Instandsetzung
beteiligen. Wegen der Mitfinanzierungspflicht der Gemeinde kommt es auf die aktuelle
Leistungsfähigkeit des Eigentümers für die Zulässigkeit eines Modernisierungs- und
Instandsetzungsgebots nicht an1069.
Zwischen einem Zustand offenkundiger Mängel, deren Beseitigung die Mieter oder
sonstigen Nutzungsberechtigten durch Anrufung der Bauaufsicht oder Wohnungsauf-
sicht verlangen können, und einem städtebaulich einwandfreien inneren und äußeren
Zustand gibt es jedoch Zwischenstadien des Verschleißes und der Abnutzung, in denen
der Eigentümer nach den allgemeinen Gesetzen noch nicht handeln muss, in denen
der äußere und innere Zustand des Gebäudes jedoch schon erhebliche Misshelligkeiten
auslösen kann. Man denke z. B. an optisch verfallene Fassaden, deren Außenhaut noch
so witterungsbeständig ist, dass sie bauordnungsrechtlich noch nicht als mangelhaft
gilt. Zur Instandsetzung solcher verfallener Fassaden kann ein Eigentümer amtlich nur
durch das Instandsetzungsgebot, aber nicht durch die Bauaufsicht verpflichtet werden.
Auch für Gebäude, die im Bereich einer Erhaltungssatzung liegen, kann das Instandset-
zungsgebot wichtig sein: Über das Erhaltungsgebot kann nur erreicht werden, dass
das Gebäude so bleibt, wie es ist. Wenn es bereits heruntergekommen ist, ist eine
Erhaltung aber nur dann sinnvoll, wenn zugleich Instandsetzungsmaßnahmen durch-
geführt werden. Der Eigentümer kann dann zu solchen Instandsetzungsmaßnahmen
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
verpflichtet werden; allerdings muss sich die Gemeinde mit der zuständigen Denkmal-
schutzbehörde ins Benehmen setzen und sich mit ihr über die Art der geforderten
Maßnahmen einigen, wenn das Gebäude nach Landesrecht als Baudenkmal eingestuft
ist. Anderenfalls könnten geforderte Veränderungen oder gar Modernisierungen zur
Zerstörung denkmalgeschützter Einzelheiten führen.
Auch durch Abschluss von Modernisierungs- und Instandsetzungsverträgen, das sind
städtebauliche Verträge im Sinne des § 11 Abs. 1, können auch abweichend von § 177
Abs. 4 und 5 Regelungen zur Kostentragung getroffen werden. Diese können sowohl
zugunsten als auch zulasten des Eigentümers ausfallen1070.
Sollen durch das beabsichtigte Gebot Wohnungen oder Geschäftsräume beseitigt wer-
den (was sowohl bei einem Baugebot denkbar ist, wenn dafür vorhandene bauliche
Anlagen beseitigt werden müssen, als auch bei Modernisierungen und Instandsetzun-
gen und insbesondere bei dem eingangs bereits angesprochenen Rückbaugebot – frü-
heren Abbruchgebot – nach § 179), dann muss die Gemeinde zur Vermeidung nachtei-
liger Maßnahmen einen Sozialplan aufstellen und kann auch einen Härteausgleich in
Geld gewähren (so steht es in §§ 180 und 181). Wohnraum darf nicht beseitigt wer-
den, bevor nicht angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Ver-
fügung steht, bei Geschäftsraum soll dies vor Beseitigung der Fall sein. Die Regulie-
rung der Dauer zugehöriger Miet- und Pachtverhältnisse, also ihre vorzeitige
Beendigung, aber auch ihre Verlängerung, ist gemäß §§ 182 bis 184 durch Verwal-
tungsakt möglich1071.
Das zuletzt erwähnte Rückbau- und Entsiegelungsgebot nach § 179 ist in der Praxis
nur sehr selten zur Anwendung gekommen. Es eignet sich auch nicht dazu, von einem
Nachbarn im Rahmen einer Nachbarklage als Instrument dazu genutzt zu werden,
auf die Beseitigung einer unerwünschten Anlage zu klagen1072. Die Bezeichnung ist im
Übrigen irreführend, weil es sich nicht um ein Gebot an den Eigentümer handelt,
ein Gebäude auf seine Kosten zurückzubauen oder zu beseitigen oder eine Fläche
zu entsiegeln, sondern nur darum, die Durchführung dieser Maßnahmen seitens der
Gemeinde zu dulden. Richtigerweise müsste § 179 mit Rückbau- und Entsiegelungs-
duldungsgebot überschrieben sein. Die irreführende Bezeichnung hat ihren Ursprung
in der Tatsache, dass das einstige „Abbruchgebot“ aus dem Katalog der drei Gebote
stammt, die 1971 mit dem Städtebauförderungsgesetz eingeführt wurden.
Damals gab es nur: erstens das „Abbruchgebot“, zweitens das „Baugebot“ und drit-
tens das „Modernisierungsgebot“. Diese Reihenfolge, die auch im StBauFG so einge-
halten war, lässt klar die Bezugnahme dieser Instrumente auf den Sanierungsstil der
1960er und frühen 1970er Jahre erkennen: Damals waren Flächensanierungen mit
Abriss aller vorhandenen Gebäude und anschließendem Neubau noch sehr in Mode.
Die Durchführung des Abbruchs von Gebäuden auf Kosten der Gemeinde ist eigent-
lich nur in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten einleuchtend (und kommt zumin-
dest punktuell zum Zuge), weil hier der Abriss von Gebäuden als „Freilegung von
Grundstücken“ in der Tat als Ordnungsmaßnahme nach § 147 Nr. 3 von der Ge-
meinde zu bezahlen ist. Als Bestandteil der Gebote des allgemeinen Städtebaurechts
fällt diese Kostenregelung jedoch aus dem Rahmen: Alle übrigen Gebote verpflichten
den Eigentümer primär auf seine Kosten zum Handeln. Das Rückbau(duldungs)gebot
führte also bisher nicht zu Unrecht eine Schattenexistenz. Ob sich das in Zeiten des
Stadtumbaus innerhalb schrumpfender Ortschaften ändern wird, bleibt abzuwarten.
Der Gesetzgeber sah sich in Anbetracht einer steigenden Zahl leerstehender, allmählich
verfallender baulicher Anlagen dazu veranlasst, das Einsatzgebiet mithilfe des Gesetzes
zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fort-
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entwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 auszuweiten. Zunächst zur geän-
derten Einstiegsklausel des § 179 Abs. 1: Die Möglichkeiten der Gemeinde, den Abriss
zu verfügen, beschränkte sich bislang auf bauliche Anlagen, die im Geltungsbereich
eines Bebauungsplans liegen. Damit hatten die Kommunen bislang keinen Zugriff auf
sog. „Schrottimmobilien“, wenn sie innerhalb des im Zusammenhang bebauten, unbe-
planten Innenbereichs oder sogar im Außenbereich lagen. Nunmehr ist das Rückbau-
gebot nicht mehr an die Bedingung der Lage im Geltungsbereich eines B-Plans ge-
knüpft. Nun hat der Eigentümer den Rückbau zu dulden, wenn die ins Visier der
Behörden geratene bauliche Anlage entweder den Festsetzungen eines B-Plans nicht
entspricht und eine Anpassung an die Festsetzungen nicht möglich ist oder (unabhän-
gig von der Lage) wenn die bauliche Anlage Missstände oder Mängel aufweist, die
sich durch Modernisierung oder Instandsetzung nicht mehr beheben lassen. Wann ein
Missstand und wann ein Mangel im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ergibt sich aus
§ 177 Abs. 2 bzw. aus § 177 Abs. 3.
Der Gesetzgeber hat sich auch Gedanken über die Kostenbeteiligung der Eigentümer
gemacht. Denn die Anwendung des Rückbaugebots scheiterte bislang häufig an den
von der Kommune nicht zu stemmenden finanziellen Aufwendungen für den Abriss
verwahrloster Gebäude. Getreu der grundgesetzlich verankerten Devise „Eigentum
verpflichtet“ sollen Eigentümer für die Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen
nun insoweit zur Rechenschaft gezogen werden, als sie die „Höhe der […] durch
die Beseitigung entstehenden Vermögensvorteile“ selbst zu tragen haben (neu: § 179
Abs. 4). Dies scheint vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Schrottimmobi-
lien gerechtfertigt und geboten, um die Vergesellschaftung anfallender Abrisskosten
auf ein noch vertretbares Maß zu beschränken. Das Geld lässt sich erst nach Durch-
führung der mit dem Gebot verfolgten Maßnahme (also erst nach kompletter Beseiti-
gung bzw. nach Teilbeseitigung, wenn andere Teile erhalten bleiben können) eintrei-
ben. Dazu muss dem Eigentümer ein Bescheid über den Kostenerstattungsbetrag
zugestellt werden – dieser Betrag soll dann als öffentliche Last auf dem Grundstück
ruhen. Für die Berechnung des Kostenerstattungsbetrags werden die Techniken der
Wertermittlung anzuwenden sein. Für die dem Bescheid zugrunde zu legende Bilanzie-
rung wird man in der Regel den Gutachterausschuss einbeziehen. Die öffentliche Last
ruht ohne Eintragung in das Grundbuch auf dem Grundstück. Sie ist auch nicht eintra-
gungsfähig. In der Zwangsversteigerung muss sie eigens angemeldet werden.
Das Rückbau- und Entsiegelungsgebot darf nicht verwechselt werden mit den Ab-
bruch- und Beseitigungsverfügungen, die nach dem Bauordnungsrecht möglich sind.
Die Abbruchverfügungen nach dem Bauordnungsrecht sind das letzte Mittel gegen
nicht genehmigte, materiell baurechtswidrige Bauten. Ihre Ausführung muss vom
Adressaten, das ist in der Regel der Eigentümer, bezahlt werden. Es sei daran erinnert,
dass eine Abbruchverfügung nach Bauordnungsrecht nicht schon dann ausgesprochen
werden darf, wenn der Bau ohne Baugenehmigung errichtet worden ist, sondern erst
dann, wenn das Vorhaben auch nicht genehmigungsfähig ist – es muss materiell bau-
rechtswidrig sein; eine nur formelle Ordnungswidrigkeit, also das bloße Fehlen der
Baugenehmigung, reicht dafür nicht aus. Manche Bauordnungen gestatten eine Ab-
bruchverfügung aber auch dann, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude nicht mehr
genutzt wird, zu verfallen beginnt (ohne dass schon Einsturzgefahr besteht) und kein
Interesse an der Erhaltung der baulichen Anlage geltend gemacht werden kann1073.
Das von § 179 erfasste Thema „Entsiegelung“ ist im Zusammenhang mit Hochwasser-
schäden in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Es muss daran erinnert werden,
dass Hochwassergefahren und auch sonstige Überschwemmungsgefahren durch ablau-
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fendes Regenwasser bei Bauleitplänen in die Abwägung einzustellen und bei der Pla-
nung der Erschließung besonders zu berücksichtigen sind1074.
c) Die Vollstreckung von Geboten. Die zwangsweise Vollstreckung eines Gebots kann
erst beginnen, wenn das Gebot bestandskräftig geworden (oder für sofort vollziehbar
erklärt worden) ist. Von diesem Zeitpunkt an stehen die üblichen Mittel des Verwal-
tungszwangs zur Verfügung. Beim Baugebot kommt in der Regel zunächst die Andro-
hung und Festsetzung von Zwangsgeld in Frage; nur wenn dieses Mittel versagt oder
keinen Erfolg verspricht, muss auch die Möglichkeit einer Enteignung geprüft wer-
den1075. Beim Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot sowie beim Pflanzgebot
kann auch über eine Ersatzvornahme vorgegangen werden. Das Rückbau- und Entsie-
gelungsduldungsgebot lässt sich durch Anwendung unmittelbaren Zwangs durchset-
zen: Die Verwaltung kann die notwendigen Abbruchmaßnahmen notfalls unter Poli-
zeischutz selbst vornehmen. Beim Pflanzgebot bleibt noch darauf hinzuweisen, dass
nur „das Original“, also das Gebot nach § 178, als Verwaltungsakt vollstreckbar ist.
Die korrespondierende Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 enthält als solche noch kein
Pflanzgebot, obschon solche Festsetzungen in vielen Bebauungsplänen als „Pflanzge-
bote“ bezeichnet werden. Festsetzungen in einem B-Plan haben normative Kraft; der
Bauherr muss sich nach ihnen richten, wenn er baut. Baut er nicht, bleibt das „Pflanz-
gebot“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 so lange wirkungslos, bis es zum Gegenstand eines
Verwaltungsakts nach § 178 gemacht wird.
1074 Zu den erforderlichen Vorkehrungen vgl. BVerwG, 21.3.2002 – 4 CN 14.00 –, ZfBR 2002, 795; Bei-
spielfall für Amtspflichtverletzung: BGH, U. v. 4.4.2002 – III ZR 70/01 –, ZfBR 2002, 593.
1075 Vgl. BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990, 196.
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487
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Literatur zum Kapitel XV: Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwick-
lung; Erhaltungssatzung, städtebauliche Gebote und Sozialplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. zur Erhaltungssatzung:
2013: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Stärkung der Innenentwicklung in den
Städten und Gemeinden, in: NVwZ 15/2013, S. 961–968; 2015: Schindecker, Erika, Die Erhal-
tungssatzung, in: GuG 6/2015, S. 356–357; 2016: von der Groeben, Constantin, Anmerkung zu
KG, B. v. 26.5.2016 – 1 W 170/16 – (WEG-Aufteilung bei Aufstellung einer Erhaltungssatzung),
in: MietRB 10/2016, S. 295; 2017: Hornmann, Gerhard, Drittschutz durch Erhaltungssatzung,
in: NVwZ 9/2017, S. 601–604.
2. Denkmalschutz und Baugestaltung:
2010: Wiggers, Christian, Denkmalschutz und Energieeffizienz, NJW-Spezial 24/2010, 748–749;
2011: Krautzberger, Michael, Klimaschutz und Denkmalschutz und Städtebau, FuB 5/2011,
193–195; Spielmann, Christel, Denkmalschutz im Förderrecht: Mittel und Wege zur staatlich
geförderten Gebäudeerhaltung und -sanierung, BBP 9/2011, 211–215; 2012: Mast, Reinhard/
Göhner, Wolfgang Karl, Lösungswege im Widerstreit zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz,
DVBl. 2012, 1140–1146; 2013: Körner, Raimund, Denkmalschutz und Eigentumsschutz. Neues
aus der Rechtsprechung, LKV 2/2013, 57–63; 2014: Böhm, Monika, Rezension: Michael Kloep-
fer: Denkmalschutz und Umweltschutz. Rechtliche Verschränkungen und Konflikte zwischen
dem raumgebundenen Kulturgüterschutz und dem Umwelt- und Planungsrecht, (SR: Schriften
zum Umweltrecht, Bd. 172), Berlin 2012, in: AöR 2014, S. 308–311; Brändlein, Thomas, Pro-
bleme des Planfeststellungsverfahrens. Der Denkmalschutz im eisenbahnrechtlichen Planfeststel-
lungsverfahren nach § 18 ff. AEG, in: NJ 6/2014, S. 238–241; Hammer, Felix, Rezension: Dieter
J. Martin, Stefan Mieth, Jörg Spennemann, Die Zumutbarkeit im Denkmalrecht. Eigentums-
grundrecht und Denkmalschutz in der Praxis, Stuttgart 2014, in: DÖV 20/2014, S. 885; Heinig,
Hans Michael/Munsonius, Hendrik, Erhaltung, Umwidmung oder Abriss kirchlicher Baudenk-
mäler? Rechtspflichten und Handlungsoptionen im Spannungsfeld zwischen kulturstaatlichem
Denkmalschutz und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht, in: NWVBl. 3/2014, S. 85–88; Hönes,
Ernst-Rainer, Rechtsfragen zum „urheberrechtlichen Denkmalschutz“, in: BauR 3/2014, S. 477–
494; Hönes, Ernst-Rainer, Rezension: Michael Kloepfer, unter Mitarbeit von Elke Ditscherlein,
Frederic Kahrl, Denkmalschutz und Umweltschutz. Rechtliche Verschränkungen und Konflikte
zwischen dem raumgebundenen Kulturgüterschutz und dem Umwelt- und Planungsrecht, (SR:
Schriften zum Umweltrecht, Bd. 172), Berlin 2012, in: Verw. 4/2014, S. 602–605; Huerkamp,
Florian/Kühling, Jürgen, Denkmalschutz, Erneuerbare Energien und Immobiliennutzung. Nach-
haltigkeitskonflikte in der Energiewende, in: DVBl. 1/2014, S. 24–31; Martin, Dieter J., Rezen-
sion: Nils-Christian Kallweit, Drittschutz aus dem Denkmalschutz, (SR: Schriften zum Öffentli-
chen Recht, Bd. 1256), Berlin 2013, in: ThürVBl. 7/2014, S. 180; Lehofer, Hans Peter,
Anmerkung zu EuGH, v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12 – (Google muss Links zu Websites mit
personenbezogenen Daten aus Suchergebnissen entfernen, wenn die Verarbeitung nicht (mehr)
der Denkmalschutz-RL entspricht), in: ÖJZ 14&15/2014, S. 690–691; Muckel, Stefan, Anmer-
kung zu BVerwG, U. v. 12.12.2013 – 4 C 15/12 – (Bauordnungsrechtliche Beseitigungsanord-
nung und Denkmalschutz), in: JA 7/2014, S. 557; Schulz, Henning, Stadt- und Quartiersentwick-
lung: Denkmalschutz, Sanierung: Wohnen im Kloster, in: BBB 5/2014, S. 66–67; 2015: Hönes,
Ernst-Rainer, Die internationalen Chartas zum Denkmalschutz, VR 8/2015, S. 253–263; Rabe,
Miriam/Frey, Michael, Energetische Sanierung von denkmalgeschützten Nichtwohngebäuden in
kommunaler Hand im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz- und Klimaschutzrecht, in:
VBlBW 11/2015, S. 454–461; Scherer, Thomas, Denkmalschutz und Mietpreisbremse, in: I&F
5&6/2015, S. 157; Wessely, Wolfgang, Anmerkung zu OGH, v. 6.3.2014 – 17 Os 19/13t –
(Amtsmissbrauch und Denkmalschutz; subjektives Recht auf Normanfechtung), in: JBl. 4/2015,
S. 267–268; 2016: Behme, Leonie/Frey, Michael, Rechtliche Aspekte der Konversion militäri-
scher Liegenschaften, in: VR 5/2016, S. 145–153; Drusche, Volker K., Energetische Sanierung:
Mindestwärmeschutz versus Denkmalschutz. Energieeffizienz auch bei denkmalgeschützten Ge-
bäuden, Bauen+ 4/2016, S. 6–15; Guckelberger, Annette, Denkmalschutz und Eigentum, in:
NVwZ 1&2/2016, S. 17–24; Odendahl, Kerstin/Petzold, Hans Arno, Denkmalschutz und euro-
päisches Beihilfenrecht, in: NWVBl. 6/2016, S. 221–227; 2017: Heinemann, Patrick O., Vorbe-
scheid, Vertrauensschutz und Denkmalschutz, in: LKV 8/2017, S. 351–356; Sommer, Goetz,
Nachweis der Unwirtschaftlichkeit im Denkmalschutz, in: GuG 5/2017, S. 312–318; 2018:
Krautzberger, Michael, Denkmalschutz und städtebauliche Planung. Zum Beitrag des Denkmal-
488
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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.
schutzes zur städtebaulichen Planung und zum Beitrag der städtebaulichen Planung für die Bau-
leitplanung, GuG 2/2018, 69–76; Luther, Katharina, Länderübergreifender Denkmalschutz bei
Bauvorhaben, NJW-Spezial 12/2018, 364; Sperling, Oliver, Rezension: Dieter J. Martin, Stefan
Mieth, Jörg Spennemann, Die Zumutbarkeit im Denkmalrecht. Eigentumsgrundrecht und Denk-
malschutz in der Praxis, 2. Aufl., Stuttgart 2017, ThürVBl. 7/2018, 168; Westphal, Tim, Bauen
im Bestand: Denkmalschutz: Sanieren mit BIM, BBB 1&2/2018, 18–19.
3. Städtebauliche Gebote:
2006: Freiherr von und zu Franckenstein, Georg, Zur Intoleranz des Baurechts gegenüber Leer-
stand, BauR 2006, 1081–1086; 2007: Schröer, Thomas, Warum städtebauliche Gebote in der
Praxis nichts bewirken, NZBau 2007, 234–236; 2008: Pützenbacher, Stefan, Anmerkung zu
Hessischer VGH, B. v. 11.6.2008 – 3 A 880/08 – (Beseitigungsverfügung: Abrissgebot vs. In-
standsetzungsgebot), IBR 2008, 613; 2012: Goldschmidt, Jürgen, Das Rückbau- und Entsiege-
lungsgebot nach § 179 BauGB, UPR 2012, 50–54; Saxinger, Andreas/Hofmann, Anna-Lisa, Die
rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit verwahrlosten und verfallenden Immobi-
lien, BauR 2012, 737–748; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungs-
rechts 2012/2013, ZfBR 2013, 211–217; Krautzberger, Michael, Schrottimmobilien: Novellie-
rungsvorschlag für eine behutsame Modernisierung des Rückbau- und Entsiegelungsgebots
(§ 179 BauGB), BauR 2012, 874–886.
4. Sozialplanung:
2016: Lenz, Martin/Heibrock, Regina, Integrationsgesetz: Sozialplanung in der Stadtplanung,
in: NDV 11/2016, S. 502–507.; 2017: Rohde, Bernhard, Sozialplanung: Kooperationen für das
Gemeinwohl, in: SOZIALwirtschaft 2/2017, S. 20–22; Werner, Walter, Kommunale Sozialpla-
nung. Komplexe Landschaft, in: SOZIALwirtschaft 5/2017, S. 7–9.
5. Stadtumbau, Soziale Stadt:
2010: Brenner, János, Eigentümerstandortgemeinschaften im Stadtumbau. Ein neues For-
schungsfeld im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau, DWW 2010, 11–13; 2011: Battis,
Ulrich/Krautzberger, Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer, Bernhard, Gesetz zur Förde-
rung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten,
NVwZ 2011, 897–904; Brenner, János/Klein, Hermann/Wilbert, Katrin, 15 Modellvorhaben
zu ESG im Stadtumbau, Städtetag 2011, 31–34; Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Neues
Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klimaschutzes. Gesetz zur Förderung des Klima-
schutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, BauR 2011, 1416–1424; Mit-
schang, Stephan/Roeper, Katrin, Stadtumbau auf Gewerbe- und Industriearealen. Gibt es Typolo-
gien?, ZfBR 2011, 10–24; Stüer, Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Die BauGB-Klimanovelle und das
Energiefach- und -finanzierungsrecht 2011, DVBl. 2011, 1117–1126; 2012: Flug, Friedhelm/
Thurow, Birgitta, Vorbereitende Untersuchungen im besonderen Städtebaurecht. Entscheidungs-
kriterien bei städtebaulichen Problemlagen, UPR 2012, 86–91; Jähnichen, Lars, Revitalisierung
von Einzelhandelsimmobilien: Fallstudie Pasing Arcaden – vom Stadtumbau zu Rendite, I&F
2012, 54–55; Runkel, Peter, Die soziale Stadt – eine Zukunftsvision. Das erfolgreiche Programm
mit Zukunftsperspektive muss fortgesetzt werden, TuP 2012, 13–22; Weiß, Dominik, Vielfalt
oder Einfalt? Ausdifferenzierung der Städtebauförderung bei gleicher Gebietskulisse, FuB 2012,
56–62; 2013: Ramsauer, Peter, Stadtentwicklung: Zehn Jahre Stadtumbau – Ost Vorbild für
West, I&F 2013, 8–9; 2014: Beck, Sebastian, Rezension: Marco Rudzinski, Ein Unternehmen
und „seine“ Stadt. Der Bochumer Verein und Bochum vor dem Ersten Weltkrieg, (SR: Veröffent-
lichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Schriftenreihe A: Darstellungen, Bd. 51), Essen
2012, in: ZUG 1/2014, S. 105–106; Wiechers, Rüdiger, Leitartikel. Stadtumbau-Offensive, in:
I&F 21/2014, S. 756; 2015: Brummer-Kohler, Anke, Soziale Stadt: Leitprogramm für soziale
Integration, in: SOZIALwirtschaft 5/2015, S. 7–9; Thiel, Fabian, Rezension: Christian Strauß,
Ziele im Stadtumbau Ost. Zur Beeinflussung gemeindlicher Siedlungspolitik in Sachsen durch
überörtliche Institutionen, Lemgo 2015, in: FuB 5/2015, S. 6; Weitkamp, Alexandra, Stadt, Land
– Management: Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen im Kontext von Grund und
Boden, in: FuB 4/2015, S. 171–180; 2017: Thiel, Fabian, 15 Jahre „Stadtumbau Ost“. Res extra
commercium, Rekommunalisierung, Wirksamkeitsdefizite und Fortentwicklung, in: DÖV 17/
2017, S. 689–699; Unterreiner, Frank Peter, Markt und Politik: Kolumne: Soziale Stadt: Zum
Wachstum verdammt, in: IWR 3/2017, S. 9; 2018: Thiel, Fabian, Stadtumbau Ost nach 15 Jah-
ren – städtebaurechtliche Bilanz und bodenrechtliche Relevanz, LKV 6/2018, 241–248.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
6. Wohnungsbau; Wohnungswesen:
2014: Cirsovius, Thomas, Wohnungsabbau statt Wohnungsbau? Zu den unternehmerischen
Grenzen, denen Wohnungsbaugenossenschaften satzungsbedingt unterliegen, in: ZMR 9/2014,
S. 696–700; Hotze, Dagmar, Wohnungen statt Hochbunker. Angesichts der Flächenknappheit in
Hamburg wird die Reaktivierung von Bunkergrundstücken zunehmend attraktiv für den Woh-
nungsbau, in: BBB 7&8/2014, S. 47–49; Kötter, Theo, Kommunale Baulandmodelle. Die Lösung
für die aktuellen Wohnungsprobleme?, in: FuB 3/2014, S. 98–106; Otting, Olaf/Olgemöller, Udo
H., Bauen oder bauen lassen. Wohnungsbau in den Grenzen des kommunalen Wirtschaftsrechts,
in: KommJur 6/2014, S. 201–205; Walberg, Dietmar, Neue Wohn- und Stadtquartiere. Baukos-
tenentwicklung im Wohnungsbau. Stand und Ausblick, in: I&F 21/2014, S. 766–768; Waltersba-
cher, Matthias, Wohnungsbau: Großstädte verzeichnen starken Zuwachs, in: ImmWert 4/2014,
S. 27–29; 2015: Gedaschko, Axel, Wohnungswesen: Wohnungswirtschaft im Spannungsfeld von
Demografiewandel, Energiewende und Regulierung, in: I&F 1/2015, S. 11–13; Gottschalk,
Götz-Joachim, Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau. Bewertung nach einer finanzma-
thematischen Berechnungsmethode, in: GuG 1/2015, S. 10–19; Horst, Hans Reinold, MietNovG
I: Praxisfragen zur „Mietpreisbremse“ im freifinanzierten Wohnungsbau. Zugleich zur Umset-
zung im Recht der Bundesländer, in: NZM 11/2015, S. 393–413; Schmidt, Karsten, Immobilien-
bewertung im öffentlich geförderten Wohnungsbau, in: GuG 3/2015, S. 155–159; Weinstock,
Marc, Wohnungswesen: Bringt mehr Bürgerbeteiligung auch ein Mehr an Wohnungsbau, oder
überwiegen Partikularinteressen?, in: I&F 1/2015, S. 23–25; Wolfrum, Gudrun, Wohnungsbau
und Wohnversorgung: für viele Kommunen ein aktuelles und brisantes Thema, in: Gemeinde-
haushalt 2/2015, S. 27–39; 2016: Adler, Gunther, Editorial: Initiative bezahlbarer Wohnungs-
bau: Die Trendwende ist gelungen, es geht aufwärts, in: BBB 6/2016, S. 1; Gleich, Florian, Kräfte
bündeln für den Wohnungsbau, in: BayBürgermeister 1/2016, S. 28–31; Ibel, Andreas, Kolumne:
Baustelle sozialer Wohnungsbau, in: BBB 10/2016, S. 4; Walberg, Dietmar/Gniechwitz, Timo,
Wohnungsbau in Deutschland. Potenziale des Bestandsersatzes, in: GuG 6/2016, S. 352–361;
2017: Buhr, Barbara, Sozialer Wohnungsbau: Gestaltungsmöglichkeiten bei Kooperationen von
öffentlicher Hand und privaten Rechtsträgern, in: I&F 17/2017, S. 596–597; Esser, Ingeborg,
Zuschüsse und Zuschusskomponenten bei Förderprogrammen für den Wohnungsbau, in: WPg
20/2017, S. 1214–1220; Gedaschko, Axel, Positionen zur Stadtentwicklung von Politik und Im-
mobilienwirtschaft: Stadtentwicklung und Wohnungsbau in bewegten Zeiten. Pragmatismus ist
entscheidend, in: I&F 1/2017, S. 16–17; Kofner, Stefan, Das wohnungswirtschaftliche Stichwort:
Sozialer Wohnungsbau in Deutschland: strategische Wende erforderlich, in: WuM 7/2017,
S. 370–378; Kuder, Thomas, Positionen zur Stadtentwicklung von Politik und Immobilienwirt-
schaft: Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung und im Wohnungsbau. Chancen oder Hinder-
nis?, in: I&F 1/2017, S. 25–27; Lerbs, Oliver/Teske, Markus, Wohnungswesen: Leerstände set-
zen Eigenheimpreise unter Druck, in: I&F 2/2017, S. 58–60; Reiter, Dieter, Grußwort. „Der
Zuzug nach München ist ungebrochen stark und wird auf Jahre eine rege Tätigkeit im Woh-
nungsbau auslösen“, in: WR 10/2017, S. 21; Roggendorf, Achim, Editorial: Sozialer Wohnungs-
bau: Comeback der Kommunen, in: BBB 6/2017, S. 1; Rohrig, Daniel, Leitartikel: Ist der soziale
Wohnungsbau tot?, in: I&F 9/2017, S. 282; 2018: Hunziker, Christian, Serieller Wohnungsbau.
Kurz vor dem Durchbruch. Immer mehr Fachleute sehen in der seriellen und modularen Bau-
weise einen entscheidenden Beitrag zum günstigen, flexiblen und schnellen Bauen, in: IWR 1/
2018, S. 8–13; Jarass Cohen, Nina, Wohnen in Deutschland: Gefo(e)rderter Wohnungsbau?
Neue Entwicklungen im Bereich der Sozialwohnungsbindung, in: I&F 1/2018, S. 22–24.
7. Private Initiativen zur Stadtentwicklung:
2012: Schink, Alexander, Private Initiativen zur Stadtentwicklung, UPR 2012, 132–138; 2016:
Dannecker, Marcus Hirzel, David, „Business Improvement District (BID)“. Das baden-württem-
bergische Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP), in:
VBlBW 2/2016, S. 59–62.
XVI. Bodenwertermittlung
Wenn die Gemeinden das Instrumentarium des Baugesetzbuchs anwenden, ist in einer
Reihe von Fällen die Ermittlung von Grundstückswerten erforderlich. Dies gilt z. B. in
Umlegungsverfahren, bei denen der Einwurfswert und der Zuteilungswert der Grund-
stücke bestimmt werden müssen; es gilt in streitigen Enteignungsverfahren, wenn die
Gemeinde den enteigneten Grundstückseigentümer in Geld entschädigen muss; eine
490
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Bodenwertermittlung XVI.
Wertermittlung steht auch in den Fällen an, in denen die Gemeinde ein Grundstück
wegen einer Festsetzung im öffentlichen Interesse oder nach Ausspruch eines Erhal-
tungsgebots vom Eigentümer übernehmen muss (Übernahmeanspruch). Um die
Grundstücksbewertung auf eine rationale Informationsgrundlage zu stellen und das
Bewertungsverfahren zu vereinheitlichen, enthält das Baugesetzbuch besondere Vor-
schriften über die Wertermittlung. Die Wertermittlung hat im Zusammenhang mit
dem Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) vom 24.12.2008 für die steuerrechtliche
Bewertung deutlich an Bedeutung gewonnen. Hintergrund für die Novelle war das
Ziel einer verfassungskonformen, realitätsgerechten Bewertung aller Vermögensklas-
sen. Der Aufgabenbereich der Gutachterausschüsse wurde konkretisiert, und es wurde
klargestellt, welche Informationen für die Zwecke der steuerlichen Bewertung an die
zuständigen Finanzämter weiterzugeben sind. Zudem wurde deutlicher gemacht, wie
aufgrund der Kaufpreissammlung Bodenrichtwerte zusammengestellt werden sollen
(auch mit dem Ziel, für die steuerliche Bewertung eine flächendeckende Datenbasis zu
erhalten).1077 Weitere Änderungen sind 2013 aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts hinzugekommen.
1. Der Verkehrswert
Der zentrale Begriff der Grundstückswertermittlung ist der Verkehrswert. In allen Ent-
schädigungs- und Übernahmefällen muss die Gemeinde den anspruchsberechtigten
Grundstückseigentümer durch Zahlung des Verkehrswerts des Grundstücks entschädi-
gen. Nach der amtlichen Definition in § 194 wird der Verkehrswert (Marktwert)
durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht,
im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächli-
chen Eigenschaften, nach der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks
oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnli-
che oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Der Klammerzusatz „Marktwert“
in § 194 ist durch das EAG Bau 2004 ins BauGB aufgenommen worden. Mit dem
Zusatz wird darauf hingewiesen, dass der Verkehrswert identisch ist mit dem Markt-
wert – nämlich dem Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht,
ohne Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zu erzielen
wäre. Der Marktwert ist der Marktpreis. Der Gesetzgeber hat sich mit der Ergänzung
zudem an die Bezeichnung im angelsächsischen Sprachgebrauch (und damit auch in
den Gesetzgebungsakten der EU) „market value“ orientiert.
Die eigentliche Problematik der Ermittlung des Verkehrswerts liegt darin, dass das zu
bewertende Grundstück in aller Regel auf dem aktuellen Grundstücksmarkt eben nicht
zum Verkauf angeboten worden ist, so dass sich nicht konkret ermitteln lässt, welcher
Preis gerade für dieses Grundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bezahlt wird.
Dieser Preis (und damit der Marktwert) lässt sich nur hypothetisch dadurch ermitteln,
dass man tatsächlich zustande gekommene Grundstücksverkäufe heranzieht und prüft,
ob und in welchem Umfang der erzielte Preis vergleichbar ist. Die zum Vergleich he-
ranzuziehenden, möglichst im selben Gebiet liegenden Grundstücke müssen hinrei-
chend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen. Aus einer hinreichenden
Anzahl von Vergleichspreisen kann man dann einen Mittelwert bilden und unterstel-
len, dass dies ungefähr der Preis ist, der für das betreffende Grundstück zu erzielen
gewesen wäre. Dieses Verfahren, das vom Gesetzgeber in der Immobilienwertermitt-
lungsverordnung (siehe dazu den Abschnitt 3 in diesem Kapitel) als Regelverfahren
für die Ermittlung von Verkehrswerten vorgesehen ist, nennt man das Vergleichswert-
verfahren. Um eine ausreichende Anzahl von Vergleichsgrundstücken heranziehen zu
können, dürfen auch Vergleichspreise aus anderen vergleichbaren Gebieten zugrunde
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gelegt werden, wenn sich in dem Gebiet, in dem das zu bewertende Grundstück gele-
gen ist, selbst nicht genügend befinden. Das Vergleichswertverfahren kann nur dann
funktionieren, wenn hinreichende Informationen über die in Grundstückskaufverträ-
gen vereinbarten Preise zur Verfügung stehen. Um dies zu sichern, hat der Gesetzgeber
die Einrichtung von sog. Gutachterausschüssen angeordnet.
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Bodenwertermittlung XVI.
1079 Beispiele: BGH, U. v. 1.2.2001 – III ZR 93/99 –, ZfBR 2001, 334; BGH, U. v. 6.2.2003 – III ZR 44/
02 –, ZfBR 2003, 570.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Ersuchen mitzuteilen. Die Pflicht entfällt nur dann, wenn der Aufwand für die Bereit-
stellung der angeforderten Informationen unverhältnismäßig hoch ist.
Bereits mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 hat der Gesetzgeber einen Anlauf
zur Transparenz auf dem Bodenmarkt und zur Aktivierung von Baulandreserven unter-
nommen, diesmal allerdings nicht im Hinblick auf Preise, sondern auf sofort oder alsbald
bebaubare Grundstücke. Nach § 200 Abs. 3 darf die Gemeinde solche Grundstücke, die
planungsrechtlich sofort oder in absehbarer Zeit bebaubar sind, auf der Grundlage eines
Lageplans erfassen, der Flur- und Flurstücksnummern, Straßennamen und Angaben zur
Grundstücksgröße enthält. Ein solches Baulandkataster darf sie in Karten- oder Listen-
form veröffentlichen, soweit der Grundstückseigentümer nicht widersprochen hat, nach-
dem die Gemeinde ihre Veröffentlichungsabsicht mindestens einen Monat vor der Publi-
kation mit dem Hinweis auf das Widerspruchsrecht der Grundeigentümer öffentlich
bekanntgegeben hat. Die betroffenen Grundstückseigentümer haben zwar auch nach
dem Ablauf des Monats seit der Bekanntmachung das Recht, der Aufnahme ihres Grund-
stücks in die Publikation zu widersprechen. Sie können allerdings nicht mehr verlangen,
dass die laufende Publikation gestoppt wird. Die Streichung muss erst bei der nächsten
zumutbaren Gelegenheit stattfinden. Die Namen der Grundeigentümer dürfen allerdings
auf keinen Fall in dem veröffentlichten Kataster enthalten sein. Frühere Untersuchungen
haben ergeben, dass die Eigentümer von Baulückengrundstücken nur recht selten bereit
sind, ihre Grundstücke zu veräußern oder selbst zu bebauen. Grundstücke gelten (immer
noch) als eine wertbeständige, also solide, darüber hinaus steuerlich attraktive Geldan-
lage. Daran dürften auch publizierte Baulandkataster wenig ändern. Für die Aktivierung
von Innenentwicklungspotenzialen spielt der Bebauungsplan der Innenentwicklung nach
§ 13a eine weitaus wichtigere Rolle.
Soweit sich die Gutachterausschüsse gemäß § 192 Abs. 4 einer Geschäftsstelle bedie-
nen, bedarf es auf der höheren Verwaltungsebene entsprechender Strukturen. Bis 2009
sollten nur „bei Bedarf“ Obere Gutachterausschüsse für den Bereich einer oder mehre-
rer höherer Verwaltungsbehörden gebildet werden. Seit 2009 sind neben den Oberen
Gutachterausschüssen auch Zentrale Geschäftsstellen ins Gesetz aufgenommen wor-
den. Mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Bodenrichtwertermittlung ist mit dem
ErbStRG 2009 die verpflichtende Einrichtung von Oberen Gutachterausschüssen oder
von Zentralen Geschäftsstellen geregelt worden. Die Einrichtung entsprechender über-
geordneter Institutionen wird allerdings erst dann zur Pflicht, sobald mehr als zwei
Gutachterausschüsse in dem Bereich der höheren Verwaltungsbehörde gebildet sind.
Da sich die neuen Ausschüsse nicht von heute auf morgen einrichten lassen, trat die
Regelung im Unterschied zum Großteil der übrigen Änderungen aufgrund des Gesetzes
vom 11. Juni 2013 erst mit Wirkung vom 20. Dezember 2013 (und nicht wie die
anderen Änderungen mit Wirkung vom 20. September) in Kraft. An die Neuregelung
knüpft sich die Hoffnung, dass eine vereinheitlichte Bodenwertermittlung auch Ge-
meinden mit schlechter Datenbasis nützlich wird, weil sie eher Rückschlüsse aus regio-
nalen und sogar überregionalen Daten erlaubt. Um diese Bestrebungen zu unterstrei-
chen, hat der Gesetzgeber 2013 klarstellend hinzugefügt, dass die Arbeit des Oberen
Gutachterausschusses oder der Zentralen Geschäftsstelle zu einer bundesweiten
Grundstücksmarkttransparenz beitragen soll. Konsequenterweise verlangt der Gesetz-
geber seit 2013 auch von den (unteren) Gutachterausschüssen, für die bundesweite
Grundstücksmarkttransparenz zu sorgen, soweit weder ein Oberer Gutachteraus-
schuss noch eine Zentrale Geschäftsstelle existiert.
Die Konkretisierung der Wertermittlungstechnik und Harmonisierung (durch Einrich-
tung Oberer Gutachterausschüsse bzw. Zentraler Geschäftsstellen) ist wiederum vor
dem Hintergrund einer geänderten Steuergesetzgebung von Bedeutung. Denn eine
Steuergerechtigkeit erfordert auf dem Grundstücksmarkt ein höheres Maß an Transpa-
renz und Nachvollziehbarkeit der zugrunde gelegten, bundesweit einheitlichen Daten-
grundlage. Dafür ist es wiederum erforderlich, dass auch der Bund selbst die Grund-
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Bodenwertermittlung XVI.
sätze für die bei der Ermittlung der Verkehrswerte und bei der Ableitung der für die
Bodenwertermittlung erforderlichen Daten erlassen kann. Mit der Novellierung 2009
wurde klargestellt, dass dieses ebenfalls für die Ableitung der Bodenrichtwerte gilt1080.
Aufgrund der Ermächtigung des § 199 BauGB ist die ImmoWertV vom 19.5.2010
(BGBl. 2010 I S. 639) mit spezifischen Regelungen zur Ermittlung der Bodenrichtwerte
(§ 10 ImmoWertV) erlassen worden. Weiterführende Hinweise für die Bodenrichtwer-
termittlung gibt die Richtlinie zur Ermittlung von Bodenrichtwerten (Bodenrichtwer-
trichtlinie – BRW-RL) i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. Januar 2011 (BAnz.
Nr. 24, S. 597). Nach Einführung der Zentralen Geschäftsstellen in § 198 mussten
diese auch in die Ermächtigungsvorschrift für die Landesregierungen nach § 199
Abs. 2 aufgenommen werden. Die Landesregierungen können die Bildung und das
Tätigwerden der Gutachterausschüsse, der Oberen Gutachterausschüsse und – jetzt
neu – der Zentralen Geschäftsstellen regeln. In Bezugnahme auf die Neuregelung in
§ 196 Abs. 1 Satz 5, wonach die Bodenrichtwerte am Ende eines jeden zweiten Kalen-
derjahres zu ermitteln sind, sofern nicht eine häufigere Ermittlung bestimmt ist, wer-
den die Landesregierungen gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 4 zudem ermächtigt, die Häufig-
keit der Bodenrichtwertermittlung durch Rechtsverordnung zu regeln.
3. Die Immobilienwertermittlungsverordnung
Die Einzelheiten der Wertermittlung sind durch die relativ kurze „Verordnung über
Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken“ (Immobilien-
wertermittlungsverordnung – ImmoWertV vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639) gere-
gelt, ergänzt durch die „Richtlinien zur Ermittlung von Bodenrichtwerten“ (Boden-
richtwertrichtlinie – BRW-RL) vom 11. Januar 2011, die „Richtlinie zur Ermittlung
des Sachwerts“ (Sachwertrichtlinie-SW-RL) vom 5. September 2012, die „Richtlinie
zur Ermittlung des Vergleichswerts und des Bodenwerts“ (Vergleichswertrichtlinie-
VW-RL) vom 20. März 2014 und die „Richtlinie zur Ermittlung des Ertragswerts“
(Ertragswertrichtlinie-EW-RL) vom 12. November 2015. Die Ermächtigungsgrund-
lage zum Erlass der ImmoWertV findet sich in § 199, die Richtlinien besitzen keine
Rechtsnormqualität, sind jedoch durch ihre Genauigkeit und Praktikabilität bis hin
zu Vordruck-Mustern außerordentlich nützlich. Die ImmoWertV legt die Grundsätze
zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken fest und definiert die verkehrs-
wertbeeinflussenden Faktoren des Grundstücks. Der Wertermittlung sind die allgemei-
nen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt am Wertermittlungsstichtag1081 und
der Grundstückszustand am Qualitätsstichtag1082 zugrunde zu legen, wobei künftige
Entwicklungen auf dem Grundstück, die mit hinreichender Sicherheit aufgrund von
Tatsachen zu erwarten sind, berücksichtigt werden müssen. Der Zustand des Grund-
stücks beurteilt sich nach den verkehrswertbeeinflussenden Faktoren, den Grund-
stücksmerkmalen. Dazu gehören insbesondere der Entwicklungszustand, die Art und
das Maß der (zulässigen) baulichen oder sonstigen Nutzung, die wertbeeinflussenden
Rechte und Belastungen, der abgabenrechtliche Zustand in Bezug auf nichtsteuerliche
Abgaben, die Lagemerkmale (z. B. Verkehrsanbindung, Umwelteinflüsse) sowie wei-
tere Merkmale wie die tatsächliche Nutzung, Grundstücksgröße und -zuschnitt sowie
die Bodenbeschaffenheit. Bau- und planungsrechtlich ist der Entwicklungszustand ei-
nes Grundstücks nach § 5 ImmoWertV von besonderem Interesse. Die ImmoWertV
unterscheidet vier Entwicklungsstufen:
1. Flächen der Land- und Forstwirtschaft;
Flächen, die ohne Bauerwartungsland, Rohbauland oder baureifes Land zu sein,
land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind;
495
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
2. Bauerwartungsland;
das sind Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen gem. § 6 Immo-
WertV, insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebauli-
chen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung aufgrund konkreter Tatsa-
chen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen;
3. Rohbauland;
das sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 für eine bauliche Nutzung be-
stimmt sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist oder die nach Lage,
Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind (also noch
einer Bodenordnung bedürfen);
4. baureifes Land;
das sind Flächen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den tatsächli-
chen Gegebenheiten baulich nutzbar sind.
Zur Wertermittlung kommen nach der ImmoWertV das oben geschilderte Vergleichs-
wertverfahren einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung, das Ertrags-
wertverfahren und das Sachwertverfahren in Betracht. Das Ertragswertverfahren und
das Sachwertverfahren werden insbesondere bei der Wertermittlung von Gebäuden
angewendet. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch zwischen dem Eigentum an einem Grundstück und dem
Eigentum an darauf stehenden Gebäuden nicht getrennt werden kann. Nach dem Zi-
vilgesetzbuch der DDR war es möglich, unabhängig vom „Volkseigentum“ am Grund
und Boden davon gesondertes Gebäudeeigentum zu erwerben. Daraus herrührende
gesonderte Eigentumsverhältnisse sind kraft des Einigungsvertrags nur einstweilen er-
halten geblieben. Die Modalitäten der Zusammenführung von Grundeigentum und
Gebäudeeigentum sind durch das „Sachenrechtsbereinigungsgesetz“ geregelt worden.
In der Regel hatte der selbst nutzende Gebäudeeigentümer die Chance, das Grund-
stück, auf dem sein Haus steht, zu einem ermäßigten Preis zu erwerben. In vielen
Fällen waren zuvor bodenordnende Maßnahmen (Umlegung, Flurbereinigung) erfor-
derlich.
In den Wertermittlungsverfahren sind sowohl die allgemeinen Wertverhältnisse auf
dem Grundstücksmarkt (Marktanpassung) als auch die besonderen objektspezifischen
Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks zu berücksichtigen. Das Ver-
gleichswertverfahren spielt eine zentrale Rolle, da es vorrangig zur Ermittlung des
Bodenwerts einzusetzen ist, der wiederum neben anderem auch im Ertragswertverfah-
ren sowie im Sachwertverfahren zugrunde zu legen ist. Der Bodenwert wird in der
Regel ohne Berücksichtigung der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anla-
gen ermittelt. Zur Ermittlung dürfen auch geeignete Bodenrichtwerte zugrunde gelegt
werden. Zur Ermittlung von Bodenrichtwerten hat das zuständige Bundesministerium
die oben genannte Bodenrichtwertrichtlinie mit Handlungsempfehlungen für die örtli-
chen Gutachterausschüsse erlassen.
Das Ertragswertverfahren ist vor allem auf Verkehrswertermittlungen von Grundstü-
cken gerichtet, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentier-
lichkeit gehandelt werden. In Betracht kommen insbesondere Grundstücke mit Miets-
häusern, Gewerbeimmobilien oder Sonderimmobilien. Bei diesen Grundstücken ist das
Vergleichswertverfahren ungeeignet, da neben dem für die Wertermittlung wichtigen
Bodenwert auch der mit dem Gebäude nachhaltig erzielbare Ertrag von Bedeutung ist.
Im Ertragswertverfahren werden marktüblich erzielbare Erträge herangezogen. Die
ImmoWertV unterscheidet zwischen dem allgemeinen und dem vereinfachten Ertrags-
wertverfahren. Im allgemeinen Ertragswertverfahren ergibt sich der Ertragswert aus
dem Bodenwert und dem Reinertrag nach Abzug des Bodenwertverzinsungsbetrags.
Der Reinertrag entspricht dem Rohertrag, der häufig der Jahresmiete entspricht, ab-
züglich der Bewirtschaftungskosten, also aller (berücksichtigungsfähigen) Ausgaben,
die der Eigentümer im Zusammenhang mit dem Gebäude und der Gebäudeerhaltung
496
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Bodenwertermittlung XVI.
das Jahr über tätigen musste. Zu diesen Ausgaben gehören die Verwaltungskosten, die
Instandhaltungskosten, das Mietausfallwagnis sowie die Betriebskosten. In der verein-
fachten Variante wird der Ertragswert aus dem kapitalisierten Reinertrag und dem
Bodenwert ermittelt, wobei der Bodenwert auf den Wertermittlungsstichtag abzuzin-
sen ist. Zur Berechnung von Kapitalisierung bzw. Abzinsung werden sog. Barwertfak-
toren nach Anlage 1 bzw. 2 der ImmoWertV zugrunde gelegt. Der Wertgutachter muss
dazu einerseits einschätzen, wie viele Jahre sich die bauliche Anlage voraussichtlich
noch wirtschaftlich nutzen lässt (Restnutzungsdauer). Andererseits benötigt er den
jeweiligen Liegenschaftszinssatz1083. Liegenschaftszinssätze sind die Zinssätze, mit de-
nen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt markt-
üblich verzinst werden.
Sind zur Einschätzung der Immobilienwerte die Herstellungskosten im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr wertbestimmend und spielt der Ertrag eine untergeordnete Rolle,
kommt das Sachwertverfahren zum Zug. Dieses trifft z. B. auf individuell genutzte und
eigengenutzte Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke zu. Im Sachwertverfahren wird
der Sachwert des Grundstücks aus dem Sachwert der nutzbaren baulichen und sonsti-
gen Anlagen sowie dem Bodenwert ermittelt; die allgemeinen Wertverhältnisse auf
dem Grundstücksmarkt sind insbesondere durch die Anwendung von Sachwertfakto-
ren zu berücksichtigen. Der Wert eines Gebäudes wird auf der Grundlage der Herstel-
lungskosten berechnet, wobei die Wertminderung aufgrund des Alters zu berücksichti-
gen ist. Der Sachwert von Außenanlagen und sonstigen Anlagen wird entweder nach
Erfahrungssätzen oder nach den gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelt, es sei
denn, dass diese Anlagen nicht bereits vom Bodenwert miterfasst werden. Einzelheiten
dieser recht komplizierten Wertermittlungsverfahren1084 kann man in der Immobilien-
wertermittlungsverordnung nachlesen.
Aus der ImmoWertV ergeben sich nicht alle Details, die man für die Ermittlung von
Verkehrswerten bzw. Marktwerten benötigt. Definitionen, z. B. wie die einzelnen Ent-
wicklungszustände im Sinne des § 5 ImmoWertV zu verstehen sind, Informationen
über durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauern bei ordnungsgemäßer
Instandhaltung, Tabellen zur Berechnung der Wertminderung aufgrund des Gebäude-
alters, Beispielrechnungen, Umrechnungskoeffizienten und vieles Nützliches mehr fin-
den sich in der Sachwertrichtlinie, in der Vergleichswertrichtlinie sowie in der Ertrags-
wertrichtlinie.
4. Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen?
Bis zum Offenbarwerden des Wohnungsleerstands in Zeiten des demografischen Wan-
dels und des dazugehörigen Stadtumbaus konnte ein Grundeigentümer in der Regel
davon ausgehen, dass die Preise von Baugrundstücken stärker steigen als dies aufgrund
der allgemeinen Geldentwertung gerechtfertigt wäre. Bei einer jährlichen Inflationsrate
von 3 % stiegen die Grundstückspreise z. B. um 5 % p.a., sodass die Eigentümer von
Grundstücken sich im Besitz einer sicheren, nicht nur wertbeständigen, sondern sich
„von selbst“ im Wert erhöhenden Vermögensanlage fühlen durften. Die Beobachtung
solcher „leistungslos erworbenen Wertsteigerungen“ hat den lieben Mitbürgern in der
Vergangenheit immer wieder zu der Forderung Anlass gegeben, die Bodenwertsteige-
rungen abzuschöpfen und die entsprechenden Beträge in die öffentlichen Kassen zu
lenken.
1083 Das Baugesetzbuch verwendet in § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 den gleichbedeutenden Begriff des Kapitali-
sierungszinssatzes.
1084 Vgl. u. a. BGH, U. v. 25.1.2013 – V ZR 222/12 –, ZfBR 2013, 481 zur Frage der Anwendbarkeit
der „Methode Koch“ auf der Grundlage der ImmoWertV nach einer unsachgemäß vorgenommenen
Astkappung einer Thujenabpflanzung.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
498
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Bodenwertermittlung XVI.
1085 Vgl. § 65 I 8 prALR: In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu
besetzen oder seine Gebäude zu ändern wohl befugt.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom
11. Juni 2013 zur Bodenwertermittlung
Seit 2013 sind im Zusammenhang mit der Bodenwertermittlung keine Veränderungen
vorgenommen worden.
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
1086 Durch dieses Gesetz ist dem Bundesverwaltungsgericht die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit für
bestimmte Verkehrsprojekte im gesamten Bundesgebiet zugewiesen worden (vgl. Art. 2 Nr. 3 und 9,
Art. 9 Nr. 2 InfrPBG für die Straßenprojekte). Daneben verbleibt es für Planungen in den neuen Bundes-
ländern einschließlich des Landes Berlin, die nach den Vorschriften des mit Ablauf des 16. Dezember
2006 aufgehobenen Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (VerkPBG) begonnen wurden, ge-
mäß § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG i. V. m. § 11 Abs. 2, § 5 Abs. 1 VerkPBG ebenfalls bei der erstinstanzli-
chen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B. v. 30. März 2007 – 9 VR 7.07 –,
Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 Rn. 2).
503
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1087 BVerwG, U. v. 26.4.2007 – 4 CN 3.06 –, BauR 2007, 1455 = NVwZ 2007, 1081.
1088 So das BVerfG, B. v. 14.5.1985 – 2 BvR 397/82 –, BRS 44, Nr. 24 (S. 65).
504
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
rekte Prüfung nennt man auch „Inzident-Prüfung“. (Von einer konkreten Normen-
kontrolle spricht man dagegen, wenn ein Gericht anlässlich eines konkreten
Rechtsstreits ein vom Bundestag beschlossenes und ordentlich in Kraft gesetztes Gesetz
für verfassungswidrig hält und die entsprechende Norm gemäß Art. 100 GG dem Bun-
desverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegt.)
a) Die direkte (abstrakte) Normenkontrolle. Die direkte Normenkontrolle findet in
einem besonderen Verfahren statt, das in § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung gere-
gelt ist. Ein Antrag auf Normenkontrolle ist für alle Satzungen und Rechtsverordnun-
gen nach dem BauGB sowie für alle Normen unterhalb des förmlichen Landesgesetzes
zulässig. Durch dieses Verfahren soll erreicht werden, dass möglichst schnell und mög-
lichst einheitlich entschieden wird, ob eine Satzung nach dem BauGB, z. B. ein Bebau-
ungsplan, rechtmäßig ist oder rechtlich geschützte Interessen verletzt. Im Interesse
der Schnelligkeit und Einheitlichkeit ist das Verfahren auf eine gerichtliche Instanz
konzentriert, nämlich auf das Oberverwaltungsgericht bzw. den Verwaltungsgerichts-
hof. Das OVG/der VGH kann von jedermann angerufen werden, der geltend machen
kann, durch die Norm – i. d. R. den Bebauungsplan – in seinen Rechten verletzt zu
sein; das können natürliche Personen oder juristische Personen sein (insbesondere Ei-
gentümer betroffener Grundstücke).
Das BVerwG hat die Normenkontrolle nach § 47 VwGO im Weg der Analogie auch
gegen Flächennutzungspläne mit der Rechtswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB
zugelassen, weil ein solcher F-Plan mit seiner Ausschlusswirkung einen den Festsetzun-
gen des B-Plans vergleichbare Funktion hat.1089 Diese Möglichkeit kommt aber nur
Antragstellern zugute, die sich gegen die Ausschlusswirkung wenden. Ein Normen-
kontrollantrag gegen eine Höhenbegrenzung in einer Konzentrationszone ist dagegen
nicht zulässig.1090 Eine Höhenbegrenzung im F-Plan wirkt nicht normativ – sie muss
nur in die nachvollziehende Abwägung der Entscheidung nach § 35 Abs. 1 einbezogen
werden.
Antragsberechtigt sind auch Behörden, die als Träger öffentlicher Belange gehört wur-
den, deren Belange aber (aus ihrer Sicht) nicht ausreichend berücksichtigt wurden;
antragsberechtigt sind auch Nachbargemeinden, wenn sie behaupten können, dass
ihre Belange nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die „Wehrfähigkeit“ von Nach-
bargemeinden ist dadurch gestärkt, dass sie sich gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 BauGB
auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen (z. B. als zent-
raler Ort) berufen können.
Eine neue Form der Antragsberechtigung ist mit der sog. Verbandsklage entstanden.
Nach nunmehr vollständiger Kodifizierung durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz kön-
nen auch alle anerkannten Umweltverbände eine Normenkontrollklage erheben, wenn
sie behaupten können, dass von dem Plan ein Umweltschutzgut nicht ausreichend
beachtet wurde.
Wirksame Beschränkungen der Zulässigkeit eines Antrags auf direkte Normenkont-
rolle nach § 47 VwGO meinte der Bundesgesetzgeber dadurch erreichen zu können,
dass er
– für das Einreichen eines Normenkontrollantrags nach § 47 VwGO eine Frist ge-
setzt hat und
– etwaige Antragsteller verpflichtet hat, ihre Bedenken schon in der förmlichen Betei-
ligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 (also während der öffentlichen Ausle-
gung) vorzutragen. Wird dies unterlassen, ist ein darauf bezogener Normenkon-
trollantrag unzulässig.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Nur die erste Beschränkung war erfolgreich. Seit 2006 muss für die Einreichung eines
Normenkontrollantrags gemäß § 47 Abs. 1 VwGO eine Ein-Jahres-Frist seit Bekannt-
machung des Plans eingehalten werden (zuvor galt eine Zwei-Jahres-Frist). Auch eine
fehlerhafte Bekanntmachung setzt die Frist in Gang1091. Die zweite Beschränkung
wurde vom EuGH nicht akzeptiert1092. Er sah in dem Ausschluss aller Gründe im
Prozess, die nicht schon zuvor in der Beteiligung zum Plan vorgetragen wurden, eine
unfaire (und europarechtswidrige) Benachteiligung der Betroffenen. Eine Präklusion
gibt es jetzt nur noch im Normenkontrollverfahren von Umweltverbänden gegen Flä-
chennutzungspläne (§ 3 Abs. 2 BauGB).
Antragsberechtigt nach § 47 VwGO sind – wie gesagt – nicht nur natürliche und
juristische Personen1093, sondern (nach Maßgabe des Landesrechts) auch Behörden.
Eine landesrechtlich als parteifähig anerkannte Behörde kann die Prüfung einer von
ihr nicht erlassenen, aber in ihrem Gebiet geltenden Rechtsnorm beim OVG bzw.
VGH beantragen, wenn sie die Vorschrift als Behörde zu beachten hat, aber ihre
Rechtswirksamkeit bezweifelt1094. Im Zweifel können alle die Behörden Antrag auf
Normenkontrolle stellen, die als berührte Träger öffentlicher Belange an dem Planauf-
stellungsverfahren zu beteiligen waren.
Das OVG prüft auf Antrag eines Betroffenen oder einer Behörde, ob der Bebauungs-
plan formelle oder materielle Fehler aufweist. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis
kommt, dass der Plan wegen eines oder mehrerer Fehler ganz oder teilweise rechtswid-
rig ist, erklärt es ihn für ganz oder teilweise unwirksam. Die Gemeinde muss dann
entscheiden, ob sie die erkannten Fehler heilen kann und heilen möchte.
In der Regel wird der gesamte Plan unwirksam sein. Nur ausnahmsweise wird eine
Teilunwirksamkeit in Frage kommen, nämlich dann, wenn sich der Fehler lediglich
auf einen bestimmten Teilbereich bezieht und ohne Auswirkungen auf die übrigen
Planteile bleibt. In diesem Fall muss jedoch mit Gewissheit feststehen, dass die Ge-
meinde den Plan auch ohne den als unwirksam erkannten Teil mit dem gleichen Inhalt
beschlossen hätte1095. Ob sich das Gericht mit der Prüfung eines Fehlers begnügen
darf, der zur Unwirksamkeit führt, wenn mehrere Fehler gerügt wurden, wurde vom
BVerwG offen gelassen1096. Wenn derselbe Plan nach „Heilung“ des einen Fehlers mit
Rückwirkung in Kraft gesetzt wird, könnten sich daraus Probleme ergeben.
Die Entscheidung über die (Teil-)Unwirksamkeit des Plans gilt – ebenso wie die Fest-
stellung der (Teil-)Unwirksamkeit – für und gegen jedermann. Sie wird in der gleichen
Weise veröffentlicht wie der Bebauungsplan selbst. Wenn das Gericht den Plan für
rechtmäßig hält, wird die Klage abgewiesen. Diese Abweisung hat zwar keine allge-
mein verbindliche Wirkung, in der Praxis wird aber kaum noch jemand eine Klage
gegen diesen Plan richten. Denn wegen der feststehenden räumlichen Zuständigkeit
des betreffenden OVG würden alle Prozesse von demselben Gericht, in der Regel sogar
von demselben Senat zu entscheiden sein, das den Plan bereits als rechtmäßig einge-
stuft hat. Man kann insoweit von einer faktischen Allgemeinverbindlichkeit sprechen.
1091 BVerwG, B. v. 10.4.1996 – 4 NB 8.96 –, ZfBR 1996, 231 (noch zu Art. 13 InvWohnBaulG 1993).
1092 EuGH, U. v. 15.10.2015 – C 137/14 –, NVwZ 2015, 1665.
1093 In sehr seltenen Fällen kann das Antragsrecht wegen treuwidrigen Verhaltens verwirkt werden – vgl.
OVG Rheinl.-Pfalz, U. v. 12.5.2014 – 1 C 10864/13.OVG –, ZfBR 2014, 698 und OVG Münster, B.v.
17.1.2014 – 2 B 1367/13.NE, ZfBR 2014, 585.
1094 BVerwG, B. v. 11.8.1989 – 4 NB 23.89 –, ZfBR 1989, 272; ebenso Hessischer VGH, B. v. 22.7.1999
– 4 N 1598/93 –, ZfBR 2000, 194 (Zur Konkurrenz mit Straßenrecht).
1095 Zur teilweisen Nichtigkeit vgl. OVG Bremen, U. v. 23.10.1979 – 1 T 4/79 –, BauR 1980, 240 und
BVerwG, B. v. 18.7.1989 – 4 N 3.87 –, ZfBR 1989, 270.
1096 BVerwG, B. v. 20.6.2001 – 4 BN 21.01 –, ZfBR 2002, 274.
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
1097 Zur Inzidentkontrolle in einem Enteignungsverfahren vgl. BGH, B. v. 22.2.2007 – III ZR 216/06 –,
BauR 2007, 1200: Hat während des Laufs eines baulandgerichtlichen Verfahrens, das die Anfechtung
eines Enteignungsbeschlusses zwecks Nutzung eines Grundstücks entsprechend den Festsetzungen eines
Bebauungsplans betrifft, das Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan
(rechtskräftig) für unwirksam erklärt, so muss das Baulandgericht den Enteignungsbeschluss auch dann
aufheben, wenn der Bebauungsplan durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rück-
wirkend in Kraft gesetzt werden könnte und die Gemeinde ein solches Verfahren angekündigt hat.
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Umstände, die für die Planung Bedeutung haben können, berücksichtigt werden müs-
sen, ist mit letzter Sicherheit von der Gemeinde nicht kontrollierbar. Denn eine objek-
tive Grenzziehung für dasjenige, was in einem Abwägungsprozess für einen Bauleit-
plan noch oder nicht mehr herangezogen werden muss, ist unmöglich. Jede Gemeinde,
jede Stadt, jedes Plangebiet unterliegt einem so vielfältigen Geflecht von Einflüssen, die
irgendwie auch die Bauleitplanung berühren, dass die Zahl der Argumente in einem
Planungsprozess praktisch unendlich ist. Die Rechtsprechung fordert ausdrücklich,
dass auch nur mittelbar betroffene Belange, die selbst nicht Gegenstand der Planung
sind, einbezogen werden müssen1114; auch Wechselwirkungen mit Anschlussflächen
müssen beachtet werden1115. Die schematische Übernahme von Planungsrastern bei
der Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen1116 oder die Nichtberücksichtigung von
Bedenken und Anregungen von Bürgern wegen der damit verbundenen Verzögerung
des Planaufstellungsverfahrens1117 ist fehlerhaft. Irrt sich der Ortsgesetzgeber über
Funktion und Verkehrsaufkommen einer geplanten Straße1118, über die Zulässigkeit
eines geplanten Heizkraftwerks1119, über die Grenzen eines Landschaftsschutzge-
biets1120, über die Wirksamkeit der Festsetzung einer Lärmschutzmauer1121, über die
rechtlichen Grenzen der Gliederung eines Baugebiets nach der Baunutzungsverord-
nung1122, dann hat er das Abwägungsmaterial falsch zusammengestellt und damit
zugleich die Fehlerhaftigkeit des Plans herbeigeführt. Seit der Energiewende stellen die
Gemeinden vermehrt sachliche Teilflächennutzungspläne zur Steuerung der Standorte
von Windenergieanlagen auf. Diese Pläne müssen gemäß der Rechtsprechung des
BVerwG nach einem bestimmten Schema aufgestellt werden. Zu diesem Schema gehört
die Aufstellung eines gesamträumlichen Konzepts für die Nutzung der Windenergie
im Gemeindegebiet. An dessen Beginn steht die Identifizierung von sog. harten und
weichen Tabukriterien, Falsche Einordnung von Kriterien als hart begründet in aller
Regel einen Abwägungsmangel. Die vom BVerwG erst ab 2012 in voller Schärfe entwi-
ckelte Dogmatik1123 der harten und weichen Tabufaktoren wird von den Gerichten
gleichsam rückwirkend auch auf ältere Planwerke zur Steuerung der Windenergienut-
zung angewendet.1124 Immerhin ist es unschädlich, wenn der Plangeber in der Sache
zwischen harten und weichen Tabuzonen differenziert hat, ohne die Begriffe zu ver-
wenden.1125
Ein Bebauungsplan leidet auch dann an einem Abwägungsfehler, wenn er auf einer
methodisch unrichtigen Prognose der zu erwartenden Verkehrsbelastung beruht, die
zufällig im Ergebnis richtig ist. Nach dem VGH Baden-Württemberg1126 ist es ohne
1114 Vgl. BVerwG, U. v. 15.4.1977 – 4 C 100/74 –, NJW 1978, 119 (120); bestätigt in NJW 1980, 1061,
NJW 1981, 1000 und BVerwG, 27.3.1980 – 4 C 34.79 –, DVBl. 1980, 999.
1115 Hess. VGH, B. v. 22.7.1994 – 3 N 882/94 –, NVwZ-RR 1995, 72.
1116 OVG Bremen, U. v. 16.6.1981 – 1 T 10/80 –, Städtetag 1981, 835.
1117 VGH Baden-Württemberg, U. v. 14.5.1981 – 5 S 764/80 –, ZfBR 1981, 250.
1118 VGH Baden-Württemberg, BaWüVBl. 1981, 119; OVG Bremen, U. v. 16.12.1980 – 1 T 18/79 –, ZfBR
1981, 97.
1119 OVG Berlin, 27.11.1981 – 2 A 1.80 –, ZfBR 1982, 45.
1120 BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 57.80 –, NJW 1982, 591.
1121 Niedersächsisches OVG, U. v. 12.5.1981 – 1 C 4/80 –, ZfBR 1981, 294.
1122 Niedersächsisches OVG, U. v. 26.2.1981 – 6 C 4/80 –, BauR 1981, 454.
1123 Vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 und 2.11 – juris; BVerwG, U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12
– juris; erstmals formuliert wohl im B. v. 15.9.2009 – 4 BN 25.09 – ZfBR 2010, 65; Trennung zwischen
hart und weich wurde aber nicht gefordert im U. v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 –, ZfBR 2010, 675.
1124 Zustimmend BVerwG B. v. 10.5.2016 – 4 B 7.16 –, ZfBR 2016, 378. Vgl. auch OVG Lüneburg, U. v.
14. 05.2014 – 12 KN 244/12 –, ZfBR 2014, 577 m. w. N.; OVG Münster, U. v. 1.07.2013 – 2 D 46/
12.NE –, ZfBR 2013, 783; OVG Koblenz, U. v. 16.05.2013 – 1 C 11003/12-, ZfBR 213, 688; OVG
Berlin, U. v. 24.2.2011 – OVG 2 A 2.09 –, NuR 2011, 794 (Wustermark).
1125 BVerwG, B. v. 22.5.2014 – 4 B 56.13 –, ZfBR 2014, 583.
1126 VGH Baden-Württemberg ZfBR 1990, 254 (nur Leitsatz).
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
1127 Zur Erforderlichkeit dieses Beschlusses vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 10.10.1980 – 10a NE
42/78 –, VerwRspr. 32 (1981), 711; einschränkend BVerwG, B. v. 3.10.1984 – 4 N 1 und 2.84 –, ZfBR
1985, 48: Ein „Beitrittsbeschluss“ bei nur teilweiser Genehmigung eines B-Plans ist bundesrechtlich
nicht erforderlich; seine Notwendigkeit kann sich nur aus dem Landesrecht ergeben.
1128 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 29.4.2011 – 7 A 45/09: Wird eine Bebauungsplangenehmigung durch
die Aufsichtsbehörde mit einer Bedingung versehen, muss der Rat der Gemeinde sich die Änderungen
durch einen erneuten Satzungsbeschluss ausdrücklich zu eigen machen. Ansonsten ist der Bebauungs-
plan unwirksam.
1129 BGH, U. v. 22.9.1966 – III ZR 187/65 –, NJW 1967, 103.
1130 BGH, U. v. 28.5.1976 – III ZR 137/74 –, BGHZ 66, 322.
1131 Auch die Entscheidung des BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, NVwZ 1986, 208 (Whyl):
„Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsrichtlinien ohne Normcharakter binden die Verwaltungsge-
richte wegen des prinzipiellen Vorrangs der Verwaltungsentscheidung“ führte nicht zu einer Änderung
der Überprüfungsmaßstäbe.
1132 BGH, U. v. 28.4.1980 – III ZR 254/78 –, BGHZ 77, 338, 341 f; BGH, U. v. 8.5.1980 – III ZR 27/
77 –, BGHZ 105, 94 (96 f); BGH, U. v. 25.10.2001 – III ZR 76/01 – BGHR VwGO § 47 Bindungswir-
kung 1).
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
insoweit, als sie die Erforderlichkeit der Planung zur städtebaulichen Entwicklung und
Ordnung generell sowie einen Bedarf für die konkrete Planung bejaht hat.
a) Die Systematik der Vorschriften über die Planerhaltung. Die Vorschriften über die
Planerhaltung beschäftigen sich mit den Folgen von Fehlern bei der Aufstellung von
Plänen und Satzungen nach dem BauGB. Dabei wird zwischen Verfahrens- und Form-
fehlern (formellen Fehlern) einerseits und materiellen Fehlern andererseits unterschie-
den. Alle Mängel beim Abwägungsvorgang (vollständiges Ermitteln, zutreffendes
Bewerten, vollständiges Einstellen dieses Abwägungsmaterials in den Abwägungsvor-
gang) gehören zu den Verfahrensfehlern (also zu den formellen Fehlern). Mängel im
Abwägungsergebnis gehören zu den materiellen Fehlern. Zur „Planerhaltung“ bedient
sich der Gesetzgeber folgender vier Instrumente: (1) Manche Fehler werden als von
vornherein unbeachtlich oder nicht erheblich erklärt. (2) Manche Fehler können durch
Zeitablauf geheilt werden, sofern sie nicht ausdrücklich gerügt werden. (3) Fast alle
Fehler können durch ein nachträgliches ergänzendes Verfahren behoben werden. (4)
Von Fehlern bereinigte Pläne und Satzungen können rückwirkend in Kraft gesetzt
werden.
In Anwendung dieses System gilt für Verfahrens- und Formfehler (formelle Fehler)
Folgendes:
– Bestimmte unwesentliche Verfahrens- und Formfehler sind von Anfang an unbe-
achtlich.
– Bestimmte andere, nicht sehr schwerwiegende Form- und Verfahrensfehler können
durch Zeitablauf unbeachtlich werden, wenn sie nicht gerügt werden.
– Mängel im Abwägungsvorgang müssen offensichtlich (d. h. aus den Akten erkenn-
bar) und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein, um nach Inkraft-
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
setzung des Plans überhaupt noch erheblich zu sein; nach der Rechtsprechung
genügt für letzteres die praktische Wahrscheinlichkeit, nicht nur die weit entfernte
Möglichkeit, dass das Abwägungsergebnis beeinflusst wurde.
– Derart erhebliche Mängel im Abwägungsvorgang müssen binnen eines Jahrs ab
Bekanntmachung gegenüber der Gemeinde schriftlich gerügt werden, wenn sie als
Verfahrensfehler beachtlich sein sollen. Geschieht dies nicht, wird der in der bloßen
Beeinflussung des Abwägungsergebnisses liegende Verfahrensfehler unbeachtlich.
Wenn der Fehler jedoch zu einem unvertretbaren Abwägungsergebnis geführt hat,
liegt darin ein schwerwiegender materieller Fehler, der ohne jede Rüge dauerhaft
beachtlich ist.
– Alle Form- und Verfahrensfehler (einschließlich von Fehlern im Abwägungsvor-
gang, die sich nicht auf den Kern des Abwägungsergebnisses ausgewirkt haben)
können durch Nachholen der richtigen Form und/oder des richtigen Verfahrens
(z. B. durch erneute Abwägung) nachträglich behoben werden; der betreffende
Plan bzw. die betreffende Satzung kann danach mit Rückwirkung in Kraft gesetzt
werden, sofern sich aus der Fehlerbehebung keine den Kern – die „Identität“ – des
Plans berührende inhaltliche Änderung des Plans ergeben hat. Jede Änderung kann
jedoch erneut mit Normenkontrolle abgegriffen werden. Bereits erhobene (und
noch nicht abgeschlossene) Normenkontrollverfahren laufen weiter.
Für materielle Fehler gilt:
– Anders als noch bis zum Inkrafttreten des EAG Bau können materielle Fehler nicht
durch Zeitablauf (sieben Jahre) unbeachtlich werden;
– Schwerwiegende, nicht durch Ergänzung oder leichte Änderung des Plans beheb-
bare Mängel des Abwägungsergebnisses und andere materielle Mängel, die auf
fehlender oder falsch angewendeter Rechtsgrundlage beruhen, können nicht beho-
ben werden; das Gleiche gilt für Planinhalte, die gegen anderweitige Rechtsvor-
schriften verstoßen. Derartige Pläne oder Satzungen sind endgültig unwirksam.
Nicht durch Zeitablauf heilbar, sondern nur durch nachträgliche Fehlerbehebung zu
beseitigen sind die in § 214 Abs. 1 Nr. 4 genannten schweren Verfahrens- und Form-
fehler (sog. Ewigkeitsfehler). Dies sind:
– Der betreffende Plan ist in der Gemeindevertretung überhaupt nicht beschlossen
worden; (dem kommt es gleich, wenn der Beschluss der Gemeinde wegen Verstoßes
gegen Landesrecht endgültig und unheilbar nichtig ist),
– der Plan ist, obwohl genehmigungsbedürftig, nicht genehmigt worden, oder
– die Bekanntmachung der Satzung ist unterblieben oder war (auch wegen mangel-
hafter oder fehlender Ausfertigung) so unzulänglich, dass die Bekanntmachung
praktisch wirkungslos geblieben ist (in den Worten des Gesetzes: der mit der Be-
kanntmachung verfolgte Hinweiszweck ist nicht erreicht worden).
b) Die Beachtlichkeit von Mängeln der Abwägung. Hinter all den Regeln über die
Beachtlichkeit von Fehlern steht das Bemühen, mögliche Fehler bei der Aufstellung
eines Plans durch mehrere Filter so zu eliminieren, dass sie von einem Gericht nicht
als Grund für die Unwirksamkeit des Plans oder der Satzung benutzt werden können.
Der Gesetzgeber geht dabei von einem mehrstufigen Abwägungsvorgang aus, der über
das Erfassen, Bewerten und Einstellen der entscheidungserheblichen Belange zum Ab-
wägungsergebnis führt.
Im Einzelnen ist der Gesetzgeber auf die folgende Art und Weise vorgegangen:
– Zunächst wird der Abwägungsvorgang durch das Gesetz näher definiert. Gemäß
§ 2 Abs. 3 i. V. m. § 214 Abs. 1 Nr. 1 besteht der Abwägungsvorgang (zunächst)
aus dem Erfassen und Bewerten der von der Planung berührten Belange. Bei der
Ermittlung und Bewertung der von der Planung berührten Belange können nur
dann beachtliche Fehler entstehen, wenn abwägungserhebliche Belange, von denen
die Gemeinde Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben müssen, „in wesentlichen
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Punkten“ nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind. Fehler beim Erfas-
sen und Bewerten „unwesentlicher Punkte“ sind also unbeachtlich (= 1. Filter).
– Wenn wesentliche Punkte abwägungserheblicher Belange unzutreffend erfasst und
bewertet wurden, ist dies gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 1 und § 214 Abs. 3 wiederum
nur beachtlich, wenn dies offensichtlich und auf das Ergebnis der Abwägung von
Einfluss gewesen ist (= 2. Filter). Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist ein
Fehler offensichtlich, wenn er aus den Akten ersichtlich ist. Für den Nachweis,
dass der Fehler „von Einfluss“ gewesen ist, genügt es nach dem BVerwG, wenn
konkrete und nicht nur rein abstrakte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der
Mangel das Abwägungsergebnis beeinflusst haben könnte.
Die „Beweisregel“ zur Beachtlichkeit von Fehlern im § 214 Abs. 3, wonach nur „of-
fensichtliche Fehler“ im Abwägungsvorgang beachtlich sein sollen und dies auch nur
dann, wenn sie „auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“ ist zunächst
vom Bundesverwaltungsgericht1133 sehr restriktiv ausgelegt worden: Unbeachtlich
seien nur Fehler auf der „inneren“ Seite des Abwägungsvorgangs, das heißt „innere“
(und damit ohnehin kaum aufklärbare) Fehlvorstellungen der Ratsmitglieder. Unver-
ändert gegenüber der Rechtslage vor Einführung der Klausel des § 214 Abs. 3 Satz 2
bleibe alles das beachtlich, was zur „äußeren“ Abwägungsseite gehöre, also alles das,
was auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruhe. Abwägungsfehler, die sich –
wenn auch erst nach längerem Suchen – aus den Akten ergeben, waren nach dieser
Rechtsprechung stets „offensichtlich“.
In seiner späteren Rechtsprechung hat das BVerwG etwas höhere Anforderungen an
die „Offensichtlichkeit“ gestellt1134. Das BVerwG erkennt in seinem Urteil aus dem
Jahr 1992 an, dass der Gesetzgeber durch die Forderung nach Offensichtlichkeit des
Fehlers die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit auf die Fälle beschränkt wissen
wollte, „in denen zum Beispiel evident, d. h. erklärtermaßen und erkennbar, unsachli-
che Erwägungen der Gemeindevertretung in die Abwägung eingeflossen sind“ (vgl.
BT-Drs. 8/2885 5. 35 und 46). Entsprechend dieser Zielsetzung und in Übereinstim-
mung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch sei § 214 Abs. 3 Satz 2 daher so zu verste-
hen, dass vom Gericht nur dann ein offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang
angenommen werden dürfe, wenn konkrete Umstände positiv und klar auf einen sol-
chen Mangel hindeuteten. Es genüge dagegen nicht, wenn – negativ – lediglich nicht
ausgeschlossen werden könne, dass der Abwägungsvorgang an einem Mangel leide.
Das Gericht erläuterte im Rahmen dieses Urteils auch, unter welchen Umständen ange-
nommen werden darf, dass ein „offensichtlicher“ Mangel auf das Abwägungsergebnis
von Einfluss gewesen ist. Die bloße Annahme, eine Vermeidung des Fehlers hätte zu
einem anderen Ergebnis führen können, genüge dafür nicht. Es müsse vielmehr nach
den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses beste-
hen, was etwa dann der Fall sein könne, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder
sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände ergäbe, dass sich ohne den Fehler im
Abwägungsprozess ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet hätte.
Diese Formulierung des BVerwG lässt zwar eine mögliche, also eine potentielle Kausa-
lität des Fehlers für das Abwägungsergebnis genügen, um den Plan für fehlerhaft zu
erklären. Der vom Gesetzeswortlaut bei unbefangener Betrachtungsweise geforderte
Nachweis der positiven, real vorhandenen Kausalität (der Fehler muss nach dem Text
des § 214 Abs. 3 Satz 2 „von Einfluss gewesen“ sein) wird nicht verlangt. Aber immer-
hin muss doch eine „konkrete“, also eine reale Wahrscheinlichkeit des Einflusses auf
das Abwägungsergebnis nachgewiesen werden, um einen Fehler im Abwägungsvor-
gang (zunächst) beachtlich zu machen.
1133 BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 57.80 –, NJW 1982, 591; ebenso OVG Berlin, U. v. 27.11.1981 – 2
A 1/80 –, ZfBR 1982, 45; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 3.9.1985 – 1 B 38/85 –, BauR 1985, 657.
1134 BVerwG, U. v. 29.1.1992 – 4 NB 22/90 –, ZfBR 1992, 139.
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
– Die Fristenregelung in § 215 Abs. 1 führt wiederum dazu, dass auch nach § 214
Abs. 1 Nr. 1 beachtliche Mängel (also Fehler bei der Ermittlung und/oder Bewer-
tung und/oder Einstellung „wesentlicher Punkte“ des Abwägungsmaterials), die
zugleich nach § 214 Abs. 3 Satz 2 als erheblich anzusehen sind (also offensichtliche
Mängel des Abwägungsvorgangs darstellen, die auf das Abwägungsergebnis von
Einfluss gewesen sein könnten) innerhalb von einem Jahr seit Bekanntmachung
des Plans schriftlich geltend gemacht werden müssen, wenn sie beachtlich sein
sollen (= 3. Filter).1135 Auf die Jahresfrist für die Geltendmachung von beachtli-
chen Fehlern nach § 215 muss in der Bekanntmachung hingewiesen werden, sonst
beginnt die Frist nicht zu laufen.1136 Auf die gleich lange Frist nach § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO für den Antrag auf gerichtliche Normenkontrolle muss in der Be-
kanntmachung des Plans nicht hingewiesen werden.1137
Ergebnis: Ein zunächst beachtlicher und auch erheblicher Fehler im Abwägungsvor-
gang muss zur Verhinderung der späteren Unbeachtlichkeit innerhalb eines Jahres
nach Inkraftsetzung des Plans schriftlich gerügt werden. Dies muss auch dann gesche-
hen, wenn der Plangeber selbst das Problem erkannt hatte.1138 Eine schriftliche Rüge
ist also erforderlich, wenn nach Ansicht des Beschwerdeführers
– abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt
oder bewertet worden sind und/oder
– zutreffend ermittelte und bewertete, nicht nur unwesentliche Belange nicht in die
Schlussabwägung eingestellt wurden,
– und dies „offensichtlich“ ist (d. h. den Akten entnommen werden kann und nicht
nur zur inneren, subjektiven Seite des Abwägungsvorgangs gehört)
– und dies auf das Abwägungsergebnis in dem Sinne von Einfluss gewesen ist, dass
die konkrete Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Mangel sich auf
das Abwägungsergebnis ausgewirkt hat.
Zusammen mit der Einführung des § 13a zu den Bebauungsplänen der Innenentwick-
lung wurden mit der Novelle 2006/2007 in einem neuen § 214 Abs. 2a die Unbeacht-
lichkeitsvorschriften auf Pläne ausgedehnt, die im beschleunigten Verfahren nach
§ 13a aufgestellt wurden. Als unbeachtlich galten auch Fälle, in denen zu Unrecht
angenommen wurde, dass es sich grundsätzlich um einen Bebauungsplan der Innenent-
wicklung handele (§ 214 Abs. 2a Nr. 1). Damit entfiel eine Umweltprüfung folgenlos,
obwohl sie eigentlich notwendig gewesen wäre.
Mit dem Gesetz zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
von 2013 wurde die Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 2a Nr. 1 jedoch wieder
aufgehoben. Es stellt also einen beachtlichen Fehler dar, wenn zu Unrecht angenom-
men wurde, dass die „qualitativen Voraussetzungen“ für die Anwendung des beschleu-
nigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 vorgelegen hätten. Der Gesetzgeber reagierte da-
mit auf die Rechtsprechung des EuGH vom 18. April 2013 – Rs. C 463/11 –1139. Der
EuGH hat es als unzulässig bezeichnet, dass die Verletzung einer qualitativen Vorgabe
des nationalen Rechts (nur Bebauungspläne der Innentwicklung bedürfen keiner Um-
weltprüfung) vom Gesetzgeber am Ende für bedeutungslos erklärt wird. Damit werde
der Vorschrift zur Notwendigkeit einer Umweltprüfung „jede praktische Wirksamkeit
genommen“.
1135 Die Ein-Jahresfrist nach Bekanntmachung gilt auch für Pläne, die erst später funktionslos werden:
BVerwG, B. v. 29.6.2015 – 4 BN 31.14 –, ZfBR 2015, 696; ebenso BVerwG, U. v. 6.4.2016 – 4 CN
3.15 –, ZfBR 2016, 473.
1136 Im Übrigen ist die Fristenregelung europarechtlich unbedenklich (so das BVerwG, B. v. 18.3.2015 – 4
BN 5.15 –, ZfBR 2015, 379.
1137 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 28.12.2000 – 4 BN 32.00 –, ZfBR 2001, 350.
1138 BVerwG, B. v. 27.5.2013 – 4 BN 28.13 –, ZfBR 2013, 580.
1139 EuGH U. v. 18.4.2013 – C 463/11 –, ZfBR 2013, 472.
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c) Welche Folgen hat es, wenn ein beachtlicher und erheblicher Fehler rechtzeitig ge-
rügt wird? Die Folgen der Rüge hängen davon ab, in welcher Weise sich der Fehler
(potentiell) auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt hat oder haben könnte. Die recht-
zeitige Rüge eines „offensichtlichen“ Fehlers, dessen Einfluss auf das Abwägungser-
gebnis sich nur in der Weise ausgewirkt hat, dass das Ergebnis zwar anders war oder
anders gewesen sein könnte als wenn der Mangel nicht aufgetreten wäre, wobei das
Ergebnis aber insgesamt trotz des Fehlers und in Kenntnis des Fehlers insgesamt noch
vertretbar erscheint, führt nur dazu, dass der Rügende die Chance einer erneuten Ab-
wägung erhält. Möglicherweise bleibt es jedoch auch nach erneuter Abwägung beim
gleichen Ergebnis. Der Fehler liegt hier offenbar im Abwägungsvorgang (der nicht
korrekt war), aber nicht im Abwägungsergebnis (das trotz des Fehlers im Abwägungs-
vorgang als gerecht angesehen werden kann).
Wenn der gleiche Fehler nicht gerügt wird, wird der „offensichtliche und auf das
Ergebnis von Einfluss gewesene Fehler“ nach einem Jahr unbeachtlich. Das Abwä-
gungsergebnis wird (insoweit) unangreifbar.
Wenn ein „offensichtlicher“ und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesener
Fehler sich jedoch in der Weise ausgewirkt hat, dass das Ergebnis insgesamt wegen
Abwägungsdisproportionalität nicht vertretbar ist, dann braucht der Fehler gar nicht
gerügt zu werden, weil dieser Fehler keinesfalls hingenommen werden muss. Solche
Fehler können entweder dadurch zustande kommen, dass zulässigerweise eingestellte
Belange mit einem Gewicht versehen werden, das zu ihrem objektiven Gewicht außer
Verhältnis steht, oder dadurch, dass wesentliche sachfremde Belange unzulässigerweise
in den Abwägungsvorgang eingestellt werden. Derartige Mängel der Abwägung sind
schlechthin beachtlich; sie unterliegen keinerlei Verfristung, so wie dies von 1998 bis
2004 mit einer damals geltenden Sieben-Jahres-Frist für die Geltendmachung von
Mängeln der Abwägung der Fall gewesen ist1140.
Von den Unbeachtlichkeitsregeln nicht erfasst sind also alle Fehler im Abwägungser-
gebnis. Wenn das Abwägungsergebnis nicht mehr in jenem Korridor liegt, der von der
Rechtsprechung als Freiraum des Planungsermessens anerkannt ist, führt dies zu einem
dauerhaft beachtlichen Fehler.
d) Die Bewertung von abwägungserheblichen Belangen. Die Unbeachtlichkeitsregeln
in den §§ 214, 215 können nur dann richtig angewendet werden, wenn beim Abwä-
gungsvorgang und bei der Herstellung des Abwägungsergebnisses zwei verschiedene
Formen der Wertzumessung unterschieden werden. Nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 215 Abs. 1 Nr. 1 wird u. a. eine „nicht zutreffende Bewertung“ eines Belangs unbe-
achtlich, wenn dies nicht innerhalb eines Jahrs ab Inkraftsetzung gerügt wird. Mit der
in § 214 Abs. 1 Nr. 1 erwähnten „nicht zutreffenden Bewertung“ eines Belanges ist
nur die isolierte Bewertung der fachlichen Bedeutung eines Belangs gemeint, nicht aber
die Bewertung, besser: Gewichtung eines Belangs im Vergleich mit anderen Belangen.
Diese zweite vergleichende Bewertung – also die vergleichende Gewichtung – wird erst
bei der Herstellung des endgültigen Abwägungsergebnisses notwendig; sie ist Gegen-
stand der Schlussabwägung und kein Bestandteil des Abwägungsvorgangs im Sinne
des § 214 Abs. 1 und Abs. 3. Fehler bei der abschließenden Gewichtung können unbe-
fristet geltend gemacht werden, wenn sie zu einem disproportionalen Abwägungser-
gebnis geführt haben. Dabei liegt auf der Hand, dass eine falsche fachliche Bewertung
auch eine insgesamt falsche vergleichende Gewichtung nach sich ziehen kann (aber
nicht nach sich ziehen muss – eine Über- oder Untergewichtung kann im richtigen
Gesamtergebnis als unwesentlich aufgehen).
1140 Zu den möglichen Bedenken gegen die frühere Sieben-Jahres-Frist vgl. BVerwG, B. v. 2.1.2001 – 4 BN
13.00 –, ZfBR 2001, 418 und OVG Lüneburg, U. v. 11.11.2013 – 12 LC 257/12 –, ZfBR 2014, 268.
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Ein Beispiel soll das Gemeinte verdeutlichen: Die Ermittlung der von einer Planung
betroffenen Vogelarten gehört zum Pflichtprogramm des Abwägungsvorgangs. Eben-
falls zum Abwägungsvorgang gehört die sachgerechte Bewertung der Bedeutung von
Vogelarten innerhalb ihrer Kategorie. Spatzen haben dabei eine geringere fachliche
Wertigkeit als z. B. der Rotmilan. Die richtige Einordnung des „Werts“ von Spatzen
einerseits und des Rotmilans andererseits gehört zu jener Bewertung, die Bestandteil
des Abwägungsvorgangs ist. Hier auftretende Fehler müssen binnen eines Jahrs gerügt
werden, wenn sie beachtlich sein sollen. Nicht zum Abwägungsvorgang gehört jedoch
die Bewertung der Wichtigkeit eines besetzten Rotmilanhorsts im Vergleich zu der
gewollten Ansiedlung eines Industrieparks auf dem betreffenden Gelände. Das In-Be-
ziehung-Setzen dieser beiden Gesichtspunkte gehört zur Schlussgewichtung. Fehler bei
dieser Schlussgewichtung sind immer und dauerhaft relevant, wenn das Abwägungser-
gebnis zum objektiven Gewicht des jeweiligen Belangs „außer Verhältnis steht“. Es
genügt nicht, wenn die Rotmilane zwar vogelkundlich unterbewertet wurden, die Be-
vorzugung der Industrieansiedlung aber auch bei richtiger Bewertung zu rechfertigen
ist. Wird die vogelkundliche Unterbewertung rechtzeitig gerügt, muss der Abwägungs-
vorgang (mit offenem Ergebnis) wiederholt werden. Wird sie nicht gerügt, bleibt das
Abwägungsergebnis bestehen, wenn es nicht objektiv disproportional ist. Mit anderen
Worten: Fehler bei der internen Bewertung können auf das Abwägungsergebnis durch-
schlagen, sie müssen es aber nicht. Ob sie durchschlagen, hängt davon ab, ob die
interne Fehlbewertung im Vergleich mit anderen Belangen so gewichtig ist, dass sie
das Abwägungsergebnis verzerrt hat. Wenn die positiven Gründe für das Abwägungs-
ergebnis so stark sind, dass die intern fehlerhafte Bewertung eines Belangs dadurch
ausgeglichen wird, ist das Abwägungsergebnis nicht fehlerhaft.
Bild 71: Beachtlichkeit von Fehlern in der Abwägung
Fehler im Abwägungsvorgang werden nur dann beachtlich, wenn sie drei Voraussetzungen erfül-
len:
s Der Fehler betrifft wesentli- s Der Fehler ist offensichtlich s Der Fehler ist auf das Ergeb-
che Punkte (im Sinne von: aus den Akten nis von Einfluss gewesen
ablesbar) (im Sinne von Einfluss ist kon-
kret wahrscheinlich)
Alle drei Voraussetzungen sind erfüllt, wenn …
sich aus den Akten ergibt, dass (mindestens) ein wesentlicher Gesichtspunkt – mit konkret wahrscheinli-
chem Einfluss auf das Ergebnis der Abwägung –
– entweder nicht in die Abwägung eingestellt wurde oder
– in die Abwägung eingestellt worden ist, nachdem er unzutreffend ermittelt und/oder unzutreffend be-
wertet wurde oder
– eingestellt wurde, obwohl er gar nicht hätte eingestellt werden dürfen.
In diesen Fällen ist das Abwägungsergebnis nicht richtig zustande gekommen und daher mit einem Feh-
ler behaftet.
Die Folgen einer beachtlichen Fehlerhaftigkeit des Abwägungsvorgangs richten sich nach dem
Grad der Beeinflussung des Abwägungsergebnisses.
Wenn das Abwägungsergebnis möglicherweise von einem Fehler im Abwägungsvorgang beeinflusst
wurde, aber dennoch am Ende insgesamt vertretbar ist, dann muss der Fehler im Abwägungsvorgang
binnen eines Jahres gerügt werden, um beachtlich zu sein. Wenn gerügt wird, muss die Abwägung
wiederholt werden. Dabei kann ein anderes Ergebnis zustande kommen, es kann aber auch das glei-
che Ergebnis gefunden werden. Wenn das gleiche Ergebnis gefunden wird, kann die Satzung rückwir-
kend in Kraft gesetzt werden (Fehlerbehebung).
Wenn das von einem Fehler im Abwägungsvorgang beeinflusste Abwägungsergebnis in der Weise feh-
lerhaft ist, dass das gefundene Ergebnis außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit der maßgeb-
lichen Belange steht, ist die Satzung bzw. der Plan endgültig unwirksam. Eine Fehlerrüge ist dazu
nicht erforderlich.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
Wegen der alleinigen Normverwerfungskompetenz der Gerichte kann die Unwirksamkeit jedoch nur
von einem Gericht festgestellt werden. Ausnahmen:
– Eine unbestreitbar nicht ordnungsgemäß bekanntgemachte Satzung ist nicht in Kraft gesetzt und da-
her von Rechts wegen gar nicht vorhanden – darauf darf sich jedermann berufen.
– Wenn die Fehlerhaftigkeit einer Satzung offensichtlich ist, darf sie nicht zulasten von Betroffenen an-
gewendet werden.
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werden1146. § 214 Abs. 4 setzt voraus, dass diese Grenze gewahrt bleibt, differenziert
im Übrigen aber nicht nach bestimmten Fehlerarten. Behebbar sind neben Verfahrens-
und Formfehlern auch materiellrechtliche Mängel. Zu den in diesem Bereich praktisch
bedeutsamsten Verstößen gehören Mängel im Abwägungsvorgang, die nach § 214
Abs. 3 Satz 2 erheblich sind, wenn sie offensichtlich sind und auf das Abwägungser-
gebnis von Einfluss gewesen sein können. Fehler dieser Art können unter Rückgriff
auf § 214 Abs. 4 gegebenenfalls auch in der Weise geheilt werden, dass die Satzung
punktuell geändert oder ergänzt wird1147. Mängel, die aus einer Überschreitung der
durch § 9 BauGB und die Baunutzungsverordnung eröffneten Festsetzungsmöglichkei-
ten herrühren, lassen sich ebenfalls im Wege eines ergänzenden Verfahrens behe-
ben1148. Gleiches gilt für Verstöße gegen Erfordernisse der Bestimmtheit oder Normen-
klarheit1149. Auch die Missachtung des in § 1 Abs. 4 normierten Anpassungsgebots
ist als ein Mangel zu werten, der einer Behebung in einem ergänzenden Verfahren
zugänglich ist1150.
Bei diesem Verfahren muss das Aufstellungsverfahren von dem Punkt an wiederholt
werden, an dem der Fehler vorgekommen ist1151. Ein Plan muss aber nicht allein
deswegen neu ausgelegt werden, weil nachträglich Formfehler behoben werden1152.
Die Möglichkeit der Fehlerbehebung durch ein ergänzendes Verfahren knüpft gedank-
lich an die Rechtsprechung zur Planergänzung bei Planfeststellungsbeschlüssen an.
Wenn Planfeststellungsbeschlüsse unter Fehlern leiden, die durch eine Ergänzung der
Planfeststellung, z. B. durch Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen, behoben werden
können, dann wird nicht der (nur unvollständige) Planfeststellungsbeschluss aufgeho-
ben, sondern seine Ergänzung gerichtlich angeordnet. Vergleichbares ist nun auch bei
Satzungen nach dem BauGB möglich: Wenn ein Bebauungsplan durch eine Verknüp-
fung von inhaltlicher und verfahrensbezogener Ergänzung „gerettet“ werden kann,
dann soll dies möglich sein.
Bei notwendigen inhaltlichen Ergänzungen von Plänen – zum Beispiel um Festsetzun-
gen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft1153 – wird das Aufstel-
lungsverfahren jedenfalls teilweise wiederholt werden müssen, weil mindestens die be-
troffenen Bürger und Träger öffentlicher Belange an der Änderung eines Plans beteiligt
werden müssen. Es gibt jedoch materielle Mängel von Satzungen, die ihre Inhalte nicht
berühren. Dazu gehört die Wiederholung einer Abwägung unter Berücksichtigung ei-
nes ausgefallenen Gesichtspunkts mit gleichem Ergebnis (bei grundlegend neuer Abwä-
gung muss jedoch neu beteiligt werden, weil davon die Identität des Plans berührt
1146 Vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 – BVerwG 4 CN 7.97 –, DVBl 1999, 243 und vom 16.12.1999 –,
BVerwG 4 CN 7.98 –, BVerwGE 110, 193; B. v. 10.11.1998 – BVerwG 4 BN 45.98 –, Buchholz 406.11
§ 215a BauGB Nr. 2, vom 16.3.2000 – BVerwG 4 BN 6.00 –, ZfBR 2000, 353, vom 6.12.2000 –
BVerwG 4 BN 59.00 –, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 144, vom 20.6.2001 – BVerwG 4 BN 21.01 –,
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148, vom 6.3.2002 – BVerwG 4 BN 7.02 –, Buchholz 406.11 § 215a
BauGB Nr. 10, vom 5.8.2002 – BVerwG 4 BN 32.02 –, NVwZ-RR 2003, 7 und vom 20.5.2003 –
BVerwG 4 BN 57.02.
1147 Vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 – BVerwG 4 CN 7.97 –, BauR 1999, 359, und vom 16.12.1999 –
BVerwG 4 CN 7.98 –, ZfBR 2000, 266; B. v. 2.11.1999 – BVerwG 4 BN 41.99 –, UPR 2000, 226 und
vom 25.5.2000 – BVerwG 4 BN 17.00 –, Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 6.
1148 Vgl. BVerwG, U. v. 16.12.1999 – BVerwG 4 CN 7.98 –, ZfBR 2000, 266.
1149 Vgl. BVerwG, B. v. 6.3.2002 – BVerwG 4 BN 7.02. –, NVwZ 2002, 1385.
1150 BVerwG, U. v. 18.9.2003 – 4 CN 20.02 –, BVerwGE 119, 54.
1151 Niedersächsisches OVG, U. v. 21.4.2010 – 12 LC 9/07 –, BauR 2011, 1054: Die Heilung eines Flächen-
nutzungsplanes i. S. d. § 214 Abs. 4 BauGB setzt voraus, dass nicht nur der Fehler behoben, sondern
das gesamte nachfolgende Verfahren wiederholt wird. Es bedarf für den Heilungserfolg daher einer
(erneuten) Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 BauGB und deren Be-
kanntmachung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB.
1152 BVerwG, Beschl v. 1.6.2011 – 4 B 2.11 –, BauR 2011, 1622.
1153 Beispiel: BVerwG, B. v. 25.5.2000 – 4 BN 17.00 –, ZfBR 2000, 421.
519
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
wird). Dazu gehört das nachträgliche Einholen von Zustimmungen (z. B. eines Be-
darfsträgers zur Einbeziehung seines Grundstücks in einen städtebaulichen Entwick-
lungsbereich nach § 165 Abs. 5 BauGB). Fehler dieser Art, die bislang unheilbar waren
und (jedenfalls zunächst) zur Nichtigkeit der Satzung führten, können nunmehr durch
Wiederholung des betreffenden Schrittes behoben werden, und zwar auch dann, wenn
der Fehler erst vor Gericht aufgedeckt wird. Vor Einführung des ergänzenden Verfah-
rens musste das Gericht die Satzung für nichtig erkennen. Jetzt erklärt das Gericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO im Normenkontrollverfahren nur noch die Unwirksamkeit
der Satzung; die Gemeinde entscheidet, ob sie es dabei belassen oder die vom Gericht
erkannten Fehler beheben möchte.
Wenn der Fehler durch erneute Abwägung behoben wird, muss das nachfolgende Ver-
fahren wiederholt werden. Der Plan muss also selbst dann neu bekannt gemacht wer-
den, wenn er nach entsprechender Abwägung im Vergleich mit der Erstbekanntma-
chung inhaltlich unverändert geblieben ist1154. Entsprechendes gilt, wenn die
Fehlerbehebung gleichsam von außen und ohne Zutun der Gemeinde eintritt (Beispiel:
nachträgliche Aufhebung eines Naturschutzgebiets, in das der B-Plan hineinragte).
Auch in solchen Fällen bietet sich eine Neubekanntmachung mit rückwirkender In-
kraftsetzung an.
Ein erneuter Beschluss der Gemeindevertretung über den – nach der Heilung von
Form- oder Verfahrensfehlern gleichgebliebenen – Plan ist vor der rückwirkenden In-
kraftsetzung bundesrechtlich nur dann nicht erforderlich1155, wenn keine erneute Ab-
wägung erforderlich war1156. Bei einer beabsichtigten Heilung allein von Form und
Verfahrensfehlern ohne erneute Abwägung sind von der Gemeinde bereits vorliegende
neue Erkenntnisse nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führen, dass das seiner-
zeitige Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist. Eine nachträgliche Änderung der
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse steht einer Fehlerbehebung nicht entgegen,
weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprüng-
lichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich – im Ausnahme-
fall – die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwi-
schen insgesamt einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche
Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr
in Betracht1157. Der Plan muss dann neu aufgestellt werden.
Eine der Heilung eines möglichen Ausfertigungsmangels dienende erneute Bekanntma-
chung des Bebauungsplans kann die Frist für einen gegen den Bebauungsplan insge-
samt gerichteten Normenkontrollantrag jedenfalls dann nicht erneut in Lauf setzen,
wenn der (mögliche) Ausfertigungsmangel nur eine Festsetzung betrifft, durch die der
Antragsteller offensichtlich nicht beschwert sein kann1158.
g) Das Ende des Nichtigkeitsdogmas. Durch die Planerhaltungsvorschriften ist ein we-
sentliches Dogma des bisherigen deutschen Verwaltungsrechts endgültig gefallen, näm-
lich das sog. Nichtigkeitsdogma für Rechtsnormen. Nach dem Nichtigkeitsdogma
kann eine Rechtsnorm nur entweder nichtig oder voll rechtswirksam sein. Dieses
Dogma kam schon durch die Heilungsvorschriften der bisherigen §§ 214, 215 ins
Wanken. Denn welchen Status hat eine Norm mit Form-, Verfahrens- oder Abwä-
gungsmängeln, die vom Gericht nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie
innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt worden
520
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
sind? Ist sie „schwebend wirksam“, bis gerügt wird, danach „schwebend unwirksam“,
solange ein gerichtliches Verfahren möglich ist?
Durch Änderung der VwGO im Jahr 2004 wurde immerhin erreicht, dass Satzungen
stets und maximal nur für unwirksam, aber nicht mehr für nichtig erklärt werden
können. Seitdem gibt es nur noch den Unterschied zwischen einer behebbaren Unwirk-
samkeit und einer endgültigen Unwirksamkeit.
h) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit. Im Übrigen ha-
ben die Gerichte bei der Kontrolle von Plänen und Satzungen nach dem BauGB zu
beachten, dass gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 „für die Abwägung die Sach- und Rechts-
lage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend“ ist. Diese
Vorschrift bringt die (eigentlich selbstverständliche) Tatsache zum Ausdruck, dass das
für die Abwägung verantwortliche Gremium – also die Gemeindevertretung – bei der
Abwägung nur die „Sach- und Rechtslage“ berücksichtigen kann, die bei der abschlie-
ßenden Sitzung bestanden hat; später eintretende Veränderungen können denknotwen-
dig nicht mehr in die Beratungen der Gemeindevertretung einfließen. Die Formulie-
rung des § 214 Abs. 3 Satz 1 ist dennoch nicht sinnlos. Sie bezieht sich auf den
Umstand, dass zwischen der abschließenden Beschlussfassung und dem Inkrafttreten
des Bauleitplans noch einige Wochen vergehen können – nämlich die Zeit, welche für
die Ausfertigung und Bekanntmachung, bei genehmigungsbedürftigen Plänen für das
Genehmigungsverfahren, benötigt wird. Der Gesetzgeber wollte mit seiner Regelung
erreichen, dass in dieser Zeit eintretende Änderungen der städtebaulichen Verhältnisse
prinzipiell unbeachtlich sind.
Eine wichtige Einschränkung muss allerdings beachtet werden: Wenn zwischen der
Beschlussfassung im Rat und der Bekanntmachung ein sehr langer Zeitraum ver-
streicht und/oder Ereignisse eintreten, auf Grund derer es sich für die Gemeindever-
waltung, die den Plan bekanntzumachen hat, geradezu aufdrängen muss, dass sich die
Sach- oder Rechtslage inzwischen entscheidend geändert hat, muss der Bürgermeister
erneut die Gemeindevertretung einschalten1159. Der Bürgermeister würde gegen das
Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung handeln, wenn er den Plan ausfertigen
und seine Bekanntmachung veranlassen würde, obwohl sich infolge des Zeitablaufs
und geänderter Umstände Bedenken und neue Gesichtspunkte geradezu aufdrängen.
Änderungen, die das Abwägungsergebnis als unausgewogen i. S. eines Verstoßes gegen
das Verhältnismäßigkeitsprinzip erscheinen lassen, müssen auch nachträglich berück-
sichtigt werden1160. Diese Grundsätze gelten auch bei einer rückwirkenden Inkraftset-
zung von Plänen, bei denen Form- oder Verfahrensfehler lange Zeit unentdeckt blie-
ben1161.
i) Der Wegfall der Sieben-Jahres-Frist. Die bis zum 20.7.2004 geltende Sieben-Jahres-
Frist, nach deren Ablauf alle nicht gerügten „Mängel der Abwägung“ vor Gericht
unbeachtlich werden sollten, ist vom Gesetzgeber nicht aufrechterhalten worden. An-
gesichts der empirisch belegten Tatsache, dass die meisten Kontrollverfahren gegen
Bebauungspläne ohnehin innerhalb der ersten sieben Jahre nach Bekanntmachung der
Pläne eingeleitet werden und nur ca. 15 % der Gerichtsentscheidungen der 1980er
Jahre, mit denen Bauleitpläne aufgehoben worden sind, Pläne betrafen, die älter waren
als sieben Jahre1162, kann dies schmerzlos verkraftet werden. Der Wegfall der Pflicht
zur Rüge von Abwägungsmängeln innerhalb einer Frist von sieben Jahren gilt im Übri-
1159 Niedersächsisches OVG, U. v. 12.5.1981 – 1 C 4/80 –, ZfBR 1981, 294; einschränkend BVerwG, B. v.
9.11.1979 – 4 N 1/78 –, ZfBR 1980, 39 (43).
1160 BVerwG, B. v. 25.2.1997 – 4 NB 40.96 –, UPR 1997, 323.
1161 BVerwG, B. v. 3.7.1995 – 4 NB 11.95 –, ZfBR 1995, 319.
1162 Vgl. Eckart Scharmer, Bebauungspläne in der Normenkontrolle. Ursachen und Folgen des Scheiterns
von Plänen, Berlin 1988.
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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts
gen gemäß § 233 Abs. 2 nicht für Fehler in Plänen und Satzungen, die aufgrund frühe-
rer Fassungen des BauGB verabschiedet wurden.1163
j) Ergebnis der Planerhaltungsvorschriften. Die Planerhaltungsvorschriften waren und
sind nicht leicht zu durchschauen. Im Kern laufen sie darauf hinaus, dass alle Mängel
der Abwägung, die aus den Akten ersichtlich und mit praktischer Wahrscheinlichkeit
auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sind, innerhalb einer Jahresfrist seit Bekannt-
machung des Plans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verlet-
zung begründenden Sachverhalts geltend gemacht werden müssen, wenn der Plan an-
gegriffen werden soll. Geschieht dies nicht, ist der betreffende Fehler unbeachtlich,
sofern er nicht zu einer groben Verzerrung des Abwägungsergebnisses geführt hat.
Dauerhaft beachtlich ist nur die disproportionale Gewichtung mit der Folge eines
„falschen Abwägungsergebnisses“. Ein derartiger Fehler kann sowohl durch die unan-
gemessene Berücksichtigung (oder Nichtberücksichtigung) von zulässigerweise abwä-
gungserheblichen Belangen herbeigeführt werden als auch durch die Einstellung und
deutliche Berücksichtigung von unzulässigen, sachfremden Belangen. Da jede Berück-
sichtigung von unzulässigen, sachfremden Belangen disproportional ist, sofern sie sich
auf das Ergebnis der Abwägung ausgewirkt hat, gehört die Berücksichtigung sach-
fremder Belange zu den dauerhaft beachtlichen Fehlern.
Damit ist eine im Ergebnis gerechte und dem Rechtsstaatsprinzip entsprechende Lö-
sung erreicht. Dauerhaft beachtlich sind damit nämlich offensichtlich ungerechte Ab-
wägungsergebnisse und solche Abwägungsergebnisse, die durch sachfremde Beeinflus-
sungen (z. B. durch Bestechung) zustande gekommen sind. Alle Fehler jedoch, die nur
auf fahrlässigen Unterlassungen oder Irrtümern beruhen und die nicht zu schweren
Folgen der Disproportionalität geführt haben, müssen binnen Jahresfrist gegenüber
der Gemeinde schriftlich gerügt werden, wenn sie weiterhin Beachtung finden sollen.
Damit ist eine gesunde Balance zwischen Planerhaltung und rechtsstaatlicher Über-
prüfbarkeit erreicht.
5. Änderungen und Neuerungen im Bereich der gerichtlichen Kontrolle nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden im Jahr 2013
a) Eine Präklusion von nicht im Beteiligungsverfahren vorgetragenen Einwendungen
gibt es nur noch bei Klagen von Umweltverbänden gegen Flächennutzungspläne (§ 3
Abs. 3 BauGB). Der zuvor allgemein geltende Ausschluss von Einwendungen im Ge-
richtsverfahren, wenn der betreffende Einwand nicht schon zuvor im Rahmen der
Beteiligung der Öffentlichkeit oder der Behörden vorgetragen worden war, ist vom
EuGH als unzumutbare Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes verworfen wor-
den.
b) § 214 Abs. 1 Nr. 2 über die Beachtlichkeit bzw. Unbeachtlichkeit von Fehlern bei
der Anwendung einzelner Vorschriften ist – ohne wesentliche Veränderung des Inhalts
– neu geordnet worden. Die Vorschrift lautet jetzt:
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für
die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Ge-
setzbuch nur beachtlich, wenn die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behör-
denbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 1 und
Absatz 5 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1
sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn
1163 Zur Anwendung der 7-Jahres-Frist auf übergeleitete Pläne aus der Zeit vor 1960 siehe BVerwG, U. v.
1.9.2016 – 4 C 2.15 –, ZfBR 2017, 151.
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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.
a) bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger
öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange je-
doch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b) einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar
sind, gefehlt haben,
c) (weggefallen)
d) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer
einer angemessenen längeren Frist ausgelegt worden ist und die Begründung für
die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e) bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1 der Inhalt der Bekanntmachung und die
auszulegenden Unterlagen zwar in das Internet eingestellt, aber nicht über das
zentrale Internetportal des Landes zugänglich sind,
f) bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Um-
weltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g) bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung
der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind.
Literatur zum Kapitel XVII: Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch
vor den Gerichten
2010: Troidl, Thomas, Der funktionslose Bebauungsplan in der Normenkontrolle: Führt die
einjährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zur Funktionslosigkeit der Prinzipalkon-
trolle?, BauR 2010, 1511; 2011: Weyrauch, Bernhard, Die Tücken der Alternativenprüfung in
der Bauleitplanung, BauR 2011, 446–456; Wiggers, Christian, Rückwirkende Inkraftsetzung
von Bebauungsplänen, NJW-Spezial 24/2011, 748–749; 2013: Böhm, Monika, Recht der Bau-
leitplanung, JA 2013, 81–88; Sinner, Wolfgang, EuGH kippt Heilungsvorschrift des § 214
BauGB, (Zugleich Anmerkung zu EuGH, U. v. 18.4.2013 – Rs. C-463/11 –) UVP-report 2013,
247; 2014: Bunge, Thomas, Zur gerichtlichen Kontrolle der Umweltprüfung von Bauleitplänen:
NuR 2014, 1–12; 2015: Stüer, Bernhard, Bauleitplanung. Rechtsprechungsübersicht 2012–2014.
BauR 2015, 595–610; 2016: Guckelberger, Annette, Gard, Andre, 15 Jahre SUP-Richtlinie: Bi-
lanz und Perspektiven, EurUP 2016, 168–181; 2018: Stüer, Bernhard, Bauleitplanung. Recht-
sprechung des BVerwG 2015–2017, DVBl. 2018, 221–231.
Zur Literatur vor 2010 siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.plan-
undrecht.de
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Stichwortverzeichnis
Abbruch 302, 359, 408, 462, 474, 484 Amtspflichtverletzung 289, 365, 409, 417,
Abbruchduldungsgebot 467 493, 501
Abbruchgebot 481, 484 Amtsverwaltung 40
Abbruchverfügung 485 Änderung
Abfall 181, 233, 329 – von Bauleitplänen 158
Abfallbeseitigung 82 Anfangswert 434 f., 445, 447, 456, 499
Abfallrecht 81, 83, 340 Anfechtung 20, 367
Abgabe 14, 42 f., 58, 268, 446 Anfechtungsklage 53, 57, 149, 188, 197,
Abgabenrecht 97 369, 372, 503, 507
Abgabenverwaltung 14 Angebotsplanung 455
Abgabeordnung 5 Anhörung 22, 47, 365, 382, 465, 470
Abgrabung 84, 182, 195, 299 f., 442, 464 Anlage für die Kinderbetreuung 209, 220,
Ablagerung 181, 300, 303, 464 230, 305
Ablösung 69, 268, 274 f., 422, 447, 449 Anlieger 422
Abriss 22, 27, 59, 311, 315, 318, 342, 374, Anliegerbeitrag 429
376, 418, 435, 440, 462, 472 f., 484 Ansiedlungsgesetz 71
Abrissverfügung 374 Anstoßfunktion 144, 152
Abrundungssatzung 322 Anzeige 149, 281, 366, 375, 423, 444
Abschluss der Entwicklungsmaßnahme 454 Anzeigepflicht 76, 94, 300, 361, 471
Abschluss der Sanierung 95, 434, 441, 445, anzeigepflichtig 374, 383
447 Anzeigeverfahren 104, 149, 163, 301, 360
Abschluss des Umlegungsverfahrens 387 Äquivalenzprinzip 15, 498
Abstand 69, 316, 327 Arbeitsgerichtsbarkeit 52
Abstand zur nächsten Wohnbebauung 199 Arbeitsvertrag 2
Abstandserlasse 202 ARGEBAU 68
Abstandsfläche 69, 194, 197, 228, 361, 476 Art der baulichen Nutzung 211, 217, 318 f.,
Abstandsvorschrift 310 372
abstrakte Normenkontrolle 184, 504, 507 Arten umweltbezogener Informationen 142
Abwägung 108, 112, 120, 128, 156, 197, Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz 101,
200, 204, 213, 234, 242, 313, 323, 334, 352
504, 513, 517 Aufbau der Verwaltung 45
– endgültige 108 Aufbaugesetz 67, 71, 432
– nachvollziehende 337 Aufhebung 22 f., 25, 53, 58, 156 ff., 165,
Abwägungsausfall 120 197, 279 f., 369 f., 416
Abwägungsdefizit 121 Aufhebung der Entwicklungssatzung 454
Abwägungsdisproportionalität 121 Aufhebung oder Verlängerung eines Miet-
Abwägungsfehler 415 oder Pachtverhältnisses 437, 486
Abwägungsgebot 120, 150, 423, 439, 463, Auflage 149, 152, 480
509 Aufnahmeeinrichtungen 351
Abwägungsmängel 156 Aufschüttung 182, 195, 299, 303, 442, 464
Abwägungsmaterial 112, 121 Aufstellungsbeschluss 107 f., 111, 114, 193,
Abwägungstabelle 147 237, 247, 278, 281, 284, 292, 348, 383
Abwägungsvorgang 512, 516 Auftragsangelegenheit 36, 48
Abwasser 80, 178, 181, 274, 304, 329, 342, Ausbau 9, 14, 23, 308, 331
402, 420 Ausbaubeitrag 419
Abwassergebühren 42 Ausbauprogramm 428
Abweichung 306 Ausfertigung 108, 151, 157, 235, 509, 513
Abweichungsgesetz 10 Ausführungsgesetz 33, 78, 163
Achtungsabstand 317, 327 Ausführungsgesetze der Länder 103
Ackerland 394, 408, 453, 500 Ausgleich
Adaption 72 – naturschutzrechtlicher 388, 394, 396
allgemeines Vorkaufsrecht 291, 442 Ausgleichsabgabe 213, 368, 446
allgemeines Wohngebiet 318 Ausgleichsbetrag 26, 274, 434, 439, 442,
Allgemeinwohl 401, 439, 465 f. 445, 448 f., 451, 493, 499
Altlasten 81 ff., 234, 439
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Stichwortverzeichnis
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Stichwortverzeichnis
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Stichwortverzeichnis
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Stichwortverzeichnis
Erhaltungsziel 241, 243, 325, 350 360, 402, 411 f., 416, 476, 485 f., 510,
Ermächtigung 5 519
Ermessen 23, 36, 64 f., 112, 200, 238, 340, – nachbarschützende 370 ff.
370, 421, 435, 438, 472, 516 – textliche 235
Ermessensfehler 23 Festsetzung, nach Landesrecht 348
erneuerbare Energie 132, 181, 194, 274 Festsetzungen 194
Erneuerbare-Energien-Gesetz 132 – bedingte 238
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz 132 – klimaschutzorientierte 198
Ersatzbekanntmachung 464 – nach Landesrecht 233
Ersatzgebiet 455 – nachbarschützende 369
Ersatzland 390, 404 f. Festsetzungen zum Ausgleich von Eingriffen
Ersatzmaßnahme 125, 212 in Natur und Landschaft 519
Ersatzvornahme 26 f., 83, 367, 486 Feuerungswärmeleistung 330
Ersatzwohnraum 484 FFH-Gebiet 158, 243, 324, 346
Ersatzzwangshaft 26 FFH-Richtlinie 126 f., 325
Erschließung 18, 95, 97, 112, 228, 270, 274, Finanzausgleich 15, 42
299, 303, 328, 360, 388, 417, 419, 486 Finanzgerichtsbarkeit 52
– äußere 304, 421 Finanzverfassung 13, 15
– gesicherte 304 First 227, 476
Erschließung im engeren Sinn 420 Flächen der Land- und Forstwirtschaft 495
Erschließung im weiteren Sinn 420 f. Flächenbeitrag 395
Erschließungsanlage 181, 440, 447 Flächenmaßstab 391, 393, 448
Erschließungsaufwand 425 Flächennutzungsplan 48, 71, 94, 108, 128,
– beitragsfähiger 424 f. 137, 148 f., 154, 163, 178, 180 ff., 191,
Erschließungsbegriff 420 230, 243 f., 276, 285 f., 292, 294, 323,
Erschließungsbeitrag 15, 43, 193, 269, 333, 335 ff., 339 f., 344, 394, 504, 507 f.
272 f., 275, 388, 395, 419, 423, 425, 427, – gemeinsamer 180
454, 499 – regionaler 76, 181
Erschließungsbeitragsrecht 11, 78, 97, 267 Flächennutzungsplangebiet 216
Erschließungsbeitragssatzung 14, 427 f., 430, Flächennutzungsplanung 189, 285
509 – gemeinsame 40, 180
Erschließungslast 421 Flächensanierung 435, 484
Erschließungsvertrag 19, 266, 271, 423 Flächenumlegung 268, 391 ff., 395
Ertragswertrichtlinie 497 Flurbereinigung 97, 381, 496
Ertragswertverfahren 496 Flurbereinigungsamt 385
Europäische Union 4 Flurbereinigungsgebiet 381
Europarecht 8, 13, 72, 100, 242, 350 Föderalismusreform 10 f., 43, 75, 78, 84,
Europarechtsanpassungsgesetz Bau 73 433
Ewigkeitsfehler 513 Folgekostenvertrag 267 f., 420, 440
formelle Gesetze 5 f.
Fachaufsicht 35 ff., 42, 48, 163 Formfehler 22, 160, 237, 286, 349, 456,
Fachbereichsleiter 45 507, 512, 518 f.
Fachplanung 74, 186 f., 203 Forstwirtschaft 342, 346
Fachplanungsrecht 67, 74, 360, 368 forstwirtschaftlicher Betrieb 329
Factory-Outlet-Center 194 Fremdanliegerkosten 273
Fahrrechte 412 Fremdenverkehrsfunktion 288
faktische Bausperre 282 Fremdenverkehrsgebiet 287, 289
faktisches Baugebiet 319, 354 Fremdenverkehrsgemeinde 288
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 84, 126, 325 Fremdenverkehrssatzung 149
Faustrecht 1 Frontmetermaßstab 429
Fehler 153, 237, 508, 510, 512 f., 516 ff. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit
– materieller 157 und der Behörden 115
Feinsteuerung 248, 251, 305 Funktionslosigkeit 153, 161 f., 188
Ferienwohnung 355 Funktionsschwächen 437
Fernwärme 205, 438 Funktionsschwächensanierung 437 f., 452
Festsetzung 6, 61, 187, 220 f., 223 f., 226 f.,
229, 232 ff., 238, 242 f., 278, 294, 303, Gartenbaubetrieb 330 f.
306, 308, 310, 318, 322 f., 325, 347, 350, Gartenbauwirtschaft 328
Gebäudeabbruch 387
Gebäudeabstand 196
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Stichwortverzeichnis
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Hamburg 30, 33, 43, 46 f., 103, 165, 301, Kernenergie 329, 342, 346
305, 383, 403, 477 Kinderbetreuung
Hammerschlags- und Leiterrecht 69 – Anlagen zur 101
Härteausgleich 433, 437, 450, 463, 480, Kinderbetreuungseinrichtung 209, 230, 305,
484, 486 458
Hauptinhalt 181, 232 Kindertageseinrichtung 305
Hauptstadtplanung 164 Klage 22 f., 27, 48, 53 f., 65, 284, 365, 405,
Heilungsverfahren 456, 518 501, 504
Heilungsvorschrift 73, 154, 520 Klarstellungs-, Entwicklungs- und Ergän-
Hinweis 57, 183, 217, 235 zungssatzung 320, 345
Hinweisbekanntmachung 3 Klarstellungssatzung 322, 325
höhere Verwaltungsbehörde 151 Kleinere Städte und Gemeinden 451
horizontale Gewaltenteilung 30 Klimaanpassung 72, 100, 124, 131, 437 ff.,
Housing Improvement Districts (HID) 470 460 f.
Klimanovelle 2011 133
im Zusammenhang bebauter Ortsteil 185, Klimaschutz 72 f., 100, 124, 131, 198,
241, 246, 249, 288, 311, 320, 325, 401, 275 f., 437 ff., 450, 460 f.
414, 452, 462 Klimaschutzklausel 100
Imkerei klimaschutzorientierte Festsetzung 198
– berufsmäßige 329 Klimawandel 72, 131, 194, 198, 459 f.
Immissionsschutzrecht 79, 340 Kommunalabgabengesetz (KAG) 419
Immobilienwertermittlungsverordnung 103, Kommunalaufsicht 38, 108, 335, 367
394, 447, 491, 495, 497 kommunale Eigengesellschaft 272
Industriegebiet 199, 220, 230, 303, 370 Kompensationsmaßnahme 213, 215, 368
Inhalts- und Schrankenbestimmung 413 Kompensationspflicht 242
Inkraftsetzung konkurrierende Gesetzgebung 419
– rückwirkende 153, 430 konstitutionelle Monarchie 28
Inkrafttreten 151 Kontrolle
Innenbereich 322, 368 – inzidente 504
– unbeplanter 311, 371, 376 Konzentrationsfläche 108, 186, 188 f., 276,
Innenbereichssatzung 149, 306 285, 333, 335 f., 504
Innenentwicklung 72, 109, 133, 212, 240 Konzentrationswirkung 79, 189, 286, 300,
– Maßnahme der 136 363
Innenstadtzentrum 247 Koppelungsverbot 268
Innovationsbereich 470 Kostenbeitrag 434, 451, 499
Instandsetzungsgebot 481, 483 Kostenerstattungsbescheid 389, 395
interkommunales Abstimmungsgebot 119 Kostenerstattungsbetrag 43, 182, 389, 448,
Internet 3, 141, 509 485
– Informationen 118 Kostenerstattungsvertrag 269
Internetportal Kostenspaltung 428
– zentrales 140 Kostenvorbehalt 426
Investitionserleichterungs- und Wohnbauland- Kraft-Wärme-Kopplung 100, 194, 198,
gesetz 85, 99, 124 274 f., 440
Inzident-Kontrolle 197, 504, 506 f. Kraft-Wärme-Kopplungsanlage 218, 230,
305, 439
Judikative 30, 501 Kreisgebietsreform 38
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 81
Kahlschlagsanierung 436 Kulturlandschaft 341 f.
kameralistische Buchführung 45 Kurgebiet 288
Kammer für Baulandsachen 502 f. Küstenmeer 77
Kammergericht 51
Katasteramt 385 Lagerstätte 299 f., 464
Kaufpreis 295 f., 388, 416, 453, 466, 493, Länderöffnungsklausel 101
503 Landesbauordnung 226, 233, 288, 300 f.,
Kaufpreisdifferenz 434 334, 347, 360 ff., 370, 373 f., 383
Kaufpreissammlung 98, 491 ff. Landesenteignungsgesetze 14
Kenntnisgabepflicht 361 Landesplanung 13, 33, 67, 74 f., 112 f., 180,
Kenntnisgabeverfahren 301, 360 f. 186, 335, 338, 340
Kennzeichnung 183, 234, 294 Landesraumordnungsprogramm 113
Kennzeichnungspflicht 182 Landesrecht 234
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Wasserrecht 80 Wohngebiet
Weimarer Verfassung 13 – allgemeines 206 f.
Wertdifferenz 395, 413 – besonderes 206
Wertermittlung 98, 406 – reines 206 f., 305, 371
Widerruf 25 Wohngeld 14
Widerruf von Verwaltungsakten 25
Widerspruch 22, 369, 502 Zaunwert 204
Widerspruchsbehörde 22, 365, 502 Zentrale-Orte
Widerspruchsfrist 281, 369 – Konzept 77
Widerspruchsverfahren 22, 57, 366, 386, – System 74
502 f. Zitiergebot 9, 235
Widerstandsrecht 7 Zivilgerichtsbarkeit 507
Wiedernutzbarmachung von Flächen 136, Zukunft Stadtgrün 451
240 Zulässigkeit von Vorhaben 96
Wiedervereinigung 72, 99, 450, 456 zur Unterstützung von Erhaltungszielen 480
Windenergie 186, 188, 276, 329, 336, 510 Zurückstellung von Baugesuchen 280, 284,
Windkraftanlage 232, 338, 370 471
Wochenend- und Ferienhausgebiet 288 Zurückstellungsantrag 247, 286
Wochenendhaus 62, 302, 332 Zusammenarbeit
Wochenfrist, Berechnung der 140 – raumordnerische 78
Wohl der Allgemeinheit 292, 309, 401, 403, zusammenfassende Erklärung 137, 178, 237
410, 453 f. Zwangsgeld 486
Zwangshypothek 26
Zweckverband Groß-Berlin 74
536
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