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Copyright W. Kohlhammer GmbH. Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch für: Stefan Krapp
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Städtebaurecht
Einführung und Handbuch

Stand: Dezember 2018

mit allen Neuerungen


bis zur Neubekanntmachung des
BauGB vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634)

von den Professoren

Dr. jur. Gerd Schmidt-Eichstaedt

Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch

Dr.-Ing. Reinhold Zemke

6., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Copyright W. Kohlhammer GmbH. Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch für: Stefan Krapp
6., erw. und überarb. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten


© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:
ISBN 978-3-17-033622-3

E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-033623-0
epub: ISBN 978-3-17-033624-7
mobi: ISBN 978-3-17-033625-4

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Vorwort zur 6. Auflage mit einer freundlichen
Bitte an die Leser

Die sechste Auflage dieses Buchs mit dem Stand vom Dezember 2018 erscheint recht
genau fünf Jahre nach der fünften Auflage. Die letzte Baurechtsnovelle, die in der
fünften Auflage berücksichtigt werden konnte, war die BauGB-Novelle 2013 – also
das Gesetz zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013, überwiegend in
Kraft getreten zum 20.9.2013.
Seitdem ist das Baugesetzbuch achtmal geändert worden. Sieben Änderungen erfolgten
im Kontext anderer Gesetze und betrafen nur einzelne Vorschriften; eine „echte“ No-
velle enthielt nur Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU
im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom
4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057) (betreffend § 1, § 3, § 4, § 4a, § 4c, § 6, § 6a (neu),
§ 9, § 10, § 10a (neu), § 11, § 12, § 13, § 13a, § 13b (neu), § 22, § 34, § 35, § 172,
§ 173, § 213, § 214, § 245c, Anlage 1 und auch die BauNVO, §§ 6a (neu) und 13a
(neu) mit entsprechenden Anpassungen in den §§ 1 und 17).
Daneben wirkten folgende Gesetze zwischen 2014 und 2018 auf das BauGB ein:
– Artikel 1 des Gesetzes zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe
von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen
vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 954) (betreffend § 249 BauGB);
– Artikel 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung
der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1748)
(betreffend §§ 1, 31, 246 BauGB);
– Artikel 118 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Au-
gust 2015 (BGBl. I S. 1474) (betreffend § 9a BauGB);
– Artikel 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015
(BGBl. I S. 1722) (betreffend § 246 BauGB);
– Artikel 6 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und ande-
rer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017
(BGBl. I S. 1298) (betreffend §§ 3, 214 BauGB);
– Artikel 2 des Hochwasserschutzgesetzes II vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2193)
(betreffend §§ 1, 5, 9 BauGB);
– Artikel 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeits-
prüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) (betreffend §§ 3, 4, 214, 245c BauGB
und die Anlage 2 zum BauGB).
Nach wie vor hat sich das „Rote Buch“ die Aufgabe gestellt, das deutsche Städtebau-
recht auf der Grundlage einer Einführung in die Systematik und die Instrumente des
öffentlichen Rechts auch für Nichtjuristen verständlich darzustellen. Das bisherige
Echo zeigt, dass dies weitgehend gelungen ist. Die Hinwendung auch an Nichtjuristen
kommt auch in der Zusammensetzung des Autorenteams zum Ausdruck: Es handelt
sich um zwei Stadt- und Regionalplaner – nämlich Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch
(BTU Cottbus-Senftenberg) und Prof. Dr.-Ing. Reinhold Zemke (FH Erfurt) – und um
den Juristen Prof. Dr. jur. Gerd Schmidt-Eichstaedt (ehem. TU Berlin).
Das Buch befindet sich auf dem Stand vom Dezember 2018. Ausgewählte einschlägige
Rechtsprechung ist in den Fußnoten zitiert. Jedes Kapitel wird mit Hinweisen auf die
seit 2010 neu erschienene Literatur (Zeitschriftenaufsätze und Monographien zu den
zum Kapitel gehörenden Einzelfragen des Städtebaurechts) abgeschlossen; im Einzel-
fall wird auch auf zuvor Erschienenes hingewiesen. Die bis zur 5. Auflage im Buch
enthaltenen vollständigen bibliographischen Hinweise bis zum Jahr 2009 sind im In-

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Vorwort zur 6. Auflage mit einer freundlichen Bitte an die Leser

ternet unter www.planundrecht.de zugänglich. Die Standardliteratur in Form von


Lehrbüchern und Gesetzeskommentaren ist dem Buch (alphabetisch sortiert) vorange-
stellt. Fehlt etwas? Ist etwas falsch? Dann – so lautet die freundliche Bitte – genügt
ein Hinweis per E-Mail an info@planundrecht.de, damit der Fehler in der nächsten
Auflage behoben werden kann.

Gerd Schmidt-Eichstaedt – Bernhard Weyrauch – Reinhold Zemke

VI

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 6. Auflage mit einer freundlichen Bitte an die Leser . . . . . . . . V


Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen . . . . . . . . . ....... . . . . . . . . XVII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... . . . . . . . . XIX
Standardliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... . . . . . . . . XXII

A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


I. Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . 1
II. Der Aufbau der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1. Die Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2. Die Vorschriftenhierarchie im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . 7
a) Vom Grundgesetz zur Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . 7
b) Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bundes-
staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
3. Die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten
Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4. Das Staats- und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
III. Grundbegriffe des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1. Die Regelungsbereiche des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 13
a) Die leistende Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
b) Die Abgabenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
c) Die ordnende Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2. Der Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
a) Definition des Verwaltungsakts (VA) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
b) Arten der Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
c) Fehlerhafte Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
d) Bestandskraft von Verwaltungsakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
e) Vollstreckung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
IV. Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbst-
verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1. Das Prinzip der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2. Bundes- und Landesbehörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
a) Die Bundesbehörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
b) Die Landesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften . . . . . . . . . . . 35
a) Aufgabenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
b) Arten der kommunalen Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . 37
c) Die Finanzausstattung der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4. Kommunale Organisation in Dezernaten, Fachbereichen und
Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
a) Die Leitungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
b) Die Ämtergliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

VII

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Inhaltsverzeichnis

5. Die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin . . . . . . . . . . . . . . 46


a) Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
b) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
c) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
V. DieDritte Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
1. Die Gerichtszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2. Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten . . . . . . . . . . . . 53
3. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
a) Der Suspensiveffekt nach §§ 80, 80a und 80b VwGO . . . . . . 57
b) Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO . . . . . . . . . . 59
c) Vorläufiger Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppel-
wirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4. Die Auslegung von Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
a) Methoden und Kriterien der Auslegung von Rechtsvor-
schriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
b) Auslegung, Ermessen und freie Rechtsschöpfung . . . . . . . . . 64

B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 67


I. DieWurzeln des Bau- und Planungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
1. Das Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2. Das private und das öffentliche Nachbarrecht. . . . . . . . . . . . . . . 69
3. Das örtliche Planungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4. Das Recht der Raumordnung und Landesplanung sowie das Fach-
planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
a) Die Entwicklung des Rechts der Raumordnung, Landes-
planung und Fachplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
b) Das Raumordnungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5. Korrespondierende Rechtsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
a) Das Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
b) Das Wasserrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
c) Das Abfallrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
d) Bodenschutzrecht und Bergrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
e) Naturschutz- und Landespflegegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 84
f) Das Denkmalschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
II. Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
1. Die Grundstruktur des Baugesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
2. Die Entwicklungsstufen des Baugesetzbuchs: Vom BauGB 1987 bis
zu den Novellen des Jahres 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
3. Die Ausführungsgesetze der Länder zum Baugesetzbuch . . . . . . . . 103
4. Das aus dem Baugesetzbuch erwachsene Verordnungsrecht . . . . . . 103
III. Das Verfahren der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
1. Vorlaufphase; Klärung der Planerforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 108
2. Die Anpassung an die Ziele der Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . 112
3. Der Aufstellungsbeschluss; Beauftragung eines Dritten mit der
Durchführung einzelner Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

VIII

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4. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden . . . . . 115


5. Festlegung des Umfangs und des Detaillierungsgrads der Umwelt-
prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
6. Die förmliche Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger
öffentlicher Belange (TöB); Beteiligung der benachbarten Gemein-
den . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7. Abwägung der öffentlichen und privaten Belange . . . . . . . . . . . . 120
a) Die Eingriffsregelung in der Abwägung. . . . . . . . . . . . . . . . 124
b) Berücksichtigung der Natura 2000-Gebiete/Umsetzung der
Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
c) Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung. . . . . . . . . . . . . . 127
d) Klimaschutz und Klimaanpassung als gestärkte Belange des
Städtebaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
e) Innenentwicklung als neuer Grundsatz der Bauleitplanung. . . 133
8. Das vereinfachte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
9. Das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenent-
wicklung und zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das
beschleunigte Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
10. Der Auslagebeschluss und die öffentliche Auslage . . . . . . . . . . . . 139
11. Satzungsbeschluss und Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 147
12. Ausfertigung, Bekanntmachung, Inkrafttreten und Überwachung . . 151
13. Planerhaltung: Ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern,
rückwirkende Inkraftsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
14. Änderung, Aufhebung und Außerkrafttreten von Bauleitplänen . . . 158
a) Änderungen und Ergänzungen im vereinfachten und im
beschleunigten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
b) Aufhebung von Bebauungsplänen im vormaligen Geltungs-
bereich älterer Pläne: Lebt der alte Plan wieder auf? . . . . . . . 159
c) Planverwerfungskompetenz der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . 159
d) Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit. . . . . . . . . . . . . . 161
15. Besonderheiten des Planaufstellungsverfahrens in den Stadtstaaten . 163
a) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
b) Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
c) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
16. Änderungen und Neuerungen zum Verfahren der Bauleitplanung
nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwick-
lung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung
des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
a) Programmatische Stärkung der Wohnbedürfnisse der Bevölke-
rung (§ 1 Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
b) Wohnbedürfnisse von Familien mit mehreren Kindern als
Belang der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . 166
c) Namentliche Nennung eines neuen Schutzgutes „Fläche“
(§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
d) Erweiterung der Wechselwirkungen als eigenständiger
Umweltbelang (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. i) . . . . . . . . . . . . . . 166
e) Berücksichtigung der Auswirkungen schwerer Unfälle oder
Katastrophen im Bebauungsplan (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. j) . 167

IX

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f) Erweiterung der Belange des Hochwasserschutzes um den


Küstenschutz und die Hochwasservorsorge (§ 1 Abs. 6
Nr. 12). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
g) Flüchtlinge und Asylbegehrende und ihre Unterbringung als
neuer Belang der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 6 Nr. 13) . . . . . . . 168
h) Modifizierung der Auslegungsfrist von einem Monat
(§ 3 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
i) Streichung des Hinweises auf die Präklusionsregelung nach
§ 47 Abs. 2a VwGO a. F. (§ 3 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
j) Präklusionsregelung für Umwelt-Vereinigungen bei Rechtsbe-
helfen gegen Flächennutzungspläne (§ 3 Abs. 3) . . . . . . . . . . 169
k) Modifizierung der Frist zur Beteiligung der Behörden und
sonstigen Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 2). . . . . . . . . 170
l) Neue Anforderungen an die Nutzung des Internets
(§ 4a Abs. 4). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
m) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen als
neue Überwachungsgegenstände (§ 4c) . . . . . . . . . . . . . . . . 171
n) Zusammenfassende Erklärung (§§ 6a Abs. 1 und 10a Abs. 1). 171
o) Einstellen in das Internet/zentrales Landesportal
(§§ 6a Abs. 2 und 10a Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
p) Auswirkungen von schweren Unfällen als neuer Ausschluss-
grund für die Anwendung des vereinfachten und beschleunig-
ten Verfahrens (§§ 13 Abs. 1 Nr. 3 und 13a Abs. 1 Satz 4) . . . 172
q) Neugliederung und Ergänzung der Planerhaltungsvorschriften
(§ 214 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a–g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
r) Streichung der Unbeachtlichkeitsvorschrift zum fehlenden
Hinweis auf die Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO a. F.
(§ 214 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
s) Ergänzung von Überleitungsvorschriften für die Durchfüh-
rung von Verfahren nach dem BauGB (§ 245c Abs. 1). . . . . . 174
t) Erweiterung und inhaltliche Ausdifferenzierung der Anlage 1 . 174
u) Redaktionelle Anpassung der Anlage 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 175
IV. Der Flächennutzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
1. Die Dauer des Aufstellungsverfahrens, Zuständigkeiten . . . . . . . . 179
2. Die Hauptinhalte des Flächennutzungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . 181
3. Die Wirkungen des Flächennutzungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
4. Der sachliche und räumliche Teilflächennutzungsplan . . . . . . . . . 188
5. Änderungen und Neuerungen zum Flächennutzungsplan nach In-
krafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in
den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
V. Die Bebauungspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
1. Typische Inhalte von Bebauungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
2. Die Regelung des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Land-
schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
3. Die Baunutzungsverordnung als amtliche Legende . . . . . . . . . . . . 216
a) Vorschriften zur Art der baulichen Nutzung. . . . . . . . . . . . . 217
b) Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung . . . . . . . . . . . 222

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c) Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche. . . . . . . . . . . . . . 229


4. Die Entwicklung der Bebauungspläne aus dem Flächennutzungs-
plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
5. Weitere Inhalte und Bestandteile eines Bebauungsplans. . . . . . . . . 232
6. Die Begründung zum Bebauungsplan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
7. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
8. Der Bebauungsplan der Innenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
a) Zweck des Bebauungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
b) Schwellenwerte für festgesetzte Grundflächen . . . . . . . . . . . 241
c) Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
d) Umkehrung des Entwicklungsgebots. . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
9. Der Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen
in das beschleunigte Verfahren nach § 13b . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10. Bebauungspläne nach § 9 Abs. 2a, 2b und 2c . . . . . . . . . . . . . . . 246
a) Der Bebauungsplan zur Erhaltung oder Entwicklung zentra-
ler Versorgungsbereiche nach § 9 Abs. 2a . . . . . . . . . . . . . . 246
b) Der Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten
nach § 9 Abs. 2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
c) Der Bebauungsplan zur Verbesserung des Störfallschutzes
nach § 9 Abs. 2c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
11. Änderungen und Neuerungen zu den Bebauungsplänen nach In-
krafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in
den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
a) Erweiterte Festsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung oder
Verringerung von Hochwasserschäden (§ 9 Abs. 1 Nr. 16
Buchst. a-d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
b) Neue maßnahmenbezogene Festsetzungsmöglichkeiten zum
Störfallschutz in der Nachbarschaft von Störfallbetrieben
(§ 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
c) Neue Festsetzungsmöglichkeiten zum Schutz vor schädlichen
Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 9 Abs. 1 Nr. 24) . . 258
d) Neue Festsetzungsmöglichkeiten zur Zulässigkeit von Vorha-
ben in der Nachbarschaft von Störfallbetrieben (§ 9 Abs. 2c) . 259
e) Neue nachrichtliche Übernahme von Risikogebieten auch
außerhalb von Überschwemmungsgebieten (§ 9 Abs. 6a) . . . . 259
f) Neue Regelungsmöglichkeit zur Zulässigkeit von Dauerwohn-
nutzungen in bisherigen Erholungssondergebieten im vor-
habenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 Abs. 7) . . . . . . . . . . . 259
g) Der neue Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außen-
bereichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13b) . . . . . 260
12. Änderungen und Neuerungen zur Baunutzungsverordnung nach In-
krafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in
den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
a) Der neue Gebietstyp „Urbane Gebiete“ mit neuer Obergrenze
für das Maß der baulichen Nutzung (§ 6a i. V. m. § 17 Abs. 1
BauNVO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
b) Begriff der Ferienwohnungen (§ 13a BauNVO) . . . . . . . . . . 261

XI

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c) Überleitungsvorschrift zur Anwendung von § 34 Abs. 2


(§ 245c Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
VI. Städtebauliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
2. Die Typen städtebaulicher Verträge nach § 11 BauGB . . . . . . . . . 267
3. Der Erschließungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
4. Weitere städtebauliche Verträge im BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
5. Klimaschutz in städtebaulichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
6. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 für städtebauliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
VII. Sicherung der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
1. Veränderungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
2. Zurückstellung von Baugesuchen und einstweilige Untersagung
von Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
3. Teilungsgenehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
4. Die gemeindlichen Vorkaufsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 zur Sicherung der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
VIII. Zulässigkeit von Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
1. Die systematische Stellung der §§ 29–36 BauGB . . . . . . . . . . . . . 298
2. Der Begriff des Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
3. Die Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebau-
ungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
4. Ausnahmen, Befreiungen und Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . 306
5. Die Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich . . . . 311
a) Die ursprüngliche Fassung des § 34 im Bundesbaugesetz von
1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
b) Die Einfügungsklausel von 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
c) Das Gebot der Rücksichtnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
d) Das Einfügen in den „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ . 316
e) Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse und des
Ortsbilds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
f) Die entsprechende Anwendbarkeit der Baunutzungsverord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
g) Der „im Zusammenhang bebaute Ortsteil“ und die Klar-
stellungs-, Entwicklungs- und Ergänzungssatzung. . . . . . . . . 320
h) Die Anwendbarkeit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im
Rahmen des § 34 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
i) Anwendbarkeit des § 50 BImSchG und der darin geregelten
Seveso-III-RL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
6. Bauen im Außenbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
a) Die privilegierten Vorhaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
b) Die nichtprivilegierten Vorhaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

XII

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c)Die begünstigten Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341


d)Vorhaben im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung
nach § 35 Abs. 6 BauGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
e) Sicherungsklauseln gegen Missbräuche; Rückbauverpflich-
tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
7. Die Genehmigung von Vorhaben während der Aufstellung eines
Bebauungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
8. Verträglichkeitsprüfungen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes 350
9. Die Zulässigkeit von (mobilen) Unterkünften für Flüchtlinge und
Asylbegehrende, Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunter-
künften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
10. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 zur Zulässigkeit von Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
a) Ergänzung der Öffnungsklausel zur Abweichung vom Ein-
fügungsgebot nach § 34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
b) Ergänzung der Voraussetzungen zur Aufstellung von Entwick-
lungs- und Ergänzungssatzungen sowie von Außenbereichs-
satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
c) Nichtanwendung des § 6a BauNVO als faktisches Baugebiet
(§ 245c Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
d) Klarstellende Regelung zur Zulässigkeit von Ferien-
wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
IX. Die Baugenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
1. Genehmigungspflicht und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
a) Vorhaben im bauordnungsrechtlichen Verfahren . . . . . . . . . 359
b) Das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung . . . . . . . 362
c) Das gemeindliche Einvernehmen; Zustimmungserfordernisse . 365
2. Baugenehmigung und Eingriffsregelung nach dem Naturschutz-
recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
3. Anfechtungsklagen gegen und Verpflichtungsklagen auf Erteilung
von Baugenehmigungen; Nachbarschutz und Gebot der Rücksicht-
nahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
4. Die Möglichkeiten des Einschreitens gegen nicht genehmigte
bauliche Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 im Bereich der Erteilung von Baugenehmigungen . . . . . . . . 376
X. Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
1. Zweck und Verfahren der Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
2. Umlegungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
3. Die praktische Bedeutung der Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
4. Die vereinfachte Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 im Bereich Bodenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

XIII

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XI. Enteignung und Enteignungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400


1. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Enteignung . . . . . . . . . 400
2. Das Enteignungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
3. Die Enteignungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
4. Änderungen und Neuerungen im Enteignungsrecht nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in
den Städten und Gemeinden vom 11.06.2013 . . . . . . . . . . . . . . . 409
XII. Planungsschadensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
1. Ansprüche von Grundeigentümern bei Beanspruchung ihres Grund-
stücks für öffentliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
2. Ansprüche des Eigentümers bei Herabstufung der privaten Nutz-
barkeit seines Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
3. Der Ersatz von Vertrauensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
4. Schadensersatzpflichten bei rechtswidrigen Amtshandlungen . . . . . 417
5. Änderungen und Neuerungen im Planungsschadensrecht nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in
den Städten und Gemeinden vom 11.06. 2013 . . . . . . . . . . . . . . 418
XIII. Erschließung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
1. Die unterschiedlichen Begriffe der Erschließung. . . . . . . . . . . . . . 419
2. Die Erschließungslast der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
3. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
4. Die Berechnung und Verteilung des Erschließungsaufwands . . . . . 427
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013 im Erschließungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
XIV. Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen . . . . . . . . . . 432
1. Die Entwicklung des Städtebauförderungsrechts . . . . . . . . . . . . . 432
2. Die Vorbereitung der städtebaulichen Sanierung; Beteiligung und
Mitwirkung der Betroffenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
3. Die Durchführung der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
4. Der Abschluss der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
5. Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . 442
a) Die sanierungsrechtliche Genehmigung nach §§ 144, 145
BauGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
b) Die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen nach den
§§ 152 ff. BauGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
6. Die Einschaltung von Sanierungsträgern und anderen Beauftragten 449
7. Die Finanzierung der Stadterneuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
8. Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach §§ 165–171
BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
9. Änderungen und Neuerungen im Sanierungs- und Entwicklungs-
recht nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Innenent-
wicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom
11. Juni 2013. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456

XIV

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XV. Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung;


Erhaltungssatzung, städtebauliche Gebote und Sozialplanung . . . . . . . . 458
1. Stadtumbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
a) Maßnahmen zum Stadtumbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
b) Planungsschritte im Rahmen des Stadtumbaus . . . . . . . . . . . 461
c) Erarbeitung eines Sozialplans im Rahmen von Stadtumbau-
maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
d) Die Einbindung von Betroffenen und Aufgabenträgern – das
Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
e) Die Satzung zur Sicherung der Durchführung von Stadtum-
baumaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
f) Auskunftspflicht in Stadtumbaugebieten . . . . . . . . . . . . . . . 465
g) Anhörung der Eigentümer und der Mieter, Pächter und sonsti-
gen Nutzungsberechtigten in Stadtumbaugebieten. . . . . . . . . 465
h) Das Vorkaufsrecht in Stadtumbaugebieten. . . . . . . . . . . . . . 466
i) Die Enteignung zu Zwecken des Stadtumbaus . . . . . . . . . . . 466
j) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
2. Soziale Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
3. Private Initiativen zur Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
4. Erhaltungssatzung und Erhaltungsverfügung. . . . . . . . . . . . . . . . 470
a) Die Festlegung des Erhaltungsgebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
b) Das Erhaltungsgebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
c) Die unterschiedlichen Folgen einer wirtschaftlichen Unzumut-
barkeit für den Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
d) Praktische Erfahrungen mit der Erhaltungssatzung.. . . . . . . . 475
5. Der Katalog der städtebaulichen Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
b) Das Verfahren vom Erlass bis zur Vollstreckung eines Gebots 482
c) Die Vollstreckung von Geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
6. Sozialplanung und Härteausgleich; Aufhebung oder Verlängerung
von Miet- und Pachtverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
7. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
XVI. Bodenwertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490
1. Der Verkehrswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
2. Aufgaben der Gutachterausschüsse; Baulandkataster . . . . . . . . . . 492
3. Die Immobilienwertermittlungsverordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . 495
4. Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zur Bodenwertermittlung . . . . 500
XVII. Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den
Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
1. Die dreigeteilte Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit im Bau- und
Planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502
2. Die gerichtliche Kontrolle von Bebauungsplänen und sonstigen
Satzungen nach dem BauGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504

XV

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a) Die direkte (abstrakte) Normenkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . 505


b) Die Inzident-Kontrolle (indirekte Kontrolle) . . . . . . . . . . . . 506
3. Das Problem der Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
4. Der Grundsatz der Planerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512
a) Die Systematik der Vorschriften über die Planerhaltung. . . . . 512
b) Die Beachtlichkeit von Mängeln der Abwägung . . . . . . . . . . 513
c) Welche Folgen hat es, wenn ein beachtlicher und erheblicher
Fehler rechtzeitig gerügt wird?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
d) Die Bewertung von abwägungserheblichen Belangen . . . . . . . 516
e) Weitere Einschränkungen der gerichtlichen Kontrolle in den
Gemeindeordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
f) Das ergänzende Verfahren zur Fehlerbehebung (Heilungs-
verfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
g) Das Ende des Nichtigkeitsdogmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520
h) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Kontrolle der Rechtmäßig-
keit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
i) Der Wegfall der Sieben-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
j) Ergebnis der Planerhaltungsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . 522
5. Änderungen und Neuerungen im Bereich der gerichtlichen Kon-
trolle nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden im Jahr 2013 . . 522

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

XVI

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Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen

Bild 1 Die Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7


Bild 2 Die Vorschriftenpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Bild 3 Die Verteilung der Regelungskompetenzen in der Bundesrepublik
Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Bild 4 Die Regelungsbereiche des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Bild 5 Gesetze und Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Bild 6 Fehlerhafte Verwaltungsakte; Fehlerfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Bild 7 Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . 25
Bild 8 Die Vollstreckung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Bild 9 Das Prinzip der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Bild 10 Der Aufbau der Landesverwaltung in den Flächenstaaten . . . . . . . . . 34
Bild 11 Kommunale Selbstverwaltung – Aufgabenarten . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Tab. 1 Verwaltungsgliederung in Deutschland (Stand: 30.9.2018) . . . . . . . . . 39
Bild 12 Die Finanzausstattung der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Bild 13 Innergemeindliche Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Bild 14 Die Berliner Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Bild 15 Die Gerichtszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Bild 16 Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten . . . . . . . . . . . . . . 55
Bild 17 Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Bild 18 Der Werdegang des Baugesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Bild 19 Das Baugesetzbuch – Strukturübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Bild 20 Das Verfahren der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Bild 21 Entwicklung eines Bebauungsplans – methodisches Vorgehen . . . . . . . 111
Bild 22 Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Bild 23 Anzeige zur erneuten öffentlichen Auslegung nach § 4a Abs. 3 BauGB. 138
Bild 24 Wichtige Regeln zur Bekanntmachungs- und Auslegungsfrist/-dauer . . 141
Bild 25 Der Flächennutzungsplan gem. § 5 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Bild 26 Darstellungen und Festsetzungen in der Bauleitplanung . . . . . . . . . . . 194
Bild 27 Auswahl klimaschutzbezogener Festsetzungen im Bebauungsplan . . . . 197
Bild 28 Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für die Aufstellung von
Bebauungsplänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Bild 29 Merkmale des Wohnens im Sinne der Baunutzungsverordnung . . . . . . 209
Bild 30 Räumliche Varianten des naturschutzrechtlichen Ausgleichs und ihre
Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Bild 31 Zeitliche Varianten der Planung und Durchführung von Ausgleichs-
maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Bild 32 Feinsteuerungsmöglichkeiten nach § 1 BauNVO. . . . . . . . . . . . . . . . 219
Bild 33 Die von der Baunutzungsverordnung vordefinierten Baugebiete
(§§ 2–11 BauNVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Bild 34 Die Grundflächenzahl (GRZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Bild 35 Die Geschossflächenzahl (GFZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Bild 36 Empfehlung zur Blattaufteilung eines Bebauungsplans. . . . . . . . . . . . 236
Bild 37 Materiell-rechtliche Prüfübersicht zu den Anwendungsvoraussetzun-
gen des beschleunigten Verfahrens für Bebauungspläne der Innen-
entwicklung nach § 13a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

XVII

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Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen

Bild 38 Der Bebauungsplan für die Steuerung von Vergnügungsstätten gemäß


§ 9 Abs. 2b BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
Bild 39 Städtebauliche Verträge im Kontext von Ausgleichsmaßnahmen . . . . . 270
Bild 40 Typen städtebaulicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Bild 41 Sicherung der verbindlichen Bauleitplanung durch Veränderungs-
sperre, Zurückstellung von Baugesuchen und Untersagung von
Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
Bild 42 Die Wirkungsweise der gemeindlichen Vorkaufsrechte. . . . . . . . . . . . 291
Bild 43 Die gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Bild 44 Zulässigkeit von Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Bild 45 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans . 306
Bild 46 Prüfungsschema zum Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB . . . . . . . . . . 316
Bild 47 Schritte zur Bestimmung der „Eigenart der näheren Umgebung“. . . . . 317
Bild 48 Unterscheidungsmerkmale zwischen Innenbereichs-Satzungen nach
§ 34 Abs. 4 und Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB . . . 325
Bild 49 Öffentliche Belange als Hinderungsgründe gegen das Bauen im Außen-
bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
Bild 50 Bauen im Außenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
Bild 51 Die Genehmigung von Vorhaben während der Planaufstellung nach
§ 33 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Bild 52 Übersicht über die Typen genehmigungspflichtiger und nicht genehmi-
gungspflichtiger Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Bild 53 Nachbarschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
Bild 54 Bodenordnung und Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384
Bild 55 Die Funktion der Grundbücher im Umlegungsverfahren . . . . . . . . . . 385
Bild 56 Vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand (Beispiel Flächenmaßstab) . . . . . . 391
Bild 57 Wertumlegung und Flächenumlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
Bild 58 Die Unterschiede zwischen der regulären Umlegung und einer verein-
fachten Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
Bild 59 Das Enteignungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
Bild 60 Die Enteignungsentschädigung in Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406
Bild 61 Schadensersatz bei Änderung der zulässigen Nutzung . . . . . . . . . . . . 410
Bild 62 Das Planungsschadensrecht im Vergleich mit der Haftung des Staats
und seiner Körperschaften für anderweitige von ihren Bediensteten
verursachte Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
Bild 63 Die verschiedenen Erschließungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
Bild 64 Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
Bild 65 Das Verfahren der städtebaulichen Sanierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
Bild 66 Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium in der Sanierung . . . 443
Bild 67 Die Verfahrensvarianten bei der Gebietsfestlegung im Besonderen
Städtebaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
Bild 68 Die Struktur der Satzungen nach § 172 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . 474
Bild 69 Das Zusammenwirken von Bauplanungsrecht, Bauordnungsrecht und
Denkmalrecht bei der Erhaltung und Gestaltung von baulichen
Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
Bild 70 Übersichtstafel über die städtebaulichen Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . 481
Bild 71 Beachtlichkeit von Fehlern in der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

XVIII

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Abkürzungsverzeichnis

§§ §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BauGB

AfK Archiv für Kommunalwissenschaften (Zs.)


AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zs.)
ARGEBAU Arbeitsgemeinschaft der für das Bauwesen zuständigen Minister des
Bundes und der Länder
AUR Agrar- und Umweltrecht (Zs.)

B-Plan Bebauungsplan
BauGB Baugesetzbuch
BauGB-MaßnG Maßnahmengesetz zum BauGB
BauNVO Baunutzungsverordnung
BauO Bauordnung
BauR Baurecht (Zs.)
BauROG Bau- und Raumordnungsgesetz
BauZVO Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR
BaWüVbl. Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt (Zs.)
BayGT Bayerischer Gemeindetag (Zs.)
BayVbl. Bayerisches Verwaltungsblatt (Zs.)
BBauG Bundesbaugesetz
BBBl. Bundesbaublatt (Zs.)
BbgBO Brandenburgische Bauordnung
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof
BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz
BImSchV Verordnung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz
BKompV Bundeskompensationsverordnung
BNatSchG Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege
BoBauE Entscheidungssammlung Boden- und Baurecht
BRS Baurechtssammlung
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgericht
BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (Zs.)

DfK Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften (Zs.)


DNotZ Deutsche Notar Zeitschrift (Zs.)
DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zs.)
DStR Deutsches Steuerrecht (Zs.)
DtZ Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift (Zs.)
DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zs.)
DVP Deutsche Verwaltungspraxis (Zs.)
DWW Deutsche Wohnungswirtschaft (Zs.)

EAGEE Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien


EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

F-Plan Flächennutzungsplan
FWW Die Freie Wohnungswirtschaft (Zs.)

GE Das Grundeigentum (Zs.)


GemO Gemeindeordnung
GewA Gewerbearchiv (Zs.)

XIX

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Abkürzungsverzeichnis

GG Grundgesetz
GS Gesetzessammlung
GuG Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zs.)

JA Juristische Arbeitsblätter (Zs.)


JuS Juristische Schulung (Zs.)
JZ Juristenzeitung (Zs.)

KommP KommunalPraxis (Zs.)


KOmmPBr KommunalPraxis Brandenburg (Zs.)
KSt Kommunale Steuerzeitschrift (Zs.)

LBO Landesbauordnung
LKRZ Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/
Saarland
LKV Landes- und Kommunalverwaltung (Zs.)

MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Zs.)


MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (Zs.)

NABEG Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsgesetz


NdsVerwBl. Niedersächsische Verwaltungsblätter (Zs.)
NJ Neue Justiz (Zs.)
NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zs.)
NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland (Zs.)
NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (Zs.)
NuR Natur und Recht (Zs.)
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zs.)
NW Neue Wirtschaftsbriefe (Zs.)
NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zs.)
NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (Zs.)
NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zs.)

OV spezial Offene Vermögensfragen spezial (Zs.)


OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht

PlanZV Planzeichenverordnung
prALR Preußisches Allgemeines Landrecht von 1794

RdL Recht der Landwirtschaft (Zs.)


RuR Raumforschung und Raumordnung (Zs.)
RVO Rechtsverordnung

SächsVBl. Sächsische Verwaltungsblätter (Zs.)


SGV.NW Sammlung der Gesetze und Verordnungen des Landes Nordrhein-
Westfalen
StBauFG Städtebauförderungsgesetz
stRspr Ständige Rechtsprechung

ThürVBl. Thüringische Verwaltungsblätter (Zs.)


TÖB Träger öffentlicher Belange
Tab. Tabelle

UP Umweltprüfung
UPR Umwelt- und Planungsrecht (Zs.)
UVP Umweltverträglichkeitsprüfung
UVP-Gesetz Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung

VA Verwaltungsakt
VA Verwaltungsarchiv (Zs.)
VBlBW Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zs.)

XX

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Abkürzungsverzeichnis

VEP Vorhaben- und Erschließungsplan


VIZ Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht (Zs.)
VG Verwaltungsgericht
VGH Verwaltungsgerichtshof
VR Verwaltungsrundschau (Zs.)
VwGO Verwaltungsgerichtsordnung
VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz
WF Wertermittlungsforum (Zs.)
WHG Wasserhaushaltsgesetz
WiVerw Wirtschaft und Verwaltung (Zs.)
WoBauErlG Wohnungsbauerleichterungsgesetz
ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht
(Zs.)
ZfU Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht (Zs.)
ZG Zeitschrift für Gesetzgebung (Zs.)
ZPO Zivilprozessordnung
ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik (Zs.)
Zs. Zeitschrift
ZUR Zeitschrift für Umweltrecht (Zs.)

XXI

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Standardliteratur

1. Lehrbücher und Handbücher


Battis, Ulrich, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 7. Aufl., Stuttgart 2017
Bracher, Christian-Dietrich/Reidt, Olaf/Schiller, Gernot, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Köln 2014
Finkelnburg, Klaus/Ortloff, Karsten-Michael/Kment, Martin, Öffentliches Baurecht – Band I:
Bauplanungsrecht, 7. Aufl., München 2017
Finkelnburg, Klaus/Ortloff, Karsten-Michael/Otto, Christian-Wolfgang, Öffentliches Baurecht –
Band II: Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz, 7. Aufl., München 2017
Gierke, Hans-Georg/Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die Abwägung in der Bauleitplanung, Stuttgart
2018
Hauth, Michael, Vom Bauleitplan zur Baugenehmigung – Bauplanungsrecht, Bauordnungsrecht,
Baunachbarrecht, 12. Aufl., München 2016
Hoppe, Werner/Bönker, Christian/Grotefels, Susan, Öffentliches Baurecht – Raumordnungs-
recht, Städtebaurecht, Bauordnungsrecht, 4. Aufl., München 2010
Hoppenberg, Michael/de Witt, Siegfried (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts (Lose-
blatt), München 1996 ff.
Koch, Hans-Joachim/Hendler, Reinhard, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht,
6. Aufl., Stuttgart 2015
Krebs, Walter, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann, Eberhard (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht,
14. Aufl., Berlin 2008
Muckel, Stefan/Ogorek, Markus, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl. München 2018;
Muckel, Stefan/Stemmler, Thomas, Fälle zum Bau- und Raumordnungsrecht, 7. Aufl., München
2013
Rabe, Klaus/Heintz, Detlef, Bau- und Planungsrecht, 7. Aufl., Stuttgart 2014
Cholewa, Werner et al., Raumordnung in Bund und Ländern, Vorschriftensammlung (Loseblatt),
5. Aufl., Stuttgart 2009 ff.
Stollmann, Frank, Öffentliches Baurecht, 11. Aufl., München 2018
Stüer, Bernhard, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl., München 2015
Stüer, Bernhard, Der Bebauungsplan, 5. Aufl., München 2015.

2. Kommentare
a) BauGB
Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Löhr, Rolf-Peter, fortgeführt von Battis, Ulrich/Mitschang,
Stephan/Reidt, Olaf, Baugesetzbuch, 13. Aufl., München 2016
Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, hrsg. von Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, 3. Aufl.,
Köln (Loseblatt)
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, München (Loseblatt)
Jäde, Henning/Dirnberger, Franz, Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung, Kommentar,
9. Aufl., Stuttgart 2018
Jarass, Hans D./Kment, Martin, Baugesetzbuch, 2. Aufl. München 2017
Kohlhammer-Kommentar zum Baugesetzbuch, Mitbegr. von Hermann Brügelmann, Stuttgart
(Loseblatt)
Kröninger, Holger/Aschke, Manfred/Jeromin, Curt M., Baugesetzbuch mit Baunutzungsverord-
nung, Handkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2018
Schiwy, Peter (Hrsg.), Baugesetzbuch (BauGB), Sammlung d. gesamten Bau- u. Städtebauförde-
rungsrechts d. Bundes u. d. Länder, Starnberg-Percha (Loseblatt)
Schrödter, Wolfgang (Hrsg.), Baugesetzbuch – Kommentar, 9. Aufl., München 2018
Spannowsky, Willy/Uechtritz, Michael, Baugesetzbuch – Kommentar, 3. Aufl., München 2018.

b) BauNVO
Boeddinghaus, Gerhard/Grigoleit, Klaus Joachim, BauNVO – Handkommentar, 6. Aufl., Mün-
chen 2014
Bönker, Christian/Bischopink, Olaf, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 2. Aufl. Baden-Ba-
den 2018

XXII

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Standardliteratur

Fickert, Hans Carl/Fieseler, Herbert, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Aufl., Stuttgart


2014
König, Helmut/Roeser, Thomas/Stock, Jürgen, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 3. Aufl.,
München 2014
Rist, Hansjörg/Rist, Martin, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 3. Aufl., Stuttgart 2010
Stange, Gustav A., Baunutzungsverordnung, Kommentar, 3. Aufl., Wiesbaden 2015
Stock, Jürgen, BauNVO-Kommentierung in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB –
Band 6 (Loseblatt)
Ziegler, Jürgen, BauNVO-Kommentierung in: Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, mitbegr.
von Hermann Brügelmann, Band 6 (Loseblatt).

3. Entscheidungssammlungen
Baurechtssammlung (BRS), Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der Oberverwal-
tungsgerichte der Länder und anderer Gerichte zum Bau- u. Bodenrecht, hrsg. von Thiel/
Gelzer, Düsseldorf 1950 ff.
BoBauE, Entscheidungssammlung Boden- u. Baurecht, Neuwied 1983 ff. (Loseblatt)
Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
Köln 1957 ff. (Loseblatt)
BVerwGE – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Köln
Hoppe, Werner/Stüer, Bernhard, Die Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht, Stuttgart 1995.

4. Fachzeitschriften
Baurecht (BauR), erscheint monatlich im Werner Verlag, Postfach 105354, 40044 Düsseldorf
Bundesbaublatt (BBl.), erscheint monatlich im Bauverlag, 65173 Wiesbaden
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.), erscheint zweimal monatlich im Heymanns Verlag, 50939
Köln
Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG), erscheint sechsmal jährlich im Werner Verlag,
Postfach 105345, 40044 Düsseldorf
Landes- und Kommunalverwaltung (LKV), erscheint monatlich im Nomos-Verlag, Waldsee-
straße 3–5, 76530 Baden-Baden
Natur und Recht (NuR), erscheint zwölfmal jährlich im Springer-Verlag, Abraham-Lincoln-
Str. 46, 65189 Wiesbaden
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), erscheint monatlich im Beck-Verlag, 80801
München
Die öffentliche Verwaltung (DÖV), erscheint zweimal monatlich im Verlag W. Kohlhammer,
Heßbrühlstr. 69, 70565 Stuttgart
Umwelt- und Planungsrecht (UPR), erscheint monatlich in Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm
GmbH, Hutschiner Str. 8, 81677 München
Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR), erscheint achtmal
jährlich im Verlag Vahlen München = Beck-Verlag, Wilhelmstr. 9, 80801 München
Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR), erscheint sechsmal jährlich im Nomos-Verlag, Waldsee-
straße 3–5, 76530 Baden-Baden.

XXIII

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht
I. Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?
Es entspricht einer gern geübten Gewohnheit, den Beginn eines wissenschaftlichen
Textes mit einem Zitat in lateinischer Sprache zu schmücken. Für ein juristisches Buch
kann man dazu auf eine große Auswahl zurückgreifen; denn die Traditionen der
Rechtswissenschaft reichen bis weit in das Römische Recht zurück. Zwei lateinische
Sätze sollen zitiert werden, um den Sinn, aber auch die Beschränkungen einer Rechts-
ordnung deutlich werden zu lassen.
Der erste Satz lautet: „Autoritas, non veritas facit legem“1 (Durchsetzungskraft, nicht
Wahrheit macht das Gesetz aus). Der zweite Satz heißt: „Securitas, non iustitia facit
pacem“2 (Sicherheit, nicht Gerechtigkeit schafft den Frieden).
Das sind zwei provozierende Sätze. Soll es für eine Rechtsordnung wirklich nicht auf
„veritas“, also auf Wahrheit, und nicht auf „iustitia“, also Gerechtigkeit, ankommen,
sondern nur auf „autoritas“, also Durchsetzungskraft, und „securitas“, also Sicher-
heit? In dieser Umkehrung darf man die Sätze nicht lesen. Denn eine lügnerische und
ungerechte Rechtsordnung schafft weder Sicherheit noch Frieden. Was hier gemeint
ist, ist etwas anderes:
Es genügt nicht für eine Rechtsordnung, wohltuende Programmsätze aufzustellen und
milde Gutmütigkeit zu verkünden. Von einer Rechtsordnung kann man vielmehr erst
dann reden, wenn bestimmte Regeln mit Durchsetzungskraft, mit Autorität versehen
sind und wenn diese Regeln auch gegenüber Anfechtungen derart verteidigt werden,
dass die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft vor Unrecht von außen und vor Willkür
von innen verschont bleiben und somit „Sicherheit“ genießen. Von einer Rechtsord-
nung kann also erst dann gesprochen werden, wenn ihre Regeln hoheitlich durchge-
setzt werden. Diese Ordnung darf nicht ungerecht und unsozial sein, wenn sie auf
Dauer Bestand haben soll. Ob ein Gesetz, eine Rechtsregel jedoch inhaltlich „wahr“,
ob sie „gerecht“ ist, das lässt sich in vielen Fällen nicht eindeutig beantworten. Die
Geltungskraft einer Regel darf man von diesem Befund nicht prinzipiell abhängig ma-
chen. Man sollte die Bedingung vielmehr umgekehrt formulieren: Wenn eine Norm
nicht eindeutig lügnerisch, wenn sie nicht eindeutig ungerecht ist, dann ist ihrer Gel-
tung der Vorzug gegenüber der regellosen Unordnung zu geben. Denn ohne eine funk-
tionierende Rechtsordnung kann eines der höchsten Güter der Gemeinschaft, der in-
nere Frieden, nicht aufrechterhalten werden. Ohne Rechtsordnung gilt das Faustrecht,
der Schwache muss sich dem Starken beugen. Die Ungerechtigkeit und Rechtlosigkeit,
die unter dem Faustrecht herrschen, sind umso vieles schlechter als eine auch nur
mäßige Rechtsordnung, dass es sich lohnt, sich auch dann auf die Seite des Gesetzes
zu stellen, wenn man selbst als Gesetzgeber anders gehandelt hätte.
Aus dem Gesagten lässt sich eine erste Definition der modernen Rechtsordnung ablei-
ten: Rechtsordnung, das ist der Inbegriff der hoheitlich durchzusetzenden, mindestens
gerichtlich feststellbaren Regeln für alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens
mit dem erkennbaren Ziel, eine gerechte soziale Ordnung herzustellen und zu erhalten.
Ob diese Definition für alle Zeiten gilt und gegolten hat, ob und welche anderen
Definitionen möglich sind, soll hier nicht erörtert werden, bis auf den Hinweis, dass
andere Meinungen dazu möglich sind und auch vertreten werden.3

1 Der Satz wird Thomas Hobbes, Autor des „Leviathan“ (1651), zugeschrieben; vgl. Thomas Hobbes, Levia-
than, 2. lateinische Fassung 1668, Kap. 26, etwa Mitte, in deutscher Fassung hrsg. von Iring Fetscher,
Neuwied 1966, S. 110 ff. und S. 203 ff.
2 Weitere lateinische Rechtsregeln in: Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, zusammengestellt,
übersetzt und erläutert von Detlef Liebs, München 1982.
3 Näheres und anderes z. B. bei Uwe Wesel, Juristische Weltkunde, Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl.,
Frankfurt am Main 2004, S. 35 ff.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

In der obigen Definition ist davon die Rede, dass manche Rechtsregeln doch nicht
hoheitlich durchsetzbar, aber wenigstens gerichtlich feststellbar sein müssen. Was ist
damit gemeint?
Die Rechtsregeln sind nicht die einzigen Regeln, die in einer Gesellschaft Geltung
beanspruchen. Neben den Rechtsregeln gibt es moralische Regeln, es gibt den „An-
stand“ und die „guten Sitten“ (man spuckt nicht auf den Bürgersteig, auch wenn es
nicht verboten ist); auch die Mode und die wechselnden Umgangsformen können bei-
nahe zwingende Regeln auferlegen.
Auch diese Regeln dienen dem menschlichen Zusammenleben, sie werden aber nicht
hoheitlich durchgesetzt. Das liegt teilweise daran, dass sie von minderer Bedeutung
sind (wie z. B. die Mode), teilweise aber auch daran, dass man ihre Einhaltung nicht
mit den Mitteln des äußeren Zwanges durchsetzen kann. Dies gilt zum Beispiel für
hohe moralische Forderungen. Moralische Forderungen richten sich an das innere
Verhalten des Menschen, an sein inneres Selbst. Moralisch handelt nicht schon der,
der äußerlich Gutes tut und Schlechtes vermeidet, sondern nur der, der das Gute um
des Guten willen tut und das Schlechte nicht, weil er es innerlich verabscheut. Ein
solches Verhalten kann man nicht erzwingen.
Nicht oder kaum erzwingen kann man auch höchstpersönliche Verhaltensweisen von
einiger Dauer, die eigentlich die ständige aktive Mitwirkungsbereitschaft des Betroffe-
nen voraussetzen. Wer solches durchsetzen will, muss sehr direkt auf die Person ein-
wirken, er muss in Konfliktfällen ihren Willen mit physischer Gewalt brechen. Das ist
immer schwierig und oft schmerzhaft. Wenn es nicht dringend geboten ist, sollte der
Rechtsstaat sich nicht mit Brachialgewalt durchsetzen. In Übereinstimmung mit die-
sem Grundsatz sind einige Rechtsnormen, durch die jemand auf Dauer zu einem nur
von ihm persönlich erreichbaren Erfolg verpflichtet wird, nur gerichtlich feststellbar,
aber nicht hoheitlich durchsetzbar. Die wichtigsten dieser Rechtsregeln sind
– die Verpflichtung zu einer bestimmten Arbeit durch einen Arbeitsvertrag und
– die Pflichten aus einer Ehe.
Auch wenn man sich in einem Arbeitsvertrag dazu verpflichtet hat, einem bestimmten
Unternehmer oder einem bestimmten Betrieb Dienste zu leisten, kann man dazu vom
Gerichtsvollzieher nicht gezwungen werden. Das Gericht kann zwar feststellen, dass
man zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, aber man wird nicht zur Zwangsarbeit vorge-
führt werden. Allenfalls muss man Schadenersatz leisten, wenn man seinen arbeitsver-
traglichen Pflichten nicht wie versprochen nachkommt.
Auch die Pflicht zur „Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ kann vom Ge-
richt nur festgestellt, aber nicht durchgesetzt werden. Ein Eingriff des Staates in diesen
Bereich hätte so starken Zwangscharakter, dass er wohl von niemandem akzeptiert
würde.
Dieses sind jedoch Ausnahmefälle. Im Grundsatz und im Regelfall gilt: Eine Rechts-
ordnung muss hoheitlich durchgesetzt werden. Dies ist gleichsam die Bedingung und
die Gegenleistung dafür, dass die Bürger untereinander darauf verpflichtet werden,
außerhalb von Notwehr und Nothilfe auf jegliche Gewaltanwendung zu verzichten.
Im Rechtsstaat hat der Staat das Gewaltmonopol inne: Allein die staatlichen Organe
dürfen physische Gewalt anwenden. Erst durch diesen Grundsatz werden die archai-
sche Blutrache im Strafrecht und die brachiale Selbsthilfe im Zivilrecht verhindert.
Wenn Selbsthilfe in Form von „Bürgerwehren“ wieder auftaucht, so ist dies ein Anzei-
chen dafür, dass staatliche Ordnungsgewalt nicht hinreichend präsent ist.
Wenn der Staat durch seine Gesetze etwas verlangt, dann muss er auch dafür sorgen,
dass man sich danach richtet. Häufige und hilflose Duldung von Unrecht im Kleinen
zieht Ungehorsam und Unrecht im Großen nach sich. Aus diesem Grund liegt eine
ernste Gefährdung des Rechtsstaates darin, wenn sich die Rechtsordnung außerstande
zeigt, dem Beschmieren von Wänden und Gegenständen im öffentlichen Raum, dem
Zerkratzen der Scheiben in Bussen und Bahnen wirksam entgegenzutreten. Das Straf-

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Der Aufbau der Rechtsordnung II.

recht mit seinen Paragraphen über die Sachbeschädigung nützt hier offensichtlich gar
nichts. Der Gesetzgeber muss sich zur Abwehr etwas anderes – etwas jugenderzie-
hungsgerechtes – einfallen lassen.
Die auf dem Abschluss von Verträgen fußende Privatrechtsordnung muss dadurch
effektiv gemacht werden, dass der Staat Gerichte und Gerichtsvollzieher bereitstellt,
die es den Vertragspartnern erlauben, ihre vertraglich formulierten Rechte einzuklagen
und auch zeitnah entschieden zu bekommen. Prozesse dürfen bis zur rechtskräftigen
Entscheidung nicht lange dauern – sonst verzweifeln die Bürger an ihrem guten Recht.
Und nicht zuletzt: Wenn der Staat sich selbst eine rechtliche Ordnung, eine Verfassung
gibt, dann muss er sie auch selbst einhalten. Ein Rechtsstaat muss sich an seine eigenen
Regeln halten, muss sie auch gegenüber sich selbst durchsetzen.
Für das Bau- und Planungsrecht gilt also ebenfalls: Es handelt sich um hoheitlich
durchzusetzende Regeln mit dem Ziel, Ordnung herzustellen und zu erhalten. Diese
Regeln gelten nicht nur für den Bürger, sondern auch und gerade für den Staat selbst,
für die öffentliche Verwaltung.
Literatur:
Die Grundfrage: Wozu dient die Rechtsordnung?
Braun, Johann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 4. Aufl., Tübingen 2011;
Braun, Johann, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Tübingen 2011;
Engisch, Karl (Hrsg.), bearbeitet von Würtenberger, Thomas, Einführung in das juristische Den-
ken, 11. Aufl. 2010;
Hoerster, Norbert, Was ist Recht?, 2. Aufl. München 2013;
Radbruch, Gustav, Einführung in die Rechtswissenschaft, Studienausgabe von Ralf Dreier, Mün-
chen 2011;
Wesel, Uwe, Geschichte des Rechts in Europa: Von den Griechen bis zum Vertrag von Lissabon,
München 2010;
Wesel, Uwe, Juristische Weltkunde, Eine Einführung in das Recht, 8. Aufl., Frankfurt am Main
2004.

II. Der Aufbau der Rechtsordnung


1. Die Rechtsquellen
Wenn Regeln eingehalten werden sollen, dann müssen sie bekannt sein. Man muss die
Rechtsregeln also finden, sich von ihrer Existenz vergewissern können. Im modernen
Gesetzesstaat ist es üblich, dass man die Rechtsregeln in einem Gesetzblatt nachlesen
kann. Es handelt sich dann um geschriebenes, um positives Recht. Daran ändert sich
auch dadurch nichts, dass manche Landesgesetzgeber (z. B. das Saarland) bereits dazu
übergegangen sind, Gesetze im Volltext nur noch im Internet zu verkünden. In einer
gedruckten Zeitung erscheint dann nur noch eine Hinweisbekanntmachung.
Die öffentliche Bekanntmachung eines schriftlich abgefassten Texts war nicht immer
Voraussetzung für die Inkraftsetzung einer Regel. Eine Rechtsordnung gab es schon
lange vor der Erfindung der Buchdruckerkunst. Das Römische Recht war zwar auch
schon vor der Erfindung des Buchdrucks aufgeschrieben, nämlich im Corpus iuris
Justiniani, einer mit Gesetzeskraft ausgestatteten Sammlung des römischen Rechts, die
Kaiser Justinian 528 bis 534 zusammenstellen ließ (und aus der oben ein Satz zitiert
wurde). Sowohl das römische als auch das germanische Recht beruhte jedoch nicht
auf der Schriftlichkeit, sondern auf Überlieferung. Es handelte sich um „Gewohnheits-
recht“. Gewohnheitsrecht entsteht nicht dadurch, dass es aufgeschrieben wird, son-
dern dadurch, dass jedermann von der Geltung einer bestimmten Regel als wirksam
und angemessen überzeugt ist und dass diese Regel seit langer Zeit fortdauernd ange-
wendet wird. Gewohnheitsrecht kann auf die Formel gebracht werden: Das, was bis-
her immer geschehen ist, soll auch künftig geschehen; das, was alle tun, soll auch der

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Einzelne tun. Im modernen kontinentaleuropäischen Rechtsleben gibt es dafür nur


noch wenige Beispiele; das Gewohnheitsrecht wird hier als allzu archaisch, allzu unsys-
tematisch empfunden. Nur der angelsächsische Rechtskreis lässt mit seinem „case-
law“ noch starke Anklänge an gewohnheitsrechtliche Ursprünge erkennen. „Case-
law“ bedeutet, dass Rechtsstreitigkeiten und Strafrechtsfälle nicht nach aufgeschriebe-
nen abstrakten Normen, sondern (möglichst) anhand vergleichbarer konkreter Fälle
(„cases“), die vorher schon einmal von den Gerichten entschieden worden sind, beur-
teilt werden. Anwälte und Richter im „case-law“ müssen sich also bemühen, den
richtigen vergleichbaren Fall, den „Präzedenzfall“, zu finden. Das Gesetz hat nach der
englischen Rechtsauffassung nur den Zweck, den an einzelnen Punkten etwa hervor-
tretenden Mißständen des case-law abzuhelfen; der Strom aber, der auf seiner Oberflä-
che diese einzelnen Stücke von Gesetzesrecht („statute law“) trägt, ist Gewohnheits-
recht in der Form des Gerichtsgebrauchs geblieben, niedergelegt in den mehreren
tausend Bänden der Entscheidungssammlungen („law reports“).4 Auch in der Bundes-
republik Deutschland gibt es zwar die sogenannte „höchstrichterliche Rechtspre-
chung“ und eine daraus folgende Bindung der Rechtspraxis. Aber die Rechtsprechung
beruft sich doch in aller Regel auf geschriebenes Recht und wendet dieses Recht, nicht
Gewohnheitsrecht an. Gewohnheitsrecht gilt hier nur noch selten.
Vergleichsweise häufig gibt es in der Bundesrepublik nur noch örtliches Gewohnheits-
recht („Observanz“ genannt), bezogen auf die Öffentlichkeit örtlicher Wege und auf
die Frage, wer die Kosten für die Unterhaltung solcher Wege zu tragen hat. Ein be-
stimmter Weg, eine Straße kann dadurch zur „öffentlichen Straße“ werden, dass jeder-
mann davon überzeugt ist, es handele sich hier um eine öffentliche Straße, und dass
auch alle Leute diese Straße vielfältig benutzen. Eine solche Straße, die nach allgemei-
ner Überzeugung seit jeher öffentlich ist und die auch von vielen Menschen in dieser
Weise benutzt wird, ist kraft Gewohnheitsrechts „öffentlich“, selbst wenn darüber
niemals ein verbindlicher Beschluss der zuständigen Dienststelle gefasst und protokol-
liert worden ist. Auch die Wegebau- und Unterhaltspflichten für solche Straßen oder
Wege können gewohnheitsrechtlich geregelt sein.5
Im Allgemeinen kann man sich jedoch in Kontinentaleuropa darauf verlassen, dass
sämtliche Rechtsregeln in einem gedruckten oder zumindest elektronisch bekanntge-
machten Gesetzblatt verkündet sind. In einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik
Deutschland gibt es dann nicht nur das Gesetzblatt des Bundes (also das Bundesgesetz-
blatt), sondern auch die Gesetz- und Verordnungsblätter der sechzehn Bundesländer,
in denen die Gesetze veröffentlicht werden. Da auch die Selbstverwaltungskörper-
schaften, insbesondere die Städte, Gemeinden und Kreise, mit gesetzgeberischer Ge-
walt (Satzungsgewalt) versehen sind, muss man zusätzlich die Bekanntmachungen
(Amtsblätter) der Selbstverwaltungskörperschaften lesen, wenn man über alle nationa-
len Vorschriften informiert sein will. Seit dem Abschluss der Römischen Verträge von
1957 über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften – die sich in-
zwischen zur Europäischen Union fortentwickelt haben – muss man in zunehmendem
Umfang auch mit der Geltung europarechtlicher Vorschriften rechnen; diese werden
im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, und zwar mehrsprachig. Es han-
delt sich entweder um Verordnungen, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelten,

4 Das Bild vom Strom des Gewohnheitsrechts stammt von Gustav Radbruch, Einführung in die Rechtswis-
senschaft, 13. Aufl. (bearb. von Konrad Zweigert), Stuttgart 1980, S. 174.
5 Vgl. BVerwG, U. v. 10.1.1957 – I C 82.56 –, DÖV 1957, 153 (zur gewohnheitsrechtlichen Wegebau- und
Unterhaltspflicht); zum Fall einer Verneinung von Bundesgewohnheitsrecht vgl. BVerfG, B. v. 14.2.1973 –
2 BvR 667/72 –, BVerfGE 34, 293 (303): Es gibt kein Bundesgewohnheitsrecht, das es den Strafgerichten
gestattet, solchen Anwälten die Verteidigungsbefugnis zu entziehen, die im Verdacht stehen, an der dem
Beschuldigten zur Last gelegten Tat beteiligt gewesen zu sein (Fall Gudrun Ensslin – Verteidiger Otto
Schily).

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Der Aufbau der Rechtsordnung II.

oder um Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten durch nationale Gesetzgebung umge-
setzt werden müssen.
Wenn man das Bundesgesetzblatt und die Gesetz- und Verordnungsblätter der Länder
durchsieht, wird man darin zwei verschiedene Arten von Rechtsvorschriften finden,
nämlich „Gesetze“ und „Rechtsverordnungen“. Der Zahl nach überwiegen dabei die
Rechtsverordnungen. Der Unterschied zwischen „Gesetzen“ und „Rechtsverordnun-
gen“ besteht darin, dass die „Gesetze“ vor ihrer Verkündung von einem Parlament
(also vom Bundestag oder von einem Landtag) beschlossen, die Rechtsverordnungen
aber nicht vom Parlament, sondern „nur“ von der Regierung, einem Ministerium oder
einer sonstigen Verwaltungsinstanz formuliert und beschlossen werden. Welcher Sinn
steckt hinter dieser Zweiteilung?
Grundsätzlich müssen Rechtsnormen von einem Parlament beschlossen werden; denn
der Staatsbürger hat Anspruch darauf, dass die Regeln, denen er sich unterwerfen soll,
von der Volksvertretung diskutiert und nur dann in Kraft gesetzt werden, wenn sich
dafür im Parlament eine Mehrheit gefunden hat. Dies geschieht auch mit allen Vor-
schriften, die den formellen Titel „Gesetz“ tragen; man nennt diese Vorschriften daher
„formelle Gesetze“ oder besser noch „Parlamentsgesetze“. Einige wenige formelle Ge-
setze tragen nicht diesen Titel, sondern sie werden als „Ordnung“ bezeichnet, wie
z. B. die Zivilprozessordnung und andere Prozessordnungen, die Abgabeordnung, die
Gemeindeordnungen. Diese „Ordnungen“ sind häufig Verfahrensgesetze; im Übrigen
besteht jedoch kein Unterschied zu den formellen Gesetzen.
Der Grundsatz, dass Gesetze vom Parlament gebilligt werden sollten, kann jedoch
nicht in allen Fällen durchgehalten werden. Der moderne Rechts- und Gesetzesstaat
ist auf eine solche Vielzahl von Regelungen angewiesen, dass die Parlamente in Bund
und Ländern völlig überfordert wären, wenn sie sich mit jeder Einzelheit selbst befas-
sen müssten. Das ist auch nicht erforderlich. Der Bundestag muss zum Beispiel nicht
darüber beschließen, ob ein Stoppschild sechseckig oder achteckig zu sein hat, wie ein
Rückstrahler an einem Fahrrad aussehen muss, ob in einem Dorf eine Tankstelle zuläs-
sig sein soll oder nicht. Solche Dinge kann man der Verwaltung überlassen.
Unter diesem Gesichtspunkt der Arbeitsvereinfachung und Entlastung ist es dem parla-
mentarischen Gesetzgeber durch Art. 80 GG erlaubt worden, die Einzelheiten einer
Regelung der ausführenden Verwaltung zu überlassen. Der Gesetzgeber muss dann in
seinem formellen Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß dessen, was er der Verwaltung
überlassen will, genau beschreiben. Aufgrund einer solchen „Ermächtigung“ darf die
Verwaltung die generalisierende Regelung des Gesetzes „weiterdenken“, sie darf dazu
eine Rechtsverordnung erlassen. Rechtsverordnungen sind genauso verbindlich wie
formelle Gesetze, sie sind daher „Gesetze im materiellen Sinn“. Da sie nicht vom
Parlament erlassen werden, ist allerdings verständlich, dass alle schwerwiegenden Ein-
griffe in die Rechte des Bürgers unter „Parlamentsvorbehalt“ stehen: Sie dürfen nicht
durch eine Rechtsverordnung angeordnet werden, sondern nur durch formelles Gesetz.
Dies gilt z. B. gemäß Art. 104 Abs. 1 GG für Beschränkungen der persönlichen Frei-
heit. Ganz allgemein folgt aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundge-
setzes, dass „wesentliche Entscheidungen“, insbesondere im „grundrechtsrelevanten
Bereich“, vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sind6 und nicht der Verwal-
tung überlassen werden dürfen.
Rechtsverordnungen dienen also dazu, vorhandene gesetzliche Regelungen auszu-
bauen, sie mit Einzelheiten zu versehen. Im Bereich des Bau- und Planungsrechtes ist
die wichtigste Rechtsverordnung die Baunutzungsverordnung (BauNVO), die auf der
Grundlage einer Ermächtigung im Baugesetzbuch (BauGB) ergangen ist. In der Bau-
nutzungsverordnung hat das Bundesbauministerium im Einzelnen beschrieben, welche

6 Sog. „Wesentlichkeitstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts, B. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/


75 –, BVerfGE 47, 46 (78).

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Festsetzungen in einem Bebauungsplan über die Art und das Maß der baulichen Nut-
zung sowie über die Bauweise getroffen werden können. Dass solche Festsetzungen
prinzipiell möglich sind, steht allgemein formuliert im § 9 Abs. 1 des Baugesetzbuchs.
Nur die Einzelheiten sind durch die Ermächtigung in § 9a BauGB dem Verordnungsge-
ber überlassen worden.7
Manchmal werden Verordnungen vom höherrangigen Gesetzgeber durch Parlaments-
gesetz geändert (so geschehen mit der Baunutzungsverordnung durch die BauGB-No-
velle 2013 zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden). Die
geänderte Vorschrift besitzt dann eigentlich Gesetzesrang. Sie könnte vom Verord-
nungsgeber nicht mehr geändert werden. Um dadurch entstehende Komplikationen zu
vermeiden, gibt es dann im Parlamentsgesetz eine „Entsteinerungsklausel“.8 Damit
wird angeordnet, dass die durch Gesetz in einer Verordnung geänderte Vorschrift wei-
terhin nur noch den Rang von Verordnungsrecht genießen soll. Damit kann sie später
vom Verordnungsgeber geändert werden.
Wie bereits erwähnt, gibt es neben den Parlamentsgesetzen und den Rechtsverordnun-
gen als dritte Kategorie von Normen noch die „Satzungen“. Im Bau- und Planungs-
recht interessieren am meisten die von den Gemeinden als Satzung erlassenen Bebau-
ungspläne. Was ist das für eine Rechtsform? Die Gemeinden haben wie Bund und
Länder eine Volksvertretung, ein Parlament. Auch dieses Parlament darf „Gesetze“
erlassen, sie heißen dann allerdings Satzungen. Weil die Gemeinden im Staatsaufbau
erst die dritte Stufe (nach dem Bund und nach den Ländern) einnehmen, sind sie bei
der Gestaltung ihrer Gesetze wesentlich mehr Einschränkungen unterworfen als die
Länder und der Bund. Sie müssen sich an einen „Rahmen der Gesetze“ halten, der
ihnen vom Bund und von den Ländern vorgegeben ist. Innerhalb dieses Rahmens
besitzen sie jedoch „Satzungsautonomie“, sie dürfen insoweit die örtlichen Angelegen-
heiten selbst und in eigener Verantwortung regeln. Diese Satzungsautonomie ist ein
wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung: Sie setzt die Gemeinden
(und Kreise) in die Lage, auf die örtlichen Verhältnisse gezielt einzugehen, in ihren
Plänen genau das festzusetzen, was den örtlichen Verhältnissen angemessen ist.
Im Bild 1 sind die Rechtsquellen noch einmal zusammengefasst: Es gibt gesetztes (posi-
tives) Recht, das im Gesetzblatt verkündet ist, und „Gewohnheitsrecht“, das aufgrund
allgemeiner Überzeugung und fortdauernder Übung gilt. Im deutschen Rechtskreis
besteht der Großteil des Rechts aus gesetztem Recht.
Innerhalb des gesetzten Rechts gibt es drei Arten: die formellen Gesetze, die Rechtsver-
ordnungen und die (kommunalen) Satzungen. Die formellen Gesetze werden vom zu-
ständigen Parlament in einem vorgeschriebenen Verfahren verabschiedet und verkün-
det. Die Rechtsverordnungen werden von der Exekutive aufgrund parlamentarischer
Ermächtigung erlassen. Die Satzungen werden von den kommunalen Selbstverwal-
tungskörperschaften aufgrund ihrer Befugnis, die Angelegenheiten der örtlichen Ge-
meinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, erlassen.
Eher eine philosophische Frage als eine Frage von praktischer Bedeutung ist die Erwä-
gung, ob es über dem vom Gesetzgeber ausformulierten, dem im Gesetzblatt verkünde-
ten Recht noch ein so genanntes „überpositives“ Recht gibt. Nach Art. 20 Abs. 3 GG
sind die Staatsorgane der Bundesrepublik an „Gesetz und Recht“ gebunden. Damit
erkennt das GG an, dass überpositives Recht über dem geschriebenen Gesetz stehen
kann. Unter überpositivem Recht versteht man solche Regeln, die auch dann gelten,
wenn sie nicht aufgeschrieben sind, kein Gewohnheitsrecht sind, deren Brisanz aber

7 Zu den Grenzen der Verordnungsermächtigung in § 9a BauGB (bis zum 20.7.2004 § 2 Abs. 5 BauGB) vgl.
BVerwG, U. v. 27.2.1992 – 4 C 43.87 –, BVerwGE 90, 57: § 25c Abs. 2 BauNVO 1990 ist nichtig, weil
das BauGB nicht zum Erlass von Vorschriften ermächtigt, die unmittelbar in rechtsverbindliche B-Pläne
eingreifen.
8 Beispielfall: BVerwG, U. v. 16.1.2003 – 4 CN 8.01 –, ZfBR 2003, 476.

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Der Aufbau der Rechtsordnung II.

darin besteht, dass sie sich sogar gegenüber dem geschriebenen Recht durchsetzen,
wenn dieses anderslautend ist. Die Frage nach dem überpositiven Recht – auch „Na-
turrecht“ genannt – erhebt sich immer dann, wenn die Geltung des gesetzten Rechts
bestritten wird. In der Bundesrepublik Deutschland kommt es nur selten zu solchen
Konfliktsituationen. Denn ein großer Teil dessen, was früher als Gegenstand des über-
positiven Rechts betrachtet wurde, ist heute im Grundgesetz, zum Teil auch in völker-
rechtlichen Verträgen und Konventionen – wie z. B. der Menschenrechtskonvention –
festgehalten. Dies betrifft insbesondere die allgemeinen Menschen- und Freiheits-
rechte; zu ihrer Durchsetzung bedarf es heute nicht mehr der Berufung auf das Natur-
recht, auf das überpositive Recht. Im Zusammenhang mit dem überpositiven Recht
wird häufig auch das „Widerstandsrecht“ zitiert. Auch das Widerstandsrecht ist je-
doch unter dem Grundgesetz kein überpositives Recht mehr. Denn gemäß Art. 20
Abs. 4 GG darf jedermann gegen den, der es unternimmt, die gerechte verfassungsmä-
ßige Ordnung zu beseitigen, Widerstand leisten. Was unter dem Nationalsozialismus
noch formell illegal war, nämlich der Widerstand gegen die Staatsgewalt, das wäre
in der Bundesrepublik materiell legal, wenn die Herrschenden selbst unrechtmäßige
Herrschaft ausüben würden. Ein solcher Staatsstreich von oben ist jedoch in der Bun-
desrepublik bisher nicht versucht worden, auch in Zukunft ist er wenig wahrschein-
lich.
Bild 1: Die Rechtsquellen

Gesetztes (positives) Recht Gewohnheitsrecht


im Gesetzblatz verkündet
allgemeine Überzeugung
Formelle Gesetze langdauernde Anwendung
vom zuständigen Parlament im
vorgeschriebenen Verfahren
verabschiedet und verkündet

Rechtsverordnungen
von der Exekutive aufgrund
parlamentarischer Ermächtigung
erlassen

Satzungen „Überpositives Recht“


von Selbstverwaltungskörper-
schaften aufgrund eingeschränkter
Rechtsetzungsmacht erlassen

2. Die Vorschriftenhierarchie im öffentlichen Recht


a) Vom Grundgesetz zur Verwaltungsvorschrift. Wenn man die Rechtsnormen nach
ihrer Qualität und nach ihrer Herkunft unterteilt, ergibt sich eine Hierarchie: Die
Parlamentsgesetze stehen über den Rechtsverordnungen (RVO), die Bundesgesetze
über den Landesgesetzen, das Europarecht über dem nationalen Recht. Das vom Ge-
setzgeber der höheren Ebene kommende Recht steht nicht nur bildlich über den Nor-
men, die von der politisch nachfolgenden Ebene erlassen worden sind, sondern es
verdrängt dieses Recht auch tatsächlich. „Bundesrecht bricht Landesrecht“, so drückt
es Art. 31 GG lapidar aus. So betrachtet kann man (wie im Bild 2 geschehen) eine
regelrechte Vorschriftenpyramide aufbauen, deren Gipfel das Grundgesetz und die
Grundrechte bilden. An ihnen (und am grundgesetzlich erlaubten Europarecht) müs-

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

sen sich alle anderen Vorschriften messen lassen. Direkt unter dem Grundgesetz sind
das Europarecht und die Bundesgesetze einzuordnen, wobei rechtmäßiges Europarecht
höher steht als deutsches Bundesrecht. Zum Bundesrecht gehören auch die Rechtsver-
ordnungen, die aufgrund von Bundesgesetzen ergangen sind. Auch sie gehören zum
Bundesrecht, welches Landesrecht bricht. Unterhalb des Bundesrechts rangieren die
Landesgesetze (einschließlich der Rechtsverordnungen kraft Landesrechts) aus den
sechzehn deutschen Bundesländern. In den Rahmen des Bundes- und Landesrechts
müssen sich wiederum die Satzungen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaf-
ten einfügen.

Bild 2: Die Vorschriftenpyramide


Verfassungsrecht bricht einfaches Recht
– Art. 100 GG
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts
GG sind Bestandteile des Bundesrechts. Sie ge-
hen den Gesetzen vor (aber nicht dem Grund-
gesetz) – Art. 25 GG
Formelle
Gesetze Die Vorschriften der Europäischen Union
binden die Gesetzgeber in Bund und Ländern
– aber nur in den Grenzen des Art. 23 GG
Satzungen Formelle Gesetze herrschen über Rechts-
Rechtsverordnungen verordnungen – Art. 80 GG
(AusfVO – DurchführungsVO)
Satzungen stehen auf der gleichen Ebene wie
Rechtsverordnungen
Verwaltungsvorschriften Verwaltungsvorschriften werden nach
ohne Normqualität außen nur über den Gleichheitssatz verbind-
lich – Art. 3 GG

Die Satzungsautonomie ist den Selbstverwaltungskörperschaften durch das Grundge-


setz (im Art. 28 Abs. 2) garantiert; auch die Landesverfassungen enthalten eine Garan-
tie der kommunalen Selbstverwaltung. Einer weitergehenden Ermächtigung für den
Erlass von Satzungen bedarf es nicht, die Satzungshoheit gehört zum Wesen der Selbst-
verwaltung. Man muss allerdings darüber hinaus beachten, dass die Kommunen nicht
nur Selbstverwaltungskörperschaften sind, sondern zugleich untere Verwaltungsbehör-
den ihres Bundeslandes, die übergeordnete Gesetze des Landes und des Bundes gleich-
sam im Auftrag des Staates auszuführen haben. Bei der Erfüllung solcher Aufträge
kann es vorkommen, dass die Kommunen durch das auftragsumschreibende Landesge-
setz dazu ermächtigt sind, Rechtsverordnungen zu erlassen. Hauptbeispiele für solche
Rechtsverordnungen sind Polizeiverordnungen nach den Ordnungsgesetzen der Bun-
desländer und örtliche Bauvorschriften nach der Landesbauordnung. Diese Vorschrif-
ten werden von den Kommunen zwar nach dem gleichen Verfahren verabschiedet wie
eine Satzung; sie bedürfen jedoch der besonderen Ermächtigung, weil sie nicht zum
eigentlichen Selbstverwaltungsbereich gehören.
Wenn von Vorschriftenhierarchie die Rede ist, soll noch einmal daran erinnert werden,
dass Rechtsverordnungen in der Hierarchie immer speziell unterhalb des Parlaments-
gesetzes stehen, auf dessen Basis sie erlassen werden durften. Das versteht sich eigent-
lich von selbst: Rechtsverordnungen dienen dazu, den Regelungsinhalt eines Parla-
mentsgesetzes zu vervollständigen, weil der Gesetzgeber selbst nicht jede Einzelheit in
das formelle Gesetz hineinschreiben wollte. Aus dieser Tatsache folgt, dass Rechtsver-
ordnungen sich an die Vorgaben des darüberstehenden Parlamentsgesetzes halten müs-
sen; sie dürfen nicht mehr regeln, als in der Ermächtigungsgrundlage vorgesehen ist,
und sie müssen auch ausdrücklich die Ermächtigungsgrundlage in ihrem Text nennen

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Der Aufbau der Rechtsordnung II.

(in der Regel geschieht dies in einer Präambel – sog. Zitiergebot). Wird die Ermächti-
gung überschritten, ist die Rechtsverordnung insoweit nichtig.
Unterhalb der aus dem Grundgesetz, dem Bundes- und Landesrecht sowie den kom-
munalen Satzungen aufgebauten Normenpyramide gibt es schließlich noch die soge-
nannten Verwaltungsvorschriften. Diese Verwaltungsvorschriften werden als „Er-
lasse“, als „Richtlinien“ oder als „Rundschreiben“ von der Ministerialbürokratie des
Bundes oder der Länder verfasst und an die beteiligten Verwaltungsbehörden ge-
schickt. Es handelt sich dabei zwar nicht um Rechtsnormen, dennoch haben Verwal-
tungsvorschriften einen ganz erheblichen Einfluss.
Der Einfluss beruht darauf, dass die Verwaltung hierarchisch organisiert ist. Der Ins-
pektor muss dem Regierungsrat gehorchen, der Regierungsrat dem Oberregierungsrat
und alle Beamten und Angestellten einer Fachverwaltung dem zuständigen Staatssekre-
tär und dem Minister. In der Beamtenhierarchie besteht Befehlsgewalt der höheren
über die jeweils nachgeordneten Dienststellen, und diese Befehlsgewalt kann durch
Verwaltungsvorschriften in die Tat umgesetzt werden. So heißt es z. B. in § 35 des
Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern
(Beamtenstatusgesetz – BeamtStG): 1Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten
zu beraten und zu unterstützen. 2Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen
auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. 3Dies gilt nicht, soweit die
Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen
nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind. Wenn also ein hoher Beamter
einer Baugenehmigungsbehörde seine nachgeordneten Mitarbeiter anweist, keinerlei
Ausnahmegenehmigungen mehr für den Ausbau von Dachgeschossen zu erteilen, dann
wirkt dies gegenüber den betroffenen Bürgern genauso, als ob dies in einem Gesetz
stehen würde. Wirksam ist eine solche Anordnung natürlich nur dann, wenn keine
höherstehende Vorschrift etwas anderes sagt. Gibt es aber keine Vorschrift, in der
geregelt ist, unter welchen Umständen die Genehmigung für den Ausbau von Dachge-
schossen erteilt werden muss, dann kann eine Verwaltungsvorschrift der Erteilung von
solchen Genehmigungen einen Riegel vorschieben.
An dem Beispiel wird deutlich, dass Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger
wie Gesetze wirken können, und zwar sowohl mit negativem als auch mit positivem
Effekt. Der mögliche positive Effekt beruht auf dem Gleichheitssatz des Grundgeset-
zes. Wenn eine Verwaltung sich selbst Regeln gesetzt hat (und dies geschieht durch
Verwaltungsvorschriften), dann darf sie nicht mehr willkürlich von einer solchen Re-
gelung abweichen. Wenn also (in Umkehrung des obigen Beispiels) durch eine Verwal-
tungsvorschrift geregelt wird, unter welchen Bedingungen die Genehmigung zum Aus-
bau von Dachgeschossen in der Regel erteilt werden soll, dann kann die Verwaltung
nicht mehr willkürlich im Einzelfall eine Genehmigung versagen, wenn die vorformu-
lierten Bedingungen eingehalten sind. Denn niemand darf willkürlich ungleich behan-
delt werden, dies ist vom Grundgesetz garantiert.
b) Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat. Innerhalb der Vor-
schriftenhierarchie soll noch ein näherer Blick auf die (gerade im Bau- und Planungs-
recht wichtigen) Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Gemeinden für die
Normsetzung geworfen werden.
Die Grundregel über die Gesetzgebungskompetenzen in der Bundesrepublik Deutsch-
land steht im Art. 70 GG. Dort heißt es, dass die Länder das Recht zur Gesetzgebung
haben, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die
Motive für diese Regelung zugunsten der Länder können am besten durch einen Blick
auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes verdeutlicht werden.
Das Grundgesetz wurde wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gleich-
sam unter der Oberaufsicht der drei westlichen Siegermächte von deutschen Beauftrag-
ten (vom parlamentarischen Rat) entworfen. Die drei westlichen Siegermächte wollten

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

unter allen Umständen verhindern, dass sich auf deutschem Boden erneut ein zentralis-
tisch organisierter Einheitsstaat etablierte. Daher machten sie den „Vätern des Grund-
gesetzes“ zur Auflage, dem Zentralstaat (also dem Bund) nur so viele Befugnisse einzu-
räumen, wie es zum Funktionieren des Gesamtstaates unbedingt erforderlich sei. Eben
dies ist in Art. 70 GG geregelt: Der Bund darf nur dort gesetzgeberisch tätig werden,
wo es ihm (kraft Einsicht in die Notwendigkeit einer zentralen Regelung) ausdrücklich
erlaubt ist.
Bei der Ausarbeitung des Grundsatzes, den Bund nur mit den Zuständigkeiten auszu-
statten, die zum Funktionieren des Gesamtstaats nötig sind, wählte man zunächst eine
dreifache Abstufung der Intensität der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes:
Es gab (und gibt immer noch) Bereiche (wie z. B. die Ein- und Ausfuhrzölle an den
Staatsgrenzen, das Passwesen, das Währungs-, Geld- und Münzwesen), die allein vom
Bund geregelt werden dürfen und sollten; das ist der Bereich der ausschließlichen Ge-
setzgebung des Bundes. Die Länder haben hier die Befugnis zur Gesetzgebung nur,
soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 GG).
In einem zweiten Bereich hat der Bund die Befugnis zur Gesetzgebung, sobald und
soweit sich ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung herausstellt. Solange und
soweit der Bund von diesem Gesetzgebungsrecht nicht durch Gesetz Gebrauch ge-
macht hat (Art. 72 GG), bleibt die Regelungskompetenz bei den Ländern. Dieser Rege-
lungsbereich – zu dem u. a. das „Bodenrecht“ und damit auch das Bauplanungsrecht
gehört – wird der Bereich der „konkurrierenden Gesetzgebung“ genannt.
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 GG gibt es ein Zugriffs-
recht von zwei Seiten: Erst wenn der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzge-
bung tätig wird, werden etwa vorhandene Landesgesetze, die die gleiche Materie re-
geln, verdrängt. Eine Verdrängung von Landesrecht durch Bundesrecht erfolgte zum
Beispiel mit dem Bundesbaugesetz von 1960. Bis 1960, dem Verkündungsjahr des
Bundesbaugesetzes, gab es kein Bauplanungsrecht des Bundes, sondern nur entspre-
chende Landesgesetze. Diese Landesgesetze wurden 1960 vom Bundesbaugesetz ver-
drängt. Seit 1986 ist das Bundesbaugesetz mit dem 1971 erlassenen Städtebauförde-
rungsgesetz zum Baugesetzbuch zusammengefasst.
Eine dritte Kategorie gab es nur bis zur Föderalismusreform, die am 1. September
2006 in Kraft getreten ist. Bis dahin gab es die Zuständigkeiten des Bundes zur sog.
Rahmengesetzgebung: Hier musste sich der Bund in seiner Regelungsintensität so weit
zurückhalten, dass den Ländern noch Raum für eigenständige materielle Regelungen
blieb. Es sollte also nur ein (relativ grober) Rahmen geschaffen werden, in den sich
die Länder dann mit ihren Gesetzen einordnen konnten. Aufgrund dieser Rahmenset-
zungskompetenz ist 1965 das (Bundes-)Raumordnungsgesetz entstanden, das von den
Landesplanungsgesetzen im Einzelnen fortgeschrieben und ausgefüllt wurde. Die
Kompetenz des Bundes zur Rahmengesetzgebung wurde 2006 abgeschafft und in das
Recht des Bundes zur konkurrierenden Gesetzgebung integriert. Allerdings darf der
Bund in den ehemaligen Bereichen der Rahmengesetzgebung nur tätig werden,
a) wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesge-
biet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen
Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, und
b) die Länder sind auch danach nicht gehindert, hiervon abweichende Regelungen
zu treffen (außer bei den Grundsätzen des Naturschutzes und dem Arten- und
Meeresnaturschutz – Art. 73 Abs. 3 GG).
Der Bund ist wiederum befugt, nach einem Abweichungsgesetz der Länder erneut
einzugreifen und die Materie seinerseits anders und wieder neu zu regeln. Die Länder
müssen dem Bund sogar nach einem „Abweichungsgesetz“ sechs Monate Zeit zur
vorsorglichen Korrektur geben, denn ein Abweichungsgesetz darf gemäß Art. 73 GG
erst sechs Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. Bislang (bis 2018) ist es
(wie wohl zu erwarten war) nicht zu einer solchen „Ping-Pong-Gesetzgebung“ gekom-

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Der Aufbau der Rechtsordnung II.

men. Die komplizierte Regelung war das Ergebnis eines Kompromisses in der Födera-
lismusreform und beendete einen langjährigen Streit zwischen Bund und Ländern.
In Art. 73 GG ist die Liste der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung aufge-
führt, in Art. 74 GG die Liste der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung
mit Benennung der Gegenstände, in denen die Länder eine Abweichungskompetenz
besitzen (das ist im Wesentlichen der ehedem in Art. 75 GG geregelte Bereich der
Rahmengesetzgebung). Gemäß Art. 72 Abs. 4 GG kann durch Bundesgesetz bestimmt
werden, dass eine vorhandene bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlich-
keit im obigen Sinne nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.
(Auch dies ist bis 2018 noch nicht vorgekommen). Alles, was nicht in diesen Listen
enthalten ist, gehört zum Regelungsbereich der Länder.
Wenn man sich die Listen der Art. 73, 74 GG allerdings im Einzelnen ansieht, dann
merkt man, dass der Bund sehr viele Regelungsbereiche für sich behalten hat. Statt
der Regel, dass die Länder für alles zuständig sind (mit Ausnahme des einen oder
anderen, das dem Bund zugewiesen ist), gilt die Erfahrung, dass die Länder vom gro-
ßen Kompetenzreservoir nur das erhielten, was beim Aufräumen übrig blieb. Als wich-
tigste Zuständigkeiten blieben ihnen das Kulturrecht (z. B. das Denkmalschutzrecht)
und das Ordnungsrecht (z. B. das Bauordnungsrecht, das Polizeirecht einschließlich
des Gaststättenrechts mit und ohne Rauchverbote und das Recht der Regelung des
Ladenschlusses). Eine zusätzliche wichtige Kompetenz der Länder besteht immerhin
darin, dass sie im Prinzip für die Ausführung aller Gesetze zuständig sind, auch die
der Bundesgesetze. „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene aus“ – so heißt
es in Art. 83 GG. Dazu später mehr.
Wo sind nun die Gemeinden in diesem Kompetenzgefüge zu finden? Die Gemeinden
haben, wie gesagt, das Recht auf Selbstverwaltung. Sie müssen sich aber an den Rah-
men der Gesetze halten. Ihre Kompetenz besteht darin, „die Angelegenheiten der örtli-
chen Gemeinschaft“ in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze zu regeln. Was
allerdings zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört, ist nicht leicht
zu definieren und deshalb auch im Einzelfall häufig umstritten. Im Kapitel IV. (Der
Aufbau der öffentlichen Verwaltung) wird dazu Näheres gesagt. Bild 3 fasst alle diese
Kompetenzen noch einmal übersichtlich zusammen.
Bild 3: Die Verteilung der Regelungskompetenzen in der Bundesrepublik Deutschland
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes laut Grundgesetz
Bundesrecht
Art. 73: Liste der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (definiert in Art. 71
GG)
z. B.: Art. 73 Nr. 6: Luftverkehr; Art. 73 Nr. 9a: Abwehr von internationalem Terrorismus;
Art. 74: Liste der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung,
(definiert in Art. 72 GG)
z. B.: Art: 72 Nr. 18: Bodenrecht (ohne Erschließungsbeitragsrecht)
Art. 72 Abs. 3: Aufzählung der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung, bei denen die Länder
eine Abweichungskompetenz besitzen,
z. B. – Nr. 4: Raumordnung; Nr. 5: Wasserhaushalt
Gesetzgebungskompetenz der Länder laut Grundgesetz
Landesrecht
Art. 70: Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung
– soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
Regelungskompetenz der Gemeinden, garantiert vom GG
Ortsrecht
Art. 28 Abs. 2: Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein,
– alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
– im Rahmen der Gesetze
– in eigener Verantwortung zu regeln.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

3. Die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht


Neben der Unterscheidung der Normen nach ihrer Herkunft vom Bund oder von den
Ländern oder nach ihrer Qualität als Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen oder
Satzungen gibt es im deutschen Recht eine weitere, wichtige Einteilung: Nach deut-
schem Recht wird zwischen dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht unterschie-
den. In vereinfachender Darstellung kann man sagen, dass das Privatrecht die Bezie-
hungen zwischen den Bürgern als gleichgeordneten Rechtssubjekten regelt, während
das öffentliche Recht das Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bür-
ger zum Gegenstand hat (Subjektionstheorie oder Subordinationstheorie). Das Bau-
und Planungsrecht gehört zum öffentlichen Recht. Im Bau- und Planungsrecht kommt
das Überordnungsverhältnis des Staates über den Staatsbürger im Allgemeinen sehr
deutlich zum Ausdruck. Nur aus diesem Überordnungsverhältnis ist zu begreifen, dass
der Staatsbürger – trotz der Baufreiheit – eine Baugenehmigung braucht, wenn er auf
seinem Grundstück ein Gebäude errichten will. Ausdruck des Überordnungsverhält-
nisses des Staats ist es auch, dass z. B. ein Baugebot ausgesprochen werden kann, dass
Grundstücke sogar enteignet werden können.
Die Juristen wissen, dass die Subordinationstheorie nicht in allen Fällen weiterhilft,
weil es auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Verträge gibt, die im Status der
Gleichordnung abgeschlossen werden, (nämlich die öffentlich-rechtlichen Verträge,
z. B. Erschließungsverträge), die aber trotz dieser Gleichordnung immer noch zum
öffentlichen Recht gezählt werden. Für diese komplizierten Fälle gibt es eine weitere
Theorie zur Unterscheidung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses von einem
privaten Rechtsverhältnis, nämlich die (modifizierte) „Subjektstheorie“.9 Nach dieser
Theorie ist ein Rechtsverhältnis dann öffentlich-rechtlich, wenn auf mindestens einer
Seite ein Subjekt des öffentlichen Rechts, ein Träger von Hoheitsgewalt beteiligt sein
muss. Für den Durchschnittsfall genügt es aber, wenn man sich an die Unterscheidung
von Gleichordnung einerseits und Unterordnungsverhältnis andererseits hält.10 Die
praktische Bedeutung dieser Unterscheidung liegt zunächst darin, dass für privat-recht-
liche Streitigkeiten die sogenannten ordentlichen Gerichte zuständig sind, für öffent-
lich-rechtliche Streitigkeiten in der Regel die Verwaltungsgerichte.
Materiell wichtiger ist, dass im Privatrecht die Bürger kraft ihrer Privatautonomie
selbst darüber entscheiden, wann und wie Rechtsbeziehungen zwischen ihnen entste-
hen, während im öffentlichen Recht – sei es mit, sei es gegen den Willen der betroffe-
nen Bürger – erst die öffentliche Verwaltung tätig werden muss, bevor das Rechtsver-
hältnis zustande kommt. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis entsteht erst dann,
wenn die Verwaltung rechtsvermittelnd tätig wird. Die Akte dieser Vermittlung heißen
Verwaltungsakte. Durch Verwaltungsakte wird dem Bürger etwas gewährt oder aufer-
legt, durch Verwaltungsakte werden die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat
unmittelbar geregelt. Was im Privatrecht durch Verträge geschieht, die von den Bür-
gern unter Nutzung ihrer Privatautonomie nach ihrem Belieben abgeschlossen werden
können, das geschieht im Verwaltungsrecht durch einen hoheitlichen Akt, den Verwal-
tungsakt (z. B. durch eine hoheitliche Einweisungsverfügung von obdachlosen Asylbe-
werbern in ein leerstehendes Gebäude anstelle eines Mietvertrags, wie er von privaten
Interessenten abzuschließen wäre).
In diesen wenigen Worten sind bereits einige wesentliche Grundlagen und Grundbe-
griffe des Verwaltungsrechts angesprochen: Erstens der Verwaltungsakt als das zent-
rale Handlungsinstrument der Verwaltung; zweitens die Tatsache, dass die Verwaltung
teils gewährend, teils befehlend, teils schützend, teils planend tätig wird. Zum Teil
leistet sie etwas für die Bürger, zum Teil fordert sie etwas von ihnen. Diesen Grundla-

9 Einzelheiten bei Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl., München 2007, § 22 II c.


10 Vgl. BGH, B. v. 22.3.1976 – GSZ 2/75 –, BGHZ 67, 81 (86) (Auto-Analyzer).

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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.

gen und Grundbegriffen des Verwaltungsrechts gilt das nächste Kapitel. Vor dem end-
gültigen Übergang zum Verwaltungsrecht ist allerdings noch der Hinweis erforderlich,
dass zum öffentlichen Recht nicht nur das Verwaltungsrecht gehört (durch das gewis-
sermaßen das Alltagsgeschäft der öffentlichen Verwaltung geregelt wird), sondern
auch das Staats- und Verfassungsrecht. Das Staats- und Verfassungsrecht regelt die
Grundvoraussetzungen des staatlichen Handelns, es setzt dem Staat selbst seine Maß-
stäbe.

4. Das Staats- und Verfassungsrecht


Das wichtigste staatsrechtliche Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland ist das
Grundgesetz. Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik; es heißt aber
nicht „Verfassung“ (wie noch die Reichsverfassung von 1871 und die Weimarer Ver-
fassung von 1919), weil man es zunächst nur als vorläufige Grundordnung bis zur
deutschen Wiedervereinigung verstanden hat. Materiell enthält das Grundgesetz aber
alle die Bestandteile, die zu einer modernen Verfassung gehören: Einen Grundrechtska-
talog, der das Verhältnis von Bürger und Staat prinzipiell abgrenzt; die wesentlichsten
Aussagen über den Staatsaufbau (gebildet aus Bund, Ländern und Gemeinden); die
Einrichtung der Staatsorgane (Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat, Bundesregie-
rung); das Verfahren und die Zuständigkeiten, in deren Rahmen die Staatsorgane Ge-
setze aufstellen können, und die Finanzverfassung des Gemeinwesens.
Mittels des Staats- und Verfassungsrechts werden auch das Völkerrecht und das Euro-
parecht in die deutsche Rechtsordnung integriert. Die Gesamtheit dieser Regelungen
liegt auch dem Bau- und Planungsrecht zugrunde. Im Grundgesetz ist geregelt, welcher
Gesetzgeber für welche Einzelheiten des Bau- und Bodenrechts zuständig ist (nämlich
der Bund für das „Bodenrecht“, die Bundesländer für das Bauordnungsrecht, für das
Recht der Raumordnung und Landesplanung sowohl der Bund als auch konkurrierend
die Länder durch ihre Abweichungskompetenz). Auf Einzelheiten wird später noch
eingegangen werden. Zunächst sollen weitere Grundlagen gelegt werden, indem einige
Grundbegriffe des Verwaltungshandelns und des Verwaltungsrechts vorgestellt wer-
den.

Literatur
Der Aufbau der Rechtsordnung
Badura, Peter, Staatsrecht, 7. Aufl., München 2018;
Berg, Wilfried, Staatsrecht: Grundriss des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte,
6. Aufl., Stuttgart 2011;
Ipsen, Jörn, Staatsrecht, 30. Aufl., Köln 2018;
Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1966;
Müller, Georg, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2. Aufl., Zürich 2006;
Noll, Peter, Gesetzgebungslehre, Reinbeck 1973;
Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I bis V, München 1999–
2011.

III. Grundbegriffe des Verwaltungsrechts


1. Die Regelungsbereiche des Verwaltungsrechts
Wenn man sich in einer Bibliothek die gebräuchlichste Sammlung der öffentlich-recht-
lichen Vorschriften, den „Sartorius“ Band I, in den Lesesaal bringen lässt, dann be-
kommt man einen sehr voluminösen Band von Dünndruckpapier in der Stärke einer
ganzen Handspanne überreicht. Diese Fülle an Gesetzen wirkt für den Nichtjuristen
sehr unübersichtlich. Wie kann man Ordnung in diese Vielfalt von Gesetzen bringen?
Den ersten Ansatz von Übersichtlichkeit kann man dadurch erreichen, dass man die

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

leistende Verwaltung, die Abgabenverwaltung und die ordnende Verwaltung unter-


scheidet (vgl. Bild 4).
Bild 4: Die Regelungsbereiche des Verwaltungsrechts
Verwaltungsbereich zugehörige Gesetze (Beispiele)
Die leistende Verwaltung
SGG Sozialgesetzbuch
WoGG Wohngeldgesetz
BAFöG Bundesausbildungsförderungsgesetz
Die einnehmende Verwaltung
(Abgabenverwaltung)
Steuern Einkommensteuergesetz
Gebühren Kommunale Gebührenordnung
Beiträge Erschließungsbeitragssatzung
Die ordnende Verwaltung
– eingreifende Verwaltung Enteignung Landesenteignungsgesetze
– schützende Verwaltung Datenschutz Datenschutzgesetze
BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz
– planende Verwaltung ROG Raumordnungsgesetz
BauGB Baugesetzbuch
FStrG Fernstraßengesetz

a) Die leistende Verwaltung. Die leistende Verwaltung tritt dem Bürger mit helfender
Hand, mit dem Angebot der Inanspruchnahme gegenüber. Aufgrund von sogenannten
„Geldleistungsgesetzen“ kann man, sofern man bestimmte Voraussetzungen erfüllt,
Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz bekommen, Ausbildungshilfen nach dem Bun-
desausbildungsförderungsgesetz, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetz-
buch. Nach anderen Leistungsgesetzen sind nicht nur Geldzahlungen, sondern auch
Unterstützung durch Sachleistungen (Zuweisung einer Unterkunft), Beratung (z. B. in
Erziehungsfragen), und Auskünfte (z. B. über den Wohnsitz einer ordnungsgemäß ge-
meldeten Person) möglich. Ein klassischer Bereich der leistenden Verwaltung sind auch
die kommunalen Einrichtungen: Bürgerhäuser, Kinderspielplätze, Theater, Museen
sind Leistungen für die Bürger, deren Nutzung häufig durch Satzung geregelt ist. Für
manche dieser kommunalen Einrichtungen muss man allerdings Eintrittsgelder bezah-
len, wenn man sie in Anspruch nehmen will – z. B. für ein Schwimmbad oder für einen
Theaterbesuch. Damit ist bereits der zweite Bereich der Verwaltung angesprochen: die
Abgaben erhebende und damit Geld einnehmende Verwaltung.

b) Die Abgabenverwaltung. Eine Verwaltung, die Leistungen, insbesondere Geldleis-


tungen, zu erbringen hat, muss auch Gelder einnehmen. Mit diesem Teil der öffentli-
chen Verwaltung ist die Abgabenverwaltung beschäftigt. Sie zieht aufgrund entspre-
chender Steuergesetze, Gebührenordnungen oder Beitragssatzungen Steuern,
Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben ein. Steuern (die wichtigsten sind die Ein-
kommensteuer und die Umsatzsteuer) muss man an den Staat bezahlen, ohne dass
man sich dafür den Anspruch auf eine bestimmte Gegenleistung einhandelt. Man muss
also z. B. als Kraftfahrzeughalter die Kraftfahrzeugsteuer bezahlen, hat aber keinen
Anspruch darauf, dass der Staat die mittels dieser Steuer eingenommenen Gelder für
den Ausbau von Straßen oder auch nur im weitesten Sinne für Verkehrszwecke ver-
wendet. Vielmehr fließen alle bezahlten Steuern in einen großen Topf (nämlich die
öffentlichen Haushalte), aus dem sie nach den Vorgaben der Haushaltspläne wieder
ausgegeben werden.
Anders ist es bei Gebühren und Beiträgen: Eine Gebühr muss man nur dann bezahlen,
wenn man eine Gegenleistung der Verwaltung konkret in Anspruch genommen hat,
z. B. sich einen neuen Personalausweis hat ausstellen lassen. Für eine solche Verwal-
tungsleistung darf die Verwaltung eine Gebühr erheben, die allerdings in einem ange-

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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.

messenen Verhältnis zu der Leistung stehen muss (Äquivalenzprinzip). Auch eine Bei-
tragszahlung steht in einem konkreten Gegenleistungsverhältnis zu einer öffentlichen
Leistung. Für die Entstehung einer Beitragspflicht genügt es aber, wenn man die öffent-
liche Leistung in Anspruch nehmen kann – ob man sie wirklich in Anspruch nimmt,
bleibt dann der eigenen Entscheidung überlassen. Im Bau- und Planungsrecht ist der
wichtigste Beitrag der „Erschließungsbeitrag“, der von den Gemeinden dafür erhoben
wird, dass sie in einem Neubaugebiet Straßen und Fußwege einrichten, Grünanlagen
anpflanzen und die Straßen beleuchten lassen. Jeder, der ein Grundstück in einem
solchen Neubaugebiet (Erschließungsgebiet) hat, wird zum Erschließungsbeitrag he-
rangezogen; dies gilt auch dann, wenn der betreffende Eigentümer sein Grundstück
noch gar nicht baulich nutzt, die neugebaute Straße und den Lärmschutzwall also
konkret noch gar nicht braucht.
Es liegt auf der Hand, dass es für das Funktionieren eines Staats und für die Bürger
sehr wichtig ist, dass und welche Steuern erhoben werden dürfen und wer die Steuer-
gelder bekommt. Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung sind diese Fragen im Grund-
gesetz selbst geregelt, nämlich in dessen Abschnitt über die Finanzverfassung. Gemäß
Art. 106 GG stehen einige Steuern allein dem Bund zu (so z. B. die Versicherungssteuer
und die Wechselsteuer), einige andere Steuern allein den Ländern (so z. B. die Kraft-
fahrzeugsteuer und die Erbschaftssteuer); die wichtigsten Steuern (wie die erwähnte
Einkommensteuer und die Umsatzsteuer) gehören zu den sogenannten Gemeinschafts-
steuern. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer sind der
Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an
der Umsatzsteuer werden durch das Bundesgesetz über den Finanzausgleich zwischen
Bund und Ländern im zweijährigen Abstand neu festgesetzt.
An den Gemeinschaftssteuern sind auch die Gemeinden beteiligt, und zwar in mehrfa-
cher Weise: Sie erhalten zunächst einen Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer,
der durch Bundesgesetz bestimmt wird, seit 1979 in Höhe von 15 % des Aufkommens.
Der Schlüssel zur Verteilung auf die einzelnen Gemeinden wird nach einem relativ
komplizierten Verfahren berechnet, das im Grundsatz die Leistungen dorthin zurück-
führt, wo sie hergekommen sind; die Steuerleistungen von sehr hohen Einkommen
fließen jedoch nicht in vollem Umfang in die Gemeinden zurück, „wo die Millionäre
wohnen“, sondern werden auf alle Gemeinden etwa gleichmäßig verteilt. Außer dieser
quasi direkten Beteiligung an der Einkommensteuer bekommen die Gemeinden ab
1998 auch noch 2,2 % vom Aufkommen der Umsatzsteuer; schließlich müssen die
Länder sie gemäß Art. 106 Abs. 7 GG durch weitere Zuweisungen aus ihrem Anteil
bedenken. Näheres über die finanzielle Ausstattung der Gemeinden findet sich in Kapi-
tel A.IV. unter 3. c).
Über die Verteilung der Steuern an verschiedene Empfangsberechtigte hinaus gibt es
einen horizontalen und vertikalen Finanzausgleich im Bundesstaat. Mit dem vertikalen
Finanzausgleich ist der Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft zwischen dem Bund,
den Ländern und den Gemeinden gemeint, mit dem horizontalen Finanzausgleich die
Herstellung etwa gleicher Finanzausstattung zwischen den Ländern (Länderfinanzaus-
gleich) und – auf anderer Ebene – zwischen den Gemeinden (kommunaler Finanzaus-
gleich). Die Einzelheiten des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs sind eine
Wissenschaft für sich, die hier nicht im Einzelnen ausgebreitet werden soll.
c) Die ordnende Verwaltung. Als dritter Regelungsbereich des Verwaltungsrechts
wurde schließlich die ordnende Verwaltung erwähnt. Innerhalb der ordnenden Ver-
waltung kann man wiederum die eingreifende, die schützende und die planende Ver-
waltung unterscheiden. Die eingreifende Verwaltung (oder die Eingriffsverwaltung) ist
das klassische Feld der Hoheitsverwaltung. Sie verbindet sich mit dem Begriff der
Polizei, weil die Polizei (insbesondere die uniformierte Schutzpolizei) dem Bürger als
Eingriffsmacht am stärksten sichtbar wird. Seit 1945 hat man allerdings versucht, die

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Verwaltung zu „entpolizeilichen“, um den Eindruck eines „Polizeistaates“ soweit wie


möglich zu vermeiden. So gibt es heute keine „Baupolizei“ mehr, sondern nur noch
eine „Bauaufsichtsbehörde“, keine „Gewerbepolizei“, sondern nur noch eine „Gewer-
beaufsicht“.
Der Begriff der Polizei ist erst durch die Diktatur des Nationalsozialismus in Verruf
geraten. Im 19. Jahrhundert und früher galt neben dem Verständnis der Polizei als
Machtinstrument des Staates noch der Begriff der „guten Polizey“, die sich um die
Wohlfahrt des Bürgers zu bemühen habe. Auch diese Wohlfahrtsbemühungen, die sich
bis in die Kleiderordnung hinein erstreckten, waren jedoch nicht nur Ausdruck landes-
väterlicher Fürsorge, sondern dienten zugleich der Durchsetzung absolutistischer Herr-
schaft.
Heute ist der Name „Polizei“ auf den engen Bereich der Vollzugspolizei zurückge-
drängt, die die Verkehrspolizisten und die Kriminalbeamten stellt. Die Gewerbeauf-
sicht und die Bauaufsicht gehören nicht mehr zur „Polizeiverwaltung“, sondern zur
„Rechts-, Sicherheits- und Ordnungsverwaltung“. Wie die Vollzugspolizei dürfen sie
jedoch, wenn es not tut, intensiv in die Rechte des Bürgers eingreifen. Die Gewerbeauf-
sicht darf die Stilllegung von Betrieben anordnen. Die Bauaufsicht überwacht die Er-
richtung und die Benutzung von Gebäuden; sie kümmert sich vorsorglich (präventiv)
darum, dass Gebäude von vornherein standsicher gebaut werden. Auch anschließend
muss sie dafür Sorge tragen, dass das Gebäude nicht zweckwidrig genutzt wird oder
so umgebaut wird, dass dadurch Gefahren entstehen können. Notfalls kann sie die
Einstellung von Bauarbeiten oder sogar die Räumung von Gebäuden veranlassen.
Schon aus diesen Worten geht hervor, dass die Eingriffsverwaltung häufig zugleich
eine schützende Verwaltung ist. In einigen Gesetzen kommt dies besonders deutlich
zum Ausdruck: So zum Beispiel im Datenschutzgesetz und im Bundesimmissions-
schutzgesetz.
Das Datenschutzgesetz soll dafür Sorge tragen, dass mit „personenbezogenen Daten“
nicht zum Nachteil der Betroffenen umgegangen wird. Das Bundesverfassungsge-
richt11 hat dazu das Wortungetüm vom „informationellen Selbstbestimmungsrecht“
des Bürgers geschaffen: Nur das soll erhoben, gespeichert und weitergegeben werden
dürfen, womit der Betroffene einverstanden ist. Dieses Bürgerrecht muss mit der Not-
wendigkeit abgewogen werden, der Verwaltung eine ausreichende Informationsgrund-
lage für ihre Planungen und Entscheidungen zu verschaffen. Insbesondere die planende
Verwaltung, also der hier angesteuerte Verwaltungszweig, ist auf aktuelle Daten und
Informationen angewiesen. Wo Straßen und Wohnungen gebaut werden sollen, muss
vorher geplant werden. Der Bedarf an Bauland für neue Wohnungen lässt sich nicht
zuverlässig berechnen, wenn keine genauere Kenntnis über die Zahl der vorhandenen
Wohnungen besteht. Deshalb sind zum Beispiel Wohnungszählungen erforderlich, die
auch darüber Auskunft geben müssen, von wie vielen Personen die gezählten Wohnun-
gen benutzt werden. All dies wird traditionell durch Volkszählungen erhoben. Im Vor-
feld von Volkszählungen und auch bei der Zählung selbst finden immer wieder heftige
Debatten darüber statt, ob der Datenschutz hinreichend gewahrt sei. Inzwischen prüft
man, ob man die allgemeine Volkszählung durch eine Auswertung der Einwohnermel-
deregister in Verbindung mit Stichprobenerhebungen ersetzen könnte. Im Grundsatz
muss man diese Frage wohl verneinen.
Die Aufgaben der Verwaltung müssen von den dafür zuständigen Behörden in die Tat
umgesetzt werden. Die meisten Verwaltungsaufgaben werden auf der örtlichen Ebene,
also von den Städten, Gemeinden und Kreisen, ausgeführt. Dabei genießen die Kom-
munen zum Teil Selbstverwaltungsfreiheit, zum Teil werden sie als weisungsunterwor-

11 BVerfG, U. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83,
1 BvR 484/83 –, BVerfGE 65, 1 (Volkszählungsgesetz). Zur Rechtslage seit 2019 vgl. die Datenschutz-
grundverordnung der Europäischen Union.

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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.

fene unterste Verwaltungsinstanzen der Länder tätig. Die Einzelheiten dieses Behör-
denaufbaus werden im Kapitel A.IV. „Der Aufbau der Verwaltung“ näher erläutert
werden. Zunächst soll auf das Hauptinstrument des Verwaltungshandelns eingegan-
gen werden, auf den Verwaltungsakt.

2. Der Verwaltungsakt
a) Definition des Verwaltungsakts (VA). Die Verwaltung ist eine eigenständige Staats-
gewalt, deren Mitarbeiter die Aufträge des Gesetzgebers mit- und weiterdenkend aus-
zuführen haben. Die Verwaltung hat Leistungen an die Bürger zu verteilen (etwa Sozi-
alhilfe, Wohngeld, Studiengelder). Sie hat Steuern, Gebühren und Beiträge
einzusammeln, sie greift ein (Verkehrsregeln), sie beaufsichtigt (die Gaststätten und
Gewerbebetriebe), sie plant (die Straßen, die Bebauung). Fast immer, wenn die Verwal-
tung nicht nur plant, sondern direkt handelt, geschieht dies in Form eines „Verwal-
tungsakts“. Der Verwaltungsakt ist gleichsam das Konzentrat, in dem sich die Vielzahl
der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Tat, zur Aktion verdich-
tet. Im Bild 5 ist dargestellt, wie Bundesgesetze, Landesgesetze, Rechtsverordnungen
und kommunale Satzungen zusammenwirken, wie sich die Vorschriften schließlich in
einem Punkt – dem Verwaltungsakt – konzentrieren.

Bild 5: Gesetze und Einzelfall


Grundgesetz

Bundesgesetze
Landesgesetze
V RVO
Kommunale Satzungen
E BVerwG R
RVO
R E
W C
A H
L T
T S
U Verwaltungsvorschriften, Rundschreiben, Erlasse P
N
G OVG R
VHG E
Konkretisierung durch C
H
Verwaltungs- U
akt N
Überprüfung G
Einzelfall

VG
Bürger
Juristische Personen

Der Bürger, dem eine Baugenehmigung (das ist ein Verwaltungsakt) erteilt wird, be-
kommt nicht all die Gesetze und Vorschriften zugeschickt, auf denen diese Genehmi-
gung beruht, sondern nur den Bauschein, den Brief, mit dem ihm mitgeteilt wird, dass

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

das beantragte Vorhaben zulässig (oder gegebenenfalls unzulässig) ist. Die Juristen
definieren diesen Verwaltungsakt als „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitli-
che Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerich-
tet ist“ (so § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes [VwVfG] vom 25. Mai 1976; die-
ses Gesetz gilt unmittelbar nur für die Verwaltungstätigkeit von Bundesbehörden; die
darin enthaltenen Grundregeln gelten jedoch kraft Übernahme oder identischer Rege-
lung auch für die Verwaltungsbehörden der Länder).
Die Sichtbarkeit, die Greifbarkeit von Verwaltungsakten kommt zunächst dadurch
zum Ausdruck, dass ein Verwaltungsakt vor Gericht angefochten werden kann. Über
diese Angreifbarkeit hinaus ist die Figur des Verwaltungsakts zum grundsätzlichen
Verständnis der Verwaltung als einer eigenständigen Gewalt wichtig: Im Verwaltungs-
akt kommt zum Ausdruck, dass die Verwaltung über das Gesetz hinaus selbst etwas
regelt.
Die Mitarbeiter der Verwaltung sind eben nicht nur gesetzesausführende, komplett
vorprogrammierte „Automaten“, sondern über den Auftrag nachdenkende und han-
delnde Personen. Sie regeln etwas, sie gewähren oder versagen Leistungen, sie gestatten
oder verbieten etwas. Darin liegen ihr Auftrag und ihre Verantwortung. Es wird später
noch daran zu erinnern sein, dass die Gerichte der Verwaltung diesen Auftrag, diese
Kompetenz nicht wegnehmen dürfen. Die Gerichte als dritte Gewalt dürfen sich nicht
an die Stelle der Verwaltung setzen und so tun, als ob sie diejenigen seien, die in erster
Linie zu entscheiden haben, was aus einem gesetzgeberischen Auftrag folgt. Auch
wenn ein Bürger die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme der Verwaltung bestreitet, wird
damit nicht automatisch das angerufene Gericht für diese Entscheidung zuständig. Die
Verwaltung ist und bleibt der Entscheidungsträger. Das Gericht darf und muss nur
überprüfen, ob die Entscheidung der Verwaltung, gemessen am mehr oder weniger
bestimmten Wortlaut des gesetzgeberischen Auftrags, rechtmäßig gewesen ist. Wenn
die Verwaltung vernünftig und vertretbar gehandelt hat, dann darf das Gericht die
Verwaltungsentscheidung nicht etwa deswegen aufheben, weil das Gericht selber viel-
leicht eine andere, auch mögliche und auch vernünftige Entscheidung getroffen hätte.
Die Grenze zwischen den eigenen Befugnissen der Verwaltung und den Eingriffsrech-
ten der Justiz sind nur schwer zu bestimmen. Am Schluss dieses Buches wird noch
einmal darauf eingegangen.
In der Definition des Verwaltungsaktes kommt auch zum Ausdruck, dass man erst
dann vor Gericht ziehen darf, wenn die Verwaltung mit verbindlicher Wirkung nach
außen handeln wollte und gehandelt hat, nicht schon dann, wenn sie nur eine Aus-
kunft12 oder Belehrung erteilen wollte, nur eine interne Weisung weitergegeben hat
oder in der Form einer internen Beteiligung tätig geworden ist. Wer von der öffentli-
chen Verwaltung etwas Wirksames, Verbindliches verlangt, muss einen Verwaltungs-
akt herbeiführen.
Die Verwaltung kann zwar auch Verträge schließen so wie die Bürger untereinander,
und zwar sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Verträge. In diesen
Fällen wird die Verwaltung jedoch gewissermaßen untypisch tätig. Sie benimmt sich
dann entweder wie ein Privatmann, indem sie zum Beispiel Computer kauft oder Öl
für die Heizung des Rathauses; oder sie regelt etwas, was sie eigentlich auch durch
Verwaltungsakte regeln könnte, durch verbindliche Vereinbarung mit dem oder den
Betroffenen, z. B. die Erschließung eines Baugebiets einschließlich der Kostenüber-
nahme. Im Beispiel des privaten Kaufvertrags tritt die Verwaltung dem Verkäufer nicht
als übergeordnete Instanz, sondern wie jedermann, eben als Käufer gegenüber. In die-
sen Fällen sind die Rechtsbeziehungen dann auch nicht anders als im Falle eines priva-

12 Zur Haftung für eine falsche Auskunft vgl.: BGH, U. v. 20.11.1997 – IX ZR 286/96 –, ZfBR 1998, 93;
BGH, U. v. 3.5.2001 – 3 ZR 191/00 –, ZfBR 2001, 412.

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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.

ten Käufers. Wenn die soeben gekauften Computer mangelhaft sind, dann muss sich
die Verwaltung, wenn der Verkäufer sie nicht zurücknehmen will, wie jeder Bürger an
das Gericht wenden; sie kann keinen Polizisten in das Computergeschäft schicken und
ihn beauftragen, die Computer in das Regal zurückzulegen und dafür die Kaufsumme
mit Gewalt aus der Kasse zu nehmen.
Auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag bewegt sich die Verwaltung auf der gleichen
Stufe wie der Vertragspartner. Der Gegenstand eines öffentlichen Vertrages muss aller-
dings in Bereichen angesiedelt sein, in denen nur der Staat, nur die öffentliche Verwal-
tung tätig werden kann. Dadurch ist er vom privatrechtlichen Vertrag unterschieden.
Ein Beispiel ist der schon erwähnte „Erschließungsvertrag“:13 Die Erschließung von
Bauland ist Aufgabe der Gemeinden. Ein Privatmann darf sein am Rand der Stadt
gelegenes, noch nicht über eine Straße erreichbares Wiesengrundstück nicht aus eige-
ner Initiative in ein Baugrundstück verwandeln. Er darf keine Straße bis zur nächsten
Dorfstraße bauen, Elektrizität und Wasser verlegen und die Wiese auf diese Weise
zu Bauland machen. Üblicherweise muss dies alles von der Gemeinde veranlasst und
durchgeführt werden. Die Gemeinde darf aber mit dem betreffenden Eigentümer einen
Vertrag abschließen, der die Aufschließung des Grundstücks in seine Hände legt. Dies
ist dann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, weil der Gegenstand des Vertrags (die Er-
schließung) im Prinzip Aufgabe der Gemeinde ist und deshalb nur eine Gemeinde, also
ein Subjekt des öffentlichen Rechts, einen wirksamen Vertrag über diesen Gegenstand
schließen kann. Bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen sind der Grundstücks-
eigentümer und die Gemeinde zwar gleichberechtigt, niemand kann sie zum Vertrags-
abschluss zwingen. Die Vertragsbedingungen müssen aber sowohl einen gerechten
Ausgleich der beiderseitigen Interessen herbeiführen als auch den Sonderbedingungen
des öffentlichen Rechts genügen.
b) Arten der Verwaltungsakte. Zwei Arten von Verwaltungsakten sind die häufigsten
und wichtigsten: Die begünstigenden und die belastenden Verwaltungsakte.
Beispiele für begünstigende Verwaltungsakte sind: Die Gewährung von Wohngeld (in
bestimmter Höhe für eine bestimmte Zeit), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
für einen Ausländer (befristet oder unbefristet), die Gewährung einer Zuwendung (für
einen Forschungsauftrag), die Beförderung eines Beamten in eine höhere Position.
Als Beispiele für belastende Verwaltungsakte können genannt werden: Die amtliche
Stilllegung eines Kraftfahrzeugs, das Verbot der Benutzung einer Wohnung durch die
Wohnungsaufsicht, die Enteignung eines Grundstücks, der Kraftfahrzeugsteuerbe-
scheid.
Belastende Verwaltungsakte dürfen nur auf der Grundlage eines Gesetzes ergehen
(Vorbehalt des Gesetzes). Die Vorschrift, die einem belastenden Verwaltungsakt zu-
grunde liegt, nennt man die „Eingriffsgrundlage“. Wenn ein belastender Verwaltungs-
akt nicht durch eine Eingriffsgrundlage gedeckt wird, dann ist er fehlerhaft. Auf wel-
che Weise (und mit welchen Fristen) man fehlerhafte Verwaltungsakte angreifen kann,
wird im nächsten Kapitel behandelt werden.
Auch begünstigende Verwaltungsakte haben in der Regel eine Rechtsgrundlage. Die
Bindung an das Gesetz ist hier jedoch weniger streng, eben weil der Bürger nicht
belastet, sondern begünstigt wird. Die Gewährung von Vergünstigungen ist jedoch
keinesfalls ein rechtsfreier Raum. Beispielsweise dürfen Vergünstigungen nicht willkür-
lich und unter Verletzung des Gleichheitssatzes gewährt werden. Schon um das Gleich-
heitsprinzip einzuhalten, ist es notwendig, die Verteilung von Geldleistungen und sons-
tigen Vergünstigungen an Regeln zu binden – und diese Regeln ergehen fast immer in
der Form eines Gesetzes. Man denke zum Beispiel an die Sozialhilfeleistungen, für die
es genaue Kataloge gibt, oder an das Wohngeld, dessen Höhe in sehr detaillierter Form

13 Vgl. §§ 11, 124 BauGB. Näheres dazu unten im Kapitel „Städtebauliche Verträge“.

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vom Gesetzgeber bestimmt wird. Nur in relativ schmalen Bereichen entscheidet die
Verwaltung allein – so zum Beispiel bei der Gewährung von Fördermitteln für wissen-
schaftliche Arbeiten oder Forschungsaufträge, die im Interesse eines Ministeriums lie-
gen. Auch über Subventionen anderer Art wird zuweilen ohne detaillierte Regelung
entschieden. Als Mindestvoraussetzung muss jedoch auch für derartige, sonst gesetzes-
freie Aufträge oder Subventionen eine Haushaltsstelle in einem öffentlichen Haushalts-
plan vorhanden sein, in der die entsprechenden Gelder genau für diesen Zweck vorge-
sehen sind.14
Kompliziert wird die Situation, wenn ein Verwaltungsakt gegenüber einer Person be-
günstigende, gegenüber einer anderen aber belastende Wirkungen hat. Gerade im Be-
reich des Bau- und Planungsrechts kommt dies des Öfteren vor. Denn eine Baugeneh-
migung hat recht häufig ein doppeltes Gesicht: Der Antragsteller, also der Bauherr,
freut sich, wenn ihm die Baugenehmigungsbehörde gestattet, auf seinem Grundstück
dicht an der Grenze zum Nachbarn noch eine Garage zu bauen, die dort eigentlich
nicht vorgesehen war. Der Nachbar, an dessen Grenze die Garage sich befinden wird,
wird darüber kaum begeistert sein. Erstens fällt mehr Schatten auf sein Grundstück
als vorher, zweitens fährt das Auto auf seinem Weg von und zur Garage vielleicht
gerade an seiner Gartenterrasse vorbei und stört ihn mit Geräuschen und Abgasen.
Obwohl der Nachbar eigentlich gar nicht der Adressat des Verwaltungsakts (der Bau-
genehmigung) ist, wird er dennoch von ihr betroffen, auch ihm muss im Streitfall
Rechtsschutz gewährt werden. Dies ist bei den Verwaltungsakten mit Doppelwirkung
(manche nennen sie auch „Verwaltungsakte mit Drittwirkung“) durchaus anerkannt;
in den Kapiteln A.V. 3. c) und B.IX. 3 findet sich darüber Näheres.
c) Fehlerhafte Verwaltungsakte. Ein Antrag auf Rechtsschutz wird immer nur dann
Erfolg haben, wenn der Verwaltung bei ihrem Verwaltungsakt ein Fehler unterlaufen
ist. Je nach der Art des Fehlers unterscheidet man verschiedene Fehlerfolgen, die im
Bild 6 nebeneinandergestellt sind.
Vorab und als einer der wichtigsten Grundsätze zur Fehlerhaftigkeit von Verwaltungs-
akten ist festzuhalten, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt nicht automatisch wir-
kungslos ist, sondern dass er rechtzeitig angegriffen (juristisch ausgedrückt: angefoch-
ten) werden muss, wenn er beseitigt werden soll. Wenn ein fehlerhafter
Verwaltungsakt von demjenigen oder denjenigen, die sich durch ihn belastet fühlen,
nicht rechtzeitig angegriffen wird, dann erwächst er in Bestandskraft und muss endgül-
tig hingenommen werden. Hinsichtlich der Geltung dieses Grundsatzes gibt es nur
zwei Einschränkungen: Auf der einen Seite gibt es Verwaltungsakte, deren Fehler so
gravierend und so offensichtlich sind, dass sie auch ohne Anfechtung als nichtig ange-
sehen werden müssen. Auf der anderen Seite gibt es Verwaltungsakte mit Fehlern, die
offenkundig so unbedeutend sind (wie Schreibfehler), dass sie auch eine Anfechtung
unbeschadet überstehen. Übrigens: Das nahverwandte Wort Rechtskraft ist allein Ge-
richtsurteilen vorbehalten, die nicht mehr angegriffen werden können; weder Verwal-
tungsakte noch Pläne werden „rechtskräftig“, sie werden bestandskräftig (Verwal-
tungsakte) oder rechtsverbindlich (Bebauungspläne).

14 Vgl. BVerwG, U. v. 17.3.1977 – VII C 59.75 –, NJW 1977, 1838.

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Bild 6: Fehlerhafte Verwaltungsakte; Fehlerfolgen


Fehlerfolgen

Die Anfechtbarkeit
Ohne Auswirkung auf ist die regelmäßige Die Nichtigkeit gibt
die Bestandskraft Folge von Fehlern es nur sehr selten bei
bleiben: Evidenz
Offenbare Unrichtig- Formfehler gemäß VwVfG:
keit (Schreibfehler) – Erlassende Behörde
Verfahrenfehler
Berichtigung nicht erkennbar
– Unzuständigkeit
– Verletzung strenger
Rechtsbehelfsbeleh- – Fehlende Mitwirkung
Formvorschriften
rung fehlt anderer Stellen
– qualifiz. örtl. Unzustän-
Frist beginnt nicht – Fehlen einer
digkeit
zu laufen Entsch.voraussetzung
– Fehlen der
leichte, auf das – objektive Unmöglich-
Begründung
Ergebnis ohne Ein- keit
fluss gebliebene Ver- Materielle Fehler
fahrensfehler – keine Ermächtigungs- – Strafbarkeit
ohne Auswirkung grundlage – Sittenwidrigkeit
– unrichtige Tatsachen-
feststellung
– unrichtige Gesetzes-
anwendung
– Ermessensfehler

Der Sonderfall der Nichtigkeit tritt nur dann ein, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des
Verwaltungsakts jedem einigermaßen vernünftigen Betrachter von vornherein auf-
drängt, wenn sie dem Verwaltungsakt gewissermaßen „auf der Stirn geschrieben“
steht. Anerkannt ist eine solche Nichtigkeit z. B. in folgenden Fällen (vgl. § 44
VwVfG):
– Der Absender des Verwaltungsakts ist nicht erkennbar, sodass man sich gegen
diesen Verwaltungsakt nicht wehren kann.
– Der Verwaltungsakt kommt von einer örtlich offensichtlich völlig unzuständigen
Behörde (das Straßenverkehrsamt in München verbietet die Benutzung einer Woh-
nung in Hannover).
– Die Ausführung des Verwaltungsakts ist objektiv unmöglich (ein Grundstücksei-
gentümer wird – unter Verwechslung der Grundstücksadresse – zur Beseitigung
eines auf seinem Grundstück gar nicht vorhandenen Gartenhäuschens verpflich-
tet).
– Der Verwaltungsakt fordert zu einer strafbaren Handlung auf (ein Bescheid auf
Wohngeld wird unter der Bedingung erteilt, dass 1.000 A auf das Konto des Sach-
bearbeiters eingezahlt werden).
Nur wenn Fehlerhaftigkeit, Unsinnigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts
in dieser Weise offenkundig sind, darf man darauf verzichten, gegen die Maßnahme
einer Behörde anzugehen, die man nicht hinnehmen möchte. In allen anderen Fällen
muss man, in der Regel innerhalb eines Monats, einen Rechtsbehelf gegen den Verwal-
tungsakt oder gegen die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts einlegen, wenn

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man sich mit dem Verlauf der Dinge nicht abfinden will. Der übliche Rechtsbehelf ist
der „Widerspruch“: Wenn man einen begünstigenden Verwaltungsakt beantragt hat
und dieser abgelehnt worden ist oder wenn man die Nachricht über einen belastenden
Verwaltungsakt im Briefkasten vorfindet, dann muss man bei der Behörde, von der
die Ablehnung bzw. der belastende Verwaltungsakt ausgegangen ist, schriftlich oder
mündlich zu Protokoll der Behörde Widerspruch einlegen.
Im Widerspruchsverfahren – geregelt in §§ 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) – soll der Behörde Gelegenheit gegeben werden, die eigene Entscheidung
noch einmal zu überdenken. Meint die Behörde, dass sie sich geirrt oder etwas überse-
hen habe, kann sie ihren Verwaltungsakt ändern. Wenn die Behörde ihre Entscheidung
nicht abändern möchte (was wohl die Regel ist), dann gibt sie den Vorgang an ihre
vorgesetzte Behörde (die „Widerspruchsbehörde“) ab, sofern sie nicht selbst die inso-
weit oberste Instanz darstellt. Die Widerspruchsbehörde erlässt den Widerspruchsbe-
scheid. Bleibt im Widerspruchsbescheid der beanstandete Verwaltungsakt (wenn auch
vielleicht in veränderter Form) bestehen, so muss der betroffene Bürger sich wiederum
innerhalb eines Monats nach Erhalt des Widerspruchsbescheids an das zuständige
Gericht wenden, wenn er nicht nachgeben will.
Das Gericht wird die Ablehnungsentscheidung der Verwaltung bzw. den belastenden
Verwaltungsakt aufheben, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft und der Fehler weder
geheilt noch kraft Gesetzes vor Gericht unbeachtlich ist und der Kläger durch diesen
Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. Als Fehler kommen zunächst Verfah-
rens- und Formfehler in Betracht.
Verfahrensfehler sind zum Beispiel:
– das Unterlassen der Anhörung eines Beteiligten trotz Anhörungspflicht (in § 28
des VwVfG ist vorgeschrieben, dass jedem Betroffenen vor Erlass eines belastenden
Verwaltungsakts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll);
– die fehlende Mitwirkung einer Behörde (vor Erteilung einer Baugenehmigung ist
das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde nicht eingeholt worden).
Formfehler sind zum Beispiel:
– das Fehlen der Begründung des Verwaltungsakts;
– Fehler bei der Bekanntgabe (z. B. fehlende Unterschrift beim schriftlichen Be-
scheid).
Solche Verfahrens- und Formfehler können nur dann zur Aufhebung des Verwaltungs-
akts führen, wenn sie nicht während des Widerspruchsverfahrens, spätestens aber bis
zur Erhebung der Klage, behoben werden. Wird z. B. die erforderliche Anhörung der
Betroffenen oder die fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde rechtzeitig nachge-
holt, die fehlende Begründung nachträglich gegeben („nachgeschoben“), dann bleibt
der Verwaltungsakt bestehen (vgl. § 45 VwVfG). Manche Fehler können sogar noch
während des gerichtlichen Verfahrens beseitigt werden; das Gericht kann das Verfah-
ren zu diesem Zweck aussetzen. Mehr noch: Selbst wenn die Fehler nicht behoben,
nicht geheilt werden, bleiben sie vor Gericht unbeachtlich, wenn in der Sache keine
andere Entscheidung hätte ergehen können (vgl. § 46 VwVfG).
Bei materiellen Fehlern sind die Folgen häufig schwerer. Sie können nicht geheilt wer-
den und bewirken (fast) immer die Aufhebung des Verwaltungsakts – wenn er rechtzei-
tig angefochten wird und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt ist.
Als materielle Fehler kommen in Betracht:
– das Fehlen oder die Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage (Beispiel: Das
Bundeskartellamt verbietet die weitere Veräußerung von Superbenzin, nachdem
alle Mineralölgesellschaften ihre Preise gleichzeitig um 20 % angehoben haben:
Diese Maßnahme ist im Kartellgesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig);
– unrichtige Tatsachenfeststellung (die Bauaufsichtsbehörde ordnet wegen Baufällig-
keit den Abriss sämtlicher Balkons eines Hauses an, obwohl nur ein bestimmter
Balkon baufällig ist);

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– unrichtige Gesetzesanwendung (die BAföG-Bewilligungsstelle kürzt den Auszah-


lungsbetrag mit Hinweis auf das Einkommen des Stiefvaters des Antragstellers,
obwohl laut Gesetz nur das Einkommen der unterhaltspflichtigen leiblichen Ver-
wandten anzurechnen ist);
– Ermessensfehler (die Baugenehmigungsbehörde versagt die Genehmigung zum
Ausbau eines Dachgeschosses, obwohl im baulich identischen Nachbargebäude
vergleichbare Ausbauten bereits durch Befreiung von den Festsetzungen des B-
Plans genehmigt worden sind. Auf eine Befreiung besteht zwar grundsätzlich kein
Anspruch; wenn jedoch vergleichbare Fälle bereits genehmigt worden sind, kann
eine Versagung ermessensfehlerhaft sein, wenn der zu entscheidende Fall keine
Besonderheiten aufweist).
Wenn der Bürger, der von einem solchen Verwaltungsakt in seinen Rechten beeinträch-
tigt ist, sich rechtzeitig an das Gericht gewandt hat, werden alle diese möglichen Fehler
vom Verwaltungsgericht von Amts wegen überprüft. Findet das Gericht einen (nicht
geheilten und auch vor Gericht noch beachtlichen) Fehler, hebt es den belastenden
Verwaltungsakt auf oder verpflichtet die Behörde, den begehrten begünstigenden Ver-
waltungsakt zu erlassen. Wenn der begehrte Verwaltungsakt im Ermessen der Behörde
liegt, kann das Gericht die Behörde nur verpflichten, den Bürger unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Bescheidungsurteil). Durch ein
solches Bescheidungsurteil soll der Behörde noch Gelegenheit gegeben werden, etwaige
andere Ermessensgesichtspunkte bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
Ohne Einfluss auf die Bestandskraft von Verwaltungsakten bleiben die geheilten, die
kraft Gesetzes unbeachtlichen und die bereits erwähnten „ganz kleinen Fehler“. Das
sind vor allem offenbare Schreib- und Rechenfehler, die jederzeit berichtigt werden
dürfen (§ 42 VwVfG). Zu den Fehlern, die keinen Einfluss auf den Bestand des Ver-
waltungsaktes haben, gehört auch das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung. Allerdings
beginnt beim Fehlen der Rechtsmittelbelehrung die Monatsfrist für die Einlegung des
Widerspruchs nicht zu laufen, so dass der Bürger hier maximal ein Jahr ab Zugang
des Verwaltungsakts Zeit hat, um sich zu überlegen, ob er gegen die Entscheidung der
Behörde vorgehen will. Danach gibt es keine Widerspruchsmöglichkeit mehr. Die Frist
verkürzt sich, wenn ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, aber ohne Zustellung an
einen potentiell beeinträchtigten Dritten (z. B. den Nachbarn eines baulichen Vorha-
bens) ausgeführt wird und dem Dritten zugemutet werden kann, seinen Widerspruch
eher als kurz vor Ablauf der Jahresfrist einzubringen. Wer täglich an der Baugrube
vorbeigeht, die er nicht dulden will, darf mit seinem Widerspruch nicht ein Jahr lang
zögern. Spätestens nach drei Monaten verwirkt er sein Widerspruchsrecht.
Manche Bundesländer (der Freistaat Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen)
haben sich dafür entschieden, das Widerspruchsverfahren weitgehend abzuschaffen,
weil die eigentliche Überprüfung ohnehin vor Gericht stattfindet.
d) Bestandskraft von Verwaltungsakten. Wenn gegen einen ordnungsgemäß zugestell-
ten und mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakt kein Widerspruch ein-
gelegt und keine Klage erhoben wird, wird der Verwaltungsakt nach dem Ablauf eines
Monats bestandskräftig. Das bedeutet aber nicht, dass der Verwaltungsakt auch von
der Verwaltung selbst nicht mehr geändert werden könnte. Wenn die Verwaltung
selbst einen Fehler entdeckt, kann sie den Verwaltungsakt unter bestimmten Bedingun-
gen von sich aus zurücknehmen. Auch ein fehlerfreier Verwaltungsakt kann von der
Verwaltung – wiederum unter gewissen Bedingungen – widerrufen werden.
In dieser Möglichkeit der nachträglichen Änderung oder sogar der Aufhebung von
eigentlich bestandskräftigen Verwaltungsakten liegt der Hauptunterschied zur
„Rechtskraft“ von Urteilen. Deshalb sollte man die Bestandskraft von Verwaltungsak-
ten nicht mit der Rechtskraft von Urteilen verwechseln. Urteile werden (so ähnlich
wie Verwaltungsakte) nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder wenn sie von einem Ge-

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richt der letzten Instanz stammen, rechtskräftig. Wenn ein Urteil rechtskräftig gewor-
den ist, kann es von dem Gericht, von dem es gefällt worden ist, nicht mehr geändert
oder aufgehoben werden. Möglich ist (z. B. in zivilrechtlichen Streitigkeiten über Dau-
erschuldverhältnisse) nur ein abänderndes Urteil in einem neuen Verfahren, oder (z. B.
bei Strafsachen) eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sich herausstellt, dass das
angegriffene, aber rechtskräftige Urteil auf einem Justizirrtum beruht. Für derartige
Verfahren ist aber immer ein Antrag der Betroffenen erforderlich; das Gericht kann
nicht von sich aus tätig werden.
Die Bestandskraft von Verwaltungsakten ist nicht so strikt wie die Rechtskraft von
Urteilen. Das ist auch nicht erforderlich, weil Verwaltungsakte nicht schon ihrer Natur
nach eine Streitentscheidung enthalten (so wie jedes Urteil), sondern einen Sachverhalt
regeln. Wenn sich später herausstellt, dass eine andere Sachverhaltsregelung günstiger
oder gerechter wäre, dann ist nicht einzusehen, warum die Verwaltung einer besseren
Erkenntnis nicht folgen können sollte.
Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob der Verwaltungsakt, der geändert
werden soll, fehlerhaft oder fehlerfrei ist; eine weitere, sehr wichtige Differenzierung
muss danach vorgenommen werden, ob der zu ändernde Verwaltungsakt ein den Emp-
fänger begünstigender oder belastender Akt ist. Im Einzelnen gilt folgendes:
Für die erste Unterscheidung (rechtswidriger oder rechtsfehlerfreier Verwaltungsakt)
leuchtet ohne Weiteres ein, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt leichter veränderbar
sein sollte als ein fehlerloser. Aber auch bei fehlerhaften Verwaltungsakten verdient
der Bürger einen gewissen Vertrauensschutz, wenn es sich um einen begünstigenden
Verwaltungsakt gehandelt hat. Deshalb ist es sowohl bei fehlerhaften als auch bei
fehlerlosen Verwaltungsakten schwieriger, eine begünstigende Entscheidung aufzuhe-
ben als eine belastende.
Ein belastender Verwaltungsakt kann eigentlich immer problemlos aufgehoben wer-
den, gleichgültig ob der Erstbescheid mit Fehlern behaftet war oder nicht. Bei fehler-
freien belastenden Verwaltungsakten ist eine Aufhebung aber dann nicht zulässig,
wenn sich aus dem zugrunde liegenden Gesetz ergibt, dass dieser Verwaltungsakt in-
haltlich so und nicht anders ergehen musste und dass er auch nicht zeitlich verschoben
werden kann. Unter diesen Umständen würde ein Widerruf nur dazu führen, dass in
kürzester Zeit der gleiche Verwaltungsakt noch einmal erlassen werden muss. Das
kann nicht sinnvoll sein. Ganz anders ist es bei begünstigenden Verwaltungsakten,
insbesondere bei solchen „mit Dauerwirkung“:
Wenn die Verwaltung jemandem versehentlich zuviel Geld (Sozialhilfe, Studienförde-
rung) bewilligt und ausgezahlt hat, dann darf dieses Geld nur dann zurückgefordert
werden, wenn der Betroffene die Überzahlung ohne weiteres hätte erkennen können
und müssen. Wenn das nicht ohne weiteres klar war, genießt der Zahlungsempfänger
Vertrauensschutz. Er durfte dann damit rechnen, dass er das Geld behalten und ausge-
ben durfte. Eine Rückzahlungsforderung wäre jedenfalls dann ungerecht, wenn das
Geld nicht mehr vorhanden ist (vgl. § 48 Abs. 2 VwVfG). Dieser Grundsatz, dass ein
berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand eines begünstigenden Verwaltungsakts zu
schützen ist, gilt für die Abänderung aller begünstigenden Verwaltungsakte, auch für
fehlerhafte.
Das bedeutet im Einzelnen: Die Rücknahme eines begünstigenden fehlerhaften Verwal-
tungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit ist nur selten möglich. Zulässig ist es
aber fast immer, die Wirkung eines fehlerhaften begünstigenden Verwaltungsaktes für
die Zukunft aufzuheben. Wenn also zum Beispiel ein fehlerhafter BAföG-Bescheid für
ein Jahr ausgesprochen worden ist, von dem bereits drei Monate vergangen sind, dann
darf der Empfänger die Zahlung für die ersten drei Monate behalten, die Verwaltung
darf jedoch für die Zukunft die Summe berichtigen und die überhöhte Zahlung einstel-
len.

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Ein fehlerloser begünstigender Verwaltungsakt darf nur ganz ausnahmsweise widerru-


fen werden, zum Beispiel, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Näheres
regelt § 49 VwVfG). Das Bild 7 verdeutlicht dies alles noch einmal.

Bild 7: Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten


Rücknahme nach § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
= Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes durch die erlassende Behörde
– bei belastendem VA  problemlos
– bei begünstigendem VA  Vertrauensschutz!
Widerruf nach § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
= Aufhebung eines rechtmäßigen VA durch die erlassende Behörde
– bei belastendem VA  problemlos, wenn der gleiche VA nicht sofort er-
neut erlassen werden müsste
– bei begünstigendem VA  nur ausnahmsweise
• bei Widerrufsvorbehalt
• bei Änderung der Tatsachen
• bei Änderung der Rechtslage
Anderweitige Aufhebung
– im Widerspruchsverfahren
– durch die Gerichte
Erledigung
– durch Zeitablauf
– durch Verzicht

Ein wichtiger Merkpunkt sollte noch der Terminologie gelten: Die Juristen sprechen
von Rücknahme, wenn ein fehlerhafter Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben
werden soll; sie sprechen von Widerruf, wenn ein fehlerloser Verwaltungsakt von der
Verwaltung nachträglich geändert oder aufgehoben werden soll.
Wenn nicht die Verwaltung selber ihren Verwaltungsakt abändert oder aufhebt, kann
die Änderung oder Aufhebung nur im gerichtlichen Verfahren herbeigeführt werden.
Natürlich gibt es auch Verwaltungsakte, die sich von selbst durch Zeitablauf erledigen
(z. B. das Verbot einer Veranstaltung für einen bestimmten Tag). Solche Verwaltungs-
akte nachträglich zu ändern, hätte wenig Sinn. Wenn man sich über die Rechtmäßig-
keit derartiger erledigter Verwaltungsakte streiten will, dann muss man eine Feststel-
lungsklage erheben mit dem Antrag festzustellen, dass der Verwaltungsakt
rechtswidrig war. Diese Feststellung kann für Schadensersatzansprüche und für Fol-
genbeseitigungsansprüche von erheblicher Bedeutung sein.

e) Vollstreckung von Verwaltungsakten. Da die Verwaltung dem Bürger nicht als


gleichgeordnete Instanz, sondern als übergeordnete Behörde gegenübertritt, braucht
sie sich zur Durchsetzung und Vollstreckung ihrer Forderungen und Befehle im Allge-
meinen nicht der Gerichte zu bedienen. Darin liegt ein grundsätzlicher Unterschied
zur Position des normalen Bürgers oder auch der großen juristischen Personen des
Handelsrechts. Wenn das Volkswagenwerk – eine private Aktiengesellschaft also –
zum Beispiel die Beziehungen zu einer bisherigen Vertragswerkstatt abbrechen und
deshalb auch bestimmte, nur VW-Vertragswerkstätten zustehende Einrichtungen zu-
rückhaben will, dann kann es diese Einrichtungsgegenstände gegen den Willen des
bisherigen Vertragshändlers nicht einfach durch ein Transportkommando abholen las-
sen. Wenn der Vertragshändler die Gegenstände nicht freiwillig herausgibt, muss das
VW-Werk den Vertragshändler auf Herausgabe verklagen und kann erst dann die
Gegenstände vom Gerichtsvollzieher herausholen lassen, wenn es dafür ein vollstreck-
bares Gerichtsurteil erstritten hat.
Anders ist es bei der Verwaltung: Wenn ein Verwaltungsakt bestandskräftig geworden
oder für sofort vollziehbar erklärt worden ist, dann kann die Verwaltung diesen Ver-
waltungsakt mit ihren eigenen Mitteln – ohne Einschaltung des Gerichts – vollstre-

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cken. Dabei sind (wie im Bild 8 dargestellt) die Vollstreckung von Geldforderungen
einerseits und die Vollstreckung von Pflichten zu einer Handlung, Duldung oder Un-
terlassung andererseits zu unterscheiden.
Die Vollstreckung einer Geldforderung funktioniert im Prinzip genauso wie das Ein-
treiben einer Geldforderung durch einen privaten Gläubiger nach einem positiven Ge-
richtsurteil: Die Verwaltung kann entweder den allgemeinen Gerichtsvollzieher oder
einen besonderen Vollstreckungsbeamten ihrer Verwaltung (diesen gibt es insbeson-
dere bei der Finanzverwaltung) damit beauftragen, Gegenstände aus dem Eigentum
des Schuldners zu pfänden. Aufgrund einer solchen Pfändung können die betreffenden
Gegenstände anschließend zwangsversteigert, im Ergebnis also zu Geld gemacht wer-
den. Der Erlös, der bei der Versteigerung erzielt wird, dient dazu, die Geldforderung
zu begleichen.
Eine weitere Möglichkeit zur Vollstreckung von Geldforderungen liegt darin, eine
Geldforderung des Schuldners zu beschlagnahmen (im privaten Vollstreckungsrecht
sagt man dazu: pfänden und überweisen zu lassen). Am häufigsten werden Lohn- oder
Gehaltsansprüche beschlagnahmt. Hier passiert folgendes: Wenn die Verwaltung als
Gläubiger in Erfahrung bringen kann, gegen wen der Schuldner seinerseits Geldan-
sprüche hat (z. B. gegen seinen Arbeitgeber), dann kann sie durch einen „Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss“ erreichen, dass der Dritte (also der Arbeitgeber, der ei-
gentlich an den Schuldner zahlen müsste) sein Geld nicht an den Schuldner schicken
darf, sondern an den Gläubiger (hier also die Verwaltung) überweisen muss. Das Geld
(richtiger: die Forderung) wird also gewissermaßen beschlagnahmt (und damit vom
Schuldner getrennt) und dann an den Gläubiger überwiesen, sodass er auf diese Weise
indirekt zu dem Geld kommt, das eigentlich direkt vom Schuldner an ihn gezahlt
werden müsste.
Eine dritte Möglichkeit der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen liegt im Zu-
griff auf Grundstücke des Schuldners. Sofern der Schuldner Eigentümer eines Grund-
stücks ist, kann die Verwaltung für ihre Geldforderung eine Zwangshypothek zu
Lasten des Grundstücks im Grundbuch eintragen lassen und dann die Zwangsverstei-
gerung dieses Grundstücks einleiten. Diese Möglichkeit ist für das Bau- und Planungs-
recht wichtig, weil es hier häufig um Entscheidungen geht, die sich auf Grundstücke
beziehen. Wenn also zum Beispiel der Eigentümer eines Grundstücks, das durch ein
Sanierungsverfahren im Wert verbessert worden ist, sich weigert, den Sanierungsvor-
teil als sogenannten Ausgleichsbetrag an die Gemeinde abzuführen, dann kann die
Gemeinde ihre Forderung zwangsweise vollstrecken, indem sie die Eintragung einer
Zwangshypothek bewirkt. Diese Zwangshypothek wird im Grundbuch eingetragen.
Wenn der Eigentümer sich nicht in letzter Minute dazu entschließt, seine Schulden an
die Gemeinde zu bezahlen, wird das Grundstück zwangsversteigert, und die Gemeinde
bekommt aus dem Veräußerungserlös den Betrag, der als Ausgleichsbetrag zuvor er-
rechnet worden ist.

Bild 8: Die Vollstreckung von Verwaltungsakten


Geldforderungen Pflichten zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlassung
– Pfändung und Versteigerung von Sachen – Ersatzvornahme: Auftrag an Handwerker,
Abschleppunternehmen
– Pfändung und Einziehung von Forderungen – Zwangsgeld: besonders bei „unvertretbaren“
des Schuldners gegen Dritte (Arbeitgeber) Handlungen (auch mehrfach anwendbar)
– Zugriff auf Grundstücke des Schuldners im – Unmittelbarer Zwang: Festhalten, Abschieben
Wege der Zwangshypothek, Eintragung als der betroffenen Person
öffentliche Last, danach Zwangsverwaltung,
Zwangsversteigerung
– Ersatzzwangshaft/Erzwingungshaft

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Grundbegriffe des Verwaltungsrechts III.

Geht es nicht um die Vollstreckung von Geldforderungen, sondern darum, den Adres-
saten eines Verwaltungsaktes zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlas-
sung zu zwingen, dann stehen der Verwaltung folgende vier Instrumente der Vollstre-
ckung zur Verfügung: Erstens die Ersatzvornahme, zweitens das Zwangsgeld, drittens
der unmittelbare Zwang und viertens die Erzwingungshaft (auch Ersatzzwangshaft
genannt).
Die Ersatzvornahme ist das richtige Mittel, wenn die Handlung, die die Verwaltung
fordert, nicht unbedingt vom Adressaten des Verwaltungsakts selbst ausgeführt wer-
den muss. Wenn die Verwaltung zum Beispiel von einem Grundstückseigentümer ver-
langt, eine illegal errichtete Garage wieder abzureißen, dann braucht der Abriss nicht
vom Eigentümer selbst ausgeführt oder auch nur veranlasst zu werden. Wird der Ei-
gentümer nicht innerhalb einer bestimmten Frist tätig, so kann die Verwaltung die
Ersatzvornahme anordnen. Sie erteilt dann den Abrissauftrag an einen Abrissunterneh-
mer, der bei dem betreffenden Eigentümer vorfährt und die Garage beseitigt. Die Kos-
ten dieses Unternehmens müssen vom ungehorsamen Eigentümer bezahlt werden; (die
Vollstreckung dazu richtet sich nach den Regeln für die Vollstreckung von Geldforde-
rungen).
Wenn die geforderte Handlung dagegen direkt vom persönlichen Verhalten des Adres-
saten abhängt, muss die Verwaltung entweder mit Zwangsgeld oder mit unmittelba-
rem Zwang arbeiten. Hat die Verwaltung zum Beispiel dem Eigentümer einer Woh-
nung untersagt, die Wohnräume als Praxisräume für eine Rechtsanwaltskanzlei
zweckentfremdet zu verwenden, dann kann diese Anordnung am besten durch
Zwangsgeld vollstreckt werden, wenn der Adressat sich weigert, der Anordnung nach-
zukommen. Das Zwangsgeld kann – anders als eine Strafe – mehrfach verhängt wer-
den, so dass die Weigerung schließlich so teuer wird, dass der Adressat bei einem Rest
von Vernunft seinen Widerstand aufgeben wird. Bei Uneinbringlichkeit des Zwangs-
geldes kann (für jedes festgesetzte Zwangsgeld) Ersatzzwangshaft von höchstens zwei
Wochen verhängt werden.
Der unmittelbare Zwang wird relativ selten eingesetzt. Ein Fall von unmittelbarem
Zwang liegt z. B. vor, wenn eine bestimmte Straße wegen eines bevorstehenden Umzu-
ges gesperrt wird und im Gefolge dieser Anordnung Fußgänger von Polizeibeamten
notfalls durch unmittelbares Zugreifen daran gehindert werden, die Straße zu über-
queren. Im Festhalten und Zurückschieben liegt dann unmittelbarer Zwang. Auch in
der Versiegelung einer Wohnung wegen gesundheitsgefährdender Zustände liegt die
Anwendung unmittelbaren Zwangs.
Alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch die Verwaltung sind selbständige
Verwaltungsakte, die ihrerseits mit Widerspruch und Klage angegriffen werden kön-
nen. Wer alle Rechtsmittel ausschöpft, kann dadurch erhebliche Verzögerungen bei
der Vollstreckung erreichen. Beim unmittelbaren Zwang allerdings wird der spontane
Widerspruch wenig helfen, denn hier ist die Vollstreckung schneller bei der Hand als
das aufschiebende Rechtsmittel. Hier kann das Gericht nur mit einer nachträglichen
Feststellungsklage angerufen werden, sofern dafür (z. B. wegen eines möglichen Scha-
densersatzanspruchs) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Literatur
Grundbegriffe des Verwaltungsrechts
Bull, Hans-Peter/Mehde, Veith, Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre, 9. Aufl.,
Heidelberg 2015;
Detterbeck, Steffen, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl.,
München 2018;
Ipsen, Jörn, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl., München 2017;
Knack, Hans Joachim (Hrsg.) fortgeführt von Henneke, Hans-Günter, Verwaltungsverfahrensge-
setz, Kommentar, 10. Aufl., Köln 2014;

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Kopp, Ferdinand O. fortgeführt von Ramsauer, Ulrich, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommen-


tar, 19. Aufl., München 2018;
Peine, Franz-Joseph, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., Heidelberg 2015;
Stelkens, Paul/Bonk, Joachim/Sachs, Michael, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., München 2018.

IV. Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und


Selbstverwaltung
1. Das Prinzip der Gewaltenteilung
Macht kann immer missbraucht werden. Je mehr Macht in den Händen nur weniger
Menschen konzentriert ist, desto größer ist diese Gefahr. Dabei muss es gar nicht um
einen bewussten Missbrauch gehen. Anscheinend hat die Ausübung von Macht etwas
Berauschendes an sich. Wer diesem Rausch erliegt, hält sich für unfehlbar und glaubt
sich dazu berechtigt, den Unterworfenen auch gegen ihren Willen zu ihrem vermeintli-
chen Glück zu verhelfen. Die menschliche Geschichte ist voll von solchen Exzessen;
es ist also nur zu verständlich, dass die Verfassungstheoretiker versucht haben, Vor-
kehrungen gegen einen Machtmissbrauch in das Staatssystem einzubauen.
Eines der erfolgreichsten Prinzipien zur Machtbegrenzung ist das der Gewaltenteilung,
das Montesquieu als Ergebnis langjähriger staatspolitischer Studien und Reisen in den
Ländern Europas formulierte. Er war Zeitgenosse Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.,
jener uneingeschränkten und alleinigen Herrscher auf dem französischen Thron. Mon-
tesquieu erlebte den Höhepunkt ihrer absolutistischen Machtentfaltung und die An-
fänge des Niedergangs jener Epoche. Ludwig XIV. hat das absolutistische Staatsver-
ständnis in dem berühmten, formelhaft kurzen Satz zusammengefasst: „L’etat, c’est
moi“ (Der Staat, das bin ich).
Im Absolutismus lagen Entscheidungen über Krieg und Frieden, über den Einsatz der
Staatsfinanzen, über Einstellung und Entlassung von Beamten und Ministern, im Prin-
zip über jede einzelne Verwaltungsmaßnahme allein in den Händen des Monarchen.
Auch Urteile der Gerichte konnte er kassieren und durch seinen eigenen Spruch erset-
zen.
Diese uneingeschränkte Machtfülle wollte Montesquieu durch eine Gewaltenteilung
begrenzen. Dazu schrieb er sein Hauptwerk: „L’esprit des lois“ (Der Geist der Ge-
setze), das 1748 erschien. Ihm ging es vor allem darum, die Gesetzgebung einerseits
und die Gesetzesausführung andererseits auseinanderzuhalten. Die Gerichte waren bei
Montesquieu noch nicht als eigenständige dritte Gewalt vorgesehen; sie gehörten zur
Gesetzgebung; ihre Befugnis sollte darin bestehen, als „Mund, der die Worte des Ge-
setzes nachspricht“, die Geltung und Strenge des Gesetzes zum Ausdruck und zur
Durchsetzung zu bringen. Montesquieu unterlag insoweit noch dem (zeitgemäßen)
Irrtum, dass das Richteramt sich in der bloßen Rechtsanwendung erschöpfe, dass die
richterliche Gewalt gegenüber dem Gesetz somit „in gewisser Weise gleich null“ sein
müsse. Durch seine Zweiteilung der staatlichen Gewalt in Legislative und Exekutive
wollte Montesquieu eine Art von Balance erreichen. Die Legislative sollte der Regie-
rung und der Verwaltung die Maßstäbe ihres Handelns setzen und sie dadurch begren-
zen. Aber auch die Macht des Gesetzgebers sollte dadurch beschränkt werden, dass er
seine Gesetze nicht selbst ausführen, sondern dies einer von ihm getrennten, insoweit
unabhängigen Verwaltung überlassen musste. Dieses System der Gewaltenteilung passt
am besten in die Staatsform der konstitutionellen Monarchie. In der konstitutionellen
Monarchie gibt es einerseits das gewählte Parlament, das für die Gesetzgebung, insbe-
sondere für die Bewilligung von Steuern, zuständig ist; andererseits gibt es den vom
Parlament ganz und gar unabhängigen Monarchen, der die Minister ernennt, die ihrer-
seits die obersten Vorgesetzten der Verwaltung sind. Die Gerichte sind so lange außer-
halb des Blickfeldes, wie es keine Verwaltungsgerichte gibt, sondern nur Zivilgerichte

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

und Strafgerichte, die Geldstreitigkeiten der Bürger schlichten und der Autorität des
Staates durch Kriminalstrafen Geltung verschaffen.
Die moderne Gewaltenteilung sieht wesentlich anders aus. Im modernen Staat, insbe-
sondere in der Bundesrepublik Deutschland, hat die Dritte Gewalt eine sehr wichtige
eigenständige Position gewonnen. Die Gerichte legen die Gesetze aus. Da Gesetze in
vielen Fällen allgemeine Begriffe benutzen und damit relativ unbestimmt sind, wird
die letzte Entscheidung häufig nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Gericht getroffen.
Wenn man die Innehabung der obersten Gewalt daran misst, wer in einem Streitfall
das allerletzte Wort hat, dann muss man in der Bundesrepublik sogar die Gerichte als
die oberste Gewalt bezeichnen. Denn im Streitfall entscheiden letztlich die Gerichte,
an ihrer Spitze das Bundesverfassungsgericht, darüber, ob ein Gesetz Bestand hat,
das vom Bundestag erlassen worden ist. Auch die Wirksamkeit einer Änderung des
Grundgesetzes kann vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden – der eigentliche
Souverän ist also insoweit nicht das Parlament (als Repräsentant des Volkes), schon
gar nicht der Bundespräsident (der die Gesetze zu unterzeichnen hat), sondern die
Gerichtsbarkeit. Allerdings haben die Gerichte immer nur die Möglichkeit, die Gel-
tung von vorhandenen Gesetzen anzuzweifeln und eine Überprüfung durch die Verfas-
sungsgerichte herbeizuführen. Sie können kein neues Gesetz, keine neue Regelung an
die Stelle einer etwa als verfassungswidrig erkannten Vorschrift setzen. Dies ist und
bleibt das alleinige Recht der Legislative.
Während die Bedeutung der Dritten Gewalt, der Gerichte, einen ungeheuren Zuwachs
erfahren hat, ist die Trennung der Gewalten zwischen der Legislative und der Exeku-
tive mittlerweile insoweit verschwommen, als es um die Aufteilung der Macht zwi-
schen Parlament einerseits und Regierung andererseits geht. Wie jeder weiß, wird der
Kanzler bzw. die Kanzlerin als Regierungschef vom Parlament gewählt; die Regierung
ist auch bei fast allen Vorhaben von der Zustimmung der Mehrheit des Parlaments
abhängig. Hier liegt also eigentlich keine Trennung, sondern eine enge Verschränkung
der beiden Sphären vor. In gewisser Weise unabhängig von der Gesetzgebung ist nicht
mehr die Regierung, sondern nur noch die Bürokratie, also die eigentliche Verwaltung.
Nach deutscher Tradition sind die Ministerien und die wichtigsten Positionen in allen
Behörden von Beamten besetzt. Diese Beamten sind für ihr ganzes Berufsleben un-
kündbar, nur die Spitzenbeamten können ohne Angabe von Gründen in den einstweili-
gen Ruhestand versetzt werden. Alle anderen Beamten (und auch die meisten Verwal-
tungsangestellten) überdauern die Regierungen und die Veränderungen der
Mehrheiten in den Parlamenten. Die Verwaltung unterliegt zwar dem „Prinzip der
Gesetzmäßigkeit“, sie darf im Prinzip nur dort tätig werden, wo ein Gesetz dies er-
laubt. Gesetze sind jedoch keine Computerprogramme, die von der Verwaltung als
nur ausführendem Organ schematisch vollzogen werden könnten. Vielmehr handelt
es sich um Handlungsanweisungen, die häufig nur generalklauselartig die Ziele des
Handelns vorgeben, Aufträge mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschreiben, man-
ches auch recht detailliert anordnen, im Regelfall jedoch in der vielfältigsten Weise
ausgeführt werden können. Insoweit ist die Verwaltung durchaus eine eigenständige,
unabhängige Staatsgewalt. Dies ist keine negative, sondern eine positive Feststellung.
Denn angesichts des häufigen Wechsels der Regierung und der Einzelfallbezogenheit
von Gerichtsentscheidungen wird die eigentliche Kontinuität des Staates von der Ver-
waltung garantiert. Ein unter Juristen berühmter Verwaltungsrechtslehrer sagte ein-
mal: „Verfassung vergeht, Verwaltung besteht“.15 Die Kontrolle der Verwaltung er-
folgt durch die Rechnungshöfe, die Gerichte und nicht zuletzt durch die Journalisten
und die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit, die man auch als die „vierte Gewalt“
bezeichnet.

15 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2 Bd., 3. Aufl. 1925 (Nachdruck 1969).

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Die moderne Gewaltenteilung ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass Parlament
und Regierung zusammengewachsen sind, die Gerichte an Macht gewonnen haben
und die Kontinuität durch die Verwaltung garantiert wird, sondern auch dadurch,
dass es eine weitere Art der Gewaltenaufteilung gibt: die sogenannte vertikale Gewal-
tenteilung, die neben die bisher besprochene horizontale Gewaltenteilung zwischen
Legislative, Exekutive und Judikative getreten ist. Bild 9 verdeutlicht diesen Sachver-
halt.
Bild 9: Das Prinzip der Gewaltenteilung
Horizontale Gewaltenteilung (Montesquieu)

Legislative Exekutive Jurisdiktion


Parlament Regierung/Verwaltung Gerichte
Vertikale Gewaltenteilung

Zentralstaat
Bundesrepublik
Deutschland

Bundesländer (Staaten)

Baden- Bayern Branden- Hessen Mecklenburg- Nieder-


Württembg. burg Vorpommern sachsen

Nordrhein- Rheinland- Saarland Sachsen Sachsen- Schleswig-


Westfalen Pfalz Anhalt Holstein

Thüringen Berlin Bremen Hamburg

Selbstverwaltungskörperschaften

Kreise Kreisfreie
Städte
Gemeinden

Unter vertikaler Gewaltenteilung versteht man die Aufteilung der Staatsgewalt auf
verschiedene, übereinander geschichtete politische Ebenen. In der Bundesrepublik
Deutschland ist die Staatsgewalt auf drei Ebenen verteilt, nämlich auf Bund, Länder
und die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften (die Städte, Gemeinden und
Kreise). Wie diese Gewaltenteilung funktioniert, ist zum Teil schon bei der Beschrei-

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

bung der Gesetzgebungskompetenzen deutlich geworden. Das Grundgesetz hat die


Zuständigkeiten für die Gesetzgebung, nach sachlichen Gesichtspunkten unterschie-
den, auf Bund und Länder verteilt und die Regelung der örtlichen Angelegenheiten
den Gemeinden und Kreisen überlassen. Auch darin liegt eine deutliche Gewaltentei-
lung: Der Bund kann den Ländern keineswegs einfach nur Befehle geben, nach denen
diese sich zu richten hätten. Nur in ganz bestimmten Bereichen werden die Länder
„im Auftrag des Bundes“ tätig, im Regelfall führen sie unabhängig vom Bund ihre
eigenen Gesetze und sogar auch die des Bundes als eigene aus. Auch die Gemeinden
sind im Bereich der örtlichen Angelegenheiten im Prinzip unabhängig, sie müssen sich
nur an den Rahmen der Gesetze halten.
Die Gliederung der Behörden, die in der Regel wiederum drei Stufen umfasst (oberste,
mittlere und untere Behörden), kann man nicht mehr als Gewaltenteilung auffassen,
weil hier das Hierarchieprinzip gilt. De facto gibt es zwar eine gewisse Unabhängigkeit
der unteren Dienststellen von den oberen, denn keine vorgesetzte Dienststelle ist in
der Lage, jeden Schritt und Tritt der untergebenen zu überwachen. Von Rechts wegen
ist die Weisungsmöglichkeit jedoch in jedem Einzelfall gegeben. Bei der Behördenglie-
derung handelt es sich nicht um Gewaltenteilung, sondern um eine Art von Arbeitstei-
lung, die der Sachnähe des Verwaltungsvollzugs dienen soll. Darauf soll jetzt näher
eingegangen werden.
2. Bundes- und Landesbehörden
Um den Aufbau der Behörden in Bund und Ländern richtig zu verstehen, ist es zu-
nächst wichtig, sich den Grundsatz des Art. 83 GG einzuprägen. Dort heißt es (wie
oben bereits erwähnt): „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit
aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt“. In dieser
Grundregel liegt eine Spezialität des deutschen Verfassungsrechts, die besagt, dass dem
Bund im Prinzip keine eigenen Verwaltungsbehörden zugestanden werden. Von diesem
Prinzip gibt es zwar einige wichtige Ausnahmen, dennoch kann man im Grundsatz
davon ausgehen, dass für den Aufbau und die Einrichtung der Verwaltungsbehörden
und für das Verwaltungsverfahren die Bundesländer zuständig sind. Innerhalb der
Länderverwaltungen gilt es wiederum, den Freiraum der kommunalen Selbstverwal-
tungskörperschaften zu beachten. Der Bund darf nur sehr bedingt auf die Kommunen
Einfluss nehmen, er darf ihnen gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG keine neuen Aufgaben
übertragen.
Der Grund dafür, dass die Ausführung auch von Bundesgesetzen den Ländern überant-
wortet wurde, lag in dem bereits erwähnten Bemühen des deutschen Verfassungsgebers
von 1949, die Verwaltung zu dezentralisieren. Man wollte keinen zentralisierten Ein-
heitsstaat, sondern eine dezentralisierte, möglichst bürgernahe Verwaltung. Dem soll-
ten sowohl die Stärkung der Kompetenzen der Länder als auch die Garantie der kom-
munalen Selbstverwaltung dienen.
Demnach ist schon der Aufbau der Verwaltung insgesamt von einer Dreistufigkeit
gekennzeichnet: Es gibt (im Ausnahmefall) Verwaltungsbehörden des Bundes, es gibt
(in der Hauptsache) Verwaltungsbehörden der Länder und es gibt (als dritte Stufe) die
kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften. Eine weitere Dreigliederung findet
sich im Behördenaufbau jeder dieser drei Stufen: Es gibt obere Bundesbehörden (mit
zugehörigen Bundesoberbehörden), Bundesmittelbehörden und untere (örtliche) Bun-
desbehörden. Es gibt obere Landesbehörden, in den großen Flächenstaaten gibt es
Landesmittelbehörden (sie fehlen in den kleineren Ländern), und es gibt untere Lan-
desbehörden. Auch bei den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften kann man
drei Arten von Körperschaften unterscheiden, nämlich die kreisfreien Städte, die Land-
kreise und die kreisangehörigen Gemeinden. Allerdings stehen diese drei Körperschaf-
ten nicht in einer dreigliedrigen Hierarchie untereinander; vielmehr befinden sich die
kreisfreien Städte und die Landkreise auf einer Ebene, nur zwischen den Landkreisen

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

einerseits und den kreisangehörigen Gemeinden andererseits besteht ein gewisses, kei-
neswegs durchgehendes Über- und Unterordnungsverhältnis.
Im ersten Abschnitt dieses Kapitels sollen die Bundesbehörden und die Landesbehör-
den näher betrachtet werden.
a) Die Bundesbehörden. Die Einrichtung von bundeseigenen Verwaltungsbehörden
muss nach dem Grundgesetz die Ausnahme sein. Dies gilt nun allerdings nicht für die
obersten Bundesbehörden, nämlich für die Bundesministerien: Bundesministerien
muss es geben, sie sind keine Ausnahmeerscheinung; denn ohne Ministerium ist ein
Bundesminister nicht handlungsfähig. Einrichtung und Abgrenzung der Bundesminis-
terien werden von den jeweiligen Regierungsparteien ausgehandelt; das letzte Wort in
dieser Hinsicht hat der Bundeskanzler, auf dessen Vorschlag die Bundesminister vom
Bundespräsidenten ernannt und entlassen werden. Die Abgrenzung der Ressorts wech-
selt von Legislaturperiode zu Legislaturperiode. So gab es in den Anfangsjahren der
Bundesrepublik einen „Wohnungsbauminister“; seit Anfang der siebziger Jahre hieß
das entsprechende Ressort „Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und
Städtebau“, danach hieß es „Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen“ oder auch „Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung“. Der
Wohnungsbau wurde nicht mehr als primär öffentliche Aufgabe verstanden. Seit dem
Zustrom von Migranten auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union ist die
Verantwortung des Bundes, der Länder und der Gemeinden für den Wohnungsbau
wieder zum Gegenstand der politischen Diskussion geworden.
Neben den Bundesministerien als obersten Bundesbehörden gibt es noch „Bundesober-
behörden“, die für das ganze Bundesgebiet zuständig sind, und nicht rechtsfähige Bun-
desanstalten. Bundesoberbehörden sind z. B. das Bundeskriminalamt, das Bundesamt
für Verfassungsschutz (beide zugehörig zum Bundesinnenministerium), das Kraftfahrt-
bundesamt (zugehörig zum Bundesverkehrsministerium), das Bundesamt für Finanzen
(zugehörig zum Bundesfinanzministerium) usw. Bundesanstalten bzw. Bundesämter
sind zum Beispiel das Bundesarchiv, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die
Bundesagentur für Arbeit, die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Ernäh-
rung und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR. Mit diesen Behörden
nimmt der Bund seine zentralen Aufgaben in einem tendenziell entpolitisierten Raum
wahr – denn insbesondere der Entpolitisierung dient die Ausgliederung der Sonderbe-
hörden und Anstalten aus den jeweils zuständigen Bundesressorts.
Unterhalb der obersten und oberen Behörden werden die Bundesbehörden dann spär-
lich. Eigene Mittelbehörden gibt es nur für einige wenige Behördenzweige, so zum
Beispiel die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen. Auch die Oberfinanzdirektionen sind
Bundesmittelbehörden, gleichzeitig jedoch oberste Landesbehörden. Zur Einrichtung
dieser bundeseigenen Verwaltungen ist der Bund durch Art. 87 GG ermächtigt. Bis
zur Privatisierung der Post gehörten auch die Oberpostdirektionen und die Postämter
sowie die Bundesbahndirektionen zur bundeseigenen Verwaltung. Seit der Ablösung
des Bundesbahngesetzes durch das Allgemeine Eisenbahngesetz gibt es nur noch das
Eisenbahnbundesamt, das für die Fahrstrecken der Bahn zuständig ist. Der Fahrbetrieb
und die Bahn selbst sind privatisiert. Auch die Post ist privatisiert, das Bundespostmi-
nisterium wurde zum 31.12.1997 abgeschafft. Eigenständige Postämter wurden – zum
Kummer vieler Bürger – sang- und klanglos abgeschafft.
Bundesunterbehörden werden daher immer seltener, nach der Auflösung der Kreis-
wehrersatzämter infolge der Aussetzung der Wehrpflicht gehören dazu nur noch die
Wasser- und Schifffahrtsämter. Überall dort jedoch, wo der Bund für die Ausführung
der in seinen Gesetzen geregelten Aufgaben keine eigene mittlere und untere Verwal-
tung hat, werden diese Gesetze von den Ländern „als eigene“ (das heißt so, als ob das
betreffende Gesetz vom Land erlassen worden wäre) und damit in völliger Eigenver-
antwortung ausgeführt; nur ausnahmsweise verwalten die Länder einzelne Angelegen-

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

heiten im Auftrag des Bundes; nur dann sind sie abhängig auch von Einzelweisungen
der obersten bzw. oberen Bundesbehörden.
Das Baugesetzbuch wird – dem Regelfall entsprechend – von den Ländern „als eigenes
Gesetz“ ausgeführt; folgerichtig gibt es in jedem Land eigene Ausführungsregelungen
zum BauGB, häufig ein eigenes BauGB-Ausführungsgesetz. Ein Beispiel für die seltene
Auftragsverwaltung der Länder im Auftrag des Bundes ist die Verwaltung der Fern-
straßen (Bundesautobahnen, Bundesstraßen) durch die Länder gemäß Art. 90 Abs. 2
GG.
b) Die Landesbehörden. Da der Bund nur ausnahmsweise über eigene Ausführungsbe-
hörden verfügt, wird die deutsche Verwaltung eigentlich sichtbar und präsent erst in
den Landesbehörden und in der kommunalen Selbstverwaltung. Die Landesbehörden
der Flächenstaaten sind – wie die Bundesbehörden – grundsätzlich in drei Instanzen
gegliedert. Es gibt auch hier die obersten Landesbehörden (das sind die Landesministe-
rien), die Landesmittelbehörden (das sind die Regierungspräsidenten bzw. die Bezirks-
regierungen) und die unteren Landesbehörden (diese sind in die Landkreise, zum Teil
auch in die kreisfreien Städte integriert). In Schleswig-Holstein und im Saarland gibt
es seit jeher keine Landesmittelbehörden, also keine Regierungspräsidien, weil diese
Bundesländer dafür zu klein sind. In Niedersachsen hat man seit 2003 die Regierungs-
bezirke und Regierungspräsidien abgeschafft, auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt
gibt es diese Behörden nicht mehr. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und
Thüringen gibt es bereits seit 1990 – also seit dem Beitritt – keine Landesmittelbehör-
den, weil man die SED-Bezirksgliederung auch in variierter Form nicht fortbestehen
lassen wollte. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist ein (räumlich gegliedertes) Landes-
verwaltungsamt an ihre Stelle getreten. Im Freistaat Sachsen gibt es die räumlich ge-
gliederte Landesdirektion. Auch in Niedersachsen gibt es seit der Auflösung der Regie-
rungspräsidien auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Landesämter.
Auch in den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg gibt es keine dreigeteilte
Verwaltung; es existiert dort allerdings eine Zweistufigkeit der Verwaltung durch die
Einrichtung von Verwaltungsbezirken; darauf wird später noch einzugehen sein.
Zunächst zurück zur Landesverwaltung: Für die Einrichtung und den Zuschnitt von
Landesministerien gilt das gleiche, was bereits zu den Bundesministerien gesagt wurde:
Die Ministerien werden in jeder Legislaturperiode neu gebildet und neu zugeschnitten.
Es ist dabei durchaus keine Seltenheit, dass Zuständigkeiten hin und her wandern. So
war beispielsweise die Zuständigkeit für die Regional- und Landesplanung in Hessen
zunächst bei der Staatskanzlei (also direkt beim Ministerpräsidenten), dann beim In-
nenministerium angesiedelt; danach lag sie wiederum bei der hessischen Staatskanzlei;
dann beim Wirtschaftsministerium. Für die Landesmittelbehörden, also für die Regie-
rungspräsidenten bzw. Bezirksregierungen, gilt das Prinzip der Konzentration: Der
Regierungspräsident vereinigt in seiner Hand fast alle sachlichen Zuständigkeiten. Bis
auf einige ausgegliederte Verwaltungsbereiche (wie die Bezirksfinanzdirektionen und
die Oberforstdirektionen) hat der Regierungspräsident in allen mittleren Verwaltungs-
angelegenheiten das letzte Wort. Er ist obere Bauaufsichtsbehörde, Gewerbeaufsichts-
behörde, Umweltschutzbehörde, Zivilschutzbehörde usw. usw. Zugleich führt er die
Rechtsaufsicht über die kreisfreien Städte und die Landkreise, die als Selbstverwal-
tungskörperschaften wiederum Instrumente der Dezentralisation sind. Sowohl nach
oben als auch nach unten sind die Zuständigkeiten, die beim Regierungspräsidenten
in einer Hand vereint sind, auf mehrere Behörden aufgefächert.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Bild 10: Der Aufbau der Landesverwaltung in den Flächenstaaten


A. Oberste Landesbehörden
Landesregierung, Landesministerien
ggf. unterstützt durch das Landesverwaltungsamt
(so in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen)
und andere Sonderbehörden

B. Landesmittelbehörden
Regierungsbezirke gibt es nur noch in vier Bundesländern, nämlich in:
Bundesland Regierungsbezirke Behördenbezeichnung
Baden-Württemberg Freiburg Reg.-Präsidien
Karlsruhe
Tübingen
Stuttgart
Bayern Oberbayern Regierungen
Niederbayern
Oberpfalz
Oberfranken
Mittelfranken
Unterfranken
Schwaben
Hessen Darmstadt Reg.-Präsidenten
Kassel
Gießen
Nordrhein-Westfalen Düsseldorf Reg.-Präsidenten
Köln
Münster
Detmold
Arnsberg

C. Landesunterbehörden
Die untere Landesverwaltung ist in die Landratsämter und in die übrige kommunale Selbstverwal-
tung – insbesondere die kreisfreien Städte – integriert.

D. Kommunale Selbstverwaltung in Kreisen, Städten und Gemeinden


– Die Landkreise bestehen aus kreisangehörigen Gemeinden
– Die Gemeinden gliedern sich in
kreisfreie Städte
kreisangehörige Gemeinden und Städte
(darunter sog. Große kreisangehörige Städte)
– Die kreisangehörigen Gemeinden sind
entweder selbständige (amtsfreie) Gemeinden bzw. Städte
oder in Ämtern, Verbandsgemeinden oder anderen
Verwaltungsgemeinschaften organisierte verbandsangehörige Gemeinden

Insgesamt gibt es derzeit (2018) in der Bundesrepublik Deutschland noch 19 Regie-


rungspräsidien bzw. (Bezirks-)Regierungen. Sie sind im Bild 10 aufgelistet.
Die unteren Landesbehörden sind eng verknüpft mit den kommunalen Selbstverwal-
tungskörperschaften. Soweit die Landräte Staatsbeamte sind, kann man ihre Ämter
sowohl als Selbstverwaltungsbehörden als auch als unmittelbare untere Landesbehör-
den bezeichnen. Soweit sie Kommunalbeamte sind, sind sie nur als mittelbare untere
Landesverwaltung einzuordnen. Weil sich die Bundesländer nicht nur der Landräte,
sondern nicht selten auch der Oberbürgermeister und Bürgermeister, im Wege der
„Organleihe“ als ausführender Organe für ihre Gesetze bedienen, fungieren insoweit
auch die Oberhäupter der Städte und Gemeinden als untere Landesbehörden. Die
Kommunen handeln hier zwar formell als Selbstverwaltungskörperschaften, materiell
aber als mittelbare Staatsverwaltung; sie unterliegen dabei der uneingeschränkten
Fachaufsicht des Landes.

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In der Fachaufsicht wird jenes bereits erwähnte Hierarchieprinzip noch uneinge-


schränkt wirksam, das für jeden Behördenaufbau typisch ist. Es gilt das Prinzip von
Befehl und Gehorsam von oben nach unten. Anweisungen der jeweils höheren Verwal-
tungsbehörde müssen von der niedrigeren Verwaltungsbehörde befolgt werden. Wenn
eine untere Behörde sich an eine obere Behörde wenden will, muss sie (bzw. der betref-
fende Beamte oder Angestellte) den „Dienstweg“ einhalten. Das heißt, dass der Betref-
fende sich nicht unter Übergehung etwaiger Zwischenstufen direkt an die oberste Be-
hörde wenden darf, sondern die ganze Stufenleiter der Verwaltung einhalten muss.
Wenn sich also ein „kleiner Landesbeamter“ direkt an seinen Minister, also an die
oberste Landesbehörde, wenden will, dann kann er dies nicht in seiner Eigenschaft als
Angestellter, sondern nur als Bürger und Privatmann tun. Er tut gut daran, dies in
seiner Eingabe zu betonen, weil ihm sonst die Außerachtlassung des Dienstwegs vorge-
worfen werden wird.
Das Prinzip der Hierarchie findet allerdings eine sehr wirksame Grenze am Prinzip
der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Jede Verwaltungsinstanz darf nur im Rahmen
und aufgrund von Gesetzen handeln. Gesetzwidrige Anordnungen dürfen weder erteilt
noch befolgt werden. Es gibt also keinen blinden Gehorsam, sondern nur die Pflicht
zur bereitwilligen Mitwirkung im Rahmen des durch Gesetze umschriebenen öffentli-
chen Auftrags.
3. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften
Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften sind die dritte Ebene im Staatsauf-
bau der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind gleichsam das Fundament des Staates.
Die meisten Gesetze werden von den kommunalen Gebietskörperschaften ausgeführt
– gleichgültig, ob es sich um Bundesgesetze, Landesgesetze oder um Normen handelt,
die von den kommunalen Gebietskörperschaften selbst gesetzt sind. Die Kommunen
kommen so mit den Bürgern am engsten in Berührung, damit gibt es hier zwangsläufig
auch mehr Reibungsflächen. Im Interesse einer möglichst großen Bürgernähe und eines
möglichst reibungslosen Zusammenwirkens hat das Grundgesetz die Institution der
kommunalen Selbstverwaltung garantiert.
Selbstverwaltung heißt, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft von den
Gemeinden im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung geregelt werden dürfen
und sollen. Nach Maßgabe der Gesetze haben auch die Gemeindeverbände, das sind
insbesondere die Kreise, das Recht der Selbstverwaltung.
Durch die Übertragung von Eigenverantwortung bei der Regelung der Angelegenhei-
ten der örtlichen Gemeinschaft sollen die Kommunen in die Lage versetzt werden, bei
ihrer Verwaltungstätigkeit soweit wie möglich auf die örtlichen Gegebenheiten und
die Wünsche und Forderungen der betroffenen Bürger einzugehen. Die Gesetze sollen
nur den Rahmen abgeben, innerhalb dessen die Kommunalverwaltung kraft eigenen
Sachverstands so ortsnah und bürgerfreundlich wie möglich entscheiden soll. Ange-
sichts der Regelungsdichte der heutigen Gesetzgebung sind diese hehren Grundsätze
nur beschränkt umsetzbar. Viele, häufig zu viele Einzelheiten der Verwaltungstätigkeit
sind durch eine Fülle von Vorschriften abschließend geregelt. Die Gemeinde hat hier
keinerlei Eigenverantwortung mehr. Das öffentliche Bau- und Planungsrecht steht
nicht ganz zu Unrecht in dem Ruf, eines der Beispiele für Überregelung zu sein. Es
gibt zwar auf der Ebene der Bauleitplanung noch gewisse Freiräume zugunsten der
planenden Gemeinden, juristisch gefasst mit den Stichworten „Planungsermessen“
oder „planerische Gestaltungsfreiheit“. Abgesehen von der Tatsache, dass sich die
kommunale Bauleitplanung den Zielen der Raumordnung anpassen muss und inso-
weit keine Freiheit besitzt, endet das Planungsermessen aber jedenfalls dann, wenn der
Plan – der selbst Rechtsnorm ist – einmal festgesetzt ist. Von diesem Zeitpunkt an
sind alle Vorhaben in dem betreffenden Gebiet an dem feststehenden Plan und darüber

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hinaus an einer Vielzahl von Vorschriften zu messen, die den Verwaltungsbehörden


kaum noch Freiraum für eigenverantwortliche Entscheidung lassen.
Trotz dieser Einschränkungen ist das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung nach
wie vor für den Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik von grundlegender Bedeutung.
Seine Einhaltung wird von den Verwaltungsgerichten und den Verfassungsgerichten
bis hin zum Bundesverfassungsgericht überwacht. Durch die Rechtsprechung ist gesi-
chert, dass den Gemeinden solche Aufgaben, die ihrer Natur nach zu den „örtlichen
Angelegenheiten“ gehören, nicht gänzlich entzogen werden dürfen. Bei Eingriffen in
das Ob und Wie der Aufgabenerfüllung muss sich der jeweilige Gesetzgeber rechtferti-
gen, indem er vernünftige Gründe zum Nachweis der Regelungsbedürftigkeit an-
führt.16
a) Aufgabenarten. In der Rechtswissenschaft werden die kommunalen Aufgaben u. a.
danach unterschieden, welchen Grad der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung
die Kommunen bei der Aufgabenübernahme und -ausführung besitzen. Auf der einen
Seite stehen die sogenannten Auftragsangelegenheiten. Bei den Auftragsangelegenhei-
ten werden die Kommunen gleichsam nur als ausführendes Organ im Auftrag des
Landes oder auch des Bundes tätig. Im Zweifel haben sie sich voll und ganz den
Weisungen der übergeordneten Landesbehörden zu fügen. Es kann zwar sein, dass die
Kommunen auch bei der Ausführung solcher Auftragsangelegenheiten ein gewisses
Verwaltungsermessen besitzen; die höheren Instanzen können jedoch jederzeit in den
Ablauf der Dinge eingreifen und der betreffenden Kommune Weisungen für die Hand-
habung der betreffenden Angelegenheit erteilen. Man nennt diese Art von detaillierter,
uneingeschränkter Aufsichts- und Weisungsmöglichkeit „uneingeschränkte Fachauf-
sicht“.
Auf der anderen Seite gibt es die freiwilligen und zugleich weisungsfreien Selbstverwal-
tungsangelegenheiten. Bei diesen Angelegenheiten sind die Kommunen frei sowohl in
der Entscheidung über die Frage, ob sie die betreffende Aufgabe überhaupt wahrneh-
men wollen, als auch in der Entscheidung über die Art und Weise und die Intensität
der Aufgabenerfüllung. Diese völlig freien Selbstverwaltungsangelegenheiten werden
immer weniger. Klassische Beispiele sind die kulturellen Aktivitäten und die Freizeitan-
gebote der Gemeinden (auch hier gibt es aber bereits erste Einschränkungen zum Bei-
spiel durch Vorschriften über Büchereien und über Volkshochschulen). Die Veranstal-
tung von Konzerten, der Bau einer Freilichtbühne, die Kennzeichnung eines Trimm-
Dich-Pfads im Gemeindewald – das alles sind Angelegenheiten, in denen die Gemein-
den derzeit noch ganz frei und eigenverantwortlich entscheiden können.
Fast alle übrigen Angelegenheiten unterliegen einem gestuften Einfluss der Gesetzgeber
in Bund und Ländern. Manchmal schreiben die Gesetze der Gemeinde nur vor, dass
sie eine Aufgabe – z. B. die Einrichtung einer Volkshochschule – überhaupt wahrzuneh-
men habe, ohne ihr Vorschriften über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung zu
machen. Das ist dann eine „weisungsfreie Pflichtaufgabe“. Wenn das betreffende Ge-
setz nicht nur das Ob, sondern auch das Wie der Aufgabenerfüllung regelt, spricht
man von einer „weisungsgebundenen Pflichtaufgabe“. Soweit die Weisungsgebunden-
heit reicht, reicht dann auch die „Sonderaufsicht“ des Staates.
Wie und wann die Gemeinde auch tätig wird: In jedem Fall unterliegt sie der Rechts-
aufsicht durch die höhere Landesbehörde. Die Rechtsaufsicht darf allerdings nur prü-
fen, ob sich die Gemeinde bei der Aufgabenerfüllung an alle Vorschriften gehalten hat
– sie darf keine Weisungen erteilen, mit denen in das Ermessen, in die Eigenverant-
wortlichkeit der Gemeinde eingegriffen würde. Darin liegt der Unterschied der Rechts-
aufsicht zur Fachaufsicht und zur Sonderaufsicht.

16 BVerfG, B. v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 –, BVerfGE 79, 127 (Rastede).

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In Bild 11 sind die einzelnen Aufgabenarten mit der zugehörigen Aufsichtsform des
Staates noch einmal schematisch dargestellt.
Bild 11: Kommunale Selbstverwaltung – Aufgabenarten

Gemeindliche
Verwaltungstätigkeit

Selbstverwaltungsangelegenheiten

Pflichtaufgaben Auftrags-
Freiwillige Pflichtige nach Weisung angelegenheiten

Weisungsrecht unbeschränktes
nach Maßgabe der Weisungsrecht
gesetzl. Regelung (Fachaufsicht)
(Sonderaufsicht)

Staatliche Rechtsaufsicht

b) Arten der kommunalen Gebietskörperschaften. Der Grad der Freiheit bei der Auf-
gabenerfüllung hängt nicht nur von der Dichte der gesetzlichen Vorgaben, sondern
auch von der Verwaltungskraft der ausführenden Gemeinde ab. Eine kleine ländliche
Gemeinde kann weniger leisten, kann weniger freiwillige Aufgaben übernehmen, weni-
ger vom Normstil der Verwaltung abweichen als eine Großstadt mit vollen Kassen,
deren Verwaltungschef vielleicht auch noch gute Beziehungen zu den Fachressorts der
Landesregierung hat.
Mit Hilfe der Gemeindegebietsreform, die in den damaligen acht Flächenstaaten der
alten Bundesrepublik Deutschland Ende der sechziger Jahre begonnen und Mitte der
siebziger Jahre abgeschlossen wurde, hat man versucht, die westdeutschen Gemeinden
und Kreise nach ihrer Größenordnung so zuzuschneiden, dass auch kleineren Gemein-
den ein Mindestmaß an Verwaltungskraft zukommt. Dabei hat man verschiedene Me-
thoden benutzt. In Nordrhein-Westfalen, in Hessen und im Saarland wurden neue
Einheitsgemeinden mit einer Mindestbevölkerungszahl von 5.000 bis 8.000 Einwoh-
nern gebildet.
In diesen Ländern hat sich die Anzahl der sehr kleinen ländlichen Gemeinden radikal
vermindert. In den anderen Flächenstaaten strebte man sowohl eine Zusammenfüh-
rung von sehr kleinen Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern mit ihren Nach-
bargemeinden zu größeren Einheiten (mindestens 2.000 Einwohner) an als auch die
Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, innerhalb derer dann auch kleinere Gemein-
den selbständig bleiben konnten. Auf diese Weise wurde die Zahl der Gemeinden im
Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland mit folgendem Ergebnis verringert: Zu
Beginn jener Reform, im Jahre 1966, gab es noch mehr als 24.000 selbständige Ge-
meinden. An deren Ende gab es nur noch 8.506 Gemeinden. Bei den kreisfreien Städ-
ten betrug die Veränderung aufgrund der Reform minus 34 % (von 135 auf 91 kreis-
freie Städte), bei den Kreisen minus 45 % (von 425 auf 236 Kreise) und bei den
kreisangehörigen Gemeinden minus 65 % (von 24.282 auf 8.409 Gemeinden). Von
den 8.506 Gemeinden wurden wiederum 6.028 in 1.042 Verwaltungsgemeinschaften

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zusammengefasst, so dass man die Zahl der einigermaßen selbständigen kommunalen


Verwaltungseinheiten damals auf 91 kreisfreie Städte, 2.473 Einheitsgemeinden und
1.042 Verwaltungsgemeinschaften = 3.606 Einheiten aufaddieren konnte.
In den neuen Bundesländern wurden seit 1990 ebenfalls mehrere kommunale Gebiets-
und Verwaltungsreformen durchgeführt. Im Zeitpunkt des Beitritts gab es in der DDR
7.563 Städte und Gemeinden, davon hatten 47 % weniger als 500 Einwohner. In den
alten Ländern betrug bzw. beträgt der Anteil derartiger Kleinstgemeinden damals und
heute nur 20 %, sie sind zudem allesamt Mitglieder von Verwaltungsgemeinschaften.
Die Reform in den neuen Ländern bediente sich auf Gemeindeebene zunächst weitge-
hend des Modells der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften; in Sachsen heißen sie
Verwaltungsverbände, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern heißen sie in
gut preußischer Tradition „Ämter“. Eingemeindungen und Zusammenlegungen fan-
den zunächst (mit länderweisen Unterschieden) nur im Umfeld der größeren Städte
statt, wurden danach aber auch im ländlichen Raum herbeigeführt, anfangs freiwillig
mit Belohnung durch „Hochzeitsprämien“, danach per Gesetz, und dies in mehreren
Wellen. Auf diese Weise verringerte sich die Zahl der Gemeinden in den neuen Ländern
bis zum 30.9.2018 von ehemals 7.563 auf ca. 2.627 (also auf beinah ein Viertel).17
Die Kreisgebietsreform in den neuen Ländern war ebenso grundlegend. In der DDR
gab es 191 Land- und 26 Stadtkreise. Seit den (wiederholten) Kreisgebietsreformen
gibt es in den neuen Ländern nur noch 76 Landkreise (und 18 kreisfreie Städte – Stand
30.9.2018). Damit beträgt die Zahl der Landkreise in der Bundesrepublik insgesamt
401, die Zahl der kreisfreien Städte 107. In Tabelle 1 ist die Anzahl der kommunalen
Gebietskörperschaften nach Ländern und Art differenziert wiedergegeben.
Nach alledem sind in der Bundesrepublik Deutschland folgende Arten von kommuna-
len Gebietskörperschaften zu unterscheiden:
– (Land-)Kreise,
– kreisfreie Städte (ab ca. 100.000 Einwohner, im Einzelfall auch kleiner),
– kreisangehörige Gemeinden.
Wie sogleich näher beschrieben werden wird, sind die kreisangehörigen Gemeinden
(zu denen auch Gemeinden mit der Bezeichnung „Stadt“ gehören) wiederum zu unter-
gliedern in:
– Große kreisangehörige Städte (mit mehr Zuständigkeiten als eine „normale“ kreis-
angehörige Stadt – mindestens ca. 30.000 Einwohner),
– (normale) kreisangehörige Städte (mindestens ca. 10.000 Einwohner),
– selbständige Gemeinden (mindestens ca. 3.000 Einwohner);
– in Verwaltungsgemeinschaften eingegliederte Gemeinden.
In der Verwaltungshierarchie stehen die Landkreise auf gleicher Ebene wie die kreis-
freien Städte. Bei den Landkreisen ist die Verbindungsfunktion zum Staat noch stärker
als bei den kreisfreien Städten, weil die Landkreise, speziell in der Person des Landrats,
häufig zugleich untere Verwaltungsbehörden des Landes sind. Der Landrat hat dann
insoweit eine Doppelfunktion. In jedem Fall nehmen die Landkreise gegenüber den
kreisangehörigen Gemeinden die Funktion der Kommunalaufsicht in den bereits ange-
sprochenen Formen der Rechtsaufsicht und zum Teil auch der Fach- und Sonderauf-
sicht wahr. Die Fachaufsicht, die nicht bei den Landkreisen liegt, wird von Spezialbe-
hörden des Landes (zum Beispiel Denkmalschutzbehörden) wahrgenommen. Die
kreisfreien Städte (und die Landkreise ihrerseits) unterliegen der Rechts- und gegebe-
nenfalls Sonder- und Fachaufsicht durch die nächsthöhere Instanz (also dem Innenmi-
nisterium des Landes oder den Regierungspräsidenten bzw. die Bezirksregierungen als
den staatlichen Mittelinstanzen (soweit vorhanden).

17 Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2013.

38

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Tab. 1: Verwaltungsgliederung in Deutschland (Stand: 30.9.2018)
Land Fläche km2 Bevölkerung2) Re- Kreise Davon Ge- Da- Gemeindeverbandsebene5) Gemeindefreie
1)
gie- ins- mein- runter Gebiete
insgesamt männlich weiblich je km2 rungs- ge- kreis- Land- den3) Städ- insge- Ge- ver- ver- ins- be- unbe-
be- samt freie kreise insge- te4) samt mein- bands- bands- ge- wohnt wohnt
zirke Städte samt dever- freie ange- samt
bände hörige
31.12.2016 (Jahr) Gemeinden
01 Schleswig-Holstein 15 802,28 2 881 926 1 412 665 1 469 261 182 – 15 4 11 1 106 63 172 84 86 1 020 2 – 2
02 Hamburg 755,30 1 810 438 886 289 924 149 2 397 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –
03 Niedersachsen 47 709,83 7 945 685 3 923 396 4 022 289 167 – 45 8 37 945 159 431 116 290 653 25 2 23
04 Bremen 419,84 678 753 335 474 343 279 1 617 – 2 2 – 2 2 2 – 2 – – – –
05 Nordrhein-Westfalen 34 112,74 17 890 100 8 776 760 9 113 340 524 5 53 22 31 396 271 396 – 396 – – – –
06 Hessen 21 114,99 6 213 088 3 066 957 3 146 131 294 3 26 5 21 423 191 427 – 423 – 4 – 4
07 Rheinland-Pfalz 19 858,00 4 066 053 2 006 503 2 059 550 205 – 36 12 24 2 304 129 186 143 42 2 262 1 – 1
08 Baden-Württemberg 35 748,28 10 951 893 5 435 665 5 516 228 306 4 44 9 35 1 101 313 462 270 190 911 2 – 2
6)
09 Bayern 70 542,03 12 930 751 6 400 820 6 529 931 183 7 96 25 71 2 056 317 1 427 311 1 074 982 42 – 42
10 Saarland 2 571,11 996 651 489 416 507 235 388 – 6 – 6 52 17 52 – 52 – – – –
11 Berlin 891,12 3 574 830 1 755 700 1 819 130 4 012 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –
12 Brandenburg 29 654,42 2 494 648 1 231 683 1 262 965 84 – 18 4 14 417 113 199 52 147 270 – – –
13 Mecklenburg-Vorpommern 23 293,73 1 610 674 795 467 815 207 69 – 8 2 6 750 84 117 76 40 710 1 – 1
14 Sachsen 18 449,99 4 081 783 2 009 991 2 071 792 221 – 13 3 10 421 169 310 72 238 183 – – –
15 Sachsen-Anhalt 20 452,14 2 236 252 1 102 454 1 133 798 109 – 14 3 11 218 104 122 18 104 114 – – –
16 Thüringen 16 202,37 2 158 128 1 067 878 1 090 250 133 – 23 6 17 821 124 206 103 103 718 – – –
Deutschland 357 578,17 82 521 653 40 697 118 41 824 535 231 19 401 107 294 11 014 2 058 4 511 1 245 3 189 7 823 77 2 75
davon:
Früheres Bundesgebiet 248 634,40 66 365 338 32 733 945 33 631 393 267 19 324 88 236 8 386 1 463 3 556 924 2 556 5 828 76 2 74
(ohne Berlin-West)
Neue Länder 108 052,65 12 581 485 6 207 473 6 374 012 116 – 76 18 58 2 627 594 954 321 632 1 995 1 – 1
(ohne Berlin-Ost)
Berlin 891,12 3 574 830 1 755 700 1 819 130 4 012 – 1 1 – 1 1 1 – 1 – – – –

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Quelle: Gemeindeverzeichnis-Informationssytem GV-ISys – Statistisches Bundesamt (Destatis) 2018
1) Abweichungen bei den Flächenangaben sind durch Runden der Zahlen möglich.
Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung

Aufgrund fachlicher und methodischer Umstellungen in der Vermessungsverwaltung auf das „Amtliche Liegenschaftskataster-Informationssystem“ (ALKIS®) ist der Vergleich der Flächendaten ab 2014 mit
den Flächendaten vorangegangener Jahre nur eingeschränkt möglich.
2) Die Ergebnisse für das Berichtsjahr 2016 sind nur bedingt mit den Vorjahreswerten vergleichbar und es kommt zu Einschränkungen bei der Genauigkeit der Ergebnisse, ausführliche Erläuterungen dazu un-
ter www.destatis.de beim Bevölkerungsstand. 3) Ohne unbewohnte gemeindefreie Gebiete; einschl. Städte. 4) Einschl. kreisfreie Städte.
5) Die Summe in der Spalte „insgesamt (der Gemeindeverbandsebene)“ ergibt sich aus den Spalten „Gemeindeverbände, verbandsfreie Gemeinden sowie den gemeindefreien Gebieten“ (ausgenommen unbe-
wohnte gemeindefreie Gebiete in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern).
6) Anzahl der Landkreise in Bayern, in denen unbewohnte gemeindefreie Gebiete vorkommen.
– = nichts vorhanden
© Daten (im Auftrag der Herausgebergemeinschaft Statistische Ämter des Bundes und der Länder) – Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018 – Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugs-
weise, mit Quellenangabe gestattet.

39
IV.
A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Innerhalb der kreisangehörigen Gemeinden sind wiederum die genannten Kategorien


von Städten und Gemeinden zu unterscheiden, in denen auch ein unterschiedlicher
Grad von Selbständigkeit zum Ausdruck kommt. Die größte Selbständigkeit bei den
kreisangehörigen Gemeinden besitzen die „großen“ oder auch „selbständigen kreisan-
gehörigen Städte“: Sie liegen mit ihrem Status in der Mitte zwischen einer kreisfreien
Stadt und einer kreisangehörigen Gemeinde. Einige Funktionen, die bei kreisangehöri-
gen Gemeinden regulär vom Kreis wahrgenommen werden (wie zum Beispiel die
Funktion als Baugenehmigungsbehörde), hat man diesen „selbständigen Städten“ be-
lassen bzw. übertragen. Die Bezeichnung der selbständigen Städte ist nicht in allen
Bundesländern einheitlich. In Baden-Württemberg und in Bayern heißen sie „Große
Kreisstädte“, in Nordrhein-Westfalen „große oder mittlere kreisangehörige Städte“;
in Rheinland-Pfalz gibt es „große kreisangehörige Städte“; im Saarland werden die
gleichen Städte „Mittelstädte“ genannt. Die Bezeichnung „große selbständige Städte“
ist in Niedersachsen üblich.
Unterhalb der kreisangehörigen Städte mit Sonderzuständigkeiten stehen die normalen
„kreisangehörigen Städte und Gemeinden“. Bei ihnen ist noch einmal zu differenzieren
zwischen den in der Regel kleineren Gemeinden, die zu Verwaltungsgemeinschaften
zusammengefasst sind, und den davon freien, etwas größeren selbständigen Gemein-
den. Die Größenordnung der selbständigen Gemeinden liegt an der unteren Grenze
bei etwa 3.000 Einwohnern. Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern sind zu
Gemeinschaften zusammengefasst, durch die die Verwaltungskraft dieser relativ klei-
nen ländlichen Gemeinden gestärkt werden soll. Diese Gemeinschaften haben wie-
derum in den Bundesländern unterschiedliche Bezeichnungen und auch unterschiedli-
che Verfassungen (es lebe der Föderalismus!).
In Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es die
dort auch so bezeichneten „Verwaltungsgemeinschaften“ bzw. „Verwaltungsver-
bände“, in denen mehrere Gemeinden zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung zusam-
mengeschlossen sind. Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Verwaltungsgemeinschaf-
ten/verbände kann die gemeinsame Flächennutzungsplanung sein (zwingend vom
Gesetz angeordnet ist dies aber nur in Baden-Württemberg und Sachsen). Als Be-
schlussorgan besitzen die Verwaltungsgemeinschaften/verbände einen Gemeinschafts-
rat, der aus den Bürgermeistern und Vertretern der Gemeinderäte der beteiligten Ge-
meinden besteht. Der Gemeinschaftsrat wird also nicht direkt von der Bevölkerung
gewählt; er besteht aus den Bürgermeistern und wird im Übrigen von den Gemeinde-
vertretungen der zugehörigen Gemeinden beschickt.
Darin liegt der Unterschied zur „Verbandsgemeinde“ und zur „Samtgemeinde“, die es
in Rheinland-Pfalz bzw. in Niedersachsen gibt. Auch die Verbandsgemeinden und die
Samtgemeinden dienen der gemeinsamen Aufgabenerfüllung; sie haben kraft Gesetzes
die Befugnis zur gemeinsamen Flächennutzungsplanung. Ihr Beschlussorgan ist jedoch
direkt von den Bürgern der Verbandsgemeinde bzw. Samtgemeinde gewählt. Es gibt
damit also in diesen Gemeinden eine Art von zweistufiger Demokratie.
In Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gibt es als wei-
tere Einrichtung zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung schließlich noch die Institution
der „Amtsverwaltung“. Diese Einrichtung, kurz „das Amt“ genannt, stammt noch aus
dem Preußischen Recht. Auch in einem Amt werden mehrere Gemeinden zusammen-
gefasst. Es gibt einen Amtsvorsteher oder Amtsdirektor und eine Amtsversammlung,
der die Bürgermeister der beteiligten Gemeinden und (mindestens je ein) Vertreter aus
den beteiligten Gemeinderäten angehören. In seiner Struktur ist das Amt eher der
bayerischen und baden-württembergischen Verwaltungsgemeinschaft als der Ver-
bandsgemeinde vergleichbar. Die amtsangehörigen Gemeinden können ihrem Amt zu-
sätzliche Selbstverwaltungsaufgaben zur gemeinsamen Wahrnehmung übertragen, da-
runter auch die Flächennutzungsplanung.

40

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

Alle diese Gemeinschaftsbildungen unter kleineren Gemeinden sollen dazu dienen, ein
Mindestmaß an Verwaltungskraft und Finanzausstattung zusammenzufassen, um auf
diese Weise die örtlichen Angelegenheiten angemessen regeln zu können.
c) Die Finanzausstattung der Kommunen. Selbstverwaltung ist ohne eine ausreichende
Finanzausstattung nicht möglich. Deshalb gehört eine ausreichende Finanzausstattung
untrennbar zum Kernbereich dessen, was von der kommunalen Selbstverwaltungsga-
rantie erfasst wird. Angesichts der eben geschilderten Unterschiede der kommunalen
Gebietskörperschaften liegt es auf der Hand, dass von einer durchgehend einheitlichen
Finanzstruktur aller Gemeinden nicht die Rede sein kann. Es gibt nur gemeinsame
Grundlinien, die dann je nach örtlichen Gegebenheiten, speziell der örtlichen Wirt-
schaftskraft oder Wirtschaftsschwäche, unterschiedlich verlaufen.
Allen Gemeinden gemeinsam ist folgende Haushaltsstruktur: Jede Gemeinde besitzt
Steuereinnahmen, erhebt Gebühren und Beiträge, erhält Zuweisungen vom Land und
hat sonstige Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung, Beteiligungen, Miet- und
Pachtverträgen usw. Schließlich wird ein gewisser Anteil des Gemeindehaushalts auch
mittels Kreditaufnahme finanziert. Die „Säule“ der gemeindlichen Einnahmen setzt
sich also zusammen aus Steuern, Zuweisungen, Gebühren und Beiträgen sowie sonsti-
gen Einnahmen. Das Verhältnis dieser Anteile ist in jeder Gemeinde unterschiedlich.
Zählt man alle kommunalen Einnahmen bundesweit zusammen, so ergibt sich folgen-
des Bild:
Die Steuern machen in den Alt-Bundesländern etwa 30 % der gemeindlichen Gesamt-
einnahmen aus; in den neuen Ländern ist diese Quote immer noch weit geringer. In
Kapitel IV. wurde bereits erwähnt, dass der 15 %ige Anteil an der Lohn- und Einkom-
mensteuer und der Gewerbesteueranteil die wichtigsten steuerlichen Finanzquellen für
die Kommunen bilden. Außerdem erhalten sie über die Länder noch einen Anteil von
rund 2 % an der sehr aufkommensstarken Umsatzsteuer.
Außer ihren Anteilen an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer bekommen die
Gemeinden auch die Erträge der sogenannten Realsteuern. Die wichtigsten Realsteu-
ern sind die Grundsteuer und die (bereits erwähnte) Gewerbesteuer. Die Grundsteuer
wird in unterschiedlicher Höhe erhoben, je nachdem, ob es sich um ein landwirtschaft-
lich genutztes Grundstück oder um ein bebaubares Grundstück handelt (Grundsteuer
A oder Grundsteuer B). Ihrer Bemessung liegen sogenannte Einheitswerte zugrunde,
die von den Finanzämtern festgesetzt werden. Nach dem Urteil des BVerfG vom
10. April 2018, mit dem die Verfassungswidrigkeit der Verwendung von Einheitswer-
ten aus dem Jahr 1964 ohne jede Fortschreibung festgestellt wurde, muss der Bundes-
gesetzgeber das Grundsteuersystem – zumindest die Bemessungsgrundlage – neu re-
geln.
Die Gewerbesteuer wird nach der Abschaffung der Lohnsummensteuer und der Ge-
werbekapitalsteuer nur noch vom Gewerbeertrag (d. h. vom Gewinn des Unterneh-
mens) erhoben. Zur Berechnung im Einzelnen wird ein „Steuermessbetrag“ gebildet,
der dann mit dem individuellen Hebesatz der Gemeinde multipliziert wird. Bis 1979
wurde die Steuer zum Teil auch nach der Lohnsumme, das heißt nach den im Betrieb
ausgezahlten Löhnen, errechnet, und zwar unabhängig von der Ertragslage. Diese
Steuerart wurde abgeschafft, weil man sie für arbeitsplatzvernichtend und damit für
arbeitnehmerfeindlich hielt. Die Gewerbekapitalsteuer wurde 1997 als investitions-
feindlich abgeschafft.
Seit der Gemeindefinanzreform von 1969 bleibt das Gewerbesteueraufkommen nicht
mehr in vollem Umfang in der Kasse derjenigen Gemeinde, in der der Gewerbebetrieb
sich befindet. Seitdem gibt es vielmehr eine sogenannte Gewerbesteuerumlage, auf-
grund derer die Gemeinden zur Abgabe eines gewissen Anteils ihrer Gewerbesteuerein-
nahmen an den Bund verpflichtet sind (davon können bis zu 30 % des Aufkommens

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

betroffen sein). Durch diese Umlage soll ein Ausgleich zwischen steuerstarken Indus-
triegemeinden und steuerschwachen reinen Wohngemeinden herbeigeführt werden.

Bild 12: Die Finanzausstattung der Kommunen


Die Finanzausstattung der Kommunen
(Summe aller Gemeinden)

Konzessions-
z.B. abgaben

ca. 22% Kredit-


sonstige Einnahmen aufnahmen
Abwassergebühren
z.B. u.ä.

ca. 23% Erschließungsbeiträge


Gebühren und Beiträge für ca. 50%
Beiträge Straßenausbau Allgemeine
davon Zuweisungen

ca. 25% ca. 50%


Zuweisungen Zweckgebundene
42% Zuweisungen
Gewerbesteuer
davon
12% Grundsteuern
ca. 30% 43% Lohn- u.
3% Bagatellsteuern
Steuereinnahmen Einkommens-
steuer

Weitere ca. 25 % der gemeindlichen Gesamteinnahmen bestehen aus den Zuweisun-


gen des Landes. Die Verteilung von Zuweisungen an die Kommunen in den Ländern
geschieht durch jährlich neu beschlossene Finanzausgleichsgesetze, nach denen den
Gemeinden teils sogenannte Schlüsselzuweisungen als allgemeine Deckungsmittel, teils
Bedarfs-, teils Zweckzuweisungen überwiesen werden. Schlüsselzuweisungen kann die
Gemeinde frei zur Finanzierung ihrer Aufgaben verwenden. Bedarfszuweisungen kön-
nen ebenfalls frei eingesetzt werden, sie werden vom Land jedoch nur dann gewährt,
wenn die Gemeinde einen bestimmten, über das allgemeine Maß hinausgehenden Be-
darf zuvor nachgewiesen hat. Zweckzuweisungen sind – wie der Name sagt – an
bestimmte Zwecke gebunden. Sie werden vorrangig für kommunale Investitionen ge-
währt. Dabei ist es üblich, dass das betreffende Land eine gemeindliche Investition
nur dann mitfinanziert, wenn sich die Gemeinde verpflichtet, einen bestimmten Anteil
selbst zu übernehmen. Die Gemeinde geht daher mit der Entgegennahme von Zweck-
zuweisungen Bindungen gegenüber dem Land ein, aus denen sie später nur schwerlich
wieder herauskommt. Dadurch erhält das Land außerhalb von Rechtsaufsicht und
Fachaufsicht Einflussmöglichkeiten, die die Selbstverwaltungsfreiheit beeinträchtigen.
Man spricht hier nicht zu Unrecht vom „goldenen Zügel“. Innerhalb von Zweckzu-
weisungen leitet das Bundesland zum Teil auch Finanzhilfen des Bundes an die Ge-
meinden weiter, die gemäß Art. 104b GG für besonders bedeutsame Investitionen vor-
gesehen werden dürfen. Solche Investitionsmittel sind bislang in beachtlicher Höhe für
die Stadtsanierung und -erneuerung nach dem zweiten Teil des Baugesetzbuchs, dem

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

ehemaligen Städtebauförderungsgesetz, gewährt worden. Anlässlich der Föderalismus-


reform im Jahr 2006 wurde der Bund darauf verpflichtet, derartige Mittel für einen
bestimmten Zweck nur noch befristet und mit abnehmenden Beträgen zu vergeben.
Darauf wird später im Kapitel „Besonderes Städtebaurecht“ noch zurückzukommen
sein.
Die Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben, deren Rechtsnatur bereits erläutert
wurde, ergeben zusammen ein weiteres Viertel der bundesweiten Gesamteinnahmen
der Kommunen. Für das Bau- und Planungsrecht sind die Erschließungsbeiträge, die
Kostenerstattungsbeträge für die Durchführung von Maßnahmen zum Ausgleich von
Eingriffen in Natur und Landschaft und die Benutzungsgebühren für kommunale Ein-
richtungen besonders wichtig.
Die sonstigen Einnahmen der Kommunen aus wirtschaftlicher Betätigung, aus Beteili-
gungen, aus der Vermietung von Grundstücken und Gebäuden lassen sich kaum noch
systematisieren. Sie sehen in jeder Gemeinde anders aus. Zusammen mit den Kredit-
aufnahmen machen sie den Rest der in Bild 12 noch einmal zusammengefassten ge-
meindlichen Gesamteinnahmen – durchschnittlich etwa 22 % – aus.
4. Kommunale Organisation in Dezernaten, Fachbereichen und Ämtern
a) Die Leitungsebene. Der leitende Verwaltungsbeamte in einer Stadtverwaltung heißt
„Oberbürgermeister“, in kleineren Gemeinden „Bürgermeister“; in sehr kleinen Ge-
meinden gibt es noch ehrenamtliche Bürgermeister. Wenn man sich in den Kommunal-
verfassungen der deutschen Bundesländer umsieht, dann wird man feststellen, dass
die (Ober-)Bürgermeister in den Bundesländern recht unterschiedliche Kompetenzen
haben. Dabei soll in diesem Kapitel nicht darauf eingegangen werden, dass es in den
drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg keinen Oberbürgermeister, sondern
„nur“ einen „Regierenden Bürgermeister“ (Berlin) oder einen „Ersten Bürgermeister“
(Hamburg und Bremen) gibt; denn den Stadtstaaten ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Hier soll es nur um die unterschiedlichen Machtbefugnisse der (Ober-)Bürgermeister
in den übrigen Bundesländern, also in den Flächenstaaten, gehen.
Die stärkste Position besitzen die (Ober-)Bürgermeister in Baden-Württemberg, Bayern
und Sachsen. In diesen drei Bundesländern ist der Bürgermeister kraft seines Amtes
Vorsitzender der Gemeindevertretung und aller ihrer Ausschüsse. In Bayern und Sach-
sen beträgt seine Amtszeit (wie die des Gemeinderats) sechs Jahre, in Baden-Württem-
berg acht Jahre. Wenn ein solcher (Ober-)Bürgermeister vom Volk mehrere Male hin-
tereinander in sein Amt gewählt wird, übt er häufig eine integrierende Funktion auch
über und unter den Parteien aus; sein Wort hat dann sehr hohes Gewicht.
In den anderen Bundesländern ist der Bürgermeister „nur“ Chef der Verwaltung; die
Gemeindevertretung wählt sich ihren eigenen Vorsitzenden, der protokollarisch dem
Bürgermeister vorgehen kann, de facto aber neben dem (wichtigen) Vorsitz im Rat
nur rein repräsentative Funktionen wahrnimmt.
Bis in die Mitte der 1990er Jahre herrschte in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfa-
len noch das nach 1945 eingeführte System der „doppelten Verwaltungsspitze“. Der
Titel (Ober-)Bürgermeister war hier an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung, also
des Rates, vergeben. Dieser „Bürgermeister“ hatte aber nicht die Funktionen, die in
Deutschland gemeinhin mit diesem Amt verbunden sind, nämlich die Zügel der Ver-
waltung in der Hand zu haben und Chef des Rathauses und aller Gemeindebedienste-
ten zu sein. Diese Funktion war nach dem britischen Vorbild des „town clerk“ einer
anderen Person, nämlich einem (Ober-)Stadtdirektor bzw. Gemeindedirektor zugeord-
net. Da die Oberbürgermeister meist der politisch führenden Fraktion im Rat ent-
stammten, konnten sie auf dem Weg über und zusammen mit ihren Parteifreunden
von großem Einfluss sein. Wenn sich ein tatkräftiger Oberstadtdirektor und ein macht-
bewusster Oberbürgermeister nicht vertrugen, konnte dies zu recht unseligen Range-
leien führen. Das System der „Zweigleisigkeit“ wurde zuletzt in Niedersachen im Jahre

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

1996 abgeschafft. Zum gleichen Zeitpunkt endete ein weiterer Unterschied im Kom-
munalverfassungsrecht der Länder: Seit 1996 wird der leitende Verwaltungsbeamte in
allen Bundesländern direkt vom Volk gewählt und nicht mehr – wie zuvor in der
Mehrzahl der alten Bundesländer – von der Gemeindevertretung. Dabei sind – wie bei
den Gemeinderatswahlen – alle Bürger aus den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union mindestens aktiv wahlberechtigt. Die passive Wahlberechtigung (also das
Recht, sich um das Amt des Bürgermeisters zu bewerben) darf nach der einschlägigen
Richtlinie der Europäischen Union, die den rechtlichen Grund für die Einführung des
kommunalen Wahlrechts für alle Bürger der EU gelegt hat, Kandidaten deutscher
Staatsangehörigkeit vorbehalten bleiben.
Die Befugnisse der Bürgermeister sind aber auch nach der bundesweiten Einführung
der Direktwahl in der erwähnten Weise unterschiedlich geblieben. Am schwächsten
ist der Bürgermeister in Hessen, wo er trotz seiner direkten Wahl nur als primus inter
pares dem Magistrat angehört, der als Kollegialorgan die Verwaltung leitet. In der
„Magistratsverfassung“ besteht die Spitze der Gemeindeverwaltung nicht aus dem
mehr oder weniger allein regierenden Bürgermeister, sondern aus dem Bürgermeister
und seinen Beigeordneten, die zusammen den Magistrat als kollegiales Führungsorgan
bilden. Entscheidungen an der Verwaltungsspitze werden nach dem Mehrheitsprinzip
in diesem Kollegium gefällt. Entsprechendes gilt in den größeren Städten in Rheinland-
Pfalz, in denen es einen sogenannten Stadtvorstand gibt.
Bild 13: Innergemeindliche Organisation

Verwaltungsspitze

Geschäftskreise = Dezernate oder Referate

Ämter

Abteilungen Eigenbetriebe

Sachgebiete Rechtlich
verselbständigte
Unternehmen
(Aktiengesellschaft,
Stellen GmbH)

Die wichtigsten Mitarbeiter des Bürgermeisters sind in allen Bundesländern die von
den Gemeindevertretungen gewählten Beigeordneten oder Dezernenten (in Bayern hei-
ßen sie Berufsmäßige Stadträte). Diese Beigeordneten leiten jeweils Geschäftskreise,
für die sie in der Regel eine besondere Ausbildung besitzen. Das Finanzwesen wird
häufig von einem Volkswirt oder Juristen besetzt. Die Stadtbauräte sind in der Regel
Architekten oder Stadtplaner. Die Dezernate Schule und Kultur oder Soziales und
Gesundheitsverwaltung werden von Pädagogen, von Politikwissenschaftlern, von Ju-

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

risten oder ganz einfach von denjenigen verwaltet, denen die Gemeindevertretung die
erforderliche Befähigung zutraut.
Der Geschäftskreis eines Beigeordneten ist in jeder Stadt etwas anders zugeschnitten.
Örtliche Verhältnisse, insbesondere politische Konstellationen, spielen hier eine große
Rolle. Manchmal wird ein Beigeordneter auch nach einem Wechsel der Mehrheiten
im Gemeinderat bestimmter Zuständigkeiten entkleidet, die dann einem (neuen) Beige-
ordneten von der anderen Couleur zugewiesen werden.
Unterhalb der Beigeordnetenebene beginnt das Feld der Fachbereichsleiter und der
Amtsleiter und der ihnen nachgeordneten Abteilungen und Sachgebiete mit entspre-
chenden Abteilungs- und Sachgebietsleitern. Diese Hierarchie ist in Bild 13 wiederge-
geben (wobei auf die in diesem Bild auftauchenden verselbständigten kommunalen
Wirtschaftsunternehmen am Schluss dieses Kapitels eingegangen wird).
b) Die Ämtergliederung. Die kommunalen Ämter sind aufgrund eines Standardvor-
schlags, der von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
(KGSt) (bis 2013 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung ge-
nannt) in Köln erarbeitet worden ist, in fast allen Gemeinden der Bundesrepublik
Deutschland ähnlich organisiert. Die KGSt hat zahlreiche organisatorische Empfehlun-
gen für fast alle kommunalen Leistungsbereiche ausgesprochen. Grundlage hierfür war
in den 1980ern das KGSt-Modell der institutionellen Organisation (Aufgabengliede-
rungsplan, Verwaltungsgliederungsplan). Ausgangspunkt der organisatorischen Ge-
staltung war bis zu den 1990ern immer die einzelne Aufgabe, wobei versucht wurde,
ähnliche oder fachlich zusammenhängende Aufgaben jeweils in einer Aufgabenhaupt-
gruppe zusammenzufassen. Mit dem Neuen Steuerungsmodell (NSM) rückten jedoch
die Leistungen und ihre Ergebnisse sowie Wirkungen in den Mittelpunkt der Verwal-
tungssteuerung. Nicht mehr die öffentliche Aufgabe, sondern das Produkt und damit
die zu erzielenden Wirkungen und Ergebnisse beim Bürger wurden Ausgangspunkt
von Prozessen und Strukturen. Folgerichtig wurde auch die kameralistische Buchfüh-
rung durch die kaufmännische doppelte Buchführung ersetzt. Die kaufmännische dop-
pelte Buchführung zeichnet sich dadurch aus, dass parallel zum „Kontenblatt“ auch
ein „Journal“ geführt wird, in dem alle Einnahmen und Ausgaben des aktuellen Jahres
auf den Tag genau aufgelistet sind. Das Kontenblatt gibt den zuvor festgelegten Zweck
der Einnahme oder Ausgabe wieder. Im Hinblick auf die Zweckzuordnung noch ge-
nauer als die Kontierung ist die Budgetierung. Mit der Budgetierung wird auch inner-
halb der Verwaltung jede geldwerte Tätigkeit oder Übergabe von Sachwerten für oder
an eine andere Abteilung oder Dienststelle festgehalten und einer bestimmten Aufga-
benerfüllung oder einem „Projekt“ zugeordnet. Dadurch entsteht ein recht genaues
Bild darüber, wieviel ein bestimmtes Verwaltungsprojekt wirklich kostet und was es
ggf. einbringt.
Das Organisationsmodell der KGSt sieht in der Grundstruktur einen dreigliedrigen
Aufbau der Verwaltung einer Kommune vor:18
– Zentrale Steuerung und Service,
– Bürgerdienstleistungen,
– Bauen und Stadtentwicklung.
Zu jedem dieser Fachbereiche gehört eine Reihe von Ämtern, die hier nicht einzeln
aufgelistet werden sollen. Die Einzelheiten hängen sehr stark von der Größe der Kom-
mune ab. Neben der eigentlichen Verwaltung gibt es in vielen Kommunen noch ver-
selbstständigte wirtschaftliche Betriebe. Sie können als Eigenbetriebe ohne eigene
Rechtsperson in der Verwaltung geführt werden oder als juristisch selbständige Be-
triebe, sog. Eigengesellschaften. Umstritten ist die Frage, ob es ratsam ist, nicht nur

18 Vgl. den KGSt-Bericht: Organisationsmodell für Kommunen der Größenklassen 5 & 6


(Teil 1). Grundlagen (B 1/2012).

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

zum Beispiel Wohnungsunternehmen, sondern auch Schlüsselunternehmen der Da-


seinsvorsorge – wie zum Beispiel Trinkwasserwerke – als Privatunternehmen auszu-
gliedern. Eine Gemeinde kann zwar auch bei Privatunternehmen, die öffentliche Auf-
gaben erfüllen, gewichtige Steuerungsmöglichkeiten in der Hand behalten, wenn sie
beherrschender privater Unternehmer bleibt. Die Gemeinde kann zum Beispiel alle
oder doch die Mehrheit der Aktien einer kommunalen Aktiengesellschaft besitzen.
Dann ist diese Gesellschaft zwar rechtlich selbständig, wirtschaftlich jedoch von der
Gemeinde beherrscht. Man spricht dann von einer Eigengesellschaft. Die Gefahr be-
steht aber darin, dass in Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis Aktienpakete verkauft
werden und damit die Stimmenmehrheit im Untenehmen verloren geht.
Ein Mittelding zwischen einem völlig selbstständigen wirtschaftlichen Unternehmen
und einer direkten Eingliederung in die Gemeindeverwaltung stellen die so genannten
„Eigenbetriebe“ dar. Eigenbetriebe gehören zwar prinzipiell zur Gemeindeverwaltung,
ihr Haushaltsplan ist jedoch aus dem regulären Haushaltsplan der Kommune ausge-
gliedert; er wird wie ein kaufmännisch geführter Geschäftsplan gesondert behandelt.
Dadurch bekommt man einen besseren Überblick über die Einnahmen und Ausgaben
der betreffenden Einrichtung; insbesondere kann man die Frage, ob der betreffende
Betrieb kostendeckend arbeitet, leichter beantworten. In vielen Gemeinden gibt es
ganz oder teilweise verselbstständigte Unternehmen für die Wasserversorgung, für die
Energieversorgung, auch für den öffentlichen Personennahverkehr. Die meisten dieser
Betriebe brauchen Zuschüsse (insbesondere die Verkehrsbetriebe); gerade deswegen ist
es sinnvoll und richtig, dass sie durch eine getrennte Buchführung ausweisen, wieviel
Geld der Bürger im jedem Jahr als „Pflichtbeitrag“ in diese öffentlichen Leistungen
stecken muss.
5. Die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin
Unter den 16 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland befinden sich drei Stadt-
staaten. In ihnen ist fast alles etwas anders als in den „normalen“ Bundesländern oder
in den normalen Großstädten der Bundesrepublik. Gemeinsam ist allen drei Städten,
dass sie „Bundesland und Stadt“ zugleich sind. Staatliche und gemeindliche Tätigkeit
sind nicht getrennt. Alle drei Großstädte haben ihr Gebiet in Verwaltungsbezirke ein-
geteilt, die eine gewisse Selbständigkeit besitzen und in denen es zum Teil direkt ge-
wählte Volksvertretungen gibt. Die Stadtstaaten – insbesondere Berlin – sind durch
diese Einrichtung der „Bezirke“ mittlerweile zum Vorbild auch für viele andere Städte
in den Flächenstaaten geworden, in denen es heute ebenfalls Bezirke und Bezirksvertre-
tungen gibt. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist dies für alle kreisfreien Städte
vorgeschrieben.
Doch zurück zu den Stadtstaaten, auf die jetzt einzeln eingegangen werden soll.
a) Bremen. Das Bundesland Bremen besteht immerhin aus zwei Gemeinden, nämlich
aus den Städten Bremen und Bremerhaven. Bremerhaven hat eine den Gemeinden im
Bundesland Hessen vergleichbare „normale“ Gemeindeverfassung, eine Magistratsver-
fassung. Die stadtstaatlichen Besonderheiten finden sich nur in Bremen. Bremen wird
von einem Senat (d. h. von einem Kollegialorgan) regiert, dessen Vorsitzender der Bür-
germeister (nicht etwa Oberbürgermeister) ist. Es gehört zur hanseatischen Tradition
des Understatements und entspricht dem Selbstwertgefühl hanseatischer Senatoren,
dass sie als Primus inter pares nur einen „Bürgermeister“, aber keinen Oberbürger-
meister haben wollen.
Das Landesparlament heißt im Bundesland Bremen Bürgerschaft, wobei die spezifi-
schen Belange der Stadt Bremen von denjenigen Mitgliedern der Bürgerschaft wahrge-
nommen werden, die von den Bürgern der Stadt Bremen (und nicht von den Bremerha-
venern) gewählt worden sind. Dies ist dann die „Stadtbürgerschaft“.

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

Die Stadtgemeinde Bremen ist flächendeckend in Ortsämter gegliedert, das sind Au-
ßenstellen der Verwaltung. Ihnen sind sogenannte Beiräte zugeordnet, die entspre-
chend dem örtlichen Ergebnis der Bürgerschaftswahl von der Stadtbürgerschaft ge-
wählt werden. Ihre Befugnisse bestehen im Wesentlichen aus Vorschlags- und
Anhörungsrechten in den Angelegenheiten des betreffenden Bezirks. Sie spielen in der
Praxis der bremischen Kommunalpolitik eine nicht unwesentliche Rolle.

b) Hamburg. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg wird von einem Senat regiert,
dem der Erste Bürgermeister vorsitzt. Auch hier heißt das Parlament „Bürgerschaft“.
Die hamburgische Stadtverwaltung ist dadurch dezentralisiert, dass Hamburg in Be-
zirke gegliedert ist, die wiederum in Ortsämter unterteilt sind. Die Bezirksämter sind
Verwaltungseinheiten für räumliche Teilgebiete der Einheitsgemeinde Hamburg ohne
Selbstverwaltungsrecht. In jedem Bezirk gibt es eine mit Berufsbeamten besetzte Be-
zirksverwaltung (genannt Bezirksamt), die von der gleichzeitig mit der Bürgerschaft
direkt gewählten Bezirksversammlung überwacht wird. Die Bezirksversammlungen
haben nur wenige Befugnisse zu selbständigen Entscheidungen; sie können jedoch ge-
nerell Empfehlungen aussprechen und damit Verwaltungshandeln anregen. Zu ihren
alleinigen Rechten gehören die Beschlussfassung über die Verwendung der Sondermit-
tel des Bezirks und das durch Wahl auszuübende Vorschlagsrecht zur Bestellung des
Bezirksamtsleiters; dieser wird dann durch den Senat von Hamburg ernannt. Die Be-
zirksversammlungen können durch die Wahl eines Nachfolgers die Abberufung des
Bezirksamtsleiters fordern (ein Fall des sog. „konstruktiven Misstrauensvotums“).
Rund um die Zentren der Bezirke gibt es sogenannte Ortsämter als Außenstellen der
Verwaltung. Den Außenstellen sind Ortsausschüsse zugeordnet, denen jeweils 15 Mit-
glieder angehören, die von den Bezirksversammlungen berufen (also nicht direkt ge-
wählt) werden. Dabei werden in großem Umfang sogenannte sachkundige Bürger be-
rufen. Für die ortsamtsfreien Zentren der Bezirke gibt es den Ortsausschüssen
vergleichbare „Kerngebietsausschüsse“. Der Oberbegriff für die Orts- und Kernge-
bietsausschüsse lautet (wenig glücklich) „Regionalausschüsse“.

c) Berlin. In Berlin ist die Bezirksverfassung in Deutschland entwickelt worden; sie hat
hier immer noch ihre stärkste Ausprägung. Bezirke gibt es in Berlin bereits seit 1920.
Im Jahre 1920 wurde die damals von der Fläche her noch relativ kleine Hauptstadt
des Deutschen Reiches und des Staates Preußen durch das sogenannte „Großberlin-
Gesetz“19 mit mehr als 90 bis dahin selbständigen, teils großen, teils kleinen Umland-
gemeinden und Gebietseinheiten zu seiner jetzigen Gestalt zusammengefasst. So sind
zum Beispiel die Großstädte Charlottenburg und Spandau erst 1920 zum Stadtgebiet
von Berlin hinzugekommen. Mögliche negative Folgen des Zusammenschlusses suchte
man durch die gleichzeitige Einrichtung von 20 Bezirken zu mildern, wodurch jeden-
falls den großen eingemeindeten Städten ein gewisses Maß an Selbständigkeit blieb.
Die Bezirke behielten ihre Bürgermeister, außerdem behielten bzw. erhielten sie eine
direkt gewählte Volksvertretung, die Bezirksverordnetenversammlung.
Die Bezirksverfassung von Berlin hat seit ihrer Einführung im Jahre 1920 mannigfache
Änderungen und Reformen erfahren, auf die hier nicht näher eingegangen werden
kann. Im Kern ist sie unverändert geblieben. Die nach außen sichtbarste Reform er-
folgte im Jahr 2002 durch die Zurückführung der Anzahl der Bezirke von bis dahin
22 auf nunmehr zwölf. Damit verbunden war der Versuch, die Kompetenzen der Be-
zirke weiter zu stärken. Gemäß Art. 50 Abs. 2 der Verfassung von Berlin (VvB) werden
die Bezirke jedoch an der Verwaltung Berlins weiterhin nur „nach den Grundsätzen
der Selbstverwaltung“ beteiligt – sie genießen kein echtes Recht auf Selbstverwaltung.
In Berlin hat im Zweifel nach wie vor die Hauptverwaltung das letzte Wort.

19 Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27.4.1920 (Preußische GS, S. 123).

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Die Hauptverwaltung besteht aus den Senatsverwaltungen mit jeweils einem Senator
als leitendem Wahlbeamten. Die Senatoren bilden den Senat von Berlin, dem der Re-
gierende Bürgermeister vorsitzt. Der Regierende Bürgermeister und die Senatoren wer-
den vom Berliner Landesparlament, dem „Abgeordnetenhaus“ gewählt. Eine Berliner
Besonderheit besteht darin, dass die vom Regierenden Bürgermeister nach dessen Wahl
vorzuschlagenden Senatoren einzeln vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden müssen.
Die Bezirke sind in der folgenden, zugleich im Bild 14 zusammengefassten Weise an
der Verwaltung von Berlin beteiligt:
Im Interesse einer dezentralisierten Verwaltung sind in der 1995 reformierten Verfas-
sung von Berlin drei Aufgabenarten vorgesehen, nämlich
– die Aufgaben der Hauptverwaltung (früher: Vorbehaltsaufgaben);
– die den Bezirken zur Erfüllung unter Fachaufsicht zugewiesenen Aufgaben der
Hauptverwaltung (früher: übertragene Vorbehaltsaufgaben);
– die Bezirksaufgaben (früher: bezirkseigene Angelegenheiten).
Die Aufgaben der Hauptverwaltung sind – wie schon der Name sagt – diejenigen
Aufgaben, die vom Landesgesetzgeber der Hauptverwaltung zugeordnet sind. Die den
Bezirken zur Erfüllung unter Fachaufsicht zugewiesenen Aufgaben sind kraft allgemei-
ner Regelung oder durch Einzelakt an die Bezirke übertragen; die Hauptverwaltung
hat hier das Recht der Fachaufsicht und damit des laufenden Eingriffs, notfalls des
Selbsteintritts. Diese Aufgaben sind vergleichbar mit den Angelegenheiten zur Erfül-
lung nach Weisung, auch den Auftragsangelegenheiten des Kommunalrechts der Flä-
chenstaaten. Alles, was nicht durch Berliner Gesetz oder Verordnung als Aufgabe der
Hauptverwaltung oder nur übertragene Aufgabe reklamiert ist, gehört zu den bezirks-
eigenen Angelegenheiten. Bei den Bezirksaufgaben kann die Hauptverwaltung nur eine
Rechtsaufsicht ausüben – bei der Fülle der Vorschriften und der Dehnbarkeit der Be-
griffe gibt es jedoch kaum etwas, was die Hauptverwaltung nicht auch im Namen
einer bloßen Rechtsaufsicht anordnen könnte; in § 7 des Allgemeinen Zuständigkeits-
gesetzes (AZG) ist zudem festgehalten, dass die Bezirke auch bei den Bezirksaufgaben
nicht nur an Rechtsvorschriften, sondern auch an allgemeine Verwaltungsvorschriften
der Hauptverwaltung gebunden sind. In vielen Einzelfällen ist darüber hinaus bedeut-
sam, dass immer dann, wenn ein Bürger gegen die Entscheidung eines Bezirksamts
Widerspruch einlegt, letztlich die Hauptverwaltung als (Rechts-) und Aufsichtsbe-
hörde tätig werden kann (wenn sie nicht ohnehin für die Entscheidung über den Wi-
derspruch zuständig ist). Das letzte Wort liegt damit nicht mehr beim Bezirksamt,
sondern bei der Hauptverwaltung. Besonders hier zeigt sich, dass die Bezirke kein
echtes Selbstverwaltungsrecht genießen; damit ist auch rechtlich ausgeschlossen, dass
sie sich gegenüber Maßnahmen der Hauptverwaltung durch eine Klage vor dem Berli-
ner Verwaltungsgericht verteidigen könnten. Die Beteiligung der Bezirke an der Ver-
waltung nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung ist nur ein nicht rechtsmittelfähi-
ges Organisationsprinzip.
Es ist hier nicht der geeignete Ort, im Einzelnen nachzuvollziehen, welche Aufgaben
in Berlin Aufgaben der Hauptverwaltung, welche bezirkseigen sind; darüber geben die
Anlagen zum AZG und des ASOG (Allgemeines Gesetz zum Schutz von Sicherheit
und Ordnung in Berlin) genaue Auskunft. Nur im Hinblick auf den hier interessieren-
den Bereich des Bau- und Planungsrechts und der Bauverwaltung seien schon ein paar
Grundzüge skizziert, die später (im Kapitel B.III. Verfahren der Bauleitplanung) näher
ausgeführt werden.
Im Bereich der Bauleitplanung gilt – grob gesprochen – die Arbeitsteilung, dass die
Hauptverwaltung unter Einschaltung der Bezirke den Flächennutzungsplan aufstellt,
während die Bebauungspläne als Bezirksaufgaben von den Bezirken erarbeitet werden,
soweit sie keine überbezirkliche Bedeutung haben. Bei „dringendem Gesamtinteresse
Berlins“ kommen der Hauptverwaltung Fachaufsichts- und Weisungsrechte zu; in Fäl-
len von „außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“ ist die Hauptverwaltung für

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Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung IV.

das Aufstellungsverfahren zuständig. Anstelle der Bezirksverordnetenversammlung


muss dann das Abgeordnetenhaus dem Planentwurf zustimmen. Die Festsetzung von
Bebauungsplänen geschieht in der Form einer Rechtsverordnung. Baugenehmigungen
werden von den Bauaufsichtsämtern der Bezirke erteilt oder verweigert; wenn der
Antragsteller eines abgelehnten Baugesuchs Widerspruch gegen eine Entscheidung des
Bezirks einlegt, kann der für das Bau- und Wohnungswesen zuständige Senator wei-
send eingreifen; die Zuständigkeit für den Widerspruchsbescheid bleibt jedoch grund-
sätzlich beim Bezirksamt.
Bild 14: Die Berliner Verwaltung

Die Hauptverwaltung
nimmt die Aufgaben der Hauptverwaltung wahr
Das Abgeordnetenhaus
(Landesparlament)
wählt den Regierenden Bürgermeister und die Senatoren, die
den Senatsverwaltungen vorstehen (Ressortprinzip)

Die Bezirksämter
nehmen die ihnen zur Erfüllung unter Fachaufsicht
zugewiesenen Aufgaben und die Bezirksaufgaben
Die Bezirksverordneten- wahr
versammlungen
wählen den Bezirksbürgermeister und
vier Bezirksstadträte
Eigene Rechte:
– Etatvorschlag Jeder Bezirksstadtrat steht einer Abteilung des
– Bewilligungsmittel Bezirksamts vor
– Zustimmungsrechte zum Die Verwaltungstätigkeit der Bezirke unterliegt
Entwurf von B-Plänen der Rechtsaufsicht und
– Eigene Grundstücke – bei den unter Fachaufsicht stehenden Aufgaben –
Entscheidungsvorberei- auch der Fachaufsicht des Senats
tung in Ausschüssen
mit Bürgerdeputierten

Schon aus diesen kurzen Darlegungen dürfte erkennbar sein, dass die Bezirksver-
waltungen einschließlich der gewählten Vertretungsorgane auf Bezirksebene, der Be-
zirksverordnetenversammlungen (BVV), nicht allzuviel zu bestimmen haben. Die Be-
zirksverordneten wählen zwar die Mitglieder des Bezirksamts und den
Bezirksbürgermeister. Da die Bezirke jedoch kein eigenes Haushaltsrecht haben und
auch nur wenige frei verfügbare Sondermittel, wird auf Bezirksebene manchmal mehr
geredet als gehandelt. Die politischen Abhängigkeiten und Verflechtungen sind groß.
Als Organ der überbezirklichen Abstimmung ist der „Rat der Bürgermeister“ vorgese-
hen, der aus dem Regierenden Bürgermeister und den Bezirksbürgermeistern besteht.
Auch dies ist jedoch kein sehr effektives Gremium. Die eigentlichen Entscheidungen
fallen in den Sitzungen des Senats von Berlin und des Abgeordnetenhauses, gesteuert
von den Mehrheitsfraktionen der im Senat vertretenen Parteien.
Literatur
Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung: Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
Literaturhinweise zum Staatsrecht sind am Ende des Kapitels II. „Der Aufbau der Rechtsord-
nung“ zu finden.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

1. Allgemeines/Lehrbücher zum Kommunalrecht:


Püttner, Günter (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1: Grundla-
gen und Kommunalverfassung, 3. neu bearb. Aufl., Berlin Heidelberg 2007;
Gern, Alfons/Brüning, Christoph, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl., Baden-Baden 2018;
Vogelgesang, Klaus/Lübking, Uwe/Ulbrich, Ina-Maria, Kommunale Selbstverwaltung: Rechts-
grundlagen-Organisation-Aufgaben, 3. Aufl., Berlin 2005;
Schmidt-Eichstaedt, Gerd (Hrsg.), Die Gemeindeordnungen und die Kreisordnungen in der Bun-
desrepublik Deutschland, 2. Aufl., Stuttgart 2003 ff. (Loseblatt).
2. Die Stadtstaaten:
a) Berlin:
Deutelmoser, Anna, Die Rechtsstellung der Bezirke in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg,
Berlin 2000;
Feldmann, Peter von/Knuth, Andreas, Berliner Planungsrecht, 3. Aufl., Berlin 1998;
Musil, Andreas/Kirchner, Sören, Das Recht der Berliner Verwaltung, 4. Aufl. Berlin 2017;
Musil, Andreas, Der Rechtsschutz der Berliner Bezirke, Landes- und Kommunalverwaltung
(LKV) 2003, S. 262–264.
b) Hamburg:
Hoffmann-Riem, Wolfgang und Hans-Joachim Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungs-
recht: 3. Aufl. 2006;
Lange, Rolf, Selbstverwaltung in Hamburg, Stuttgart 1980;
Wickel, Martin, Probleme der Raumordnung im Stadtstaat am Beispiel Hamburgs, in: NordÖR
2003, 229–234.
c) Bremen:
Fisahn, Andreas (Hrsg.), Bremer Recht. Einführung in das Staats- und Verwaltungsrecht der
Freien Hansestadt Bremen, 3. Aufl. 2008;
Prigge, Rolf/Prange, Martin/Zapatka, Monika, Gemeinden in der Großstadt, Bremen 2001.

V. Die Dritte Gewalt


1. Die Gerichtszweige
Wer einen begünstigenden Verwaltungsakt erstreiten oder einen belastenden Verwal-
tungsakt anfechten möchte, muss dies in der Regel vor den Verwaltungsgerichten tun.
Die Verwaltungsgerichte gehören zu den fünf Spezialgerichtsbarkeiten, die es neben
der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt. Die Unterscheidung in eine ordent-
liche Gerichtsbarkeit und in Spezialgerichtsbarkeiten ist rein historisch bedingt.
Die ordentlichen Gerichte sind die Gerichte mit der längsten Tradition. Sie vereinen
unter ihrem Dach die Strafgerichtsbarkeit und die Zivilgerichtsbarkeit. In vergangenen
Jahrhunderten waren Straf- und Zivilgerichtsbarkeit nicht nur (wie es heute noch
manchmal der Fall ist) unter einem Dach, sondern sogar in der Hand einer Person
vereinigt, nämlich in der untersten Instanz, beim Amtsrichter. Der „Dorfrichter
Adam“ hatte nicht nur über den Schadensersatz für einen zerbrochenen Krug (also
über eine zivilrechtliche Streitigkeit) zu entscheiden, sondern auch kleinere Straftaten
zu ahnden: Beleidigungen, kleinere Körperverletzungen, leichte Diebstähle konnten
von ihm bestraft werden.
Diese patriarchalische Zusammenfassung der Rechtspflege in einer Person gibt es
heute nicht mehr. Die Amtsgerichte als die unterste Instanz der ordentlichen Gerichts-
barkeit haben zwar auch heute noch Abteilungen für Strafsachen einerseits und für
Zivilsachen andererseits (so in Berlin zum Beispiel das Amtsgericht Tiergarten), in
jeder dieser Abteilungen arbeiten jedoch andere Richter. Wegen ihrer Besetzung mit
Einzelrichtern sind die Amtsgerichte nur für zivilrechtliche Streitigkeiten bis zu einem
Streitwert von derzeit (2018) 5.000 A, für mietrechtliche Streitigkeiten und einige an-
dere Angelegenheiten von minderer Bedeutung zuständig; auch in Strafsachen werden
nur Fälle minderer Bedeutung von den Amtsgerichten in erster Instanz entschieden.
Wer vor dem Amtsgericht unterliegt, kann sich im Grundsatz nur noch an eine weitere

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Die Dritte Gewalt V.

Instanz, nämlich an das Landgericht wenden. „Über dem Landgericht wölbt sich der
Himmel“, sagen die Juristen, um darauf hinzuweisen, dass es nach dieser Instanz keine
Möglichkeit des Weiterstreitens mehr gibt, wenn man vor dem Amtsgericht begonnen
hat.
Für Streitigkeiten mit einem Streitwert von mehr als 5.000 A ist von vornherein das
Landgericht die erste Instanz. Entsprechendes gilt für Strafsachen von größerem Ge-
wicht. Die Urteile der Landgerichte können mit der Berufung vor den Oberlandesge-
richten angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 A über-
steigt oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung in seinem Urteil zugelassen
hat. In Berlin hat das Oberlandesgericht die Traditionsbezeichnung „Kammergericht“.
Wenn vom Oberlandesgericht eine Revision zugelassen worden ist (weil die Rechtssa-
che grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert), kann der Rechtsstreit nach
einem Urteil des Oberlandesgerichts vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gezogen
werden. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist das selbständige Rechtsmittel der
„Nichtzulassungsbeschwerde“ nach § 544 ZPO eröffnet, in dem nur über die Zulas-
sung der Revision entschieden wird.
Berufung (zum Oberlandesgericht) und Revision (zum Bundesgerichtshof) dürfen
nicht miteinander verwechselt werden. Die Berufung ist der Fachausdruck für die An-
fechtung eines erstinstanzlichen Urteils. Im Berufungsverfahren wird der gesamte Sach-
und Streitstoff noch einmal nachgeprüft. Das Berufungsgericht kontrolliert sowohl,
ob alle Tatsachen richtig ermittelt worden sind, als auch, ob die Rechtsfragen richtig
beantwortet sind. Wegen der erneuten Tatsachenprüfung können in der Berufungs-
instanz auch noch neue Tatsachen und Beweismittel eingebracht werden (es sei denn,
sie werden wegen Verspätung zurückgewiesen).
Anders ist dies in der Revisionsinstanz. Die Revision ist eine reine Rechtsprüfung. Das
Revisionsgericht legt den Sachverhalt zugrunde, der sich aus den Akten des Berufungs-
urteils ergibt. Wenn es zu der Ansicht kommt, dass die Tatsachen unvollständig ermit-
telt sind, weist es die Angelegenheit zurück an das Oberlandesgericht (OLG) zur weite-
ren Sachaufklärung. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Berufung und Revision
innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern auch in den Spezialgerichtsbarkei-
ten, damit auch vor den Verwaltungsgerichten.
Die (in Bild 15 aufgeführten) Spezialgerichtsbarkeiten sind erst allmählich aus der or-
dentlichen Gerichtsbarkeit ausgesondert worden. Die wichtigste Spezialgerichtsbarkeit
ist wohl die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie hat über die „öffentlich-rechtlichen Strei-
tigkeiten“ zu entscheiden, soweit diese nicht ausdrücklich einem anderen Gericht zuge-
wiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind (in Analogie zur Unterscheidung
zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht) solche Streitigkeiten, bei denen
der Kläger (in der Regel eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts) dem
Staat (der Bundesrepublik Deutschland oder einem Bundesland) oder einer Kommune
im Verhältnis der Unterordnung gegenübersteht oder bei denen es um Rechte und
Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geht.
Die Verwaltungsgerichte haben sich erst im 19. Jahrhundert aus einer behördeninter-
nen Überprüfungsinstanz von Verwaltungsentscheidungen zur unabhängigen Gerichts-
barkeit entwickelt. Neben der süddeutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit (im Großher-
zogtum Baden wurde sie bereits 1863 eingeführt) ist besonders die Preußische
Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der Gründung des Preußischen Oberverwaltungsge-
richts im Jahre 1875 zu großem Ansehen gelangt. (Die erste Instanz der Verwaltungs-
kontrolle war in Preußen auch nach 1875 noch in die Verwaltung – nämlich die Kreis-
verwaltungen – integriert.)
In der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es heute drei Instanzen: Die Verwaltungsge-
richte, die Oberverwaltungsgerichte (oder in Süddeutschland: Die Verwaltungsge-
richtshöfe) und das Bundesverwaltungsgericht (in Leipzig). Den Verwaltungsgerichten

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

sind angegliedert die Kammern und Senate für beamtenrechtliche Disziplinarangele-


genheiten sowie für Wehrstrafsachen.
Bild 15: Die Gerichtszweige

VERFASSUNGSGERICHTSBARKEIT

Landesverfassungsgerichte
Bundesverfassungsgericht

Ordentliche Gerichtsbarkeit Spezialgerichtsbarkeiten

STRAFGERICHTE ZIVILGERICHTE VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT

Amtsgerichte Verwaltungsgerichte
Landgerichte
Oberverwaltungsgerichte
Verwaltungsgerichtshöfe
Oberlandesgerichte
Bundesgerichtshof Bundesverwaltungsgericht
Disziplinarsachen
Wehrstrafsachen
Finanzgerichte
Bundesfinanzhof

Sozialgerichte
Landessozialgerichte
Bundessozialgericht

Arbeitsgerichtsbarkeit
Arbeitsgerichte
Landesarbeitsgerichte
Bundesarbeitsgericht

Unabhängige Zweige der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind die Finanzgerichtsbarkeit


und die Sozialgerichtsbarkeit. Diese beiden Gerichtszweige wurden wegen der außer-
ordentlichen Kompliziertheit der von ihnen zu beurteilenden Streitigkeiten (Steuersa-
chen! Rentenangelegenheiten!) von den regulären Verwaltungsgerichten getrennt. Die
Finanzgerichtsbarkeit hat nur zwei Instanzen (Finanzgerichte, Bundesfinanzhof). Die
Arbeitsgerichtsbarkeit als weitere Spezialgerichtsbarkeit gehört mehr zur Zivilgerichts-
barkeit als zum Bereich des öffentlichen Rechts. Auch für Arbeitnehmer und Arbeitge-
ber wollte der Bundesgesetzgeber ein Gericht mit besonderer Sachkunde bereitstellen.
Um etwaige Nachteile von Arbeitnehmern im Rechtsstreit mit Arbeitgebern auszuglei-
chen, gibt es hier spezielle Verfahrens- und Kostenregelungen.
Vor der eigentlichen Streitentscheidung des Arbeitsgerichts muss eine Güteverhand-
lung stattfinden, und die Gerichtsgebühren sind besonders niedrig. Als Beisitzer in den
„Kammern für Arbeitssachen“ fungieren stets je ein Vertreter der Arbeitnehmer- und
der Arbeitgeberseite.
Gleichsam über der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Spezialgerichtsbarkeiten ste-
hen die Verfassungsgerichte. In den Ländern heißen sie „Verfassungsgerichtshöfe“

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Die Dritte Gewalt V.

oder „Staatsgerichtshöfe“; diese Bezeichnung deutet auf die Tatsache hin, dass diese
Gerichte nicht mit hauptamtlichen Richtern besetzt sind und nicht ständig tagen; in
den Ländern besteht dafür kein Bedarf. Anders ist dies beim Bundesverfassungsgericht
mit Sitz in Karlsruhe, dem höchsten und auch in höchstem Ansehen stehenden Gericht
der Bundesrepublik Deutschland.
Die Verfassungsgerichte sind zum einen zuständig für Streitigkeiten zwischen Verfas-
sungsorganen (also zwischen dem Landtag und der Landesregierung bzw. zwischen
dem Bundestag und der Bundesregierung usw.) und zwischen Bund und Ländern über
ihre verfassungsmäßigen Rechte. Zum anderen können sie auch vom Bürger angerufen
werden, wenn er eine Verfassungsverletzung geltend macht. Allerdings ist dabei zu
beachten, dass die Verfassungsgerichte (insbesondere das Bundesverfassungsgericht)
immer erst dann angerufen werden können, wenn die übrigen Rechtsmittel erschöpft
sind. Ein Student, der meint, in seinem Recht auf freie Berufswahl durch die Nichtzu-
lassung zu einem bestimmten Studium verletzt worden zu sein, kann sich also nicht
unmittelbar an das Bundesverfassungsgericht wenden; er muss vielmehr zunächst die
Nichtzulassung vor dem Verwaltungsgericht anfechten und sämtliche Instanzen durch-
schreiten, um eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erheben zu können. Auch
wenn die formale Voraussetzung der Erschöpfung des Rechtsweges erfüllt ist, wird
noch nicht jede Klage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Erstens muss es
sich bei dem Klagevorbringen um eine spezifische Grundrechtsverletzung handeln, und
zweitens muss die Klage eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie nicht bereits
vom Vorprüfungsausschuss abgewiesen werden soll.
Mit dieser Vorprüfung reagiert das Bundesverfassungsgericht auf eine sehr hohe Inan-
spruchnahme. Weil manche Bürger das Bundesverfassungsgericht, von dem grundsätz-
lich keine Gerichtsgebühren erhoben werden, als eine freizugängliche Petitionsinstanz
für querulatorische Anliegen jeder Art ansehen, ist 1985 die Möglichkeit eingeführt
worden, in Fällen besonders krassen Missbrauchs eine „Missbrauchsgebühr“ in Höhe
von bis zu 2.600 A zu erheben. Wer mit seiner Verfassungsbeschwerde unterliegt, be-
kommt seine notwendigen Auslagen nicht erstattet; wer obsiegt, darf mit einer Erstat-
tung seiner notwendigen Auslagen rechnen (so geregelt in §§ 34, 34a des Bundesver-
fassungsgerichtsgesetzes).
2. Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten
Im Bau- und Planungsrecht sind die Verwaltungsgerichte der wichtigste Gerichtszweig.
Innerhalb des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten gibt es zwei Hauptklagearten,
die darauf abstellen, dass das typische Handlungsinstrument der öffentlichen Verwal-
tung der Verwaltungsakt ist (den wir im Kapitel A.III.2. bereits kennengelernt haben):
Die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage.
Die Anfechtungsklage richtet sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Sie ist für
den Bürger das geeignete Instrument, wenn er die Aufhebung eines ihn in seinen Rech-
ten verletzenden Verwaltungsakts erreichen möchte. Die Verpflichtungsklage richtet
sich darauf, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erhalten. Auf diese Klageart
muss der Bürger zurückgreifen, wenn er die Verwaltung mit Hilfe des Gerichts zum
Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes veranlassen will. Neben diesen beiden
Hauptklagearten gibt es noch die Feststellungsklage, die schlichte Leistungsklage, die
vorbeugende Unterlassungsklage; auf diese Klagearten soll hier jedoch nicht weiter
eingegangen werden, weil sie nur zum Spezialfundus der ausgebildeten Verwaltungsju-
risten gehören.
In Bild 16 ist dargestellt, welchen Weg der Bürger nehmen muss, wenn er eine Anfech-
tungs- oder eine Verpflichtungsklage erheben will. Wie bei der Erläuterung der Be-
standskraft von Verwaltungsakten im Kapitel A.III.2 bereits geschildert wurde, darf
er (in der Regel) nicht sofort das Gericht anrufen, wenn er mit dem Handeln der
Verwaltung nicht einverstanden ist. Vielmehr muss er der Behörde zunächst die Mög-

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lichkeit geben, ihr Handeln selbst noch einmal zu überprüfen. Dies geschieht durch
die Einlegung eines Widerspruchs. Nochmals sei betont, dass dieser Widerspruch bin-
nen einer Frist von einem Monat ab Zugang des Verwaltungsakts eingelegt werden
muss, wenn man mit einem Verwaltungsakt oder der Ablehnung eines Verwaltungsak-
tes durch eine Behörde nicht einverstanden ist. Anderenfalls erwächst der Verwal-
tungsakt in Bestandskraft (von einigen Ausnahmen wie mangelnder Rechtsmittelbeleh-
rung oder Sonderfällen, in denen ein Vorverfahren nicht erforderlich ist, abgesehen).
Hat der Bürger zum Beispiel gegen die Versagung einer Baugenehmigung oder gegen
die Verfügung der Gaststättenaufsicht, ein Gartenlokal um 22.00 Uhr zu schließen,
Widerspruch eingelegt, so überprüft die erlassende Behörde ihren Verwaltungsakt
noch einmal darauf, ob sie alle Form- und Verfahrensvorschriften eingehalten hat, die
zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und die Entscheidung inhaltlich von den
einschlägigen Rechtsvorschriften getragen wird. Gelangt sie zu der Erkenntnis, dass
ihr Handeln fehlerhaft gewesen ist, „hilft sie dem Widerspruch ab“. Das bedeutet,
dass sie ihre vorherige Entscheidung korrigiert oder sogar ganz aufhebt.
Wenn die den Verwaltungsakt erlassende Behörde bei der Überprüfung zu der Ansicht
gekommen ist, dass ihr Verhalten rechtmäßig war, muss sie ihre Akten zusammen
mit dem Widerspruch der Widerspruchsbehörde vorlegen. Das ist in der Regel die
nächsthöhere Behörde. Wenn allerdings gegen den Verwaltungsakt einer Selbstverwal-
tungskörperschaft in einer Angelegenheit Widerspruch eingelegt wird, die dem eigenen
Wirkungskreis der Körperschaft zuzurechnen ist, dann gibt es in dieser Sache keine
„höhere“ Behörde. Die Stadt bzw. der Kreis muss dann eigenverantwortlich selbst
entscheiden; möglicherweise wird jedoch ein besonderer „Widerspruchsausschuss“ als
neutrales Gremium eingeschaltet.
Ist auch die Widerspruchsbehörde bzw. der Widerspruchsausschuss der Ansicht, dass
der Verwaltungsakt nicht geändert werden sollte, weist sie den Widerspruch zurück.
Erst gegen diese Zurückweisung des Widerspruchs darf der Bürger Klage vor dem
Verwaltungsgericht erheben. Auch dies muss er innerhalb einer bestimmten Frist (in
der Regel innerhalb eines Monats ab Zugang des Bescheids, vgl. § 74 Abs. 1 VwGO)
tun, wenn der Verwaltungsakt nicht bestandskräftig werden soll.
Die Klage ist dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht zuzuleiten. Das Gericht
prüft, ob die Klage zulässig und begründet ist. Die Gesichtspunkte, die dabei eine
Rolle spielen, sind bei jeder Klage verschieden. Für die Zulässigkeit immer erforderlich
ist jedoch, dass der Kläger behauptet, in seinen Rechten verletzt zu sein. Dabei muss
man das Wort „seinen“ unterstreichen. Man darf also nicht bereits klagen, wenn man
meint, dass die Verwaltung irgendwo irgend jemandem Unrecht getan hat; vielmehr
darf man gerichtliche Hilfe nur dann in Anspruch nehmen, wenn es um die eigenen
Rechte geht. Um eigene Rechte geht es auch dann nicht, wenn ein Grundstück nur
deshalb erworben wird, um die Klageberechtigung zu erlangen.20 Mit dieser Klausel
(niedergelegt in § 42 Abs. 2 VwGO) soll die sogenannte „Popularklage“ verhindert
werden. Eine „Popularklage“ ist gleichbedeutend mit der Klage von jedermann für
jedermann. Der Gesetzgeber befürchtet, dass die Möglichkeit der Popularklage zur
Überlastung der Gerichte und zu einer Welle von unnötigen Streitigkeiten führen
würde.

20 Vgl. den Fall BVerwG, U. v. 27.10.2000 – 4 A 10.99 –, ZfBR 2001, 416.

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Die Dritte Gewalt V.

Bild 16: Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Ein Kompromiss zwischen der Verletzung eigener Rechte als Zulässigkeitsvorausset-


zung der Klage vor den Verwaltungsgerichten und der Popularklage von jederman ist
die sogenannte „Verbandsklage“. Die zunächst nur durch § 64 BNatSchG bundes-
rechtlich zugelassene, durch Landesrecht erweiterbare Verbandsklage ermöglicht es,
dass ein anerkannter Verband (wie zum Beispiel der B.U.N.D. – Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland) im Namen seiner Mitglieder Klage gegen die öffentliche
Verwaltung wegen Verletzung des Naturschutzes erhebt, wobei dann nicht nachgewie-
sen zu sein braucht, dass einzelne Mitglieder direkt in ihren eigenen Rechten verletzt
sind. Durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz wurden die Klagerechte erheblich erwei-
tert. Der EuGH hat mit U. v. 12.5.2011, Az. C-115/09 – Trianel –, entschieden, dass
eine die Klagerechte von Umweltvereinigungen seinerzeit einschränkende Regelung in
§ 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gegen EU-Recht verstieß. Die Bundesrepublik
Deutschland hat daraufhin die Klagerechte von Umweltvereinigungen im Gesetz über
ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-
Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) erweitert. Die betref-
fenden Verbände werden zur Klageerhebung ermächtigt, weil vom Gesetzgeber unter-
stellt wird, dass sie sich von ihrer Aufgabenstellung her um das gleiche Rechtsgut
bemühen, dessen Schutz auch das Gesetz erstrebt. Ihre Klageberechtigung ist auf die
Wahrnehmung des jeweiligen Verbandszwecks beschränkt. Sie müssen sich zuvor am
Verfahren aktiv beteiligt haben (es sei denn, dass ihnen keine Gelegenheit dazu gege-
ben worden ist).
Wenn eine Klage vom Verwaltungsgericht abgewiesen wird, ist die Berufung an das
Oberverwaltungsgericht (bzw. den Verwaltungsgerichtshof) möglich, sofern sie vom
Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Zulassungsgründe sind:
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils;
2. besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache;
3. grundsätzliche Bedeutung;
4. Abweichung von einer Entscheidung des OVG oder des BVerwG;
5. Vorliegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels.
Das Oberverwaltungsgericht prüft die Tatsachen und Rechtsfragen noch einmal nach
und entscheidet danach neu (wenn auch nicht unbedingt anders). Als dritte Instanz
kommt danach die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Frage. Es gibt in der
Verwaltungsgerichtsbarkeit keine Streitwertrevision, sondern nur eine Zulassungsrevi-
sion. Das Oberverwaltungsgericht muss die Revision unter zwei Gesichtspunkten zu-
lassen: entweder als Divergenzrevision oder als Grundsatzrevision. Eine Divergenzrevi-
sion liegt vor, wenn das Oberverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von der
Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts abgewichen ist. In diesem Fall
soll das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit bekommen, die Einheit der Rechtspre-
chung unter den Oberverwaltungsgerichten herzustellen. Eine Grundsatzrevision liegt
dann vor, wenn der Rechtsstreit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ent-
hält, über die ebenfalls das Bundesverwaltungsgericht eine einheitliche Rechtspre-
chung herbeiführen sollte.
Aus psychologisch verständlichen Gründen gehen die Oberverwaltungsgerichte mit
der Zulassung der Revision eher sparsam als großzügig um. Denn ohne Zulassung der
Revision wird ihr Urteil rechtskräftig und sie brauchen keine Kritik durch die höhere
Instanz zu befürchten. Um der unterliegenden Partei Gelegenheit zu geben, eine Über-
prüfung der Frage herbeizuführen, ob die Zulassung der Revision zu Recht unterblie-
ben ist, gibt es die sogenannte „Nichtzulassungsbeschwerde“ an das Bundesverwal-
tungsgericht (§ 133 VwGO). Hier wird ausschließlich geprüft, ob die Revision hätte
zugelassen werden müssen; die Frage, ob der Rechtstreit vom Oberverwaltungsgericht
richtig oder falsch entschieden ist, wird erst dann erörtert, wenn die Revision (bei
erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt worden ist. Aus prozessökonomi-
schen Gründen finden sich allerdings in vielen Entscheidungen des Bundesverwal-

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Die Dritte Gewalt V.

tungsgerichts auf eine Nichtzulassungsbeschwerde auch Hinweise dazu, wie das Bun-
desverwaltungsgericht in der Hauptsache entscheiden würde. Solche Hinweise gibt es
dann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wird; ist die Beschwerde
erfolgreich, wird zunächst nur lapidar die Revision zugelassen. Das Bundesverwal-
tungsgericht nutzt dann die Gelegenheit der Entscheidung in der Hauptsache, um dem
Untergericht und der Öffentlichkeit seine Rechtsmeinung kundzutun.
Eine besondere Klageart vor dem Oberverwaltungsgericht muss noch erwähnt werden:
Das Verfahren der direkten (oder abstrakten) Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Im
Verfahren der direkten (abstrakten) Normenkontrolle geht es nicht um die Überprü-
fung eines Verwaltungsakts, sondern um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer
Norm (daher „Normenkontrolle“). Diese Normenkontrolle ist insbesondere für Be-
bauungspläne zulässig. Im Schlusskapitel „Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach
dem Baugesetzbuch vor den Gerichten“ wird darauf näher und ausführlich eingegan-
gen.

3. Einstweiliger Rechtsschutz
Aus der Schilderung des über mehrere Instanzen reichenden Verfahrens vor den Ver-
waltungsgerichten, an dessen Beginn ein Widerspruchsverfahren noch in der Verwal-
tung selbst steht, ergibt sich, dass es ziemlich lange dauern kann, bis ein Rechtsstreit
endgültig abgeschlossen ist. Wenn ein Prozess bis vor das Bundesverwaltungsgericht
getragen wird, kann es sechs oder noch mehr Jahre dauern, bis die Parteien ein rechts-
kräftiges Urteil in der Hand haben. So lange Fristen sind gerade in Bausachen oft
unerträglich. Das gilt sowohl für den Bauherrn, der gerne bauen möchte, aber seine
Baugenehmigung nicht bekommt, als auch für den Gegner eines genehmigten Bauvor-
habens, der während des Prozesses vielleicht zusehen muss, wie das von ihm be-
kämpfte Gebäude immer höher wächst, bis es schließlich fertiggestellt ist.
Auch in anderen Verwaltungsrechtsstreitigkeiten kann eine lange Prozessdauer prak-
tisch zur Entwertung des Rechtsschutzes insgesamt führen. Wenn die Schließung einer
Gaststätte angeordnet und durchgesetzt wird, nützt es dem Gastwirt wenig, wenn ihm
nach zwei Jahren bescheinigt wird, dass diese Schließung nicht gerechtfertigt war,
denn seinen Kundenstamm hat er inzwischen verloren. Umgekehrt nützt es auch dem
Ordnungsamt wenig, wenn es die Abstützung eines Balkons anordnet, der Hauseigen-
tümer aber allein durch eine Klageerhebung erreichen kann, dass er dieser Anordnung
so lange nicht Folge zu leisten braucht, bis der Prozess entschieden ist. Wenn das
drei Jahre dauert, wird der Balkon – wenn er wirklich baufällig war – inzwischen
heruntergefallen sein.
In allen diesen Fällen ist eine vorläufige Regelung des Streitstoffes für den Zeitraum
bis zum Abschluss des Prozesses erforderlich. Diese Regelung ist nach zwei Vorschrif-
ten der Verwaltungsgerichtsordnung möglich, nämlich zum einen nach § 80 VwGO
mit seinem sogenannten „Suspensiveffekt“ und zum anderen nach § 123 VwGO mit
einer sogenannten „einstweiligen Anordnung“.

a) Der Suspensiveffekt nach §§ 80, 80a und 80b VwGO. Der Suspensiveffekt nach
§ 80 VwGO ist von Bedeutung, wenn sich ein Bürger gegen einen ihn belastenden
Verwaltungsakt wehrt. Häufig ist es so, dass ein einmal durchgeführter belastender
Verwaltungsakt nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden kann. Wenn zum
Beispiel eine Straße verbreitert werden soll und dafür ein Stück Vorgarten von einem
dagegen protestierenden Eigentümer benötigt wird, dann haben Rechtsmittel praktisch
keine Bedeutung mehr, wenn der Vorgarten durch eine Planierraupe beseitigt und die
Straße über das ehemalige Gartenland gebaut worden ist. Um derartige vollendete
Tatsachen zu verhindern, ordnet das Gesetz an, dass Widerspruch und Anfechtungs-
klage „aufschiebende Wirkung haben“. Das bedeutet, dass mit der Einlegung eines
Widerspruchs und der nachfolgenden Klage die Wirkungskraft des belastenden Ver-

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

waltungsakts zunächst aufgeschoben wird. Er wird „suspendiert“. Während des


Rechtsstreits werden die Parteien so gestellt, als wäre der belastende Verwaltungsakt
noch nicht ergangen. Der Suspensiveffekt endet entweder mit dem rechtskräftigen Ab-
schluss der Klage oder (nach § 80b VwGO) drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen
Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung der ersten Instanz gegebenen
Rechtsmittels. Ob bereits der Antrag auf Zulassung der Berufung dieses Rechtsmittel
ist oder erst die Berufung selbst, hängt von dem abweisenden Urteil ab.
Von dieser Regel gibt es allerdings sehr viele Ausnahmen – und sie muss es auch geben.
Denn wenn jeder Widerspruch und jede Anfechtungsklage unabänderlich aufschie-
bende Wirkung hätten, wäre die Vollzugsgewalt der öffentlichen Verwaltung praktisch
lahmgelegt. Kein Verbot, keine Anordnung könnte vor Ablauf von drei bis sechs Jah-
ren durchgesetzt werden. Deshalb führt schon das Gesetz selbst eine Reihe von Maß-
nahmen auf, bei denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wir-
kung haben. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage entfällt nach
§ 80 Abs. 2 der VwGO:
1. bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (Steuern muss man
immer sofort bezahlen!);
2. bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten
(den Weisungen eines den Verkehr regelnden Polizisten kann man sich auch durch
Schimpfen und Widerspruch nicht entziehen);
3. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen;
4. in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im
überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt
erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet
wird (Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit kann von der Behörde entweder zusam-
men mit einem Verwaltungsakt erlassen werden, der ihr besonders dringlich erscheint,
oder erst dann, wenn der Adressat gegen die Maßnahme Widerspruch eingelegt hat.
Sehr häufig müssen die Verwaltungsgerichte in den Streit zwischen Behörde und Be-
troffenem eingreifen, wenn die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat.
Denn der Bürger braucht sich mit dieser Anordnung nicht abzufinden; er kann viel-
mehr das örtlich zuständige Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechts-
schutzes anrufen. Auf Antrag kann das Gericht die sofortige Vollziehbarkeit, die von
der Verwaltung angeordnet ist, ganz oder teilweise rückgängig machen, indem es die
aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels wiederherstellt. Dieser Antrag ist schon
während des Widerspruchsverfahrens, also schon vor Erhebung der eigentlichen
Klage, zulässig.
Das Gericht kann auch, wenn der Verwaltungsakt bis zum Zeitpunkt der Entschei-
dung schon vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen (soweit dies tat-
sächlich möglich ist). Da die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts über die Wiederher-
stellung der aufschiebenden Wirkung jederzeit geändert oder aufgehoben werden
können, kann sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein regelrechtes Ping-
pongspiel entwickeln. Abgesehen davon, dass schon das zuerst befasste Gericht seine
Meinung ändern kann, kann jede Seite auch noch das nächsthöhere Gericht im Wege
der Beschwerde anrufen und dort entweder die (erneute) Anordnung des sofortigen
Vollzugs oder die (erneute) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantra-
gen. Auch kann die Behörde ihren ursprünglichen Verwaltungsakt aufheben und statt-
dessen einen (geänderten) neuen Verwaltungsakt erlassen – auch hier beginnt das Spiel
von vorn.21

21 Beispiel: OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 11.1.2000 – 10 B 2060/99 –, ZfBR 2000, 429.

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Viele aufsehenerregende Streitigkeiten finden in solchen Verfahren des einstweiligen


Rechtsschutzes statt. Demonstrationsverbote, Versammlungsverbote, Abrissverfügun-
gen, Teilbaugenehmigungen, all dies sind Verwaltungsakte, die fast regelmäßig nicht
nur mit einer Klage in der Hauptsache, sondern zugleich mit Anträgen nach § 80
Abs. 5 VwGO bekämpft werden können. Die Entscheidung in der Hauptsache ist oft
nur noch ein nachklappendes Verfahren. Der Eindruck, dass im Streit über den vorläu-
figen Rechtsschutz praktisch das Verfahren in der Hauptsache vorweggenommen
wird, wird auch dadurch gestützt, dass das Gericht bei seiner Entscheidung nach § 80
VwGO die Erfolgsaussichten der Parteien im Hauptverfahren kursorisch prüfen muss.
Wenn der Anfechtungsantrag des Betroffenen in der Hauptsache offensichtlich wenig
Aussicht auf Erfolg hat, wird ihm das Gericht keine Suspensivwirkung zubilligen,
sofern der sofortige Vollzug dringlich ist. Kann über die Klage erst nach sorgfältiger
Klärung des Sachverhalts entschieden werden oder neigen sich die Erfolgsaussichten
eher dem Kläger zu, wird das Gericht die Vollziehung des umstrittenen Verwaltungs-
akts jedenfalls dann aufzuhalten suchen, wenn der Vollzug nicht oder nur mit unver-
hältnismäßigem Aufwand rückgängig gemacht werden kann. Bevor zum Beispiel mit
dem Bau eines Großflughafens begonnen wird, sollte endgültig geklärt sein, ob die für
den Standort entscheidende Genehmigung durch Planfeststellung rechtmäßig vorge-
nommen wurde oder nicht.

b) Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. Der soeben geschilderte Suspen-
siveffekt passt im Wesentlichen nur beim Rechtsschutz gegen belastende Verwaltungs-
akte. Wenn es um einen begünstigenden Verwaltungsakt geht, soll ja nichts aufgescho-
ben werden; vielmehr will der Kläger hier in der Regel möglichst bald zu seinem
vermeintlichen Recht kommen. Hier kann einstweiliger Rechtsschutz nicht durch Auf-
schieben erreicht werden, sondern nur durch eine „einstweilige Anordnung“, wie sie
in § 123 VwGO geregelt ist. Dort heißt es, dass das Gericht auf Antrag auch schon
vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, vor allem bei dau-
ernden Rechtsverhältnissen, zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesent-
liche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern.
Wenn jemand zum Beispiel nach dem Abitur einen Studienplatz durch ein gerichtliches
Verfahren erkämpfen will, dann nützt es ihm wenig, wenn er zwar gute Erfolgsaussich-
ten hat, mit einer Entscheidung über seine Klage aber erst nach achtzehn Monaten zu
rechnen ist. Dann sind schon drei Semester verstrichen. In solchen Fällen kann das
Gericht durch einstweilige Anordnung anordnen, dass der betreffende Anwärter vor-
läufig einen Studienplatz zugeteilt erhält, damit er für den Fall, dass er den Prozess
gewinnt, nicht drei Semester verloren hat. Solche vorläufigen Regelungen sind auch
möglich, wenn jemand einen bestimmten Betrag als Ausbildungsförderung einklagt
und ohne Förderung völlig mittellos dastehen würde.
Ist eine einstweilige Anordnung erlassen worden, gilt für die Fortsetzung des Streites
ähnliches wie bereits für den Suspensiveffekt: Der jeweilige Gegner kann das Gericht
gegen die einstweilige Anordnung anrufen und gegen die erstinstanzliche Entscheidung
wiederum Beschwerde einlegen. Streitigkeiten über den Suspensiveffekt oder über
einstweilige Anordnungen finden erst dann ein zuverlässiges Ende, wenn der Rechts-
streit in der Hauptsache entschieden ist.

c) Vorläufiger Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung. Noch kompli-


zierter als ohnehin wird die Situation bei „Verwaltungsakten mit Doppelwirkung“ –
also bei Verwaltungsakten, die sich gegenüber dem einen Betroffenen begünstigend,

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

gegenüber einem anderen aber belastend auswirken. Dafür ist eine Baugenehmigung,
mit der ein Nachbar des Bauherrn nicht einverstanden ist, das häufigste Beispiel. Wie
funktioniert der „einstweilige Rechtsschutz“ in solchen Fällen? Darüber waren sich
noch nicht einmal die Verwaltungsgerichte einig, sodass der Gesetzgeber mit Wirkung
ab 1. Januar 1991 eine eigene Regelung dieses Problems in die Verwaltungsgerichts-
ordnung (VwGO) eingefügt hat – den § 80a VwGO.
§ 80a VwGO hat zunächst der von der Mehrzahl der Oberverwaltungsgerichte22 und
dem Bundesverwaltungsgericht23 geteilten Meinung zur Geltung verholfen, wonach
Widerspruch und Klage eines Nachbarn gegen eine seiner Ansicht nach zu Unrecht
erteilte Baugenehmigung die „normale“ aufschiebende Wirkung haben, so wie sie je-
dem Rechtsbehelf gegen einen belastenden Verwaltungsakt nach § 80 VwGO beigelegt
ist. Wenn es keine zusätzliche Regelung gäbe, würde nach dieser Grundregel auch
jede Baugenehmigung durch Widerspruch und Klage eines Nachbarn suspendiert, also
wirkungslos gemacht; der Bauherr stünde so da, als hätte er keine Baugenehmigung.
Aufgrund des sechsten Änderungsgesetzes zur VwGO von 1996, das zum 1.1.1997 in
Kraft getreten ist, haben Widerspruch und Klage gegen die bauaufsichtliche Zulassung
eines Vorhabens jedoch keine aufschiebende Wirkung mehr; diese Regelung findet sich
aber nicht in der VwGO (deren § 80a die aufschiebende Wirkung auch bei Verwal-
tungsakten mit Doppelwirkung vorsieht), sondern in § 212a BauGB. Damit ist der
Bauherr eines mit Bauschein genehmigten Vorhabens demjenigen gleichgestellt, der ein
genehmigungsfreies Vorhaben errichtet. Die Zahl der genehmigungsfreien Vorhaben
ist seit etwa 1995 erheblich angestiegen, weil die Länder dazu übergegangen sind,
zumindest Wohnungsbauvorhaben geringer Höhe im Geltungsbereich qualifizierter
Bebauungspläne von dem Erfordernis einer förmlichen Baugenehmigung freizustellen;
häufig ist nur noch eine Anzeige des Vorhabens erforderlich (siehe dazu Kapitel VII.
Die Baugenehmigung).
Der widersprechende Nachbar muss nunmehr bei der Behörde beantragen, die Vollzie-
hung der Baugenehmigung auszusetzen, wenn er den Bau effektiv aufhalten will. Zu-
gleich kann er „Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte“ beantragen, worunter ins-
besondere die Verhängung eines Baustopps zu verstehen ist. Sofern die Behörde
solchen Anträgen nicht folgt, können die Beteiligten das Verwaltungsgericht anrufen,
das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dieselben Anordnungen erlassen
und auch „Maßnahmen treffen kann“. Es bleibt aber dabei, dass der eine Baugenehmi-
gung angreifende Nachbar zunächst einen Versuch bei der Verwaltung gemacht haben
muss, von dort Hilfe zu bekommen. Erst wenn die Verwaltung die Aussetzung der
Vollziehung (und damit zugleich auch den Ausspruch eines Baustopps) verweigert hat,
darf das Gericht bemüht werden. Vorher ist der Antrag an das Gericht unzulässig.

4. Die Auslegung von Rechtsvorschriften


Rechtsstreitigkeiten können aus zwei Gründen entstehen: Entweder ein Sachverhalt ist
streitig, oder die Anwendung der Rechtsregeln auf den Sachverhalt wird von den Par-
teien unterschiedlich gesehen. Nicht selten sind im konkreten Fall sowohl Sachverhalt
als auch Rechtslage umstritten.
Soweit tatsächliche Umstände streitig sind und es für die Entscheidung des Rechts-
streits gerade auf diese Umstände ankommt, muss das Gericht versuchen, die strittigen
Punkte aufzuklären. Das gelingt nicht immer. Wenn sich endgültige Klarheit nicht
herstellen lässt, müssen die Regeln über die Beweislast oder Darlegungslast zur An-

22 VGH BaWü, B. v. 31.10.1974 – VIII 927/74 –, BRS 28 Nr. 136; Bayerischer VGH, B. v. 20.8.1976 – Nr. 82
I 76 –, BRS 30 Nr. 148; BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, BRS 42 Nr. 23; Hamburgisches OVG, B.
v. 8.6.1978 – Bs II 105/77, Bs II 106/77 –, MDR 1979, 344; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 31.5.1976 – 1 B
2/76 –, NJW 1977, 595; OVG des Saarlandes, B. v. 23.1.1980 – 2 W 1.1/80 –, BRS 36 Nr. 206.
23 BVerwG, U. v. 21.10.1968 – 4 C 33.68 –, NJW 1969, 202.

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wendung kommen. Anhand dieser Regeln kann und muss das Gericht darüber befin-
den, zu wessen Lasten sich die Nichtaufklärbarkeit bestimmter Umstände auswirkt.
Als Faustregel gilt: Wer sich auf bestimmte (besondere) Umstände beruft, trägt für
diese Umstände die Darlegungslast. Können diese Umstände nicht nachgewiesen wer-
den, unterliegt der Anspruchsteller.
Soweit es um die Auslegung von Rechtsvorschriften geht, können sich die Richter auf
anerkannte Auslegungsregeln stützen. Dabei ist zu bedenken, dass bei der Betrachtung
einer Norm sowohl die Umschreibung des Sachverhalts („Wenn das öffentliche Wohl
es erfordert“) als auch die Umschreibung der Rechtsfolge („kann von einzelnen Fest-
setzungen des Bebauungsplans Befreiung erteilt werden“) auslegungsbedürftig sein
können. Die meisten Normen haben (wie das soeben zitierte Beispiel) eine „wenn/
dann“-Struktur: Zunächst werden mehr oder weniger bestimmte Voraussetzungen for-
muliert (= wenn), bei deren Eintritt mehr oder weniger bestimmt umschriebene Rechts-
folgen zu verwirklichen sind (= dann). Die Auslegungsregeln helfen bei der Beantwor-
tung der Frage, ob und in welcher Weise die auf Papier festgehaltene „tote“ Norm
auf den Lebenssachverhalt wirklich passt, ob sie zu seiner Regelung wirklich geeignet
und gedacht ist.
In manchen Fällen ist dies leicht zu beantworten. Wenn zum Beispiel das Parken in
einer Straße dadurch verboten ist, dass am Straßenrand ein Parkverbotsschild aufge-
stellt ist, und ein Autofahrer parkt direkt neben diesem Schild, halb auf der Straße,
halb auf dem schmalen Bürgersteig, dann bereitet die grundsätzliche Bejahung der
Anwendbarkeit der entsprechenden Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und des
Ordnungswidrigkeitengesetzes, wonach für diesen Fall eine gebührenpflichtige Ver-
warnung oder eine Geldbuße angedroht ist, keinerlei Schwierigkeiten.
Schwieriger wird es schon im zweiten Schritt, wenn zu entscheiden ist, ob der Kraftfah-
rer „mit Behinderung“ geparkt hat, wonach eine höhere Gebühr fällig wird. Ist eine
„Behinderung“ nur dann gegeben, wenn der Kraftfahrzeugverkehr behindert wird,
oder auch dann, wenn nur Fußgänger behindert werden? Dem Gesetz allein läßt sich
die Antwort nicht entnehmen.
Um derartige Unsicherheiten lösen zu können, haben die Juristen verschiedene Metho-
den der Auslegung entwickelt, von denen nun die Rede sein soll.
a) Methoden und Kriterien der Auslegung von Rechtsvorschriften. Auslegung ist ein
Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm in der Regel vor
dem Hintergrund eines zu entscheidenden Falles problematisch geworden ist, ver-
ständlich macht.
Vier Kriterien sind bei der Auslegung besonders wichtig:
1. der Wortsinn (grammatische Auslegung);
2. der Bedeutungszusammenhang (systematische Auslegung);
3. der Zweck der Vorschrift (teleologische Auslegung anhand der Motive des Gesetz-
gebers);
4. die Einordnung in höherrangige Normen (wertorientierte, verfassungskonforme
Auslegung).
Diese Gesichtspunkte helfen dabei, Zweifelsfragen aufzuklären, die bei der Anwen-
dung fast jeder Norm entstehen. Man denke zum Beispiel an die Frage, was zu den
„baulichen Vorhaben“ gehört, die nach den §§ 30 bis 36 BauGB genehmigungspflich-
tig sind. Dass die Errichtung eines Mehrfamilienhauses unter diese Vorschriften fällt,
bedarf keiner langen Überlegung. Aber ist auch die Errichtung eines Jägerstands aus
Baumstämmen genehmigungspflichtig? Oder die Aufstellung eines Wohnwagens?
Oder die Verankerung eines Wohnboots am Ufer eines stillgelegten Kanals? Beim Jä-
gerstand hilft schon die wörtliche Auslegung: Dieser Stand wird gebaut; er ist daher
– jedenfalls von einer bestimmten Größe an – baurechtlich zu genehmigen oder min-
destens anzuzeigen.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Schwieriger wird es beim Wohnwagen: Der rollt auf Rädern an seinen Platz und wird
(jedenfalls an dieser Stelle) nicht gebaut. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte
Auslegung führt jedoch dazu, auch einen Wohnwagen dann als bauliche Anlage zu
behandeln, wenn er nicht nur für eine Nacht und vorübergehend, sondern dauerhaft
an einer bestimmten Stelle abgestellt wird. Er hat dann nämlich die gleiche Wirkung
wie ein Wochenendhaus. Wenn er nicht genehmigungspflichtig wäre, würden viele
diese „Gesetzeslücke“ nutzen und statt eines Gartenhäuschens oder eines Zweitwohn-
sitzes ihren Wohnwagen an den schönsten Plätzen in der Natur abstellen. Die Eigentü-
mer von derartigen Grundstücken hätten Hochkonjunktur. Sie könnten diese Grund-
stücke zwar nicht als Baugrundstücke, aber als bewohnbare Wochenendgrundstücke
sehr teuer verkaufen oder verpachten.
Aus dem gleichen Grund kann auch die dauerhafte Verankerung eines Schiffes in einer
bestimmten Bucht baurechtlich genehmigungspflichtig sein. Wenn das Schiff die Funk-
tion eines Wohnhauses hat, muss die Verankerung bauaufsichtlich genehmigt werden.
An diesen Beispielen zeigt sich, dass es bei der Auslegung von Rechtsvorschriften häu-
fig nicht nur auf das Lesen der Worte im Gesetz ankommt, sondern auch darauf, den
dahinterliegenden, nicht aufgeschriebenen Sinn zu erforschen. Aber auch bei dieser
„Sinnerforschung“ kann man in Schwierigkeiten kommen. Denn „der Sinn“ eines Ge-
setzes kann verschieden sein, je nachdem, welche Methode man bei der Sinnerforsch-
ung anwendet. Dies soll am Beispiel der zwei wichtigsten Methoden der Sinnerforsch-
ung erläutert werden, der historisch-subjektiven und der objektiv-normativen
Methode. Die historisch-subjektive Methode erforscht den psychologisch realen Wil-
len, die Motive des historischen Gesetzgebers. Sie versucht, die Vorschrift so zu lesen,
wie sie „der Gesetzgeber“ gemeint hat. Die objektiv-normative Methode erforscht den
objektiv zweckmäßigen Sinn der Vorschrift unter Berücksichtigung des Wandels der
Verhältnisse, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob der Gesetzgeber die Vorschrift
auch so gemeint hat, wie sie der heutige Leser vernünftigerweise versteht.
Der Unterschied dieser beiden Methoden soll an einem Beispiel aus dem Straßenver-
kehrsrecht deutlich gemacht werden: Durch das „Gesetz über den Verkehr mit Kraft-
fahrzeugen“ vom 3.5.1909 (heute: Straßenverkehrsgesetz – StVG) wurde eine beson-
dere Haftung der Kraftfahrzeughalter eingeführt. Nach § 7 müssen sie alle Schäden
ersetzen, die „beim Betrieb“ ihres Kraftfahrzeugs entstehen, ohne dass es darauf an-
kommt, ob sie den Schaden verschuldet haben. Eine solche Haftung nennt man „Ge-
fährdungshaftung“; sie wird dann angeordnet, wenn man sich gefährlicher, nicht leicht
zu beherrschender Gegenstände bedient. Die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeug-
halters gilt noch heute; sie wurde inzwischen auf den Betrieb von Anhängern erweitert,
die dazu bestimmt sind, von einem Kraftfahrzeug geführt zu werden.
In Anwendung des § 7 StVG musste der BGH vor Jahren folgenden Fall entscheiden.24
Ein LKW-Fahrer hatte auf der Autobahn einen von ihm nicht verschuldeten Motor-
schaden. Er musste sein Fahrzeug deshalb hart am rechten Fahrbahnrand abstellen;
die örtlichen Verhältnisse ließen es nicht zu, den Wagen mit allen vier Rädern von der
Fahrbahn zu bekommen, so dass das Fahrzeug noch in die rechte Fahrspur hinein-
ragte. Während der Fahrer den Pannendienst herbeitelefonierte, fuhr ein anderer LKW
in den abgestellten Wagen hinein. Der zweite LKW-Fahrer hatte das Pannenfahrzeug
nicht gesehen oder nicht beachtet. Es entstand bei beiden Fahrzeugen hoher Sachscha-
den. Der BGH musste entscheiden, ob ein Teil des Schadens auch von der Haftpflicht-
versicherung des abgestellten Fahrzeugs zu tragen war.
Als Haftungsgrundlage kam nur die Gefährdungshaftung des § 7 StVG in Frage. Denn
ein Verschulden traf den Fahrer des abgestellten LKW keinesfalls. Die Haftung nach
§ 7 StVG setzt jedoch voraus, dass der Schaden „beim Betrieb“ des Kfz entstanden

24 BGH, U. v. 9.1.1959 – VI ZR 202/57 –, BGHZ 29, 163.

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ist. Befand sich der am Autobahnrand abgestellte LKW im Sinne des Gesetzes noch
„in Betrieb“? Nach der historisch-subjektiven Methode kann diese Frage nicht beant-
wortet werden; denn 1909 gab es noch keine Autobahnen. Der Gesetzgeber von 1909
hatte wohl eher die Vorstellung, dass „der Betrieb“ eines Kfz mit dem Abstellen des
Fahrzeugs und dem Ausschalten des Motors am Straßenrand endet (sog. maschinen-
technische Auffassung). Der BGH kam jedoch nach der objektiv-normativen Methode
zu einem anderen Ergebnis: Angesichts der Tatsache, dass alle Autobahnen ausschließ-
lich für den fließenden Verkehr bestimmt sind und dass jedes Parken am Fahrbahnrand
verboten ist, ist auf Autobahnen auch ein nur vorübergehend abgestelltes schadhaftes
Fahrzeug im Sinn der Gefährdungshaftung noch „in Betrieb“. Die Haftpflichtversiche-
rung des Pannenfahrzeugs musste daher einen Teil des durch den Auffahrunfall beim
LKW entstandenen Schadens ersetzen. (In Betrieb ist im Übrigen auch ein Fahrzeug,
das in einer Waschanlage unbeabsichtigt anspringt und Schäden verursacht, weil der
Fahrer die Zündung eingeschaltet gelassen hat und die Drehung der Räder in der
Anlage den Motor wie beim Anschieben in Betrieb setzt25).
Dieser Sinn der Vorschrift konnte nur durch eine am heutigen Zweck des Gesetzes
orientierte Auslegung und die Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Haf-
tungsvorschriften erreicht werden. Die Juristen haben für diese den Gesetzgeber ergän-
zende, zuweilen sogar korrigierende Form der Auslegung eine schöne Formel gefun-
den. Sie heißt: „Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber“.
Die objektiv-normative ist im Zweifel die bessere Methode als die historisch-subjek-
tive. Dies hat noch einen weiteren Grund: Wenn man genau hinsieht, dann wird man
bei Anwendung der historisch-subjektiven Methode feststellen, dass es „den Gesetzge-
ber“, den realen Willen des Autors eines Gesetzes, gar nicht gibt. Sicherlich wird jeder
Gesetzestext irgendwann einmal von irgendjemandem zum ersten Mal aufgeschrieben.
Häufig sind das die Referenten im zuständigen Ministerium; sie versuchen, mit ihrer
Formulierung „dem Willen des Hauses“ – des Ministers, der Partei des Ministers –
oder vielleicht dem Kompromiss einer Koalitionsvereinbarung Ausdruck zu geben. Im
Laufe des Gesetzgebungsprozesses wird dieser Text jedoch von so vielen Personen
begutachtet, verändert, hin- und hergewendet, mit den verschiedensten Motiven und
Kommentaren versehen, dass man von einem dahinterstehenden einheitlichen Wollen
nicht mehr sprechen kann. Im Übrigen ist der nur schwer zu identifizierende Autor
eines Gesetzestextes keineswegs „der Gesetzgeber“. Der Gesetzgeber ist das Parlament.
Das Parlament aber hat keinen einheitlichen Willen. Es besteht aus Mehrheitspar-
tei(en) und Opposition; in den meisten Fällen muss zum Zustandekommen des Geset-
zes nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat zustimmen. Auch der Bun-
desrat bringt noch seine eigenen Motive ein. Unter solchen Umständen nützt es wenig,
wenn man die Bundestagsprotokolle liest, um den Willen des Gesetzgebers zu erfor-
schen. Viele Entscheidungen fallen in den Vorberatungen der Ausschüsse, viele Reden
werden aus Gründen der politischen Opportunität, nicht aber zur direkten Begrün-
dung eines bestimmten Paragraphen gehalten. Demnach gilt: Vorsicht bei der Anwen-
dung der historisch-subjektiven Methode, die objektiv-normative Methode ist die bes-
sere.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen selbst die objektiv-normative Methode nicht
weiterhilft, weil der Gesetzgeber etwas vergessen hat. Solche Gesetzeslücken können
und müssen von der Verwaltung und von der Rechtsprechung geschlossen werden.
Vom Gesetz – auch nach Auslegung – nicht geregelte Fälle gibt es in mehrfacher Hin-
sicht:
Es gibt „offene Lücken“, das sind vom Gesetzgeber übersehene Fälle, die sich in der
Praxis alsbald auftun.

25 OLG Celle, U. v. 18.9.1975 – 5 U 145/74 –, DAR 1976, 72.

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

Es gibt „verdeckte Lücken“, das sind vom Gesetzgeber noch nicht vorhersehbare Fälle,
deren Möglichkeit sich erst später, zum Beispiel aufgrund fortgeschrittener Technik,
herausstellt.
Möglich ist auch eine bewusste Untätigkeit des Gesetzgebers in Fällen, in denen kein
politischer Kompromiss gefunden werden konnte. Hier liegt keine „Lücke“ vor, son-
dern ein bewusst offen gelassener Punkt.
Auch solche offenen Punkte müssen von den Gerichten ausgefüllt werden, wenn auf
andere Weise ein Streitfall nicht entschieden werden kann. Denn jeder, der sich an ein
Gericht wendet, hat einen Anspruch auf eine Entscheidung. Das Gericht darf niemals
von einer Entscheidung mit der Begründung absehen, dass der Gesetzgeber dafür noch
keine Regelung getroffen habe. Dieses „Rechtsverweigerungsverbot“ ist schon vom
napoleonischen Code Civil im Jahre 1804 so formuliert worden: „Ein Richter, der sich
weigert, Recht zu sprechen, unter dem Vorwand des Schweigens, der Dunkelheit oder
der Unzulänglichkeit des Gesetzes, kann wegen Justizverweigerung verfolgt werden.“
Derzeit gibt es viele offene Punkte im Arbeitsrecht. Der Gesetzgeber der Bundesrepub-
lik Deutschland scheut sich in vielen Fällen, in die Rechte und Pflichten der Arbeitneh-
mer und der Arbeitgeber regelnd einzugreifen, weil er fürchtet, dass man ihm Partei-
lichkeit vorwerfen würde. So ist zum Beispiel die zentrale Frage, ob eine Aussperrung
zulässig ist oder nicht, vom Gesetzgeber nicht geregelt. Die Entscheidungslast lag und
liegt beim Bundesarbeitsgericht.
Verdeckte Lücken findet man häufig im Urheberrecht. Hier sind die technischen Ent-
wicklungen so rasant, dass der Gesetzgeber mit seinem Bemühen, auch geistiges Eigen-
tum zu schützen, nicht mitkommt. Während früher nur auf Papier geschriebene Worte
oder Noten und dann bald die in Schellack gepressten Töne geschützt werden mussten,
muss sich der Urheberrechtsgesetzgeber heute mit dem (illegalen?) Herunterladen von
Text- und Musikstücken aus dem Internet beschäftigen. Solange er dazu keine neuen
Regeln verfasst hat, muss man die alten Schutzregeln sinngemäß anwenden. Sinnge-
mäß heißt: Da geistiges Eigentum geschützt werden soll, müssen auch die in den Com-
putern gespeicherten Programme und Daten (einschließlich von Musikstücken) vor
unberechtigtem Zugriff geschützt werden, selbst wenn derartige Tatbestände im Ge-
setz noch nicht formuliert sind.
Ab und zu kommt es auch vor, dass der Gesetzgeber offensichtlich etwas übersieht.
Ein berühmter Fall aus der Rechtsgeschichte in dieser Hinsicht ist die sogenannte
positive Forderungsverletzung nach dem Bürgerlichen Recht. Als der Gesetzgeber im
Jahre 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft setzte, waren dort zwei Arten von
Vertragsverletzungen berücksichtigt: Die (teilweise oder völlige) Nichterfüllung und
der Verzug. Nichterfüllung bedeutet, dass zuwenig oder gar nicht geliefert wird (bei
einem Kaufvertrag), Verzug bedeutet, dass zu spät angeliefert wird. Nicht vorgesehen
ist jedoch der Fall, dass der Lieferant pünktlich und mit voller Ladung seine zugesagte
Lieferung anfährt, danach jedoch seinen Lastkraftwagen nicht wieder vom Hof fährt,
so dass weitere Zulieferer nicht mehr an die Laderampe fahren können, der Betrieb
ins Stocken gerät und dadurch ein erheblicher Schaden entsteht. Dies ist weder Nicht-
lieferung noch Verzug, sondern „Schlechterfüllung“. Es leuchtet ein, dass der Waren-
empfänger seinen Lieferanten auch für diese Handlung zur Rechenschaft ziehen kön-
nen muss. Nur stand davon nichts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese Lücke wurde
vom Reichsgericht nach wenigen Jahren durch das Rechtsinstitut der „positiven For-
derungsverletzung“ gefüllt. Sie wurde erst mit der Schuldrechtsreform von 2006 – also
nach 100 Jahren – in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen; auch zuvor war sie
jedoch fester Bestandteil jedes juristischen Lehrbuchs.
b) Auslegung, Ermessen und freie Rechtsschöpfung. Mit dem Kapitel Auslegung sind
zwei wichtige Fragen verknüpft – eine eher philosophische und eine eminent prakti-
sche.

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Die Dritte Gewalt V.

Die eher philosophische Frage richtet sich darauf, in welchem Umfang man überhaupt
noch von Auslegung reden kann, wenn ein zu entscheidender Fall vom Wortlaut des
Gesetzes nicht direkt getroffen wird, so dass die Entscheidung aus dem Gesetz nicht
abgelesen werden kann, sondern auf andere Weise, nach herkömmlicher Auffassung
eben mit Hilfe von Auslegungsregeln, gefunden werden muss. Die sogenannte freie
Rechtsschule vertritt dazu den Standpunkt, dass beinahe jede Auslegung nichts ande-
res sei als die nachträgliche Begründung eines schon vorher vom frei urteilenden Rich-
ter gefundenen Ergebnisses. Die freie Rechtsschule legt daher weniger Wert auf dog-
matische Auslegungskunststücke als auf die Auswahl der Richter. Die Qualität der
Rechtsprechung wird danach weniger von der juristischen Fachausbildung der Richter
als von ihrer Persönlichkeit bestimmt.
Die zweite, eher praktische Frage hängt mit diesem Problem eng zusammen. Wenn
Gesetze auch nach Auslegung nicht zum eindeutigen Ergebnis führen, wenn ein Fall
bei Geltung desselben Gesetzes unterschiedlich entschieden werden könnte, dann ist
es sehr wichtig zu wissen, wer dazu befugt ist, unter mehreren möglichen Entscheidun-
gen die eine auszuwählen, die schließlich gelten soll. Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten,
in deren Verlauf die Parteien schließlich vor den Richter treten, ist diese Frage leicht
zu beantworten: Hier entscheidet das Gericht in erster und letzter Instanz über das,
was gelten soll.
Schwieriger ist es im Verwaltungsrecht. Denn hier wird das Recht, schon bevor der
Streit vor das Gericht kommt, durch einen hoheitlichen Akt konkretisiert, nämlich
durch den Verwaltungsakt. Das, was im Zivilrecht erst vor Gericht geschieht, nämlich
eine hoheitliche, autorisierte Anwendung des Rechts auf einen Lebenssachverhalt, das
geschieht im Verwaltungsrecht schon durch den Verwaltungsakt. Demnach wäre es
nur konsequent, wenn man im Verwaltungsrecht die Befugnis, unter mehreren mögli-
chen, mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren Entscheidungen die eine auszuwählen,
die subjektiv vom Entscheidungsträger als die beste empfunden wird, der Behörde
zugestände. Denn die Behörde darf den Verwaltungsakt nicht erlassen, ohne zuvor zu
prüfen, ob er mit dem Gesetz in Einklang steht. Sie muss das Gesetz dabei auslegen
und anwenden, ihr sollte also das Recht der Erstinterpretation zugestanden werden.
Soweit diese Erstinterpretation vertretbar ist, muss sie auch vor Gericht Bestand ha-
ben. Die Gerichte hätten in diesem Fall nur noch die Aufgabe, die Grenzen eines
solchen Verwaltungsermessens zu kontrollieren. Kontrollmaßstab wären die im Gesetz
enthaltenen, mehr oder weniger unbestimmten Rechtsbegriffe, die von der Verwaltung
anlässlich des Verwaltungsakts ausgelegt und angewendet worden sind.
Die herrschende Rechtsprechung kennt jedoch kein so weitgehendes Verwaltungser-
messen. Die Gerichte beanspruchen derzeit die uneingeschränkte Kontrolle darüber,
ob die Verwaltung alle unbestimmten Rechtsbegriffe genau in dem Sinne „richtig“
angewendet hat, wie es das Gericht nach seiner subjektiven Überzeugung für richtig
hält. Wegen dieses von der Verwaltungsgerichtsbarkeit vertretenen „Grundsatzes der
Vollkontrolle“ bei unbestimmten Rechtsbegriffen ist es zu einer bedenklichen Macht-
verlagerung im Gefüge der Gewaltenteilung der Bundesrepublik Deutschland gekom-
men. Nicht mehr die Gerichte sind (mit den Worten Montesquieus) „en quelque façon
nulle“ – in gewisser Weise ohne eigene Machtbefugnisse –, sondern vom juristisch
herrschenden Dogma ist mittlerweile die Verwaltung in die Rolle des Vollstreckungs-
automaten gedrückt worden; sie soll nurmehr willenloser „Mund des Gesetzes“ sein.
Angesichts der Tatsache, dass die meisten, ja fast alle Gesetzesbegriffe mehr oder weni-
ger unbestimmt sind, lohnt es sich für die Bürger immer, eine Klage vor dem Verwal-
tungsgericht zu erheben, wenn sie mit einer Verwaltungsentscheidung nicht einverstan-
den sind. Denn das Gericht könnte ja anderer Ansicht sein. Dass eine solche
Verschiebung der Masse der Entscheidungskompetenz (nicht der Masse der Entschei-
dungen!) zu den Gerichten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen
kann, ist evident. Es mehren sich deshalb auch die Stimmen, die der Verwaltung wieder

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A. Annäherung an das Bau- und Planungsrecht

zu ihren eigenen Rechten verhelfen wollen: Verwaltungsentscheidungen müssen auch


von den Gerichten respektiert werden, wenn sie nach Maßgabe der zugrundeliegenden
Vorschrift vertretbar sind. Die Gegner dieses Prinzips machen geltend, dass eine der
großen Qualitäten der Bundesrepublik Deutschland in ihrer uneingeschränkten
Rechtsstaatlichkeit liege. Die Aufrechterhaltung dieser Qualität rechtfertige auch einen
gewissen Zeitverzug bis zur endgültigen Bestandskraft einer Entscheidung. Gerade für
das Bau- und Planungsrecht ist diese Frage von großer, kaum zu unterschätzender
Bedeutung. Am Ende des Buchs wird noch einmal auf sie zurückgekommen.
Mit diesen schon sehr grundsätzlichen Bemerkungen ist die Annäherung an das Bau-
und Planungsrecht, die das Ziel des ersten Teils dieses Buches ist, erreicht. Es kann
also mit dem Hauptteil, dem Bau- und Planungsrecht selbst, begonnen werden.
Literatur
Die Dritte Gewalt
Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl., München 2018;
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren,
7. Aufl., München 2017;
Kopp, Ferdinand O., fortgeführt von Schenke, Wolf-Rüdiger, Verwaltungsgerichtsordnung,
Kommentar, 23. Aufl., München 2017;
Redeker, Konrad/Oertzen, Hans-Joachim von, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., Stuttgart 2014;
Schenke, Wolf-Rüdiger, Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl., Heidelberg 2017;
Schoch, Friedrich/Jens Peter Schneider/Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung,
Kommentar (Loseblatt).

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts B.

B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts


I. Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts
Das Bau- und Planungsrecht in seiner heutigen Form ist ein relativ junges Rechtsgebiet.
Es sei nur daran erinnert, dass mit dem Bundesbaugesetz (BBauG) von 1960 erstmals
eine bundeseinheitliche Regelung des städtebaulichen Bodenrechts erfolgt ist. Vor dem
BBauG gab es in der Bundesrepublik Deutschland nur die Aufbaugesetze der Länder
sowie besondere Kapitel in den Landesbauordnungen (LBO), die vieles von dem ent-
hielten, was heute teils im Baugesetzbuch (BauGB), teils in der Baunutzungsverord-
nung (BauNVO) geregelt ist. Das Bundesraumordnungsgesetz (ROG) als Rahmenge-
setz für die überörtliche Planung wurde noch einige Jahre später (1965) erlassen. Auch
im Deutschen Reich von 1871 bis 1945 hat es nie ein reichseinheitliches Städtebau-
recht gegeben.
Einzelne Entwicklungslinien des Bau- und Planungsrechts reichen jedoch bis weit ins
Mittelalter zurück. In relativ grober Unterscheidung können vier Materien unterschie-
den werden:
1. Das Bauordnungsrecht,
2. das private und öffentliche Nachbarrecht,
3. das örtliche Planungsrecht und
4. das überörtliche Planungsrecht im Sinne des Rechts der Raumordnung und Lan-
desplanung, verbunden mit dem Fachplanungsrecht.
Im Bild 17 sind diese „Wurzeln des Bau- und Planungsrechts“ optisch zusammenge-
stellt.
1. Das Bauordnungsrecht
Das Bauordnungsrecht dient dazu, die Gefahren abzuwehren, die für den Einzelnen
oder die Gemeinschaft von einer Bautätigkeit oder von Gebäuden ausgehen können.
Früher noch mehr als heute liegt eine der großen, mit Gebäuden verbundenen Gefah-
ren in dem Entstehen von Bränden. Denn wo Gebäude stehen, gibt es Feuerstellen,
nämlich Öfen und Herde, die vor der Einführung von Gas- und Elektroherden und
von Zentralheizungen allesamt mit offenem Feuer betrieben wurden. Außerdem geht
es darum, Vorsorge gegen die anlässlich einer Bautätigkeit auftretenden Gefahren (z. B.
durch Herabfallen von Steinen, Einstürzen von Mauern) zu treffen. Schließlich kam
es im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch noch darauf an, die Städte durch
Wälle und Befestigungsanlagen verteidigungsfähig zu halten. Die Gebäude mussten
dazu von den Wällen einen bestimmten Abstand halten. Vor den Wällen durfte nichts
errichtet werden, um das Schussfeld freizuhalten; der Platz innerhalb der Mauern war
dagegen so knapp bemessen, dass man sich keine Baulücken leisten konnte.
Alle diese Gesichtspunkte (Bekämpfung der Feuergefahr, Regelung des Bauhandwerks,
Baupflichten und Bauverbote) finden sich bereits in mittelalterlichen Rechtsbüchern.
Der Sachsenspiegel enthält z. B. Vorschriften über Grenzabstände von Schweineställen
und „Sicherheitsvorschriften“ über Backöfen. Im Schwabenspiegel ist vorgeschrieben,
welchen Abstand die Gebäude von der Straße haben müssen. Mittelalterliche Stadt-
rechtsbücher ordneten wegen der Feuergefahr für die Errichtung von Schornsteinen
die Verwendung feuerfester Baustoffe an, auch für Wände und Dächer durften zuwei-
len nur bestimmte Materialien verwendet werden. Der öffentlichen Gesundheit diente
es, wenn bestimmte Berufe wie z. B. die Gerberei nur an bestimmten Stellen in der
Stadt (nämlich nur am Fluss) ausgeübt werden durften.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bild 17: Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts


1

Bauordnungsrecht 2

Nachbarrecht 3

Örtliches 4
Planungsrecht
Überörtliches
• Brandschutz • Fensterrechte • Monarchische Planungsrecht/
• Abfallbeseitigung • Lichtrechte Ästhetik Fachplanungs-
• Baupflicht • Hammerschlagrechte • Stadterweite- recht
innerhalb der • Leiterrechte rungen des • Agglomerationen
Stadtmauern • Traufrechte 19. Jahrh. • Eisenbahnnetz

FRÜHER:

• Pr.ALR von 1794 • Pr. Fluchtlinien- Zweckverband


Gemeines Recht gesetz von 1875 Groß-Berlin (1911)
• Stadtrechts- • Süddeutsche Siedlungsverband
bücher Bauordnungen Ruhr (SVRK1920)

HEUTE:

• Nachbarrechts- • Baugesetzbuch • RaumordnungsG


• Landesbau- gesetze BGB • BauNVO • LandesplanungsG
ordnungen • Öffentliches • Planfeststellung
• Spezialgesetze Nachbarrecht (VerwVerfG)
(Rspr.) • FernstraßenG

KORRESPONDIERENDE • Umweltschutzrecht • Denkmalschutzrecht


RECHTSBEREICHE • Ausführungsgesetze • Verordnungsrecht

Angesichts der Enge der mittelalterlichen Städte ist auch nicht verwunderlich, dass auf
Grundstücken innerhalb der Stadtmauern Baupflicht bestand.
Diese Regeln gab es nicht überall in geschriebener Form. Aber auch dort wo sie nicht
schriftlich niedergelegt waren, mussten sich die Bürger kraft Gewohnheitsrechts an
entsprechende Vorschriften halten.
Heute gehört das Bauordnungsrecht zur Gesetzgebungskompetenz der Länder26, die
jeweils eigene Bauordnungen erlassen haben. Für eine gewisse Übereinstimmung sorgt
die Musterbauordnung, die von einer Sachverständigenkommission der Arbeitsge-
meinschaft der für das Bauwesen zuständigen Minister der Länder (der sog. ARGE-
BAU) erarbeitet worden ist; die regelmäßig fortgeschriebene Musterbauordnung27
liegt auch den Bauordnungen aller Bundesländer zugrunde. Daher gibt es in der Glie-
derung und bei den eher technischen Regeln eine weitgehende strukturelle und inhaltli-
che Übereinstimmung; es gibt aber auch von Land zu Land eigene Akzente, deren

26 Vgl. dazu das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3,
407.
27 Die jeweils neueste Fassung wird u. a. herausgegeben von: Dieter Böckenförde u. a., Musterbauordnung
für die Länder der Bundesrepublik Deutschland.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Anzahl und Bedeutung eher zu- als abnimmt. Unterschiede betreffen vor allem fol-
gende Punkte:
– Die Freistellung von Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungs-
plans von der Genehmigung und das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren;
– die Regelung von „Abweichungen“, Ausnahmen und Befreiungen;
– das Abstandsflächenrecht;
– die Stellplatzpflicht und die Möglichkeiten zu deren Ablösung durch Geldleistun-
gen.

2. Das private und das öffentliche Nachbarrecht


Wo Menschen zusammen wohnen, da gibt es nicht nur gutnachbarliche Geselligkeit,
sondern auch Streitigkeiten. Vor allem Grundstücksnachbarn sind dafür anfällig: Viele
Eigentümer sähen es am liebsten, wenn die Nachbargrundstücke gänzlich unbebaut
blieben; wenn sie denn schon bebaut werden müssen, dann möglichst weit entfernt
von der eigenen Grenze und in einer Art und Weise, die keinen Einblick auf das eigene
Grundstück gestattet. Lärmbelästigungen sollen soweit wie möglich vermieden wer-
den. Der Nachbar soll sein Grundstück nur so bepflanzen und begrünen, dass dadurch
keine Beeinträchtigung des eigenen Grundstücks durch herabfallendes Laub oder
durch Samenflug von „Unkraut“ entsteht (wobei der Nachbar vielleicht das „Un-
kraut“ als wertvolles Kernstück eines „Wildkräuter-Biotops“ betrachtet). Je enger die
Gebäude aneinanderrücken, desto vielfältiger werden die Möglichkeiten des Streits:
Darf der Nachbar Regenwasser von seinem Dach auf das danebenliegende fremde
Grundstück leiten? Darf man umgekehrt das Nachbargrundstück ohne besondere Er-
laubnis betreten, wenn dies zur Reparatur des eigenen Hauses erforderlich ist?
All dies sind Fragen, die vom privaten Nachbarrecht beantwortet werden müssen.
Einschlägige Regeln finden sich demnach auch schon im ersten großen Gesetzbuch
deutscher Sprache, im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, das 1794
in Kraft trat. Dort ist beispielsweise im „Vom Eigenthum“ handelnden Achten Titel
in den §§ 141, 142 geregelt, welchen Abstand ein Bauherr vom Gebäude seines Nach-
barn einzuhalten hat, wenn dieses schon früher als das Eigene errichtet worden ist. In
der Sprache des Preußischen Allgemeinen Landrechts liest sich das so:
§ 141. Uebrigens aber kann jeder in der Regel auf seinem Grunde und Boden so nahe
an der Gränze und so hoch bauen, als er es für gut findet. § 142. Sind jedoch die
Fenster des Nachbars, vor welchen gebaut werden soll, schon seit zehn Jahren oder
länger vorhanden, und die Behältnisse, wo sie sich befinden, haben nur von dieser
Seite her Licht, so muss der neue Bau so weit zurücktreten, dass der Nachbar noch
aus den ungeöffneten Fenstern des untern Stockwerks den Himmel erblicken könne.
Heute ist das private Nachbarrecht in weniger anschaulicher Form zum Teil im Bür-
gerlichen Gesetzbuch (BGB), zum Teil in besonderen Nachbarrechtsgesetzen geregelt.
Durch § 911 BGB kann man sich z. B. Rechtsauskunft darüber verschaffen, wer be-
rechtigt ist, die Früchte aufzulesen, die vom Baum eines Nachbarn aus auf das eigene
Grundstück gefallen sind. Wichtiger als die wenigen Vorschriften im BGB sind die
Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer.28 Dort finden sich die heutigen Bestimmun-
gen über die Nachbarwand, die Grenzwand, über Bodenerhöhungen, Einfriedungen
sowie über Grenzabstände für Bäume und Anpflanzungen, auch über das „Hammer-
schlags- und Leiterrecht“.29 Durch dieses Sonderrecht wird benachbarten Grundeigen-
tümern die Befugnis gewährt, für die Ausführung von Reparaturen das Nachbargrund-

28 Zur Zulässigkeit von landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzen neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch vgl.
Art. 3 EGBGB.
29 Vgl. das Berliner Nachbarrechtsgesetz vom 28.9.1973 (GVBl. S. 1654) mit nachfolgenden Änderungen, die
übrigen Fundstellen der Landesgesetze sind abgedruckt in: Palandt-Degenhardt, BGB-Kommentar, Art. 14
EGBGB Anm. 2.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

stück auch dann zu betreten, wenn sie mit dem Nachbarn in so heftigem Streit liegen,
dass dessen Einwilligung nicht zu erreichen ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn
die Befugnis, die beabsichtigten Bau- und/oder Instandsetzungsarbeiten am eigenen
Gebäude vom Grundstück des Nachbarn aus durchzuführen, auch besteht.30
Neben diesem privaten Nachbarrecht hat sich inzwischen ein „öffentliches Nachbar-
recht“ entwickelt. Das öffentliche Nachbarrecht betrifft die Frage, in welchem Umfang
sich die Nachbarn von Grundstücken gegeneinander und gegenüber dem Staat darauf
berufen können, dass Vorschriften des öffentlichen Rechts eingehalten werden, die
sich zu ihrem Vorteil auswirken. Eine solche Vorschrift ist z. B. die Regelung des
Grenzabstands vom Gebäude zur Grundstücksgrenze (auch „Bauwich“ genannt).
Grenzabstände sind prinzipiell im öffentlichen Interesse aus Gründen der Feuersicher-
heit und des gesunden Bauens im Bauordnungsrecht vorgeschrieben. Es liegt auf der
Hand, dass Vorschriften über den Abstand zwischen Gebäuden auch im Interesse der
jeweiligen Nachbarn liegen. Anhand der Grundsätze des öffentlichen Nachbarrechts
müssen die Gerichte entscheiden, ob der Eigentümer eines Grundstücks Anspruch da-
rauf hat, dass der Staat seinen Nachbarn unerbittlich zur Einhaltung des Grenzab-
stands zwingt, oder ob der Staat im Wege der Befreiung erlauben darf, dass der Nach-
bar näher an die Grundstücksgrenze heranrückt. Diese Fragen sind bis heute im
Wesentlichen nicht durch aufgeschriebene Paragraphen, sondern durch die Rechtspre-
chung (also durch „Richterrecht“) beantwortet.
3. Das örtliche Planungsrecht
Die meisten Städte und Siedlungen des Mittelalters waren noch so klein und wuchsen
in der Regel so langsam, dass sie einer vorhergehenden ordnenden Planung nicht be-
durften, sondern sich lebendig entwickeln konnten. Allerdings gab es auch schon im
Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit Städte, die nach einem ganz festen und
verbindlichen Baumuster errichtet wurden. Insbesondere Residenz- und Fürstenstädte
sind zuweilen nach einem vorgegebenen Plan des absoluten Herrschers gebaut und
erweitert worden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der geometrische, in 136 Rechtecke
eingeteilte Stadtgrundriss der Mannheimer Altstadt, 1606 durch Kurfürst Friedrich IV.
von der Pfalz gegründet. Auch die fächerartig vom Schloss ausgehenden Straßenzüge
Karlsruhes beruhen auf markgräflicher Planung des 18. Jahrhunderts. Insgesamt gese-
hen waren dies jedoch eher Ausnahmen. Die eigentliche Zeit der städtebaulichen Pla-
nung beginnt erst mit den Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts. Diese Stadterwei-
terungen wurden zum einen ausgelöst durch die rasant wachsende Zahl der
städtischen Bevölkerung, zum anderen durch den Wegfall der Notwendigkeit, Städte
und Siedlungen mit Wällen und Wassergräben zu sichern. Diese Art der Verteidigung
war inzwischen überholt, denn Wälle und Wassergräben boten gegenüber dem Angriff
moderner Artillerie und dem Sturm der Massenheere, die sich im Gefolge der Französi-
schen Revolution entwickelt hatten, keinen Schutz mehr. Es wurde daher eine Ausdeh-
nung in die Fläche möglich und notwendig, durch die in wenigen Jahren Städte und
Siedlungen von einer Größe entstanden, für deren Entwicklung bis dahin Jahrzehnte
und Jahrhunderte benötigt worden waren. Dieses schnelle Wachstum musste gesteuert
werden, wenigstens dadurch, dass man den Verlauf der Straßen und Plätze bestimmte
und den Eigentümern vorschrieb, nur entlang dieser Straßen und Plätze zu bauen.
Eben solche Vorschriften enthielten die süddeutschen Bauordnungen aus der Mitte des
19. Jahrhunderts und das preußische Fluchtliniengesetz von 1875.31 Die süddeutschen
Bauordnungen und das preußische Fluchtliniengesetz können als die ersten Planungs-
gesetze bezeichnet werden. Sie wurden ergänzt durch städtische Bauordnungen, mit

30 BGH, U. v. 14.12.2012 – V ZR 49/12 –, BauR 2013, 606.


31 Preußische GS. 1875, S. 561.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

deren Hilfe das Stadtgebiet in verschiedene Bauzonen eingeteilt wurde.32 In den Bau-
zonen waren jeweils Gebäude unterschiedlicher Höhe und unterschiedlicher Zweckbe-
stimmung zugelassen. Auf diese Art und Weise wurden bereits im 19. Jahrhundert
Vorstufen jener städtebaulichen Planung und Ordnung entwickelt, die heute über eine
zweistufige Planung, nämlich über den Flächennutzungsplan (vgl. hierzu Kap. B.IV.)
und die Bebauungspläne (vgl. hierzu Kap. B.V.), gesichert werden sollen.
Die Fortentwicklung dieser ersten Ansätze des Bau- und Planungsrechts zu einer relativ
einheitlichen Rechtsmaterie hat fast 100 Jahre gedauert. Es gab zwar mehrere Anläufe,
über landesrechtliche Regelungen wie das preußische Ansiedlungsgesetz33 und das
preußische Wohnungsgesetz34 hinaus auch eine reichseinheitliche Städteordnung35 zu
kodifizieren. Diese Ansätze blieben jedoch immer wieder in Anfängen stecken, so dass
auch nach 1945 die Materie des Bau- und Planungsrechts zunächst noch bei den Län-
dern verblieb. Die Länder verfassten unterschiedliche Aufbaugesetze36, die durch
„Trümmergesetze“ ergänzt wurden. Durch die Trümmergesetze wurden die Grundei-
gentümer verpflichtet und die Gemeinden ermächtigt, die Kriegstrümmer beiseite zu
räumen. Durch die Aufbaugesetze wurde die Bautätigkeit einem rechtlichen Gefüge
unterworfen. In unterschiedlicher Dichte und Stufung wurden Pläne vorgesehen, Bau-
gebote oder Bauverbote ermöglicht, Vorkaufsrechte eingeführt, Umlegung und Grenz-
regelung in Paragraphen gefasst. Die Aufbaugesetze waren in sich durchaus zweckmä-
ßig, sie waren jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden.
Um Rechtseinheit zu erreichen, forderte der Bundestag die Bundesregierung schon
relativ früh, nämlich im Jahre 1950, dazu auf, eine Gesetzesinitiative dafür zu ergrei-
fen, das Baurecht in den Ländern durch einheitliches Bundesrecht zu ersetzen. Das
Grundgesetz räumt dem Bund in Art. 74 Nr. 18 die Kompetenz zur konkurrierenden
Gesetzgebung im Bereich des Bodenrechts ein. Umstritten war aber zunächst, welche
Materie zum „Bodenrecht“ im Sinne des Grundgesetzes gehört: Sollten durch diesen
Begriff Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht zusammengefasst werden? Um einen
Verfassungsverstoß zu vermeiden, ließ sich die Bundesregierung ein Gutachten vom
Bundesverfassungsgericht37 zu dieser Frage erstellen (dies war nach damaligem Recht
möglich, heute sind derartige Gutachten nicht mehr vorgesehen). Das Bundesverfas-
sungsgericht berücksichtigte bei seiner Auslegung des Begriffs „Bodenrecht“ vor allem
historische Argumente. In historischer Sichtweise gehörte das Bauordnungsrecht als
materielles Polizeirecht stets zur Gesetzgebungskompetenz der Länder. Diese Tradition
sollte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts durch das Grundgesetz nicht gebro-
chen werden. Das Bundesverfassungsgericht beschränkte daher die Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes auf das Planungsrecht im engeren Sinne, versagte es aber dem
Bundesgesetzgeber, sich in bauordnungsrechtlichen Fragen zu betätigen. Aus diesem
Grund enthielt das Bundesbaugesetz von 1960 ausschließlich Regeln über die städte-
bauliche Planung und deren Verfahren, über die Bodenordnung und Grenzregelung
(heute Umlegung), über Enteignung und Erschließung, aber nicht zu bauordnungs-
rechtlichen Fragen der Gefahrenabwehr (präventive Genehmigungspflicht für bauliche
Vorhaben, Feuersicherheit, Standsicherheit, Einhaltung technischer Normen).
Das Recht der Stadtsanierung und der Stadterneuerung wurde erstmals 1971 in einem
besonderen Gesetz, dem Städtebauförderungsgesetz, kodifiziert; in diesem Gesetz wa-

32 Beispiel: Die Frankfurter Zonenbauordnung von 1891, abgedruckt in: Juan Rodriguez-Lores/Gerhard Fehl
(Hrsg.), Städtebaureform 1865–1900, Hamburg 1985.
33 Preußische GS. 1876, S. 405.
34 Preußische GS. 1918, S. 23.
35 Preußisches Städtebaugesetz, Entwurf vom 17.7.1929, LT-Drs. 3015; Reichsstädtebaugesetz, Referenten-
entwurf von 1931, veröff. in: Reichsarbeitsblatt 1931, Teil I, S. 266 ff. (Nr. 32 vom 15.11.1931).
36 Aufgezählt in § 186 BBauG von 1960.
37 Vgl. dazu das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 – 1 PBvV 2/52 –, BVerfGE 3,
407.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ren auch die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen erstmals geregelt. Bundesbau-


gesetz und Städtebauförderungsgesetz wurden mit Wirkung zum 1. Juli 1987 im Bau-
gesetzbuch zusammengeführt.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 gab es für die neuen Länder
zunächst einige Sonderregelungen, die jedoch mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz
1998 wieder in das Stammgesetz überführt wurden. Durch Novellen in den Jahren
2001 und 2004 wurde insbesondere europarechtlichen Vorgaben Rechnung getragen
(dazu später mehr). Die Neuregelungen der Jahre 2006 und 2013 stellten die Innenent-
wicklung und die hiermit verbundenen Verfahrensregelungen in den Mittelpunkt,
während das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den
Städten und Gemeinden vom 22. Juli 201138 die klimagerechte Stadtentwicklung in
den Blick nahm, in deren Kontext sowohl Maßnahmen ermöglicht werden sollen, die
dem Klimawandel entgegen wirken (Klimaschutz oder Mitigation) als auch solche
Maßnahmen angeschoben werden sollen, mit denen auf die Folgen des Klimawandels
reagiert werden kann (Klimaanpassung oder Adaption, auch dazu später mehr). Die
Jahre 2014 und 2015 standen im Zeichen einer beispiellosen Zuwanderung von
Flüchtlingen nach Europa, insbesondere in die Bundesrepublik Deutschland. Der Ge-
setzgeber sah sich deshalb veranlasst, sowohl Änderungen im Recht der Bauleitpla-
nung als auch der Zulässigkeit von Vorhaben in das Baugesetzbuch einzufügen, die
die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden zeitlich befristet erleichtern
sollten. Von der ebenfalls 2014 eingeführten „Länderöffnungsklausel“, nach der län-
derspezifische Regelungen für Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und
Wohnnutzungen ermöglicht werden sollten, hat lediglich der Freistaat Bayern Ge-
brauch gemacht.
Weder das Bundesbaugesetz von 1960 noch das Baugesetzbuch von 1987 sind bis
2014 mehrmals in einem Jahr geändert worden. Nach der zweimaligen Änderung
2014 sind im Jahr 2017 allein vier Änderungen zu verzeichnen. Das Gesetz zur Umset-
zung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zu-
sammenlebens in der Stadt39 stellt die bedeutsamste und umfassenste Novellierung
dar. Es setzt vor allem europarechtliche Anforderungen um und reagiert mit der Ein-
führung der „Urbanen Gebiete“ in § 6a BauNVO und anderen Änderungen auf das
anhaltende Wachstum deutscher Großstädte. Für die weiteren Änderungen des Bauge-
setzbuchs im Jahr 2017 sind Artikelgesetze verantwortlich, die in der Hauptsache
einen anderen Fokus hatten. Diese sind das Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechts-
behelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben
vom 29. Mai 2017,40 das Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes
und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzge-
setz II) vom 30.6.201741 und das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umwelt-
verträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017.42 Die Gesetzgebungsgeschichte des Jahres
2017 endet mit der Neubekanntmachung des Baugesetzbuchs vom 3. November
201743 (und der Baunutzungsverordnung vom 21. November 2017).44

38 BGBl. I S. 1509; die BauGB-Novelle 2013 (BGBl. I S. 1548 vom 20.6.2013) ist drei Monate nach Verkün-
dung, also am 20.9.2013, in Kraft getreten; bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, also am
21.6.2013, sind die Änderungen zum Erschließungsvertrag und zu den Ermächtigungen der Gemeinde zu
von der geänderten BauNVO abweichenden Regelungen (§ 245a Abs. 2 BauGB) in Kraft getreten. Die
Änderungen zur Wertermittlung in den §§ 192 und 198 gelten mit Wirkung vom 20.12.2013 (also sechs
Monate nach Verkündung der Novelle).
39 BGBl. I S. 1057.
40 BGBl. I S. 1298 vom 1.6.2017.
41 BGBl. I S. 2193 vom 5.7.2017.
42 BGBl. I S. 2808 vom 28.7.2017.
43 BGBl. I S. 3634 vom 10.11.2017.
44 BGBl. I S. 3786 vom 21.11.2017.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Im Bild 18 ist der Werdegang des Baugesetzbuchs noch einmal zusammengefasst.


Bild 18 – Der Werdegang des Baugesetzbuchs
1960 Verabschiedung und Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (BBauG).
1971 Verabschiedung und Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG).
1976 Erste grundlegende Novellierung des Bundesbaugesetzes (Einführung der frühzeitigen Bür-
gerbeteiligung, Neufassung der §§ 34 und 35, Übernahme der städtebaulichen Gebote aus
dem StBauFG in das BBauG, Einführung der Erhaltungssatzung, Einführung der Heilung
von Fehlern bei der Planaufstellung).
1979 Sog. Beschleunigungsnovelle zum BBauG (Einführung des Parallelverfahrens, Ergänzung
der Befreiungsvorschrift nach § 31 um die städtebaulichen Gründe, Überarbeitung der Hei-
lungsvorschriften).
1984 Novelle zum Städtebauförderungsgesetz (Streichung der Pflicht zur Aufstellung von B-Plä-
nen im Sanierungsgebiet; Einführung des vereinfachten Sanierungsverfahrens).
1986 Zusammenfassung des BBauG und des StBauFG zum Baugesetzbuch (BauGB); in Kraft ge-
treten am 1.7.1987; Streichung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme.
1990 Ergänzung des BauGB durch das Maßnahmengesetz zum BauGB (BauGB-MaßnahmenG –
Bestandteil des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes) aus Anlass der Herstellung der deut-
schen Einheit, ergänzt durch Einfügung des § 246a BauGB mit Sondervorschriften für die
neuen Länder durch den Einigungsvertrag. Einführung des Vorhaben- und Erschließungs-
plans; Wiedereinführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme.
1993 Novellierung des BauGB-MaßnahmenG durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbau-
landgesetz. Regelung des städtebaulichen Vertrags in § 6 BauGB-MaßnahmenG; Rückfüh-
rung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme in das BauGB.
1998 Bau- und Raumordnungsgesetz (BauROG 1998): Zurückführung aller Sonderregelungen
zum BauGB in das Stammgesetz, verbunden mit einer vollständigen Neufassung des Raum-
ordnungsgesetzes (ROG).
2001 Durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie Nr. 97/11/EG zur UVP-Richtlinie
Nr. 85/3377 EWG (sog. UVP-Novelle) wird die förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung für
bestimmte Bebauungspläne eingeführt.
2004 Durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) wird die Umweltprüfung für alle
Bauleitpläne angeordnet, es sei denn, es wird das vereinfachte Verfahren nach § 13 ange-
wendet. Das besondere Städtebaurecht wird um die Vorschriften zum Stadtumbau und zur
Sozialen Stadt ergänzt.
2006 Das zentrale Anliegen des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innen-
entwicklung der Städte war die Verringerung der Flächeninanspruchnahme durch die Stär-
kung der Innenentwicklung; in Kraft getreten am 1.1.2007. Eingeführt wurde insbesondere
der Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren (§ 13a).
2008 Novellierung der Vorschriften zur Wertermittlung im dritten Kapitel des BauGB. Die Änderun-
gen basieren auf dem Gesetz zur Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsrechts (Erb-
schaftssteuerreformgesetz – ErbStRG) vom 24.12.2008 (BGBl. I S. 3018) mit Geltung vom
1.1.2009.
2011 Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 werden die für die 17. Legislatur-
periode vorgesehenen Änderungen des BauGB und der BauNVO zweigeteilt und der klima-
bezogene Teil durch das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in
den Städten und Gemeinden als Beitrag des Bauplanungsrechtes zur sog. „Energiewende“
vorgezogen (Inkrafttreten am 30.7.2011). Durch das Gesetz wird zugleich die Planzeichen-
verordnung (PlanZV) um zwei Planzeichen zum Klimaschutz ergänzt.
2013 Das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weite-
ren Fortentwicklung des Städtebaurechts knüpft inhaltlich wiederum an die Gesetzesnovelle
aus dem Jahr 2006 an und erklärt die Innenentwicklung in § 1 Abs. 5 u. a. zu einem vorrangi-
gen Prinzip der Stadtentwicklung und passt die zuletzt 1990 geänderte BauNVO in einigen
Punkten an.
7/2014 Vom Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabstän-
den zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen hat innerhalb der im Gesetz
enthaltenen Frist – 31.12.2015 – lediglich der Freistaat Bayern Gebrauch gemacht.
11/2014 Das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung
von Flüchtlingen enthält in der Hauptsache bis zum 31.12.2019 befristete Erleichterungen
zur Flüchtlingsunterbringung im Recht der Bauleitplanung.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

2015 Ergänzend zu den vorgenannten Erleichterungen im Recht der Bauleitplanung enthält das
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz in seinem Artikel 6 ebenfalls bis 31.12.2019 befristete
Erleichterungen der Flüchtlingsunterbringung zur Zulässigkeit von Vorhaben.45
5/2017 Die große BauGB-Novelle 2017 reagiert mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/
52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vor al-
lem auf europarechtliche Vorgaben und das neue Wachstum deutscher Großstädte; Baunut-
zungs- und Planzeichenverordnung werden ebenfalls geändert.
5/2017 Nach der Streichung der Präklusionsregelung in § 47 Abs. 2a VwGO entfällt mit dem Gesetz
zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa-
und völkerrechtliche Vorgaben auch der Hinweis hierzu in § 3 Abs. 2 BauGB.
6/2017 Das Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung
von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) verpflichtet zur nach-
richtlichen Übernahme von überschwemmungsgefährdeten und Hochwasserentstehungs-Ge-
bieten.
7/2017 Das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung enthält eine
nochmalige „handwerkliche“ Korrektur der Beteiligungsfristen in den §§ 3 Abs. 2 und 4
Abs. 2.
11/2017 Neubekanntmachung des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung.

4. Das Recht der Raumordnung und Landesplanung sowie das Fachplanungsrecht


a) Die Entwicklung des Rechts der Raumordnung, Landesplanung und Fachplanung.
Die Entwicklung des Rechts der Raumordnung und Landesplanung ist relativ jungen
Datums. Die Notwendigkeit einer Ordnung der Siedlungstätigkeit und des Siedlungs-
gefüges insgesamt wurde erst sichtbar, als Besiedlung und Industrialisierung so weit
voranschritten, dass ganze Landstriche mit Siedlungen überzogen und für den Men-
schen in Anspruch genommen wurden. So ist es verständlich, dass die ersten regional-
planerischen Ansätze zum einen im Rhein-Ruhrgebiet, zum anderen im Großraum
Berlin vorzufinden sind. In diesen großen Industriezentren zeigte sich, dass auf die
Erhaltung von Grün- und Freiflächen Einfluss genommen werden musste und dass
auch die Siedlungen untereinander in ein geordnetes Gefüge gebracht werden mussten,
z. B. zur Vermeidung unnötiger Verkehrsinvestitionen. Mit dieser Zielrichtung wurde
1910 im rheinisch-westfälischen Industriegebiet eine „Grünflächenkommission“ für
den rechtsrheinischen Teil des Regierungsbezirks Düsseldorf einberufen; daraus entwi-
ckelte sich 1920 der „Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk – SVR“ (später: Kommunal-
verband Ruhr KVR, heute: Regionalverband Ruhr). 1911 wurde der ebenfalls landes-
planerischen Zwecken dienende „Zweckverband Groß-Berlin“ durch Gesetz46
gegründet.
Aus diesen Anfängen heraus entwickelte sich allmählich der Raumordnungsgedanke,
der seinen wissenschaftlichen Niederschlag zuerst in dem berühmten „Zentrale-Orte-
System“ von Christaller fand, das von ihm um 1930 entworfen wurde.47 Der Natio-
nalsozialismus hat zwar die Raumordnung nicht für sich usurpiert. Dennoch bestand
nach dem Zweiten Weltkrieg ein gewisses Misstrauen gegen die Raumordnung, weil
sie als mögliches Instrument eines Herrschaftssystems verstanden wurde. Erst allmäh-
lich gelang es, die Widerstände zu überwinden und zu einem (Bundes-)Raumordnungs-
gesetz (ROG) zu kommen. Es trat 1965 erstmals in Kraft. Das zum 1. Januar 1998
grundlegend novellierte ROG legt die Grundsätze nieder, nach denen sich die nachfol-
gende Landesplanung einschließlich der zugehörigen Landesplanungsgesetze zu rich-

45 Inhaltlich unbedeutend aber nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Änderung des Namens des
zuständigen Bundesministeriums durch Artikel 118 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung
vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474 (1494)).
46 Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin vom 19. Juli 1911 (PrGS. S. 123).
47 W. Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland – Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über
die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen (1933),
2. Aufl. 1968.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

ten haben. Durch die im Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August
200648, in Kraft getreten am 1. September 2006, verankerte „Föderalismusreform“
wurde der Bereich der Raumordnung aus der sog. Rahmengesetzgebung (dieser Kom-
petenztyp wurde abgeschafft) in die sog. konkurrierende Gesetzgebung überführt.49
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Ge-
setzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht
durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.50 Das Gesetz zur Neufassung des Raumord-
nungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) passte das Raumord-
nungsgesetz im Jahr 2008 deshalb erneut in mehreren Punkten an die veränderte
Rechtslage an.51 Das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom
23. Mai 201752 diente hingegen vor allem der Umsetzung der so genannten „MRO-
Richtlinie“,53 die neue Anforderungen an die Raumordnung im Bereich des Meeres
formuliert. Inzwischen gibt es in sämtlichen Bundesländern Landesplanungsgesetze,
die Landesplanung ist auch in den neuen Ländern etabliert, Regionalpläne oder Ge-
bietsentwicklungspläne werden mit zunehmender Genauigkeit und Regelungsdichte
aufgestellt. Die Probleme, die diese überörtliche Planung wiederum für die Gemeinden
aufwirft, die sich in ihrer Selbstverwaltungsfreiheit beeinträchtigt fühlen, werden an
anderer Stelle noch zu behandeln sein.
Für bestimmte Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur musste es allerdings schon
vor der Entstehung einer amtlichen „Raumordnung“ und „Landesplanung“ ein zuver-
lässiges Planungssystem geben – nämlich für die überörtlichen Verkehrswege. Es ist
daher kein Zufall, dass das erste Fachplanungsgesetz für die Eisenbahnplanung in
Preußen ergangen ist. Solche „Fachplanungsgesetze“, deren ortsübergreifenden, häufig
vernetzten Planungen Vorrang vor der kommunalen Bauleitplanung haben und haben
müssen, gibt es inzwischen für eine Reihe von wichtigen öffentlichen Einrichtungen:
Für Straßen (das Fernstraßengesetz), für Eisenbahnen (das Allgemeine Eisenbahnge-
setz), für Flughäfen (das Luftverkehrsgesetz), für Schifffahrtskanäle (das Bundeswas-
serstraßengesetz) und weitere Vorhaben. Allen diesen Gesetzen ist gemeinsam, dass sie
für die endgültige Festschreibung der Planung ein eigenes Verfahren vorsehen, das sog.
Planfeststellungsverfahren.54 Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird die jeweilige
Planung per Verwaltungsakt bekräftigt. Mit Bestandskraft des Verwaltungsakts kön-
nen die beabsichtigten Maßnahmen in die Tat umgesetzt werden. Eine weitere Bauge-
nehmigung ist nicht mehr erforderlich. Einzelheiten sind für alle Verfahren gemeinsam
im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes geregelt. Ein Sonderfall der netzförmigen
Infrastruktur sind die Hochspannungs-Freileitungen nach dem Energiewirtschaftsge-
setz; der Bau solcher Leitungen musste (bislang) nach § 4 Abs. 2 EnWG den Behörden
nur angezeigt werden, woraufhin gegebenenfalls eine „Nichtbeanstandungserklärung“
erging.55 Manche Landesplanungsgesetze sahen eine ausdrückliche raumordnerische
Genehmigung der Trasse vor.56

48 BGBl. I S. 2034.
49 Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 Grundgesetz (GG).
50 Im Unterschied hierzu haben die Länder für den Kompetenztyp der sog. ausschließlichen Gesetzgebung
nach Art. 71 GG die Befugnis eigene Gesetze zu erlassen nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundes-
gesetz ausdrücklich ermächtigt werden.
51 Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), zuletzt geändert durch Artikel 2 Ab-
satz 15 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808).
52 BGBl. I S. 1245.
53 Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines
Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. EU L 257/135).
54 Vgl. §§ 72 ff. VwVfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102) mit
nachfolgenden Änderungen.
55 Zur (Nicht-)Anfechtbarkeit seitens der betroffenen Gemeinden vgl. BVerwG, B. v. 30.8.1995 – 4 B 86.95 –,
ZfBR 1995, 323.
56 VGH Baden-Württemberg, UPR 1998, 35 (anfechtbarer Verwaltungsakt).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Im August 2011 hat der Bund im Rahmen der Energiewende eine Bundesfachplanung
für die Sicherung von länderübergreifenden oder grenzüberschreitenden Höchstspan-
nungsleitungen eingeführt und damit die bisherige Zuständigkeit der Bundesländer
zur räumlichen Steuerung von Energietrassen und -netzen weitgehend an sich gezo-
gen.57 Dabei bildet die Bundesfachplanung bzw. der bei der Bundesnetzagentur ge-
führte Bundesnetzplan, in den die Trassenkorridore aus dem Bundesfachplan nach-
richtlich aufgenommen werden, die letzte Ebene der Energiefachplanung nach dem
Energiewirtschaftsgesetz, die unter Beteiligung der Länder schrittweise konkretisiert
und regelmäßig – mindestens alle drei Jahre – konkretisiert wird. Die letztendliche
Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung dieser Leitungen bedarf nach § 18
Abs. 1 NABEG der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.
b) Das Raumordnungsgesetz. Das 1965 erstmals erlassene Raumordnungsgesetz ist
mehrfach grundlegend novelliert worden. Bereits 1998 sind Aufgabe und Leitvorstel-
lungen sowie Grundsätze der Raumordnung neu definiert worden (§§ 1, 2 ROG
1998). Der für die Bauleitplanung besonders wichtige Begriff der „Ziele der Raumord-
nung“ ist nunmehr kraft Legaldefinition „den verbindlichen Vorgaben in Form von
räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder
Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegun-
gen in Raumordnungsplänen“ vorbehalten (so die Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 2
ROG). Begriffe, mögliche Inhalte und Bindungswirkung der Raumordnungspläne sind
insgesamt wesentlich klarer als bisher definiert und umrissen (§ 3–9 ROG 1998); die
Möglichkeit der Untersagung raumordnungswidriger Planungen und Maßnahmen
muss von den Ländern auch unbefristet vorgesehen werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 – damit
wird der Wegfall der Anzeigepflicht für aus dem F-Plan entwickelte Bebauungspläne
ordnungsrechtlich aufgefangen); das Raumordnungsverfahren hat seine endgültige
Form gefunden (§ 15 ROG 1998); die Vorhaben, für die kraft Bundesrechts ein Raum-
ordnungsverfahren durchgeführt werden soll, sind in § 1 der ebenfalls neu gefassten
Raumordnungsverordnung vom 18.8.199758 aufgelistet. Auch für Raumordnungs-
pläne gilt der Grundsatz der Planerhaltung (§ 10 ROG 1998). Eine direkte Verknüp-
fung der Regionalplanung mit der Bauleitplanung unter Einsparung einer Planungs-
ebene stellte der in § 9 Abs. 6 ROG 1998 eröffnete regionale Flächennutzungsplan
dar (im aktuell geltenden ROG 2017 in § 13 Abs. 4 verankert).
Durch das EAG Bau wurde im Jahr 2004 ein § 18a in das Raumordnungsgesetz einge-
fügt.59 Darin ist vorgesehen, dass das (damalige) Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Wohnungswesen in der deutschen „ausschließlichen Wirtschaftszone“ im Meer
Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Sinne des § 3 ROG 2004 hinsichtlich der
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzung, hinsichtlich der Gewährleistung der
Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt
aufstellt. Die Aufstellung der Ziele und Grundsätze erfolgt durch Rechtsverordnung,
die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Für die Ausarbeitung der Ziele ist
das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zuständig. Im Jahr 2009
wurden für Nord-60 und Ostsee61 Verordnungen über die Raumordnung in der deut-
schen ausschließlichen Wirtschaftszone erlassen.

57 Vgl. Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1690),
§ 2.
58 BGBl. 1997 I S. 2081 mit nachfolgenden Änderungen.
59 Heute enthalten in § 17 Abs. 3 ROG.
60 Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee vom
21. September 2009 (BGBl. 2009 I S. 3107).
61 Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ostsee vom
10. Dezember 2009 (BGBl. 2009 I S. 3861).

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) im Meer ist vom sog. Küstenmeer zu un-
terscheiden. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom
10.11.1982 (SRÜ)62 können Meeresanrainerstaaten ihr Hoheitsgebiet auf ein vor der
Küste liegendes Meeresgebiet von zwölf Seemeilen erstrecken. Dies hat die Bundesre-
publik Deutschland mit einer Proklamation von 199463 getan. Die anschließende 200-
Seemeilen-Zone ist jene „ausschließliche Wirtschaftszone“, für die § 17 Abs. 3 ROG
in der Fassung vom 22.12.2008 gilt (vormals § 18a ROG 2004).64 Die 200-Seemeilen-
Zone ist exterritorial, sie gehört nicht mehr (wie noch die 12-Seemeilen-Zone) zum
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland; die Rechte der Bundesrepublik stützen
sich hier ausschließlich auf das SRÜ als Völkerrecht. Von daher ist es logisch, dass
das ROG die Raumplanungskompetenz für die AWZ ausschließlich dem Bund zuge-
ordnet hat und nicht den angrenzenden Küstenländern; diese sind allerdings unstreitig
für die Raumordnung in der 12-Seemeilen-Zone zuständig und haben für diese auch
bereits Bestimmungen in ihre Landesraumordnungspläne aufgenommen.
Das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer
Vorschriften (GeROG) passte das Raumordnungsgesetz im Jahr 2008 auf Grund der
bereits unter Buchstabe a) genannten Föderalismusreform im Wesentlichen in vier Be-
reichen an die neue Rechtslage an. Im Einzelnen wurden die gesetzlichen Grundsätze
der Raumordnung überarbeitet, die Regelungen über die Planerhaltung genauer ge-
fasst, die Bestimmungen über die Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Regionen,
Kommunen und Personen des Privatrechts sowie der informellen Planung erweitert
und die Regelungen über den Planungs- und Koordinierungsauftrag des Bundes geän-
dert.65
Der Katalog der Grundsätze der Raumordnung (§ 2 Abs. 2 ROG) ist neu strukturiert
worden. Die ehemals 15 Nummern wurden in nunmehr acht Punkten zusammenge-
fasst. In der neuen Nummer 8 kommt der europäische Gedanke zum Tragen. Danach
soll die europäische Zusammenarbeit u. a. durch die Gewährleistung der räumlichen
Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren
europäischen Raum verbessert werden. Der neue Grundsatz Nr. 8 bringt damit die
wachsenden Verflechtungsbeziehungen Deutschlands in einem größer werdenden eu-
ropäischen Verbund zum Ausdruck.
Eine weitere Änderung betrifft den Hinweis, dass dafür Sorge zu tragen ist, dass Städte
und ländliche Räume auch künftig ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfül-
len können (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1–8 ROG 2008). Hierdurch soll die Kooperationsbereit-
schaft zwischen Stadt und Peripherie erhöht und die interkommunale Zusammenarbeit
gestärkt werden. Die Gewährleistung der Versorgung mit Dienstleistungen und Infra-
strukturen der Daseinsvorsorge „in angemessener Weise“ bekennt sich zum Zentrale-
Orte-Konzept und berücksichtigt zugleich die Auswirkungen des demografischen
Wandels im Hinblick auf die Tragfähigkeit zentraler Einrichtungen. Im Grundsatz
Nr. 4 werden raumbedeutsame Wirtschaftsaspekte zusammengefasst. Außerdem sind
hier wesentliche Inhalte der bisherigen Grundsätze Nr. 6 (ländliche Räume) und 10
(Land- und Forstwirtschaft) enthalten. Schließlich sollen die Änderungen im Grund-
satz Nr. 4 den Ausbau der Stromnetze unterstützen, die erforderlich sind, um den
dezentral produzierten Strom aus erneuerbaren Energien aufzunehmen. Ziel ist eine
kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung. Der Grundsatz
Nr. 5 erfasst die raumbedeutsamen Aspekte der Kulturlandschaften, während im
Grundsatz Nr. 6 der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel durch die

62 BGBl. 1982 II S. 1798.


63 BGBl. 1994 I S. 3428 und II S. 3769.
64 Darstellung der Außengrenzen in: Seekarte des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)
Nr. 2921.
65 Vgl. Bundesrats-Drucksache 563/08 vom 8.8.2008.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Verminderung der Neuinanspruchnahme von Fläche für Siedlung und Verkehr beson-
ders betont werden.
Schließlich soll hier noch auf die erweiterten Möglichkeiten der raumordnerischen
Zusammenarbeit hingewiesen werden, nach denen u. a. auch vertragliche Vereinba-
rungen als Form der Kooperation nach dem Vorbild städtebaulicher Verträge (vgl.
Kap. VI.) an Bedeutung gewinnen sollen. In diese Kooperation werden zugleich Private
und Verbände einbezogen. Auch die interkommunale Zusammenarbeit soll hierdurch
gestärkt werden.
Das Raumordnungsgesetz 2017 führt auf Grund der bereits genannten MRO-Richtli-
nie der Europäischen Union erneut einige Änderungen zur Raumordnung im Küsten-
und Meeresbereich ein. Vor allem betroffen sind hier die §§ 7 Abs. 1 und 8, 9 Abs. 1,
2 und 4, 10 Abs. 4, 13 Abs. 6, 17 Abs. 1 und 25 ROG.66 Hauptanliegen der MRO-
Richtlinie ist es, die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer in der maritimen
Raumordnung der Mitgliedstaaten stärker als bisher zu berücksichtigen.67 Außerdem
wird für das Raumordnungsverfahren in § 15 Abs. 1 bis 3 ROG die verbindliche Ein-
führung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Prüfung sinnvoller Projektalternativen
bestimmt. § 17 Abs. 2 enthält eine neue Ermächtigung für das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur zur Aufstellung länderübergreifender Raumord-
nungspläne für den Hochwasserschutz.
2017 wurden im Raumordnungsgesetz außerdem noch einige redaktionelle Anpassun-
gen vorgenommen, die durch das neu strukturierte Gesetz über die Umweltverträglich-
keitsprüfung erforderlich geworden sind, im Kern aber über die Anpassung der Num-
merierung von Paragraphen nicht hinausgehen.
5. Korrespondierende Rechtsbereiche
Das Städtebaurecht der Bundesrepublik Deutschland ist seit Inkrafttreten des Bauge-
setzbuchs mehr als zuvor in einem Gesetz konzentriert – jedenfalls so weit, wie die
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes reichen. Der Bund ist gesetzgeberisch zustän-
dig für das Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 18 (dazu gehören das Recht der
städtebaulichen Planung, das Recht der Bodenordnung, der Bodenbewertung und Er-
schließung ohne das Erschließungsbeitragsrecht), das Bodenverkehrsrecht ebenfalls im
Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG sowie für das zugehörige Enteignungsrecht nach Art. 74
Nr. 14 GG. Seit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform ist der Bund auch für den
Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege zuständig, der unter Nr. 29 in
den Katalog des Art. 74 GG aufgenommen worden ist. Das Bundesnaturschutzgesetz
war zuvor nur Bestandteil der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG a. F.), die weitrei-
chendere Gesetzgebungskompetenzen für die Länder vorsah, welche im Zuge der Fö-
deralismusreform vollständig weggefallen sind. Unzugänglich für den Bund waren und
sind jedoch (wie gesagt) das Bauordnungsrecht (einschließlich des Baugestaltungs-
rechts) und das Denkmalschutzrecht, das als Belang der Kultur ebenfalls den Ländern
obliegt.
Die im Baugesetzbuch und den zugehörigen Verordnungen (BauNVO, PlanZV, Immo-
WertV) und Ausführungsgesetzen konzentrierten Vorschriften repräsentieren jedoch
beileibe nicht alles, was im Rahmen der Bauleitplanung und Baugenehmigung zu be-
achten ist. Das BauGB ist vielmehr selbst nur ein Teil des Umweltrechts, das mit seinen
Regeln zu den Umweltmedien Luft (Bundesimmissionsschutzgesetz nebst Verordnun-
gen), Boden (Abfallrecht, Bodenschutzgesetze, Bergrecht), Wasser (Wasserhaushaltsge-
setz, Wassergesetze der Länder) und zur belebten und unbelebten Natur (Bundesnatur-
schutzgesetz, Landesnaturschutzgesetze/Landespflegegesetze) vielfältigen Einfluss auf

66 Vgl. hierzu auch im Folgenden: Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23. Mai
2017 (BGBl. I S. 1245) und BT-DRS. 18/10883 vom 17.1.2017 (Gesetzentwurf der Bundesregierung).
67 Vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 der RL 2014/89/EU.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

die Bauleitplanung nimmt. Auch das Denkmalschutzrecht der Länder muss beachtet
werden. Schließlich muss noch auf das sog. Baunebenrecht hingewiesen werden, das
auch und gerade aus inkorporierten technischen Vorschriften besteht.
Diese Materien können hier nicht ausführlich vorgestellt werden; ihnen sind jeweils
eigene Lehrbücher und Monographien gewidmet. Nur stichwortartig soll umrissen
werden, welche korrespondierenden Rechtsbereiche im Einzelnen gemeint sind. Als
vorzugsweise zu beachtendes Umweltrecht sind zunächst in den Blick zu nehmen:
– Das Immissionsschutzrecht;
– das Wasserrecht;
– das Abfallrecht, Bodenschutzrecht und Bergrecht;
– das Recht zum Naturschutz und zur Landschaftspflege.
In allen vier Bereichen sind sowohl bundesrechtliche als auch landesrechtliche Normie-
rungen vorzufinden; ergänzend wirkt das kommunale Satzungsrecht.

a) Das Immissionsschutzrecht. Immissionsschutz bedeutet vor allem Luftreinhaltung


und Lärmschutz. § 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes68 formuliert umfassend als
Zweck des Gesetzes, „Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die
Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkun-
gen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen“.
Methodisch setzt der Immissionsschutz an vier Punkten an:
– bei der Errichtung und dem Betrieb von bestimmten Anlagen (z. B. Produktionsein-
richtungen, Fabriken), die einer besonderen Genehmigungspflicht unterworfen
werden, wenn sie „emissionsverdächtig“ sind;
– bei bestimmten Produkten (z. B. Brenn- und Treibstoffen), die nur nach einer Her-
stellungs- bzw. Beschaffenheitskontrolle vertrieben werden dürfen;
– beim Bau von Straßen- und Eisenbahnen, von deren Nutzung notwendig Lärm-
und Staubemissionen ausgehen, die mittels Grenzwerten unter Kontrolle gehalten
werden sollen;
– schließlich gibt es auch gebietsbezogenen Immissionsschutz.
Für das Bau- und Planungsrecht sind insbesondere die Ansatzpunkte eins, drei und
vier von Belang: Die Genehmigung der Errichtung von Anlagen ist ein genuines Feld
des Baurechts; es bedarf daher der Konkurrenzregelung, wenn ein Vorhaben nicht nur
baurechtlich, sondern auch immissionsschutzrechtlich genehmigt werden muss. Der
Gesetzgeber hat entschieden, dass die Federführung in solchen Fällen bei der Gewerbe-
aufsicht als Immissionsschutzbehörde liegt. Eine „BImSch-Genehmigung“ (d. h. eine
Genehmigung zur Errichtung einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz)
enthält demnach zugleich die bauplanungsrechtliche und die bauordnungsrechtliche
Genehmigung; die „BImSch-Behörde“ muss alles zugleich und alles zusammen prüfen;
man spricht hier von einer Konzentrationswirkung des Genehmigungsverfahrens. Der
verkehrswegebezogene Ansatz ist ebenso offensichtlich von Bedeutung für die Bauleit-
planung: Dieser Ansatzpunkt ergreift auch kommunale Straßen und Wege, deren
Lärm- und Staubauswirkungen auf Gebäude und deren Bewohner und Nutzer von der
planenden Gemeinde bedacht und durch aktiven oder passiven Lärmschutz unter den
angeordneten Grenzwerten gehalten werden müssen.
Auf Grund der grenzüberschreitenden Auswirkungen von Luftverunreinigungen sind
diese in zunehmendem Maße auch Gegenstand internationaler Vereinbarungen gewor-
den, was zum Beispiel in der Luftqualitätsrahmenrichtlinie der Europäischen Union69
zum Ausdruck kommt, die durch die Neununddreißigste Verordnung zur Durchfüh-

68 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274)
mit nachfolgenden Änderungen.
69 Luftqualitätsrahmenrichtlinie (2008/50/EG) über die Luftqualität und saubere Luft für Europa vom
21.5.2008 (ABlEG L 152/1).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

rung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards


und Emissionshöchstmengen) vom 2. August 201070 in nationales Recht überführt
wurde. Für den Vollzug dieser recht neuen Vorschrift sind wiederum die Bundesländer
zuständig. Eine wichtige Maßnahme zur Einhaltung der Grenzwerte kann die Einrich-
tung einer Umweltzone mit Einfahrverboten für schadstoffreiche Kraftfahrzeuge sein.
Mittlerweile haben die Bundesländer mehr als 40 Umweltzonen eingerichtet.
Im Jahr 2016 jährte sich der schwere Chemieunfall im norditalienischen Seveso zum
vierzigsten Mal. 1976 breiteten sich in der Nähe der norditalienischen Gemeinde gif-
tige Dioxingase über einen dicht besiedelten Raum aus. Eine verfehlte Informationspo-
litik des emittierenden Betriebs führte dazu, dass ca. 700 betroffene Familien die kon-
taminierte Region erst zwei Wochen später verlassen konnten. Teilweise langwierige
Gesundheitsschäden bei rd. 200 Menschen waren die Folge. Seveso wurde darauf hin
zum Namensgeber für eine Richtlinie der europäischen Union, die mittlerweile zwei-
mal verschärft wurde, zuletzt 2012 durch die Seveso-III-Richtlinie71. Ziel der Seveso-
Richtlinien war und ist die Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährli-
chen Stoffen, die in den ersten beiden Anhängen der aktuellen Seveso-III-Richtlinie
namentlich und nach Gefahrenkategorien aufgeführt werden.
Die Seveso-III-Richtlinie war bis zum 31.5.2015 in nationales Recht umzusetzen. Der
Vollzug in der Bundesrepublik Deutschland gelang mit dem „Gesetz zur Umsetzung
der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit ge-
fährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/
82/EG des Rates vom 30.11.2016“ – leicht verspätet – zum 7.12.2016.72 Die ver-
pflichtend im nationalen Recht vorzunehmenden Änderungen betrafen vor allem das
Immissionsschutzrecht und das Recht über die Umweltverträglichkeitsprüfung; sie re-
gelten hauptsächlich die in Art. 15 der Richtlinie vorgesehene Öffentlichkeitsbeteili-
gung, und zwar sowohl für den Fall der Ansiedlung oder wesentlichen Änderung von
Störfallbetrieben selbst, als auch der Ansiedlung von schutzbedürftigen Nutzungen in
der Nachbarschaft zu einem Störfallbetrieb. Wird zu diesem Zweck ein Bebauungsplan
aufgestellt, wird dies seit jeher durch § 3 BauGB gewährleistet (vgl. hierzu auch Kap.
B.V.10c).
b) Das Wasserrecht. Ein geregelter Umgang mit dem Wasser – vor allem dem Trink-
wasser, aber auch der künstlichen Bewässerung, den Flüssen und Seen – gehört zu den
großen Kulturleistungen einer Gesellschaft. Dies gilt auch umgekehrt: Zivilisationen,
die diese Kunst nicht beherrschen oder verlernen, erleben Seuchen und Hungersnöte
und müssen sich mit Recht primitiv nennen lassen.
In Mitteleuropa ging die von Römern und Arabern beherrschte Kunst der Wasserwirt-
schaft mit Beginn des Mittelalters verloren. Erst im 19. Jahrhundert verabschiedeten
die Länder Hessen, Baden und Württemberg als erste der deutschen Staaten Wasserge-
setze. Preußen erließ erst 1913 ein Wassergesetz. Die Bundesrepublik Deutschland gab
sich erstmals 1957 ein Wasserhaushaltsgesetz, das als Rahmengesetz von den Ländern
bei ihren Landeswassergesetzen zu beachten war. Heute ist das Wasserhaushaltsrecht73
(ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen) Bestandteil der konkurrierenden Ge-
setzgebung, von dem die Länder durch eigene Gesetze abweichen dürfen.74 1976 kam
das Abwasserabgabengesetz hinzu; wichtig ist auch das Wasch- und Reinigungsmittel-
gesetz von 1975 (Einschränkung der Verwendung von Detergentien).

70 BGBl. 2010 I S. 1065.


71 ABl. EU L 197 vom 24. Juli 2012.
72 BGBl. I S. 2747.
73 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. 2009
I S. 2585) mit nachfolgenden Änderungen.
74 Vgl. Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Das Wasser unterliegt nach Bundes- und Landesrecht einer sehr viel stärkeren Sozial-
bindung als der Grund und Boden. Auch das Eigentum an einem Gewässer berechtigt
nicht zu einer wesentlichen Gewässernutzung. Jede Nutzung (Einleitung, Entnahme,
Nutzung als Verkehrsweg usw.) bedarf der Erlaubnis bzw. Bewilligung, auf die grund-
sätzlich kein Anspruch besteht.
Bauleitpläne können also einliegende Wasserflächen und Gewässer nicht freihändig
mitgestalten. Was zulässig oder unzulässig ist, entscheidet das Wasserrecht.
c) Das Abfallrecht. Die Abfallbeseitigung war über lange Zeit nur Regelungsgegen-
stand örtlichen Polizeirechts: Örtliche Satzungen verboten die Entleerung von Nacht-
geschirren auf die am Fenster vorbeiführenden Straßen; die Tierkörperbeseitigung war
nur an bestimmten Plätzen erlaubt. Erst in der Überflussgesellschaft wurde das Prob-
lem „Abfall“ zentral regelungsbedürftig. Dabei ist bezeichnend, dass der Titel des
ersten einschlägigen Bundesgesetzes (in Kraft getreten am 1.6.1972) noch lautete: „Ge-
setz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz – AbfG)“. Dieses Ge-
setz bezog sich zunächst nur auf Hausmüll und hausmüllähnlichen Abfall. Erst das
„Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen“ vom 27.8.1986 kenn-
zeichnet den Übergang von der „Wegwerfgesellschaft“ zur „Abfallverwertungsgesell-
schaft“. Dieses Gesetz bezieht sich auch auf die Beseitigung und Überwachung gefähr-
licher Abfälle aus Gewerbe und Industrie.
Den endgültigen Schritt zum nachhaltigen Umweltschutz vollzog der Gesetzgeber mit
dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das 1994 erstmals in Kraft getreten ist.75
Leitgedanke der neuen Gesetzgebung ist die Stufenfolge: Abfallvermeidung – Abfall-
verwertung – Abfallentsorgung (durch thermische oder chemische Behandlung, letzt-
lich durch Ablagerung). Abfälle sind alle beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer
entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder deren geordnete Entsorgung zur Wah-
rung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schutzes der Umwelt, geboten ist
(objektiver Abfallbegriff).
Für das Bau- und Planungsrecht ist insbesondere die Ablagerung von Bedeutung: Da-
für müssen Standorte bereitgestellt werden, die erhebliche Auswirkungen auf die Bau-
leitplanung der davon betroffenen Gemeinden haben können. Die Festlegung der De-
ponie-Standorte geschieht in eigenen Planfeststellungsverfahren; gemäß § 38 BauGB
müssen sich diese Verfahren nicht der kommunalen Bauleitplanung unterwerfen; die
kommunalen Belange müssen jedoch in der Abwägung berücksichtigt werden. Von
besonderer Brisanz sind nicht ordnungsgemäß beseitigte oder gelagerte Abfälle, die
sog. Altlasten. Gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 3 und § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB sollen für bauliche
Nutzungen vorgesehene Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden
Stoffen belastet sind, in den Bauleitplänen gekennzeichnet werden. Wenn dies fahrläs-
sig versäumt wird, können fehlgeleitete Bauherren u. U. Schadensersatzansprüche gel-
tend machen.76
d) Bodenschutzrecht und Bergrecht. Mitte 2017 waren in der Bundesrepublik
Deutschland ca. 19.700 Altlastenflächen mit unbestreitbarem Sanierungsbedarf be-
kannt;77 die Beseitigungspflichten werden derzeit durch das Ordnungsrecht und das
Wasserrecht in z. T. so strikter Weise gesetzt, dass die öffentlichen Körperschaften ihre
(theoretischen) Handlungspflichten nicht erfüllen können, wenn nicht aus technischen,
so doch aus finanziellen Gründen. Die Akteure stehen aber z. T. unter Strafandrohung.
Hier müssen durch Bundesrecht eindeutige Maßstäbe gesetzt werden, die einerseits

75 BGBl. 1994 I S. 2705 mit nachfolgenden Änderungen.


76 Vgl. hierzu BGH vom 26.1.1989, BGHZ 106, 323–336.
77 Vgl. Umweltbundesamt, Zusammenstellung auf Basis der im Altlastenausschuss des LABO abgestimmten
Datenerhebung aus den Ländern vom 9.8.2017, verfügbar: https://www.umweltbundesamt.de/sites/ de-
fault/files/medien/384/bilder/dateien/2_tab_altlastenstatistik_2017-09-29.pdf (Zugriff: 26.2.2018).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

mehr Flexibilität gestatten, andererseits aber auch zu einer klaren Prioritätenbildung


auffordern. Dies ist durch die Bodenschutzgesetze des Bundes und der Länder weitge-
hend geschehen.
Die Rechtsordnung hat nicht erst seit der Verabschiedung von Bodenschutzgesetzen
in den Ländern und im Bund der Tatsache Rechnung getragen, dass der Boden ein
schützenswertes Gut ist. Der Boden wurde aber zunächst nur mittelbar geschützt,
nämlich durch die Regulierung des Verhaltens bestimmter Adressaten in Situationen,
die zu einer Gefährdung oder Schädigung unter anderem des Schutzgutes Boden füh-
ren können. Als Adressaten dieser „mittelbaren Bodenschutzgesetzgebung“ sind zu
nennen:
– Die Unternehmer (auch die Landwirte), denen bestimmte Stoffeinträge in den Erd-
boden untersagt werden;
– die Kommunen, die bei der Abfallbeseitigung bestimmte Pflichten auf sich nehmen
müssen (geregelt u. a. in den Abfallgesetzen, der Klärschlammverordnung usw.);
– die Bauherren, denen nur die Überbauung eines bestimmten Anteils ihrer Grund-
stücke gestattet wird (geregelt im BauGB i. V. m. der BauNVO und den Landesbau-
ordnungen).
Diese Art der Gesetzgebung hatte notwendig zur Folge, dass dort nicht gehandelt
wurde, wo kein Störer erkennbar oder fassbar war. Es ist daher kein Zufall, dass der
Sinneswandel des Gesetzgebers eng mit der „Entdeckung“ der sog. Altlasten zusam-
menhängt: Solcher Bodenverunreinigungen also, deren Verursacher entweder nicht
mehr greifbar oder doch nicht mehr in der Lage sind, etwaigen Beseitigungspflichten
nachzukommen. In dieser Situation musste die handelnde Verwaltung entscheiden, ob
sie ganz unabhängig von der Möglichkeit des Zugriffs auf einen Dritten oder des
Regresses für die Bereinigung der Lage (also für die Beseitigung der von der Altlast
ausgehenden Gefahren) sorgen wollte oder musste. Hauptgegenstand der Gefährdung
war oft das Grundwasser; insofern bot das Wasserrecht Eingriffsgrundlagen. Auch das
allgemeine Ordnungsrecht (Polizeirecht) konnte zur Anwendung kommen, wenn die
polizeirechtliche Gefahrengrenze überschritten war. Ob und wann dies der Fall war,
blieb jedoch in vielen Fällen unklar, weil es an eindeutigen Grenzwerten fehlte. Klar
und eindeutig war und ist jedoch, dass der Boden an zahlreichen Stellen durch beson-
dere Einträge belastet ist und nahezu überall in der Gefahr der allgemeinen Verunreini-
gung oder Beschädigung durch Staub, Übernutzung und Erosion steht.
Deshalb ist ein Wandel in der Blickrichtung eingetreten: Es wird nicht mehr zuerst
nach dem Störer gefragt und gesucht (und dann dessen Verhalten begrenzt und gere-
gelt), sondern der Boden als solcher wird als Schutzgut betrachtet. Der Boden ist nach
modernem Verständnis um seiner selbst willen – als Bestandteil des Ökosystems Erde
– zu schützen; dazu müssen die notwendigen Instrumente bereitgestellt werden.
Schutzgut ist der Boden in seinen fünf Hauptfunktionen:
– als Lebensraum für Mensch und Tier;
– als Standort für Pflanzen und Einrichtungen;
– als Ausgleichskörper im Wasserhaushalt,
– als Filter und Puffer für eindringende Schadstoffe;
– als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.78
Die Aufzählung der Hauptfunktionen zeigt erneut, dass eine Vielzahl von einschlägi-
gen Rechtsregeln bereits vorhanden ist. Der Boden als Lebensraum sowie als Standort
für Pflanzen wird vom Naturschutz- und Landschaftspflegerecht geschützt; die Funk-
tion des Bodens als Standort für Einrichtungen wird vom Bau- und Planungsrecht
geordnet und überformt; die Funktionen des Bodens als Ausgleichskörper sowie als

78 Vgl. § 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten
(Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. 1998 I S. 502) mit nachfolgenden
Änderungen.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Puffer und Speicher für Stoffe werden vom Wasserrecht, vom Abfallrecht, vom Bun-
desimmissionsschutzrecht gewährleistet und geschützt. Der Boden als Archiv der Na-
tur- und Kulturgeschichte ist Gegenstand des Denkmalrechts und auch des Natur-
schutzrechts mit seinen Boden- und Naturdenkmalen. Vor diesem Hintergrund muss
gefragt werden, was denn noch fehlt zum wirksamen Bodenschutz. Vier Punkte sind
hier zu nennen:
– Es muss dafür gesorgt werden, dass dem Boden und seinem aktuellen Zustand
mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird; dafür müssen mehr Informationen bereit
gestellt werden.
– Die Eingriffsvoraussetzungen müssen aus dem Polizei- und Ordnungsrecht heraus-
geholt und in ein System adäquater Zugriffsmöglichkeiten eingeordnet werden:
Wenn eine polizeirechtliche Gefahr konstatiert werden kann, ist es oft schon zu
spät zum wirksamen Schutz. Das Vorsorgeprinzip muss stärker zur Geltung ge-
bracht werden.
– Das Zugriffsinstrumentarium muss verstärkt werden: vom Betretungsrecht der
Grundstücke bis zum Recht der Ersatzvornahme schon vor Gefahreneintritt be-
steht Regelungsnotwendigkeit.
– In allen drei Sektoren ist eine gewisse Vereinheitlichung anzustreben, vorrangig
im Bereich der Festlegung bestimmter stofflicher Werte (Zielwerte, Risikowerte,
Gefahrenwerte) als Voraussetzung für bestimmte Maßnahmen.
Mit diesen Stichworten ist weitgehend das beschrieben, was Bund und Länder mit
ihren Bodenschutzgesetzen erreichen wollen. Das erste Bundesbodenschutzgesetz
wurde Anfang 1998 verabschiedet; in vier Bundesländern waren zu diesem Zeitpunkt
bereits Landes-Bodenschutzgesetze in Kraft (zum Teil allerdings noch spezifiziert auf
die Altlastenbeseitigung), und zwar in Baden-Württemberg, in Hessen, im Freistaat
Sachsen und im Land Berlin. Mittlerweile haben alle Bundesländer Bodenschutzgesetze
erlassen.79 Darüber hinaus gibt es bereits ausländische Erfahrungen und Beispiele, z. B.
in der Schweiz, den Niederlanden, Italien, auch in Asien.
Wenn vom Bodenschutzrecht die Rede ist, muss auch das sehr viel ältere und traditi-
onsreiche Bergrecht erwähnt werden, das sich mit den tiefer im Boden liegenden Bo-
denschätzen beschäftigt. Das bis dahin landesrechtlich zersplitterte Bergrecht wurde
1980 durch das Bundesberggesetz80 vereinheitlicht. Rechtlich am wichtigsten ist die
Unterscheidung zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Durch die
bergfreien Bodenschätze wird die Grundregel des BGB durchbrochen, wonach sich
das Bodeneigentum auch in die Tiefe („bis zum Erdmittelpunkt“) erstreckt. Nach
§ 905 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auf den Raum
über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer
kann jedoch solche Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe
vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Durch das
Bergrecht sind die dort aufgezählten bergfreien Bodenschätze (alle Metalle, Erze,
Kohle, auch Erdöl, Erdgase, Erdwärme) aus dem Grundeigentum herausgenommen
und dem Staat zugeordnet. Das Aufsuchen und Gewinnen der bergfreien Bodenschätze
bedarf der staatlichen Erlaubnis, Bewilligung oder (als intensivste Form der Verlei-
hung) der Gewährung des sog. Bergwerkseigentums. Zuvor muss in aller Regel ein
Betriebsplan eingereicht werden.81 Im Eigentum des Grundeigentümers verblieben
sind (vorbehaltlich anderslautenden Landesrechts) insbesondere oberflächennahe Bo-
denschätze wie Ton, Kies, Steine, Sand, Schiefer. Der Abbau dieser Stoffe unterliegt im

79 Z. B. Thüringen, vgl. Thüringer Bodenschutzgesetz (ThürBodSchG) vom 16. Dezember 2003 (GVBl. 2003,
S. 511) mit nachfolgenden Änderungen.
80 Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) mit nachfolgenden Änderungen.
81 Zum Verhältnis von Bebauungsplänen und bergrechtlichen Betriebsplänen vgl. BVerwG, B. v. 16.3.2001 –
4 BN 15.01 –, ZfBR 2001, 347.

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Tagebau dem Baugesetzbuch: Nach § 29 Abs. 1 BauGB gelten die planungsrechtlichen


Genehmigungsvorschriften auch für „Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Aus-
schachtungen“.

e) Naturschutz- und Landespflegegesetze. Das Bundesnaturschutzgesetz trat 1976 als


Bundesrahmengesetz in Kraft und erreichte eine gewisse Vereinheitlichung dieser Ma-
terie. Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 galt (mangels Bundeskompe-
tenz) nach 1945 nur als Länderrecht weiter. Inzwischen haben alle Bundesländer mo-
derne Naturschutz- und Landespflegegesetze verabschiedet und nach der
Föderalismusreform 2006 an die neue Rechtslage angepasst (vgl. Kap. B.I.4). Das
Bundesnaturschutzgesetz sollte eigentlich schon parallel zur Überarbeitung des BauGB
durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 umfassend novelliert werden. Nach
kontroversen Diskussionen im Bundesrat einigte man sich im Vermittlungsausschuss
auf eine kleine Novelle, die erst im Frühjahr 1998 im Bundestag eine Mehrheit fand.
Mit der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 wurden die
notwendigen Anpassungen an die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Nr. 92/43/EWG im
Ganzen vollzogen.
Die sog. „kleine Bundesnaturschutzgesetz-Novelle“ im Jahr 2008 geht auf ein gegen
die Bundesrepublik Deutschland ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 10.1.200682 zurück, wonach die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere
und Pflanzen u. a. im BNatSchG i. d. F. v. 25.3.2002 nicht vollständig in nationales
Recht umgesetzt worden ist. Durch die Novelle 2008 wurde der Begriff „Projekt“
aufgegeben. Stattdessen wird auf den Begriff des Vorhabens mit der Folge zurückge-
griffen, dass nun nicht mehr zwischen Projekten innerhalb oder außerhalb besonderer
Schutzgebiete unterschieden wird.
Die Novelle des Jahres 2009 (in Kraft getreten am 1.3.2010) verfolgte schließlich die
Realisierung mehrerer wichtiger Anliegen:
– die Schaffung von Vollregelungen des Bundes, die über die bisherige Rahmenge-
setzgebung hinausgehen und für alle Bürger unmittelbar gelten;
– die Eingliederung bislang landesrechtlicher Regelungen in Bundesrecht, soweit er-
forderlich;
– die Umsetzung europäischer Vorgaben einheitlich im Bundesnaturschutzgesetz,
wodurch die bisherige zweistufige Regelung durch Bund und Länder überwunden
wird;
– die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Naturschutzrechts mit dem Ziel, die
Verständlichkeit zu verbessern und die Anwendbarkeit zu erleichtern;
– die ausdrückliche Benennung der allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes durch
den Bundesgesetzgeber, die von den Ländern nicht geändert werden können.83
Die entscheidenden Berührungspunkte des Naturschutzrechts mit dem Bauplanungs-
recht sind:
– das Neben- und/oder Miteinander von Landschaftsrahmenplänen, Landschaftsplä-
nen und Grünordnungsplänen mit Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen
(landesrechtlich unterschiedlich geregelt);
– die Sperrwirkung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten gegenüber der Bauleit-
planung und baulichen Vorhaben (dazu mehr in den Kapiteln B.IV., V. und VIII.;
Grundregel: Schutzgebiete dürfen von Bebauungsplänen nicht erfasst werden);
– die Auswirkungen der sog. „Eingriffsregelung“ auf Bauleitplanung und Baugeneh-
migung;
– die Hemmnisse des Artenschutzes für die verbindliche Bauleitplanung.

82 Vgl. EuGH, U. v. 10.1.2006 – Rs. C–98/03 –, NuR 2006, 166.


83 Vgl. hierzu ausführlich: Erbguth, Schlacke 2010: Umweltrecht. 3. Aufl., Baden-Baden, S. 35.

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Die Eingriffsregelung soll an anderer Stelle ausführlicher beschrieben werden (siehe


Kapitel B.III. zum Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis). Nur so viel sei be-
reits gesagt: Nach der „Eingriffsregelung“ sind unvermeidbare Eingriffe in Natur und
Landschaft grundsätzlich durch Wiederherstellung an Ort und Stelle oder durch Maß-
nahmen zugunsten von Natur und Landschaft an anderer Stelle zu kompensieren. Das
Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz von 1993 hatte zu diesen Fragen
durch Einfügung der §§ 8a bis 8c in das Bundesnaturschutzgesetz eine erste Regelung
getroffen (heute in §§ 13–18 BNatSchG); mittlerweile wurden diese Regeln in das
Baugesetzbuch übernommen. (Näheres dazu wie gesagt im Kapitel B.III.4. „Abwägung
und Abwägungsergebnis“ und auch im Kapitel B.V. „Die Bebauungspläne“.)
Die Landschaftsplanung ist aus dem Naturschutz hervorgegangen, deshalb sind die
Landschaftspläne in den Naturschutzgesetzen der Länder geregelt, die wiederum häu-
fig auch die Landschaftspflege im Titel tragen (so auch das Bundesnaturschutzgesetz,
dessen vollständiger Titel lautet: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege, erst-
mals in Kraft getreten am 24.12.1976). Die gesetzlich geregelte Landschaftspflege be-
gann mit Vorschriften zum Schutz „landschaftlich hervorragender Gegenden gegen
Verunstaltungen“ (dies war das Ziel eines 1902 ergangenen Preußischen Gesetzes) und
setzte sich fort in Heimatschutzgesetzen (Lippe-Detmold, 1920) sowie dem Reichsna-
turschutzgesetz vom 26.6.1935. Schönheit, Seltenheit, Schmuckwert der Landschaft,
Natursehnsucht und Heimatgefühl als Gemütswerte sollten gefördert und geschützt
werden. Das Reichsnaturschutzgesetz galt nach 1945 zunächst als Landesrecht fort,
bis es durch das BNatSchG abgelöst wurde. Bereits in § 1 des BNatSchG wird deutlich
gemacht, dass Naturschutz und Landschaftspflege nicht dort enden, wo die Besiedlung
beginnt und sich – wie die Bauleitplanung – auch ihrer Verantwortung gegenüber
künftigen Generationen bewusst sein muss.
Die letzte Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes führt 201784 zum Teil umweltpoli-
tisch motivierte Neuregelungen ein. Diese betreffen die Einrichtung des Biotopver-
bunds nach § 21 BNatSchG durch die Bundesländer, eine Ergänzung der Zielbestim-
mung der Naturparke nach § 27 BNatSchG, die Aufnahme von Höhlen und
naturnahen Stollen in die Liste der geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG, den
Schutz von Hecken nach § 39 BNatSchG, eine Anpassung des § 44 Absatz 5 an Anfor-
derungen der Rechtsprechung,85 eine Klarstellung der Zuständigkeiten für arten-
schutzrechtliche Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG, die Einführung einer Vor-
schrift zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in der deutschen
ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und im Bereich des Festlandsockels – § 56a
BNatSchG neu – sowie eine Erweiterung der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsver-
ordnungen zum Schutz von Meeresgebieten in der AWZ in § 57 BNatSchG.
Landschaftsschutz und Naturschutz finden auch und gerade aber in den Städten statt.
Sowohl das Bundesnaturschutzgesetz (hier § 11) als auch die meisten Landesgesetze
unterscheiden terminologisch zwischen „Landschaftsplänen“ und „Grünordnungsplä-
nen“. Üblicherweise beziehen sich Landschaftspläne jedoch auf das ganze Gemeinde-
gebiet und entsprechen insoweit den Flächennutzungsplänen nach dem BauGB; Grün-
ordnungspläne betreffen demgegenüber kleinere Gebiete und beziehen sich auf
Bebauungspläne. In Bayern sind Landschafts- und Grünordnungspläne sogar vorge-
schriebener Bestandteil von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, also in beiden
Fällen vom Träger der Bauleitplanung aufzustellen86, während Thüringen festlegt, dass
die Landschaftspläne als eigenständige Fachpläne des Naturschutzes und der Land-

84 BGBl. I S. 3434; BT-DRS. 18/11939 vom 12.4.2017 (Regierungsentwurf).


85 BVerwG, U. v. 13.5.2009 – 9 A 73/07 –, NVwZ 2009, 1296; BVerwG, U. v. 8.1.2014 – 9 A 4/13 –, DÖV
2014, 678.
86 Vgl. § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der
freien Natur (Bayerisches Naturschutzgesetz – BayNatSchG) vom 23. Februar 2011 (GVBl. 2011, S. 82).

85

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schaftspflege auf der Grundlage des Landschaftsrahmenplans von den unteren Natur-
schutzbehörden, die Grünordnungspläne auf der Grundlage des Landschaftsrahmen-
plans und der Landschaftspläne von den Trägern der Bauleitplanung, also arbeitsteilig,
erstellt werden.87 In den Landschaftsplänen sind die örtlichen Erfordernisse und Maß-
nahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschafspflege
mit Text, Karte und zusätzlicher Begründung näher darzustellen. Grünordnungspläne
sollen in besonderem Maße Darstellungen von Zustand, Funktion, Ausstattung und
Entwicklung der Frei- und Grünflächen enthalten.
Landschafts- und Grünordnungspläne sollen Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und
zur Entwicklung von Natur und Landschaft insbesondere zugunsten folgender Ge-
sichtspunkte beschreiben oder festsetzen88:
1. für den Arten- und Biotopschutz unter Berücksichtigung der Ausbreitungslinien
von Tieren und Pflanzen wildlebender Arten, insbesondere der besonders geschütz-
ten Arten,
2. zum Schutz von Freiflächen, die zur Erhaltung oder Verbesserung des örtlichen
Klimas von Bedeutung sind,
3. zur Vermeidung von Bodenerosionen, zur Regeneration von Böden sowie zur Er-
haltung und Förderung eines günstigen Bodenzustands,
4. zur Erhaltung und Verbesserung der Grundwassersituation, Wasserrückhaltung
und Renaturierung von Gewässern,
5. zur Erhaltung der typischen Landschafts- und Ortsbilder sowie zur Beseitigung
von Anlagen, die das Landschaftsbild beeinträchtigen und auf Dauer nicht mehr
genutzt werden,
6. zur Errichtung von Grün- und Erholungsanlagen, Kleingärten, Wander-, Rad- und
Reitwegen sowie landschaftsgebundenen Sportanlagen,
7. zur Anlage oder Anpflanzung von Flurgehölzen, Hecken, Büschen, Schutzpflan-
zungen, Alleen, Baumgruppen oder Einzelbäumen,
8. zur Erhaltung und Pflege von Baumbeständen und Grünflächen.
Dieser umfassende Katalog macht sichtbar, dass die Landschafts- und Grünordnungs-
planung herausragende Bedeutung auch für die Bauleitplanung haben kann, wenn sie
offensiv genutzt wird. Einige Bundesländer schreiben vor, dass Bauleitplanung ohne
parallele oder vorgehende Landschaftsplanung grundsätzlich nicht möglich ist.89 In
anderen Ländern soll die Landschaftsplanung in integrativer Form zusammen mit der
Bauleitplanung stattfinden (so das bayerische Modell). In den Bundesländern, in denen
Landschafts- und/oder Grünordnungspläne als selbständige Rechtsnorm (Satzung)
aufgestellt werden können, sind die Grundeigentümer nach entsprechender Aufforde-
rung durch die Gemeinde verpflichtet, die festgesetzten Maßnahmen entweder selbst
durchzuführen oder ihre Vornahme seitens der Gemeinde zu dulden. Ein Anspruch
auf Entschädigung besteht nur dann, wenn „Beschränkungen der Nutzungsrechte oder
Pflichten in einem Ausmaß auferlegt werden, das über die Sozialbindung des Eigen-
tums hinausgeht“.90 Als Faustformel kann man sagen, dass Vorschriften mit dem Ziel
der Erhaltung und der natur- und landschaftsgerechten Fortführung des gegenwärtigen
Zustands eines Grundstücks entschädigungslos hingenommen werden müssen; Dünge-
mittelverbote, Umwandlungsgebote (Acker zu Grünland), Untersagungen bestimmter,
vorher ausgeübter Nutzungen sind dagegen in der Regel entschädigungspflichtig. Na-

87 Vgl. § 5 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes für Natur und Landschaft (ThürNatG) in der Fassung der Bekannt-
machung vom 30. August 2006 (GVBl. 2006, S. 421) mit nachfolgenden Änderungen.
88 In Anlehnung an § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Bereinigung des Brandenburgischen Naturschutzrechts vom
21. Januar 2013 (GVBl. 2013 Nr. 3).
89 So z. B. Rheinland-Pfalz – vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 22.8.1993 – 10 C 12502/92 –, NVwZ
RR 1995, 75.
90 So § 71 BgbNatSchG.

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

tur- und Landschaftsschutzgebiete zum Schutz typischer Ökosysteme, natürlicher Le-


bensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen, der Leistungsfähigkeit des Naturhaus-
halts oder des besonders reizvollen Landschaftsbildes werden vorzugsweise außerhalb
der Städte festgesetzt. Möglich ist dies aber auch in den Grünbereichen der Städte oder
an den Übergangsbereichen zur Landschaft. In solchen Fällen kann es zu Kollisionen
zwischen Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten und Baugebieten kommen.
Grundregel ist hier, dass durch RVO festgelegte Naturschutz- oder Landschaftsschutz-
gebiete förmlich aufgehoben werden müssen, bevor sie mittels Bebauungsplänen zur
Bebauung freigegeben werden können. Im Einzelfall kann es auch ausreichen, wenn
sich der Widerspruch zwischen LandschaftsschutzVO und Bebauungsplan durch eine
naturschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung regeln lässt.91
Wichtige Hilfsinstrumente einer ökologisch orientierten Bauleitplanung sind schließ-
lich kommunale Baumschutzsatzungen.92
Bodendenkmale (nach Denkmalschutzrecht), Naturdenkmale und geschützte Biotope
(Naturschutzrecht) können auch im Siedlungsbereich planungsrechtliche Zwangs-
punkte darstellen. Bei den nach § 30 BNatSchG geschützten Lebensräumen ist zu be-
achten, dass sie auch ohne naturschutzrechtliche Ausweisung per Gesetz geschützt
sind. Zu ihnen gehören u. a. Nasswiesen, Trockenrasen und Gebüsche trockenwarmer
Standorte. Um die Qualität der Biotope einzuordnen und deren Schutzstatus festzustel-
len, ist i. d. R. die Erarbeitung eines Fachgutachtens, meist in Form eines Grünord-
nungsplans, sowie die Beteiligung der Naturschutzbehörden erforderlich. Für die na-
turschutzfachliche Bewertung eines Gebiets können auch sog. Rote Listen seltener und
gefährdeter Pflanzen, Tiere und Lebensräume sowie lokale Biotoptypenkartierungen
herangezogen werden. Sie besitzen allerdings keine Rechtsverbindlichkeit.

f) Das Denkmalschutzrecht. Der Denkmalschutz gehört zu den kulturellen Aufgaben


des Staates. Nach der Verfassungsordnung des GG gehört „die Kultur“ zur Gesetzge-
bungskompetenz der Länder. Deshalb ist der Denkmalschutz voll und ganz durch
Landesrecht geregelt (auch wenn der Bund z. B. durch seine Steuergesetzgebung eben-
falls Einfluss auf die Erhaltung von Denkmalen nimmt oder nach dem Baugesetzbuch
städtebauliche Erhaltungsgebiete festgesetzt werden können). Für die Bauleitplanung
besonders wichtig und in die Pläne nachrichtlich zu übernehmen sind die Anlagen, die
in die jeweiligen Denkmalbücher oder Denkmallisten eingetragen sind. In den Landes-
Denkmalgesetzen ist unterschiedlich geregelt, ob die Eintragung ein konstitutiver oder
nur ein deklaratorischer Akt ist.93 Im konstitutiven System wird die bauliche Anlage
erst mit der Eintragung im Rechtssinn zum Denkmal.94 Im deklaratorischen System95
stellt die Eintragung nur eine Bekräftigung der ipso iure vorhandenen Denkmaleigen-
schaft des Gegenstands dar; was ein Denkmal ist, wird nach mehr oder weniger objek-
tiven Gesichtspunkten vorab entschieden.96 Vom Bauherren gewünschte Eingriffe in
denkmalgeschützte Anlagen sind oft schwierig und mit intensiven Auseinandersetzun-
gen mit den zuständigen Denkmalbehörden verbunden. Der Denkmalschutz eines
Baudenkmals betrifft auch dessen Umgebung, so dass bereits Veränderungen dort um-
stritten sein können. Bei historisch oder städtebaulich-gestalterisch gewachsenen Ein-
heiten mit gesteigertem Zeugniswert für bestimmte geschichtliche Entwicklungen, für

91 BVerwG, B. v. 9.2.2004 – 4 BN 28.03 –, ZfBR 2004, 380.


92 Beispiel aus Berlin: VG Berlin, 11.2.2004 – VG 1 A 230.01 –, Grundeigentum 2004, 429 (Regelung der
Ausgleichsabgabe wegen Unbestimmtheit nichtig).
93 Systemvergleich in Hessischer VGH, 10.8.1992 – 12 UE 2254/89 –, NVwZ-RR 1993, 462.
94 So verfahren Berlin, Bremen, Nordrh.-Westf., Schl.-Holst.
95 Angewendet in Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Mischsysteme sind vorhanden in Bay-
ern, Bad.-Württ., Hamburg, Rh.-Pfalz.
96 Zum objektiven Denkmalbegriff vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 21.8.1987 – 6 A 148/86 –, NVwZ
1988, 375 (es gibt keine gekürten Denkmale wie gesetzte Gedenksteine oder Erinnerungsstätten).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

besondere künstlerische, auch technische Errungenschaften oder städtebauliche


Gegebenheiten an einem bestimmten Ort können größere zusammenhängende Teile
eines Siedlungsteils (auch Garten- oder Parkanlagen) in einem Denkmalbereich zusam-
mengeschlossen werden, auch wenn es einzelnen Bestandteilen darin an der sonst für
ein Denkmal erforderlichen Denkmalwürdigkeit fehlt.

Literatur zum Kapitel I: Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines zur Geschichte des Bau- und Planungsrechts:
2010: Krautzberger, Michael, 50 Jahre Städtebaurecht des Bundes, in: NVwZ 2010, 729–733;
Stüer, Bernhard, Städtebaurecht 2009: Plansicherung – Planbegleitung – planungsrechtliche Zu-
lässigkeit, in: DVBl 2010, 424–435; Stüer, Bernhard/Ehebrecht-Stüer, Eva-Maria, Reformbedarf
im BauGB?, in: DVBl 2010, 1540–1547; 2011: Häde, Ulrich, Föderalismusreform in Deutsch-
land – auf dem Weg zur dritten Stufe, in: LKV 2011, 97–103; 2014: Beckmann, Klaus, Die
Baurechtsnovelle BauGB 2013 – eine Übersicht über die wichtigsten formellen und materiellen
Änderungen des BauGB in: KommJur 2014, 286–293; 2017: Schröer, Thomas/Kümmel, Dennis,
Aktuelles zum öffentlichen Baurecht, in: NVwZ 2017, 1269 –1272; 2018: Krautzberger, Mi-
chael/Stüer, Bernhard, Städtebaurechtsnovelle 2017, in: DVBl 2018, 7–16.
2. Bauordnungsrecht (siehe auch die Literaturhinweise zum Kapitel VII – Die Baugenehmigung):
2010: Jäde, Henning, Aktuelle Entwicklungen im Bauordnungsrecht 2009/2010, in: ZfBR 2010,
551; Jäde, Henning, Schnittpunkte Bauordnungsrecht und Planungsrecht am Beispiel von Werbe-
anlagen, in: ZfBR 2010, 34–45; Krautzberger, Michael/Martin, Dieter J.; Denkmalschutz und
Denkmalpflege. IV. Bauordnung und Denkmal. 1. Bauordnungsrecht und Denkmalschutz, 2.
Baudenkmal und Bauordnungsrecht, 3. Denkmal im Baugenehmigungsverfahren, 4. Materielle
Vereinbarkeit von Denkmälern mit dem Bauordnungsrecht, wenn eine Baugenehmigung nicht
erforderlich ist, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege 3. Auflage 2010; Schröer, Tho-
mas, Zur Stellplatzablösepflicht bei Ersatzbauten, in: ZfBR 2010, 161–162; Weber, Britta, Die
Haftung des Architekten für Verletzungen der vertraglichen Bauaufsichtspflicht – Eine Übersicht
unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberge-
richte, in: ZfBR 2010, 107–112; 2011: Bringewat, Jörn, Geltungsverlust einer Baugenehmigung
bei Nutzungsunterbrechung – Neue Entwicklungen?, in: NVwZ 2011, 733–735; Kubicek, Rai-
ner, Tieffrequenter Schall als zu bewältigender Konflikt u. a. bei der Genehmigung von Biogasan-
lagen und Blockheizkraftwerken in der Nachbarschaft zur Wohnbebauung, in: ZfBR 2011, 226–
227; Hornmann, Gerhard, Hessische Bauordnung 2011, in: NVwZ 2011, , 212–214; Jäde, Hen-
ning, Aktuelle Entwicklungen im Bauordnungsrecht 2010/2011, in: ZfBR 2011, 427–435; Phi-
lipp, Ortwin, Die Baugenehmigungsbedürftigkeit von Solaranlagen, in: LKV 2011, 208–212;
Wilrich, Thomas, Baustellenverordnung gilt auch bei genehmigungsfreien Bauvorhaben, in: Die
Berufsgenossenschaft, 52; 2012: Otto, Christian-W., Rechtsschutz gegen genehmigungsfreie Bau-
vorhaben, in: ZfBR 2012, 15–22; 2013: Schröer, Thomas/Kullick, Christian, Aktuelle Rechtspre-
chung zu nachbarlichen (Abwehr-)Rechten, in: NZBau 2013, 218–220; Guckelberger, Annette,
Der Umgang im Baurecht mit Werbeanlagen, dargestellt am Beispiel der Videowalls, in: ZFBR
2013, Seite 425–433; Otto, Christian-W., Geändertes Abstandsflächenrecht der Musterbauord-
nung 2012 (MBO) – Droht das Abstandsflächenrecht im Chaos zu versinken?, in: ZfBR 2013,
Seite 24–30; 2014: Otto, Christian-W., Geändertes Abstandsflächenrecht der Musterbauordnung
2012 (MBO) – Droht das Abstandsflächenrecht im Chaos zu versinken?, in: ZfBR 2014, 24–
30; Boeddinghaus, Gerhard, Notwendige Änderungen im Abstandsflächenrecht nach der MBO
2012, in: ZfBR 2014, 731–732; 2015: Jäde, Henning, Die Entwicklung des Bauordnungsrechts
2011–2014, in: ZfBR 2015, 19–31; Albrecht, Eike/Zschiegner, André, Landesgesetzliche Ab-
standsregelungen für Windkraftanlagen nach § 249 Absatz III BauGB auf dem rechtlichen Prüf-
stand, in: NVwZ 2015, 1093–1099; 2017: Möckel, Stefan, Landesrechtliche Regelungsspiel-
räume für ordnungs- und planungsrechtliche Anforderungen an die landwirtschaftliche
Bodennutzung, in: DÖV 2017, 192–203.; Otto, Christian-W., Abweichung im Abstandsflächen-
recht ohne Atypik, in: ZfBR 2017, 435–438.
3. Privates Nachbarrecht:
2010: Keldungs, Karl-Heinz, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum privaten Baurecht
2009, in: BauR 2010, 1494–1503; 2011: Keldungs, Karl-Heinz, Die Rechtsprechung der Ober-
landesgerichte zum privaten Baurecht 2011, in: BauR 2012, 1305–1314; Müller-Wiesenhaken,

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Wolfram, Tieffrequenter Schall als zu bewältigender Konflikt u. a. bei der Genehmigung von
Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken in der Nachbarschaft zur Wohnbebauung, in: ZfBR
2011, 217–227; Weick, Günter, Die rechtliche Bewältigung von Schäden durch Bäume, in: NJW
2011, 1702–1708; 2012: Kirchhof, Florian, Durchsetzung und Abwehr nachbarrechtlicher An-
sprüche auf Duldung von Baumaßnahmen am fremden Grundstück, in: NZBau 2012, 206–209;
Lüneborg, Cäcilie, Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nur bei „grenzüberschreitender“ Im-
mission?, in: NJW 2012, 3745–3751; 2014: Michl, Fabian, Duldungsverfügung, Privatrecht und
Rechtsschutz des Drittberechtigten zur Entbehrlichkeit der sicherheitsrechtlichen Duldungs-
verfügung, in: NVwZ 2014, 1206–1211; 2015: Stollenwerk, Detlef, Der qualmende Kamin des
Nachbarn, in: KommJur 2015, 326–329; Kuchler, Ferdinand, Der wechselseitige Abstandsflä-
chenverstoß, in: BauR 2015, 1580–1601; Keldungs, Karl-Heinz, Die Rechtsprechung der Ober-
landesgerichte zum privaten Baurecht 2014, in: BauR 2015, 1395–1404; 2017: Charnitzky, Mi-
lena/Rung, Christoph, Die Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte im öffentlichen Baurecht –
Teil 1, in: BauR 2017, 1254–1258; Charnitzky, Milena/Rung, Christoph, Die Verwirkung nach-
barlicher Abwehrrechte im öffentlichen Baurecht – Teil 2, in: BauR 2017, 1406–1416.
4. Raumordnungsrecht, Recht der Landesplanung:
2010: Deutsch, Markus, Raumordnung als Auffangkompetenz? – Zur Regelungsbefugnis der
Raumordnungspläne, in: NVwZ 2010, 1520–1524; Kuschnerus, Ulrich, Die Steuerung des Einzel-
handels durch landesplanerische Ziele der Raumordnung, in: ZfBR 2010, 324–331; Scheidler, Al-
fred, Vorgaben zur Umweltplanung im Raumordnungsgesetz 2009, in: NVwZ 2010, 19–22; Ver-
heyen, Roda, Die Bedeutung des Klimaschutzes bei der Genehmigung von Kohlekraftwerken und
bei der Zulassung des Kohleabbaus, in: ZUR 2010, 403–411; 2011: Durner, Wolfgang, Die aktuel-
len Vorschläge für ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) – Bewertung der Verfassungs-
mäßigkeit und des Beschleunigungspotentials, in: DVBl 2011, 853–862; Erbguth, Wilfried, Unter-
irdische Raumordnung – zur raumordnungsrechtlichen Steuerung untertägiger Vorhaben, in: ZUR
2011, 121–126; Kment, Martin, Raumplanung unter Ungewissheit, in: ZUR 2011, 127–132;
Langguth, Niklas, Die Grenzen der Raumordnungsplanung – Zur Abgrenzung der Gesetzgebungs-
kompetenzen für Raumordnung und Bauleitplanung, in: ZfBR 2011, 436–441; Lieber, Tobias,
Aufgaben und Kompetenzgrenzen der Raumordnung – Eine Erwiderung, in: NVwZ 2011, 910–
914; Milstein, Alexander/Schnittker, Daniel/Jarass, Hans D., Schwerpunktbereich – Einführung in
das Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, in: JuS 2011, 215; Moench, Christoph/Ruttloff,
Marc, Netzausbau in Beschleunigung, in: NVwZ 2011, 1040–1046; Reidt, Olaf, Regelungsmög-
lichkeiten und -grenzen in Raumordnungsplänen – dargestellt am Beispiel des Klimaschutzes, in:
DVBl 2011, 789–796; Rojahn, Ondolf, Umweltschutz in der raumordnerischen Standortplanung
von Infrastrukturvorhaben, in: NVwZ 2011, 654–662; Schubert, Mathias, Landes- und Wirt-
schaftsentwicklung zu Wasser: Raumordnungspläne für die Nord- und Ostsee 18. Rostocker Ge-
spräch zum Seerecht und Infrastrukturrecht am 15.11.2010, in: NVwZ 2011, 150–152; Schütte,
Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Entwicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR 2011, 554–558;
Uechtritz, Michael, Neues zur raumordnerischen Einzelhandelssteuerung: Zulässigkeit von Kon-
gruenzgeboten als Soll-Ziele, in: ZfBR 2011, 648–656 – zugleich Anmerkung zu BVerwG, Urt. v.
16.12.2010 – 4 C 8.10, ZfBR 2011, 255 und ZfBR 2011, 648; 2012: Appel, Markus/Eding, Anne-
gret, Verfassungsrechtliche Fragen der Verordnungsermächtigung des § 2 Absatz II NABEG, in:
NVwZ 2012, 343–347; Erbguth, Wilfried, Energiewende: großräumige Steuerung der Elektrizi-
tätsversorgung zwischen Bund und Ländern, in: NVwZ 2012, 326–332; Herrmann, Friederike/
Sanden, Joachim/Schomerus, Thomas/Schulze, Falk, Ressourcenschutzrecht – Ziele, Herausforde-
rungen, Regelungsvorschläge, in: ZUR 2012, 523–531; Hofmann, Heiko, Kommunale Konzessi-
onsverträge im Lichte des Energiewirtschafts- und Wettbewerbsrechts, in: NZBau 2012, 11–17;
Jenn, Matthias, Windenergie: Zahlreiche rechtliche Besonderheiten, in: ZfBR 2012, 13–24; Klin-
ger, Remo/Wegener, Henrike, Klimaschutzziele in der Raumordnung, in: NVwZ 2011, 905–910;
Kment, Martin, Ebenenspezifische Planung – Konfliktbewältigung – Erforderlichkeit der Planung:
Die Raumordnung im Spannungsfeld planerischer Gebote, in: BauR 2012, 1867–1872; Kümper,
Boas, Flächennutzungsplan, Raumordnungsplan und Fachplan – Vertikale Anpassungs- und hori-
zontale Koordinierungserfordernisse, in: ZfBR 2012, 631–640; Schmitz, Holger/Jornitz, Philipp,
Regulierung des deutschen und des europäischen Energienetzes: Der Bundesgesetzgeber setzt Maß-
stäbe für den kontinentalen Netzausbau, in: NVwZ 2012, 332–338; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Ist
in der Regionalplanung Parzellenschärfe erforderlich?, in: LKV 2012, 49–56; Schmidt-Eichstaedt,
Gerd, Zur Methodik und Wirkung der Festlegung von Eignungsgebieten für die Windkraftnutzung
durch die Regionalplanung, in: LKV 2012, 481–488; Schmitz, Holger/Jornitz, Philipp, Regulie-
rung des deutschen und des europäischen Energienetzes: Der Bundesgesetzgeber setzt Maßstäbe

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

für den kontinentalen Netzausbau, in: NVwZ 2012, 332–338; 2013: Appel, Markus, Bundesfach-
planung versus landesplanerische Ziele der Raumordnung, in NVwZ 2013, 457–463; Hellriegel,
Matthias, Rechtsrahmen für eine Raumordnung zur Steuerung unterirdischer Nutzungen, in:
NVwZ 2013, 111–116; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Repowering in der Regionalplanung – Welche
Festlegungen sind in Regionalplänen zugunsten des Repowering zulässig oder sogar geboten?, in:
ZfBR 2013, 639–647; 2014: Knöbl, Jan, Die Agglomerationsregelung in der Regionalplanung, in:
ZfBR 2014, 331–335; Haselmann, Cosima, Zur bauplanungsrechtlichen Ausschlusswirkung der
raumordnerischen Gebietsarten, in: ZfBR Jahr 2014, 529–534; Kümper, Boas, Das Verhältnis der
Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur Raumordnung der Länder, in: NVwZ 2014, 1409–
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siedlungssteuerung des großflächigen Einzelhandels, in: ZfBR 2015, 124–131; Schink, Alexander,
Vorranggebiete für die Windenergienutzung in Regionalplänen, in: ZfBR 2015, 232–239; Kümper,
Boas/Milstein, Alexander, Wirksamkeitsakzessorietät und Planerhaltung bei Raumordnungsplä-
nen, in: NVwZ 2015, 8–13; Reese, Moritz, Klimaanpassung im Raumplanungsrecht, in: ZUR
2015, 16– 27; Weghake, David, Raumplanung und Klimawandel, in: BauR 2015, 44–49; 2016:
Wagner, Stephan, Verbindlich oder (ausnahmsweise) doch nicht? Die raumordnungsrechtliche
Ewigkeitsfrage der Letztabgewogenheit von Zielen der Raumordnung, in: ZfBR Jahr 2016, 537–
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FOC-Mietverträgen, in: ZfBR Jahr 2016, 651–658; Battis, Ulrich, Raumplanungsrecht und Wett-
bewerb, in: ZRP 2016, 107– 111; Schlacke, Sabine/Schnittker, Daniel, Fracking und Raumord-
nung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, in: ZUR 2016, 259–269; 2017:
Erbguth, Wilfried, Private Belange in der raumordnerischen Abwägung: Eigentumsschutz versus
Typisierung, in: NVwZ Jahr 2017, 683–685; Hager, Gerd, Wettbewerbsneutralität – Dogma oder
Mantra des Raumplanungsrechts?, in: BauR 2017, 194–199; 2018: Kümper, Boas, Raumordnung
und Bauleitplanung – Überörtliche und örtliche Gesamtplanung als Planungshierarchie und aus
Sicht der Vorhabenzulassung, in: DVBl 2018, 70–79; Butt, Mark/Linde, Eva, Die Steuerung von
Einzelhandelsagglomerationen in der Raumordnung, in: BauR 2018, 40–50; Kümper, Boas,
Raumordnung und Bauleitplanung – Regelungsbefugnisse der Raumordnung und Bindungswir-
kungen raumordnerischer Festlegungen für die Bauleitplanung –, in: ZfBR 2018, 119–127.
5. Raumordnung im Küstenmeer und in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone:
2010: Wolf, Rainer, Eingriffsregelung in der AWZ, in: ZUR 2010, 365–371; 2011: Böttcher, Leif,
Das Meer als Rechtsraum – Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts auf Offshore-Windkraftanla-
gen und Möglichkeiten der Kreditsicherung, in: RNotZ 2011, 589–601; Dannecker, Marcus/
Kerth, Yvonne, Die Verwaltungspraxis des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)
bei der Genehmigung von Offshore-Windparks – Stärken, Schwächen, Reformbedarf, in: DVBl
2011, 1460–1467; Schubert, Mathias, Landes- und Wirtschaftsentwicklung zu Wasser: Raumord-
nungspläne für die Nord- und Ostsee – 18. Rostocker Gespräch zum Seerecht und Infrastruktur-
recht am 15.11.2010, in: NVwZ 2011, 150–152; 2012: Büllesfeld, Dirk, Das neue Zulassungsre-
gime für Offshore-Windenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), in: ZUR
2012, 274–280; Matz-Lück, Nele/Fuchs, Johannes, Die Ausweisung mariner Schutzgebiete in ho-
heitsfreien Räumen am Beispiel des OSPAR-Abkommens, in: ZUR 2012, 532–543; Spieth, Fried-
rich/Uibeleisen, Maximilian, Neues Genehmigungsregime für Offshore-Windparks, in NVwZ
2012, 321–326; 2016: Pesch, Sebastian, Maritime Grenzen zwischen Bundesländern in der deut-
schen Ausschließlichen Wirtschaftszone, in: DÖV 2016, 645–651; 2017: Uibeleisen, Maximilian,
Das neue WindSeeG, in: NVwZ 2017, 7–12; 2018: Salomon, Markus/Schumacher, Jochen, Natura
2000-Gebiete in der deutschen AWZ – Wann wird aus Schutzgebieten Schutz?, in: ZUR 2018, 84–
94.
6. Das Raumordnungsverfahren:
2010: Kment, Martin, Das Raumordnungsverfahren – Befristung und Fristverlängerung, in:
NVwZ 2010, 542–545; 2012: Hertel, Wolfram/Munding, Christoph-David, „Frühe Öffentlich-
keitsbeteiligung“ bei der Planung von Großvorhaben, in: NJW 2012, 2622–2625; Ziekow, Jan,
Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentari-
schen Demokratie, in: NJW 2012, 91–94; 2015: Schmitz, Holger/Haselmann, Cosima, Das raum-
ordnerische Wegplanen von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen und seine entschädi-
gungsrechtlichen Folgen, in: NVwZ 2015, 846–851.
7. Fachplanungsrecht/Planfeststellung:
2010: Dziallas, Olaf, „Projekthindernis“ Planfeststellung, in: NZBau 2010, 362–363; Götze,
Roman/Boelling, Anemon/Löscher, Lucretia, Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Fachplanungs-
flächen – Planungsrechtliche und vergütungsrechtliche Rahmenbedingungen am Beispiel der

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

Nachnutzung von Deponien, in: ZUR 2010, 245–252; Holznagel, Bernd/Nagel, Janina, Verfah-
rensbeschleunigung nach dem Energieleitungsausbaugesetz – Verfassungsrechtliche Grenzen und
Alternativen, in: DVBl 2010, 669–667; Ogorek, Markus, Die Anfechtung von Planfeststellungsbe-
schlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NVwZ
2010, 401–405; Zabel, Lorenz, Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung nach dem novellier-
ten Wasserhaushaltsgesetz, in: DVBl 2010, 93–102; 2011: Durner, Wolfgang, Möglichkeiten der
Verbesserung förmlicher Verwaltungsverfahren am Beispiel der Planfeststellung, in: ZUR 2011,
354–363; Steinberg, Rudolf, Die Bewältigung von Infrastrukturvorhaben durch Verwaltungsver-
fahren – eine Bilanz, in: ZUR 2011, 344–351; 2012: Elspaß, Mathias/Schwoon, Christina, Energie-
wende ohne Erdkabel? Das Verfahrensregime zur Zulassung von Erdkabeln in EnWG, EnLAG und
NABEG, in: NVwZ 2012, 1066–1071; Hertel, Wolfram/Munding, Christoph-David, „Frühe Öf-
fentlichkeitsbeteiligung“ bei der Planung von Großvorhaben, in: NJW 2012, 2622–2625; Krappel,
Thomas, Kommunale Bauleitplanung auf gewidmeten Eisenbahnflächen, in: BauR 2012, 1569–
1576; Otto, Christian-W., Die Steuerung gewerblicher Nutzungen auf Flughäfen durch die Ge-
meinde, in: ZfBR 2012, 737–741; Schröer, Thomas, Vorstellung des Gesetzentwurfs zur Verbesse-
rung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben, in: NZBau 2012, 490; 2014: Faßbender,
Kurt, Aktuelle Entwicklungen der wasserwirtschaftlichen Fachplanung, in: NVwZ 2014, 476–
484; Kümper, Boas, Das Verhältnis der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur Raumord-
nung der Länder, in: NVwZ 2014, 1409–1415; 2015: Peters, Birgit, Befriedet Beteiligung den End-
lagerstreit?: deutsche und Schweizer Endlagersuche im Vergleich, in: DÖV 2015, 629–636; Küm-
per, Boas, Das Verhältnis der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG zur kommunalen
Bauleitplanung, in: DÖV 2015, 278–288; Waechter, Kay, Infrastrukturvorhaben als Komplexitäts-
problem, in: DÖV 2015, 121–128; Kment, Martin, Bundesfachplanung von Trassenkorridoren für
Höchstspannungsleitungen Grundlegende Regelungselemente des NABEG, in: NVwZ 2015, 616–
626; Schlacke, Sabine, Bundesfachplanung für Höchstspannungsleitungen, Der Schutz von Natur
und Landschaft in der SUP und der fachplanerischen Abwägung, in: NVwZ 2015, 626–633; 2016:
Kümper, Boas, Die öffentliche Antragskonferenz als neues Verfahrensinstrument des Energiepla-
nungsrechts: Gundzüge und Funktion, in: DÖV 2016, 929–939; Fraenkel-Haeberle, Cristina, Zur
Multifunktionalität der Partizipation bei großen Infrastrukturvorhaben, in: DÖV 2016, 548–555;
Wegner, Nils, Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanungen – Analyse aktueller Ge-
richtsentscheidungen, in: ZfBR Jahr 2016, 548–555; Fest, Phillip/Nebel, Julian, Asmus, Das Ge-
setz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus, in: NVwZ 2016, 177–
184; Kümper, Boas, Abwägung bei Infrastrukturvorhaben: aktuelle Rechtsfragen, in: NVwZ
2016, 592–594; Kümper, Boas, Der Unterbleibensbescheid im Planfeststellungsrecht nach der Be-
reinigung des Fachplanungsrechts durch das Planvereinheitlichungsgesetz, in: NVwZ 2016, 1280–
1285; 2017: Kümper, Boas, Die Freistellung von der Planfeststellungspflicht: verfahrensrechtliche
Modelle nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht und besonderem Fachplanungsrecht, in:
DÖV 2017, 856–867; Lau, Marcus, Arten- und Gebietsschutz in der Bundesfachplanung, in:
NVwZ 2017, 830–836; Rubel, Rüdiger, Aktuelle Probleme bei der Planfeststellung von Höchst-
spannungsleitungen in: DVBl 2017, 585–595; Appel, Markus/Rietzler, Andreas, Artenschutzrecht
in der Bundesfachplanung und den anschließenden Planfeststellungsverfahren, in: NuR 2017,
227–239.
8. Umweltschutz; Immissionsschutz; Naturschutz:
2010: Dippel, Martin, Praxisfragen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren
nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, in: NVwZ 2010, 145–153; Gellermann, Martin, Na-
turschutzrecht nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, in: NVwR 2010, 73–79; Lietz,
Franziska, Windenergieanlagen im Wald, in: UPR 2010, 54–60; Ogorek, Markus, Die Anfechtung
von Planfeststellungsbeschlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfs-
gesetzes, in: NVwZ 2010, 401–405; Scheidler, Alfred, Gebietsbezogener Immissionsschutz auf lo-
kaler Ebene – Die Verordnungsermächtigungen des § 49 BImSchG, in: KommJur 2010, 4–9;
Scheidler, Alfred, Aktuelle Änderungen im Bundes-Immissionsschutzrecht – ein Überblick, in: UPR
2010, 17–21; 2011: Cosack, Tilman/Enders, Rainald, Atomenergie nach Fukushima, in: DVBl
2011, 1446–1453; Groß, Thomas, Die Bedeutung des Umweltstaatsprinzips für die Nutzung er-
neuerbarer Energien, in: NVwZ 2011, 129–134; Hinsch, Andreas, Windenergienutzung und Ar-
tenschutz – Verbotsvorschriften des § 44 BNatSchG im immissionsschutzrechtlichen Genehmi-
gungsverfahren, in: ZUR 2011, 191–198; Gärditz, Klaus Ferdinand, Die Entwicklung des
Umweltrechts im Jahr 2010 – Umweltschutz im Schatten des Klimawandels, in: ZfU 2011, 383;
Scheidler, Alfred, Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Baurecht, in:
ZfBR 2011, 228–232; Scheidler, Alfred, Das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissions-

91

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

schutzgesetzes, in: NVwZ 2011, 838–842; Scheidler, Alfred, Der neue § 22 Absatz 1 a BImSchG
und sein Zusammenspiel mit dem Bauplanungsrecht, in: ZfBR 2011, 742–746; 2012: Anger, Chris-
toph, Klimaschutz und Naturschutz im Konflikt – naturschutzrechtliche Probleme bei der Verwirk-
lichung von EEG-Anlagen, in: ZfBR 2012; Beckmann, Klaus, Windenergieanlagen (WEA) – eine
kritische Gesamtschau dieses erneuerbaren Energiesegments, in: KommJur 2012 (Sonderausgabe
Juli, S. 90–94; Scheidler, Alfred, Bindung der Gemeinden an Pläne des Wasser-, Abfall- und Immis-
sionsschutzrechts im Rahmen der Bauleitplanung?, in: KommJur 2012, 241–246; Stapelfeldt, Al-
fred, Lärmschutz in der Bauleitplanung – eine Einführung, in: KommJur 2012, 415; 2013: Gaßner,
Hartmut/Buchholz, Georg, Rechtsfragen des Erdgas-Fracking – Grundwasserschutz und UVP, in:
ZUR 2013, 143–150; Pohlenz, Rainer, Anerkannte Regeln der Technik und Gebäudeschallschutz
(Beilage 2a), in: BauR 2013, 352–362; 2014: Uechtritz, Michael, Schutzobjekte i. S. des Art. 12
Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie, in: BauR 2014, 1098–1109; Scheidler, Alfred, Pläne des Wasser-,
Abfall- und Immissionsschutzrechts als Abwägungsbelang in der Bauleitplanung, in: ZfBR Jahr
2014, 125–129; 2015: Gärditz, Klaus Ferdinand, Die Entwicklung des Umweltrechts in den Jahren
2013–2014: Umweltschutz im Zeichen von Verfahren und Planung, in: ZfU 2015, 343–366; 2016:
Hyckel, Jonas, Die materiell-rechtliche Transformation des Umweltschutzes in der Bauleitplanung,
in: ZfBR 2016, 335–350; Köck, Wolfgang, Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung und Umwelt-
gerechtigkeit als Problem des Städtebau- und Bauplanungsrechts, in: DVBl 2016, 1296–1306;
Ekardt, Felix, Das Paris-Abkommen zum globalen Klimaschutz, in: NVwZ 2016, 355–358; Schra-
der, Christian, Windenergie und seismologische Stationen – neue „Baustopper“ im BImSchG-Ge-
nehmigungsverfahren?,, in: NVwZ 2016, 584–588; Schütte, Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Ent-
wicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR 2016, 696–699; 2017: Louis, Hans Walter,
Naturschutz- und Bauplanungsrecht: Schnittpunkte, aktuelle Entwicklungen und Konfliktfelder,
in: DÖV 2017, 362–372; Schink, Alexander, Vier Jahrzehnte Immissionsschutzrecht, in: NVwZ
2017, 337–346; Reidt, Olaf, Die Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG, in: NVwZ 2017,
356–360; Arnold, Martin, Aktuelle Probleme der bau- und immissionsschutzrechtlichen Zulas-
sungsvoraussetzungen von Tierhaltungsanlagen, in: NVwZ 2017, 497–504; Saurer, Johannes, Kli-
maschutz global, europäisch, national – Was ist rechtlich verbindlich?, in: NVwZ 2017, 1574–
1579; Schütte, Peter/Winkler, Martin, Aktuelle Entwicklungen im Bundesumweltrecht, in: ZUR
2017, 375¬379; Kreuter-Kirchhof, Charlotte, Das Pariser Klimaschutzübereinkommen und die
Grenzen des Rechts – eine neue Chance für den Klimaschutz, in: DVBl 2017, 97–104; 2018: Span-
nowsky, Willy, Lärmschutz- und luftreinhaltungsrelevante Änderungen im Bauplanungsrecht, in:
ZfBR 2018, 25–36; Hofmann, Ekkehard, Luftreinhalteplanung und ihre Umsetzung, in: NVwZ
2018, 928–937; Brandt, Andreas, Luftreinhalteplanung und ihre Umsetzung, in: NVwZ 2018,
945–949; Jarass, Hans D., Die (umfangreichen) neuen Regelungen im Bundes-Immissionsschutz-
gesetz für Störfallanlagen, in: NVwZ 2018, 185–190; Oerder, Michael/Schwertner, Inga/Wör-
heide, Daniel Planung und Vorhabenzulassung im Umfeld eines Störfallbetriebs, in: BauR 2018,
436–462; Gassner, Erich, Verhältnismäßige Steuerung von Maßnahmen des Natur- und Land-
schaftsschutzes, in: NuR 2017, 753–757; Longo, Fabio, Klimaschutz im Städtebaurecht, in: DÖV
2018, 107–116; Stäsche, Uta, Landesklimaschutzgesetze in Deutschland: Erfahrungen und Ent-
wicklungsperspektiven unter Berücksichtigung der aktuellen bundespolitischen Lage, in: ZUR
2018, 131–143; Halstenberg, Michael, Zur Zulässigkeit von umweltrechtlich motivierten Verwen-
dungsverboten und -beschränkungen für Bauprodukte in Bebauungsplänen, in: BauR 2018, 603–
621; Franzius, Claudio, Baustellen des Umweltschutzes, in: DVBl 2018, 410–417; Franßen,
Yvonne, über die Bewältigung von Lärmkonflikten in der Stadtentwicklung, in: DVBl 2018, 480–
492.
9. Denkmalschutzrecht:
2010: Bovet, Jana, Ausgewählte Probleme bei der baulichen Errichtung von Kleinwindanlagen, in:
ZUR 2010, 9–15; 2011: Beck, Joachim, Konsequenzen des § 13b UStG für die Denkmalschutzab-
schreibung, in: DStR 2011, 1702–1703; Groth, Klaus-Martin/Beckmann, Jörg/Merget, Mario, Ei-
gentumsentziehung im Denkmalrecht, in: LKV 2011, 344–348; Hornmann, Gerhard, Drittschüt-
zende Wirkung des Denkmalschutzrechts, in: NVwZ 2011, 1235–1239; 2012: Drosdzo, Wolf-
Dietrich, Aktuelle Entwicklungen der erbschaftsteuerlichen Grundstücksbewertung, in: Zeitschrift
für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2012, 17–21; Grothmann, Torsten, Auswirkungen des
Staatszieles Klimaschutz auf den Ermessensspielraum am Beispiel des Denkmalschutzrechtes, in:
ZfBR 2012, 100–109; Schiffer, Tassilo, Der denkmalrechtliche Übernahmeanspruch, in: KommJur
2011, 129–132; Schröer, Thomas, Das denkmalschutzrechtliche Abwehrrecht, in: ZfBR 2012,
224–226; 2013: Körner, Raimund, Denkmalschutz und Eigentumsschutz – Neues aus der Recht-
sprechung, in: LKV 2013, 57–63; 2014: Stellhorn, Holger, Moscheen im Denkmalrecht, in: UPR

92

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Die Wurzeln des Bau- und Planungsrechts I.

2014, 297–301; 2016: Munding, Christoph-David, Denkmalrechtlicher Drittschutz: Überblick


über die Rechtsprechung zum Drittschutz im Denkmalschutzrecht und Ansätze zur weiteren Ent-
wicklung, in: BauR 2016, 598–608; 2017: Guckelberger, Annette, Denkmalschutz und Eigentum
in: NVwZ 2017, 17–24; Haaß, Bernhard, Der Unverkäuflichkeitsnachweis im Denkmalrecht, in:
BauR 2017, 959–965; 2018.
10. Bergrecht; Bodenschätze:
2010: Frenz, Walter, Bergschadenshaftung für einen Grundwasseranstieg in einer Bergbaufolge-
landschaft, in: LKV 2010, 49–55; 2011: Frenz, Walter, Energieträger zwischen Klimaschutz und
Kernschmelzen, in: NVwZ 2011, 522 ff.; 2012: Denecke, Martin, Rechtsfragen der Tiefengeother-
mie – Voraussetzungen der Genehmigung und vergaberechtliche Aspekte, in: ZfBR 2012, 25–35;
Katzenbach, Rolf, Technisch-rechtliche Fragestellungen bei Anlagen der Oberflächennahen Geo-
thermie, in: ZfBR 2012, 43–52; Ludwig, Grit, Umweltaspekte in Verfahren nach dem BbergG, in:
ZUR 2012, 150–157; Schütte, Peter, Die Planung und Zulassung von Speicheranlagen zur System-
integration Erneuerbarer Energien, in: NVwZ 2012, 535–541; 2015: Beckmann, Martin, Umwelt-
schutz und Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, in: NuR 2015, 152–160; 2016: Frenz, Walter,
Überwiegende öffentliche Interessen gegen Fracking-Berechtigungen?, in: DÖV 2016, 322–329;
2017: Weschpfennig, Armin von, Pfadabhängigkeit im Bergrecht und nachhaltige Ressourcenbe-
wirtschaftung, in: DÖV 2017, 23–32; Giesberts, Ludger/Kastelec, Spela, Das Regelungspaket zum
Fracking, in: NVwZ 2017, 360–367; Nusser, Julian, Fernstraße vor Bergbau, in: NVwZ 2017,
1244–1251; Müller, Katja; Heimat, Kohle, Umwelt. Argumente im Protest und der Befürwortung
von Braunkohleförderung in der Lausitz, in: ZfU 2017, 213–228; Louis, Hans Walter, Die Schnitt-
stellen des Bergrechts mit dem Naturschutzrecht, in: UPR 2017, 285–292; 2018: Pauli, Felix/Wör-
heide, Daniel, Verfahrensfragen bei der bauplanungsrechtlichen Bewertung von Bergbauvorhaben:
– Zugleich Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 28.9.2016 – 7 C 18.15 –, in: NuR 2018, 302–312.
11. Bodenschutz:
2010: Ruffert, Matthias, Verantwortung und Haftung für Umweltschäden, in: NVwZ 2010, 1177–
1183; Troidl, Thomas, Zehn Jahre Bundes-Bodenschutzgesetz – rechtswidrige Sanierungsverfü-
gungen, in: NVwZ 2010, 154–162; 2011: Charalampidou, Natalia, Der Bodenschutz in der Euro-
päischen Union – der Kampf um eine einheitliche Regelung, in: EuR 2011, 593–612; Finger, Wer-
ner, Neues von den Altlasten, in: NVwZ 2011, 1288–1291; 2012: Müggenborg, Jürgen,
Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, in: NVwZ 2012, 659–665; 2017:
Dünchheim, Thomas, Fracking in Deutschland – Rechtliche Grenzen und Möglichkeiten, in: DVBl
2017, 1517–1525; 2018: Köck, Wolfgang/Bovet, Jana/Tietz, Hendrik, Mengensteuerung der bau-
lichen Flächenneuinanspruchnahme – Zur Notwendigkeit eines Flächenzertifikatehandelsgesetzes,
in: ZUR 2018, 67–75; Schmitt, Thomas/Leitzke, Claus/Schmitt, Franziska, Die aktuelle Rechtspre-
chung zu § 24 II BBodSchG: Alle (Un-)Klarheiten beseitigt?, in: NVwZ 2018, 949–954; Kment,
Martin, Flächenverbrauchsobergrenzen, Flächenhandelssysteme und kommunale Planungshoheit
– eine bayerische Perspektive, in: NuR 2018, 217–228.
12. Baunebenrecht:
2010: Kotulla, Michael, Das novellierte Wasserhaushaltsgesetz, in: NVwZ 2010, 79–87; 2013:
Falke, Josef, Neue Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht, in: ZUR 2013, 310–316; 2014:
Faßbender, Kurt, Die Bewältigung von Extremhochwasser durch Wasser- und Bauplanungsrecht
– unter besonderer Berücksichtigung von Starkregenereignissen, in: ZUR 2015, 525–531; 2015:
Sachsinger, Philipp; Schrödter, Wolfgang: Hochwasserschutz und Städtebaurecht – Teil 1 –, in:
ZfBR 2015, 534–541; Sachsinger, Philipp/Schrödter, Wolfgang, Hochwasserschutz und Städte-
baurecht – Teil 2 – , in: ZfBR 2015, 655–661; Sachsinger, Philipp/Schrödter, Wolfgang, Hochwas-
serschutz und Städtebaurecht, in: ZfBR 2015, 534–541; Köck, Wolfgang, Hochwasserschutzbe-
lange in der Bauleitplanung, in: ZUR 2015, 515–525; 2016: Scheidler, Alfred, Die
Vorabentscheidung der Enteignungsbehörde bei der städtebaulichen Enteignung – § 112 Abs. 2
BauGB, in: ZfBR 2016, 447–451; Jeromin, Curt M., Baunachbarechtschutz 3.0, in: BauR 2016,
925–934; 2017: Reinhardt, Michael, Das wasserrechtliche Bewirtschaftungsermessen im ökologi-
schen Gewässerschutzrecht, in: NVwZ Jahr 2017, 1000–1004; Tänzer, Björn, Aktuelle Fragen und
Entwicklungen im Hochwasserschutzrecht, in: DÖV 2016, 999–1002; 2018: Mitschang, Stephan,
Belange des Wassers und des Hochwasserschutzes in der Bauleitplanung, in: ZfBR 2018, 329–341;
Wagner, Jörg/Wahlhäuser, Jens, Hochwasserschutz und Bauleitplanung – zu den Neuerungen
durch das Hochwasserschutzgesetz II, in: DVBl 2018, 473–480.
13. Recht der Europäischen Union:
Siehe die Literaturangaben zum Kapitel XVIII.

93

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

II. Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs


1. Die Grundstruktur des Baugesetzbuchs
Das Baugesetzbuch wurde erstmals am 8.12.1986 als Zusammenfassung des Bundes-
baugesetzes (BBauG) von 1960 mit dem Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) von
1971 im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht.97 Bei dieser Zusammenfassung wurde
die Struktur des ehemaligen Bundesbaugesetzes im Wesentlichen beibehalten; die Para-
graphenfolge des Städtebauförderungsgesetzes wurde stärker überarbeitet, ohne dass
das Gesetz in seinen inhaltlichen Grundzügen verändert wurde.
Aus der Aufeinanderfolge der Vorschriften des Baugesetzbuches ergibt sich ein logi-
sches und vollständiges Bild der städtebaulichen Planung und ihrer Instrumente. Ein
Strukturüberblick, so wie er nachfolgend unter Verzicht auf Einzelheiten geliefert wer-
den soll, verschafft daher zugleich Einblick in die Grundzüge der städtebaulichen Pla-
nung nach deutschem Recht. Die notwendigen Details zu jedem Abschnitt werden in
den zugehörigen Einzelkapiteln dieses Buches zu finden sein; auf den nächsten Seiten
folgt nur ein dem Bild 19 entsprechender zusammenfassender Überblick. Soweit Para-
graphenziffern ohne Nennung des zugehörigen Gesetzes angegeben werden, handelt
es sich stets um Vorschriften aus dem Baugesetzbuch.
Die städtebauliche Planung nach deutschem Recht stützt sich im Wesentlichen auf
zwei Planungsstufen, nämlich auf den Flächennutzungsplan als vorbereitenden Bau-
leitplan einerseits und Bebauungspläne als verbindliche Bauleitpläne andererseits
(§§ 1–13b). Der Flächennutzungsplan ist ein großmaßstäblicher Plan für das ganze
Gemeindegebiet. In ihm wird die beabsichtigte Nutzung des Grund und Bodens für
die gesamte Gemeinde in ihren Grundzügen dargestellt. Bebauungspläne sind aus dem
Flächennutzungsplan heraus zu entwickeln. Sie setzen die bauliche Nutzbarkeit einer
begrenzten Anzahl von Grundstücken verbindlich fest.
Angesichts der großen Bedeutung dieser beiden Pläne für das Gemeinwesen, für die
Eigentümer und für die gesamte Bevölkerung sind die Verfahrensschritte, die zur Auf-
stellung der Bauleitpläne notwendig sind, im Baugesetzbuch detailliert vorgeschrieben.
Diese Verfahrensvorschriften bilden den Beginn des Gesetzes. Das BauGB hält fest,
dass die Bauleitpläne von der jeweils zuständigen Gemeinde in eigener Verantwortung
aufzustellen sind. Die Behörden, die von der Planung berührt werden, sind zu beteili-
gen, ebenso die Öffentlichkeit und die Nachbargemeinden. Das Planaufstellungsver-
fahren verläuft in der Regel in zwei Stufen. Zunächst wird ein Vorentwurf frühzeitig
den oben genannten, an der Planung zu beteiligenden Akteuren vorgestellt und mit
ihnen diskutiert (1. Stufe). Im Rahmen der förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit
und der zweiten Behördenbeteiligung ist der Umweltbericht vorzulegen und ebenfalls
zum Gegenstand der Beteiligung zu machen (2. Stufe). Nachdem der Plan öffentlich
ausgelegen hat und als inhaltlich richtig erkannt ist, wird er vom Gemeinde- bzw.
Stadtrat beschlossen. Der Flächennutzungsplan muss von der höheren Verwaltungsbe-
hörde genehmigt werden; Bebauungspläne, die aus dem Flächennutzungsplan entwi-
ckelt sind, unterliegen bundesrechtlich seit dem 1.1.1998 keiner Genehmigungspflicht
mehr. Die Länder sind ermächtigt, für diese Pläne eine „Anzeigepflicht“ herbeizufüh-
ren. Die Gemeinde muss der Anzeigebehörde dann nach erfolgter Einreichung („An-
zeige“) des Plans einen Monat Zeit lassen, um mögliche Einwände zu erheben, bevor
sie den Satzungsbeschluss ortsüblich bekanntmachen und den Plan auf diese Weise in
Kraft setzen darf.

97 BGBl. I S. 2253.

94

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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.

Bild 19: Das Baugesetzbuch – Strukturübersicht

Erstes Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht §§


I. Teil: Bauleitplanung
1. Allgemeine Vorschriften 1–4c
2. Vorbereitender Bauleitplan (F-Plan) 5–7
3. Verbindlicher Bauleitplan (B-Plan) 8–11
4. Zusammenarbeit mit Privaten; vereinfachtes und beschleunigtes 12–13b
Verfahren
II. Teil: Sicherung der Bauleitplanung
1. Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen 14–18
2. Teilung von Grundstücken; Gebiete mit Fremdenverkehrsfunktionen 19–22
3. Gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinden 24–28
III. Teil: Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung; Entschädigung
1. Zulässigkeit von Vorhaben 29–38
2. Entschädigung 39–44
IV. Teil: Bodenordnung
1. Umlegung 45–79
2. Vereinfachte Umlegung 80–84
V.Teil: Enteignung
1. Zulässigkeit der Enteignung 85–92
2. Entschädigung 93–103
3. Enteignungsverfahren 104–122
VI. Teil: Erschließung
1. Allgemeine Vorschriften 123–126
2. Erschließungsbeitrag 127–135
VII. Teil: Maßnahmen für den Naturschutz 135a–135c
Zweites Kapitel: Besonderes Städtebaurecht
I. Teil: Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen
1. Allgemeine Vorschriften 136–139
2. Vorbereitung und Durchführung 140–151
3. Besondere sanierungsrechtliche Vorschriften 152–156
4. Sanierungsträger und andere Beauftragte 157–161
5. Abschluss der Sanierung 162–164
6. Städtebauförderung 164a–164b
II. Teil: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen 165–171
III. Teil: Stadtumbau 171a–171d
IV. Teil: Soziale Stadt 171e
V. Teil: Private Initiativen 171f
VI. Teil: Erhaltungssatzung und städtebauliche Gebote
1. Erhaltungssatzung 172–174
2. Städtebauliche Gebote 175–179
VII. Teil: Sozialplan und Härteausgleich 180–181
VIII. Teil: Miet- und Pachtverhältnisse 182–186
IX. Teil: Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur 187–191
Verbesserung der Agrarstruktur
Drittes Kapitel: Sonstige Vorschriften
I. Teil: Wertermittlung 192–199
II. Teil: Allgemeine Vorschriften; Zuständigkeiten; Verwaltungsverfahren;
Planerhaltung
1. Allgemeine Vorschriften 200–202
2. Zuständigkeiten 203–206
3. Verwaltungsverfahren 207–213
4. Planerhaltung 214–216
III. Teil: Verfahren vor den Kammern (Senaten) für Baulandsachen 217–232
Viertes Kapitel: Überleitungs- und Schlussvorschriften
I. Teil: Überleitungsvorschriften 233–245c
II. Teil: Schlussvorschriften 246–249

Für die Zeit der Aufstellung von Bebauungsplänen gibt das Gesetz den Gemeinden
das Instrument der Veränderungssperre nebst Zurückstellung bzw. einstweiliger Unter-
sagung von Vorhaben an die Hand (§§ 14–18). Mit deren Hilfe kann erreicht werden,
dass die Planung nicht durch störende Vorhaben durcheinandergebracht wird. Der

95

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Sicherung der Bauleitplanung dienen auch die beiden Instrumente, die in den daran
anschließenden Vorschriften des BauGB geregelt sind, nämlich die Teilungsgenehmi-
gung und die gemeindlichen Vorkaufsrechte. Seit 2004 unterliegt die Teilung von
Grundstücken zwar keiner planungsrechtlichen Genehmigung mehr. In Fremdenver-
kehrsgemeinden (und nach Maßgabe von Landesrecht auch in städtebaulichen Erhal-
tungsgebieten) kann jedoch die Bildung von Wohnungseigentum über das Instrument
der Teilungsgenehmigung kontrolliert und unterbunden werden (§§ 19–23). Durch die
gemeindlichen Vorkaufsrechte (§§ 24–28) soll die Gemeinde in die Lage versetzt wer-
den, im Vorfeld, während oder nach der Aufstellung eines Bebauungsplans insbeson-
dere solche Grundstücke zu erwerben, die sie als Gemeinbedarfsflächen (Straßen,
Schulen usw.) für die Verwirklichung der Planung benötigt oder die dem Wohnungs-
bau zugeführt werden sollen. An die Vorschriften über die gemeindlichen Vorkaufs-
rechte schließt sich der Abschnitt über die „Zulässigkeit von Vorhaben“ an. Diese
Vorschriften sind aus der Sicht der Grundstückseigentümer und Bauherren die zentra-
len Vorschriften des BauGB. Denn mit ihnen wird geregelt, ob ein bauliches Vorhaben
in planungsrechtlicher Hinsicht zulässig oder unzulässig ist. Angesichts dieser Tatsache
ist es nur natürlich, dass sich auch die Gerichte gerade mit diesen Vorschriften, näm-
lich den §§ 29 bis 36, überdurchschnittlich häufig befassen müssen.
Das System über die Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29–38) ist durch eine Dreiteilung
gekennzeichnet. Zunächst und in der Hauptsache gibt es drei Vorschriften, nach denen
ein Vorhaben als zulässig oder unzulässig zu beurteilen ist. Die erste Vorschrift ist
§ 30, nach der ein Vorhaben dann zulässig ist, wenn es den Festsetzungen eines „quali-
fizierten“ Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Ein
„qualifizierter“ Bebauungsplan liegt dann vor, wenn der Plan die Mindestsumme an
Festsetzungen enthält, die es ermöglichen, die (planungsrechtliche, nicht bauordnungs-
rechtliche) Zulässigkeit des Vorhabens allein anhand dieser Festsetzungen abschlie-
ßend zu prüfen. Das Gesetz definiert diese Mindestfestsetzungen als Vorschriften über
Art und Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen so-
wie über die örtlichen Verkehrsflächen. Dem qualifizierten Bebauungsplan gleichge-
stellt ist der „vorhabenbezogene Bebauungsplan“, der auf dem Vorhaben- und Er-
schließungsplan eines mitwirkungsbereiten Investors aufbaut.
Die zweite maßgebliche Vorschrift, nämlich der § 34, regelt die bauliche Zulässigkeit
von Vorhaben für solche Grundstücke, für die es keinen qualifizierten Bebauungsplan
gibt, die aber dennoch durch ihre Lage innerhalb von Ortsteilen, die im Zusammen-
hang bebaut sind, für eine Bebauung prädestiniert und freigegeben sind. Die Bebaubar-
keit als solche ist hier gleichsam kraft Gewohnheitsrechts garantiert, da das Grund-
stück innerhalb eines bebauten Ortsteiles liegt. Der Maßstab der Zulässigkeit kann
hier nicht ein Plan sein (der ja nicht existiert); vielmehr misst sich die Zulässigkeit
eines Gebäudes an der vorhandenen Umgebung. Das beabsichtigte Vorhaben muss
sich nach Art und Maß der beabsichtigten Nutzung, nach Bauweise und zu überbauen-
der Fläche in die vorhandene Bebauung der näheren Umgebung „einfügen“.
Die dritte Kategorie für die Zulässigkeit (hier besser gesagt: für die Unzulässigkeit)
von baulichen Vorhaben betrifft alle sonstigen Grundstücke; sie werden unter dem
Begriff des „Außenbereichs“ zusammengefasst. Wenn ein Grundstück nicht im Gel-
tungsbereich eines qualifizierten Plans liegt und auch nicht innerhalb eines im Zusam-
menhang bebauten Ortsteils, dann gehört es zum Außenbereich. Der Außenbereich
soll im Grundsatz von Bebauung freigehalten werden. Im Wesentlichen dürfen hier nur
die sog. privilegierten Vorhaben errichtet werden. Wichtigstes Beispiel für privilegierte
Vorhaben nach § 35 sind landwirtschaftliche Anwesen. Derartige Gebäude gehören in
den Außenbereich, sie sind daher auch gesetzlich dort vorgesehen.
Die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen, über den Flächennutzungs-
plan und den Bebauungsplan, sowie über die Zulässigkeit von Vorhaben machen den
eigentlichen Kernbereich des örtlichen Bau- und Planungsrechts aus. Was jetzt im Bau-

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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.

gesetzbuch folgt, sind Spezialinstrumente, die unterschiedlich häufig, jedenfalls nicht


immer benötigt werden.
An die Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben schließen sich Paragraphen
an, welche die Entschädigung für Grundstückseigentümer in solchen Fällen regeln, in
denen der Wert eines Grundstücks durch öffentliche Planung herabgesetzt worden ist,
das sog. Planungsschadensrecht (§§ 39–44). Besonders wichtig ist die sog. Plange-
währleistungsfrist von sieben Jahren. Diese Plangewährleistungsfrist bedeutet, dass
eine Gemeinde das in einem Bebauungsplan enthaltene Angebot, ein Grundstück zu
bebauen, nur sieben Jahre lang aufrechterhalten muss. Nach Ablauf von sieben Jahren
kann das Angebot in all den Fällen entschädigungslos zurückgenommen werden, in
denen der Eigentümer von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat. Die zulässige
Nutzung kann hier entschädigungslos bis auf den Stand zurückgeführt werden, der
der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks entspricht.
Von praktisch größerem Belang als das Planungsschadensrecht ist das nachfolgende
Recht der Bodenordnung (§§ 45–84). Im Bereich der Bauleitplanung heißt die Boden-
ordnung „Umlegung“ – derselbe Vorgang im Bereich der ländlichen Grundstücksneu-
ordnung heißt „Flurbereinigung“. Die Abstimmung zwischen diesen beiden Vorgän-
gen ist in den §§ 187 bis 191 geregelt. Umlegung und Flurbereinigung sind amtliche
Verfahren, mittels derer ungünstige Grundstücksgrenzen verändert werden können.
Die Umlegung kann auch in einem vereinfachten Verfahren durchgeführt werden
(§§ 80–84). Dem Umlegungsrecht folgt im Baugesetzbuch die Regelung der Enteig-
nung und der zugehörigen Entschädigung (§§ 85–122). Wenn eine städtebauliche Pla-
nung ohne ein bestimmtes Grundstück nicht in die Tat umgesetzt werden kann, dann
darf die Gemeinde das betreffende Grundstück enteignen, wenn der Eigentümer nicht
zur Veräußerung bereit ist. Als Entschädigung bekommt er den Betrag ausgezahlt, den
er auf dem Grundstücksmarkt für das Grundstück ohne Berücksichtigung besonderer
Umstände hätte erzielen können. Im besonderen Fall kann er auch Ersatzland bean-
spruchen. Die Vorschriften über die Erschließung (§§ 123–135), die sich an die Enteig-
nungsregelungen anschließen, sind wiederum von allergrößter praktischer Bedeutung.
Ohne gesicherte Erschließung ist die bauliche Nutzung von Grundstücken unzulässig.
Die Erschließung von Grundstücken (d. h. ihr Anschluss an das öffentliche Straßen-
netz, an Wasserver- und -entsorgung, an Energie- und gegebenenfalls auch Fernhei-
zungsleitungen) ist Aufgabe der Gemeinde. Die Kosten dieser Maßnahmen kann die
Gemeinde nach Maßgabe des Erschließungsbeitragsrechts von den Grundstückseigen-
tümern des betreffenden Gebiets einfordern. Auch vertragliche Regelungen sind mög-
lich (wobei der Erschließungsvertrag seit der BauGB-Novelle 2013 in § 11 geregelt
ist). Mit Rücksicht auf die Nähe zum kommunalen Abgabenrecht ist die Kompetenz
zur Regelung des Erschließungsbeitragsrechts seit 1995 an die Länder übertragen wor-
den. In teilweiser Anlehnung an das Erschließungsrecht folgen Regelungen zur Durch-
führung und Finanzierung von Maßnahmen, die dem Ausgleich von Eingriffen in Na-
tur und Landschaft dienen (§§ 135a–c).
Der Bereich des „Besonderen Städtebaurechts“ beginnt im Anschluss mit Vorschriften
zur Sanierung, Stadterhaltung und Stadterneuerung, die überwiegend dem ehemaligen
Städtebauförderungsgesetz entnommen sind (§§ 136–164b). Sanierungsmaßnahmen
sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände,
insbesondere durch Instandsetzung, Umbau und Modernisierung von Gebäuden, we-
sentlich verbessert oder umgestaltet wird. Diese Aufgabe der Stadterneuerung und
zugleich auch Stadterhaltung soll von den Gemeinden im Zusammenwirken mit den
Eigentümern angegangen werden. Das Baugesetzbuch stellt dafür besondere Instru-
mente zur Verfügung. Der Bund kann zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen
nach Art. 104b GG den Ländern Finanzhilfen gewähren. Nach Maßgabe der Haus-
haltsgesetze hat der Bund im Einvernehmen mit den Ländern Jahr für Jahr sehr erheb-
liche Mittel für die Stadt- und Dorferneuerung bereitgestellt. Einzelheiten werden

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Insbesondere in den neuen Ländern hatten


und haben diese Mittel eine herausragende Bedeutung.
Die Gemeinde hat die Wahl, ob sie eine einfache Sanierung oder eine Erneuerung unter
Einsatz sämtlicher Sonderinstrumente durchführen will. Die Sonderinstrumente des
Stadterneuerungsrechts bestehen vor allem in einer besonderen Genehmigungspflicht
für Veränderungen an den Grundstücken, die in Sanierungsgebieten liegen, und in
der Möglichkeit, als Kostenbeitrag von den betroffenen Eigentümern einen an der
Wertsteigerung des Grundstücks bemessenen Ausgleichsbetrag zu erheben. Auch, aber
nicht nur zum Recht der Stadterneuerung gehört die Möglichkeit, Grundstückseigen-
tümer durch Verwaltungsakt zum Auf- oder Ausbau von Gebäuden, zur Modernisie-
rung und Instandsetzung oder auch zur Erhaltung von Gebäuden zu verpflichten.
Diese „städtebaulichen“ Gebote werden in der Praxis nur selten bis zur letzten Konse-
quenz ausgesprochen und durchgesetzt; sie sind aber dennoch allein durch ihr Vorhan-
densein, gleichsam als Drohinstrumente nützlich.
Zum „Besonderen Städtebaurecht“ gehört neben dem Recht der Stadterneuerung und
Stadterhaltung auch das Recht der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (§§ 165–
171). Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme soll die zügige Aufschließung neuer
Siedlungsgebiete und/oder wesentliche Funktionsänderungen vorhandener Ortsteile
erleichtern. Die Umsetzung neuer Nutzungskonzepte für städtebauliche Brachen, z. B.
in der Form von aufgelassenen ehemaligen Industrieflächen, gehört zu den klassischen
Aufgaben einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme. In einem städtebaulichen
Entwicklungsbereich kommen der Gemeinde die gleichen Eingriffsrechte zu wie in
einem Sanierungsgebiet. Darüberhinaus soll die Gemeinde alle Grundstücke zum ent-
wicklungsunbeeinflussten Wert (Anfangswert) erwerben. Diese Bodenerwerbspflicht
ist mit einer Erleichterung der Enteignung verbunden, so dass die Entwicklungsmaß-
nahme das „schärfste Schwert“ des gemeinwohlbezogenen Bodenrechts ist. Nach der
Entwicklung müssen die Grundstücke wieder veräußert werden. Aus der Preisdifferenz
soll sich die Maßnahme finanzieren.
Die Entwicklungsmaßnahme ist im Kern eine Wachstumsmaßnahme. Besonders in den
neuen Ländern haben Suburbanisierung, Abwanderung in die alten Bundesländer und
Geburtenmangel jedoch dazu geführt, dass Hunderttausende von Wohnungen leer ste-
hen und mangels Vermietbarkeit vom Markt genommen werden mussten. Auch in
einigen Regionen der alten Länder hat der seit 1970 anhaltende Geburtenmangel dazu
geführt, dass nicht nur qualitativ schlechte Wohnungen nicht mehr vermietbar sind.
Zur planerischen Bewältigung dieses bedauerlichen Vorgangs sind die im Jahr 2004
neu eingefügten Vorschriften über den Stadtumbau bestimmt (§§ 171a–d). Daneben
stehen die ebenfalls 2004 eingeführten Vorschriften über die „Soziale Stadt“ (§ 171e),
mit denen sozialen Missständen in Ortsteilen begegnet werden soll – häufig entstanden
durch eine problematische Belegungspolitik mit sozial anfälligen Mietern oder auch
mit Ausländern. Zum 1.1.2007 wurden die Regelungen über „Private Initiativen zur
Stadtentwicklung“ in das BauGB eingefügt (§ 171f), mit denen in privater Verantwor-
tung durchgeführte standortbezogene Maßnahmen in Abstimmung mit der Gemeinde
ermöglicht wurden.
Den Sonderregelungen zum Stadtumbau, zur Sozialen Stadt und zu den Privaten Initia-
tiven folgen Vorschriften über die Erhaltungssatzung (§§ 172–174) und die bereits
erwähnten städtebaulichen Gebote (§§ 175–179). Den Anschluss bilden nach einigen
weiteren Vorschriften (§§ 180–191) die Vorschriften zur Wertermittlung (§§ 192–199)
von Grundstücken und über den sog. Gutachterausschuss. Bei der Enteignung, im
Umlegungsverfahren oder auch im Vorkaufsfall besteht in der Regel die Notwendig-
keit, die Werte der betroffenen Grundstücke zu bestimmen. Dazu kann der Gutachter-
ausschuss angerufen werden, der seinerseits eine Kaufpreissammlung führt, mit deren
Hilfe er den Marktwert eines Grundstücks durch Vergleich mit anderen Grundstücks-
preisen gutachterlich einschätzt. Die §§ 200 bis 232 des Baugesetzbuchs befassen sich

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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.

mit allgemeinen Vorschriften und Zuständigkeitsfragen (§§ 200–206), mit Regeln über
das Verwaltungsverfahren (§§ 207–213), Sondervorschriften zum gerichtlichen Ver-
fahren vor den Kammern und Senaten für Baulandsachen (§§ 217–232) und den
Grundsätzen der Planerhaltung (§§ 214–216). Ganz besonders wichtig sind hier die
Vorschriften der Planerhaltung, nach denen bestimmte Form- und Verfahrensfehler,
auch Abwägungsfehler, vor Gericht entweder von vornherein oder nach Ablauf einer
Rügefrist von einem Jahr unbeachtlich werden oder nachträglich behoben werden
können.
Insgesamt betrachtet ist das Baugesetzbuch sehr logisch und konsequent aufgebaut:
Die Regelungen über das Aufstellungsverfahren und über den Inhalt des Flächennut-
zungsplans und der Bebauungspläne sind vorangestellt. Nach den Abschnitten über
die Sicherung der Bauleitplanung durch Veränderungssperre und Vorkaufsrechte folgt
der zentrale Teil über die Zulässigkeit von Vorhaben. Nach dem Planungsschadens-
recht schließen sich die Vorschriften über die Bodenordnung und die Enteignung an.
Das Erschließungsrecht bildet den nächsten wichtigen Abschnitt. Ihm folgt das Son-
derrecht der Stadterneuerung und der Entwicklungsmaßnahme, des Stadtumbaus und
der Sozialen Stadt, verbunden mit der Erhaltungssatzung und den städtebaulichen
Geboten. Vorschriften zur Wertermittlung, zu den Gutachterausschüssen und zum ge-
richtlichen Verfahren stehen am Ende des Gesetzes. Den eigentlichen Abschluss bilden
die Überleitungs- und Schlussvorschriften (§§ 233–249), von denen die Sonderregelun-
gen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie (§ 248) und zur Windenergie
in der Bauleitplanung (§ 249) erst 2011 Eingang in das Baugesetzbuch gefunden ha-
ben.
2. Die Entwicklungsstufen des Baugesetzbuchs: Vom BauGB 1987 bis zu den
Novellen des Jahres 2017
Als das Baugesetzbuch 1987 erstmals in Kraft trat, schienen dem Städtebau und der
Stadtentwicklung relativ ruhige Zeiten bevorzustehen. Die Versorgung der westdeut-
schen Bevölkerung mit Wohnraum war gewährleistet; die Geburtenzahlen waren seit
1970 so niedrig, dass mit erheblichem Bevölkerungswachstum nicht gerechnet werden
musste. Die Wirtschaft lief ausgeglichen und ohne überschwänglichen Flächenbedarf.
Das alles schien Grund genug, das „Wachstumsinstrument“ Entwicklungsmaßnahme
abzuschaffen und sich im Übrigen mit der Zusammenfassung des Bewährten zu begnü-
gen. So bestand denn die einzige revolutionäre Tat des BauGB 1987 darin, die städte-
bauliche Entwicklungsmaßnahme abzuschaffen. Die betreffenden Vorschriften
(§§ 165–172) blieben nur noch als Überleitungsrecht im Gesetz.
Dann kam die Wiedervereinigung, die Grenzen nach Mittel-Ost-Europa öffneten sich,
Bevölkerungsströme setzten sich in Bewegung. Plötzlich herrschte wieder ein verstärk-
ter Wohnraummangel. Also führte man mit dem in das BauGB-Maßnahmengesetz
eingebetteten Wohnungsbauerleichterungsgesetz von 1990 (das 1993 mit dem Investi-
tionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz novelliert wurde) die städtebauliche Ent-
wicklungsmaßnahme wieder ein. Der Vorhaben- und Erschließungsplan wurde erfun-
den. Durch den Einigungsvertrag wurde ein § 246a in das Gesetz eingefügt, in dem
eine Reihe von Sonderregelungen für das Beitrittsgebiet enthalten waren.
Mit dem BauGB-MaßnahmenG unternahm man den Versuch, alle im Baugesetzbuch
noch vorhandenen Möglichkeiten zur Verfahrenserleichterung und -verkürzung bei
der Bauleitplanung (zunächst speziell für Wohnungsbauvorhaben) aufzuspüren und
auszuschöpfen. Einiges davon ist später als generelle Regelung in das BauGB übernom-
men worden. Stichwortartig sind folgende (noch heute geltende) Regelungen zu nen-
nen:
– Die Auslagefrist für Bauleitpläne kann bei wiederholter Auslage verkürzt werden.
– Die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange müssen innerhalb bestimmter
Frist erfolgen.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– Bebauungspläne müssen nur dann noch von der höheren Verwaltungsbehörde ge-
nehmigt werden, wenn sie nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt sind.
– Städtebauliche Verträge und Vorhaben- und Erschließungspläne (Vorhabenbezo-
gene Bebauungspläne) gehören nunmehr zum Standardinstrumentarium des Städ-
tebaurechts.
– Die kommunalen Vorkaufrechte wurden im Hinblick auf Wohnbauflächen erwei-
tert.
Mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz vom 18. August 1997 wurde das 1990 erlas-
sene, 1993 novellierte, in seiner Geltung auf den 31.12.1997 befristete Maßnahmenge-
setz zum Baugesetzbuch (abgekürzt: BauGB-MaßnahmenG) in das BauGB integriert,
soweit es sich bewährt hatte. Zudem wurden alle für das Gebiet der ehemaligen DDR
ebenfalls bis zum 31.12.1997 geltenden Sonderregelungen, zusammengefasst in
§ 246a, außer Kraft gesetzt. Damit wurde das Kapitel „Sonderregelungen für das Bau-
und Planungsrecht in den neuen Ländern“ endgültig abgeschlossen. Das BauGB hatte
seine (vorläufig) endgültige Struktur gewonnen.
Die Notwendigkeit zur erneuten Novellierung des BauGB in der Fassung des BauROG
ergab sich aus europarechtlichen Vorgaben. Zunächst musste die Änderung der Richt-
linie Nr. 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestimmter öffentli-
cher und privater Projekte durch die Richtlinie Nr. 97/11/EG in nationales Recht um-
gesetzt werden. Dies erfolgte (leicht verspätet) mit dem Artikelgesetz vom 3. August
2001. Mit diesem Gesetz wurde der Umweltbericht nach § 2a erstmals als gesonderter
Teil der Begründung von Bebauungsplänen in das Gesetz eingeführt. Die seitdem gel-
tenden Regelungen über Umweltprüfungen im Kontext der Bauleitplanung wurden
durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau, ebenfalls ein Artikelgesetz)
vom 24. Juni 2004 modifiziert und ergänzt. Mit dem EAG Bau wurde die Richtlinie
Nr. 2001/37/EG über die Umweltprüfung bestimmter Pläne und Programme in das
Recht der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Die Gelegenheit wurde zur No-
vellierung einiger weiterer Kapitel des BauGBs genutzt. Dies betrifft vor allem die
Zulässigkeit von Vorhaben, das Recht der Bodenordnung und die Vorschriften über
die Planerhaltung. Neu in das BauGB aufgenommen wurden Abschnitte über den
Stadtumbau und das Programm „Soziale Stadt“.
Zwei Jahre später waren es vorrangig nationalstaatliche Interessen, die zur erneuten
Änderung des BauGB führten. Kern des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvor-
haben für die Innenentwicklung der Städte war die Einführung des beschleunigten
Verfahrens für so genannte Bebauungspläne der Innenentwicklung. Außerdem wurden
weitere städtebauliche Anliegen einer städtebaurechtlichen Lösung zugeführt, wie z. B.
die Schaffung eines neuen Instruments zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Ver-
sorgungsbereiche, ein alternatives (deutlich unkomplizierteres) Abrechnungsverfahren
zur Ermittlung des Ausgleichsbetrags im Sanierungsverfahren und die Stärkung von
privaten Initiativen, die einen Beitrag zur städtebaulichen Verbesserung von Stadtquar-
tieren in funktionaler und gestalterischer Hinsicht leisten.
Die für die 17. Legislaturperiode vorgesehenen Änderungen im Baugesetzbuch wurden
in zwei Gesetzgebungsverfahren durchgeführt. Der energie- und klimapolitische Teil
der Bauplanungsrechtsnovelle wurde nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im
März 2011 als Bestandteil der „Energiewende“ vorgezogen und trat am 30. Juli 2011
in Kraft. Durch die neu eingefügte „Klimaschutzklausel“ wird der Klimaschutz im
Baugesetzbuch programmatisch gestärkt, die Darstellungs- und Festsetzungsmöglich-
keiten zum Einsatz und zur Nutzung erneuerbarer Energien und aus Kraft-Wärme-
Kopplung werden erweitert, die Windenergienutzung durch neue Sonderregelungen
weiter gefördert und die Nutzung von Solaranlagen in, an oder auf Gebäuden erleich-
tert. Mit den Änderungen im Besonderen Städtebaurecht soll die Notwendigkeit der
Berücksichtigung von Klimaschutz und Klimaanpassung auch für diesen Bereich des
Städtebaurechts verdeutlicht werden. Innerhalb des besonderen Städtebaurechts wur-

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den Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zunächst nur im Zusammen-
hang mit Stadtumbaugebieten gestärkt. Bei der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme
konnte der Gesetzgeber den Klimaschutz hingegen 2011 noch nicht „platzieren“. Dies
gelang erst mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und
Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.6.201398, bei
dem erneut, aber nicht nur die Stärkung der Innenentwicklung im Fokus steht. Die
Möglichkeit der Neuerrichtung von Gebäuden in bestimmten Einzelfällen als sonstiges
Vorhaben im Außenbereich passt nicht ganz zu der Maxime des Änderungsgesetzes,
durch das erstmals seit 1990 auch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert
worden ist. In der BauNVO sind Anlagen zur Kinderbetreuung in den Regelkatalog
zulässiger Anlagen innerhalb reiner Wohngebiete aufgenommen worden. Solaranlagen
und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung sind auch dann wie Nebenanlagen im Sinne
des § 14 BauNVO zu behandeln, wenn die erzeugte Energie ins öffentliche Netz einge-
speist wird. Insbesondere Großstädte werden sich über Erleichterungen bei der Be-
gründung der Überschreitung von in der BauNVO gebietsweise vorgegebenen Nut-
zungsmaßobergrenzen freuen. All dies wird in diesem Buch an zugehöriger Stelle noch
genauer geschildert.
Mit der Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen
zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen99 verfolgte der Gesetzgeber
2014 das Ziel, länderspezifische Regelungen für Mindestabstände zwischen Windener-
gieanlagen und Wohnnutzungen zu ermöglichen, wovon innerhalb der im Gesetz ver-
ankerten Frist – 31.12.2015 – jedoch lediglich der Freistaat Bayern Gebrauch gemacht
hat100.
Von bundesweiter Bedeutung war dagegen das im gleichen Jahr in Kraft getretene
Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung
von Flüchtlingen.101 Angesichts von 200 000 erwarteten Flüchtlingen im Jahr 2014102
sah sich der Gesetzgeber veranlasst, den im § 1 Abs. 6 verankerten Belangekatalog zur
Bauleitplanung um die Interessen von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer
Unterbringung zu ergänzen (neue Nr. 13), die Flüchtlingsunterbringung in § 31 Abs. 2
Nr. 1 als Befreiungsgrund aufzunehmen sowie einige bis zum 31.12.2019 befristete
Erleichterungen zur Flüchtlingsunterbringung vor allem in Gewerbegebieten aufzuneh-
men (neue Absätze 8 bis 10 des § 246). Wegen des „präzedenzlos“ anhaltenden Stroms
von Flüchtlingen wurde 2015 über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz103 noch
einmal nachgesteuert. Diverse Bundesgesetze wurden geändert, durch Artikel 6 auch
das Baugesetzbuch. Durch diese zweite BauGB-Flüchtlingsnovelle wurden § 246 die
Absätze 11 bis 17 hinzugefügt. Ebenfalls verbunden mit Fristen bis zum 31.12.2019,
enthalten sie weitere Regeln zur Zulässigkeit von Aufnahmeeinrichtungen, Gemein-
schaftsunterkünften und sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende.
Änderungen im Recht der Bauleitplanung enthalten die Vorschriften nicht. Für die
Zwecke der Flüchtlingsunterbringung sind somit weitere Abweichungsmöglichkeiten
vom Recht der Zulässigkeit von Vorhaben geschaffen worden, die in Absatz 14 in eine
Art „Generalbefreiungsklausel“ münden, nach der als ultima ratio im erforderlichen
Umfang auch ohne neue Bauleitplanung dringend benötigte Flüchtlingsunterkünfte
bauplanungsrechtlich realisiert werden können.

98 BGBl. I S. 1548 vom 20.6.2013.


99 BGBl. I S. 954 vom 18.7.2014.
100 Vgl. § 82 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August
2007 (GVBl. S. 588, BayRS 2132-1-I) mit nachfolgenden Änderungen.
101 BGBl. I S. 1748 vom 24.11.2014.
102 Vgl. BT-Drs. 18/3070 vom 5.11.2014.
103 BGBl. I S. 1722 vom 23.10.2015.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Im Zuge europarechtlicher Anforderungen und wegen anhaltend starken Wachstums


deutscher Großstädte wurde das Baugesetzbuch 2017 in vier Novellierungsschritten
fortentwickelt und schließlich am 3. November 2017 neu bekannt gemacht104. Die
umfangreichsten Neuerungen waren mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der
Stadt vom 4.5.2017105 verbunden. Mit dem Gesetz zur Anpassung des Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vor-
gaben vom 29. Mai 2017106 ist die so genannte Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a
VwGO (a. F.),107 nach der ein Antrag auf Normenkontrolle zu einem Bebauungsplan
unzulässig war, wenn mit ihm nur Einwendungen geltend gemacht wurden, die vom
Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden,
aber hätten geltend gemacht werden können, fortgefallen, um vor allem den uneinge-
schränkten Zugang zu den Gerichten in umweltrechtlichen Fragen zu gewährleisten.
Dementsprechend wurde durch Art. 6 des genannten Gesetzes im Baugesetzbuch der
Verweis in § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz auf diese Regelung gestrichen. Im Gegen-
zug ist mit dem § 3 Abs. 3 BauGB eine neue Vorschrift zur Präklusion aufgenommen
worden, die sich allein auf anerkannte Umweltverbände bezieht, die von der neuen
Möglichkeit Gebrauch machen wollen, einen Flächennutzungsplan anzugreifen. Vor-
aussetzung für eine direkte Normenkontrollklage ist demnach, dass schon während
der Beteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB der zu beanstandende Sachverhalt vorgetragen
wurde und nicht erst nach Wirksamwerden des Plans „aus dem Hut gezaubert“ wird.
Die neuen Klagemöglichkeiten gegenüber dem vorbereitenden Bauleitplan gehen auf
ebenfalls im Jahr 2017 geänderte Vorschriften der Neufassung des Umwelt-Rechtsbe-
helfsgesetzes (UmwRG108) zurück.
Mit dem Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfa-
chung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) vom
30.6.2017109 wurden die überschwemmungsgefährdeten Gebiete im Sinne des § 78b
Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie die Hochwasserentstehungsgebiete im
Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes in den Katalog der nachrichtlich
zu übernehmenden Gebiete nach § 9 Abs. 6a aufgenommen. Nach der alten Fassung
des Wasserhaushaltsgesetzes waren diese Gebietsarten bislang im Bebauungsplan le-
diglich zu vermerken.
Das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom
20.7.2017110 dient schließlich der Anpassung des Bundesrechts an die Vorgaben der
Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014
zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten111. Artikel 2 Abs. 3 des Gesetzes än-
derte auch das Baugesetzbuch in einigen wenigen Punkten. Unter anderem gilt mit
Inkrafttreten des Gesetzes für die Verfahren nach den §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 nun-
mehr unabhängig vom Beteiligungsmonat eine Mindestfrist von 30 Tagen.

104 BGBl. I S. 3634 vom 10.11.2017.


105 BGBl. I S. 1057 vom 12.5.2017.
106 BGBl. I S. 1298 vom 1.6.2017.
107 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
108 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 23.8.2017 (BGBl. I S. 3290).
109 BGBl. I S. 2193 vom 5.7.2017; nach Art. 5 ist der überwiegende Teil des Gesetzes, vor allem die Ände-
rungen des Wasserhaushaltsgesetzes, am 5. Januar 2018 in Kraft getreten; die Änderungen im Bauge-
setzbuch sind zum Teil bereits am 6.7.2017 in Kraft getreten; diese betreffen die Neufassung von § 1
Abs. 6 Nr. 12 und § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB.
110 BGBl. I S. 2808 vom 28.7.2017.
111 ABl. Nr. L 124 vom 25.4.2014.

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3. Die Ausführungsgesetze der Länder zum Baugesetzbuch


Nach Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze als eigene aus, soweit das GG
keine abweichende Regelung enthält. Für das BauGB gilt der Normalfall: Es wird von
den Ländern als eigenes Gesetz ausgeführt. Zur Regelung von Einzelheiten, insbeson-
dere der Verwaltungszuständigkeiten, hat jedes Bundesland Vorschriften zur Ausfüh-
rung des Baugesetzbuchs erlassen. Diese Ausführungsvorschriften regeln – mit länder-
weisen Unterschieden – im Wesentlichen Zuständigkeitsfragen. Von besonderer
Bedeutung sind die Ausführungsgesetze zum BauGB in den Stadtstaaten, weil hier die
Ermächtigungen des § 246 Abs. 2 und 4 zum Zuge kommen:
Gemäß § 246 Abs. 2 bestimmen die Länder Berlin und Hamburg, welche Form der
Rechtsetzung an die Stelle der im Baugesetzbuch vorgesehenen Satzungen tritt. Das
Land Bremen kann eine solche Bestimmung treffen.
Durch § 246 Abs. 4 werden die Senate der Länder Berlin, Bremen und Hamburg er-
mächtigt, die Vorschriften des BauGB über die Zuständigkeit von Behörden dem be-
sonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.
In den Stadtstaaten wird demzufolge in der Bauleitplanung manches anders gehand-
habt als in den Flächenstaaten; auf die Einzelheiten wird insbesondere im Kapitel „Das
Verfahren der Bauleitplanung“ eingegangen.
4. Das aus dem Baugesetzbuch erwachsene Verordnungsrecht
Das Baugesetzbuch enthält mehrere Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverord-
nungen – teils an die Bundesregierung, teils an die Landesregierungen gerichtet.
Die wichtigste Ermächtigung an die Bundesregierung steht in § 9a (bis 2004: § 2
Abs. 5): Danach wird der zuständige Bundesminister ermächtigt, mit Zustimmung des
Bundesrats durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über:
1. Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen über
a) die Art der baulichen Nutzung,
b) das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung,
c) die Bauweise sowie die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflä-
chen;
2. die in den Baugebieten zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen;
3. die Zulässigkeit der Festsetzung nach Maßgabe des § 9 Abs. 3 über verschiedenar-
tige Baugebiete oder verschiedenartige in den Baugebieten zulässige bauliche und
sonstige Anlagen;
4. die Ausarbeitung der Bauleitpläne einschließlich der dazugehörigen Unterlagen so-
wie über die Darstellung des Planinhalts, insbesondere über die dabei zu verwen-
denden Planzeichen und ihre Bedeutung.
Aus dieser Ermächtigung sind die Baunutzungsverordnung (zuletzt 2017 geändert und
neu bekannt gemacht) und die Planzeichenverordnung (zuletzt ebenfalls 2017 geän-
dert) hervorgegangen – zwei Regelwerke, ohne die man sich heute eine vernünftige
Bauleitplanung kaum noch vorstellen kann. An anderer Stelle wird darauf noch näher
eingegangen (Kapitel V. „Die Bebauungspläne“).
Ebenfalls an die Bundesregierung gerichtet ist die Ermächtigung nach § 199 Abs. 1,
mit der sie ermächtigt wird, mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung
Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze bei der Ermittlung der Ver-
kehrswerte und bei der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten zu
erlassen. Auf dieser Ermächtigung fußt die Immobilienwertermittlungsverordnung –
näher beschrieben im Kapitel XVI. „Bodenwertermittlung“.
Die Landesregierungen sind durch das Baugesetzbuch seit jeher zu Rechtsetzungsakten
folgenden Inhalts ermächtigt:
– Regelung der Bildung, Zusammensetzung und Befugnisse von Umlegungsausschüs-
sen (§ 46 Abs. 2);

103

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– Regelung der Zusammensetzung der Enteignungsbehörde (§ 104 Abs. 2);


– Regelung der Bildung und des Tätigwerdens der Gutachterausschüsse und der
zentralen Geschäftsstellen (§ 199 Abs. 2);
– im Einvernehmen mit der Gemeinde die Übertragung der nach dem BauGB den
Gemeinden obliegenden Aufgaben auf eine andere Gebietskörperschaft oder einen
Verband, an dessen Willensbildung die Gemeinde mitwirkt (§ 203 Abs. 1);
– Übertragung der vom BauGB der höheren Verwaltungsbehörde zugewiesenen Auf-
gaben auf andere Behörden, Landkreise oder kreisfreie Gemeinden (§ 203 Abs. 3);
– Erweiterung der Zuständigkeit der Baulandkammern und der Baulandsenate der
Zivilgerichtsbarkeit auf Maßnahmen der Enteignung und enteignungsgleichen Ein-
griffe nach Landesrecht und auf Entschädigungsansprüche (§ 232).
Durch das BauROG 1998 wurden einige weitere Ermächtigungen hinzugefügt. Diese
wurden 2004 (weil zeitlich abgelaufen) großteils wieder aufgehoben. Geblieben sind
folgende:
Durch § 246 Abs. 1a sind die Länder ermächtigt, für alle nicht genehmigungsbedürfti-
gen Bebauungspläne und Satzungen nach § 34 ein Anzeigeverfahren einzuführen bzw.
beizubehalten. Mittels eines Anzeigeverfahrens können die Kommunen verpflichtet
werden, ihre Pläne und Satzungen vor der Inkraftsetzung der höheren Verwaltungsbe-
hörde anzuzeigen. Diese kann innerhalb eines Monats rechtliche Bedenken geltend
machen. Wenn dies geschieht, darf der Plan bzw. die Satzung nicht in Kraft gesetzt
werden.
Weiterhin konnten die Länder nach § 245b bestimmen, dass die Sieben-Jahres-Frist
nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 (wonach die erleichterte Änderung der bisherigen Nut-
zung eines Gebäudes nach zwischenzeitlicher Aufgabe der Nutzung nur innerhalb von
sieben Jahren ab Aufgabe der Nutzung zulässig ist) bis zum 31.12.2008 nicht anzu-
wenden war. Diese Frist wurde durch Art. 2 des Gesetzes vom 22.12.2008 wieder
aufgehoben.

Literatur zum Kapitel II: Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Das Baugesetzbuch von 1986
2. Das Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz/BauGB-Maßnahmengesetz von 1990
3. Planungsvereinfachungs- und Beschleunigungsgesetze
4. Das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz von 1993
5. Das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998
6. Die Änderung des BauGB im Jahr 2001 durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Ände-
rungsrichtlinie 97/1 HEG
7. Das Europarechtsanpassungsgesetz EAG Bau 2004
8. Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte 2006
Zur Entwicklung bis 2010 siehe die im Internet unter www.planundrecht.de zugängliche Biblio-
graphie der vorhergehenden Auflagen dieses Buches.
9. Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden
2011:
2011: Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Mitschang, Stephan/Stüer, Bernhard, Gesetz zur För-
derung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten,
in: NVwZ 2011, 897–905; Krautzberger, Michael, Neues Städtebaurecht des Bundes aus Grün-
den des Klimaschutzes, in: BauR 2011, 1416–1425; Krautzberger, Michael, Gesetz zur Förde-
rung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, in: UPR 2011, 361–
365; Mitschang, Stephan, Die geplante Änderung von BauGB und BauNVO in der laufenden
Legislaturperiode, in: BauR 2011, 188–204; Otto, Christian-W., Zulassung und planerische
Steuerung von Biomasseanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Klimaschutznovelle des
Baugesetzbuchs, in: ZfBR 2011, 735–742; Scholtka, Boris/Helmes, Sebastian, Energiewende
2011 – Schwerpunkte der Neuregelungen im Energiewirtschafts- und Energieumweltrecht, in:
NJW 2011, 3185–3191; Sellner, Dieter/Fellenberg, Frank, Atomausstieg und Energiewende 2011

104

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Struktur und Geschichte des Baugesetzbuchs II.

– das Gesetzespaket im Überblick, in: NVwZ 2011, 1025–1035; Söfker, Wilhelm, Das Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, in: ZfBR
2011, 541–549; Stüer, Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Die BauGB-Klimanovelle und das Energie-
fach- und -finanzierungsrecht 2011, in: DVBl 2011, 1117–1126; Wickel, Martin, Klimaschutz
und Städtebau – Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten
und Gemeinden, in: UPR 2011, 416–422; Wilke, Reinhard, Die „Klimaschutznovelle“ als erste
Stufe zur Reform des Bauplanungsrechts, in: BauR 2011, 1744–1753; 2012: Antweiler, Clemens/
Gabler, Andreas, Klimaschutz durch Bauleitplanung, in: BauR 2012, 39–47; Bunzel, Arno, Das
Planspiel zur BauGB-Novelle 2011 – Neuerungen für eine klimagerechte Stadtentwicklung, in
ZfBR 2012, 114–122; Krautzberger, Michael, Urbane Strategien zum Klimawandel, in: UPR
2012, 99–102; Mitschang, Stephan, Die Auswirkungen der Klimaschutz-Novelle auf die kommu-
nale Bauleitplanung, in: DVBl 2012, 134–141; Schröer, Thomas/Kullick, Christian, Lagebericht
zur Novellierung des Baugesetzbuchs – Klima und Innenentwicklung, in: NZBau 2012, 98–100.
10. Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts 2013:
2011: Spannowsky, Willy, Aktuelle Rechtsprechung zu den Instrumenten der Innenentwicklung,
in: UPR 2011, 241–250; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungsrechts
2012/2013, in: ZfBR 2013, 211–217; Mitschang, Stephan, Städtebauliche Planungsinstrumente
für die Innenentwicklung, in: ZfBR 2013, 324–336; Hagebölling, Clemens, Das Gesetz zur Stär-
kung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts, in: NuR 2013, 99; Schlesinger, Ivonne, Novellierungen des BauGB 2011 und
2013 mit den Schwerpunkten Klimaschutz und Innenentwicklung, in: NVwZ 2013, 269; Stüer,
Bernhard/Krautzberger, Michael, BauGB-Novelle 2013 – Gesetz zur Stärkung der Innenentwick-
lung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts, in: DVBl
2013, 805–815; 2014: Beckmann, Klaus, Die Baurechtsnovelle BauGB 2013 – eine Übersicht
über die wichtigsten formellen und materiellen Änderungen des BauGB in: KommJur 2014, 286–
293; Mitschang, Stephan, § 17 BauNVO — Städtebauliche Dichte und Innenentwicklung, in:
UPR 2014, 248–255.
11. Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwi-
schen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen:
2014: Raschke, Marcel, Privilegierter Föderalismus – Länderöffnungsklausel im BauGB?, in:
NVwZ 2014, 414–418; Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Viel Wind für weniger Wind-
energie?, in: BauR 2014, 1403–1412; Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Einführung in die Länder-
öffnungsklausel zur Regelung von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässi-
gen Nutzungen im Baugesetzbuch, in BauR 2014, 1232–1242; Scheidler, Alfred, Die Windkraft-
Länderöffnungsklausel im BauGB und ihre Umsetzung in Bayern, in: UPR 2014, 214–219; 2015:
Albrecht, Eike/Zschiegner, André, Landesgesetzliche Abstandsregelungen für Windkraftanlagen
nach § 249 Absatz III BauGB auf dem rechtlichen Prüfstand, in: NVwZ 2015, 1093–1099;
Albrecht, Eike/Zschiegner, André, Noch einmal landesgesetzliche Abstandsregelungen für Wind-
kraftanlagen nach § 249 III BauGB, in: NVwZ 2015, 1254–1258; Grüner, Anna-Maria, Die
Länderöffnungsklausel im BauGB, in: NVwZ 2015, 108–112; Decker, Andreas, Vorgaben der
Länderöffnungsklausel nach § 249 Abs. 3 BauGB für Windenergieanlagen und deren Planung,
in: ZfBR 2015, 322–329; Fülbier, Viktoria/Wegner, Nils, Die 10-H-Abstandsregelung für Wind-
energieanlagen – zur Umsetzung der Länderöffnungsklausel in Bayern, in: ZUR 2015, 149–
156. 2016: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Wem gehört der Wind? – Zur Länderöffnungsklausel im
Baugesetzbuch, in: BauR 2016 Heft 1, 37–48.
12. Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von
Flüchtlingen:
2014: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Das Gesetz über Maßnahmen im Baupla-
nungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen, in: NVwZ 2014, 1609–1613;
2015: Scheidler, Alfred, Die neue Befreiungsvorschrift des § 246 X BauGB und ihr Verhältnis
zu § 31 II BauGB Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten, in: NVwZ 2015, 1406–1410;
Krautzberger, Michael, BauGB-Novelle 2014 II: erleichterte Unterbringung von Flüchtlingen, in:
DVBl 2015, 73–79; Kment, Martin/Berger, Anja, Aktuelle BauGB-Novelle 2014 – Gesetz über
Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen, in:
BauR 2015, 211–220; Scheidler, Alfred, Die zweite BauGB-Flüchtlingsnovelle, in: UPR 2015,
479–486; Scheidler, Alfred, Änderungen im Bauplanungsrecht zur erleichterten Unterbringung
von Flüchtlingen, in: UPR 2015, 41–46; Augustin, Julian, Die Beschlagnahme leer stehender
privater Wohnungen und Liegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehren-

105

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

der, in: BauR 2015, 1934–1943; Bienek, Heinz G./Reidt, Olaf, Bauplanungsrechtliche Fragen
im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, in: BauR
2015, 422–433; 2016: Gohde, Christian, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben
zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden, in: ZfBR 2016, 642–650; Kment,
Martin/Wirth, Stefan, BauGB-Novelle 2015: Die privilegierte Genehmigung von Flüchtlingsun-
terkünften und ihre Beschränkung durch die kommunale Planungshoheit und den verfassungs-
rechtlich geforderten Nachbarschutz, in: ZfBR 2016, 748–755; Hornman, Gerhard, Errichtung
von Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünften ohne Grenzen?, in: NVwZ 2016, 436–439;
Beckmann, Klaus, Kritische bauplanungsrechtliche Gesamtschau über Flüchtlingsunterkünfte –
Teil 1, in: KommJur 2016, 321–327; Beckmann, Klaus, Kritische bauplanungsrechtliche Gesamt-
schau über Flüchtlingsunterkünfte – Teil 2, in: KommJur 2016, 366–376; Ewer, Wolfgang/Mut-
schler-Siebert, Annette, Die Unterbringung von Flüchtlingen – Bau-, ordnungs- und vergabe-
rechtliche Aspekte, in: NJW 2016, 11–18; Scheidler, Alfred, Unterkünfte für Flüchtlinge und
Asylbegehrende im Außenbereich – Die Interimsvorschriften in § 246 Abs. 9 und 13 BauGB, in:
ZfBR 2016, 27–32; Krautzberger, Michael, Die Flüchtlingsnovelle BauGB 2014/2015 – jenseits
der Innenentwicklung? in: UPR 2016, 95–100; Blechschmidt, Rolf/Reidt, Olaf, Vorhaben zur
Unterbringung von Flüchtlingen – und danach?, in: BauR 2016, 934–944; 2017: Scheidler, Al-
fred, Ausnahmen vom Bebauungsplan allgemein und speziell für Flüchtlingsunterkünfte, in:
BauR 2017, 1455–1462.
13. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz:
2015: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnah-
mengesetz 2015, in: NVwZ 2015, 1633–1639; 2016: Neundorf, Kathleen, Neuerungen im Auf-
enthalts- und Asylrecht durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, in: NJW 2016, 5–11;
Ewer, Wolfgang/Mutschler-Siebert, Annette, Die Unterbringung von Flüchtlingen – Bau-, ord-
nungs- und vergaberechtliche Aspekte, in: NJW 2016, 11–18.
14. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des
neuen Zusammenlebens in der Stadt:
2017: Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Entwurf der Städtebaurechtsnovelle 2017, in:
BauR 2017, 474–482; Wickel, Martin, Urbane Gebiete – neue Möglichkeiten und Grenzen, in:
RaumPlanung 190/2-2017, 21–26; Bunzel, Arno, Neues Städtebaurecht im Planspieltest – die
Novelle 2016/2017, in: ZfBR Jahr 2017, 220–228; Battis, Ulrich/Mitschang Stephan/Reidt,
Olaf, Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung
des neuen Zusammenlebens in der Stadt (BauGB-Novelle 2017), in: NVwZ Jahr 2017, 817–
826; Schink, Alexander, Die neue Baugebietskategorie: Urbane Gebiete nach § 6 a BauNVO, in:
NVwZ 2017, 1641–1646; Franßen, Yvonne, „Urbane Gebiete“ und Auswirkungen auf Stadtent-
wicklung und Umwelt, in: ZUR 2017, 532–539; Mailänder, Mathias, Das „Urbane Gebiet“ –
Wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer verpassten Chance?, in: BauR 2017, 1606–1613; Hauth,
Michael, Faktische Baugebiete gem. § 34 Abs. 2 BauGB – auch in Form der (neuen) urbanen
Baugebiete nach § 6a und der Sondergebiete nach § 10 und § 11 BauNVO?, in: BauR 2017,
1463–1470; 2018: Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Städtebaurechtsnovelle 2017, in:
DVBl 2018, 7–16.
15. Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an eu-
ropa- und völkerrechtliche Vorgaben:
2013: Seibert, Max-Jürgen, Verbandsklagen im Umweltrecht, Aktueller Stand, Perspektiven und
praktische Probleme; NVwZ 2013, 1040–1049; 2014: Klinger, Remo, Umweltverträglichkeits-
prüfung und Rechtsschutz, ZUR 2014, 535–541; 2015: Moritzm, Grunow/Nadja, Salzborn,
Zum Prüfungsumfang der Umweltverbandsklage, in: ZUR 2015, 156–160; Fellenberg, Frank,
Weiter frischer Wind aus Luxemburg – Zu den Klagemöglichkeiten im Umweltrecht, in: NVwZ
2015, 1721¬1726; 2016: Müggenborg, Hans-Jürgen, Stellungnahme des Deutschen Anwaltver-
eins zur geplanten Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, in: NuR 2016, 473–475; 2017:
Schlacke, Sabine, Die Novelle des UmwRG 2017, in: NVwZ 2017, 905–912; 2018: Franzius,
Claudio, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorga-
ben?, in: NVwZ 2018, 219–222; Seibert, Max-Jürgen, Die Fehlerbehebung durch ergänzendes
Verfahren nach dem UmwRG, in: NVwZ 2018, 97–105.
16. Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Ver-
fahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II):
2017: Reinhardt, Michael, Trial and Error: Die WHG-Novelle 2017 zum Hochwasserschutz, in:
NVwZ 2017, 1585–1590.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

17. Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung:


2014: Bunge, Thomas, Neue Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung: die UVP-
Änderungsrichtlinie 2014, in: NVwZ 2014, 1257–1263; 2015: Mitschang, Stephan, UVP-Ände-
rungs-Richtlinie – Neue Anforderungen an die Durchführung der Umweltprüfung in der Bau-
leitplanung, in: ZfBR Jahr 2015, 432–444; 2017: Rieger, Stefan/Groß, Johannes, Wegfall der
Präklusion in UVP-Verfahren, in: NZBau 2017, 195–200; 2018: Grandjot, René, Grenzüber-
schreitende Umweltprüfungen – Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts
der Umweltverträglichkeitsprüfung, in: DVBl 2018, 161–164.
18. Die Baunutzungsverordnung: (siehe auch die Literaturhinweise Nr. 14 zu Kapitel B.V.):
2010: Boeddinghaus, Gerhard, Überprüfung der Baunutzungsverordnung, in: BauR 2010, 998–
1007; Kirchberg, Christian/König, Helmut, Alternative Überlegungen zur Reform der BauNVO,
in: BauR 2010, 1686–1701; 2011: Boeddinghaus, Gerhard, Probleme bei der Übertragung der
landesrechtlichen Vollgeschossregelungen in die Baunutzungsverordnung, in: BauR 2011, 1263–
1273.
19. Ausführungsvorschriften; Landesrechtliche Besonderheiten:
2011: Schröer, Thomas/Kullick, Christian, Berliner Vorstoß – Regelungsmodelle zur Stellplatzbe-
schränkung, in: NZBau 2011, 279–281; 2012: Krappel, Thomas/Freiherr von Süßkind-
Schwendi, Benedict, Die planerische Steuerung von Windenergieanlagen – neue Entwicklungen
im Planungsrecht der Bundesländer –, in: ZfBR-Beil. 2012, 65–71; Nonnenmacher, Carol, Die
Windenergienovelle des Landesplanungsgesetzes: Chancen und Risiken für die Kommunen, in:
VBlBW 2012, 256–265.

III. Das Verfahren der Bauleitplanung


Herr des Verfahrens der Bauleitplanung ist die Gemeindevertretung. Sie beschließt
den F-Plan als Planwerk besonderer Art, die Bebauungspläne als Satzungen. In den
Stadtstaaten Hamburg und Berlin (mit Einschränkungen auch in Bremen) gibt es aller-
dings keine Satzungen, sodass das Baugesetzbuch den Stadtstaaten abweichende Ver-
fahrensregelungen erlaubt hat. Darauf wird am Schluss dieses Kapitels näher eingegan-
gen; zunächst soll der Normalfall, also das Planaufstellungsverfahren in den Städten
und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Stadtstaaten, geschil-
dert werden. Das Planaufstellungsverfahren ist für F- und B-Pläne im Wesentlichen
gleich, sodass es in einem Kapitel und in einer Übersicht – dem Bild 20 – zusammenge-
fasst werden kann.

Bild 20: Das Verfahren der Bauleitplanung


Arbeits- Tätigkeit §§
schritt
1 Vorlaufphase: Klärung der Erforderlichkeit 1 Abs. 3
2 Abfrage der Ziele der Raumordnung 1 Abs. 4
3 Aufstellungsbeschluss (mit Geltungsbereich) 2 Abs. 1
Regelfall: Beginn der Umweltprüfung 2 Abs. 4
Ausnahme: Vereinfachtes/beschleunigtes Verfahren 13/13a und b
4 Frühzeitige Unterrichtung der Behörden und sonstiger Träger öffentli- 4 Abs. 1, 2
cher Belange mit Aufforderung, sich zum Umfang und Detaillierungsgrad
der Umweltprüfung zu äußern und vorhandene umweltbezogene Infor-
mationen zu übermitteln
5 Festlegung des Umfangs und des Detaillierungsgrads der Umwelt- 2 Abs. 4
prüfung, ggf. auf der Grundlage eines Scopingtermines
6 Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit 3 Abs. 1
7 Vorentwurf – Ausführliche Beteiligung der Behörden und der sonstigen 4 Abs. 2,
Träger öffentlicher Belange 2 Abs. 2,
und der Nachbargemeinden (auch im Ausland) evtl. elektronisch 4a, 4b

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Arbeits- Tätigkeit §§
schritt
8 Entwurf – Vorläufige Abwägung: Die öffentlichen und privaten Belange 1 Abs. 6,
sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen Ausle- 1 Abs. 7,
gungsbeschluss 1a
9 Öffentliche Auslegung mit Benachrichtigung der beteiligten Behörden; 3 Abs. 2,
Bekanntmachung auch im Internet 4a Abs. 4
10 Endgültige Abwägung – 1 Abs. 7,
evtl. Wiederholung der öffentlichen Auslegung 4a Abs. 3
11 Satzungsbeschluss über den Rechtsplan 10 Abs. 1,
(beim F-Plan: Feststellungsbeschluss) 6
12 Beim F-Plan und bei B-Plänen, die nicht aus dem F-Plan entwickelt 6, 10,
sind: Genehmigung der höhere Verwaltungsbehörde 246 Abs. 1a
13 Ausfertigung, Bereitstellung der Planunterlagen – auch im Internet – ein- 6 Abs. 5,
schließlich der zusammenfassenden Erklärung 6a Abs. 1,
10 Abs. 3,
10a Abs. 2
14 Inkrafttreten des Plans; Mitteilung an die TöB und die Absender von 6, 10, 3 Abs. 2
Stellungnahmen über das Ergebnis der Abwägung
15 Durchführung des Monitoring 4c

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt beim Aufstellungsverfahren für Bebauungs-


pläne, denn davon gibt es in (fast) jeder Gemeinde mehrere, während der Flächennut-
zungsplan immer nur einmal vorhanden ist. Mehrere Flächennutzungspläne können
nur in solchen Gemeinden vorhanden sein, die durch Zusammenfassung mehrerer
Gemeinden aus einer Gebietsreform hervorgegangen sind. Gemäß § 204 Abs. 2 gelten
die vorhandenen F-Pläne fort, bis sie durch einen neuen F-Plan für die ganze Gemeinde
abgelöst worden sind. Bis dahin dürfen sie noch einzeln geändert oder ergänzt werden.
Seit 2004 sind auch (sachliche) Teilflächennutzungspläne zulässig, mit denen über die
Darstellung von Konzentrationsflächen die Standorte bestimmter privilegierter Anla-
gen im Außenbereich gesteuert werden können. Diese können zusätzlich zu den übli-
chen gemeinde- oder amtsweiten Flächennutzungsplänen aufgestellt werden. Im Jahr
2011 wurde klargestellt, dass sich diese sachlichen Teilflächennutzungspläne auch auf
Teile des Gemeindegebiets beschränken können (§ 5 Abs. 2b).
1. Vorlaufphase; Klärung der Planerforderlichkeit
Das offizielle Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplanes wird in der Regel durch
einen förmlichen Beschluss eingeleitet, der – abhängig von der Gemeindeordnung des
jeweiligen Bundeslandes – entweder von der Gemeindevertretung als ganzer oder auch
von einem Ausschuss der Gemeindevertretung bzw. vom Gemeindevorstand gefasst
werden kann. Dieser Beschluss heißt Aufstellungsbeschluss. Meistens geht diesem Be-
schluss eine längere Vorlaufphase voraus. In dieser Phase muss auch die Erforderlich-
keit der Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 geklärt werden. Diese „Planrechtfertigung“
hat zwei Seiten: Wenn der Plan nicht erforderlich ist, ist er unwirksam.112 Umgekehrt
kann ein Plan dringend erforderlich sein, um eine aus dem Ruder gelaufene städtebau-
liche Situation zu ordnen. In diesem Fall kann eine (untätige) Gemeinde mit Hilfe der
Kommunalaufsicht dazu angehalten werden, den Plan aufzustellen. Die Erforderlich-

112 Beispiele: BVerwG, U. v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 –, ZfBR 2004, 563 (Plan kann innerhalb der nächsten
zehn Jahre nicht verwirklicht werden); Bayerischer VGH, U. v. 31.3.2004 – IN 01.1157 –, ZfBR 2004,
696.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

keit kann sich zu einer Planungspflicht verdichten, wenn der B-Plan erforderlich ist,
um Ziele der Raumordnung durchzusetzen.113
Wenn ein positives Planungserfordernis im Sinne einer „Erstplanungspflicht“ der Ge-
meinde besteht, scheitert die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 (oder auch nach
§ 35) am öffentlichen Belang der Planungserforderlichkeit.114 Eine Planung kann auch
erforderlich sein, wenn ihre städtebaulichen Ziele mehr auf Bewahrung als auf Verän-
derung der vorhandenen Situation abstellen.115 Festsetzungen in einem Bebauungsplan
sind jedoch als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen
der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung
zu verhindern.116
Schließlich spielt die Planungserforderlichkeit noch eine Rolle im Zusammenhang mit
dem Grundsatz des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden. Wenn der Bauleitplan
bislang anderweitig genutztes Land für Bauzwecke eröffnet, muss auch dies „erforder-
lich“ sein. Die Ausweisung neuen Baulands ist nicht erforderlich, wenn noch hinrei-
chend Bauland im Innenbereich zur Verfügung steht (und auch tatsächlich verfügbar
ist). Mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemein-
den und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts wurde diese „Pflicht zur Innen-
entwicklung“ 2013 als § 1 Abs. 5 Satz 2 in den Katalog der Planungsgrundsätze aufge-
nommen und damit nochmals unterstrichen; die städtebauliche Entwicklung soll
grundsätzlich vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen. Dass es
der Gesetzgeber damit ernst meint, unterstreicht er, indem er in § 1a Abs. 2 Satz 3
verfügt, dass die Umwandlung von landwirtschaftlich genutzten Flächen oder von
Wald unter Berücksichtigung von Innenentwicklungsmöglichkeiten nachvollziehbar zu
begründen ist. Allerdings muss nach der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen
ein konkreter aktueller Bauflächenbedarf für ein stimmiges städtebauliches Konzept
regelmäßig nicht vorliegen. Die Gemeinde darf vielmehr auch für einen Bedarf planen,
der sich erst für die Zukunft abzeichnet.117
Die Vorlaufphase zu einem Flächennutzungsplan ist länger als bei Bebauungsplänen.
Denn beim F-Plan, der für das ganze Gemeindegebiet gilt und der daher nur in größe-
ren Abständen von etwa fünfzehn Jahren neu aufgestellt oder grundlegend überarbei-
tet wird, muss das Konzept der Gemeinde für ihre räumliche Planung insgesamt über-
dacht und diskutiert werden. Das ist in ein paar Monaten nicht zu erledigen. Das
Aufstellungsverfahren für einen F-Plan dauert auch deshalb insgesamt im Durchschnitt
etwa drei bis fünf Jahre. Häufig werden gleichzeitig oder vorher Stadtentwicklungs-
pläne oder Stadtteilentwicklungspläne aufgestellt – damit wird der F-Plan vorgedacht
und zugleich für eine Koordination mit anderen Fachplanungen gesorgt. Die Bedeu-
tung dieser integrierten Planungsansätze ist in den letzten Jahren stetig gestiegen.118
Die Ergebnisse derartiger informeller Planungen sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 in der
Bauleitplanung zu berücksichtigen, wenn sie von der Gemeinde beschlossen worden
sind. Ist der F-Plan einmal wirksam, lassen sich bei Bedarf Teilflächen ändern, um so
auf neue Entwicklungen zu reagieren – ein komplettes Neuaufstellungsverfahren ist
dann nicht erforderlich. Diese Änderungsverfahren unterliegen dem gleichen Ablauf
wie das Aufstellungsverfahren insgesamt, sie können je nach Planungskomplexität
ebenfalls Jahre dauern. Bei Änderungsvorhaben, von denen die Grundzüge der Pla-

113 Beispiel: BVerwG, U. v. 17.9.2003 – 4 C 14.01 –, ZfBR 2004, 171 (Notwendige Überplanung eines
angeblich zum Gewerbepark bestimmten Gebiets im Innenbereich, in dem fortlaufend großflächiger
Einzelhandel nach § 34 zugelassen wird).
114 Vgl. BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01–, ZfBR 2003, 38 (FOC Zweibrücken).
115 Vgl. BVerwG, B. v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 –, BauR 2012, 1067.
116 Vgl. BVerwG, B. v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 –, NVwZ 1991, 875.
117 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 14.7.2014 – 2 B 581/14.NE –, in: BauR 2014, 2031–2042.
118 Vgl. hierzu z. B. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Auf dem Weg zu
einer Nationalen Stadtentwicklungspolitik, Memorandum, Bonn 2007.

109

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

nung nicht berührt werden, kann das „vereinfachte Verfahren“ nach § 13 angewendet
und der Arbeits- und Zeitaufwand damit verkürzt werden, aber nur dann, wenn für
den betreffenden Planungsvorgang keine Umweltprüfung durchgeführt werden muss.
Dieses ist nur dann der Fall, wenn von der Planung keine UVP-pflichtigen Vorhaben
aus der Liste im Anhang zum UVPG oder nach Landesrecht betroffen sind, keine
Auswirkungen auf Natura-2000 Gebiete zu befürchten und keine Pflicht zur Vermei-
dung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1
Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beachten sind (neu 2017). Weichen so genannte
Bebauungspläne der Innenentwicklung (§ 13a) oder die 2017 – einstweilen bis zum
31.12.2019 befristet – eingeführten Bebauungspläne zur Einbeziehung von Außenbe-
reichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13b) von den Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans ab, d. h. sind sie nicht im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 entwickelbar,
darf der Flächennutzungsplan im Wege der Berichtigung – ohne förmliches Verfahren
– angepasst werden (vgl. hierzu Kapitel B.III.9). Dieses „außer Kraft setzen“ des Ent-
wicklungsgebots ist jedoch nur möglich, wenn die städtebauliche Entwicklung des
Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt wird. Die Bebauungspläne nach den §§ 13a und
13b ersetzen damit quasi die „dringenden Gründe“, die für die Aufstellung eines sog.
vorzeitigen Bebauungsplans i. S. d. § 8 Abs. 4 erforderlich waren. In der Summe wer-
den F-Pläne oder Änderungen zum F-Plan weniger häufig in Angriff genommen als
die Aufstellung oder Änderung von B-Plänen. Die 2004 eingeführte Bestimmung des
§ 5 Abs. 1 Satz 3 (BauGB 2004), nach der F-Pläne spätestens 15 Jahre nach ihrer erst-
maligen oder erneuten Aufstellung überprüft und – falls erforderlich – geändert, er-
gänzt oder neu aufgestellt werden sollten, wurde bereits zum 1.1.2007 wieder aus dem
BauGB entfernt und blieb deshalb bedeutungslos.
Art und Intensität der Vorlaufphase zu einem B-Plan hängen davon ab, von wem die
Initialzündung zur Aufstellung dieses Planes ausgeht. Als Veranlasser kommen sowohl
die Gemeinde selbst als auch Grundeigentümer oder sonstige Interessenten, auch an-
dere Behörden, in Frage. Die Gemeinde selbst muss sich um einen B-Plan bemühen,
wenn sie eigene Vorhaben, wie z. B. den Bau einer Gemeindestraße oder einer Schule,
verwirklichen möchte. Handelt es sich um die Errichtung von Wohnbauten oder um
den Bau oder die Erweiterung von gewerblichen Betrieben, wird die Initiative nicht
selten von den Grundstückseigentümern, auch von großen Wohnungsbaugesellschaf-
ten oder von Unternehmen, also Investoren im weiteren Sinne ausgehen (s. auch
Bild 21).

110

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Bild 21: Entwicklung eines Bebauungsplans – methodisches Vorgehen

Planerfordernis prüfen (§ 1 (3) BauGB):


Wofür und wie weit ist der B-Plan für die städtebauliche
Entwicklung und Ordnung erforderlich ?
FNP (§ 5 BauGB) Sonstiges Konzept Investorenplan
Sektoraler Bedarf oder Planung i.S.d. vorhandene
und bedeutende § 1 (6) Nr. 11 BauGB Entwicklungsabsicht
Planungsbedingungen z.B. ISEK*, EHK** eines Dritten, sofern
festgestellt erfordert passend zu den
und verortet Handlungsbedarf Vorstellungen der
Kommune

Gewichtung
Städtebauliche Entwurfsvorstellungen entwickeln:
Wie drückt sich das ermittelte Planerfordernis in einem
bestimmten Plangebiet baulich/räumlich aus?
(bei Investorenplänen regelmäßig vorhanden)

Nutzungsstrukturelles/ Freiraumplanerisches Erschließungs-


städtebauliches Konzept konzept
Konzept z.B. Anteil öffentlicher- z.B. Straßentyp,
z.B. nutzungsabhängige und privater Flächen Querschnitt und
Gebäudetypologie bestimmen, Gestaltungs-
entwerfen, Gestaltungs- vorstellungen
Dichte bestimmen, und Zonierungs- entwickeln,
Gestaltungsvor- vorstellungen Stellplatzfrage klären
stellungen entwickeln entwickeln

z.B. Festsetzungen zur z.B. Festsetzungen zu z.B. Festsetzungen zu


Art und zum Maß der Grünflächen, zu Verkehrsflächen ggf. für
baulichen Nutzung, zur Gemeinschaftsanlagen einen besonderen
Bauweise oder zu den oder Pflanzbindungen Zweck, wie
überbaubaren Fußgängerbereich
Grundstücksflächen

Entwickelter Bebauungsplan(vor)entwurf:
Die städtebaulichen Entwurfsvorstellungen werden in die
Sprache des Bebauungsplans übersetzt!

* Integriertes Stadtentwicklungskonzept
** Einzelhandels- und Zentrenkonzept

Durch Vorverhandlungen und Gespräche wird geklärt, welche allgemeinen Vorstellun-


gen bei den Beteiligten bestehen. Wenn sich in der Vorlaufphase herausstellt, dass die
Vorstellungen der Beteiligten anscheinend auf einen Nenner gebracht werden können,
kommt es zum Aufstellungsbeschluss. Wegen der Regel des § 1 Abs. 3 Satz 2, wonach
niemand auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen einen
Anspruch hat, kann sich eine Gemeinde auch vertraglich, z. B. gegenüber einem großen

111

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Investor, nicht wirksam zur Aufstellung eines B-Plans verpflichten. Der Bundesge-
richtshof (BGH)119 und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)120 haben dement-
sprechend Verträge und Zusagen, einen B-Plan bestimmten Inhalts in bestimmter Zeit
aufzustellen, für nichtig erklärt. Der allein entscheidungsberechtigte Gemeinderat
kann weder durch einseitige schriftliche Zusagen, z. B. des Bürgermeisters, noch durch
Verträge vorab gebunden werden. Der BGH hält allerdings Schadensersatzansprüche
des Vertragspartners der Gemeinde wegen enttäuschten Vertrauens für möglich, wenn
der vertraglich verabredete Bebauungsplan unerwartet nicht zustande kommt.121 Au-
ßerdem ist durch § 12 Abs. 2 für den „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ (in Ver-
bindung mit einem Vorhaben- und Erschließungsplan) angeordnet, dass die Gemeinde
auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung dieses speziellen Bebauungsplan-
verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Damit ist die willkürli-
che Ablehnung der Aufstellung eines vorhabenbezogenen B-Plans – dessen Kosten ein-
schließlich der Erschließung vom Vorhabenträger übernommen werden – als
rechtswidrig gekennzeichnet. Auch wenn ein vorab zugesagter B-Plan (trotz der Nich-
tigkeit der Zusage oder des Vertrags) schließlich erfolgreich vom Gemeinderat be-
schlossen wird, können der Gemeinde aus der rechtlich unzulässigen Vorwegbindung
noch Schwierigkeiten erwachsen. Dazu später mehr unter dem Stichwort „Abwä-
gungsgebot“.
2. Die Anpassung an die Ziele der Raumordnung
In eine sehr frühe Phase der Aufstellung eines Bauleitplans gehört auch die sog. landes-
planerische (oder raumordnungsrechtliche) Anfrage. Diese Anfrage ist nicht im
BauGB, sondern in den Landesplanungsgesetzen vorgeschrieben. Dort heißt es sinnge-
mäß: „Die Gemeinde hat die Absicht, einen Bauleitplan aufzustellen, der für die
Raumordnung zuständigen Stelle unter allgemeiner Angabe ihrer Planungsabsichten
mitzuteilen und anzufragen, welche Ziele der Raumordnung und Landesplanung für
den Planbereich bestehen“. Der Sinn der landesplanerischen Anfrage liegt darin, dass
der Gemeinde schon vor Eintritt in die eigentliche Planungsarbeit die nicht durch
Abwägung überwindbaren Ziele der Raumordnung mitgeteilt werden sollen. An diese
Ziele muss sich die Gemeinde anpassen. Durch frühzeitige Kenntnisnahme von diesen
Zielen werden unnötige Verirrungen vermieden. Im Einzelfall kann sich die gesamte
Planungsabsicht als undurchführbar herausstellen, weil ein Ziel der Raumordnung
dagegen steht. Die landesplanerische Anfrage sollte jedoch nicht mit der Beteiligung
der Landesplanung als Behörde vermengt werden. In der Beteiligung der Behörden
und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 kann die Landesplanungsbehörde
auch Wünsche und Anregungen vortragen, die in die Liste des Abwägungsmaterials
aufgenommen werden. Als Antwort auf die landesplanerische Anfrage sollen (und
dürfen!) nur durch Abwägung nicht überwindbare Ziele mitgeteilt werden. In der
Praxis wird dieser Grundsatz leider nicht immer eingehalten. „Ziele“ der Raumord-
nung im Sinne des § 1 Abs. 4, an die sich die Bauleitpläne anzupassen haben, sind
nicht etwa die (relativ) abstrakten Leitvorstellungen und Grundsätze des Raumord-
nungsgesetzes oder der Landesplanungsgesetze. Ziele können vielmehr nur in Regio-

119 BGH, U. v. 8.6.1978 – 3 ZR 48/76 –, NJW 1978, 1803; BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –,
NJW 1980, 826.
120 BVerwG, U. v. 1.2.1980 – 4 C 40.77–, ZfBR 1980, 88; ebenso BVerwG, U. v. 29.5.1981 – 4 C 72.78 –,
ZfBR 1981, 241. Das BVerwG bejaht den Verwaltungsrechtsweg, weil die in einem Grundstückskauf-
vertrag enthaltene Verpflichtung zur Bauleitplanung öffentlich-rechtlicher Natur sei. Der BGH hatte in
einem ähnlichen Fall wegen des Überwiegens privatrechtlicher Elemente die zivilgerichtliche Zuständig-
keit bejaht: BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –, NJW 1980, 826; ebenso BGH UPR 1983, 264.
Vgl. weiterhin BVerwG, U. v. 29.5.1981 – 4 C 72.78 –, BauR 1982, 30.
121 BGH, U. v. 8.6.1978 – 3 ZR 48/76 –, NJW 1978, 1804; BGH, U. v. 22.11.1979 – 3 ZR 186/77 –,
NJW 1980, 826; BGH, U. v. 1.12.1983 – 3 ZR 38/82 –, ZfBR 1984, 146; ZfBR 1984, 42.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

nalplänen (in Nordrhein-Westfalen heißen sie Gebietsentwicklungspläne), seltener


auch in Landesraumordnungsprogrammen (in Nordrhein-Westfalen und Berlin-Bran-
denburg: Landesentwicklungspläne) stehen. Sie müssen dort als solche gekennzeichnet
sein. Ob sie wirklich genau genug formuliert sind, um als Ziele wirksam werden zu
können, stellt sich spätestens im Laufe eines Rechtsstreits heraus. In § 3 ROG ist
definiert, was ein Ziel ist. Ziele der Raumordnung sind danach:
„verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimm-
baren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder
zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und
Sicherung des Raums“.
Um eine Anpassungspflicht auszulösen, muss eine als Ziel formulierte Vorgabe hinrei-
chend konkret, sprachlich eindeutig und sachlich vollziehbar sein. Die Einstufung ei-
nes Gebiets als „Gebiet mit besonderer Bedeutung für Erholung“ ist kein Ziel, weil es
nach Inhalt und Folgen nicht bestimmt genug ist.122 Ziele mit Regel/Ausnahmecharak-
ter sind jedoch zulässig, wenn auch die Ausnahmen hinreichend genau umschrieben
sind.123 Ob eine „Soll“-Formulierung genügt, ist umstritten.124 Wenn Regel-Aus-
nahme-Formulierungen zulässig sind, müssten auch „Soll“-Formulierungen genügen,
denn sie enthalten materiell nichts anderes.
Die betroffenen Gemeinden müssen mit Rücksicht auf ihre Anpassungspflicht an der
Ausformulierung und Abwägung der sie betreffenden Ziele entsprechend den Regelun-
gen des jeweiligen Landesplanungsrechts ausreichend beteiligt worden sein (vgl. § 10
Abs. 1 ROG). Werden Ziele im Aufstellungsverfahren zum Raumordnungsplan derge-
stalt geändert, dass dies zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen
führt, sind die betroffenen Gemeinden erneut zu beteiligen.125 Rechtsverbindlich fest-
gestellte Regionalpläne müssen wegen ihrer Bindungswirkung auch dann als Rechts-
normen eingestuft werden, wenn sie nicht förmlich als Norm, z. B. als Rechtsverord-
nung, verabschiedet worden sind.126
Die Intensität der Bindung hängt im Einzelfall von der Reichweite und Formulierung
der landesplanerischen Ziele ab.127 Soweit eine abschließende Aussage getroffen wor-
den ist, ist sie für die betroffene(n) Gemeinde(n) strikt bindend und nicht durch Abwä-
gung zu überwinden. Im Übrigen bleibt den Gemeinden Raum für Konkretisierung
und Abwägung. Dies ist auch notwendig, denn die Planungshoheit der Gemeinden
darf durch die Landesplanung nicht außer Kraft gesetzt werden. Ausnahmsweise ist
jedoch die gebietsscharfe Ausweisung von Infrastrukturvorhaben in einem Regional-
plan durchaus zulässig – sie kann sogar (in besonders strittigen Fällen) durch Landes-
gesetz verbindlich vorgeschrieben werden.128 § 2 Abs. 2 Satz 2 stellt sicher, dass die
Ziele der Raumordnung auch im Nachbarschaftsverhältnis der Kommunen unterei-
nander gelten. Danach können sich Gemeinden untereinander auf die ihnen durch
Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen berufen. Gemeinden, die keine

122 So Niedersächsisches OVG, U. v. 30.8.1995 – 1 L 894/94 –, BauR 1996, 348.


123 BVerwG, U. v. 18.9.2003 – 4 CN 20.02 –, ZfBR 2004, 177.
124 Dafür: Bayerischer VGH, 22.5.2002 – 26 B 01.2234 –, ZfBR 2002, 590; Bayerischer VGH, 19.4.2004
– 15 B 99.2605 –, ZfBR 2004, 83 (LS).
125 BVerwG, 7.3.2002 – 4 BN 60.01 –, ZfBR 2002, 487 (LEP Schönefeld-Flughafen).
126 Bayerischer VGH, U. v. 14.12.1983, DÖV 1984, 476; BVerwG, 20.11.2003 – 4 CN 6.03 – ZfBR
2004, 272 (gegen Hessischer VGH).
127 Vgl. z. B. Bayrischer VGH, BayVBl. 1984, 240: Normenkontrollklage einer Gemeinde gegen den Regio-
nalplan wegen unterbliebener Ausweisung als Kleinzentrum; Bayerischer VGH DVBl. 1983, 1157:
Landesplanerische Standortfestlegung für zentrale Entsorgungseinrichtungen; BremStGH UPR 1984,
61: Anforderungen an die landesrechtlich verbindliche Aufstellung von Zielen der Raumordnung;
BGHZ 88, 51: Bindungswirkung im Baugenehmigungsverfahren.
128 BVerwG, U. v. 15.3.2003 – 4 CN 9.01 –, ZfBR 2003, 776 (Erweiterung des Flughafens Stuttgart und
Neubau einer Landesmesse).

113

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

zentralörtlichen Funktionen zugewiesen bekommen haben, dürfen sich diese nicht


„unter der Hand“ anmaßen (z. B. durch die Planung eines Einkaufszentrums).

3. Der Aufstellungsbeschluss; Beauftragung eines Dritten mit der Durchführung


einzelner Verfahrensschritte
Der Aufstellungsbeschluss ist zwar im Gesetz (in § 2 Abs. 1) geregelt, aber (bundes-
rechtlich) nicht vorgeschrieben.129 Ein Planaufstellungsverfahren wird also nicht da-
durch fehlerhaft, dass sich kein Aufstellungsbeschluss in den Akten findet. Drei Instru-
mente des BauGB können aber von der Gemeinde nicht angewendet werden, wenn
kein Aufstellungsbeschluss gefasst und förmlich bekannt gemacht worden ist! Nicht
möglich sind dann (für diesen Plan): eine Veränderungssperre nach § 14; die Zurück-
stellung von Baugesuchen nach § 15 und die Erteilung von Genehmigungen während
der Planaufstellung nach § 33.
Gleichzeitig mit dem Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan kann die Gemeinde den
Beschluss über eine Veränderungssperre fassen (Die Veränderungssperre wird in Kapi-
tel B.VII.1. näher erläutert). Die eigentliche Rechtswirkung der Veränderungssperre
durch Bekanntmachung als Satzung kann jedoch nur eintreten, wenn der Aufstellungs-
beschluss zuvor öffentlich bekanntgemacht worden ist. Zurückstellungen und vor-
läufige Untersagungen von Baugesuchen bzw. Bauvorhaben sind schon vor der Be-
kanntmachung des Aufstellungsbeschlusses zulässig und wirksam, sofern die
Bekanntmachung dann nachfolgt.
Insbesondere kleinere Gemeinden verfügen in aller Regel nicht über das notwendige
Fachpersonal, um das Aufstellungsverfahren für einen Bauleitplan von vorne bis hin-
ten selbst durchführen zu können. Daher werden häufig Planungsbüros nicht nur mit
der technischen Herstellung der Planentwürfe und der Entwürfe für die Begründung
beauftragt, sondern auch mit der Betreuung der Verfahrensschritte im Aufstellungsver-
fahren. Diese Vorgehensweise ist durch § 4b ausdrücklich erlaubt. „Insbesondere zur
Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens“ kann sich die Gemeinde der Hilfe eines
Dritten bedienen. Dem Dritten können die Vorbereitung und Durchführung von Ver-
fahrensschritten im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden (ein-
schließlich der grenzüberschreitenden Unterrichtung nachbarstaatlicher Gemeinden
und Behörden) übertragen werden. Einem Dritten kann auch die Durchführung einer
Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung
übertragen werden. Die förmliche Mediation ist dabei gemäß § 1 Abs. 1 Mediations-
gesetz130 definiert als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Par-
teien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine
einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Für die Planungspraxis wichtig
ist danach, dass für die beauftragten Mediatoren die Vorschriften des Mediationsgeset-
zes gelten. Die Verantwortung der Gemeinde für die eigentliche Beschlussfassung
bleibt jedoch unberührt (in § 11 Abs. 1 Nr. 1 wird ausdrücklich darauf hingewiesen).
Dritter im Sinne des Gesetzes kann jede geeignete natürliche oder juristische Person
sein, wobei es entscheidend darauf ankommt, dass dieser Dritte in das Interessenge-
flecht des Bebauungsplans, dessen Verfahren zu betreuen er übernommen hat, nicht
allzu tief verwoben ist. Angesichts der Tatsache, dass nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 auch
einem Vorhabenträger, der im Baugebiet selbst tätig werden möchte, nicht nur die
Kosten, sondern auch „die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen“ übertragen
werden kann, wird man nicht fordern dürfen, dass der Dritte gänzlich außerhalb jeder
Beteiligung an dem Bauleitplanverfahren stehen muss. Die Einschaltung von Interes-

129 So BVerwG, B. v. 15.4.1988 – 4 N 4.87–, BRS 48 Nr. 21: Eine bundesrechtliche Verpflichtung, einen
Planaufstellungsbeschluss zu fassen, besteht nicht.
130 Vgl. Mediationsgesetz (MediationsG) vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577) mit nachfolgenden Änderun-
gen.

114

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

senten wird jedoch nur dann zulässig sein, wenn es keine schwerwiegenden Interessen-
konflikte gibt. Wo Konflikte zu schlichten sind, dort muss ein neutraler Moderator
(oder Mediator) gefunden werden.
4. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden
Wenn eine Gemeinde im Begriff ist, einen Bauleitplan aufzustellen oder zu ändern,
muss sie so früh wie möglich die Öffentlichkeit (zu der seit 1.1.2007 ausdrücklich
auch Kinder und Jugendliche gehören) informieren und den Behörden nebst anderen
Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dadurch soll so-
wohl die Informationsgrundlage der Verwaltung verbessert als auch den betroffenen
Bürgern und Behörden frühzeitig die Chance gegeben werden, ihre Vorschläge und
Argumente einzubringen. Die §§ 3 und 4 regeln die Zweistufigkeit der Beteiligung:
Erste Stufe = Frühzeitige Beteiligung nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1; Zweite Stufe =
Förmliche Beteiligung der Behörden mit gesetzlicher Frist zur Rückäußerung innerhalb
von einem Monat, mindestens jedoch von 30 Tagen, nach § 4 Abs. 2; förmliche Beteili-
gung der Öffentlichkeit durch öffentliche Auslegung für die Dauer eines Monats, min-
destens jedoch von 30 Tagen, nach § 3 Abs. 2. § 4a enthält gemeinsame Vorschriften
zur Beteiligung sowohl der Öffentlichkeit als auch der Behörden. Mit der frühzeitigen
Beteiligung kann schon vor dem Aufstellungsbeschluss begonnen werden. In der Regel
schließt sie sich an den Aufstellungsbeschluss unmittelbar an. Die Öffentlichkeit wird
durch das Amtsblatt, ggf. auch durch eine Zeitungsanzeige (siehe Beispiel in Bild 23)
darüber unterrichtet, dass und für welchen Bereich des Stadtgebiets ein Bauleitplan
aufgestellt werden soll. Dabei wird angegeben, wo und wann (in der Regel im Rathaus
während der Sprechzeiten) die Bürger ihre Bedenken und Anregungen vorbringen kön-
nen, wenn sie nicht den schriftlichen Weg wählen wollen. Für den Bebauungsplan der
Innenentwicklung, der genauso im beschleunigten Verfahren nach § 13a aufgestellt
wird wie der in dem neuen § 13b definierte „Bebauungsplan zur Einbeziehung von
Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren“ (vgl. Kapitel B.III.9), gelten
besondere Hinweispflichten, nach denen insbesondere der Verzicht auf die Umwelt-
prüfung nach § 2 Abs. 4 ortsüblich bekannt gemacht werden muss.
Bei besonders wichtigen oder umstrittenen Vorhaben tut die Verwaltung gut daran,
die Öffentlichkeit in einer Ausstellung durch Vorträge und Schautafeln zu informieren
und den Bürgern dann vielleicht sogar noch in einer besonderen Veranstaltung Gele-
genheit zur mündlichen und schriftlichen Stellungnahme zu geben. Zu solchen Bürger-
versammlungen kann über die ortsübliche Bekanntmachungsform hinaus (i. d. R. im
Amtsblatt) durch zusätzliche Postwurfsendungen, durch Plakate usw. eingeladen wer-
den. Die Einberufung einer Bürgerversammlung zur Information der Bürger über
wichtige Planungen wird übrigens nicht nur vom Baugesetzbuch befürwortet, sondern
auch in den meisten Gemeindeordnungen vorgeschrieben. Seit 2017 verpflichtend ist
auch die Bekanntmachung der Beteiligung über das Internet, und zwar einerseits auf
den Internetseiten der Gemeinde, andererseits auf einem zentralen Internetportal des
Landes (dazu gleich noch mehr unter Punkt 6 in diesem Kapitel). Von der Unterrich-
tung und Erörterung nach § 3 Abs. 1 kann ohne vorhergehenden Beschluss der Ge-
meindevertretung abgesehen werden, wenn sie bereits zuvor „auf anderer Grundlage“
erfolgt sind (z. B. anlässlich von Stadt(teil)entwicklungsplanungen, städtebaulichen
Rahmenplanungen oder im Rahmen der öffentlichen Sitzungen von Stadtteilvertretun-
gen). Der Verzicht auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit darf nicht analog
bei der Behördenbeteiligung angewendet werden – hier bleibt die Pflicht zur frühzeiti-
gen Beteiligung nach § 4 Abs. 1 bestehen. Bei der Aufstellung oder Aufhebung eines
Bebauungsplans kann auch dann von der frühzeitigen Beteiligung abgesehen werden,
„wenn sich dies (die Aufstellung oder Aufhebung) auf das Plangebiet und die Nachbar-
gebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt“ (Ähnliches gilt bei der Aufstellung eines

115

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

B-Plans im vereinfachten bzw. beschleunigten Verfahren nach den §§ 13 bzw. 13a oder
13b – dazu später mehr).
Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit soll in Gang gesetzt werden, bevor die
Planung sich so verfestigt hat, dass Änderungen praktisch nicht mehr möglich sind.
Die bis zum konkreten Entwurf gediehene Planung wird in einer zweiten Stufe der
Beteiligung der Öffentlichkeit nochmals vorgestellt. Dies geschieht durch eine förmli-
che Auslegung der Pläne für die Dauer eines Monats, mindestens aber von 30 Tagen
(siehe Punkt 10). Eine erneute „frühzeitige Beteiligung“ ist auch dann nicht erforder-
lich, wenn der Planentwurf gegenüber der frühzeitigen Fassung erheblich geändert
wurde; auch die Plangrenzen dürfen geändert werden.131
5. Festlegung des Umfangs und des Detaillierungsgrads der Umweltprüfung
Gemäß § 2 Abs. 4 hat die Gemeinde für jeden Bauleitplan – ausgenommen Pläne, die
nach den Vorschriften der §§ 13, 13a und 13b aufgestellt werden – festzulegen, in
welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Umweltbelange für die
jeweilige Abwägung erforderlich ist. Damit wird in der Regel auch die Frage geklärt,
welche Gutachtenaufträge vergeben werden müssen.
Das BauGB sagt nichts darüber, wer in der Gemeinde diese Festlegung zu treffen hat
und wann sie erfolgen sollte. Die bisherigen Erfahrungen mit der Eingriffsregelung
und der Umweltverträglichkeitsprüfung (dazu mehr im nächsten Abschnitt) zeigen,
dass es jedenfalls in nicht vollständig unkomplizierten Fällen ratsam ist (und spätestens
seit Ergänzung der Anlage 1 im Zuge der BauGB-Novelle vom 4. Mai 2017 auch gebo-
ten – vgl. Punkt 7c und d), dass sich die Gemeinde bei dieser Festlegung von den
Umweltbehörden (Naturschutz, Forst, Gewässer, Bodenschutz) beraten lässt sowie in-
teressierte Vereine und Verbände und auch Vorhabenträger im Plangebiet (soweit
schon bekannt) in die Beratung einbezieht. In komplexen Fällen empfiehlt sich die
Einladung zu einem sog. Scopingtermin, in dem sich alle einschlägig Betroffenen und
legitim Interessierten treffen, um vorhandene Kenntnisse einzubringen und den Um-
fang der Umweltprüfung möglichst einvernehmlich festzulegen. Das Gesetz fordert die
Gemeinde ausdrücklich auf, die von ihr zu beteiligenden Behörden und sonstigen Trä-
ger öffentlicher Belange schon im Rahmen der frühzeitigen Information nach § 4
Abs. 1 zur Äußerung über den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Um-
weltprüfung aufzufordern. Dabei sollte die Gemeinde auch um die Übersendung ein-
schlägiger umweltbezogener Informationen bitten, die bei der späteren öffentlichen
Auslegung des Planentwurfs ebenfalls öffentlich ausgelegt werden müssen.
Wenn es einen Scopingtermin gegeben hat, dürfte zur einstweiligen Festlegung des
Umfangs und Detaillierungsgrads der Umweltprüfung ein offizielles Protokoll dieses
Termins genügen; im Protokoll sollte auf diese Funktion ausdrücklich hingewiesen
werden. Bei Änderungen der Sachlage und Erlangung neuer Kenntnisse sind selbstver-
ständlich Änderungen des Untersuchungsumfangs möglich oder sogar geboten. In je-
dem Fall sollte es am Anfang des Umweltberichts einen Abschnitt geben, der sich
ausdrücklich mit der Festlegung von Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprü-
fung auseinandersetzt. Die Festlegung sollte nach Einholung der notwendigen Stel-
lungnahmen möglichst frühzeitig erfolgen. Bei hochrangigen und potenziell folgenrei-
chen Konfliktentscheidungen sollte die Gemeindevertretung eingeschaltet werden. Die
Einschaltung der Gemeindevertretung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn teure Gut-
achtenaufträge erteilt werden müssen.

131 OVG Nordrhein-Westfalen, 30.6.1999 – 7A D 184/97.NE –, ZfBR 2000, 57.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

6. Die förmliche Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher
Belange (TöB); Beteiligung der benachbarten Gemeinden
Vom Inhalt eines neu aufzustellenden F- oder B-Plans (oder einer Planänderung) sind
nicht nur die Bürger und die Öffentlichkeit, sondern neben den Behörden und anderen
Trägern öffentlicher Belange sehr häufig auch die benachbarten Gemeinden betroffen.
Das Baugesetzbuch schreibt daher vor, dass alle Behörden, deren Aufgabenbereich von
der Planung berührt wird, sowie die benachbarten Gemeinden zu beteiligen sind. Zu
diesen „Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange“ – kurz TöB – gehören
z. B. die Gewerbeaufsicht, die Naturschutz-, Denkmalschutz- und Wasserschutzämter,
die Straßenbauämter, die Energieversorgungsunternehmen, die öffentlichen und priva-
ten Verkehrsbetriebe, die Bundeswehr, Industrie- und Handwerkskammern – kurzum
alle Behörden, Dienststellen, Versorgungsträger und öffentlichen Verbände, die von
der Planung berührt sein könnten. In der Regel sind dies 50 bis 60 Stellen. Private
Verbände sind keine Träger öffentlicher Belange, selbst wenn sie wie z. B. Naturschutz-
verbände öffentlich anerkannt sind.132 Ihre unaufgeforderte Einbindung im Rahmen
der Behördenbeteiligung kann dennoch im Hinblick auf einen wünschenswerten koo-
perativen Austausch sinnvoll sein. Natürlich hängt es vom Inhalt des Plans ab, welche
Behörden im Einzelfall berührt sein könnten. Nur diese müssen beteiligt werden.133
Dazu muss ihnen ein (Vor-)Entwurf des Plans mit Begründung zugestellt werden. Die
öffentliche Auslegung des Planentwurfs nach § 3 Abs. 2 BauGB hat für die „Dauer
eines Monats“, jetzt auch mindestens für die Dauer von 30 Tagen zu erfolgen. Mit
Blick auf den sehr kurzen Monat Februar wurde diese Frist 2017 konkretisiert – und
zwar in zwei kurz aufeinander folgenden Novellierungsschritten: Zunächst wurde
durch Novelle des Gesetzes vom 4.5.2017134 festgelegt, dass die Frist bei einem Frist-
beginn im Monat Februar jedenfalls mindestens 30 Tage zu betragen hat und bei Vor-
liegen eines „wichtigen Grundes“ angemessen zu verlängern sei. Nachdem erkannt
wurde, dass sich die „30-Tage-Marke“ bei einem Auslegungsstart am letzten oder
vorletzten Tag im Januar noch immer unterbieten ließe, wurde die Vorschrift im Zuge
des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom
20. Juli 2017135 handwerklich nachgebessert. Nunmehr gilt unabhängig vom Beteili-
gungsmonat eine Mindestfrist von 30 Tagen. Dieser Mindestzeitraum ist gleicherma-
ßen in § 4 Abs. 2 zur förmlichen Beteiligung von Behörden und sonstigen Trägern
öffentlicher Belange aufgenommen worden.
Da trotz Durchführung einer frühzeitigen Beteiligung der Behörden nach § 4 Abs. 1
die förmliche Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 oft noch Anlass zur Änderung
des Planentwurfs gibt, wird dieser Beteiligungsschritt in vielen Fällen noch vor der
öffentlichen Auslegung des (endgültig gemeinten) Entwurfs des Plans durchgeführt.
Sind Planänderungen im Ergebnis der Beteiligung nach § 4 Abs. 2 hingegen nicht zu
befürchten, spricht nichts gegen eine gleichzeitige Durchführung der Verfahrens-
schritte nach § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2. In diesem Fall erspart sich die planaufstellende
Gemeinde Verwaltungsaufwand, da die nach § 3 Abs. 2 Satz 3 erforderliche Informa-
tion der Behörden über die Durchführung der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung
mit dem Anschreiben zur Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 verbunden werden und
somit auf ein weiteres Schreiben verzichtet werden kann. Außerdem verkürzt sich
hierdurch natürlich die Dauer des Aufstellungsverfahrens. Entsprechendes gilt für die
benachbarten Gemeinden (allerdings ohne Fristsetzung).
Der zum 13.5.2017 neu gefasste § 4a Abs. 4 bestimmt, dass neben der ortsüblichen
Form der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung nunmehr auch eine Infor-

132 BVerwG, U. v. 14.5.1997 – 11 A 43/96 –, UPR 1997, 413.


133 Vgl. z. B. VGH Baden-Württemberg, B. v. 21.12.1976 – III 415/76 –, NJW 1977, 1465.
134 BGBl. I S. 1057 vom 12.5.2017.
135 BGBl. I S. 2808 vom 28.7.2017.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

mation im Internet verpflichtend zu erfolgen hat. Dazu ist der vollständige Inhalt der
Bekanntmachung einschließlich der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 auszulegenden Unterlagen
in das Internet einzustellen. Nach dem Mustereinführungserlass wird dieser Verpflich-
tung nachgekommen, wenn die auszulegenden Unterlagen, etwa über das Internetpor-
tal der Gemeinde, für die Öffentlichkeit auffindbar und abrufbar sind. Die Gemeinde
sollte in geeigneter Weise dokumentieren, dass die Unterlagen über das Internet auf-
findbar und abrufbar waren. Hierfür kommen auch technische Möglichkeiten, in ers-
ter Linie wohl Screenshots, in Betracht.136 Ob der Ausdruck eines einzigen Screenshots
als Nachweis für die Internetbekanntmachung auf Dauer von der Rechtsprechung
akzeptiert werden wird, bleibt abzuwarten. Um Unsicherheiten vorzubeugen, empfeh-
len sich mindestens zwei Screenshots, einer zu Beginn des Erscheinens im Internet, ein
weiterer am letzten Tag der Internetbekanntmachung – jeweils versehen mit einem
durch den Computer automatisch generierten Datum. Für die Kundenfreundlichkeit
des Internetnutzers ist es zuträglich, den Upload der Planunterlagen und Bekanntma-
chungstext auf einer Internetseite zu vereinen (und nicht auf voneinander unabhängi-
gen Unterseiten der Homepage). Im Übrigen gibt es Online-Dienste zur Archivierung
von Web-Seiten – die auf diese Weise archivierten Web-Seiten dürften der Nachweis-
pflicht genügen.
Für die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unterbrei-
tet der Gesetzgeber den planenden Kommunen ebenfalls einen Vorschlag zur Optimie-
rung des Verwaltungsaufwands: Nach § 4a Abs. 4 Satz 2 können die Behördenstel-
lungnahmen eingeholt werden, indem diesen Ort und Dauer der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Absatz 2 sowie die Internetadresse mitgeteilt werden, unter der
der Inhalt der Bekanntmachung und die Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 im Internet
eingesehen werden können. Diese Mitteilung darf auch elektronisch übermittelt wer-
den. In diesen Fällen hat die Gemeinde der Behörde oder einem sonstigen Träger
öffentlicher Belange auf Verlangen den Entwurf des Bauleitplans und der Begründung
aber zusätzlich auch in Papierform zu übermitteln.
Gemeinden verfolgen in aller Regel genau, was bei den Nachbarn vor sich geht. Wenn
mitten im Stadtgebiet einer großen Gemeinde eine Straße verbreitert werden soll, dann
wird die Nachbargemeinde wohl kaum Interesse daran haben. Soll jedoch am Rand
der Gemeinde ein Industriegebiet eingerichtet werden, dessen Emissionen bei der übli-
chen Windrichtung auf das Gebiet der Nachbargemeinde geweht werden, dann ist bei
der Nachbargemeinde höchster Alarm.137 Auch bei der Eröffnung eines Baugebiets
für den großflächigen Einzelhandel oder für ein ganzes Einkaufszentrum läuten bei den
Nachbargemeinden häufig die Alarmglocken, weil sie um ihren eigenen Einzelhandel
fürchten. Das Gesetz schreibt daher aus guten Gründen vor, dass die Nachbargemein-
den beteiligt werden und ihre Argumente gehört werden müssen. Nachbargemeinden
sind nicht nur unmittelbar angrenzende Gemeinden, sondern alle umliegenden Ge-
meinden, die von den Auswirkungen des Plans unmittelbar betroffen werden. Unter-
bleibt die Beteiligung, kann die Nachbargemeinde den Plan oder eine aufgrund des
Plans erteilte Genehmigung vor Gericht anfechten.138
Gemäß § 2 Abs. 2 können sich die benachbarten Gemeinden auch untereinander auf
die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswir-

136 Vgl. Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt und zu weiteren Änderungen des
Baugesetzbuchs (BauGBÄndG 2017 – Mustererlass) vom 28.9.2017, 15, verfügbar: https://www.bau-
ministerkonferenz.de/verzeichnis. aspx?id=993&o=759O986O993 (Zugriff: 14.11.2017).
137 BVerwG, U. v. 17.9.2003 – 4 C 14.01 –, UPR 2004, 137–143 („Gewerbepark Mühlheim-Kärlich“).
138 Vgl. BVerwG, U. v. 8.9.1972 – 4 C 17.71 –, BVerwGE 40, 323; BVerwG, B. v. 26.7.1989 – 8 B
112.89 –, ZfBR 1990, 154; BVerwG, U. v. 11.2.1993 – 4 C 15/92 –, ZfBR 1993, 191; BVerwG, B. v.
9.1.1995 – 4 NB 42/94 –, NVwZ 1995, 694 (SO-Gebiet).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

kungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen. Diese Vorschrift zielt insbe-
sondere darauf ab, Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ außerhalb des landespla-
nerisch vorgegebenen Zentrengefüges zu verhindern, indem benachbarten Gemeinden
Abwehrrechte zugestanden werden. Für die Schutzwürdigkeit eines zentralen Versor-
gungsbereichs kommt es aber nicht darauf an, dass der zentrale Versorgungsbereich
als Ziel der Raumordnung in einem Raumordnungsplan festgelegt ist. Zentrale Versor-
gungsbereiche können sich nicht nur aus planerischen Festschreibungen, sondern auch
aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen ergeben.139 Das inter-
kommunale Abstimmungsgebot schützt die Nachbargemeinden in diesem Sinne vor
unzumutbaren städtebaulichen Auswirkungen auf ihre Innenstädte, nicht aber die dort
ansässigen Einzelhandelsbetriebe vor Konkurrenz.140 Bei der Bestimmung, wer Nach-
bargemeinde i. S. d. § 2 Abs. 2 ist, kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen
der Gemeinden, sondern auf die Reichweite der planungsrechtlichen Auswirkungen
eines Vorhabens an141, die vor allem je nach Lage, Größe und Branchenmix der pla-
nungsrechtlich vorbereiteten Einzelhandelsvorhaben sehr unterschiedlich sein kann.
Für ein in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 festgesetztes Sonderge-
biet für einen Möbelmarkt mit 25.000 m² Verkaufsfläche (wovon 1.700 m² zentrenre-
levante und 6.200 m² nicht zentrenrelevante Sortimente waren) sind die Ziele der
Raumordnung und Landesplanung einer 8 km entfernten Gemeinde (§ 2 Abs. 2 Satz 2,
2. Alt.) z. B. zu berücksichtigen.142
Das gleiche städtebauliche Ziel verfolgt § 34 Abs. 3 für den so genannten unbeplanten
Innenbereich (vgl. dazu Kapitel B.VIII. „Zulässigkeit von Vorhaben“).
Durch Anwendung von § 9 Abs. 2a können zentrale Versorgungsbereiche auch im
Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung durch Bebauungsplanung
geschützt werden (vgl. dazu das Kapitel B. V. „Die Bebauungspläne“).
Alle in das Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden einbezoge-
nen Adressaten müssen ihre Belange rechtzeitig zu Gehör bringen, wenn diese berück-
sichtigt werden sollen. Bei verspätetem Vorbringen sind sie möglicherweise mit ihren
Argumenten (nicht mit Tatsachen!) ausgeschlossen. In § 4a Abs. 6 ist die Ausschluss-
wirkung einer Fristversäumung durch einen TöB nunmehr zusammen mit den Folgen
einer Fristversäumung für beteiligte Bürger geregelt. § 4a Abs. 6 stellt auch klar, dass
sich die Präklusion von verspätet vorgebrachten Gesichtspunkten nur auf Argumente
und Wünsche des Absenders bezieht – nicht auf die Mitteilung entscheidungserhebli-
cher Tatsachen. Ein Träger, der seine eigenen Planungen verspätet vorträgt, kann unbe-
achtet bleiben. Verspätet gemeldetes Tatsachenmaterial muss allerdings in die Abwä-
gung eingestellt werden, wenn es von Bedeutung ist oder sein könnte. In der
Abwägung dürfen außerdem keine verspätet gemeldeten Planungen und Gesichts-
punkte außer Acht bleiben, die der Gemeinde hätten bekannt sein müssen. Nach § 7
haben öffentliche Planungsträger, die nach § 4 oder – im vereinfachten bzw. beschleu-
nigten Verfahren – nach § 13 beteiligt worden sind, im Flächennutzungsplanverfahren
über die Beteiligung hinaus die Möglichkeit zum Widerspruch (bleibt ein Widerspruch
aus, muss der öffentliche Planungsträger erforderlichenfalls seine Planung so anpassen,
dass sich kein Widerspruch zum F-Plan ergibt). Der Widerspruch muss allerdings bis
zum Feststellungsbeschluss der Gemeinde eingelegt werden (eigentlich selbstverständ-
lich). Ein insoweit nachträglicher Widerspruch würde die Kostenfolge in entsprechen-

139 Vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 –, BauR 2008, 315.


140 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 6.6.2005 – 10 D 148/04 NE –, JurionRS 2005, 17299.
141 Vgl. BVerwG, B. v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 –, BauR 2010, 740.
142 Vgl. OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, B. v. 27.11.2006 – 1 MN 148/06 –,
BauR 2007, 342; qualifizierter interkommunaler Abstimmungsbedarf für Einkaufszentren generell be-
jaht, OVG Mecklenburg-Vorpommern, U. v. 5.11.2008 – 3 L 281/03 –, BauR 2009, 1399; vgl. hierzu
auch BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, BVerwGE 117, 25 (FOC Zweibrücken).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

der Anwendung des § 37 Abs. 3 auslösen; nach § 37 Abs. 3 muss der Träger der Maß-
nahmen der Gemeinde alle die Aufwendungen ersetzen, die ihr entweder im Zuge der
Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des betreffenden Bauleitplans entstehen oder
die sie als Entschädigung an Dritte zahlen muss, weil sie ihre Planungen nunmehr mit
Rücksicht auf den verspäteten Widerspruch ändern muss. Hier kommt insbesondere
ein Vertrauensschaden nach § 39 in Betracht, wenn der Widerspruch erst nach Festset-
zung eines Bebauungsplans, aber vor dessen Ausführung eingeht.
Angesichts der Tatsache, dass (bis auf die Schweiz) alle Nachbarstaaten der Bundesre-
publik Deutschland zur Europäischen Union gehören, ist es beinahe selbstverständlich,
dass auch die jeweils benachbarten ausländischen Gemeinden und die dort betroffenen
Träger öffentlicher Belange im Fall „erheblicher Auswirkungen“ im Sinne des § 4a
Abs. 5 „nach den Grundsätzen der formellen Gegenseitigkeit und der materiellen
Gleichwertigkeit“ zu unterrichten sind. Formelle Gegenseitigkeit bedeutet, dass der
deutsche Gesetzgeber eine gegenseitige Information erwartet; materielle Gleichwertig-
keit heißt, dass auch die Qualität der Informationen im Wesentlichen gleichrangig
sein sollte. Auf der Grundlage der gegenseitig vermittelten Informationen sind auch
„Konsultationen“ (d. h. Gespräche) zulässig; ein Umweg durch Einschaltung des Au-
ßenministeriums zur Herstellung der Kontakte ist jedenfalls auf deutscher Seite nicht
(mehr) erforderlich. Sofern in diesem Verfahren Fehler gemacht werden, können sie
seit 1.1.2007 nach Ablauf eines Jahres geheilt sein (vgl. § 214 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m.
§ 215 Abs. 1). Zuvor galt eine „Heilungsfrist“ von zwei Jahren. Auf eine ggf. erforder-
liche grenzüberschreitende Beteiligung ist auch bei der Bekanntmachung für die öffent-
liche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 hinzuweisen (vgl. hierzu die Verpflichtung in
§ 4a Abs. 5 Satz 3).

7. Abwägung der öffentlichen und privaten Belange


Sind alle Informationen und Argumente eingesammelt worden: bei den Bürgern, bei
den Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange, bei den Nachbargemeinden,
dann beginnt der schwierigste Teil des Planens, nämlich die Abwägung der öffentli-
chen und privaten Belange gegeneinander und untereinander mit dem Ziel, einen ver-
tretbaren Kompromiss zu finden (vgl. § 1 Abs. 7). Vom Gelingen dieses Prozesses
hängt es ab, ob der Plan später akzeptiert werden wird, ob seine Ergebnisse von all
denen, die damit werden leben müssen, als gerechte Regelungen angesehen werden.
Wenn man bedenkt, dass Gebäude durchaus 100 Jahre oder länger stehen und unver-
ändert bleiben können, dann wird deutlich, welche langwährende Bedeutung und in-
haltliche Tragweite Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis haben.
Mit Rücksicht auf diese Tragweite hat die Rechtsprechung den Gemeinden eine genaue
Gebrauchsanweisung an die Hand gegeben, welche Dinge sie im Abwägungsprozess
und beim Abwägungsergebnis berücksichtigen müssen.143 Diese Grundsätze sind un-
ter dem Stichwort „Abwägungsgebot“ zusammengefasst. Drei Hauptleitsätze sind zu
beachten144:
(1) Es muss überhaupt eine Abwägung stattfinden. Ist dies nicht der Fall, spricht man
von einem Abwägungsausfall. Die Gemeinde darf sich nicht unter Umgehung der Vor-
schriften des geordneten Planungsverfahrens durch Absprachen mit Interessenten
vorab so binden, dass ihr bei der förmlichen Planung praktisch gar kein Abwägungs-
spielraum mehr bleibt. Nur wenn Vorabsprachen im Ergebnis allen Bedingungen einer
förmlichen Planung genügen, können sie ausnahmsweise akzeptiert werden. Dazu

143 Grundlegend: BVerwG, U. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 –, BVerwGE 34, 301 = BauR 1970, 32; im
Anschluss an das BVerwG auch der BGH, U. v. 11.11.1976 – 3 ZR 114/75 –, NJW 1977, 388; Bestäti-
gung in BVerwG, U. v. 11.12.1981 – 4 C 69.78 –, NJW 1982, 1473: Das Abwägungsgebot wurzele
im Verfassungsrecht und gelte daher auch ohne ausdrückliche Normierung.
144 Vgl. erstmals BVerwG, U. v. 12.12.1969 – 4 C 105.66 –, BauR 1970, 32.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

muss das für die Bauleitplanung zuständige Organ – also der Gemeinderat – in einer
Weise eingeschaltet worden sein, die es gestattet, ihm die Planung zuzurechnen, die
Vorabverhandlungen müssen sachlich begründet und das inhaltliche Ergebnis muss
unbedenklich sein145 (wohlgemerkt: Diese Grundsätze gelten für den Fall, dass der
vorher abgesprochene Plan schließlich zustande gekommen ist; eine rechtliche Bindung
der Gemeinde, den Plan wie abgesprochen aufzustellen, kann es aus den oben bespro-
chenen Gründen nicht geben). Sind diese Bedingungen nicht eingehalten, ist der Plan
unwirksam.
(2) Beim Abwägungsvorgang sind – positiv – alle Argumente, Gesichtspunkte und
Erkenntnisse zu berücksichtigen, die „nach Lage der Dinge“ eingestellt werden müs-
sen; umgekehrt dürfen sachfremde Argumente oder bodenrechtlich unbeachtliche
Sachverhalte keine Rolle spielen. Wettbewerbssteuerung ist z. B. ein unzulässiges Argu-
ment. Das heißt: Alle Tatsachen und Argumente, die einem sorgfältig vorgehenden
und vernünftigen Menschen zugänglich sind und die nach dem Urteil eines solchen
Menschen bei dieser Planung eine Rolle spielen können und dürfen, müssen ermittelt,
in ihrer Bedeutung bewertet und in die Abwägung einbezogen werden. Wird in die
Abwägung nicht eingestellt, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, liegt
ein Abwägungsdefizit vor. Die Klarstellung in § 2 Abs. 3, dass „bei der Aufstellung
der Bauleitpläne [sind] die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwä-
gungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten“ sind muss abstrakt bleiben, weil eine
gesetzliche Umschreibung der abwägungsbeachtlichen Belange – für jeden erdenkli-
chen Planungsfall in jeder der 11.059 deutschen Gemeinden146 – nicht möglich wäre.
Die rechtlichen Anforderungen an diese Zusammenstellung sind erfüllt, wenn alle
Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwä-
gungsentscheidung eingestellt werden müssen, ermittelt, bewertet und schließlich ge-
geneinander und untereinander gerecht abgewogen worden sind. Nicht abwägungsbe-
achtlich sind allerdings geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie
solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht147.
(3) Bei der Abwägung des Für und Wider von einzelnen Argumenten und bei der
Herstellung des Gesamtergebnisses müssen die Gewichte so gesetzt werden, dass sie
nach dem Urteil eines vernünftigen Betrachters nicht außer Verhältnis zueinander ste-
hen. Die Bedeutung jedes einzelnen öffentlichen oder privaten Belangs darf nicht ver-
kannt werden. Dazu gehört insbesondere, dass ein einzelner (öffentlicher oder priva-
ter) Belang nicht in einer Weise bevorzugt oder benachteiligt werden darf, die zu
seinem objektiven Gewicht außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität).148
Innerhalb dieser Grenzen besitzt die Gemeinde planerische Gestaltungsfreiheit, zu der
auch gehört, dass sie es nicht jedermann recht machen kann (zum Abwägungsvorgang
s. auch Bild 22).

145 Vgl. insbes. BVerwG, U. v. 5.7.1974, NJW 1975, 70 (Flachglasfall).


146 Vgl. Statistisches Bundesamt: Anzahl der Gemeinden in Deutschland nach Gemeindegrößenklassen,
Stand 31.12.2016, verfügbar: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1254/umfrage/anzahl-der-ge-
meinden-in-deutschland-nach-gemeindegroessenklassen/ (Zugriff: 29.5.2018).
147 Zuletzt: BVerwG, B. v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601 mit Verweis auf die ständige Recht-
sprechung des BVerwG, Urteile vom 12.12.1969 – 4 C 105.66 –, BVerwGE 34, 301; U. v. 5. Mai 2015
– 4 CN 4.14 –, BRS 83 Nr. 8; U. v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215.
148 Beispiele für völlige Verfehlung: BVerwG, U. v. 22.3.1985 – 4 C 15.83 –, DVBl. 1985, 901 sowie OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 14.2.1995 – 11a D 29/91.NE –, BauR 1995, 659 (Müllabfuhr soll Stich-
straße ohne Wendemöglichkeit rückwärts befahren).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bild 22: Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis

Ermittlung
der von der Planung betroffenen Belange
Aus Aus Aus
Bestandsaufnahme Akten und Gutachten Beteiligung
Was sich an Nach Scoping- Was von
Bedingungen Ergebnis und Behörden und
und Vorgängen Auswirkungen Öffentlichkeit
zum Plangebiet der Planung geltend gemacht
feststellen lässt wird

Gewichtung
Gewichtung
der von der Planung betroffenen Belange
Nach Nach
tatsächlicher Betroffenheit wissenschaftlichen Vorgaben
auch durch das Denkmal-,
z.B. durch das Ausmaß
Natur-, oder
der Lärmbelästigung
Artenschutzrecht

Ausgleich
der von
zwischen dender
vonPlanung betroffenen
der Planung Belange
betroffenen Belangen

Welche
Nach Belange sollen
tatsächlicher Welche
Nach Belange dürfen
normativen Vorgaben
bevorzugt werden?
Betroffenheit benachteiligt werden?

Bebauungsplan
als sachgerechtes Abwägungsergebnis

Die Grundsätze mögen sich abstrakt gut lesen. Bei der konkreten Planung sind sie
schwierig genug einzuhalten; dies gilt insbesondere für das zweite Postulat. Was „nach
Lage der Dinge“ in den Abwägungsvorgang einzustellen ist, kann im Einzelfall durch-
aus zweifelhaft sein. Folgendes darf oder muss unberücksichtigt bleiben:
a) Offensichtlich nebensächliche Belange, die sich vernünftigerweise auf das Abwä-
gungsergebnis nicht auswirken können;
b) verborgene Gesichtspunkte, die während der Planaufstellung weder von den Be-
hörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange noch von der angemessen betei-
ligten Öffentlichkeit zur Sprache gebracht worden sind; solche Gesichtspunkte
brauchen nicht berücksichtigt zu werden – es sei denn, es besteht eine spezifische
Aufklärungspflicht der planenden Gemeinde;
c) in der Abwägung dürfen nur solche Belange eine Rolle spielen, die von bodenrecht-
licher Bedeutung sind; rein wirtschaftliche Gesichtspunkte (z. B. Schutz von Ge-
schäftsleuten vor unerwünschter Konkurrenz) oder parteitaktische Gesichtspunkte
(Ausweisung eines „bürgerlichen Wohnviertels“ mit Reihenhäusern statt Geschoss-
wohnungsbau, um bürgerliche Wähler anzuziehen) dürfen nicht in die Abwägung
eingestellt werden.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Wenn die Gemeinde irgendein Argument nicht berücksichtigt, das sie nach dem Urteil
des schließlich angerufenen Gerichts hätte berücksichtigen müssen, dann leidet der
Plan an einem Abwägungsdefizit. Beim dritten Schritt, bei der Gewichtung der einzel-
nen Argumente, besitzt die Gemeinde zwar planerische Gestaltungsfreiheit; ob und
wann die Grenzen dieser Freiheit jedoch überschritten werden, ist nur selten einfach
zu entscheiden. Die planerische Gestaltungsfreiheit greift nach der Rechtsprechung
erst dann ein, wenn die Kommune nach der fehlerfreien Zusammenstellung des Abwä-
gungsmaterials die einzelnen öffentlichen und privaten Belange untereinander und ge-
geneinander abwägt. Hier prüfen die Gerichte nur, ob die Abwägung nicht in einer
Weise vorgenommen worden ist, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange
außer Verhältnis steht (Beispiele dazu im Kapitel B.XVII). Innerhalb dieser Grenzen
ist die Gemeinde frei, sich in der Kollision zwischen den verschiedenen Belangen für
die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen
Belangs zu entscheiden. Hierin liegt nach der Rechtsprechung die eigentliche planeri-
sche Entscheidung, in der die Gemeinde autonom ist. Dies sei das schöpferische Ele-
ment der Planung, das es jeder Gemeinde ermöglichen solle, sich ihre eigene Individua-
lität, ihr unverwechselbares Stadtbild zu geben.149
Durch die Änderungsgesetze zum Baugesetzbuch 2014 und 2017 ist die Liste der öf-
fentlichen und privaten Belange in § 1 erneut ergänzt worden. Hinzu gekommen sind
2014 die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung
(neue Nr. 13 von § 1 Abs. 6).150 Mit der BauGB-Novelle 2017151 wurden zunächst
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als Aspekt der sozialgerechten Bodennutzung in
die Planungsgrundsätze des § 1 Abs. 5 aufgenommen und in § 1 Abs. 6 Nr. 2 nochmals
hervorgehoben, dass hier insbesondere Familien mit mehreren Kindern gemeint sind.
Mehrere Ergänzungen erfuhr der Katalog der Umweltbelange in § 1 Abs. 6 Nr. 7. Neu
eingefügt wurde das Schutzgut „Fläche“ in Buchst. a) (es soll den Bauleitplaner zu
flächensparender und flächenbewusster Planung motivieren – bislang hielt neben den
ergänzenden Umweltschutzvorschriften des § 1a bereits das Schutzgut „Boden“ dazu
an); nach dem modifizierten Buchst. i sollen Wechselwirkungen zwischen einzelnen
Umweltbelangen auch den Belang der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks der Na-
tura 2000-Gebiete umfassen und als Gesamtbelang in der Abwägung berücksichtigt
werden; nach Buchst. j sind ferner die Auswirkungen auf die Belange nach den Buch-
staben a bis d und i in die Abwägung einzustellen, die aufgrund der Anfälligkeit der
nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen
zu erwarten sind – die für die Abwägung erforderliche Auswirkungseinschätzung soll
nicht auf die Folgen schwerer Unfälle oder Katastrophen in Folge von Seveso-III-Un-
fällen beschränkt werden, sondern auch Auswirkungen aufgrund sonstiger Unfälle
oder Katastrophen einbeziehen. Mit dem Hochwasserschutzgesetz II152 sind 2017
schließlich die gleichnamigen Belange in § 1 Abs. 6 Nr. 12 um die Belange des Küsten-
schutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere der Vermeidung und Verringe-
rung von Hochwasserschäden, ergänzt worden.
Besondere Aufmerksamkeit muss folgenden Gesichtspunkten zukommen, denen daher
im Folgenden eigene Kurzabschnitte gewidmet sind:

149 Vgl. BVerwG, U. v. 12.7.1985 – 4 C 40.83 –, NVwZ 1985, 737: Die planerische Gestaltungsfreiheit
erstreckt sich umfassend auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur bestmöglichen Verwirklichung
der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe und zugleich auch zur Bewältigung der von dem Vorha-
ben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind.
150 BGBl. I S. 1748 vom 24.11.2014.
151 BGBl. I S. 1057 vom 12.5.2017.
152 BGBl. I S. 2193 vom 5.7.2017; nach Art. 5 des ist der überwiegende Teil des Gesetzes, vor allem die
Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes, am 5.1.2018 in Kraft getreten; die Änderungen im Bauge-
setzbuch sind zum Teil bereits am 6.7.2017 in Kraft getreten; diese betreffen die genannte Neufassung
von § 1 Abs. 6 Nr. 12 und § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB.

123

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– Wenn durch den Bauleitplan „Eingriffe in Natur und Landschaft“ zu erwarten


sind, ist die Eingriffsregelung nach den gegenüber dem Bundesnaturschutzgesetz
modifizierten Regeln des BauGB anzuwenden.
– Belange des Naturschutzes sind nicht nur durch das Bundesnaturschutzgesetz gere-
gelt, sondern auch von Richtlinien der Europäischen Union betroffen. Von beson-
derer Bedeutung (und im BauGB ausdrücklich erwähnt) sind die Natura 2000-
Gebiete, die die europäischen Vogelschutzgebiete153 und die Gebiete von gemein-
schaftlicher Bedeutung154 umfassen.
– Soweit ein Bauleitplan nicht ausnahmsweise im vereinfachten oder beschleunigten
Verfahren nach den §§ 13 oder 13a bzw. 13b aufgestellt wird (Näheres dazu folgt
anschließend unter d.), ist im Aufstellungsverfahren eine Umweltprüfung durchzu-
führen.
– Die städtebauliche Planung soll dazu beitragen, den Klimaschutz und die Klimaan-
passung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern (§ 1 Abs. 5
Satz 2). Zu diesem Zweck sind mit dem Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes
bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden 2011 diverse Klimaschutzas-
pekte in das BauGB eingefügt worden, die diesen Belang programmatisch stärken
und den Katalog der Darstellungen und Festsetzungen im Flächennutzungs- und
im Bebauungsplan erweitern.
– Nach der Einführung des beschleunigten Verfahrens für Bebauungspläne der In-
nenentwicklung (§ 13a) zum 1.1.2007 wurde das Thema 2013 und 2017 durch
den Gesetzgeber erneut aufgegriffen. Zur Gewährleistung einer nachhaltigen städ-
tebaulichen Entwicklung soll diese vorrangig durch Maßnahmen der Innenent-
wicklung erfolgen (§ 1 Abs. 5 Satz 3) und die Außenentwicklung damit auf das
unbedingt notwendige Maß beschränkt werden – einerseits. Andererseits hat der
Gesetzgeber mit § 13b neue vereinfachte Eingriffsmöglichkeiten zur Inanspruch-
nahme des Außenbereichs geschaffen (Kap. B.V. 9). Die Notwendigkeit der Um-
wandlung von Wald oder landwirtschaftlich genutzten Flächen soll nachvollzieh-
bar begründet werden (§ 1a Abs. 2 Satz 4). Mit der Neueinführung der Urbanen
Gebiete nach § 6a BauNVO im Jahr 2017 sollen gerade die Innenstadtlagen der
Großstädte in Zukunft leichter beplanbar werden und das Leitbild der durch-
mischten Stadt der kurzen Wege befördern. Zu diesem Zweck ist das Mischungs-
verhältnis der Nutzungen – im Unterschied zum Mischgebiet nach § 6 BauNVO –
freier konfigurierbar und die maximal zulässige Dichte ist mit einer GRZ von 0,8
und einer GFZ von 3,0 eher kern- als wohngebietstypisch.
a) Die Eingriffsregelung in der Abwägung. Durch den 1993 über das Investitionser-
leichterungs- und Wohnbaulandgesetz neu in das Bundesnaturschutzgesetz eingefügten
§ 8a wurde erstmals angeordnet, dass über eventuelle Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-
men für unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft, die aufgrund eines Bauleit-
plans zu erwarten sind, „in der Abwägung nach § 1 zu entscheiden“ ist. Dazu gehörten
nach § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG in der Fassung von 1993 auch „Entscheidungen
über Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9, die dazu dienen, die zu
erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des
Landschaftsbildes auf den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe zu erwarten sind,
oder im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplans auszugleichen, zu ersetzen oder zu
mindern“.

153 Gebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April
1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103 vom 24.4.1979).
154 Vgl. Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992).

124

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Die 1993 in § 8a BNatSchG formulierten Grundregeln gelten nunmehr auf der Grund-
lage des § la Abs. 3, der §§ 135 a–c und der komplementär verkürzten Nachfolgevor-
schrift im BNatschG (nunmehr §§ 13 ff. BNatSchG) weiter. Etwas verkürzt dargestellt
bedeutet dies Folgendes: Wenn durch einen Bauleitplan „Eingriffe“ vorprogrammiert
werden (und welche Baumaßnahme auf bisher unbebautem Land stellte keinen Ein-
griff in Natur und Landschaft dar?), dann muss nach Maßgabe einer sorgfältigen, das
Gewicht der Belange von Natur und Landschaft gewissenhaft berücksichtigenden
(nicht „wegwägenden“) Abwägung im Bauleitplan über Ausgleichs- und Ersatzmaß-
nahmen entschieden werden.155 Das BauGB verwendet den Begriff der „Ausgleichs-
maßnahme“ gemäß § 200a in einem umfassenden Sinn; der Ausgleich im Sinne des
BauGB umfasst sowohl Ausgleichs- als auch Ersatzmaßnahmen im Sinne des Natur-
schutzrechts. Ein unmittelbarer räumlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen
Eingriff und Ausgleich ist danach grundsätzlich nicht erforderlich. Im Naturschutz-
recht unterscheidet man zwischen Ausgleichsmaßnahmen (Wiederherstellung der Na-
tur am Ort des Eingriffs) und Ersatzmaßnahmen (gleichartiger oder gleichwertiger
Ersatz des am Ort des Eingriffs zerstörten Naturguts an anderer Stelle). Das BVerwG
hat die ratio dieser Unterscheidung in folgender Weise beschrieben: „Wer – zulässiger-
weise – in Natur und Landschaft eingreift, ist zum Ausgleich verpflichtet. Dieser Aus-
gleich ist in erster Linie durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschafts-
pflege zu leisten, um den Eingriff ungeschehen zu machen. Das ist jedoch nicht immer
möglich. In diesen Fällen gilt es einer fortschreitenden Erosion des Naturhaushalts
insgesamt, der weiteren Denaturierung unserer Umwelt in einem dicht besiedelten,
weitgehend verstädterten Raum entgegenzuwirken, indem jedenfalls an anderer Stelle
Werte oder Funktionen des Naturschutzes oder des Landschaftsbildes hergestellt oder
in ihrem Bestand gesichert werden (Ersatzmaßnahme i. S. d. § 15 Abs. 2 BNatSchG).
Es liegt in der Konsequenz des Verursacherprinzips, auch solche Ersatzmaßnahmen
demjenigen aufzubürden, der den Eingriff vorgenommen hat. Erst damit wird eine
gleichmäßige Anwendung des Prinzips gewährleistet. Denn eine Besserstellung des Ver-
ursachers allein deswegen, weil der Eingriff im Einzelfall nicht real ausgleichbar ist,
erscheint jedenfalls aus der Sicht des Naturschutzes nicht einsichtig“.156 Diese Grund-
gedanken werden durch das BauGB in folgender Weise umgesetzt:
Wenn oder soweit eine Kompensation auf dem jeweiligen Eingriffsgrundstück nicht
möglich oder untunlich ist, können Ersatzmaßnahmen auf anderen (auch weit entfern-
ten) Grundstücken vorgesehen und durch Bebauungsplan dem „Eingriffsgrundstück“
ganz oder teilweise zugeordnet werden. Die Durchführung der Maßnahmen muss
dann vom Eigentümer des Eingriffsgrundstücks bezahlt werden. Der Verteilungsmaß-
stab der Kosten einer Sammelmaßnahme auf mehrere Eingriffsgrundstücke kann in
einer dem Erschließungsbeitrag vergleichbaren Weise von der Gemeinde durch beson-
dere Satzung geregelt werden.
Einzelheiten der Festsetzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zum Ausgleich von Ein-
griffen sind im übernächsten Kapitel V. „Die Bebauungspläne“ unter 2. (Die Regelung
des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft, die aufgrund eines Bebauungs-
plans zu erwarten sind) dargestellt. Differenzierte Hinweise über die Art und Weise,
wie die Belange von Natur und Landschaft in der Abwägung zu berücksichtigen und

155 Vgl. die vier Grundsatzurteile des BVerwG zur Eingriffsregelung nach § 8a BNatSchG a. F.: U. v.
31.1.1997, UPR 1997, 403 (zur Abwägung insgesamt); U. v. 21.2.1997, ZfBR 1997, 261 (Eine voll-
ständige Erfassung der betroffenen Tiere und Pflanzen ist nicht erforderlich); U. v. 23.4.1997, UPR
1997, 409 (Die Gemeinde ist bei der Eingriffsbewertung nicht an standardisierte Bewertungsverfahren
gebunden); U. v. 9.5.1997, UPR 1997, 411 (Vertragliche Regelungen des Ausgleichs auch außerhalb
des räumlichen Geltungsbereichs des B-Plans sind zulässig; ebenso ein entsprechend geteilter B-Plan).
156 BVerwG, U. v. 20.1.1989 – 4 C 15.87 –, BVerwGE 81, 220; ebenso BVerwG, U. v. 27.9.1990 – 4 C
44.87 –, BVerwGE 85, 349. Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe nach dem Baden-Würt-
tembergischen NatSchG, vgl. BVerwG, U. v. 4.7.1986 – 4 C 50.83 –, DVBl.1986, 1009.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

welche Festsetzungen noch oder nicht mehr zu rechtfertigen sind (z. B. die Festsetzung,
mit welcher Anzahl von Großvieheinheiten ein als Fläche zum Ausgleich festgesetztes
Grünland zu beweiden ist), finden sich in der Rechtsprechung.157

b) Berücksichtigung der Natura 2000-Gebiete/Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie


und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. In den Kontext des
Naturschutzrechts gehört auch der Hinweis in § la Abs. 4. Danach sind bei Planungen,
durch die ein „Natura-2000 Gebiet“ (gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG die Sammel-
kategorie für europäische Vogelschutzgebiete und Gebiete von gemeinschaftlicher Be-
deutung) in seinen für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beein-
trächtigt werden kann, die Vorschriften des BNatSchG über die Zulässigkeit und
Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellung-
nahme der Europäischen Kommission anzuwenden. Diese Regelung führt in den be-
treffenden Fällen zur Anwendung der §§ 32 bis 38 BNatSchG. Kern der Regelung ist
die sog. Verträglichkeitsprüfung. Mit ihr hat es folgende Bewandtnis:
Auf der Grundlage des § 6 der FFH-Richtlinie schreibt § 34 BNatSchG für alle Pläne
und Projekte, die den Schutzzweck eines Natura-2000 Gebiets einzeln oder im Zusam-
menhang mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen können, eine
„Verträglichkeitsprüfung“ vor. Diese Prüfung ist wegen des eingeschränkten Prüfungs-
gegenstands und einfacherer Verfahrensvorschriften nicht identisch mit einer Umwelt-
prüfung nach dem UVP-Gesetz158; wenn diese einfachere Prüfung allerdings zu dem
Ergebnis führt, dass erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind, sind die Folgen
strenger als bei der UVP. Die Ergebnisse einer UVP sind – als unselbständiger Teil
verwaltungsbehördlicher Verfahren – stets nur zu berücksichtigen; eine negativ ausge-
hende Verträglichkeitsprüfung im Sinne der FFH-Richtlinie führt dagegen zur Unzuläs-
sigkeit des Plans oder des Vorhabens, wenn es eine Alternativlösung gibt. Wenn keine
Alternativlösung greifbar ist, dürfen Plan oder Projekt nur aus „zwingenden Gründen
des überwiegenden öffentlichen Interesses“ durchgeführt werden; der Mitgliedstaat
muss alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass die
„globale Kohärenz von „Natura 2000“ geschützt“ ist. Der Mitgliedstaat muss die
Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen unterrichten.
Bei Gebieten, die einen „prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine priori-
täre Art einschließen“, können – wie oben erwähnt – nur ganz besonders schwerwie-
gende „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ geltend ge-
macht werden, wobei in bestimmten Fällen zuvor eine Stellungnahme der Kommission
eingeholt werden muss. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften war zumindest bis
2013 von der Tatsache belastet, dass die „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“
im Sinne der FFH-Richtlinie, die als Bestandteile des großräumigen europäischen
Schutzgebietssystems „Natura 2000“ zu gelten haben, nicht vollständig festgelegt und
gemeldet waren, was in jüngerer Zeit vor allem auf den Beitritt neuer Mitgliedstaaten
zurückzuführen ist. Allein im November 2012 hat die EU-Kommission die Aufnahme
weiterer 235 Gebiete in das Natura 2000-Netzwerk bekannt gegeben (aus Rumänien
kamen 109 neue Gebiete hinzu).
In Deutschland umfasst Natura 2000 die im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtli-
nie gemeldeten Gebiete. Diese können sich räumlich überlagern. Zusammen bedecken
insgesamt 5.206 Gebiete 15,4 % der terrestrischen Fläche Deutschlands und rund
45 % der marinen Fläche (Stand: 2015). EU-weit liegt der Meldeanteil der mehr als

157 Vgl. z. B. sehr ausführlich OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 30.6.1999 – 7A D 144/97.NE –, ZfBR


2000, 208.
158 Vgl. § 1 UVP-Gesetz: Die Umweltprüfung nach dem UVPG ist als Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) entweder vorhabenbezogen oder nimmt als strategische Umweltprüfung (SUP) Bezug auf be-
stimmte Pläne und Programme.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

27.000 FFH- und Vogelschutzgebiete bei ca. 18 % der Landfläche aller Mitgliedstaa-
ten (Stand: Dezember 2015). Von allen Gebieten stellen 4.557 FFH-Gebiete, die in
Brüssel vorgelegt wurden, den größten Anteil. Dies entspricht einem Meldeanteil von
9,3 % bezogen auf die Landfläche. Dazu kommen 2.128.727 ha Bodensee sowie Mee-
res-, Bodden- und Wattflächen (Stand: 04.12.15). Von diesen marinen Schutzgebiets-
flächen entfallen 943.984 ha auf die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) Deutsch-
lands. Außerdem wurden bisher 742 Vogelschutzgebiete (BSG) gemeldet. Dies
entspricht einem Meldeumfang von 11,3 % bezogen auf die Landfläche. Dazu kommt
1.970.450 ha Bodensee sowie Meeres-, Bodden- und Wattflächen. Von diesen marinen
Schutzgebietsflächen entfallen 513.930 ha auf die Ausschließliche Wirtschaftszone
(AWZ) Deutschlands.
Nach deutschem Naturschutzrecht werden sie nicht als eigene Kategorie festgesetzt;
sie sind vielmehr Gegenstand oder Bestandteil von Naturschutzgebieten oder Land-
schaftsschutzgebieten, im Einzelfall möglicherweise auch kraft Gesetzes geschützte
Biotope nach §§ 39 ff. BNatSchG i. V. m. dem jeweiligen Landesnaturschutzgesetz. Da
Bebauungspläne nicht in Natur- oder Landschaftsschutzgebiete hineinreichen dürfen,
ist die Aufstellung von Bebauungsplänen im räumlichen Bereich von Vogelschutzgebie-
ten so gut wie ausgeschlossen. Der Schutzzweck von Vogelschutzgebieten kann aber
auch für Bauleitplanverfahren oder Einzelprojekte außerhalb dieser Gebiete Bedeutung
gewinnen, wenn Plan oder Projekt geeignet sind, den Schutzzweck des Vogelschutzge-
biets einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Plänen oder Projekten erheblich zu
beeinträchtigen. Das kann vor allem bei „Trittsteingebieten“ oder durch „Fernwirkun-
gen“ der Fall sein. Trittsteingebiete sind solche Flächen, die für den An- und Abflug
oder als Zwischenlandeplätze für Vogelschutzgebiete von Bedeutung sind. Mit „Fern-
wirkungen“ sind z. B. Emissionen aus Baugebieten gemeint, die sich bis in Vogelschutz-
gebiete hinein negativ auswirken können. Derartige Tatbestände führen gemäß § 7
FFH-Richtlinie zur Anwendung der Verfahrensregelungen des § 6 FFH-Richtlinie bzw.
Art. 4 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie.159
Diese Verfahrensregelungen wurden z. B. der Umgehungsstraße von Bensersiel in der
Gemeinde Esens zum „Verhängnis“. Diese heute gebaute, aber für den Verkehr ge-
sperrte Straße liegt, wie am Ende das Bundesverwaltungsgericht bestätigte,160 in einem
so genannten „faktischen Vogelschutzgebiet“. Auch nach mehrmaliger Aufforderung
der EU-Kommission hatte es das Land Niedersachsen bis 2006 „versäumt“, das Gebiet
in vollem Umfang zu melden, obwohl die Voraussetzungen hierfür unstreitig vorlagen.
c) Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung. Die Umweltprüfung wurde zunächst als
projektbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung durch das „Gesetz zur Umsetzung
der Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öf-
fentlichen und privaten Vorhaben“ vom 25.6.2005161, das sog. UVP-Gesetz bzw.
UVPG, in die Bauleitplanung hineingetragen. Das UVPG ist am 24. Februar 2010162
neu gefasst worden; zuletzt wurde es durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. September
2017163 geändert. Das UVP-Gesetz wurde wie das Baugesetzbuch im Jahr 2017 gleich
mehrfach novelliert. Die Änderung aufgrund von Artikel 1 des Gesetzes zur Moderni-
sierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017164 hat zu
einer Umstellung und Neustrukturierung geführt. Die jüngste Änderung aufgrund von

159 Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die
Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. EU L 20/7 vom 20.1.2010).
160 Vgl. auch im Folgenden BVerwG, U. v. 27.3.2014 – 4 CN 3.13 –, UPR 2014, 345.
161 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar
2010 (BGBl. I S. 94) mit nachfolgenden Änderungen.
162 BGBl. I S. 94.
163 BGBl. I S. 3370.
164 BGBl. I S. 2808.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Artikel 12 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen
Wirkung ionisierender Strahlung vom 27. Juni 2017165 ist am 1. Januar 2019 in Kraft
getreten.
Das UVPG ordnet an, dass bestimmte – in einer Liste im Anhang zu diesem Gesetz
mehr oder weniger eindeutig definierte – Vorhaben der Industrie, des Straßenbaus
und ähnliche Großvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterworfen
werden müssen. Die kürzeste Definition der Projekt-UVP lautet: Erfassen, Bewerten,
Berücksichtigen von Umweltauswirkungen des Projekts im Rahmen der Entscheidung
über dessen Zulässigkeit. Etwas ausführlicher lautet sie: Die UVP dient der Vermei-
dung, der Verhinderung, der Minderung oder dem Ausgleich schädlicher Umweltaus-
wirkungen von Maßnahmen. Sie ist ein Teil der Entscheidungsvorbereitung und be-
zieht sich sowohl auf das „Wie“ als auch auf das „Ob“ der Maßnahmen. Sie ist
ein staatlich geregeltes Verfahren mit bestimmten verfahrensmäßigen und inhaltlichen
Mindestelementen, nicht lediglich eine Studie oder ein Gutachten, der ein bereichs-
übergreifender, ganzheitlicher Ansatz zugrunde liegt.166
Die Verbindung zur Bauleitplanung wird durch § 50 UVPG (bis zur Novellierung auf-
grund Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 in § 17 geregelt) hergestellt. § 50 UVPG
schreibt vor, dass bei Bebauungsplänen, mit denen gezielt die Zulässigkeit von solchen
Vorhaben hergestellt wird, die nach der Anlage zum UVP-Gesetz einer UVP unterzo-
gen werden müssen, die UVP im Rahmen der Abwägung nach den Vorschriften des
BauGB als Umweltprüfung stattfinden muss. Das wichtigste Ergebnis der Umweltprü-
fung ist der Umweltbericht.
Der Umweltbericht wurde erstmals im Jahr 2001 mit dem damals neuen § 2a in das
BauGB eingeführt. Durch § 2a wurden die Kommunen zunächst nur verpflichtet, für
alle Bebauungspläne, mit denen die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen „Projekten“ be-
gründet wird, einen Umweltbericht in die Begründung des B-Plans aufzunehmen.
Mit dem EAG Bau ist dann auch die Plan-UP oder auch SUP (Strategische Umweltprü-
fung) in das BauGB eingefügt worden. Damit hat ein Richtungswechsel stattgefunden:
Ursprünglich war die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf be-
stimmte, in § 17 UVP-Gesetz und in der Anlage 1 zum UVP-Gesetz definierte Bebau-
ungspläne begrenzt. Nunmehr ist eine (im Rahmen der Abwägung vorzunehmende)
Umweltprüfung für alle Bauleitpläne – also auch für Flächennutzungspläne und für
alle Bebauungspläne – vorgeschrieben, es sei denn, der Plan wird im vereinfachten
Verfahren nach § 13 oder im beschleunigten Verfahren nach § 13a oder § 13b (einge-
führt mit Wirkung vom 13.5.2017) aufgestellt.
Demzufolge ist eine Umweltprüfung, abgesehen von den soeben genannten Fällen, für
alle Bauleitpläne vorgeschrieben. Allerdings kommt das beschleunigte Verfahren in der
Planungspraxis häufig zur Anwendung, sodass Bauleitpläne ohne Umweltprüfung
keine Ausnahmeerscheinung darstellen (zum beschleunigten Verfahren im Einzelnen
vgl. B.III.9). Die Umweltprüfung bezieht sich auf diejenigen Inhalte des Bauleitplans,
mit denen der Rahmen für umwelterhebliche Vorhaben gesetzt wird, sowie auf die
möglichen Auswirkungen der Verwirklichung des Bauleitplans auf europarechtliche
Schutzgebiete. Die Umweltprüfung hat sich – wie schon bisher die UVP – in einem
Umweltbericht niederzuschlagen, der dem Bauleitplan gemäß § 2a bereits im Aufstel-
lungsverfahren beizufügen ist. Der Umweltbericht bezieht sich auf alle Schutzgüter der
Natur einschließlich des Menschen sowie auf Kultur- und sonstige Sachgüter. Mit dem
EAG Bau 2004 ist die Umweltprüfung endgültig zu einem Verfahrensbestandteil der
Bauleitplanung geworden.
„Der Umweltbericht bildet einen gesonderten Teil der Begründung“ (§ 2a). Häufig
wird er als eigenständiger Abschnitt unmittelbar in den Begründungstext eingebunden.

165 BGBl. I S. 1966.


166 Bund/Länder-Arbeitskreis Umweltverträglichkeitsprüfung, in: UPR 1987, 337 f.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Handelt es sich bei dem Umweltbericht hingegen um ein sehr umfassendes Werk,
empfiehlt es sich, ihn als Teil II der Begründung hintanzustellen.
Das BauGB macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Umweltprüfung sich nur
auf das bezieht, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten
Prüfungsmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans ange-
messener Weise verlangt werden kann (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 3). Bei einer gestuften
Prüfung (F-Plan/B-Plan/Vorhabenzulassung) sollen die Ergebnisse der anderweitigen,
vorhergehenden oder auch nachfolgenden Prüfungen berücksichtigt werden. Der Be-
richt muss aber in sich vollständig sein. Nach § 214 Abs. 1 Nr. 4 ist eine Verletzung
von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht nur dann unbeachtlich, wenn der
Bericht als Bestandteil der Begründung nur in unwesentlichen Punkten unvollständig
ist.
Die für den Umweltbericht maßgebliche UVP-Richtlinie ist zuletzt durch die Richtlinie
2014/52/EU vom 16. April 2014167 novelliert worden. Geändert wurden auch die Vor-
gaben zu den Angaben für den UVP-Bericht in Anhang IV der UVP-Änderungsrichtli-
nie. Diese Vorgaben haben 2017 ihren Niederschlag in Anlage 1 zum BauGB gefun-
den. Nach der Novellierung ist die Grundstruktur der Anlage 1 gleich geblieben. Der
Umweltbericht soll danach (weiterhin) aus drei Hauptteilen bestehen, nämlich aus
einer Einleitung, einem zweiten Teil zur Beschreibung und Bewertung der Umweltaus-
wirkungen sowie einem Teil mit zusätzlichen Angaben. Die Anforderungen an Teil I
sind unverändert geblieben, während sich neue Anforderungen im letzten Teil III da-
rauf beschränken, dass auch eine Referenzliste all der Quellen in den Umweltbericht
aufzunehmen ist, die für die im Umweltbericht enthaltenen Beschreibungen und
Bewertungen herangezogen worden sind. Für das Herzstück des Umweltberichts, näm-
lich für Teil II, wartet der Gesetzgeber seit 2017 jedoch mit einem feingliedrig aufgelis-
teten Prüfprogramm auf. Der Anlage 1 zum BauGB zufolge ist Teil II des Umweltbe-
richts zunächst in folgende fünf Abschnitte zu untergliedern:
a) Eine Bestandsaufnahme des Umweltzustands, das sog. Basisszenario, und die Ein-
schätzung der Entwicklung bei Nichtdurchführung der Planung;
b) eine Prognose bei Durchführung der Planung;
c) die Maßnahmen zur Vermeidung, Verhinderung, Verringerung und zum Ausgleich
nachteiliger Auswirkungen;
d) die anderweitigen Planungsmöglichkeiten sowie
e) bei Aufstellung, Änderung oder Ergänzung eines B-Plans die nachteiligen Auswir-
kungen, die aufgrund der Anfälligkeit der zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle
oder Katastrophen zu erwarten sind.
Vor allem das mit dem Buchstaben b) verbundene Untersuchungsprogramm ist mit
großem Untersuchungsaufwand verbunden; denn die Prognose soll sich, jedenfalls so-
weit dies noch angemessen ist, auf die erheblichen Auswirkungen der geplanten Vorha-
ben und ihrer Umsetzung während der Bauphase und während der Betriebsphase be-
ziehen. Dabei sind die Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 a) bis i) abzuarbeiten. Dabei ist
auf die Auswirkungen auf die Schutzgüter wie z. B. Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden und
Wasser, auf die Erhaltungsziele und die Schutzzwecke der Natura 2000-Gebiete, auf
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie auf
die Bevölkerung insgesamt einzugehen. Ferner werden Ausführungen hinsichtlich der
Möglichkeit zur Vermeidung von Emissionen, zum Einsatz erneuerbarer Energien und
zur Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität erwartet. In Analogie zum Anhang IV
der UVP-Änderungsrichtlinie soll die auf die einzelnen Belange bezogene Prognose der
Umweltauswirkungen hinsichtlich unterschiedlicher möglicher Einflussfaktoren erfol-
gen. Diese Einflussfaktoren können sein:

167 ABl. EU 2014, L 124/1.

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– Der Bau und das Vorhandensein der geplanten Vorhaben, soweit relevant ein-
schließlich Abrissarbeiten,
– die Nutzung der natürlichen Ressourcen, insbesondere Flächen, Boden, Wasser,
Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt, wobei soweit möglich die nachhaltige Ver-
fügbarkeit dieser Ressourcen zu berücksichtigen ist,
– die Art und Menge an Emissionen von Schadstoffen, Lärm, Erschütterungen,
Licht, Wärme und Strahlung sowie der Verursachung von Belästigungen,
– die Art und Menge der erzeugten Abfälle und ihrer Beseitigung und Verwertung,
– die Risiken für die menschliche Gesundheit, das kulturelle Erbe oder die Umwelt
(zum Beispiel durch Unfälle oder Katastrophen),
– die Kumulierung mit den Auswirkungen von Vorhaben benachbarter Plangebiete
unter Berücksichtigung etwaiger bestehender Umweltprobleme in Bezug auf mögli-
cherweise betroffene Gebiete mit spezieller Umweltrelevanz oder auf die Nutzung
von natürlichen Ressourcen,
– die Auswirkungen des Vorhabens auf das Klima (zum Beispiel Art und Ausmaß
der Treibhausgasemissionen) und der Anfälligkeit des Vorhabens gegenüber den
Folgen des Klimawandels sowie
– die eingesetzten Techniken und Stoffe.
Damit die Beschreibung der Umweltauswirkungen vollständig in der gesamten Band-
breite erfolgt, schließt Nr. 2b der Anlage 1 zum BauGB mit einer Liste möglicher
Merkmale von Auswirkungen ab (direkt, indirekt, sekundär, kumulativ, grenzüber-
schreitend, kurzfristig, mittelfristig, langfristig, ständig, vorübergehend sowie positiv
und negativ). Diese sind als Stichwörter zu verstehen, auf die einzugehen ist, soweit
sich dazu relevante Aussagen treffen lassen. Neu seit der BauGB-Novelle vom 4. Mai
2017 ist mit Buchstabe 2e) die Pflicht zu prüfen, inwieweit bei Aufstellung, Änderung
oder Ergänzung eines Bebauungsplans eine Anfälligkeit der zulässigen Vorhaben hin-
sichtlich schwerer Unfälle oder Katastrophen besteht. Dabei sind die Ausführungen
nicht allein auf denkbare Unfälle im Zusammenhang mit Seveso-III-Betrieben zu be-
schränken, sondern auf mögliche schwere Unfälle und Katastrophen aller im Städte-
bau denkbaren Art zu beziehen.
Auch wenn sich dies aus Anlage 1 zum BauGB nicht unmittelbar ergibt, sind auch die
ergänzenden Vorschriften des BauGB zum Umweltschutz im Rahmen des Umweltbe-
richts zu behandeln. Zentraler Bestandteil ist dabei die Abarbeitung der naturschutz-
rechtlichen Eingriffsregelung. Doch auch die mit der Bodenschutzklausel und Umwid-
mungssperrklausel (beide in § 1a Abs. 2) sowie mit der Klimaschutzklausel (§ 1a
Abs. 5) verbundenen Umweltbelange müssen im Umweltbericht abwägend behandelt
werden. Dies ergibt sich nicht aus der Anlage 1 zum BauGB, sondern aus § 2 Abs. 4
Satz 1 BauGB.
Angesichts dieser neuen Fülle an nunmehr „verbrieften“ Prüfposten ist die in § 2
Abs. 4 Satz 2 normierte Festlegung von Umfang und Detaillierungsgrad der Umwelt-
prüfung von sehr großer Bedeutung. Die Gemeinde entscheidet selbst – im Ergebnis
eines Scopings oder einer schriftlichen Abfrage von Umweltbehörden im Rahmen der
Beteiligung nach § 4 Abs. 1 – in dem ihr zustehenden Ermessen darüber, in welcher
Untersuchungstiefe und in welchem Detaillierungsgrad die Ermittlung der Umweltbe-
lange für die Abwägung erforderlich ist. Sie darf die Prüfaspekte ausscheiden, die sich
nicht nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden
mit angemessenem Aufwand ermitteln lassen. Die Festlegung der Gemeinde muss in
nachvollziehbarer Art und Weise aktenkundig gemacht werden. Dazu bieten sich auch
Ausführungen im Umweltbericht an. Befolgt die Gemeinde dieses Vorgehen, wird sich
der Vorwurf der Unvollständigkeit des Umweltberichts in einem Rechtsstreit kaum
durchsetzen können.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

d) Klimaschutz und Klimaanpassung als gestärkte Belange des Städtebaurechts. Kom-


munen in Deutschland beschäftigen sich seit den 1970er Jahren zumindest mit Fragen
und Strategien zur kommunalen Energieeinsparung. Zu Beginn der 1990er Jahre
wurde bundesweit auch auf kommunaler Ebene die Klimagefährdung als eine bedeut-
same Herausforderung erkannt. Es folgten Forschungsvorhaben, z. B. zur Verminde-
rung von CO2- und anderen Treibhausgasemissionen und diverse Leitfäden und Unter-
suchungen zur Sicherung der kommunalen Energieversorgung und zur Erarbeitung
von Klimakonzepten.168
Die Stadtentwicklung widmete sich dem Thema im Rahmen von klimaökologischen
Fragestellungen (z. B. Kalt-/Frischluftliefergebiete in Plangebieten) bereits recht früh.
Später erstreckte sich ihr Beitrag ebenfalls auf Strategien zur Energieeinsparung und
CO2-Minderung. Andere Kommunen behandelten Fragen des Klimaschutzes im Kon-
text der Nachhaltigkeitsdebatten rund um die Lokale Agenda 21 Anfang der 1990er
Jahre.
Strategisch bestanden und bestehen auf der Ebene der Stadtentwicklungs- und Bauleit-
planung verschiedene instrumentelle Möglichkeiten, den Anforderungen an den Kli-
maschutz und der Anpassung an den Klimawandel Rechnung zu tragen.
Folgende Handlungsfelder seien genannt:
– Klimaoptimierte Nutzungszuordnungen und Flächendisposition, z. B. die Lenkung
und Bündelung des Stadtwachstums aber auch des Rückbaus in der Fläche oder
der Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung;
– verkehrsarme und ressourcenschonende Raum- und Siedlungsstrukturen, z. B. ver-
kehrsvermeidende Nutzungszuordnung durch kleinräumige Funktionsmischung,
konzentrierte Siedlungsflächenerweiterung an leistungsfähigen Verkehrs- und In-
frastrukturorten und -trassen, Stärkung des ÖPNV in Siedlungsschwerpunkten,
Förderung des Radverkehrs, Verkürzung der Transportwege, Nachverdichtung;
– energiegerechter Städtebau, z. B. energetische Verbesserung des Gebäude- und
Siedlungsbestandes, optimierte verschattungsarme Gebäudestellungen, energetisch
günstige Bauweisen, verringerter gebäudebezogener Wärmebedarf durch Besied-
lungsdichte, klimagerechte Steuerung von Art, Maß und Höhe der baulichen Nut-
zung, Freihaltung von Kalt-/Frischluftliefergebieten.
Bereits mit dem Inkrafttreten des EAG Bau 2004 wurde über lokale und regionale
Aspekte hinaus der allgemeine Klimaschutz zu einer Aufgabe der Bauleitplanung er-
klärt. § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB 2004 verpflichtete die Bauleitplanung, „auch in Verant-
wortung für den allgemeinen Klimaschutz“ eine menschenwürdige Umwelt zu sichern
und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Nach der Auf-
fassung des Gesetzgebers war dies der Beitrag der Bauleitplanung zum globalen Klima-
schutz. In der Praxis und im Schrifttum war diese Sichtweise jedoch umstritten. Denn
die Bauleitplanung erfordert nach der Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes
(Art. 74 Nr. 1 Nr. 18) zwingend den bodenrechtlichen Bezug, weshalb eher technisch
orientierte Vorgaben für die Errichtung oder zum Energieverbrauch von Gebäuden
dem sogenannten „Energiefachrecht“ vorbehalten bleiben.
Einige wichtige Gesetze und Verordnungen des Energiefachrechts in diesem Zusam-
menhang sind:
– EnEV169: In der Energieeinsparverordnung werden vor allem Anforderungen an zu
errichtende Gebäude im Hinblick auf Ihren Jahresprimärenergiebedarf verbindlich
geregelt.

168 Vgl. hierzu z. B. Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Klimaschutz in Kommunen – Praxisleitfaden,
Berlin 2011.
169 Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden
(Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519) mit nachfolgenden Änderun-
gen.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– EEWärmeG170: Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz enthält Nutzungspflich-


ten für erneuerbare Energien für Gebäude mit mehr als 50 m² Nutzfläche und soll
eine Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude unterstützen.
– EEG171: Durch das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-
Energien-Gesetz) wird die Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien an
der Stromversorgung in mehreren Stufen, auf mindestens 80 % im Jahr 2050,
angestrebt.
Energiefachrecht und Bauleitplanung sollten deshalb nicht in Konkurrenz zueinander
treten, sondern sich – unter Beachtung ihrer unterschiedlichen Zielrichtung – gegensei-
tig ergänzen. Spätestens mit dem Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der
Entwicklung in den Städten und Gemeinden im Jahr 2011 ist klargestellt, dass klima-
schützende Darstellungen und Festsetzungen in F- und B-Plänen auch möglich sind,
wenn sie sich nicht unmittelbar lokal positiv auswirken und der Bodenbezug somit
auch nicht unmittelbar vorliegt. § 1 Abs. 5 Satz 2 hält die Gemeinden an, sich im
Rahmen der Bauleitplanung auch mit den Belangen des Klimaschutzes und den Mög-
lichkeiten bzw. Erfordernissen zur Anpassung an den Klimawandel zu befassen. Aller-
dings bedeutet dies nicht, dass diesen Belangen nunmehr einseitig der Vorzug vor
anderen Belangen gegeben werden muss. Sie nehmen als Planungsziel mit je nach Pla-
nungsaufgabe unterschiedlich differenziertem Abwägungsmaterial vielmehr an der in
§ 1 Abs. 7 verankerten Abwägung teil und sind in diesem Rahmen auch überwindbar.
Die Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten von klimaschutzorientierten Planin-
halten in der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung sind vielfältig.172 Im Rahmen
der BauGB-Novelle 2011 ergaben sich für die F- und B-Planung im Kern drei Neue-
rungen:
In § 5 Abs. 2 Nr. 2b wird bestimmt, dass im Flächennutzungsplan die Ausstattung
des Gemeindegebiets mit Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Maßnahmen, die dem
Klimawandel entgegenwirken, insbesondere zur dezentralen und zentralen Erzeugung,
Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren
Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung dargestellt werden kann. Im Katalog der Fest-
setzungen für den Bebauungsplan des § 9 Abs. 1 werden die Möglichkeiten zur Festset-
zung von Versorgungsflächen (Nr. 12) präzisiert sowie die Festsetzung von Gebieten
erlaubt, in denen „bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen bauli-
chen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeu-
gung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren
Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen“. Zuvor bezog sich
die Regelung ausschließlich auf „bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz er-
neuerbarer Energien“. Eine Nutzung setzt jedoch auch technische Maßnahmen voraus.
In Betracht kommen insbesondere technische Maßnahmen zur Umsetzung des EEWär-
meG. Die selbstverständlich erforderliche Begründung solcher Darstellungen und Fest-
setzungen wird vor allem durch die programmatische Aufwertung des Klimaschutzes
und der Klimaanpassung, „insbesondere auch in der Stadtentwicklung“ (§ 1 Abs. 5
Satz 2) sowie den ergänzten § 1a Abs. 5 erleichtert. Diese Entwicklung des Klima-
schutzes zu einem Grundsatz der Bauleitplanung, der in der Abwägung nach § 1
Abs. 7 zu berücksichtigen ist, soll weitergehende Möglichkeiten der planungsrechtli-
chen Steuerung und Unterstützung des Einsatzes erneuerbarer Energien schaffen. Dazu
gehören sowohl übergreifende Maßnahmen als auch die Konzeption von kleinräum-
lich durchmischten Quartieren, die das Verkehrsaufkommen und den dadurch verur-
sachten CO2-Ausstoß minimieren. Bei der Abwägung zugunsten der Belange des Kli-

170 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658) mit nachfolgenden Ände-
rungen.
171 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2074) mit nachfolgenden Änderungen.
172 Vgl. hierzu auch die Auswahl klimaschutzorientierter Festsetzungsmöglichkeiten in Kap. B.V.1.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

maschutzes bzw. der Klimaanpassung kann es allerdings zu Zielkonflikten mit


städtebaulichen Erfordernissen, dem Ortsbild, dem Denkmalschutz173 und den Eigen-
tümerinteressen kommen.
Die weiteren Änderungen der sogenannten „Klimanovelle 2011“ betreffen den städte-
baulichen Vertrag (§ 11 Abs. 1 Nr. 4), die Erweiterung der Privilegierung von Bio-
masse und Solarenergie bei gleichzeitiger Beschränkung der Atomenergie (§ 35), die
Zulassung von Abweichungen vom festgesetzten Maß der baulichen Nutzung aus
Energiespargründen (§ 248 BauGB) sowie die Erleichterung des sogenannten „Repo-
wering“ (§ 249 BauGB), worunter der Ersatz älterer Windkraftanlagen durch eine
geringere Anzahl leistungsfähigerer Anlagen zu verstehen ist.
Darüber hinaus sind in der PlanZV zwei neue, mit diesen Änderungen korrespondie-
rende Planzeichen eingeführt worden. All diese Aspekte werden in diesem Buch an
entsprechender Stelle genauer dargestellt.

e) Innenentwicklung als neuer Grundsatz der Bauleitplanung. „Die städtebauliche Ent-


wicklung kann nicht auf die fortdauernde Inanspruchnahme des bisherigen Außenbe-
reichs beschränkt bleiben“174, stellte erstmals der Baulandbericht von 1983 fest und
erklärte angesichts finanzieller Engpässe der Kommunen und einer zunehmend ökolo-
gisch ausgerichteten Stadt- und Dorfentwicklung neben der behutsamen Ausweitung
der gemeindlichen Siedlungsfläche die „Innenentwicklung“ zu einer Stadtentwick-
lungsstrategie mit wachsender Bedeutung. Hierzu gehörten nach damaliger Auffassung
einerseits Stadterneuerung und Wohnungsmodernisierung sowie andererseits die
Schließung von Baulücken und die Aktivierung des zum Teil reichlich vorhandenen
und zu einem großen Teil schon erschlossenen planerisch ausgewiesenen Baulands im
inneren Bereich der Gemeinden.175
Auch der nachfolgende Baulandbericht von 1986 machte erneut klar, dass es mit der
täglichen Inanspruchnahme von rd. 120 Hektar landwirtschaftlichen Bodens und na-
turnaher Flächen zum Zweck der Besiedlung und Erschließung überwiegend an den
Außenrändern der Städte nicht weitergehen könne.
Das verfügbare öffentlich-rechtliche Instrumentarium wurde in diesem Zusammen-
hang als ausreichend erachtet. Bei der Gesetzgebung komme es daher nicht darauf an,
im Bereich des Bodenrechts zusätzliche und neuartige Instrumente zu schaffen. Die
Aufgabe lag nach damaliger Auffassung vielmehr darin, das für den Baulandmarkt
maßgebliche planungs- und bodenrechtliche Instrumentarium zu vereinfachen und die
Ursachen für bürokratische Hemmnisse zu beseitigen sowie über die Veränderung der
steuerrechtlichen Rahmenbedingungen Einfluss auf den Verbrauch von Grund und
Boden zu nehmen.176
Die Themen Innenentwicklung und Reduzierung der Flächeninanspruchnahme blieben
fortan unter der Überschrift „Nachhaltigkeit“ Dauerthemen der Stadtentwicklung177
– zunächst jedoch noch nicht des Städtebaurechts.
Nach den vor allem umwelt- und europarechtlich intendierten BauGB-Novellen 2001
und 2004 wurde mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom No-
vember 2005 die planungspolitische Grundlage für eine planungsrechtlich verstärkte
Förderung der Innenentwicklung gelegt, in dem das Ziel einer Verminderung der Flä-

173 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 24.6.2005 – 1 S 1674/04 –, VBlBW 2006, 20–23; VGH Bayern,
U. v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 –, Jurion RS 41553 (auf einer Anhöhe positionierter Windkraftanlage
können denkmalpflegerische Belange – hier Blickbeziehung zu einem Schloss – entgegenstehen).
174 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Baulandbericht, Bonn (Bad Godes-
berg) 1983, S. 19.
175 Ebd.
176 Ebd., S. 5.
177 Vgl. hierzu u. a.: Die Bundesregierung (Hrsg.): Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine
nachhaltige Entwicklung, Berlin 2002.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

cheninanspruchnahme und der Beschleunigung wichtiger Planungsvorhaben in den


Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastrukturausstattung vereinbart wurde.
Zentrales Anliegen des auf dieser Grundlage verabschiedeten Gesetzes war es, Pla-
nungsverfahren der Innenentwicklung beschleunigt durchführen zu können und damit
zu stärken, um auf diese Weise einen Beitrag zur Verringerung der Flächeninanspruch-
nahme zu leisten. Das Gesetz ist auch als Nachsteuerung der im Jahr 2004 eingeführ-
ten Umweltprüfung zu verstehen, indem es die unionsrechtlich möglichen Ausnahmen
für die Durchführung von Umweltprüfungen bei der Aufstellung von Bebauungsplä-
nen nutzt. Das für Bebauungspläne der Innenentwicklung eingeführte beschleunigte
Verfahren (§ 13a) bestimmt, dass diese im Rahmen des europarechtlich Zulässigen
keiner förmlichen Umweltprüfung unterliegen, soweit solche Bebauungspläne eine zu-
lässige Grundfläche von weniger als 20.000 m² aufweisen oder – bei einer zulässigen
Grundfläche von 20.000 bis weniger als 70.000 m² – eine Vorprüfung des Einzelfalls
ergibt, dass der B-Plan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat.
Zudem dürfen durch den Plan weder UVP-pflichtige Vorhaben begründet werden,
noch dürfen Anhaltspunkte für die Beeinträchtigung von Erhaltungszielen und Schutz-
zwecken von Natura 2000-Gebieten bestehen. Seit 2017 dürfen auch keine Anhalts-
punkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begren-
zung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Nach dem vorgezogenen klimapolitischen Teil178 der für die 17. Legislaturperiode
geplanten Änderungen des BauGB wurde auf der Grundlage des zwischen CDU, CSU
und FDP im Oktober 2009 geschlossenen Koalitionsvertrags die noch ausstehende
„Stärkung des Vorrangs der Innenentwicklung“ in den Mittelpunkt der Gesetzge-
bungsaktivitäten gestellt. Das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städ-
ten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts179 sollte strate-
gisch an die „Innenentwicklungsnovelle“ 2006 anknüpfen, die am 1.1.2007 in Kraft
getreten ist.180 Allerdings enthält das Gesetz mit der Ausweitung der Privilegierung
von Vorhaben im Außenbereich (vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel B.VIII.6) auch Rege-
lungen, die der Maxime der Innenentwicklung entgegenstehen. Ebenfalls als Schwä-
chung der Innenentwicklung muss der 2017 neu eingeführte Bebauungsplan zur Einbe-
ziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren bewertet werden,
auch wenn diese Regelung zeitlich befristet ist (vgl. hierzu auch Kap. B.V.9).
Der wesentliche Beitrag des Städtebaurechts zur Stärkung der Innenentwicklung be-
steht zum einen in der Bindung der städtebaulichen Entwicklung an Maßnahmen der
Innenentwicklung, denen in diesem Zusammenhang ein Vorrang einzuräumen ist (§ 1
Abs. 5). Außerdem enthält das Gesetz eine Begründungspflicht für die Umwandlung
von landwirtschaftlichen genutzten Flächen und Wald, deren Notwendigkeit nachvoll-
ziehbar begründet werden muss und an die Ermittlung der Innenentwicklungspotenzi-
ale gebunden wird (§ 1a Abs. 2 Satz 4). Wieweit sich hierdurch die Flächenneuinan-
spruchnahme spürbar verringern wird, bleibt jedoch abzuwarten. Mit dem 2017 in
§ 6a BauNVO eingeführten „Urbanen Gebiet“ (vgl. Kap. B.V.3), in dem bei frei konfi-
gurierbarer Nutzungsmischung mit einer erheblichen baulichen Dichte (max. GRZ
0,8; max. GFZ 3,0) gerade auch Innenentwicklung betrieben werden kann, hat der
Gesetzgeber eine weitere Option geschaffen, die „kompakte Stadt der kurzen Wege“
als aktuelles Leitbild der Stadtentwicklung zu befördern.

178 BGBl. I S. 1509.


179 BGBl. I S. 1548.
180 BGBl. I S. 3316.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

8. Das vereinfachte Verfahren


Das vereinfachte Verfahren zur Änderung und Ergänzung von Bauleitplänen und zur
Aufstellung von Bebauungsplänen ist neben dem beschleunigten Verfahren (vgl.
B.III.9) das einzige Verfahren ohne Umweltprüfung und Umweltbericht. Es darf nur
angewendet werden, wenn
– durch den Plan nicht die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben vorbereitet
oder begründet wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1) und
– keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Verwirklichung des Plans Er-
haltungsziele und Schutzzweck von Natura 2000-Gebieten (FFH- oder Vogel-
schutzgebiet) beeinträchtigt werden könnten (§ 13 Abs. 1 Nr. 2) und
– keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermei-
dung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 3).
Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind und darüber hinaus
– entweder durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans (also eines Flä-
chennutzungsplans oder eines Bebauungsplans) die Grundzüge der Planung nicht
berührt werden (Fall 1), oder
– durch die Aufstellung eines Bebauungsplans in einem im Zusammenhang bebauten
Ortsteil nach § 34 der sich aus der vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung
ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert wird (Fall 2), oder
– der Bebauungsplan lediglich Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a zur Steuerung des
Einzelhandels enthält (Fall 3), oder
– der Bebauungsplan lediglich Festsetzungen nach § 9 Abs. 2b zur Steuerung von
Vergnügungsstätten enthält (Fall 4),
darf das vereinfachte Verfahren angewendet werden. Nur Fall 1 schließt auch Flächen-
nutzungspläne ein, ansonsten bezieht sich die Vorschrift auf bestimmte Fälle der ver-
bindlichen Bauleitplanung.
Das vereinfachte Verfahren kommt für Bebauungspläne zur Steuerung des Einzelhan-
dels bzw. zur Steuerung von Vergnügungsstätten nur zur Anwendung, wenn durch
diese Pläne lediglich der unbeplante Innenbereich nach § 34 überplant wird (vgl.
hierzu im Einzelnen Kapitel B.V.10). Rückblickend ist festzustellen, dass das verein-
fachte Verfahren seit der BauGB-Novelle 1998 mit Ausnahme des EAG Bau 2004
kontinuierlich aufgewertet und in seinem Anwendungsbereich erweitert wurde.
Das jeweilige Bebauungsplanverfahren wird erleichtert und vereinfacht, indem von
der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der frühzeitigen Unterrichtung der
Behörden abgesehen werden kann (es genügt die förmliche Unterrichtung und Beteili-
gung). Neben Umweltprüfung und -bericht kann von der zusammenfassenden Erklä-
rung (vgl. § 6a Abs. 1 für den F-Plan und § 10a Abs. 1 für den B-Plan) abgesehen und
auf ein Monitoring nach § 4c verzichtet werden. Zudem kann die förmliche Unterrich-
tung und Beteiligung gezielt und individuell statt durch öffentliche Auslegung erfolgen.
Wahlweise ist weiterhin die Auslegung nach § 3 Abs. 2 möglich; dies ist bei einem
größeren Kreis von Betroffenen die bessere Lösung, zumal sich dieser „Kreis der Be-
troffenen“ nicht immer zweifelsfrei bestimmen lässt. In der dazugehörigen Bekanntma-
chung entfallen folgerichtig Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informati-
onen verfügbar sind. Bei einem kleinen Kreis von Betroffenen genügen individuelle
Benachrichtigungen (evtl. per elektronischer Post, wenn der Adressat vorher zuge-
stimmt hat) mit (angemessen) kurzer Fristsetzung zur Rückäußerung. Wird nur der
betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, also von einer
„vollständigen“ öffentlichen Auslegung abgesehen, muss das Schreiben an den einge-
schränkten Adressatenkreis mit den Informationen versehen werden, die auch in die
Bekanntmachung einer öffentlichen Auslegung aufzunehmen wären. Dazu gehören
neben Ort und Dauer der Auslegung der Hinweis auf die Möglichkeit der Nichtbe-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

rücksichtigung von Stellungnahmen, die nicht fristgerecht abgegeben worden sind so-
wie der Hinweis auf den Verzicht zur Durchführung einer Umweltprüfung. Die Hin-
weispflicht auf die Präklusionsregelung in § 3 Abs. 2 ist im Jahr 2017 entfallen (auch
§ 47 Abs. 2a VwGO wurde gestrichen181). Hinter der Streichung steht das Urteil des
EuGH vom 15.10.2015182 zu einem von der Europäischen Kommission gegen die
Bundesrepublik Deutschland geführten Vertragsverletzungsverfahren zur Umweltver-
träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten.
Das vereinfachte Verfahren entbindet nicht von der Pflicht zu einer erneuten Beteiligung,
wenn der Entwurf des Bebauungsplans nach der (ersten) Beteiligung geändert wird.183
9. Das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung und zur
Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren
Das zum 1.1.2007 eingeführte beschleunigte Verfahren, das seitdem für Bebauungs-
pläne der Innenentwicklung angewendet werden kann, stellte den Kern der BauGB-
Novelle 2006 dar und ging zurück auf Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und SPD vom November 2005. Ausdrückliches Ziel war die Verminderung
der Flächeninanspruchnahme und die Beschleunigung wichtiger Planungsvorhaben in
den Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastrukturausstattung. Im Mittel-
punkt des Gesetzes steht die beschleunigte Durchführung von Bebauungsplanverfah-
ren der Innenentwicklung, die eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme durch
eine verstärkte Inanspruchnahme vorhandener Innenentwicklungspotenziale, wie die
Wiedernutzung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahme der Innenent-
wicklung, bewirken sollen.184
Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung
von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung im
beschleunigten Verfahren aufgestellt werden (qualitative Voraussetzung: Maßnahme
der Innenentwicklung). Damit wird an die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 Satz 1
angeknüpft.185 Zudem darf der Bebauungsplan bestimmte Schwellenwerte (zulässige
Grundfläche, zulässige Versiegelung) in der Größe nicht überschreiten (quantitative
Voraussetzung). Außenbereichsflächen, die jenseits der äußeren Grenzen eines Sied-
lungsbereichs liegen, dürfen nicht in einen Bebauungsplan der Innenentwicklung ein-
bezogen werden.186 Nach der Auffassung des VGH Baden Württemberg können mit
einem Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1
BauGB aber auch unbebaute Flächen, deren Überbauung sich bislang nach § 35
BauGB richtete, jedenfalls dann entwickelt werden, wenn sie auf allen Seiten von Be-
bauung umgeben und damit dem Siedlungsbereich zuzurechnen und von diesem ge-
prägt sind oder wenn sie Teil einer solchen Fläche sind.187
Bei der Vorschrift des § 13a handelt es sich um eine „Kann-Vorschrift“, d. h. der
Plangeber kann, wenn die gesetzlich geforderten Anwendungsvoraussetzungen erfüllt
sind, einen Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren aufstel-
len (zu den Anwendungsvoraussetzungen des beschleunigten Verfahrens im Einzelnen
vgl. Kapitel B.V.8 und Bild 37).

181 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
182 EuGH, U. v. 15.10.2015 – C-137/14 –, JurionRS 2015, 28245.
183 So ausdrücklich Bayerischer VGH, U. v. 12.2.2004 – 1 N 02.406 –, ZfBR 2004, 569.
184 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/2496, S. 1.
185 Ebenda, S. 12.
186 Vgl. BVerwG, U. v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 –, ZfBR 2016, 260–263 (Gemeinde Zickhusen).
187 So VGH Baden-Württemberg, U. v. 30.10.2014 – 8 S 940/12 –, BauR 2015, 783. Höchstrichterlich ist
diese Frage noch nicht entschieden (zum Begriff „Außenbereich im Innenbereich“ vgl. BVerwG, B. v.
15.9.2005 – 4 BN 37.05 –, BauR 2006, 348–349).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren ist ortsüblich


bekannt zu machen, dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne
Durchführung einer Umweltprüfung aufgestellt wird. Bei Bebauungsplänen mit einer
zulässigen Grundfläche von 20.000 bis weniger als 70.000 m² müssen zudem die we-
sentlichen Gründe für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens bekannt ge-
macht werden. Angesichts der möglichen Größe solcher B-Pläne ist diese Bedingung
verständlich. Die Gründe leiten sich aus den Ergebnissen der Vorprüfung des Einzel-
falls ab, die auf der Grundlage der Anlage 2 zum BauGB in diesen Fällen stets durchzu-
führen ist. Die ortsübliche Bekanntmachung kann demnach erst nach Abschluss der
Vorprüfung erfolgen. In die Bekanntmachung sind auch Informationen dazu aufzuneh-
men, wo sich die Öffentlichkeit über die allgemeinen Ziele und Zwecke sowie die
wesentlichen Auswirkungen der Planung unterrichten kann und dass sich die Öffent-
lichkeit innerhalb einer bestimmten Frist zur Planung äußern kann, sofern keine früh-
zeitige Unterrichtung und Erörterung im Sinne des § 3 Abs. 1 stattfindet.
Im beschleunigten Verfahren dürfen die für das vereinfachte Verfahren nach § 13
Abs. 2 und 3 Satz 1 entwickelten Verfahrenserleichterungen entsprechend angewendet
werden. Es darf demnach
– von der frühzeitigen Unterrichtung und Erörterung nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1
abgesehen werden,
– der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemes-
sener Frist gegeben oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 durchgeführt
werden,
– den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit
zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Betei-
ligung nach § 4 Abs. 2 durchgeführt werden,
– von der Umweltprüfung, vom Umweltbericht, von der Angabe in der ortsüblichen
Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung, welche Arten umweltbezogener In-
formationen verfügbar sind, sowie von der zusammenfassenden Erklärung nach
§ 10 Abs. 4 abgesehen werden und
– auf die Umweltüberwachung (Monitoring) im Sinne des § 4c verzichtet werden.
Das beschleunigte Verfahren hat gegenüber dem vereinfachten Verfahren jedoch noch
zwei weitere Vorteile zu bieten, indem zum einen das Entwicklungsgebot aus dem F-
Plan und zum anderen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in weiten Teilen
außer Kraft gesetzt werden: Bebauungspläne der Innenentwicklung, die von den Dar-
stellungen des Flächennutzungsplans abweichen, dürfen nämlich ohne vorherige oder
parallele Änderung des Flächennutzungsplans aufgestellt werden. Als einzige Bedin-
gung verlangt das Gesetz, dass durch die Planung die geordnete städtebauliche Ent-
wicklung nicht beeinträchtigt wird. Der Flächennutzungsplan darf in diesem Fall je-
doch nicht unverändert bleiben. Im Unterschied zum Parallelverfahren genügt jedoch
eine Anpassung des Flächennutzungsplans „im Wege der Berichtigung“; hierbei han-
delt es sich lediglich um einen redaktionellen (also komplett verfahrensfreien) Vor-
gang, auf den die Vorschriften für die Aufstellung von Bauleitplänen nicht anzuwen-
den sind. Stand die Bindung an die geordnete städtebauliche Entwicklung bei
Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a noch weitgehend außer Frage,
dürfte die Prüfung dieses Sachverhalts für den neuen Bebauungsplan zur Einbeziehung
von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13b an Bedeutung
gewinnen.

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Bild 23: Anzeige zur erneuten öffentlichen Auslegung nach § 4a Abs. 3 BauGB

Die Aufstellung von B-Plänen der Innenentwicklung mit einer zulässigen Grundfläche
von weniger als 20.000 m² hat der Gesetzgeber zudem dadurch erleichtert, dass Ein-

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

griffe in Natur und Landschaft „als im Sinne des § 1a Absatz 3 Satz 5 vor der planeri-
schen Entscheidung erfolgt oder zulässig“ gelten (vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 4). Das bedeu-
tet, dass entgegen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Eingriffe in Folge der
B-Planaufstellung nicht ausgeglichen werden müssen. Dieser Freifahrtschein befreit
jedoch nicht von der Beachtung des Vermeidungs- und Minimierungsgebotes. Auch
die artenschutzrechtlichen Bestimmungen werden selbstverständlich nicht ausgehebelt,
sodass im beschleunigten Verfahren im Falle des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (zulässige
Grundfläche von weniger als 20.000 m²) die Belange von Umwelt und Natur nicht
vollständig ausgeblendet werden dürfen. Bei der zulässigen Grundfläche sind nur sol-
che im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO zu berücksichtigen. Die Grundfläche von
Nebenanlagen i. S. d. § 14 BauNVO oder von Garagen und Stellplätzen mit ihren Zu-
fahrten auf den Grundstücken oder von baulichen Anlagen unterhalb der Gelände-
oberfläche, die nach § 19 Abs. 4 BauNVO bei der Ermittlung der Grundflächen mitzu-
rechnen sind, sind demnach nicht auf die Grundfläche anzurechnen, auf die in § 13a
abgestellt wird. Dafür müssen aber Grundflächen von benachbarten Bebauungsplänen
mitgerechnet werden, wenn sie in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang stehen. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Gemeinden
nach dem Salamitaktik-Prinzip ein großes Plangebiet in mehrere Teile mit dem Ziel
aufsplitten, B-Pläne mit einer Grundfläche von jeweils weniger als 20.000 m² aufstel-
len zu können.
Die im Verfahren nach § 13a durch die Rechtsprechung des BVerwG als unzulässig
bewertete Einbeziehung von Außenbereichsflächen am Siedlungsrand ist mit der Ein-
führung des Plans nach § 13b mit Wirkung vom 13.5.2017 ausdrücklich möglich –
solange das Verfahren rechtzeitig eingeleitet und bis zum 31.12.2021 abgeschlossen
worden ist (vgl. hierzu ausführlich Kap. B.V.9).
10. Der Auslagebeschluss und die öffentliche Auslage
Wenn das Stadtplanungsamt (oder das private Planungsbüro, das als „Dritter“ im
Sinne des § 4b im Auftrag der Gemeinde den Planentwurf herstellt) das Kunststück
der Zusammenstellung aller Abwägungsargumente und ihrer richtigen Gewichtung
vollbracht zu haben meint, wird der Planentwurf in vielen Fällen der Gemeindevertre-
tung zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob er nun den Bürgern in fertig gezeichneter
Form vorgestellt werden soll. Der angestrebte Beschluss heißt „Auslage-“ oder „Ausle-
gungsbeschluss“ – er ist bundesrechtlich nicht vorgeschrieben“. An ihn schließt sich
das Verfahren der förmlichen Auslage für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch
für die Dauer von 30 Tagen an. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muss die Ausle-
gungsdauer angemessen verlängert werden. Zu den wichtigen Gründen gehören insbe-
sondere besonders komplexe Planwerke und -verfahren, die sich gerade von einem
Laien nicht so leicht erschließen lassen. Auch ein Zeitraum, der mit Feier- und/oder
Ferientagen zusammenfällt, kann die Gemeinde zu einer verlängerten Auslegungsfrist
veranlassen. Die Gemeinde sollte bei der Prüfung der Auslegungsdauer also Sorgfalt
walten lassen; denn eine grundlos unterlassene angemessene Verlängerung bei Vorlie-
gen eines wichtigen Grundes gehört zu den beachtlichen Fehlern gemäß § 214 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. d). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muss verlängert werden. Wenn
die Gemeinde meint, es liege kein Grund zur Verlängerung vor, muss sie diese An-
nahme nachvollziehbar begründen und dokumentieren. Nur dann bleibt ein solcher
Fehler unbeachtlich. Es bedarf also einer bewussten Entscheidung der Gemeinde, auf
einen angemessen längeren Auslegungszeitraum zu verzichten, der sich nachvollzieh-
bar begründen lässt. Die Gemeinde sollte die Gründe für die Entscheidung aktenkun-
dig machen, um sie im Streitfall parat zu haben – diese Gründe müssen aber nicht in
die Begründung zum Bebauungsplan aufgenommen werden.
Auch hinsichtlich der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung wurden über
§ 4a Abs. 4 im Jahr 2017 Neuerungen eingeführt: Aus der Empfehlung („Bei der Öf-

139

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

fentlichkeits[- und Behörden]beteiligung können ergänzend elektronische Informati-


onstechnologien genutzt werden.“) ist eine Pflicht geworden. Der Inhalt der ortsübli-
chen Bekanntmachung nach § 3 Absatz 2 Satz 2 und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1
auszulegenden Unterlagen müssen nach § 4a Abs. 4 zusätzlich in das Internet einge-
stellt werden. Beides (also Bekanntmachungstext und Planunterlagen) sind darüber
hinaus über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Nach dem
Mustereinführungserlass ist der Verpflichtung zur Einstellung in das Internet genügt,
wenn die auszulegenden Unterlagen, etwa über das Internetportal der Gemeinde, für
die Öffentlichkeit auffindbar und abrufbar sind. Die Gemeinde sollte in geeigneter
Weise dokumentieren, dass die Unterlagen über das Internet auffindbar und abrufbar
waren. Hierfür kommen auch technische Möglichkeiten, z. B. Screenshots, in Be-
tracht188. Nach dem Mustereinführungserlass wird dieser Verpflichtung nachgekom-
men, wenn die auszulegenden Unterlagen über das Internetportal der Gemeinde für
die Öffentlichkeit auffindbar und abrufbar sind. Auch wenn als Internetportal nicht
ausdrücklich auf das der planenden Gebietskörperschaft verwiesen wird, sollten Be-
kanntmachung und Dokumentbereitstellung auf der gemeindlichen Seite erfolgen. Nur
deren Seite wird von der potenziell interessierten Öffentlichkeit als geeignete Informa-
tionsquelle in Betracht gezogen. Lediglich zusätzlich lassen sich auch die Seiten eines
von der Stadt mit dem Plan beauftragten Büros bzw. Sanierungs- oder Entwicklungs-
trägers nutzen.
Der Nachweis über die erfolgte Bekanntmachung der Beteiligung und die Bereitstel-
lung der Unterlagen über das Internet hat in geeigneter Weise zu erfolgen. Ob der
Ausdruck eines Screenshots der Internetseite, so der Vorschlag nach dem Musterer-
lass189, auch durch die Rechtsprechung auf Dauer als Nachweis akzeptiert werden
wird, bleibt abzuwarten. Im Übrigen gibt es Online-Dienste zur Archivierung von
Web-Seiten – die auf diese Weise archivierten Web-Seiten dürften der Nachweispflicht
genügen.
Für die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unterbrei-
tet der Gesetzgeber den planenden Kommunen ebenfalls einen Vorschlag zur Optimie-
rung des Verwaltungsaufwands: Nach § 4a Abs. 4 Satz 2 können die Behördenstel-
lungnahmen eingeholt werden, indem diesen Ort und Dauer der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Abs. 2 sowie die Internetadresse mitgeteilt werden, unter der der
Inhalt der Bekanntmachung und die Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 im Internet
eingesehen werden können. Diese Mitteilung darf auch elektronisch übermittelt wer-
den. In diesen Fällen hat die Gemeinde der Behörde oder einem sonstigen Träger
öffentlicher Belange auf Verlangen den Entwurf des Bauleitplans und der Begründung
aber zusätzlich auch in Papierform zu übermitteln.
Die bevorstehende öffentliche Auslegung muss unter Angabe von Ort und Dauer sowie
des Beginns der Auslagefrist mindestens eine Woche vorher in ortsüblicher Form ange-
kündigt werden (dann wohl auch im Internet – s. o.); ob das Bundesverwaltungsgericht
sein Urteil in Zukunft weiter aufrecht erhalten kann, wonach das Auslegungsende
nicht mit angegeben zu werden braucht, wenn der Fristbeginn datumsmäßig bezeich-
net wird und mit der Angabe des von da an laufenden Zeitraums (von einem Monat)
verbunden wird190, muss abgewartet werden. Denn die Monatsfrist, bzw. die neue
Monatsfrist von 30 Tagen, hat an Berechenbarkeit verloren, nachdem bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes angemessen verlängert werden soll. Die Verwaltung ist also
gut beraten, auf die Angabe des Fristendes nicht zu verzichten. Für die Berechnung
der o. g. Wochenfrist ist bedeutsam, dass nach § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetz-
buchs (BGB) der Tag der Bekanntmachung selbst nicht mitzurechnen ist. Wird die

188 Vgl. BauGBÄndG 2017 – Mustererlass: a. a. O., 15.


189 Vgl. BauGBÄndG 2017 – Mustererlass: a. a. O., 15.
190 BVerwG, U. v. 8.9.1992 – 4 NB 17.92 –, BauR 1993, 306.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

öffentliche Auslegung eines Bebauungsplans also an einem Freitag im Amtsblatt –


ortsüblich – bekannt gemacht, kann die öffentliche Auslegung deshalb nicht am darauf
folgenden Freitag, sondern müsste am Sonnabend beginnen. Die Berechnung der Frist
wäre damit nach den Bestimmungen des § 187 Abs. 1 BGB korrekt. § 193 BGB be-
stimmt jedoch für den Fall, dass der letzte Tag der Frist auf einen „Sonntag, einen am
Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen
Sonnabend [fällt], so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.“
Für die Einhaltung der Wochenfrist nach Bundesrecht sind demnach zwei Varianten
denkbar:
– Eine Bekanntmachung am Dienstag bedeutet einen frühest möglichen Beginn der
öffentlichen Auslegung am Mittwoch der darauf folgenden Woche.
– Eine Bekanntmachung am Freitag bedeutet einen frühest möglichen Beginn der
öffentlichen Auslegung am Montag der darauf folgenden zweiten Woche.
Bild 24 fasst die wichtigsten Anwendungsregeln für beide Fristen nochmals zusammen.
Bild 24: Wichtige Regeln zur Bekanntmachungs- und Auslegungsfrist/-dauer
Bekanntmachungsfrist Auslegungsfrist
– Mindestens eine Woche vorher! – Für die Dauer eines Monats, mindestens 30 Tage oder ange-
– Der Tag der Bekanntmachung ist messen längere Frist „bei Vorliegen eines wichtigen Grun-
nicht mitzurechnen (vgl. § 187 des“!
Abs. 1 BGB) – Der erste Tag der öffentlichen Auslegung ist mitzuzählen
– Bekanntmachungsverordnungen (vgl. § 187 Abs. 2 BGB)
der Länder beachten! – Fristende an dem Tag, der dem Tag vorhergeht, der durch
seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht (vgl. § 188
Abs. 2 BGB)
– Fristbeginn nur an einem Arbeitstag!
– Letzter Tag der öffentlichen Auslegung darf nicht auf einen
Samstag, Sonntag oder Feiertag fallen (vgl. § 193 BGB)!

Wie ortsüblich bekanntgemacht wird, richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.


Einschlägig sind die Gemeindeordnungen, eine etwa vorhandene landesrechtliche Be-
kanntmachungsverordnung – so z. B. die Bekanntmachungsverordnung des Landes
Nordrhein-Westfalen191 – die Haupt- oder Veröffentlichungssatzung der Gemeinde,
gegebenenfalls auch örtliches Gewohnheitsrecht. Danach erfolgt die Bekanntmachung
in der Regel durch Amtsblätter und/oder durch Tageszeitungen (vgl. Bild 23). Die
Beschränkung der Veröffentlichung auf das Amtsblatt ist jedenfalls in größeren Ge-
meinden bedenklich, weil dadurch kaum die von der Rechtsprechung geforderte An-
stoßwirkung zur Beteiligung ausgehen dürfte. Nur in sehr kleinen Gemeinden kann
wohl auch noch der Aushang im Schaukasten am Rathaus rechtsstaatlichen Anforde-
rungen genügen. Eine ausschließliche Bekanntmachung im Internet – über die Home-
page der planenden Gemeinde – genügt nicht.192 Die Ankündigung darf auch mit
der Aufforderung verbunden werden, dass die Einwender ihre Adressen hinterlassen
„sollen“.193 Diese Praxis dürfte auch mit der neuen Datenschutzgrundverordnung der
Europäischen Union194 vereinbar sein, wenn die Einwender im Sinne des Art. 6 der
Verordnung ihre Einwilligung zur Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu
diesem Zweck geben. In der Ankündigung muss darauf hingewiesen werden, dass
Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und dass

191 Abgedruckt in: GV.NRW 2015, S. 741.


192 Niedersächsisches OVG, B. v. 4.5.2012 – 1 MN 218/11 –, BauR 2012, 1208.
193 BVerwG, B. v. 28.1.1997 – 4 NB 39/96 –, UPR 1997, 319.
194 Verordnung (EU) 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr
und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), in Kraft mit Wirkung
vom 25. Mai 2018 (ABl. EU L 119/1 vom 4.5.2016).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bau-
leitplan unberücksichtigt bleiben können.
Zu den Inhalten der Bekanntmachung gehören auch Angaben darüber, welche „Ar-
ten“ umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Zu den Arten umweltbezogener
Informationen gehören neben dem im Regelverfahren obligatorischen Umweltbericht
Hinweise über vorliegende Umweltgutachten sowie über vorliegende umweltbezogene
Stellungnahmen (am besten unter Angabe der Behörde und des Umweltbezugs). Nach
den Vorschriften über die Planerhaltung (vgl. hierzu Kapitel B.XVII.4) ist für die Wirk-
samkeit des Bebauungsplans jedoch unbeachtlich, wenn (nur) einzelne Angaben dazu,
welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben (vgl.
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 Alternative 2).195 Die relevanten Themen müssen
aber vollständig erfasst sein.196
Nach der Rechtsprechung haben sich folgende Anforderungen hierzu herauskristalli-
siert:
– Der Begriff der „umweltbezogenen Stellungnahme“ ist im Sinne der „Öffentlich-
keitsbeteiligungsrichtlinie“197 weit auszulegen198;
– eine ausnahmslose Auflistung aller eingegangenen Stellungnahmen ist nicht erfor-
derlich, weil das Gesetz nur Angaben zu den „Arten“ umweltbezogener Stellung-
nahmen fordert199;
– vielmehr sind alle umweltbezogenen Stellungnahmen (z. B. von Behörden, Fachgut-
achtern oder vom Träger des Projekts) mit Angabe ihrer Themen zusammenzufas-
sen und öffentlich bekannt zu machen; der bloße Hinweis auf ein artenschutzrecht-
liches Gutachten und den Umweltbericht reicht nicht aus, weil diesen Angaben
keine themenbezogene Kurzcharakteristik zu entnehmen ist200;
– auch lapidare Verweise auf den Umweltbericht, den Grünordnungsplan oder Stel-
lungnahmen des Landkreises201 reichen nicht aus, weil nicht davon auszugehen
ist, dass die Öffentlichkeit weiß, dass dieser alle umweltrelevanten Informationen
enthält;
– die Gemeinde hat nach Ansicht des Bayerischen VGH202 und des BVerwG203 kein
Recht, bei der Bekanntmachung aus den ihr vorliegenden umweltbezogenen Stel-
lungnahmen eine Auswahl zu treffen (obwohl nach § 3 Abs. 2 Satz 1 bei der Ausle-
gung nur Planentwurf und Begründung und die „nach Einschätzung der Gemeinde
wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen“ öffentlich
auszulegen sind;
– umweltbezogene Stellungnahmen, die erst nach dem Beschluss des Gemeinderats
der Begründung beigefügt werden, sind ebenfalls mit auszulegen.204

195 Z. B. ein fehlender Hinweis zu den wasserwirtschaftlichen Auswirkungen eines Bebauungsplans, vgl.
Bayerischer VGH, U. v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713, 1 N 07.2917, 1 N 07.2963 –, juris.
196 OVG Lüneburg, U. v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 –, BeckRS, 149376.
197 Vgl. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156/17, sog. „Öffentlichkeitsbe-
teiligungsrichtlinie“).
198 Er kann z. B. auch ein von der Gemeinde eingeholtes Gutachten über einen boden-mechanischen Stand-
sicherheitsnachweis für ein Bebauungsplangebiet im Uferbereich eines gefluteten Tagebaurestlochs mit
einer bergrechtlichen Bauwarnung umfassen (Sächsisches OVG, U. v. 20.3.2012 – 1 C 21/10 –, BauR
2012, 1747–1750).
199 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.6.2010 – 5 S 884/09 –, BRS 76 Nr. 14, BauR 2011, 80.
200 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 12.6.2012 – 8 S 1337/10 –, DVBl 2012, 1177–1181.
201 So Niedersächsisches OVG, U. v. 4.11.2015 – 1 KN 199/13 –, BauR 2016, 624–626.
202 Vgl. Bayerischer VGH, U. v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713, 1 N 07.2917, 1 N 07.2963 –, juris.
203 BVerwG, U. v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 –, JurionRS, 42808 (das Bekanntmachungserfordernis erstrecke
sich dabei auch auf solche Arten umweltbezogener Informationen, die in Stellungnahmen enthalten
sind); bestätigt durch BVerwG, U. v. 11.9.2014 – 4 CN 1.14, ZfBR 2015, 159.
204 Sächsisches OVG, U. v. 20.3.2012 – 1 C 21/10 –, BauR 2012, 1747–1750.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Für die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung fordert die Rechtsprechung ins-
besondere eine Kurzcharakterisierung der vorhandenen Informationen, die mehr ist
als eine bloße Aufzählung der Schutzgüter – Mensch, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser,
Luft, Klima, Stadt- und Landschaftsbild –, zu denen Informationen vorhanden sind.
Die Auflistung aller nach § 3 Abs. 2 Satz 1 auszulegenden Stellungnahmen erfordert
der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 dabei aber gerade nicht.205 Notwendig und unab-
dingbar ist lediglich, dass alle in den bisher eingegangenen Gutachten und Stellungnah-
men angesprochenen Themen, wenn sie relevant sind, erfasst werden und dass sich
die erforderliche „Anstoßwirkung“ ergibt, die den Bürger in die Lage versetzt oder
ihn ermuntert, sich über den Plan zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen
beizutragen, meint ausdrücklich das OVG Lüneburg.206 Um den Anforderungen
des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu genügen, bedarf es nach der Auffassung des OVG
Rheinland-Pfalz aber – neben einer themenbezogenen Kurzcharakterisierung des In-
halts – auch Angaben zu der Art des Dokuments, das zu dem bezeichneten Thema
jeweils verfügbar ist (z. B. „Behördenstellungnahme“, „Fachgutachten“, „Stellung-
nahme aus der Öffentlichkeit“, jeweils unter Nennung des Namens oder der Bezeich-
nung des Urhebers).207 Erforderlich ist also beides: Eine Kurzcharakteristik der The-
men und die Angabe der Herkunft der Informationen hierzu.
Mit dem Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vor-
schriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017208 ist außerdem
die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a VwGO (a. F.),209 nach der ein Antrag auf
Normenkontrolle zu einem Bebauungsplan unzulässig war, wenn mit ihm nur Einwen-
dungen geltend gemacht wurden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung
nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden
können, fortgefallen, um vor allem den uneingeschränkten Zugang zu den Gerichten
in umweltrechtlichen Fragen zu gewährleisten. Dementsprechend wurde durch Art. 6
des genannten Gesetzes im Baugesetzbuch der Verweis in § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter
Halbsatz auf diese Regelung gestrichen. Seit 2.6.2017 ist ein Normenkontrollantrag
gegen einen Bebauungsplan also auch dann wieder zulässig, wenn sich der (private)
Antragsteller eben nicht im Rahmen der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 geäu-
ßert hat. Dementsprechend ist auch die Heilungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c) hierzu entfallen.210 Diese entspricht im Übrigen der rechtlichen Lage, wie
sie bis zur BauGB-Novelle 2007 entsprach. In jedem Fall ist sehr wichtig, dass bei
der Bekanntmachung der bevorstehenden Auslegung das Plangebiet hinreichend genau
bezeichnet wird, damit die betroffenen Bürger sich auch wirklich angesprochen fühlen
und ihre Beteiligungsmöglichkeiten wahrnehmen. Nach dem BVerwG211 reicht es aus,
wenn das Plangebiet mit einem vorhandenen und geläufigen geographischen Namen
bezeichnet wird, auch wenn es mit dem durch diesen Namen bezeichneten Gebiet
nicht vollständig identisch ist. Gibt es keine ortsübliche Bezeichnung, kann das Plange-
biet anhand von Straßen, Bauwerken, Flurnamen oder ähnlichem umschrieben wer-
den. Die Aufzählung der Flurnummern ist zwar exakt, erfüllt jedoch die sog. Anstoß-

205 Vgl. auch die Hinweise der Fachkommission Städtebau zur Angabe der Arten umweltbezogener Infor-
mationen in der Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vom 2. Oktober 2014, verfügbar:
https://www.bauministerkonferenz.de/verzeichnis.aspx?id=993&o=759O986O993 (Zugriff:
16.12.2017)
206 OVG Lüneburg, U. v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 –, BeckRS, 149376, Rn. 34.
207 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.6.2017 – 8 C 10068/17 –, ZfBR 2017, 808.
208 BGBl. I S. 1298 vom 1.6.2017.
209 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
210 Was handwerklich allerdings erst mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung vom 20.7.2017 (BGBl. I S. 2808) umgesetzt wurde.
211 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, NJW 1985, 1570.

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funktion nicht und ist deshalb nicht ausreichend. Die Auslagefrist nach den früheren
Fassungen des BauGB/BBauG von einem Monat durfte keinesfalls unterschritten wer-
den. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) hat im Jahr
1977 sogar entschieden, dass eine auf die regulären Sprechzeiten der öffentlichen Ver-
waltung beschränkte Möglichkeit der Einsichtnahme während der Auslagefrist nicht
genüge.212 (Im Beispielsfall waren es 26,5 Stunden – keine Sprechstunden am Freitag-
nachmittag). Dieses Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen ist seinerzeit vielfach kriti-
siert worden. Das Bundesverwaltungsgericht213 hat später die Entscheidung getroffen,
dass die Bereitstellung während der Zeiten für den Publikumsverkehr genüge, wenn
sie nicht allzu gering seien. 33 Stunden in der Woche reichten offensichtlich aus. Aus
der Tatsache, dass solche und ähnliche Einzelfragen von den obersten Bundesgerich-
ten214 entschieden werden mussten, ist zu erkennen, welche hohe Aufmerksamkeit
diesen Verfahrensvorschriften gewidmet werden muss und wie strikt sie einzuhalten
sind. Das ist auch inhaltlich verständlich. Denn die öffentliche Auslage ist die letzte
Gelegenheit für die Bürger, den Plan vor seiner endgültigen Verabschiedung im Rat
noch zu beeinflussen. Der Plan leidet an einem Form- oder Verfahrensfehler, wenn bei
der Ankündigung oder Abwicklung der förmlichen Auslage etwas falsch gemacht
wird. Es reicht z. B., wenn in der Ankündigung der Auslage eine falsche Adresse zur
Einsichtnahme angegeben wird oder wenn die Auslage versehentlich um einen Tag zu
früh abgebrochen wird. Da einem derartige Fehler recht leicht unterlaufen können,
enthält das Baugesetzbuch dazu in den §§ 214, 215 die vorsorgliche Regelung, dass
Form- und Verfahrensfehler dieser Art binnen eines Jahres nach der Schlussbekannt-
machung des Plans bei der Gemeinde (nicht nur gegenüber dem Gericht!) schriftlich
gerügt werden müssen.215 Anderenfalls dürfen die Fehler vom Gericht in einem Streit
über die Wirksamkeit des Plans nicht mehr beachtet werden. Die Berücksichtigung
von Fehlern bei der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung ist den Gerichten sogar von
vornherein verwehrt. Nicht durch Zeitablauf heilbar sind nur:
– eine fehlende oder unwirksame Beschlussfassung,
– eine fehlende Genehmigung bei genehmigungsbedürftigen Plänen und
– solche Fehler bei der Schlussbekanntmachung, die diese letzte Bekanntmachung
tatsächlich unwirksam gemacht haben, indem der mit der Bekanntmachung ver-
bundene Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
Derartige Fehler können – ebenso wie Fehler der Abwägung mit Einfluss auf das
Abwägungsergebnis – allenfalls in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4
behoben werden.
Bei einer (nach Überarbeitung der Planung erforderlichen) erneuten Auslegung kann
gemäß § 4a Abs. 3 bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten
und ergänzten Teilen vorgebracht werden können. Werden durch die Änderung oder
Ergänzung des Entwurfs eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt,
kann gemäß § 4a Absatz 3 die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Ände-
rung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Träger öffentlicher
Belange beschränkt werden. Schließlich kann bei wiederholter Auslage die Dauer der
Auslegung nach § 4a Abs. 3 „angemessen verkürzt“ werden; bis zum Inkrafttreten des

212 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 19.4.1978 – VII A 851/76 –, BauR 1978, 285.


213 BVerwG, U. v. 4.7.1980 – 4 C 99.77 –, ZfBR 1980, 245.
214 Die Streitfrage, wie die Monatsfrist bei der Auslegung zu berechnen sei, gelangte beispielsweise bis vor
den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichte des Bundes: Der Senat entschied auf Vorlage des BGH
(DVBl. 1971, 763), dass der erste Tag der Auslegung mitzuzählen ist (entspr. § 187 Abs. 2 BGB) – B.
v. 6.7.1972, GmS OGB 2/71. Es darf jedoch kein Sonnabend sein.
215 VGH Baden-Württemberg, U. v. 29.3./4.4.2012 – 8 S 1300/09 –, BauR 2013, 56 (danach reicht es
aus, Einwendungen, die bereits während der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 gemacht wurden,
substantiiert zu wiederholen; die Vorschrift verlangt darüber hinaus nicht auch eine argumentativ ange-
reicherte Auseinandersetzung mit den die Abwägungsentscheidung der Gemeinde tragenden Gründen).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

EAG Bau 2004 war dies nur bis auf kürzestens zwei Wochen zulässig. Seit 2004 sind
auch noch kürzere Fristen denkbar. Fehler bei der Bemessung der vorgegebenen Fristen
zur Ankündigung und zur Auslegung sind grundsätzlich vor Gericht beachtlich216; sie
müssen aber binnen eines Jahres gerügt werden (§ 214 Abs. 1 Nr. 2, § 215).
Eine Änderung oder Ergänzung i. S. von § 4a Abs. 3 Satz 1 liegt vor, wenn Festsetzun-
gen eines Plans einen anderen Inhalt bekommen, also keine bloße Klarstellung oder
redaktionelle Anpassung erfolgt, sondern der materielle Regelungsgehalt verändert
wird,217 wie z. B. Änderungen von Festsetzungen zur Nutzungsart oder die Erhöhung
der Zahl der zu pflanzenden Bäume auf einem öffentlichen Parkplatz oder einer priva-
ten Stellplatzanlage.
Zu der Frage, ob der Umweltbericht in Folge einer Änderung oder Ergänzung nach
der Offenlegung gemeinsam mit den anderen Planunterlagen noch einmal gemäß § 4a
Abs. 3 Satz 1 ausgelegt werden muss, hat das BVerwG Folgendes entschieden:
„1. § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB verpflichtet die Gemeinde nicht zur erneuten Auslegung,
wenn nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB nicht der Entwurf
des Bebauungsplans selbst, sondern lediglich der Umweltbericht als Bestandteil der
Begründung des Bebauungsplan-Entwurfs geändert wird.
2. § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB steht jedenfalls dann mit Unionsrecht im Einklang, wenn
der geänderte Umweltbericht lediglich eine Neubewertung bereits vorhandener Sachin-
formationen enthält.“218
Das BVerwG begründete die Entscheidung damit, dass der Öffentlichkeitsbeteiligung
„der Zweck einer die Behörden unterstützenden ‚Sachverstandspartizipation‘ zuge-
messen“ wird. Sie soll auch den behördlichen Entscheidungsprozess hinsichtlich Um-
weltfragen optimieren und besser gestalten.219 Außerdem soll sie Vollzugsdefiziten im
Bereich des Umweltrechts entgegenwirken.220 Daraus lasse sich aber die Verpflichtung
zur erneuten öffentlichen Auslage nach einer Änderung des Umweltberichts jedenfalls
dann nicht ableiten, wenn der geänderte Bericht lediglich eine Neubewertung bereits
vorhandener Sachinformationen enthält, weil insoweit der Zweck der Sachverstands-
partizipation bereits im Rahmen der Erst-Auslegung erfüllt worden sei und die Öffent-
lichkeit die Möglichkeit hatte, sich zu den entscheidungserheblichen Umwelttatsachen
zu äußern. Unionsrecht verpflichte schließlich auch nicht zu einer mehrfachen Beteili-
gung in Bezug auf die mit dem Plan verbundenen Umweltfragen. Auch nach Änderung
der UVP-RL aufgrund der RL 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16. April 2014 dürfte die Rechtsprechung Bestand haben, weil die Argumentation
des BVerwG auch nach der Änderung nicht in Frage gestellt wird. Mehr Vorsicht sollte
die planende Gemeinde jedoch dann walten lassen, wenn der Umweltbericht nach der
Auslage um neue Sachinformationen ergänzt wird, die Anstoß für die interessierte
Öffentlichkeit für eine kritische Stellungnahme hätten sein können.
Wird ein Bebauungsplan geändert oder ergänzt und wird in der Bekanntmachung
hierzu bestimmt, dass Stellungnahmen gemäß § 4a Abs. 3 nur zu den geänderten oder
ergänzten Teilen – und nicht mehr zum gesamten Plangebiet – abgegeben werden
können, braucht in der Bekanntmachung schließlich auch nur auf die Arten umweltbe-
zogener Informationen hingewiesen zu werden, die zu diesen geänderten oder ergänz-
ten Teilen des Planentwurfs verfügbar sind.221 Die ggf. vorliegenden umweltbezogenen

216 Vgl. BVerwG, B. v. 23.7.2003 – 4 BN 36.03 –, ZfBR 2004, 64 (es genügt, wenn durch eine verlängerte
Auslegungsfrist eine Unterschreitung der Ankündigungsfrist ausgeglichen wird).
217 Vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2010 – 4 BN 42.09 –, BRS 76 Nr. 50 = BauR 2010, 1554.
218 Vgl. BVerwG, U. v. 8.3.2017 – 4 CN 1.16 –, ZfBR 2017, 675.
219 Vgl. Erwägungsgrund 16 der RL 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
13.12.2011 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – UVP-RL, ABl. L 26
S. 1.
220 Vgl. BVerwG, U. v. 12.11.1997 – 11 A 49.96 –, BVerwGE 105, 348.
221 Vgl. BVerwG, U. v. 7.5.2014 – 4 CN 5.13 –, BauR 2014, 1736.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Informationen zum übrigen Plangebiet können ausgeblendet werden, weil zu diesen


Teilen des Plangebiets auch keine Stellungnahmen mehr zugelassen sind. Aber: Be-
schränkt man die erneute Beteiligung, wie so oft in der Praxis, nicht lediglich auf die
geänderten oder ergänzten Teile, muss auch auf alle Arten umweltbezogener Informa-
tionen (also auch auf die älteren) hingewiesen werden. Die auf die Änderungen bzw.
Ergänzungen des Bauleitplans beschränkte erneute Beteiligung ist wiederum mit der
Herausforderung verbunden, dass die im Entwurf des Bebauungsplans vorgenomme-
nen Änderungen auch erkennbar gemacht werden.222 Eine ausreichende Öffentlich-
keitsbeteiligung durch eine erneute Auslegung des geänderten/ergänzten Planentwurfs
in den Fällen des § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB ist nur dann sichergestellt, wenn der
Bürger aus den ausgelegten Planunterlagen hinreichend klar erkennen kann, welche
Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Planung vorgenommen worden sind.
Alle „fristgemäß“ vorgebrachten Stellungnahmen sind zu prüfen; „das Ergebnis ist
mitzuteilen“ – so fordert es das Gesetz in § 3 Abs. 2 Satz 4. Das BVerwG hat ausdrück-
lich festgestellt, dass das Ergebnis der Prüfung der fristgemäß eingegangenen Anregun-
gen zum Entwurf eines Bebauungsplans den Einwendern nicht vor dem Satzungsbe-
schluss mitgeteilt werden muss.223 Bei strittigen Einwendungen ist dies nicht mehr als
logisch, weil die Entscheidung über die Einwendung erst beim Satzungsbeschluss ge-
fällt wird. Manche Entscheidungen werden aber de facto schon weit vor dem Sat-
zungsbeschluss getroffen – dennoch darf mit der Mitteilung abgewartet werden. Bei
Einwendungen von mehr als 50 Personen mit im Wesentlichen gleichen Inhalt kann
die Mitteilung durch die Möglichkeit der Einsichtnahme ersetzt werden (sog. Massen-
verfahren – § 3 Abs. 2 Satz 5). In diesem Fall muss aber die Verwaltungsstelle, bei der
das Ergebnis der Abwägung eingesehen werden kann, ortsüblich bekannt gemacht
werden.
Bundesrechtlich ist zwar nicht vorgeschrieben, dass ein Auslegungsbeschluss durch die
Gemeindevertretung erfolgen müsse.224 Von der Möglichkeit wird in der kommunalen
Praxis allerdings häufig Gebrauch gemacht, weil der Auslegungsbeschluss die Vorstufe
des späteren Satzungsbeschlusses (beim F-Plan: Feststellungsbeschlusses) darstellt.
Wenn die Gemeindevertretung den Planentwurf nicht bereits vor der Auslegung gebil-
ligt hat, besteht die Gefahr, dass im Plan angelegte Konflikte im Gemeinderat erst
beim Satzungsbeschluss auftauchen und nur durch eine erhebliche Änderung des Ent-
wurfs gelöst werden können, wodurch eine erneute Auslegung erforderlich würde.
Aus diesem Grund sollte die Abwägung im Kern schon vor der öffentlichen Auslage
vollzogen werden, unbeschadet der Tatsache, dass die endgültige Abwägung erst nach
der Auslegung und in Kenntnis der evtl. noch eingegangenen Anregungen und Beden-
ken vollzogen werden kann. Die Rechtsprechung225 gestattet in einfach gelagerten
Fällen auch einen endgültigen Beschluss mit dem Zusatz: Falls abwägungsbedürftige
Stellungnahmen eingehen, muss über den Plan erneut beraten und beschlossen werden.
Auf alle (mit Absender versehenen) Anregungen (und Bedenken), die während der
förmlichen Auslegung vorgebracht werden, muss die Gemeinde schriftlich reagieren,
indem sie mitteilt, ob und wie der Gemeinderat sich mit den Einwendungen auseinan-
dergesetzt hat. Das kann auch nach Inkrafttreten des Plans geschehen.226 Nur wenn
mehr als 50 inhaltlich gleiche Stellungnahmen eingereicht werden, darf sich die Ge-
meinde des oben beschriebenen Massenverfahrens bedienen.

222 Vgl. OVG Schleswig, U. v. 27.6.1995 – 1 K 9/94, BRS 57 Nr. 37; OVG Münster, U. v. 19.7.2013 – 10
D 107.11NE, BauR 2013, 1807.
223 BVerwG, B. v. 11.11.2002 – 4 BN 52.02 –, ZfBR 2003, 264.
224 Zur Zuständigkeit für den Auslagebeschluss vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 29.9.1981 – 10 C 21/
80 –, NVwZ 1982, 124; VGH Baden-Württemberg, B. v. 16.4.1970 – II 102/68 –, BRS 23 Nr. 14.
225 BVerwG, U. v. 3.2.1984 – 4 C 17.82 –, BVerwGE 68, 369 = ZfBR 1984, 142.
226 VGH Baden-Württemberg, U. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 –, UPR 1997, 196.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Wenn sich das Planungsamt und ihm folgend der Gemeinderat durch Argumente, die
erst bei der Auslage im vollen Umfang zutage getreten sind, in wesentlichen Punkten
des Plankonzepts hat umstimmen lassen und der Plan daraufhin geändert wird, muss
er verständlicherweise erneut ausgelegt werden. In aller Regel muss der ganze Plan
neu ausgelegt werden. Anders ist es nur, wenn nach den tatsächlichen Umständen des
Einzelfalls vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass Änderungen des Plans
in einem Teilbereich den Inhalt des Plans im Übrigen Geltungsbereich verändern könn-
ten. Für diesen Fall braucht nur der betreffende Ausschnitt des Plans erneut ausgelegt
zu werden.227 Auf diese Weise kann es bis zu fünf oder mehr öffentlichen Auslagen
kommen. Das Baugesetzbuch enthält zu dieser wiederholten Auslage die Möglichkeit
zu Verfahrensvereinfachungen und -verkürzungen: Bei der wiederholten Auslage kön-
nen die Anregungen und Bedenken auf die geänderten Teile des Plans beschränkt wer-
den (§ 4a Abs. 3 Satz 2). Bei Veränderungen, von denen die Grundzüge der Planung
nicht berührt werden, kann von einer erneuten öffentlichen Auslage ganz abgesehen
werden; es genügt dann, wenn die betroffenen Bürger und die berührten Träger öffent-
licher Belange gezielt informiert werden (§ 4a Abs. 3 Satz 4). Aus der Möglichkeit,
in bestimmten Fällen von einer erneuten Auslage abzusehen und stattdessen nur die
Betroffenen zu benachrichtigen, ergibt sich auch, wann selbst von dieser Benachrichti-
gung abgesehen werden darf: Wenn nämlich die betreffenden geringfügigen (das sons-
tige Plangebiet nicht tangierenden) Änderungen auf dem einhelligen Vorschlag der
davon Betroffenen beruhen. Nicht erneut auslagebedürftig sind auch bloße Klarstel-
lungen von im Entwurf bereits enthaltenen Festsetzungen.228 In jedem Fall kann die
Dauer der erneuten öffentlichen Auslage und die Frist zur Stellungnahme nach § 4a
Abs. 3 „angemessen“229 verkürzt werden (die Frist darf in einfach gelagerten Fällen
auch kürzer als die üblichen zwei Wochen sein). Dabei sollte jedoch bedacht werden,
dass die Gefahr des Nichterkennens von abwägungserheblichen Belangen bei sehr kur-
zen Beteiligungszeiträumen steigt und dadurch das Abwägungsergebnis, also der B-
Plan selbst, fehlerhaft werden kann.

11. Satzungsbeschluss und Genehmigungsverfahren


Wenn der Plan nach der evtl. mehrfachen Auslegung nach Ansicht seiner Bearbeiter
die endgültige Form erreicht hat, wird er der Gemeindevertretung zur endgültigen
Abwägung und zum (Satzungs-)Beschluss vorgelegt. Arbeitsgrundlage, jedenfalls für
die endgültige Abwägung, ist in aller Regel eine sog. Abwägungstabelle, in der alle
eingegangenen Argumente tabellarisch zusammengefasst sind. In der Praxis sind sog.
Volltext-Tabellen üblich, in die die Briefe der Einwender nach Eingangsdatum sortiert
und im Übrigen vollständig inkorporiert sind. Als Arbeitsgrundlage erweisen sich sol-
che Werke – je nach Komplexität der Einwendungen – häufig jedoch als ungeeignet,
weil ungeordnet und weitschweifig. Daher empfiehlt sich, ans Ende der Tabelle eine
nach sachlichen Gesichtspunkten sortierte Zusammenfassung anzuhängen, aus der
sich die wesentlichen Aspekte aus der Beteiligung sowie der jeweilige Abwägungsvor-
schlag ergeben. Zur Vermeidung des Vorwurfs, dass den Gemeindevertretern nicht alle
Argumente zur Kenntnis gebracht worden seien, sollte in der Sitzung des Abwägungs-
beschlusses zudem vorsorglich der Aktenordner mit allen Eingaben den Gemeindever-
tretern zur Einsichtnahme bereitstehen. In der Praxis wird das Ergebnis der Abwägung
häufig durch einen gesonderten Beschluss vor dem endgültigen Beschluss über den
Plan festgestellt. Dies ist unschädlich, bundesrechtlich aber nicht erforderlich. Die Ab-

227 BVerwG, B. v. 31.10.1989 – 4 NB 7/89 –, NVwZ-RR 1990, 286.


228 Vgl. BVerwG, U. v. 18.12.1987 – 4 NB 2/87 –, ZfBR 1988, 90.
229 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 13.2.2008 – 8C 10368/07 –, DVBl 2008, 598 (Eine Auslegungszeit
von 18 Tagen und Frist zur Stellungnahme der von der Planung betroffenen Behörden von zwölf Ar-
beitstagen kann angemessen sein).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

wägung ist Bestandteil des Satzungsbeschlusses.230 Der Flächennutzungsplan wird als


Planwerk besonderer Art ohne Rechtsnormqualität, ein Bebauungsplan als Satzung,
demnach als Norm, beschlossen. An dem Beschluss über einen B-Plan darf nach Maß-
gabe des Landesrechts niemand beteiligt sein, der von dem Plan materielle Vorteile zu
erwarten hat, bei baulandschaffenden B-Plänen also insbesondere nicht solche Ge-
meindevertreter, die ein Grundstück im Plangebiet haben. Derartige Gemeinderatsmit-
glieder sind befangen, ebenso wie ihre näheren Verwandten, wenn diese im Gemeinde-
rat sitzen. Wenn befangene Gemeinderatsmitglieder beim Satzungsbeschluss
mitstimmen oder auch nur vorher mitberaten haben, leidet der Plan wiederum an
einem Verfahrensfehler, der zur Unwirksamkeit führen kann. Die drohende Unwirk-
samkeit muss nicht eintreten, denn es gibt in den meisten Gemeindeordnungen den
§§ 214, 215 nachgestaltete Heilungsvorschriften, nach denen solche Verfahrensfehler
nach Ablauf einer gewissen Frist – meist nach einem Jahr – unbeachtlich werden. In
der Regel muss der Fehler also binnen eines Jahres gerügt werden, wenn der Plan
daran scheitern soll. Das geschieht durchaus nicht immer, weil die Tatsache der Befan-
genheit häufig weder dem Betroffenen noch seinen Kollegen während der Sitzung im
Gemeinderat oder danach zu Bewusstsein kommt. Manche Gemeindeordnungen ha-
ben aus diesem Grund das Rechtsinstitut der Befangenheit nahezu vollständig abge-
schafft231: Wer gewählt ist, darf mitstimmen. Das ist nicht unvernünftig. Denn in
einem „ordentlichen“ Gemeinderat wird ein befangenes Mitglied, das rein egoistische
Interessen vertritt, überstimmt. Wenn ein „unordentlicher“ Gemeinderat sachfremden
egoistischen Interessen zum Abstimmungserfolg verhilft, leidet der Beschluss an einem
materiellen Mangel – er ist falsch abgewogen und daher nichtig. Für diese Feststellung
wird das Rechtsinstitut der Befangenheit nicht benötigt.
Nach dem Beschluss durch die Gemeindevertretung muss ein Flächennutzungsplan
der höheren Verwaltungsbehörde (oder der gemäß § 203 Abs. 3 vom Landesrecht für
zuständig erklärten Behörde) zur Genehmigung vorgelegt werden. Bei Bebauungsplä-
nen ist ein Genehmigungsverfahren seit 1998 nur noch dann erforderlich, wenn in der
betreffenden Gemeinde (noch) kein rechtswirksamer Flächennutzungsplan vorhanden
ist oder wenn der Plan nicht aus einem geltenden F-Plan entwickelt ist. Die gleichzei-
tige Änderung des F-Plans im Parallelverfahren genügt nicht, wenn der geänderte F-
Plan noch nicht genehmigt ist.
Genehmigungspflichtig sind damit folgende Bebauungspläne:
– Alle B-Pläne nach § 8 Abs. 2 Satz 2 – also die sog. selbständigen Bebauungspläne,
die dann aufgestellt werden, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die städtebau-
liche Entwicklung zu ordnen und demzufolge ein Flächennutzungsplan nicht erfor-
derlich ist. Diese Konstellation kann nur in sehr kleinen Gemeinden auftreten,
innerhalb derer die gesamte Ortslage durch einen Bebauungsplan abgearbeitet wer-
den kann.
– Alle Bebauungspläne, die vor dem in Arbeit befindlichen Flächennutzungsplan be-
kannt gemacht werden sollen, weil nach dem Stand der Planungsarbeiten anzuneh-
men ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennut-
zungsplans entwickelt sein wird (Planung im Parallelverfahren, § 8 Abs. 3 Satz 2).
– Alle Bebauungspläne, die aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden,
bevor ein Flächennutzungsplan aufgestellt ist (obwohl dies grundsätzlich erforder-
lich ist). Solche vorzeitigen Bebauungspläne sind nach § 8 Abs. 4 zulässig, wenn
dringende Gründe es erfordern und wenn der Bebauungsplan der beabsichtigten
städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird.

230 BVerwG, U. v. 25.11.1999 – 4 CN 12.98 –, ZfBR 2000, 197.


231 Das Land Niedersachsen hat die kommunalrechtlichen Vorschriften über Befangenheit gänzlich abge-
schafft.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Im Unterschied zu den soeben aufgelisteten Fällen bedürfen im beschleunigten Verfah-


ren aufgestellte Bebauungspläne der Innenentwicklung oder Bebauungspläne zur Ein-
beziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13b nicht
der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, auch wenn sie von den Darstel-
lungen des Flächennutzungsplans abweichen. Solche Pläne dürfen gemäß § 13a Abs. 2
Nr. 2 aufgestellt werden, bevor der F-Plan geändert oder ergänzt ist. Der F-Plan
braucht in diesem Fall nur im Wege der Berichtigung und ohne eigenständiges Planver-
fahren angepasst werden (also muss hierbei nicht einmal die F-Plan-Änderung durch
die höhere Verwaltungsbehörde genehmigt werden). Die Abweichung von den Darstel-
lungen des F-Plans ohne gesondertes Änderungsverfahren kommt einschränkend je-
doch nur dann in Betracht, wenn durch die Planung die geordnete städtebauliche
Entwicklung des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt wird.
Für alle aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungspläne wurde das An-
zeige- und Genehmigungsverfahren mit dem BauROG 1998 abgeschafft. Die Länder
Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben von der Möglichkeit des
§ 246 Abs. 1a Gebrauch gemacht, ihrerseits ein Anzeigeverfahren einzuführen. Dieses
ist in Sachsen zum 31.12.2000, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zum
31.12.2004 ausgelaufen.
Im Kontext der Abschaffung des Anzeigeverfahrens ist zu beachten, dass nach § 14
Abs. 1 Nr. 1 ROG von den Ländern die Möglichkeit der unbefristeten Untersagung
von raumbedeutsamen Planungen vorzusehen ist, „wenn Ziele der Raumordnung ent-
gegenstehen“. Damit können unliebsame B-Pläne im Vorfeld (spätestens aufgrund der
in der Behördenbeteiligung erlangten Kenntnisse) gestoppt werden. Widerspruch und
Anfechtungsklage gegen eine solche Untersagung haben keine aufschiebende Wirkung
(§ 14 Abs. 3 ROG).
Als Konsequenz aus der bundesrechtlichen Abschaffung des Anzeigeverfahrens sind
1998 auch die sog. kleinen Satzungen (Fremdenverkehrssatzung, Innenbereichssat-
zung, Sanierungssatzung) von der Anzeige- bzw. Genehmigungspflicht freigestellt wor-
den – damals aber noch nicht die Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 (mit
der Außenbereichsflächen in einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil einbezogen
werden), nicht die Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 (mit der für räumlich be-
grenzte Teile des Außenbereichs, die von einer Wohnbebauung geprägt sind, eine er-
leichterte Genehmigungsmöglichkeit eingeführt wird) und auch nicht die Satzung zur
förmlichen Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs nach § 165 Abs. 3.
Mit dem EAG Bau 2004 sind auch diese letzten Genehmigungspflichten außerhalb der
Genehmigungspflicht für den Flächennutzungsplan abgeschafft worden.
Die Genehmigung eines Bauleitplans stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. hierzu Kapi-
tel A.III.2). Wenn der Plan keine Rechtsfehler aufweist, muss er genehmigt werden –
auf die Genehmigung besteht dann ein Anspruch. Ein Verwaltungsakt, auf den ein
Anspruch besteht, darf nach § 36 VwVfG mit einer so genannten Nebenbestimmung
nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie
sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt
werden. Nebenbestimmungen bei der Genehmigung von F-Plänen oder B-Plänen wer-
den in aller Regel beigefügt, um die Rechtmäßigkeit des Plans als Genehmigungsvo-
raussetzung sicherzustellen.
Nach § 36 VwVfG sind insbesondere folgende Nebenbestimmungen möglich:
– eine Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung);
– eine Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder
einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt
(Bedingung);
– eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen
vorgeschrieben wird (Auflage).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Nicht im VwVfG erwähnt ist die Maßgabe. Unter einer Maßgabe ist eine Inhaltsbe-
stimmung des Verwaltungsakts zu verstehen. Sie legt im Einzelnen fest, wie der Ver-
waltungsakt zu verstehen ist. Maßgaben können nicht durch den Adressaten des Ver-
waltungsakts erfüllt werden – sie sind als der vom Absender = Urheber des
Verwaltungsakts einseitig gesetzte Inhalt seines Verwaltungsakts hinzunehmen. Wenn
der Adressat mit den Maßgaben nicht einverstanden ist, kann Rechtsschutz nur durch
Widerspruch und Verpflichtungsklage auf einen nicht durch Maßgaben interpretier-
ten, insoweit veränderten Verwaltungsakt erreicht werden.
Bei den Auflagen ist noch auf die in der Praxis nicht selten benutzte sog. „modifizie-
rende Auflage“ hinzuweisen. Dieser Begriff wurde vom BVerwG entwickelt und be-
zeichnet eine Nebenbestimmung, mit der dem Antragsteller eine andere Erlaubnis oder
Genehmigung angeboten wird als er sie beantragt hat (auch aufgedrängte Erlaubnis/
Genehmigung genannt).232 Sofern es sich um die Genehmigung eines Bauleitplans han-
delt, wird die modifizierende Auflage erst wirksam, nachdem der durch die Modifika-
tion abgewandelte Plan vom Beschlussorgan gebilligt wurde (sog. Beitrittsbeschluss).
Da der Plan durch die Modifikation verändert wird, muss vor dem Beitrittsbeschluss
regelmäßig eine erneute Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und Behörden nach
§ 4a BauGB stattfinden.
Der Begriff der modifizierenden Auflage wird in der Literatur weitgehend abgelehnt,
weil sich dahinter juristisch korrekt die Ablehnung der beantragten Genehmigung ver-
birgt, verbunden mit der Genehmigung des veränderten Plans unter der aufschieben-
den Bedingung, dass das Beschlussorgan der Modifikation nach ordnungsgemäßem
Verfahren beitritt.
Auflagen sind demnach nur solche Nebenbestimmungen, die vom Adressaten unab-
hängig vom Vollzug des Hauptverwaltungsakts erfüllt, notfalls vom Urheber der Auf-
lage durch Verwaltungszwang herbeigeführt werden können. Die Nichterfüllung einer
Auflage rechtfertigt gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG den Widerruf des Hauptakts,
wenn es unverhältnismäßig oder unzweckmäßig oder auch unmöglich wäre, die Erfül-
lung zu erzwingen.
Äußert sich die Genehmigungsbehörde nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist (und
beantragt sie keine Fristverlängerung bei der zuständigen übergeordneten Behörde),
so gilt die Genehmigung als erteilt. Die höhere Verwaltungsbehörde darf den ihr vorge-
legten Plan nur dann nicht genehmigen, wenn sie Form- oder Verfahrensfehler ent-
deckt oder wenn sie ihn für materiell rechtswidrig hält. Sie darf mit anderen Worten
nur eine Rechtskontrolle vornehmen, nicht aber sich in inhaltliche Fragen einmischen,
die nicht nach rechtlichen, sondern nach gestalterisch-planerischen Kriterien zu ent-
scheiden sind. Wenn die Genehmigung zu Unrecht verweigert wird (oder ungerechtfer-
tigte Beanstandungen geltend gemacht werden), kann die Gemeinde die Genehmigung
bzw. ihr Recht auf Inkraftsetzung des zu Unrecht beanstandeten Plans einklagen.233
Die Grenze ist oft schwer zu ziehen, insbesondere bei der Prüfung der Frage, ob die
Anforderungen des Abwägungsgebots eingehalten sind. Rechtskontrolle und Inhalts-
kontrolle liegen hier sehr dicht, nach Ansicht vieler Kommunen zu dicht beisammen.
Die häufigsten Beanstandungen der kommunalen Aufsichtsbehörden betrafen (bei Be-
bauungsplänen):
– die Entwicklung des Plans aus dem F-Plan;
– die Beachtung der Ziele der Raumordnung;
– Überschreitung oder falsche Anwendung der Festsetzungsmöglichkeiten des § 9
Abs. 1 und 4 i. V. m. der BauNVO;

232 BVerwG, U. v. 8.2.1974 – 4 C 73.72 –, BRS 28 Nr. 111 = BauR 1974, 261.
233 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, ZfBR 1991, 77 (Klage einer Gemeinde auf Genehmigung eines B-Plans);
Niedersächsisches OVG, 15.11.2001 – 1 OB 2961/01 –, ZfBR 2002, 283 (Klage auf Genehmigung der
Änderung eines F-Plans).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

– Fehler im Abwägungsvorgang oder im Abwägungsergebnis.


Anders als den Gerichten sind den Aufsichtsbehörden bei der Kontrolle von Rechtsfeh-
lern – insbesondere von Form- und Verfahrensfehlern – keine Schranken gesetzt (vgl.
§ 216). Kein Fehler ist „unbeachtlich“, wie das bei den Gerichten zum Teil von Anfang
an, zum Teil nach Ablauf der Rügefrist von einem Jahr für bestimmte Form- und
Verfahrensfehler der Fall ist. In der Praxis arbeiten die Genehmigungsbehörden unge-
achtet ihrer Vorgesetztenfunktion in aller Regel kooperativ mit den Gemeinden zusam-
men, ihre Arbeit wird überwiegend als Hilfe bei der Fehlervermeidung empfunden; es
gibt allerdings auch Fälle, in denen die Genehmigungs- bzw. Anzeigebehörde ihre
Macht überkritisch zur Geltung bringt.
Wer höhere Verwaltungsbehörde, also Genehmigungsbehörde ist, hängt vom jeweili-
gen Bundesland ab. Im Saarland und in Schleswig-Holstein, in Mecklenburg-Vorpom-
mern, Brandenburg und Thüringen, wo es über den Gemeinden und Kreisen keine
Mittelinstanz, also keine Regierungsbezirke wie in den übrigen Bundesländern (außer
den Stadtstaaten) gibt, ist das zuständige Landesministerium die „höhere Verwaltungs-
behörde“ im Sinne des BauGB; die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Be-
hörde kann jedoch die Zuständigkeit für das Genehmigungsverfahren auf eine andere
Behörde übertragen (so ist es z. B. in Thüringen auf das Landesverwaltungsamt, in
Brandenburg auf die Landkreise geschehen). In den übrigen Flächenstaaten ist der
Regierungspräsident bzw. die Bezirksregierung „höhere Verwaltungsbehörde“ im
Sinne des BauGB. Auch hier können die Zuständigkeiten nach § 203 Abs. 3 verlagert
werden. Dies ist in mehreren Bundesländern für solche Bebauungspläne geschehen,
die aus dem Flächennutzungsplan entwickelt waren; diese Pläne waren (z. B. in Bay-
ern) den Landratsämtern anzuzeigen; seit der Aufhebung der Anzeigepflicht ab
1.1.1998 greifen solche Delegationen nicht mehr.

12. Ausfertigung, Bekanntmachung, Inkrafttreten und Überwachung


Die Inkraftsetzung eines Bauleitplans erfolgt entweder durch Bekanntmachung der
Genehmigung (so bei F-Plänen und bei B-Plänen, die nicht aus einem F-Plan entwickelt
sind) oder durch Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses (so bei den nicht genehmi-
gungsbedürftigen B-Plänen). Wenn eine Genehmigung erforderlich war und erteilt ist,
muss die Gemeinde nur die Tatsache der Genehmigung (und nicht etwa den ganzen
Wortlaut des Genehmigungsschreibens einschließlich etwaiger „Auflagen“)234 ortsüb-
lich bekanntmachen. Hier wie bei der Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses muss
sie zugleich bekanntgeben, an welchem Ort der Plan eingesehen werden kann. Jeder-
mann hat Anspruch auf Einsichtnahme, auf Verlangen ist Auskunft über den Inhalt
zu geben! Mit der Bekanntmachung der Genehmigung bzw. des Beschlusses tritt der
Bauleitplan in Kraft.235
Das BauGB enthält keine Vorschriften darüber, wie die in ihm vorgeschriebenen Be-
kanntmachungen durchzuführen sind. Darüber entscheidet das Landesrecht236 und/
oder – je nach Maßgabe des Landesrechts – das örtliche Satzungsrecht. Spätestens
vor der amtlichen Bereitstellung des Plans zur Einsichtnahme durch jedermann ist es
allerdings erforderlich, den Originalplan als authentische Originalurkunde „auszufer-
tigen“. Dies geschieht in der Regel durch Siegelung und Unterzeichnung durch eine
zuständige Person (z. B. den Bürgermeister). Einzelheiten richten sich nach Landes-
recht. Die Ausfertigung muss logischerweise vor der öffentlichen Bekanntmachung

234 Vgl. BVerwG, U. v. 5.12.1986 – 4 C 29.86 –, ZfBR 1987, 104/105.


235 Die Verfassungsmäßigkeit der Bekanntmachungsregelungen des § 10 (Hinweis auf Möglichkeit der
Einsichtnahme statt der Veröffentlichung des Plans selbst) ist vom BVerfG (ZfBR 1984, 88) nach
Vorlage durch den Hessischen VGH (BauR 1981, 450) bestätigt worden.
236 Beispiel aus Niedersachsen: Niedersächsisches OVG, U. v. 30.3.2000 – 1 K 2491/98 –, ZfBR 2000,
573.

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erfolgen – denn nur ein ausgefertigter Plan kann ordnungsgemäß eingesehen wer-
den.237
Ein zusätzlicher Authentizitätsvermerk nach der öffentlichen Bekanntmachung ist je-
doch unschädlich.238 Wenn diese Urkunde verloren geht, ist der Plan nicht automa-
tisch unwirksam, sofern wenigstens noch Duplikate vorhanden sind. Es können sich
jedoch Beweisnachteile ergeben.
Die Ausfertigung hat die Aufgabe, mit öffentlicher Wirkung zu bezeugen, dass der
zeichnerische und textliche Inhalt des Plans mit dem Willen der Gemeindevertretung
übereinstimmt und die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet
sind. Die Ausfertigung kann ggf. schon vor der Abgabe des Plans zur Genehmigung
an die höhere Verwaltungsbehörde erfolgen; mit Rücksicht auf noch mögliche Ände-
rungen im Gefolge von Auflagen der Genehmigungsbehörde kann es aber zweckmäßig
sein, die Ausfertigung bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens zurückzustel-
len. Für diesen Fall kann sich die Ausfertigung auch auf die Tatsache der Genehmigung
beziehen.239 Die Ausfertigung muss auch selbst mit einem Datum versehen werden,
anderenfalls gilt sie als unwirksam.240
Bei Bebauungsplänen, die in aller Regel nur einen sehr kleinen Teil des Gemeindege-
biets betreffen, und bei Teilflächennutzungsplänen241, ist Voraussetzung für die Wirk-
samkeit der Bekanntmachung und damit für das Inkrafttreten des Plans insgesamt,
dass die Leser der Bekanntmachung hinreichend genau darüber informiert werden,
um welches Gebiet es sich handelt. Die Bekanntmachung der Genehmigung bzw. des
Satzungsbeschlusses hat zwar keine „Anstoßfunktion“ mehr für die Wahrnehmung
von Beteiligungsrechten, denn der Plan wird damit rechtsverbindlich. Die Bezeichnung
muss den Bürger aber in die Lage versetzen, bei der Gemeinde den richtigen Plan zu
finden. Die bloße Bezeichnung des Plans mit einer Nummer genügt dazu nicht.242 Die
Bekanntmachung, nach der „der Bebauungsplan Nr. 12/86 genehmigt und in Kraft
getreten ist“, wäre demnach allzu pauschal und folglich unwirksam.243 Im Übrigen
genügt es, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklä-
rung nach § 10a Abs. 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten, auf Verlangen über
den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo
der Bebauungsplan eingesehen werden kann.244 Die sog. zusammenfassende Erklä-
rung, die darüber Auskunft geben soll, wie die Umweltbelange und die Ergebnisse der
Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung im Bauleitplan berücksichtigt wurden und
warum der Plan im Ergebnis der Abwägung auch anderweitiger in Betracht kommen-
der Planungsmöglichkeiten gewählt wurde, ist sowohl dem B-Plan als auch dem F-
Plan beizufügen. Die Vorschriften dazu sind mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richt-
linie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in

237 Ausfertigung am Tag der Bekanntmachung ist (noch) möglich, vgl. BVerwG, B. v. 27.1.1999 – 4 B
129.98 –, ZfBR 1999, 159.
238 BVerwG, B. v. 27.10.1998 – 4 BN 46.98 –, ZfBR 1999, 45.
239 Vgl. BVerwG, B. v. 8.9.1988 – 4 NB 15.88 –, ZfBR 1988, 274 (275); VGH Baden-Württemberg, U. v.
18.4.1989, ZfBR 1989, 228; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 9.8.1989 – 10 C 36/88 –, BRS 49 Nr. 28;
BVerwG, B. v. 16.5.1991 – 4 NB 26.90 –, ZfBR 1991, 216; zur Zulässigkeit der Zusammenfassung
mehrerer Planänderungen in einer erneuten Ausfertigung vgl. BVerwG, B. v. 9.5.1996 – 4 B 60/96 –,
BauR 1996, 670.
240 So Niedersächsisches OVG, U. v. 9.9.2014 – 1 KN 215/12 –, in: BauR 2015, 61–65.
241 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 6.12.2017 – 7 D 100/15.NE –, BauR 2018, 468.
242 Niedersächsisches OVG, BauR 1976, 105; BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BauR 1978, 276;
BVerwG, B. v. 5.12.1988 – 4 B 182.88 –, ZfBR 1989, 79.
243 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 22.80 –, NJW 1985, 1570: Es genügt, wenn das Plangebiet mit einem
vorhandenen und geographisch geläufigen Namen bezeichnet wird; die Aufzählung der Flurstücknum-
mern genügt nicht. Die „Erteilung der Genehmigung“ muss bekanntgemacht werden, nicht etwa der
Wortlaut der Genehmigung: BVerwGE 75, 262.
244 BVerwG, B. v. 3.6.2010 – 4 BN 55.09 –, BauR 2010, 1733.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

der Stadt vom 4. Mai 2017 von § 6 in den § 6a (F-Plan) bzw. von § 10 in den § 10a
(B-Plan) verschoben worden. Neu ist, dass der in Kraft getretene Plan mit der Begrün-
dung und der zusammenfassenden Erklärung ergänzend auch in das Internet einge-
stellt und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich gemacht werden
soll. Im Unterschied zur Regelung in § 4a Abs. 4 handelt es sich hierbei lediglich um
eine „Soll“-Vorschrift.
Die Verpflichtung des Einstellens in das Internet (der Gemeinde) ist zu unterscheiden
von der zusätzlichen Bereitstellung der genannten Unterlagen über ein zentrales Inter-
netportal des Landes. Ersteres entspricht bereits der eingeübten Praxis vieler Gemein-
den. Die Einrichtung der zentralen Portale wurde im Gesetz zur Modernisierung des
Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 geregelt.245
Wird im Bebauungsplan z. B. auf DIN-Vorschriften verwiesen, ist das rechtsstaatliche
Publizitätsgebot gewahrt, wenn der Plangeber sicherstellt, dass die Planbetroffenen
sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich Kenntnis verschaffen können.246
Fest steht auch, dass ein nicht ordnungsgemäß bekanntgemachter Plan auch dann
nicht „kraft Gewohnheitsrecht“ wirksam wird, wenn er jahrelang von allen Beteiligten
als wirksam betrachtet worden ist. Nur eine Neuverkündung kann die originäre Un-
wirksamkeit beseitigen247; seit der Neufassung des § 214 Abs. 4 durch das EAG Bau
2004 auch mit Rückwirkung. (Umgekehrt ist aber das Außerkrafttreten eines wirksa-
men Plans durch Gewohnheitsrecht oder wegen „Funktionslosigkeit“ in Ausnahmefäl-
len möglich – siehe unten.)
Rechtlich nicht zulässig wäre es, wenn eine Gemeinde einen genehmigten bzw. rechts-
gültig beschlossenen Bebauungsplan nicht bekanntmachte, um ihn auf diese Weise
nicht wirksam werden zu lassen und dadurch einer Normenkontrollklage zu entzie-
hen.248 Der dadurch entstehende Schwebezustand wäre rechtsstaatlich nicht zu verant-
worten. Wer gegen einen als rechtswirksam bekanntgemachten Bauleitplan Einwen-
dungen erheben will, muss dies innerhalb bestimmter Fristen tun: Wenn er Form-
oder Verfahrensfehler geltend machen will, muss er diese Fehler binnen eines Jahres
schriftlich gegenüber der Gemeinde rügen – sonst werden die Fehler vor Gericht unbe-
achtlich. Die alleinige Rüge in einer Klageschrift an das Gericht genügt nicht! Durch
die Planerhaltungsvorschriften des Baugesetzbuchs soll zur Bestandskraft der Bauleit-
pläne und Satzungen nach dem BauGB beigetragen werden, und zwar nach Möglich-
keit, bevor es zu einem Prozess gekommen ist.
Das Monitoring – die Überwachung der Umweltauswirkungen – nach § 4c BauGB ist
mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und
zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 12. Mai 2017 um die
Überwachung von Ausgleichsfestsetzungen und -maßnahmen im Sinne des § 1a Ab-
satz 3 Satz 2 und Satz 4 erweitert worden. Nach der Anlage 1 (zu § 2 Absatz 4 und
den §§ 2a und 4c) zum BauGB werden diese auch unter Ziffer 3 – Sonstige Angaben,
Buchst. b – als Bestandteil des Umweltberichts genannt.

13. Planerhaltung: Ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern,


rückwirkende Inkraftsetzung
Für das dauerhafte Schicksal der städtebaulichen Satzungen ist der Grundsatz der
Planerhaltung von erheblicher Bedeutung, der seit 2004 als Überschrift den vierten
Abschnitt des zweiten Teils des dritten Kapitels des BauGBs (§§ 214–216) beherrscht.
Nach dem Grundsatz der Planerhaltung braucht die Gemeinde das Verfahren oder
den Inhalt eines fehlerhaften Bebauungsplans nur insoweit aufzugreifen, als Fehler

245 BGBl. I S. 2808 vom 28. Juli 2017.


246 BVerwG, B. v. 29.7.2010 – 4 BN 21.10 –, BauR 2010, 1889.
247 BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BauR 1978, 276.
248 BVerwG, U. v. 29.7.1977 – 4 C 51/75 –, BVerwGE 54, 211.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

gemacht worden sind. Nach der Fehlerbehebung kann sie die Satzung ohne vollstän-
dige Wiederholung des Verfahrens in Kraft setzen, und zwar auch mit Rückwirkung.
Bis zur Behebung der Mängel entfaltet die Satzung keine Rechtswirkungen.
Mit dem seit 1998 ausdrücklich eröffneten „ergänzenden Verfahren“ für Flächennut-
zungspläne und Satzungen nach dem BauGB wurde auf eine Möglichkeit zurückgegrif-
fen, die bei Planfeststellungsbeschlüssen schon zuvor eingeführt, erprobt und akzep-
tiert war, nämlich die Ergänzung eines Beschlusses um bestimmte, zunächst übersehene
oder zu Unrecht unterlassene Aspekte. Das klassische Beispiel für die Ergänzung eines
Planfeststellungsbeschlusses liegt in der Hinzufügung von Lärmschutzmaßnahmen
beim Neubau einer Straße, wie sie nicht selten nach einem streitigen Verfahren von
Anwohnern eingeklagt werden. In solchen Fällen ist es wenig sinnvoll, den ganzen
Planfeststellungsbeschluss aufzuheben; die Aufhebung hätte zur Folge, dass das ge-
samte Verfahren neu abgewickelt werden müsste; die Ergänzung kann in einem we-
sentlich kürzeren Verfahren nachgeholt werden. Die Regelung des § 214 Abs. 4 knüpft
hieran an und ersetzte 2004 die bisherige Vorschrift hierzu in § 215a.
Der Unterschied zu § 215a liegt darin, dass es sich bei Planfeststellungsbeschlüssen
um Verwaltungsakte handelt, die, anders als Satzungen und Rechtsverordnungen,
nicht dem sog. Nichtigkeitsdogma unterliegen. Verwaltungsakte können auch dann,
wenn sie Fehler aufweisen, in Bestandskraft erwachsen; daher muss es gleichsam erst
recht möglich sein, sie ohne Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit von Anfang an nach-
zubessern. Bei Satzungen wurde dies bislang anders gesehen: Satzungen konnten nach
bisher herrschender Dogmatik nur entweder wirksam oder nichtig sein.
Dieser Grundsatz wurde schon durch die Heilungsvorschriften der §§ 214, 215 a. F.
angetastet. Denn im Fall der unterlassenen Rüge wurde auch schon bisher eine eigent-
lich fehlerhafte Satzung nach Fristablauf als rechtswirksam anerkannt. Nun ist sowohl
im BauGB als auch in der VwGO einheitlich angeordnet, dass fehlerhafte Satzungen
nur „unwirksam“ (aber nicht „nichtig“) sind. Nur diese Folge wird vom Normenkon-
trollgericht ausgesprochen. Ist der Fehler behebbar, kann die Satzung nur bis zur Behe-
bung des Fehlers keine Rechtswirkungen entfalten; nach der Fehlerbehebung tritt sie
in Gänze in Kraft, möglicherweise mit Rückwirkung. Kann der Fehler nicht behoben
werden oder unterbleibt dies, bleibt die Satzung auf ewig unwirksam. Gemäß § 214
Abs. 1 Nr. 1 sind bei der Ermittlung der von der Planung berührten Belange Fehler
nur dann beachtlich, wenn abwägungserhebliche Belange „in wesentlichen Punkten“
nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der (dadurch eingetre-
tene) Mangel offensichtlich sowie auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen
ist. Durch diese Vorschrift ist der gesamte Vorgang des Ermittelns und des Bewertens
von Belangen zum Bestandteil des Abwägungsvorgangs gemacht worden. Die beiden
ersten Schritte des Abwägungsvorgangs (nämlich das Ermitteln und das Bewerten von
Belangen) sind damit vollständig erfasst; nicht erfasst ist im Rahmen des Abwägungs-
vorgangs nur das der Ermittlung und Bewertung folgende Einstellen der ermittelten
und bewerteten Belange in die Schlussabwägung. Mit diesem Rest des Abwägungsvor-
gangs befasst sich wiederum § 214 Abs. 3. Nach der Klarstellung, dass die in § 214
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 geregelten Gesichtspunkte nicht als Mängel der Abwägung geltend
gemacht werden können, wird hier angeordnet, dass auch übrige Mängel im Abwä-
gungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungser-
gebnis von Einfluss gewesen sind. Hier wird also der Rest des Abwägungsvorgangs
erfasst. Daraus folgt: Wenn wesentliche, richtig ermittelte und richtig bewertete Be-
lange nicht eingestellt werden, dann ist auch dies nur dann erheblich, wenn der da-
durch entstandene Mangel im Abwägungsvorgang offensichtlich und auf das Abwä-
gungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Nach der Rechtsprechung genügt es insoweit,
wenn der Mangel aus den Akten erkennbar – offensichtlich – und mit hinreichender
praktischer Wahrscheinlichkeit auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Dieser Tat-

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

bestand ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht,
dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre.249
Mit der BauGB-Novelle vom 4.5.2017250 sind die vormals als Fließtext auch für Ge-
übte nur schwer leserlichen Unbeachtlichkeitsvorschriften des § 214 Abs. 1 Nr. 2 re-
daktionell in die Buchstaben a) bis g) gegliedert und den Erfordernissen der Rechtsän-
derungen angepasst worden. Neu sind die Vorschriften der Buchstaben d) und e):
– Nur wenn die Gemeinde den Verzicht auf die Verlängerung der Auslegungsdauer
trotz gegebenen Anlasses nachvollziehbar begründen kann (und nur wenn die Ge-
meinde einen Beschluss zum Verzicht auf eine angemessen verlängerte Auslegung
gefasst und im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundig gemacht hat), bleibt der
Verzicht auf eine Verlängerung der Auslegung unbeachtlich (Buchst. d).
– Zum anderen ist es unbeachtlich, wenn bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1
der Inhalt der Bekanntmachung und die auszulegenden Unterlagen zwar in das
Internet eingestellt, aber nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugäng-
lich gemacht worden sind (Buchst. e).
Nach Streichung der Hinweispflicht auf die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a
VwGO in der Bekanntmachung zur öffentlichen Auslegung bei einem Bebauungsplan,
musste die darauf bezogene Unbeachtlichkeitsvorschrift – im BauGB i. d. F. vom
4.5.2017 zunächst noch enthalten – in den Planerhaltungsvorschriften entfallen. Für
den neuen Bebauungsplan nach § 13b zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in
das beschleunigte Verfahren greifen die gleichen Unbeachtlichkeitsregeln wie für den
Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a. Für Bebauungspläne, die im be-
schleunigten Verfahren nach § 13a und b aufgestellt werden, ist es nach § 214 Abs. 2a
unbeachtlich, wenn den Hinweispflichten des § 13a Abs. 3 (es fehlt z. B. der Hinweis
auf die unterlassene Umweltprüfung) nicht genüge getan wird.251 Bis zur BauGB-No-
velle 2013 war auch unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des
beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 Satz 1 unzutreffend beurteilt worden
sind. Damit konnten auch Pläne eine gerichtliche Kontrolle überstehen, die zu Unrecht
als Bebauungspläne der Innenentwicklung eingestuft worden waren, in Wirklichkeit
jedoch den Außenbereich betrafen. Dieser Passus in § 214 Abs. 2a ist 2013 wieder
gestrichen worden.
Beachtlich für Bebauungspläne nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b ist jedoch:
– eine nicht nachvollziehbare Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 (unbeachtlich ist hingegen die fehlende Beteiligung von einzelnen Behörden
oder sonstigen Trägern öffentlicher Belange an diesem Verfahren; gilt wegen des
Schwellenwerts von 10 000 m² aber nicht für § 13b);
– eine nicht nachvollziehbare Beurteilung der Ausschlussgründe nach § 13a Abs. 1
Satz 4 zum Erfordernis der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung;
– wenn nach § 13a Abs. 1 Satz 5 Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung
Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Un-
fällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.

249 Vgl. BVerwG, B. v. 11.6.2007 – 4 BN 19.07 –, JurionRS 2007, 33135.


250 Ebd.
251 Nach einer Entscheidung des VGH Baden-Württemberg gelte dies jedoch nur dann, wenn der Öffent-
lichkeit die Gründe für das Absehen von der Umweltprüfung in anderer Weise zugänglich gemacht
worden seien, weil nationales Recht die praktische Wirksamkeit von Unionsrecht nicht unmöglich
machen dürfe; dazu seien die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2001/42/EG des Europä-
ischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und
Programme verpflichtet; der beklagte und in dieser Weise fehlerbehaftete Bebauungsplan der Stadt
Baden-Baden wurde deshalb für unwirksam erklärt; die Revision wurde wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache zugelassen (VGH Baden-Württemberg, U. v. 3.4.2013 – 8 S 1974/10, 8 S –,
UPR 2013, 390).

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Die Fristenregelung in § 215 Abs. 1 führt wiederum dazu, dass eine nach § 214 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 bis 3 und in Abs. 2 und 2a aufgeführte Verletzung von Vorschriften sowie
beachtliche Abwägungsmängel im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 innerhalb eines Jahres
seit Bekanntmachung des Plans schriftlich geltend gemacht werden muss. Nach dieser
Frist werden diese eigentlich beachtlichen Verletzungen und Mängel unbeachtlich. Es
muss also innerhalb von einem Jahr schriftlich gerügt werden, wenn nach Ansicht des
Beschwerdeführers
– abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt
oder nicht zutreffend bewertet worden sind;
– zutreffend ermittelte und bewertete Belangen nicht in die Abwägung eingestellt
worden sind;
– sachfremde oder zulässigerweise nicht berücksichtigungsfähige Belange in die Ab-
wägung eingestellt worden sind.
Zusätzlich muss glaubhaft gemacht werden, dass die gerügten Mängel offensichtlich
(d. h. aus den Akten erkennbar) und (mit hinreichender praktischer Wahrscheinlich-
keit) auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen sind.252
Von der gegebenenfalls nach einem rügefreien Jahr eintretenden Unbeachtlichkeit
nicht erfasst sind nur solche Fehler im Abwägungsvorgang, die zu einer groben Verzer-
rung des Abwägungsergebnisses geführt haben. Eine solche grobe Verzerrung liegt vor,
wenn bestimmte Belange zwar im Wesentlichen richtig ermittelt, bewertet und auch
in die Abwägung eingestellt worden sind, dann aber im Verhältnis zu anderen Belan-
gen in einer Art und Weise berücksichtigt worden sind, die zu ihrem objektiven Ge-
wicht außer Verhältnis gestanden hat. Eine grobe Verzerrung des Abwägungsergebnis-
ses ist in der Regel auch anzunehmen, wenn sachfremde oder von Rechts wegen nicht
berücksichtigungsfähige Belange in den Abwägungsvorgang eingebracht worden sind.
Derartige Mängel der Abwägung sind dauerhaft beachtlich; sie unterliegen keinerlei
Verfristung, so wie dies nach dem bis zum 20.7.2004 geltenden Recht mit der Sieben-
jahresfrist für die Geltendmachung von Mängeln der Abwägung der Fall gewesen ist.
Pläne, die von solchen Mängeln behaftet sind, können auch nicht durch Fehlerbehe-
bung mangelfrei gemacht und dann mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden, so wie
dies für Pläne mit Form- und Verfahrensfehlern der Fall ist.
Offen ist zur Zeit, ob die Ein-Jahresfrist für die Geltendmachung der Verletzung von
Vorschriften wegen des drohenden Verstoßes gegen europäisches Recht überhaupt er-
halten werden kann. Das BVerwG hat hierzu ein Revisionsverfahren ausgesetzt und
bei der Frage, ob Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU253 der Anwendung des § 215
BauGB entgegensteht und ob damit eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Be-
schränkung der Kontrolle von städtebaulichen Satzungen begründet ist, um Vorabent-
scheidung des EuGHs gebeten254. Bereits die Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a
VwGO a. F. scheiterte vor dem EuGH, u. a. an Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU255
und wurde daraufhin wie erläutert vom Gesetzgeber aufgehoben.
Unbeschadet der Möglichkeit, Fehler zu beheben, bleibt es jedoch dabei, dass ein B-
Plan von einer Gemeinde bis zum Abschluss eines förmlichen Aufhebungsverfahrens
auch dann weiter angewendet werden muss, wenn die Gemeinde meint, einen Fehler
erkannt zu haben; das gilt sogar dann, wenn der Fehler (z. B. wegen eines bereits

252 In der Rüge sind die Mängel schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend zu machen. Dabei ist der
Sachverhalt, der den Mangel begründen soll, darzulegen. Damit verlangt das Gesetz Substantiierung
und Konkretisierung (BVerwG, B. v. 19.1.2012 – 4 BN 35.11 –, BauR 2013, 55).
253 Richtline 2011/92/EU des europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. der Europäi-
schen Union, L 26).
254 vgl. BVerwG, B. v. 14.3.2017, Az. 4 CN 3.16, ZfBR 2017, 468 (OVG Lüneburg).
255 vgl. EuGH, U. v. 15.10.2015 – C-137/14, EnWZ 2016, 78 (Vertragsverletzungsverfahren gegen die
Bundesrepublik Deutschland).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

entschiedenen vergleichbaren Falles) eindeutig feststeht. Auch in solchen Fällen hat


weder die betroffene Gemeinde noch die Plan-Genehmigungsbehörde noch die Rechts-
aufsichtsbehörde eine „Normverwerfungskompetenz“, kraft derer sie den als mangel-
haft erkannten Plan schlicht für unwirksam erklären könnte (Genaueres dazu im
nächsten Abschnitt). Wenn die Gemeinde den Plan nicht mehr anwenden will, muss
sie ihn im förmlichen Verfahren aufheben. Wenn eine andere Behörde den Plan als
rechtswidrig und unwirksam ansieht, muss sie ihn mit der Normenkontrolle angreifen
(oder die Gemeinde zur Aufhebung veranlassen). Eine Normverwerfungskompetenz
durch Beschluss kommt allein den Gerichten zu. Eine Ausnahme von diesem Grund-
satz besteht nur scheinbar, wenn der betreffende Plan nicht ordnungsgemäß bekannt
gemacht worden ist. Ein Plan, der offensichtlich falsch (im Rechtssinne also gar nicht)
bekannt gemacht worden ist, befindet sich als Rechtsnorm nicht in der Welt und muss
von niemandem beachtet werden.256
Eine weitere Frage lautet: Ist die Gemeinde nach der „Unwirksamkeits-Feststellung“
des Gerichts verpflichtet, den erkannten Fehler zu heilen? Oder kann die Gemeinde
auf die Behebung des Fehlers verzichten und die Satzung damit endgültig rechtswir-
kungslos bleiben lassen? Unter Berücksichtigung der Planungshoheit der Gemeinde
wird man es im Regelfall für zulässig und rechtmäßig ansehen müssen, dass sie den
Fehler nicht behebt.257 Bei Vorhaben- und Erschließungsplänen, in deren Kontext sich
die Gemeinde jedenfalls durch den Abschluss des Durchführungsvertrags in aller Regel
zur Mitwirkung bei der Entstehung des Baurechts verpflichtet haben dürfte, könnte
darin allerdings eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen
werden. Derartige Mitwirkungspflichten können sich auch aus anderen städtebauli-
chen Verträgen nach § 11 ergeben. Die Gemeinde darf Investoren, denen sie Baurecht
in Aussicht gestellt hat, nicht willkürlich „hängen lassen“.
Letzte Frage: Worin liegt die „Behebung des Fehlers“? Wie wird z. B. ein Abwägungs-
fehler behoben, der darin liegt, dass bestimmte Gesichtspunkte nicht einbezogen wur-
den? Genügt als Fehlerbehebung eine Wiederholung der Abwägung (unter Einbezie-
hung der bislang pflichtwidrig nicht beachteten Gesichtspunkte), die zu demselben
Ergebnis führt wie die erste Abwägung? Ist der Fehler dann mit dem erneuten Sat-
zungsbeschluss ohne erneute Bekanntmachung des materiell nicht geänderten Plans
behoben? Dafür würde sprechen, dass derselbe Plan bereits einmal bekannt gemacht
worden ist; man würde sich eine erneute Ausfertigung und manche Kosten sparen.
Dagegen spricht, dass die Betroffenen bei einer derartigen Vorgehensweise aus den
Sitzungsprotokollen der Gemeindevertretung heraussuchen müssten, ob der Plan (wie-
der) gilt. Außerdem widerspricht es der Logik, der Bekanntmachung eines fehlerhaften
Plans unverändert Wirkung zukommen zu lassen, nachdem ein im vorhergehenden
Verfahren aufgetretener Fehler bereinigt worden ist.
Daraus folgt, dass eine endgültige Fehlerbehebung immer nur in Verbindung mit einer
Neubekanntmachung eintreten kann. Das wird wohl auch dann zu gelten haben, wenn
die Gemeinde einen Fehler vor Eröffnung eines Normenkontrollverfahrens erkennt
und bereinigt, ja sogar dann, wenn sich der Fehler ohne Zutun der Gemeinde gleich-
sam von selbst behebt (indem z. B. ein Naturschutzgebiet ganz oder teilweise aufgeho-
ben wird, in das die Gemeinde vor seiner Aufhebung rechtswidrig hineingeplant hatte).
Eine rückwirkende Inkraftsetzung des (in der Sache unveränderten!) Plans durch Be-
kanntmachung nach Fehlerbehebung ist seit dem EAG Bau 2004 gemäß § 214 Abs. 4
nicht nur bei Form- und Verfahrensfehlern, sondern auch nach Behebung materieller
Fehler möglich. Wenn nur die Bekanntmachung fehlgeschlagen ist, bedarf es zur (ggf.
rückwirkenden) Inkraftsetzung keiner erneuten Abwägung und keiner erneuten Aus-

256 Vgl. dazu den Fall BVerwG, U. v. 31.1.2001 – 6 CN 2.00 –, ZfBR 2001, 342.
257 Vgl. BVerwG, U. v. 22.12.1989 – 4 NB 32.89 –, UPR 1997, 102 (kein Anspruch auf Fortsetzung eines
begonnenen Planaufstellungsverfahrens oder auf Behebung von Verfahrens- und Formfehlern).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

lage; nur die Bekanntmachung muss wiederholt werden.258 Dies gilt auch, soweit es
sich lediglich um Form- und Verfahrensfehler handelt, denn es wird nur ein formell
fehlerhafter durch einen inhaltsgleichen fehlerfreien Plan ersetzt.259
Eine rückwirkende Inkraftsetzung nach dieser Maxime ist jedoch ausgeschlossen,
wenn das Abwägungsergebnis wegen nachträglicher Ereignisse nicht mehr haltbar
ist.260
14. Änderung, Aufhebung und Außerkrafttreten von Bauleitplänen
§ 1 Abs. 8 ordnet lapidar an, dass „die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Auf-
stellung von Bauleitplänen auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung gel-
ten“. Einige Besonderheiten sind dennoch festzuhalten; sie beziehen sich vor allem auf
die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens nach § 13 sowie auf die Anwendbar-
keit des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a.
a) Änderungen und Ergänzungen im vereinfachten und im beschleunigten Verfahren.
Wie oben im Rahmen der Vorschriften zur Umweltprüfung in der Bauleitplanung be-
reits dargestellt wurde, können Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans nur dann
im vereinfachten Verfahren vorgenommen werden, wenn feststeht, dass die betreffende
Planergänzung oder -änderung keinen Anlass für eine Umweltprüfung enthält. Weder
UVP-pflichtige Projekte noch FFH- oder Vogelschutzgebiete dürfen von der Planergän-
zung oder -änderung betroffen sein, noch dürfen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes
vom 4.5.2017261 Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur
Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50
Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind. Wenn durch die beab-
sichtigte Änderung oder Ergänzung die Grundzüge der Planung nicht berührt werden,
kann von der frühzeitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit und der Behörden (§ 3
Abs. 1 und § 4 Abs. 1) ganz abgesehen werden. Die öffentliche Auslegung nach § 3
Abs. 2 und die Beteiligung der Behörden nach § 4 Abs. 2 kann außerdem wahlweise
auf den Kreis der von der Planung „betroffenen“ Öffentlichkeit und „berührten“ Be-
hörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden. Die Durchfüh-
rung einer „normalen“ öffentlichen Auslegung empfiehlt sich in allen Fällen, in denen
die Betroffenen nicht eindeutig identifiziert werden können. Die Genehmigungsbedürf-
tigkeit der Änderung oder Ergänzung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der
§§ 6 und 10. F-Plan-Änderungen müssen stets genehmigt werden; B-Plan-Änderungen
bedürfen dann der Genehmigung, wenn sie nicht aus dem F-Plan entwickelt sind.
Insofern lohnt sich zu überprüfen, ob im Falle einer Planänderung oder -ergänzung
nicht besser auf das beschleunigte Verfahren mit den gleichen Erleichterungen zurück-
gegriffen werden sollte. Denn im beschleunigten Verfahren bedarf es selbst dann nicht
einer Genehmigung, wenn der B-Plan nicht aus dem F-Plan entwickelt ist. Stattdessen
darf der F-Plan im Wege der Berichtigung angepasst werden.
In allen Fällen kann das vereinfachte Verfahren auch dazu benutzt werden, einen ge-
richtlich oder außergerichtlich erkannten Rechtsfehler eines Bebauungsplans auch au-
ßerhalb der Fehlerbehebung nach § 214 Abs. 4 zu „heilen“, indem die als fehlerhaft
erkannten räumlichen oder sachlichen Teile des Plans korrigiert, im korrekten – ergän-
zenden – Verfahren neu beschlossen und (u. U. mit Rückwirkung) in Kraft gesetzt
werden. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist selbstverständlich,

258 BVerwG, B. v. 3.4.1990 – 4 B 50.89 –, UPR 1997, 336.


259 BVerwG, B. v. 1.6.2011 – 4 B 2.11 –, BauR 2011, 1622.
260 BVerwG, B. v. 18.12.1995 – 4 NB 30/95 –, BauR 1996, 351; ebenso BVerwG, U. v. 25.2.1997 – 4 NB
40.96 –, UPR 1997, 323.
261 BGBl. I S. 1057 vom 12.5.2017, in Kraft mit Wirkung vom 13.5.2017.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

dass es sich um solche Teile des Plans handelt, von denen die Grundzüge der Planung
nicht berührt werden.262
Gemäß § 13a Abs. 4 gelten die Vorschriften über den Bebauungsplan der Innenent-
wicklung auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen, welche die
Anwendungsvoraussetzungen des § 13a Abs. 1 erfüllen, d. h. ein ergänzendes Verfah-
ren nach § 214 Abs. 4 kann auch nach den Vorschriften des § 13a Abs. 1 bis 3 im
beschleunigten Verfahren durchgeführt werden.
b) Aufhebung von Bebauungsplänen im vormaligen Geltungsbereich älterer Pläne:
Lebt der alte Plan wieder auf? Nach dem oben Gesagten erfolgt die Aufhebung von
B-Plänen im gleichen Verfahren wie eine Neuaufstellung. In der Regel wird das Nor-
malverfahren mit zweistufiger Beteiligung und Umweltprüfung zur Anwendung kom-
men, soweit sich die Planaufhebung nicht als „andere Maßnahme der Innenentwick-
lung“ im Sinne des § 13a interpretieren lässt. Das vereinfachte Verfahren steht
aufgrund seiner Anwendungsvoraussetzungen nicht zur Debatte. Isolierte Aufhebun-
gen sind relativ selten; dessen ungeachtet kann die ersatzlose Aufhebung nach der
Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen ein legitimes Planungsziel sein, setzt aber
hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe und eine ordnungsgemäße Abwägung
voraus.263 Weitaus häufiger ist die Ersetzung eines alten, überholten Plans durch einen
neuen Plan oder eine so grundlegende Überarbeitung des alten Plans, dass sie einem
neuen Plan gleichkommt. Probleme können entstehen, wenn sich im weiteren Verlauf
herausstellt, dass der neue Plan aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam
ist. Lebt der „alte“ Plan dann wieder auf? Oder fällt das Gebiet damit in den Status
„unbeplant“, weil der neue Plan unwirksam und der alte Plan nicht mehr vorhanden
ist?
Das BVerwG hat die Rechtsfrage wie folgt beantwortet: Wenn ein neuer Plan erlassen
wird, verliert der alte Plan ohne weiteres seine Wirksamkeit, weil der gewohnheits-
rechtlich anerkannte Satz gilt, dass die spätere Norm die frühere verdrängt. Auf den
Willen der Gemeinde kommt es insoweit nicht an. Ist der neue Plan unwirksam, so
konnte er als Verdrängungsfaktor nicht wirksam werden; der alte Plan lebt wieder
auf, er gilt also unbeeinträchtigt fort.
Falls eine Gemeinde diesen Regelfall nicht wünscht, muss sie in dem Beschluss über
den neuen Plan ihren ausdrücklichen Willen zum Ausdruck bringen, dass der alte Plan
aufgehoben sein soll, und zwar auch für den Fall, dass der neue Plan sich als endgültig
unwirksam herausstellen sollte. Dieser Aufhebungsbeschluss muss dann auch als iso-
lierte Aufhebung den Abwägungsgrundsätzen des § 1 genügen.264
c) Planverwerfungskompetenz der Gemeinde. Lange Zeit höchst kontrovers diskutiert
wurde die bereits erwähnte Frage einer „Planverwerfungskompetenz“ der Gemeinden:
Soll den Gemeinden neben der kraft Gesetzes vorhandenen Möglichkeit, unzeitgemäße
B-Pläne im normalen, d. h. dem Planaufstellungsverfahren grundsätzlich gleichen Ver-
fahren aufzuheben, auch die Befugnis eingeräumt werden, bestimmte B-Pläne in einem
vereinfachten Verfahren oder sogar durch einmaligen Beschluss als ungültig zu verwer-
fen?
Diese Verwerfungskompetenz sollte sich nach dem Vorschlag ihrer Befürworter auf
die Pläne beziehen, die sich aufgrund nachträglicher Erkenntnisse als rechtsfehlerhaft
erweisen und die damit „eigentlich“ ohnehin unwirksam sind. Wenn ein Rechtsfehler
nachträglich erkannt, der betreffende Plan aber (noch) nicht von einem Gericht für
unwirksam erklärt worden ist, dann besteht nicht selten ein höchst unangenehmer

262 BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C 33/83 –, ZfBR 1990, 10.


263 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 8.4.2014 – 2 D 43/13.NE –, BauR 2015, 65–73.
264 BVerwG, U. v. 10.8.1990 – 4 C 3.90 –, ZfBR 1990, 290; BVerwG, B. v. 16.5.2017 – 4 B 24.16 –,
ZfBR 2017, 682.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Schwebezustand für die Gemeinde und für die Betroffenen. Häufig ist man jahrelang
von der Wirksamkeit des Plans ausgegangen. Plötzlich wird – z. B. in einem Rechts-
streit über einen anderen Plan aus der gleichen Zeit oder aus einer anderen Gemeinde
– vor Gericht ein (Form-)Fehler aufgedeckt, der unzweifelhaft oder mit gewisser Wahr-
scheinlichkeit auch diesem Plan anhaftet. Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der Pra-
xis: Der zuständige Verwaltungsgerichtshof fordert unerwartet, aber mit Geltung auch
für die Vergangenheit, dass das Original jedes B-Plans vor seiner Bekanntmachung mit
zwei Unterschriften „ausgefertigt“, d. h. vom (Ober-)Bürgermeister und vom Vorsit-
zenden des Gemeinderats, unterschrieben und gesiegelt sein muss. Was geschieht mit
den vielen Plänen, die so nicht „ausgefertigt“ worden sind? Soll man sie deswegen
nicht mehr anwenden, auch wenn die Bürger weiterhin von der Geltung ausgehen?
Wie könnte man sie umgekehrt unauffällig loswerden, wenn sie sich auch materiell
inzwischen überlebt haben? Muss man dazu – um Klarheit zu schaffen – ein vollständi-
ges Aufhebungsverfahren abwickeln?
Im juristischen Schrifttum265 sind dazu mehrere Lösungsvorschläge gemacht worden.
Sie reichen von der Rücknahme der Genehmigung des Plans durch die Aufsichtsbe-
hörde über einen klarstellenden einmaligen Beschluss der Gemeindevertretung, dass
der betreffende Plan unwirksam sei, bis zu der Feststellung, dass die ganze Diskussion
zu einem solchen Stichwort „inadäquat“ sei, weil es eine „Verwerfungskompetenz“
dieser Art für die Gemeinden gar nicht geben könne.266
Ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.1986267 hat der wis-
senschaftlichen Diskussion zur Verwerfungskompetenz praktisch ein Ende bereitet.
Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
1. Die höhere Verwaltungsbehörde als Plangenehmigungsbehörde ist nicht befugt, die
Nichtigkeit (seit dem BauROG 1998 spricht man von „Unwirksamkeit“) eines von
ihr als ungültig erkannten Bebauungsplans verbindlich festzustellen. Ebenso wenig
kann sie die rechtswidrig erteilte, inzwischen aber gemäß § 10 (das Urteil bezog
sich noch auf die Regelung des § 12 BBauG) bekanntgemachte Genehmigung des
damit in Kraft getretenen Bebauungsplans zurücknehmen.
2. Auch ein als ungültig erkannter Bebauungsplan ist – abgesehen von der gerichtli-
chen Nichtigkeitserklärung (heute endgültige Erklärung der Unwirksamkeit) im
Normenkontrollverfahren – in dem für die Aufhebung von Bebauungsplänen gel-
tenden Verfahren aufzuheben, um damit den Anschein der Rechtsgeltung zu besei-
tigen. Beruht die Ungültigkeit des Plans auf einem Verfahrens- oder Formfehler,
hat die Gemeinde darüber zu entscheiden, ob sie den Plan, statt ihn aufzuheben,
unter Behebung des Fehlers und Wiederholung des nachfolgenden Verfahrens rück-
wirkend in Kraft setzt.268
Dementsprechend hat auch der Gesetzgeber nach wie vor keine Verwerfungskompe-
tenz im Baugesetzbuch vorgesehen – weder für die Gemeinden noch für andere, vom
Plan betroffene Behörden. Allerdings hat er sich bemüht, die „Heilungsvorschriften“
durch Hinzufügung des oben geschilderten Grundsatzes der Planerhaltung so auszudif-
ferenzieren, dass auch nach Aufdeckung von Fehlern alle brauchbaren Teile eines Plans
erhalten werden können. Bei Form- und Verfahrensfehlern tritt schon seit 1976 nach
rügelosem Ablauf eines Jahres – eine zwischenzeitliche Verlängerung der Frist auf zwei

265 Vgl. z. B. Gierke, Hans-Georg: Die Behandlung rechtswidriger Bebauungspläne, in: ZfBR 1985, 14 ff.,
62 ff.; Mutius, Albert von/Hill, Hermann: Die Behandlung fehlerhafter Bebauungspläne, 1983; Jung,
Doris: Gemeindliche Verwerfungsbefugnis bei rechtsverbindlichen Bebauungsplänen außerhalb § 2
Abs. 6 BBauG, in: NVwZ 1985, 790 ff.; Jade, Henning: Die „Aufhebung“ nichtiger Bebauungspläne,
in: BayVBl. 1988, 5.
266 Weyreuther, Felix: Das Bundesbaurecht in den Jahren 1980, 1981 und 1982, in: DÖV 1983, 575 (580).
267 BVerwG, U. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 –, BauR 1987, 171.
268 BVerwG, U. v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 –, ZfBR 1987, 96; ebenso BGH, B. v. 20.12.1990 – 3 ZR 179/
89 –, ZfBR 1991, 77 = JurionRS 1990, 15488.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Jahre ist 2007 wieder zurückgenommen worden – seit der (wirksamen) Bekanntma-
chung des Plans gleichsam automatisch eine Heilung ein. Alle Form- und Verfahrens-
fehler (außer einer fehlenden Beschlussfassung des Gemeinderats und fehlender Geneh-
migung sowie Fehlern bei der Schlussbekanntmachung) können danach vom Gericht
nicht mehr aufgegriffen werden, es sei denn, sie wären zuvor fristgemäß schriftlich
gegenüber der Gemeinde gerügt worden. Seit dem EAG Bau 2004 werden auch Fehler
beim Abwägungsvorgang, soweit sie nicht zu einer unvertretbaren Verzerrung des Ab-
wägungsergebnisses geführt haben, zu den heilungsfähigen Verfahrensfehlern gerech-
net (vgl. § 215 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 214 Abs. 3 Satz 2).
d) Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit. Neben der Möglichkeit, einen Bebau-
ungsplan im ordentlichen Verfahren aufzuheben, gibt es – nach der Verneinung einer
Planverwerfungskompetenz der Gemeinde – nur noch zwei Möglichkeiten des Außer-
krafttretens:
– die Aufhebung durch Gewohnheitsrecht (die sehr selten ist, weil sie langjährige
Nichtanwendung und allgemeine Überzeugung voraussetzt, dass der betreffende
Plan nicht mehr rechtsgültig sei)269 und
– das Außerkrafttreten wegen Funktionslosigkeit.
Nach der Rechtsprechung tritt ein Bebauungsplan ganz oder teilweise wegen Funkti-
onslosigkeit außer Kraft, wenn die tatsächliche Entwicklung in dem von dem Plan
oder der strittigen Festsetzung betroffenen Gebiet einen Zustand erreicht hat, der eine
Verwirklichung der Planfestsetzungen auf Dauer ausschließt und die Erkennbarkeit
dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der jedem Vertrauen in den Plan seine Schutz-
würdigkeit nimmt.270 Auch das Fehlen der für die Realisierung der Planung benötigten
Finanzmittel kann ein tatsächliches Hindernis sein, das der Verwirklichung der Pla-
nung auf unabsehbare Zeit entgegensteht und damit zu seiner Funktionslosigkeit füh-
ren kann.271 Ebenfalls zur Funktionslosigkeit führt die Festsetzung eines Kleinsied-
lungsgebiets nach § 2 BauNVO, wenn im betroffenen Gebiet auf absehbare Zeit nicht
mehr mit einer Rückkehr zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, die auf dem
Grundstück gewonnen werden, zu rechnen ist und sich die Bewohner erkennbar auf
diesen Zustand eingestellt haben.272 Dagegen genügt es keinesfalls, dass die plange-
bende Gemeinde oder eine andere öffentliche Stelle den Plan zunächst nicht umsetzt,
sondern einfach liegen lässt; auch eine anderweitig dokumentierte Änderung des Pla-
nungskonzepts der Gemeinde reicht nicht aus.273 Ebenfalls nicht zur Funktionslosig-
keit führt der bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines B-Plans.274 Eine
nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 getroffene Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche „Postdienstge-
bäude“ für die ehemalige Deutsche Bundespost ist im Zuge der Postreform und der
Privatisierung der Post nicht funktionslos geworden.275 Es ist vielmehr nach wie vor
zulässig, eine Gemeinbedarfsfläche für die Grundversorgung mit Postdienstleistungen
festzusetzen.276

269 Außerkrafttreten durch Gewohnheitsrecht wird bejaht in BVerwG, U. v. 10.3.1967 – 4 C 87.65 –,


BVerwGE 26, 282.
270 BVerwG, U. v. 29.4.1977 – 4 C 39.75 –, BVerwGE 54, 5; bestätigt durch BVerwG, U. v. 5.8.1983 – 4
C 96.79 –, NJW 1984, 138; BGH ZfBR 1983, 143; BVerwG, B. v. 31.8.1989 – 4 B 161.88 –, ZfBR
1990, 40; BVerwG, B. v. 9.10.1990 – 4 B 121.90 –, ZfBR 1991, 39; BVerwG, U. v. 23.1.1998 – 8 C
12/96 –, UPR 1997, 469; BVerwG, B. v. 9.10.2003 – 4 B 85.03 –, BRS 66 Nr. 52 = BauR 2004, 1128.
271 BVerwG, B. v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 –, BauR 2010, 2060.
272 Vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 –, BRS 67 Nr. 68.
273 So BVerwG U. v. 17.6.1993 – 4 C 7.91 –, NVwZ 1994, 281; vgl. auch BVerwG, B. v. 6.6.1997 – 4
NB 6.97 – ZfBR 1998, 51 (auch wenn ein Plan nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden
kann, führt dies nicht zur Funktionslosigkeit).
274 Vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 CV 11.03 –, BVerwGE 122, 207.
275 BVerwG, U. v. 30.6.2004 – 4 C 3.03 –, ZfBR 2004, 796.
276 BVerwG, U. v. 30.6.2004 – 4 CN 7.03 –, ZfBR 2004, 792.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Funktionslosigkeit einer Festsetzung (nicht des ganzen Plans!) ist z. B. in folgendem


Fall angenommen worden: In einem Bebauungsplan wurde eine maximale Bebauungs-
tiefe von 16 m festgesetzt. Demnach durfte niemand den rückwärtigen Teil seines
Grundstücks bebauen. Einige Jahre nach Rechtsverbindlichkeit dieses Plans wurde in
45 m Tiefe parallel zur vorderseitigen Erschließungsstraße eine weitere (rückwärtige)
Erschließungsstraße geschaffen. Unter völliger Übergehung der Festsetzung über die
Bebauungstiefe wurden in der Folge für alle Grundstücke – mit Ausnahme eines einzi-
gen – der Anbau an diese Straße und damit die rückwärtige Bebauung der Grundstü-
cke genehmigt. Das Bundesverwaltungsgericht befand mit Recht, dass dem Begehren
des Eigentümers des letzten rückwärtig freigebliebenen Grundstücks, nunmehr auch
ein Haus an der rückwärtigen Erschließungsstraße zu errichten, die Festsetzung über
die Bebauungstiefe von 16 m nicht mehr entgegengehalten werden konnte, weil diese
wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten war. Das OVG Nordrhein-Westfalen
hat die Festsetzung „Flachdach“ in einem B-Plan als funktionslos angesehen, nachdem
so viele Befreiungen von dieser Festsetzung erteilt worden waren, dass die angestrebte
„einheitliche Dachlandschaft“ nicht mehr erreichbar war.277 Wenn nur eine Teilfläche
planwidrig besetzt worden ist, reicht dies nicht aus, um den ganzen B-Plan funktions-
los werden zu lassen.278 Sehr von Funktionslosigkeit gefährdet sind festgesetzte Klein-
siedlungsgebiete nach § 2 BauNVO, weil deren Funktion „Selbstversorgung mit Nah-
rungsmitteln“ von den Nutzern heute kaum noch ausgeübt wird.279
Insgesamt ist jedoch zu betonen, dass der Befund der Funktionslosigkeit kein Instru-
ment der Bauleitplanung ist, mit dessen Hilfe ungeliebte Pläne beiseitegelegt werden
könnten. Es handelt sich vielmehr um einen Notweg zur Herstellung von Einzelfallge-
rechtigkeit in Konstellationen, in denen die Anwendung des an sich und zunächst
wirksam ergangenen B-Plans insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Festsetzungen
nicht (mehr) zu einer gerechten Lösung führt. Die Funktionslosigkeit ist gleichsam ein
Surrogat für die Befreiung in Fällen, in denen die Festsetzung eines B-Plans nicht nur
für den zu entscheidenden Einzelfall korrekturbedürftig, sondern schlechthin nicht
mehr zu rechtfertigen ist. Eine Befreiung kann in solchen Fällen nicht weiterhelfen,
weil stets „die Grundzüge der Planung“ berührt sind.
Der Befund der Funktionslosigkeit kann also nicht von der Gemeinde als Planungsins-
tanz, sondern nur von der Baugenehmigungsbehörde (oder vom Gericht) anlässlich
der Entscheidung über einen Einzelfall verbindlich ausgesprochen werden – und zwar
immer nur in einem Einzelfall, in dem die Anwendung des Plans oder bestimmter
Festsetzungen des Plans aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit sachlich nicht mehr
zu vertreten ist. In aller Regel wird Funktionslosigkeit nur hinsichtlich bestimmter
Festsetzungen (Art der Nutzung280, Gebäudehöhe, Bauweise, Baugrenzen), nicht für
einen ganzen Plan eintreten.
Wenn die Gemeinde als Planungsinstanz denselben Plan bzw. dieselbe Festsetzung ins-
gesamt, endgültig und für jedermann sichtbar außer Kraft setzen will, muss sie den
Plan bzw. die Festsetzung im förmlichen Verfahren aufheben. Hier gelten die gleichen
Prinzipien, die soeben (unter b.) zur Begründung des Fehlens einer „Verwerfungskom-
petenz“ der Gemeinde vorgetragen worden sind. Die Gemeinde muss dann auch ord-
nungsgemäß abwägen, ob es genügt, den von Funktionslosigkeit betroffenen Plan bzw.

277 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 25.8.1999 – 7 A 4459/96 –, ZfBR 2000, 56.


278 BVerwG, B. v. 21.12.1999 – 4 BN 48.99 –, ZfBR 2000, 274.
279 BVerwG, U. v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 –, BauR 2004, 1567.
280 Niedersächsisches OVG, 24.4.2002 – 1 K 1948/00 –, ZfBR 2002, 689 (Funktionslosigkeit eines Misch-
gebiets, in dem sich nur großflächige Einzelhandelsbetriebe angesiedelt hatten); BVerwG, U. v.
28.4.2004 – 4 C 10.03 –, ZfBR 2004, 691 (Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Kleinsiedlungsge-
biets).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

die betreffende Festsetzung schlicht aufzuheben oder ob eine Neuplanung geboten


ist.281
Die seltene, aber immerhin bis vor die Schranken des OVG Nordrhein-Westfalen ge-
langte Variante, dass ein Plan (auch in Kopie) nicht mehr auffindbar ist, gehört nicht
zu den legalen Aufhebungsmethoden.282
15. Besonderheiten des Planaufstellungsverfahrens in den Stadtstaaten
a) Berlin. In Berlin werden staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt. Das
in den „normalen“ Gemeinden übliche Zusammenspiel zwischen den Gemeindeorga-
nen bei der Aufstellung der Bauleitpläne und den Aufsichtsfunktionen des Staates kann
es hier also nicht geben. Statt dessen ist das Verfahren der Bauleitplanung in Berlin
zwischen den Bezirken und der Hauptverwaltung aufgeteilt.
Die zwölf Bezirke von Berlin haben – wie oben in Kapitel A.IV.5.c) geschildert wurde
– gemeindeähnliche Funktionen. Sie besitzen eine direkt gewählte Volksvertretung (die
Bezirksverordnetenversammlung) und als kollegiale Verwaltungsspitze das fünfköpfige
Bezirksamt, bestehend aus den vier Bezirksstadträten und dem Bezirksbürgermeister
als Vorsitzendem. Die Bezirke genießen jedoch keine rechtliche Selbständigkeit und
damit kein eigentliches Selbstverwaltungsrecht. Aus diesem Grund haben sie auch
keine Planungshoheit; an der Aufstellung der Bauleitpläne dürfen die Bezirke in abge-
stufter Form mitwirken. Das letzte Wort hat (fast) immer die Hauptverwaltung. Dies
gilt beim Flächennutzungsplan noch stärker als bei den Bebauungsplänen. Einzelheiten
sind im Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch (AGBauGB) geregelt.
Der Flächennutzungsplan wird nach § 2 AGBauGB von der zuständigen Senatsverwal-
tung unter Mitwirkung der Bezirke erarbeitet. Nachdem der Flächennutzungsplan
vom Senat beschlossen wurde, wird er dem Abgeordnetenhaus (dem Landesparlament)
zur Zustimmung zugeleitet. Das Abgeordnetenhaus kann allerdings nicht – wie eine
kommunale Vertretungskörperschaft – eigenständig Veränderungen am Planwerk vor-
nehmen. Vielmehr kann das Abgeordnetenhaus den Plan nur in der Form beschließen
(oder ablehnen), wie er ihm vom Senat von Berlin (also der Landes- und Stadtregie-
rung) vorgelegt worden ist.
Bebauungspläne werden je nach ihrer bezirklichen oder überbezirklichen Bedeutung
entweder im jeweils zuständigen Bezirksamt oder von der zuständigen Senatsverwal-
tung erarbeitet. Beabsichtigen Bezirke die Aufstellung eines B-Plans, ist die Absicht
zunächst der zuständigen Senatsverwaltung mitzuteilen. Wenn sich die Senatsverwal-
tung nach Ablauf von einem Monat nicht dazu äußert, kann der Bezirk davon ausge-
hen, dass insoweit keine Bedenken erhoben werden. B-Pläne von rein bezirklicher
Bedeutung werden gemäß § 6 AGBauGB nach Durchführung des Planverfahrens der
Bezirksverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt. Danach sind sie in
Form eines Anzeigeverfahrens mit zweimonatiger Wartefrist an die zuständige Senats-
verwaltung zur Rechtskontrolle abzugeben. Die Senatsverwaltung darf diese „bezirks-
eigenen“ Pläne nur auf ihre Rechtmäßigkeit kontrollieren. Wenn Beanstandungen aus-
bleiben, setzt der Bezirk den Plan nach Ablauf der Wartefrist als Rechtsverordnung
fest.
Bei Bebauungsplänen, die dringende Gesamtinteressen beeinträchtigen oder gar im
dringenden Gesamtinteresse Berlins aufgestellt werden sollen (B-Pläne mit „einfacher“
überbezirklicher Bedeutung), kommen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Wohnen gemäß § 7 AGBauGB über die Rechtsaufsichtsbefugnisse hinaus fachaufsicht-
liche Weisungsrechte zu. Die Hauptverwaltung kann dann in das inhaltliche Planungs-
geschehen eingreifen (Eingriff gem. § 13a Abs. 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgeset-
zes) und den Plan notfalls auch ganz an sich ziehen (sog. Evokationsrecht). Ein

281 Vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 9.12.1994 – 1 K 4722/93 –, NVwZ 1995, 911.


282 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 25.7.1996 – 7 A 1802/90 –, BauR 1996, 824.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

dringendes Gesamtinteresse kann z. B. bei Wohnungsbauvorhaben mit mehr als 200


Wohneinheiten, oder aufgrund ihrer besonderen Eigenart, bei städtebaulichen Ent-
wicklungsbereichen oder bei Vorhaben, die die Zentrenstruktur des F-Plans berühren,
bestehen. Ferner unterscheidet das AGBauGB noch Bebauungspläne „von außerge-
wöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“ (§ 9 AGBauGB) und B-Pläne „zur Verwirkli-
chung von Erfordernissen der Verfassungsorgane des Bundes“ zur Wahrnehmung ihrer
Aufgaben (§ 8 AGBauGB). Für diese Pläne ist allein die Hauptverwaltung zuständig.
Die Pläne nach den §§ 8 und 9 AGBauGB bedürfen – nach Beschlussfassung durch
den Senat – wiederum der Zustimmung des Abgeordnetenhauses und nicht der Be-
schlussfassung durch eine Bezirksverordnetenversammlung. Für die Feststellung, ob
ein B-Plan jene „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ hat, muss allerdings
der Rat der Bürgermeister eingeschaltet werden, der sich nach § 15 des Allgemeinen
Zuständigkeitsgesetzes aus dem Regierenden Bürgermeister, dem Bürgermeister und
den Bezirksbürgermeistern zusammensetzt. Wenn dieser das Vorliegen einer herausra-
genden stadtpolitischen Bedeutung innerhalb einer Frist von zwei Monaten mit Drei-
Viertel-Mehrheit verneint, bedarf der Beschluss des Senats der Zustimmung des Abge-
ordnetenhauses. Nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist ohne Reaktion durch den Rat
der Bürgermeister darf der Senat davon ausgehen, dass Einvernehmen besteht.
Im Zusammenhang mit dem im August 1992 zwischen dem Bund und Berlin abge-
schlossenen „Vertrag über die Zusammenarbeit der Bundesregierung und des Senats
von Berlin zum Ausbau Berlins als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und
zur Erfüllung seiner Funktion als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregie-
rung“ – dem sog. Hauptstadtvertrag – ist der § 247 in das BauGB aufgenommen
worden. Danach soll bei der Aufstellung von Bauleitplänen in Berlin den Belangen,
die sich aus der Entwicklung Berlins als Hauptstadt Deutschlands ergeben, und den
Erfordernissen der Verfassungsorgane des Bundes für die Wahrnehmung ihrer Aufga-
ben in der Abwägung besonders Rechnung getragen werden. Die Belange und Erfor-
dernisse der Hauptstadtplanung werden zwischen Bund und Berlin in einem „Gemein-
samen Ausschuss“ erörtert. Kommt es in dem Ausschuss zu keiner Einigung, können
die Verfassungsorgane des Bundes ihre Erfordernisse „eigenständig feststellen“. Dies
hat allerdings keine verbindliche Wirkung für das Ergebnis der Abwägung – hier kön-
nen nur die Grundsätze des Abwägungsgebots gelten.
b) Bremen. Nach § 246 Abs. 2 ist Bremen ebenso wie Berlin und Hamburg ermächtigt,
anstelle der vom Baugesetzbuch vorgesehenen Rechtsform der Satzung eine andere
Form der Rechtsetzung für Bebauungspläne und die „kleinen Satzungen“ (Verände-
rungssperren, Abgrenzungssatzungen nach § 34, Erhaltungssatzungen nach § 172)
vorzuschreiben. Angesichts der Tatsache, dass das Land Bremen aus zwei Gemeinden
besteht, von denen die eine – nämlich Bremerhaven – eine ganz normale Kommunal-
verfassung besitzt, hat Bremen von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht.
Im Stadtstaat Bremen ergehen B-Pläne also wie in den Flächenstaaten als Satzungen.
Während in Berlin und Hamburg gemäß § 246 Abs. 1 BauGB die üblichen Genehmi-
gungen (z. B. des F-Plans und der nicht aus dem F-Plan entwickelten B-Pläne) oder
Zustimmungen (z. B. zu Baugenehmigungen während der Planaufstellung nach §§ 33,
36) kraft Regelung im BauGB automatisch entfallen, sieht das BauGB für Bremen nur
eine Ermächtigung dazu vor, durch landesrechtliche Bestimmungen von Genehmigun-
gen und Zustimmungen abzusehen. Der Senat von Bremen hat dazu ein entsprechen-
des Gesetz283 beschlossen. Danach entfallen auch für die Stadt Bremen die sonst übli-
chen Genehmigungen und Zustimmungen. Die Bremer Verordnung zur Durchführung
des Baugesetzbuchs vom 22.6.1993 (Brem. GBl. S. 234) ist kurz und regelt im Wesent-

283 Gesetz über den Wegfall von Genehmigungen, Anzeigen oder Zustimmungen nach dem Baugesetzbuch
vom 7.7.1987 (Brem. GBl. S. 215).

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

lichen nur Zuständigkeiten. Die Funktion der zuständigen höheren Verwaltungsbe-


hörde übernimmt danach der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr.
c) Hamburg. In Hamburg ist das Gesetz über die Feststellung von Bauleitplänen und
ihre Sicherung (Bauleitplanfeststellungsgesetz) im Jahr 1997 grundlegend novelliert
und im November 1999 erneut geändert worden.284 Bis 1997 wurden alle Bebauungs-
pläne auf der Ebene des Landes erlassen; sie wurden im Regelfall vom Senat als
Rechtsverordnung festgestellt, nachdem sie von der Senatsbaubehörde unter Mitwir-
kung der Bezirksämter und der Bezirksversammlungen erarbeitet worden waren.
Wenn ein Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl der örtlich zuständigen Bezirksver-
sammlung dem Planentwurf widersprochen hatte, musste der Plan von der Bürger-
schaft als Gesetz verabschiedet werden. Die Bürgerschaft konnte sich auch von vorn-
herein die Feststellung bestimmter Pläne als Gesetz vorbehalten.285 Mittlerweile ist
der Senat durch § 6 des Bauleitplanfeststellungsgesetzes ermächtigt, Befugnisse über
die Aufstellung und Auslegung von B-Plänen (nicht aber von F-Plänen), die Feststel-
lung (auch die Änderung, Ergänzung und Aufhebung) von B-Plänen durch Rechtsver-
ordnung sowie den Erlass von Veränderungssperren, Erhaltungsverordnungen sowie
von Innen- und Außenbereichssatzungen auf die Bezirksämter zu übertragen. Die Be-
schlüsse des Bezirksamts zur Feststellung von B-Plänen und zum Erlassen der anderen
Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung der Bezirksversammlung und der Ge-
nehmigung der zuständigen Senatsbehörde. Nur die Veränderungssperre muss nicht
von der Senatsbehörde genehmigt werden. Auch der Hamburger Senat kann, ähnlich
wie in Berlin, die Befugnis zur Feststellung von B-Plänen auf den Senat zurück übertra-
gen – das Gesetz spricht hier von Vorbehaltsgebieten. Dazu werden größere Stadtberei-
che durch Rechtsverordnung mit Zustimmung der Bürgerschafft benannt. Bebauungs-
pläne werden der Bürgerschaft vom Senat zur Feststellung vorgelegt, wenn die örtlich
zuständige Bezirksverwaltung nicht innerhalb von vier Monaten nach Vorlage des
Entwurfes zur Abstimmung über ihre Zustimmung beschlossen hat.286
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1985 im Rahmen einer Verfassungsbe-
schwerde entschieden, dass die in Hamburg recht häufig angewendete Gesetzesform
für Bebauungspläne prinzipiell unbedenklich ist.287 Allerdings hat es gleichzeitig geur-
teilt, dass mit Rücksicht auf den Gleichheitssatz auch alle Hamburger Bebauungspläne
im Verfahren der direkten Normenkontrolle nach § 47 VwGO angreifbar sein müss-
ten. Gemäß § 47 VwGO können eigentlich nur Satzungen und Rechtsverordnungen
unterhalb des förmlichen Landesgesetzes auf Antrag von Behörden und Bürgern, die
durch die Satzung oder Rechtsverordnung in ihren Rechten verletzt sein könnten,
gerichtlich überprüft werden. Das Bundesverfassungsgericht betrachtete es jedoch
nicht als sachgerechte Differenzierung, als Gesetz ergangene Hamburger Bebauungs-
pläne von dieser gerichtlichen Kontrollmöglichkeit auszuschließen. Im Hinblick auf
§ 47 VwGO sind die als Gesetz ergehenden Hamburger Bebauungspläne daher Satzun-
gen gleichzustellen.

284 Bauleitplanfeststellungsgesetz i. d. F. vom 30.11.1999 (HmbGVBl. 1999, S. 271) mit nachfolgenden


Änderungen.
285 Zu der Frage, ob in Hamburg als Gesetz ergangene B-Pläne vorherige Landschaftsschutzverordnungen
verdrängen, vgl. BVerwG, B. v. 24.10.1990 – 4 NB 29.90 –, ZfBR 1991, 32.
286 Vgl. hierzu im Einzelnen: Gesetz über die Feststellung von Bauleitplänen und ihre Sicherung (Bauleit-
planfeststellungsgesetz) in der Fassung vom 30. November 1999.
287 BVerfG, U. v. 14.5.1985 – 2 BvR 397/82 –, NJW 1985, 2315 = BVerfGE 70, 35.

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16. Änderungen und Neuerungen zum Verfahren der Bauleitplanung nach


Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom
11. Juni 2013
Die Änderungen in den Verfahrensvorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen
beziehen sich im Einzelnen auf folgende Punkte:
a) Programmatische Stärkung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (§ 1 Abs. 5
Satz 1). In § 1 Abs. 5 werden die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als Bestandteil
einer sozialgerechten Bodennutzung nunmehr ausdrücklich als Planungsleitsatz ge-
nannt (in Kraft seit 13.5.2017) und sind als Planungsgrundsatz der Bauleitplanung zu
berücksichtigen.288
b) Wohnbedürfnisse von Familien mit mehreren Kindern als Belang der Bauleitpla-
nung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2). Über die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung als neuem Pla-
nungsgrundsatz hinaus werden im Katalog der insbesondere bei der Bauleitplanung
zu berücksichtigenden Belange des § 1 Abs. 6 in der Nr. 2 nunmehr ausdrücklich die
Wohnbedürfnisse von Familien mit mehreren Kindern genannt (in Kraft seit
13.5.2017).
c) Namentliche Nennung eines neuen Schutzgutes „Fläche“ (§ 1 Abs. 6 Nr. 7
Buchst. a). In § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a wird neben dem Schutzgut Boden nunmehr
auch das Schutzgut Fläche namentlich genannt (in Kraft seit 13.5.2017).
Bereits in der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Thematische Strategie für
den Bodenschutz“ aus dem Jahr 2006 und dem Fahrplan für ein ressourcenschonendes
Europa wird die Bedeutung der nachhaltigen Bodennutzung hervorgehoben und be-
tont, dass gegen die nicht nachhaltige fortschreitende Ausweitung von Siedlungsflä-
chen (Flächenverbrauch) vorgegangen werden muss289.
Artikel 3 Abs. 1 Buchst. c der UVP-Richtlinie290 nennt nunmehr das Schutzgut „Flä-
che“ neben dem Schutzgut „Boden“, auch wenn das Thema „Flächeninanspruch-
nahme“ schon nach bisherigem Recht im Rahmen der UVP zu berücksichtigen war.
Nach den in der UVP-Richtlinie genannten Gründen zum Verständnis bezieht sich das
Schutzgut Fläche mehr auf den Flächenverbrauch an sich und das Schutzgut Boden
darüber hinaus auch auf physische Veränderungen, wie seine organische Substanz, die
Bodenerosion oder die Bodenverdichtung291. Wenn auch hier eine planungspolitische
Brücke zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung geschlagen werden soll292,
bleibt die planungspraktische Relevanz der Neuregelung wegen der offensichtlichen
Redundanz zwischen den Schutzgütern Boden und Fläche abzuwarten.
d) Erweiterung der Wechselwirkungen als eigenständiger Umweltbelang (§ 1 Abs. 6
Nr. 7 Buchst. i). Nach dem neu gefassten Buchst. i von § 1 Abs. 6 Nr. 7 sind nunmehr
auch die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete als Wechsel-
wirkung zu berücksichtigen (in Kraft seit 13.5.2017).
Die Prüfpflichten zu den Wechselwirkungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. i umfassten
bislang die Schutzgüter nach den Buchst. a, c und d und sparten die Erhaltungsziele

288 Vgl. Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt und zu weiteren Änderungen des
Baugesetzbuchs (BauGBÄndG 2017 – Mustererlass), beschlossen von der Fachkommission Städtebau
am 28. September 2017, 5.
289 Vgl. KOM (2006) 231 vom 22. September 2006.
290 ABl. EU L 124 vom 25. April 2014.
291 So auch die beispielhafte Aufzählung der Schutzgüter und der Art ihrer Betroffenheit im UVPG An-
lage 4 Ziff. 4 Buchst. b (BGBl. I S. 3370).
292 Vgl. BR-Drs. 806/16 vom 30.12.2016, 31.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

und den Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgeset-


zes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b aus. Die aktuelle UVP-Richtlinie bezieht den Prüf-
faktor „biologische Vielfalt“ nach Artikel 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie nunmehr
ausdrücklich auf die geschützten Arten und Lebensräume der Richtlinien 92/43/EWG
(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) und 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie), weshalb
der Gesetzgeber diese in die Betrachtung der Wechselwirkungen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7
Buchst. i einbezogen hat.

e) Berücksichtigung der Auswirkungen schwerer Unfälle oder Katastrophen im Bebau-


ungsplan (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. j). Nach dem neuen Buchst. j von § 1 Abs. 6 Nr. 7
sind nunmehr auch die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem
Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwar-
ten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i ein neuer Belang, der bei
der Bauleitplanung insbesondere zu berücksichtigen ist (in Kraft seit 13.5.2017).
Die Neuregelung muss im Zusammenhang mit weiteren Änderungen im Baugesetz-
buch gesehen werden, die dazu dienen, den Gefahren von Störfällen auch mit den
Instrumenten des Bauplanungsrecht sachgerechter begegnen zu können. Diese sind
gezielte Festsetzungen für bauliche und sonstige technische Maßnahmen an Gebäuden
nach dem neuen § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c (vgl. Kap. B.V.11.b), differenzierte Festset-
zungsmöglichkeiten zur Zulässigkeit von Vorhaben in Gebieten nach den §§ 30 und
34 nach dem neuen § 9 Abs. 2c (vgl. Kap. B.V.11.d) sowie der Ausschluss des verein-
fachten und beschleunigten Verfahrens (vgl. unten Buchst. p) sowie der Satzungsver-
fahren nach den §§ 34 und 35 (vgl. Kap. B.VIII.5 und 6), wenn Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass bei der Aufstellung der jeweiligen Pläne bzw. Satzungen das Abstands-
gebot des § 50 Satz 1 BImSchG zu beachten ist.
Der Gesetzgeber betont zurecht, er sei mit den Änderungen im Baugesetzbuch zur
Bauleitplanung und zur Zulässigkeit von Vorhaben über den durch Unionsrecht ver-
pflichtenden Umsetzungsbedarf der Seveso-III-Richtlinie293 hinaus gegangen. Diese
aktuelle Seveso-III-Richtlinie war bis zum 31.5.2015 in nationales Recht zu übertra-
gen, was die Bundesrepublik Deutschland mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtli-
nie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen
Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des
Rates – leicht verspätet – zum 7.12.2016 vollzogen hat294. Die verpflichtend im natio-
nalen Recht vorzunehmenden Änderungen betrafen vor allem das Immissionsschutz-
recht und das Recht über die Umweltverträglichkeitsprüfung; sie bestanden hauptsäch-
lich in der in Artikel 15 der Richtlinie vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung, und
zwar sowohl für den Fall der Ansiedlung oder wesentlichen Änderung von Störfallbe-
trieben selbst, als auch der Ansiedlung von schutzbedürftigen Nutzungen in der Nach-
barschaft zu einem Störfallbetrieb.
Die Berücksichtigungspflicht nach Buchst. j geht aber über die Anforderungen der
Seveso-III-Richtlinie hinaus und bezieht sich auf alle Auswirkungen auf die Belange
nach den Buchstaben a bis d und i, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebau-
ungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten
sind.

f) Erweiterung der Belange des Hochwasserschutzes um den Küstenschutz und die


Hochwasservorsorge (§ 1 Abs. 6 Nr. 12). In § 1 Abs. 6 Nr. 12 werden die Belange des
Hochwasserschutzes um den Küstenschutz und die Hochwasservorsorge, insbesondere
auch um die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, erweitert (in
Kraft seit 6.7.2017).

293 ABl. EU L 197 vom 24. Juli 2012.


294 BGBl. I S. 2747.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Nach der Regelung waren die Belange des Hochwasserschutzes schon bislang bei der
Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen, d. h. mit ihrer jeweils konkret nach
Planungsanlass, Planungsziel und örtlichen Gegebenheiten zu gewichtenden Bedeu-
tung in die Abwägung einzustellen295. Mit der Ergänzung von § 1 Abs. 6 Nr. 12 wird
klargestellt, dass von diesem Abwägungserfordernis auch die Vermeidung und Verrin-
gerung von Hochwasserschäden erfasst werden. Die Ergänzung steht im Zusammen-
hang mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes, das aufgrund des Art. 1 des
Hochwasserschutzgesetzes II vom 30. Juni 2017 (BGBl I S 2193) und mit Wirkung
vom 5. Januar 2018 geändert wurde. Von Relevanz sind in diesem Zusammenhang
vor allem der geänderte § 78 WHG sowie die neu eingeführten §§ 78a bis 78d WHG.
g) Flüchtlinge und Asylbegehrende und ihre Unterbringung als neuer Belang der Bau-
leitplanung (§ 1 Abs. 6 Nr. 13). In der neuen Nr. 13 von § 1 Abs. 6 werden die Belange
von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung namentlich genannt
(in Kraft seit 26.11.2014).
Nach den Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge war bereits im Sep-
tember 2014 von bis zu 200.000 nach Deutschland kommenden Flüchtlingen auszuge-
hen, deren Unterbringung vor allem angesichts angespannter Wohnungsmärkte in den
Ballungszentren ein Problem darstellte.
Mit der Aufnahme der Belange von Flüchtlingen und Asylbegehrenden und ihrer Un-
terbringung in den Katalog der insbesondere bei der Bauleitplanung zu berücksichti-
genden Belange will der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Belangen von Flüchtlingen,
Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und insbesondere deren Unterbringung bei der
Bauleitplanung verstärkt Rechnung getragen wird, z. B. bei der Feststellung des Planer-
fordernisses nach § 1 Abs. 3296. Hiermit im Zusammenhang stehen die weiteren Ände-
rungen zur Zulässigkeit von Vorhaben, die die erleichterte Zulassung von Flüchtlings-
unterkünften in Gewerbegebieten, die Erweiterung der Ausnahmetatbestände des § 34
Abs. 3a sowie der Begünstigungstatbestände des § 35 Abs. 4 zum Gegenstand haben
(vgl. hierzu Kap. VIII. 4–6).
h) Modifizierung der Auslegungsfrist von einem Monat (§ 3 Abs. 2). In § 3 Abs. 2
wird die Auslegungsfrist von einem Monat zunächst bei einem Fristbeginn im Monat
Februar auf die Dauer von mindestens 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen
Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist, bestimmt (in Kraft mit
Wirkung vom 13.5.2017 bis einschließlich 28.7.2017). In der Folge wird eine Min-
destfrist von 30 Tagen unabhängig vom Zeitpunkt des Fristbeginns bestimmt, die die
zwischenzeitliche Regelung wieder ersetzt (in Kraft seit 29.7.2017).
Die Neuregelung ist ebenfalls europarechtlich intendiert; Regelfall soll aber nach der
neuen Formulierung von § 3 Abs. 2, „für die Dauer eines Monats, mindestens aber
30 Tage“, die Monatsfrist bleiben. Bedeutung erlangt die Neuregelung also bei einem
Fristbeginn im Monat Februar oder am 30./31. Januar, denn gemäß § 188 Abs. 2 BGB
endet eine so genannte Ablauffrist nach § 187 Abs. 2 BGB – um eine solche Frist
handelt es sich bei der Monatsfrist der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 – mit
dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem
Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist
entspricht.
Hintergrund ist die Neufassung von Artikel 6 Abs. 7 der UVP-Richtlinie, der für den
Umweltbericht erstmals europaweit eine 30-Tage-Frist als Mindestbeteiligungszeit-
raum für die Öffentlichkeit fordert.

295 So auch BVerwG, U. v. 3.6.2014 – 4 CN 6/12 –, BauR 2014, 1739.


296 Vgl. BR-Drs. 419/14, 5.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

i) Streichung des Hinweises auf die Präklusionsregelung nach § 47 Abs. 2a VwGO a. F.


(§ 3 Abs. 2). In § 3 Abs. 2 wird außerdem der Hinweis auf die Präklusionsregelung
des § 47 Abs. 2a der Verwaltungsgerichtsordnung a. F. für Bebauungspläne gestrichen,
weil diese entfallen ist (in Kraft seit 2.6.2017).
Mit dem Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vor-
schriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017297 ist die so
genannte Präklusionsregelung des § 47 Abs. 2a VwGO (a. F.),298 nach der ein Antrag
auf Normenkontrolle zu einem Bebauungsplan unzulässig war, wenn mit ihm nur
Einwendungen geltend gemacht wurden, die vom Antragsteller im Rahmen der Ausle-
gung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht wer-
den können, fortgefallen, um vor allem den uneingeschränkten Zugang zu den Gerich-
ten in umweltrechtlichen Fragen zu gewährleisten. Dementsprechend wurde durch
Art. 6 des genannten Gesetzes im Baugesetzbuch der Verweis in § 3 Abs. 2 Satz 2
letzter Halbsatz auf diese Regelung gestrichen. Seit 2. Juni 2017 ist ein Normenkon-
trollantrag gegen einen Bebauungsplan also auch dann wieder zulässig, wenn sich der
Antragsteller eben nicht im Rahmen der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 geäu-
ßert hat. Dementsprechend ist die Heilungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c)
hierzu entfallen (s. Buchst. r)299.
Die Streichung der Präklusionsregelung wurde nach der Entscheidung des EuGH vom
15.10.2015 in der Rechtssache C-137/14 (Europäische Kommission/Bundesrepublik
Deutschland)300 erforderlich, die sich mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen
Verwaltungsprozessrechts im Zusammenhang mit Genehmigungsentscheidungen im
Regelungsbereich der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP-RL) und der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (IE-RL) auseinan-
der gesetzt hat. In dem Vertragsverletzungsverfahren rügte die Kommission mehrere
Verstöße gegen die Vorgaben dieser Richtlinien, zu denen auch die dazugehörigen
materiellen Präklusionsregelungen gehörten. Zwar sind die Präklusionsvorschriften
der § 47 Abs. 2a VwGO a. F. und § 3 Abs. 2 BauGB a. F. nicht explizit Gegenstand
dieser Entscheidung gewesen; sie sind den gerügten Vorschriften aber vergleichbar und
deshalb gestrichen worden.
j) Präklusionsregelung für Umwelt-Vereinigungen bei Rechtsbehelfen gegen Flächen-
nutzungspläne (§ 3 Abs. 3). Nach dem neuen § 3 Abs. 3 ist bei Flächennutzungsplänen
darauf hinzuweisen, dass eine Vereinigung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
UmwRG bei einem Rechtsbehelf nach § 7 Absatz 2 UmwRG gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1
UmwRG mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sie im Rahmen der Ausle-
gungsfrist nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen
können. Es handelt sich also um eine Präklusionsregelung für Umweltverbandsklagen
gegen Flächennutzungspläne (in Kraft seit 2.6.2017).
Die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs und die sachliche Zuständigkeit sind in § 7 Abs. 2
UmwRG geregelt. Umweltvereinigungen können nun direkt im Rahmen einer Nor-
menkontrollklage gegen Flächennutzungspläne und gegen Bebauungspläne vorgehen.
Während die im Jahr 2007 eingeführte, auf Bebauungspläne bezogene Präklusionsvor-
schrift wie ausgeführt gestrichen wurde, sollen Umweltvereinigungen im Sinne des
UmwRG gegen Flächennutzungspläne nur klagen können, wenn sie ihre Bedenken
bereits während der öffentlichen Auslegung vorgetragen haben. Anderenfalls sind sie
präkludiert. Dies gilt selbstverständlich nur, wenn in der ortsüblichen Bekanntma-

297 BGBl. I S. 1298 vom 1. Juni 2017, in Kraft getreten zum 2. Juni 2017.
298 Eingeführt mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der
Städte vom 21.12.2006 (BGBl. I S. 3063).
299 Was handwerklich allerdings erst mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) umgesetzt wurde.
300 Vgl. z. B. NVwZ 2015, 1665.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

chung auf diese Folgewirkung hingewiesen wurde – so die neue Vorschrift des § 3
Abs. 3. Die Passage in der Bekanntmachung liest sich dann streng nach Vorschrift wie
folgt: „Vereinigungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes
sind in einem Rechtsbehelfsverfahren nach § 7 Abs. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgeset-
zes gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit allen Einwendun-
gen ausgeschlossen, die sie im Rahmen der Auslegungsfrist nicht oder nicht rechtzeitig
geltend gemacht haben, aber hätte geltend machen können.“ Als Laie wird man mit
dem Hinweis, der vor Kettenverweisen nur so strotzt, nichts anfangen können. Die
angesprochenen Umweltvereinigungen werden sich hingegen angesprochen fühlen.
Eine Übersetzung des Passus‘ in eine allgemeinverständliche Sprache wäre mit der
Gefahr verbunden, ungenau zu werden und die Präklusionswirkung zu verlieren.

k) Modifizierung der Frist zur Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentli-
cher Belange (§ 4 Abs. 2). Analog zur Änderung in § 3 Abs. 2 (s. Buchst. h) wird die
Frist zur Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange in § 4
Abs. 2 von einem Monat zunächst bei einem Fristbeginn im Monat Februar auf die
Dauer von mindestens 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die
Dauer einer angemessenen längeren Frist, bestimmt (in Kraft mit Wirkung vom
13.5.2017 bis einschließlich 28.7.2017). In der Folge wird eine Mindestfrist von
30 Tagen unabhängig vom Zeitpunkt des Fristbeginns bestimmt, die die zwischenzeit-
liche Regelung wieder ersetzt (in Kraft seit 29.7.2017).
Nunmehr gilt unabhängig vom Beteiligungsmonat eine Mindestfrist von 30 Tagen.
Hält eine Behörde diese Frist nicht ein und äußert sich verspätet, greift die Vorschrift
des § 4a Abs. 6, nach der nicht rechtzeitig abgegebene Stellungnahmen bei der Be-
schlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können, sofern die Ge-
meinde deren Inhalt nicht kannte und nicht hätte kennen müssen und deren Inhalt für
die Rechtmäßigkeit des Bauleitplans nicht von Bedeutung ist.
Ist der Inhalt einer verspätet abgegebenen Stellungnahme für die Rechtmäßigkeit eines
Bebauungsplans aber von Bedeutung, darf sie also nicht unberücksichtigt bleiben, egal
wie stark verspätet sie abgegeben wurde.

l) Neue Anforderungen an die Nutzung des Internets (§ 4a Abs. 4). Nach dem neu
gefassten § 4a Abs. 4 sind der Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung und die auszu-
legenden Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 zusätzlich in das Internet einzustel-
len und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen (in Kraft
seit 13.5.2017).
Die bislang freiwillige Nutzung des Internets wird durch die Neufassung des § 4a
Abs. 4 Satz 1 nunmehr verbindlich geregelt. Nach dem Mustereinführungserlass ist
der Verpflichtung zur Einstellung in das Internet genügt, wenn die auszulegenden Un-
terlagen, etwa über das Internetportal der Gemeinde, für die Öffentlichkeit auffindbar
und abrufbar sind. Die Gemeinde sollte in geeigneter Weise dokumentieren, dass die
Unterlagen über das Internet auffindbar und abrufbar waren. Hierfür kommen auch
technische Möglichkeiten, z. B. Screenshots, in Betracht301. Ob der Ausdruck eines
einzigen Screenshots der Internetseite genügt, um ein ordnungsgemäßes Vorgehen
während eines mindestens 30 Tage währenden Zeitraums zu belegen, lässt sich an-
zweifeln. Auch wenn sich aus § 4a Abs. 4 nichts Genaueres ergibt, wird man unterstel-
len müssen, dass dem Gesetzgeber daran liegt, dass der Internetauftritt die gesamte
Zeit der öffentlichen Auslegung über andauert und die Bekanntmachung bereits eine
Woche vor dem Start des Beteiligungszeitraums erfolgte. Um Unsicherheiten vorzubeu-
gen, empfehlen sich daher mindestens zwei bis drei Screenshots, einer unmittelbar mit
dem Erscheinen der Bekanntmachung im Internet, ein weiterer mit der Bereitstellung

301 Vgl. BauGBÄndG 2017 – Mustererlass: a. a. O., 15.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

der Plandokumente zum Beginn der Auslegungsfrist und ein dritter nach Ende der
Auslegungsfrist – jeweils versehen mit einem durch den Computer automatisch gene-
rierten Datum – ggf. mit einer automatisch generierten Uhrzeit.
Für die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange unterbrei-
tet der Gesetzgeber den planenden Kommunen ebenfalls einen Vorschlag zur Optimie-
rung des Verwaltungsaufwands: Nach § 4a Abs. 4 Satz 2 können die Behördenstel-
lungnahmen eingeholt werden, indem diesen Ort und Dauer der öffentlichen
Auslegung nach § 3 Absatz 2 sowie Internetadresse mitgeteilt werden, unter der der
Inhalt der Bekanntmachung und die Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 im Internet
eingesehen werden können. Diese Mitteilung darf auch elektronisch übermittelt wer-
den. In diesen Fällen hat die Gemeinde der Behörde oder einem sonstigen Träger
öffentlicher Belange auf Verlangen den Entwurf des Bauleitplans und der Begründung
aber zusätzlich auch in Papierform zu übermitteln.

m) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen als neue Überwachungs-
gegenstände (§ 4c). Durch den neuen Satz 2 in § 4c wird bestimmt, dass auch die
Durchführung von Darstellungen oder Festsetzungen nach § 1a Absatz 3 Satz 2 und
von Maßnahmen nach § 1a Absatz 3 Satz 4 Gegenstand der Überwachung sein muss
(in Kraft seit 13.5.2017).
Das Monitoring – die Überwachung der Umweltauswirkungen – nach § 4c wird mit
dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur
Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 12. Mai 2017302 um die Über-
wachung von Ausgleichsfestsetzungen und -maßnahmen im Sinne des § 1a Absatz 3
Satz 2 und Satz 4 erweitert. Nach der erweiterten Anlage 1 (zu § 2 Abs. 4 und den
§§ 2a und 4c, s. Buchst. t unten) werden diese auch unter Ziffer 3 – Sonstige Angaben,
Buchst. b – als Bestandteil des Umweltberichts genannt.
Nach Artikel 8a Abs. 4 Satz 2 der UVP-Richtlinie müssen die Art der zu überwachen-
den Parameter und die Dauer der Überwachung aber der Art, dem Standort und dem
Umfang des Projekts sowie dem Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt ange-
messen sein. Ein unverhältnismäßiger und/oder unbefristeter Prüfaufwand kann hie-
raus also gerade nicht abgeleitet werden; vielmehr kommt es auf die Planungssituation
im Einzelfall an.

n) Zusammenfassende Erklärung (§§ 6a Abs. 1 und 10a Abs. 1). In § 6 Abs. 5 wird
der Hinweis auf die dem Flächennutzungsplan beizufügende zusammenfassende Erklä-
rung (Satz 2) gestrichen und stattdessen auf den neuen § 6a Abs. 1 verwiesen. Analog
hierzu wird für den Bebauungsplan § 10 Abs. 4 gestrichen und unverändert in den
neuen § 10a Abs. 1 überführt (in Kraft seit 13.5.2017).

o) Einstellen in das Internet/zentrales Landesportal (§§ 6a Abs. 2 und 10a Abs. 2).
Der neue § 6a Abs. 2 enthält die Bestimmung, dass der wirksame Flächennutzungsplan
mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung ergänzend auch in das
Internet eingestellt und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich ge-
macht werden soll. Gleiches gilt nach dem neuen § 10a Abs. 2 für den Bebauungsplan
(in Kraft seit 13.5.2017).
Hintergrund der Regelung ist § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglich-
keitsprüfung,303 nach dem die Länder zentrale Internetprotale einzurichten haben, um
den Inhalt der Bekanntmachung der auszulegenden Unterlagen zur Öffentlichkeitsbe-
teiligung nach dem UVPG (§ 19 Abs. 1 und 2 UVPG) zugänglich zu machen. In das
Internet einzustellen sind nach Abs. 2 der Vorschriften des § 6a bzw. des § 10a der

302 BGBl. I S. 1057.


303 BGBl. I S. 94.

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Bauleitplan selbst, die Begründung sowie die zusammenfassende Erklärung – es han-


delt sich anders als bei § 4a Abs. 4 um eine Soll-Vorschrift.
p) Auswirkungen von schweren Unfällen als neuer Ausschlussgrund für die Anwen-
dung des vereinfachten und beschleunigten Verfahrens (§§ 13 Abs. 1 Nr. 3 und 13a
Abs. 1 Satz 4). In der neuen Nr. 3 von § 13 Abs. 1 wird als neuer Ausschlussgrund für
die Anwendung des vereinfachten Verfahrens bestimmt, dass keine Anhaltspunkte da-
für bestehen dürfen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung
der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes zu beachten sind. Analog zur vorstehenden Änderung für das verein-
fachte Verfahren wird eine gleichlautende Regelung für das beschleunigte Verfahren
in § 13a Abs. 1 Satz 5 eingefügt (in Kraft seit 13.5.2017).
Das vereinfachte Verfahren zur Änderung und Ergänzung von Bauleitplänen und zur
Aufstellung von Bebauungsplänen ist neben dem beschleunigten Verfahren für Bebau-
ungspläne der Innenentwicklung und zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen
(§§ 13a und b, vgl. Kap.B.V.8 und 9) das einzige Verfahren für Bebauungspläne ohne
Umweltprüfung und Umweltbericht.
Dieses vereinfachte Verfahren durfte bislang nur angewendet werden, wenn der aufzu-
stellende Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben vorbe-
reitet oder begründet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1) und keine Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass durch die Verwirklichung des Plans Erhaltungsziele und Schutzzwecke von Na-
tura 2000-Gebieten (FFH- oder Vogelschutzgebiete) beeinträchtigt werden können
(§ 13 Abs. 1 Nr. 2).
Mit der BauGB-Novelle 2017304 neu hinzu gekommen ist der Ausschlussgrund, dass
ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür bestehen dürfen, dass bei der Planung Pflichten
zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50
Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 3).
q) Neugliederung und Ergänzung der Planerhaltungsvorschriften (§ 214 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a–g). Die Vorschriften über die Planerhaltung nach § 214 Abs. 1 Nr. 2 wurden
inhaltlich ergänzt und redaktionell in die Buchstaben a) bis g) gegliedert (in Kraft seit
13.5.2017).
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a. F. enthielt in seinem zweiten Halbsatz nach dem Semiko-
lon eine nicht weiter strukturierte und deshalb nicht gut lesbare Aufzählung von so
genannten internen Unbeachtlichkeitsklauseln, die den Kreis der im Kontext der Öf-
fentlichkeits- und Behördenbeteiligung aufgezählten beachtlichen Fehler in Halbsatz 1
beschränkten.
Mit der Neufassung der Vorschrift wird die Aufzählung dieser unbeachtlichen Fehler
nach Halbsatz 2 nunmehr übersichtlich in die nachstehend aufgeführten Buchst. a bis
g gegliedert und inhaltlich ergänzt. Bei Anwendung des § 214 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1
ist es danach nach Halbsatz 2 unbeachtlich, wenn
a) bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger
öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange je-
doch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b) einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar
sind, gefehlt haben,
c) (weggefallen, s. nachfolgenden Punkt r)
d) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer
einer angemessenen längeren Frist ausgelegt worden ist und die Begründung für
die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,

304 BGBl. I S. 1057 vom 12. Mai 2017, in Kraft getreten zum 13. Mai 2017.

172

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

e) bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1 der Inhalt der Bekanntmachung und die
auszulegenden Unterlagen zwar in das Internet eingestellt, aber nicht über das
zentrale Internetportal des Landes zugänglich sind,
f) bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Um-
weltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g) bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung
der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind.
Die Buchst. a und b der mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im
Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai
2017305 neu gegliederten Vorschrift werden redaktionell unverändert aus Halbsatz 2
des BauGB a. F. übernommen. Buchst. c wird später wieder gestrichen (s. Punkt r).
Buchst. d betrifft den Fall, dass trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes – etwa eines
besonders komplexen Planungsverfahrens – keine angemessene Verlängerung der Aus-
legungsfrist vorgesehen wird. Dies ist unbeachtlich, soweit die Begründung für die
Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist. Buchst. e
erklärt den nicht gegebenen Zugang über ein zentrales Landesportal bei Anwendung
des § 4a Abs. 4 Satz 1 (Inhalt der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung und
auszulegende Unterlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2) für unbeachtlich, wenn die
Angaben in das Internet eingestellt werden, z. B. über die Homepage der Gemeinde.
In den Buchst. f und g sowie in § 214 Abs. 2a werden teils redaktionelle, teils weitere
Anpassungen an die neue Rechtslage vorgenommen, die z. B. den neuen § 13b berück-
sichtigen.
Das Unterbleiben des Hinweises auf die neue Präklusionsregelung nach § 3 Abs. 3 bei
Flächennutzungsplänen ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans nach
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht beachtlich. Fehlt der Hinweis, hat das allerdings zur
Folge, dass die ansonsten präkludierte Umweltvereinigung auch dann in einem Rechts-
behelfsverfahren gegen einen Flächennutzungsplan vorgehen kann, wenn sie während
der öffentlichen Auslegung ihre Plankritik nicht zu Protokoll gegeben hat.
r) Streichung der Unbeachtlichkeitsvorschrift zum fehlenden Hinweis auf die Präklu-
sion nach § 47 Abs. 2a VwGO a. F. (§ 214 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c). § 214 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c, der die Unbeachtlichkeit des fehlenden Hinweises auf die Präklusion nach
§ 47 Abs. 2a der Verwaltungsgerichtsordnung a. F. in der Bekanntmachung zur öffent-
lichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 enthielt, wurde gestrichen (in Kraft seit 29.7.2017).
§ 214 Abs. 1 Nr. 2 wurde 2017 zweimal geändert. Buchst. c enthält noch in der seit
13. Mai 2017 gültigen Fassung den Hinweis auf die Unbeachtlichkeit des fehlenden
Hinweises nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 auf § 47 Abs. 2a der Verwaltungsge-
richtsordnung a. F. (Präklusionsregelung). Dieser Buchst. c wird mit dem Gesetz zur
Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017306
wieder aufgehoben, weil die Präklusionsregelung durch Gesetz zuvor307 auch in der
Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben und der Hinweis hierzu in § 3 Abs. 2 Satz 2
Halbsatz 2 des Baugesetzbuchs ebenfalls gestrichen wurde (s. auch Punkt i).
Aktuell ist noch unklar, ob § 215 BauGB (Ein-Jahresfrist für die Geltendmachung
der Verletzung von Vorschriften) erhalten werden kann und mit europäischem Recht
vereinbar ist. Das BVerwG hat hierzu ein Revisionsverfahren ausgesetzt und bei der

305 Ebd.
306 BGBl. I S. 2808, in Kraft seit dem 29. Juli 2017.
307 Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und
völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298).

173

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Frage, ob Art. 11 der UVP-RL 2011/92/EU308 der Anwendung des § 215 BauGB ent-
gegensteht und ob damit eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Beschränkung
der Kontrolle von städtebaulichen Satzungen begründet ist, um Vorabentscheidung
des EuGHs gebeten309.
s) Ergänzung von Überleitungsvorschriften für die Durchführung von Verfahren nach
dem BauGB (§ 245c Abs. 1). In § 245c Abs. 1 werden aus Anlass des Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen
Zusammenlebens in der Stadt Überleitungsvorschriften für Verfahren nach dem
BauGB ergänzt (in Kraft seit 13.5.2017); der Wortlaut des Gesetzes in § 245 Abs. 1
wird mit dem UVP-Modernisierungsgesetz nochmals angepasst (in Kraft seit
29.7.2017).
Abweichend von der Grundregel für die Durchführung von Verfahren nach dem Bauge-
setzbuch des § 233 Abs. 1 Satz 1, nach der Verfahren, die vor dem Inkrafttreten einer
Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, auch nach den bisher geltenden
Rechtsvorschriften abgeschlossen werden dürfen, bestimmt § 245c Abs. 1 hierzu abwei-
chend, dass dies nur dann gilt, wenn erstens das Bauleitplanverfahren durch einen Auf-
stellungsbeschluss vor dem 13. Mai 2017 förmlich eingeleitet und zweitens die frühzei-
tige Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4
Abs. 1 Satz 1 vor dem 16. Mai 2017 gestartet wurde. Der 16. Mai 2017 entspricht dem
Fristende für die Übersetzung der neuen UVP-Richtlinie in nationales Recht und bedeutet
auch, dass die Festlegung des erforderlichen Umfangs und Detaillierungsgrades der Um-
weltprüfung wenigstens eingeleitet worden sein muss. Über die Möglichkeit, das Verfah-
ren nach altem Regelwerk durchzuführen, muss gar nicht erst nachgedacht werden, wenn
die Gemeinde auf den Aufstellungsbeschluss verzichtet hatte (was durchaus häufig vor-
kommt). Fand keine frühzeitige Beteiligung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 statt, ist der Zeitpunkt
der sich Behörden bietenden Gelegenheit zur Stellungnahme im Sinne des § 13 Abs. 2
Nr. 3 Alt. 1 maßgeblich. Durch eine Anpassung des Gesetzeswortlauts im Rahmen des
UVP-Modernisierungsgesetzes310 ist dies klargestellt worden.
t) Erweiterung und inhaltliche Ausdifferenzierung der Anlage 1. Die Anlage 1, die die
Anforderungen an den Umweltbericht enthält, wird um zusätzliche Bestandteile erwei-
tert und differenziert die bestehenden Bestandteile detaillierter aus (in Kraft seit
13.5.2017).
Mit dem EAG Bau von 2004311 ist die Umweltprüfung für nahezu alle Bauleitpläne
endgültig zu einem eigenen Bestandteil des Bauleitplanverfahrens ausgebaut worden.
Die inhaltlichen Anforderungen sind seit dem – von einer redaktionellen Anpassung
zum 1.01.2007312 abgesehen – unverändert geblieben. Mit dem BauGBÄndG vom
4. Mai 2017 werden erstmals umfangreiche inhaltliche Differenzierungen vorgenom-
men, die der Anpassung an die Richtlinie 2014/52/EU dienen.
Diese Anpassungen betreffen vor allem die Beschreibung und Bewertung der Umwelt-
auswirkungen nach Ziffer 2, die sich in eine Bestandsaufnahme zum Umweltzustand
– die jetzt „Basisszenario“ heißt – und eine Prognose über die Entwicklung des Um-
weltzustands bei Durchführung der Planung gliedern. Insbesondere die Anforderungen
an diese Prognose werden im Vergleich zur bisherigen Anlage 1 nicht nur deutlich
differenzierter, sondern stellen darüber hinaus höhere Anforderungen an Querprüfun-

308 Richtline 2011/92/EU des europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. der Europäi-
schen Union, L 26).
309 vgl. BVerwG, B. v. 14.3.2017 – 4 CN 3.16 –, ZfBR 2017, 468 (OVG Lüneburg).
310 BGBl. I S. 2808, in Kraft seit dem 29. Juli 2017.
311 BGBl. I S. 1359.
312 BGBl. I S. 3316.

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

gen, wenn in Ziffer 2 Halbsatz 3 von „direkten und [den] etwaigen indirekten, sekun-
dären, kumulativen, grenzüberschreitenden, kurzfristigen, mittelfristigen und langfris-
tigen, ständigen und vorübergehenden sowie positiven und negativen Auswirkungen
der geplanten Vorhaben“ die Rede ist, auf die sich die Beschreibung beziehen soll.
Das sind hohe Anforderungen an die Konkretisierung der Auswirkungen von geplan-
ten Vorhaben, die – selbstverständlich – nur dann in dieser detaillierten Form erfüllt
werden können, wenn die eigene Planung entsprechend konkret, also möglichst vorha-
benbezogen ist. „Die gute Nachricht“ ist in diesem Zusammenhang nach wie vor die
einschränkende Formulierung des § 2 Abs. 4 Satz 3, wonach sich der Umweltbericht
als Ergebnis der Umweltprüfung nur auf das beziehen muss, „was nach gegenwärtigem
Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detail-
lierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann.“ Dieser Um-
stand wird auch vom Gesetzgeber selbst betont313. Nach § 2 Abs. 4 Satz 3 legt die
Gemeinde für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die
Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Will sich eine Gemeinde in
einem Bauleitplanverfahren gegenüber überzogen erscheinenden Prüfkriterien aus der
ergänzten Anlage 1 wehren, bedarf es dieser Festlegung, woraus sich ergeben muss,
dass im vorliegenden Fall auf spezielle Untersuchungen verzichtet werden konnte. Un-
terbleibt diese Festlegung hingegen, könnten sich Einwender ggf. darauf berufen, dass
der Umweltbericht in wesentlichen Teilen unvollständig ist. Damit ergäbe sich ein
beachtlicher Fehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 3.
u) Redaktionelle Anpassung der Anlage 2. Die Anlage 2 wird in Punkt 1.1 redaktionell
an das neue Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung angepasst (in Kraft seit
29.7.2017).
Die Anpassung der Anlage 2 beschränkt sich auf eine redaktionelle Änderung, die auf
Grund der Neugliederung des UVPG durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts
der Umweltverträglichkeitsprüfung314 erforderlich geworden ist. Der vormals in § 14b
Abs. 3 UVPG verankerte Verweis zum Ausmaß, in dem der Bebauungsplan einen Rah-
men im Sinne des UVPG setzt, befindet sich nunmehr in § 35 Abs. 3 UVPG. Hierauf
nimmt Ziffer 1.1 der Anlage 2 jetzt Bezug.
Last but not least: Das neu zugeschnittene und entsprechend umbenannte vormalige
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung heißt in der Verordnungs-
ermächtigung des § 9a nun namentlich Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (in Kraft seit 8.9.2015).
Literatur zum Kapitel III: Das Verfahren der Bauleitplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Ingold, Albert, Auswirkungen von Planungsdefiziten höherstufiger Planungsebenen auf
nachgeordnete Pläne, in: NVwZ 2010, 1399–1402; Köck, Wolfgang, Rücknahme von Baurecht,
in: LKV 2010, 404–407; Schröer, Thomas, Mehr Öffentlichkeit in der Bauleitplanung, in:
NZBau 2010, 36–37; Spannowsky, Willy, Die Zulässigkeit abwägungsdirigierender Verträge, in:
ZfBR 2010, 429–439; Uechtritz, Michael, Die Bedeutung informeller Planungen für die Bauleit-
planung und für Genehmigungsentscheidungen, in: ZfBR 2010, 646–653; 2011: Melissas, Dimi-
tris K., Die Umsetzung der Strategischen Umweltprüfung für Flächennutzungspläne in Griechen-
land – Zugleich ein Beitrag zur europäischen Verwaltungsrechtsvergleichung, in: ZfBR 2011,
120–126; Weyrauch, Bernhard, Die Tücken der Alternativenprüfung in der Bauleitplanung, in:
BauR 2011, 446–456; 2012: Anger, Christoph, Klimaschutz und Naturschutz im Konflikt –
naturschutzrechtliche Probleme bei der Verwirklichung von EEG-Anlagen, in: ZfBR 2012, 90–
94; Durinke, Peter, Zulässigkeit und Grenzen von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in der

313 Vgl. BR-Drs. 806/16 vom 30.12.2016, 45.


314 BGBl. I S. 2808.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bauleitplanung, in: ZfBR 2012, 531–537; Hertel, Wolfram/Munding, Christoph-David, „Frühe


Öffentlichkeitsbeteiligung“ bei der Planung von Großvorhaben, in: NJW 2012, 2622–2625;
Kraus, Stefan, Anwendung der Seveso-II-Richtline im Bauplanungsrecht, in: ZfBR 2012, 324–
331; Steeger, Frank, Rechtswirkungen einer Aufhebungsvereinbarung, in: NZBau 2012, 211–
212; Ziekow, Jan, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten
in der parlamentarischen Demokratie, in: NJW 2012, 91–94; 2013: Wolf, Nicole, Drittschutz
im Bauplanungsrecht, in: NVwZ 2013, 247–251; 2013: Otto, Christian-W.: Innenentwicklung
und Klimaschutz – Besteht ein Vorrang?, in: ZfBR 2013, 434–437; Schmidt-Eichstaedt, Gerd,
Aktuelle Probleme im Aufstellungsverfahren für Bauleitpläne, in: BauR 2013, 1381–1392; 2014:
Shirvani, Foroud, Rückenwind für kommunale Bürgerwindparks? Kommunal- und baupla-
nungsrechtliche Fragen, in: NVwZ 2014, 1185–1190; 2015: Stüer, Bernhard, Bauleitplanung,
in: BauR 2015, 595–610; Weck, Thomas, Die Bauleitplanung bei großflächigen Einzelhandelsbe-
trieben: Planung im Marktzusammenhang, in: BauR 2015, 1261–1267; 2016: Gstach, Doris/
Berding, Ulrich, Doppelte Innenentwicklung – zur Wiederentdeckung eines alten Prinzips unter
erschwerten Bedingungen, in: IzR 2016, 661–673; Hagebölling, Clemens, Wesentliche Grenzen
klimagerechter Bauleitplanung, in: BauR 2016, 452–458; Hagebölling, Clemens, Wesentliche
Grenzen klimagerechter Bauleitplanung, in: BauR 2016, 452–458; 2017: Mayer, Christoph, Bau-
planungsrechtliche Fragestellungen der Konversion ehemals militärisch genutzter Flächen – Ak-
tuelle Rechtsentwicklungen aufgrund der Entscheidung des BVerwG 4 CN 2.16, in: ZfBR 2017,
229–233; Kümper, Boas, Die kommunale Bauleitplanung als Mittlerin zwischen überörtlicher
Raumordnung und Vorhabenzulassung, in: DÖV 2017, S. 1030–1039; 2018: Stüer, Bernhard,
Bauleitplanung, Rechtsprechung des BVerwG 2015–2017, DVBl 2018, 221– 231; Kerkmann,
Jochen, Einzelprobleme mit der Bekanntmachung von Bauleitplanentwürfen nach § 3 Abs. 2
BauGB, in BauR 2018, 1070–1079.
2. Pflicht zur Aufstellung von Bauleitplänen:
2012: Lau, Marcus, Substanzieller Raum für Windenergienutzung – Abgrenzung zwischen Ver-
hinderungsplanung und zulässiger Kontingentierung, in: LKV 2012, 163–166; 2015: Raschke,
Marcel, Zurückstellungen nach § 15 Abs. 3 BauGB im Genehmigungsverfahren für Windenergie-
anlagen, in: ZfBR 2015, 119–123.
3. Die Gemeindevertretung im Bauleitplanverfahren; Einschaltung Dritter; Mediation:
2010: Lögering, Martin P., Die Eignung schiedsgerichtlicher Verfahren zur Lösung baurechtli-
cher Konflikte, in: ZfBR 2010, 14–17; 2011: Guckelberger, Annette, Einheitliches Mediationsge-
setz auch für verwaltungsrechtliche Konflikte?, in: NVwZ 2011, 390; 2012: Risse, Jörg, Das
Mediationsgesetz – eine Kommentierung, in SchiedsVZ 2012, 244; Mehler, Thomas, Verknüp-
fung des Ergebnisses einer Mediation mit der fachplanerischen Abwägung, in: NVwZ 2012,
1288; Ortloff, Karsten-Michael, Vom Gerichtsmediator zum Güterichter im Verwaltungsprozess,
in: NVwZ 2012, 1057; von Bargen, Jan Malte, Mediation im Verwaltungsverfahren nach In-
krafttreten des Mediationsförderungsgesetzes, in: ZUR 2012, 468–474; 2016: Scheidler, Alfred,
Beschränkung gemeindlicher Beteiligungsrechte bei Zulassung von Flüchtlingsunterkünften nach
§ 246 Abs. 14 BauGB, ZfBR 2016, 756–760.
4. Beteiligung der Öffentlichkeit mittels frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung/öffentlicher Aus-
legung:
2012: Dusch, Christian, Bekanntmachung der Auslegung von Bebauungsplanentwürfen, in:
NVwZ 2012, 1580 ff.; Stender-Vorwachs, Jutta, Neue Formen der Bürgerbeteiligung?, in:
NVwZ 2012, 1061–1066; Strunz, Anton; Wallraven-Lindl, Marie-Luise, Die förmliche Öffent-
lichkeitsbeteiligung in der Bauleitplanung, in: BauR 2012, 1589 ff.
5. Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange sowie der Nachbarge-
meinden:
2010: Hoffmann, Martin, Der Schutz von Nachbargemeinden durch das interkommunale Ab-
stimmungsgebot bei Einzelgenehmigungen für Vorhaben gem. § 11 Absatz III BauNVO, in:
NVwZ 2010, 738–743; 2012: Uechtritz, Michael, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? in:
AnwBl 2012, 697–703; 2014: Jäde, Henning, Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung im bauaufsichtli-
chen Genehmigungsverfahren?, in: ZfBR 2014, 217–219; Schwab, Joachim, Frühe Öffentlich-
keitsbeteiligung und behördliche Genehmigungsverfahren, in: UPR 2014, 281–290; Uechtritz,
Michael, Anforderungen an die Bekanntmachung bei der erneuten Auslage eines Bebauungsplan-
entwurfs nach § 4 a III BauGB, in: NVwZ 2014, 1355–1357; Otto, Christian-W., Probleme der
Bekannt- und Kenntlichmachung im Bauleitplanverfahren, in: ZfBR Jahr 2014, 733–737; 2015:
Rietzler, Andreas, Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben im

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Das Verfahren der Bauleitplanung III.

Lichte der Espoo-Konvention, in: NVwZ 2015, 483–489; Dusch, Christian, Neues zur Bekannt-
machung von Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Bauleitplanung, in:
BauR 2015, 433–442; 2016: Decker, Andreas, Die erneute Offenlegung nach § 4a Abs. 3 BauGB
– Stolperstein für viele Gemeinden, in: ZfBR 2016, 440–451; Durinke, Corinna/Durinke, Peter,
Rechtlicher Rahmen und Grenzen von informellen Beteiligungsprozessen, in: KommJur 2016,
241–253; 2018: Decker, Andreas, Die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Bauleitplanverfah-
ren über das Internet nach dem neuen § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB, in: ZfBR 2018 325–328; Stüer,
Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben – gemeindliches Ein-
vernehmen Rechtsprechung des BVerwG 2015–2017, in: DVBl 2018, 294–302.
6. Anpassung an die Ziele der Raumordnung:
2011: Langguth, Niklas, Die Grenzen der Raumordnungsplanung – Zur Abgrenzung der Gesetz-
gebungskompetenzen für Raumordnung und Bauleitplanung –, in: ZfBR 2011, 436–441; 2013:
Schrödter,Wolfgang, Auswirkungen von windkraftbezogenen Zielen der Raumordnung auf Bau-
leitpläne unter besonderer Berücksichtigung von Haftungs- und Entschädigungsfragen, in: ZfBR
2013, 535–546; 2015: Spannowsky, Willy, Umfang und Grenzen des Anpassungsgebots nach
§ 1 Abs. 4 BauGB, in: ZfBR 2015, 445–454; 2017: Kümper, Boas, „Verwerfung“ und „Überwin-
dung“ von Raumordnungszielen durch die Träger der Fachplanung und der Bauleitplanung?, in:
DVBl 2017, 1216–1223.
7. Das Abwägungsgebot:
2010: Özdemir, Fatos, Die Behandlung von Mängeln der Abwägung bei der Aufstellung von
Bauleitplänen im Planerhaltungssystem des EAG Bau, in: DVBl 2010, 1360–1361; 2012: Scheid-
ler, Alfred, Pläne des Umweltschutzes und Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Abwä-
gungsbelange in der Bauleitplanung, in: UPR 2012, 241–247; Scheidler, Alfred, Pläne des Immis-
sionsschutzrechts als Abwägungsbelang für die Bauleitplanung, in: BauR 2012, 439–445; 2017:
Beckmann, Martin, Abwägung als Verfahren – Abwägung als materielles Recht, in: BauR 2017,
1417–1428.
8. Die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung:
2010: Scheidler, Alfred, Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Bau-
recht, in: ZfBR 2011, 228–232; 2013: Schink, Alexander, Innenentwicklung und Eingriffsaus-
gleich, in: BauR 2013, 861–874; 2016: Schink, Alexander, Die naturschutzrechtliche Eingriffsre-
gelung in der Bauleitplanung – Arten von Kompensationsmaßnahmen und ihre Sicherung in:
NuR 2016, 441–450; 2018: Ivo Appel, Alexander Stark, Naturschutzrechtliche Ausgleichs-
pflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in Natur und Landschaft, in: NuR 2018, 34–44; Schink,
Alexander, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Vorhabenzulassung und der Bau-
leitplanung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: NuR 2018, 585–594; 2018: Appel, Ivo,
Stark, Alexander, Naturschutzrechtliche Ausgleichspflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in
Natur und Landschaft, in: NuR 2018, 34–44.
9. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie; Verträglichkeitsprüfung:
2012: Scheidler, Alfred, Windräder in Natura 2000-Gebieten?, in: DVBl 2012, 216–221; 2014:
Hösch, Ulrich, Summation und FFH-Verträglichkeitsprüfung, in: UPR 2014, 290–296; 2016:
Beier, Arno, FFH-Verträglichkeitsprüfung „reloaded“, in: NVwZ 2016, 575–580; Frenz, Walter,
Unsicherheiten in der FFH-Verträglichkeitsprüfung, in: NuR 2016, 30–37; 2017: Beier, Arno,
Artenschutz in der Bauleitplanung, in UPR 2017, 207–211; 2018: Korbmacher, Andreas, Neuere
Entwicklungen im Habitatschutzrecht, in: UPR 2018, 1–8.
10. Umwelt-(verträglichkeits-)prüfung im Bauplanungsrecht (einschließlich Monitoring):
2014: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Nochmals zu § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB: Was sind Arten von
umweltbezogenen Informationen? Wie ist ihr Vorliegen bekannt zu machen? in: BauR 2014, 48–
54; Böhm, Monika, Die gerichtliche Kontrolle von UVP-Fehlern, in: UPR 2014, 201–205; 2015:
Dusch, Christian, Neues zur Bekanntmachung von Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB in der Bauleitplanung, in BauR 2015, 433–442; Balla, Stefan/Peters, Heinz-Joachim, Die
novellierte UVP-Richtlinie und ihre Umsetzung, in: NuR 2015, 297–305; 2017: Rieger, Alexan-
der Stefan/Groß, Johannes, Wegfall der Präklusion in UVP-Verfahren, in: NZBau 2017, 195–
200; Balla, Stefan, Die UVP-Vorprüfung – im Einzelfall schwierig, in: NuR 2017, 239–248;
2018: Faßbender, Kurt, Die Strategische Umweltprüfung: Anspruch und Wirklichkeit, in: ZUR
2018, 323–330; Pauli, Felix, Die UVP-Vorprüfung und deren Heilung, in: UPR 2018, 8–17;
Schink, Alexander, Entwicklungen und Stand der UVP, in: NuR 2018, 21–29; Weyrauch, Bern-
hard, Der Umweltbericht nach novellierter Anlage 1 zum BauGB in: UPR 2018, 81–90.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

11. Landschaftsplanung und Bauleitplanung:


Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
12. Genehmigungs- und Anzeigeverfahren; Staatsaufsicht:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
13. Planerhaltung, Aufhebung, Funktionslosigkeit, Planverwerfung (siehe dazu auch die Litera-
tur zu Kapitel B.XVII.):
2015: Wenger, Frank, Probleme bei der Durchführung ergänzender Bebauungsplanverfahren
während anhängiger Normenkontrollverfahren, in: LSK 2015, 260150; 2018: Jobs, Thorsten,
Aktuelle Rechtsprechung zum ergänzenden Verfahren zur Behebung von Fehlern in Bebauungs-
plänen, in: LKV 2018, 481; Mohrenstein, André/Zemke, Reinhold, Zur Anwendung und Bedeu-
tung der Planerhaltungsvorschriften und des ergänzenden Verfahrens seit dem EAG Bau 2004 –
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Nordrhein-Westfalen, in: ZfBR 2018, 128.
14. Bauleitplanung in den Stadtstaaten: (siehe dazu auch die Literatur zu Kapitel A.IV.)
2011: Durinke, Corinna, Einheit der Abwägung und bezirkliche Selbstverwaltung in Berlin bei
der Aufstellung von Bebauungsplänen, in: LKV 2011, 385–394.

IV. Der Flächennutzungsplan


Der Flächennutzungsplan (F-Plan) soll die vorhandene (soweit sie beibehalten werden
soll) und die beabsichtigte Bodennutzung für das gesamte Gemeindegebiet in den
Grundzügen darstellen. Er ist Grundlage und Rahmen für die Bebauungspläne. Er ist
als sog. „vorbereitender Bauleitplan“ Grundlage und Rahmen für die Bebauungs-
pläne, die auch verbindliche Bauleitpläne genannt werden (vgl. § 1 Abs. 2). Weil der
Flächennutzungsplan für das ganze Gemeindegebiet aufgestellt werden muss, werden
als Kartengrundlage in der Regel Karten mit dem Maßstab von 1:10.000 benutzt.
Recht häufig findet man aber auch Flächennutzungspläne im Maßstab 1:5.000, zuwei-
len auch die Maßstäbe 1:15.000, 1:20.000 oder gar 1:25.000. Zu jedem F-Plan muss
eine Begründung (bis zum EAG Bau „Erläuterungsbericht“ genannt) verfasst werden,
welche die Motive und Zusammenhänge erkennen und das Ergebnis der Abwägung
verständlich werden lässt. Seit 2004 muss diese Begründung auch einen Umweltbericht
enthalten (Näheres dazu siehe Kapitel B.III.). Am Ende des Verfahrens ist zudem eine
zusammenfassende Erklärung über die Art und Weise beizufügen, wie die Umweltbe-
lange und die Ergebnisse der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in dem Flä-
chennutzungsplan berücksichtigt wurden; in dieser Erklärung ist zusammenfassend (!)
auch darauf einzugehen, aus welchen Gründen die im Plan enthaltenen Lösungen nach
Abwägung mit den geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten gewählt wurden.
Die zusammenfassende Erklärung ist in der Regel ein eigenständiges Werk, das in der
Verfahrensakte zum Flächennutzungsplan abgelegt wird – seltener wird die Erklärung
zum Bestandteil der Begründung gemacht. Nicht mit der Begründung verwechselt wer-
den darf ein möglicher Textteil des F-Plans, der neben dem Kartenteil gilt und nicht
nur dessen Legende, sondern auch eigenständige Darstellungen enthalten kann. Alles,
was sich nicht durch Zeichen und Symbole in einer Karte, sondern nur oder besser
durch Text darstellen lässt (z. B. bestimmte Entwicklungsabsichten), gehört in diesen
Textteil. Bevor sich der Plangeber jedoch mit verbal nur schwer auszudrückenden
textlichen Darstellungen behilft, sollte er wissen, dass ihm ein „Planzeichenerfindungs-
recht“ zusteht – er ist demnach nicht abschließend an die Auswahl in der Planzeichen-
verordnung gebunden.
In der Praxis ist es nicht unüblich, dass die kartierten Darstellungen des Flächennut-
zungsplans nicht auf einer Karte konzentriert werden. So werden z. B. die Hauptver-
sorgungs- und Hauptabwasserleitungen in einer Beikarte dargestellt, wenn sie das
Hauptwerk unübersichtlich machen würden. Gerade die in der Regel unterirdisch ver-
legten Leitungen brauchen aus der Hauptkarte nicht ersichtlich zu sein. Spätestens seit
Einführung der Möglichkeit, sich über notwendige Flächen für den naturschutzrechtli-

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Der Flächennutzungsplan IV.

chen Ausgleich auch interkommunal zu verständigen, kann der Flächennutzungsplan


auch durch interkommunale Vertragswerke ergänzt werden.
1. Die Dauer des Aufstellungsverfahrens, Zuständigkeiten
Die meisten der 8.393 Gemeinden in den alten Ländern der Bundesrepublik Deutsch-
land (Stand: 30.9.2017) haben inzwischen einen Flächennutzungsplan nach den Re-
geln des Baugesetzbuchs aufgestellt. Für die ca. 2.700 Gemeinden in den neuen Län-
dern (Stand: 30.9.2017), deren Zahl durch Zusammenlegungen und länderweise
unterschiedliche Gebietsreformen immer noch im Abnehmen begriffen ist, gilt dies im
Jahr 2017 ebenfalls; von der nach Maßgabe der Überleitungsregelung des am 1.1.1998
außer Kraft getretenen § 246a Abs. 6 i. V. m. § 64 Abs. 1 BauZVO gegebenen Mög-
lichkeit, vorhandene Generalbebauungspläne, städtebauliche Leitpläne oder Ortsge-
staltungskonzeptionen als Flächennutzungspläne nach dem BauGB nicht nur vorüber-
gehend weiter gelten zu lassen, sondern als vollgültige F-Pläne zu übernehmen, wurde
nur selten Gebrauch gemacht.
Vor dem Bundesbaugesetz von 1960 gab es sog. Wirtschaftspläne, die für eine Über-
gangszeit noch weitergegolten haben. Wegen der Größe des Plangebiets und der Viel-
zahl der zu bewältigenden Konflikte dauert die Aufstellung eines Flächennutzungs-
plans relativ lange. Im Durchschnitt müssen dafür drei bis fünf Jahre angesetzt werden,
in Einzelfällen hat der Prozess sogar bis zu zwölf Jahre gedauert. Die 2004 mit dem
EAG Bau eingeführte Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3, nach der ein Flächennutzungsplan
spätestens 15 Jahre nach seiner erstmaligen oder erneuten Aufstellung zu überprüfen
war, wurde bereits mit der BauGB-Novelle 2006 (in Kraft getreten am 1.1.2007) wie-
der aus dem Gesetz gestrichen. Die erneute Änderung trug dem Umstand Rechnung,
dass eine sachgerecht planende Gemeinde regelmäßig überprüfen wird, ob ihr F-Plan
ihren entwicklungsplanerischen Zielvorstellungen noch entspricht und bei Bedarf An-
passungen vornehmen.
Manche Gemeinden, insbesondere solche, deren Gebietsstand durch eine Gemeindege-
bietsreform verändert wurde, haben noch keinen geltenden F-Plan für ihr ganzes Ge-
biet, sondern nur die Bruchstücke aus jenen Teilgemeinden, die schon vor der Gebiets-
reform einen F-Plan verabschiedet hatten. Gemäß § 204 Abs. 2 gelten solche F-Pläne
von ehemals selbständigen Gemeinden auch nach Eingemeindungen oder Gebietsände-
rungen so lange weiter, bis ein neuer F-Plan für das gesamte Gemeindegebiet erarbeitet
ist. Bis zu einer Neuaufstellung dürfen die fortgeltenden Pläne auch noch in sich geän-
dert oder ergänzt werden.
In einigen Bundesländern ist die Zuständigkeit der Flächennutzungsplanung für kleine,
ländliche Gemeinden durch Landesrecht an einen übergeordneten Gemeindeverband
übertragen worden. Dies gilt für die „Verwaltungsgemeinschaften“ in Baden-Würt-
temberg und Sachsen (aber nicht in Bayern!), für die „Verbandsgemeinden“ in Rhein-
land-Pfalz, für die „Samtgemeinden“ in Niedersachsen. Die „Ämter“ in Schleswig-
Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind nur dann für die F-Pla-
nung ihrer Gemeinden zuständig, wenn diese die Aufgabe der vorbereitenden Bauleit-
planung freiwillig an das Amt abgegeben haben. Ein Versuch des brandenburgischen
Gesetzgebers, anlässlich der 2003 abgeschlossenen Gemeindegebietsreform den Äm-
tern die Aufgabe der Flächennutzungsplanung kraft Gesetzes zu übertragen, scheiterte
am brandenburgischen Landesverfassungsgericht. Dieses sah darin einen unzulässigen,
weil unverhältnismäßigen Eingriff in die kommunale Planungshoheit. In Thüringen
geht die Aufgabe der F-Planung nur dann kraft Gesetzes an die dortigen Verwaltungs-
gemeinschaften über, wenn die betroffenen Gemeinden nicht widersprochen haben.
Die Zuständigkeit eines übergeordneten Verbands oberhalb der Gemeinde für die Flä-
chennutzungsplanung findet sich nicht nur bei kleinen ländlichen Gemeinden, deren
Planungskapazität nicht ausreicht, sondern auch im Fall von Kernstädten, die mit
dem Umland eng verflochten sind. Für solche Ballungsräume gibt es entweder „Stadt-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Umland-Verbände“ oder auch spezielle Regionalverbände, die für die notwendige Ko-
ordination sorgen sollen. Die bekanntesten dieser Verbände sind: Der Planungsver-
band Frankfurt-Rhein-Main (wo ein Regionaler Flächennutzungsplan nach § 8 Abs. 4
ROG a. F.315 aufgestellt wurde, der 2011 in Kraft trat); der „Stadtverband Saarbrü-
cken“ mit der Zuständigkeit für einen gemeindeübergreifenden Flächennutzungsplan;
der Verband für die Region Stuttgart hat nur die Kompetenz zur Regionalplanung
(nicht zur gemeinsamen Flächennutzungsplanung); das Gleiche gilt für die „Region
Hannover“, die an die Stelle des Kommunalen Großraumverbands Hannover (KGH)
getreten ist. Am Beispiel des Stadtverbands Saarbrücken hat das Bundesverfassungsge-
richt vor Jahren klargestellt, welche Grenzen dem Landesgesetzgeber gesetzt sind,
wenn er die Kompetenz zur Flächennutzungsplanung an einen Verband oberhalb der
betroffenen Gemeinden übertragen will: In einem solchen Verband müssen die Ge-
meinden selbst Mitglieder sein oder jedenfalls diejenigen Mitwirkungsrechte haben,
die sie in einem mitgliedschaftlich organisierten Verband hätten. Unzulässig ist es,
die Entscheidung über einen gemeinsamen Flächennutzungsplan für alle beteiligten
Gemeinden einem direkt von den Bürgern aller verbandsangehörigen Gemeinden ge-
wählten Organ (z. B. einem auf diese Weise gewählten „Stadtverbandstag“) zuzuord-
nen316.
Das Baugesetzbuch enthält in den §§ 203 bis 206 einige Sondervorschriften über die
Bildung von „Planungsverbänden“ zur gemeinsamen Bauleitplanung mehrerer Ge-
meinden sowie zur Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans durch be-
nachbarte Gemeinden entweder auf Initiative der betroffenen (benachbarten) Gemein-
den oder der Landesplanung. Die praktische Bedeutung dieser Vorschriften war bis-
lang eher gering317; auch die Städte und Gemeinden in den neuen Ländern haben
kaum darauf zurückgegriffen, obwohl die sehr einwohnerschwachen Gemeinden des
ländlichen Raums gerade dort auf überörtliche Zusammenarbeit angewiesen sind. Die
1998 durch das BauROG eingeführte Möglichkeit zur Aufstellung eines „regionalen
Flächennutzungsplans“ nach § 8 Abs. 4 ROG (bis 2008 § 9 Abs. 6 ROG, heute in
§ 13 Abs. 4 ROG) wurde bislang nur vereinzelt erprobt. Bekannte Beispiele sind der
Ballungsraum Frankfurt-Rhein-Main und die Planungsgemeinschaft „Städteregion
Ruhr“, die aus den Städten Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der
Ruhr und Oberhausen besteht. Theoretisch ist seine Aufstellung auch in den Ländern
Sachsen und Sachsen-Anhalt möglich; deren Landesplanungsgesetze haben die bundes-
rechtliche Ermächtigung aufgegriffen. Durch § 9 Abs. 6 des Raumordnungsgesetzes
i. d. F. von 1998 sind die Landesgesetzgeber dazu ermächtigt worden, einem Regional-
plan die Funktionen auch eines gemeinsamen Flächennutzungsplans zukommen zu
lassen, sofern die Regionalplanung durch Zusammenschlüsse von Gemeinden und Ge-
meindeverbänden zu regionalen Planungsgemeinschaften erarbeitet worden ist. Durch
das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23.5.2017318 ist
die Regelung in § 13 Abs. 4 ROG überführt worden. § 8 ROG a. F. wurde aufgehoben.
Die in § 13 Abs. 4 des Raumordnungsgesetzes 2017 enthaltene Verweisung auf § 204
BauGB ist nur als Verweisung auf die notwendigen Voraussetzungen eines gemeinsa-
men F-Plans, aber nicht als Verfahrensverweisung zu verstehen. Eine Verfahrens-
verweisung würde bedeuten, dass jede einzelne Gemeinde im Geltungsbereich des regi-
onalen Flächennutzungsplans dem Flächennutzungsplan durch Beschluss der Gemein-

315 Heute in § 13 Abs. 4 ROG geregelt (BGBl. I S. 1245 vom 29.5.2017).


316 Zur Übertragung der Flächennutzungsplanung auf den Stadtverband Saarbrücken vgl. OVG des Saar-
landes AS Bd. 14, S. 145 sowie BVerfG, B. v. 3.11.1987 – 1 BvR 1257/84 –, BVerfGE 77, 288 = ZfBR
1988, 136.
317 Zur Bildung eines Planungsverbandes auf der Insel Sylt vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 11.12.1973
– 1 B 125/73 –, BRS 28 Nr. 16.
318 BGBl. I 2017 S. 1245.

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Der Flächennutzungsplan IV.

devertretung zustimmen müsste. Damit würde der Regelungszweck des § 13 Abs. 4


unterlaufen, wonach an die Stelle der Beschlussfassung der einzelnen Gemeinden die
Beschlussfassung der regionalen Planungsgemeinschaft treten soll. Die Verweisung auf
§ 204 kann demnach nur bedeuten, dass der räumliche Bereich des regionalen Flä-
chennutzungsplans den materiellen Voraussetzungen genügen muss, die in § 204 als
Auslöser für die Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans aufgelistet sind.
Danach sollen benachbarte Gemeinden einen gemeinsamen Flächennutzungsplan auf-
stellen, wenn ihre städtebauliche Entwicklung wesentlich durch gemeinsame Voraus-
setzungen und Bedürfnisse bestimmt wird oder ein gemeinsamer Flächennutzungsplan
einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Belange ermöglicht. Ein gemeinsamer
Flächennutzungsplan soll insbesondere aufgestellt werden, wenn die Ziele der Raum-
ordnung oder wenn Einrichtungen und Anlagen des öffentlichen Verkehrs, sonstige
Erschließungsanlagen sowie Gemeinbedarfs- oder sonstige Folgeeinrichtungen eine ge-
meinsame Planung erfordern. Eben dies sind die Voraussetzungen, die nach dem Wil-
len des Gesetzgebers auch für den regionalen Flächennutzungsplan gelten sollen. Der
Landesgesetzgeber (oder – ihm folgend – die an einem regionalen Flächennutzungsplan
beteiligten Gemeinden) haben dann die Wahl, ob sie die Verabschiedung des Plans von
der Zustimmung jeder einzelnen Gemeinde abhängig machen (Modell § 204 BauGB
– so Sachsen-Anhalt) oder einen Planungsverband als Zustimmungsorgan vorsehen
(Modell § 205 BauGB – so Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen).
2. Die Hauptinhalte des Flächennutzungsplans
Die Hauptinhalte des Flächennutzungsplans sind in § 5 Abs. 2 aufgezählt. Insbeson-
dere Folgendes kann im F-Plan dargestellt werden:
1. die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer bauli-
chen Nutzung (Bauflächen), nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung
(Baugebiete) sowie nach dem allgemeinen Maß der baulichen Nutzung; Bauflä-
chen, für die eine zentrale Abwasserbeseitigung nicht vorgesehen ist, sind zu kenn-
zeichnen;
2. die Ausstattung des Gemeindegebiets mit
a) Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
des öffentlichen und privaten Bereichs, insbesondere mit der Allgemeinheit die-
nenden baulichen Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs, wie mit
Schulen und Kirchen und mit sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen
und kulturellen Zwecken dienenden Gebäuden und Einrichtungen, sowie mit
Flächen für Sport- und Spielanlagen;
b) Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Maßnahmen, die dem Klimawandel ent-
gegenwirken, insbesondere zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Vertei-
lung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerba-
ren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung, für die die Planzeichenerklärung
seit 2011 auch eigens eingeführte Planzeichen enthält (EE und KWK);
c) Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Maßnahmen, die der Anpassung an den
Klimawandel dienen;
d) zentralen Versorgungsbereichen;
3. die Flächen für den überörtlichen Verkehr und für die örtlichen Hauptverkehrs-
züge;
4. die Flächen für Versorgungsanlagen, für die Abfallentsorgung und Abwasserbesei-
tigung, für Ablagerungen sowie für Hauptversorgungs- und Hauptabwasserleitun-
gen;
5. die Grünflächen, wie Parkanlagen, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Ba-
deplätze, Friedhöfe;

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

6. die Flächen für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz ge-
gen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgeset-
zes;
7. die Wasserflächen, Häfen und die für die Wasserwirtschaft vorgesehenen Flächen
sowie die Flächen, die im Interesse des Hochwasserschutzes und der Regelung des
Wasserabflusses freizuhalten sind;
8. die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Stei-
nen, Erden und anderen Bodenschätzen;
9. a) die Flächen für die Landwirtschaft und b) Wald;
10. die Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von
Boden, Natur und Landschaft (sog. „SPE-Flächen“).
Die „SPE-Flächen“ nach Nr. 10 werden neben den Grünflächen nach Nr. 5 am häu-
figsten benutzt, um als Flächen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich von Eingriffen
in Natur und Landschaft zu dienen. Nach dem durch das BauROG 1998 neu in § 5
eingefügten Abs. 2a können die Flächen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich im Gel-
tungsbereich des Flächennutzungsplans den Flächen, auf denen Eingriffe in Natur und
Landschaft zu erwarten sind, auch schon ganz oder teilweise zugeordnet werden. Diese
Zuordnung dient der Vorbereitung der Kostenerstattung nach den §§ 135 a–c durch
die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke, wenn die zugehörigen Ausgleichsmaßnah-
men seitens der Gemeinde durchgeführt worden sind. Die Zuordnung im Flächennut-
zungsplan ist – anders als die Zuordnung durch B-Plan – keine zwingende Voraus-
setzung für die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen. Sie erleichtert jedoch die
Argumentation gegenüber kostenerstattungspflichtigen Eigentümern. Im Fall der Zu-
ordnung gilt das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2.
Die nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d darstellbaren zentralen Versorgungsbereiche sind
2013 in das Gesetz eingefügt worden. Der Begriff taucht an verschiedenen Stellen des
Baugesetzbuchs auf (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 4, § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 2a, § 34 Abs. 3) und ist
als zentrales Anliegen einer bestandsorientierten, auf Innenentwicklung abstellenden
Stadtentwicklung einer der Handlungsschwerpunkte bei der Weiterentwicklung des
Städtebaurechts in der jüngeren Geschichte gewesen. Die Erhaltung und die Entwick-
lung zentraler Versorgungsbereiche soll durch eine ausdrückliche Darstellungsmög-
lichkeit in § 5 Absatz 2 weiter gestärkt werden, um insbesondere auch die wohnort-
nahe Versorgung sicherzustellen, was als Aufgabe im Kontext einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung angesichts des zunehmenden Anteils älterer und weniger
mobiler Menschen stetig an Bedeutung gewinnt. In den Flächennutzungsplänen einiger
Städte, wie Berlin und Leipzig, kennt man schon seit Längerem zentrale Versorgungs-
bereiche. Ihre Darstellung war bereits vor 2013 unproblematisch, da die Auflistung
des § 5 Abs. 2 nur beispielhaft und nicht abschließend war und ist. Insofern diente die
Aufnahme in die Liste des § 5 Abs. 2 im Jahr 2013 wohl in erster Linie dazu, die
planaufstellende Kommune auf die Möglichkeiten zur räumlichen Steuerung zentraler
Versorgungsbereiche auf der Ebene der F-Planung aufmerksam zu machen. Auch im
Übrigen kann die Gemeinde von sich aus weitere Darstellungen hinzufügen oder –
umgekehrt – Darstellungen aus dem Katalog des § 5 entfallen lassen. Neben den „Dar-
stellungen“ muss oder soll ein F-Plan noch eine Reihe weiterer Informationen enthal-
ten:
1. Eine Kennzeichnungspflicht besteht für Flächen, bei deren Bebauung (a) besondere
Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen erforderlich sind oder bei denen (b)
besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten geboten sind. Sie
besteht ferner für Flächen, unter denen (c) der Bergbau umgeht oder für Flächen,
die (d) für den Abbau von Mineralien bestimmt sind. Schließlich sollen (e) Flächen
gekennzeichnet werden, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen
belastet sind, sofern sie für bauliche Nutzungen vorgesehen sind.

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2. Neben der Kennzeichnung sollen in den Flächennutzungsplan Planungen und sons-


tige Nutzungsregelungen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften festgesetzt
sind, sowie nach Landesrecht denkmalgeschützte „Mehrheiten von baulichen An-
lagen“ nachrichtlich übernommen werden. Zu den sonstigen Nutzungsregelungen
gehören z. B. Wasserschutz- oder Überschwemmungsgebiete, Natur- und Land-
schaftsschutzgebiete und Bauschutzbereiche nach dem Luftverkehrsgesetz.
3. Sind sonstige Nutzungsregelungen bislang nur in Aussicht genommen, aber noch
nicht festgesetzt, sollen sie im Plan lediglich vermerkt werden. Dies setzt allerdings
voraus, dass die Planung bereits hinreichend konkret ist. Auch noch nicht festge-
setzte Überschwemmungsgebiete sowie (Hochwasser-)Risikogebiete sind für einen
Vermerk bestimmt.
Die Legende zum Flächennutzungsplan sollte diesen Vorgaben entsprechend sortiert
werden nach (planeigenen) Darstellungen, nach Kennzeichnungen, nach nachrichtli-
chen Übernahmen sowie nach Vermerken (sowie nach sonstigen Hinweisen, z. B. An-
gaben zur Plangrundlage).
Aus dem Flächennutzungsplan können seitens der Gemeinde Flächen und sonstige
Darstellungen ausgenommen werden, wenn inhaltliche Streitfragen zunächst nicht ent-
schieden werden können oder sollen. Die Herausnahme (besser vielleicht: das Offen-
lassen der Entscheidung über die beabsichtigte Nutzung) einzelner Flächen oder das
Weglassen von Darstellungen ist allerdings nur zulässig, wenn dadurch die Grundzüge
der Planung nicht berührt werden und die Gemeinde beabsichtigt, die Darstellung zu
einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. In der Begründung sind die Gründe hierfür
darzulegen.
In der kommunalen Praxis ist es mit der erstmaligen und einmaligen Aufstellung des
Flächennutzungsplans nicht getan. Vielmehr muss dieser Plan ständig fortgeschrieben
und den laufenden Entwicklungen angepasst werden. Deshalb kommt es häufig zu
Änderungsverfahren. Wie häufig und wie intensiv geändert werden muss, hängt wie-
derum davon ab, wie genau der ursprüngliche Plan und wie dynamisch die eigene
Stadtentwicklung ist: Wurde eine nahezu parzellenscharfe Darstellung bevorzugt, dann
lösen auch kleinere Änderungen, z. B. bei der Verkehrsführung von örtlichen Straßen
oder relativ geringfügige örtliche Verlagerungen von Einrichtungen des Gemeinbe-
darfs, F-Plan-Änderungsverfahren aus. Wenn der Flächennutzungsplan dagegen die
beabsichtigten Standorte nur durch eine grobe Signatur, möglicherweise nur als textli-
che Erläuterung, wiedergibt, dann muss der Flächennutzungsplan bei kleineren Ände-
rungen des Konzepts nicht geändert werden.
In den Stadtplanungsämtern ist man unterschiedlicher Ansicht darüber, welches Ver-
fahren besser ist: Eine genaue Planung, um eine sichere Grundlage für das Entwickeln
von Bebauungsplänen zu haben, oder eine stark generalisierende Planung, die noch
Raum lässt für die Konkretisierung der späteren Einzelfallplanung. Überwiegend wird
man wohl die Meinung vorfinden, dass ein generalisierender Flächennutzungsplan
dem Sinn und Zweck des Gesetzes – die Art der Bodennutzung im Hinblick auf die
beabsichtigte städtebauliche Entwicklung in den Grundzügen darzustellen319 – eher
entspricht. Der Plan soll relativ lange gelten, unnötige Änderungen sollte man sich
ersparen. Außerdem liegt es in der Natur der Planung, dass sie vom Allgemeinen zum
Genaueren fortschreitet, dass nicht schon in der ersten Stufe versucht werden sollte,
jedes Detail zu regeln. Es gibt aber auch Gemeinden, die sich mit dem F-Plan eine
möglichst genaue Planungsgrundlage schaffen wollen; sie legen Wert darauf, aus unter-
schiedlichen Nutzungsvorstellungen herrührende Konflikte schon auf F-Plan-Ebene
auszutragen, weil die Chance hier größer ist, mit objektiven und großräumigen Ge-
sichtspunkten zu argumentieren. Je kleiner das Plangebiet ist, desto eigentümerorien-

319 Zum Begriff Grundzüge der Planung vgl. BVerwG, U. v. 18.8.2005 – 4 C 13.04 –, BVerwGE 124, 132;
BauR 2006, 52.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

tiert-subjektiver werden auch die Argumente und Pressionen. Aus dieser Sicht können
auch nahezu „parzellenscharfe“ F-Pläne durchaus sinnvoll sein. Insgesamt ist der Flä-
chennutzungsplan von unbestrittener Nützlichkeit. Im Idealfall koordiniert er die flä-
chenbezogenen Planungen einer Gemeinde, trifft die wichtigsten Standortentscheidun-
gen, informiert die Bürger, Unternehmen und interessierten Dienststellen der
öffentlichen Verwaltung über die räumliche Gesamtplanung der Gemeinde und enthält
auf diese Weise ein kompaktes, jedermann zugängliches Entwicklungsprogramm für
das gesamte Gemeindegebiet (vgl. Bild 25). Seine Bedeutung ist zwischen 1998 und
2007 dadurch gestiegen, dass aus dem F-Plan entwickelte B-Pläne nicht mehr geneh-
migt und – vorbehaltlich einer abweichenden landesrechtlichen Regelung – auch nicht
mehr angezeigt werden müssen. Mit der Einführung der Regelungen zum B-Plan der
Innenentwicklung im Jahr 2007 ist dem F-Plan jedoch wieder Boden entzogen worden,
denn, wie dargestellt, lassen sich B-Pläne nach § 13a – und seit 2017 auch nach § 13b
– auch aufstellen, wenn sie von den Darstellungen des F-Plans abweichen (der F-
Plan wird ohne gesondertes Verfahren im Wege der Berichtigung angepasst). Weder
F-Planänderung noch B-Plan bedürfen hierbei der Genehmigung durch die höhere Ver-
waltungsbehörde.
Bild 25: Der Flächennutzungsplan gem. § 5 BauGB

Der Flächennutzungsplan gemäß § 5 BauGB

> Der Flächennutzungsplan (FNP) hat nicht die Qualität einer Rechtsnorm.
Vorbereitungsfunktion > Erst die Bebauungspläne setzen den „behördenverbindlichen" FNP
in für jedermann bindendes Recht um.

Entwicklungsplanerisches > Der FNP ist ein Gesamtkonzept für die Gemeinde, das die
Gesamtkonzept Bodennutzung in den Grundzügen vorbereitet.

> Die Darstellungen des FNP müssen realisierbar sein.


Berücksichtigung
> Zwingende rechtliche Hindernisse dürfen ihnen nicht entgegenstehen.
vorhersehbarer Umstände
> Planungshorizont: 15-20 Jahre.

> Aus den Darstellungen des FNP werden die Festsetzungen der Bebau-
Behördenverbindliche ungspläne entwickelt („Entwicklungsgebot" des § 8 Abs. 2 BauGB).
Vorgaben > Abweichungen sind möglich, soweit das Entwicklungsgebot gewahrt bleibt

> Steuerung von Außenbereichsvorhaben (vgl. Kap. B.VIIl.6).


Sonstige Wirkungen
> Andere Planungsträger müssen die Darstellungen des FNP beachten.

3. Die Wirkungen des Flächennutzungsplans


Der Flächennutzungsplan stellt – anders als der Bebauungsplan – keine verbindliche
Rechtsnorm dar. Er kann daher auch nur hinsichtlich bestimmter Darstellungen (Kon-
zentrationsflächen) oder von Umweltverbänden nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsge-
setz vor Gericht im Wege der abstrakten Normenkontrolle nach § 47 VwGO angegrif-
fen werden320. Er wird von der Gemeinde nicht als Satzung beschlossen, sondern nur
als verwaltungsinternes Planwerk. Aus dem Flächennutzungsplan allein kann niemand
Ansprüche herleiten, insbesondere nicht den Anspruch auf eine Baugenehmigung. Ein-
zige Ausnahmen sind Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Nr. 3
(insbesondere Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen), weil diese Darstellun-
gen eine rechtliche Außenwirkung gegenüber Bauantragstellern und Vorhabenträgern
mit der Folge entwickeln, dass Vorhaben an Standorten außerhalb der Konzentrations-
flächen in der Regel unzulässig sind. Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35

320 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 20.7.1990 – 4 N 3.88 –, ZfBR 1990, 296.

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Der Flächennutzungsplan IV.

Abs. 3 Nr. 3 unterliegen deshalb in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1


VwGO der (prinzipalen) Normenkontrolle.321 Vom Flächennutzungsplan gehen nicht
unerhebliche Bindungswirkungen aus.
Am wichtigsten ist die Bindungswirkung des Flächennutzungsplans für nachfolgende
Bebauungspläne (mit der soeben erwähnten Einschränkung bei B-Plänen der Innenent-
wicklung). Sie müssen aus ihm „entwickelt“ werden (§ 8 Abs. 2). Mit dem Begriff des
„Entwickelns“ wird ausgedrückt, dass einerseits keine sklavische Übereinstimmung
hergestellt werden muss, andererseits aber auch keine zu starke Divergenz entstehen
darf. Je grobmaschiger der Flächennutzungsplan ist, desto weiter ist der Entwicklungs-
spielraum (und umgekehrt). Einzelheiten über das „Entwicklungsgebot“ folgen im Ka-
pitel B.V. „Die Bebauungspläne“.
Eine gewisse Bindungswirkung hat der Flächennutzungsplan nicht nur für nachfol-
gende Bebauungspläne, sondern auch für die Genehmigung von Einzelvorhaben. Dies
gilt zwar nicht in Gebieten nach § 34, also innerhalb im Zusammenhang bebauter
Ortsteile, wohl aber im Außenbereich nach § 35.
Wenn der Flächennutzungsplan vorsieht, dass ein derzeit stark mit gewerblichen Nut-
zungen durchsetzter Ortsteil im Sinne des § 34 allmählich zu einer reinen Wohnsied-
lung umentwickelt werden soll, dann kann ein Bauantrag, der die Schließung einer
Baulücke mit einem Gewerbebetrieb vorsieht, nicht allein deswegen abgelehnt werden,
weil der Flächennutzungsplan die Entwicklung dieses Ortsteils in ein Wohngebiet vor-
sieht. Solange sich der beantragte Gewerbebetrieb in die vorhandene Umgebung ein-
fügt, muss er genehmigt werden. Die Umplanung zum Wohngebiet kann nur mit Hilfe
eines Bebauungsplans geschehen. Dies hat seinen Grund darin, dass derartige Umpla-
nungsvorgänge möglicherweise mit Entschädigungspflichten verbunden sind, die im
Zusammenhang mit einem Bebauungsplan durch das Gesetz geregelt sind, aber nicht
im Zusammenhang mit einem Flächennutzungsplan. Das Baurecht aus § 34 geht daher
den Entwicklungsabsichten eines Flächennutzungsplans vor.
Anders sieht die Sache im Außenbereich, also in Gebieten nach § 35, aus. Hier beste-
hen im Normalfall keine Baurechte; nur sog. privilegierte Vorhaben, wie z. B. Bauern-
höfe, aber auch bestimmte Betriebe, wie z. B. Kläranlagen, dürfen im Außenbereich
kraft Gesetzes angesiedelt werden. Die so genannte „Energiewende“ führte 2011 zu
bedeutsamen Änderungen im Bereich der privilegierten Vorhaben. Die Neuerrichtung
von Atomkraftwerken ist z. B. seit dem 30.7.2011 ausdrücklich von der Privilegierung
ausgenommen (§ 35 Abs. 1 Nr. 7); die Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und
auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden wurde
dagegen für den Fall privilegiert, dass diese Anlagen dem Gebäude baulich untergeord-
net sind (§ 35 Abs. 1 Nr. 8). Die von einer Solaranlage bedeckte Fläche darf z. B. nicht
unverhältnismäßig stark über die Dach- und Wandflächen hinausragen322. Aus diesem
Grund setzt sich der Flächennutzungsplan gegenüber durchschnittlichen Vorhaben
durch, im Sonderfall sogar gegenüber den von § 35 Abs. 1 privilegierten Vorhaben.
Das bedeutet: Was den Darstellungen eines Flächennutzungsplans widerspricht, darf
im Außenbereich nicht verwirklicht werden; gegenüber privilegierten Vorhaben (dazu
mehr in Kapitel B.VIII.6.) muss der F-Plan allerdings recht genaue („konkrete und
standortbezogene“) Aussagen machen, um eine Sperrwirkung entfalten zu können323.
Im Allgemeinen können privilegierte Vorhaben die Hürde entgegenstehender F-Plan-
darstellungen überspringen. § 35 Abs. 3 Satz 2 – 2. Halbsatz – ordnet dies für raumbe-

321 BVerwG, U. v. 26.4.2007 – 4 CN 3/36 (OVG Koblenz), NVwZ 2007, 1081.


322 Vgl. Krautzberger, Michael; Stuer, Bernhard: Neues Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klima-
schutzes, BauR 2011, 1421.
323 BVerwG, U. v. 20.1.1984 – 4 C 43.81 –, BauR 1984, 269 in Modifizierung von BVerwG, U. v.
25.10.1967 – 4 C 86.66 –, BVerwGE 28, 148; bestätigt von BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C 57.84 –,
ZfBR 1987, 293.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

deutsame Vorhaben, deren Standorte durch die Landesplanung nach Abwägung aller
Gesichtspunkte festgelegt sind, ausdrücklich an. Seit 1998 ist durch § 35 Abs. 3 Satz 3
zudem geregelt, dass ein Flächennutzungsplan – ebenso wie die Raumordnungspla-
nung – positive Standortsteuerung für bestimmte privilegierte Vorhaben mit der Wir-
kung betreiben darf, dass außerhalb entsprechend dargestellter „Konzentrationszo-
nen“ den privilegierten Vorhaben i. d. R. öffentliche Belange entgegen stehen und sie
daher nicht zugelassen werden können. Diese Klausel findet in der Praxis insbesondere
Anwendung bei der Steuerung der Windenergie324, gilt aber auch für die anderen
privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6. Durch das EAG Bau 2004 wurde
§ 5 Abs. 2b BauGB eingeführt, der den Gemeinden ausdrücklich erlaubte, „für Dar-
stellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3“ sachliche Teilflächennut-
zungspläne aufzustellen. Durch die Klimanovelle 2011 wurde die Vorschrift umformu-
liert, um klarzustellen, dass sich sachliche Teilflächennutzungspläne auch nur auf Teile
des Gemeindegebiets beschränken dürfen (dies entsprach ohnehin der Mehrheitsmei-
nung im Schrifttum zur Vorschrift des § 5 Abs. 2b a. F.). Das war bereits im Zusam-
menhang mit § 5 Abs. 2b a. F. mit dem Argument „a maiore ad minus“ nicht unlo-
gisch; die Darstellung einer Konzentrationsfläche führt dazu, dass auf der vom Plan
erfassten „übrigen Fläche“ die vom Plan erfassten Anlagen regelmäßig unzulässig sind.
Warum soll eine Gemeinde stets ihr gesamtes übriges Gebiet sperren müssen, wenn sie
an einer bestimmten Stelle ein Konzentrationsgebiet ausweist?
Bindungswirkungen aus dem Flächennutzungsplan gibt es schließlich noch gegenüber
anderen Planungsträgern; deren Planungen nennt man im Unterschied zur integrieren-
den Bauleitplanung „Fachplanungen“; diese anderen Planungsträger müssen – wie
oben beschrieben – als Träger öffentlicher Belange am Aufstellungsverfahren des Flä-
chennutzungsplans beteiligt werden. Sie müssen in diesem frühzeitigen Stadium die
Gemeinde darüber unterrichten, welche Vorhaben sie planen und der Gemeinde damit
Gelegenheit geben, sich auf diese Planungen (z. B. von Wasserschutzgebieten, Natur-
schutzgebieten, Straßen und Schienenwegen, Flughäfen usw.) einzurichten. Wenn die
Träger öffentlicher Belange nicht durch einen förmlich erhobenen Widerspruch bis
zum Tag der endgültigen Beschlussfassung über den Plan in der Gemeindevertretung
zu erkennen gegeben haben, dass sie Vorhaben durchführen wollen, die mit der im
Flächennutzungsplan ausgewiesenen Nutzung der Fläche unvereinbar sind, dann müs-
sen sie sich nach der Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans an dessen Vorgaben
anpassen (§ 7). Allerdings gibt es hier eine wichtige Einschränkung, die dazu führt,
dass die mächtigen Fachplanungsträger sich nicht selten über einen ihnen nicht mehr
genehmen Flächennutzungsplan hinwegsetzen dürfen: Die Bindungswirkung des Flä-
chennutzungsplans für den anderen Planungsträger kann durch dessen nachträglichen
Widerspruch beseitigt werden, wenn „eine Veränderung der Sachlage eine abwei-
chende Planung erforderlich macht“ und ein Einvernehmen zwischen der Gemeinde
und dem öffentlichen Planungsträger nicht erreicht werden kann. Seit dem Baugesetz-
buch von 1986 ist die Position der Gemeinden dadurch verbessert worden, dass der
nachträgliche Widerspruch des Fachplanungsträgers (und damit die nachträgliche Ab-
weichung vom Flächennutzungsplan) gemäß § 7 Satz 5 nur dann zulässig ist, „wenn
die für die abweichende Planung geltend gemachten Belange die sich aus dem Flächen-
nutzungsplan ergebenden städtebaulichen Belange nicht nur unwesentlich überwie-
gen“. Im Zweifel genießt also der Flächennutzungsplan den Vorrang vor der Fachpla-
nung. Außerdem muss der Fachplanungsträger, wenn er sich mit einer veränderten
Planung durchsetzt, die Gemeinde von allen Schadensersatzansprüchen und Aufwen-
dungen freistellen, die sich aus einer dann notwendigen Änderung oder Ergänzung

324 Dazu mehr im Kapitel „Zulässigkeit von Vorhaben“. Die Anforderungen an die Darstellung von Kon-
zentrationsflächen im FNP hat das BVerwG grundlegend geklärt, vgl. BVerwG U. v. 20.5.2010 – 4 C
7.09 –, BVerwGE 137, 74.

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Der Flächennutzungsplan IV.

der Bauleitplanung ergeben (dies folgt aus der in § 7 angeordneten entsprechenden


Anwendung des § 37 Abs. 3). Diese (eingeschränkte) Bindung der Fachplanungsträger
an den Flächennutzungsplan und ihre Schadensersatzpflicht ist insbesondere für dieje-
nigen Fachplanungen wichtig, die sich im Übrigen bei ihren baulichen Maßnahmen
nicht an das Baugesetzbuch und dessen Genehmigungsvorschriften halten müssen.
Dies sind die sog. privilegierten Fachplanungen nach § 38, für die es eigene Planungs-
und Genehmigungsverfahren gibt. Die in § 38 BauGB geregelten, mit einem Planfest-
stellungsverfahren oder ähnlichen Standortfestlegungsverfahren versehenen Fachpla-
nungen heißen „privilegierte“ Fachplanungen, weil sie sich nicht den bauplanungs-
rechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 bis 38)
unterwerfen müssen, sofern sie Vorhaben von überörtlicher Bedeutung betreffen (so
wie dies meist der Fall ist). Ein wirksamer Planfeststellungsbeschluss mit planerischen
Festsetzungen genießt gegenüber einem späteren Bebauungsplan nach § 38 Satz 1 Vor-
rang325. Die wichtigsten privilegierten Fachplanungen betreffen Eisenbahnen326, Stra-
ßen, Flughäfen und Wasserstraßen. Die Planung der Linien und Trassen dieser Ver-
kehrswege wird in einem eigenen mehrstufigen Verfahren vom Allgemeinen zum
Konkreten vorangetrieben und schließlich durch sog. Planfeststellungsverfahren recht-
lich fixiert. Der endgültigen Planfeststellung geht z. B. bei den Bundesautobahnen und
Fernstraßen das im fünfjährigen Abstand fortzuschreibende Bundesverkehrswegege-
setz mit dem Bundesverkehrswegeplan als erste Planungsstufe voraus, gefolgt von der
Bestimmung der allgemeinen Linienführung der betreffenden Straße oder Autobahn
durch das Bundesverkehrsministerium als zweiter Planungsstufe. Wenn der Planfest-
stellungsbeschluss als dritte und letzte Stufe am Ende der Planung rechtsverbindlich
geworden ist, darf die Straße ohne Genehmigung nach dem Baugesetzbuch gebaut
werden. Die Gemeinden genießen hier nur insofern Rechtsschutz, als sie den Planfest-
stellungsbeschluss als Verwaltungsakt anfechten dürfen, wenn sie in ihren eigenen
Rechten (z. B. dem Selbstverwaltungsrecht) verletzt sind. Eine Entlassung „planfestge-
stellten“ Geländes aus den Bindungswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses kann
nur durch eindeutige und bekanntgemachte Erklärung des zuständigen Fachplanungs-
trägers geschehen. Wenn also eine (nicht mehr für Eisenbahnzwecke genutzte) Bahnan-
lage zukünftig „bahnfremden“ Nutzungen offenstehen soll, muss die Bundesbahn eine
dementsprechende förmliche „Entlassung“ vornehmen327. Darauf hat die Gemeinde
mit Rücksicht auf ihre Planungshoheit einen einklagbaren Anspruch. Kommunale
Bauleitplanung für planfestgestellte Flächen darf bereits betrieben werden, sobald er-
kennbar wird, dass eine städtebauliche Ordnung in absehbarer Zeit erforderlich wer-
den wird. Ob ein B-Plan für noch planfeststellungsbefangene Flächen bereits förmlich
festgesetzt werden darf, bevor die Entlassung aus der Planfeststellung erfolgt ist, ist
höchstrichterlich nicht ganz eindeutig geklärt. „Grundsätzlich“ muss die Gemeinde
(nach dem BVerwG) die Entlassung abwarten, weil einander widersprechende Planaus-
sagen für dieselbe Fläche unzulässig seien328. Nach dem BVerwG darf auch ein Bau-
vorbescheid für eine bahnfremde Nutzung selbst unter dem Vorbehalt, dass das
Grundstück zuvor als Bahngelände entwidmet werden müsse, nicht erteilt werden329.
Rechtssystematisch und rechtspraktisch steht dem Erlass eines B-Plans für noch plan-
feststellungsbefangenes Gebiet aber eigentlich nichts entgegen, weil § 38 anordnet,
dass die §§ 29 bis 37 für Planfeststellungen „nicht anzuwenden“ seien. Der B-Plan als
Norm bleibt somit wirkungslos, solange der Planfeststellungsbeschluss gilt; wenn die

325 BVerwG, B. v. 14.11.2012 – 4 BN 5.12 –, BauR 2013, 440.


326 Der Bau von Betriebsanlagen der Eisenbahn hat in der Regel überörtliche Bedeutung: BVerwG, U. v.
31.10.2000 – 11 VR 12.00 –, ZfBR 2001, 206 = BauR 2001, 928–930.
327 So BVerwG, U. v. 16.12.1988 – 4 C 48.86 –, ZfBR 1989, 123.
328 Ebenda.
329 BVerwG, B. v. 27.4.1998 – 4 B 33.98 –, ZfBR 1998, 258.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Entlassung zeitlich nicht abzusehen ist, ist der Plan auch im Sinne des § 1 Abs. 3 nicht
erforderlich und damit fehlerhaft. Eine unzulässige Normkonkurrenz ist jedoch nicht
gegeben, weil der Planfeststellungsbeschluss nur die Rechtsqualität eines Verwaltungs-
akts hat. Immerhin hält es das BVerwG für möglich, dass eine Planfeststellung (teil-
weise) „funktionslos“ geworden und deswegen außer Kraft getreten sein kann330. Da-
mit wird der Planfeststellungsbeschluss aber erneut so behandelt als sei er eine Norm;
denn das Konstrukt der Funktionslosigkeit wurde vom BVerwG für B-Plan-Festsetzun-
gen – also für Normen – entwickelt (siehe oben Kapitel B.III.9). Dass Verwaltungsakte
durch Zeitablauf gegenstandslos werden können, ist längst erkannt und anerkannt.
Die Bahn darf auch nicht eigenmächtig zu einer bahnfremden Nutzung übergehen,
indem sie nicht mehr benötigte Flächen oder Gebäude für bahnfremde Nutzungen an
Dritte vermietet oder verpachtet oder in Bahnhöfen bahnfremde Nutzungen gestat-
tet331.
Eine gewisse Freistellung von den Genehmigungspflichten des Baugesetzbuches genie-
ßen nach § 37 auch bauliche Maßnahmen des Bundes und der Länder, insbesondere
Vorhaben, die der Landesverteidigung, dem Bundesgrenzschutz oder dem zivilen Be-
völkerungsschutz dienen. Für solche Vorhaben ist zwar eine planungsrechtliche Ge-
nehmigung erforderlich. Nicht notwendig (oder durch eine Entscheidung der höheren
Verwaltungsbehörde ersetzbar) ist jedoch das sonst erforderliche „Einvernehmen“ der
Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren (im Regelfall muss nach § 36 diejenige Ge-
meinde, auf deren Gebiet ein Vorhaben verwirklicht werden soll, von der Baugenehmi-
gungsbehörde vor Erteilung einer Baugenehmigung gefragt werden, ob sie einverstan-
den ist; stimmt sie nicht zu, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden). Sofern
eine Gemeinde mit Vorhaben nach § 37 nicht einverstanden ist, wird sie dadurch ge-
tröstet, dass der Träger der Maßnahmen sie von etwaigen Entschädigungsansprüchen
und Kosten für eine veränderte Planung freistellen muss. Die betroffene Gemeinde
kann im Übrigen die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde bzw. des Verteidi-
gungsministeriums zu dem Vorhaben durch Widerspruch und Anfechtungsklage an-
greifen332. Sobald die militärische Nutzung aufgegeben wird, richtet sich die Zulässig-
keit einer Umnutzung „ganz normal“ nach § 35333.

4. Der sachliche und räumliche Teilflächennutzungsplan


Mit einem sachlichen (und ggf. auch räumlichen) Teilflächennutzungsplan nach § 5
Abs. 2b wird die Regel des § 5 Abs. 1 durchbrochen, wonach der Flächennutzungsplan
als integriertes, einheitliches Planwerk für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt
wird. Denn der sachliche (und ggf. räumliche) Teilflächennutzungsplan tritt als selb-
ständiger Plan neben einen vorhandenen F-Plan; er verdrängt die Darstellungen des
älteren Plans, soweit sie mit den im Teilflächennutzungsplan dargestellten Inhalten
unvereinbar sind. Wenn noch gar kein F-Plan vorhanden ist, gilt der Teilflächennut-
zungsplan zunächst als einziger vorbereitender Bauleitplan in der betreffenden Ge-
meinde.
Der Teilflächennutzungsplan wurde mit dem EAG Bau von 2004 zunächst mit dem
Ziel eingeführt, den Gemeinden die Planung von Konzentrationsflächen insbes. für die
Nutzung der Windenergie zu erleichtern. Der Planungsvorgang sollte durch Beschrän-
kung auf nur diese eine Aufgabe vereinfacht werden. Durch den sachlichen Teil-Plan
wird ein öffentlicher Belang geschaffen, der der Zulässigkeit bestimmter, sonst privile-
giert zu behandelnder Vorhaben im Außenbereich (nämlich denen nach § 35 Abs. 1
Nr. 2 bis 6) in der Regel entgegensteht. Wo also sonst nur besiedelte Splittersiedlungen

330 BVerwG, B. v. 14.8.1995 – 4 NB 43/94 –, UPR 1995, 443 (444).


331 Beispiel: VGH Baden-Württemberg, B. v. 10.12.2001 – 5 S 2274/01 –, ZfBR 2002, 504.
332 Hessischer VGH, B. v. 7.12.2000 – 4 TG 3044/99 –, ZfBR 2001, 415.
333 Vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 21.1.2000 – 1 L 4202/99 –, ZfBR 2000, 349.

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Der Flächennutzungsplan IV.

und nicht betretbare militärische Liegenschaften im Außenbereich als sog. „harte Ta-
buzonen“ der Windenergie entgegenstehen, können durch den Plan weitere Flächen
für die Windkraftnutzung gesperrt werden. Dies geschieht durch eine Konzentrations-
flächenplanung. Die Planung erlaubt es, neben den harten auch weiche Tabuzonen
festzulegen, innerhalb derer ebenfalls keine Windenergieanlagen zulässig sein sollen.
Weiche Tabuzonen sind entweder städtebaulich motiviert (insbesondere freizuhaltende
Abstandszone um Siedlungsränder herum) oder dienen dem Schutz weiterer Belange,
etwa Naturschutzbelangen, die für sich genommen noch keinen kategorischen Aus-
schluss für Windkraftanlagen begründen. Nach Abzug von harten und weichen Tabu-
flächen334 (sowie aller Innenbereichslagen nach §§ 30 und 34) verbleiben sog. Potenzi-
alflächen, die für die Windenergie in Betracht gezogen werden müssen. Möchte man
auch aus dem Kreis der Potenzialflächen Flächenteile ausschließen, bedarf es weiterer
Gründe. Übrig bleiben die Konzentrationsflächen, die im sachlichen Teil-Flächennut-
zungsplan als Sondergebiete oder Sonderbauflächen dargestellt und mit einer sog. Aus-
schlusswirkung verbunden werden. Aufgrund dieser Ausschlusswirkung dürfen nach
Inkrafttreten des Plans neue Vorhaben nach den Nr. 2 bis 6 (hier am Beispiel der
Windenergieanlagen nach Nr. 5) in der Regel nur innerhalb der Konzentrationsflächen
errichtet und betrieben werden. Große Bedeutung hat der sachliche (und räumliche)
Teilflächennutzungsplan vor allem bei der Steuerung von Windkraftanlagen – auch
bestimmte Tierhaltungsbetriebe lassen sich mit dem Instrument räumlich steuern. Da-
bei ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG für die Planung
von Konzentrationsflächen ein räumliches Gesamtkonzept erforderlich ist, innerhalb
dessen sowohl die für die Windkraftnutzung geeigneten als auch die ungeeigneten
Flächen zu betrachten sind. Um auch diesen Aspekt zu vereinfachen, stellte der Gesetz-
geber 2011 klar, dass auch räumliche Teilpläne zulässig sind – mit anderen Worten:
Ein Teilflächennutzungsplan muss nicht das gesamte Gemeindegebiet in den Blick neh-
men, er kann sich auf einen Teil des Gemeindegebiets beschränken und nur dort die
Konzentrationswirkung und Ausschlusswirkung herbeiführen. Auf diese Weise kann
das Gemeindegebiet auch schrittweise nacheinander durch mehrere räumliche und
sachliche Teilflächennutzungspläne bearbeitet werden. Allerdings darf die Planung die
Windkraftnutzung nicht in einer Weise einschränken, dass der Windenergie nicht mehr
substanziell Raum gegeben wird.
Dem sachlichen und räumlichen Teilflächennutzungsplan ist eine weitere Aufgabe zu-
gewachsen, seitdem es die zweite Generation von F-Plänen mit Konzentrationsflächen
gibt. Nach einer ersten Welle von Plänen aus den Jahren um die Jahrtausendwende
(mit denen erstmals Konzentrationsflächen für die Windkraftnutzung ausgewiesen
wurden, und zwar in der Regel eher restriktiv) machen sich die Gemeinden an die
Arbeit, ihrer Planung im Zuge der Energiewende weitere Konzentrationsflächen hinzu-
zufügen. Der Gesetzgeber hat vorsorglich in § 249 Abs. 1 Satz 1 klagestellt, dass man
aus der Hinzufügung zusätzlicher Konzentrationsflächen in den geltenden F-Plan nicht
schließen darf, dass die vorhandenen Darstellungen nicht ausreichend seien. Der alte
Plan behält also auch bei der Hinzufügung von weiteren Flächen zur Nutzung durch
die Windkraft seine Konzentrationswirkung.
Hier kommt nun wieder der sachliche und räumliche Teilflächennutzungsplan ins
Spiel: Der Bauleitplaner kann der vorhandenen Flächennutzungsplanung die zusätzli-
che Fläche im Wege der sachlichen und räumlichen Teilflächennutzungsplanung hinzu-
fügen, ohne in den Gesamtplan einzugreifen. Er korrigiert damit die Ausschlusswir-
kung des Erstplans, indem er eine weitere Fläche für die Windkraft freigibt. Er muss

334 Vgl. hierzu aus der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG: U. v. 3.12.2018 – 4 CN 3.18 –,
BeckRS 2018, 38528; B. v. 12.5.2016 – 4 BN 49.15 –, ZfBR 2016, 587; U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12 –,
BauR 2013, 1396; U. v. 31.1.2013 – 4 CN 1.12 –, BVerwGE 146, 40; U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/
11 –, NVwZ 2013, 519.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

hierfür kein neues räumliches Gesamtkonzept aufstellen. Es genügt die Absicherung,


dass der räumliche und sachliche Teilplan der im Gesamtplan dargestellten beabsich-
tigten städtebaulichen Entwicklung nicht entgegensteht. In den Teilflächennutzungs-
plan dürfen z. B. auch Darstellungen von Flächen zum Ausgleich von solchen Eingrif-
fen aufgenommen werden, die in der Konzentrationsfläche stattfinden. Der Plan muss
jedoch insgesamt auf Darstellungen beschränkt bleiben, die „für die Zwecke des § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB“ erfolgen, die also mit der Konzentrationswirkung zusammen-
hängen. Die Darstellung weiterer Baugebiete „bei Gelegenheit“ dieser Planung ist un-
zulässig. Dies gilt auch für Flächen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die im Außen-
bereich nicht privilegiert zulässig sind, wie zum Beispiel von Flächen für Photovoltaik-
Freiflächenanlagen. Diese Flächen müssen ganz normal in den vorhandenen F-Plan
hineingeplant werden.
Die Steuerung der Windenergie über sachliche (und räumliche) Teilflächennutzungs-
pläne hat sich zu einer sehr anspruchsvollen Aufgabe entwickelt, die durch die Recht-
sprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bis heute nachjustiert wird. Auf alle Einzel-
heiten der Rechtsprechung kann hier nicht eingegangen werden. Wer sich jedoch
einigermaßen sicher durch das tückische Fahrwasser der Windenergieplanung bewe-
gen möchte, der sollte die folgende, vom BVerwG335 aufgestellte Arbeitsanleitung zur
Aufstellung eines gesamträumlichen Konzepts für die Windenergienutzung kennen:
- Erster Schritt: In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als „Tabuzo-
nen“ zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen.
Die Tabuzonen lassen sich in „harte“ und „weiche“ untergliedern. Diesen Unterschied
muss sich der Planungsträger auf dieser ersten Stufe des Planungsprozesses bewusst
machen und ihn dokumentieren.
„Harte Tabuzonen“ sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienut-
zung und widerstreitenden Belangen (§ 1 Abs. 7 BauGB) entzogen. Demgegenüber
sind „weiche Tabuzonen“ zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im
Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Krite-
rien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen
werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie
sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie keine eigenständige Kategorie im
System des Rechts der Bauleitplanung bilden, sondern der Ebene der Abwägung zuzu-
ordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass städtebauliche Gesichts-
punkte hier nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die „weichen Ta-
buzonen“ einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als
Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht subs-
tantiell Raum schafft.
Während „harte Tabuzonen“ kraft Gesetzes oder aus unwiderleglichen tatsächlichen
Gründen als Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung ausscheiden, muss
der Plangeber seine Entscheidung für „weiche Tabuzonen“ rechtfertigen. Dazu muss
er die Gründe für seine Wertung offenlegen. Andernfalls scheitert seine Planung unab-
hängig davon, welche Maßstäbe an die Kontrolle des Abwägungsergebnisses hinsicht-
lich der Frage, ob der Windenergie substanziell Raum gegeben wurde, anzulegen sind,
schon an dem fehlenden Nachweis, dass er die „weichen“ Tabukriterien auf der Stufe
der Abwägung in die Planung eingestellt hat.
- Zweiter Schritt: Die Potenzialflächen (auch Prüfräume genannt), die nach Abzug der
„harten und weichen Tabuzonen“ übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt
zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen. Die öffentlichen

335 Zusammenfassend BVerwG 15.9.2009 – 4 BN 25.09 –, ZUR 2010, 96; dem folgend OVG Berlin-
Brandenburg, U. v. 24.2.2011 – 2 A 24/09 –, BeckRS 2011, 48127; OVG Lüneburg, U. v. 26.10.2017
– 12 KN 119/16 –, NUR 2018, 348.

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Der Flächennutzungsplan IV.

Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone


sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten
Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 ge-
recht wird. Die ermittelten Prüfräume werden also unter Würdigung ihrer Eignung für
moderne, leistungsfähige Windenergieanlagen einerseits und in Abgleich mit sonstigen
Zielen der Gemeinde andererseits einer Bewertung im Hinblick auf die Frage unterzo-
gen, welche Prüfräume aus Sicht der Gemeinde als entwicklungsfähige Konzentrati-
onszonen für WEA festgelegt werden sollten und welche nicht.
- Dritter Schritt: In einem dritten Schritt ist schließlich zu prüfen, ob die (vorläufig)
als Konzentrationsflächen ausgewählten Räume dafür ausreichen, der Nutzung der
Windenergie in der Gemeinde „substanziell Raum“ zu gewähren. Das wichtigste Krite-
rium besteht aus dem Prozentsatz, der vom Gesamtpotenzial (Gemeindefläche minus
harte Tabuflächen) als Konzentrationsfläche mit Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3
Satz 3 für die Windenergienutzung zur Verfügung gestellt wird. Bei einem Prozentsatz
von weniger als zehn wird die Lage kritisch. Es gibt zwar keine allgemein verbindliche
Untergrenze, aber für weitgehenden Ausschluss ist eine sehr sorgfältige Begründung
erforderlich.
5. Änderungen und Neuerungen zum Flächennutzungsplan nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013
Neben der bereits in Kap. B.III.16 Buchst. j beschriebenen Neuerungen zur F-Plan-
bezogenen Präklusionsregelung in § 3 Abs. 3 und den in § 6a neu aufgenommenen
Vorschriften zur zusammenfassenden Erklärung hat das geänderte Wasserhaushaltsge-
setz Auswirkungen auf die Flächennutzungsplanung:
Anpassung an das durch das Hochwasserschutzgesetz II neugefasste Wasserhaushalts-
gesetz (§ 5 Abs. 4a)
Bislang sollten in einen Flächennutzungsplan festgesetzte Überschwemmungsgebiete
nachrichtlich in den Flächennutzungsplan übernommen worden. Diese in § 5 Abs. 4a
enthaltene Aufforderung an den Planer ist mit Wirkung vom 5.1.2018 erweitert wor-
den. Sie schließt nun auch – analog zur Ergänzung in § 9 Abs. 6a für den Bebauungs-
plan (vgl. Kapitel B.V.11.e) – Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten
im Sinne des § 78b Abs. 1 WHG sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des
§ 78d Abs. 1 WHG mit ein. Hintergrund ist die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes
aufgrund des Hochwasserschutzgesetzes II. Die Änderung des WHG steht im Zeichen
gestiegener Anforderungen an den Hochwasserschutz infolge von Klimawandel und
Erderwärmung.
Unter Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten versteht § 78b Abs. 1
WHG Gebiete, für die nach § 74 Abs. 2 WHG Gefahrenkarten zu erstellen sind und
die nicht nach § 76 Abs. 2 oder Abs. 3 als Überschwemmungsgebiete festgesetzt sind
oder vorläufig gesichert sind.
Diese Gebiete mussten bislang im Flächennutzungsplan lediglich vermerkt und sollen
jetzt nachrichtlich übernommen werden.
Literatur zum Kapitel IV: Der Flächennutzungsplan
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Sydow, Gernot, Neues zur planungsrechtlichen Steuerung von Windenergiestandorten, in:
NVwZ 2010, 1534–1537; 2011: Demske, Antje, Die Steuerungswirkung des Flächennutzungs-
plans und seine Bedeutung nach Inkrafttreten des Europarechtsanpassungsgesetzes (EAG Bau),
in: DVBl 2011, 223–224; 2012: Beckmann, Klaus, Windenergieanlagen (WEA) – eine kritische
Gesamtschau dieses erneuerbaren Energiesegments, in: KommJur 2012, 170–179; Kümper,

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Boas, Flächennutzungsplan, Raumordnungsplan und Fachplan – Vertikale Anpassungs- und ho-


rizontale Koordinierungserfordernisse, in: ZfBR 2012, 631–641; Lau, Marcus, Substanzieller
Raum für Windenergienutzung – Abgrenzung zwischen Verhinderungsplanung und zulässiger
Kontingentierung, in: LKV 2012, 163–166; Otto, Christian-W., Rückbau und Repowering –
Welche Planungsbefugnisse vermittelt § 249 Absatz 2 BauGB?, in: ZfBR 2012, 72–75; Rieger,
Wolfgang, Zurückstellung und Flächennutzungsplanung, in: ZfBR 2012, 430–436; Scheidler,
Alfred, Gemeindliche Steuerung der Windenergienutzung, in: KommJur 2012, 367–373; Scheid-
ler, Alfred, Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windenergie bei bereits vorhandener bauleit-
planerischer Steuerung – Eine Betrachtung des neuen § 249 Abs. 1 BauGB –, in: ZfBR-Beil. 2012,
76–82; 2013: Söfker, Wilhelm, Fragen bei der Änderung und Erweiterung der planungsrechtli-
chen Grundlagen für die Windenergie durch Bauleitplanung, in: ZfBR 2013, 13–19; 2014: Rie-
ger, Wolfgang, Die Änderung des § 15 Abs. 3 BauGB durch die BauGB-Novelle 2013 – ein
Schlag ins Wasser?, in ZfBR 2014, 535–537; Schifferdecker, Julia, Das Spannungsfeld zwischen
Windkraft und Artenschutz auf der Flächennutzungsplanungsebene, in: NuR 2014, 692–696;
Frey, Michael/Stiefvater, Fabienne, Befangenheit bei der Flächennutzungsplanung für die Auswei-
sung von Flächen für Windkraftanlagen, in: NVwZ 2014, 249–256; Frey, Michael/Franco, Vasili,
Möglichkeiten zur Zulassung von Windenergieanlagen trotz entgegenstehender Darstellungen in
der Flächennutzungsplanung, in: BauR 2014,1088–1098; Münkler, Laura, Flexible Steuerung
durch Konzentrationsflächenplanung, NVwZ 2014, 1482–1488; 2015: Frey, Michael/Burckert,
Felix, Der angehaltene Windkraft-Flächennutzungsplan – Möglichkeiten und Grenzen der Plansi-
cherungsinstrumente im Rahmen der Windkraftplanung, in BauR 2015, 201–2010; 2017: Mit-
schang, Stephan, Zur planungspraktischen Bedeutung von § 7 BauGB, in: ZfBR Jahr 2017, 28–
39; Gatz, Stephan, Die planerische Steuerung der Windenergienutzung in der Regional- und
Flächennutzungsplanung, in: DVBl 2017, 461–468; Reidt, Olaf, Die Ausweisung von Windkon-
zentrationszonen in Raumordnungs- und Flächennutzungsplänen – welcher Plan hat Vorrang?,
in: BauR 2017, 1293–1303.
2. Planungsverbände, Stadt-Umland-Verbände, gemeinsame Flächennutzungsplanung:
2012: Durinke, Peter, Das Verbandsgebiet eines Planungsverbandes nach § 205 BauGB, in: LKV
2012, 343–349.
3. Der Regionale Flächennutzungsplan
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de.

V. Die Bebauungspläne
Bebauungspläne sind aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ent-
wicklung und Ordnung erforderlich ist. Sie enthalten die rechtsverbindlichen Festset-
zungen, aus denen sich für und gegen die Grundeigentümer ergibt, ob und wie sie ihre
Grundstücke bebauen können. Die Festsetzungen können durch Zeichnung, Farbe,
Schrift oder Text zum Ausdruck gebracht werden. Damit sich nicht jedes Stadtpla-
nungsamt neue Farben und Zeichen ausdenken muss, gibt es die bundeseinheitliche
„Planzeichenverordnung – PlanZV“336, in der vorgeschrieben ist, welche Farbe oder
welche Schraffur für welche Gebietsart steht und welche Abkürzungen für welche
Festsetzungen zu verwenden sind. Da § 2 Abs. 1 Satz 1 PlanZV nur verlangt, dass die
in ihrer Anlage enthaltenen Zeichen verwendet werden „sollen“, ist ein B-Plan nicht
allein deshalb fehlerhaft, weil er von der PlanZV abweicht. Es genügt, wenn der Inhalt
der Festsetzungen eindeutig erkennbar ist337. Im Jahr 2017 wurde die Planzeichenver-
ordnung zum zweiten Mal seit 1990 geändert (das erste Mal war 2011, als zwei neue
Planzeichen für Anlagen und Einrichtungen für erneuerbare Energien (EE) und für die
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eingeführt worden sind). In Ziffer 1 „Art der bauli-
chen Nutzung“ wurde in Punkt 1.2.3 die Abkürzung MU für Urbane Gebiete nach
§ 6a BauNVO ergänzt; dazu mehr unter Punkt 3 in diesem Kapitel.

336 Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichen-
verordnung – PlanZV) vom 18.12.1990 (BGBl. 1991 I S. 58), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes
vom 4.5.2017 (BGBl. I S. 1057).
337 So das BVerwG, B. v. 10.1.2001 – 4 BN 42.00 –, ZfBR 2001, 420 = BauR 2001, 1061.

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Die Bebauungspläne V.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine flächendeckende Überplanung des zur
Bebauung vorgesehenen Gemeindegebiets mit inhaltlich vollständigen, sog. qualifizier-
ten Bebauungsplänen – von der das BBauG 1960 noch ausging – in aller Regel aus
Zeit- und Kostengründen nicht möglich ist. Das Aufstellungsverfahren für B-Pläne
dauert – beim Regelverfahren – insgesamt durchschnittlich etwa zwei bis drei Jahre.
Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensschritte einschließlich der öffentli-
chen Auslegung ist es praktisch kaum möglich, eine Aufstellungsdauer von einem Jahr
(ab Aufstellungsbeschluss) zu unterschreiten. Im vereinfachten oder beschleunigten
Verfahren kommen Verfahrensdauern von weniger als einem Jahr hingegen vor.
Die Haupteinsatzfelder des Bebauungsplans sind einerseits Neubaugebiete und ande-
rerseits solche bereits bebauten Bereiche, die städtebaulich umstrukturiert werden sol-
len, in denen konkrete Probleme zu lösen sind. In diesen Gebieten schaffen Bebauungs-
pläne Planungssicherheit. Sie sind (fast) unersetzlich als Grundlage für die
Bodenordnung und für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen; sie erleichtern den
Grunderwerb für die öffentliche Hand; sie verschaffen (jedenfalls nach dem Überste-
hen eines gerichtlichen Kontrollverfahrens) Rechtssicherheit.
Die Frage, unter welchen Umständen die Gemeinde wegen „Planungsbedürftigkeit“
eines Vorhabens oder der „Beplanungsbedürftigkeit“ eines ganzen Gebiets einen Be-
bauungsplan aufstellen muss, ist häufig nicht leicht zu beantworten. Das Gesetz sagt
dazu nur, dass die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, „sobald und soweit
dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ (§ 1 Abs. 3).
Die Frage der Planungsbedürftigkeit ist zunächst vor allem im Zusammenhang mit der
Errichtung von Großvorhaben im Außenbereich, wie z. B. von Kraftwerken, diskutiert
worden. Die eine Partei in dem Meinungsstreit meinte, die Anwendung des gesetzlich
ausgestalteten Planungsverfahrens sei gerade bei Großvorhaben sowohl für die Ver-
waltung als auch für die Bürger so wichtig, dass eine Genehmigung derartiger Vorha-
ben ohne Plan ausgeschlossen sei. Geschehe dies trotzdem, so seien die von dem Vor-
haben betroffenen Bürger allein wegen des unterlassenen Planungsverfahrens
klagebefugt338. Die Gegenseite vertrat die Ansicht, auch ein Genehmigungsverfahren
ohne Bebauungsplan könne die notwendige Rechtsprüfung garantieren339. Das Bun-
desverwaltungsgericht stand zunächst auf dem Standpunkt, dass es einen „öffentlichen
Belang der Planungsbedürftigkeit“, der der Genehmigung eines Vorhabens ohne vor-
hergehende verbindliche Bauleitplanung entgegenstehen könnte, zumindest im Außen-
bereich nach § 35 nicht geben könne340. Der Gesetzgeber habe nämlich selbst geplant,
indem er in § 35 Abs. 1 BauGB durch Auflistung entschieden habe, welche Vorhaben
in den Außenbereich gehören (sofern nicht im Einzelfall öffentliche Belange entgegen-
stehen). Dieses Argument galt seinerzeit vor allem im Streit um die Standorte von
Atomkraftwerken, atomaren Entsorgungseinrichtungen und Kernforschungsanlagen,
die bis 2011 zu den nach § 35 Abs. 1 genehmigungsfähigen Vorhaben zählten, also
keiner förmlichen Standortplanung durch einen Bebauungsplan nach den Vorschriften
des Baugesetzbuchs bedurften (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 7 a. F.). Seit dem Inkrafttreten der
sog. „Klimaschutznovelle“ am 30.7.2011 ist die Neuerrichtung von Anlagen zur Spal-
tung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität von der Privi-
legierung ausgenommen. Die Herausnahme erfasst lediglich die Errichtung neuer

338 VG Bremen Gewerbearchiv 1981, 33; zuerst VG Berlin, U. v. 14.12.1976 – XIII A 419.76 –, DVBl.
1977, 353 und NJW 1977, 2287; vgl. auch Hamburgisches OVG, B. v. 13.1.1977 – Bs II 79/76 –,
BauR 1977, 256: Bei ständiger Befreiung von nicht nachbarschützenden Normen besteht Nachbar-
schutz wegen Verletzung von Verfahrensrechten.
339 Vgl. VGH Baden-Württemberg ESVGH 29, 117 (122).
340 BVerwG, U. v. 24.10.1980 – 4 C 3.78 –, NJW 1981, 2427; noch deutlicher in NJW 1984, 1771; zur
Planungsbedürftigkeit von Vorhaben im Außenbereich vgl. BVerwG, U. v. 18.2.1983 – 4 C 19/81 –,
NJW 1983, 2716.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Kernkraftwerke, nicht jedoch die Veränderung von bestehenden Anlagen oder ihres
Betriebs.
Von dieser Rechtsprechung ist das BVerwG inzwischen mit Recht abgerückt (wenn
auch nicht im Zusammenhang mit den Kernkraftwerken). Es ist nämlich (bei Vorha-
ben mit deutlichem Bezug zur innerstädtischen Ordnung) durchaus denkbar, dass ei-
nem Vorhaben im Außenbereich der Belang der Planungsbedürftigkeit entgegensteht,
wenn und weil das Vorhaben die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beein-
flusst. Ein „Factory-Outlet-Center“ darf z. B. nicht ungeplant in den Außenbereich
gesetzt werden341 – es muss durch Planung in den Kontext der benachbarten Städte
und Gemeinden gesetzt werden. Eine Planungspflicht kann sich nach dem BVerwG
auch aus Zielen der Raumordnung ergeben, wenn ein von der Regionalplanung vorge-
gebener Standort für ein Großvorhaben nur mit Hilfe eines Bauleitplans verwirklicht
werden kann342.
Hinsichtlich des möglichen Inhalts von Bebauungsplänen gilt Folgendes: Wegen des
Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dürfen in einem Bebauungsplan nur sol-
che Festsetzungen stehen, die der Gesetzgeber im § 9 vorgesehen hat. In Bild 26 sind
die kraft § 9 in einem Bebauungsplan möglichen Festsetzungen den im § 5 aufgeführ-
ten möglichen Darstellungen im Flächennutzungsplan gegenübergestellt.
Bild 26: Darstellungen und Festsetzungen in der Bauleitplanung
Darstellungen im F-Plan Festsetzungen im B-Plan
nach § 5 Abs. 2 Nr.: nach § 9 (Abs.) Nr.:
Nr. 1 Bauflächen und Baugebiete (1) Nr. 1 Art und Maß der baulichen Nutzung
(1) Nr. 2 Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen,
Stellung der baulichen Anlagen
(1) Nr. 2a Vom Bauordnungsrecht abweichende Abstands-
flächen
(1) Nr. 3 Mindestmaße für Größe, Breite, Tiefe der Baugrund-
stücke, für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße
(1) Nr. 4 Flächen für Nebenanlagen,
(1) Nr. 19 Anlagen für Kleintierhaltung
(1) Nr. 6 höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohnge-
bäuden
(1) Nr. 7 Flächen für Wohngebäude für Personengruppen mit
besonderem Wohnbedarf
(2b) Regelung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten für
die im Zusammenhang bebauten Ortsteile
Nr. 2a Gemeinbedarfseinrichtungen (1) Nr. 5 Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und
Spielanlagen
(1) Nr. 9 Flächen mit besonderem Nutzungszweck
(1) Nr. 22 Flächen für Gemeinschaftsanlagen
Nr. 2b Anlagen, Einr., Maßn., die dem (1) Nr. 12 Anlagen und Einrichtungen für die Nutzung erneu-
Klimawandel entgegenwirken erbarer Energien
Nr. 2c Anlagen, Einr., Maßn., die der An- (1) Nr. 23b Gebiete, in denen bei der Errichtung von Gebäu-
passung an den Klimawandel dienen den/sonstigen Anlagen Maßnahmen für die Erzeugung, Nut-
zung oder Speicherung von Strom, Wärme, Kälte aus erneu-
erbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen
werden müssen
Nr. 2d Zentrale Versorgungsbereiche (2a) Festsetzungen zur Zulässigkeit des Einzelhandels
zwecks Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbe-
reiche

341 BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, ZfBR 2003, 38 (FOC Zweibrücken).


342 BVerwG, U. v. 15.3.2003 – 4 CN 9.01 –, ZfBR 2003, 776 (Erweiterung des Flughafens Stuttgart – Bau
einer Landesmesse).

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Die Bebauungspläne V.

Darstellungen im F-Plan Festsetzungen im B-Plan


nach § 5 Abs. 2 Nr.: nach § 9 (Abs.) Nr.:
Nr. 3 Flächen für den überörtlichen Ver- (1) Nr. 11 Verkehrsflächen, auch Fußgängerbereiche, Park-
kehr und örtliche Hauptverkehrszüge plätze
(1) Nr. 26 Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern
für Straßenkörper
Nr. 4 Flächen für Versorgungsanlagen, (1) Nr. 12 Versorgungsflächen
Abfallentsorgung und Abwasserbeseiti- (1) Nr. 13 Führung von Versorgungsanlagen und -leitungen
gung, Versorgungs- und Abwasserleitun- (1) Nr. 14 Flächen für die Abfallentsorgung, Ablagerungen
gen Abwasserbeseitigung, einschl. Flächen für die Rückhaltung
und Versickerung des Niederschlagswassers
(1) Nr. 21 Geh-, Fahr- und Leitungsrechte zugunsten der All-
gemeinheit
Nr. 5 Grünflächen (1) Nr. 15 Öffentliche und private Grünflächen, wie Parkanla-
gen, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze,
Friedhöfe
(1) Nr. 25a, b Anpflanzungen, Bindungen für Bepflanzungen
Nr. 6 Flächen für Nutzungsbeschränkun- (1) Nr. 23a Gebiete, in denen bestimmte luftverunreinigende
gen oder für Vorkehrungen gegen schäd- Stoffe nicht verwendet werden dürfen
liche Umwelteinwirkungen (1) Nr. 23c Gebiete, in denen bei der Errichtung, Änderung
und Nutzungsänderung baulicher Anlagen in der Nachbar-
schaft zu Störfallbetrieben bestimmte bauliche oder sonstige
technische Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen
(1) Nr. 24 Von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen,
Flächen für bes. Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz ge-
gen schädliche Umwelteinwirkungen, einschließlich Geräu-
schen sowie die dazu zu treffenden baulichen und sonstigen
Vorkehrungen
Nr. 7 Wasserflächen, Häfen, Flächen für (1) Nr. 16 Wasserflächen, Flächen für die Wasserwirtschaft,
Wasserwirtschaft für Hochwasserschutzanlagen, gebäudebezogene Maßnah-
men für den Hochwasserschutz, einschließlich des Schutzes
vor Starkregen sowie Niederschlagswasserversickerung aus
Gründen des Hochwasserschutzes
Nr. 8 Flächen für Aufschüttungen, Abgra- (1) Nr. 17 Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen, Gewin-
bungen, Gewinnung von Bodenschätzen nung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen
Nr. 9a u. b Flächen für die Landwirt- (1) Nr. 18 Flächen für die Landwirtschaft, Wald
schaft, Wald
Nr. 10 Flächen für Maßnahmen zum (1) Nr. 20 Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Ent-
Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung wicklung von Boden, Natur und Landschaft sowie Flächen
von Boden, Natur und Landschaft für diese Zwecke

Neu hinzugekommen sind durch das Gesetz vom 4.5.2017343 erweiterte Festsetzungs-
möglichkeiten zum Hochwasserschutz in § 9 Abs. 1 Nr. 16, zum gebäudebezogenen
Störfallschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 23c, der im Zusammenhang mit dem ebenfalls
neuen § 9 Abs. 2c steht (vgl. Pkt. 10c in diesem Kapitel), und die ausdrückliche Nen-
nung der Geräusche als schädliche Umwelteinwirkung in § 9 Abs. 1 Nr. 24.
Aus der Gegenüberstellung wird deutlich, wie die generalisierenden Darstellungen des
F-Plans im B-Plan verfeinert werden können und sollen. Der Katalog der möglichen
Festsetzungen kann hier nicht im Einzelnen erläutert werden, dazu sind die Kommen-
tare besser geeignet. Wichtig ist jedoch der Hinweis darauf, dass ein Bebauungsplan
nur dann als sog. qualifizierter B-Plan allein über die Zulässigkeit von Vorhaben in
seinem Geltungsbereich entscheidet, wenn er (allein oder in Verbindung mit sonstigen
baurechtlichen Vorschriften) die in § 30 Abs. 1 aufgeführten Mindestfestsetzungen
enthält. Dies sind Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung,
die überbaubaren Grundstücksflächen sowie über die örtlichen Verkehrsflächen.

343 BGBl. I S. 1057.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Es ist jedoch keineswegs vorgeschrieben, dass ein B-Plan diese Mindestfestsetzungen


enthalten muss. Zulässig sind auch sog. einfache B-Pläne, deren Festsetzungen bei der
Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben durch die Maßstäbe des § 34 oder
35 oder durch einen nachfolgenden Projektbebauungsplan344 ergänzt werden (§ 30
Abs. 3), sowie „vorhabenbezogene B-Pläne“ nach § 30 Abs. 2, die sich auch nicht an
den Mindestfestsetzungen orientieren müssen (näheres dazu unter Punkt 7 in diesem
Kapitel). In der Praxis nicht selten anzutreffen sind z. B. reine „Straßenbebauungs-
pläne“, mit denen im Wesentlichen nur die Trassenführung einer Straße (zusammen
mit den Lärmschutzmaßnahmen) geregelt wird345. Unbeschadet der Vielfalt der Mög-
lichkeiten ist aber ein Überblick über typische Inhalte von Bebauungsplänen sinnvoll.

1. Typische Inhalte von Bebauungsplänen


Um einen Überblick über die Vielfalt der unterschiedlichen Arten und Inhalte von
Bebauungsplänen zu gewinnen, muss man sie in verschiedene, typisierende Gruppen
zusammenfassen. Dabei gibt es verschiedene Gliederungsgesichtspunkte:
– Zum einen ist eine eher formelle Unterscheidung danach möglich, ob es sich um
Erst- oder Änderungsplanungen handelt;
– zum anderen können die Pläne materiell nach der Art der Siedlungsflächen unter-
schieden werden, mit denen sie sich befassen.
Zunächst sollen einige Erläuterungen zur formellen Unterscheidung in Erst- und Ände-
rungspläne gegeben werden.
Erstpläne können sowohl für neu zu erschließendes Bauland als auch für bereits be-
baute Gebiete aufgestellt werden, für die es zum Zeitpunkt ihrer Bebauung keinen
B-Plan gegeben hat. Wenn bisher nicht bebautes Land für die erstmalige Bebauung
aufgeschlossen werden soll (und nicht die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit nach
§ 35 BauGB vorliegen), dann ist dafür nach heutigem Recht ein B-Plan unabdingbar.
Ein solcher „Erschließungsbebauungsplan“ muss alle wesentlichen Fragen der zukünf-
tigen Bebauung regeln, mit anderen Worten: Es muss ein qualifizierter B-Plan sein. In
bereits bebauten Gebieten ist das anders. Hier wird die Entscheidung über die Frage,
welche Art von Gebäuden und welche Nutzungen in dieses Gebiet hineinpassen, in
wesentlichem Umfang bereits durch die vorhandene Bebauung bestimmt. B-Pläne kön-
nen sich hier auch als Erstpläne darauf beschränken, nur einzelne Fragen, z. B. die
Nutzungsart, die Gebäudehöhen oder Gebäudeabstände, zu regeln. Solche nur ergän-
zenden Pläne, die nicht alle Festsetzungen enthalten, die zur Beurteilung der Zulässig-
keit eines Vorhabens erforderlich sind, nennt man wie gesagt einfache Bebauungs-
pläne. Häufig sind in bebauten Gebieten aber auch schon ältere Pläne vorhanden.
Viele dieser Pläne sind bereits vor 1960 – also vor dem erstmaligen Inkrafttreten des
Bundesbaugesetzes – entstanden. Soweit sie nicht dem geltenden Recht widersprechen,
sind sie als „übergeleitete Pläne“ nach wie vor verbindlich (§ 233 Abs. 3 BauGB). Sie
haben die verschiedensten Bezeichnungen wie „Staffelbaupläne“, „Baustufen-
pläne“346, „Baunutzungspläne“, „Bauzonen-“ oder „Baugebietspläne“. Diese Pläne
gelten ganz oder teilweise auch heute noch, weil das BBauG 1960 in einer seiner
Überleitungsvorschriften (§ 173 Abs. 3) angeordnet hat, dass alle bei seinem Inkraft-
treten bereits bestehenden städtebaulichen Pläne und örtlichen Bauvorschriften inso-
weit fortgelten sollten, als ihr Inhalt auch Gegenstand eines nach dem neuen Recht

344 Der vorlaufende einfache Plan kann als „Koordinierungsplan“ für nachfolgende Einzelpläne dienen.
Beispiel: Berlin – Potsdamer Platz; zustimmend: BVerwG, B. v. 12.3.1999 – 4 BN 6.99 –, ZfBR 1999,
225.
345 Dabei ist unbestritten, dass die Gemeinde im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumen-
tarium des § 9 BauGB für eine eigene Verkehrspolitik nutzen kann, soweit diese einen örtlichen Bezug
hat (BVerwG, B. v. 25.1.2011 – 4 BN 39.10 –, BauR 2011, 981).
346 Beispiel: Hamburgische Baustufenpläne, dazu: BVerwG, U. v. 17.12.1998, ZfBR 1999, 160.

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Die Bebauungspläne V.

erlassenen Bebauungsplans sein könnte. Es gibt demnach heute keine Bebauungspläne,


die nicht auch nach dem Bundesbaugesetz hätten ergehen können; dies gilt allerdings
nur für den Inhalt dieser Pläne, nicht für das Verfahren. Weder eine Öffentlichkeitsbe-
teiligung noch eine förmliche Auslegung brauchten seinerzeit stattgefunden zu ha-
ben347. Es genügt, wenn die damals geltenden Verfahrensvorschriften korrekt einge-
halten worden sind und eine gerechte Abwägung stattgefunden hat. Auch bei der
Abwägung sind die Planungsvorstellungen der Entstehungszeit, nicht die möglicher-
weise verschärften Maßstäbe der Gegenwart, zugrunde zu legen. Ob ein übergeleiteter
Plan noch gilt, konnte bis 1997 sowohl im Rahmen einer inzidenten Kontrolle anläss-
lich einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage als auch im Wege der direkten Nor-
menkontrolle nach § 47 VwGO überprüft werden348. Seit dem 1.1.1997 galt jedoch
auch für Anträge auf direkte Normenkontrolle von übergeleiteten Plänen die zweijäh-
rige Antragsfrist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO; sie ist inzwischen längst verstrichen.
Für neuere Bebauungspläne gilt seit dem 1.1.2007 eine Antragsfrist von nur noch
einem Jahr (vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel B.XVIII.).
Wenn alte Pläne und damit auch Pläne, die schon unter oder vor dem Bundesbaugesetz
aufgestellt worden sind, wegen geänderter städtebaulicher Konzepte nicht mehr wei-
tergelten sollen, müssen sie geändert oder aufgehoben werden. Für das Änderungs-
oder Aufhebungsverfahren gelten die gleichen Verfahrensvorschriften wie für die Auf-
stellung eines neuen Plans (§ 1 Abs. 8).
Will man Bebauungspläne materiell nach der Gebietsart oder der Zielsetzung unter-
scheiden, mit der sie sich befassen bzw. die sie verfolgen, so sind folgende Haupttypen
zu nennen:
– Innenstadtpläne;
– Quartierspläne, unterschieden nach Nutzungsarten (Wohnen, Gewerbe, Industrie);
– Sondergebietspläne (z. B. für großflächigen Einzelhandel, Einkaufszentren, Verwal-
tungsbauten, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Häfen usw.);
– Pläne für Sanierungs- und Stadterneuerungsgebiete;
– Stadterweiterungspläne; Pläne für städtebauliche Entwicklungsbereiche und für
Stadtumbaugebiete; Dorfbebauungspläne;
– Vorhabenbezogene Bebauungspläne (Vorhaben- und Erschließungsplan; dazu nä-
heres in diesem Kapitel unter Abschnitt 7);
– Bebauungspläne der Innenentwicklung (§ 13a, vgl. Abschnitt 8 in diesem Kapitel);
– Bebauungspläne zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte
Verfahren (§ 13b, vgl. Abschnitt 9 in diesem Kapitel);
– Bebauungspläne zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche, zur Steuerung des Ein-
zelhandels (§ 9 Abs. 2a, vgl. Abschnitt 10.a in diesem Kapitel);
– Bebauungspläne für die Steuerung von Vergnügungsstätten (§ 9 Abs. 2b, vgl. Ab-
schnitt 10.b in diesem Kapitel);
– Bebauungspläne zur Vermeidung oder Verringerung von Störfallrisiken (§ 9
Abs. 2c, vgl. Abschnitt 10.c in diesem Kapitel).
Bild 27: Auswahl klimaschutzbezogener Festsetzungen im Bebauungsplan
Klimaschutzmaßnahme Festsetzungsgegenstand Rechtsgrundlage
(§ 9 Abs. 1 Nr.)
Kompakte Baukörper/Süd- Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, 1, 2, 3
orientierung Stellung baulicher Anlagen
Verschattungsfreiheit Vom Bauordnungsrecht abweichende Maße 2a
der Tiefe der Abstandsflächen

347 BVerwG, U. v. 14.3.1975 – 4 C 44.72 –, BRS 29 Nr. 7.


348 So das BVerwG, U. v. 15.8.1991 – 4 N 1.91 –, ZfBR 1992, 78; anders noch OVG Berlin ZfBR 1980,
51.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Klimaschutzmaßnahme Festsetzungsgegenstand Rechtsgrundlage


(§ 9 Abs. 1 Nr.)
Sicherung von Kaltluftschnei- Von Bebauung freizuhaltende Flächen 10
sen
Vorrang für erneuerbare Ener- Entsprechende Zweckbestimmungen zuguns- 12
gien bei der Festsetzung von ten der Flächen für Anlagen und Einrichtun-
Versorgungsflächen gen zur dezentralen und zentralen Erzeu-
gung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung
von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerba-
ren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung
Luftreinhaltung Verwendungsbeschränkungen für Luft verun- 23a
reinigende Stoffe
Förderung erneuerbarer Festsetzung von Gebieten, in denen bei der 23b
Energien Errichtung von Gebäuden oder bestimmten
sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauli-
che und sonstige technische Maßnahmen für
die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung
von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerba-
ren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung ge-
troffen werden müssen
Wärmedämmung Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor- 24
schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne
des BImSchG
CO2-Minderung Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und 25a
sonstigen Bepflanzungen

Als neue Querschnittaufgabe – auch der verbindlichen Bauleitplanung – hat sich in


der jüngeren Vergangenheit der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel
herausgebildet. Zwar sind hier mit der Klimaschutznovelle 2011 einzelne ausdrücklich
klimaschutzorientierte Festsetzungsmöglichkeiten hinzugekommen (§ 9 Abs. 1 Nr. 12
und Nr. 23b), indirekt waren jedoch auch in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl
potenziell klimaschützend wirkender Festsetzungen in der Bebauungsplanung möglich.
Bild 27 vermittelt dazu einen Überblick.
Nach dem Bundesverwaltungsgericht349 sind auch Bebauungspläne, mit denen nur
Grünflächen oder Flächen zum Schutz, zur Pflege oder zur Entwicklung von Boden,
Natur und Landschaft festgesetzt werden, zulässig. Nach der durch das BauROG 1998
eingeführten Möglichkeit, Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen
in Natur und Landschaft durch gesonderten B-Plan festzusetzen (und zwar auch in
gesammelter Form), sind solche rein grünbezogenen B-Pläne auch im Außenbereich
häufiger geworden, vorzugsweise mit Festsetzungen von Flächen und Maßnahmen
zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft. Damit
ist auch außenbereichsbezogene Grünplanung nicht mehr allein Sache der Land-
schafts- und Grünordnungsplanung. Eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 verlangt
über die Festsetzung einer Grünfläche hinaus die Festsetzung einer Zweckbestimmung.
Die gängigen Grünflächentypen sind in der Vorschrift aufgeführt, es sind Parkanlagen,
Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze sowie Friedhöfe. Zu unterschei-
den und im Bebauungsplan festzusetzen ist ferner, ob die Grünfläche öffentlich oder
privat ist. Diese Anforderung an die Konkretisierung der Planung mittels Zweckbe-
stimmung gilt auch für weitere flächenbezogene Festsetzungsmöglichkeiten, wie Ge-
meinbedarfsflächen nach Nr. 5 und Versorgungsflächen nach Nr. 12.
Bei der Zuordnung von Gebieten mit unterschiedlicher Nutzung sind einige „Regeln
der Kunst“ zu beachten, durch die gegenseitige Störungen möglichst vermieden wer-
den sollen. Als Grundregel ist anerkannt, dass schutzbedürftige Gebiete, also insbeson-

349 BVerwG, B. v. 27.7.1990 – 4 B 156.89 –, NVwZ 1991, 62.

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Die Bebauungspläne V.

dere Wohngebiete, und umweltbelastende, also insbesondere Industriegebiete sowie


störendes Gewerbe oder sonstige störende Vorhaben – z. B. Bolzplätze350 – ausrei-
chend voneinander getrennt werden müssen351. Das muss nicht immer durch geson-
derte Ausweisung räumlich weit voneinander getrennter Baugebiete geschehen; mög-
lich ist auch die Gliederung nach Nutzungsarten innerhalb eines Baugebiets oder (in
besonders schwierigen Gemengelagen) die Festsetzung von Schutzmaßnahmen an oder
im Zusammenhang mit den Gebäuden. Die von den Stadtplanern unter positivem
Vorzeichen wiederentdeckte „Nutzungsmischung“ (die z. B. auch in der Leipzig-
Charta aus dem Jahr 2007 ihren Niederschlag gefunden hat) ist nicht in jeder Hinsicht
der Weisheit letzter Schluss. Nutzungsmischung soll zu einer Stadt der kurzen Wege
führen und so den störenden Kraftfahrzeugverkehr eindämmen helfen; außerdem soll
sie dem Aussterben der Innenstädte und der Entstehung öder reiner Wohnquartiere
entgegenwirken. Jede Nutzungsmischung ist jedoch auch konfliktbeladen: Wer in der
Stadt wohnt, muss mehr Störungen tolerieren als der Einsiedler, weil die Verflechtungs-
beziehungen, die Baudichte und die Vorbelastung, vor allem durch den Straßenverkehr
größer werden, je weiter man sich dem Stadtzentrum nähert; Gewerbe in der Stadt
muss in der Nähe von Wohnungen mit mehr Auflagen rechnen als im isolierten Indust-
riegebiet. Da von vielen modernen gewerblichen Nutzungen im Zuge des Strukturwan-
dels und der Tertiärisierungsprozesse heute keine erheblichen Störungen mehr ausge-
hen, sind die Ausgangsbedingungen für ein Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten
in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich besser geworden. Insofern sollte die Be-
reitschaft beider (der Stadtbewohner und der Gewerbetreibenden), in der Stadt zu
bleiben, in der Tat gefördert werden. Diesem Umstand tragen u. a. die mit § 6a
BauNVO 2017 eingeführten urbanen Gebiete Rechnung (mehr dazu in Abschnitt 3
in diesem Kapitel); dennoch haben auch attraktive reine Wohngebiete weiterhin ihre
Berechtigung, während Fabriken weiterhin ein gebührender Abstand zur nächsten
Wohnbebauung zugestanden werden sollte.
Eine der Hauptstörquellen in fast allen Quartieren ist und bleibt der vom Straßenver-
kehr (z. T. auch vom Schienenverkehr) ausgehende Verkehrslärm. Der Bundesgesetzge-
ber hat die Bundesregierung in § 43 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelt-
einwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche
Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BlmSchG)352 ermächtigt, für neu gebaute
oder wesentlich geänderte Straßen und Schienenwege durch Rechtsverordnung ein-
schlägige Grenzwerte festzusetzen. Dieser Ermächtigung ist die Bundesregierung durch
die Verkehrslärmschutzverordnung vom 12.6.1990 (16. Verordnung nach dem
BImSchG – BImSchV)353 nachgekommen. Damit wurden eine jahrelange Entwicklung
und viele Auseinandersetzungen über die angemessenen Grenzwerte beendet. Zuvor
musste auf technische Regelwerke wie die DIN 18005 – Schallschutz im Städtebau –,
die 2017 an die Anforderungen der Urbanen Gebiete angepasste „Technische Anlei-
tung zum Schutz gegen Lärm“, die sog. TA Lärm, und die VDI-Richtlinie 2058 –
Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft – sowie Grundsatzurteile des
BVerwG und des BVerfG zurückgegriffen werden354. Anhand der Verkehrslärm-
schutzVO und der Rechtsprechung kann und muss im Einzelfall entschieden werden,
was zu tun ist. Wenn die recht hohen Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten

350 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 21.10.1983 – 8 S 889/83 –, BauR 1984, 151; ZfBR 1985, 96.
351 BVerwG, U. v. 5.7.1974 – IV C 50.72 –, BVerwGE 45, 327; VGH Baden-Württemberg, BaWüVBl.
1980, 24; Bayerischer VGH, U. v. 21.10.1982 – Nr. 2 N 81 A.2080 –, BauR 1983, 336 und NJW
1983, 300; BGH, U. v. 21.12.1989 – 3 ZR 49/88 –, ZfBR 1990, 92.
352 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013
(BGBI. I S. 1274) mit nachfolgenden Änderungen.
353 BGBl. I 1990 S. 1036.
354 Zur Rechtslage vor der Verabschiedung der VerkehrslärmschutzVO vgl. insbes. BVerwG, U. v.
22.5.1987, ZfBR 1987, 290 sowie BVerfG, B. v. 30.9.1988, ZfBR 1989, 115.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

werden, haben die Betroffenen Anspruch auf Lärmschutz. Die Richtwerte der Sportan-
lagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) gelten für die Errichtung, die Beschaffen-
heit und den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zwecke der Sportausübung
betrieben werden und einer Genehmigung nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzge-
setzes nicht bedürfen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV). Um Sport auch wohnortnah besser
betreiben zu können, wurden die Richtwerte 2017 „liberalisiert“. Mit Ausnahme von
Kurgebieten wurde für die Baugebiete der Strengezuschlag in Höhe von 5 dB (A) in
den normalerweise abendlichen Ruhezeiten zwischen 20 und 22 Uhr aufgehoben. Glei-
ches gilt für die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15 Uhr.355
In der Abwägung gilt folgende Stufenfolge:
– unerhebliche Geräusche sind kein „Lärm“ und bleiben in der Abwägung folgenlos;
– spürbare, aber noch zumutbare Geräusche müssen als abwägungserheblicher Be-
lang im Festsetzungsgefüge des Plans allgemein berücksichtigt werden;
– lästige Geräusche oberhalb der Zumutbarkeitsgrenzen lösen einen Anspruch der
Betroffenen auf individuelle Schutzvorkehrungen aus;
– unzumutbare und intensive Geräusche oberhalb der Grenze der Gesundheitsge-
fährdung wirken sich gleichsam enteignend aus; in unvermeidlichen Fällen muss
die Wertminderung in Geld ausgeglichen werden, wenn der Betroffene das Grund-
stück nicht mehr sinnvoll nutzen kann, kann er die Übernahme des Grundstücks
gegen die Zahlung einer Entschädigung verlangen (vgl. § 40 Abs. 2).
Im Sechsten Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§§ 47a bis 47f BImSchG) ist
die Lärmminderungsplanung geregelt. Die zuständigen Behörden waren danach aufge-
fordert, bis zum 30. Juni 2007 Lärmkarten für Ballungsräume mit mehr als 250.000
Einwohnern sowie für Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von
über sechs Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr, Haupteisenbahnstrecken mit einem
Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen pro Jahr und Großflughäfen auszuarbei-
ten. Gleiches galt bis zum 30. Juni 2012 und gilt danach alle fünf Jahre für sämtliche
Ballungsräume sowie für sämtliche Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstre-
cken. Alle fünf Jahre sind diese Lärmkarten zu überarbeiten. In einem weiteren Schritt
hatten die zuständigen Behörden bis zum 18. Juli 2008 (für Orte in der Nähe der
Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6 Mio. Kfz pro Jahr,
für Haupteisenbahnstrecken mit mehr als 60.000 Zügen pro Jahr und für Großflughä-
fen sowie für Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern) bzw. bis zum 18. Juli
2013 (für die übrigen Ballungsräume, für die übrigen Hauptverkehrsstraßen und
Haupteisenbahnstrecken) Lärmaktionspläne aufzustellen, mit denen Lärmprobleme
und Lärmauswirkungen geregelt werden sollen. Die aus den Lärmkarten abzuleitende
Festlegung von Maßnahmen in den Plänen ist dabei in das Ermessen der zuständigen
Behörden gestellt.
Für den Umgang mit den Regelwerken kann man sich als Faustformel merken, dass
städtebauliche Planung grundsätzlich dafür sorgen muss, dass man in reinen Wohnge-
bieten keinen Straßenverkehrslärm erdulden muss, der tags im Mittel über 50 dB (A)
Außenpegel, nachts über 40 dB (A) hinausgeht. Diese Werte basieren auf den Orientie-
rungswerten der DIN 18005. Als Orientierungswerte sind sie einer Abwägung zugäng-
lich. Als Faustformel für die Ermittlung der Verkehrszunahme bei der Planung von
neuen Wohngebieten geht der Hessische Verwaltungsgerichtshof beispielsweise davon
aus, dass je Wohneinheit etwa 1,5 Fahrzeuge vorhanden sind und dass jedes Fahrzeug
ca. 2,5-mal am Tag bewegt wird. Ferner sei ein motorisierter Besucherverkehr sowie
ein Güterverkehr von insgesamt 2 Fahrten pro Wohneinheit am Tag in Ansatz zu
bringen.356 Insbesondere in sog. vorbelasteten Gebieten können die Werte der

355 Vgl. Sportanlagenlärmschutzverordnung vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) mit nachfolgenden
Änderungen.
356 Vgl. Hessischer VGH, U. v. 17.8.2017 – 4 C 2760/16.N –, JurionRS 2017, 23353.

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Die Bebauungspläne V.

DIN 18005 noch höher sein: Wer in Kenntnis der Existenz oder auch nur der verbind-
lichen Planung einer emittierenden Anlage (z. B. einer Autobahntrasse) eine störanfäl-
lige Nutzung (wie es das Wohnen in aller Regel ist) daneben plant oder verwirklicht,
muss wegen dieser Vorbelastung des Gebiets unter Umständen einen höheren Dauer-
schallpegel hinnehmen357. Die Werte der TA Lärm sind hingegen auch in der Bauleit-
planung einzuhalten. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die TA Lärm lediglich
Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen enthalte,
aber nicht den Konflikt eines vorhandenen Betriebs mit einer – kraft Planung – an
diesen heranrückenden Wohnbebauung regele. Die TA Lärm gilt vielmehr spiegelbild-
lich. Aus der Spiegelbildlichkeit ergibt sich, dass mit der Bestimmung der Anforderun-
gen an den emittierenden Betrieb durch die TA Lärm zugleich das Maß der vom Nach-
barn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die – gemeinsame –
Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht358. Planungspraktisch kann dies
zu Problemen führen, weil die TA Lärm keine passiven Lärmschutzmaßnahmen (wie
Schallschutzfenster) als Mittel der Konfliktlösung zwischen gewerblichen Nutzungen
und Wohnen vorsieht. Für die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm sind
vielmehr Immissionsorte außerhalb der betroffenen Gebäude maßgeblich (Die Mes-
sung ist nämlich 0,5m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Ge-
räusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raums nach den Bestimmungen
der DIN 4109 durchzuführen). Dadurch werden die Anforderungen an die Planung in
sogenannten Gemengelagen deutlich erhöht.
Zur Konfliktlösung können genutzt werden:
– Festsetzungen zur Stellung baulicher Anlagen;
– Festsetzungen zur Lage schutzbedürftiger Räume auf der von der Lärmquelle abge-
wandten Seite des Gebäudes;
– Festsetzung nicht zu öffnender (festverglaster) Fenster359.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch speziell kippbare, im Übrigen aber
nicht zu öffnende Schallschutzfenster (Hamburger Fenster) als nicht öffenbare Fenster
gelten und daher TA-Lärm-kompatibel sind.
In der für den Gewerbelärm anlagenbezogen anzuwendenden TA Lärm sind die Werte
für die neuen Urbanen Gebiete nach § 6a BauNVO mit 63 dB(A) für den Tag und 45
dB(A) für die Nacht festgelegt worden. Der Nachtwert ist dabei gegenüber den im
Vorfeld dieser Novellierung kritisierten Entwurfsfassungen nochmals um 3 dB(A) re-
duziert worden und entspricht für die Nachtzeit damit dem in Mischgebieten einzuhal-
tenden Richtwert. Die fast gewerbegebietstypischen 63 dB(A) am Tag werfen die Frage
nach den immer einzuhaltenden gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen im Sinne
des § 1 Abs. 6 Nr. 1 auf. Je weiter die Orientierungswerte der für die Bauleitplanung
einschlägigen DIN 18005 im Rahmen der Abwägung allerdings überschritten werden,
desto gewichtiger müssen die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe
sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten
(z. B. durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes, die Stellung und Gestaltung von
Gebäuden oder die Anordnung der Wohn- und Schlafräume sowie Kombinationen
hiervon) auszuschöpfen, die ihr zur Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhin-
dern360. Was im Einzelnen gilt und zumutbar ist, lässt sich abstrakt nicht ermitteln.
Die Gemeinde ist bei ihrer Abwägung – außerhalb der Verkehrswegeplanung – auch

357 Vgl. BVerwG, U. v. 14.4.1978 – 4 C 68.76 –, DVBl. 1978, 621; BVerwG, U. v. 14.12.1979 – 4 C
10.77 –, DVBl. 1980, 301; BVerwG, U. v. 22.3.1985 – 4 C 63.80 –, DVBl. 1985, 896; BVerwG, U. v.
22.5.1987 – 4 C 33.83 –, ZfBR 1987, 290.
358 Vgl. BVerwG, U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BauR 2013, 563 = NVwZ 2013, 372.
359 Zustimmend BVerwG, B. v. 7.6.2012 – 4 BN 6.12 –, BauR 2012, 1611.
360 BVerwG, B. v. 17.2.2010 – 4 BN 59.09 –, BauR 2010, 1180; BVerwG, U. v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 –,
BauR 2007, 1365.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

nicht durch den Gesetzgeber auf die Verwendung bestimmter technischer Regelwerke
festgelegt361. Wenn jedoch von dem zu erwartenden Verkehrslärm bei dem Neubau
oder der wesentlichen Änderung eines Verkehrswegs die Grenzwerte der 16. BImSchV
überschritten werden, muss das Stufenprogramm der §§ 50, 41 und 42 BImSchG ab-
gearbeitet werden. § 50 BImSchG enthält den sog. Trennungsgrundsatz. Danach sind
bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung
vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen
auf ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete sowie auf sonstige
schutzbedürftige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. (Entsprechendes gilt
für Anlagen, von denen schwere Unfälle im Sinne der sog. Seveso-III-Richtlinie der
Europäischen Union 2012/18/EU362 ausgehen können, vgl. hierzu ausführlich Kapitel
B.VIII.5). § 50 BImSchG verlangt vom Planer, dass er störende Nutzungen und Aktivi-
täten vom Wohnen möglichst fernhält363. Wenn dies – wie so häufig – nicht möglich
ist, muss gemäß § 41 BImSchG die Machbarkeit aktiven Lärmschutzes geprüft wer-
den. Aktiver Lärmschutz vermeidet den Lärm oder hält ihn an der Quelle fest – z. B.
durch Lärmschutzwände oder Wälle. Sofern auch dies – z. B. wegen der innerörtlichen
Lage eines Verkehrswegs – nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer ist, haben die
Betroffenen gemäß § 42 BImSchG Anspruch auf Erstattung der Kosten des passiven
Lärmschutzes (z. B. von Schallschutzfenstern) an den betroffenen baulichen Anlagen.
Was insoweit notwendig und erstattungsfähig ist, regelt die 24. BImSchV (Verkehrs-
wege-Schallschutzmaßnahmenverordnung)364.
Weniger deutlich geregelt als der Schutz gegen Lärm sind Vorkehrungen gegen Ge-
ruchsbelästigungen (obwohl der Geruchssinn des Menschen erheblich differenzierter
ist als die Fähigkeit des Hörens). Unterhalb der durch § 3 Abs. 1 BImSchG bestimmten
Erheblichkeitsschwelle365 darf jede Gemeinde eigenständig das Maß der gebietsbezo-
gen hinzunehmenden Geruchsbeeinträchtigungen steuern (z. B. durch ein SO-Gebiet
für landwirtschaftliche Betriebe einschließlich Tierzucht und Tierhaltung)366. Ver-
gleichsweise neu ist die von den Gremien der Umweltministerkonferenz erarbeitete
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)367, die auf der Basis von sogenannten Jahresge-
ruchsstunden gebietsbezogene Vorschläge für das zumutbare Maß von Geruchsimmis-
sionen entwickelt hat. Außerdem ist in der GIRL geregelt, wie diese Jahresgeruchsstun-
den methodisch ermittelt werden. Dass die GIRL für die Bewertung der Erheblichkeit
von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann, ist mittler-

361 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 1.9.1999 – 4 BN 25.99 –, ZfBR 2000, 419.


362 Vgl. Amtsblatt der europäischen Union Nr. L 197/17 vom 24.7.2012. Die Seveso-III-Richtlinie muss
seit dem 1. Juni 2015 in den Mitgliedstaaten der europäischen Union angewendet werden. Die Bundes-
republik Deutschland hat dies mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherr-
schung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden
Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 30.11.2016 – leicht verspätet – zum 7.12.2016
vollzogen (BGBl. I S. 2747).
363 Vgl. dazu die sog. Abstandserlasse in NW und Bbg: NW-Erlass vom 2.4.1998, MB1. NW 744, Nr. 43
vom 2.7.1998; Bbg: Empfehlung zu den Abständen zwischen Industrie/Gewerbegebieten sowie Hoch-
spannungsfreileitungen/Funksendestellen und Wohngebieten unter den Aspekten des Immissionsschut-
zes (Abstandsleitlinie) des Ministers für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 6.6.1995 (Abl.
Bbg. S. 590).
364 Vierundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrs-
wege-Schallschutzmaßnahmenverordnung – 24. BImSchV) vom 4. Februar 1997 (BGBl. I S. 172,
S. 1253) mit nachfolgenden Änderungen.
365 Zur Bemessung vgl. BGH, U. v. 21.6.2001 – 3 ZR 313/99 –, ZfBR 2001, 552.
366 BVerwG, U. v. 28.2.2002 – 4 CN 5.01 –, ZfBR 2002, 574.
367 Geruchsimmission-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29.2.2008/10.9.2008 (Nds. MBl. Nr. 36/
2009, 794).

202

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Die Bebauungspläne V.

weile auch von den Gerichten anerkannt worden368, und zwar unabhängig davon, ob
sie in dem jeweiligen Bundesland als Verwaltungsvorschrift übernommen wurde oder
nicht. Nach einer Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen ist z. B. die Festsetzung
eines Gewerbegebietes auf Flächen, auf denen ein Geruchsimmissionswert von 0,20
i. S. der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) überschritten wird (im zu entscheidenden
Fall wurde das Gewerbegebiet an vorhandene, stark emittierende landwirtschaftliche
Betriebe herangeplant), in aller Regel abwägungsfehlerhaft, weil dadurch die künftigen
Nutzer des Gewerbegebietes entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einer erheblichen
Belästigung ausgesetzt werden.369
Immer wieder streitig ist die Frage, ob es für die Bebauungsplanung ein „Gebot der
vollständigen Konfliktbewältigung“ gibt. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur straßenrechtlichen Fachplanung370. Danach sind in die
Planung alle Gesichtspunkte einzubeziehen, die zur möglichst optimalen Erfüllung der
Planungsaufgabe und zur Bewältigung der aufgeworfenen Probleme von Bedeutung
sind. Daraus folgt die Notwendigkeit einer einheitlichen, alle Konflikte lösenden Pla-
nungsentscheidung. Diese Maximen hat das OVG Berlin371 auf die Planung von Stra-
ßen durch Bebauungsplan übertragen. Der entsprechende Bebauungsplan müsse selbst
über die Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen, über Maßnahmen zum Schutz
von Natur und Landschaft entscheiden. Für die Planung eines Kraftwerks im Belas-
tungsgebiet hat das OVG Berlin372 die Festsetzung umfangreicher Vorkehrungen gegen
schädliche Umwelteinwirkungen wie Stilllegungsanordnungen, Immissionsgrenzwerte,
Verwendung bestimmter Heizstoffe, Lagerflächen für Kohle usw. verlangt. Es sei nicht
zulässig, die umweltrechtlichen Fragen in das immissionsschutzrechtliche Genehmi-
gungsverfahren zu verlagern.
Das Bundesverwaltungsgericht373 hat diese Rechtsprechung des OVG Berlin korri-
giert. Festsetzungen von Bebauungsplänen müssten zwar konkret individuell sein, d. h.
auf die Lösung etwaiger Konflikte in einem bestimmten Gebiet abzielen. Sie dürften
dabei aber auch planerische Zurückhaltung üben. Planerische Festsetzungen seien
nicht notwendig, wenn sie nicht mehr leisteten als nachbarliche Abstimmung. Soweit
der Bebauungsplan keine vollständige Konfliktlösung bewirke, könne sie über das
Gebot der Rücksichtnahme im Genehmigungsverfahren erreicht werden374. Das erfor-
derliche Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplans richte sich
danach, was nach den Umständen des Einzelfalls (Planungsziele, örtliche Verhältnisse)
für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sei375. Dabei dürfe der
Plangeber berücksichtigen, dass § 15 BauNVO die Lösung von Konflikten auch noch
im Genehmigungsverfahren ermögliche. Was bei realistischer Erwartung später bewäl-
tigt werden kann, muss nicht im B-Plan geregelt werden376. Das BVerwG hat aller-
dings auch klargestellt, dass über § 15 BauNVO die Festsetzungen eines Bebauungs-

368 BVerwG, B. v. 28.7.2010 – 4 B 29/10 –, BauR 2010, 2083; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v.


29.10.2010 – 2 A 1475/09 –, BauR 2011, 660; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 14.1.2010 – 8 B
1015/09 –, UPR 2011, 33; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.1.2011 – 8 S 600/09 –, BauR 2011,
891; Bayerischer VGH, B. v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 –, UPR 2011, 118.
369 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 5.5.2015 – 10 D 44/12.NE –, BauR 2015, 1446–1451.
370 BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 68/78 –, BVerwGE 61, 307 unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v.
1.11.1974, BVerwGE 47, 153 und BVerwG, U. v. 15.4.1977 – 4 C 100.74 –, BVerwGE 52, 244.
371 OVG Berlin, U. v. 7.1.1982 – 2 S 203/81 –, NVwZ 1982, 319; OVG Berlin, U. v. 29.3.1981 – 2 A 3/
81 –, NVwZ 1984, 188.
372 OVG Berlin, U. v. 29.8.1983 – 2 A 3/81 –, DVBl. 1984, 147.
373 BVerwG, B. v. 17.2.1984 – 4 B 191.83 –, ZfBR 1984, 90.
374 BVerwG, U. v. 5.8.1983 – 4 C 96.79 –, ZfBR 1983, 243 = BauR 1983, 547; bestätigt von BVerwG,
U. v. 11.3.1988 – 4 C 56.84 –, ZfBR 1988, 189.
375 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 17.5.1995 – 4 NB 30/94 –, BauR 1995, 654 (Festsetzung von Lärm-
schutzmaßnahmen am Inneren Ring in München).
376 BVerwG, B. v. 25.8.1997 – 4 BN4.97 –, BauR 1997, 982.

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plans nur restriktiv verengt, nicht aber im Sinne einer inhaltlichen Korrektur geändert
werden können. Eine „falsch“ geplante Tiefgaragenzufahrt kann also nicht über § 15
BauNVO im Baugenehmigungsverfahren an eine andere Stelle verlegt werden377. Alle
sich stellenden und auf der Ebene der Bebauungsplanung im Wege der Abwägung
lösbaren städtebaulichen Aufgaben und Probleme, muss ein Bebauungsplan auch lö-
sen. Dies fordert das sogenannte Gebot der „Konfliktbewältigung“. Der Transfer von
solchen Aufgaben und Problemen auf die der Bebauungsplanung folgende Ebene des
bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens ist unzulässig, wenn der Konflikt dort bei
vorausschauender Betrachtung nicht sachgerecht gelöst werden kann378. Bei Konflik-
ten, die auf Störungen der Nachbarschaft durch Emissionen beruhen, ist besonders zu
beachten, dass es rechtlich nicht zulässig ist, Emissionsgrenzwerte und Immissions-
grenzwerte im Bebauungsplan als Zaunwerte festzusetzen379, die dann nach dem
Windhundprinzip ausgenutzt werden können: „Wer zuerst lärmt, lärmt am besten“.
Ein Zaunwert als Summenpegel ist also deshalb ungeeignet, weil er im Gegensatz
zu einem immissionswirksamen flächenbezogenen Schalleistungspegel nicht bestimmt,
welche Emissionen von einer einzelnen Anlage oder einem einzelnen Betrieb ausgehen
dürfen. Ein angemessenes Ergebnis lässt sich nur über die Festsetzung von „Immissi-
onswirksamen Flächenbezogenen Schalleistungs-Pegeln (IFSP)“ erreichen380. Damit
wird jedem Grundstückseigentümer ein individuelles Lärmkontingent zugeteilt381. Die
Untersuchungsmethode hierfür wird durch die DIN-Vorschrift 45691 „Geräuschkon-
tingentierung“382 festgelegt, in der die Begriffe und das Verfahren für die Geräusch-
kontingentierung in der Bauleitplanung aus akustischer Sicht normiert werden. Im
Unterschied zu den genannten Zaunwerten, die ein von vielen Anlagen verursachtes
Emissionsgeschehen festlegen wollen, kann auf der Grundlage der DIN 45691 be-
stimmt werden, auf welche Bezugsfläche die Schallleistung zu verteilen und nach wel-
cher Methode die tatsächliche Ausbreitung der betrieblichen Schallleistung im Geneh-
migungsverfahren zu berechnen ist383. Sollen Lärmemissionskontingente in einem
Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt werden, muss das
Baugebiet mit Blick auf den vom Gesetz vorausgesetzten Betriebs- oder Anlagenbezug
grundsätzlich intern anhand der zulässigen Schallleistungspegel in einzelne Teilgebiete
gegliedert werden; daran fehlt es nach einer Entscheidung des OVG Nordrhein-West-
falen regelmäßig, wenn für das gesamte Baugebiet ein einheitliches Emissionskontin-
gent festgesetzt wird.384 Diese Auffassung hat auch das Bundesverwaltungsgericht be-
stätigt. Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns wird nur Rechnung getragen, wenn
das Baugebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten
zerlegt wird.385 Allerdings gibt es über diese baugebietsinterne Gliederung hinaus auch
noch die Möglichkeit einer baugebietsübergreifenden Gliederung. Voraussetzung hier-
für ist, dass neben dem über ein einziges und intern nicht gegliedertem Gewerbegebiet
noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in welchem
keine Emissionsbeschränkungen gelten.386 Die Anwendung der Lärmemissionskontin-
gentierung in einem Bebauungsplanverfahren dient nicht nur dazu, die Belastung au-
ßerhalb des Plangebiets liegender Immissionsorte zu begrenzen; sie bezweckt auch eine

377 BVerwG, B. v. 6.3.1989 – 4 NB 8.89 –, ZfBR 1989, 129.


378 BVerwG, B. v. 16.3.2010 – 4 BN 66.09 –, BauR 2010, 1034 zum Fall des E.ON Kraftwerks Datteln
(vgl. hierzu auch Kap. B.VIII.5).
379 OVG Bremen, U. v. 22.12.1981 – OVG 1 BA 13/81 –, DVBl. 1982, 964.
380 Zulässig: BVerwG, B. v. 27.1.1998 – 4 NB 3.97 –, ZfBR 1998, 207.
381 vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 13.3.2008 – 7 D 34/07.NE –.
382 Vgl. Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“, Berlin 2006.
383 Vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 8.3.2012 – 1 C 10775/11 –, BauR 2012, 1198.
384 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.6.2014 – 7 D 98/12.NE –, BauR 2014, 1912–1914.
385 BVerwG, B. v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 –, BauR 2015, 943.
386 BVerwG, U. v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 –, ZfBR 2018, 262.

204

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Die Bebauungspläne V.

sachgerechte Verteilung von „Lärmrechten“ zwischen den einzelnen Betrieben oder


Anlagen, die nicht notwendig gleichmäßig, sondern auch – nach hinreichend tragfähi-
gen sachlichen Kriterien – gestaffelt oder auf sonstige Weise unterschiedlich erfolgen
kann. Werden bei der Überplanung von teilweise bereits bebauten Gewerbe- oder
Industriegebieten Emissionskontingente im Bebauungsplan festgesetzt, ist eine eventu-
elle Vorbelastung sowohl außerhalb des Plangebiets als auch innerhalb des Plangebiets
durch bereits vorhandene Gewerbebetriebe zu berücksichtigen. Sind im Plangebiet
selbst bereits Gewerbebetriebe vorhanden, ist in der Regel eine sorgfältige Erhebung
der von ihnen ausgehenden Lärmemissionen erforderlich. Die Ermittlung der Emissi-
onssituation im Plangebiet erfolgt im Wesentlichen auf Grundlage der Genehmigungs-
bescheide, verbunden mit einer rechnerischen und/oder messtechnischen Ermittlung
der Lärmemissionen, meint das OVG Sachsen-Anhalt.387
Außerdem ist es über § 9 Abs. 1 Nr. 24 möglich, „bauliche und sonstige technische
Vorkehrungen“ zum Schutz gegen Emissionen und Immissionen festzusetzen. Zur Be-
schreibung der „Vorkehrungen“ ist es zulässig, die Eignung bestimmter Baustoffe,
z. B. zur Lärmdämmung, durch Grenzwerte zu beschreiben. Zulässig bleibt auch die
Gliederung von Baugebieten „nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren beson-
deren Bedürfnissen und Eigenschaften“ nach § 1 Abs. 4 Ziffer 2 BauNVO.388 Die
Festsetzung des Grads der notwendigen Wärmedämmung in Neubauten sollte man
der Wärmeschutzverordnung überlassen; Luftreinhaltung sollte einschließlich der er-
wünschten CO2-Minderung in geeigneten Gebieten mit Fernwärmeanschluss über den
Ausschluss bestimmter Brennstoffe389 nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 und nicht über K-Werte
und Energiezahlen nach Nr. 24 betrieben werden390.
Auch wenn in B-Plänen „planerische Zurückhaltung“ geübt wird, muss allerdings eine
Grenze beachtet werden: B-Pläne müssen immer ausreichend bestimmte Festsetzungen
enthalten391; sie müssen sich auf konkrete, örtlich fixierte Sachlagen beziehen (vgl.
dazu Bild 28). Allgemeine abstrakte Vorschriften für das ganze Gemeindegebiet sind
unzulässig. Beispielsweise kann ein „Begrünungsgesetz“ für das ganze Stadtgebiet, mit
dem überall dort, wo dies möglich und sinnvoll ist, das Pflanzen von Bäumen vorge-
schrieben wird, nicht als Bebauungsplan ergehen, auch nicht unter der Überschrift
„Grünordnungsplan“392. Die durch einen Bebauungsplan zu bewältigenden Problem-
punkte, die Liste der Fälle und Streitfragen ließe sich beliebig fortsetzen.
Im Rhythmus der Jahre tauchen städtebauliche Probleme für einen bestimmten Zeit-
raum gehäuft auf, um danach wieder zu verschwinden und anderen Problemen Platz
zu machen. In den 1980er Jahren kämpften die Gemeinden gegen das allzu zahlreiche
Eindringen von bestimmten Vergnügungsstätten (Spielhallen, Sex-Kinos) in die Innen-
städte393. Dieses Problem wurde durch die Aufnahme genauer Regeln über die Zuläs-
sigkeit von Vergnügungsstätten in die 1990 novellierte Baunutzungsverordnung und
eine entsprechende Planungspraxis weitgehend entschärft. Uneingeschränkt zulässig

387 Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 21.10.2015 – 2 K 194/12 –, BauR 2016, 626–640.


388 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.12.1990 – 4 N 6/88 –, ZfBR 1991, 120.
389 Vgl. BVerwG, U. v. 1.11.1988, – 4 C 50.87 –, ZfBR 1989, 74.
390 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.10.1996 – 7a D 164/94 .NE –, BauR 1997, 269: Die Festset-
zung von technischen Anforderungen an Heizungsanlagen über § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB ist unzulässig.
391 Zur notwendigen Bestimmtheit von Festsetzungen vgl. BVerwG, U. v. 16.2.1973 – 4 C 66.69 –,
BVerwGE 42, 5 einerseits und VGH Baden-Württemberg NJW 1979, 892 – Anm. 71 – andererseits;
recht großzügig: BVerwG, U. v. 11.3.1988 – 4 C 56.84 –, BauR 1988, 448 = NVwZ 1989, 659.
392 Vgl. BVerwG, U. v. 30.1.1976 – 4 C 26.74 –, BVerwGE 50, 114.
393 Zur Vergnügungsstättenproblematik vgl. BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 –, BVerwGE 77, 308 =
ZfBR 1987, 249; BVerwG, B. v. 28.7.1988 – 4 B 119.88 –, ZfBR 1988, 277; Niedersächsisches OVG,
U. v. 11.9.1987 – 6 A 139/86 –, ZfBR 1988, 95; VGH Baden-Württemberg, U. v. 20.4.1988 – 5
S 2814/87 –, ZfBR 1988, 278; BVerwG, B. v. 9.10.1990 – 4 B 120.90 –, ZfBR 1991, 35; BVerwG, U.
v. 29.7.1991 – 4 B 80.91 –, ZfBR 1992, 35.

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sind Vergnügungsstätten auch nach der BauNVO 2013394 nur in Kerngebieten (MK).
Gänzlich unzulässig sind sie in Kleinsiedlungsgebieten (WS), reinen und allgemeinen
Wohngebieten (WR und WA) sowie in Industriegebieten (GI).
Bild 28: Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für die Aufstellung von Bebauungs-
plänen

Die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für die Aufstellung von Bebauungsplänen

> Die Festsetzung muss eine konkrete Fläche bezeichnen.


Räumliche Bestimmtheit
> Bereichsbezeichnungen und
> symbolische Lagebezeichnungen sind unzulässig.
> Der Planinhalt muss aus der Planzeichnung (Planunterlage)
eindeutig in die Örtlichkeit übertragbar sein.

> Die Festsetzungen müssen so bestimmt sein, dass der Betroffene


Sachliche Bestimmtheit
den Regelungsgehalt zweifelsfrei erkennen kann.
> Festsetzungen dürfen sich nicht widersprechen.
> Ist der Zweck (Art, Inhalt) zweifellos zu ermitteln, führen nicht
exakt mit den Bezeichnungen des § 9 BauGB übereinstimmende
Festsetzungen nicht zur Unwirksamkeit des Plans bzw. der
getroffenen Festsetzung.
> „Vorsorgliche" Festsetzungen, die zu einem späteren Zeitpunkt
konkretisiert werden, sind unzulässig.
> Alle Arten von Verwendungszwecken müssen konkret und
eindeutig angegeben werden.
> Rechtlich unterschiedliche Festsetzungen müssen voneinander
abgegrenzt werden (z.B. durch die „Knotenlinie").
> Weicht die Gemeinde von der Darstellung der Planzeichen-
verordnung ab (dies ist nach § 2 Abs. 5 PlanZV zulässig), wird da-
durch allein die Bestimmtheit nicht in Frage gestellt, wenn der In-
halt der Festsetzung gleichwohl hinreichend deutlich erkennbar ist.
> Es ist nicht notwendig, die Bezeichnung der jeweiligen Nummer
des § 9 Abs. 1 auf die einzelne Festsetzung zu stützen
(BVerwG, B. v. 17.12.1998 – 4 NB 4.97) – es ist aber aus Gründen
der Planklarheit zu empfehlen!
> Die Begründung kann weder Festsetzungen ersetzen noch kann sie
– über Auslegungshilfen hinaus – an die Stelle einer normativ er-
forderlichen Bestimmtheit, Eindeutigkeit und Verständlichkeit treten.

„Harmlosere“ Vergnügungsstätten, d. h. solche, „die nicht wegen ihrer Zweckbestim-


mung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind“ (so § 4a Abs. 2
Nr. 2 BauNVO – sog. kerngebietstypische Vergnügungsstätten)395, können in besonde-
ren Wohngebieten (WB), in Dorfgebieten (MD) und in urbanen Gebieten (MU) aus-
nahmsweise zugelassen werden. In Mischgebieten sind diese „harmlosen“ Betriebe in
den Gebietsteilen, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind, allge-
mein zulässig; im Übrigen sind sie dort nur ausnahmsweise zulässig. In Gewerbegebie-
ten (GE) können Vergnügungsstätten aller Art ausnahmsweise zugelassen werden. Die
Frage, welche Vergnügungsstätte noch „harmlos“ und welche den kerngebietstypi-
schen zuzuordnen ist, muss häufig vor Gericht geklärt werden. So lässt sich eine Fest-

394 Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990
(BGBl. I S. 132).
395 Vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 12.9.2002 – 8 S 1571/02 –, ZfBR 2003, 47 (Spielhallen sind ab
ca. 100 m2 Nutzfläche als kerngebietstypisch einzustufen); gleichlautend: OVG Nordrhein-Westfalen,
B. v. 15.6.2012 – 2 A 2992/11 –, BauR 2013, 638.

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Die Bebauungspläne V.

halle selbst dann als kerngebietstypische Vergnügungsstätte qualifizieren, wenn sie


ausschließlich für geschlossene Veranstaltungen genutzt wird396.
Im Geschäft mit dem Spielvergnügen und der Spielsucht werden immer wieder neue
Nutzungs- und Vermarktungskonzepte hervorgebracht. In jüngerer Zeit ist in vielen
Städten verstärkt eine gehäufte Ansiedlung von Spielhallen, Wettbüros und vergleich-
baren Einrichtungen zu beobachten. In ihrer Häufung sorgen diese Angebote für einen
sog. „Trading-down-Effekt“ in Straßenzügen und ganzen Quartieren. Um dem wieder
aufgekommenen städtebaulichen Problem mit Vergnügungsstätten zu begegnen, hat
der Gesetzgeber 2013 ein neues Instrument zur räumlichen Steuerung eingeführt – den
Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten nach § 9 Abs. 2b. Grundsätz-
lich bezieht sich diese Vorschrift auf den unbeplanten Innenbereich. Eine parallele
Überplanung von B-Plangebieten auf der Grundlage des § 1 Abs. 8 i. V. m. § 1 Abs. 5,
6, 8 und 9 BauNVO in einem einzigen Plandokument ist aber ähnlich wie beim strate-
gischen Bebauungsplan zur Steuerung des Einzelhandels möglich (vgl. hierzu auch
Abschnitt 10.b in diesem Kapitel).
Nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob sämtliche Kinos als Vergnügungsstätten einzu-
ordnen sind oder ob dies nur für die großen Multiplex-Kinos397 gilt, während kleinere
„Vorstadt-Lichtspieltheater“ als „kulturelle Einrichtungen“ auch in allgemeinen
Wohngebieten zulässig sein können398.
Die BauNVO hat sich bereits 1990 auch eines weiteren Problems angenommen, das
immer wieder auch zu gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten zwischen betroffenen
Bürgern geführt hat, nämlich des Baus von Sportstätten (insbesondere von Tennisplät-
zen) in Wohngebieten399. Die BauNVO hat sich grundsätzlich zugunsten von Sport-
stätten auch in Wohngebieten entschieden: In reinen Wohngebieten sind sie ausnahms-
weise zulässig, sofern sie „den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen“; damit
kann z. B. ein privater Tennisplatz im reinen Wohngebiet zulässig sein. In allgemeinen
Wohngebieten sind „Anlagen für sportliche Zwecke“ regelmäßig zulässig. Stets zu
beachten ist jedoch das Gebot der Rücksichtnahme, das innerhalb der BauNVO seinen
besonderen Ausdruck in § 15 gefunden hat. Danach sind die eigentlich nach den §§ 2
bis 14 BauNVO regelmäßig oder ausnahmsweise in den Baugebieten zulässigen Anla-
gen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen
können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Um-
gebung unzumutbar sind. Unter Berufung auf diese Klausel kann man sich gegen allzu
aufdringliche Sportfreunde wehren; in der 18. BImSchV (der Sportanlagenlärmschutz-
verordnung)400 ist festgehalten, welche Grenzwerte von Sportanlagen hinsichtlich von
Lärmverursachung einzuhalten sind401. Wenn ein Wohnhaus an eine vorhandene
Sportanlage herangebaut werden soll, ist dies nicht allein deswegen unzulässig, weil
die Richtwerte der 18. BImSchV nicht eingehalten werden können, sofern die Bewälti-

396 Vgl. BVerwG, B. v. 20.11.2006 – 4 B 56.06 –, BauR 2009, 1530 = ZfBR 2007, 270; OVG Nordrhein-
Westfalen, U. v. 27.4.2006 – 7 A 1620/05 –, BauR 2006, 2103.
397 Dazu OVG Berlin, U. v. 17.3.1999 – 2 S 6.98 –, ZfBR 1999, 355, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg,
B. v. 21.3.2003 – 3 A 57/00.Z –, IBR 2003, 329 sowie Thüringer OVG, U. v. 19.3.2003 – 1 KO 853/
01 –, NVWZ 2004, 249.
398 Vgl. dazu Bayerischer VGH, U. v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 –, ZfBR 2002, 698.
399 Zur Problematik von Sportstätten in der Nähe von Wohnungen vgl. BVerwG, U. v. 15.2.1985 – 4 C
46.82 –, NJW 1986, 393; OVG Bremen, U. v. 3.12.1985 – 1 BA 110/83 –, BRS 44 Nr. 5; OVG Nord-
rhein-Westfalen, U. v. 27.2.1986 – 7 a NE 18/84 –, BRS 46 Nr. 28; BVerwG, U. v. 19.1.1989 – 7 C
77.87 –, ZfBR 1989, 127/128; BVerwG, U. v. 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, ZfBR 1991, 219.
400 Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärm-
schutzverordnung – 18. BImSchV) vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588, 1790) mit nachfolgenden Ände-
rungen; vgl. dazu auch folgenden Fall: BVerwG, U. v. 12.8.1999 – 4 CN 4.98 –, ZfBR 2000, 125.
401 Vgl. zum Heranrücken eines Wohngebiets an eine Sportanlage BVerwG, B. v. 26.5.2004 – 4 BN
24.04 –, ZfBR 2004, 566.

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gung des Konflikts durch „architektonische Selbsthilfe“ möglich ist402. Um den Spiel-
betrieb auf Sportanlagen zu fördern, sind die Immissionsrichtwerte für die abendlichen
Ruhezeiten (20–22 Uhr) sowie die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15
Uhr vom Gesetzgeber im Jahr 2017 aber an die tagsüber geltenden Werte angepasst
und um 5 Dezibel erhöht worden.403 Diese Liberalisierung gilt nur nicht für die Kurge-
biete. Die Festsetzung von Nutzungszeiten für Sportanlagen ist in einem B-Plan man-
gels Ermächtigungsgrundlage nicht möglich404. Ballspielplätze für Kinder sind keine
Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV405. Der von Kindern ausgehende Lärm ist
als sozialadäquat hinzunehmen und zwar auch dann, wenn Grenz- oder Richtwerte
lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden406. Die auch in § 22 Abs. 1a des
BImSchG verankerte Privilegierung des Kinderspielplatzlärms erfasst dabei sowohl die
von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von den Spielgeräten
herrührenden Geräusche407. Für die notwendige Einzelfallabwägung normiert § 22
Abs. 1a Satz 1 BImSchG für den Regelfall ein absolutes Toleranzgebot408.
Unter „Störaspekten“ schlägt sich auch ein dritter und vierter Problemkreis in der
Rechtsprechung nieder, der wegen seiner sozialen Brisanz auch erhebliche Diskussio-
nen in der Öffentlichkeit ausgelöst hat. Es handelte sich (zunächst) um das Problem
der Zulassung von Altenpflegeheimen in Wohngebieten, sodann um die Einrichtung
und/oder Zulassung von Unterbringungsstätten für Übersiedler und Asylbewerber in
Wohnquartieren oder auf öffentlichen Grünflächen (Container-Unterkunft). Bei den
Altenpflegeheimen wirkte sich ein Urteil des VGH Baden-Württemberg409 wie ein
Zündsatz aus. Der VGH hatte (mit eigentlich nachvollziehbarer Argumentation) ein
stark auf Altenpflege ausgerichtetes Heim mit Krankenpflegestation und eigenen
Schwesternzimmern im Unterschied zu Altenwohnheimen und „normalen“ Altenhei-
men nicht als „Wohngebäude“, sondern als „Anlage für gesundheitliche und soziale
Zwecke“ eingestuft und daher im reinen Wohngebiet für unzulässig erklärt. Das Urteil
löste einen Sturm der Entrüstung aus und veranlasste den Verordnungsgeber 1990, in
einem neuen Absatz des § 3 der BauNVO „klarzustellen“, dass zu den zulässigen
Wohngebäuden in allen Baugebieten auch solche gehörten, die „ganz oder teilweise
der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen“. Nach wie vor über § 15 BauNVO
unzulässig ist jedoch die Einordnung von Altenpflegeheimen in Gewerbegebieten; im
Gewerbegebiet soll nicht gewohnt werden410.
Bei der Unterbringung von Asylbewerbern bestand bis zum Jahr 2014 eine ähnliche
Fragestellung: Werden die ihnen zugedachten Unterkünfte mit hoher Belegungsdichte
noch zum „Wohnen“ im Sinne der BauNVO genutzt und sind die Heime dementspre-
chend „Wohngebäude“? (dann wäre die Eröffnung solcher Heime auch in reinen
Wohngebieten regelmäßig zulässig), oder kann bei einer Unterbringung von neun bis
zehn Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung von z. B. 76 m2 nicht mehr von einem
Wohnen, sondern nur noch von (vorübergehender) Unterbringung gesprochen werden,
weil eine auf Dauer gerichtete selbständige Haushaltsführung unter solchen Bedingun-
gen nicht mehr stattfinden kann (dann handelte es sich bei solchen Unterkünften um
„Anlagen für soziale Zwecke“, aber nicht um Wohngebäude)? Die Instanzgerichte

402 BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 –, ZfBR 2000, 128.


403 vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/10483, 8.
404 VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.11.1996 – 5 S 432/96 –, UPR 1997, 260.
405 BVerwG, B. v. 11.2.2003 – 7 B 88/02 –, ZfBR 2003, 572.
406 Vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1991 – 4 C 5.88 –, BRS 52 Nr. 47 = BauR 1992, 338; BVerwG, B. v.
11.2.2003 – 7 B 88.02 –, BRS 66 Nr. 171 = BauR 2004, 471.
407 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 24.10.2012 – 8 A 10301/12 –, BauR 2013, 583.
408 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.5.2012 – 8 A 10042/12 –, BauR 2012, 1373.
409 VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.5.1989 – 3 S 3650/88 –, ZfBR 1989, 220.
410 BVerwG, B. v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 –, ZfBR 2002, 685.

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waren sich über diese Frage durchaus nicht einig411. Das Bundesverwaltungsgericht
hat die Merkmale des Wohnens im Sinne der BauNVO klargestellt412 (vgl. Bild 29).
Bild 29: Merkmale des Wohnens im Sinne der Baunutzungsverordnung
1. Eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit.
Gegensatz: Ferienwohnung.
2. Eigengestaltung der Haushaltsführung und des eigenen Wirkungskreises.
Gegensatz: Altenpflegeheim.
3. Freiwilligkeit des Aufenthalts.
Gegensatz: Amtliche Einweisung. Aber:
Individuelles und spontanes Ausscheren einzelner Bewohner beseitigt noch nicht die Unfrei-
willigkeit des Aufenthalts.

Mit der BauNVO 2013 wurde zulasten überempfindlicher Bewohner von reinen
Wohngebieten angeordnet, dass Anlagen für die Kinderbetreuung fortan auch in rei-
nen Wohngebieten nach § 3 BauNVO allgemein zulässig sind. Dies gilt allerdings nur,
wenn sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Bislang waren hier sämt-
liche Kindergärten unabhängig von ihrer Größe nur ausnahmsweise zulässig. Da zahl-
reiche Kommunen bereits in der Vergangenheit häufig von der Ausnahmemöglichkeit
Gebrauch gemacht haben, kommt der Neuregelung eher eine klarstellende Funktion
zu. Wie durchschlagend sich die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen in
solchen reinen Wohngebieten allerdings verbessern wird, bleibt abzuwarten, denn
durch die Beschränkung der allgemeinen Zulässigkeit auf solche Kindertageseinrich-
tungen, „die den Bedürfnissen der Bewohner dienen“ dürfte es bei den nicht selten
kleineren reinen Wohngebieten häufig zu Tragfähigkeitsproblemen kommen.413
Angesichts einer Vielzahl von erwarteten Flüchtlingen414 sah sich der Gesetzgeber im
Jahr 2014 zum Handeln veranlasst. Im Rahmen des Gesetzes über Maßnahmen im
Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen415 wurde in
§ 31 Abs. 2 Nr. 1 ein weiterer Befreiungsgrund aufgenommen, nämlich der Bedarf zur
Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden. Zugleich wurde § 246 um die
neuen Absätze 8 bis 10 ergänzt, die ebenfalls, allerdings bis zum 31.12.2019 befristete,
Erleichterungen zur Flüchtlingsunterbringung vor allem in Gewerbegebieten zum In-
halt haben. Der anhaltende Strom von Flüchtlingen führte 2015 schließlich noch zur
Verabschiedung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes416, in dessen Zuge § 246
um die Absätze 11 bis 17 ergänzt wurde – verbunden mit weiteren Möglichkeiten
zur vereinfachten Schaffung von Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften
oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende. Auch diese Regelun-
gen, auf die in Kap. B.VIII.9 noch gesondert eingegangen wird, wurden bis zum
31.12.2019 befristet. Änderungen im Recht der Bauleitplanung sind mit dem Asylver-
fahrensbeschleunigungsgesetz nicht verbunden gewesen. Auch wenn sich die Anforde-

411 Zur Unterbringung von Asylbewerbern vgl.: VGH Baden-Württemberg, B. v. 19.5.1989 – 8 S 555/
89 –, ZfBR 1989, 223 (kein Wohnen); OVG Bremen, U. v. 12.2.1991 – 1 B 78/90 –, ZfBR 1991,
129 (die Bereitstellung vorübergehenden Obdachs auf dürftigem Niveau ist kein Wohnen, sondern ein
Gewerbebetrieb); für Wohnen: OVG Berlin, B. v. 2.6.1987 – 2 S 38.87 –, NVwZ 1988, 264; OVG
Schleswig-Holstein, U. v. 19.11.1991 – 1 M 64/91 –, NVwZ 1992, 589 und 590; gegen Wohnen: auch
Niedersächsisches OVG ZfBR 1991, 274.
412 BVerwG, B. v. 25.3.1996, BauR 1996, 676 (677).
413 Das OVG Hamburg hat zur Bestimmung dieser dienenden Funktion z. B. das Kriterium der fußläufigen
Erreichbarkeit herangezogen, für die im entschiedenen Fall ein Umkreis von 500 m herangezogen
wurde; auf die Zugehörigkeit zu demselben Gebiet kam es dem OVG dabei nicht an (OVG Hamburg,
B. v. 31.5.2018 – 2 BS 62.18 – ZfBR 2018, 585).
414 Vgl. BT-Drs. 18/3070 vom 5.11.2014.
415 BGBl. I S. 1748 vom 24.11.2014.
416 BGBl. I S. 1722 vom 23.10.2015.

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rungen seit Inkrafttreten beider Gesetze schrittweise immer mehr in Richtung einer
gesellschaftlich tragfähigen Integration von Geflüchteten verlagert haben, haben sich
in der Folge auch die Gerichte mit dem Thema Flüchtlingsunterbringung befasst: Nach
dem Hessischen VGH handelt es sich bei der Unterbringung von Asylbewerbern in
einem genehmigten Wohnhaus um „Wohnen“ i. S. v. § 3 Abs. 1 BauNVO, wenn auf-
grund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Räumlichkeiten eine hinreichende
Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises in einem
baulich abgeschlossenen Bereich mit eigener Küche und Bad für eine gewisse Dauer
ermöglicht wird. Bei einer Asylbewerberunterkunft, die die Merkmale des Wohnens
nicht erfüllt, handelt es sich um eine soziale Einrichtung, die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO in einem reinen Wohngebiet als Ausnahme zulässig ist.417 Das OVG-Nord-
rhein-Westfahlen hält Beeinträchtigungen durch verhaltensbedingte Geräuschimmissi-
onen, die über die bestimmungsgemäße Nutzung der Unterkunft für die Unterbrin-
gung von Flüchtlingen hinausgehen, als für die baurechtliche Beurteilung nicht
maßgeblich.418
Zur Frage des „Gebietserhaltungsanspruchs“ meint das OVG Nordrhein-Westfalen,
dass dieser nicht gegenüber einem Vorhaben der Flüchtlingsunterbringung greift, das
nach § 246 Abs. 10 in einem Gewerbegebiet im Wege der Befreiung nach § 31 Abs. 2
zugelassen werden kann.419
Ein weiteres Problem mit anhaltender Konjunktur (und großer Bedeutung in den
neuen Bundesländern) stellen die großflächigen Einzelhandelsbetriebe und Verbrau-
chermärkte dar, die sich vorzugsweise an den Rändern der Städte und Gemeinden „auf
der grünen Wiese“ ansiedeln und nicht selten das Gefüge der Innenstädte erheblich
beeinflussen. Dieses Problem wird in § 11 Abs. 3 der BauNVO angesprochen; überdies
ist es wiederholt Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen420. § 11
Abs. 3 der BauNVO bestimmt, dass Einkaufszentren und großflächige Einzelhandels-
betriebe, die sich auf Raumordnung und Stadtentwicklung nicht nur unwesentlich
auswirken können, nur in Kerngebieten oder eigens für sie ausgewiesenen Sonderge-
bieten421 zulässig sind. Dabei gilt ein Betrieb kraft der widerleglichen Vermutungsregel
des § 11 Abs. 3 BauNVO in der Regel als raumbedeutsam, wenn seine Geschossfläche
1.200 m2 überschreitet. Die Vermutungsregeln des § 11 Abs. 3 BauNVO sind auf alle
„großflächigen Einzelhandelsbetriebe“ anzuwenden. Das BVerwG hat entschieden,
dass Einzelhandelsbetriebe großflächig im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO
sind, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten422. Zugleich bedeutet
dieser Wert nicht, dass sich bei knapp darunter liegenden Verkaufsflächengrößen die
Großflächigkeit kategorisch ausschließen lässt. Der Richtwert darf also nicht allzu
starr angewendet werden. Für eine hinreichende Einschätzung müssen daher die vo-
raussichtlichen Auswirkungen (insbesondere auf die verbrauchernahe Versorgung)
prognostiziert werden423. Was alles zu dieser Verkaufsfläche gehört, hatte das BVerwG

417 Hessischer VGH, U. v. 18.9.2015 – 3 B 1518/15 –, ZfBR 2016, 59.


418 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 30.10.2015 – 7 B 1106/15 –, BauR 2016, 478.
419 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 23.2.2015 – 7 B 1343/14 –, BauR 2015, 797.
420 Zur Problematik von großflächigen Einzelhandelsbetrieben vgl. die richtungsweisenden Entscheidun-
gen des BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C 77.84 –, ZfBR 1987, 251; – 4 C 19.85 –, ZfBR 1987, 254; –
4 C 30.86 –, ZfBR 1987, 256; – 4 C 6.85; 4 C 7.85 –, ZfBR 1987, 257; vgl. weiterhin: BVerwG: B. v.
3.8.1989 – 4 B 70.89 –, ZfBR 1989, 266 und 267; U. v. 30.6.1989 – 4 C 16.88 –, ZfBR 1990, 27; B.
v. 18.12.1989 – 4 NB 26.89 –, ZfBR 1990, 99 sowie VGH Baden-Württemberg, U. v. 20.3.1985 – 3
S 309/84 –, BRS 44, Nr. 43 und 44; OVG Nordrhein-Westfalen ZfBR 1989, 175; BVerwG, U. v.
27.4.1990 – 4 C 36.87 –, ZfBR 1990, 242.
421 Hier grundsätzlich auch in Verbindung mit Wohnnutzungen, weil ein Nebeneinander von großflächi-
gem Einzelhandel und Wohnnutzung auch im Kerngebiet möglich ist (BVerwG, B. v. 2.2.2010 – 4 BN
4.10 –, BauR 2010, 881).
422 BVerwG, U. v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 –, BauR 2006, 639.
423 Vgl. BVerwG, B. v. 22.7.2004 – 4 B 29.04 –, ZfBR 2004, 699.

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Die Bebauungspläne V.

bereits im Jahr 2005 entschieden: Über den Verkaufsraum im engeren Sinne hinaus
sind dies auch vom Kunden nicht betretbare Thekenbereiche, Kassenvorräume ein-
schließlich der Bereiche zum Einpacken der Ware und zur Entsorgung des Verpa-
ckungsmaterials sowie ein Windfang.424 Eine außerhalb des Gebäudes vorhandene
überdachte Fläche für das Abstellen der Einkaufswagen tritt nach der jüngeren Recht-
sprechung des BVerwG jedoch nicht zur Verkaufsfläche hinzu.425 Großflächige Einzel-
handelsbetriebe sind dann, wenn konkrete raumbedeutsame Auswirkungen nachge-
wiesen werden können, nach § 11 Abs. 3 nur im Kern- oder Sondergebiet zulässig. Im
Übrigen darf durch konkrete Festsetzungen in Bebauungsplänen auch eine weitere
Differenzierung vorgenommen werden, mit deren Hilfe auch kleinere Ladengeschäfte
ausgeschlossen werden können. Die großen Einzelhandelsketten haben inzwischen
Strategien entwickelt, mehrere Betriebe mit einer jeweils unter dem Richtwert liegen-
den Verkaufsflächengröße nebeneinander anzuordnen, um so die Restriktionen des
§ 11 Abs. 3 BauNVO zu vermeiden. So stellt man z. B. einen Lebensmitteldiscounter
neben einen Getränkemarkt – beide mit einer Verkaufsfläche von jeweils weniger als
800 m2. Ist § 11 Abs. 3 BauNVO darauf anwendbar? Dies wäre der Fall, wenn durch
die beiden Läden entweder ein kleines Einkaufszentrum426 entsteht oder wenn man
sie als „Funktionseinheit“ zusammenrechnen dürfte. Entscheidend für die Zusammen-
rechnung ist, dass es sich um ein ausgelagertes Ergänzungsangebot handeln muss, das
dem Hauptangebot untergeordnet ist. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei
– Backshops, Obst- und Gemüseshops, Frischfleisch und Wurstshops mit eigener –
im Hauptbetrieb nicht angebotener – Portionierung der Waren,
– kleineren Verkaufsstellen für Zeitschriften, Schreibwaren, Tabakwaren u. a. sowie
– kleineren Blumenständen mit Schnitt- und/oder Topfware427.
Diese Voraussetzungen waren lange Zeit ungeklärt428. Im Jahr 2004 hat das BVerwG
klargestellt, dass eine Zusammenrechnung jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt
ist, wenn die Verkaufsstätten die Merkmale eines eigenständigen Einzelhandelsbetriebs
erfüllten und sich von außen eindeutig voneinander abgrenzen ließen429.
Die Tendenz zur Vergrößerung der Verkaufsflächen auch im Lebensmitteleinzelhandel
war und ist jedenfalls ungebrochen430.
Wie bereits in Kapitel B.IV.2 beschrieben, ist die Sicherung solcher Bereiche einer
Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungs-
funktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt – zentrale Versorgungs-
bereiche431 – ein zentrales Anliegen einer bestandsorientierten, auf Innenentwicklung
abstellenden Stadtentwicklung. Seit 1.1.2007 besteht für diese Bereiche gemäß § 9
Abs. 2a die Möglichkeit, sie durch spezielle Festsetzungen zur zulässigen Art der bauli-

424 BVerwG, U. v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 –, NVwZ 2006, 472.


425 BVerwG, U. v. 9.11.2016 – 4 C 1.16 –, ZfBR 2017, 266.
426 Zum Begriff des Einkaufszentrums vgl. BVerwG, B. v. 18.12.2012 – 4 B 3.12 –, BauR 2013, 558 mit
Verweis auf die bisherige Rechtsprechung: BVerwG, U. v. 27.4.1990 – 4 C 16.87 –, BRS 50 Nr. 67 =
BauR 1990, 573; BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, BRS 65 Nr. 10 = BauR 2003, 55; BVerwG, B.
v. 15.2.1995 – 4 B 84.94 –, juris; BVerwG, B. v. 12.7.2007 – 4 B 29.07 –, BRS 71 Nr. 64 = BauR 2007,
2023.
427 Vgl. hierzu ausführlich Kuschnerus, Ulrich: Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Auflage, Bonn 2007,
Rn. 20 ff.
428 Überblick siehe Bayerischer VGH, B. v. 7.7.2003 – 20 CS 03.1568 –, ZfBR 2003, 698; Beispiel OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.5.2000 – 7 A 1744/97 –, ZfBR 2000, 571.
429 BVerwG, U. v. 24.11.2004 – 4 C 3.05 –, BauR 2006, 775–783 (im entschiedenen Fall ließ sich ein
Getränkemarkt eindeutig von außen erkennbar von einem Lebensmittel-Discount-Markt abgrenzen,
u. a. wegen eigenständiger Dächer, Eingänge, Anlieferung und Personalräumen).
430 Vgl. dazu den Bericht der vom BMVBW eingesetzten Arbeitsgruppe „Strukturwandel im Lebensmittel-
einzelhandel und § 11 Abs. 3 BauNVO“ v. 30.4.2004, veröffentlicht in: ZfBR 2002, 598.
431 Vgl. BVerwG, U. v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 –, BRS 71 Nr. 89 = BauR 2008, 315; vgl. auch BVerwG,
U. v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 –, DÖV 2010, 513.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

chen Nutzung zu schützen, in ihrer Attraktivität zu steigern oder im Status quo zu


erhalten. Dies soll nach der Intention des Gesetzgebers „auch im Interesse einer ver-
brauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemein-
den“ geschehen, was angesichts der demografischen Entwicklung von besonderer Be-
deutung sei432 (vgl. hierzu auch Abschnitt 10.a in diesem Kapitel). Nach der neueren
Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex kann in einem Bebauungsplan auf der
Grundlage von § 11 BauNVO kein „Sondergebiet Einzelhandel“ festgesetzt werden,
wenn in diesem nur kleinflächige Betriebe zulässig sein sollen.433
Nach wie vor sind schließlich Festsetzungen zugunsten des Umweltschutzes und der
Stadtökologie, wie Pflanzgebote, Dachbegrünungen usw. von zentraler Bedeutung.
Hier gibt es noch ein weites Experimentierfeld, auch mit pauschalierenden Kennziffern
wie dem „Grünflächenfaktor“, der „Grünvolumenzahl“ oder der Versiegelungskenn-
zahl; diese Werte sind wegen ihres Experimentiercharakters einer rechtlichen Regelung
noch nicht zugänglich, haben in die Praxis jedoch durchaus schon Eingang gefunden.
Solche Festsetzungen werden auch in Zukunft wichtiger bleiben, weil sie in den Kon-
text des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft gehören. Diese Problematik
ist bereits durch das BauROG 1998 in wesentlichen Aspekten neu geregelt worden.
Ihr soll daher ein besonderer Abschnitt gewidmet werden.
2. Die Regelung des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft
Die Regelung der Art und Weise des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft,
die aufgrund eines Bebauungsplans zu erwarten sind, ist durch das BauROG 1998 aus
dem BNatSchG (damals § 8a) in das BauGB (§ la) überführt worden. Die Grundsatz-
maxime, dass der Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft, die aufgrund
von Bauleitplänen zu erwarten sind, in der Bauleitplanung selbst abschließend geregelt
werden muss, wurde beibehalten und besteht bis heute. Nachforderungen anlässlich
der Baugenehmigung sind in Gebieten mit einem qualifizierten Bebauungsplan nach
wie vor unzulässig. Ausgenommen von der Anwendung der Eingriffsregelung sind
seit 2007 Bebauungspläne der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 mit einer
zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO oder einer Größe der
Grundfläche von weniger als 20.000 m² (Einzelheiten dazu vgl. B.V.8). Seit 2017 gilt
dies – zeitlich befristet – auch für Bebauungspläne nach § 13b zur Einbeziehung von
Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren (Einzelheiten dazu vgl. B.V.9).
Die Art und Weise, wie in all den anderen B-Plänen die Festsetzungsaufgabe bewältigt
werden kann, ist im Vergleich zu den Regelungen im Naturschutzrecht wesentlich
flexibler gestaltet worden, und zwar sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hin-
sicht.
Die Eingriffsregelung verlangt, dass derjenige, der einen „Eingriff“ in Natur und Land-
schaft vornimmt, diesen Eingriff „ausgleicht“. Ein Eingriff ist nach der Legaldefinition
in § 14 Abs. 1 BNatSchG dann gegeben, wenn „Veränderungen der Gestalt oder der
Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in
Verbindung stehenden Grundwasserspiegels“ vorgenommen werden, „die die Leis-
tungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen
können“. Solche Eingriffe sind – im Bauplanungsrecht nach Maßgabe der Abwägung
– so auszugleichen, dass „die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in
gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht
wiederhergestellt oder neu gestaltet ist“ (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). Das BauGB
hat den bauplanungsrechtlichen Begriff des „Ausgleichs“ durch § 200a auch auf die
„Ersatzmaßnahmen“ des Naturschutzrechts erstreckt. Nach dem Naturschutzrecht,
insbesondere dem BNatSchG, wird ein Unterschied zwischen „Ausgleichsmaßnah-

432 Vgl. BT-Drucksache 16/2496, S. 10 f.


433 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 5.12.2017 -10 D 84/15.NE –, BeckRS 2017, 136483.

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men“ und „Ersatzmaßnahmen“ gemacht, wobei Ausgleichsmaßnahmen vorzuziehen


sind, da sie darauf ausgerichtet sind, den Eingriff (so weit wie möglich) gleichsam
ungeschehen zu machen. Ersatzmaßnahmen kommen nur dann in Frage, wenn eine
solche „Naturalrestitution“ nicht möglich oder untunlich ist und anstelle dessen we-
nigstens gleichwertiger Ersatz an anderer Stelle geschaffen werden soll. Diese „Ersatz-
maßnahmen“ waren und sind (ebenso wie die Ersetzung jeglicher Maßnahmen durch
eine Geldleistung, die sog. Ausgleichsabgabe i. S. d. § 15 Abs. 6 BNatSchG) landes-
rechtlich geregelt. Für den Bereich der Bauleitplanung ist durch § 200a angeordnet,
dass „ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich
nicht erforderlich“ ist, „soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung
und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege
vereinbar ist“. Der bauplanungsrechtliche Begriff des „Ausgleichs“ umfasst damit so-
wohl Ausgleichs- als auch Ersatzmaßnahmen. Im Naturschutzrecht verwendet man
als Oberbegriff die „Kompensation“.
Folgende Grundprinzipien sind hierzu im Baugesetzbuch verankert: Das BauGB for-
dert und gestattet die Regelung des Ausgleichs mit Hilfe von Darstellungen und Fest-
setzungen in den Bauleitplänen oder durch städtebauliche Verträge. Ob, wie und wo
auszugleichen ist, ist eine Frage der Abwägung. Dabei kommt der festsetzenden Kom-
mune zugute, dass die Kosten des Ausgleichs entweder direkt vom eingreifenden Bau-
herren getragen werden müssen (wenn dieser die Ausgleichsmaßnahmen selbst durch-
führt) oder vom Bauherren an die Gemeinde zu erstatten sind, wenn die Gemeinde
die Ausgleichsmaßnahmen anstelle des eingreifenden Bauherren durchführt. Es bleibt
jedoch dabei, dass keine unbedingte Verpflichtung dazu besteht, die aufgrund eines
Bauleitplans zu erwartenden Eingriffe vollständig auszugleichen434. Zeitlicher Bezugs-
punkt für die Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen ist nicht das Inkrafttreten des
Bebauungsplans, sondern der durch den Plan ermöglichte Eingriff. Im Regelfall genügt
es, wenn die Kompensationsmaßnahmen im Kontext oder auch in angemessener Zeit
nach der Vornahme des Eingriffs abgeschlossen werden. Der Zeitrahmen ist nur dann
enger, wenn die Gefahr besteht, dass bei Verzögerung der mit der Kompensation ver-
folgte Zweck nicht erreicht werden kann435.
Was als Ausgleichsmaßnahme festzusetzen ist, richtet sich nach der Art des Eingriffs.
Wenn Bäume und Pflanzen zugunsten eines Bauplatzes vernichtet werden, sollten neue
Bäume und Sträucher gepflanzt werden. Wenn Boden zum Nachteil des Grundwassers
versiegelt wird, sollte das Grundwasser an anderer Stelle gezielt ergänzt werden. Wenn
Kaltluftströme durch Hochbauten behindert werden, sollten andere Kaltluftschneisen
eingerichtet werden. Zwingend vorgeschrieben ist diese spiegelbildliche Gleichartigkeit
der Maßnahmen jedoch nicht – ebenso wenig wie die grundsätzlich anzustrebende
Gleichwertigkeit. Letztlich ist alles eine Frage der Abwägung. Als Ausgleich kommen
jedoch (nach herrschender Ansicht) nur Maßnahmen in Betracht, mit deren Hilfe ein
höherwertiger Zustand der Natur herbeigeführt wird. Die Pflege eines bereits vorhan-
denen Biotops kann danach nicht als Ausgleichsmaßnahme anerkannt werden436. Ob
diese Ansicht auch in den Fällen zutrifft, in denen ein Biotop nur durch Pflege erhalten
werden kann, bei freiem Walten der Natur jedoch untergehen würde, muss bezweifelt
werden.
Aus der Verschiedenartigkeit der möglichen Maßnahmen folgt, dass es in einem Be-
bauungsplan keine abstrakten „Ausgleichsflächen“ geben kann. Ausgleichsflächen las-
sen sich nicht wie Grünflächen festsetzen. Die Regelung in § 9 Abs. 1a, wonach „Flä-
chen oder Maßnahmen zum Ausgleich (…) auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe
in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen

434 So ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.5.2001 – 8 S 2603/00 –, ZfBR 2002, 168.


435 BVerwG, B. v. 16.3.1999 – 4 BN 17.98 –, ZfBR 1999, 349.
436 So VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.5.2001 – 8 S 2603/00 –, ZfBR 2002, 168.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festge-


setzt werden“ können, ist mit gutem Grund nicht als Ziffer 27 an den Festsetzungska-
talog in § 9 Abs. 1 angefügt worden, sondern als selbständiger Absatz 1a. Die Festset-
zung von Maßnahmen und Flächen zum Ausgleich ist immer nur als Zusatzkennung
denkbar. Was getan werden soll, ist dem Katalog der möglichen Festsetzungen nach
§ 9 Abs. 1 Nr. 1–26 zu entnehmen. Es kann um die Anlage von Grünflächen oder
Wasserflächen gehen; es kann sich um eine Maßnahme zur Minderung von Emissionen
handeln; nach § 9 Abs. 1 Nr. 14 ist es möglich, Flächen für die Rückhaltung und
Versickerung von Niederschlagswasser festzusetzen. Diese Festsetzungsmöglichkeit be-
zieht sich aber nur auf Flächen, nicht auf Maßnahmen und Einrichtungen. Es ist also
nach wie vor nicht möglich, den Bau von Regenwasserzisternen durch Bebauungsplan
vorzuschreiben. Dies gilt auch dann, wenn über Gieß-Vorschriften erreicht werden
soll, dass das in Zisternen aufgefangene Regenwasser für die Gartenbewässerung oder
das Autowaschen genutzt werden soll. Als Maßnahme zum Schutz, zur Pflege und zur
Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft ist die Festsetzung von Mulden und
Rigolensystemen zur einstweiligen Regenrückhaltung und anschließend geordneten
Versickerung zulässig437.
Zwei Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 waren noch bis 1998 an die Voraussetzung
gebunden, dass sie nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden können. Dies
galt für Ziffer 16 (Wasserflächen mit den 2017 erweiterten Festsetzungsmöglichkeiten
zum Hochwasserschutz) und für die Ziffer 20 im Hinblick auf Maßnahmen zum
Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft. Die zur
Subsidiarität des Städtebaurechts führende Klausel ist sowohl aus der Ziffer 16 als
auch aus der Ziffer 20 des § 9 Abs. 1 gestrichen worden. Damit sind die Gemeinden
sehr viel freier als bisher, Gewässer und Uferbereiche durch Festsetzungen im Bebau-
ungsplan zu gestalten, neuerdings auch Maßnahmen zum Schutz vor Starkregenereig-
nissen zu treffen und detaillierte Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwick-
lung von Boden, Natur und Landschaft festzusetzen. Die Kennung als
„Ausgleichsmaßnahme“ kann – wie gesagt – immer nur zu der Grundfestsetzung hin-
zutreten.
§ 1a Abs. 3 gestattet insgesamt folgende Varianten bei der Festsetzung von Flächen
und Maßnahmen zum Ausgleich:
– Die Ausgleichsmaßnahmen dürfen innerhalb, aber auch außerhalb des Gebiets des
Eingriffs-Bebauungsplans erfolgen; sie dürfen also räumlich vom Eingriff getrennt
werden (vgl. dazu Bild 30). Die anfangs entstandene Streitfrage, ob es zulässig ist,
das Gebiet eines Plans dergestalt zu teilen, dass an einer Stelle die Baumaßnahmen,
an anderer Stelle die Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden, wurde noch vor
Inkrafttreten des BauROG 1998 vom BVerwG438 positiv im Sinne der Zulässigkeit
entschieden.
– Ausgleichsmaßnahmen dürfen auch zeitlich vom Eingriff getrennt werden (vgl.
dazu Bild 31):
– Zum einen dürfen sie schon vor dem Eingriff durchgeführt und erst später zuge-
ordnet werden (§ 135a Abs. 2 Satz 2); damit ist die Einrichtung eines faktischen
Ökokontos zulässig, das durch spätere Eingriffe abgearbeitet wird. Wenn Aus-
gleichsmaßnahmen vor den Eingriffen durchgeführt werden, sollten sie allerdings
vor der Herstellung in einem von der Gemeinde beschlossenen Planwerk (z. B.
dem F-Plan) als solche gekennzeichnet werden; anderenfalls wäre der Vorwurf der

437 BVerwG, U. v. 30.8.2001 – 4 CN 9.00 –, ZfBR 2002, 164.


438 Vgl. BVerwG, B. v. 9.5.1997 – 4 N 1/96 –, UPR 1997, 411; zur Eingriffsregelung nach § 8a BNatSchG
vgl. auch BVerwG, B. v. 31.1.1997 – 4 NB 27/96 –, UPR 1997, 403 und BVerwG, U. v. 23.4.1997 –
4 NB 13.97 –, UPR 1997, 409.

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willkürlichen Zuordnung von Grünordnungsmaßnahmen als Ausgleich für spätere


Eingriffe nur schwer zu widerlegen.
– Zum anderen darf die Verwirklichung von Ausgleichmaßnahmen auch deutlich
nach dem Eingriff vorgesehen sein, wenn es dafür tragfähige Gründe gibt (Verfüg-
barkeit des Geländes) und hinreichend abgesichert ist, dass der Ausgleich auch
wirklich stattfinden wird. Im Regelfall sollten die Maßnahmen zum Ausgleich je-
doch zeitnah zum Eingriff verwirklicht werden.
Für die Zuordnungsfähigkeit und Abrechenbarkeit kommt es nicht darauf an, ob die
Maßnahme durch B-Plan festgesetzt ist oder nicht (die Gemeinde kann das Anpflanzen
von Straßenbäumen auch dann als Ausgleichsmaßnahme abrechnen, wenn die An-
pflanzung im Wege des schlichten Verwaltungshandelns auf eigenem Grund und Bo-
den geschehen ist).
Als Instrument zur Regelung des Ausgleichs dürfen schließlich nicht nur Festsetzungen
in B-Plänen, sondern auch städtebauliche Verträge oder sonstige geeignete Maßnah-
men auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen benutzt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat schon frühzeitig klargestellt, dass die Regelung des
Ausgleichs einschließlich der finanziellen Folgen auch durch städtebaulichen Vertrag
zulässig ist439. Sofern „sonstige geeignete Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitge-
stellten Flächen“ den Ausgleich herbeiführen sollen, verlangt das BVerwG „ein Min-
destmaß an rechtlicher Bindung der Gemeinde“, damit sich die Gemeinde nicht nach-
träglich einseitig von der Kompensation wieder lossagen könne. Das Gericht verlangt
eine „objektiv verlässliche Rechtsgrundlage für die Kompensationsmaßnahmen“440.
Ob der Satzungsbeschluss über den B-Plan mit förmlicher Billigung der vorgesehenen
Maßnahmen in der Begründung dafür ausreicht, wurde noch nicht entschieden. Wenn
eine konkrete Anweisung des Bürgermeisters zur Ausführung der beschlossenen Maß-
nahmen an die Verwaltung genügt (und dies wurde vom BVerwG bejaht), dann müsste
auch eine förmliche Billigung der in der Begründung vorgesehenen Maßnahmen aus-
reichend sein. Diese Billigung sollte allerdings neben der Zustimmung zur Begründung
gesondert beschlossen werden.
Bild 30: Räumliche Varianten des naturschutzrechtlichen Ausgleichs und ihre Durch-
setzung
Ort des Ausgleichs Hoheitliche Lösung Vertragslösung Kombinationslösung
Ausgleich auf dem Bau- Festsetzung im B-Plan/ Eigentümer verpflichtet Festsetzung, Eigentü-
grundstück Eigentümer führt auf ei- sich zu entsprechenden mer verpfl. sich zu Ein-
gene Kosten durch Maßnahmen zelheiten der Durchf.
auf seine Kosten
Ausgleich im Geltungs- Festsetzung, Gemeinde Eigentümer verpflichtet Festsetzung, Zuord-
bereich des Eingriffs- führt durch, Kostener- sich zur Durchführung nung, Eigentümer
B-Plans stattung über Satzung oder Kostenerstattung verpfl. sich zur Durch-
führung oder Kostener-
stattung
Ausgleich im Gemeinde- Festsetzung in geson- Eigentümer verpflichtet Festsetzung, Zuord-
gebiet dertem B-Plan, Zuord- sich zur Durchführung nung, Eigentümer
nung im Eingriffs-B- oder Kostenerstattung verpfl. sich zur Durch-
Plan. führung oder Kostener-
Kostenerstattung über stattung
Satzung. (Zuordnung im B-Plan
ratsam!)

439 BVerwG, B. v. 9.5.1997 – 4 N 1.96 –, UPR 1997, 411 (412).


440 BVerwG, U. v. 18.7.2003 – 4 BN 37.03 –, ZfBR 2004, 60.

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Ort des Ausgleichs Hoheitliche Lösung Vertragslösung Kombinationslösung


Ausgleich in der Region Zuordnung im Eingriffs- UND Flächensicherung über
B-Plan. Kostenabrech- Vertrag mit Nachbarge-
nung über Satzung. meinde. Kostenerstat-
tung durch Eigentümer
kann in weiterem Ver-
trag geregelt werden.
Instrumente des Ausgleichs sind demnach:
1. Ausgleich durch Festsetzungen für das Eingriffsgrundstück
2. Ausgleich durch Festsetzungen im übrigen Bebauungsplangebiet (mit Sammelzuordnung) Ausgleich
durch gesonderten Ausgleichsbebauungsplan (Sammelausgleich im Flächennutzungsplangebiet mit
Zuordnung)
4. Ausgleich durch städtebaulichen Vertrag im Bebauungsplangebiet oder außerhalb desselben
5. Ausgleich auf gemeindeeigenen oder verfügbaren Flächen im Bebauungsplangebiet oder außerhalb
mit Zuordnung
6. Ausgleich durch interkommunale Vereinbarung und städtebaulichen Vertrag (Zuordnung möglich?)

Bild 31: Zeitliche Varianten der Planung und Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
AUSGLEICH VOR EINGRIFF (FAKTISCHES ÖKOKONTO):
§ 135a Abs. 2 Satz 4: Die Maßnahmen zum Ausgleich können (mit oder ohne Ausgleichs-B-Plan)
bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden. ERGEBNIS: Die Ge-
meinde schafft „Grün“, die Investoren zahlen später kraft Zuordnung im Eingriffsbebauungsplan
oder per Vertrag die aufgelaufenen Kosten; Problem: Welche Kosten dürfen hoheitlich abgerech-
net werden? Können die vorab aufgewendeten Gelder mit Verzinsung abgerechnet werden?
AUSGLEICH ZUSAMMEN MIT EINGRIFF (NORMALFALL):
Die Gemeinde stellt Eingriffsbebauungsplan auf.
Der/die Eigentümer und/oder die Gemeinde führen die Ausgleichsmaßnahmen zusammen mit den
Baumaßnahmen durch. Abrechnung über Kostenerstattungssatzung oder Vertrag.
AUSGLEICH WESENTLICH SPÄTER ALS EINGRIFF:
Vertragliche Vereinbarungen können den Ausgleich auch wesentlich später als den Eingriff vorse-
hen und zugleich Sicherungsabreden durch Hinterlegung oder Bankbürgschaft treffen. Bei einer
hoheitlichen Lösung ist jedoch zu fragen:
Müssen Eingriffs- und Ausgleichsbebauungsplan zeitgleich aufgestellt werden?
Eine strikte Regel, dass der Ausgleichsbebauungsplan spätestens zusammen mit dem Eingriffs-B-
Plan rechtsverbindlich werden muss, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aber:
a) Das Ausgleichs-Konzept muss in seinen wesentlichen Grundzügen bereits bei Abwägung des
Eingriffsbebauungsplans feststehen, da sonst die erforderliche Abwägung der Angemessenheit
der Ausgleichsregelung nicht möglich ist.
b) Planreife des Eingriffs-Bebauungsplans tritt erst dann ein, wenn die tatsächliche Durchführung
der vorgesehenen (und ggf. zugeordneten) Ausgleichsmaßnahmen gesichert ist. Dazu gehört
insbesondere die Absicherung, dass derjenige, der die Ausgleichsmaßnahmen tatsächlich
durchführen wird und durchführen muss, im Zeitpunkt der vorgesehenen Maßnahmen rechtlich
und tatsächlich über die betreffenden Grundstücke verfügen kann.
c) Der Eingriffs-B-Plan darf nicht in Kraft gesetzt werden, bevor die zu b) genannten Voraus-
setzungen vorliegen, da anderenfalls das Abwägungsergebnis nicht hinreichend abgesichert ist.
d) Wenn die Bedingungen zu a) bis c) eingehalten werden, darf der Ausgleichsbebauungsplan
dem Eingriffsbebauungsplan zeitlich nachfolgen, sofern und solange keine willkürliche oder un-
sachgemäße Verzögerung vorliegt.

Der landesrechtliche Schutz bestimmter Biotope nach Maßgabe des § 30 BNatSchG


gilt neben der Ausgleichsregelung441.

3. Die Baunutzungsverordnung als amtliche Legende


§ 9 BauGB enthält nur eine grobe Aufzählung der möglichen Festsetzungen in einem
Bebauungsplan. Inhaltliche Vorgaben darüber, wie die einzelnen Nutzungsarten einan-
der zuzuordnen sind, welche Dichte der Bebauung als städtebaulich noch vertretbar
angesehen werden kann, finden sich im Baugesetzbuch nicht. Die Regelung dieser

441 BVerwG, U. v. 21.12.1994 – 4 B 266/94 –, BauR 1995, 229.

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Fragen ist vielmehr einer besonderen Verordnung vorbehalten, nämlich der Baunut-
zungsverordnung (BauNVO), die nach 2013 im Jahr 2017 erneut (und seit ihrem
Bestehen im Jahr 1962 zum insgesamt fünften Mal) überarbeitet wurde442. Das Wissen
um die unterschiedlichen Fassungen der BauNVO ist im Umgang mit alten B-Plänen
von Bedeutung (dazu später mehr).
Die Baunutzungsverordnung ist eine Rechtsverordnung (also ein Gesetz im materiellen
Sinne, das nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber, sondern von der Exekutive ver-
fasst worden ist). Gesetzgeber der Baunutzungsverordnung ist jeweils der für das Bau-
wesen und den Städtebau zuständige Bundesminister. Die für den Erlass dieser Rechts-
verordnung notwendige Ermächtigung findet sich in § 9a (bis 2004: § 2 Abs. 5). Es
heißt dort: „Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung
Vorschriften zu erlassen über
1. Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen über
a) die Art der baulichen Nutzung,
b) das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung,
c) die Bauweise sowie die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grund-
stücksflächen;
2. die in den Baugebieten zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen (usw.).
Die Baunutzungsverordnung gibt dem Planer (nicht dem Bürger) Vorschriften und
Hinweise dazu, wie die Art und das Maß der baulichen Nutzung sowie die Bauweise
in einem Bebauungsplan geregelt werden können. Dementsprechend ist die Baunut-
zungsverordnung in drei Hauptabschnitte – „Art der baulichen Nutzung“ (§§ 1–15),
„Maß der baulichen Nutzung“ (§§ 16–21a) sowie „Bauweise, überbaubare Grund-
stücksfläche“ (§§ 22–23) – gegliedert. Zur zeichnerischen Umsetzung der in der Bau-
nutzungsverordnung angebotenen Regelungen enthält die bereits erwähnte, ebenfalls
als Rechtsverordnung ergangene Planzeichenverordnung (PlanZV) die notwendigen
Darstellungsmittel: Buchstabenkennungen, Schraffuren, Farben, Linientypen, Kurzzei-
chen.
a) Vorschriften zur Art der baulichen Nutzung. In ihren Paragraphen zur Art der bauli-
chen Nutzung beschreibt die BauNVO eine Reihe von typisierten Bauflächen und
Baugebieten. „Flächen“ sind dabei die gröberen, nur im F-Plan anwendbaren Darstel-
lungsarten, „Gebiete“ die feineren, vorrangig für B-Pläne gedachten, aber auch im F-
Plan anwendbaren Standardbeschreibungen von Grundstücksgesamtheiten. Durch die
Definition und nähere Umschreibung von Wohnbauflächen, gemischten Bauflächen,
gewerblichen Bauflächen und Sonderbauflächen sowie von zwölf verschiedenen Bau-
gebietstypen stellt die BauNVO dem Planer einen Baukasten von verschiedenen Flä-
chen- und Gebietstypen zur Verfügung, die er dann im individuellen Flächennutzungs-
und Bebauungsplan den örtlichen Gegebenheiten entsprechend zusammensetzen kann.
Der Planer braucht im Bauleitplan nur den Gebietstyp festzusetzen; mit der Festset-
zung werden die entsprechenden Vorschriften der BauNVO kraft Gesetzes zum Inhalt
des Plans.
Durch die bundesweit einheitliche Beschreibung z. B. eines „allgemeinen Wohnge-
biets“, eines „Dorfgebiets“ oder „Kerngebiets“ in der BauNVO wird erreicht, dass F-
Pläne und Bebauungspläne rationeller zu entwerfen und für jedermann sehr viel leich-
ter lesbar sind, als wenn jedes Stadtplanungsamt und jedes private Planungsbüro ganz
auf sich gestellt seine eigenen Gebietskategorien komponieren müsste. Unter Zuhilfe-
nahme der Planzeichenverordnung genügt für den Eingeweihten schon die Angabe von
zwei Buchstaben für ein Baugebiet, um zu wissen, welche Art der baulichen Nutzung

442 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

hier zulässig sein soll: Wenn er z. B. in einem Bebauungsplan für ein Gebiet die beiden
Buchstaben „GE“ angegeben sieht, dann weiß er, dass es sich um ein Gewerbegebiet
im Sinne der BauNVO handelt. Dieses Gewerbegebiet ist im § 8 der BauNVO im
Einzelnen umschrieben. So heißt es in Abs. 1: „Gewerbegebiete dienen vorwiegend der
Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.“ In Abs. 2 ist
aufgezählt, welche Arten von Nutzungen im Gewerbegebiet regelmäßig, in Abs. 3,
welche ausnahmsweise zulässig sind. Regelmäßig zulässig sind Gewerbebetriebe aller
Art, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen sowie Anlagen für sport-
liche Zwecke. Ausnahmsweise können Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschafts-
personen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, außerdem Anlagen für kirchli-
che, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke sowie Vergnügungsstätten
zugelassen werden.
In derselben Weise sind alle Gebietsarten in der Baunutzungsverordnung umschrieben.
Neben die für jedes Gebiet als allgemein und ausnahmsweise zulässig zusammenge-
stellten Anlagen treten dann noch die in § 12 BauNVO geregelten Stellplätze und
Garagen, die in § 13 BauNVO geregelten Gebäude und Räume für freie Berufe443, die
seit 2017 in § 13a definierten Ferienwohnungen (eine neue Vorschrift mit aus Sicht
des Gesetzgebers lediglich klarstellendem Charakter) und die grundsätzlich überall
zulässigen Nebenanlagen nach § 14 BauNVO. Auch im Zusammenhang mit Nebenan-
lagen kann es jedoch zu erbitterten Streitigkeiten kommen – z. B. über die Zulässigkeit
von Antennenanlagen von Hobby-Funkern oder der in den vergangenen Jahren stetig
zunehmenden Mobilfunkanlagen444. Einen Streitpunkt stellte auch die Frage dar, ob
beispielweise eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses eine Nebenan-
lage im Sinne des § 14 BauNVO sein kann, wenn die gewonnene Energie ins öffentli-
che Stromnetz eingespeist wird. Eine solche Anlage mag untergeordnet sein und in
seiner Eigenart dem Baugebiet nicht widersprechen. Sie dient aber nicht dem Grund-
stück oder dem Baugebiet im eigentlichen Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO. Der
Gesetzgeber hat in diesem Fall mit der BauNVO 2013 für Klarheit gesorgt, indem er
dem § 14 einen 3. Absatz angefügt hat, aus dem sich die Zulässigkeit als Nebenanlage
auch dann ergibt, wenn die „erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das
öffentliche Netz eingespeist wird“. Entsprechend sind Kraft-Wärme-Kopplungsanla-
gen zu behandeln. Geklärt ist auch, dass Nebenanlagen nur Anlagen sein können, die
nicht Bestandteil des (Haupt-)Gebäudes sind. Zur Abgrenzung einer Nebenanlage vom
Teil einer Hauptanlage können funktionelle und räumliche Gesichtspunkte herangezo-
gen werden. Von dieser Abgrenzung zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Nebenan-
lage untergeordnet ist.445
Für den auf sein Werk stolzen Stadt- und Regionalplaner mag der Hinweis nützlich
sein, dass der Verfasser eines B-Plans trotz dieser Vereinheitlichung der Darstellungsart
und der Inhalte von B-Plänen Urheberrechtsschutz genießt446; denn jeder Plan hat
durch die individuelle Zuordnung der Gebiete zueinander, durch besondere Festset-

443 Zur zulässigen Größe (nicht größer als eine Wohnung) vgl. BVerwG, U. v. 18.5.2001 – 4 C 8.00 –,
ZfBR 2001, 491.
444 Eine Mobilfunksendeanlage, die bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine unter-
geordnete Funktion hat, ist eine fernmeldetechnische Nebenanlage i. S. von § 14 Abs. 2 Satz 2
BauNVO dazu: Niedersächsisches OVG, B. v. 6.12.2004 – 1 ME 256/04 –, BRS 67 Nr. 64 = BauR
2005, 975; Hessischer VGH, U. v. 6.12.2004 – 9 UE 2582/03 –, BRS 67 Nr. 65 = BauR 2005, 983;
OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 6.5.2005 – 10 B 2622/04 –, BRS 69 Nr. 83 = BauR 2005, 1284;
Bayerischer VGH, U. v. 1.7.2005 – 25 B 01.2747 –, BRS 69 Nr. 85 = BauR 2005, 339; OVG Rheinland-
Pfalz, B. v. 5.2.2010 – 1 B 11356/09 –, BRS 76 Nr. 178; VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.4.2010 –
8 S 33/10 –, BRS 76 Nr. 82 = BauR 2010, 1194; BVerwG, B. v. 3.1.2012 – 4 B 27/11 –, BauR 2012,
754.
445 BVerwG, U. v. 14.12.2017 – 4 C 9.16 –, NJW-Spezial 2018, 76.
446 Vgl. BGH, U. v. 25.10.1955 – I ZR 200/53 –, BGHZ 18, 319.

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Die Bebauungspläne V.

zungen usw. sein eigenes Gesicht. Außerdem enthält die BauNVO selbst im § 1 die
Möglichkeit, die typisierten Gebiete individuell zu variieren447 und zu gliedern. So
können z. B. kleinere Mischgebiete in dem Wohnen und der gewerblichen Nutzung
dienende Bereiche gegliedert werden, sofern dadurch nicht der durchmischte Charak-
ter des Gebiets vereitelt wird448.
Damit aus der durch die BauNVO bewirkten Typisierung keine Zwangsjacke wird,
werden die Planungsbehörden in der einleitenden Vorschrift der BauNVO (§ 1) er-
mächtigt, die typisierenden Umschreibungen dieser Verordnung im Sinne ihrer örtli-
chen Besonderheiten abzuändern (siehe hierzu Bild 32). Sie dürfen z. B. festsetzen, dass
bestimmte Arten von Nutzungen, die nach dem Regelkatalog der Baunutzungsverord-
nung allgemein zulässig sind, in ihrem konkreten Fall unzulässig oder nur als Aus-
nahme zulässig sind. Sie können auch einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten
eigentlich vorgesehen sind (z. B. Tankstellen in einem Dorfgebiet), für ihren Plan als
unzulässig erklären.
Bild 32: Feinsteuerungsmöglichkeiten nach § 1 BauNVO

Abs. 1: Muss stets gewahrt bleiben


„Gebietscharakter” (§ 1 Abs. 5, 6, 7 u. 10 BauNVO)

Bei Vorliegen besonderer


Abs. 2: Können als nicht zulässige
städtebaulicher Gründe:
Allgemein oder ausnahmsweise zulässige
zulässige Nutzungen Nutzungen festgesetzt werden
Möglichkeit der geschoss-
(§ 1 Abs. 5 BauNVO)
weisen Gliederung der
in dem jeweiligen
Abs. 3: Können als nicht zulässige Baugebiet zulässigen
Ausnahmsweise oder allgemein zulässige Nutzungen
zulässige Nutzungen Nutzungen festgesetzt werden (§1 Abs. 7 BauNVO)
(§ 1 Abs. 6 BauNVO)
Möglichkeit der Fein-
steuerung für bestimmte
Nicht zulässige Arten von baulichen oder
Nutzungen sonstigen Anlagen
(§1 Abs. 9 BauNVO)

Bei Überplanung bereits bebauter Gebiete können sonst unzulässige Anlagen im Inte-
resse des Fortbestands von Betrieben zugelassen werden – auch wenn gleichartige Neu-
linge gezielt ausgeschlossen werden449. Schließlich ist es möglich, die Baugebiete nach
der BauNVO noch feingliedriger auszugestalten, wenn besondere städtebauliche
Gründe dies rechtfertigen (§ 1 Abs. 9 BauNVO). Sinnvoll kann dies z. B. sein, wenn
die in einer Innenstadt angebotenen Sortimente des Einzelhandels vor den Angeboten
von Einzelhandelsbetrieben in stadtperipheren Lagen geschützt werden sollen450 oder
ein „Nachbarschaftsladen“ oder „Convenience-Store“ mit einer beschränkten Nutz-
fläche in einem Bebauungsplan festgesetzt werden soll451. Auf diese Art und Weise hat
die BauNVO einen guten Kompromiss zwischen generalisierender Beschreibung und

447 Vgl. BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 –, BVerwGE 77, 308 sowie BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C
77.84 –, BVerwGE 77, 317 zur Differenzierungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO.
448 Niedersächsisches OVG, U. v. 13.3.2002 – 1 K 4221/00 –, ZfBR 2002, 586 = BRS 65 Nr. 33.
449 BVerwG, B. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 –, ZfBR 1999, 279.
450 Zu den Möglichkeiten der Sortimentsbeschränkung des Einzelhandels auf der Grundlage von § 1 Abs. 9
BauNVO vgl. BVerwG, B. v. 4.10.2007 – 4 BN 39.07 –, BauR 2008, 325.
451 BVerwG, B. v. 8.11.2004 – 4 BN 39.04 –, BauR 2005, 513.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

der Notwendigkeit gefunden, die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die


Freiheit zur Modifizierung des baugebietsspezifischen Nutzungskatalogs ist für die
planaufstellende Gemeinde dadurch begrenzt, dass die – immer in Abs. 1 der §§ 2–9
BauNVO niedergelegte – allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets stets gewahrt
bleiben muss. Für ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO, das durch das gleichberechtigte
Nebeneinander von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebe-
trieben gekennzeichnet sein soll, wurde z. B. in einem Fall ein Gewerbeanteil von 85 %
für unzulässig erklärt, weil dann eine der beiden Hauptnutzungsarten eindeutig domi-
niert hätte, was nicht mehr mischgebietstypisch sein könne452. Als Korrekturfaktor für
die planerische Einteilung von Standardgebieten dient § 15 BauNVO, das sogenannte
„Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme“. Dort heißt es:
„Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall
unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des
Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder
Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst
oder in dessen Umgebung unzumutbar sind oder wenn sie solchen Belästigungen oder
Störungen ausgesetzt werden.“
Durch diese Vorschrift wird ermöglicht, aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls
auch solche Vorhaben nicht zuzulassen, die nach dem Regelkatalog der BauNVO ei-
gentlich in dem betreffenden Gebiet vorgesehen sind. Über die Kategorisierung von
Betrieben nach § 1 Abs. 9 BauNVO können auch höhere Anforderungen an die Emis-
sionsfreiheit von Betrieben gestellt werden als vom BImSchG und den zugehörigen
Verordnungen gefordert wird453.
Fast jede der in der BauNVO „vorgeregelten“ Gebietsarten ist mit spezifischen Proble-
men und Fragestellungen verbunden (vgl. Bild 33). Kleinsiedlungsgebiete werden z. B.
kaum noch festgesetzt, weil sie den sich mit Gemüse und Hühnereiern selbst versor-
genden Gartenbesitzer zum Modell haben. Das „reine Wohnen“ (§ 3 BauNVO) wird
immer wieder kritisch hinterfragt, weil seine monofunktionale Grundausrichtung
nicht mehr zeitgemäß sei und einer kleinräumlichen Mischung mit – gebietsverträgli-
chen – Nutzungen im Wege stehe. 2013 wurden Anlagen zur Kinderbetreuung in den
Katalog der allgemein zulässigen Nutzungen des § 3 BauNVO aufgenommen, wo-
durch eine gewisse Flexibilisierung im Hinblick auf die Versorgung solcher Gebiete
erreicht wird. Ob die Beschränkung auf solche „Anlagen zur Kinderbetreuung, die
den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen“ (neuer § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO)
allerdings sachgerecht ist, darf an dieser Stelle bezweifelt werden, weil sich gerade
solche Gebiete häufig durch eine geringe Dichte und Größe auszeichnen, die einer
wirtschaftlichen Tragfähigkeit von derart beschränkten Kindertageseinrichtungen we-
nigstens teilweise im Wege stehen könnten. Das Dorfgebiet wird zunehmend schwieri-
ger festsetzbar454, weil sich in den (ehemaligen) Dörfern immer weniger landwirt-
schaftliche Betriebe finden455. Im Kerngebiet soll mehr als früher gewohnt werden, um
die Innenstädte abends nicht aussterben zu lassen. Die Gewerbe- und Industriegebiete
müssen sich Gliederungen und Einschränkungen gefallen lassen, weil sich die Bürger
gegen Lärm und andere Immissionen wehren können. Durch Festsetzung von IFSP

452 BVerwG, U. v. 4.5.1988 – 4 C 34.86 –, BRS 48 Nr. 37.


453 OVG des Saarlandes, U. v. 27.8.1996 – 2 N 2/95 –, BauR 1997, 264 (Ausschluss von Chem. Reinigun-
gen außer solchen mit Nassreinigungsverfahren aus MI).
454 Beispiel: BVerwG, B. v. 29.5.2001 – 4 B 33.01 –, ZfBR 2001, 486 (Dorfgebietsfestsetzung ist funktions-
los, wenn mit der Unterbringung von Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe nicht
mehr gerechnet werden kann); vgl. auch Niedersächsisches OVG, U. v. 5.4.2001 – 1 K 2758/00 –,
ZfBR 2001, 488 (Pferdehaltung rechtfertigt kein Dorfgebiet).
455 Vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 23.9.1999 – 1 K 5147/97 –, ZfBR 2000, 137 sowie BVerwG, B. v.
16.3.2000 – 4 BN 6.00 –, ZfBR 2000, 353 (Gliederung eines Dorfgebiets).

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Die Bebauungspläne V.

(Immissionswirksamen Flächenbezogenen Schalleistungs-Pegeln) wird jedem Betrieb


ein Kontingent an Lärm zugeteilt, das ohne (weitere) Auflagen emittiert werden darf.
Die Festsetzung von „Summenpegeln“ ohne Verteilung auf die betroffenen Emittenten
ist jedoch unzulässig456. Aus der Tatsache, dass ein Betrieb nur über eine Genehmi-
gung nach § 4 BImSchG zugelassen werden kann, folgt nicht zwingend, dass er nur in
einem Industriegebiet (und nicht auch in einem Gewerbegebiet) zulässig ist457. Die
Grundeigentümer in einem Gewerbegebiet haben jedoch Anspruch darauf, dass ihr
Gebiet nicht durch die Genehmigung erheblich belästigender Betriebe schleichend in
ein Industriegebiet umgewandelt wird458. Die Problematik der Sondergebiete für Ein-
kaufszentren und großflächige Handelsbetriebe wurde oben bereits angesprochen.
40 Jahre nach der Implementation der besonderen Wohngebiete nach § 4a BauNVO
im Jahr 1977 ist 2017 mit der Einführung der urbanen Gebiete nach § 6a BauNVO
erst zum zweiten Mal ein neuer vordefinierter Baugebietstyp in den Katalog der §§ 2
bis 9 BauNVO eingefügt worden. Ihm ging eine längere planungspolitische Diskussion
voraus: Schritte zur Innenentwicklung gehen einher mit einer stärkeren Nutzungsmi-
schung, mit höherer Baudichte und mit einem steigenden Mobilitätsbedarf, der in der
Regel in einem erhöhten Verkehrsaufkommen mündet. Die zunehmenden Verflech-
tungsbeziehungen lösen Konflikte aus. Bereits Schäfer konstatierte 1999, dass die Bau-
gebietstypologie der BauNVO grundlegend überarbeitungsbedürftig sei und dabei z. B.
auch ganz andere Themen, wie Baukultur, Denkmalschutz oder Klimaschutz in den
Blick zu nehmen seien.459
Die im Vorfeld der BauGB-Novelle 2011 geführten „Berliner Gespräche“ ergaben,
dass „die dabei möglicherweise in Betracht kommenden, auch strukturell erheblichen
Veränderungen [sollten] wegen der Tragweite für die kommunale Praxis ohne Zeit-
druck und deshalb unabhängig von der aktuellen Novellierung des Städtebaurechts
(gemeint ist die BauGB-Novelle 2011) geprüft werden“ sollten. Die auch daraufhin
erarbeitete Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik460 bereitete das Thema
grundlegend auf und identifizierte zwei wesentliche Faktoren, „die einer städtebaulich
gewünschten Nutzungsmischung im Wege stehen oder diese erschweren: die Bedingun-
gen am Bodenmarkt und Lärmschutzanforderungen bei vorgefundenen Lärmbelastun-
gen“.461 Die bisherige Baugebietskonzeption stünde hingegen – von Sonderfällen abge-
sehen – der städtebaulich gewünschten Nutzungsmischung eher nicht entgegen. Die
aus den Rechercheergebnissen abgeleiteten Konzeptionen reichten dessen ungeachtet
neben der Erweiterung der Regelungsinhalte hin zu einer Bodennutzungsverordnung
über die Frage der Verkehrsauslösung als Zuordnungskriterium bis hin zu einer Ab-
schaffung oder wenigstens grundlegenden Änderung der BauNVO.462
Gesetzgeberisches Zwischenergebnis dieser Diskussion sind die neu eingeführten urba-
nen Gebiete, die ein zentrales Element des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie
2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der
Stadt vom 4. Mai 2017 sind.463

456 BVerwG, U. v. 16.12.1999 – 4 CN 7.98 –, ZfBR 2000, 266.


457 Niedersächsisches OVG, U. v. 21.7.1999 – 1 K 3526/97 –, ZfBR 2000, 269 (unter Hinweis auf § 15
Abs. 3 BauNVO 1990).
458 BVerwG, B. v. 2.2.2000 – 4 B 87.99 –, ZfBR 2000, 421.
459 Schäfer, Lau, Specovius 1999: Praxisuntersuchung und Expertise zu einer Novellierung der Baunut-
zungsverordnung, Forschungsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, Berlin.
460 Bunzel et al. 2014: Grundlagenforschung zur Baugebietstypologie der Baunutzungsverordnung, Studie
im Auftrag des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, verfügbar: https://difu.de/
node/9284 (Zugriff: 17.12.2016).
461 A.a.O., 10.
462 Ebd.
463 BGBl. I S. 1057.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Urbane Gebiete dienen nach dem neuen § 6a BauNVO dem Wohnen sowie der Unter-
bringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen,
die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Satz 2 bringt den in nutzungsstrukturel-
ler Hinsicht wesentlichen Unterschied zum Mischgebiet nach § 6 BauNVO zum Aus-
druck: „Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein.“ Nach der Vorstel-
lung des Gesetzgebers soll den Kommunen hiermit und mit dem gegenüber dem
Mischgebiet deutlich nach oben korrigierten maximal zulässigen Nutzungsmaß464 zur
Erleichterung des Bauens in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibilität
eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu verlas-
sen. Wesentliche Motivation ist der Wunsch nach erleichterter Umsetzung der nut-
zungsgemischten Stadt der kurzen Wege.
Gegenüber dem Mischgebiet besteht zum Ersten ein Vorteil also in einer frei konfigu-
rierbaren Nutzungsmischung, bei der auch eine Nutzung „erkennbar vorherrschen“
darf,465 z. B. auch das Wohnen. In Mischgebieten kommt es hingegen auf eine annä-
hernde Gleichverteilung von Wohnen einerseits und von das Wohnen nicht wesentlich
störendem Gewerbe anderereseits an. Im urbanen Gebiet kommen als weitere für die
Zweckbestimmung relevante Nutzungskomponenten soziale, kulturelle und andere
Einrichtungen hinzu. Diese Nutzungskomponente ist vor allem für den Planer bei
Aufstellung eines Bebauungsplans relevant. Es wäre mit der allgemeinen Zweckbestim-
mung nicht vereinbar, wenn innerhalb eines MU eines Bebauungsplans soziale, kultu-
relle und andere Einrichtungen ausgeschlossen würden – nur für untergeordnete Teil-
flächen ist dies denkbar, wenn ein städtebauliches Erfordernis dafür vorliegt.
Zum Zweiten sind hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung – auch im Vergleich
zum Mischgebiet – sehr hohe Obergrenzen festgelegt worden, die der Plangeber aus-
nutzen kann, aber nicht muss. Auch wenn die Anforderungen zur Begründung einer
Überschreitung von Obergrenzen nach § 17 Abs. 1 BauNVO 2013 deutlich reduziert
wurden (vgl. Abschnitt 3b in diesem Kapitel), liegt ein wesentlicher Vorteil darin, bei
Festsetzung einer hohen Dichte von städtebaulichen Ausgleichsmaßnahmen entlastet
zu bleiben. Es entfällt auch der Begründungsaufwand, der bei Ausweisung eines MI
mit einer hohen GFZ von z. B. 2,5 statt 1,2 verbunden wäre, denn seit der „Entschär-
fung“ des § 17 Abs. 2 BauNVO im Jahr 2013 brauchen keine besonderen städtebauli-
chen Gründe mehr vorzuliegen.
Kritikwürdig bleibt zum Dritten das Verhältnis zum Immissionsschutzrecht und die
jedenfalls in dieser Hinsicht nicht mehr nachvollziehbare Stellung der Urbanen Gebiete
in der Abfolge der Baugebietstypen nach der TA Lärm zwischen Kern- und Gewerbe-
gebieten, während die BauNVO diese Einordnung mit ihrem neuen § 6a zwischen
Misch- und Kerngebiet vornimmt.
b) Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung. Auch für das Maß der baulichen
Nutzung stellt die Baunutzungsverordnung einen Katalog von Regelvorgaben auf, die
dann im Einzelfall verändert und den Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse ange-
passt werden können. Durch das Maß der baulichen Nutzung wird angegeben, welche
Anteile der Grundstücksfläche überbaut werden dürfen und wieviel Baumasse (ggf.
bis zu welcher Höhe) auf diesem Grundstück „angehäuft“ werden darf. Zur Regelung

464 Die maximal zulässige Grundflächenzahl entspricht mit 0,8 der des Gewerbegebietes nach § 8
BauNVO; die maximal zulässige Geschossflächenzahl erreicht mit 3,0 hingegen den Wert des Kernge-
bietes nach § 7 BauNVO; vgl. hierzu die Tabellenwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO.
465 Vgl. BVerwG, U. v. 4.5.1988 – 4 C 34.86 –, in: BVerwGE 79, 309–318; um die Verdrängung einer
Hauptnutzungsart und damit ein „Umkippen“ eines Mischgebietes zu verhindern und seine Eigenart
zu wahren, ist es nach den Entscheidungsgründen erforderlich und zugleich aber auch ausreichend,
dass im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und/oder Umfang
beherrschend und in diesem Sinne „übergewichtig“ in Erscheinung tritt.

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dieser Fragen benutzt die Baunutzungsverordnung vier Bezugseinheiten, die dem Pla-
ner bekannt sein müssen, nämlich:
– die Grundfläche, regelbar durch die Angabe der Grundflächenzahl (GRZ) oder die
Festsetzung der Grundfläche in m2;
– die Geschossfläche, regelbar durch die Angabe der Geschossflächenzahl (GFZ)
oder der Größe der Geschossfläche in m2;
– die Baumasse, regelbar durch die Angabe der Baumassenzahl (BMZ) oder der Bau-
masse in m³ und
– die Höhe der baulichen Anlage (regelbar durch Festsetzung über einen zu bestim-
menden Bezugspunkt).
Bild 33: Die von der Baunutzungsverordnung vordefinierten Baugebiete
(§§ 2–11 BauNVO)
1. Art der baulichen Nutzung
( § 9 Abs. 1 Nr.1 des Baugesetzbuchs - BauGB - ,
§§ 1 bis 11 der Baunutzungsverordnung - BauNVO - )
schwarz - weiß farbig
1.1 Wohnbauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO) W W W

Rot mittel
1.1.1 Kleinsiedlungsgebiete
(§ 2 BauNVO) WS WS WS

Rot mittel
1.1.2 Reine Wohngebiete
(§ 3 BauNVO) WR WR WR

Rot mittel
1.1.3 Allgemeine Wohngebiete
(§ 4 BauNVO) WA WA WA

Rot mittel
1.1.4 Besondere Wohngebiete
(§ 4a BauNVO) WB WB WB

Rot mittel
1.2 Gemischte Bauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) M M M

Braun mittel
1.2.1 Dorfgebiete
(§ 5 BauNVO) MD MD MD

Braun mittel
1.2.2 Mischgebiete
(§ 6 BauNVO) MI MI MI

Braun mittel
1.2.3 Urbane Gebiete
(§ 6a BauNVO) MU MU MU

Braun mittel
1.2.4 Kerngebiete
(§ 7 BauNVO) MK MK MK

Braun mittel

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(§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BauNVO) G G G

Grau mittel
1.3.1 Gewerbegebiete
(§ 8 BauNVO) GE GE GE

Grau mittel
1.3.2 Industriegebiete
(§ 9 BauNVO) GI GI GI

Grau mittel

1.4 Sonderbauflächen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO) S S S

Orange mittel
1.4.1 Sondergebiete
die der Erholung dienen SO
WOCH
SO
WOCH WOCH
SO
(§ 10 BauNVO) Orange mittel
1.4.2 Sonstige Sondergebiete
(§ 11 BauNVO) SO
KLINIK
SO
KLINIK
SO
KLINIK

Orange mittel

Zur weiteren Unterscheidung der Baugebiete sind Farbabstufungen


zulässig.

Im Bebauungsplan können die farbigen Flächensignaturen auch als


Randsignaturen verwendet werden.

der Nummern 1.1 bis 1.4 bei farbiger Darstellung der Buchstabe
entfallen.

Die Grundflächenzahl gibt an, wieviele Quadratmeter „Grundfläche“ (das ist die Flä-
che, auf der das Fundament eines Gebäudes ruht) je Quadratmeter Grundstücksfläche
zulässig sind. Eine Grundflächenzahl von 0,5 bedeutet z. B., dass von einem m2 Grund-
stücksfläche die Hälfte (0,5) überbaut werden darf (zur Berechnung der Grundstücks-
fläche vgl. § 19 Abs. 3 BauNVO).
Auf das ganze Grundstück bezogen, kann man die angegebene Grundflächenzahl so-
mit auch als Prozentwert der überbaubaren Grundstücksfläche verstehen. Eine Grund-
flächenzahl von 0,8 bedeutet beispielsweise, dass 80 % der Fläche des Grundstücks
von Gebäuden bedeckt oder doch zumindest versiegelt sein dürfen. (Daraus folgt wie-
derum, dass die höchste Grundflächenzahl 1,0 ist; denn in diesem Fall dürfte das
gesamte Grundstück überbaut werden). Alternativ oder auch neben einer GRZ466 darf
die zulässige Grundfläche auch durch Festsetzung einer absoluten Zahl (maximal zu-
lässige Grundfläche in m2) festgesetzt werden.
Bereits durch die BauNVO 1990 wurde die Berechnungsweise der festgesetzten
Grundfläche „ökologisiert“, indem nach § 19 Abs. 4 BauNVO die Flächen von Ne-
benanlagen einschließlich der Anlagen, mit denen das Baugrundstück lediglich unter-
baut wird, anders als zuvor mitzurechnen sind. Damit ist die GRZ beinah zu einer
„Versiegelungszahl“ geworden. Zur Unterbringung der rechnerisch hinzugetretenen
Nebenanlagen darf die festgesetzte Grundfläche in m2 oder die Grundflächenzahl um

466 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. 9.2001 – 7a D 111/99.NE –, ZfBR 2002, 584.

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max. 50 % überschritten werden, höchstens jedoch bis zu einer GRZ von 0,8. Rechen-
beispiel: Bei einer festgesetzten GRZ von 0,4 darf die den offenen Innenhof unterbau-
ende Tiefgarage danach also auf weiteren 0,2 (sprich 20 % der Grundstücksfläche)
untergebracht werden. Die Grundflächenzahl nach § 19 BauNVO ist der Maßbestim-
mungsfaktor, der bei einem qualifizierten Bebauungsplan festgesetzt werden muss.
Fehlt diese Festsetzung, sind alle Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in
einem Bebauungsplan unwirksam467. Die nachfolgenden Bestimmungsfaktoren zur
Geschossflächenzahl, Geschossfläche, Zahl der Vollgeschosse (§ 20 BauNVO), zur
Baumassenzahl, Baumasse (§ 21 BauNVO) oder zur Höhe baulicher Anlagen (§ 18
BauNVO) können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden. Im städtebauli-
chen Kontext der Städte und Gemeinden wird man regelmäßig städtebauliche Gründe
finden, um auch die Geschossfläche und/oder die Höhe(nentwicklung) baulicher Anla-
gen vorzugeben bzw. zu beschränken.
Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter „Geschossfläche“ (das ist die
Summe der Flächen, die in allen Vollgeschossen eines Gebäudes vorhanden sind) je
Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Die Geschossflächenzahl berücksich-
tigt also nicht nur die Grundfläche eines Gebäudes, sondern auch, wieviel Quadratme-
ter Fläche in darüber liegenden Vollgeschossen errichtet werden dürfen. Das heißt:
Bei eingeschossigen Gebäuden ist die Grundflächenzahl im Wesentlichen gleich der
Geschossflächenzahl, weil Nebenanlagen, Terrassen und Wege bei der Ermittlung der
Geschossflächenzahl außer achtgelassen werden (§ 19 Abs. 4 BauNVO). Bei mehrge-
schossigen Gebäuden kommt pro Geschoss die dadurch verwirklichte Geschossfläche
hinzu. Ebenfalls bei der Ermittlung der Geschossfläche nach § 20 Abs. 3 Satz 1
BauNVO zu berücksichtigen ist z. B. auch ein an den Außenwänden eines Gebäudes
angebrachter Vollwärmeschutz, mit dem den Anforderungen der Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) Rechnung getragen werden soll468.
Beispiel: Eine Geschossflächenzahl von 1,5 bedeutet, dass in mehreren Geschossen
auf einem Grundstück das Eineinhalbfache der Fläche des gesamten Grundstücks als
Geschossfläche verwirklicht werden darf. Wenn also z. B. die Hälfte der Fläche des
Grundstücks überbaut werden darf (GRZ = 0,5), dann werden mindestens zwei Ge-
schosse benötigt, um die Gesamtfläche des Grundstücks als Geschossfläche unterzu-
bringen und damit eine GFZ von 1,0 zu verwirklichen. Für die Realisierung einer
GFZ von 1,5 benötigt man bei einer Grundflächenzahl von 0,5 also mindestens drei
Geschosse.
Bei festgesetzter GFZ errechnet sich die auf einem Grundstück zulässige Geschossflä-
che nach folgender Formel:
Grundstücksfläche × GFZ = zulässige Geschossfläche.
Bei vorgegebener Geschossfläche prüft man die Einhaltung der festgesetzten GFZ an-
hand folgender Formel:
Geschossfläche: Grundstücksfläche = tatsächliche GFZ.
Die Baumassenzahl dient dem gleichen Zweck wie die GFZ, nämlich der Begrenzung
der Gebäudemasse, die auf einem Grundstück verwirklicht werden darf. Die BMZ
muss in Industrie- und Gewerbegebieten, evtl. auch in Sondergebieten dann benutzt
werden, wenn die auf den Grundstücken zulässigen Gebäude nicht notwendig in Ge-
schossbauweise errichtet werden müssen oder Geschosse von überdurchschnittlicher
Höhe aufweisen dürfen; das Hauptbeispiel dafür sind Fabrikhallen. Die Festsetzung
einer GFZ erreicht hier nicht den gewollten Zweck, nämlich den Gesamtumfang des
Gebäudes zu begrenzen – eine eingeschossige Fabrikhalle von 30 Metern Höhe ist

467 BVerwG, B. v. 18.12.1995 – BVerwG 4 NB 36.95 –, NVwZ 1996, 894; Thüringer OVG, U. v.
15.12.2004 – 1 N 92/00 –, ThürVBl. 2005, 89; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 15.11.2012 – OVG
10 A 10.09 –, juris.
468 BVerwG, U. v. 7.6.2006 – 4 C 7.05 –, NVwZ 2006, 1065 = ZfBR 2006, 686.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

durch eine GFZ nicht zu erfassen. Hier hilft nur die Baumassenzahl, mit der festgesetzt
wird, wie viele Kubikmeter umbauten Raums je Quadratmeter Grundstücksfläche zu-
lässig sind. In den Bildern 31 und 32 sind GRZ und GFZ noch einmal grafisch erläu-
tert:
– Die Grundflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratme-
ter Grundstücksfläche zulässig sind.
– Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quad-
ratmeter Grundstücksfläche zulässig sind.
Bild 34: Die Grundflächenzahl (GRZ)

Grundstücksfläche = 1.200 m2
Grundfläche = 240 m2
GRZ = 0,2

20 m
40 m 12 m
30 m

Schließlich kann der Planer noch durch die Festsetzung der Zahl der höchstens, min-
destens oder zwingend zulässigen „Vollgeschosse“ Einfluss darauf nehmen, in welcher
Weise die zulässige GFZ auf dem betreffenden Grundstück verwirklicht wird. Wer
allerdings in der BauNVO etwas Näheres zum Begriff des „Vollgeschosses“ sucht,
wird nicht fündig: Die BauNVO definiert das Vollgeschoss nicht; § 20 Abs. 1
BauNVO verweist dazu auf das Landesrecht und damit auf die Landesbauordnungen.
Dort sind die Vollgeschosse mit bestimmten Mindesthöhen und Höchstgrenzen defi-
niert. Im Zuge der Novellierung der Landesbauordnungen wurde in verschiedenen
Ländern die Definition des Vollgeschosses, z. B. hinsichtlich der Anrechnung von
Dachräumen, geändert. Gilt diese Änderung auch für Pläne, die vorher rechtsverbind-
lich geworden sind? Der Hessische VGH469 wendet die neuen Bestimmungen auch für
alte Bebauungspläne an, während der VGH Baden-Württemberg470 zutreffend eine
dynamische Verweisung auf die Landesbauordnung verneint. Es gilt jeweils der bei
Inkrafttreten des Bebauungsplans maßgebende Geschossbegriff. Anderenfalls würde
der Inhalt des Bebauungsplans nachträglich geändert, und zwar ohne planerische Ent-
scheidung der Gemeinde, die bei der Abwägung nur von der damals geltenden Landes-
bauordnung ausgehen konnte.

469 Hessischer VGH, B. v. 26.7.1984 – 4 TG 1669/84 –, BauR 1985, 293.


470 VGH Baden-Württemberg, U. v. 1.10.1985 – 8 S 1658/85 –, BauR 1985, 289, bestätigt von VGH
Baden-Württemberg, 27.1.1999 – 8 S 19/99 –, ZfBR 2000, 60.

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Bild 35: Die Geschossflächenzahl (GFZ)


Grundstücksfläche = 1.200 m2
Geschossfläche = 4 Î 240 = 960 m2
GFZ = 0,8

20 m
40 m
12 m
30 m

GRZ, GFZ und BMZ sind Zahlen, die wie dargestellt das Verhältnis im Vergleich zur
Größe des Baugrundstücks zum Ausdruck bringen. Nicht immer ist es ratsam, mit
diesen relativen Verhältnisangaben zu arbeiten. Besteht bei ungleich großen Baugrund-
stücken z. B. das städtebauliche Ziel in einer einheitlichen Größe der baulichen Anla-
gen, lassen sich auch absolute Zahlen, also die Größe der Grundfläche in Quadratme-
ter, die Größe der Geschossfläche in Quadratmeter sowie die Größe der Baumasse in
Kubikmeter, regeln. Bei den relativen Festsetzungen von GRZ, GFZ und BMZ ist zu
beachten, dass sich die Zahlen stets auf die Größe des Baugrundstücks und nicht
zwangsweise auf die Gesamtgröße des Grundstücks beziehen. Wenn z. B. nur ein Teil
des Grundstücks als Baugebiet (WA) festgesetzt ist und ein anderer als private Grünflä-
che (mit Festsetzungen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft), dann
ist für die Berechnung von GRZ, GFZ bzw. BMZ nur der innerhalb des Grundstücks
als Baugebiet ausgewiesene Bereich maßgeblich.
Bei der Festsetzung der Höhe von baulichen Anlagen muss ein eindeutig auffindbarer
bzw. messbarer Bezugspunkt gewählt werden. Abstrakt eindeutig ist die Bezugnahme
auf NHN (Normal-Höhen-Null). Da es dem Planer jedoch nicht auf die Höhe über
NHN, sondern auf die Gebäudehöhe über dem Gelände ankommt, muss zuvor Klar-
heit gewonnen werden, wie hoch das Gelände über NHN liegt. Häufig werden dazu
Geländepunkte eingemessen. Die Festsetzung der Höhe „über gewachsener Erdober-
fläche“ oder „über Gehweg“ darf nur gewählt werden, wenn das Geländeniveau im
Plangebiet weitestgehend gleich ist oder wenn es am Ende auf einen halben Meter
nicht ankommt. Im Zweifel ist diese Festsetzung zu unbestimmt! Soweit Grundstücke
an mehr als eine Straße grenzen, muss der Plangeber, der auf die Höhe erschließender
öffentlicher Verkehrsflächen als unteren Bezugspunkt – hier für die maximal zulässige
First- und Traufhöhe – verweist, klarstellen, welche Straße maßgeblich ist; dies ist nur
dann entbehrlich, wenn alle in Betracht kommenden Verkehrsflächen höhengleich
sind. Unterbleibt dies, ist die Angabe nicht hinreichend bestimmt, was in einem ent-
schiedenen Fall zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt führte.471 Unprob-
lematisch ist es hingegen, wenn in der Planunterlage ein vermessener Höhenbezugs-
punkt enthalten ist, auf den sich alle weiteren Höhenfestsetzungen (z. B. die Trauf-
oder die Firsthöhe von Gebäuden) beziehen. Bei der Festsetzung der exakten Höhe
baulicher Anlagen kann auch in einer städtebaulich sehr (vor-)bestimmten Weise auf
eine Nachbarbebauung Bezug genommen werden, z. B. auf ein Baudenkmal. Dabei ist
es je nach städtebaulichem Erfordernis möglich, die Höhe der Oberkante, die First-
und/oder die Traufhöhe baulicher Anlagen festzusetzen.
Für den Planer in der Praxis ist es wichtig, die Summe der Möglichkeiten des Zusam-
menspiels von Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl und der Anzahl der Geschosse

471 So OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 28.8.2014 – 7 D 8/13.NE –, BauR 2015, 941–943.

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zu überblicken und phantasievoll in städtebauliche Entwürfe zu übersetzen. Das zuläs-


sige Maß der baulichen Nutzung spielt unter wirtschaftlichem Aspekt eine große
Rolle; daher versuchen viele Grundstückseigentümer, Zusagen für ein möglichst hohes
Maß der Nutzung zu erhalten. Demgegenüber ist jedoch zu bedenken, dass je höher
das Nutzungsmaß ist, desto weniger Grün, Licht, Luft und Sonne auf das Grundstück
gelangen können. Der Planer muss also Obergrenzen festsetzen, so wie sie ihm durch
die BauNVO und den Katalog in § 17 Abs. 1 BauNVO regelhaft vorgeschrieben sind.
Im Einzelfall darf er diese Obergrenzen überschreiten; bis zum Inkrafttreten der
BauNVO 2013 musste dafür nach dem BVerwG jedoch eine „städtebauliche Ausnah-
mesituation“ vorliegen, die in der Begründung zu dem B-Plan dargelegt werden muss-
te472. Zur Konkretisierung der Ausnahmesituation konnten informelle Planungen (wie
städtebauliche Entwicklungskonzepte) herangezogen werden. Die Überschreitung
musste aus besonderen städtebaulichen Gründen erforderlich, d. h. geboten sein. Gute
Gründe für eine Überschreitung der Obergrenzen gibt es häufig in jenen Gebieten, die
schon vor dem Ersten Weltkrieg bebaut worden sind. Damals baute man noch relativ
dicht. Wenn dort Baulücken geschlossen werden müssen, lässt sich eine Einfügung
praktisch nur dadurch erreichen, dass die Höchstwerte der Baunutzungsverordnung
überschritten werden. Allerdings kann selbst in einem dicht bebauten Quartier aus der
Gründerzeit nicht eine über das aus der Umgebung ableitbare Nutzungsmaß hinausge-
hende GFZ begründet werden, etwa um eine besondere „Torsituation“ mit sich zwil-
lingsgleich gegenüberliegenden „Achtgeschossern“ an einer größeren Kreuzung zu
schaffen. Denn allein die Lage an einer größeren Kreuzung in einem dicht bebauten
Gründerzeitviertel stellt keine so außergewöhnliche städtebauliche Situation dar, dass
dadurch „besondere städtebauliche Gründe“ für die Überschreitung der Obergrenzen
vorlägen473. Gerade in Großstädten wie Berlin sind die Planer in Zentrenlage regelmä-
ßig an ihre Grenzen gestoßen, wenn es darum ging, das Streben des Immobilienmarkts
nach urbaner Dichte in der Begründung zum B-Plan unter Anwendung des § 17 Abs. 2
BauNVO stichhaltig zu rechtfertigen474. Eine Unterschreitung der bauordnungsrecht-
lich vorgeschriebenen Abstandsflächen ist ein „Etikettenschwindel“, wenn Flächen in
Baugebiete einbezogen werden, die faktisch auch künftig für andere Zwecke benötigt
werden oder genutzt werden sollen (z. B. für die Erschließung475 oder als Grünflä-
che476). Der Bundesgesetzgeber hatte nun ein Einsehen mit den Großstadtplanern:
Nach der BauNVO 2013 müssen nicht mehr „besondere städtebauliche Gründe“ die
Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO „erfordern“. Es genügt
nun schlicht das Vorliegen städtebaulicher Gründe. Der Gesetzgeber will damit den
Spielraum der Gemeinden bei der Bemessung des Nutzungsmaßes im Interesse der
nunmehr vorrangigen Innenentwicklung (vgl. Kapitel B.III.7) erhöhen. Wenn in einem
B-Plan das Maß der baulichen Nutzung festgesetzt wird (was nicht zwingend vorge-
schrieben ist!), dann darf auf die Festsetzung der GRZ oder der konkreten Größe der
Grundfläche der baulichen Anlage auch dann nicht verzichtet werden, wenn (daneben)
die überbaubare Grundstücksfläche z. B. durch Baugrenzen festgesetzt wird477. Die
Einhaltung der zulässigen Grundfläche wird über § 19 BauNVO anders berechnet als
die Einhaltung der überbaubaren Grundstücksfläche – daher muss beides festgesetzt
werden. Bei Festsetzung von Baulinien und/oder Baugrenzen genügt im Zweifel eine
Klarstellung durch textliche Festsetzung, dass die Bauflächen innerhalb der Baulinen/

472 BVerwG, U. v. 25.11.1999 – 4 CN 17.98 –, ZfBR 2000, 191.


473 Vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 20.11.2009 – 2 A 10/07 –, BauR 2010, 828.
474 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 18.12.2007 – OVG 2 A 3.07 –, juris; vgl. auch OVG Berlin-
Brandenburg, U. v. 19.10.2010 – OVG 2 A 15.09 –, juris.
475 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 18.12.2007 – OVG 2 A 3.07 –, juris.
476 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 19.10.2010 – OVG 2 A 15.09 –, juris.
477 BVerwG, B. v. 18.12.1995 – 4 NB 36/95 –, BauR 1996, 353.

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Die Bebauungspläne V.

Baugrenzen zugleich die zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 BauNVO darstellen


sollen.
c) Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche. Die BauNVO definiert weiterhin die
„offene“ und die „geschlossene“ Bauweise. In der geschlossenen Bauweise werden die
Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene
Bebauung eine Abweichung erfordert. In der offenen Bauweise werden die Gebäude
mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Haus-
gruppen mit einer Länge von höchstens 50 Metern errichtet. Nach der (wenig überzeu-
genden) Ansicht des BVerwG wird ein Doppelhaus im Sinne der BauNVO dadurch
definiert, dass zwei äußerlich im Wesentlichen identische Häuser durch Aneinander-
bauen an der Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden478. Danach
kann ein Doppelhaus niemals auf nur einem Grundstück entstehen (denn es verläuft
ja keine Grenze zwischen den beiden Hälften). Es kann jedoch nicht nur aus zwei
Einfamilienhäusern, sondern ebenso aus zwei mehrgeschossigen Mietshäusern beste-
hen, die an der Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Diese Auffassung wider-
spricht allen herkömmlichen architektonischen Begriffen vom „Doppelhaus“.
Die überbaubaren Grundstücksflächen schließlich können durch die Festsetzung von
Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. Ist eine Baulinie festge-
setzt, muss auf dieser Linie gebaut werden. Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen
Gebäude und Gebäudeteile diese Grenze (im rückwärtigen Teil des Grundstücks Bau-
tiefe genannt) nicht überschreiten. Die festgesetzte Baugrenze gilt (sofern der B-Plan
nichts anderes anordnet) nicht nur für Gebäude und Gebäudeteile, sondern für alle
baulichen Anlagen auf dem Grundstück, z. B. auch für Werbeanlagen479. Die Festset-
zungen für Baulinien und -grenzen können nach § 23 Abs. 1 i. V. m. § 16 Abs. 5
BauNVO „oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche“ getroffen werden. Im
Zweifel gelten sie (nur) oberirdisch.
Da mit den Baulinien und Baugrenzen die auf dem Baugrundstück bebaubare Fläche
gegenüber der nicht bebaubaren abgegrenzt wird, liegt es auf der Hand, dass zwischen
den Baugrenzen/Baulinien und der festgesetzten Grundfläche oder Grundflächenzahl
– also der GR oder GRZ – eine enge Beziehung besteht. Die Baulinien/Baugrenzen
legen die räumlich abstrakte Festlegung der Grundfläche durch die GR oder GRZ
räumlich konkret fest. Zwei Grundsätze muss man sich dazu merken: zum ersten
müssen Baugrenzen/Baulinien im B-Plan nicht so festgelegt werden, dass die ebenfalls
festgesetzte GR oder GRZ voll ausgenutzt werden kann; allein die Abwägung entschei-
det480. Zum zweiten darf die Festsetzung von Baugrenzen/Baulinien nicht automatisch
so ausgelegt werden, dass damit auch die Grundfläche (GR) festgesetzt ist. Die geson-
derte Festsetzung einer GR kann allenfalls dann entbehrlich sein, wenn im Plan die
konkreten Baukörper eingezeichnet und festgesetzt werden (sog. Baukörperfestset-
zung, auch als erweiterte Baukörperfestsetzung mit gewissem Spielraum üblich). Wie
oben bereits ausgeführt wurde, empfiehlt es sich jedoch auch in diesem Fall, durch
textliche Festsetzung klarzustellen, dass die durch Baulinien/Baugrenzen festgesetzte
überbaubare Grundstücksfläche zugleich die festgesetzte Grundfläche enthalten soll.
Nur dadurch wird gewährleistet, dass die Sondervorschriften des § 19 BauNVO über
die Berechnung der Grundfläche (siehe oben: Ökologisierung der GR) Anwendung
finden können.

478 BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 –, ZfBR 2000, 415. Anders (zu Recht) VGH Baden-Württem-
berg, U. v. 25.6.1996 – 5 S 2572/95 –, BauR 1997, 274; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, U. v.
14.8.1997 – 10 B 1869.97 –, ZfBR 1998, 104 (wie BVerwG).
479 BVerwG, U. v. 7.6.2001 – 4 C 1.01 –, ZfBR 2001, 558.
480 BVerwG, B. v. 29.7.1999 – 4 BN 24.99 –, ZfBR 1999, 353.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Die Baunutzungsverordnung ist seit ihrem erstmaligen Erlass im Jahr 1962 (BGBl. I
S. 429) bereits mehrfach überarbeitet worden, nämlich in den Jahren 1968
(BGBl. 1968 I S. 1238; 1969 I S. 11) und 1977 (BGBl. I S. 175); 1985 (nur § 11
Abs. 3), 1990 (BGBl. I S. 132), 2013 (BGBl. I S. 1548) und 2017 (BGBl. I S. 3786).
Besonders wichtig ist der Grundsatz, dass die älteren Fassungen der BauNVO nach
wie vor für all die Bebauungspläne heranzuziehen sind, die bei Geltung der jeweils
älteren Fassungen aufgestellt worden sind481. Das hat seinen Grund darin, dass die
Definitionen der BauNVO gleichsam eine amtliche Legende zum Planinhalt darstellen.
Wenn 1965 ein „Industriegebiet“ festgesetzt wurde, dann sollte für dieses Industriege-
biet nach dem planerischen Willen der Gemeinde die Umschreibung gelten, die ihm
in der 1965 geltenden BauNVO beigelegt wurde. Eine nachträgliche Änderung der
Umschreibung des Industriegebiets in der BauNVO von 1968 kann an dieser Tatsache
nichts ändern. Das Industriegebiet im B-Plan von 1965 muss also nach wie vor mit
Hilfe der BauNVO von 1962, nicht etwa zusammen mit der neuesten Fassung der
BauNVO, gelesen werden.
Es gilt also der wichtige Merksatz:
Zu einem Bebauungsplan ist jeweils die Baunutzungsverordnung (bei Plänen aus der Zeit
vor 1960: die Bauordnung) heranzuziehen, die (unter Beachtung des jeweiligen Überlei-
tungsrechts) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Plans gegolten hat.

Abweichungen von dieser Regel können nur durch ein reguläres Änderungsverfahren
zum Bebauungsplan herbeigeführt werden. Bei der BauNVO-Novelle 2013 verhält es
sich allerdings etwas anders. Denn in § 245a Abs. 1 BauGB ist eine Überleitungsvor-
schrift aufgenommen worden, wonach die neuen Regelungen zur Zulässigkeit von
Anlagen zur Kinderbetreuung im reinen Wohngebiet (WR) oder aber von Anlagen
zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auch für
Bebauungspläne, die vor der Novelle 2013 in Kraft getreten sind, gelten. Dies soll bei
den Kinderbetreuungseinrichtungen nur dann nicht der Fall sein, wenn diese im B-
Plan ausdrücklich für unzulässig erklärt wurden. Gemeinden, die nicht damit einver-
standen sind, aufgrund der Überleitungsvorschriften Kinderbetreuungseinrichtungen
im WR und Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopp-
lungsanlagen in den Baugebieten „frei Haus geliefert“ zu bekommen, müssen ihre B-
Pläne ändern (§ 245a Abs. 2 BauGB).

4. Die Entwicklung der Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan


Der räumliche Zuschnitt eines Bebauungsplans ist in der Regel recht klein. Knapp
40 % aller Bebauungspläne bewegen sich in einer Größenordnung von unter 1 bis 3
Hektar, 1 Hektar sind 100 Ar (abgekürzt a); 1 a sind 100 m², d. h. z. B. eine Fläche
von 10 × 10 m. 1 ha sind demnach 10.000 m², beispielsweise also ein Quadrat von
100 × 100 m. Weitere 33 % aller Pläne liegen im Größenbereich zwischen 3 und 10
ha. Nur knapp 10 % aller Pläne umfassen eine Fläche von mehr als 25 ha. Angesichts
der Tatsache, dass jede Gemeinde mehrere Quadratkilometer umfasst, ist klar, dass
sich die Bebauungspläne einer Gemeinde bei einer Betrachtung des Gesamtgebiets nur
wie einzelne Briefmarken ausnehmen. Damit diese „Briefmarken-Bebauungspläne“
nicht inhaltlich völlig isoliert nebeneinanderstehen, schreibt § 8 Abs. 2 vor, dass Be-
bauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind. Sie müssen sich also
an das übergeordnete Konzept des Flächennutzungsplans halten. Diese Vorschrift
nennt man „Entwicklungsgebot“. Wenn der Flächennutzungsplan z. B. eine Wohnnut-
zung vorsieht, kann ein Bebauungsplan dort keine Industrieansiedlung vornehmen
(jedenfalls nicht ohne eine Änderung des Flächennutzungsplans). Wo der Flächennut-

481 Vgl. auch § 25a BauNVO 1977.

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Die Bebauungspläne V.

zungsplan noch landwirtschaftliche Nutzung vorsieht, kann die Gemeinde kein neues
Wohngebiet einrichten.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Bebauungspläne doch relativ häufig von den Vorga-
ben des Flächennutzungsplans ganz oder teilweise abweichen müssen. Damit das Flä-
chennutzungsplan-Änderungsverfahren, das allein durch die Abwicklung der notwen-
digen Verfahrensschritte mindestens ein Jahr (in der Regel mehrere Jahre) in Anspruch
nimmt, nicht zeitlich vor dem Bebauungsplan abgewickelt werden muss, dessen Auf-
stellungsverfahren im Durchschnitt ebenfalls drei Jahre (kürzestenfalls etwas mehr als
ein Jahr – noch kürzere Verfahren sind nur im vereinfachten oder beschleunigten Ver-
fahren möglich – einzelne Ausnahmen bestätigen diese Regel) dauert, räumt das Gesetz
die Möglichkeit des „Parallelverfahrens“ ein. Der Flächennutzungsplan kann dadurch
„parallel“, also gleichzeitig mit dem Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans, geän-
dert werden. So addieren sich die benötigten Zeiträume nicht, sondern sie fallen zu-
sammen.
Zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen kann ein im Parallelverfahren aufgestellter
B-Plan sogar vor Abschluss des Änderungsverfahrens zum F-Plan bekanntgemacht
(und damit in Kraft gesetzt) werden, „wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten
anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans entwickelt sein wird“ (§ 8 Abs. 3 Satz 2). Die Fachleute sprechen
in derartigen Fällen von einem „planreifen“ F-Plan. Bis 1976 durfte der B-Plan von
der Rechtsaufsicht nicht genehmigt werden, bevor die F-Plan-Änderung genehmigt
war482.
Wenn die Gemeinde noch gar keinen Flächennutzungsplan hat, kann sie natürlich
einen Bebauungsplan auch nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickeln. Dieser Fall
ist zwar in den Alt-Bundesländern selten geworden, in den neuen Bundesländern gibt
es aber immer noch recht viele Gemeinden ohne rechtsverbindlichen Flächennutzungs-
plan. Diese Gemeinden können einen oder mehrere „vorzeitige“ Bebauungspläne nach
§ 8 Abs. 4 aufstellen. Dort ist geregelt, dass ein B-Plan auch ohne Flächennutzungsplan
aufgestellt werden darf, „wenn dringende Gründe es erfordern und der B-Plan der
beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegen-
steht“483. Nur sehr kleine Gemeinden können sich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 berufen, der
einen F-Plan für entbehrlich erklärt, wenn der B-Plan ausreicht, um die städtebauliche
Entwicklung (der ganzen Gemeinde) zu ordnen484 (sog. selbständiger Bebauungsplan).
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Bebauungsplänen hat es in der Vergangen-
heit relativ häufig Streit zwischen den Gerichten und der Verwaltung darüber gegeben,
welche Abweichungen ein Bebauungsplan vom Flächennutzungsplan aufweisen darf,
ohne dass die Gemeinde sich vorwerfen lassen muss, er sei nicht mehr aus dem
Flächennutzungsplan „entwickelt“. Nach der Formel des BVerwG erweist sich die
Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan „als eine von Gestaltungsfreiheit gekenn-
zeichnete planerische Fortentwicklung der im Flächennutzungsplan dargestellten
Grundkonzeption“485. Unwesentliche Abweichungen von den Darstellungen des Flä-
chennutzungsplans sind danach möglich, wenn nur dessen Grundkonzeption gewahrt
wird486. Zur Grundkonzeption gehört in der Regel die Zuordnung der einzelnen Bau-
flächen zueinander. Um den Spielraum der Verwaltung möglichst weit zu halten, ist

482 Vgl. (noch zum vor 1976 geltenden Recht) BVerwG, U. v. 29.9.1978 – 4 C 30.76 –, BauR 1978, 449.
483 Zu den Voraussetzungen vgl. BVerwG, U. v. 14.12.1984 – 4 C 54.81 –, ZfBR 1985, 87.
484 Vgl. aber VGH Baden-Württemberg, B. v. 27.7.1979 – 3 3871/78 –, BRS 35 Nr. 19.
485 Vgl. BVerwG Buchholz 406.11 § 8 BBauG Nr. 3; ebenso BGH, U. v. 28.5.1976 – 3 ZR 137/74 –, BauR
1976, 336; relativ großzügig auch BVerwG, U. v. 26.1.1979 – 4 C 65.76 –, BauR 1979, 206; BVerwG,
U. v. 26.1.1979 – 4 C 65.76 –, BRS 35 Nr. 20; BVerwG, U. v. 28.2.1975 – 4 C 74.72 –, BVerwGE 48,
70.
486 Beispiel: BVerwG, B. v. 12.2.2003 – 4 BN 9.03 –, ZfBR 2003, 381 (Entwicklung von SPE-Flächen aus
der Darstellung von Wald).

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für die gerichtliche Überprüfung seit 1976 durch eine Sonderregelung ausdrücklich
festgelegt, dass das „Entwicklungsgebot“ so lange als nicht verletzt gilt, wie die sich
aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung nicht
beeinträchtigt worden ist (vgl. § 214 Abs. 2 Nr. 2 und 4). Dabei ist Folgendes zu be-
achten: Die Frage, ob ein Bebauungsplan im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 aus dem
Flächennutzungsplan entwickelt ist, beurteilt sich nach der planerischen Konzeption
für den – engeren – Bereich des Bebauungsplans. Für die Frage hingegen, ob durch
den nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplan im Sinn des
§ 214 Abs. 2 Nr. 2 die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende, geordnete städte-
bauliche Entwicklung beeinträchtigt wird, ist die planerische Konzeption des Flächen-
nutzungsplans für den größeren Raum, in der Regel das gesamte Gemeindegebiet,
maßgebend487. Die Frage nach der Beeinträchtigung der geordneten städtebaulichen
Entwicklung des Gemeindegebiets spielt im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan
der Innenentwicklung nach § 13a eine besondere Rolle, da dieser Plan vom Entwick-
lungsgebot nach § 8 Abs. 2 ausgenommen wurde, solange keine solche Beeinträchti-
gung zu befürchten ist (Näheres dazu unter Abschnitt 8 in diesem Kapitel).
Das Bundesverwaltungsgericht488 hat noch vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuchs
die Freistellung der Gemeinden von der strikten Einhaltung des Verhältnisses von
„Vorher-Nachher“ bei F- und B-Plan ausdrücklich gebilligt. Das BVerwG führte sinn-
gemäß aus: Das Gebot, Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln
(§ 8 Abs. 2), bestehe in der Pflicht zu einer inhaltlichen, nämlich planerisch-konzeptio-
nellen Ableitung. Das Ziel der zweistufigen Planung liege darin, die Gemeinde anzu-
halten, ihre städtebauliche Entwicklung nach Maßgabe einer Grundkonzeption für
das gesamte Gemeindegebiet zu steuern. Entspreche ein Bebauungsplan diesem Anlie-
gen, sei die Einhaltung der diesem Zweck dienenden Verfahrensvorschriften zweitran-
gig; ihre Verletzung berühre kraft § 155b BBauG (jetzt: § 214 Abs. 2 BauGB) die
Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht.
Das Parallelverfahren ist nach Auffassung des BVerwG dadurch gekennzeichnet, dass
die einzelnen Abschnitte beider Planverfahren in einem angemessenen zeitlichen Bezug
stehen und dass eine dem Entwicklungsgebot entsprechende inhaltliche Abstimmung
der Planentwürfe möglich und gewollt ist. Die einzelnen Verfahrensschritte müssen
nicht im zeitlichen Gleichlauf stattfinden. Der Bebauungsplan kann sogar in einzelnen
Verfahrensabschnitten einen Vorlauf haben, wenn er inhaltlich auf den Entwurf des
Flächennutzungsplans abgestimmt ist.
5. Weitere Inhalte und Bestandteile eines Bebauungsplans
Hauptinhalte des Bebauungsplans sind die bereits besprochenen Festsetzungen nach
§ 9 Abs. 1 Ziffer 1 bis 26, unter denen wiederum die Festsetzungen über die Art und
das Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen und über
die örtlichen Verkehrsflächen die wichtigsten sind. Durch das EAG Bau 2004 ist mit
§ 9 Abs. 2 die Möglichkeit hinzugekommen, im Bebauungsplan festzusetzen, dass be-
stimmte darin festgesetzte Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeit-
raum zulässig sind (z. B. während eines Großereignisses wie einer Bundes-/Landesgar-
tenschau) oder nur bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind (Zulässigkeit der Wohnnutzung z. B. erst ab Betriebsfähigkeit eines Schienenan-
schlusses). Die Möglichkeit der Kopplung von Festsetzungen an Fristen oder Bedin-
gungen ist im Rahmen der Klimaschutznovelle 2011 ausgeweitet worden, indem sich
für die Zwecke des Repowering von Windkraftanlagen nach § 249 Abs. 2 regeln lässt,
dass die Neuerrichtung von Windkraftanlagen an die Bedingung geknüpft wird, dass
(auch außerhalb des Plangebiets, sogar des Gemeindegebiets liegende) Altanlagen in-

487 So BVerwG, U. v. 26.2.1999 – 4 CN 6.98 –, ZfBR 1999, 223.


488 BVerwG, U. v. 3.10.1984 – 4 N 4.84 –, BVerwGE 70, 171.

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Die Bebauungspläne V.

nerhalb einer zu bestimmenden Frist zurückgebaut werden (Gleiches lässt sich sogar
nach § 249 Abs. 2 Satz 3 in F-Plänen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3
regeln – vgl. hierzu auch Kapitel B.IV.5.f). Seit 1.1.2007 können in besonderen Bebau-
ungsplänen für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einer Gemeinde Festlegun-
gen zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Abs. 2a) und
seit 2013 Festlegungen zur Steuerung von Vergnügungsstätten (§ 9 Abs. 2b) getroffen
werden. 2017 ist schließlich mit § 9 Abs. 2c die Möglichkeit hinzugetreten, Bebau-
ungspläne zur Vermeidung oder Verringerung von Störfallrisiken aufzustellen, die mit
gebäudebezogenen Festsetzungen nach dem ebenfalls neuen § 9 Abs. 1 Nr. 23c verbun-
den werden können. Außerdem im Jahr 2017 neu hinzugekommen sind der Bebau-
ungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren
sowie differenziertere Festsetzungsmöglichkeiten zum Hochwasserschutz in § 9 Abs. 1
Nr. 16, der sich jetzt in die Buchstaben a bis d gliedert.
Neben den Festsetzungen nach Bundesrecht sind in Bebauungsplänen auch Festsetzun-
gen nach Landesrecht möglich, wenn das betreffende Bundesland die in § 9 Abs. 4
enthaltene Ermächtigung des Bundesgesetzgebers aufgegriffen hat. Folgender Sachver-
halt steckt hinter dieser Möglichkeit: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das
Recht der Bauordnung und Baugestaltung bei den Ländern liegt; hinzu kommt die
Kulturhoheit der Länder, mit der z. B. die Befugnis verbunden ist, das Recht der Bau-
denkmale zu regeln. Baugestaltungsvorschriften und Denkmalschutzvorschriften kön-
nen also einerseits nicht kraft Bundesrechts in einen Bebauungsplan hineingeschrieben
werden. Andererseits ist es offensichtlich zweckmäßig, örtliche Vorschriften über die
Gestaltung von Häusern (z. B. über die Dachneigung, über die Farbe der Ziegel, über
die Gestaltung der Außenfassaden) nicht in einer besonderen Satzung neben dem Be-
bauungsplan festzulegen, sondern in einem Plan, nämlich dem Bebauungsplan, festzu-
setzen. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber den Ländern erlaubt, in ihren Vorschriften
zu regeln, dass landesrechtliche Festsetzungen in einen Bebauungsplan (nach Bundes-
recht) übernommen werden können. Die meisten Länder haben von dieser Möglich-
keit Gebrauch gemacht. Deshalb kann man in einem Bebauungsplan nicht nur Festset-
zungen nach § 9, sondern auch örtliche Festsetzungen nach den jeweiligen
Landesbauordnungen489 oder auch denkmalschützende Festsetzungen nach den Denk-
malschutzgesetzen490 vorfinden. Sog. örtliche Bauvorschriften können insbesondere
sein:
– Vorschriften über die äußere bauliche Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchfüh-
rung baugestalterischer Absichten;
– besondere Anforderungen an die Art, die Größe, die Gestaltung, die Farbe und
den Anbringungsort von Werbeanlagen;
– besondere Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz bestimmter Bauten,
Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebauli-
cher Bedeutung sowie von Baudenkmalen und Naturdenkmalen;
– Vorschriften über die Lage, Größe, Beschaffenheit, Ausstattung und Unterhaltung
von Kinderspielplätzen;
– Vorschriften über die Gestaltung der Gemeinschaftsanlagen, der Stellplätze für be-
wegliche Abfallbehälter usw.
Gestaltungsvorschriften müssen von einem Gestaltungskonzept getragen sein; Einheit-
lichkeit der Gestaltung allein stellt kein Gestaltungskonzept dar491.
Einige Bundesländer haben es auch ermöglicht, landschaftsplanerische Festsetzungen
in den Bebauungsplan aufzunehmen. Damit wird die rahmenrechtliche Verpflichtung
des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach die Gemeinden Landschaftspläne aufzustellen

489 Beispiel: OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 9.2.2000 – 7 A 2386/98 –, ZfBR 2001, 55.


490 Vgl. dazu Niedersächsisches OVG, U. v. 19.12.1979 – 6 C 13/77 –, DÖV 1980, 837.
491 Niedersächsisches OVG, U. v. 13.2.2002 – 1 KN 1310/01 –, ZfBR 2003, 54.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

haben, sobald und soweit dies erforderlich ist, konstruktiv umgesetzt492. Umstritten
ist, ob die örtlichen Festsetzungen kraft Landesrechts den gleichen Maßstäben im Hin-
blick auf Abwägung und Gerichtskontrolle unterliegen wie die planerischen Festset-
zungen kraft Bundesrechts493. Die Logik spricht eher dafür; denn der Bürger ist von
landesrechtlichen Festsetzungen nicht weniger (und nicht mehr) betroffen als von bun-
desrechtlichen. Damit hängt auch die Frage zusammen, in welchem Verfahren die kraft
Landesrechts in einen B-Plan aufgenommenen Festsetzungen Aufnahme in den Plan
finden können. Der Bundesgesetzgeber hat in § 9 Abs. 4 vorgesehen, dass darüber das
Landesrecht entscheiden solle („Die Landesgesetzgeber können durch Rechtsvorschrif-
ten bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als
Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen
die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden“). Was gilt, wenn das Landes-
recht dazu nichts aussagt? Sollen Gestaltungsvorschriften – sofern deren Aufnahme in
B-Pläne kraft Landesrechts ohne nähere Verfahrensregelung erlaubt ist – dann wegen
ihrer Natur als Ordnungsrecht vom Bürgermeister allein und nicht im Kontext des
Satzungsbeschlusses von der Gemeindevertretung beschlossen werden? Das wäre ziem-
lich absurd. Man wird den § 9 Abs. 4 i. V. m. dem landesrechtlichen Übertragungsakt
daher so auslegen müssen, dass die Verfahrensregeln des BauGB immer dann auch auf
kraft Landesrechts in einen B-Plan übernommene Festsetzungen Anwendung finden,
wenn der Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat. Eine auf
Landesrecht beruhende Festsetzung verliert aber nicht ihren materiellen Charakter als
Landesrecht, wenn sie in einen B-Plan aufgenommen wird. Wenn Verstöße gegen lan-
desrechtliche Festsetzungen kraft Landesrechts mit einem Bußgeld geahndet werden
können, dann ist dies auch dann möglich, wenn die Festsetzung in einem Bebauungs-
plan steht.
Neben Festsetzungen kraft Bundes- und Landesrechts finden sich in Bebauungsplänen
auch „Kennzeichnungen“ und „nachrichtliche Übernahmen“. „Kennzeichnungen“
sind Hinweise auf Bodenbelastungen mit umweltgefährdenden Stoffen („Altlas-
ten“494) oder naturräumliche Gegebenheiten, die man beim Bauen besonders beachten
muss. In Kohlebergbaugebieten ist es z. B. wichtig zu wissen, ob unter dem Grundstück
„der Bergbau umgeht“. Davon kann die Standfestigkeit der Gebäude beeinflusst wer-
den; der Bauherr muss sich darum kümmern. Auch eine Kennzeichnung als „Über-
schwemmungsgebiet“ ist für den Bauherrn wichtig. Solche Gebiete können keineswegs
immer völlig von der Bebauung freigehalten werden (man denke nur an die vielen
Städte im Verlauf des Rheins oder der Donau, die fast alle Altstadtquartiere direkt am
Ufer des Flusses aufweisen, die bei Hochwasser zwangsläufig überschwemmt werden).
Durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom
3. Mai 2005 sind die Gemeinden zunächst verpflichtet worden, nach dem Wasserhaus-
haltsgesetz festgesetzte Überschwemmungsgebiete „nachrichtlich zu übernehmen“
(vgl. den 2005 eingefügten § 9 Abs. 6a). Das Hochwasserschutzgesetz II bestimmt

492 Zur hess. Regelung vgl. Hessischer VGH, U. v. 25.1.1988 – 3 N 13/83 –, ZfBR 1988, 236.
493 Bejahend VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.8.1982 – 5 S 858/82 –, BaWüVBl. 1983, 179 = ESVGH
32, 249 – BRS 39 Nr. 133; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.12.1981 – 2 N 12.80 –, NJW 1981,
845; verneinend Niedersächsisches OVG, U. v. 12.2.1982 – 1 A 231/80 –, NJW 1982, 2012: Weder
Begründung noch Abwägung nötig; vgl. auch: OVG des Saarlandes NVwZ 1983, 42 = UPR 1982,
266: § 47 VwGO eröffnet keine Normenkontrolle gegen örtliche Bauvorschriften im Bebauungsplan;
das bejaht wiederum OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 19.8.1983 – 10a NE 1/81 –, NVwZ 1984, 595;
ebenso Niedersächsisches OVG, U. v. 11.3.1983 – 6 A 47/81 –, NVwZ 1984, 252: Verfassungsmäßig-
keit örtlicher Baugestaltungssatzungen.
494 Zur Haftung der Gemeinde bei Überplanung einer ehemaligen Mülldeponie als Wohngebiet vgl. BGH,
U. v. 26.1.1989 – 3 ZR 194/87 –, ZfBR 1989, 119 sowie BGH, U. v. 6.7.1989 – 3 ZR 251/87 –,
ZfBR 1989, 261; vgl. auch BGH, U. v. 21.12.1989 – 3 ZR 118/88 –, ZfBR 1990, 88; speziell zur
Kennzeichnungspflicht BGH, U. v. 21.2.1991 – 3 ZR 245/89 –, ZfBR 1991, 167.

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Die Bebauungspläne V.

mit Wirkung vom 5.1.2018 darüber hinaus, dass die mit der Novelle neu ins Gesetz
aufgenommenen, außerhalb von Überschwemmungsgebieten liegenden Risikogebiete
im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentste-
hungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes ebenfalls nach-
richtlich in den Bebauungsplan übernommen werden sollen (§ 9 Abs. 6a, § 5 Abs. 4a
hierzu analog für den Flächennutzungsplan).
Die „nachrichtlichen Übernahmen“ betreffen die Ergebnisse von anderen Planungsver-
fahren, die vor allem nach den bereits erwähnten Fachplanungsgesetzen möglich sind:
Insbesondere der Verlauf von Eisenbahnen und Straßen wird nicht nach dem Bauge-
setzbuch, sondern nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz, dem Bundesfernstraßenge-
setz oder dem Landesstraßengesetz geplant. Zur Festsetzung der für die Eisenbahn
bzw. eine Straße benötigten Fläche gibt es das bereits erwähnte besondere Verfahren,
das Planfeststellungsverfahren. Wenn ein solches Planfeststellungsverfahren rechtsver-
bindlich abgeschlossen ist, steht die Trasse einer bestehenden oder künftigen Eisen-
bahn oder Straße damit fest. Gebäude dürfen auf dieser Trasse selbstverständlich nicht
errichtet werden. Es leuchtet ein, dass eine derartige Trasse im Bebauungsplan ver-
merkt werden muss, damit nicht der irrige Eindruck entsteht, mit der Fläche könnte
irgendetwas anderes angefangen werden. Die Übernahme solcher anderweitigen Pla-
nungen in einen Bebauungsplan nennt man „nachrichtliche Übernahme“, weil die
Rechtswirksamkeit der betreffenden Festlegung nicht vom Bebauungsplan, sondern
von den anderweitigen Planungsverfahren ausgeht. In der Praxis ist es üblich, auch
auf im Verfahren befindliche Planfeststellungen durch „Vermerke“ im B-Plan hinzu-
weisen. Die Sperrwirkung solcher Vermerke kann annähernd so stark sein wie die
nachrichtliche Übernahme erfolgter Planfeststellungen.
Aus der Erwähnung von „Festsetzungen“, der „Legende“, der „Übernahmen“ und
der „Vermerke“ wird deutlich, dass die Planurkunde eines Bebauungsplans in aller
Regel mehrere Bestandteile hat.
In aller Regel sind dies (s. auch Bild 36):
– die eigentliche Planzeichnung mit den gezeichneten Festsetzungen kraft Bundes-
und Landesrechts sowie den nachrichtlichen Übernahmen und Vermerken; auch
Nebenzeichnungen sind möglich;
– die zugehörige Legende, beruhend auf der Planzeichenverordnung und der Baunut-
zungsverordnung;
– die textlichen Festsetzungen (sie werden nach Möglichkeit neben der Planzeich-
nung auf der Planurkunde mit abgedruckt; dies ist jedoch nicht immer möglich
und zur Rechtsgeltung auch nicht erforderlich);
– die Hinweise ohne Normcharakter (mit solchen Hinweisen werden den Bauherren
Vorschläge z. B. für eine angemessene Pflanzenauswahl oder zur Farbgestaltung
gemacht, ohne dass diese Vorschläge Verbindlichkeit beanspruchen. Durch die
Aufnahme in die Planurkunde erhalten solche Vorschläge ein besonderes Gewicht);
– die Verfahrensvermerke einschließlich der Ausfertigung;
– der sog. Plankopf mit dem Titel des Plans und Angaben zum Verfahrensstand, zum
Stand der Planunterlage, Maßstab, Nordpfeil und dem Namen der planaufstellen-
den Kommune;
– Übersichtskarte zur räumlichen Einordnung des Plangebiets im gemeindlichen
Kontext.
Schließlich enthält die Planurkunde üblicherweise noch einen Hinweis auf die Rechts-
grundlagen (also das BauGB, die BauNVO, die PlanZV, die GemO, die BauO usw.).
Sofern der Bebauungsplan auch örtliche Bauvorschriften auf der Grundlage der Lan-
desbauordnung enthält, ist die Angabe der Rechtsgrundlage absolut unverzichtbar.
Hier gilt nämlich das sog. Zitiergebot entsprechend Art. 80 GG i. V. m. der entspre-
chenden Vorschrift der Landesverfassung. Danach muss in jeder Verordnung die
Rechtsgrundlage mit Paragraph, Absatz und ggf. Nummer genau angegeben werden.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Die Begründung gehört zum Bebauungsplan, nimmt jedoch nicht an seinem Charakter
als Norm teil. Was in der Begründung steht, kann Auslegungshilfe sein – es ist jedoch
niemals allein als Begründungstext verbindlich.
Bild 36: Empfehlung zur Blattaufteilung eines Bebauungsplans

Verfahren Planzeichung Plantitel


mit Bez. des
Plangebiets

Planzeichen-
erklärung

Textliche Ggf. Planunter-


Festsetzungen • Kennzeichnungen lage
• Nachrichtliche mit Bestands-
Übernahmen signaturen
• Hinweise
Rechtsgrundlagen Übersichtsplan

Maßstab/-band M 1: 5.000/10.000

kartengrundlage Verfasser/Stand

6. Die Begründung zum Bebauungsplan


Jeder Bebauungsplan, auch bereits sein Entwurf, muss eine Begründung mit den Anga-
ben nach § 2a haben (vgl. § 9 Abs. 8). Sie dient als Beratungsunterlage für die Gemein-
devertretung und muss von ihrem Willen mitgetragen, d. h. beim Satzungsbeschluss
mitbeschlossen werden495. Wird sie – oder der Umweltbericht – danach geändert, ist
ein erneuter Beschluss der Gemeindevertretung erforderlich496 – es sei denn, es handelt
sich um eine bloße redaktionelle Änderung. Ein Ausweg kann darin bestehen, dass die
Gemeindevertretung beim Satzungsbeschluss ausdrücklich die Verwaltung zur Ergän-
zung der Begründung hinsichtlich bestimmter Punkte ermächtigt.
Die Begründung informiert den Bürger darüber, aus welchen Beweggründen der Be-
bauungsplan als Satzung (und d. h. ja als Gesetz) aufgestellt worden ist. Wenn es später
zu Auseinandersetzungen über die Planinhalte kommt und möglicherweise sogar ein
Gericht angerufen wird, dann erfährt das Gericht aus der Begründung des Plans, wel-
che Motive die Gemeinde zu bestimmten, jetzt umstrittenen Festsetzungen bewogen
haben. Wegen dieser wichtigen Funktion der Begründung ist verständlich, dass nach
der Rechtsprechung das Fehlen einer Begründung zur Unwirksamkeit eines Bebau-
ungsplans führen kann497. Ob diese Unwirksamkeitsfolge tatsächlich eintritt, hängt
allerdings von der Anwendbarkeit der §§ 214, 215 ab. Danach gilt Folgendes: Nach
§ 214 Abs. 1 Nr. 3 ist zwischen einer (nur) „unvollständigen“ und einer gänzlich feh-
lenden Begründung zu unterscheiden. Wenn eine Begründung nur unvollständig ist,
hat die Gemeinde hinsichtlich aller für die Abwägung wesentlichen Beziehungen auf
Verlangen nachträglich Auskunft zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse dargelegt

495 BVerwG, U. v. 5.7.1974 – 4 C 50/72 –, BVerwGE 45, 309 (331); BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C
28.83 –, NJW 85, 1569.
496 So ausdrücklich Niedersächsisches OVG, U. v. 7.11.1997 – 1 K 3601/96 –, ZfBR 1998, 155.
497 Grundlegend BVerwG, U. v. 7.5.1971 – 4 C 76.68 –, NJW 1971, 1626; im Anschluss daran auch BGH,
U. v. 2.4.1992 – 3 ZR 25/91 –, BGHZ 67, 320.

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Die Bebauungspläne V.

wird (wenn ein Gericht eine solche Nachbesserung fordert, ist dies selbstverständlich
immer von berechtigtem Interesse). Im Übrigen ist die Unvollständigkeit der Begrün-
dung jedoch vor Gericht unbeachtlich – wenn es nicht um den Umweltbericht als
gesonderten Teil der Begründung geht. Der Umweltbericht darf nur „in unwesentli-
chen Punkten unvollständig“ (§ 214 Abs. 1 Nr. 3) sein; wenn er darüber hinaus lü-
ckenhaft ist, liegt darin ein beachtlicher Fehler. Dieser Fehler muss wiederum innerhalb
eines Jahres ab Bekanntmachung des Plans schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt
werden, wenn er vor Gericht geltend gemacht werden soll. Ebenso ist es, wenn die
Begründung völlig fehlt: Darin liegt ein rügefähiger Formfehler, der grundsätzlich vor
Gericht beachtlich ist und der prinzipiell zur Unwirksamkeit des Plans führt. Auch
dieser Formfehler muss binnen eines Jahres seit Bekanntmachung des Plans schriftlich
gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sein, damit er weiterhin beachtlich
bleibt. Unterbleibt eine solche Rüge, ist der bekanntgemachte Plan als von Anfang an
wirksam zu behandeln – der Fehler wird also gleichsam durch rügelosen Fristablauf
geheilt498. Im Streitfall muss eine fehlende Begründung jedoch vor Gericht nachgeholt
werden – auch wenn ihr Fehlen nicht mehr als Formfehler beachtlich ist. Die Recht-
sprechung hat alle diese Regelungen als verfassungskonform akzeptiert499. Zu beach-
ten bleibt aber, dass nach dem BGH eine Begründung bereits dann im Rechtssinne
„fehlt“, wenn sich die Begründung in einer Beschreibung des Planinhalts erschöpft
und die planerische Motivation – also die Entscheidungsgründe für das Ergebnis der
Abwägung – allenfalls angedeutet wird500.
Wiederholend sei darauf hingewiesen, dass die Begründung zu einem Bebauungsplan
als gesonderten Bestandteil stets einen Umweltbericht enthalten muss (es sei denn, der
B-Plan wurde im vereinfachten Verfahren nach § 13 oder im beschleunigten Verfahren
nach § 13a bzw. § 13b aufgestellt). Die Begründung ist nicht mit der „Zusammenfas-
senden Erklärung“ nach § 6a Abs. 1 (F-Plan) bzw. § 10a Abs. 1 (B-Plan) über den
Umgang mit den Erkenntnissen des Umweltberichts und den (dazu) eingegangenen
Stellungnahmen der Behörden und der Bürger zu verwechseln. Diese Erklärung ist ein
eigenständiges Dokument, das sich zwar als Anlage der Begründung beifügen, sich
aber genauso gut an anderer Stelle in die Verfahrensakte zum Bauleitplan einfügen
lässt. Sie muss aber ebenso wie die Begründung nach Abschluss des Verfahrens zur
Einsichtnahme bereit gehalten werden.

7. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan


Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist eine Sonderform der verbindlichen Bauleit-
planung, die unter der Bezeichnung „Vorhaben- und Erschließungsplan“ (VEP) zu-
nächst für die neuen Länder erfunden worden ist. Einem vorhabenbezogenen Bebau-
ungsplan liegt idealtypisch die Konstellation zugrunde, dass ein Grundeigentümer
genau weiß, was für ein Vorhaben er auf seinem Grundstück bauen möchte (z. B. eine
Tankstelle) und dass er bereit und in der Lage ist, die etwa notwendigen Erschließungs-
maßnahmen auf eigene Kosten durchzuführen. Ein solcher Grundeigentümer tritt mit
seinem „Vorhaben- und Erschließungsplan“ an die Gemeinde heran und bittet sie über
den Weg eines Antrags um Zustimmung sowie um Einleitung und Durchführung eines
Bauleitplanverfahrens mit dem Ziel, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das
Vorhaben des Antragstellers zu schaffen (der Einleitungsbeschluss entspricht nicht au-
tomatisch einem Aufstellungsbeschluss501). Am Ende des Verfahrens beschließt die
Gemeinde einen sog. vorhabenbezogenen Bebauungsplan als Satzung. Über diesen

498 So BVerwG, U. v. 21.2.1986 – 4 N 1.85 –, ZfBR 1986, 142; bestätigt von BVerwG, U. v. 30.6.1989 –
4 C 15.86 –, ZfBR 1990, 30.
499 BGH, U. v. 1.10.1987 – 3 ZR 184/86 –, ZfBR 1988, 145 (146).
500 BGH, U. v. 11.6.1981 – 3 ZR 14/80 –, ZfBR 1981, 295.
501 VGH Baden-Württemberg, B. v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 –, BauR 2000, 1704.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

stimmt sie dem Vorhaben- und Erschließungsplan zu, evtl. mit einigen notwendigen
Ergänzungen, z. B. hinsichtlich der Wegeführung im und am Gebiet. Die Gemeinde
kann ihre Zustimmung zum Antrag des Vorhabenträgers selbstverständlich auch ver-
weigern; die Entscheidung darüber, ob sie ein Aufstellungsverfahren einleitet oder
nicht, muss sie gemäß § 12 Abs. 2 aber nach pflichtgemäßem Ermessen treffen und
dem Antragsteller mitteilen. Rechtswidrige Verweigerung kann (in seltenen Fällen)
zum Schadensersatz verpflichten. Ein Anspruch auf eine positive Entscheidung besteht
jedoch nicht. Nach dem VGH Baden-Württemberg handelt es sich bei dieser Entschei-
dung nicht um einen Verwaltungsakt502.
Grundsätzlich gibt es mehrere Wege bei der technischen Umsetzung des Instruments, die
hier nicht im Einzelnen erläutert werden können. Da die Gemeinde im Bereich des VEP
gemäß § 12 Abs. 3 weder an den Festsetzungskatalog des § 9 noch an die Bestimmungen
von BauNVO503 und PlanZV gebunden ist, kann der Plan des Vorhabenträgers auch ein
sehr ins Detail gehendes Planwerk sein, das ähnlich den Bauvorlagen beim Bauantrag aus
mehreren Blättern besteht. Insgesamt genügt also ein hinreichend genauer Projekt-
plan504. Auf der Grundlage dieses VEP wird der vorhabenbezogene Bebauungsplan ange-
fertigt, der dem Festsetzungsduktus nach entweder einem normalen Bebauungsplan äh-
nelt oder – alternativ – im Wesentlichen nur den Geltungsbereich nachzeichnet und im
Übrigen auf den VEP verweist („Trauerrand-Plan“). Alternativ besteht die Möglichkeit,
den Vorhabenplan zeichnerisch in einen Bebauungsplan umzuwandeln und damit den
VEP vollständig in den B-Plan zu integrieren. Diese Möglichkeit hat in der Vergangenheit
jedoch Planwerke hervorgebracht, die sämtliche Spezifika des Vorhabens ausklammer-
ten. Diesen Weg hat die Rechtsprechung für unzulässig erklärt und klargestellt, dass ein
Plan nicht vorhabenbezogen ist, wenn er die planungsrechtliche Grundlage für nahezu
beliebige Vorhaben darstellt. Vielmehr hat die Gemeinde Vorsorge dafür zu treffen, dass
das planerisch vorgegebene Nutzungsspektrum in seinem Kern erhalten bleibt505. Auch
die Kubatur des im Durchführungsvertrag vereinbarten Vorhaben muss im VEP im We-
sentlichen festgelegt sein506. Zwar besteht ein wirksamer vorhabenbezogener Bebau-
ungsplan im Sinne des § 12 aus drei Elementen, nämlich dem VEP, dem Bebauungsplan
und dem Durchführungsvertrag. Der VEP kann jedoch vollständig in die Planurkunde
des B-Plans integriert werden, sodass das Vorhaben auch ohne gesonderten VEP durch
den Plan hinreichend genau beschrieben ist507.
Der Gesetzgeber hat die Entwicklungen in der Praxis und die Rechtsprechung zum
Anlass genommen, § 12 im Rahmen der BauGB-Novelle 2006 um einen Abs. 3a zu
ergänzen: „Wird in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des
Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der
Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung
allgemein festgesetzt, ist unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 festzusetzen,
dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu
deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet.“
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan darf sich nun mit relativ allgemein gehaltenen
Festsetzungen begnügen und im Übrigen auf den Durchführungsvertrag verweisen.
Dazu muss dann eine bedingte Festsetzung nach § 9 Abs. 2 in das Planwerk aufgenom-
men werden, wonach der Vorhabenträger nur solche Vorhaben verwirklichen darf, die

502 VGH Baden-Württemberg, U. v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 –, ZfBR 2000, 417; vgl. auch Niedersächsi-
sches OVG, B. v. 10.12.2008 – 1 LA 150/06 –, BauR 2009, 777.
503 Die BauNVO besitzt allerdings eine Leitlinien- und Orientierungsfunktion auch für einen VEP – so das
BVerwG, U. v. 6.6.2002 – 4 CN 4.01 –, ZfBR 2002, 792.
504 So ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, 25.11.1996 – 8 S 1151/96 –, UPR 1997, 157.
505 BVerwG, B. v. 10.8.2004 – 4 BN 29.04 –, BauR 2004, 1908.
506 BVerwG, B. v. 2.5.2018 – 4 BN 7.18 –, BauR 2018, 1243.
507 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 23.1.2006 – 7 D 60/04 –, ZfBR 2006, 490.

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im Durchführungsvertrag näher beschrieben sind. Der eigentliche Charme dieses Wegs


besteht darin, dass gemäß § 12 Abs. 3a Satz 2 Änderungen des Durchführungsvertrag,
also auch Änderungen zum Vorhabenkonzept, noch nach Abschluss des Planverfah-
rens zulässig sind, soweit sie nicht die Grundzüge der Planung berühren. Dies erhöht
die Flexibilität, wenn auch die Gemeinden seit Einführung des § 12 Abs. 3a zum
1.1.2007 eher zurückhaltend Gebrauch von dieser Regelung gemacht haben. Der Plan
selbst muss nicht verändert werden, sodass ein Planänderungsverfahren nicht erforder-
lich wird – wenn z. B. der ursprüngliche Vorhabenträger durch einen neuen mit ande-
ren Planungsvorstellungen ersetzt wird.
Durch den Satzungsbeschluss wird der (zuvor inhaltlich mit der Gemeinde abge-
stimmte) Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil des vorhabenbezogenen B-
Plans. Noch vor dem Beschluss muss sich der Investor verpflichten, den Plan innerhalb
einer bestimmten Frist durchzuführen und die Planungs- und Erschließungskosten
ganz oder teilweise zu tragen (Durchführungsvertrag). Wenn die Durchführung nicht
fristgemäß erfolgt und sich auch kein anderer, gleich geeigneter Investor findet, soll
die Gemeinde den Plan aufheben. Dem Vorhabenträger kommen dann keine Entschä-
digungsansprüche (z. B. nach dem Planungsschadensrecht – §§ 39, 42) zu. Diese relativ
leichte Aufhebbarkeit und die Freistellung der Gemeinde von Ansprüchen nach dem
Planungsschadensrecht haben seit Einführung des vorhabenbezogenen Plans zu einem
Paradigmenwechsel bei der Anwendung geführt. Der VEP ist als besonders investoren-
freundliche Planvariante eingeführt worden; mittlerweile wird der VEP von den Ge-
meinden auch dazu benutzt, unsichere Kantonisten unter den Vorhabenträgern einzu-
fangen und einzubinden. In solchen Fällen wirkt der VEP strenger als ein normaler B-
Plan.
Wenn die Gemeinde in ihren vorhabenbezogenen B-Plan noch weitere Grundstücke
außerhalb des VEP einbezieht (was nach § 12 Abs. 4 zulässig ist), gelten für diese
wieder die regulären Vorschriften, einschließlich des § 30 Abs. 3, wonach unvollstän-
dige Festsetzungen durch § 34 oder § 35 ergänzt werden. Es dürfen jedoch nur Flächen
einbezogen werden, die für eine geordnete städtebauliche Entwicklung erforderlich
sind und in Bezug auf das Gebiet des VEP sachnotwendige Ergänzungen darstellen.
Die geordnete städtebauliche Entwicklung muss – so das OVG Nordrhein-Westfalen
– die Einbeziehung erfordern und der Planbereich darf sich nicht substanziell durch
die Einbeziehung verändern508.
Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen B-Plans sind – sofern die Erschließung ge-
sichert ist – alle Vorhaben zulässig, die diesem Plan nicht widersprechen (so § 30 Abs. 2).
§ 31 (Ausnahmen und Befreiungen) und § 33 (Zulässigkeit von Vorhaben während der
Planaufstellung) sind anwendbar. Planreife setzt logischerweise einen rechtswirksamen
Durchführungsvertrag voraus. Der Durchführungsvertrag ist in aller Regel zugleich ein
Erschließungsvertrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 (vormals geregelt in § 124, vgl.
hierzu Kapitel B.VI.). Der Vertrag ist nicht „Bestandteil“ des B-Plans; er ist daher nicht
Gegenstand der öffentlichen Auslage. In der Begründung zum vorhabenbezogenen Be-
bauungsplan muss allerdings das Konzept des Durchführungsvertrags schon während
der öffentlichen Auslage soweit wiedergegeben werden, dass die Rechtmäßigkeit des vor-
habenbezogenen Plans daraus abgeleitet werden kann. Fehlt ein Durchführungsvertrag
(oder ist er nichtig), führt dies zur Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungs-
plans509. Nach dem OVG Rheinland-Pfalz510 ist es grundsätzlich möglich, einen vorha-
benbezogenen B-Plan auch für ein bereits verwirklichtes Vorhaben aufzustellen; in die-

508 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.5.2012 – 2 D 11/11.NE –, JurionRS 2012, 15858; BauR 2012,
1357.
509 Niedersächsisches OVG, U. v. 24.4.2002 – 1 KN 2792/01 –, ZfBR 2002, 588; VGH Baden-Württem-
berg, U. v. 14.11.2002 – 5 S 1635/00 –, ZfBR 2003, 268.
510 OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 30.8.2001 – 1 C 11768/00 –, ZfBR 2001, 560.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

sem Fall kann (logischerweise) auf eine Fristbestimmung zur Ausführung des Vorhabens
im Durchführungsvertrag verzichtet werden.
Nach dem neuen § 12 Abs. 7 soll es in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan
seit 2017 auch möglich sein, in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der
Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung zuzulassen (vgl. auch Punkt 11.f in die-
sem Kapitel).
8. Der Bebauungsplan der Innenentwicklung
Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung
von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung im
beschleunigten Verfahren aufgestellt werden (zu den Erleichterungen im beschleunig-
ten Verfahren im Einzelnen vgl. Kapitel B.III.9).
Die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 enthält gleichlautend die Begriffe Wieder-
nutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen der Innen-
entwicklung. Diese Klausel ist gemäß § 1a Abs. 2 Satz 3 in der Abwägung zu berück-
sichtigen. Die Vorschrift ist auf die Verringerung der zusätzlichen
Flächeninanspruchnahme gerichtet und stellt zur Erreichung dieses Ziels die Möglich-
keiten der städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde durch Maßnahmen der Innen-
entwicklung heraus511. Durch die Anknüpfung des § 13a an die Begrifflichkeiten der
Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 wurde mit dem Bebauungsplan der Innenentwick-
lung ein Instrument geschaffen, das die Innenentwicklung forcieren und dadurch das
Ziel der Verringerung der Flächeninanspruchnahme unterstützen soll. Diese Rechnung
scheint insoweit aufzugehen, als ein Großteil der seit 2007 durchgeführten B-Planver-
fahren im beschleunigten Verfahren durchgeführt wird.
Um das beschleunigte Verfahren anwenden zu können, müssen Bebauungspläne der
Innenentwicklung im Einzelnen folgende Voraussetzungen erfüllen:
a) Zweck des Bebauungsplans. Der Zweck des Bebauungsplans muss die Wiedernutz-
barmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder eine andere Maßnahme der In-
nenentwicklung sein. Bebauungspläne der Innenentwicklung sind vor diesem Hinter-
grund grundsätzlich abzugrenzen von Bebauungsplänen, die gezielt Flächen außerhalb
der Ortslagen einer Bebauung zuführen sollen, auch wenn diese in einem Zusammen-
hang mit einer Innenentwicklung gesehen werden könnten, z. B. durch die Aufstellung
eines Bebauungsplans im bisherigen Außenbereich, der der Verlagerung eines Betriebs
aus dem Innenbereich dienen soll, um dort Flächen für die Innenentwicklung zu schaf-
fen. Somit werden nur solche Planungen durch den Bebauungsplan der Innenentwick-
lung erfasst, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem
Umbau vorhandener Ortsteile dienen512. Diese Formulierung nimmt Bezug auf § 1
Abs. 6 Nr. 4. Bebauungspläne der Innenentwicklung können auch für die Umnutzung
von Flächen aufgestellt werden. Nach der vorliegenden Rechtsprechung des BVerwG
ist es ausdrücklich nicht möglich, solche Außenbereichsflächen in den Plangeltungsbe-
reich einzubeziehen, die jenseits der äußeren Grenzen eines Siedlungsbereichs lie-
gen.513 Nach der Auffassung des VGH Baden-Württemberg können mit einem Bebau-
ungsplan der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BauGB aber
auch unbebaute Flächen, deren Überbauung sich bislang nach § 35 BauGB richtete
jedenfalls dann entwickelt werden, wenn sie auf allen Seiten von Bebauung umgeben

511 Krautzberger in: Ernst, Zinkahn, Bielenberg, Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 1a Rn. 36.
512 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/2496, S. 12.
513 Vgl. BVerwG, U. v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 –, ZfBR 2016, 260–263.

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Die Bebauungspläne V.

und damit dem Siedlungsbereich zuzurechnen und von diesem geprägt sind oder wenn
sie Teil einer solchen Fläche sind.514
In Betracht kommen im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 34, inner-
halb des Siedlungsbereichs befindliche Brachflächen sowie innerhalb des Siedlungsbe-
reichs befindliche Gebiete mit einem Bebauungsplan, der infolge notwendiger Anpas-
sungsmaßnahmen geändert oder durch einen neuen Bebauungsplan abgelöst werden
soll515. In Betracht kommen auch sogenannte „Außenbereiche im Innenbereich“516,
d. h. Flächen, die zwar selbst zum Außenbereich zählen, aber von einer baulichen
Nutzung umgeben sind. Flächen, die räumlich in den Außenbereich hineinragen, die-
sen aber lediglich abrunden sollen, können ebenfalls Gegenstand eines Bebauungs-
plans der Innenentwicklung sein (vgl. hierzu auch Kapitel B.VIII.5 Buchst. g). Da das
BauGB selbst keine weitere Definition des Begriffs „Innenentwicklung“ enthält, wird
man bei Abgrenzungsfragen regelmäßig auf das Ziel des Gesetzgebers zurückkommen,
der die Außenentwicklung zugunsten einer verstärkten Wiedernutzbarmachung oder
Nachverdichtung von Flächen begrenzen wollte. In diesem Sinne wäre z. B. die Über-
planung einer selbständigen öffentlichen Grünfläche im Innenbereich keine Maß-
nahme der Innenentwicklung, weil sie eben nicht der Wiedernutzbarmachung von
Flächen oder der Nachverdichtung dient. Anders wären dagegen Grün- und Freiflä-
chen zu beurteilen, die selbst Bestandteil der privaten Baugrundstücke sind und damit
sehr wohl für die Nachverdichtung nutzbar gemacht werden könnten, wenn die übri-
gen Anwendungsvoraussetzungen vorlägen.
b) Schwellenwerte für festgesetzte Grundflächen. Bebauungspläne der Innenentwick-
lung dürfen bestimmte Schwellenwerte für festgesetzte zulässige Grundflächen im
Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht überschreiten, wenn sie im beschleunigten Ver-
fahren aufgestellt werden sollen. Die Bezugnahme auf § 19 Abs. 2 BauNVO bedeutet,
dass die für Nebenanlagen, Garagen, Stellplätze und ihre Zufahrten sowie für unter-
halb der Geländeoberfläche liegende bauliche Anlagen eingeräumte Überschreitungs-
möglichkeit des § 19 Abs. 4 BauNVO (sog. „Zweit-GRZ“) bei der Ermittlung der
zulässigen Grundfläche im Sinne des § 13a nicht berücksichtigt wird.
Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich zwei Fallkonstellationen:
1. Der Bebauungsplan setzt weniger als 20.000 m² zulässige Grundfläche fest, wobei
die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räum-
lichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind.
Liegen auch die übrigen Anwendungsvoraussetzungen vor (es darf kein UVP-pflichti-
ges Vorhaben begründet werden, es dürfen keine Anhaltspunkte für die Beeinträchti-
gung von Erhaltungszielen und Schutzzwecken von Natura 2000-Gebieten bestehen,
es dürfen auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten
zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50
Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind), kann der Bebauungs-
plan in diesem Fall gänzlich ohne Umweltprüfung aufgestellt werden. Außerdem gel-
ten in diesem Fall des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Eingriffe, die aufgrund der Aufstellung
des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 5 vor der
planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig (vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 4). Durch die
Einführung dieser als „Fiktionsregelung“ bezeichneten Bestimmung ist im beschleunig-

514 So VGH Baden-Württemberg, U. v. 30.10.2014 – 8 S 940/12 –, BauR 2015, 783. Höchstrichterlich ist
diese Frage noch nicht entschieden (zum Begriff „Außenbereich im Innenbereich“ vgl. BVerwG, B. v.
15.9.2005 – 4 BN 37.05 –, BauR 2006, 348–349).
515 Ebenda, S. 26.
516 Zu den Begriffen vgl. BVerwG, B. v. 15.9.2005 – 4 BN 37/05 –, BauR 2006, 348; zu Abgrenzungsfragen
und zum methodischen Vorgehen vgl. BVerwG, U. v. 1.12.1972 – 4 C 6.71 –, BRS 25 Nr. 36; BVerwG,
U. v. 17.2.1984 – 4 C 55.81 –, BRS 42 Nr. 94; BVerwG, U. v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 –, BRS 52 Nr. 146;
BVerwG, B. v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 –, BRS 59 Nr. 78.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ten Verfahren kein Ausgleich für die planungsrechtlich vorbereiteten Eingriffe mehr
notwendig. Ungeachtet dessen bleibt es bei der Beachtung der naturschutzfachlichen
Aspekte in der Abwägung nach § 1 Abs. 6 Nr. 7a; das Vermeidungs- und das Minimie-
rungsgebot gelten fort, die Kompensationspflicht aber entfällt. Diese Erleichterung
wird von den Städten und Gemeinden in der Planungspraxis neben der Zeitersparnis
und dem Fortfall der förmlichen Umweltprüfung als ein besonders bedeutsamer Vor-
teil gesehen517.
Die überbaubare Grundfläche von Bebauungsplänen, die in einem engen sachlichen,
räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, ist in die Grundfläche des
in Rede stehenden Bebauungsplans mit einzurechnen. Eine Umgehung der europarecht-
lich intendierten Vorgaben des EAG Bau 2004 für großflächigere Vorhaben durch eine
„von langer Hand geplante Salamitaktik“ aufeinander folgender Bebauungspläne, die in
eben jenem Zusammenhang zueinander stehen, sollte damit bewusst erschwert werden.
Bei der Berechnung der zulässigen Grundfläche nach § 13a Abs. 1 sind alle im Plan
festgesetzten Grundflächen zu berücksichtigen. Die Frage, welche davon erstmals fest-
gesetzt werden bzw. welche bereits verwirklicht sind, spielt erst im Rahmen einer
notwendigen Vorprüfung für die Pläne der Fallgruppe 2 eine Rolle, in deren Rahmen
geprüft wird, ob der Plan voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat.
2. Der Bebauungsplan setzt zwischen 20.000 m² und weniger als 70.000 m² zulässige
Grundfläche fest.
Setzt der Bebauungsplan 20.000 m² oder mehr, aber weniger als 70.000 m² als zuläs-
sige Grundfläche fest, ist die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nur zulässig,
wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2
des BauGB genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungs-
plan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4
Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die
Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch
die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteili-
gen. Der Fortfall der Kompensationspflicht von Eingriffen in Natur und Landschaft
gilt für diese Fallgruppe jedoch nicht. Sie sind im Sinne des § 1a Abs. 3 im Rahmen
der Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen. Im Rahmen der Vorprüfung sind
jedoch nur die Festsetzungen relevant, die noch nicht verwirklicht wurden.
Wird in einem Bebauungsplan weder eine zulässige Grundfläche noch eine Größe der
Grundfläche festgesetzt, ist für die Frage, ob und welchem Schwellenwert sich die
Planung zuordnen ließe, allein die Fläche maßgeblich, die bei Durchführung des Be-
bauungsplans voraussichtlich versiegelt wird.
Wird in einem Bebauungsplan aber eine zulässige Grundfläche für ein oder mehrere
Baugrundstücke im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO festgesetzt, findet § 13a Abs. 1
Satz 3 keine Anwendung mit der Folge, dass die voraussichtliche Versiegelung auf
anderen Grundstücken bei der Ermittlung der Flächenianspruchnahme außer Betracht
bleibt. Im vom BVerwG entschiedenen Fall war die Fläche eines nach § 9 Abs. 1 Nr. 11
festgesetzten Fußgängerbereichs bei der von § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB geforderten
Ermittlung der zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht zu
berücksichtigen.518
c) Ausschlussgründe. Die Anwendung des § 13a (und b) ist ausgeschlossen, wenn
– die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer UVP nach
dem UVPG oder Landesrecht unterliegen, vorbereitet oder begründet wird oder

517 Jachmann, Simone; Mitschang, Stefan: Bebauungspläne der Innenentwicklung – Studie zur Anwendung
von § 13a BauGB in der kommunalen Planungspraxis, in: BauR 2009, 913.
518 BVerwG, B. v. 8.12.2016 – 4 CN 4.16 –, UPR 2017, 260.

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Die Bebauungspläne V.

– Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b genann-


ten Schutzgüter bestehen. Bei diesen Schutzgütern handelt es sich um die Erhal-
tungsziele und den Schutzzweck von Natura 2000-Gebieten, also von Gebieten
von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) und von Europäischen Vogel-
schutzgebieten im Sinne des BNatSchG;
– Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder
Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bun-
des-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Festsetzung von Kerngebieten
(MK) in einem Bebauungsplan der Innenentwicklung deshalb ausgeschlossen ist, weil
hierin auch UVP-pflichtige Vorhaben zulässig sein können. Diese Frage ist zu vernei-
nen, denn gemäß Nr. 18.8 der Anlage 1 zum UVPG sind alle Bebauungspläne, die im
Innenbereich für den Bau eines städtebaulichen Vorhabens i. S. der Nrn. 18.1 bis 18.7
aufgestellt werden, nur UVP-vorprüfungspflichtig und eben nicht automatisch auch
endgültig UVP-pflichtig.
Der Bebauungsplan darf zum anderen keine Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeu-
tung oder Europäische Vogelschutzgebiete im Sinne des BNatSchG519 („Natura
2000“-Gebiete) beeinträchtigen. Liegt ein solches Gebiet im Einwirkungsbereich des
Bebauungsplans, ist das beschleunigte Verfahren nur dann ausgeschlossen, wenn die
konkreten Erhaltungsziele und Schutzzwecke des Natura 2000-Gebiets durch die Um-
setzung des Bebauungsplans beeinträchtigt werden.
Bild 37: Materiell-rechtliche Prüfübersicht zu den Anwendungsvoraussetzungen des be-
schleunigten Verfahrens für Bebauungspläne der Innenentwicklung nach § 13a
Tatbestandsmerkmal Ja Nein
Wiedernutzbarmachung von Flächen
Nachverdichtung
Andere Maßnahmen der Innenentwicklung
Zulässige Grundfläche/Versiegelungsfläche* < 20.000 m² (einschließlich Kumula-
tion benachbarter B-Pläne)
Zulässige Grundfläche/Versiegelungsfläche* 20.000 bis < 70.000 m² (Vorprüfung
des Einzelfalls, dass keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu er-
warten sind)
Ausschlussgründe Ja Nein
Begründung der Zulässigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben
Anhaltspunkte für die Beeinträchtigung von Erhaltungszielen und Schutzzwe-
cken von Natura 2000-Gebieten
Planung verursacht beachtliche Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der
Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (neu 2017)
Flächennutzungsplan Ja Nein
Abweichende Inhalte vorhanden
Berichtigung möglich
(Anwendungsvoraussetzung: geordnete städtebauliche Entwicklung darf nicht be-
einträchtigt werden)

* Hinweis: Bei B-Plänen ohne festgesetzte Grundfläche ist als Schwellenwert zu erwartende
Versiegelungsfläche maßgeblich

Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Aufstellung eines Bebauungsplans
im beschleunigten Verfahren das Abstandsgebot des § 50 Satz 1 hinsichtlich der Ge-

519 Vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

fahr schwerer Unfälle des Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beachten ist, ist die An-
wendung mit Wirkung vom 13.5.2017520 ebenfalls ausgeschlossen. Im Ergebnis geht
es um die Einhaltung eines „angemessenen Sicherheitsabstandes“ zwischen den so
genannten „Betriebsbereichen von Störfallbetrieben“ i. S. d. § 3 Abs. 5a BImSchG und
so genannten „schutzbedürftigen Objekten“ i. S. d. § 3 Abs. 5d BImSchG. Maßgeblich
sind hier die von der Kommission für Anlagensicherheit vorgesehenen Abstände. Zwar
können auch geringere als diese vorgesehenen und für die Praxis maßgeblichen Ab-
stände noch das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein. In solchen Fällen ist aber
das Normalverfahren zu einem Bebauungsplan anzuwenden.521
In beiden Fällen greift der Gesetzgeber die bereits für das vereinfachte Verfahren (§ 13
Abs. 1 Nr. 1 und 2) geltenden Ausschlussgründe auf und macht damit deutlich, dass
ein Vorliegen dieser Gründe auch die Durchführung des beschleunigten Verfahrens
ausschließt. Anhand der nachfolgenden Checkliste können die Anwendungsvorausset-
zungen für den B-Plan der Innenentwicklung überprüft werden (Bild 37).

d) Umkehrung des Entwicklungsgebots. Sofern die geordnete städtebauliche Entwick-


lung des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt wird, kann ein Bebauungsplan, der von
Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, gemäß § 13a Abs. 2 Nr. 2 auch
aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt ist; der Flä-
chennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen. Damit wird das sonst
für Bebauungspläne geltende Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 quasi umgekehrt. Die
Darstellungen des Flächennutzungsplans werden an die Festsetzungen des Bebauungs-
plans der Innenentwicklung angepasst (vgl. hierzu und zu den weiteren Verfahrenser-
leichterungen im beschleunigten Verfahren Kapitel B.III.9).

9. Der Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das


beschleunigte Verfahren nach § 13b
Nach dem 2017 eingeführten § 13b BauGB darf für Bebauungspläne mit einer Grund-
fläche im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 2 von weniger als 10.000 Quadratmetern, durch
die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird und die sich an
im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, nunmehr auch das beschleunigte
Verfahren nach § 13a durchgeführt werden. Die Regelung ist allerdings zeitlich befris-
tet: Das Verfahren zur Aufstellung eines solchen Bebauungsplans kann nur bis zum
31. Dezember 2019 förmlich eingeleitet werden und der Satzungsbeschluss nach § 10
Abs. 1 BauGB ist bis zum 31. Dezember 2021 zu fassen.
In der Begründung des Regierungsentwurfs führt der Gesetzgeber hierzu lediglich aus,
die Änderung solle der Erleichterung des Wohnungsbaus dienen.522 Im Gesetzgebungs-
verfahren ist diese Erlaubnis der Beplanung von Außenbereichsflächen ohne Umwelt-
bericht teilweise nachdrücklich kritisiert worden. Tatsächlich scheint sich zumindest
die Gefahr unkontrollierter Zersiedlung erhöht zu haben, weil z. B. keine Bindung
mehr an den Flächennutzungsplan besteht, dessen Steuerungswirkung gerade für die
Erschließung von Außenbereichsflächen von gemeindeweiter Bedeutung ist. Die feh-
lende Auseinandersetzung mit den Umweltbelangen in einem gesonderten Bericht war
außerdem gerade für Außenbereichsflächen bislang ein unverzichtbarer Bestandteil für
eine geordnete städtebauliche Entwicklung, an die die bloße Anpassung des Flächen-
nutzungsplans im Wege der Berichtigung gebunden ist. Für die Überplanung von bis-
herigen Außenbereichsflächen wird die Prüfung dieser Bindung an die geordnete städ-

520 BGBl. I S. 1057.


521 Vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 3.12.2009 – 4 C 5.09 –. In: ZfBR 2010, 262 (VGH Kassel, Vorlagebe-
schluss an den EuGH); EuGH, U. v. 15.9.2011 – C53/10 –, ZfBR 2011, 763; BVerwG, U. v. 20.12.2012
– 4 C 11/11 –, NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).
522 BR-Drs. 806/16 vom 30.12.2016, 2, 21, 25.

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Die Bebauungspläne V.

tebauliche Entwicklung möglicherweise deutlich anspruchsvoller, zumal hier


Widersprüche zur Pflicht des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden (§ 1a Abs. 2)
und zu den Flächensparzielen (Reduzierung des Flächenverbrauchs auf 30 ha/Tag bun-
desweit) erkennbar sind.
Wie groß der „Flurschaden“ angesichts der Befristung der Vorschrift bis 31.12.2019
(für den Aufstellungsbeschluss) bzw. 31.12.2021 (für den Satzungsbeschluss) tatsäch-
lich wird, bleibt also abzuwarten – wenn es bei der gegebenen Befristung bleibt. Eine
maßvolle Anwendungspraxis ist deshalb vor allem dort geboten, wo nachweisbar kein
Wohnraummangel herrscht und der neue § 13b BauGB schlicht zur vereinfachten Er-
schließung von Außenbereichsflächen missbraucht werden könnte.
In zwei ersten Entscheidungen hat der VGH München zu den Grenzen der Rechtsan-
wendung von § 13b Stellung bezogen und sich dabei zum einen mit der Frage seiner
Europarechtskonformität befasst.523 In der gleichen Entscheidung nimmt das Gericht
außerdem zur Auslegung des Begriffs der „Wohnnutzungen“ Stellung. Zum anderen
entscheidet der VGH München darüber, was „anschließen“ aus städtebaulicher Sicht
bedeutet.524
Zur Frage der Europarechtskonformität ist die Richtlinie 2001/42/EG525 über die Prü-
fung der Umweltauswirkungen bestimmter Programme und Pläne (PlanUP-RL) ein-
schlägig. Nach Auffassung des Gerichts verstößt § 13b nicht gegen Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie, nach dem es den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Absatz 5 erlaubt
ist abstrakt-generell festzulegen, dass bestimmte Pläne ohne Umweltprüfung nach § 2
Abs. 4 erlassen werden können, wenn es sich nach Art. 3 Abs. 3 der RL um die Nut-
zung so genannter „kleiner Gebiete auf lokaler Ebene“ handelt. Hiervon habe der
Gesetzgeber bereits mit der Regelung des § 13a Gebrauch gemacht. Diese Auffassung
überrascht insofern nicht.
Mit größerer Spannung wurde die erste Antwort auf die Frage erwartet, ob die in
§ 13b geforderte Begründung der Zulässigkeit von Wohnnutzungen überhaupt und
wenn ja welche Arten von Baugebietsfestsetzungen nach den §§ 2 ff. BauNVO erlaubt.
Nach Auffassung des VGH München legen sich weder der Gesetzeswortlaut des § 13b
Satz 1 noch die Gesetzesbegründung hinsichtlich des Begriffs der Wohnnutzung auf
einen bestimmten Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung fest, so dass beide
Gebietstypen – allgemeine und reine Wohngebiete im Sinne der §§ 3 und 4 BauNVO
– grundsätzlich möglich seien. Diese Aussage verknüpft das Gericht aber mit dem
Vorbehalt einer Einzelfallprüfung, indem es ausführt, dass grundsätzlich andere als
reine Wohnnutzungen oder wohnähnliche Nutzungen möglich seien, sofern sie sich
mit dem Ausnahmecharakter des Art. 3 Abs. 3 Plan-UP-RL vereinbaren ließen und ein
Beeinträchtigungspotential hinsichtlich der Umweltbelange möglichst gering bliebe.
Nach dem VGH München sei es nicht erkennbar, inwieweit beispielsweise Kinderbe-
treuungseinrichtungen, die für den Bedarf im Gebiet nötig werden, ein Beeinträchti-
gungspotential hinsichtlich der Umweltbelange darstellen sollten. Entsprechend wären
auch grundsätzlich nötige lnfrastruktureinrichtungen ohne Beeinträchtigungspotential
in einem Gebiet nach § 13b Satz 1 BauGB nicht gänzlich ausgeschlossen, was aber der
Einzelfallprüfung obliege.
In seiner Entscheidung vom 4.5.2018 fordert der 15. Senat des VGH München ergän-
zend einen weitergehenden Ausschluss von Nutzungen, die im allgemeinen Wohnge-
biet ausnahmsweise zugelassen werden können. Soweit § 13b überhaupt die Möglich-
keit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets im vereinfachten Verfahren
eröffnen sollte, sei die Gemeinde in diesem Fall zumindest gehalten, über § 1 Abs. 5

523 VGH München, B. v. 9.5.2018 – 2 NE 17.2528 –, BeckRS 2018, 10027.


524 VGH München, B. v. 4.5.2018 – 15 NE 18.382 –, BeckRS 2018, 8637; DÖV 2018, 673.
525 ABl. EG L 197/32 vom 21.7.2001.

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BauNVO diejenigen Nutzungen auszuschließen, die nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5
BauNVO i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise zugelassen werden können.
In derselben Entscheidung stellt der 15. Senat fest, dass „anschließen“ an im Zusam-
menhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 13b entgegen anderslautender Auffassung
jedenfalls mehr bedeute, als ein bloßes „Berühren“ von geplanten Wohnnutzungen
mit dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. § 13b gestatte es jedenfalls nicht, der
Zersiedlung des Außenbereichs dadurch Vorschub zu leisten, dass nicht integrierte
Standorte „auf der grünen Wiese“ einer Bebauung zugänglich gemacht würden. Hier-
von sei aber gerade dann auszugehen, wenn – trotz des Angrenzens einzelner Baupar-
zellen des neuen Plangebiets an den Ortsrand und trotz der Einhaltung der Größenbe-
grenzung von 10.000 Quadratmetern überbaubarer Fläche – der vorhandene
Siedlungsbereich nicht lediglich „abrundend“ in den Außenbereich erweitert wird,
sondern bei städtebaulich wertender Betrachtung tatsächlich ein neuer Siedlungsbe-
reich im bisherigen Außenbereich entsteht, der sich vom bestehenden Ortsrand ersicht-
lich „absetzt“ und deshalb einen qualitativ neuen Ansatz für künftige Siedlungserwei-
terungen vorgibt.
Flächen, auf denen die Zulässigkeit von Wohnnutzungen begründet wird, schließen
sich im Sinne des § 13b deshalb dann nicht mehr an im Zusammenhang bebaute
Ortsteile an, wenn eine Anbindung an den bestehenden Siedlungsbereich nur über eine
im Verhältnis zur Gesamtgröße des neuen Baugebiets völlig untergeordnete gemein-
same Grenze erfolgt, der weitaus größte Teil des neuen Baugebiets sich aber derart
vom bestehenden Ortsrand in den Außenbereich hinein absetzt, dass im Ergebnis ein
neuer Siedlungsansatz entsteht.
Nach diesen beiden ersten Entscheidungen ist also vor fingerartigen Auskragungen
des Siedlungsbereich in den Außenbereich – ggf. entlang vorhandener Erschließungs-
straßen – ebenso zu warnen, wie vor einer zu großzügigen Ausgestaltung des zulässi-
gen Nutzungsspektrums!526

10. Bebauungspläne nach § 9 Abs. 2a, 2b und 2c


a) Der Bebauungsplan zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche
nach § 9 Abs. 2a. Neben der Einführung des Bebauungsplans der Innenentwicklung
(§ 13a) ist das Instrument des Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a das zweite Hauptan-
liegen der BauGB-Novelle 2007 und die Kernvorschrift für den Bereich der Einzelhan-
delssteuerung. Städtebauliches Ziel ist sowohl der Schutz wie auch die Entwicklung
vorhandener zentraler Versorgungsbereiche und die Sicherung einer verbrauchernahen
Versorgung. Gleichzeitig ist die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbe-
reiche in den Katalog der bei der Aufstellung der Bauleitpläne besonders zu berück-
sichtigenden Belange des § 1 Abs. 6 – hier Nr. 4 – aufgenommen worden, was ihre
Bedeutung unterstreicht.
§ 9 Abs. 2a soll den Gemeinden nicht nur dazu dienen, zentrale Versorgungsbereiche
davor zu schützen, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzel-
ner Branchen nicht mehr in substanzieller Weise wahrnehmen können, sondern – wie
namentlich in der Betonung der Innenentwicklung in Satz 1 zum Ausdruck kommt –
auch als Mittel, um im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums die Attrakti-
vität der Zentren zu steigern oder im Status quo zu erhalten527. Zu diesem Zweck
schreibt § 9 Abs. 2a vor, dass für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) zur
Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer
verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Ge-

526 Siehe auch OVG Koblenz, U. v. 7.6.2018 — 1 C 11757.17 —, BeckRS 2018, 11941: Die Festsetzung
eines Mischgebiets im Verfahren nach § 13b ist ausgeschlossen.
527 Vgl. BVerwG, U. v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 –, BVerwGE 133, 310 = BRS 74 Nr. 1, BauR 2009, 1245;
bestätigend: BVerwG, B. v. 21.2.2011 – 4 BN 7.11 –, BauR 2011, 1127.

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Die Bebauungspläne V.

meinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass nur bestimmte Arten
der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Einzelhandelsnutzungen zulässig oder
nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.
Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept i. S.
des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder
zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeinde-
teils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbe-
reichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Ver-
sorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen
Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
Die neue Vorschrift muss im Zusammenhang mit der durch das EAG Bau 2004 einge-
führten Regelung des § 34 Abs. 3 gesehen werden, nach der von Vorhaben keine
schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in
anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Im bauaufsichtlichen Vollzug erwies sich
in der Folge, dass die Aufklärung dieses Sachverhalts – liegen schädliche Auswirkun-
gen auf zentrale Versorgungsbereiche vor oder nicht? – regelmäßig komplex und die
Praktikabilität der Vorschrift unter den zeitlichen Restriktionen des bauaufsichtlichen
Genehmigungsverfahrens eingeschränkt war. Nicht selten führten Gutachten, die die
standortbezogenen Auswirkungen eines beantragten Einzelhandelsvorhabens zum Ge-
genstand hatten, in der Folge zu einem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungs-
plan, verbunden mit Veränderungssperre und Zurückstellungsantrag. Deshalb hat der
Gesetzgeber mit dem einfachen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a ein Instrument einge-
führt, das nach erfolgter Abwägung auf der Grundlage eines stadtweiten Einzelhan-
dels- und Zentrenkonzepts geeignet ist, die Genehmigungsgrundlagen zu verbessern.
Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde,
denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungsfunktion über
den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Sie können sich sowohl aus planeri-
schen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben528. Der Be-
griff „zentral“ ist in diesem Zusammenhang nicht als geographische Lagebezeichnung
zu verstehen, sondern unterstreicht, dass eine bloße Ansammlung von Einzelhandels-
nutzungen in einem räumlich abgrenzbaren Bereich allein noch keinen „zentralen“
Versorgungsbereich ausmacht. Der Bereich muss vielmehr ein örtlich relevantes Ver-
sorgungszentrum darstellen. Auch Grund- und Nahversorgungszentren können zent-
rale Versorgungsbereiche sein529.
Auch der am 21.3.2007 von der Bauministerkonferenz beschlossene Muster-Einfüh-
rungserlass zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwick-
lung der Städte530 gliedert zentrale Versorgungsbereiche in drei Typen:
– Innenstadtzentren, vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich;
– Nebenzentren in Stadtteilen sowie
– Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen auch von kleineren
Gemeinden.
Auch eine räumlich konzentrierte Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben, die darauf
angelegt ist, einen fußläufigen Einzugsbereich zu versorgen, kann nach der Auffassung
des OVG Nordrhein-Westfalen einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des Ge-
setzes bilden. Entscheidend sei auch hier, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art
und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten
Einzugsbereich zentrale Funktion hat.531

528 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 11.12.2006 – 7 A 964/05 –, BauR 2007, 845.


529 BVerwG, U. v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 –, BauR 2010, 736.
530 U. a. verfügbar unter: http://www.is-argebau.de/verzeichnis.aspx?id=993&o=759O986O993 (Zugriff:
13.3.2013).
531 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 15.11.2017 – 7A 2048/15 –, ZfBR 2018, 168.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Der Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a soll insbesondere schädliche Auswirkungen auf


zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 verhindern. Als Maßstab für die
Feststellung schädlicher Auswirkungen darf der zu erwartende Kaufkraftabfluss heran-
gezogen werden532. Ein Vorhaben lässt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versor-
gungsbereiche einer Standortgemeinde in diesem Zusammenhang dann erwarten, wenn
es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag gene-
rell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substanziell wahrnehmen können.
Unverzichtbares Abwägungsmaterial für die Aufstellung dieses Plans ist ein vorhandenes
oder in Bearbeitung befindliches Einzelhandels- und Zentrenkonzept. Dieses Konzept
wird seiner Natur nach für das gesamte Stadtgebiet aufgestellt, was auch die Aufstellung
eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a für das gesamte Stadtgebiet nahe legt.
Dies könnte insbesondere deshalb sinnvoll sein, weil die beplanten Gebiete bei entspre-
chendem Planerfordernis sonst nicht Bestandteil eines Bebauungsplans nach § 9
Abs. 2a werden könnten und in diesem Fall ggf. durch eine Vielzahl von einzelnen
Änderungsverfahren an die neuen Abwägungserfordernisse angepasst werden müss-
ten. Angesichts des Aufwands für einen solchen stadtweiten Bebauungsplan kann die
Gemeinde natürlich auch Prioritäten setzen und das stadtweite Einzelhandels- und
Zentrenkonzept schrittweise zunächst in solchen Bereichen planungsrechtlich absi-
chern, in denen absehbar Handlungsbedarf besteht.
Die Vorschrift ist in der vom Gesetzgeber konzipierten Form für die Überplanung von
im Zusammenhang bebauten Ortsteilen im Sinne des § 34 bestimmt. Die Rechtsgrund-
lage des § 9 Abs. 2a für die im Zusammenhang bebauten Gebiete kann jedoch festset-
zungstechnisch mit den Feinsteuerungsmöglichkeiten des § 1 BauNVO verbunden
werden, indem auch bereits überplante Gebiete einbezogen werden. Geregelt werden
können danach die in der BauNVO für die jeweiligen Baugebiete festgesetzten Haupt-
nutzungen und Ausnahmen (§ 1 Abs. 5 BauNVO), die Regelungen zur Beschränkung
der Festsetzungen auf Teile des Baugebiets (§ 1 Abs. 8 BauNVO) und die Feinsteue-
rungsmöglichkeiten zu Nutzungsunterarten (§ 1 Abs. 9 BauNVO). Damit ist es im
Sinne einer Gesamtstrategie möglich, über ein einziges Planwerk den unbeplanten In-
nenbereich auf Grundlage des § 9 Abs. 2a zu überplanen und die rechtsverbindlichen
B-Pläne auf der Grundlage des § 1 Abs. 8 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO
zu ändern. In die so überplanten B-Pläne gehört sinnvollerweise ein Hinweis, der auf
diese Änderung verweist. Bei diesem strategischen Einzelhandels- und Zentren-Bebau-
ungsplan ist allerdings zu beachten, dass das vereinfachte Verfahren in der Regel nicht
mehr zum Zuge kommen kann, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass durch die
Änderung der geltenden B-Pläne deren Grundzüge geändert werden. In diesem Fall ist
das Regelverfahren mit Umweltprüfung anzuwenden.
Immer wieder taucht in der bauleitplanerischen Einzelhandelssteuerung die Frage auf,
inwieweit ein Ausschluss auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB, § 1 Abs. 5, 8 und 9
BauNVO erfolgen kann bzw. zu erfolgen hat. Das OVG Sachsen-Anhalt hat nun erneut
und wie bereits andere Verwaltungsgerichte vor ihm geurteilt, dass ein festgesetzter Ein-
zelhandelsausschluss zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche, der ausschließlich an
die Verkaufsfläche anknüpft und hierbei einen bestimmten Anlagentyp nicht plausibel
ermittelt, auf der genannten gesetzlichen Grundlage nicht tragfähig ist.533

b) Der Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten nach § 9 Abs. 2b. Der
§ 9 Abs. 2b wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts 2013 in das Bau-
gesetzbuch eingefügt.

532 BVerwG, U. v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 –, BVerwGE 129, 307 Rdnr. 15 = BRS 71 Nr. 89 = BauR 2008,
315; BVerwG, B. v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 –, BRS 74 Nr. 9 = BauR 2010, 740.
533 OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 17.5.2017 – 2 K 51/15 –, BauR 2017, 1640.

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Die Bebauungspläne V.

Demgemäß kann in einem Bebauungsplan für im Zusammenhang bebaute Ortsteile


(§ 34), auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt
werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zuläs-
sig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
1. eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anla-
gen wie Kirchen, Schulen und Kindergärten oder
2. eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städte-
baulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige
Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.
Analog zu § 9 Abs. 2a gestattet Abs. 2b also die Aufstellung eines einfachen Bebau-
ungsplans (§ 30 Abs. 3) aus den genannten städtebaulichen Gründen, die das Störpo-
tenzial von Vergnügungsstätten, insbesondere in der Nachbarschaft zu den störemp-
findlichen Wohnnutzungen, aber auch deren Beeinträchtigungspotenzial für die
städtebauliche Funktion eines Gebiets unterstreichen. In jedem Fall handelt es sich um
eine gesellschaftlich wenig akzeptierte Nutzung.
Regelungsgegenstand sind die Vergnügungsstätten, die einen eigenen städtebaurechtli-
chen Begriff darstellen und deren Abgrenzung zu den Gewerbebetrieben mitunter
schwierig ist. Eindeutig um Vergnügungsstätten handelt es sich bei Spielhallen, Spielca-
sinos, Spielbanken, allen Arten von Diskotheken und Nachtlokalen, wie Varietés, Ka-
baretts, Nacht- und Tanzbars, anderen vergnügungsstättentypischen Tanzlokalen und
Cafés, Multiplex-Kinos, Striptease-Lokalen und Peep-Shows, Swinger-Clubs, Sex-Ki-
nos sowie Wettbüros. Recht neue Erscheinungen von Vergnügungsstätten sind z. B.
die so genannten „Flatrate-Bordelle“, in denen sexuelle Dienstleistungen zu einem
Pauschalpreis angeboten werden. Ein „normales“ Bordell ist dagegen keine Vergnü-
gungsstätte, sondern ein sonstiger Gewerbebetrieb534.
Bauplanungsrechtlich müssen zudem kerngebietstypische und nicht kerngebietstypi-
sche Vergnügungsstätten unterschieden werden (vgl. hierzu Bild 38). Nach der Recht-
sprechung des BVerwG zeichnen sich kerngebietstypische Vergnügungsstätten dadurch
aus, dass sie als zentrale Dienstleistungsbetriebe auf dem Unterhaltungssektor einen
größeren Einzugsbereich haben und für ein größeres Publikum erreichbar sein sollen.
Für diese Beurteilung ist in erster Linie die Größe des Betriebs maßgeblich. Als nicht-
kerngebietstypisch sind demgegenüber solche Vergnügungsstätten anzusehen, die der
üblichen Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtteil dienen und damit weniger in
der Gefahr stehen, von außen „Unruhe in das Gebiet zu tragen“535.
Nach der Intention des Gesetzgebers dient das Instrument des § 9 Abs. 2b insbeson-
dere dazu, dem bei der vermehrten Ansiedlung von Spielhallen fallweise auftretenden
„Trading-down-Effect“536 für das betreffende Quartier entgegenzuwirken. „Ein ent-
sprechender Bebauungsplan kann nur aus städtebaulichen Gründen aufgestellt werden
und muss daher entweder dem Schutz schutzwürdiger Nutzungen (Nr. 1) oder dem
Erhalt der städtebaulichen Funktion eines Gebiets (Nr. 2) dienen“537. Ist räumlich ein

534 VGH Baden-Württemberg, B. v. 5.3.2012 – 5 S 3229/11 –, NVwZ-RR 2012, 431.


535 BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 64.79 –, BVerwGE 68, 207; BVerwG, U. v. 21.2.1986 – 4 C 31.83 –,
BauR 1986, 417; BVerwG, B. v. 28.7.1988 – 4 B 119.88 –, NVwZ 1989, 50; BVerwG, U. v. 18.5.1990
– 4 C 49.89 –, NVwZ 1991, 264; BVerwG, B. v. 29.10.1992 – 4 B 103.92 –, BRS 54 Nr. 49; BVerwG,
U. v. 24.2.2000 – 4 C 23.98 –, BauR 2000, 1306.
536 Zur Bedeutung des „Trading-down-Effekts“ als städtebaulichem Belang vgl. BVerwG, U. v. 22.5.1987
– 4 N 4.86 –, BVerwGE 77, 308; BVerwG, B. v. 1.3.1988 – 4 B 30.88 –; BVerwG, B. v. 29.7.1991 – 4
B 80.91 –, BauR 1992, 713; BVerwG, B. v. 21.12.1992 – 4 B 182.92 –, BRS 55 Nr. 42; BVerwG, B. v.
15.12.1994 – 4 B 270.94 –, BauR 1995, 31; BVerwG, B. v. 5.1.1995 – 4 B 270.94 –; BVerwG, B. v.
25.2.1997 – 4 NB 30.96 –, NVwZ 1997, 895; BVerwG, B. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 –, NVwZ 1999,
138; BVerwG, B. v. 14.9.2008 – 4 BN 9.08 –, BauR 2009, 76.
537 BT-Drucksache 17/11468, S. 18.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

zentraler Versorgungsbereich im Sinne des § 9 Abs. 2a von diesen Wirkungen betrof-


fen, z. B. dadurch, dass kleinere Einzelhandelsbetriebe Gefahr laufen, von Spielhallen
verdrängt zu werden, kann auch das Instrument des Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a
dafür genutzt werden, die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten zu steuern. Bestätigt
wird diese Auffassung durch eine erste obergerichtliche Entscheidung, nach der die
Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 für einen in Aufstellung befindlichen Be-
bauungsplan gemäß § 9 Abs. 2a mit Spielhallenausschluss zulässig war538.
Im Unterschied zu § 9 Abs. 2a, der als Schutzgegenstand zentrale Versorgungsbereiche
zum Ziel haben muss, können über den Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b alle nach
§ 34 Abs. 1 und 2 zu beurteilende Gebiete geschützt werden.
Zwar ist auch verfassungsrechtlich geklärt, dass die Bekämpfung und Eindämmung der
Spielsucht ein besonders wichtiges Ziel des Gemeinwohls darstellt539 und dass Glücks-
spiel sowie das Wetten, z. B. auf bestimmte Sportergebnisse, nach dem Stand der wissen-
schaftlichen Forschung zu krankhaftem Suchtverhalten führen können540. Städtebau-
rechtlich darf es dessen ungeachtet jedoch nicht an der notwendigen Rechtfertigung
fehlen, z. B. der „städtebaulich nachteiligen Häufung von Vergnügungsstätten“. Wann
eine Häufung „nachteilig“ ist, kann in diesem Zusammenhang pauschal nicht benannt
werden; die Beurteilung richtet sich nach den konkreten Umständen im jeweiligen Plan-
gebiet. Im oder in der Nähe eines Wohngebiets kann z. B. schon eine Vergnügungsstätte
ausreichen, um dieses Gebiet i. S. v. § 9 Abs. 2b Nr. 1 zu beeinträchtigen, während ein
stärker mit gewerblichen Nutzungen durchmischtes Gebiet mehr Vergnügungsstätten
„verträgt“, bevor man von einer „städtebaulich nachteiligen Häufung“ sprechen kann.
In der Begründung zum Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b ist auf die konkreten Beein-
trächtigungen abzustellen, die sich für eine vorhandene Wohn- oder wohnähnliche
Nutzung sowie die in Nr. 1 beispielhaft aufgeführten Gemeinbedarfseinrichtungen er-
gibt. Über die genannten Nutzungen und Anlagen hinaus ist auch eine Beeinträchti-
gung weiterer Nutzungen und Anlagen denkbar, wie Kurheimen oder Krankenhäusern
als wohnähnliche Nutzungen oder Kinderspiel- und Bolzplätzen als Beispiele für
Wohnfolgeeinrichtungen.
Eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebauli-
chen Funktion des Gebiets (Nr. 2) liegt vor, wenn diese Funktion durch die (weitere)
Ansiedlung von Vergnügungsstätten wenigstens in Frage gestellt wird. Im Verdrän-
gungswettbewerb zwischen wirtschaftlich unterschiedlich starken Nutzungen ist hier
vor allem an Fußgängerzonen oder Einkaufsstraßen zu denken, die aufgrund der nega-
tiven Ausstrahlung insbesondere von Spielhallen Imageverluste erleiden und so in eine
Abwärtsspirale geraten können („Trading-down-Effekt“).
Für die städtebauliche Untersetzung beider Alternativen kann und sollte – wie immer
in der Bauleitplanung – auf die Belange des § 1 Abs. 6 zurückgegriffen werden. Vor
dem Hintergrund des Planungsziels einschlägig sind hier insbesondere:
– die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Sicherheit der Wohn- und
Arbeitsbevölkerung (Nr. 1);
– die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler
Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung sowie
die Bevölkerungsentwicklung (Nr. 2);
– die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhan-
dener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsberei-
che (Nr. 4);

538 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 16.3.2012 – 2B 202/12 –, BauR 2012, 1212.


539 BVerfG, B. v. 3.9.2009 – 1 BvR 2384/08 –, NVwZ 2010, 313/316.
540 BVerfG, U. v. 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 –, BVerfGE 1151 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v.
16.3.2012, – 2B 202/12 –, 276/304; vgl. hierzu u. a. auch Stüler, Hans-Ulrich: Die Zulässigkeit von
Vergnügungsstätten nach der BauNVO und deren Steuerung nach § 9 BauGB, in: BauR 2013, 686.

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– die Belange der Baukultur des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhal-
tenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder
städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Ortsbilds (Nr. 5);
– die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestell-
ten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge (Nr. 6);
– die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer
verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung (Nr. 8a)541.
Der vorangegangene Überblick zur Intention des Gesetzgebers, zum Regelungsgegen-
stand Vergnügungsstätten und den möglichen Inhalten eines Bebauungsplans nach § 9
Abs. 2b macht deutlich, dass es sich bei Zulässigkeitsfragen zu Vergnügungsstätten um
ein komplexes Abwägungsgerüst handelt, das in einen konkreten räumlichen Bezug
hineingestellt werden muss. Nur so werden städtebauliche Gründe nachvollziehbar.
Die Verhinderung von „Trading-down-Effekten“ mit nachgewiesenem Bezug zur örtli-
chen Problemkonstellation stellt einen besonderen städtebaulichen Grund im Sinne
des § 1 Abs. 9 BauNVO dar, der den Ausschluss derartiger Vergnügungsstätten recht-
fertigen kann542.
Ein gebietsbezogenes Konzept erscheint insofern unerlässlich, selbst wenn es rechtlich
genauso wenig zwingend vorgeschrieben ist, wie das stadtweite Einzelhandels- und
Zentrenkonzept für einen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a. Als ein von der Gemeinde
beschlossenes städtebauliches Entwicklungskonzept oder eine von ihr beschlossene
sonstige städtebauliche Planung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 nähme es mit entspre-
chendem Gewicht am Abwägungsvorgang teil. Der Untersuchungsbereich muss dabei
so weit gezogen werden, wie sich die konkreten Vergnügungsstätten mit ihren Unterar-
ten in städtebaulich relevanter Weise auswirken können. Aktuelle Erfahrungen mit
dem Instrument des „Bordellkonzepts“ machen trotz bislang weniger Anwendungsbei-
spiele zum Thema Mut, bei gegebenem Planerfordernis von der neuen Steuerungsmög-
lichkeit des § 9 Abs. 2b Gebrauch zu machen543.
Festsetzungstechnisch handelt es sich um die Regelung der Zulässigkeit zu einer be-
stimmten Nutzungsart – und ihren Unterarten. Naheliegend ist insoweit die Anwen-
dung des § 1 Abs. 9 BauNVO, wonach für die Anwendung der Feinsteuerungsmög-
lichkeiten des § 1 Abs. 5 bis 8 BauNVO bestimmt werden kann, dass nur bestimmte
Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder
sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelas-
sen werden können, wenn besondere städtebauliche Gründe vorliegen. Diese besonde-
ren städtebaulichen Gründe dürften regelmäßig in der besonderen Zielstellung dieses
Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2b zu suchen sein, was auch durch die grundlegende
Rechtsprechung zu § 1 Abs. 9 BauNVO gedeckt ist544. Hauptanwendungsfeld wird
im Sinne der städtebaulichen Zielstellung wohl der Ausschluss oder die Beschränkung
auf die ausnahmsweise Zulässigkeit von Vergnügungsstätten und ihren Unterarten
sein. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zu den überbaubaren Grund-
stücksflächen sowie zur Bauweise kommen dagegen nicht in Betracht.
Für einen Vergnügungsstätten-Bebauungsplan, der gleichzeitig auch auf rechtsverbind-
liche Bebauungspläne ausgedehnt werden soll, gilt das Gleiche, was das zuvor bereits
zum strategischen Einzelhandels- und Zentren-Bebauungsplan ausgeführt wurde. Ei-
nen Überblick über das Instrument verschafft das Bild 38.

541 Vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 3.3.2005 – 3 S 1524.04 –, NVwZ-RR 2006, 170,
172.
542 BVerwG, U. v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 –, BRS 56 Nr. 61 = BauR 1995, 361; bestätigend und hierauf
Bezug nehmend: BVerwG, B. v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 –, BauR 2009, 76.
543 Vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 –, juris (Freiburger Bordellkonzept).
544 BVerwG, B. v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 –, NVwZ 1987, 1072, 1073.

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Bild 38: Der Bebauungsplan für die Steuerung von Vergnügungsstätten gemäß § 9
Abs. 2b BauGB

Der Bebauungsplan für die Steuerung von Vergnügungsstätten


gemäß § 9 Abs. 2b BauGB

> Verhindert werden soll


Städtebauliche Ziele/An-
- eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder
wendungsvoraussetzungen
- anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und
(§ 9 Abs. 2b Nr. 1 und 2)
Kindertagesstätten (Nr. 1) oder
- eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung
ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets,
- insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung
von Vergnügungsstätten (Nr. 2).

> Im Zusammenhang bebaute Ortsteile.


Anwendungsbereich
(§ 9 Abs. 2b Satz 1 Halbs. 1)

> Der einfache Bebauungsplan kann (auch für Teile seines räumlichen
Festsetzungsmöglichkeiten Geltungsbereichs) festsetzen, dass Vergnügungsstätten oder
(§ 9 Abs. 2b Satz 1 Halbs. 2) bestimmte Arten von Vergnügungsstätten
- zulässig oder
- nicht zulässig sind oder
- ausnahmsweise zugelassen werden können.

> Unbestrittene Arten von Vergnügungsstätten:


Typisierung des
- Spielhallen, Spielcasinos, Spielbanken,
städtebaulichen Begriffs
- alle Arten von Diskotheken und Nachtlokalen, wie Varietés, Ka-
„Vergnügungsstätte“ baretts (jedoch keine politischen Kabaretts), Nacht- und Tanzbars,
- andere vergnügungsstättentypische Tanzlokale und -cafés,
Striptease-Lokale und Peep-Shows, Swinger-Clubs,
- Sex-Kinos
- sowie Wettbüros.

> Nicht zu den Vergnügungsstätten gehören:


- Sex-Shops
- und Videotheken.
→ Hierbei handelt es sich um Einzelhandelsbetriebe.

> Demgegenüber handelt es sich bei


- Bordellen,
- Eros-Centern
- oder sonstigen bordellartig betriebenen Massagesalons
- sowie Sauna-Clubs und ähnlichen Einrichtungen
→ um Gewerbebetriebe.

Unterscheide:
> Kerngebietstypische Vergnügungsstätten (KV)
- sind zentrale Dienstleistungsbetriebe,
- die für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sind.
- KV sind nur im Kerngebiet (§ 7 BauNVO) allgemein
- und im Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) ausnahmsweise zulässig.
> Nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten (nKV)
- dienen der Freizeitgestaltung
- in einem begrenzten Stadtgebiet.
- nKV sind nur im Kerngebiet und in den gewerblich geprägten
Teilen eines Mischgebietes allgemein
- und in den übrigen Teilen eines Mischgebietes sowie im
besonderen Wohngebiet, im Dorf- und im Gewerbegebiet
ausnahmsweise zulässig.

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Die Bebauungspläne V.

Das BVerwG hat sich aktuell in mehreren Entscheidungen zu den zwischenzeitlich


vorliegenden Spielhallengesetzen der Länder geäußert und dabei auch die räumlich-
städtebaulich relevanten Regelungen dieser Gesetze (u. a. Mindestabstände zwischen
Spielhallen und zu Einrichtungen für Minderjährige, Verbot des baulichen Verbunds
von Spielhallen) behandelt.545
Konkret waren die Betreiberinnen vier bestehender und einer geplanten Spielhalle im
Land Berlin sowie einer beantragten Spielhalle in Rheinland-Pfalz gegen die Regelun-
gen des Spielhallen- und Mindestabstandsgesetzes (Land Berlin) bzw. auf Erteilung
einer Spielhallenerlaubnis (im Land Rheinland-Pfalz) vor dem BVerwG in Revision
gegangen.
Das LGlüG Rheinland-Pfalz546 sieht vor, dass Spielhallen zu von Minderjährigen ge-
nutzten Einrichtungen einen Abstand von 500 m einzuhalten haben. Vor dem OVG
und letztlich vor dem BVerwG hatte die Betreiberin einer Spielhalle geklagt, deren
Abstand zu solchen Einrichtungen unter 500 m lag und folglich nicht mit der entspre-
chenden Regelung des LGlüG vereinbar war. Der Bestandsschutz für die Spielhalle
endete im Jahr 2013. Die Betreiberin klagte auf Erteilung einer Erlaubnis zum weiteren
Betrieb der Spielhalle, u. a. da sie diese im Glauben übernommen hatte, diese weiter
betreiben zu können. Zudem bestritt sie im Hilfsantrag, dass es sich bei den im Um-
kreis der Spielhalle liegenden Einrichtungen tatsächlich um solche für Kinder und
Jugendliche handele. Dies blieb in der Sache jedoch jeweils ohne Erfolg.
Das Land Berlin hat u. a. Mindestabstände zu anderen Spielhallen (500m) sowie zu
Einrichtungen, die vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden,
festgelegt. Vor dem OVG Berlin-Brandenburg hatte die Betreiberin mehrerer Spielhal-
len in Berlin gegen die Anwendbarkeit verschiedener Bestimmungen des SpielhG
Bln,547 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland sowie des hierzu
ergangenen AGGlüStV Bln548 geklagt und war damit gescheitert. U. a. wollte sie er-
wirken, dass das Verbundverbot und Abstandsgebote sowie eine Verpflichtung zur
Reduzierung der Spielgeräte für sie nicht wirksam werden. Die Klage war jedoch unbe-
gründet.
Grundsätzlich sind die Länder seit der Föderalismusreform 2006 nach Art. 74 Abs. 1
Nr. 11 GG zur Gesetzgebung im Bereich des Spielhallenrechts befähigt. Ein beispiels-
weise zumeist festgelegter Mindestabstand zu anderen Spielhallen und das Verbot
mehrerer Spielhallen an einem Standort verringern die Spielanreize. Damit reduzieren
sie das Suchtpotenzial durch die begrenzte Anzahl und Dichte der Spielhallen und
Spielgeräte. Sämtliche der in den anhängigen Verfahren angegriffenen Regelungen las-
sen sich gemäß den Urteilen des BVerwG der Gesetzgebungsmaterie der Länder zuord-
nen. Abstandsgebote zu anderen Spielhallen sind nicht Teil des Bodenrechts (nach
Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG), Abstandsgebote zu Einrichtungen für Minderjährige unter-
fallen nicht der öffentlichen Fürsorge (i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Die angegriffe-
nen Regelungen sind zudem mit der Berufsfreiheit der klagenden Betreiber vereinbar.
Sie sind darüber hinaus verhältnismäßig. Auch das im Mindestabstandsumsetzungsge-
setz von Berlin vorgesehene Auswahlverfahren zwischen Bestandsspielhallen löst im
hier relevanten Fall eines Verbunds mehrerer Spielhallen eines Betreibers keine verfas-
sungsrechtlichen Bedenken aus. Die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums

545 BVerwG, Urteile v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 –, BVerwGE 157, 126 ; – 8 C 7.15 –, BeckRS 2016, 118421;
– 8 C 8.15 –, BeckRS 2016, 117422; – 8 C 4.16 –, BeckRS 2016, 117040; – 8 C 5.16 –, BeckRS 2016,
117419; – 8 C 8.16 –, BeckRS 2016, 117423.
546 Landesgesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Grün-
dung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz – LGlüG –) vom
22. Juni 2012 (GVBl. 2012, 166).
547 Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin – SpielhG Bln)
vom 20. Mai 2011 (GVBl. 2011, 223).
548 Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung vom 20. Juli 2012 (GVBl. 2012, 238).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

wird durch die Regelungen verhältnismäßig beschränkt. Zudem sind die Regelungen
mit dem Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.
Was bedeutet dies für die bauleitplanerische Steuerung und die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit von Spielhallen? Da Spielhallen eine Unterart der Vergnügungsstätten
darstellen, ist die Steuerung solcher Betriebe über städtebauliche Konzepte und/oder
Bebauungspläne, insbesondere nach § 9 Abs. 2b BauGB möglich. Mit den Abstandsre-
gelungen der Gesetze der Länder wird eine solche Steuerung jedoch nicht obsolet, da
diese einer ordnungsrechtlichen und nicht einer bodenrechtlichen Zielsetzung unterlie-
gen. Für die bauleitplanerische Steuerung von Spielhallen bedeuten die Urteile des
BVerwG vielmehr, dass ein Stück weit Rechtssicherheit bei der Bezugnahme auf die
gängigen Regelungen der Länder zu Mindestabständen von Spielhallen zueinander
und zu Einrichtungen für Minderjährige hergestellt wurde. Abzuwarten bleibt aber
weiterhin, wie sich das BVerfG zu den Spielhallengesetzen der Länder äußern wird.
Die dort anhängigen Verfassungsbeschwerden behandeln die Frage, ob verschiedene
Vorschriften in mehreren Landesgesetzen zur Neuregelung des Rechts der Spielhallen,
insbesondere das sogenannte Verbundverbot, das Abstandsgebot und die Übergangsre-
gelungen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Nimmt man dies an, so kann zwar
die Schutzwirkung eines Bebauungsplans mit vorrangigem Steuerungsgegenstand von
Spielhallen auf der Grundlage von § 9 Abs. 2b im Sinne von § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 de
facto obsolet sein, wenn Spielhallen durch Landesgesetzgebung durch Abstandsrege-
lungen nicht mehr in unmittelbarer Umgebung zu Schulen und Kindertagesstätten zu-
lässig sind. Für andere Unterarten von Vergnügungsstätten werden solche Regelungen
durch die Länder jedoch nicht getroffen bzw. ist die räumliche Entfernung zu Wohn-
nutzungen oder Kirchen (auf deren Schutzwirkung § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 BauGB ab-
zielt) nicht durch Landesgesetze geregelt. Denkbar ist auch, dass bestehende oder ge-
plante Spielhallen mit Abständen über 500 m (bzw. insbesondere 250 m, wie sie in
einigen Ländern als Mindestabstand vorgegeben sind) zu Wohnnutzungen oder schutz-
bedürftigen Anlagen diese beeinträchtigen, woraus ein bauplanungsrechtlicher Steue-
rungsbedarf resultiert. Wenn eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnü-
gungsstätten vermieden werden soll, die sich aus der Agglomeration verschiedener
Unterarten von Vergnügungsstätten und somit nicht allein von Spielhallen ergibt, wird
das Ausbleiben bauplanungsrechtlicher Steuerung dann nicht mit Verweis auf die Lan-
desgesetze erfolgen können, wenn diese – wie bislang – nicht die Abstände von Vergnü-
gungsstätten allgemein, sondern ausschließlich von Spielhallen sowie das Verbundver-
bot regeln.
Aus städtebaulichen Gründen können sich auch weit größere Abstände zwischen Spiel-
hallen als notwendig ergeben, als sie in den Landesgesetzen vorgegeben sind. Denkbar
ist dies beispielsweise, wenn geplante Spielhallen eine schutzwürdige Wohnnutzung
gefährden könnten. Vice versa können städtebauliche Gründe dafür sprechen, Stand-
ortbereiche festzulegen, in denen Vergnügungsstätten bauplanungsrechtlich zulässig
und somit städtebaulich erwünscht oder zumindest vertretbar sind, wenngleich sich
aus dem Spielhallengesetz am entsprechenden Standort lediglich eine ausnahmsweise
Zulässigkeit ergibt. Denkbar ist hier der Fall einer geplanten Spielhalle, die sich in
unmittelbarer räumlicher Entfernung zu Einrichtungen von Minderjährigen befindet
(200 m Luftlinie zu einer Schule), durch städtebauliche (insbesondere verkehrliche)
Gegebenheiten jedoch von dieser schutzwürdigen Einrichtung räumlich isoliert liegt.
Den Städten und Gemeinden ist anzuraten, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
von Vergnügungsstätten in eigener Verantwortung und ohne das ausschließliche „Ver-
trauen“ auf die Verfassungsmäßigkeit der Spielhallengesetze der Länder zu regeln.
Diese sind zweifelsfrei weiterhin in die Abwägung einzustellen, jedoch sind sie nicht
bodenrechtlicher Natur und betreffen lediglich Unterarten von Vergnügungsstätten.
Schon allein der Begriff der Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO hat nichts mit
dem der GewO bzw. des Steuerrechts gemeinsam.

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Die Bebauungspläne V.

c) Der Bebauungsplan zur Verbesserung des Störfallschutzes nach § 9 Abs. 2c. Die
Einhaltung eines „angemessenen Sicherheitsabstandes“ nach § 50 Bundes-Immissions-
schutzgesetz (BImSchG) zwischen den so genannten „Betriebsbereichen von Störfallbe-
trieben“ i. S. d. § 3 Abs. 5a BImSchG und so genannten „schutzbedürftigen Objekten“
i. S. d. § 3 Abs. 5d BImSchG macht seit ihrer erstmaligen Einführung im Jahr 1997549
Probleme bei der städtebaulichen Planung. Der Gesetzgeber hat hierauf auch unter
Berücksichtigung von Entscheidungen des EuGH550 und des BVerwG551 reagiert und
mit der BauGB-Novelle 2017552 u. a. einige Neuerungen im Recht der Bauleitplanung
hierzu vorgenommen.
§ 9 Abs. 2c enthält eine Steuerungsmöglichkeit für die Ansiedlung von Nutzungen
beziehungsweise Gebäuden in der Nähe von Störfallbetrieben: „Für im Zusammen-
hang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft
von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a BImSchG kann zur Vermeidung oder Verringe-
rung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder
für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige
bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig,
nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für
Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen
werden“.
Um das Planungsziel, Störfälle zu vermeiden oder ihre Folgen zu mindern, sachgerech-
ter erreichen zu können, sollen
– sowohl neue Bebauungspläne in der Nähe von Betriebsbereichen i. S. d. § 3 Abs. 5a
BImSchG (Störfallbetriebe) mit den neuen Differenzierungsmöglichkeiten nach
Art, Maß oder Nutzungsintensität für zu bestimmende Gebäude oder sonstige bau-
liche Anlagen aufgestellt,
– als auch bestehende qualifizierte Bebauungspläne nach § 30, die dieses Instrumen-
tarium noch nicht zur Verfügung hatten, geändert werden können.
Die Änderung bestehender Bebauungspläne muss dabei in zwei Fallgruppen unterteilt
werden, nämlich die Bebauungspläne, die vor der Geltung der Abstandsbestimmungen
der Seveso-Richtlinien II und III rechtswirksam geworden sind und die Thematik über-
haupt noch nicht in die ihnen zu Grunde liegende Abwägung einstellen mussten und
solche, die die Seveso-Richtlinien II und III bereits berücksichtigen mussten, aber noch
nicht über die neuen, über § 1 Abs. 4 und Abs. 9 BauNVO hinaus gehenden Differen-
zierungsmöglichkeiten zur Nutzungsintensität von Gebäuden verfügen konnten. Der
Änderungsbedarf kann sich also schon insofern, unabhängig von der Einzelfallsitua-
tion, fallweise unterschiedlich gestalten.
Störfallbetriebe konnten und mussten über das Abwägungsgebot und die hiermit ver-
bundenen Anforderungen auch bislang schon im Rahmen der Bauleitplanung berück-
sichtigt werden, denn die Einhaltung notwendiger Mindestabstände zwischen Störfall-
betrieben – den so genannten Betriebsbereichen im Sinne des neuen § 3 Abs. 5a
BImSchG – und schutzwürdigen Nutzungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2a der Seveso-
III-Richtlinie – benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Abs. 5d BImSchG – ist
schon seit langem eine Aufgabe der Bauleitplanung.
Ausgangspunkt für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplan in der Nach-
barschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a des Bundes-Immissionsschutzgeset-

549 Europäische Gemeinschaft: Richtlinie 96/82/EG, in: ABl. EG Nr. L 10, 13, 1997; es handelt sich um
die Seveso-II-Richtlinie, die 2012 durch die Seveso-III-Richtlinie (2012/18/EU, in: ABl. 212 L 197)
ersetzt wurde.
550 Vgl. EuGH, U. v. 15.9.2011 – C53/10 –, in: ZfBR 2011, 763. Vgl. dazu auch den Vorlagebeschluss
des BVerwG, B. v. 3.12.2009 – 4 C 5.09 –, in: ZfBR 2010, 262 (VGH Kassel).
551 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11/11 –, in: NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).
552 BGBl. I S. 1057.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

zes mit Festsetzungen nach § 9 Abs. 2c und anderen ist zunächst die Lage seines Gel-
tungsbereichs im so genannten angemessenen Sicherheitsabstand553. Methodische
Hinweise zur Ermittlung dieses Abstandes geben die Leitfäden der Kommission für
Anlagensicherheit554 und der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonfe-
renz.555 Dieser fachgutachterlich nach anlagenbezogenen Faktoren des Störfallbetriebs
und der Schutzbedürftigkeit der vorhandenen und geplanten Nutzungen im Geltungs-
bereich des Bebauungsplans zu ermittelnde Abstandswert kann im Rahmen des Er-
mittlungsvorgangs zunächst nicht unterschritten werden, ist also einer Abwägung
nicht zugänglich und unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.556
Schutzbedürftig sind nach dem im vorgenannten Sinne neu gefassten § 3 Abs. 5d
BImSchG folgende „Objekte“:
– Ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete,
– öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete,
– Freizeitgebiete,
– Hauptverkehrswege
– und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder beson-
ders empfindliche Gebiete.
Öffentlich genutzte Gebäude können dabei vielgestaltig sein und dienen dem nicht
nur vorübergehenden Aufenthalt eines wechselnden Benutzerkreises, reichen also von
sozialen und kirchlichen Einrichtungen über Gebäude und Anlagen mit Publikumsver-
kehr, z. B. Einkaufszentren, bis hin zu Büro- und Verwaltungsgebäuden, wenn diese
einen regelmäßigen Besucherverkehr aufweisen.557
Für den Bewertungsvorgang über das Gewicht der störfallspezifischen Faktoren und
der ggf. für eine Unterschreitung des ermittelten angemessenen Abstands sprechenden
sozio-ökonomischen Belange gilt, dass dieser erst nach der Ermittlungsphase einsetzen
darf und dabei insbesondere soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange im Sinne
der §§ 1 Abs. 5 und 6 und 1a Abs. 2 und 3 zu berücksichtigen sind.
Für den gutachterlich nach technisch-fachlichen Kriterien bestimmten angemessenen
Abstand empfiehlt es sich, diesen als Hinweis in die Planzeichnung zum Bebauungs-
plan zu übernehmen, weil die getroffenen Festsetzungen mit dieser abwägungserhebli-
chen Hintergrundinformation besser nachvollzogen werden können.
Erst in einem zweiten Schritt kommen dann – gegebenenfalls – die sozioökonomischen
Faktoren zum Tragen; und zwar im Rahmen einer umfassenden (planerischen) Abwä-
gung. Steht nach der Ermittlung des angemessenen Abstandes fest, dass das zu bepla-
nende Gebiet den angemessenen Abstand nicht einhält, bedarf es der Entscheidung,
ob im Einzelfall die Unterschreitung des Abstandes gerechtfertigt ist.
Ausschlaggebend sind hierbei, in welchem Ausmaß die planungsrechtlich ermöglichten
Vorhaben das Unfallrisiko ansteigen lassen oder die Unfallfolgen verschlimmern. Um
dies zu bestimmen, seien die vom EuGH genannten Kriterien zu untersuchen, unter
anderem die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren Unfalls, die Unfallfolgen,

553 Vgl. Seveso-III-Richtlinie: a. a. O., Art 13 Abs. 2a.


554 Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit 2010: Leitfaden – Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-
Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50
BImSchG, 2. Überarbeitete Fassung (Leitfaden KAS-18), verfügbar: http://www.kasbmu.de/publikatio-
nen/kas/KAS_18.pdf (Zugriff: 4.1.2017).
555 Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz 2015: ARBEITSHILFE Berücksichtigung des
Art. 12 Seveso-II-Richtlinie im baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung von unter
die Richtlinie fallenden Betrieben, verfügbar: https://www.is-argebau.de/verzeichnis.aspx?id=6414&o=
5120O6414 (Zugriff: 17.3.2016).
556 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11/11 –, in: NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).
557 Bauministerkonferenz 2015: a. a. O., 4 f.

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Die Bebauungspläne V.

die Art und Intensität der neuen Nutzung sowie die Leichtigkeit, mit der im Notfall
Hilfe geleistet werden kann.558
Welche Festsetzungen kommen in Betracht? Zu denken ist hier insbesondere an die
schon gegebenen Gliederungs- und Festsetzungsmöglichkeiten nach den §§ 1 Abs. 4,
5 und 9 BauNVO sowie 9 Abs. 1 Nr. 24 Alt. 3. Zum Beispiel kann es sachgerecht sein,
großflächige Einzelhandelsbetriebe, „große“ Vergnügungsstätten (z. B. Diskotheken),
Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Anlagen für
Verwaltungen, Kirchen u. ä. von der Zulässigkeit in den Baugebieten auszuschließen
oder solche Nutzungen nur ausnahmsweise zuzulassen. Stets ist in solchen Fällen na-
türlich darauf zu achten, dass die Zweckbestimmung des festgesetzten Baugebietes
insgesamt – der Gebietscharakter – gewahrt bleibt.
Soll die „Intensität“ der vorstehend genannten Nutzungen planungsrechtlich gesteuert
werden, ggf. in Verbindung mit abgestuften Ausnahmeregelungen, wird der Innovati-
onsgehalt des neuen § 9 Abs. 2c deutlich. Denkbar wäre die Festsetzung der Zulässig-
keit bzw. Unzulässigkeit von Vorhaben in Abhängigkeit von der Zahl der zu erwarten-
den Besucher oder des Zeitraums der Nutzung. Wie dies im Planungsvollzug auch
umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten!
Durch Anwendung des ebenfalls 2017 neu eingeführten § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c
können die vorgenannten Festsetzungen ggf. mit solchen kombiniert werden, die ge-
zielt bauliche und sonstige technische Maßnahmen an Gebäuden ermöglichen, die der
Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, z. B. die Festsetzung
fensterloser Fassaden.
In der Abwägung dürften bei Anwendung des § 9 Abs. 2c also solche Aspekte wie die
ganztägige oder zeitlich begrenzte Nutzung, die Mobilität von Menschen, das Verhält-
nis ortskundiger Personen zu Ortsfremden, die besondere Schutzbedürftigkeit betroffe-
ner Personengruppen, oder die Leichtigkeit, mit der Notfallkräfte am schutzbedürfti-
gen Objekt eingreifen können eine bisher nicht gekannte Bedeutung erlangen.
11. Änderungen und Neuerungen zu den Bebauungsplänen nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013
Die Vorschriften des Baugesetzbuchs für Bebauungspläne sind in folgenden Punkten
geändert worden:
a) Erweiterte Festsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung oder Verringerung von
Hochwasserschäden (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a-d). Die Festsetzung zu den Wasser-
flächen und anderen hochwasserbezogenen Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1
Nr. 16 werden in die Buchst. a bis d gegliedert und erweitert (in Kraft seit 6.7.2017).
Die Buchst. a und b enthalten die bisherigen Festsetzungsoptionen zu den Wasserflä-
chen und den Flächen für die Wasserwirtschaft (Buchst. a) sowie den Flächen für
Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses (Buchst. b).
Hinzugekommen ist die Möglichkeit, Gebiete festzusetzen, in denen bei der Errichtung
baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden
müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich
Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen (Buchst. c). Eben-
falls neu ist die Möglichkeit, Flächen festzusetzen, die auf einem Baugrundstück für
die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müs-
sen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen,
vorzubeugen (Buchst. d).
In der Abwägung könnten insbesondere bei Festsetzung von Versickerungsflächen
nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. d Abgrenzungsprobleme zu Festsetzungen mit gleichem

558 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11/11 –, in: NVwZ 2013, 719 (VGH Kassel).

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Zweck, die aber aus anderen städtebaulichen Gründen getroffen werden, auftreten.
Zu nennen sind hier insbesondere Festsetzungen über die Rückhaltung und Versicke-
rung von Niederschlagswasser nach § 9 Abs. 1 Nr. 14, wenn diese nicht getroffen wer-
den, um Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregenereignisse zu
vermeiden, was dann nach Nr. 16 Buchst. d zu erfolgen hätte.

b) Neue maßnahmenbezogene Festsetzungsmöglichkeiten zum Störfallschutz in der


Nachbarschaft von Störfallbetrieben (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c). Mit dem neuen
Buchst. c in § 9 Abs. 1 Nr. 23 werden neue Festsetzungen für Maßnahmen ermöglicht,
die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen sollen (in Kraft
seit 13.5.2017).
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c können Gebiete festgesetzt werden, in denen bei der
Errichtung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden
oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach
§ 3 Abs. 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige
technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfäl-
len dienen, getroffen werden müssen.
Diese mit der BauGB-Novelle 2017 eingeführte neue Festsetzungsoption muss im Zu-
sammenhang mit dem ebenfalls neuen § 9 Abs. 2c gesehen werden, der störfallspezifi-
sche Festsetzungsmöglichkeiten zur Zulässigkeit von Vorhaben bzw. Nutzungen eröff-
net (vgl. nachfolgenden Punkt d).
Zu denken ist im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c z. B. an die Festset-
zung eines störfallspezifischen Warnsystems im Gebäude, von Zugängen bzw. Zufahr-
ten für Notfallkräfte, eine besondere Fluchtwegequalität oder bauliche Schutzmaßnah-
men, z. B. zur Abdichtung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage gegen das
Eindringen gefährlicher Stoffe.
Die tragenden Abwägungsgesichtspunkte für Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23
Buchst. c sind, wie die Festsetzungen zur Zulässigkeit von Nutzungen oder zur Nut-
zungsintensität nach § 9 Abs. 2c, eng verbunden mit der Zielrichtung der Seveso-III-
Richtlinie, die Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu beherrschen, die
in den ersten beiden Anhängen der aktuellen Richtlinie namentlich und nach Gefah-
renkategorien sortiert aufgeführt werden.

c) Neue Festsetzungsmöglichkeiten zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen


durch Geräusche (§ 9 Abs. 1 Nr. 24). In § 9 Abs. 1 Nr. 24 werden nunmehr ausdrück-
lich auch solche Maßnahmen genannt, die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwir-
kungen durch Geräusche dienen (in Kraft seit 13.5.2017).
§ 9 Abs. 1 Nr. 24 enthielt schon bislang drei Festsetzungsalternativen. Neben den bei-
den flächenbezogenen Festsetzungsmöglichkeiten wird die dritte Option, die Festset-
zung baulicher und sonstiger technischer Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen
Umwelteinwirkungen, ergänzt: Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umweltein-
wirkungen schließen den Schutz vor Geräuschen ein, wobei die Vorgaben des Immissi-
onsschutzrechts unberührt bleiben.
Die Ergänzung des § 9 Abs. 1 Nr. 24 stellt also klar, dass zum Schutz vor Lärm auch
die Verpflichtung zur Durchführung passiver Lärmschutzmaßnahmen festgesetzt wer-
den kann, um einen über das Immissionsschutzrecht hinausgehenden Innenraumlärm-
schutz zu ermöglichen.
Passive Schallschutzmaßnahmen können in der städtebaulichen Planung z. B. in der
von der Lärmquelle abschirmenden Anordnung der Baukörper auf dem Grundstück,
kombiniert mit der von der Lärmquelle abgewandten Lage der Aufenthaltsräume, dem
Ausschluss von Fensteröffnungen in Richtung der Lärmquelle, der Schalldämmung
von Außenwänden und Fenstern oder durch die Hauptanlage abschirmende Garagen
bestehen.

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Die Bebauungspläne V.

Da die Vorkehrungen nach Nr. 24 Alt. 3 baulicher und technischer Art sein müssen,
können keine Bestimmungen über die Einzelheiten des Betriebsablaufs oder zu einer
bestimmten Fertigungsart getroffen werden. Auch Regelungen zu Betriebs- oder Pro-
duktionszeiten, z. B. zur Anlieferung von Materialien oder zur Entsorgung von Abfäl-
len, sind unzulässig.
d) Neue Festsetzungsmöglichkeiten zur Zulässigkeit von Vorhaben in der Nachbar-
schaft von Störfallbetrieben (§ 9 Abs. 2c). Mit dem neuen § 9 Abs. 2c können in einem
im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34) oder in Gebieten nach § 30 in der Nach-
barschaft von so genannten „Störfallbetrieben“ differenzierte Festsetzungen zur Zuläs-
sigkeit von Vorhaben getroffen werden (in Kraft seit 13.5.2017).
„Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in
der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Abs. 5a BImSchG kann zur Vermei-
dung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten
von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende
Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden,
dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festset-
zungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unter-
schiedlich getroffen werden“.
Diese neue Festsetzungsoption muss im Zusammenhang mit dem ebenfalls neuen § 9
Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c gesehen werden (vgl. vorstehenden Punkt b). Danach können
aus dem gleichen städtebaulichen Grund, nämlich zur Vermeidung oder zur Minde-
rung der Folgen von Störfällen, bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnah-
men in einem Bebauungsplan festgesetzt werden können (vgl. hierzu auch Kap.
B.III.16.e und ausführlich Kap. B.V.10.c).
e) Neue nachrichtliche Übernahme von Risikogebieten auch außerhalb von Über-
schwemmungsgebieten (§ 9 Abs. 6a). § 9 Abs. 6a bestimmt analog § 5 Abs. 4a für den
Flächennutzungsplan (vgl. Kap. B.IV.5), dass nunmehr auch Risikogebiete außerhalb
von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Abs. 1 des WHG sowie Hochwas-
serentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Abs. 1 des WHG ebenfalls nachrichtlich in
den Bebauungsplan übernommen werden sollen (in Kraft seit 5.1.2018).
Unter Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten versteht § 78b Abs. 1
WHG Gebiete, für die nach § 74 Abs. 2 WHG Gefahrenkarten zu erstellen sind und
die nicht nach § 76 Abs. 2 oder Abs. 3 als Überschwemmungsgebiete festgesetzt oder
vorläufig gesichert sind.
Diese Gebiete mussten bislang im Bebauungsplan lediglich vermerkt und sollen jetzt
nachrichtlich übernommen werden.
f) Neue Regelungsmöglichkeit zur Zulässigkeit von Dauerwohnnutzungen in bisheri-
gen Erholungssondergebieten im vorhabenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 Abs. 7).
Nach dem neuen § 12 Abs. 7 soll es in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan
möglich sein, in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsver-
ordnung auch Wohnnutzung zuzulassen (in Kraft seit 13.5.2017).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht es § 10 Abs. 2
Satz 1 BauNVO, in einem Sondergebiet, das der Erholung dient, vorhandene gebiets-
fremde Bauvorhaben (hier: Wohngebäude) durch Festsetzungen zu sichern. Voraus-
setzung dafür ist es, dass das gesamte Plangebiet trotz der bestandssichernden Festset-
zungen sein Gepräge als Gebiet zu Erholungszwecken wahrt. Die Festsetzung eines
Sondergebiets, in dem über die Bebauung zu Erholungszwecken Wohnnutzung über
einen vorhandenen Bestand hinaus (ausnahmsweise) zulässig ist, war im entschiedenen
Fall hingegen unwirksam559. In seinem Urteil vom 18.10.2017 hat das BVerwG jedoch

559 BVerwG, U. v. 11.7.2013 – 4 CN 7/12, NVwZ 2014, 72.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

die Mischung aus Dauerwohnen und Gästebeherbergung in einem sonstigen Sonderge-


biet nach § 11 BauNVO anerkannt560.
Bei dem neuen § 12 Abs. 7 handelt es sich um eine klarstellende Regelung, um rechts-
widrige (vorhandene) Dauerwohnnutzungen in Erholungssondergebieten legitimieren
zu können. Denn im Unterschied zu den anderen Bebauungsplantypen nach dem Bau-
gesetzbuch ist die Gemeinde bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Bereich
des Vorhaben- und Erschließungsplans bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Vor-
haben gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 nicht an die Festsetzungen nach § 9 Baugesetzbuch
und nach der Baunutzungsverordnung gebunden.
g) Der neue Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das be-
schleunigte Verfahren (§ 13b). Nach dem 2017 eingeführten § 13b BauGB darf für
Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 2 von weniger
als 10000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen
begründet wird und die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen,
nunmehr auch das beschleunigte Verfahren nach § 13a durchgeführt werden. Die Re-
gelung ist allerdings zeitlich befristet: Das Verfahren zur Aufstellung eines solchen
Bebauungsplans kann nur bis zum 31. Dezember 2019 förmlich eingeleitet werden
und der Satzungsbeschluss nach § 10 Abs. 1 ist bis zum 31. Dezember 2021 zu fassen
(in Kraft seit 13.5.2017).
12. Änderungen und Neuerungen zur Baunutzungsverordnung nach Inkrafttreten
des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und
Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni
2013
Die Baunutzungsverordnung ist in folgenden Punkten geändert worden:
a) Der neue Gebietstyp „Urbane Gebiete“ mit neuer Obergrenze für das Maß der
baulichen Nutzung (§ 6a i. V. m. § 17 Abs. 1 BauNVO)561 Urbane Gebiete (MU) die-
nen nach § 6a Abs. 1 BauNVO „dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbe-
betrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung
nicht wesentlich stören (in Kraft seit 13.5.2017).“ Satz 2 bringt den in nutzungsstruk-
tureller Hinsicht wesentlichen Unterschied zum Mischgebiet nach § 6 BauNVO zum
Ausdruck: „Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein.“ Nach der Vor-
stellung des Gesetzgebers sollen hierdurch und mit dem gegenüber dem Mischgebiet
deutlich nach oben korrigierten maximal zulässigen Nutzungsmaß562 den Kommunen
zur Erleichterung des Bauens in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibili-
tät eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu ver-
lassen, und zwar auch, um die nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege (noch besser)
verwirklichen zu können.
Abgesehen von der freien Wahl der Nutzungsanteile unterscheiden sich die Zulässig-
keitskataloge von Mischgebiet und urbanem Gebiet kaum. § 6a Abs. 4 BauNVO er-
leichtert die vertikale Gliederung des urbanen Gebietes.

560 BVerwG, U. v. 18.10.2017 – 4 CN 6.17 –, ZfBR 2018, 158.


561 Vgl. hierzu ausführlich Kap. B.VIII. „Zulässigkeit von Vorhaben“, Pkt. 9.
562 Die maximal zulässige Grundflächenzahl entspricht mit 0,8 der des Gewerbegebietes nach § 8
BauNVO; die maximal zulässige Geschossflächenzahl erreicht mit 3,0 hingegen den Wert des Kernge-
bietes nach § 7 BauNVO; vgl. hierzu die Tabellenwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO.

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Die Bebauungspläne V.

b) Begriff der Ferienwohnungen (§ 13a BauNVO). § 13a BauNVO enthält eine neue
klarstellende Regelung zum Begriff der Ferienwohnungen (in Kraft seit 13.5.2017).
Ferienwohnungen sind vom bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nach
der bisherigen Rechtsprechung nicht umfasst. Sie sind auch kein Betrieb des Beherber-
gungsgewerbes563 und deshalb jedenfalls in reinen wie auch allgemeinen564 Wohnge-
bieten bislang nicht zulässig gewesen.
Irritierend war in diesem Zusammenhang besonders die Rechtsprechung des OVG
Greifswald, nach der Ferienwohnungen mit Ferienhäusern im Sinne von § 10 Abs. 1 in
Verbindung mit Abs. 4 BauNVO gleichzustellen und nur in eigens für sie festgesetzten
Sondergebieten zulässig sein sollten565, was ein Grund zur Klarstellung des Begriffs
durch den Gesetzgeber im neuen § 13b BauNVO gewesen ist.
Nach dieser neuen Vorschrift sind Ferienwohnungen je nach Gebietstyp nunmehr nicht
störende Gewerbebetriebe, sonstige Gewerbebetriebe oder (kleine) Betriebe des Beher-
bergungsgewerbes mit spezifischen Zulassungsmöglichkeiten und -beschränkungen, je
nachdem, ob Gebäude oder nur Räume für diese Nutzung in Anspruch genommen
werden sollen. Hierdurch sollen die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Umgang mit
diesem Wohnungstyp vermieden und den Gemeinden außerdem ein Steuerungsinstru-
ment an die Hand gegeben werden, mit dem die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von
Ferienwohnungen verbindlich geregelt werden kann. Gerade in den Großstädten geht
dem Wohnungsmarkt schon seit geraumer Zeit eine signifikante Wohnungszahl durch
Umwandlung in Ferienwohnungen verloren, was jetzt auch mit den Mitteln des Bau-
planungsrechts verhindert werden kann.

c) Überleitungsvorschrift zur Anwendung von § 34 Abs. 2 (§ 245c Abs. 3). § 245c


Abs. 3 enthält eine Überleitungsvorschrift für die Anwendung der BauNVO bei der
Bestimmung des Einfügens in die nähere Umgebung nach der Art der baulichen Nut-
zung gemäß § 34 Abs. 2 (in Kraft seit 13.5.2017).
Da nach § 245c Abs. 3 § 34 Abs. 2 auf Baugebiete nach § 6a BauNVO keine Anwen-
dung findet, gibt es keine faktischen urbanen Gebiete. Das heißt im Kontext der Zuläs-
sigkeit von Vorhaben in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil nach § 34 Abs. 1,
dass § 34 Abs. 2, nach dem sich die Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung
nach den Vorschriften der §§ 2 bis 9 BauNVO richtet, wenn die Eigenart der näheren
Umgebung einem dieser vordefinierten Baugebiete entspricht, für Urbane Gebiete nach
§ 6a BauNVO nicht anwendbar ist. Abzustellen ist im Hinblick auf die Zulässigkeit
von Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung also auf das, was an Nutzungen
in der maßgeblichen näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist.

Literatur zum Kapitel V: Die Bebauungspläne


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Gerhard, Torsten/Würtenberger, Thomas, Gebietserhaltungsanspruch der Nachbarge-
meinde?, in: BauR 2010, 550–555; Götze, Roman/Boelling, Anemon/Löscher, Lucretia, Photo-
voltaik-Freiflächenanlagen auf Fachplanungsflächen – Planungsrechtliche und vergütungsrechtli-
che Rahmenbedingungen am Beispiel der Nachnutzung von Deponien, in: ZUR 2010, 245–252;
Maaß, Frank/Wagner, Konstanze, Steuerung von Gaststättennutzung durch Bebauungsplan, in:
BauR 2010, 555–569; Scheidler, Alfred, Bauplanungsrecht als Prüfpunkt zur Erteilung der im-
missionsschutzrechtlichen Genehmigung, in: ZfBR 2010, 229–234; Sydow, Gernot, Neues zur
planungsrechtlichen Steuerung von Windenergiestandorten, in: NVwZ 2010, 1534–1537; Ver-
heyen, Roda, Die Bedeutung des Klimaschutzes bei der Genehmigung von Kohlekraftwerken und

563 Vgl. BVerwG, U. v. 11.7.2013 – 4 CN 7.12 –, in: BVerwGE 147, 138 = BauR 2013, 1992.
564 So Niedersächsisches OVG, U. v. 15.1.2015 – 1 KN 61/14 –, in: BauR 2015, 630–631.
565 OVG Greifswald, U. v. 19.2.2014 – 3 L 2U/U –, BauR 2015, 81.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

bei der Zulassung des Kohleabbaus, in: ZUR 2010, 403–411; 2011: Battis, Ulrich/Krautzberger,
Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer, Bernhard, Gesetz zur Förderung des Klimaschut-
zes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten, in: NVwZ 2011, 897–
904; Frenz, Walter, Energieträger zwischen Klimaschutz und Kernschmelzen, in: NVwZ 2011,
522–525; Kuschnerus, Ulrich, Die planerische Steuerung von Industrievorhaben (Teil 2), in:
BauR 2011, 761–769; Reidt, Olaf, Störfallschutz und Städtebaurecht – Schutzabstände in der
Bauleitplanung und bei der Vorhabengenehmigung, in: BauR 2012, 1182–1195; Scheidler, Al-
fred, Festsetzungen in Bebauungsplänen für Windkraftanlagen, in: BauR 2011, 1103–1111;
Scheidler, Alfred, Die Steuerung von Windkraftanlagen durch die Bauleitplanung, in: ThürVBl
2011, 169–176; Schmitz, Holger, Zugriffsmöglichkeiten der Gemeinde auf verwahrloste Immo-
bilien de lege lata und de lege ferenda, in: ZfBR 2011, 641–647; Schröer, Thomas/Kullick, Chris-
tian, Schutz des Einzelhandelsbestandes versus Niederlassungsfreiheit, in: NZBau 2011, 349–
351; Strunz, Anton/Wallraven-Lindl, Marie-Luis, „Garagenbonus“ für Fahrradabstellplätze?, in:
KommJur 2011, 361–367; 2012: Bunzel, Arno, Das Planspiel zur BauGB-Novelle 2011 – Neue-
rungen für eine klimagerechte Stadtentwicklung, in: ZfBR 2012, 114–122; Grigoleit, Klaus Joa-
chim, Photovoltaik in der Bauleitplanung, in: ZfBR 2012, 95–99; Köck, Wolfgang/Bovet, Jana,
Zulässigkeit von Kleinwindanlagen in reinen Wohngebieten, in: NVwZ 2012, 153–157; Scheid-
ler, Alfred, Bindung der Gemeinden an Pläne des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts
im Rahmen der Bauleitplanung?, in: KommJur 2012, 241–246; Scheidler, Alfred, Ausweisung
zusätzlicher Flächen für die Windenergie bei bereits vorhandener bauleitplanerischer Steuerung
– Eine Betrachtung des neuen § 249 Abs. 1 BauGB –, in: ZfBR-Beil. 2012, 76–82; Scheidler,
Alfred, Die Sicherung gemeindlicher Planungen für Windkraftanlagen durch die Zurückstellung
von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 BauGB, in: ZfBR 2012, 123–129; Stapelfeldt, Alfred, Lärm-
schutz in der Bauleitplanung – eine Einführung, in: KommJur 2012, 415–419; 2013: Otto,
Christian-W., Innenentwicklung und Klimaschutz – Besteht ein Vorrang?, in: ZfBR 2013, 434–
437; Söfker, Wilhelm, Fragen bei der Änderung und Erweiterung der planungsrechtlichen Grund-
lagen für die Windenergie durch Bauleitplanung, in: ZfBR 2013, 13–19; 2014: Kerkmann, Anja,
Das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten: zugleich Anmer-
kung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3-6-2014 – 4 CN 6.12, in: UPR 2014,
328–333; 2015: Petz, Helmut, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
Rücksichtnahmegebot, in: ZfBR 2015, 644–654; 2016: Krüper, Julian, Kollektive Wohnformen
in der Bauplanungsrechtsdogmatik zu Rationalitätskriterien verwaltungsrechtlicher Begriffsbil-
dung, in: DÖV 2016, 793–801; Hamer, Martin, Zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplanfes-
tetzungen als Gemeindebedarfsflächen für Postzwecke, in: BauR 2016, 608–614; 2017: Schind-
ler, Jörg Michael, Innenentwicklung durch (Gemeinschafts-)Dachgärten im Bebauungsplan in:
UPR 2017, 161–167; 2018: Dillmann, Oliver/Mohrenstein, André/Schlesinger, Daniel/Vielberg,
Arne/Zemke, Reinhold, Woran scheitern Bebauungspläne? Ergebnis einer bundesweiten Analyse
von abstrakten Normenkontrollverfahren, in: BauR 2018, 179–188; Lippert, André/Lukosek,
Sandra, Die planungsrechtliche Einordnung von Pick-up-Points als neues Einzelhandelskonzept,
in: ZfBR 2018, 439–443; Spannowsky, Willy, Allgemeine Feinsteuerungsmöglichkeiten nach § 1
Abs. 4 bis 10 BauNVO und deren Verhältnis zu speziellen gesetzlichen Festsetzungsmöglichkei-
ten zur Art der baulichen Nutzung, in: ZfBR 2018, 447–453.
2. Zur Entwicklung von B-Plänen aus dem F-Plan:
2017: Mitschang, Stephan, Zur planungspraktischen Bedeutung von § 7 BauGB, in: ZfBR Jahr
2017, 28–39.
3. Bauleitplanung und Immissionsschutz/Konfliktbewältigung/Klimaschutz/Lärmschutz:
2010: Mitschang, Stephan, Die Umsetzung klimaschützender und energieeinsparungsbezogener
Anforderungen in der Bauleitplanung und im Besonderen Städtebaurecht – Sachstand und Per-
spektiven, in: ZfBR 2010, 534–551; Rojahn, Ondolf, Kinderlärm zwischen Immissionsschutz
und Sozialadäquanz, in: ZfBR 2010, 752–757; Scheidler, Alfred, Bau- und immissionsschutz-
rechtliche Vorgaben für Massentierhaltung, in: ZfBR 2010, 654–657; Scheidler, Alfred, Gebiets-
bezogener Immissionsschutz auf lokaler Ebene – Die Verordnungsermächtigungen des § 49
BImSchG, in: KommJur 2010, 4–9; 2011: Kahl, Wolfgang, Kommunaler Anschluss- und Benut-
zungszwang an Fernwärmenetze aus Klimaschutzgründen, in: VBlBW 2011, 53–59; Koch, Hans-
Joachim, Klimaschutzrecht, in: NVwZ 2011, 641–654; Krumb, Joachim, „Kinderlärm“ als Ge-
genstand rechtlicher Auseinandersetzungen, in: BauR 2011, 1251–1263; Reidt, Olaf, Die Kon-
tingentierung von Gerüchen und sonstigen Luftverunreinigungen in Bebauungsplänen, in: BauR
2011, 1444–1454; 2012: Antweiler, Clemens/Gabler, Andreas, Klimaschutz durch Bauleitpla-
nung, in: BauR 2012, 39–47; Böhm, Monika/Schwarz, Philip, Klimaschutz durch Anschluss-

262

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Die Bebauungspläne V.

und Benutzungszwang für kommunale Fernwärmenetze – Voraussetzungen und Grenzen, in:


DVBl 2012, 540–546; Mitschang, Stephan, Die Auswirkungen der Klimaschutz-Novelle auf die
kommunale Bauleitplanung, in: DVBl 2012, 134–141; Reese, Moritz, Buchbesprechungen –
Rechtlicher Handlungsbedarf für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, in: UPR 2012,
28–29; Stapelfeldt, Alfred, Lärmschutz in der Bauleitplanung – eine Einführung, in: KommJur
2012, 415; 2013: Oerder, Michael/Beutling, Alexander, Bewältigung des Gewerbelärmkonflikts
in der Vorhabenzulassung und Bauleitplanung, in: BauR 2013, 1196–1209; Otto, Christian-W.,
Innenentwicklung und Klimaschutz – Besteht ein Vorrang?, in: ZfBR 2013, 434–437; Rappen,
Stefan/Küas, Christopher, Neue Herausforderungen für die Innenentwicklung von Städten –
Möglichkeiten der Konfliktbewältigung durch passive Schallschutzmaßnahmen, in: BauR 2013,
874–882; 2014: Reidt, Olaf/Landwüst, Stefanie von, Der Wegfall des Schienenbonus in der
l6.BImSchV – Konsequenzen für die Bauleitplanung?, in: BauR 2014, 1412–1420; 2015: Faßben-
der, Kurt, Die Bewältigung von Extremhochwasser durch Wasser- und Bauplanungsrecht – unter
besonderer Berücksichtigung von Starkregenereignissen, in: ZUR 2015, 525–531; Fricke, Hanns-
Christian, Lärmemissionskontigente in Bebauungsplänen: ein Überblick über die Voraussetzun-
gen einer Geräuschkontingentierung und eine Erörterung ungeklärter Anwendungsfragen, in:
UPR 2015, 92–97; 2016: Mann, Thomas/Ashrafzadeh, Kian, Shaghayegh, Erdkabel bei Ab-
standsunterschreitungen zu Dorf- und Mischgebieten?, in: NVwZ 2016, 1443–1448; Mitschang,
Stephan, Lärmschutz und Bebauungsplan, in: UPR 2016, 81–95; 2017: Arnold, Martin, Aktuelle
Probleme der bau- und immissionsschutzrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen von Tierhal-
tungsanlagen, in: NVwZ 2017, 497–504.
4. Gemengelagen, Gewerbe- und Industriegebiete:
2010: Brandenburg, Christoph/Brunner, Tanja, Die Steuerung von Spielhallenansiedelungen, in:
BauR 2010, 1851–1859; Schröer, Thomas, Mögliche Maßnahmen zur rechtlichen Begrenzung
von Spielhallen, in: NZBau 2010, 743–745; 2011: Kuschnerus, Ulrich, Die planerische Steue-
rung von Industrievorhaben (Teil 1), in: BauR 2011, 602–611; Kuschnerus, Ulrich, Die planeri-
sche Steuerung von Industrievorhaben (Teil 2), in: BauR 2011, 761–769; 2012: End, Sarah,
Spielhallen als Herausforderung für die Stadtentwicklung und ihre Steuerung durch die Bauleit-
planung, Kaiserslautern 2012; 2013: Oerder, Michael/Beutling, Alexander, Bewältigung des Ge-
werbelärmkonflikts in der Vorhabenzulassung und Bauleitplanung, in: BauR 2013, 1196–1209.
5. Altlasten, Bodenschutz:
2016: Schink, Alexander, Bodenschutz und Umwidmungssperrklausel, in: UPR 2016, 166–171;
2017: Mayer, Christoph, Bauplanungsrechtliche Fragestellungen der Konversion ehemals militä-
risch genutzter Flächen – Aktuelle Rechtsentwicklungen aufgrund der Entscheidung des BVerwG
4 CN 2.16, in: ZfBR 2017, 229–233.
6. Baumschutz, Biotopschutz, Freiraumschutz, Gewässer, Ökologie:
2010: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Müssen Ausgleichsmaßnahmen vom Vorhabenträger dauerhaft
gepflegt werden?, in: BauR 2010, 1865–1874; Schröer, Thomas, Kommunale Baumschutzsat-
zungen vor dem Aus, in: NZBau 2010, 98–100; Stüer, Bernhard, Artenschutz, in: BauR 2010,
1521–1530.
7. Kleingärten:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht unter www.planundrecht.de.
8. Sportanlagen, Spiel- und Bolzplätze:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht unter www.planundrecht.de.
9. Wohnen und Fremdenverkehrsgebiete:
2014: Scheidler, Alfred, Anlagen zur Kinderbetreuung in reinen Wohngebieten gemäß dem neuen
§ 3 II Nr. 2 BauNVO, in: KommJur 2014, 241–245; 2016: Lippert, André/Kindler, Lars, Boar-
dinghouses, Serviced Apartments, Aparthotels – moderne Wohn- und Beherbergungsformen im
Lichte des Baurechts, in: ZfBR 2016, 219–224; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Zulässigkeit von Feri-
enwohnungen und Ferienhäusern in den regulären Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 BauNVO,
in: ZfBR 2016, 225–230; Pfeffer, Gerd, Ferienwohnungen im Wohngebiet – Ende oder Wende?,
in: NVwZ 2016, 729–735; 2017: Ludwigs, Markus, Rechtsfragen der Sharing Economy am
Beispiel der Modelle Uber und Airbnb, in: NVwZ 2017, 1646–1653; Köster, Bernd, Probleme
des Dauerwohnens im Wochenendhausgebiet, in: BauR 2017, 2091–2098; 2018: Hahn, Henry,
Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Ferienwohnungen nach Maßgabe der Neuregelung
des § 13a BauNVO, in: DÖV 2018, 396–406; Otto, Christian-W., Neuregelungen über Ferien-
wohnungen, in: ZfBR 2018, 221–228.

263

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

10. Parkplätze/Stellplätze/Individualverkehr/Verkehr (Siehe auch Lit. zu Kapitel B.IX. Bauge-


nehmigung: 3. Grenzbauten):
2017: Scheidler, Alfred, Stellplätze und Garagen in der Baunutzungsverordnung – eine Betrach-
tung des § 12 BauNVO –ZfBR Jahr 2017, 328–333.
11. Spielhallen, Vergnügungsstätten:
2010: Schröer, Thomas, Mögliche Maßnahmen zur rechtlichen Begrenzung von Spielhallen, in:
NZBau 2010, 743–745; 2011: Pagenkopf, Martin, Glücksspielrechtliche Variationen, in: NVwZ
2011, 513–515; Stühler, Hans-Ulrich, Zur planungsrechtlichen Zu- und Unzulässigkeit von
Mehrfachspielhallen – Antwort an die Kritiker, in: BauR 2011, 54–63; 2012: Worms, Christoph,
Spielhallen in Gewerbe- und Industriegebieten nach der BauNVO 1977 und heute, in: NVwZ
2012, 280–284; 2013: Tarner, Marianne, Die Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten
mit den Mitteln des Bauplanungsrechts unter besonderer Berücksichtigung des § 9 Abs. 2a
BauGB, in: BauR 2011, 1273–1284; 2016: Stühler,Hans-Ulrich, Zur städtebaurechtlichen Zuläs-
sigkeit von Wettbüros und zu ihrer Abgrenzung als Vergnügungsstätte zu Wettannahmestellen
als Ladengeschäfte und Gewerbebetriebe, in: BauR 2016, 2016–2030; Stühler, Hans-Ulrich, Tra-
ding-Down durch Spielhallen, in: BauR 2016, 200–213; 2017: Herbolsheimer, Volker, Eine La-
sertag-Halle als Vergnügungsstätte?, in: NVwZ Jahr 2017, Seite 685–688.
12. Großflächige Handelsbetriebe, Einkaufszentren, Factory Outlet Center (FOC):
2010: Bischopink, Olaf, Verkaufsflächenbegrenzungen über Sondergebietsfestsetzungen, in:
ZfBR 2010, 223–228; Gerhard, Torsten/Würtenberger, Thomas, Gebietserhaltungsanspruch der
Nachbargemeinde?, in: BauR 2010, 550–555; Hoffmann, Martin/Kassow, Jörn, Der Einfluss
von städtischen Einzelhandelskonzepten auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, in:
BauR 2010, 711–717; 2011: Schröer, Thomas, Feinsteuerung durch Einzelhandelserlasse, in:
NZBau 2011, 606–608; 2012: Hellriegel, Mathias, Bebauungspläne und Verkaufsflächensteue-
rung, in: BauR 2012, 1576–1584; 2013: Hager, Gerd, Licht ins Dunkel, in: BauR 2013, 170–
177; Tünnesen-Harmes, Christian, Grenzen planerischer Beschränkungen von Einzelhandelspro-
jekten und Voraussetzungen für die Neuentwicklung zentraler Versorgungsbereiche, in: NVwZ
2012, 1298–1300; 2013: Janning, Heinz, Neues zum Ausschluss des zentrenrelevanten Einzel-
handels – Urteile des BVerwG vom 27.3.2013 und nachfolgende Urteile des OVG Münster, in:
ZfBR 2014, 427–441; 2014: Janning, Heinz, Die „typische Atypik” bei großflächigen Lebens-
mittelmärkten an städtebaulich integrierten Standorten, in: ZfBR 2014, 220-227; 2015: Herz
Benjamin/Groeben, Constantin von der, Genehmigungserfordernisse bei Modernisierung, Erwei-
terung und Sortimentsänderung – zu den Grenzen der Einzelhandelsregulierung, in: NVwZ
2015, 480–483; Weck, Thomas, Die Bauleitplanung bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben:
Planung im Marktzusammenhang, in: BauR 2015, 1261–1267; 2016: Discher, Konrad H.J./
Lippert André, Umsetzung raumordnungsrechtlicher Vorgaben in FOC-Mietverträgen, in: ZfBR
Jahr 2016, 651–658; 2017: Grooterhorst, Johannes, Aktuelle Rechtsfragen bei der Genehmi-
gungsfähigkeit von großflächigen Einzelhandelsvorhaben nach § 34 BauGB, in: ZfBR 2017, 21–
27; Bunzel, Arno/Janning, Heinz, Grenzenloser Einzelhandel und nachhaltige Raum- und Stadt-
entwicklung, in: ZfBR 2017, 425–434.
13. Befristetes und bedingtes Baurecht:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht unter www.planundrecht.de.
14. Die Baunutzungsverordnung (Kommentare siehe vorne unter Standardliteratur):
2010: Bischopink, Olaf, Verkaufsflächenbegrenzungen über Sondergebietsfestsetzungen, in:
ZfBR 2010, 223–228; 2011: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Dorf bleibt Dorf – Zur Novellierungsbe-
dürftigkeit des § 5 BauNVO und zum Schutz des Außenbereichs vor einem Übermaß an industri-
eller Tierproduktion, in: ZfBR 2011, 323–329; 2012: Boeddinghaus, Gerhard, Zulässige Grund-
fläche i. S. des § 19 Abs. 2 BauNVO, in: BauR 2012, 590–595; Köck, Wolfgang/Bovet, Jana,
Zulässigkeit von Kleinwindanlagen in reinen Wohngebieten, in: NVwZ 2012, 153–157; 2013:
Otto, Christian-W., Wohnen im Kerngebiet, in: ZfBR 2013, 125–129.
15. Die Begründung zum B-Plan:
2010: Weyrauch, Bernhard, Die Begründung zum Bebauungsplan. Rechtliche Anforderungen
und praktische Empfehlungen, Diss., Technische Universität Berlin 2010.
16. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan/Vorhaben- und Erschließungsplan:
2014: Wellens, Cornelia, Rechtsfragen zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan, in: BauR 2014,
1883–1895; 2016: Fricke, Hanns-Christian, Darf in projektbezogenen Bebauungsplänen die Er-
schließung im Wege eines Konflikttransfers einem Umlegungsverfahren vorbehalten werden? –
Anmerkung zum Urteil des BVerwG vom 5.5.2015 (4 CN 4/14) –, in: ZfBR 2016, 332–334;

264

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Die Bebauungspläne V.

Weitz, Tobias, Vorhabenbezogener Bebauungsplan und Durchführungsvertrag nach § 12 III a


BauGB – Offene Fragen, in: NVwZ 2016, 114–119; Franßen, Yvonne, Über die Verbindlichkeit
der Obergrenzen gem. § 17 BauNVO bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, in: NVwZ
2016, 120–123; 2017: Reicherzer, Max, Das Verhältnis zwischen vorhabenbezogenem Bebau-
ungsplan und Durchführungsvertrag, in: NVwZ 2017, 1233–1238; Jobi, Manuel/Zemke, Rein-
hold, Empirische Befunde zur Anwendung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12
BauGB, in: BauR 2017, 482–496.
17. Der Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a:
2010: Schrödter, Wolfgang, Der Bebauungsplan der Innenentwicklung – Teil 1, in: ZfBR 2010,
332–338; Schrödter, Wolfgang, Der Bebauungsplan der Innenentwicklung – Teil 2, in: ZfBR
2010, 422–428; 2013: Mitschang, Stephan, Städtebauliche Planungsinstrumente für die Innen-
entwicklung, in: ZfBR 2013, 324–336; Schink, Alexander, Innenentwicklung und Eingriffsaus-
gleich, in BauR 2013, 861–874; Franßen, Yvonne, Umnutzungsbebauungspläne im beschleunig-
ten Verfahren nach § 13 a BauGB, in: NVwZ 2015, 1262–1264; 2018: Dillmann, Oliver, Außen
vor statt mitten drin – Rechtsdogmatik und Anwendungsfragen von den §§ 13a und 13b BauGB
in der Praxis, in: NordÖR 2018, 300–306.
18. Der Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Ver-
fahren nach § 13b:
2016: Mitschang, Stephan, Fach- und Rechtsfragen bei der Anwendung des vereinfachten Ver-
fahrens nach § 13 BauGB, in: BauR 2016, 1699–1716; 2017: Hofmeister, Andreas/Mayer, Chris-
toph, Die Erstreckung des beschleunigten Verfahrens auf die Überplanung von Außenbereichsflä-
chen für Wohnnutzungen gemäß § 13b BauGB 2017 – Anwendungsvoraussetzungen,
Rechtsfolgen und ausgewählte Anwendungsprobleme, in: ZfBR 2017, 551–560; Krautzberger,
Michael, Erweiterung des Anwendungsbereichs des beschleunigten Verfahrens durch § 13b
BauGB, in: ZfBR 2017, 644–646; Arndt, Malte/Mitschang, Stephan, Bebauungspläne nach
§ 13b BauGB, in: ZfBR 2017, 737–749; 2018: Dillmann, Oliver, Außen vor statt mitten drin –
Rechtsdogmatik und Anwendungsfragen von den §§ 13a und 13b BauGB in der Praxis, in:
NordÖR 2018, 300–306.
19. Der Bebauungsplan zur Steuerung des Einzelhandels nach § 9 Abs. 2a:
2010: Kraus, Stefan, Einzelhandelsgroßprojekte im unbeplanten Innenbereich – der Schutz zent-
raler Versorgungsbereiche nach § 34 Abs. 3 BauGB im Lichte der neuesten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, in: UPR 2010, 331–336; 2011: Janning, Heinz, Nahversorgung und
zentrenorientierte Einzelhandelssteuerung, in: ZfBR 2012, 213–218; 2013: Tarner, Marianne,
Die Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten mit den Mitteln des Bauplanungsrechts
unter besonderer Berücksichtigung des § 9 Abs. 2a BauGB, in: BauR 2011, 1273–1284; 2014:
Bischopink, Olaf, Darstellung und kritische Bewertung der Wirkungen des vorhandenen und
praktizierten Instrumentariums zur Steuerung des Einzelhandels, in: IzR 2014, 21–32; 2015:
Bischopink, Olaf, Rechtliche Anforderungen an sogenannte Markt- oder Verträglichkeitsgutach-
ten zur Vorbereitung bauleitplanerischer Abwägungsentscheidungen über die Zulassung von
großflächigen Einzelhandelsvorhaben, in: BauR 2015, 588–595; 2017: Arndt, Malte, Anwen-
dungsprobleme bei Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 2a und 2b BauGB sowie § 9 Abs. 2c BauGB-
E, in: BauR 2017: 1129–1137; Kümper, Boas, Einzelhandel im Wandel: Das Planungsrecht vor
neuen Herausforderungen, in: BauR 2017, 821–823.
20. Der Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten nach § 9 Abs. 2b:
2012: Mitschang, Stephan, Der Vergnügungsstättenbebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB-
neu, in: ZfBR 2012, 419–429; 2013: Stüler, Hans-Ulrich, Die Zulässigkeit von Vergnügungsstät-
ten nach der BauNVO und deren Steuerung nach § 9 BauGB, in: BauR 2013, 685–703; 2017:
Arndt, Malte, Anwendungsprobleme bei Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 2a und 2b BauGB so-
wie § 9 Abs. 2c BauGB-E, in: BauR 2017: 1129–1137.
21. Störfallschutz durch Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2c i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. c:
2012: Reidt, Olaf/Schiller, Gernot, Die planerische Steuerung der Ansiedlung von Störfallbetrie-
ben, in: BauR 2012, 1722–1736; 2014: Jarass Cohen, Nina, Baugenehmigungen und Störfall-
recht, Zur Anwendung des europarechtlichen Abstandsgebots, in: NVwZ 2014, 902–906; 2015:
Uechtritz, Michael/Farsbotter, Jürgen, Städtebauliche Entwicklung im Umfeld von Störfallbetrie-
ben, Teil 1: rechtliche und fachtechnische Überlegungen zum Umgang mit dem „Abstandsgebot“
des Art. 13 der Seveso-III-Richtline, in: BauR 2015, 1919–1934; 2016: Uechtritz, Michael/Fars-
botter, Jürgen, Städtebauliche Entwicklung im Umfeld von Störfallbetrieben, Teil 2: Steuerung
durch gesamtstädtische Konzepte, in: BauR 2016, 48–59; 2017: Zemke, Reinhold, Erweiterter

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Störfallschutz durch Bebauungsplan – eine planungsrechtliche Innovation? in: RaumPlanung


2017, 57–62; Schoppen Claudia, Die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht,
in: NVwZ 2017, 1561–1568; Rebentisch, Manfred, Der Sicherheitsabstand im immissions-
schutzrechtlichen Störfallrecht, in: NVwZ 2017, 1569–1573; Wasielewski, Andreas, Stand der
Umsetzung der Seveso-III-RL in deutsches Recht, in: UPR 2017, 1–11; Arndt, Malte, Anwen-
dungsprobleme bei Bebauungsplänen nach § 9 Abs. 2a und 2b BauGB sowie § 9 Abs. 2c BauGB-
E, in: BauR 2017: 1129–1137; 2018: Jarass, Hans D., Die (umfangreichen) neuen Regelungen
im Bundes-Immissionsschutzgesetz für Störfallanlagen, in: NVwZ 2018, 185–190; Wasielewski,
Andreas, Das neue Störfallrecht zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie, in: NVwZ 2018, 937–
945.

VI. Städtebauliche Verträge


Vorab einige Worte zum Begriff des „städtebaulichen Vertrags“: Es handelt sich um
einen relativ unscharfen Oberbegriff, mit dem alle im Städtebaurecht üblichen Ver-
träge zusammengefasst werden, soweit es sich nicht um klassische, rein zivilrechtliche
An- und Verkaufsverträge von Grundstücken handelt. Aber auch diese Verträge kön-
nen in ein städtebauliches Vertragswerk (z. B. eine freiwillige Umlegung) eingebunden
sein. Städtebauliche Verträge sind demnach z. B. die Erschließungsverträge – seit 2013
in § 11 geregelt (zuvor § 124); darüber hinaus gehören dazu: Durchführungsverträge
zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 Abs. 1; Abwendungsverträge
zum Vorkaufsrecht nach § 27 Abs. 1; Verträge zur Regelung einer freiwilligen Umle-
gung nach § 45 ff.; Verträge zur Übertragung von Ordnungsmaßnahmen auf Eigentü-
mer in Sanierungsgebieten nach § 146 Abs. 3; Verträge zur Bestellung von Sanierungs-
trägern (§ 159 Abs. 2) oder Entwicklungsträgern (§ 167 Abs. 2); Verträge zur
Abwendung der Bodenerwerbspflicht der Gemeinde in einem Entwicklungsbereich
nach § 166 Abs. 3; Stadtumbauverträge nach § 171c. Kurzum: Es gibt eine Vielzahl
von städtebaulichen Verträgen sowohl im allgemeinen Städtebaurecht als auch im be-
sonderen Städtebaurecht.
1. Gesetzgebungsgeschichte
Die erste Regelung im deutschen Städtebaurecht, in der das Wort „städtebaulicher
Vertrag“ benutzt wurde, war § 54 der Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der
DDR vom 31.7.1990. Mit dieser Verordnung wurden noch vor dem Beitritt wesentli-
che Teile des damals noch westdeutschen Bau- und Planungsrechts in die Rechtsord-
nung der DDR übernommen und mit einigen wesentlichen Neuregelungen verbunden.
Eine dieser Neuregelungen war der § 54, in der Erschließungsverträge und städtebauli-
che Verträge auf die folgende Weise miteinander verbunden wurden:
Nach § 54 BauZVO konnte die Gemeinde einem Dritten durch Vertrag
1. die ihr obliegende Erschließung der nach der geordneten baulichen Entwicklung
anstehenden Grundstücke übertragen (Erschließungsvertrag) und
2. die Vorbereitung und Durchführung anderer städtebaulicher Maßnahmen übertra-
gen oder hierüber andere Vereinbarungen treffen (städtebaulicher Vertrag).
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags konnte nach § 54 BauZVO Abs. 1 Satz 2
insbesondere sein:
– die privatrechtliche Neuordnung der Grundstücksverhältnisse (also eine freiwillige
Umlegung oder Grenzregelung);
– die Bodensanierung und Freilegung von Grundstücken;
– sonstige Maßnahmen, die notwendig sind, damit Baumaßnahmen durchgeführt
werden können, und
– die Ausarbeitung der erforderlichen städtebaulichen Planungen.
Bauwillige konnten sich darüber hinaus gegenüber der Gemeinde durch einen „städte-
baulichen Vertrag“ dazu verpflichten, Kosten und sonstige Aufwendungen zu überneh-

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Städtebauliche Verträge VI.

men, die der Gemeinde für städtebauliche Planungen, andere städtebauliche Maßnah-
men sowie Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, entstehen. Auch
die Bereitstellung erforderlicher Grundstücke konnte vereinbart werden. Die Kosten
und Aufwendungen sowie die Planungen, städtebaulichen Maßnahmen, Anlagen und
Einrichtungen mussten Voraussetzungen oder Folge des vom Bauwilligen geplanten
Vorhabens sein. Die vertraglichen Leistungen mussten den gesamten Umständen nach
angemessen sein.
Mit § 54 BauZVO ist erstmals auch die Überwälzung von Planungs-, Bereitstellungs-
und Folgekosten gesetzlich für zulässig erklärt worden. In der Problematik der sog.
Folgekostenverträge wurde lange Zeit das Hauptproblem der städtebaulichen Verträge
gesehen. Mit Hilfe eines Folgekostenvertrags ließen sich die Gemeinden auch solche
Anlagen und Einrichtungen von Investoren herstellen oder bezahlen, die sie nach dem
Erschließungsbeitragsrecht nicht abrechnen konnten, obwohl die Anlage durch das
neue Baugebiet mehr oder weniger zwingend verursacht worden war; manchmal wa-
ren es Anlagen der äußeren Erschließung wie z. B. ein Straßenbahnanschluss, häufiger
Wohnfolgeeinrichtungen im Gebiet wie Kindergärten, Schulen und Sportplätze. Bis zu
einer Grundsatzentscheidung des BVerwG, mit der solche Verträge unter bestimmten
Bedingungen für zulässig erachtet wurden, war die Rechtmäßigkeit derartiger Verträge
unsicher und umstritten. Nach der höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage (über
die unten Näheres berichtet wird) hat der Gesetzgeber die Basis für städtebauliche
Verträge endgültig verfestigt, indem er eine positive Grundsatzregelung in das Städte-
baurecht aufgenommen hat. Das war zunächst § 6 BauGB-MaßnahmenG, seit dem
Bau-ROG 1998 ist es § 11 BauGB. Wie gesagt, sind seit 2013 auch die Erschließungs-
verträge in § 11 mitgeregelt. Im Gegenzug wurden die Hauptinhalte des bis 2013
geltenden § 124 gestrichen. Seitdem beschäftigt sich § 124 ausschließlich mit dem Fall
einer Erschließungspflicht durch die Gemeinde, die erwächst, wenn sie ein zumutbares
Vertragsangebot ablehnt. Folgerichtig trägt § 124 nun nicht mehr die Überschrift „Er-
schließungsvertrag“.
2. Die Typen städtebaulicher Verträge nach § 11 BauGB
Vier Varianten von Leistungen lassen sich die Städte und Gemeinden am häufigsten
über städtebauliche Verträge zusichern:
– Übernahme von Planungen und Maßnahmen durch den Investor auf dessen Kos-
ten;
– unentgeltliche Übertragung von Grundstücken;
– Übernahme von Kosten durch den Investor, welche die Gemeinde für städtebauli-
che Maßnahmen im Kontext der Baulanderschließung oder des Projekts aufwen-
den muss;
– Übernahme spezieller Bindungen durch den Bauherrn.
Diese vier Leistungsvarianten sollen nachfolgend gesondert erläutert werden.
Während der „Unternehmer-Erschließungsvertrag“ bis zur BauGB-Novelle 2013 in
§ 124 geregelt war, geht er nun in § 11 Abs. 1 Nr. 1 auf. Hinter dieser Regelung steht
das Prinzip, dass der Investor Maßnahmen und Planungen, also die physische Herstel-
lung bestimmter Bauwerke (Straßen, Kindergarten, Sporthalle), häufig zzgl. der Vor-
lage der Entwürfe der notwendigen städtebaulichen Pläne sowie zugehöriger Gutach-
ten, auf eigene Kosten übernimmt. Das Gesetz stellt klar, dass die Verantwortung der
Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren unberührt bleibt.
Das gilt auch dann, wenn der Investor die Vorbereitung und Durchführung einzelner
Verfahrensschritte wie die Öffentlichkeitsbeteiligung ganz übernommen hat, was
grundsätzlich zulässig ist (vgl. auch § 4b). In umstrittenen Fällen sollte der Investor
allerdings nicht mit der organisatorischen Betreuung des ihm geltenden Bebauungs-
plans beauftragt werden. Wenn der Investor für das Baugebiet einen Kindergarten
errichtet, dann muss er dazu auch das erforderliche Grundstück bereitstellen. Nach

267

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Fertigstellung wird das Grundstück in aller Regel an die Gemeinde übereignet. Dass
diese „Bereitstellung von Grundstücken“ im Rahmen von städtebaulichen Verträgen
zulässig ist, steht zwar erst in § 11 Abs. 1 Nr. 3, es gilt aber auch für Nr. 1.
Im Übrigen ist gerade bei der Bereitstellung von Grundstücken die Grundregel des
§ 11 Abs. 2 wichtig, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach
angemessen sein müssen. Die Gemeinde darf sich zwar – z. B. im Rahmen einer freiwil-
ligen Umlegung nach Nr. 1 – mehr Fläche abtreten lassen als jene 30 %, die nach § 58
Abs. 1 Satz 2 als Umlegungsvorteil in einer Flächenumlegung höchstens einbehalten
werden dürfen. Es muss sich aber immer um Flächen handeln, die unter Wahrung
des Sachzusammenhangs und der Angemessenheit566 für öffentliche Zwecke benötigt
werden567. Die Obergrenze des insoweit Zulässigen dürfte dann erreicht sein, wenn
sich die Gemeinde Flächen gewissermaßen als Zahlung abtreten lässt und aus dem
Erlös durch deren Wiederverkauf eine öffentliche Aufgabe bezahlt, die auch der Inves-
tor selbst nach den Maßstäben des § 11 hätte übernehmen dürfen. Beispiel: Der Inves-
tor stellt zugunsten der Gemeinde nicht nur das Grundstück für eine Grundschule im
Baugebiet bereit, sondern daneben auch so viel Fläche für Wohnungsbau, dass aus
dem Erlös der Bau der Schule bezahlt werden kann. Eine allgemeine Flächenabgabe
für den sozialen Wohnungsbau wäre dagegen ebenso unzulässig wie die Zahlung eines
Geldbetrags zur Ablösung einer solchen Pflicht. Allerdings wurden in den letzten Jah-
ren zunehmend Vertragsmodelle zur Herstellung bezahlbaren und sozialverträglichen
Wohnraums entwickelt. München hat bereits Mitte der 1990er Jahre das Modell „So-
zialgerechte Bodennutzung“ (SoBoN) entwickelt. Erst in den letzten Jahren und ange-
sichts deutlich steigender Immobilienpreise im Wohnungsbau wurden in anderen
wachsenden Städten ähnliche Vertragsmodelle eingeführt. Beispielsweise besteht nach
dem „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ die Verpflichtung,
30 Prozent der Geschossfläche für die Wohnnutzung als förderfähigen Wohnraum zu
bauen, also so herzustellen, dass der Bau dieser Wohnungen mit Mitteln des sozialen
Wohnungsbaus gefördert werden könnte.
Die Übernahme von Kosten nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ist an die Voraussetzung geknüpft,
dass die finanzierten Maßnahmen „Voraussetzung oder Folge“ der vom Investor ge-
planten Vorhaben sind. In dieser Formulierung spiegelt sich die Rechtsprechung zum
Folgekostenvertrag wider. Das BVerwG hat betont, dass der Verkauf von Hoheitsrech-
ten nach wie vor unzulässig ist; dagegen steht das sog. Koppelungsverbot: Das Koppe-
lungsverbot ergibt sich insbesondere aus § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein
öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden, wenn die Gegenleistung für einen
bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben dient. Hoheitliche Leistungen dürfen nicht von im Gesetz nicht
vorgesehenen Gegenleistungen des Empfängers oder Nutznießers abhängig gemacht
werden568. Zulässig ist es aber, wenn sich die Gemeinde solche zusätzlichen Aufwen-
dungen vom Investor erstatten lässt, die als Voraussetzung oder Folge notwendig mit
seinem Vorhaben verbunden sind; die Aufwendungen müssen unmittelbar kausal im
Sinne einer notwendigen Bedingung mit der Aufschließung des vom Investor ge-

566 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 24/80 –, NJW 1985, 989.


567 Beispiel für zulässige Forderung: BVerwG, U. v. 16.12.1993 – 4 C 27/92 –, ZfBR 1994, 140 (Abtretung
von Straßenland zur Erschließung); Beispiel für unzulässige Forderung: Niedersächsisches OVG, U. v.
21.7.1999 – 1 K 4974/97 –, ZfBR 2000, 134 (Abtretung von mehr als der Hälfte künftigen Baulands
für soziale Zwecke).
568 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 28.11.1991 – 1 A 10312/89 –, BauR 1992, 479 (Unzulässige Geldfor-
derung einer Gemeinde als Gegenleistung für die Erteilung des Einvernehmens zu einer Grundstückstei-
lung); BVerwG, U. v. 16.5.2000 – 4 C 4/99 –, ZfBR 2000, 491 (Unzulässige Geldspende für kommunale
Kinderspielplätze als Gegenleistung für die Einbeziehung eines Außenbereichsgrundstücks in einen Be-
bauungsplan).

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Städtebauliche Verträge VI.

wünschten Baulands verknüpft sein569. Es ist anerkannt, dass städtebauliche Maßnah-


men dann als Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens anzusehen sind, wenn eine
Gemeinde aufgrund der eigenen planerischen Konzeption nachvollziehbar davon aus-
gehen kann, dass Investitionskosten für eine städtebauliche Maßnahme kausal mit
dem begünstigten Vorhaben verknüpft sind. Sind beispielsweise vorhandene Kapazitä-
ten der Infrastruktureinrichtungen erschöpft, könnte die Gemeinde abwägungsfehler-
frei die Ausweisung neuer Baugebiete ablehnen. Im Umkehrschluss wäre die Erweite-
rung dieser Infrastruktureinrichtungen Voraussetzung für neue Baugebiete.570 Wenn
die Schaffung öffentlicher Einrichtungen Voraussetzung oder Folge gleich mehrerer
Vorhaben ist, besteht hinsichtlich jedes Vorhabens ein kausaler Zusammenhang.571
Nach diesen Grundsätzen ist es auch zulässig, wenn sich eine Gemeinde die Kosten
einer ganz normalen, von ihr selbst vorgenommenen Erschließung über einen städte-
baulichen Vertrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 erstatten lässt, anstatt Erschließungsbeiträge
zu erheben. Dies hat der Gesetzgeber mit der Novelle 2013 in § 11 Abs. 1 klargestellt,
nachdem das Bundesverwaltungsgericht Bedenken dagegen erhoben hatte572. Die Er-
schließung ist ganz zweifellos eine notwendige Voraussetzung jeder Bebauung; damit
sind die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 für eine zulässige Kostenerstattung
erfüllt. Ein Kostenerstattungsvertrag kann insbesondere ratsam sein, wenn es im Bau-
gebiet eine Mehrzahl von Eigentümern gibt und diese eine Erschließungsgemeinschaft
bilden. Eine solche Gemeinschaft ist häufig nur als Geldsammeleinrichtung geeignet,
aber nicht als Bauunternehmer zur Organisation der Erschließung. Bedenklich wird es
erst dann, wenn eine Gemeinde jegliche „normale“ Erschließung mit Abrechnung über
Beiträge verweigert und nur noch über Kostenerstattungsverträge tätig werden will.
Verträge müssen auf Freiwilligkeit beruhen, sie dürfen nicht herbeigepresst werden.
Solange das Verhältnismäßigkeitsgebot des § 11 Abs. 2 S. 1 beachtet wird, können die
Kosten auch ganz von einem Vorhabenträger übernommen werden. Das Gesetz er-
laubt zudem die Überbürdung auch solcher Kosten, die eine Gemeinde im Beitrags-
wege nicht abrechnen kann573. Dem Vertragspartner können in einem städtebaulichen
Vertrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 auch solche Personal- und Sachkosten der Gemeinde
vertraglich überantwortet werden, die der städtebaulichen Planung der Gemeinde zu-
rechenbar sind, es sei denn es geht um Kosten für solche Aufgaben, die nicht an Dritte
übertragen werden dürfen.574 Bei der Frage der Angemessenheit von vereinbarten Fol-
gekosten ist auch zu berücksichtigen, inwieweit städtebauliche Maßnahmen der Ge-
meinde, insbesondere die Schaffung von Baurecht durch Bauleitplanung, eine Steige-
rung von Grundstückswerten nach sich ziehen.575 Die Übernahme von Bindungen
durch den Investor nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 schließlich ist z. T. dem Durchführungsver-
trag zum Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 verwandt. Denn die zu einem
Durchführungsvertrag nach § 12576 gehörende Übernahme der Verpflichtung, ein Vor-
haben in bestimmter Frist zu verwirklichen, ist nichts anderes als die Übernahme einer
bestimmten Pflicht im Hinblick auf die Grundstücksnutzung (Baupflicht), so wie sie
in § 11 Abs. 1 Nr. 2 vorgesehen ist. Die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 erwähnte Durchführung
des Ausgleichs im Sinne des § la (also der naturschutzrechtlichen Kompensation) ge-
hört wiederum nur zum Teil in Nr. 2. Hier geht es nur um Bindungen, zu deren Berück-

569 Grundsatzentscheidung: BVerwG, U. v. 14.8.1992 – 8 C 19/90 –, ZfBR 1993, 84 im Anschluss an


BVerwG, U. v. 6.7.1973 – IV C 22.72 –, BVerwGE 42, 331.
570 Vgl. BVerwG, U. v. 29.1.2009 – 4 C 15.07 –, BVerwGE 133, 85.
571 Vgl. BVerwG, U. v. 24.3.2011 – 4 C 11.10 –, BauR 2011, 1287.
572 Vgl. BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –, BauR 2011, 945.
573 Vgl. BVerwG, U. v. 10.8.2011 – 9 C 6.10 –, BauR 2012, 230.
574 Vgl. BVerwG, U. v. 25.11.2005 – 4 C 15.04 –, BauR 2006, 649.
575 Vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 19.5.2011 – 1 LC 86/09 –, BauR 2012, 70.
576 Zu den Anforderungen an den Durchführungsvertrag vgl. BVerwG, B. v. 6.10.2011 – 4 BN 19.11 –,
BauR 2012, 222; vgl. überdies BVerwG, B. v. 2.5.2018 – 4 BN 7.18 –, ZfBR 2018, 584.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

sichtigung sich der Investor verpflichtet, wenn er den Ausgleich auf seinem eigenen
Grundstück selbst durchführt (wie z. B. die Festlegung auf einheimische Pflanzensor-
ten). Wenn der Investor sich zur physischen Durchführung einer Sammelausgleichs-
maßnahme im Auftrag der Gemeinde auf deren Grundstücken verpflichtet, dann ist
dies ein Vertrag nach Nr. 1; wenn er der Gemeinde die Kostenerstattung für deren
Maßnahmen zusagt, ist dies ein Vertrag nach Nr. 3. Das Bild 39 gibt diese Mixtur
noch einmal im Überblick wieder.
Während sich der naturschutzrechtliche Ausgleich unstrittig im Rahmen eines städte-
baulichen Vertrags regeln lässt und auch eine Verkaufsflächenbegrenzung im städte-
baulichen Vertrag577 denkbar ist, kommt der Abschluss eines die Bauleitplanung erset-
zenden Vertrags, der also an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der
Bauleitplanung tritt, nicht in Betracht. Dies hat das Niedersächsische OVG im Zusam-
menhang mit der Feinsteuerung der Windenergienutzung entschieden578.
Bild 39: Städtebauliche Verträge im Kontext von Ausgleichsmaßnahmen
RECHTSGRUNDLAGE: § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB:
Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein: (…) die Durchführung des Aus-
gleichs im Sinne des § 1a Abs. 3.
In § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB heißt es: Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch ver-
tragliche Vereinbarungen nach § 11 (…) getroffen werden.
UNTERSCHEIDE:
A. ERGÄNZENDE STÄDTEBAULICHE VERTRÄGE (neben Festsetzungen zum Ausgleich)
a) Durchführung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen durch den Investor auf dem eigenen Grund-
stück (= Regelfall des § 135a Abs. 1), verknüpft mit vertraglichen „Auflagen“ über die Art und Weise
des Ausgleichs (z. B. Pflanzenliste) = Bindungsvertrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB.
b) Durchführung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen durch den Investor auf fremden Grundstü-
cken (Gemeindeland/Staatsforst) = Übernahme von städtebaulichen Maßnahmen durch den Ver-
tragspartner auf eigene Kosten nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
c) Erstattung der Kosten von festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen an plangerecht durchführende Ge-
meinde seitens des Investors nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
B. ERSETZENDE STÄDTEBAULICHE VERTRÄGE (anstelle von Festsetzungen zum Ausgleich)
Die Übernahme von Ausgleichsmaßnahmen durch städtebaulichen Vertrag kann gemäß § 1a Abs. 3
Satz 3 auch anstelle von Festsetzungen im B-Plan erfolgen. Danach ist möglich:
a) Vertragliche Verpflichtung des Investors zur Durchführung auf eigenem Grundstück oder auf frem-
dem Grundstück innerhalb oder außerhalb der Gemarkung der Gemeinde auf seine Kosten (§ 11
Abs. 1 Nr. 1).
b) Vertragliche Verpflichtung zur Kostenerstattung an die durchführende Gemeinde (§ 11 Abs. 1 Nr. 3).
Die Durchführung ist wiederum auf gemeindeeigenen Grundstücken oder auf fremden Grundstücken
(gemeindeintern oder gemeindeextern) möglich. Im Vertrag kann die Zahlung durch den Investor auf
ein Sicherungskonto auch deutlich vor der Durchführung der Maßnahmen vorgesehen werden. An-
ders ist es bei Anwendung einer Kostenerstattungssatzung: Nach § 135a Abs. 3 Satz 3 BauGB ent-
steht die Erstattungspflicht des Investors erst „mit der Herstellung der Maßnahmen“; die Anordnung
von Vorauszahlungen dürfte nur zulässig sein, wenn die „endgültige Herstellung“ der finanzierten
Ausgleichsmaßnahme in den nächsten vier Jahren zu erwarten ist (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

Die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 enthaltene Regelungsmöglichkeit, dass bei der Grundstücks-


nutzung auch eine befristete oder bedingte Nutzung vereinbart werden kann, ist mit
dem EAG Bau 2004 eingeführt worden. Dies geschah gleichzeitig mit der Möglichkeit
zur Regelung bedingter Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 2. In der Praxis enthalten
viele städtebauliche Verträge Bestandteile nach mehreren Ziffern des § 11 Abs. 1. Fast
alle haben etwas mit der Erschließung, zumindest mit der im weiteren Sinne zu tun.
Für alle gilt, dass sich die Gemeinde nicht über die Finanzierung ihrer genuinen Aufga-
ben hinaus bereichern darf; das gilt auch dann, wenn die Gemeinde es „eigentlich nur
gut meint“, indem sie z. B. versucht, über Bindungsverträge zugunsten des sozialen

577 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 22.9.2011 – 2 A 8.11 –, BauR 2012, 1612.


578 Niedersächsisches OVG, U. v. 8.3.2012 – 12 LB 244/10 –, BauR 2012, 1072.

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Städtebauliche Verträge VI.

Wohnungsbaus sog. Besserverdienende an den Kosten des sozialen Wohnungsbaus zu


beteiligen. Verpflichtungen zur Finanzierung von (sozialen) Wohnungsbauprojekten
außerhalb eines Vorhabengebiets sind daher unzulässig. Vertragliche Bindungen zu-
gunsten der Errichtung von Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus auf Grundstücken
im Projektgebiet sind hingegen zulässig, auch zugunsten von Einheimischen579; dabei
dürfen die insgesamt vereinbarten Leistungspflichten eines Vorhabenträgers den ge-
schätzten planungsbedingten Bodenwertzuwachs allerdings nicht überschreiten. Unzu-
lässig und unwirksam sind Verträge, mit denen von den Auswirkungen eines B-Plans
negativ Betroffene auf ihre Abwehrrechte verzichten, ohne dass der Vertrag den zu-
grundeliegenden Konflikt löst. Beispiel: Zulässig ist der Verzicht auf Abwehrrechte
gegen Lärm, wenn der Vertrag zugleich den Einbau ausreichender Schallschutzfenster
regelt. Unzulässig ist der Verzicht auf Abwehrrechte gegen die negativen Auswirkun-
gen eines Legehennenbetriebs, wenn gegen die schädlichen Umwelteinwirkungen selbst
nichts getan wird580.
Die Einsatzmöglichkeit öffentlich-rechtlicher Verträge steht nach den Verwaltungsver-
fahrensgesetzen der Länder unter dem Vorbehalt entgegenstehender Rechtsvorschrif-
ten. Städtebauliche Verträge dürfen nicht gegen den in § 1 Abs. 1 angelegten Grund-
satz der Planmäßigkeit verstoßen, wonach es Aufgabe der Bauleitplanung ist, die
bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke einer Gemeinde vorzubereiten und
zu leiten – ggf. auch in Verbindung mit weiterführenden Instrumenten wie einer Verän-
derungssperre. Ein bebauungsplanersetzender städtebaulicher Vertrag ist somit nicht
zulässig und wäre unwirksam. Durch einen solchen Vertrag würden die formellen
und materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Festsetzungen unzulässig
umgangen werden – so der VGH BaWü581. In dem vor dem VGH zu beurteilenden
Fall ging es um den Verzicht einer Gemeinde auf Erlass einer Veränderungssperre,
nachdem sich ein Grundstückseigentümer vertraglich dazu verpflichtete, bestimmte
Grundstücksnutzungen zu unterlassen – die Vorinstanz hatte in dieser Sache entschie-
den, dass die Gemeinde den Eigentümer auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne,
wenn dieser eine Baugenehmigung für die vertraglich jedoch ausgeschlossene Nutzung
erlangt. In diesem Zusammenhang hat der VGH BaWü klargestellt, dass aus dem
Grundsatz der Planmäßigkeit nach § 1 Abs. 1 BauGB ein Verbot für bauleitplanerset-
zende städtebauliche Verträge folgt.
3. Der Erschließungsvertrag
Bei größeren Baugebieten, die sich in der Hand eines Trägers befinden, kann es für
die Gemeinde zweckmäßig sein, die Erschließung nicht selbst durchzuführen, sondern
dem Bauträger zu überlassen. Das ist nach § 11 ohne Weiteres zulässig, indem die
Gemeinde mit dem Vorhabenträger einen sog. Unternehmer-Erschließungsvertrag ab-
schließt. Ein typisches Beispiel dafür sind Projekte, bei denen Wohnungsbauunterneh-
men ein größeres Gebiet mit Wohnblöcken oder auch mit Einfamilienhäusern bebauen
wollen. Da das Wohnungsbauunternehmen hier ohnehin eine Gesamtplanung vorneh-
men muss, kann die Erschließung gleich mitgeplant werden. In solchen Fällen schließt
die Gemeinde mit dem Unternehmen einen Erschließungsvertrag ab. Das Unternehmen
nimmt die Erschließung auf eigene Kosten selbst vor und gibt diese Kosten später an
die Mieter oder Käufer der Wohnungen weiter. Es spricht auch nichts dagegen, dass
der von der Gemeinde beauftragte Unternehmer eine von der Gemeinde selbst gegrün-
dete juristische Person ist, die ganz oder teilweise von der Gemeinde beherrscht wird
(sog. Eigengesellschaft). Einzige Voraussetzungen für einen Erschließungsvertrag sind
die juristische Selbständigkeit des Vertragspartners und seine zivilrechtliche Sachherr-

579 BVerwG, U. v. 11.2.1993 – 4 C 18/91 –, ZfBR 1993, 299 (Weilheimer Modell).


580 BVerwG, 23.1.2001 – 4 BN 3.02 –, ZfBR 2002, 371.
581 Vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 4.7.2017 – 5 S 1867/15 –, ZfBR 2017, 793.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

schaft über die zu erschließenden Grundstücke; ein Eigenbetrieb582 kommt als Ver-
tragspartner dagegen nicht in Frage. Die Frage, ob als „Dritter“ auch eine kommunale
Eigengesellschaft mit der Durchführung der Erschließung auf ihre Kosten beauftragt
werden durfte, war lange umstritten und wurde im Schrifttum kontrovers diskutiert.
Das BVerwG hat im Jahr 2010, also noch vor Übernahme des Erschließungsvertrags
in den Regelungskanon des § 11, eine kommunale Eigengesellschaft als „Dritte“ im
Sinne des § 124 Abs. 1 a. F. ausgeschlossen. Das BVerwG begründete seine Entschei-
dung mit dem Gesetzgebungsprozess und der Gesetzesbegründung, worauf hier nicht
im Detail eingegangen werden kann. Nur so viel: „Wäre es der Gemeinde erlaubt, ‚im
Mantel‘ ihrer als ‚Dritter‘ auftretenden Eigengesellschaft die Erschließung durchzufüh-
ren und die Erschließungskosten vertraglich ohne die Begrenzungen des Beitragsrechts
auf die Grundstückskäufer abzuwälzen, wäre praktisch kein Fall mehr denkbar, in
dem es nicht im Interesse der Gemeinde läge, die Erschließung auf ihre Eigengesell-
schaft zu übertragen“583, heißt es dazu in der Urteilsbegründung. Erst durch Einbet-
tung des Erschließungsvertrags in § 11 ist nun erreicht worden, dass auch kommunale
Eigengesellschaften als mögliche Vertragspartner für die Gemeinde beim Erschlie-
ßungsvertrag in Frage kommen. Klarstellend hat der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 einen
neuen Satz aufgenommen, wonach die Gemeinde städtebauliche Verträge auch mit
einer juristischen Person abschließen kann, an der sie selbst beteiligt ist. Hinsichtlich
des Umfangs der Kostenübertragung regelt § 11 Abs. 2 Satz 3, dass „eine Eigenbeteili-
gung der Gemeinde nicht erforderlich“ ist, wenn der Vertragspartner die Kosten über-
nimmt und die Kostenübernahme sowie die Übernahme sonstiger Aufwendungen den
gesamten Umständen nach angemessen ist. Einschränkung: Auf den Vertragspartner
dürfen keine Leistungen abgewälzt werden, auf die dieser auch ohne Gegenleistung
Anspruch gehabt hätte.
Aufgrund des Erschließungsvertrags entfällt der „Finanzierungsumweg über die Ge-
meindekasse“, der sonst dadurch entsteht, dass die Gemeinde die Erschließung zwar
zunächst bezahlt, sich aber später (oder auch durch die Erhebung von Vorausleistun-
gen gleichzeitig) 90 % der beitragsfähigen Kosten über den Erschließungsbeitrag von
dem Unternehmen oder den späteren Grundeigentümern im Erschließungsgebiet zu-
rückholt.
Lange Zeit war auch strittig, ob sich Gemeinden über einen Erschließungsvertrag auch
der in § 129 Abs. 1 S. 3 geregelten Mindestbeteiligung von 10 % entledigen darf, in-
dem sie diese Kosten auf den Vorhabenträger abwälzt. Nach der früheren Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts584 musste die Gemeinde auch im Fall des Ab-
schlusses eines Erschließungsvertrags mindestens 10 % der Kosten selbst tragen; ganz
generell konnten nach dem BVerwG durch Erschließungsvertrag nur die Kosten über-
gewälzt werden, die auch durch Beitragsbescheid hätten eingefordert werden können.
Nur diese Kosten durften nach der Rechtsprechung Gegenstand eines Erschließungs-
vertrags sein. Wenn die Gemeinde jedenfalls zunächst kein eigenes Geld in die Erschlie-
ßung stecken wollte, musste sie einen „Vorfinanzierungsvertrag“ mit dem Investor
abschließen585. Damit verpflichtete sich der Investor, die Erschließung im Auftrag der
Gemeinde zunächst vollständig auf seine Kosten herzustellen. Die Gemeinde wiederum

582 Mit Eigenbetrieb werden gemeindeeigene unselbständige Unternehmen bezeichnet. Eigenbetriebe sind
Teil der Gemeinde, verfügen aber über einen eigenen Haushalt. Im Gegensatz dazu spricht man von
einer Eigengesellschaft bei einem rechtlich selbständigen Unternehmen, an dem die Gemeinde die An-
teile hält. Auch Eigengesellschaften verfügen über ein vom Gemeindehaushalt losgelöstes Budget.
583 Vgl. BVerwG, U. v. 1.12.2010 – BVerwG 9 C 8.09 –, BauR 2011, 945.
584 Erstmals: BVerwG, U. v. 23.4.1969 – 4 C 69.67 –, NJW 1969, 2162 = BVerwGE 32, 67; ebenso
BVerwG, 4.2.1972 – 4 C 59/70 –, NJW 1972, 1588; bestätigt durch BVerwG, U. v. 23.8.1991 – 8 C
61.90 –, in: ZfBR 1992, 76; ebenso BGH, DVBl. 1976, 390: Überwälzungen durch Vertrag sind nur
in dem Umfang möglich, in dem auch durch Beitragsbescheid Kosten erhoben werden könnten.
585 Beispiel: BGH, B. v. 6.7.2000 – V ZB 50.99 –, ZfBR 2001, 125.

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Städtebauliche Verträge VI.

verpflichtete sich, Erschließungsbeiträge zu erheben und dem Investor danach seine


Vorfinanzierung aus dem Beitragsaufkommen zu erstatten. Soweit der Investor selbst
beitragspflichtig wurde (was naturgemäß regelmäßig der Fall war, da er ja in „seinem“
Gebiet tätig geworden war), rechnete die Gemeinde mit Ihrem Beitragsanspruch gegen
den Erstattungsanspruch des Investors auf – soweit dies angesichts des 10 %-Vorbe-
halts möglich war.
Seit der 1993 mit dem Wohnbaulandgesetz in § 124 eingefügten Regelung des Erschlie-
ßungsvertrags – sie ist wie gesagt mit Veränderungen durch das Gesetz zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 in § 11 überführt worden – dürfen die Erschließungs-
kosten innerhalb eines bestimmten Baugebiets in vollem Umfang auf den Partner eines
Erschließungsvertrags übertragen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Kos-
ten nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähig sind. Die vertraglich vereinbarten Leis-
tungen müssen nur „den gesamten Umständen nach angemessen sein“ (§ 11 Abs. 2
Satz 2). Ob die vertraglich vereinbarten Leistungen (z. B. die Übernahme der gesamten
Erschließungskosten) angemessen sind, hängt davon ab, ob diese nicht nur im Verhältnis
zum Vertragszweck (Erschließung des Vertragsgebiets), sondern auch im Verhältnis un-
tereinander ausgewogen sind. Für die Überprüfung der Frage ist eine wirtschaftliche Be-
trachtung des Gesamtvorgangs geboten. In Einzelfällen muss selbst die Überbürdung von
Fremdanliegerkosten nicht von vornherein unangemessen sein586. Über viele Jahre war
auch fraglich, ob die Gemeinde in einen Erschließungsvertrag mit einem Erschließungs-
träger, dem die Grundstücke des Erschließungsgebiets nicht gehören, der sich aber zum
Ziel setzt, über vertragliche Regelungen mit den Fremdanliegern die Erschließungsmaß-
nahme komplett zu refinanzieren, eine modifizierende Kostenvereinbarung zwecks An-
wendbarkeit des Beitragsrechts aufnehmen darf. Auf der Grundlage der modifizierenden
Kostenvereinbarung entsteht der Gemeinde ein beitragsfähiger Erschließungsaufwand
für den Fall, dass es dem Erschließungsträger entgegen der eigentlichen Zielsetzung nicht
gelingt, mit allen oder der überwiegenden Anzahl der Fremdanlieger eine vertragliche Re-
finanzierungsregelung herbeizuführen. Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist dies zu-
lässig. Damit wird auch deutlich, dass aus dem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 1.12.2010587 „erwähnten Umstand, dass die Gemeinde durch § 124 Abs. 1 [in der
Fassung vor 2013] vor die Wahl gestellt wird, ob sie die Erschließung in ‚Eigenregie‘
durchführt, oder ob sie die Erschließung auf einen Dritten überträgt, der sie in ‚Fremdre-
gie‘ durchführt und privatrechtlich refinanziert“, kein Verbot für weitere Kostenverein-
barungen zwischen Gemeinde und Erschließungsträger bei oben geschilderter Fallkons-
tellation folgt. Solche Zusatzvereinbarungen im Erschließungsvertrag sind zulässig588.

4. Weitere städtebauliche Verträge im BauGB


Neben den in § 11 geregelten (formbedürftigen589) städtebaulichen Verträgen enthält
das BauGB noch eine Reihe von weiteren Vorschriften, in denen die Möglichkeit des
Abschlusses von Verträgen angesprochen ist. § 27 Abs. 1 regelt, dass ein Vorkaufsrecht
durch Vertrag abgewendet werden kann. Besonders viele Vertragsmöglichkeiten finden
sich im besonderen Städtebaurecht ab § 136 (also in städtebaulichen Sanierungsgebie-
ten, städtebaulichen Entwicklungsbereichen, Stadtumbaugebieten, Gebieten der Sozia-
len Stadt). In Sanierungsgebieten kann die Gemeinde z. B. nicht nur die Durchführung
von Ordnungsmaßnahmen, sondern auch die Errichtung und Änderung von Gemein-

586 Vgl. BVerwG, U. v. 10.8.2011 – 9 C 6.10 –, ZfBR 2011, 770.


587 Vgl. BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –, BauR 2011, 945 (weitere Einzelheiten zu diesem Urteil
siehe unten in diesem Kapitel bei der Darstellung der Rechtsänderungen seit 2005).
588 Vgl. BVerwG, U. v. 30.1.2013 – 9 C 11.11 –, ZfBR 2013, 383.
589 Zur notariellen Formbedürftigkeit von städtebaulichen Verträgen vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v.
13.12.1994 – 1 S 2952/93 –, ZfBR 1995, 225.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

bedarfs- und Folgeeinrichtungen (also Baumaßnahmen nach § 148 Abs. 2 Nr. 3) auf-
grund eines Vertrags ganz oder teilweise dem Eigentümer überlassen (§ 146 Abs. 3).
Die Gemeinde kann per Ablösungsvertrag mit einem Grundeigentümer über den Aus-
gleichsbetrag zur Deckung der Kosten der Sanierungsmaßnahme auch einen höheren
Betrag als den Ausgleichsbetrag vereinbaren. Die Höhe des Ausgleichsbetrags ist nicht
maßgeblich; Vertragsfreiheit geht – in den Grenzen der Angemessenheit – vor (§ 154
Abs. 3). Nach § 155 Abs. 6 muss die Gemeinde dem Eigentümer die im Rahmen der
Durchführung der übertragenen Maßnahmen aufgewendeten Kosten, soweit sie den
Ausgleichsbetrag überschreiten, nur dann erstatten, wenn die Erstattung nicht vertrag-
lich ausgeschlossen wurde.
In Stadtumbaugebieten nach §§ 171a ff. soll die Gemeinde die Möglichkeit nutzen,
Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage von städtebaulichen Verträgen insbeson-
dere mit den beteiligten Eigentümern durchzuführen. Gegenstände der Verträge kön-
nen insbesondere auch sein:
– die Durchführung des Rückbaus oder der Anpassung baulicher Anlagen innerhalb
einer bestimmten Frist und die Kosten dafür;
– der Verzicht auf die Ausübung von Ansprüchen nach dem Planungsschadensrecht
(§§ 39–44 BauGB);
– der Ausgleich von Lasten zwischen den beteiligten Eigentümern.
In Gebieten der Sozialen Stadt soll die Gemeinde gemäß § 171e Abs. 5 zur Verwirkli-
chung und Förderung der mit dem einschlägigen Entwicklungskonzept für die Soziale
Stadt verfolgten Ziele sowie für die Übernahme von Kosten mit den Eigentümern
und sonstigen Maßnahmenträgern städtebauliche Verträge abschließen. In allen diesen
Vorschriften kommt zum Ausdruck, dass städtebauliche Verträge vom Gesetzgeber
ausdrücklich gewünscht sind und begrüßt werden, weil sie im Regelfall konfliktfreie
Lösungen herbeiführen. In Bild 40 sind die gängigsten Typen von städtebaulichen Ver-
trägen noch einmal zusammengefasst.
Bild 40: Typen städtebaulicher Verträge
Vertragstyp Rechts-
grundlage
Typ A: Übertragung der physischen Durchführung von Maßnahmen auf Kosten des Ver- § 11 Abs. 1
tragspartners Nr. 1 und
Beispiele: Nr. 4
– Vorlage von Plänen und Gutachten
– Bau von öffentlichen Einrichtungen
– Vornahme einer Neuordnung der Grundstücksverhältnisse
– Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
– Errichtung von Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung eines Baugebiets mit
Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung
– Übertragung der Vornahme der Erschließung (seit der BauGB-Novelle 2013 nicht
mehr als Spezialfall geregelt)
– Regelungen zur Berücksichtigung baukultureller Belange
Typ B: Vereinbarung der Erstattung der Kosten von Maßnahmen der Gemeinde durch § 11 Abs. 1
den Vertragspartner Nr. 3
Beispiele für erstattungsfähige Kosten:
– Bau einer Grundschule
– Erweiterung der Abwasserkläranlage
– Öffentliche Grünanlage
– Kindertagesstätte
– Planungskosten außerhalb der Kommunalverwaltung
– Erschließungskosten
– Regelung von Folgekosten
– Die Erstattung der eigenen Verwaltungskosten der Gemeinde, soweit an Dritte über-
tragbar.

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Städtebauliche Verträge VI.

Vertragstyp Rechts-
grundlage
Typ C: Vereinbarung von Bindungen § 11 Abs. 1
Mit Bindungsverträgen werden die Verpflichtungen des Vertragspartners im Rahmen der Nr. 2, Nr. 4
Bebauung und Verwertung seines Grundstücks über die Festsetzungen des B-Plans hin- und Nr. 5
aus konkretisiert und spezifiziert. § 249 Abs. 2
Beispiele:
– Baupflicht (z. B. für einen Solarpark im Zusammenhang mit einem vorhabenbezoge-
nen Bebauungsplan) in bestimmter Frist
– Rückbauverpflichtung z. B. von Windkraftanlagen im Zusammenhang mit dem Repowe-
ring
– Errichtung von Behindertenwohnungen
– Verpflichtungen über die energetische Qualität von Gebäuden
– Einsetzen nur bestimmter Pflanzen
– Veräußerung von Wohnraum nur an bestimmten Personenkreis (einkommensschwä-
chere, weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung)
– Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung, Verteilung,
Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien
oder Kraft-Wärme-Kopplung
Typ D: Vereinbarung zur Abwendung von sonst seitens der Gemeinde ausgeübten Ho- § 27, § 166
heitsrechten Abs. 3
Beispiele: Satz 3:
– Abwendung des Vorkaufsrechts
– Abwendung des Bodenerwerbs im Entwicklungsbereich
Typ E: Ablösung von Zahlungspflichten § 129, § 154
Beispiele:
– Ablösung des Erschließungsbeitrags
– Ablösung des Ausgleichsbetrags

5. Klimaschutz in städtebaulichen Verträgen


Durch die Klimaschutznovelle 2011 wurde die (nicht abschließende) Liste möglicher
städtebaulicher Verträge um Regelungsaspekte des Klimaschutzes ergänzt. Die durch
das EAG Bau 2004 aufgenommene Nr. 4 im § 11 Abs. 1 ist durch das Gesetz zur
Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom
22.7.2011 hinsichtlich weiterer Klimaanpassungs- und Klimaschutzaspekte präzisiert
bzw. ergänzt worden; denn zum Klimaschutz tragen nicht nur unmittelbar Solaranla-
gen sowie Netze und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung bei, sondern sämtliche An-
lagen und Einrichtungen für die Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung
von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien insgesamt (nicht nur aus
Solarenergie) oder aber Kraft-Wärme-Kopplung. Im Zusammenhang mit der Nr. 4
kommen sowohl unmittelbar auf dem Baugrundstück des Vertragspartners zu verwirk-
lichende als auch außerhalb gelegene Anlagen und Einrichtungen in Betracht. Aller-
dings muss zwingend ein unmittelbarer Sachzusammenhang vorliegen. So kann ein
Vorhabenträger über einen städtebaulichen Vertrag an Kosten für ein Blockheizkraft-
werk beteiligt werden, wenn das Baugrundstück des Vertragspartners über dieses auch
Strom und Wärme bezieht – in diesem Fall spielt es keine zentrale Rolle, wo sich das
Blockheizkraftwerk befindet. Die Vereinbarungen zur Kostenübernahme müssen in
diesem Fall verhältnismäßig sein, die Aufwendungen müssen also an dem anteiligen
Strom- und Wärmebedarf des Vorhabenträgers ausgerichtet werden. Dazu bedarf es
einer transparenten und nachvollziehbaren Aufstellung von Kosten sowie von Strom-
bzw. Wärme-Kältebeziehern des betreffenden Blockheizkraftwerks durch die Kom-
mune. Gleiches gilt für die kostenmäßige Beteiligung von Vertragspartnern an der
Errichtung von Anlagen der erneuerbaren Energien.
Durch die Klimaschutznovelle 2011 ist außerdem eine neue Nr. 5 eingefügt worden.
Danach lassen sich – ebenso dem Klimaschutz dienend – in städtebaulichen Verträgen
„entsprechend den mit städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen
und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden“ regeln.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Solche Vereinbarungen sollen nur getroffen werden, wenn die Ziele und Zwecke der
Planung bzw. der Maßnahme entsprechend auf den Klimaschutz ausgerichtet sind.
Mit den „Planungen“ sind insbesondere Bebauungspläne gemeint. Der Begriff der
„Maßnahmen“ bezieht sich beispielsweise auf Baumaßnahmen im Sinne des § 148 im
Rahmen von städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahmen.
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags kann im Zusammenhang mit der Wind-
kraftnutzung auch das „Repowering“ sein. Hierzu bestimmt der ebenfalls 2011 einge-
führte § 249 Abs. 2, dass sich in einen B-Plan oder auch in einen Flächennutzungsplan
mit Konzentrationsflächen für die Windenergie, der die Rechtswirkungen des § 35
Abs. 3 S. 3 hat, Bestimmungen aufnehmen lassen, wonach für die Errichtung neuer
Windenergieanlagen andere (nämlich alte und leistungsschwächere) im B- bzw. F-Plan
gekennzeichnete Anlagen innerhalb einer festzulegenden Frist zurückgebaut werden
müssen. In der Praxis stößt diese Regelung auf Probleme, weil sich das aus städtebauli-
cher Sicht Gebotene oft mit den Zugriffsmöglichkeiten und Eigentumsverhältnissen
beißt. Die in den B- bzw. F-Plan aufzunehmenden Regelungen müssen zudem exakt
formuliert werden. Die zurückzubauenden Anlagen müssen als Gruppe oder als Ein-
zelanlagen hinreichend genau bezeichnet werden. Es muss geregelt werden, in welchem
Verhältnis das „Repowering“ vollzogen werden soll (z. B. eine neue Anlage ersetzt drei
alte Anlagen). Schließlich muss die Frist eindeutig festgelegt werden. Diesen Anforde-
rungen in einer Festsetzung gerecht zu werden, ist nicht einfach. Klarstellend lassen
sich Details in einem ergänzenden städtebaulichen Vertrag regeln. Allerdings stellt sich
vor dem Hintergrund unterschiedlicher Windkraftbetreiber und Eigentümer stets die
Frage der Umsetzbarkeit der „Repowering“-Regelung (nicht realisierbare Festsetzun-
gen sind nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 und der Plan dadurch unwirksam
bzw. teilunwirksam). Die Umsetzbarkeit wird im Regelfall nur sichergestellt sein, wenn
sich alle Beteiligten vertraglich haben einigen können. Für die Vereinbarungen zwi-
schen den privaten Beteiligten kommen zivilrechtliche Verträge in Betracht.

6. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwick-
lung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 für städtebauliche Verträge
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur
Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057)
wurde § 11 Abs. 1 Nr. 2 geändert. Nach der alten Fassung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 durften
städtebauliche Verträge Regelungen zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungs-
gruppen mit besonderen Wohnversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der örtli-
chen Bevölkerung enthalten. Einige deutsche Kommunen haben darin die Möglichkeit
gesehen, sog. Einheimischenmodelle zu entwickeln und Ortsansässigen beim Grunder-
werb einen Preisnachlass zu gewähren, unabhängig davon, ob eine Hilfebedürftigkeit
vorlag oder nicht. Die Europäische Kommission hat dagegen ein Vertragsverletzungsver-
fahren geführt; denn sie erkannte darin eine europarechtswidrige Diskriminierung. Eine
europarechtskonforme Ausgestaltung zur Steuerung setzte voraus, den Preisnachlass
beim Erwerb von angemessenem Wohnraum auf „einkommensschwächere und weniger
begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung“ zu beziehen.

Literatur zum Kapitel VI: Städtebauliche Verträge


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
2010: Clemens, Heinrich, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Erschließungsträgertätigkeit
nach dem Baugesetzbuch, UR 10/2010, 357–365; Reidt, Olaf, Klimaschutz, erneuerbare Energien
und städtebauliche Gründe, in: BauR 2010, 2025 ff.; Otting, Olaf, Anmerkung zu EuGH, U. v.
25.3.2010 – Rs. C-451/08 – (EuGH bestätigt den deutschen Gesetzgeber: Grundstücksgeschäfte
ausschreibungsfrei!), IBR 5/2010, 284; Stüer, Bernhard, Städtebaurecht 2009: Bauleitplanung –

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Städtebauliche Verträge VI.

Rechtsprechungs- und Literaturbericht, DVBl. 6/2010, 333–344; 2011: Anders, Sönke, Der Er-
schließungsvertrag nach dem Urteil des BVerwG vom 1.12.2010 – 9 C 8.09 – (Anmerkung), BauR
9/2011, 1455–1458; Battis, Ulrich/Krautzberger, Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer,
Bernhard, Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Ge-
meinden in Kraft getreten, NVwZ 15/2011, 897–904; Birk, Hans-Jörg, Der Erschließungsvertrag
gem. § 124 BauGB nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.12.2010 – 9 C 8.09 –,
(Anmerkung), VBlBW 9/2011, 329–337; Filtzinger, Stephan, Anmerkung zu BFH, U. v. 13.1.2011
– V R 12/08 – (Kein Vorsteuerabzug bei Zuwendung von Erschließungsanlagen; Lieferung von Er-
schließungsanlagen durch Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung), UR 8/2011, 303–
307; Köster, Bernd, Erschließungsverträge mit kommunalen Eigengesellschaften. Das (endgültige)
Ende einer bewährten Praxis?, BauR 2011, 932–940; Krautzberger, Michael, Gesetz zur Förderung
des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, UPR 10/2011, 361–365;
Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Neues Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klima-
schutzes. Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemein-
den, BauR 9/2011, 1416–1424; Lembke, Ulrike, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 24.3.2011 – 4 C
11/10 – (Folgekostenvereinbarungen in städtebaulichen Verträgen), HRN 2/2011, 188–189; Stüer,
Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Die BauGB-Klimanovelle und das Energiefach- und -finanzierungs-
recht 2011, DVBl. 18/2011, 1117–1126; Scharen, Uwe, Vergaberecht und Bauen auf erworbenem
öffentlichen Grund nach Wünschen der öffentlichen Hand. Zugleich Anmerkung zu EuGH, U. v.
25.3.2010 – Rs. C-451/08 – Helmut Müller, ZWeR 4/2011, 422–433; Söfker, Wilhelm, Das Gesetz
zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, ZfBR 6/
2011, 541–549; Stüer, Bernhard, Bauleitplanung – Rechtsprechungsbericht 2010, DVBl. 7/2011,
381–391; Wiggers, Christian, Erschließungsvertrag – Unangemessener Vertrag zu Gunsten Drit-
ter?, NJW-Spezial 6/2011, 172–173; 2012: Decker, Andreas, Lernbeitrag Öffentliches Recht: Aus-
gewählte examensrelevante Probleme des städtebaulichen Vertrages nach § 11 BauGB, JA 4/2012,
286–293; Heinemann, Daniela, Erschließungsverträge mit kommunalen Erschließungsgesellschaf-
ten: Wirksamkeitsvoraussetzungen und Nichtigkeitsfolgen, BauR 2012, 1330–1339; Kment, Mar-
tin, Die Begleitung der Energiewende durch kommunale Bauleitplanung. Schafft das Gesetz zur
Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden neue Optionen?,
DVBl. 18/2012, 1125–1130; Krautzberger, Michael, Klimaschutz bei städtebaulichen Planungen
und Maßnahmen. Zur BauGB Novelle 2011, UVP-report 2/2012, 59–64; Söfker, Wilhelm, Die Be-
rücksichtigung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung in der BauGB-Novelle
2011 und ihre Bedeutung für die Praxis, FuB 1/2012, 25–31; Spannowsky, Willy, Fortentwicklung
des Rechts städtebaulicher Verträge, (Zugleich Anmerkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8/
09 –), ZfBR 8/2012, 742–751; Stüer, Bernhard, Öffentliches Baurecht von 2007 bis 2012 in der
Gesetzgebung. Bebauungsplan der Innenentwicklung, Energiewende und weiterer Reformbedarf,
AL 3/2012, 166–173; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungsrechts
2012/2013, ZfBR 2013, 211–217; Chatziathanasiou, Konstantin/Towfigh, Emanuel V., Die Ange-
messenheit der Vertragserfüllungsbürgschaft bei städtebaulichen Verträgen, DVBl. 2013, 84–92;
Grziwotz, Herbert, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 – (Fehlende gesetzliche
Grundlage für Folgekostenvertrag über beitragsfähige Erschließungsaufwendungen der Ge-
meinde), ZfIR 2013, 207–209. 2014: Edelbluth, Markus, Rezension: Hans Jörg Birk, Städtebauli-
che Verträge: Inhalte und Leistungsstörungen, 5. Aufl., Stuttgart 2013, in: VBlBW4/2014, S. 159;
Geßner, Janko, Städtebauliche Verträge und Windenergie. Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet?
Möglichkeiten, Grenzen und Alternativen bei Verträgen mit der öffentlichen Hand, in: AnwBl 1/
2014, S. 39–45; Hellriegel, Matthias/Teichmann, Lisa, Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN). Vo-
raussetzung und Grenzen für städtebauliche Verträge zwischen Plangebern und Bauherren, in:
BauR 2/2014, S. 189–197; Linke, Hans-Joachim, Rezension: Thomas Burmeister, Praxishandbuch
Städtebauliche Verträge, Bonn 2014, (FuB aktuell), in: FuB 6/2014, S. 5; Linke, Hans-Joachim,
Rezension: Hans Jörg Birk, Städtebauliche Verträge: Inhalte und Leistungsstörungen, 5. Aufl.,
Stuttgart 2013, (FuB aktuell), in: FuB 1/2014, S. 5; Patzelt, Wolfgang, Beteiligung von Gemeinden
an Windkraftanlagen über städtebauliche Verträge? (Zugleich Anmerkung zu OVG Schleswig-
Holstein, U. v. 4.4.2013 – 1 LB 7/12 –), in: ZUR 2/2014, S. 89–92; Patzelt, Wolfgang, Die Absiche-
rung von Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen im Bebauungsplanverfahren über städtebauli-
che Verträge, in: ZUR 11/2014, S. 600–604; Söfker, Wilhelm, Rezension: Arno Bunzel, Diana
Coulmas, Gerd Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge. Ein Handbuch, 4. Aufl., in: ZfBR 2/
2014, S. 169; 2015: Bunzel, Arno, Soziale Wohnraumförderung durch städtebauliche Verträge, in:
ZfBR 1/2015, S. 11–18; Diessner, Annika, Bestechungsdelikte und städtebauliche Verträge. Hat
der 3. Strafsenat im Schulfotografen-Fall die Büchse der Pandora geöffnet? (Anmerkung BGH, U.
v. 26.5.2011 – 3 StR 492/10 –), in: FS Beulke 2015, S. 379; Gohde, Christian, Tagungsbericht: „Ko-

277

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

operative und nachfrageorientierte Kommunalentwicklung durch städtebauliche Verträge“. Wis-


senschaftliche Fachtagung an der Technischen Universität Kaiserslautern, 15.9.2015, in:
NVwZ23/2015, S. 1662–1663; Grziwotz, Herbert, Städtebauliche Verträge im ländlichen Raum
und das europäische Recht, in: FS Heymanns Verlag 2015, S. 411; 2016: Birk, Hans-Jörg, Städte-
bauliche Verträge im Bebauungsplanverfahren, in: VBlBW3/2016, S. 89–93; Hellriegel, Mathias,
Risikoabsicherung durch städtebauliche Verträge, in: BauR 11/2016, S. 1853–1858; Klepper, Ma-
rian, Anmerkung zu OVG Niedersachsen, U. v. 18.2.2016 – 1 LC 28/12 – (Städtebaulicher Vertrag:
Kostenüberwälzung setzt exakte Bedarfsermittlung voraus), in: IBR 12/2016, S. 731; 2017:
Drechsler, Stefan, Städtebauliche Verträge (§ 11 BauGB). Eine kooperative Handlungsform an der
Schnittstelle von öffentlichem und privatem Recht, von allgemeinem und besonderem Verwal-
tungsrecht, in: Jura 4/2017, S. 413–426; Krautzberger, Michael, Städtebauliche Verträge, in:
GuG 2/2017, S. 92–96; Stüer, Bernhard, Rezension: Clemens Hagebölling, Klimaschutz und Kli-
maanpassung durch städtebauliche Verträge. Klimawandelgerechtes Städtebaurecht vor dem Hin-
tergrund des Gebäudeenergiefachrechts, Marburg an der Lahn 2014, in: DVBl. 1/2017, S. 39–40;
Weinbeer, Eva, BauGB-Novelle(n) und städtebauliche Verträge. Aktuelle Fragen und Entwicklun-
gen. Tagungsbericht zum 12. Regensburger Immobilienrechtstag in Kooperation mit der ZfIR, in:
ZfIR23&24/2017, S. 853–857; 2018: Kemper, Till, Anmerkung zu VGH Baden-Württemberg, U.
v. 7.7.2017 – 5 S 1867/15 – (Städtebaulicher Vertrag statt Bauleitplan?), in: IBR 2/2018, 102; Kul-
lack, A., Rezension: Karl Schwab, Städtebauliche Verträge, München 2017, BauR 4/2018, 621–
622; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung: „Den
Umständen nach angemessen?“, in: ZfBR 6/2017, S. 537- 543.

VII. Sicherung der Bauleitplanung


1. Veränderungssperre
Die Aufstellung eines Bebauungsplans geschieht nicht von heute auf morgen. Je nach
Verfahrensart und Komplexität vergeht vom Aufstellungsbeschluss der Gemeinde bis
zum Hinweis im Amtsblatt, dass der Bebauungsplan in Kraft getreten ist, ein Zeitraum
von ein bis drei Jahren. Es gibt aber auch Aufstellungsverfahren, die sich über fünf
und noch mehr Jahre hinziehen. Während des Aufstellungsverfahrens besteht die Ge-
fahr, dass im beabsichtigten Plangebiet noch Veränderungen vorgenommen, insbeson-
dere Gebäude errichtet oder in einer Weise umgenutzt werden, die mit den beabsichtig-
ten künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht übereinstimmen oder gar einen
unerwünschten „Trading-down-Effekt“ erwarten lassen.590 Jeder Grundeigentümer,
der mit den beabsichtigten neuen Festsetzungen, die ihm spätestens durch die Öffent-
lichkeitsbeteiligung bekannt werden, nicht einverstanden ist, wird versuchen, seine
Belange noch vor Inkrafttreten des neuen Plans in die Tat umzusetzen. Die Gemeinde
wiederum kann sich so lange noch nicht auf den neuen Plan berufen, wie dieser nicht
rechtsverbindlich geworden ist. In dieser Situation hilft nur das Instrumentarium der
Veränderungssperre oder die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass ein Baugesuch zurück-
gestellt oder vorläufig untersagt wird. Diese Instrumente sind in den §§ 14 und 15 des
Baugesetzbuchs geregelt. In Bild 41 ist das zugehörige Verfahren dargestellt.
Eine Veränderungssperre (früher Bausperre genannt) wird von der Gemeinde als Sat-
zung beschlossen. Voraussetzung ist, dass die Gemeinde zuvor (bei Bedarf auch in
derselben Gemeinderatssitzung) einen Beschluss über die Aufstellung, Änderung, Er-

590 Zur Frage der Verhinderung unerwünschter Sex-Shops und Vergnügungsstätten vgl. VGH Baden-Würt-
temberg, U. v. 3.3.2005 – 3 S 1524/04 –, BauR 2005, 1892. Zur Frage der Sicherung eines gemeinde-
weiten B-Plans zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 6.4.2009 –
1 MN 289/08 –, BauR 2009, 1421. Zum Einsatz der Veränderungssperre mit dem Ziel des Schutzes
zentraler Versorgungsbereiche vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 27.1.2010 – 1 A 10779/09 –, BauR
2010, 1186 sowie OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 16.3.2012 – 2 B 202/12 –, BauR 2012, 1212. Zur
Frage der Wirkung von Veränderungssperren ggü. verfahrensfreien Vorhaben (Mobilfunkanlagen) vgl.
Bayerischer VGH, U. v. 23.11.2010 – 1 BV 10.1332 –, BauR 2011, 807. Zur Veränderungssperre im
Zusammenhang mit der Steuerung von Tierhaltungsanlagen vgl. Niedersächsisches OVG, B. v.
9.9.2011 – 1 MN 112/11 –, BauR 2012, 223.

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Sicherung der Bauleitplanung VII.

gänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans gefasst hat. Die Bekanntmachung des
Aufstellungsbeschlusses braucht also nicht erst abgewartet zu werden, muss aber nach-
folgen591. Solange der Beschluss nicht bekanntgemacht und kein Zurückstellungsge-
such erfolgt ist, dürfen Baugesuche nicht mit Verzögerung bearbeitet werden592. Im
Beschluss über die Veränderungssperre brauchen keine inhaltlichen Angaben über Ziel
und Zweck der Sperre gemacht zu werden; allerdings muss im Rahmen des Aufstel-
lungsverfahrens zum zugehörigen Bebauungsplan bereits erkennbar sein, „wohin die
Reise geht“. Die Gemeinde muss also bereits positive Vorstellungen über die B-Planin-
halte entwickelt haben – eine reine Negativplanung genügt nicht593. Es muss ein Min-
destmaß dessen erkennbar sein, was Inhalt des aufzustellenden B-Plans sein soll. „Die-
ses Mindestmaß an Vorstellungen muss geeignet sein, die Entscheidung der
Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit
der beabsichtigten Planung zu befinden hat. Diese Vorstellungen können sich nicht
nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen
erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben.“594 Die Bedingung, dass ein Min-
destmaß an planerischer Vorstellung für den Erlass einer Veränderungssperre vorhan-
den sein muss, gilt auch dann, wenn der Planung unterschiedliche Ziele in Form von
Alternativen (also entweder Entwicklung eines allgemeinen Wohngebiets oder Ent-
wicklung eines Mischgebiets) zugrunde liegen.595 Die Planung muss auf einer positiven
Planungskonzeption beruhen, die nicht nur vorgeschoben sein darf.596 Das Ziel der
Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen darf aber Hauptzweck
eines Bebauungsplans mit gleichzeitiger Veränderungssperre sein.597 Somit ist es zuläs-
sig, in einem Gewerbegebiet die Ansiedlung von weiteren Bordellen und Vergnügungs-
stätten zur Abwendung eines Trading-Down-Effekts auszuschließen.598 Wenn sich die
Planungsabsichten grundlegend ändern, muss der Aufstellungsbeschluss entsprechend
geändert (oder neu beschlossen) und auch die Veränderungssperre neu beschlossen
werden599. Allerdings kann aufgrund des „Konservierungszwecks“ der Veränderungs-
sperre zum frühzeitigen Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses eine detaillierte Pla-
nung nicht in jedem Fall erwartet werden. Insofern kommt eine Änderung von Zielen
noch in Betracht, sofern frühere Planungen und private Interessen ausreichend berück-
sichtigt bleiben.600 Zweifelsohne kann die Veränderungssperre nicht nur bei erstmali-

591 BVerwG, B. v. 9.2.1989 – 4 B 236.88 –, ZfBR 1989, 171.


592 BGH, Entscheid. v. 12.7.2001 – III ZR 282/00 –, ZfBR 2001, 555 (Amtspflichtverletzung).
593 Vgl. BVerwG, U. v. 10.9.1976 – 4 C 39.74 –, NJW 1977, 400, sowie OVG Berlin, U. v. 2.12.1988 –
2 A 3.87 –, ZfBR 1989, 77; VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.9.1988 – 5 S 2131/88 –, ZfBR 1989,
172, ebenso BGH, U. v. 17.12.1981 – III ZR 88/80 –, NJW 1982, 1281 unter Aufgabe von BGHZ 58,
125 (128); zum Verhältnis von B-Plan und Veränderungssperre vgl. auch BVerwG, U. v. 3.2.1983 – 4
C 39/82 –, NJW 1984, 1473, BVerwG, U. v. 26.10.1984 – 4 C 53.80 –, BVerwGE 70, 227. Neuerlich:
BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 CN 13.03 –, ZfBR 2004, 464. Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, U. v.
26.4.2012 – 1 C 10662/11 –, BauR 2012, 1361; vgl. auch BVerwG, U. v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 –,
BauR 2013, 191; zum Ziel der von Bebauung freizuhaltenden Flächen vgl. BVerwG, B. v. 16.12.2013
– 4 BN 18.13 –, ZfBR 2014, 390 (amtl. Leitsatz).
594 BVerwG, B. v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09 –, BauR 2010, 65; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, B. v.
19.1.2010 – 2 S 69.09 –, BauR 2010, 661.
595 Vgl. BVerwG, B. v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 –, BauR 2011, 481.
596 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 23.6.2014 – 2 B 418/14.NE – ZfBR 2015, 283.
597 Vgl. BVerwG, B. v. 15.3.2015 – 4 BN 9/12 –, BauR 2012, 1067.
598 Vgl. VGH Bayern, U. v. 12.12.2013 – 15 N 12.1020 –, BeckRS 2013, 59872.
599 So jedenfalls das Niedersächsische OVG, 15.10.1999 – 1 M 3614/99 –, ZfBR 2000, 141 (ein Austausch
der Planungsabsichten führt zur Unwirksamkeit der Veränderungssperre).
600 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 19.12.2006 – 2 A 21/05 –, LKV 2007, 468. Vgl. auch BVerwG,
B. v. 10.10.2007 – 4 BN 36.07 –, BauR 2008, 328.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ger Aufstellung eines Bebauungsplans zum Einsatz kommen, sondern ebenso gut bei
der Änderung, Ergänzung oder auch Aufhebung.601
Bild 41: Sicherung der verbindlichen Bauleitplanung durch Veränderungssperre, Zurück-
stellung von Baugesuchen und Untersagung von Vorhaben

§§-Fahrplan: Veränderungssperre und Zurückstellung von Bau- §§


gesuchen

Voraussetzung: Aufstellungsbeschluss 14 Abs. 1


1 (vorher auch keine Zurückstellung oder Untersagung
nach § 15)
Max.
ein Zurückstellung von Baugesuchen oder einstweilige 15
Jahr Untersagung von Vorhaben durch die Baugenehmi-
gungsbehörde auf Antrag der Gemeinde
2 Beschluss der Veränderungssperre als Satzung 16 Abs. 1

Gilt Damit sind grundsätzlich verboten und nur ausnahms- 14 Abs. 1


zunächst weise zulässig:
für zwei – alle baulichen Vorhaben i. S. d. § 29
Jahre – alle erheblichen Veränderungen von Grundstücken (z. B.
Abholzen, möglicherweise auch die Teilung)
– alle wertsteigernden Veränderungen von Grundstücken
und baulichen Anlagen
Verl.
um ein Die Gemeinde kann die Geltungsdauer der Sperre ohne 17 Abs. 1
Jahr besondere Gründe um ein Jahr verlängern.

Verl. Wenn besondere Umstände es erfordern, kann die Ge- 17 Abs. 2


um ein meinde die Sperre um ein weiteres Jahr verlängern.
Jahr

Nach vier Jahren: Beginn der Entschädigungspflicht 18

Erneu- Bei besonders komplizierten Planungsverfahren kann 17 Abs. 3


ter die Gemeinde eine abgelaufene Sperre ganz oder teilweise
Beschl. neu beschließen. Sie wird dann aber entschädigungs-
pflichtig.

Durch die Veränderungssperre werden alle baulichen Vorhaben im Gebiet der Sperre
(das sich nicht unbedingt mit dem Plangebiet decken muss, dies aber in der Regel tut)
untersagt, auch diejenigen, die von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht
freigestellt sind. Untersagt sind auch solche „erheblichen“ Veränderungen der von der
Sperre betroffenen Grundstücke, die nicht den Begriff des baulichen Vorhabens erfül-
len; dazu gehört z. B. das Abholzen eines bislang bewaldeten Grundstücks oder die
Freilegung von Geröll und Gestein. Nur ausnahmsweise kann die Baugenehmigungs-
behörde Vorhaben und Veränderungen zulassen, „wenn überwiegende öffentliche Be-
lange nicht entgegenstehen“. Das ist der Fall, wenn das Vorhaben mit der laufenden
Planung in Übereinstimmung steht. Eine solche Ausnahme muss auch für sonst nicht
genehmigungspflichtige (freigestellte) bauliche Vorhaben beantragt werden. Die Ent-

601 Zum Einsatz der Veränderungssperre bei der Aufhebung eines B-Plans vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.
v. 17.10.2012 – 1 C 10493/12 –, ZfBR 2013, 58.

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Sicherung der Bauleitplanung VII.

scheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit


der Gemeinde. Einer Gemeinde steht es frei, die Satzung über eine Veränderungssperre
in der Weise zu spezifizieren, dass das Durchführungsverbot auf bestimmte Vorhaben
beschränkt bleibt.602 In diesem Fall sollte sich die Gemeinde aber sicher sein, alle
denkbaren städtebaulichen Fehlentwicklungen verhindern zu können.
Bereits erteilte Baugenehmigungen behalten ihre Gültigkeit – auch als verbindlich aus-
gestellte Vorbescheide, mit denen allein die planungsrechtliche Seite geklärt worden
ist603. Einem Genehmigungsbescheid steht es gleich, wenn das Vorhaben vor Beginn
der Veränderungssperre „aufgrund eines anderen baurechtlichen Verfahrens zulässig“
geworden ist, z. B. durch den Ablauf der Wartefrist nach Mitteilung oder Anzeige eines
genehmigungsfrei gestellten Vorhabens (§ 14 Abs. 3). Nicht ausreichend ist jedoch ein
Verpflichtungsurteil auf Erteilung einer Genehmigung oder eines Vorbescheids. Selbst
einem rechtskräftigen Urteil kann noch durch eine Vollstreckungsabwehrklage nach
§ 767 ZPO seine Wirkung entzogen werden604. Stabil ist demnach nur ein bereits
erteilter, sich als rechtsmäßig erweisender oder nach Ablauf der Widerspruchsfrist be-
standskräftiger Bescheid. § 14 Abs. 3 regelt nicht abschließend, welche Vorhaben von
einer Veränderungssperre unberührt bleiben, denn für verfahrensfreie Vorhaben trifft
die Vorschrift keine Aussage. Ob ein verfahrensfreies Vorhaben, mit dessen Ausfüh-
rung vor dem In-Kraft-Treten einer Veränderungssperre zwar begonnen wurde, aber
bei In-Kraft-Treten noch nicht fertig gestellt ist, von dem Veränderungsverbot des § 14
Abs. 1 Nr. 1 erfasst wird, hängt nach dem Bayerischen VHG davon ab, ob der Bauherr
darauf vertrauen durfte, dass sich die Rechtslage nach Baubeginn nicht mehr zu seinem
Nachteil durch das In-Kraft-Treten einer Veränderungssperre ändert605.
Die Sperre dauert nach § 17 Abs. 1 zunächst zwei Jahre; sie kann zweimal um je ein
Jahr verlängert werden, das zweite Mal allerdings nur, „wenn besondere Umstände es
erfordern“. Die Verlängerung muss wirksam werden, bevor die ursprüngliche Sperre
abgelaufen ist. Das OVG Berlin hat solche besonderen Gründe z. B. im Zusammen-
hang mit der Vorbereitung der Bundesgartenschau 1985 in Berlin anerkannt: Die Pla-
nung eines Erholungsparks auf einer 106 ha großen Fläche mit zwölf Bebauungsplä-
nen hebe sich von der üblichen Planung so stark ab, dass eine Verlängerung der
Veränderungssperre über drei Jahre hinaus gerechtfertigt sei606. Anstelle einer Verlän-
gerung kann die Sperre auch nach zwei oder drei Jahren neu beschlossen werden,
wenn die Anordnungsgründe nach wie vor vorhanden sind. Dieser Fall kann z. B.
vorliegen, wenn ein Bebauungsplan, dessen Inhalte während der Planaufstellung durch
eine Veränderungssperre geschützt wurden, für unwirksam erklärt wurde, und die
Gemeinde für das betreffende Gebiet einen Aufstellungsbeschluss mit dem Ziel fasst,
die im Normenkontrollverfahren beanstandeten Festsetzungen zu ändern und den Plan
im Übrigen gegenüber dem unwirksam gewordenen unverändert zu lassen607. Das
Sicherungsbedürfnis kann umgekehrt in Frage gestellt sein, wenn absehbar ist, dass
sich die Planung nicht innerhalb der Maximalzeit von vier Jahren umsetzen lässt.
Jedenfalls darf die planerische Konzeption mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht
schlechthin unerreichbar sein608.
Vier Jahre lang muss die Veränderungssperre entschädigungslos hingenommen wer-
den. Ist das Planverfahren nach vier Jahren immer noch nicht abgeschlossen, so kann

602 VGH Baden-Württemberg, U. v. 2.9.2015 – 3 S 276/15 – ZfBR 2016, 69 (Leitsatz).


603 BVerwG, U. v. 3.2.1983 – 4 C 39/82 –, NJW 1984, 1473.
604 Vgl. BVerwG, U. v. 19.9.2002 – 4 C 10.01 –, ZfBR 2003, 148.
605 Bayerischer VGH, B. v. 9.9.2009 – 1 CS 09.1292 –, BauR 2010, 116.
606 OVG Berlin, B. v. 13.7.1984 – 2 A 4.81 –, BRS 42, Nr. 101; zum Nachweis der besonderen Umstände
vgl. auch VGH Baden-Württemberg, B. v. 17.1.1994 – 8 S 1853/93 –, BauR1994, 344.
607 Vgl. BVerwG, B. v. 29.3.2007 – 4 BN 13.07 –, JurionRS 2007, 13018.
608 Vgl. OVG Niedersachsen, U. v. 13.8.2013 – 1 KN 69/11 – ZfBR 2013, 795; vgl. auch Niedersächsi-
sches OVG, U. v. 15.1.2015 – 1 KN 61/14 –, ZfBR 2015, 492.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

die Sperre zwar neu beschlossen werden, wenn es für die Dauer des Planungsverfah-
rens besondere, ganz wichtige Gründe gibt; lagen diese Gründe jedoch nicht vor, ist die
Sperre rechtswidrig und muss aufgehoben werden, auch wenn die Gemeinde dadurch
Schaden erleidet609. Eine erneute Verabschiedung der Veränderungssperre nach Ablauf
der vier Jahre kann für die Gemeinde jedoch teuer werden, da sie den oder die Betrof-
fenen für die nach Ablauf der vier Jahre entstehenden Vermögensnachteile entschädi-
gen muss. Als Entschädigungsbetrag ist die Summe zu zahlen, die ein Nutzer als Miet-,
Pacht- oder Erbbauzins für das Recht gezahlt hätte, auf dem Grundstück diejenigen
Nutzungen vorzunehmen, die die Veränderungssperre unterbunden hat. Hiervon ist
der Wert der Nutzung abzuziehen, den zu erzielen der Betroffene durch die Verände-
rungssperre nicht gehindert war (eine Entschädigung kommt selbstverständlich nur
für diejenigen in Frage, deren Grundstücke ohne die Sperre zulässigerweise hätten
bebaut werden können)610.
Sehr wichtig ist, dass eine Entschädigungspflicht nicht nur durch eine förmlich als
Satzung beschlossene Veränderungssperre, sondern auch durch eine sog. faktische
Bausperre611 ausgelöst werden kann. Eine faktische Bausperre liegt zum ersten vor,
wenn die Gemeinde eine zwar faktisch durchaus wirksame, sich aber später als rechts-
widrig und nichtig herausstellende Veränderungssperre beschlossen hat; die Nichtig-
keit kann sowohl auf der Verletzung von Form- oder Verfahrensvorschriften beim
Erlass der Satzung als auch auf materiellen Rechtsfehlern beruhen. Zum zweiten ist
eine faktische Bausperre gegeben, wenn die Baugenehmigungsbehörde Baugesuche
nicht bearbeitet oder mit der Erklärung, die Erteilung einer Baugenehmigung sei ausge-
schlossen, den Eigentümer von der Stellung von Baugesuchen oder von der Veräuße-
rung des Grundstücks abgehalten hat.
Für eine solche faktische Bausperre ist der Betroffene wie folgt zu entschädigen: Lagen
die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14
vor, dann hat die Behörde zwar formell, aber nicht materiell rechtswidrig gehandelt,
als sie sich so verhielt, als gebe es eine Sperre. Denn sie hätte, wenn sie nur gewollt
hätte, die Satzung jederzeit erlassen können. Ausgehend von dem Grundsatz, dass
Veränderungssperren regulär vier Jahre entschädigungslos hingenommen werden müs-
sen, braucht der Betroffene nur für den Zeitraum entschädigt zu werden, der über drei
Jahre hinausreicht612. Ein Jahr bekommt die Gemeinde von der entschädigungsfreien
Zeit abgezogen, weil sie Arbeit und Zeit zur Aufstellung der Veränderungssperre ge-
spart hat.
Fehlt es dagegen auch an den materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verän-
derungssperre, dann braucht der Betroffene die Sperre von vornherein nicht entschädi-
gungslos zu dulden. Ihm ist unter den materiellen Voraussetzungen des § 18 eine Ent-
schädigung von Anfang an zu gewähren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der
Bürger bei rechtswidrigem Vorgehen der öffentlichen Verwaltung nicht die Wahl hat,
ob er sein Recht gerichtlich geltend machen will oder ob er sich lieber gleich mit einer
Entschädigung für das ihm angetane Unrecht zufriedengeben will. Hat der Bürger
erkennbaren Grund, an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns zu zweifeln,
so muss er Rechtsbehelfe ergreifen613. Unterlässt er dies schuldhaft, so steht ihm für
die Nachteile, die durch Einlegung von Rechtsmitteln hätten vermieden werden kön-
nen, keine Entschädigung zu. Faktische Bausperren sind rechtswidrig. Der Bürger ist

609 BVerwG, U. v. 10.9.1976 – 4 C 39/74 –, NJW 1977,400.


610 BGH, U. v. 25.9.1980 – III ZR 18/79 –, ZfBR 1981, 44 (47); vgl. auch BGH, U. v. 4.6.1962 – III ZR
163/61 –, BGHZ 37, 269; BGH, U. v. 14.12.1978 – III ZR 77/76 –, BGHZ 73, 161.
611 Zur faktischen Bausperre vgl. BVerwG, B. v. 21.3.2013 – 4 B 1.13 –, ZfBR 2013, 478.
612 BGH, U. v. 10.2.1972 – III ZR 188/69 –, BGHZ 58, 124.
613 BVerfG, B. v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58, 300; BGH, U. v. 26.1.1984 – III ZR 216/82 –,
DVBl. 1984, 391.

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Sicherung der Bauleitplanung VII.

deshalb gehalten, seinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichtlich


geltend zu machen. Sieht er davon ab, kann er nur noch den Schaden liquidieren, der
in der Zeit entstanden ist, die auch ein gerichtliches Verfahren gedauert hätte614. Das
Zivilgericht muss dazu die voraussichtliche Dauer des Verfahrens ermitteln, was ange-
sichts der regionalen Unterschiede und der unbekannten Rechtsmittelfreudigkeit der
beklagten Gemeinde ein schwieriges Unterfangen ist.
Das Institut der Veränderungssperre ist sehr gut geeignet, den Unterschied anschaulich
zu machen zwischen staatlichen Eingriffen, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit
des Eigentums entschädigungslos hinzunehmen sind, und Eingriffen, die wegen ihrer
Intensität nur gegen Entschädigung zulässig sind.
Die ersten vier Jahre der Veränderungssperre müssen vom Eigentümer entschädigungs-
los hingenommen werden – sie sind Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Benötigt eine Gemeinde aber mehr als vier Jahre für den Planungsvorgang, so über-
schreitet sie damit die Grenze des für die Eigentümer im Rahmen der Sozialpflichtig-
keit Zumutbaren – sie greift so stark in die Substanz des Grundeigentums ein, dass
sie die Eigentümer dafür entschädigen muss. Diese Entschädigungspflicht besteht so-
wohl dann, wenn die Veränderungssperre rechtmäßig mehr als vier Jahre aufrechter-
halten wird, als auch dann, wenn sich vor Gericht herausstellt, dass eine Sperre länger
aufrechterhalten wurde, als es bei ordnungsgemäßer Arbeitsweise erforderlich gewesen
wäre. Denn Folgendes sollte unmittelbar einleuchten: Wenn schon der Eigentümer, der
rechtmäßig von einer mehr als vier Jahre dauernden Sperre betroffen ist, entschädigt
wird, dann ist es erst recht notwendig und gerecht, dass auch der über vier Jahre
hinaus von einer rechtswidrigen Veränderungssperre betroffene Eigentümer entschä-
digt werden muss.
Man muss sich allerdings klarmachen, dass die Entschädigungsvorschrift des § 18 für
den Fall der rechtswidrigen Veränderungssperre unmittelbar nicht anwendbar ist; denn
diese Norm regelt nur die Entschädigungspflicht für eine rechtmäßig über vier Jahre
hinaus verhängte Sperre. Die Entschädigungspflicht für rechtswidrig veranlasste oder
verlängerte Sperren steht nicht im Gesetz. Sie folgt aus dem von der Rechtsprechung
des BGH entwickelten Rechtsgrundsatz der Entschädigungspflicht der öffentlichen
Hand für enteignungsgleiche Eingriffe. Dieser Rechtsgrundsatz lautet: Sofern jemand
für einen staatlichen Eingriff mit Rücksicht auf dessen intensive, gleichsam enteig-
nende Wirkung zu entschädigen wäre, wenn dieser Eingriff rechtmäßig wäre, dann
muss er für einen rechtswidrigen, der rechtmäßigen Enteignung in der Wirkung glei-
chen (also enteignungsgleichen) Eingriff erst recht die gleiche Entschädigung erhal-
ten615. Als Einschränkung ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts616 zu
beachten, wonach man sich gegen rechtswidrige Eingriffe primär wehren muss und
nur dann und nur insoweit Entschädigung verlangen kann, als das Wehren nichts
genützt hat oder nichts genützt hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner be-
rühmten „Nassauskiesungsentscheidung“ klargestellt, dass eine „Enteignung“ nur
dann vorliegt, wenn gezielt in das Eigentum eingegriffen wird. Ein Gesetz, das einen
solchen Eingriff erlaubt, muss in Befolgung der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3
GG (eine Enteignung ist nur aufgrund eines Gesetzes zulässig, das zugleich die Ent-
schädigung regelt) eine Entschädigungsregelung enthalten. Ist ein solches Gesetz nicht
vorhanden oder liegen dessen Eingriffsvoraussetzungen nicht vor, kann und muss der
Eingriff vom Betroffenen direkt bekämpft werden, wenn er sich wehren möchte. Eine

614 BGH, U. v. 17.12.1981 – III ZR 72/80 –, ZfBR 1982, 133.


615 Zur rechtswidrigen Veränderungssperre vgl. BGH, U. v. 14.12.1987 – III ZR 77/76 –, BGHZ 73, 161;
vgl. auch BGH, U. v. 23.6.1988 – III ZR 8/87 –, ZfBR 1989, 33: Unterbrechung des Abbaus von
Bodenschätzen zur Sicherung erdgeschichtlicher Bodenfunde als entschädigungspflichtiger Eingriff mit
enteignender Wirkung; vgl. auch BGH, U. v. 30.11.2006, – III ZR 352/04 –, BauR 2007, 864–867.
616 BVerfG, B. v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58, 300 (Nassauskiesung).

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Entschädigung bekommt er bei Unterlassung eines Direktangriffs nur dann, wenn ihm
der Angriff nicht zuzumuten war – z. B., weil ihm die zuständige Verwaltung glaubhaft
und seriös von Widerspruch und Klage abgeraten hat – oder wenn er sich in angemes-
sener Zeit gar nicht wehren konnte. „Der Bürger muss nicht klüger sein als der Be-
amte“ – so hat der BGH617 in diesem Zusammenhang geurteilt. Als Rechtsgrundlage
der Entschädigung nimmt der BGH dann einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch aus
„Aufopferung für das gemeine Wohl“ an, so wie er ursprünglich im Preußischen Allge-
meinen Landrecht geregelt war.

2. Zurückstellung von Baugesuchen und einstweilige Untersagung von Vorhaben


Das im Prinzip so wirkungsvolle Instrument der Veränderungssperre kann zu spät
kommen, wenn ein Eigentümer noch vor dem Aufstellungsbeschluss der Gemeinde
von dem beabsichtigten neuen Plan „Wind bekommen“ hat oder wenn die Verände-
rungssperre zwar vom Gemeinderat schon beschlossen, aber noch nicht im Amtsblatt
veröffentlicht und daher noch nicht rechtsverbindlich geworden ist. Wenn das uner-
wünschte Vorhaben der präventiven Genehmigungspflicht unterliegt, kann die Ge-
meinde als letzte Nothilfe die Zurückstellung des Baugesuchs verlangen; handelt es
sich um ein genehmigungsfreies Vorhaben, kann sie die vorläufige Untersagung des
Vorhabens herbeiführen. Beide Möglichkeiten sind in § 15 geregelt.618 In § 15 Abs. 1
Satz 1 ist angeordnet, dass die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde
die Entscheidung über ein Baugesuch bis zu zwölf Monate zurückstellen muss, wenn
die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre vorliegen, die Veränderungssperre
aber noch nicht beschlossen oder noch nicht in Kraft getreten ist. Unter den gleichen
Voraussetzungen wird die Bauaufsichtsbehörde durch § 15 Abs. 1 Satz 2 verpflichtet,
ein genehmigungsfreies Vorhaben auf Antrag der Gemeinde vorläufig zu untersagen.
Über § 36 Abs. 1 Satz 3 ist sichergestellt, dass die Gemeinde über jedes bauliche Vor-
haben in ihrer Gemarkung rechtzeitig vor Baubeginn informiert wird. Die Länder
müssen den Gemeinden so viel Vorlaufzeit vor Baubeginn einräumen, dass sie über
die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung noch geordnet
entscheiden können.
Praktisch häufig ist der Fall, dass die Gemeinde mit einem Aufstellungsbeschluss für
einen Bebauungsplan und dem Beschluss zur Aufstellung einer Veränderungssperre
erst reagiert, nachdem ein unliebsames Baugesuch eingegangen ist oder die Mitteilung
über das beabsichtigte Vorhaben vorliegt. Sobald die Gemeinde Kenntnis von dem
Vorhaben erlangt hat, fasst sie den Aufstellungsbeschluss und beschließt gleichzeitig
die Veränderungssperre619. Unmittelbar im Anschluss daran wird der Antrag auf Zu-
rückstellung bzw. vorläufige Untersagung bei der Baugenehmigungsbehörde einge-
reicht; die einstweilige Untersagung bzw. Zurückstellung wirkt dann für maximal
zwölf Monate, gerechnet vom Eingang der Zurückstellung beim Antragsteller (wobei
die Baugenehmigungsbehörde den Antragsteller innerhalb von drei Monaten beschei-
den muss). Die Bauaufsichtsbehörde muss ihre Entscheidung dem Bauantragsteller
durch anfechtbaren Bescheid (also durch Verwaltungsakt) mitteilen. Der Bauantrag-
steller kann Widerspruch einlegen; der Widerspruch hat nach dem BGH620 aufschie-
bende Wirkung; es ist also sehr zweckmäßig, jede Zurückstellung mit der Anordnung
der sofortigen Vollziehung zu versehen. Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist das besondere
Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Eine Zurückstellung
ist sogar noch nachträglich möglich, wenn ein Baugesuch zunächst rechtswidrig abge-

617 BGH, U. v. 15.11.1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17 (25).


618 Zur Zurückstellung im Zusammenhang mit der Steuerung von Tierhaltungsanlagen vgl. Niedersächsi-
sches OVG, B. v. 14.11.2011 – 1 ME 181/11 –, BauR 2012, 226.
619 Zulässig: BVerwG, B. v. 9.2.1989 – 4 B 236.88 –, ZfBR 1989, 171.
620 BGH, B. v. 26.7.2001 – III ZR 206.00 –, ZfBR 2001, 557.

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lehnt worden ist und sich im Widerspruchsverfahren herausstellt, dass es genehmigt


werden müsste. Wenn die Gemeinde bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens
die notwendigen Voraussetzungen für ein Zurückstellungsgesuch schafft (also einen
Planaufstellungsbeschluss für das betreffende Grundstück fasst), kann sie dem unwill-
kommenen Baugesuch schließlich doch noch den Weg verstellen. Sogar während des
Verwaltungsstreitverfahrens können noch eine Zurückstellung und Veränderungs-
sperre herbeigeführt werden621, und zwar sogar nach rechtskräftiger Verurteilung zur
Erteilung der Genehmigung. In diesem Fall muss dann eine Vollstreckungsgegenklage
angestrengt werden. Zu spät kommt die Gemeinde nur dann, wenn das Vorhaben
bereits genehmigt ist; dabei kommt es nicht darauf an, ob die erteilte Baugenehmigung
angefochten wird und daher (zunächst) nicht bestandskräftig wird622. Wie lange die
einstweilige Untersagung eines genehmigungsfrei gestellten Vorhabens von der Ge-
meinde bei der Bauaufsicht beantragt werden kann, hängt vom Landesrecht ab. Hier
gelten sehr viel kürzere Fristen623. Logischerweise kann diese Frist nicht länger sein als
die Wartefrist des Bauwilligen nach Abgabe seiner Mitteilung über das beabsichtigte
Vorhaben bei der zuständigen Behörde.
Während der Zeit einer erfolgten Zurückstellung bzw. Untersagung muss die Ge-
meinde dafür sorgen, dass die Veränderungssperre in Kraft tritt. Auf diese Weise wird
der Bauantrag dann für den gesamten Planungszeitraum nicht genehmigungsfähig (es
sei denn, das beantragte Vorhaben ist mit den beabsichtigten Festsetzungen vereinbar).
Die Gemeinde muss allerdings bedenken, dass der Zeitraum der Zurückstellung eines
Baugesuchs ebenso wie der Zeitraum einer faktischen Bausperre vor Erlass einer recht-
mäßigen Veränderungssperre auf die Vierjahresfrist angerechnet wird, nach deren Ab-
lauf die Gemeinde den „gesperrten Bauherrn“ für die danach entstehenden Vermö-
gensnachteile zu entschädigen hat624. Mit Rücksicht auf die individuell mögliche
Zurückstellung von Baugesuchen kann die Entschädigungspflicht für Grundeigentü-
mer im Bereich einer einheitlichen Veränderungssperre zu unterschiedlichen Zeiten
beginnen. Der Zeitraum der faktischen Zurückstellung einer Bauvoranfrage ist nicht
auf die Frist einer Veränderungssperre anzurechnen, wenn der Bauwillige diese aus
eigenem Entschluss zurückgezogen hat. Ist das Baugesuch offensichtlich nicht geneh-
migungsfähig, hat dies ebenfalls keinen Einfluss auf die Frist.625
Seit dem EAG Bau ist das Instrument der Zurückstellung auch auf der Grundlage
eines in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans möglich, sofern in diesem Plan
Konzentrationsflächen dargestellt werden sollen. In diesem Fall ist es möglich, privile-
gierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2–6 für einen Zeitraum von einem Jahr zurück-
zustellen. Von dieser Möglichkeit wird in Zeiten der Energiewende insbesondere im
Zusammenhang mit der Genehmigungsplanung von Windkraftanlagen Gebrauch ge-
macht. Gerade hier gilt obige Empfehlung, die Zurückstellung mit sofortiger Vollzie-
hung zu versehen626. Voraussetzung für eine Zurückstellung ist, dass die Gemeinde
beschlossen hat, durch Flächennutzungsplanung eine oder mehrere Konzentrationsflä-
chen mit Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 hinsichtlich des in Rede stehen-
den Vorhabens einzurichten, und dass zu befürchten steht, die Durchführung der Pla-

621 Niedersächsisches OVG, U. v. 27.3.1981 – 1 A 158/80 –, BRS 38 Nr. 111.


622 Vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 9.3.1999 – 1 M 405/99 –, ZfBR 1999, 226.
623 In Baden-Württemberg z. B. ist der Antrag auf einstweilige Untersagung nur innerhalb eines Monats
nach Eingang der vollständigen Bauvorlagen bei der Gemeinde möglich: So der VGH Baden-Württem-
berg, B. v. 4.12.2000 – 8 S 2633/00 –, BauR 2001, 607.
624 BVerwG, U. v. 11.11.1970 – 4 C 79.68 –, DVBl. 1971, 468 und BGH, U. v. 17.12.1981 – III ZR 72/
80 –, ZfBR 1982, 133. Vgl. auch BVerwG, B. v. 21.3.2013 – 4 B 1.13 –, ZfBR 2013, 478 sowie VGH
Baden-Württemberg, U. v. 2.9.2015 – 3 S 276/15 – ZfBR 2016, 69 (Leitsatz).
625 Vgl. BVerwG, B. v. 13.10.2014 – 4 B 11.14 –, ZfBR 2015, 170; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v.
12.12.2013 – 10 A 332/08 –, ZfBR 2014, 274.
626 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 22.11.2006 – 8 B 11378/06 –, BauR 2007, 520.

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nung würde sonst durch das strittige Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich
erschwert werden. Die Zurückstellung ist auch möglich, wenn sich das Genehmigungs-
verfahren nach dem BImSchG richtet und die für die Genehmigung zuständige Be-
hörde nicht die in § 15 Abs. 3 ausdrücklich genannte Baugenehmigungsbehörde ist.
Umstritten ist noch die Frage, ob es nach Ablauf der Zurückstellung möglich ist, das
beantragte Vorhaben schon auf der Grundlage eines nur planreifen Flächennutzungs-
plans endgültig abzulehnen627.
Bis zur BauGB-Novellierung im Jahr 2013 war die Zurückstellung für längstens ein
Jahr möglich. Deshalb mussten Flächennutzungspläne mit Konzentrationswirkung bis-
lang innerhalb dieses Zeitraums nach dem Zurückstellungsantrag wirksam geworden
sein, um das Vorhaben sicher zu verhindern628. Angesichts des in der Regel umfangrei-
chen Untersuchungs-, Abstimmungs- und Abwägungsaufwands bei der kommunalen
Steuerung der Windkraftnutzung oder der Biomasse stellt eine auf zwölf Monate be-
schränkte Frist eine echte Herausforderung für die planaufstellende Kommune dar,
wenn sie sich noch im Anfangsstadium der Planung befindet. Der Gesetzgeber hat
erkannt, dass das Zeitfenster für die Steuerung der Windenergie oder der Biomasse in
vielen Fällen zu kurz bemessen sein kann. Aus diesem Grund hat er der Genehmi-
gungsbehörde das Recht zugestanden, die in § 15 Abs. 3 Satz 1 geregelte Zurückstel-
lungsfrist von zwölf Monaten auf Antrag der planaufstellenden Kommune um höchs-
tens ein weiteres Jahr zu verlängern. Allerdings ist die Möglichkeit an die Bedingung
gekoppelt, dass „besondere Umstände“ diese Verlängerung erfordern. Dieser Zusatz
birgt in sich Sprengstoff. Im Bereich der Windenergie wird man davon ausgehen kön-
nen, dass Windkraftbetreiber das Vorliegen „besonderer Umstände“ stets hinterfragen
und gerichtlich angehen werden. Vor diesem Hintergrund sollte sich die Kommune
eine Art „Fahrtenbuch“ anlegen (leicht aus der Verfahrensakte ableitbar), aus dem
sich ergibt, dass sie ohne Zeitverzug an dem F-Plan gearbeitet hat und eine noch
zügigere Vorgehensweise weitgehend ausgeschlossen war. Gute Karten zur Begrün-
dung der besonderen Umstände wird die Gemeinde dann haben, wenn die Fristverlän-
gerung wegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gemeinde nicht selbst zu ver-
antworten hat, erforderlich ist (solche „besonderen Umstände“ sind auch
Voraussetzung für eine Verlängerung einer Veränderungssperre um ein weiteres – vier-
tes – Jahr). So wird man der Gemeinde beispielsweise zugestehen müssen, einen Sat-
zungsbeschluss eines Regionalplans zur Steuerung erneuerbarer Energien oder aber
einen angekündigten und absehbar vor der Veröffentlichung stehenden (erneuten) Ent-
wurf eines Regionalplans noch abzuwarten, um sicher zu sein, dass die Bauleitplanung
an die Ziele der Raumordnung angepasst ist bzw. in Aufstellung befindliche Ziele der
Raumordnung ausreichend berücksichtigt wurden. Auch wenn der Flächennutzungs-
plan unmittelbar vor dem Inkrafttreten steht, nur noch die Genehmigung aussteht und
die Gemeinde die Planung ohne vorwerfbaren Zeitverzug auf den Weg bringt, sollten
die „besonderen Umstände“ bereits vorliegen. Schwierig könnte es für eine Gemeinde
werden, wenn sich Zeitverzögerungen dadurch einstellen, dass der Flächennutzungs-
plan erneut öffentlich ausgelegt werden muss, weil er korrekturbedürftige materielle
Fehler enthält, die bereits im vorangegangenen Entwurf nicht notwendig gewesen wä-
ren oder weil selbst verantwortete Formfehler (Wiederholung wegen falscher Fristen

627 Vgl. BGH, U. v. 2.12.2010 – III ZR 251/09 –, BauR 2011, 814; BVerwG, U. v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 –,
BauR 2010, 1879; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 18.2.2005 – 7 B 10012/05 –, BauR 2005, 1897 sowie
OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 4.2.2010 – 8 B 1652/09 –, NVwZ-RR 2010, 475. Vgl. auch OVG
Niedersachen, B. v. 7.10.2004 – 1 ME 169/04 –, BauR 2005, 69.
628 Vgl. Schmidt-Eichstaedt, Gerd; Zurückstellung von Baugesuchen und gemeindliches Einvernehmen; in:
BauR 2011, 1754.

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Sicherung der Bauleitplanung VII.

bei der ersten Auslegung) wieder gutgemacht werden müssen629. Nach dem OVG
Nordrhein-Westfalen sind besondere Umstände abstrakt dann gegeben, wenn sich das
Planverfahren von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstä-
tigkeit abhebt, sich also z. B. Planungsumfang, Schwierigkeitsgrad oder Verfahrensab-
lauf deutlich vom Durchschnitt absetzen und sich daher eine längere Planungszeit
rechtfertigen lässt.630Bei der Berechnung der Frist ist der Zeitraum zwischen dem Ein-
gang des Baugesuchs bei der zuständigen Behörde bis zur Zustellung des Bescheids
zur Zurückstellung des Baugesuchs nicht anzurechnen, soweit der Zeitraum für die
Bearbeitung des Baugesuchs erforderlich ist. Der Antrag der Gemeinde auf Zurückstel-
lung kann auch noch nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist des § 36 Abs. 2 gestellt
werden – gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 hat die Gemeinde längstens sechs Monate Zeit,
nachdem sie von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat. In jedem Fall
muss der Antrag bei der Zulassungsbehörde eingegangen sein, bevor das Vorhaben
genehmigt worden ist. Daher ist jedes zeitliche Taktieren über die Zwei-Monats-Frist
des § 36 Abs. 2 hinaus risikobehaftet, wenn die Gemeinde nicht über den Stand der
Unterlagenprüfung und den voraussichtlichen Zeitraum der Entscheidung bei der Zu-
lassungsbehörde Bescheid weiß. Im Genehmigungsverfahren hat die Zulassungsbe-
hörde gemäß § 10 Abs. 6a BImSchG sieben Monate Zeit für die Entscheidung über
den Antrag. Erfolgt die Genehmigungsentscheidung im vereinfachten Verfahren nach
§ 19 BImSchG, verbleiben sogar nur drei Monate. Der Bayerische VGH verlangt als
Voraussetzung für die Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 ein Mindestmaß an planeri-
scher Konzeption. Die planerischen Vorstellungen dürfen im Zeitpunkt des Zurück-
stellungsersuchens nicht völlig offen sein. Der mögliche Inhalt des zu erwartenden F-
Plans muss bereits erkennbar sein. Dafür reicht es nicht aus, wenn nach dem Stand
der Planung eine bloße (verbotene) Negativplanung zu erwarten ist.631

3. Teilungsgenehmigungen
Die Möglichkeiten, die flächige Teilung von Grundstücken planungsrechtlich genehmi-
gungspflichtig zu machen, sind durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 erheb-
lich eingeschränkt und durch das EAG Bau 2004 nahezu vollständig abgeschafft wor-
den.
Bis 1998 konnte die Teilung von Grundstücken in planungsrechtlich relevanten Fällen
ohne vorherige Genehmigung nicht grundbuchrechtlich vollzogen werden. Diese Tei-
lungsgenehmigung für Grundstücke war in den §§ 19 bis 21 geregelt. Sie hatte zum
einen den Sinn, im Interesse der öffentlichen Bauleitplanung zu verhindern, dass durch
Teilungen Grundstücke geschaffen werden, die für eine Bebauung nicht (mehr) geeig-
net sind. Zum anderen sollten potenzielle Käufer vor dem Erwerb von nach einer
Teilung nicht mehr bebaubaren Grundstücken geschützt werden. Während die Geneh-
migungspflicht früher für die Teilung aller im räumlichen Bereich einer Gemeinde
befindlichen Grundstücke, die jetzt oder später bebaut werden können, galt (dies wa-
ren die Gebiete bzw. Grundstücke (a) innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines
Bebauungsplans, (b) in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und städtebaulichen
Entwicklungsbereichen, (c) innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, (d)
im Außenbereich, die für eine Bebauung oder kleingärtnerische Dauernutzung vorgese-
hen sind und (e) im Bereich einer Veränderungssperre), betrifft sie seit dem EAG Bau
nur noch Sanierungsgebiete und städtebauliche Entwicklungsbereiche (§ 144 Abs. 2
Nr. 5 sowie § 169 Abs. 1 Nr. 3). Daneben besteht nur in Fremdenverkehrsgebieten
nach § 22 und in den Gebieten des Besonderen Städtebaurechts (also in den städtebau-

629 Zu den Hürden bei der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3. vgl. VG Wiesbaden, U.v. 17.8.2016 – 4 K
350/16.WI –, BeckRS 2016, 110781.
630 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 25.11.2014 – 8 B 690/14 –, NVwZ-RR, 323.
631 Vgl. Bayerischer VGH, B. v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u. 22 CS 12.356 –, BauR 2012, 1217.

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lichen Sanierungsgebieten und den städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie in


Milieuschutzgebieten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2) die Option, Teilungsvorgänge unter
eine besondere Genehmigungspflicht zu stellen. Dies setzt in Fremdenverkehrsgebieten
eine eigenständige Satzung oder die Steuerung im B-Plan und im Geltungsbereich einer
Milieuschutzsatzung eine gesonderte Rechtsverordnung der Landesregierungen vo-
raus. Die Ermächtigung zum Erlass einer landesweiten Rechtsverordnung ist in § 172
Abs. 1 Satz 4 verankert.
Von den §§ 19 bis 21 übrig geblieben ist nur noch die Definition der Teilung eines
Grundstücks in § 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 2, wo es heißt: „Durch die Teilung eines
Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplans dürfen keine Verhältnisse ent-
stehen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen.“ Dadurch wird
klargestellt, dass sich ein Grundeigentümer nicht auf Bestandsschutz berufen kann,
wenn er auf einem durch Abtrennung verkleinerten Grundstück ohne Einhaltung der
GRZ neu bauen will. Ob die Bebauung auf einem abgetrennten (noch nicht bebauten)
Grundstück verhindert werden kann, bei dessen Errichtung die für das ehemalige un-
geteilte Grundstück festgesetzte GRZ überschritten würde, hängt von den Vorschriften
der jeweiligen Landesbauordnung ab. In Berlin ist das Einschreiten der Bauaufsicht
gegenüber einem solchen Vorhaben vom OVG Berlin gebilligt worden632. In den meis-
ten Bundesländern ist die Teilungsgenehmigung abgeschafft worden oder beschränkt
sich auf Sonderfälle wie die Teilung von Waldgrundstücken.
Neben der Teilung von Grundstücken behandelt der zweite Abschnitt des ersten Teils
im BauGB die Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion – dazu zählen
Kurgebiete, Gebiete für die Fremdenbeherbergung, in einem B-Plan festgesetzte Wo-
chenend- und Ferienhausgebiete, solchen Gebieten nach ihrer Eigenart entsprechende,
im Zusammenhang bebaute Ortsteile sowie sonstige Gebiete mit Fremdenverkehrs-
funktion. In diesen Gebieten bedarf die Bildung von Wohnungseigentum gemäß § 22
der Genehmigung, wenn dies in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Sat-
zung festgesetzt worden ist633. Die Genehmigungspflicht für die Bildung von Woh-
nungseigentum in Fremdenverkehrsgemeinden durfte früher nur in solchen Gemeinden
oder Gemeindeteilen eingesetzt werden, die durch eine Rechtsverordnung der jeweili-
gen Landesregierung zu Gemeinden oder Gemeindeteilen mit Fremdenverkehrsfunkti-
onen erklärt worden waren. Bereits seit 1998 dürfen die Gemeinden aber durch Bebau-
ungsplan oder durch sonstige Satzung selbst darüber befinden, ob sie zur Sicherung
der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion die Bildung von
Wohnungseigentum genehmigungspflichtig machen wollen. Die Einführung einer sol-
chen besonderen Genehmigungspflicht hat insbesondere zum Ziel, in Fremdenver-
kehrsgemeinden die Umwandlung von Wohnungen, Hotels und Pensionen in Eigen-
tumswohnungen zu verhindern. Für Fremdenverkehrsgemeinden können vor allem
Käufer von Zweitwohnungen ein Problem darstellen, die in Deutschland häufig so gut
betucht sind, dass sie es nicht nötig haben, ihre Ferienwohnungen in den Zeiten, in
denen sie sie nicht selbst nutzen können oder wollen, an Fremde zu vermieten. In
diesen Fällen fällt der Wohnraum in den Eigentumswohnungen für die längste Zeit
des Jahres für den Fremdenverkehr aus, sodass sich der Charakter eines Orts als Frem-
denverkehrs- oder Kurort in der Folge stark negativ – in Richtung sog. „Rollladensied-
lungen“ – verändern kann.
Um dieser Negativentwicklung zu begegnen, kann eine Gemeinde für ihre Gebiete mit
Fremdenverkehrsfunktion durch Bebauungsplan oder durch sonstige Satzung bestim-

632 OVG Berlin, B. v. 4.4.2002 – OVG 2 S 6.02 –, ZfBR 2002, 592.


633 Als verfassungsgemäß bestätigt von BVerwG, B. v. 21.4.1994 – 4 B 193.93 –, ZfBR 1994, 246; Begren-
zung der Reichweite auf Gemeindeteile durch BVerwG, U. v. 7.6.1994 – 4 C 21.93 –, ZfBR 1994, 284;
negative Vorbildwirkung als Versagungsgrund wird zu Lasten des Antragstellers vermutet: BVerwG,
U. v. 27.9.1995 – 4 C 12.94 –, ZfBR 1996, 51.

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men, dass die Teilung von Gebäuden zum Zweck der Bildung von Wohnungseigentum
oder die erstmalige Errichtung von Gebäuden mit Wohnungseigentum einer besonde-
ren Genehmigungspflicht unterliegen. Im Gebiet liegende Gemeinbedarfsflächen und
andere „Nicht-Wohn-Flächen“ müssen nicht ausgenommen werden634. Die Genehmi-
gung darf versagt werden, wenn durch die Begründung des Wohnungseigentums die
Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauli-
che Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt werden. Wenn es für einen Grundstücks-
eigentümer infolge der Versagung der Teilungsgenehmigung wirtschaftlich unzumut-
bar wird, das Grundstück zu behalten, muss die Gemeinde das Grundstück von ihm
übernehmen (§ 22 Abs. 7). Zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften kann in der
sonstigen Satzung auch die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden
festgesetzt werden (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB). Damit wird insbesondere der von
gewitzten Makler-Juristen erfundene Umweg der Bildung von Bruchteilseigentum an
Wohngebäuden ökonomisch erschwert, weil die festgesetzten „normalen“ Wohnungs-
größen in der Regel als Ferieneigentum zu groß bzw. zu teuer sind (Bruchteilseigentum
ist kein Wohnungseigentum im Sinne des § 22, weil es sich nur um ideelle Anteile am
Haus handelt; die Genehmigungspflicht nach § 22 erfasste diese Fälle zunächst nicht;
die Veräußerungsverträge wurden so gestaltet, dass den Käufern reale Wohnungen
zugewiesen werden). Um die Bildung von Bruchteilseigentum zu unterbinden, hat der
Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebau-
recht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 die
Bandbreite der Genehmigungsvorbehalte nach § 22 Abs. 1 auch auf diese Fälle erwei-
tert. Die Regelung wurde zudem auf die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder
Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnungen ausgedehnt, wenn die Räume insge-
samt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt sind. Die neuen Rege-
lungsoptionen in § 22 berühren und ersetzen nicht die Möglichkeit, Neben- und
Zweitwohnungen auf Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in einem entspre-
chenden Sondergebiet auszuschließen635.
Die Entscheidungsfristen sind kurz: Sofern eine Gemeinde die Bildung von Wohnungs-
eigentum in Fremdenverkehrsgebieten unter Genehmigungsvorbehalt gestellt hat,
muss die Baugenehmigungsbehörde gem. § 22 Abs. 5 im Einvernehmen mit der Ge-
meinde binnen eines Monats über den Antrag entscheiden. Die Frist kann, sofern die
Prüfung in diesem Zeitraum nicht abgeschlossen werden kann, durch Bescheid an den
Antragsteller bis auf höchstens drei Monate verlängert werden. Das (stets notwendige)
Einvernehmen der Gemeinde gilt nach Ablauf von zwei Monaten seit Eingang des
Ersuchens bei der Gemeinde als erteilt. Rechtswidrige Versagungen der Genehmigung
können zu Entschädigungsansprüchen des Antragstellers wegen Amtspflichtverletzung
oder (bei Schuldlosigkeit der Genehmigungsbehörde) auch wegen enteignungsgleichen
Eingriffs führen636.
Mit der Mitteilung der Gemeinde über die Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts
beim Grundbuchamt fällt die sog. Grundbuchsperre weg und § 22 Abs. 6 Satz 1 ist
nicht mehr anzuwenden.
Die Genehmigungspflicht für die Bildung von Wohnungseigentum in Milieuschutzge-
bieten nach § 172 kann nur durch Initiative der jeweiligen Landesregierung mit dem
Geltungsbereich einer kommunalen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 ver-
bunden werden; die Geltungsdauer dafür auf Landesebene zu erlassender Verordnun-
gen ist auf höchstens fünf Jahre begrenzt. Die Einführung dieser Variante dürfte auf
Großstädte zielen, in denen die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung aus
älteren Wohngebieten mit großen Wohnungen nicht selten ohne bauliche Umstruktu-

634 BVerwG, U. v. 15.5.1997 – 4 C 9.96 –, BauR 1997, 815.


635 Vgl. Niedersächsisches OVG, U. v. 18.9.2014 – 1 KN 123/12 –, obenJur 2014, 21672.
636 BGH, U. v. 3.7.1997 – III ZR 205/96 –, NJW 1997, 3432.

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rierung allein durch Bildung von Wohnungseigentum erfolgt. In den Stadtstaaten


Hamburg und Berlin sowie in den Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Würt-
temberg und Bayern wurden jeweils auf Grundlage der Ermächtigung in § 172 Abs. 1
Satz 4 Umwandlungsverordnungen erlassen.
Die Genehmigung darf von der Gemeinde oder der Baugenehmigungsbehörde im Ein-
vernehmen mit der Gemeinde (vgl. § 173 Abs. 1) nur versagt werden, wenn die Zu-
sammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen er-
halten werden soll. Das Gesetz zählt allerdings in § 172 Abs. 4 eine Reihe von
Gründen auf, in denen die Genehmigung zu erteilen ist. Dazu gehört vorab wirtschaft-
liche Unzumutbarkeit für den Eigentümer; außerdem ist die Genehmigung für folgende
Maßnahmen oder unter folgenden Umständen zu erteilen:
1. Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards einer durchschnittlichen Woh-
nung (dieser Grund zielt eher auf Umbaumaßnahmen als auf die Bildung von Woh-
nungseigentum; die nachfolgenden Gründe gelten jedoch speziell dem Wohnungs-
eigentum);
1a Anpassung einer baulichen Anlage an die baulichen oder anlagentechnischen Min-
destanforderungen der Energieeinsparverordnung;
2. Herstellung von Sondereigentum zugunsten von Miterben oder aufgrund eines
Vermächtnisses;
3. Veräußerung des Sondereigentums an Familienangehörige zur eigenen Nutzung;
4. Erfüllung von Ansprüchen auf Sondereigentum, die durch Vormerkung gesichert
sind;
5. Umnutzung von Gebäuden, die zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt wurden;
6. Verpflichtung des Eigentümers, binnen sieben Jahren ab Begründung des Sonderei-
gentums Wohnungen nur an Mieter zu veräußern (in diesem Fall kann nicht nur
die Bildung, sondern auch die Veräußerung von Sondereigentum am Gebäude
während der Dauer der Verpflichtung von der Genehmigung der Gemeinde abhän-
gig gemacht werden).
4. Die gemeindlichen Vorkaufsrechte
Das Rechtsinstitut des „Vorkaufsrechts“ ist eigentlich im Bürgerlichen Gesetzbuch
geregelt. Das Vorkaufsrecht zielt auf Fallkonstellationen, in denen jemand großes Inte-
resse daran hat, einen bestimmten Gegenstand (z. B. ein Grundstück) zu erwerben, der
Eigentümer dieses Gegenstands aber (noch) nicht bereit ist, hier und heute zu verkau-
fen, dies jedoch vielleicht in der Zukunft tun wird. Eine solche Konstellation tritt
recht häufig zwischen Grundstücksnachbarn auf: Der eine würde sein Gelände gern
erweitern, der andere will (noch) nicht verkaufen. In solchen Fällen kann sich derje-
nige, der gerne kaufen möchte, von seinem Nachbarn wenigstens zusichern lassen,
dass er als Käufer auftreten darf, wenn der Nachbar das Grundstück jemals verkaufen
sollte. Nach § 463 BGB kann der kaufinteressierte Nachbar das Vorkaufsrecht aus-
üben, sobald der Verkäufer mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand
geschlossen hat. Die Ausübung des Vorkaufsrechts führt somit zur Auswechslung des
Käufers. Statt des ursprünglichen Vertragspartners wird der Vorkaufsberechtigte zum
Käufer, und zwar grundsätzlich zu genau den Bedingungen, die mit dem Erstkäufer
vereinbart worden sind. Beim gemeindlichen Vorkaufsrecht verhält es sich genauso,
mit dem Unterschied, dass der Vorkaufsberechtigte die Gemeinde ist. Mit der Aus-
übung des Vorkaufsrechts kommt ein neuer Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und
dem Vorkaufsberechtigten, hier also der Gemeinde, zu den Bedingungen des Verkäu-
fers mit dem Erstkäufer zustande637 – der alte Vertrag zwischen dem Erstkäufer und
dem Verkäufer bleibt erhalten, weil er noch als Grundlage für Rückabwicklungs- und
gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche des Erstkäufers gegenüber dem Verkäu-

637 So BGH, U. v. 15.10.1981 – III ZR 86/80 –, NJW 1982, 2068.

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Sicherung der Bauleitplanung VII.

fer dienen muss. In Bild 42 ist die Dreiecksbeziehung zwischen Verkäufer, privatem
Erstkäufer und der Gemeinde als Vorkaufsberechtigten optisch verdeutlicht.
Das Vorkaufsrecht diente früher häufig dazu, den Grundbesitz einer Familie zusam-
menzuhalten. Wenn nach einem Erbfall der Grundbesitz unter mehreren Familienange-
hörigen aufgeteilt wurde und einer von den Erben das Grundstück an eine familien-
fremde Person verkaufen wollte, dann konnten die Familienangehörigen in den
Kaufvertrag eintreten, um den Grundbesitz in der Familie zu halten. Heute ist einer
der wesentlichsten Einsatzbereiche des Vorkaufsrechts das vom Baugesetzbuch den
Gemeinden eingeräumte Vorkaufsrecht an bestimmten Grundstücken im Gemeindege-
biet. Dabei sind verschiedene Vorkaufsrechte der Gemeinden zu unterscheiden:
– das „allgemeine Vorkaufsrecht“ nach § 24 und
– das „besondere Vorkaufsrecht“ (oder auch „Satzungsvorkaufsrecht“) nach § 25.
Bild 42: Die Wirkungsweise der gemeindlichen Vorkaufsrechte

Das „allgemeine Vorkaufsrecht“ gibt den Gemeinden ein Vorkaufsrecht an folgenden


Grundstücken638 im Gemeindegebiet:
1. an Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, wenn für die betref-
fende Fläche eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Flächen und Maßnah-
men zum Ausgleich im Sinne des § la Abs. 3 (naturschutzrechtlicher Ausgleich)
festgesetzt ist; das Vorkaufsrecht kann in diesem Fall bereits nach Beginn der öf-
fentlichen Auslage des Bebauungsplans ausgeübt werden;
2. an Grundstücken in einem Umlegungsgebiet;
3. an Grundstücken in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet639 und in städte-
baulichen Entwicklungsbereichen;
4. an Grundstücken in Stadtumbaugebieten nach § 171b, wenn für diese eine Satzung
zur Sicherung der Durchführungsmaßnahmen nach § 171 d gilt, sowie im Gel-
tungsbereich einer Erhaltungssatzung nach § 172;

638 Nach dem bis 1986 geltenden BBauG erstreckte sich das Vorkaufsrecht nach § 24 auch auf Wohnungs-
eigentum (BGH, B. v. 16.2.1984 – V ZB 24/83 –, NJW 1984, 1617). Das BauGB hat dem ab 1.1.1987
ein Ende gesetzt.
639 Beispiel: BVerwG, B. v. 15.3.1995 – 4 B 33. 95 –, BauR 1995, 663 (lange Dauer des Sanierungsverfah-
rens führt nicht zum Untergang des Vorkaufsrechts).

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5. an unbebauten Grundstücken im Außenbereich, für die im Flächennutzungsplan


eine Nutzung als Wohngebiet oder Wohnbaufläche dargestellt ist; wenn der Auf-
stellungsbeschluss für den F-Plan gefasst und ortsüblich bekanntgemacht worden
ist, genügt es, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass
der künftige F-Plan eine solche Nutzung darstellen wird; ein Grundstück ist „be-
baut“, wenn sich darauf eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 befindet; dazu
genügt auch eine Gleisanlage640;
6. an unbebauten Grundstücken in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 und 34 Abs. 2
vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können (also in allen W-Gebieten
der BauNVO);
7. an Grundstücken in Gebieten, die zum Zwecke des vorbeugenden Hochwasser-
schutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsge-
bieten.
Wie sich zeigt, können die Gemeinden in besonderer Weise Bodenvorratspolitik zu-
gunsten von Wohnungsbau betreiben. Durch das Gesetz zur Stärkung der Innenent-
wicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebau-
rechts vom 11. Juni 2013 ist das Baugesetzbuch aber auch hinsichtlich der Ausübung
des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter flexibilisiert worden, indem es sich nun grund-
sätzlich auf alle denkbaren Nutzungsfälle anwenden lässt. Bis 2013 beschränkte sich
die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter auf: (1.) Grundstücke, die für die
Zwecke der sozialen Wohnraumförderung oder die Wohnbebauung für Personengrup-
pen mit besonderem Wohnbedarf genutzt werden sollen, (2.) Fälle im Geltungsbereich
eines B-Plans, in denen das Vorkaufsrecht zugunsten eines öffentlichen Bedarfs- und
Erschließungsträgers für eine Nutzung für öffentliche Zwecke ausgeübt werden soll
sowie (3.) Flächen innerhalb von städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsgebie-
ten, in denen die Maßnahmen einem Sanierungs- bzw. Entwicklungsträger übertragen
worden sind. Seit 2013 ist die Möglichkeit der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufs-
rechts zugunsten Dritter nicht mehr auf Vorhaben der sozialen Wohnraumförderung
oder auf Wohnprojekte für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf be-
schränkt. Der Gesetzgeber wollte mit der Novellierung der Vorschrift dem Umstand
Rechnung tragen, „dass das Vorkaufsrecht auch in vielen anderen Fällen auf die Ver-
äußerung des Grundstücks an Dritte angelegt ist, der Durchgangserwerb der Ge-
meinde aber zu zusätzlichen Belastungen führt“641. Wie schon zuvor muss der Dritte
zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung des Grund-
stücks innerhalb angemessener Frist in der Lage sein und sich hierzu verpflichten. Die
Frist muss von der Gemeinde festgelegt werden. Die Flexibilisierung im Vorkaufsrecht
zugunsten Dritter kommt auch in der Änderung des § 27a Abs. 3 Satz 2 zum Aus-
druck. Danach kann und soll die Gemeinde nach einem anderen Übernahmewilligen
[vorher Bauwilliger] Ausschau halten (oder selbst kaufen), wenn der Begünstigte seiner
Umsetzungsverpflichtung nicht nachkommt.
Das Vorkaufsrecht darf nur dann ausgeübt werden, „wenn das Wohl der Allgemein-
heit dies rechtfertigt“ (so § 24 Abs. 3). Eine Ausübung des Vorkaufsrechts für privat-
wirtschaftliche Zwecke der Gemeinde (z. B. zur Vergrößerung der gemeindeeigenen
Weingüter) wäre demnach rechtswidrig642. Bei unbebauten Flächen im Außenbereich,
die im F-Plan als Wohnbauflächen oder Wohngebiete ausgewiesen sind, lässt sich die
Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 24 Abs. 1 Nr. 5 mit dem Wohl der Allgemeinheit
nur rechtfertigen, wenn das betreffende Grundstück in absehbarer Zeit unmittelbar

640 BVerwG, U. v. 24.10.96 – 4 C 1.96 –, UPR 1997, 104.


641 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, 17. Wahlperiode vom 14.11.2012, Drucksache
17/11468, S. 19.
642 Vgl. BGHZ 36, 155, U. v. 21.11.1961 – V ZR 73/60 –; BGH, U. v. 17.12.1958 – V ZR 135/57 –,
BGHZ 29, 113.

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oder zumindest mittelbar Wohnzwecken zugeführt wird – i. d. R. wird dazu die Auf-
stellung eines B-Plans erforderlich sein.643 Mindestvoraussetzung für die Ausübung
des Vorkaufsrechts ist, dass die Gemeinde überhaupt irgendwelche Planungsvorstel-
lungen aufweisen kann. Es reicht nicht aus, schlicht auf bestehende städtebauliche
Konflikte zu verweisen, ohne zugleich planerisch zum Ausdruck zu bringen, worin die
Lösung städtebaulich bestehen könnte.644
Der (jedenfalls bislang) in der Praxis häufigste Fall der Ausübung von Vorkaufsrechten
ist der Erwerb von Grundstücken, auf denen der Bau von öffentlichen Einrichtungen,
insbesondere von Erschließungsstraßen, vorgesehen ist. Wenn die Gemeinde für eine
geplante Straße ein Grundstück nur teilweise benötigt, kann (und darf) sie ihr Vor-
kaufsrecht auch nur für diese Teilfläche ausüben645.
Häufig bemühen sich die Gemeinden, den Verlauf von Erschließungsstraßen so zu
legen, dass möglichst viele Grundstücke bereits in ihrem Eigentum sind. Der Verlauf
der Straße wird dann nicht erst aufgrund des rechtsverbindlichen Bebauungsplans fest-
gesetzt, sondern der Bebauungsplan richtet sich in seinen Festsetzungen nach den vor-
handenen Eigentumsverhältnissen. Diese Wechselwirkung zwischen Planung und Ei-
gentumsverhältnissen ist in den Paragraphen über das Vorkaufsrecht dadurch
berücksichtigt, dass sich die Gemeinde nach § 25 zur Sicherung einer geordneten städ-
tebaulichen Entwicklung Zugriff auf weitere, nicht von § 24 erfasste Flächen verschaf-
fen kann, wenn sie dies im Rahmen einer Satzung eigens beschließt. Das „besondere
Vorkaufsrecht“ kann die Gemeinde einerseits bei solchen unbebauten Grundstücken
im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ausüben, auf die nicht die Tatbestandsvo-
raussetzungen des § 24 Abs. 1 für das allgemeine Vorkaufsrecht zutreffen. Anderer-
seits kann das besondere Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 auch in den Gebieten
zum Zuge kommen, in denen die Gemeinde „städtebauliche Maßnahmen in Betracht
zieht“, wenn dies zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erfor-
derlich ist. Durch die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 2 soll die Sicherung einer langfris-
tig geordneten Planung und Entwicklung durch eine an städtebaulichen Interessen
orientierte Bodenvorratspolitik ermöglicht werden. Zu den durch die Gemeinde in
Betracht gezogenen „städtebaulichen Maßnahmen“ gehören alle Maßnahmen, die der
Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen, vorausgesetzt,
sie weisen einen städtebaulichen Bezug auf. Dieser Voraussetzung genügt z. B. die Auf-
stellung eines Bebauungsplans. Förmlich konkretisierte Planungsabsichten sind keine
zwingende Voraussetzung. Die Gemeinde muss jedoch „überhaupt irgendwelche Pla-
nungsvorstellungen haben; wie bereits angemerkt genügt es nicht, lediglich einen städ-
tebaulichen Konflikt zu bezeichnen, ohne zum Ausdruck zu bringen, welche städte-
baulichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts in Betracht kommen. Wie konkret
die in Betracht zu ziehenden städtebaulichen Maßnahmen bezeichnet werden müssen,
hängt maßgebend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.“646 In jedem Fall
muss die gemeindliche Planung in Bezug auf die Realisierbarkeit den Grundsätzen der
Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 genügen647.
Während das allgemeine Vorkaufsrecht bereits kraft Gesetzes in den jeweiligen Ge-
bietstypen und unter den genannten Bedingungen des § 24 besteht, bedarf das beson-
dere Vorkaufsrecht einer eigenständigen gemeindlichen Satzung. In den Fällen des § 25

643 Vgl. BVerwG, B. v. 25.1.2010 – 4 B 53.09 –, BauR 2010, 874; vgl. auch VGH Baden-Württemberg,
U. v. 25.6.2009 – 5 S 574/08 –, BauR 2010, 71.
644 BVerwG, B. v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 –, BauR 2010, 81.
645 Vgl. BGH, U. v. 15.1.1971 – V ZR 164/68 –, DVBl. 1971, 318; BGH, U. v. 5.7.1990 – III ZR 229/
89 –, ZfBR 1990, 300.
646 BVerwG, B. v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 –, BauR 2010, 81; vgl. auch zur Ausübung des Vorkaufsrechts
während des Planaufstellungsverfahrens OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.4.2011 – 8 A 11405/10 –,
BauR 2011, 54.
647 BVerwG, B. v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 –, BauR 2010, 871.

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Abs. 1 Nr. 2 müssen die erforderlichen Flächen in der Satzung genau bezeichnet wer-
den, an denen der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zustehen soll.
Das sog. Satzungsvorkaufsrecht kann die Gemeinde in den Fällen des § 25 Abs. 1
Nr. 1 auch durch Aufnahme entsprechender Festsetzungen in dem betreffenden Bebau-
ungsplan regeln. Durch das Satzungsvorkaufsrecht wird die Gemeinde in die Lage
versetzt, schon in einem Stadium der Planung, in dem die Standorte öffentlicher Ein-
richtungen und der Verlauf öffentlicher Straßen noch nicht feststehen, auf alle die
Grundstücke zuzugreifen, bei denen die Eigentümer durch ihre Verkaufsbereitschaft
zu erkennen gegeben haben, dass sie bereit sind, ihr Grundstück abzugeben. Durch
frühzeitigen Erwerb per Vorkaufsrecht können spätere Enteignungsmaßnahmen ver-
mieden werden: Sind die für öffentliche Zwecke benötigten Grundstücke bereits durch
(Vor-)Kauf in der Hand der Gemeinde, erübrigen sich Enteignungen.
„Durch Satzung“ nach § 25 (d. h. auch durch Übernahme entsprechender Festsetzun-
gen in einen Bebauungsplan) kann die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht innerhalb des Ge-
biets eines Bebauungsplans auf alle unbebauten Grundstücke erstrecken. Hier muss
man sich daran erinnern, dass das allgemeine Vorkaufsrecht nach § 24 im Geltungsbe-
reich eines Bebauungsplans zwar stets gilt, aber nur für solche Grundstücke, für die
eine öffentliche Nutzung festgesetzt ist; das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 gilt
nur für Wohnbauland, also nicht für Grundstücke, die nur evtl. für öffentliche Zwecke
benötigt werden. Auch durch dieses Satzungsvorkaufsrecht soll der Wechselwirkung
zwischen Planung und Eigentumsverhältnissen Rechnung getragen werden: In vielen
Fällen ist es zweckmäßig, eine Nutzung für öffentliche Zwecke gerade für solche
Grundstücke festzusetzen, die sich bereits im Eigentum der Gemeinde befinden. Es
ist daher besonders sinnvoll, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans das Satzungs-
Vorkaufsrecht durch eine entsprechende Festsetzung auch auf unbebaute Grundstücke
zu erstrecken, damit für öffentliche Vorhaben geeignete Grundstücke frühzeitig erwor-
ben werden können. Die Schilderung der (in Bild 43 noch einmal zusammengefassten)
möglichen Einsatzbereiche des Vorkaufsrechts darf nicht den Eindruck erwecken, als
werde dieses Instrument von den Gemeinden sehr häufig angewendet648. Die Rechts-
tatsachenforschung noch zum BBauG hat ergeben, dass die Gemeinden in weniger als
1 % der Fälle, in denen ihnen nach dem BBauG ein Vorkaufsrecht grundsätzlich zu-
stand, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.

Bild 43: Die gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinden


§ 24 § 25
Allgemeines Vorkaufsrecht Satzungsvorkaufsrecht
Das allgemeine Vorkaufsrecht besteht kraft Geset- Das Vorkaufsrecht nach § 25 besteht in den Gebie-
zes an Grundstücken ten, die von der Gemeinde durch Satzung oder in
1. im Geltungsbereich eines B-Plans, soweit es einem B-Plan als Vorkaufsrechtsgebiete gekenn-
sich um Flächen handelt, für die eine Nutzung zeichnet werden; diese Kennzeichnung ist möglich
für öffentliche Zwecke oder die als Flächen 1. im Geltungsbereich eines B-Plans für unbe-
oder für Maßnahmen zum naturschutzrechtli- baute Grundstücke
chen Ausgleich festgesetzt sind, 2. in Gebieten, in denen die Gemeinde städtebauli-
2. in einem Umlegungsgebiet, che Maßnahmen in Betracht zieht.
3. in einem förmlich festgelegten Sanierungsge-
biet und städtebaulichen Entwicklungsbereich,
4. im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung
und einer Satzung zur Sicherung von Maßnah-
men des Stadtumbaus,
5. im Geltungsbereich eines Flächennutzungs-
plans, soweit es sich um unbebaute Flächen im
Außenbereich handelt, für die nach dem Flä-

648 Beispielfälle: BVerwG, B. v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 –, ZfBR 1990, 207; BVerwG, B. v. 15.2.2000 – 4
B 10.00 –, ZfBR 2000, 347 (Ausübung zur Verhinderung des Baus einer Landesmesse).

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§ 24 § 25
Allgemeines Vorkaufsrecht Satzungsvorkaufsrecht
chennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbau-
fläche oder Wohngebiet dargestellt ist, sowie
6. in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 oder 34
Abs. 2 vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut
werden können, soweit die Grundstücke unbe-
baut sind.
7. in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden
Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhal-
ten sind, insbesondere in Überschwemmungs-
gebieten.
Die Gemeinde kann für ihr ganzes Gebiet oder für sämtliche Grundstücke einer Gemarkung auf die Aus-
übung ihrer gesetzlichen Vorkaufsrechte verzichten (§ 28 Abs. 5).

Eröffnet eine im Geltungsbereich einer Vorkaufssatzung in Aussicht genommene pla-


nerische Festsetzung mehrere Nutzungsoptionen und entspricht die gegenwärtige Nut-
zung einer dieser Möglichkeiten, liegt ein Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 25
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur vor, wenn sich entweder eine Nutzungsänderung abzeichnet
oder Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 vorliegen649.
Ab wann eine Gemeinde städtebauliche Maßnahmen im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 „in Betracht zieht“, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof beantwortet. Für
das „In-Betracht-Ziehen“ müssen ernsthafte Anhaltspunkte für die Absicht der Ge-
meinde bestehen, bestimmte städtebauliche Maßnahmen ergreifen zu wollen. Dafür
muss sie zumindest auch eine ungefähre Vorstellung vom Umfang der erforderlichen
Flächeninanspruchnahme entwickelt haben650.
Der Gesetzgeber hat sich bemüht, den Geltungsbereich und die mit den gesetzlichen
Vorkaufsrechten verbundenen Prüfungspflichten der Gemeinden auf das notwendige
Maß zu beschränken. Die Gemeinde kann für das ganze Gemeindegebiet oder für
sämtliche Grundstücke einer Gemarkung auf die Ausübung ihrer Vorkaufsrechte von
vornherein verzichten. Damit entfällt jede Prüfungspflicht und auch die Pflicht, indivi-
duelle Negativatteste auszustellen. Nach dem BBauG musste der Käufer eines Grund-
stücks beim Grundbuchamt stets ein „Negativattest“ darüber vorlegen, dass der Ge-
meinde ein Vorkaufsrecht entweder nicht zustand oder dass sie es nicht ausübte; nur
unter dieser Voraussetzung durfte der Grundbuchbeamte einen Eigentumsübergang
eintragen. Seit 1987 können auf dem Grundbuchamt alle Kaufvorgänge ohne weitere
Bescheinigungen der Gemeinde abgewickelt werden, wenn die Gemeinde einen Ver-
zicht auf ihre Vorkaufsrechte ortsüblich bekanntgemacht und auch dem Grundbuch-
amt mitgeteilt hat. In dem Gemeindegebiet, in dem die Gemeinde nicht auf ihre Vor-
kaufsrechte verzichtet hat, kann ein Kaufvertrag selbstverständlich nach wie vor erst
dann vollzogen werden, wenn die Gemeinde bescheinigt hat, dass ihr ein Vorkaufs-
recht entweder nicht zusteht oder dass sie es nicht ausübt (§ 28 Abs. 5). Nach wie vor
besteht auch die Pflicht für die Kaufvertragsparteien von Grundstücksgeschäften, den
Inhalt des Kaufvertrags an die Gemeinde zu melden, damit diese den Überblick über
den Bodenmarkt behält.
Wenn eine Gemeinde ihr gesetzliches Vorkaufsrecht ausübt (dafür ist der Gemeinderat
zuständig651), muss sie die Bedingungen des Kaufvertrags so akzeptieren, wie sie mit
dem eigentlich vorgesehenen Käufer vereinbart worden sind. Dies gilt grundsätzlich
auch für den Kaufpreis. Das BBauG hatte in § 28a vorgesehen, dass die Gemeinden

649 Niedersächsisches OVG, U. v. 9.6.2015 – 1 KN 69/1 – ZfBR 2015, 708 (Leitsatz).


650 Hessischer VGH, U. v. 26.1.2017 – 4 A 2586/16 –, ZfBR 2017, 691 (Leitsatz).
651 OLG Frankfurt, U. v. 8.3.1982 – 1 U (Baul.) 4/81 –, NVwZ 1982, 580, Hessischer VGH, U. v.
11.2.1983 – 4 OE 57/81 –, NVwZ 1983, 556 (Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist kein Geschäft der
laufenden Verwaltung!).

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Kaufpreise, die den Verkehrswert deutlich überschreiten, auf den Verkehrswert herun-
tersetzen konnten. Diese generelle Möglichkeit einer Preisherabsetzung ist durch das
Baugesetzbuch zunächst abgeschafft, durch das BauROG aber wieder eingeführt wor-
den (§ 28 Abs. 3). Zugleich ist klargestellt worden, dass die Gemeinde den Kaufpreis
auf den Verkehrswert herabsetzen kann, dies aber nicht tun muss. In manchen Fällen
empfiehlt sich auch die Akzeptanz eines höheren Preises, weil die Herabsetzung zur
Auslösung eines Rücktrittsrechts des Veräußerers führt; wenn der Veräußerer zurück-
tritt, muss die Gemeinde auch noch die Kosten des (notariell beurkundeten!) Vertrags
bezahlen. Zu einer nicht durch Rücktritt zu beseitigenden Preisbestimmung auf den
Verkehrswert ist die Gemeinde nur im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts nach
§ 24 Abs. 1 Nr. 1 befugt – also bei Erwerb von Flächen für öffentliche Zwecke, zu-
gunsten derer auch eine Enteignung erfolgen könnte (§ 28 Abs. 4). Die unausweichli-
che Bemessung des zu zahlenden Preises am Verkehrswert auch im Vorkaufsfall ist
hier sinnvoll, weil der Verkehrswert auch im Enteignungsverfahren den Betrag der
Entschädigung bestimmen würde.
Praktisch wichtig ist die Einsetzung des Verkehrswertes (statt des vereinbarten Kauf-
preises) vor allem beim Erwerb von Teilflächen von Grundstücken, weil der Verkehrs-
wert pro Quadratmeter der Teilfläche (Straßenland) oft sehr viel niedriger liegt als der
im Kaufvertrag für das ganze Grundstück (als Bauland) vereinbarte Preis pro Quadrat-
meter.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zur Sicherung der
Bauleitplanung
Änderungen und Neuerungen basieren allein auf dem Gesetz zur Umsetzung der Richt-
linie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in
der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057) und beziehen sich ausschließlich auf § 22
zur Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen sowie auf die dazugehö-
rige Überleitungsvorschrift in § 245c Abs. 2. Gerade Tendenzen zu „Rollladensiedlun-
gen“ an Nord- und Ostsee mit Gebieten, in denen die längste Zeit des Jahres Zweit-
und Nebenwohnungen ungenutzt leer stehen und den Eindruck weitgehend ausgestor-
bener Viertel hinterlassen, haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Regelungsbe-
fugnisse von Gemeinden zur Sicherung lebendiger Gebiete mit Fremdenverkehrsfunkti-
onen auszuweiten. Bis 2017 beschränkte sich die Steuerungsmöglichkeit auf den
Genehmigungsvorbehalt bei Begründung oder Teilung von Wohneigentum oder Teilei-
gentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes und auf die in den §§ 30 und 31
des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte. Nunmehr sind diese beiden Op-
tionen für den Genehmigungsvorhalt auf folgende weitere Fälle ausgeweitet worden:
a) die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 BGB an Grundstücken mit
Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben, wenn zugleich nach § 1010 Abs. 1 BGB
im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehre-
ren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhe-
bung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist,
b) bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 BGB an Grundstücken mit Wohn-
gebäuden oder Beherbergungsbetrieben eine im Grundbuch als Belastung einzutra-
gende Regelung nach § 1010 Abs. 1 BGB, wonach Räume einem oder mehreren Mitei-
gentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der
Gemeinschaft ausgeschlossen ist,
c) die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben als Ne-
benwohnung, wenn die Räume insgesamt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres
unbewohnt sind.

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Es ergeben sich somit insgesamt fünf Regelungsoptionen. Neben der ortsüblichen Be-
kanntmachung der Satzung (die auch in Form einer Ersatzbekanntmachung erfolgen
kann) hat die Gemeinde dem Grundbuchamt den Beschluss über die Satzung, Datum
des Inkrafttretens sowie die Bezeichnung der betroffenen Grundstücke mitzuteilen.
Die Mitteilung an das Grundbuchamt unterbleibt nur im fünften grundbuchrechtlich
nicht relevanten Regelungsfall, mit dem die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden
oder Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnung verhindert werden soll, wenn die
Räume insgesamt an mehr als der Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt bleiben. In
diesem Zusammenhang ist die Vorschrift des § 213 über Ordnungswidrigkeiten
ebenso im Rahmen der Novelle 2017 ergänzt worden. Nach dem neuen Absatz 2
handelt nunmehr auch ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen dort
genannten Raum als Nebenwohnung nutzt, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 einer
Genehmigung bedurft hätte.
Auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 in einem Bebauungsplan oder in
einer sonstigen Satzung nach § 22 getroffene Genehmigungsvorbehalte greifen nach
der Überleitungsvorschrift des § 245c Abs. 2 nicht, wenn die Regelung des § 1010
Abs. 1 BGB vor dem 13.5.2017 getroffen worden ist (Regelungen nach § 22 Abs. 1
Nr. 3 und 4) bzw. wenn die Nutzung als Nebenwohnung bereits vor dem 13.5.2017
aufgenommen worden ist (Regelung nach § 22 Abs. 1 Nr. 5).
Literatur zum Kapitel VII: Sicherung der Bauleitplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen:
2010: Hauth, Michael, Der Vorbescheid – Plädoyer für eine „praxisorientierte Dogmatik“, BauR
2010, 32–42; Hoffmann, Martin, Kassow, Jörn, Der Einfluss von städtischen Einzelhandelskon-
zepten auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, BauR 2010, 711–717; Spindler, Mi-
chael, Die Verpflichtung zur Aufhebung einer Veränderungssperre nach § 17 Abs. 4 BauGB und
ihre Durchsetzung im Prozess, DÖV 5/2010, 217–224; Stüer, Bernhard, Ehebrecht-Stüer, Eva-
Maria, Reformbedarf im BauGB?, DVBl. 24/2010, 1540–1547; Stühler , Hans-Ulrich, Prostitu-
tion und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013–1033; Uechtritz, Michael, Veränderungssperre
und verfahrensfreie Vorhaben: Nebenwirkungen der Deregulierung, BauR 2010, 365; 2011:
Fackler, Melusine, Anmerkung zu BVerwG, B. v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – (Unwirksamkeit
einer Veränderungssperre mangels konkreter Planung?), IBR 6/2011, 366; Jäde, Henning, Die
Veränderungssperre in der prinzipalen verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, ZfBR 2/
2011, 115–119; Kröninger, Holger, Die Verhinderung unerwünschter Spielhallen. Jammern gilt
nicht, LKRZ 11/2011, 406–411; Pützenbacher, Stefan, Anmerkung zu Hessischer VGH, U. v.
13.1.2011 – 3 A 1987/09 – (Kein großflächiger Einzelhandel in Industriegebieten!), IBR 5/2011,
305; Seifarth, Dennis, Der Anspruch auf Entschädigung bei einer Veränderungssperre mit dau-
erndem Bauverbot, BauR 4/2011, 611–619; Schmidt-Eichstaedt, Gerd; Zurückstellung von Bau-
gesuchen und gemeindliches Einvernehmen, BauR 2011, 1754–1762; Schrödter, Wolfgang, Ak-
tuelle Fragen zur Planung und Genehmigung von Anlagen der Intensivtierhaltung im
Außenbereich, AuUR 5/2011, 177–190; Stüer, Bernhard, Plansicherung, Besonderes Städtebau-
recht und BauNVO – Rechtsprechungsbericht 2010, DVBl. 12/2011, 739–747; 2012: Frank,
Oliver, Auswirkungen der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB auf das gemeindliche Einver-
nehmen, BauR 2012, 445; Hentschke, Helmar Gramsch, Alexander, Neue Hürden für die ge-
werbliche Tierhaltung? Bestehende Steuerungsmöglichkeiten und aktuelle Reformdebatte, LKV
10/2012, 433–442; Hentschke, Helmar Gramsch, Alexander, Bauplanungsrecht und gewerbliche
Tierhaltung – bestehende Steuerungsmöglichkeiten und aktuelle Reformdebatte, AuUR 9/2012,
329–337; Rieger, Wolfgang; Zurückstellung und Flächennutzungsplanung, ZfBR 2012, 430–
436; Scheidler, Alfred; Die Sicherung gemeindlicher Planungen für Windkraftanlagen durch die
Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 bauGB, ZfBR 2012, 123–129; Schmidt-Eich-
staedt, Gerd; Nochmals: Gemeindliches Einvernehmen und Zurückstellung von Baugesuchen für
Windkraftanlagen, BauR 2012, 729–736; 2013: Böhm, Monika, Recht der Bauleitplanung, JA
2/2013, 81–88. 2014: Jäde, Henning, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 5.11.2013 – 14 CS 13.1376
– (Vorläufige Nutzungsuntersagung; Veränderungssperre; hinreichend konkretisierte Planungs-
absicht; Einzelhandelskonzept; Bestandsschutz; Änderung der Nutzung von Drogerie- auf Textil-

297

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

markt), in: BayVBl.14/2014, S. 440; Rommelfanger, Ulrich, Gussputzerei als Ausgangspunkt


einer Veränderungssperre mit dem Ziel der Bewahrung vorhandener Strukturen, (Anmerkung zu
VGH München, U. v. 20.11.2013 – 9N 13.1681 –), in: KommJur10/2014, S. 370–371; Scheidler,
Alfred, Die Zurückstellung von Baugesuchen für Windkraftanlagen. Eine Betrachtung des § 15
Abs. 3 BauGB in der seit 20.9.2013 geltenden Fassung, in: apf/GA 1/2014, S. 1–5; Schink, Ale-
xander, Rezension: Henning Jäde, Gemeinde und Baugesuch. Einvernehmen, Veränderungs-
sperre, Zurückstellung, 5. Aufl. Stuttgart 2014, in: UPR 7/2014, S. 267; 2015: Michaelis, Jens,
„Der florierende Supermarkt“ (Nutzungsänderung, Veränderungssperre, Bebauungsplan), (Bei-
lage), in: VBlBW10/2015, S. 3–6; Pahlke, Michael, Zur Frage der Zulässigkeit eines En-bloc-
Beschlusses über die Aufstellung eines Bebauungsplanes und den Erlass einer Veränderungs-
sperre, (Zugleich Anmerkung zu VGH Baden-Württemberg, U. v. 5.8.2014 – 3 S 1673/12 –),
in: KommP BY4/2015, S. 127–129; 2016: Bostedt, Achim, Fall 3: „Der verhinderte Bauherr“.
(Veränderungssperre, Anfechtung der Ablehnung eines Bauantrags und Kostenentscheidung im
Ablehnungsbescheid), (Beilage), in: VBlBW10/2016, S. 12–16; Krüper, Julian/Herbolsheimer,
Volker, Die Veränderungssperre im Kontext gemeindlicher Planungshoheit, in: ZJS 5/2016,
S. 546–558; Leroux, Cathérine/Sittig, Peter, Die Bedeutung einer außer Vollzug gesetzten Verän-
derungssperre im Rahmen der Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 BauGB), in: BauR 4/2016,
S. 595–597; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die Bescheidungsfristen für Baugesuche im Zusammen-
hang mit Zurückstellung und Veränderungssperre nach §§ 14, 15 BauGB, in: BauR 11/2016,
S. 1847–1852; 2017: Biederbeck, Simon, Anmerkung zu OVG Münster, B. v. 7.2.2017 – 2 B
994/16.NE – (Voraussetzungen einer neuen Veränderungssperre), in: NVwZ13/2017, S. 980–
981; Kemper, Till, Anmerkung zu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 23.11.2016 – 8 C 10662/16 –
(Veränderungssperre setzt kein detailliertes Planungskonzept voraus), in: IBR 5/2017, S. 280.
2. Zur Teilungsgenehmigung und zur Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen
2013: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Stärkung der Innenentwicklung in den
Städten und Gemeinden, in: NVwZ15/2013, S. 961–968.
3. Wohnungseigentum in Fremdenverkehrsgemeinden:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
4. Gemeindliche Vorkaufsrechte:
2011: Ott, Andreas, Anmerkung zu OLG Hamm, B. v. 14.12.2011 – I-15 W 476/11 – (Kein
Vorkaufsrecht der Gemeinde bei der Veräußerung von Wohnungseigentum), MietRB 6/2012,
175; Schmitz, Holger, Zugriffsmöglichkeiten der Gemeinde auf verwahrloste Immobilien de lege
lata und de lege ferenda, ZfBR 7/2011, 739–747; Zühlke, Henner, Anmerkung zu OLG Hamm,
B. v. 14.12.2011 – 15 W 476/11 – (Veräußerung von Wohnungseigentumsrechten: Ist bei einem
„Komplettverkauf“ ein Negativattest der Gemeinde erforderlich?), Info M 3/2012, 125. 2018:
Beckmann, Jörg, Ellner, Maximilian, Das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24, 25 BauGB
beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen. Ein Beitrag zur aktuellen Debatte über die Reform des
„Share Deals“ aus baurechtlicher Sicht, NVwZ16/2018, 1187–1190; Böhringer, Walter, Anmer-
kung zu OLG Frankfurt am Main, B. v. 31.5.2017 – 20 W 57/17 – (Auslegung eines unzulässigen
preislimitierten dinglichen Vorkaufsrechts), Böhringer, Walter, Neuerungen im Grundstücksver-
kehr, NJ 2/2018, 50–56; Falkner, Melanie, Anmerkung zu BGH, B. v. 13.10.2016 – V ZB 98/15
– (Kein dingliches Vorkaufsrecht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger i. S. v. § 428 BGB),
Kronisch, Joachim, Vorkaufsrechtsausübung im Erhaltungsgebiet. Zur interpretatorischen Be-
freiung von § 26 Nr. 4 BauGB durch die herrschende Meinung.

VIII. Zulässigkeit von Vorhaben


1. Die systematische Stellung der §§ 29–36 BauGB
Die §§ 30, 34 und 35 (ergänzt durch die §§ 31 und 33) sind, gemessen an der prakti-
schen Bedeutung, die wichtigsten Normen im Baugesetzbuch. Wenn die Voraussetzun-
gen einer dieser Vorschriften, also des § 30, des § 34 oder des § 35 erfüllt sind, dann
hat der Eigentümer eines Grundstücks einen Anspruch, ein „subjektives öffentliches
Recht“ auf Erteilung der planungsrechtlichen Baugenehmigung; sofern auch die bau-
ordnungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist sein Vorhaben endgültig zuläs-
sig. Diese drei Vorschriften sind gleichsam die „Schubladen“ (vgl. Bild 44), in die
die Baugenehmigungsbehörde alle eingehenden Baugesuche einordnen und aus denen

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

heraus sie die bauplanungsrechtliche Genehmigung erteilen muss, sofern die Voraus-
setzungen der einschlägigen Vorschrift erfüllt sind.
In den übrigen Regelungsbereichen des Baugesetzbuches ist dies anders: Der Bürger
hat keinen Anspruch darauf, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird; er hat keinen
Anspruch darauf, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt. Es gibt auch keinen
Anspruch auf die Einleitung eines Umlegungsverfahrens; auch auf die Erschließung
eines Grundstücks hat der Eigentümer grundsätzlich keinen Anspruch, selbst wenn
das Grundstück in einem Bebauungsplan als zukünftiges Bauland ausgewiesen ist (von
diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen; sie werden später im Kapitel B.XIII.
„Erschließung“ – dargestellt).
Alle diese Beispiele lassen erkennen, dass sich das Baugesetzbuch ganz überwiegend
an die öffentliche Verwaltung wendet, dass es Vorschriften für die Verwaltung, aber
nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) für den Bürger enthält. Nur bei den §§ 30, 34
und 35, in gewissem Umfang auch noch bei den Vorschriften, die sich mit weiteren
genehmigungsbedürftigen Vorgängen beschäftigen, wie z. B. dem § 171d (Durchfüh-
rungssicherung beim Stadtumbau), dem § 172 (Erhaltungssatzung), und bei den Ent-
schädigungsvorschriften ist dies anders: Aus diesen Vorschriften kann der Grundeigen-
tümer direkt ableiten, ob ihm eine Baugenehmigung, eine sonstige Genehmigung oder
ein Entschädigungsanspruch zusteht oder nicht. Unter diesen Umständen versteht es
sich von selbst, dass diese Paragraphen für die Bürger, besonders aber für Grundeigen-
tümer und deren Nachbarn, von allergrößter Bedeutung sind.
Bild 44: Zulässigkeit von Vorhaben

2. Der Begriff des Vorhabens


§ 29 Abs. 1 BauGB umschreibt den Geltungsbereich der §§ 30 bis 37 wie folgt: Für
„Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen An-
lagen zum Inhalt haben und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs
sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30
bis 37“.
Mit dieser selbständigen Definition des Vorhabens hat der Bundesgesetzgeber die Ver-
knüpfung des bundesrechtlichen Vorhabenbegriffs mit dem Bauordnungsrecht der

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Länder aufgegeben. Bis zum 31.12.1997 unterlagen nur solche Vorhaben unmittelbar
den §§ 30 bis 37, die (nach Landesrecht) einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder
Zustimmung bedurften oder die der Bauaufsichtsbehörde angezeigt werden mussten.
Damit sollte ursprünglich eine pragmatische Übereinstimmung zwischen der Reich-
weite der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflichtigkeit und der bauplanungs-
rechtlichen Prüfung erreicht werden. Die ersten Risse in dieser Übereinstimmung wur-
den sichtbar, als das Bundesverwaltungsgericht betonte, dass es nicht in der
Kompetenz der Landesgesetzgeber liege, Vorhaben mit bodenrechtlicher Relevanz von
der bauordnungsrechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht freizustellen, weil an-
derenfalls die Wirkungskraft des Bauplanungsrechts unzulässig beschränkt werde.
Schon seit dieser Entscheidung war deutlich, dass es möglicherweise bodenrechtlich
relevante Vorhaben geben kann, die vom Bauordnungsrecht nicht erfasst sind. Diese
Tendenz ist überdeutlich sichtbar geworden, seitdem die Landesgesetzgeber dazu über-
gegangen sind, vor allem Wohnungsbauvorhaben geringer Höhe im Geltungsbereich
eines qualifizierten Bebauungsplans von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungs-
pflicht freizustellen.
Der Bundesgesetzgeber hat diese sich fortsetzende Tendenz zum Anlass genommen,
den Vorhabenbegriff des § 29 vollständig vom Bauordnungsrecht zu lösen. Dem Bau-
planungsrecht unterliegen nunmehr alle bodenrechtlich relevanten Vorhaben, welche
die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt
haben, auch Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschach-
tungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Eine Nutzungsänderung liegt immer
dann vor, wenn eine planungsrechtlich relevante Änderung vorgenommen wird. Oder:
Sobald die einer Genehmigung zugrunde liegende Variationsbreite durch eine Ände-
rung verlassen wird, dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können
und sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt, ist von
einer Nutzungsänderung auszugehen652. So hat das BVerwG die Umstellung einer bis-
lang nur im Winter für Skiläufer betriebenen Almgaststätte auf ganzjährigen Betrieb
als Nutzungsänderung eingestuft653. Der Betreiber muss aber für eine Nutzungsände-
rung selbst aktiv werden; eine durch den Wandel der Verhältnisse eingetretene Nut-
zungsintensivierung allein ist keine Nutzungsänderung654.
Durch § 29 Abs. 2 wird klargestellt, dass die planungsrechtliche Genehmigungspflicht
neben anderen Regulierungen gültig ist. Mittelbar kann aus der Aufzählung des § 29
Abs. 2 („Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche
Vorschriften bleiben unberührt.“) auch geschlossen werden, dass jedenfalls der Bun-
desgesetzgeber eine bauordnungsrechtliche Genehmigung nicht als Schlusspunkt einer
Prüfung versteht, in der alle Vorschriften geprüft worden sind, die dem baulichen
Vorhaben möglicherweise entgegenstehen könnten. Durch eine Baugenehmigung wird
die Übereinstimmung des betreffenden Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Vorschrif-
ten immer nur soweit bescheinigt, wie die betreffende Landesbauordnung den Prü-
fungsumfang definiert hat. So gehört es z. B. in aller Regel nicht zu den Aufgaben der
Bauaufsichtsbehörden, das Vorliegen einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung zu
prüfen und – soweit noch nicht vorhanden – die Baugenehmigung zu versagen. Bauge-
nehmigung einerseits und denkmalschutzrechtliche Genehmigung andererseits sind
i. d. R. gänzlich voneinander unabhängige Prüfungs- und Genehmigungsverfahren655.
Im Land Brandenburg jedoch schließt die bauordnungsrechtliche Genehmigung auf-
grund ihrer Konzentrationswirkung die Erlaubnis nach § 9 des Brandenburgischen

652 Vgl. BVerwG, B. v. 7.11.2002 – 4 B 64.02 –, ZfBR 2004, 390.


653 BVerwG, B. v. 6.9.1999 – 4 B 74.99 –, ZfBR 2000, 133.
654 BVerwG, U. v. 29.10.1998 – 4 C 9.97–, ZfBR 1999, 166.
655 BVerwG, U. v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 –, BauR 1996, 227; VGH Baden-Württemberg, U. v. 4.3.1996
– 8 S 368/95 –, VBlBW 1995, 286.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG)656 ein. Die Bauaufsichtsbehörde entscheidet hier


im Benehmen mit der Denkmalschutzbehörde. Die Bauaufsichtsbehörde beteiligt die
Denkmalschutzbehörde, wenn in der Denkmalliste eingetragene Denkmale oder in
Bauleitpläne übernommene Denkmale betroffen sind; dies gilt auch für Entscheidun-
gen, welche die nähere Umgebung eines Denkmals betreffen. Auch in Hamburg gibt
es die Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung.
Welche Vorhaben überhaupt förmlich genehmigt oder angezeigt werden müssen, steht
nach wie vor nicht im Baugesetzbuch, sondern in den Landesbauordnungen657. Hier
hat sich seit etwa 1993 ein bedeutender Wandel vollzogen. Nach dem Vorbild von
Baden-Württemberg und Bayern haben nunmehr alle Bundesländer in ihren Bauord-
nungen Wohnungsbauvorhaben bestimmter Gebäudeklassen sowie weitere Vorhaben
von der präventiven Genehmigungspflicht freigestellt, sofern sie im Geltungsbereich
eines qualifizierten Bebauungsplans bebauungsplangerecht errichtet werden sollen, sie
den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen und die Erschließung gesi-
chert ist. Es genügt, wenn das Vorhaben der Bauaufsichtsbehörde angezeigt oder mit-
geteilt wird (üblicherweise ist vom Anzeigeverfahren die Rede, in Baden-Württemberg
vom Kenntnisgabeverfahren). Der Bauherr und dessen Objektplaner (i. d. R. Architekt)
müssen bestimmte Garantien (z. B. für die Standsicherheit des Gebäudes) übernehmen.
Die Wartepflichten haben sich landesweit angeglichen und liegen in der Regel bei
einem Monat nach Eingang der Bauanzeige bei der Bauaufsichtsbehörde (in Sachsen
sind es nur drei Wochen; allerdings beginnt die Frist erst zu laufen, nachdem die
Bauaufsichtsbehörde den Eingang bestätigt hat, wofür ihr fünf Werktage bleiben; es
läuft also auch hier auf einen Monat hinaus). Danach darf mit der Bauausführung
begonnen werden. (Genaueres dazu findet sich im Kapitel B.IX. „Die Baugenehmi-
gung“). Die Freistellung auch größerer Wohnungsbauvorhaben von der bauordnungs-
rechtlichen präventiven Genehmigungspflicht führt nicht dazu, dass die Bauherren die
bauplanungsrechtlichen Vorschriften nicht mehr beachten müssten. Für Vorhaben im
Geltungsbereich von Bebauungsplänen ergibt sich die Geltung der Festsetzungen des
B-Plans aus der Natur des Plans. Bebauungspläne sind Normen; sie gelten unabhängig
von der Reichweite des § 29 BauGB, der die Anwendbarkeit der §§ 30 bis 37 für alle
Vorhaben anordnet, welche die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von
baulichen Anlagen zum Inhalt haben. Die Geltung der §§ 34 und 35 hängt allerdings
davon ab, dass die betreffenden Vorhaben von der Generalnorm des § 29 erfasst wer-
den. Wie weit reicht der Begriff des Vorhabens in § 29 BauGB?
Beim ersten Lesen scheint es so, als könnte es über die Frage, ob ein Vorhaben die
Tatbestandsmerkmale des § 29 erfüllt, also die „Errichtung, Änderung oder Nutzungs-
änderung einer baulichen Anlage“ betrifft, keine großen Zweifel geben. Denn was eine
bauliche Anlage ist, das scheint – solange man ein Gebäude vor Augen hat – relativ
leicht bestimmbar zu sein. Bei näherem Hinsehen wird es allerdings schwieriger: Ist
auch ein bloßer Zaun um ein sonst leeres Grundstück eine bauliche Anlage? Ist eine
Werbeanlage, z. B. ein großes Schild mit einem Reklamespruch, so wie man es in vielen
südlichen Ländern neben den Straßen aufgestellt findet, eine bauliche Anlage? Ist ein
Zeltplatz mit Markierungen auf der Erdoberfläche eine bauliche Anlage? Ist ein Wohn-
wagen eine bauliche Anlage? Bereits im Kapitel A.V wurde bei der Beschreibung der
Auslegungsregeln für Rechtsvorschriften auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Be-
griff des baulichen Vorhabens problemorientiert auszulegen. Denn in jeder der soeben
aufgeworfenen Fragen steckt ein praktisches Problem: Durch Zäune und Werbeanla-

656 Gesetz über den Schutz und die Pflege der Denkmale im Land Brandenburg (Brandenburgisches Denk-
malschutzgesetz – BbgDSchG) vom 24.5.2004 (GVBl. I S. 215).
657 Zur Frage der landesrechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für bauliche Vorhaben vgl.
BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, DVBl. 1986, 190 (Whyl) sowie BVerwG, B. v. 22.2.1988 –
7 B 28.88 –, ZfBR 1988, 242 (Nr. 40).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

gen kann die Landschaft erheblich verändert werden, Zeltplätze können wahre Men-
gen von Campern anlocken und die Aufstellung von Wohnwagen kann die gleiche
Wirkung haben wie der Auf- und Ausbau von Wochenendhäusern. Wenn alle diese
Vorhaben jedenfalls in baurechtlicher Hinsicht genehmigungsfrei wären, dann wären
die möglichen Beeinträchtigungen der Landschaft voraussichtlich sehr groß. Es ist des-
halb unter den Juristen unstreitig, dass zu den baulichen Anlagen eben nicht nur Ge-
bäude im klassischen Sinn gehören, sondern jede mit dem Erdboden auf einige Dauer
ortsfest verbundene, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlage. Eine „ortsfeste
Verbindung“ besteht bereits, wenn die betreffende Anlage durch ihr eigenes Gewicht
fest auf dem Erdboden steht. Damit wird klar, dass z. B. Zäune658 und Werbeanla-
gen659 ganz zweifellos zu den genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen im Sinne
des Baugesetzbuchs gehören. Ein Zeltplatz wird allerdings erst dann baurechtlich ge-
nehmigungspflichtig, wenn er einige ortsfeste, aus Baustoffen bestehende Anlagen hat,
wie z. B. sanitäre Einrichtungen, Duschen oder Holzpodeste, auf denen die Zelte ste-
hen sollen660. Der Auf- und Abbau von Zelten allein genügt nicht, um eine bauliche
Anlage anzunehmen – es sei denn, ein Zelt wird für die dauerhafte Benutzung ortsfest
mit dem Erdboden verbunden. Entsprechendes gilt für Wohnwagen: Das Abstellen
eines Wohnwagens für eine Nacht auf einem Grundstück ist baurechtlich noch nicht
genehmigungspflichtig. Wenn ein Wohnwagen allerdings für Wochen und Monate auf
dem Grundstück bleibt, wird er zur baulichen Anlage und ist damit genehmigungs-
pflichtig661. Auch dieses Ergebnis ist offensichtlich gerecht, weil sonst jedermann, der
an einem Wochenendhaus interessiert ist, dies aber nicht genehmigt bekommt, statt
dessen einen Wohnwagen an die schönsten Stellen von Flussauen und Wäldern stellen
könnte. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind zum Verkauf angebotene
Wohnwagen auf einer Wohnwagen-Verkaufsstelle nicht als bauliche Anlagen im Sinne
des § 29 anzusehen, da das Ziel ist, diese Campingmobile so schnell wie möglich
wieder zu veräußern. Dadurch fehlt dem Wohnwagen das Merkmal der Dauerhaftig-
keit, um als Anlage im Sinne des § 29 gewertet zu werden662. Ein Floß mit Regendach
kann wiederum zur baulichen Anlage werden, wenn es ortsfest in einer Bucht veran-
kert wird und so zum ständigen Aufenthalt dienen kann663. In einem anderen Rechts-
streit war zu entscheiden, ob der Bereich eines Baugrundstücks, auf dem in der kalten
Jahreszeit auf einem Anhänger ein Boot winterfest gelagert wird, dem Regime des § 12
BauNVO unterliegt und somit Bestandteil eines Stellplatzes ist oder umgekehrt als
Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO gewertet werden könne. Beides ist
selbstverständlich zu verneinen. Vielmehr erfüllt auch das mehrere Monate lang auf
einem Grundstück gelagerte Boot den Tatbestand der baulichen Anlage und ist vor
diesem Hintergrund zu bewerten.664 Nicht nur die Errichtung, sondern auch die Ände-
rung, ja auch die Nutzungsänderung von baulichen Anlagen ist genehmigungspflich-
tig. Der vollständige Abbruch einer baulichen Anlage ist jedoch kein Vorhaben im
Sinne des § 29, auch nicht als Unterform der Nutzungsänderung665. Nutzungsände-
rungen sind wiederum auch dann genehmigungspflichtig, wenn sie keinerlei bauliche
Maßnahmen voraussetzen oder zur Folge haben. Die Genehmigungsbedürftigkeit auch
von reinen Nutzungsänderungen wird verständlich, wenn man bedenkt, dass in einem

658 VGH Bayern, U. v. 12.7.1977 – 525 VIII 75 –, BRS 32 Nr. 121 (eingezäunter Tennisplatz).
659 Beispiel: OVG Berlin, 7.1.2002 – OVG 2 SN 30.01 –, ZfBR 2002, 374.
660 Vgl. BVerwG, U. v. 1.11.1974 – 4 C 13.73 –, BRS 28 Nr. 89.
661 Vgl. Hessischer VGH, B. v. 8.2.1985 – 3 OE 26/83 –, ES VGH 35 (1984/85), 146.
662 BVerwG, U. v. 26.6.1970 – 4 C 116.68 –, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 9.
663 Vgl. BVerwG, B. v. 13.3.1973 – 4 B 8.72 –, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 14 (Wohnfloß in einem
Baggersee); vgl. auch Niedersächsisches OVG, U. v. 12.12.1986 – 6 OVG A 112/85 –, ZfBR 1987,
217 (Werbetafel als bauliche Anlage).
664 BVerwG, B. v. 5.7.2011 – 4 B 20.11 –, BauR 2011, 1789.
665 In diesem Sinn klarstellend: VGH Baden-Württemberg, B. v. 29.6.1992 – 8 S 593/92 –, UPR 1993, 72.

302

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Bebauungsplan auch die Art der Nutzung festgesetzt werden kann mit der Folge, dass
in einem bestimmten Baugebiet nur bestimmte Nutzungsarten zulässig sind: Im reinen
Wohngebiet nur das Wohnen, im Industriegebiet Wohnungen nur für notwendige Auf-
sichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter. Jede
Nutzungsänderung, die das im Plan vorgesehene Gefüge stören könnte, ist baupla-
nungsrechtlich relevant und somit genehmigungspflichtig: Wenn ein Kino in einen
Supermarkt oder in ein Tanzlokal666 umgewandelt werden soll, ein Fotoladen in eine
Peep-Show oder eine Tankstelle667 in einen Schnellimbiss, dann muss dies von der
Baugenehmigungsbehörde daraufhin geprüft werden, ob die neue Nutzung in dem
Gebiet erlaubt werden kann. Die Grenze der Genehmigungspflicht nach § 29 ist die
„bodenrechtliche Relevanz“. Sie fehlt z. B. bei einer Nutzungsänderung vom Lebens-
mitteleinzelhandel zur Drogerie in einem Mischgebiet – in einem Gebiet also, in dem
jeglicher Einzelhandel auf kleinerer Verkaufsfläche zulässig ist; sie fehlt auch bei einem
auf einer Bundeswasserstraße fest verankerten Wohnschiff. Dies ist – obwohl Vorha-
ben im Sinn des § 29 – nicht nach dem Bauplanungsrecht zu beurteilen, weil dieser
Tatbestand abschließend im Bundeswasserstraßengesetz geregelt ist668. Auch für ein
Tanz-Schiff, das im Hafen von Konstanz verankert ist, benötigt der Betreiber (nach
Ansicht des VGH Baden-Württemberg669) keine Baugenehmigung, weil der Bodensee
einschließlich des Konstanzer Hafens nicht zur Gemarkung von Konstanz gehört. Bo-
denrechtlich relevant (und damit genehmigungspflichtig) ist wiederum die Nutzungs-
änderung einer Soldatenunterkunft im Außenbereich zum Asylbewerberheim670.
Durch § 29 Abs. 1 ist schließlich geregelt, dass auch für Aufschüttungen und Abgra-
bungen „größeren Umfangs“ (Faustformel: mindestens 1 m tief bzw. hoch und 3 m
breit, wobei ausschlaggebend die auf den Einzelfall bezogene planungsrechtliche Rele-
vanz ist und nicht etwa landesrechtliche Bestimmungen zur Baugenehmigungsfreiheit)
sowie für Ausschachtungen (Steinbrüche, Kiesgruben) und Ablagerungen (Mülldepo-
nien, Schrottplätze, auch Reifenlager) die Zulässigkeitsvorschriften der §§ 30 bis 37
anzuwenden sind.

3. Die Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


Nach § 30 Abs. 1 ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der
allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festset-
zungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren
Grundstücksflächen und über die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn
das Vorhaben diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert
ist. § 30 ist die Kernvorschrift über die Zulässigkeit von Vorhaben im Zusammenhang
mit einem Bebauungsplan. Allerdings ist zu beachten, dass § 30 Abs. 1 nur für be-
stimmte Bebauungspläne gilt, denn dem soeben zitierten Text ist zu entnehmen, dass
der Bebauungsplan bestimmte Mindestvorschriften enthalten muss, wenn er als Plan
im Sinn des § 30 Abs. 1 anerkannt werden soll: Er muss Festsetzungen über die Art
und das Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen und
über die örtlichen Verkehrsflächen enthalten. Wenn diese Festsetzungen in einem Plan
(oder den zu ihm gehörenden Vorschriften) vorzufinden sind, dann spricht man vom
„qualifizierten Bebauungsplan“. Der Plan heißt qualifiziert, weil diese Mindestfestset-
zungen ausreichen, um die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens allein an-

666 Bayerischer VGH, U. v. 17.11.1978 – Nr. 333 II 73 –, BRS 33 Nr. 127; BVerwG, U. v. 18.5.1990 – 4
C 49.89 –, ZfBR 1990, 245 (Diskothek in Spielhalle).
667 Vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 27.10.1978 – I B 78/78 –, BRS 33 Nr. 128.
668 So BVerwG, U. v. 5.7.1974 – 4 76.71 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 112; vgl. auch BVerwG, U.
v. 31.8.1973 – 4 C 33.71 –, BVerwGE 44, 59.
669 VGH Baden-Württemberg, U. v. 7.7.1995 – 5 S 3071/94 –, UPR 1996, 192.
670 OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 12.12.1996 – 3 M 103/96 –, UPR 1997, 473.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

hand des Bebauungsplans zu beurteilen. Die vorhandene Umgebung und sonstige Ge-
sichtspunkte brauchen (bis auf die Erschließung) nicht herangezogen zu werden. Wenn
das Vorhaben den Festsetzungen des qualifizierten Plans nicht widerspricht und die
Erschließung gesichert ist, muss die planungsrechtliche Baugenehmigung erteilt wer-
den. Zu beachten ist, dass Vorhaben bereits dann zulässig sind, wenn sie den Festset-
zungen des Bebauungsplans nicht widersprechen, positive Übereinstimmung wird
nicht gefordert.
Die Ausschlusswirkung des Bebauungsplans ist beschränkt. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts671 ist nur eine „qualifiziert planwidrige“ Nutzung aus-
geschlossen, d. h. eine Nutzung, die entweder die Verwirklichung des Plans ausschließt
bzw. wesentlich erschwert oder die die vorhandene Situation mehr als geringfügig
verschlechtert und deshalb situationswidrig ist.
Aus der Aufzählung von Mindestvorschriften im § 30 Abs. 1 darf zudem nicht ge-
schlossen werden, dass ein Bebauungsplan immer zumindest diese Festsetzungen ent-
halten muss. Es sind vielmehr auch „einfache“ Bebauungspläne zulässig. Dies ist in
§ 30 Abs. 3 ausdrücklich klargestellt. Aus der Natur des einfachen Bebauungsplans
folgt allerdings, dass er als Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob das beantragte
Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist oder nicht, allein nicht ausreicht. Es muss
vielmehr zusätzlich entweder § 34 oder § 35 herangezogen werden.
Es gibt auch Bebauungspläne, die in Teilbereichen die Mindestfestsetzungen des § 30
Abs. 1 enthalten, jedoch in anderen Teilbereichen nicht den Mindestanforderungen
an den qualifizierten Bebauungsplan genügen. Bei der Prüfung der Zulässigkeit von
Vorhaben innerhalb des nicht die Mindestfestsetzungen des § 30 Abs. 1 umfassenden
Planteils ist im Übrigen (also hinsichtlich der nicht geregelten Mindestfestsetzung) § 34
oder § 35 heranzuziehen.
Der „vorhabenbezogene Bebauungsplan“ nach § 12 entscheidet gemäß § 30 Abs. 2
allein darüber, ob ein Vorhaben in seinem Geltungsbereich zulässig ist. Dazu ist weder
erforderlich, dass der Plan die Mindestfestsetzungen nach § 30 Abs. 1 enthält, noch
sind die §§ 34 oder 35 daneben anwendbar (abgesehen von den Grundstücken, die
von der Gemeinde außerhalb des Umgriffs des VEP in den Plan einbezogen worden
sind). In allen Varianten des § 30 muss jedoch die Erschließung gesichert sein. Bild 45
gibt diesen Sachverhalt noch einmal im Zusammenhang wieder.
Die Notwendigkeit einer gesicherten Erschließung ist leicht einzusehen. Ein Grund-
stück ist erschlossen, wenn es an das öffentliche Straßennetz, an Energie, Bewässerung
und Entwässerung angeschlossen ist. Es versteht sich wohl von selbst, dass ein Grund-
stück nicht bebaut werden kann, bevor diese Voraussetzungen nicht mindestens „gesi-
chert“ sind. Es ist rein praktisch beinahe unmöglich, ein Grundstück zu bebauen,
zu dem noch keine öffentliche Straße führt. Die Lastwagen mit Mauersteinen und
Dachziegeln würden irgendwann im Gelände steckenbleiben, wenn noch keine Straße
vorhanden wäre. Deshalb gilt als Hauptmaßstab einer gesicherten Erschließung, dass
eine befahrbare Straße zu dem Grundstück führt und dass damit zu rechnen ist, dass
bei Fertigstellung des Gebäudes die sonstigen notwendigen Anschlüsse, z. B. an das
Wasser- und Entwässerungsnetz, bereitstehen werden.
Von der Erschließung des einzelnen Grundstücks, ohne die eine Bebauung stets unzu-
lässig ist, muss die allgemeine, die „äußere Erschließung“ des gesamten Ortsteils unter-
schieden werden. Zur Erschließung des einzelnen Baugrundstücks gehört nur, was
erforderlich ist, um dieses Grundstück bewohnbar und benutzbar zu machen: Zufahrt,
Wasser, Entwässerung, Energie. Die äußere Erschließung (z. B. der Anschluss des Orts-
teils an das Autobahnnetz) ergänzt diese Anlagen; zur äußeren Erschließung wird
heute auch das Vorhandensein einer biologischen Abwasserkläranlage gerechnet. Eine

671 BVerwG, U. v. 18.9.1981 – 8 C 22.81 –, DÖV 1982, 118.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

solche Anlage ist noch nicht für alle Gemeinden errichtet worden; die Zahl der meist
kleinen, ländlichen Gemeinden, die sich lediglich mit Auffanggruben behelfen, deren
Überläufe dann ungeklärt irgendwohin ablaufen oder versickern, nimmt aber weiter
ab. Solange eine solche Gemeinde nicht an eine biologische Abwasserkläranlage ange-
schlossen ist, wird ihr die höhere Verwaltungsbehörde nicht gestatten, durch die Auf-
stellung neuer Bebauungspläne weitere Baugebiete auszuweisen. Denn die mit der
Neuansiedlung von Gebäuden verbundene Erhöhung von unzureichend gereinigtem
Schmutzwasser würde dem höherrangigen Ziel des Gewässerschutzes widersprechen.
Dennoch müssen bauliche Vorhaben in den vorhandenen Baugebieten genehmigt wer-
den, soweit sie noch an das alte Kanalnetz anzuschließen sind. Denn deren Erschlie-
ßung ist im Sinne des Gesetzes immer noch gesichert.
Für die Zulässigkeitsprüfung von Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen
ist die Überleitungsvorschrift des § 245a zu beachten. Die 2013 ins BauGB aufgenom-
mene Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Novellierung der Baunutzungsver-
ordnung vom 20. September 2013. Nach § 3 Abs. 2 BauNVO sind in einem reinen
Wohngebiet den Bedürfnissen der Bewohner des Wohngebiets dienende Anlagen zur
Kinderbetreuung zulässig. Die Aufnahme der Kinderbetreuungseinrichtungen in § 3
Abs. 2 BauNVO geht auf einen Rechtsstreit in Hamburg zurück, in dem es u. a. um
die Frage der Einstufung als „kleine“ Kindertageseinrichtung ging.672 Die Überlei-
tungsvorschrift des § 245a Abs. 1 regelt dazu, dass Anlagen zur Kinderbetreuung im
Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auch im Geltungsbereich von Bebauungsplänen
zulässig sein sollen, die auf der Grundlage der BauNVO in einer Fassung vor dem
20. September 2013 in Kraft getreten sind. Das gleiche soll nach dem Wortlaut des
Gesetzes ebenfalls für Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-
Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden gelten, die seit 2013 gemäß § 14
Abs. 3 BauNVO auch noch dann als zulässige, untergeordnete Nebenanlagen bewertet
werden sollen, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentli-
che Netz eingespeist wird. Die Überleitungsregelung greift nach der Vorschrift nur
dann nicht, wenn diese Anlagen im betreffenden B-Plan ausdrücklich als unzulässig
festgesetzt worden sind. Ansonsten kann sich die Gemeinde gegen die Überleitungsre-
gelung laut Regelung nur dadurch zur Wehr setzen, dass sie den betreffenden B-Plan
bzw. die betreffenden B-Pläne ändert, nämlich insbesondere durch Festsetzungen zur
Feinsteuerung der Nutzungsart nach § 1 Abs. 5, 8 und 9 BauNVO. Der 2. Halbsatz
des § 245a Abs. 2 stellt in diesem Zusammenhang noch klar, dass das Verfahren zur
Änderung der B-Pläne bereits vor der BauNVO-Novelle eingeleitet worden sein durfte.
Diese Regelung, mit der in dieser Weise Bebauungspläne rückwirkend geändert wer-
den, muss kritisch betrachtet werden. Die Abwägungsentscheidung der Gemeinde zur
Inkraftsetzung ihres Bebauungsplans erfolgte unter anderen individuellen Vorzeichen,
bei der die Zulässigkeit etwa von Kinderbetreuungseinrichtungen oder von Photovol-
taikanlagen in einem reinen Wohngebiet in ihre Erwägungen weder einbezogen wurde
noch berücksichtigt werden musste. Ortssatzungen wie Bebauungspläne können im
Rahmen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur vom Ortsgesetzgeber geändert werden. Die
Voraussetzungen für einen Eingriff durch Bundes- oder Landesrecht sind hingegen eng
– überragende Interessen des Allgemeinwohls müssten dem zugrunde liegen.
Fremdeinwirkungen durch Bundes- oder Landesrecht sind nur mit eindeutiger Rechts-
grundlage möglich, wie z. B. die Durchsetzung des Anpassungsgebots an die Ziele der
Raumordnung nach § 1 Abs. 4 durch die Kommunalaufsicht mittels An-sich-Ziehen
des Änderungsverfahrens nach den Regeln der jeweiligen Gemeindeordnung. Der Bun-
desgesetzgeber kann bei Bedarf (mit Zustimmung des Bundesrats) auf der Rechts-

672 Vgl. Hamburgisches OVG, B. v. 2.7.2009 – 2 Bs 72/09 –, BauR 2010, 56. Zur Frage der Nachbarver-
träglichkeit einer Kindertagesstätte vgl. im Übrigen Thüringer OVG, B. v. 13.4.2011 – 1 EO 560/10 –,
BauR 2012, 635.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

grundlage des Art. 84 GG Vorschriften zum Verwaltungsverfahren in seine Gesetze


aufnehmen. Darüber lässt sich z. B. die Ausübung des Ermessens nach § 31 Abs. 1 und
2 BauGB, das Instrument der „Ausnahmen und Befreiungen“, neu regeln. Derartige
Vorschriften wirken sich auch auf die Anwendung der Festsetzungen älterer Bebau-
ungspläne aus.
Bild 45: Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans

4. Ausnahmen, Befreiungen und Abweichungen


Es kommt immer wieder vor, dass beantragte Vorhaben nicht mit den Festsetzungen
eines rechtsverbindlichen Plans in Übereinstimmung zu bringen sind. Üblicherweise
führt dies zur Ablehnung des beantragten Vorhabens. Dies ist aber nicht immer die
gerechte und wünschenswerte Antwort. Es kann durchaus sein, dass gegen das Vorha-
ben auch aus der Sicht der Genehmigungsbehörde eigentlich gar nichts einzuwenden
ist. In solchen Fällen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder muss der Plan so geändert
werden, dass das Vorhaben dann doch mit ihm in Übereinstimmung steht, oder es
muss ein Weg gefunden werden, das Vorhaben zu genehmigen, obwohl es nicht mit
dem Plan harmoniert. Hier soll von der zweiten Möglichkeit die Rede sein. Sie ist in
§ 31 geregelt und gilt für alle Planarten: für qualifizierte und einfache B-Pläne, für
übergeleitete Pläne, für Pläne nach dem BBauG und nach dem BauGB, für Vorhaben-
und Erschließungspläne und (jedenfalls materiell) auch für noch in Aufstellung befind-
liche Pläne. Sie findet auch Anwendung bei der Frage der Zulässigkeit von Vorhaben
innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34, im Geltungsbereich
von Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 sowie im Außenbereich
nach § 35.
§ 31 enthält zwei Tatbestände: die „Ausnahme“ und die „Befreiung“. Nach § 31
Abs. 1 kann die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde von
den Festsetzungen des Bebauungsplans solche „Ausnahmen“ zulassen, die in dem Be-
bauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Nach § 31 Abs. 2
kann die Baugenehmigungsbehörde von der Einhaltung bestimmter Festsetzungen des
Bebauungsplans befreien. Beides sind Ermessensvorschriften. Weder auf die Erteilung

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

einer Ausnahme noch auf die Erteilung einer Befreiung besteht (im Regelfall) ein
Rechtsanspruch673.
Zunächst zur Ausnahme: Aus dem Text des § 31 Abs. 1 wird deutlich, dass die Aus-
nahmen noch keine wirkliche Abweichung vom Bebauungsplan darstellen, sondern
dass hier ein Weg für die Genehmigung genutzt wird, der vom Plan selbst schon eröff-
net ist. Ausnahmen im Sinne des Abs. 1 sind solche Vorhaben, die zwar nicht überall
und nicht in großer Zahl in dem betreffenden Baugebiet verwirklicht werden können
(z. B. eine Tankstelle in einem Wohngebiet), die aber doch im Einzelfall gebaut werden
dürfen. Die Baunutzungsverordnung hat für die typisierten Gebiete schon alle die Aus-
nahmen aufgelistet, die automatisch zum Bestandteil des Bebauungsplans werden,
wenn ein von der BauNVO typisiertes Gebiet darin enthalten ist. Von einer Genehmi-
gung muss die Baugenehmigungsbehörde nur dann ohne weitere Prüfung und ohne
Einschaltung der Gemeinde Abstand nehmen, wenn im B-Plan unter Anwendung des
§ 1 Abs. 6 BauNVO ausdrücklich festgesetzt wurde, dass eine der in der Baunutzungs-
verordnung aufgelisteten Ausnahmen nicht Bestandteil des B-Plans ist. Die Gemeinde
darf gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO in einem B-Plan auch einzelne Nutzungsarten, die
nach der Baunutzungsverordnung in einem Baugebiet als allgemein zulässig deklariert
sind, als nur ausnahmsweise zulassungsfähig festsetzen, soweit die allgemeine Zweck-
bestimmung des Baugebiets noch gewahrt bleibt.
Das eigentlich Unvorhergesehene ist nicht in § 31 Abs. 1, sondern in Abs. 2 geregelt.
Hier tauchen die Fälle auf, an die der Planer bei Planaufstellung nicht gedacht hat,
mit denen er bzw. die Baugenehmigungsbehörde erst später und überraschenderweise
konfrontiert wird. Der klassische Fall der Befreiung ist in § 31 Abs. 2 Ziffer 3 formu-
liert: Danach kann die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde
eine Befreiung erteilen, „wenn die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offen-
bar nicht beabsichtigten Härte führen würde“674. Hier hat der Planer offensichtlich
etwas nicht bedacht, es wäre eine unbeabsichtigte Härte, wenn man den Plan so durch-
hielte, wie er rechtsverbindlich geworden ist. Wenn ein Plan z. B. eine Baulinie enthält,
an die die Grundstückseigentümer heranbauen müssen, dann wird derjenige, auf des-
sen Grundstück die Baulinie im Gegensatz zu allen anderen Grundstücken nur mit
unverhältnismäßig hohem technischen Aufwand einzuhalten ist, sich auf § 31 Abs. 2
Ziffer 3 berufen dürfen. Es liegt in der Natur dieses Befreiungsgrundes, dass er nicht
für jedes Grundstück im Geltungsbereich des B-Plans geltend gemacht werden kann,
sondern nur für „atypische“ Fälle. Wenn alle Grundstücke von einer Festsetzung
„hart“ getroffen werden, kann dies von Rechts wegen nicht unbeabsichtigt sein. Wenn
die Planer nicht wussten, was sie taten, dürfte der Plan falsch abgewogen und damit
nichtig sein. § 31 Abs. 2 Nr. 3 gilt also nur für „atypische Fälle“.
Nach der Rechtsprechung waren Befreiungen nicht nur im Rahmen des § 31 Abs. 2
Nr. 3, sondern ganz generell nur im „atypischen Sonderfall“ zulässig, um „punktuelle
Randkorrekturen der Planung“ vorzunehmen675. Ein „atypischer“ Sachverhalt lag
nach der Rechtsprechung nicht vor, wenn die Gründe, die für die Befreiung sprechen,
für jedes oder nahezu für jedes Grundstück im Planbereich gegeben sind. In solchen
Fällen musste nach der Rechtsprechung der Plan geändert werden676.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts musste „Atypik“ auch bei
Befreiungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 vorliegen. Der Befreiungsgrund nach Nr. 2 wurde
erst 1979 in das Gesetz eingefügt. Ursprünglich sollten „städtebauliche Gründe“ die
Abweichung „rechtfertigen“. Nachdem die Rechtsprechung mit diesem Tatbestand

673 Vgl. BVerwG, U. v. 19.9.2002 – 4 C 13.01 –, ZfBR 2003, 260.


674 Vgl. BVerwG, U. v. 20.6.1975 – 4 C 5.74 –, BRS 29 Nr. 126.
675 Vgl. OVG Berlin, U. v. 2.5.1977 – II B 2.77 –, BRS 32 Nr. 5 (Unzulässigkeit des Kraftwerks Oberjäger-
weg in einem durch B-Plan ausgewiesenen Waldgebiet im Wege der Befreiung).
676 Vgl. BVerwG, B. v. 6.7.1977 – 4 B 53.77 –, JurionRS 1977, 14340.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

sehr engherzig umgegangen war677, forderte der Gesetzgeber (ab 1987) nur noch eine
„städtebauliche Vertretbarkeit“. Auch diese Erleichterung der Befreiungsmöglichkei-
ten wurde von der Verwaltungsgerichtsbarkeit jedoch mit der Forderung nach einem
jeweils atypischen Einzelfall als Rechtfertigungsgrund konterkariert678. Damit wurden
Befreiungen ausgeschlossen, die zwar städtebaulich vertretbar waren, aber für jedes
Grundstück im Planbereich hätten geltend gemacht werden können. In diese Fall-
gruppe gehören z. B. Dachausbauten in Altbaugebieten, in denen die ursprünglich als
Wäschetrockenboden eingerichteten Dachbereiche nicht mehr für das Aufhängen der
Wäsche benötigt werden. Können jedenfalls die ersten Dachausbauten im Wege der
Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 genehmigt werden? Hier scheiden sich die Geister.
Die einen meinen, dass alles, was überall im Plangebiet geschehen könnte, nur durch
Planänderung zulässig gemacht werden könne. Anderenfalls gelte das Windhundprin-
zip und der ursprüngliche Plan werde willkürlich durchlöchert. Die anderen meinen,
dass jedenfalls die ersten Dachausbauten noch als städtebaulich vertretbar genehmigt
werden könnten, wenn und weil schädliche Auswirkungen z. B. auf die Infrastruktur-
auslastung im Gebiet nicht zu befürchten seien.
Der Gesetzgeber hat sich schon mit § 4 BauGB-MaßnahmenG in der Fassung von
1990, endgültig dann mit dem BauROG 1998 der zweiten Meinung angeschlossen.
Er hat deswegen die ursprüngliche Beschränkung der Befreiung auf den „Einzelfall“
aus § 31 Abs. 2 gestrichen und stattdessen allein auf die Grundzüge der Planung Bezug
genommen. Befreiungen sind generell nur zulässig, solange die „Grundzüge der Pla-
nung nicht berührt werden“. Mit der „Atypik“ als generelle Voraussetzung einer Be-
freiung sollte es nun ein Ende haben679. Bei den Grundzügen der Planung680 wird
man eine qualitative und eine quantitative Grenze betrachten müssen. Die Grundzüge
der Planung sind qualitativ berührt, wenn eine „tragende Festsetzung“ betroffen ist.
Wenn in einem aus geschlossenen Baublöcken bestehenden Baugebiet im Interesse aller
Beteiligten die Nichtüberbaubarkeit und Begrünung der Innenhöfe vorgeschrieben ist,
darf davon auch im Einzelfall nicht befreit werden. Auch von den bauordnungsrecht-
lich festgelegten Mindestmaßen von Fenstern, die als zweiter Rettungsweg dienen,
kann nicht befreit werden, weil die Regelung auf einer Grundsatzentscheidung des
Gesetzgebers beruht, die den am Bau Beteiligten Rechts- und Planungssicherheit gibt
und die es den Bauaufsichtsbehörden ermöglicht, die Einhaltung der Vorschrift ohne
größeren Aufwand festzustellen681. Die quantitativen Grenzen sind berührt, wenn die
Anzahl städtebaulich vertretbarer und daher genehmigungsfähiger Vorhaben eine
Grenze erreicht, wo die Quantität in Qualität umschlägt. Wenn weitere Dachausbau-
ten in der Summe mit den bereits per Befreiung genehmigten Ausbauten den Zuzug
so vieler Haushalte ermöglichen würden, dass die Kinderspielplätze im Gebiet nicht
mehr ausreichten, dann darf nicht mehr befreit werden; vielmehr muss umgeplant
werden. Im Übrigen ist der Anzahl der Befreiungen jedoch keine quantitative Grenze

677 Vgl. dazu sehr restriktiv Niedersächsisches OVG, NJW 1980, 1408: Unterfall des „Wohls der Allge-
meinheit ohne wesentliche eigenständige Bedeutung“.
678 Zur engen Auslegung dieser Vorschrift vgl. OVG Berlin, U. v. 14.8.1987 – 2 B 10.86 –, ZfBR 1988,
54; OVG Berlin, B. v. 25.2.1988 – 2 S 1.88 –, ZfBR 1988, 239; BVerwG, B. v. 20.11.1989 – 4 B 163/
89 –, ZfBR 1990, 148.
679 Ebenso VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.6.2003 – 3 S 2324/02 –, ZfBR 2004, 71. Vgl. allerdings
auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 2.11.2006 – 8 S 361/06 –, BauR 2007, 1546, wonach eine Befrei-
ung die Grundzüge der Planung u. a. dann i. S. des § 31 Abs. 2 BauGB berührt, „wenn sie aus Gründen
begehrt wird, die in gleicher Weise eine Vielzahl anderer von der Festsetzung betroffener Eigentümer
anführen könnte“.
680 Beispiel: VGH Baden-Württemberg, B. v. 9.12.2002 – 5 S 1985/02 –, ZfBR 2003, 263 (Ausrichtung
an topografischen Gegebenheiten).
681 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 28.1.2009 – 10 A 1075/08 –, BauR 2009, 802; vgl. auch OVG
Berlin-Brandenburg, B. v. 3.8.2009 – 2 N 5.08 –, BauR 2009, 1937.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

gesetzt. Neben den „offenbar nicht beabsichtigten Härtefällen“ und der „städtebauli-
chen Vertretbarkeit“ (sie liegt vor, wenn die Abweichung auch Inhalt eines abwägungs-
gerechten B-Plans sein könnte682) enthält § 31 Abs. 2 noch einen weiteren Befreiungs-
grund, nämlich die „Gründe des Wohls der Allgemeinheit“683. Gründe des
allgemeinen Wohls sind nach der Rechtsprechung schon dann gegeben, wenn „ver-
nünftige Gründe“ im Interesse der Allgemeinheit für die Befreiung sprechen. Das be-
troffene Grundstück muss dazu keineswegs „atypisch“ sein. Es liegt jedoch in der
Natur der Sache, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit in aller Regel nur für einen
bestimmten Einzelfall, für einen singulären Zweck geltend gemacht werden können.
In der Praxis der Genehmigungsbehörden geht man recht häufig ziemlich großzügig
mit dem Instrument der Befreiung um. Denn Befreiungen sind schneller und unbüro-
kratischer zu handhaben als die Durchführung von Planänderungsverfahren (mit einer
Laufzeit von mindestens einem, häufig mehreren Jahren). Auch bei Anerkennung des
Arguments der Zeiteinsparung darf aber nicht verkannt werden, dass ein Plan durch
die Erteilung von vielen Befreiungen völlig durchlöchert werden kann. In der Mehrzahl
der Fälle bieten die Tatsache, dass eine Befreiung nur im Zusammenwirken zweier
Behörden erteilt werden kann (nämlich von der Baugenehmigungsbehörde im Einver-
nehmen mit der Gemeinde), und die allgemeine Rechtsaufsicht der höheren Verwal-
tungsbehörde eine gewisse Gewähr dafür, dass keine gravierenden Missbräuche einrei-
ßen. In den kreisfreien Städten ist die Baugenehmigungsbehörde jedoch Bestandteil der
Gemeindeverwaltung, so dass es insoweit keine gegenseitige Kontrolle gibt. Deshalb
ist die Befreiungspraxis gerade in größeren Städten und besonders im Stadtstaat Ber-
lin684, in dem auch keine von der Gemeinde unabhängige „höhere Verwaltungsbe-
hörde“ vorhanden ist, des Öfteren Gegenstand heftiger Kritik gewesen.
Auch für den Bauwilligen hat eine Befreiung zwei Seiten: Einerseits kommt er auf diese
Weise schneller zu seiner Baugenehmigung, als wenn der Bebauungsplan geändert
würde; andererseits besteht auf die Erteilung einer Befreiung kein Rechtsanspruch (die
Baugenehmigungsbehörde „kann“ die Befreiung erteilen), so dass die Bauherren nicht
selten in geradezu kaufmännische Verhandlungen darüber eintreten müssen, ob und
unter welchen Umständen sie in die Gunst einer Befreiung gelangen können. Sie müs-
sen dann vielleicht Zugeständnisse etwa bei der Baugestaltung machen, zu denen sie
allein aus Rechtsgründen nicht verpflichtet wären. Im Übrigen wird für die Erteilung
einer Befreiung auch eine besondere Gebühr erhoben.
Ein gewisser Schutz gegen allzu großen Missbrauch ist dadurch gewährleistet, dass die
Grundstücksnachbarn Befreiungen nicht ohne weiteres hinnehmen müssen. In einem
durch Bebauungsplan geregelten Baugebiet hat im Prinzip jeder Grundstückseigentü-
mer Anspruch darauf, dass dieser Plan auch eingehalten wird. Wenn der jeweilige
Nachbar großzügig befreit wird, kann man sich jedenfalls dann dagegen wenden,
wenn man in seinen eigenen Rechten (z. B. auf Vermeidung unzumutbarer Störungen
und Behinderungen) beeinträchtigt wird. Man kann dann eine Nachbarklage gegen die
Erteilung der Befreiung einreichen, die vom Verwaltungsgericht auf ihre Berechtigung
geprüft wird. Die Verwaltungsgerichte haben sehr dezidierte Prüfungsmaßstäbe entwi-
ckelt, die eine uferlose Ausdehnung der Befreiungspraxis verhindern; nach der „Typi-
sierungslehre“ darf beispielsweise ein gewerblicher Betrieb durch eine Befreiung nur
in das nächst schutzwürdigere Baugebiet gebracht werden, aber nicht in eine völlig
fremde Gebietsart „einbrechen“. Was eigentlich nur im Mischgebiet zulässig ist, darf
also per Befreiung allenfalls im allgemeinen, aber nicht im reinen Wohngebiet zugelas-
sen werden. Diese Regel gilt entsprechend für alle Baugebiete685.

682 BVerwG, 17.12.1998 – 4 C 16.97 –, ZfBR 1999, 161.


683 Vgl. dazu BVerwG, U. v. 9.6.1987 – 4 C 54.75 –, BVerwGE 56, 71 = NJW 1979, 939.
684 Beispiel: OVG Berlin, 16.5.2000 – OVG 2 S 1.00 –, ZfBR 2001, 52.
685 Vgl. BVerwG, U. v. 16.10.1974 – 4 C 77.73 –, NJW 1975, 460 („Fallhammer-Urteil“).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Im Ergebnis wird eine gegen eine Befreiung gerichtete Nachbarklage unter folgenden
Voraussetzungen Erfolg haben: Im für den Nachbarn besten Fall werden die Festset-
zungen, von denen der Bauherr befreit werden soll, vom Gericht als „nachbarschüt-
zend“ anerkannt. Dann ist die den Nachbarn belastende Befreiung objektiv und sub-
jektiv rechtswidrig und die Nachbarklage hat ohne Weiteres Erfolg. Wenn die
Festsetzungen, von denen befreit werden soll, als solche nicht nachbarschützend sind,
wird die Lage für den klagenden Nachbarn schwieriger, aber nicht aussichtslos. Er
kann sich immer noch darauf berufen, dass jede Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 nur
„unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ erteilt werden darf. Insofern ist § 31
Abs. 2 als solcher in gewissem Umfang nachbarschützend. Dieser Schutz greift aller-
dings erst unter qualifizierten Voraussetzungen ein: Erst wenn die durch die Befreiung
eintretenden Nachteile in „qualifizierter und individualisierter Weise“ das Maß dessen
übersteigen, was einem Nachbarn unter Beachtung des Gebots der gegenseitigen Rück-
sichtnahme noch zumutbar ist, ist die Befreiung ihm gegenüber rechtswidrig und daher
aufzuheben686. Wenn der klagende Nachbar nicht in dieser qualifizierten Weise betrof-
fen ist, bleibt seine Klage erfolglos – auch wenn die Befreiung eigentlich nicht hätte
erteilt werden sollen, also objektiv rechtswidrig ist. Es fehlt dann an der notwendigen
subjektiven Betroffenheit, der Nachbar ist nicht in seinen Rechten verletzt687. (Eine
detaillierte Beschreibung des von der Rechtsprechung entwickelten Gesamtsystems des
Nachbarschutzes findet sich im Kapitel B.IX. – „Die Baugenehmigung“). Der „si-
chere“ Nachbarschutz tritt demnach über „nachbarschützende“ Festsetzungen ein.
Hinter der Formel des „Nachbarschutzes“ steckt der Gedanke, dass nicht jede Bauvor-
schrift und nicht jede Festsetzung in einem Bebauungsplan dem direkten Interesse der
Grundstücksnachbarn Rechnung tragen soll. Viele Vorschriften zielen in der Hauptsa-
che auf die Einhaltung allgemeiner, öffentlicher Interessen und kommen den Nachbarn
allenfalls mittelbar zugute. „Nachbarschützend“ im Sinn der Rechtsprechung sind nur
solche Festsetzungen, die direkt den Nachbarinteressen dienen. Dazu gehören z. B.
Festsetzungen über die Art der Nutzung, weil damit die verschiedenen Nutzungsarten
ganz konkret in ein örtlich zuträgliches Verhältnis zueinander gebracht werden sollen.
Auch Abstandsvorschriften sind nachbarschützend, nicht aber allgemeine Festsetzun-
gen über das Maß der Nutzung, auch nicht über die zulässige Zahl der Vollgeschosse“.
Ausnahmsweise können aber auch Festsetzungen der Geschosszahl und der Geschoss-
flächenzahl nachbarschützend sein, wenn sich aus dem Bebauungsplan oder seiner
Begründung ergibt, dass sie dem Schutz der Nachbarschaft dienen sollen688. Weitere
Einzelheiten dazu finden sich im folgenden Kapitel B.IX. – „Die Baugenehmigung“.
Neben Ausnahmen und Befreiungen gibt es noch Abweichungen. Der Gesetzgeber hat
2011 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima einige
klimarelevante Regelungen in das BauGB aufgenommen. In § 248 wurde verfügt, dass
bestimmte, dem Klimaschutz dienende Maßnahmen an zulässigerweise errichteten Ge-
bäuden im Geltungsbereich von Bebauungsplänen oder Entwicklungs- und/oder Er-
gänzungssatzungen zulässig sind, selbst wenn dazu geringfügige Abweichungen von
den Festsetzungen der Satzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen, zum Maß
der baulichen Nutzung sowie zur Bauweise akzeptiert werden müssen. Als Maßnah-
men, denen diese Vergünstigung zu Gute kommt, kommen solche Änderungen an
Außenbauteilen bestehender Gebäude in Betracht, die zur Erfüllung der in Anlage 3
der Energieeinsparverordnung festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten dienen

686 Richtungsweisend dazu BVerwG ZfBR 1987, 47. Vgl. auch BVerwG, B. v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 –,
BRS 73 Nr. 82; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 –, BauR 2012, 756.
687 Ein über die Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme hinausgehender Anspruch auf ermessensfeh-
lerfreie Entscheidung besteht nicht – BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 –, ZfBR 1999, 54.
688 BVerwG ZfBR 1981, 149; ZfBR 1983, 290, vgl. auch BVerwG, U. v. 9.8.2018 – 4 C 7/17 –, NVwZ
2018, 1808 (Ableitung des Nachbarschutzes aus der örtlichen Situation).

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

und in dieser Anlage unter den Nummern 1 bis 6 aufgelistet sind (insbesondere
Dämmmaßnahmen der Außenwände und Dächer von Gebäuden). In den Genuss die-
ser Vergünstigung können auch öffentliche Gebäude kommen, an denen zur Erfüllung
einer Pflicht im Sinne des § 3 Abs. 2 bis 4 EEWärmeG entsprechende Maßnahmen
durchgeführt werden sollen. Die Zulässigkeit solcher geringfügiger Abweichungen von
den Festsetzungen der Satzung setzt jedoch voraus, dass diese sowohl mit den nachbar-
lichen als auch mit baukulturellen Belangen vereinbar sind. Nach Satz 2 lässt sich diese
Vorschrift entsprechend auch innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils
anwenden, der nachfolgend behandelt wird.
5. Die Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich
Wenn ein Grundstück innerhalb eines Ortsteils liegt, der zusammenhängend bebaut
ist, darf es auch ohne Bebauungsplan bebaut werden. Das Recht, eine Baulücke zu
schließen oder auch nach dem Abriss eines vorhandenen Gebäudes ein neues Haus an
gleicher Stelle zu errichten, gehört in geschlossenen Ortschaften zum Eigentumsinhalt
der betreffenden Grundstücke689; sie sind gleichsam ihrer Natur nach Baugrundstü-
cke. Das Recht auf Bebauung kann nicht ohne Entschädigung entzogen werden. Wenn
und insoweit kein Bebauungsplan vorhanden ist, dient die vorhandene nähere Umge-
bung als Maßstab der Zulässigkeit. Dies ist in § 34 Abs. 1 festgelegt. § 34 ist als
Genehmigungsvorschrift für alle Vorhaben in traditionell bebauten Gebieten, für die
es (noch) keine Bebauungspläne gibt, von größter praktischer Bedeutung. Denn der
Anteil unbeplanter, im Zusammenhang bebauter Ortsteile im Verhältnis zur Gesamt-
siedlungsfläche einer Stadt oder Gemeinde ist bundesweit groß, in manchen Gemein-
den liegt er bei über 80 % der Bauflächen. § 34 steht demnach als Genehmigungsvor-
schrift nahezu gleichberechtigt neben dem bereits geschilderten § 30.
a) Die ursprüngliche Fassung des § 34 im Bundesbaugesetz von 1960. § 34 ist seit
dem erstmaligen Erlass des BBauG im Jahre 1960 verschiedentlich geändert worden.
In der ersten Fassung las sich dieser Paragraph wie eine Übergangsvorschrift. Es hieß
dort damals:
„In Gebieten, für die die Gemeinde noch nicht beschlossen hat, einen Bebauungsplan
aufzustellen, oder für die die Aufstellung eines solchen Bebauungsplans nicht erforder-
lich ist, ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig,
wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich ist.“ Die
Einleitungsworte dieses Textes lassen klar erkennen, dass der § 34 wenigstens zur
Hälfte als vorübergehende Regelung gedacht war: Dort, wo die Gemeinden „noch“
keinen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst hatten, sollte die Be-
bauung in den Fällen ermöglicht werden, in denen dies „unbedenklich“ war. Der Cha-
rakter als tendenziell eher unbedeutende Übergangsvorschrift kommt auch dadurch
zum Ausdruck, dass als Kriterium für die Zulässigkeit eines Vorhabens nur ein einziger
Begriff benutzt wurde – die „Unbedenklichkeit“.
Die „Unbedenklichkeit“ ist einer jener unbestimmten Rechtsbegriffe, die einer sehr
unterschiedlichen Auslegung zugänglich sind. Man kann diesen Begriff in Anlehnung
an den Wortsinn relativ eng auslegen, indem man nur das als „unbedenklich“ aner-
kennt, was in keiner Hinsicht zum Nachdenken Anlass gibt. Ein Vorhaben müsste
dann in jeder Hinsicht völlig unproblematisch sein, wenn es genehmigungsfähig sein
sollte. So eng ist § 34 aber von der Rechtsprechung nie verstanden worden. Das
BVerwG hat vielmehr das Wort „unbedenklich“ einer eher wertorientierten Auslegung
mit dem Ziel unterzogen, die eigentumsrechtlich garantierte Baufreiheit nicht mehr als
unbedingt nötig einzuschränken.

689 Vgl. BVerwG ZfBR 1980, 294; BVerwG Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 89; BGH, U. v. 1.10.1981
– III ZR 109/80 –, BauR 1982, 354.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Auf diese Weise gelangte das Gericht zu einer relativ weiten Auslegung, nach der
alle die Vorhaben als „unbedenklich“ betrachtet wurden, durch die die städtebauliche
Situation „nicht mehr als nur unwesentlich verschlechtert“ wurde690. Das BVerwG
betonte, dass § 34 BBauG eine rein konservierende Funktion habe. Maßstab der Zu-
lässigkeit oder Unzulässigkeit sei allein das Vorhandene, ohne Rücksicht auf seine
städtebauliche Qualität. Auch wenn ein in der Umgebung vorhandenes Gebäude pla-
nungsrechtlich nicht erwünscht sei, könne es als Maßstab für das, was in dem Gebiet
zulässig sei, nicht einfach beiseite geschoben werden. Als „Fremdkörper“ im Bestand
sei nur das außer Acht zu lassen, was den bodenrechtlichen Charakter des Baugrund-
stücks tatsächlich nicht präge.
In der kommunalen Praxis führte diese Auslegung des § 34 durch die Rechtsprechung
dazu, dass die Baugenehmigungsbehörden nicht selten städtebaulich unerwünschte
Vorhaben genehmigen mussten. Die „Verschlechterungsrechtsprechung“ hatte zur
Folge, dass sich der Charakter von städtebaulich unerfreulichen Gebieten unter der
Herrschaft des § 34 BBauG weiter ins Negative entwickeln konnte.
Um dem abzuhelfen, wurde 1976 der Gesetzeswortlaut des § 34 BBauG grundlegend
überarbeitet. An die Stelle der „Unbedenklichkeitsklausel“ trat nun die „Einfügungs-
klausel“.

b) Die Einfügungsklausel von 1976. Von 1976 bis zum Baugesetzbuch von 1986 lau-
tete § 34 Abs. 1 wie folgt: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist,
sofern § 30 keine Anwendung findet, ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzun-
gen eines Bebauungsplans nicht widerspricht und es sich nach Art und Maß der bauli-
chen Nutzung, Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in
die Eigenart der näheren Umgebung unter Berücksichtigung der für die Landschaft
charakteristischen Siedlungsstruktur einfügt, die Erschließung gesichert ist und wenn
sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen, insbesondere die Anforderungen
an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild nicht
beeinträchtigt wird“691. Mit diesem voluminösen Satz versuchte der Gesetzgeber, der
Baugenehmigungspraxis ein Instrument an die Hand zu geben, durch das sie in die
Lage versetzt werden sollte, städtebaulich unerwünschte Vorhaben zu verhindern. Dies
dürfte im Ergebnis auch gelungen sein.
Die Rechtsprechung blieb zwar bei ihrer Aussage, wonach § 34 eine rein konservie-
rende, keine planersetzende Funktion habe. Als maßgebliche „nähere Umgebung“ sei
weiterhin alles das zu berücksichtigen, was „prägend auf das Baugrundstück ein-
wirke“ und „sich auf das Vorhaben auswirken könne“692. Der VGH Baden-Württem-
berg formulierte für die Bestimmung der näheren Umgebung folgende Faustformel:
„Zur maßgebenden Umgebung gehört in der Regel das Häuserviertel, in dem das
Grundstück liegt und die gegenüberliegende Häuserfront“ – aber nur solche Gebäude,
die noch zum Innenbereich gehören693. Benachbarte Außenbereichsbebauung be-
stimmt den für das Einfügen maßgeblichen Rahmen nicht694.
Zur Bestimmung des „Einfügens“ ging das BVerwG695 jedoch von seiner „Verschlech-
terungsrechtsprechung“ ab. Das Einfügen könne nicht am Maßstab der Verschlechte-

690 BVerwG, U. v. 23.4.1969 – 4 C 96.67 –, BRS 22 Nr. 46.


691 Zur selbständigen Bedeutung der „gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ und des „Ortsbildes“
neben dem Einfügen vgl. BVerwG, B. v. 16.7.1990 – 4 B 106/90 –, ZfBR 1990, 306.
692 BVerwG, U. v. 21.11.1980 – 4 C 30/78 –, BauR 1981, 170; BVerwG, U. v. 15.1.1982 – 4 C 58.79 –,
ZfBR 1982, 90; BVerwG, U. v. 3.4.1981 – 4 C 61.78 –, NJW 1981, 2770 im Anschluss an BVerwG,
U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, NJW 1978, 2564.
693 VGH Baden-Württemberg, U. v. 14.10.1980 – 8 S 659/80 –,VBlBW 1981, 154.
694 BVerwG, U. v. 10.12.1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460.
695 BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, NJW 1978, 2564. Aus der neueren Rspr. vgl: BVerwG, U. v.
22.5.1987 – 4 C 6/85 –, ZfBR 1987, 257 und 258.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

rung der vorhandenen Situation gemessen werden, weil die Beurteilung, ob ein Vorha-
ben eine Verschlechterung bringe, oft eine Kompensation verschiedener Belange und
damit eine planerische Abwägung voraussetze. Dies sei jedoch der Bauleitplanung vor-
behalten. Das Merkmal des Einfügens dürfe nicht dahin verstanden werden, dass über
eine Abwägung zu ermitteln sei, ob das Vorhaben insgesamt zu einer Verschlechterung
führe. Ziehe ein Vorhaben auch nur in einer Hinsicht eine so eindeutige Verschlechte-
rung nach sich, dass es nur durch eine Kompensation mit anderen Belangen zu retten
wäre, so füge es sich nicht ein und sei damit ohne weiteres unzulässig696. Mit dieser
Formel war die vom Gesetzgeber gewollte Einengung des Zulässigkeitsmaßstabs er-
reicht und vollzogen. Das BVerwG stellte ausdrücklich fest, dass mit dem Einfügen
mehr gefordert sei als zuvor mit der Unbedenklichkeit697. Eine weitere Einengung
setzte sich durch, als das BVerwG die Einfügungsklausel mit dem zunächst direkt aus
dem Grundgesetz abgeleiteten „Gebot der Rücksichtnahme“ verfeinerte.
c) Das Gebot der Rücksichtnahme. Nach der Einfügungsklausel ist ein Vorhaben im
unbeplanten Ortszusammenhang dann zulässig, wenn es sich in den durch die Umge-
bung gebildeten Rahmen einfügt. Der Maßstab der vorhandenen Umgebung bildet
dann gleichsam den Ersatz für den nicht vorhandenen Bebauungsplan. Aber ebenso,
wie in einem durch B-Plan festgesetzten Baugebiet ein normalerweise zulässiges Vorha-
ben im Einzelfall unzulässig sein kann, wenn und weil von ihm unzumutbare Belästi-
gungen ausgehen (vgl. § 15 BauNVO!), kann auch in Gebieten nach § 34 ein Vorha-
ben trotz äußerlicher Einfügung in den Rahmen der Umgebung unzulässig sein, wenn
es an der ausreichenden Rücksichtnahme auf sonstige Nutzungen fehlt. Dieses „Gebot
der gegenseitigen Rücksichtnahme“ wurde von der Rechtsprechung nach 1976 (zu-
nächst ohne eigentliche Grundlage im BBauG, gleichsam als allgemeingültiges Prinzip,
das letztlich in der Verfassung wurzele) entwickelt und immer feiner ausziseliert698.
Mittlerweile verortet man es im einfachen Recht, in § 34 Abs. 1 soll es „im Begriff
des ,Einfügens‘“ aufgehen“699. Innerhalb des § 34 ist es ein Korrektiv, das für Vorha-
ben, die sich bei generalisierender Betrachtung noch innerhalb des durch die Umge-
bung geprägten Rahmens halten, zur Unzulässigkeit führen kann. In besonderen Fällen
kann es nachbarschützende Wirkung haben700 (siehe dazu Kapitel B.IX. – „Die Bauge-
nehmigung“ unter 3.). Das Gebot der Rücksichtnahme ist z. B. dann verletzt,
– wenn ein Vorhaben unzumutbare Emissionen verursacht (Schreinerei neben Wohn-
häusern im Mischgebiet) oder
– wenn es sich schädlichen Umwelteinwirkungen aussetzt (Ersetzung von als Arbei-
terhäusern errichteten Wohngebäuden neben Chemiefaserwerk durch freiverkäuf-
liche Reihenhäuser)
und dadurch zu bewältigungsbedürftigen Spannungen führt701. Im Übrigen hängen
die Anforderungen, die aus dem Gebot der Rücksichtnahme abzuleiten sind, von den

696 Zur Unzulässigkeit einer „planersetzenden“ Abwägung innerhalb von Entscheidungen nach § 34
Abs. 1 vgl. BVerwG, B. v. 12.6.1990 – 7 B 72/90 –, ZfBR 1990, 305. Vgl. auch BVerwG, U. v.
15.2.1990 – 4 C 23/86 –, ZfBR 1990, 198 (200).
697 BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BVerwGE 55, 369 (Harmonieurteil).
698 Zuerst wohl BVerwG, U. v. 12.12.1975 – 4 C 71.73 –, BVerwGE 50, 49; intensiv BVerwG, U. v.
25.2.1977 – 4 C 22.75 –, NJW 1978, 62; BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 –, BauR 1978, 276;
BVerwG, U. v. 10.12.1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460 und BVerwG, U. v. 18.2.1983 – 4 C
18.81 –, NJW 1983, 2713; BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 –, ZfBR 1987, 47.
699 So BVerwG, U. v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 –, BauR 1986, 542.
700 Grundlegend BVerwG, U. v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 –, BVerwGE 52, 122; bestätigt von BVerwG, U. v.
13.3.1981 – 4 C 1/87 –, DVBl. 1981, 928 und BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 4 B 152/93 –, GewArch.
1994, 250.
701 Vgl. BVerwG, U. v. 16.3.1984 – 4 C 50/80 –, DÖV 1984, 857 im Anschluss an BVerwG, U. v.
27.5.1983 – 4 C 67/78 –, ZfBR 1984, 45; BVerwG, B. v. 5.3.1984 – 4 B 20/84 –, DÖV 1984, 860:
Pumazwinger fügt sich in Wohnbebauung nicht ein.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung der Betroffenen ist,
desto mehr Rücksichtnahme wird verlangt. Je verständlicher und unabweisbarer die
mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, desto weniger Rücksichtnahme ist gebo-
ten. Vom Rücksichtnahmegebot werden hingegen die Glasbausteine eines Nachbarge-
bäudes, durch die ein Treppenhaus belichtet wird, nicht erfasst, wenn bei faktisch
geschlossener Bauweise ein Grenzbau errichtet wird702. So wie ein Vorhaben einerseits
auch dann, wenn es sich in den Rahmen der Umgebung einfügt, als Folge der Verlet-
zung des Gebots der Rücksichtnahme unzulässig sein kann, so ist es andererseits auch
möglich, dass ein Vorhaben selbst dann, wenn es den Rahmen der Umgebung über-
schreitet, doch zulässig ist, sofern es (ausnahmsweise) keine ausgleichsbedürftigen bo-
denrechtlichen Spannungen begründet oder vorhandene Spannungen nicht erhöht.
Denn das Einfügen ist nicht auf Einheitlichkeit, sondern auf Harmonie ausgerichtet,
es soll individuellen Ideenreichtum nicht blockieren.703 Hier gilt die Faustformel: Was
in einem durch Bebauungsplan geordneten Gebiet per Ausnahme oder Befreiung zuge-
lassen werden könnte, das kann auch in einem Gebiet nach § 34 noch zugelassen
werden704. Dieser Gedanke ist mittlerweile im § 34 Abs. 2 ausdrücklich kodifiziert.
Mit dem EAG Bau 2004 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer „Befreiung“ nicht
nur im Rahmen des § 34 Abs. 2 bei entsprechender Anwendung der BauNVO, son-
dern auch gegenüber einem strikt verstandenen „Einfügen“ durch einen neuen § 34
Abs. 3a zum Ausdruck gebracht. Sowohl durch das Gesetz zur Erleichterung von Pla-
nungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 als auch durch
das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 als auch durch das
Gesetz zur Umsetzung der RL 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des
neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 wurde § 34 Abs. 3a nochmals
modifiziert. Dort heißt es nun: Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der
näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden,
wenn die Abweichung
1. einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a) der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässi-
gerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b) der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten,
Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c) der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu
Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2. städtebaulich vertretbar ist und
3. auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen ver-
einbar ist.
Diese Regelung ist nicht anwendbar auf (großflächige) Einzelhandelsbetriebe mit negati-
ven Auswirkungen auf die Innenstadt, das Zentrengefüge der Gemeinde selbst oder einer
Nachbargemeinde. Der erfahrene Baurechtler wird in dieser Vorschrift den 1998 abge-
schafften § 34 Abs. 3 a. F. wiedererkennen. Diese Vorschrift hatte folgende Entstehungs-
geschichte: Nachdem man durch die Novellierung des § 34 im Jahre 1976 versucht hatte,
den von der Rechtsprechung wohl allzu großzügig gesetzten Genehmigungsmaßstab zu
korrigieren, zeigte sich seit Beginn der 1980er Jahre die Kehrseite der Medaille: Der Tat-
bestand des § 34 war nun so eng geworden, dass er im Einzelfall auch die Zulassung von
erwünschten Vorhaben nicht mehr zu erlauben schien. Bei den erwünschten Vorhaben

702 OVG Niedersachen, B. v. 24.1.2011 – 1 ME 275/10 –, BauR 2011, 994.


703 Zur Frage der Zulässigkeit von „Boardinghouses“ als Übergangsform zwischen Wohnnutzung und
Beherbergungsbetrieb vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 6.7.2006 – 2 S 2.06 –, BauR 2006, 1711.
704 BVerwG, U. v. 15.1.1982 – 4 C 58.79 –, ZfBR 1982, 90 (91); ebenso BVerwG, U. v. 2.12.1983 – 8 C
155/81 –, NJW 1984, 2901 (2902); BVerwG, B. v. 15.4.1987 – 4 B 60/87 –, ZfBR 1987, 258.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

ging es insbesondere um die angemessene Lösung des Nebeneinanders von Wohnen und
Gewerbe, also um die sog. Gemengelagen. Eine großzügige Entmischung durch Auslage-
rung von Gewerbebetrieben aus den Wohngebieten war unter den sich verschärfenden
ökonomischen Bedingungen der frühen 1980er Jahre nicht mehr in dem Umfang möglich
wie in den 1960er und 1970er Jahren. Die Betriebe mussten also an ihren Standorten
bleiben. Die Nachbarn hatten unter diesen Umständen gewisse Beeinträchtigungen hin-
zunehmen. Solange ein Betrieb unverändert blieb, konnten die Nachbarn kaum etwas
dagegen unternehmen, denn Betrieb und Gebäude genossen insoweit Bestandsschutz.
Wurde jedoch eine Betriebserweiterung oder gar ein Neubau nach Abriss fällig, dann war
sofort zweifelhaft und streitig, ob die Betriebserweiterung oder der Neubau sich wirklich
noch in die vorhandene Umgebung „einfügten“, ob die gesunden Wohn- und Arbeitsver-
hältnisse wirklich gewahrt blieben.
Den Baugenehmigungsbehörden ist es in der Praxis zwar im Allgemeinen gelungen,
auch problematische Fälle in Gemengelagen entweder durch Genehmigung nach § 34
oder nach Aufstellung eines Bebauungsplans unter Nutzung des § 1 Abs. 10 BauNVO
zu ermöglichen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung der Frage, ob ein
Vorhaben nach § 34 noch genehmigungsfähig sei oder nicht, war jedoch nicht zu
leugnen. Um derartige Unsicherheiten abzubauen, hat der Gesetzgeber des Baugesetz-
buchs 1986 für die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung und Erneuerung von
zulässigerweise errichteten baulichen und sonstigen Anlagen einen neuen Genehmi-
gungstatbestand in § 34 eingefügt: Derartige Vorhaben konnten nach § 34 Abs. 3 im
Einzelfall auch dann zugelassen werden, wenn sie sich nicht einfügten, wenn aber
entweder die Zulassung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich oder
das Vorhaben einem Betrieb diente und städtebaulich vertretbar war. Die Abweichung
vom Einfügungsgebot (oder von den Zulässigkeitsmaßstäben des § 34 Abs. 2, die nach
§ 34 Abs. 3 a. F. ebenfalls erlaubt war) musste „auch unter Würdigung nachbarlicher
Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein“. Sie durfte nicht angewendet
werden auf „Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölke-
rung beeinträchtigen können“ (womit augenscheinlich Verbrauchermärkte und groß-
flächige Supermärkte gemeint waren).
Durch den § 34 Abs. 3 a. F. sollte gerade in Gemengelagen eine solide Genehmigungs-
grundlage und damit Rechtssicherheit für gewerbliche Vorhaben geboten werden. § 34
Abs. 3 a. F. enthielt ebenso wie der neue § 34 Abs. 3a gleichsam die Möglichkeit einer
„Befreiung“ von den sonst geltenden Anforderungen des § 34 Abs. 1. Das ist in sich
nachvollziehbar und vernünftig. Dennoch lässt sich nicht ohne eine gewisse Akrobatik
ausmachen, welche Vorhaben sich einerseits unter voller Anwendung der von der Recht-
sprechung entwickelten Grundsätze zum Einfügen im weiteren Sinne nicht einfügen,
gleichwohl aber „städtebaulich vertretbar“ und auch noch „unter Würdigung nachbarli-
cher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ sein sollen! Im Kern dürfte es
um Vorhaben gehen, die einerseits zunächst bodenrechtliche Spannungen auslösen (und
daher nach § 34 Abs. 1 nicht genehmigungsfähig sind), andererseits aber mit Bedingun-
gen versehen werden können, die am Ende doch zu einem verträglichen Nebeneinander
führen. Auch danach nicht genehmigungsfähige Vorhaben können vielleicht noch über
einen Vorhaben- und Erschließungsplan genehmigungsfähig gemacht werden. Vorhaben,
die aus Gründen des Bestandsschutzes für vorhandene Betriebe genehmigt werden sol-
len705, müssen in die gesetzlich vorgegebenen Genehmigungstatbestände eingeordnet
werden, sonst sind sie nicht genehmigungsfähig. Einen darüber hinausgehenden, eigen-
tumsrechtlich begründeten Bestandsschutz gibt es nicht (mehr).

705 Zum Bestandsschutz vgl. zunächst BVerwG, U. v. 17.1.1986 – 4 C 80/82 –, BVerwGE 72, 362 („erwei-
terter Bestandsschutz“), aufgegeben durch BVerwG, U. v. 12.3.1998 – 4 C 10.97–, ZfBR 1998, 259
(„Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus
eigentumsrechtlichem Bestandsschutz“).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

d) Das Einfügen in den „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“. In zusammenfassen-


der, in Bild 46 noch einmal wiedergegebener, Darstellung sind also bei der Prüfung
der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 in die vorhandene Umgebung
„einfügt“, folgende Schritte vorzunehmen:
– Zunächst ist durch Betrachtung der näheren Umgebung der Rahmen zu ermitteln,
den die vorhandene Bebauung setzt. Dabei darf im Grundsatz nur auf die Bebau-
ung im jeweiligen Gemeindegebiet abgestellt werden706. Hält sich das Vorhaben
innerhalb dieses Rahmens, ist es regelmäßig zulässig.
– Auch bei Einhaltung des generellen Rahmens kann das Vorhaben im Einzelfall
unzulässig sein, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die vorhandene Umge-
bung vermissen lässt.
– Überschreitet das Vorhaben den Rahmen, ist es regelmäßig unzulässig; dies gilt
ausnahmsweise nicht, wenn es bodenrechtlich beachtliche oder ausgleichsbedürf-
tige Spannungen weder begründet noch erhöht.
Bild 46: Prüfungsschema zum Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB
§ 34 Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich
nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die über-
baut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesi-
chert ist.
Zur Prüfung des „Einfügens“ sind fünf Schritte notwendig:
1. Rahmenbildung
Herausfiltern des sich aus der „Eigenart der näheren Umgebung“ ergebenden Rahmens
(= Konstruktion eines „Ersatz-Bebauungsplans“ – siehe Bild 47)
2. Rahmenanwendung
Aufbringen des Rahmens auf das Vorhaben (= Anwendung des „Ersatz-Bebauungsplans“ auf
den Einzelfall)
3. Dehnung in Form der Befreiung?
Hält sich das Vorhaben nicht im Rahmen, kann es sich dennoch einfügen, wenn es (aus-
nahmsweise) keine ausgleichsbedürftigen bodenrechtlichen Spannungen auslöst (= Quasi-Be-
freiung vom „Ersatz-Bebauungsplan“ auf der Grundlage des § 34 Abs. 2).
4. Prüfung der zulässigen Abweichung?
Nach § 34 Abs. 3a kann vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung bei be-
stimmten Vorhaben abgewichen werden. Dies betrifft sowohl die Erweiterung, Änderung, Nut-
zungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Hand-
werksbetriebs, als auch die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise
errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes als auch die Nutzungsänderung einer zuläs-
sigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen
Änderung oder Erneuerung. Der Abweichung darf nur zugestimmt werden, wenn sie städte-
baulich vertretbar ist und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen
Belangen vereinbar ist.
5. Einengung?
Trotz äußerlicher Einhaltung des Rahmens fügt sich ein Vorhaben nicht ein, wenn es das Ge-
bot der Rücksichtnahme verletzt, indem es einen Nachbarn objektiv handgreiflich und unzu-
mutbar zu beeinträchtigen droht. (= Quasi-Anwendung des § 15 BauNVO). Zudem ist zu prü-
fen, ob von in der Nähe befindlichen Störfallbetrieben ein angemessener Abstand
eingehalten wird.

Für das Maß der baulichen Nutzung ist bei der Frage des Einfügens in die Eigenart
der näheren Umgebung „die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im
Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung“ maßgebend. Ob z. B. die Traufhöhe hierbei
prägend ist, hängt von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen ab.707 Wichtig ist für
die Ableitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung auch, mit welchen Maß-
faktoren sich die vorhandenen Gebäude der näheren Umgebung zueinander in Bezie-

706 BVerwG, U. v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 –, ZfBR 1999, 109.


707 Vgl. BVerwG, B. v. 26.7.2006 – 4 B 55.06 –, BauR 2007, 514.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

hung setzen lassen. Vorrangig bieten sich als Bezugsmaße die (absolute) Größe der
Gebäude nach Grundfläche, Geschossfläche, Geschosszahl und Höhe an. Ein Vorha-
ben fügt sich nach dem Nutzungsmaß ein, wenn die in Betracht zu ziehende nähere
Umgebung Referenzobjekte aufweist, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von
Grundfläche, Geschosszahl und Höhe vergleichbar sind708. Bei offener Bauweise ist
zusätzlich das Verhältnis der vorhandenen Gebäude zur umgebenden Freifläche als
Maßfaktor in den Blick zu nehmen709. In erster Linie ist die Bebauung entlang des
Straßenzugs als nähere Umgebung zu betrachten710. Je Beurteilungskriterium (Nut-
zungsart, Nutzungsmaß, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche) kann sich hin-
sichtlich der für die Beurteilung heranzuziehenden näheren Umgebung ein abweichen-
der Betrachtungskreis ergeben.
Wenn es um die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines
gewerblichen Betriebs, die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässiger-
weise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder um die Nutzungsänderung
einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich
einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung geht, ist zusätzlich die Möglichkeit
der Abweichung nach § 34 Abs. 3a zu prüfen. In Bild 47 sind die logischen Schritte
zur Bestimmung der „Eigenart der näheren Umgebung“ wiedergegeben.
Bild 47: Schritte zur Bestimmung der „Eigenart der näheren Umgebung“
Erster Schritt: Es ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was in der näheren Umgebung tat-
sächlich vorhanden ist. Auch eine städtebaulich unerwünschte Bebauung darf dabei nicht von vornhe-
rein vernachlässigt werden.
Zweiter Schritt: Nicht jegliche Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt ihren Charakter. Daher
muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Es muss alles außer Acht gelassen
werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint.
– Auszusondern sind zum einen bauliche Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild
(Ausdehnung, Höhe, Zahl) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflus-
sen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt.
– Zum anderen können auch solche Anlagen auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblich-
keitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der nähe-
ren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen; das sind insbesondere singuläre Anlagen im
auffälligen Kontrast zur übrigen Umgebung (Unikate).
Dritter Schritt: Derartige Unikate dürfen aber nur dann ausgeklammert werden, wenn sie wegen ihrer
Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung nicht beeinflussen und nicht etwa ihrerseits trotz ihrer An-
dersartigkeit tonangebend wirken. Dafür kommen neben der Größe des Gebäudes auch die Ausstrah-
lungswirkungen in Betracht. Stets ist zu prüfen, ob sich in der Umgebung Störfallbetriebe i. S. d. Se-
veso-III-Richtlinie befinden und welche Achtungsabstände diese jeweils auslösen.
Im Zweifel sprechen große Qualitätsunterschiede zwischen einer einzelnen Anlage und ihrer im Wesent-
lichen homogenen Umgebung dafür, dass die Anlage als ein für die Eigenart der näheren Umgebung
unbeachtlicher Fremdkörper zu werten ist.
(nach BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 –, ZfBR 1990, 198)

e) Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse und des Ortsbilds. Nach § 34


Abs. 1 Satz 2 muss sich ein Vorhaben nicht nur einfügen. Darüber hinaus müssen
„gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ gewahrt bleiben und „das Ortsbild“ darf
nicht beeinträchtigt werden. Die ausdrückliche Erwähnung der gesunden Wohn- und
Arbeitsverhältnisse über das „Einfügen“ hinaus soll klarstellen, dass es ein zulässiges
Einfügen in eine tendenziell ungesunde nähere Umgebung nicht in der Weise geben
kann, dass vorhandene ungesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse verfestigt und fort-
gesetzt werden. Wenn hier und dort noch ungesunde, lichtarme Hinterhöfe in Mietska-
sernen der Jahrhundertwende um 1900 vorhanden sind, weil die umgebende Bebau-
ung unter Bestandsschutz steht, dann kann dies nicht dazu führen, dass der enge

708 BVerwG, U. v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 –, ZfBR 2017, 263.


709 Vgl. BVerwG, B. v. 14.3.2013 – 4 B 49.12 –, ZfBR 2013, 480.
710 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 15.7.2016 – OVG 10 S 12.16 –, NVwZ-RR 2016, 949.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Hinterhof nach Abriss der Gebäude noch einmal rings umbaut wird, weil sich die
neue Bebauung in die alten (ungesunden) Verhältnisse einfügt.
In Bezug auf das Ortsbild muss bedacht werden, dass § 34 keine Ermächtigung zur
Denkmalpflege und zu aktiver Gestaltungspolitik enthält. Nach dem BVerwG kann
das Ortsbild über § 34 Abs. 1 Satz 2 nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen ge-
schützt werden, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Festsetzun-
gen nach § 9 Abs. 1 BauGB i. V. m. der BauNVO möglich wäre711. Nur das, was
bundesrechtlich festsetzbar ist, kann über § 34 Abs. 1 Satz 2 geschützt werden.

f) Die entsprechende Anwendbarkeit der Baunutzungsverordnung. § 34 verlangt von


der Baugenehmigungsbehörde ein relativ großes Einfühlungsvermögen in die städte-
bauliche Situation. Der Sachbearbeiter in der Baugenehmigungsbehörde muss oft al-
lein aufgrund seines optischen Eindrucks und seines durch Erfahrung gewonnenen
Sachverstands entscheiden, ob sich das beantragte Vorhaben einfügt oder nicht. Wenn
die nähere Umgebung eines beantragten Vorhabens einem der Gebiete entspricht, die
in der Baunutzungsverordnung typisierend geregelt sind, dann ist es offensichtlich hilf-
reich, bei der Beurteilung des Einfügens in die Art der Nutzung dieselben Maßstäbe zu
benutzen, die in der Baunutzungsverordnung bereits vorformuliert sind. Am Beispiel
ausgedrückt: Wenn ein Gebiet in seiner tatsächlichen Bebauung einem allgemeinen
Wohngebiet vergleichbar ist, so wie es in der BauNVO beschrieben ist, dann kann die
Frage, ob in diesem allgemeinen Wohngebiet eine Tankstelle zulässig sein soll, ob sie
sich einfügt, mit Hilfe der BauNVO leichter entschieden werden. Denn in der
BauNVO ist vorgesehen, dass eine Tankstelle in einem allgemeinen Wohngebiet aus-
nahmsweise zulässig ist. Die Baugenehmigungsbehörde kann unter Anwendung dieses
Maßstabs eine Tankstelle auch in einem „Allgemeinen Wohngebiet nach § 34“ gleich-
sam ausnahmsweise zulassen, wenn das Gebiet insgesamt einem allgemeinen Wohnge-
biet nach der BauNVO vergleichbar ist. Das Anwendungsprinzip gilt nicht nur für die
in den Baugebieten aufgeführten allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen,
sondern auch hinsichtlich der Gebäude und Räume für freie Berufe (§ 13 BauNVO),
der Gebäude und Räume für Ferienwohnungen (§ 13a BauNVO, neu 2017) sowie für
Nebenanlagen einschließlich der Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und
Kraft-Wärme-Kopplung (§ 14 BauNVO).
Wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem in der BauNVO genannten Bauge-
biete entspricht, sind die Baugenehmigungsbehörden durch § 34 Abs. 2 (bis 1987:
§ 34 Abs. 3 BBauG) verpflichtet, die Zulässigkeit eines Vorhabens hinsichtlich der Art
der baulichen Nutzung allein danach zu beurteilen, ob es nach den §§ 2 ff. BauNVO
zulässig ist. Hinsichtlich der anderen Prüfungsmerkmale aus § 34 Abs. 1 (Nutzungs-
maß, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche) gilt als Beurteilungsmaßstab wei-
terhin die Eigenart der näheren Umgebung. Die Frage, ob auch Sondergebiete faktisch
bestehen können, lässt sich nur für die der Erholung dienenden Sondergebiete bejahen.
Für sonstige Sondergebiete nach § 11 BauNVO gilt dies jedoch nicht, denn die
BauNVO enthält für diese Gebiete keine Regelung der zulässigen Art der Nutzung –
jedenfalls keine abschließende. Vielmehr muss die Gemeinde nach § 11 Abs. 2 Satz 1
BauNVO in einem Bebauungsplan, in dem ein sonstiges Sondergebiet festgesetzt wer-
den soll, die Art der baulichen Nutzung individuell festsetzen712. Auch die neue, durch
das Gesetz zur Umsetzung der RL 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung
des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 eingeführte Vorschrift des
§ 6a BauNVO zu den urbanen Gebieten (MU) darf nicht bei der Prüfung des Einfügens
hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung herangezogen werden. Dies regelt aus-
drücklich die Überleitungsvorschrift des § 245c Abs. 3. In den dicht bebauten Altbau-

711 BVerwG, U. v. 11.5.2000 – 4 C 14.98 –, ZfBR 2001, 58.


712 BVerwG, U. v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 –, BauR 2011, 222.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

quartieren aus der Gründerzeit, deren Strukturen einem MU hinsichtlich der Nut-
zungsart oft entsprechen, wird die prüfende Baugenehmigungsbehörde in der Regel
weiterhin auf § 6 BauNVO zurückgreifen können, soweit sie nicht alternativ zu dem
Ergebnis kommt, dass ein faktisches Baugebiet (außer dem nicht zu Anwendung kom-
menden MU) nicht vorliege.
Die Regelungen des § 31 Abs. 1 und 2 zu den Ausnahmen und Befreiungen sind inner-
halb der so zu beurteilenden Vorhaben (also in dem Fall, in dem die Baugenehmigungs-
behörde für die Zulässigkeitsprüfung die BauNVO zur Hand nehmen muss) entspre-
chend anzuwenden. Die Prüfung von Ausnahmen und Befreiungen macht nur im
Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb faktischer
Baugebiete nach den Gebietskategorien der BauNVO Sinn, da der Zulässigkeitsspiel-
raum bei einer Prüfung nach § 34 Abs. 1 ohnehin größer ist. Nach dem alten § 34
Abs. 3 BBauG i. d. F. von 1976 konnte die BauNVO nicht nur für die Beurteilung der
Zulässigkeit der Art der Nutzung, sondern auch für das Maß der Nutzung herangezo-
gen werden. Denn es hieß in § 34 Abs. 3 BBauG: „Nennt die Baunutzungsverordnung
Höchstwerte für das Maß der baulichen Nutzung, so dürfen diese Zahlen, bezogen
auf die in der Umgebung überwiegend vorhandene tatsächliche Geschosszahl, nicht
überschritten werden. Abweichungen können im Einzelfall zugelassen werden.“ Die
Bezugnahme auf das Maß der baulichen Nutzung hat sich im Zusammenhang mit
§ 34 nicht bewährt. Einerseits erzwang sie durch den Verweis auf die „tatsächlich
vorhandene Geschosszahl“ recht komplizierte Berechnungen der danach geltenden
Höchstwerte (von denen dann nach § 34 Abs. 3 Satz 3 BBauG doch wieder Abwei-
chungen zugelassen werden konnten); andererseits lieferten die errechneten Werte kei-
nen Zulässigkeitsmaßstab, der nicht bereits durch die Einfügungsklausel des Abs. 1
gedeckt gewesen wäre. Beim Einfügen in das Maß der näheren Umgebung kommt es
nach dem BVerwG „auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der BauNVO zum Maß
der baulichen Nutzung“ nicht an; allein entscheidend sei, ob sich das Vorhaben „ein-
füge“713. Die Anwendung des Artenkatalogs der Baunutzungsverordnung hat sich da-
gegen als nützlich erwiesen. Deshalb ist in den Formulierungen des Baugesetzbuches
seit 1987 nur die Bezugnahme auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der
BauNVO erhalten geblieben, die Verweisung auf das Maß der baulichen Nutzung
dagegen gestrichen worden.
Praktische Bedeutung hatte die entsprechende Anwendbarkeit der BauNVO innerhalb
des § 34 bisher vor allem bei der Abwehr von nicht willkommenen Verbrauchermärk-
ten und städtebaulich unerwünschten großflächigen Einzelhandelsbetrieben, die nach
§ 11 Abs. 3 BauNVO nur in Kerngebieten und in dafür vorgesehenen Sondergebieten
zulässig sind. Durch die über § 34 Abs. 2 herbeigeführte entsprechende Anwendbar-
keit dieser Vorschrift in Gebieten nach § 34 ist es möglich, Verbrauchermärkte und
großflächige Einzelhandelsbetriebe auch nach § 34 abzulehnen, wenn die nähere Um-
gebung des beabsichtigten Standorts z. B. einem Gewerbegebiet, einem Industriegebiet
oder auch einem Mischgebiet vergleichbar ist.
Die Sperre über § 11 Abs. 3 BauNVO wirkt allerdings nicht, wenn das betreffende
Gebiet mit keinem der Baugebiete nach der BauNVO vergleichbar ist, sodass allein
die Einfügungsklausel des § 34 Abs. 1 zur Anwendung kommt. Der Gesetzgeber des
EAG Bau hat dem dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass er in § 34 Abs. 3 ange-
ordnet hat, dass von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 und 2 keine schädlichen Auswirkun-
gen auf zentrale Versorgungsbereiche714 in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden
zu erwarten sein dürfen, wobei zur räumlichen Abgrenzung zentraler Versorgungsbe-

713 BVerwG, U. v. 23.3.1994 – 4 C 18/94 – (Dachgeschossausbau), DÖV 1994, 869.


714 Zum Begriff des zentralen Versorgungsbereichs vgl. u. a. BVerwG, U. v. 17.12.2009 – 4 C 1.08 –, BauR
2010, 732.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

reiche nach § 34 Abs. 3 auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist715. Diese
Vorschrift ist vor allem für Einkaufszentren und Vorhaben des großflächigen Einzel-
handels relevant, aber nicht nur: Das BVerwG hat klargestellt, dass § 34 Abs. 3 auch
auf Einzelhandelsbetriebe Anwendung findet, die nicht die Schwelle der Großflächig-
keit erreichen.716 Mit dieser Regelung wurde § 246 Abs. 7 entbehrlich, in dem bis
zum 20.7.2004 die folgende Ermächtigung stand: „Die Länder können bestimmen,
dass § 34 Abs. 1 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, groß-
flächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne
von § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung anzuwenden ist.“ In einer weiteren Ent-
scheidung hat das BVerwG festgehalten, dass schädliche Auswirkungen auf einen zent-
ralen Versorgungsbereich auch dann zu erwarten sind, wenn bereits vorhandene Ein-
zelhandelsbetriebe diesen Versorgungsbereich schädigen und die Schädigung durch
einen neu hinzutretenden Einzelhandelsbetrieb verstärkt wird717. Weitergehenden Re-
gelungsbedarf hat der Gesetzgeber dadurch erfüllt, dass er im Zuge des Gesetzes zur
Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom
21.12.2006 den § 9 Abs. 2a einführte, der die Aufstellung von gemeindeweiten Bebau-
ungsplänen zur Steuerung des Einzelhandels erlaubt (Einzelheiten dazu siehe Kapitel
B. V. „Die Bebauungspläne“).
g) Der „im Zusammenhang bebaute Ortsteil“ und die Klarstellungs-, Entwicklungs-
und Ergänzungssatzung. Ein Baurecht nach § 34 besteht nur „innerhalb der im Zu-
sammenhang bebauten Ortsteile“. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies „jeder Be-
bauungskomplex, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht
besitzt, Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist und deshalb ein Bereich für
eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung ist“718. „Welche Fortentwicklung
angemessen ist, ist mit Blick auf das im Begriff des Ortsteils anklingende Ziel einer
organischen Siedlungsstruktur zu bestimmen“719. Grenzt ein bebautes Grundstück an
einen Bebauungszusammenhang an, gehört es in der Regel zum Bebauungszusammen-
hang. Im Einzelfall kann sich etwas anderes ergeben. Ausschlaggebend bei der Beurtei-
lung der aufeinander folgenden Bebauung ist, inwieweit die baulichen Anlagen den
Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln.720 Unbebaute
Grundstücke begründen hingegen auch dann noch keinen Bebauungszusammenhang,
weil sie nach § 30 bebaubar sind.721 Ein Ortsteil im Sinne des § 34 kann sich nach
dem BVerwG nicht unter Überschreitung der rechtlichen Gemeindegrenzen hinweg
bilden722, weil dadurch die Planungshoheit einer Gemeinde ausgehebelt werden

715 Vgl. BVerwG, B. v. 12.7.2012 – 4 B 13.12 –, BauR 2012, 1760.


716 Vgl. hierzu BVerwG, U. v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 –, BauR 2010, 736. Zur Frage von schädlichen
Auswirkungen auf einen vorgeschädigten zentralen Versorgungsbereich vgl. OVG Nordrhein-Westfa-
len, U. v. 1.2.2010 – 7 A 1635/07 –, BauR 2010, 1188. Zur Beurteilung schädlicher Auswirkungen
einer Planung in Bezug auf den Kaufkraftabfluss vgl. BVerwG, B. v. 3.8.2011 – 4 BN 15.11 –, BauR
2012, 204; vgl. auch Thüringer OVG, U. v. 22.6.2011 – 1 KO 238/10 –, BauR 2012, 611, BVerwG,
B. v. 12.1.2012 – 4 B 39.11 –, BauR 2012, 761 sowie OVG des Saarlandes, B. v. 13.7.2011 – 21 B
231/11 –, BauR 2012, 612; VGH Baden-Württemberg, U. v. 14.12.2011 – 8 S 1438/09 –, BauR 2012,
905; Bayerischer VGH, U. v. 14.4.2011 – 2 BV 10.397 –, BauR 2012, 909; OVG Nordrhein-Westfalen,
U. v. 15.2.2012 – 10 A 1770/09 –, BauR 2012, 1083.
717 BVerwG, B. v. 12.1.2017 – 4 B 43.16 –, ZfBR 2017, 267–268.
718 BVerwG, U. v. 6.11.1968 – 4 C 31.66 –, BVerwGE 31, 22 (26); BVerwG, U. v. 13.2.1976 – 4 C
72.74 –, NJW 1976, 1855; BVerwG, U. v. 17.2.1984 – 4 C 55/81 –, NJW 1984, 1576.
719 BVerwG, U. v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 –, ZfBR 2015, 778.
720 BVerwG, B. v. 9.11.2005 – 4 B 67.05 –, BauR 2006, 492. Vgl. auch VGH Baden-Württemberg, U. v.
18.1.2011 – 8 S 600/09 –, BauR 2012, 484.
721 BVerwG, B. v. 1.10.2008 – 4 B 53.08 –, BauR 2009, 216.
722 BVerwG, U. v. 3.12.1998 – 4 C 7/98 –, ZfBR 1999, 109, bestätigt von BVerwG, B. v. 19.9.2000 – 4
B 49.00 –, ZfBR 2001, 64 (anders noch das Niedersächsische OVG, U. v. 31.3.1995 – 1 L 4063/93 –,
BauR 1995, 825).

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

könne. Etwas anderes dürfte gelten, wenn zwei oder drei Gemeinden bewusst auf die
Bildung eines gemeinsamen Ortsteils hinwirken (Beispiel: Das Einkaufs- und Erlebnis-
zentrum „Nova Eventis“ (ehem. „Saalepark“) in Günthersdorf zwischen Halle und
Leipzig, das auf einem rund 500 ha großen, zuvor landwirtschaftlich genutzten Terri-
torium dreier kleiner Gemeinden liegt). Die Voraussetzungen für einen Ortsteil sind
bei regelloser, d. h. willkürlich erscheinender Anordnung der vorhandenen Gebäude
nicht erfüllt. Kann die optische Regellosigkeit aber sinnvoll erklärt werden, z. B. durch
die Funktion der Gebäude, durch Bodenbeschaffenheit oder ähnliche Umstände, kann
der regellos erscheinende Bestand dennoch Ausdruck einer organischen Siedlungs-
struktur sein und die Anwendung des § 34 rechtfertigen. Ob ein Ortsteil im Zusam-
menhang bebaut ist, lässt sich im Einzelfall oft nur schwer beantworten. Jedenfalls
müssen die Gebäude dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Ställe und Gar-
tenhäuser sind grundsätzlich keine Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1723. Auch ein
Sportplatz stellt keinen Bebauungszusammenhang her, selbst wenn dort ein Kassen-
häuschen und Flutlichtmasten vorhanden sind724; entsprechendes gilt für befestigte
Tennisplätze725. Kleingartengebiete oder Baulichkeiten, die ausschließlich landwirt-
schaftlichen Zwecken dienen, können ebenfalls für sich genommen keinen Ortsteil
bilden726. Gleiches gilt für 20 Ferienhäuser727, während ein Weiler mit fünf Wohnhäu-
sern und fünf landwirtschaftlichen Nebengebäuden durchaus ein Ortsteil sein kann728.
Eine aufgegebene Nutzung eines Kasernengeländes kann mangels organischer Sied-
lungsstruktur keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil mehr bilden – der Fläche
fehlt die prägende Kraft hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung729. Dies gilt jeden-
falls dann, wenn nach der Verkehrsauffassung nicht mehr mit einer gleichartigen Nut-
zung gerechnet werden kann; denn sogar eine beseitigte bauliche Anlage kann die
Eigenart der näheren Umgebung noch prägen, wenn mit Wiederaufnahme einer der
vorherigen Nutzung vergleichbaren Nutzung gerechnet werden kann. Diese Wieder-
aufnahme der Nutzung lässt sich unterstellen, wenn sie fortlaufend Gegenstand der
kommunalpolitischen Diskussion und der örtlichen Berichterstattung gewesen ist730.
Ist die Nutzung einer baulichen Anlage seit längerem aufgegeben worden, ohne dass
das Grundstück mit dem leerstehenden Gebäude den Bebauungszusammenhang unter-
bricht, so prägt diese Anlage zwar die nähere Umgebung nicht mehr hinsichtlich der
Art der baulichen Nutzung. Das heißt aber nicht, dass dieser Anlage die Chance auf
Neunutzung genommen ist – hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bestimmt
sich die Zulässigkeit wiederum nach der vorherrschenden Nutzung in der näheren
Umgebung. Eine unbebaute Fläche in der Innenstadt, die ganz von Bebauung umgeben
ist, liegt nicht innerhalb des Bebauungszusammenhangs, wenn sie so groß ist, dass
sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung auf-
drängt731. (Dies ist dann ein sog. Außenbereich im Innenbereich, dazu unten mehr.)
Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt,
diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach
der maßgeblichen Betrachtung der „Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Be-
bauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der

723 BVerwG, B. v. 2.8.2001 – 4 B 26.01 –, ZfBR 2002, 69.


724 BVerwG, B. v. 10.7.2000 – 4 B 39.00 –, ZfBR 2001, 59.
725 BVerwG, B. v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 –, ZfBR 2000, 426.
726 BVerwG, U. v. 17.2.1984 – 4 C 55/81 –, NJW 1984, 1576.
727 OVG Bremen, U. v. 5.6.1984 – 1 BA 114/83 –, BauR 1984, 495.
728 VGH Baden-Württemberg, U. v. 26.3.1984 – 8 S 1895/83 –, BauR 1984, 496.
729 BVerwG, U. v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 –, ZfBR 2017, 261.
730 VGH Baden-Württemberg, B. v. 29.3.2017 – 5 S 1389/16 –, ZfBR 2017, 480.
731 Zur Baulücke im Innenbereich vgl. BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 15/84 –, ZfBR 1987, 44 (Sanato-
rium in Konstanz).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Zusammengehörigkeit vermittelt732. Auch der unbebaute Teil eines bebauten Grund-


stücks kann den Bebauungszusammenhang unterbrechen733. Bei der rechtlichen Beur-
teilung von „im Zusammenhang bebauten Ortsteilen“ können in der Praxis besonders
in zwei Fällen große Schwierigkeiten auftreten. Zum ersten geht es um die konkrete
Abgrenzung eines unzweifelhaft im Zusammenhang bebauten Ortsteils gegenüber dem
Außenbereich. Wenn ein Ortsteil z. B. durch eine Erschließungsstraße „umrandet“
wird, dann kann man den Ortsteil direkt an dieser Straße als beendet ansehen; man
könnte aber auch die Ansicht vertreten, dass die Erschließungsstraße dafür geeignet
sei, an beiden Seiten bebaut zu werden, so dass eine weitere Baureihe auch an dem
nach außen gelegenen Rand der Erschließungsstraße zulässig sei. Für die Grundstücks-
eigentümer am Außenrand der Straße ist die Entscheidung über diese Frage selbstver-
ständlich von großer ökonomischer Bedeutung. Zum zweiten geht es um die Unter-
scheidung zwischen einer Splittersiedlung im Außenbereich734 und einem im
Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34. Soll man fünf zusammenste-
hende Gehöfte mit einer Gastwirtschaft bereits als einen Ortsteil ansehen, oder handelt
es sich hier nur um mehr oder weniger zufällig beieinanderstehende Höfe im Außenbe-
reich? Die praktischen Folgen der Entscheidung in die eine oder andere Richtung sind
groß: Wenn es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt, kann man
neue Wohngebäude dazu bauen, die zu soliden Preisen an großstadtmüde Wohnungs-
suchende veräußert werden können. Stuft man das Ganze als Außenbereich ein, sind
derartige Verdienstmöglichkeiten ausgeschlossen. Dieser Hintergrund macht verständ-
lich, warum über die Einstufung solcher Kleinstsiedlungen sehr häufig über mehrere
Gerichtsinstanzen hinweg gestritten wird.
Der Gesetzgeber hat versucht, sich beider Probleme anzunehmen; dies geschah in meh-
reren Stufen. 1976 wurde zunächst die reine Klarstellungssatzung des (damaligen)
§ 34 Abs. 2 BBauG eingeführt. Danach konnten die Gemeinden die Grenzen für die
im Zusammenhang bebauten Ortsteile oder für Teile von diesen durch eine Satzung
festlegen. Rechtsprechung und Lehre waren sich darüber einig, dass mit dieser Satzung
nach § 34 Abs. 2 BBauG nur die bereits vorhandenen Gegebenheiten auf der Karte
nachvollzogen werden konnten. Was zum Innenbereich gehörte, konnte und durfte
nicht ausgegliedert werden; was zum Außenbereich rechnete, konnte nicht durch Sat-
zung zum Innenbereich gemacht werden. Nur einzelne Grundstücke konnten in den
Innenbereich einbezogen werden, wenn dadurch der im Zusammenhang bebaute Orts-
teil abgerundet wurde, dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung verein-
bar war und wenn auf solchen Grundstücken die zulässige Nutzung nach den Maßstä-
ben des § 34 Abs. 1 BBauG bestimmt werden konnte (sog. Abrundungssatzung). Eine
Abrundungssatzung, die planungsrechtliche Festsetzungen enthielt, war nach der ers-
ten Fassung des Gesetzes unzulässig und unwirksam735.

732 So wörtlich das BVerwG, U. v. 14.11.1991 – 4 C 1/91 –, NVwZ-RR 1992, 227. Ähnlich BGH, B. v.
14.10.1982 – III ZR 65/82 –, WM 1982, 1315 (Eindruck der Geschlossenheit entscheidet).
733 BVerwG, B. v. 22.7.1993 – 4 B 78.93 –, unveröffentlicht (Außenbereichsanlage) in: Hoppe/Stüer, Die
Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht – RzB, RdNr. 362.
734 Zum Begriff vgl. BVerwG, B. v. 11.10.1999 – 4 B 77/99 –, ZfBR 2000, 425. Vgl. auch BVerwG, U. v.
19.4.2012 – 4 C 10.11 –, BauR 2012, 1626.
735 OVG des Saarlandes, B. v. 14.9.1981 – 2 N 4/80 –, NVwZ 1982, 125 (im Anschluss an BayVGH, U.
v. 21.11.1980 – 2.N – 675/79 –, BayVBl. 1981, 340); zu den rechtlichen Grenzen einer Abgrenzungssat-
zung nach dem BBauG vgl. auch Hessischer VGH, B. v. 6.3.1985 – 3 N 207/85 –, NVwZ 1985, 839
und BayVGH, B. v. 28.6.1985 – 2 N 84 A 1816 –, BayVBl. 1985, 567 und BayVGH, U. v. 29.7.1985
– 14 N 84 A 1390 –, BayVBl. 1985, 690. Zur Abrundungssatzung nach dem BauGB 1987 vgl. BVerwG,
U. v. 18.5.1990 – 4 C 37/81 –, ZfBR 1990, 248: Die Einbeziehung einzelner Außenbereichsflächen in
den Geltungsbereich einer Satzung, mit der die Gemeinde die Grenzen für im Zusammenhang bebaute
Ortsteile festlegt, stellt nur dann eine „Abrundung“ des Innenbereichs dar, wenn dadurch die Grenzlinie
zwischen Innen- und Außenbereich „begradigt“ oder in anderer Weise vereinfacht wird.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Im Baugesetzbuch wurden die Möglichkeiten der Abgrenzungssatzung mehrfach er-


weitert. Nachdem schon die BBauG-Novelle von 1979 einen § 34 Abs. 2a in das Ge-
setz eingefügt hatte, mit dessen Hilfe bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen auch
Außenbereichsgebiete „mit besonderer Wohnsiedlungsstruktur, insbesondere mit his-
torisch entstandener Streu- oder Bandbebauung“, zum Innenbereich erklärt werden
konnten, wurde die „IZBO-Satzung“ (Im-Zusammenhang-bebauter-Ortsteil-Satzung)
durch das BauGB ganz eindeutig mit konstitutiver Wirkung versehen: Seit 1987 kön-
nen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB über die bisherigen Möglichkeiten der Grenzklar-
stellung und des Einbeziehens von (damals) „einzelnen Abrundungsgrundstücken“ hi-
naus auch „bebaute Bereiche im Außenbereich“ als im Zusammenhang bebaute
Ortsteile festgelegt werden, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche
dargestellt sind (sog. Entwicklungssatzung).
Seit dem 1.1.1998 dürfen nun nicht mehr nur einzelne Abrundungsgrundstücke, son-
dern ganze „Außenbereichsflächen“ in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein-
bezogen werden, „wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des
angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind“. (Diese Formulierung fand sich in
ähnlichem, nur auf Wohnnutzung ausgerichtetem Wortlaut schon im § 4 Abs. 2a des
BauGB-MaßnahmenG i. d. F. von 1993). Dieser Satzungstyp heißt seither „Ergän-
zungssatzung“.736
Der Übergang zwischen der Klarstellungs- und der Ergänzungssatzung ist nicht immer
eindeutig. In diesem Fall dürfen die Voraussetzungen für den Erlass der beiden Sat-
zungstypen nicht außer Acht gelassen bleiben. Eine Ergänzungssatzung setzt zwingend
eine Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Belange voraus.737
Von der „Innenbereichs-Ergänzungssatzung“ nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 und von der be-
reits erwähnten „Entwicklungssatzung“ nach Nr. 2 (Festlegung einzelner Außenbe-
reichsflächen als im Zusammenhang bebauter Ortsteil, wenn die betreffenden Flächen
im wirksamen Flächennutzungsplan als Bauflächen dargestellt sind) ist die 1998 aus
dem BauGB-MaßnahmenG in das BauGB übernommene „Außenbereichssatzung“
nach § 35 Abs. 6 zu unterscheiden. Mit Hilfe der Außenbereichssatzung können „be-
baute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt
sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist“, für er-
gänzende Wohnungsbauvorhaben und kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe in der
Weise geöffnet werden, dass einige wesentliche öffentliche Belange diesen Vorhaben
nicht entgegengehalten werden können. Näheres dazu wird unten bei § 35 ausgeführt
werden. Die Unterscheidungsmerkmale sind in Bild 48 noch einmal zusammengefasst.
Die große Kunst besteht in der Grenzziehung des im Zusammenhang bebauten Orts-
teils – gegenüber dem Außenbereich sowie gegenüber den sich ggf. anschließenden
Entwicklungs- und Ergänzungssatzungsflächen. Dazu hat die Rechtsprechung heraus-
gearbeitet, dass der Bebauungszusammenhang regelmäßig am letzten Baukörper endet,
wobei sich aufgrund örtlicher Gegebenheiten im Einzelfall rechtfertigen lässt, als Ab-
schluss des Innenbereichs noch unbebaute, aber durch ein klares Geländehindernis
abgegrenzte Grundstücke einzubeziehen. Dies können Geländeerhebungen oder Ein-
schnitte (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand u. ä.) sein. In diesem Fall müssen diese
topographischen oder geographischen Umstände jedoch den Eindruck der Geschlos-
senheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln738.
In den Satzungen nach § 34 können auch einzelne Festsetzungen nach § 9 getroffen
werden, also solche Festsetzungen, die sonst einem Bebauungsplan vorbehalten sind.

736 Zur Frage der Prägung bei der Ergänzungssatzung vgl. BVerwG, B. v. 3.12.2008 – 4 BN 26.08 –, BauR
2009, 617. Zur Frage der einzubeziehenden Flächen vgl. BVerwG, B. v. 26.11.2009 – 4 BN 31.09 –,
BauR 2010, 444. Vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 11.8.2010 – 2 K 108/09 –, BauR 2011, 92.
737 Vgl. BVerwG, U. v. 22.9.2010 – 4 CN 2.10 –, BauR 2011, 226.
738 BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 –, ZfBR 2016, 67.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Zulässig sind aber wohl nur Festsetzungen zur Regelung der durch die Satzung zuge-
lassenen Vorhaben – keine sonstigen „allgemeinen“ Festsetzungen739. Die Festsetzun-
gen dürfen sich außerdem nur auf die einbezogenen Flächen nach den Nrn. 2 und 3,
nicht auf den nur klargestellten sonstigen Innenbereich beziehen. Speziell durch die
Aufnahme dieser Möglichkeit sind die Satzungen nach § 34 inhaltlich einem einfachen
Bebauungsplan erheblich näher gerückt. Es ist daher nur konsequent, dass sie (in
entsprechender Anwendung der Regeln des vereinfachten Verfahrens nach § 13) ein
dem Bebauungsplanverfahren ähnliches Aufstellungsverfahren durchlaufen müssen. Es
ist also entweder eine öffentliche Auslegung und eine Behördenbeteiligung durchzu-
führen oder der betroffenen Öffentlichkeit und den berührten Trägern öffentlicher
Belange mit individuellen Anschreiben Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben – da-
bei ist die Hinweispflicht des § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 entsprechend zu beachten (nicht
fristgerecht abgegebene Stellungnahmen können bei der Beschlussfassung über die Sat-
zung unberücksichtigt bleiben). Ein frühzeitiger Beteiligungsschritt nach § 3 Abs. 1
und § 4 Abs. 1 ist hingegen nicht erforderlich. Die Ergänzungssatzung nach Nr. 3 muss
sich darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § la Abs. 3 mit einem abwä-
gungsgerechten Ausgleich befassen, da für die einbezogenen Grundstücke erstmals
Baurecht begründet und damit ein Eingriff vorbereitet wird. Nur dieser Satzung muss
kraft Gesetzes eine Begründung beigefügt werden, in der die Ziele, Zwecke und we-
sentlichen Auswirkungen der Satzung darzulegen sind. In der Praxis werden alle Sat-
zungstypen nach § 34 Abs. 4 mit einer Begründung versehen, um zumindest die Ge-
meindevertretung angemessen zu informieren.
Für die Satzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 musste bis zur BauGB-Novelle aufgrund des
EAG Bau nach dem damaligen § 35 Satz 2 BNatSchG740 eine Verträglichkeitsprüfung
durchgeführt werden, wenn Schutzgebiete beeinträchtigt werden konnten. Die Pflicht
zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung kann jedoch seit dem EAG Bau im
Kontext von Satzungen nach § 34 Abs. 4 nicht mehr entstehen, ebenso wenig wie eine
Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung. Denn mit dem EAG Bau wurde der
Anwendungsbereich aller Satzungen nach § 34 Abs. 4 (und auch der Außenbereichs-
satzung nach § 35 Abs. 6) auf Fälle außerhalb der UP-Pflichtigkeit beschränkt. Durch
eine Satzung nach § 34 Abs. 4 oder § 35 Abs. 6 darf die Zulässigkeit von Vorhaben,
die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen
oder die Auswirkungen auf FFH-Gebiete oder Vogelschutzgebiete haben könnten,
nicht begründet werden. Dies ist notwendig und konsequent, weil die Aufstellung
dieser Satzungen in einem vereinfachten Verfahren analog zu § 13 BauGB betrieben
werden darf; dieses vereinfachte Verfahren genügt nicht den Anforderungen, die im
Verfahren der Umweltprüfung gelten. Seit 2017 kommt eine Satzung nach § 34 Abs. 4
BauGB ferner nicht in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der
Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren
Unfällen nach § 50 Abs. 1 BImSchG zu beachten sind.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich von Entwicklungs-
und Ergänzungssatzungen gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 ist seit 2013 auch die Vor-
schrift zu den Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 entsprechend anzuwenden.
Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in diesen Satzungen wie er-
wähnt auch klassische B-Planfestsetzungen aufnehmen lassen, insbesondere solche zur
Art und zum Maß der baulichen Nutzung sowie zur überbaubaren Grundstücksfläche.
Im Zusammenhang mit diesen Festsetzungen macht die Prüfung, ob ein Vorhaben

739 Vgl. Bayerischer VGH, 16.10.2003 – 1 N 01.3178 –, ZfBR 2004, 181 (Festsetzung einer öffentlichen
oder privaten Grünfläche unzulässig).
740 Heute findet sich die Vorschrift zu den Plänen in § 36 BNatSchG – die Vorschrift ist mittlerweile auch
inhaltlich angepasst.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

ausnahmsweise zugelassen werden kann oder ob von den Festsetzungen der Satzung
sogar befreit werden kann, Sinn.
Bild 48: Unterscheidungsmerkmale zwischen Innenbereichs-Satzungen nach § 34 Abs. 4
und Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB
Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6
Zweck der Satzung:
KLARSTELLUNGSSATZUNG AUSSENBEREICHSSATZUNG
Nr. 1: Im Zusammenhang bebaute Ortsteile wer- Bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht über-
den abgegrenzt. wiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in de-
ENTWICKLUNGSSATZUNG nen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vor-
Nr. 2: Bebaute Bereiche im Außenbereich, die im handen ist, werden für weitere Vorhaben
Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt zugänglich gemacht.
sind werden zum Innenbereich erklärt und gewin-
nen damit Baulandqualität.
ERGÄNZUNGSSATZUNG
Nr. 3: Einzelne Außenbereichsflächen, die durch
die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs
geprägt sind, können – unabhängig von den Inhal-
ten des Flächennutzungsplans – einbezogen wer-
den.
Der notwendige Inhalt der Satzung:
Abgrenzung der zum Ortsteil gehörenden, bebau- Geltungsbereich der Satzung
baren Flächen. Soweit erforderlich: Einzelne Fest- mit Bestimmung, dass Vorhaben,
setzungen nach § 9 Abs. 1, 3 und 4 BauGB (Fest- • die Wohnzwecken dienen, sowie
setzungen sind nur für die einbezogenen Flächen • kleineren Handwerksbetrieben sowie
nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 u. 3 zulässig) • kleineren Gewerbebetrieben
folgende Belange nicht entgegengehalten werden
können:
– dass sie einer Darstellung im F-Plan über Flä-
chen für Landwirtschaft oder Wald widerspre-
chen oder
– die Entstehung oder Erweiterung einer Splitter-
siedlung befürchten lassen.
In der Satzung können nähere Bestimmungen
über die Zulässigkeit getroffen werden.
Die Voraussetzungen für die Satzungen nach § 34 Abs. 4 bzw. § 35 Abs. 6 sind identisch:
• Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung,
• UVP-pflichtige Vorhaben werden nicht begründet,
• Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung von Erhaltungszielen oder Schutzzwe-
cken der Natura 2000-Gebiete.
• Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder
Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Abs. 1 BImSchG zu beachten sind.
Besonderheiten des Verfahrens: Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 13 bei der Aufstel-
lung – keine Umweltprüfung.

h) Die Anwendbarkeit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Rahmen des § 34


BauGB. Auf Einzelvorhaben, die nach § 34 genehmigt werden, ist die Vorschrift des
BNatSchG über die Verträglichkeitsprüfung nach der FFH-Richtlinie (das ist § 34
BNatSchG) jedoch nach wie vor anzuwenden. Über die Anwendung der durch § 34
BNatSchG umgesetzten Verfahrensvorschriften der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bei
Genehmigungen nach § 34 soll erreicht werden, dass Vorhaben nach § 34 weder allein
noch zusammen mit anderen Vorhaben eine erhebliche Beeinträchtigung der von der
Richtlinie geschützten Gebiete im europäischen System „Natura 2000“ verursachen.
Für bauliche Vorhaben, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Schutzgebiete
haben können, muss eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, die vom Vor-
habenträger beizubringen ist. Sofern die Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis
kommt, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen eintreten können, ist das Vorhaben
unzulässig. Es darf dann nur bei zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Interesses genehmigt werden, und dies auch nur dann, wenn keine zumutbare Alterna-
tivlösung möglich ist. Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses
können auch sozialer oder wirtschaftlicher Art sein; können jedoch prioritäre natürli-
che Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen sein, kommen als zwingende
Gründe nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentli-
chen Sicherheit oder aber maßgeblich günstige Auswirkungen des Vorhabens auf die
Umwelt in Betracht. Nachteilige Folgen müssen ausgeglichen werden; die Kommission
der EU ist über die Ausgleichsmaßnahmen zu unterrichten. Nähere Einzelheiten sind
in § 34 BNatSchG geregelt; diese Vorschrift beruht auf Art. 6 Abs. 3 der Fauna-Flora-
Habitat-Richtlinie.

i) Anwendbarkeit des § 50 BImSchG und der darin geregelten Seveso-III-RL. Gemäß


§ 50 BImSchG sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine
bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche
Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nr. 13 der
Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die aus-
schließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige
schutzbedürftige Gebiete (vor allem öffentlich genutzte Gebiete/Gebäude, wichtige
Verkehrswege, Freizeitgebiete und – aus Naturschutzsicht – besonders wertvolle oder
besonders empfindliche Gebiete) so weit wie möglich vermieden werden. Der in dieser
Regelung zum Ausdruck kommende Trennungsgrundsatz dient dazu, schädliche Um-
welteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG („Schädliche Umwelteinwirkun-
gen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die
Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.“) zu vermeiden. Nach der
Rechtsprechung des BVerwG sind Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz zulässig,
wenn von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen aus-
gehen und wenn im Einzelfall städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorlie-
gen741.
Der Begriff des schweren Unfalls im Sinne des § 50 BImSchG ergibt sich aus Art. 3
Nr. 13, der sog. Seveso-III-RL (Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit
gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der RL 96/82/EG
des Rates, in Kraft getreten am 13. August 2012). Ein schwerer Unfall ist nach der
Richtlinie 2012/18/EU ein unkontrolliert ablaufendes Ereignis, beispielsweise eine
Emission, ein Brand oder eine Explosion, in einem unter die Richtlinie fallenden Be-
trieb, „das unmittelbar oder später innerhalb oder außerhalb des Betriebs zu einer
ernsten Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt führt und bei dem
ein oder mehrere gefährliche Stoffe beteiligt sind.“ Die Mitgliedstaaten waren ver-
pflichtet, die Seveso-III-RL bis zum 31. Mai 2015 in nationales Recht umzusetzen. In
Deutschland erfolgte die Umsetzung im Rahmen der 12. BImSchV (Störfallverord-
nung)742. Der Begriff des schweren Unfalls ergibt sich in erweiterter Form aus § 2
Nr. 7 i. V. m. Nr. 8 sowie i. V. m. Anhang VI Teil 1 Ziffer I Nr. 4 BImSchV.
Bereits der Umgang mit der ebenfalls in der 12. BImSchV umgesetzten Vorgänger-RL,
der Seveso-II-RL, hat im Zusammenhang mit Vorhaben innerhalb des im Zusammen-
hang bebauten (unbeplanten) Ortsteils Fragen aufgeworfen: In einem Rechtsstreit zwi-
schen einem Unternehmen und dem Land Hessen hat das BVerwG den EuGH zwecks
Klärung offener Fragen zur Auslegung der Seveso-II-RL angerufen. Der Unternehmer
plante in der Stadt Darmstadt die Errichtung eines Gartencenters für den Einzelhan-

741 Vgl. BVerwG, U. v. 19.4.2012 – 4 CN 3.11 –, BauR 2012, 1351.


742 In der Fassung der Bekanntmachung vom 15. März 2017 (BGBl. I S. 483), geändert durch Art. 58 des
Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626).

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

delsverkauf von Gartenbedarf in der Nähe einer Chemiefabrik (Störfallbetrieb) in ei-


nem (nicht durch B-Plan überplanten) nach § 34 zu beurteilenden, im Zusammenhang
bebauten Gewerbegebiet. Bei einer Entfernung von 250 m würde der angemessene
Abstand nach der Seveso-II-RL nicht eingehalten werden. Das BVerwG wollte vom
EuGH wissen, ob Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie so auszulegen sei, dass sich
die Pflicht zur Gewährleistung der nach der RL erforderlichen Schutzabstände nur an
den Träger der Bauleitplanung richtet (der auf der Grundlage einer Abwägung der
berührten öffentlichen und privaten Belange über die Nutzung von Flächen zu ent-
scheiden hat) oder ob diese Pflicht auch die Baugenehmigungsbehörde bei der Prüfung
der Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich nach § 34 betrifft.743
Der EuGH hat hierzu entschieden, dass auch die Genehmigungsbehörde verpflichtet
sei, die Achtungsabstände der Richtlinie zu beachten. Ferner wollte das BVerwG beim
EuGH in Erfahrung bringen, ob das Verbot für die Ansiedlung eines öffentlich genutz-
ten Gebäudes wie dem Gartencenter auch aufrecht zu erhalten sei, wenn in gleicher
Entfernung bzw. kaum weiter entfernt bereits mehrere vergleichbare öffentlich ge-
nutzte Gebäude vorhanden sind (und somit der Betreiber der Chemiefabrik aufgrund
des neu geplanten Vorhabens nicht mit zusätzlichen Anforderungen zur Begrenzung
der Unfallfolgen rechnen muss). Der EuGH hat in dieser Frage entschieden, dass das
Abstandserfordernis aufgrund der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Seveso-
II-RL den zuständigen Baugenehmigungsbehörden zwar kein Verschlechterungsverbot
in der Weise auferlegt, dass daraus die Versagung des öffentlich genutzten Gartencen-
ters zwangsläufig abzuleiten wäre; andererseits steht das Abstandserfordernis jedoch
nationalen Rechtsvorschriften zu gebundenen Entscheidungen entgegen, wonach eine
Genehmigung (als gebundene Entscheidung) für das Gartencenter zwingend zu erteilen
wäre, ohne die Risiken der Ansiedlung innerhalb der genannten Abstandsgrenzen ge-
bührend zu würdigen744. Insoweit ist § 34 richtlinienkonform auszulegen. Bei Ent-
scheidungen aufgrund von § 34 ist daher im Rahmen des Einfügens stets zu prüfen,
ob sich in der Umgebung Störfallbetriebe im Sinne der Seveso-II-Richtlinie [mittler-
weile, nach der Entscheidung, im Sinne der Seveso-III-Richtlinie] befinden und welche
Achtungsabstände diese jeweils auslösen. Im Lichte des EuGH-Urteils hat das BVerwG
am 20.12.2012 entschieden, dass der VGH in Kassel über die Zulässigkeit des Garten-
centers auf unionskonformer Grundlage neu zu entscheiden habe745. (Der VGH verur-
teilte seinerzeit das Land Hessen, den Widerspruch der Chemiefabrik gegen den Bau-
vorbescheid zugunsten des Gartencenters zurückzuweisen.) Die EuGH-Entscheidung
zeigt zugleich, dass auch und gerade Einzelhandelsbetriebe zu der Gruppe der öffent-
lich genutzten Gebäude gehören. Welche Abstände konkret „angemessen“ sind, ist
nicht im Unionsrecht geregelt. Die angemessenen Abstände sind von der zuständigen
Genehmigungsbehörde im jeweiligen Einzelfall zu berechnen und festzulegen – es gibt
also einen Wertungsspielraum (so das BVerwG im Zusammenhang einer Entscheidung
zur Berücksichtigung der Seveso-II-RL ab der Planfeststellung eines Flughafens in
Nachbarschaft zu einem Störfallbetrieb)746. Bei der Ermittlung des angemessenen Ab-
stands lassen sich die Art der Stoffe, die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls
sowie dessen mögliche Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die
Art und Intensität einer schutzbedürftigen Nutzung sowie die Leichtigkeit, mit der

743 Vgl. BVerwG, U. v. 3.12.2009 – 4 C 5.09 –, BauR 2010, 726.


744 Vgl. EuGH, U. v. 15.9.2011 – C 53/10 –, BauR 2011, 1937.
745 Vgl. BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11.11 –, BauR 2013, 887. Zur Frage des Umgangs mit Störfallbe-
trieben bei der B-Planung (Bsp. Kraftwerk in Datteln), vgl. BVerwG, B. v. 16.3.2010 – 4 BN 66.09 –,
BauR 2010, 1034; vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.6.2012 – 8 D 38/08.AK –, BauR
2012, 1883.
746 Vgl. BVerwG, B. v. 16.1.2013 – 4 B 15.10 –, ZfBR 2013, 363.

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Notfallkräfte einsatzbereit wären, berücksichtigen747. Auch technische Möglichkeiten


zur Minimierung des Unfallrisikos oder zur Begrenzung möglicher Unfallfolgen lassen
sich in die Entscheidung zum angemessenen Abstand einbeziehen748.
Auch im Außenbereich (siehe im Übrigen nachfolgend) setzt sich ein nach § 35 Abs. 1
Nr. 4 privilegierter, unter die Seveso-III-Richtlinie fallender Betrieb gegenüber einem
begünstigten Vorhaben (Umnutzung einer ehemals landwirtschaftlichen Katstelle in
eine Wohnnutzung) durch und führt zu dessen Unzulässigkeit749.
6. Bauen im Außenbereich
Das Bauen im Außenbereich ist prinzipiell unerwünscht, es kann und soll jedoch nicht
gänzlich verboten werden. § 35 BauGB, der das Bauen im Außenbereich regelt, ver-
folgt daher zwar grundsätzlich das Ziel, das Bauen im Außenbereich zu verhindern750,
gestattet jedoch die Ausführung einer Reihe von einzeln aufgezählten Vorhaben auch
im Außenbereich.
Bei der Beschäftigung mit § 35 ist zu beachten, dass der Hauptanwendungsbereich der
Vorschrift zwar durchaus der „Außenbereich“ im Wortsinn ist, also Feld, Wald und
Wiese außerhalb der Ortschaften; daneben kann § 35 aber auch innerhalb von Sied-
lungsbereichen zur Anwendung kommen, nämlich im sog. „Außenbereich im Innenbe-
reich“. Dies beruht darauf, dass zu § 35 all das gehört, was nicht unter § 30 oder § 34
fällt. Demnach gehören zu § 35 auch solche unbebauten Flächen in den Städten und
Dörfern, für die es keinen Bebauungsplan gibt und für die § 30 deshalb nicht anwend-
bar ist, die aber auch nicht in den Zusammenhang eines bebauten Ortsteils integriert
sind, so dass auch die Anwendung des § 34 ausscheidet. Dabei kann es sich z. B. um
Brachflächen zwischen zusammenwachsenden Ortsteilen, aufgegebene Fabrikgelände,
ehemaliges Bahngelände oder um aufgegebene innerstädtische Flughäfen handeln –
Flächen jedenfalls, die so groß sind, dass sie den Bebauungszusammenhang unterbre-
chen, ohne zugleich Anschluss an die freie Landschaft zu finden.
a) Die privilegierten Vorhaben. Was ist nun im „klassischen Außenbereich“ und im
„Außenbereich im Innenbereich“ zulässig? Es gibt einige Vorhaben, wie z. B. Bauern-
höfe, Steinbruchanlagen oder Abdeckereien, die typischerweise in den klassischen Au-
ßenbereich gehören. Die zugehörigen Gebäude sind daher von Gesetzes wegen im
Außenbereich unter der Bedingung zugelassen, dass öffentliche Belange nicht entge-
genstehen und eine ausreichende Erschließung gesichert ist. Damit diese Bevorzugung
(Privilegierung) nicht zu einer Zersiedlung des Außenbereichs durch zahlreiche unter-
schiedliche Vorhaben führt, hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 unter acht Ziffern
die Vorhaben aufgezählt, die er als in den Außenbereich gehörend betrachtet. Diese
Aufzählung ist abschließend. Es handelt sich um Vorhaben, die zur Land-, Forst- oder
Gartenbauwirtschaft gehören (Nr. 1 und 2), die wegen ihrer besonderen (in der Regel
für etwaige Nachbarn ungünstigen) Eigenarten besser im Außenbereich aufgehoben
sind (Nr. 3 bis 7) oder die als untergeordnete Anlagen an im Außenbereich befindliche
Anlagen gekoppelt sind (Nr. 8). Im Einzelnen geht es um Vorhaben, die
1. einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen751 und nur einen untergeord-
neten Teil der Betriebsfläche einnehmen (was im Sinn des Baugesetzbuchs zur

747 Vgl. EuGH, U. v. 15.9.2011 – Rd. C-53/10 – Slg. I 8311 – Tz. 44.
748 BVerwG, U. v. 20.12.2012 – 4 C 11.11 –, BauR 2013, 887.
749 Vgl. BVerwG, B. v. 28.3.2013 – 4 B 15.12 –, ZfBR 2013, 479; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen,
U. v. 15.10.2011 – 2 A 2645/08 –, BauR 2012, 1090.
750 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 31.8.1972 – 4 B 60.72 –, BRS 25 Nr. 58; BVerwG, B. v. 12.12.1969 –
4 B 14.69 –, BRS 23 Nr. 75.
751 Zum Begriff der Landwirtschaft vgl. § 201 BauGB sowie BVerwG, B. v. 11.8.1989 – 4 B 151/89 –,
ZfBR 1989, 269.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Landwirtschaft gehört, ist in § 201 definiert; dazu gehören z. B. auch die „berufs-
mäßige Imkerei“ und die „berufsmäßige Binnenfischerei“);
2. der gartenbaulichen Erzeugung dienen (schon zu Nr. 1 gehören solche gartenbauli-
chen Betriebe, bei denen die baulichen Anlagen nur einen untergeordneten Teil der
Betriebsfläche einnehmen und nicht – wie bei Gewächshäusern – die gesamte Flä-
che überziehen);
3. der öffentlichen Infrastruktur (Elektrizität, Gas, Wärme, Wasser, Abwasserwirt-
schaft, Telekommunikationsdienstleistungen) oder einem ortsgebundenen gewerb-
lichen Betrieb dienen (Hauptbeispiel für ortsgebundene Betriebe sind Kiesgru-
ben752);
4. wegen nachteiliger Wirkungen auf die Umgebung, ihrer besonderen Zweckbestim-
mung oder besonderer Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich
ausgeführt werden „sollen“ (wobei die Errichtung, Änderung oder Erweiterung
von Tierhaltungsanlagen nur dann privilegiert ist, wenn sie nicht einer Pflicht zur
Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung bzw. einer
Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegt);753
5. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie die-
nen;754
6. der energetischen Nutzung von Biomasse dienen755 (und eine Reihe von zugehöri-
gen Bedingungen erfüllen);
7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwe-
cken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen, wobei als Ergebnis der
„Energiewende“ im Jahr 2011 die Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von
Kernbrennstoffen davon nicht (mehr) erfasst ist;
8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflä-
chen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dienen, wenn die Anlage dem Ge-
bäude baulich untergeordnet ist756.
Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft ist die Frage zunehmend wich-
tig, unter welchen Umständen ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb noch als
privilegierter land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb eingestuft werden kann. Gewinn-
erzielungsabsicht und Gewinnerzielung sind ein wichtiges Indiz: Der landwirtschaftli-
che (Nebenerwerbs-)Betrieb muss nach Art und Umfang grundsätzlich geeignet sein,
mit Gewinnerzielungsabsicht geführt zu werden757. Auch andere Indizien, wie z. B.
die Größe der Betriebsfläche, die Betriebsorganisation, das aufgewendete Kapital, der
Bestand an Maschinen und Tieren oder die Zahl der Arbeitnehmer können für die
Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit für die Betriebseigenschaft im Sinne

752 Vgl. Bayerischer VGH, U. v. 27.10.1978 – 79 VIII 78 –, BayVBl. 1979, 406 und Bayerischer VGH, U.
v. 4.4.1979 – 40 XV 76 –, BayVBl. 1979, 501; Niedersächsisches OVG, U. v. 23.4.1980 – 3 OVG A
107/78 –, NuR 1981, 137; BVerwG, U. v. 6.10.1989 – 4 C 28/86 –, ZfBR 1990, 41 (Gipsabbau).
753 Ein Kühlhaus, das nicht nur dem Auskühlen des Wildes, sondern auch dem Zerlegen und der Aufbe-
wahrung dient, weist nicht die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 Nr. 4 auf. Vgl. OVG Rhein-
land-Pfalz, U. v. 19.8.2009 – 8 A 10308/09 –, BauR 2010, 62. Für die Errichtung einer Sternwarte im
Außenbereich muss der Vorhabenträger ein Konzept vorlegen, aus dem sich ergibt, dass die Sternwarte
wegen der speziellen Anforderungen nicht im Innenbereich ausgeführt werden kann und dass sie über-
wiegend der Allgemeinheit dient. Vgl. dazu BVerwG, B. v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 –, BauR 2011, 1299.
754 Auch ein Windmessmast, mit dem die Windhäufigkeit festgestellt werden soll, ist eine privilegierte
Anlage im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5. Vgl. dazu OVG des Saarlandes, B. v. 2.9.2010 – 2 B 215/10 –,
BauR 2011, 983.
755 Zum Status im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB a. F. vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v.
5.10.2000 – 10 S 660/00 –, ZfBR 2001, 348 (Privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.E).
756 Zur Frage der Zulässigkeit von Solaranlagen als einer Windkraftanlage im Außenbereich dienenden
Nebenanlage vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.9.2007 – 8 A 11166/06 –, (nicht rechtskräftig) BauR
2008, 337.
757 BVerwG, U. v. 11.10.2012 – 4 C 9.11 –, BauR 207, 207.

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der Nr. 1 sprechen. Entscheidend ist demnach auch, dass die Nachhaltigkeit der land-
wirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet ist758.
In der amtlichen Definition des Begriffs der Landwirtschaft in § 201 ist die zur Land-
wirtschaft gehörende Tierhaltung durch das EAG Bau erweitert aufgenommen wor-
den. Bis 2004 gehörte kraft Definition des § 201 die „Pensionstierhaltung auf überwie-
gend eigener Futtergrundlage“ zur Landwirtschaft. Seit 2004 gehört zur
Landwirtschaft die „Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum land-
wirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt
werden kann“. Mit dieser Formulierung wird auf die Tatsache Rücksicht genommen,
dass viele Landwirte das Futter für ihre Tiere zwar erzeugen könnten, darauf jedoch
verzichten, weil es mit weniger Aufwand auch eingekauft werden kann. Daran soll
die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 nicht scheitern.
Durch das EAG Bau ist für landwirtschaftliche Betriebe und Betriebe mit gartenbauli-
cher Erzeugung eine zusätzliche Aktivität im Außenbereich legitimiert worden, näm-
lich die Installation von Biogasanlagen. Die Regelung ist aufgrund der BauGB-Novelle
2011 ein erstes Mal und aufgrund der BauGB-Novelle 2013 ein weiteres Mal modifi-
ziert worden. Je Hofstelle oder Betriebsstandort ist eine Biogasanlage mit einer Kapazi-
tät von nicht mehr als 2,3 Millionen Normkubikmeter erzeugten Biogases pro Jahr
zulässig, und die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen, die zwar Biomasse ver-
werten, aber kein Biogas erzeugen, darf 2,0 Megawatt nicht überschreiten.
Zudem ist die Zulässigkeit solch einer Anlage an die Bedingung geknüpft, dass
– sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb steht (also
nicht isoliert irgendwo im Außenbereich/die Hofstelle oder der Betriebsstandort
darf sich auch im Innenbereich befinden759) und
– die verwendete Biomasse überwiegend aus diesem Betrieb oder überwiegend aus
diesem und aus nahe gelegenen landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrie-
ben (einschließlich Tierhaltungsbetrieben auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4) stammt.
Das Tatbestandsmerkmal „im Rahmen eines Betriebs“ verlangt, dass die Biogasanlage
nur im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage – also anknüpfend
an einen schon vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb (Nr. 1), an einen Gartenbau-
betrieb (Nr. 2) oder an einen Tierhaltungsbetrieb (Nr. 4) – im Außenbereich errichtet
und betrieben werden darf. Der Eingriff in den Außenbereich in Form einer solitär
stehenden Anlage ist demnach nicht zulässig. Aus dem Erfordernis des räumlich-funk-
tionalen Zusammenhangs lässt sich jedoch nicht ableiten, dass sich die Biogasanlage
z. B. einem klassischen landwirtschaftlichen Betrieb unterzuordnen oder ihm gegen-
über nur dienende Funktionen zu übernehmen hätte760. Vielmehr darf die landwirt-
schaftliche Nutzung allein dazu angelegt sein, die Biomasseanlage mit verwertbaren
Erzeugnissen zu „füttern“. Einschränkungen ergeben sich für die Biomasseanlage inso-
weit ausschließlich aus den Buchstaben a) bis d) des § 35 Abs. 1 Nr. 6, wozu insbeson-
dere die Beschränkung der Biogaserzeugungsmenge auf jährlich nicht mehr als
2,3 Mio. Normkubikmeter gehört, während die zulässige Feuerungswärmeleistung an-
derer, kein Biogas erzeugender Anlagen 2,0 Megawatt nicht überschreiten darf. Einer
überwiegend überregionalen Anlieferung des für die Biogaserzeugung benötigten Roh-
materials setzt der Gesetzgeber dadurch Grenzen, dass die erforderliche Biomasse
„überwiegend“, also zu mehr als 50 % aus dem eigenen Betrieb einschließlich nahe
gelegener Betriebe stammen muss. Der Antragsteller muss dies im Rahmen der immis-
sionsschutzrechtlichen Genehmigung nachweisen761.

758 BVerwG, U. v. 11.4.1986 – 4 C 67/82 –, NVwZ 1986, 916; BVerwG, B. v. 31.8.1988 – 4 B 153/88 –,
NJW 1989, 601 und BVerwG, B. v. 3.2.1989 – 4 B 14/89 –, ZfBR 1989, 177.
759 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 7.2.2014 – 1 B 11320/14.OVG –, ZfBR 2014, 384.
760 BVerwG, U. v. 11.12.2008 – 7 C 6.08 –, DÖV 2009, 377.
761 BVerwG, U. v. 11.12.2008 – 7 C 6.08 –, DÖV 2009, 377.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Die Frage, ob eine Biogasanlage als Nebeneinrichtung z. B. einer immissionsschutz-


rechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage betrachtet werden kann, lässt
sich nur anhand einer Prüfung des Einzelfalls beurteilen. Hierbei ist u. a. zu klären,
inwieweit die Biogasanlage dem Betreiber zur Verwertung seiner tierischen Nebenpro-
dukte dient und inwieweit die erzeugte Energie im Betrieb selbst genutzt wird762. Die
Zulassung einer durch eine Kommanditgesellschaft geführten Biogasanlage im Außen-
bereich setzt auch eine rechtlich-wirtschaftliche Zuordnung der Anlage zu dem Basis-
betrieb in einer Weise voraus, „die es dem Inhaber des Basisbetriebs ermöglicht, einen
bestimmenden Einfluss auf den Betrieb der Biogasanlage … auszuüben“, so das OVG
Niedersachen763.
Wann Betriebsflächen noch als „nahe gelegen“ zu werten sind, hat das Bundesverwal-
tungsgericht 2008 entschieden. Vorbehaltlich siedlungsstruktureller oder betriebsspe-
zifischer Besonderheiten des Einzelfalls ist eine hinreichende Nähe noch gegeben, wenn
die Biomasse aus einem nicht mehr als 10 bis 20 km entfernten Betrieb angeliefert
wird764.
Viele Grundstücksbesitzer im Außenbereich sind außerordentlich erfinderisch, wenn
es darum geht, in den Genuss einer Baugenehmigung für ein angeblich privilegiertes
Vorhaben zu kommen. Der nahezu unendlichen Vielfalt der von der Rechtsprechung
entschiedenen Fälle lassen sich amüsante Beispiele dafür entnehmen, mit welchen Be-
gründungen manche Eigentümer an die Baugenehmigungsbehörde herantreten, um die
Genehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich zu erhalten. Da soll
– ein Zweitwohnhaus auf dem Lande der Bienenzucht dienen765;
– ein „Landarbeiterhaus“ für einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb ge-
baut werden766;
– die Tierhaltung von Rehen und Hirschen aus Liebhaberei ausgeübt und dazu ein
Zaun gebaut werden767;
– eine Pensionspferdehaltung samt Wohnhaus im Außenbereich errichtet werden,
obwohl der Antragsteller im nahe gelegenen Dorf bereits eine Hofstelle besitzt768;
– für einen Gartenbaubetrieb ein Altenteilerhaus gebaut werden769;
– ein kleiner Fischteich der berufsmäßigen Binnenfischerei dienen und damit zugleich
ein Wohngebäude rechtfertigen770;
– der Ausbau eines Dachraums mit Fußboden aus Keramikplatten, holzverkleideter
Dachschrägung, Elektroanschlüssen nebst Verteilerdosen und beheiztem Dusch-
und WC-Raum als „Heulager“ genehmigt werden771;
– ein Wohngebäude als Ersatz für zwei Pferdeställe und ein Schwimmbecken die-
nen772.
Besonders schwierig zu beurteilen sind die eher allgemein formulierten Voraussetzun-
gen der Privilegierungen nach Nr. 3 und Nr. 4, in Nr. 4 insbesondere die Frage, wann
ein Vorhaben wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich aus-

762 BVerwG, B. v. 21.12.2010 – 7 B 4.10 –, BauR 2011, 1304.


763 Nieders. OVG, U. v. 14.3.2013 – 12 LC 153/11 –, ZfBR 2013, 373.
764 BVerwG, U. v. 11.12.2008 – 7 C 6.08 –, BauR 2009, 947.
765 Niedersächsisches OVG, U. v. 3.11.1982 – 6 A 40/81 –, BauR 1983, 559; BVerwG, B. v. 23.12.1983
– 4 B 175/83 –, UPR 1984, 163.
766 Niedersächsisches OVG, U. v. 16.12.1982 – 1 A 179/81 –, BauR 1983, 345.
767 BayVGH, U. v. 17.10.1983 – 14 B 82 A.456 –, NuR 1985, 189; ähnlich BVerwG, B. v. 10.4.1987 – 4
B 58/87, 4 B 63/87 –, ZfBR 1987, 297.
768 VGH Baden-Württemberg, U. v. 3.8.1995 – 5 S 3229/94 –, BauR 1996, 360.
769 BVerwG, U. v. 20.1.1984 – 4 C 72.80 –, BauR 1984, 386; vgl. auch BVerwG, B. v. 19.9.1995 – 4 B
208/95 –, UPR 1996, 29 (Fischteich als Biotop).
770 BVerwG, U. v. 13.4.1984 – 4 C 69.80 –, BauR 1984, 614.
771 BVerwG, B. v. 12.6.1989 – 4 B 110.89 – unveröffentlicht (Heulager), in Hoppe/Stüer, Die Rechtspre-
chung zum Bauplanungsrecht, RzB RdNr. 418.
772 BVerwG, B. v. 2.9.1999 – 4 B 27.99 –, ZfBR 2000, 278.

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geführt werden „soll“. Hierzu ist durch die Rechtsprechung klargestellt worden, dass
es bei dem „sollen“ im Sinne der Nr. 4 nicht um den subjektiven Willen des Antragstel-
lers geht, nach dessen Absicht z. B. ein Campingplatz oder ein Golfplatz ganz unzwei-
felhaft im Außenbereich errichtet werden „soll“. Vielmehr geht es darum, ob das
konkrete Vorhaben objektiv betrachtet nur im Außenbereich verwirklicht werden
kann und ob es nach der vernünftigen Wertung der Genehmigungsbehörde mit der
Funktion des Außenbereichs so eindeutig vereinbar ist, dass es bei wertender Betrach-
tung dort platziert werden „soll“. Dabei ist auch der Gleichheitssatz zu beachten mit
der Folge, dass durch die Platzierung eines Vorhabens im sonst vor Bebauung ge-
schützten Außenbereich nicht eine bestimmte Nutzergruppe in ungerechtfertigter
Weise gegenüber der sonstigen Bevölkerung bevorzugt werden darf. Nimmt man die
Prüfung des „Sollens“ in dieser Weise vor, dann „sollen“ z. B. Campingplätze nicht in
den Außenbereich, weil sie – jedenfalls generell – nicht mit den Außenbereichsfunktio-
nen der vorwiegend land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und des für alle zugängli-
chen, unbesiedelten und daher ruhigen Erholungsraums vereinbar sind773.
Nach diesem wertenden Maßstab gehören wohl auch Autokinos nicht in den Außen-
bereich, die von der Rechtsprechung früher einmal als nach Nr. 5 privilegiert angese-
hen worden sind774. Nicht privilegiert sind auch Anlagen der Freikörperkultur775,
Tennisplätze und Golfplätze776; sie dienen der Erholung, dem Spielspaß und/oder der
Gewinnerzielung bestimmter Gruppen, nicht dem Erholungsbedürfnis der Allgemein-
heit. Zu verneinen ist eine Privilegierung nach Nr. 5 auch für Wochenendhäuser777,
Minigolfanlagen778, Kurheime für Schlafgestörte779, ein Schulungsheim780, ein priva-
tes Altenheim781, einen privaten Sportboothafen782 oder einen Lagerplatz für
Schrott783. Mit der Novelle im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber auch für solche Tierhal-
tungsbetriebe eine Zulässigkeit auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 4 ausgeschlos-
sen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 unterfallen und zugleich
umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig sind oder einer standortbezogenen oder allge-
meinen Vorprüfung bedürfen. Ist ein Vorhaben dieser Art für sich genommen weder
UVP-pflichtig noch vorprüfungsbedürftig, kann es dennoch aufgrund kumulierender
Wirkung gemeinsam mit anderen Tierhaltungsanlagen ausgeschlossen sein. Als kumu-
lierende Vorhaben sind alle diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen, die auf
demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder
baulichen Einrichtungen verbunden sind. Bei dieser Regelung wird der Wortlaut des
§ 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG aufgegriffen. Er klärt darüber auf, wann ein so „enger
Zusammenhang“ vorliegt, dass die Anlagen als kumulierende Vorhaben zu werten
sind. Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn sich die Umweltauswirkungen der Vor-
haben überschneiden und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander be-
zogen sind784. Dieser funktionale und wirtschaftliche Bezug setzt ein planvolles Vorge-

773 BVerwG, U. v. 7.5.1976 – 4 C 62.74 –, BauR 1976, 347.


774 BVerwG, U. v. 10.4.1968 – 4 C 3.67 –, BVerwGE 29, 286; vgl. auch BVerwG, U. v. 3.3.1972 – 4 C
4.69 –, DVBl. 1972, 684.
775 BVerwG, U. v. 10.11.1978 – 4 C 80.76 –, DÖV 1979, 213.
776 BayVGH, B. v. 12.7.1979 – 41 XV 78 –, BayVBl. 1979, 681; BVerwG, B. v. 3.12.1990 – 4 B 144/90 –,
ZfBR 1991, 80; BVerwG, B. v. 9.10.1991 – 4 B 176/91 –, ZfBR 1992, 45 und BVerwG, B. v.
29.11.1991 – 4 B 209/91 –, ZfBR 1992 1992, 90 (Golfplätze).
777 BVerwG, B. v. 12.2.1962 – 1 B 25.62 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 2 und BVerwG, U. v.
29.4.1964 – 1 C 30.62 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 9 (st. Rspr.).
778 BVerwG, U. v. 3.3.1972 – 4 C 4.69 –, BRS 25 Nr. 39.
779 Bay VGH, U. v. 15.11.1972 – Nr. 106 II 65 –, BRS 25 Nr. 70.
780 BVerwG, U. v. 3.5.1974 – 4 C 10.71 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 109.
781 BVerwG, U. v. 25.3.1988 – 4 C 21/85 –, ZfBR 1988, 195.
782 BVerwG, B. v. 13.9.1989 – 4 B 93/89 –, ZfBR 1990, 43.
783 BVerwG, U. v. 11.4.2002 – 4 C 4.01 –, ZfBR2002, 693.
784 Vgl. BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 4 C 4.14 –, ZfBR 2015, 691.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

hen des Vorhabenträgers voraus. Ein solches Vorgehen lässt sich unterstellen, wenn
das Nebeneinander der Tierhaltungsanlagen nicht dem reinen Zufall geschuldet ist,
sondern Ergebnis eines koordinierten Verhaltens des Vorhabenträgers ist785. Im Übri-
gen richtet sich die UVP-Pflicht sowie das Erfordernis zur Durchführung einer Vorprü-
fung des Einzelfalls oder einer standortbezogenen Vorprüfung grundsätzlich nach
§§ 3a bis 3f UVPG.
Die einschränkende Regelung zur privilegierten Zulässigkeit von Anlagen zur Tierhal-
tung in § 35 Abs. 1 Nr. 4 hat auch Auswirkungen auf die Überleitungsvorschriften.
Denn in (sachlichen Teil-)Flächennutzungsplänen lassen sich auch Konzentrationszo-
nen für die Zulässigkeit von Tierhaltungsanlagen mit den Rechtswirkungen im Sinne
des § 35 Abs. 3 Satz 3 (Ausschlusswirkung von Tierhaltungsanlagen außerhalb der
Konzentrationsflächen) ausweisen. Sofern eine Gemeinde einen solchen F-Plan vor der
BauGB-Novelle 2013 aufgestellt hat, regelt § 245a Abs. 3, dass die Ausschlusswirkung
auch nach Inkrafttreten der Novelle fortgilt. Sollte aufgrund der Modifizierung in § 35
Abs. 1 Nr. 4 ein Widerspruch mit den städtebaulichen Zielen des F-Plans erkennbar
werden, ist die Gemeinde nach dem 2013 eingeführten § 245a Abs. 3 befugt, den
Flächennutzungsplan auf einfache Art im Wege der Berichtigung anzupassen. Die An-
passung eines F-Plans im Wege der Berichtigung ist eine von Gemeinden im Zusam-
menhang mit B-Plänen der Innenentwicklung mittlerweile gut eingeübte Angelegen-
heit. Die F-Plan-Anpassung darf im Fall der Tierhaltung erst erfolgen, wenn die
Gemeinde durch Gemeindebeschluss den Widerspruch zu den städtebaulichen Zielen
des F-Plans festgestellt und diesen Beschluss ortsüblich bekannt gemacht hat. Durch
die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses werden die entsprechenden Darstel-
lungen im F-Plan gegenstandslos. In diesem Zuge erfolgt die F-Plan-Anpassung durch
Berichtigung.
Als weitere Übergangsregelung regelt § 245a Abs. 4 den Fall von vor dem 4. Juli 2012
eingegangenen Zulassungsanträgen für Tierhaltungsanlagen, die nicht dem Anwen-
dungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 unterfallen. Für diese Fälle war § 35 Abs. 1 Nr. 4
in seiner Fassung vor Inkrafttreten der BauGB-Novelle 2013 anzuwenden.
Dagegen können im Einzelfall nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 genehmigt werden
– als Vorhaben mit besonderen Anforderungen an die Umgebung: Aussichtstürme,
Stern- und Wetterwarten, Freilichtbühnen, Heilstätten;
– als Vorhaben mit nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung: Sprengstoff-Fabri-
ken, Tierkörperbeseitigungsanlagen, Schweinemästereien, Tierheime786;
– als Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung in den Außenbereich
gehören: Fischerhütten787, Jagdhütten788, Geräteschuppen789 und Bienenhäu-
ser790.
Bis zur Einfügung der heutigen (2011 noch einmal modifizierten) Nr. 7 (zunächst
Nr. 6) in § 35 Abs. 1 war sehr umstritten, ob Kernkraftwerke und zugehörige Entsor-
gungseinrichtungen als Großvorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 oder
4 privilegiert sind oder ob ihre Genehmigung im Außenbereich ohne vorherige Bauleit-
planung durch die Gemeinde am „öffentlichen Belang der Planungsbedürftigkeit“
scheitern muss. Das Niedersächsische OVG791 (zum Zwischenlager Gorleben in Lü-

785 Vgl. BVerwG, U. v. 17.12.2015 – 4 C 7.14 –, ZfBR 2016, 370.


786 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 22.2.1968 – X A 987/66 –, OVGE MüLü 24, 19.
787 BVerwG, U. v. 14.5.1969 – 4 C 19.68 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 83.
788 BVerwG, B. v. 22.1.1972 – 4 B 27.71 –, BRS 25 Nr. 67; BVerwG, B. v. 1.2.1971 – 4 B 73.70 –, BRS 24
Nr. 64; BVerwG, B. v. 22.2.1969 – 4 B 49.68 –, BRS 23 Nr. 73; 20 Nr. 44; 18 Nr. 36.
789 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 30.1.1969 – X A 169/68 –, OVGE MüLü 24, 243.
790 BVerwG, U. v. 13.12.1974 – 4 C 22.73 –, BRS 28 Nr. 45.
791 Niedersächsisches OVG, B. v. 29.12.1981 – 7 OVG B 50/81 –, ZfBR 1982, 93.

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chow-Dannenberg) und das BVerwG792 haben die Privilegierung (noch auf der Grund-
lage des § 35 Abs. 1 Nr. 4) bejaht. Zwar könne der öffentliche Belang der Planungsbe-
dürftigkeit auch einem nach § 35 Abs. 1 privilegierten Vorhaben entgegenstehen, wenn
eine Koordinierung der Interessen innerhalb des Plangebiets durch förmliche Planung
erforderlich sei (sog. Binnenkoordination). In dem zu entscheidenden Fall bestand aber
innerhalb des Betriebsgeländes des Zwischenlagers kein Bedürfnis für einen Ausgleich
unterschiedlicher Interessen. Eine Koordination nach außen sei bei einer Entfernung
von etwa 1.500 m zum nächsten Siedlungsgebiet nicht erforderlich. Für privilegierte
Vorhaben im Außenbereich habe der Gesetzgeber den Gemeinden aus Gründen der
Rechtsvereinfachung und Rechtseinheitlichkeit die Planung abgenommen793. Die Re-
aktorkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 veranlasste die Bundesregierung
zum Beschluss der sog. Energiewende. Seitdem gehören nach Nr. 7 zwar weiterhin
Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedli-
chen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Fälle dienen, zu den privilegierten
Vorhaben. Von dieser Regelung ausgenommen ist seit 2011 allerdings ausdrücklich
die Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen
Erzeugung von Elektrizität.
Im gleichen Atemzug hat die Bundesregierung bestimmte Solaranlagen als Nummer 8
in die Liste der privilegierten Vorhaben aufgenommen. Die Nutzung solarer Strah-
lungsenergie durch Photothermie oder Photovoltaik ist im Außenbereich zulässig,
wenn die Anlagen an bzw. auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise
genutzten Gebäuden installiert werden und diesen Gebäuden untergeordnet sind. Pho-
tovoltaikfreiflächenanlagen werden demnach von dieser Privilegierung nicht erfasst.
Der Gesetzgeber hat die Privilegierung bewusst auf im Außenbereich befindliche, zu-
lässigerweise „genutzte“ Gebäude beschränkt und sich im Zuge des Gesetzgebungsver-
fahrens vom Passus eines zulässigerweise „errichteten“ Gebäudes verabschiedet, da
vermieden werden sollte, dass mittlerweile ungenutzte bauliche Anlagen, z. B. ehema-
lige Stallanlagen, allein deshalb als bloße Hülle erhalten werden, um Energie aus sola-
rer Strahlungsenergie gewinnen zu können. Da die Vorschrift von „Gebäuden“ und
nicht etwa von „baulichen Anlagen“ spricht, kommen nur solche baulichen Anlagen
in Betracht, die Gebäude im Sinne der Landesbauordnung sind. Der bauordnungs-
rechtliche Gebäudebegriff der Länder weicht mitunter leicht voneinander ab. Nach
Art. 2 Abs. 2 der Bayerischen Bauordnung sind Gebäude „selbständig benutzbare,
überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können“. In Bran-
denburg spricht man von Gebäuden bei „selbstständig benutzbaren, überdeckten bau-
lichen Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder be-
stimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen“ (§ 2 Abs. 2
BbgBO).
Schon seit längerem ist das BVerwG von der These, dass ein Planungsbedürfnis im
Außenbereich nur bei der Notwendigkeit einer Binnenkoordination bestehe, abge-
rückt. Auch im Außenbereich bestehe ein Planungsbedürfnis, wenn sich eine sachge-
rechte Koordination der Belange nur im Wege der Abwägung herstellen lasse. Dafür
reiche das Konditionalprogramm des § 35 nicht aus. Wenn ein im Außenbereich zu
verwirklichendes Vorhaben eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten
öffentlichen und privaten Belange auslöst, dass die in § 35 vorausgesetzte Entschei-
dungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens (ohne vorherige Planung) nicht mehr gege-
ben ist, wird die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Damit wird
auch klar, dass die in § 35 Abs. 3 Satz 1 aufgeführten öffentlichen Belange nur beispiel-

792 BVerwG, B. v. 27.6.1983 – 4 B 206/82 –, NVwZ 1984, 169; die Privilegierung nach Nr. 4 lässt das
BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, DVBl. 1986, 190 ausdrücklich offen, während die Privilegie-
rung nach Nr. 5 bestätigt wird.
793 BVerwG, U. v. 25.10.1967 – 4 C 86.66 –, BVerwGE 28, 148 (150).

334

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

haft sind. Und es liegt nahe, dass zu den weiteren möglichen Belangen das Erfordernis
einer förmlichen Planung wegen hoher Konfliktlage gehört794.
Die Standortbestimmung für im Außenbereich privilegierte Großvorhaben von heraus-
ragendem öffentlichen Interesse, zu denen seit der Novelle 2011 die Neuerrichtung
von Atomkraftwerken nicht mehr gehört, wird jedoch auch in Zukunft nicht von
der kommunalen Bauleitplanung, sondern von den Landesplanungsbehörden und den
Fachbehörden vorbereitet und auf dieser Grundlage vollzogen werden. Weigert sich
eine Kommune, die landesplanerischen Vorgaben nachzuvollziehen, kann sie dazu mit
den Mitteln der Kommunalaufsicht angehalten werden.
Auch wenn das Vorhaben nach § 35 genehmigt werden kann und soll, muss die Kom-
mune, in deren Gemarkung das Vorhaben errichtet werden soll, vor der Erteilung der
Baugenehmigung ihr Einvernehmen zum Ausdruck bringen; sie darf das Einvernehmen
aber nur aus Rechtsgründen verweigern; handelt sie rechtswidrig, darf ihr Einverneh-
men durch die nach Landesrecht zuständige Behörde ersetzt werden (§ 36 Abs. 2).
Soweit Ziele der Raumordnung nicht entgegenstehen, kann die Kommune die Ansied-
lung von privilegierten Vorhaben im Außenbereich nicht nur positiv durch die Aufstel-
lung von Bebauungsplänen, sondern auch negativ durch die Darstellung von Konzen-
trationsflächen im Flächennutzungsplan steuern. Bereits 1984 hatte das BVerwG795
(entgegen seiner bis dahin geübten Rechtsprechung und entgegen der bis dahin herr-
schenden Meinung) entschieden, dass sachlich und räumlich hinreichend konkrete
Darstellungen des Flächennutzungsplans auch einem privilegierten Außenbereichsvor-
haben entgegenstehen können. In der Entscheidung führte das Bundesverwaltungsge-
richt aus: § 35 enthalte zwar eine generelle, den §§ 30 und 34 vergleichbare Planung
für den Außenbereich, jedoch keine Entscheidung über den konkreten Standort eines
Vorhabens. Dieser sei unter Beachtung der öffentlichen Belange im Baugenehmigungs-
verfahren festzulegen. Deshalb könnten konkrete, standortbezogene Aussagen des Flä-
chennutzungsplans (und auch von Programmen und Plänen der Landesplanung) als
öffentlicher Belang auch der Zulässigkeit eines privilegierten Vorhabens entgegenste-
hen, wenn der Standort bereits „anderweitig verplant“ sei, obwohl weder der F-Plan
noch die Programme und Pläne der Landesplanung Außenwirkung hätten. Dies gelte
allerdings nicht für privilegierte Vorhaben, die sich bereits vor der höherstufigen Pla-
nung eigentumskräftig verfestigt hätten. Die standortbezogenen Aussagen von Flä-
chennutzungs- und Raumordnungsplänen seien daher nicht wie verbindliche Normen
anzuwenden. Ihre Durchsetzungsfähigkeit resultiere daraus, dass sie Unterstützung
und Fortschreibung tatsächlicher Gegebenheiten seien. Es bleibe also Raum für eine
Abwägung zwischen den Standortinteressen des privilegierten Vorhabens einerseits
und der Bedeutung der flächensperrenden Aussagen des F-Plans bzw. der Landespla-
nung andererseits.
An diese bahnbrechende Rechtsprechung hat der Gesetzgeber angeknüpft, als er im
Zusammenhang mit der bereits zum 1.1.1997 eingeführten Privilegierung der Wind-
energieanlagen einen neuen Satz an § 35 Abs. 3 anfügte. Dort heißt es nunmehr: „Öf-
fentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch
dann entgegen, wenn hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als
Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.“
Damit wurde das Institut der sog. Konzentrationsflächen in das BauGB eingeführt.
Mit der Darstellung von Konzentrationsflächen kann eine Gemeinde ihren Willen zum
Ausdruck bringen, dass die betreffenden Anlagen nur innerhalb dieser Flächen errich-
tet werden sollen – nicht aber an anderer Stelle, für die der Flächennutzungsplan

794 BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, ZfBR 2003, 38.


795 BVerwG, U. v. 20.1.1984 – 4 C 43/81 –, BVerwGE 68, 311; ihm folgend VGH Baden-Württemberg,
U. v. 9.8.1984 – 5 S 1251/83 –, NuR 1985, 23 (Unzulässigkeit der Nassauskiesung wegen Verstoßes
gegen den Regionalplan).

335

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

wiederum eine andere Bewirtschaftung als geeignete Bodennutzung vorsieht (z. B.


landwirtschaftliche Nutzung). Die Lage der Konzentrationsflächen kann wiederum
großräumig durch die Landesplanung mittels der Ausweisung von Eignungsgebieten,
auch von Vorranggebieten, in Regionalplänen gesteuert werden.
Es ist kein Zufall, dass das Institut der Konzentrationsflächen vom Gesetzgeber zuerst
im Zusammenhang mit der Privilegierung von Windenergieanlagen (Windrädern) in
das Gesetz übernommen wurde. Durch das Energieeinspeisungsgesetz von 1991 erhiel-
ten die Erzeuger von Windenergie eine deutlich mehr als kostendeckende Abnahmega-
rantie; seitdem wurde die Aufstellung von Windrädern zu einer lukrativen Angelegen-
heit mit entsprechendem Antragsdruck auf die Baugenehmigungsbehörden. Das
Bundesverwaltungsgericht stufte die Windenergieanlagen durch Beschluss vom 9. Ja-
nuar 1996 als nicht privilegierte Anlagen ein796; das BVerwG führte aus: Windenergie-
anlagen mit Einspeisung in das öffentliche Netz dienten zwar der Energieerzeugung
und kämen daher für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 (damals noch Nr. 4)
in Frage; es fehle ihnen aber das Merkmal der Ortsgebundenheit, das für alle Vorhaben
nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 gelten müsse. Nach dieser Entscheidung wurde der Druck der
Windradlobby so stark, dass der Gesetzgeber es nicht einmal bis zur Verabschiedung
des BauROG aushalten konnte, sondern den § 35 schon ein Jahr zuvor mit Wirkung
ab 1.1.1997 novellierte. Um den Windkraftgegnern, die unter anderem die „Verspar-
gelung“ der Landschaft, die Gefährdung der Avifauna und neuerdings auch den unver-
hältnismäßigen Anstieg der Energiepreise anprangern, Wind aus den Segeln zu neh-
men, erfand man die Konzentrationsflächen und gestattete den Gemeinden in § 15
Abs. 3, bei den Baugenehmigungsbehörden die Aussetzung der Entscheidung über die
Zulässigkeit von Windenergieanlagen bis zu einem Jahr herbeizuführen, damit sie in
der gewonnenen Zeit Flächennutzungspläne mit Konzentrationsflächen aufstellen
können. Dies wird seit dem EAG Bau dadurch erleichtert, dass dafür auch ein sachli-
cher (und – seit 2011 klar geregelt – auch ein auf räumliche Teile des Gemeindegebiets
beschränkter) Teilflächennutzungsplan aufgestellt werden darf, der sich nur mit der
Windenergie beschäftigen muss. Angesichts der Komplexität der Planung sind zwölf
Monate eine äußerst knapp bemessene Zeit (vgl. dazu auch Kapitel B.VII. – „Siche-
rung der Bauleitplanung“). Daher wurde der Zurückstellungszeitraum durch die No-
velle 2013 auf bis zu zwei Jahre verlängert.
Die Ausschlusswirkung kann im Übrigen nur dann angenommen werden, wenn der
konzeptionell gestützte Wille der planenden Gemeinde, mit der positiven Darstellung
zugleich die Errichtung der betreffenden Vorhaben an anderer Stelle auszuschließen,
in einer textlichen Darstellung (und in der Begründung) zum Flächennutzungsplan mit
aller Deutlichkeit zum Ausdruck kommt. Schließlich muss auch betont werden, dass
die Ausschlusswirkung nur in der Regel eintritt. Dieses beruht auf der Tatsache, dass
durch einen Flächennutzungsplan nur die Situationsgebundenheit des Eigentums kon-
kretisiert, aber keine bestehenden Baurechte wegdefiniert werden können. Wenn sich
ein bestimmtes Grundstück für Anlagen einer bestimmten Zweckrichtung besonders
eignet und keine vernünftigen Gründe entgegenstehen, ist diese Anlage auch dann
zulässig, wenn der Flächennutzungsplan Standorte auf anderen Flächen im Gemeinde-
gebiet ausdrücklich ausweist. Zu den „vernünftigen Gründen“ gehört jedoch auch die
planerische Konzeption der Gemeinde – sie darf durch die Zulassung im Einzelfall
nicht in Frage gestellt werden797. Im Regelfall führt die (abwägungsgerechte) Auswei-
sung eines oder mehrerer Konzentrationsgebiete jedoch zur Unzulässigkeit von Vorha-
ben an anderer Stelle im Gemeindegebiet (oder im Gebiet des gemeinsamen Flächen-

796 BVerwG, B. v. 5.1.1996 – 4 B 306.95 –, BauR 1996, 363; auch schon OVG Nordrhein-Westfalen, U.
v. 23.9.1980 – 7 A 622/80 –, BauR 1980, 549.
797 BVerwG, U. v. 17.12.2002 – 4 C 15.01 –, ZfBR 2003, 370.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

nutzungsplans). Die Vielzahl der dazu geführten Prozesse798 zeigt, welche starken
wirtschaftlichen Interessen hier im Spiel sind.
Die weithin sichtbaren Windenergieanlagen mit ihren massiven, in den Boden versenk-
ten Fundamenten waren wohl auch der Grund dafür, dass seit dem 20.7.2004 alle
Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 nur noch dann zugelassen werden dürfen, wenn
der Antragsteller zuvor eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, mit der er sich
bei endgültiger Aufgabe der Nutzung zum Rückbau der Anlage einschließlich Beseiti-
gung der Bodenversiegelung verpflichtet hat (§ 35 Abs. 5 Satz 2). Die Erfüllung der
Verpflichtung muss (z. B. durch Bankbürgschaft oder Hinterlegung) sichergestellt sein.
Gleichsam die Umkehrung des Grundsatzes der potenziellen Sperrwirkung von Dar-
stellungen im Flächennutzungsplan enthält der 2. Halbsatz von § 35 Abs. 3 Satz 2.
Danach gilt Folgendes:
„Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widerspre-
chen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht ent-
gegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumord-
nung abgewogen worden sind.“
Dieser auf den ersten Blick etwas rätselhaft klingende Satz enthält vor und nach dem
Semikolon zwei recht unterschiedliche Aussagen. Der erste Halbsatz („Raumbedeut-
same Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen“) verschafft
den Zielen der Raumordnung über § 1 Abs. 4 hinaus auch gegenüber einzelnen Vorha-
ben Geltung, wenn es sich um raumbedeutsame Vorhaben handelt. Bei der Anwen-
dung dieses Satzes muss beachtet werden, dass sich die Ziele der Raumordnung grund-
sätzlich nur an öffentliche Planungsträger richten. Sie genießen keinen strikten und
unabdingbaren Geltungsanspruch auch gegenüber privaten Vorhabenträgern. Das
raumordnungsrechtliche Ziel (z. B. Vorranggebiet für Erholung) kann sich gegenüber
einem privaten Vorhaben (z. B. Gipsabbau) nur aufgrund einer „nachvollziehenden
Abwägung“ durchsetzen, innerhalb derer die Belange, die zu der Ausweisung des Ziels
Anlass gegeben haben, den Interessen des Vorhabenträgers gegenüber zu stellen
sind799.

798 Vgl. aus der neueren Zeit nur: BVerwG, U. v. 21.10.2004 – 4 C 2.04 –, juris; BVerwG, U. v. 20.5.2010
– 4 C 7.09 –, BauR 2010, 1879; BVerwG, B. v. 15.9.2009 – 4 BN 25/09 –, BauR 2010, 82; BVerwG,
U. v. 24.1.2008 – 4 CN 2.07 –, NVwZ 2008, 559 = BauR 2008, 951; BVerwG, B. v. 12.7.2006 – 4 B
49.06 –, ZfBR 2006, 679; BVerwG, B. v. 16.3.2006 – 4 BN 38.05 –, ZfBR 2006, 468; BVerwG, B. v.
28.11.2005 – 4 B 66.05 –, BauR 2006, 495; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 24.2.2011 – OVG 2 A
2.09 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 14.9.2010 – OVG 2 A 1.10 –, juris; OVG Berlin-Branden-
burg, U. v. 21.9.2007 – OVG 10 A 9/05 –, juris; Niedersächsisches OVG, U. v. 18.5.2007 – 12 LB 8/
07 –, ZNER 2007, 229; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.3.2007 – OVG 10 A 3.05 –, juris; OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 9.8.2006 – 8 A 3726/05 –, BauR 2007, 74; OVG Bautzen, U. v. 7.4.2005
– 1D 2.03 – juris; BVerwG, B. v. 29.3.2010 – 4 BN 65.09 –, BauR 2010, 2075; BVerwG, U. v.
20.5.2010 – 4 C 7.09 –, BauR 2010, 1880; BVerwG, U. v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 –, BauR 2010, 1874;
BVerwG, U. v. 1.7.2010 – 4 C 6.09 –, BauR 2011, 98; BVerwG, B. v. 25.8. 2010 – 4 B 17.10 –, BauR
2011, 96; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 24.6.2010 – 8 A 2764/09 –, BauR 2011, 253 (Bestätigung
des OVG-Urteils zur optisch bedrängenden Wirkung von WEA); BVerwG, B. v. 23.12.2010 – 4 B
36.10 –, BauR 2011, 813; Niedersächsisches OVG, U. v. 31.3.2011 – 12 KN 187/08 –, BauR 2011,
1300; Hessischer VGH, U. v. 17.3.2011 – 4 C 883/10.N –, BauR 2012, 459; Niedersächsisches OVG,
U. v. 8.3.2012 – 12 LB 244/10 –, BauR 2012, 1072; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 4.7.2012 – 10
D 47/10.NE –, BauR 2012, 1898; Sächsisches OVG, U. v. 3.7.2012 – 4 B 808/06 –, BauR 2012, 1904;
BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 –, juris; BVerwG, U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12 –, juris.
799 BVerwG, U. v. 19.7.2001 – 4 C 4.00 –, ZfBR 2002, 65; OVG Niedersachsen, B. v. 16.5.2013 – 12 LA
49/12 –, FuNds 2014, 114; BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 –, I+E 2014, 115; OVG Lüneburg,
U. v. 17.6.2013 – 12 KN 80/12 –, NJOZ 2018, 18; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 1.7.2013 – 2 D
46/12.NE –, UPR 2014, 153; OVG Niedersachsen, U. v. 28.8.2013 – 12 KN 22/10 –, – 12 KN 146/
12 –, FuNds 2014, 118; OVG Niedersachsen, U. v. 11.11.2013 – 12 LC 257/12 –, ZfBR 2014, 268;
OVG Thüringen, U. v. 26.3.2014 – 1 N 676/12 –, ThürVBl. 2015, 111; OVG Niedersachsen, U. v.
14.5.2014 – 12 KN 29/13 –, BauR 2015, 50; OVG Lüneburg, U. v. 14.5.2014 – 12 KN 244/12 – FuB

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Durch den zweiten Halbsatz („öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben


nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben
als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind“) wird den abgewogenen Zielen
der Raumordnung (und dazu gehören auch Standortbestimmungen für bestimmte
raumbedeutsame Vorhaben) Vorrang vor anderen öffentlichen Belangen im Sinn des
§ 35, also auch vor kommunalen Flächennutzungsplänen, eingeräumt; in praxi heißt
das, dass von der Landesplanung festgelegte Standorte für (möglicherweise politisch
umstrittene) raumbedeutsame Großvorhaben – wie z. B. einen Flughafen oder auch
Kiesabbau oder Braunkohleabbau – nicht von der Flächennutzungsplanung der betrof-
fenen Gemeinde konterkariert werden können, auch nicht durch Konzentrationsflä-
chenausweisung oder durch Ausweisung von Flächen für Maßnahmen zum Schutz,
zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft.
Bei landesplanerischer Flächenzuweisung für Windkraftanlagen muss allerdings zwi-
schen landesplanerischen Eignungsgebieten und Vorrang- sowie Vorbehaltsgebieten
unterschieden werden. Das Eignungsgebiet wirkt im Wesentlichen nach außen: Die in
das Eignungsgebiet gehörenden Anlagen sind außerhalb des Eignungsgebiets in der
Regel unzulässig; aus der Logik des Eignungsgebiets ergibt sich nach innen nur die
Anforderung, dass das ausgewiesene Gebiet grundsätzlich für die Aufnahme von ent-
sprechenden Anlagen geeignet sein muss. Die Einstufung z. B. als Windkraft-Eignungs-
gebiet bedeutet zugleich, dass andere raumbedeutsame Belange der Errichtung von
Windkraftanlagen nicht entgegenstehen, sagt aber noch nichts darüber aus, welches
Gewicht konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen im Eignungsgebiet im Einzel-
fall zugemessen werden soll. Nur wenn das Eignungsgebiet zusätzlich als Vorbehalts-
gebiet eingestuft wird (was auch vorab und generell per Definition durch Landesrecht
geschehen kann), kommt der im Eignungsgebiet vorgesehenen Anlage im Vergleich
mit anderen besonderes positives Gewicht zu; nur wenn das Eignungsgebiet zugleich
als Vorranggebiet ausgewiesen wird, sind andere raumbedeutsame Nutzungen in die-
sem Gebiet gänzlich ausgeschlossen, soweit sie mit der Vorrangnutzung nicht verein-
bar sind. Innerhalb des Eignungsgebiets ist die Aufstellung von Bebauungsplänen zu-

2014, 239; OVG Schleswig, U. v. 20.1.2015 – 1 KN 6/13 –, NordÖR 2015, 261; BVerwG, B. v. 9.2.2015
– 4 BN 20.14 –, ZfBR 2015, 489; OVG Niedersachsen, U. v. 30.7.2015 – 12 KN 220/14 –, BauR 2015,
1829; OVG Niedersachsen, U. v. 30. 7.2015 – 12 KN 265/13 –, BauR 2016, 63; BVerwG, U. v. 18.8.2015
– 4 CN 7.14 –, ZfBR 2016, 50; OVG Berlin–Brandenburg, U. v. 10.11.2015 – OVG 10 A 7.13 –, ZfBR
2016, 283; OVG Sachsen–Anhalt, U. v. 20.1.2016 – 2 L 153/13 –, NuR 2016, 642; BVerwG, B. v.
10.2.2016 – 4 BN 37.15 –, ZfBR 2016, 376; BVerwG, B. v. 10.3.2016 – 4 B 7.16 –, ZfBR 2016, 378;
BVerwG, B. v. 24.3.2016 – 4 BN 42.15 –, BBB 2016, 61; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 9.5.2016 – 2
B 999/15.NE –, ZfBR 2016, 807; BVerwG, B. v. 12.5.2016 – 4 BN 49.15 –, ZfBR 2016, 587; OVG
Niedersachsen, U. v. 23.6.2016 – 12 KN 64/14 –, ZfBR 2016, 689; OVG Lüneburg, U. v. 6.4.2017 – 12
KN 6/16 –, UPR 2017, 280; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 17.5.2017 – 2 D 22/15.NE –, KommJur
2017, 380; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 9.6.2017 – 8 B 1264/16 –, NWVBl. 2017, 473; OVG Nieder-
sachsen, U. v. 13.7.2017 – 12 KN 206/15 –, DÖV 2017, 878; OVG Rheinland–Pfalz, B. v. 25.7.2017 – 8
B 10987/17 –, NuR 2018, 45; OVG Niedersachsen, U. v. 26.10.2017 – 12 KN 119/16 –, FuBW 2018,
428; OVG Nordrhein–Westfalen, B. v. 21.11.2017 – 8 B 935/17 –, I+E 2018, 125; OVG Nordrhein–
Westfalen, B. v. 29.11.2017 – 8 B 663/17 –, UPR 2018, 240; BVerwG, B. v. 21.12.2017 – 4 BN 3.17 –,
DÖV 2018, 289; VGH Hessen, B. v. 25.1.2018 – 4 B 11535/17.N –, ZfBR 2018, 382; OVG Nordrhein–
Westfalen, B. v. 20.2.2018 – 8 B 840/17 –, NWVBl. 2018, 295; OVG Nordrhein–Westfalen, U. v. 6.3.2018
– 2 D 95/15.NE –, ZfBR 2018, 602; OVG Niedersachsen, U. v. 15.3.2018 – 12 KN 38/17 –, DÖV 2018,
581; OVG Niedersachsen, B. v. 6.4.2018 – 12 KN 243/17 –, NdsVBl. 2018, 6; OVG Lüneburg, B. v.
11.5.2018 – 12 MN 40/18 –, NordÖR 2018, 412; OVG Mecklenburg–Vorpommern, B. v. 8.5.2018 – 3
M 22/16 –, NVwZ–RR 2018, 5; OVG Niedersachsen, B. v. 15.6.2018 – 12 ME 85/18 –, NdsVBl. 2018,
5.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

lässig, mit denen z. B. die Standorte der Anlagen näher bestimmt und auch
Höhenbegrenzungen vorgenommen werden dürfen (siehe auch Kapitel B.IV.)800.
Bei allen landesplanerischen Gebietsausweisungen mit Sperrwirkung ist der oben be-
reits erwähnte Grundsatz zu beachten, dass sich die Vorgaben der Raumordnung in
erster Linie an die planende oder standortgenehmigende Verwaltung richten – nicht
an private Vorhabenträger (mit Ausnahme der „halböffentlichen“ Vorhabenträger
nach § 4 Abs. 1 Satz 2 ROG, an denen öffentliche Stellen mehrheitlich beteiligt sind
oder deren Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finan-
ziert werden). Nach § 4 Abs. 1 ROG sind die Ziele der Raumordnung bei (1) raumbe-
deutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen, (2) Entscheidungen öf-
fentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen
anderer öffentlicher Stellen sowie bei (3) Entscheidungen öffentlicher Stellen über die
Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privat-
rechts, die der Planfeststellung oder der Genehmigung mit den Rechtswirkungen der
Planfeststellung bedürfen, zu beachten. Allerdings gilt auch dies nur nach Maßgabe
einer „nachvollziehenden Abwägung“: Nur die Belange, die durch das Ziel der Raum-
ordnung legitimerweise erfasst werden konnten und sollten und im Rahmen der Ab-
wägung abwägungsgerecht behandelt wurden, entfalten gegebenenfalls Sperrwirkung.
Kleinräumige Einzelfallentscheidungen sind – jedenfalls im Regelfall – nicht Gegen-
stand der Regionalplanung. Sie werden daher von ihr auch nicht parzellenscharf er-
fasst. Wenn die Kommune als Trägerin der Flächennutzungsplanung nicht die Mög-
lichkeit sieht, aufgrund örtlicher Besonderheiten eine ausgewogene Planung zu
beschließen, bleibt ihr nur übrig, die Zulassung von Windenergieanlagen unter An-
wendung des § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 „durch das Geltendmachen von öffentli-
chen Belangen im Einzelfall zu steuern.“801
b) Die nichtprivilegierten Vorhaben. Alle Vorhaben, die nicht unter § 35 Abs. 1 Nr. 1
bis 8 subsumiert werden können, sind nicht privilegiert, sie gehören nicht in den Au-
ßenbereich. Gemäß § 35 Abs. 2 können sie im Einzelfall aber dennoch als „sonstige
Vorhaben“ zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Be-
lange nicht beeinträchtigt. Diese Generalklausel liest sich auf den ersten Blick recht
großzügig. Es wird der Eindruck erweckt, als hätte man auch nach Abs. 2 gute Chan-
cen für die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich. Diese Zuversicht wird
jedoch nachhaltig getrübt, wenn man im § 35 Abs. 3 nachliest, welche öffentlichen
Belange einem Vorhaben insbesondere entgegengehalten werden können. Zu diesen
öffentlichen Belangen zählen die Darstellungen des Flächennutzungsplans, die Darstel-
lungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, schädliche Umwelteinwirkungen
sowie unwirtschaftliche Aufwendungen für Erschließungsmaßnahmen (im Einzelnen
aufgeführt in Bild 49).

800 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 2.4.2003 – 7 B 235/03 –, ZfBR 2003, 573 (Höhenbegrenzung durch
B-Plan mit Veränderungssperre); Niedersächsisches OVG, 22.7.2003 – 1 LA 238/02 –, ZfBR 2003,
786 (Höhenbegrenzung zulässig); Niedersächsisches OVG, 16.7.2003 – 1 LA 277/02 –, ZfBR 2003,
788 (Begrenzung der Zahl der Anlagen zulässig). Aber: Keine Veränderungssperre für das gesamte
Gemeindegebiet: Niedersächsisches OVG, 18.6.2003 – 1 KN 56/03 –, ZfBR 2003, 790.
801 BVerwG, B. v. 15.9.2009 – 4 B 51.09 –, BauR 2010, 64.

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Bild 49: Öffentliche Belange als Hinderungsgründe gegen das Bauen im Außenbereich
Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt beim Bauen im Außenbereich im Sinne des § 35 Abs. 2
BauGB insbesondere in folgenden Fällen vor:
1. Widerspruch zu Darstellungen eines Flächennutzungsplans;
2. Widerspruch zu Darstellungen eines Landschaftsplans oder eines sonstigen Fachplans, insbeson-
dere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts;
3. Schädliche Umwelteinwirkungen können durch das Vorhaben hervorgerufen werden, oder das Vorha-
ben wäre solchen ausgesetzt;
4. Verursachung unwirtschaftlicher Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für
Anlagen der Ver- oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben;
5. Beeinträchtigung von Belangen des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des
Denkmalschutzes oder der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes, Verun-
staltung des Orts- und Landschaftsbilds;
6. Beeinträchtigung von Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur, Gefährdung der Wasserwirt-
schaft oder des Hochwasserschutzes;
7. Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung;
8. Störung der Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen.
Nur die vier fett gedruckten öffentlichen Belange können begünstigten Vorhaben nicht entgegen-
gehalten werden.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Soweit Stand-
orte für raumbedeutsame Vorhaben bereits durch höherstufige Pläne der Landesplanung festgelegt
sind, können ihnen öffentliche Belange auf der örtlichen Ebene nicht mehr entgegengehalten werden.

Sofern es um raumbedeutsame Vorhaben geht, dürfen diese den Zielen der Raumord-
nung nicht widersprechen. Ziele der Raumordnung sind nicht durch Abwägung über-
windbar.
Diese lange, noch erweiterungsfähige Liste macht deutlich, dass nichtprivilegierte Vor-
haben nur selten genehmigungsfähig sind. Praktisch besteht insoweit im Außenbereich
ein Bauverbot. Auch die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst vermag daran
wenig zu ändern, wenn sie z. B. für die Aufstellung von Monumentalplastiken griechi-
scher Göttinen im Außenbereich in Anspruch genommen wird802. Umstritten ist die
Frage, ob der Baugenehmigungsbehörde (und gegebenenfalls auch der Gemeinde im
Rahmen des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1) bei der Genehmigung von nichtprivile-
gierten Vorhaben im Außenbereich ein Ermessen zusteht oder nicht. Der Wortlaut des
Gesetzes spricht eindeutig für ein solches Ermessen, denn sonstige Vorhaben „können“
(nach § 35 Abs. 2) im Einzelfall zugelassen werden. Das Bundesverwaltungsgericht
hat sich allerdings in einer Entscheidung aus dem Jahr 1964803 unter Berufung auf die
Eigentumsgarantie auf einen anderen Standpunkt gestellt: Wenn die Tatbestandsvo-
raussetzungen des § 35 Abs. 2 vorlägen, müsse das Vorhaben genehmigt werden. Da-
bei käme der Genehmigungsbehörde kein Ermessen zu.
Des Rätsels Lösung liegt in grundsätzlichen dogmatischen Erwägungen über die
Rechtsnatur des Ermessens: Wenn feststeht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des
§ 35 Abs. 2 vorliegen, also durch „Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens öf-
fentliche Belange nicht beeinträchtigt werden“, ist es in der Tat gerecht, dem Eigentü-
mer einen Anspruch auf Zulassung zu gewähren. Die Frage ist nur, wer in erster
Linie dazu aufgerufen ist, die Feststellung zu treffen, dass öffentliche Belange nicht
beeinträchtigt sind: Soll dies die Genehmigungsbehörde unter Gewährung eines rechts-
staatlich gebundenen Einschätzungsermessens tun – oder gibt es „nur eine richtige
Entscheidung“, über die letztlich die Verwaltungsgerichte zu befinden haben?804 Wer
auch immer für die Auslegung zuständig ist, muss beachten, dass der Tatbestand des

802 BVerwG, B. v. 13.4.1995 – 4 B 70/95 –, ZfBR 1995, 273 (Artemis und Aurora von Arno Breker).
803 BVerwG, U. v. 29.4.1964 – 1 C 30.62 –, BVerwGE 18, 247 (250).
804 Näheres zu dieser Frage bei Gerd Schmidt-Eichstaedt, Ermessen, Beurteilungsspielraum und eigenver-
antwortliches Handeln der Verwaltung, in: AöR Bd. 98 (1973), 173 ff.; vgl. auch Karsten-Michael
Ortloff, Ermessen in § 35 Abs. 2 BauGB – Hat der Gesetzgeber doch recht?, in: NVwZ 1988, 320
sowie Heribert Fislake, Das Ermessen in § 35 Abs. 2 BauGB, in: ZfBR 1988, 166.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

„Beeinträchtigens“ (§ 35 Abs. 2) eher gegeben ist als „das Entgegenstehen“ eines öf-
fentlichen Belangs (§ 35 Abs. 1). Bei privilegierten Vorhaben muss der öffentliche Be-
lang frontal „entgegenstehen“, um ein Vorhaben unzulässig zu machen; bei nichtprivi-
legierten Vorhaben genügt es, wenn ein öffentlicher Belang gleichsam nur am Rande
„beeinträchtigt“ wird, und schon ist das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Eine
Gruppe unter den nichtprivilegierten Vorhaben hat der Gesetzgeber allerdings doch
wieder positiv hervorgehoben, indem er ihre Genehmigung etwas erleichtert hat. Diese
Vorhaben, die alle an bereits bestehende bauliche Anlagen im Außenbereich anknüp-
fen, sind unter der Überschrift „begünstigte Vorhaben“ zusammenzufassen. Einen ers-
ten Überblick über die „begünstigten Vorhaben“ gibt das Bild 50, in dem auch die
dreifache Abstufung der Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben im Außenbereich noch
einmal verdeutlicht ist.
c) Die begünstigten Vorhaben. Bis 1976 gab es nur den krassen Gegensatz zwischen
den privilegierten und den nichtprivilegierten Vorhaben. Dies wirkte sich besonders
hart in den Fällen einer „Entprivilegierung“ aus. Von einer Entprivilegierung spricht
man, wenn die Nutzung eines bislang nach § 35 Abs. 1 in den Außenbereich gehören-
den und damit privilegierten Gebäudes (z. B. eines Bauernhofs) in der bisherigen Form
aufgegeben und durch eine nichtprivilegierte Nutzung (z. B. durch Vermietung als Feri-
enwohnung) ersetzt werden soll. Solche Nutzungsänderungen sind genehmigungs-
pflichtig; bis 1976 waren sie häufig nicht genehmigungsfähig – eben weil die Gebäude
durch die Nutzungsänderung entprivilegiert wurden805, die angestrebte Nutzung ge-
hörte „eigentlich“ nicht in den Außenbereich. Wurde die Nutzungsänderung dement-
sprechend nicht genehmigt, mussten die Gebäude dem Verfall preisgegeben werden –
ein sowohl wirtschaftlich als auch allgemein sehr unbefriedigendes Ergebnis. Um dem
abzuhelfen, wurden 1976 die ersten begünstigten Vorhaben in das Bundesbaugesetz
eingeführt. Das gemeinsame Merkmal aller begünstigten Vorhaben ist, dass sich die
Begünstigung auf im Außenbereich bereits vorhandene, zulässigerweise806 errichtete
bauliche Anlagen bezieht, die nun (in der Regel wegen einer Nutzungsänderung) nicht
mehr zu den privilegierten Vorhaben gehören. Ein klassisches Beispiel dafür sind ei-
gentlich erhaltenswerte, das Bild der Kulturlandschaft prägende Gebäude, deren Nut-
zung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgegeben worden ist. Man denke z. B.
an eine alte, aber noch gut erhaltene Windmühle, in der schon lange kein Getreide
mehr zu Mehl gemahlen wird. Steht sie an landschaftlich reizvoller Stelle, wäre es
schade, wenn sie verfallen müsste807. Wenn sich jemand findet, der in diesem Gebäude
einen Jugendtreffpunkt, eine Teestube oder ein Museum einrichtet, dann ist dies eine
bessere Lösung als der Verfall. Das Gesetz ermöglicht diese Umnutzung, wenn das
Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung des Gebäudes und der Erhaltung des Ge-
staltwertes dient (vgl. § 35 Abs. 4 Ziffer 4).

805 Zur Problematik vgl. insbesondere BVerwG, U. v. 15.11.1974 – 4 C 32.71 –, BauR 1975, 44.
806 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit muss geprüft worden sein; nach BauO genehmigungsfreie Vor-
haben sind keine „zulässigerweise errichteten“ Gebäude im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB – so BVerwG,
8.10.1998 – 4 C 6.97 –, ZfBR 1999, 46.
807 Bereits zu Ruinen verfallene Gebäude sind nicht mehr begünstigt: BVerwG, U. v. 18.8.1982 – 4 C 33/
81 –, NJW 1983, 949; ebenso BVerwG, B. v. 18.9.1984 – 4 B 203/84 –, NVwZ 1985, 184. Zur
Nutzungsänderung eines alten Bahnhofs vgl. BVerwG, B. v. 17.1.1991 – 4 B 186/90 –, ZfBR 1991,
131. Zum Begriff des die Kulturlandschaft prägenden Gebäudes BayVGH, U. v. 25.1.1995 – 2 B
92.2869 –, NVwZ-RR 1995, 320.

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Bild 50: Bauen im Außenbereich


Das Bauen im Außenbereich ist grundsätzlich unerwünscht!
Um diesen Grundsatz durchzusetzen, hat der Gesetzgeber drei Kategorien von Vorhaben im Außenbe-
reich besonders geregelt:
I. Privilegierte Vorhaben gehören ihrer Natur nach in den Außenbereich. Sie sind daher vom Ge-
setzgeber selbst dort eingeplant. Nach § 35 Abs. 1 gehören in den Außenbereich:
– Vorhaben der Land- und Forstwirtschaft sowie der gartenbaulichen Erzeugung (Nr. 1,2);
– Vorhaben des Fernmeldewesens, der Elektrizitäts-, Gas-, Wärme-, Wasserversorgung, Abwas-
serwirtschaft, ortsgebundene gewerbliche Betriebe (Nr. 3);
– Vorhaben mit besonderen Anforderungen an oder besonderen Auswirkungen auf die Umge-
bung, aber keine Errichtung, Änderung oder Erweiterung UVP-pflichtiger oder -vorprüfungspflich-
tiger Tierhaltungsbetriebe, soweit sie nicht Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 sind (Nr. 4);
– Vorhaben zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie (Nr. 5).
– Vorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse (Nr. 6).
– Vorhaben im Zusammenhang mit Kernenergieerzeugung, jedoch kein AKW-Neubau (Nr. 7).
– der Hauptanlage bzw. untergeordnete Solaranlagen in, an und auf Dach- und Wandflächen bau-
licher Anlagen im Außenbereich.
II. Nichtprivilegierte Vorhaben sind alle sonstigen Vorhaben im Außenbereich. Sie unterliegen im
Außenbereich einem Bauverbot, das nur im Einzelfall aufgehoben werden kann, wenn öffentliche
Belange nicht beeinträchtigt werden.
III. Begünstigte Vorhaben knüpfen an vorhandene bauliche Anlagen an; ihre Zulassung ist erleich-
tert, sie sind aber nicht privilegiert. Dazu gehören nach § 35 Abs. 4:
1. Nutzungsänderungen (im Einzelfall auch die Wiedererrichtung) ehemals land- oder forstwirt-
schaftlich genutzter Gebäude ohne wesentliche Änderung der äußeren Gestalt des Gebäudes
(bei angestrebter Wohnnutzung dürfen höchstens drei weitere Wohnungen je Hofstelle entste-
hen);
2. Neuerrichtung nicht modernisierbarer Wohngebäude an gleicher Stelle einschl. geringfügiger Er-
weiterungen nur für den Eigenbedarf des Eigentümers;
3. Wiedererrichtung von durch außergewöhnliche Ereignisse (z. B. durch Brand) zerstörten Gebäu-
den einschl. geringfügiger Erweiterungen;
4. Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, die Kulturlandschaft prägenden Gebäu-
den;
5. Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes (auf maximal zwei Wohnungen);
6. Erweiterung zulässigerweise errichteter Betriebe in angemessenem Umfang.

Nicht kulturell von Belang, aber wirtschaftlich sinnvoll ist es, wenn ein nicht mehr
für die Landwirtschaft genutztes Gebäude einer neuen Nutzung als Ponyhof oder
Landmaschinenwerkstatt oder auch nur als Reifenlager808 zugeführt wird; derartige
Nutzungsänderungen sind zulässig, wenn sie sieben, im Gesetz in § 35 Abs. 4 Nr. 1
genannte Bedingungen erfüllen, darunter die Voraussetzung, dass die äußere Gestalt
des Gebäudes im Wesentlichen erhalten bleiben muss, was demnach nicht ausschließt,
dass teils erhebliche bauliche Änderungen im Gebäudeinnern möglich und zulässig
sind. Als im Wesentlichen erhalten erkennt der Bayerische VGH die äußere Gestalt
des Gebäudes, wenn von den die äußere Gestalt bestimmenden Gebäudeteilen (Außen-
wände, Dach) wesentliche Teile erhalten werden809. Das BauGB erlaubt seit dem Ge-
setz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zudem unter bestimmten Be-
dingungen den Gebäudeabriss und Neubau von einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb dienenden Gebäuden. Hierfür kommt nur ein begründeter Einzelfall in Frage,
in dem
1) das abzubrechende ursprüngliche Gebäude wegen seines äußeren Erscheinungs-
bilds auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert erscheint,

808 Vgl. Hessischer VGH, U. v. 20.1.1984 – 4 OE 22/81 –, BauR 1984, 274 (Umnutzung abgelehnt).
809 VGH Bayern, U. v. 5.2.2007 – 1 BV 05/2981 –, BauR 2007, 1693.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

2) die Neuerrichtung keine stärkere Belastung des Außenbereichs erwarten lässt, als
sie zu erwarten wäre, wenn im Zusammenhang mit dem Gebäude auf eine andere
Begünstigung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 zurückgegriffen würde,
3) die Neuerrichtung mit den nachbarlichen Interessen vereinbar ist,
4) die sechs Bedingungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe b) bis g) eingehalten wer-
den.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 sind in einem solchen Einzelfall – gemessen am beseitigten
Gebäude – sogar eine geringfügige Erweiterung des neuen Gebäudes und selbst gering-
fügige Abweichungen vom bisherigen Standort zulässig.
Die Nutzungsänderung – oder auch der Abriss und Neubau – kann sowohl Anlagen
betreffen, die insgesamt „entprivilegiert“ sind (also die Umnutzung eines ehemaligen
Bauernhofes insgesamt) als auch einzelne Gebäude im räumlich funktionalen Zusam-
menhang mit der Hofstelle eines noch laufenden land- oder forstwirtschaftlichen Be-
triebs oder auch nur Gebäudeteile810. Die Gebäude(teile) bleiben auf diese Weise erhal-
ten und werden zweckmäßig verwendet. In jedem Fall unzulässig sind Umnutzung
und/oder Umbau von frei in der Landschaft stehenden Gebäuden ohne Anschluss an
die (ehemalige) Hofstelle. Umbau und Umnutzung für Wohnzwecke dürfen nicht mehr
als drei zusätzliche Wohnungen erzeugen. Zu den sieben Bedingungen gehört nach
§ 35 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c) auch, dass die Aufgabe der bisherigen Nutzung nicht
länger als sieben Jahre zurückliegt. Nach § 245b Abs. 2 können die Länder jedoch
bestimmen, dass diese Frist nicht anzuwenden ist. Von dieser Möglichkeit haben einige
Länder Gebrauch gemacht: Baden-Württemberg (§ 1 AGBauGB BaWü), Bayern
(Art. 82 BayBO), Mecklenburg-Vorpommern (§ 3 AGBauGB M-V), Niedersachsen
(§ 1 NBauGBDG), Nordrhein-Westfalen (§ 1 BauGB-AG NRW) und Schleswig-Hol-
stein (Art. 1 Abs. 3 AGBauGB S-H).
Der Aus- und Umbau von Wohngebäuden im Außenbereich ist sogar in der Weise
zulässig, dass anstelle eines mangelhaften Gebäudes, das zulässigerweise als Wohnhaus
errichtet worden ist811, ein gleichartiges Wohngebäude an (im Wesentlichen) gleicher
Stelle errichtet wird (§ 35 Abs. 4 Nr. 2)812. Ebenso wie eine Erweiterung ist der Neu-
bau allerdings nur dann zulässig, wenn damit der Eigenbedarf des bisherigen Eigentü-
mers, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, oder seiner Familie erfüllt wird (§ 35
Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d) und Nr. 5 Buchst. c)); wer zur Familie gehört, richtet sich nach
§ 8 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes813. Wohnzeiten anderer Voreigentümer sind
nicht anzurechnen814, wohl aber die eines Erblassers. Eine Erweiterung muss auch im
Verhältnis zum bereits vorhandenen Wohngebäude und unter Berücksichtigung der
Wohnbedürfnisse der angestammten Bewohner „angemessen“ sein; denn zur Weiter-
vermietung an Städter sollen die Ausbauten nicht dienen. Die Erweiterung ist auf bis
zu höchstens zwei Wohnungen begrenzt. Im Zusammenhang mit der Erweiterung eines
Wohngebäudes im Außenbereich auf bis zu höchstens zwei Wohnungen nach § 35
Abs. 4 Nr. 5 hat das Bundesverwaltungsgericht eine alte Position zum Bestandsschutz
im Urteil vom 8.10.1998 – 4 C 6.97 –, BVerwGE 107, 264 aufgegeben. Ein Gebäude
gilt nach neuer Rechtsprechung als zulässigerweise errichtet im Sinne des § 35 Abs. 4
Nr. 5 a), wenn das Gebäude entweder „in Übereinstimmung mit dem materiellen Be-
bauungsrecht errichtet oder wenn – trotz materieller Illegalität – eine Baugenehmigung

810 BayVGH, U. v. 28.9.2001 – 1 B 00.2504 –, ZfBR 2002, 170 (Umbau des Mitteltrakts eines Bauern-
hofs).
811 “Zulässigerweise errichtet“ sind genehmigte oder im Zeitpunkt ihrer Errichtung genehmigungsfähige
Gebäude; vgl. BVerwG, U. v. 8.6.1979 – 4 C 23.77 –, NJW 1980, 1010.
812 Zu den Grenzen siehe BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 C 4.03 –, ZfBR 2004, 456.
813 BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 82.77 –, NJW 1981, 1225, bestätigt von BVerwG, B. v. 31.5.1988 –
4 B 88/88 –, ZfBR 1988, 285–286.
814 BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 82.77 –, NJW 1981, 1225 und BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 2.78 –,
NJW 1981, 2143; vgl. auch BVerwG, B. v. 10.3.1988 – 4 B 41/88 –, ZfBR 1988, 198.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

erteilt worden ist“815. In dem Urteil aus dem Jahr 1998 wurde solchen baulichen
Anlagen der Bestandsschutz abgesprochen, deren Errichtung nicht den bundesrechtli-
chen Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprach.
Auch ehemals zulässigerweise errichtete gewerbliche Betriebe im Außenbereich dürfen
nach Entprivilegierung noch baulich erweitert werden, wenn die Erweiterung im Ver-
hältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist (vgl. § 35 Abs. 4
Nr. 6816). Insbesondere in diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, dass es
neben den gesetzlichen Tatbeständen keine Ansprüche auf Zulassung von Vorhaben
aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes gibt!817
Für alle diese Vorhaben (schließlich auch noch für die Wiedererrichtung von durch
Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten Gebäuden
an gleicher Stelle und in gleichartiger Weise, vgl. § 35 Abs. 4 Nr. 3818) hat der Gesetz-
geber in § 35 Abs. 4 angeordnet, dass dem Aus-, Um- oder Neubau bestimmte öffentli-
che Belange nicht entgegengehalten werden können, die üblicherweise die Unzulässig-
keit des Umbaus, des Ausbaus, der Umnutzung oder des Wiederaufbaus dieser nicht
mehr privilegierten Gebäude herbeiführen würden. Folgende öffentliche Belange sind
nicht als Ablehnungsgründe verwendungsfähig:
– Widersprüche zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Land-
schaftsplans;
– die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft;
– die Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung.
Bildlich ausgedrückt ist bei den begünstigten Vorhaben die Schranke der Unzulässig-
keit zwar nicht ganz, aber doch halb geöffnet, so dass die Chance der Genehmigung
weitaus größer ist als bei sonstigen nichtprivilegierten Vorhaben. Es bleibt aber darauf
hinzuweisen, dass alle die öffentlichen Belange, deren Schrankenwirkung durch § 35
Abs. 4 nicht beseitigt ist, dem Antrag auf Zulassung eines begünstigten Vorhabens
durchaus entgegengehalten werden können819. Die Um-, Aus- und Neubauvorhaben
sind nur zulässig, sofern sie im Übrigen auch unter Berücksichtigung des § 35 Abs. 5
Satz 1 „außenbereichsverträglich“ sind (also in einer flächensparenden, die Bodenver-
siegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden
Weise gebaut sind) und solange sie nicht zu wesentlichen Veränderungen820 im Ver-
gleich mit dem bisherigen Gebäudebestand führen.
Besonders wichtig ist die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Nr. 6 für solche Aus- und
Umbauten von Betrieben im Außenbereich, für die der Bestandsschutz gilt. Bestands-
schutz heißt, dass ein materiell zulässigerweise errichtetes Gebäude nicht abgerissen
zu werden braucht, wenn sich die rechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit des Bau-
ens am Standort des Gebäudes ändern. Ein zunächst im Außenbereich nach § 35 zuläs-
siger Gewerbebetrieb braucht z. B. nicht deshalb eingestellt zu werden, weil er heute
an der gleichen Stelle nicht mehr errichtet werden dürfte. Der Gewerbebetrieb darf
allerdings auch nicht mehr ausgebaut, sondern nur noch in seinem Bestand gehalten
werden. Nach Einführung der begünstigten Vorhaben gibt es neben den gesetzlich
geregelten Möglichkeiten keinen auf Bestandsschutz gegründeten Anspruch auf Bauge-

815 BVerwG, U. v. 3.8.2016 – 4 C 3.15 –, ZfBR 2018, 787.


816 Vgl. BVerwG, U. v. 17.2.2011 – 4 C 9.10 –, BauR 2011, 1146.
817 Anders zunächst BVerwG, U. v. 17.1.1986 – 4 C 80.82 –, BVerwGE 72, 362 = ZfBR 1986, 143
(„erweiterter Bestandsschutz“), aufgegeben durch BVerwG, U. v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 –, ZfBR 1998,
259 („Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens
aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz“).
818 Beispielfall: BVerwG, U. v. 31.10.1990 – 4 C 45/88 –, ZfBR 1991, 80.
819 Beispiel: BVerwG, B. v. 21.2.1994 – 4 B 33/94 –, BBauBl. 1994, 493 (Rebhütte, die Belange des Natur-
und Landschaftsschutzes beeinträchtigt).
820 Zum Begriff der wesentlichen Änderung vgl. BVerwG, U. v. 24.10.1980 – 4 C 6/78 –, ZfBR 1981, 90;
ZfBR 1983, 32.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

nehmigung im Außenbereich821. Die Erweiterung eines entprivilegierten Betriebes ist


also nur als begünstigtes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 4 Nr. 6 genehmigungsfähig.
Vom Bestandsschutz für materiell rechtmäßig errichtete (oder auch im Zeitablauf
rechtmäßig gewordene) vorhandene und genutzte Gebäude ist der Schutz zu unter-
scheiden, der durch eine bestandskräftige Baugenehmigung auch für nicht mehr vor-
handene oder nicht mehr genutzte Anlagen herbeigeführt wird. Wenn eine ursprüng-
lich genehmigte, aber mittlerweile unzulässig gewordene Nutzung unterbrochen wird,
stellt sich die Frage, wie lange die ursprünglich vorhandene Baugenehmigung noch
ausgenutzt werden darf. Jedenfalls bei mehrjähriger Unterbrechung wird die Wieder-
aufnahme der einst genehmigten Nutzung irgendwann unzulässig, wenn und weil da-
rin nicht mehr das ursprüngliche, genehmigte und unter Bestandsschutz stehende Vor-
haben gesehen werden kann, sondern ein neues Vorhaben. Als Faustformel kann man
sich merken, dass bei Unterbrechungen bis zu einem Jahr die Wiederaufnahme der
bisherigen Nutzung ohne Weiteres zulässig ist; bei Unterbrechungen von mehr als
einem und bis zu zwei Jahren muss die Verwaltung die entgegenstehenden Tatsachen
beweisen, wenn sie die Wiederaufnahme der bisherigen Nutzung für unzulässig hält.
Bei Unterbrechungen von mehr als zwei Jahren muss der Vorhabenträger nachweisen,
dass es sich um eine wiederaufgenommene und nicht um eine neue Nutzung handelt.
Ein automatisches Auslaufen der ursprünglichen Genehmigung einer Nutzung nach
z. B. drei Jahren Unterbrechung gibt es aber nicht; die Unwirksamkeit einer nicht aus-
genutzten Baugenehmigung kraft Fristablaufs nach drei Jahren (so wie dies in der
Mehrzahl der Bauordnungen der Länder geregelt ist) kann hier nicht analog angewen-
det werden822.
d) Vorhaben im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6
BauGB. Der Begünstigung sehr ähnlich ist der Status eines Vorhabens, das im Gel-
tungsbereich einer Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 errichtet werden soll. Wie
oben im Kontext der Klarstellungs-, Entwicklungs- und Ergänzungssatzungen nach
§ 34 Abs. 4 bereits geschildert wurde, können mit Hilfe der Außenbereichssatzung
„bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt
sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist“, für er-
gänzende Wohnungsbauvorhaben und kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe in der
Weise geöffnet werden, dass bestimmte öffentliche Belange diesen Vorhaben nicht ent-
gegengehalten werden können. Nach dem OVG Nordrhein-Westfalen ist ein bebauter
Bereich im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 1 nur dann gegeben, wenn und soweit eine
bereits vorhandene Bebauung mit einem solchen Gewicht vorhanden ist, dass dieser
Bereich „seine Funktion, als Freiraum oder als Fläche für privilegierte Anlagen zu
dienen, nicht mehr oder nur noch mit wesentlichen Einschränkungen erfüllen
kann.“823 Sehr ähnlich zu den begünstigten Vorhaben sind als Gegenargumente im
Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung nicht verwendbar: eine Darstellung im
F-Plan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald oder die Befürchtung, dass eine
Splittersiedlung824 entstehen oder sich verfestigen könnte.
Die Satzung muss mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein.
Sie kann sich nur auf den „bebauten Bereich“ erstrecken; sie ist kein Instrument, um
einen Siedlungssplitter in den Außenbereich hinein zu erweitern825. Nach dem OVG

821 Vgl. BVerwG, B. v. 18.7.1997 – 4 B 116/97 –, GuG 1998, 125 unter Einschränkung von BVerwG, U.
v. 17.1.1986 – 4 C 80/82 –, DVBl. 1986, 677.
822 Vgl. BVerwG, U. v. 24.5.1988 – 4 C 62.66 –, BauR 1988, 574; BVerwG, U. v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 –,
DÖV 1996, 42.
823 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 13.6.2006 – 4 C 2.05 –, BauR 2006, 1858.
824 Zu den Merkmalen einer Splittersiedlung vgl. BVerwG, B. v. 22.5.2014 – 4 B 45.14 –, ZfBR 2015,
584.
825 Niedersächsisches OVG, 27.7.2000 – 1 L 4472/99 –, ZfBR 2001, 66.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Berlin-Brandenburg dient die Außenbereichssatzung dazu, eine im Außenbereich vor-


handene Wohnnutzung zu bestätigen, aber auch deren Weiterentwicklung einzugren-
zen. Eine Weiterentwicklung der vorhandenen Bebauung, etwa durch Umnutzung
einer Wochenendhaussiedlung in ein Wohngebiet ist unzulässig.826 Eine „Wohnbebau-
ung von einigem Gewicht“ kann schon ab vier Häusern vorhanden sein827. In der
Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden, aber
nur solche Bestimmungen, die sich auf die gemäß der Satzung zulässigen Vorhaben
beziehen, nicht aber anderweitige Regelungen828.
In entsprechender Anwendung der Regeln des vereinfachten Verfahrens nach § 13
muss die Satzung ein dem Bebauungsplanverfahren ähnliches Aufstellungsverfahren
durchlaufen. Es ist also entweder eine öffentliche Auslegung einschließlich Behörden-
beteiligung durchzuführen oder den betroffenen Bürgern und berührten Trägern öf-
fentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Zulässigkeit von Vor-
haben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegen, darf
nicht begründet werden. Die Gefahr der Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten
(FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete) darf nicht bestehen. Durch das Gesetz zur Umset-
zung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zu-
sammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 ist ferner für die Aufstellung einer Au-
ßenbereichssatzung zur Bedingung gemacht worden, dass keine Anhaltspunkte dafür
bestehen dürfen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der
Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Abs. 1 BImSchG zu beachten sind.
e) Sicherungsklauseln gegen Missbräuche; Rückbauverpflichtung. Wie oben bereits er-
wähnt wurde, darf gemäß § 35 Abs. 5 Satz 2 eine Baugenehmigung für ein nach § 35
Abs. 1 Nr. 2 bis 6 zulässiges Vorhaben nur noch erteilt werden, wenn der Vorhabenträ-
ger sich verpflichtet, das Vorhaben nach der dauerhaften Aufgabe der zulässigen Nut-
zung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; auch bei einer nach § 35
Abs. 1 Nr. 2 bis 6 zulässigen Nutzungsänderung muss diese Verpflichtung bei der Ge-
nehmigung übernommen werden. Bei einer nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 7 und 8 sowie
nach § 35 Abs. 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt die Verpflichtung.
Damit gilt die Rückbauverpflichtung für alle privilegierten Vorhaben im Außenbereich
außer bei Vorhaben der Land- und Forstwirtschaft, bei Vorhaben im Zusammenhang
mit der Kernenergie sowie bei nach Nr. 8 privilegierten Solaranlagen an bzw. auf Ge-
bäuden im Außenbereich. Bei den Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie mag
die Ausnahme von der Rückbaupflicht damit zusammenhängen, dass sie i. d. R. nur
an Gebäuden der Land- und Forstwirtschaft oder solchen nach § 35 Abs. 2 oder 4
BauGB zulässigen baulichen Anlagen installiert werden, für die die Verpflichtung zum
Rückbau ebenfalls nicht gilt. Im Übrigen entfällt die Rückbauverpflichtung nur in dem
Fall, in dem das Vorhaben durch eine zulässige Nutzungsänderung in einen land- oder
forstwirtschaftlichen Betrieb überführt wird. Wie sich aus dem Überleitungsrecht in
§ 244 Abs. 7 ergibt, bezieht sich die Vorschrift nur auf Vorhaben, deren Nutzung nach
dem 20. Juli 2004 zulässigerweise aufgenommen wird. Die Rückbauverpflichtung gilt
demnach nicht für Nutzungsänderungen von baulichen Anlagen, deren bisherige Nut-
zung vor dem 20. Juli 2004 zulässigerweise aufgenommen worden ist. Wenn ein sol-
ches Gebäude für Zwecke umgenutzt werden soll, die nach heutigem Recht im Außen-
bereich nur mit einer Rückbauverpflichtung zulässig wären, so entfällt aus Gründen
des Bestandsschutzes die Rückbaupflicht.

826 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 12.5.2009 – 10 A 7.08 –, BauR 2010, 587.


827 Bayerischer VGH, 12.8.2003 – 1 BV 02.1727 –, ZfBR 2004, 67.
828 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, 8.6.2001 – 7a D 52/99.NE –, ZfBR 2001, 565 (Verpflichtung zum
Einbau von Flugfeuerschutzvorrichtungen).

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Dass es für genehmigte oder zu genehmigende nicht privilegierte Vorhaben nach § 35


Abs. 2 keine Rückbauverpflichtung gibt, ist nicht konsequent. Wenn schon privile-
gierte Vorhaben nach endgültiger Nutzungsaufgabe zurückgebaut werden müssen – es
sei denn, es handelt sich um Anlagen der Land- oder Forstwirtschaft –, dann sollten
ebenso nicht privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 2 der Rückbau- und Entsiegelungs-
pflicht unterliegen.
Durch die Ansiedlung der Rückbau- und Entsiegelungsvorschrift in § 35 Abs. 5 als
materielle Anforderung an die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 35 hat der Bundes-
gesetzgeber vermieden, in das bauordnungsrechtliche Baugenehmigungsverfahren ein-
zugreifen, über das die dafür zuständigen Länder eifersüchtig wachen. In der Sache
handelt es sich bei § 35 Abs. 5 Satz 2 auch um eine Vorschrift für das bauordnungs-
rechtliche Verfahren.
Bereits zu Beginn dieses Kapitels wurde erwähnt, dass bei dem Versuch, eine Bauge-
nehmigung für ein Gebäude im Außenbereich zu erlangen, so manches Kabinettstück-
chen zur Täuschung von Behörden vollbracht wird. Um dem Ziel eines gemütlichen
Wochenendhäuschens näherzukommen, werden die Antragsteller plötzlich zu Bienen-
züchtern, Jägern, Gärtnern, die unbedingt im Außenbereich eine Betriebsstätte brau-
chen. Auf dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück muss unversehens ein (zuge-
geben etwas großer) Geräteschuppen mit Fenstern errichtet werden. Kurzum: Der
Phantasie der Antragsteller sind keine Grenzen gesetzt. Um derartige Missbräuche
speziell bei den begünstigten Tatbeständen zu verhindern, fordert § 35 Abs. 5 Satz 2
und 3 die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde dazu auf, in geeigne-
ter Weise (z. B. durch Eintragung einer Baulast) sicherzustellen, dass die bauliche oder
sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen und ge-
nehmigten Art genutzt wird. Sie kann unter anderem anordnen, dass die Veräußerung
des Grundstücks nur mit ihrer Genehmigung zulässig ist. Solche Mitwirkungsrechte
der Verwaltung können zivilrechtlich durch Eintragung in das Grundbuch oder öffent-
lich-rechtlich durch Eintragung einer entsprechenden „Baulast“ in das öffentlich-
rechtlich wirksame Baulastenverzeichnis abgesichert werden. Baulasten sind einfacher
zu begründen als zivilrechtliche Dienstbarkeiten. Sie sind (in fast allen Bundesländern)
in der Landesbauordnung geregelt. Letztlich entscheiden die Wachsamkeit und das
Rückgrat der Baugenehmigungsbehörden darüber, dass der Außenbereich nicht mit
Vorhaben durchsetzt wird, die dort nicht hingehören und zu einer bedauerlichen wei-
teren Zersiedlung beitragen würden.
7. Die Genehmigung von Vorhaben während der Aufstellung eines
Bebauungsplans
Wenn ein beantragtes Vorhaben nach den drei Hauptvorschriften über die Zulässigkeit
von Vorhaben, also nach § 30, § 34 oder § 35, auch unter Zuhilfenahme einer Aus-
nahme oder Befreiung nach § 31, nicht genehmigt werden kann, dann gibt es nur
noch eine letzte Möglichkeit, vor Verabschiedung eines neuen Bebauungsplans zu einer
Genehmigung zu gelangen, und zwar über § 33.
§ 33 regelt die Zulassung von Vorhaben während der Aufstellung eines Bebauungs-
plans. Der Grundgedanke dieser Vorschrift829 besteht darin, dass ein erwünschtes Vor-
haben, das zunächst nicht genehmigungsfähig ist, nicht darauf warten soll, bis ein im
Verfahren befindlicher Bebauungsplan vollständig verabschiedet und in Kraft gesetzt
ist. Ist schon vor Rechtsverbindlichkeit des neuen Plans erkennbar, dass seine Festset-
zungen dem beantragten Vorhaben „nicht entgegenstehen“ und dass die Erschließung
gesichert ist, so kann die Genehmigungsbehörde den Bauschein guten Gewissens vorab
erteilen. Das Merkmal des „Nicht-Entgegenstehens“ ist auch dann erfüllt, wenn ein-
zelne Planfestsetzungen zwar nicht eingehalten, aber durch Befreiung überwunden

829 Vgl. dazu grundlegend BVerwG, U. v. 17.12.1964 – 1 C 36.64 –, BVerwGE 20, 127.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

werden können. Eine Befreiung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der
Planinhalt im Übrigen schon so gefestigt ist, dass sich eine Planänderung „nicht mehr
lohnt“. Wenn sich die Planaufstellung noch in einem recht frühen Stadium befindet,
kann stets der Plan noch dem Vorhaben angepasst werden.
Neben dem Vorliegen eines bekanntgemachten Aufstellungsbeschlusses müssen für
eine Genehmigung nach § 33 noch drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum ersten muss
feststehen, dass der alsbald zu verabschiedende Bebauungsplan nicht plötzlich doch
noch geändert wird; zum zweiten muss der Antragsteller unterschreiben, dass er die
erst zukünftig verbindlichen Festsetzungen für sich und seine Nachfolger bereits jetzt
anerkennt. (Ein solches Anerkenntnis bezieht sich gegebenenfalls auch auf im Plan
enthaltene Festsetzungen nach Landesrecht830). Drittens muss die Erschließung gesi-
chert sein.
Um die erste dieser drei Voraussetzungen sicherzustellen, ordnet das Gesetz im § 33
Abs. 1 unter Ziffer 1 an, dass eine Genehmigung nach § 33 grundsätzlich erst dann
erteilt werden darf, wenn die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 durchgeführt und
die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 beteiligt wor-
den sind. Auch die in § 4a Abs. 2 bis 5 genannten Schritte müssen – soweit erforderlich
(Beteiligung über das Internet, erneute öffentliche Auslegung und Behördenbeteili-
gung/Unterrichtung bzw. Beteiligung von Gemeinden und Behörden eines Nachbar-
staats) – erfolgt sein. Erst nach Durchführung aller etwa erforderlichen Beteiligungs-
schritte einschließlich einer wiederholten öffentlichen Auslage besteht eine große
Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine neuen Argumente mehr auftauchen werden und
der Plan somit in seinen Einzelheiten nicht mehr geändert werden wird. Man spricht
unter diesen Umständen von der „formellen und materiellen Planreife“ des B-Plans.
Praktisch tritt diese „Planreife“ erst kurz vor oder erst mit dem Satzungsbeschluss der
Gemeindevertretung ein, denn erst dann steht fest, dass die Gemeinde von sich aus ihr
Konzept nicht mehr ändern wird, erst dann kann mit hinreichender Sicherheit beurteilt
werden, ob das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Plans nicht entgegenstehen
wird.
Der Zeitgewinn durch eine Genehmigung nach § 33 Abs. 1 gegenüber einer Genehmi-
gung nach § 30 beträgt nicht selten nur relativ kurze Zeit. Dies gilt umso mehr, seitdem
durch das BauROG 1998 alle aus dem F-Plan entwickelten B-Pläne von der Genehmi-
gungspflicht freigestellt sind. Diese Pläne können unmittelbar nach dem Satzungsbe-
schluss bekannt gemacht und damit in Kraft gesetzt werden. Selbst wenn der B-Plan
genehmigt werden muss, beträgt der Zeitgewinn nach § 33 Abs. 1 nur wenige Monate,
denn üblicherweise wird ein genehmigungsbedürftiger Bebauungsplan sofort nach dem
Satzungsbeschluss der Aufsichtsbehörde mit dem Ziel vorgelegt, ihn nach Genehmi-
gung, spätestens nach Ablauf der Genehmigungsfrist (i. d. R. drei Monate) als rechts-
verbindlich bekanntmachen zu können.
Im regulären Planaufstellungsverfahren kann eine Zulassung von Vorhaben vor der
Rechtsverbindlichkeit des Plans nur dann erfolgen, wenn mindestens eine öffentliche
Auslegung und eine förmliche Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfolgt sind.
Muss ein Plan nach § 4a Abs. 3 erneut ausgelegt und den Behörden zur Stellungnahme
vorgelegt werden, kommt die Zulassung eines Vorhabens vor diesen Beteiligungs-
schritten in Frage, wenn sich die vorgenommene Änderung oder Ergänzung des B-
Planentwurfs nicht auf den Teilbereich auswirkt, in dem das Vorhaben realisiert wer-
den soll, und wenn im Übrigen die materielle Planreife gegeben ist. Man spricht in
diesem Zusammenhang von der teilweisen Planreife. Die teilweise Planreife kann zu
einem erheblichen Zeitgewinn für die Genehmigung von Vorhaben im „unstreitigen
Teil“ des Plangebiets führen. Hier ist § 33 von großem Nutzen.

830 BVerwG, U. v. 18.4.1996 – 4 C 22.94 –, BauR 1996, 671.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

In der Praxis gibt es zudem Bebauungspläne, die schon vor der öffentlichen Auslegung
und vor der förmlichen Einschaltung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange so weit stabilisiert sind, dass man ohne Risiko Genehmigungen nach § 33
erteilen könnte; sie sind dann materiell, aber noch nicht formell planreif. Solche Situa-
tionen sind beispielsweise dann gegeben, wenn der B-Plan durch eine öffentlich disku-
tierte städtebauliche Rahmenplanung so weitgehend vorstrukturiert worden ist, dass
praktisch nur noch die bereits gefundene Lösung aufgezeichnet wird. Bis zum Inkraft-
treten des EAG Bau 2004 konnte man in solchen Fällen zur Erzielung weiteren Zeitge-
winns eine Genehmigung nach § 33 Abs. 2 erteilen. Danach bestand die Möglichkeit,
bereits vor der Durchführung der öffentlichen Auslegung und vor der förmlichen Be-
teiligung der Träger öffentlicher Belange ein Vorhaben zuzulassen, wenn die sonstigen
Voraussetzungen der Vorschrift (materielle Planreife) gegeben waren und den betroffe-
nen Bürgern und berührten Trägern öffentlicher Belange zuvor (z. B. anlässlich der
Aufstellung eines städtebaulichen Rahmenplans) Gelegenheit zur Stellungnahme gege-
ben worden war. Seit Inkrafttreten des EAG Bau ist dies im regulären Planaufstellungs-
verfahren nicht mehr möglich, weil ohne mindestens eine öffentliche Auslegung und
ohne mindestens eine förmliche Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffent-
licher Belange die Verfahrensanforderungen der Umweltprüfung nicht erfüllt sind.
Schlussfolgerichtig lässt sich diese Variante, also die mögliche Zulassung eines Vorha-
bens vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, die seit dem
EAG Bau in § 33 Abs. 3 geregelt ist, nur bei B-Planverfahren anwenden, die ohne
Durchführung einer Umweltprüfung auskommen, also auf Pläne, die im vereinfachten
(§ 13) bzw. im beschleunigten Verfahren (§ 13a oder § 13b) aufgestellt, geändert oder
ergänzt werden. Voraussetzung ist weiterhin die materielle Planreife. Der betroffenen
Öffentlichkeit sowie den berührten Behörden und Trägern öffentlicher Belange ist
dann allerdings vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme inner-
halb angemessener Frist zu geben, soweit sie dazu nicht bereits zuvor Gelegenheit
hatten. Erleichterungen nach § 33 Abs. 2 beschränken sich darauf, die Genehmigung
eines Vorhabens bereits vor einer erneuten Auslegung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 zu ge-
statten, wenn sich die zur Notwendigkeit der erneuten Auslegung führende Änderung
oder Ergänzung des B-Plans nicht auf das betreffende Vorhaben auswirkt und im
Übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 (Planreife, Erschließung, Anerkenntnis)
gegeben sind. Wie auch in den Fällen des Absatzes 1 muss der Antragsteller die künfti-
gen Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennen, bevor
die Baugenehmigung erteilt wird. Befreiungen von einzelnen Festsetzungen dürften in
diesem frühen Stadium des Plans untunlich sein, weil der Planentwurf hier noch jeder-
zeit eventuell veränderten Anforderungen angepasst werden kann. Der § 33 Abs. 2
dürfte auch in den Fällen anwendbar sein, in denen das Aufstellungsverfahren eines
B-Plans wegen zu spät oder sogar erst vom Gericht entdeckter Formfehler in der Betei-
ligung ab Auslegung wiederholt werden muss, ohne dass der Plan inhaltlich geändert
wird.
In Bild 51 ist die Rechtslage zu § 33 noch einmal zusammengefasst.
Bild 51: Die Genehmigung von Vorhaben während der Planaufstellung nach § 33 BauGB
Die Genehmigung von Vorhaben während der Aufstellung eines Bebauungsplans ist sowohl im regulä-
ren als auch im vereinfachten und im beschleunigten Verfahren der Planaufstellung möglich.
I. Im regulären Verfahren der Planaufstellung ist die Erteilung einer planungsrechtlichen Ge-
nehmigung nur möglich, wenn
1. die Behörden und sonstigen Träger öffentlichen Belange nach § 4 Abs. 2 beteiligt worden sind
(eine Beteiligung nach § 4 Abs. 1 genügt nicht) und innerhalb der Monatsfrist keine dem Plan dau-
erhaft entgegenstehenden Stellungnahmen abgegeben haben (Behördenbeteiligung);
2. die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 (einschließlich der Internetbeteiligung nach § 4a Abs. 4)
durchgeführt worden ist und innerhalb der Monatsfrist keine dem Plan dauerhaft entgegenstehen-
den Stellungnahmen abgegeben worden sind (förmliche Auslegung);

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

3. anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Plans nicht entgegenste-
hen wird (mindestens teilweise Planreife, möglicherweise erst durch Abwägung eingegangener
Stellungnahmen herstellbar);
4. der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkannt
hat (Anerkenntnis);
5. die Erschließung gesichert ist.
II. Im vereinfachten Verfahren der Planaufstellung nach § 13 und im beschleunigten Verfahren
nach § 13a oder § 13b genügt es, wenn
– anstelle der förmlichen Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange den
berührten Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessener
Frist gegeben worden ist und
– anstelle der öffentlichen Auslegung den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen an-
gemessener Frist gegeben worden ist.
Planreife und Anerkenntnis müssen auch hier vorliegen (o. g. Punkte 2 bis 5).
III. Sofern nach Beteiligung gemäß §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 eine erneute Auslegung oder Be-
teiligung erforderlich ist, kann die Genehmigung in beiden Verfahren bereits vor der erneu-
ten Auslegung bzw. Beteiligung erteilt werden, wenn sich die Änderung oder Ergänzung
des Planentwurfs nicht auf das Vorhaben auswirkt. Auch hier müssen Planreife und Aner-
kenntnis vorhanden sein.

Nicht (mehr) anwendbar ist § 33, wenn die planende Gemeinde alles Erforderliche
zum Abschluss der Planung getan hat (einschließlich der Herbeiführung einer etwa
erforderlichen Genehmigung), dann aber ohne rechtfertigenden Grund den Bebau-
ungsplan nicht durch öffentliche Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 in Kraft setzt.
§ 33 darf nicht als taktisches Mittel gebraucht werden, z. B. um eine Normenkontroll-
klage zu verhindern. § 33 eröffnet daher nur ein zeitlich begrenztes Fenster zwischen
der Planreife und dem Zeitpunkt, zu dem der Plan bei ordnungsgemäßer Handhabung
hätte in Kraft gesetzt werden können. Danach ist die Vorschrift nicht mehr anwend-
bar.831
Ob gegen einen im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan, von dem be-
reits kräftig durch Baugenehmigungen nach § 33 Gebrauch gemacht wird, eine Nor-
menkontrollklage nach § 47 VwGO zulässig ist, wurde vom BVerwG bislang offenge-
lassen832. Grundsätzlich setzt eine Normenkontrollklage eine bekanntgemachte
Satzung voraus.
8. Verträglichkeitsprüfungen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes
Die europarechtlich geschützten Natura 2000-Gebiete können durch einzelne Vorha-
ben beeinträchtigt werden. Daher ordnet § 34 Abs. 1 BNatSchG eine Verträglichkeits-
prüfung an, wenn Vorhaben einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten
oder Plänen geeignet sind, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Die
Regelungen des § 34 Abs. 1 bis 7 BNatSchG gelten mit Ausnahme von Bebauungsplä-
nen, die eine Planfeststellung ersetzen, nicht für Vorhaben im Geltungsbereich von B-
Plänen nach § 30 oder im Geltungsbereich von in Aufstellung befindlichen B-Plänen
(Zulässigkeit während der Planaufstellung nach § 33). Das hängt damit zusammen,
dass die Verträglichkeitsprüfung bereits im Rahmen der obligatorischen Umweltprü-
fung erfolgt. Dementsprechend findet die Verträglichkeitsprüfungspflicht gemäß § 36
Satz 2 BNatSchG auch bei Bauleitplänen und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB
keine Anwendung. Das vereinfachte Verfahren nach § 13 und das beschleunigte Ver-
fahren nach § 13a bzw. § 13b, in denen von der Umweltprüfung abgesehen werden
kann, sind wiederum nur zulässig, wenn keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchti-
gung von Erhaltungszielen und Schutzzwecken von Natura 2000-Gebieten vorliegen.

831 Dazu insgesamt BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 –, ZfBR 2003, 38 (FOC Zweibrücken); ähnlich
OVG Nordrhein-Westfalen, 14.3.2001 – 7 B 355/01 –, ZfBR 2001, 424 (Genehmigung nach § 33
BauGB zehn Jahre nach faktischer Einstellung des Planungsverfahrens).
832 BVerwG, 15.10.2001 – 4 BN 48.01 –, ZfBR 2002, 172.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

Gleiche Bestimmungen gelten für Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 (vgl. § 34
Abs. 5 Satz 1 Nr. 3).
Vorhaben nach §§ 34 und 35 unterliegen hingegen einer Pflicht zur Durchführung
einer Verträglichkeitsprüfung nach dem BNatSchG, sofern von ihnen erhebliche nach-
teilige Auswirkungen auf Schutzgebiete ausgehen könnten.

9. Die Zulässigkeit von (mobilen) Unterkünften für Flüchtlinge und


Asylbegehrende, Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften
Die weltweiten Krisenherde haben zu stark angewachsenen Flüchtlingsströmen nach
Europa einschließlich des aufnahmebereiten Deutschlands geführt. Die Städte und Ge-
meinden mussten ad hoc auf die enorme humanitäre Notlage reagieren. Flüchtlings-
notlager und -unterkünfte waren möglichst schnell und in ausreichender Anzahl und
Größe bereit zu stellen. Unter den Voraussetzungen des bis 2014 geltenden Planungs-
rechts war die Schaffung geeigneter Unterkünfte jedoch äußerst schwierig. Angestoßen
durch eine Gesetzesinitiative des Bundesrates hat die Bunderegierung in zwei Novellie-
rungsschritten auf diese Notlage reagiert. Am 26. November 2014 trat das tags zuvor
im Bundesgesetzblatt verkündete „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur
Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ vom 20.11.2014 in Kraft (BGBl. I
S. 1748). In diesem Zuge wurde die bis dahin für Ländersonderregelungen reservierte
Vorschrift des § 246 um die Absätze 8 bis 10 ergänzt. Sie erlauben eine erleichterte
Zulässigkeit bzw. Umnutzung baulicher Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen
oder Asylbegehrenden – jeweils zeitlich befristet bis zum 31. Dezember 2019. Die
ergänzten Regelungen betreffen erstens Gebiete im Geltungsbereich von Bebauungs-
plänen, zweitens den unbeplanten Innenbereich und drittens Außenbereichsflächen.
Innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils darf nach Absatz 8 unter entspre-
chender Anwendung des § 34 Abs. 3a Satz 1 vom im § 34 Abs. 1 verankerten Einfü-
gungsgebot abgewichen werden, wenn es um die Nutzungsänderung zulässigerweise
errichteter baulicher Anlagen833 für die Zwecke der Unterbringung von Flüchtlingen
oder Asylbegehrenden geht. Auch die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung kann
für diese Zwecke zugelassen werden. Als Kann-Bestimmung liegt eine Genehmigung
im Ermessen der zuständigen Baugenehmigungsbehörde. Die Zulässigkeit ist an die
Bedingung geknüpft, dass die Abweichung städtebaulich vertretbar und auch unter
Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Absatz 9 ist insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung von Containerdör-
fern im Außenbereich nach § 35 BauGB relevant: Für solche Vorhaben gilt die Rechts-
folge des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Das bedeutet, dass etwa einem neuen Container-
dorf die Beeinträchtigung bestimmter öffentlicher Belange nicht entgegengehalten
werden kann, die anderen sonstigen Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB entgegenste-
hen würden. Bei der Zulässigkeitsprüfung soll demnach außer Acht bleiben, wenn das
Vorhaben den Darstellungen eines Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans
widerspricht, wenn die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt wird oder
die geplante Unterkunft die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splitter-
siedlung befürchten lässt. Soweit durch das Vorhaben im Übrigen öffentliche Belange
beeinträchtigt würden, ist eine im Außenbereich geplante Unterkunft für Flüchtlinge
und Asylbegehrende jedoch wie sonstige Vorhaben unzulässig. Als öffentliche Belange
kommen insbesondere die in § 35 Abs. 3 Nr. 2 bis 6 genannten Punkte in Betracht
(mit Ausnahme des in Nr. 2 genannten Landschaftsplans), aber auch z. B. die Belange
der Flüchtlinge und Asylbegehrenden selbst. Zudem beschränkt sich die vergünstigte

833 Der Begriff der baulichen Anlage wurde erst durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz im Okto-
ber 2015 eingeführt; nach dem Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der
Unterbringung von Flüchtlingen bezog sich die Regelung zunächst auf zulässigerweise errichtete „Ge-
schäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude“.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Behandlung auf solche Außenbereichsflächen, die im unmittelbaren räumlichen Zu-


sammenhang mit nach § 30 Abs. 1 oder § 34 BauGB zu beurteilenden bebauten Flä-
chen und innerhalb des Siedlungsbereichs liegen. In Frage kommen insbesondere die
sog. „Außenbereichsinseln“ (Außenbereich im Innenbereich). Die neue Vorschrift hat
Eigentümer großer Grundstücke bereits auf die Idee gebracht, einen Neubau im hinte-
ren Grundstücksteil, der dem Außenbereich nach § 35 angehört, damit zu begründen,
dass hierin Geflüchtete untergebracht würden. Die Bestimmung des Absatzes 9 zielt
jedoch auf Aufnahmeeinrichtungen der Länder und zentrale kommunale Gemein-
schaftsunterkünfte ab. Nach dem Urteil des Hessischen VGH erfasst § 249 Abs. 9
seinem Sinn und Zweck nach nur öffentliche Unterbringungseinrichtungen. Die Schaf-
fung „allgemein zugänglichen“ Wohnraums sollte durch die Vorschrift nicht begüns-
tigt werden, selbst wenn dieser (anerkannten) Asylbewerbern oder (anerkannten)
Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden soll, für die keine öffentliche Unterbrin-
gungsverpflichtung mehr besteht834.
Nach Absatz 10 darf in durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebieten zuguns-
ten von Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unter-
künften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen eines Bebauungs-
plans unter der Voraussetzung befreit werden, dass an dem Standort auch Anlagen
für soziale Zwecke allgemein zulässig wären oder ausnahmsweise zugelassen werden
könnten und dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit
öffentlichen Belangen vereinbar ist. Entsprechend soll in nach § 34 Abs. 2 faktischen
Baugebieten vorgegangen werden. Mit der Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwe-
cke sieht der Gesetzgeber formal ein hinreichendes Indiz dafür gegeben, dass für
Flüchtlingsunterkünfte ausreichend akzeptable Unterbringungsverhältnisse gesichert
sind – auch innerhalb von Gewerbegebieten.
Dieser Erkenntnis liegt auch Absatz 11 zugrunde, der rund ein Jahr später und gemein-
sam mit den Absätzen 12 bis 17 im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgeset-
zes vom 20.10.2015 (BGBl. I S. 1722 (Nr. 40)) in den Regelungskatalog des § 246
aufgenommen wurde (auch diese Regelungen sind allesamt mit einer Befristung bis
zum 31. Dezember 2019 versehen worden). Danach können Aufnahmeeinrichtungen,
Gemeinschaftsunterkünfte und Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende dann
in festgesetzten Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 BauNVO ausnahmsweise zugelassen
werden, wenn nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Anlagen für soziale Zwe-
cke ausnahmsweise zugelassen werden dürfen. Entsprechendes gilt auch hier im Falle
faktischer Baugebiete (§ 34 Abs. 2), wenn die Umstände der näheren Umgebung die
ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke erlauben. Über entspre-
chend vorstrukturierte faktische Baugebiete des unbeplanten Innenbereichs hinaus soll
die Regelung schließlich auch für alle Baugebiete in übergeleiteten Plänen gelten, die
den oben genannten Baugebieten vergleichbar sind. Die Regelungen zur Unzulässigkeit
im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 BauNVO bleiben davon unberührt. Soweit die Voraus-
setzungen für eine Ausnahme nicht gegeben sind, regelt Absatz 12 die Voraussetzun-
gen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2. Im Einzelfall kommt danach zugunsten von
mobilen Flüchtlingsunterkünften sogar eine Befreiung innerhalb von Industriegebieten
und in Sondergebieten sowie in Gewerbegebieten (in den Gewerbegebieten entkoppelt
von der Bedingung wenigstens ausnahmsweiser Zulässigkeit von Anlagen für soziale
Zwecke) in Betracht, wenn die Nutzung längstens auf drei Jahre befristet ist. Gleiches
gilt für den Fall einer Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen
in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für
Flüchtlinge und Asylbegehrende. Die Befreiung ist nicht an die Voraussetzung gebun-
den, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen. Die Befreiung muss

834 VGH Hessen, U. v. 22.2.2018 – 4 A 1837/17 –, JurionRS 2018, 14050.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

allerdings mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein und nachbarliche Interessen
müssen gewürdigt worden sein.
Im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes wurden auch die Möglichkei-
ten im Außenbereich ausgeweitet. Ohne wie in Abs. 9 unmittelbaren Siedlungsan-
schluss (oder zumindest die unmittelbare Nachbarschaft zu einem qualifizierten B-
Plan) vorauszusetzen, kann einerseits – wiederum befristet auf längstens drei Jahre bis
Ende 2019 – die Aufstellung mobiler Unterkünfte und andererseits die Nutzungsände-
rung zulässigerweise im Außenbereich errichteter baulicher Anlagen in Aufnahme-
und Unterkunftseinrichtungen für Flüchtlinge und Asylbegehrende selbst noch dann
zugelassen werden, wenn die Ursprungsnutzung bereits aufgegeben wurde (z. B. im
Fall ehemaliger militärischer Liegenschaften). Die Umnutzung darf mit einer erforder-
lichen Erneuerung oder sogar mit einer Erweiterung verbunden werden. Für Vorhaben
im Sinne des Absatzes 13 gilt eine Rückbauverpflichtung, die nur dann entfällt, wenn
die Flüchtlingseinrichtung im Fall 2 der Umnutzung lediglich wieder der vorherigen
Nutzung weicht oder wenn durch zwischenzeitliche Aufstellung eines Bebauungsplans
dauerhaftes Planungsrecht für die Nachfolgenutzung geschaffen wurde – mindestens
muss der Stand der Planreife nach § 33 erreicht worden sein.
Können auch unter Ausschöpfung all der in den Absätzen 8 bis 13 eröffneten Erleich-
terungen nicht oder nicht rechtzeitig Unterkunftsmöglichkeiten in einer Gemeinde ge-
schaffen werden, obwohl sie dringend benötigt werden, erlaubt Absatz 14 weitere
Abweichungen vom Bauplanungsrecht. Die Zuständigkeit liegt in diesem Fall aber bei
der höheren Verwaltungsbehörde, die die Gemeinde anhören muss, es sei denn, die
Gemeinde oder ein von ihr beauftragter Dritter ist Vorhabenträger. Ist hingegen das
Land (oder ein von ihm beauftragter Dritter) der Vorhabenträger, sind in entsprechen-
der Anwendung des § 37 Abs. 3 bei der Gemeinde anfallende Entschädigungs- und/
oder Planungskosten vom Vorhabenträger zu ersetzen.
Im Übrigen tritt bei baulichen Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asyl-
begehrenden die Genehmigungsfiktion bereits dann ein, wenn das Einvernehmen der
Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde das Ersuchen nicht
binnen eines Monats (in allen anderen Fällen bestimmt § 36 Abs. 2 Satz 2 eine Frist
von zwei Monaten) verweigert werden (Absatz 15). Für die Herstellung des Beneh-
mens mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde gilt bei
Vorhaben im Außenbereich nach Abs. 9 und 13 entsprechend § 18 Abs. 3 Satz 2
BNatSchG eine Frist von einem Monat. Nach Fristablauf darf davon ausgegangen
werden, dass das Benehmen hergestellt ist (Absatz 16). Wie eingangs erwähnt sind
sämtliche Neuregelungen zu den Einrichtungen und Unterkünften für Flüchtlinge und
Asylbegehrende mit der Frist des 31. Dezembers 2019 verknüpft. Der Gesetzgeber
stellt in Absatz 17 klar, dass sich diese Befristung lediglich auf den Zeitraum bezieht,
bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Absätzen 8 bis
16 Gebrauch gemacht werden darf. Die Anlagen und Einrichtungen können jedoch
über dieses Datum hinaus genutzt werden – teilweise jedoch nur mit einer befristeten
Nutzungsdauer von längstens drei Jahren.
10. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 zur Zulässigkeit von
Vorhaben
Seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Juni 2013 sind Vorschriften mit Einfluss auf
die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Vorhaben durch drei Gesetze geändert worden,
nämlich durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung
der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 in Kraft (BGBl. I S. 1748), das
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (BGBl. I S. 1722 (Nr. 40)) so-
wie das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur

353

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4.5.2017 (BGBl. I S. 1057).
Die Neuerungen aufgrund der beiden erstgenannten Änderungsgesetze sind vorange-
gangen bereits beschrieben worden; sie beziehen sich allein auf die in § 246 neu aufge-
nommenen Regelungen zur Lösung der mit den jüngeren Flüchtlingsströmen aufge-
kommenen städtebaulichen Herausforderungen. Das Gesetz vom 4.5.2017 betrifft
u. a. den Umgang mit dem neu eingeführten urbanen Gebiet (§ 6a BauNVO), das gem.
§ 245c Abs. 3 nicht als faktisches Baugebiet zur Prüfung der zulässigen Art der Nut-
zung (vgl. § 34 Abs. 2) herangezogen werden darf. Von Tragweite sind auch die Neue-
rungen zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen nach § 13a BauNVO.
a) Ergänzung der Öffnungsklausel zur Abweichung vom Einfügungsgebot nach § 34.
Durch das Gesetz vom 4. Mai 2017 wurde § 34 Abs. 3a modifiziert und spezifiziert.
Eine städtebauliche Vertretbarkeit, die Würdigung nachbarlicher Interessen sowie die
Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen vorausgesetzt, darf vom Erfordernis des
Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelfall abgewichen werden,
wenn die Abweichung einem Vorhaben der nachfolgenden Art dient:
a) der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässiger-
weise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b) der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten,
Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c) der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu
Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.
Die Neuregelung dient der Erleichterung der Schaffung von Wohnraum. Eine Nut-
zungsänderung baulicher Anlagen zu Wohnzwecken innerhalb des nicht beplanten
Innenbereichs soll – im Unterschied zur Vorgängerregelung nicht nur bei Gewerbe-
und Handwerksbetrieben möglich sein, sondern bei allen baulichen Anlagen. Die Neu-
regelung erfasst auch die Fälle der Änderung oder Erneuerung. Diese Möglichkeit
wurde zuvor in der Anwendungspraxis teils bezweifelt, die alte Vorschrift ließ sich
unterschiedlich auslegen.
b) Ergänzung der Voraussetzungen zur Aufstellung von Entwicklungs- und Ergän-
zungssatzungen sowie von Außenbereichssatzungen. Entwicklungs- und Ergänzungs-
satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 3 sowie Außenbereichssatzungen nach § 35
Abs. 6 dürfen nur aufgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von
schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 BImSchG zu beachten sind. Diese Regelungen sind
flankierend zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie getroffen worden. Die Regelungen
gehen über den sich aus der Richtlinie ableitenden Umsetzungsbedarf hinaus.
c) Nichtanwendung des § 6a BauNVO als faktisches Baugebiet (§ 245c Abs. 3). Mit
der Einführung des urbanen Gebiets nach § 6a BauNVO hat der Gesetzgeber auf
immer lauter werdende Forderungen insbesondere aus dem Kreis der wachsenden
Großstädte nach einem neuen Baugebietstypus reagiert. Der Bedarf zur Schaffung sehr
dichter, gemischt genutzter Quartiere mit bisweilen relativ hohem Wohnanteil, dessen
Lärmschutzanspruch jedoch unterhalb anderer Wohngebiete liegt, ist in den zurücklie-
genden Jahren stark gewachsen. Die Zweckbestimmung nach § 6a Abs. 1 BauNVO,
der Katalog der allgemein zulässigen Nutzungen nach Abs. 2 sowie die zulässigen
Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 1
BauNVO sind den heute typischen Strukturen der Gründerzeitquartiere deutscher
Großstädte entliehen. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten In-
nenbereich ist jedoch zu beachten, dass § 34 Abs. 2 (wonach sich die Zulässigkeit
eines Vorhabens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in Gebieten, die faktisch
einem der Baugebiete der BauNVO entsprechen, nach den BauNVO-Bestimmungen
zur Art der baulichen Nutzung richtet) gemäß § 245c Abs. 3 auf Baugebiete nach § 6a

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

BauNVO keine Anwendung findet. Aus Sicht des Immissionsschutzes ist die Vorschrift
vernünftig – sie schützt solche, urbanen Gebieten faktisch entsprechenden Bestands-
quartiere (das sind oft z. B. die heute beliebten, in der Gründerzeit entstandenen Alt-
bauquartiere) vor der Anwendung der erhöhten Immissionsrichtwerte der TA Lärm.
Da der Katalog der in einem urbanen Gebiet allgemein zulässigen Nutzung dem des
Mischgebietes nahezu entspricht (beim urbanen Gebiet fehlen lediglich Tankstellen
und Vergnügungsstätten, die jedoch als Ausnahme zugelassen werden können), ist
der Entscheidungsrahmen der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich der Art der baulichen
Nutzung durch die Vorschrift in § 245c Abs. 3 nicht beschränkt. Schranken ergäben
sich nur, wenn von einem etwa beantragten sonstigen Gewerbebetrieb Belästigungen
oder Störungen ausgehen könnten, die aus Gründen des Immissionsschutzes nach der
Eigenart eines Mischgebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumut-
bar wären (vgl. § 15 BauNVO).

d) Klarstellende Regelung zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen. Insbesondere in den


Touristenhochburgen von Ost- und Nordsee und andernorts herrschte lange Rechtsun-
sicherheit zur Frage der Zulässigkeit von Ferienwohnungen in den Baugebieten nach
den §§ 2 bis 7 BauNVO. Auch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist
in Bezug auf die Rechtslage vor der Novellierung in dieser Frage nicht einheitlich
gewesen: Nach der Entscheidung des OVG Greifswald835 war die Mischung von regu-
lärem Wohnen und Ferienwohnen schlechthin unverträglich und rechtswidrig, so dass
sowohl in den für das Wohnen eröffneten Gebieten der BauNVO als auch im Rahmen
von Sondergebieten eine Kombination mit Ferienhäusern und Ferienwohnungen nicht
durch Aufstellung eines Bebauungsplans ermöglicht werden konnte. Nach der Recht-
sprechung des Niedersächsischen OVG836 und des BVerwG837 kann eine Mischung
von Ferienwohnungen und allgemeinem Wohnen hingegen jedenfalls durch die Festset-
zung eines Sondergebietes mit der Zweckbestimmung „Gebiet für die Fremdenbeher-
bergung“ gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zugelassen werden. Danach sind Gebiete
für den Fremdenverkehr festsetzbar, worunter auch Gebiete für die Fremdenbeherber-
gung mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits
sowie Dauerwohnen andererseits fallen.
Beiden Entscheidungen ist die Auffassung gemein, dass sich Ferienwohnungen weder
dem Wohnen noch dem Beherbergungsbetrieb noch dem Gewerbebetrieb zuordnen
ließen, so dass sie in den gängigen Baugebieten weder als allgemein noch als ausnahms-
weise zulässig in Frage kommen konnten. Der Gesetzgeber hat auf die Rechtsprechung
reagiert und durch den neuen § 13a BauNVO für eine Klarstellung gesorgt. Dies ist
entlang von Ost- und Nordseeküste sowie in anderen touristisch geprägten Landstri-
chen überwiegend dankbar aufgenommen worden. Danach zählen Ferienwohnungen
unbeschadet des § 10 in der Regel zu den nicht störenden Gewerbebetrieben nach § 2
Abs. 3 Nr. 4 oder § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO oder zu den Gewerbebetrieben nach § 4a
Abs. 2 Nr. 3, § 5 Abs. 2 Nr. 6, § 6 Abs. 2 Nr. 4, § 6a Abs. 2 Nr. 4 und § 7 Abs. 2 Nr. 3
BauNVO. Nach der Vorschrift sind Ferienwohnungen „Räume oder Gebäude, die
einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehend zur Unter-
kunft zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer eigenen Häuslich-
keit geeignet und bestimmt sind“. Somit kann auch ein ganzes Gebäude eine Ferien-
wohnung bilden und nicht lediglich einzelne Räume innerhalb eines Gebäudes (was
auch möglich ist). In den übrigen Fällen kommt darüber hinaus eine Einstufung als

835 Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.3.2015 – 3 M 38/15 – NordÖR 2015, 322; vgl. auch
U. v. 19.2.2014 – 3 L 212/12 –, BauR 2015, 717.
836 Vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.9.2014 – 1 KN 123/12 – U. v. 24.7.2013 – 1 LB 245/10 – BauR 2014,
229
837 Vgl. BVerwG, U. v. 18.10.2017 – 4 CN 6.17 –, ZfBR 2018, 158.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

(kleiner) Betrieb des Beherbergungsgewerbes in Betracht (§ 3 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 3


Nr. 1, § 4a Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3, § 6a Abs. 2 Nr. 3 und § 7
Abs. 2 Nr. 2). Diese Möglichkeit ist insbesondere bei baulich untergeordneter Bedeu-
tung gegenüber der im Gebäude vorherrschenden Hauptnutzung denkbar. Einem jün-
geren Urteil des OVG Greifswald838 vom April 2017 zufolge ist die Mischung von
Dauer- und Erholungswohnen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans für ein Son-
dergebiet „Wohnen mit Beherbergung“ nach § 11 BauNVO zulässig. Durch den Be-
bauungsplan sollte in einem Bestandsquartier die vorhandene Vermietung von Ferien-
wohnungen legalisiert werden. Und durch Urteil des BVerwG vom 18.10.2017839
wurde entschieden, dass sich ein Gebiet, in dem das Wohnen als Nutzung zwar über-
wiegt, Ferienwohnungen jedoch ein mitprägender Anteil zukommen soll, wesentlich
von einem allgemeinen Wohngebiet unterscheidet. Die Festsetzung eines Sondergebie-
tes „Dauerwohnen und Gästebeherbergung“ kann auf § 11 Abs. 1 BauNVO gestützt
werden.
Literatur zum Kapitel VIII: Zulässigkeit von Vorhaben
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Joachim, Willi E., Der Einfluss des Öffentlichen Rechts auf das Privatrecht – dargestellt
am Problemfeld der Nutzungsänderungen in der Gewerberaummiete, GuT 1/2010, 4–17; Hanne,
Wolfgang, Konfliktfeld Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, (Teil 1), apf/GA 11/2010, 325–
331; Nelskamp, Ulrich/Dahmen, Carolin, Probleme bei nachträglichen Dämmmaßnahmen.
Mögliche Auswirkungen der Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäude-
energieeffizienz, BauR 2010, 1129–1136; Stüer, Bernhard, Städtebaurecht 2009: Plansicherung,
Planbegleitung, planungsrechtliche Zulässigkeit – Rechtsprechungs- und Literaturbericht, DVBl.
7/2010, 424–435; Stüer, Bernhard, Planungsrechtliche Zulässigkeit, Entschädigung und Amts-
haftung – Rechtsprechungsübersicht 2010, DVBl. 8/2011, 472–482; 2011: Jäde, Henning, Ge-
meindliches Einvernehmen: gestärkt, geschwächt, abgeschafft?, KommP BY 2/2011, 64–66;
2012: Beckmann, Klaus, Eine Systematisierung baurechtlicher und sonstiger öffentlich-rechtli-
cher Instrumentarien zur Legalisierung von genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien
Bauvorhaben, KommJur 11/2012, 401–409; Bunzel, Arno; Das Planspiel zur BauGB-Novelle
2011 – Neuerungen für eine klimagerechte Stadtentwicklung, ZfBR 2012, 114–122; Kraus, Ste-
fan, Anwendung der Seveso-II-Richtlinie im Bauplanungsrecht, ZfBR 2012, 324–331; Krautz-
berger, Michael, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und
Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts, GuG 3/2012, 129–134; 2013:
Böhm, Monika, Recht der Bauleitplanung, JA 2/2013, 81–88; Bunzel, Arno, Planspiel zur Novel-
lierung des Bauplanungsrechts 2012/2013 – ZfBR 2013, 211–217; Otto, Christian-W., Wohnen
im Kerngebiet, ZfBR 2013, 125–129. 2016: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Rezension: Ulrich Kusch-
nerus, Olaf Bischopink, Martin Arnold, Das zulässige Bauvorhaben. Erläuterungen zur baupla-
nungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben, 7. Aufl., Bonn 2016, in: ZfBR 3/2016, S. 218; Söf-
ker,Wilhelm, Rezension: Ulrich Kuschnerus, Olaf Bischopink, Martin Arnold, Das zulässige
Bauvorhaben. Erläuterungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben, 7. Aufl.,
Bonn 2016, in: ZfBR 3/2016, S. 218; 2018: Hauth, Michael, Ändert das BVerwG seine Recht-
sprechung zu § 34 BauGB. Hoffentlich! Anmerkung zu BVerwG, U. v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 –,
BauR 3/2018, 462–465; Rubel, Rüdiger, § 34 Abs. 1 BauGB: Grundlagen und Grenzen der In-
nenbereichsentwicklung, DVBl. 7/2018, 403–410; Scheidler, Alfred, Die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit von Handwerks- und Gewerbebetrieben im unbeplanten Innenbereich nach § 34
BauGB, WiVerw2/2018, 89–126; Scheidler, Alfred, Bauen im unbeplanten Innenbereich, die An-
wendungsvoraussetzungen des § 34 Baugesetzbuch (BauGB), UBWV 3/2018, 73–78; Scheidler,
Alfred, Das Einfügungsgebot des § 34 BauGB i. d. F. der Städtebaurechtsnovelle 2017, apf/GA 3/
2018, 69–73;, Die bauplanungsrechtliche Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich mit-
tels gemeindlicher Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB, KommJur2/2018, 41–45; Scheidler, Al-
fred, Möglichkeiten und Grenzen zur Schaffung von Bauland durch gemeindliche Satzungen

838 Vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, U. v. 4.4.2017 – 3 K 253/15 –, ZfBR 2018, 69.


839 Vgl. BVerwG, U. v. 18.10.2017 – 4 CN 6.17 –, ZfBR 2018, 158.

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Zulässigkeit von Vorhaben VIII.

nach § 34 Abs. 4 BauGB, KommP BY1/2018, 4 – 8; Stüer, Bernhard, Stüer, Eva-Maria, Planungs-
rechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, gemeindliches Einvernehmen. Rechtsprechung des
BVerwG 2015 bis 2017, DVBl. 5/2018, 294–302; Klepper, Marian, Anmerkung zu OVG Sach-
sen, B. v. 7.8.2017 – 1 B 143/17 – (Wann übt ein Vorhaben erdrückende bzw. einmauernde
Wirkung aus?), IBR 2/2018, 100.
2. Begriff des Vorhabens; Sonderfälle (z. B. Mobilfunkanlagen):
2010: Fackler, Melusine, Anmerkung zu VGH Bayern, U. v. 10.6.2010 – 15 BV 09.1491 – (Büro
eines Sanitärbetriebs im reinen Wohngebiet?), IBR 9/2010, 529; Franz-Peter, Anmerkung zu
OVG Sachsen, U. v. 28.1.2010 – 1 A 498/08 – (Errichtung von 12 Stellplätzen in allgemeinem
Wohngebiet rücksichtslos?), IBR 6/2010, 360; Uechtritz, Michael, Agglomerationsregelungen in
der Regionalplanung zur Steuerung des Einzelhandels, VBlBW 5/2010, 185–192; 2011: Jäde,
Henning, Anmerkung zu Bayerischer VGH, U. v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – (Mobilfunk-Basissta-
tion; Ausnahme; faktisches reines Wohngebiet; Gebietserhaltungsanspruch; Rücksichtnahmege-
bot; Nachbarklage), BayVBl. 23/2011, 727; 2012: Reidt, Olaf, Störfallschutz und Städtebau-
recht – Schutzabstände in der Bauleitplanung und bei der Vorhabengenehmigung, BauR 8/2012,
1182–1195.
3. Ausnahmen und Befreiungen:
2010: Schaber, Michael, Mitentscheidung des Gemeinderats über Bauvorhaben nach §§ 31, 33
bis 35 BauGB bei Gemeinden mit eigener Baurechtszuständigkeit?, VBlBW 12/2010, 464–466;
2011: Schlarmann, Hans/Uechtritz, Michael/Krappel, Thomas, Nochmals: Erfordern Entschei-
dungen der unteren Baurechtsbehörde nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB in Stadtkreisen und Großen
Kreisstädten das Einvernehmen des Gemeinderats? Zugleich Anmerkung zu VGH Baden-Würt-
temberg, B. v. 6.10.2010 – 1 S 1944/10 – und VG Karlsruhe, B. v. 3.8.2010 – 6 K 1488/10 –
und Erwiderung auf Schaber, VBlBW 2010, 464, VBlBW 4/2011, 136–141; 2016: Gohde, Chris-
tian, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen
und Asylbegehrenden, in: ZfBR 7/2016, S. 642–650.
4. Genehmigung während der Aufstellung des Bebauungsplans:
2010: Scheidler, Alfred, Wissens-Check: Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 33 BauGB –
Übungsaufgabe aus dem öffentlichen Baurecht, apf/GA 12/2010, 378–381; Uechtritz, Michael,
Die Bedeutung informeller Planungen für die Bauleitplanung und für Genehmigungsentscheidun-
gen, ZfBR 7/2010, 646–653; 2011: Schlarmann, Hans/Uechtritz, Michael/Krappel, Thomas,
Nochmals: Erfordern Entscheidungen der unteren Baurechtsbehörde nach §§ 31, 33 bis 35
BauGB in Stadtkreisen und Großen Kreisstädten das Einvernehmen des Gemeinderats? Zugleich
Anmerkung zu VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.10.2010 – 1 S 1944/10 – und VG Karlsruhe,
B. v. 3.8.2010 – 6 K 1488/10 – und Erwiderung auf Schaber, VBlBW 2010, 464, VBlBW 4/2011,
136–141; 2014: Pauli, Felix, Zulässigkeit von Windenergieanlagen während der Planaufstellung,
in: BauR 5/2014, S. 799–805.
5. Bauen im unbeplanten Innenbereich:
2010: Brandenburg, Christoph/Brunner, Tanja, Die Steuerung von Spielhallenansiedelungen,
BauR 11/2010, 1851–1859; Bunzel, Arno, Tagungsbericht: Berliner Gespräche zum Städtebau-
recht, DVBl. 24/2010, 1551–1554; Cymutta, Stephan, Sicherheitsabstand zu „Störfallbetrieb“:
Prüft Baubehörde das Störfallrecht?, IBR 7/2010, 377; Graupeter, Uwe, Demografischer Wandel,
Gemeindeneugliederung und Bauplanungsrecht, ZfBR 8/2010, 742–751; Guckelberger, Annette/
Heimpel, Silvia, Studium und Ausbildung: Die Moschee im allgemeinen Wohngebiet, LKRZ 7/
2010, 276–280; Hoffmann, Martin/Kassow, Jörn, Der Einfluss von städtischen Einzelhandels-
konzepten auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, BauR 5/2010, 711–717; Jäde, Hen-
ning, Baugenehmigungspflicht für Mobilfunksendeanlagen?, KommP BY 1/2010, 17–25; Kor-
mann, Joachim, Zur Situation von Handwerksbetrieben nach geltendem Bauplanungsrecht.
Fortsetzung zu GewArch 2010, 396 ff., GewArch 11/2010, 432–436; Schoen, Hendrik, Zulässig-
keit von Einzelhandelsvorhaben im Anwendungsbereich des § 34 BauGB, BauR 12/2010, 2034–
2046; 2015: Falke, Christian/Kupke, Dana/Maslaton, Martin/Müller, Martin, Kapitel 1: Aus-
wahl geeigneter Windenergieanlagen-Standorte aus planungsrechtlicher Sicht. III. Zulässigkeit
im unbeplanten Außenbereich und entgegenstehende Belange, in: Maslaton 2015, S. 23–76;
2017: Bienek, Heinz G., Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich, in: GuG 3/
2017, S. 162–175; 2018: Scheidler, Alfred, Bauen im unbeplanten Innenbereich, die Anwen-
dungsvoraussetzungen des § 34 Baugesetzbuch (BauGB), UBWV 3/2018, 73–78.
6. Satzungen nach § 34 und § 35 BauGB:
2008: Rabe, Klaus, Die Außenbereichssatzung Eichhof. Fallbearbeitung, DVP 7/2008, 286–294.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

7. Bauen im Außenbereich (allgemein):


2010: Arnold, Martin, Zumutbarkeit von Gerüchen aus Tierhaltung für entprivilegiertes Woh-
nen im Außenbereich, BauR 2010, 411–417; 2011: Schink, Alexander, Änderungen des Bauge-
setzbuches zur Einschränkung der Massentierhaltung, BauR 9/2011, 1425–1443; 2012: Anger,
Christoph/Gerhold, Thomas; Klimaschutz und Naturschutz im Konflikt – naturschutzrechtliche
Probleme bei der Verwirklichung von EEG-Anlagen, ZfBR Sonderausgabe Juli 2012, 90–94;
2014: Decker, Andreas, Rezension: Patrick Schröter, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von
Vorhaben im Außenbereich, (SR: Schriften zum Baurecht, Bd. 12), Baden-Baden 2013, in:
BayVBl.24/2014, S. 770–771; 2016: Schulte, Niklas, Arbeitnehmerunterkünfte von Gartenbau-
betrieben im Außenbereich. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§ 35 BauGB), Steuerungs- und
Legalisierungsmöglichkeiten, in: BauR 6/2016, S. 945–954; 2018: Appel, Ivo, Stark, Alexander,
Naturschutzrechtliche Ausgleichspflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in Natur und Land-
schaft. Anmerkungen am Beispiel vorübergehender Flüchtlingsunterkünfte im Außenbereich,
NuR 1/2018, 34–44; Habermann, Andreas, Der „begründete Einzelfall“ nach § 35 Abs. 4 Satz 2
BauGB, UPR 4/2018, 128–131; Heinemann, Patrick, Nachbarschutz für obligatorisch Berech-
tigte durch § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB, UPR 6/2018, 212–215; Hirsch, Bastian, Anmerkung
zu VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.10.2017 – 3 S 1457/17 – (Nachbarschutz bei Geruchsbe-
lästigung im Außenbereich?), IBR 6/2018, 355; Krautzberger, Michael, Rezension: Eva-Maria
Stüer, Bernhard Stüer, Bauen im Außenbereich, 2. Aufl. München 2016, ISBN: 978-3-406-
69429-5, DVBl. 12/2018, 780–781; Muckel, Stefan, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 27.6.2017 –
4 C 3/16 – (Das Gebot der Rücksichtnahme bei Bauvorhaben im Außenbereich), JA 1/2018, 80;
Nies, Volkmar, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – (Außenbereich; privilegier-
tes Vorhaben; Baugenehmigung; Nachbarklage; Ferkelaufzuchtstall; schädliche Umwelteinwir-
kungen; Immissionsschutz; Geruchsbelästigungen; Vorbelastung (erheblich); Jahresstunden; Situ-
ationsverbesserung; Gebot der Rücksichtnahme; nicht genehmigungsbedürftige Anlage;
Aufklärung; Zurückverweisung), AuUR 1/2018, 27–28; Raschke, Marcel, Aktuelle Fragen der
Rechtsprechung zur Konzentrationszonenplanung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, ZNER 3/2018,
218–224; Schink, Alexander, Rezension: Eva-Maria Stüer, Bernhard Stüer, Bauen im Außenbe-
reich, München 2017, ISBN 978-3-406-70617-2, UPR 7/2018, 254; Schink, Alexander, Bauen
im Außenbereich, München 2017, ISBN 978-3-406-70617-2, UPR 7/2018, 29; Scheidler, Alfred,
Die bauplanungsrechtliche Hürde der öffentlichen Belange für das Bauen im Außenbereich,
KommP BY6/2018, 213–219; Stüer, Eva-Maria, Stüer, Bernhard, Bauen im Außenbereich,
BauR 6/2018, 909–923; Wegner, Nils, Anmerkung zu VG Kassel, U. v. 25.10.2017 – 7 K 117/
15.KS – (Pauschale Abstandsvorgabe eines LEP als entgegenstehendes Ziel der Raumordnung
gem. § 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB), ZNER 2/2018, 181–184; Weiß-Ludwig, Roland, Abgren-
zung Innen- und Außenbereich. „Ein (nicht nur) bauplanungsrechtlicher Dauerbrenner“, Nord-
ÖR1/2018, 1 – 7.
8. Privilegierte Vorhaben im Außenbereich:
2007: Hinsch, Andreas, Rechtliche Probleme der Energiegewinnung aus Biomasse, ZUR 9/2007,
401–410; Rosin, Nicolai, Probleme von Einwendungsmöglichkeiten des Nachbarn bei der Zulas-
sung von Biogasanlagen im Außenbereich unter besonderer Berücksichtigung der Niedersächsi-
schen Rechtslage, NdsVBl. 3/2007, 68–70; Scheidler, Alfred, Immissionen durch Tiere, DVBl.
15/2007, 936–942; 2010: Bovet, Jana, Ausgewählte Probleme bei der baulichen Errichtung von
Kleinwindanlagen, ZUR 1/2010, 9–15; 2012: Dietl, Fabian, Solaranlagen an und auf Gebäuden
im Außenbereich, UPR 7/2012, 259–264
9. Großvorhaben im Außenbereich:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
10. Windkraftanlagen:
2010: Bovet, Jana, Ausgewählte Probleme bei der baulichen Errichtung von Kleinwindanlagen,
ZUR 1/2010, 9–15; 2011: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Zurückstellung von Baugesuchen und ge-
meindliches Einvernehmen. Zum Verhältnis von § 15 BauGB zu § 36 BauGB, insbesondere bei
Zurückstellung von Baugesuchen für privilegierte Windkraftanlagen wegen laufender Flächen-
nutzungsplanung mit Konzentrationswirkung, BauR 11/2011, 1754–1762; 2012: Krappel, Tho-
mas/Freiherr von Süßkind-Schwendi, Benedict, Die planerische Steuerung von Windenergieanla-
gen – neue Entwicklungen im Planungsrecht der Bundesländer, ZfBR Sonderausgabe Juli 2012,
65–71; Otto, Christian-W., Rückbau und Repowering – Welche Planungsbefugnisse vermittelt
§ 249 Abs. 2 BauGB?, ZfBR Sonderausgabe Juli 2012, 72–82; Scheidler, Alfred, Höchstrichterli-
che Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht: Die planerische Steuerung von Windkraftanlagen,
VerwArch 4/2012, 587–615; Scheidler, Alfred, Windräder in Natura 2000-Gebieten?, DVBl. 4/

358

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Die Baugenehmigung IX.

2012, 216–221; Spannowsky, Willy, Steuerung der Windkraftnutzung unter veränderten landes-
politischen Vorzeichen, ZfBR Sonderausgabe Juli 2012, 53–64; Wemdzio, Marcel, Naturschutz-
rechtliche Belange im Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen, AuUR 1/2012, 9–16;
2014: Pauli, Felix, Zulässigkeit von Windenergieanlagen während der Planaufstellung, in:
BauR 5/2014, S. 799–805; 2015: Falke, Christian/Kupke, Dana/Maslaton, Martin/Müller, Mar-
tin, Kapitel 1: Auswahl geeigneter Windenergieanlagen-Standorte aus planungsrechtlicher Sicht.
III. Zulässigkeit im unbeplanten Außenbereich und entgegenstehende Belange, in: Maslaton
2015, S. 23–76; Hörnicke, Johannes, Zulässigkeit einer Kleinwindenergieanlage zur Versorgung
eines landwirtschaftlichen Hofes im Außenbereich. Anmerkung zu OVG Lüneburg, U. v.
29.10.2015 – 12 LC 73/15 – (Kleinwindenergieanlage; Privilegierung; Windenergieanlage), in:
AuUR12/2015, S. 470–472; 2016: Sittig-Behm, Peter, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 22.9.2016
– 4 C 2/16 – (Zulässigkeit einer Windenergieanlage bei möglicher Störung einer Wetterradaran-
lage), in: ER 2/2017, S. 80–81.
11. Wirkung der Ziele der Raumordnung bei der Zulassung von Vorhaben:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
12. Nichtprivilegierte Vorhaben (einschl. Golfplätze):
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
13. Begünstigte Vorhaben:
2010: Sauer, Ralph, Unschädliche Nutzungsunterbrechung des Eigentümers oder Erben für die
Begünstigung gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB – Ersatzbau eines abgängigen Wohngebäudes im
Außenbereich, BauR 2010, 1007–1012.
14. Die Baulast:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

IX. Die Baugenehmigung


1. Genehmigungspflicht und Verfahren
Das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung ist in der Hauptsache nicht im
Baugesetzbuch, sondern in den Bauordnungen und, soweit es um allgemeine Fragen
wie die Beteiligung von Drittbetroffenen (Nachbarn) geht, in den Verwaltungsverfah-
rensgesetzen der Länder geregelt. Denn sowohl das allgemeine Verwaltungsverfahrens-
recht als auch das Verfahren zur Erteilung von Baugenehmigungen im Besonderen
(das sog. formelle Bauordnungsrecht) gehören zur Regelungskompetenz der Länder.
Aufgrund der gemeinsamen „Musterbauordnung“ sind die Bauordnungen der Länder
einander nach Aufbau und Inhalt ähnlich, aber keineswegs gleichlautend. Das gilt
auch für die Regelung der Frage, welche Vorhaben genehmigungspflichtig sind und in
welchem Verfahren Baugenehmigungen erteilt werden. Die Verwaltungsverfahrensge-
setze der Länder sind sich wiederum sehr ähnlich, weil sie sich alle das Verwaltungs-
verfahrensgesetz des Bundes zum Vorbild genommen haben.
a) Vorhaben im bauordnungsrechtlichen Verfahren. Das bauordnungsrechtliche Ver-
fahren, in dem die Baugenehmigungsbehörde über die Zulässigkeit der Errichtung,
der Änderung, der Nutzungsänderung oder (jedenfalls z. T.) des Abbruchs baulicher
Anlagen840 befindet, gehört ebenso wie die Vorschriften zum organisatorischen Auf-
bau der Bauverwaltung sowie zu den Aufgaben und Befugnissen der Bauaufsichtsbe-
hörden zum sog. formellen Bauordnungsrecht.
Das Baugenehmigungsverfahren dient der präventiven Kontrolle und Überprüfung, ob
ein beantragtes Vorhaben den geltenden öffentlichen Vorschriften entgegensteht. Wie
sich auch aus den Ausführungen in Kapitel B.VIII. zur Zulässigkeit von Vorhaben
ergibt, ist die Bandbreite baulicher Aktivitäten, die dem Vorhabenbegriff im Sinne des
§ 29 entsprechen, schier unerschöpflich. Sie reichen von der Errichtung eines Einfami-

840 Die Beseitigung baulicher Anlagen ist je nach Landesbauordnung i. d. R. verfahrensfrei, kenntnisgabe-
bzw. anzeigepflichtig.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

lienhauses (oder Wolkenkratzers) über die Aufstellung einer Werbetafel bis hin zur
Aufstellung oder zur Änderung eines Springbrunnens (oder Kunstwerks). Die Mitar-
beiter der bei den Landkreisen oder kreisfreien Städten in einer gesonderten Abteilung
der Stadtverwaltung ansässigen Bauaufsichtsbehörden wären einem nicht zu bewälti-
genden Aktenberg ausgesetzt, müsste jede dieser Baumaßnahme bis aufs kleinste De-
tail hinsichtlich der materiell-rechtlichen Anforderungen des öffentlichen Rechts über-
prüft werden. Es macht daher Sinn, die Bauvorgänge in Kategorien unterschiedlicher
Tragweite einzuteilen und dabei die präventive Kontrolle auf bestimmte Bau- oder
(Nutzungs-)Änderungsmaßnahmen zu beschränken – zumal grundsätzlich Bauherr
und die am Bau Beteiligten für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften
verantwortlich zeichnen. Aus diesem Grund wird in den Bauordnungen unterschieden
zwischen:
– dem (ordentlichen) Baugenehmigungsverfahren – Regelverfahren,
– dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren,
– dem Anzeige- bzw. Kenntnisgabeverfahren/dem Genehmigungsfreistellungsverfah-
ren sowie
– der Baugenehmigungsfreiheit (auch Verfahrensfreistellung genannt).
Das ordentliche Baugenehmigungsverfahren muss immer dann durchgeführt werden,
wenn andere Verfahren nicht vorgesehen sind. Bei baugenehmigungspflichtigen Anla-
gen prüft die Bauaufsichtsbehörde die Zulässigkeit nach den Vorschriften des Bauge-
setzbuchs, nach den Vorschriften der geltenden Landesbauordnung sowie nach allen
anderen für das Vorhaben beachtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit die
Landesbauordnung dies vorsieht. Die technische Prüfung des Vorhabens einschließlich
der Überwachung der bautechnischen Nachweise obliegt weitgehend dem Objektpla-
ner. Das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren kommt nicht zum Zuge, sofern der
Gesetzgeber ein spezielleres Verfahren zur Genehmigung vorgesehen hat. So müssen
z. B. alle im Anhang der 4. BImSchV aufgeführten Anlagen in einem immissionsschutz-
rechtlichen Genehmigungsverfahren geprüft werden. Kraft ausdrücklicher Regelung
sind die Bauordnungen auch nicht auf den Bau öffentlicher Straßen anwendbar, ob-
wohl auch der Bau von Straßen unter den Begriff des „Vorhabens“ im Sinne des § 29
BauGB fällt und daher dem Bauplanungsrecht unterliegt, sofern nicht das Fachpla-
nungsrecht eingreift.
Bauherren können sich zudem bei bestimmten Vorhaben dem – vergleichsweise auf-
wendigen – ordentlichen Baugenehmigungsverfahren entziehen, wenn die Landesbau-
ordnung ausdrücklich andere Möglichkeiten vorsieht. So kann etwa nach § 63 Abs. 1
BbgBO für die Errichtung und Änderung von Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1
bis 3 (das sind Gebäude geringerer und mittlerer Höhe) auf Antrag des Bauherrn ein
vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden841. Voraussetzung ist,
dass das Vorhaben im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans liegt,
dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Im verein-
fachten Baugenehmigungsverfahren reduziert sich die Prüfungspflicht der Baugeneh-
migungsbehörde darauf zu prüfen, ob die Festsetzungen des B-Plans und – soweit
relevant – andere öffentlich-rechtliche Vorschriften beachtet werden. Selbstverständ-
lich ist dies nur möglich, wenn der Plan eine entsprechende Festsetzungsdichte enthält,
die nur bei qualifizierten Bebauungsplänen nach § 30 Abs. 1 sowie bei einem vorha-
benbezogenen Bebauungsplan nach § 30 Abs. 2 gegeben ist. Die Zulässigkeitsprüfung
für die Errichtung eines Wohngebäudes geringer oder mittlerer Höhe im Geltungsbe-
reich eines einfachen Bebauungsplans darf also nicht im vereinfachten Baugenehmi-

841 In Sachsen oder Nordrhein-Westfalen wäre dieses Vorhaben sogar genehmigungsfrei gestellt, wenn die
Gemeinde nicht innerhalb einer Frist von 3 Wochen bzw. einem Monat erklärt, dass das vereinfachte
Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll (vgl. 62 Abs. 2 SächsBO bzw. § 67 Abs. 1 BauO
NRW).

360

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Die Baugenehmigung IX.

gungsverfahren durchgeführt werden. In anderen Landesbauordnungen sind teils deut-


lich abweichende Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten
Baugenehmigungsverfahrens geregelt. Nach § 63 Abs. 1 Niedersächsische Bauordnung
(NBauO) ist die Lage im Geltungsbereich eines qualifizierten oder einfachen Bebau-
ungsplans nicht entscheidend. Die Prüfung der Zulässigkeit der Errichtung, Änderung
oder Nutzungsänderung eines Wohngebäudes, aber auch anderer baulicher Anlagen
mit Ausnahme von Sonderbauten i. S. d. § 2 Abs. 5 NBauO findet im vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren statt. Bei dieser Bandbreite an Bauten ist es folgerichtig,
dass den Baugenehmigungsbehörden höhere Prüfungsanforderungen obliegen. Die
Bauvorlagen werden dann auf ihre Vereinbarkeit mit dem (gesamten) städtebaulichen
Planungsrecht, weiteren bauordnungsrechtlichen Bestimmungen (zum Abstandsflä-
chenrecht, zu erforderlichen Stellplätzen, zum Brandschutz) sowie hinsichtlich der
sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts im Sinne der Landesbauordnung über-
prüft. Das Baugenehmigungsverfahren endet mit der Übermittlung der Baugenehmi-
gung bzw. mit der Versagung des Bauvorhabens. Nach Ablauf eines Monats wird der
Verwaltungsakt dann bestandskräftig.
Nicht jedes Vorhaben muss sich einem (ordentlichen oder vereinfachten) Baugenehmi-
gungsverfahren stellen. Die Landesbauordnungen sehen für eine unterschiedliche
Reihe baulicher Maßnahmen (Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung) lediglich
eine Anzeige- bzw. Kenntnisgabepflicht oder eine Genehmigungsfreistellung vor. Das
Bauanzeige- bzw. Kenntnisgabeverfahren und das Genehmigungsfreistellungsverfah-
ren enden anders als das Baugenehmigungsverfahren nicht mit der Zustellung eines
positiven oder negativen Bescheids. Das Bauanzeige- bzw. Kenntnisgabeverfahren ist
heute noch in den Landesbauordnungen von Brandenburg und Baden-Württemberg
geregelt. Während das Bauanzeigeverfahren in Brandenburg (bei der Errichtung und
Änderung bestimmter Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 und 2 im Geltungsbereich
eines B-Plans nach § 30 Abs. 1 oder 2) „auf Wunsch der Bauherrin oder des Bauherrn“
durchgeführt wird, kommt das Kenntnisgabeverfahren in Baden-Württemberg bei aus-
drücklich aufgeführten Baumaßnahmen nur dann nicht zum Zug, wenn der Bauherr
eigens beantragt, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll. Dem
Anzeige-/Kenntnisgabeverfahren ist das Genehmigungsfreistellungsverfahren gleichzu-
setzen, das für bestimmte Maßnahmen (regelmäßig Wohngebäude geringer Höhe im
Geltungsbereich eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen B-Plans, ohne diesem zu
widersprechen, bei gesicherter Erschließung und Einhaltung weiterer Bestimmungen)
die Umsetzung ohne Baugenehmigungsbescheid vorsieht. Soweit in der Landesbauord-
nung nicht normiert, besteht zwar keine Prüfpflicht. Immerhin müssen vor Planreali-
sierung bestimmte vom Bauherrn und Objektplaner unterzeichnete Bauvorlagen bei
der Baugenehmigungsbehörde zunächst schriftlich eingereicht werden. Mit Abgabe
dieser Unterlagen wird auch versichert, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften
und sonstigen Genehmigungsvoraussetzungen eingehalten werden. Es steht der Geneh-
migungsbehörde noch frei, die Unterlagen genauer zu überprüfen. Der Behörde bleibt
dabei nach den Regelungen der Landesbauordnungen in der Regel ein Monat Zeit,
denn erst nach Ablauf dieser Frist darf mit den Baumaßnahmen begonnen werden.
Einige Bauordnungen enthalten zudem im letzten Teil unter der Überschrift „Rechts-
verordnungen“ Ermächtigungen zum Erlass von weiteren Regelungen zur Vereinfa-
chung und Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens und zur Entlastung der
Bauaufsichtsbehörden.
Eine weitere wichtige Kategorie bilden die genehmigungsfreien Vorhaben oder Anla-
gen. Die Bauordnungen enthalten dazu längere Listen (teilweise wie in Hamburg auch
in der Anlage zum Gesetz), in denen Anlagen mit tendenziell geringen Auswirkungen
thematisch sortiert werden. Diese Anlagen sind baugenehmigungsfrei, was sie jedoch
ebenso wenig davon entbindet, alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften und sonstigen
Anforderungen zu beachten, wie die in anderen (Genehmigungs-)Verfahren behandel-

361

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ten baulichen Vorhaben. Bei einem Verstoß gegen materielles Bauordnungsrecht kann
die Bauaufsichtsbehörde gegen das Vorhaben vorgehen842. Eine Baugenehmigung ent-
fällt auch, wenn es sich um ein Vorhaben des Bundes, der Länder oder ihrer rechtsfähi-
gen Anstalten, Körperschaften und Stiftungen handelt und wenn die Leitung der Ent-
wurfsarbeiten und der Bauüberwachung von eigenen (geeigneten) Fachkräften
durchgeführt wird (vgl. § 83 LBO R-P). In diesem Fall reduziert sich der formale Weg
auf ein sog. Zustimmungsverfahren, dessen Voraussetzungen von Landesbauordnung
zu Landesbauordnung teils unterschiedlich ausgestaltet sind.
Aus der unterschiedlichen Anwendbarkeit der Bauordnung ergeben sich hinsichtlich
der Genehmigungspflicht von baulichen Vorhaben sechs unterschiedliche Typen, die
in Bild 52 zusammengefasst sind.
b) Das Verfahren zur Erteilung einer Baugenehmigung. Gemäß § 36 Abs. 1 werden
alle (förmlichen) bauplanungsrechtlichen Genehmigungen über die Zulässigkeit eines
Vorhabens von der Baugenehmigungsbehörde erteilt. Trotz der Loslösung des pla-
nungsrechtlichen Begriffs des Vorhabens vom Bauordnungsrecht ist es bei der verfah-
rensrechtlichen Anbindung der planungsrechtlichen Genehmigung an die vom Bauord-
nungsrecht geprägte Baugenehmigungsbehörde geblieben. Für alle genehmigungspflich-
tigen baulichen Vorhaben muss der Bauherr einen Bauantrag einreichen. Nicht jede
Landesbauordnung normiert das schriftliche Einreichen der Bauantragsunterlagen. In
Brandenburg ergibt sich erst aus der sog. Bauvorlageverordnung, dass Bauantrag oder
Anzeige mit den erforderlichen Bauvorlagen vom Bauherrn und vom Objektplaner,
dem „Bauvorlageberechtigten“ auch schriftlich und unterzeichnet einzureichen sind.
„Bauherr“ ist in der Regel, aber nicht immer, der Eigentümer; es kann auch ein Erbbau-
berechtigter oder auch nur der Pächter eines Grundstücks sein.
Bauvorlageberechtigt sind in den jeweiligen Fachkammern gelistete Architekten und
Bauingenieure. Durch diese Vorschrift soll dafür Sorge getragen werden, dass der not-
wendige technische Sachverstand dokumentiert wird. Dem Bauantrag sind alle für die
Beurteilung des Bauvorhabens und für die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen
Unterlagen (Bauvorlagen), mitunter ein amtlicher Lageplan, ein Außenanlagenplan,
ein Grundstücksentwässerungsplan, Bauzeichnungen, bautechnische Nachweise und
Baubeschreibungen, beizufügen, damit das Vorhaben insgesamt beurteilt werden
kann. Da die Anfertigung eines vollständigen Bauantrages wegen der zugehörigen Ent-
wurfsleistungen des Architekten in der Regel erhebliche Kosten verursacht, kann man
die Frage, ob das Bauen auf dem betreffenden Grundstück überhaupt planungsrecht-
lich zulässig ist, durch eine sog. Bauvoranfrage klären lassen. Nach der Honorarord-
nung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist die Genehmigungsplanung als Leis-
tungsphase 4 normiert. Bis dahin sind vom Architekten 27 % der Gesamtleistungen
erbracht worden – es wird ein entsprechendes Honorar fällig. Wenn sich erst zu diesem
Zeitpunkt die Unzulässigkeit der Planung herausstellt (und auch Veränderungen der
Planung nicht zum Ziel führen würden), hätte der Bauherr viel Geld umsonst ausgege-
ben. Die Antwort auf eine hingegen schon frühzeitig eingereichte Bauvoranfrage be-
zieht sich in der Hauptsache auf die planungsrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässig-
keit des Vorhabens – also auf die Frage, ob das Vorhaben nach den §§ 30, 34 oder
35 genehmigungsfähig ist. Auch für die Dienstleistung der Bauaufsichtsbehörde selbst
fallen Kosten an, die Gebühren genannt werden und deren Höhe in den Baugebühren-
verordnungen der Länder und anderen Regelwerken zur Arbeit der Ingenieure und
Prüfsachverständigen geregelt ist. Der auf eine – gebührenpflichtige – Bauvoranfrage
hin erteilte Bescheid ist gleichsam der erste Teil der Baugenehmigung (oder deren Ab-
lehnung); wird die Genehmigung erteilt, hat sie auch gegenüber einer Veränderungs-
sperre Bestand, sofern die Landesbauordnung dem Vorbescheid nicht ausdrücklich

842 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 18.1.2005 – 7 B 2751/04 –, BauR 2005, 1452.

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Die Baugenehmigung IX.

diese Wirkung abspricht843 (vgl. dazu auch Kap. B.VII. unter 1. „Die Veränderungs-
sperre“). Allerdings muss der Vorbescheid – wie alle Verwaltungsakte – zunächst
durch Ablauf der Rechtsmittelfristen bestandskräftig geworden sein, ehe er alle seine
Wirkungen entfalten kann. Ein noch nicht bestandskräftiger Vorbescheid wird – so
das BVerwG844 – mit der endgültigen Baugenehmigung wiederholt (es handelt sich
damit um einen sog. Zweitbescheid); ein im Hinblick auf die Gesamtgenehmigung
(noch) widerspruchsbefugter Nachbar kann also die Baugenehmigung mit ihrem ge-
samten Inhalt anfechten, weil die Gesamtgenehmigung den Vorbescheid in sich aufge-
nommen und damit innerhalb der gleichen (insoweit verlängerten) Frist anfechtbar
gemacht hat, die für den Hauptbescheid gilt.
Bild 52: Übersicht über die Typen genehmigungspflichtiger und nicht genehmigungspflich-
tiger Vorhaben
Typ Beispiele
A. Von der Bauordnung nicht erfasste Vorhaben Bau von öffentlichen Straßen; Vorhaben im Rah-
men von Planfeststellungsbeschlüssen mit Kon-
zentrationswirkung.
B. Bauordnungsrechtlich nicht relevante und daher Gebäude ohne Aufenthaltsräume, Toiletten
nicht genehmigungspflichtige Vorhaben (sog. oder Feuerstätten mit nicht mehr als 75 m³ um-
genehmigungs- bzw. verfahrensfreie Bauvorha- bauten Raum; Fahrgastunterstände des ÖPNV;
ben) Wärmepumpen, Masten und Antennen bis zu
10 m Höhe.
C. Bauordnungsrechtlich relevante, aber von der Wohngebäude bis zu einer Maximalhöhe im
Genehmigungspflicht freigestellte Vorhaben/an- Geltungsbereich eines qualifizierten oder eines
zeigepflichtige bzw. kenntnisgabepflichtige Vor- vorhabenbezogenen Bebauungsplans, andere
haben Vorhaben je nach Landesbauordnung.
D. Bauordnungsrechtlich genehmigungspflich- Alle baulichen Anlagen, die nicht unter A, B
tige Vorhaben mit den Varianten oder F fallen. Bauliche Anlagen des Typs C
– ordentliches Baugenehmigungsverfahren können je nach Landesrecht auch einer regulä-
– vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren ren Genehmigung gem. D. zugeführt werden.
Sofern für diese Vorhaben eine zusätzliche
bauplanungsrechtliche Genehmigungs-
pflicht gemäß E. besteht, erstreckt sich das
Genehmigungsverfahren auch auf die zusätz-
lich notwendige Genehmigung.
E. Vorhaben, die unabhängig von der bauord- Vorhaben im Geltungsbereich:
nungsrechtlichen Genehmigungspflicht einer be- – einer Veränderungssperre
sonderen bauplanungsrechtlichen Genehmi- – einer Sanierungssatzung
gung bedürfen. – einer Entwicklungssatzung
– einer Stadtumbausatzung
– einer Erhaltungssatzung
F. Bauordnungsrechtlich relevante Vorhaben des Regierungsbauten
Bundes oder der Länder, bei denen die Ent-
wurfs- und Überwachungsleitung in den Hän-
den geeigneter bundes- bzw. landeseigener
Fachkräfte liegt: sog. Zustimmungsverfahren
BEACHTE: Die Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben im BauGB (§§ 29–37) begründen als
solche keine Genehmigungspflicht. Sie regeln nur die materielle Zulässigkeit bodenrechtlich relevanter
Vorhaben. Die Reichweite der §§ 29 ff. BauGB richtet sich allein nach der bodenrechtlichen Relevanz
des Vorhabens. Eine amtliche Bescheinigung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens
nach den §§ 30 bis 35 BauGB kann jedoch nur im Rahmen eines bauordnungsrechtlichen Genehmi-
gungsverfahrens (ggf. auch durch einen Vorbescheid) erlangt werden.

Die Baugenehmigungsbehörde beurteilt den Antrag zunächst anhand der schriftlich


eingereichten Unterlagen. Der notwendige Prüfungsumfang richtet sich nach Landes-
recht; der Antragsteller darf sich keinesfalls darauf verlassen, dass mit der Erteilung

843 So OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 1.10.1981 – 7 A 2283/79 –, BauR 1982, 50; ÖVG Lüneburg NJW
1982, 1772; BVerwG ZfBR 1984, 144; unter Aufgabe von BVerwG DÖV 1966, 578.
844 BVerwG, U. v. 17.3.1989 – 4 C 14/85 –, ZfBR 1989, 170.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

des Bauscheins die Zulässigkeit seines Vorhabens im Hinblick auf alle öffentlich-recht-
lichen Vorschriften bestätigt wird (so die früher herrschende „Schlusspunkttheorie“).
Das Baugenehmigungsverfahren ist i. d. R. auf die Prüfung der Einhaltung der bau-
rechtlichen Vorschriften beschränkt. Sofern z. B. ein Baum gefällt werden muss, ist die
Fällgenehmigung gesondert zu beantragen845. Die Baugenehmigungsbehörde darf die
Erteilung der Baugenehmigung auch nicht deshalb verweigern, weil eine andere Ge-
nehmigung (z. B. eine Baumfällgenehmigung oder eine Genehmigung zur Zweckent-
fremdung) noch nicht erteilt ist846, es sei denn, dass dieses landesrechtlich angeordnet
ist. Neben der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach den §§ 30 bis
35 sind fünf weitere planungsrechtliche Genehmigungen nach dem BauGB kraft Geset-
zes an die Baugenehmigungsbehörde verwiesen: Zum Ersten wird die Genehmigung
für eine Maßnahme, die wegen einer Erhaltungssatzung nach § 172 einer besonderen
Genehmigung bedarf, gemäß § 173 Abs. 1 durch die Baugenehmigungsbehörde im
Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt, wenn für die Maßnahme eine baurechtliche
Genehmigung erforderlich ist (anderenfalls ist die Gemeinde alleine zuständig); zum
Zweiten gilt diese Regelung auch für Genehmigungen im Geltungsbereich einer Sat-
zung zur Sicherung der Durchführung von Maßnahmen des Stadtumbaus nach
§ 171d; zum Dritten ist die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 in der glei-
chen Weise mit der Baugenehmigung verbunden (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 1); über § 169
Abs. 1 Nr. 3 BauGB gilt dies – zum Vierten – entsprechend für die entwicklungsrechtli-
che Genehmigung. Die fünfte an die Baugenehmigungsbehörde vergebene planungs-
rechtliche Genehmigung ist die Genehmigung zur Begründung oder Teilung von Woh-
nungseigentum nach § 22.
Die zu beachtenden Fristen für genehmigungsbedürftige Vorhaben im Geltungsbereich
einer Sanierungs-, Entwicklungs- bzw. Erhaltungssatzung wurden zwischen 2007 und
2011 schrittweise geändert; sie gelten gleichermaßen in Stadtumbaugebieten, sofern die
Gemeinde dort eine Durchführungssicherungssatzung erlassen hat. Beschränkt sich die
Genehmigungsbedürftigkeit allein auf von der Gemeinde selbst zu prüfende Belange, so
gelten die in § 22 Abs. 5 Sätze 2 bis 5 geregelten Fristen (im Falle von Sanierungs- und
Entwicklungssatzungen seit der BauGB-Novelle 2007, im Fall von Erhaltungssatzungen
und Durchführungssicherungssatzungen in Stadtumbaugebieten aufgrund der BauGB-
Novelle Erneuerbare Energien vom 12.4.2011). Danach wird der Gemeinde das Recht
zugestanden, die Frist von einem Monat nach Eingang des Antrags vor ihrem Ablauf zu
verlängern und dies dem Antragsteller mitzuteilen. Diese Verlängerungsoption beläuft
sich auf maximal drei Monate. Wenn nicht innerhalb dieser Frist eine Versagung erfolgt,
gilt die Genehmigung als erteilt (Genehmigungsfiktion). Ist bei Sanierungs- bzw. Ent-
wicklungssatzungen daneben auch eine baurechtliche Genehmigung oder eine baurecht-
liche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbe-
hörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt – in diesem Fall findet § 22 Abs. 5
Satz 4 weder direkt noch analog Anwendung. Eine Baugenehmigung im Geltungsbereich
einer Erhaltungssatzung ohne gemeindliches Einvernehmen ist insoweit rechtswidrig, so
schlussfolgert das Niedersächsische OVG im Zusammenhang mit einem vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren847.
Sofern im Verfahren Zweifelsfragen auftauchen, wird sich die Baugenehmigungsbehörde
in aller Regel mit dem Antragsteller in Verbindung setzen. In städtebaulich umstrittenen
Fällen ist die Frage nicht ohne Brisanz, ob sie auch die Nachbarn des Vorhabens anhören

845 In Brandenburg und Hamburg haben Baugenehmigungen Konzentrationswirkung, d. h. die Baugeneh-


migung schließt die für das Vorhaben erforderlichen weiteren behördlichen Entscheidungen des Baune-
benrechts, etwa zu den Vorgaben des Denkmalrechts, mit ein.
846 BVerwG, B. v. 25.10.1995 – 4 B 216/95 –, NVwZ 1996, 377; BVerwG, B. v. 6.11.1996 – 4 B 213/
96 –, NJW 1997, 1085.
847 OVG Niedersachsen, B. v. 10.9.2015 – 1 LA 90/15 –, ZfBR 2015, 790.

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Die Baugenehmigung IX.

sollte. Man könnte eine Pflicht dazu aus § 28 VwVfG (Anhörung Beteiligter) herleiten,
aber dies ist weder nach dem Text der Vorschrift noch nach deren Kommentierung im
wissenschaftlichen Schrifttum eindeutig zu beantworten. Nach herrschender Praxis wer-
den die Nachbarn nur bei solchen Genehmigungsentscheidungen vorher einbezogen, bei
denen entweder das Bundesrecht ausdrücklich die Berücksichtigung der Nachbarn for-
dert, wie z. B. bei der Erteilung von bauordnungsrechtlichen Abweichungen oder Befrei-
ungen nach § 31 Abs. 2, oder in denen die jeweilige Landesbauordnung die Einvernahme
der Nachbarn anordnet. Umgekehrt muss die Baugenehmigungsbehörde unverzüglich
den Bauantragsteller unterrichten, wenn ein Nachbar am Ende gegen die erteilte Bauge-
nehmigung Widerspruch einlegt; bei Unterlassung kann sie sich wegen Amtspflichtverlet-
zung schadensersatzpflichtig machen848.
§ 36 Abs. 1 Satz 1 sieht (durch Nichterwähnung des § 30 in der Reihe der Fälle, in
denen die Gemeinde an der Erteilung einer Baugenehmigung beteiligt werden muss)
vor, dass bei Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans die
Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit allein von der Baugenehmi-
gungsbehörde getroffen werden kann. Die Gemeinde muss aber auch hier vorab infor-
miert werden, damit sie über die Notwendigkeit einer Veränderungssperre befinden
kann.
c) Das gemeindliche Einvernehmen; Zustimmungserfordernisse. Wenn die Baugeneh-
migung dagegen unter Anwendung des § 31 (Ausnahme oder Befreiung) oder nach
§ 33 (während der Planaufstellung), § 34 (im unbeplanten Innenbereich) oder § 35
(im Außenbereich) erteilt werden soll, muss die Baugenehmigungsbehörde das Einver-
nehmen mit der Gemeinde herstellen. Die Vorschrift über das notwendige Einverneh-
men der Gemeinde hat folgenden Sinn: Träger der Planungshoheit ist die Gemeinde.
Die Erteilung von Baugenehmigungen ist aber nur in kreisfreien Städten und in größe-
ren kreisangehörigen Städten ein vom Staat delegiertes Aufgabenfeld der Gemeinde-
verwaltung. Für alle kleineren Gemeinden liegt die Zuständigkeit für die Erteilung von
Baugenehmigungen beim Landkreis (als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde). Mit
Rücksicht auf die Planungshoheit auch der kleineren Gemeinden ist es daher sinnvoll
und zweckmäßig, die Gemeinde am Genehmigungsvorgang zu beteiligen. Wenn die
Gemeinde allerdings einen qualifizierten Bebauungsplan aufgestellt hat, dann kommt
ihr planerischer Wille hinreichend in diesem Bebauungsplan zum Ausdruck. In diesem
Fall kann die Baugenehmigungsbehörde also allein entscheiden. Sofern die Baugeneh-
migungsbehörde (oder die Widerspruchsbehörde auf Beschwerde eines Bauantragstel-
lers) eine vom Bebauungsplan nicht gedeckte Baugenehmigung ausspricht, verletzt sie
die Planungshoheit und damit das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Die Ge-
meinde kann sich dann durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen diese
Rechtsverletzung wehren und die Baugenehmigung zu Fall bringen. Sie hat einen ein-
klagbaren „Planbefolgungsanspruch“849. Das Einvernehmen ist allerdings nur dann
erforderlich, wenn die Baugenehmigungsbehörde nicht Bestandteil der betreffenden
Gemeindeverwaltung ist850. Ob und wie sich die Ämter und Dezernate innerhalb einer
Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung abstimmen müssen, ist Sache der inneren Organisa-
tion. Das Erfordernis zum Einvernehmen lebt auch dann nicht wieder auf, wenn eine

848 BGH, U. v. 9.10.2003 – III ZR 414/02 –, ZfBR 2004, 165.


849 Vgl. BVerwG, U. v. 9.10.1981 – 4 C 42.78 –, ZfBR 1982, 43 und auch BVerfG, B. v. 7.10.1980 – 2
BvR 584/76 –, DVBl. 1981, 535; Bayerischer VGH, B. v. 16.4.1981 – 20 CS 80 D.61 –, BayVBl. 1981,
401 (Flughafenplanung); ebenso BVerwG, U. v. 10.8.1988 – 4 C 20/84 –, ZfBR 1989, 39.
850 BVerwG, U. v. 6.12.1967 – 4 C 94.66 –, BVerwGE 28, 268, bestätigt von BVerwG, B. v. 22.12.1989
– 4 B 211.89 –, juris.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Stadt im Widerspruchsverfahren von der höheren staatlichen Verwaltungsbehörde zur


Erteilung der Genehmigung verpflichtet wird851.
Auch in den Fällen, in denen das gemeindliche Einvernehmen nicht erforderlich ist
(also bei Vorhaben in Gebieten nach § 30), muss gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 sicherge-
stellt sein, dass die zuständige Gemeinde rechtzeitig von allen Vorhaben erfährt, damit
sie über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung (also eine Veränderungssperre,
die in der Regel mit dem Antrag auf einstweilige Zurückstellung oder Untersagung des
Vorhabens verbunden wird) entscheiden kann. Von dieser Regelung werden sowohl
genehmigungspflichtige als auch genehmigungsfreie Vorhaben erfasst. Die bürokra-
tisch einfachste Methode dürfte darin liegen, sowohl Baugesuche als auch die Mittei-
lung oder Anzeige bzw. Kenntnisgabe von genehmigungsfrei gestellten Vorhaben durch
den Bauherren immer über die örtlich zuständige Gemeindeverwaltung laufen zu las-
sen. Aus der Planungshoheit der Gemeinde ergibt sich auch, dass Zurückstellung und
Veränderungssperre auch gegenüber solchen Vorhaben eingesetzt werden dürfen, zu
denen die Gemeinde anderenfalls ihr Einvernehmen erteilen müsste oder dies sogar
schon getan hat852. In den älteren Fassungen des BauGB war für eine Reihe von pla-
nungsrechtlichen Maßnahmen und Genehmigungen die Zustimmung der höheren Ver-
waltungsbehörde erforderlich. Im Zuge der Entbürokratisierung sind diese Zustim-
mungspflichten immer weiter abgebaut worden. Bei Baugenehmigungen war die
Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde zunächst für alle Genehmigungen nach
§ 35 (Außenbereich) erforderlich. Seit dem 1. Mai 1993 ist eine derartige Zustimmung
der höheren Verwaltungsbehörde nur noch dann erforderlich, wenn die Landesregie-
rung dieses allgemein oder für bestimmte Fälle durch Rechtsverordnung festgelegt hat.
Die Zustimmungspflicht kann seitens der Landesregierung nur für Fälle nach § 35
Abs. 2 und 4 (nicht privilegiertes Bauen im Außenbereich) angeordnet werden. Sowohl
die Gemeinde als auch die höhere Verwaltungsbehörde dürfen ihr Einvernehmen bzw.
ihre Zustimmung nur verweigern, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Bau-
genehmigung nicht gegeben sind; ein Verwaltungsermessen steht ihnen dabei nach
herrschender Dogmatik nur dann zu, wenn sich die Vorschrift durch Verwendung der
Worte „kann“, „darf“ oder „soll“ als Ermessensvorschrift ausweist. Dies ist innerhalb
der §§ 30 bis 35 nur bei § 31, § 33 Abs. 2 und eigentlich auch bei § 35 Abs. 2 der
Fall; § 35 Abs. 2 wird vom BVerwG aber nicht als Ermessensvorschrift anerkannt
(siehe dazu oben Kapitel B.VIII. unter 6.). Die Gemeinde muss eine Versagung des
Einvernehmens nicht begründen; die Versagung darf auch auf Gründen beruhen, für
die die Gemeinde nicht direkt zuständig ist (z. B. Naturschutz). Steht ein Vorhaben
z.Β. mit § 35 nicht im Einklang, kann sich eine Gemeinde erfolgreich auf einen Verstoß
gegen ihre Planungshoheit berufen und das gemeindliche Einvernehmen versagen853.
In § 36 Abs. 2 ist den Gemeinden eine zweimonatige (nicht verlängerbare854) Frist
gesetzt, innerhalb derer sie über die Erteilung des Einvernehmens entscheiden müssen.
Nach tatenlosem Ablauf dieser Frist gilt das Einvernehmen unwiderleglich als erteilt.
Es kann auch nicht zurückgenommen werden. Die Gemeinde muss auch um ihre Mit-
wirkungslast wissen: Ein fehlerbehaftetes Ersuchen der Baugenehmigungsbehörde darf
die Gemeinde nicht unbeachtet lassen; das ist auch dann nicht möglich, wenn keine
eindeutige Frist angegeben ist. Im Zweifelsfall muss sie sich an die Genehmigungsbe-
hörde wenden und um Klarstellung bitten. Reagiert sie hingegen gar nicht, kann die
sog. Einvernehmensfiktion greifen, wonach nach Ablauf der zweimonatigen Frist das

851 BVerwG, U. v. 19.8.2004 – 4 C 16.03 –, ZfBR 2004, 805 unter Aufgabe der bisherigen Rechtspre-
chung.
852 Ebenso BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 –, ZfBR 2004, 460.
853 VGH Bayern, U. v. 10.12.2007 – 1 BV 04/843 –, BauR 2008, 654. Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz,
U. v. 13.3.2006 – 8 A 11309/05 –, BauR 2006, 1873.
854 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 –, UPR 1997, 252.

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Die Baugenehmigung IX.

Einvernehmen als erteilt gilt.855 Da die Bauaufsichtsbehörde ein rechtswidrig versagtes


Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 Abs. 2 Satz 3 ersetzen kann, haftet ausschließ-
lich die Bauaufsichtsbehörde (eine Haftung der Gemeinde kommt trotz der Versagung
des Einvernehmens hingegen nicht in Betracht)856.
Durch die Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 3 wird die Ersetzung des Einvernehmens
nicht nur als Maßnahme der Kommunalaufsicht per Ersatzvornahme möglich (was
eine vorherige Androhung voraussetzt und als Verwaltungsakt von der Gemeinde selb-
ständig anfechtbar ist), sondern auch als verwaltungsinterner Verfahrensakt, der von
der Gemeinde nur durch Anfechtung der Baugenehmigung zum Gegenstand eines
Rechtsstreits gemacht werden kann. Selbstverständlich ist die Gemeinde auch klagebe-
fugt, wenn eine Baugenehmigung gänzlich ohne ihr erforderliches Einvernehmen aus-
gefertigt wird857; wiederum zeigt sich, dass ihre Planungshoheit „wehrfähig“ ist858.
Nach dem OVG Brandenburg ist das Einvernehmen der Gemeinde auch dann noch
erforderlich, wenn ein planungsrechtlicher Vorbescheid bereits erteilt worden ist859.
Das trifft jedenfalls dann zu, wenn der endgültige Bescheid in manchen Punkten vom
Vorbescheid abweicht. Auch im laufenden Genehmigungsverfahren sind Vorhabensän-
derungen (einschließlich der Standortänderung) grundsätzlich noch möglich. Verfah-
rensschritte brauchen nicht wiederholt zu werden, wenn die Änderung keine nachteili-
gen Auswirkungen hat.860 Eine gewisse Verdünnung der Rechte der Gemeinden
besteht allerdings bei baulichen Vorhaben des Bundes und der Länder: Nach § 37
Abs. 1 entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde bei derartigen Vorhaben allein,
wenn das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde nicht erreicht worden ist; die
höhere Verwaltungsbehörde kann dabei auch von den Vorschriften des BauGB abwei-
chen, wenn die besondere öffentliche Zweckbestimmung der baulichen Anlage dies
„erforderlich macht“861. Bei Vorhaben, die der Landesverteidigung, der Bundespolizei
oder der Zivilverteidigung dienen, ist von vornherein nur die Zustimmung der höheren
Verwaltungsbehörde erforderlich (§ 37 Abs. 2). Ist auch diese nicht einverstanden, ent-
scheidet das Bundesministerium für Verteidigung im Einvernehmen mit den beteiligten
Bundesministerien und im Benehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde.
Der Bund kann sich also im Zweifel selbst gegen den Widerstand einer Landesregie-
rung durchsetzen.
Wenn die einmal errichtete Anlage für Verteidigungszwecke im Außenbereich jedoch
wieder aufgegeben wird, unterliegt sie ganz normalem Bauordnungsrecht. Unter den
in der Bauordnung geregelten Voraussetzungen kann ihre Beseitigung angeordnet wer-
den.862
2. Baugenehmigung und Eingriffsregelung nach dem Naturschutzrecht
Wenn ein Vorhaben nach § 35 BauGB genehmigt wird, ist über die erforderliche Kom-
pensation (einschließlich einer Ausgleichszahlung) im Rahmen des Baugenehmigungs-
verfahrens zu befinden (vgl. § 17 Abs. 1 BNatSchG). Durch § 18 Abs. 3 BNatSchG ist
darüber hinaus angeordnet, dass alle Entscheidungen über die Errichtung von bauli-
chen Anlagen nach § 34 (mit Ausnahme von Vorhaben im Bereich von Ergänzungssat-
zungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3) und nach § 35 Abs. 1 (privilegierte Vorhaben)

855 Vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.12.2010 – 8 B 1426/10 –, BauR 2011, 1296.
856 BGH, U. v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 –, BauR 2011, 495.
857 Hessischer VGH, B. v. 18.6.1984 – 4 TG 506/84 –, NVwZ 1984, 738; BVerwG, B. v. 24.5.1984 – 4
CB 2/84 –, NVwZ 1985, 566.
858 BVerwG, U. v. 8.9.1972 – 4 C 17.71 –, BVerwGE 40, 323.
859 OVG Brandenburg, B. v. 4.11.1996 – 3 B 134/96 –, BauR 1997, 90.
860 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen. U. v. 18.8.2009 – 8 A 613/08 –, BauR 2010, 199.
861 Vgl. BVerwG, U. v. 14.2.1991 – 4 C 20/88 –, ZfBR 1991, 176 (Richtfunkturm der Bundespost in der
Ortslage).
862 Beispiel: BVerwG, B. v. 21.11.2000 – 4 B 36.00 –, ZfBR 2001, 200.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

und Abs. 4 (begünstigte Vorhaben) im Benehmen mit den für Naturschutz und Land-
schaftspflege zuständigen Behörden ergehen müssen – dies gilt unabhängig davon, ob
mit den betreffenden Vorhaben ein Eingriff verbunden ist.
Nur für Vorhaben nach § 35 BauGB greift die Eingriffsregelung des BNatSchG i. V. m.
Landesrecht uneingeschränkt, so dass dort eine „Vollkompensation“ vorgeschrieben
ist. Hingegen sind nach § 18 Abs. 2 BNatSchG die Vorschriften der Eingriffsregelung
auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB, auf Vorhaben wäh-
rend der Planaufstellung nach § 33 und auf Vorhaben im Innenbereich nach § 34
BauGB „nicht anzuwenden“. Damit scheidet dort auch die Erhebung einer Ausgleichs-
abgabe aus. Sofern ein Gebiet nach § 34 nachträglich mit einem Bebauungsplan verse-
hen („überplant“) wird, ist ein naturschutzrechtlicher Ausgleich nur insoweit erforder-
lich, als der (mögliche) Eingriff nicht bereits nach § 34 BauGB zulässig gewesen wäre.
Das gilt auch für bereits mit einem Bebauungsplan überplante Gebiete, wenn z. B. die
überbaubare Grundstücksfläche vergrößert wird. Kompensation ist also nur für neues
Baurecht geboten, das über das hinausgeht, was bis zum Zeitpunkt der Neuplanung
nach § 34 BauGB, nach Alt-Bebauungsplan (§ 30 BauGB) oder auch nach Fachpla-
nungsrecht (Planfeststellung) bereits zulässig war.
Fazit: Die Eingriffsregelung ist für das Baugenehmigungsverfahren materiell nur inso-
weit von Interesse, als es um Genehmigungen nach § 35 BauGB geht. Für diese Fälle
gilt dann allerdings der volle Kompensationskatalog nach dem Bundesnaturschutzge-
setz i. V. m. dem jeweiligen Landesrecht. Für alle unvermeidbaren Eingriffsfolgen kön-
nen und müssen physische Kompensationsmaßnahmen gefordert werden. Wenn und
soweit diese nicht vorgenommen werden können oder untunlich sind, sind Ausgleichs-
zahlungen in Geld zu fordern. Die Bemessung der Ausgleichszahlungen richtet sich
wiederum nach Landesrecht. Als Anknüpfungspunkt werden entweder die hypotheti-
schen Kosten der unterbliebenen physischen Kompensationsmaßnahmen benutzt oder
bestimmte Listen, mit deren Hilfe sowohl der Eingriff als auch die gebotene Kompen-
sation durch ein Punkt- oder Wertstufensystem bewertet werden können. Ein Beispiel
für ein Wertstufensystem ist der Brandenburgische Erlass zur Kompensation von Be-
einträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen863; Beeinträchti-
gungen des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen lassen sich regelmäßig nicht
vollständig kompensieren. Daher ergeben sich aus dem Erlass erforderliche Ersatzzah-
lungen, die aus Dauerhaftigkeit und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der
dem Verursacher erwachsenden Vorteile abgeleitet werden. Hessen bedient sich einer
eigenen Kompensationsverordnung, die eine stark ausdifferenzierte Wertliste nach
Nutzungstypen enthält. Bei der Bemessung des Ausgleichs sind alle Schutzgüter des
Naturschutzrechts funktionsbezogen, unterschieden nach biotischen und abiotischen
Komponenten des Naturhaushalts und dem Landschaftsbild abzuarbeiten864. Außer-
halb der Genehmigungen nach den §§ 30, 33 sowie innerhalb von Gebieten mit
Satzungen nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 (Ergänzungssatzung) ist das Benehmen mit den Na-
turschutzbehörden herzustellen (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG). Diese „Sonderbe-
handlung“ ist deshalb gerechtfertigt, weil in diesen Fällen über etwa erforderliche
Maßnahmen zum Ausgleich bereits im Rahmen der Aufstellung des zugehörigen B-
Plans bzw. der Satzung nach § 34 entschieden worden ist (vgl. § la Abs. 3 und § 34
Abs. 5 Satz 4 BauGB).

863 Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft zur Kompensation
von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen des Landes Brandenburg
vom 10. März 2016.
864 Vgl. VG Berlin zur geplanten Grünanlage „Schöneberger Schleife – Grünzug Wannseebahngraben“, B.
v. 24.9.2015 – VG 24 L 63.15 –, openjur.de

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Die Baugenehmigung IX.

3. Anfechtungsklagen gegen und Verpflichtungsklagen auf Erteilung von


Baugenehmigungen; Nachbarschutz und Gebot der Rücksichtnahme
Hat die Baugenehmigungsbehörde die Erteilung einer Baugenehmigung nach Ansicht
des Antragstellers zu Unrecht verweigert, so kann er versuchen, sein Recht durch eine
Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht zu erstreiten. Wie die Versagung ei-
ner Baugenehmigung ist die Baugenehmigung selbst zunächst ein feststellender Verwal-
tungsakt. Durch eine Baugenehmigung wird bescheinigt, dass dem Vorhaben keine
öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus dem Zuständigkeitsbereich der Bauaufsichtsbe-
hörde entgegenstehen. Neben diesem feststellenden Teil hat jede Baugenehmigung ge-
genüber einer Versagung aber auch noch begünstigende Wirkung, weil mit der Aus-
händigung der Urkunde – „dem Bauschein“ – das Verbot, mit dem Bau einer
genehmigungspflichtigen Anlage ohne Bauschein zu beginnen, gegenstandslos und da-
mit der Bau freigegeben wird. Um gegen eine Versagung mit dem Ziel vorzugehen,
diese in eine Baugenehmigung zu wenden, ist die Verpflichtungsklage, mit der der
Erlass von begünstigenden und auch von feststellenden Verwaltungsakten erstritten
wird, die richtige Klageart. Prozessual schwieriger wird es, wenn eine bereits erteilte
Baugenehmigung von einem Nachbarn angegriffen wird, der sich durch das geneh-
migte Vorhaben in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt. Der Nachbar muss dazu eine
Anfechtungsklage erheben mit dem Ziel, die Aufhebung der Baugenehmigung zu errei-
chen. Wurde die Baugenehmigung dem Nachbarn nicht amtlich bekanntgegeben, dann
kann er eine maximal einjährige Widerspruchsfrist in Anspruch nehmen. Diese Frist
läuft von dem Zeitpunkt an, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis von der Genehmi-
gung hatte oder hätte haben müssen (etwa weil er die Bauarbeiten deutlich wahrneh-
men konnte). Der Nachbar verwirkt sein Klagerecht, wenn er nach außen trotz Kennt-
nis der Bauarbeiten über längere Zeit den Eindruck erweckt, er habe gegen den Bau
nichts einzuwenden865. Selbst gegenüber gänzlich ungenehmigten Bauten kann der
Nachbar seine Abwehrrechte verwirken, wenn er in Nichtstun verharrt866.
Widerspruch und Anfechtungsklage „eines Dritten“ (also eines Nachbarn) gegen die
bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens lösen seit dem 1.1.1998 generell kei-
nen Suspensiveffekt im Sinne des § 80 VwGO mehr aus. Dies regelt § 212a Abs. 1
BauGB, sodass die Wirkungskraft der Genehmigung nicht aufgehoben wird. Die Regel
des § 80a VwGO, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei Verwaltungs-
akten mit Doppelwirkung aufschiebende Wirkung haben, ist damit im Bereich der
Baugenehmigungen aufgehoben. Das bedeutet allerdings nicht, dass dem Nachbarn
kein einstweiliger Rechtsschutz zukommen könnte; es bedeutet nur, dass er diesen
einstweiligen Rechtsschutz besonders beantragen und – bei Ablehnung durch die Ver-
waltung – gerichtlich durchsetzen muss. (Näheres zum Suspensiveffekt und zum einst-
weiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Baugenehmigungen siehe oben Kapitel
A.V. im Abschnitt 3. „Einstweiliger Rechtsschutz“).
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Nachbarklage ist, dass der Kläger durch die
nicht an ihn, sondern an seinen Nachbarn gerichtete Baugenehmigung in „seinen“
Rechten verletzt ist. Diese Frage ist anhand unterschiedlicher Kriterien zu beantwor-
ten, je nachdem, ob die Genehmigung nach § 30 (i. V. m. § 31), nach § 34 oder nach
§ 35 erteilt worden ist.
Bei Baugenehmigungen, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans erteilt worden
sind, führt eine Nachbarklage jedenfalls dann zum Erfolg, wenn die Genehmigung
unter Verstoß gegen oder unter rechtswidriger Befreiung von einer „nachbarschützen-
den“ Festsetzung erteilt worden ist. Nachbarschützend sind nicht alle Festsetzungen

865 Vgl. BVerwGE 44, 294 bestätigt durch BVerwG ZfBR 1988, 41 und BVerwG ZfBR 1988, 144 und
BVerwG NVwZ 1991, 1182; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 13.32017 – 8 A 11416/16.OVG –,
ZfBR 2016, 483.
866 BVerwG, B. v. 13.8.1996 – 4 B 135.96 –, BauR 1997, 281.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

eines Plans, sondern nur solche, die auch und gerade dem Schutz der vom Plan Betrof-
fenen dienen (und nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Entwick-
lung des Baugebiets und der Gemeinde). Entscheidend ist, ob ein durch den Bebau-
ungsplan zwischen den Grundeigentümern gewährleistetes „Austauschverhältnis“, ein
gegenseitiges Geben und Nehmen im Hinblick auf bestimmte Beschränkungen, durch
die Abweichung gestört wird. Wenn alle Gebäude eine bestimmte Höhe nicht über-
schreiten dürfen, damit alle Eigentümer eine unverbaubare Aussicht haben, dann ist
die Festsetzung der Gebäudehöhe nachbarschützend. Wenn es „nur“ um das histori-
sche Ortsbild geht, ist die entsprechende Festsetzung von „H“ nicht nachbarschüt-
zend. Durch eine Vielzahl von Nachbarrechtsprozessen ist im Wesentlichen geklärt,
welche Festsetzungen in einem B-Plan nachbarschützend sind und welche nicht. Nach-
barschützend sind (kraft Bundesrechts) Festsetzungen über die Art der Nutzung867;
nicht nachbarschützend sind (i. d. R.) Festsetzungen zur GRZ und GFZ868; Festsetzun-
gen über die Zahl der Vollgeschosse können nachbarschützend sein, ebenso Festset-
zungen von Baulinien und Baugrenzen. Sofern bei diesen letzteren Festsetzungen (ein-
schließlich der Maß-Festsetzungen) eine nachbarschützende Wirkung beabsichtigt ist,
muss dies in der Begründung zum Bebauungsplan deutlich zum Ausdruck gebracht
werden; die Entscheidung darüber liegt bei der festsetzenden Gemeinde869. Zum nach-
barschützenden Charakter von Maßfestsetzungen empfiehlt sich die Lektüre einer Ent-
scheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2017870 und des BVerwG vom
9.8.2018871. Die Befreiung nach § 31 Abs. 2 kann nachbarschützende Wirkung haben.
Sie verletzt den Nachbarn dann, wenn die Behörde bei der Ermessensentscheidung
nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat872. Die
Regelungen der Landesbauordnungen zum Abstandsflächenrecht sind nachbarschüt-
zend.
Die bloße Einhaltung der Abstandsflächen befreit jedoch die Bauaufsichtsbehörde
nicht davon zu prüfen, ob in ausreichender Weise auf die Nachbarbelange Rücksicht
genommen wird873. Vor diesem Hintergrund kann eine Nachbarklage im Geltungsbe-
reich eines Bebauungsplans auch dann Erfolg haben, wenn die Genehmigung nicht
gegen nachbarschützende Festsetzungen verstößt. Das ist zunächst dann der Fall, wenn
die Genehmigung mit dem B-Plan übereinstimmt, aber der B-Plan selbst durch die
in ihm enthaltenen (oder nicht enthaltenen) Festsetzungen die rechtlich geschützten
Interessen des Nachbarn außer Acht lässt. Ein solcher Plan würde im Rahmen der
inzidenten Normenkontrolle als nichtig befunden werden; dies würde in der Regel
auch zur Aufhebung der Baugenehmigung führen (es sei denn, sie könnte über § 34
oder § 35 gerechtfertigt werden). Aber auch wenn der Bebauungsplan der inzidenten
Überprüfung standhält und die Baugenehmigung „nur“ gegen nicht nachbarschüt-
zende Festsetzungen verstößt, kann der klagende Nachbar Erfolg haben, wenn der
genehmigte Bau in qualifizierter Weise das Gebot der Rücksichtnahme verletzt (Bei-
spiel: Windenergieanlage in einem Industriegebiet mit nur 170–200 m Entfernung zu

867 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 31.5.1985 – 10 B 308/85 –, NVwZ 1985, 592; BVerwG, U. v.


16.9.1993 – 4 C 28/91 –, UPR 1994, 69.
868 BVerwG, B. v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 –, BauR 1995, 823.
869 Hamburgisches OVG, B. v. 3.5.1994 – BS II 18/94 –, BauR 1995, 213 (Maß der Nutzung nicht nachbar-
schützend); OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 24.5.1996 – 11 B 970/96 –, BauR 1997, 82 (Baugrenze nicht
nachbarschützend); OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.7.1994 – 10 B 10/94 –, BauR 1995, 211 (hintere
Baugrenze nicht nachbarschützend); OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 6.2.1996 – 11 B 3046/95 –, BauR
1996, 684 (Festsetzung von Hausformen – Einzel- oder Doppelhäuser – nicht nachbarschützend); VGH
Bayern, B. v. 6.3.2007 – 1 CS 2764/06 –, BauR 2008, 565 (Baugrenze nicht nachbarschützend).
870 OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 30.6.2017 – OVG 10 B 10.15 –, ZfBR 2018, 62.
871 BVerwG, U. v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 –, NVwZ 2018, 1808.
872 Vgl. BVerwG, U. v. 19. 9.1986 – 4 C 8.84 –, BauR 1987, 70.
873 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 9.2.2009 – 10 B 1713/08 –, BauR 2009, 775.

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Die Baugenehmigung IX.

einem reinen Wohngebiet874). Diese Möglichkeit hat das BVerwG in seiner Rechtspre-
chung vor allem aus der entsprechenden Anwendung des § 15 BauNVO unter Berück-
sichtigung der Interessenbewertung des § 31 Abs. 2 BauGB abgeleitet. Aus diesen bei-
den Vorschriften ist Folgendes abzuleiten:
– Gemäß § 15 BauNVO sind Vorhaben unzulässig, die „eigentlich“ in dem betref-
fenden Baugebiet zulässig sind, wenn von ihnen im konkreten Fall unzumutbare
Beeinträchtigungen ausgehen. Dieser Grundsatz ist allgemein anwendbar: Was abs-
trakt zulässig erscheint, kann aufgrund konkreter Zusatzbedingungen dennoch un-
zulässig sein; § 15 BauNVO ist somit Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, er
konkretisiert das Gebot der Rücksichtnahme.
– Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB darf von den Festsetzungen eines B-Plans nur dann
durch die Erteilung einer Befreiung abgewichen werden, wenn dies auch mit nach-
barlichen Belangen vereinbart werden kann (auch darin kommt das Gebot der
Rücksichtnahme zum Ausdruck).
Aus der Zusammenschau beider Vorschriften ergibt sich, dass ein Nachbar auch in sol-
chen Fällen nicht schutzlos sein darf, in denen er durch eine Baugenehmigung unzumut-
bar betroffen wird, die sich ohne Bezugnahme auf § 31 Abs. 2 BauGB und außerhalb des
Geltungsbereichs der BauNVO nicht an die Vorgaben des Plans hält. Denn wenn schon
gegenüber Baugenehmigungen, die in Übereinstimmung mit den Festsetzungen eines B-
Plans (auch eines Alt-Plans, z. B. dem Hamburger Baustufenplan875) erteilt worden sind,
eine Verletzung des § 15 BauNVO geltend gemacht werden kann, und wenn eine im Übri-
gen mögliche Befreiung an den Belangen des Nachbarn scheitern kann, dann muss dies
im Ergebnis erst recht gelten, wenn eine Baugenehmigung im Widerspruch gegen vorhan-
dene Festsetzungen ohne Befreiung erteilt wird. Dies gilt im Prinzip auch dann, wenn die
Planfestsetzungen als solche nicht nachbarschützend sind.
Nach der hochabstrakten Formel des BVerwG führt eine Verletzung des Gebots der
Rücksichtnahme für Nachbarn aber nur in den Ausnahmefällen zum Erfolg, in denen
„in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen
eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“. Solche Aus-
nahmefälle liegen vor, wenn – erstens – die tatsächlichen Umstände handgreiflich erge-
ben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist, und – zweitens – eine besondere rechtliche
Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist876.
Entsprechende Grundsätze gelten bei Nachbarklagen gegen Befreiungen: Sie sind
„ohne Weiteres“ erfolgsgekrönt, wenn von nachbarschützenden Festsetzungen ohne
Zustimmung des Nachbarn befreit wurde. Auch wenn die Festsetzung, von der befreit
wurde, nicht nachbarschützend ist, kann eine Klage ausnahmsweise erfolgreich sein,
wenn im Einzelfall in qualifizierter und individualisierter Weise gegen das Gebot der
Rücksichtnahme verstoßen worden ist877. Auch die Erteilung von Ausnahmen nach
§ 31 Abs. 1 BauGB kann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen878. Bei Bau-
genehmigungen im unbeplanten Innenbereich (ohne jeglichen Bebauungsplan) und im
Außenbereich scheidet ein Verstoß gegen Festsetzungen eines B-Plans naturgemäß aus.

874 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 22.10.1996 – 10 B 2385/96 –, BauR 1997, 280.


875 Hamburgisches OVG, B. v. 4.5.2009 – 2 Bs 154/08 –, DVBl 2009, 1057.
876 So BVerwG, U. v. 5.8.1983 – 4 C 96/79 –, NJW 1984, 138; bestätigt von BVerwG, U. v. 6.10.1989 –
4 C 14/87 –, ZfBR 1990, 34 (35).
877 Vgl. OVG Berlin, U. v. 18.9.1992 – 2 B 16.89 –, UPR 1993, 72 (Öffentliche Bedürfnisanstalt auf
Straßenland ist gegenüber angrenzender Wohnbebauung nicht rücksichtslos); BVerwG, B. v. 3.5.1996
– 4 B 50.96 –, BauR 1996, 678 („Wertstoffhof“ mit Flascheneinwurfcontainern ist auch im WR, weil
sozialadäquat, im Wege der Befreiung zulässig).
878 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 7.6.1994 – 10 B 2923/93 –, BauR 1995, 66 und OVG Nord-
rhein-Westfalen, B. v. 1.7.1994 – 11 B 620/94 –, BauR 1995, 69 (Kindertagesstätte mit Auslauf in als
Ruhezone festgesetzten Garteninnenhofbereich in WR nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1990 unzulässig;
zulässig im Reihenmittelhaus in WR).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Unmittelbar aus der Einfügungsklausel des § 34 Abs. 1 oder unmittelbar aus § 35


(z. B. wegen Beeinträchtigung von „öffentlichen Belangen“) kann ein Anspruch auf
Nachbarschutz nicht hergeleitet werden879. Allerdings besteht im Anwendungsbereich
des § 34 Abs. 2 BauGB – also bei entsprechender Anwendbarkeit der Vorschriften der
BauNVO über die Art der baulichen Nutzung, weil die tatsächlich vorhandene Bebau-
ung einem der Gebiete der BauNVO entspricht – derselbe Nachbarschutz, wie er be-
stünde, wenn das vorgefundene Gebiet durch B-Plan förmlich festgesetzt wäre880.
Auch wenn die §§ 34 und 35 BauGB im Kern nicht nachbarschützend sind, so gelten
doch auch hier die soeben herausgearbeiteten Grundsätze des Gebots der Rücksicht-
nahme, das „als Bestandteil des einfachen Rechts“ (hier: § 34 oder § 35) nachbarliche
Nutzungskonflikte lösen helfen soll881: Auch hier wird ausnahmsweise Schutz ge-
währt, wenn – erstens – die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen
Rücksicht zu nehmen ist, und – zweitens – eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit
des Betroffenen anzuerkennen ist. Das Gebot der Rücksichtnahme gehört somit auch
im Außenbereich zu den ungeschriebenen öffentlichen Belangen des § 35 Abs. 3; mit
der Folge, dass Außenbereichsvorhaben, die an sich privilegiert sind, aber auf die
Interessen Dritter nicht genügend Rücksicht nehmen, genehmigungsunfähig sein kön-
nen882. Im Ergebnis läuft dies alles auf eine Güterabwägung hinaus: Der Nachbar
kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch
das in Rede stehende Vorhaben berührt werden kann; umgekehrt braucht derjenige,
der die Baugenehmigung in Anspruch nehmen will, umso weniger Rücksicht zu neh-
men, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind883.
Das Bild 53 stellt den Sachverhalt noch einmal zusammenfassend dar.

Bild 53: Nachbarschutz


Nachbarschutz genießt derjenige, der durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Baugenehmigung) „in
seinen Rechten verletzt“ ist (§ 113 VwGO)
Im Bereich von VORAB: Inzident-Kontrolle, ob der Plan insgesamt auch unter Berücksichtigung der
B-Plänen Nachbarbelange gerecht abgewogen ist.
WENN NEIN: Plan unwirksam.
SODANN: Prüfung, ob der Plan nachbarschützende Festsetzungen enthält, gegen
die zulasten des Klägers verstoßen wurde.
WENN JA: Nachbar hat Erfolg mit seiner Anfechtungsklage gegen die Baugenehmi-
gung.
WENN NEIN: Prüfung, ob sonstige Festsetzungen nicht eingehalten wurden und der
Nachbar dadurch in qualifizierter Weise und individuell besonders in schutzwürdigen
Interessen betroffen wurde.
WENN JA: Anfechtungsklage hat Erfolg wegen „qualifizierten und individualisierten
Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme“.

879 Zu § 34 BBauG: BVerwG, U. v. 13.6.1969 – 4 C 234.65 –, BVerwGE 32, 173; zu § 35 BBauG: BVerwG,
U. v. 6.12.1967 – 4 C 94.66 –, BVerwGE 28, 268; BVerwG, U. v. 21.10.1968 – 4 C 13.68 –, DVBl.
1969, 263.
880 Zur Zulässigkeit eines Wettbüros (Vergnügungsstätte) innerhalb des im Zusammenhang bebauten Orts-
teils vgl. Hessischer VGH, B. v. 25.8.2008 – 3 UZ 2566/07 –, BauR 2009, 781; vgl. auch OVG Nord-
rhein-Westfalen, B. v. 4.9.2001 – 10 B 332/01 –, UPR 2002, 160. Zur Frage von Nachbarschutz gegen
Abweichungen von nicht nachbarschützenden Vorschriften eines B-Plans und zur Frage des Nachbar-
schutzes im unbeplanten Innenbereich vgl. Hessischer VGH, B. v. 25.8.2008 – 4 B 1320/08 –, BauR
2009, 618. Zur an einen Gewerbebetrieb heranrückende Wohnbebauung vgl. OVG Nordrhein-Westfa-
len, U. v. 1.6.2011 – 2 A 1058/09 –, BauR 2012, 476.
881 So BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 4 B 152/93 –, GewArch 1994, 250; ähnlich schon BVerwG, U. v.
30.8.1985 – 4 C 50/82 –, NJW 1986, 393 (privater Tennisplatz in Wohngebiet).
882 BVerwG, U. v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 –, BauR 1977, 244 (Neuer Stall für 300 Mastschweine neben
rechtmäßig errichteten Wohnhäusern).
883 BVerwG, B. v. 20.9.1984 – 4 B 181/84 –, NVwZ 1985, 37 u. 38; OVG Berlin, U. v. 18.5.1984 – 2 B
151.83 –, BauR 1985, 434.

372

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Die Baugenehmigung IX.

In Gebieten GRUNDSATZ: Kein Nachbarschutz allein über das Einfügungsgebot, wohl aber bei
nach § 34 entsprechender Anwendung der BauNVO im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB.
AUSNAHME: Der Nachbar ist durch die erteilte Baugenehmigung in qualifizierter
Weise und individuell besonders in schutzwürdigen Interessen betroffen (Gebot der
Rücksichtnahme). (= Nachbarschutz in entsprechender Anwendung der Rechtsge-
danken in § 15 BauNVO und in § 31 Abs. 2 BauGB: Im Einzelfall kann auch das mit
Rücksicht auf einen Nachbarn unzulässig sein, was sonst zulässig wäre.)
In Gebieten GRUNDSATZ: Kein Nachbarschutz.
nach § 35 AUSNAHME: Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme: Dazu muss „in qualifi-
zierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen Rücksicht zu neh-
men sein.
Dies gilt für diejenigen Ausnahmefälle, in denen – erstens – die tatsächlichen Um-
stände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist und – zweitens –
eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist“
(BVerwG NJW 1984, 138/139).

Insgesamt ist zu beachten, dass die Vorschriften des BauGB nach der Rechtsprechung
des BVerwG grundsätzlich nur den Eigentümern benachbarter Grundstücke Nachbar-
schutz gewähren, nicht aber den Mietern benachbarter Wohnungen oder Gewerbestät-
ten884. Dieser Grundsatz ist allerdings umstritten, besonders nachdem das Bundesver-
fassungsgericht885 den Mietern von Wohnungen einen eigentumsähnlichen Status
attestiert hat.
4. Die Möglichkeiten des Einschreitens gegen nicht genehmigte bauliche Vorhaben
In der Bundesrepublik Deutschland wie in ganz Nordeuropa sind Rechtstreue und
Ordnungssinn der Bürger sowie die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
immer noch so intakt, dass bauliche Vorhaben nur selten ohne die erforderliche Bauge-
nehmigung begonnen werden. In den Mittelmeerländern war die Quote der ohne Bau-
genehmigung errichteten Gebäude dagegen zumindest in der Vergangenheit erheblich
größer. Im Weichbild der Großstädte der Türkei wurden ganze Stadtteile – die sog.
gecekondular – ohne Genehmigung, zum Teil auf fremdem Grund und Boden errichtet.
Den zuständigen Behörden blieb angesichts der Anzahl und der Tatkraft der Bewohner
dieser Gebiete oft gar nichts anderes übrig, als die Siedlungen nachträglich zu legalisie-
ren. Derartige Siedlungen finden sich auch in Italien und in Portugal. Die Bauaufsichts-
behörden in der Bundesrepublik Deutschland brauchen nicht mit illegal errichteten
Stadtteilen zu kämpfen. Dennoch gibt es auch hier Bereiche, die für sog. Schwarzbau-
ten sehr anfällig sind. Dies ist vor allem der Außenbereich, in dem unversehens und
ungenehmigt Wochenendhäuser gebaut werden. Aber auch im Innenbereich gibt es
sensible Zonen, in denen das Bauen ohne Baugenehmigung durchaus häufig ist, so
z. B. der unerlaubte Ausbau von Dach- und Kellergeschossen und unerlaubte Nut-
zungsänderungen.
Wenn die Bauaufsichtsbehörde derartige Vorgänge aufdeckt, kann sie ihr Eingriffsins-
trumentarium erfolgreich dagegen anwenden. Manche genehmigungspflichtigen, aber
nicht genehmigten baulichen Veränderungen können zwar nur entdeckt werden, wenn
die Beamten der Bauaufsicht befugt sind, das Grundstück und das Gebäude zu betre-
ten. Dies ist aber durch die Bauordnungen gesichert: Die Vollzugsbeamten der Bauauf-
sicht dürfen fremde Grundstücke und bauliche Anlagen einschließlich der Wohnungen
betreten. Regelungen hierzu finden sich in der jeweiligen Landesbauordnung i. d. R.
unter der Überschrift „Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden“. Das
Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ist insoweit eingeschränkt.

884 St.Rspr. des BVerwG, B. v. 11.7.1989 – 4 B 33/89 –, ZfBR 1990, 106.


885 BVerfG, B. v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93 –, NJW 1993, 2035 (Mieter genießen eigentümerähnlichen
Status).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bevor die Bauaufsichtsbehörde ein Abrissunternehmen herbeiruft, um ein ohne Bauge-


nehmigung errichtetes Wochenendhaus beseitigen zu lassen, muss sie allerdings eine
sehr wichtige Prüfung anstellen: Sie muss klären, ob das Gebäude nicht nur formell
rechtswidrig, d. h. ohne Baugenehmigung errichtet worden ist, sondern ob es auch
materiell rechtswidrig ist. Die formelle Baurechtswidrigkeit ergibt sich ohne Weiteres
aus dem Fehlen der Baugenehmigung, wenn es sich nicht um ein genehmigungs-/ver-
fahrensfreies oder nur anzeigepflichtiges Vorhaben handelt. Materiell rechtswidrig ist
ein Vorhaben aber erst und nur dann, wenn es auch bei rechtzeitigem Genehmigungs-
antrag nicht genehmigungsfähig gewesen wäre und auch später nicht hätte genehmigt
werden können. Selbst eine vorübergehende Genehmigungsfähigkeit reicht aus, wenn
der Zeitraum der materiellen Rechtmäßigkeit wenigstens so lange währte, wie zur
Genehmigung eines Baugesuchs erforderlich ist. Wenn ein Bauherr sich nur die Kosten
des Genehmigungsverfahrens sparen wollte, im Übrigen aber so gebaut hat, wie es
irgendwann hätte genehmigt werden können, dann ist sein Gebäude zwar formell,
aber nicht materiell rechtswidrig. Die Behörde darf dieses Haus keineswegs abreißen
lassen. Das Bauen ohne Baugenehmigung kann insoweit nur als Ordnungswidrigkeit
mit einer Geldbuße belegt werden. Die Gebühr für die nachträglich erteilte Baugeneh-
migung darf – wegen des erhöhten Aufwands, nicht als „Strafe“ – bis zu dreifach
höher sein als sie bei einer ordnungsgemäß beantragten Genehmigung gewesen wä-
re886. Der Katalog möglicher Ordnungswidrigkeiten ist in den Landesbauordnungen
geregelt.
Durch den Ausspruch einer Geldbuße kann und sollte das Bauen ohne Genehmigung
im Ergebnis teurer werden als das Bauen mit Genehmigung; auf diese Weise dürfte
der Anreiz entfallen, sich die Einholung einer Genehmigung „zu sparen“. Wenn die
Baugenehmigungsbehörde einen pflichtvergessenen Bauherrn schon während der Bau-
arbeiten beim Bauen ohne Genehmigung ertappt, darf sie die Stilllegung der Bauarbei-
ten so lange anordnen, bis der Genehmigungsvorgang nachgeholt ist. Auch eine Nut-
zungsuntersagung für bereits fertiggestellte Teile oder die ganze Anlage (z. B. einen
ohne Genehmigung errichteten Campingplatz) ist möglich. Eine Abrissverfügung, eine
Beseitigungsanordnung ist nur dann zulässig und nur dann auszusprechen, wenn die
bauliche Anlage oder eine Nutzungsänderung materiell illegal, also nicht genehmi-
gungsfähig ist887. Auch hier gibt es noch eine Einschränkung. Wenn zwischen dem
ungenehmigten Errichten der Anlage und ihrer Entdeckung lange Zeit vergeht, dann
kann es vorkommen, dass sich die Rechtslage seit der Errichtung (auch mehrfach)
verändert hat. Das Gebäude mag dann im Zeitpunkt der Aufdeckung der formellen
Baurechtswidrigkeit nicht mehr genehmigungsfähig sein, war es aber im Zeitpunkt
seiner Errichtung oder irgendwann danach. Hier greift dann ein zweiter, sehr wichtiger
Grundsatz ein, wonach die materielle Rechtmäßigkeit eines Gebäudes auch aus den
Rechtsvorschriften hergeleitet werden kann, die im Zeitpunkt seiner Errichtung oder
später gegolten haben. Ein Gebäude, das im Zeitpunkt seiner Errichtung materiell
rechtmäßig gebaut worden ist oder später genehmigungsfähig gewesen wäre, bleibt
materiell rechtmäßig, solange es steht. Ein Beseitigungsverlangen ist daher auch dann
nicht möglich, wenn eine Baugenehmigung früher nicht eingeholt wurde und jetzt nur
deswegen nicht erteilt werden kann, weil sich die Rechtslage inzwischen geändert hat.
Derartige Gebäude und Anlagen müssen geduldet werden.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich ein dritter wichtiger Grundsatz: Ein Gebäude,
das rechtmäßig errichtet wurde, genießt Bestandsschutz, auch wenn sich die Rechts-
lage danach ändert. Hier ist wiederum zu bedenken, dass eine erteilte Baugenehmigung
die Rechtmäßigkeit eines Vorhabens nach außen verbindlich feststellt. Jeder, der mit
Baugenehmigung baut, kann sich darauf verlassen, dass sein Vorhaben rechtmäßig ist

886 So BVerwG, B. v. 21.9.2001 – 9 B 51.01 –, ZfBR 2002, 267.


887 BVerwG, U. v. 3.5.1988 – 4 C 64/85 –, ZfBR 1988, 283: Volierenanlage im Außenbereich.

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Die Baugenehmigung IX.

und Bestandsschutz genießt, sobald die Baugenehmigung bestandskräftig geworden


ist. Eine spätere Rücknahme der Baugenehmigung durch die Genehmigungsbehörde,
weil diese nachträglich zu der Erkenntnis gelangt, dass der Bau doch materiell rechts-
widrig sei, ist nach Vollendung des Baus bei einem gutgläubigen Bauherrn so gut wie
ausgeschlossen. (Abweichendes gilt dann, wenn sich der Antragsteller die Genehmi-
gung mit falschen Angaben erschlichen hat.) Wenn das Gebäude allerdings eine Gefahr
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, darf aus polizeirechtlichen Grün-
den eingegriffen werden. Eine Beseitigungsanordnung aus anderen Gründen ist nur
unter den Voraussetzungen und mit den Entschädigungspflichten eines formellen Ent-
eignungsverfahrens möglich. Irren sich Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörde im Rah-
men einer Unterredung mit dem Bauherrn über den Bestandsschutz einer baulichen
Anlage bzw. deren Nutzung, kommt dies nicht einer aktiven Duldung gleich. Ein
schutzwürdiges Vertrauen auf Nichteinschreiten entsteht dadurch noch nicht888.
Der Bestandsschutz materiell rechtmäßig errichteter Gebäude hat große Bedeutung in
den sog. Gemengelagen. Das sind Gebiete, in denen sich Wohn- und Gewerbenutzung
kräftig durchmischen. Aufgrund der Verschärfung der Maßstäbe des Immissionsschut-
zes kommt es relativ häufig vor, dass vorhandene, mit Baugenehmigung, also materiell
rechtmäßig errichtete Betriebe nach heutigem Recht am gleichen Standort nicht mehr
genehmigungsfähig wären. Auch und gerade diese Betriebe genießen jedoch Bestands-
schutz. Ihre Einstellung darf (jedenfalls aus baurechtlichen Gründen) nicht verlangt
werden.
Wenn der Betrieb allerdings ohne gewisse Veränderungen und Umbauten nicht weiter-
geführt werden kann, hilft der Bestandsschutz allein nicht weiter. Die notwendigen
Veränderungen sind nur dann genehmigungsfähig, wenn dafür ein neuer Plan aufge-
stellt wird (vielleicht ein VEP) oder die Sonderregeln des § 34 Abs. 3a oder die Begüns-
tigung nach § 35 Abs. 4 greifen889. Bei der Aufstellung oder Änderung eines Bebau-
ungsplans für derartige Gebiete kann durch Anwendung des § 1 Abs. 10 BauNVO für
eine gesicherte Genehmigungsgrundlage gesorgt werden. Nach § 1 Abs. 10 BauNVO
kann bei Festsetzung eines Bebauungsplans in überwiegend bebauten Gebieten be-
stimmt werden, dass eigentlich unzulässige Erweiterungen, Änderungen oder Nut-
zungsänderungen und Erneuerungen von Anlagen allgemein oder ausnahmsweise zu-
lässig sind. Dabei können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen
werden890.
Zusammenfassend sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von baulichen Anlagen
folgende Grundsätze festzuhalten:
– Stets zu unterscheiden ist zwischen der formellen und der materiellen Rechtmäßig-
keit einer baulichen Anlage.
– Die formelle Baurechtswidrigkeit, die sich aus dem Fehlen einer notwendigen Bau-
genehmigung oder der Unterlassung einer notwendigen Anzeige oder Mitteilung
an die Baugenehmigungsbehörde ergibt, berechtigt allein nicht zu einer Beseiti-
gungsanordnung. Möglich sind nur die Verhängung einer Geldbuße wegen Bauens
ohne Baugenehmigung sowie eine Untersagung der weiteren Nutzung der formell
rechtswidrigen Anlage. Ist der Bau noch nicht vollendet, kann auch ein Baustopp
verfügt werden. Auch hier ist eine Nutzungsuntersagung möglich.

888 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 18.11.2008 – 7 A 103/08 –, BauR 2009, 857.


889 Anders noch BVerwGE 50, 49 (Tunnelofenfall); vgl. auch BVerwG, 17.1.1986 – 4 C 80.82 –, E 72,
362 = ZfBR 1986, 143 („erweiterter Bestandsschutz“), aufgegeben durch BVerwG, 12.3.1998 – 4 C
10.97 –, ZfBR 1998, 259 („Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulas-
sung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz“).
890 VGH Baden-Württemberg, U. v. 29.10.2008 – 3 S 1318/07 –, DÖV 2009, 378 (zur Möglichkeit der
anlagenbezogenen Zulassung einer gebietsfremden Nutzung über § 1 Abs. 10 BauNVO).

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– Der Abriss kann (nicht „muss“) nur bei materiell rechtswidrigen Gebäuden verfügt
werden.
– Ob ein Gebäude materiell rechtswidrig ist, richtet sich nach den Bauvorschriften,
die im Zeitpunkt seiner Errichtung oder irgendwann danach gegolten haben. Es
gibt keinen nachträglichen Eintritt der Rechtswidrigkeit wegen einer Änderung der
Vorschriften (z. B. nach einer Planänderung). Jedes genehmigte oder irgendwann
genehmigungsfähige Bauvorhaben gilt als rechtmäßig.
– Jedes materiell rechtmäßig vorhandene Gebäude genießt Bestandsschutz. Alle not-
wendigen Instandsetzungsmaßnahmen sind zulässig. Der sog. erweiterte Bestands-
schutz, der bei Betrieben im unbeplanten Innen- und im Außenbereich auch solche
maßvollen Umbauten abdecken sollte, die zwar über eine bloße Instandsetzung
des Gebäudes hinausgehen, aber zur Fortführung des Betriebs notwendig sind, ist
durch das EAG Bau 2004 (modifiziert durch die BauGB-Novellen vom 11. Juni
2013 sowie vom 4. Mai 2017) vollständig vom Gesetzgeber eingefangen worden:
Im unbeplanten Innenbereich deckt § 34 Abs. 3a alle Erweiterungen von Betrieben
ab, die sich nicht einfügen, aber dennoch genehmigt werden sollen. Im Außenbe-
reich nach § 35 gibt es keinen „erweiterten“ Bestandsschutz, der über das hinaus-
geht, was in § 35 Abs. 4 als begünstigtes Vorhaben geregelt wurde891.
5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Bereich der
Erteilung von Baugenehmigungen
Mit der BauGB-Novelle vom 29. Mai 2017 ist auch § 173 Abs. 3 ergänzt worden. In
der Vorschrift geht es u. a. um die Pflicht der Gemeinde, im Geltungsbereich einer
Erhaltungssatzung vor der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag u. a. auch
die Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten zu hören. Die Informations-
pflichten der Gemeinde gegenüber diesem Personenkreis sind ergänzt worden. Die
Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten sind nun auch zu informieren,
wenn dem Eigentümer der Immobilie gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Landesrecht
eine Genehmigung zur Umwandlung in Wohnungseigentum erteilt worden ist, weil er
gemäß § 172 Abs. 4 Nr. 6 zugesichert hat, in den ersten sieben Jahren nach Erteilung
der Genehmigung Wohnungen nur an Mieter zu verkaufen. Die Mieter sollen sich auf
diesen Sachverhalt einstellen können.
Auch in § 172 Abs. 4 Nr. 6 hat sich eine Änderung ergeben, die näher erklärt werden
muss. Wie soeben schon erwähnt wurde, muss eine Genehmigung zur Umwandlung
in Wohneigentum in Milieuschutzgebieten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 erteilt werden,
wenn sich der Eigentümer der Immobilie verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab
Aufteilung in Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern. Da-
durch werden die Mieter sieben Jahre geschützt. Diese Schutzfrist musste vom Gesetz-
geber mit den Schutzvorschriften des § 577a BGB harmonisiert werden. Nach § 577a
Abs. 1 BGB kann sich der Erwerber einer Eigentumswohnung, die aus der Aufteilung
eines Mietwohngebäudes in Wohneigentum entstanden ist, drei Jahre lang nach der
Aufteilung nicht auf Eigenbedarf berufen; er darf dem Mieter nicht aus diesem Grund
kündigen. Diese Schutzfrist entfällt gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB, wenn
die Sieben-Jahres-Frist gilt – denn der Mieter ist dann durch die Sieben-Jahres-Frist
geschützt.
Nach § 577a Abs. 2 BGB verlängert sich die Schutzfrist des BGB gegen eine Eigenbe-
darfskündigung jedoch auf bis zu zehn Jahre (je nach Landesrecht), wenn in der betref-
fenden Gemeinde oder Teilen davon die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit
Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Wenn man

891 BVerwG, U. v. 12.3.1998 – 4 C 10.97–, ZfBR 1998, 259.

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Die Baugenehmigung IX.

diese beiden Fristen ohne Harmonisierung zusammenrechnen dürfte, wären die Mieter
von Wohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, bis zu 17 Jahre
vor einer Eigenbedarfskündigung seitens des Wohnungseigentümers geschützt. Das
wäre aus Gründen des Eigentumsschutzes bedenklich. Daher hatte der BauGB-Gesetz-
geber zunächst angeordnet, dass die BGB-Frist (max.10 Jahre) bei Geltung der BauGB
Frist von sieben Jahren um sieben Jahre verkürzt werden müsse. Der Schutz des Mie-
ters gegen eine Eigenbedarfskündigung endete nach dieser Formel spätestens nach
zehn Jahren (7 Jahre kraft BauGB plus max. 10 minus 7 = 3 Jahre kraft BGB).
Mit der Novelle 2017 hat der Gesetzgeber den harmonisierenden Abzug von der
(max.) 10-Jahres-Schutzfrist des § 577a Abs. 2 BGB von sieben auf fünf Jahre herabge-
setzt. Damit genießen die Mieter nun eine Schutzfrist von sieben Jahren kraft BauGB
zuzüglich 10 minus 5 = max. 5 Jahren kraft BGB i. V. m. Landesrecht. Im Ergebnis
wird den Mietern damit eine verlängerte max. Schutzfrist von zwölf Jahren (statt
bisher 10 Jahren) ab Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein-
geräumt.
Literatur zum Kapitel IX: Die Baugenehmigung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2011: Beckmann, Edmund, Der praktische Fall: Baugenehmigung mit anschließender Beschrän-
kung der Zufahrt und Verweigerung der Akteneinsicht, VR 2/2011, 52–56; Bringewat, Jörn,
Geltungsverlust einer Baugenehmigung bei Nutzungsunterbrechung: Neue Entwicklungen? An-
merkung zu Niedersächsisches OVG, B. v. 3.1.2011 – 1 ME 209/10 –, NVwZ 12/2011, 733–
735; Jäde, Henning, Aktuelle Entwicklungen im Bauordnungsrecht 2010/2011, ZfBR 5/2011,
427–435; Kahle, Christian, Genehmigungsrechtliche Folgen der Wiedererrichtung von beschä-
digten oder zerstörten immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen, NVwZ 19/
2011, 1159–1165; Kasper, Michael, Rolle des umweltfachlichen Beitrags innerhalb des Genehmi-
gungsantrags einer Biogasanlage, UVP-report 2 & 3/2011, 105–111; Lörler, Sighart, Anerken-
nung eines Bauwerks als rechtmäßiges Wohngebäude. Widerrechtlichkeit und Verjährung bei
Eigenheimen, NJ 2/2011, 57–61; Schmid, Michael J., Aufklärungspflichten beim Verkauf von
Wohnungseigentum und Grundstücken, ZfIR 2/2011, 41–45; 2012: Beckmann, Edmund/Peters,
Marc, „Die Zeit frisst alles“ – auch eine Baugenehmigung, DVP 9/2012, 387–391; Geßner,
Janko/Genth, Mario, Windenergie im Wald? Besonderheiten des Genehmigungsverfahrens am
Beispiel des brandenburgischen Landesrechts, NuR 3/2012, 161–165; Greim, Jeanine/Michl, Fa-
bian, Grundfälle zur Staatshaftung im Baurecht, Jura 5/2012, 373–379; Hornmann, Gerhard,
Keine Feststellung in der Baugenehmigung zum nicht zu prüfenden Recht. Anmerkung zu OVG
Rheinland-Pfalz, U. v. 22.11.2011 – 8 A 10636/11 –, NVwZ 20/2012, 1294–1298; Scheidler,
Alfred, Genehmigungsvoraussetzungen für Windkraftanlagen, VR 12/2012, 397–404; Schmeel,
Günter, Aktuelle Entwicklungen im Architekten- und Ingenieurrecht, MDR 11/2012, 625–627;
2013: Sauthoff, Michael, Erweiterung der Feststellungswirkung einer Baugenehmigung über das
gesetzliche Prüfprogramm hinaus. Zugleich Anmerkung zu OVG Rheinland-Pfalz, U. v.
22.11.2011 – 8 A 10636/11 –, BauR 2012, 781, BauR 3/2013, 415–423; 2014: Fischer, Hart-
mut, Geltungsdauer der Baugenehmigung, in: BauR 12/2014, S. 2022–2028; Muckel, Stefan,
Anmerkung zu BVerwG, U. v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – (Baugenehmigung zur Errichtung einer
Mobilfunksendeanlage im Außenbereich), JA 5/2014, S. 397–398; Nägele, Christoph J./Lindner,
Josef Franz, Erlöschen der Baugenehmigung durch Zerstörung des Bauwerks?, in: ZfBR 5/2014,
S. 442–447; Nies, Volkmar, Anmerkung zu VG Münster, U. v. 18.7.2013 – 2 K 210/12 – (Aus-
senbereich, Baugenehmigung, Intensivtierhaltung), in: AuUR 3/2014, S. 116; Nies, Volkmar, Re-
zension: Michael Hauth, Vom Bauleitplan zur Baugenehmigung, 11. Aufl. München 2014, in:
AuUR 4/2014, S. 160; Sennekamp, Christoph, Fall 1: „Der Selbstbedienungsladen“. (Anspruch
auf Einschreiten, Planungshoheit, Baugenehmigung, Nutzungsänderung), (Beilage), in: VBlBW
10/2014, S. 3–9; Weidemann, Holger, Die abgelaufene Baugenehmigung I, in: DVP 5/2014,
S. 209–212; 2015: Elzer, Oliver, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 15 CS 14.949 –
(Klagebefugnis der Wohnungseigentümer; gewillkürte Prozessstandschaft, Baugenehmigung;
Oberflächenentwässerung; Sicherung der Erschließung; Gebot der Rücksichtnahme), in: ZMR 6/
2015, S. 500–501; Grziwotz, Herbert, Anmerkung zu BGH, U. v. 24.4.2015 – V ZR 138/14 –

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

(Einräumung eines Notwegerechts bei Vorliegen bestandskräftiger Baugenehmigung trotz vom


Eigentümer unterlassener Maßnahmen zur Anbindung an öffentlichen Weg), in: ZfIR17&18/
2015, S. 666–667; Henning, Brita/Linke, Gerrit, Praktische Fragen der Geltungsdauer der Bau-
genehmigung in den fünf norddeutschen Bundesländern, in: NordÖR3/2015, S. 105–111; Hum-
mel, Philipp, Anmerkung zu OLG Celle, U. v. 7.3.2013 – 16 U 147/12 – und BGH, B. v.
25.6.2015 – VII ZR 71/13 – (Bauen ohne Baugenehmigung: Auftraggeber kann kündigen), in:
IBR 9/2015, S. 474; Jann, Katharina, Das Gartenhaus im Abseits (Abbruchanordnung, Bauge-
nehmigung, Bedingung, Koppelungsverbot, Befreiung), (Beilage), in: VBlBW 10/2015, S. 30–35;
Runkel, Peter, Anmerkung zu BVerfG, B. v. 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11 – (Zwingende Vorlage
an das BVerfG zur Frage der Höhe der Entschädigung eines Grundstückseigentümers nach Ab-
lehnung der Baugenehmigung aufgrund sanierungsrechtlicher Vorgaben und Übernahme des Ei-
gentums), in: ZfIR 9/2015, S. 356–358; Struzina, Victor/Lindner, Josef Franz, Das sogenannte
„aliud“ im öffentlichen Baurecht. Zur Dogmatik der Baugenehmigung, in: ZfBR 8/2015, S. 750–
757; 2016: Elzer, Oliver, Anmerkung zu VG München, U. v. 22.6.2015 – M 8 K 14.4864 –
(Baugenehmigung für Nachbargrundstück: Klagebefugnis), in: MietRB5/2016, S. 142; Haller,
Thomas, Das Verhältnis von Baugenehmigung und wasserrechtlichen Zulassungen bei der Er-
richtung gewässerbezogener baulicher Anlagen in Baden-Württemberg. Ein Überblick, in:
VBlBW10/2016, S. 397–407; Hertwig, Stefan, Vergabeverfahren um Baugenehmigung?, in: FS
Hecker 2016 , S. 127; Hirsch, Bastian, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 17.6.2016 – 9 ZB 14.1092
– (Keine Baugenehmigung für „Boardinghaus“ in reinem Wohngebiet), in: IBR 11/2016, S. 666;
Monschau, Norbert, Anmerkung zu OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 2.7.2015 – 2 O 22/15 – (Pro-
zessrecht: Keine Klagebefugnis des Mieters für Baugenehmigung des Vermieters), in: MietRB3/
2016, S. 80; Lindner, Josef Franz/Struzina, Victor, Die Baugenehmigung. Dogmatische Grundla-
gen und Klausurrelevanz in: JuS 3/2016, S. 226–230; Stühler, Hans-Ulrich, Das Verhältnis der
Erlaubnis für das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes gem. § 11 i. V. m. § 13 des Referenten-
entwurfs zum ProstSchG durch die zuständige Behörde zur der Erteilung der Baugenehmigung
für ein bauliches prostitutives Vorhaben und seine entsprechende Nutzung, in: GewArch4/2016,
S. 129–135; 2017: Anders, David, Reichweite der Feststellungswirkung der Baugenehmigung,
in: LKV 7/2017, S. 294–299; Eich, Anke, Anmerkung zu OLG Jena, U. v. 11.11.2014 – 5 U
660/13 – und BGH, B. v. 16.11.2016 – VII ZR 301/14 – (Nutzung nach erteilter Baugenehmi-
gung geändert: Folgen trägt der Bauherr), in: IBR 5/2017, S. 264; Haentjens, Alexander, Anmer-
kung zu OVG Sachsen, B. v. 22.12.2016 – 1 B 283/16 – (Brandschutzkonzept mangelhaft?
Mieter kann Baugenehmigung nicht angreifen), in: IBR 2/2017, S. 116; Jobs, Thorsten, Aktuelle
Rechtsprechung zum Bauordnungsrecht der Länder Berlin und Brandenburg, in: LKV 6/2017,
S. 241–251; Klepper, Marian, Anmerkung zu OVG Sachsen, U. v. 9.3.2017 – 1 A 331/16 –
(Baugenehmigung für „EFH mit Garage“: Terrassennutzung des Garagendaches zulässig?), in:
IBR 7/2017, S. 401; Klepper, Marian, Anmerkung zu OVG Nordrhein-Westfalen, B. v.
13.12.2016 – 7 B 1227/16 – (Verkaufsladen als Wettbüro genutzt: Sofortiger Verlust der Bauge-
nehmigung), in: IBR 3/2017, S. 164; Kroiß, Ludwig, Die Entwicklung des Gerichtskostenrechts
im Jahr 2016, in: NJW 7/2017, S. 447–452; Müller, Heidrun/Scheffler, Arne, Potenziale von IT-
Standards in den Bereichen Baugenehmigung und Planung, in: VM 2/2017, S. 99–111; Sauren-
haus, Jens, Editorial: Die sog. nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit einer Baugenehmigung.
Ein strapazierter Rechtsbegriff, (BauR aktuell), in: BauR 10/2017, S. 1–2; 2018: Hirsch, Bastian,
Anmerkung zu OVG Hamburg, B. v. 6.11.2017 – 2 Bs 232/17 – (Wann tritt die Fiktion einer
Baugenehmigung ein?), IBR 6/2018, 352; Hirsch, Bastian, Anmerkung zu VGH Hessen, B. v.
23.11.2017 – 3 B 1539/17 – (Keine Baugenehmigung ohne sanierungsrechtliche Genehmigung),
IBR 5/2018, 292; Hirsch, Bastian, Anmerkung zu OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 12.10.2017 – 2 L
166/15 – (Baugenehmigung für Imbisswagen erforderlich?), IBR 5/2018, 291; Nies, Volkmar,
Anmerkung zu BVerwG, U. v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – (Außenbereich; privilegiertes Vorhaben;
Baugenehmigung; Nachbarklage; Ferkelaufzuchtstall; schädliche Umwelteinwirkungen; Immissi-
onsschutz; Geruchsbelästigungen; Vorbelastung (erheblich); Jahresstunden; Situationsverbesse-
rung; Gebot der Rücksichtnahme; nicht genehmigungsbedürftige Anlage; Aufklärung; Zurück-
verweisung), AuUR 1/2018, 27–28.
2. Bauvorbescheid:
2010: Leven, Dagmar, Der Schweinebungalow (Bauvorbescheid, Außenbereich, Landwirtschaft,
Gebot der Rücksichtnahme, Untätigkeitsklage), Beilage, VBlBW 5/2010, 18–21; Weber, Sebas-
tian, Bauvorbescheid und vorläufiger Rechtsschutz, DVBl. 15/2010, 958–962; 2014: Berke-
mann, Jörg, Professioneller Umgang mit der Fortsetzungsfeststellungsklage. Ein Rechtspre-
chungsbericht, in: JM 11/2014, S. 421–432.

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Die Baugenehmigung IX.

3. Abstände von der Grundstücksgrenze, Grenzbauten:


2005: Boeddinghaus, Gerhard, Abstandsflächen auf Nachbargrundstücken, BauR 11/2005,
1734–1740; Dziallas, Olaf, Praxis-Update: Abstandsflächen, ÖffBauR 3/2005, 25–27; 2007:
Boeddinghaus, Gerhard, Zur planungsrechtlichen Regelung der bauordnungsrechtlich definier-
ten Abstandsflächen. Ergänzung des § 9 Abs. 1 BauGB, BauR 4/2007, 641–649; Boeddinghaus,
Gerhard, Verzicht auf Abstandsflächen bei Grenzanbau, FuB 11/2007, 35–42; Maaß, Frank,
Festsetzung kleinerer Abstandsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB?, VBlBW 11/2007, 412–
413; Schulte, Bernd H., Abstände und Abstandsflächen in der Schnittstelle zwischen Bundes-
und Landesrecht. Der neue § 6 Bauordnung NRW und seine Bezüge zum Bauplanungsrecht,
BauR 9/2007, 1514–1527; 2008: Boeddinghaus, Gerhard, Abstände und Abstandsflächen bei
diffuser Bebauung. Unterschiedliche Bauweisen, BauR 8/2008, 1249–1262; Fritz, Florian, Das
Recht der Abstandsflächen, apf/B 11/2008, 81–87; Hauth, Michael, Gibt es eine „zwangsweise
Übernahme“ von Abstandsflächen?, BauR 5/2008, 775–784; Schröer, Thomas, Verkürzung von
Abstandsflächen durch Bebauungsplan, (Zugleich Anmerkung zu OVG Berlin-Brandenburg, U.
v. 18.12.2007 – 2 A 3/07 –), NZBau 4/2008, 243–244; 2009: Wolff, Heinrich Amadeus, Die
Prüfung der Abstandsflächen bei Nutzungsänderungen, BauR 7/2009, 1096–1101; 2010: Krie-
ger, Stefanie/Ann, Luckas/Jens Christoph, Abstandsflächen – Rechtliche Herausforderungen bei
der Bebauung großstädtischer Innenstadtlagen, BauR 2/2010, 173–186; Peus, Egon A./Krenzer,
Marco, Abstandsflächen, Abweichungsgenehmigungen, Atypik, (Zugleich Anmerkung zu OVG
Nordrhein-Westfalen, B. v. 2.3.2007 – 10 B 275/07 – und OVG Nordrhein-Westfalen, B. v.
5.3.2007 – 10 B 274/07 –), NWVBl. 1/2010, 11–15; Schröer, Thomas, Städtebaulich erwünschte
Unterschreitung von Abstandsflächen, NZBau 4/2010, 229–230; 2011: Troidl, Thomas, Ab-
standsflächen ohne Grenzen? Ein Plädoyer gegen die „Verlagerung“ von Abstandsflächen und
heimliche Abstandsflächenübernahmen. Wie Abstandsflächen dem Bayerischen Verwaltungsge-
richtshof und anderen Oberverwaltungsgerichten zufolge (nicht) auf dem Nachbargrundstück
„zu liegen kommen“, BayVBl. 13/2011, 389–395; 2012: Thiel, Markus, Anmerkung zu OVG
Berlin-Brandenburg, B. v. 27.2.2012 – 10 S 39.11 – (Abstandsflächen eingehalten: Rücksichtnah-
megebot gewahrt!) , IBR 6/2012, 355; 2017: Haedicke, Kathleen, Fall 5: „Grenzenloses Bauen“,
(Baueinstellungsverfügung, Baugnehmigung, Grenzbau, Nutzungsänderung, Abstandsflächen,
Rücksichtnahmegebot), (Sonderbeilage), VBlBW 10/2017, 25–31; Jobs, Thorsten, Aktuelle
Rechtsprechung zum Bauordnungsrecht der Länder Berlin und Brandenburg, LKV 6/2017, 241–
251; Pützenbacher, Stefan, Anmerkung zu OVG Niedersachsen, B. v. 12.4.2017 – 1 ME 34/
17 – (Wer selbst Abstandsflächen unterschreitet, kann keine Grenzabstandsverletzung geltend
machen), IBR 7/2017, 403; Thiel, Markus, Anmerkung zu VGH Hessen, B. v. 4.4.2017 – 4 B
449/17 – (Grundstück unbebaubar: Abweichung von Abstandsflächen zulässig), IBR 12/2017,
700; 2018: Gallois, Franz-Peter, Anmerkung zu OVG Niedersachsen, B. v. 8.5.2018 – 1 ME 55/
18 – (Löst eine Dachterrasse auf einer Grenzgarage Abstandsflächen aus?), IBR 7/2018, 413.
Siehe im Übrigen die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter
www.planundrecht.de
4. Freistellung von der Baugenehmigung, Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens:
2012: Lackner, Hendrik, „Bauen ohne Baugenehmigung“ – mit der neuen Niedersächsischen
Bauordnung (NBauO), DVP 11/2012, 452–457.
5. Das gemeindliche Einvernehmen im Baugenehmigungsverfahren; Ersetzung des Einverneh-
mens:
2010: Beutling, Alexander/Pauli, Felix, Klagerecht der Gemeinde bei Ersetzung ihres Einverneh-
mens nach § 36 BauGB, BauR 3/2010, 418–422; Schaber, Michael, Mitentscheidung des Ge-
meinderats über Bauvorhaben nach §§ 31, 33–35 BauGB bei Gemeinden mit eigener Baurechts-
zuständigkeit?, VBlBW 12/2010, 464–466; 2011: Jäde, Henning, Gemeindliches Einvernehmen:
gestärkt, geschwächt, abgeschafft?, KommP BY 2/2011, 64–66; Jeromin, Curt M., Gemeindli-
ches Einvernehmen. Planungshoheit, Ersetzung und Haftungsfolgen, (Zugleich Anmerkung zu
BVerwG, U. v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – und BGH, U. v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 –), BauR 3/
2011, 456–462; Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Zurückstellung von Baugesuchen und gemeindliches
Einvernehmen. Zum Verhältnis von § 15 BauGB zu § 36 BauGB, insbesondere bei Zurückstel-
lung von Baugesuchen für privilegierte Windkraftanlagen wegen laufender Flächennutzungspla-
nung mit Konzentrationswirkung, BauR 11/2011, 1754–1762; 2012: Schoch, Friedrich, Recht-
sprechungsentwicklung. Schutz der gemeindlichen Planungshoheit durch das Einvernehmen nach
§ 36 BauGB, NVwZ 13/2012, 777–784; 2013: Tremml, Bernd/Luber, Michael, Amtshaftung
und gemeindliches Einvernehmen – verbleibende Haftungsrisiken der Gemeinden, UPR 3/2013,
81–84; 2015: Nies, Volkmar, Anmerkung zu OVG Koblenz, U. v. 6.11.2014 – 8 A 10560/14 –

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

(Baugenehmigung; Gemeindliches Einvernehmen; Ersetzung; Auflagen; Erschließungsangebot),


in: AuUR 3/2015, S. 111; 2018: Stüer, Bernhard, Stüer, Eva-Maria, Planungsrechtliche Zulässig-
keit von Vorhaben, gemeindliches Einvernehmen. Rechtsprechung des BVerwG 2015 bis 2017,
DVBl. 5/2018, 294–302.
6. Nachbarschutz, Gebot der Rücksichtnahme:
2010: Hanne, Wolfgang, Konfliktfeld Nachbarschutz im öffentlichen Recht (Teil 1), apf/GA 11/
2010, 325–331; Hanne, Wolfgang, Konfliktfeld Nachbarschutz im öffentlichen Recht (Teil 2),
apf/GA 12/2010, 357–367; Stumpf, Gerrit Hellmuth, Klausur Öffentliches Recht: „Planüber-
greifender Nachbarschutz gegen Lichtimmissionen einer Werbeanlage“, JA 8 & 9/2010, 616–
624; 2011: Elgeti, Till/Lambers, Jan Philipp, (Hoch-)Wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot/
Einforderung des Rückhaltevolumens als Nachbarschutz (Zugleich Anmerkung zu OVG Rhein-
land-Pfalz, B. v. 19.6.2007 – 1 B 10321/07 –), BauR 2/2011, 204–209; Knorr, Peter, „Nachbar-
streit in denkmalgeschützter Hausgruppe“ (Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, Denkmal-
schutz, Nachbarschutz), Beilage, VBlBW 4/2011, 31–33; 2015: Elzer, Oliver, Anmerkung zu
BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 15 CS 14.949 – (Klagebefugnis der Wohnungseigentümer; gewill-
kürte Prozessstandschaft, Baugenehmigung; Oberflächenentwässerung; Sicherung der Erschlie-
ßung; Gebot der Rücksichtnahme), in: ZMR 6/2015, S. 500–501; Hauth, Michael, Bestands-
schutz = Schutz des Bestandes – aber grundsätzlich garantiert, in: BauR 2015, S. 774–782;
Schlacke, Sabine, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 4 C 4/14 – (Nachbarklage gegen
Baugenehmigung für Schweinemaststall), in: NVwZ20/2015, S. 1461–1463; 2018: Heinemann,
Patrick, Nachbarschutz für obligatorisch Berechtigte durch § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB,
UPR 6/2018, 212–215; Voßkuhle, Andreas, Kaufhold, Ann-Kathrin, Grundwissen. Öffentliches
Recht: Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, JuS 8/2018, 764–767.
7. Bestandsschutz:
2005: Wehr, Matthias, Materieller und formeller Bestandsschutz im Baurecht, Verw. 1/2005, 65–
89; 2006: Walther, Harald/Schäfer, Roger, Brandschutz und Bestandsschutz, DWW 11/2006, 357–
362; Wittmann, Antje, Tagungsbericht: Bestandsschutz bei Gewerbebetrieben – Vorgaben des Bau-
rechts und des Verfassungsrechts. Symposium des Zentralinstituts für Raumplanung an der Westfä-
lischen Wilhelms-Universität, Münster am 16.10.2006, NuR 6/2007, 398–401; 2007: Gatawis,
Siegbert, Tagungsbericht: „Bestandsschutz bei Gewerbebetrieben – Vorgaben des Baurechts und des
Verfassungsrechts“. Bericht über das Symposium des Zentralinstitut für Raumplanung an der Uni-
versität Münster am 16.10.2006, DVBl. 5/2007, 291–293; Jäde, Henning, Bestandsschutz im Bau-
planungsrecht, BayVBl. 21/2007, 641–648; 2008: Schröer, Thomas, Bestandsschutz bei Umbauten
und Sanierungen, NZBau 2/2008, 105–106; 2009: Grzechca, Sven, Neues zum Bestandsschutz im
Bauplanungsrecht?, NZBau 10/2009, 641–642; Koch, Stefan, Was weg ist, ist weg! Der Bestands-
schutz eines Gebäudes endet mit seinem Abriss. Anmerkung zu OVG Magdeburg, U. v. 10.11.2008
– 2 L 80/08 –, Haftungsmonitor 3/2009, 2–3; Scheidler, Alfred, Der besondere Bestandsschutz für
bauliche Anlagen und Einrichtungen der in Deutschland stationierten NATO-Streitkräfte, DÖV 12/
2009, 486–492; Scheidler, Alfred, Der besondere Bestandsschutz für bauliche Anlagen und Einrich-
tungen der in Deutschland stationierten NATO-Streitkräfte, UBWV 4/2009, 121–127; Weidemann,
Clemens/Krappel, Thomas, Der passive Bestandsschutz im Baurecht – offene verfassungsrechtliche
Fragen, NVwZ 19/2009, 1207–1210; 2010: Cordes, Werner, Das störende Sägewerk (Bestands-
schutz, Nachbarschutz, vorläufiger Rechtsschutz), Beilage, VBlBW 5/2010, 28–30; Gärditz, Klaus
Ferdinand, Kein Bestandsschutz für rechtmäßig genehmigte Vorhaben im europäischen Natur-
schutzrecht? Anmerkung zu EuGH, U. v. 14.1.2010 – Rs. C-226/08 – (Stadt Papenburg/Deutsch-
land), DVBl. 4/2010, 247–250; Haaß, Bernhard, Bestandsschutz nach Einstellung der baulichen
Nutzung, NJW-Spezial 4/2010, 108–109; Michl, Fabian, Der baurechtliche Bestandsschutz zwi-
schen Grundgesetz und einfachem Recht, ThürVBl. 12/2010, 280–288; Uschkereit, Tim, Bestands-
schutz bzw. besser Bestandskraft der Baugenehmigung bei längeren Nutzungsunterbrechungen. An-
merkung zu VGH Baden-Württemberg, U. v. 4.3.2009 – 3 S 1467/07 – und Niedersächsisches
OVG, B. v. 20.7.2009 – 1 LA 103/07 –, BauR 5/2010, 718–725; 2011: Decker, Andreas, Reichweite
und Grenzen des baurechtlichen Bestandsschutzes, BayVBl. 17/2011, 517–530; Eiding, Lutz/Ni-
ckel, Harald, Die planungsrechtliche Situation von Konversionsflächen: Bestandsschutz ja oder
nein? (zugl. Anmerkung zu Bayerischer VGH, B. v. 7.12.2009 – 15 CS 09.2755 –), NVwZ 6/2011,
336–340; Stüer, Bernhard, Planungsrechtliche Zulässigkeit, Entschädigung und Amtshaftung –
Rechtsprechungsübersicht 2010, DVBl. 8/2011, 472–482; 2012: Thiel, Markus, Öffentliches Bau-
recht – zu Unrecht ungeliebt? Aktuelle Probleme des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, AL 3/
2012, 174–180; 2014: Lindner, Josef Franz, Der passive Bestandsschutz im öffentlichen Baurecht.
Versuch einer dogmatischen Systematisierung, in: DÖV 8/2014, S. 313–323; 2018: Pezzei, Kris-

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Bodenordnung X.

tina, Berlin: Stillstand in der Wohnungspolitik. Seit gut einem Jahr setzt in Berlin eine linke Stadtent-
wicklungssenatorin konsequent auf Mieter- und Bestandsschutz, IWR 1/2018, 30–31.
8. Vorhaben nach § 37 BauGB: Bauvorhaben der Landesverteidigung, öffentliche Bauten:
Siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
9. Vorhaben nach § 38 BauGB:
2007: Versteyl, Andrea, Zur Anwendbarkeit des § 38 BauGB bei der Errichtung/Änderung von
Müllverbrennungsanlagen und EBS-Kraftwerken, AbfallR 3/2007, 120–130.

X. Bodenordnung
Der Abschnitt „Bodenordnung“ des BauGB enthielt bis zum Inkrafttreten des EAG
Bau 2004 zwei Instrumente: Die Umlegung und die Grenzregelung. Beide Verfahren
dienten der Neuordnung von Grundstücksgrenzen mit dem Ziel, nach Lage, Form und
Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke zu
schaffen. In einem Umlegungsverfahren wird eine Vielzahl von Grundstücken einem
solchen Neuordnungsverfahren unterworfen. Bei einer Grenzregelung ging es nur um
einzelne, in der Regel benachbarte Grundstücke. Die „Grenzregelung“ ist 2004 durch
das Verfahren der „vereinfachten Umlegung“ ersetzt worden. Zwar hat man an den
Grundzügen der ehemaligen Grenzregelung festgehalten, der Anwendungsbereich ist
jedoch erweitert worden. Die Umlegung ist das städtebauliche Pendant zur landwirt-
schaftlichen Flurbereinigung. Die heute vorhandene klare begriffliche Trennung zwi-
schen einerseits der „Flurbereinigung“ als der Bodenordnung für landwirtschaftlich
genutzte Grundstücke und andererseits der „Umlegung“ mit dem Ziel, Baugrundstü-
cke zu schaffen, war nicht immer vorhanden. Ältere Gesetze benutzten die „Umle-
gung“ (oder auch die „Verkoppelung“) als beides umfassenden Oberbegriff. Heute
gibt es nur noch die Möglichkeit räumlich-sachlicher Überschneidung: Im Einzelfall
darf in eine Flurbereinigung auch „die Ortslage“, das sind die im Ort befindlichen,
bebauten Grundstücke mit den Hofstellen, Wohnhäusern und Werkstätten eines Dor-
fes, einbezogen werden. Für diesen Fall (oft aber auch schon, wenn Flurbereinigungs-
gebiete und Baugebiete nur aneinandergrenzen) muss eine gegenseitige Abstimmung
zwischen der für die Bauleitplanung zuständigen Gemeindeverwaltung und der (staat-
lichen) Flurbereinigungsbehörde stattfinden892. Die Einzelheiten dieser Abstimmung
sind in den §§ 187 bis 190 näher geregelt.
Durch Umlegung wird das Eigentum nicht beeinträchtigt, sondern nur umgestaltet.
Das BVerfG hat ausdrücklich anerkannt, dass die Baulandumlegung nach den §§ 45 ff.
BauGB eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Ei-
gentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt893.

1. Zweck und Verfahren der Umlegung


Sehr vereinfachend dargestellt, besteht eine Umlegung darin, dass alle Grundstücke
eines vorher bestimmten Gebiets virtuell vereinigt, d. h. in einen imaginären großen
Topf geworfen, aufgehoben und durch Ziehung neuer Grenzen anschließend neu ver-
teilt werden. Der Zweck besteht also in der Neuordnung der Grundstücke dieses Ge-
biets. Ziel ist es, zweckmäßig zugeschnittene Grundstücke zu schaffen, welche die
Verwirklichung städtebaulicher Ziele eher oder erstmals ermöglichen. Dieser Zweck
ist auch Voraussetzung für ein Umlegungsverfahren, wobei das Umlegungsverfahren
sowohl im Geltungsbereich von B-Plänen (ggf. auch von einfachen B-Plänen894) als

892 Zur „städtebaulichen Flurbereinigung“ vgl. BVerwG, U. v. 14.3.1985 – 5 C 130/83 –, BVerwGE 71,
108 und BVerfG, U. v. 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85 –, DÖV 1987, 488 (Boxberg).
893 BVerfG, B. v. 22.5.2001 – 1 BvR 1512, 1 BvR 1677/97 –, ZfBR 2001, 478.
894 So klarstellend geregelt mit dem EAG Bau 2004 in § 45.

381

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

auch innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 durchgeführt


werden kann, wenn es aus Gründen einer städtebaulichen Entwicklung zur Umsetzung
der dort zulässigen Nutzung erforderlich ist (die Erforderlichkeit ergibt sich im Einzel-
nen aus § 46 Abs. 1). Von der Umlegung profitieren demnach zunächst die Eigentümer,
denn sie erhalten vernünftig nutzbare Baugrundstücke. Die Gemeinde, welche Herrin
des Umlegungsverfahrens ist, interessiert hingegen vor allem die Umsetzung ihrer städ-
tebaulichen Ziele (z. B. Schaffung neuen Wohnraums) und erhält – soweit erforderlich
– aus dem großen Topf die für die Erschließung benötigten Flächen895. Außerdem darf
sie den sog. „Umlegungsvorteil“ einbehalten, dazu später mehr.
Im Einzelnen funktioniert eine Umlegung auf folgende Weise (in Bild 54 ist dies optisch
veranschaulicht):
(1) Zur Einleitung des Verfahrens muss die Gemeinde als „Umlegungsstelle“ einen
Umlegungsbeschluss fassen. Durch das EAG Bau wurde 2004 verfügt, dass dem Umle-
gungsbeschluss eine Anhörung der Eigentümer vorausgehen muss (wobei dies auch
schon zuvor in der Praxis so praktiziert wurde). Im Umlegungsbeschluss ist das Umle-
gungsgebiet zu bezeichnen, jedes im Umlegungsgebiet gelegene Grundstück ist einzeln
aufzuführen. Der Umlegungsbeschluss hat den Zweck, nach innen und außen verbind-
lich festzulegen und klarzumachen, welche Grundstücke von dem beabsichtigten Ver-
fahren betroffen sein sollen. Der Umlegungsbeschluss ist daher in der Gemeinde orts-
üblich bekannt zu machen (§ 50). In die Bekanntmachung ist die Aufforderung
aufzunehmen, aus dem Grundbuch nicht ersichtliche Rechte, die aber zur Beteiligung
am Umlegungsverfahren berechtigen, innerhalb eines Monats bei der Umlegungsstelle
anzumelden. Bis zum EAG Bau konnte vom Umlegungsbeschluss dann abgesehen wer-
den, wenn die Beteiligten einverstanden sind – diese Ausnahmeregelung besteht nun
nicht mehr. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass unwesentliche Änderungen
des Umlegungsgebiets bis zum Beschluss über die Aufstellung des Umlegungsplans
erforderlich sind, lässt sich diese Änderung auch ohne zusätzliche ortsübliche Bekannt-
machung vornehmen, wenn die Eigentümer der davon betroffenen Grundstücke zuvor
angehört wurden. Diese unwesentliche Änderung wird schlicht wirksam mit der Be-
kanntgabe an die davon betroffenen Eigentümer (§ 52 Abs. 3). Der Umlegungsbe-
schluss selbst ist als Verwaltungsakt anfechtbar896. Zur Rechtfertigung des Umle-
gungsverfahrens insgesamt, mit dem im Wege der Inhaltsbestimmung des Eigentums
erheblich in die Sphäre der Eigentümer eingegriffen wird, müssen bei Anordnung oder
Einleitung des Umlegungsverfahrens „verläßlich festgelegte planerische Vorstellungen
der Gemeinde so weit entwickelt sein, dass sie die Schlussfolgerung zu tragen vermö-
gen, die Umlegung sei zur Verwirklichung eines Bebauungsplans erforderlich“ (so der
BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1987897). Seit dem Inkrafttreten des Wohn-
baulandG im Jahr 1993 darf eine Umlegung gemäß § 45 Abs. 1 auch innerhalb der im
Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34) ohne Bebauungsplan angeordnet werden,
„wenn sich aus der Eigenart der näheren Umgebung […] hinreichende Kriterien für
die Neuordnung der Grundstücke ergeben“. Sofern im Zusammenhang mit der Umle-
gung ein B-Plan aufgestellt wird (was nach wie vor die Regel sein dürfte), kann er
dann parallel zum weiteren Verfahren erarbeitet werden; er muss nur so rechtzeitig
verabschiedet werden, dass er vor dem Beschluss über den Umlegungsplan, in dem die
vorgesehene Neuordnung des Gebiets vorgezeichnet ist, in Kraft getreten ist (§ 47
Abs. 2). Daraus lässt sich auch ableiten, dass ein Umlegungsbeschluss nicht schon
deshalb unwirksam wird, weil ein ihm zugrunde liegender Bebauungsplan für unwirk-

895 Vgl. auch BGH, U. v. 13.12.1990 – III ZR 240/89 –, ZfBR 1991, 72: Umlegung zugunsten einer
überörtlichen Umgehungsstraße ist zulässig.
896 Zur Rechtswirkung des Umlegungsbeschlusses vgl. BGH, U. v. 2.4.1981 – III ZR 15/80 –, NVwZ
1982, 148.
897 BGH, U. v. 12.3.1987 – III ZR 29/86 –, ZfBR 1987, 286.

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Bodenordnung X.

sam erklärt worden ist. Es reicht in diesem Fall aus, wenn ein neuer Aufstellungsbe-
schluss vorliegt, mit dem die ursprünglichen Planungsziele weiter verfolgt werden898.
(2) Mit der Durchführung der Umlegung im Einzelnen wird in der Regel ein von der Ge-
meinde unabhängiger „Umlegungsausschuss“ beauftragt. Im Umlegungsausschuss sitzen
zum einen Spezialisten, die mit den für eine Umlegung notwendigen Verwaltungsschritten
vertraut sind (wie z. B. Fachleute der Vermessung, der Bauleitplanung, der Grundstücks-
bewertung). Zum anderen sitzen im Umlegungsausschuss auch Mitglieder der Gemeinde-
vertretung, damit ein gerechter Interessenausgleich herbeigeführt wird. In welcher Weise
die Umlegungsausschüsse zusammenzusetzen und mit welchen Befugnissen sie auszustat-
ten sind, können die Bundesländer jeweils gesondert durch Rechtsverordnung regeln (vgl.
§ 46 Abs. 2). Die Umlegungsausschüsse haben sich als sachverständiges und Interessen
ausgleichendes Organ in der Vergangenheit sehr bewährt, nur Hamburg hat auf ihre Ein-
richtung verzichtet. In der Hansestadt ist zwar eine sog. „Kommission für Bodenord-
nung“ eingerichtet, ihre Befugnisse gehen jedoch nicht so weit wie bei den Umlegungsaus-
schüssen, die mit der Durchführung der Umlegung beauftragt werden.
(3) Mit der Bekanntmachung des Umlegungsbeschlusses tritt gemäß § 51 eine Verfü-
gungs- und Veränderungssperre für alle Grundstücke ein, die im Umlegungsgebiet ge-
legen sind. Nach Eintritt dieser Sperre dürfen im Umlegungsgebiet nur mit schriftlicher
Genehmigung der Umlegungsstelle
– Grundstücke geteilt, dinglich belastet und/oder verkauft werden,
– erhebliche tatsächliche Änderungen an einem Grundstück (Veränderungen der Erd-
oberfläche oder sonstige wertsteigernde Veränderungen) vorgenommen werden,
– nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtige, aber wertsteigernde
bauliche Anlagen errichtet oder wertsteigernde Änderungen solcher Anlagen vor-
genommen werden oder
– genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtige bauliche Anlagen errichtet
oder geändert werden.
Die Veränderungssperre führt nicht dazu, dass im Umlegungsgebiet überhaupt keine
Flächen mehr verkauft, verpachtet, bebaut oder verändert werden dürfen; alles dies
unterliegt nur einer besonderen Genehmigungspflicht. Die Genehmigung darf nur ver-
sagt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Vorhaben die Durchfüh-
rung der Umlegung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde. Die Reich-
weite der Veränderungssperre nach § 51 ist durch das EAG Bau 2004 den
Freistellungsvorschriften der Landesbauordnung angepasst worden. Auch Vorhaben,
von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat
und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätten be-
gonnen werden dürfen, werden von der Veränderungssperre nach § 51 nicht berührt
(Parallelregelung wie in § 14).

898 OLG Karlsruhe, U. v. 9.11.2011 – 21 U 2/11 Baul – (rechtskräftig nach Beschluss des BGH vom 13.9.
2012 – III ZR 4/12 –), BauR 2013, 212.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bild 54: Bodenordnung und Umlegung

§§ Fahrplan: Umlegung

Umlegungsverfahren § Umlegungstechnik §

Einleitung durch Umlegungs- 47 Anfertigung einer Bestandskarte 53


beschluss – zulässig vor Auf- des Umlegungsgebiets und eines
stellung des B-Plans/zuvor An- Bestandsverzeichnisses der Be-
hörung der Eigentümer erforder- teiligten
lich Öffentliche Auslage von Karte
Beauftragung des Umlegungs- 46 und Verzeichnis für einen Monat/
ausschusses (Landesrecht) mit bei wenigen Grundstücken ge-
der Durchführung der Umlegung nügt die Mitteilung an die Eigen-
Bekanntmachung des Umle- 50 tümer und die Inhaber sonstiger
gungsbeschlusses Rechte
Wirkung: Verfügungs- und Ver- 51 Rechnerische Vereinigung aller 55
änderungssperre Grundstücke im Umlegungsge-
biet zur Umlegungsmasse
Benachrichtigung des Kataster- 54
amts und des Grundbuchamts – Vorwegabzug der für die Er- 55
Eintragung des Umlegungs- schließung benötigten Flächen
vermerks zugunsten der Gemeinde; Rest:
Verteilungsmasse
Entnahme sonstiger für öffentli- 55
che Zwecke benötigter Flächen
Neuordnung der Grundstücks-
gegen Ersatzland
grenzen durch Anwendung der
Umlegungstechnik Bestimmung des Verteilungs- 56
maßstabs: Wertmaßstab oder
Flächenmaßstab. Danach Be-
rechnung der Soll-Ansprüche
Beschluss des Umlegungsplans 66 Bei Anwendung des Wertmaß- 57
durch die Gemeinde stabs: Errechnung des Werts der
= In Aussicht genommener Neu- eingeworfenen und der zuzutei-
zustand, dargestellt durch lenden Grundstücke; Differenz =
Umlegungskarte u. Umle- Umlegungsvorteil der in Geld an
gungsverzeichnis die Gemeinde abzuführen ist;
Auszugsweise Zustellung des 70 Stichtag für Wertverhältnisse: Tag
Plans an die Beteiligten – An- des Umlegungsbeschlusses
fechtbar als Verwaltungsakt Bei Anwendung des Flächen- 58
Bekanntmachung der Unan- 71 maßstabs: Abzug eines Flächen-
fechtbarkeit des Plans (unter beitrags zugunsten der Ge-
Umständen beschränkt auf die meinde in Höhe von max. 30 %
Teile, die nicht angefochten sind) bzw. 10 % – Ausgleich eines da-
rüber hinaus gehenden Vorteils in
Vollzug des Plans durch Ein- 72 Geld
weisung der Eigentümer in die
neuen Besitz- u. Nutzungsrechte Feststellung etwaiger Differen- 59
– notfalls mit Zwang zen zwischen Soll-Ansprüchen
und Ist-Zuteilungen; Ausgleich
Berichtigung der Grundbücher 74 der Mehr- oder Minderzuteilun-
gen in Geld; Stichtag für die Wert-
verhältnisse: Tag des Beschlus-
ses über den Umlegungsplan

384

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Bodenordnung X.

(4) Zugleich mit dem Beginn des Umlegungsverfahrens muss die Umlegungsstelle dem
zuständigen Grundbuchamt und „der für die Führung des Liegenschaftskatasters zu-
ständigen Stelle“ (also in der Regel das Katasteramt oder das Vermessungsamt der
Stadt oder des Landkreises, ggf. auch das Flurbereinigungsamt) die Einleitung des
Verfahrens und die nachträglichen Änderungen des Umlegungsgebietes mitteilen. Dazu
hatte die Umlegungsstelle das Umlegungsgebiet zuvor so abzugrenzen, dass die Umle-
gung zweckmäßig durchgeführt werden kann. Das Gebiet darf aus räumlich voneinan-
der getrennten Bereichen zusammengesetzt sein. Insbesondere sollten einzelne Grund-
stücke, welche die Durchführung der Umlegung erschweren können, aber für die
Neueinteilung nicht von Bedeutung sind, ganz (bei Bedarf auch teilweise) ausgenom-
men werden. Das Grundbuchamt hat in die Grundbücher der umzulegenden Grund-
stücke den „Umlegungsvermerk“ einzutragen, mit dem zum Ausdruck gebracht wird,
dass ein Umlegungsverfahren im Gange ist. Um die Bedeutung dieses Vorgangs zu
verstehen, muss man wissen, welche Funktion die Grundbücher haben. Deshalb ist im
Bild 55 zusammengefasst, was es mit den Grundbüchern auf sich hat.

Bild 55: Die Funktion der Grundbücher im Umlegungsverfahren


1. Die bei den Amtsgerichten geführten Grundbücher enthalten ein Verzeichnis sämtlicher Grundstücke
in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der zugehörigen Eigentümer und der möglicher-
weise auf dem Grundstück liegenden Belastungen.
2. Für jedes Grundstück wird ein eigenes Grundbuchblatt angelegt. Ohne einen entsprechenden Ein-
trag in das Grundbuchblatt kann ein Grundstück nicht an einen Käufer übereignet oder (z. B.) mit ei-
ner Hypothek oder einer Grundschuld belastet werden. Nur eine Erbfolge vollzieht sich auch außer-
halb und ohne Eintragung in das Grundbuch.
3. Im Prinzip kann man sich darauf verlassen, dass das, was im Grundbuch steht, richtig ist, dass also
z. B. derjenige der Eigentümer eines Grundstücks ist, der im Grundbuch als dessen Eigentümer ein-
getragen ist.
4. Das Grundbuch dient also der Sicherheit und Publizität des Grundstücksverkehrs. Jeder, der ein be-
rechtigtes Interesse daran hat, darf in das Grundbuch einsehen und sich damit Auskunft darüber ver-
schaffen, wie es z. B. um die Belastung eines Grundstücks bestellt ist.
5. Angesichts dieser Bedeutung des Grundbuchs ist offenkundig, dass eine Umlegung wesentliche Ver-
änderungen im Grundbuch auslöst: Da Grundstücksgrenzen beseitigt oder verändert und somit neue
Grundstücksgrenzen geschaffen werden, müssen die Grundbuchblätter verändert oder abgelegt und
stattdessen neue angelegt werden. Die zugehörigen Belastungen müssen übertragen werden.
6. Trotz dieser Veränderungen geht das Eigentum an den Grundstücken im Umlegungsgebiet nicht un-
ter. Es herrscht der Grundsatz der dinglichen Surrogation: Das neu zugeschnittene Grundstück, das
einem beteiligten Eigentümer zugeteilt wird, tritt unmittelbar an die Stelle des bisherigen bzw. der bis-
herigen Grundstücke desselben Eigentümers.
7. Jeder, der ein Interesse an den Grundstücken im Umlegungsgebiet hat, muss darüber informiert wer-
den, dass die Grundstücksgrenzen in dem betreffenden Gebiet voraussichtlich verändert werden.
Dies geschieht durch den „Umlegungsvermerk“: Er enthält die amtliche Mitteilung darüber, dass für
das betreffende Grundstück ein Umlegungsverfahren eingeleitet ist.

(5) Wenn der Umlegungsbeschluss entweder nicht angefochten wird oder entspre-
chende Streitigkeiten gütlich bzw. durch Gerichtsurteil beigelegt worden sind, kann
die eigentliche Umlegung beginnen. Dazu bedarf es einer besonderen „Umlegungstech-
nik“, die im nächsten Abschnitt gesondert geschildert werden soll. Hier soll nur das
grundsätzliche Ziel der Umlegung angesprochen werden, das darin besteht, die Grund-
stücke zweckmäßig neu zu ordnen. Die neu geschnittenen Grundstücke sollen bebau-
bar sein. Das Gesetz ordnet daher an, dass eine Umlegung grundsätzlich mit einem B-
Plan verbunden werden muss. Aber auch innerhalb der im Zusammenhang bebauten
Ortsteile (§ 34) ohne B-Plan darf eine Umlegung angeordnet werden, „wenn sich aus
der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der
Grundstücke ergeben“ (so § 45 Satz 1 Ziffer 2). Im Allgemeinen muss jedoch durch
einen B-Plan vorgezeichnet werden, wie die künftige Bebauung vonstattengehen soll;
der zugehörige Umlegungsplan schneidet die Grundstücke so zu, dass sie entsprechend
dem B-Plan bebaut werden können. Manchmal ist der B-Plan schon vor Einleitung des

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Umlegungsverfahrens vorhanden, dann richtet sich die Umlegung nach dem fertigen
B-Plan. Häufig werden aber auch Umlegung und Bebauungsplanung gleichzeitig
durchgeführt, sie beeinflussen sich dann wechselseitig. Allerdings muss der B-Plan in
Kraft getreten sein, bevor die Gemeindevertretung durch Beschluss des „Umlegungs-
plans“ (bestehend aus einer Karte der neu geordneten Grundstücke und einem entspre-
chenden Grundstücksverzeichnis) endgültig festlegt, wie die Grundstücksgrenzen nach
erfolgreichem Abschluss des Umlegungsverfahrens aussehen sollen. Denn die Grund-
stückseigentümer sollen vor dieser Beschlussfassung beurteilen können, ob der Zweck
der Umlegung mit der vorgeschlagenen Neuordnung erreicht wird. Erst durch das
Nebeneinanderlegen von B-Plan und Umlegungskarte kann man feststellen, ob die
neuen Grundstücke wirklich zweckmäßig für die Bebauung geschnitten sind899. Eine
amtliche Umlegung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans darf ausschließlich der
Umsetzung der im B-Plan getroffenen Festsetzungen dienen. Die Erschließung der Bau-
grundstücke darf nicht im B-Plan offen gelassen werden, um den damit verbundenen
Konflikt stattdessen ins nachfolgende Umlegungsverfahren zu verlagern (der Umle-
gungsplan kann unterlassene Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht ersetzen)900.
Umgekehrt dürfte einleuchten, dass nicht jeder Bebauungsplan die Einleitung einer
Umlegung rechtfertigt: Ein Umlegungsbeschluss, der nur dazu dient, der Gemeinde die
im B-Plan ausgewiesenen Gemeinbedarfsflächen durch Vorwegabzug und Einbehalt
des Umlegungsvorteils zu verschaffen, ist rechtswidrig901.
(6) Nach erfolgreicher Anwendung der „Umlegungstechnik“ (inkl. öffentlicher Ausle-
gung von Bestandskarte und Bestandsverzeichnis für die Dauer von einem Monat,
Ausfilterung der „Verteilungsmasse“ aus der „Umlegungsmasse“, Neuordnung und
-verteilung der Flächen, Anfertigen des Umlegungsplans und Erörterung mit den Ei-
gentümern) beschließt die Gemeinde den Umlegungsplan, der die Umlegungskarte und
das Umlegungsverzeichnis umfasst und aus dem sich der in Aussicht genommene Neu-
zuschnitt der Grundstücke (mit den neuen Grundstücksgrenzen und -bezeichnungen
sowie mit den Erschließungsflächen und den übrigen erforderlichen Flächen im Sinne
des § 55 Abs. 2) ergibt. Der Beschluss ist von der Umlegungsstelle in der Gemeinde
ortsüblich bekannt zu machen. Jeder, der ein berechtigtes Interesse darlegen kann, darf
diesen Umlegungsplan einsehen.
(7) Zugleich wird den Beteiligten ein ausschließlich ihre Rechte betreffender Auszug
aus dem Umlegungsplan zugestellt. Sind Grundeigentümer (oder sonstige Beteiligte)
mit dem in Aussicht genommenen Neuzustand nicht einverstanden, kann der Plan
entsprechend seiner Natur als Verwaltungsakt durch Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung angefochten werden. Zuvor ist kraft Landesrechts i. V. m. § 212 BauGB ein Wi-
derspruchsverfahren erforderlich (vgl. dazu im Einzelnen Kapitel B.XVII.). Nimmt die
Umlegungsstelle – z. B. aufgrund eines eingelegten Widerspruchs – Änderungen am
Umlegungsplan vor, sind die Bekanntmachung und Zustellung zu wiederholen. Dabei
genügt es jedoch, die Bekanntmachung und die Zustellung des geänderten Plans auf
die von der Änderung Betroffenen zu beschränken. (In der Praxis bemüht man sich,
den Umlegungsplan so lange durch Verhandlungen mit den Betroffenen abzustimmen,
dass alle einverstanden sein können. Angesichts der Vorteile, die auch die Eigentümer
von der Umlegung haben, gelingt dies recht häufig.) Regt sich schließlich kein weiterer
Widerstand gegen den Umlegungsplan mehr, ist mit Fristablauf der Zeitpunkt der
Unanfechtbarkeit des Plans ortsüblich bekannt zu machen.
(8) Aus der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans folgen die
Rechtswirkungen des § 72, wonach der frühere Rechtszustand mit den ungünstigen

899 Vgl. BGH, U. v. 10.11.1983 – III ZR 131/82 –, DVBl. 1984, 337 und BGH, U. v. 14.4.1985 – III ZR
190/84 –, BGH WM 1985, 901.
900 BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 4 CN.14 –, ZfBR 2015, 689.
901 Vgl. auch LG Karlsruhe, U. v. 10.6.1983 – O (Baul.) 21/83 –, VBlBW 1984, 122.

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Bodenordnung X.

Grundstückszuschnitten des Umlegungsbereichs durch die im Umlegungsplan vorge-


zeichnete Grundstückseinteilung ersetzt wird. Damit tritt ein neuer Rechtszustand ein.
In diesem Moment gelten alte Straßen als eingezogen, während die neuen Straßen mit
der Verkehrsübergabe als gewidmet gelten.
(9) Mit der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit hat die Gemeinde den Umlegungs-
plan auch zu vollziehen. Dazu kann z. B. die Freiräumung der Grundstücke, insbeson-
dere der Gebäudeabbruch oder die Räumung von Mietwohnungen aufgrund aufgeho-
bener Mietverhältnisse gehören.
(10) Zum Abschluss des Umlegungsverfahrens gehört auch, dass die öffentlichen Bü-
cher, insbesondere das Grundbuch sowie die Katasterpläne aktualisiert werden. Daher
ordnet § 74 an, dass die Umlegungsstelle eine beglaubigte Abschrift der Bekanntma-
chung zum Inkrafttreten sowie eine beglaubigte Ausfertigung des Umlegungsplans dem
Grundbuchamt sowie der für die Führung des Liegenschaftskatasters zuständigen
Stelle zukommen lässt. Auf entsprechendes Ersuchen durch die Umlegungsstelle sind
die Stellen aufgefordert, die Rechtsänderungen in das Grundbuch und in das Liegen-
schaftskataster einzutragen sowie den Umlegungsvermerk im Grundbuch zu löschen.
Der Grundstücksneuzuschnitt bringt in der Regel für alle Beteiligten große Vorteile.
Daher sind auch freiwillige Umlegungsverfahren, die aufgrund privatvertraglicher Re-
gelungen von den Grundeigentümern mit Unterstützung der Gemeinde abgewickelt
werden, nicht selten. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese „freiwilligen Umlegun-
gen“, bei denen den Grundeigentümern zum Teil mehr Leistungen abverlangt werden
als nach dem amtlichen Verfahren, ausdrücklich gebilligt902. Die freiwillige Umlegung
hat vor allem im Kontext städtebaulicher Verträge an Bedeutung gewonnen (vgl. § 11
Abs. 1).
Wenn – trotz intensivster Abstimmungsrunden und Erörterungen – hinsichtlich des
Umlegungsplans nicht ausräumbare Streitigkeiten bleiben, müssen diese vor Gericht
ausgetragen werden. Der Umlegungsplan kann dann noch nicht rechtsverbindlich wer-
den. Damit das Verfahren nicht durch einzelne nicht einverstandene Eigentümer un-
endlich in die Länge gezogen wird, gibt es die Möglichkeit, dass der Umlegungsplan
wenigstens insoweit als unanfechtbar bekanntgemacht wird, als er unstreitig ist. Mit
der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit gelten die betreffenden Grundstücke als
neu geordnet. Die Eigentümer treten dann in ihre Rechte am neuen Grundstück ein,
und das Grundbuch wird entsprechend berichtigt. Da von der Bekanntmachung der
Unanfechtbarkeit eigenständige Rechtswirkungen ausgehen, kann sie gesondert ange-
fochten werden. Im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren kann aber nur gerügt wer-
den, dass die Voraussetzungen für die Bekanntmachung nicht vorlagen (z. B. weil die
Anfechtungsfrist von einem Monat für den Umlegungsplan noch gar nicht abgelaufen
war), als die Bekanntmachung in der Zeitung erschien. Die Anfechtungsfrist selbst
wird durch einen solchen Prozess nicht verlängert.
2. Umlegungstechnik
Die Vorzüge der Umlegung im Einzelnen, aber auch die Problempunkte sind erst er-
kennbar, wenn man sich mit den technischen Einzelheiten des Verfahrens beschäftigt.
Das technische Verfahren beginnt mit der Anfertigung einer Bestandskarte und eines
Verzeichnisses der Grundstücke des Umlegungsgebiets (Bestandsverzeichnis). Die Be-
standskarte weist die bisherige Lage, die Größe und die Nutzung der Grundstücke des
Umlegungsgebiets aus und bezeichnet die Eigentümer. In dem Bestandsverzeichnis sind
für jedes Grundstück
– die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer,
– die grundbuch- und katastermäßige Bezeichnung der Grundstücke unter Angabe
von Straße und Hausnummer sowie

902 BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 24/80 –, NJW 1985, 989.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

– die im Grundbuch in Abt. II eingetragenen Lasten und Beschränkungen auszufüh-


ren.
Bestandskarte und Bestandsverzeichnis sind für die Dauer eines Monats in der Ge-
meinde öffentlich auszulegen (§ 53 Abs. 2). Zusammen mit der bereits erwähnten orts-
üblichen Bekanntmachung des Umlegungsbeschlusses dient diese Auslegung dazu, dass
alle Betroffenen wirklich am Umlegungsverfahren beteiligt werden und dass die Umle-
gungsstelle von einer zutreffenden Basis ausgeht. Wenn schon der Bestand nicht zutref-
fend erfasst wird, dann kann die darauf aufbauende Umlegung kein gutes Ende neh-
men. Bis zum EAG Bau durfte von der öffentlichen Auslegung von Bestandskarte und
-verzeichnis abgesehen werden, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind. Diese
Regelung ist 2004 gestrichen worden. Geblieben ist aber die Regelung nach § 53
Abs. 3, dass an die Stelle der ortüblichen Bekanntmachung die Mitteilung an die Ei-
gentümer und die Inhaber sonstiger Rechte (soweit sie aus dem Grundbuch ersichtlich
sind oder sie ihr Recht bei der Umlegungsstelle angemeldet haben) treten darf, wenn
die Umlegung nur wenige Grundstücke betrifft.
Weisen die öffentliche Auslegung oder die vorangehende ortsübliche Bekanntmachung
Fehler auf, so wird hierdurch die Rechtswirksamkeit des gesamten Umlegungsverfah-
rens nicht beeinträchtigt. Stellt aber ein Beteiligter fest, dass seine Rechte nicht oder
nicht richtig aufgeführt sind, so kann er einen Antrag auf Berichtigung stellen. Wird
diesem Antrag nicht vollständig stattgegeben, so kann der Betroffene diese Entschei-
dung als Verwaltungsakt gerichtlich anfechten. Vor Entscheidung über diesen Streit
kann die Umlegung nicht mit Aussicht auf bestandskräftigen Erfolg weitergeführt wer-
den.
Nachdem die an der Umlegung beteiligten Grundstücke richtig erfasst worden sind,
werden sie rechnerisch zur „Umlegungsmasse“ vereinigt. Jetzt wird also gleichsam
der „große Topf gefüllt“, aus dem im weiteren Verfahren die neu zugeschnittenen
Grundstücke entnommen werden sollen. Aus diesem „großen Topf“ wird vorab zu-
gunsten der Gemeinde etwas „abgeschöpft“, nämlich die Flächen, die nach dem Be-
bauungsplan als örtliche Verkehrsflächen, als Grünflächen (einschließlich der Kinder-
spielplätze) oder für Anlagen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen
(Hauptfall: Lärmschutzwälle) sowie für örtlich wirksame Regenklär- und Regenüber-
laufbecken festgesetzt sind. Dieser sog. Vorwegabzug nach § 55 Abs. 2 erleichtert der
Gemeinde ganz wesentlich die Erschließung des Gebiets und spart Kosten903. Denn
normalerweise müssten die betreffenden Grundstücke den Eigentümern abgekauft
oder im Wege der Enteignung beschafft werden, wobei sich die Gemeinde nur 90 %
des Kaufpreises oder der Enteignungsentschädigung als „beitragsfähigen Erschlie-
ßungsaufwand“ über den Erschließungsbeitrag wieder zurückholen könnte.
Bereits durch das Baugesetzbuch ist die Möglichkeit des Vorwegabzugs ausgedehnt
worden. Während es nach dem BBauG nur die nach dem Erschließungsbeitragsrecht
(§ 127) abrechnungsfähigen Verkehrsflächen und die Grünflächen waren, kamen 1986
die Lärmschutzwälle und Regenklär- und -überlaufbecken hinzu, wenn die Flächen
überwiegend den Bedürfnissen des Umlegungsgebiets dienen. Durch das BauROG
1998 ist der Umfang des Vorwegabzugs ein weiteres Mal erweitert worden, und zwar
um Flächen im Umlegungsgebiet, die dem naturschutzrechtlichen Ausgleich für Ein-
griffe in Natur und Landschaft dienen. Durch das EAG Bau 2004 wurde zudem klar-
gestellt, dass die Bestimmungen zum Vorwegabzug gleichermaßen innerhalb der nicht
überplanten, im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 Anwendung finden,
soweit dieser Bereich für einem Umlegungsverfahren unterzogen werden soll.
Nach § 55 Abs. 2 Satz 2 gehören – zum Ersten – die Flächen mit in den Vorwegabzug,
auf denen der Ausgleich für diejenigen Eingriffe herbeigeführt werden soll, die mit

903 Zu den Voraussetzungen vgl. BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR 185/82 –, NJW 1984, 2219.

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Bodenordnung X.

den Anlagen und Einrichtungen verbunden sind, deren Flächenbedarf Gegenstand des
Vorwegabzugs ist. In der Hauptsache betrifft diese Regelung den Bau der Erschlie-
ßungsstraßen. Selbstverständlich darf eine Umlegung nicht allein das Ziel verfolgen,
der öffentlichen Hand unentgeltlich Verkehrsflächen zu verschaffen. Es kann aber vor-
kommen, dass im Zuge einer Neuordnung aufgrund der Abtrennung der für den Ver-
kehr erforderlichen Flächen Restflächen übrig bleiben, die dann nicht mehr zweckmä-
ßig nutzbar sind904. Die Flächen, die dem Ausgleich des Eingriffs dienen, der z. B.
durch die Versiegelung der Straßen herbeigeführt wird, werden in den Vorwegabzug
einbezogen. Auf diese Weise kann eine Straße durch einen begrünten und mit Bäumen
bepflanzten Mittelstreifen breiter als nach reinen Erschließungsgesichtspunkten erfor-
derlich gestaltet werden. Möglich ist aber auch der Ausgleich auf (im Umlegungsge-
biet, nicht außerhalb) gesondert festgesetzten Flächen für Maßnahmen zum Schutz,
zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft; diese Flächen gehören
dann mit zum Gegenstand des Vorwegabzugs.
Nach § 55 Abs. 2 Satz 3 dürfen – zum Zweiten – die zum Vorwegabzug gehörenden
Grünflächen „auch bauflächenbedingte Flächen zum Ausgleich umfassen“. Damit ist
Folgendes gemeint: Die Eigentümer von Baugrundstücken sind zum naturschutzrecht-
lichen Ausgleich verpflichtet. Dafür werden häufig besondere Grünanlagen festgesetzt,
deren Herstellung dann über Kostenerstattungsbescheide nach §§ 135 a-c abgerechnet
werden kann. § 55 Abs. 2 Satz 3 ermöglicht es, dass diese Grünflächen zum Ausgleich
von Eingriffen auf Baugrundstücken unmittelbar den erschließungsbedingten Grünflä-
chen zugeschlagen und per Vorwegabzug einbehalten werden. Damit erspart sich die
Gemeinde den Umweg von Kostenerstattungsbescheiden und die Grünplanung wird
erleichtert.
Im Übrigen wurde die Pflicht der Grundeigentümer zum naturschutzrechtlichen Aus-
gleich schon durch das BauROG komplett in das Umlegungsrecht eingearbeitet. Dies
geschah auf die folgende Weise:
(a) Die Möglichkeiten des Vorwegabzugs nach § 55 Abs. 2 wurden um die Flächen
erweitert, die zum Ausgleich für diejenigen Eingriffe benötigt werden, die durch
die Anlagen und Einrichtungen herbeigeführt werden, zu deren Gunsten ein Vor-
wegabzug möglich ist (also Erschließungsstraßen, Lärmschutzwälle, Regenrück-
haltebecken usw.).
(b) Außerdem dürfen die in den Vorwegabzug einbezogenen Grünflächen um die Flä-
chen erweitert werden, die für bauflächenbedingte Ausgleichsmaßnahmen benö-
tigt werden.
(c) Der Wert der Einwurfsgrundstücke ist unter Beachtung der Verpflichtung zum
Ausgleich zu ermitteln (d. h. in aller Regel zu reduzieren).
(d) Flächen zum Ausgleich sind (soweit dies nach Lage der Dinge möglich und abwä-
gungsgerecht ist) in die Zuteilungsgrundstücke werterhöhend zu integrieren.
Durch diese Regelungen zur Wertberechnung wird erreicht, dass der Soll-Anspruch
der Eigentümer rechnerisch vermindert und der Wert der gegebenenfalls zugeteilten
Fläche um den Wert der gegebenenfalls einbezogenen Fläche zum Ausgleich erhöht
wird. Die Herabsetzung der Soll-Ansprüche hat zur Folge, dass sich der der Gemeinde
im Umlegungsgebiet zu Gebote stehende Flächenanteil erhöht. Dieser Umstand kann
zur Festsetzung von Flächen zum Ausgleich im Umlegungsgebiet genutzt werden. Bei
Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen außerhalb der Baugrundstücke werden die
Kosten des Flächenerwerbs entweder über den Kostenerstattungsbetrag nach den
§§ 135 a-c erhoben oder (soweit die Ausgleichsmaßnahmen auf öffentlichen Grünflä-

904 OLG Karlsruhe, U. v. 9.12.2011 – 21 U 2/11 Baul – (rechtskräftig nach Beschluss des BGH vom 13.9.
2012 – III ZR 4/12 –), BauR 2013, 212.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

chen stattfinden, die Gegenstand des Vorwegabzugs waren) im Wege des Vorwegab-
zugs auf die Eigentümer abgewälzt.
Was nach dem „Vorwegabzug“ noch übrigbleibt, ist die sog. Verteilungsmasse nach
§ 55 Abs. 4. Öffentliche Planungsträger, insbesondere die Gemeinden selbst, genießen
im Hinblick auf diese Verteilungsmasse immer noch eine gewisse Vorzugsstellung, die
in § 55 Abs. 5 beschrieben ist: Danach können Flächen, für die nach dem Bebauungs-
plan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist, aus der Verteilungsmasse
ausgeschieden und dem jeweiligen Bedarfs- oder Erschließungsträger zugeteilt werden,
wenn dieser geeignetes Ersatzland in die Verteilungsmasse einbringt. Das Ersatzland
kann auch außerhalb des Umlegungsgebiets liegen. Hier ist insbesondere an Fälle zu
denken, in denen die Eigentümer von bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstü-
cken Wert darauf legen, weiterhin landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke zu erhal-
ten. Derartige Eigentümer können besser mit Grundstücken außerhalb des Umlegungs-
gebietes abgefunden werden, da die Grundstücke im Umlegungsgebiet ja zukünftig
bebaut werden sollen. Hier wäre es ein günstiges Zusammentreffen von verschiedenen
Interessen, wenn die innerhalb des Umlegungsgebiets freiwerdende Fläche gleichzeitig
für öffentliche Zwecke eingesetzt werden könnte.
Wenn die öffentlichen Bedarfsträger erhalten haben, was ihnen gebührt, beginnt die
Verteilung unter den an der Umlegung beteiligten Eigentümern. Jetzt muss eine der
schwierigsten und auch wichtigsten Entscheidungen getroffen werden, nämlich die,
nach welchem Maßstab die Neuverteilung stattfinden soll. Als Grundregel gilt, dass
jeder Eigentümer für seinen in die Umlegung eingebrachten Grundbesitz ein oder meh-
rere Grundstücke mit mindestens dem gleichen Verkehrswert zurückerhalten soll. Der
Bundesgerichtshof nennt dies den „Grundsatz der wertgleichen Abfindung in
Land“905. Besonders in diesem Grundsatz kommt zum Ausdruck, dass die Umlegung
nicht Eigentumsentzug, sondern Umgestaltung des Eigentums im Rahmen der Eigen-
tumsbindung ist. Die Juristen sprechen insoweit von „dinglicher Surrogation“: Das
Eigentum der Umlegungsbeteiligten geht auch im „großen Topf“ niemals unter; viel-
mehr kehrt es daraus nur in veränderter Gestalt wieder zurück. Deshalb gehen z. B.
auch die Hypotheken, die auf einem eingebrachten Grundstück gelegen haben, ohne
Weiteres auf das neu zugeteilte Grundstück über. Juristisch ist das neue Grundstück
identisch mit dem alten.
Tatsächlich kann aber (fast) niemand das gleiche Stück Erdoberfläche wieder zugeteilt
erhalten, das er vorher besessen hat. Denn zum einen sind vom Eigentum an dieser
Erdoberfläche, nachdem sie im „großen Topf“ verschwunden war, bestimmte Teile
schon an die Gemeinde ausgegeben worden (nämlich der Vorwegabzug). Zum ande-
ren besteht der Zweck der Umlegung eben darin, die Grundstücksgrenzen auf der
Erdoberfläche zu verändern. Im Ergebnis muss also jeder flächenmäßig etwas weniger
und etwas anders zugeschnittenes Land bekommen, als er vorher hatte (vgl. Bild 56).

905 Zum Grundsatz der wertgleichen Abfindung im Land vgl. BGH, U. v. 12.10.1959 – III ZR 48/58 –,
BGHZ 31, 49 (56), BGH, U. v. 21.2.1980 – III ZR 84/78 –, NJW 1980, 1634; die Wertgleichheit
bezieht sich nach dem BGH nicht auf die absoluten Werte des eingeworfenen und des zugeteilten
Grundstücks, sondern auf das Verhältnis der Wertanteile an der Einwurfsmasse einerseits und der
Zuteilungsmasse andererseits. Vgl. auch BVerwG, U. v. 21.6.1955 – 1 C 173.54 –, BVerwGE 2, 154
und BVerwG, U. v. 6.10.1960 – 1 C 64.60 –, BVerwGE 12, 1 sowie BGH, B. v. 13.2.1969 – III ZR
123/68 –, BGHZ 51, 341.

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Bild 56: Vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand (Beispiel Flächenmaßstab)

Damit die notwendigen m²-Abzüge in gerechter Weise auf alle Eigentümer verteilt
werden können und die Neuzuteilung insgesamt gerecht vor sich geht, stellt das Gesetz
zwei Verteilungsmaßstäbe zur Verfügung: Den Flächenmaßstab und den Wertmaßstab.
Je nachdem, welcher Maßstab angewendet wird, spricht man entweder von einer
„Wertumlegung“ oder einer „Flächenumlegung“ (vgl. Bild 57). Wenn alle Beteiligten
einverstanden sind, kann auch ein anderer Maßstab verwendet werden.
Anhand des Verteilungsmaßstabs werden die „Sollansprüche“ der Beteiligten ausge-
rechnet. Beim „Sollanspruch“ geht es (jedenfalls primär) nicht um den oben zitierten
„Grundsatz der wertgleichen Abfindung“, wonach jedem Eigentümer möglichst ein
Grundstück mit dem gleichen Verkehrswert wie das von ihm eingeworfene Grund-
stück zuzuteilen ist. Die Errechnung der Sollansprüche dient vielmehr dazu, das Ver-
hältnis der an der Umlegung beteiligten Grundeigentümer untereinander gerecht zu
ordnen; jeder Beteiligte soll nach der Umlegung im Verhältnis zu den übrigen Beteilig-
ten nicht schlechter und nicht besser dastehen als vorher. Die Sollansprüche werden
daher nicht absolut in m2 (Flächenmaßstab) oder in A (Wertmaßstab) ausgedrückt,
sondern relativ als Anteile an der Verteilungsmasse. Die Anwendung des Flächenmaß-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

stabs führt dazu, dass das Verhältnis der Flächenanteile der Eigentümer an der Ein-
wurfsmasse als Richtschnur für die Verteilung der nach dem Vorwegabzug noch vor-
handenen Fläche angewendet wird; die Anwendung des Wertmaßstabs führt dazu,
dass das Verhältnis der Werte der eingeworfenen Grundstücke als Maßstab für die
Verteilung der in der Verteilungsmasse befindlichen Werte an die Eigentümer zugrunde
gelegt wird. Wird der Flächenmaßstab angewendet, so wird ausgerechnet, welcher
Anteil an der zur Verteilung gelangenden Fläche jedem Beteiligten zusteht. Dies ge-
schieht, indem errechnet wird, in welchem Verhältnis die eingeworfenen Flächen zuei-
nander standen. Dies Verhältnis soll dann auch bei der Neuverteilung der Fläche in
m2 beibehalten werden. Wer 20 % der Einwurfsmasse besaß, soll auch 20 % der Ver-
teilungsmasse bekommen.
Bild 57: Wertumlegung und Flächenumlegung
Wertumlegung
Jeder Eigentümer erhält von der Verteilungsmasse den gleichen Wertanteil, den er zuvor
an der Einwurfsmasse hatte
Eigen- Flur- Wert des ein- Summe Anteil an Wert des/r zuzu- Anteil an
tümer stücks- geworfenen in g der Ein- teilenden der Vertei-
Nr. Grundstücks wurfs- Grundstücks/e lungsmasse
in g masse (= Sollan- in %
in % spruch) in g
215 31.000 144.000 14,5 216.050 14,5
A
217 113.000
B 216 69.510 69.510 7,0 104.300 7,0
218 29.000
219 19.000
C 124.125 12,5 186.250 12,5
221 14.000
223 62.125
220 117.000
D 222 37.500 208.500 21,0 312.900 21,0
224 54.000
E 225 312.500 312.500 31,5 469.350 31,5
F 226 85.000 85.000 8,5 126.650 8,5
227 50.000 50.000 5,0 74.500 5,0
G
Summe: 993.635 100 1.490.000 100
Jeder Eigentümer hat die Wertdifferenz zwischen dem Wert des eingeworfenen Grundstücks als Roh-
bauland und dem lt. Sollanspruch zugeteilten Grundstück als baureifes Land in Geld an die Gemeinde
zu begleichen (Ausgleich des Umlegungsvorteils in Geld. Hier A = 72.050 e (216.050 e – 144.000 e);
B = 34.790 e; C = 62.125 e usw.)

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Bild 57: Wertumlegung und Flächenumlegung


Flächenumlegung
Jeder Eigentümer erhält von der Verteilungsmasse den gleichen Flächenanteil, den er zu-
vor an der Einwurfsmasse hatte
Eigen- Flur- Fläche des Summe Anteil an Fläche des/r zu- Anteil an
tümer stücks- eingeworfe- in m² der Ein- zuteilenden der Vertei-
Nr. nen Grund- wurfs- Grundstücks/e lungsmasse
stücks in m² masse (= Sollan- in %
in % spruch) in m²
Eigen- 215 943 3.334 13,5 2.358 13,5
tümer A 217 2.391
Eigen-
216 1.976 1.976 8,0 1.398 8,0
tümer B
218 751
Eigen- 219 531
3.210 13,0 2.271 13,0
tümer C 221 347
223 1581
220 2.753
Eigen-
222 1.244 5.309 21,5 3.756 21,5
tümer D
224 1.312
Eigen-
225 7.038 7.038 28,5 4.979 28,5
tümer E
Eigen-
226 2.470 2.470 10,0 1.747 10,0
tümer F
Eigen-
227 1.357 1.357 5,5 961 5,5
tümer G
Summe: 24.694 100 17.470 100

Fläche in m² Anteil in %
Verkehrsfläche 3.034 12,3
Grünfläche (Ausgleichsmaßnahmen) 4.192 17,0
Gesamtflächen der zuzuteilenden Grundstücke 17.470 70,7
Summe: 24.696 100

Statt des bei der Wertumlegung einzuziehenden Umlegungsvorteils in Geld erhält die Ge-
meinde bei Gebieten, die erstmals erschlossen werden, von der Einwurfsmasse einen Flä-
chenanteil in Höhe von maximal 30 % der Fläche (im nur teilerschlossenen Beispielfall sind
es 12,3 %).
Mehr- oder Minderzuteilungen gegenüber dem Sollanspruch sind sowohl bei der Wert- als
auch bei der Flächenumlegung in Geld auszugleichen.

Im Hinblick auf die zur Verteilung gelangenden Werte kann dieser Maßstab natürlich
nur dann zu gerechten Ergebnissen führen, wenn Grund und Boden im Umlegungsge-
biet pro m2 etwa den gleichen Wert haben, und zwar sowohl vor als auch nach der
Umlegung. Wenn die Wertverhältnisse vorher unterschiedlich sind, ist der Flächen-
maßstab schon im Ansatz verfehlt, weil er ungleiche Werte gleich behandelt; sind die
Werte nachher unterschiedlich, kann die am vorherigen Besitz orientierte Zuteilung
von z. B. 20 % der Fläche dazu führen, dass der Betroffene 30 % des Werts der Vertei-
lungsmasse (oder noch mehr) erhält; obwohl er vorher nur mit 20 % am Wert der
Einwurfsmasse beteiligt war.
In allen Fällen von Wertungleichheit ist daher der Flächenmaßstab ungeeignet, und
man muss zur „Wertumlegung“ übergehen. Bei der Wertumlegung werden die Sollan-

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sprüche der Beteiligten nicht anhand der Fläche, sondern anhand des Werts der einge-
worfenen Grundstücke im Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses errechnet. Wer 20 %
des Werts zur Umlegungsmasse beisteuerte, der soll 20 % des Werts der Verteilungs-
masse erhalten.
Wenn man bei der „Wertumlegung“ an die Ausrechnung der Werte der eingeworfenen
und der zur Verteilung gelangenden Grundstücke geht, wird man fast immer feststel-
len, dass sich der Wert des Lands pro m2 im Zuge der Umlegung erheblich erhöht hat.
Diese Wertsteigerung ist eine Folge der Tatsache, dass jede Umlegung dazu dient, die
Grenzen der betroffenen Grundstücke zu verbessern. In aller Regel waren die Grund-
stücke vor der Umlegung nicht oder nur sehr ungünstig bebaubar. Jedermann weiß,
dass ein einwandfrei bebaubares Grundstück pro m2 mehr wert ist als ein nicht oder
nur schlecht bebaubares. Es gilt daher der Erfahrungssatz, dass jedes Umlegungsver-
fahren zu einer beträchtlichen Wertsteigerung der betroffenen Grundfläche führt.
Diese Wertsteigerung ist in 99 % der Fälle größer als das, was durch den Vorwegabzug
an Fläche aus der Umlegungsmasse herausgenommen wird. Am Beispiel ausgedrückt:
Wenn aus 10.000 m2 „Rohbauland“ (so nennt man noch nicht erschlossenes und noch
nicht zweckmäßig eingeteiltes Bauland) zu einem Wert von 30 A pro m2 nach Vorweg-
abzug von 2.000 m2 schließlich 8.000 m2 Bauland zum m²-Preis von 50 A zur Vertei-
lung gelangen, dann ist die nach der Fläche geringere Verteilungsmasse immer noch
100.000 A mehr wert als die Summe der eingeworfenen Grundstücke vor der Umle-
gung. Die Forderung des Gesetzes, dass jeder ein Grundstück mit mindestens dem
gleichen Verkehrswert zugeteilt erhalten soll wie sein eingeworfenes Grundstück, lässt
sich also rechnerisch fast immer erfüllen. Das gilt auch nach der Erweiterung des
Vorwegabzugs durch Einbeziehung von Flächen zum naturschutzrechtlichen Aus-
gleich. Der Gesetzgeber des BauROG hat dafür zusätzlich Sorge getragen, indem er
anordnete, dass bei der Einschätzung des Werts des eingeworfenen Grundstücks auch
die „Pflicht zur Bereitstellung von Flächen zum Ausgleich“ wertmindernd berücksich-
tigt werden muss (§ 57 Satz 2).
Nach alledem steht fest, dass nach einer Umlegung (am Bodenwert bemessen) fast
immer mehr zur Verteilung gelangen kann, als vorher zu Buche stand. An dem obigen
Beispiel ist dieses bereits deutlich geworden: 8.000 m2 Bauland zum Wert von 50 A
pro m2 ergeben einen Bodenwert von 400.000 A, der zur Verteilung gelangen kann,
während die ursprünglich landwirtschaftlich genutzten 10.000 m2 als Rohbauland nur
300.000 A wert gewesen sind, als Bauerwartungsland sogar nur 150.000 A (Bauerwar-
tungsland nennt man nach der Terminologie der Immobilienwertermittlungsverord-
nung solches Land, das im Flächennutzungsplan als Baufläche ausgewiesen ist, für das
es aber noch keinen Bebauungsplan gibt). Was geschieht aber mit dem Wertvorteil in
Höhe von 100.000 A oder sogar von 250.000 A?
Im Grundsatz sollen die speziell durch die Umlegung herbeigeführten Wertvorteile bei
der Gemeinde bleiben. Die Eigentümer sind deshalb zur Abführung des sog. Umle-
gungsvorteils an die Gemeinde verpflichtet. Bei der Wertumlegung müssen sie den
Unterschied zwischen dem Wert des eingeworfenen Grundstücks906 und dem des
Grundstücks, das sie aus der Umlegung erhalten haben, in Geld an die Gemeinde
zahlen. Bei der Bewertung des eingeworfenen Grundstücks wird aber nicht von der
schlichten landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen, sondern vom Wert als Rohbau-
land. Dadurch soll erreicht werden, dass die Grundeigentümer nicht den gesamten
Gewinn abführen müssen, der sich aus der Umwandlung des bisherigen Ackerlands in

906 Zur Berechnung, insbesondere zu den Stichtagen für die Wertberechnung vgl. BGH, U. v. 21.2.1980 –
III ZR 84/78 –, NJW 1980, 1634 und BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR 185/82 –, NJW 1984, 2219 im
Anschluss an BGH, U. v. 22.6.1978 – III ZR 92/75 –, BGHZ 72, 51 sowie BGH, U. v. 6.12.1984 – III
ZR 174/83 –, BGHZ 93, 103.

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Bauland ergibt, sondern nur den spezifischen Umlegungsvorteil907. Die Abschöpfung


des darüber hinausgehenden allgemeinen Planungsgewinns wäre ungerecht, weil es
einen allgemeinen Planungswertausgleich zu Lasten der Grundeigentümer, deren Land
vom Ackerland zum Bauland wird, nicht gibt. Ein Versuch des Bundesgesetzgebers,
anlässlich der großen BBauG-Novelle im Jahr 1976 einen solchen Planungswertaus-
gleich einzuführen, ist 1976 im Bundesrat gescheitert; auch 1997 scheiterte ein im
Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum BauROG vom Bundesrat ausgehender er-
neuter Versuch im Vermittlungsausschuss. Folglich sind Wertsteigerungen, die wäh-
rend des Umlegungsverfahrens dadurch zustande kommen, dass der zugehörige Bebau-
ungsplan in Kraft tritt, bei der Berechnung des Umlegungsvorteils auszuschalten. Am
obigen Beispiel errechnet bedeutet dies, dass der Wertsprung vom Ackerland (5 A) zu
Bauerwartungsland (15 A) und vom Bauerwartungsland (15 A) zum Rohbauland (30 A)
beim Grundeigentümer verbleibt; nur der Umlegungsvorteil in Höhe der Wertdifferenz
von 20 A ist abzuführen. Zu Lasten des Grundeigentümers wirkt sich dabei aus, dass
er die naturschutzrechtliche Kompensation finanzieren muss. Dadurch wird einerseits
der Einwurfswert der Grundstücke gemindert (siehe oben). Sofern der Ausgleich auf
dem Baugrundstück oder im Kontext des Baugrundstücks durchgeführt werden kann,
werden die Flächen zum Ausgleich mit zugeteilt (§ 59 Abs. 1) und wirken sich damit
(andererseits) werterhöhend auf das zugeteilte Grundstück aus. Auf diese Weise ist
dafür Sorge getragen, dass die im Wege des Vorwegabzugs von der Gemeinde erworbe-
nen Flächen zum Ausgleich ebenso wie die wieder zugeteilten Flächen zum Ausgleich
grundsätzlich nicht mehr zum Gegenstand von Kostenerstattungsbescheiden gemacht
werden müssen, sondern in das Wertausgleichssystem des Umlegungsrechts einbezo-
gen sind.
Zusätzlich zum Umlegungsvorteil muss der Eigentümer bei neu erschlossenem Bauland
noch den Erschließungsbeitrag bezahlen. Dabei hat die Gemeinde die Wahl, ob sie die
im Wege des Vorwegabzugs einbehaltenen Flächen durch Einrechnung in den Umle-
gungsvorteil nicht mehr in den Erschließungsbeitrag einbeziehen will oder ob sie „er-
schließungsflächenbeitragspflichtig“ zuteilt (vgl. § 57 Satz 4, 2. Halbsatz). Die Vari-
ante „erschließungsflächenbeitragspflichtig“ kommt insbesondere in Betracht, wenn
das Umlegungsgebiet anders zugeschnitten ist als das Gebiet, das durch eine bestimmte
Anlage erschlossen wird. Wenn durch eine Straße über das Umlegungsgebiet hinaus
weitere Grundstücke erschlossen werden, führt eine erschließungsflächenbeitrags-
pflichtige Zuteilung zu gerechteren Ergebnissen, weil die Grunderwerbskosten dann
auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt werden. Es wird zu klären sein, ob
die Gemeinde diese Option auch bei Flächen zum Ausgleich hat. Kann die Gemeinde
auch „ausgleichsflächenkostenerstattungspflichtig“ zuteilen? Die Frage dürfte zu beja-
hen sein. Die Kostenerstattung richtet sich dann nach den §§ 135 a–c.
Wertvorteile kann und wird es natürlich auch bei einer Flächenumlegung geben. Damit
die an einer Flächenumlegung beteiligten Grundeigentümer nicht ungerecht bevorzugt
werden, sieht das Gesetz bei Anwendung dieses Umlegungsmaßstabs vor, dass die
Umlegungsstelle neben dem Vorwegabzug von der Umlegungsmasse einen „Flächen-
beitrag“ in dem Umfang einbehalten muss, um die Vorteile auszugleichen, die durch
die Umlegung erwachsen908. Der Flächenbeitrag darf kraft Gesetzes in Gebieten, die
erstmalig erschlossen werden, bis zu 30 %, in anderen Gebieten bis zu 10 % der einge-
worfenen Fläche betragen909. Infolge dieser Deckelung konnte die Flächenumlegung
nach bisherigem Recht im Einzelfall für die beteiligten Eigentümer glimpflicher abge-
hen als eine Wertumlegung – nämlich immer dann, wenn der umlegungsbedingte Wert-

907 Vgl. BGH, U. v. 22.6.1978 – III ZR 92/75 –, NJW 1978, 1980; ebenso BGH, U. v. 19.1.1984 – III ZR
185/82 –, NJW 1984, 2219; OLG Köln, U. v. 18.10.1990 – 7 U (Baul.) 24/90 –, ZfBR 1991, 75.
908 Beispiel: BGH, U. v. 5.10.2000 – III ZR 71/00 –, ZfBR 2001, 123.
909 Zur Berechnung vgl. BGH, U. v. 6.12.1984 – III ZR 174/83 –, BGHZ 93, 103 (= ZfBR 1985, 187).

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anstieg größer war als der gedeckelte Flächenbeitrag. Mit dem EAG Bau wurde diese
Ungleichheit behoben: Soweit der Umlegungsvorteil den Flächenbeitrag übersteigt, ist
der Wertvorteil in Geld auszugleichen (§ 58 Abs. 1 Satz 4). Die durch Vorwegabzug
einbehaltene Fläche ist auf den Flächenbeitrag anzurechnen. Die Umlegungsstelle kann
an Stelle eines Flächenbeitrags auch ganz oder teilweise einen entsprechenden Geldbei-
trag erheben. Der Flächenbeitrag darf durch Vertrag freiwillig erhöht werden (sog.
Mehrflächenabtretung), der Beitrag muss jedoch angemessen bleiben910. Verallgemei-
nernd kann man also sagen: Bei der Wertumlegung müssen die Eigentümer die Wert-
differenz zwischen dem Rohbaulandwert des Grundstücks, das sie in die Umlegung
eingebracht haben, und dem Baulandwert des Grundstücks, das sie aus der Umlegung
erhalten, in Geld an die Gemeinde abführen. Die Kosten der Erschließung und des
naturschutzrechtlichen Ausgleichs müssen zusätzlich bezahlt werden; dabei hat die
Gemeinde die Wahl, ob sie die Grunderwerbskosten für Flächen, die im Wege des
Vorwegabzugs einbehalten sind, in die Beitragspflicht einbezieht oder in den Umle-
gungsvorteil einrechnet. Bei der Flächenumlegung wird nach Möglichkeit von vornhe-
rein so viel Fläche zugunsten der Gemeinde einbehalten, dass eine solche Wertdifferenz
nicht entsteht. Ist dies nicht möglich, ist der Wertvorteil in Geld auszugleichen. In
der Praxis kann man die neu zuzuteilenden Grundstücke natürlich nicht immer so
zurechtschneiden, dass die nach dem Flächen- oder Wertmaßstab errechneten Sollan-
sprüche bei der Ist-Zuteilung genau eingehalten werden. Mancher, der ein relativ klei-
nes Grundstück eingeworfen hat, wird später ein größeres Grundstück erhalten, weil
anderenfalls eine Bebauung gar nicht möglich wäre. Mancher, dessen eingeworfenes
Grundstück sehr groß und sehr viel wert war, wird vielleicht etwas weniger als vorher
erhalten, damit keiner der beteiligten Eigentümer ganz leer ausgehen muss. Derartige
Wertunterschiede sind von der Gemeinde in Geld auszugleichen, wenn ein Eigentümer
weniger, als nach dem Sollanspruch vorgesehen, bekommt. Erhält umgekehrt ein Betei-
ligter mehr als ihm nach dem Sollanspruch zusteht, muss er die Wertdifferenz an die
Gemeinde bezahlen. Ein Geldausgleich wird auch solchen Grundstückseigentümern
gewährt, die so wenig eingeworfen haben, dass ihnen gar kein Baugrundstück zugeteilt
werden kann.
Ausgleichszahlungen für nicht wertgleiche Zuteilungen, die den Sollanspruch nicht
nur unwesentlich unter- oder überschreiten, werden nach Enteignungsgrundsätzen
aus- und abgerechnet; denn soweit beteiligte Grundeigentümer fühlbar weniger Land
erhalten als sie eingeworfen haben, wirkt sich das Umlegungsverfahren für sie – aus-
nahmsweise – doch enteignend aus911. Die Enteignungsvorschriften fordern eine zeit-
nahe Bewertung des entzogenen Vermögens, damit sich der Betroffene mit dem Ent-
schädigungsbetrag ein gleichwertiges Grundstück auf dem Markt beschaffen kann
(vgl. dazu im Einzelnen Kapitel B.X.). Dementsprechend ist als Stichtag für die Bemes-
sung der Entschädigungssumme für Minderzuteilungen der dem Ende des Umlegungs-
verfahrens relativ nahe Zeitpunkt des Beschlusses der Gemeinde über den Umlegungs-
plan festgesetzt worden; für die Berechnung der Höhe des an die Gemeinde zu
zahlenden Umlegungsvorteils ist ein in der Regel wesentlich früherer Stichtag, nämlich
der Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses, vorgeschrieben. Der Zeitpunkt des Beschlus-
ses über den Umlegungsplan ist ebenfalls maßgeblich für die Berechnung der Geldaus-
gleichsleistungen der Eigentümer an die Gemeinde wegen nicht nur unerheblicher
Mehrzuteilungen, wenn dadurch die bebauungsplanmäßige Nutzung des Grundstücks
ermöglicht wurde. Dadurch soll die „Spiegelbildlichkeit“ der Höhe dieser Ausgleichs-
zahlungen gewährleistet werden.

910 Vgl. BVerwG, U. v. 6.7.1984 – 4 C 24/80 –, NJW 1985, 989.


911 Vgl. BGH, U. v. 12.10.1959 – III ZR 48/58 –, BGHZ 31, 49.

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3. Die praktische Bedeutung der Umlegung


Wenn man sich die vielen Verfahrensschritte vom Anfang bis zum Ende einer Umle-
gung, dazu die (schon rein rechnerisch) recht komplizierte Umlegungstechnik vor Au-
gen hält, dann ist unschwer verständlich, dass der Weg von der Bestandskarte bis
zur Umlegungskarte, vom vorgefundenen bis zum gewollten neuen Zustand, relativ
beschwerlich und lang sein kann. Es gibt Umlegungsverfahren, die sich über viele
Jahre hinziehen. Die Tatsache, dass fast alle beteiligten Eigentümer aus der Umlegung
Vorteile gewinnen, führt jedoch dazu, dass in der Mehrzahl der Fälle Kompromisse
geschlossen werden und ein einvernehmlicher Abschluss des Verfahrens erreicht wird.
Nicht zuletzt deswegen hat sich die Umlegung insgesamt sehr bewährt. In einigen
Landstrichen Deutschlands kann man auch gar keinen Bebauungsplan für bisher nicht
baulich genutztes Gebiet aufstellen, ohne zuvor oder gleichzeitig eine Umlegung durch-
zuführen. Das gilt vor allem für die süddeutschen Gebiete, in denen im Gefolge der
napoleonischen Kriege das unter Napoleon I. entstandene „französische Bürgerliche
Gesetzbuch“, der Code Civil, gegolten hat. Der Code Civil sieht als Regelfall bei der
Erbteilung die Realteilung vor. Bei der Realteilung wird ein vorhandenes Grundstück
gleichmäßig unter den Kindern aufgeteilt. Bei dem Kinderreichtum vergangener Jahr-
hunderte musste eine derartige Erbregelung dazu führen, dass immer kleinere Grund-
stücke entstanden. Solche Grundstücke können vielleicht gerade noch zum Weinbau
genutzt werden, aber nicht mehr als Baugrundstück. Wenn diese Flächen dann für
eine neue bauliche Nutzung bereitgestellt werden sollen, müssen die Grundstücksgren-
zen zuvor verändert werden. Dafür ist die Baulandumlegung das geeignete und be-
währte Verfahren.
Wenn sich alle Eigentümer im betroffenen Gebiet einig sind, kann die Umlegung auch
in einem freiwilligen Verfahren (sog. freiwillige Umlegung) durchgeführt werden, und
zwar auch in mehreren zeitlich zusammenhängenden Teilschritten. Das Umlegungs-
recht steht dem nicht entgegen. Bei den Leistungen an die Gemeinde sind die Beteilig-
ten nicht strikt an die Bemessungsgrenzen des Umlegungsrechts gebunden. Die Ge-
meinde darf sich jedoch als Vorteilsausgleich nicht einen unangemessen hohen
Geldbetrag versprechen lassen912.
Eine freiwillige Umlegung wird am Ende nicht selten in ein amtliches Verfahren über-
führt. Auf diese Weise können die Gebühren- und Steuerbefreiungen des Umlegungs-
rechts in Anspruch genommen werden.
Mit dem EAG Bau 2004 wurde die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im
Rahmen des Umlegungsverfahrens beseitigt. So wurde die aufschiebende Wirkung ei-
nes Widerspruchs im Vorverfahren gegen Verwaltungsakte im Rahmen der Umlegung
generell beseitigt (§ 212 Abs. 2). Nach dem 2004 neu formulierten § 224 entfällt die
aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln innerhalb des Umlegungsverfahrens auch
bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Umlegungsbeschluss (mit
dem die Umlegung eingeleitet wird), gegen die Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit
des Umlegungsplans sowie gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung.
Im seltenen Einzelfall kann einem das alte preußische Umlegungsrecht auf die Füße
fallen – unter anderem im Falle der Überplanung von Wegeparzellen durch einen Be-
bauungsplan, die im Rahmen eines 1937 erlassenen Auseinandersetzungsplans ent-
standen sind. Auf diese Parzellen finden zunächst die preußische Umlegungsordnung
vom 21. September 1920 – PrUmlO – (GS S. 453) in der Fassung des Gesetzes vom
21. April 1934 (GS S. 253) sowie das preußische Gesetz zur Beschleunigung der Umle-
gung (PrUmlBG) Anwendung. Gemäß § 12 PrUmlBG kann die Landeskulturbehörde
den Auseinandersetzungsplan, auch nachdem seine Ausführung angeordnet ist, ändern
und ergänzen, wenn ein überwiegendes wirtschaftliches Bedürfnis der Beteiligten oder

912 BVerwG, B. v. 17.7.2001 – 4 B 24.01 –, ZfBR 2002, 74.

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allgemeine Rücksichten die Änderung oder Ergänzung der gemeinschaftlichen Anlagen


erfordern. Die Überplanung von Wirtschaftswegen, die unter preußischem Umlegungs-
recht geschaffen wurden, setzt gemäß § 12 PrUmlBG eine eigene vollständige Abwä-
gungsentscheidung der Landeskulturverwaltung voraus (im vorliegenden Fall be-
schränkte man sich ausschließlich mit deren bloßer Zustimmung bzw. fachlicher
Bewertung zu einer anderweitig getroffenen Entscheidung)913.
4. Die vereinfachte Umlegung
Mit dem EAG Bau 2004 hat der Gesetzgeber die vereinfachte Umlegung eingeführt –
sie hieß früher Grenzregelung. Diese Bezeichnung wurzelte in der Tatsache, dass im
Zuge einer Grenzregelung nur die Grenzen direkt benachbarter Grundstücke durch
Gebietsaustausch oder einseitigen Zuschlag neu gezogen werden durften. Bei der nun
eingeführten „vereinfachten Umlegung“ dürfen Grenzänderungen auch über mehrere
Grundstücke hinweg vorgenommen werden. Mittels einer vereinfachten Umlegung
kann die Gemeinde gemäß § 80 Abs. 1 BauGB
1. unmittelbar aneinander grenzende oder in enger Nachbarschaft liegende Grundstü-
cke oder Teile von Grundstücken untereinander tauschen oder
2. Grundstücke, insbesondere Splittergrundstücke oder Teile von Grundstücken ein-
seitig zuteilen,
„[…] wenn und sobald dies zur Verwirklichung eines Bebauungsplans oder aus Grün-
den einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zur Verwirklichung der innerhalb
eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässigen Nutzung erforderlich ist“ (so
der entsprechend anzuwendende, ebenfalls neu gefasste § 46 Abs. 1). Die Grundstücke
und Grundstücksteile dürfen nicht selbständig bebaubar, und eine durch die verein-
fachte Umlegung bewirkte Wertminderung darf nur unerheblich sein (wenn nichts
anderes vereinbart wird). Aufgegeben wurde die bisherige Bedingung des Gesetzes,
dass der Austausch von benachbarten Grundstücken oder Teilen von benachbarten
Grundstücken stets im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen müssen. Die neue
„vereinfachte Umlegung“ kann demnach auch im privaten Interesse erfolgen; dies ist
gerechtfertigt, weil die Herstellung bebaubarer Grundstücke – auch wenn sie im priva-
ten Interesse erfolgte – am Ende immer auch dem öffentlichen Interesse an der Bereit-
stellung von Bauland dient. Ein öffentliches Interesse ist nunmehr vom Gesetz nur
noch bei einer einseitigen Zuteilung gefordert (§ 80 Abs. 1 Satz 3). Im Übrigen wird
die vereinfachte Umlegung dadurch begrenzt, dass eine durch die vereinfachte Umle-
gung für den oder die Grundstückseigentümer bewirkte Wertminderung nur unerheb-
lich sein darf. Mit Zustimmung der Eigentümer können allerdings davon abweichende
Regelungen getroffen werden (§ 80 Abs. 3 Satz 3).
Aus der im § 80 vorzufindenden Beschreibung der vereinfachten Umlegung ergibt sich,
dass es dabei im Normalfall um einzelne, nahe beieinanderliegende Grundstücke geht,
deren Abgrenzung gegeneinander und untereinander verbessert werden soll. Weil die
betroffenen Flächen kleiner sind, ist das Verfahren der vereinfachten Umlegung einfa-
cher als das der Umlegung. Einer Anordnung der vereinfachten Umlegung durch die
Gemeinde bedarf es nicht (§ 80 Abs. 2 Satz 2). Die Praxis tat sich bislang mit der
Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe schwer, die in den Vorschriften zur
Grenzregelung reichlich enthalten waren. Einige davon hat der Gesetzgeber entfernt,
wie z. B. die oben angesprochene Bedingung des „öffentlichen Interesses“914, das bis-
lang die Grenzregelung generell legitimieren musste – nunmehr ist ein öffentliches
Interesse nur noch bei einer einseitigen Zuteilung erforderlich. Die Unterschiede zwi-

913 BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 9 C 28.14 –, DÖV 2016, 531.


914 BGH, U. v. 20.3.1997 – III ZR 133/96 –, NVwZ 1997, 1245 (Bloße Verbesserung der Eigentumsver-
hältnisse im Gefolge einer Erschließung genügt nicht zur Rechtfertigung einer Grenzregelung).

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Bodenordnung X.

schen der regulären Umlegung und einer Umlegung im vereinfachten Verfahren sind
in Bild 58 noch einmal übersichtlich zusammengefasst.

5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Bereich
Bodenordnung
Seit 2013 sind im Recht der Bodenordnung keine Veränderungen vorgenommen wor-
den.
Bild 58: Die Unterschiede zwischen der regulären Umlegung und einer vereinfachten Um-
legung
Reguläre Umlegung Vereinfachte Umlegung §§
* Einleitung durch Umlegungsbe- * Kein förmlicher Einleitungsbe- § 47 Abs. 1, § 50/
schluss (Verwaltungsakt mit der schluss erforderlich § 80 Abs. 2
Folge der Veränderungssperre) Satz 2
* Betrifft ein ganzes Gebiet, das durch * bezieht sich nur auf wenige direkt § 52/§ 80
den Umlegungsbeschluss festgelegt benachbarte oder in enger Nachbar-
wird schaft befindliche Grundstücke
* Im Umlegungsgebiet kommt der Ge- * Kein Vorkaufsrecht, da keine förmli- § 24 Abs. 1 Nr. 2
meinde ein Vorkaufsrecht zu che Gebietsfestlegung erfolgt
* Komplette Neuordnung der Grund- * Beschränkung auf Tausch von Grund- § 55
stücksgrenzen mit Vorwegabzug zu- stücken oder Grundstücksteilen unter
gunsten der Gemeinde den Nachbarn sowie einseitige Zutei-
lung von Splittergrundstücken oder
Grundstücksteilen – kein Vorwegabzug
* Komplette Neuordnung aller Belas- * Neuordnung von Grundpfandrechten § 61/§ 80 Abs. 4
tungen nur, wenn alle Beteiligten dem
neuen Rechtszustand zustimmen
* Abführung des durch die Umlegung * Wertausgleich findet grundsätzlich §§ 57, 58/§ 81
bedingten Vorteils an die Gemeinde nur zwischen den betroffenen Eigen-
(in Fläche oder in Geld) tümern statt (mit der Gemeinde als
Zahlungsstelle). Ist der Wertvorteil
des Annehmenden bei Tausch oder
Zuteilung größer als die Wertminde-
rung beim Abgebenden, bleibt die
Differenz bei der Gemeinde.

Literatur zum Kapitel X: Bodenordnung


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Zur Umlegung – allgemein:
2010: Voß, Winrich/Weitkamp, Alexandra, Zum aktuellen Einsatz der Umlegung nach dem
BauGB (Teil 2), FuB 2010, 29–35; Weiß, Erich, Zur Definition von Privatnützigkeit und Fremd-
nützigkeit in Planung und Bodenordnung nach dem Flurbereinigungsgesetz, FuB 2010, 36–39;
2011: Maly, Ulrich, Strategie und Instrumentenkoffer – Integrierte Stadtentwicklung und Boden-
ordnung in Nürnberg, FuB 2011, 145–151; 2011: Voß, Winrich, Klimaschutz als Belang der
kommunalen Bodenpolitik: Teil 1, in: FuB 5/2011, S. 232–237; Hunke-Klein, Martina, 125 Jahre
Flurbereinigungsverwaltung im Rheinland. Von der Gemeinheitsteilung zur modernen Boden-
ordnung, in: FuB 6/2011, S. 288; 2013: Schumann, Martin, Landmanagement: Voraussetzung
zur effizienten Entwicklung von Energielandschaften, in: FuB 5/2013, S. 231–237; 2014: Drees,
Andreas, Flächenmobilisierung für Windparks durch innovative Ansätze der Bodenordnung, in:
FuB 1/2014, S. 33–36; Krüger, Helmut, Landmanagement in Dresden nach 1990, in: FuB 2/
2014, S. 62–69; Reuter, Franz, Erschließung von Windenergiebauland durch hoheitliche Umle-
gung?, in: FuB 5/2014, S. 201–207; Magel, Holger, Landentwicklung wohin? Reflexionen zu
Theorie und Praxis, in: FuB 6/2014, S. 248–254; 2015: Schumann, Martin, Neue Wege in der
Weinbergsflurbereinigung, in: FuB 6/2015, S. 277–282; Weber, Marcel, Zum Verteilungsmaßstab

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

in der Erschließungsumlegung, in: FuB 2/2015, S. 80–87; 2017: Scheidler, Alfred, Bodenordnung
durch Umlegung, in: BauR 4/2017, S. 629–639.
2. Zur freiwilligen Umlegung:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
3. Zum Umlegungsausschuss:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
4. Zur vereinfachten Umlegung (früher: Grenzregelung):
2012: Reinhardt, Wilfried, Die vereinfachte Umlegung: in der Praxis angekommen, GuG 2012,
269–278.
5. Zur Flurbereinigung:
2010: Thomas, Klaus, Das Eigentumsgrundrecht, Flurbereinigung und Bodenordnung, (s. a. Er-
widerung von Weiß, FuB 6/2010, 281), FuB 2010, 276–280; Weiß, Erich, Zur Definition von
Privatnützigkeit und Fremdnützigkeit in Planung und Bodenordnung nach dem Flurbereini-
gungsgesetz, FuB 2010, 36–39; Weiß, Erich, Stellungnahme zum vorstehenden Beitrag „Das
Eigentumsgrundrecht, Flurbereinigung und Bodenordnung“ von Klaus Thomas, (FuB 2010,
276–280), FuB 2010, 281–282; 2011: Hunke-Klein, Martina, 125 Jahre Flurbereinigungsverwal-
tung im Rheinland. Von der Gemeinheitsteilung zur modernen Bodenordnung, FuB 2011, 288.
Siehe im Übrigen die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter
www.planundrecht.de

XI. Enteignung und Enteignungsentschädigung


1. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Enteignung
Die Enteignung ist das letzte Mittel, wenn die öffentliche Hand ein Grundstück (oder
bestimmte Rechte an einem Grundstück) benötigt und der Eigentümer sich nicht zu
einem Verkauf gegen ein angemessenes Entgelt bewegen lässt. Da die Enteignung eines
Grundstücks einen sehr harten Eingriff darstellt, sind die Voraussetzungen und das
Verfahren dazu sowie die Frage der Enteignungsentschädigung sehr umfassend im
Baugesetzbuch geregelt. Neben dieser ausführlichen Normierung im BauGB gibt es
auch in anderen Bundes- und Landesgesetzen noch selbständige Enteignungsregeln.
Dies hat seinen Grund darin, dass die Kompetenz zum Erlass von Enteignungsregeln
zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist. Der Bund darf gemäß Art. 74 Nr. 14 GG
Enteignungsregeln nur im direkten Sachzusammenhang mit solchen Materien aufstel-
len, für die er die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit
besitzt. Daher ist im Baugesetzbuch nur die Enteignung im Zusammenhang mit Bebau-
ungsplänen und im Zusammenhang mit baulichen Vorhaben geregelt. Soweit Enteig-
nungen für andere Zwecke erforderlich sind, zum Beispiel für den Eisenbahnbau, den
Bau von Fern- und Landstraßen, für Wasserstraßen- und Deichbau und im Zusam-
menhang mit der Erhaltung von Denkmalen, gelten dafür Sonderregeln in den zugehö-
rigen Bundes- oder Landesgesetzen oder – zusammenfassend – die Landesenteignungs-
gesetze915; die Stadtstaaten haben sich bei ihren Enteignungsgesetzen die Arbeit
dadurch einfach gemacht, dass sie auf die Regelungen des Baugesetzbuchs verwiesen
haben.
Die Enteignungszwecke, die nach dem Baugesetzbuch verfolgt werden dürfen, sind
abschließend in § 85 aufgezählt:
– Der Hauptzweck einer Enteignung nach dem Baugesetzbuch liegt erfahrungsge-
mäß darin, ein Grundstück für Gemeinbedarfszwecke zu beschaffen, nachdem die-
ser Zweck in einem Bebauungsplan festgesetzt worden ist. Es geht also um Grund-

915 Zum zulässigen Nebeneinander von landesrechtlicher und bundesrechtlicher Enteignungsermächti-


gung, vgl. BVerwG, U. v. 6.3.1987 – 4 C 11.83 –, ZfBR 1987, 288; zur Abgrenzung zwischen landes-
straßenrechtlicher und städtebaulicher Enteignung Bayerischer VGH, B. v. 26.9.2002 – 8 C 02.1435 –
DVBl. 2003, 215.

400

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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.

stücke für den Bau von Erschließungsstraßen, für Kinderspielplätze, für Schulen916
oder Krankenhäuser, für eine Kläranlage usw. Dies ermöglicht § 85 Abs. 1 Nr. 1,
allerdings nur für öffentliche Zwecke, nicht als „privatnützige Enteignung“917. Die
Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 ist trotz des relativ weit reichenden Wortlauts
der Nr. 1 (Durchsetzung der in einem Bebauungsplan festgesetzten Nutzung) an
das „Wohl der Allgemeinheit“ gebunden und setzt damit eine Rechtfertigung
durch einen öffentlichen Zweck voraus918. Weit weniger häufig ist die Enteignung
für folgende, auch zulässige Zweckrichtungen:
– Schließen von Baulücken innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile
(dieser Möglichkeit geht der Ausspruch eines Baugebots nach § 176 vor),
– Beschaffung von Grundstücken für eine Entschädigung in Land,
– Ermöglichung von Ersatzleistungen für enteignete Rechte,
– Enteignung zur Erhaltung von Gebäuden im Geltungsbereich einer Erhaltungssat-
zung nach § 172, wenn der Eigentümer für deren Bestand nicht garantieren kann
und
– Enteignung von baulichen Anlagen im Geltungsbereich einer Durchführungssiche-
rungssatzung nach § 171d (Stadtumbau), um „im Geltungsbereich einer Satzung
zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus eine bauliche An-
lage aus den in § 171d Abs. 3 bezeichneten Gründen zu erhalten oder zu beseiti-
gen.“
Nach § 171d Absatz 3 Satz 1 darf im Geltungsbereich einer Durchführungssicherungs-
satzung zum Stadtumbau gehandelt werden, „um einen den städtebaulichen und sozia-
len Belangen Rechnung tragenden Ablauf der Stadtumbaumaßnahmen auf der Grund-
lage des von der Gemeinde aufgestellten städtebaulichen Entwicklungskonzepts
(§ 171b Abs. 2) oder eines Sozialplans (§ 180) zu sichern“. Damit kann die Beseiti-
gung eines Gebäudes zur Unzeit ebenso verhindert werden wie eine Investition in
ein Gebäude, das nach dem städtebaulichen Entwicklungskonzept alsbald abgerissen
werden sollte.
Die in § 171d vorgesehene besondere Genehmigung für bauliche Maßnahmen sowie
für die Beseitigung baulicher Anlagen muss allerdings gemäß § 171d Abs. 3 Satz 2
erteilt werden, wenn unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von
dem Vorhaben oder der Maßnahme wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. In solchen
Fällen ist die Enteignung nach § 85 Abs. 1 Ziffer 7 die letzte Notbremse. Ein Übernah-
meanspruch kann sich aus der Anwendung des § 171d nicht ergeben.
In dem von der Gemeinde aufzustellenden städtebaulichen Entwicklungskonzept müs-
sen nach § 171b Abs. 2 „die Ziele und Maßnahmen im Stadtumbaugebiet schriftlich
dargestellt“ werden. In einem Sozialplan nach § 180 sind die Ergebnisse des Erörte-
rungsprozesses mit den Betroffenen und der Prüfungen über geeignete Maßnahmen
zur Vermeidung oder Milderung nachteiliger Auswirkungen des Stadtumbaus im kon-
kreten Fall schriftlich darzustellen. Nach § 180 Abs. 1 hat die Gemeinde im Vorfeld
von Stadtumbaumaßnahmen zugunsten der im Gebiet wohnenden und arbeitenden
Menschen Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie nachteilige Auswirkungen mög-
lichst vermieden oder gemildert werden können und dies mit den Betroffenen zu erör-
tern. Wenn Betroffene nach ihren persönlichen Lebensumständen nicht in der Lage

916 Vgl. BGH, U. v. 7.7.1988 – III ZR 134/87 –, ZfBR 1989, 31: Enteignung auch für eine Waldorf-
(Privat-)Schule zulässig. Denn auch eine Privatschule dient dem Wohl der Allgemeinheit.
917 Vgl. dazu BVerfG, U. v. 10.2.1981 – 1 BvR 92/71 –, BVerfGE 56, 249 (Bad Dürkheimer Gondelbahn);
vgl. auch BVerfG, U. v. 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85 –, BVerfGE 74, 264 (Boxberg – Automobilteststre-
cke): Keine Enteignung nach § 85 BauGB für (angebliche) Zwecke der regionalen Wirtschaftsförde-
rung.
918 Vgl. BVerfG, B. v. 8.7.2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 – (Enteignung einer Straßenverkehrsfläche;
Inzidentkontrolle der bauplanerischen Entscheidung; Wohl der Allgemeinheit; gerichtliche Prüfungs-
dichte), in: BayVBl. 2010, 107–110.

401

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

sind, Empfehlungen und anderen Hinweisen der Gemeinde zur Vermeidung von Nach-
teilen zu folgen, hat die Gemeinde geeignete Maßnahmen zu prüfen. All dies muss
sich im Sozialplan niederschlagen.
In einem förmlich festgelegten Entwicklungsbereich nach §§ 165–171 ist die Enteignung
ohne Bebauungsplan zugunsten der Gemeinde oder des Entwicklungsträgers zur Erfül-
lung ihrer Aufgaben ohne Beschränkung auf die speziellen Zwecke des § 85 zulässig. § 85
(Enteignungszweck), § 87 (Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung) und
§ 88 (Enteignung aus zwingenden städtebaulichen Gründen) sowie § 89 Abs. 1 bis 3
(Veräußerungspflicht) sind im städtebaulichen Entwicklungsbereich nicht anzuwenden;
es braucht also in einem förmlich festgelegten Entwicklungsbereich auch nicht im Einzel-
nen nachgewiesen zu werden, dass „das Wohl der Allgemeinheit“ im Sinne des § 87 die
Enteignung erfordert; das Vorliegen von Gründen des Wohls der Allgemeinheit wird zu-
sammen mit der förmlichen Festlegung des Gebiets entschieden, denn die förmliche Fest-
setzung darf gemäß § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB nur erfolgen, „wenn das Wohl der Allge-
meinheit die Durchführung der Entwicklungsmaßnahme erfordert“.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Enteignung zur Bereitstel-
lung von Ersatzleistungen für enteignete Rechte wird deutlich, dass eine Enteignung
nicht immer darauf hinauslaufen muss, einem Grundstückseigentümer sein Grund-
stück völlig wegzunehmen. Eine Enteignung ist vielmehr auch in der Weise möglich,
dass der Gemeinde nur bestimmte Rechte an einem Grundstück verschafft werden,
umgekehrt gesagt, dass der Eigentümer zur Duldung bestimmter Dinge auf seinem
Grundstück verpflichtet wird. Wenn die öffentliche Hand zum Beispiel beabsichtigt,
eine dicke Abwasserleitung quer über ein ihr nicht gehörendes Grundstück zu legen,
so braucht sie dafür ein Leitungsrecht. Wenn der Eigentümer mit einem solchen Lei-
tungsrecht nicht einverstanden ist, dann muss ihm als Reaktion darauf nicht gleich
das ganze Grundstück weggenommen werden. Es genügt vielmehr, ihn auf der Grund-
lage einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 soweit zu enteignen, dass er die Abwas-
serleitung auf seinem Grundstück dulden muss. In dieser Verpflichtung liegt dann eine
Teilenteignung. Vergleichbar sind Fälle, in denen jemand durch Teilenteignung dazu
verpflichtet wird, an seinem Haus die Anbringung einer Befestigung für eine Straßen-
bahnoberleitung zu dulden, ein Wegerecht zu gewähren, die Errichtung eines Stützpfei-
lers für eine Straßenüberführung zu dulden. Alle zulässigen Gegenstände der Enteig-
nung sind in § 86 aufgezählt919. Seit 1998 sind auch die Rückübertragungsansprüche
nach dem Vermögensgesetz hier genannt; sie waren zunächst in § 246a Abs. 1 Nr. 10
aufgeführt. (Dass der Hauseigentümer die Befestigung einer Straßenbeleuchtung an
seinem Haus dulden muss, ist übrigens ausdrücklich in § 126 geregelt.)
Im Zusammenhang mit der in § 85 Abs. 1 an vorletzter Stelle genannten Möglichkeit, ein
Grundstück zum Zweck der Gebäudeerhaltung zu enteignen, wird klar, dass es bei der
Enteignung auch nicht vorrangig um das Grundstück, sondern ebenso sehr auch um das
darauf stehende Gebäude gehen kann. Wenn nach § 85 Abs. 1 Ziffer 5 eine Enteignung
ausgesprochen werden kann, um ein gefährdetes Gebäude im Bereich einer Erhaltungs-
satzung zu erhalten, dann liegt der Enteignungszweck ganz eindeutig nicht in der Erlan-
gung des Rechts am Grundstück, sondern in der Erlangung der Verfügungsbereitschaft
über das darauf stehende Gebäude. Da (anders als nach dem Recht der DDR) nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch das Eigentum an einem Grundstück einerseits und an dem da-
rauf stehenden Gebäude andererseits nicht getrennt werden kann, ist es nicht möglich,
ein Gebäude ohne das zugehörige Grundstück zu enteignen; denkbar wäre allerdings die
Enteignung mit dem Ziel der Begründung eines Erbbaurechts.
Enteignungen sind in der Praxis relativ selten. Das liegt nicht nur daran, dass sich die
Verwaltung gegenüber dem Eigentümer, auf dessen Rechte sie zugreift, einigermaßen

919 Zur Enteignung von Miet- und Pachtrechten vgl. BGH, U. v. 7.9.1982 – III ZR 114/80 –, BGHZ
83, 1.

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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.

unbeliebt macht. Denn wenn die Verwaltung den Zweck der Enteignung hinreichend
verdeutlichen kann, wird sie deswegen in der Öffentlichkeit keinen Tadel auf sich
ziehen. Entscheidend ist vielmehr, dass die rechtlichen Bedingungen für die Zulässig-
keit einer Enteignung außerordentlich eng gefasst sind. Eine Enteignung ist gemäß
§ 87 nur zulässig, „wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteig-
nungszweck auf eine andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann“. Ob die
Tatbestandsmerkmale dieser recht vagen Generalklausel im Einzelfall gegeben sind,
ist immer nur mit einem gewissen Grad an verbleibender Unsicherheit zu beurteilen.
Einerseits steht fest, dass die Verwaltung nur bei absoluter Notwendigkeit enteignen
darf, andererseits kann sich die Verwaltung fast nie ganz sicher sein, ob diese absolute
Notwendigkeit vorliegt. Der grobe Keil kommt also nur dann in Frage, wenn auf
andere Weise ein Fortgang der Dinge überhaupt nicht zu erreichen ist. Unter diesen
Umständen scheint es sich nahezu von selbst zu verstehen, dass jedem Enteignungsver-
fahren die vorherige Bemühung um freihändigen Erwerb zu angemessenen Bedingun-
gen vorausgegangen sein muss. Praktisch wirkt sich diese Vorschrift jedoch preistrei-
bend aus, da die Verwaltung in der Verhandlungsphase auf das Entgegenkommen des
Grundeigentümers angewiesen ist. Das niederländische Recht hat diese Problematik
dadurch gelöst, dass jeder Enteignung ein spezieller Enteignungsplan vorangeschickt
werden muss. Wenn dieser Plan nach öffentlicher Auslegung und Diskussion von „der
Krone“ als der obersten Verwaltungsinstanz genehmigt worden ist, kann die Enteig-
nung dem Grunde nach praktisch nicht mehr angegriffen werden. Der Eigentümer
kann dann nur noch in der Gewissheit über den Preis verhandeln, dass er am Ende
enteignet werden kann. Das reguliert den Preis.
2. Das Enteignungsverfahren
Das in Bild 59 zusammengefasste Enteignungsverfahren wird gemäß § 105 durch ei-
nen Antrag auf Enteignung an die Enteignungsbehörde eingeleitet. Die Enteignungsbe-
hörde soll als neutrale Entscheidungsinstanz fungieren, sie ist daher nicht bei der Ge-
meinde verortet. In der Regel liegt die Enteignungsbehörde bei der staatlichen
Mittelbehörde, also bei den Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen (soweit vor-
handen), anderenfalls bei den Landkreisen oder der Landesregierung. Das Landesrecht
kann der Entscheidungsinstanz ehrenamtliche Beisitzer zuordnen – so geschehen in
Baden-Württemberg sowie in Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Nach einer pauschalen Prüfung der Zulässigkeit und der Erfolgsaussichten des Enteig-
nungsantrags, als deren Ergebnis die Enteignungsbehörde die Eröffnung des Verfah-
rens auch ablehnen kann920, leitet die Enteignungsbehörde das Enteignungsverfahren
durch Beschluss ein. Gleichzeitig wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung anbe-
raumt. Der Einleitungsbeschluss hat die Wirkung einer Verfügungs- und Verände-
rungssperre mit dem gleichen Inhalt wie die Verfügungs- und Veränderungssperre bei
einer Umlegung (siehe oben Kapitel B.IX.).
Mit der in § 109 geregelten Verfügungs- und Veränderungssperre wird angeordnet,
dass nach Bekanntmachung der Einleitung des Enteignungsverfahrens für bestimmte
Grundstücke alle auf dieses Grundstück bezogenen Rechtsvorgänge der Genehmigung
der Enteignungsbehörde bedürfen. Die mit der BauGB-Novelle 2013 in § 109 Abs. 4
eingeführte Verweisung auf § 122 Abs. 5 Satz 2 bis 5 bedeutet Folgendes:
– über die Genehmigung ist grundsätzlich innerhalb eines Monats zu entscheiden;
– diese Frist kann höchstens um drei Monate verlängert werden;
– die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird;
– darüber hat die Behörde auf Antrag ein Zeugnis auszustellen.

920 Vgl. BGH, U. v. 28.9.1967 – III ZR 164/66 –, NJW 1968, 152; zum notwendigen Versuch, das Grund-
stück freihändig zu erwerben vgl. BGH, U. v. 1.3.1984 – III ZR 197/82 –, BGHZ 90, 243.

403

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bild 59: Das Enteignungsverfahren

§§-Fahrplan: Enteignungsverfahren §§

Antrag auf Enteignung an die Enteignungsbehörde (in der Regel: Re- 105
gierungspräsidien/Bez.Reg.) 104/105
Der Einleitungsbeschluss der Enteignungsbehörde – mit Anberau- 108 Abs. 5
mung eines Termins zur mündlichen Verhandlung – ist ortsüblich be- 109/51
kanntzumachen.
Wirkung: Verfügungs- und Veränderungssperre
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung 108
Ziel: Verfahrenskonzentration
Mündliche Verhandlung 110
1. Ziel: Einigung über Rechtsübergang und Entschädigung
2. Ziel: Teileinigung über Rechtsübergang 111
3. Ziel: Entscheidungsreife für hoheitlichen Beschluss herstellen 112
4. Ziel: Vorzeitige Besitzeinweisung bewirken 116
Wenn weder Einigung noch Teileinigung erreichbar sind, ergeht der 112, 113
Enteignungsbeschluss als anfechtbarer Verwaltungsakt
Falls die Sache nicht insgesamt entscheidungsreif ist, kann auf Antrag 112 Abs. 2
eine Vorabentscheidung über den Rechtsübergang unter Abtren-
nung des Streites über die Höhe der Entschädigung ergehen
Ausführung des Enteignungsbeschlusses: 117
– nach Vorauszahlung oder Hinterlegung der Entschädigung
Einweisung des neuen Eigentümers in den Besitz am Grundstück
Abwicklung der Entschädigung 93 ff.
– i. d. R. durch Zahlung in Geld 100
– ausnahmsweise durch Zuweisung von Ersatzland

In der Notwendigkeit eines Termins zur mündlichen Verhandlung kommt einerseits


die Nähe zu einem gerichtsähnlichen Verfahren zum Ausdruck, andererseits sollen
dadurch eine Verfahrenskonzentration und eine Beschleunigung der Entscheidung ins-
gesamt erreicht werden. In der Verhandlung treten der Antragsteller und der Enteig-
nungsgegner wie Kläger und Beklagte auf. Das Ziel der mündlichen Verhandlung liegt
jedoch nicht in der Führung eines Streitgesprächs, sondern darin, die Parteien zu einer
Einigung zu bewegen.
Über zwei Dinge müssen sich die Parteien einigen, wenn eine einseitige hoheitliche
Entscheidung der Enteignungsbehörde und ein möglicherweise anschließender gericht-
licher Streit vermieden werden sollen:
– Sie müssen sich erstens über die Enteignung als solche, das heißt über den Rechts-
übergang, einigen;
– sie müssen sich zweitens über die Höhe der Entschädigung und die Zahlungsmoda-
litäten einigen.
Nicht allzu selten liegt der Fall so, dass der Enteignungsgegner (also der Eigentümer
des Grundstücks) durchaus zu einer Abgabe des Grundstücks bereit ist, nur nicht zu
dem Preis, den ihm die Verwaltung angeboten hat. In solchen Fällen kann man sich
im Wege der „Teileinigung“ über den Punkt 1 (also über den Rechtsübergang) einigen
und braucht sich dann nur noch über die Höhe der Entschädigung zu streiten. Wenn
weder eine Einigung über den Rechtsübergang noch über die Höhe der Entschädigung

404

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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.

gelingt, muss die Enteignungsbehörde hoheitlich durch Verwaltungsakt entscheiden.


Da die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung häufig sehr viel schwieriger
und (wegen der notwendigen Gutachten) langwieriger ist als die Entscheidung über
den Rechtsübergang, können diese beiden Stufen auf Antrag getrennt werden. Es ist
also möglich, dass die Enteignungsbehörde schon im ersten Termin über den Rechts-
übergang entscheidet, der Streit über die Entschädigung jedoch fortgesetzt wird. Wenn
über den Rechtsübergang entschieden und dieser alsbald vollzogen wird, bekommt
der Enteignete verständlicherweise den unstreitigen Grundbetrag der Entschädigung
sofort zugesprochen; nur über den streitigen Rest wird weiterverhandelt.
Hartnäckige Enteignungsbetroffene921 können sich auch gegen eine Teilentscheidung
bezüglich des Rechtsübergangs wehren und zu dieser Frage vor Gericht gehen. Wegen
des Suspensiveffekts der Klage kann die Entscheidung der Enteignungsbehörde in die-
sem Fall nicht bestandskräftig werden. Um der Verwaltung möglichst früh zur tatsäch-
lichen Sachherrschaft über das Grundstück zu verhelfen, kann die Enteignungsbehörde
den Antragsteller auch schon vor Bestandskraft ihrer Entscheidung in den Besitz des
betroffenen Grundstücks einweisen; man nennt dies „vorzeitige Besitzeinweisung“.
Das geht nur, „wenn die sofortige Ausführung der beabsichtigten Maßnahme aus
Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten ist“. Aber ohne solche Dring-
lichkeit wäre die Enteignung wahrscheinlich gar nicht in die Wege geleitet worden, so
dass in vielen Fällen die vorzeitige Besitzeinweisung zulässig sein dürfte.
Alle Beschlüsse der Enteignungsbehörde (Vorabentscheidung über den Rechtsüber-
gang, vorzeitige Besitzeinweisung, Regelung der Enteignungsentschädigung) sind an-
fechtbare Verwaltungsakte, gegen die der Betroffene (und auch der Antragsteller, wenn
er z. B. mit der Höhe der Entschädigung nicht einverstanden ist) durch Antrag auf
gerichtliche Entscheidung vorgehen kann. Wenn die betreffenden Beschlüsse bestands-
kräftig geworden sind (oder ihre sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist),
werden sie mit Hilfe des Verwaltungszwanges durchgesetzt. Vor einer zwangsweise
vorgenommenen Übereignung des Grundstücks an den Antragsteller muss allerdings
die zugesprochene Entschädigung an den „Expropriierten“ ausgezahlt werden. Damit
ist ein weiteres schwieriges Kapitel der Enteignung angesprochen, nämlich Art und
Höhe der Entschädigung.
3. Die Enteignungsentschädigung
Grundsätzlich erhält der Eigentümer eines ganz oder teilweise enteigneten Grund-
stücks eine Entschädigung in Geld. Ausnahmsweise kann er jedoch auch eine Entschä-
digung in Land verlangen. Gemäß § 100 ist die Entschädigung auf Antrag des Eigentü-
mers in geeignetem Ersatzland festzusetzen, wenn er zur Sicherung seiner
Berufstätigkeit, seiner Erwerbstätigkeit oder zur Erfüllung der ihm wesensgemäß oblie-
genden Aufgaben auf Ersatzland angewiesen ist. Voraussetzung für eine Entschädi-
gung in Land ist jedoch immer, dass der Enteignungsbegünstigte über geeignetes Er-
satzland verfügt oder es sich verschaffen kann; notfalls kann man sogar zur
Beschaffung von Ersatzland eine weitere Enteignung veranlassen (siehe oben). Eine
Enteignung zum Zwecke der Ersatzlandbeschaffung ist aber innerhalb eines Enteig-
nungsverfahrens nur einmal zulässig; es darf kein Dominoeffekt ausgelöst werden,
indem für den Ersteigentümer durch Enteignung eines zweiten ein Ersatzgrundstück
beschafft wird, für dessen Entschädigung dann wiederum ein dritter Eigentümer ent-
eignet wird, damit dem zweiten in der Reihe ein Grundstück als Entschädigung in
Land übergeben werden kann.
Der Regelfall der Entschädigung ist demnach die Zahlung eines Geldbetrags. Die Höhe
dieses Geldbetrages richtet sich nach dem „Verkehrswert = Marktwert“ des Grund-
stücks. Der Verkehrswert (Marktwert) ist in § 194 des Gesetzes definiert als „der

921 Beispiel: BGH, B. v. 25.10.2001 – III ZR 76/01 –, ZfBR 2002, 266.

405

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaf-
ten, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf
ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre“.
Die Benutzung des Konjunktivs in diesem Satz zeigt, dass es sich um einen hypotheti-
schen Wert handelt, der nicht real, sondern nur durch Gutachten ermittelt werden
kann. Die Grundlage derartiger Gutachten sind sogenannte Vergleichspreise: Die Gut-
achter müssen versuchen, reale An- und Verkaufspreise für solche Grundstücke zu
ermitteln, die dem enteigneten Grundstück vergleichbar sind. Damit solche Schätzun-
gen auf Vergleichsbasis einigermaßen zuverlässig sind, müssen zehn bis fünfzehn Ver-
gleichspreise zur Verfügung stehen. Auch dann wird sich immer noch eine gewisse
Bandbreite des Verkehrswertes ergeben. Damit die Gutachter es nicht allzu schwer
haben, hat das Gesetz in §§ 192 ff. angeordnet, dass (in der Regel in kreisfreien Städ-
ten und Landkreisen) sogenannte Gutachterausschüsse mit einer Geschäftsstelle zu
errichten sind; die Geschäftsstelle dient als Sammelstelle für alle Grundstückskaufver-
träge, die im Gebiet der Geschäftsstelle abgeschlossen werden. Alle Käufer und Ver-
käufer von Grundstücken sind verpflichtet, eine Abschrift ihres Kaufvertrages an die
Geschäftsstelle des Gutachterausschusses zu schicken. Der Gutachterausschuss ge-
winnt so eine Marktübersicht, die sich in der jährlichen Veröffentlichung von Boden-
preis-Richtwerten niederschlägt. Näheres dazu wird im Kapitel B.XV. „Bodenwerter-
mittlung“ geschildert werden. In der Praxis besonders wichtig ist der Stichtag, der bei
der Wertermittlung zugrunde gelegt wird (vgl. dazu Bild 60).
Bild 60: Die Enteignungsentschädigung in Geld
Leitgrundsatz:
Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Ver-
EURO kehrswert des Grundstücks – § 95 i. V. m. § 194

Beachte:
Im Hinblick auf den Zustand des Grundstücks ist der
Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Enteignungsbe-
hörde über den Enteignungsantrag entscheidet.

Für die Währungsverhältnisse ist im Streifall der


Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor
Gericht entscheidend!

Abstriche von der Höhe der Entschädigung können


sich ergeben:

1. aus Vorteilsausgleichung § 93 Abs. 3


2. Bereinigung um unverdiente Wertanteile nach § 95
Abs. 2
3. bei „Bruchbuden“

Die Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile


(besonders Gewerbebeeinträchtigungen) erfolgt nach
§ 96.

Enteignete Grundstücke müssen fristgemäß ihrer Verwendung zugeführt werden!


Geschieht dies nicht, besteht eine Wiederveräußerungspflicht nach § 89.

Im Gesetz heißt es dazu, dass für die Bemessung der Entschädigung sowohl im Hin-
blick auf den Zustand des Grundstücks (§ 93 Abs. 4) als auch im Hinblick auf die

406

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Enteignung und Enteignungsentschädigung XI.

Währungsverhältnisse (§ 95 Abs. 1 Satz 2) der Zustand des Grundstücks in dem Zeit-


punkt maßgebend ist, „in dem die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag
entscheidet“. Bei diesem, dem Wortlaut des Gesetzes nach gleichen Zeitpunkt ist je-
doch nach der Rechtsprechung zu differenzieren: Nur im Hinblick auf den Zustand
des Grundstücks ist wirklich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Enteignungsbe-
hörde erstmals über den Enteignungsantrag (zugunsten des Antragstellers) entschieden
hat. Danach haben wertsteigernde oder wertmindernde Ereignisse grundsätzlich kei-
nen Einfluss mehr auf die Höhe der Entschädigung; der Eigentümer braucht sich um
die Pflege des Grundstücks jenseits der Verkehrssicherheit nicht mehr zu kümmern.
Für die Währungsverhältnisse ist jedoch nicht dieser frühe Zeitpunkt, sondern (bei
streitigen Enteignungsverfahren) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenver-
handlung vor Gericht entscheidend; sofern die Entschädigung zunächst zu niedrig oder
zu hoch angesetzt worden ist, wird sie vom Gericht korrigiert. Mit „Währungsverhält-
nissen“ sind die Verhältnisse auf dem Bodenmarkt gemeint: In manchen Zeiten steigen
die Bodenpreise schneller als es die Geldentwertung rechtfertigen würde (dann gelten
Immobilien als gewinnbringende und wertbeständige Anlageform); in anderen Zeiten
oder Regionen fallen die Grundstückspreise auch einmal, zum Beispiel dann, wenn ein
zeitweises oder regionales Überangebot besteht.
Der BGH begründet seine unterschiedliche Auslegung der völlig identischen Formulie-
rungen in § 93 einerseits und in § 95 andererseits damit, dass der Enteignete durch
die Geldentschädigung in die Lage versetzt werden solle, sich auf dem Grundstücks-
markt ein gleichwertiges Grundstück zu verschaffen. Wenn die Geldentschädigung
zunächst zu niedrig bemessen und dann infolge des Rechtsstreits ganz oder teilweise
mit Verzögerung ausgezahlt werde, dann müsse der Entschädigungsbetrag den Grund-
stückspreisen zur Zeit der Entscheidung des Gerichts angepasst werden, damit der
Enteignete sich ein gleichwertiges Grundstück kaufen könne922. Diese in sich schlüs-
sige Begründung hat jedoch unangenehme Konsequenzen:
Angesichts der Tatsache, dass die Bodenpreise in der Vergangenheit fast immer stärker
angestiegen sind als das allgemeine Preisniveau, kann in dieser Rechtsprechung ein
Anreiz für Enteignungsbetroffene liegen, den von der Enteignungsbehörde angebotenen
und schließlich festgesetzten Entschädigungsbetrag nicht zu akzeptieren und auf einen
höheren Betrag zu klagen. Wenn das Gericht den Entschädigungsbetrag in der Tat für
zu niedrig befindet, wird durch die Klage der Zeitpunkt der endgültigen Berechnung
der Entschädigung um Jahre hinausgeschoben. Soweit der strittige Entschädigungsbe-
trag nicht vom Begünstigten ausgezahlt, hinterlegt oder verbindlich angeboten worden
ist, nimmt seine Höhe teil an der allgemeinen Grundstückspreisentwicklung. Dies
dürfte kaum im Sinne des Gesetzgebers gelegen haben. Denn der Gesetzgeber hat in
§ 99 Abs. 3 angeordnet, dass nicht sofort gezahlte Entschädigungsbeträge mit 2 v. H.
über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich von dem Zeitpunkt an zu verzinsen
sind, in dem die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag entscheidet. Nach
den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte ein Eigentümer demnach einen noch nicht
zur Auszahlung gelangten strittigen Entschädigungsbetrag zwar verzinst erhalten, aber
mit seinem Grundstück (wenn er es schließlich doch abgeben muss) nicht mehr an der
allgemeinen Bodenpreisentwicklung teilnehmen.
Sonstige aus Gerechtigkeitsgründen notwendige Korrekturen bei der Berechnung des
am Verkehrswert orientierten Entschädigungsbetrags sind vom Gesetzgeber in § 95
vorgenommen worden. Danach bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung fol-
gende Werterhöhungen unberücksichtigt:

922 Vgl. dazu die sog. „Steigerungsrechtsprechung“ des BGH, z. B. BGH, U. v. 22.1.1959 – III ZR 186/
57 –, BGHZ 29, 217; BGH, U. v. 27.6.1963 – III ZR 166/61 –, BGHZ 40, 87; BGH, U. v. 8. 4.1965
– III ZR 60/64, BGHZ 43, 300 (306); BGH, U. v. 27.9.1973 – III ZR 131/71 –, BGHZ 61, 240 (246);
BGH, U. v. 20.3.1975 – III ZR 153/72 –, BRS 34 Nr. 120.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

(1) die Wertsteigerung eines Grundstücks, die infolge der Aussicht auf eine Änderung
der zulässigen Nutzung eingetreten ist, wenn die Änderung in absehbarer Zeit nicht
zu erwarten ist (dies betrifft spekulative Erwartungen, zum Beispiel in Richtung auf
eine künftige Bebaubarkeit, die nicht von den Realitäten gedeckt sind);
(2) Wertveränderungen, die infolge der bevorstehenden Enteignung eingetreten sind
(Beispiel: Ackerland gewinnt an Marktwert, weil darüber diskutiert wird, dass es für
den Bau einer Ortsumgehungsstraße benötigt wird; die Eigentümer sollen nicht allein
deshalb einen höheren Preis erhalten, weil zufällig auf ihren Grundstücken eine öffent-
liche Einrichtung gebaut werden soll; das Prinzip gilt auch umgekehrt – wenn wertvol-
les Bauland für eine Straßenverbreiterung genutzt werden soll, muss der Baulandpreis
gezahlt werden, nicht etwa der geringe Wert für Straßenland);
(3) Werterhöhungen, die nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, in dem der Eigentümer
zur Vermeidung der Enteignung ein Kauf- oder Tauschangebot des Antragstellers mit
angemessenen Bedingungen hätte annehmen können;
(4) wertsteigernde Veränderungen, die während einer Veränderungssperre ohne Ge-
nehmigung der Baugenehmigungsbehörde vorgenommen worden sind;
(5) wertsteigernde Veränderungen, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens
ohne behördliche Anordnung oder Zustimmung vorgenommen worden sind;
(6) Vereinbarungen, soweit sie von üblichen Vereinbarungen auffällig abweichen und
Tatsachen den Eindruck rechtfertigen, dass sie getroffen worden sind, um eine höhere
Entschädigungsleistung zu erlangen (es soll dem Eigentümer nichts nützen, wenn er
noch kurz vor der Enteignung einen fingierten Kaufvertrag über das Grundstück zu
einem sehr hohen Preis abschließt und auf diese Weise beweisen zu können glaubt,
dass für sein Grundstück ein ganz besonders hoher Preis zu erzielen gewesen wäre);
(7) Bodenwerte, die bei einer Entschädigung nach den Vorschriften des Planungsscha-
densrechts (§§ 42–44) nicht zu berücksichtigen wären. Beispiel: Hohe Mieteinnahmen
(und damit auch der Bodenwert) beruhen auf einer städtebaulich unvertretbaren ho-
hen Ausnutzung des Grundstücks (z. B. eine besonders dichte Bebauung mit Seitenflü-
geln und Hofgebäuden, die nach modernem Baurecht gar nicht mehr zulässig wäre).
Dadurch verursachte Bodenwerte bleiben nach § 43 Abs. 4 unberücksichtigt. Ob die
Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 auch in diesem Zusammenhang anzuwenden ist, ist
umstritten923. Näheres dazu ist im Kapitel B.XII. „Planungsschadensrecht“ nachzule-
sen; nach der hier vertretenen Auffassung wirkt sich der Ablauf der Sieben-Jahres-
Frist nur bei Herabsetzungen der privaten Ausnutzbarkeit eines Grundstücks entschä-
digungsmindernd aus, aber nicht bei Enteignungen.
(8) Alle baulichen Anlagen, deren „Rückbau“ (so heißt es in § 95 Abs. 3 seit 1998
anstelle des Worts „Abbruch“) entschädigungslos gefordert werden kann, werden in
der Enteignungsentschädigung ebenfalls nicht berücksichtigt.
Die angesprochenen Korrekturen führen zu dem sogenannten „bereinigten Verkehrs-
wert“, der als Entschädigung für das Grundstück und das darauf stehende Gebäude
an den Eigentümer auszuzahlen ist. Wenn die Enteignung gleichzeitig zur Aufgabe
eines Betriebes nötigt oder zu sonstigen Vermögensschäden führt, dann sind die Betrof-
fenen dafür ebenfalls zu entschädigen. §§ 96 und 97 enthalten die dafür notwendigen
Grundregeln. Danach erhält der Betroffene neben der eigentlichen Enteignungsent-
schädigung für folgende Einbußen einen Geldausgleich:
– für Erwerbsverluste, das sind vorübergehende oder dauernde Mindereinkünfte aus
der Berufs- und Erwerbstätigkeit;
– für Wertminderungen am (nicht enteigneten) Restbesitz; Hauptfall ist der Verlust
oder die Beeinträchtigung der bisherigen Nutzungsmöglichkeit für das gesamte

923 Vgl. dazu BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273.

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Planungsschadensrecht XII.

Grundstück, obwohl nur ein Teil enteignet wurde (z. B. die Beeinträchtigung der
Jagdverhältnisse durch Zertrennung des Jagdgebiets durch eine Straße);
– notwendige Umzugskosten.
4. Änderungen und Neuerungen im Enteignungsrecht nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
vom 11.06.2013
Seit der BauGB-Novelle 2013 ist das Enteignungsrecht im BauGB nicht geändert wor-
den.
Literatur zum Kapitel XI: Enteignung und zur Enteignungsentschädigung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Enteignung allgemein:
2010: Meifort, Cornelia, Der Begriff der Enteignung nach der Rechtsprechung der internationa-
len Schiedsgerichte zum internationalen Investitionsschutzrecht, Frankfurt am Main [u. a.]:
Lang, 2010 (Zugl.: Hamburg, Bucerius Law School, Diss., 2009; 2012: Riedel, Daniel, Eigen-
tum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit: zur Ausgestaltungsgarantie der Eigentumsge-
währleistung, zum Enteignungsbegriff und zur Gemeinwohlbindung der Enteignung, Berlin:
Duncker & Humblot, 2012 (Zugl.: Düsseldorf, Univ., Diss., 2011); 2014: Aust, Manfred/Paster-
nak, Dieter/Jacobs, Rainer, Die Enteignungsentschädigung: Handbuch, 7., neu bearb. Aufl., Ber-
lin: de Gruyter Recht, Berlin 2014.
2. Zum Enteignungsverfahren:
2001: Stadler, Andreas, Die Enteignung zur Verwirklichung von Festsetzungen eines Bebauungs-
plans, Zentralinstitut für Raumplanung und Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der
Universität Münster, Münster 2001; 2011: Kühnl, Markus, Enteignung und Mediation: Ansätze
mediativer Konfliktlösung hinsichtlich einer Enteignung zur Realisierung planfeststellungsbe-
dürftiger Großvorhaben, Frankfurt am Main; Berlin [u. a.]: Lang, 2012 (Zugl.: Marburg, Univ.,
Diss., 2011)
3. Zur Enteignungsentschädigung:
4. Enteignungsgleicher Eingriff/Aufopferung:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

XII. Planungsschadensrecht
In den weiteren Zusammenhang von Enteignung und Entschädigung gehört auch das
Planungsschadensrecht. Es ist im Baugesetzbuch zwar schon in einem Abschnitt vor
dem Enteignungsrecht, nämlich in den §§ 39 bis 44, geregelt. Zum besseren Verständ-
nis ist es jedoch nützlich, das Planungsschadensrecht im Zusammenhang mit Enteig-
nung und Enteignungsentschädigung zu schildern. Denn sowohl bei der Enteignung
als auch beim Planungsschadensrecht geht es darum, die Eigentümer von Grundstü-
cken für die Folgen eines rechtmäßigen Zugriffs der öffentlichen Hand auf ihr Grund-
stück zu entschädigen. Dabei kann die juristisch-dogmatische Frage dahinstehen, ob
das Planungsschadensrecht Entschädigungsleistungen für „Enteignungen“ im Sinne
des Art. 14 GG gewährt oder ob es sich hier um Ausgleichsleistungen für Eingriffe
handelt, die noch im Bereich der Eigentumsbindung liegen. (Im Ergebnis dürfte es sich
um eine Form der Eigentumsbindung handeln, es sei denn, das Gesetz gewährt einen
Übernahmeanspruch).
In jedem Fall geht es beim Planungsschadensrecht nach §§ 39 bis 44 nicht um „Scha-
densersatz“ in dem Sinn, wie man ihn seinem Nachbarn zu leisten hat, wenn man
ihm durch unvorsichtiges Ballspiel eine Fensterscheibe eingeworfen hat, oder wie bei
Amtspflichtverletzungen. Die Pflicht zum Schadensersatz beim Einwurf von Fenster-
scheiben beruht darauf, dass man etwas Rechtswidriges getan (nämlich das Eigentum
des Nachbarn beschädigt) und sich dabei zumindest fahrlässig, also schuldhaft verhal-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ten hat (nämlich nicht die gebotene Sorgfalt hat walten lassen). Die Haftung der An-
stellungskörperschaft für Amtspflichtverletzungen ihrer Bediensteten beruht auf
schuldhaft unrichtigem Verhalten (so wie es auch bei der Aufstellung von Bebauungs-
plänen durchaus vorkommen kann!924). Das Planungsschadensrecht behandelt demge-
genüber die Folgen rechtmäßiger Planungen, nicht etwa die Pflicht zum Schadensersatz
nach rechtswidrigen und schuldhaften Beschädigungen. Wenn eine Gemeinde also
durch ihre städtebauliche Planung einen „Planungsschaden“ auslöst, dann hat sie sich
nicht etwa etwas zuschulden kommen lassen, und die Angestellten im Stadtplanungs-
amt müssen nicht etwa ein schlechtes Gewissen haben; es geht vielmehr um die unver-
meidlichen Folgen rechtmäßigen Handelns, das insgesamt dem Wohl der Allgemein-
heit dient, beim Einzelnen jedoch zu einem Vermögensschaden geführt hat. Mancher
Kommunalpolitiker ist sich über diese Tatsache nicht hinreichend im Klaren; Pla-
nungsschäden im Sinn der §§ 39 bis 44 werden häufig als Folgen rechtswidrigen Han-
delns angesehen mit der Folge, dass Vorlagen der Verwaltung, die Ersatzpflichten nach
diesen Vorschriften auslösen könnten, prinzipiell abgelehnt werden. Damit ist der städ-
tebaulichen Planung nicht gedient. Wenn es aus städtebaulichen Gründen erforderlich
ist, müssen Planungsschäden riskiert werden. Die Konsequenzen dieses (rechtmäßi-
gen!) Handelns sind dann in den §§ 39 bis 44 geregelt. Mit der Haftung des Staats
und seiner Körperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) für etwa rechtswidriges
Handeln ihrer Bediensteten hat das Planungsschadensrecht nichts zu tun.
Bild 61: Schadensersatz bei Änderung der zulässigen Nutzung

Das Planungsschadensrecht der §§ 39 bis 44 gibt demgegenüber Antwort auf zwei


strikt zu trennende Fragen:
(1) Welche Ansprüche hat ein Eigentümer, dessen bisher privat genutztes Grundstück
im Bebauungsplan ganz oder teilweise zur Nutzung für öffentliche Zwecke vorgese-
hen, aber noch nicht enteignet worden ist?

924 Beispiel: BGH, U. v. 29.7.1999 – III ZR 234/97 –, ZfBR 2000, 49 (wegen Bergschäden unsicheren
Baugrund nicht erkannt).

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Planungsschadensrecht XII.

(2) Welche Ansprüche hat ein Eigentümer, für den die private Nutzbarkeit seines
Grundstücks durch öffentliche Planung unter Fortbestand der Privatnützigkeit gegen-
über dem früher zulässigen Maß heruntergesetzt worden ist?
Bild 61 gibt einen ersten Überblick über das System des Planungsschadensrechts. Der
Vertrauensschaden wird gemäß § 39 sowohl bei einer Inanspruchnahme einer bisher
privaten Fläche für öffentliche Zwecke als auch bei einer Änderung der nach wie vor
privaten Nutzbarkeit eines Grundstücks gezahlt. Bei der Inanspruchnahme einer bisher
privaten Fläche für öffentliche Zwecke besteht im Übrigen aber nur ein Übernahmean-
spruch nach § 40 gegen Geld – aber kein Schadensersatzanspruch nach § 42. Diesen
Anspruch gibt es nur bei einer wertmindernden Änderung der privaten Ausnutzbarkeit
eines privat bleibenden Grundstücks.

1. Ansprüche von Grundeigentümern bei Beanspruchung ihres Grundstücks für


öffentliche Zwecke
In § 40 BauGB ist in 14 Ziffern aufgelistet, welche Festsetzungen im öffentlichen Inte-
resse Entschädigungsansprüche des Grundeigentümers auslösen können925. Es handelt
sich dabei zum Beispiel um die Festsetzung von Flächen für den Gemeinbedarf (Nr. 1),
Verkehrsflächen (Nr. 5), Flächen für Gemeinschaftsstellplätze und Gemeinschaftsgara-
gen (Nr. 10), Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung
von Natur und Landschaft (Nr. 14).
Die Festsetzungen nach Nr. 10 (Gemeinschaftsstellplätze und -garagen), Nr. 11 (Ge-
meinschaftsanlagen), Nr. 12 (von der Bebauung freizuhaltende Flächen), Nr. 13 (Flä-
chen für die Wasserwirtschaft) und Nr. 14 (Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur
Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft – sog. SPE-Flächen) können auch den
Interessen des Eigentümers dienen; dann ergeben sich daraus keine Entschädigungsan-
sprüche.
Enthält ein Bebauungsplan Festsetzungen aus der Liste des § 40 Abs. 1 im öffentlichen
Interesse, so wird die Gemeinde in aller Regel sehr bald mit dem Eigentümer der
betreffenden Grundstücke in Verhandlungen eintreten, um das Grundstück (das z. B.
als Verkehrsfläche festgesetzt ist) anzukaufen. Gelingt dies nicht, muss die Enteignung
eingeleitet werden. Von diesem Regelfall abweichend, gibt es aber Fälle, in denen
die entsprechende Festsetzung (als Verkehrsfläche) zwar ebenfalls im Bebauungsplan
enthalten ist, die Gemeinde aber in der näheren Zukunft noch nicht beabsichtigt, die
Fläche tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Verkehrsplanungen sind langfristig; in den
Bebauungsplänen sind manche Trassen eingezeichnet, die erst in zehn oder 20 Jahren
verwirklicht werden sollen. In solchen Fällen kann für den Eigentümer die Situation
auftreten, dass er einerseits das Grundstück nicht mehr benötigt und es auch gar nicht
mehr sinnvoll nutzen kann, die Gemeinde andererseits das Grundstück noch gar nicht
haben will. Man denke zum Beispiel an eine Baumschule, die eine mindestens sechs
Jahre dauernde Aufzucht der Bäume voraussetzt. Wenn abzusehen ist, dass die Ge-
meinde dort eine durch B-Plan festgesetzte Straße erst in fünf Jahren bauen will, dann
kann der Eigentümer das Gelände nicht mehr sinnvoll nutzen; die Gemeinde hat aber
vor dem Ablauf der fünf Jahre noch kein Interesse daran, das Grundstück zu erwer-
ben. Für solche Fälle gibt das Gesetz dem Eigentümer einen sogenannten „Übernahme-
anspruch“: Der Eigentümer kann von der Gemeinde die Übernahme der Fläche verlan-
gen, wenn und soweit es ihm mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung
des Bebauungsplans wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu be-
halten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen926. Ein

925 Beispiel aus der Rechtsprechung: BVerwG, B. v. 21.2.1991 – 4 NB 16.90 –, ZfBR 1991, 125.
926 Zu den Voraussetzungen der Unzumutbarkeit vgl. BGH, U. v. 13.12.1984 – III ZR 175/83 –, NJW
1985, 1781; zur Festsetzung von Flächen für Ausgleichsmaßnahmen vgl. BGH, U. v. 9.10.1997 – III
ZR 148/96 –, ZfBR 1998, 42.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Übernahmeanspruch kann u. a. auch durch die Festsetzung von SPE-Flächen zum Aus-
gleich für Eingriffe in Natur und Landschaft ausgelöst werden. Dies gilt selbst dann,
wenn die betreffenden Flächen unter anderem (aber nicht nur) zum Ausgleich von
Eingriffen bestimmt sind, die auf künftigen Baugrundstücken stattfinden, die demsel-
ben Eigentümer gehören. Der Wertvorteil, den der ausgleichspflichtige Eigentümer
durch die Umplanung einiger seiner Grundstücke zum Bauland genießt, kann und
muss bei der Entschädigung für das von der Gemeinde zu übernehmende Grundstück
im Wege des Vorteilsausgleichs berücksichtigt werden927.
Ein „Übernahmeanspruch“ entspricht also gewissermaßen einem „Anspruch auf Ent-
eignung“; so betrachtet ist es kein Zufall, dass die Enteignungsvorschriften und insbe-
sondere die Vorschriften über die Enteignungsentschädigung anzuwenden sind, wenn
die Gemeinde den Übernahmeanspruch des Eigentümers nicht freiwillig erfüllt. Die
Gemeinde kann den Übernahmeanspruch des Eigentümers auch nicht dadurch umge-
hen, dass sie einerseits schwere Belastungen eines Grundstücks auslöst, zum Beispiel
indem sie eine Hauptverkehrsstraße mit erheblichem Verkehrslärm direkt daneben
plant, andererseits aber darauf verzichtet, das Grundstück durch eine nach § 40 ent-
schädigungspflichtige Festsetzung zum Beispiel als „von der Bebauung freizuhaltende
Schutzfläche“ (§ 40 Abs. 1 Ziffer 4) ganz offiziell in Anspruch zu nehmen. Entweder
müssen die Lärmbeeinträchtigungen durch planerische Festsetzungen (Lärmschutz-
mauer an der Straße) unter die Schwelle der Unzumutbarkeit gedrückt werden, oder
das Grundstück muss „unmittelbar enteignend“ in einer die Entschädigungspflicht
nach §§ 40 ff. auslösenden Weise beplant werden. Die Verursachung unzumutbarer
Beeinträchtigungen durch „mittelbar enteignende“ Festsetzungen eines B-Plans ist
rechtswidrig928, weil es dann keine gesetzlich geregelten Entschädigungsansprüche für
den Eigentümer gibt.
Ist ein Grundstück für eine zukünftige öffentliche Nutzung vorgesehen, so darf der
private Eigentümer verständlicherweise auf diesem Grundstück keine neuen Gebäude
mehr errichten oder die vorhandenen Anlagen (zum Beispiel seine Fabrikationsge-
bäude) erweitern, es sei denn, dass er nach § 32 für sich und seine Rechtsnachfolger
auf Ersatz seiner Investitionen für den Fall schriftlich verzichtet, dass der Bebauungs-
plan durchgeführt wird. Zu einer solchen Verzichtserklärung wird der Eigentümer in
aller Regel nicht bereit sein, weil sich die Angelegenheit dann wirtschaftlich nicht mehr
lohnt. Im Planungsschadensrecht (und zwar in § 40 Abs. 2 Nr. 2) ist geregelt, dass der
Eigentümer auch in den Fällen die Übernahme des Grundstücks verlangen kann, in
denen derartige Erweiterungs- und Modernisierungsvorhaben (die im § 32 angespro-
chen sind) nicht ausgeführt werden dürfen, wenn dadurch die bisherige Nutzung einer
baulichen Anlage aufgehoben oder wesentlich herabgesetzt wird. Wird die bisherige
Nutzung des Grundstücks dadurch nur wirtschaftlich erschwert, bleibt aber insgesamt
sinnvoll, so ist eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.
Entschädigung in Geld (und nicht der sonst allein929 in Frage kommende Übernahme-
anspruch) ist nach § 41 auch vorgesehen, wenn im Bebauungsplan Flächen festgesetzt
werden, die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belasten sind, und wenn Bindun-
gen für Bepflanzungen und für das Erhalten von Bäumen und Sträuchern festgesetzt
werden, die über das „bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderliche Maß hin-
ausgehen“. Für Bepflanzungen, mit denen nur die aus dem Bauordnungsrecht folgende
Pflicht erfüllt wird, nicht überbaute Flächen des Baugrundstücks gärtnerisch zu gestal-
ten, wird selbstverständlich keine Entschädigung gezahlt.

927 BGH, 9.10.1997 – III ZR 148/96 –, ZfBR 1998, 42.


928 Vgl. BVerwG, U. v. 1.11.1974 – 4 C 38.71 –, BVerwGE 47, 144.
929 BVerfG, B. v. 15.9.2011 – 1 BvR 2232/10 –, ZfBR 2012, 148: Die Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 1
BauGB, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 BauGB nur eine Grundstücksübernahme,
nicht aber eine Entschädigung in Betracht kommt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

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Planungsschadensrecht XII.

Bei Umplanungen von privater Nutzbarkeit in eine öffentliche Nutzung ist zu beach-
ten, dass die „Ermäßigung“ des § 42 Abs. 2, 3, wonach bei einer Rücknahme der
baulichen Nutzbarkeit nach Ablauf von sieben Jahren nur noch die Wertdifferenz
zwischen der ausgeübten Nutzung und der nun festgesetzten neuen Nutzung zu zahlen
ist, nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Anwendung findet. Die Plangewährleis-
tungsfrist des § 42 bezieht sich nur auf Herabstufungen der privaten Nutzbarkeit –
nicht auf die Beendigung der Nutzung zugunsten öffentlicher Zwecke. Eine „be-
grünte“ Baulücke im Innenbereich, die jederzeit bebaubar wäre, aber mehr als sieben
Jahre nicht bebaut wurde, kann in aller Regel nicht zum Grünlandpreis für öffentliche
Zwecke eingezogen werden930. Für den Übernahmeanspruch gilt nach dem BGH931
auch nicht die „Anmeldefrist“ des § 44 Abs. 4. Nach § 44 Abs. 4 erlischt „ein Ent-
schädigungsanspruch“ (aber nicht ein Übernahmeanspruch), wenn er nicht binnen
drei Kalenderjahren nach der Entstehung fällig gestellt wird, indem er schriftlich gel-
tend gemacht wird.
Die soeben geschilderte Rechtsprechung des BGH, wonach die Sieben-Jahresfrist bei
„isolierter eigentumsverdrängender Planung“ nicht angewendet werden kann, ist aller-
dings durch eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts infrage gestellt
worden. Das BVerfG932 hat dem BGH vorgeworfen, das Instrument der verfassungs-
konformen Auslegung des § 42 BauGB überdehnt zu haben, als er – der BGH – die
Anwendung der Sieben-Jahres-Frist mit ihrer Begrenzung der Entschädigung auf die
Fälle isolierter eigentumsverdrängender Planung ablehnte. Wenn man den § 42 BauGB
auf diese Fälle nicht anwenden wolle, müsse man den § 42 BauGB insoweit für verfas-
sungswidrig erklären. Dies stehe aber nur dem BVerfG nach entsprechender Vorlage
durch den BGH zu.
Der BGH hat diese Entscheidung des BVerfG nicht zum Anlass genommen, dem BVerfG
die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 42 BauGB vorzulegen. Vielmehr hat er die Be-
grenzung der Entschädigung in dem von ihm zu entscheidenden Einzelfall933 für vertret-
bar erklärt, weil der herabstufende B-Plan nicht nur ein einziges privates Grundstück in
eine öffentliche Grünfläche umwandelte, sondern aufgrund einer übergreifenden Pla-
nung alle noch verbliebenen Grünflächen im Plangebiet. Es handelte sich also nicht um
eine „isolierte“ eigentumsverdrängende Planung, sondern um eine städtebauliche Neu-
ordnung. Das Kammergericht Berlin wendet die Sieben-Jahres-Frist in allen Fällen an,
weil es sich um eine verfassungskonforme Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigen-
tums handele934. Die Streitfrage ist wohl noch nicht endgültig entschieden.

2. Ansprüche des Eigentümers bei Herabstufung der privaten Nutzbarkeit seines


Grundstücks
Bebauungspläne regeln nicht nur die Nutzung für öffentliche Zwecke, sondern auch die
Zulässigkeit privater Vorhaben auf privaten Grundstücken. Insbesondere bei der Ände-
rung oder der Neuaufstellung von Bebauungsplänen in Gebieten, die bereits bebaut sind,
kann es vorkommen, dass die bisher zulässige Nutzung verändert wird. So kann statt ei-
ner bisher gemischten Nutzung durch Wohnen und Gewerbe eine reine Wohnnutzung
eingeführt werden; oder es kann auf einem zunächst als Kleingartengebiet, dann zum
dauernden Wohnen in Kleinsiedlungshäusern genutzten Gelände eine industrielle Nut-
zung ausgewiesen werden. Bis 1976 galt der Grundsatz, dass eine Herabstufung der pri-
vaten Nutzbarkeit eines Grundstücks stets einen Entschädigungsanspruch des Eigentü-

930 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273, bestätigt durch BGH, U. v. 11.7.2002 – III
ZR 160/01 –, ZfBR 2002, 799.
931 BGH, U. v. 8.7.2010, – III ZR 221/09 –, BGHZ 186, 136–151 = BauR 2010, 1808.
932 BVerfG, B. v. 16.12.2014, – 1 BvR 2142/11 – ZfBR 2015, 263.
933 BGH, U. v. 7. 07.2016 – III ZR 28/15 – ZfBR 2017, 58.
934 KG Berlin, U. v. 10.7.2015 – 9 U 1/13 Baul – ZfBR 2016, 150 mit Anm. Schmidt-Eichstaedt S. 122.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

mers auslöste. Dieser Grundsatz ist durch die BBauG-Novelle von 1976 mittels der
Einführung einer „Plangewährleistungsfrist“ von sieben Jahren eingeschränkt worden.
Seitdem gilt folgendes: Wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellt, dann enthält
dieser Plan nur noch für sieben Jahre, gerechnet vom Beginn der Zulässigkeit der Nut-
zung an, das Angebot an und die Garantie für die betroffenen Grundeigentümer, dass
sie ihr Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Plans bebauen dürfen. Wenn die
Gemeinde innerhalb dieser sieben Jahre eine Umplanung vornimmt, dann muss sie die
betreffenden Eigentümer in vollem Umfang für die Wertminderung entschädigen, die
durch die Veränderung der Planung an den Grundstücken eintritt.
Nach dem Ablauf der sieben Jahre ist die Gemeinde an ihr Angebot für die Grundei-
gentümer jedoch nicht mehr gebunden. Sie kann die Planung dann insoweit entschädi-
gungslos zurücknehmen, als die Grundeigentümer davon noch keinen Gebrauch ge-
macht haben. Die Gemeinde darf dann die rechtliche Nutzbarkeit entschädigungslos
so weit zurückführen, dass sie der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks – beispiels-
weise als Kleingartenland – entspricht. Es muss jedoch insgesamt bei einer privatnützi-
gen Verwendung des Grundstücks bleiben. Wenn das Grundstück für öffentliche Zwe-
cke in Anspruch genommen wird, muss der Wert entschädigt werden, den das
Grundstück aufgrund seiner zulässigen Nutzung hatte – ohne Rücksicht darauf, wie
lange diese Nutzung zuvor zulässig gewesen ist. Der BGH begründete dies mit dem
Hinweis darauf, dass der Eigentümer, dessen Grundstück für öffentliche Zwecke in
Anspruch genommen werde, ein Sonderopfer erbringe, für das er in vollem Umfang
entschädigt werden müsse935. Ob das BVerfG dieser Rechtsansicht zu folgen bereit ist,
ist auch nach dem oben zitierten Beschluss offen. Denn bislang (2018) ist es nicht zu
einer Vorlage an das BVerfG gekommen, mit der die Verfassungswidrigkeit des § 42
bei strikter Anwendung auch auf Fälle der Umplanung von privater zu öffentlicher
Nutzung geltend gemacht wurde.
Geht die Gemeinde mit ihrer Planausweisung allerdings hinter das zurück, was der
realen Nutzung des Grundstücks nach Art und Maß entspricht, so muss sie auch nach
Ablauf der sieben Jahre eine Entschädigung an den Grundstückseigentümer zahlen.
Der Eigentümer kann erstens eine Entschädigung insoweit verlangen, als durch die
Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder
die sonstige wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks wesentlich erschwert oder
unmöglich gemacht wird. Zweitens kann er hinsichtlich der Beeinträchtigung des Bo-
denwerts den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des Grundstücks, den es hätte,
wenn die Planausweisung mit der ausgeübten Nutzung übereinstimmen würde, und
dem Wert verlangen, den das Grundstück nunmehr aufgrund der unterhalb der tat-
sächlichen Nutzung liegenden Planausweisung hat. Beispiel: Wird ein industriell ge-
nutztes Grundstück nach Ablauf der Plangewährleistungsfrist zum Kleingartenland
herabgestuft, dann sinkt der Bodenwert dieses Grundstücks von ursprünglich z. B.
80 A auf 50 A, weil der Markt auf die Tatsache reagiert, dass die industrielle Nutzung
dieses Grundstücks nur noch im Rahmen des Bestandsschutzes, aber nicht mehr durch
Neubau möglich ist. Die Wertdifferenz von 30 A pro m2 muss die Gemeinde als Pla-
nungsschadensersatz an den Grundeigentümer bezahlen.
Entsprechende Grundsätze gelten (jedenfalls nach wohl herrschender Ansicht) nicht
nur für Umstrukturierungen durch förmliche Planung, sondern auch für Änderungen
des Gebietscharakters von Baugebieten innerhalb im Zusammenhang bebauter Orts-
teile im Sinne des § 34: Wenn in einem ursprünglich gemischt genutzten Gebiet nach
§ 34 über Jahre nur noch Wohnbauten beantragt und genehmigt worden sind, kann
die Gemeinde nach Ablauf von sieben Jahren nach Abschluss dieser Entwicklung
durch Bebauungsplan die jetzt überwiegende Wohnnutzung des Gebiets festschreiben,

935 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273; ebenso BGH, U. v. 7.7.2011, – III ZR 156/
10 –, BauR 2012, 67.

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Planungsschadensrecht XII.

ohne mit Entschädigungsansprüchen derjenigen rechnen zu müssen, die auf ihren


Grundstücken vielleicht doch noch eine gewerbliche Nutzung verwirklichen woll-
ten936. Auch hier darf sie allerdings nicht entschädigungslos hinter den Stand der
tatsächlich ausgeübten Nutzung zurückgehen. Das OVG Saarland937 bezweifelt
grundsätzlich, ob die Sieben-Jahres-Frist auf die Überplanung von klassischen Ortsla-
gen anwendbar ist: „Es bleibt offen, ob die Sieben-Jahres-Frist (§ 42 Abs. 2, 3 BauGB),
die die Ansprüche des Eigentümers bei Nichtausnutzung der Baumöglichkeit nach
Ablauf dieser Frist wesentlich einschränkt (§ 42 Abs. 3 BauGB), auch auf Fälle des in
Ortslagen typischen „Liegenlassens“ eines Baugrundstücks, etwa für bauinteressierte
Nachkommen im nicht beplanten Bereich (§ 34 BauGB) anwendbar ist, oder ob die
an den Fristablauf geknüpfte Sanktion nur gerechtfertigt ist, wo die Baumöglichkeit
dem Eigentümer durch die Gemeinde im Planungswege erst verschafft worden ist“.
Wenn man der letzteren Ansicht folgt, ist die Herabsetzung oder gar die Entziehung
von Baurechten nach § 34 BauGB stets ungeschmälert vom Ablauf der „Plangewähr-
leistungsfrist“ zu entschädigen.
Für die Neuausweisung von Baugebieten durch verbindliche938 Bauleitplanung bedeu-
tet die „Plangewährleistung“ demnach folgendes: Wenn eine Gemeinde ein Neubauge-
biet ausweist und erschließt, so dass die Bebauung nach § 30 zulässig wird, dann
haben die Grundstückseigentümer sieben Jahre lang vom Beginn der Zulässigkeit der
Bebauung an Zeit, ihre Grundstücke zu bebauen. Wer nicht baut, muss damit rechnen,
dass die Gemeinde nach dem Ablauf der sieben Jahre die Zulässigkeit der Bebauung
reduziert oder ganz zurücknimmt. Beispiel: Wird ein als Industriegebiet ausgewiesenes
und nutzbares Gelände mehr als sieben Jahre als Kleingartengelände genutzt, kann es
nach Ablauf der Plangewährleistungsfrist entschädigungslos als Dauerkleingartenland
ausgewiesen werden. Auch folgendes Beispiel ist denkbar: Wenn ein Eigentümer meh-
rere, nebeneinander liegende Baugrundstücke hat, davon nur ein Grundstück bebaut,
die übrigen aber als zugehörigen großen Garten nutzt, dann kann die Gemeinde nach
Ablauf der sieben Jahre die Bebaubarkeit der bislang unbebauten Grundstücke aus-
schließen und ihre Nutzung als private Grünfläche festsetzen. Dadurch fällt der Wert
dieser Grundstücke ganz erheblich, der Eigentümer kann aber keine Entschädigung
beanspruchen.
Verständlicherweise ist eine solche Herabsetzung der Nutzung nur dann zulässig, wenn
die neu festgesetzte Nutzung (z. B. als Kleingartenland oder als private Grünfläche)
städtebaulich sinnvoll und mit der gesamten Bauleitplanung der Gemeinde vereinbar
ist. Wenn in der Gemeinde erhebliche Nachfrage nach Baugrundstücken besteht und
die Gemeinde an anderer Stelle neues Bauland ausweist, dann wird sie vorhandene
Baulücken nicht zu Gartenland machen dürfen. Dies wäre ein Abwägungsfehler, der
zur Nichtigkeit des Plans führte. Die Rücknahme einer zulässigen Nutzung ist also
nur dann rechtmäßig, wenn sie städtebaulich erwünscht und begründbar ist.
Damit ist auch verständlich, warum die Ausnutzung der Siebenjahresfrist für anschlie-
ßende Herabsetzungen der zulässigen Nutzung durch die Gemeinden nicht eben allzu
häufig ist: Städtebauliche Planung gilt überwiegend für längere Zeiträume, so dass
man relativ kurzfristige Umplanungen tunlichst vermeidet939. Bloßer Fristablauf der
sieben Jahre reicht als Grund für eine Umplanung nicht aus940.

936 Zur Genehmigung von heranrückender Wohnbebauung an ein Gewerbegebiet vgl. BGH, U. v.
18.12.1986 – III ZR 174/85 –, ZfBR 87, 107 (kein Anspruch für den Gewerbetreibenden aus § 42
BauGB); vgl. auch BGH, U. v. 1.10.1987 – III BR 1988, 145 –, ZfBR 1988, 145.
937 OVG Saarlouis, U. v. vom 25.6.2009 – 2 C 478/07 – juris.
938 Flächennutzungspläne und Regionalpläne dürfen entschädigungslos geändert werden. Dies gilt auch
dann, wenn Konzentrationszonen für die Windenergienutzung geändert werden; vgl. BVerwG U. v.
11.4.2013 – 4 CN 2.12. –, ZfBR 2013, 569.
939 Als Beispielfall vgl. BGH, U. v. 10.5.1990 – III ZR 84/89 –, ZfBR 1990, 298.
940 Niedersächsisches OVG, 5.4.2000 – 1 K 4846/98 –, ZfBR 2001, 54.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Schließlich muss bei der „Ausnutzung“ der Plangewährleistungsfrist durch die Ge-
meinde noch folgendes beachtet werden: Wie oben bereits betont wurde, bezieht sich
die Beschränkung der Entschädigung auf den Unterschied zwischen der festgesetzten
und der tatsächlichen Nutzung nach Ablauf der Siebenjahresfrist nur auf Herabsetzun-
gen der privaten Nutzbarkeit. Wenn dagegen eine bisher für Wohnzwecke nutzbare
Baulücke – seit 1945 baulich nicht genutzt, aber nach § 34 jederzeit baulich nutzbar
– als Spielplatz für einen kommunalen Kindergarten festgesetzt werden941 oder als
öffentliche Grünfläche dienen soll942, muss – jedenfalls nach dem BGH – der volle
Wert als Wohnbauland (und nicht nur der Wert als Grünfläche) gezahlt werden. Der
Eigentümer darf nicht zu einem Sonderopfer gezwungen werden, indem nur sein
Grundstück für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen wird. Die Plangewährleis-
tungsfrist gilt nur im Rahmen der Eigentumsbindung, aber nicht im Rahmen einer
Enteignung. Seit der Entscheidung des BVerfG vom 16.12.2014, – 1 BvR 2142/11
darf man dies aber nicht aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 42 BauGB
ableiten. Eine Ableitung aus Sinn und Zweck der Vorschrift und der Systematik des
Planungsschadensrechts ist auch ohne Rückgriff auf die Verfassung möglich. Eine end-
gültige Entscheidung des BVerfG zu dieser Frage steht aber noch aus.
Wer § 42 des Baugesetzbuches liest, wo die Plangewährleistungsfrist geregelt ist, wird
eine Reihe von Absätzen finden, die Sonderfällen gewidmet sind; in diesen Sonderfäl-
len ist die Siebenjahresfrist zwar formal abgelaufen, innerhalb der Frist die Bebauung
jedoch durch Umstände behindert worden, die nicht der Verantwortung des privaten
Bauherrn zugerechnet werden können. Wenn beispielsweise während der Siebenjahres-
frist eine Veränderungssperre auf dem Grundstück gelegen hat, dann muss der Zeit-
raum der Veränderungssperre gleichsam zu der Sieben-Jahres-Frist hinzugerechnet
werden. Weiterhin darf ein Eigentümer nicht benachteiligt werden, wenn er seinen
Bauantrag zwar rechtzeitig vor Ablauf der sieben Jahre einreicht, die Verwaltung ihn
aber schuldhafterweise so lange liegen lässt, dass eine Baugenehmigung vor Ablauf
der sieben Jahre nicht erteilt wird. Der Gesetzgeber hat versucht, all diese Konfliktfälle
vorauszusehen und zu regeln. Einzelheiten sind in § 42 nachzulesen.
3. Der Ersatz von Vertrauensschäden
Immer dann, wenn ein Bebauungsplan einem Eigentümer eine bestimmte Nutzbarkeit
seines Grundstücks in Aussicht stellt und diese Nutzbarkeit später geändert wird (sei es
durch Festsetzungen im öffentlichen Interesse, sei es durch Herabsetzung der privaten
Nutzbarkeit), kann es vorkommen, dass der Eigentümer im Vertrauen auf die zunächst
vorgesehene Nutzung Aufwendungen gemacht hat, die sich nun als wertlos erweisen.
Er kann zum Beispiel einen Ingenieur damit beauftragt haben, die Tragfähigkeit des
Geländes zu prüfen. Er kann einen Architekten damit beauftragt haben, Ideen für die
zulässige Bebauung des Grundstücks zu entwickeln. In § 39 ist angeordnet, dass die
Eigentümer eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen können, soweit solche
Aufwendungen durch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungspla-
nes an Wert verlieren. Dieser Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens bezieht sich
nicht auf den Kaufpreis für ein Grundstück, das als Bauland gekauft wurde und sich
später als grüne Wiese darstellt. Bodenwertveränderungen sind nicht durch § 39, son-
dern durch § 42 erfasst. Der Käufer eines teuren Baulandgrundstücks muss sich also
insoweit privatvertraglich (oder durch die Einholung einer Baugenehmigung) absi-
chern. Im Übrigen gibt es einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens auch nur,
wenn Eigentümer (oder sonstige Nutzungsberechtigte) im berechtigten Vertrauen auf
den Fortbestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans Vorbereitungen für die

941 BGH, U. v. 6.5.1999 – III ZR 174/98 –, ZfBR 1999, 273, bestätigt durch BGH, U. v. 11.7.2002 – III
ZR 160/01 –, ZfBR 2002, 799 und BGH, U. v. 19.7.2007 – III ZR 305/06 –, BauR 2008, 486–491.
942 BGH, U. v. 7.7.2011, – III ZR 156/10 –, BauR 2012, 67.

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Planungsschadensrecht XII.

Verwirklichung von Nutzungsmöglichkeiten getroffen haben, die sich aus dem Bebau-
ungsplan ergeben. Vertraut ein Eigentümer auf einen Plan, der sich in einem späteren
gerichtlichen Verfahren als nichtig herausstellt, so kann er einen Schadensersatzan-
spruch gegen die Gemeinde jedenfalls nicht auf § 39 stützen; möglich sind allenfalls
Ansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG wegen einer Amtspflicht-
verletzung von Gemeindebediensteten943.
Der Vertrauensschadensersatzanspruch nach § 39 ist gewissermaßen vor die Klammer
des allgemeinen Planungsschadensrechts gezogen, er gilt sowohl im Bereich der Über-
nahmeansprüche nach § 40 als auch in dem der Plangewährleistungsansprüche nach
§ 42. Ein wichtiger Unterschied zum Schadensersatzanspruch nach § 42 (Plangewähr-
leistung) liegt darin, dass der Anspruch auf Ersatz von Vertrauensschaden nicht vor-
aussetzt, dass die bauliche Nutzung zulässig geworden ist, sondern bereits dann gel-
tend gemacht werden kann, wenn ein Bebauungsplan rechtsverbindlich geworden ist.
Zur Erinnerung: Die Verwirklichung von Vorhaben auch im Bereich eines rechtsver-
bindlichen Bebauungsplans wird erst dann zulässig, wenn die Erschließung gesichert
ist. Solange die Erschließung noch nicht gesichert ist, kann der Bebauungsplan unter
dem Aspekt des Plangewährleistungsanspruchs entschädigungslos aufgehoben werden;
nur Ansprüche auf Ersatz von Vertrauensschäden nach § 39 müssen bedacht und er-
füllt werden.
Als Einschränkung für die Schadensersatzansprüche nach §§ 39 und 42, also für die
Entschädigungsansprüche in Geld, aber nicht für den Übernahmeanspruch944 nach
§ 40 ist zu beachten, dass der Entschädigungsanspruch erlischt, wenn er nicht inner-
halb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vermögensnachteile
eingetreten sind, angemeldet wird. Jedermann, der entsprechende Ansprüche innezu-
haben meint, muss sich also innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjah-
res, in dem der Schaden eingetreten ist, an die Gemeinde oder an denjenigen wenden,
zu dessen Gunsten die schädigende Festsetzung im Bebauungsplan enthalten ist. Sonst
verliert er seinen Anspruch.

4. Schadensersatzpflichten bei rechtswidrigen Amtshandlungen


In den einleitenden Sätzen dieses Kapitels wurde betont, dass das Planungsschadens-
recht nur die Folgen von rechtmäßigen Planungen der Gemeinde regelt. Zur Vervoll-
ständigung des Überblicks soll nachgetragen werden, dass die Gemeinde selbstver-
ständlich Schadensersatz auch dann und besonders dann zu leisten hat, wenn sie den
Bürger rechtswidrig an seinem Eigentum oder sogar an seiner Gesundheit schädigt.
Wenn die Gemeinde zum Beispiel irrtümlich ein mit Genehmigung errichtetes Wochen-
endhäuschen abreißen lässt, weil sie es für einen Schwarzbau hält, dann liegt darin
eine rechtswidrige und schuldhafte Schädigung, für die der Betroffene Schadensersatz
verlangen kann (in der Regel aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung nach
§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG). Bild 62 gibt einen Überblick über die
Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz für die Folgen von rechtswidrigen Amts-
handlungen im Vergleich mit dem Planungsschadensrecht.
Selbst wenn die Verwaltung nicht schuldhaft gehandelt hat, kann eine Entschädigung
wegen „Aufopferung für das gemeine Wohl“ in Frage kommen. Eine solche Entschädi-
gungspflicht ist beispielsweise von der Rechtsprechung bejaht worden, wenn im Zuge
von gemeindlichen Straßenausbesserungsmaßnahmen eine Geschäftsstraße über einen
so langen Zeitraum nicht benutzbar war, dass die Geschäftseigentümer unzumutbare
Umsatzeinbußen hinnehmen mussten945. Die Gemeinde konnte angesichts der Not-

943 Vgl. BGH, U. v. 24.6.1982 – III ZR 169/80 –, BGHZ 84, 292.


944 Siehe BGH, U. v. 8.7.2010 – III ZR 221/09 –, BGHZ 186, 136–151 = BauR 2010, 1808.
945 BGH, U. v. 20.12.1971 – III ZR 79/69 –, BGHZ 57, 359 (365 f.); BGH, U. v. 7.7.1980 – III ZR 32/
79 –, NJW 1980, 2703; BGH U. v. 28.10.1982 – III ZR 71/81 –, NJW 1983, 1663.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

wendigkeit dieser Straßenbauarbeiten nicht als schuldig bezeichnet werden, die unzu-
mutbare Vermögensbeeinträchtigung der Geschäftsleute war dennoch rechtswidrig.
Sie wirkt sich aus wie eine gezielte Enteignung auf Zeit. Der Bundesgerichtshof hat
deshalb in ständiger Rechtsprechung die Verursacher derartiger Eingriffe zum Scha-
densersatz verpflichtet, indem er zunächst das Rechtsinstitut des „enteignungsgleichen
Eingriffs“ entwickelt hat. Seit der dogmatischen Klarstellung durch das Bundesverfas-
sungsgericht, dass ein enteignender Eingriff stets einen direkten Zugriff der öffentli-
chen Hand voraussetzt, aber nicht mittelbar geschehen kann, stützt der BGH densel-
ben Anspruch auf das Rechtsinstitut der „Aufopferung für das gemeine Wohl“,
abgeleitet aus dem prALR, fortgeltend kraft Gewohnheitsrechts. Zum Inhalt dieses
Rechtsinstituts ist oben im Kapitel B.VII. („Sicherung der Bauleitplanung“) im Zusam-
menhang mit dem Problem der „faktischen Bausperren“ Näheres gesagt worden.
Bild 62: Das Planungsschadensrecht im Vergleich mit der Haftung des Staats und seiner
Körperschaften für anderweitige von ihren Bediensteten verursachte Beeinträchti-
gungen
Haftung für die Folgen Haftung für die Folgen
rechtmäßiger Planung rechtswidriger Hand-
lungen
Eingriffs- Bebauungsplan Amtshandlung
instrument
Folge des Öffentliche Nutzung an- Verminderung der privaten Personenschaden, Sach-
Eingriffs stelle privater Nutzung Nutzbarkeit von Grundstü- schaden, Vermögens-
cken schaden
Mögliche § 40 BauGB: Übernahme- § 42 BauGB: Ersatz der § 839 BGB i. V. m. Art. 34
Anspruchs- anspruch + Wertminderung + GG: Amtshaftung; Folgen-
grundlagen für § 39 BauGB: Vertrauens- § 39 BauGB: Vertrauens- beseitigungsanspruch;
Schadensersatz schaden schaden Aufopferungsanspruch
Beispiele Umwandlung von Vorgär- Herabstufung von Wohn- Irrtümlicher Abriss; über-
ten in Straßenland bauland zu Kleingarten- lange Straßensperrung;
land Manöverschäden auf
Ackerflächen

5. Änderungen und Neuerungen im Planungsschadensrecht nach dem


Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden vom 11.06. 2013
Im Planungsschadensrecht sind keine Veränderungen vorgenommen worden.
Literatur zum Kapitel XII: Planungsschadensrecht
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2009: Entschädigung und Haftung in der städtebaulichen Planung/hrsg. von Willy Spannowsky
und Andreas Hofmeister, Berlin: Lexxion Verl., 2009.
2. Plangewährleistungsfrist:
2015: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die Sieben-Jahres-Frist im Planungsschadensrecht. Zugleich
Anmerkung zu BVerfG, B. v. 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11 –, ZfBR 2015, 330–336; 2016:
Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Erneut: Wen trifft die Sieben-Jahres-Frist im Planungsschadensrecht?
Anmerkung zu KG, U. v. 10.7.2015 – 9 U 1/13 – Baul, (vorgehend: O 1/12 Baul LG Berlin),
ZfBR 2016, 122–123.
3. Schadensersatzansprüche/Amtshaftung/Staatshaftung:
4. Ersatz von Vertrauensschaden nach § 39 BauGB:
5. Zum Übernahmeanspruch:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

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Erschließung XIII.

XIII. Erschließung
1. Die unterschiedlichen Begriffe der Erschließung
Unter Erschließung versteht man die Summe der Maßnahmen, die notwendig sind,
um ein Grundstück erstmals bestimmungsgemäß durch Bebauung nutzen zu können.
Innerhalb dieser allgemeinen Definition muss das Wort „erstmals“ unterstrichen wer-
den: Als Erschließungsmaßnahme im Sinne des Baurechts zählt nur das, was für die
erstmalige Nutzung des Grundstücks als Baugrundstück getan wird. Spätere Ausbau-
und Verbesserungsmaßnahmen, z. B. die Verbreiterung einer Straße, die Umstellung
der Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom, dies alles gehört nicht zur Erschließung
im Sinne des Baurechts. Es kann somit nicht über den „Erschließungsbeitrag“ abge-
rechnet werden, auf den später noch eingegangen wird. Dafür sind vielmehr landes-
rechtliche Gesetze vorhanden, die sog. Kommunalabgabengesetze. Die Unterscheidung
zwischen dem zunächst bundesgesetzlich geregelten Erschließungsbeitrag und den lan-
desrechtlich geregelten Kommunalabgaben und den zugehörigen „Straßenausbaubei-
trägen“ beruht auf der ursprünglichen Kompetenzzuweisung nach Art. 74 Nr. 18 GG.
Danach gehörte das Bodenrecht (zu dem unstreitig das Erschließungsrecht gehört)
zunächst einschließlich des Erschließungsbeitragsrechts zur konkurrierenden Gesetzge-
bungszuständigkeit des Bundes. Durch eine Änderung des Grundgesetzes im Jahre
1995 ist das Erschließungsbeitragsrecht aus der konkurrierenden Gesetzgebungskom-
petenz des Bundes herausgenommen worden. Art. 74 Nr. 18 lautet: „Die konkurrie-
rende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 18. […] das Bodenrecht (ohne
das Recht der Erschließungsbeiträge) […]“.
Seitdem sind die Länder für das Erschließungsbeitragsrecht zuständig. Das im BauGB
enthaltene Bundesrecht zum Erschließungsbeitrag gilt jedoch noch solange weiter, bis
es von den Ländern durch eigene Regelungen ersetzt worden ist. Dies geschieht nach
und nach durch Ergänzung des landeseigenen Kommunalabgabengesetzes (KAG). Sehr
weit gehen die Ergänzungen in Baden-Württemberg (vgl. Vierter Teil, 1. und 3. Ab-
schnitt im KAG BW). Im Freistaat Bayern war lange lediglich angeordnet, dass das
Erschließungsbeitragsrecht des BauGB (mit bestimmten Maßgaben zur Berücksichti-
gung von „notwendigen“ Grünanlagen) weiterhin anzuwenden sei. Mittlerweile regelt
Art. 5a des Bayerischen KAG jedoch die Maßgaben zur Erhebung des Erschließungs-
beitrags durch die Gemeinden. Die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland sowie – in
abgewandelter Form – Sachsen-Anhalt haben das Prinzip der wiederkehrenden Bei-
tragszahlung eingeführt. Danach können die Gemeinden durch Satzung bestimmen,
dass anstelle der Erhebung einmaliger Beiträge die jährlichen Investitionsaufwendun-
gen für die öffentlichen Straßen, unselbstständigen Gehwege, Wege und Plätze (Ver-
kehrsanlagen) als wiederkehrender Beitrag auf die Grundstücke verteilt werden. In
den drei Stadtstaaten existieren ebenfalls eigene Erschließungsbeitragsgesetze – diese
sind jedoch im Kern als stadtstaatliche Erschließungsbeitragssatzungen zu begreifen,
nicht als landesrechtliche Regelungen zur Ablösung der Vorschriften des BauGB.
In diesem Buch soll das in den meisten Bundesländern noch immer zur Anwendung
kommende (teils durch Landesregelungen leicht modifizierte) bundesrechtliche System
des Erschließungsbeitragsrechts vorgestellt werden. Das Baugesetzbuch verwendet den
Begriff der Erschließung in mehreren Vorschriften im unterschiedlichen Sinn. Es ist
daher wichtig, sich über die in Bild 63 dargestellte unterschiedliche Bedeutung im Kla-
ren zu sein.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bild 63: Die verschiedenen Erschließungsbegriffe


Erstmalige

Erschließung im Erschließung im
engeren Sinn Innere weiteren Sinn
§ 127 Abs. 2 Erschließung § 127 Abs. 2 + 4
(örtl. Wegenetz) (Wasser, Energie)

Äußere
Erschließung
Anschluss an Fern-
heizungsnetz;
S-Bahn-Anschluss

Am wichtigsten ist die Unterscheidung zwischen der Erschließung im engeren Sinn


und der Erschließung im weiteren Sinn. Die Erschließung im engeren Sinn bezieht sich
nur auf die Maßnahmen, für die nach dem Baugesetzbuch ein Erschließungsbeitrag
vom Eigentümer erhoben werden konnte bzw. kann. Diese Erschließungsmaßnahmen
im engeren Sinne sind in § 127 Abs. 2 aufgezählt. Dazu gehört der Bau von Straßen,
von Grünanlagen, von Parkplätzen und von Immissionsschutzanlagen. Ein Baugebiet
ist aber noch nicht vollständig benutzbar, wenn diese soeben aufgezählten Baumaß-
nahmen abgeschlossen sind. Neben den Straßen, Parkplätzen und Grünanlagen sind
z. B. auch die Versorgung mit Energie und Wasser sowie der Anschluss an das Entsor-
gungsnetz erforderlich. Diese Maßnahmen gehören zur weiteren Erschließung; die
Kosten können jedoch nicht über den Erschließungsbeitrag abgerechnet werden. Das
heißt nun aber nicht, dass die Eigentümer Strom- und Wasseranschlüsse und die Rohre
zum Abwasserkanal umsonst bekommen würden. Die Abrechnung funktioniert hier
nur anders: Die Energieversorgungsunternehmen erheben einen „Baukostenzuschuss“
und beziehen die Kosten ihres Leitungsnetzes im Übrigen in den Stromabnahmepreis
ein. Das Gleiche tun die Wasserwerke; auch die Gebühren für die Entwässerung wer-
den auf ähnliche Weise erhoben. Die zulässige Höhe des „Baukostenzuschusses“ ist in
den jeweils zugehörigen „Allgemeinen Versorgungsbedingungen“ (AVB Wasser/AVB
Energie usw.) geregelt. Die AVB gelten als Rechtsverordnungen des Bundes. Diese
andere Methode der Kostenerhebung kann die Gemeinden zur (teilweisen) Vorfinan-
zierung zwingen. Wenn z. B. das System der Abwasserkanalisation z. T. über Abwas-
sergebühren finanziert wird, dann muss ein neues Klärwerk entweder aus Rücklagen
oder durch Kreditaufnahmen vorfinanziert werden, ehe die Investition allmählich über
die Abwassergebühren zurückfließt. Zu einer solchen Vorfinanzierung sind manche
Gemeinden nicht in der Lage. Eine Lösung kann dann im Abschluss eines Erschlie-
ßungsvertrags oder auch eines sonstigen städtebaulichen Vertrags mit den Eigentü-
mern im Gebiet oder (besser noch) mit dem einen Haupteigentümer und Investor im
Baugebiet liegen, mit dem sich dieser nicht nur zur Vorfinanzierung und Vornahme
der Erschließung, sondern auch zum Bau oder zur (Mit-)Finanzierung der neuen Klär-
anlage verpflichtet. Näheres zu Erschließungsverträgen (die seit dem Gesetz zur Stär-
kung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwick-
lung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 und mit Wirkung vom 21. Juni 2013 in
§ 11 – Städtebaulicher Vertrag – geregelt werden und nicht gesondert mehr in § 124)
und zu städtebaulichen Verträgen einschließlich der sog. Folgekostenverträge wurde
in Kapitel B.VI. „Städtebauliche Verträge“ ausgeführt.

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Erschließung XIII.

Der Begriff der weiteren Erschließung ist gemeint, wenn in den §§ 30, 34 und 35 eine
gesicherte Erschließung als Voraussetzung für die Zulässigkeit von baulichen Vorha-
ben genannt wird. In dem Kapitel B.VIII. „Zulässigkeit von Vorhaben“ wurde bereits
darauf hingewiesen, dass in der Tat eine Genehmigung der Bebauung nicht sinnvoll
sein kann, bevor das Baugelände nicht erschlossen ist: Wenn noch keine Straßen in
das Gebiet führen, wenn die späteren Bewohner eines Hauses weder Strom- noch Gas-
noch Wasseranschlüsse vorfinden, dann muss eine Bebauung unterbleiben.
Neben der „inneren Versorgung“ eines Baugebiets mit den notwendigen Straßen und
Leitungen gibt es für die Nutzung des Gebiets auch noch andere Einrichtungen von
großer Bedeutung; diese Einrichtungen können ganz oder teilweise auch außerhalb
des Baugebiets liegen. Man denke z. B. daran, dass Trabantenstädte von Großstädten
vernünftigerweise einen S-Bahn- oder U-Bahn-Anschluss haben sollten; auch die Ein-
richtung von Schnellstraßen erscheint unabdingbar, wenn nicht sehr lästige Verkehrs-
probleme entstehen sollen. Weiterhin nützt die schönste Kanalisation wenig, wenn an
deren Ende nicht eine Kläranlage steht, die der Menge des anfallenden Abwassers
gewachsen ist. Eine solche Kläranlage wird normalerweise nicht in dem Baugebiet
selbst, sondern irgendwo an anderer Stelle des Gemeindegebietes liegen. Solche mehr
oder weniger notwendigen Einrichtungen, die häufig außerhalb des eigentlichen Er-
schließungsgebiets zu finden sind (darunter fallen beispielsweise auch Heizkraft-
werke), gehören zur „äußeren Erschließung“. Ihre Kosten können ebenfalls nicht über
den Erschließungsbeitrag abgerechnet werden; sie werden aus allgemeinen Steuermit-
teln, über spezielle Abnahmepreise oder über die bereits erwähnten städtebaulichen
Verträge finanziert.
2. Die Erschließungslast der Gemeinde
Gemäß § 123 ist „die Erschließung Aufgabe der Gemeinde“. „Erschließungslast“ be-
deutet also, dass die (jedenfalls finanziell) belastende Pflicht zur Erschließung bei der
Gemeinde liegt. Zu betonen ist allerdings von vornherein, dass der Bürger, insbeson-
dere der Eigentümer eines Grundstücks, grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Er-
schließung hat, und zwar auch dann nicht, wenn für das Grundstück bereits ein quali-
fizierter Bebauungsplan aufgestellt und rechtsverbindlich geworden ist. Die
Erschließung von Bauland ist als Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde im Rahmen
ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und nach Maßgabe des politischen Ermessens der
kommunalen Vertretungskörperschaft zu leisten. Es kann also durchaus einen Unter-
schied geben zwischen den Gebieten, die durch einen Bebauungsplan zur Bebauung
vorgesehen sind, und den tatsächlich bebaubaren Flächen in einer Gemeinde. Was
noch nicht erschlossen ist, ist noch nicht bebaubar, ohne Rücksicht darauf, ob es dafür
bereits einen Plan gibt.
Eine Gemeinde handelt allerdings politisch nicht klug, wenn sie Bebauungspläne in
der klaren Erkenntnis aufstellt, dass die zugehörige Erschließung ihre Kräfte überstei-
gen wird. Sie löst damit Erwartungen aus, die sich in politischen Druck umwandeln
können, der kommunalpolitisch viel Ärger verursachen kann – zumal ein auf Dauer
nicht umsetzbarer Bebauungsplan nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 und somit
unwirksam ist. Eine Koordinierung zwischen Bauleitplanung und Erschließung ist des-
halb geboten, weil es von der Regel, dass der Bürger keinen Anspruch auf Erschließung
hat, einige Ausnahmen gibt. Die erste Ausnahme ist dann gegeben, wenn sich die
Gemeinde gegenüber einem bestimmten Eigentümer zur Erschließung verpflichtet hat.
Das geschieht in der Praxis z. B. dann, wenn finanzstarke Investoren in einer Gemeinde
eine größere Fläche ankaufen, um darauf eine neue Produktionsanlage zu errichten.
Die Gemeinden sind an solchen Anlagen interessiert, weil dadurch Arbeitsplätze ge-
schaffen werden und Gewerbesteuereinnahmen in ihre Kasse fließen. Wenn der Unter-
nehmer sich für einen bestimmten Standort und damit für eine bestimmte Gemeinde
entschieden hat, dann ist er darauf angewiesen, dass das Gelände in der beabsichtigten

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Weise nutzbar wird. Es genügt nicht, wenn die Gemeinde dafür einen Bebauungsplan
aufstellt, das Gelände muss auch erschlossen werden. In solchen Fällen werden im
Hinblick auf die Erschließung bindende Zusagen abgegeben, die von dem Unterneh-
men notfalls eingeklagt werden können.
Eine zweite Möglichkeit zur Entstehung eines Rechtsanspruchs auf Erschließung be-
steht darin, dass die Gemeinde bereits Vorauszahlungen auf den Erschließungsbeitrag
bei den Eigentümern der Grundstücke in dem betreffenden Gebiet erhoben hat. Solche
Vorauszahlungen setzen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 voraus, dass mit der Herstellung der
Erschließungsanlagen begonnen wurde und die Fertigstellung innerhalb von vier
Jahren zu erwarten ist (für die Beurteilung der Machbarkeit innerhalb des 4-Jahre-
Zeitfensters kommt es auf eine nachvollziehbare und überprüfbare Prognose an946).
Darüber hinaus kann von einzelnen Eigentümern die Durchführung der Erschließungs-
maßnahme durch Vorauszahlung forciert werden, wenn auf ihrem Grundstück ein
Bauvorhaben genehmigt wird. Die Vorausleistung ist selbstverständlich mit der end-
gültigen Beitragsschuld zu verrechnen. Nach § 133 kann die Gemeinde mit den Anlie-
gern auch Ablösungsverträge abschließen, durch die die mit der Erschließung verbun-
denen Zahlungspflichten gleichsam vorab durch Zahlung einer fest bemessenen
Summe erledigt werden947.
Die Gemeinde kann nicht einerseits von den Grundeigentümern Geld für Erschlie-
ßungsmaßnahmen vorweg verlangen, um dann andererseits die Erschließung nicht vo-
ranzutreiben – auch deshalb ist die Möglichkeit der Vorauszahlung an eine Realisie-
rungsfrist innerhalb von vier Jahren geknüpft948. Im Einzelfall kann sich die Gemeinde
dadurch aus der Affäre ziehen, dass sie die Vorausleistungen zurückzahlt. Oder anders
herum, nämlich aus Sicht der betroffenen Eigentümer ausgedrückt: Vorausleistungen
im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 können zurückverlangt werden, wenn die Beitrags-
pflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden ist.
Bei der Berechnung des Rückzahlungsbetrags sind jährliche Zinsen anzusetzen, die mit
2 v. H. über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB liegen – gemessen wird ab Erhebung
der Vorausleistung. Für die Berechnung der Verzinsung wird – seit Novellierung durch
das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und
weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts von 11.6.2016 – nicht mehr auf den
Diskontsatz der Deutschen Bundesbank Bezug genommen.
Eine weitere Konstellation, in der die Gemeinde zur Erschließung verpflichtet ist, tritt
dann ein, wenn die Gemeinde ein zusammenhängend bebautes Gebiet im Sinne des
§ 34 mit einem B-Plan überzieht, der ein neues Bebauungs- und Erschließungssystem
vorsieht. Sobald dieser B-Plan rechtsverbindlich ist, können Grundstücke, die zuvor
nach § 34 bebaubar waren, wegen fehlender Übereinstimmung mit dem B-Plan und
wegen fehlender Erschließung möglicherweise nicht mehr bebaut werden. Der B-Plan
wirkt sich also bis zur Herstellung der neuen Erschließungsanlage de facto wie eine
Bausperre aus. Solche Bausperren (in der Terminologie des BauGB: Veränderungssper-
ren) sind nach §§ 14 ff. nur befristet zulässig; nach Ablauf von vier Jahren sind Ent-
schädigungen zu zahlen. Aus diesem Grund muss die Gemeinde im oben geschilderten
Fall die geplante neue Erschließung alsbald in die Tat umsetzen949. Die geschilderte
Konstellation enthält jedoch einen Sonderfall. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass al-
lein die Aufstellung eines B-Plans (auch eines qualifizierten B-Plans) nicht zu einer
Erschließungspflicht führt.

946 Vgl. BVerwG, U. v. 5.52015 – 9 C 14.14 –, ZfBR 2015, 571.


947 Einzelheiten in BVerwG, U. v. 1.12.1989 – 8 C 44/88 –, ZfBR 1990, 103.
948 Vgl. BVerwG, U. v. 23.5.1975 – 4 C 73.73 –, BauR 1976, 54.
949 Vgl. BVerwG, U. v. 6.2.1985 – 8 C 44/84 –, ZfBR 1985, 149 sowie BVerwG, U. v. 11.11.1987 – 8 C
4/86 –, ZfBR 1988, 139 und BVerwG, U. v. 3.5.1991 – 8 C 77/89 –, ZfBR 1991, 227; vgl. auch
BVerwG, B. v. 16.11.2007 – 9 B 36.07 –, BauR 2008, 476.

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Erschließung XIII.

Eine vierte Möglichkeit, nach der die Gemeinde zur Erschließung verpflichtet sein
kann, ist dann gegeben, wenn das gesamte Gelände in der Hand eines Eigentümers ist
oder sich alle betroffenen Eigentümer zu einer Erschließungsgemeinschaft zusammen-
schließen und sodann der Gemeinde das Angebot unterbreiten, das Bauland zu er-
schließen. Sofern dieses Angebot inhaltlich überzeugend ist und finanziell zumutbare
Bedingungen enthält950, muss die Gemeinde es annehmen und mit dem Anbieter einen
„Erschließungsvertrag“ abschließen951. Nimmt sie das Angebot nicht an, ist sie ver-
pflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen. Dieser zunächst von der Rechtspre-
chung entwickelte Grundsatz ist seit 1993 auch in das Gesetz übernommen, und zwar
in den mit dem Wohnbaulandgesetz 1993 neu gefassten § 124 BauGB – bis zur Novel-
lierung 2013 noch überschrieben mit „Erschließungsvertrag“. Dieser Grundsatz ist
zugleich das Einzige, was nach der Novellierung des Baugesetzbuchs 2013 als Rege-
lung in § 124 übrig geblieben ist.
Mit dem Stichwort „Erschließungsvertrag“, der nach eben dieser BauGB-Novelle nicht
mehr in § 124, sondern in § 11 unmittelbar bei den städtebaulichen Verträgen geregelt
wird, ist auch die fünfte Möglichkeit verbunden, bei deren Eintritt die Gemeinde zur
Erschließung verpflichtet sein kann (Ausführungen zum Erschließungsvertrag siehe
B.VI. „Städtebauliche Verträge“). Es handelt sich hier um den Fall des fehlgeschlage-
nen Erschließungsvertrags, weil der betreffende Unternehmer in Konkurs geht. Die
Straßen sind dann vielleicht halb fertig, die ersten Einfamilienhäuser schon verkauft. In
solchen Fällen tritt die Gemeinde gleichsam als Garant in ihre alte Erschließungspflicht
wieder ein. Sie muss, notfalls auch auf ihre Kosten, dafür sorgen, dass die Erschließung
fertiggestellt wird. Um diesen Kosten zu entgehen, lassen sich die Gemeinden bei Ab-
schluss eines Erschließungsvertrags in aller Regel die dauerhafte Zahlungsfähigkeit des
Investors durch eine Bankbürgschaft garantieren und absichern. Solche „fehlgeschla-
genen Erschließungsverträge“ sind recht selten. Im Regelfall werden die notwendigen
Anlagen von der Gemeinde oder von dem vertraglich beauftragten Erschließungsträger
planmäßig gebaut. Planmäßig heißt auch, dass für den Bau von Erschließungsanlagen
grundsätzlich ein Bebauungsplan erforderlich ist. „Die Herstellung der Erschließungs-
anlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 [d. h. der öffentlichen Straßen, Wege, Plätze, der
Grünanlagen usw.] setzt einen Bebauungsplan voraus“, so heißt es in § 125 Abs. 1.
Liegt ein Bebauungsplan (ausnahmsweise) nicht vor, so dürfen die Erschließungsanla-
gen nur hergestellt werden, wenn sie ohne weiteres den in § 1 Abs. 4 bis 7 bezeichneten
Anforderungen, d. h. dem Abwägungsgebot, entsprechen (§ 125 Abs. 2). Wenn boden-
rechtliche Spannungen bewältigt werden müssen (z. B. Verkehrslärm), muss förmlich
geplant werden. Die bis 1997 vom Gesetz geforderte Zustimmung der höheren Ver-
waltungsbehörde zum Bau von Erschließungsanlagen ohne Bebauungsplan ist nicht
mehr erforderlich. Die entsprechende Vorschrift wurde im Kontext der Zurückführung
der Genehmigungs- und Anzeigeerfordernisse im BauGB schon durch das Bau- und
Raumordnungsgesetz 1998 aufgehoben (Einzelheiten zum Erschließungsvertrag in Ka-
pitel B.VI.).

3. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen


Die Durchführung einer Erschließung ist nicht billig. Straßen- und Gartenbaumaßnah-
men, die Anlage von Parkplätzen, die Einrichtung der Straßenbeleuchtung – all dies
verursacht erhebliche Kosten. Da diese Aufwendungen zunächst und unmittelbar den
Eigentümern der Grundstücke zugutekommen, die in dem zu bebauenden Gebiet lie-

950 Zu den Voraussetzungen eines „zumutbaren“ Angebots vgl. BVerwG, B. v. 13.2.2002 – 4 B 88.01 –,
ZfBR 2002, 503.
951 So BVerwG, U. v. 10.9.1976 – 4 C 5/76 –, NJW 1977, 405 (407); vgl. auch § 124 Abs. 3 BauGB i. d. F.
des BauGB vor der Novellierung im Juni 2013 bzw. § 124 i. d. F. aufgrund des Gesetzes vom 11. Juni
2013.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

gen, hat der Gesetzgeber angeordnet, dass das Gros der Kosten von den Grundeigentü-
mern zu tragen ist. Die Beitragspflicht der Grundeigentümer im Erschließungsgebiet
ist allerdings von vornherein in mehrfacher Weise begrenzt:
– Sie brauchen nur die Kosten bestimmter Anlagen zu übernehmen. Diese Anlagen
sind (soweit das Bundesrecht noch gilt) in § 127 Abs. 2 abschließend definiert.
– Sie brauchen sich nur an bestimmten, durch diese Anlagen verursachten Kosten,
nämlich nur am „beitragsfähigen Erschließungsaufwand“, zu beteiligen. Der bei-
tragsfähige Erschließungsaufwand ist in §§ 128952, 129 umrissen.
– Sie brauchen „nur“ maximal 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands zu
tragen (§ 129 Abs. 1 Satz 3: Selbstbehalt der Gemeinde von mindestens 10 %).
– Sie brauchen nur die (so begrenzten) Kosten derjenigen Anlagen zu tragen, von
denen ihr eigenes Grundstück konkret erschlossen ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1). Eine
pauschalierende und abstrahierende Summenbildung findet nicht statt. Grundsätz-
lich wird jede Anlage einzeln abgerechnet.
Die Begrenzung der Beitragspflicht auf einen vom Baugesetzbuch definierten Kreis von
Anlagen, aus deren Herstellungskosten sich dann der „beitragsfähige Aufwand“ er-
gibt, hatte den Sinn, die Beitragspflicht insgesamt in einem bundesweit einheitlichen
Rahmen zu halten. Seit 1995 können die Länder darüber entscheiden, ob und in wel-
chem Umfang sie an dem alten System festhalten wollen. Im Folgenden wird das Sys-
tem des BauGB dargestellt. Sofern das Bundesrecht in den Bundesländern durch eigene
landesrechtliche Regelungen verdrängt worden ist, lehnen sich die Bestimmungen je-
doch im Wesentlichen an die erprobten des Baugesetzbuchs an.
Nach dem BauGB sind nicht die Kosten für alle Baumaßnahmen beitragsfähig, die die
Gemeinde im Zusammenhang mit der Erschließung vornimmt, sondern nur die Kosten
für einen im Gesetz genau umrissenen Katalog von Maßnahmen. Beitragsfähig sind
nur die Kosten folgender Anlagen:
1. zum Anbau bestimmte öffentliche Straßen, Wege und Plätze;
2. die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen
nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege,
Wohnwege);
3. notwendige Sammelstraßen;
4. Parkflächen (also Flächen für das Parken von Fahrzeugen) und öffentliche Grünan-
lagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie innerhalb der Baugebiete
zu deren Erschließung notwendig sind953,
5. Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen954.
Die öffentlichen, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen
nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege und
Wohnwege) wurden erst vom BauGB ausdrücklich als beitragsfähige Erschließungsan-
lagen anerkannt. Der 8. Senat des BVerwG hatte 1983 in einem vielkritisierten Urteil
anders entschieden955. Der 4. Senat des BVerwG hatte dagegen die Beitragsfähigkeit
von Fuß- und Wohnwegen noch 1973 inzidenter bejaht956.
Die Kosten für den Bau von Kinderspielplätzen, die nach § 127 Abs. 2 Ziffer 4 BBauG
1960 noch beitragsfähig waren, können nach dem Baugesetzbuch nicht mehr auf die
Eigentümer im Baugebiet umgelegt werden; sie sollen von allen Steuerzahlern in der

952 Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Berechnung von Erschließungsbeiträgen bzw. die
Erstellung der Heranziehungsbescheide entstanden sind, zählen nicht zu den Kosten im Sinne des § 128
Abs. 1, so das BVerwG, U. v. 2.3.2015 – 9 C 7.14 –, ZfBR 2015, 375.
953 Zur (noch) abrechnungsfähigen Größe von Grünanlagen vgl. BVerwG, U. v. 11.11.1988 – 8 C 71/87 –,
ZfBR 1989, 70.
954 Vgl. dazu BVerwG, U. v. 19.8.1988 – 8 C 51/87 –, ZfBR 1988, 278.
955 BVerwG, U. v. 3.6.1983 – 8 C 70/82 –, DVBl. 1983, 908.
956 BVerwG, U. v. 23.5.1973 – 4 C 19.72 –, DVBl. 1973, 887.

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Erschließung XIII.

Kommune finanziert werden; es gibt allerdings in mehreren Bundesländern Spielplatz-


gesetze, die ihrerseits eine Kostenüberwälzung auf die Grundeigentümer in der nähe-
ren Umgebung des Spielplatzes ermöglichen.
Von dem mit der Herstellung der so definierten Anlage verbundenen Aufwand (Kosten
des Erwerbs und der Freilegung der notwendigen Flächen, Herstellungskosten der An-
lage) muss der nutznießende Eigentümer nur den beitragsfähigen Teil tragen. Beitrags-
fähiger Erschließungsaufwand sind die Kosten nur insoweit, als die betreffende Er-
schließungsanlage auch wirklich „erforderlich“ ist, um die Bauflächen und die
gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften in Ge-
brauch nehmen zu können. Die Kosten einer Straße dürfen also nur für diejenige Breite
abgerechnet werden, die zur Bewältigung des örtlichen Verkehrs erforderlich ist957.
Wenn an eine Straße nur einseitig angebaut werden darf, darf an die bauberechtigten
Eigentümer an der einen Straßenseite nur die Hälfte der Straßenbaukosten weiterge-
geben werden, die andere Hälfte muss die Gemeinde bezahlen958. Ganz generell ist
vorgeschrieben, dass (die in der Herstellung besonders teuren) Brücken, Tunnels und
Unterführungen mit den dazugehörigen Rampen und die Fahrbahnen der Ortsdurch-
fahrten von Bundesstraßen sowie von Landesstraßen 1. und 2. Ordnung nicht in den
Erschließungsbeitrag einbezogen werden dürfen, soweit die Fahrbahnen dieser Straßen
keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern. Wird allerdings
eine Außenbereichsstraße infolge eines sie umfassenden B-Plans zu einer abrechenba-
ren Anbaustraße, gehören auch die Fremdfinanzierungskosten für die Herstellung der
Straße vor ihrer Umwandlung zum beitragsfähigen Aufwand959.
Zu einem Rechtsstreit führte die Frage, ob die Kosten für einen in Teilen provisorisch
hergestellten Wendehammer, der nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans unter
der Bedingung herzustellen war, dass die Erschließungsanlage nicht von vornherein in
einem Zug realisiert werde, erschließungsbeitragsfähig sind, auch wenn der Wende-
hammer später einer durchgehenden Straße weichen und die Wendemöglichkeit insbe-
sondere für Müllfahrzeuge nur vorübergehend benötigt würde. Während das Beru-
fungsgericht Erschließungsbeitragspflichten mit dem Hinweis auf das Provisorium, das
den Erfordernissen des Verkehrs nach § 123 Abs. 2 nicht genügen würde, verneinte,
verweist das BVerwG zu Recht darauf, dass Erschließungsanlagen entsprechend den
Erfordernissen kostengünstig herzustellen sind. Auch wenn die Anlage nur vorüberge-
hend bestehen wird, können die Kosten nach Maßgabe der Erschließungsbeitragssat-
zung zur Berechnung des Erschließungsbeitrags herangezogen werden. Das BVerwG
hat dazu festgestellt, dass sich die Ausdehnung einer beitragsfähigen Erschließungsan-
lage nicht nach Maßgabe des Erschließungs- oder des Planungsrechts (auflösend be-
dingte Festsetzung) richtet, sondern nach den Vorschriften des Erschließungsbeitrags-
rechts960. Maßgebend ist vor allem das durch tatsächliche Gegebenheiten geprägte
Erscheinungsbild aus dem Blickwinkel eines Betrachters am Boden.961
Vom beitragsfähigen Erschließungsaufwand kann die Gemeinde bis zu 90 % von den
Grundeigentümern verlangen. Der Erschließungsaufwand umfasst die Kosten für den
Erwerb und die Freilegung von Flächen für die Erschließungsanlagen, ihre erstmalige
Herstellung sowie die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanla-
gen. Der Erschließungsaufwand umfasst auch den Wert der von der Gemeinde aus

957 Zu den Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für nicht in die gesetzliche Bau-
last der Gemeinde fallende Erschließungsanlagen vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2015 – 9 C 27.14 –, ZfBR
2016, 372 (Voraussetzung ist die Übernahme der Baulast durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit
dem gesetzlichen Baulastträger – jedenfalls gilt dies für den Fall von kleinen Grenzkorrekturen).
958 BVerwG, U. v. 29.4.1977 – 4 C 1.75 –, BauR 1977, 261.
959 BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 9 C 14.14 –, ZfBR 2015, 571.
960 BVerwG, U. v. 7.3.2017 – 9 C 20.15 –, ZfBR 2017, 785.
961 BVerwG, U. v. 10.6.2009 – 9 C 2/08 –, NVwZ 2009, 1369.

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ihrem eigenen Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung (für


den beitragsfähigen Erschließungsaufwand ist der Wertzuwachs zwischen dem Erwerb
und der Bereitstellung ausschlaggebend962). Mindestens 10 % der Kosten muss die
örtliche Gemeinschaft tragen, weil im gewissen Sinne jede Erschließung auch der All-
gemeinheit dient: Die allgemeine Wohnungssituation wird dadurch verbessert, die Er-
weiterung des Ortsstraßennetzes ist möglicherweise nicht nur für die Anwohner von
Vorteil, Parkflächen und Grünanlagen werden auch von Menschen benutzt, die nicht
in dem Erschließungsgebiet wohnen. Schließlich trägt der Kostenvorbehalt von 10 %
auch dazu bei, dass die Gemeinden nicht allzu freizügig immer wieder neues Gebiet
als Bauland aufschließen. Um den auf einen Grundeigentümer in einem frisch erschlos-
senen Gebiet fallenden Beitrag konkret ausrechnen zu können, muss demnach zu-
nächst eine vierstufige Ermittlung und Berechnung vorgenommen werden:
Stufe 1: Ermittlung der einzelnen Anlagen, die dem Eigentümer zugerechnet werden
dürfen, weil sein Grundstück von ihnen konkret erschlossen wird.
Stufe 2: Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands für jede einzelne dem
Eigentümer zurechenbare Anlage unter Herausrechnung nicht beitragsfähiger Anteile
(z. B. der Kosten für eine Brücke). Die Kosten mehrerer Anlagen dürfen nur dann
zusammengezählt werden, wenn sie für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit
bilden; die Frage, was eine „Einheit“ ist, wird vom BVerwG zum Missfallen der Praxis
relativ eng gesehen963);
Stufe 3: Kürzung des beitragsfähigen Aufwands um (mindestens) 10 %.
Stufe 4: Verteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die nutznießenden Eigentümer.
Der so pro Anlage errechnete Betrag muss nach einem individuell gerechten Maßstab
auf die Eigentümer derjenigen Grundstücke verteilt werden, die von der jeweiligen
Anlage konkret erschlossen sind. Dabei ist wiederum zu beachten, dass die Kosten
der einzelnen Anlagen nicht einfach addiert und dann auf alle Grundeigentümer im
Erschließungsgebiet nach einheitlichem Maßstab verteilt werden dürfen, sondern dass
bei dieser Verteilung die Tatsache berücksichtigt werden muss, dass nicht jede abrech-
nungsfähige Anlage jedem Eigentümer im Gebiet in gleicher Weise zugute kommt.
Anders als in den Niederlanden, wo der Aufwand zu einem Gesamtbetrag addiert und
dann – relativ einfach – auf die Grundstücke im Gebiet nach dem Maßstab ihrer
Ausnutzbarkeit verteilt wird, ist der deutsche Gesetzgeber bislang ein Anhänger
höchstmöglicher individueller Gerechtigkeit. Der Preis für diese angestrebte, niemals
erreichbare Gerechtigkeit ist die größtmögliche Kompliziertheit des Zurechnungssys-
tems. Hält man sich zusammenfassend vor Augen, dass sowohl bei der Berechnung
des beitragsfähigen Aufwands als auch bei der „gerechten“ Verteilung dieser Kosten
auf die Eigentümer schwierige Tat- und Rechtsfragen zu entscheiden sind, und berück-
sichtigt man auch noch die Tatsache, dass sich niemand allzu gern in die Geldbörse
greifen lässt, dann verwundert es nicht, dass das Erschließungsbeitragsrecht einge-
rahmt ist von einer Unzahl von Rechtsstreitigkeiten. Wollte man alle Streitfragen erfas-
sen, müsste man ein Sammelwerk von beachtlicher Dicke verfassen (was auch bereits
geschehen ist). Im Rahmen dieser Einführung können nur einige Grundprobleme und
Grundlinien, so wie sie von der Rechtsprechung entwickelt worden sind, angesprochen
werden. Die Stationen des Erhebungsverfahrens sind in Bild 64 dargestellt.

962 Vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2017 – 9 B 61.16 –, ZfBR 2018, 162.


963 BVerwG zum Begriff der Erschließungseinheit: Die für das Vorliegen einer Erschließungseinheit voraus-
gesetzte funktionelle Abhängigkeit besteht nur dann, wenn eine Anlage ihre Funktion lediglich im
Zusammenwirken mit einer bestimmten anderen Anlage in vollem Umfang zu erfüllen geeignet ist –
BVerwG, U. v. 13.11.1992 – 8 C 41/90 –, KStZ 1993, 31 = ZMR 1993, 82.

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Bild 64: Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen

§§-Fahrplan: Erhebung von Erschließungsbeiträgen §§

Ziel: (Höchstens) 90% der Kosten sollen von den Grundeigentümern 129
wieder hereingeholt werden.
Weg: Muss durch Satzung geregelt werden mit folgenden Schritten: 132
Bestimmung der erforderlichen Erschließungsanlagen (Einrichtungs-
programm);
Ermittlung des Erschließungsaufwands (= Gesamtkosten) entweder 130
individuell oder nach Pauschalsätzen;
Berechnung des beitragsfähigen Aufwands hinsichtlich jeder 128, 129
einzelnen Anlage;
Bestimmung des Verteilungsmaßstabs; mögliche Verteilungs- 131
maßstäbe sind:
– Art und Maß der baulichen und sonstigen Nutzung,
– die Grundstücksflächen,
– die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage
(„Frontmetermaßstab“);
Verteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die beitragspflichtigen 133, 134
Eigentümer;
Beitreibung bei den beitragsfähigen Betroffenen; die Erhebung von 133
Vorausleistungen ist möglich,
– wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen
worden ist,
– wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird;
Die endgültige Abrechnung erfolgt nach der endgültigen Herstellung 132
der Erschließungsanlagen gemäß Ausbauprogramm. Die Merkmale der
endgültigen Herstellung müssen in der Erschließungsbeitragssatzung
festgelegt sein.

4. Die Berechnung und Verteilung des Erschließungsaufwands


Die wichtigste Voraussetzung für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in einer
Gemeinde ist die Verabschiedung einer Erschließungsbeitragssatzung. Nach der Recht-
sprechung des BVerwG soll es sich um eine einzige, für das ganze Gemeindegebiet
geltende Satzung handeln964; die Regelungen der Einheitssatzung können jedoch für
bestimmte Gebiete modifiziert und ergänzt werden. Durch dieses Ortsgesetz müssen
folgende Punkte geregelt werden:
– Festzulegen sind Art und Umfang der Erschließungsanlagen, die zur Erschließung
des Baugebiets als erforderlich angesehen werden; dazu gehört z. B. die Bestim-
mung der Straßenbreite, der Art der Beleuchtung usw. (dies ist das „Einrichtungs-
programm“).
– Zu regeln ist ferner die Art der Ermittlung des Aufwands. Dabei kann die Ge-
meinde wählen, ob sie den Erschließungsaufwand nach den tatsächlich entstande-
nen Kosten oder nach Einheitssätzen ermitteln will. Die Einheitssätze sind nach
den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten für

964 BVerwG, U. v. 13.8.1976 – 4 C 23.74 –, BRS 37 Nr. 142.

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vergleichbare Erschließungsanlagen festzusetzen. Die Einheitssätze müssen gegebe-


nenfalls in der Satzung aufgeführt werden.
– Die ebenfalls durch die Satzung zu regelnde Verteilung des Aufwands ist ein beson-
ders schwieriger Punkt, auf den unten näher eingegangen wird.
– Die Gemeinde kann sich dafür entscheiden, die Kosten für den Erwerb der notwen-
digen Grundstücke, die eventuell notwendige Freilegung dieser Flächen und für
definierbare Teile der Erschließungsanlagen unabhängig voneinander zu erheben
(dies nennt man „Kostenspaltung“). Falls die Gemeinde diese Möglichkeit wahr-
nimmt, muss dies in der Satzung festgelegt werden.
– Schließlich müssen in der Satzung die Merkmale der „endgültigen Herstellung der
Erschließungsanlagen“ definiert sein (Ausbauprogramm).
Abgesehen von der Möglichkeit, Vorauszahlungen zu fordern, entsteht die Beitrags-
pflicht erst mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen – deshalb ver-
pflichtet der Gesetzgeber die Gemeinde zu einer klaren Definition dieses Umstands.
Daher muss die Gemeinde sich sowohl darauf festlegen, was überhaupt zur endgülti-
gen Erschließung gehören soll („Einrichtungsprogramm“), als auch darauf, in wel-
chem Zustand die betreffenden Einrichtungen als „endgültig hergestellt“ gelten sollen
(„Ausbauprogramm“).
Diese notwendigen Inhalte zeigen, dass für wirklich zweckmäßige Regelungen Einzel-
satzungen angemessen wären. Diese sind aber nach der Rechtsprechung mit Rücksicht
auf den Gleichheitssatz nur ergänzend zur allgemeinen Erschließungsbeitragssatzung
zulässig965.
Durch den Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung gibt sich die Gemeinde gewisser-
maßen selbst eine Arbeitsanleitung, wie sie später den Erschließungsbeitrag abrechnen
will. Das Baugesetzbuch enthält zwar zu vielen Einzelheiten der Satzung Rahmenvor-
schriften und Hinweise darauf, auf welche Art und Weise die Gemeinde vorgehen
kann. Die Einzelheiten müssen jedoch von der Gemeinde selbst entschieden werden.
Wenn einzelne Beitragspflichtige dann gegen ihre Beitragsveranlagung gerichtlich zu
Felde ziehen, kommt es immer wieder dazu, dass das Gericht den von der Gemeinde
beschlossenen Weg der Beitragserhebung für nicht rechtmäßig erklärt. Abgesehen von
dem bereits erwähnten kritischen Punkt, in welchem Umfang eine Erschließungsanlage
„erforderlich“ gewesen ist, liegt einer der Hauptstreitpunkte bei der Frage, ob eine
gerechte Verteilung des Aufwands vorgenommen worden ist. Das Baugesetzbuch
schreibt in § 131 vor, dass der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine
Erschließungsanlage „auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke“ zu vertei-
len ist. Schon bei der Beantwortung der Frage, welche Grundstücke durch eine Anlage
„erschlossen“ sind, kann es Streitigkeiten geben. Bis zu welcher Entfernung ist z. B.
eine öffentliche Grünfläche für die in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücke nutz-
bar? Die Rechtsprechung hat dazu (zunächst für die nach dem BBauG noch beitragsfä-
higen Kinderspielplätze, entsprechend dann auch für Grünflächen) die Faustregel von
200 m Entfernung entwickelt966; das hatte zur Folge, dass sich alle Eigentümer im
Umkreis von 200 m Luftlinie an den Kosten einer bestimmten Grünfläche beteiligen
müssen, alle weiter entfernten dagegen nicht. Es liegt auf der Hand, dass sich mancher
damit nicht abfinden will, denn mit dem gleichen Recht hätte man sicherlich auch
250 m oder 180 m einsetzen können.
Den eigentlichen Kern des Problems jeder Erschließungsbeitragssatzung bildet jedoch
der Verteilungsmaßstab. Durch diesen Maßstab wird bestimmt, welchen Einfluss die
unterschiedliche Größe, Lage und Nutzbarkeit der Grundstücke auf die Beitragszu-
rechnung nehmen. Das Gesetz bietet folgende Verteilungsmaßstäbe an:
1. die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;

965 BVerwG, U. v. 5.9.1975 – 4 CB 75/73 –, BRS 37 Nr. 177.


966 Vgl. BVerwG, U. v. 25.4.1975 – 4 C 37.73 –, Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 21.

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Erschließung XIII.

2. die Grundstücksflächen;
3. die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Nach dem Gesetz „können“ diese Verteilungsmaßstäbe miteinander verbunden wer-
den; praktisch müssen sie es, weil auf andere Weise kaum eine gerechte Zurechnung
zu erreichen ist. „Gerecht“ ist eine Zurechnung dann, wenn die individuelle Beitrags-
höhe und der von den Erschließungsanlagen vermittelte individuelle Nutzen in einem
angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Wegen der von der Rechtsprechung eingehend überwachten Beitragsgerechtigkeit ist
der dritte Verteilungsmaßstab heute kaum noch anwendbar. Dieser Maßstab ent-
spricht dem alten preußischen System des „Frontmetermaßstabs“. Nach preußischem
Recht967 wurde der Erschließungsvorteil bei der Erhebung des „Anliegerbeitrags“ pau-
schaliert danach bemessen, mit wie viel Meter Breite das Grundstück an einer öffentli-
chen Straße lag. Wenn alle Grundstücke die gleiche Grundstückstiefe haben und auf
dieselbe Art und Weise genutzt werden dürfen, dann kann dieser Maßstab zu gerech-
ten Ergebnissen führen. Ein klassischer Fall von Ungerechtigkeit tritt jedoch bei An-
wendung dieses Maßstabs auf Eckgrundstücke ein: Solche Grundstücke liegen an zwei
öffentlichen Straßen, sie müssen beim reinen Frontmetermaßstab den doppelten Bei-
trag bezahlen, obwohl der Nutzen der Erschließung für derartige Grundstücke mit
Sicherheit nicht doppelt so groß ist wie für die Grundstücke, die nur mit einer Seite
an einer Erschließungsstraße liegen. Für solche Fälle muss die gemeindliche Satzung
dann eine Ermäßigung anbieten968. Die Rechtsprechung hat dazu sehr detaillierte For-
meln entwickelt. Im Übrigen müssen auch unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten
der Grundstücke von einer Erschließungsbeitragssatzung berücksichtigt werden969. Es
ist wohl leicht vorstellbar, dass sich die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten für
Grundstücke, die sich entweder aus einem B-Plan oder auch nur nach § 34 ergeben,
nicht ohne weiteres in Euro und Cent umrechnen lassen. Auch ein einzelnes Hinterlie-
gergrundstück muss von einer Erschließungsbeitragssatzung erfasst werden. Dieses
Grundstück ist dann ein beitragspflichtiges Grundstück, wenn es entweder durch eine
dauerhafte, rechtlich gesicherte Zufahrt mit der Erschließungsanlage verbunden ist
oder wenn die Eigentümer der übrigen Grundstücke seine Einbeziehung nach den
bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können970. Man kann
über die Gerechtigkeit der Verteilung des Erschließungsaufwands fast immer mit guten
Argumenten streiten. Die Rechtsprechung hatte sich anfangs – bis hinauf zum Bundes-
verwaltungsgericht – zunächst sehr kleinlich verhalten und sehr viele gemeindliche
Satzungen für nichtig erklärt971. Mittlerweile erkennen die Richter jedoch an, dass sie
den Ortsgesetzgeber nicht ohne Not korrigieren sollten972. Sie greifen nur noch bei
eindeutigen Ungerechtigkeiten ein.

967 Vgl. § 15 Preußisches Gesetz über die Anlage von Straßen und Wegen in Ortschaften vom 18.4.1875
(Preußisches Fluchtliniengesetz) PrGS 1875, S. 561.
968 Vgl. BVerwG, U. v. 30.7.1976 – 4 C 65.74 –, DÖV 1977, 247; BVerwG, U. v. 3.2.1989 – 8 C 78/88 –,
ZfBR 1989, 218.
969 Vgl. BVerwG, U. v. 11.12.1987 – 8 C 85/86 –, ZfBR 1988, 228 (Erschließung vom Bahnhofsgelände).
970 BVerwG, U. v. 7.3.2017 – 9 C 20.15 –, ZfBR 2017, 785.
971 Vgl. BVerwG, U. v. 16.2.1973 – 4 C 52.71 –, BauR 1974, 194; BVerwG, U. v. 3.6.1971 – 4 C 28/70 –,
BVerwGE 38, 147; BVerwG, U. v. 23.6.1972 – 4 C 15.71 –, BVerwGE 40, 177; BVerwG, U. v.
28.11.1975 – 4 C 45.74 –, BauR 1976, 198; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 5.5.1977 – III A 1028/
75 –, BauR 1977, 269; OVG NRW, U. v. 1.12.1977 – III A 797/76 –, DVBl. 1978, 304; OVG NRW,
U. v. 5.9.1979 – III A 2240/78 –, KStZ 1979, 215.
972 BVerwG, U. v. 24.9.1976 – 4 C 22.74 –, BauR 1977, 126; BVerwG, U. v. 20.1.1978 – 4 C 70.75 –,
BauR 1978, 396 (nur noch Teilnichtigkeit statt Gesamtnichtigkeit bei Fehler in der Verteilungsregelung
wie noch BVerwG, U. v. 2.11.1973 – 4 C 25.72 –, BVerwG, DVBl. 1974, 295). Besonders eindeutig:
BVerwG, U. v. 26.1.1979 – 4 C 61.75 –, NJW 1980, 72; BVerwG, U. v. 14.12.1979 – 4 C 23.78 –,
ZfBR 1980, 94–95; BVerwG, U. v. 7.3.1980 – 4 C 40.78 –, ZfBR 1980, 144 und BVerwG, U. v.
22.2.1980 – 4 C 95.76 –, ZfBR 1980, 148.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

In jedem Fall ist zu bedenken, dass von einer Erschließungsbeitragssatzung stets viele
Bürger betroffen sind, so dass bei einer Aufhebung wegen eines einzelnen Unzufriede-
nen auch alle diejenigen in ihrem Vertrauen auf die Bestandskraft der Satzung ent-
täuscht werden, die sich daran gehalten und ihren Beitrag bezahlt haben. Tröstlich für
die gutwilligen Zahler ist immerhin, dass die Rechtsprechung und damit auch die
Praxis noch nie Bedenken hatten, die rückwirkende Inkraftsetzung von Beitragssatzun-
gen zuzulassen, und zwar auch dann, wenn dadurch eine Lücke gestopft werden sollte,
die durch den Wegfall einer zuvor als rechtswidrig erkannten Satzung gerissen war973.
Durch diese Großzügigkeit bei der Zulassung auch rückwirkender Fehlerkorrekturen
hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit ihre höchst kritischen Überprüfungsmaßstäbe zum
guten Teil kompensiert.
Welche Einzelprobleme von der Rechtsprechung „aufgespießt“ werden, lässt sich bei-
spielhaft daran nachvollziehen, welche Spezialfälle vom Gesetzgeber ausdrücklich auf-
gegriffen worden sind, nachdem die Rechtsprechung zuvor anderslautende Entschei-
dungen getroffen hatte. Abgesehen von dem bereits erwähnten Problem der
Wohnwege sind dies folgende Fälle:
– Sofern die Neuzuteilung von Grundstücken in Umlegungsgebieten erschließungs-
flächenbeitragspflichtig erfolgt (eine Möglichkeit, die den Gemeinden vom Bauge-
setzbuch entgegen einem zuvor anderslautenden Urteil des BVerwG ausdrücklich
eingeräumt worden ist), werden auch die Werte der durch Vorwegabzug nach § 55
von der Gemeinde erworbenen örtlichen Verkehrsflächen dem beitragsfähigen Er-
schließungsaufwand hinzugerechnet (§ 128 Abs. 1 letzter Satz).
– Abschnitte einer Erschließungsanlage, für die der beitragsfähige Aufwand geson-
dert ermittelt und abgerechnet werden kann, können nicht mehr wie bisher nach
der Rechtsprechung nur nach am Ort des Geschehens äußerlich erkennbaren
Merkmalen, sondern auch nach rein rechtlichen Gesichtspunkten gebildet werden
(wie z. B. anhand der Grenzen von Bebauungsplangebieten, von Umlegungsgebie-
ten, von förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) (§ 130 Abs. 2).
– Mehrfach erschlossene Grundstücke sind (entgegen der zunächst anders lautenden
Rechtsprechung des BVerwG974) bei gemeinsamer Ermittlung des Erschließungs-
aufwands in einer Erschließungseinheit bei der Verteilung des Beitrags nur einmal
anzusetzen (§ 131 Abs. 1 Satz 2).
Endgültig bezahlen müssen die Grundeigentümer, wenn die Erschließungsanlagen her-
gestellt, die Grundstücke bebaubar sind und ihnen ein Beitragsbescheid von der Ge-
meinde zugestellt worden ist. Wenn die Gemeinden den Erschließungsbeitrag immer
erst nach vollständiger Herstellung der Erschließungsanlagen einziehen könnten,
müssten sie die gesamten Kosten über Jahre hinweg vorfinanzieren. Dies kann nicht
gerecht sein. Das Gesetz hat ihnen daher die oben beschriebene Möglichkeit der Erhe-
bung von Vorausleistungen eingeräumt.
Hat die Gemeinde Vorauszahlungen gefordert, muss sie die Erschließung zügig durch-
führen; die endgültige Herstellung der Anlage muss innerhalb von vier Jahren zu er-
warten sein. Ist die an die endgültige Herstellung gebundene Beitragspflicht auch sechs
Jahre nach dem Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, so kann
die Vorauszahlung (wie bereits erwähnt) zurückverlangt werden, wenn die Anlage bis
zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist975. Interessant ist auch der umgekehrte

973 BVerwG, U. v. 28.11.1975 – 4 C 45.74 –, BVerwGE 50, 2; BVerwG, U. v. 9.11.1984 – 8 C 1/84 –,


BVerwG Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 27; BVerwG, U. v. 21.1.1977 – 4 C 84 – 92.74 –, DVBl.
1978, 416 (einschränkend); BVerwG, U. v. 14.12.1979 – 4 C 23.78 –, ZfBR 1980, 95.
974 BVerwG, U. v. 9.12.1983 – 8 C 112/82 –, NVwZ 1984, 437 (439).
975 Vgl. die Neufassung des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB durch das Wohnbaulandgesetz 1993. Danach
muss bei der Einforderung von Vorauszahlungen „die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen
innerhalb von vier Jahren zu erwarten“ sein.

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Erschließung XIII.

Fall: Was geschieht, wenn sich ein Eigentümer eine Baugenehmigung erteilen lässt, die
Gemeinde daraufhin einen Vorausleistungsbescheid abschickt, der Eigentümer aber
von der Baugenehmigung keinen Gebrauch macht? Das Bundesverwaltungsgericht976
hat entschieden, dass der Vorauszahlungsbescheid nicht mehr vollstreckbar ist, sobald
die Baugenehmigung ungültig geworden ist; das ist in aller Regel nach drei Jahren der
Fall: Nach den Bauordnungen der meisten Bundesländer wird eine Baugenehmigung
ungültig, wenn binnen drei Jahren nach Erteilung nicht mit dem Bau begonnen worden
ist. Selbstverständlich sind von der Gemeinde auch Überzahlungen zurückzuerstatten,
und zwar grundsätzlich auch dann an den konkret Vorausleistenden, wenn dieser das
Grundstück zwischenzeitlich veräußert hat977.

5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 im Erschließungsrecht
Seit 2013 sind im Baugesetzbuch zum Erschließungsrecht keine Veränderungen vorge-
nommen worden. Das Erschließungsbeitragsrecht wird im zunehmenden Maße von
landeseigenen Vorschriften verdrängt.
Literatur zum Kapitel XIII: Erschließung
Erschließung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines:
2010: Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Auf kommunale Eigengesellschaft übertragene Erschließung er-
laubt keine vertragliche Refinanzierung. Anmerkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –,
DVBl. 2011, 691–696; 2012: Scheidler, Alfred, Genehmigungsvoraussetzungen für Windenergiean-
lagen, VR 2012, 397–404; 2013: Baars, Anja, Die Sicherung der Erschließung von Außenbereichs-
vorhaben durch Abschluss eines Erschließungssicherungsvertrages, in: BauR 4/2013, S. 546–551;
Kümmel, Dennis, Anmerkung zu BVerwG, U. v. 30.1.2013 – 9 C 11/11 – (Erschließung ohne Aus-
schreibung?), in: NZBau 6/2013, S. 363; 2014: Moll, Pascal/Fritz, Martin, Die Erschließung von
Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan und im Genehmigungsverfahren, in: VR 10/2014,
S. 338–345; Reuter, Franz, Erschließung von Windenergiebauland durch hoheitliche Umlegung?,
in: FuB 5/2014, S. 201–207; 2015: Elzer, Oliver, Anmerkung zu BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 15
CS 14.949 – (Klagebefugnis der Wohnungseigentümer; gewillkürte Prozessstandschaft, Baugeneh-
migung; Oberflächenentwässerung; Sicherung der Erschließung; Gebot der Rücksichtnahme), in:
ZMR 6/2015, S. 500–501; Kraus, Stefan, Die Rechtsprechung zum öffentlichen Baurecht 2014.
Eine Übersicht. Teil 1: Bauordnungsrecht, in: KommP BY 2/2015, S. 48–50; Tiedtke, Werner, An-
merkung zu OLG München, B. v. 21.11.2014 – 34 Wx 221/14 – (Zur Bewertung eines Wiederkaufs-
rechts zur Absicherung einer sog. negativen Bauverpflichtung sowie der Übernahme von Kosten für
die erstmalige technische Erschließung durch den Käufer), in: MittBayNot 3/2015, S. 259–260;
2016: Fricke, Hanns-Christian, Darf in projektbezogenen Bebauungsplänen die Erschließung im
Wege eines Konflikttransfers einem Umlegungsverfahren vorbehalten werden? Anmerkung zu
BVerwG, U. v. 5.5.2015 – 4 CN 4/14 –, in: ZfBR 4/2016, S. 332–334: Versteyl, Andrea, (K)ein Weg
zur Deponie?! Rechtsfragen der Erschließung und andere Zulassungsfragen aus der aktuellen
Rechtsprechung, in: AbfallR 2/2016, S. 96–98; 2017: Dodos, Panagiotis, Anmerkung zu BFH, U.
v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets; Zahlungen der Grundstückserwerber
an Vorhabenträger als Entgelt von dritter Seite für an Gemeinde erbrachte Erschließungsleistungen),
in: MwStR 11/2017, S. 473–474; Jacobs, Helge, Anmerkung zu BFH, U. v. 22.2.2017 – XI R 17/
15 – (Erschließung eines Baugebiets; Zahlungen der Grundstückserwerber an Vorhabenträger als
Entgelt von dritter Seite für an Gemeinde erbrachte Erschließungsleistungen), in: DStRK 15/2017,
S. 232; Kraft-Zörcher, Sabine, Die überlastete Baulast. Die öffentlich-rechtliche Sicherung der Er-
schließung ersetzt die Grunddienstbarkeit nicht, in: NotBZ 4/2017, S. 130–134; Rothenberger,
Franz, Anmerkung zu BFH v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets durch Pro-

976 BVerwG, U. v. 4.4.1975 – 4 C 1.73 –, NJW 1975, 2220.


977 BVerwG, U. v. 24.1.1997 – 8 C 42/95 –, UPR 1997, 475.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

jektentwickler; Zahlungen der Erwerber als Entgelt von dritter Seite), in: UStB 5/2017, S. 136; Trei-
ber, Andreas, Anmerkung zu BFH, U. v. 22.2.2017 – XI R 17/15 – (Erschließung eines Baugebiets;
Zahlungen der Grundstückserwerber an Vorhabenträger als Entgelt von Dritter Seite für an Ge-
meinde erbrachte Erschließungsleistungen); in: BFH/PR 7/2017, S. 238–239.
2. Erschließungsanlagen:
2014: Schmitz, Andreas, Vorhandene Erschließungsanlagen im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB aus
bayerischer Sicht, in: BayVBl. 20/2014, S. 613–618; 2015: Däumichen, Nadine, Pflicht zur gemein-
samen Abrechnung von Erschließungsanlagen. (Zugleich Anmerkung zu OVG Bautzen, U. v.
16.12.2014 – 5 A 624/13 –), in: LKV 5/2015, S. 201–204; 2017: Herrmann, Klaus, Kommunale
Anliegerbeiträge in 23 Stichworten, in: LKV 3/2017, S. 101–105.
3. Erschließungsvertrag:
2013: Bier, Wolfgang, Vertrag statt Beitragsbescheid? Erschließungsvertrag und Folgekostenvertrag
in der neuen abgabenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, (Zugleich An-
merkung zu BVerwG, U. v. 1.12.2010 – 9 C 8.09 –, BVerwG, U. v. 10.8.2011 – 9 C 6.10 –, BVerwG,
U. v. 30.5.2012 – 9 C 5.11 – und BVerwG, U. v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 –), in: DVBl. 9/2013,
S. 541–546.
Siehe hierzu auch Literaturverzeichnis zu B.VI. „Städtebauliche Verträge“.
4. Zum Erschließungsbeitrag (allgemein):
2011: Anders, Sönke, Der Erschließungsvertrag nach dem Urteil des BVerwG vom 1.12.2010, BauR
2011, 1455–1458; Ruff, Erwin, Argumente für die Veranlagung von Vorausleistungen auf den Er-
schließungsbeitrag, DWW 2011, 91–96; 2012: Heinemann, Daniela, Erschließungsverträge mit
kommunalen Erschließungsgesellschaften: Wirksamkeitsvoraussetzungen und Nichtigkeitsfolgen,
BauR 2012, 1330–1339; 2014: Ruff, Erwin, Eintreten der Ablösungswirkung für den Erschlie-
ßungsbeitrag, in: ZKF 6/2014, S. 125–127.
Weitere Aufsätze mit Bezug zum Erschließungsbeitrag in Schriftsätzen zum Erschließungsvertrag
(vgl. Literaturverzeichnis zu B. VI. „Städtebauliche Verträge“).
5. Verteilungsmaßstab:
2015: Weber, Marcel, Zum Verteilungsmaßstab in der Erschließungsumlegung, in: FuB 2/2015,
S. 80–87; 2017: Herrmann, Klaus, Kommunale Anliegerbeiträge in 23 Stichworten, in: LKV 3/
2017, 101–105
6. Vorausleistungen:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

XIV. Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen


1. Die Entwicklung des Städtebauförderungsrechts
Das bis 1987 im Städtebauförderungsgesetz niedergelegte Sonderrecht für die Stadtsa-
nierung und Stadterneuerung ist durch das Baugesetzbuch mit dem allgemeinen Städ-
tebaurecht zusammengeführt worden. Das bis dahin bestehende Nebeneinander von
zwei Gesetzen, nämlich des Bundesbaugesetzes von 1960 und des Städtebauförde-
rungsgesetzes von 1971, hatte historische Ursachen.
Wie im Kapitel B. I. geschildert wurde, gab es nach 1945 neben übergeleitetem Landes-
recht (wie z. B. dem preußischen Fluchtliniengesetz) nur die Trümmer- und Aufbauge-
setze der Länder, aber kein bundeseinheitliches Bau- und Bodenrecht. Bereits im Jahre
1950 beauftragte eine interfraktionelle Gruppe von Parlamentariern die Bundesregie-
rung, dem Bundestag einen Gesetzentwurf für ein Bundesbaugesetz vorzulegen. Es
versteht sich nahezu von selbst, dass die gesetzgeberischen Bemühungen für ein Bauge-
setz zu Beginn der 1950er Jahre sich darauf konzentrierten, Regeln für den Wiederauf-
bau und den Neubau von Wohnungen und Betriebsstätten zu finden. Sanierung und
Erneuerung prinzipiell noch benutzbarer Gebäude standen damals weit im Hinter-
grund des Interesses. An dieser Grundhaltung änderte sich im Verlauf der zehn Jahre
währenden Entstehungsgeschichte des Bundesbaugesetzes nichts. Das BBauG von
1960 enthielt daher keine Regeln über die städtebauliche Sanierung und Erneuerung
vorhandener Quartiere. Ein weiterer, auch in den sechziger Jahren noch wirkungskräf-

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

tiger Grund für die Zurückstellung derartiger Regelungen lag darin, dass die Stadter-
neuerung nach den damaligen Vorstellungen der Parlamentarier durch den Einsatz
von Bundesmitteln gefördert werden sollte. Für den Transfer von Bundesmitteln an
die Gemeinden zum Zwecke der Stadtsanierung und Stadterneuerung gab es aber bis
zur Gemeindefinanzreform von 1969 keine grundgesetzliche Ermächtigung. Eine sol-
che Ermächtigung ist notwendig, weil der Bund nicht nur gesetzgeberisch, sondern
auch durch Zuweisung von Geld nur dort tätig werden darf, wo ihm dies vom Grund-
gesetz ausdrücklich erlaubt ist. Dahinter steht die Absicht der Verfassungsgeber, den
Zentralstaat nicht stärker werden zu lassen als unbedingt nötig. Nur das, was ihm
ausdrücklich zugewiesen ist, darf er tun. Alles Übrige gehört in die Gesetzgebungs-
und Verwaltungskompetenz der Länder.
Wenn man dem Bund erlaubte, seine Finanzmittel auch dort einzusetzen, wo er weder
eine gesetzgeberische noch eine Verwaltungskompetenz besitzt, würde man ihm eine
zwar indirekte, praktisch aber sehr wirksame Steuerungsmöglichkeit, den sog. golde-
nen Zügel, an die Hand geben. Das Grundgesetz verbietet daher finanzielle Zuwen-
dungen des Bundes an die Länder oder an die Gemeinden, soweit sie nicht im Grund-
gesetz selbst vorgesehen sind.
Die Möglichkeit des Einsatzes von Städtebauförderungsmitteln wurde für den Bund
erst durch Art. 104a GG (seit Inkrafttreten der Föderalismusreform am 1.9.2006
Art. 104b GG) geschaffen. Die dort geregelten Finanzhilfen des Bundes an die Länder
für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden haben einen ihrer
wesentlichsten Anwendungsbereiche in der Städtebauförderung gefunden. Die Ausge-
staltung im Einzelnen erfolgte zunächst durch die §§ 71 ff. des Städtebauförderungsge-
setzes vom 27.7.1971. Dieses Gesetz sollte
(a) die hoheitliche Veranlassung,
(b) die hoheitliche Steuerung und
(c) die öffentliche Finanzierung
von städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen ermöglichen.
(a) Die hoheitliche Veranlassung von Stadterneuerungsmaßnahmen im Sinne der Er-
neuerung größerer Stadt- (oder auch Dorf-)gebiete nach einem für alle Einzelmaß-
nahmen geltenden einheitlichen Konzept ist notwendig, weil der Anstoß dazu al-
lein von den betroffenen Eigentümern kaum ausgehen kann. Die erforderliche
Koordinierung und die Organisation der Erneuerung eines ganzen Stadtquartiers
sind durch freiwillige private Absprachen praktisch nicht zu leisten. Stadterneue-
rung als geordneter Prozess kann nur von der öffentlichen Hand in Gang gesetzt
werden. Das StBauFG und nunmehr das BauGB ermächtigen die Gemeinden daher
zu entsprechenden Beschlüssen: Die Kommunen dürfen sog. vorbereitende Unter-
suchungen anordnen, wenn der Verdacht der Sanierungsbedürftigkeit oder der
Entwicklungsfähigkeit und -notwendigkeit besteht; stellen sich städtebauliche
Missstände oder Entwicklungsbedürftigkeit heraus, kann das Gebiet (auch gegen
den Willen von Eigentümern) förmlich als Sanierungsgebiet oder städtebaulicher
Entwicklungsbereich festgelegt werden. Der Vorgang der Sanierung, Erneuerung
und/oder Entwicklung wird durch einen verbindlichen Bauleitplan oder (bei der
Sanierung) durch einen städtebaulichen Rahmenplan der Gemeinde gesteuert.
Wegen der nachhaltigen Eingriffe in das betroffene Gebiet muss das Recht der
Stadterneuerung und Stadtentwicklung schon für die Anstoß-, aber auch für die
Durchführungsphase Regeln über die Beteiligung der Betroffenen, über eine Sozial-
planung und über einen Härteausgleich enthalten.
(b) Die hoheitliche Steuerung setzt voraus, dass der öffentlichen Verwaltung geeignete
Durchsetzungsinstrumente wie Genehmigungsvorbehalte, Prüfungsrechte, Vor-
kaufsrechte, Erwerbsrechte, Gebote zur Verfügung gestellt werden und dass ihr
gestattet wird, geeignete Träger in die Stadterneuerung und -entwicklung einzu-
schalten.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

(c) Die Finanzierung der Stadterneuerung und Stadtentwicklung setzt angesichts des
Umfangs der benötigten Mittel eine angemessene Beteiligung aller drei Ebenen der
öffentlichen Haushalte, also des Bundes, der Länder und der betroffenen Kommu-
nen, voraus. Sofern den Eigentümern der betroffenen Grundstücke aus dem Ein-
satz der öffentlichen Mittel spezielle Vorteile entstehen, erscheint es gerecht, eine
Ausgleichspflicht derjenigen Eigentümer vorzusehen, die ihre Grundstücke nicht
im Verlauf des Sanierungs- bzw. Entwicklungsprozesses an die Gemeinde oder
ihren Treuhänder veräußern. Im Falle des Erwerbs der Grundstücke durch die
Gemeinde kann ein Finanzierungsbeitrag durch die Kaufpreisdifferenz beim An-
kauf (niedriger Preis) und Verkauf (höherer Preis, weil saniert bzw. entwickelt
wurde) erlangt werden. Bleibende Eigentümer haben als Kostenbeitrag für die Sa-
nierung bzw. für die Entwicklung einen Ausgleichsbetrag an die Gemeinde abzu-
führen, der aus der Differenz zwischen dem hypothetischen Bodenwert für den
Fall, dass eine Sanierung bzw. Entwicklung weder beabsichtigt noch durchgeführt
worden wäre (Anfangswert) und dem wirklichen Wert nach vollzogener Sanierung
bzw. Entwicklung (Endwert) zu berechnen ist. Stichtag für die Wertberechnung ist
der Tag der Aufhebung der Sanierungs- bzw. Entwicklungssatzung.
Durch die zu (a), (b) und (c) genannten Stichworte sind die Hauptinhalte des jetzigen
zweiten Kapitels des Baugesetzbuchs, des ehemaligen Städtebauförderungsgesetzes, be-
reits gekennzeichnet: Es geht nach Begriffsdefinition und Zweckklärung (§ 136) um
die Vorbereitung und Durchführung von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen
durch die öffentliche Verwaltung (§§ 140 bis 151), die Beteiligung der Eigentümer, der
Betroffenen sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange an diesen
Maßnahmen (§§ 137 bis 139), es geht um die Bereitstellung besonderer bodenrechtli-
cher Instrumentarien zur Steuerung der Stadtsanierung und Stadterneuerung (§§ 144
bis 148) einschließlich besonderer sanierungsrechtlicher Vorschriften zu Ausgleichbe-
trägen, Kosten und Finanzierung (§§ 152 bis 156a), es geht um Regeln für den Einsatz
von Sanierungsträgern, wenn die zuständige Gemeinde die Sanierung nicht selbst in
eigener Trägerschaft durchführen möchte (§§ 157 bis 161), und schließlich um den
Abschluss der Sanierung (§§ 162 bis 164). In förmlich festgelegten Entwicklungsberei-
chen (geregelt in den §§ 165 bis 171) sind die meisten Vorschriften des Sanierungs-
rechts entsprechend anwendbar. Auch hier gibt es vorbereitende Untersuchungen, Be-
troffenen- und Behördenbeteiligung, Durchsetzungsinstrumente, Entwicklungsträger,
Ausgleichsbeträge. Der wesentliche Unterschied zum Sanierungsrecht besteht in der
Bodenerwerbspflicht der Gemeinde in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich.
Anders als in Sanierungsgebieten soll die Gemeinde in einem städtebaulichen Entwick-
lungsbereich alle Grundstücke zum Anfangswert erwerben (§ 166 Abs. 3), um später
aus den Verkaufserlösen zum Endwert die Entwicklungsmaßnahme refinanzieren zu
können.
Die im StBauFG enthaltenen Finanzierungsregeln über eine gemeinsame Finanzierung
der Stadterneuerung durch Bund, Länder und Gemeinden wurden zunächst nicht in
das Baugesetzbuch übernommen. Seit 1998 gibt es auch im BauGB einen mit „Städte-
bauförderung“ überschriebenen Abschnitt. In den zugehörigen §§ 164a und b ist fest-
gehalten, dass zur Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen als Ein-
heit (Gesamtmaßnahme) weiterhin Städtebauförderungsmittel eingesetzt werden
(§ 164a), dass der Bund dazu den Ländern Finanzhilfen nach Art. 104b GG für Inves-
titionen der Gemeinden und Gemeindeverbände gewähren kann und dass Bund und
Länder zur Regelung der näheren Einzelheiten Verwaltungsvereinbarungen abschlie-
ßen können (§ 164b).
Die Pflicht der Eigentümer, sich mittels der Zahlung von Ausgleichsbeträgen an den Kos-
ten der Sanierung bzw. Entwicklung zu beteiligen, gilt nur für das „Normalverfahren“,
nicht jedoch für das – nur bei der Sanierung mögliche – „vereinfachte Verfahren“ (§ 142
Abs. 4). In der Bereitstellung zweier Verfahrensarten für die Sanierung kommt zum Aus-

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

druck, dass der Gesetzgeber bei der Übernahme der Vorschriften zur städtebaulichen Sa-
nierung in das Baugesetzbuch die Erfahrungen berücksichtigt hat, die bis dahin mit dem
StBauFG gesammelt worden waren. Manche Vorschriften und gesetzlich vorgesehenen
Maßnahmen hatten sich als allzu schwerfällig und kompliziert erwiesen. Anknüpfend an
die bereits zum 1.1.1985 wirksam gewordene Novellierung des StBauFG baut das Gesetz
seit 1987 auf der Erkenntnis auf, dass es Stadterneuerungsmaßnahmen sehr unterschied-
licher Qualität gibt – von der einfachen Stadterneuerung, bei der behutsam von Haus zu
Haus vorgegangen wird und bei der Sondervorschriften kaum benötigt werden, bis zur
großen, komplizierten Flächensanierung, die eines spezifischen Instrumentariums be-
darf. Im ersten Fall kommt die Gemeinde in aller Regel mit dem „vereinfachten Sanie-
rungsverfahren“ aus, im letzteren Fall ist es meistens erforderlich, es beim aufwendigeren
„Normalverfahren“ zu belassen und damit die besonderen sanierungsrechtlichen Vor-
schriften (§§ 152 bis 156a) anzuwenden. In beiden Verfahrensarten gehört es zu den in
das Ermessen der Gemeinde gestellten Wahlmöglichkeiten, ob sie einen Bebauungsplan
für das Sanierungsgebiet aufstellen möchte oder nicht; bis 1985 war der Sanierungsbe-
bauungsplan noch verbindlich vorgeschrieben.
Nachfolgend sollen die Verfahrensschritte und die Eigenheiten einer städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme einerseits und die einer städtebaulichen Entwicklungsmaß-
nahme andererseits getrennt geschildert werden.

2. Die Vorbereitung der städtebaulichen Sanierung; Beteiligung und Mitwirkung


der Betroffenen
Bei einer städtebaulichen Sanierung muss die Gemeinde die in Bild 65 dargestellten
Schritte vollziehen, die nachfolgend kurz angesprochen werden sollen.
Am Beginn einer Sanierung steht häufig die Entscheidung über die Frage, ob die Sanie-
rung von der Gemeinde selbst betreut werden soll und kann, oder ob ein Sanierungs-
träger eingesetzt werden soll (Näheres dazu unten im Abschnitt 6). Im Einzelfall kann
es zweckmäßig sein, diese Entscheidung erst zu treffen, wenn die Ergebnisse der vor-
bereitenden Untersuchungen über die Notwendigkeit von Erneuerungsmaßnahmen
vorliegen. Der Beginn der vorbereitenden Untersuchungen ist durch einen förmlichen
Beschluss einzuleiten, der ortsüblich bekanntzumachen ist; spätestens diese Bekannt-
machung führt dazu, dass die Bodenpreise im Gebiet gewissermaßen „eingefroren“
werden978; während der Sanierung (im Normalverfahren) darf niemand mehr für ein
Grundstück im Gebiet bezahlen als den „Anfangswert“, den das Grundstück ohne
Aussicht auf Sanierung hatte (vgl. § 153 Abs. 2 – Preisprüfung). Außerdem hat die
Gemeinde von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit, Baugesuche und auch Abrissan-
träge für den Zeitraum eines Jahres zurückzustellen bzw. (bei Genehmigungsfreiheit)
einstweilen untersagen zu lassen.
Schon während der vorbereitenden Untersuchungen sind die Auswirkungen während
und nach der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen für das Quartier und seine
Bewohner zu bedenken. Selbst wenn die rigorose Form der Flächensanierung, bei der
viele Gebäude abgerissen und durch neue ersetzt werden, faktisch nicht mehr betrieben
wird und längst von den Prinzipien einer behutsamen Stadterneuerung abgelöst wor-
den ist, bei der der Gebäudebestand nach Möglichkeit erhalten oder allenfalls teilbesei-
tigt und nur durch Baumaßnahmen innerhalb der Substanz verbessert und komfortab-
ler gemacht werden soll, müssen die Bewohner mit vielen Unannehmlichkeiten über
relativ lange Zeiträume rechnen. Heutzutage werden, wenn überhaupt, großflächigere
Abrissmaßnahmen nur noch in Ortslagen mit schrumpfender Bevölkerung durchge-

978 Für die spätere Berechnung des Ausgleichsbetrags wird der „eingefrorene“ Bodenpreis wie gesagt hinge-
gen nicht mehr zu Grunde gelegt, sondern der hypothetische Wert, den das Grundstück im Zeitpunkt
der Erhebung des Ausgleichsbetrags hätte, wenn die Sanierungsmaßnahme weder beabsichtigt noch
durchgeführt worden wäre.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

führt. Diese Maßnahmen dienen dazu, den Wohnungsmarkt durch Verknappung des
Wohnungsangebots in einem Umfeld hoher Leerstandsquoten wiederzubeleben. Dies
hat mit der Kahlschlagsanierung der 1970er Jahre jedoch nichts zu tun, denn die
betroffenen Quartiere sind von großem Wohnungsleerstand gekennzeichnet – umfang-
reiche Umsiedlungen von Bewohnern sind damit nicht verbunden. Mittlerweile ist aber
auch der Bedarf am Rückbau deutlich zurückgegangen – viele, insbesondere größere
Städte verzeichnen (auch getrieben durch aktuell niedrige Zinsen sowie durch den
Zuzug Geflüchteter) aktuell eine Phase des Wachstums. Schrumpfungstendenzen sind
heute vor allem ein Problem strukturschwacher ländlicher Regionen.
Bild 65: Das Verfahren der städtebaulichen Sanierung

§§-Fahrplan: Sanierungsverfahren §§

Wenn die Gemeinde das Verfahren nicht selbst in die Hand nehmen 157–161
will: Beauftragung eines oder mehrerer Sanierungsträger-Unterneh-
men
Vorbereitende Untersuchungen mit Beteiligung und Mitwirkung der 141, 137,
Betroffenen und Auskunftspflichten der Eigentümer und sonstigen Be- 138
troffenen
Beginn der Aufstellung eines Sozialplans; laufende Fortschreibung 180
Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange 139
Förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets, dabei: 142 Abs. 4
– Wahl zwischen Normalverfahren (Erhebung von Ausgleichsbeträ-
gen möglich) oder vereinfachtem Sanierungsverfahren (keine Erhe-
bung von Ausgleichsbeträgen)
– Beschlussfassung über den möglichen Ausschluss der besonderen
Genehmigungspflichten nach § 144 im Sanierungsgebiet
Bekanntmachung der Satzung, Mitteilung an das Grundbuchamt 143 Abs. 1
143 Abs. 2
Je nach Verfahrensart und Instrumenteneinsatz: 154
* Prüfung aller Grundstücksvorgänge im Sanierungsgebiet 153
* Besondere Berechnung von Entschädigungsleistungen sowie
Grundstücksan-und -verkaufspreisen im Sanierungsgebiet
Durchführung der Ordnungsmaßnahmen und der Baumaßnahmen 147, 148
Soweit erforderlich: Gewährung von Härteausgleichszahlungen 181
Sobald der Sanierungszweck für einzelne Grundstücke erreicht ist: 163
Entlassung der betreffenden Grundstücke aus der Sanierung durch
Abschlusserklärung
Nach Durchführung der Sanierung insgesamt: Aufhebung der Sanie- 162
rungssatzung
Nur im Normalverfahren: Berechnung und Erhebung der Ausgleichs- 152–155
beträge
Bilanzierung durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausga- 156a
ben. Bei Einnahmenüberschuss: Auszahlung des Überschusses an
die Eigentümer

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

Die Maßnahmen des „Stadtrückbaus“ können sowohl Gegenstand städtebaulicher Sa-


nierungsmaßnahmen als auch von Stadtumbaumaßnahmen (Dritter Teil des Zweiten Ka-
pitels im BauGB) sein (Näheres dazu in Kapitel B.XV. „Stadtumbau und Soziale Stadt.
Erhaltungssatzung, städtebauliche Gebote und Sozialplanung“). Hier wie dort sieht das
Baugesetzbuch eine intensive Beteiligung und Mitwirkungsrechte der Betroffenen vor,
wobei die Sanierung im Falle angestrebter städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen mit
den Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen möglichst frühzeitig – im
Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen – erörtert werden soll. Wenn sich die Sanie-
rungsmaßnahmen voraussichtlich nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der in
dem Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen auswirken, soll die Gemeinde Vor-
stellungen entwickeln und mit den Betroffenen erörtern, wie nachteilige Auswirkungen
möglichst vermieden oder gemildert werden können. Die Gemeinde muss den Betroffe-
nen bei ihren eigenen Bemühungen, nachteilige Auswirkungen zu vermeiden oder zu mil-
dern, Hilfestellung geben – etwa wenn im Einzelfall ein Wohnungs- oder Arbeitsplatz-
wechsel unumgänglich ist oder ein Betrieb ganz umziehen muss.
Das Ergebnis der Erörterungen und Prüfungen sowie die voraussichtlich in Betracht zu
ziehenden Maßnahmen der Gemeinde und die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung sind
schriftlich in einem sog. Sozialplan (§ 180) darzustellen. Soweit es die Billigkeit erfordert,
soll die Gemeinde bei der Durchführung der Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Aus-
gleich wirtschaftlicher Nachteile auf Antrag einen Härteausgleich in Geld gewähren
(§ 181). Als Pendant zu diesen Mitwirkungsrechten treffen die Eigentümer, Mieter, Päch-
ter und sonstigen Nutzungsberechtigten aber auch Auskunfts- und Duldungspflichten:
Sie müssen der Gemeinde Auskunft über die Tatsachen erteilen, deren Kenntnis zur Beur-
teilung der Sanierungsbedürftigkeit eines Gebiets oder zur Vorbereitung oder Durchfüh-
rung der Sanierung erforderlich ist (§ 138). Wenn die Verwirklichung der Ziele und Zwe-
cke der Sanierung die Aufhebung oder Verlängerung eines Miet- oder Pachtverhältnisses
erfordert, so kann die Gemeinde diese Verträge unter Einhaltung bestimmter Verfahrens-
und Formvorschriften aufheben oder verlängern (§ 182 ff.).
Hat sich die Gemeinde im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen und unter
Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen hinreichende Kenntnisse über das Sanie-
rungsverdachtsgebiet verschafft, so kann sie das Gebiet durch Beschluss in Form einer
Satzung förmlich als Sanierungsgebiet festlegen979, wenn angesichts der im Gebiet
herrschenden städtebaulichen Missstände die einheitliche Durchführung der notwen-
digen Maßnahmen als Gesamtmaßnahme erforderlich und die Zügigkeit gewährleistet
ist. Städtebauliche Missstände liegen vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen
Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen
an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnen-
den oder arbeitenden Menschen auch – neu seit 2013 – unter Berücksichtigung der
Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung nicht entspricht oder das Gebiet
in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage
und Funktion obliegen. Bereits 2007 wurde durch das Gesetz zur Erleichterung von
Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte in das BauGB die Auflage
aufgenommen, bei dem Beschluss über die Sanierungssatzung die Frist festzulegen, in
der die Sanierung durchgeführt werden soll. Man unterscheidet zwischen Maßnahmen
zur Behebung von Substanzschwächen („Substanzschwächensanierung“) und Maß-
nahmen zur Beseitigung von Funktionsschwächen („Funktionsschwächensanierung“),
wobei in einem Gebiet erforderlichenfalls beide Maßnahmen zum Zuge kommen kön-
nen. Die Abgrenzung des Gebiets muss „zweckmäßig“ sein980, dabei kommt der Ge-

979 Zur Gebietsabgrenzung vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, UPR 1996, 262.
980 Dazu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 18.4.2002 – 1 C 10590/01 OVG –, ZfBR 2002, 501; vgl. auch
BVerwG, B. v. 24.3.2010 – 4 BN 60.09 –, BauR 2010, 1176.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

meinde ein weiter Beurteilungs- und Abwägungsfreiraum zu981. Die künftige Nutzung
braucht dabei noch nicht erkennbar zu sein982; wohl aber muss die Gemeinde nach-
weisen, dass in dem Gebiet „städtebauliche Missstände“ vorliegen, deren Behebung
im „öffentlichen Interesse“ liegt. Die Beurteilung eines städtebaulichen Missstands
kann und muss z. T. auf prognostischen Annahmen beruhen. Prognosen sind insbeson-
dere im Zusammenhang mit der Funktionsschwächensanierung (z. B. bei der Entschei-
dung über die quartiersaufwertende Wirkung umfangreicher Verkehrsberuhigungs-
maßnahmen) von Bedeutung, da hierbei der städtebauliche Missstand mit der
angestrebten zukünftigen Funktion und Struktur des Gebiets begründet wird. Auch
insoweit räumt das Gesetz der Gemeinde einen weiten Beurteilungsspielraum ein983.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 2 ist das Sanierungsgebiet so zu begrenzen, dass sich die Sanie-
rung zweckmäßig durchführen lässt. Nach Satz 3 der Vorschrift können einzelne
Grundstücke, die von der Sanierung nicht betroffen werden, aus dem Gebiet ganz
oder teilweise ausgenommen werden. Umgekehrt ist aber auch die Einbeziehung von
Grundstücken denkbar, auf denen selbst keine Maßnahmen wie bauliche Veränderun-
gen durchzuführen sind; bei der sog. Funktionsschwächensanierung kann dieser Fall
häufiger auftreten984.
Eine Stärkung des Klimaschutzes erfuhr das besondere Städtebaurecht im Zuge der
BauGB-Novelle 2013, nachdem Bemühungen dazu im Gesetzgebungsverfahren 2011
noch gescheitert waren. Der Gesetzgeber stand vor der Frage, ob ein städtebaulicher
Missstand im Sinne des § 136 auch einem – ggf. ansonsten makellosen – Quartier
attestiert werden darf, wenn dieses in Bezug auf die Gesamtenergieeffizienz nicht mehr
heutigen Maßstäben genügt, die sich insbesondere aus den Bestimmungen der Energie-
einsparverordnung (EnEV) ergeben. Der Gesetzgeber hat diese Frage mit Ja beantwor-
tet und damit deutlich gemacht, dass Klimaschutz zukünftig auch im Zusammenhang
mit dem besonderen Städtebaurecht eine wichtige Rolle spielen kann (aber nicht
muss). Vor diesem Hintergrund wird klargestellt, dass städtebauliche Missstände in
einem Gebiet auch dann vorliegen, wenn dieses nach seiner Bebauung oder nach seiner
sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Ar-
beitsverhältnisse oder an die Sicherheit der Menschen auch unter Berücksichtigung
der Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung nicht entspricht (§ 136 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1). Es liegt im Ermessen der Gemeinde zu entscheiden, inwieweit eine „kli-
magerechte Stadterneuerung“ z. B. durch Errichtung von Blockheizkraftwerken, durch
geeignete Wärmedämmmaßnahmen, durch Installation von Solaranlagen oder durch
einen Anschluss an ein Fernwärmenetz zum Gegenstand von Sanierungsmaßnahmen
gemacht werden soll. Wenn, dann gehört in einem Sanierungsverdachtsgebiet eine
Prüfung zu dieser Frage zum Gegenstand der vorbereitenden Untersuchungen nach
§ 141. Im Ergebnis ist die Liste der möglichen Substanzschwächen in § 136 Abs. 3
Nr. 1 durch Aufnahme eines neuen Buchstabens (h) ergänzt worden. Die Substanz-
schwächen beschränken sich seitdem nicht mehr nur auf Mängel in Bezug auf Fragen
der Belichtung, Belüftung und Besonnung, in Bezug auf Gebäudebeschaffenheit, Zu-
gänglichkeit der Grundstücke sowie bestimmte erhebliche Emissionen und Immissio-
nen. Als mögliches Beurteilungskriterium im Rahmen vorbereitender Untersuchungen
kann auch die energetische Beschaffenheit, die Gesamtenergieeffizienz der vorhande-

981 BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, DVBl 1996, 691; BVerwG, 19.5.2009 – 4 BN 1.09 –, GuG
2011, 60; BVerwG, U. v. 4.3.1999 – 4 C 8.98 –, ZfBR 1999, 228.
982 BVerwG, U. v. 20.10.1978 – 4 C 48/76 –, NJW 1979, 2577; an die Konkretisierung der Sanierungsziele
sind zu Beginn des Sanierungsverfahrens noch keine hohen Anforderungen zu stellen – BVerwG, U. v.
4.3.1999 – 4 C 8.98 –, ZfBR 1999, 228.
983 BVerwG, B. v. 24.3.2010 – 4 BN 60.09 –, BauR 2010, 1176. Vgl. auch BVerwG, U. v. 10.7.2003 – 4
CN 2.02 – BauR 2004, 53.
984 Vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1996 – 4 B 69.95 –, BRS 58 Nr. 243. Vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen,
U. v. 23.10.2008 – 7 D 37/07.NE –, GuG 2009, 312.

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nen Bebauung und der Versorgungseinrichtungen eines Gebiets unter Berücksichtigung


der allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung herange-
zogen werden. Maßstab für die Bewertung der Sanierungsbedürftigkeit können allge-
mein anerkannte Standards sein, die insbesondere auf dem Energiefachrecht beruhen.
Die Sanierungsbedürftigkeit muss allerdings vor dem Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit gerechtfertigt werden können.985
Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind stets dem Allgemeinwohl verpflichtet und
müssen dem Abwägungsgebot genügen. Dies gilt für sämtliche Zielsetzungen von städ-
tebaulichen Sanierungsmaßnahmen gem. § 136 Abs. 4, also auch für das Ziel, die
bauliche Struktur auch nach den allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und
die Klimaanpassung zu entwickeln. Als Maßnahmen kommen insbesondere eine bes-
sere Ausstattung der baulichen Anlagen mit nachhaltigen Versorgungseinrichtungen
(Erneuerbare-Energien-Anlagen und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) und eine ver-
besserte Wärmedämmung in Betracht.
Im Zusammenhang mit dem Beschluss über die Satzung muss sich die Gemeinde ent-
scheiden, ob sie die Sanierung im „vereinfachten Verfahren“ oder im „Normalver-
fahren“ mit allen Instrumenten durchführen will; die Wahl des Normalverfahrens be-
deutet in der Hauptsache, dass die Vorschriften über die Erhebung von
Ausgleichsbeträgen anzuwenden sind. Das Gesetz spricht in § 142 Abs. 4 davon, dass
die Anwendung der Vorschriften über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen auszu-
schließen „ist, wenn sie für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich ist
und die Durchführung hierdurch voraussichtlich nicht erschwert wird (vereinfachtes
Sanierungsverfahren)“. Das deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber den Gemeinden
die Wahl der Verfahrensart nicht völlig freistellen, sondern im Zweifel das vereinfachte
Verfahren angewendet wissen will. Auf die Einzelheiten des vereinfachten Sanierungs-
verfahrens, bei dessen Wahl die Gemeinde in der Satzung die Anwendung bestimmter
Vorschriften ausschließen muss, die Anwendung anderer Vorschriften ausschließen
kann, wird später in diesem Kapitel – unter 5. – näher eingegangen.
3. Die Durchführung der Sanierung
Die Durchführung der Sanierung umfasst die „Ordnungsmaßnahmen“ (§ 147) und
die „Baumaßnahmen“ (§ 148); was dazu innerhalb des förmlich festgelegten Sanie-
rungsgebiets jeweils erforderlich ist, richtet sich nach den speziellen Zielen und Zwe-
cken der Sanierung. Die Sanierungsziele müssen dem Abwägungsgebot nach § 136
Abs. 4 S. 3 standhalten. Der Satzungsgeber muss sich daher sicher sein, dass die Vor-
aussetzungen zum Erreichen der Ziele sowohl tatsächlich als auch rechtlich vorlie-
gen986. Abgesehen von der „klassischen“ Sanierung heruntergekommener Mietskaser-
nenviertel oder sonst vernachlässigter Wohn- und Gewerbegebiete in Städten und
Dörfern können unter anderem auch folgende Tatbestände zum Gegenstand einer Sa-
nierung gemacht werden:
– Umnutzung von Flächen aus Gründen einer städtebaulichen Umstrukturierung
(z. B. Aufbereitung brachliegender Gewerbeflächen);
– bauliche Verdichtung in bisher aufgelockert bebauten Siedlungsbereichen zum
Zwecke der Baulandversorgung;
– Rückbau und Umwidmung bisher baulich genutzter Flächen wegen zurückgehen-
den Siedlungsbedarfs;
– verträgliche Gestaltung unterschiedlicher Nutzungen in Mischgebieten;
– Sanierungsaufgaben bei Maßnahmen des Bodenschutzes, vor allem bei der Wieder-
aufbereitung alter Industrie- und Gewerbegebiete („Altlasten“);

985 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, 17. Wahlperiode vom 14.11.2012, Drucksache
17/11468, S. 19.
986 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.11.2015 – 7 D 66/14.NE – BauR 2016, 800.

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– Aufgaben der Lärmsanierung.


Wie dargestellt, kann heute auch eine energetische Sanierung einzelner Gebäude oder
ganzer Quartiere Bestandteil einer Sanierungsmaßnahme sein. Eine entsprechende Re-
gelung wurde 2013 in § 136 aufgenommen. Maßgeblich hängt es von inhaltlicher
Ausrichtung und finanzieller Ausstattung der Städtebauförderprogramme ab, in wel-
chem Umfang Sanierungsmaßnahmen auch zur energetischen Ertüchtigung von Be-
standsbauten genutzt werden (das Programm der städtebaulichen Sanierungsmaß-
nahme ist jedenfalls im Jahr 2012 ausgelaufen).
Aus der Zweckbestimmung folgen die grundsätzlich von der Gemeinde zu leistenden
oder zu veranlassenden Ordnungsmaßnahmen. Dazu gehören:
(1) die Bodenordnung, einschließlich des Erwerbs von Grundstücken,
(2) der Umzug von Bewohnern und Betrieben,
(3) die „Freilegung“ von Grundstücken (damit ist hauptsächlich der Abriss von Ge-
bäuden gemeint),
(4) die Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen sowie
(5) sonstige Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt
werden können. Zu den Ordnungsmaßnahmen gehören auch die Bereitstellung von
Flächen und die Maßnahmen zum Ausgleich, soweit sie Eingriffsgrundstücken an an-
derer Stelle zugeordnet sind – Maßnahmen zum Ausgleich auf dem Baugrundstück
selbst gehören zu den Baumaßnahmen.
Für diese Ordnungsmaßnahmen ist prinzipiell die Gemeinde zuständig und zunächst
auch finanziell verantwortlich; die Kosten sollen später über die Ausgleichsbeträge
refinanziert werden. Die Organisations- und Verwaltungsarbeiten kann die Gemeinde
von sich abwälzen, indem sie einen Sanierungsträger oder – was aufgrund eines ent-
sprechenden Vertrags auch möglich ist – die Eigentümer einschaltet; auch in diesem
Fall bleibt die Finanzierungslast jedoch zunächst bei der Gemeinde, sofern nicht in
einem städtebaulichen Vertrag etwas anderes vereinbart wurde. Kosten, die der Ge-
meinde durch Bereitstellung von Flächen und für die Durchführung von Ausgleichs-
maßnahmen entstehen, können über §§ 135a-c von den Eigentümern eingefordert
werden, deren Grundstücken die Maßnahmen zugeordnet sind.
Die Finanzierung und Durchführung der Baumaßnahmen obliegt dagegen von vornhe-
rein den Eigentümern; insoweit wird die Sanierung also privat finanziert – abgesehen
wiederum von etwaigen öffentlichen Zuschüssen auch für Baumaßnahmen z. B. im
sozialen Wohnungsbau und von den Gemeinbedarfseinrichtungen wie Schulen und
Kindergärten, die – abgesehen von Folgekostenverträgen – von der Gemeinde zu be-
zahlen sind. Zu den Baumaßnahmen gehören:
(1) die Modernisierung und Instandsetzung der Gebäude,
(2) die Neubebauung und die Ersatzbauten,
(3) die Errichtung und Änderung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen,
(4) die Verlagerung oder Änderung von Betrieben,
(5) (wie bereits erwähnt) die Ausgleichsmaßnahmen auf den Baugrundstücken sowie
(6) die Errichtung oder Erweiterung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen
und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme
oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung.
Mit der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung können auch Sanierungsträger
beauftragt werden. Sie entscheiden dann darüber, inwieweit zwecks Modernisierung
und teilweiser Umstrukturierung nach einem einheitlichen Konzept Grundstücke zu
erwerben sind. Bei den Sanierungsträgern handelt es sich oft um (mehr oder weniger)
gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, die den von der Sanierung betroffenen
Mietern und Gewerbetreibenden Ersatzräume auch außerhalb des Sanierungsgebiets
anbieten können. Das erleichtert die „Umsetzung“, ohne sie immer zugleich erträgli-
cher zu machen. Hat die Gemeinde bzw. hat der Sanierungsträger nach der förmlichen
Festlegung des Sanierungsgebiets zur Durchführung der Sanierung ein Grundstück von

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

einem Eigentümer freihändig oder nach den Vorschriften des BauGB ohne Hergabe
von entsprechendem Austauschland, Ersatzland oder Begründung von Rechten der in
§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Art („Bestellung oder Übertragung von Mitei-
gentum an einem Grundstück, grundstücksgleichen Rechten …“) erworben, so hat
dieser (frühere) Grundstückseigentümer gegenüber dem aktuellen Eigentümer einen
Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks. Dieses regelt § 164. Seit dem
1.1.2007 greift der Anspruch auf Rückübertragung von Grundstücken auch, wenn die
Sanierungssatzung ordnungsgemäß nach dem neuen § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 aufge-
hoben wird, die Sanierung jedoch nicht durchgeführt worden ist.

4. Der Abschluss der Sanierung


Ordnungs- und Baumaßnahmen erstrecken sich in aller Regel über viele Jahre. Seit
2007 ist die Gemeinde gemäß § 142 Abs. 3 aufgefordert, neben dem Beschluss über
die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets als Satzung (Sanierungssatzung) auch
einen Beschluss über die Frist zur Durchführung der Sanierungsmaßnahme zu fassen.
Die Sanierung soll innerhalb von 15 Jahren durchgeführt sein. Die Frist hat die Ge-
meinde durch einfachen Beschluss festzulegen, dessen Bekanntmachung sich nach
Ortsrecht richtet. Da die Frist erforderlichenfalls durch weiteren einfachen Beschluss
verlängert werden darf (Satz 4), sollte die Festlegung der Frist nicht in den Beschluss-
text zur Sanierungssatzung aufgenommen und daran gekoppelt werden. Selbst der
vom Gesetzgeber aufgenommene zeitliche Rahmen von 15 Jahren lässt sich durch ein-
fachen Gemeindebeschluss verlängern. Über die Überleitungsvorschrift des § 235
Abs. 4 hat der Gesetzgeber auch für solche Sanierungssatzungen, die vor der BauGB-
Novelle 2007 (also vor dem 1. Januar 2007) bekannt gemacht worden sind, eine maxi-
male Gültigkeitsdauer festgelegt. Danach sollen Sanierungssatzungen spätestens bis
zum 31.12.2021 aufgehoben worden sein. Auch diese Frist lässt sich dank der Bezug-
nahme in § 235 Abs. 4 auf § 142 Abs. 3 Satz 4 verlängern. Wenn die Sanierung durch-
geführt ist (oder wenn sie sich als undurchführbar erwiesen hat987 bzw. die Sanierungs-
absicht aus anderen Gründen aufgegeben worden ist), muss die Satzung, in der das
Sanierungsgebiet einmal festgelegt wurde, nach § 162 Abs. 1 aufgehoben werden; al-
ternativ ist auch eine Änderung des Sanierungszwecks möglich988. Die Sanierungssat-
zung ist seit 2007 nach § 162 Abs. 1 Nr. 4 auch dann aufzuheben, wenn die zu Beginn
der Sanierung von der Gemeinde festgelegte Frist abgelaufen ist und von einem Be-
schluss zur Verlängerung abgesehen wurde. Allerdings hat das Verstreichen der für die
Sanierung festgelegten Frist nicht zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch
außer Kraft tritt. Es bedarf vielmehr eines entsprechenden Beschlusses der Ge-
meinde.989 Mit der Aufhebung der Satzung entfallen dann die Möglichkeiten, das
bodenrechtliche Sonderinstrumentarium anzuwenden. Der Aufhebungsbeschluss
selbst ergeht ebenfalls als Satzung, die ortsüblich bekannt zu machen ist.
In Einzelfällen kann sich auch ein Anspruch von Grundeigentümern darauf ergeben,
dass ihre Grundstücke aus der Sanierung vorzeitig „entlassen“ werden. Denn die in
einem Sanierungsgebiet bestehenden besonderen Bindungen sind nur so lange gerecht-
fertigt und zumutbar, wie erkennbar ist, dass die Erneuerungsmaßnahmen einen ir-
gendwie gearteten Fortgang nehmen. Ist das nicht (mehr) der Fall, dürfen die Bindun-
gen nicht aufrechterhalten bleiben. Ein Anspruch auf eine nur ein einzelnes
Buchgrundstück betreffende sanierungsrechtliche Abschlusserklärung nach § 163 be-
steht allerdings nicht, wenn dieses Grundstück zu einer Gruppe von Grundstücken

987 Dazu BVerwG, U. v. 10.7.2003 – 4 CN 2.02 –, ZfBR 2003, 771.


988 Vgl. dazu BVerwG, U. v. 20.10.1978 – 4 C 48.76 –, BRS 33 Nr. 198 sowie BVerwG, 10.7.2003 – 4
CN 2.02 –, ZfBR 2003, 771.
989 Vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2011 – 4 B 52.10 –, BauR 2011, 1308.

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gehört, die bezüglich der Ziele und Zwecke der Sanierung und der erforderlichen
Sanierungsmaßnahmen als Einheit anzusehen sind – fehlt noch ein Mosaikstein für
die vollständige Verwirklichung des Sanierungsziels, z. B. die zu einer Maßnahme da-
zugehörige Herstellung einer Tiefgaragenzufahrt sowie deren Überbauung auf einem
Nachbargrundstück, so darf die Abschlusserklärung noch nicht erfolgen990. Die Sanie-
rungsmaßnahme bleibt Inhaltsbestimmung des Eigentums, die entschädigungslos hin-
genommen werden muss; sie ist auch bei sehr langer Zeitdauer nicht als entschädi-
gungspflichtige Enteignung anzusehen991.
Wurde die Sanierung im „Normalverfahren“ und nicht im „vereinfachten Verfahren“
durchgeführt, gehört i. d. R. zum Abschluss auch die Abrechnung der Bodenwertsteige-
rungen. Die Eigentümer der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke haben zur
Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu ent-
richten, der der durch die Sanierung bewirkten Werterhöhung des Bodenwerts der
Grundstücke entspricht. Die Erhebung von Vorauszahlungen auf den Ausgleichsbetrag
ist zulässig. Der Bewertungsaufwand für die einzelnen Grundstücke kann erheblich
sein. Seit 2007 sieht das Gesetz eine deutlich vereinfachte Bilanzierung auf der Grund-
lage des entstandenen Aufwands für die Erweiterung oder Verbesserung der Verkehrs-
anlagen vor (dazu später Näheres). Außerdem wird Gemeinden die Möglichkeit einge-
räumt, auf die Erhebung von Ausgleichsbeträgen ganz zu verzichten, wenn gutachtlich
ermittelt worden ist, dass die Bodenwerterhöhung insgesamt geringfügig ist und daher
der Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Ausgleichsbeträge in keinem angemes-
senen Verhältnis zu den möglichen Einnahmen steht. Insgesamt gehört die Möglichkeit
zur Erhebung von Ausgleichsbeträgen zum bodenrechtlichen Sonderinstrumentarium
der Stadterneuerung. Darauf ist jetzt näher einzugehen.
5. Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium
Das Sonderinstrumentarium der Stadterneuerung ist in Bild 66 zusammengefasst. Aus
dem Bild ergibt sich: Gleichsam routinemäßig gilt in jedem förmlich festgelegten Sanie-
rungsgebiet das allgemeine Vorkaufsrecht des § 24 Abs. 1 Nr. 3, das von der Gemeinde
zur Durchsetzung der Ziele und Zwecke der Sanierung eingesetzt werden kann. Eben-
falls ohne zusätzliche Beschlussfassung der Gemeinde besteht in Sanierungsgebieten
die Möglichkeit, unter den allgemeinen Voraussetzungen der Enteignungsvorschriften
Grundstücke direkt zugunsten von Sanierungsträgern zu enteignen. Diese beiden Ins-
trumente werden in der Praxis jedoch nicht allzu häufig angewendet. Wirklich bedeut-
sam sind erst die beiden folgenden Instrumente:
– die besonderen Genehmigungspflichten nach § 144;
– die Erhebung von Ausgleichsbeträgen nach § 154 einschließlich der damit verbun-
denen Sonderregeln für Preisgestaltung, Preisprüfung und Entschädigung beim An-
kauf, Verkauf und Eigentümerwechsel von Grundstücken im Sanierungsgebiet
während der Sanierung.
a) Die sanierungsrechtliche Genehmigung nach §§ 144, 145 BauGB. § 144 macht eine
Reihe von Vorgängen im Sanierungsgebiet besonders genehmigungspflichtig. Von
§ 144 Abs. 1 sind betroffen:
– alle baulichen Vorhaben im Sinne des § 29 (d. h. insbesondere die Errichtung, Än-
derung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen sowie Aufschüttungen und
Abgrabungen größeren Umfangs);
– die Beseitigung baulicher Anlagen;
– erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und
baulichen Anlagen;

990 Vgl. BVerwG, U. v. 21.12.2011 – 4 C 13.10 –, DÖV 2012, 445.


991 BVerwG, B. v. 7.6.1996 – 4 B 91/96 –, BauR 1996, 831.

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– schuldrechtliche Verträge über den Gebrauch oder die Nutzung von Gebäuden
und Grundstücken auf bestimmte Zeit von mehr als einem Jahr.
Von § 144 Abs. 2 sind betroffen:
– Veräußerungen von Grundstücken;
– die Bestellung oder Veräußerung von Erbbaurechten;
– Belastungen von Grundstücken (z. B. mit Hypotheken oder Grundschulden), so-
weit sie nicht mit Baumaßnahmen im Sinne der Sanierung im Zusammenhang
stehen;
– schuldrechtliche Verträge über die drei zuvor genannten Rechtsvorgänge;
– die Teilung von Grundstücken (trotz der bundesrechtlichen Abschaffung der pla-
nungsrechtlichen Teilungsgenehmigung);
– die Begründung, Änderung oder Aufhebung einer Baulast.
Bild 66: Das besondere bodenrechtliche Instrumentarium in der Sanierung

Das allgemeine Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 3

Das besondere Enteignungsrecht zugunsten eines Sanierungsträgers nach § 87


Abs. 3 Satz 3.

Die besonderen Genehmigungspflichten nach § 144

Nur im Normalverfahren Nur im vereinfachten Verfahren

besteht die Möglichkeit, Ausgleichs- können die besonderen Genehmi-


beträge zu erheben. gungspflichten
* entweder insgesamt
* oder nur die des § 144 Abs. 1
* oder nur die des § 144 Abs. 2
ausgeschlossen werden.

Mit der Erhebung von Ausgleichsbeträgen verknüpft sind folgende Vorschrif-


ten:

1. Entschädigungsleistungen und Gegenleistungen seitens der Gemeinde für den


Erwerb von Grundstücken im Sanierungsgebiet dürfen den Sanierungsein-
gangswert (Anfangswert) nicht überschreiten (§ 153 Abs. 1 und 3).
2. Die Genehmigung für die Veräußerung von Grundstücken von Privat an Privat
im Sanierungsgebiet kann versagt werden, wenn der vereinbarte Preis über
dem Anfangswert liegt (Preisprüfung) (§ 153 Abs. 2).
3. Bei Veräußerung von Grundstücken durch die Gemeinde oder Sanierungsträ-
ger an Dritte muss der Sanierungsvorteil in den Preis einbezogen werden
(§ 153 Abs. 4)
4. Es werden keine Erschließungsbeiträge und keine Kostenerstattungsbeträge
nach § 135 a–c erhoben (§ 154 Abs. 1).
5. Alternativ kann die Gemeinde durch Satzung beschließen, dass für die Erhe-
bung des Ausgleichsbetrags nach Maßgabe des § 154 Abs. 2a die Aufwendun-
gen für Erweiterungs- und Verbesserungsmaßnahmen an den Erschließungs-
anlagen i. S. d. § 127 Abs. 2 Nr. 1–3 zugrunde gelegt werden.
6. Eine Sanierungsumlegung muss als Wertumlegung durchgeführt werden. Der
Sanierungsvorteil ist zusammen mit dem Umlegungsvorteil zu erheben (§ 153
Abs. 5). Ein Ausgleichsbetrag wird daneben nicht erhoben (§ 155 Abs. 2).

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Die Genehmigungspflichten nach § 144 sind im öffentlichen Interesse konstituiert;


einklagbarer Nachbarschutz ist mit ihnen nicht verbunden992. Abweichend von der
Regelung des vereinfachten Verfahrens in der Novelle 1985 zum StBauFG, wo mit der
Wahl des vereinfachten Verfahrens notwendig der Ausschluss der besonderen Geneh-
migungspflichten des § 144 (früher § 15 StBauFG) verbunden war, bleiben die beson-
deren Genehmigungspflichten des § 144 nach dem BauGB im Prinzip auch bei Wahl
des vereinfachten Verfahrens erhalten. Im Unterschied zum Normalverfahren hat die
Gemeinde allerdings im vereinfachten Verfahren die Möglichkeit, die Anwendung des
§ 144 ganz oder teilweise auszuschließen: Sie kann ganz von der Anwendung der
Vorschrift absehen oder nur die Anwendung des Abs. 1 oder nur die des Abs. 2 aus-
schließen. Damit genießt die Gemeinde jetzt wohl ein Höchstmaß an Flexibilität bei
der Entscheidung, ob sie sich dieses Instruments bedienen will. Dies wird immer dann
der Fall sein, wenn im Sanierungsgebiet mit unabgestimmten oder sogar kontrapro-
duktiven Maßnahmen von Grundeigentümern zu rechnen ist. Diese können mit der
„Verfügungs- und Veränderungssperre“ des § 144 zuverlässig ausgeschlossen wer-
den993. Um die Genehmigungsbehörde von Routinefällen zu entlasten, kann die Ge-
meinde die Genehmigung für bestimmte Fallgruppen entweder für das ganze Sanie-
rungsgebiet oder für Teile davon allgemein erteilen, also gewissermaßen eine
Sammelgenehmigung für Vorgänge vorwegnehmen, die sie als unproblematisch be-
trachtet.
Analog zu § 173 (Erteilung von Genehmigungen im Geltungsbereich einer Erhaltungs-
satzung) wird seit dem EAG Bau die sanierungsrechtliche Genehmigung gemäß § 145
Abs. 1 nicht mehr in jedem Fall von der Gemeinde erteilt; vielmehr ist dafür die Bauge-
nehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde zuständig, sofern eine bau-
rechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforder-
lich ist. Der Vorteil der Novellierung im Jahr 2004 besteht darin, dass Bauwillige nicht
mehr zwei Genehmigungen parallel, nämlich eine sanierungsrechtliche Genehmigung
und eine Baugenehmigung einholen müssen. Aus der Sicht des Antragstellers konnte
die Regelung bis 2004 zu Verwirrung führen, weil er sich zum Start der Baumaßnah-
men berechtigt fühlte, ohne auch materiell dazu berechtigt zu sein. Das jetzige Recht
enthält eine Regelung analog zu § 173 (Erteilung von Genehmigungen im Geltungsbe-
reich einer Erhaltungssatzung). Hier wie dort erteilt zwar grundsätzlich die Gemeinde
die Genehmigung. Ist jedoch eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine
baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugeneh-
migungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt.
Je nach Zuständigkeit gelten unterschiedliche Fristen für die über den Antrag zu tref-
fende Entscheidung. Sofern die Gemeinde über die Genehmigung allein zu entscheiden
hat, bleibt ihr hierfür nach Eingang des Antrags ein Monat Zeit. Die Frist kann über
einen Zwischenbescheid um bis zu drei Monate verlängert werden. Diese Fristverlän-
gerung muss die Gemeinde dem Antragsteller durch Zwischenbescheid mitteilen, und
zwar noch vor Ablauf dieses ersten Monats. Sofern eine baurechtliche Genehmigung
oder Zustimmung erforderlich ist, wird die Baugenehmigung durch die Baugenehmi-
gungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt. In diesem zweiten Fall gilt
das gemeindliche Einvernehmen als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach
Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird, wobei der Ge-
meinde auch in diesem Fall die Möglichkeit zur Fristverlängerung (maximal um zwei
Monate – vgl. § 145 Abs. 1 S. 3, 2. Hs.) eingeräumt wird. Als „Zustimmung“ im Sinne
dieser Vorschrift dürfte eine konkludente Zustimmung der Bauaufsichtsbehörde durch
rügelosen Fristablauf nach Anzeige oder Mitteilung eines von der bauordnungsrechtli-

992 So BVerwG, B. v. 7.5.1997 – 4 B 73.97 –, UPR 1997, 463.


993 Vgl. noch zu § 15 StBauFG BGH, U. v. 17.12.1981 – III ZR 72/80 –, DVBl. 1982, 535; BVerwG, U.
v. 15.1.1982 – 4 C 94.79 –, ZfBR 1982, 87.

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chen Genehmigung freigestellten Vorhabens einzuordnen sein. Es bleibt zu beachten,


dass das Erfordernis zur Einholung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung bei
„kleineren“ oder B-Plan-gerechten Vorhaben erheblich weiter reicht als die Pflicht zur
Einholung einer Baugenehmigung. Wenn „nur“ eine sanierungsrechtliche Genehmi-
gung erforderlich ist, bleibt weiterhin allein die Stadt bzw. Gemeinde für die Erteilung
der Genehmigung zuständig. Fristverlängerungen gegenüber dem Antragsteller erge-
hen stets als Verwaltungsakt. Sie lassen sich demzufolge mit Suspensiveffektwirkung
anfechten. Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung einer sanierungsrechtlichen Genehmi-
gung entfalten jedoch selbstverständlich keine aufschiebende Wirkung in der Weise,
dass mangels vollziehbarer Ablehnungsentscheidung die Genehmigungsfiktion des
§ 145 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 22 Abs. 5 Satz 4 einträte994.
Wie das BVerwG in seinem Urteil vom 24.5.2006 entschieden hat, darf eine sanie-
rungsrechtliche Genehmigung von Sanierungsmaßnahmen nicht von der Einhaltung
von Mietobergrenzen abhängig gemacht werden. Demnach ist die Begrenzung der
Mieten kein rechtmäßiges Mittel für das grundsätzlich legitime gemeindliche Ziel,
in einem Sanierungsgebiet die Wohnbevölkerung vor Verdrängung durch erhebliche
Mietsteigerungen schützen zu wollen. Möglich ist hingegen, Art und Umfang der zu-
lässigen Modernisierungen zu regeln, so dass über diesen Weg Mieterhöhungen im
Rahmen gehalten werden können (vgl. § 559 BGB, wonach sich maximal 8 % (bis
Ende 2018 waren es noch 11 %) des Aufwands für Modernisierungsmaßnahmen auf
die Miete umlegen lassen). Dem Sanierungsrecht fehlt die Ermächtigung, sich über die
Regelungen des BGB über die Miethöhe hinwegzusetzen995.

b) Die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen nach den §§ 152 ff. BauGB. Die
Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags (Sonderinstrument Nr. 2) trifft die Eigen-
tümer nur im Normalverfahren. Der Ausgleichsbetrag muss von all den Eigentümern
gezahlt werden, deren Grundstücke „durch die Sanierung“, d. h. vor allem durch die
im Sanierungsverfahren betriebenen und von der öffentlichen Hand bezahlten „Ord-
nungsmaßnahmen“ (siehe oben unter 3.) wertvoller geworden oder geblieben sind, als
sie es ohne Sanierung gewesen wären996. Es kommt nicht auf einen Wertzuwachs im
Zeitablauf der Sanierung an; in Zeiten stark fallender Bodenpreise kann ein Aus-
gleichsbetrag auch dann fällig werden, wenn der Bodenwert des Grundstücks zu Be-
ginn der Sanierung höher war als am Ende. Dieses kann z. B. dann der Fall sein, wenn
die Sanierung zwar keinen Wertanstieg herbeigeführt, aber anderenfalls eingetretene
Wertverluste gemindert hat. Laut gesetzlicher Definition in § 154 Abs. 2 besteht der
Ausgleichsbetrag „aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das
Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchge-
führt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück
durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des Sanierungsgebiets ergibt (End-
wert)“. Es kommt also nicht auf die im Zeitablauf vorzufindenden Preisdifferenzen,
sondern auf die am Ende der Sanierung gestellte Frage „Was wäre wenn?“ an. In
krassen Fällen der formal notwendigen Einziehung von Ausgleichsbeträgen – bei nur
verhindertem Wertverfall (anstelle objektiver Wertsteigerung) – kann die Gemeinde
gemäß § 155 Abs. 4 „im Einzelfall von der Erhebung des Ausgleichsbetrags ganz oder
teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger
Härten geboten ist“. Dies geht auch schon vor Abschluss der Sanierung. Von einem
öffentlichen Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann ausgegangen werden, wenn

994 Vgl. Niedersächsisches OVG, B. v. 18.1.2017 – 1 ME 189/16 –, ZfBR 2017, 282.


995 BVerwG, U. v. 24.5.2006 – 4 C 9.04 –, BauR 2006, 1726–1730, NVwZ 2007, 299–301.
996 Zur Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen vgl. BGH, U. v. 8.5.1980 – III ZR 27/
77 –, DVBl. 1981, 90; BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 16.78 –, ZfBR 1981, 290; Niedersächsisches
OVG, U. v. 30.10.1986 – 6 OVG A 32/85 –, ZfBR 1987, 206.

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durch den Verzicht auf den Ausgleichbetrag ein im allgemeinen öffentlichen Interesse
der Gemeinde liegendes Vorhaben gefördert werden kann. Ein solches öffentliches
Interesse sieht das Bundesverwaltungsgericht nur bei einem spezifisch sanierungsrecht-
lichen Zusammenhang gegeben. Das bedeutet, dass sich der Verzicht auf Ausgleichsbe-
tragserhebung damit begründen lassen können muss, dass der Einnahmeausfall da-
durch kompensiert wird, „dass der begünstigte Eigentümer einen Beitrag zur
Förderung der mit der Sanierung verfolgten Ziele und Zwecke erbringt“. Sonstige
öffentliche Interessen, etwa die Förderung eines als gemeinnützig anerkannten Trägers
seines betreuten Seniorenwohnheims, begründet noch nicht den Erlass eines Aus-
gleichsbetrags im Sinne der Vorschrift997. Zum „Endwert“ gehören auch die durch
einen Sanierungsbebauungsplan vermittelten Wertsteigerungen998. Wenn sich die Ge-
meinde für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen entschieden hat, können auch die
Kosten für (zusätzliche) Erschließungsmaßnahmen im Sinne des § 127 Abs. 2 sowie
von der Gemeinde zunächst getragene Kosten für Maßnahmen zum Ausgleich nur
über den Ausgleichsbetrag erhoben werden (dieses gilt dann nicht, wenn Erschlie-
ßungs-Beitragspflichten bereits vor der förmlichen Festlegung als Sanierungsgebiet ent-
standen sind)999. Grundsätzlich ist der Ausgleichsbetrag nach Abschluss der Sanierung
zu erheben. Der Abschluss ist (regelmäßig) identisch mit der Aufhebung der Sanie-
rungssatzung1000. Das Ausrechnen des Wertunterschieds zwischen dem „Anfangs-
wert“ und dem „Endwert“ von Grundstücken in Sanierungsgebieten ist nicht immer
einfach, weil der Anfangswert ein rein hypothetischer Wert ist1001 und auch der End-
wert meist nicht real anlässlich einer Veräußerung ermittelt, sondern nur durch Ver-
gleichspreise1002 bestimmt werden kann. Zur Bestimmung des Anfangswerts muss
man so tun, als wäre die Sanierung nicht durchgeführt worden; der Endwert kann
real nur ermittelt werden, wenn das Grundstück nach Abschluss der Sanierung zu
regulären Marktbedingungen verkauft wird (was keineswegs der Regelfall ist). Eine
aus bestimmten Faktoren im Vorher-/Nachher-Vergleich abgeleitete Wertsteigerung
(z. B. aus einer Verbesserung der Infrastruktur, dem Anteil der Ausstattung der Woh-
nungen im Gebiet mit Bad und Sammelheizung usw.) kann den gesetzlichen Anforde-
rungen genügen1003. Die errechneten Werte müssen dem Marktgeschehen entsprechen.
Die zahlungspflichtigen Grundeigentümer müssen nur das bezahlen, was der Markt
hergibt. Unter diesen Umständen kann es vorkommen, dass der Verwaltungsaufwand
zur exakten Ermittlung der einzelnen Bodenwerte und zur Beitreibung der Abgabe
größer ist als der Ertrag, der schließlich durch die Ausgleichsabgabe von den Gemein-
den vereinnahmt werden könnte. Der Gesetzgeber hat daher die Gemeinden durch die
Novellierung des Städtebauförderungsgesetzes noch im Jahr 1985 – also schon wäh-
rend der Beratungen zum Baugesetzbuch – ermächtigt, von der Erhebung des Aus-
gleichsbetrags abzusehen, wenn eine geringfügige Bodenwerterhöhung gutachtlich er-
mittelt worden ist und der Verwaltungsaufwand für die Erhebung des
Ausgleichsbetrages in keinem vernünftigen Verhältnis zu den möglichen Einnahmen
steht (§ 155 Abs. 3). Die gutachtliche Bewertung der Bodenwertveränderungen
braucht sich in diesem Fall wohl nur auf das Gebiet insgesamt zu beziehen, vermeidet
also die schwierigen und streitbefangenen Einzelberechnungen. Fehlen ausreichende

997 BVerwG, U. v. 13.7.2006 – 4 C 5/05 –, NVwZ 2006, 1416.


998 Zur Berechnung vgl. BGH, U. v. 8.5.1980 – III ZR 27/77 –, NJW 1980, 2814.
999 OVG Schleswig-Holstein, B. v. 8.2.2012 – 9 LA 42/11–, DÖV 2012, 404.
1000 Vgl. Bayerischer VGH, U. v. 31.3.2004 – 15 B 00.3239 –, ZfBR 2004, 584.
1001 Zur Berechnung BVerwG, U. v. 17.5.2002 – 4 C 6.01 –, ZfBR 2002, 801 (Ein Abstellen auf den
seinerzeit gezahlten Kaufpreis ist grundsätzlich unzulässig – selbst wenn dieser Betrag der Preisprüfung
unterlegen hat).
1002 Vgl. dazu das Kapitel B.XVI. „Bodenwertermittlung“.
1003 OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 25.1.2018 – 2 B 18/16 –, GuG 2018, 186; OVG Berlin-Brandenburg,
U. v. 14.3.2016 – 10 S 9/16 –, GuG 2016, 404.

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Daten für eine Vergleichswertberechnung, kommen grundsätzlich auch Berechnungs-


methoden in Frage, die Aufschluss über die Bodenwerterhöhung geben können.1004
§ 154 lässt sich nicht entnehmen, mit welcher Methode Anfangs- und Endwerte ermit-
telt werden. Vorgaben zur Ermittlung und Bewertung finden sich in der Immobilien-
wertermittlungsverordnung (ImmoWertV), der allerdings keine unmittelbare Bin-
dungswirkung für andere Sachverständige zukommt. In der Regel wird das
Vergleichswertverfahren herangezogen, je nach Einzelfall können auch andere Metho-
den geeignet sein (etwa eine näherungsweise Ermittlung des Anfangswerts durch Itera-
tion auf Grundlage eines marktwirtschaftlich ermittelten Endwerts). Ob zur Berech-
nung von Anfangs- und Endwert eine Wertermittlungsmethode im gleichen Maße
geeignet ist wie die in der ImmoWertV geregelte Methode, ist allerdings keine Rechts-
frage, sondern eine Tatfrage1005.
Die Erhebung der Ausgleichsbeträge stellt die Behörden häufig vor große Schwierigkei-
ten. Durch Aufnahme einer neuen Regelung hat der Gesetzgeber mit der Novelle 2007
einen Modus gefunden, der die Erhebung des Ausgleichsbetrags in bestimmten Fällen
deutlich zu vereinfachen hilft, ohne dass eine unangemessene Verschwendung öffentli-
cher Gelder zu befürchten ist. Nach dem neu eingeführten Berechnungsmodus ergibt
sich der Ausgleichsbetrag allein aus dem Aufwand für die Erweiterung oder Verbesse-
rung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 (Verkehrsanla-
gen). Die dabei entstandenen Kosten werden anteilig auf die Grundstücke umgelegt.
Maßgeblich ist die Größe des jeweiligen Grundstücks im Verhältnis zur Gesamtgröße
des Sanierungsgebiets abzüglich der Flächen für die Verkehrsanlagen. Dieses Berech-
nungsverfahren ist ausgeschlossen, wenn die sanierungsbedingte Erhöhung der Boden-
werte der Grundstücke wesentlich über der Hälfte des Aufwands aufgrund der Erwei-
terung oder Verbesserung der Erschließungsanlagen liegt. Es kommt zudem nur in
Frage, wenn die Gemeinde dazu einen entsprechenden Satzungsbeschluss fasst. Durch
die Neuregelung ist die Berechnung vollständig der schwierigen Ermittlung der Boden-
werterhöhung durch Gegenüberstellung von Anfangs- und Endwert entzogen. Im Un-
terschied zu den übrigen Regelungen des § 154 sowie weiteren in § 169 Abs. 1 aufge-
listeten Vorschriften darf die vereinfachte Ausgleichsbetragsermittlung nicht im
Zusammenhang mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen angewendet werden.
Sofern die Gemeinde im „Normalverfahren“ bleibt, sind während der Sanierung eine
Reihe von Sondervorschriften zu beachten, durch die dafür gesorgt werden soll, dass
die Erhebung von Ausgleichsbeträgen gleichsam von der Gemeinde vorweggenommen
wird, wenn sie während der Sanierung (also noch vor Erhebung der Ausgleichsbeträge)
Grundstücke im Sanierungsgebiet erwirbt oder veräußert: Kauft sie, darf sie nicht
mehr als den Anfangswert bezahlen; verkauft sie, muss sie den Endwert verlangen.
Erwirbt sie durch Enteignung, darf die Entschädigung ebenfalls nicht den Anfangswert
übersteigen. Auch bei Veräußerungen von Privat an Privat findet (anlässlich der Ge-
nehmigung nach § 144) eine Preisprüfung statt, durch die Preise oberhalb des Anfangs-
werts verhindert werden sollen. Nach § 153 Abs. 2 Satz 2 entfällt die Preisprüfung
nur, wenn die Verpflichtung zur Entrichtung des Ausgleichsbetrags nach § 154 Abs. 3
erloschen ist. Dies ist möglich entweder durch die Vereinbarung und Zahlung eines
Ablösungsbetrags nach § 154 Abs. 3 Satz 2 oder durch die vorzeitige Festsetzung des
Ausgleichsbetrags auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen nach § 153 Abs. 2
Satz 3. In diesen beiden Fällen ist der Ausgleichbetrag vor Abschluss der Sanierung
entrichtet worden; eine Preisprüfung ist dann logischerweise nicht mehr erforderlich.
Mit der Erhebung von Ausgleichsbeträgen sind schließlich noch die Erhebung von
Erschließungs-, landesrechtlichen Ausbaubeiträgen und von Kostenerstattungsbeträ-

1004 Vgl. dazu die Bewertung des „Chemnitzer Modells“ durch das Sächsische OVG, B. v. 5.3.2009 – 1 A
374/08 –, BauR 2010, 895.
1005 BVerwG, U. v. 27.11.2014 – 4 C 31.13 –, ZfBR 2015, 268.

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gen für naturschutzrechtliche Ausgleichsbeträge sowie die Abrechnung des Umle-


gungsvorteils im Fall einer Sanierungsumlegung harmonisierungsbedürftig. Sowohl Er-
schließungsmaßnahmen als auch naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen wie
auch Umlegung führen (wie oben besprochen) zu Bodenwertsteigerungen im Sanie-
rungsgebiet; da sich die Ausgleichsbeträge auf ebendieselben Bodenwertsteigerungen
beziehen, würde sich die Erhebung aller dieser Beträge nebeneinander überschneiden.
Um zu verhindern, dass Eigentümer doppelt zur Kasse gebeten werden, ordnet das
Gesetz an,
– dass im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet die Regelungen über die Erhebung
von Erschließungs- bzw. Ausbaubeiträgen für die Herstellung, Erweiterung oder
Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 ebenso nicht
anzuwenden sind (§ 154 Abs. 1 Satz 3) wie die Regelung über die Geltendmachung
der Kostenerstattungsbeträge nach § 135a Abs. 3 (§ 154 Abs. 1 Satz 4) – und zwar
unabhängig von der Frage, ob es tatsächlich zur Erhebung der Ausgleichsbeträge
kommt oder ob die Gemeinde wegen Geringfügigkeit verzichtet – und
– dass im Falle einer Sanierungsumlegung der Flächenmaßstab nach § 58 nicht zur
Anwendung kommt (§ 153 Abs. 5 Nr. 3), sondern der Sanierungsvorteil in den
Umlegungsvorteil der Wertumlegung einbezogen wird.
Die Frage, inwieweit Miteigentümer sowie Wohnungs- und Teileigentümer am Aus-
gleichsbetrag zu beteiligen sind, ist durch die Novelle 2007 nachjustiert worden. Die
Regelung dazu entspricht nun der Systematik aus dem Erschließungsbeitragsrecht ge-
mäß § 134 Abs. 1 Satz 4 zur Frage der Beitragspflicht. Miteigentümer haften als Ge-
samtschuldner mit der Folge, dass der Gläubiger (also die Gemeinde bzw. der an ihre
Stelle tretende Sanierungsträger) gemäß § 421 BGB die Leistung von jedem der Schuld-
ner ganz oder zu einem Teil fordern kann. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung
bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. Der Anteil an dem insgesamt zu erbringenden
Ausgleichsbetrag richtet sich im Falle von Wohnungs- und Teileigentümern nach dem
Miteigentumsanteil. Gleiches gilt umgekehrt im Fall eines durch die Gemeinde bzw.
den Sanierungsträger zu verteilenden Überschusses.
Gerade im Zusammenhang mit dem Ausgleichsbetrag wird besonders deutlich, zwi-
schen welchen unterschiedlichen Verfahrensmodalitäten die Gemeinde bei der Sanie-
rung wählen kann: Wählt sie das „vereinfachte Verfahren“, so scheidet die Erhebung
von Ausgleichsbeträgen generell und unwiderruflich aus; die besonderen Genehmi-
gungspflichten bleiben im Prinzip erhalten, können aber ebenfalls ganz oder teilweise
ausgeschlossen werden. Bleibt die Gemeinde im „Normalverfahren“, so kann sie
durch die Zuschaltung von Sammelgenehmigungen und den nachträglichen Verzicht
auf die Erhebung von Ausgleichsbeträgen dafür sorgen, dass auch hier so zügig und
unbürokratisch wie möglich verfahren wird. Nur in komplexen Situationen soll und
muss die Gemeinde jeden Einzelfall von baulichen Vorhaben, Grundstücksveränderun-
gen, Teilungen, Belastungen usw. im Sanierungsgebiet der vollen Genehmigungspflicht
unterwerfen. Nur im Zusammenhang mit Sanierungen, in deren Verlauf deutliche Bo-
denwertsteigerungen zu erwarten und zu verzeichnen sind, bleibt die Pflicht zur Erhe-
bung von Ausgleichsbeträgen definitiv bestehen. Diesem Aufwand kann sich die Ge-
meinde dann entziehen, wenn die Anwendung des § 154 Abs. 2a in Frage kommt
(siehe oben).
Die Erhebung von Ausgleichsbeträgen darf von der Gemeinde nicht beliebig lang in
die ferne Zukunft verschoben werden, nachdem der Sanierungsvorteil erlangt worden
ist1006. Dies stellt der im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben
sicher. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) beträgt die Festsetzungs-
frist für eine sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe vier Jahre, nach § 170 Abs. 1 AO

1006 Vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2014 – 4 C 11.13 –, ZfBR 2017, 690.

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beginnt sie mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die
Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der förmlichen Aufhebung der
Sanierungssatzung. Allerdings tritt die Sanierungssatzung wie dargestellt auch nach
Fristablauf so lange nicht außer Kraft, wie es an einer rechtsförmlichen Aufhebung
fehlt. Mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und –vorherseh-
barkeit1007 darf die Gemeinde die Aufhebung einer Sanierungssatzung jedoch nicht
unterlassen, obwohl die Voraussetzungen für eine Aufhebung gegeben sind. Handelt
eine Gemeinde in diesem Zusammenhang treuwidrig, verwirkt sie ihr Recht zur Erhe-
bung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge. Treuwidriges Verhalten der Gemeinde
liegt noch nicht bei verspäteter Aufhebung der Sanierungssatzung vor, sondern erst
dann, wenn es infolge der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung aller
Umstände nicht mehr zumutbar erscheint, vom Bürger die Abgabe zu verlangen1008.
6. Die Einschaltung von Sanierungsträgern und anderen Beauftragten
Manche Gemeinden ziehen es vor, die Sanierung nicht in eigener Regie, sondern unter
Einschaltung von Sanierungsträgern durchzuführen. Besonders in Berlin ist dieses Ver-
fahren in großem Umfang angewendet worden. Wegen der großen Verantwortung, die
der Träger im Hinblick auf die schwerwiegenden Auswirkungen der Sanierung gegen-
über Eigentümern und Betroffenen zu übernehmen hat, durften bis 2004 als Sanie-
rungsträger nur solche Unternehmen beauftragt werden, denen die nach Landesrecht
zuständige Behörde bestätigt hatte, dass sie für die Übernahme der Aufgaben als Sanie-
rungsträger geeignet seien. Mit dem EAG Bau ist diese Vorprüfungs- und Bestätigungs-
pflicht abgeschafft worden. Die Gemeinden sollen eigenverantwortlich entscheiden
dürfen, wen sie als Sanierungsträger einschalten möchten. Für die Einschaltung als
Sanierungsträger kommen nur Unternehmen in Frage, die nicht selbst als Bauunter-
nehmen tätig sind oder von einem Bauunternehmen abhängen, sowohl nach der Ge-
schäftstätigkeit als auch nach den wirtschaftlichen Verhältnissen konzeptionell zur
Leitung einer Sanierung geeignet sind, sich einer öffentlichen Prüfung unterworfen
haben oder unterwerfen und deren leitende Angestellte die erforderliche Zuverlässig-
keit besitzen.
Wenn ein geeigneter Sanierungsträger gefunden worden ist, kann dieser im Auftrag
der Gemeinde die Ordnungsmaßnahmen durchführen, Grundstücke oder Rechte an
ihnen zur Vorbereitung und Durchführung der Sanierung im Auftrag der Gemeinde
erwerben und auch die der Sanierung dienenden Mittel bewirtschaften. Die rechtliche
Verpflichtung des Sanierungsträgers erfolgt durch städtebaulichen Vertrag. Dies ist
einer der acht Vertragstypen, die in städtebaulichen Veranstaltungsgebieten vom Ge-
setz vorgesehen sind. Die übrigen Typen sind:
a) Abwendung von Genehmigungshindernissen im Rahmen des § 144 durch vertrag-
liche Zusicherungen;
b) Übertragung der Durchführung von Ordnungsmaßnahmen nach § 147 auf den
oder die Grundeigentümer;
c) Regelung der Modalitäten der Zahlung des Ausgleichsbetrags durch Ablösung
oder Umwandlung in ein Darlehen nach §§ 154 Abs. 3 und 5;
d) Erwerb von Grundstücken im Gebiet unter besonderen und kontrollierten Bedin-
gungen: Preiskontrolle nach § 153 Abs. 3 und 4, Vorkaufsrecht der Gemeinde nach
§ 24 Abs. 1 Nr. 3, Übernahmeanspruch des Eigentümers nach § 145 Abs. 5 bei
Versagung einer Genehmigung nach § 144;
e) Bindung eines Grundstückskäufers an Ziele der Maßnahme bei Abwendung des
Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1;

1007 Vgl. BVerfG, B. v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 –, NVwZ 2013, 1004.


1008 Vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2014 – 4 C 11.13 –, ZfBR 2017, 690.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

f) Abwendung der Bodenerwerbspflicht der Gemeinde in Entwicklungsbereichen


nach § 166 Abs. 3;
g) Sicherung der Pflichten der Grundstückserwerber im Rahmen der Wiederveräuße-
rungspflicht der Gemeinde nach § 169 Abs. 6 und 7.
7. Die Finanzierung der Stadterneuerung
Die Finanzierung der Sanierung aus öffentlichen Haushalten war ursprünglich im
Städtebauförderungsgesetz relativ ausführlich geregelt. Das Städtebauförderungsgesetz
hatte auch vorgesehen, dass nach gemeinsamer Planung von Bund und Ländern jähr-
lich im Bundeshaushalt Mittel nach Art. 104a GG (seit 1.9.2006 Art. 104b GG) für
den Einsatz in der Stadterneuerung bereitgestellt werden sollten. Die Mischfinanzie-
rung war im Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses des BauGB im Jahre 1986 bei den
Ländern jedoch in einem solchen Umfang auf Kritik gestoßen, dass diese Regelungen
nicht in das BauGB übernommen wurden. Die Länder fühlten sich in ihren Kompeten-
zen durch den „goldenen Zügel“ des Bundes beeinträchtigt, sie wollten über Mittel-
höhe und Mitteleinsatz in der Stadterneuerung ohne vorherige Abstimmungsverhand-
lungen mit dem Bund entscheiden. Diese hehren Grundsätze gerieten jedoch schnell
ins Wanken, als der Mittelbedarf für die Stadterneuerung nach der Wiedervereinigung
in ungeahnte Höhen stieg. Daher wurden alljährlich Verwaltungsvereinbarungen zwi-
schen Bund und Ländern über den Einsatz von Bundesmitteln für Sanierungszwecke
abgeschlossen.
Diese Praxis ist durch den mit dem BauROG in das BauGB eingefügten § 164b positiv
festgeschrieben worden. In § 164a ist auch ein Teil der Finanzierungsregeln übernom-
men worden, die zunächst noch im StBauFG verblieben und über das BauGB durch
Verweisung pauschal für anwendbar erklärt worden waren. Dazu gehört insbesondere
die Regelung des zulässigen Einsatzbereichs der Fördermittel, nämlich für:
– die Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen;
– die Durchführung von nicht rentierlichen Ordnungsmaßnahmen einschließlich
Entschädigungen, soweit durch sie kein bleibender Gegenwert erzielt wird – bei
den Ordnungsmaßnahmen sind die persönlichen und sachlichen Kosten der Ge-
meindeverwaltung nicht förderfähig;
– die Durchführung von Baumaßnahmen (speziell der Bau von Wohnfolgeeinrich-
tungen);
– die Vergütung für Sanierungsbeauftragte;
– Ausgaben für den Sozialplan und den Härteausgleich.
In § 164b ist die Möglichkeit des Bundes, zur Förderung städtebaulicher Sanierungs-
maßnahmen den Ländern Finanzhilfen nach Art. 104b GG für Investitionen der Ge-
meinden und Gemeindeverbände zu gewähren, ausdrücklich angesprochen. Das Nä-
here soll jeweils durch Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern
festgelegt werden. Die Einsatzmöglichkeiten der Mittel sind so definiert, dass sie auch
in städtebaulichen Entwicklungsbereichen verwendet werden können (vgl. § 164b
Abs. 2 Nr. 2).
Die Finanzhilfen des Bundes, die über die Länder an die Gemeinden geleitet werden,
sollen nach § 164b schwerpunktmäßig zur Stärkung von Innenstädten und Ortsteil-
zentren sowie zur Herstellung der Wiedernutzbarkeit von brachliegenden Industrie-,
Konversions- oder Eisenbahnflächen, für die Errichtung von Wohn- und Arbeitsstät-
ten, Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen sowie zur Behebung sozialer Missstände
eingesetzt werden. Auch eine umweltschonende, kosten- und flächensparende Bau-
weise ist schwerpunktmäßig förderfähig. Nachdem der Gesetzgeber durch die Novelle
2013 auch die energetische Beschaffenheit sowie die Gesamtenergieeffizienz der Be-
bauung als Beurteilungsmerkmal für städtebauliche Missstände ins BauGB aufgenom-
men hat, dürften auf solche Missstände reagierende Maßnahmen zur Verbesserung
der Energieeffizienz baulicher Anlagen zugunsten des Klimaschutzes unter der Über-

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

schrift der „umweltschonenden Bauweise“ förderfähig sein. Städtebauförderungsmit-


tel können auch außerhalb von förmlich festgelegten Sanierungsgebieten eingesetzt
werden, wenn dies durch Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern aus-
drücklich erlaubt ist. Vergleicht man die Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebau-
förderung über mehrere Jahre, werden Verschiebungen in der Prioritätensetzung deut-
lich. Zwischen 2011 und 2017 ist die Fördersumme von 455 Mio. A (2011–2013) über
650 Mio. A (2014–2015) schrittweise auf 790 Mio. A (2017) gestiegen. Im Förderjahr
2017 stand zudem das bundeseigene „Nationale Bundesprogramm des Städtebaues“
mit einem Volumen von 75 Mio. A zur Verfügung. In diesem Zeitraum sind ausweislich
der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2017 zugleich die Programmpunkte
„Sanierung und Entwicklung Ost und West“ ausgelaufen. Verblieben sind im Jahr
2017 sieben Programme (gegenüber neun in den Jahren zuvor): „Stadtumbau Neue
Länder“, „Stadtumbau Alte Länder“, „Städtebaulicher Denkmalschutz Neue Län-
der“, „Städtebaulicher Denkmalschutz Alte Länder“, „Soziale Stadt“, „Aktive Stadt-
und Ortsteilzentren“ sowie „Kleinere Städte und Gemeinden“. Neu aufgenommen
wurde das Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ (ausgestattet mit 50 Mio. A). Inner-
halb dieser Programme haben sich Umverteilungen bei den Fördermengen ergeben.
Während über viele Förderperioden die Töpfe für den „Stadtumbau Ost“ besser aus-
gestattet waren als für den „Stadtumbau West“, sind die Vorzeichen mittlerweile ver-
kehrt worden: „Stadtumbau Ost“ (120 Mio A) und „Stadtumbau West“ (140 Mio A)
werden erstmals annähernd gleich behandelt. Nach der Neuordnung und Umvertei-
lung lassen sich städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen über die
Fördertöpfe aus den Programmen „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, „Kleinere
Städte und Gemeinden“ sowie „Zukunft Stadtgrün“ weiterhin finanzieren.
Wenn sich nach der Endabrechnung der Sanierungsmaßnahme ein Überschuss ergibt,
müssen zunächst die Fördermittel anteilig zurückgezahlt werden. Die Rückzahlung
eines etwaigen Überschusses an die Grundeigentümer ist in § 156a geregelt. Wenn sich
auch nach Abzug der Fördermittel durch die Erhebung der Ausgleichsbeträge bei den
Grundeigentümern ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben der Gemeinde
für die Sanierung ergibt, dann muss dieser Überschuss an die Grundeigentümer zu-
rückgezahlt werden. Besonders an dieser Regelung wird deutlich, dass die Erhebung
der Ausgleichsbeträge nicht primär auf Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen zielt,
sondern eine Methode der Einziehung und Berechnung eines Kostenbeitrags ist. Die
Rückzahlung erfolgt prinzipiell an die Eigentümer, die bei Bekanntmachung des Be-
schlusses über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets Grundeigentümer im
Sanierungsgebiet waren. Bei späterem Eigentümerwechsel wird der anteilige Über-
schussbetrag je zur Hälfte an den früheren Eigentümer und an den gezahlt, der zum
Ausgleichsbetrag herangezogen worden ist. Zwischeneigentümer bleiben unberück-
sichtigt; sie durften – nach Preisprüfung – ohnehin nur zum Anfangswert kaufen und
wieder verkaufen. Die Verteilung des Überschusses unter die Eigentümer insgesamt
richtet sich nach dem Verhältnis der Anfangswerte der Grundstücke untereinander.
8. Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach §§ 165–171 BauGB
Das Recht der Entwicklungsmaßnahmen stammt ebenso wie das Recht der Stadter-
neuerung aus dem Städtebauförderungsgesetz. Das StBauFG bezog sich nicht nur auf
städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, sondern auch auf „Entwicklungsmaßnah-
men“. Darunter waren Maßnahmen zu verstehen, durch die entsprechend den Zielen
der Raumordnung und Landesplanung
– neue Orte geschaffen oder
– vorhandene Orte zu neuen Siedlungseinheiten entwickelt oder
– vorhandene Orte um neue Ortsteile erweitert werden sollten.
Der Entwicklungsbereich wurde nach der ursprünglichen Konzeption durch Rechts-
verordnung der Landesregierung förmlich festgelegt. Den Gemeinden war nur die Aus-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

führung der Maßnahme zugewiesen. Vom Entwicklungsbereich erfasste im Zusam-


menhang bebaute Ortsteile waren von ihnen als Anpassungsgebiete (ohne Bodener-
werbspflicht) festzulegen.
Bei Verabschiedung des BauGB war man der Ansicht, dass derartige umfangreiche
Neusiedlungsvorhaben wegen der stagnierenden oder rückläufigen Bevölkerungsent-
wicklung in der Bundesrepublik in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt würden. Man
hat daher das Recht der Entwicklungsmaßnahmen zunächst nur noch für bereits fest-
gelegte Entwicklungsbereiche in das Baugesetzbuch übernommen. Nach der ursprüng-
lichen Fassung des § 165 waren nur bis zum 30.6.1987 durch Rechtsverordnung des
jeweils zuständigen Landes festgelegte Entwicklungsbereiche nach den in das Bauge-
setzbuch als §§ 165 bis 171 integrierten Vorschriften abzuwickeln1009. Anlässlich des
Wohnungsbauerleichterungsgesetzes von 1990 ist die „städtebauliche Entwicklungs-
maßnahme“ jedoch neu entdeckt worden. Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit
dem BauGB-Maßnahmengesetz 1990 können Entwicklungsbereiche wieder neu ausge-
wiesen werden, und zwar durch kommunale Satzung – nicht mehr durch RVO des
Landes. Die räumlich verkleinert gedachten, „kommunalisierten“ Entwicklungsberei-
che sollen nunmehr insbesondere „zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und
Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur
Wiedernutzung brachliegender Flächen“ (§ 165 Abs. 3 Nr. 2) dienen. Insgesamt sollen
durch städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen „Ortsteile und andere Teile des Ge-
meindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Ent-
wicklung und Ordnung der Gemeinde“ (oder der Region) entweder
– erstmalig entwickelt oder
– im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung einer neuen Entwicklung zugeführt
werden.
In dem Maße, in dem vor allem Großstädte wieder von verstärktem Wachstum und
einer Verknappung der Immobilien gekennzeichnet sind, rückt das Instrument der
Entwicklungsmaßnahme wieder in den Fokus der kommunalen Stadtentwicklungspo-
litik. Nach wie vor hat die Entwicklungsmaßnahme etwas „qualitativ Neues“ zum
Ziel1010. Bei der – zulässigen – städtebaulichen Neuordnung eines bereits bebauten
Gebiets1011 kann sie in große Nähe zu einer Funktionsschwächensanierung geraten.
Entscheidend ist hier die Bereitschaft der Eigentümer zur Mitwirkung: Sind alle Eigen-
tümer mitwirkungsbereit, kann es beim Abschluss von städtebaulichen Verträgen und/
oder bei Festlegung einer Sanierungsmaßnahme bleiben. Verweigern sich auch nur
einige oder nur einer, ist die Entwicklungsmaßnahme gerechtfertigt.
Mit dem Wohnbaulandgesetz von 1993 ist die Entwicklungsmaßnahme wieder zum
vollgültigen Bestandteil des Baugesetzbuchs geworden. Nach Maßgabe der nach dem
Vorbild des BauGB-Maßnahmengesetzes i. d. F. von 1990 neu gefassten §§ 165 bis 171
löst die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs durch gebietsumgrei-
fende Satzung (Entwicklungssatzung) vor allem nachstehende Folgen aus:

1009 Zur Entwicklungsmaßnahme alten Rechts vgl. aus der Rechtsprechung: OVG Schleswig-Holstein, B.
v. 5.11.1975 – I C 3/74 –, NJW 1976, 2281; OVG Schleswig-Holstein, 1978, 72; OVG Schleswig-
Holstein, U. v. 15.12.1977 – 1 A 311/74 –, NJW 1979, 1316; Hessischer VGH, B. v. 30.12.1980 – 4
N 10/74 –, BRS 38 Nr. 218 (Dietzenbach); BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 16.78 –, ZfBR 1981, 290
(Brunsbüttel); BVerwG, U. v. 15.1.1982 – 4 C 94.79 –, ZfBR 1982, 87; OVG Bremen, U. v. 12.4.1983
– OVG 1 N 1/82 –, DÖV 1983, 637 (Güterverkehrszentrum); VGH Baden-Württemberg, U. v.
4.7.1985 – 8 S 1923/83 –, ZfBR 1986, 52; BGH, U. v. 12.1.1984 – III ZR 99/85 –, NJW 1984, 1880
(Brunsbüttel); BGH, U. v. 2.10.1986 – III ZR 99/85 –, ZfBR 1987, 110 (Regierungsviertel Bonn);
Hessischer VGH, B. v. 27.1.1987 – 4 N 4/81 –, ZfBR 1987, 204 (Neu-Anspach); BayVGH, U. v.
17.12.1987 – 2 N 86 – 01623 –, Mitt. DST 887/88 v. 23.9.1988 (Regensburg).
1010 So das OVG Berlin, U. v. 28.11.1997 – 2 A 7.94 –, ZfBR 1998, 211 (Eldenaer Schlachthof).
1011 BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 BN 22.98 –, ZfBR 1998, 313 (Bestätigung von OVG Berlin – Eldenaer
Schlachthof).

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

1. Kernstück der Erklärung zum Entwicklungsbereich ist die Aufforderung des Geset-
zes an die Gemeinde, im von ihr förmlich festgelegten Entwicklungsbereich alle
Grundstücke zu erwerben (es sei denn, die künftige Nutzung eines Grundstücks
ist bereits bestimmbar und der betroffene Eigentümer sichert eine plangemäße
Nutzung des Grundstücks zu). Grundstücke, deren Eigentümer nicht veräuße-
rungsbereit sind, können ohne Bebauungsplan und ohne zusätzliche Prüfung der
Frage, ob „Gründe des allgemeinen Wohls“ im Sinne des § 87 gegeben sind, enteig-
net werden. Dies ist deshalb konsequent, weil städtebauliche Entwicklungsmaß-
nahmen mitsamt dem Eingriffsinstrumentarium nur unter den Voraussetzungen
des § 165 Abs. 3 Nr. 1 – 4 durchgeführt werden dürfen, also unter anderem nur
dann, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der Entwicklungsmaß-
nahme erfordert. Diese Frage wird bereits im Zuge der vorbereitenden Untersu-
chungen geprüft und muss daher nicht erneut untersucht werden. Eine Entwick-
lungsmaßnahme kann nicht mit dem Wohl der Allgemeinheit begründet werden,
wenn die mit ihr verfolgten Ziele ebenso gut mit Hilfe der Instrumente des allge-
meinen Städtebaurechts erreicht werden können.1012 Unterm Strich ist die Ent-
wicklungsmaßnahme gerade wegen der „enteignungsrechtlichen Vorwirkung“
„das schärfste Schwert des Bodenrechts“. Die Rechtsprechung gewährt insoweit
keinen Abwägungsspielraum1013. Privates Eigentum kann nach Art. 14 Abs. 3
Satz 1 GG nur dann durch Enteignung entzogen werden, wenn es für die Verwirk-
lichung besonders schwerwiegender und dringender öffentlicher Interessen benö-
tigt wird. Soweit die Ableitung dieses Interesses auf Prognosen beruht, müssen
diese sachgerecht und vertretbar sein, d. h. auf der Grundlage von Tatsachen und
wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt worden sein. „Gegriffene“ Ansätze
dürfen nicht herangezogen werden, obwohl ex ante betrachtet bessere Möglichkei-
ten zur Entwicklung der Prognose bestanden.1014 Es liegt jedoch auf der Hand,
dass die Enteignungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der förmlichen Festlegung des
Gebiets für ganz bestimmte einzelne Grundstücke noch nicht abschließend geprüft
werden können; die konkretisierte Prüfung erfolgt erst im Enteignungsverfah-
ren1015. Prognosen lassen sich auch nicht exakt naturwissenschaftlich beweisen.
Daher hat die Rechtsprechung zu §§ 165 ff. einen Prognosespielraum anerkannt,
wenn die Ergebnisse nachvollziehbar und methodisch einwandfrei ermittelt wor-
den sind.1016
2. Als Kaufpreis bzw. Enteignungsentschädigung darf nur der Betrag gezahlt werden,
der den Bodenwert des Grundstücks ohne Aussicht auf die Entwicklungsmaß-
nahme wiedergibt. Im günstigsten Fall einer Entwicklungsmaßnahme „auf der grü-
nen Wiese“ ist dies der „begünstigte Ackerlandwert“, also der Preis von Ackerland
im Umkreis von Siedlungen ohne konkrete Bauerwartung.
3. Eigentümer, denen die Weiternutzung ihrer Grundstücke im Sinne der Entwick-
lungsmaßnahme nicht zuzumuten ist, haben einen Übernahmeanspruch gegen die
Gemeinde.
4. Im Geltungsbereich der Entwicklungssatzung sind alle wesentlichen Rechtsvor-
gänge im Zusammenhang mit den betroffenen Grundstücken genehmigungspflich-
tig.
5. Es besteht ein besonderes gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde an allen
Grundstücken im Bereich der Entwicklungssatzung.
6. Die Betroffenen müssen beteiligt werden, sie sind ihrerseits auskunftspflichtig.

1012 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 18.5.2010 – 10 D 42/06.NE –, BauR 2010, 1890.


1013 Vgl. BVerwG, B. v. 5.8.2002 – 4 BN 32/02 –, NVwZ-RR 2003, 7 = ZfBR 2003, 45.
1014 Vgl. BVerfG, B. v. 2.6.2008 – 1 BvR 349/04 –, BauR 2009, 224.
1015 So BVerwG, B. v. 27.5.2004 – 4 BN 7.04 –, BauR 2004, 1584.
1016 Vgl. BVerfG, B. v. 2.6.2008 – 1 BvR 349/04 –, BauR 2009, 224.

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7. Die Kosten für Ordnungsmaßnahmen im förmlich festgesetzten Entwicklungsbe-


reich trägt zunächst die Gemeinde, die Kosten für Baumaßnahmen von vornherein
der Investor.
8. Die Gemeinde hat für den gesamten Entwicklungsbereich unverzüglich Bebauungs-
pläne aufzustellen1017.
9. Nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahme durch Aufhebung der Entwicklungs-
satzung hat die Gemeinde von den Eigentümern, die nicht veräußert haben und
auch nicht enteignet worden sind, einen Ausgleichsbetrag zu erheben, der dem
durch die Entwicklungsmaßnahme herbeigeführten Wertanstieg des Grundstücks
entspricht. Die Einforderung von Vorausleistungen auf diesen Ausgleichsbetrag ist
zulässig (unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Erschließungsbeitrag, d. h.
insbesondere in Verbindung mit einer Baugenehmigung). Anders als bei der städte-
baulichen Sanierungsmaßnahme kommt die Anwendung des § 154 Abs. 2a (Be-
rechnung des Ausgleichsbetrags aufgrund des entstandenen Aufwandes für die Er-
weiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2
Nr. 1 – 3) nicht in Betracht.
10. Grundstücke, die bereits vor Abschluss der Gesamtmaßnahme entsprechend den
Zielen und Zwecken der Maßnahme bebaut sind und genutzt werden, können
(oder müssen) vorzeitig aus der Maßnahme entlassen werden1018.
11. Nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahme insgesamt sind die von der Gemeinde
erworbenen Grundstücke „unter Berücksichtigung weiter Kreise der Bevölke-
rung“1019 wieder zu veräußern.
12. Die von der Gemeinde nach Abzug der öffentlichen Zuschüsse für die Entwicklung
insgesamt aufgewendeten Kosten sollen durch die Wiederveräußerung der erwor-
benen Grundstücke und durch die Ausgleichsbeträge der Eigentümer refinanziert
werden. Etwaige Überschüsse sind an die Eigentümer zurückzuzahlen.
13. Die Gemeinde kann einen Entwicklungsträger mit der Vorbereitung und Abwick-
lung der Entwicklungsmaßnahme beauftragen; daneben oder anstelle dessen darf
sie sich in eingegrenztem Umfang auch einfacher Beauftragter bedienen.
14. Nach Abschluss der Maßnahme ist die Satzung aufzuheben. Wenn sich die Maß-
nahme schon vorher als undurchführbar erweist, ist die Satzung ebenfalls aufzuhe-
ben; funktionslos wird sie dadurch jedoch nicht1020.
Vor Festlegung des Entwicklungsbereichs hat die Gemeinde wie bei einer Sanierung
„vorbereitende Untersuchungen“ durchzuführen, um hinreichende Beurteilungsgrund-
lagen über die Festlegungsvoraussetzungen zu gewinnen. Dabei ist insbesondere die
Frage zu klären, ob die Entwicklungsmaßnahme im Sinne des Wohls der Allgemeinheit
erforderlich ist1021, z. B. zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeits-
stätten1022 oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen; auch andere Entwick-
lungsziele sind denkbar1023 (wie z. B. die Schaffung eines Landschaftsparks für die

1017 Die B-Pläne teilen aber nicht notwendig das Schicksal der Entwicklungsmaßnahme. Ist diese nichtig,
führt das nicht automatisch zur Unwirksamkeit bereits aufgestellter B-Pläne – BVerwG, B. v. 31.3.1998
– 4 BN 4.98 und 4 BN 5.98 –, ZfBR 1998, 251, 252.
1018 Vgl. dazu Hessischer VGH, U. v. 17.9.1999 – 4 UE 952/99 –, ZfBR 2000, 282.
1019 Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.1.1995 – 8 S 841/94 –, ZfBR 1995, 275: Die Zuschlags-
entscheidungen der Gemeinde sind nur eingeschränkt überprüfbar.
1020 BVerwG, B. v. 16.2.2001 – 4 BN 55.00 und 4.BN 56.00 –, ZfBR 2001, 492 und 494.
1021 Zum Allgemeinwohlerfordernis: BVerfG, 4.7.2002 – 1 BvR 190/01 –, NVwZ 2003, 71; BVerwG,
27.5.2004 – 4 BN 7.04 –, ZfBR 2004, 579.
1022 Vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 13.1.2013 – 4 BN 4.12 –, ZfBR 2013, 365.
1023 BVerwG, B. v. 16.2.2001 – 4 BN 55.00 –, ZfBR 2001, 492 (Vielzahl weiterer öffentlicher Interessen
kommt in Betracht).

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Naherholung1024). Entwicklungsmaßnahmen als „Angebotsplanung“1025 sind jedoch


unzulässig1026. Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme lässt sich auch nicht al-
lein mit der fehlenden Verkaufsbereitschaft von Eigentümern begründen. Vielmehr
muss ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf vorliegen, der die Entwick-
lungsmaßnahme rechtfertigt. Alleiniger Anlass für eine städtebauliche Entwicklungs-
maßnahme darf auch nicht das Ziel der Finanzierung erforderlicher Infrastrukturin-
vestitionen sein, die für eine angestrebte Entwicklung erforderlich sind1027. Ziele der
Raumordnung dürfen der beabsichtigten Maßnahme (selbstverständlich) nicht entge-
genstehen1028. Der Beginn der vorbereitenden Untersuchungen ist öffentlich bekannt-
zumachen. Dadurch werden – wie in der Sanierung – die Bodenpreise eingefroren und
Zurückstellungen bzw. vorläufige Untersagungen in entsprechender Anwendung des
§ 15 möglich.
Bei der sich gegebenenfalls anschließenden förmlichen Festlegung ist der städtebauli-
che Entwicklungsbereich so zu begrenzen, „dass sich die Entwicklung zweckmäßig
durchführen lässt“. Eine Entwicklungsmaßnahme auf voneinander getrennten Teilflä-
chen ist nur zulässig, wenn die Teilflächen untereinander in einer funktionalen Bezie-
hung stehen, die die gemeinsame Überplanung und einheitliche Durchführung zur Er-
reichung des Entwicklungsziels nahelegt1029. Der Charakter als Gesamtmaßnahme
muss gewahrt bleiben. Die Entwicklungsmaßnahme darf sich auch auf ein baulich
genutztes Gebiet erstrecken, wenn dieses „neu“ entwickelt, umstrukturiert oder auch
nur im größeren Zusammenhang saniert werden soll1030. Einzelne Grundstücke, die
von der Entwicklung nicht betroffen werden, können ganz oder teilweise ausgenom-
men werden. Wenn sich in einem benachbarten Gebiet die Notwendigkeit von Anpas-
sungsmaßnahmen an die vorgesehene Entwicklung ergibt (damit ist vor allem die Un-
terbringung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen gemeint – vgl. § 169 Abs. 1
Nr. 2 i. V. m. § 142 Abs. 2), kann dieses Gebiet ergänzend als „Anpassungsgebiet“
festgelegt werden. Auch die Festlegung von „Ersatzgebieten“ für Ersatzbauten oder
Ersatzanlagen ist zulässig. In Anpassungs- oder Ersatzgebieten gilt das gesamte Son-
derrecht der Stadtsanierung; gegenüber dem eigentlichen Entwicklungsbereich entfal-
len praktisch nur die Bodenerwerbspflicht der Gemeinde und die Erleichterung von
Enteignungen (die im Entwicklungsbereich ohne B-Plan und ohne Anwendung des
§ 87 möglich sind). Wenn sich die Entwicklungsmaßnahme nachträglich als undurch-
führbar erweist, hat dies keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Entwicklungssat-
zung1031.
Bis zur BauGB-Novelle durch das EAG Bau 2004 bedurfte die Satzung zur förmlichen
Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs der Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde. Dem Antrag auf Genehmigung war ein Bericht über die Gründe
beizufügen, welche die förmliche Festlegung des entwicklungsbedürftigen Bereichs
rechtfertigten. Diese Genehmigungspflicht ist 2004 ersatzlos abgeschafft worden. Der
Entwicklungssatzung ist nur mehr eine Begründung beizufügen. In der Begründung
sind die Gründe darzulegen, die die förmliche Festlegung des entwicklungsbedürftigen

1024 Vgl. BVerwG, B. v. 30.1.2001 – 4 BN 72.00 –, ZfBR 2001, 276; BVerwG, B. v. 17.12.2003 – 4 BN
54.03 –, ZfBR 2004, 375 (Bremen).
1025 BVerwG, B. v. 5.8.2002 – 4 BN 32.02 –, ZfBR 2003, 45.
1026 Vgl. dazu den vom Bayer. VGH entschiedenen Fall „Nördliche Wolfgang-Siedlung“ der Stadt Landshut
– (U. v. 23.10.1995 – 15 N 94/1693 –, BRS 57 Nr. 286), mit kritischer Anmerkung von Rudolf Schäfer
in: ZfBR 1997, 125–142.
1027 Vgl. BVerwG, B. v. 27.9.2012 – 4 BN 20.12 –, BauR 2013, 66.
1028 BVerwG, U. v. 12.12.2002 – 4 CN 7.01 –, ZfBR 2003, 483 (Großraum Hannover).
1029 So ausdrücklich BVerwG, U. v. 3.7.1998 – 4 CN 2.97 –, ZfBR 1998, 312.
1030 BVerwG, 17.6.2000 – 4 BN 51.00 –, ZfBR 2001, 137 (Rummelsburger Bucht, Berlin); vgl. auch OVG
Berlin, U. v. 13.7.2000 – 2 A 5.95 –, ZfBR 2000, 566 ebenfalls zur Rummelsburger Bucht.
1031 BVerwG, B. v. 16.2.2002 – 4 BN 56/00 –, NVwZ 2001, 1053.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Bereichs rechtfertigen. Folgerichtig ist zur Inkraftsetzung der Entwicklungssatzung nur


noch der Beschluss über die Entwicklungssatzung (und nicht mehr die Genehmigung
der Satzung) ortsüblich bekannt zu machen.
Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist mit einem stringenten Instrumentarium
verbunden; das BVerwG hat ausdrücklich bestätigt, dass eine Enteignung auch erfol-
gen darf, um später privaten Dritten die bauliche Nutzung zu ermöglichen1032. Damit
bestehen attraktive Möglichkeiten der Refinanzierung für die Gemeinde durch die
Veräußerung von zu günstigen Eingangspreisen erworbenen Grundstücken an Bauwil-
lige, wobei vormalige Eigentümer zuerst zu berücksichtigen sind; in aller Regel kommt
auch eine Förderung durch Bundesmittel nach Art. 104b GG infrage. Das System steht
und fällt allerdings mit einer insgesamt positiven Bodenwertentwicklung. Wenn die
Bodenpreise während der Entwicklungsmaßnahme signifikant fallen, bricht das Finan-
zierungssystem zusammen, weil die Endwerte nach Erschließung dann nicht mehr hö-
her (oder sogar niedriger) sind als die (allzu positiv bemessenen) Anfangswerte. Die
Gemeinde bzw. der von ihr eingesetzte Entwicklungsträger bleibt dann auf den entwi-
ckelten Grundstücken sitzen. In den in Berlin nach 1990 festgelegten städtebaulichen
Entwicklungsbereichen ist diese Situation zum Teil eingetreten.
Aufgrund der hohen Erwartungshaltung zum Baulandbedarf nach der Wiedervereini-
gung ist gut verständlich, dass sich die Anzahl der förmlich festgelegten Entwicklungs-
bereiche nach 1990 zunächst drastisch erhöhte; Ende 1997 waren es bundesweit be-
reits über 200. Ein herausragender Anwendungsfall war (und ist) das neue Parlaments-
und Regierungsviertel in der Mitte von Berlin, dessen Eignung als Entwicklungsmaß-
nahme durch § 247 Abs. 7 ausdrücklich normiert ist. Auch und gerade in Berlin hat
sich jedoch gezeigt, dass Prognosen über den künftigen Bedarf an Wohn- und Arbeits-
stätten so fehlschlagen können, dass sich die Annahmen über die Entwicklungschan-
cen und Finanzierbarkeit der Maßnahme aus künftigen Erlösen in Nichts auflösen
oder aber nur in Teilen und erheblich später eintreten. Damit wird die Durchführbar-
keit der Maßnahme insgesamt in Frage gestellt. Sofern die Entwicklungssatzung nicht
insgesamt aufgehoben wird, kommen Ansprüche auf Entlassung einzelner Grundstü-
cke oder die Erteilung von Genehmigungen nach §§ 144, 145 in Betracht1033.
Sofern im Laufe des Verfahrens zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Verfah-
rens- und Formfehler aufgetreten sind, ist eine Gemeinde berechtigt, diese rückwir-
kend zu heilen. Eine inhaltliche Prüfung im Heilungsverfahren zu der Frage, ob ein-
zelne Grundstücke aufgrund zwischenzeitlich aufgetretener Veränderungen weiterhin
für die Zwecke der Entwicklungssatzung noch in Anspruch genommen werden müssen
oder nicht, ist nicht erforderlich.1034

9. Änderungen und Neuerungen im Sanierungs- und Entwicklungsrecht nach


Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung und weiteren
Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013
Seit 2013 sind im Sanierungs- und Entwicklungsrecht keine Veränderungen vorgenom-
men worden.

Literatur zum Kapitel XIV: Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Allgemeines zur Stadtsanierung und Stadterneuerung; städtebauliche Sanierungs- und Ent-
wicklungssatzung:

1032 BVerwG, U. v. 3.7.1998 – 4 CN 5.97 – ZfBR 1999, 100 = NVwZ 1999, 407 (Gewerbepark Nürnberg/
Fürth/Erlangen).
1033 Vgl. OVG Berlin, U. v. 13.7.2000 – OVG 2 A 5.95 –, ZfBR 2000, 566 (Rummelsburger Bucht).
1034 Vgl. BVerwG, B. v. 16.6.2010 – 4 BN 67.09 –, BauR 2010, 1894.

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Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen XIV.

2010: Matthäus-Maier, Ingrid, Wohnungsunternehmen: Wohnungs- und Städtebauförderung als


politische Aufgabe, I & F 2010, 826–827; Wulfhorst, Reinhard, Die Auswirkungen des neuen
Art. 104b GG auf die Städtebauförderung – eine Entgegnung (auf Battis/Klein/Rusteberg, DVBl.
2009, 682 ff.), DVBl. 2010, 28–32; 2011: Gatzweiler, Hans-Peter, Stadterneuerung und -umbau
auf dem Lande – Herausforderungen und Handlungsfelder, FuB 2011, 49–53; Jung, Ulrich,
KfW-Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“, Bauen + Energie 2011, 10–12; Krautzber-
ger, Michael, Neues Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klimaschutzes, Gesetz zur För-
derung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, BauR 2011,
1416–1424; Spangenberger, Volker, Städtebauförderung – Auswirkungen der Programmvielfalt,
UPR 2011, 180–185; 2012: Mittler, Gernot, Mehr Anreize für die energetische Stadtsanierung.
Zuschüsse für kommunale Konzepte, IWR 2012, 18; Saxinger, Andreas/Hofmann, Anna-Lisa,
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit verwahrlosten und verfallenden Im-
mobilien, BauR 2012, 737–748; Schüring, Andreas, KfW-Programme im Überblick. Energetische
Stadtsanierung und Effizienzhaus Denkmal, BBB 2012, 38–40; Wagner, Helene, Bewertungs-
stichtag bei verzögerter Enteignung, BauR 2012, 1054–1063; Weiß, Dominik, Vielfalt oder Ein-
falt? Ausdifferenzierung der Städtebauförderung bei gleicher Gebietskulisse, FuB 2012, 56–62;
2012: Krautzberger, Michael, Klimaschutz als Aufgabe der Stadterneuerung und des Stadtum-
baus, in: DVBl. 2/2012, S. 69–74; 2013: Hennig, Felix/Trülzsch, Stefan/Schmidt, Torsten, Ablei-
tung von Vorranggebieten für die energetische Stadtsanierung, in: IR 11/2013, S. 311–314; Ke-
nigstein, S., Rezension: Birgitta Thurow, Steffen Hochstadt, Stephanie Terfehr, Städtebauliche
Entwicklungsmaßnahmen, München 2009, in: ZfBR 4/2013, S. 416; Krautzberger, Michael, Wie
steht es mit der Bürgerbeteiligung im Planungsrecht – braucht es neue Anstöße?, in: FuB 2/2013,
S. 59–61; Pahl-Weber, Elke, Den Blick auf das ganze Viertel richten. Energetische Stadtsanie-
rung. Gebäude spielen für die Energie- und Klimaschutzziele eine entscheidende Rolle, in: IWR
9/2013, S. 19; Waechter, Kay, Städtebauliche Sanierung (§§ 136 ff. BauGB), in: DVBl. 10/2013,
S. 613–620; 2014: Bosch-Lewandowski, Simone Aminde, Stadt- und Quartiersentwicklung:
Energetische Stadtsanierung: Attraktiven Wohnstandort aus dem Dornröschenschlaf holen, in:
BBB 5/2014, S. 68–70; Mitschang, Stephan, Wohnungsnot! Hilft die städtebauliche Entwick-
lungsmaßnahme?, in: DVBl. 5/2014, S. 276–285; Spangenberger, Volker, Aktuelle Handlungsan-
sätze der Städtebauförderung: Abgleich zwischen Förderprogrammatik und Förderpraxis, in:
RuR 1/2016, S. 73–74; 2015: Friesecke, Frank/Kötter, Theo, Städtebauliche Entwicklungsmaß-
nahme gem. §§ 165 ff BauGB. Ein Instrument für die erfolgreiche Innenentwicklung in den
Städten und Gemeinden?, in: FuB 2/2015, S. 75–79; Friesecke, Frank/Meyer, Christine, Vier
Jahre KfW-Programm Energetische Stadtsanierung: Eine Zwischenbilanz, in: FuB 4/2015,
S. 181–188; 2016: Nelle, Anja, Rezension: Christa Reicher, Wolfgang Roters (Hrsg.), Erhaltende
Stadterneuerung. Ein Programm für das 21. Jahrhundert, Essen 2015, in: RuR 1/2016, S. 73–
74; 2017: Crome, Barbara/Glöckner, Beate, Aktuelles aus dem BMUB: Tagungsbericht: 5 Jahre
KfW-Programm Energetische Stadtsanierung: Vom Gebäude zum Quartier, in: BBB 1&2/2017,
S. 58–59; Füßer, Klaus/Nowak, Katharina, Teilbar- und Teilaufhebbarkeit von städtebaulichen
Entwicklungssatzungen, (Zugleich Anmerkung zu OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 18.7.2016 –
OVG 2 A 13/14 –), in: NVwZ 17/2017, S. 1238–1244; Thiel, Fabian, Fortentwicklung des
Rechts der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen für die „wachsende Stadt“, in: BauR 11/
2017, S. 1943–1952; Wolff, Heinrich Amadeus, Die Wertbestimmung landwirtschaftlicher
Grundstücke bei einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gem. § 169 Abs. 4 BauGB, in:
DVBl. 24/2017, S. 1535–1544; 2018: Mittner, Eva, Energetische Sanierung: Erfolgreiches Fit-
nessprogramm für ein Sportzentrum. Sanierung und Modernisierung des Sportzentrums in Leon-
berg, Bauen+ 2/2018, 8–12; Mittner, Eva, Brandschutz bei der Modernisierung eines Sportzent-
rums. Sanierung und Modernisierung des Sportzentrums in Leonberg, Bauen+ 2/2018, 13–15;
Vartmann, Axel, Energetische Sanierung: Die wichtigsten Gesetzesänderungen 2018, Der Um-
weltbeauftragte 8/2018, 10; Westphal, Tim, Bauen im Bestand: Denkmalschutz: Sanieren mit
BIM, BBB 1&2/2018, 18–19.
2. Vorbereitende Untersuchungen:
2012: Flug, Friedhelm/Thurow, Birgitta, Vorbereitende Untersuchungen im besonderen Städte-
baurecht. Entscheidungskriterien bei städtebaulichen Problemlagen, UPR 2012, 86–91.
3. Festlegung von Sanierungsgebieten:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de
4. Sanierungsträger:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

2017: Trautner, Wolfgang, Anmerkung zu OLG Celle, B. v. 29.6.2017 – 13 Verg 1/17 – (Schwel-
lenwert; Schätzung des Auftragswerts; Gesamtpreis; 48-facher Monatswert; Dokumentation;
nachträgliche Begründung; Sanierungsträger), in: VergabeR 6/2017, S. 783.
5. Finanzielle Förderung, Abrechnung:
2010: Wulfhorst, Reinhard, Die Auswirkungen des neuen Art. 104b GG auf die Städtebauförde-
rung – eine Entgegnung (auf Battis/Klein/Rusteberg, DVBl. 2009, 682 ff.), DVBl. 2010, 28–32;
Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die (Rück-) Verteilung eines Überschusses an die Eigentümer nach
Abschluss einer städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahme nach § 156a BauGB,
verbunden mit einem Reformvorschlag zugunsten der Kommunen, GuG 2009, 93–100; 2011:
Meyer, Josef, Ein gut gestimmtes Instrument. Städtebauförderung, IWR 2011, 17; Mittler, Ger-
not, Kein Geld mehr für Sanierung und Städtebau. Deutscher Verband. Die KfW-Förderung für
die CO2-Gebäudesanierung soll gestrichen, die Städtebauförderung halbiert werden, IWR 2011,
13; 2012: Mittler, Gernot, Mehr Anreize für die energetische Stadtsanierung. Zuschüsse für
kommunale Konzepte, IWR 2012, 18; 2014: Schwamberger, Gerald, Sanierungsmaßnahmen
und die steuerlichen Folgen bei KMU. Teil 1: Forderungsverzichte, Sanierungsgewinne und spezi-
fische kapitalorientierte Instrumente bei Kapitalgesellschaften, in: KSI 1/2014, S. 22–26.
6. Ausgleichsbeträge:
2011: Mathony, Karl Heinz, Der kostenorientierte Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 2a BauGB
(Teil 1), GuG 2011, 257–264; Mathony, Karl Heinz, Der kostenorientierte Ausgleichsbetrag
nach § 154 Abs. 2a BauGB (Teil 2), GuG 2011, 351–359. 2018: Hebbel, Hartmut, Anmerkung
zu OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 10.7.2017 – 2 B 1/16 –, – 2 B 7/16 –, – 2 B 11/16 – und B.
v. 25.1.2018 – 2 B 18/16 – (Sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag; Wertermittlungsspielraum;
Wertermittlungsverfahren; Vergleichswertverfahren; Bodenrichtwertverfahren; maßgebliche Art
der baulichen Nutzung für die Bestimmung des Anfangswerts; Herabzonung durch Sanierungs-
bebauungsplan; Zielbaummethode; Zielbaumverfahren; Ableitung des Endwerts aus einem nach
dem Wertermittlungsstichtag bestimmten Bodenrichtwert; intertemporaler Abgleich; Wahl des
Wertermittlungsverfahrens; Begründungspflicht; maximal veränderlicher Lagewertanteil
(LVmax); Plausibilisierungsanforderungen; Berechnungsfehler; fehlende Spruchreife infolge des
Wertermittlungsspielraums), GuG 3/2018, 193.
7. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen:
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

XV. Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur


Stadtentwicklung; Erhaltungssatzung, städtebauliche Gebote und
Sozialplanung
Seit 1970 liegt die Geburtenziffer in der Bundesrepublik Deutschland weit unterhalb
der zur Erhaltung der Bevölkerungszahl notwendigen Nettoreproduktionsrate von ca.
2,1 Geburten pro Frau im Durchschnitt von 1.000 Frauen – auch wenn die Zahl
zuletzt leicht auf 1,5 gestiegen ist. Damit reduziert sich jede Generation um mindestens
ein Drittel bis zur Hälfte. Jedes Jahr fehlen in Deutschland etwa 600.000 Geburten
zur Bestandserhaltung. Das führt logischerweise zu einem veränderten Bedarf an die
gebaute Umwelt: In den letzten Jahren wurden vielerorts Kindergärten und andere
Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Schulen geschlossen. Bei den Kinderbetreuungs-
angeboten ist dieser Trend allerdings dadurch gestoppt worden, dass seit dem 1. Au-
gust 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz mit Vollendung des ersten
Lebensjahres besteht. Dem Rückgang der hiesigen Bevölkerung steht der Zuzug von
Menschen aus anderen Ländern, insbesondere der in den zurückliegenden Jahren ver-
stärkte Zuzug von Geflüchteten, gegenüber. Angesichts dieser teils gegenläufigen Ent-
wicklungen haben Kommunen und Städte deutschlandweit mit teils stark differieren-
den Herausforderungen zu kämpfen. In einigen Regionen sind ein starker Rückgang
der Bevölkerungszahlen und eine Überalterung der Gesellschaft zu beklagen, während
es andernorts insbesondere wegen der Zuzüge an Baugrundstücken für Wohnraum,
Büros und soziale Infrastruktureinrichtungen mangelt – zudem muss die herausfor-
dernde Integration bewältigt werden.

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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.

Noch bis vor wenigen Jahren war die Stadtentwicklungsdebatte landaus, landein vor
allem geprägt von Überlegungen zum Umgang mit verheerenden Schrumpfungsprozes-
sen, die dem Immobilienmarkt stark zusetzten. Spätestens ab Mitte der 1990er Jahre
wurde diese Entwicklung in vielen Städten durch eine extreme Zunahme leer stehender
Immobilien, insbesondere Wohnungen, gut sichtbar. Entwicklungen dieser Art wurden
noch befeuert durch den ökonomischen Strukturwandel, der den Zusammenbruch
ganzer Industrien zur Folge hat. Von Überalterung und Schrumpfung betroffenen Re-
gionen, viele davon in Ostdeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen, machte (in Tei-
len bis heute) insbesondere der Wegzug junger Leute zu schaffen. Demografischer
Wandel, Strukturwandel und seine Folgen sind zu einer enormen Herausforderung
und zu einem wichtigen Aufgabenfeld der Stadtplanung in der Nachwendezeit gewor-
den. In Sachsen-Anhalt hat sich die Internationale Bauausstellung Stadtumbau zwi-
schen 2003 und 2010 mit den städtebaulichen Herausforderungen beschäftigt, die
dieser Wandel mit sich bringen kann. Im Zentrum von Halberstadt wurde „Leere
kultiviert“, während in Aschersleben Riesengemälde in freigeräumten Baulücken in
der Innenstadt aufgestellt wurden. Die Entvölkerung und Entleerung von Räumen
führen zu einer Unterauslastung von Infrastruktur, etwa von Abwasserleitungen und
Wasserwerken, und sie entziehen dem Immobilienmarkt bei stark nachlassender Nach-
frage seine wichtigen Marktmechanismen, sodass der Stadtumbau eine sehr komplexe
Herausforderung der Stadtentwicklung geworden ist.
In den von Schrumpfungstendenzen bis heute betroffenen Teilräumen der Bundesre-
publik wird der Bevölkerungsrückgang nur zum Teil durch Zuwanderung von Fach-
kräften aus dem Ausland zumindest abgemildert. Ein nicht unerheblicher Anteil von
Zugezogenen geht in Deutschland schlecht bezahlten Jobs nach, und sie fragen Woh-
nungen in Quartieren mit niedrigen Mieten nach. Das sind i. d. R. zugleich Quartiere,
deren Wohnungen teils erheblichen Sanierungsbedarf aufweisen – Quartiere, die auch
von anderen benachteiligten Gruppen geprägt sind. Auf diese – hier sehr vereinfacht
und verkürzt dargestellte – Weise entstehen soziale Brennpunkte mit teils erheblichen
Problemen. Wegen der einseitigen Zusammensetzung der Bevölkerung sind die Voraus-
setzungen und Lernbedingungen an den Schulen dieser Gebiete äußerst ungünstig.
Perspektivlosigkeit macht sich breit, der öffentliche Raum einschließlich der Gebäude-
substanz verwahrlost. In solchen Quartieren werden soziale Missstände aufgrund der
Zusammensetzung der Bewohnerschaft und der angespannten wirtschaftlichen Situa-
tion der dort lebenden und arbeitenden Menschen allgegenwärtig. Daher bedürfen
auch solche Quartiere fein abgestimmter städtebaulicher Gegenmaßnahmen.
Angesichts solcher Problemlagen sah sich der Gesetzgeber des EAG Bau im Jahr 2004
zur Reaktion gezwungen. Im Nachgang zum Wettbewerb Stadtumbau Ost 2002 und
zur Einführung des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt im Jahr 1999 wurden
die Kategorien „Stadtumbaugebiet“ (§§ 171 a-d) und die Gebiete der „Sozialen Stadt“
(§ 171e) eingeführt. Durch die Klimaschutznovelle 2011 wurden die mit dem EAG
Bau 2004 eingeführten Vorschriften zum Stadtumbau an die Herausforderungen des
Klimawandels angepasst. Dem städtebaulichen und sozialen Verfall von Dörfern und
Städten soll mit den Mitteln des besonderen Städtebaurechts – soweit möglich – entge-
gengesteuert werden.
Impulsgeber für eine positive Stadtentwicklung können auch private Initiativen sein.
Mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung
der Städte vom 21.6.2006 (BGBl. I S. 3316) ist mit § 171f eine Vorschrift in das Bau-
gesetzbuch aufgenommen worden, die Eigentümern und Geschäftsleuten durch Zu-
sammenschluss ermöglichen soll, die Entwicklung im Quartier selbst in die Hand zu
nehmen und positiv zu gestalten. Durch Eigeninitiative lassen sich sowohl Einkaufs-
straßen als auch Wohn- oder Gewerbegebiete umgestalten, wenn das jeweilige Landes-
recht hierfür entsprechende Voraussetzungen geschaffen hat.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Neben der Gegensteuerung zur Behebung von städtebaulichen und sozialen Problemen
in Stadtumbaugebieten oder Gebieten der sozialen Stadt gibt das Besondere Städtebau-
recht der Gemeinde auch ein Instrument zur Wahrung und Konservierung bestimmter
erwünschter städtebaulicher und/oder sozialer Verhältnisse an die Hand. Mit Hilfe der
Erhaltungssatzung lassen sich unter anderem die städtebauliche Eigenart eines Gebiets
oder die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten. Weitere Gestaltungsmög-
lichkeiten ergeben sich in Form eines Katalogs „städtebaulicher Gebote“, die zusam-
men mit der Erhaltungssatzung im sechsten Teil des Zweiten Kapitels des Baugesetzbu-
ches geregelt sind.
Nachfolgend wird auf die Instrumente des Stadtumbaus und der Sozialen Stadt, auf
die privaten Initiativen, auf die Erhaltungssatzung und die städtebaulichen Gebote
eingegangen.
1. Stadtumbau
a) Maßnahmen zum Stadtumbau. Mit den §§ 171a–d lassen sich sog. „Stadtumbauge-
biete“ festlegen. Im Unterschied zu den städtebaulichen Sanierungsgebieten und den
städtebaulichen Entwicklungsbereichen werden diese Gebiete nicht durch Satzung,
sondern durch einfachen Beschluss der Gemeindevertretung festgelegt (eine zusätzliche
Satzung kann allerdings zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen ins Spiel ge-
bracht werden). Damit folgt das Gesetz der bisherigen Praxis in der Verwaltungsver-
einbarung zwischen dem Bund und den Ländern nach § 164b. Danach kann der Bund
zur Förderung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen nach Art. 104b Abs. 4 GG den
Ländern nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes Finanzhilfen für Investitio-
nen der Gemeinden und Gemeindeverbände nach einem in gleicher Weise geltenden,
allgemeinen und sachgerechten Maßstab gewähren. Der Maßstab und das Nähere für
den Einsatz der Finanzhilfen werden durch die Verwaltungsvereinbarung zwischen
Bund und Ländern festgelegt. Die Praxis der Vereinbarung zwischen Bund und Län-
dern hat dazu geführt, dass der Einsatz der Mittel nicht auf förmlich festgelegte Sanie-
rungsgebiete und förmlich festgelegte Entwicklungsbereiche beschränkt ist, sondern
auch in Gebieten, die durch einfachen Beschluss der Gemeindevertretung festgelegt
worden sind, Anwendung findet. Diese Praxis ist durch § 171b Abs. 4 (analog dazu
durch § 171e Abs. 6 bei der Sozialen Stadt) gesetzlich abgesichert. Danach sind die
§§ 164a und 164b (über den Einsatz der Finanzhilfen des Bundes) im Stadtumbauge-
biet entsprechend anzuwenden.
Stadtumbaumaßnahmen dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Es handelt sich dabei
um Maßnahmen, durch die in Gebieten, die von erheblichen städtebaulichen Funkti-
onsverlusten betroffen sind, Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebauli-
cher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste
liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für
bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist. Seit
der Änderung des Baugesetzbuchs durch die Klimaschutznovelle 2011 können städte-
bauliche Funktionsverluste auch angenommen und Stadtumbaumaßnahmen ergriffen
werden, wenn in einem Gebiet die allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz
und die Klimaanpassung nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund gehören zum Bei-
spielkatalog von Stadtumbaumaßnahmen auch Maßnahmen, die dazu beitragen, die
Siedlungsstruktur den allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klima-
anpassung anzupassen. Die Bandbreite denkbarer Aktivitäten in Bezug auf den Klima-
schutz ist groß. Sie beschränkt sich auch nicht allein auf vorbeugende Maßnahmen
des Klimaschutzes wie der Wärmedämmung oder der Installation von Solaranlagen,
sondern bezieht sich auch auf Maßnahmen, die auf die veränderten Bedingungen im
Zuge des fortschreitenden Klimawandels reagieren. Dazu können z. B. auch Pflanz-
maßnahmen zur Verbesserung des Klimakomforts oder die Einrichtung Schatten spen-
dender Sonnensegel über öffentlichen Plätzen gehören.

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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.

Vor der Klimaschutznovelle zählten zu den Stadtumbaumaßnahmen insbesondere die


Anpassung der Siedlungsstruktur an die Erfordernisse der Entwicklung von Bevölke-
rung und Wirtschaft (Stichworte „demografischer Wandel“ und „Strukturwandel“),
die Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie der Umwelt, die Stärkung
innerstädtischer Bereiche, die Umnutzung nicht mehr bedarfsgerechter baulicher Anla-
gen oder aber ihr Rückbau, wenn die Umnutzung nicht möglich oder unverhältnismä-
ßig ist, sowie die nachhaltige Erhaltung innerstädtischer Altbauquartiere.
Bis zur Novellierung gehörte zur beispielhaften Aufzählung der Handlungsfelder des
§ 171a Abs. 3 die nachhaltige städtebauliche Entwicklung freigelegter Flächen oder
eine hiermit verträgliche Zwischennutzung. Dieser Aspekt wurde durch die Klima-
schutznovelle 2011 und (zwecks redaktioneller Klarstellung) durch die BauGB-Novelle
2013 um Belange des Klimaschutzes ergänzt. Danach sollen brachliegende oder freige-
legte Flächen einer nachhaltigen, insbesondere dem Klimaschutz und der Klimaanpas-
sung dienenden städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden. Alternativ kommt vo-
rübergehend eine damit verträgliche Zwischennutzung in Betracht.
Soweit es im Rahmen der Stadtumbaumaßnahmen um die Erhaltung innerstädtischer
Altbaubestände geht, sind diese Maßnahmen nunmehr an die Nachhaltigkeitsformel
geknüpft worden, womit auf „eine wirksame Kombination des Bewahrens erhaltens-
werter Architektur einerseits und des Gestaltens nach zukunftsgerichteten, u. a. am
Maßstab der klimagerechten Stadtentwicklung gebildeter Nachhaltigkeitskriterien an-
dererseits“ abgestellt wird. Dem Nachhaltigkeitsziel können auch gebäudeübergrei-
fende Lösungen der Energieversorgung oder Verbesserungen des Wärmeschutzes bei
der Altbausubstanz dienen, die das Erscheinungsbild nicht beeinträchtigen.1035
b) Planungsschritte im Rahmen des Stadtumbaus. Die Planungsschritte im Rahmen
des Stadtumbaus weisen unübersehbare Parallelen zur Vorgehensweise im Rahmen
der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme auf und sie gleichen denen im Rahmen der
Sozialen Stadt:
Im ersten Schritt ist unter Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen sowie unter
Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange ein städtebauliches Entwick-
lungskonzept aufzustellen, in dem die Ziele und Maßnahmen schriftlich darzustellen
sind, die in dem betreffenden Gebiet zur Anwendung kommen sollen. Durch den Be-
griff „Städtebauliches Entwicklungskonzept“ ist klargestellt, dass kein für die ganze
Stadt bzw. Gemeinde geltendes Entwicklungskonzept aufgestellt werden muss; es ge-
nügt ein Entwicklungskonzept, das sich auf das jeweilige Maßnahmengebiet bezieht.
In aller Regel dürfte eine Einordnung dieses Konzepts in die gesamtstädtische Entwick-
lung erforderlich sein.
Im zweiten Schritt legt die Gemeinde auf der Grundlage des städtebaulichen Entwick-
lungskonzepts und in Kenntnis der Positionen der Betroffenen und Aufgabenträger
das Gebiet fest, in dem die Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Dafür genügt
ein einfacher Beschluss. Das Gebiet ist „in seinem räumlichen Umfang so festzulegen,
dass sich die Maßnahmen zweckmäßig durchführen lassen“. Steht die Gemeinde beim
Beschluss zur Festlegung des Stadtumbaugebiets unter Zeitdruck (weil Fördermittel
beantragt werden sollen), genügt als Konzept zunächst eine allgemeine Entwicklungs-
planung, die mit dem Auftrag zur Fortschreibung versehen wird. Zumindest wird man
von dem zum Beschluss vorgelegten Konzept jedoch erwarten dürfen, dass darin für
das Untersuchungsgebiet städtebauliche Funktionsverluste im Sinne des § 171a Abs. 2
Satz 2 sowie die Aussicht auf Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen mit

1035 Begründung des Regierungsentwurfs zur Klimaschutznovelle 2011, S. 30.

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Hilfe geeigneter Stadtumbaumaßnahmen festgestellt wurden und die Gebietsabgren-


zung nachvollziehbar möglich ist.1036
Auch wenn die Entscheidung der Gemeinde zur Durchführung von Stadtumbaumaß-
nahmen unter Beachtung des Abwägungsgebots zu einer Nichtberücksichtigung be-
stimmter Wünsche von Betroffenen führen kann, sind Stadtumbaumaßnahmen insge-
samt konsensorientiert angelegt. Aus diesem Grunde sollen – soweit immer möglich
und erforderlich – städtebauliche Verträge, insbesondere mit den beteiligten Eigentü-
mern, geschlossen werden. Diese Verträge sind vor allem in für den Rückbau bestimm-
ten Stadtumbaugebieten so wichtig, weil ohne Mitwirkung der Grundeigentümer ge-
ordnete Abbruchmaßnahmen kaum durchgeführt werden können. Nach § 171c Nr. 2
kann der Verzicht auf die Ausübung von Ansprüchen nach dem Planungsschadens-
recht (§§ 39 bis 44) Gegenstand von Stadtumbauverträgen sein. Diese Regelungs-
möglichkeit wurde vielfach in den neuen Ländern im Rahmen des Programms „Stadt-
umbau Ost“ [mittlerweile „Stadtumbau Neue Länder“] angewendet. In
Stadtumbaugebieten kann sich ein Verlust oder ein Rückgang der Baulandqualität und
-werte dadurch ergeben, dass bisher nach § 34 zu beurteilende, im Zusammenhang
bebaute Ortsteile so ausgedünnt oder gar vollständig beseitigt werden, dass am Ende
nur ein Außenbereich zu verzeichnen ist. In solchen Fällen wäre es widersinnig, die
Eigentümer auf der einen Seite durch Abrissprämien bei den Rückmaßnahmen geför-
dert zu haben, ihnen zugleich aber die Anspruchsgrundlage für die Ausübung von
Ansprüchen nach § 42 wegen einer von Amts wegen herbeigeführten Aufhebung oder
Minderung der baulichen Nutzung zu gewähren.
Gegenstände von Stadtumbauverträgen können neben dem Verzicht auf Ausübung
von Ansprüchen nach dem Planungsschadensrecht insbesondere auch die Durchfüh-
rung des Rückbaus oder der Anpassung baulicher Anlagen innerhalb einer bestimmten
Frist und die Kostentragung dafür sowie der Ausgleich von Lasten zwischen den betei-
ligten Eigentümern sein.
An dem kooperativen Ansatz, die Umsetzung des städtebaulichen Entwicklungskon-
zepts soweit erforderlich durch städtebauliche Verträge abzusichern, mag es liegen,
dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Vorschriften über die amtliche Aufhe-
bung von Miet- und Pachtverhältnissen (§ 182 ff.) in Stadtumbaugebieten anwendbar
zu machen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gerade in Stadtumbaugebieten
häufig Miet- und Pachtverhältnisse beendet werden müssen, wäre es nicht unlogisch
gewesen, eine Aufhebung von Miet- und Pachtverhältnissen auch von Amts wegen
zu ermöglichen. Nach geltendem Recht gilt gemäß § 182 Folgendes: „Erfordert die
Verwirklichung der Ziele und Zwecke der Sanierung im förmlich festgelegten Sanie-
rungsgebiet, der Entwicklung im städtebaulichen Entwicklungsbereich oder eine Maß-
nahme nach den §§ 176 bis 179 die Aufhebung eines Miet- oder Pachtverhältnisses,
kann die Gemeinde das Rechtsverhältnis auf Antrag des Eigentümers oder im Hinblick
auf ein städtebauliches Gebot mit einer Frist von mindestens sechs Monaten, bei einem
land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstück nur zum Schluss eines Pachtjahrs
aufheben“.
Offenbar ging der Gesetzgeber davon aus, dass eine solche „amtliche Kündigung“ in
Stadtumbaugebieten nur dann erforderlich und anwendbar sein sollte, wenn zuvor ein
städtebauliches Gebot ausgesprochen wurde. Ob dies letztlich schlüssig ist, soll hier
dahingestellt bleiben. Der Einsatz des Katalogs der Gebote nach §§ 176 bis 179 für
den Stadtumbau ist jedenfalls nicht einfach, weil das Rückbau- und Entsiegelungsge-
bot nach § 179 nicht dazu eingesetzt werden kann, einen Eigentümer zum aktiven
Rückbau zu verpflichten. Nach § 179 kann nur die Gemeinde den Eigentümer ver-
pflichten zu dulden, dass eine bauliche Anlage ganz oder teilweise beseitigt wird.

1036 Vgl. Krautzberger in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB-Kommentar, Lfg. 101, September 2011,
§ 171b BauGB Rn. 7.

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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.

c) Erarbeitung eines Sozialplans im Rahmen von Stadtumbaumaßnahmen. Ein Sozial-


plan ist aufzustellen, wenn sich Stadtumbaumaßnahmen voraussichtlich nachteilig auf
die persönlichen Lebensumstände der in dem Gebiet wohnenden oder arbeitenden
Menschen auswirken. In diesem Fall soll die Gemeinde gemäß § 180 Abs. 1 Vorstel-
lungen entwickeln und mit den Betroffenen erörtern, wie nachteilige Auswirkungen
möglichst vermieden oder gemildert werden können.
Es liegt auf der Hand, dass diese Voraussetzungen dann gegeben sein können, wenn
Stadtumbaumaßnahmen den Umzug von Bewohnern und/oder die Aufgabe von Ge-
werbebetrieben voraussetzen. Dies ist relativ häufig der Fall, weil die vom Leerstand
betroffenen Quartiere sehr häufig nicht gänzlich leergezogen sind. Einzelne Bewohner
sind übriggeblieben – um diese Bewohner muss man sich besonders kümmern. Die
Beschreibung des Sozialplans in § 180 Abs. 1 Satz 2 bringt die Notwendigkeiten recht
genau zum Ausdruck, indem Folgendes angeordnet wird: „Die Gemeinde hat den
Betroffenen bei ihren eigenen Bemühungen, nachteilige Auswirkungen zu vermeiden
oder zu mildern, zu helfen, insbesondere beim Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel,
sowie beim Umzug von Betrieben; soweit öffentliche Leistungen in Betracht kommen
können, soll die Gemeinde hierauf hinweisen. Sind Betroffene nach ihren persönlichen
Lebensumständen nicht in der Lage, Empfehlungen und anderen Hinweisen der Ge-
meinde zur Vermeidung von Nachteilen zu folgen oder Hilfen zu nutzen oder sind aus
anderen Gründen weitere Maßnahmen der Gemeinde erforderlich, hat die Gemeinde
geeignete Maßnahmen zu prüfen.“
Auch der Hinweis in § 180 Abs. 3 ist wichtig. Dort heißt es: „Steht die Verwirklichung
einer Durchführungsmaßnahme durch einen anderen als die Gemeinde bevor, kann
die Gemeinde verlangen, dass der andere im Einvernehmen mit ihr die sich aus Abs. 1
ergebenden Aufgaben übernimmt. Die Gemeinde kann diese Aufgaben ganz oder teil-
weise auch selbst übernehmen und dem anderen die Kosten auferlegen.“ Der Stadtum-
bau wird in aller Regel nicht von der Gemeinde selbst durchgeführt, sondern von
Wohnungsbauunternehmen oder betroffenen Eigentümern. § 180 Abs. 3 stellt klar,
dass auch bei Stadtumbaumaßnahmen dem Vermieter seine Verantwortung von der
Gemeinde nicht abgenommen wird. Nach dem Bild des Gesetzes steht die Gemeinde
jedoch überall im Hintergrund bereit, um mögliche Defizite auszugleichen. Besonders
wesentlich ist hier der nach § 181 mögliche Härteausgleich. Soweit es die Billigkeit
erfordert, soll die Gemeinde bei der Durchführung dieses Gesetzbuchs zur Vermeidung
oder zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile – auch im sozialen Bereich – auf Antrag
einen Härteausgleich in Geld gewähren. Die Auflistung der Tatbestände, in denen nach
Auffassung des Gesetzgebers ein Härteausgleich besonders in Frage kommt, zeigt, dass
es hier insbesondere um die vorzeitige Beendigung von Mietverhältnissen und um die
dadurch entstehenden Umzugskosten geht.
In Anlehnung an die Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 (siehe unten
zu 4.) kann die Gemeinde die Durchführung der Stadtumbaumaßnahmen über eine
Durchführungssicherungssatzung nach § 171d absichern (siehe unten unter e).
d) Die Einbindung von Betroffenen und Aufgabenträgern – das Abwägungsgebot. Das
Konzept mit seinen darin niedergeschriebenen Zielen und Maßnahmen muss dem Ab-
wägungsgebot Rechnung tragen. Zu diesem Zweck müssen Erkenntnisse über die Mei-
nungsvielfalt bei den Betroffenen und über die fachliche Bewertung durch die öffentli-
chen Aufgabenträger gewonnen werden. Dies erfolgt gemäß § 171b Abs. 3 durch
Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen nach § 137 und der Beteiligung und Mit-
wirkung der öffentlichen Aufgabenträger nach § 139 zum einen bereits während der
Konzepterarbeitungsphase, zum anderen auch später, nämlich im Rahmen der Durch-
führung der Stadtumbaumaßnahmen. Unterschiedliche, teils gegenläufige Positionen
und Stellungnahmen lassen sich übersichtlich in einer Abwägungstabelle zusammen-
stellen. Diese ist Gegenstand des Beschlusses nach § 171b Abs. 1. Zu den öffentlichen

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Aufgabenträgern gehören zum einen die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange, zum anderen der Bund, einschließlich seiner Sondervermögen, die Länder, die
Gemeindeverbände sowie die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts. Betroffene sind die Eigentümer, Mieter, Pächter und sonstige Be-
troffene. Ändern sich im Zuge der Fortschreibung des städtebaulichen Entwicklungs-
konzepts die darin niedergeschriebenen Ziele und Maßnahmen, sind die öffentlichen
Aufgabenträger erneut zu beteiligen. § 139 Abs. 2 ordnet dazu an, dass § 4 Abs. 2 und
§ 4a Abs. 1 bis 4 und 6 bei Vorbereitung (Konzepterarbeitung) und Durchführung
der Maßnahmen auf Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange sinngemäß
anzuwenden sind. Die Träger öffentlicher Belange haben die Gemeinde im Gegenzug
ebenso über Änderungen ihrer Absichten zu informieren. Dies bedeutet:
Den Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange wird ein Monat Zeit (erfor-
derlichenfalls mit Verlängerungsoption) zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
Ändern sich die Ziele des städtebaulichen Entwicklungskonzepts sowie die Maßnah-
men, wird eine erneute Beteiligung erforderlich, wobei sich die Frist zur Abgabe einer
Stellungnahme angemessen verkürzen lässt. Nicht rechtzeitig abgegebene Stellungnah-
men können unberücksichtigt bleiben, sofern die Gemeinde deren Inhalt weder kannte
noch hätte kennen können und sofern deren Inhalt für die Abwägungsentscheidung
nicht von Bedeutung ist.
In den Fällen, in denen Planungen und Maßnahmen der Träger öffentlicher Belange
mit den Zielen und Zwecken der Stadtumbaumaßnahmen aufeinander abgestimmt
worden sind, müssen sich die an dieser Abstimmung Beteiligten unverzüglich mitei-
nander ins Benehmen setzen, sobald sich auf der einen oder auf der anderen Seite
Änderungen ergeben.
Für die Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen liegen weniger formale Standards
vor. Bedingung ist zunächst die möglichst frühzeitige Einbindung, die bereits in der
Konzepterarbeitungsphase und somit zu einem Zeitpunkt einsetzt, zu dem sich die
Planung noch nicht zu stark verfestigt hat. Wie bei der städtebaulichen Sanierungs-
maßnahme soll aber auch und insbesondere die Mitwirkung der Betroffenen während
der Umsetzungsphase erreicht werden. Dazu soll die Gemeinde die Betroffenen aktiv
animieren. Der Gemeinde obliegt zudem eine Beratungspflicht.
e) Die Satzung zur Sicherung der Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen. In An-
lehnung an die Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 ist wie erwähnt in
§ 171d eine Durchführungssicherungssatzung kodifiziert worden. Im Geltungsbereich
einer solchen Satzung sind alle Vorhaben und Maßnahmen, die im Geltungsbereich
einer Veränderungssperre der Genehmigung bedürfen, wiederum genehmigungspflich-
tig. Durch die Verweisung auf § 14 Abs. 1 sind folgende Vorhaben und Maßnahmen
erfasst:
1. Vorhaben im Sinne des § 29 (also die Errichtung, Änderung oder Nutzungsände-
rung von baulichen Anlagen sowie Aufschüttungen und Abgrabungen größeren
Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten);
2. die Beseitigung baulicher Anlagen;
3. erhebliche oder wesentlich wertsteigende Veränderungen von Grundstücken und
baulichen Anlagen, soweit sie nicht ohnehin Vorhaben im Sinne des § 29 darstel-
len.
Durch Aufnahme eines zweiten Satzes in § 171d Abs. 1 aufgrund des Gesetzes zur
Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortent-
wicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 ist die Möglichkeit der Ersatzbe-
kanntmachung eröffnet worden. Daher kann entweder die Satzung komplett bekannt
gegeben oder aber durch Bekanntmachung schlicht darüber informiert werden, dass
eine Satzung zur Regelung des Genehmigungsvorbehalts im Stadtumbaugebiet oder
in einem Teil davon beschlossen worden ist (Ersatzbekanntmachung). Im Falle der

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Ersatzbekanntmachung ist zugleich über den Ort der Einsichtsmöglichkeit und über
den Tag des Inkrafttretens der Satzung zu informieren. Die Ersatzbekanntmachung
verlangt nämlich zugleich, dass die Satzung in der Gemeindeverwaltung zu jedermanns
Einsicht bereit gehalten wird, wobei zudem Auskunftspflicht über den Inhalt besteht.
Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Durchführungssicherungssatzung gefasst
und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In Bezug
auf die Durchführung von Vorhaben und Maßnahmen, die von der Durchführungssi-
cherungssatzung erfasst werden, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Ge-
meinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen
Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durch-
führung der Stadtumbaumaßnahmen unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert
werden würde. Es kann auf Antrag der Gemeinde auch eine vorläufige Untersagung
ausgesprochen werden, wenn kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wird.
Die Versagung von Vorhaben und sonstigen Maßnahmen kommt nur in Frage, um
einen den städtebaulichen und sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf der
Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage des von der Gemeinde aufgestellten städte-
baulichen Entwicklungskonzepts oder eines Sozialplans im Sinne des § 180 zu sichern.
Die Genehmigung ist jedoch zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allge-
meinwohls ein Absehen von dem Vorhaben oder der Maßnahme wirtschaftlich nicht
zumutbar ist. Wie bei § 172 dürfte hier die subjektive Zumutbarkeit des individuellen
Eigentümers entscheidend sein; anderenfalls würde der konkrete Eigentümer in Ver-
luste gedrängt, was unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
unzulässig wäre.

f) Auskunftspflicht in Stadtumbaugebieten. Wirksame Hilfe und gute Planung setzen


voraus, dass zutreffende Informationen über die tatsächliche Lage in dem betreffenden
Gebiet vorhanden sind. Folgerichtig verpflichtet der auch in Stadtumbaugebieten über
§ 171d Abs. 4 entsprechend anwendbare § 138 die Eigentümer, Mieter, Pächter und
sonstige Berechtigte dazu, der Gemeinde oder ihren Beauftragten Auskunft über die
Tatsachen zu erteilen, deren Kenntnis zur Beurteilung der Umbaubedürftigkeit eines
Gebiets oder zur Vorbereitung bzw. Durchführung des Stadtumbaus erforderlich ist.
An personenbezogenen Daten können insbesondere Angaben der Betroffenen über
ihre persönlichen Lebensumstände im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, nament-
lich über die Berufs-, Erwerbs- und Familienverhältnisse, das Lebensalter, die Wohnbe-
dürfnisse, die sozialen Verflechtungen sowie über die örtlichen Bindungen, erhoben
werden. Die Auskunftspflicht ist mit einem Zwangsgeld bewehrt (§ 138 Abs. 4 i. V. m.
§ 208 Satz 2–4 über die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds). Der Daten-
schutz muss grundsätzlich beachtet werden, ist aber insoweit modifiziert (§ 138
Abs. 2).

g) Anhörung der Eigentümer und der Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberech-
tigten in Stadtumbaugebieten. Die im Zusammenhang mit der Erhaltungssatzung gel-
tenden Regelungen zur Genehmigung des § 173 sind gemäß § 171d Abs. 4 entspre-
chend auch im Zusammenhang mit der Durchführungssicherungssatzung anzuwenden
– der in § 173 Abs. 2 geregelte Übernahmeanspruch kommt hingegen nicht zum Zug
(dazu gleich). Danach wird die Genehmigung durch die Gemeinde erteilt. Ist eine
baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erfor-
derlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen
mit der Gemeinde erteilt. Vor der Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung
einer Maßnahme, die durch die Durchführungssicherungssatzung nach § 171d unter
eine besondere Genehmigungspflicht gestellt worden ist, hat die Gemeinde die für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhal-
tung Verpflichteten zu erörtern und ggf. die Mieter, Pächter sowie sonstigen Nutzungs-

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

berechtigten anzuhören. Mit dieser Vorschrift wird erneut der auf Kooperation ausge-
richtete Ansatz des Stadtumbaus betont.
Da die Genehmigung gemäß § 171d Abs. 3 Satz 2 zu erteilen ist, wenn auch unter
Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von dem Vorhaben oder der Maß-
nahme wirtschaftlich nicht zumutbar ist, kommt der in § 173 Abs. 2 formulierte Über-
nahmeanspruch des Eigentümers des Grundstücks gegen die Gemeinde auf Übernahme
des Grundstücks im Geltungsbereich einer Durchführungssicherungssatzung nicht in
Frage. Vor der Entscheidung sind – wie ausgeführt – die Eigentümer sowie auch die
Mieter, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten zu hören.
Kraft Verweisung auf § 26 Nr. 2 und 3 in § 174 ist die Genehmigungspflicht auf fol-
gende Grundstücke nicht anzuwenden:
1. Grundstücke im Eigentum eines öffentlichen Bedarfsträgers, die für Zwecke der
Landesverteidigung, der Bundespolizei, der Zollverwaltung, der Polizei oder des
Zivilschutzes genutzt werden;
2. Grundstücke im Eigentum von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentli-
chen Rechts, die für Zwecke des Gottesdienstes oder der Seelsorge benutzt werden;
3. Grundstücke, auf denen Vorhaben errichtet werden sollen, für die ein Planfeststel-
lungsverfahren eingeleitet oder durchgeführt worden ist.
Die soeben genannten Bedarfsträger sind allerdings durch § 174 Abs. 2 dazu aufgefor-
dert, der Gemeinde anzuzeigen, wenn sie ein eigentlich genehmigungspflichtiges Vor-
haben im Geltungsbereich der Durchführungssicherungssatzung beabsichtigen. Der
Bedarfsträger soll auf Verlangen der Gemeinde von dem Vorhaben absehen, wenn die
Voraussetzungen vorliegen, welche die Gemeinde berechtigen würden, die Genehmi-
gung nach § 171d zu versagen, und wenn das Absehen von der beabsichtigten Maß-
nahme dem Bedarfsträger auch unter Berücksichtigung seiner Aufgaben zuzumuten
ist. Seit dem EAG Bau 2004 gehört zu den gegen die Vorschriften des Baugesetzbuchs
als Ordnungswidrigkeiten verfolgbaren Verstößen (geregelt in § 213), dass eine bauli-
che Anlage im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung der Durchführung von
Stadtumbaumaßnahmen (§ 171d Abs. 1) ohne Genehmigung rückgebaut oder geän-
dert wird. Diese Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 213 Abs. 2 mit einer Geldbuße
bis zu 25.000 A geahndet werden.

h) Das Vorkaufsrecht in Stadtumbaugebieten. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 gilt das kom-


munale Vorkaufsrecht auch im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von
Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus nach § 171d Abs. 1. Dieses kann aber
nur binnen zwei Monaten nach der Mitteilung des Kaufvertrags im Geltungsbereich
einer Durchführungssicherungssatzung gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden,
und zwar in Form eines Verwaltungsakts. Dies regelt § 28 Abs. 2. Dabei kann die
Gemeinde den zu zahlenden Betrag nach dem Verkehrswert des Grundstücks im Zeit-
punkt des Kaufs bestimmen, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer
dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich überschreitet (§ 28 Abs. 3 Satz 1).

i) Die Enteignung zu Zwecken des Stadtumbaus. Die Durchführungssicherungssatzung


ist verknüpft mit der Möglichkeit der Enteignung. Der Katalog der Enteignungszwecke
ergibt sich aus § 85 Abs. 1. Gemäß Nr. 7 ist demnach im Geltungsbereich einer Sat-
zung nach § 171d eine Enteignung möglich, um eine bauliche Anlage entweder zu
erhalten oder – umgekehrt – zu beseitigen. Die Enteignung ist unter Bezugnahme auf
§ 171d Abs. 3 an die Bedingung geknüpft, dass auf diesem Weg ein den städtebauli-
chen und sozialen Belangen Rechnung tragender Ablauf der Stadtumbaumaßnahmen
auf der Grundlage eines von der Gemeinde aufgestellten städtebaulichen Entwick-
lungskonzepts oder eines Sozialplans gesichert werden kann. Die Enteignung setzt
demnach nicht nur eine Satzung nach § 171d voraus, sondern auch die Übereinstim-
mung mit dem von der Gemeinde aufgestellten städtebaulichen Entwicklungskonzept

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oder einem Sozialplan. Diese Enteignung wird sicherlich in der Praxis nur sehr selten
(wenn überhaupt) angewendet werden. Sie steht jedoch als Drohpotenzial zur Verfü-
gung, wenn ein Eigentümer nicht mitwirkungsbereit ist und darüber hinaus bauliche
Maßnahmen entweder verweigert oder zu einem Zeitpunkt durchführt, der nicht mit
dem Konzept der Gemeinde zu vereinbaren ist. In solchen Fällen bieten sich die Andro-
hung und – als allerletzter Schritt – auch die Durchführung einer Enteignung an. Diese
Maßnahme dürfte im Zweifel zielführender sein als der Ausspruch eines Abbruchdul-
dungsgebotes nach § 179 oder sonstiger Planverwirklichungsgebote.
j) Fazit. Die Vorschriften des Stadtumbaus (und auch der Maßnahmen der Sozialen
Stadt) sehen eine weitgehende Kooperation mit den Grundeigentümern und den Be-
troffenen vor. Dies ist sicherlich das richtige Konzept. Es gelingt aber nicht immer, die
Betroffenen ohne Weiteres zum Abschluss von städtebaulichen Verträgen zu veranlas-
sen. Daher ist der Einsatz öffentlicher Mittel zur Umsetzung von Stadtumbaumaßnah-
men von großer Bedeutung. Die Zwangsmittel zur Durchsetzung von Stadtumbau-
maßnahmen sind relativ eingeschränkt. Die Satzung nach § 171d zur Sicherung der
Durchführung von Maßnahmen des Stadtumbaus ist eher dazu bestimmt, Maßnah-
men aufzuhalten als dieselben anzustoßen. So bleibt am Ende als aktive Maßnahme
zur hoheitlichen Durchsetzung des Stadtumbaus nur die Enteignung nach § 85 Abs. 1
Nr. 7. Die dadurch erzwungene konsequente Vorgehensweise der Gemeinde ist jedoch
keineswegs ein Nachteil. Auf diese Weise wird von vornherein klargestellt, welche
Möglichkeiten es gibt: entweder die kooperative Mitwirkung oder – im verfassungs-
rechtlich eingegrenzten Ausnahmefall – die Enteignung. Dazwischen liegen die Pro-
zesse der langwierigen Verhandlung und der mühsamen Einigung. Neben den Vor-
schriften zum Stadtumbau bleibt den Gemeinden aber auch weiterhin das klassische
Instrument der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, die sich ebenfalls zur Steuerung
des Stadtumbaus eignet. Altes und neues Recht können und sollten kombiniert einge-
setzt werden. Ausdrücklich heißt es in § 171a Abs. 1, dass Stadtumbaumaßnahmen
nicht nur anstelle, sondern auch ergänzend zu sonstigen Maßnahmen nach dem Bauge-
setzbuch durchgeführt werden können. Die Gemeinden haben nunmehr für die (Wie-
der-)Aufwertung von Gebieten die Wahl zwischen mehreren Maßnahmearten, der Sa-
nierung, der Entwicklung und dem Stadtumbau. Als weitere Möglichkeit sind der
Gemeinde Maßnahmen der Sozialen Stadt an die Hand gegeben. Damit beschäftigt
sich das nachfolgende Kapitel. Die Erhaltungssatzung als fünfte Maßnahmenart dient
nicht der Aufwertung, sondern der Werterhaltung.
2. Soziale Stadt
Städtebauliche Maßnahmen zur Sozialen Stadt sind Maßnahmen zur Stabilisierung
und Aufwertung von durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen oder anderen
Teilen des Gemeindegebiets, in denen ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht. So-
ziale Missstände liegen insbesondere vor, wenn ein Gebiet aufgrund der Zusammenset-
zung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden und arbeitenden Menschen
erheblich benachteiligt ist. Ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht vor allem dann,
wenn es sich um benachteiligte innerstädtische oder innenstadtnah gelegene Gebiete
oder verdichtete Wohn- und Mischgebiete handelt, in denen es einer aufeinander abge-
stimmten Bündelung von investiven und sonstigen Maßnahmen bedarf.
Zu den Handlungsfeldern der Sozialen Stadt können unter anderem gehören:
– Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen (z. B. im Rahmen eines Projektes
„Solarmobil – Berufsvorbereitende Orientierung und Teilqualifizierung in den Be-
reichen Handwerk und Solartechnik“ in Galgenhof/Steinbühl, Nürnberg),
– Beschäftigung, soziale Aktivitäten und soziale Infrastruktur (z. B. Einrichtung eines
Stadtteil- und Kindercafés „Blocksberg“ in der Bremer Großsiedlung Blockdiek,

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

um kindergerechte Speise- und Betreuungsangebote zu schaffen und Maßnahme-


teilnehmern Qualifizierungsmöglichkeiten im Bereich Hauswirtschaft zu bieten);
– Aktivierung und Beteiligung (z. B. Projekt „Miteinander – Netzwerk zur Quartiers-
entwicklung“ als Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtteilentwicklung in Berlin –
Neukölln);
– Wohnumfeld und öffentlicher Raum (z. B. durch Einrichtung eines Denk-Sport-
Spiel Parcours).1037
Das Instrumentarium zur Sozialen Stadt ist konzentriert in § 171e geregelt. § 171e
enthält weitgehend parallele Vorschriften zu den Regelungen des Stadtumbaus und
soll nachfolgend daher nur kurz zusammengefasst werden: Städtebauliche Maßnah-
men der Sozialen Stadt können wie Maßnahmen zum Stadtumbau nicht nur anstelle,
sondern auch ergänzend zu sonstigen Maßnahmen nach diesem Baugesetzbuch durch-
geführt werden. Die einheitliche und zügige Durchführung muss im öffentlichen Inte-
resse liegen, ansonsten kommen Maßnahmen der Sozialen Stadt nicht in Frage. Ein
einfacher Beschluss genügt, um das Gebiet für die durchzuführenden Maßnahmen
festzulegen. Innerhalb dieses Geltungsbereichs müssen sich die Maßnahmen zweckmä-
ßig durchführen lassen. Dem Beschluss muss ein schriftlich verfasstes Entwicklungs-
konzept zugrunde liegen, wobei dieses aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung der
Maßnahmen im Rahmen der Sozialen Stadt – anders als beim Stadtumbau – nicht
städtebaulicher Natur ist. Das Konzept soll insbesondere Maßnahmen zur Verbesse-
rung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie zur Schaffung und Erhaltung sozial
stabiler Bewohnerstrukturen enthalten. Genau wie beim Stadtumbau sind die Betroffe-
nen (§ 137) sowie die öffentlichen Aufgabenträger (§ 139) schon frühzeitig, also noch
während der Konzepterarbeitung, zu beteiligen. Die Beteiligten sind darüber hinaus
auch in der Phase der Umsetzung einzubeziehen und zur Mitwirkung anzuregen. Dabei
soll die Gemeinde nicht nur aktiv auf die Betroffenen zugehen, sie ist ihnen gegenüber
auch zur Beratung und Unterstützung verpflichtet. In der Praxis hat sich zu diesem
Zweck die Einrichtung eines Stadtteilbüros, also einer Koordinierungsstelle bewährt,
die Anlaufpunkt für alle Interessierten ist. Ebenso wie bei den Stadtumbaumaßnahmen
sind die Maßnahmen im Rahmen der Sozialen Stadt konsensorientiert. Soweit erfor-
derlich können und sollen zur Verwirklichung und zur Förderung der mit dem Ent-
wicklungskonzept verfolgten Ziele städtebauliche Verträge geschlossen werden. Auch
die Übernahme von Kosten kann Gegenstand von städtebaulichen Verträgen mit den
Eigentümern und sonstigen Maßnahmenträgern sein. Eine Durchführungssicherungs-
satzung im Sinne des § 171d ist im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Sozialen
Stadt nicht vorgesehen.
Maßnahmen der Sozialen Stadt lassen sich nicht ohne den Einsatz öffentlicher Mittel
finanzieren. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind zuletzt stark reduziert worden.
Grundsätzlich besteht aber Zugang zu Fördermöglichkeiten. Dazu ist in § 171e Abs. 6
geregelt, dass die §§ 164a und 164b einem Soziale-Stadt-Gebiet entsprechend anzu-
wenden sind. Ergänzend regelt Satz 2, dass der Einsatz von Finanzierungs- und Förder-
mitteln auch für nichtinvestive Maßnahmen („sonstige Maßnahmen“ im Sinne des
§ 171e Abs. 2 Satz 3) möglich sein soll.
Bild 67 gibt einen abschließenden Überblick über die Verfahrensvarianten innerhalb
des besonderen Städtebaurechts bei der Gebietsfestlegung.

1037 Einen Überblick über Maßnahmen der Sozialen Stadt kann man sich unter www.sozialestadt.de ver-
schaffen.

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Bild 67: Die Verfahrensvarianten bei der Gebietsfestlegung im Besonderen Städtebau-


recht

3. Private Initiativen zur Stadtentwicklung


Seit dem 1. Januar 2007 wurde das zweite Kapitel des Baugesetzbuchs um einen neuen
Teil ergänzt, der mit dem § 171f nur eine Vorschrift umfasst, überschrieben mit „Pri-
vate Initiativen“. Der Gesetzgeber trägt mit der neuen Regelung der Tatsache Rech-
nung, dass sich die städtebauliche Aufwertung von Quartieren in gestalterischer und
funktionaler Hinsicht auch auf private Initiativen stützen kann. Soweit landesrechtlich
zulässig, können Gebiete festgelegt werden, in denen in privater Verantwortung stand-
ortbezogene Maßnahmen zur Stärkung und Entwicklung von Innenstadtbereichen,
Stadtteilzentren, Wohnquartieren, Gewerbezentren und von sonstigen Bereichen, wel-
che für die städtebauliche Entwicklung von Bedeutung sind, durchgeführt werden.
Dieser Maßnahme ist ein Konzept zugrunde zu legen, das mit den städtebaulichen
Zielen der Gemeinde abgestimmt sein muss. Hinter den privaten Initiativen steckt
der Grundgedanke, dass sich betroffene Einzeleigentümer und Geschäftsleute eines
Quartiers zusammenschließen und in eigener Organisation und Finanzverantwortung
Maßnahmen zur Gebietsaufwertung in die Wege leiten. Diese Maßnahmen können
unterschiedlicher Art sein – häufig wird auf die funktionale und/oder gestalterische
Aufwertung des öffentlichen Raums abgestellt, denkbar sind auch Marketingaktivitä-
ten einschließlich der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen. Unter-
nehmer innerhalb eines Versorgungsbereichs versprechen sich von solchen Maßnah-
men steigendes Interesse und neue Kundschaft.
Eine grundsätzlich mögliche, rein freiwillige Initiative der Betroffenen scheitert allzu
oft an der Verweigerungshaltung Einzelner, die nicht willens sind, sich an entsprechen-
den Maßnahmen mit privatem Kapital zu beteiligen. Zumal sie von den Maßnahmen
auch ohne eigenes Zutun profitieren würden. Eine solche „Trittbrettfahrerei“ lässt
sich nur verhindern, wenn durch öffentlich-rechtliche Regelung gesichert wird, dass
alle Nutznießer innerhalb eines „Innovationsbereichs“ einen Beitrag leisten. Einzelne

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Länder (u. a. Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-


Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein) haben hierfür Regelungen getroffen, um
die Festlegung und gemeinschaftliche Beteiligung an einem solchen Innovationsbereich
zu regeln – teilweise bestand dieses Landesrecht bereits vor Novellierung des Bauge-
setzbuchs von 2007; das Landesrecht besteht aufgrund der in § 246 Abs. 3 normierten
Überleitungsvorschrift fort. Durch § 171f ist die Möglichkeit privat initiierter Aufwer-
tungsmaßnahmen für definierte Innovationsbereiche auch bundesrechtlich bestätigt.
Zu den bekanntesten Beispielen und Vorzeigeprojekten, die auf einer solchen privaten
Initiative beruhen, gehört die Entwicklung der Geschäftsstraße Neuer Wall in Ham-
burg. Vorbild sind die sogenannten Business Improvement Districts (BID) aus dem
Angelsächsischen – der erste wurde 1970 im kanadischen Toronto eingerichtet. Das
System privater Eigeninitiative im städtischen Kontext lässt sich neben Innenstädten
und Stadtteilzentren auch bei Wohnquartieren (Housing Improvement Districts –
HID) oder Gewerbezentren anwenden. Nach dem Hamburger Gesetz zur Stärkung
der Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gewerbezentren (GSED) ist ein Aufgabenträ-
ger (also ein an einer Maßnahme interessierter Eigentümer) zur Antragstellung für
einen Innovationsbereich berechtigt, wenn er die Zustimmung von 15 % aller Eigentü-
mer der innerhalb des Innovationsbereichs liegenden Grundstücke nachweisen kann.
Im Rahmen einer öffentlichen Auslegung wird ein Meinungsbild eingeholt. Wenn mehr
als ein Drittel der im Auswahlgebiet betroffenen Eigentümer der Einrichtung eines
Innovationsbereichs widersprechen und sich die Zahl der Gegner im Falle größeren
Widerstands auch nicht im Rahmen einer nachfolgenden Anhörung auf weniger als
ein Drittel der Eigentümer senken lässt, ist der Antrag von der Aufsichtsbehörde abzu-
lehnen. Hat der Antrag hingegen Erfolg, besteht die größte Herausforderung darin,
den anstehenden Aufwand gerecht auf die Eigentümer zu verteilen. Als Verteilungs-
maßstäbe kommen neben denen des Erschließungsbeitragsrechts z. B. auch die Höhe
der Gewerbesteuer und die gezahlte Grundsteuer einschließlich aller Kombinations-
möglichkeiten in Betracht.1038

4. Erhaltungssatzung und Erhaltungsverfügung


An der Spitze der in den §§ 172 bis 179 geregelten Einzelmaßnahmen steht die „Erhal-
tungssatzung“ nach § 1721039. Genauer gesagt geht es schon in § 172 um drei ver-
schiedene, jedoch miteinander kombinierbare Satzungstypen:
(1) Die Satzung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund
seiner städtebaulichen Gestalt (Erhaltungssatzung im engeren Sinn).
(2) Die Satzung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus be-
sonderen städtebaulichen Gründen (die sog. Milieuschutzsatzung).
(3) Die Satzung zur Sicherung von städtebaulichen Umstrukturierungen (die sog. Um-
strukturierungssatzung).
Das Satzungsgebiet kann auch in einen Bebauungsplan aufgenommen werden.
Mit der Aufstellung einer Satzung nach § 172 führt die Gemeinde eine besondere
Genehmigungspflicht für bauliche Maßnahmen ein. Im Geltungsbereich der „Erhal-
tungssatzung“ oder des in einem Bebauungsplan beschriebenen Erhaltungsgebiets be-
dürfen
– der Rückbau, die Änderung, die Nutzungsänderung baulicher Anlagen,
– in der Fallgruppe Nr. 1 auch die Neuerrichtung baulicher Anlagen und
– in der Fallgruppe Nr. 2 bei entsprechender landesrechtlicher Zusatzregelung auch
die Bildung von Wohnungseigentum in bestehenden Wohngebäuden

1038 Vgl. Schmidt-Eichstaedt in: Brügelmann: Baugesetzbuch – Kommentar, 63. Lfg., Juni 2007; § 171f,
Rn 25.
1039 Als verfassungskonform bestätigt durch BVerfG, B. v. 26.1.1987 – 1 BvR 969/83 –, NJW 1987, 2995 =
ZfBR 1987, 203.

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einer besonderen, über die normale Baugenehmigung hinausgehenden Erlaubnis. Die


Einzelfallprüfung, die anlässlich der Erteilung oder Versagung einer solchen Genehmi-
gung anzustellen ist, bildet die zweite Stufe des Sicherungsvorgangs, der mit dem Erlass
der Satzung in der ersten Stufe eingeleitet wird. Wie im Sanierungsgebiet wird die
Genehmigung von der Gemeinde erteilt – im Falle einer baurechtlichen Genehmigung
oder baurechtlichen Zustimmung entscheidet die Baugenehmigungsbehörde im Ein-
vernehmen mit der Gemeinde. Eine Baugenehmigung, die ohne das gemeindliche Ein-
vernehmen erteilt wurde, ist rechtswidrig und auf die Klage der betroffenen Gemeinde
hin aufzuheben1040.
a) Die Festlegung des Erhaltungsgebiets. In der ersten Stufe bezeichnet die Gemeinde
in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung das Erhaltungsgebiet1041.
Während für das Bebauungsplanverfahren die ausführlichen Verfahrensvorschriften
nach §§ 1 ff. gelten, ist das Verfahren zum Erlass einer speziellen Erhaltungssatzung
erheblich einfacher als die Aufstellung eines Bebauungsplans. Denn es ist weder die
Beteiligung von Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange noch eine Ein-
schaltung der Öffentlichkeit durch das Gesetz vorgeschrieben; nach dem Bundesver-
waltungsgericht1042 muss auch nicht (wie beim Bebauungsplan) eine Begründung der
Satzung mitbeschlossen werden – denn die Satzung enthält in sich selbst ihre Begrün-
dung: In der Satzung muss angegeben werden, auf welche Gesichtspunkte etwaige
Erhaltungsgebote gestützt werden sollen. Selbst wenn der Gesetzgeber keine Begrün-
dungspflicht normiert, kann ein Erläuterungsbericht sinnvoll sein, um die Überlegun-
gen zum Erlass der Satzung zusammenzufassen und genau zu beschreiben, welche
besondere Eigenart im Erhaltungsgebiet vorliegt und welche Bestandteile baulicher
Anlagen diese Eigenart besonders prägen. Solche Erläuterungen sorgen auch gegen-
über betroffenen Eigentümern für mehr Transparenz und tragen dazu bei, bei der
Öffentlichkeit Verständnis für die Notwendigkeit der Satzungsinhalte zu wecken.
Die Erhaltungssatzung muss nicht durch die höhere Verwaltungsbehörde genehmigt
werden. Die nach dem BBauG bis 1987 noch bestehende Genehmigungspflicht wurde
bereits im Zuge der Vereinfachungsbemühungen bei Einführung des Baugesetzbuches
gestrichen; eine Anzeigepflicht besteht ebenfalls nicht. Eine Erhaltungssatzung nach
§ 172 kann also notfalls beinahe aus dem Stand beschlossen werden – ohne langwie-
rige vorhergehende Untersuchungen.
Auch ohne gesetzliche Verpflichtung, Behörden und sonstige Träger öffentlicher Be-
lange oder die Öffentlichkeit, mindestens aber die Betroffenen, in das Aufstellungsver-
fahren für eine Erhaltungssatzung einzuschalten, wird die Gemeinde dies wohl zumin-
dest in all den Fällen von sich aus tun, in denen mit Konflikten zu rechnen ist.
Andererseits ist gerade in diesen Fällen zu erwarten, dass betroffene Eigentümer
schnell noch vor Rechtsverbindlichkeit der Satzung versuchen, aus ihrer Sicht entbehr-
liche oder unrentable Gebäude abzubrechen oder zu verändern, die unter das Erhal-
tungsgebot fallen könnten. Für solche Fälle regelt § 172 Abs. 2 durch Verweis auf § 15
Abs. 1, dass einschlägige Anträge von der Genehmigungsbehörde auf Verlangen der
Gemeinde für ein Jahr zurückgestellt werden müssen. Die Möglichkeit der Zurückstel-
lung setzt allerdings einen Beschluss über die Aufstellung der Erhaltungssatzung vo-
raus. Die Einbindung der Öffentlichkeit empfiehlt sich im Übrigen auch deswegen,
weil die Gemeinde über eher kleinteilige Veränderungen und Umbauten, die nicht
unter die präventive Baugenehmigungspflicht fallen, am schnellsten durch die Bewoh-

1040 Vgl. Niedersächisches OVG, B. v. 10.9.2015 – 1 LA 90/15 –, ZfBR 2015, 790.


1041 Grundlegend BVerwG, U. v. 3.7.1987 – 4 C 26.85 –, BVerwGE 78, 23.
1042 So schon Niedersächsisches OVG, U. v. 25.4.1983 – I C 1/82 –, ZfBR 1983, 238; strenger das OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 26.5.1982 – 11 A 15/80 –, NJW 1983, 2598, aufgehoben durch BVerwG,
U. v. 3.7.1987 – 4 C 26.85 –, ZfBR 1988, 40; vgl. auch BVerfG, B. v. 26.1.1987 – 1 BvR 969/83 –,
ZfBR 1987, 203.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ner der Gebäude selbst unterrichtet werden kann und sollte. Dazu müssen die Betroffe-
nen wissen, dass es in ihrem Wohngebiet eine Erhaltungssatzung gibt und was sie zu
bedeuten hat.

b) Das Erhaltungsgebot. Die Zurückstellung eines Abrissantrags leitet über zur zwei-
ten Stufe des Erhaltungsgebots. Diese zweite Stufe besteht darin, dass konkrete An-
träge auf Abriss, Änderung oder Umbau von baulichen Anlagen unter den speziellen
Gesichtspunkten des § 172 geprüft werden; bei der Entscheidung kommt der Ge-
meinde ein Ermessen in dem Sinne zu, dass die Genehmigung auch bei Erhaltungswür-
digkeit der Anlage erteilt werden kann, wenn die Gemeinde z. B. eventuellen Übernah-
meansprüchen nicht gewachsen ist1043. Wenn für das entsprechende Vorhaben eine
bauordnungsrechtliche Genehmigung oder eine bauordnungsrechtliche Zustimmung
erforderlich ist, dann liegt die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung bei
der Baugenehmigungsbehörde, die aber – in Bezug auf die Erhaltungsgesichtspunkte
– nur im Einvernehmen mit der Gemeinde handeln darf. Nur wenn die Angelegenheit
bauordnungsrechtlich genehmigungs- und zustimmungsfrei ist, liegt das Genehmi-
gungsverfahren gemäß § 173 Abs. 1 allein bei der zuständigen Gemeinde. In allen
Fällen (also sowohl dann, wenn die Baugenehmigungsbehörde entscheidet, als auch
dann, wenn die Gemeinde allein zuständig ist) hat die Gemeinde vor der Entscheidung
über den Genehmigungsantrag mit dem Eigentümer die für die Entscheidung erhebli-
chen Tatsachen zu erörtern. Wenn das Gebäude zur Erhaltung der Wohnbevölkerung
oder zur Ablaufsicherung bei städtebaulichen Umstrukturierungen erhalten bleiben
soll, hat sich die Gemeinde vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag auch
mit den Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten in Verbindung zu set-
zen (§ 173 Abs. 3 Satz 2). Spätestens an dieser Stelle findet also eine gezielte Betroffe-
nenbeteiligung statt, auch wenn die Gemeinde in der ersten Stufe darauf verzichtet
haben sollte. Erfolgt eine Genehmigung im Sinne des § 172 Abs. 4 Nr. 6 (weil sich
der Eigentümer dazu verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung von
Wohneigentum nur an die Mieter zu verkaufen), muss die Gemeinde seit der Novelle
vom Mai 2017 den gleichen Personenkreis, nämlich die Mieter, Pächter und sonstigen
Nutzungsberechtigten, über die Erteilung der Genehmigung informieren. Zu den Mie-
tern gehören auch die Mieter anderer Wohnungen im betroffenen Gebäude.

c) Die unterschiedlichen Folgen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für den Eigen-


tümer. Sobald die Gebietsfestlegung durch eine Erhaltungssatzung oder durch Bebau-
ungsplan in Kraft getreten ist, werden alle Anträge auf Rückbau, Änderung oder Nut-
zungsänderung baulicher Anlagen – im Bereich der Fallgruppe Nr. 1 auch Anträge
auf die Errichtung baulicher Anlagen – darauf geprüft, ob die beantragte bauliche
Maßnahme mit den Erhaltungszielen, die in der gebietsbezeichnenden Satzung erläu-
tert sein müssen, in Übereinstimmung steht. Ist dies nicht der Fall, kann die Gemeinde
die Genehmigung (bzw. ihr Einvernehmen zur Erteilung der Genehmigung) versagen;
sie muss es aber nicht tun, denn das Gesetz gewährt ihr durch die Verwendung des
Worts „darf“ in § 172 Abs. 3, 4 und 5 ein Ermessen. Im Rahmen des Ermessens
wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob die Gemeinde die möglichen finanziellen
Folgen einer Versagung bis hin zum Übernahmeanspruch des Eigentümers tragen
kann. Innerhalb der oben genannten drei Fallgruppen sind folgende Unterschiede zu
beachten: Eine Versagung der Genehmigung mit dem Ziel, die Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung in dem betreffenden Gebiet aus besonderen städtebaulichen Grün-
den zu erhalten (Fallgruppe Nr. 2: Milieuschutz), ist gemäß § 172 Abs. 4 Satz 2 nur
dann zulässig, wenn dem (konkreten) Eigentümer die Erhaltung der baulichen Anlage
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich zumutbar ist. Ergibt

1043 BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97 –, UPR 1998, 26.

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die Abwägung im Einzelfall, dass mit der Erhaltung des Gebäudes so hohe Kosten
verbunden sind, dass sie aus den Erträgen des Gebäudes nicht erwirtschaftet werden
können, so muss dem Eigentümer die beantragte Maßnahme (Rückbau) gestattet wer-
den, es sei denn, er hat die aktuelle Höhe des Erhaltungsaufwands selbst herbeigeführt,
indem er notwendige und zumutbare Instandhaltungsmaßnahmen über Jahre hinweg
pflichtwidrig unterlassen hat. Wenn die Gemeinde das Gebäude in jedem Fall erhalten
will, muss (und darf) sie es nach § 85 Abs. 1 Nr. 6 enteignen.
Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungs-
änderung baulicher Anlagen zur Sicherung von städtebaulichen Umstrukturierungen
verhindert werden sollen (Fallgruppe Nr. 3: Umstrukturierung): Auch in diesen Fällen
ist der Ausspruch eines Erhaltungsgebots (durch Versagung der Genehmigung) nur
dann zulässig, wenn die (hier in der Regel zeitlich beschränkte) Erhaltung des Gebäu-
des dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist.
Etwas anderes gilt nur bei der Verfolgung des ersten der drei oben genannten Ziele,
also bei der Bemühung um die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets
aufgrund seiner besonderen städtebaulichen Gestalt. Wenn es um dieses Ziel geht, darf
die Rückbau- oder Änderungsgenehmigung für ein Gebäude ohne Rücksicht auf die
wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Eigentümer versagt werden, wenn die bauliche
Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild,
die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbe-
sondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Das Erhaltungsinteresse
lässt sich nicht nur mit dem Argument in Frage stellen, dass die zur Erhaltung anste-
hende bauliche Anlage allein das Ortsbild nicht maßgeblich prägt, sondern erst im
Zusammenspiel mit weiteren baulichen Anlagen. Andererseits reicht für eine Versa-
gung nicht aus, dass die bauliche Anlage innerhalb eines Erhaltungsgebiets liegt.1044
„Für eine Prägung des Ortsbilds i. S. v. § 172 Abs. 3 kommt es ausschließlich auf die
optischen Wirkungen einer baulichen Anlage an. Sie muss ihren räumlichen Wirkungs-
bereich gestalterisch nicht nur unwesentlich positiv beeinflussen. Der Abriss einer das
Ortsbild prägenden baulichen Anlage ist regelmäßig als Beeinträchtigung der Ziele
einer auf Erhaltung des Ortsbilds gerichteten Erhaltungssatzung anzusehen.“1045 Laut
dem VG Köln geht der Schutz des Ortsbilds und der Stadtgestalt über den „normalen“
Verunstaltungsschutz hinaus, der gemäß § 34 Abs. 1 erst dann greift, wenn nach dem
ästhetischen Empfinden eines (Durchschnitts-)Betrachters ein hässlicher, verletzender,
belastender und als Unlust erregend empfundener Zustand zu beklagen ist. Eine Beein-
trächtigung der städtebaulichen Gestalt in einem Erhaltungsgebiet liegt hingegen be-
reits bei einer nachteiligen Veränderung des Ortsbildes oder der Stadtgestalt vor. In
dem zu entscheidenden Fall ging es um den Bau einer 6,5 m hohen Mobilfunkantenne
in einem Agrardorf, das in dem zu betrachtenden Teilgebiet von Hofanlagen aus dem
19. Jahrhundert geprägt ist.1046 Hier lagen demnach die Voraussetzungen für eine Ver-
sagung der Genehmigung vor. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat später in dieser
Angelegenheit auch noch klargestellt, dass die Verfahrensfreiheit nach der Landesbau-
ordnung (in dem Fall der Mobilfunkanlage) keine indizielle Bedeutung für die Beurtei-
lung der Verträglichkeit hat.1047 Selbst eine denkmalbehördliche Unbedenklichkeitser-
klärung muss die erhaltungsrechtliche Unzulässigkeit baulicher Anlagen nicht
ausschließen.1048 Die uneingeschränkte Ermächtigung zur Versagung der beantragten
Genehmigung ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Eigentü-
mer hat allerdings gemäß § 173 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 2 zur Folge, dass dieser von

1044 BVerwG, B. v. 30.10.2008 – 4 B 96.08 –, BauR 2009, 474–475.


1045 Hamburgisches OVG, U. v. 12.12.2007 – 2 Bf 10/02 –, BauR 2008, 1435–1440, ZfBR 2008, 383.
1046 VG Köln, U. v. 21.8.2007 – 2 K 3789/06 –, JurionRS 2007, 54783.
1047 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.7.2008 – 7 A 3255/07 –, JurionRS 2008, 33428.
1048 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 9.12.2005 – OVG 2 B 2/03 –, BauR 2006, 665.

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der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen kann, wenn und soweit
es ihm mit Rücksicht auf die Versagung der Genehmigung wirtschaftlich nicht mehr
zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer ande-
ren zulässigen Art zu nutzen. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen in den Fällen der
wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für den Gebäudeeigentümer lassen die nach Voraus-
setzungen und Rechtsfolgen durchaus unterschiedlichen Strukturen der verschiedenen
Satzungstypen nach § 172 besonders deutlich erkennen. In Bild 68 ist dies noch einmal
dargestellt.

Bild 68: Die Struktur der Satzungen nach § 172 BauGB


Gebäudeschutz Milieuschutz Ablaufsicherung
§ 172 Abs. l Nr. l § 172 Abs. l Nr. 2 § 172 Abs. 1 Nr. 3
Schutzziel Bestand und Struktur von Bestand und Struktur der
Gebäuden Bewohner und Nutzer be-
stimmter Gebäude
– auf Dauer – – auf Zeit –
Schutz- • Prägung des Ortsbildes, • besondere städtebauli- • Sicherung des Ablaufs ei-
argumente der Stadtgestalt, des che Gründe sprechen für ner städtebaulichen Um-
Landschaftsbildes, die Erhaltung der Zusam- strukturierung nach Maß-
sonstige städtebauliche mensetzung der Wohn- gabe eines Sozialplans
Bedeutung bevölkerung
Gemein- 1. Schritt:
same Schutz- Gebietskennzeichnung durch besondere Satzung oder durch B-Plan
methode 2. Schritt:
Prüfung aller Anträge auf:
– Rückbau (Abbruch)
– bauliche Änderung
– Errichtung baulicher Anlagen (nur bei Nr. 1)
– Nutzungsänderung
– Bildung von Wohnungseigentum (nur bei Nr. 2 nach landesrechtlicher Ermächtigung)
3. Schritt:
Versagung oder Erteilung der Genehmigung durch die Gemeinde im Einzelfall
Folgen einer Versagung bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit der Gebäudeerhaltung für den Eigentümer:
bei Nr. 1: bei Nr. 2 und Nr. 3:
Die Versagung der Geneh- Die Genehmigung für den beantragten Rückbau, die bauli-
migung ist möglich, aber: che Veränderung oder die Nutzungsänderung muss erteilt
Der Eigentümer hat dann ei- werden, aber: Wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfor-
nen Übernahmeanspruch dert, kann das Gebäude zur Verhinderung der beantrag-
gegen die Gemeinde. ten Maßnahme gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 6 enteignet wer-
den.

Es bleibt festzuhalten, dass innerhalb der drei möglichen Satzungsziele


– Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets,
– Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung,
– Sicherung städtebaulicher Umstrukturierungen
nur beim ersten Ziel die Erhaltung von konkreten, als wertvoll erkannten Gebäuden
im Vordergrund der Bemühungen steht. Hier geht es nur und ausschließlich um die
Erhaltung von geschichtlich oder künstlerisch wertvollen Gebäuden. Wenn diese Ge-
bäude verändert oder beseitigt werden, ist das geschützte Gut endgültig vernichtet.
Deshalb darf hier die Genehmigung ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Zumutbar-
keit für den Eigentümer versagt werden; allerdings muss die Gemeinde das Gebäude
dem Eigentümer abnehmen, wenn diesem die Erhaltung wirtschaftlich unzumutbar
ist. Beim zweiten und dritten Ziel geht es weniger um die Gebäude als um die darin
wohnende Bevölkerung, die entweder auf Dauer oder für einen bestimmten Zeitraum,
der von der Ablaufplanung für einen Prozess der städtebaulichen Umstrukturierung
abhängt, nicht aus den Gebäuden vertrieben werden soll. Es leuchtet ein, dass bei der

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Verfolgung des zweiten und dritten Zieles auf die Erhaltung der Gebäude verzichtet
werden muss, wenn sie unwirtschaftlich ist; notfalls kann man die betroffene Wohnbe-
völkerung auch an anderer Stelle unterbringen und sich dort um die als schützenswert
erkannten Belange bemühen.

d) Praktische Erfahrungen mit der Erhaltungssatzung. Das 1976 durch die Novelle
zum Bundesbaugesetz eingeführte Instrument der Erhaltungssatzung ist seither in vie-
len Städten der Bundesrepublik mit Erfolg angewendet worden. In der Mehrzahl der
Fälle ging es um die Erhaltung von städtebaulich wertvollen Gebäuden (also um die
Fallgruppe Nr. 1), in einigen Fällen auch um die Erhaltung der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung (Fallgruppe 2, oft in einem Umfeld steigender Mieten und knapper
werdenden Wohnraums); die Satzung der Fallgruppe 3 (Verfahrenssicherung bei städ-
tebaulichen Umstrukturierungen) wird kaum angewendet, weil in den in Frage kom-
menden Fällen in aller Regel zur Sanierungsmaßnahme nach § 136 gegriffen wird.
Das zweistufige Verfahren der Erhaltungssatzung hat sich insbesondere zur Erhaltung
wertvoller Gebäude und Gebäudegruppen bewährt. Die Gemeinde braucht sich im
ersten Schritt noch nicht konkret darauf festzulegen, welche Gebäude im Einzelnen
unverändert stehenbleiben sollen, sie braucht nur das Gebiet insgesamt zu kennzeich-
nen. Erst auf konkrete Rückbau- und Änderungsanträge muss dann reagiert werden.
Die Gemeinde kann vorher durch Öffentlichkeitsarbeit versuchen, die Grundstücksei-
gentümer in dem Gebiet für ihre Zwecke zu gewinnen und sie von vornherein von
Rückbau- und Änderungsanträgen abzuhalten. Allerdings muss die Gemeinde beim
Erlass von Erhaltungssatzungen und bei der Versagung von Genehmigungen der Fall-
gruppe 1 Folgendes beachten: Der durch die Erhaltungssatzung des Typs Nr. 1 be-
wirkte Schutz hat einen anderen Gehalt als der Denkmalschutz, denn er muss nach
der Rechtsprechung von städtebaulicher Dimension sein. Den Denkmalschutz muss
die Gemeinde dem Landesrecht und den danach zuständigen Behörden überlassen.
Das bedeutet zum einen, dass mit der Erhaltungssatzung z. B. die Verhinderung von
Werbeanlagen an Gebäuden in der Regel nicht möglich ist1049; derartige Anlagen sind
dazu zu klein. Das bedeutet zum anderen, dass ein Erhaltungsgebot nach dem BauGB
nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass in einem im Übrigen völlig unscheinbaren
Gebäude nur ein berühmtes historisches Ereignis stattgefunden hat; ein geschichtlicher
Wert im Sinne einer Erhaltungssatzung muss sich stets mindestens auch aus der bauli-
chen Struktur des Gebäudes, aus seiner baugeschichtlichen Bedeutung ergeben1050.
Prägt dieses Gebäude das Ortsbild zwar nur im Zusammenspiel mit anderen baulichen
Anlagen maßgeblich, so ist hingegen – wie bereits erwähnt – eine Versagung einer
baulichen Änderung aus Gründen der Ortsbilderhaltung im Geltungsbereich einer Er-
haltungssatzung zulässig.1051 Städtebauliche Erhaltungssatzungen werden sehr häufig
erlassen, um den im BauGB auch im Sanierungsgebiet normierten Genehmigungsvor-
behalt in die Zeit nach Aufhebung einer Sanierungssatzung zu retten. Wer jahrelang
mit viel Mühe und noch mehr öffentlichen Mitteln im Rahmen einer Sanierungsmaß-
nahme für die Beseitigung städtebaulicher Substanzschwächen gesorgt hat, möchte
auch die weitere städtebauliche Entwicklung überprüfen können. Gerade für diese
Zwecke ist die Erhaltungssatzung ein geeignetes Instrument; denn es bringt die Ge-
meinden in den Austausch mit Bauwilligen und ermöglicht eine positive Einfluss-
nahme.
Die Rechtsvorschriften des Bauplanungsrechts, des Bauordnungsrechts und des Denk-
malschutzrechts sollten im Übrigen bei der Erhaltung und Gestaltung von baulichen
Anlagen in konstruktiver Zusammenwirkung genutzt werden (vgl. dazu Bild 69).

1049 So Niedersächsisches OVG, U. v. 10.12.1982 – A 13/82 –, NVwZ 1983, 557.


1050 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 29.8.1984 – 7 A 2012/83 – (Fall Woolworth – Köln).
1051 BVerwG, B. v. 30.10.2008 – 4 B 56.08 –, BauR 2009, 474.

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Bild 69: Das Zusammenwirken von Bauplanungsrecht, Bauordnungsrecht und Denkmal-


recht bei der Erhaltung und Gestaltung von baulichen Anlagen
ERHALTUNG
durch:
Denkmalschutz setzt Denkmaleigenschaft voraus
Erhaltungssatzung besondere Genehmigungspflicht, wenn die bauliche Anlage allein oder im
Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtge-
stalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbe-
sondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist.
Bestandsbezogene Fest- Beispiele:
setzungen im B-Plan – Baukörperfestsetzungen
– Höhe der vorhandenen Gebäude
– Verbot von Nebenanlagen
GESTALTUNG
durch:
Gestaltungsrelevante Beispiele:
Festsetzungen im B-Plan – Ausrichtung der Baukörper
– Begrünungsvorschriften
– Festsetzungen zum Nutzungsmaß, insbesondere Zahl der Vollge-
schosse, Höhe baulicher Anlagen, Baumasse
– Bauweise (offen, geschlossen, abweichend)
– Mindest- und (aus Bodenschutzgründen) Höchstmaße für die Größe,
Breite und Tiefe von Baugrundstücken
– Vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflä-
chen
Gestaltungsvorschriften Beispiele:
nach Landesbauordnung – Gebäudehöhe, Geschosshöhe
– Baustoffe, Farbe der von außen sichtbaren Bauteile
– Form und Neigung der Dächer
– Firstrichtung (Giebeltyp, Traufseittyp)
– Aufbauten und Einschnitte
– Bauteile (Antennen, Solardächer, Fallrohre)
– Fassaden, Fassadenzuordnung, Fassadengliederung
– Fensterausbildung, Schaufenster
– Türen
– Zusätzliche Bauteile: Vordächer, Balkone, Markisen
– Nebengebäude, Anbauten
– Außenanlagen (Freiflächen, Zufahrten, Stellplätze)
– Werbeanlagen
Die Festsetzungen nach der Landesbauordnung können entweder in einen Bebauungsplan aufgenom-
men werden oder als selbständige Gestaltungssatzung ergehen. Nur über einen Bebauungsplan lassen
sich Gestaltungsfestsetzungen und Erhaltungssatzung in einem Planwerk vereinigen.

Einige Probleme haben Satzungen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbe-
völkerung (sog. Milieuschutzsatzungen) aufgeworfen. Beispielsweise hat man auf dem
Weg über Erhaltungssatzungen des Typs Nr. 2 versucht, Arbeiter- und Zechensiedlun-
gen im Ruhrgebiet zu erhalten, bei denen die dazugehörigen Schachtanlagen oder gro-
ßen Eisenhütten inzwischen aufgegeben worden waren. Die Zechenunternehmen ver-
kauften diese Siedlungen an Wohnungsbaugesellschaften, die statt der eher einfachen
und kleingeschnittenen Arbeiterhäuser nun luxuriöse Einfamilienhäuser auf die inzwi-
schen wertvollen Grundstücke bauen und anschließend an zahlungskräftige Bevölke-
rungskreise verkaufen wollten. In diesen Fällen konnten sich die Gemeinden mit dem
Satzungsziel durchsetzen, die Arbeiterbevölkerung dieser Siedlungen als schützens-
werte Wohnbevölkerung zu erhalten, unterstützt mit dem Argument, die Zechensied-
lungen seien auch aus städtebaulich-architektonischer Sicht erhaltungswürdig. In einer
zweiten Gruppe von Anwendungsfällen der Satzungen zur Erhaltung der Zusammen-
setzung der Wohnbevölkerung waren die Kommunalverwaltungen weniger erfolg-
reich. So hat man in vielen Fällen vergeblich versucht, über eine Erhaltungssatzung
die Umwandlung von aufwendig gebauten und großzügig geschnittenen Gründerzeit-

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wohnungen in Eigentumswohnungen zu verhindern. Auch hier ist zwar die allmähli-


che Verdrängung der bisherigen Mieter durch zahlungskräftige Wohnungskäufer mit
Eigenbedarf zu befürchten. Sofern mit der Umwandlung in Eigentumswohnungen aber
keine baulichen Veränderungen einhergehen, fehlte es der Erhaltungssatzung bisheri-
gen Zuschnitts an einem Eingriffstatbestand: Genehmigungspflichtig waren bis zum
BauROG 1998 nur bauliche Veränderungen und solche Nutzungsänderungen, die in
eine andere Kategorie der BauNVO führen. Wohnen bleibt jedoch auch dann Wohnen,
wenn statt Mietern nun Eigentümer wohnen. Der Versuch des BVerwG, das Problem
durch Rückgriff auf bauordnungsrechtliche Vorschriften zu lösen, scheiterte vor dem
Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte. Nach dem BVerwG durfte die nach
dem Wohnungseigentumsgesetz erforderliche Abgeschlossenheitsbescheinigung nur
dann erteilt werden, wenn Wände und Decken z. B. im Hinblick auf Schallschutz den
jeweils neuesten Anforderungen des Bauordnungsrechts entsprachen (was bei Altbau-
ten praktisch nie der Fall ist); der vom BGH angerufene Gemeinsame Senat der obers-
ten Gerichtshöfe des Bundes gab 1992 jedoch dem BGH Recht, der darin eine unge-
rechtfertigte nachträgliche Anforderung an (einstmals) legal errichteten Wohnraum
sah1052.
Wie bereits im Kapitel B.VII. „Sicherung der Bauleitplanung“ erwähnt, wurden die
Landesregierungen durch das BauROG 1998 ermächtigt, „für Grundstücke in Gebie-
ten einer Satzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2“ (also einer Milieuschutzsatzung) „durch
Rechtsverordnung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen,
dass auch die Begründung von Wohnungseigentum und Teileigentum an Gebäuden,
die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nicht ohne Genehmi-
gung erfolgen darf“. Ein solches Verbot „gilt als Verbot im Sinne des § 135 BGB“ –
d. h., dass ihm zuwiderlaufende Rechtsakte gegenüber der Gemeinde unwirksam sind
(sog. „relatives Veräußerungsverbot“). Aufgrund der Ermächtigung von 1998 sind
anfangs nur im Stadtstaat Hamburg sog. Umwandlungsverordnungen, gekoppelt an
Milieuschutzverordnungen, erlassen worden1053; zuletzt wurde eine solche Umwand-
lungsverordnung mit Wirkung bis Ende 2023 verlängert. Der Hansestadt haben es die
Länder Baden-Württemberg, Bayern sowie Nordrhein-Westfalen und Berlin gleichge-
macht. Umwandlungsverordnungen können und sollen also ergänzend zu Milieu-
schutzsatzungen für einen zusätzlichen Schutz sorgen und auch die Umwandlung von
Wohnraum in Eigentum oder Teileigentum unter einen Genehmigungsvorbehalt stel-
len. Soweit mit einer Milieuschutzsatzung, im Falle Hamburgs, Bremens und Berlins
Verordnung, lediglich wohnungs(markt)politische Ziele in dem Sinne verfolgt werden,
dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden soll, ist
nach der Rechtsprechung eine Erhaltungssatzung jedoch nicht hinreichend gerechtfer-
tigt1054. Ziel muss die Erhaltung der Zusammensetzung der darin wohnenden Bevöl-
kerung sein. Die bloße Verhinderung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswoh-
nungen ist kein bodenpolitisches, sondern ein wohnungspolitisches Ziel. Der Erlass
einer Erhaltungssatzung des Typs 2 ist jedoch mit Rücksicht auf die vom Gesetz in
§ 172 Abs. 4 geforderten „besonderen städtebaulichen Gründe“ nur dann gerechtfer-
tigt, wenn sich aus der Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen besondere
städtebauliche Folgen ergeben – etwa dergestalt, dass die einheimische Wohnbevölke-
rung durch erholungssuchende Zweitwohnungssuchende verdrängt und so der ge-
samte Ortscharakter verändert wird oder dadurch, dass die Gemeinde für die Unter-

1052 Vgl. BVerwG, B. v. 26.7.1989 – 8 B 112.89 –, ZfBR 1990, 151 einerseits und BGH, B. v. 14.2.1991 –
V ZB 12/90 –, ZfBR 1991, 116 andererseits. Zum Problem vgl. Wolf-D. Deckert, Neue öffentlich-
rechtliche Rechtsprechung verhindert die Begründung von Wohnungseigentum an Altbauten, in: ZfBR
1990, 109–113.
1053 Zur Hamburger Regelung vgl. BVerwG, U. v. 30.6.2004 – 4 C 1.03 –, ZfBR 2004, 801.
1054 Vgl. LG München I, 3.8.1981 – 0 18478/80 –, NVwZ 1982, 59.

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bringung verdrängter Mieter mit besonderem Wohnbedarf (z. B. alte Menschen,


Studenten) bauleitplanerische Maßnahmen ergreifen muss. Erhaltungssatzungen, die
so begründet werden konnten, sind denn auch von den Gerichten bestätigt wor-
den1055. Dabei hat das BVerwG klargestellt, dass eine Milieuschutzsatzung für ein
Gebiet mit jeder Art von Wohnbevölkerung erlassen werden darf, soweit die Zusam-
mensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll1056. Eine
besondere Bevölkerung mit einem besonderen Milieu ist nicht erforderlich! Der (auch
aus Gründen der Eigentumsgarantie gebotene) vorsichtige Umgang des Gesetzgebers
mit der Milieuschutzsatzung und besonders mit der Einführung einer Genehmigungs-
pflicht für die Bildung von Wohnungseigentum in Milieuschutzgebieten zeigt sich aller-
dings an der langen Liste der Tatbestände, bei deren Vorliegen die Genehmigung zur
Bildung von Wohnungseigentum erteilt werden muss. Dies ist der Fall, wenn
– die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstat-
tungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dient;
– Wohnungseigentum zugunsten von Miterben oder aufgrund eines Vermächtnisses
gebildet werden soll;
– Wohnungseigentum an Familienangehörige zur eigenen Nutzung veräußert werden
soll;
– Ansprüche auf Sondereigentum, die durch Vormerkung gesichert sind, erfüllt wer-
den sollen;
– Wohnungseigentum in Gebäuden gebildet werden soll, die bei Antragstellung nicht
zu Wohnzwecken genutzt werden;
– sich der Eigentümer verpflichtet, binnen sieben Jahren ab Begründung des Woh-
nungseigentums Wohnungen nur an Mieter zu veräußern (in diesem Fall kann
auch die Veräußerung von Wohnungseigentum am Gebäude während der Dauer
der Verpflichtung von der Genehmigung der Gemeinde abhängig gemacht wer-
den);
– eine Änderung an einer baulichen Anlage dem Ziel dient, den baulichen oder anla-
gentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung gerecht zu
werden (dieser Punkt ist als Nr. 1a durch das Gesetz zur Stärkung der Innenent-
wicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städte-
baurechts vom 11. Juni 2013 ins BauGB aufgenommen worden).
Das BVerwG hat durch Beschluss in nachvollziehbarer Weise klargestellt, dass die
Änderung baulicher Anlagen nicht dem Genehmigungsvorbehalt des § 172 Abs. 4
Satz 3 Nr. 1 unterfällt, wenn sich die Änderung nicht auf die Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung auswirkt.1057 Als ein weiteres (umstrittenes) Instrument zum
Schutz der Bewohner in Milieuschutzgebieten (in Berlin auch in Sanierungsgebie-
ten1058) sind Mietpreisobergrenzen benutzt worden. Das BVerwG1059 hat die Festle-
gung von Mietpreisobergrenzen gebilligt – aber nicht als Instrument der Preisbindung,
sondern nur als Indikator für die Versagung von beantragten Umbaumaßnahmen in
Milieuschutzgebieten. Dahinter steckt folgende Argumentationskette: Nach § 559
BGB darf ein Vermieter alle Investitionen, die der notwendigen Modernisierung eines
Hauses dienen, mit 8 % (neu seit dem 1.1.2019 – zuvor 11 %) der entstandenen Kos-
ten auf die Mieter umlegen (für Erhaltungsmaßnahmen erforderliche Kosten dürfen

1055 Niedersächsisches OVG, U. v. 25.4.1983 – I C 1/82 –, ZfBR 1983, 238: Schutz der ortsansässigen
Wohnbevölkerung (Westerland/Sylt) vor der Verdrängung durch Errichtung von Ferienappartments in
Form von Eigentumswohnungen ist über eine Erhaltungssatzung möglich; im Ergebnis ebenso Hessi-
scher VGH, B. v. 28.4.1986 – 3 N 1578/85 –, DVBl. 1986, 693 für Studentenquartier im Altbaubereich.
1056 BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97–, BauR 1997, 992 = UPR 1998, 26.
1057 BVerwG, B. v. 17.12.2004 – 4 B 85.04 –, BauR 2005, 839.
1058 Ablehnend dazu OVG Berlin, U. v. 30.1.2004 – 2 B 18.02 –, Das Grundeigentum 2004, 354.
1059 BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97–, BauR 1997, 992.

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nicht umgelegt werden). Es liegt auf der Hand, dass einkommensschwache Mieter
durch eine solche aufgezwungene Mieterhöhung überfordert sein können; im Ergebnis
müssten sie aus der Wohnung ausziehen. Um dies zu verhindern, dürfen die Gemein-
den – so das BVerwG – nach empirisch belegter Feststellung der durchschnittlichen
Zahlungsfähigkeit der vorhandenen Mieter für ein bestimmtes Gebiet festlegen, welche
Kostenfolge von Modernisierungsmaßnahmen maximal ausgelöst werden darf – dieses
ist dann die „Mietpreisobergrenze“. Bauliche Maßnahmen, die im Ergebnis zu einer
die Obergrenze übersteigenden Miete führen würden, werden nicht genehmigt. Die
Durchsetzbarkeit derartiger Mietobergrenzen ist allerdings vom Gesetzgeber im BGB
und im BauGB mit folgenden Einschränkungen versehen worden: Die Mieter einer
Wohnung sind nach § 555a BGB zur Duldung von Erhaltungsmaßnahmen kraft Geset-
zes verpflichtet, „die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforder-
lich sind“. Hinsichtlich Modernisierungsmaßnahmen, zu denen neben den bekannten
Maßnahmen zur dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Mietverhältnisse auch
bauliche Veränderungen gehören, durch die z. B. Endenergie, nicht erneuerbare Pri-
märenergie oder der Wasserverbrauch nachhaltig eingespart wird, haben sich im Zuge
des Mietrechtsänderungsgesetzes vom 11. März 2013 (BGBl. I 434) Änderungen erge-
ben. Durch die Reform wird das gesamte Recht der Duldung von Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen in einem neuen Kapitel 1a in den §§ 555a bis 555f BGB
geregelt. Im gleichen Zuge wurde § 554 BGB aufgehoben. Die Vorschriften wurden
zugleich mit dem Mieterhöhungsrecht nach Modernisierung (§§ 559 bis 559b BGB)
abgestimmt. Es sollte die Duldungspflicht von Modernisierungen aus Gründen der
Energieeinsparung und des Klimaschutzes gestärkt werden. Eine Duldungspflicht für
Modernisierungen besteht nur dann nicht, „wenn die Modernisierungsmaßnahme für
den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeu-
ten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermie-
ters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeinspa-
rung und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist“ (§ 555d Abs. 2 BGB). Der
Mieter hat dem Vermieter die Umstände, die eine entsprechende Härte begründen,
mitzuteilen. Vermieter und Mieter können aus Anlass von Erhaltungs- und Moderni-
sierungsmaßnahmen u. a. Vereinbarungen über die zeitliche und technische Durchfüh-
rung der Maßnahmen, über Gewährleistungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche
sowie über die künftige Miete treffen. Bemühungen um einen besseren Mieterschutz
wurden im Rahmen des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (MietNovG) vom 21. April
2015 (BGBl. I S. 610) unternommen, indem für „Gebiete mit angespannten Woh-
nungsmärkten“ neue Vorschriften erlassen wurden. So darf in solchen Gebieten die
Miete zu Beginn eines Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um
10 Prozent überschreiten – für die damit verbundenen Neuregelungen hat der Gesetz-
geber die Bezeichnung “Mietpreisbremse“ gefunden.
Den erläuterten Duldungspflichten im BGB steht auf Seiten des BauGB § 172 Abs. 4
Nr. 1 gegenüber. Danach sind, wie oben bereits dargestellt, alle Maßnahmen zu geneh-
migen, „die der Herstellung eines durchschnittlichen Ausstattungsstandards einer ver-
gleichbaren Wohnung dienen“ (dem OVG Berlin1060 genügt insoweit ein 50 % über-
steigender Verbreitungsgrad). Die Heranführung von Häusern und Wohnungen an
einen zeitgemäßen Ausstattungsstandard hat also nach dem Willen des Gesetzgebers
Vorrang vor dem Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Die betreffen-
den Baumaßnahmen müssen genehmigt werden, und zwar ohne Auflagen aus Grün-
den des Milieuschutzes. Die Berliner Bezirke im ehemaligen Ostteil der Stadt haben
diese Rechtslage zunächst verkannt; sie haben versucht, durch den Beschluss von Miet-
obergrenzen in Sanierungsgebieten und in Erhaltungsgebieten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2

1060 OVG Berlin, U. v. 10.6.2004 – 2 B 3.02 –, Das Grundeigentum 2004, 1101.

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de facto eine Mietpreisbindung zu bewirken. Instandsetzung und Modernisierung wur-


den nur unter der Auflage genehmigt, die vom Bezirksamt und der Bezirksverordneten-
versammlung beschlossenen Mietobergrenzen einzuhalten. Durch die Berliner Verwal-
tungsgerichte sind die Bezirke zur Ordnung gerufen worden1061. Für eine
Mietpreisbindung gibt es keine Rechtsgrundlage mehr – weder im Zivilrecht noch im
öffentlichen Recht (aber immerhin gibt es seit 2015 die Mietpreisbremse). Über eine
Milieuschutzsatzung können nur Luxussanierungen verhindert werden, nicht aber die
Herstellung des durchschnittlichen Ausstattungsstandards einer vergleichbaren Woh-
nung.
Als zentrale Rechtsgrundlage für ein aus sozialen Gründen abgemildertes und koope-
ratives Vorgehen bei der Sanierung und Umstrukturierung von erneuerungsbedürftigen
Gebieten bleibt die Sozialplanung. Eine sozialplanwidrige und damit unsoziale Vorge-
hensweise erschwert die Durchführung der Sanierung und widerspricht ihren Zielen
– entsprechende Maßnahmen können daher auf der Grundlage der §§ 144, 145 in
Sanierungsgebieten untersagt werden. Ebenso können im Geltungsbereich einer Um-
strukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 Maßnahmen untersagt werden, wenn
dies erforderlich ist, um einem sozial gerechten Ablauf nach Maßgabe eines Sozial-
plans Rechnung zu tragen. Mit Hilfe eines Sozialplans nach § 180 kann beschrieben
werden, welche Maßnahmen unter welchen Bedingungen als sozialverträglich zu be-
trachten sind. In die Beschreibung eines sozial verträglichen Sanierungsablaufs können
auch Vorstellungen darüber eingehen, welche Mietbelastungen und welche Mieterhö-
hungen in welchem Zeitablauf als zumutbar angesehen werden. Mittlerweile hat das
BVerwG die Frage entschieden, ob der Ausgleich einer möglichen Differenz zwischen
einer sozialverträglichen Miete und der Miete, die nach dem bis März 2013 noch
geltenden § 554 BGB erhoben werden durfte, allein im Wege des Härteausgleichs nach
§ 181 aus öffentlichen Mitteln erfolgen muss oder ob auch von den Eigentümern im
Gebiet eine zeitlich und ökonomisch begrenzte Mitwirkung verlangt werden darf.
Nach dem BVerwG nimmt das Sanierungsrecht des BauGB die BGB-Regelungen über
die Miethöhe nicht nur für die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung,
sondern auch für die Durchführung der Sanierung hin. Die Gemeinde kann eine sozial-
verträgliche Durchführung der Sanierung ausschließlich mit den Mitteln des Sanie-
rungsrechts sichern. Ohne eine ausdrückliche Ermächtigung kann sie die Vertragsfrei-
heit und die bürgerlich-rechtlichen Regelungen über die Miethöhe auch nicht auf Zeit
für die Durchführung der Sanierung außer Kraft setzen1062.
Als geeignetes flankierendes Instrument zur Unterstützung von Erhaltungszielen hat
sich schließlich für die Städte und Gemeinden die Möglichkeit erwiesen, ihr gesetzli-
ches Vorkaufsrecht nach § 24 auszuüben. Da im Geltungsbereich einer Erhaltungssat-
zung das allgemeine Vorkaufsrecht der Gemeinde nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 besteht, kann
die Gemeinde in Kaufverträge „einsteigen“, wenn die Gefahr erkennbar wird, dass
durch die Veräußerung eines Grundstücks nebst Wohngebäude z. B. an einen stadtbe-
kannten „Umwandler“ die in der Erhaltungssatzung definierten Ziele gefährdet wer-
den. Auch im Beispiel der Zechensiedlungen kann das Vorkaufsrecht nützlich sein.
Denn die Gemeinde kann dann (wie auch tatsächlich geschehen) erwägen, bereits die
Veräußerung der Siedlungsgrundstücke an eine Wohnungsbaugesellschaft dadurch zu
verhindern, dass sie selbst als Käufer gegenüber dem Zechenunternehmen auftritt.
Angesichts der Tatsache, dass ein solches Vorgehen erhebliche Haushaltsmittel erfor-
dert, ist diese Strategie jedoch nicht immer anwendbar.

1061 OVG Berlin, U. v. 10.6.2004 – 2 B 3.02 –, ZfBR 2004, 697: Auflagen zur Einhaltung von Mietober-
grenzen sind bei der Erteilung einer milieuschutzrechtlichen Genehmigung für bauliche Maßnahmen,
die nur zu einem zeitgemäßen Ausstattungsstandard einer durchschnittlichen Wohnung führen, nicht
zulässig. Dabei ist kein gebietsbezogener, sondern ein bundesweiter Vergleichsmaßstab heranzuziehen.
1062 BVerwG, U. v. 24.5.2006 – BVerwG 4 C 9.04 –, BauR 2006, 1726.

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5. Der Katalog der städtebaulichen Gebote


a) Übersicht. Neben dem soeben geschilderten zweistufigen Erhaltungsgebot kennt das
Baugesetzbuch auch eine Reihe von einstufigen Geboten. Dabei handelt es sich um
Verfügungen, die ohne ein vorheriges Satzungsverfahren ergehen können; zum Teil
setzen sie allerdings einen Bebauungsplan voraus. Das Bild 70 zeigt, welche Gebote es
gibt und in welchen Gebietskategorien diese Gebote eingesetzt werden können.
Bild 70: Übersichtstafel über die städtebaulichen Gebote

§§ § 176 § 176 § 177 § 177 § 178 § 179 § 172


Gebote Bau- Anpas- Mo- Instand- Pflanz- Rück- Erhal-
gebot sungs- derni- set- gebot bau- tungs-
gebot sie- zungs- und Ent- gebot
rungs- gebot siege-
Geltungs- gebot lungs-
bereiche gebot

Flächen mit
Bebauungs-
plan*

Im Zusam-
menhang be-
baute Orts-
teile* (ohne
B-Plan)

Außenbe-
reich* (ohne
B-Plan)

Gebiete ge-
mäß beson-
derer Satzung

* Ausgenommen Grundstücke, die besonderen Zwecken im Sinne des § 175 Abs. 4 dienen.
Nur bei entsprechender Festsetzung im B-Plan.

Demnach sind – neben dem Erhaltungsgebot nach § 172 – fünf weitere städtebauliche
Gebote innerhalb des BauGB zu unterscheiden:
– das Baugebot nach § 1761063,
– das Modernisierungsgebot nach § 1771064,
– das Instandsetzungsgebot1065, ebenfalls in § 177 geregelt,
– das Pflanzgebot1066 nach § 178 und
– das Rückbau- und Entsiegelungsgebot1067 (das frühere Abbruchgebot) nach § 179.

1063 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Baugebots als Inhaltsbestimmung des Eigentums schon BVerwG, U.
v. 30.10.1958 – 1 C 29/58 –, BVerwGE 7, 297 = NJW 1959, 165; Zu den Anforderungen nach dem
BauGB vgl. BVerwG, B. v. 3.8.1989 – 4 B 70.89 –, ZfBR 1989, 265 sowie BVerwG, U. v. 15.2.1990 –
4 C 41.87 –, ZfBR 1990, 143 und BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990, 196; BVerwG,
U. v. 11.4.1991 – 4 C 7.90 –, ZfBR 1991, 179.
1064 Zur Frage der Kostentragung vgl. BVerwG, B. v. 20.11.2012 – 4 B 7.12 –, ZfBR 2013, 177.
1065 Vgl. BVerwG, B. v. 9.7.1991 – 4 B 100.91 –, ZfBR 1991, 275.
1066 Vgl. OVG Berlin, U. v. 31.5.1991 – OVG 2 B 11.89 –, ZfBR 1991, 230.
1067 Vgl. OVG Bremen, U. v. 25.2.1986 – 1 BA 83/85 – BRS 46 Nr. 197; OVG Berlin, U. v. 20.2.1987 –
OVG 2 A 4.83 –, ZfBR 1987, 163; BVerwG, B. v. 22.6.1988 – 4 NB 13/18 –, Buchholz 406.11 § 39d
BBauG Nr. 1 (Abbruchgebot).

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Die Funktion aller dieser Gebote besteht weniger darin, dass sie von den Gemeinden
ausgesprochen und durchgesetzt werden, als vielmehr in ihrer Signalwirkung für die
Eigentümer. Die Grundeigentümer werden durch das Vorhandensein dieser Vorschrif-
ten darauf hingewiesen, dass sie zu bestimmten notwendigen Baumaßnahmen an ihren
Gebäuden notfalls durch Verwaltungsakt verpflichtet werden können. Erwünscht ist,
dass diese baulichen Maßnahmen von den Eigentümern freiwillig und im Einverneh-
men mit der Kommune in Angriff genommen werden. Wenn es dann doch einmal zum
Streit mit einem widerborstigen Eigentümer kommen sollte, dann sollte die Gemeinde
zwar nicht davor zurückschrecken, das Zwangsinstrument einzusetzen; es wird sich
dabei jedoch zeigen, dass die Schritte bis zur Rechtsverbindlichkeit und bis zum Ein-
satz von Verwaltungszwangsmitteln zur Vollstreckung des Gebots so zahlreich und
kompliziert sind, dass darüber Monate, wenn nicht Jahre vergehen können1068. Ein
solcher Zeitablauf kann dazu führen, dass das Instrument sich als relativ stumpf er-
weist. Dies kann und darf jedoch kein Grund dafür sein, das Instrumentarium insge-
samt als unbrauchbar und unpraktikabel zu den Akten zu legen.

b) Das Verfahren vom Erlass bis zur Vollstreckung eines Gebots. Der erste Schritt vor
Erlass eines Gebots besteht darin zu prüfen, ob für das Grundstück ein etwa erforderli-
cher Bebauungsplan vorhanden und ob die alsbaldige Durchführung der erwogenen
Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist. Jedes Gebot ist eine
Zwangsmaßnahme, die in die Verfügungsfreiheit des Eigentümers eingreift und somit
nach dem Grundsatz der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein
muss. Schon diese städtebauliche Rechtfertigung eines Gebots kann Schwierigkeiten
bereiten. Denn im Allgemeinen entscheidet der Eigentümer allein, ob und wann er ein
Grundstück, das von der Bauleitplanung für die Bebauung freigegeben worden ist,
bebauen möchte. Auch über Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen haben im
Grundsatz die Eigentümer im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigen-
tumsfreiheit allein zu entscheiden. Es müssen also schon gewichtige Gründe vorgetra-
gen werden können, wenn man die Grundeigentümer zu baulichen Maßnahmen ho-
heitlich verpflichten will.
Kommt eine Gemeinde z. B. aufgrund der Erwägung, dass vor der Ausweisung von
neuem Bauland zunächst die vorhandenen Baulücken geschlossen werden sollten, zu dem
Entschluss, ein oder mehrere Baugebote auszusprechen, dann muss sie diesen Entschluss
zunächst mit den betroffenen Eigentümern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtig-
ten erörtern. Sie muss die Betroffenen im Rahmen ihrer Möglichkeiten beraten, wie die
Maßnahme durchgeführt werden kann und welche Finanzierungsmöglichkeiten aus öf-
fentlichen Kassen bestehen. Im Ergebnis darf das Baugebot nur angeordnet werden,
wenn die Maßnahme für einen „normalen“ Eigentümer wirtschaftlich zumutbar, d. h.
rentabel ist (objektive wirtschaftliche Zumutbarkeit). Wenn die Bebauung des Grund-
stücks dagegen nur für den oder die konkreten Eigentümer wegen ihrer schlechten wirt-
schaftlichen Lage oder wegen komplizierter Eigentumsverhältnisse (z. B. in einer räum-
lich weit verstreuten und zahlreichen Erbengemeinschaft) nicht finanzierbar ist
(subjektive wirtschaftliche Unzumutbarkeit), darf das Baugebot verhängt werden; die
nicht handlungsfähigen Eigentümer haben jedoch unter diesen Umständen einen Über-
nahmeanspruch gegen die Gemeinde: Die Gemeinde muss ihnen das Grundstück gegen
Zahlung des Verkehrswertes abnehmen. Im Übrigen gilt Folgendes:
– Mit dem Baugebot kann die Verpflichtung verbunden werden, innerhalb angemes-
sener Frist den für die bauliche Nutzung des Grundstücks erforderlichen Bauantrag
zu stellen.

1068 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 12.5.1987 – 7 A 1979/86 –, BRS 47 Nr. 188; BVerwG, U. v.
15.2.1990 – 4 C 41.87 –, ZfBR 1990, 143 und BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990,
196.

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– Für die Durchsetzung eines Baugebots kann sowohl durch die üblichen Mittel
des Verwaltungszwangs gesorgt werden (insbesondere durch die Verhängung von
Zwangsgeld) als auch – als ultima ratio – durch Enteignung. Wenn Zwangsgelder
und andere „einfache“ Vollstreckungsmittel nicht geholfen haben, kann das Ent-
eignungsverfahren auch vor Ablauf der Frist eingeleitet werden, die dem Eigentü-
mer bis zum endgültigen Vollzug des Baugebots gesetzt worden ist (§ 176 Abs. 8).
– Wenn der von einem Baugebot betroffene Eigentümer das Gebot bestandskräftig
werden lässt und sich erst gegen die Vollstreckung und schließlich gegen die Enteig-
nung wehrt, ist im Enteignungsverfahren kraft Gesetzes davon auszugehen, dass
die gesetzlichen Voraussetzungen des Baugebots vorliegen; das Vorliegen der ge-
setzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung muss jedoch wei-
terhin geprüft werden (§ 176 Abs. 9).
In der Praxis hat sich gezeigt, dass ohne den Einsatz öffentlicher Fördermittel Gebote
kaum Aussicht auf Erfolg haben. Dies gilt insbesondere für das Modernisierungsgebot.
Das Modernisierungsgebot unterscheidet sich vom Instandsetzungsgebot dadurch,
dass das Gebäude hier mit einem technisch gegenüber dem ursprünglichen Zustand
erhöhten Ausrüstungsniveau versehen werden soll. Klassische Beispiele für eine Mo-
dernisierung sind der Einbau von Duschen, Innentoiletten oder Zentralheizungen in
solchen Gebäuden, die noch vor dem Ersten Weltkrieg ohne „Nasszellen“ und mit
Einzelofenbeheizung gebaut worden sind. Eine solche Modernisierung zieht so erhebli-
che Kosten nach sich, dass der Eigentümer sie häufig nicht allein finanzieren kann.
Die Gemeinde ist daher vom Baugesetzbuch dazu verpflichtet, die „nichtrentierlichen
Kosten“ solcher Maßnahmen zu tragen, wenn sie den Eigentümer durch ein Moderni-
sierungsgebot zum Handeln zwingt.
Anders verhält es sich beim Instandsetzungsgebot: Die Instandhaltung eines Gebäudes
gehört zu den normalen Pflichten des Eigentümers. Wenn er die Instandhaltung über
Jahre unterlässt und es dadurch zu Mängeln an dem Gebäude gekommen ist, dann
muss der Eigentümer grundsätzlich die erforderlichen Reparaturen aus der eigenen
Geldbörse bezahlen. In diese Geldbörse fließen ja auch die Mieteinnahmen des instand
zu haltenden Gebäudes. Nur wenn die Mieteinnahmen in der Vergangenheit nachweis-
lich und objektiv für die Instandhaltung nicht ausreichend waren, muss sich – nach
Erlass eines Gebots – wiederum die Gemeinde an den Kosten auch der Instandsetzung
beteiligen. Wegen der Mitfinanzierungspflicht der Gemeinde kommt es auf die aktuelle
Leistungsfähigkeit des Eigentümers für die Zulässigkeit eines Modernisierungs- und
Instandsetzungsgebots nicht an1069.
Zwischen einem Zustand offenkundiger Mängel, deren Beseitigung die Mieter oder
sonstigen Nutzungsberechtigten durch Anrufung der Bauaufsicht oder Wohnungsauf-
sicht verlangen können, und einem städtebaulich einwandfreien inneren und äußeren
Zustand gibt es jedoch Zwischenstadien des Verschleißes und der Abnutzung, in denen
der Eigentümer nach den allgemeinen Gesetzen noch nicht handeln muss, in denen
der äußere und innere Zustand des Gebäudes jedoch schon erhebliche Misshelligkeiten
auslösen kann. Man denke z. B. an optisch verfallene Fassaden, deren Außenhaut noch
so witterungsbeständig ist, dass sie bauordnungsrechtlich noch nicht als mangelhaft
gilt. Zur Instandsetzung solcher verfallener Fassaden kann ein Eigentümer amtlich nur
durch das Instandsetzungsgebot, aber nicht durch die Bauaufsicht verpflichtet werden.
Auch für Gebäude, die im Bereich einer Erhaltungssatzung liegen, kann das Instandset-
zungsgebot wichtig sein: Über das Erhaltungsgebot kann nur erreicht werden, dass
das Gebäude so bleibt, wie es ist. Wenn es bereits heruntergekommen ist, ist eine
Erhaltung aber nur dann sinnvoll, wenn zugleich Instandsetzungsmaßnahmen durch-
geführt werden. Der Eigentümer kann dann zu solchen Instandsetzungsmaßnahmen

1069 So auch BVerwG, B. v. 9.7.1991 – 4 B 100.91 –, BauR 1991, 737.

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verpflichtet werden; allerdings muss sich die Gemeinde mit der zuständigen Denkmal-
schutzbehörde ins Benehmen setzen und sich mit ihr über die Art der geforderten
Maßnahmen einigen, wenn das Gebäude nach Landesrecht als Baudenkmal eingestuft
ist. Anderenfalls könnten geforderte Veränderungen oder gar Modernisierungen zur
Zerstörung denkmalgeschützter Einzelheiten führen.
Auch durch Abschluss von Modernisierungs- und Instandsetzungsverträgen, das sind
städtebauliche Verträge im Sinne des § 11 Abs. 1, können auch abweichend von § 177
Abs. 4 und 5 Regelungen zur Kostentragung getroffen werden. Diese können sowohl
zugunsten als auch zulasten des Eigentümers ausfallen1070.
Sollen durch das beabsichtigte Gebot Wohnungen oder Geschäftsräume beseitigt wer-
den (was sowohl bei einem Baugebot denkbar ist, wenn dafür vorhandene bauliche
Anlagen beseitigt werden müssen, als auch bei Modernisierungen und Instandsetzun-
gen und insbesondere bei dem eingangs bereits angesprochenen Rückbaugebot – frü-
heren Abbruchgebot – nach § 179), dann muss die Gemeinde zur Vermeidung nachtei-
liger Maßnahmen einen Sozialplan aufstellen und kann auch einen Härteausgleich in
Geld gewähren (so steht es in §§ 180 und 181). Wohnraum darf nicht beseitigt wer-
den, bevor nicht angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Ver-
fügung steht, bei Geschäftsraum soll dies vor Beseitigung der Fall sein. Die Regulie-
rung der Dauer zugehöriger Miet- und Pachtverhältnisse, also ihre vorzeitige
Beendigung, aber auch ihre Verlängerung, ist gemäß §§ 182 bis 184 durch Verwal-
tungsakt möglich1071.
Das zuletzt erwähnte Rückbau- und Entsiegelungsgebot nach § 179 ist in der Praxis
nur sehr selten zur Anwendung gekommen. Es eignet sich auch nicht dazu, von einem
Nachbarn im Rahmen einer Nachbarklage als Instrument dazu genutzt zu werden,
auf die Beseitigung einer unerwünschten Anlage zu klagen1072. Die Bezeichnung ist im
Übrigen irreführend, weil es sich nicht um ein Gebot an den Eigentümer handelt,
ein Gebäude auf seine Kosten zurückzubauen oder zu beseitigen oder eine Fläche
zu entsiegeln, sondern nur darum, die Durchführung dieser Maßnahmen seitens der
Gemeinde zu dulden. Richtigerweise müsste § 179 mit Rückbau- und Entsiegelungs-
duldungsgebot überschrieben sein. Die irreführende Bezeichnung hat ihren Ursprung
in der Tatsache, dass das einstige „Abbruchgebot“ aus dem Katalog der drei Gebote
stammt, die 1971 mit dem Städtebauförderungsgesetz eingeführt wurden.
Damals gab es nur: erstens das „Abbruchgebot“, zweitens das „Baugebot“ und drit-
tens das „Modernisierungsgebot“. Diese Reihenfolge, die auch im StBauFG so einge-
halten war, lässt klar die Bezugnahme dieser Instrumente auf den Sanierungsstil der
1960er und frühen 1970er Jahre erkennen: Damals waren Flächensanierungen mit
Abriss aller vorhandenen Gebäude und anschließendem Neubau noch sehr in Mode.
Die Durchführung des Abbruchs von Gebäuden auf Kosten der Gemeinde ist eigent-
lich nur in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten einleuchtend (und kommt zumin-
dest punktuell zum Zuge), weil hier der Abriss von Gebäuden als „Freilegung von
Grundstücken“ in der Tat als Ordnungsmaßnahme nach § 147 Nr. 3 von der Ge-
meinde zu bezahlen ist. Als Bestandteil der Gebote des allgemeinen Städtebaurechts
fällt diese Kostenregelung jedoch aus dem Rahmen: Alle übrigen Gebote verpflichten
den Eigentümer primär auf seine Kosten zum Handeln. Das Rückbau(duldungs)gebot
führte also bisher nicht zu Unrecht eine Schattenexistenz. Ob sich das in Zeiten des
Stadtumbaus innerhalb schrumpfender Ortschaften ändern wird, bleibt abzuwarten.
Der Gesetzgeber sah sich in Anbetracht einer steigenden Zahl leerstehender, allmählich
verfallender baulicher Anlagen dazu veranlasst, das Einsatzgebiet mithilfe des Gesetzes
zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fort-

1070 Vgl. BVerwG, B. v. 20.11.2012 – 4 B 7.12 –, ZfBR 2013, 177.


1071 Beispiel: VGH Baden-Württemberg, 13.2.2004 – 5 S 2345/03 –, BauR 2004, 1429.
1072 Vgl. BVerwG, B. v. 10.11.1992 – 4 B 216.92 –, ZfBR 1993, 92.

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entwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 auszuweiten. Zunächst zur geän-
derten Einstiegsklausel des § 179 Abs. 1: Die Möglichkeiten der Gemeinde, den Abriss
zu verfügen, beschränkte sich bislang auf bauliche Anlagen, die im Geltungsbereich
eines Bebauungsplans liegen. Damit hatten die Kommunen bislang keinen Zugriff auf
sog. „Schrottimmobilien“, wenn sie innerhalb des im Zusammenhang bebauten, unbe-
planten Innenbereichs oder sogar im Außenbereich lagen. Nunmehr ist das Rückbau-
gebot nicht mehr an die Bedingung der Lage im Geltungsbereich eines B-Plans ge-
knüpft. Nun hat der Eigentümer den Rückbau zu dulden, wenn die ins Visier der
Behörden geratene bauliche Anlage entweder den Festsetzungen eines B-Plans nicht
entspricht und eine Anpassung an die Festsetzungen nicht möglich ist oder (unabhän-
gig von der Lage) wenn die bauliche Anlage Missstände oder Mängel aufweist, die
sich durch Modernisierung oder Instandsetzung nicht mehr beheben lassen. Wann ein
Missstand und wann ein Mangel im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ergibt sich aus
§ 177 Abs. 2 bzw. aus § 177 Abs. 3.
Der Gesetzgeber hat sich auch Gedanken über die Kostenbeteiligung der Eigentümer
gemacht. Denn die Anwendung des Rückbaugebots scheiterte bislang häufig an den
von der Kommune nicht zu stemmenden finanziellen Aufwendungen für den Abriss
verwahrloster Gebäude. Getreu der grundgesetzlich verankerten Devise „Eigentum
verpflichtet“ sollen Eigentümer für die Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen
nun insoweit zur Rechenschaft gezogen werden, als sie die „Höhe der […] durch
die Beseitigung entstehenden Vermögensvorteile“ selbst zu tragen haben (neu: § 179
Abs. 4). Dies scheint vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Schrottimmobi-
lien gerechtfertigt und geboten, um die Vergesellschaftung anfallender Abrisskosten
auf ein noch vertretbares Maß zu beschränken. Das Geld lässt sich erst nach Durch-
führung der mit dem Gebot verfolgten Maßnahme (also erst nach kompletter Beseiti-
gung bzw. nach Teilbeseitigung, wenn andere Teile erhalten bleiben können) eintrei-
ben. Dazu muss dem Eigentümer ein Bescheid über den Kostenerstattungsbetrag
zugestellt werden – dieser Betrag soll dann als öffentliche Last auf dem Grundstück
ruhen. Für die Berechnung des Kostenerstattungsbetrags werden die Techniken der
Wertermittlung anzuwenden sein. Für die dem Bescheid zugrunde zu legende Bilanzie-
rung wird man in der Regel den Gutachterausschuss einbeziehen. Die öffentliche Last
ruht ohne Eintragung in das Grundbuch auf dem Grundstück. Sie ist auch nicht eintra-
gungsfähig. In der Zwangsversteigerung muss sie eigens angemeldet werden.
Das Rückbau- und Entsiegelungsgebot darf nicht verwechselt werden mit den Ab-
bruch- und Beseitigungsverfügungen, die nach dem Bauordnungsrecht möglich sind.
Die Abbruchverfügungen nach dem Bauordnungsrecht sind das letzte Mittel gegen
nicht genehmigte, materiell baurechtswidrige Bauten. Ihre Ausführung muss vom
Adressaten, das ist in der Regel der Eigentümer, bezahlt werden. Es sei daran erinnert,
dass eine Abbruchverfügung nach Bauordnungsrecht nicht schon dann ausgesprochen
werden darf, wenn der Bau ohne Baugenehmigung errichtet worden ist, sondern erst
dann, wenn das Vorhaben auch nicht genehmigungsfähig ist – es muss materiell bau-
rechtswidrig sein; eine nur formelle Ordnungswidrigkeit, also das bloße Fehlen der
Baugenehmigung, reicht dafür nicht aus. Manche Bauordnungen gestatten eine Ab-
bruchverfügung aber auch dann, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude nicht mehr
genutzt wird, zu verfallen beginnt (ohne dass schon Einsturzgefahr besteht) und kein
Interesse an der Erhaltung der baulichen Anlage geltend gemacht werden kann1073.
Das von § 179 erfasste Thema „Entsiegelung“ ist im Zusammenhang mit Hochwasser-
schäden in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Es muss daran erinnert werden,
dass Hochwassergefahren und auch sonstige Überschwemmungsgefahren durch ablau-

1073 Vgl. § 74 Abs. 2 BbgBauO.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

fendes Regenwasser bei Bauleitplänen in die Abwägung einzustellen und bei der Pla-
nung der Erschließung besonders zu berücksichtigen sind1074.

c) Die Vollstreckung von Geboten. Die zwangsweise Vollstreckung eines Gebots kann
erst beginnen, wenn das Gebot bestandskräftig geworden (oder für sofort vollziehbar
erklärt worden) ist. Von diesem Zeitpunkt an stehen die üblichen Mittel des Verwal-
tungszwangs zur Verfügung. Beim Baugebot kommt in der Regel zunächst die Andro-
hung und Festsetzung von Zwangsgeld in Frage; nur wenn dieses Mittel versagt oder
keinen Erfolg verspricht, muss auch die Möglichkeit einer Enteignung geprüft wer-
den1075. Beim Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot sowie beim Pflanzgebot
kann auch über eine Ersatzvornahme vorgegangen werden. Das Rückbau- und Entsie-
gelungsduldungsgebot lässt sich durch Anwendung unmittelbaren Zwangs durchset-
zen: Die Verwaltung kann die notwendigen Abbruchmaßnahmen notfalls unter Poli-
zeischutz selbst vornehmen. Beim Pflanzgebot bleibt noch darauf hinzuweisen, dass
nur „das Original“, also das Gebot nach § 178, als Verwaltungsakt vollstreckbar ist.
Die korrespondierende Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 enthält als solche noch kein
Pflanzgebot, obschon solche Festsetzungen in vielen Bebauungsplänen als „Pflanzge-
bote“ bezeichnet werden. Festsetzungen in einem B-Plan haben normative Kraft; der
Bauherr muss sich nach ihnen richten, wenn er baut. Baut er nicht, bleibt das „Pflanz-
gebot“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 so lange wirkungslos, bis es zum Gegenstand eines
Verwaltungsakts nach § 178 gemacht wird.

6. Sozialplanung und Härteausgleich; Aufhebung oder Verlängerung von Miet-


und Pachtverhältnissen
Wenn zu befürchten ist, dass sich Bebauungspläne oder städtebauliche Maßnahmen
für die (derzeit) in dem Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen nachteilig aus-
wirken, muss die Gemeinde diesen Menschen ihre Hilfe anbieten. Sie hat ihnen bei
ihren eigenen Bemühungen, nachteilige Auswirkungen zu vermeiden oder zu mildern,
zu helfen. Soweit es die Billigkeit erfordert, soll die Gemeinde zur Vermeidung oder
zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile auf Antrag einen Härteausgleich in Geld
gewähren. Dies alles ist in den §§ 180 und 181 vorgeschrieben.
Zur Dokumentation ihrer Überlegungen und im Sinne einer besseren Überprüfbarkeit
muss die Gemeindeverwaltung die voraussichtlich in Betracht kommenden Maßnah-
men und die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung in einem sog. Sozialplan schriftlich
festhalten. Aus § 180 Abs. 1 und 2 lässt sich ableiten, dass dieser schriftlich zu verfas-
sende Bericht folgende Inhalte umfassen sollte:
– Beschreibung der voraussichtlichen nachteiligen Auswirkungen der Maßnahmen
und/oder Pläne auf die persönlichen Lebensumstände der Betroffenen;
– Beschreibung des Prüfergebnisses zu möglichen Unterstützungsmaßnahmen zur
Vermeidung oder zum Mildern der Auswirkungen (z. B. Formen der Hilfe bei Woh-
nungs- oder Arbeitsplatzwechsel);
– Schlussfolgerungen im Ergebnis der geprüften grundsätzlichen Möglichkeiten:
Darstellung der in Betracht zu ziehenden gemeindlichen Maßnahmen und Erläute-
rung der Realisierungschancen.
Dieses so verfasste, umfassende Werk bezeichnet man auch als „Gebietssozialplan“.
Nur dieser genügt den Anforderungen des § 180. Er ist zu unterscheiden von in Sanie-
rungsgebieten durchgeführten einzelfallbezogenen Erhebungen, mit denen Wünsche
und Aussichten von Mieterhaushalten und Gewerbetreibenden einzeln erfasst werden
und aus denen teils individuelle Hilfeleistungen abgeleitet werden. Solche „Einzelsozi-

1074 Zu den erforderlichen Vorkehrungen vgl. BVerwG, 21.3.2002 – 4 CN 14.00 –, ZfBR 2002, 795; Bei-
spielfall für Amtspflichtverletzung: BGH, U. v. 4.4.2002 – III ZR 70/01 –, ZfBR 2002, 593.
1075 Vgl. BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 45.87 –, ZfBR 1990, 196.

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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.

alpläne“ ersetzen nicht den Gebietssozialplan; denn einer bloßen Zusammenstellung


der Einzelsozialpläne fehlt insbesondere die schlussfolgernde Gesamtstrategie zum Ein-
satz der zur Verfügung stehenden Mittel. Es macht aber Sinn, die Einzelsozialpläne
dem Gebietssozialplan im Sinne des § 180 Abs. 2 als Anlage oder Teil II anzufügen.
Der Sozialplan wird in zwei Vorschriften des BauGB als Voraussetzung für weitere
Maßnahmen zitiert. Dies geschieht zum einen in § 171d – der Vorschrift über die
Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus. Hier kann
der Sozialplan – neben einem städtebaulichen Entwicklungskonzept – die Untersagung
beantragter Bau- und Abrissmaßnahmen rechtfertigen. Zum anderen wird der Sozial-
plan in § 172 Abs. 5 im Kontext der Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1
Nr. 3 zitiert. Die Genehmigung für bauliche und sonstige Maßnahmen im Geltungsbe-
reich einer Umstrukturierungssatzung darf gemäß § 172 Abs. 5 nur versagt werden,
„um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines
Sozialplans (§ 180) zu sichern“. Auch ohne eine ausdrückliche Erwähnung in § 145
kann ein Sozialplan schließlich dafür genutzt werden, die sozialgerechten Bedingungen
der „Durchführung der Sanierung“ sowie deren „Ziele und Zwecke“ im Sinne des
§ 145 Abs. 2 zu beschreiben und festzulegen. Damit wird der Sozialplan (einschließlich
von Mietobergrenzen als Interventionssignal) auch im Rahmen der Sanierung zum
Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit von Maßnahmen im Rahmen der sanierungs-
rechtlichen Genehmigung nach §§ 144, 145. Gleichsam die Kehrseite der Verpflich-
tung der Gemeinde, sich um einen sozialgerechten Ablauf städtebaulicher Maßnahmen
zu bemühen, ist ihre Berechtigung, im Streitfall mit uneinsichtigen Mietern und Päch-
tern deren Miet- oder Pachtverträge von Amts wegen zu beenden. Gemäß § 182 darf
sie Folgendes tun: „Erfordert die Verwirklichung der Ziele und Zwecke der Sanierung
im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet, der Entwicklung im städtebaulichen Ent-
wicklungsbereich oder eine Maßnahme nach den §§ 176 bis 179 die Aufhebung eines
Miet- oder Pachtverhältnisses, kann die Gemeinde das Rechtsverhältnis auf Antrag
des Eigentümers oder im Hinblick auf ein städtebauliches Gebot mit einer Frist von
mindestens sechs Monaten, bei einem land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grund-
stück nur zum Schluss eines Pachtjahres aufheben“. Diese Möglichkeit ist nicht schon
dann ausgeschlossen, wenn auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Kündigung
(z. B. der sog. Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) besteht1076. Auf
Antrag eines Mieters oder Pächters kann ein Miet- oder Pachtverhältnis auch verlän-
gert werden, soweit dies zur Verwirklichung des Sozialplans erforderlich ist (§ 186).
7. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom
11. Juni 2013
Neben einer lediglich redaktionellen Änderung in § 172 Abs. 4 Nr. 6 (Ersetzung eines
Punktes durch ein Semikolon) wurde § 173 Abs. 3 Satz 3 ergänzt. Dieser normiert
eine Informationspflicht im Fall einer Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Nr. 6. Nach
Nummer 6 muss die Begründung von Wohnungseigentum (aber nicht von Teileigen-
tum) genehmigt werden, wenn sich der Eigentümer dazu verpflichtet, innerhalb von
sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum nur an die Mieter zu veräu-
ßern. Die Betroffenen sollen davon in Kenntnis gesetzt werden. Daher sind Mieter,
aber auch Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte über die Erteilung einer Geneh-
migung zu informieren. Zu den Mietern gehören auch die Mieter anderer Wohnungen
im betroffenen Gebäude.

1076 So ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, 13.2.2004 – 5 S 2345/03 –, ZfBR 2004, 582.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Literatur zum Kapitel XV: Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwick-
lung; Erhaltungssatzung, städtebauliche Gebote und Sozialplanung
Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. zur Erhaltungssatzung:
2013: Battis, Ulrich/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf, Stärkung der Innenentwicklung in den
Städten und Gemeinden, in: NVwZ 15/2013, S. 961–968; 2015: Schindecker, Erika, Die Erhal-
tungssatzung, in: GuG 6/2015, S. 356–357; 2016: von der Groeben, Constantin, Anmerkung zu
KG, B. v. 26.5.2016 – 1 W 170/16 – (WEG-Aufteilung bei Aufstellung einer Erhaltungssatzung),
in: MietRB 10/2016, S. 295; 2017: Hornmann, Gerhard, Drittschutz durch Erhaltungssatzung,
in: NVwZ 9/2017, S. 601–604.
2. Denkmalschutz und Baugestaltung:
2010: Wiggers, Christian, Denkmalschutz und Energieeffizienz, NJW-Spezial 24/2010, 748–749;
2011: Krautzberger, Michael, Klimaschutz und Denkmalschutz und Städtebau, FuB 5/2011,
193–195; Spielmann, Christel, Denkmalschutz im Förderrecht: Mittel und Wege zur staatlich
geförderten Gebäudeerhaltung und -sanierung, BBP 9/2011, 211–215; 2012: Mast, Reinhard/
Göhner, Wolfgang Karl, Lösungswege im Widerstreit zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz,
DVBl. 2012, 1140–1146; 2013: Körner, Raimund, Denkmalschutz und Eigentumsschutz. Neues
aus der Rechtsprechung, LKV 2/2013, 57–63; 2014: Böhm, Monika, Rezension: Michael Kloep-
fer: Denkmalschutz und Umweltschutz. Rechtliche Verschränkungen und Konflikte zwischen
dem raumgebundenen Kulturgüterschutz und dem Umwelt- und Planungsrecht, (SR: Schriften
zum Umweltrecht, Bd. 172), Berlin 2012, in: AöR 2014, S. 308–311; Brändlein, Thomas, Pro-
bleme des Planfeststellungsverfahrens. Der Denkmalschutz im eisenbahnrechtlichen Planfeststel-
lungsverfahren nach § 18 ff. AEG, in: NJ 6/2014, S. 238–241; Hammer, Felix, Rezension: Dieter
J. Martin, Stefan Mieth, Jörg Spennemann, Die Zumutbarkeit im Denkmalrecht. Eigentums-
grundrecht und Denkmalschutz in der Praxis, Stuttgart 2014, in: DÖV 20/2014, S. 885; Heinig,
Hans Michael/Munsonius, Hendrik, Erhaltung, Umwidmung oder Abriss kirchlicher Baudenk-
mäler? Rechtspflichten und Handlungsoptionen im Spannungsfeld zwischen kulturstaatlichem
Denkmalschutz und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht, in: NWVBl. 3/2014, S. 85–88; Hönes,
Ernst-Rainer, Rechtsfragen zum „urheberrechtlichen Denkmalschutz“, in: BauR 3/2014, S. 477–
494; Hönes, Ernst-Rainer, Rezension: Michael Kloepfer, unter Mitarbeit von Elke Ditscherlein,
Frederic Kahrl, Denkmalschutz und Umweltschutz. Rechtliche Verschränkungen und Konflikte
zwischen dem raumgebundenen Kulturgüterschutz und dem Umwelt- und Planungsrecht, (SR:
Schriften zum Umweltrecht, Bd. 172), Berlin 2012, in: Verw. 4/2014, S. 602–605; Huerkamp,
Florian/Kühling, Jürgen, Denkmalschutz, Erneuerbare Energien und Immobiliennutzung. Nach-
haltigkeitskonflikte in der Energiewende, in: DVBl. 1/2014, S. 24–31; Martin, Dieter J., Rezen-
sion: Nils-Christian Kallweit, Drittschutz aus dem Denkmalschutz, (SR: Schriften zum Öffentli-
chen Recht, Bd. 1256), Berlin 2013, in: ThürVBl. 7/2014, S. 180; Lehofer, Hans Peter,
Anmerkung zu EuGH, v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12 – (Google muss Links zu Websites mit
personenbezogenen Daten aus Suchergebnissen entfernen, wenn die Verarbeitung nicht (mehr)
der Denkmalschutz-RL entspricht), in: ÖJZ 14&15/2014, S. 690–691; Muckel, Stefan, Anmer-
kung zu BVerwG, U. v. 12.12.2013 – 4 C 15/12 – (Bauordnungsrechtliche Beseitigungsanord-
nung und Denkmalschutz), in: JA 7/2014, S. 557; Schulz, Henning, Stadt- und Quartiersentwick-
lung: Denkmalschutz, Sanierung: Wohnen im Kloster, in: BBB 5/2014, S. 66–67; 2015: Hönes,
Ernst-Rainer, Die internationalen Chartas zum Denkmalschutz, VR 8/2015, S. 253–263; Rabe,
Miriam/Frey, Michael, Energetische Sanierung von denkmalgeschützten Nichtwohngebäuden in
kommunaler Hand im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz- und Klimaschutzrecht, in:
VBlBW 11/2015, S. 454–461; Scherer, Thomas, Denkmalschutz und Mietpreisbremse, in: I&F
5&6/2015, S. 157; Wessely, Wolfgang, Anmerkung zu OGH, v. 6.3.2014 – 17 Os 19/13t –
(Amtsmissbrauch und Denkmalschutz; subjektives Recht auf Normanfechtung), in: JBl. 4/2015,
S. 267–268; 2016: Behme, Leonie/Frey, Michael, Rechtliche Aspekte der Konversion militäri-
scher Liegenschaften, in: VR 5/2016, S. 145–153; Drusche, Volker K., Energetische Sanierung:
Mindestwärmeschutz versus Denkmalschutz. Energieeffizienz auch bei denkmalgeschützten Ge-
bäuden, Bauen+ 4/2016, S. 6–15; Guckelberger, Annette, Denkmalschutz und Eigentum, in:
NVwZ 1&2/2016, S. 17–24; Odendahl, Kerstin/Petzold, Hans Arno, Denkmalschutz und euro-
päisches Beihilfenrecht, in: NWVBl. 6/2016, S. 221–227; 2017: Heinemann, Patrick O., Vorbe-
scheid, Vertrauensschutz und Denkmalschutz, in: LKV 8/2017, S. 351–356; Sommer, Goetz,
Nachweis der Unwirtschaftlichkeit im Denkmalschutz, in: GuG 5/2017, S. 312–318; 2018:
Krautzberger, Michael, Denkmalschutz und städtebauliche Planung. Zum Beitrag des Denkmal-

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Stadtumbau, Soziale Stadt und private Initiativen zur Stadtentwicklung XV.

schutzes zur städtebaulichen Planung und zum Beitrag der städtebaulichen Planung für die Bau-
leitplanung, GuG 2/2018, 69–76; Luther, Katharina, Länderübergreifender Denkmalschutz bei
Bauvorhaben, NJW-Spezial 12/2018, 364; Sperling, Oliver, Rezension: Dieter J. Martin, Stefan
Mieth, Jörg Spennemann, Die Zumutbarkeit im Denkmalrecht. Eigentumsgrundrecht und Denk-
malschutz in der Praxis, 2. Aufl., Stuttgart 2017, ThürVBl. 7/2018, 168; Westphal, Tim, Bauen
im Bestand: Denkmalschutz: Sanieren mit BIM, BBB 1&2/2018, 18–19.
3. Städtebauliche Gebote:
2006: Freiherr von und zu Franckenstein, Georg, Zur Intoleranz des Baurechts gegenüber Leer-
stand, BauR 2006, 1081–1086; 2007: Schröer, Thomas, Warum städtebauliche Gebote in der
Praxis nichts bewirken, NZBau 2007, 234–236; 2008: Pützenbacher, Stefan, Anmerkung zu
Hessischer VGH, B. v. 11.6.2008 – 3 A 880/08 – (Beseitigungsverfügung: Abrissgebot vs. In-
standsetzungsgebot), IBR 2008, 613; 2012: Goldschmidt, Jürgen, Das Rückbau- und Entsiege-
lungsgebot nach § 179 BauGB, UPR 2012, 50–54; Saxinger, Andreas/Hofmann, Anna-Lisa, Die
rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit verwahrlosten und verfallenden Immobi-
lien, BauR 2012, 737–748; 2013: Bunzel, Arno, Planspiel zur Novellierung des Bauplanungs-
rechts 2012/2013, ZfBR 2013, 211–217; Krautzberger, Michael, Schrottimmobilien: Novellie-
rungsvorschlag für eine behutsame Modernisierung des Rückbau- und Entsiegelungsgebots
(§ 179 BauGB), BauR 2012, 874–886.
4. Sozialplanung:
2016: Lenz, Martin/Heibrock, Regina, Integrationsgesetz: Sozialplanung in der Stadtplanung,
in: NDV 11/2016, S. 502–507.; 2017: Rohde, Bernhard, Sozialplanung: Kooperationen für das
Gemeinwohl, in: SOZIALwirtschaft 2/2017, S. 20–22; Werner, Walter, Kommunale Sozialpla-
nung. Komplexe Landschaft, in: SOZIALwirtschaft 5/2017, S. 7–9.
5. Stadtumbau, Soziale Stadt:
2010: Brenner, János, Eigentümerstandortgemeinschaften im Stadtumbau. Ein neues For-
schungsfeld im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau, DWW 2010, 11–13; 2011: Battis,
Ulrich/Krautzberger, Michael/Mitschang, Stephan/Reidt, Olaf/Stüer, Bernhard, Gesetz zur Förde-
rung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten,
NVwZ 2011, 897–904; Brenner, János/Klein, Hermann/Wilbert, Katrin, 15 Modellvorhaben
zu ESG im Stadtumbau, Städtetag 2011, 31–34; Krautzberger, Michael/Stüer, Bernhard, Neues
Städtebaurecht des Bundes aus Gründen des Klimaschutzes. Gesetz zur Förderung des Klima-
schutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden, BauR 2011, 1416–1424; Mit-
schang, Stephan/Roeper, Katrin, Stadtumbau auf Gewerbe- und Industriearealen. Gibt es Typolo-
gien?, ZfBR 2011, 10–24; Stüer, Bernhard/Stüer, Eva-Maria, Die BauGB-Klimanovelle und das
Energiefach- und -finanzierungsrecht 2011, DVBl. 2011, 1117–1126; 2012: Flug, Friedhelm/
Thurow, Birgitta, Vorbereitende Untersuchungen im besonderen Städtebaurecht. Entscheidungs-
kriterien bei städtebaulichen Problemlagen, UPR 2012, 86–91; Jähnichen, Lars, Revitalisierung
von Einzelhandelsimmobilien: Fallstudie Pasing Arcaden – vom Stadtumbau zu Rendite, I&F
2012, 54–55; Runkel, Peter, Die soziale Stadt – eine Zukunftsvision. Das erfolgreiche Programm
mit Zukunftsperspektive muss fortgesetzt werden, TuP 2012, 13–22; Weiß, Dominik, Vielfalt
oder Einfalt? Ausdifferenzierung der Städtebauförderung bei gleicher Gebietskulisse, FuB 2012,
56–62; 2013: Ramsauer, Peter, Stadtentwicklung: Zehn Jahre Stadtumbau – Ost Vorbild für
West, I&F 2013, 8–9; 2014: Beck, Sebastian, Rezension: Marco Rudzinski, Ein Unternehmen
und „seine“ Stadt. Der Bochumer Verein und Bochum vor dem Ersten Weltkrieg, (SR: Veröffent-
lichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Schriftenreihe A: Darstellungen, Bd. 51), Essen
2012, in: ZUG 1/2014, S. 105–106; Wiechers, Rüdiger, Leitartikel. Stadtumbau-Offensive, in:
I&F 21/2014, S. 756; 2015: Brummer-Kohler, Anke, Soziale Stadt: Leitprogramm für soziale
Integration, in: SOZIALwirtschaft 5/2015, S. 7–9; Thiel, Fabian, Rezension: Christian Strauß,
Ziele im Stadtumbau Ost. Zur Beeinflussung gemeindlicher Siedlungspolitik in Sachsen durch
überörtliche Institutionen, Lemgo 2015, in: FuB 5/2015, S. 6; Weitkamp, Alexandra, Stadt, Land
– Management: Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen im Kontext von Grund und
Boden, in: FuB 4/2015, S. 171–180; 2017: Thiel, Fabian, 15 Jahre „Stadtumbau Ost“. Res extra
commercium, Rekommunalisierung, Wirksamkeitsdefizite und Fortentwicklung, in: DÖV 17/
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Wachstum verdammt, in: IWR 3/2017, S. 9; 2018: Thiel, Fabian, Stadtumbau Ost nach 15 Jah-
ren – städtebaurechtliche Bilanz und bodenrechtliche Relevanz, LKV 6/2018, 241–248.

489

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

6. Wohnungsbau; Wohnungswesen:
2014: Cirsovius, Thomas, Wohnungsabbau statt Wohnungsbau? Zu den unternehmerischen
Grenzen, denen Wohnungsbaugenossenschaften satzungsbedingt unterliegen, in: ZMR 9/2014,
S. 696–700; Hotze, Dagmar, Wohnungen statt Hochbunker. Angesichts der Flächenknappheit in
Hamburg wird die Reaktivierung von Bunkergrundstücken zunehmend attraktiv für den Woh-
nungsbau, in: BBB 7&8/2014, S. 47–49; Kötter, Theo, Kommunale Baulandmodelle. Die Lösung
für die aktuellen Wohnungsprobleme?, in: FuB 3/2014, S. 98–106; Otting, Olaf/Olgemöller, Udo
H., Bauen oder bauen lassen. Wohnungsbau in den Grenzen des kommunalen Wirtschaftsrechts,
in: KommJur 6/2014, S. 201–205; Walberg, Dietmar, Neue Wohn- und Stadtquartiere. Baukos-
tenentwicklung im Wohnungsbau. Stand und Ausblick, in: I&F 21/2014, S. 766–768; Waltersba-
cher, Matthias, Wohnungsbau: Großstädte verzeichnen starken Zuwachs, in: ImmWert 4/2014,
S. 27–29; 2015: Gedaschko, Axel, Wohnungswesen: Wohnungswirtschaft im Spannungsfeld von
Demografiewandel, Energiewende und Regulierung, in: I&F 1/2015, S. 11–13; Gottschalk,
Götz-Joachim, Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau. Bewertung nach einer finanzma-
thematischen Berechnungsmethode, in: GuG 1/2015, S. 10–19; Horst, Hans Reinold, MietNovG
I: Praxisfragen zur „Mietpreisbremse“ im freifinanzierten Wohnungsbau. Zugleich zur Umset-
zung im Recht der Bundesländer, in: NZM 11/2015, S. 393–413; Schmidt, Karsten, Immobilien-
bewertung im öffentlich geförderten Wohnungsbau, in: GuG 3/2015, S. 155–159; Weinstock,
Marc, Wohnungswesen: Bringt mehr Bürgerbeteiligung auch ein Mehr an Wohnungsbau, oder
überwiegen Partikularinteressen?, in: I&F 1/2015, S. 23–25; Wolfrum, Gudrun, Wohnungsbau
und Wohnversorgung: für viele Kommunen ein aktuelles und brisantes Thema, in: Gemeinde-
haushalt 2/2015, S. 27–39; 2016: Adler, Gunther, Editorial: Initiative bezahlbarer Wohnungs-
bau: Die Trendwende ist gelungen, es geht aufwärts, in: BBB 6/2016, S. 1; Gleich, Florian, Kräfte
bündeln für den Wohnungsbau, in: BayBürgermeister 1/2016, S. 28–31; Ibel, Andreas, Kolumne:
Baustelle sozialer Wohnungsbau, in: BBB 10/2016, S. 4; Walberg, Dietmar/Gniechwitz, Timo,
Wohnungsbau in Deutschland. Potenziale des Bestandsersatzes, in: GuG 6/2016, S. 352–361;
2017: Buhr, Barbara, Sozialer Wohnungsbau: Gestaltungsmöglichkeiten bei Kooperationen von
öffentlicher Hand und privaten Rechtsträgern, in: I&F 17/2017, S. 596–597; Esser, Ingeborg,
Zuschüsse und Zuschusskomponenten bei Förderprogrammen für den Wohnungsbau, in: WPg
20/2017, S. 1214–1220; Gedaschko, Axel, Positionen zur Stadtentwicklung von Politik und Im-
mobilienwirtschaft: Stadtentwicklung und Wohnungsbau in bewegten Zeiten. Pragmatismus ist
entscheidend, in: I&F 1/2017, S. 16–17; Kofner, Stefan, Das wohnungswirtschaftliche Stichwort:
Sozialer Wohnungsbau in Deutschland: strategische Wende erforderlich, in: WuM 7/2017,
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schaft: Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung und im Wohnungsbau. Chancen oder Hinder-
nis?, in: I&F 1/2017, S. 25–27; Lerbs, Oliver/Teske, Markus, Wohnungswesen: Leerstände set-
zen Eigenheimpreise unter Druck, in: I&F 2/2017, S. 58–60; Reiter, Dieter, Grußwort. „Der
Zuzug nach München ist ungebrochen stark und wird auf Jahre eine rege Tätigkeit im Woh-
nungsbau auslösen“, in: WR 10/2017, S. 21; Roggendorf, Achim, Editorial: Sozialer Wohnungs-
bau: Comeback der Kommunen, in: BBB 6/2017, S. 1; Rohrig, Daniel, Leitartikel: Ist der soziale
Wohnungsbau tot?, in: I&F 9/2017, S. 282; 2018: Hunziker, Christian, Serieller Wohnungsbau.
Kurz vor dem Durchbruch. Immer mehr Fachleute sehen in der seriellen und modularen Bau-
weise einen entscheidenden Beitrag zum günstigen, flexiblen und schnellen Bauen, in: IWR 1/
2018, S. 8–13; Jarass Cohen, Nina, Wohnen in Deutschland: Gefo(e)rderter Wohnungsbau?
Neue Entwicklungen im Bereich der Sozialwohnungsbindung, in: I&F 1/2018, S. 22–24.
7. Private Initiativen zur Stadtentwicklung:
2012: Schink, Alexander, Private Initiativen zur Stadtentwicklung, UPR 2012, 132–138; 2016:
Dannecker, Marcus Hirzel, David, „Business Improvement District (BID)“. Das baden-württem-
bergische Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP), in:
VBlBW 2/2016, S. 59–62.

XVI. Bodenwertermittlung
Wenn die Gemeinden das Instrumentarium des Baugesetzbuchs anwenden, ist in einer
Reihe von Fällen die Ermittlung von Grundstückswerten erforderlich. Dies gilt z. B. in
Umlegungsverfahren, bei denen der Einwurfswert und der Zuteilungswert der Grund-
stücke bestimmt werden müssen; es gilt in streitigen Enteignungsverfahren, wenn die
Gemeinde den enteigneten Grundstückseigentümer in Geld entschädigen muss; eine

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Bodenwertermittlung XVI.

Wertermittlung steht auch in den Fällen an, in denen die Gemeinde ein Grundstück
wegen einer Festsetzung im öffentlichen Interesse oder nach Ausspruch eines Erhal-
tungsgebots vom Eigentümer übernehmen muss (Übernahmeanspruch). Um die
Grundstücksbewertung auf eine rationale Informationsgrundlage zu stellen und das
Bewertungsverfahren zu vereinheitlichen, enthält das Baugesetzbuch besondere Vor-
schriften über die Wertermittlung. Die Wertermittlung hat im Zusammenhang mit
dem Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) vom 24.12.2008 für die steuerrechtliche
Bewertung deutlich an Bedeutung gewonnen. Hintergrund für die Novelle war das
Ziel einer verfassungskonformen, realitätsgerechten Bewertung aller Vermögensklas-
sen. Der Aufgabenbereich der Gutachterausschüsse wurde konkretisiert, und es wurde
klargestellt, welche Informationen für die Zwecke der steuerlichen Bewertung an die
zuständigen Finanzämter weiterzugeben sind. Zudem wurde deutlicher gemacht, wie
aufgrund der Kaufpreissammlung Bodenrichtwerte zusammengestellt werden sollen
(auch mit dem Ziel, für die steuerliche Bewertung eine flächendeckende Datenbasis zu
erhalten).1077 Weitere Änderungen sind 2013 aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts hinzugekommen.
1. Der Verkehrswert
Der zentrale Begriff der Grundstückswertermittlung ist der Verkehrswert. In allen Ent-
schädigungs- und Übernahmefällen muss die Gemeinde den anspruchsberechtigten
Grundstückseigentümer durch Zahlung des Verkehrswerts des Grundstücks entschädi-
gen. Nach der amtlichen Definition in § 194 wird der Verkehrswert (Marktwert)
durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht,
im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächli-
chen Eigenschaften, nach der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks
oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnli-
che oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Der Klammerzusatz „Marktwert“
in § 194 ist durch das EAG Bau 2004 ins BauGB aufgenommen worden. Mit dem
Zusatz wird darauf hingewiesen, dass der Verkehrswert identisch ist mit dem Markt-
wert – nämlich dem Preis, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht,
ohne Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zu erzielen
wäre. Der Marktwert ist der Marktpreis. Der Gesetzgeber hat sich mit der Ergänzung
zudem an die Bezeichnung im angelsächsischen Sprachgebrauch (und damit auch in
den Gesetzgebungsakten der EU) „market value“ orientiert.
Die eigentliche Problematik der Ermittlung des Verkehrswerts liegt darin, dass das zu
bewertende Grundstück in aller Regel auf dem aktuellen Grundstücksmarkt eben nicht
zum Verkauf angeboten worden ist, so dass sich nicht konkret ermitteln lässt, welcher
Preis gerade für dieses Grundstück im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bezahlt wird.
Dieser Preis (und damit der Marktwert) lässt sich nur hypothetisch dadurch ermitteln,
dass man tatsächlich zustande gekommene Grundstücksverkäufe heranzieht und prüft,
ob und in welchem Umfang der erzielte Preis vergleichbar ist. Die zum Vergleich he-
ranzuziehenden, möglichst im selben Gebiet liegenden Grundstücke müssen hinrei-
chend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen. Aus einer hinreichenden
Anzahl von Vergleichspreisen kann man dann einen Mittelwert bilden und unterstel-
len, dass dies ungefähr der Preis ist, der für das betreffende Grundstück zu erzielen
gewesen wäre. Dieses Verfahren, das vom Gesetzgeber in der Immobilienwertermitt-
lungsverordnung (siehe dazu den Abschnitt 3 in diesem Kapitel) als Regelverfahren
für die Ermittlung von Verkehrswerten vorgesehen ist, nennt man das Vergleichswert-
verfahren. Um eine ausreichende Anzahl von Vergleichsgrundstücken heranziehen zu
können, dürfen auch Vergleichspreise aus anderen vergleichbaren Gebieten zugrunde

1077 Vgl. Dt. Bundestag, Drucksache 16/7918 v. 28.1.2008, S. 48.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

gelegt werden, wenn sich in dem Gebiet, in dem das zu bewertende Grundstück gele-
gen ist, selbst nicht genügend befinden. Das Vergleichswertverfahren kann nur dann
funktionieren, wenn hinreichende Informationen über die in Grundstückskaufverträ-
gen vereinbarten Preise zur Verfügung stehen. Um dies zu sichern, hat der Gesetzgeber
die Einrichtung von sog. Gutachterausschüssen angeordnet.

2. Aufgaben der Gutachterausschüsse; Baulandkataster


Gutachterausschüsse gibt es – abhängig vom jeweiligen Landesrecht – in der Regel in
kreisfreien Städten und bei den Kreisen. Der Gutachterausschuss erstattet Gutachten
über den Verkehrswert von bebauten und unbebauten Grundstücken, insbesondere
von Bauland, und zwar auf Antrag von Gemeinden, Kreisen und anderen öffentlichen
Behörden sowie der Gerichte und Justizbehörden, aber auch auf Antrag der Eigentü-
mer und sonstiger privater Berechtigten an einem Grundstück. Inhalt der Gutachten
kann auch die Höhe der Entschädigung für den Rechtsverlust oder für andere Vermö-
gensnachteile sein. Die Gutachten haben keine bindende Wirkung (soweit nichts ande-
res vereinbart ist).
Damit der Gutachterausschuss im Wege des Vergleichswertverfahrens Bodenwerte be-
stimmen kann, ist durch § 195 angeordnet, dass jeder Vertrag, durch den sich jemand
verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück gegen Entgelt, auch im Wege des Tauschs,
zu übertragen oder ein Erbbaurecht (und zwar erstmals oder erneut) zu begründen,
von der beurkundenden Stelle (das ist der Notar) in Abschrift dem Gutachterausschuss
zu übersenden ist. Aufgrund der dadurch bei jedem Gutachterausschuss entstehenden
Kaufpreissammlung sind für jedes Gemeindegebiet unter Berücksichtigung des unter-
schiedlichen Entwicklungszustands durchschnittliche Lagewerte (Bodenrichtwerte) für
den Boden, zumindest für das Bauland zu ermitteln.
Aufgrund des ErbStRG sind seit Juli 2009 gemäß § 196 Abs. 1 Satz 3 Gebiete, die
nach Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen, durch Bildung von
Richtwertzonen zusammenzufassen.
Bodenrichtwerte sollen aufgrund der Kaufpreissammlung flächendeckend ermittelt
werden. Dabei sollen Richtwertzonen mit Gebieten gebildet werden, die nach Art und
Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen. Damit eine vernünftige Bewertung
möglich ist, ist vorgeschrieben worden, dass die wertbeeinflussenden Merkmale des
Bodenrichtwertgrundstücks darzustellen sind. Dieses sind der Entwicklungszustand,
die Art und das Maß der Nutzung, die Grundstücksgröße, die Bauweise sowie der
abgabenrechtliche Zustand des Grundstücks. Normalerweise sollen die Bodenricht-
werte zum Ende jedes zweiten Kalenderjahrs ermittelt werden – es sei denn, es wird
eine häufigere Ermittlung bestimmt (bis einschließlich 2008 stand die Ermittlung stets
zum Ende eines jeden Kalenderjahrs an). Darüber hinaus kann jedermann von der
Geschäftsstelle des Gutachterausschusses Auskunft über die Bodenrichtwerte, bei be-
rechtigtem Interesse sogar Auskünfte aus der Kaufpreissammlung verlangen1078. Die
Gutachterausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden und weiteren ehrenamtlichen
Gutachtern – allesamt sachkundig und erfahren in der Ermittlung von Grundstücks-
werten oder sonstigen Wertermittlungen. Damit Interessenskonflikte ausgeschlossen
werden können, dürfen die Ausschussmitglieder mitsamt ihrem Vorsitzenden nicht
hauptamtlich mit der Verwaltung der Grundstücke der Gebietskörperschaft, für deren
Bereich der Gutachterausschuss gebildet ist, befasst sein. Zur Ermittlung der Boden-
richtwerte sowie sonstiger für die Wertermittlung erforderlicher Daten ist ein Bediens-
teter der zuständigen Finanzbehörde mit Erfahrung in der steuerlichen Bewertung von
Grundstücken als Gutachter hinzuzuziehen. Diese sonstigen erforderlichen Daten sind
in § 193 Abs. 5 Satz 2 aufgelistet:

1078 Vgl. BGH, U. v. 27.9.1990 – III ZR 97/89 –, ZfBR 1991, 39.

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Bodenwertermittlung XVI.

1. Kapitalisierungszinssätze zur durchschnittlichen marktüblichen Verzinsung der


Verkehrswerte von Grundstücken (Liegenschaftszinssätze) für die verschiedenen
Grundstücksarten (insbesondere Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke
und gemischt genutzte Grundstücke);
2. Faktoren zur Anpassung der Sachwerte an die jeweilige Lage auf dem Grund-
stücksmarkt (Sachwertfaktoren), insbesondere für die Grundstücksarten Ein- und
Zweifamilienhäuser;
3. Umrechnungskoeffizienten für das Wertverhältnis von sonst gleichartigen Grund-
stücken (z. B. bei unterschiedlichem Maß der baulichen Nutzung) und
4. Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke, insbesondere bezogen auf Gebäude-
faktor oder Ertragsfaktor.
Im Zuge des ErbStRG ist auch die Verpflichtung ins Gesetz aufgenommen worden, all
diese Daten mitsamt Kaufpreissammlung und Bodenrichtwerten an das zuständige
Finanzamt für Zwecke der steuerlichen Bewertung weiterzuleiten.
Die Einzelheiten der Zusammensetzung der Gutachterausschüsse regelt das Landes-
recht. Die entsprechende Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen an die
Landesgesetzgeber findet sich im § 199. Die Ermächtigung bezieht sich insbesondere
auf:
– die Frage, für welche räumlichen Bereiche Gutachterausschüsse einzurichten sind
(dies ist auch für kreisangehörige Gemeinden gesondert möglich);
– die Einrichtung und Qualifikation der Geschäftsstelle;
– Einzelheiten der Bestellung der Gutachter und deren Amtszeit;
– die Einrichtung von oberen Gutachterausschüssen.
Die Ausschüsse sind bei ihrer Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei. Ihre Mitglieder
sollen in Grundstückswertermittlungen sachkundig und erfahren sein. Wenn der Gut-
achterausschuss den Wert eines Grundstücks eindeutig falsch bemisst, kann sich da-
raus eine Amtspflichtverletzung ergeben, für die das betreffende Bundesland als Träger
des Gutachterausschusses haftet1079.
Der Gesetzgeber hatte ursprünglich bei der Einführung der Pflicht zur Veröffentli-
chung von Bodenrichtwerten die Vorstellung, dass die Bodenpreisspekulation dadurch
eingedämmt werden könnte. Diese Erwartung hat sich kaum erfüllt. Die Richtwertkar-
ten mögen verhindern, dass stark überhöhte Preise gefordert werden; sie tragen auf
der anderen Seite aber auch dazu bei, dass ein bestimmtes Preisniveau in keinem Fall
unterschritten wird. Da jeder Verkäufer das Bemühen hat, seinen Kaufpreis etwas
oberhalb der bisher erzielten Preise anzusiedeln, tragen die Richtwertkarten auch zur
Steigerung der Bodenpreise bei.
Für die möglichst lückenlose Arbeit der Gutachterausschüsse zur Ermittlung von Aus-
gleichsbeträgen und Enteignungsentschädigungen sowie zur Ermittlung von Verkehrs-
werten und der für die Bodenwertermittlung erforderlichen Daten, einschließlich der
Bodenrichtwerte, ist es erforderlich, dass die Gutachterausschüsse umfangreich auf
Datengrundlagen zurückgreifen können. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber der
BauGB-Novelle 2013 die Befugnisse des Gutachterausschusses in § 197 Abs. 2 spezifi-
ziert und geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Gutachterausschuss erforderli-
chenfalls insbesondere Auskünfte der Finanzbehörden erwarten darf und wann nicht:
Sind den Finanzbehörden die Verhältnisse der Grundstücke bekannt und sind diese
Informationen erforderlich, um Ausgleichsbeträge (zum Abschluss einer Städtebauli-
chen Sanierungsmaßnahme) bzw. die Höhe von Enteignungsentschädigungen zu be-
rechnen oder um die zur Bodenwertermittlung erforderlichen Daten zusammenzutra-
gen, dann stehen sie in der Pflicht, dem Gutachterausschuss diese Angaben auf

1079 Beispiele: BGH, U. v. 1.2.2001 – III ZR 93/99 –, ZfBR 2001, 334; BGH, U. v. 6.2.2003 – III ZR 44/
02 –, ZfBR 2003, 570.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Ersuchen mitzuteilen. Die Pflicht entfällt nur dann, wenn der Aufwand für die Bereit-
stellung der angeforderten Informationen unverhältnismäßig hoch ist.
Bereits mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 hat der Gesetzgeber einen Anlauf
zur Transparenz auf dem Bodenmarkt und zur Aktivierung von Baulandreserven unter-
nommen, diesmal allerdings nicht im Hinblick auf Preise, sondern auf sofort oder alsbald
bebaubare Grundstücke. Nach § 200 Abs. 3 darf die Gemeinde solche Grundstücke, die
planungsrechtlich sofort oder in absehbarer Zeit bebaubar sind, auf der Grundlage eines
Lageplans erfassen, der Flur- und Flurstücksnummern, Straßennamen und Angaben zur
Grundstücksgröße enthält. Ein solches Baulandkataster darf sie in Karten- oder Listen-
form veröffentlichen, soweit der Grundstückseigentümer nicht widersprochen hat, nach-
dem die Gemeinde ihre Veröffentlichungsabsicht mindestens einen Monat vor der Publi-
kation mit dem Hinweis auf das Widerspruchsrecht der Grundeigentümer öffentlich
bekanntgegeben hat. Die betroffenen Grundstückseigentümer haben zwar auch nach
dem Ablauf des Monats seit der Bekanntmachung das Recht, der Aufnahme ihres Grund-
stücks in die Publikation zu widersprechen. Sie können allerdings nicht mehr verlangen,
dass die laufende Publikation gestoppt wird. Die Streichung muss erst bei der nächsten
zumutbaren Gelegenheit stattfinden. Die Namen der Grundeigentümer dürfen allerdings
auf keinen Fall in dem veröffentlichten Kataster enthalten sein. Frühere Untersuchungen
haben ergeben, dass die Eigentümer von Baulückengrundstücken nur recht selten bereit
sind, ihre Grundstücke zu veräußern oder selbst zu bebauen. Grundstücke gelten (immer
noch) als eine wertbeständige, also solide, darüber hinaus steuerlich attraktive Geldan-
lage. Daran dürften auch publizierte Baulandkataster wenig ändern. Für die Aktivierung
von Innenentwicklungspotenzialen spielt der Bebauungsplan der Innenentwicklung nach
§ 13a eine weitaus wichtigere Rolle.
Soweit sich die Gutachterausschüsse gemäß § 192 Abs. 4 einer Geschäftsstelle bedie-
nen, bedarf es auf der höheren Verwaltungsebene entsprechender Strukturen. Bis 2009
sollten nur „bei Bedarf“ Obere Gutachterausschüsse für den Bereich einer oder mehre-
rer höherer Verwaltungsbehörden gebildet werden. Seit 2009 sind neben den Oberen
Gutachterausschüssen auch Zentrale Geschäftsstellen ins Gesetz aufgenommen wor-
den. Mit dem Ziel der Vereinheitlichung der Bodenrichtwertermittlung ist mit dem
ErbStRG 2009 die verpflichtende Einrichtung von Oberen Gutachterausschüssen oder
von Zentralen Geschäftsstellen geregelt worden. Die Einrichtung entsprechender über-
geordneter Institutionen wird allerdings erst dann zur Pflicht, sobald mehr als zwei
Gutachterausschüsse in dem Bereich der höheren Verwaltungsbehörde gebildet sind.
Da sich die neuen Ausschüsse nicht von heute auf morgen einrichten lassen, trat die
Regelung im Unterschied zum Großteil der übrigen Änderungen aufgrund des Gesetzes
vom 11. Juni 2013 erst mit Wirkung vom 20. Dezember 2013 (und nicht wie die
anderen Änderungen mit Wirkung vom 20. September) in Kraft. An die Neuregelung
knüpft sich die Hoffnung, dass eine vereinheitlichte Bodenwertermittlung auch Ge-
meinden mit schlechter Datenbasis nützlich wird, weil sie eher Rückschlüsse aus regio-
nalen und sogar überregionalen Daten erlaubt. Um diese Bestrebungen zu unterstrei-
chen, hat der Gesetzgeber 2013 klarstellend hinzugefügt, dass die Arbeit des Oberen
Gutachterausschusses oder der Zentralen Geschäftsstelle zu einer bundesweiten
Grundstücksmarkttransparenz beitragen soll. Konsequenterweise verlangt der Gesetz-
geber seit 2013 auch von den (unteren) Gutachterausschüssen, für die bundesweite
Grundstücksmarkttransparenz zu sorgen, soweit weder ein Oberer Gutachteraus-
schuss noch eine Zentrale Geschäftsstelle existiert.
Die Konkretisierung der Wertermittlungstechnik und Harmonisierung (durch Einrich-
tung Oberer Gutachterausschüsse bzw. Zentraler Geschäftsstellen) ist wiederum vor
dem Hintergrund einer geänderten Steuergesetzgebung von Bedeutung. Denn eine
Steuergerechtigkeit erfordert auf dem Grundstücksmarkt ein höheres Maß an Transpa-
renz und Nachvollziehbarkeit der zugrunde gelegten, bundesweit einheitlichen Daten-
grundlage. Dafür ist es wiederum erforderlich, dass auch der Bund selbst die Grund-

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Bodenwertermittlung XVI.

sätze für die bei der Ermittlung der Verkehrswerte und bei der Ableitung der für die
Bodenwertermittlung erforderlichen Daten erlassen kann. Mit der Novellierung 2009
wurde klargestellt, dass dieses ebenfalls für die Ableitung der Bodenrichtwerte gilt1080.
Aufgrund der Ermächtigung des § 199 BauGB ist die ImmoWertV vom 19.5.2010
(BGBl. 2010 I S. 639) mit spezifischen Regelungen zur Ermittlung der Bodenrichtwerte
(§ 10 ImmoWertV) erlassen worden. Weiterführende Hinweise für die Bodenrichtwer-
termittlung gibt die Richtlinie zur Ermittlung von Bodenrichtwerten (Bodenrichtwer-
trichtlinie – BRW-RL) i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. Januar 2011 (BAnz.
Nr. 24, S. 597). Nach Einführung der Zentralen Geschäftsstellen in § 198 mussten
diese auch in die Ermächtigungsvorschrift für die Landesregierungen nach § 199
Abs. 2 aufgenommen werden. Die Landesregierungen können die Bildung und das
Tätigwerden der Gutachterausschüsse, der Oberen Gutachterausschüsse und – jetzt
neu – der Zentralen Geschäftsstellen regeln. In Bezugnahme auf die Neuregelung in
§ 196 Abs. 1 Satz 5, wonach die Bodenrichtwerte am Ende eines jeden zweiten Kalen-
derjahres zu ermitteln sind, sofern nicht eine häufigere Ermittlung bestimmt ist, wer-
den die Landesregierungen gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 4 zudem ermächtigt, die Häufig-
keit der Bodenrichtwertermittlung durch Rechtsverordnung zu regeln.
3. Die Immobilienwertermittlungsverordnung
Die Einzelheiten der Wertermittlung sind durch die relativ kurze „Verordnung über
Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken“ (Immobilien-
wertermittlungsverordnung – ImmoWertV vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639) gere-
gelt, ergänzt durch die „Richtlinien zur Ermittlung von Bodenrichtwerten“ (Boden-
richtwertrichtlinie – BRW-RL) vom 11. Januar 2011, die „Richtlinie zur Ermittlung
des Sachwerts“ (Sachwertrichtlinie-SW-RL) vom 5. September 2012, die „Richtlinie
zur Ermittlung des Vergleichswerts und des Bodenwerts“ (Vergleichswertrichtlinie-
VW-RL) vom 20. März 2014 und die „Richtlinie zur Ermittlung des Ertragswerts“
(Ertragswertrichtlinie-EW-RL) vom 12. November 2015. Die Ermächtigungsgrund-
lage zum Erlass der ImmoWertV findet sich in § 199, die Richtlinien besitzen keine
Rechtsnormqualität, sind jedoch durch ihre Genauigkeit und Praktikabilität bis hin
zu Vordruck-Mustern außerordentlich nützlich. Die ImmoWertV legt die Grundsätze
zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken fest und definiert die verkehrs-
wertbeeinflussenden Faktoren des Grundstücks. Der Wertermittlung sind die allgemei-
nen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt am Wertermittlungsstichtag1081 und
der Grundstückszustand am Qualitätsstichtag1082 zugrunde zu legen, wobei künftige
Entwicklungen auf dem Grundstück, die mit hinreichender Sicherheit aufgrund von
Tatsachen zu erwarten sind, berücksichtigt werden müssen. Der Zustand des Grund-
stücks beurteilt sich nach den verkehrswertbeeinflussenden Faktoren, den Grund-
stücksmerkmalen. Dazu gehören insbesondere der Entwicklungszustand, die Art und
das Maß der (zulässigen) baulichen oder sonstigen Nutzung, die wertbeeinflussenden
Rechte und Belastungen, der abgabenrechtliche Zustand in Bezug auf nichtsteuerliche
Abgaben, die Lagemerkmale (z. B. Verkehrsanbindung, Umwelteinflüsse) sowie wei-
tere Merkmale wie die tatsächliche Nutzung, Grundstücksgröße und -zuschnitt sowie
die Bodenbeschaffenheit. Bau- und planungsrechtlich ist der Entwicklungszustand ei-
nes Grundstücks nach § 5 ImmoWertV von besonderem Interesse. Die ImmoWertV
unterscheidet vier Entwicklungsstufen:
1. Flächen der Land- und Forstwirtschaft;
Flächen, die ohne Bauerwartungsland, Rohbauland oder baureifes Land zu sein,
land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind;

1080 Vgl. Dt. Bundestag, Drucksache 16/7918 v. 28.1.2008, S. 48.


1081 Der Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht.
1082 Der Zeitpunkt, auf den sich der für die Wertermittlung maßgebliche Grundstückszustand bezieht.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

2. Bauerwartungsland;
das sind Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen gem. § 6 Immo-
WertV, insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebauli-
chen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung aufgrund konkreter Tatsa-
chen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen;
3. Rohbauland;
das sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 für eine bauliche Nutzung be-
stimmt sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist oder die nach Lage,
Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind (also noch
einer Bodenordnung bedürfen);
4. baureifes Land;
das sind Flächen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den tatsächli-
chen Gegebenheiten baulich nutzbar sind.
Zur Wertermittlung kommen nach der ImmoWertV das oben geschilderte Vergleichs-
wertverfahren einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung, das Ertrags-
wertverfahren und das Sachwertverfahren in Betracht. Das Ertragswertverfahren und
das Sachwertverfahren werden insbesondere bei der Wertermittlung von Gebäuden
angewendet. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch zwischen dem Eigentum an einem Grundstück und dem
Eigentum an darauf stehenden Gebäuden nicht getrennt werden kann. Nach dem Zi-
vilgesetzbuch der DDR war es möglich, unabhängig vom „Volkseigentum“ am Grund
und Boden davon gesondertes Gebäudeeigentum zu erwerben. Daraus herrührende
gesonderte Eigentumsverhältnisse sind kraft des Einigungsvertrags nur einstweilen er-
halten geblieben. Die Modalitäten der Zusammenführung von Grundeigentum und
Gebäudeeigentum sind durch das „Sachenrechtsbereinigungsgesetz“ geregelt worden.
In der Regel hatte der selbst nutzende Gebäudeeigentümer die Chance, das Grund-
stück, auf dem sein Haus steht, zu einem ermäßigten Preis zu erwerben. In vielen
Fällen waren zuvor bodenordnende Maßnahmen (Umlegung, Flurbereinigung) erfor-
derlich.
In den Wertermittlungsverfahren sind sowohl die allgemeinen Wertverhältnisse auf
dem Grundstücksmarkt (Marktanpassung) als auch die besonderen objektspezifischen
Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks zu berücksichtigen. Das Ver-
gleichswertverfahren spielt eine zentrale Rolle, da es vorrangig zur Ermittlung des
Bodenwerts einzusetzen ist, der wiederum neben anderem auch im Ertragswertverfah-
ren sowie im Sachwertverfahren zugrunde zu legen ist. Der Bodenwert wird in der
Regel ohne Berücksichtigung der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anla-
gen ermittelt. Zur Ermittlung dürfen auch geeignete Bodenrichtwerte zugrunde gelegt
werden. Zur Ermittlung von Bodenrichtwerten hat das zuständige Bundesministerium
die oben genannte Bodenrichtwertrichtlinie mit Handlungsempfehlungen für die örtli-
chen Gutachterausschüsse erlassen.
Das Ertragswertverfahren ist vor allem auf Verkehrswertermittlungen von Grundstü-
cken gerichtet, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentier-
lichkeit gehandelt werden. In Betracht kommen insbesondere Grundstücke mit Miets-
häusern, Gewerbeimmobilien oder Sonderimmobilien. Bei diesen Grundstücken ist das
Vergleichswertverfahren ungeeignet, da neben dem für die Wertermittlung wichtigen
Bodenwert auch der mit dem Gebäude nachhaltig erzielbare Ertrag von Bedeutung ist.
Im Ertragswertverfahren werden marktüblich erzielbare Erträge herangezogen. Die
ImmoWertV unterscheidet zwischen dem allgemeinen und dem vereinfachten Ertrags-
wertverfahren. Im allgemeinen Ertragswertverfahren ergibt sich der Ertragswert aus
dem Bodenwert und dem Reinertrag nach Abzug des Bodenwertverzinsungsbetrags.
Der Reinertrag entspricht dem Rohertrag, der häufig der Jahresmiete entspricht, ab-
züglich der Bewirtschaftungskosten, also aller (berücksichtigungsfähigen) Ausgaben,
die der Eigentümer im Zusammenhang mit dem Gebäude und der Gebäudeerhaltung

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Bodenwertermittlung XVI.

das Jahr über tätigen musste. Zu diesen Ausgaben gehören die Verwaltungskosten, die
Instandhaltungskosten, das Mietausfallwagnis sowie die Betriebskosten. In der verein-
fachten Variante wird der Ertragswert aus dem kapitalisierten Reinertrag und dem
Bodenwert ermittelt, wobei der Bodenwert auf den Wertermittlungsstichtag abzuzin-
sen ist. Zur Berechnung von Kapitalisierung bzw. Abzinsung werden sog. Barwertfak-
toren nach Anlage 1 bzw. 2 der ImmoWertV zugrunde gelegt. Der Wertgutachter muss
dazu einerseits einschätzen, wie viele Jahre sich die bauliche Anlage voraussichtlich
noch wirtschaftlich nutzen lässt (Restnutzungsdauer). Andererseits benötigt er den
jeweiligen Liegenschaftszinssatz1083. Liegenschaftszinssätze sind die Zinssätze, mit de-
nen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt markt-
üblich verzinst werden.
Sind zur Einschätzung der Immobilienwerte die Herstellungskosten im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr wertbestimmend und spielt der Ertrag eine untergeordnete Rolle,
kommt das Sachwertverfahren zum Zug. Dieses trifft z. B. auf individuell genutzte und
eigengenutzte Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke zu. Im Sachwertverfahren wird
der Sachwert des Grundstücks aus dem Sachwert der nutzbaren baulichen und sonsti-
gen Anlagen sowie dem Bodenwert ermittelt; die allgemeinen Wertverhältnisse auf
dem Grundstücksmarkt sind insbesondere durch die Anwendung von Sachwertfakto-
ren zu berücksichtigen. Der Wert eines Gebäudes wird auf der Grundlage der Herstel-
lungskosten berechnet, wobei die Wertminderung aufgrund des Alters zu berücksichti-
gen ist. Der Sachwert von Außenanlagen und sonstigen Anlagen wird entweder nach
Erfahrungssätzen oder nach den gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelt, es sei
denn, dass diese Anlagen nicht bereits vom Bodenwert miterfasst werden. Einzelheiten
dieser recht komplizierten Wertermittlungsverfahren1084 kann man in der Immobilien-
wertermittlungsverordnung nachlesen.
Aus der ImmoWertV ergeben sich nicht alle Details, die man für die Ermittlung von
Verkehrswerten bzw. Marktwerten benötigt. Definitionen, z. B. wie die einzelnen Ent-
wicklungszustände im Sinne des § 5 ImmoWertV zu verstehen sind, Informationen
über durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauern bei ordnungsgemäßer
Instandhaltung, Tabellen zur Berechnung der Wertminderung aufgrund des Gebäude-
alters, Beispielrechnungen, Umrechnungskoeffizienten und vieles Nützliches mehr fin-
den sich in der Sachwertrichtlinie, in der Vergleichswertrichtlinie sowie in der Ertrags-
wertrichtlinie.
4. Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen?
Bis zum Offenbarwerden des Wohnungsleerstands in Zeiten des demografischen Wan-
dels und des dazugehörigen Stadtumbaus konnte ein Grundeigentümer in der Regel
davon ausgehen, dass die Preise von Baugrundstücken stärker steigen als dies aufgrund
der allgemeinen Geldentwertung gerechtfertigt wäre. Bei einer jährlichen Inflationsrate
von 3 % stiegen die Grundstückspreise z. B. um 5 % p.a., sodass die Eigentümer von
Grundstücken sich im Besitz einer sicheren, nicht nur wertbeständigen, sondern sich
„von selbst“ im Wert erhöhenden Vermögensanlage fühlen durften. Die Beobachtung
solcher „leistungslos erworbenen Wertsteigerungen“ hat den lieben Mitbürgern in der
Vergangenheit immer wieder zu der Forderung Anlass gegeben, die Bodenwertsteige-
rungen abzuschöpfen und die entsprechenden Beträge in die öffentlichen Kassen zu
lenken.

1083 Das Baugesetzbuch verwendet in § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 den gleichbedeutenden Begriff des Kapitali-
sierungszinssatzes.
1084 Vgl. u. a. BGH, U. v. 25.1.2013 – V ZR 222/12 –, ZfBR 2013, 481 zur Frage der Anwendbarkeit
der „Methode Koch“ auf der Grundlage der ImmoWertV nach einer unsachgemäß vorgenommenen
Astkappung einer Thujenabpflanzung.

497

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Zu derartigen Forderungen ist vorab Folgendes zu bemerken: Die Behauptung, dass


Wertsteigerungen von Grundstücken zu einer „leistungslos“ erworbenen Bereicherung
der Grundstückseigentümer führten, kann eine Abschöpfung zugunsten der Allgemein-
heit nicht rechtfertigen. Denn es gehört zu den Grundprinzipien einer marktwirtschaft-
lich orientierten Ordnung, dass jedermann nach seinem Belieben Güter in der Hoff-
nung auf eine glückhafte Wertsteigerung kaufen und als Eigentümer behalten darf.
Ob es sich nun um Gold, Kupfer, Kaffee, Kunstgegenstände, Textilien oder um einen
Eisenbahnwaggon voll Kohlen handelt – man kann dies alles kaufen und sich in der
Hoffnung wiegen, dass der gekaufte Gegenstand in nächster Zeit durch ungeahnte
Preissteigerungen sehr viel wertvoller sein werde. Abgesehen von einer Besteuerung
des Gewinns, der bei dem Erlös erzielt wird, darf der Staat auf derartige Geschäftsvor-
gänge nicht mit einer konfiskatorischen Abschöpfungsmaßnahme reagieren. Auch für
knappe Güter wie für den „nicht vermehrbaren“ Boden gilt im Prinzip nichts anderes.
Die Bewirtschaftung knapper Güter durch staatliche Kontrolle bis hin zur Zuteilung
und Preiskontrolle ist nur im Notstand erlaubt.
Auslöser für eine Wertabschöpfung auf dem Bodenmarkt kann also nicht die schlichte
Tatsache sein, dass Bodenwerte schneller steigen können als die Geldentwertungsrate.
Ein zulässiger Anknüpfungspunkt für Überlegungen, Bodenwertsteigerungen zuguns-
ten der Allgemeinheit abzuschöpfen, wäre es allerdings, wenn die öffentliche Hand
geldwerte Leistungen für das betreffende Grundstück erbracht hat, die zu einer Wert-
steigerung geführt haben, für die der Eigentümer aber nichts gezahlt hat. Als öffentli-
che Leistungen, die zu einer Wertsteigerung von Grundstücken beitragen, können meh-
rere Aktivitäten der öffentlichen Verwaltung angesehen werden:
– Erstens könnte die Gewährung von Baurecht durch die öffentliche Bauleitplanung
als öffentliche Leistung angesehen werden. Erfahrungsgemäß steigt der Bodenwert
erheblich, wenn ein Grundstück zum Bauland erklärt wird.
– Zweitens kann die Aufschließung von Bauland durch öffentliche Erschließungsein-
richtungen oder durch sonstige Infrastrukturmaßnahmen zu Bodenwertsteigerun-
gen führen; entsprechende Preissprünge sind dann ganz zweifellos durch diese öf-
fentlichen Leistungen ausgelöst.
Zum ersten Gesichtspunkt ist Folgendes zu bemerken: Nur auf den ersten Blick ist die
Forderung schlüssig, dass derjenige, der durch öffentliche Planung etwas erhält – näm-
lich Bauland – dafür auch ein Entgelt bezahlen solle, bemessen z. B. nach dem durch
Planung entstandenen Mehrwert.
Gegenüber einer solchen Forderung muss daran erinnert werden, dass Hoheitsakte
(also auch die Bauleitplanung) nicht verkauft werden dürfen. Das ist eine der wesent-
lichsten Schranken, denen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Interesse des
Rechtsstaatsprinzips unterliegen. Das Recht gibt vor, unter welchen Bedingungen und
mit welchen Inhalten Hoheitsakte erlassen werden dürfen. Aus diesem Grund dürfen
Entgelte für Hoheitsakte nur in der Form von öffentlich-rechtlichen Gebühren oder
Beiträgen erhoben werden. Für deren Bemessung gilt wiederum – neben dem Gleich-
heitssatz – vor allem das Äquivalenzprinzip. Leistung und Gegenleistung müssen in
einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Daraus folgt ganz banal: Wenn es
keine Leistung gibt, gibt es auch keine gerechte Gegenleistung.
Dieser Satz hat für die Frage, was für die Ausweisung von Bauland verlangt werden
darf, größere Bedeutung als es auf den ersten Blick scheint. Im ersten Anlauf ist man
geneigt zu sagen: Der Grundstückeigentümer erhält Bauland, das von der Gemeinde
durch Bauleitplanung produziert wird – dafür soll er etwas bezahlen, bemessen nach
der ausgelösten Wertsteigerung. Der Jurist muss dem Folgendes entgegnen:
Nach herrschendem, verfassungsrechtlich abgesichertem Verständnis des Grundeigen-
tums produziert die hoheitliche Bauleitplanung kein Bauland – sie spezifiziert nur die
immanenten Schranken und Chancen des Eigentums. Das Recht zum Bauen gehört

498

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Bodenwertermittlung XVI.

zum Grundeigentum; das stand schon im preußischen Allgemeinen Landrecht1085; es


gilt immer noch. Baurecht wird nicht produziert, sondern nur identifiziert. Daraus
folgt: Im Hinblick auf die Qualifikation zum Bauland gibt es gar keine Leistung der
Gemeinde, für die man eine angemessene Gegenleistung bestimmen und verlangen
könnte. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass auch über den Erschließungsbeitrag
gleichsam nur die Accessoires zum Gegenstand eines Beitragsbescheids gemacht wer-
den dürfen, nicht aber die Wertsteigerung des Bodens. Aus diesem Grund darf über
einen städtebaulichen Vertrag auch nur eine Kostenerstattung hinsichtlich der Voraus-
setzungen und Folgen der Baulandbereitstellung vereinbart werden – die eigentliche
Hauptsache, also die Wertschöpfung, bleibt ausgespart; die Wertschöpfung, die volks-
wirtschaftlich durch Bauleitplanung ganz unzweifelhaft stattfindet – sie darf juristisch
gar nicht zur Kenntnis genommen, sie darf nicht zum Gegenstand einer Forderung
gemacht werden, auch nicht über einen „Planungswertausgleich“.
Als Rechtfertigung für eine Geldforderung der Gemeinde an die Eigentümer von frisch
ausgewiesenem Bauland kommt also nicht die Bodenwertsteigerung durch Planung,
sondern nur der zweite oben genannte Gesichtspunkt, also der Ersatz von tatsächli-
chen Aufwendungen in Frage. Zur Berechnung eines solchen Kostenbeitrags sind wie-
derum zwei Methoden denkbar und praktikabel, nämlich die kostenorientierte und
die wertorientierte Methode.
Bei der kostenorientierten Methode werden diejenigen Kosten, welche für die öffentli-
chen Einrichtungen tatsächlich angefallen sind, nach einem möglichst gerechten Maß-
stab auf die Personen umgelegt, die den Nutzen aus diesen Einrichtungen ziehen. Im
Erschließungsbeitrag ist dieses Modell verwirklicht. Durch den Erschließungsbeitrag
werden die Kosten der Erschließungseinrichtungen bei den Grundstückseigentümern
erhoben, die einen direkten Vorteil von dieser Erschließung haben. Insofern gibt es im
deutschen Recht bereits eine Art der Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen, soweit
sie durch öffentliche Leistungen bedingt sind.
Auch die wertorientierte Methode der Berechnung eines Kostenbetrags ist bereits im
deutschen Bodenrecht verwirklicht: Im Kapitel X. „Umlegung und Grenzregelung“
wurde geschildert, wie der Umlegungsvorteil bei den Eigentümern von Grundstücken
erhoben wird, die in eine Umlegung einbezogen worden sind. Dieser Umlegungsvorteil
wird berechnet, indem der Baulandwert des Grundstücks nach der Umlegung mit dem
Wert verglichen wird, den das Grundstück vor der Umlegung als Rohbauland hatte.
Die Wertdifferenz wird vom Eigentümer als „Umlegungsvorteil“ eingezogen. Auch
die „Ausgleichsbeträge“, die nach Abschluss einer Sanierung oder in städtebaulichen
Entwicklungsbereichen von den Eigentümern als Differenz zwischen dem „Anfangs-
wert“ des Grundstücks vor der Sanierung und dem „Endwert“ nach der Sanierung
bzw. nach Abschluss der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erhoben werden
können, werden auf diese Weise berechnet. Die Eigentümer sollen dadurch ihren Teil
zu den Kosten der (Boden-)Ordnungsmaßnahmen und der Infrastrukturverbesserung
beitragen. Sehr wesentlich ist jedoch die Erkenntnis, dass es in allen diesen Fällen um
einen Kostenbeitrag geht, nicht um eine Wertabschöpfung. Die Wertdifferenzen dienen
nur als Berechnungsmethode für eine gerechte Erhebung des Kostenbeitrags, nicht als
Rechtfertigung der Abgabe. Besonders deutlich wird dies an den Ausgleichsbeträgen
nach Sanierung oder Entwicklung. Sofern die Summe der als Wertdifferenz erhobenen
Ausgleichsbeträge höher ist als die Summe aller Kosten der Maßnahme, müssen die
überschießenden Beträge zurückgezahlt werden (siehe § 156a und § 171 Abs. 1
Satz 2). Abgesehen von diesen Sonderfällen gibt es jedoch keine allgemeingültige wert-
orientierte „Abschöpfung“ von Bodenwertsteigerungen in der Bundesrepublik
Deutschland. Anlässlich der Novellierung des BBauG im Jahre 1976 und auch im

1085 Vgl. § 65 I 8 prALR: In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu
besetzen oder seine Gebäude zu ändern wohl befugt.

499

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998


hat es Bestrebungen gegeben, einen sog. Planungswertausgleich einzuführen. Mit dem
„Planungswertausgleich“ sollte die Bodenwertsteigerung, welche sich durch die Aus-
weisung von Grundstücken als Bauland ergibt, bei den Eigentümern abgeschöpft wer-
den. Ähnlich wie beim Umlegungsvorteil sollten beim Planungswertausgleich der „Ein-
gangswert“ des Grundstücks als Ackerland mit dem „Ausgangswert“ als Bauland
verglichen werden. Die Wertdifferenz sollte zu 50 % an die Gemeinde abgeführt wer-
den. Die Realisierung dieser Abgabe ist jedoch sowohl an den methodischen Proble-
men ihrer Berechnung als auch an politischen Widerständen gescheitert.

5. Änderungen und Neuerungen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom
11. Juni 2013 zur Bodenwertermittlung
Seit 2013 sind im Zusammenhang mit der Bodenwertermittlung keine Veränderungen
vorgenommen worden.

Literatur zum Kapitel XVI: Bodenwertermittlung


Literatur seit 2010 (Zur Literatur vor 2010 siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebau-
recht, auffindbar unter www.planundrecht.de)
1. Zur Wertermittlung:
2010: Albertin, Thomas, Freizeitimmobilien im Fokus der Wertermittlung, ImmWert 4/2010, 3–
13; Bobka, Gabriele, ImmoWertV: Neue Regeln für die Wertermittlung, ImmWert 4/2010, 29–
33; Schäfer, Henry u. a., ImmoWert – Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Wertermitt-
lung und Risikobewertung von Einzelimmobilien und Gebäudebeständen, Stuttgart (Deutsch-
land, Bundesrepublik), Fraunhofer IRB Verlag 2010; Wameling, Tim, Immobilienwert und Ener-
giebedarf. Einfluss energetischer Beschaffenheiten auf Verkehrswerte von Immobilien, Stuttgart,
Fraunhofer IRB Verlag 2010; Wüst, Birgitt, Wertermittlung unter neuem Deckmantel. Immo-
WertV, IWR 7 & 8/2010, 40–41; 2011: Kirchner, Matthias, Wertermittlung eines Reiterhofes,
ImmWert 6/2011, 7–16; Mann, Wilfried, Zur Systematisierung bei der Ableitung erforderlicher
Daten für die Wertermittlung, GuG 2/2011, 65–73; Seitz, Wolfgang, Zielbaumverfahren – Wert-
ermittlung oder Willkür?, GuG 4/2011, 216–227; 2012: Bank, Wilfried J., Muss die Veräuße-
rung von gemeindeeigenen Grundstücken an einen privaten Investor zum Zwecke der Bebauung
öffentlich ausgeschrieben werden?, BauR 2012, 175–183; Bobka, Gabriele, Wertermittlung beim
Verkauf ehemaliger Militärflächen, ImmWert 4/2012, 6–13; Köhne, Manfred, Wertermittlung
bei der Privatisierung landwirtschaftlicher Flächen, ImmWert 4/2012, 20–23; 2013: Jacoby, Jür-
gen/Philipp, Peter, Zwangsversteigerung – Besonderheiten der Wertermittlung, BauSV 1/2013,
67–71; 2015: Reuter, Franz, Zu den Anforderungen an Bodenrichtwerte für die Bodenwerter-
mittlung, in: FuB 1/2015, S. 21–28; Thiel, Fabian, Rezension: Christoph Twaroch, Reinhold
Wessely (Hrsg.), Liegenschaft und Wert. Geodaten als Grundlagen einer österreichweiten Liegen-
schaftsbewertung mit einem Vergleich der Wertermittlung von Liegenschaften in ausgewählten
Ländern Europas, Wien 2015, in: GuG 6/2015, S. 382–383; 2016: Klöters, Hans Urban, Der
Nacherbenvermerk in der Wertermittlung, in: DS 3/2016, S. 50–52; Kötter, Theo/Langer, Julia,
Spezialimmobilie „Resthofstelle“ im planungsrechtlichen Außenbereich. Methodische Ansätze
für die Grundstücksbewertung, in: FuB 2/2015, S. 66–74; 2017: Baltz, Ricarda/Dietrich, Thekla/
Höhn, Rainer/Mann, Wilfried/Schaar, Wolfgang/Schmeck, Joachim, Modellkonforme Werter-
mittlung. Hinweise und Erläuterungen auf der Grundlage modelltreuer Kaufpreisauswertung, in:
GuG 5/2017, S. 281–289; Francois, Matthias H., Anmerkung zu OVG Lüneburg, U. v.
16.2.2016 – 15 KF 16/15 – (Flurbereinigungsverfahren; Wertermittlung; Minderabfindung), in:
AuUR 3/2017, S. 109; Kleiber, Wolfgang, Purgatorische Gedanken zur Geschossflächenzahl als
tragende Säule der Bodenwertermittlung, in: GuG 2/2017, S. 65–85; Portz, Norbert, Addition
verschiedener Planungsleistungen zur Wertermittlung, (Anmerkung zu OLG München, B. v.
13.3.2017 – Verg 15/16 –), in: NZBau 7/2017, S. 408–410; Reuter, Franz, Spekulative Werter-
mittlung in der städtebaulichen Sanierung und Entwicklung?, in: FuB 1/2017, S. 10–21; Troff,
Herbert, Das neue EEG 2016/2017. Auswirkungen auf die Wertermittlung von Grundstücken
mit Anlagen erneuerbarer Energien, in: ImmWert 1/2017, S. 10–18; Weitkamp, Alexandra/Köh-
ler, Tine/Ortner, Andreas, Bodenwertermittlung. Eine Automatisierbare Aufgabe?, in: FuB 1/
2017, S. 25–34; 2018: Barthel, Carl W., Competitive Wertermittlung: Zur Ermittlung aktueller

500

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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.

Grundbesitzwerte, DB 20/2018, 1161–1166; Bischoff, Bernhard, Modellkonformität: Theorie


und Realität, Anforderungen an Sachverständige und nicht nur an Gutachterausschüsse, FuB 3/
2018, 114–121; Grootens, Mathias, Anmerkung zu FG Niedersachsen v. 7.12.2017 – 1 K 219/
15 – (Vergleichswertverfahren; Ableitung von Vergleichspreisen des Gutachterausschusses),
ErbStB 5/2018, 139–140; Hebbel, Hartmut, Anmerkung zu OVG Berlin-Brandenburg, U. v.
10.7.2017 – 2 B 1/16 –, – 2 B 7/16 –, – 2 B 11/16 – und B. v. 25.1.2018 – 2 B 18/16 – (Sanierungsrechtli-
cher Ausgleichsbetrag; Wertermittlungsspielraum; Wertermittlungsverfahren; Vergleichswertver-
fahren; Bodenrichtwertverfahren; maßgebliche Art der baulichen Nutzung für die Bestimmung
des Anfangswerts; Herabzonung durch Sanierungsbebauungsplan; Zielbaummethode; Ziel-
baumverfahren; Ableitung des Endwerts aus einem nach dem Wertermittlungsstichtag bestimm-
ten Bodenrichtwert; intertemporaler Abgleich; Wahl des Wertermittlungsverfahrens; Begrün-
dungspflicht; maximal veränderlicher Lagewertanteil (LVmax); Plausibilisierungsanforderungen;
Berechnungsfehler; fehlende Spruchreife infolge des Wertermittlungsspielraums), GuG 3/2018,
193; Lutter, Ingo, Anmerkung zu FG Düsseldorf, U. v. 1.3.2017 – 7 K 2052/14 F – (235 Reduzie-
rung der AfA-Bemessungsgrundlage im Fall der Veräußerung eines Mietwohngrundstücks zwi-
schen nahestehenden Personen zu einem unangemessenen und deutlich überhöhten Kaufpreis
auf der Grundlage eines im Ertragswertverfahren ermittelten niedrigeren Verkehrswerts), EFG
10/2018, 845–846; Neu, Heinz, Anmerkung zu FG Niedersachsen, U. v. 7.12.2017 – 1 K 219/
15 – (177 Bewertung von Grundbesitz dem Vergleichswertverfahren, Ableitung von Vergleichs-
preisen durch das FA), EFG 8/2018, 621–622.
2. Zu Gutachterausschüssen:
2011: Jacob, Peter, Rechtsschutz gegen Verkehrswertgutachten der Gutachterausschüsse nach
§ 193 BauGB, NVwZ 23/2011, 1419–1425; Krause, Ingo/Grootens, Mathias, Vorstellung und
Kommentierung der Bodenrichtwertrichtlinie: Ermittlung von Bodenrichtwerten durch die Gut-
achterausschüsse, NWB-EV 9/2011, 297–301; Krause, Ingo, Hebeln die Gutachterausschüsse
die Grundbesitzbewertung aus? BFH urteilt: Ohne Bodenrichtwerte keine Grundbesitzwertfest-
stellung, (Zugleich Anmerkung zu BFH, U. v. 25.8.2010 – II R 42/09 –), NWB-EV 1/2011, 27–
30; Mattiseck, Klaus/Schaar, Hans-Wolfgang, Bodenrichtwerte und ihre Bedeutung. Die Gutach-
terausschüsse hebeln die Grundbesitzbewertung nicht aus!, NWB-EV 6/2011, 205–207.
3. Zur Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen:
2017: Franßen, Yvonne, Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen, in: UPR 4/2017, S. 134–139.
Siehe die vollständige Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.planundrecht.de

XVII. Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor


den Gerichten
In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein sehr ausgefeiltes Rechtsschutzsystem,
das sich in einer vielfach gegliederten Gerichtsbarkeit niederschlägt. Noch im vorigen
Jahrhundert wurde die Dritte Gewalt, die Judikative, praktisch vollständig von der
Zivil- und Strafgerichtsbarkeit repräsentiert. Bis zur Einführung der Verwaltungsge-
richtsbarkeit (in Baden 1863, in Preußen 1875) konnte der Staat vom Bürger nur in
seiner Eigenschaft als „Fiskus“ vor Gericht gezogen werden. Fiskalische Angelegenhei-
ten sind solche, bei denen es um Geldansprüche eines Bürgers gegen den Staat, z. B.
wegen einer Amtspflichtverletzung oder einer Enteignung, geht. Wenn ein Bürger vom
Staat eine Entschädigung erstreiten wollte, dann musste und konnte er sich dazu in
erster Instanz nur an das Amts- oder Landgericht, also an die „ordentliche Gerichts-
barkeit“, wenden.
Aus dieser Zeit ist für die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit nur noch die Bezeichnung
„ordentliche Gerichte“ übriggeblieben. Im Übrigen wurde das Rechtsschutzsystem
vielfach ausgebaut und ergänzt, insbesondere durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Ein Relikt aus der Zeit, als für Klagen des Bürgers gegen den Staat praktisch nur die
Zivilgerichte zur Verfügung standen, ist allerdings auch noch jener (an Art. 153 Abs. 2
Satz 3 der Weimarer Reichsverfassung orientierte) Satz am Ende des Artikels 14 GG,
wonach bei Enteignungen „wegen der Höhe der Entschädigung im Streitfall der
Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen steht“. Art. 14 GG ist vor dem voll-

501

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

ständigen Wiederaufbau der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem Zweiten


Weltkrieg formuliert worden. Mit der Rechtsweggarantie für Entschädigungsstreitig-
keiten in Art. 14 GG wollte der Verfassungsgeber wohl eigentlich nur erreichen, dass
dem Bürger eine in jeder Weise (d. h. auch von der Verwaltung) unabhängige, allein
den gerichtlichen Verfahrensregelungen unterstellte und in diesem Sinne „ordentliche“
Gerichtsbarkeit für seine Ansprüche gegen den Staat zur Verfügung stünde. Diesen
Ansprüchen genügt ohne jeden Zweifel auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der
Bundesrepublik Deutschland. Dennoch ist Art. 14 GG bis heute streng formal in dem
Sinn ausgelegt und angewendet worden, dass für Entschädigungsstreitigkeiten nicht
die Verwaltungsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte im klassischen Sinn, also
die Zivilgerichte, zuständig sind. Dies hat zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Spal-
tung der Rechtspflege in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten geführt, die sich bis in
das Baugesetzbuch hinein auswirkt. Sie hat zur Folge, dass für bau- und planungs-
rechtliche Streitigkeiten in erster Instanz drei verschiedene Gerichte zuständig sind.
1. Die dreigeteilte Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit im Bau- und Planungsrecht
Wer einen Verwaltungsakt angreifen will, der nach den Vorschriften des Baugesetz-
buchs ergangen ist, der muss sich im Allgemeinen (nach erfolglosem Widerspruch
bei der Behörde) an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht wenden. Wenn der
Verwaltungsakt aber in irgendeiner Weise etwas mit Entschädigungsfragen zu tun hat
oder im Verlauf eines Enteignungsverfahrens ergangen ist, dann ist wegen Art. 14 GG
nicht das Verwaltungsgericht, sondern das Landgericht für den Rechtsstreit zuständig.
Das entsprechende Rechtsmittel heißt „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ (vgl.
§ 217). Da die Landgerichte sich bei Streitigkeiten dieser Art außerhalb des Zivilrechts,
also außerhalb ihres üblichen Rechtsbereichs bewegen, sind für diese speziellen Strei-
tigkeiten besondere Kammern geschaffen worden, nämlich die Kammern für Bauland-
sachen. In den Kammern für Baulandsachen sitzen gemäß § 220 zwei Verwaltungs-
richter in der Robe von Zivilrichtern und drei „echte“ Zivilrichter.
Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten gibt es normalerweise kein vorgeschaltetes Wider-
spruchsverfahren gegen eine Behörde, weil an zivilrechtlichen Streitigkeiten im Regel-
fall keine Behörden beteiligt sind. Man kann sich in Zivilsachen im Normalfall direkt
an das Gericht wenden. Diese typische Konstellation ist bei Entschädigungsstreitigkei-
ten mit der öffentlichen Verwaltung und im Enteignungsverfahren durchbrochen: Die
angegriffenen Entscheidungen sind hier durchaus reguläre Verwaltungsentscheidungen
von Behörden; deshalb führt der erste Weg des Widerspruchs hier nicht zum Gericht
sondern zu der Behörde, die den Bescheid erlassen hat. Bei ihr muss man den „Antrag
auf gerichtliche Entscheidung“ stellen, durch den das Gerichtsverfahren in Gang
kommt. Dadurch wird grundsätzlich kein echtes Vorverfahren – wie nach der Verwal-
tungsgerichtsordnung – ausgelöst, in dem statt der Behörde, die den Bescheid erlassen
hat, die nächsthöhere Behörde als „Widerspruchsbehörde“ zuständig wird, wenn die
untere Behörde bei ihrer Entscheidung bleibt. Der Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung führt im Prinzip nur dazu, dass die Ausgangsbehörde ihren Bescheid noch einmal
prüft und – wenn sie keinen Fehler findet – die Akten an das Landgericht abgibt.
Allerdings sind die Landesregierungen durch § 212 ermächtigt, durch Rechtsverord-
nung zu bestimmen, dass auch Verwaltungsakte, die vor den Kammern für Baulandsa-
chen anzufechten sind, zunächst in einem „echten“ Vorverfahren nachgeprüft werden
müssen. Von dieser Ermächtigung haben die Bundesländer bislang nur für Verwal-
tungsakte im Rahmen der Umlegung, nicht aber für Verwaltungsakte in Enteignungs-
verfahren und sonstigen Entschädigungsstreitigkeiten Gebrauch gemacht.
Grob vereinfachend kann man die Rechtslage also folgendermaßen zusammenfassen:
Bei Streitigkeiten mit der öffentlichen Verwaltung darf sich der Bürger in der Regel
nicht direkt an das Gericht wenden, vielmehr muss er sich zunächst an die Behörde
halten, von welcher der Verwaltungsakt kam. Normalerweise beginnt mit seinem Ein-

502

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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.

spruch ein sog. „Widerspruchsverfahren“, dessen Ausgang er abwarten muss (einige


Bundesländer – Bayern, Nordrhein-Westfalen – haben dass Widerspruchsverfahren
weitgehend abgeschafft, um Zeit einzusparen). Erst wenn sein Widerspruch förmlich
zurückgewiesen ist, wird die Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig. Auch bei
Streitigkeiten in Enteignungs- und Entschädigungssachen muss der Bürger seinen An-
trag auf gerichtliche Entscheidung an die Behörde richten, die seinen Fall bearbeitet.
Hier erreicht er jedoch mit seinem Antrag ohne weiteres Zutun die Einschaltung des
Landgerichts – Kammer für Baulandsachen –, wenn die Behörde ihre Entscheidung
nicht in letzter Minute von sich aus revidiert.
Die Verschiedenheit der Rechtsmittel und des Rechtswegs wird im Normalfall keine
allzu großen Schwierigkeiten bereiten; in einigen Konstellationen führt sie jedoch zu
sehr unglücklichen Komplikationen. Dies gilt zum Beispiel für den Bereich der ge-
meindlichen Vorkaufsrechte. Hier muss der Bürger mit einer gewissen Wahrscheinlich-
keit zwei Gerichtsbarkeiten bemühen, wenn er mit der Ausübung des Vorkaufsrechts
durch die Gemeinde nicht einverstanden ist: Will er bereits die Tatsache der Ausübung
des Vorkaufsrechts nicht hinnehmen, so muss er den Verwaltungsakt, mit dem die
Gemeinde ihr Vorkaufsrecht geltend gemacht hat, vor den Verwaltungsgerichten an-
fechten; hat der Bürger damit keinen Erfolg, ist aber auch mit einer Preisherabsetzung
auf den Verkehrswert nicht einverstanden, den die Gemeinde nach § 28 Abs. 3 vorneh-
men kann, dann muss er sich mit der Gemeinde über die Höhe des Kaufpreises vor
dem Landgericht – Kammer für Baulandsachen – streiten.
Noch weitere Besonderheiten muss man beachten, wenn man sich mit bau- und pla-
nungsrechtlichen Streitigkeiten an die Gerichte wenden will: Die Verwaltungsgerichte
in erster Instanz sind nur dann zuständig, wenn es um „normale“ Verwaltungsakte
geht. Wenn man einen Bebauungsplan oder eine andere Satzung nach dem BauGB
direkt im Wege der sog. abstrakten Normenkontrolle angreifen will, dann ist dafür in
erster Instanz das Oberverwaltungsgericht zuständig – und zwar ohne Vorverfahren.
Für Anfechtungsklagen gegen Planfeststellungsakte, mit denen Verkehrswege und
Energieleitungen planerisch festgelegt werden, sind wiederum weder die Verwaltungs-
gerichte noch die Oberverwaltungsgerichte, sondern gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 der
VwGO, § 17e Abs. 1 des Fernstraßengesetzes (FStrG) und Nr. 17 der Anlage zu diesem
Gesetz i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastruk-
turvorhaben vom 9. Dezember 2006 – InfrPBG – (BGBl. I S. 2833, ber. BGBl. I 2007
S. 691)1086 das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig. (Zur
Abfolge der Instanzenzüge in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl. das Kapitel V. „Die
dritte Gewalt“ im ersten Teil dieses Buchs, dort insbes. das Bild16 – Rechtsstreitigkei-
ten vor den Verwaltungsgerichten).
Summa summarum gibt es also für den Bürger drei verschiedene Eingangstore zur
Gerichtsbarkeit, wenn er sich mit Rechtsstreitigkeiten nach dem Baugesetzbuch an die
Dritte Gewalt wenden will. Ein viertes Tor öffnet sich für Klagen gegen Bundesver-
kehrswege.
– Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Entschädigungen und Enteignungen sind
die Landgerichte - Kammern für Baulandsachen – zuständig. Sie werden unmittel-
bar von der Behörde eingeschaltet, wenn der Bürger bei ihr einen „Antrag auf

1086 Durch dieses Gesetz ist dem Bundesverwaltungsgericht die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit für
bestimmte Verkehrsprojekte im gesamten Bundesgebiet zugewiesen worden (vgl. Art. 2 Nr. 3 und 9,
Art. 9 Nr. 2 InfrPBG für die Straßenprojekte). Daneben verbleibt es für Planungen in den neuen Bundes-
ländern einschließlich des Landes Berlin, die nach den Vorschriften des mit Ablauf des 16. Dezember
2006 aufgehobenen Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (VerkPBG) begonnen wurden, ge-
mäß § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG i. V. m. § 11 Abs. 2, § 5 Abs. 1 VerkPBG ebenfalls bei der erstinstanzli-
chen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B. v. 30. März 2007 – 9 VR 7.07 –,
Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 Rn. 2).

503

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

gerichtliche Entscheidung“ gestellt hat. (Abweichende Regelungen durch Landes-


recht sind möglich!)
– Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit sonstigen Verwaltungsakten (außer Bun-
des-Verkehrswege-Planfeststellungen) sind die Verwaltungsgerichte in erster Ins-
tanz zuständig. Eine Klage ist (im Regelfall) erst nach Abwicklung eines Wider-
spruchsverfahrens zulässig; sie muss vom Bürger nach Zurückweisung seines
Widerspruchs angestrengt werden.
– Für direkte Angriffe auf Bauleitpläne und sonstige Satzungen nach dem BauGB im
Wege der abstrakten Normenkontrolle sind die Oberverwaltungsgerichte/Verwal-
tungsgerichtshöfe als erste Instanz zuständig. Dies gilt auch für Flächennutzungs-
pläne, die im Hinblick auf darin dargestellte Konzentrationsflächen wegen deren
direkter Auswirkung auf die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich (Aus-
schlusswirkung) vom BVerwG der direkten Normenkontrolle unterworfen wur-
den1087. Ein Vorverfahren ist im Verfahren nach § 47 VwGO nicht erforderlich;
bei Flächennutzungsplänen müssen die Fehler – wenn möglich – schon anlässlich
der öffentlichen Auslegung gerügt worden sein, wenn sie vor Gericht geltend ge-
macht werden sollen (vgl. § 3 Abs. 3 BauGB). Form und Verfahrensfehler sowie
Fehler im Abwägungsvorgang werden unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines
Jahres nach der Bekanntmachung des Plans schriftlich gegenüber der Gemeinde
geltend gemacht werden (§ 215 BauGB).
Gegen Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen, die Bundesverkehrswege
(Fernstraßen, Wasserstraßen, Eisenbahnen) und Energieleitungen betreffen, muss man
unmittelbar vor dem Bundesverwaltungsgericht „im ersten und letzten Rechtszug“
Klage erheben.
2. Die gerichtliche Kontrolle von Bebauungsplänen und sonstigen Satzungen nach
dem BauGB
Bebauungspläne werden (außer in den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg) nach
§ 10 Abs. 1 als Satzung erlassen (in Berlin als RVO, in Hamburg als RVO oder als
Gesetz – das dennoch der Normenkontrolle nach 47 VwGO unterliegt1088). Sie haben
daher stets den Charakter einer Rechtsnorm. Der Bürger muss sich nach dem Plan
richten, er hat aber auch Anspruch darauf, dass der Plan ihm gegenüber eingehalten
wird. Die Verwaltung muss ihm erlauben, auf seinem Grundstück die Gebäude zu
errichten, die mit dem Plan in Übereinstimmung stehen; die Verwaltung darf auch
nicht auf den Nachbargrundstücken solche baulichen Vorhaben zulassen, die mit den
Planvorhaben kollidieren und andere Eigentümer in ihren Rechten verletzen.
Diese aus einem Bebauungsplan herzuleitenden Rechtsansprüche teils positiver, teils
negativer Natur können notfalls mit Hilfe der Gerichte durchgesetzt werden. Dazu
gibt es zwei Wege:
– Zum ersten die direkte (oder auch abstrakte) Normenkontrolle,
– zum zweiten die indirekte, die inzidente Kontrolle.
Mit der direkten (abstrakten) Normenkontrolle wird der Bebauungsplan als ganzer
auf seine Rechtmäßigkeit überprüft, er ist Hauptgegenstand des Prozesses; die direkte
Normenkontrolle wird auch „abstrakte“ Normenkontrolle genannt, weil dem Prozess
(noch) kein konkreter Streitfall zugrunde liegen muss. Es genügt vielmehr, wenn der
Kläger möglicherweise von der Norm in seinen Rechten verletzt wird. Bei der indirek-
ten Normenkontrolle dreht sich der Streit in der Hauptsache nicht um den Plan, son-
dern um etwas anderes, z. B. um die Erteilung oder Versagung einer Baugenehmigung;
der Bebauungsplan wird innerhalb dieses Prozesses nur indirekt als wichtige Voraus-
setzung für die Gewährung oder Versagung des Anspruchs mit überprüft. Diese indi-

1087 BVerwG, U. v. 26.4.2007 – 4 CN 3.06 –, BauR 2007, 1455 = NVwZ 2007, 1081.
1088 So das BVerfG, B. v. 14.5.1985 – 2 BvR 397/82 –, BRS 44, Nr. 24 (S. 65).

504

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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.

rekte Prüfung nennt man auch „Inzident-Prüfung“. (Von einer konkreten Normen-
kontrolle spricht man dagegen, wenn ein Gericht anlässlich eines konkreten
Rechtsstreits ein vom Bundestag beschlossenes und ordentlich in Kraft gesetztes Gesetz
für verfassungswidrig hält und die entsprechende Norm gemäß Art. 100 GG dem Bun-
desverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegt.)
a) Die direkte (abstrakte) Normenkontrolle. Die direkte Normenkontrolle findet in
einem besonderen Verfahren statt, das in § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung gere-
gelt ist. Ein Antrag auf Normenkontrolle ist für alle Satzungen und Rechtsverordnun-
gen nach dem BauGB sowie für alle Normen unterhalb des förmlichen Landesgesetzes
zulässig. Durch dieses Verfahren soll erreicht werden, dass möglichst schnell und mög-
lichst einheitlich entschieden wird, ob eine Satzung nach dem BauGB, z. B. ein Bebau-
ungsplan, rechtmäßig ist oder rechtlich geschützte Interessen verletzt. Im Interesse
der Schnelligkeit und Einheitlichkeit ist das Verfahren auf eine gerichtliche Instanz
konzentriert, nämlich auf das Oberverwaltungsgericht bzw. den Verwaltungsgerichts-
hof. Das OVG/der VGH kann von jedermann angerufen werden, der geltend machen
kann, durch die Norm – i. d. R. den Bebauungsplan – in seinen Rechten verletzt zu
sein; das können natürliche Personen oder juristische Personen sein (insbesondere Ei-
gentümer betroffener Grundstücke).
Das BVerwG hat die Normenkontrolle nach § 47 VwGO im Weg der Analogie auch
gegen Flächennutzungspläne mit der Rechtswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB
zugelassen, weil ein solcher F-Plan mit seiner Ausschlusswirkung einen den Festsetzun-
gen des B-Plans vergleichbare Funktion hat.1089 Diese Möglichkeit kommt aber nur
Antragstellern zugute, die sich gegen die Ausschlusswirkung wenden. Ein Normen-
kontrollantrag gegen eine Höhenbegrenzung in einer Konzentrationszone ist dagegen
nicht zulässig.1090 Eine Höhenbegrenzung im F-Plan wirkt nicht normativ – sie muss
nur in die nachvollziehende Abwägung der Entscheidung nach § 35 Abs. 1 einbezogen
werden.
Antragsberechtigt sind auch Behörden, die als Träger öffentlicher Belange gehört wur-
den, deren Belange aber (aus ihrer Sicht) nicht ausreichend berücksichtigt wurden;
antragsberechtigt sind auch Nachbargemeinden, wenn sie behaupten können, dass
ihre Belange nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die „Wehrfähigkeit“ von Nach-
bargemeinden ist dadurch gestärkt, dass sie sich gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 BauGB
auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen (z. B. als zent-
raler Ort) berufen können.
Eine neue Form der Antragsberechtigung ist mit der sog. Verbandsklage entstanden.
Nach nunmehr vollständiger Kodifizierung durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz kön-
nen auch alle anerkannten Umweltverbände eine Normenkontrollklage erheben, wenn
sie behaupten können, dass von dem Plan ein Umweltschutzgut nicht ausreichend
beachtet wurde.
Wirksame Beschränkungen der Zulässigkeit eines Antrags auf direkte Normenkont-
rolle nach § 47 VwGO meinte der Bundesgesetzgeber dadurch erreichen zu können,
dass er
– für das Einreichen eines Normenkontrollantrags nach § 47 VwGO eine Frist ge-
setzt hat und
– etwaige Antragsteller verpflichtet hat, ihre Bedenken schon in der förmlichen Betei-
ligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 (also während der öffentlichen Ausle-
gung) vorzutragen. Wird dies unterlassen, ist ein darauf bezogener Normenkon-
trollantrag unzulässig.

1089 BVerwG, U. v. 26.4.2007 – 4 CN 3.06 –, juris.


1090 BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 4 CN 1.12 –, ZfBR 2013, 475.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Nur die erste Beschränkung war erfolgreich. Seit 2006 muss für die Einreichung eines
Normenkontrollantrags gemäß § 47 Abs. 1 VwGO eine Ein-Jahres-Frist seit Bekannt-
machung des Plans eingehalten werden (zuvor galt eine Zwei-Jahres-Frist). Auch eine
fehlerhafte Bekanntmachung setzt die Frist in Gang1091. Die zweite Beschränkung
wurde vom EuGH nicht akzeptiert1092. Er sah in dem Ausschluss aller Gründe im
Prozess, die nicht schon zuvor in der Beteiligung zum Plan vorgetragen wurden, eine
unfaire (und europarechtswidrige) Benachteiligung der Betroffenen. Eine Präklusion
gibt es jetzt nur noch im Normenkontrollverfahren von Umweltverbänden gegen Flä-
chennutzungspläne (§ 3 Abs. 2 BauGB).
Antragsberechtigt nach § 47 VwGO sind – wie gesagt – nicht nur natürliche und
juristische Personen1093, sondern (nach Maßgabe des Landesrechts) auch Behörden.
Eine landesrechtlich als parteifähig anerkannte Behörde kann die Prüfung einer von
ihr nicht erlassenen, aber in ihrem Gebiet geltenden Rechtsnorm beim OVG bzw.
VGH beantragen, wenn sie die Vorschrift als Behörde zu beachten hat, aber ihre
Rechtswirksamkeit bezweifelt1094. Im Zweifel können alle die Behörden Antrag auf
Normenkontrolle stellen, die als berührte Träger öffentlicher Belange an dem Planauf-
stellungsverfahren zu beteiligen waren.
Das OVG prüft auf Antrag eines Betroffenen oder einer Behörde, ob der Bebauungs-
plan formelle oder materielle Fehler aufweist. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis
kommt, dass der Plan wegen eines oder mehrerer Fehler ganz oder teilweise rechtswid-
rig ist, erklärt es ihn für ganz oder teilweise unwirksam. Die Gemeinde muss dann
entscheiden, ob sie die erkannten Fehler heilen kann und heilen möchte.
In der Regel wird der gesamte Plan unwirksam sein. Nur ausnahmsweise wird eine
Teilunwirksamkeit in Frage kommen, nämlich dann, wenn sich der Fehler lediglich
auf einen bestimmten Teilbereich bezieht und ohne Auswirkungen auf die übrigen
Planteile bleibt. In diesem Fall muss jedoch mit Gewissheit feststehen, dass die Ge-
meinde den Plan auch ohne den als unwirksam erkannten Teil mit dem gleichen Inhalt
beschlossen hätte1095. Ob sich das Gericht mit der Prüfung eines Fehlers begnügen
darf, der zur Unwirksamkeit führt, wenn mehrere Fehler gerügt wurden, wurde vom
BVerwG offen gelassen1096. Wenn derselbe Plan nach „Heilung“ des einen Fehlers mit
Rückwirkung in Kraft gesetzt wird, könnten sich daraus Probleme ergeben.
Die Entscheidung über die (Teil-)Unwirksamkeit des Plans gilt – ebenso wie die Fest-
stellung der (Teil-)Unwirksamkeit – für und gegen jedermann. Sie wird in der gleichen
Weise veröffentlicht wie der Bebauungsplan selbst. Wenn das Gericht den Plan für
rechtmäßig hält, wird die Klage abgewiesen. Diese Abweisung hat zwar keine allge-
mein verbindliche Wirkung, in der Praxis wird aber kaum noch jemand eine Klage
gegen diesen Plan richten. Denn wegen der feststehenden räumlichen Zuständigkeit
des betreffenden OVG würden alle Prozesse von demselben Gericht, in der Regel sogar
von demselben Senat zu entscheiden sein, das den Plan bereits als rechtmäßig einge-
stuft hat. Man kann insoweit von einer faktischen Allgemeinverbindlichkeit sprechen.

b) Die Inzident-Kontrolle (indirekte Kontrolle). Eine Inzident-Kontrolle von B-Plänen


ist sowohl seitens der Verwaltungsgerichte als auch seitens der Zivilgerichte möglich.

1091 BVerwG, B. v. 10.4.1996 – 4 NB 8.96 –, ZfBR 1996, 231 (noch zu Art. 13 InvWohnBaulG 1993).
1092 EuGH, U. v. 15.10.2015 – C 137/14 –, NVwZ 2015, 1665.
1093 In sehr seltenen Fällen kann das Antragsrecht wegen treuwidrigen Verhaltens verwirkt werden – vgl.
OVG Rheinl.-Pfalz, U. v. 12.5.2014 – 1 C 10864/13.OVG –, ZfBR 2014, 698 und OVG Münster, B.v.
17.1.2014 – 2 B 1367/13.NE, ZfBR 2014, 585.
1094 BVerwG, B. v. 11.8.1989 – 4 NB 23.89 –, ZfBR 1989, 272; ebenso Hessischer VGH, B. v. 22.7.1999
– 4 N 1598/93 –, ZfBR 2000, 194 (Zur Konkurrenz mit Straßenrecht).
1095 Zur teilweisen Nichtigkeit vgl. OVG Bremen, U. v. 23.10.1979 – 1 T 4/79 –, BauR 1980, 240 und
BVerwG, B. v. 18.7.1989 – 4 N 3.87 –, ZfBR 1989, 270.
1096 BVerwG, B. v. 20.6.2001 – 4 BN 21.01 –, ZfBR 2002, 274.

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In der Verwaltungsgerichtsbarkeit findet sie in aller Regel im Rahmen einer normalen


Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage statt, beispielsweise dann, wenn man sich
um die Erteilung oder Versagung einer Baugenehmigung streitet. Will der Eigentümer
eines Grundstücks eine Baugenehmigung einklagen, muss er – wie bereits beschrieben
– eine Verpflichtungsklage erheben. Wenn für das betreffende Grundstück ein Bebau-
ungsplan gilt, kann das Gericht den Rechtsstreit nicht entscheiden, ohne zu prüfen,
ob der Bebauungsplan für das betreffende Grundstück rechtsgültig ist. Denn es hängt
von diesem Bebauungsplan ab, ob die Baugenehmigung zu erteilen ist oder nicht.
Diese Prüfung des Bebauungsplans innerhalb eines Prozesses nennt man „Inzident-
Kontrolle“.
Eine Inzident-Kontrolle von B-Plänen durch die Zivilgerichtsbarkeit wird zum Beispiel
veranlasst, wenn die Kammern und Senate für Baulandsachen mit Prozessen in Enteig-
nungsverfahren angerufen werden. Der Gang der Inzident-Kontrolle ist in beiden Ge-
richtsbarkeiten derselbe: Das Gericht überprüft den Bebauungsplan auf Formfehler
und auf materielle Fehler. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Inzident-Kon-
trolle und der direkten Normenkontrolle liegt aber darin, dass die Entscheidung des
Gerichts über die Gültigkeit oder die Ungültigkeit des Plans bei der Inzident-Kontrolle
Verbindlichkeit nur innerhalb dieses einen Prozesses hat. Es gibt also keine Allgemein-
verbindlichkeit, wenn das Gericht zu der Auffassung kommt, dass der Bebauungsplan
unwirksam ist. Diese eingeschränkte Rechtskraft der Entscheidung liegt daran, dass
sich der Streit in der Hauptsache um die Baugenehmigung oder um die Enteignung,
aber nicht um den Bebauungsplan dreht. Deshalb wird rechtskräftig nur entschieden,
ob der Kläger einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat oder nicht, ob er enteignet
werden darf oder nicht. Die Gültigkeit des B-Plans ist dazu nur eine Vorfrage. Die
Entscheidung über diese Vorfrage nimmt nicht an der Rechtskraft teil. Dessen unge-
achtet tut jede Gemeinde gut daran, auch nur inzident vom Gericht erkannte Fehler
eines B-Plans möglichst unverzüglich zu beseitigen. Denn anderenfalls läuft sie Gefahr,
auch den nächsten Prozess, in dem dieser Plan eine Rolle spielt, zu verlieren.
Die Möglichkeit einer solchen Inzident-Kontrolle beschränkt sich selbstverständlich
nicht nur auf Klagen auf Erteilung einer Baugenehmigung oder auf Anfechtungsklagen
von Nachbarn gegen die Erteilung einer Baugenehmigung; die Inzident-Kontrolle fin-
det vielmehr in jedem Prozess statt, innerhalb dessen es für die Entscheidung des
Rechtsstreits auf die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines B-Plans (oder einer sonstigen
Satzung nach dem BauGB) ankommt1097. In jedem Fall einer Inzident-Prüfung gilt
jedoch, dass die Beurteilung des Gerichts über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrig-
keit des Plans oder der Satzung nicht allgemein verbindlich wird.

3. Das Problem der Kontrolldichte


Wenn ein Bürger einen Bebauungsplan durch den Antrag auf abstrakte Normenkon-
trolle angreift oder einen Anspruch auf eine Baugenehmigung für ein Gebiet geltend
macht, für das ein Bebauungsplan gilt, dann muss die Gerichtsbarkeit die Rechtswirk-
samkeit des betreffenden Bebauungsplans und auch des Flächennutzungsplans, aus
dem dieser Bebauungsplan entwickelt worden ist, überprüfen. Das Gericht muss dabei
den ganzen langen Entwicklungsweg, den Flächennutzungsplan und Bebauungsplan
im Laufe des Aufstellungsverfahrens bis zur Bekanntmachung genommen haben, zu-

1097 Zur Inzidentkontrolle in einem Enteignungsverfahren vgl. BGH, B. v. 22.2.2007 – III ZR 216/06 –,
BauR 2007, 1200: Hat während des Laufs eines baulandgerichtlichen Verfahrens, das die Anfechtung
eines Enteignungsbeschlusses zwecks Nutzung eines Grundstücks entsprechend den Festsetzungen eines
Bebauungsplans betrifft, das Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan
(rechtskräftig) für unwirksam erklärt, so muss das Baulandgericht den Enteignungsbeschluss auch dann
aufheben, wenn der Bebauungsplan durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rück-
wirkend in Kraft gesetzt werden könnte und die Gemeinde ein solches Verfahren angekündigt hat.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

rückverfolgen; es muss prüfen, ob die Kommunalverwaltung in jeder einzelnen Stufe


dieses langwierigen Verfahrens alle Vorschriften eingehalten hat. Auch bei Plänen, die
jahre- und jahrzehntelang als gültig betrachtet worden sind, gibt es keine gewohnheits-
rechtliche Geltung und keine allgemeine Vermutung dafür, dass das Aufstellungsver-
fahren fehlerfrei gewesen und dass der Plan rechtmäßig und gültig ist. Trotz der im
Verwaltungsprozess herrschenden Maxime der Amtsermittlung (d. h. der Erforschung
des Sachverhalts von Amts wegen und nicht nur nach Maßgabe des Parteivorbringens)
dürfen die Verwaltungsgerichte aber nicht „von sich aus und gleichsam ungefragt in
eine Suche nach Fehlern in der Vor- und Entstehungsgeschichte eines Bebauungsplans
eintreten“ – dies ist ihnen vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich untersagt wor-
den1098. Außerdem sind auch Bebauungspläne (wie alle Normen) einer Auslegung
zugänglich, mit deren Hilfe z. B. Redaktionsversehen (wie z. B. ein offensichtlicher
Schreibfehler: GFZ statt GRZ) korrigiert werden können1099.
Die Gefahr für eine Gemeinde, an irgendeiner Stelle bei der Aufstellung von Bauleitplä-
nen Form- oder Verfahrensfehler zu begehen, ist sehr groß. Alle Fristen müssen exakt
gewahrt werden. Alle Bekanntmachungen müssen in der richtigen Form erfolgen (und
nicht nur im Internet, wie das Nds. OVG1100 im Jahr 2012 entschieden, aber in einer
Entscheidung aus dem Jahr 20181101 offengelassen hat). Bei der öffentlichen Ausle-
gung eines Bauleitplans müssen nicht nur Ort und Zeit der Auslegung des markant zu
bezeichnenden Plans bekannt gegeben werden; vielmehr muss auch bekannt gegeben
werden, welche bereits vorhandenen „Arten umweltbezogener Informationen“ verfüg-
bar sind – was immer man unter „Arten von Informationen“ auch verstehen mag1102.
Wird der Planentwurf nach der öffentlichen Auslegung geändert, muss er erneut ausge-
legt werden.1103
Alle Beschlüsse müssen in der vorgeschriebenen Form und vom richtigen Organ gefasst
werden. Auch darf an keiner Beratung der Gemeindevertretung über einen Bebauungs-
plan (auch nicht an Entwurfsberatungen?1104) ein Gemeinderatsmitglied teilnehmen,
das selbst Grundbesitz im Plangebiet hat oder dessen Verwandte in dem betreffenden
Gebiet ein Grundstück besitzen. Ein solches Gemeinderatsmitglied wäre nach den Vor-
schriften der Gemeindeordnungen befangen, für ihn (oder für sie) bestünde ein Mit-
wirkungsverbot. Ob ein durch Grundbesitz begründetes Mitwirkungsverbot auch
beim Aufstellungsverfahren von Flächennutzungsplänen besteht, ist umstritten1105.
Die Praxis verneint dies mit Recht, weil anderenfalls praktisch alle Grundbesitzer einer
Gemeinde von den Beratungen des Flächennutzungsplans im Gemeinderat ausge-
schlossen wären.
Es muss keineswegs auf Böswilligkeit beruhen, wenn so durch Mitwirkung von Befan-
genen ein Fehler passiert. Wer denkt z. B. im Voraus daran, dass auch ein Gemeinde-
ratsmitglied, welches Geschäftsführer eines Unternehmens ist, das gemietete Lager-
räume im Plangebiet besitzt, wegen Befangenheit ausgeschlossen ist1106? Das

1098 So das BVerwG, U. v. 7.9.1979 – 4 C 7.77 –, BauR 1980, 40.


1099 BVerwG, B. v. 27.1.1998 – 4 NB 3.97 –, ZfBR 1998, 207.
1100 Nds. OVG, B. v. 4.5.2012 – 1 MN 218/11, ZfBR 2012, 470.
1101 Nds. OVG, U. v. 29.5.2018 – 1 KN 53/17, ZfBR 2018, 687.
1102 Dazu VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.6.2010 – 5 S 884/09 –, BauR 2011, 80; U. v. 12.6.2012 – 8
S 1337/10 –, DVBl. 2012, 1177. Bestätigt durch BVerwG, U. v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 –, juris.
1103 Zu den wenigen Ausnahmen von der Pflicht zur erneuten Beteiligung siehe BVerwG, B. v. 18.4.2016 –
4 BN 9.16 –, ZfBR 2016, 589.
1104 So OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 11.12.1979 – 10 C 15/79 –, ZfBR 1980, 155; Niedersächsisches OVG,
16.7.1980 – 1 OVG A 65/78 –, ZfBR 1981, 43; a. A. VGH Baden-Württemberg, 5.2.1973 – II 145/
72 –, BauR 1973, 368; VGH Baden-Württemberg, 12.6.1974 – II 1057/72 –, BauR 1974, 394 (Mitwir-
kungsverbot nur beim Satzungsbeschluss); vgl. auch BVerwG, B. v. 15.4.1988 – 4 N 4.87 –, ZfBR
1988, 274 (276): Landesrecht entscheidet!
1105 Teilweise bejahend: OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 20.2.1979 – XV A 809/78 –, NJW 1979, 2632.
1106 VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.1.1981 – III 3071/78 –, BaWüVBl. 1982, 51.

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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.

Niedersächsische OVG1107 verwehrt einem Gemeinderatsmitglied mit Grundbesitz im


Plangebiet auch die Mitwirkung an einer Ratssitzung, in der nur das Plangebiet betref-
fende Bürgeranträge diskutiert werden, weil die dabei möglicherweise stattfindende
Sachdiskussion Einfluss auf das Bebauungsplanverfahren haben könne (das VG
Köln1108 ist in dieser Angelegenheit nicht so streng). Die Rechtsprechung ist sich einig
in der Folgerung aus dem Mitwirkungsverbot, dass sich ein befangenes Ratsmitglied
bei öffentlicher Sitzung in den Zuhörerraum begeben muss1109; das bloße Abrücken
des Stuhls vom angestammten Pult reicht nicht aus. Bei nichtöffentlicher Sitzung muss
das betreffende Ratsmitglied den Raum ganz verlassen. Die Mitwirkung als Protokoll-
führer ist nicht erlaubt1110.
Nicht nur bei der Einhaltung der sich aus den Gemeindeordnungen, also aus Landes-
recht, ergebenden Befangenheitsvorschriften, sondern auch bei den vom BauGB vorge-
schriebenen Ankündigungs- und Auslegungsfristen für die Pläne können sich relativ
leicht Fehler einschleichen; ein Fehler liegt zum Beispiel schon dann vor, wenn ein
Sachbearbeiter aus Versehen die Auslegung eines Bebauungsplans auch nur um einen
Tag zu früh beendet. Eindeutig fehlerhaft ist die Bekanntmachung einer bevorstehen-
den Auslegung nach § 3 Abs. 2, die sich auf eine Veröffentlichung von Ort und Zeit
im Internet beschränkt1111. Die Ausfertigung eines B-Plans muss vor der öffentlichen
Bekanntmachung zwecks Inkraftsetzung erfolgen, sonst ist der Plan unwirksam1112.
Im Land Brandenburg ist darüber hinaus eine förmliche Bekanntmachungsanordnung
des Bürgermeisters erforderlich, die in die Verfahrensakte aufgenommen werden
muss1113.
Ein Bebauungsplan oder eine sonstige Satzung nach dem Baugesetzbuch (z. B. eine
Erschließungsbeitragssatzung) kann aber nicht nur an Form- und Verfahrensfehlern
scheitern. Auch (und gerade) inhaltliche Mängel können die Unwirksamkeit eines
Plans begründen. Inhaltliche Mängel beruhen vor allem auf einer Verletzung des (oben
im Kapitel B.III. bereits geschilderten) Abwägungsgebots. Das Abwägungsgebot ent-
hält, wie oben dargelegt, drei Stufen:
– Es muss – erstens – überhaupt eine Abwägung stattgefunden haben; die Abwägung
darf nicht aus Unkenntnis, Irrtum oder wegen unzulässiger Vorabsprachen entfal-
len sein. Wenn dies geschieht, leidet der Plan unter „Abwägungsausfall“.
– In die Abwägung müssen – zweitens – alle Umstände und Belange eingestellt (und
daher auch zuvor in ihrer wahren Bedeutung richtig ermittelt und bewertet) wor-
den sein, die nach Lage der Dinge zu berücksichtigen waren. Geschieht dies nicht
oder fehlerhaft, leidet der Plan unter einem „Abwägungsdefizit“.
– Bei der Abwägung müssen schließlich – drittens – die Gewichte so gesetzt werden,
dass einzelne Belange nicht in einem Ausmaß bevorzugt oder benachteiligt werden,
das zu ihrem objektiven Gewicht außer Verhältnis steht. Geschieht dies, leidet
der Plan unter „Abwägungsdisproportionalität“. Die Berücksichtigung „falscher“,
insbesondere unzulässiger Belange (z. B. eine Vorteilsnahme) führt immer zur Ab-
wägungsdisproportionalität.
Die Gefahr für die Gemeinden, dass ein Bauleitplan wegen eines Mangels im Abwä-
gungsvorgang oder im Abwägungsergebnis vom Gericht als fehlerhaft erkannt wird,
ist sehr groß. Die Forderung, dass beim Abwägungsvorgang alle Gesichtspunkte und

1107 Niedersächsisches OVG, U. v. 28.10.1982 – 1 C 12/81 –, ZfBR 1983, 34 (36).


1108 VG Köln, U. v. 29.8.1980 – 4 K 2271/80 –, NVwZ 1982, 208.
1109 OVG Koblenz, NVwZ 1982, 208.
1110 Niedersächsisches OVG, U. v. 28.10.1982 – 1 C 12/81 –, ZfBR 1983, 34 (35).
1111 Niedersächsisches OVG, B. v. 4.5.2012 – 1 MN 218/11, ZfBR 2012, 470.
1112 OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 14.7.2010 – 2 B 637/10.NE: Wird ein Bebauungsplan fehlerhaft erst
nach seiner Bekanntmachung ausgefertigt, kann dieser Mangel in einem ergänzenden Verfahren nach
§ 214 Abs. 4 BauGB behoben werden.
1113 OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 15.3.2012 – OVG 2 A 20.09 –, juris.

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B. Grundzüge des örtlichen Bau- und Planungsrechts

Umstände, die für die Planung Bedeutung haben können, berücksichtigt werden müs-
sen, ist mit letzter Sicherheit von der Gemeinde nicht kontrollierbar. Denn eine objek-
tive Grenzziehung für dasjenige, was in einem Abwägungsprozess für einen Bauleit-
plan noch oder nicht mehr herangezogen werden muss, ist unmöglich. Jede Gemeinde,
jede Stadt, jedes Plangebiet unterliegt einem so vielfältigen Geflecht von Einflüssen, die
irgendwie auch die Bauleitplanung berühren, dass die Zahl der Argumente in einem
Planungsprozess praktisch unendlich ist. Die Rechtsprechung fordert ausdrücklich,
dass auch nur mittelbar betroffene Belange, die selbst nicht Gegenstand der Planung
sind, einbezogen werden müssen1114; auch Wechselwirkungen mit Anschlussflächen
müssen beachtet werden1115. Die schematische Übernahme von Planungsrastern bei
der Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen1116 oder die Nichtberücksichtigung von
Bedenken und Anregungen von Bürgern wegen der damit verbundenen Verzögerung
des Planaufstellungsverfahrens1117 ist fehlerhaft. Irrt sich der Ortsgesetzgeber über
Funktion und Verkehrsaufkommen einer geplanten Straße1118, über die Zulässigkeit
eines geplanten Heizkraftwerks1119, über die Grenzen eines Landschaftsschutzge-
biets1120, über die Wirksamkeit der Festsetzung einer Lärmschutzmauer1121, über die
rechtlichen Grenzen der Gliederung eines Baugebiets nach der Baunutzungsverord-
nung1122, dann hat er das Abwägungsmaterial falsch zusammengestellt und damit
zugleich die Fehlerhaftigkeit des Plans herbeigeführt. Seit der Energiewende stellen die
Gemeinden vermehrt sachliche Teilflächennutzungspläne zur Steuerung der Standorte
von Windenergieanlagen auf. Diese Pläne müssen gemäß der Rechtsprechung des
BVerwG nach einem bestimmten Schema aufgestellt werden. Zu diesem Schema gehört
die Aufstellung eines gesamträumlichen Konzepts für die Nutzung der Windenergie
im Gemeindegebiet. An dessen Beginn steht die Identifizierung von sog. harten und
weichen Tabukriterien, Falsche Einordnung von Kriterien als hart begründet in aller
Regel einen Abwägungsmangel. Die vom BVerwG erst ab 2012 in voller Schärfe entwi-
ckelte Dogmatik1123 der harten und weichen Tabufaktoren wird von den Gerichten
gleichsam rückwirkend auch auf ältere Planwerke zur Steuerung der Windenergienut-
zung angewendet.1124 Immerhin ist es unschädlich, wenn der Plangeber in der Sache
zwischen harten und weichen Tabuzonen differenziert hat, ohne die Begriffe zu ver-
wenden.1125
Ein Bebauungsplan leidet auch dann an einem Abwägungsfehler, wenn er auf einer
methodisch unrichtigen Prognose der zu erwartenden Verkehrsbelastung beruht, die
zufällig im Ergebnis richtig ist. Nach dem VGH Baden-Württemberg1126 ist es ohne

1114 Vgl. BVerwG, U. v. 15.4.1977 – 4 C 100/74 –, NJW 1978, 119 (120); bestätigt in NJW 1980, 1061,
NJW 1981, 1000 und BVerwG, 27.3.1980 – 4 C 34.79 –, DVBl. 1980, 999.
1115 Hess. VGH, B. v. 22.7.1994 – 3 N 882/94 –, NVwZ-RR 1995, 72.
1116 OVG Bremen, U. v. 16.6.1981 – 1 T 10/80 –, Städtetag 1981, 835.
1117 VGH Baden-Württemberg, U. v. 14.5.1981 – 5 S 764/80 –, ZfBR 1981, 250.
1118 VGH Baden-Württemberg, BaWüVBl. 1981, 119; OVG Bremen, U. v. 16.12.1980 – 1 T 18/79 –, ZfBR
1981, 97.
1119 OVG Berlin, 27.11.1981 – 2 A 1.80 –, ZfBR 1982, 45.
1120 BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 57.80 –, NJW 1982, 591.
1121 Niedersächsisches OVG, U. v. 12.5.1981 – 1 C 4/80 –, ZfBR 1981, 294.
1122 Niedersächsisches OVG, U. v. 26.2.1981 – 6 C 4/80 –, BauR 1981, 454.
1123 Vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 und 2.11 – juris; BVerwG, U. v. 11.4.2013 – 4 CN 2.12
– juris; erstmals formuliert wohl im B. v. 15.9.2009 – 4 BN 25.09 – ZfBR 2010, 65; Trennung zwischen
hart und weich wurde aber nicht gefordert im U. v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 –, ZfBR 2010, 675.
1124 Zustimmend BVerwG B. v. 10.5.2016 – 4 B 7.16 –, ZfBR 2016, 378. Vgl. auch OVG Lüneburg, U. v.
14. 05.2014 – 12 KN 244/12 –, ZfBR 2014, 577 m. w. N.; OVG Münster, U. v. 1.07.2013 – 2 D 46/
12.NE –, ZfBR 2013, 783; OVG Koblenz, U. v. 16.05.2013 – 1 C 11003/12-, ZfBR 213, 688; OVG
Berlin, U. v. 24.2.2011 – OVG 2 A 2.09 –, NuR 2011, 794 (Wustermark).
1125 BVerwG, B. v. 22.5.2014 – 4 B 56.13 –, ZfBR 2014, 583.
1126 VGH Baden-Württemberg ZfBR 1990, 254 (nur Leitsatz).

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Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch vor den Gerichten XVII.

positiven Einfluss, wenn sich nachträglich infolge von unvorhergesehenen Veränderun-


gen herausstellt, dass die Prognose für einen bestimmten Zeitpunkt mit der tatsächli-
chen Belastung ungefähr übereinstimmt. Damit nicht genug: Wird der Bebauungsplan
von der Rechtsaufsichtsbehörde nur unter der Bedingung bestimmter Änderungen ge-
nehmigt, dann muss dem Beschluss des Rats, den Plan entsprechend zu ändern, eine
neue Ermittlung der durch die Änderung betroffenen Belange vorangehen1127. Die
ungeprüfte Übernahme der von der Aufsichtsbehörde angeregten Änderung des Plans
ist fehlerhaft1128.
Angesichts dieser Rechtsprechung ist die Aufgabe der Gemeinde und damit der Ge-
meindevertretung, sich im Bauleitplanverfahren nach bestem Wissen und Gewissen
eine Meinung zu bilden und dann in angemessener Zeit zur Entscheidung zu kommen,
mit einem sehr hohen Fehlerrisiko belastet. Die aus dem Prinzip der Gewaltenteilung
und dem Demokratieprinzip ableitbare Forderung, dass die Entscheidung einer Ge-
meindevertretung als eines direkt vom Volk gewählten Organs von den Gerichten
dann respektiert werden sollte, wenn die Entscheidung im Ergebnis insgesamt vertret-
bar und nicht offensichtlich ungerecht ist, ist von der Verwaltungsgerichtsbarkeit bis-
lang nicht akzeptiert worden. Der Bundesgerichtshof hat (als Revisionsinstanz für
Baulandsachen) noch bis Mitte der 1970er Jahre die Rechtsverbindlichkeit von Bebau-
ungsplänen, die bei streitigen Umlegungs- oder Enteignungsverfahren mit in die recht-
liche Betrachtung einzubeziehen waren, als „Tatbestandswirkung“ weitgehend unge-
prüft respektiert1129. Er hat die Pläne gleichsam als vorhandene, nicht in Frage zu
stellende Tatsachen (daher „Tatbestandswirkung“) angesehen. Er hat sie nur dann für
nichtig erkannt, wenn sie offensichtlich – im Sinne von ins Auge springend – fehlerhaft
oder nichtig waren. Durch eine Entscheidung aus dem Jahre 1976 schloss sich der
Bundesgerichtshof jedoch den vom Bundesverwaltungsgericht in den 1960er Jahren
entwickelten Grundsätzen zur Vollprüfung des Abwägungsvorgangs und zur zwar ein-
geschränkten, aber dennoch potentiell umfassenden Nachprüfung des Abwägungser-
gebnisses an1130. Seitdem ist die Plankontrolle durch Verwaltungsgerichte und Zivilge-
richte gleichermaßen dicht1131. Allein Entscheidungen der Normenkontrollgerichte
über Bebauungspläne werden von den Zivilgerichten uneingeschränkt akzeptiert1132:
Hält ein Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ei-
nen Bebauungsplan für gültig, so bindet diese Entscheidung im Rahmen ihrer Rechts-
kraftwirkungen auch den Zivilrichter, für den die Wirksamkeit des Bebauungsplans
nur eine Vorfrage bildet. Diese Bindung bedeutet nicht nur, dass die Wirksamkeit des
Bebauungsplans „in formeller Hinsicht“ der Nachprüfung entzogen ist. Vielmehr bin-
det die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollverfahren auch

1127 Zur Erforderlichkeit dieses Beschlusses vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 10.10.1980 – 10a NE
42/78 –, VerwRspr. 32 (1981), 711; einschränkend BVerwG, B. v. 3.10.1984 – 4 N 1 und 2.84 –, ZfBR
1985, 48: Ein „Beitrittsbeschluss“ bei nur teilweiser Genehmigung eines B-Plans ist bundesrechtlich
nicht erforderlich; seine Notwendigkeit kann sich nur aus dem Landesrecht ergeben.
1128 OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 29.4.2011 – 7 A 45/09: Wird eine Bebauungsplangenehmigung durch
die Aufsichtsbehörde mit einer Bedingung versehen, muss der Rat der Gemeinde sich die Änderungen
durch einen erneuten Satzungsbeschluss ausdrücklich zu eigen machen. Ansonsten ist der Bebauungs-
plan unwirksam.
1129 BGH, U. v. 22.9.1966 – III ZR 187/65 –, NJW 1967, 103.
1130 BGH, U. v. 28.5.1976 – III ZR 137/74 –, BGHZ 66, 322.
1131 Auch die Entscheidung des BVerwG, U. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, NVwZ 1986, 208 (Whyl):
„Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsrichtlinien ohne Normcharakter binden die Verwaltungsge-
richte wegen des prinzipiellen Vorrangs der Verwaltungsentscheidung“ führte nicht zu einer Änderung
der Überprüfungsmaßstäbe.
1132 BGH, U. v. 28.4.1980 – III ZR 254/78 –, BGHZ 77, 338, 341 f; BGH, U. v. 8.5.1980 – III ZR 27/
77 –, BGHZ 105, 94 (96 f); BGH, U. v. 25.10.2001 – III ZR 76/01 – BGHR VwGO § 47 Bindungswir-
kung 1).

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insoweit, als sie die Erforderlichkeit der Planung zur städtebaulichen Entwicklung und
Ordnung generell sowie einen Bedarf für die konkrete Planung bejaht hat.

4. Der Grundsatz der Planerhaltung


Die Rechtsunsicherheit, die sich aus der Ungewissheit über das Schicksal eines Bebau-
ungsplans oder anderer Satzungen nach dem BauGB ergibt, wenn sie vor die Schran-
ken eines Gerichts geraten, hat negative Folgen. Bauwillige müssen abwarten und
erleiden Zinsverluste, Investoren springen ab. Die Gemeinden sind verunsichert und
werden übervorsichtig. Daher hat der Gesetzgeber in immer neuen Anläufen versucht,
die Bestandskraft von Plänen und Satzungen zu erhöhen. 1976 wurden mit den
§§ 155a ff. BBauG zum ersten Mal Unbeachtlichkeitsvorschriften in das damalige
BBauG eingefügt. Mit dem BauGB von 1986 wurden sie überarbeitet. Durch das Bau-
und Raumordnungsgesetz 1998 wurde das Prinzip der Planerhaltung als Überschrift
des Vierten Abschnitts im Zweiten Teil des Dritten Kapitels (§§ 214–216) in das
BauGB eingeführt. Mit dem EAG Bau und den nachfolgenden Novellen wurden die
Vorschriften zur Planerhaltung immer wieder erneut auf den Prüfstand gestellt und
überarbeitet.
Folgende Punkte sind dabei neu, anders oder ergänzend geregelt worden:
– Im Rahmen der Vorschriften über die Beachtlichkeit von Mängeln der Abwägung
wurden die Beachtlichkeit von Mängeln im Abwägungsvorgang anders geregelt als
die von Mängeln im Abwägungsergebnis.
– Die Regelung über die Fristen für die Geltendmachung von Fehlern in § 215
BauGB ist mehrfach verändert worden.
– Die Möglichkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung von zunächst fehlerhaften Plä-
nen und Satzungen ist erweitert worden.
– Die Liste der unbeachtlichen Fehler wurde im Hinblick auf Fehler bei der Umwelt-
prüfung nach § 2 Abs. 4 und beim beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB
ergänzt.
Um diese Regelungen richtig verstehen und einordnen zu können, muss zunächst die
grundlegende Systematik der Vorschriften über die Planerhaltung betrachtet werden.

a) Die Systematik der Vorschriften über die Planerhaltung. Die Vorschriften über die
Planerhaltung beschäftigen sich mit den Folgen von Fehlern bei der Aufstellung von
Plänen und Satzungen nach dem BauGB. Dabei wird zwischen Verfahrens- und Form-
fehlern (formellen Fehlern) einerseits und materiellen Fehlern andererseits unterschie-
den. Alle Mängel beim Abwägungsvorgang (vollständiges Ermitteln, zutreffendes
Bewerten, vollständiges Einstellen dieses Abwägungsmaterials in den Abwägungsvor-
gang) gehören zu den Verfahrensfehlern (also zu den formellen Fehlern). Mängel im
Abwägungsergebnis gehören zu den materiellen Fehlern. Zur „Planerhaltung“ bedient
sich der Gesetzgeber folgender vier Instrumente: (1) Manche Fehler werden als von
vornherein unbeachtlich oder nicht erheblich erklärt. (2) Manche Fehler können durch
Zeitablauf geheilt werden, sofern sie nicht ausdrücklich gerügt werden. (3) Fast alle
Fehler können durch ein nachträgliches ergänzendes Verfahren behoben werden. (4)
Von Fehlern bereinigte Pläne und Satzungen können rückwirkend in Kraft gesetzt
werden.
In Anwendung dieses System gilt für Verfahrens- und Formfehler (formelle Fehler)
Folgendes:
– Bestimmte unwesentliche Verfahrens- und Formfehler sind von Anfang an unbe-
achtlich.
– Bestimmte andere, nicht sehr schwerwiegende Form- und Verfahrensfehler können
durch Zeitablauf unbeachtlich werden, wenn sie nicht gerügt werden.
– Mängel im Abwägungsvorgang müssen offensichtlich (d. h. aus den Akten erkenn-
bar) und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein, um nach Inkraft-

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setzung des Plans überhaupt noch erheblich zu sein; nach der Rechtsprechung
genügt für letzteres die praktische Wahrscheinlichkeit, nicht nur die weit entfernte
Möglichkeit, dass das Abwägungsergebnis beeinflusst wurde.
– Derart erhebliche Mängel im Abwägungsvorgang müssen binnen eines Jahrs ab
Bekanntmachung gegenüber der Gemeinde schriftlich gerügt werden, wenn sie als
Verfahrensfehler beachtlich sein sollen. Geschieht dies nicht, wird der in der bloßen
Beeinflussung des Abwägungsergebnisses liegende Verfahrensfehler unbeachtlich.
Wenn der Fehler jedoch zu einem unvertretbaren Abwägungsergebnis geführt hat,
liegt darin ein schwerwiegender materieller Fehler, der ohne jede Rüge dauerhaft
beachtlich ist.
– Alle Form- und Verfahrensfehler (einschließlich von Fehlern im Abwägungsvor-
gang, die sich nicht auf den Kern des Abwägungsergebnisses ausgewirkt haben)
können durch Nachholen der richtigen Form und/oder des richtigen Verfahrens
(z. B. durch erneute Abwägung) nachträglich behoben werden; der betreffende
Plan bzw. die betreffende Satzung kann danach mit Rückwirkung in Kraft gesetzt
werden, sofern sich aus der Fehlerbehebung keine den Kern – die „Identität“ – des
Plans berührende inhaltliche Änderung des Plans ergeben hat. Jede Änderung kann
jedoch erneut mit Normenkontrolle abgegriffen werden. Bereits erhobene (und
noch nicht abgeschlossene) Normenkontrollverfahren laufen weiter.
Für materielle Fehler gilt:
– Anders als noch bis zum Inkrafttreten des EAG Bau können materielle Fehler nicht
durch Zeitablauf (sieben Jahre) unbeachtlich werden;
– Schwerwiegende, nicht durch Ergänzung oder leichte Änderung des Plans beheb-
bare Mängel des Abwägungsergebnisses und andere materielle Mängel, die auf
fehlender oder falsch angewendeter Rechtsgrundlage beruhen, können nicht beho-
ben werden; das Gleiche gilt für Planinhalte, die gegen anderweitige Rechtsvor-
schriften verstoßen. Derartige Pläne oder Satzungen sind endgültig unwirksam.
Nicht durch Zeitablauf heilbar, sondern nur durch nachträgliche Fehlerbehebung zu
beseitigen sind die in § 214 Abs. 1 Nr. 4 genannten schweren Verfahrens- und Form-
fehler (sog. Ewigkeitsfehler). Dies sind:
– Der betreffende Plan ist in der Gemeindevertretung überhaupt nicht beschlossen
worden; (dem kommt es gleich, wenn der Beschluss der Gemeinde wegen Verstoßes
gegen Landesrecht endgültig und unheilbar nichtig ist),
– der Plan ist, obwohl genehmigungsbedürftig, nicht genehmigt worden, oder
– die Bekanntmachung der Satzung ist unterblieben oder war (auch wegen mangel-
hafter oder fehlender Ausfertigung) so unzulänglich, dass die Bekanntmachung
praktisch wirkungslos geblieben ist (in den Worten des Gesetzes: der mit der Be-
kanntmachung verfolgte Hinweiszweck ist nicht erreicht worden).
b) Die Beachtlichkeit von Mängeln der Abwägung. Hinter all den Regeln über die
Beachtlichkeit von Fehlern steht das Bemühen, mögliche Fehler bei der Aufstellung
eines Plans durch mehrere Filter so zu eliminieren, dass sie von einem Gericht nicht
als Grund für die Unwirksamkeit des Plans oder der Satzung benutzt werden können.
Der Gesetzgeber geht dabei von einem mehrstufigen Abwägungsvorgang aus, der über
das Erfassen, Bewerten und Einstellen der entscheidungserheblichen Belange zum Ab-
wägungsergebnis führt.
Im Einzelnen ist der Gesetzgeber auf die folgende Art und Weise vorgegangen:
– Zunächst wird der Abwägungsvorgang durch das Gesetz näher definiert. Gemäß
§ 2 Abs. 3 i. V. m. § 214 Abs. 1 Nr. 1 besteht der Abwägungsvorgang (zunächst)
aus dem Erfassen und Bewerten der von der Planung berührten Belange. Bei der
Ermittlung und Bewertung der von der Planung berührten Belange können nur
dann beachtliche Fehler entstehen, wenn abwägungserhebliche Belange, von denen
die Gemeinde Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben müssen, „in wesentlichen

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Punkten“ nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind. Fehler beim Erfas-
sen und Bewerten „unwesentlicher Punkte“ sind also unbeachtlich (= 1. Filter).
– Wenn wesentliche Punkte abwägungserheblicher Belange unzutreffend erfasst und
bewertet wurden, ist dies gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 1 und § 214 Abs. 3 wiederum
nur beachtlich, wenn dies offensichtlich und auf das Ergebnis der Abwägung von
Einfluss gewesen ist (= 2. Filter). Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist ein
Fehler offensichtlich, wenn er aus den Akten ersichtlich ist. Für den Nachweis,
dass der Fehler „von Einfluss“ gewesen ist, genügt es nach dem BVerwG, wenn
konkrete und nicht nur rein abstrakte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der
Mangel das Abwägungsergebnis beeinflusst haben könnte.
Die „Beweisregel“ zur Beachtlichkeit von Fehlern im § 214 Abs. 3, wonach nur „of-
fensichtliche Fehler“ im Abwägungsvorgang beachtlich sein sollen und dies auch nur
dann, wenn sie „auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“ ist zunächst
vom Bundesverwaltungsgericht1133 sehr restriktiv ausgelegt worden: Unbeachtlich
seien nur Fehler auf der „inneren“ Seite des Abwägungsvorgangs, das heißt „innere“
(und damit ohnehin kaum aufklärbare) Fehlvorstellungen der Ratsmitglieder. Unver-
ändert gegenüber der Rechtslage vor Einführung der Klausel des § 214 Abs. 3 Satz 2
bleibe alles das beachtlich, was zur „äußeren“ Abwägungsseite gehöre, also alles das,
was auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruhe. Abwägungsfehler, die sich –
wenn auch erst nach längerem Suchen – aus den Akten ergeben, waren nach dieser
Rechtsprechung stets „offensichtlich“.
In seiner späteren Rechtsprechung hat das BVerwG etwas höhere Anforderungen an
die „Offensichtlichkeit“ gestellt1134. Das BVerwG erkennt in seinem Urteil aus dem
Jahr 1992 an, dass der Gesetzgeber durch die Forderung nach Offensichtlichkeit des
Fehlers die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit auf die Fälle beschränkt wissen
wollte, „in denen zum Beispiel evident, d. h. erklärtermaßen und erkennbar, unsachli-
che Erwägungen der Gemeindevertretung in die Abwägung eingeflossen sind“ (vgl.
BT-Drs. 8/2885 5. 35 und 46). Entsprechend dieser Zielsetzung und in Übereinstim-
mung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch sei § 214 Abs. 3 Satz 2 daher so zu verste-
hen, dass vom Gericht nur dann ein offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang
angenommen werden dürfe, wenn konkrete Umstände positiv und klar auf einen sol-
chen Mangel hindeuteten. Es genüge dagegen nicht, wenn – negativ – lediglich nicht
ausgeschlossen werden könne, dass der Abwägungsvorgang an einem Mangel leide.
Das Gericht erläuterte im Rahmen dieses Urteils auch, unter welchen Umständen ange-
nommen werden darf, dass ein „offensichtlicher“ Mangel auf das Abwägungsergebnis
von Einfluss gewesen ist. Die bloße Annahme, eine Vermeidung des Fehlers hätte zu
einem anderen Ergebnis führen können, genüge dafür nicht. Es müsse vielmehr nach
den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses beste-
hen, was etwa dann der Fall sein könne, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder
sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände ergäbe, dass sich ohne den Fehler im
Abwägungsprozess ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet hätte.
Diese Formulierung des BVerwG lässt zwar eine mögliche, also eine potentielle Kausa-
lität des Fehlers für das Abwägungsergebnis genügen, um den Plan für fehlerhaft zu
erklären. Der vom Gesetzeswortlaut bei unbefangener Betrachtungsweise geforderte
Nachweis der positiven, real vorhandenen Kausalität (der Fehler muss nach dem Text
des § 214 Abs. 3 Satz 2 „von Einfluss gewesen“ sein) wird nicht verlangt. Aber immer-
hin muss doch eine „konkrete“, also eine reale Wahrscheinlichkeit des Einflusses auf
das Abwägungsergebnis nachgewiesen werden, um einen Fehler im Abwägungsvor-
gang (zunächst) beachtlich zu machen.

1133 BVerwG, U. v. 21.8.1981 – 4 C 57.80 –, NJW 1982, 591; ebenso OVG Berlin, U. v. 27.11.1981 – 2
A 1/80 –, ZfBR 1982, 45; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 3.9.1985 – 1 B 38/85 –, BauR 1985, 657.
1134 BVerwG, U. v. 29.1.1992 – 4 NB 22/90 –, ZfBR 1992, 139.

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– Die Fristenregelung in § 215 Abs. 1 führt wiederum dazu, dass auch nach § 214
Abs. 1 Nr. 1 beachtliche Mängel (also Fehler bei der Ermittlung und/oder Bewer-
tung und/oder Einstellung „wesentlicher Punkte“ des Abwägungsmaterials), die
zugleich nach § 214 Abs. 3 Satz 2 als erheblich anzusehen sind (also offensichtliche
Mängel des Abwägungsvorgangs darstellen, die auf das Abwägungsergebnis von
Einfluss gewesen sein könnten) innerhalb von einem Jahr seit Bekanntmachung
des Plans schriftlich geltend gemacht werden müssen, wenn sie beachtlich sein
sollen (= 3. Filter).1135 Auf die Jahresfrist für die Geltendmachung von beachtli-
chen Fehlern nach § 215 muss in der Bekanntmachung hingewiesen werden, sonst
beginnt die Frist nicht zu laufen.1136 Auf die gleich lange Frist nach § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO für den Antrag auf gerichtliche Normenkontrolle muss in der Be-
kanntmachung des Plans nicht hingewiesen werden.1137
Ergebnis: Ein zunächst beachtlicher und auch erheblicher Fehler im Abwägungsvor-
gang muss zur Verhinderung der späteren Unbeachtlichkeit innerhalb eines Jahres
nach Inkraftsetzung des Plans schriftlich gerügt werden. Dies muss auch dann gesche-
hen, wenn der Plangeber selbst das Problem erkannt hatte.1138 Eine schriftliche Rüge
ist also erforderlich, wenn nach Ansicht des Beschwerdeführers
– abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt
oder bewertet worden sind und/oder
– zutreffend ermittelte und bewertete, nicht nur unwesentliche Belange nicht in die
Schlussabwägung eingestellt wurden,
– und dies „offensichtlich“ ist (d. h. den Akten entnommen werden kann und nicht
nur zur inneren, subjektiven Seite des Abwägungsvorgangs gehört)
– und dies auf das Abwägungsergebnis in dem Sinne von Einfluss gewesen ist, dass
die konkrete Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Mangel sich auf
das Abwägungsergebnis ausgewirkt hat.
Zusammen mit der Einführung des § 13a zu den Bebauungsplänen der Innenentwick-
lung wurden mit der Novelle 2006/2007 in einem neuen § 214 Abs. 2a die Unbeacht-
lichkeitsvorschriften auf Pläne ausgedehnt, die im beschleunigten Verfahren nach
§ 13a aufgestellt wurden. Als unbeachtlich galten auch Fälle, in denen zu Unrecht
angenommen wurde, dass es sich grundsätzlich um einen Bebauungsplan der Innenent-
wicklung handele (§ 214 Abs. 2a Nr. 1). Damit entfiel eine Umweltprüfung folgenlos,
obwohl sie eigentlich notwendig gewesen wäre.
Mit dem Gesetz zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden
von 2013 wurde die Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 2a Nr. 1 jedoch wieder
aufgehoben. Es stellt also einen beachtlichen Fehler dar, wenn zu Unrecht angenom-
men wurde, dass die „qualitativen Voraussetzungen“ für die Anwendung des beschleu-
nigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 vorgelegen hätten. Der Gesetzgeber reagierte da-
mit auf die Rechtsprechung des EuGH vom 18. April 2013 – Rs. C 463/11 –1139. Der
EuGH hat es als unzulässig bezeichnet, dass die Verletzung einer qualitativen Vorgabe
des nationalen Rechts (nur Bebauungspläne der Innentwicklung bedürfen keiner Um-
weltprüfung) vom Gesetzgeber am Ende für bedeutungslos erklärt wird. Damit werde
der Vorschrift zur Notwendigkeit einer Umweltprüfung „jede praktische Wirksamkeit
genommen“.

1135 Die Ein-Jahresfrist nach Bekanntmachung gilt auch für Pläne, die erst später funktionslos werden:
BVerwG, B. v. 29.6.2015 – 4 BN 31.14 –, ZfBR 2015, 696; ebenso BVerwG, U. v. 6.4.2016 – 4 CN
3.15 –, ZfBR 2016, 473.
1136 Im Übrigen ist die Fristenregelung europarechtlich unbedenklich (so das BVerwG, B. v. 18.3.2015 – 4
BN 5.15 –, ZfBR 2015, 379.
1137 So ausdrücklich BVerwG, B. v. 28.12.2000 – 4 BN 32.00 –, ZfBR 2001, 350.
1138 BVerwG, B. v. 27.5.2013 – 4 BN 28.13 –, ZfBR 2013, 580.
1139 EuGH U. v. 18.4.2013 – C 463/11 –, ZfBR 2013, 472.

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c) Welche Folgen hat es, wenn ein beachtlicher und erheblicher Fehler rechtzeitig ge-
rügt wird? Die Folgen der Rüge hängen davon ab, in welcher Weise sich der Fehler
(potentiell) auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt hat oder haben könnte. Die recht-
zeitige Rüge eines „offensichtlichen“ Fehlers, dessen Einfluss auf das Abwägungser-
gebnis sich nur in der Weise ausgewirkt hat, dass das Ergebnis zwar anders war oder
anders gewesen sein könnte als wenn der Mangel nicht aufgetreten wäre, wobei das
Ergebnis aber insgesamt trotz des Fehlers und in Kenntnis des Fehlers insgesamt noch
vertretbar erscheint, führt nur dazu, dass der Rügende die Chance einer erneuten Ab-
wägung erhält. Möglicherweise bleibt es jedoch auch nach erneuter Abwägung beim
gleichen Ergebnis. Der Fehler liegt hier offenbar im Abwägungsvorgang (der nicht
korrekt war), aber nicht im Abwägungsergebnis (das trotz des Fehlers im Abwägungs-
vorgang als gerecht angesehen werden kann).
Wenn der gleiche Fehler nicht gerügt wird, wird der „offensichtliche und auf das
Ergebnis von Einfluss gewesene Fehler“ nach einem Jahr unbeachtlich. Das Abwä-
gungsergebnis wird (insoweit) unangreifbar.
Wenn ein „offensichtlicher“ und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesener
Fehler sich jedoch in der Weise ausgewirkt hat, dass das Ergebnis insgesamt wegen
Abwägungsdisproportionalität nicht vertretbar ist, dann braucht der Fehler gar nicht
gerügt zu werden, weil dieser Fehler keinesfalls hingenommen werden muss. Solche
Fehler können entweder dadurch zustande kommen, dass zulässigerweise eingestellte
Belange mit einem Gewicht versehen werden, das zu ihrem objektiven Gewicht außer
Verhältnis steht, oder dadurch, dass wesentliche sachfremde Belange unzulässigerweise
in den Abwägungsvorgang eingestellt werden. Derartige Mängel der Abwägung sind
schlechthin beachtlich; sie unterliegen keinerlei Verfristung, so wie dies von 1998 bis
2004 mit einer damals geltenden Sieben-Jahres-Frist für die Geltendmachung von
Mängeln der Abwägung der Fall gewesen ist1140.
Von den Unbeachtlichkeitsregeln nicht erfasst sind also alle Fehler im Abwägungser-
gebnis. Wenn das Abwägungsergebnis nicht mehr in jenem Korridor liegt, der von der
Rechtsprechung als Freiraum des Planungsermessens anerkannt ist, führt dies zu einem
dauerhaft beachtlichen Fehler.
d) Die Bewertung von abwägungserheblichen Belangen. Die Unbeachtlichkeitsregeln
in den §§ 214, 215 können nur dann richtig angewendet werden, wenn beim Abwä-
gungsvorgang und bei der Herstellung des Abwägungsergebnisses zwei verschiedene
Formen der Wertzumessung unterschieden werden. Nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 215 Abs. 1 Nr. 1 wird u. a. eine „nicht zutreffende Bewertung“ eines Belangs unbe-
achtlich, wenn dies nicht innerhalb eines Jahrs ab Inkraftsetzung gerügt wird. Mit der
in § 214 Abs. 1 Nr. 1 erwähnten „nicht zutreffenden Bewertung“ eines Belanges ist
nur die isolierte Bewertung der fachlichen Bedeutung eines Belangs gemeint, nicht aber
die Bewertung, besser: Gewichtung eines Belangs im Vergleich mit anderen Belangen.
Diese zweite vergleichende Bewertung – also die vergleichende Gewichtung – wird erst
bei der Herstellung des endgültigen Abwägungsergebnisses notwendig; sie ist Gegen-
stand der Schlussabwägung und kein Bestandteil des Abwägungsvorgangs im Sinne
des § 214 Abs. 1 und Abs. 3. Fehler bei der abschließenden Gewichtung können unbe-
fristet geltend gemacht werden, wenn sie zu einem disproportionalen Abwägungser-
gebnis geführt haben. Dabei liegt auf der Hand, dass eine falsche fachliche Bewertung
auch eine insgesamt falsche vergleichende Gewichtung nach sich ziehen kann (aber
nicht nach sich ziehen muss – eine Über- oder Untergewichtung kann im richtigen
Gesamtergebnis als unwesentlich aufgehen).

1140 Zu den möglichen Bedenken gegen die frühere Sieben-Jahres-Frist vgl. BVerwG, B. v. 2.1.2001 – 4 BN
13.00 –, ZfBR 2001, 418 und OVG Lüneburg, U. v. 11.11.2013 – 12 LC 257/12 –, ZfBR 2014, 268.

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Ein Beispiel soll das Gemeinte verdeutlichen: Die Ermittlung der von einer Planung
betroffenen Vogelarten gehört zum Pflichtprogramm des Abwägungsvorgangs. Eben-
falls zum Abwägungsvorgang gehört die sachgerechte Bewertung der Bedeutung von
Vogelarten innerhalb ihrer Kategorie. Spatzen haben dabei eine geringere fachliche
Wertigkeit als z. B. der Rotmilan. Die richtige Einordnung des „Werts“ von Spatzen
einerseits und des Rotmilans andererseits gehört zu jener Bewertung, die Bestandteil
des Abwägungsvorgangs ist. Hier auftretende Fehler müssen binnen eines Jahrs gerügt
werden, wenn sie beachtlich sein sollen. Nicht zum Abwägungsvorgang gehört jedoch
die Bewertung der Wichtigkeit eines besetzten Rotmilanhorsts im Vergleich zu der
gewollten Ansiedlung eines Industrieparks auf dem betreffenden Gelände. Das In-Be-
ziehung-Setzen dieser beiden Gesichtspunkte gehört zur Schlussgewichtung. Fehler bei
dieser Schlussgewichtung sind immer und dauerhaft relevant, wenn das Abwägungser-
gebnis zum objektiven Gewicht des jeweiligen Belangs „außer Verhältnis steht“. Es
genügt nicht, wenn die Rotmilane zwar vogelkundlich unterbewertet wurden, die Be-
vorzugung der Industrieansiedlung aber auch bei richtiger Bewertung zu rechfertigen
ist. Wird die vogelkundliche Unterbewertung rechtzeitig gerügt, muss der Abwägungs-
vorgang (mit offenem Ergebnis) wiederholt werden. Wird sie nicht gerügt, bleibt das
Abwägungsergebnis bestehen, wenn es nicht objektiv disproportional ist. Mit anderen
Worten: Fehler bei der internen Bewertung können auf das Abwägungsergebnis durch-
schlagen, sie müssen es aber nicht. Ob sie durchschlagen, hängt davon ab, ob die
interne Fehlbewertung im Vergleich mit anderen Belangen so gewichtig ist, dass sie
das Abwägungsergebnis verzerrt hat. Wenn die positiven Gründe für das Abwägungs-
ergebnis so stark sind, dass die intern fehlerhafte Bewertung eines Belangs dadurch
ausgeglichen wird, ist das Abwägungsergebnis nicht fehlerhaft.
Bild 71: Beachtlichkeit von Fehlern in der Abwägung
Fehler im Abwägungsvorgang werden nur dann beachtlich, wenn sie drei Voraussetzungen erfül-
len:
s Der Fehler betrifft wesentli- s Der Fehler ist offensichtlich s Der Fehler ist auf das Ergeb-
che Punkte (im Sinne von: aus den Akten nis von Einfluss gewesen
ablesbar) (im Sinne von Einfluss ist kon-
kret wahrscheinlich)
Alle drei Voraussetzungen sind erfüllt, wenn …
sich aus den Akten ergibt, dass (mindestens) ein wesentlicher Gesichtspunkt – mit konkret wahrscheinli-
chem Einfluss auf das Ergebnis der Abwägung –
– entweder nicht in die Abwägung eingestellt wurde oder
– in die Abwägung eingestellt worden ist, nachdem er unzutreffend ermittelt und/oder unzutreffend be-
wertet wurde oder
– eingestellt wurde, obwohl er gar nicht hätte eingestellt werden dürfen.
In diesen Fällen ist das Abwägungsergebnis nicht richtig zustande gekommen und daher mit einem Feh-
ler behaftet.
Die Folgen einer beachtlichen Fehlerhaftigkeit des Abwägungsvorgangs richten sich nach dem
Grad der Beeinflussung des Abwägungsergebnisses.
Wenn das Abwägungsergebnis möglicherweise von einem Fehler im Abwägungsvorgang beeinflusst
wurde, aber dennoch am Ende insgesamt vertretbar ist, dann muss der Fehler im Abwägungsvorgang
binnen eines Jahres gerügt werden, um beachtlich zu sein. Wenn gerügt wird, muss die Abwägung
wiederholt werden. Dabei kann ein anderes Ergebnis zustande kommen, es kann aber auch das glei-
che Ergebnis gefunden werden. Wenn das gleiche Ergebnis gefunden wird, kann die Satzung rückwir-
kend in Kraft gesetzt werden (Fehlerbehebung).
Wenn das von einem Fehler im Abwägungsvorgang beeinflusste Abwägungsergebnis in der Weise feh-
lerhaft ist, dass das gefundene Ergebnis außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit der maßgeb-
lichen Belange steht, ist die Satzung bzw. der Plan endgültig unwirksam. Eine Fehlerrüge ist dazu
nicht erforderlich.

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Wegen der alleinigen Normverwerfungskompetenz der Gerichte kann die Unwirksamkeit jedoch nur
von einem Gericht festgestellt werden. Ausnahmen:
– Eine unbestreitbar nicht ordnungsgemäß bekanntgemachte Satzung ist nicht in Kraft gesetzt und da-
her von Rechts wegen gar nicht vorhanden – darauf darf sich jedermann berufen.
– Wenn die Fehlerhaftigkeit einer Satzung offensichtlich ist, darf sie nicht zulasten von Betroffenen an-
gewendet werden.

e) Weitere Einschränkungen der gerichtlichen Kontrolle in den Gemeindeordnungen.


Die durch die Planerhaltungsvorschriften des BauGB erreichte Resistenz von Bauleit-
plänen und sonstigen Satzungen gegen Form- und Verfahrensfehler wird dadurch ver-
stärkt, dass die meisten Gemeindeordnungen Klauseln enthalten, die den §§ 214, 215
vergleichbar sind. Über die Gemeindeordnungen wird eine Heilung auch von Verstö-
ßen gegen landesrechtliche Form- und Verfahrensvorschriften, insbesondere von Ver-
stößen gegen Mitwirkungsverbote, herbeigeführt. Bei der Heilung von Verstößen ge-
gen das Mitwirkungsverbot bedienen sich manche Gemeindeordnungen des sog.
Erheblichkeitsprinzips. Danach ist die Mitwirkung eines befangenen Gemeinderats-
mitglieds nur dann schädlich, wenn seine Stimme zum Zustandekommen des Ergebnis-
ses der Abstimmung – also für die Mehrheit – erforderlich und damit erheblich war.
f) Das ergänzende Verfahren zur Fehlerbehebung (Heilungsverfahren). Zugunsten der
Planerhaltung wirkt sich weiterhin aus, dass es den Gemeinden gemäß § 214 Abs. 4
erlaubt ist, etwa vorgekommene, (noch) nicht durch Fristablauf geheilte oder auch
nicht durch Zeitablauf heilbare Verfahrens- und Formfehler sowie auch Fehler der
Abwägung durch ein ergänzendes Verfahren gleichsam ungeschehen zu machen und
die Satzung anschließend mit Rückwirkung erneut in Kraft zu setzen1141. Auch eine
vorsorgliche Heilung ist zulässig, wenn ein Plan von Betroffenen angegriffen wird1142.
Wenn sich der geheilte Plan bereits im Normenkontrollverfahren befindet, kann der
Antragsteller seine Klage schlicht weiter führen, wenn er weiterhin mit dem Plan nicht
einverstanden ist; er muss keinen neuen Kontrollantrag stellen. Wenn die Heilung auch
aus seiner Sicht dazu geführt hat, dass der Plan nun fehlerfrei ist, muss er den Antrag
für erledigt erklären (die Kosten werden dann der Gegenseite auferlegt).1143 Rüge-
und Antragsfristen für neue Normenkontrollanträge werden aber stets in Gang ge-
setzt, wenn ein Plan neu bekannt gemacht wird – mit oder ohne Rückwirkung.1144
Das gilt auch dann, wenn der neue Plan inhaltlich vollständig unverändert geblieben
ist.1145 Nur solche Rügen sind verfristet, die sich auf Verfahrensschritte beziehen, die
im Heilungsverfahren nicht wiederholt wurden. Alles, was wiederholt wurde, muss
auch erneut angegriffen werden – selbst wenn der Plan im Ergebnis unverändert geblie-
ben ist. Frühere Rügen haben keine Nachwirkung. Wird nicht erneut gerügt, verfristet
der (angebliche) Fehler.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet diese Vorschrift ein
weites Feld der Fehlerbereinigung. Im Wege des ergänzenden Verfahrens behebbar sind
grundsätzlich alle beachtlichen Satzungsmängel. Ausgenommen sind nur Nachbesse-
rungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu stellen. § 214
Abs. 4 bietet keine Handhabe dafür, die Planung in ihren Grundzügen zu modifizieren.
Die Identität des Bebauungsplans oder der sonstigen Satzung darf nicht angetastet

1141 Diese Rückwirkungsregelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich: BVerwG, U. v. 5.12.1986 – 4 C


31/85 –, ZfBR 1987, 101.
1142 BVerwG, U. v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 –, UPR 2009, 262, Rn. 31. Ebenso BVerwG, B. v. 20.8.2009 –
4 BN 11.09 – BauR 2009, 1870.
1143 VGH Ba-Wü, U. v. 3.5.2017 – 5 S 2378/14 –, ZfBR 2017, 687.
1144 BVerwG, U. v. 18.8.2015 – 4 CN 10.14 –, ZfBR 2015, 780.
1145 BVerwG B. v. 17.1.2017 – 4 BN 18.16 –, ZfBR 2017, 370.

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werden1146. § 214 Abs. 4 setzt voraus, dass diese Grenze gewahrt bleibt, differenziert
im Übrigen aber nicht nach bestimmten Fehlerarten. Behebbar sind neben Verfahrens-
und Formfehlern auch materiellrechtliche Mängel. Zu den in diesem Bereich praktisch
bedeutsamsten Verstößen gehören Mängel im Abwägungsvorgang, die nach § 214
Abs. 3 Satz 2 erheblich sind, wenn sie offensichtlich sind und auf das Abwägungser-
gebnis von Einfluss gewesen sein können. Fehler dieser Art können unter Rückgriff
auf § 214 Abs. 4 gegebenenfalls auch in der Weise geheilt werden, dass die Satzung
punktuell geändert oder ergänzt wird1147. Mängel, die aus einer Überschreitung der
durch § 9 BauGB und die Baunutzungsverordnung eröffneten Festsetzungsmöglichkei-
ten herrühren, lassen sich ebenfalls im Wege eines ergänzenden Verfahrens behe-
ben1148. Gleiches gilt für Verstöße gegen Erfordernisse der Bestimmtheit oder Normen-
klarheit1149. Auch die Missachtung des in § 1 Abs. 4 normierten Anpassungsgebots
ist als ein Mangel zu werten, der einer Behebung in einem ergänzenden Verfahren
zugänglich ist1150.
Bei diesem Verfahren muss das Aufstellungsverfahren von dem Punkt an wiederholt
werden, an dem der Fehler vorgekommen ist1151. Ein Plan muss aber nicht allein
deswegen neu ausgelegt werden, weil nachträglich Formfehler behoben werden1152.
Die Möglichkeit der Fehlerbehebung durch ein ergänzendes Verfahren knüpft gedank-
lich an die Rechtsprechung zur Planergänzung bei Planfeststellungsbeschlüssen an.
Wenn Planfeststellungsbeschlüsse unter Fehlern leiden, die durch eine Ergänzung der
Planfeststellung, z. B. durch Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen, behoben werden
können, dann wird nicht der (nur unvollständige) Planfeststellungsbeschluss aufgeho-
ben, sondern seine Ergänzung gerichtlich angeordnet. Vergleichbares ist nun auch bei
Satzungen nach dem BauGB möglich: Wenn ein Bebauungsplan durch eine Verknüp-
fung von inhaltlicher und verfahrensbezogener Ergänzung „gerettet“ werden kann,
dann soll dies möglich sein.
Bei notwendigen inhaltlichen Ergänzungen von Plänen – zum Beispiel um Festsetzun-
gen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft1153 – wird das Aufstel-
lungsverfahren jedenfalls teilweise wiederholt werden müssen, weil mindestens die be-
troffenen Bürger und Träger öffentlicher Belange an der Änderung eines Plans beteiligt
werden müssen. Es gibt jedoch materielle Mängel von Satzungen, die ihre Inhalte nicht
berühren. Dazu gehört die Wiederholung einer Abwägung unter Berücksichtigung ei-
nes ausgefallenen Gesichtspunkts mit gleichem Ergebnis (bei grundlegend neuer Abwä-
gung muss jedoch neu beteiligt werden, weil davon die Identität des Plans berührt

1146 Vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 – BVerwG 4 CN 7.97 –, DVBl 1999, 243 und vom 16.12.1999 –,
BVerwG 4 CN 7.98 –, BVerwGE 110, 193; B. v. 10.11.1998 – BVerwG 4 BN 45.98 –, Buchholz 406.11
§ 215a BauGB Nr. 2, vom 16.3.2000 – BVerwG 4 BN 6.00 –, ZfBR 2000, 353, vom 6.12.2000 –
BVerwG 4 BN 59.00 –, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 144, vom 20.6.2001 – BVerwG 4 BN 21.01 –,
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148, vom 6.3.2002 – BVerwG 4 BN 7.02 –, Buchholz 406.11 § 215a
BauGB Nr. 10, vom 5.8.2002 – BVerwG 4 BN 32.02 –, NVwZ-RR 2003, 7 und vom 20.5.2003 –
BVerwG 4 BN 57.02.
1147 Vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 – BVerwG 4 CN 7.97 –, BauR 1999, 359, und vom 16.12.1999 –
BVerwG 4 CN 7.98 –, ZfBR 2000, 266; B. v. 2.11.1999 – BVerwG 4 BN 41.99 –, UPR 2000, 226 und
vom 25.5.2000 – BVerwG 4 BN 17.00 –, Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 6.
1148 Vgl. BVerwG, U. v. 16.12.1999 – BVerwG 4 CN 7.98 –, ZfBR 2000, 266.
1149 Vgl. BVerwG, B. v. 6.3.2002 – BVerwG 4 BN 7.02. –, NVwZ 2002, 1385.
1150 BVerwG, U. v. 18.9.2003 – 4 CN 20.02 –, BVerwGE 119, 54.
1151 Niedersächsisches OVG, U. v. 21.4.2010 – 12 LC 9/07 –, BauR 2011, 1054: Die Heilung eines Flächen-
nutzungsplanes i. S. d. § 214 Abs. 4 BauGB setzt voraus, dass nicht nur der Fehler behoben, sondern
das gesamte nachfolgende Verfahren wiederholt wird. Es bedarf für den Heilungserfolg daher einer
(erneuten) Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 BauGB und deren Be-
kanntmachung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB.
1152 BVerwG, Beschl v. 1.6.2011 – 4 B 2.11 –, BauR 2011, 1622.
1153 Beispiel: BVerwG, B. v. 25.5.2000 – 4 BN 17.00 –, ZfBR 2000, 421.

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wird). Dazu gehört das nachträgliche Einholen von Zustimmungen (z. B. eines Be-
darfsträgers zur Einbeziehung seines Grundstücks in einen städtebaulichen Entwick-
lungsbereich nach § 165 Abs. 5 BauGB). Fehler dieser Art, die bislang unheilbar waren
und (jedenfalls zunächst) zur Nichtigkeit der Satzung führten, können nunmehr durch
Wiederholung des betreffenden Schrittes behoben werden, und zwar auch dann, wenn
der Fehler erst vor Gericht aufgedeckt wird. Vor Einführung des ergänzenden Verfah-
rens musste das Gericht die Satzung für nichtig erkennen. Jetzt erklärt das Gericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO im Normenkontrollverfahren nur noch die Unwirksamkeit
der Satzung; die Gemeinde entscheidet, ob sie es dabei belassen oder die vom Gericht
erkannten Fehler beheben möchte.
Wenn der Fehler durch erneute Abwägung behoben wird, muss das nachfolgende Ver-
fahren wiederholt werden. Der Plan muss also selbst dann neu bekannt gemacht wer-
den, wenn er nach entsprechender Abwägung im Vergleich mit der Erstbekanntma-
chung inhaltlich unverändert geblieben ist1154. Entsprechendes gilt, wenn die
Fehlerbehebung gleichsam von außen und ohne Zutun der Gemeinde eintritt (Beispiel:
nachträgliche Aufhebung eines Naturschutzgebiets, in das der B-Plan hineinragte).
Auch in solchen Fällen bietet sich eine Neubekanntmachung mit rückwirkender In-
kraftsetzung an.
Ein erneuter Beschluss der Gemeindevertretung über den – nach der Heilung von
Form- oder Verfahrensfehlern gleichgebliebenen – Plan ist vor der rückwirkenden In-
kraftsetzung bundesrechtlich nur dann nicht erforderlich1155, wenn keine erneute Ab-
wägung erforderlich war1156. Bei einer beabsichtigten Heilung allein von Form und
Verfahrensfehlern ohne erneute Abwägung sind von der Gemeinde bereits vorliegende
neue Erkenntnisse nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führen, dass das seiner-
zeitige Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist. Eine nachträgliche Änderung der
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse steht einer Fehlerbehebung nicht entgegen,
weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprüng-
lichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich – im Ausnahme-
fall – die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwi-
schen insgesamt einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche
Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr
in Betracht1157. Der Plan muss dann neu aufgestellt werden.
Eine der Heilung eines möglichen Ausfertigungsmangels dienende erneute Bekanntma-
chung des Bebauungsplans kann die Frist für einen gegen den Bebauungsplan insge-
samt gerichteten Normenkontrollantrag jedenfalls dann nicht erneut in Lauf setzen,
wenn der (mögliche) Ausfertigungsmangel nur eine Festsetzung betrifft, durch die der
Antragsteller offensichtlich nicht beschwert sein kann1158.
g) Das Ende des Nichtigkeitsdogmas. Durch die Planerhaltungsvorschriften ist ein we-
sentliches Dogma des bisherigen deutschen Verwaltungsrechts endgültig gefallen, näm-
lich das sog. Nichtigkeitsdogma für Rechtsnormen. Nach dem Nichtigkeitsdogma
kann eine Rechtsnorm nur entweder nichtig oder voll rechtswirksam sein. Dieses
Dogma kam schon durch die Heilungsvorschriften der bisherigen §§ 214, 215 ins
Wanken. Denn welchen Status hat eine Norm mit Form-, Verfahrens- oder Abwä-
gungsmängeln, die vom Gericht nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie
innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt worden

1154 Vgl. BVerwG, B. v. 7.11.1997 – 4 NB 48.96 –, ZfBR 1998, 97.


1155 BVerwG, U. v. 10.8.2000 – 4 CN 2.99 –, ZfBR 2001, 61.
1156 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.12.2003 – 8 C 11362/03 –, DÖV 2004, 674; BVerwG, B. v.
25.11.2008 – 4 BN 15/08 –, juris.
1157 BVerwG, B. v. 12.3.2008 – 4 BN 5.08 –, BauR 2008, 1417 m. w. N.
1158 BVerwG, B. v. 20.9.2007 – 4 BN 20.07 –, juris.

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sind? Ist sie „schwebend wirksam“, bis gerügt wird, danach „schwebend unwirksam“,
solange ein gerichtliches Verfahren möglich ist?
Durch Änderung der VwGO im Jahr 2004 wurde immerhin erreicht, dass Satzungen
stets und maximal nur für unwirksam, aber nicht mehr für nichtig erklärt werden
können. Seitdem gibt es nur noch den Unterschied zwischen einer behebbaren Unwirk-
samkeit und einer endgültigen Unwirksamkeit.
h) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit. Im Übrigen ha-
ben die Gerichte bei der Kontrolle von Plänen und Satzungen nach dem BauGB zu
beachten, dass gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 „für die Abwägung die Sach- und Rechts-
lage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend“ ist. Diese
Vorschrift bringt die (eigentlich selbstverständliche) Tatsache zum Ausdruck, dass das
für die Abwägung verantwortliche Gremium – also die Gemeindevertretung – bei der
Abwägung nur die „Sach- und Rechtslage“ berücksichtigen kann, die bei der abschlie-
ßenden Sitzung bestanden hat; später eintretende Veränderungen können denknotwen-
dig nicht mehr in die Beratungen der Gemeindevertretung einfließen. Die Formulie-
rung des § 214 Abs. 3 Satz 1 ist dennoch nicht sinnlos. Sie bezieht sich auf den
Umstand, dass zwischen der abschließenden Beschlussfassung und dem Inkrafttreten
des Bauleitplans noch einige Wochen vergehen können – nämlich die Zeit, welche für
die Ausfertigung und Bekanntmachung, bei genehmigungsbedürftigen Plänen für das
Genehmigungsverfahren, benötigt wird. Der Gesetzgeber wollte mit seiner Regelung
erreichen, dass in dieser Zeit eintretende Änderungen der städtebaulichen Verhältnisse
prinzipiell unbeachtlich sind.
Eine wichtige Einschränkung muss allerdings beachtet werden: Wenn zwischen der
Beschlussfassung im Rat und der Bekanntmachung ein sehr langer Zeitraum ver-
streicht und/oder Ereignisse eintreten, auf Grund derer es sich für die Gemeindever-
waltung, die den Plan bekanntzumachen hat, geradezu aufdrängen muss, dass sich die
Sach- oder Rechtslage inzwischen entscheidend geändert hat, muss der Bürgermeister
erneut die Gemeindevertretung einschalten1159. Der Bürgermeister würde gegen das
Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung handeln, wenn er den Plan ausfertigen
und seine Bekanntmachung veranlassen würde, obwohl sich infolge des Zeitablaufs
und geänderter Umstände Bedenken und neue Gesichtspunkte geradezu aufdrängen.
Änderungen, die das Abwägungsergebnis als unausgewogen i. S. eines Verstoßes gegen
das Verhältnismäßigkeitsprinzip erscheinen lassen, müssen auch nachträglich berück-
sichtigt werden1160. Diese Grundsätze gelten auch bei einer rückwirkenden Inkraftset-
zung von Plänen, bei denen Form- oder Verfahrensfehler lange Zeit unentdeckt blie-
ben1161.
i) Der Wegfall der Sieben-Jahres-Frist. Die bis zum 20.7.2004 geltende Sieben-Jahres-
Frist, nach deren Ablauf alle nicht gerügten „Mängel der Abwägung“ vor Gericht
unbeachtlich werden sollten, ist vom Gesetzgeber nicht aufrechterhalten worden. An-
gesichts der empirisch belegten Tatsache, dass die meisten Kontrollverfahren gegen
Bebauungspläne ohnehin innerhalb der ersten sieben Jahre nach Bekanntmachung der
Pläne eingeleitet werden und nur ca. 15 % der Gerichtsentscheidungen der 1980er
Jahre, mit denen Bauleitpläne aufgehoben worden sind, Pläne betrafen, die älter waren
als sieben Jahre1162, kann dies schmerzlos verkraftet werden. Der Wegfall der Pflicht
zur Rüge von Abwägungsmängeln innerhalb einer Frist von sieben Jahren gilt im Übri-

1159 Niedersächsisches OVG, U. v. 12.5.1981 – 1 C 4/80 –, ZfBR 1981, 294; einschränkend BVerwG, B. v.
9.11.1979 – 4 N 1/78 –, ZfBR 1980, 39 (43).
1160 BVerwG, B. v. 25.2.1997 – 4 NB 40.96 –, UPR 1997, 323.
1161 BVerwG, B. v. 3.7.1995 – 4 NB 11.95 –, ZfBR 1995, 319.
1162 Vgl. Eckart Scharmer, Bebauungspläne in der Normenkontrolle. Ursachen und Folgen des Scheiterns
von Plänen, Berlin 1988.

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gen gemäß § 233 Abs. 2 nicht für Fehler in Plänen und Satzungen, die aufgrund frühe-
rer Fassungen des BauGB verabschiedet wurden.1163
j) Ergebnis der Planerhaltungsvorschriften. Die Planerhaltungsvorschriften waren und
sind nicht leicht zu durchschauen. Im Kern laufen sie darauf hinaus, dass alle Mängel
der Abwägung, die aus den Akten ersichtlich und mit praktischer Wahrscheinlichkeit
auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sind, innerhalb einer Jahresfrist seit Bekannt-
machung des Plans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verlet-
zung begründenden Sachverhalts geltend gemacht werden müssen, wenn der Plan an-
gegriffen werden soll. Geschieht dies nicht, ist der betreffende Fehler unbeachtlich,
sofern er nicht zu einer groben Verzerrung des Abwägungsergebnisses geführt hat.
Dauerhaft beachtlich ist nur die disproportionale Gewichtung mit der Folge eines
„falschen Abwägungsergebnisses“. Ein derartiger Fehler kann sowohl durch die unan-
gemessene Berücksichtigung (oder Nichtberücksichtigung) von zulässigerweise abwä-
gungserheblichen Belangen herbeigeführt werden als auch durch die Einstellung und
deutliche Berücksichtigung von unzulässigen, sachfremden Belangen. Da jede Berück-
sichtigung von unzulässigen, sachfremden Belangen disproportional ist, sofern sie sich
auf das Ergebnis der Abwägung ausgewirkt hat, gehört die Berücksichtigung sach-
fremder Belange zu den dauerhaft beachtlichen Fehlern.
Damit ist eine im Ergebnis gerechte und dem Rechtsstaatsprinzip entsprechende Lö-
sung erreicht. Dauerhaft beachtlich sind damit nämlich offensichtlich ungerechte Ab-
wägungsergebnisse und solche Abwägungsergebnisse, die durch sachfremde Beeinflus-
sungen (z. B. durch Bestechung) zustande gekommen sind. Alle Fehler jedoch, die nur
auf fahrlässigen Unterlassungen oder Irrtümern beruhen und die nicht zu schweren
Folgen der Disproportionalität geführt haben, müssen binnen Jahresfrist gegenüber
der Gemeinde schriftlich gerügt werden, wenn sie weiterhin Beachtung finden sollen.
Damit ist eine gesunde Balance zwischen Planerhaltung und rechtsstaatlicher Über-
prüfbarkeit erreicht.
5. Änderungen und Neuerungen im Bereich der gerichtlichen Kontrolle nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden im Jahr 2013
a) Eine Präklusion von nicht im Beteiligungsverfahren vorgetragenen Einwendungen
gibt es nur noch bei Klagen von Umweltverbänden gegen Flächennutzungspläne (§ 3
Abs. 3 BauGB). Der zuvor allgemein geltende Ausschluss von Einwendungen im Ge-
richtsverfahren, wenn der betreffende Einwand nicht schon zuvor im Rahmen der
Beteiligung der Öffentlichkeit oder der Behörden vorgetragen worden war, ist vom
EuGH als unzumutbare Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes verworfen wor-
den.
b) § 214 Abs. 1 Nr. 2 über die Beachtlichkeit bzw. Unbeachtlichkeit von Fehlern bei
der Anwendung einzelner Vorschriften ist – ohne wesentliche Veränderung des Inhalts
– neu geordnet worden. Die Vorschrift lautet jetzt:
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für
die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Ge-
setzbuch nur beachtlich, wenn die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behör-
denbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 1 und
Absatz 5 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1
sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn

1163 Zur Anwendung der 7-Jahres-Frist auf übergeleitete Pläne aus der Zeit vor 1960 siehe BVerwG, U. v.
1.9.2016 – 4 C 2.15 –, ZfBR 2017, 151.

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a) bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger
öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange je-
doch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind,
b) einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar
sind, gefehlt haben,
c) (weggefallen)
d) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer
einer angemessenen längeren Frist ausgelegt worden ist und die Begründung für
die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist,
e) bei Anwendung des § 4a Absatz 4 Satz 1 der Inhalt der Bekanntmachung und die
auszulegenden Unterlagen zwar in das Internet eingestellt, aber nicht über das
zentrale Internetportal des Landes zugänglich sind,
f) bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Um-
weltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder
g) bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit
§ 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung
der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind.
Literatur zum Kapitel XVII: Bauleitplanung und Verwaltungsakte nach dem Baugesetzbuch
vor den Gerichten
2010: Troidl, Thomas, Der funktionslose Bebauungsplan in der Normenkontrolle: Führt die
einjährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zur Funktionslosigkeit der Prinzipalkon-
trolle?, BauR 2010, 1511; 2011: Weyrauch, Bernhard, Die Tücken der Alternativenprüfung in
der Bauleitplanung, BauR 2011, 446–456; Wiggers, Christian, Rückwirkende Inkraftsetzung
von Bebauungsplänen, NJW-Spezial 24/2011, 748–749; 2013: Böhm, Monika, Recht der Bau-
leitplanung, JA 2013, 81–88; Sinner, Wolfgang, EuGH kippt Heilungsvorschrift des § 214
BauGB, (Zugleich Anmerkung zu EuGH, U. v. 18.4.2013 – Rs. C-463/11 –) UVP-report 2013,
247; 2014: Bunge, Thomas, Zur gerichtlichen Kontrolle der Umweltprüfung von Bauleitplänen:
NuR 2014, 1–12; 2015: Stüer, Bernhard, Bauleitplanung. Rechtsprechungsübersicht 2012–2014.
BauR 2015, 595–610; 2016: Guckelberger, Annette, Gard, Andre, 15 Jahre SUP-Richtlinie: Bi-
lanz und Perspektiven, EurUP 2016, 168–181; 2018: Stüer, Bernhard, Bauleitplanung. Recht-
sprechung des BVerwG 2015–2017, DVBl. 2018, 221–231.
Zur Literatur vor 2010 siehe die Bibliographie zum Städtebaurecht, auffindbar unter www.plan-
undrecht.de

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Stichwortverzeichnis

Abbruch 302, 359, 408, 462, 474, 484 Amtspflichtverletzung 289, 365, 409, 417,
Abbruchduldungsgebot 467 493, 501
Abbruchgebot 481, 484 Amtsverwaltung 40
Abbruchverfügung 485 Änderung
Abfall 181, 233, 329 – von Bauleitplänen 158
Abfallbeseitigung 82 Anfangswert 434 f., 445, 447, 456, 499
Abfallrecht 81, 83, 340 Anfechtung 20, 367
Abgabe 14, 42 f., 58, 268, 446 Anfechtungsklage 53, 57, 149, 188, 197,
Abgabenrecht 97 369, 372, 503, 507
Abgabenverwaltung 14 Angebotsplanung 455
Abgabeordnung 5 Anhörung 22, 47, 365, 382, 465, 470
Abgrabung 84, 182, 195, 299 f., 442, 464 Anlage für die Kinderbetreuung 209, 220,
Ablagerung 181, 300, 303, 464 230, 305
Ablösung 69, 268, 274 f., 422, 447, 449 Anlieger 422
Abriss 22, 27, 59, 311, 315, 318, 342, 374, Anliegerbeitrag 429
376, 418, 435, 440, 462, 472 f., 484 Ansiedlungsgesetz 71
Abrissverfügung 374 Anstoßfunktion 144, 152
Abrundungssatzung 322 Anzeige 149, 281, 366, 375, 423, 444
Abschluss der Entwicklungsmaßnahme 454 Anzeigepflicht 76, 94, 300, 361, 471
Abschluss der Sanierung 95, 434, 441, 445, anzeigepflichtig 374, 383
447 Anzeigeverfahren 104, 149, 163, 301, 360
Abschluss des Umlegungsverfahrens 387 Äquivalenzprinzip 15, 498
Abstand 69, 316, 327 Arbeitsgerichtsbarkeit 52
Abstand zur nächsten Wohnbebauung 199 Arbeitsvertrag 2
Abstandserlasse 202 ARGEBAU 68
Abstandsfläche 69, 194, 197, 228, 361, 476 Art der baulichen Nutzung 211, 217, 318 f.,
Abstandsvorschrift 310 372
abstrakte Normenkontrolle 184, 504, 507 Arten umweltbezogener Informationen 142
Abwägung 108, 112, 120, 128, 156, 197, Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz 101,
200, 204, 213, 234, 242, 313, 323, 334, 352
504, 513, 517 Aufbau der Verwaltung 45
– endgültige 108 Aufbaugesetz 67, 71, 432
– nachvollziehende 337 Aufhebung 22 f., 25, 53, 58, 156 ff., 165,
Abwägungsausfall 120 197, 279 f., 369 f., 416
Abwägungsdefizit 121 Aufhebung der Entwicklungssatzung 454
Abwägungsdisproportionalität 121 Aufhebung oder Verlängerung eines Miet-
Abwägungsfehler 415 oder Pachtverhältnisses 437, 486
Abwägungsgebot 120, 150, 423, 439, 463, Auflage 149, 152, 480
509 Aufnahmeeinrichtungen 351
Abwägungsmängel 156 Aufschüttung 182, 195, 299, 303, 442, 464
Abwägungsmaterial 112, 121 Aufstellungsbeschluss 107 f., 111, 114, 193,
Abwägungstabelle 147 237, 247, 278, 281, 284, 292, 348, 383
Abwägungsvorgang 512, 516 Auftragsangelegenheit 36, 48
Abwasser 80, 178, 181, 274, 304, 329, 342, Ausbau 9, 14, 23, 308, 331
402, 420 Ausbaubeitrag 419
Abwassergebühren 42 Ausbauprogramm 428
Abweichung 306 Ausfertigung 108, 151, 157, 235, 509, 513
Abweichungsgesetz 10 Ausführungsgesetz 33, 78, 163
Achtungsabstand 317, 327 Ausführungsgesetze der Länder 103
Ackerland 394, 408, 453, 500 Ausgleich
Adaption 72 – naturschutzrechtlicher 388, 394, 396
allgemeines Vorkaufsrecht 291, 442 Ausgleichsabgabe 213, 368, 446
allgemeines Wohngebiet 318 Ausgleichsbetrag 26, 274, 434, 439, 442,
Allgemeinwohl 401, 439, 465 f. 445, 448 f., 451, 493, 499
Altlasten 81 ff., 234, 439

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Stichwortverzeichnis

Ausgleichsmaßnahme 125, 182, 213 f., 216, Baugesetzbuch 72


270, 274, 326, 389, 440, 448 Baugrenze 228, 370
Ausgleichspflicht 434 Baukörperfestsetzung 229, 476
Ausgleichszahlung 367 f., 396 Baukultur 251
Auskunft 14, 16, 18, 151 f., 236, 385, 437, Bauland 19, 196, 299, 394 f., 398, 408, 416,
492 421, 426, 498, 500
Auskunftspflicht 437, 465 Baulandbericht 133
Auslegung 193, 197, 287, 349, 403, 470, Baulanderschließung 267
504 f., 508 f. Baulandkataster 492, 494
– erneute 147 Baulandsache 507, 511
– öffentliche 140, 348, 388 Baulast 347, 443
Auslegung von Rechtsvorschriften 60 Bauleitplanfeststellungsgesetz 165
Auslegungsbeschluss 108, 139, 146 Bauleitplanung 35, 48, 76, 95, 194, 269,
Auslegungszeitraum 139 278, 501
Ausnahme 219, 280, 306, 324, 326, 347, – Sicherung 366
365, 371 – Verfahren der 107
– naturschutzrechtliche 87 baulichen Nutzung
ausschließliche oder konkurrierende Gesetzge- – Maß der 6
bungszuständigkeit 400 Baulinie 228 f., 307, 370
Ausschlusswirkung 119, 189, 285, 333, 336, Baumasse 222, 225, 227, 476
504 Baumassenzahl 225
Außenbereich 108, 185, 193, 240, 287, 292, Baumschutzsatzung 87
328, 330 f., 339, 342, 353, 366, 371 f., Baunebenrecht 79
462, 485, 504 Baunutzungsplan 196
Außenbereich im Innenbereich 241, 321, 352 Baunutzungsverordnung 5, 67, 101, 103,
Außenbereichsfläche 149 205, 209, 216, 238, 260, 305, 307, 318,
Außenbereichsinsel 352 519
Außenbereichssatzung 149, 165, 323 f., 345 Bauordnung 67, 70, 230, 233, 334, 345,
Außerkrafttreten 153, 158, 161 359 f., 363, 373, 431
Avifauna 336 Bauordnungsrecht 11, 13, 67, 78, 194, 197,
280, 298 ff., 362, 367, 383, 472, 476, 485
Bau- und Raumordnungsgesetz 72 f., 84, Bauplanungs- und Zulassungsverordnung
100, 287, 494, 500, 512 266
Bauantrag 185, 238, 285, 362, 416, 482 Baureifes Land 496
Bauantragsteller 284, 365 Bausperre 278, 422
Bauaufsicht 16, 288, 483 – faktische 282
bauaufsichtliche Genehmigung 300 Baustopp 60, 375
Bauaufsichtsbehörde 16, 33, 284, 300, 308, Baustufenplan 196, 371
359 f., 362, 367, 369 f., 373, 444 Bauvoranfrage 362
Bauerwartungsland 394 f., 496 Bauvorbescheid 187, 327
Baufläche 217 Bauvorlage 238, 361
BauGB-Maßnahmengesetz 73, 99, 267, 308, Bauvorlageberechtigte 362
323, 452 Bauvorlageverordnung 362
Baugebiet 181, 190, 194, 199, 207, 217, Bauvorschrift 310
219, 223, 238, 248, 269, 303, 305, 309, Bauweise 6, 194, 197, 217, 229, 312, 317,
318, 371, 414, 420 f., 427, 510 450, 476, 492
– faktisches 319 Bauwich 70
Baugebietstyp 217 Bebauungsplan 6, 20, 94, 128, 148, 192 f.,
Baugebot 12, 71, 401, 482, 484 303, 413, 471, 503 f.
Baugenehmigung 12, 17, 20, 22, 49, 54, 57, – der Innenentwicklung 136, 149
60, 184, 212, 283, 298 ff., 303 f., 331, – einfacher 304, 324, 360
345, 359, 367, 369, 372, 416, 431, 454, – qualifizierter 300 f., 303, 365, 421
471, 485, 507 – selbständiger 148, 231
– mit Konzentrationswirkung 301 – vorhabenbezogener 112, 304
Baugenehmigungsbehörde 9, 23, 40, 162, – vorzeitiger 148, 231
281, 284, 286, 289, 309, 327, 336, 408, Bebauungsplan der Innenentwicklung 100,
444, 465, 472 110, 134, 155
Baugenehmigungsfreiheit 360 Bebauungsplan zur Einbeziehung von Außen-
Baugenehmigungsverfahren 69, 188, 204, bereichsflächen 110, 244, 260
347, 360, 363

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Stichwortverzeichnis

Bebauungsplan zur Vermeidung oder Verrin- – grenzüberschreitende 120


gerung von Störfallbetrieben 255 Beteiligung der Behörden 107, 112, 117, 140
Bebauungsplanung 386 Beteiligung der Betroffenen 435
Bebauungszusammenhang 320 f., 328 Beteiligung der Nachbargemeinden 117
bedingte Festsetzung 270 Beteiligung der Öffentlichkeit 94, 107, 114 f.
Bedingung 21, 23, 149 Beteiligung von Drittbetroffenen 359
Befangenheit 508 Bezirk 46 ff., 163, 479
Befreiung 23, 61, 70, 162, 239, 306, 308 f., Bezirksregierung 403
314, 347, 349, 365, 369 BImSch-Genehmigung 79
– naturschutzrechtliche 87 Binnenfischerei
Befristung 149 – berufsmäßige 329
Begründung 128, 178, 215, 228, 236, 286, Biogas 330
290, 310, 324, 336, 370, 455, 471 Biomasse 330, 342
Begründung des Verwaltungsakts 22 Biotop 213, 216
Beherbergungsgewerbe 356 Bodenbewertung 78
Behörden und sonstige Träger öffentlicher Be- Bodendenkmal 87
lange 464 Bodenerwerbspflicht 266, 434, 450, 452,
Behördenbeteiligung 115 455
Beiträge 14, 41, 43, 498 Bodenmarkt 295, 407
Beitragsgerechtigkeit 429 Bodennutzung 178, 183, 336
Beitragspflicht 15, 430, 448 Bodenordnung 71, 78, 97, 193, 381, 384
Beitragssatzung 14 Bodenpreis 406 f., 435
Beitrittsbeschluss 150 Bodenrecht 10 f., 13, 67, 71, 78, 419
Bekanntmachung 4, 137, 144, 151, 157 f., Bodenrichtwert 492 f.
237, 382, 386 f., 397, 465, 506, 521 Bodensanierung 266
– Inhalte der 142 Bodenschätze 83, 195
Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteili- Bodenschutz 78, 83, 340, 439
gung 139 Bodenschutzklausel 136, 240
Bekanntmachung der Satzung 114 Bodenschutzrecht 81
Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses Bodenversiegelung 344, 346
279 Bodenvorratspolitik 292 f.
Bekanntmachung für die öffentliche Ausle- Bodenwert 394, 408, 414, 434, 445 ff.,
gung 120, 143 496 f.
Bekanntmachung im Internet 153 Bodenwertermittlung 103, 490, 493, 495 f.
Bekanntmachungsanordnung 509 Bodenwertsteigerung 442, 448, 451, 497,
Bekanntmachungsverordnung 141 499
Belange Bordell 249
– öffentliche 316 Bordellkonzept 251
Bergrecht 81 Brand 342, 344
Berlin 33, 43, 46 f., 51, 103, 163, 182, 288, Brandschutz 361
309, 403, 449, 456, 478 Bremen 33, 43, 46 f., 103
Berufung 51, 56 Bruchteilseigentum 289
Bescheidungsurteil 23 Bund und Länder 434
beschleunigtes Verfahren 73, 100, 115, 240, Bundesbaugesetz 10, 67, 73, 94, 179, 197,
243, 515 311, 341, 432, 475
Beseitigung 21, 86, 337, 484 Bundesbehörde 18, 31 f.
Beseitigung baulicher Anlagen 442 Bundesberggesetz 83
Beseitigung eines Gebäudes 401 Bundesbodenschutzgesetz 83
Beseitigungsanordnung 374 f. Bundesfachplanung 76
Besitzeinweisung Bundesgartenschau 281
– vorzeitige 397, 405 Bundesgerichtshof 51, 112, 390, 418, 511
besonderes Vorkaufsrecht 291, 293 Bundes-Immissionsschutzgesetz 16, 78, 199
Bestandskarte 386 f., 397 Bundesnaturschutzgesetz 78, 84, 124, 233,
Bestandskraft 20, 23, 53, 66, 75, 154, 405 350, 368
Bestandsschutz 288, 315, 317, 344, 346, Bundesnetzplan 76
374 ff., 414 Bundesrecht 8, 10 f., 71
Bestandsverzeichnis 386 f. Bundesverfassungsgericht 29, 36, 53, 71,
Bestimmtheitsgebot 206 165, 180, 283, 373, 418, 505
Beteiligung 349, 461 Bundesverkehrswege 503
– der Öffentlichkeit 119, 278 Bundesverkehrswegeplan 187

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Stichwortverzeichnis

Bundesverwaltungsgericht 51, 56, 60, 112, einstweilige Anordnung 59


193, 198, 203, 215, 232, 269, 300, 302, Einvernehmen 22, 186, 188, 281, 289 f.,
304, 307, 335, 340, 387, 431, 446, 471, 306 f., 340, 364 ff., 444, 465
503, 514 Einvernehmen der Gemeinde 335
Bundeswasserstraßengesetz 303 Einvernehmensfiktion 366
Bürgerbeteiligung 73 Einwurfsmasse 392
Bürgermeister 34, 40, 43 f., 48 f., 112, 151, Einwurfswert 395, 490
160, 215, 234 Einzelhandel 194, 197, 219, 303, 315, 320,
– regierender 164 470
Bürgerversammlung 115 Einzelhandels- und Zentrenkonzept 247, 251
Business Improvement Districts (BID) 470 Einzelhandelsbetriebe
– großflächige 210, 319
Code Civil 64, 397 Einzelhandelssteuerung 246
Endwert 434, 445 ff., 456, 499
Darlegungslast 60 Energieeinsparverordnung 131, 225, 310,
Darstellungen 194 438, 478
Dauerwohnen 356 Energiefachplanung 76
Demokratie 5, 40, 511 Energietrassen 76
Denkmal 227, 233, 318, 400 Energiewende 76, 100, 189, 285, 334
Denkmalliste 301 Energiewirtschaftsgesetz 75 f.
Denkmalschutz 11, 78, 233, 251, 300 f., enteignender Eingriff 418
340, 451, 475 Enteignung 14, 19, 71, 95, 283, 294, 296,
Denkmalschutzbehörde 38 375, 388, 396, 400, 402, 412, 442, 447,
Denkmalschutzrecht 87 453, 455, 466 f., 483, 501
DIN 18005 199 ff. Enteignungsentschädigung 400, 405, 453,
DIN 45691 204 493
direkte Normenkontrolle 165, 197, 504 f. enteignungsgleicher Eingriff 289, 418
Divergenzrevision 56 Enteignungsverfahren 403 f., 502
Duldungspflicht 437 Entprivilegierung 341
Durchführungssicherungssatzung 364, 401, Entschädigung 95, 185, 200, 282 ff., 311,
463 ff. 404 f., 407, 414, 417, 442, 501
Durchführungsvertrag 157, 238 f., 266, 269 Entschädigungsanspruch 188, 239, 289, 411,
413, 415, 417
Eigenart der näheren Umgebung 135, 312, Entschädigungsfall 491
316 f., 382 Entschädigungspflicht 283, 285, 375, 417
Eigenart des Baugebiets 220 Entsiegelungsgebot 462
Eigenbedarf 343, 477 Entsteinerungsklausel 6
Eigenbeteiligung 272 Entwicklungsbereich 149, 164, 197, 273,
Eigenbetrieb 44 f., 272 287, 402, 450 f.
Eigengesellschaft 45 f., 271 Entwicklungsgebot 110, 137, 182, 230, 232,
Eigentumsgarantie 340, 465, 478 244
eigentumsverdrängende Planung 413 Entwicklungskonzept 274, 401, 468
Eigentumswohnung 288, 477 Entwicklungsmaßnahme 72 f., 95, 98 f., 276,
einfacher Bebauungsplan 304, 324, 360 432, 434, 451
Einfügungsgebot 315, 351, 354, 373 Entwicklungssatzung 310, 323, 325, 363 f.,
Einfügungsklausel 312, 319, 372 434, 453
Eingangswert 500 Entwicklungsträger 266, 402, 434
Eingriff Entwicklungszustand 492, 495
– enteignender 418 Erbschaftssteuer 15
Eingriff in Natur und Landschaft 85, 97, Erbschaftsteuerreformgesetz 73, 491
125, 182, 212, 227, 242, 388, 412 ergänzendes Verfahren 144, 512, 518
Eingriffsgrundlage 19 Ergänzungssatzung 149, 310, 323 ff., 367 f.
Eingriffsregelung 84, 124, 367 Erhaltungsgebiet 471
Eingriffsverwaltung 15 – städtebauliches 87
Einheit der Rechtsprechung 56 Erhaltungsgebot 471 f., 491
Einheitswerte 41 Erhaltungsmaßnahme 479
Ein-Jahres-Frist 506 Erhaltungssatzung 73, 95, 98, 164, 289,
Einkaufszentrum 197, 210 f., 221, 320 291, 294, 299, 363 f., 401 f., 437, 458,
Einkommensteuer 460, 465, 467, 470, 475, 483
– Beteiligung an der 15 Erhaltungsverfügung 470

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Stichwortverzeichnis

Erhaltungsziel 241, 243, 325, 350 360, 402, 411 f., 416, 476, 485 f., 510,
Ermächtigung 5 519
Ermessen 23, 36, 64 f., 112, 200, 238, 340, – nachbarschützende 370 ff.
370, 421, 435, 438, 472, 516 – textliche 235
Ermessensfehler 23 Festsetzung, nach Landesrecht 348
erneuerbare Energie 132, 181, 194, 274 Festsetzungen 194
Erneuerbare-Energien-Gesetz 132 – bedingte 238
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz 132 – klimaschutzorientierte 198
Ersatzbekanntmachung 464 – nach Landesrecht 233
Ersatzgebiet 455 – nachbarschützende 369
Ersatzland 390, 404 f. Festsetzungen zum Ausgleich von Eingriffen
Ersatzmaßnahme 125, 212 in Natur und Landschaft 519
Ersatzvornahme 26 f., 83, 367, 486 Feuerungswärmeleistung 330
Ersatzwohnraum 484 FFH-Gebiet 158, 243, 324, 346
Ersatzzwangshaft 26 FFH-Richtlinie 126 f., 325
Erschließung 18, 95, 97, 112, 228, 270, 274, Finanzausgleich 15, 42
299, 303, 328, 360, 388, 417, 419, 486 Finanzgerichtsbarkeit 52
– äußere 304, 421 Finanzverfassung 13, 15
– gesicherte 304 First 227, 476
Erschließung im engeren Sinn 420 Flächen der Land- und Forstwirtschaft 495
Erschließung im weiteren Sinn 420 f. Flächenbeitrag 395
Erschließungsanlage 181, 440, 447 Flächenmaßstab 391, 393, 448
Erschließungsaufwand 425 Flächennutzungsplan 48, 71, 94, 108, 128,
– beitragsfähiger 424 f. 137, 148 f., 154, 163, 178, 180 ff., 191,
Erschließungsbegriff 420 230, 243 f., 276, 285 f., 292, 294, 323,
Erschließungsbeitrag 15, 43, 193, 269, 333, 335 ff., 339 f., 344, 394, 504, 507 f.
272 f., 275, 388, 395, 419, 423, 425, 427, – gemeinsamer 180
454, 499 – regionaler 76, 181
Erschließungsbeitragsrecht 11, 78, 97, 267 Flächennutzungsplangebiet 216
Erschließungsbeitragssatzung 14, 427 f., 430, Flächennutzungsplanung 189, 285
509 – gemeinsame 40, 180
Erschließungslast 421 Flächensanierung 435, 484
Erschließungsvertrag 19, 266, 271, 423 Flächenumlegung 268, 391 ff., 395
Ertragswertrichtlinie 497 Flurbereinigung 97, 381, 496
Ertragswertverfahren 496 Flurbereinigungsamt 385
Europäische Union 4 Flurbereinigungsgebiet 381
Europarecht 8, 13, 72, 100, 242, 350 Föderalismusreform 10 f., 43, 75, 78, 84,
Europarechtsanpassungsgesetz Bau 73 433
Ewigkeitsfehler 513 Folgekostenvertrag 267 f., 420, 440
formelle Gesetze 5 f.
Fachaufsicht 35 ff., 42, 48, 163 Formfehler 22, 160, 237, 286, 349, 456,
Fachbereichsleiter 45 507, 512, 518 f.
Fachplanung 74, 186 f., 203 Forstwirtschaft 342, 346
Fachplanungsrecht 67, 74, 360, 368 forstwirtschaftlicher Betrieb 329
Factory-Outlet-Center 194 Fremdanliegerkosten 273
Fahrrechte 412 Fremdenverkehrsfunktion 288
faktische Bausperre 282 Fremdenverkehrsgebiet 287, 289
faktisches Baugebiet 319, 354 Fremdenverkehrsgemeinde 288
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 84, 126, 325 Fremdenverkehrssatzung 149
Faustrecht 1 Frontmetermaßstab 429
Fehler 153, 237, 508, 510, 512 f., 516 ff. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit
– materieller 157 und der Behörden 115
Feinsteuerung 248, 251, 305 Funktionslosigkeit 153, 161 f., 188
Ferienwohnung 355 Funktionsschwächen 437
Fernwärme 205, 438 Funktionsschwächensanierung 437 f., 452
Festsetzung 6, 61, 187, 220 f., 223 f., 226 f.,
229, 232 ff., 238, 242 f., 278, 294, 303, Gartenbaubetrieb 330 f.
306, 308, 310, 318, 322 f., 325, 347, 350, Gartenbauwirtschaft 328
Gebäudeabbruch 387
Gebäudeabstand 196

529

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Stichwortverzeichnis

Gebiet mit Fremdenverkehrsfunktion 95, 288 Fortentwicklung des Städtebaurechts 73,


Gebietsart 192, 197, 218, 220, 309 101, 134, 248, 273, 342, 478
Gebietsentwicklungsplan 75, 113 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Ra-
Gebietssozialplan 486 f. tes über die Umweltverträglichkeitsprü-
Gebot der Konfliktbewältigung 203 f. fung bei bestimmten öffentlichen und pri-
Gebot der Rücksichtnahme 203, 207, 220, vaten Vorhaben 127
313 f., 316, 369, 371 ff. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/
Gebühren 14, 17, 41, 43, 397, 420, 498 52/EU im Städtebaurecht und zur Stär-
Gebührenordnung 14 kung des neuen Zusammenlebens in der
Gefährdungshaftung 62 f. Stadt 72, 102
Gefahrenabwehr 71 Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hoch-
Geh-, Fahr- und Leitungsrecht 195 wasserschutzes und zur Vereinfachung von
Gehrechte 412 Verfahren des Hochwasserschutzes (Hoch-
Gemeindedirektor 43 wasserschutzgesetz II) 72, 102
Gemeindefinanzreform 41, 433 Gesetzgebung
Gemeindegebietsreform 37, 179 – ausschließliche 10 f.
Gemeindeordnung 5, 108, 115, 141, 508 f., – konkurrierende 10 f., 71, 75, 80, 419
518 Gesetzgebungskompetenz 9 ff., 78, 419
Gemeindevertretung 40, 43 f., 107 f., 139, Gesetzgebungskompetenz der Länder 68, 71,
146 f., 234, 383, 460, 508, 511, 514 78
gemeinsame Bauleitplanung 180 Gesetzgebungszuständigkeit 75
Gemeinschaftsunterkünfte 351 Gewaltenteilung 28 f., 65, 511
Gemengelage 199, 315, 375 Gewaltmonopol 2
Genehmigungsfiktion 353, 364 Gewerbegebiet 352
Genehmigungsfreiheit 435 Gewerbesteuer 41 f., 421, 470
Genehmigungsfreistellungsverfahren 360 f. Gewohnheitsrecht 3, 6, 68, 96, 153, 161,
Genehmigungspflicht 71, 94, 149, 188, 280, 418
284, 287 ff., 300 f., 303, 348, 359, 363, GFZ 223, 225 ff., 370
383, 442, 444, 455, 470, 476 Gleichheitssatz 9, 19, 165, 332, 428, 498
Genehmigungspflichtigkeit 300 Gliederung von Baugebieten 205
Genehmigungsvorbehalt 289, 433, 464, 478 Grenzabstand 67, 69 f., 229
Geräuschkontingentierung 204 Grenzbau 314
Gerichtsbarkeit 29, 501 f., 507 Grenzregelung 71, 266, 381, 398
– ordentliche 50, 52 große kreisangehörige Städte 34, 38
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) 202 großflächiger Einzelhandelsbetrieb 210
Geschossfläche 210, 223, 225 ff., 317 Grund- und Nahversorgungszentrum 247
Geschossflächenzahl (GFZ) 223, 225 ff., 310 Grundbuch 26, 347, 382, 385, 388, 485
Geschosszahl 310, 317, 319 Grundbuchamt 289, 295, 385
Gesetz 1 ff., 13 f., 28 Grundfläche 212, 223 f., 226 ff., 241 ff., 317,
– formelles 6 394
Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungs- Grundflächenzahl (GRZ) 223 f., 226 f.
recht zur Erleichterung der Unterbringung Grundgesetz 5, 7, 9, 11, 13, 17, 29, 31 f.,
von Flüchtlingen 101 35, 71, 75, 313, 419, 433
Gesetz- und Verordnungsblätter 4 Grundsatzrevision 56
Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtli- Grundsteuer 41 f., 470
cher Vorschriften vom 23.5.2017 180 Grundstücksfläche 222, 224 ff., 312, 316,
Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbe- 429
helfsgesetzes und anderer Vorschriften an – nicht überbaubare 217
europa- und völkerrechtliche Vorgaben 72, – überbaubare 217, 229
102 Grundstückstiefe 429
Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei Grundstücksverzeichnis 386
der Entwicklung in den Städten und Ge- Grundzüge der Planung 144, 147, 158 f.,
meinden 72 f., 124, 132, 275 162, 183, 239, 308
Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Grünfläche 86, 181, 198, 213, 228, 388,
Umweltverträglichkeitsprüfung 72, 102 428
Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsge- Grünordnungsplan 84 ff., 198, 205
setzes und zur Änderung anderer Vorschrif- GRZ 223, 225 ff., 370
ten (GeROG) 75, 77 Gutachterausschuss 104, 406, 485, 491 ff.,
Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in 496
den Städten und Gemeinden und weiteren

530

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Stichwortverzeichnis

Hamburg 30, 33, 43, 46 f., 103, 165, 301, Kernenergie 329, 342, 346
305, 383, 403, 477 Kinderbetreuung
Hammerschlags- und Leiterrecht 69 – Anlagen zur 101
Härteausgleich 433, 437, 450, 463, 480, Kinderbetreuungseinrichtung 209, 230, 305,
484, 486 458
Hauptinhalt 181, 232 Kindertageseinrichtung 305
Hauptstadtplanung 164 Klage 22 f., 27, 48, 53 f., 65, 284, 365, 405,
Heilungsverfahren 456, 518 501, 504
Heilungsvorschrift 73, 154, 520 Klarstellungs-, Entwicklungs- und Ergän-
Hinweis 57, 183, 217, 235 zungssatzung 320, 345
Hinweisbekanntmachung 3 Klarstellungssatzung 322, 325
höhere Verwaltungsbehörde 151 Kleinere Städte und Gemeinden 451
horizontale Gewaltenteilung 30 Klimaanpassung 72, 100, 124, 131, 437 ff.,
Housing Improvement Districts (HID) 470 460 f.
Klimanovelle 2011 133
im Zusammenhang bebauter Ortsteil 185, Klimaschutz 72 f., 100, 124, 131, 198,
241, 246, 249, 288, 311, 320, 325, 401, 275 f., 437 ff., 450, 460 f.
414, 452, 462 Klimaschutzklausel 100
Imkerei klimaschutzorientierte Festsetzung 198
– berufsmäßige 329 Klimawandel 72, 131, 194, 198, 459 f.
Immissionsschutzrecht 79, 340 Kommunalabgabengesetz (KAG) 419
Immobilienwertermittlungsverordnung 103, Kommunalaufsicht 38, 108, 335, 367
394, 447, 491, 495, 497 kommunale Eigengesellschaft 272
Industriegebiet 199, 220, 230, 303, 370 Kompensationsmaßnahme 213, 215, 368
Inhalts- und Schrankenbestimmung 413 Kompensationspflicht 242
Inkraftsetzung konkurrierende Gesetzgebung 419
– rückwirkende 153, 430 konstitutionelle Monarchie 28
Inkrafttreten 151 Kontrolle
Innenbereich 322, 368 – inzidente 504
– unbeplanter 311, 371, 376 Konzentrationsfläche 108, 186, 188 f., 276,
Innenbereichssatzung 149, 306 285, 333, 335 f., 504
Innenentwicklung 72, 109, 133, 212, 240 Konzentrationswirkung 79, 189, 286, 300,
– Maßnahme der 136 363
Innenstadtzentrum 247 Koppelungsverbot 268
Innovationsbereich 470 Kostenbeitrag 434, 451, 499
Instandsetzungsgebot 481, 483 Kostenerstattungsbescheid 389, 395
interkommunales Abstimmungsgebot 119 Kostenerstattungsbetrag 43, 182, 389, 448,
Internet 3, 141, 509 485
– Informationen 118 Kostenerstattungsvertrag 269
Internetportal Kostenspaltung 428
– zentrales 140 Kostenvorbehalt 426
Investitionserleichterungs- und Wohnbauland- Kraft-Wärme-Kopplung 100, 194, 198,
gesetz 85, 99, 124 274 f., 440
Inzident-Kontrolle 197, 504, 506 f. Kraft-Wärme-Kopplungsanlage 218, 230,
305, 439
Judikative 30, 501 Kreisgebietsreform 38
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 81
Kahlschlagsanierung 436 Kulturlandschaft 341 f.
kameralistische Buchführung 45 Kurgebiet 288
Kammer für Baulandsachen 502 f. Küstenmeer 77
Kammergericht 51
Katasteramt 385 Lagerstätte 299 f., 464
Kaufpreis 295 f., 388, 416, 453, 466, 493, Länderöffnungsklausel 101
503 Landesbauordnung 226, 233, 288, 300 f.,
Kaufpreisdifferenz 434 334, 347, 360 ff., 370, 373 f., 383
Kaufpreissammlung 98, 491 ff. Landesenteignungsgesetze 14
Kenntnisgabepflicht 361 Landesplanung 13, 33, 67, 74 f., 112 f., 180,
Kenntnisgabeverfahren 301, 360 f. 186, 335, 338, 340
Kennzeichnung 183, 234, 294 Landesraumordnungsprogramm 113
Kennzeichnungspflicht 182 Landesrecht 234

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Stichwortverzeichnis

landesrechtlicher Ausbaubeitrag 447 Nachbarrechtsprozesse 370


Landesverwaltung 33 f. Nachbarschutz 310, 369, 372, 444
Landesverwaltungsamt 33 nachbarschützende Festsetzung 310
Landgericht 51 f., 501 ff. nachrichtliche Übernahme 183, 234 f.
Landkreis 31, 33 f., 38, 151, 360, 365, 403, nachträglicher Widerspruch 186
406 Nachverdichtung 136, 240 f., 243
Landrecht 69, 284, 499 nachvollziehende Abwägung 337
Landschaftsbild 86 f., 212, 340, 474 nähere Umgebung 311 f., 316 ff.
Landschaftsplan 84 ff., 233, 340, 344 Natura 2000 325
Landschaftsplanung 85 f. Natura 2000-Gebiet 124, 126, 241, 243,
Landwirtschaft 182, 195, 325, 329 f. 325, 346, 350
landwirtschaftlicher Betrieb 202, 220, 329 f., Naturrecht 7
342 Naturschutz- und Landschaftspflegerecht 82
Lärmsanierung 440 naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 137,
Legislative 28 ff. 139
leistende Verwaltung 14 naturschutzrechtlicher Ausgleich 178, 182,
Leitungsrechte 402, 412 215, 270, 291, 294, 368, 388 f., 394, 396
Liegenschaftskataster 385, 387 naturschutzrechtlicher Ausgleichsbetrag 448
Luftqualitätsrahmenrichtlinie 79 Nebenbestimmung 149 f.
Nebenzentrum 247
Magistratsverfassung 44, 46 Negativattest 295
Marktwert 98, 405, 408, 491, 497 Negativplanung 109, 279, 287
Maß der baulichen Nutzung 181, 195, 197, Nichterfüllung 64, 150
217, 222, 224 ff., 303, 316, 319, 324, 493 Nichtigkeitsdogma 154, 520
Massenverfahren 146 Nichtzulassungsbeschwerde 51, 56
Maßnahmen der Sozialen Stadt 467 f. Normal-Höhen-Null 227
Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch 100 Normalverfahren 159, 434 f., 442, 444 f.,
materieller Fehler 22, 282, 286, 506 f., 512 f. 447 f.
Mediation 114 Normenkontrollantrag 505 f.
Mediationsgesetz 114 Normenkontrolle 57, 157, 504, 515
Mehrflächenabtretung 396 – direkte (abstrakte) 57, 503 ff.
Merkmale des Wohnens 209 – indirekte 504
Miete 445, 479 f., 496 – inzidente 370
Mieteinnahme 483 Normenkontrollklage 153, 350
Mietpreisbindung 480 Normenkontrollverfahren 157, 160, 281,
Mietpreisbremse 479 511, 520
Migranten 32 Normenpyramide 9
Milieuschutzgebiet 288 f., 478 Normverwerfungskompetenz 157, 518
Milieuschutzsatzung 288, 470, 476 ff., 480 Nutzung solarer Strahlungsenergie 185, 230,
Milieuschutzverordnung 477 305, 329
Missstand Nutzungsänderung 299 ff., 314 ff., 341 f.,
– sozialer 450, 459, 467 346, 354, 359, 361, 373 ff., 442, 464,
– städtebaulicher 437 f., 450 470, 472 ff.
Mitigation 72
Mittelbehörde 31, 403 Oberbürgermeister 34, 43, 46
Mitwirkungsverbot 508 f., 518 Oberkante 227
mobile Flüchtlingsunterkunft 352 Oberverwaltungsgericht 51 f., 56, 503 ff.,
Mobilfunkanlage 218, 473 511
Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot Objekt
486 – schutzbedürftiges 255
Modernisierungs- und Instandsetzungsvertrag Observanz 4
484 öffentliche Auslegung 108, 115, 158, 348,
Modernisierungsgebot 481, 483 f. 388
Modernisierungsmaßnahme 445, 479, 482 öffentliche Grünfläche 208, 241, 416
Monitoring 108, 137 öffentlicher Belang 193, 314 ff., 333 ff.,
Montesquieu 28, 30, 65 338 ff., 344, 372
Musterbauordnung 68, 359 öffentliches Recht 298
öffentlich-rechtlicher Vertrag 12, 19, 51, 268
Nachbarklage 309, 369 ff., 484 Ordentliche Gerichtsbarkeit 50, 52, 501 f.
Nachbarrecht 67 ff. ordnende Verwaltung 14 f.

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Stichwortverzeichnis

Ordnungsmaßnahme 266, 273, 439, 445, Präklusion 119


449 f., 454, 499 Präklusionsregelung 102, 143, 169
Organleihe 34 Präzedenzfall 4
örtliche Bauvorschrift 233, 235 Preisprüfung 435, 442, 447, 451
Ortsbild 86, 251, 312, 317 f., 370, 473 f., Preußisches Allgemeines Landrecht 69
476 preußisches Fluchtliniengesetz 70, 432
Preußisches Recht 40
Parallelverfahren 148, 231 Prinzip der Gesetzmäßigkeit 29, 35, 521
Parlamentsvorbehalt 5 Prinzip der Planerhaltung 512
Pflanzgebot 212, 481, 486 private Initiativen 95, 459, 469
Pflichtaufgabe private Initiativen zur Stadtentwicklung 458,
– weisungsfreie 36 469
– weisungsgebundene 36 privater Belang 123
Pflichtaufgaben 37 Privatrecht 12, 51, 77, 339
Photothermie 334 Prüfungsrecht 433
Photovoltaik 334 Publizitätsgebot 153
Photovoltaikanlage 218
Photovoltaikfreiflächenanlage 190, 334 qualifizierter Bebauungsplan 60, 195, 300,
Planaufstellungsverfahren 94, 107, 114, 159, 303, 421
163, 267, 348, 510 qualifizierter B-Plan 196
Planbefolgungsanspruch 365
planende Verwaltung 14 ff. Rahmengesetzgebung 10 f., 75, 84
Planerforderlichkeit 108 Raumordnung 339
Planergänzung 158, 519 – Grundsätze der 76 f.
Planerhaltung 76 f., 95, 99, 142, 153, 160, – Ziele der 112, 181, 339 f., 505
512, 518, 522 Raumordnung im Küsten- und Meeresbe-
Planerhaltungsvorschrift 153, 518, 520, 522 reich 78
Planfeststellung 59, 76, 187, 235, 327, 350, Raumordnungsgesetz 10, 67
368, 504, 519 Raumordnungsplan 76, 113
Planfeststellungsbeschluss 75, 154, 187, 363, Rechtmäßigkeit 18, 504, 521
504, 519 Rechtsbehelf 21, 282
Planfeststellungsverfahren 75, 81, 187, 235, Rechtskraft 23
466 Rechtsmittelbelehrung 23, 54
Plangenehmigung 504 Rechtsordnung 1 ff.
Plangewährleistungsanspruch 417 Rechtsprechung 36, 51, 65, 70
Plangewährleistungsfrist 97, 413 ff. Rechtsstaatsprinzip 498, 522
Plankopf 235 Rechtsverordnung 49, 103
Planreife 353 Regelverfahren 193, 360
– formelle 348 Regierungsbezirk 33
– materielle 348 f. Regierungspräsidium 33
– teilweise 348 f. regionaler Flächennutzungsplan 180 f.
Planung, Grundzüge der 135, 308 Regionalplan 75 f., 112, 180, 336
– vereinfachtes Verfahren 110 Reichsnaturschutzgesetz 85
Planungserfordernis 109 Reichsverfassung 13, 501
Planungshoheit 113, 157, 163, 179, 187, Repowering 133, 232, 276
320, 365 f. Richtlinie 5, 9
Planungspflicht 108, 194 Richtwertkarten 493
Planungsschaden 410 Richtwertzone 492
Planungsschadensersatz 414 Risikogebiete 183
Planungsschadensrecht 97, 239, 274, 408 ff., Risikogebiete außerhalb von Überschwem-
412, 417, 462 mungsgebieten 191, 259
Planungsverband 180 Rohbauland 394 ff., 496
Planungswertausgleich 395, 499 f. Rückbaugebot 462
Planurkunde 235, 238 Rückbaupflicht 346
Planverwerfungskompetenz 159 Rückbauverpflichtung 346, 353
Planverwirklichungsgebot 467 Rücknahme 25, 160, 375, 413
Planzeichenverordnung 73, 103, 178, 192, rückwirkende Inkraftsetzung 157, 430, 520 f.
217, 235
Planzeichnung 235 Sachenrechtsbereinigungsgesetz 496
Popularklage 54 Sachsenspiegel 67

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Stichwortverzeichnis

Sachwert 497 städtebaulicher Entwicklungsbereich 294,


Sachwertrichtlinie 497 487
Sachwertverfahren 496 f. städtebaulicher Missstand 433, 437 f.
Sammelausgleichsmaßnahme 270 städtebauliches Entwicklungskonzept 247,
Samtgemeinde 40 251, 461
Sanierung 432, 439, 499 Stadtentwicklung 124, 433, 459
Sanierungsbebauungsplan 435, 446 – Private Initiativen zur 98, 459
Sanierungsgebiet 273, 291, 437, 484 Stadterneuerung 71, 97, 432, 442, 450
Sanierungsmaßnahme 440 Stadterneuerungsmaßnahme 433, 435
Sanierungssatzung 437, 441 Stadtrechtsbücher 67
– Aufhebung 434, 446 Stadtrückbau 437
Sanierungsträger 266, 434, 440, 449 Stadtumbau 98, 458 ff., 465 ff.
Sanierungsumlegung 448 Stadtumbaugebiet 291, 461
Sanierungsverdachtsgebiet 438 Stellungnahme
Sanierungsverfahren – umweltbezogene 142
– vereinfachtes 435 Stichtag 406
Satzung 6 Störfallbetrieb 167, 255, 317, 327
Satzungen zur Sicherung von Maßnahmen störfallspezifische Faktoren 256
des Stadtumbaus 291 Störfallverordnung 326
Satzungsbeschluss 147 f., 348 Strukturwandel 199, 459
Satzungsvorkaufsrecht 291, 294 Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel
Schadensersatz 25, 50, 112, 157, 409 f. 211
schädliche Auswirkungen 248 Strukturwandel in der Landwirtschaft 329
Schallschutz 201 Substanzschwächen 475
Schallschutz, passiver 258
Schlusspunkttheorie 364 TA Lärm 199
Schrottimmobilie 485 Tabukriterien 510
Schutzabstand 327 Tabuzonen
Schwabenspiegel 67 – harte 190
Schwellenwert 241 – weiche 190
Schwere Unfälle 325 f., 346, 354 Teilflächennutzungsplan
Scopingtermin 116 – sachlicher 108, 188, 336
Selbstverwaltung 8, 11, 35, 37 Teilungsgenehmigung 96
Selbstverwaltungsangelegenheit 36 Tierhaltung 330
Selbstverwaltungsrecht 47, 163, 365 Tierhaltungsanlage 329
Seveso-III-Richtlinie 80, 167, 202, 258, 317, Tierhaltungsbetrieb 330, 332
326, 328, 354 Toleranzgebot 208
Sicherheitsabstand, angemessener 256 Trading-down-Effekt 207, 249 ff., 278
Sieben-Jahres-Frist 104, 516, 521 Träger öffentlicher Belange 107, 144, 242,
Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk 74 348, 506
sofortige Vollziehbarkeit 58 Traufhöhe 227
Soziale Stadt 98, 467 Trennungsgrundsatz 202, 326
– Maßnahmen der 468 Typisierung 219
sozialer Missstand 450, 459 Typisierungslehre 309
Sozialplan 401, 437, 463, 484, 487
Sozialplanung 433, 458, 480, 486 überbaubare Grundstücksfläche 194 f.,
SPE-Fläche 182, 411 228 f., 232, 251, 303, 310, 318, 324
Sperrwirkung 235, 337 Überleitungsvorschrift 196, 230
Spezialgerichtsbarkeit 51 Übernahme
Spielhalle 253 f. – nachrichtliche 235
Spielhallengesetz 253 Übernahmeanspruch 412, 417, 449, 453,
Splittersiedlung 340, 344, 351 482, 491
Sportanlagenlärmschutzverordnung 200 Überprüfung
Städtebauförderungsgesetz 71 – inzidente 370
Städtebauförderungsmittel 433, 451 Überschwemmungsgebiet 183, 234, 292
städtebauliche Entwicklung und Ordnung Übersichtskarte 235
193, 203 Überwachung 151
städtebauliche Gebote 98, 460 Überwachung der Umweltauswirkungen 153,
städtebauliche Planung 171
– Grundzüge der 94

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Stichwortverzeichnis

Überwachung von Ausgleichsfestsetzungen Vertrag


153, 171 – städtebaulicher 387, 420, 423, 462, 468,
Umgebung 484
– nähere 316, 319 Verträge
Umlegung – öffentlich-rechtliche 12
– freiwillige 387 Vertragsfreiheit 274
Umlegungsausschuss 383 Vertrauensschaden 120, 411, 416
Umlegungsgebiet 382 Verwaltung
Umlegungsrecht 395 – leistende 14
Umlegungsvermerk 387 – ordnende 14
Umsatzsteuer 41 – planende 14
Umweltbericht 128 f., 145, 237 Verwaltung, Aufbau der 31
Umweltprüfung 73, 100, 116, 127, 158, Verwaltungsakt 12, 17, 154, 367, 369, 466,
241, 349 f., 512 482, 484
Umweltrechtsbehelfsgesetz 56 – Begründung des 22
Umweltverträglichkeitsprüfung 73, 100, 127, – begünstigender 25
324, 346 – belastender 24
Umweltzone 80 – Bestandskraft 23
Unbeachtlichkeitsvorschriften 155 – mit Doppelwirkung 59
unbeplanter Innenbereich 207, 248, 352, 485 – Widerruf von 25
unbestimmter Rechtsbegriff 29, 65 Verwaltungsermessen 366
Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegeh- Verwaltungsgericht 51, 369, 502
rende 351 Verwaltungsgerichtshof 51, 504
Urbanes Gebiet 222, 260 Verwaltungsgerichtsordnung 57, 60, 502,
UVP-Gesetz 127 505
UVP-Richtlinie 129 Verwaltungsrecht 13
Verwaltungsvereinbarung 98, 434, 450
VDI-Richtlinie 2058 199 – zwischen Bund und Ländern 460
VEP 238 Vogelschutzgebiet 124, 126, 243, 324
Veränderungssperre 95, 114, 278, 280 f., Vogelschutzrichtlinie 126
283 f., 362, 365, 383 Vollgeschosse 226, 310
Verbandsgemeinde 40 – Zahl der 225, 370
Verbandsklage 56 Vollstreckung 26
verbindliche Bauleitpläne 178 Vollstreckungsabwehrklage 281
vereinfachte Sanierungsverfahren 435 Vollstreckungsgegenklage 285
Verfahren Vorausleistung 272, 454
– bauordnungsrechtliches 359, 361 f. Vorbehaltsgebiet 338
– beschleunigtes 100, 158, 349 f. vorbereitende Untersuchung 433, 454
– ergänzendes 153 ff., 518, 520 vorbereitender Bauleitplan 178
– vereinfachtes 135, 158, 324, 349 f., 439 Vorhaben
Verfahrensfehler 150, 512 – Begriff 299
Verfahrensvermerk 235 – begünstigtes 341
Verfassungsgericht 29, 53 – nicht privilegiertes 339
Vergleichswertrichtlinie 497 – privilegiertes 328, 331, 334 f.
Vergleichswertverfahren 447, 491 f., 496 – sonstiges 340
Vergnügungsstätte 205 Vorhaben- und Erschließungsplan 99
Verkehrslärmschutzverordnung 199 vorhabenbezogener Bebauungsplan 238, 304
Verkehrswert 296, 390, 394, 405, 407 f., 491 Vorhabenträger 269
Vermeidungs- und Minimierungsgebot 139, Vorkaufsrecht 290, 466, 480
242 – allgemeines 442
Vermessungsamt 385 Vorkaufsrechte 96
Verpflichtungsklage 53, 369, 507 Vorlaufphase
Verschlechterungsrechtsprechung 312 – zur Aufstellung eines Bauleitplans 108
Versorgungsbereiche Vorranggebiet 336 ff.
– zentrale 119, 182, 211, 246 f. Vorwegabzug 388 f.
Verteilungsmasse 386, 390, 393 f. vorzeitige Besitzeinweisung 397, 404
Verteilungsmaßstab 391, 428, 470 vorzeitiger Bebauungsplan 110
vertikale Gewaltenteilung 30
Wasserenergie 329
Wasserhaushaltsgesetz 191, 234

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Stichwortverzeichnis

Wasserrecht 80 Wohngebiet
Weimarer Verfassung 13 – allgemeines 206 f.
Wertdifferenz 395, 413 – besonderes 206
Wertermittlung 98, 406 – reines 206 f., 305, 371
Widerruf 25 Wohngeld 14
Widerruf von Verwaltungsakten 25
Widerspruch 22, 369, 502 Zaunwert 204
Widerspruchsbehörde 22, 365, 502 Zentrale-Orte
Widerspruchsfrist 281, 369 – Konzept 77
Widerspruchsverfahren 22, 57, 366, 386, – System 74
502 f. Zitiergebot 9, 235
Widerstandsrecht 7 Zivilgerichtsbarkeit 507
Wiedernutzbarmachung von Flächen 136, Zukunft Stadtgrün 451
240 Zulässigkeit von Vorhaben 96
Wiedervereinigung 72, 99, 450, 456 zur Unterstützung von Erhaltungszielen 480
Windenergie 186, 188, 276, 329, 336, 510 Zurückstellung von Baugesuchen 280, 284,
Windkraftanlage 232, 338, 370 471
Wochenend- und Ferienhausgebiet 288 Zurückstellungsantrag 247, 286
Wochenendhaus 62, 302, 332 Zusammenarbeit
Wochenfrist, Berechnung der 140 – raumordnerische 78
Wohl der Allgemeinheit 292, 309, 401, 403, zusammenfassende Erklärung 137, 178, 237
410, 453 f. Zwangsgeld 486
Zwangshypothek 26
Zweckverband Groß-Berlin 74

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