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VHF
F G
a EKG-Lineal mit drei Skalen im Überblick: ① Skala zur Skala eignet sich nur für EKGs mit einer Schreibgeschwin-
Bestimmung der Herzfrequenz (s. Teilabbildung b) digkeit von 50 mm/sek!
② Skala zur Bestimmung von Zeitintervallen in Sekunden c Um bei einem EKG Zeitintervalle in Sekunden zu messen,
(s. Teilabbildung c) ③ Skala zur Bestimmung von Amplitu- legt man die Pfeilspitze der entsprechenden Skala an den
den (s. Teilabbildung d). Beginn des zu messenden Abschnitts. In diesem Fall be-
b Zur Bestimmung der Herzfrequenz (HF) legt man die trägt z.B. die Dauer der PQ-Strecke 0,14 Sekunden
Pfeilspitze der dargestellten Skala an eine R-Zacke an und d Zur Bestimmung einer Amplitude wird die entsprechen-
misst dann den Abstand zur nächsten (1xRR, untere Teil- de Skala vertikal an den zu messenden EKG-Abschnitt ge-
skala) bzw. übernächsten R-Zacke (2xRR, obere Teilskala). legt. Im dargestellten Fall wurde die QR-Gesamtamplitude
Im vorliegenden Fall beträgt die HF 85/min. Beachte: diese mit 1,3 mV ausgemessen.
1 Grundlagen ab S. 11
2 EKG-Befunde ab S. 36
3 EKG-Beispiele ab S. 147
4 EKG-Quiz ab S. 255
5 EKG-Übungen ab S. 291
EKG-Kurs für Isabel
Hans-Joachim Trappe
Hans-Peter Schuster
380 Abbildungen
1. Auflage 1997
2. Auflage 1999
3. Auflage 2001
1. französische Auflage nach der 3. dt. Auflage 2004
4. Auflage 2005
5. Auflage 2009
2. französische Auflage 2011
6. Auflage 2013
© 1997, 2017 Georg Thieme Verlag KG Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht
Rüdigerstraße 14 besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines
70469 Stuttgart solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden,
Deutschland dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
Telefon: +49/(0)711/8931-0 Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist ur-
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gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Zeichnungen: Karin Baum, Paphos, Zypern; Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und
Kitty Hormann, Stuttgart Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Layout: Ulrike Holzwarth, Stuttgart
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Satz: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg
Druck: Westermann Druck Zwickau GmbH, Zwickau
DOI 10.1055/b-005-143650
ISBN 978-3-13-240799-2 1 2 3 4 5 6
eISBN (PDF) 978-3-13-240807-4
eISBN (ePub) 978-3-13-241275-0
Vorwort zur 7. Auflage
Liebe Leserinnen und Leser, rinnen und Lesern am Bildschirm ausgemessen und
beurteilt werden können.
wir dürfen Ihnen die nunmehr 7. Auflage unseres Wir hoffen, dass damit sowohl Anfänger als auch
Buches „EKG-Kurs für Isabel“ vorlegen. Seit der Erfahrene EKGs „von Beginn an“ lernen können und
1. Auflage, die 1997 erschien, sind inzwischen 20 im täglichen Berufsalltag hinsichtlich der EKG-Be-
Jahre vergangen. In diesen Jahren haben zahlreiche fundung so routiniert werden, dass 12-Kanal-EKGs
Studierende mit unserem EKG-Buch gelernt oder problemlos bewertet und interpretiert werden kön-
später in ihrem Berufsalltag darin gelesen. Die vie- nen.
len positiven Kommentare und Zuschriften haben Wir wünschen uns auch weiterhin kritisch-kon-
uns immer motiviert, nach weiteren Verbesserun- struktive Leser und hoffen, dass alle ihre Erwartun-
gen für das Buch zu suchen. So sind in den vergan- gen hinsichtlich des 12-Kanal-Elektrokardiogramms
genen zwei Dekaden neue Kapitel zu spezifischen erfüllt werden. Wir würden uns sehr freuen, wenn
Krankheitsbildern entstanden, zu typischen EKG- alle Leser nach der Lektüre dieses EKG-Kurses wie
Befunden bei Kindern und Jugendlichen, ein EKG- Isabel zu dem Schluss kommen: „Es hat mir Spaß
Befundungsbogen, der im täglichen Alltag bei der gemacht, dieses Buch zu lesen, und ich bin für den
EKG-Befundung helfen soll, und ein EKG-Lineal, mit Klinikalltag gut gerüstet“. Bitte schreiben Sie uns,
dem man die EKGs im Buch befunden kann. wenn Sie Verbesserungsvorschläge haben, wir freu-
Auch in der 7. Auflage wurde wieder großer Wert en uns sehr über Ihre Rückmeldung!
auf eine „praxisnahe“ Besprechung des Elektrokar-
diogramms gelegt inklusive der bewährten Grafi- Unser Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ken und Schemazeichnungen, die aus didaktischen tern des Georg Thieme Verlags Stuttgart, besonders
Gründen ganz bewusst so „reduziert“ und „einfach“ Herrn Dr. Jochen Neuberger für eine sehr harmoni-
konzipiert sind. sche und gute Zusammenarbeit über viele Jahre so-
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Le- wie Frau Rosana Erhart für ihre redaktionelle Hilfe
ser den Wunsch geäußert, weitere Übungs-EKGs in bei der Erstellung dieser 7. Auflage.
elektronischer Form zu erhalten, die am Monitor
befundet werden können. Diesen Wunsch haben Viel Freude und Erfolg mit dem Buch wünschen
wir in der vorliegenden Auflage erfüllt und weitere
50 Elektrokardiogramme ergänzt, sodass nun ins- Hans Joachim Trappe, Herne
gesamt 150 Elektrokardiogramme inklusive Mus- Hans-Peter Schuster, Hildesheim
terbefund zur Verfügung stehen und von den Lese-
5
Vorwort zur 1. Auflage
Isabel ist eine Medizinstudentin. Sie hat, wie viele ■■ eine für die Diagnostik und Therapie sinnvolle
Studentinnen und Studenten der Medizin, Schwie- Beurteilung eines EKGs zu einem Verständnis
rigkeiten mit der Befundung und Deutung von Elek- der zugrundeliegenden Störungen am Herzen,
trokardiogrammen. Dies ist durchaus verständlich, also zu einer Vorstellung der tatsächlichen mor-
denn so einfach die Methode sich technisch darstellt, phologischen oder funktionellen Veränderungen
so schwierig ist eine exakte Interpretation des EKG. des Herzens als Ursache bestimmter pathologi-
Sie zählt zu den schwierigsten Methoden der Inne- scher EKG-Befunde führen muß.
ren Medizin überhaupt. Die Frage wird zum ersten Der EKG-Kurs baut auf typischen Problemen auf,
Mal zum echten Problem, als Isabel im praktischen die durch Elektrokardiographie erkennbar und
Jahr die Verantwortung für Patienten übernimmt, deutbar sind. Dynamik und Zielsetzung sind nicht
und sie macht sich zunehmend Sorgen, wenn sie an die elektrophysiologische Analyse der einzelnen
die Zeit als Ärztin im Praktikum denkt. EKG-Abschnitte von der P-Zacke bis zur T-Welle,
Eines Tages haben wir beschlossen, ihr zu helfen, sondern einerseits die zum Verständnis der einzel-
und wir haben für sie einen EKG-Kurs in 27 Lektio- nen Erkrankungen führende Erkennung klinischer
nen geschrieben. Wir haben uns überlegt, was wir Probleme (z. B. Hypertrophie, Infarkt, Erregungs
in die Lektionen hineinschreiben sollen. Eine Dar- leitungsstörungen) und andererseits der klinischen
stellung nur der sogenannten einfachen Grundla- Deutung typischer elektrokardiographischer Konstel-
gen des EKG wird ihr nicht helfen, denn Patienten lationen (z. B. überdrehter Linkstyp, Störungen der
halten sich selten an die einfachen Grundlagen. Ei- R-Progression, Vorhofleitungsstörung, ST-Strecken-
ne Darstellung aller komplizierten Feinheiten und senkungen). Folglich strebt der Kurs auch nicht ei-
komplexen Zusammenhänge der Elektrophysiologie ne vollständige Darstellung aller elektrophysiologi-
wird ihr ebenfalls wenig nützen, denn sie wird nie schen Phänomene an. Wir haben ausgewählt, was
Zeit haben, dies zu lesen und zu lernen. So haben uns klinisch wichtig erscheint, uns dabei aber nicht
wir versucht, für sie die Lektionen zu schreiben, die vor der Einbeziehung auch komplizierter Phänome-
sie brauchen wird, um zu einer systematischen Deu- ne gescheut.
tung und einer verständnisvollen Befundung von Eine Voraussetzung und auch eine Rechtfertigung
Elektrokardiogrammen zu gelangen, von Elektro- für den neuen EKG-Kurs scheinen uns die hohe Zahl
kardiogrammen, wie sie sie dann täglich sehen und und die didaktische Aufbereitung der Abbildungen.
beurteilen wird. Was Isabel helfen wird, sollte auch Ein ganz besonderer Dank gilt dem Verlag für die
allen anderen Medizinstudentinnen und -studenten Realisierung dieser Vorstellung.
sinnvoll und hilfreich sein. So entstand dieses Buch. Ein Kurs muß mit einem Übungsteil zur Selbst-
Wir gehen von der Erfahrung aus, daß kontrolle des Erlernten abschließen. Hierfür finden
■■ die richtige Beurteilung eines Elektrokardio- sich im letzten Teil des Buches eine Reihe von Origi-
gramms eine systematische Analyse der EKG- nal-Elektrokardiogrammen, die der Leser nach der
Aufzeichnung voraussetzt und eine solche syste- von uns vorgeschlagenen Systematik befunden und
matische Analyse lehrbar und trainierbar ist, beurteilen sollte. Unsere eigenen Befunde haben wir
■■ eine richtige Beurteilung eines EKGs die Grund- auf den letzten Seiten niedergelegt.
kenntnis der elektrophysiologischen Abläufe am Unser beider Wunsch bleibt eine große Zahl von
Herzen voraussetzt, derart, daß der Befunder kritischen Lesern.
versteht, welche Vorgänge die einzelnen EKG-
Abschnitte repräsentieren, Hildesheim und Herne Hans-Peter Schuster
Hans-Joachim Trappe
6
Inhalt
Inhalt
1 Grundlagen
Lektion 1 Die Bedeutung der einzelnen Lektion 4 Analyse der einzelnen EKG-
EKG-Zacken 12 Zacken: Kammererregung und
Erregungsrückbildung 22
Lektion 2 Ableitung des EKG 14
Lektion 5 Bestimmung des Lagetyps 25
Lektion 3 Analyse der einzelnen EKG-
Zacken: Vorhoferregung Lektion 6 Die Bedeutung des Lagetyps 29
und AV-Überleitung 18
Lektion 7 Bestimmung von Herz-
rhythmus und Herzfrequenz 34
2 EKG-Befunde
7
Inhalt
Lektion 27 Brugada-Syndrom
113 Lektion 33 Befundung des
Elektrokardiogramms 135
Lektion 28 Arrhythmogene rechtsventrikuläre
Dysplasie/Kardiomyopathie Lektion 34 Befundung des Elektro
(ARVD/C) 116 kardiogramms bei Rhythmus-
störungen: Tipps und Tricks zur
Lektion 29 Schrittmacher-EKG
119 richtigen Diagnose 137
Lektion 30 Monitor-EKG
125 Lektion 35 Richtige technische EKG-
Auswertung 141
Lektion 31 EKG bei Situs inversus cordis 127
Lektion 36 Typische Fehlermöglichkeiten
und EKG-Artefakte 145
3 EKG-Befunde
EKG-Beispiel 3: Sinustachykardie
154 EKG-Beispiel 18: S-Persistenz 184
EKG-Beispiel 4: Sinusbradyarrhythmie
156 EKG-Beispiel 19: Präterminale
T-Negativierung 186
EKG-Beispiel 5: AV-Block I° 158
EKG-Beispiel 20: Terminale
EKG-Beispiel 6: AV-Block II°: Typ II 160 T-Negativierung 188
EKG-Beispiel 7: AV-Block III°: Totaler EKG-Beispiel 21: Digitaliseinwirkung 190
AV-Block 162
EKG-Beispiel 22: Langes QT-Syndrom 192
EKG-Beispiel 8: AV-junktionaler
Ersatzrhythmus 164 EKG-Beispiel 23: Linksherzhypertrophie 194
EKG-Beispiel 9: P-sinistroatriale
166 EKG-Beispiel 24: Rechtsherzhypertrophie 196
8
Inhalt
4 EKG-Quiz
5 EKG-Übungen
9
1 Grundlagen
Lektionen
1 Die Bedeutung der einzelnen
EKG-Zacken 12
11
Lektion 1 Die Bedeutung der einzelnen EKG-Zacken
Lektion 1
Die elektrischen Impulse des Herzens entstehen lassen sich auch im Vorhofmyokard Leitungsbah
normalerweise im Sinusknoten, der damit der nen identifizieren. Diese spielen jedoch für klinische
natürliche Impulsgenerator ist. Der im Sinuskno Belange keine Rolle.
ten gebildete Impuls wird auf die Vorhofmusku Während die Erregung auf die Kammern über
latur übergeleitet (sinuatriale Überleitung = SA- geleitet wird, bildet sie sich im Vorhofmyokard
Überleitung) und breitet sich zunächst im Vorhof bereits wieder zurück (intraatriale Erregungsrück-
aus (intraatriale Erregungsausbreitung = Vorhof bildung). Nach vollständiger Erregungsausbreitung
erregung = Vorhofleitung). Die elektrische Erre im Kammermyokard folgt auch hier die Erregungs
gung erreicht dann über den AV-Knoten und das rückbildung (intraventrikuläre Erregungsrückbil-
His-Bündel das Kammermyokard (atrioventrikuläre dung).
Überleitung = AV-Überleitung). Die Erregung der Jeder Teilvorgang der elektrischen Phänomene
Kammermuskulatur erfolgt schließlich nach Wei von Erregungsausbreitung und Erregungsrückbil
terleitung des elektrischen Impulses über die bei dung ist im Elektrokardiogramm repräsentiert. Die
den intraventrikulären Reizleitungsschenkel und Elektrokardiografie steht der Medizin seit über 100
das Purkinje-Faser-System (intraventrikuläre Erre- Jahren zur Verfügung und ist fest mit dem Namen
gungsausbreitung = Kammererregung). Willem Einthoven (1860–1927) verbunden. In dem
Das spezifische Reizleitungssystem des Herzens von der Körperoberfläche abgeleiteten EKG (Ober-
besteht aus AV-Knoten, His-Bündel, dem rechten flächen-EKG) sind folgende elektrische Vorgänge
(Leitung zum rechtsventrikulären Myokard) und nicht sichtbar:
linken Reizleitungsschenkel (Leitung zum linksven 1. Sinusknotentätigkeit (Erregungsbildung im
trikulären Myokard), der sich in einen linksanteri Sinusknoten) und sinuatriale Erregungsüberlei
oren und einen linksposterioren Faszikel aufteilt. tung. Zwar können wir aus dem Oberflächen-
Der Begriff Reizleitungssystem ist klinisch sehr EKG Rückschlüsse auf die Sinusknotenfunktion
gebräuchlich. Physiologisch exakter ist der Begriff und die sinuatriale Überleitung ableiten, zur
Erregungsleitungssystem. Der Ablauf von Reizbil- exakten Beurteilung von Sinusknotenfunktion
dung (Erregungsbildung) und Erregungsleitung und sinuatrialer Leitung sind jedoch invasive
wird vereinfacht in Abb. 1.1 dargestellt. Anatomisch
9RUKRIP\RNDUG
6LQXVNQRWHQ
5$ /$
$9.QRWHQ
VXSUDYHQWULNXOlU
+LV%QGHO
YHQWULNXOlU
OLQNHU7DZDUD
6FKHQNHO
UHFKWHU7DZDUD OLQNVSRVWHULRUHU
6FKHQNHO )DV]LNHO
.DPPHU
P\RNDUG
59 /9
3XUNLQMH OLQNVDQWHULRUHU
)DVHUQHW] Abb. 1.1 Vereinfachte Darstellung des
)DV]LNHO
Ablaufs von Reizbildung und Erregungs-
leitung.
12
Die Bedeutung der einzelnen EKG-Zacken Lektion 1
elektrophysiologische Untersuchungstechniken
heranzuziehen.
2. Erregungsrückbildung im Vorhof: Sie wird von /9
der zeitgleichen Erregungsausbreitung auf die /$
Kammern überlagert.
5$ 59
Den elektrischen Phänomenen von Erregungsaus
breitung und Erregungsrückbildung können im
Oberflächen-EKG einzelne „Zacken“ oder „Wellen“
zugeordnet werden, die eine exakte Analyse der
komplexen elektrischen Vorgänge erlauben (Tab.
1.1 und Abb. 1.2).
P repräsentiert die Vorhofdepolarisation. Der 3
QRS-Komplex repräsentiert die Kammerdepola 67
34 456 7
risation. Als R-Zacken werden positive, als Q- und 47
EKG-Element Beschreibung
P-Welle intraatriale Erregungsausbreitung U65
5V5
U65
6
5V5
V
U
PQ-Zeit (oder atrioventrikuläre Erregungsüber- Abb. 1.3 Kennzeichnung einiger möglicher Konfiguratio-
AV-Intervall) leitung nen des QRS-Komplexes.
QRS-Komplex intraventrikuläre Erregungsaus-
breitung
teren negativen Zacke von einer S′-Zacke; weitere
ST-Strecke intraventrikuläre Erregungsrückbil- Zacken werden entsprechend als R′′- bzw. S′′-Zacken
dung (Beginn der Erregungsrück- klassifiziert. ST-T repräsentiert die Kammerrepola
bildung)
risation. In der Praxis wendet man derart komplexe
T-Welle intraventrikuläre Erregungsrück- Bezeichnungen wie „RsR′s′r′′“ jedoch kaum an, son
bildung (Ende der Erregungsrück- dern man spricht von einem „gespaltenen Kammer
bildung) komplex“ oder „gespaltenem QRS-Komplex“.
QT-Zeit Gesamte intraventrikuläre Erre-
gungsdauer (diese ist abhängig
von der Herzfrequenz).
Die QT-Zeit wird zunächst als
absolute QT-Zeit gemessen (Nor-
malwert: bis maximal 550 msek)
und in Relation zur Herzfrequenz
als relative QT-Zeit in % der Norm
angegeben.
13
Lektion 2 Ableitung des EKG
Merke
Lektion 2
Das Elektrokardiogramm wird über Elektroden, die gie und Elektrophysiologie praktisch keine Rolle. Bei
auf die Haut aufgesetzt werden, abgeleitet, wobei den Nehb-Ableitungen handelt es sich um bipolare
Elektroden mit entgegengesetzter Polarität bipolare Brustwandableitungen des EKGs mit Ableitungs
Ableitungen darstellen. Eine positive Elektrode mit punkten über der 2. Rippe rechts parasternal, dem
einem indifferenten Referenzpunkt repräsentiert Herzspitzenstoß und der hinteren Axillarlinie links.
eine unipolare Ableitung. Die Größe der einzel Die Extremitätenableitungen projizieren die elek
nen Zacken oder Wellen ist dabei von der Höhe der trischen Vorgänge am Herzen auf die Frontalebene
Ladungsdifferenz in der Vektorrichtung der jewei des Körpers (Abb. 2.1a, b).
ligen Ableitung bestimmt. Das Standard-Oberflä Die Achse der Ableitung I reicht von einem Arm
chen-Elektrokardiogramm umfasst 12 Ableitungen: zum anderen; die negative Elektrode liegt am rech
6 Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) ten Arm, die positive Elektrode am linken Arm,
und 6 Brustwandableitungen (V1–V6). Die Extre sodass die elektrische Erregung von rechts nach
mitätenableitungen gliedern sich in die Einthoven- links verläuft.
Ableitungen I, II, III (diese werden bipolar abgeleitet Die Achse der Ableitung II reicht vom rechten
= bipolare Extremitätenableitungen) und die Gold- Arm zum linken Bein; die negative Elektrode liegt
berger-Ableitungen aVR, aVL, aVF (diese werden am rechten Arm, die positive Elektrode am linken
unipolar abgeleitet = unipolare Extremitätenablei Bein, sodass die Erregung vom rechten Arm zum lin
tungen). Die Ableitungen nach Nehb werden heute ken Bein verläuft.
kaum noch verwendet und spielen in der Kardiolo
D95
UHFKWHU$UP , OLQNHU$UP
D9/
D95 D9/
,
,, ,,,
14
Ableitung des EKG Lektion 2
Medioklavikularlinie rechts
Arm zum linken Bein; die negative Elektrode liegt
Medioklavikularline links
Parasternallinie links
Bein, sodass die Erregung vom linken Arm zum lin
ken Bein verläuft.
Werden die beiden Armelektroden und die Elek
trode vom linken Bein durch einen zentralen Punkt
über einen Widerstand von 5000 Ω verbunden, so
nimmt man an, dass die Potenzialsumme gleich null
ist. Die positiven Elektroden können mit diesem
indifferenten Referenzpunkt verbunden werden
und man erhält die unipolaren Ableitungen aVR,
aVL und aVF.
Die Brustwandableitungen nach Wilson zeigen
1 4. Inter-
dagegen die Projektion der elektrischen Abläufe 2
3R 3 kostalraum
am Herzen (elektrische Vektoren) in der Horizon- 4R 4 5 6 5. Inter-
talebene (Abb. 2.2). Elektrophysikalisch stellen die kostalraum
Brustwandableitungen ebenfalls unipolare Ablei
tungen dar.
Die EKG-Elektroden müssen sorgfältig ange
a
legt werden, um technisch einwandfreie Registrie
rungen zu erhalten. Zunächst befestigt man die 4 V9
V8
Extremitätenkabel nach der „Ampel-Regel“: rech
V7
tes Bein: schwarzes Kabel, rechter Arm: rotes Kabel,
linker Arm: gelbes Kabel, linkes Bein: grünes Kabel V6
(Beginn: rechtes Bein mit „schwarz“, dann: „rot- V6R
gelb-grün“), Abb. 2.3. V5R V5
Die Auswertung des Elektrokardiogramms erfolgt V4R V R V V V V4
b 3 1 2 3
auf kalibriertem EKG-Papier. Spannungsdifferenzen
werden in der Vertikalachse aufgezeichnet, wobei Abb. 2.2 a Projektion der Brustwandableitungen auf die
von der 0-Linie aus betrachtet Ausschläge nach oben Horizontalebene der Ventrikel.
b Die Ableitungsstellen der unipolaren Ableitungen (V1–V6
als positive Zacken, Ausschläge nach unten als nega
Wilson-Ableitungen, V7–V9 sogenannte dorsale Brust
tive Zacken bezeichnet werden. Die übliche Kalib wandableitungen, V3R–V6R rechtsthorakale Ableitungen).
rierung entspricht 10 mm = 1 mVolt (mV). Die Zeit
intervalle werden in der Horizontalachse gemessen,
Lektion 35 (S. 141). Der Papiervorschub beträgt in rung trägt zu einer exakten Zuordnung von patho
Deutschland üblicherweise 50 mm/sek. In diesem logischen EKG-Veränderungen und anatomischen
Fall repräsentiert jedes kleine Quadrat des EKG- Lokalisationen des Herzens bei, z. B. bei der Lokali
Papiers, 1 mm lang, ein Zeitintervall von 0,02 sek sation von Herzinfarkten, Lektion 20 (S. 82).
(20 msek), Abb. 2.4. Es ist besonders wichtig, sich klarzumachen, wel
Für bestimmte Fragestellungen, die noch bespro che Anteile des Herzens in welchen einzelnen Ablei
chen werden, können die an sich üblichen 6 Brust tungen dargestellt werden:
wandableitungen ergänzt werden: ■■ Die Ableitungen II, III und aVF repräsentieren
■■ nach linksdorsal durch die Ableitungen V , V die Hinterwand des linken Ventrikels, genauer
7 8
und V9 gesagt den inferioren (oder diaphragmalen)
■■ nach rechtsthorakal durch die Ableitungen V R, Anteil der Herzhinterwand (inferiore oder dia-
3
V4R phragmale Ableitungen), Abb. 2.1b. Für die pos
Bei den Brustwandableitungen unterscheidet man terioren Abschnitte der Hinterwand existieren
die vorderen (V1–V2), die mittleren (V3–V4) und die im üblichen Ableitungsprogramm keine direkten
seitlichen (V5–V6) Ableitungen. Diese Differenzie Ableitungen (Abb. 2.5).
15
Lektion 2 Ableitung des EKG
0HGLRNODYLNXODUOLQLHUHFKWV
YRUGHUH$[LOODUOLQLHUHFKWV
0HGLRNODYLNXODUOLQHOLQNV
PLWWOHUH$[LOODUOLQLHOLQNV
YRUGHUH$[LOODUOLQLHOLQNV
3DUDVWHUQDOOLQLHUHFKWV
3DUDVWHUQDOOLQLHOLQNV
,QWHU
NRVWDOUDXP
,QWHU
NRVWDOUDXP
5 1 )
/
:LUEHOVlXOH
PP P 9ROWP9
9RUGHUZDQG
SRVWHULRUHU
7HLOGHU
+LQWHUZDQG
LQIHULRUHU7HLO
GHU+LQWHUZDQG
16
Ableitung des EKG Lektion 2
von ST-Strecken-Senkung (bzw. ST-Strecken-Hebung) in ken Ventrikels im Bereich der tiefen Seitenwand
den Ableitungen II, III (und aVF) bzw. I und aVL. Der Pfeil und der Herzspitze (laterale Brustwandablei-
weist auf das reziproke Verhalten von I/aVL gegenüber III tungen).
hin. ■■ V , V und V repräsentieren die Hinterwand des
7 8 9
Herzens im Bereich des linken Ventrikels (strikt
den Ableitungen I und aVL reziproke (spiegelbild posteriore Hinterwand). Da sie aus technischen
liche) ST-Strecken-Senkungen (Abb. 2.6). Gründen nur ausnahmsweise abgeleitet werden,
■■ V und V repräsentieren die Vorderwand der wird erneut deutlich, dass wir im Routinepro
1 2
Ventrikel (vordere oder anteriore Brustwand gramm des 12-Kanal-EKGs keine direkten dorsa
ableitungen bzw. rechtspräkordiale Ableitun- len Ableitungen haben.
gen) (Abb. 2.2). Diese Ableitungen sagen jedoch In der Horizontalebene der Brustwandableitungen
normalerweise wenig über das Verhalten des verhalten sich die vorderen Brustwandableitungen
rechten Ventrikels aus: Will man über Verände V1 und V2 reziprok zu den dorsalen Brustwandab
rungen des rechten Ventrikels, vor allem über leitungen V7, V8 und V9. Dies ist ebenfalls wichtig
einen rechtsventrikulären Infarkt (oder die für die Infarktdiagnostik: Ein akuter Infarkt an der
9 9
:LUEHOVlXOH :LUEHOVlXOH
9 9
6WHUQXP 9 6WHUQXP 9
9
9
D E
Abb. 2.7 a Verhalten der vorderen (V1 und V2) und der hinteren (V7 und V8) Brustwandableitungen: Reziprokes Verhalten
von ST-Strecken-Hebung und ST-Strecken-Senkung.
b Situation bei Rechtsherzhypertrophie. Die vorderen Brustwandableitungen (V1, V2) repräsentieren den rechten Ventri-
kel, die hinteren Brustwandableitungen (V7, V8) verhalten sich dazu reziprok.
17
Lektion 3 Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Vorhoferregung und AV-Überleitung
Merke
Für die richtige Beurteilung des Elektrokardio- repräsentiert typische Abschnitte des Herzens:
gramms ist eine regelrechte und vollständige Ab- ■■ inferiore Ableitungen: II, III, aVF
leitung mit 6 Extremitäten- und 6 Brustwandablei- ■■ anteriore (anteroseptale) Ableitungen: V –V
1 4
tungen auf kalibriertem EKG-Papier notwendig. Die ■■ laterale Ableitungen: I, aVL (hohe Seitenwand);
Lektion 3
Ein normales EKG liegt vor, wenn sich alle Abschnitte überwiegend negativ ist (konkordant negatives
des Elektrokardiogramms nach Form und Zeit regel P, Abb. 3.1); trifft in Ableitung aVR regelhaft zu.
recht verhalten und ein regelmäßiger und normofre Pathologische Befunde der P-Welle betreffen
quenter Sinusrhythmus besteht. Das normale Ver Abweichung von Form und/oder Zeitintervallen.
halten der EKG-Zacken wird in dieser und in Lektion Dabei sind drei Ursachen pathologischer P-Wellen
4 (S. 22), der normale Sinusrhythmus in Lektion 7 bekannt:
(S. 34) beschrieben. ■■ Es besteht ein Sinusrhythmus, das Vorhofmyo
P-Welle
Die P-Welle repräsentiert die Erregungsausbreitung
in den Vorhöfen. Kennzeichen der normalen Vorhof-
erregung (intraatriale Erregungsleitung) ist eine
halbrunde glatte, konvexbogige positive P-Welle,
deren Dauer 0,05–0,10 Sekunden (50–100 msek)
beträgt. Von dieser Form sind zwei Ausnahmen
bekannt, die als physiologische Varianten aufzufas
Abb. 3.1 Darstellung normaler Befunde der Vorhofer-
sen sind: regung. Die P-Welle ist in der Regel positiv (obere EKG-
■■ eine negative P-Welle in V Ableitung), kann aber physiologisch in V1 negativ sein
1
■■ eine negative P-Welle in einer Extremitätenab oder konkordant negativ, wenn der QRS-Komplex in der
leitung, in der auch der zugehörige QRS-Komplex entsprechenden Extremitätenableitung ebenfalls negativ
ist (untere EKG-Ableitung).
18
Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Vorhoferregung und AV-Überleitung Lektion 3
zündlich geschädigt, hypertrophiert, dilatiert). Kammern und erst „rückwärts“ in den Vor
Diese pathologischen Veränderungen führen zu hof. Die P-Welle fällt in den QRS-Komplex oder
Vorhofleitungsstörungen oder intraatrialen erscheint am Ende bzw. nach dem QRS-Komplex
Erregungsausbreitungsstörungen (Abb. 3.2b). (Abb. 3.2d).
In dem erkrankten Vorhofmyokard verläuft die
Erregung abnorm: Abnorm konfigurierte und
PQ-Zeit
meist verlängerte P-Welle.
■■ Die Erregung entsteht ektop (außerhalb des Die PQ-Zeit repräsentiert im Oberflächen-EKG
Sinusknotens an einem abnormen Ort des Vor die Zeit der atrioventrikulären Überleitung. Gän
hofmyokards); in dieser Situation wird die Erre gige Begriffe sind auch PQ-Intervall oder AV-Inter
gung logischerweise auch anders als normal vall. Die PQ-Zeit entspricht dem Zeitintervall vom
über den Vorhof geleitet, folglich ist die P-Welle Beginn der P-Welle bis zum Beginn des QRS-Kom
abnorm konfiguriert (Abb. 3.2c). plexes und beträgt normalerweise 0,12–0,20 sek
■■ Die Erregung entsteht überhaupt nicht im Vor (120–200 msek).
hof, sondern im AV-Knoten, im His-Bündel, in Die PQ-Zeit ist physiologischerweise frequenzab
den Tawara-Schenkeln oder in der Kammer: Die hängig: Je höher die Herzfrequenz, desto kürzer das
Erregung wird retrograd auf den Vorhof über PQ-Intervall. Ist die PQ-Zeit verlängert (> 200 msek),
geleitet, es kommt also zu einer retrograden spricht man von einer verlängerten PQ-Dauer oder
Vorhoferregung. Auch hierbei muss die P-Welle einem verlängerten AV-Intervall. Dies bedeutet,
logischerweise abnorm konfiguriert sein. Außer dass die Erregungsleitung vom Vorhof auf die Kam
dem ist die P-Welle verspätet, denn die Erregung mern pathologisch verlängert ist: Dies wird als AV-
läuft von ihrem Ursprungsort antegrad in die Block I° bezeichnet. Verantwortlich ist hierfür eine
6LQXVUK\WKPXV
/$ /9
5$ 59
D
6LQXVUK\WKPXVPLW
9RUKRIOHLWXQJVVW|UXQJ
/$ /9
5$ 59
HNWRSHU
/9 9RUKRIUK\WKPXV
/$
19
Lektion 3 Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Vorhoferregung und AV-Überleitung
QRUPDO
34
D
VFKQHOOOHLWHQGHU
$9.QRWHQ
QRUPDO
NXU]H34=HLWGXUFK
DWULRQRGXOlUH
/HLWXQJVEDKQ
D -DPHV%QGHO
QRUPDO
Abb. 3.4 a, b Verkürzung der PQ-Zeit
(< 0,12 sek) als Ausdruck zusätzlicher
Leitungsbahnen (z. B. (a) atrionoduläre
3UlH[]LWDWLRQYRP7\S Leitungsbahn = James-Bündel bzw.
GHV:3:6\QGURPV (b) atrioventrikuläre Leitungsbahn =
Kent-Bündel). Beide elektrophysiologi-
E .HQW%QGHO 'HOWD:HOOH schen Phänomene gehören zur Gruppe
der Präexzitationssyndrome.
20
Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Vorhoferregung und AV-Überleitung Lektion 3
21
Lektion 4 Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Kammererregung und Erregungsrückbildung
Lektion 4
Der QRS-Komplex repräsentiert die Erregungsaus rioren Wand (Hinterwandinfarkt; Ableitungen II, III,
breitung in den Kammern (intraventrikuläre Erre aVF), der Lateralwand (Seitenwandinfarkt; Ablei
gungsausbreitung). tungen I, aVL) oder der Vorderwand (Ableitungen
V1–V6) von praktischer Bedeutung. Pathologische
Q-Zacken werden auch bei Patienten mit hypertro
Q pher Kardiomyopathie beobachtet (pathologische
Q (initiale Kammererregung) ist normalerweise Q-Zacken in V1–V3).
eine kleine, spitze, negative Zacke, ≤ 0,03 sek
(30 msek) breit (Abb. 4.1). Q kann physiologischer
R und S
weise in allen Extremitätenableitungen sowie in V5
und V6 vorkommen. In diesen Ableitungen ist ein R und S erfüllen normalerweise folgende Bedingun
pathologisches Q nur anzunehmen, wenn es abnorm gen (Abb. 4.3):
breit (> 0,03 sek, 30 msek) oder abnorm tief (mehr ■■ R und S sind schmale, schlanke, spitze Zacken.
als ¼ der folgenden R-Zacke) ist. Diese Kriterien ■■ In den Brustwandableitungen nimmt R von V –
2
wurden von Pardee beschrieben. Treffen beide Kri V5 an Höhe kontinuierlich zu. Dieses Phänomen
terien zu, spricht man daher auch von einem Par bezeichnet man als R-Aufbau = R-Progression=
dee-Q (Abb. 4.2). In V1–V4 besteht normalerweise R-Entwicklung. Parallel dazu nimmt S von V2–V5
kein Q, hier ist das Auftreten von Q-Zacken immer an Tiefe ab. Den Bereich, in dem R größer wird
pathologisch. als S, bezeichnet man als Umschlagzone. Diese
Ein pathologisches Q ist für die Erkennung eines Umschlagzone liegt normalerweise zwischen V2
abgelaufenen Myokardinfarktes im Bereich der infe und V3 oder zwischen V3 und V4. Ist dieses Krite
rium nicht gegeben, so spricht man von gestörter
oder mangelhafter R-Progression (Abb. 4.4).
Bleibt ein tiefes S bis V6 erhalten, so bezeichnet
man dieses als S-Persistenz (Abb. 4.4). Gestörter
R-Aufbau und S-Persistenz können verschie
Abb. 4.1 Schematische Darstellung der Q-Zacke im dene Ursachen haben, die in Lektion 15 (S. 57)
Elektrokardiogramm. besprochen werden.
Der normale QRS-Komplex erfüllt die besproche
QRUPDOH nen Kriterien der Morphologie von Q, R und S; er
4=DFNH hat eine Breite von 0,06–0,10 sek (60–100 msek).
Ist die intraventrikuläre Erregungsausbreitung (=
DEQRUPWLHIHV4 QRS-Komplex) gestört, so zeigt sich dieses in zwei
! YRQ5 erlei Hinsicht (Abb. 4.5):
■■ Verlängerung der QRS-Dauer
DEQRUPEUHLWHV4
!VHN
5
9
9
9
9
Abb. 4.4 Normale und pathologische
Befunde von R- und S-Zacken im Elekt-
9 rokardiogramm: Verzögerter R-Aufbau,
R-Verlust bzw. S-Persistenz.
/LQNVVFKHQNHOEORFN
9
IDV]LNXOlUHU%ORFN
Å0\RNDUGSUREOHPH´
23
Lektion 4 Analyse der einzelnen EKG-Zacken: Kammererregung und Erregungsrückbildung
-3XQNW
Abb. 4.6 Darstellung der ST-Strecke mit Markierung des Abb. 4.9 Darstellung der T-Welle im Elektrokardiogramm.
J-Punktes.
7 NRQNRUGDQWQHJDWLY
676WUHFNHQ+HEXQJDXV
DEVWHLJHQGHP5
]%,QIDUNW
676WUHFNHQ+HEXQJDXV 7 SUlWHUPLQDOQHJDWLY
DXIVWHLJHQGHP6
]%3HULNDUGLWLV
QRUPDO
67 7 7 Å]HOWI|UPLJ´
DV]HQGLHUHQG
Abb. 4.10 Formen von T-Wellen-Veränderungen im Elekt-
rokardiogramm.
GHV]HQGLHUHQG
Strecken-Hebung) oder ST-Senkung (genauer: ST- überwiegend negativ ist, muss eine gleichzeitige
Strecken-Senkung) darstellen. Bei der ST-Strecken- negative T-Welle nicht sicher pathologisch sein
Hebung ist zu unterscheiden, ob das angehobene („konkordant negatives T“ = Konkordanz zwi
ST-Segment aus dem absteigenden R-Schenkel (eher schen Hauptvektor von QRS und T-Welle, Abb.
typisch für Myokardinfarkt) – Lektion 19 (S. 75) 4.10).
– oder dem aufsteigenden S-Schenkel (eher typisch ■■ In V –V darf die T-Welle höher als ⅔ R sein.
1 3
für Perikarditis) – Lektion 22 (S. 91) – abgeht Folgende typische pathologische Veränderungen
(Abb. 4.7). der T-Welle werden unterschieden (Abb. 4.10):
Bei der ST-Strecken-Senkung unterscheidet man ■■ T-Abflachung, im Extremfall isoelektrisches T
nach deren Form (Verlauf) eine aszendierende, eine ■■ T-Negativierung: Die exakte Beurteilung wird
deszendierende und eine horizontale ST-Strecken- unter Zuhilfenahme des Winkels bestimmt,
Senkung (Abb. 4.8). der durch den absteigenden und aufsteigenden
Schenkel des negativen Anteils von T gebildet
24
Bestimmung des Lagetyps Lektion 5
wird. Durch diesen Winkel wird die Winkelhal ■■ Überhöhte T-Welle: Auffallend hohe T-Welle bei
bierende gelegt. Steht diese senkrecht zur Hori starkem vegetativem Tonus („vegetatives T“)
zontalen (zur isoelektrischen Linie), handelt es ■■ Zeltförmige T-Welle: T ist hoch und spitz; Vor
sich um eine terminal negative T-Welle (auch das kommen beim frischen Myokardinfarkt, Lektion
Ende der T-Welle ist negativ); ist sie geneigt zu 20 (S. 82), und bei Hyperkaliämie, Lektion 23
dieser („spitzer Winkel“), um eine präterminal (S. 95)
negative T-Welle.
Merke
Der QRS-Komplex repräsentiert die intraventrikulä- zu (R-Progression), S an Tiefe ab; die Umschlagzone
re Erregungsausbreitung (Kammerdepolarisation), von R > S liegt zwischen V2 und V3 oder V3 und V4.
ST-Strecke und T-Welle entsprechen der Erregungs- Die ST-Strecke verläuft isoelektrisch, die T-Welle ist
rückbildung (Kammerrepolarisation). Der normale positiv. Typische pathologische Veränderungen der
QRS-Komplex hat eine Dauer von 0,06–0,10 sek ST-Strecke sind ST-Strecken-Senkungen (deszendie-
(60–100 msek). Eine kleine Q-Zacke kann physiolo- rend oder horizontal) und ST-Strecken-Hebungen.
gischerweise in den Extremitätenableitungen sowie Typische pathologische Veränderungen vom T sind
in V5 und V6 vorkommen. In den Brustwandablei- T-Abflachung, präterminale oder terminale T-Nega-
tungen nimmt R von V2–V5 normalerweise an Höhe tivierung sowie überhöhte T-Wellen.
Lektion 5
Als Lagetyp bezeichnet man elektrokardiografisch Der Hauptvektor von QRS (der „Lagetyp“) wird
die Lage des Hauptvektors der intraventrikulären auch als elektrische Herzachse bezeichnet. Er hat
Erregungsausbreitung in Projektion auf die Frontal zunächst mit der morphologisch definierten anato
ebene. Dies bedeutet: mischen Herzachse nichts zu tun, obwohl natürlich
■■ Der Lagetyp eines Elektrokardiogramms ent morphologische und topografische Veränderungen
spricht dem Hauptvektor der intraventrikulären des Herzens den elektrischen Hauptvektor beein
Erregungsausbreitung und wird somit durch den flussen können, z. B. Narben, Herzmuskelhypertro
Hauptvektor von QRS bestimmt. phie oder eine veränderte Thoraxkonfiguration.
■■ Der Lagetyp liegt in Projektion auf die Frontal Dies wird in Lektion 6 (S. 29) besprochen.
ebene und wird somit aus den Extremitätenab- In der frontalen Projektionsebene der elektri
leitungen I, II, III, aVR, aVL und aVF bestimmt. schen Vorgänge am Herzen haben wir als Fixpunkte
Naturgemäß hat auch die Erregungsausbreitung im die Extremitätenableitungen nach Einthoven (II,
Vorhof einen Hauptvektor (Vektor der P-Welle), und II, III) und nach Goldberger (aVR, aVL, aVF) ken
ebenso die Erregungsrückbildung in den Kammern nengelernt (Abb. 2.1). Diese Ableitungen sind im
(Vektor der T-Welle). Diese Vektoren werden bei sogenannten Cabrera-Kreis zusammengefasst. Den
bestimmten Fragestellungen berücksichtigt, werden Ableitungen werden dabei bestimmte Winkelgrade
aber für die Routine-Auswertung von Elektrokardio zugeordnet (Abb. 5.1), die allerdings in der prakti
grammen in der Regel nicht bestimmt. Spricht man schen klinischen Elektrokardiografie keine größere
vom Lagetyp des Elektrokardiogramms, ist defini Rolle spielen, sondern eher bei wissenschaftlichen
tionsgemäß der QRS-Hauptvektor in der Frontal Fragestellungen bestimmt werden.
ebene gemeint.
25
Lektion 5 Bestimmung des Lagetyps
LIIH
6WHLOW \S
UHQ
²D95
FK
scheidet man auch Linkstyp (–aVR bis I: +30 bis 0°) Ableitung II. Dieses würde für einen Indifferenz-
und ausgeprägten Linkstyp (I bis aVL: 0° bis –30°). oder Steiltyp sprechen.
Das Feld jenseits von aVL (also –30° und mehr) wird ■■ Indifferenz- oder Steiltyp? Trennlinie der bei
als überdrehter Linkstyp bezeichnet. den Felder ist Ableitung II. Welche Ableitung
Die Bestimmung des Lagetyps in einem vorlie steht darauf senkrecht? aVL. Die R-Zacke in aVL
genden EKG gelingt nach folgenden Regeln: ist überwiegend positiv. Wenn es ein Steiltyp
1. Weist der tatsächliche Hauptvektor genau auf wäre, müsste aVL aber überwiegend negativ sein
eine Ableitungsachse, so wird die entspre (denn bei tatsächlicher Herzachse im Steiltypfeld
chende Ableitung im EKG rein positiv (R). stünde diese ja mehr als 90° von aVL entfernt).
2. Weist der tatsächliche Hauptvektor genau ent- Also? Es handelt sich um einen Indifferenztyp.
gegengesetzt einer Ableitungsachse, so wird die Ein Flussdiagramm zur vereinfachten Lagetypbe
entsprechende Ableitung im EKG negativ (S). stimmung ist in Abb. 5.3 dargestellt.
3. Liegt der tatsächliche Hauptvektor genau senk- Verwirrspiel –aVR/+aVR: Ordnet man die Extre
recht zu einer Ableitungsachse, so wird die ent mitätenableitungen entsprechend der Anatomie des
Herzens, so fügt sich im Cabrera-Kreis zwischen I
26
Bestimmung des Lagetyps Lektion 5
und II die Ableitung –aVR ein (Abb. 5.2a): aVL, I, – den sind und damit der Lagetyp nicht eindeutig
aVR, II, aVF, III. Tatsächlich wird aber in den meis bestimmbar ist. Man bezeichnet diese Situation als
ten Kliniken und EKG-Labors in traditioneller Weise SI, SII, SIII-Typ (Abb. 5.4a). Eine Sonderform stellt ein
+aVR abgeleitet. Wir haben uns in diesem Buch für EKG dar, in dem nicht nur alle Extremitätenablei
die traditionelle Aufzeichnung mit +aVR entschie tungen ein R und ein S zeigen, sondern R und S etwa
den: I, II, III, aVR, aVL, aVF. Alle EKG-Beispiele sind in gleich groß sind. In einem solchen EKG gibt es the
dieser Form aufgezeichnet. oretisch nur eine Achse, die auf allen Ableitungen
Zwei besondere Lagetypen sollen noch separat der Frontalebene senkrecht steht: die Sagittalachse.
vorgestellt werden: Man bezeichnet diesen Sondertyp daher als Sagit-
taltyp (Abb. 5.4b).
1. SI, SII, SIII-Typ und Sagittaltyp Ein SI, SII, SIII-Typ und Sagittaltyp kommen vor:
Es gibt Elektrokardiogramme, bei denen in allen ■■ bei Rechtsherzbelastung
aVL überwiegend
I aVR negativ = Steiltyp
(+ 60° bis 90°) I II III
II aVL I überwiegend
negativ = Rechtstyp
(+ 90° bis 120°) I II III
III aVF
III überwiegend
negativ = Linkstyp I II III
(+ 30° bis – 30°)
II überwiegend negativ =
überdrehter Linkstyp I II III
+ aVR (< – 30°)
er
eht aVL
b e rdr p aVL überwiegend positiv =
ü y
k st Indifferenztyp I II III
Lin (+ 30° bis + 60°)
r
hte Linkstyp I
e r dre yp I, II überwiegend negativ und
üb htst III, aVR überwiegend positiv = I II III
Rec
Ind
überdrehter Rechtstyp
iffe
p
Steilt yp
tst y
ren
zty
h
– aVR
Rec
III
II
a aVF b
Abb. 5.2 a Bestimmung der elektrischen Herzachse aus 2 charakteristischen Ableitungen (praktisches Vorgehen anhand
eines Fall-Beispiels, Erklärung im Text). b Bestimmung der verschiedenen Lagetypen im Elektrokardiogramm.
,QZHOFKHU$EOHLWXQJLVW456DPJU|WHQ"
, ,, ,,,
456LQ,," 456LQD9/" 456LQD95"
27
Lektion 5 Bestimmung des Lagetyps
, ,
,, ,,
,,, ,,,
D95 D95
D9/ D9/
2. SI-QIII-Typ ,,
In Ableitung III findet sich ein auffällig betontes
(oder nach den Pardee-Kriterien pathologisches) Q, ,,,
jedoch ohne Q in den Ableitungen II und aVF (also
den diaphragmalen Nachbarableitungen bei gleich
D95
zeitiger S-Zacke in Ableitung I). Diese Situation
bezeichnet man als SI-QIII-Typ (Abb. 5.5).
D9/
Ein SI-QIII-Typ kommt vor:
■■ bei Rechtsbelastung des Herzens (z. B. bei
Lungenembolie) D9)
■■ bei abnormer Thoraxkonfiguration
Merke
Der Lagetyp entspricht elektrokardiografisch dem unterscheiden sind überdrehter Linkstyp, Linkstyp,
Hauptvektor der intraventrikulären Erregungsaus- Indifferenztyp, Steiltyp, Rechtstyp, überdrehter
breitung in Projektion auf die Frontalebene. Die Rechtstyp. Besondere Lagetypen sind der SI, SII, SIII-
Bestimmung erfolgt dementsprechend aus den Typ und Sagittaltyp, sowie der SI-QIII-Typ.
QRS-Komplexen der 6 Extremitätenableitungen. Zu
28