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MANUSKRIPT

ZUR HOMEPAGE DES BVHE IM INTERNET 2002

zum Thema

Psychogene Gang- und Bewegungsstörung-

- eine heileurythmisch-therapeutische
Fallstudie -

vorgelegt von:
Gisela Bräuner-Gülow
(Heileurythmistin)
2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Heileurythmischer Therapieansatz
1.1 Erscheinungsbild
1.2 Bewegungsbild
1.3 Menschenkundliche Rückschlüsse
1.4 Ziel der heileurythmischen Übungen
1.5 Methodik und Vorgehensweise

2. Übungsaufbau I. Phase
2.1 Aspekte
2.2 Übungsverlauf

3. Übungsaufbau II. Phase


3.1 Aspekte
3.2 Übungsverlauf

4. Übungsaufbau III. Phase


4.1 Aspekte
4.2 Übungsverlauf

5. Zusammenfassung und Ausblick

6. Literatur und Anmerkungen


Vorwort

Mit dieser Dokumentation einer Fallstudie über die Psychogene Gang- und Bewegungsstörung
soll ein Beispiel für erfolgreiche heileurythmische Therapie aufgezeigt werden. Heileurythmie
gehört zu den fünf Kunsttherapien, die von Rudolf Steiner, Ärzten und Künstlern seit 1921
entwickelt und seitdem weiter praktiziert wurden. Durch rhythmisches, d.h. auch tägliches und
regelmäßiges Wiederholen von bestimmten Übungskombinationen wird auf den eigenen
Organismus heilend eingewirkt. Um den Heilungsprozess einzuleiten, wird auf den individuell
motivierten Bewegungsimpuls des Patienten gebaut. Von therapeutischer Seite erfordert das ein
Hintergrundswissen, das die jeweilige Übungsfolge mit der nötigen Didaktik (besonders bei
Kindern und Jugendlichen wichtig) einschließt.
Mit dieser Fallstudie wird nur ein Teil eines integrierten Gesamtkonzepts vorgestellt, das bereits
mit viel Erfolg bei vielen Jugendlichen mit psychogenen Bewegungsstörungen auf der
psychosomatischen Jugendstation der Filderklinik Anwendung fand.
Bei den Krankheitsverläufen sind neben Heileurythmie zusätzlich psychotherapeutische und
medikamentöse Maßnahmen gefordert. Ein äußerer strukturierter stationärer Rahmen setzt
weitere Anhalts- und Orientierungspunkte. Beim vorliegenden Beispiel konnte die Patientin
selbst durch ihr aktives Engagement bei der Heileurythmie ihren Beitrag zu ihrer eigenen
Gesundung leisten.
Aus Gründen des Patientenschutzes wurde hier bewusst auf ein ärztliches Begleitschreiben
verzichtet, da sonst zu sehr auf die Identität der Patientin selbst zurückgeschlossen werden
könnte.
PSYCHOGENE GANG- UND BEWEGUNGSSTÖRUNG
(FALLBEISPIEL ISABEL)1
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Zeitraum der Behandlung :über 5 Monate, dreimal wöchentlich; ca. 55 Therapieeinheiten
à 20 Min. Jahr 2000.

1. Heileurythmischer Therapieansatz

1.1 Erscheinungsbild

Isabel ist ein kräftiges, wohlproportioniertes Mädchen in der Pubertät. Sie hat lockige schwarze
Haare. Sie sitzt im Rollstuhl, mit dem sie geschickt umzugehen versteht. Ein Hörgerät steckt in
ihrem linken Ohr. Sie ist Brillenträgerin. Die ganze rechte Körperseite erscheint spastisch
verkürzt und hochgezogen. Beide Arme sind fest an den Körper gepresst, wobei die linke Hand
besonders durch ihre Pfötchenhaltung auffällt. Dabei ist der Daumen der linken Hand
abgespreizt. Die Knie werden fest aneinander gepresst, die Unterschenkel nach außen gestellt
und die Füße wiederum zueinander gebogen und überkreuzt gehalten. Im Rollstuhl muss sich
Isabel festgurten lassen, um nicht herauszufallen. Sie sitzt rechts-lastig starr mit gekrümmter
Wirbelsäule.

Ihre Sprache kommt schnell, stoßweise und mit südländischem Akzent. Ihr Mienenspiel wechselt
zwischen strahlend und reserviertem Beobachten. So auch erscheint ihr seelisches Verhalten.

Bei Aufforderung zur Bewegung kommentiert sie: „Das kann ich nicht!“ Dann zeigt sie sich
auch zu keiner weiteren Bewegung mehr fähig.

1.2 Bewegungsbild

In Gegenwart Anderer sind keine freien Bewegungen, weder der Arme und Hände, noch der
Beine und Füße möglich. Lediglich der Umgang mit dem Rollstuhl wird vorzugsweise durch die
linke Hand bewerkstelligt. Auffallend ist der demonstrative Gestus ihrer linken Hand bei jeder
Begrüßung: der linke Arm wird von der rechten Hand emporgehoben und die spastisch
anmutende Hand zum Gruß gereicht. Darauf lässt sie beide Arme schwer lastend wieder
heruntersinken. Die Beine bleiben hingegen unbewegt starr in sich verkeilt auf dem Fußbrett des
Rollstuhls stehen.

1.3 Menschenkundliche Rückschlüsse2


Nach den oben genannten Beobachtungen handelt es sich hier um eine hysterische Konstitution.3
Bewusst gezielte Bewegungen bleiben in Gegenwart Anderer stecken und bereits ein Verdacht,
beobachtet zu werden, führt zu einer verstärkten Spastik. Dieses Phänomen scheint
zurückzutreten, wenn sich Isabel unbeobachtet fühlt.4 In Gegenwart Anderer liegt weder ein
unbewußt-träumendes noch ein bewußt-gezieltes Bewegen vor.
Isabel verfügt zwar über eine gewisse Vitalität. Auf der Ebene der Wesensgliederbetrachtung5
zeigt die Hysterie allerdings eine zu schwache Verbindung zwischen Ätherleib und physischem
Leib, wodurch Ich und Astralleib nicht genügend Halt finden.6
Auf der Bewegungsebene wiederum zeigt sich am vorliegenden Fallbeispiel nun das genaue
Gegenteil, nämlich eine geradezu spastisch anmutende Verkrampfung.
Rudolf Steiner äußert sich in Bezug auf Krämpfe dahingehend, dass z.B. durch Schocks der
Astralleib unter Umgehung des Ätherleibes direkt auf den physischen Leib einwirken kann.7
5

Am Beispiel der heileurythmischen Therapiestunde ist die bei diesem Krankheitsbild


entstandene Trennung von Ätherleib und physischem Leib am fast bewegungslos starren Körper
besonders gut sichtbar, der hier nicht mehr in einem ätherischen Bewegungsstrom mitgeführt
wird.

1.4 Ziel der heileurythmischen Übungen

Der therapeutische Weg verfolgt nun das Ziel, die pathologische Verhaltensweise durch
Bewegungsdisziplin über ein unbewußt-träumendes Bewegen zu einem bewußt-gezielten
Bewegen zu verwandeln.
Dabei soll der zu direkte Zugriff des Astralleibes auf den physischen Leib abgeschwächt werden,
d.h. dem Ätherleib soll mehr Raum gegeben werden.
Im vorliegenden Fallbeispiel, bei dem sich tatsächlich keinerlei organischen Befunde nachweisen
lassen, gilt es lediglich, den Astralleib an der Bewegungsgestaltung des Ätherleibes zu
beteiligen.
Damit wird der von Rudolf Steiner in Geisteswissenschaft und Medizin8 beschriebene
hysterische Typus über die heileurythmischen Zielsetzung die gesunde Bindung zum
Stoffwechsel wiederfinden müssen.

1.5 Methodik und Vorgehensweise

Die erstaunliche Nachahmungsfähigkeit, die Isabel zur Schau stellt, hat gezeigt, wie tief äußere
Eindrücke - hier Bewegungspathologien - von ihr aufgenommen und reproduziert werden.
Gerade diesen Umstand nutze ich hier für mein heileurythmisches Vorgehen, das sich in drei
Schritten aufbaut:

• Isabel soll zunächst in die Situation des passiven A n s c h a u e n s der heileurythmischen


Übungen gebracht werden.
• Im zweiten Schritt erfolgt die N a c h a h m u n g der vorgezeigten Bewegungen. Ich baue
auf ihre Nachahmungsfähigkeit – im besten Sinne.
• Mit dem dritten Schritt soll das aktive U m s e t z e n der Übungen zu einer eigenständigen
Handhabung führen, bei der kein direktes Nachahmen mehr vonnöten ist. Diese Phase
soll damit enden, dass Isabel ohne mein aktives Vormachen der Bewegung zu einer
eigenen ätherischen Bewegung fähig wird.

In regelmäßigen Sitzungen wird Isabel ein Übungsaufbau gewahr, der sowohl Arm- als auch
Beinbewegungen zeigt. Dabei wird sie nur angehalten, dem Dargebotenen ihre Aufmerksamkeit
zu schenken. Sollte sie darüber hinaus aber Lust zum Mitmachen haben, kann sie das aus freiem
Entschluss und nach ihrem Gefallen tun. Dabei wird sie angehalten, sich nicht zu
überanstrengen.9
Vor jeder Heileurythmie-Stunde wird die Zeitdauer der Behandlung besprochen, die sie selbst
bestimmen darf.
Der große Vorzug dieser Vorgehensweise ist, dass sich Isabel in Ruhe und ohne Zwang an mich
gewöhnen kann. Das Vertrauen zur heileurythmischen Therapie und zu meiner Person bilden die
Voraussetzungen zum Erfolg.
6

2. Übungsaufbau I. Phase (7-8 Wochen)

Hilfsmittel: Rollstuhl, Seitenstützen, Fußstützen, Beckengurt, Hörgerät, feste Sportschuhe.

Übungen: (Sie werden ihr dargeboten; sie sieht dabei meist zu, beginnt aber auch schon z.T.
nachzuahmen)

IAO. I-Beinstreckung. U mit den Beinen.


7-teilige Stabübung. Stabrollen über die Arme.
Stabwerfen von Hand zu Hand. R mit Stab.
U-Übung: Arme - Beine - Arme im Stehen.

2.1 Aspekte

IAO

Ausgehend vom 1. Vortrag „Heileurythmie“ verbindet die IAO-Übung drei geometrische


Elemente: die Mittelsenkrechte (Wirbelsäule), den Winkel (Beine) und den Kreis (Arme). Die
Wesensglieder werden dabei angeregt, ihre natürliche Verbindung zueinander wieder
herzustellen.10
Durch das regelmäßige Anschauen dieser drei Haltungen (der Laute I, A und O) soll in Isabel der
ausgewogene Bezug zu ihrer eigenen Gestalt wieder aufgebaut werden.

I und U

Die Vokalübungen I und U fördern das Gehen und Stehen.11 In beiden Übungen wird die rechte
und linke Körperseite in unterschiedlicher Weise angesprochen: bei der I-Übung der gezielte
Schritt, der zum freien Gang wird; bei der U-Übung die aufrecht stehende Gestalt in ihrer
parallelen Ausrichtung (Beine, Arme). Gehen und Stehen soll über I und U als grundlegende
menschliche Fähigkeit neu erfasst werden.

Stabübungen

Die Stabübungen sollen auf den Leib strukturierend einwirken.12 Der Stab vermittelt sowohl
Raumorientierung als auch Abgrenzung nach außen; er gibt der Patientin äußeren Halt. Durch
ihn wird der Tastsinn bzw. die Eigenwahrnehmung angesprochen.13
Der 7-teiligen Übung gebe ich den Vorzug, da der Körper über sie in ein adäquates Verhältnis
zur Dreidimensionalität des Raumes gestellt werden kann. Diese Übung lässt sich auch in einem
Rollstuhl sitzend ausführen.
Die nachfolgend beschriebenen freien Variationen im Umgang mit dem Stab sollen Isabel auf
ein geschicktes Umgehen mit dem Stab, besonders mit den Händen, vorbereiten.

R mit dem Stab

Die R-Bewegung mit dem Stab hat folgende Funktion: als Luft- oder Zitterlaut setzt hier eine
leichte und doch kraftvolle Bewegung ein, die nach Rudolf Steiner „die umfassendste“ ist.14 Sie
wird bei Ausscheidungsproblemen bevorzugt eingesetzt,15 vor allem wenn es sich um ein
rhythmisches Problem handelt. Nach Rudolf Steiner steht das R dem Astralleib nahe: im
Verhältnis zur Luft, zum „Innen und Außen“ 16, zum Anspannen und Loslassen. Der Stab ist
7

zunächst als Orientierungshilfe für Isabel gedacht. Hände, Finger und Arme werden durch ihn
bewusst koordiniert.

U-Übung

Wie schon angesprochen, fördert vor allem das U die Fähigkeit zum Stehen-Können. Hier erfolgt
im Nacheinander des Übungsablaufes Arm-Bewegung, Bein-Bewegung und wieder Arm-
Bewegung. Ein rhythmischer Zusammenhang der Gliedmaßen wird gesucht und zum Erleben
gebracht.17

Schaubilder einiger Lautübungen


2.2 Übungsverlauf

Wie oben erwähnt, darf Isabel vor Beginn der jeweiligen Therapieeinheit selbst die Zeitdauer
bestimmen. Meist liegt der Zeitraum zwischen 15 - 20 Minuten.
Um aus didaktischen Gründen mit Isabel auf gleicher Höhe und in vergleichbarer Position zu
sein, setze ich mich ihr im Abstand gegenüber.
Die Stunde beginne ich mit der IAO-Übung. Isabel schaut mir dabei mit der ihr eigenen
Mischung aus Neugier und Skepsis zu. In den ersten Tagen ändert sich an ihrem passiven
Verhalten nichts. Danach beginne ich sie zu fragen, ob sie Lust zum Mitmachen habe...
Statt einer Antwort versucht sie für die Mittelsenkrechte der I-Streckung aus ihrer linkslastigen,
verkrümmten Haltung etwas zur Mitte zu rücken. Den leicht geneigten Kopf hebt sie ruckartig
nach oben mit Blick an die Decke. Ab der 3. Woche etwa bewegt sie auch ihre Hände zu einer
Andeutung eines O-Kreises, linksseitig verschoben. Die Arme lässt sie auf dem Schoß liegen.
Den Beinen ist keine Bewegung anzusehen. Sie bleiben reglos ineinander verkeilt. Anstatt weiter
zu sitzen, stelle ich mich ihr nun gegenüber.

Für die folgenden Übungen entwickle ich die Bewegungen allerdings wieder ganz aus ihrer
Sitzposition heraus:

I - Streckung der Beine


U - parallele Beine

Ich ziele dabei abwechselnd mit dem einen, dann dem anderen Bein nach vorn, wobei ich die
rechte und die linke Seite jeweils benenne. Schließlich führe ich die Beine zusammen, um sie
geschlossen auf den Zehenballenstand zu heben und zu senken. Eine Steigerung erfolgt durch ein
langsam hochgehobenes paralleles Strecken und Senken.
Isabel beobachtet mich mit aufmerksamer Distanz. In der I. Phase bleiben ihre Beine reglos.
Nachdem ich sie um Erlaubnis gebeten habe, gestattet sie mir, eine I-Streckung an ihren Beinen
vorzunehmen. Dabei erlebe ich den enormen Widerstand, der sich in der Muskulatur aufgebaut
hat. Vor allem ihr linkes Bein ist kaum von der Stelle zu bringen. Danach schnappen die Füße in
ihre starr überkreuzte Position zurück.

Stabübungen (7-teilig)

Ich nehme einen Kupferstab und führe ihr die 7-teilige Übung vor. Da sie mir interessiert
zusieht, nutze ich die Gelegenheit, um ihr den Stab zum Anfühlen und Halten anzubieten. Sie
nimmt an. Interessiert steigt sie auch ins Gespräch über unsere Übung ein.
Im Verlauf darf ich ihr einen Stab reichen, mit dem sie zaghaft meinen Bewegungsvorgaben zu
folgen beginnt. Ihre Arme hebt sie nur wenig vom Schoß; die linke Seite verbleibt eindeutig
tiefer als die rechte. Sie streckt die Arme nicht. Zunächst sacken sie nach jeder einzelnen
Stabrichtung herunter. Später setzt eine größere Kontinuität ein. Zum Schluss ist sie erschöpft.
Bis zur vollständigen Streckung und damit Bewältigung dieser Übung wird es noch ein weiter
Weg sein.

Stabrollen und Stabwerfen.

Ich lasse den Stab auf meinen ausgestreckt geöffneten Armen mehrmals hin- und zurückrollen.
Werfe ihn danach in die Luft und fange ihn wieder. Oder ich werfe den Stab von einer Hand zur
anderen hin und her.
9

Eines Tages werfe ich ihr den Stab ohne jede Vorwarnung spontan einmal waagrecht herüber.
Immerhin fahren ihre Hände da genauso spontan vor. Mit der rechten Hand greift sie
angemessen zu, doch die linke Hand lässt ihn fallen. Mit der rechten wirft sie mir auch den Stab
zurück. Es ist unser erstes Spiel, ein Geben und Nehmen ...

R mit Stab.

Jetzt lasse ich vor ihren Augen den waagrecht gehaltenen Stab vorwärtsrollend kreisen. Ich
untermale diesen Bewegungsvorgang damit, dass ich sie auf den Wind draußen hinweise, der oft
in ähnlichen Wirbeln in Blätter und Staub hineinfährt: damit zeige ich ihr, dass unser Leib,
unsere Arme, unsere Hände ebenso leicht und luftig sein können, ferner, dass im gesprochenen R
auch die Luft herumwirbelt. Sie schmunzelt bei meiner Vorführung. Wir probieren danach beide,
ob wir gemeinsam ein rollendes R sprechen können. Das macht ihr Spaß!

U-Übung

Ich stehe ihr gegenüber. Dem Beispiel meiner parallel liegenden Arme folgt sie schon nach
einigen Tagen ohne meine Aufforderung, zwar mühsam und schief. Dabei reißt sie die Arme
hoch über ihren Kopf, mit der charakteristischen Linkslastigkeit.
Noch bleibt sie bei meiner Bewegungsarbeit mit ihren Beinen passiv. Sie beobachtet mich dafür
aufmerksam-distanziert, wie ich mich Schritt für Schritt parallel auf den Zehenballen hoch und
ab bewege, vor- und rückwärts. Danach macht Isabel die U-Bewegungen mit den Armen wieder
engagiert mit.

3. Übungsaufbau II. Phase (ca. 6 Wochen)

Hilfsmittel: Rollstuhl, später ein einfacher Stuhl. Gehwagen. Hörgerät. Feste Sportschuhe. Auf
Beckengurt und Seitenstützen kann inzwischen verzichtet werden.

Übungen:

IAO, A-U-Beine, I-Beinstreckung, I-Schritte. U-Schritte. Stabübungen. R mit


Stab. R mit Beinen. M-Schritte. Fußrollen- und Kugelübungen. Große U-Übung.

3.1 Aspekte

A-U
Die Kombination von A und U soll den atmenden Wechsel zwischen Weiten und parallelem
Zusammenziehen verbessern. Sowohl bei der Arm- wie auch bei der Beinbewegung ziele ich auf
ihre eigene Empfindung bei dem angesprochenen – symmetrisch gestalteten - Wechsel an ihrer
Gestalt.

R mit den Beinen

Die R-Bewegung soll, wie oben angesprochen, ihre direkte Wirkung in Hinblick auf die
Darmentleerung durch eine eigene Rollbewegung der Gliedmaßen und des Rumpfes ausüben. Da
bei Isabel diesbezüglich infolge des monatelangen Sitzens keine Regelmäßigkeit zu beobachten
ist, hat diese Übung zweierlei Ziel: den Rhythmus zur Darmentleerung in Gang zu bringen und
10

zweitens die Beine aus ihrer Erstarrung behutsam zu befreien. Dabei soll sich der Astralleib an
der Gestaltung der ätherischen Bewegung beteiligen und die Muskulatur geschmeidig werden.18

M-Beine, M-Schritte

Dieser Übung kommt für den neu zu erlernenden Gang in aufrechter Haltung die Aufgabe einer
fließenden Bewegung zu und ist so etwas wie der „Atem“ des Schrittes, der nicht ins Stocken
geraten soll. Dabei lernt Isabel das fließende Abrollen des Fußes, das tastende Ausgleichen
zwischen Stand- und Spielbein. Der ansonsten selbstverständliche Bezug der Füße zum
Erdboden soll gefördert, der „im Gleichgewicht seiner Kräfte befindliche Mensch“ angestrebt
werden. 19

Fußrollen- und Kugel-Übungen

Die Fußrollen- und Kugelübungen dienen dazu, die eigene Geschicklichkeit zu fördern. Mit den
Händen soll das Greifen und Halten der Kugeln geübt werden. Das Verhältnis von rechter und
linker Körperseite erfährt durch Rolle und Kugel Zentrierung und Koordination. Das
Bewusstsein für den eigenen Körper wird am Fremdkörper weiter geweckt.20

3.2 Übungsverlauf

Im Übergang von der I. zur II. Phase beginnt sie ihre Füße bereits selbstständiger zu bewegen.
Sie versucht, die von mir geführte Bewegung ihrer Beine und Arme (immer mit ihrer
ausdrücklichen Erlaubnis!) zu begleiten. Zwischendurch löse ich meine Hände, um zu sehen, ob
sie den begonnenen Bewegungsimpuls aufnimmt und fortsetzt. Das gelingt bei A und U (Öffnen
und Schließen) schon ruckweise.
Eine Steigerung tritt mit der IAO-Übung ein, da Isabel ihre Füße selbständig im Winkel zu
öffnen beginnt und sie ihre zuvor noch abgestützten Arme in der O-Haltung jetzt freier trägt.
Jedes Schließen der Füße ist nachfolgend noch mit einer ruckartigen übereinander liegenden
Verschränkung verbunden.
In dieser Phase durchläuft Isabel die aufgeführten Übungen (s. o.) in einem Prozess des
schrittweisen Selbständigerwerdens. Was den Bewegungen noch fehlt, ist die den einzelnen
Übungen zugrundeliegende unterschiedliche Eigendynamik. Dagegen wird sie von mir bei jedem
Übungsversuch, dem sie bereitwillig folgt, auch ermuntert. Korrekturen werden von mir - so sie
überhaupt einmal nötig werden – so vorgebracht, dass Isabel sie nicht als Kritik ihrer
Bewegungen versteht. Diese Vorgehensweise zeigt sich als positiv in Isabels uneingeschränkter
Bereitwilligkeit, indem sie regelmäßig zu allen Heileurythmiestunden kommt.
Es ist vielmehr ein Vertrauensverhältnis entstanden, das ihr ermöglicht, stückchenweise aus der
spastisch erscheinenden Verkrampfung herauszukommen. Wie empfindlich sie aber noch auf die
äußere Umgebung reagiert, zeigt das spontane Zurückzucken in eine einmal gewohnt gewordene
Haltung.
Die folgenden Etappen ihrer Befreiung zeigen sich deutlich im Weglassen können des
Beckengurtes und der Seitenstützen und dem Wechsel vom Rollstuhl auf einen einfachen Stuhl.
Der Gehwagen, in der Krankengymnastik eingesetzt, wird auf der Station und in den
Heileurythmie-Übungen gleich ebenfalls mitbenutzt.
Mit ihm lassen sich IAO, A-U, I-Schritt und U-Stand-Bewegungen üben. Zur rollenden R-
Bewegung mit Stab und R mit den Beinen setzt sich Isabel wieder hin. Auch die bereits
geschilderten Übungen mit dem Stab erfolgen frei sitzend auf dem Stuhl. Zum Gehen im M-
Schritt stellt sich Isabel wieder in den Gehwagen. Die große U-Übung muss noch sitzend
11

vorgenommen werden. Doch bewegt sie hier ihre Füße schon selbständiger in der Auf- und
Abwärtsbewegung.

Von zunächst schleppenden Schritten in gebeugt-lastender Haltung des Oberkörpers gelangt


Isabel am Ende der II. Phase zu einer wesentlich aufrechteren Haltung im Gehwagen.
Auch im Sitzen handhabt sie die Stabübungen inzwischen sehr viel spontaner. Der bisher eng am
Körper hoch gezogene linke Arm lässt mehr Spielraum: Isabel beginnt den Stab zwar noch
schief, aber frei zu halten. Immer seltener greife ich daher direkt in einzelne Bewegungsabläufe
ein (Beinübungen).
Auf die letzte Phase, in der die Übungen von mir nur noch teilweise begleitend angeführt werden
und Isabel ihre Selbständigkeit wiederzugewinnen beginnt, wird im folgenden Kapitel
eingegangen.

4. Übungsaufbau III. Phase / 5 Wochen

Hilfsmittel: Zwei bzw. 1 Krücke. Sportschuhe, später Sportsocken.


Weggefallen sind: Gehwagen, Krücken, Hörgerät, Sportschuhe, Übungen im Sitzen und
Hilfestellung bei einzelnen Bein-Übungen. Zum Schluss mein aktives Mitmachen.

Übungen:

1. Vokalischer Teil: IAO, A-U Arme; Beine. U-Schritte. I-Schritte mit I-Arm dazu.
2. Stabübungen: 7-teilige, 12-teilige, Spirale, Wasserfall, Werfen.
3. Konsonantischer Teil: Stoffwechselübungen: R, S mit O-Beinstand. B Arme und Beine. M-
Kiebitzschritt und Kiebitzsprung.
4. Teil. Grosse U-Übung mit Sprechen - Bewegen - Hören.

4.1 Aspekte

Das heileurythmische Ziel ist es, die Patientin über die symmetrisch angelegten
Vokalbewegungen zu ihrer natürlichen Mittelsenkrechten zurückzuführen. Damit werden die
beschriebenen Vokalübungen beibehalten, doch bilden sie jetzt nur die Einleitung des Übkanons.
In Isabel soll das Gefühl für einen rhythmischen Wechsel von Arm- und Beinbewegungen
angeregt werden21, was bis in deren sichere Handhabung führen soll.
Den Stabübungen kommt hier eine Mittlerstellung zwischen dem vokalisch-symmetrischen und
dem konsonantisch-dynamischen Übungsteil zu. Durch den Stab erfährt Isabel eine Art von
ä u ß e r e r R e a l i t ä t , die sie gestalten soll. Statik und Symmetrie, sowie geschickte
Handhabung am äußeren Objekt sollen erreicht werden. Für den Ausführenden erlebbar, den
Therapeuten sichtbar, werden bei den Stabübungen das räumliche Maß (7-teilig), das Verhältnis
von leicht und schwer (12-teilig), das Verdichten und Weiten (Spirale), die Mutprobe bei
„Wasserfall“ und „Stabwerfen“ zentrale Mittel, der Person wieder einen angemessenen Bezug zu
ihrer Umwelt zu vermitteln.22

Mit den Stoffwechselübungen rückt danach eine andere Aufgabe ins Blickfeld: Diese verlangen
von der Patientin ein Gestalten im Ätherischen und bedeutet zugleich ein i n n e r e s
W a h r n e h m e n . Zuständen wie Wärme und Luft (R), Wärme und Form (S), Wärme und
12

plastischer Fülle (B) und sanftem Widerstand (M) wird über die heileurythmische Bewegung
nachgespürt. Hierbei verzichtet sie ganz auf ein äußeres Objekt wie z.B. den Stab.
Damit kommen der S- und B-Übung Form- bzw. Hülle gebende Wirkungen zu, die bei Isabels
hysterischer Konstitution für Ernüchterung und Begrenzung sorgen.
Mit der M-Kiebitz-Übung soll Ertüchtigung und ein sich Beherrschen erreicht werden. Einem
möglichen Überwältigt-werden durch den Stoffwechsel wird die ausgleichende M-Bewegung
beruhigend entgegengebracht.23
Den Beinen kommt hier eine eigenständige Aufgabe zu, die in der Bewältigung verschiedener
Beinstellungen und -sprünge liegt. Isabel kann auf diese Weise an ihrem Stoffwechselrhythmus
gezielt arbeiten und dabei ihre ganze Gestalt neu erfassen.24

4.2 Übungsverlauf

Inzwischen beginnt es für Isabel wie selbstverständlich zu werden, ihre Fortschritte bezüglich
freierer Bewegungen nicht nur im geschützten therapeutischen Rahmen zu zeigen, sondern auch
vor ihren Mitpatientinnen auf der Station. Vereinbart wird, dass sie auf den Gehwagen
verzichtet, dafür aber zunächst zwei Krücken benutzen darf. Mit ihnen kommt sie in die
Heileurythmie-Stunde. Der Stuhl wird ab jetzt, mit Ausnahme der Ruhepausen, nicht mehr zum
Üben benötigt. Isabel stellt sich ohne Krücken an die Wand. So entstehen die meisten o. g.
Übungen zuerst in der Nähe einer möglichen Stütze.
Auf meinen Vorschlag hin, sich mit einem Schritt von der Wand zu lösen, beginnt der
entscheidende Moment der wirklich freien heileurythmischen Bewegung. Mit Staunen
beobachten wir auf der Station, wie Isabel die Unabhängigkeit von Stützen bewältigt: Aus zwei
Krücken wird eine, aus der einen keine mehr. Sie betritt frei, zwar noch mit den Fingern an den
Wänden entlangtastend, mein Therapiezimmer. Sie entfernt sich täglich mehr von der Wand und
braucht auch zwischendurch kaum mehr Sitzpausen.
Isabel vermag inzwischen fast seitengleich beide Arme weit über ihren Kopf zu heben
(Vokalübungen, Stabübungen); sie kann geschickter mit dem Stab umgehen (Wasserfall und
Werfen) und weitere schwierige Aufgaben bewältigen: die Konsonantenübungen S mit O-Bein-
Stand, B-Arme und B-Beinschritte sowie M-Arme mit Kiebitz-Schlagsprung. Verblüffend ist
auch für Isabel selbst die neu errungene Fähigkeit. Sie zeigt noch eine gewisse Hast, mit der sie
ihre Übungen durchführt, so als traue sie es sich selbst nicht recht zu. Manchmal beobachte ich
sie allerdings auch mit wieder nach innen gedrehten Füßen und leichtem Hinken: Die alten
Gewohnheiten setzen sich in manchen Momenten wieder einmal durch.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Was wurde durch Heileurythmie erreicht? Ein an den Rollstuhl gefesseltes 13-/14-jähriges
Mädchen wurde im Laufe von 5 Monaten dazu gebracht, sich wieder frei und ohne fremde Hilfe
zu bewegen. Dreimal wöchentlich erfolgten insgesamt 55 Therapieeinheiten zwischen 15 und 20
Minuten.
Mit der hier dargestellten Methode wurde ein Weg aufgezeigt, auf dem die Patientin in
freilassender Weise über das reine Anschauen von heileurythmischen Bewegungsabläufen über
die Nachahmung schließlich wieder zur eigenen Gestaltungskraft angeregt wurde.
Die Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen lag im Verzicht auf jeglichen Zwang von
außen; es wurde keine Kritik bezüglich ihrer Körperhaltung und Bewegung ausgesprochen.
Entscheidend für die heileurythmische Therapie war wiederum ihre Fähigkeit der Nachahmung,
13

welche positiv eingesetzt wurde. Ebenso wichtig aber war auch das Vertrauen in das gesamte
Pflegeteam, einschließlich Ärzte und Therapeuten.
Die Patientin hatte eine hysterische Konstitution, die zuvor in anderen Kliniken nicht richtig
erkannt wurde und so zu einer Verschlechterung ihres Zustandes beigetragen hatte. Die
schließlich in der Filderklinik erkannte, richtige Diagnostik bildete die Grundlage für das hier
vorgestellte heileurythmische Konzept.

War zu Beginn der Ausführung noch die Rede von einer Erstarrung der Gliedmaßen, die sich in
Gegenwart anderer weiter verstärkte, löste sich diese besonders in der Schlussphase fast völlig.
Nur in Gegenwart Fremder konnte es wieder passieren, dass am Ende noch leichte Hinweise in
der anfangs geschilderte Bewegung auftauchten.
Die oben angesprochene Lockerung des ätherischen vom physischen Leib (s. 1.3.) konnte sich
bei der Patientin wieder festigen. Das zeigte die koordinierte und geschmeidigere Bewegung der
einzelnen Gliedmaßen. Auch lernte es die Patientin, ihre Arme und Beine in sehr
gegensätzlichen Bewegungstempi und -abläufen zu koordinieren: Der Astralleib konnte - statt
der zu starren Bindung an den physischen Leib – sich wieder mehr lösen und gestaltend am
Ätherleib betätigen.

Besonders die Stoffwechselübungen verhalfen der Patientin mehr Abstand von äußeren
Sinneseindrücken zu gewinnen. In dem Maße, wie die Patientin ihren Stoffwechsel gestaltend
anzuregen vermochte (Verdauung, Ausscheidung, Zirkulation), wurde dem Astralleib seine
eigentliche Aufgabe in diesem Bereich zugewiesen: er wurde viel stärker an den Stoffwechsel
gebunden.
Die Patientin begann dann auch außerhalb der Heileurythmiestunden – entsprechend ihrem
jugendlichen Alter - Bewegungen aus sich selbst heraus gezielt zu entwickeln: Das geschah wohl
im Nachklang dessen, was sie selbst in der Heileurythmiestunde erreichte, vor allem durch ihr
eigenes aktives Engagement. Der therapeutische Erfolg schließlich gipfelte darin, dass die
Patientin bei den Übungen nicht mehr mir weiter zusah wie am Anfang , sondern inzwischen ich
ihr.

Ein halbes Jahr nach der Entlassung kam Isabel noch einmal zu einem abschließenden
psychotherapeutischen Gespräch. Ohne Restbestände früherer Bewegungsauffälligkeiten ging sie
jetzt aufrecht einher.
14

Literatur - Anmerkungen

1
Name und Daten sind aus Gründen des Datenschutzes und der medizinischen Schweigepflicht
verändert. Mit dieser Veränderung hat die Betroffene und ihre Familie einer Veröffentlichung
zugestimmt. Die Überweisung erfolgte durch Dr. K.H. Ruckgaber, der Kinder und
Jugendpsychiater der Filderklinik ist. Das gesamte Rahmenprogramm umfasste neben
medizinischen und pflegerischen Maßnahmen auch familientherapeutische sowie
psychotherapeutische Gespräche. Hinzu traten Aktivitäten innerhalb der Gruppe der
Jugendstation in der Filderklinik. Neben Heileurythmie wurde Krankengymnastik sowie
Maltherapie durchgeführt. Nicht zuletzt durch das Zusammenwirken dieser einzelnen
Therapieformen wurde der angestrebte Erfolg auch erreicht.
2
Hinsichtlich der „Leibesorganisationen“ des Menschen, wie sie von Rudolf Steiner entwickelt
werden, kann in diesem kurzen Rahmen eines Fallbeispieles - neben den Anmerkungen Nr.5 -
nur weiter verwiesen werden. So u.a. bei Markus Treichler - der unserer Abteilung
„Künstlerischer Therapien“ der Filderklinik als Leitender Arzt vorsteht - mit seinem Buch
Sprechstunde Psychotherapie. Krisen - Krankheiten an Leib und Seele. Wege zur
Bewältigung. Stuttgart 1993. In dem Abschnitt über „Anorexie und Bulimie in Bezug zu den
acht ‚Leibesorganisationen’ des Menschen“ (S.268) bilden acht Leibesorganisationen wichtige
Kategorien zur Ausdifferenzierung bzw. Unterscheidung hier von Anorexie und Bulimie.
Diese Kategorien gelten natürlich auch für andere Krankheiten wie der psychogenen Gang-
und Bewegungsstörung. Das Kapitel „Das Menschenbild der anthroposophischen Medizin“
(S.94-104) öffnet den Blick darüber hinaus noch weiter zu einem allgemeinen Verständnis
anthroposophischer Medizin.
3
Rudolf Steiner: Geisteswissenschaft und Medizin. GA 312. März bis 9.April 1920 (Erster
Ärztekurs). 2.Vortrag . Basel 1937. S.18ff.
4
Die hysterische Symptomatik, die hier zur Krankheit gehört, ist sehr stark umgebungsbezogen
und von Zuschauern abhängig. Sie ist oft eine „Darstellung“, die die Mitmenschen
beeindrucken und überzeugen soll. Dabei gilt die hysterische Symptomdarstellung gar nicht
nur den Zuschauern, sondern, vielleicht sogar in erster Linie, dem hysterisch leidenden
Menschen selbst: Er soll auch selbst überzeugt und beeindruckt werden von seiner Situation
des Leidens, von der Berechtigung seiner Wünsche und Gefühle. Bei hysterischen Patienten
kann man immer wieder bemerken, dass sie im Vergleich zu gesunden übermäßig stark von
ihren elementaren, leibhaften Wünschen, Gefühlen und Bedürfnissen bestimmt werden und
dabei Teile ihres Denkens, Fühlens und Wollens mehr und mehr ihrer bewussten, ichhaften
Kontrolle und Gestaltung entgleiten. In: Treichler, Markus: Sprechstunde Psychotherapie.
Krisen - Krankheiten an Leib und Seele. Wege zur Bewältigung. Stuttgart 1993. S.371ff.
5
Wesensglieder des Menschen:
Den mit den Sinnen direkt wahrnehmbaren physischen Leib haben Mensch, Tier und Pflanze in
Bezug auf Stoffe und Gesetze mit der leblosen mineralischen Welt gemeinsam.
Der wesentliche Schritt von der Anorganik des Mineralischen zur Organik aller lebenden
Organismen ist das Ergebnis der Wirksamkeit der Lebensorganisation (Ätherleib), die eine
Gestaltbildung durch Stoffwechsel, Wachstum, Regeneration und Fortpflanzung möglich
werden lässt.
Die Empfindungsorganisation (Astralleib) als Träger von Trieben, Instinkten und gefühlshafter
Innerlichkeit, die auch Eigenbewegung möglich werden lässt, haben Mensch und Tier
gemeinsam.
Des Menschen Selbstbewusstsein und Selbstbeherrschung, die Möglichkeit, sich als
Individualität zu begreifen, die der Welt erkennend und verantwortlich handelnd
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gegenübersteht, ist in seinem geistigen Wesenskern, dem Ich, begründet. Dieses ist die
eigentliche menschliche, weil geistige, Dimension, aus der heraus der Mensch Kultur schafft
und lernend seine Biographie durchläuft.
Die genannte Vierheit bewirkt eine differenzierte funktionelle Gliederung des Menschen und
die Grundgesetzlichkeiten seines Wesens. Der physische Leib ist durch die natürlichen
Sinnesorgane wahrnehmbar, die drei anderen Wesensglieder nicht. Sie können zunächst nur
mittelbar an ihren Wirkungen im Bereich der sinnlichen Phänomene erkannt werden.
(Zusammengestellt aus Teilen des Textes ,,„Anthroposophische Medizin"“ eines
Autorenkollektivs in WELEDA Korrespondenzblätter für Ärzte, Sonderheft 1996, Seite 6/7.)
6
Margarete Kirchner-Bockholt: Grundelemente der Heileurythmie. Dornach 1962. S.154.
Kirchner-Bockholt schreibt dazu: „(...) sie gehen durch die Organoberflächen hindurch und
fließen aus. Während beim epileptischen Krankheitsbild eine Stauung von Ich und Astralleib
an der Oberfläche der Organe stattfindet, weil diese Wiederstand leisten, sind bei der Hysterie
die Organe wie Siebe. Ich und Astralleib rinnen aus, und es bleibt in den Organen nicht
genügend astralische und Ich-Tätigkeit zurück. Dieses Ausrinnen ist wörtlich zu nehmen – die
Sekretionen, besonders Schweiß- und Urinabsonderungen, werden davon betroffen.“ Siehe
auch ausführlich bei Rudolf Steiner: Heilpädagogischer Kurs. (GA 317). Vortrag vom
28.6.1924. 5.Auflage. Dornach 1975. S.64f.
7
Ebda; siehe auch Kirchner-Bockholt, Margarete: Grundelemente der Heileurythmie. S. 129:
„(...) Bei Aufregungen und Schocks greift der Astralleib – ohne Vermittlung des Ätherleibes –
direkt in das Physische ein, was in Krämpfen und auch in verstärkter Sekretion zum Ausdruck
kommt.(...)“
8
Steiner, Rudolf: Geisteswissenschaften und Medizin. Ebda.
9
Hier folgte ich einmal dem Gedanken der paradoxen Intervention, in der die Patientin in eine
für sie überraschende Lage gebracht wird, über die sie selbst wieder einen Schritt weiter
kommen kann (Salvador Minuchin).
10
Steiner, Rudolf: Heileurythmie. GA 315. 4.Auflage. Dornach 1981. S.19.
11
Ebda. S.22.
12
Kirchner-Bockholt, Margarete: a.a.O. S.88f.
13
Steiner, Rudolf: Die zwölf Sinne des Menschen in ihrer Beziehung zu Imagination, Inspiration
und Intuition. In: Geisteswissenschaft als Erkenntnis der Grundimpulse sozialer Gestaltung.
(GA 199) (1920). Dornach/Schweiz: Rudolf Steiner Verlag, 2. Aufl. 1985, Vortrag vom
08.08.1920.
14
Steiner, Rudolf: Heileurythmie, S.38.
15
Ebda. S.55.
16
Ebda. S. 38.
17
Ebda. S.24f.
18
Kirchner-Bockholt, Margarete: a.a.O. S.116ff.
19
Ebda., S.145.
20
Vgl. Anmerkung 10.
21
Siehe Steiner, Rudolf: Heileurythmie. 2.Vortrag.
22
Kirchner-Bockholt, Margarete: a.a.O. S 88ff. und Steiner, Rudolf: Anthroposophie,
Psychosophie, Pneumatosophie. (GA 115) (1909/10/11). Vortrag vom 26.10.1909. 3. Aufl.
Dornach/Schweiz 1980.
23
Ebda., S.147.
24
Steiner, Rudolf: Heileurythmie, 4.Vortrag.

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