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Peter Buchner

INNERE FÜHRUNG - Organisationskultur für den Frieden?

Pflichten und Tugenden - normative Forderungen an den Soldaten.


Gliederung:

1. Mit dem Tugendboom auf dem Rückweg zum preußischen


Soldatentum?
1.1 Themenerfassung: Zwischen Verhaltenssicherheit
und persönlicher Freiheit.
1.2 Begriffsbestimmungen
1.3 Hypothese

2. Hauptteil
2.1 Die normative Funktion und der Wirkmechanismus von
Pflichten und Tugenden
2.1.1 Denken-Wahrnehmen-Handeln: Grundtätigkeiten der
Menschen
2.1.2 Normenbildung als Komplexitätsreduzierung
2.1.3 Normen als Sinnstifter: soziologische Aspekte
2.1.4 Normen als Einstellungen: psychologische
Aspekte
2.1.5 Normen als Sinnbilder: Aspekte der
Organisationskultur

2.2 Die Pflichten der Soldaten der Bundeswehr und die


soldatische Auftragserfüllung
2.2.1 Historische Grundlegung des Soldatenbildes in
der Bundeswehr
2.2.2 Befunde im Streit um die Innere Führung
2.2.3 Gesetzliche Pflichten der Soldaten und ihre
Ausgestaltung
2.3 Wesensgehalt des Tugendbegriffes
2.3.1 Typologie der Tugenden
2.3.2 Phänomenologie der Tugenden
2.3.3 Rekonstruktion des soldatischen Tugendbegriffes
2.4 Freiräume für einen Tugendbegriff in der
Konzeption Innere Führung
2.4.1 Einbindung der Menschen in soziale Systeme
2.4.2 Funktionalität als primäre Begründung
2.4.3 Legalität als Ausdruck der Einordnung in die
Staatsgewalt
2.4.4 Akzeptanz als Zustimmung der Soldaten zu den
Normen
2.4.5 Legitimität als Ausdruck des Verhältnisses der
Bundeswehr zur Gesellschaft
2.4.6 Menschenbild-Bürgerverständnis-Auftrag: Das
Leitbild vom Staatsbürger in Uniform
2.4.7 3 gute Gründe gegen die Verwendung eines
soldatischen Tugendbegriffes in der Bundeswehr

3.Ein neues Bild für neue Aufgaben?

4.Anhang
4.1 Anmerkungen
4.2 Literaturverzeichnis
4.3 Anlagen
-1-

1.1 Boom der Tugenden:


Das Buch der Tugenden von Ulrich Wickert erfreut sich großer
Beliebtheit. Cora Stephans "Neue deutsche Etikette" steht dem
nicht nach. Gebriele Krone-Schmalz sagt, "was Deutschland
jetzt tun muß" verwundern. Muß sich der Bürger da nicht
wundern? Woher kommt der Boom auf Handlungsanweisungen? Ist
es die Furcht, daß die deutsche Gesellschaft ihren Halt
verliert, weil wir nur noch nach Selbstverwirklichung streben?
Oder beruhigen die Bücher nur das Gewissen, um um unser
Handeln nicht ändern zu müssen.

Als Soldat hat man es da leichter. Die Berufsgruppe, die zur


Gemeinschaft verpflichtet und zur Treue verdonnert ist, kennt
man seine Pflicht. Handelt man dann aber auch tugendhaft?
Seit der Gründung der Bundeswehr sind immer wieder Stimmen zu
hören, die zum traditionellen Soldatenbild zurück wollen. Da
stellt sich die Frage, ob es noch ein traditionell geprägtes
deutsches Soldatentum geben kann, oder ist es nur die
vergoldete Erinnerung an eine "gute alte Zeit"? Dazu muß
zuerst beantwortet werden, ob die Freiräume der Inneren
Führung von einem soldatischen Tugendbegriff ausgefüllt werden
können. Nur dann kann die Erinnerung in die Tat umgesetzt
werden.

1.2 Themenerfassung:
Die Arbeit untersucht die Frage, ob es in der Konzeption
Innere Führung Freiräume für einen soldatischen Tugendbegriff
gibt. Dazu wird gefragt, nach welchen Maßstäben die Soldaten
der Bundeswehr ihr Verhalten richten können. Diese Frage war
unterschwellig immer Bestandteil der Auseinandersetzung um das
Bild des Soldaten. Ihr wird erneut Aufmerksamkeit geschenkt,
zu stellen sein, weil sich auf der einen Seite die
-2-

sicherheitspolitische Lage grundlegend verändert hat, und weil


sich auf der anderen Seite die Bundeswehr nunnmehr als
Streitmacht eines souveränen Staates von wirtschaftlicher
Potenz vor der Wahrnehmung neuer, weitergehender Aufgaben
steht. Dafür brauchen die Soldaten Normen für ihr Handeln.

Trotz dieser Veränderungen behält die Innere Führung ihre


Gültigkeit. Deshalb muß hinterfragt werden, die Festschreibung
soldatischer Tugenden das Selbst- und Fremdbild der Soldaten
verbessern kann.
Dazu werden zuerst die normativen Forderungen an die Soldaten
dargestellt. Um die Vorbestimmung durch die Begriffswahl zu
entgehen, wird ein neues Modell aufgestellt. Daraus wird die
Wechselwirkung zwischen dem einzelnen mit der Organisation und
mit der Gesellschaft entwickelt. Anschließend werden sowohl
das Pflichtenbild zusammengestellt als auch ein Tugendbild
rekonstruiert. Das Tugendbild wird dann in den Facetten
Semantik, Funktion und Berechtigung mit den Vorgaben der
Inneren Führung konfrontiert. Dann sollen alle die Anteile als
Freiräume für den Tugendbegriff in der Inneren Führung zur
Übernahme vorgeschlagen werden, die nicht gegen ihre Ansprüche
verstoßen und mit denen die Leistung der Streitkräfte
gesteigert werden kann. Von der Betrachtung ausgeklammert wird
der militärische Erziehungsbegriff, mit dem die Tugenden
vermittelt werden müssen.

1.3 Begriffsbestimmungen:
Soziales System: Einheit, die einen Bezug zu Menschen hat und
durch eine Unterscheidung von der Umwelt abgrenzbar ist. Die
Unterscheidung ist sowohl für das System selbst als auch für
Außenstehende beobachtbar.
Umwelt: Alle Alle Strukturen und Prozesse, die außerhalb des
sozialen Systems liegen.
-3-

1.4 Hypothese
Die Implementierung eines Tugendbildes für Soldaten würde dem
Vorgesetzten einen Zugriff auf die Untergebenen sichern, der
über die Grenzen der rechtlichen Vorgaben hinausgeht. Es
beinhaltet den Zugriff auf die Persönlichkeit. Das schließt
dabei den weltanschaulichen Bereich ein. Damit überragt es die
militärischen Pflichten. Als Folge werden die
gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge mit den soldatischen
Tugenden hinter dem militärischen Subsystem angestellt.
Die normative Forderung nach dem tugendhaften Soldaten ist ein
Schritt zu einer Militarisierung der Lebenswelt und ein
Schritt weg von der Inneren Führung. Nur sie kann jedoch
zwischen den Rollen der Soldaten ausgleichen kann.

2.1 Die normative Funktion und der Wirkungsmechanismus von


Tugenden:
Der Menschen muß sich in seinem Denken und Handeln in seiner
sozialen Umwelt zurechtfinden. Das bedeutet, daß er sich an
einen Sinn orientiert oder auf ein Ziel richtet. Die Frage,
warum der Mensch so handelt, kennt viele Antworten - eine
davon erklärt das Verhalten mit Normen.

2.1.1 Denken-Wahrnehmen-Handeln: Grundtätigkeiten der


Menschen
Dem Menschen werden die drei grundlegenden Tätigkeiten
Wahrnehmen, Denken und Handeln zugeschrieben.1 Der einzelne
erscheint in dieser Betrachtungsweise als Input-Output-Modell
(Abbildung 1). Der Mensch tritt darin auf zwei Arten mit
seiner Umwelt in Kontakt. Mit Bewertungen, die dem Denken
entspringen, selektiert er seine Wahrnehmungen, d.h. der Input
wird gefiltert. Daraus werden Handlungen als Output initiiert,
-4-

mit denen er sich der Umwelt offenbart.


In diesem Modell werden die vielfältigen Begriffe, die in den
Sozialwissenschaften zu finden sind, den drei grundlegenden
Tätigkeiten zugeordnet.

Mit jeder Handlung wird der einzelne beobachtbar (Anlage 2).


Dadurch erhälter Antwort auf die zentrale Frage, was soll ich
tun, eine weitere Dimension. Neben die Sachdimension tritt ein
sozialer Aspekt, der den Bezug zum Mitmenschen herstellt.
Diese Dimension wird mit den Begriffen des Verhaltens als der
Wirkung auf den Gegenüber und als Erleben, der Beobachtung2 des
Verhaltens des Gegenübers, erfaßt.

2.1.2 Normenbildung als Komplexitätsreduzierung


Da jeder mehrere Gegenüber hat, ist er in unterschiedliche
soziale Beziehungen eingeordnet. Deshalb entstehen schnell
komplexe Beziehungmuster, in denen sich der einzelne seine
Verhaltensweisen auswählen muß.3 Um in dieser Situation
angemessen auf die Umwelt reagieren zu können, bilden Normen
Stabilisatoren für das Verhalten4. Die Normen wirken zweifach
auf die Individuen. Einerseits bieten sie
Verhaltenssicherheit, indem sie die Kontingenz5 verringern.
Andererseits schränken sie die individuelle Freiheit ein,
indem sie Handlungsmöglichkeiten ausschließen.6 Diese Funktion
erfüllen die Normen als Filter für die Wahrnehmung, als
Maßstäbe des Denkens und als Handlungsmaßstäbe . Die
Ausformung von Normen kann einerseits durch Pflichten oder
andererseits durch Tugenden erfolgen.7 Beim einzelnen werden
die Normen im Charakter verankert.8 Durch die Normenbildung
entsteht ein neues soziales System als neue soziale Tatsache9.
Darin drückt sich das Verhältnis des Individuums zum sozialen
System aus. Der Bestand des sozialen Systems kann solange als
gesichert angenommen werden, wie entweder das Normensystem
-5-

widerspruchsfrei hingenommen oder solange ein Zwang auf den


einzelnen ausgeübt wird. Ist das nicht mehr der Fall, so fällt
z.B. eine soziale Gruppe entweder in eine Konfliktphase10
zurück oder es kommt zur Auflösung der Gruppe. Dann bildet
sich entweder eine neue Gruppe mit neuen Mitgliedern oder ein
neues Normensystem aus.

Für die Bundeswehr ergibt sich mit diesem Modell das folgende
Bild: Die Soldaten sind Mitglieder unterschiedlicher sozialer
Gruppen und nehmen unterschiedliche Rollen wahr. Eine davon
ist die Soldatenrolle. Um die Konflikte bewältigen zu können,
die zwischen den Rollen entstehen, ist es wichtig, daß die
Normen in der Bundeswehr sowohl durch die Gesellschaft als
auch von der Organisation anerkannt und von ihren Mitgliedern
akzeptiert werden. Nur dann erfüllen die Normen ihre Funktion
in dreifacher hinsicht. Sie liefern Verhaltenssicherheit bei
hohen physischen und psychischen Belastungen, sie ermöglichen
Verhaltensorientierung bei unterschiedlichen, z.T.
widersprüchlichen Anforderungen und sie drücken zu guter letzt
die politische Dimension des soldatischen Handelns dadurch
aus, daß sie die Gestaltungsaufgabe unterstreichen, die mit
dem soldatischen Dienst einhergeht und oft von individuellen
Entscheidungen abhängen.

2.1.3 Normen als Sinnstifter: soziologische Aspekte


Bei der Beobachtung eines sozialen Systems ist ein Innen und
ein Außen erkennbar. Das Verhalten der Mitglieder erscheint
dem außenstehenden Beobachter regelmäßig, dem Innenstehenden
liefert es Verhaltenssicherheit fürs Handeln und eine
konstante Verhaltenserwartung an die anderen Mitglieder. Das
bedeutet, daß sie das Verhalten der Mitglieder prägen, indem
sie Interaktionsprozesse steuern und die
Handlungszusammenhänge strukturieren. Da die Verhaltensmuster
-6-

auf das Ziel einer Gruppe orientiert sind, drücken sie den
Sinn des sozialen Systems aus. Für die Mitglieder bedeutet
das, daß sie sich mit der Beachtung der Normen auf das Ziel
zubewegen. Somit kann man sagen, daß die Normen den Sinn
repräsentieren. Dadurch werden die Normen für sie
Sinnstifter.11

2.1.4 Normen als Einstellungen: psychologische Aspekte

Die Akzeptanz der Normen vom einzelnen verschafft ihnen die


Wirkung als Maßstäbe . Sie drückt sich z.B. in
Unterscheidungen nach gut und böse oder richtig und falsch
aus. Mit diesen Einstellungen findet das Individuum seinen
wertenden Bezug zu seiner Umwelt. Keller führt aus, daß im
Sinnkonzept Umweltverständnis, Lebensperspektive, Identität
und das aktuelle Handeln integriert sind.12 Damit verknüpfen
Pflichten und Tugenden die Identität mit der Soldatenrolle.13
Die Festlegungen des Handelns drücken sich sowohl in der
Arbeitsleistung, dem Sachaspekt, als auch in der gegenseitigen
kameradschaftlichen Bindung als Beziehungsaspekt aus.14 Der
einzelne fühlt in den Normen das Verhältnis von Recht und
Pflicht, das ihm Entscheidungmöglichkeiten sichert, und die
Verantwortung für diese Entscheidung überträgt.

2.1.5 Normen als Sinnbilder: Aspekte der


Organisationskultur
Aus dem Blickwinkel der Organisationslehre wirken Normen als
Symbolisierungen von Sinn. Der Symbolbegriff wird dabei
verstanden als etwas Konkretes, das getrenntes zusammenfügt
und eine übertragene Bedeutung hat.15 Für die Führung der
Organisation folgt bei einer symbolischen Führung, daß
gegenüber der situativen Führung die ganze Organisation auf
das Ziel hin ausgerichtet wird. Das ermöglicht jedem,
-7-

"bestimmtes Handeln bei anderen (zu) unterstellen und sein


eigenes Handeln vor dem Eintreten von Konsequenzen des
Handelns anderer (zu) planen und (zu) realisieren."16 In diesem
Prozeß erkennt Neuberger die beiden Komponenten der
symbolisierten und der symbolisierenden Führung. Während in
erster die Handlungssteuerung in den Symbolen repräsentiert
wird, zeichnet die symbolisierende Führung das Sinnbild, d.h.
sie schreibt den Fakten den Sinn zu. Hier erscheinen erneut
die konstitutive und die regulative Funktion der Normen. In
diesem Sinne sind Pflichten und Tugenden Konkretisierungen des
Denkens und Handelns. Pflichten selektieren mit der
Unterscheidung Pflichterfüllung oder nicht, während Tugenden
zwischen soldatisch und unsoldatisch unterscheiden. Damit
werden die Wahrnehmungen in kontextorientierte Handlung
überführt. Die Symbolisierung hat eine strukturelle Funktion17,
die bei hoher Personalfluktuation stabilisierend auf das
innere Gefüge wirkt.

2.2 Die Pflichten der Soldaten der Bundeswehr und die


soldatische Auftragserfüllung
2.2.1 Historische Grundlegung des Soldatenbildes in der
Bundeswehr
Mit der Bundeswehr wurde eine Streitkraft neu geschaffen und
dabei in die demokratische Bundesrepublik eingefügt.18 In
dieser Situation konnte an vergangene deutsche Armeen nicht
mehr angeknüpft werden. Sie passte mit ihrem Soldatenbild
nicht mehr zur neuerrichteten Staatsordnung.19
Das neue Bild des Soldaten war der Staatsbürger, der in der
Tradition der Aufklärung der geborene Verteiddiger seines
Landes ist. Er muß die Werteordnung, die er verteidigt, im
täglichen Dienst erleben. Das drückt die Rechtsfigur des
Staatsbürgers in Uniform aus.20
-8-

Die neugeborene Bundeswehr wurde in die Exekutive eingebettet;


damit wird sie vom Parlament kontrolliert und an das Gesetz
gebunden sowie dem Urteil der unabhängigen Gerichtsbarkeit
unterworfen. Das Prinzip von Befehl und Gehorsam wurde an den
Auftrag gekoppelt. Die Vorgesetztenfunktion und damit die
Befehlsgewalt ist auf den Auftrag gerichtet und auf den engen
persönlichen Bezug beschränkt.

Daraus erwächst auf der einen Seite die persönliche Freiheit


der Soldaten und auf der anderen Seite die Verantwortung für
das eigene Tun. Es gibt damit keinen Befehlsnotstand mehr.

2.2.2 Befunde im Streit um die Innere Führung


Mit der Einführung der Inneren Führung begann der Streit um
die Konzeption. Bereits unter dem zweiten
Verteidigungsminister Strauß gewannen restaurative Tendenzen
die Oberhand. In einer "unheiligen Allianz" verbanden sich
"Pragmatiker und Technokraten, die in der Stunde des Machens
das Sagen hatten, und zu denen sich schnell die
Traditionalisten gesellten (...) um mit ihren Vorschriften und
ihren Erfahrungen"21 das Reformkonzept zu unterlaufen. Mit der
Integration des Grenzschutzes erlebte diese
traditionalistische Tendenz einen weiteren Anschub. Wie weit
diese diese Entgleisungen gehen konnte, läßt sich z.B. an den
Vorgängen in Calw und Nagold ermessen, in denen das
Menschenbild dem Korpsgeist geopfert und die Kritik vollmundig
zurückgewiesen wurde. Schließlich artikuliert sich
traditionelles Soldatentum erneut 1969, als der Inspekteur für
das Heer eine "von der Gesellschaft abgegrenzte Kampf-,
Schicksals- und Notgemeinschaft"22 forderte, sekundiert von
seinem stellvertreter Grashey, der "die Maske der Inneren
Führung" ablegen möchte. Scheinbar liegt es im Wesen des
traditionalistischen Gedankengutes, im Falle äußerer
-9-

Widerstände in stiller Ruhe zu überwintern. Dann stellt sich


gerade heute wieder die Frage, ob es sich aus seiner Latenz
befreit, und ob sich mit den erweiterten Aufgaben der
Bundeswehr wieder ein Soldatenbild manifestiert, das einem
militaristischen Geist nehesteht. Grundlage eines derartigen
Bildes könnte ein soldatischer Tugendbegriff sein.

2.2.3 Gesetzliche Pflichten der Soldaten und ihre


Ausgestaltung
Das Soldatenbild ist im Soldatengesetz niedergeschrieben.
Ausgangspunkt ist das Menschenbild des Grundgesetzes. Die
Pflichten sind explizit im Gesetz niedergelegt. Es sind
Gehorsam, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit und Verschwiegenheit.
Schließlich wird mit der Grundpflicht der Soldaten - Treues
Dienen und Tapferkeit - eine umfassende Pflicht begründet, die
als Orientierung bei Kollision der Einzelpflichten dient.
Darüber hinaus ist der Soldat zum Wohnen in der
Gemeinschaftunterkunft und zur Teilnahme an der
Truppenverpflegung verpflichtet.
Die Pflichten sind im täglichen Dienst wahrnehmbar. Sie leiten
das Denken und Handeln aller Soldaten. Mit ihrer
Selektionsfunktion trennen sie auftragsorientiertes Verhalten
von Erleben von Willkür. Als Sinnstifter schöpfen sie ihre
Wirkung aus Prinzipien, die außerhalb des Pflichtenkanons
liegen. Sie liegen im christlich-abendländischen Menschenbild
von Freiheit und Verantwortlickeit. Diese Bild ist im
Grundgesetz verankert. Damit sind Pflichten ex ante keine
Sinnstifter, sondern sie zeigen Rahmenbedingungen für die
Sinnverwirklichung auf. Dadurch liefern sie ex post den Sinn
für die Durchführung der Erhaltung der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung. Aus der Mündigkeit der Soldaten
folgt, daß derjenige, der die Pflichten anerkennt, diese als
-10-

Einstellungen übernommen hat. Als Sinnbilder geben Sie den Weg


vor, auf dem die Werteordnung erhalten wird. Im Gegensatz zu
einem situativen Führungsverständnis23, das nach einer
richtigen Lösung sucht, legen die Pflichten die Grenzen fest,
die das Handeln beschränken.

2.3 Wesensgehalt des Tugendbegriffes


Neben der Ausformulierung soldatischer Normen in Form von
Pflichten besteht die Möglichkeit Tugenden festzulegen. Sie
wurden in der Vergangenheit in Tugendkatalogen zusammengefaßt.
Die sittlichen Haltungen als Beweggründe für werthaftes Tun
bezeichnet man als Tugenden.24

2.3.1 Typologie der Tugenden

Die Kardinaltugenden sind Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit,


Zucht und Maß25. Sie wurden im 17. Jahrhundert in Fleiß,
Gehorsam, Demut und Gerechtigkeit transformiert, um
schließlich in den bürgerlichen Tugenden Wahrhaftigkeit,
Hilfe, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Tapferkeit die
Geschichtslosigkeit der einfachen Sittlichkeit auszudrücken.26
Darüber stehen die christlichen Tugenden Glaube, Liebe und
Hoffnung.27 Nitzsche führt die Tugenden Redlichkeit,
Tapferkeit, Großmut und Höflichkeit an, und Schleiermacher
formuliert Weisheit, Liebe, Besonnenheit und Tapferkeit als
Tugenden.28 Tolerant, Fairplay und Zivilcourage könnten moderne
Tugenden sein.

2.3.2 Phänomenologie der Tugenden


Nach der der Begriffe geht der Blick nun zu den
Erscheinungsweisen.29 Dazu muß man die Unterscheidung erfassen,
die Tugenden treffen. Es ist zu prüfen, ob "der Beobachter,
der die Unterscheidung macht, und schon deshalb in ihr nicht
-11-

vorkommen kann, sich selbst einen Platz auf der ihm


bevorzugten Seite sichert."30

2.3.3 Rekonstruktion des soldatischen Tugendbegriffes


In Deutschen Reich bestand eine besondere Hinwendung zum
Militär. Die Gesellschaft übernahm die soldatischen Tugenden.
Selbst der König hatte sich dem Militärischen untergeordnet.31
Dieses Bild vom Militär soll im folgenden als Tugendbild
bezeichnet werden. Es äußerte sich auch in der Bundeswehr.
Zuletzt wurde nach dem Golfkrieg ein Diskurs ausgetragen. Das
Bild des Bundeswehrsoldaten sollte wieder am "Kämpfertum"
orientiert werden.32

Die Bezeichnungen für soldatische Tugenden sind vielfältig.


Sie reichen von der Trias Pflicht, Ehre, Vaterland33, über
Ritterlichkeit, Selbstzucht und Strenge34, zu Opferbereitschaft
und Freimut35. Schließlich zählen Korpsgeist36, Tapferkeit, Mut
und Bescheidenheit 37 als erstrebenswert. Es sind aber auch
Tugenden zu finden, die in der Nähe der Pflichten des
Soldatengesetzes liegen. Dienst für das Gemeinwohl, Treue und
Kameradschaft38 stehen dafür. Aber auch so fragwürdige Tugenden
sind zu finden, wie fragloser Gehorsam39 und Überspitzungen wie
Strammstehen, Maulhalten, Befehle befolgen.40 Portner erstellt
aus der Sicht der Wehrpädagogik einen Tugendkatalog, der der
Inneren Führung nahe steht.41

Nun stellt sich die Frage, welchen Sinn Tugenden vermitteln


können. Karst folgert aus dem Gewaltbezug, daß es etwas
Soldatisches geben muß. Aus dem Anwenden und Ertragen von
Gewalt folgt das "sui generis". Es entsteht das Bild der
"Kampf-, Schicksals- und Notgemeinschaft".

Die Tugenden beeinflussen auch die Wahrnehmung der Soldaten.


-12-

Dabei wird nach soldatisch-unsoldatisch unterschieden. Dadurch


sind sie nicht auf Komplexität orientiert, sondern
unterscheiden binär.

Einstellungen, die man aus den Tugenden übernimmt, sind


Einzelanweisungen für Handlungen. Die situativen Führung hat
die Konsequenz, daß "solche Ansätze abgesehen von jener
unfaßbaren Komplexität, Widerspruchsfreiheit, Mehrdeutigkeit,
unberechenbaren Dynamik und Instabilitä, die zahlreiche
Entscheidungssituationen kennzeichnen. Situative Führung setzt
Eindeutigkeit, Klarheit, Transparenz, Objektivität voraus oder
muß sie erst herbeiführen, um angewendet werden zu können."42

Diese Begriffsvielfalt deutet auf die Situationsabhängigkeit


der Tugenden hin. Damit bleibt die Eindeutigkeit, die für
Maßstäbe nötig ist, auf der Strecke.

2.4 Freiräume für einen Tugendbegriff in der Konzeption


Innere Führung
2.4.1 Einbindung der Menschen in soziale Systeme
Die Auseinandersetzung um Normen ist die Frage nach der
Integration von Individuen in Organisationen. Es muß
beantwortet werden, wie weit es gerechtfertigt ist, die
Persönlichkeit einzuschränken, um gemeinschaftlich ein Ziel zu
erreichen. Welche Eingriffe der einzelne zulassen muß, wird
anhand der Beziehungen in der Organisation gemessen.

2.4.2 Funktionalität als primäre Begründung


Die Organisation ist mit Blick auf ein bestimmtes Ziel
entstanden. Deshalb ist die Zielerreichung ein erstes
Kriterium, das zu erfüllen ist. In der Bundeswehr bezeichnet
man das als Auftragserfüllung. Man versteht darunter die
Fähigkeit und Bereitschaft, einen bewaffneten Angriff
-13-

abzuwehren und die territoriale Integrität des Staatsgebietes


zu erhalten sowie bei humanitären Aktionen zu unterstützen und
den Menschenrechten Geltung zu verschaffen.

2.4.3 Legalität als Ausdruck der Einordnung in die


Staatsgewalt
Um die Organisation in den Staat zu integrieren, muß sie mit
den konstituierenden Prizipien des Staates übereinstimmen. Das
muß sowohl vom einzelnen als auch der Gesellschaft so
wahrgenommen werden. Legalität ist die Rechtkonformität der
Organisation. Die Bundeswehr steht unter dem Grundgesetz, sie
ist an Recht und Gesetz gebunden, und sie unterliegt damit der
unabhängigen Rechtsprechung. Die Grundrechte gelten auch für
die Soldaten der Bundeswehr. Das Sinnbild, das dahinter steht,
ist das Menschenbild des Grundgesetzes. Es liefert die
Grenzen, die die Organisation in Bezug auf den Soldaten nicht
überschreiten darf.

2.4.4 Akzeptanz als Zustimmung der Soldaten zu den Normen


Um den personellen Bestand zu sichern, müssen die Mitglieder
der Organisation zustimmen, d.h. sie müssen bereit sein, sich
den Normen unterzuordnen. Dazu müssen sie die Normen in ihr
Denken übernehmen und die Entscheidungen und das Handeln daran
ausrichten. Der Soldat schöpft die Einsicht, die Werteordnung
zu schützen, z.B. aus dem staatsbürgerlihen Unterricht.

2.4.5 Legitimität als Ausdruck des Verhältnisses der


Bundeswehr zur Gesellschaft
Schließlich muß die Organisation von der Gesellschaft
anerkannt werden. Organisationen, die ihre Legitimität
einbüßen, verschwinden mit der Zeit, weil die Mitglieder im
Rollenkonflikt dem Druck der Gesellscahft weichen oder die
Organisation schottet sich nach außen ab.
-14-

2.4.6 Menschenbild-Bürgerverständnis-Auftrag: Das Leitbild


vom Staatsbürger in Uniform
Die Begriffsvielfalt der Tugenden zeigt die
Situationsabhängigkeit an. Die Eindeutigkeit als Maßstab
bleibt auf der Strecke. Die Begriffsunschärfe verhindert die
Operationalisierung. Sie sind funktionalistisch geprägt. Ihrem
Charakter nach sind es Konvention.43 Es entsteht die Gefahr,
daß der Mensch zur trivialen Maschine degeneriert. Tugenden
sind dann Übertragungsmechanismus in einem Reiz-Reaktions-
Schema.

Wenn man Entscheidungen trifft, geschieht das mit Blick auf


die Bewertung der Vorgesetzten. Er verfügt über die Wahrheit.
Das Verhalten wird dabei an einem diffusen Bild aus
Einzelkriterien gemessen. Das erlebt der Soldat als
Fehlersuche, weil die Wahrscheinlichkeit, in der Vielfalt der
Tugenden einen Verstoß zu begehen, sehr groß ist. Dem steht
das moderne Gefecht gegenüber. Es verlangt den mitdenkenden
Soldaten, der im Sinne der übergeordneten Absicht handelt und
der den Frieden bewahren kann. Befreit aus dem Würgegriff der
Konventionen44, ist er eine freie Persönlichkeit.

Die Legalität erhalten Pflichten kraft Gesetz, Tugenden aus


dem Soldatenethos. Deshalb stehe sie außerhalb des rechtlichen
Rahmens und verlieren ihre Legalität. Die Akzeptanz erhalten
die Tugenden als Kodex. Solange jedoch die Soldaten als freie
Persönlichkeit anerkannt sind, müssen sie sich den regeln
selbst unterwerfen.

Die phänomenologische Sicht zeigt, nach welchen Kriterien45


Denken und Handeln bewertet werden. Subjektivität zieht dort
ein, wo der Beobachter sich selbst auf die "gute Seite" der
-15-

Unterscheidung stellt. Damit wird die Unterscheidung zum


Machtfaktor. Auf die Wahrnehmung der Soldaten wirken die
Tugenden, indem sie die "schlechte Seite" der Unterscheidung
ausblenden. Der Soldat wird bei Fehlern disziplinierend auf
den Pfad der Tugend zurückgeholt. Damit wird die Amtsautorität
der Vorgesetzten untermauert und Rigorosität und
Kritiklosigkeit institutionalisiert. Bildet man einen
Oberbegriff46 über alle Phänomene, so lautet der Imperativ für
die Untergebenen: Verhalte Dich so, daß es dem Vorgesetzten
gefällt. Beim Dienstzeitausgleich47 empfinden viele ihre
Zugriffsmöglichkeiten zu stark eingeschränkt. Der
uneingeschränkte Zugriff entfremdet die Bundeswehr von der
Gesellschaft. Die Schnez-Studie, die die Einschränkung des
"Mißbrauchs der Rechte"48 einzelner Untergebener fordert, hebt
die soldatische Tugend schließlich über das Recht. Aber auch
die Forderung nach Pflichtbewußtsein49 deutet darauf hin, weil
es die Tugend fordert, die Gesetze einzuhalten.

Die genuin militärische Sprache unterstreicht den Abstand zur


Gesellschaft. Sie bleibt dem Klischee unsoldatisch verhaftet.
Das Ethos führt zur Transzendenz mit der Apokalypse des
"Heldentod auf dem Schlachtfeld"50 als Zeichen höchster
Männlichkeit. Das ist ein Soldatenbild des rohen Kämpfers. Die
Tugend ist für ihn eine instrumentelle Norm. Der Mensch wird
damit zum Mittel einer anderen Zielsetzung.51 Die
verabsolutiert die Eigendynamik die Auftragserfüllung. Der
restaurative Geist52 ist durch Selbstgefälligkeit und
Selbstgerechtigkeit geprägt. Aus der Dienststellung und dem
Dienstgrad werden die Einflußmöglichkeiten abgeleitet. Das
Soldatenethos einführen heißt, den Obrigkeitsstaat wieder zum
Leitbild zu nehmen. Dadurch wird das Militär wieder Antithese
zur Demokratie, und die alte, antidemokratische und
antiliberale Orientierung53 wird neu belebt. Man mißt die
-16-

Handlungen der Soldaten dann an einem Ideal, dem des Ethos vom
Kämpfer.

2.4.7 3 gute Gründe gegen die Verwendung eines


soldatischen Tugendbegriffes in der Bundeswehr
1. Tugenden schränken die Entfaltung der freien
Persönlichkeit der Soldaten ein, indem sie starre
Handlungsschemata festlegen. Sie wirken auf die Soldaten als
Einzelanweisungen. Dadurch verhindern sie den mitdenkenden
Soldaten.

2. Tugenden gründen sich auf ein Soldatenethos, das mit


dem Gewaltbezug begründet wird. Es steht außerhalb der
Werteordnung des Grundgesetzes, und es kann deshalb den Sinn
der Verteidigung nicht begründen. Die Werteordnung bleibt dem
Soldaten verschlossen.

3. Tugenden knüpfen an ein Soldatenbild an, das den Kampf


als Aufgabe vor Augen hat. Die neuen Aufträge der Soldaten
gehen aber darüber hinaus. Soldaten müssen zukünftig
Notleidenden helfen, Frieden bewahren und die Menschen
schützen.

3. Ein neues Bild für neue Aufgaben?


Zukünftig wird sich die Bundeswehr vermehrt an Einsätzen
außerhalb Deutschland beteiligen müssen. Die Soldaten treten
dabei für den Weltfrieden und für die Durchsetzng der
Menschenrechte ein. Das ist auf zweifache Art neu. Auf der
einen Seite werden die Soldaten in den Einsätzen mit Krieg,
Gewalt und den Folgen wie Elend, Not und Leid konfrontiert.
Auf der anderen Seite müssen sie ihren Mann stehen, wenn
zuhause tiefer Frieden herrscht. Dies ist ein willkommener
Anlaß, restauratives Gedankengut wiederzubeleben. Das Bild des
-17-

tugendgeleiteten Soldaten ist ein Ausdruck dieser Gedanken.


Deshalb wurde die Anstrengung unternommen, zu untersuchen, ob
ein Tugendbegriff für Soldaten angewendet werden kann. Er
müßte inerseits die Auftragserfüllung verbessern und
andererseits die Freiräume in der Konzeption der Inneren
Führung füllen. Beides gelingt ihm jedoch nicht. Statt dessen
bindet er das Bild des Soldaten an ein häheres Ethos. Er
schreibt dem Soldatischen eine Wesenseigentümlichkeit zu, die
heute nicht mehr anerkannt wird. Was heute gebraucht wird, ist
vielmehr der mitdenkende Friedensbewahrer. Er schöpft seine
Kraft aus dem Geist der Aufklärung. Das darin begründete
Menschenbild ist das Bild, das er vertritt und für das er sein
Leben einsetzt. Dieses Bild ist nicht an hehere Einsichten und
tiefere Erkenntnisse gebunden, sondern es verpflichtet die
Soldaten der Bundeswehr den politisch definierten Auftrag
pflichtgemäß zu erfüllen. Dafür steht die Forderung nach dem
einsatzbereiten Soldaten. Neben ihm bleibt kein Freiraum für
soldatische Tugenden, wenn man die freie Persönlichkeit achtet
und das Verantwortungsbewußtsein des Staatsbürgers anerkennt.
Damit ist die Zeit des Soldatischen, das Heldenepos auf den
Kämpfer auf einen Platz in der Geschichte verwiesen. Heute muß
das Bild des Staatsbürgers in Uniform die Bundeswehrsoldaten
zur Pflichterfüllung im Einsatz leiten.
-18-

4. Anlagen
4.1 Anmerkungen

Wahrnehmen Denken Handeln

sehen Ziele streiten

hören Motive kämpfen

fühlen Tugenden sprechen

schmecken Pflichten essen

Selbstwahrnehmung Erfahrungen trinken

hungern Erwartungen greifen

dursten Werte bewegen

Normen schmeicheln

Reiz:=Nichtdenken
-19-

1.Hollis, S.67: Die Anlehnung an die empiristische


Auffassung ist sinnvoll, weil der Soldat gewohnt ist, seine
Entscheidungen an einer Lagebeurteilung auszurichten, die er
auf die beobachteten Fakten stützt. Menschen sind dabei
immer ein Faktor, nach dem sich die Entscheidungen richten.

2.Vgl. Kneer, Nassehi, S.95-97, a.a.O.: Im Sinne der


Systemtheorie ist eine Beobachtung eine Unterscheidung, bei
der gleichzeitig eine Seite benannt wird. Eine derartige
Unterscheidung könnte beispielsweise sein: Erfüllung und
Nichterfüllung eines Auftrages. Das was den Auftrag erfüllt,
wird als auftragsgemäß bezeichnet. Soziale Systeme bilden
mit Unterscheidungen ihre Grenzen aus. Luhmann, 1984, S.25,
a.a.O.

3.vgl. Vester, 1975, S.106f, a.a.O: Vester spricht bei der


Abbildung dieser komplexen Umwelt im Gehirn von einer
holographischen Speicherung. Damit drückt er aus, daß es
nicht auf Einzelfakten, sondern auf die Bildverarbeitung als
Ganzes beim Ablegen im Gehirn ankommt. Daraus wird deutlich,
daß es zwar notwendig ist, die Faktoren, d.h. die Ursachen ,
zu extrahieren, allerdings kann sich das Verständnis für das
soziale System nur auf einen holistischen Standpunkt
stützen.

4.Vgl. Luhmann 1884, S.312f und Willke 1995 S.37: Um die


Wahrnehmung zu filtern und die Komplexität zu reduzieren,
bildet das System einen Mechanismus aus, der das Verhältnis
von Innen-Außen strukturiert. Das ist dann besonders
wichtig, wenn die Entscheidung unter
Knappheitsgesichtspunkten getroffen werden muß. Normen
-20-

übernehmen diese Funktion. Die damit einhergehende


Unterscheidung ist die von Konformität und Abweichung.

5.Der Begriff Kontingenz beschriebt in der Theorie sozialer


Systeme die Möglichkeit, daß ein System auf die
unerschiedlichen Erscheinungen, mit denen die Systemumwelt
an das System herantritt, unterschiedlich reagieren kann.
Kontingenz ist somit das Binnenstück der Komplexität.
Schließlich spricht man von doppelter Kontingenz, wenn ein
System in der Art auf die Komlexität der Umwelt reagiert,
daß es sich anhand der Umweltreaktion für eine eigene
Funktion oder Handlung entscheidet. Vgl. dazu auch Luhmann
1984, S.47ff oder Willke, S.28ff, a.a.O.

6.Eine weiterreichende Doppeldeutigkeit steht im Zentrum der


der Philosophie Ludwig Wittgensteins. Er untersucht
Sprachspiele. Das ist der Kontext, der mitgedacht werden
muß, um sich mit Sprache verständigen zu können. Er sagt,
daß Regeln auf der einen Seite regulierend, aber auf der
anderen Seite zugleich konstituierend wirken. Diese
holistische Anschauung bezieht einen hermeneutischen
Standpunkt. Angewendet auf die Problemstellung bedeutet das,
daß mit der Ausbildung der Normen die Organisation
konstituiert wird, und daß die Mitglieder ihr Verhalten
damit regeln. Vgl. Hollis, S.203f und Wuchterl : Ludwig
Wittgenstein. Sprachanalyse und Therapie. S.55, in:
Fleischer, a.a.O.

7.Die Wahl der Ausformung ist ein entscheidendes Merkmal für


die sozialen Beziehungsmuster im zu untersuchenden System.
Normen können über die genannten Möglichkeiten hinaus auch
als Gesetze, Regeln, Rituale usf. ausgestaltet werden. Hier
wird die Untersuchenden auf die Unterscheidung zwischen
-21-

Pflichten und Tugenden eingeschränkt. Die Ausformung der


Normen im Soldatengesetz als Pflichten und die Forderung
nach soldatischen Tugenden rechtferigt diese Einengung.

8.In Anlehnung an Royl, in: Clausewitz Studien, a.a.O: Hier


wird der Charakterbegriff nicht zum Persönlichkeitsbegriff
verallgemeinert.

9.Vgl. Imogen Seger, S.65ff, a.a.O: Die Leistung der


Begründer der Soziologie bestand darin, die junge
Wissenschaft auf die wissenschaftliche Methode auszurichten
und dabei die Beziehungen der Menschen untereinander
betrachten, so daß sie der Beschreibung zugänglich werden.
Die Vorstellungen Durkheims von sozialen Beziehungen als
soziale Tatsachen stehen dem eingenommenen empiristischen
Standpunkt nahe.

10.Die Konfliktphase ist die zweite Phase im Prozeß der


Gruppenbildung nach Tuckman.

11.Willke, S.54 a.a.O: "Wenn die Ordnung der Welt nicht mehr
durch übergreifende und einheitliche Sinnschemata wie Magie,
Mythos, Religion oder Naturrecht gewährleistet ist, sondern
wachsende Differenzierung, Interdependenz und
Widersprüchlichkeit der Sozialbeziehungen die Welt
unerträglich komplex erscheinen lassen, dann wächst die
Notwendigkeit von Grenzen als Leitlinien der Selektion.
Individualität, Kernfamilie, kapitalistischer Betrieb,
formale Organisation, Nationalstaat: all das sind Beispiele
für verschärfte Grenzziehungen."

12.Keller, S.6, a.a.O.

13.Vgl. dazu ders. S.12f, a.a.O.


-22-

14.Szczessny-Friedman, S.18f a.a.O.: Ein schwerwiegendes


Problem besteht in der Postmoderne darin, daß die
Beziehungsarbeit erschwert wird, weil jeder die Möglichkeit
hat, mit technischen Hilfsmittel einen Großteil der sozialen
Kosten zu umgehen. Der Verzicht auf die Geborgenheit
sozialer Netze wirkt sich aber gerade für die
außergewöhnliche Situation des Einsatzes von Soldaten
kontraproduktiv aus, weil sie zusätzlich zur nicht
vermeidbaren Belastung den Aufwand für die Beziehungsarbeit
in Rechnung stellt. Unter diesem Aspekt der Sicherheit in
Extremsituationen wird jedes Konzept, das der Pflichten und
das der Tugenden, seine Leistungsfähigkeit beweisen müssen.

15.Neuberger, S.244f, a.a.O.

16.Neuberger, S.250, a.a.O.

17.Neuberger, S.253 a.a.O.

18."Die Demokratie schuf sich ihre Streitmacht." Bald: Graf


Baudissin und die Reform des deutschen Militärs. In:
Linnenkamp, Lutz, S.26, a.a.O.

19."Der preußisch-deutsche Militarismus, die Hybris der


offensiven Grenzüberschreitung und die exzessiven
Machtentfaltungen im Nationalsozialismus sollten für immer
ihre Basis verlieren." Bald, S.54, a.a.O. Gleichzeitig
"dürfe niemals mehr ein Gegensatz zu den Friedens- und
Freiheitsbestrebungen des deutschen Volkes (be-)stehen",
Bald, S.56, a.a.O. und die Militärgeschichte als
Negativbeispiel - begründet auf dem Eid auf Hitler und der
Folge des Befehlsnotstandes - wurde in Rechnung gestellt.
Deshalb wurde in den soldatischen Pflichten auch der
-23-

Widerstand gegen Befehle möglich, die gegen Gesetze oder


gegen das Völkerrecht verstoßen. Vgl. Kutz: Reform als Weg
aus der Katatstrophe. In: Linnenkamp, Lutz, S.73, a.a.O.

20.Die zivile gesellschaft definiert nunmehr das


Normengefüge für das Militär. Vgl. Kutz in: Linnenkamp,
Lutz, S.77, a.a.O.

21.Bald, S.33 a.a.O.

22.Bald, S.59 a.a.O.

23.Neuberger, S.247, a.a.O.

24.Lexikon der Pädagogik. Neue Ausgabe. Band 4, S.243


Freiburg, 1971.

25.Grein-Funk, S.63, a.a.O.

26.Pädagogisches Lexikon, Band 2, S.1209. Gütersloh, 1970.

27.Grein-Funk, S.79, a.a.O.

28.Lexikon der Pädagogik. Neue Ausgabe. Band 4, S.1211,


a.a.O.

29.Husserl versteht unter einem Phänomen eine Erscheinung.


Dabei engt die Phänomenologie die Erscheinung darauf ein,
was der jeweils gewählten Sonderwelt zuzurechnen ist. Daran
wird der enge Schulterschluß zur Systemtheorie deutlich. Der
Sonderwelt entspricht dort die Auswahl der
Leitunterscheidung. "Der Blick verweilt dabei aber nicht auf
der Erscheinung selbst, sondern schweift weiter zur
Brauchbarkeit des Phänomens." Im Kontext des Erscheinenden
steht so immer die Frage wozu es brauchbar ist. Für das
Erscheinen n seiner Bestimmtheit steht in der Phänomenologie
-24-

der Begriff der Evidenz. Vgl. Held: Transzendentale


Phänomenologie: Evidenz und Verantwortung. In: Fleischer,
S.81, a.a.O.

30.Luhmann, 1996, S.22, a.a.O.

31.Görtemacher, S.226, a.a.O.: "Die Verbesserung der


preußischen Militärorganisation war für den König, der als
Soldat erzogen und aufgewachsen war, und daher die Probleme
der Armee aus eigener Ansachauung und Erfahrung bestens
kannte, ein Grundanliegen." Das macht deutlich, daß dieses
Gestaltungsprinzip lohnenswert erschien, um es in die
Gesellschaft zu übernehmen. Die soldatische Tugenden galten
damals noch etwas! Das heißt allerdings, daß das Soldatische
über die Bürger erhaben und erhoben ist.

32.Dokumentiert in Buchholz, Rose, a.a.O.

33.Karst, 1994, S.77, a.a.O.: In Anlehnung an Mc Athur


erweitert er das noch um Gott.

34. Simon, S.46, a.a.O: Hier wird das Tugendbild Karsts


zusammengefaßt zu: Treue zum Dienstherrn, strenge
Ehrauffassung, Ritterlichkeit, Freiheit zum Gehorsam,
Tapferkeit, schweigende Tat, Dienst um der Aufgabe willen,
Unerschütterlichkeit auch im Unglück, Verachtung der großen
Worte, Selbstzucht und Strenge, aufrechte Haltung und
freiwillige Hingabe.

35.Karst, 1994, S.73 uns S.75, a.a.O.

36.Karst, 1994, S.102, a.a.O.

37.Bald, S.60, a.a.O.


-25-

38.De Maizière: Soldatische Tugenden und militärische


Verantwortung in unserer Zeit. In: De officio, S.229ff,
a.a.O.: Er zitiert Manfred Wörner, der die Treue in den
Verhaltensweisen Treues Dienen, Pflichtbewußtsein,
Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft, Loyalität und Achtung
der Gesetze als tugendhaft beschreibt.

39.Karst, 1994, S.103, a.a.O.

40.Seyppel, in: Die Welt a.a.O.

41.Portner et al., S. 11, a.a.O.: Vaterlandsliebe, Freude,


Weltbejahung, Ehrlichkeit, Wahrheitsliebe,
Gerechtigkeitsstreben, Disziplin, Entschlossenheit,
Verantwortungsbewußtsein, Pflichtgefühl, Opferbereitschaft,
Pflichteifer, Güte, Pflichterfüllung, Pflichtgesinnung,
Initiative und Askese, Selbständigkeit, Ausdauer,
Prinzipienfestigkeit, Selbstbeherrschung, Zielstrebigkeit,
Achtung der Menschenwürde und des Lebens, Höflichkeit, Takt,
Feingefühl, kameradschaftliche Hilfe, Ordnungsliebe,
Sauberkeit, Besonnenheit, Treue, gebildetes Gemüt, Gewissen
und Gehorsam.

42.Neuberger, S.247, a.a.O.

43.Kutz in Linnenkamp, Lutz, S.78, a.a.O.

44.Baudissin, S.80, a.a.O.

45.In der Phänomenologie bezeichnet man das als


Lebenswelten. Vgl. Held in: Fleischer, a.a.O.

46.In der Diktion der Systemtheorie ist das eine


Leitunterscheidung.

47.Das ist keine neue Erfindung seit es den Erlaß über die
-26-

Dienstzeitregelun für Soldaten gibt. Bereits bei Karst ist


die Forderung zu finden, daß die scharfe Trennung zwischen
Dienst und Freizeit nicht möglich ist. Immanent scheint es
jedoch im Tugendbild zu sein, daß dahinter immer nur der
eine Wunsch steckt, nämlich der, mehr zu arbeiten.

48.Schnez: Gedanken zur Verbesserung der Inneren Ordnung des


Heeres. In: Heßler, S.55, a.a.O.

49.Manfred Wörner in seinem Vortrag am 10. Juni 1983 an der


Offizierschule des Heeres in Hannover. Zitiert nach De
Maizière, in: De officio, S.230, a.a.O.

50.In Anlehnung an v. Bredow, 1994, S.570f, a.a.O.

51.Das wird in der Forderung von Schnez deutlich, der Drill


zur Disziplinierung fordert und damit den
verantwortungsbewußten Staatsbürger mit dem Dogma der Tugend
entmündigt. Der Schritt zum Kadavergehorsam ist da nicht
weit. Vgl. Schnez in Heßler, S.43, a.a.O.

52.Vgl. Bald, S.32, a.a.O.

53.Bald, S.90, a.a.O.

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