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Alexandre Fernandez Vaz

Sport und Sportkritik


im Kultur- und
Zivilisationsprozess
Analysen nach Adorno,
Horkheimer, Elias und Da Matta
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US Heidelberg

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Andreas H. Trebels (Hg.)


Sportwissenschaft im Dialog
Bandl
Andreas H. Trebels (Hg.)
Sportwissenschaft im Dialog
Band 1 Die Arbeit würde durch ein Promotionsstipendium der Koordinationsstelle für
Wissenschaftliche Aus- und Fortbildung (CAPES) des brasilianischen
Erziehungsministeriums und mit Unterstützung des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes (DAAD) und der Bundesuniversität von Santa Catarina (UFSC),
finanziell gefördert.

Für wichtige Hilfestellungen bedanke ich mich bei Herrn Dr. Peter Huppertz und
Herrn Dr. Manfred Lauermann. Prof. Dr. Detlev Claussen und Prof. Dr. Regina
Becker-Schmidt danke ich für die kritische Anmerkungen in der Arbeit, wichtige
eminare und ermutigende Gespräche.

Bei Prof. Dr. Andreas Trebels bedanke ich mich sehr für die außergewöhnliche
wissenschaftliche Betreuung, für wichtige Hilfeleistungen, Respekt und freundliche
Bereitschaft.

Die Arbeit ist Arnanda Alcaraz da Silva gewidmet.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.


Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgeset-
zes ist ohne Zustimmung des Verlages und/oder der Autoren unzulässig
und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-
nischen Systemen.

1. Aufl. 2004
Alle Rechte Afra Verlag

ISBN 3-932079-90-6
INHALTVERZEICHNI
8
Einleitung

Teil 1. Der Körper und seine Konstellation: port und 11


Sportijizieru11g bei Theodor W. Adorno und Max Horkheimer
Vorwort. Horkheimer und Adorno: Outsider der portanalyse? 11

1. Theodor W. Adorno und Max Horkheimer: Zivilisation, 15


Fa zination, Formalisierte Rationalität, Natur- und
Körperbeherr chung
1.1. Mytho und Aufklärung, Zivilisation und Barbarei 15
1.2. Leib/Körper: Hassliebe, Wis en und Beherrschung 18
1.2.1. Händedruck 18
1.2.2. Eine unterirdische Ge chichte 21
1.3. ubjekt, Ge chichte, atur 23
Exkurs: Der Körper als Leiche 27
1.4. Mimesis: elbsterhaltung, Destruktivität, Versöhnung 30
1.4. 1. Archai ches chema 31
1.4.2. Mythos und Wissen 33
1.4.3. Politische Handhabung 35

2. Adorno und Horkheimer Ober Sport 40


2.1. Zur möglichen Doppeldeutigkeit des ports 40
2.2. Sportifizierung der Ge ellschaft und Mechanisierung de Leibes 42
2.3. port - Neue soziale Verhaltensmuster? 47
3. Zum Sport und seiner Dialektik: Erste Überlegungen zu den 51
Thesen und Kommentaren von Horkheimer und Adorno
3. 1 Die Angleichung an das Tote durch den Feti cheharakter der 51
Technik: Der Körper als Leiche
3.2. Entfaltung der Thesen von 1lorkheimer und Adorno, am 54
Beispiel de l lochleistung training

4. Kontext, einige A pekten, Kritik und Perspektiven der aus der 60


Frankfurten chule orientierte Beiträgen
4. 1. Kontext und einige wichtige Elemente der Kriti eben 60
porttheorie
4.2. Kritik an der portkritik der euen Linken 66
4.3. Au einandersetzung mit den Kritik am port und Perspektiven 67
für mögliche Weiterentwicklungen
eil II.

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9

Im ersten Teil beschäftige ich mich mit einigen Aspekten der Kritischen Theorie der
ErNLEIT G Gesellschaft in der Tradition der Frankfurten Schule, vor allen mit den Beiträgen
1 von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. In diesem Teil werden sowohl die
Seit Heinz R.is e eine Arbeit Soziologie des Sport veröffentlichte, haben die Analysen und Kommentare von Horkheimer und Adorno zum port dargestellt und
Überlegungen und Forschungen zum port als ozialphänomen sich ernorm diskutiert als auch die Einschätzungen und wertenden Aussagen zum Sport in ihren
entwickelt. Der Forschungsmühe entspricht die wachsende Bedeutung, die der Sport Werken erörtert. Der Teil umfasst auch einige Versuche ausgewäh lter Autoren, auf
in aller Welt mittlerweile gewonnen hat, als unverzichtbarer Programmteil der der Grundlage der zentralen Thesen der Frankfurter Schule Überlegungen zum
Medien als verpflichtendes Modell für den individuellen Lebensstill, als Sport in Form spezieller Sportanalysen weiterzuentwickeln. Diese Autoren sind der
bedeutsame Feld der nationalen und ethnischen Selbstbehauptung. Kritischen Sporttheorie der Neuen Linke zuzurechnen.

Das allgemeine Interesse am portstreiben, an Sportberichten und Sportsendungen In dem zweiten Teil der Arbeit stelle ich zwei mit der Kritischen Theorie des Sports
in den Medien und am Sportlichsein als individuellem Lebensstil hat nach dem konkurrierende Interpretationen zum Sport und seinen Wirkungen vor. Die erste
Zweiten Weltkrieg und insbesondere im Kontext des Kalten Kriegs noch mehr wurde aus den Hauptthesen des Zivilisationsprozesses von Norbert Elias und seinem
zugenommen. A ls sozialwissenschaftliches Thema ist das Phänomen des Sports chülers Eric Dunning entwickelt. Jenseits einiger Übereinstimmungen zwischen
auch an den Universitäten als Fachwissenschaft etabliert und wird heutzutage in der Adorno und Elias geht es um wichtige Differenzen zwischen beiden Autoren um
Vielfalt seiner w issenschaftlichen Zugriffsweisen studiert. den Prozess der Zivilisation und um das, was er bewirkt einerseits und der Kritik
der Zivilisation und ihrer Rationalität, insbesondere der Instrumentellen Vernunft,
.,Damit stoßen wir auf eine weitere, eben o zentrale Frage, wie nämlich der port andererseits. Die Differenzen betreffen vor allem die Bedeutung der zunehmenden
außerhalb der chule, als Lei tungs- und Breitensport als Zuschauersport und Naturbeherrschung bzw. Körperbeherrschung und die damit verbundenen
portkonsum, als außerschuli eher port der chüler und port der rwachsenen, Wirkungen im Blick auf die Analyse des Sports aus der Perspektive der beiden
als port im Verein, in kommunalen oder kommerziellen Angeboten von der
theoretischen Positionen.
Schule aus gesehen didaktisch zu bewerten ist Wenn man in ihm oder in
einzelnen seiner Ausschnitte Mängel oder Verfehlungen zu erkennen glaubt oder
ihn er. a als Relikt einer vergangenen Ge ellschaftsform ' Adorno oder als Eine weitere konkurrierende Interpretation des Sports wurde in Brasilien von dem
Instrument der Systemstabilisierung in spätkapitalistischen Ge ellschaften Anthropologen Roberto DaMatta konzipiert. ach DaMatta spielt Sport eine
verurteilt Böhme u. a., Richter Vinnai kann man ihn - wenn überhaupt - nur wichtige und positive Rolle für die Entwicklung der brasilianischen Identität.
sorgfllltig ausgelesen und didaktisch transformiert im schulischen Unterricht Darüber hinaus sei Sport ein wichtiges Modell für demokratisches Verhalten. Dies
zulas en. Wer ihn dagegen prinzipiell als human und notwendig ansieht wird ihn sei für ein Land von besonderer Bedeutung, das in seiner Geschichte kaum ein
wie immer er ist, als Teil der chul- wie der Lebenswirklichkeit bejahen und Modell von Demokratie und Gleichheit erlebt hat. Die Ausführungen von DaMatta
fo rdern.'.2 sind aus verschiedenen Gründen für eine reflexive Auseinandersetzung wichtig.
Brasilien ist als „Fußballnation" weltbekannt und Fußball hat eine enorme
Das vorgestellte Zitat spiegelt - z.T. in polemisch zugespitzter Form - die Bedeutung für das (Selbst-)Bild der Brasilianer und ihre Identifizierung mit dem
untersch iedlichen Auffassungen zum Sport in der sportwissenschaftlichen eigenen Land. Es ist wichtig, DaMattas Interpretation zu verstehen weil sie das
Diskussion anfang der 70er Jahre. Dieser Debatte nachzugehen - und dies nicht nur Selbstbild Brasiliens wiedergibt bzw. reflektiert ist. Auch im akademischen Bereich
in der deutschsprachigen D iskussion - ist das Anliegen der vorliegende Arbeit. Sie (in Europa, in Süd- und Nordamerika) wird die soziokulturelle Diskussion über die
versteht sich als Versuch, die Kritik am Sportphänomen in sozialwissenschaftlicher Bedeutung des Fußballs durch die Beiträge von DaMatta beeinflusst. Inwieweit die
und sozialph ilosophischer Perspektive zu erforschen bzw. weiterzuentwickeln. Theorie des „Brasilianischen Dilemmas" wirklich überzeugende Fragen stellt und
entsprechend gewichtige Antworten gibt i t die Hauptfrage der zweiten Hälfte des
zweites Teils.
1
Risse, Heinz. Soziologie des Sports. Mon ter: Atalas, 1979 (Erste Auflage 1921 ). Am Ende der Arbeit versuche ich Forschungsmöglichkeiten darzustellen welche
2
Gruppe, Ommo; Bergner, Klaus und Kurz, Dietrich. Sport und portunterricht in der Sekundarstufe II
(Begründungen und Vorschläge). In: Deutscher Bildungsrat/Gutachten und tudien der die vorgeste llten Reflexionen weiterentwickeln könnten. Dabei geht es ei nerseits
Bildungskommission. Spiel und Kommunikation in der Sekundarstufe 11. Stuttgart: mst Klett, 1974, S. darum die Einsichten, die aus der kritischen Theorie der Gesellschaft erwachsen
109-140, Zitat S. 113-114. Kursive Hervorhebungen durch den Autor.
10

sind, als kritisches Instrumentarium zu erhalten, andererseits die Möglichkeiten von


sinnvollen Antworten auf die em Hintergrund und auf dem Stand des heutigen TEIL 1. DER KÖRPER UND SEINE KONSTELLATION: SPORT UND
Wissens auszuloten. Darüber hinaus präsentiere ich schließlich ein ,,SPORTIFIZIERUNG" BEI THEODOR W. ADORNO UND MAX ßORKHEIMER
perspekti isches Konzept um die Beschränkungen des portverständnisses und des
Sporttreibens zu überwinden. VORWORT. ßORKHEIMER UND ADORNO: ÜUT IDER DER
SPORTANALYSE?

Es gilt den Ort des ports eines der wichtigsten Phänomene der zweiten Hälfte des
short centurys, im Werk von Adorno und Horkheimer aufzufinden, die man zu den
Denkern unserer Zeit zählt, welche die philosophische Diskussion nachhaltig und
richtungsweisend beeinflusst haben. Tatsache ist jedoch, dass Sport selten in ihren
Schriften thematisiert wird und nur gelegentlich zum Mittelpunkt ihrer
Erörterungen wird.

Dennoch lohnt es, diesen wenigen Stellen im Werk nachzugehen, die überraschend
und in unterschiedlichen Zusammenhängen auftreten. Schließlich gehören sie zu
den theoretischen Beiträgen von Adorno und auch von Herbert Marcuse die in den
60er und 70er Jahren für die Kritik der sogenannten „Neuen Linken " am Sport in
besonderer Weise bedeutsam wurden.

Historisch betrachtet, ist es kein Zufall, dass Sportkritik auf die JV·itische Theorie
zurückgriff. Durch den kritischen Geist der Frankfurter Schule hatten sich bereits
die nordamerikanischen und europäischen Studentenbewegungen inspirieren lassen
obwohl es später auch zu Differenzen zwischen Fraktionen der rebellierenden
tudentenschaft und ,ihren geistigen Vätern" kam.

In diesem Zeitzusammenhang und in Bezug auf die sich hier formierende


Sportkritik ist erwähnenswert, dass es in der Studentenbewegung sogar zu der
Gründung der Sektion eines Internationalen Anti-Olympischen Komitees kam.
Sportkritik war also nicht nur Bestand der akademischen Diskussionen, sondern Teil
der außerparlamentarischen Diskussion.3

Persönliche und intellektuelle Erfahrungen sind bei Horkheimer und Adorno stets in
ihr Werk eingeflossen. Zunächst war es Deutschland, ihre Heimat die sie vertrieb
aber in dessen philosophischer Tradition sie tanden und an deren kritischer
Aufarbeitung sie sich machten, um die Entstehung des Nationalsozialismus zu
hinterfragen. Zum Gegenstand ihrer Kritik wurde dann besonders die

3
Oie deutsche Sei..1ion diese Internationalen Anti-Olympischen Komitees hatten u.e. zum eine neue
Orientierung für die olympische Parole von 1972, „München ruft die Jugend der Welt" zu finden. Die
Parole sollte, in Abgrenzung mit ihren sportlichen und propagierten Sinn, politi iert werden. Vgl.
Kraushaar. Wolfgang (llerg). Frankf11rter Schule 1111d S111dente11bewemmf!: Von der Flaschenoost zum
12 13

Kulturindustrie, deren Entfaltung und Wirkung sie zunächst im nordamerikanischen die Theoriearbeit eine gemeinsame waren . Im Bereich der Sportanalyse, wie zu
Exil 4 und päter wieder im achkrieg deut chland alltäglich studieren konnten. sehen sein wird, fehlt diese Gemeinsamkeit des Denkens.
Neben der raschen Entfaltung der Kulturindustrie stand die herau ragende - und
vom kalt n Krieg mit beeinflusste - Bedeutung des Sports in beiden Ländern. Ich habe in diesem Teil ein dreifaches Ziel. Zuerst möchte ich die Diskussionen,
Analysen und Kommentare über Sport darstellen. Hierbei soll gleichzeitig gezeigt
Bei anspruchsvoll kritischen Denkern überrascht es nicht, dass bei der theoretischen werden, welchen Stellenwert das Thema Sport im gemeinsamen Werk von
Aufarbeitung von historischen Entwicklungen und zeitgeschichtlichen Phänomenen Horkheimer und Adorno hat, vor allen in den Schriften von Adorno. Anschließend
Differenzen auftreten. Trotz der Kohärenz ihrer erkenntnistheoretischen wird zu erläutern versucht, wie Elemente der theoretischen Gesamtkonzeption im
Grundlagen finden sich Unterschiede manchmal sogar im Werk desselben Autors Werk dieser beiden Autoren mit den Aspekten Leib und Körper in Verbindung
auch dort, wo om Sport die Rede ist. Dieses verweist auf die häufig zitierte stehen. Anders formuliert, es wird untersucht werden, was der Körper bzw. die
Schwierigkeit, von einer Frankfurter chule' zu sprechen. Der von Adorno und Körperbeherrschung mit der Aufklärungs- und Zivilisationskritik die in der
Horkheimer häufig betonte programmatische Anspruch war jedoch im Rahmen Modeme kulminiert, zu tun haben . Danach soll geklärt werden inwiefern die
interdisziplinärer Zusammenarbeit und vermittels unabhängiger Gesellschaftskritik Ansichten Horkheimers und Adornos uns helfen können, Sport in seinem
eine gemeinsame Sozialphilosophie zu erarbeiten. gegenwärtigen Zustand zu verstehen bzw. zu erforschen.

Im Vorwort von Eclipse of Reason wird dieses Selbstverständnis hervorgehoben: Übergreifend wird immer die Fragestellung berücksichtigt, inwieweit die
theoretische und methodologische Tradition dieser beiden Repräsentanten der
The e lectures were designed to present in epitome some aspects of a Frankfurter Schule noch aktuell und bedeutsam ist bei dem Versuch, unser
comprebensive philosophical theory developed by the \ riter during the last few Verständnis der gegenwärtigen Welt und einer ihrer auffäJligsten Ausdrucksformen,
years in association with Theodor W. Adorno. lt would be difficult to say witch des Sports, zu vertiefen. Hierbei soll einerseits die Tiefenschärfe ihrer Kritik, aber
ofthe ideas originated in his mind and witch in my own; our philosophy is one." 5 auch der Kritik der in ihrer Tradition stehenden ,Neuen Linken' untersucht
werden, und es soll angedacht werden, wo neue Fragen und neue
Obwohl nur Horkheimer als Verfasser erscheint, wurde das Buch in enger erkenntnistheoretische Überlegungen notwendig sein könnten.
Zusammenarbeit mit Adorno und anderen Institutsmitgliedern (z.B. Leo Löwenthal)
geschrieben. Die Buchstruktur und viele seiner Absätze zeigen, dass das Buch, das Im ersten Kapitel beschäftige ich mich mit den theoretischen Zusammenhängen in
teilweise einer Vorlesung in der Columbia University entspricht, eine leichter denen die Kommentare und Analysen über Sport bei Horkheimer und Adorno
lesbarere, wiewohl nicht simplifizierende „Version" des Dialektikbuches ist. Auch auftauchen. Dieser theoretische Rahmen besteht aus der historisch-philosophischen
an verschiedenen anderen Stellen wird von ihnen betont, dass die Reflexionen und dialektischen Kritik an der Zivilisationsentwicklung und der ubjektbildung, deren
Schwierigkeiten und Grenzen von Adorno und Horkhe~.er aufgezeigt ~orden sin~.
Es ist klar dass ich an dieser Stelle nicht den ganzen kntJschen Proze s ihrer Arbeit
4
Die Lebens- und Wissenschafts-Erfahrung in den USA war ftlr die beiden deutschen jUdischen darstellen ' kann. Ich will vielmehr mit einem Kategorienschema arbeiten und mit
Philosophen sehr prägnant. Sie ist bemerkbar sowohl in vielen sozialen und politischen Reflexionen als dessen Hilfe versuchen, den Ort des ports bei Horkheimer und Adorno zu
auch als Thema verschiedener Es ays. z.B.: Adorno, Theodor W. Auf die Frage: Was ist Deutsch? bestimmen und besser zu verstehen.
(1965) und (1969). In: Gesammelte Schrifien (10-2) (I m folgenden AGS plus Bandnummer)
Wissenschaftliche Erfahrung in Amerika Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1997. Auch wichtig, um die
oben genannte Zeit zu verstehen, sind die Diskussionsprotokolle des Instituts für ozialforschung in Im zweiten Kapitel zeige ich, wie das Thema Sport - diese modern organisierte
seiner amerikanischen Periode, in Horkheimer, Max. Gesammelte chriften (Band 12) (I m folgenden Form der Körperlichkeit - von Adorno und Horkheimer behandelt wird. Ihre
HGS plus Bandnummer) Frankfurt am Main, Fischer, 1996. Zum Vergleich: Wiggershaus, Rolf. Die Überlegungen sind, wie schon betont wurde, nicht immer die gleichen, sie behalten
Frankfarler Schule: Geschichte - Theoretische Entwicklung - Polillsche Bedeutung. 2. Aufl . MUnchen
und Wien, DTV, 1989, besonders Kapitel 3 und 4; Jay, Martin. Adorno in America New German
aber in etwa eine gemeinsame Richtung.
Critique. n. 31 , S. 157-182, winter, 1984. Claussen, Detlev, egt, Oskar und Werz, Michael. Keine
Kritische Theorie ohne Amerika. Frankfurt am Main: eue Kritik, 1999. (Hannoversche Schriften 1). Als wichtige Ausnahme wird ein Beitrag Horkheimers berücksichtigt, den ~r ~n den
s H~~kheimer, Max. (1946) Ec/ipse of Reason. New York: Continuum, 1996 (Im folgenden ER), Zitat 60er Jahren geschrieben hat. Dieser bringt Überlegungen und Analysen die m den
S. vn. (Deutsch- Zur Kritik der instrumen1el/en Vernunft: HGS6. Frankfurt am Main: Fischer 1991 ; im
folgenden KV, 26). anderen Texten nicht zu finden sind. ln ihm wird das Thema Sport ganz anders
14

interpretiert, vor allem wenn man sie mit den späteren Notizen6 von Horkheimer 1. THEODOR W. ADORNO UND MAX HORKHEIMER: ZIVILISATION,
vergleicht. Ein Grund für dje überraschenden Sichtweisen liegt sicherlich - wie zu
FASZINATION, FORMALISIERTE RATIONALITÄT, NATUR- UND
berücksichtigen sein wird - in dem zeitlichen Kontext, in dem diese entstanden ist.
KÖRPERBEHERRSCHUNG
Im dritten Kapitel werde ich die Kommentare zum Sport mit entsprechenden
Theorieanteilen aus der Zivilisationstheorie von Adorno und Horkheimer 1.1. MYTHOS UND AUFKLÄRUNG, ZIVILISATION UND BARBAREI
vergleichen und der Frage nachgehen, inwiefern die Analysen und Kommentare von
Horkheimer und Adorno zum Sport dazu beitragen können, den Sport besser zu 1966 erschien das philosophische Testament von Theodor W. Adorno, die Negative
verstehen, in einer heutigen Welt, wo Destruktivität von den Menschen zunehmend Dialektik. Es handelt sich um ein monumentales theoretisches Werk, um eine tiefe
selbst geschaffen wird. Ich möchte die Paradoxien der Gegenwart und des Suche nach dem Recht des Objekts, nicht zerstört bzw. beschädigt zu werden und
Zeitgeistes durchleuchten und nachvollziehbar machen, wie diese sich im Fall des nach einem Subjekt, das die Kraft besitzt, seine Integrität zu bewahren. Adornos
Sports, einem der wichtigsten menschlichen Ausdrucksformen zur Vermittlung und Versuch ist vor allem die Verteidigung eines Subjekts, das, vom Objekt geprägt,
Handhabung von Körper und Leiblichkeit, manifestieren. Die Kritik an Adornos fähig sein muss, sich dem Objekt zu nähern, ohne es zu zerstören. Nötig ist dies,
und Horkheimers Auffassungen über Sport sollen dann in diesem Rahmen diskutiert weil das Leben schon zu sehr beschädigt ist, zu sehr in einem falschen Zustand
werden. steht, was negiert werden muss, damit das Nicht Identische sichtbar wird. 7

Zum Schluss folgt die Analyse ausgewählter Aspekte der kritischen Sporttheorie, Die negative Dialektik, die „Intransigenz gegen jegliche Verdinglichung meint ,8
die in den 60er und 70er Jahre entwickelt wurde. Sie wird berücksichtigt, weil sie bewegt sich durch den Schmerz: „ ... unglückliches Bewußtsein ist keine
wesentl ich aus der Denktradition der Frankfurter Schule stammt (vor allem aus den verblendete Eitelkeit des Geistes sondern ihm inhärent, die einzige authentische
Traditionslinien der Arbeiten von Horkheimer und Adorno). In diesem Rahmen Würde, die er in der Trennung vom Leib empfing. Sie erinnert ihn, negativ, an
versuche ich auch die Aktualität der Thesen dieser „kritischen Sporttheoretiker" seinen leibhaften Aspekt; allein daß er dessen fähig ist, verleiht irgend ihm
und die Relevanz der gegen sie erhobenen Einwände zu überprüfen. Hoffnung .'<.9

Sport - als Ausdruck einer Handhabungs/arm der (schmerzlichen) Leiblichkeit -


taucht im Werk Adornos und Horkbeimers zumeist auf, um als Bestätigung von
Thesen über die Entwicklung der abendländischen Zivilisation zu dienen, die von
der instrumentellen Vernunft beherrscht ist.

Die Dialektik der Aufklärung ist - stricto senso - keine historische Analyse mit
empirischen Daten und dokumentarischen Quellen, welche die Thesen bestätigen
könnten, obwohl viele Anmerkungen aus empirischen Forschungen kommen. Mit
besonderen Beispielen - und sogar heterodoxen - versuchen Adorno und
Horkheimer das seit Menschengedenken existierende Projekt der Beherrschung der
Natur zu analysieren und zu kritisieren. Grob gesagt ist dies bei der Dialektik der
Aufklärung der Fall, bei dem Versuch, den Prozess der Zivilisation aus seinem
inneren und widersprüchlichen Inhalt zu verstehen. Auf dieser Basis kann man die
permanent wiederholte These begründen: lm Zuge der Naturbeherrschung und seit
Entstehung des Subjekts, der Verwandlung des Mythos in Aufklärung, ereignet sich

6 7
Vgl. HGS6, S.187-425. Vgl. Adorno, Theodor W. Negative Dialei-."tik. AGS6 (Im folgenden ND).
8
Adorno; Theodor W. Kulturkritik und Gesellschaft. AGSI0- 1, S. 26 (Im folgenden KG) .
9
ND, 203 .
16 17

die Rückkehr zur Mythologie deren innerer Inhalt die Herrschaft und die Barbarei Es muss klar sein, dass, wenn Horkheimer und Adorno die Aufklärung kritisieren
ist. und sogar verurteilen, sie keinesfalls den Mythos verteidigen oder die Vernunft
durch ihn ersetzen wollen. Sie intendieren keine Apologie der Mythologisierung,
Nach ihrer zentralen These verflechten sich Mythos und Autklärung, aber jeder wenn sie die Idee einer ,Universellen Geschichte" in Frage stellen . Ganz im
Bereich enthält innerhalb der eigenen Struktur Elemente der je anderen Struktur. Gegenteil, schon in der Vorrede der Dialektik der Aufklärung steht: ,Die Aporie,
Darüber hinaus beeinflussen sie sich gegenseitig obwohl sie unterschiedlich und der wir uns beide unserer Arbeit gegenüber fanden , erwies sich somit als der erste
exkludent erscheinen. Der Mythos, als Versuch die Wirklichkeit zu erklären und sie Gegenstand, den wir zu untersuchen hatten: die Selbstzerstörung der Aufklärung.
zu beeinflussen ist schon Aufklärung, weil er das Moment von Voraussicht und Wir hegen keinen Zweifel - und darin liegt unsere petitio principii -, daß die
Kalkulation enthält. Die Aufklärung bleibt aber ebensosehr mythologisch bestimm~ Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist." 12
wie die Welt entzaubert wird. Sie bleibt demnach in den Sphären von Ursprung,
Wiederholung und Schicksal. Anstelle des Mythos treten Vernunft Experiment und Gegen die Mythen, aber auch gegen die mythologisch gewordene Aufklärung
Wissenschaft, die das zur Selbsterhaltung erforderliche Opferverfahren wenden sich die theoretischen Mühen und die Hoffnungen von Horkheimer und
wiederholen. Die Selbsterhaltung provoziert/wiederholt die lntroversion des Opfers, Adorno. Exemplarisch ist nicht nur die Fahrt von Odysseus, sondern auch der
die ursprünglich zur Magie gehört. Versuch sie zu verstehen, - als literarischen Ausdruck unserer Geschichte der
Naturbeherrschung-, durch die listige Überwindung der Mythen.
„ln der vorwegnehmenden Identifikation der zu Ende geda hten mathematisierten
\! elt mit der Wahrheit meint Autklärung vor der Rückkehr des Mythischen sicher Man muss dem Mythos widerstehen, um eine Geschichte zu konstituieren und die
zu sein. Sie setzt Denken und Mathematik in eins. Dadurch wird diese gleichsam Erinnerung zu behalten damit noch Hoffilung möglich ist. Das bedeutet, die Ideen
losgelassen, zur absoluten Instanz gemacht. [... ] Denken verdinglicht sich zu und die Praxis der Wiederholung und des Schicksals in Frage zu stellen, sowohl
einem selbsttätig ablaufenden, automatischen Prozeß, der Maschine nacheifernd,
wenn diese in der entzauberten Natur sind als auch, wenn sie in der
die er selber hervorbringt, damit sie ihn schließlich ersetzen kann. Aufklärung
hat die klassische Forderung, das Denken zu denken - Fichtes Philosophie ist ihre wissenschaftlichen Praxis sind.
radikale Entfaltung - beiseitegeschoben, weil sie vom Gebot, der Prax is zu
gebieten ablenke das doch Fichte selbst vollstrecken wollte. Die mathematische Homers Odysseus - gesehen als Symboltext der abendländischen Zivilisation -
Verfahrensweise wurde gleichsam zum Ritual des Gedankens. Trotz der bietet Adorno und Horkheimer die Gelegenheit, ihre These der Naturbeherrschung
axiomatischen Selbstbeschränkung instauriert sie sich als notwendig und am Modell zu entwickeln. Odysseus lässt sich als jemand zeigen der alle
objektiv: sie macht das Denken zur Sache, zum Werkzeug, wie sie es selber Schwierigkeiten seiner Rückkehr nach Ithaka überwinden muss, um die Mythen zu
nennt:.io zerstören und um den aufgeklärten Subjektzustand zu erreichen. Vor der
Beherrschung der umgebenden Welt muss er sich beherrschen, besonders seinen
Das Produkt dieser Verflechtung, die als der , intime' Inhalt des eigenen Körper. 13 Der Kraft seiner inneren Natur - weil begehrend und gefährlich -
Zivilisationsprozesses zu verstehen ist, ist die dialektische Verknüpfung von muss diszipliniert werden. Odysseus muss sich opfern lassen, damit seine
Fortschritt und Regression, deren Resultat eine Geschichte ist, die ihr Ende nicht im Subjektivität konstituiert wird. Nur so entsteht er als aufgeklärtes Subjekt.
Glück, sondern in der Barbarei findet. Es sei an die Benjaminschen Thesen Über
den Begriff der Geschichte, besonders die VII. erinnert: „Es ist niemals ein "Durch Odysseus wird einzig das Moment de Betrug am Opfer, der innerste
Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein. Und wie es Grund vielleicht für den cheincharakter des Mythos, zum Selbstbewußtsein
selbst nicht frei von Barbarei, so ist es auch· der Prozess der Überlieferung nicht, in erhoben. [„.) Etwas von solchen Trug, der gerade die hinflillige Person zum
der es von dem einen an den andern gefallen.ist." 11 Träger der göttlichen ubstanz erhöht, ist eitje am Ich zu spllren, das sich selbst
dem Opfer des Augenblicks an die Zukunft verdankt. eine ub tantialität ist

10 12
Horkheimer, Max und Adorno, Theodor W. ( 194411947) Dialektik der Aufklärung: philosophische DA 13
Fragmente. AGS3 (Im folgenden DA), . 41-42. E~ns~ mUsscn die Körper der Begeleiter von Odys eu beherrscht werden (DA, 78), was die
13
11 kapitalistische Arbeitsteilung vorfiguriert. Die Körper der geliebten Frauen, wie Penelope und sogar die
Benjamin, Walter. (1940) Über den Begriff der Geschichte In: Benjamin, Walter. Gesammelte
Schriften (Band 1-2). Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1980, S. 691-704, Zitat S. 696. Halbgöttin Kirke werden hingegen nicht beherrscht oder erniedrigt.
18
19
chein wie die Un terblichkeit des Hinge ch lachteten. Nicht umsonst galt
Ody eus vielen al Gottheit. ' 14 „Ich habe es in angelsächsischen Länder oft genug erlebt, daß uns Deutschen der
Händedruck verübelt wurde. Es liegt wohl etwas Archaisches darin, was sich mit
der rationalen westlichen Zivilisation nicht vereinbaren läßt. Andererseits sind
Anstelle des, traditionellen' Opfers wird das mensch liche Subjekt geopfert, dessen mir aber Menschen, die mir die Hand nicht oder nur den kleinen Finger
Fung ibil ität seinerseits den äquivalenten Tauschwert - ein unverzichtbares Merkmal entgegenstrecken, un ympathisch." 18
des Kapitalismus - antizipiert. Von Freud und Nietzsche über den Anthropologen
Marcel Mauss bis zu Marx zeigen Horkheimer und Adorno eine philosophische Adorno hatte persön 1iche Erfahrungen in denen der Händedruck eine bedeutsame
Geschichte des Tausches und des Opferns auf. Rolle gespielt hat. Während des nordamerikanischen Exils besuchte Adorno ein Fest
zu Ehren eines Schauspielers, des Hauptdarstellers im Film The best years of our
Problematisch ist aber jedoch, dass bei dem notwendigen Opfer zur Realisierung lives, einem Kriegsversehrten. Adorno war der einzige, der nicht wusste, dass der
des Subj ekts und der Ziv il isation die Entsagung - die die innere Natur beherrschen Mann keine rechte Hand hatte. Stattdessen hatte er eine metallische Prothese, was
will um die Hörigkeit zu überwinden - sich nicht lohnt. „Die Geschichte der Adorno erst bemerkte, als die Hand ihm entgegenstreckt wurde, und er das kalte
Zivil isation ist die Geschichte der Introversion des Opfers. Mit anderen Worten: die Eisen ergriff.
Geschichte der Entsagung. Jeder Entsagende gibt mehr von seinem Leben als ihm
zurückgegeben wird mehr als das Leben, das er verteidigt. 15 Deshalb steht als Adorno selbst hat diese Geschichte erzählt, ebenso wie seine Reaktion, sein
Bedrohung, wie im folgenden dargestellt wird, was Horkheirner als Revolte der Entsetzen, in einem kurzen Text zu Ehren Chaplins. 19 Er hat vergeblich gehofft,
atur 16 bezeichnet: niemand hätte es bemerkt vor allem nicht der Kriegsverletzte. Mit dem
interpretierenden Nachspielen der peinlichen Szene hat Chaplin, so Adorno, eine
'Erweist das Prinzip des Opfers um seiner Irrationalität willen sich als Versöhnung ennöglicht:
vergänglich, so besteht es zugleich fort kraft seiner Rationalität Diese hat sich
gewandelt, sie ist nicht verschwunden. Das Selbst trotzt der Auflösung in blinde „Wir waren, mit vielen andren zusammen, in einer Villa in Malibu, am Strande
Natur sich ab, deren Anspruch das Opfer stets wieder anmeldet Aber es bleibt außerhalb von Los Angeles, eingeladen. Einer der Gäste verabschiedete sich
dabei gerade dem Zusammenhang des atürlichen verhaftet, Lebendiges, das früher, während Chaplin neben mir stand. Ich reichte jenem, anders als Chaplin,
gegen Lebendiges sich behaupten möchte. Die Abdingung des Opfers durch ein wenig geistesabwe end die Hand und zuckte fast zugleich zurück.[.„folgt die
selbsterhaltende Rationalität ist Tausch nicht weniger, als das Opfer es war. Das Szene; Verf.] Als ich die Rechte schüttelte, und sie auch noch den Druck
identisch beharrende elbst, das in der Überwindung des Opfers entspringt, ist erwiderte, erschrak ich aufs äußerste, spürte aber sofort, daß ich das dem
unmittelbar doch wieder ein hartes, steinern festgehaltenes Opferritual, das der Verletzten um keinen Preis zeigen dürfte, und verwandelte mein chreckgesicht
Mensch, indem er dem aturzusarnmenhang sein Bewußtsein entgegensetzt, sich im Bruchteil einer ekunde in eine verbindliche Grimas e, die weit schrecklicher
selber zelebriert. 17 gewesen sein muß. Kaum hatte der chauspieler sich entfernt, als Chaplin bereits
die Szene nachspielte. o nah am Grauen ist alles Lachen da er bereitet und das
1.2. LEIB/KÖRPER: HASSLIEBE, WISSEN UND B EHERRSCHUNG einzig in solcher Nähe seine Legitimation gewinnt und sein Rettendes. Meine
Eri nnerung daran, und der Dank, sollte mein Glückwunsch zum
fünfundsiebzigsten Geburtstag ein."20
1.2.1. HÄNDEDRUCK
Nicht zu vergessen ist, was in der Dialektik der Aufklärung in Verbindung zum
1967 wurde Adorno gefragt, was er über den Händedruck dächte, ob dieser ein Odysseus zu erkennen ist, dass das Lachen doppeldeutig sein kann. Es kann
Symbol des guten Willens sei oder nicht. Adorno hat diese etwas lustige Frage so einerseits Ausdruck des Grauens sein aber gleichzeitig als Bewusstseinsdarstellung
beantwortet: des Teilhabens des Menschen an der Natur erscheinen.

1 18
' DA, S. 69. Adorno, Theodor W. „l ländedruck - Symbol des guten Willen . oll man oder soll man nich t?".
IS DA 73 AGS20-2, 738.
16
ER,' 92 ~nd ff. (KV, 105-135) 19
Adorno, Theodor W. Zweimal Chaplin. AGS 10-1 .
17 20
DA, 71-72. Adorno, Theodor W. Zweimal Chaplin. AGS 10- 1, 365-366.
20

Ist Lachen bis heute das Zeichen der Gewalt, der Ausbruch blinder, verstockter „Rennen auf der trasse hat den Ausdruck des Schreckens. Es ist schon das
' atur, so hat es doch das entgegengesetzte Element in sich, daß mit Lachen die Stürzen des Opfers nachgeahmt in seinem Versuch, dem Sturz zu entfliehen. Die
blinde atur ihrer elbst als solcher gerade innewerde und damit der zerstörenden Haltung des Kopfs; der oben bleiben mOCh ist die des Ertrinkenden, das
Gewalt ich begebe. Die er Doppelsinn des Lachens steht dem des Namens nahe, angespannte Gesicht gleicht der Grimasse der Qual. Er muß geradeaus sehen,
und vielleicht ind die amen nichts als versteinerte Gelächter so wie heute noch vermag kaum zurückzublicken, ohne zu straucheln, als säße im Nacken der
die pitznamen, die einzigen, in denen etwas vom ursprünglichen Akt der Verfolger, dessen Mtlitz erstarren llssL Einmal rannte man vor Gefahren, die zu
Namengebung fortlebt. Lachen ist der Schuld des Subjektivität ver chworen, aber verzweifelt waren zum Standhalten, und ohne es zu wissen zeugt davon noch, wer
in der Suspen ion des Rechts, die es anmeldet, deutet es auch über die dem enteilenden Autobus nachlauft.''" •••l!'Jt!Hll„lllll•llf•llhMitAt,•tst·,~
Ver tricktheit hinau . Es verspricht den Weg in die Heimat. Heimweh ist es, das
die Abenteuer entbindet, durch welche Subjektivität, deren Urgeschichte die
Od ssee g1"b t, der V orwe 1t entrinnt.
. ' 21

Jüroen Habermas hat dieses Ereignis als ein leibhaftiges Merkmal des Charakters
und Denkens Adornos als eine „in der unverdächtigsten Normalität erkaltete
Lebendigkeit dechiffriert. " 2 Die Kälte der bürgerlichen Gesellschaft sei in ihrem
scheinbar banalen Missverständnis Adorno erschienen, wie er mit großer
Sensibilität gefühlt hatte. 23 „Was die sprachlose Mimesis des großen Clowns für
jenen flüchtigen Augenb lick vermocht hat, nämlich die Spannung des
Erschauernden und des nach Fassung Suchenden aufzulösen, das mag ein Motiv für
24
die Sprache Adornos und für seine beschwörenden Analysen geblieben sein."

Doch wollte ich die Auffassung Adornos über den Händedruck sowie die bekannt
gewordene Szene des Hollywood-Festes als eine Art Paradigma für die Position
Adornos zum Körper, bzw. zur Körperlichkeit auffassen. Der Körper taucht
einerseits als archaisches Moment auf, als Instanz der Gewalt, die beruhigt werden
muss. In diesem Sinn ist er Ausdruck des Unkontrollierten, der unbefriedigten,
quasi uralten Natur, an der die Menschen teilhaben. Andererseits ist er Sphäre einer
Möglichkeit der Versöhnung mit der eigenen und fremden Natur (die Hand, die die
fremde Hand fasst), eine nicht begriffliche, aber auch nicht irrationale, eine
mimetische Vermittlung in Form einer Anschmiegung an die Welt.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es ein zentrales Motiv der Philosophie
Adornos ist, dass der menschlichen Körper ein archaischer ist. Der Körper hat sich
nicht „genug" entwickelt, deshalb bleibt er etwas Bedrohendes, Unkontrolliertes.

21
DA, 96-97.
22
Habennas, Jürgen (1969). Urgeschichte der Subjektivität und verwilderte Selbstbehauptung. In:
Habennas, JOrgen. Philosophisch-politische Profile. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1981 , S. 167-179,
Zitat 167.
23
Gunzelin Schmid Noerr hat ein schönes Essay über das Thema geschrieben, der mir hilfreich gewesen
ist Vgl.: Schmid Noerr, Gunz.elin. Adornos Erschaudern. Variationen über den Händedruck. In: Schmid H Adorno, Theodor W. Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Lebern. AGS4 (Im
Noerr, Gunzelin und van Reijen, Willem. Vierzig Jahre Flaschenpost: ,Dialektik der Aujklt!irung ' 1947 folgenden MM), Zitat S. 184.
26
bis 1987. Frankfurt am Main: Fischer, 1987. DA, 265.
27
2A Habennas, Jtlrgen. Urgeschichte der Subjektivitat und verwilderte Selbstbehauptung, a.a.0 ., 167. DA, 266.
22 23

unwahr weil die gewordene Trennung nicht hypostasiert, nicht zur Invarianten werden und zur Unkontrollierbarkeit und Körpergewalt führen. 33 Woher kommt
verzaubert werden darf. ,as dieser Wunsch nach Rache? Dieses ist eine Frage, die noch zu beantworten bleibt.

Die Trennung von Geist und Körper verlangt und entspricht der Arbeitsteilung, , ... 1.3. SUBJEKT, GESCHICHTE, NATUR
bei der die Nutznießung auf die eine und die Arbeit auf die andere Seite kam,
„Die disqualifizierte Natur wird
belegte die rohe Kraft mit einem Bann. Je weniger die Herren die Arbeit der
zum chaotischen Stoff bloßer
anderen entbehren konnten, als desto niedriger wurde sie erklärt. Wie der Sklave so Einteilung und das allgewaltige
erhielt die Arbeit ein Stigma." 29 Die Spaltung zwischen Körper und Geist, die in Selbst zum bloßen Haben, zur
der Arbeit (aber auch im Sport) signifikant erscheint, wird von Adorno abstrakten Identität." Horkheimer
und Adorno, Dialektik der
grundsätzlich kritisiert, als Verhinderung der Abschaffung der totalen Irrationalität: Aufklärung, 194411947.

Versperrt ist dem Kulturkritiker die Einsicht, daß die Verdinglichung des Lebens Es muss alles abgewehrt werden, was an den organischen Körper erinnert: die
selbst nicht auf einem Zuviel sonder einem Zuwenig an Aufklärung beruhe und
daß die Verstümmelungen, welche der Menschheit von der gegenwärtigen untrennbare Verbindung mit der Natur und alles, was irgendwie den Verlust der
partikularen Rationalität angetan werden, Schandmale der totalen Irrationalität Subjektivität darstellt; die Auflösung des Subjekts, dessen Bildung durch die
sind. Deren Abschaffung die mit der Trennung körperlicher und geistiger Arbeit Distanzierung der Natur bzw. die Versteinerung vor ihr, zu erreichen ist. Diese
zusammenfiele, erscheint der kulturkritischen Verblendung als Chaos: wer Distanzierung von der Natur, die vergleichbar einem herrschenden Subjekt und
Ordnung und Gestalt, welchen Schlages auch immer, glorifiziert, dem wird die einem beherrschten Objekt sein soll, ist ein Bestandteil der Ichbildung. Das Subjekt
versteinerte Trennung zum Urbild des Ewigen. Daß die tödliche Spaltung der muss mich sich selbst und nicht mit der Natur identisch sein.
Gesellschaft aufhören könnte, setzen sie dem tödlichen Verhängnis gleich: lieber
soll das Ende aller Dinge kommen, als daß die Menschheit der Verdinglichung "Der Zwang zu Grausamkeit und Destruktion entspringt aus organischer
ein Ende macht." 30 verdrängung der Nähe zum Körper, ähnlich wie nach Freuds genialer Ahnung der
Ekel entsprang, als mit dem aufrechten Gang, mit der Entfernung von der Erde,
Die Beziehung der Zivilisation zum verdinglichten Körper ist somit paradox: der Geruchssinn, der das männliche Tier zum menstruierenden Weibchen zog,
einerseits ist er begehrt als das Verbotene, anderseits wird er als " Unterlegenes organischer Verdrängung anheimfiel. In der abendländischen, wahrscheinlich in
Versklavtes noch einmal verhöhnt und gestoßen."31 Diese basale Beziehung zum jeder Zivilisation ist das Körperliche tabuiert, Gegenstand von Anziehung und
Körper stellt sich als Hassliebe dar. Widerwillen."34

Diese These ist in verschiedenen Stellen der Dialektik der Aufklärung entwickelt,
Während die Liebe zum Körper als Versprechen verbleibt, dessen Befriedigung bei
der Kulturindustrie und ihrem Scheinsein verhindert wird, taucht der Hass an ihn unter anderem auch bei der Fahrt des Odysseus. Nur ein listiges - und aufgeklärtes -
Subjekt kann der Göttin Kirke widerstehen. Die verführten und bezauberten
allmählich auf. Der Betrug und das Unbehagen, das Verlustgefühl, die schon immer
Menschen lassen sich auf eine niedrigere biologische Stufe reduzieren, und als Tiere
als Resultat des Zivilisationsprozesses entstanden, verhindern nicht nur eine
leben sie ihren reinen Instinkten.
mögliche Körperversöhnung, sondern fördern, darüber hinaus, die Herrschaft des
Todestriebes. "Im Verhältnis des Einzelnen zum Körper, seinem eigenen wie dem
"Zauber und Gegenzauber bei der Verwandlung der Gefährten sind an Kraut und
fremden, kehrt die Irrationalität und Ungerechtigkeit der Herrschaft als Grausamkeit Wein gebunden, Rausch und Erwachen an Riechen als den immer mehr
wieder[ .. .)"32 Deshalb verbleiben in dem verqueren und pathogenen Verhältnis zum unterdrückten und Verdrängten Sinn, der wie dem Geschlecht so dem
Körper, die verdrängten sadistischen und masochistischen Züge, die hervorgebracht Eingedenken der Vorzeit am nächsten liegt. Im Bilde des Schweins aber ist jenes

21
29
Adorno, Theodor W. Zu Subjekt und Objekt. AGS 10-2, 742.
DA, 265.
30
31
Adorno, Theodor W. Kulturkritik und Gesellschaft. AGS 10-1 , 17-18. (Im folgenden KG.) 33
Adorno, Theodor W. Erziehung nach Auschwitz. AGSI0-2, 681. (Im folgenden EA.)
DA,266. 34
DA, 266-267.
32
DA, 266.
24 25

Glück de Geruch entstellt chon zum unfreien chnüffeln dessen, der die Nase
erscheint nur als falsche Versprechung, als Ausdruck des Zusammenhangs von
am Boden hat und de aufrechten Gange ich begibt .' 35
Kulturindustrie und Faschismus:40

Die von Kirke in Haustiere verwandelten Geführten sowie diejenigen die das Lottos Die Künstler bereiteten das verlorene Bild der Leib- eele-Einheit wider Willen
gefressen haben 36 fallen in unter chiedlicher Weise aus der Geschichte. Die ersten fllr die Reklame zu. Die Lobprei ung der Vitalphänomene, von der blonden
erniedrigen sich im Vergessen, leiden aber nicht haben auch kein Unglück. 31 Bestie bi zum Südseeinsulaner, mündet unausweichlich in den arongfilm, die
Wichtig i t zu sehen dass die Men chen durch die Sinne bzw. den Körper . Vitamin- und Hautcremeplakate ein, die nur die Platzhalter des immanenten Ziels
besonders durch den Geruchsinn - auf eine niedrigef primitive' Stufe zurückgeführt der RekJame ind: des neuen, großen, schönen, edlen Men chentypus: der Führer
werden. Damit lebt der uralte Wunsch nach einer ungetrennten Protosubjektivität und ihrer Truppen." 41
wieder auf: .Die Erinnerung des fernsten und ältesten Glück die dem Geruchsinn
aufblitzt, erschränkt sich noch mit der äußersten Nähe des Einverleiben. Sie weist Die Medizin verdinglicht den menschlichen Körper, gibt dem Menschen eine
auf die Urgeschichte zurück."38 Passivität, die ihn zum bloßen Körper reduziert. Als objektiver bloßer Stoff lässt
sich der Körper manipulieren und verstümmeln und wird seinerseits austauschbar,
Es wird immer wieder festgestellt, dass die Subjektbildung, denen Geschichtlichkeit sei es in der Arbeitsteilung, , bei der die Nutznießung auf die eine und die Arbeit auf
und das Bewusstsein nicht unbedingt Glück und Zufriedenheit mit sich bringen. Die die andere Seite kam ,42 sei es als Sportler oder als Leiche:
Dialektik der Vernunft und des Fortschritts muss zeigen, wie noch in folgenden
"Die drüben [Faschisten; Verf.] den Körper prie en, die Turner und
Seiten zu erklären ist, dass der zu zahlende Preis hoch sein kann, um Zivilisierte
Geländespieler, hatten seit je zum Töten die nächste Affinität, wie die
d.h. Subjekte zu werden. Naturliebhaber zur Jagd. ie ehen den Körper als beweglichen Mechanismu , die
Teile in ihren Gelenken, da Flei eh als Polsterung des keletts. ie gehen mit
Der Rückkehr zur atur zu entgehen ist die Aufgabe des zivilisierten Ichs, wonach dem Körper um, hantieren mit seinen Gliedern, als wären ie schon abgetrennt.
Odysseus nicht zufällig intensiv sucht. Paradoxerweise kehrt aber das Ich durch die Die jüdische Tradition vermittelt die cheu, einen Menschen mit dem Meterstab
Aufklärung zur bloßen Natur zurück, insofern diese den Körper entzaubert und ihn zu messen weil man die Toten me e - für den arg. Das ist es, woran die
zum Rohmaterial verwandelt. Was an Anorganisches und Unmittelbares erinnert, Manipulatoren des Körpers ihre Freude haben. Sie messen den anderen ohne es
das muss verdrängt werden. Die formalisierte Vernunft reduziert jedoch den Körper
wieder aufs Organischen. Beispiele dafür bietet die Natuiwissenschaft, besonders '° „Doch, so Horkheimer und Adorno illusionslos, ... es gibt kein Zurtlck zur ursprünglichen
einige Disziplinen wie Anatomie und Physiologie - und ihre Techniken wie die Dasein form. In den romantischen Ver uchen einer ,Renaissance des Leibes' waltet die Vergeblichkeit,
Vivisektion. die histori eh wirksam gewordene Wandlung des Leibes zum verdinglichen Körper revocieren zu
wollen." König, Eugen. Sport und Tod. Philosophische Reflexionen Ober anthropofugalen Sport. In:
Ransch-Trill, Barbara Natürlichkeit und Künstlichkeit. Philosophische Disl.."'US ionsgrundlagen zum
Die Annäherung an den Tod gehört zur Reduzierung des Körpers auf Problem der Körper-Inszenierung. Hamburg: Czwalina, 2000. Zitat . 96. Vgl. Auch König, Eugen.
disqualifiziertes Rohmaterial. Der Körper lässt sich nicht mehr in den Leib Körper - Wissen - Macht. tudien zur histori chen Anthropologie des Körpers. Berlin: Dietrich Reimer,
zurückverwandein. 39 Die Renaissance des Leibes im 19. und 20. Jahrhundert war 1989, besonders S. 3
eine romantische Idealisierung des Toten und Verstümmelten. Diese ,Renaissance' "DA, 267.
1
• DA, 265.

3s DA, 90.
36
DA, 81-82.
31
Homer. Odyssee. Stuttgart: Reclam, 1996, IX,§ 70-104, S. 136-137; X,§ 236-243, 388-400, S. 179·
180, 184.
11
DA, 82. Zudem muss berOcksichtig werden, dass in Marchen, so unsere Autoren, die Verwandlung der
Menschen in Tiere sehr oll eine Strafe ist (DA, 285).
19
DA, 267.
26

zu wis en, mit dem Blick des argmacher . ie verraten ich, wenn sie das
Re ultat au prechcn: ic nennen den Mens h lang, kurz fett und schwer.' 43
EXKURS: DER KÖRPER ALS LEICHE

In der modernen Welt ist es nicht mehr der Tod bei der öffentlichen Hinrichtung,
der Zuschauer anzieht, sondern der tote Körper wird zum Gegenstand von
Bewunderung, die eine wissenschaftliche ist. Es ist typisch für den modernen
Gedanken der Entzauberung des Körpers, dass er nicht mehr der Gegenstand von
mimetischer Untersuchung ist und sein soll wodurch das Orakel in die Zukunft
sieht, sondern zum wissenschaftlichen Gegenstand wird. Die mechanischen
Metaphern verweisen sehr gut auf die moderne Faszination für die Maschinen,
ausgedrückt zum Beispiel in den Studien zur Physiologie44 des 19. Jahrhunderts, die
kennzeichnend sind für die Entwicklung der aktuellen medizinischen
Wissenschaften.

Die Gentechnik ist momentan ein gutes Beispiel für diesen Prozess einer
Säkularisierung des Körpers, dessen Ursprung in der Geburt der Anatomie als
Wissenschaft liegt. Als Wissenschaft kann diese nicht ohne die Entwicklung des
analytischen Denkens entstehen, welches seinerseits vom Fortschritt der
Naturwissenschaften und dem Experiment als Methode unterstützt wurde. Im 17.
Jahrhundert wird die Theorie zunehmend an das Experiment gebunden. "Die
grundlegenden Eigenschaften der [... ] Intelligenz waren Sinn für das Konkrete,
Sorge um das Experiment und die praktische Anwendung." 45

Für den Umgang mit dem Körper hieß das, dass die Ärzte vor allem an einem
erweiterten Wissen über die Funktionsweise des Körpers, seiner Mechanik
interessiert waren. Man entwickelte Konservierungsmittel für tote Organe, wodurch
es möglich wurde, anatomische Sammlungen zu gründen. Mikroskope ennöglichen
neue Einsichten in quasi physikalische Abläufe im tierischen und im menschlichen
Körper. „Die Medizin nähert sich der Physik; häufig erwirbt man die Doktorwürde
auf beiden Gebieten gleichzeitig."46

Anatomie wird zur Mode, das theatrum anatonicum in ihren ,Kabinetten ' um
integrierte Bestandteil der altehrwürdigen Universitäten! Mit ihnen verbunden ist
eine breite und öffentliche Debatte über den toten Körper und seine „Geographie'
sowie über die Rechtmäßigkeit, Leichen zu benutzen z.B. ob verstorbene
Kriminelle oder Ausländer Objekt der Präparation sein dürfen. Aus dem

" Rabinbach, Anson. The human motor: energy, fatigue, and the origins of modernity. Berkley/Los
Angeles: University of Califomia, 1992; Rabinbach, Anson. Errnudung, Energie und der men chliche
Motor. ln: Sarasin, Philipp und Tanner, Jakob. Physiologie und industrielle Gesellschaft. Sh1dien Zllr
Verwissenschaft/ich1mg des Körpers im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998.
•i Zumthor, Paul, Das Alltags/eben in Holland Z!lr Zeit Rembrandts. Leipzig: Reclam 1992, . 134.
~ Zumthor, a.aO., ebd.
28 29
wachsenden öffentlichen Interesse an Präparationen entstand eine how; eine große Die Bedingungen seiner Selb terhaltung sind für das Subjekt zu teuer. Das im
Anzahl on Zu chauem strömte für die Leich n-Präparationen zusammen. 4 amen der inneren sowie der äußeren Naturbeherrschung gebrachte Opfer, das
Gleichzeitig wurd n T chniken zur Erhaltung von Organen entwickelt. Damit sowohl das Subjekt als auch die Zivilisation betrifft wird mit der Selbstzerstörung
wurde es möglich anatomi ehe ammlungen zu gründen. bezahlt. Daraus erwächst das Moment von Irrationalität der Mythologie,52 die das
Lebendige am Mensch aufs Spiel setzt. 53 Diese Zerstörung des lebendigen
lm Verständnis der wi en chaftlichen Anatomie wird es unmöglich den Körper in Menschen findet seinen Höhepunkt in der Klassengesellschaft:
den Leib zurückzu erwandeln. Die atur ist zum Stoff und zur Materie gemacht
worden die Körper werden ins Tote transformiert. Die Orientierung an der Leiche, „In der Klassenge chichte chloß die Feindschall des elbst gegens Opfer ein
trotz der Ertüchtigung und des Muskelkults markiert einen b timmten Prozess: Opfer des elbst ein weil ie mit der Verleugnung der atur im Menschen
bezahlt ward um der Herr chaft über die außermenschliche atur und über andere
"Die Lei tungen der Zivili ation sind das Produkt der ublimierung, jener Men chen willen. -ben diese Verleugnung, der Kern aller zivilisatorischen
erworbenen Haßliebe gegen Körper und Erde, von denen die Herrschaft alle Rationalität, ist die Zelle der fortwuchernden mythischen Irrationalität: mit der
Men chen lo riß. In der Medizin wird die seelische Reaktion auf die Verleugnung der atur im Menschen wird nicht bloß das Telos der aufwendigen
Verkörperlichung de Men chen in der T chnik die auf Verdinglichung der aturbeherr chung sondern das Telo des eigenen Lebens verwirrt und
ganzen atur produkti :'48 undurchsichtig. „. Die Widervernunft des totalitären Kapitali mus, des en
Technik, Bedürfni se zu befriedigten, in ihrer vergegenständlichten, von
Wie von Horkheimer und Adorno behauptet, folgt sogar die Sprache diesem Prozess Herrschaft determinierten Gestalt die Befriedigung der Bedürfnisse unmöglich
macht und zur Au rottung der Menschen treibt - die e Widervernunft ist
von Reduzierung und Entqualifizierung, was sich in der Orientierung an eindeutigen prototypisch im Heros ausgebildet, der dem Opfer sich entzieht, indem er sich
Zahlenwerten und dem Wunsch nach Beherrschung ausdrückt: Die Menschen Opfert."54
werden gemessen, als wären sie eine Leiche. Spazieren zu gehen hat nur inn (ist
nur ,vernünftig ), wenn eine Gesundheitsverbesserung zu erwarten ist. Die Gegen dieses Paradox erniedrigt sich der Mensch zum corpus, was der atur
Mahlzeit erwandelt sich in Kalorien. In verschieden Sprachen verwendet man das erlaubt, Rache zu nehmen, nachdem sie zum bloßen Stoff, zum Beherrschten
Wort ,,Holz , um „Wald' zu bezeichnen, was Orientierung am Nutzen verrät.49 )e erniedrigt wurde. 55 Die Triebhaftigkeit erreicht keine Versöhnung, sondern
komplizierter und feiner die gesellschaftliche, ökonomische und wissenschaftliche verwendet ihre eigene Energie zum Todestrieb: Die Feindschaft der Versklavten
Apparatur auf deren Bedienung das Produktionssystem den Leib längst abgestimmt gegen das Leben ist eine unversiegbare histori ehe Kraft der ge chichtlichen
hat, um so verarmter die Erlebnisse, deren er flihig ist.' 60 Die Formalisierung der Nachtsphäre.' 66
Vernunft vernichtet den vollständigen leiblichen Erfahrungssinn, der durch
abstrakte Formeln und Quantifizierungen disqualifiziert wird. Was hier eben diskutiert worden ist, soll klarer werden, wenn wir in der Folge
versuchen einige Facetten des Begriffs Mimesis zu klären wie er von Adorno und
·'Tue children may imitate the father who was addicted to long walk , but if the Horkheimer verwendet und bearbeitet wurde.
formalization of reason has progressed far enough, they will consider that they
ha e done their duty by the bodies if they go through a set of gymnastics to the
commands of a radio voice. o walk through the land cape is necessary any
longer; and thus the very concept of landscape as experienced by a pedestrian
becomes meaningless and arbitrary. Land cape deteriorates altogether into n DA, 71-73.
landscaping."51 SJ DA, 73.
!<DA, 72-73.
ss DA, 266.
56
DA, 268.
41
Zumthor„a.a.0„ S. 176.
41
DA,268.
9
' DA, 269.
~DA, 53.
51
ER, 37-38, (KV, 56).
31

Verdrängung der Mimesis bedeutet. Der Höhepunkt solcher Analyse findet sich im
1.4. MIMESIS: SELBSTERHALTUNG, DESTRUKTIVITÄT, VERSÖHNUNG Kapitel Elemente des Antisemitismus: Grenzen der Aujklärung,58 wo die
Verflechtung von Mimesis bzw. Todstrieb, der Neigung sich zu verlieren, mit der
Mime is ist ein zentraler Begriff in verschiedenen Werke des westlichen Denkens Macht der Politik beschrieben wird, um den deutschen Faschismus in seiner
on Plato bis Freud und der Postmoderne. Er ist häufig mit dem menschlichen Trieb unterirdischen Geschichte zu verstehen.
as oziiert, ein Objekt nachzuahmen, zu erkennen und darzustellen. Deshalb findet er
einen be onderen Platz in Sphären wie Kunst und Erziehung, bzw. Der Begriff Mimesis ist vielfältig, er hat seine Wurzeln in der Ästhetik, in der
Kindererziehung. Schon in der berühmten Schrift Platos Der Staat, spielt die Psychoanalyse und, nicht unwichtiger als Modell, in der Anthropologie. Wichtig für
Mimesis eine wichtige Rolle sowohl für die (politische) Erziehung als auch für die die vorliegende Arbeit ist, sich bewusst zu machen, dass die mimetische Fähigkeit
Staatspolitikderen Beziehung wie Plato argumentiert, zur Kunst und zum Künstler als Nachahmung, Darstellung, Aufarbeitung der Welt verstanden, eine Fähigkeit ist,
in Frage gestellt wird. die eng mit dem Gedächtnis verbunden ist und stark mit Selbsterhaltung zu tun hat.
Darüber hinaus kann sie als mimetischer Trieb nicht nur eine Bedrohung für die
ach Plato hätte Mimesis als Imitation und Darstellung eine manchmal positive ubjekte zur Selbstauflösung (das Subjekt selbst wurde mit der Verdrängung des
manchmal negative Rolle für die Ausbildung des Bürgers, was zugleich mit seinem mimetischen Impulses erzeugt) darstellen, sondern als Todestrieb auch politisch
Erkenntnisbegriff und seinem Projekt des politischen Subjekts zu tun hat. verwendet (gehandhabt) werden.

In diesem Sinn wird im Staat Mimesis gleichzeitig als ein Instrument zur Zwischen Mythos und Aufklärung spielt der Körper, so Adorno und Horkheimer,
Ausbildung der Hüter verstanden (Buch Ill), aber auch als Ausdruck und als mimetischer eine entscheidende Rolle. "The whole Body is an organ of mimetic
Produktion von Fehlern, der Täuschung und des fa lschen Wissens, so dass die expression" 59 schreibt Horkheimer nicht zu Unrecht, wenn wir die otwendigkeit
Menschen sich vom Ernsten entfernen (Buch X). In diesem Sinne haben deren dieser Fähigkeit in der Schaffung von prototypischer Subjektivität beobachten.
Urheber, die Dichter, keinen Platz, und sie werden aus der Platonischen Republik
verbannt werden. 1.4.1. Archaisches Schema
,The artist's representation is therefore a long way removed from truth and he is Die ( primitiven") Menschen hatten früher ein archaisches Schema dessen
able to reproduce everything because he ne er penetrates beneath the superficial Funktionen mit Selbsterhaltung zu tun hatte und dessen Rolle unverzichtbar für die
appearance of anything. For example, a painter can paint a portrait of a
menschliche Entwicklung war, für die körperliche, organische Angleichung an die
shoemaker or a carpenter or any other craftsman without knowing anything about
their crafts at all; yet, if he is skillful enough, his portrait of a carpenter may, at a atur, mit der sie sich vor einer Furcht zu befreien suchten. Der Mensch, dessen
di tance, deceive children or simple people into thinking it i a real carpenter." 57 ubjektivität noch nicht voll entwickelt ist oder sich als beschädigt darstellt,
imitiert wie die anderen Lebewesen die umgebende Natur um sich von ihrer Macht
Da das Mimetische zu den wichtigsten Vermögen der Menschen gehört, zu befreien.
thematisieren es Horkheimer und Adorno in seinem vielfältigen Begriffsinhalt. In
vielfältiger Fonn haben sie in ihren Werke über dieses Thema neu nachgedacht. Die reflexbedingte Erstarrung des Menschen vor einer ihm bedrohenden atur -
Sogar im gleichen Buch kann man eine differenzierte Begriffsverwendung finden, was die Biologie als freezing bezeichnet - zeigt die Existenz eines quasi
wie z. B. in der Dialektik der Aufklärung, wo zunächst die Rolle der Mimesis in der vorsubjektiven Zustands an, in dem der Mensch weil er die Natur noch nicht
Entwicklung einer widersprüchlichen Subjektivität und ihre entsprechende beherrschen kann, aus dem vermutlichen Schrecken flieht. , chutz aJ Schrecken ist
Rationalitätsform, die instrumentelle Vernunft herausgearbeitet wird. In diesem Fall eine Form der Mimikry .60 Befreit aus der Differenz ist das listige Ego einen
wird Mimesis als Scheideweg bzw. ein gesonderter Entwicklungspfad von Schritt weiter im Sinn der Formalisierung der Vernunft. Das ist im Grunde
Zivilisation verstanden. Dieser wird philosophisch und sozialpsychologisch - aber
nicht historisch - beschrieben, als Entwicklung des Verhältnis des Menschen zur 11
DA, 192-234. Vgl. auch Adorno, Theodor W. The Frcudian Theory and the Pattern of Fascist
Natur, als allmähliche Entfremdung des ersteren von der zweiten, die auch die Propaganda. AGS8.
19
ER, 114, (KY, 124).
60
DA, 205 .
57
Plato. The Republic. London: Penguin, 1967, S. 374.
32
33
genommen eine Angleichung ans Tote: Horkheimer und Adorno sprechen von einer reflexive) making of onesclf like the environment is a universell principle of
, ... dem Lebendigen tief einwohnenden Tendenz, deren Überwindung das civilization."65
Kennzeichen aller Entwicklung ist: sich an die Umgebung zu verlieren anstatt sich
tätig in ihr durchzusetzen, den Hang sich gehen zu Jassen zurückzusinken in der 1.4.2. Mythos und Wissen
Natur. Freud hat sie den Todestrieb genannt, Caillois le mimetisme." 61
In einer späteren Phase wird das mimetische Vermögen als Fähigkeit verstanden,
Jenseits der phylogenetischen Perspektive lässt sich das Mimetischen auch aus Ähnlichkeiten herzustellen und zu erkennen. Die körperliche Nachahmung der
ontogenetischer Perspektive betrachten. Dies änderte sich im Laufe der Geschichte äußeren Natur, die Götter und Dämonen mit Masken und Tänzen, ist die Aufgabe
bleibt aber als Vermittlung zwischen Mensch und Welt erhalten. Gute Beispiele des Zaubers „ ... um sie zu erschrecken oder zu besänftigen, gebärdet er sich
dafür sind die Spiele und das Tanzen womit die Kinder die Welt darstellen können schreckhaft oder sanft."66 Wir haben hiermit eine „Handhabung der Mimesis", die
und sie sich damit aneignen. Mimetischer Art sind bei den Kindern ihre ersten einem Prinzip des Mythos folgt: Die Wiederholung einiger uralter technischer
identifizierenden kulturellen Verhaltensfonnen (Gesten, Gehen Fühlen usw.), ihre Handlungen, deren Aufgabe es ist, magisch die noch nicht begreifbare, aber
ersten Weltanschauungen die sie aus dem Kontakt mit Eltern und anderen teilweise anthropomorphe Natur zu beeinflussen. ln Grunde genommen gibt es
Identitätsfiguren produzieren.62 Die Kinder spielen nicht nur imitierend die anderen schon im Mythos ein Moment von Aufklärung, insofern Elemente einer
Menschen nach sondern sie stellen auch ihre eigene Welt dar und arbeiten sie au( Kalkulierbarkeit präsent sind. Es gibt schon den Wunsch zum Beherrschen, den
Sie entwickeln damit, wenn sie spielen, eine Art von nichtbegrifflicher Erkenntnis.6'! zweckmäßigen Blick.

Die formelle Erziehung ist jedoch sehr wirksam, um nach der Logik instrumenteller Die zunehmende Verdrängung des mimetischen Impulses ist, wie oben mehrmals
Vernunft die mimetische Dimension zu verdrängen bzw. zu verstümmeln. Bloß gesagt, eine Voraussetzung für den Zivilisationsprozess. Die mimetische Fähigkeit
mimetische Spuren sollen in der kindlichen Erinnerung bleiben. Anstelle von soll durch Reflexion ersetzt werden. Nicht mehr Anpassung und Anschmiegung an
Einbildungskraft, Intuition Darstellungsvermögen und Spiel muss das Kalkulieren die Natur, sondern die Arbeit soll die vermittelnde Instanz für die Beziehung zur
und das mathematische Denkens Platz ergreifen, damit das Subjekt sich der Welt atur werden. ''Natur soll nicht mehr durch Angleichung beeinflußt, sondern durch
angleichen kann. 64 Arbeit beherrscht werden." 67

Deshalb schreibt Max Horkheimer, dass: „Technik vollzieht die Anpas ung ans Tote im Dien te der elb terhaltung nicht
mehr wie Magie durch körperliche achahmung der äußeren durch ihre
. Civilization starts with, but mu t eventually transcend and transvaluate, man's Umwandlung in blinde Abläufe. Mit ihrem Triumph werden die menschlichen
native mimetic impulses. Cultural progress as a whole, as weil as individual Äußerungen sowohl beherr chbar als zwangsmäßig. '68
education, i.e. the phylogenetic and ontogenetic process of civilization, consists
largely in converting mimetic into rational attitudes. Just as primitives must leam Durch diese Abspaltung von der Natur verwandelt sich das Ich in ein Objekt, dessen
that they can produce better crops by treating the soil properly than by practicing Vermittlung par exce//ence die subjektive bzw. instrumentelle Vernunft ist. Diese
magic, so the modern child must learn to curb his mimetic impulses and to direct stellt sich in erster Linie in Form von Arbeit, Technik und Wissenschaft dar.
them toward a definitive goal. Conscious adaptation and eventually domination
replace the various fonns of mimesis. The progress of science is the theoretical Die Technik unternimmt die Anpassung ans Tote im Dienst der Selbsterhaltung,
manifestation of this change: the fonnula supplants the image, the calculating allerdings nicht mehr mit Hilfe der Magie und durch organische Anschmiegung
machine the ritual dances. To adapt oneself means to make oneself like the word
of objects for the sake of self-preservation. This deliberate (as opposed to oder körperliche Angleichung an die äußere Natur, sondern durch die
Automatisierung des Geistes.
61
DA, 259-260. Siehe auch, Freud, igmund. Jenseits des Lustprinzips. Jn: ders. Studienausgabe Band 3.
Frankfurt am Main: Fischer, 1975; besonders S. 246-248.
62 ER, 115; (KV, 144-145).
ER, 114-115. 6l
63 16
Den Begriff übernehme ich aus: Gebauer und Wulf (Gebauer, Guntcr und Wulf, Christoph. Mimesis. DA, 26.
67
Kultur - Kunst - Gesellschqfi.Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1992, S. 396). DA,35.
64 61
DA,42. DA,206.
34
35
.,Zi ili ation hat an teile der organi chcn Anschmiegung an andere, an teile de
eigentlich mimeli chen erhalten zunäch t in der magi chen Phase, die Entsagung aber nicht erfüllt worden sind, liegt der mimetische Impuls auf der
organi ierte Handhabung der Mime i und chließlich, in der hi tori chen, die Lauer als Destruktivkraft, als Todestrieb, aufzutauchen. 71
rationale Praxi die Arbeit, gesetzt. Unbeherr chte Mime i wird verfemt. Der
Engel mit dem feurigen chwert, d r die Menschen aus dem Paradie auf die 1.4.3. Politische Handhabung
Bahn de techni hen Fortschritts trieb, i t elbst das innbild solchen
Fortschritts. ... An teil der leiblichen Angleichung an atur tritt die In der Analyse über den Nationalsozialismus gesehen als einen Schlüssel, um die
Rekognition im Begriff die Befassung des Ver chiedenen unter Gleiches. Die Modernität - in seiner kapitalistischen, aber auch totalitären Version - ans Licht zu
Kon tellation aber. unter der Gleichh it ich herstellt, die unmittelbare Mime is bringen finden Horkheimer und Adorno das Mimetische am Ende der Modeme
wie die ermittelte der nthe i die Angleichung ans Ding im blinden Vollzug
de Lebens wie die Vergleichung des Verdinglichten in der wis en chaftlichen wieder um es nunmehr als degradierte Mimikry in der verwalteten Gesellschaft zu
BegrilT: bildung, bleibt die de chreckens. Die Gesell chail etzt die drohende enthüllen. Es gibt keinen ästhetischen Charakter zu bewahren welcher in der Magie
atur fort als den dauernden, organi ierten z, ang, der, in den lndi iduen aJ und natürlich in der Kunst zu finden war/ist. Anstelle des Anschrniegens wie im
kon equente elb terhaltung sich reproduzierend, auf die atur zurückschlägt al piel, sucht das in den totalitären Gesellschaften chwache Ich die unmittelbare
ge eil chaftliche Herrschaft über die atur. Wi enschaft ist Wiederholung, achahmung, die Angleichung an politische Id ntitätsfiguren. Diese falsche
verfeinert zu beobachteter Regelmäßigkeit., aufbewahrt in tereotypen."69 Identifikation entspricht einer fal eben Projektion.

Bedeutsam ist auch die enge Verbindung dieser Reflexionen von Horkheimer und In einer (total)verwalteten Ge eil chaft, i t das Ich unfiihig ich mit der eigen n und
Adorno mit der von Walter Benjamin in seiner Jahre vorher geschriebenen Arbeit äußeren atur zu versöhnen. tatt de en orientiert es ich am Gleichen (das
Über den Begriff der Geschichte. Der Einfluss Benjamins auf Adornos Werk, trotz lmmerwiedergleiche, o Walter Benjamin) n an der Identität ohne Vermittlung. In
(oder wegen!) ihrer Kontroversen, ist sehr bemerkenswert. So die lX. These von letzter lnstanz bedeutet dies den Verlust der Indi idualität und der Einheit des Ichs
Benjamin: (' icht-mehr-man-selbst-Sein" 73 ). Es gibt kein Sein werden, und das in dem
Establishment aufgelöste Individuum überlebt gespalten, ohne volle Alterität.
„Es gibt ein Bild on Klee, das Angelus ovus heißt. in Engel ist darauf
dargestellt, der aussiebt., als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, Die ehemalige Fähigkeit nachzuspielen und anzuschmiegen verbleibt rudimentär als
worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen sein Mund steht offen und seine Bedrohung der Einheit des Ichs als Verdrängung der Neigung zur Rückkehr zu
Flügel ind ausge pannt. Der Engel der Geschichte muß o aussehen. Er hat das frühen Entwicklungsetappen, befreit vom Zivilisationsdruck wie die Episode von
Antlitz der Vergangenheit zuge\ endet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns Kirke sehr schön illustriert. Es herrscht dann zunehmend der Todestrieb der
erscheint., da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf
Trümmer häuft und sie ihm or die FUße schleudert. Er möchte wohl verweilen, Wunsch, sich dem Toten anzugleichen, das Auflösen des Ichs bei dem es keine
die Toten ' ecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein turm weht Transzendenz geben kann keine Versöhnung mit sich selbst Platz finden kann. Da
vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß Ich verliert sich aus der Geschichte, wird deshalb im Raum aufgelöst. 74
der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser turm treibt ihn unaufhaltsam in
die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Die Idiosynkrasie, alles was an die (in bestimmter Hinsicht biol gi h
Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser turm." 70 Protogeschichte erinnert., erweist auf ein unbeherrschtes Ich. In bc timmtcn
Momenten kann es auch körperlich unbeweglich werden, was ein Ver uch i t, i h
Auf den Impuls zu verzichten, sich in der Umgebung aufzulösen und statt dessen der Umgebung anzu erwandeln. Das ist eine Wiederholung de prolo ubjcktivcn
der Natur zu widerstehen und sich als Subjekt zu erhalten, das sind gleichzeitig chemas. Das Ich erhält sich wie ein Chamäleon, das sich in Blattwerk v rmi ht,
Voraussetzungen, aber auch Folgen der Zivilisation. Da die Versprechungen die er um sich zu verstecken. Die äußere atur hat trotzdem keine Tran zendenz, de hulb

11
ER, 116.
n Benjamin, Walter. Zentralpark. Benjamin, Walter. Geromnrelte Schriften (Band 1-2). ~rrmkfurt m
69
Main, Suhrkamp, 1980, . 655-690, msbcsondere . 673.
DA, 205-206. 11
Vgl. Adorno in Horkheimer, Max. Diskussionsprotokolle. HG 12, 510.
'° Benjamin, Walter. (1940) Über den Begriff der Geschichte, aa.O„ 697-698. 'Gebauer, Gunter und Wulf, Christian, aaO., besonders . 390
---
36 37

stellt sich diese Assimi lation als Entfremdung dar. "Wo Menschliches werden will Potentialitllten der atur einverleibt. Die azis manipulierten die unterdrückten
wie atur verhärtet es sich zugleich gegen sie. chutz als Schrecken ist eine Fonn Wünsche des deutschen Volkes.'·7
der Mimikry. Jene Erstarrungsreaktionen am Men eben sind archaische Schemata
der Selbsterhaltung: das Leben zahlt den Zoll für seinen Fortbestand durch
Angleichung ans Tote. 75

Diese Anpassung ans Tode hat aber Momente von Ratio List und Betrug wie in
dem Fall vom Kyklop Polyphem. 76 ie hat jedoch auch eine Gegenfacette:

,Die Anstrengung, das Ich zusammenzuhalten, haftet dem Ich auf allen tufen an,
und tel war die Lockung, es zu verlieren, mit der blinden Ent chlos enheil zu
seiner Erhaltung gepaart. Der narkoti ehe Rau eh der für die Euphorie in der das
elbst uspendiert i t, mit todähnlichem chlaf büßen lässt, ist eine der ältesten
ge eil chaftlichen Veranstaltungen, die zwischen elbsterhaltung und -
vernichtung vermitteln, ein Ver uch des elbst, sich selber zu überleben. Die
Angst, das Selb t zu verlieren und mit dem Selbst die Grenze zwi chen sich und
anderem Leben aufzuheben, die cheu vor Tod und Destruktion ist einem
Glücksversprechen erschwistert, von dem in jedem Augenblick die Zivilisation
bedroht war. Ihr Weg war der von Gehorsam und Arbeit, über dem Erfüllung
77
immerwährend bloß als chein, als entmachtete chönheit leuchtet. n~u"OPctell mit d nen
en und Haltung n ollen
Die Dialektik der Aufklärung versucht, den Doppelcharakter dieses Mechanismus Lnrew~:eiI be!;ocJl<1ers körperli h ausgedrückt
darzustellen. Einerseits die Angst, das Ich zu verlieren, anderseits der rauschhafte sein muss.
Wunsch, sich in eine primäre Natur aufzulösen, deren Überwindung gleichzeitig
eine Voraussetzung und ein Merkmal des Fortschritts ist. Die dialektische Analyse Als Gegenbeispiel ' ·ird in en ersammhmg au b die feindliche Figur
zeigt die beiden Seiten eines Subjekts wie Odysseus, Stärke gewinnend aus vorgestellt und verstärkt, in dem sie als Gegenras e und primitive Natur
Anerkennen der Schwäche, das an die Zivilisation einen täglichen Zoll bezahlen charakterisiert wird und an der Körperli heo Züge bemerkt werden, um sie dann
soll; ohne diese Selbstreflexion aber schlägt Stärke in Schwäche um. durch rationalisierte Idiosynkrasie dem ollekti en Hass auszusetzen.

Der Nationalsozialismus hat eine neue Art von Unterwerfung erzeugt. Oie , Die seelisch Energie. die d politische Antisemiti mus einspannt, i t olchc
Anpassung des Individuums erfolgt nicht mehr durch die Versagung von Trieben, rationali ierte Idiosynkrasie. Alle die Vorwande, in denen Uhrer und
sondern durch ihre (Pseudo-)Befreiung, welche um Mechanismus von Kontrolle Gefolgschaft i h \CT'Stehen. taugen dazu, dass man ohne offenkundige
und Beherrschung wird. Diese überspitzt formulierte These scheint mir durch Ver! tzung d Realiw.sprinzjps, gleichsam in Ehren., d r mimeti hen
Horkheirners Feststellung gedeckt: Verlockung nachgeben kann. i · eo den Juden nicht leiden und imitieren ihn
immerzu. Kein Antisemit, dem nicht im Blute Jage, nachzuahmen, w ihm
Jude heißt. Das ist immer selbst mimetische Chiffren: die argumentiere nd •
'Im modernen Faschismus hat die Rationalität eine Stufe erreicht ,auf der sie
Handbewegung, die ingeode Tonfall, wie er unabhängig vom rtcil ·inn ei n
sich nicht mehr begnügt, einfach die Natur zu unterdrücken; die Rationalität
bewegtes Bild \On h und Gefilhl malt, die asc, das phy iogn mische
beutet jetzt die Natur aus, indem sie ihrem eigenen ystem die rebellischen
principium iodi iduationis, ein hriftzeichen gleichsam. das dem inzclnen den
besonderen Charakter ins G i ht hreibt. In d n vieldeutigen N igungcn d r
Riechlust lebt die alte hnsu ht nach dem nteren fort, nach der unmittelbaren
75
DA, 205.
76
DA, 83 tr; Homer, a.aO., IX,§ 359-413, S. 145-147. n KV, 130.
77
DA, 50-51. " DA, 209.
38 39

Ver inigung mit umgebender atur, mit Erde und chlamm. Vor allen innen euklassizismus. Deshalb ist es für den Nationalsozialismus nicht schwierig
z ugt der Akt de Riech n das angezogen ' ird, ohne zu crgegen tlindlichen, gewesen den olympische Mythos der Griechen antikisierend mit dem arischen zu
am innlich ten on dem Drang, an andere ich zu erlieren um gleich zu paralleli ieren. Die arischen Körper waren sportiviziert, scheinbar mit der Natur
werd n. Darum i t Geruch. al Wahrnehmung ' ie al Wahrgenommenes - beide versöhnt. ie wurden aber auch als, begehrenswert dargestellt, den zu hassenden
werden ein im Vollzug - mehr Au druck als andere inne. Im ehen bleibt man, Körpern entgegengesetzt. 86
' er man ist, im Riechen geht man auf. o gilt der Zivi li ation Geruch al
chmach. als Zeichen niederer ozialer chichten, minderer Ras en und unedler
Tiere."80
Eine theoretische Architektur, welche die Beziehung zwischen Körper und
Bemerkenswert ist, wie der Geruch als primitivster menschlicher inn betrachtet
Zivilisation stark problematisiert, eine Theorie, welche die Hassliebe zum Körper
wird sei es wenn die Göttin Kirke die Fahrenden in Schweine verwandelt 81 sei es
anklagt und ihre entsprechende Verwandlung in entqualifiziertes Rohmaterial
als Au druck einer eigung zur Rückkehr, zur gewünschten Auflösung der
denunziert die darüber hinaus zeigt, dass der Mensch zum Objekt des Wissens und
Subjekti ität:
der Macht wird entfalten die Schriften von Adorno und Horkheimer am Beispiel
des Sports .
.,Die Erinnerung de fernsten und älte ten Glücks, die dem Geruch inn aufblitzt,
verschränkt sich noch mit der äußersten Nähe de Einverleibens. ie weist auf die
Urge chichte zurück. Gleichgültig, welche Fülle der Qual den Men chen in ihr
widerfuhr, sie vermögen doch kein Glück zu denken, das nicht vom Bilde jener
Urge chichte zehrte: Also steurten '' ir fürder him eg, chwermiltigen Herzens·
Ody ee, IX ."82

Diese Erniedrigung zur bloßen Physiologie und zur „primitiven Natur hat seinen
Höhepunkt in Auschwitz, wo die Grenzen der Aufklärung besonders identifizierbar
gewesen sind.83 Paradoxerweise hat diese Grenze eine ihrer dunkelsten Facetten
genau in der vernünftigen, wissenschaftlichen, also , medizinischen '84 Behandlung
von vielen Inhaftierten der Vernichtungslager.

Eine Erscheinung dieser Reduzierung des Körpers auf bloße Physiologie sind auch,
in Fortsetzung der rassistischen Staatspolitik, die Olympischen Spiele von 1936 in
Berlin, die als Gesamtkunstwerk8 5 konzipiert wurden. Die Olympiade gehört als
restauratives Moment der Mythologisierung der Antike zur Ideologie des

'° DA, 208-209.


11
DA, 88; HOMER. Odyssee. Reclam, Stuttgart, 1996, X,§ 275, S. 162.
n DA, 82-83.
13
DA, 192-234. Vgl. auch Claussen, Detlev. Grenzen der Aufklärung: die Gesellschafl//che Genese des
modernen Antisemillsmus. Frankfurt am Main: Fischer, 1994.
M Arendt, llannah. Eichmann m Jerusalem: A Report on the Banality of Evil. London: Penguin, 1994,
69-70.
" Vgl. Gebauer, Gunter und Wulf; Christoph. Die Berliner Olympiade 1936. piele der Gewall In. " Vgl. Wildmann, Daniel. Begehrte Körper: Konstruktion und lns=enierung des "arischen"
Gebauer, Guntcr (Hrsg.). Olympische Spiele - die andere Utopie der Moderne. Olympia zwtschen Kult Mtinnerkörpers im "Drillen Reich". Würzburg: Königshausen & eumann, 1998.
und Droge. Frankfurt: Suhrkamp, 1996, pp. 247-255. Die Literatur Ober die Olympischen Spielen 1936
ist in Deutschland außerdem sehr groß. Ein guter Beitrag ist, z.B., der von Alkemeyer, Thomas. KIJrper,
Kult und Politik. Von der „Muskelreligion " Pierre de Coubertms zur Inszenierung der Macht in den
Olympuchen Spielen von 1936. Frankfurt am Main: Campus, 1996.
41

Beziehung zu einigen Kla senkameraden berichtet die körperlich stärker und


2. ADORNO D HORKHEIMER "BER SPORT ew'31ttätiger waren. Für ihn zeigte deren Fonn von Gewalt Grundzüge dessen, was
sp.1ter die Faschi ten praktizierten.
2.1. ZUR MÖGLICHE DOPPELDE TIGKEIT DE SPORTS
„Die fünf Patrioten, die über einen einzelnen Kameraden herfielen, ihn
Adorno selbst hat keinen Es ay oder Artikel über das Thema Sport geschrieben.87 In verprügelten und ihn, al er beim Lehrer ich beklagte als Klas en erräter
seinen chriften taucht der Sport allerdings oft al ein zu kritisierendes Phänomen diffamierten - ind e nicht die gleichen, die Gefangene folterten um die
auf das mit Sadismus und Masochismu zu tun hat. Darüber hinaus sei der Sport Ausländer Logen zu trafen, die sagten, d jene gefoltert würden? D ren Hallo
eine Angleichung des Menschen an die Maschine und mit seiner Förderung des kein Ende nahm, wenn der Primus versagte - haben ie nicht grinsend und
\erlegen denjOdischen chutzhäftling um tanden und ich mokiert wenn er allzu
Wettkampfgeistes ein Feind jeder Erziehung zur Mündigkeit. Es gibt ab~r wenn ungeschicJ...1 ich aufzuhängen ersuchte?" 90
auch seltener Textstellen die auf den Doppelcharakter von Sport verweisen, auf
mögliche Verstärkungseffekte von olidarität im port und andererseits auf seine
Die Lektüre vieler Texte von Adorno or allen der oben zitierte und die Berichte
Funktion als Vehikel sozialer Fonnen von Beherrschung und Dominanz. Das
seiner engen Mitarbeitern (etwa: Jürgen Habennas und R. Becker- chmidt) zeigen
Sportspektakel als Teil der Kulturindustrie wird unter dem Aspekt der Entfremdung
eine Person die für jede Fonn von Gewalt, unter anderem auch sportlicher Gewalt,
genauso kritisiert wie unter den Gesichtspunkten der Mystifizierung von
äußerst sensibili iert war.
Sportidolen und der Irrationalität in Massenversammlungen.
Von Adorno wird jedoch zuge tanden, das der port auch ein pielerisches
Hochleistungssport war für Adorno immer ein Ausdruck von Gewalt _un~ auch
Moment beinhaltet, das ein Gegengewicht zu den Maximierung tendenzen des
sportlicher Wettbewerb erschien ihm weitgehend sinnlo_s. Für ~dorno _bleibt ~edoch
Hochleistungssport sein könnte. In diesem Punkt stimmt Adorno Heilmut Becker
die eher unwahrscheinliche Möglichkeit eines Sporttreibens, m der die Beziehung
zu, der oft einer einer Ge prächspartner war, wenn Erziehung thematisiert wurde.
der Teilnehmer weder aggressiv noch gewalttätig ist.
ach Becker eröffitet sich im piel für die Ge ellschaft die Möglichkeit, sich on
der körperlichen Mühsal zu befreien. De halb könne der port auch für die S~h~le
In seinen berühmten Vorträgen und Gesprächen über Erziehung artikuliert Adorno 11ichtig sein. Das bedeute aber keine Unterstützung für das WettkampfsprnlZlp,
auch einige Gedanken zum Sport, den er im Prinzip als Gegner einer Erziehung zur dessen Betonung, da eher primiti , im portunterricht vennieden werden sollte.91
Mündigkeit ansieht. Erinnerungen aus seinem eigenen Leben verwendet er als
Beispiele. Nur die Kinderspiele hätten eine positive Rolle in sei~er E~ziehung
Die kritische chärfe der Kommentare zu port wird augen cheinlicher wenn zu
gespielt. Beim Wettbewerb hingegen hätte er nur erfahren dass er die Te1Jnehm~r
lesen is~ dass der sportliche Wettbewerb mit Überschuss (Exzess) Verschwendung
lehrt, sich aggressiv zu verhalten. 88 Auch Max Horkheimer hat beobachtet ~v1e
wtd einer bestimmten Art von Regression in Verbindung gebracht wird. Den Sport
körperliche Gewaltäußerungen der Gesellschaft sich im Spo~ wi~der~nden. Fiir ~
als ein Entspannungsfeld zu bewerten, wird hier dann als eine Fonn von
ist der Sportunterricht bei Kindern gerade wegen der Möglichkeit, hier gewalttätig
Menschenerniedrigung angesehen. Die e Reduzierung auf ,,reine atur' sei ein
zu handeln, bei Kindern sehr beliebt. 89
getahrlicher Mechanismus von lrrationalität.92
Biographische Erinnerungen sind stets ein wichtiges Element bei Adornos
Die Doppeldeutigkeit von port analysiert Adorno auch in einem Text, in dem er
Reflexionen gewesen. In den Minima Moralia, wo biographische Notizen gehä_uft
zu finden sind, lesen wir einen Aufsatz über Adornos Kindheit, in dem er über seine die Forderung verteidigt dass Erziehung vor allem der Anforderung zu genügen
habe, den Widerstand gegen Barbarei zu fonnen. 93 Solange noch die Möglichkeiten
einer Rückkehr zur Barbarei bestehen und diese nicht als Ausnahme andern als
„ Nach Rolf Tiedemann hat Adorno eine Arbeit zur oziologie des Sports geplant, die aber nicht
niedergeschrieben wurde. Tiedemann, Rolf. Editorische Nachbemerkung. AGS9-2, . 404.
18
Adorno, Theodor W. Erziehung zur Entbarbarisierung. In: Adorno, Theodor W. Erziehung zu
MM,219.
Mündigkeit. Vortrtige und Gesprtiche mit Helmut Becker - 1959-1969 (Hg. von Gerd Kadclbach) ( . 126- 11
139). Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1970. (Zitat .132-134, in folgenden EE). . Helmut Becker im Gespräch mit Adorno in EM, p. 133.
19 ~ EE, . 136.
Horkheimer, Max . The End ofReason. Studies m Phtlosophyand Socia/ Science. ( . 366-388) In tttute
fi .Die Ford rung, dass Auschwitz nicht noch einmal ei, i t die allererste an Erziehung." EA, 674.
of Social Research, ew York City, 1941, S. 366-388, insbesondere . 379 und ff.
42 43

Gesellschaftsmerkmal zu betrachten seien würd n die Tendenzen zu körperlicher .Immerhin leuchtet die Hypothese, neben anderen ein, daß durch die
Ge\ alt fortbestehen . Deshalb sei es so w ichtig beide Seiten de ports zu beachten. Anstrengungen, welche der port zumutet, durch die Funktionalisierung des
Körpers im team die gerade in den beliebte ten portarten sich vollzieht, die
,.[... ) auf der einen eite kann er antibarbari eh und anti adi ti eh wirken durch Menschen ich, ohne es zu wissen einschulen auf die Verhalten weisen die,
fair pla , Ritterlichkeit, Rück icht auf den chwächeren. Ander eits kann er in mehr oder minder sublimiert, im Arbeitsproze s von ihnen erwartet werden. Die
manchen seiner Arten und Verführung weisen Aggres ion, Rohheit und adismus alte Begründung, man betreibe port, um fit zu bleiben, ist unwahr nur, weil sie
fOrdem, or al lem in Personen, die nicht elb t der Anstrengung und Di ziplin des die fitness al eigen tändiges Ziel au gibt· fitness für die Arbeit indessen ist wohl
ports ich au etzen, ondern bloß zu ehen- in jenen, die auf dem Sportfeld zu einer der geheimen Zwecke des ports. Vielfach wird man im port er t sich
brüllen pflegen: 94 elber einmal antun, und dann als Triumph der eigenen Freiheit genießen, was
man ich unter gesell chaftlichem Druck antun und sich schmackhaft machen
Mehnnals hat Adorno auf die positiven Möglichkeiten des aktiven Sports muß."97
hingewiesen, ganz im Gegensatz hierum die Analyse des Sportzuschauers, den er
von einer Kulturindustrie beherrscht sieht, die den Zuschauer entmündigt und in Die sogenannte Freiheit des ports sei nichts anderes als seine Funktion, ein
einen geführlichen Rohzustand zurückversetzt. kompensatorisches, genauer: ein dressierendes Mittel für die Arbeitspraxis zu sein 98
sie funktioniere physische Unlust in sekundäre Lust um. 99 Fitness in ihrer
, Der portsrnann selber mag noch Tugenden wie Solidarität, Hilfsbereitschaft fetischistischen Form sei deshalb nicht mehr als eine Anforderung der Arbeitswelt.
selbst Enthusiasmus enh ickeln, die sich im entscheidenden politischen
Augenbl ick be' ähren können. Beim Sportzuschauer ist davon nichts geblieben; „Die Rekorde aber, in denen der port terminiert, proklamieren schon das
roh kontemplative eugier zersetzt die letzte pontaneität Massenkultur aber unverhüllte Recht de tärksten, da aus der Konkurrenz o selb tverständlich
möchte ihre Konsumenten nicht in Sportsleute sondern in johlende hervorgeh~ weil es o unverrückbar von je ie beherrschte. Im Triumph olchen
Tribünenbesucher verwandeln:'95 praktischen Geiste , fern vom Erwerb der Leben mittel, wird der Sport zur
P udopraxi , in der die Prakti chen nicht länger sich elber zu helfen vermögen,
Im zitierten Text fällt auf, dass die sportl iche Praxis von Adorno hier vielleicht zu sondern sich nochmals zu den Objek.'ten machen, die sie ohnehin ind. In seiner
positiv bewertet wird. Es sieht so aus, als vernachlässige er hier zu sehr die scheinlosen Buchstäblichkeit, dem tierischen rnst, der jede Geste de Spiel zum
unmittelbare Beziehung zwischen der Sportdisziplin bzw. der Disziplinierung der Reflex erstarren läßt, wird port zum farblo en Abglanz de verhärteten kalten
Lebens. Die Lust der Bewegung, den Gedanken an die Befreiung de Leibe , die
Körper im Sport und den autoritären Strukturen in modernen Gesellschaften. u pension der Zwecke bewahrt er nur in äußerster Entstellung." 100
Optimistisch auch seine Einschätzung, zum Sport gehöre es, Rücksicht auf den
Gegner zu nehmen, wenn er schwächer ist. Vielleicht liegt ein Moment von
Die Grausamkeit der Kulturindustrie sieht Adorno aber nicht nur in ihrer
Projektion vor, wenn man bedenkt, wie wichtig diese Fähigkeit zur
Fetischisierung der fitness sondern auch in der sublimen Produktion des
Rücksichtsnahme für Adorno ist. Denn für Adorno finden gewalttätige und
Sporthelden und seines Image, das gleichzeitig erotisch und verboten dem
irrationale Rebellionen gegen die Zivilisation häufig statt, indem sie sich gegen
Betrachter offeriert wird.
Schwächere (und auch Glücklichere) richten. 96
„Das ist das Geheimnis der ästheti chen ublimierung: Erfüllung als gebrochene
2.2. S PORTIFIZIER G DER GESEL CHAFT D M ECHANISIER G DES LEIB darzu teilen. Kulturindustrie ublimiert nicht, ondem unterdrückt. Indem ie das
Begehrte immer \ ieder exponiert, den Bu en im weater und den nackten
In seinen Beiträgen über Freizeit problematisiert Adorno diesen Begriff in seiner Oberkörper des sportlichen Helden, tachelt sie bloß die unsublimierte Vorlu t
affinnativen Absetzung gegenüber der Arbeitswelt und verweist auf seinen auf, die durch die Gewohnheit der Versagung läng t zur m ochi ti chen
Fetischcharakter. Darüber hinaus kritisiert Adorno erneut den port, diesmal, ohne verstOmmelt ist. Keine erotische ituation, die nicht mit An pielung und
ein mögliches mündiges Moment zu behaupten.

94 n F, 653.
EA 681 11
95
DA, 329. Adorno, Theodor W. Freizeit. AG 10-2 (Im folgenden F), be onders . 653.
96
EA, 677. " V~. auch Adorno, Theodor W. Ästhetische Theorie. AG 7 (Im folgendem ÄT), . 47 1.
1111
DA(Anhang), 329.
44 45

ufr izung den be timmten Hin weis ereinigte, daß e nie und nimmer o weit Leistungsprinzip unterliegt. So sportifiziert sich exualität, färbt sich mit dem
kommen darf." 101 Leistungsprinzip.106
Bei der Suche nach Maximierung von Körperleistung fördere der Sport eine "Indem die Einrichtung des Leben der ihrer elbst bewußten Lust keine Zeit
Intensität und Funktionalität bei der die Übersicht und Einsicht darüber verloren mehr läßt und ie durch physiologi ehe Verrichtungen er etzt, w ird das
geht, was und wer hier welche Rolle spielt. Wie oft in der Kulturindustrie können enthemmte Ge chlccht elber de exualisiert. Eigentlich wollen sie schon gar nicht
nur die ,Initiierenden' dem Geschehen auf dem pielfeld folgen, die Regeln, mehr den Rau eh, ondem bloß noch den Entgelt, der auf der Leistung steht, die
Taktiken und Techniken durchschauen. 102 Der Blick de Zuschauers kann nur ie al ilberflü ig am lieb ten einsparen möchten." 107
erfassen was ihm schon von den pezialisten vorgeformt und zugewiesen wurde.103
ln die em Sinn sei Sport Prototyp eines total rationalisierten Lebens in dem sogar Während das Wettkampfprinzip als Feind einer mündigen Erziehung, Sexualität als
die Atempausen vorprogram miert würden, der Sportbegeisterte aber seine klave des Leistung prinzips und Politik als Wahlparole kritisiert wird, 108 kommt
Unterwerfung und lnstrurnentalisierung als Erlebnis von Freiheit und Freiwilligkeit auch die Kunst nicht ohne Kritik davon. Der Fetischismus der Massenmusik ist, so
vermittelt bekommt. Adorno eine Wiederholung von vorprogrammierten Modellen die nur der Banalität
des Marktes folgt. Die Musikform hätte überhaupt nichts mehr mit klassischer
chon der port i t kein piel, sondern ein Ritual. Unterworfene feiern die Musik und der klassischen Beziehung zwischen Musik und Zuhörer zu tun.
eigene Unterwerfung. ie parodieren Freiheit durch die Freiwilligkeit des lntere ant ist, dass Adorno die en Prozess ähnlich sieht wie bei der Sportifizierung
Dienstes, den das lndi iduum dem eigenem Körper noch einmal abzwingt. In der des Spiels.
Freiheit über die en bestätigt e ich dadurch, daß e das Unrecht, das ihm selber
vom gesellschaftli chen Zv ange widerfuhr, an den klaven Körper weitergibt Adorno kannte das Buch Homo Ludens. Vom Ur prung der Kultur im Spiel von
Die Leiden chaft für port, in der die Herren der Massenkultur die eigentliche Johan Huizinga, das schon 1938 - im selben Jahr wie seine Arbeit zum
Massenbasis ihrer Diktatur wittern, gründet darin. Man kann sich aJ Herr Fetischcharakter - in einer deutschen Fassung erschienen war. ln diesem Buch
auf pielen, indem man den a lten chmerz ymboli eh, in zwang hafter
Wiederholung sich selber und anderen noch einmal bereitet. Während die
befasst sich Huizinga mit der Verwandlung des Spiels zum Sportspiel. In der
Wiederholung Gehorsam einübt, filngt sie das Unheil in immerwährender Ästhetischen Theorie wird dieses Buch kritisiert. 109
Angstberei tschaft ab, und immer wieder geschieht es. 104
•· ichts überlebt in ihr [der Massenmusik] standhafter als der chein; nichts ist
scheinhafter als ihre achlichkeit. Das infantile piel hat mit dem Produkti en der
Dieses Moment der Herrschaftssicherung, in dem durch die Erzeugung von Lust am Kinder kaum mehr al den ame gemein. icht umson t möchte der bürgerliche
Leid die Unterwerfung perfektioniert wird, erinnert an die Praktiken des Marquis de port vom piel so trikt sich ge chieden wi en. ein tieri eher Ernst be teht
Sade: darin, daß man, an tatt in der Di tanzierung on den Zv ecken dem Traum der
Freiheit die Treue zu halten, die pielhandlung al Pflicht unter die nützlichen
Die modernen portriegen, deren Zusammenspiel genau geregelt ist, so daß kein Zwecke aufnimmt und damit die pur der Freiheit an ihr vertilgt. Das gilt
Mitglied über seine Rolle einen Zweifel hegt und für jeden ein Er atzmann bereit verstärkt für die heutige Mas enmu ik. [... ] olche piel i t bloßer chein von
steht, finden in den sexuellen teams der Jul iette, bei denen kein Augenblick piel; darum inhäriert der chein notwendig dem herrschenden Musiksport." 110
ungenützt., keine Körperöffnung vernachlässigt., keine Funktion untätig bleibt, ihr
genaues Modell." 1os Das neue musikalische Bewu tsein wird von Genussfeindschaft im Genuss
detenniniert, weil da Individuum - tendenzi II liquidiert - vor dem Markt
Unterwerfung charakterisieren Sport und Sexualität in gleicher Weise. Beide
können nicht frei sein in einer Gesellschaft, die die Freiheit nicht kennt und dem
1
Adorno, Theodor W. exualtabus und Recht heute. AG 10-2, 533-554, besonders . 535.
101
MM, l92.
111
101
DA, 162. MM, 156.
102
DA, 107. IOI ÄT, 470ff.; Huizinga, Johan. llomo ludens. Vom Urspr11ng der K11/111r im 'fJlel. Reinbek bei
101
DA. 162. Hamburg: Rowohl t, t 956, besonders eiten t 86-188.
111
1
"' DA (Anhang), 328. Adorno, Theodor W. Über Fetischcharakter in der Musik und die Regre ion des Hörens. AG 14 (Im
10 folgenden FC), Zitat . 46-47.
' DA, p. 107.
1
46 47

ohnmächtig ist. Das sei eine typi eh Erscheinung, nicht nur in der Welt der Antisemitismus in der Dialektik der Aufklärung. Aber möglicherweise dienten auch
Werbung ondern auch in der des ports. die olympischen piele von 1936 in Berlin als Vorlage die, wie bereits erwähnt, als
ein Gesamtkun twerk im Dienste des Aufbaus germanischer Mythen gestaltet
„ ach Regeln darf man weh tun nach Regeln wird man mißhandelt, und die worden waren.
Reg 1 dämmt die tärke, um noch die chwäche aJ tärke zu vindizieren:
Filmhelden w rden gern gefoltert. ie die Marktreg In ind die de ports Es gibt beim Sport, so Adorno, nicht nur eine Zelebrieren der Gewalt, sondern auch
gleiche Chance, fair pla für alle doch nur als Kampf aller gegen alle. o läßt der einen Kultus zugunsten des Gehorsams, des Autoritären und der Geduld, etwas
port die Konkurrenz, reduziert auf ihre Brutalität. in der Welt trugvoll Masochistisches. "[ .. .) zum Sport gehört nicht bloß der Drang, Gewalt anzutun,
überleben. die Konkurrenz real abgeschaffi hat. Indem er ich freilich als sondern auch der, selber zu parieren und zu leiden." 11 5 Während Veblen den Sport
unmittelbare Aktion demon triert, macht er zugleich auch die histori ehe Tendenz wie eine archaische Spur früherer Muße beschreibt, sieht Adorno in ihm die
zu einer ache die mit der Konkurrenz aufräumte. Von Betrug am andern, dem
Anpassung an Neues, die Kompensation für Verluste in industrieller Gesellschaft.
Trick, ' ird ie zum Coup.' 111
Der Sport sei die ucht dem Leib einen Teil seiner Funktionen zurückzugeben, die
ihm durch die Maschine entzogen worden ist. Er tue dies aber zugleich in einer
In seinen Anal sen zu Torstein Veblens Kulturkritik geht Adorno noch weiter als in
Sphäre der Unfreiheit, da der Leib, gnadenlos in den Dienst der Maschine gestellt,
seiner Sportkritik. Die wenigen Sätze, die bei der Analyse von Veblens Kritik dem
deren Art und Weise (Logik) verkörpert. Indem der Mensch die Maschine
Sport gewidmet sind wurden zu den beliebsteten Zitaten der „Neuen Linken'. Dies
nachahmt, wird er mit ihr verwechselbar. Einer Maschine ähnelt der Sportler,
ist kein Zufall denn die Bemerkungen von Adorno sind nicht nur scharfsinnig,
welcher Rekorde um der Rekorde willen anzustreben sich gezwungen sieht (Man
~?ndern auch provokativ. Es muss aber daraufhin gew iesen werden dass ihre
denke nur an die Nurmis und Zatopeks - der eine magisch an seine Uhr gebannt, der
Ubernahme von der „ euen Linken ' auch wie ein "Autoritätsnachweis"
andere seinem Spitznamen ,Lokomotive" verpflichtet).
funktionierte, weil schon allein der Rückgriff auf Adorno der eigenen Überlegung
intellektuelle Würde zu verleihen schien.
"Vielleicht verbirgt ich im Kultus der technischen Geschwindigkeiten wie im
port der lmpul den chrecken des Rennens zu meistern. indem man es vom
Wie Veblen so sieht auch Adorno im Sport der Modeme eine Rückkehr zu eigenen Leib ab endet und zugleich elb therrlich überbietet: Der Triumph des
archaischen Lebensäußerungen, in denen Gewalt zelebriert wird : ''Nichts aber ist auf teigenden Meilenzeigers beschwichtigt ritual die Angst des erfolgten. V enn
moderner als diese Archaik die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der einem Menschen zugerufen wird: 'lauf, vom Kind, das der Mutter ein
totalitären Massenversammlungen . 112 Adorno wiederholt hier eine Sicht die in vergessenes Täschchen aus dem ersten tock holen oll, bi zum Gefangenen.
seinen Schriften oft dominiert. lliemach sind Sportereignisse ein Modell für dem die E korte die Flucht befiehlt, um einen Vorwand zu haben, ihn zu
totalitäre Massenversammlungen und -demonstrationen. Mit dem Tolerieren von ermorden, dann wird die archaische Gewalt laut, die unhörbar son t jeden chritt
Exzessen beinhalte der Sport eine besondere Möglichkeit, zwischen Grausamkeit lenkt." 116
und Gehorsam zur Autorität und zur Disziplinierung zu vermitteln, nämlich durch
die den Beteiligten abverlangte Akzeptanz der Spielregeln. 11 3 Die Brisanz des Blicks auf den instrumentalisierten Körper verschärft sich, wenn
berücksichtigt wird, dass sich der menschliche Körper nur pathologisch der
An verschiedenen Stellen des Werks von Adorno ist dieser Hinweis auf die intime Maschine anverwandeln kann. 11 7 Darauf zielt wie bereits angesprochen wurde der
Beziehung zwischen Sportereignissen und der Unterordnung der Massen in anatomische Blick, mit dem der Körper als Leiche betracht wird.
Volksversammlungen zu finden, die ihrerseits eine starke Affinität mit Gewalt und
Grausamkeit hätten! 14 Adorno hatte sicherlich die großen Volksversammlungen 2.3. SPORT - NEUE SOZIALE VERHALTENSMUSTER?
des ationalsozialismus' in Erinnerung, einzigartig beschrieben in dem Kapitel über
ln den sechziger Jahren erscheint eine Arbeit von Horkheimer über Sport, die
einzige, die sich exklusiv mit diesem Thema beschäftigt. Der Text Neue soziale
III DA, 328-329.
112
Adorno, Theodor W. Veblens Angriff auf die Kultur. AG 10-1 (lm folgenden VA), Z itat S. 79.
iis VA, 80.
IU VA, 79.
116
114
EE, 150-151 ; Adorno, Theodor W. Meinung, Wahn und Gesellschaft. AG 10-2, besonders . 589; MM, 185 .
i11MM, 60.
MM. 75.
48 49

Verhaltensmuster [Zur Soziologie des Sports] ist die schriftliche Bearbeitung eines durch fair play, Ritterlichkeit, Rücksicht auf die Schwächeren." 123 Man kann
Vortrags für ein Meeting der ESCO das J963 in Paris zu hren des Baron de vielleicht vermuten dass Horkheimer hier einmal die andere Seite der
Coubertin und zur Feier eines hundertsten Geburtstags stattfand. Doppeldeutigkeit des Sports betonen wollte. Selbst was ansonsten von beiden i
Soziologen als Sadismus charakterisiert worden ist, die "tolerierten Exzesse", haben t
Die Textlektüre zeigt einen sehr neugierigen aber mit dem Sport als bei Horkheimer - in diesem Vortrag - eine einzig positive Bedeutung. So wird die
Sozialphänomen wenig vertrauten Horkheimer. Oder gab er sich wenig vertraut? körperliche Auseinandersetzung der Gegner im Sport ein Faktor der Milderung
Die für den damaligen Anlass durchgeführte Reflexion über Sport hat keine psychischer Aggressivität weil der Abstand zwischen den Gegnern im Sportdrama
Überein timmung mit seinen früheren Kommentaren zum port, und sie wurde in tendenziell verschwinden wUrde. 124 Zudem hätte der Sportsgeist viel mehr mit
den folgenden Jahre auch nicht weiterentwickelt. Zu Beginn des Vortragstextes olidarität für den Schwächeren zu tun mit der Kameraderie im Nationalismus.
stellt Horkheimer fest: Für heute vermag ich im Bekenntnis meiner Unwissenheit port sei in diesem Fall etwas Ähnliches wie das Christentum und die
nicht viel mehr zu tun, als eine Reihe von Fragen aufzuwerfen deren Beantwortung Aufklärungslehren . 125
durch ernsthafte Forschung mir bedeutsam scheint. Vielleicht bietet die Diskussion
bereits Gelegenheit, mich eines Besseren zu belehren." 118 Es bleibt aber auch die in der Eclipse of Reason allgemein vertretene These sichtbar,
nach der die Verwendung des Sports als Mittel zum Zweck grundsätzlich zu
Im Gegensatz zu den wesentlichen Aussagen in seinen Werken wird Sport dieses kritisieren ist. Sogar als Mittel zur Gesundheitsverbesserung müsse der Sport
Mal eher positiv und apologetisch betrachtet. So findet sich hier sogar die kritisiert werden, weil es notwendig sei das Moment des Nutzlosen im Sport zu
Äußerung Sport sei eine bedeutsame Hilfe um junge Menschen bei ihren sozialen entdecken und zu unterstützen. 126
Schwierigkeiten zu helfen. 119 Beim Sport hätten die Menschen die Möglichkeit,
neue persönliche Beziehungen zu schaffen, vor allem in einer Zeit, in der die Man muss darauf hinweisen, dass der Profisport schon beim Erscheinen des &lipse
Familie eine geringe Rolle in der Sozialisation spielt. Nach Horkheimer gilt jedoch, of Reasons etabliert war.127 Die Zweckfreiheit ist beim Sport nicht zu finden.
dass die durch Sport bewirkte Sozialisation vermittelter als die durch die Familie Darüber hinaus werden die Mitteln - unter der vorherrschenden Instrumentellen
sei, d.h. nicht so vollständig und mittelbar. 120 Vernunft - in Zwecke verwandelt, d.h. sie werde ontologisiert und verabsolutiert, in
Form des Fetischismus der Technik. Das engagiert und geforderte spielerische
Ähnlich wie Elias und Dunning 121 vertritt auch Horkheimer die These, dass der in Moment verschwindet in dieser neuen organisierten Form der Körperlichkeit, die
Kleingruppen betriebene Sport helfen könne, Triebimpulse zu kontrollieren bzw. zu wie Habermas und Adorno erklärten, absolut mit der Arbeit verwandt ist.
• I
zivilisieren. Diese Kleingruppen in und vor allem außerhalb der Schule, könnten
ein Raum sein, in dem gewalttätige Gefühle ohne nachteilige Folgen ausgelebt Viele Kommentare von Horkheimer sind erkennbar durch seine amerikanischen
werden. Zudem lasse sich hier das Respektieren von Schwächen lernen, sowohl als Erfahrungen beeinflusst. So fließt beispielsweise auch die große Bedeutung die der
Respekt vor den eigenen wie vor denen der anderen. Schließlich sei Sport auch ein Sport an den nordamerikanischen Universitäten hat in seine Betrachtungen ein. Es
Vehikel zur Förderung des Selbstbewusstseins. 122 sei zu erforschen, so Horkheimer, welche internen Beziehungen und
Voraussetzungen den Sport strukturieren, wie sich seine Wandlung zum Beruf
Es ist bemerkenswert, wie deutlich diese Ansichten dem widersprechen, was durch gestaltet, wie das Spannungsfeld zwischen Profis und Amateuren aussieht, wie die
Adorno vertreten wird, insbesondere in seinem Kommentar zu Veblen. Allerdings
gibt er in seinem pädagogischen Vortrag, Erziehung nach Auschwitz, der drei Jahre
später als Horkheimers Vortrag gehalten wurde, zu bedenken: „Der Sport ist in EA, 681.
121
NV 231
doppeldeutig: auf der einen Seite kann er antibarbarisch und antisadistisch wirken 121 Nv' 233.
126 NV' 234.

118
Horkheimer, Max. Neue soziale Verhaltensmuster [Zur Soziologie des Sports] (Im fol genden
117
Ve~chi~dene Sponanen wurden damals in verschiedenen Länder chon lange professionell betrieben.
V)HG 8, Zitat S. 226-227. In Brasilien z.B. hat die Profe sionalisierung des Fußballs ihre Wurzeln in den dreißiger Jahren des
119
V, p. 224. vorherigen Jahrhunderts. Über das Thema der Sportprofessionalisierung vgl. Elias, orbert und
120 Dunning, Eric. Questf or Excitement. Sp ort und Leisure in the Civ1füing Process. Oxford und
V, p. 223-225.
121 Cambridge: Blackwell, 1986; Huppertz, Peter. Fußball in Deutschland und Brasilien. Seine Anal e als
Die Zivilisationstheorie von Elias bzw. seine Sporttheorie wird am nächsten Teil diskutiert.
122
NV, 224-225. Element des Schulsports im interkulturellen Vergleich. Frankfurt am Main: Afra 1993.
50

Beziehungen des Trainers zum Athleten zu sehen sind und insbesondere wie sich
die Rolle des Stars darstellt. 128 PORT D E ER DIALEKTl : ERSTE BERLEG GE Z DE
TH KO t 1E T RE 0 HORKHEIMER UND ADORNO
Interessant sei es auch, die Stellung des Schiedsrichters und des Trainers mit
Repräsentanten des öffentlichen Lebens wie dem Offizier, Priester oder Lehrer zu 3.1DIE GLEI H 'G D TOTE D CH DE FETI CHCHARAKTER
vergleichen. Der Trainer sei immer ein ' Profi" selbst wenn er Amateur ist weil er DER TE HNIK: DER ÖRPER LEICHE
immer aufgrund seines hohen Ansehens etwas Materielles verdiene. 129
Wie schon angesprochen ind die Beiträge on Adorno und Horkheimer über en
Die hier wiedergegebenen Auffassungen von Horkheimer wurden von den Sport nicht immer eindeutig. Man darf hierbei nicht übersehen, dass ,; eJe ihrer
kritischen Vertretern der Nach-68er Jahre ignoriert. Sicherlich, weil sie ihnen zu Kommentare auf Antworten basieren, die Fragestellern aus der Zuhörerschaft ihrer
unpolitisch, zu konformistisch waren und sich nur schlecht für ihre Reden gegeben wurden und somit - unabhängig voneinander - die jeweils
Kapitalismuskritik eignete (oder auch nur, weil in dieser Zeit Horkheimers Aufsätze aufgeworfene Problemstellung des fragenden im Blick hatten. Außerdem sind beide
aus der Nachkriegszeit an verstreuten Orten publiziert vorlagen; längst noch nicht in keine Sportwissenschaftler, was nicht immer ein Nachteil sein muss, wenn man
einer Gesamtausgabe!). Aber auch aus heutiger Sicht muss festgeste llt werden, dass bedenkt dass den Spezialisten häufig die Breite des Denkraumes fehlt, den Adorno
sie der kritischen Tradition der Frankfurten Schule qualitativ nicht entsprechen. Sie und Horkheimer zur Verfügung hatten.
sind größtenteils zu unkritisch, zu undifferenziert und geraten damit zu sehr zu einer
Apologie modernen Sportsgeschehens.
Eine Zwischenbilanz der bisher aufgezeigten Kritik von Horkheimer und Adorno
am Sport ergibt folgenden Überblick: ein erster zentraler Punkt ihrer Kritik ist, dass
Sport eine mechanisierte Beziehungen des Menschen zum eigenen Körper
vermittelt. Ein zweiter Schwerpunkt ihrer Kritik bezieht sich auf den Sport als
Publikumsereignis. Hier sehen sie die Gefahr, dass mit Sport ein Raum geschaffen
werden kann, wo das Publikum sich irrational verhält und wo keine vennittelnde
Reflexion mehr stattfindet; statt dessen lasse sich die Kulturindustrie feiern. Ein
dritter Aspekt knüpft an den ersten Kritikpunkt an, Adorno und Horkheimer
sprechen hier von einer Sportifizierung 130 der Gesellschaft.

Mit Sportifizierung meint Adorno mehr als die durch Sport bewirkte Sozialisation
oder die Auswirkungen des Sportspektakels. Wie Politik, Sexualität, Kunst oder
Erziehung ist für ihn auch Sport ein Teilbereich, in dem Menschen ihr
Gesellschaftsmodell praktizieren und entfalten. Sport drücke dies u.a. durch seinen
Wettbewerbsgeist und in der strengen Kontrolle des eigenen und fremden Körpers
aus. Die Bedeutung dieser Sichtweise von Adorno liegt darin, dass sie in der
Negation von sportlichem bzw. sportiven Wettbewerb als Fonn einer Herrschaft
über den Körper einen notwendigen Widerstand gegen vorbehaltlose
gesellschaftliche Praxis und Zustimmung zum Ausdruck bringt. Die besondere
Stellung, die der Sport in verschiedenen gesellschaftlichen phären zunehmend
erreicht, unterstreicht die Wichtigkeit dieser Sichtweise und Kritik.
121
NV, 227-230.
129
NV, 229-231. Wenn wir über Zeitgeschichte nachdenken, füllt es nicht schwer, mit Adorno darin
übereinzustimmen, dass Sportversammlungen häufig einen irrationalen Charakter

130
Insbesondere in: Das Schema der Massenkultur, DA, 328.
52 53

haben. Verschiedene Diktaturen des letzten Jahrhundert haben sich dieser Die Instrumentalisierung des Körpers ist offensichtlich beim Sport in
lrrationalitäten bewusst bedient. Aktuelle Ereignisse erinnern daran durch die Fitnesszentren, aber noch auffälliger in der Pornographie, die, genauso wie Sport,
gefiihrliche Verbindung von Sportfans und Rechtsradikalismus. In den mit Leistung, Erfüllung, Darstellung, Redundanz und Exzess zu tun hat. In diesem :l
Fanversamm lungen äußert sich dies in der Sucht nach ritualisierter Identifikation Sinne erscheint mir die These von Adorno und Horkheimer nicht nur aktuell, t
sowohl mit dem Team als auch mit anderen Menschen. Diese unmittelbare sondern prinzipiell bedenkenswert. Um so unverständlicher bleibt der "Sporttext" J
Identifikation ist regressiv und infantil. Die Beschreibung der Elemente des des späten Horkheirners, in dem er für die Erforschung der Sportstars plädiert, ohne i
Anti emitismus in der Dialektik der Aufklärung zeigt wie regressiv das mimetisches auf deren problematische Funktionen hinzuweisen, die schließlich nicht übersehen
Verhalten ist und wie es als falsche Projektion hervortritt. In Grenzsituationen gerät werden dürfen, wenn deren Einfluss auf das Publikum zum Erkenntnisgegenstand
diese Regre sion dann von der kontrollierten Ausnahme im Zuschauersport zur werden soll. 135
gesellschaftlichen Regel, d.h. die Ausnahme wird zur Regel. Noch heute sind die
Worte von Adorno über eine Erziehung nach Auschwitz aktuell: „Barbarei besteht Oie Dominanz der Kulturindustrie über den Sport ist darüber hinaus gegenwärtig
fort, solange dje Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigen, wesentlich noch stärker als zur Zeit der Konzipierung der Dialektik der Aufklärung. In seinem
fortdauern. 131 Und weiter: Menschen dje blind in Kollektive sich einordnen, Schema der Massenkultur schreibt Adorno, dass die „Massenkultur ... ihre
machen sich selber schon zu etwas wie Material, löschen sich als selbstbestimmte Konsumenten nicht in Sportsleute, sondern in johlende Tribünenbesucher
Wesen aus." 132 Für Adorno ist diese gefährliche Verdinglichung des Bewusstseins verwandelt." 136 Es ist heutzutage bei der Größe des Sportmarktes und der
als eine Antwort auf die gesamte gesellschaftliche Verdinglichung zu sehen: Faszination seiner unzähligen Angebote evident, dass die Sporttreibenden auch
Nichts hat innerhalb der verdinglichten Gesellschaft eine Chance zu überleben, zunächst als Konsumenten zu betrachten sind. Das bedeutet keinesfalls, dass sie als
was nicht seinerseits verdinglicht wäre. 133 Zuschauer oder Sporttreibende unbedeutend seien. Es verweist nur auf die Brisanz
neuerer Entwicklungen, die durch enorme technologische Veränderungen
Die Faszination des Publikums bei Unfällen, aggressiven Handlungen, Leiden und unterstützt werden. Neue Möglichkeiten im Medien - und Kommunikationssektor
Aufopferungen muss als Auswirkung von Verdinglichung verstanden werden. Das verändern nicht nur fast täglich die Übermittlung schon bekannter Sportereignisse, 1(
1
verdingliche Bevrosstsein findet im Sport ein besonders günstiges Umfeld, weil das sondern führen auch zur Erfindung neuer Realitäten, die noch faszinierender sein
Vergnügen des Sportzuschauers nicht nur bedeutet, das Leiden zu vergessen, 134 können. 137
sondern auch, es zu feiern.
Ein wichtiger Aspekt, der von den Sportkritikern der 60er und 70er Jahre
Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Kulturindustrie kompromisslos ihre thematisiert wurde, betrifft den Umgang mit dem und die Beziehung zum
Produkte, ihre Waren herstellt, zu denen auch in erster Linie die Sportidole gehören. Leib/Körper. Sie verwiesen, wie die Dialektik der Aufklärung, auf die
Die unmittelbare Identifikation mit ihnen fungiert als eine, zwar nicht einzige, aber Fetischisierung der sozialen Beziehungen. Sie erinnerten an die marxistische These,
wichtige Facette. Die erotische Verbindung mit den Sportlern, die ein spezifisches dass die Dinge ein ' geistiges Leben" 138 annehmen und damit die Menschen
Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit beinhaltet, ist hierfür ein Beispiel. Dies ist vertreten, die ihrerseits sich selbst fremd werden, wa sich in ihrer Beziehung zum
im Hochleistungssport angelegt, durch seine Vermarktung potenziert, aber auch Körper zeigt. Der Leib als manipulierbare Maschine, als ob er eine Leiche wäre,
Bestand der Sportifizierung der Sexualität selbst.
ui NY 230-231
136 DA'. 329. .
137
Ein Beispiel hierfür i t natürlich der berühmte Olympia-Film von Leni Riefenstahl; vgl. Müller, Uwe.
131
EA 674 Politisierung des Körpers. Hannover: Fakultät fUr Sozial- und Geis1eswissenschaft, 1986. (Disserta1ion);
m EA: 683: Wildmann, Daniel Begehrle K(jrper: Konstruklion und Inszenierung des "arischen" Männerk(jrpers im
m Adorno, Theodor W. Einleitung zum "Positivismusstreit in der deutschen oziologie", AGS8, 286- "Drillen Reich". Würzburg: Königshausen & eumann, 1998. Abbildung, Positionierung der Kameras,
287. Nach Hork:heimer (NV) sei es wichtig, genauer zu untersuchen, welche Charaktere die Bildanreicherung usw. spielen eine ' ichtige Rolle in den portsendungcn, wodurch Information und
Sportzuschauer hätten. Dartlber hinaus, so Horkheimer, spielen Solidarität und Routinebefreiung ihre Umerhaltung sich verflech1en (l lanig, Fritz. Fernseh-Sport: im pannungsfeld von Information und
Rollen beim Besuch der Sporthallen. Man muss diese Themen ernst nehmen, wenn wir darüber Unterhaltung. Butzbach-Griedel : Afra, 1994). In Grunde genommen versch\ ind t die erste Wirklichkeit
nachdenken, dass vor der Sportforschung die Forderung steht, das Phanomen sozialpsychologisch zu in Diens1 der zweiten.
131
beobachten. Im Sinne von Karl Marx (im berühmten 4. Ab chnin des 1. Kapitel im Kapital Bd. 1: Der
m DA, 167. Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis)
54
gemäß ,Jeistung be timmend r Fak.'toren„ erbessert werden, die h aus
eine quantifizierte Materie deren Qualitäten erlor n gingen das ist das für den 140
Training zielen -inhalten, mittel und -method n zu ammensetzen.
Ho~h~ei t~g port notw~ndige und in ihm vorherr chende Körperbild. olange die
Trammgsw1ssenschaft einen Körper z u operationalisieren versucht, hat sie kein
Das Sporttraining muss einigen Prinzipien entsprechen, unter denen die Kontrolle
Interes e an einen nicht entfremdeten Körper. E ist e ine unverzichtbare
der Belastung die wichtigste Rolle spielt. Der Trainingsplan muss vorbereitet
Vorau etzung der Trainingswissenschaft das die strenge Spa ltung zwischen
werden, um eine steigende Anpassungsleistung zu ermöglichen. Deshalb muss die
Subjekt und Objekt aufrecht erhalten bleibt Der Körper muss als Ding gesehen
Belastung kontinuierlich ansteigen und im Laufe der Saison periodisiert werden.
werden damit er zum Objekt der Herrschaft werden karm. Entweder akzeptiert man
Darüber hinaus muss der Belastungswechsel berücksichtigt werden, das heißt wenn
seinen eigenen Körper al Ding oder man muss auf das Sporttraining verzichten. In
dem Bereich rationaler Kalkulation der sich auf Mathematik und Geometrie stützt bestimmte Eigenschaften belastet werden, sollen andere sich regenerieren kÖnnen:
Der richtige Wechsel bzw. die richtige Folge von Belastungen verschiedener
kann sich die Trainingswi senschaft er t entfalten.
Akzentuierung ermöglicht demnach ein Mehr an Umfang und Intensität im
141
Training." Die Regeneration steht im Wechselverhältnis mit der Belastung, weil
Wichtig ist es deshalb die Beziehung von Sport und Technik besonders
so Kompensation stattfinden kann, die Anpassung an neue Belastungsreize.
aufinerksam zu betrachten. Die Rolle der Technik für Mensch und menschliches
Handeln beinhaltet Aspekte, die auch Adorno nie aus den Augen verloren hat.
'Die au gelenkten Funktionssysteme schwingen nach Ende der Belastung in den
Ausgang zu tand zurück, benötigen dazu jedoch unterschiedlich lange Zeiten .
.,Eine Welt, in der die Technik eine solche chlü elposition hat wie heute,
Generell hängt der Zeitbedarf für die Wiederherstellung von der Art und der
bringt technologische, auf Technik einge timmte Menschen hervor. Das hat seine
Größe der Beanspruchung ab. Bei der Auffüllung beanspruchter
gute Rationalität: in ihrem engeren Bereich werden sie weniger sich vormachen
las en, und das kann auch ins Allgemeinere hineinwirken. Andererseits steckt im Energiedepot kann das Ausgangsniveau zeitweilig überschritten werden. Dieser
gegenwärtigen Verhältnis zur Technik etwas Übertriebene , Irrationales Vorgang wird als Überkompensation oder auch als uperkompensation
Pathogenes. Das hängt zusammen mit dem ,technologischen chleier'. Die bezeichnet.' 142
Menschen sind geneigt, die Technik für die ache selbst, für elb tzweck für
eine Kraft eigenen We ens zu halten und darüber zu vergessen, daß sie' der Dieser Prozess entspricht einer Periodisierung die sich in Form verschiedener
ve~längerte Arm der Menschen ist Die Mittel - und Technik ist ein Inbegriff von Zyklen strukturieren lässt. 143 Dieses Zyklenmodell, das besonders von L. P.
Mitteln zur Selbsterhaltung der Gattung Mensch - werden fetischisiert, weil die Matveev entwickelt wurde, wird mittlerweile in Frage gestellt. 144 Trotzdem bleibt
Zwecke - ein menschenwürdi~es Leben - verdeckt und vom Bewußtsein der auch heute noch die Kombination von Belastung und Regeneration eine
Menschen abgeschnitten sind." 1 9 fundamentale Beziehung des Sporttrainings.

Cm Sport wird der Körper zum technischen Instrument par exce/lence. Wie die Diese Struktur erfordert die Körperkontrolle sowohl wissenschaftlich als auch
t~chnischen Instrumente die Natur beherrschen sollen, so wird auch der Körper an praktisch. Die Naturwissenschaft spielt bei dieser Kontrolle die zentrale Rolle. Mit
sich selbst Ausdruck der beherrschten Natur. Dieser Prozess kann exemplarisch ihr wird der Körper zerlegt und funktionalisiert; durch sie mechanisiert und
beim Sporttraining beobachtet werden. erniedrigt der Mensch den Körper zur ,,reinen Natur". Wenn der Körper wie ein
Instrument, ein Werkzeug oder eine Maschine behandelt wird, kann man seine
3.2. ENTFALTUNG DER THESEN VON HORKHEIMER UND ADORNO AM „Tei le" auswechseln, reparieren, kaufen und verkaufen.
BElSPIEL DES HOCHLEISTUNGSTRAININGS
1
'° Weineck, Jürgen. Optimales Training. leistungsphysiologische Trainings/ehre umer besonderer
Sporttraining ist ein komplexer und programmierter Prozess, durch den die Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings. Erlangen: Fachbuch-Verlagsge ell chaft, 1985,
athletische Kondition systematisch verändert wird . Die Leistungsfühigkeit muss be onders S. 14-17.
1
" Weineck, JUrgen. Optimales Training, a. a. 0„ 20-21 .
142
Schnabel, GUntcr; Dietrich, Harre und Borde, Alfred . Trainingswissenschaft. Leistung, Training,
~ettka.mpf Berlin: portverlag, 1997, Zitat . 75; Weinech, JUrgen. Oplimales Training, a.a.O. und ff.
Wemeck JUrgen. Optimales Training, a.a.0„ 170-191.
'"' Verchoshan kiy, Juri V. „Das Ende der ,Periodi ierung' de portlichen Trainings im pitzen port".
n 9 EA, 685~86.
Leistungssport, 5, 1998, S. 14-19.
56 57

Der Körper des Athleten tritt hinter den Zielsetzungen Leistungssteigerung, Sieg ignoriert sie und zerstört den Körper. Die manipulierte und die körpereigene
und Vennarktung des Sieges zurück er verliert seine individuelle Bedeutung. Anpassungsleistung sind dann wieder zuletzt im Moment des Todes identisch.
Dieser Verlust und das (partielle) Nicht-Wissen darum machen seine
Austauschbarkeit und Manipulierbarkeit möglich, bringen ihn nicht nur an Der Unterschied zwischen einem hochtrainierten Athleten und einem kranken
Leistungsgrenzen sondern führen darüber hinaus auch zu Selbstzerstörung und Menschen liegt bei der Verwendung von Doping in der Zielsetzung und der
Krankheit. Doping im Sport, die Hilfe der Trainingswissenschaftler und Trainer Wirkung. Beim Athleten geht die manipulierte Körperanpassung zwecks
hierbei, sowie die Bereitschaft der Sportler zum Doping antizipiert vielleicht nur Leistungssteigerung auf Kosten der Gesundheit; beim Kranken manipuliert man,
was im „normalen Sport" noch möglich bzw. zu erwarten sein wird. Wer zwecks weil Körperleistung versagt und Gesundheit wieder hergestellt werden soll. Die
Leistungssteigerung seinen Körper durch Doping manipuliert, könnte demnächst Grenzen von Gesundheit und Krankheit markiert der Mensch hierbei selbst; sie
auch zum Organaustausch bereit sein. Diese Entwicklungsmöglichkeit erfasst ethisch zu normieren obliegt seiner Verantwortung und seinem Selbstverständnis
sarkastisch der , Blick des Sargmachers": „Sie (die Manipulatoren des Körpers] sind bzw. dem Bewusstsein seiner selbst.
an der Krankheit interessiert, erspähen beim Essen schon den Tod des
Tischgenossen, und ihr Interesse daran ist durch die Teilnahme an seiner Nicht sehr überzeugend sind hierbei verbandspolitische Versuche, die Sensibilität
Gesundheit nur dünn rationalisiert." 145 gegen Drogen zu stärken, wenn das Motto „keine Macht den Drogen" von
Spitzensportlern propagiert wird, die nicht zufällig irgendwann selber bei
Diese Art von Wissenschaft verwendet unreflektiert, verantwortungslos und Drogenkontrollen auffallen. Mit Hilfe von Hochleistungssportlern gegen
einseitig die eigenen Möglichkeiten. So hat beispielsweise die Wissenschaft der Körpermanipulation anzutreten, bedeutet, den Widerspruch auf die Spitze zu treiben
Physiologie zum Ziel, menschliche Grenzen aufZudecken und zu überwinden. Das und weckt den Verdacht, hier solle das eigentliche Problem des Sports geschickt
dies nicht nur im medizinisch helfenden Sinne aufgefasst wird, zeigt der Blick auf verdeckt werden . Warum sollte man sonst den Bock zum Gärtner machen? Oder
ihrer Anwendungsbereiche. Nicht zufällig war und ist sie an marschierenden kann ein Verbandsfunktionär überzeugend darstellen, wie Hochleistungssport ohne
146
Soldaten, Fließbandarbeitern und Athleten gleichermaßen interessiert. Drogen vorstellbar ist, warum man Doping als Körpermissbrauch verurteilt, aber
gleichzeitig die extreme Belastung des Hochleistungstrainings toleriert und warum
Obwohl heutzutage kaum behauptet wird, dass Wettkampfsport gesund ist bzw. man Körperverstümmelungen bei „Siegern" als Heldenleistungen feiert? Verdeckt
man durch ihn gesünder würde, muss diskutiert werden, wie sich der und verschleiert wird so die sehr enge Verbindung von Sport und Doping, die in
H ochleistungsport der Krankheit annähert. Ein gutes Beispiel bietet hierfür das dem nachfolgenden Zitat noch einmal treffend und zusammenfassend dargestellt ist.
Doping, das, wie zuvor angesprochen, mit Sport in Verbindung steht, um zwecks
Leistungsmanipulation die Körpennaschinen zu verbessern . Doping markiert „Daß also Sport und Doping nicht gegensätzlich strukturiert sind, sondern
deshalb mittlerweile einen Bereich, wo Sport und Wissenschaft sich immer häufiger gemeinsame Strukturmerkmale aufweisen, gilt es nun zu zeigen. Verstellt man
überschneiden. 147 Ein großer Teil der legalen und illegalen Drogen werden für die sich nicht den Blick durch die reduktionistische Annahme, daß Doping nur ein
Erholung bzw. Regeneration oder für die Schmerzbetäubung verwendet, genau wie (illegales) medizinisch-pharmazeutisches Mittel oder Instrument zur
Leistungsmaximierung ist, sondern versteht man Doping als Ausdruck als
dies bei kranken Menschen der Fall ist. D ie Belastung des Trainings wird vom
dingliche Realisation einer bestimmten Bewusstseinform, als Instrument
Lebendigen im Menschen als Aggression oder als Schmerz „interpretiert". Die gewordenes Maximierungswissen, dann springt die Strukturverwandtschaft von
Belastungsanpassung ist die adäquate Reaktion des Körpers auf diese Sport und Doping geradezu ins Auge. Beiden gemeinsam ist nämlich ein Typus
Wahrnehmung. Doping manipuliert aber diese körpereigene und sinnvolle Antwort, von Wissen, des en Prinzip darin besteht, nichts zu lassen, wie es i t, genauer:
sich selbst zu erhalten durch permanente Veränderung auf immer höherer
Stufe." 148
l4S DA, 269
146
Vgl. Rabinbach, Anson. The Human Motor, a.a.O.; Rabinbach, Anson. Ermüdung, Energie und der Die beabsichtigte Steigerung der Körperleistung im Hochleistungssport erfordert
menschliche Motor, a.aO.; Hoberman, John. "Mortal engins". Hochleistungssport und die dass der Körper sich wie eine manipulierbare und anpassungsfähige Materie
physiologischen Grenzen des menschlichen Organismus. In: Sarasin, Philipp und Tanner, Jakob (Hg.) behandeln lässt. Obwohl das Training so individuell wie möglich programmiert
Physiologie und industrielle Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1.998, S. 286-312.
147
König, Eugen. Kritik des Dopings. Der Nih il ismus des technologischen Sports und die Antiquiertheit
der Sponethik. In: Gebauer, Gunter. Olympische Spiele, a.a.O., S. 223-244. 148
König, Eugen. Kritik des Dopings, a.a.0., 233 .
59

58 die men chlichen Äußerungen sowohl


. riumph werden
Abläufe. Mit ihrem äß. "1so
werden muss bleibt nach wie vor di Fungibilität, weil da Organische ab trakt beherrschbar als zwangsm ig.
uni ersell erstanden wird. Um die Natur zu beherr chen, muss man ihre
Funktionalität erkennen und ausnützen. Ln der gleichen Art und Weise vollzieht man
die Körperanpa sung im porttraining.

In diesem Sinne kann ge agt werden dass die Aufopferung de Ichs im


porttraining erstärkt wird um die eigene Natur zu beherrschen. Man darf nicht
über ehen, das der Fortschritt glauben im port ein klares Merkmal der
instrumentellen Vernunft ist. Diese verkehrt da Ziel in ein Mittel, was besonders
deutlich im Hochleistungssport erkennbar ist. Das Sporttraining verlangt auch den
chmerz zu überwinden. Nicht aJs Ausdruck der Leib- bzw. Körperlichkeit ohne
die chmerz nicht gedacht werden kann sondern als Feind muss er behandelt
werden. Statt der ausgedrückten Empfindung muss chmerztoleranz entwickel~ der
Schmerz verdrängt, ja sogar geliebt" werden. Der Leib/Körper wird zu einem zu
überwindenden Hindernis zu etwas, das man bezwingen muss.

,Welches sind nun die spezifischen Methoden, mit deren Hilfe der
anthropofugale port die Mortifikation de Körpers vorantreibt? Es ind die
technologi chen Training - und Übungsweisen. Und zwar in dem inne, als dort
bereits die lebendigen Bewegungen des Menschen mit Hilfe von Wi sen chaft
und Technik mortifiziert werden, also die Mannigfaltigkeit und Vielfalt
körperlicher Bewegung möglichkeiten abgetötet, getilgt und reduziert werden auf
die maschinell-dingliche Bewegungsfonn." 149

Der Sport und die Körperertüchtigung scheinen die Utopie des eigenen Lebens
wieder auferstehen zu lassen wenn sie den Glauben an den ewigen Fortschritt
bekräftigen. Die Erniedrigung des Körpers zur disqualifizierten Materie und seine
bloße (wie immer auch komplexe) Mechanisierung bedeutet, dass der Körper als
blinde Natur betrachtet und wie eine Leiche manipuliert wird. Dieser technisch
wissenschaftliche Blick verleiht dem Körper eine unspezifische
Fungibilität/Austauschbarkeit, genauso wie dies bei Leichen der Fall ist, die sich
biochemisch ähneln.

Diese Art eines beschädigten Mimetischen wird durch die fetischisierte Technik
erzeugt. Es ist wichtig, hierauf abschließend noch einmal mit Hilfe eines Zitats aus
der Dialektik der Aufklärung hinzuweisen:

.,Technik vollzieht die Anpassung ans Tote im Dienste der elbsterhaltung nicht
mehr wie Magie durch körperliche Nachahmung der äußeren atur, sondern
durch Automatisierung der geistigen Prozesse, durch ihre Umwandlung in blinde

l jQ

9
DA, 206; MM, 171
" König, Eugen, Sport und Tod. Philosophische Reflexionen zum anthropofugalen port, a.a.0 ., 96.
61

Jahrhunderts das Phänomen Sport und seine Beziehung zur kapitalistischen


4. KO TEXT AsPEKTE KRITIK U D P ERSPEKTIVEN A DEN A DER
Ge ellschaft analysiert und kritisiert hat. Diese Bewegung hat sich vom offiziellen,
FRA KFURTER SCHULE ORJE TIERTE BEITRÄGE meist traditionell orientierten Sportmilieu abgesetzt, um den etablierten Sport scharf
zu kriti ieren. Wesentliche Kritikpunkte waren sowohl die Vermarktung des Sports
4.1. KONTE T UND ElNIGE WICHTIGE ELEMENTE DER KRITISCHEN al auch seine Form als degradiertes Spiel. Zentraler Angriffspunkt war die
SPORTTHEORIE Mechanisierung des Körpers im port und vor allen seine Strukturähnlichkeiten mit
der Arbeit. Darüber hinaus wurde der ideologische Charakter des Sports denunziert,
Anfangs der 90er Jahre chrieb Bero Rigauer eine kleine Erzäh lung in der ein nicht zuletzt auch oft in Verbindung mit der nicht aufgearbeiteten Nazi-
hypotheti ches Gespräch zwischen Theodor W. Adorno und Robert Musil Vergangenheit. Die Olympische Spiele von 1936 waren damals noch klar und
niederge chrieben ist. Die Begegnung wird 1925 in ein Cafe nach Wien verlegt. deutlich im Gedächtnis der Kritiker.
Dies war zu der Zeit als Adorno dort Komposition und Klavier studierte. Sie
prachen über Sport, die Fortsetzung eines Gesprächs, das auf einem Künstlerfest ,überlebt haben in beiden deutschen taaten zwei Merkmale, die den Sport des
begonnen hatte. Adorno sprach über seine schlechten Erfahrungen beim national ozialisti chen Deutschlands gekennzeichnet haben: L porttraining und
Turnunterricht in dem physische Gewalt eine wichtige Rolle spielte. Darüber portunterricht ind autoritätsgebundene Erziehung mittel geblieben. In
hinaus so Adorno, sei Sport archaisch die großen Sportveranstaltungen seien nichts ein chlägigen Lehrbüchern lie t man: ,Der chiller mu lernen Anordnung des
Lehrers zu befolgen, ohne dafür erst tiefschilrfende Erklärungen und
als Massenveranstaltungen. Musil seinerseits hätte dagegen argumentiert, dass
Erläuterungen Ober ihren inn zu bekommen. in Kind kann erstens nicht alle
Adorno die Brille eines Aussenstehenden hätte. Das Gespräch ging weiter. Adorno
Erklärungen verstehen ... und zweiten i t in ielen ituationen der Gefahr für
beurteilte den Sport als Element des Reichs der Unfreiheit. Darüber hinaus seien die Erklärung kein Zeit orhanden. Die Unterordnung ist daher eine
Sportzuschauers in ihrem Verhalten regressiv und gleichsam an die Maschinenwelt otwendigkeit„ ISJ
gefesselt.
Wie das Zitat belegt, wurden orthodo e und staatliche Positionen zum Sport
Das hypothetische Gespräch nimmt die Bemerkungen und Analysen Adornos zu kritisiert: der Sport erziehe zu autoritätshörigem 1 ~ Verhalten welche ein Erbe des
Veblens Angriff auf die Kultur 151 auf. Dieser Essay wird von Rigauer nicht zufällig ationalsozialismus sei. Auch im 0 tblock könne on einer Demokratisierung des
zitiert, er bezieht sich darauf wegen dessen Aktualität und weil diese Schrift quasi Sports" bzw. einer Erweiterung des portverständni ses wofür die
ein Leitmotiv der Sportkritik der „ Neuen linken " 152 war, deren bekanntester Kommunisti chen Parteien plädierten, 155 nicht die Rede sein sondern der Sport
Repräsentant gerade Bero Rigauer war und noch ist. selbst, als Ausdruck der kapitalisti eben Ge llschaft, mü se in Frage gestellt
werden.
Die viel studierte und zum Teil polemisch kritisierte Sportkritik der Neuen Linke
entwickelte sich, jenseits von internen Unterschieden, als eine theoretische Die inhaltlichen Differenzen mit der portkritik in den ,real e istierenden
Bewegung, die besonders Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre des vorigen sozialistischen' taaten sind augenscheinlich. Im Konte t de Kalten Krieges war
Sport sowohl im Westen al auch im Osten on groß r gesellschaft politischer
151
Bedeutung. Die porthandbücher der ehemaligen DDR haben immer \! ieder betont,
Di es Zitat von Adorno wurde sehr haufig von den Sportkritiker der Neuen Linken erwllhnt. Rigauer,
Bero. Sport und Arbeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1969, . 24 (im folgenden A); Rigauer, Sero.
wie wichtig der port für die Entstehung de ,neuen ( ozialisti eben) Menschen '
Warenstrukturelle Bedingungen lelstungssportltchen Handelns. Mörfelden: Andreas Achenbach Lollar, sei. Die port der Bund republik Deutschland habe darüb r hinaus den
1979 (im folgenden WB), S. 158; Rigauer, Sero. Sportindustrie. Soziologische Betrachtungen Ober das olympischen Gei t erraten, der einerseits in den soziaJisti eben Staaten nicht nur
Verschwinden des Sports in der Marl.1- und Warenwelt. In: Horak, Roman und Penz, Otto. Sport. Kult & überlebt habe, sondern ich erstärkt habe. Bemerkenswert ist hierbei, dass die
Kommerz. Wien, Verl. For Ge ellschaflskritik, 1992, S. 185- 201 , besonders . 193, 198-1 99 (im
folgenden VS); Vinnai, Gerhard. Fußballsport als Ideologie. Frankfurt am Main, Europäische
Verlagsanstalt, 1979, . 24 (im folgenden Fl); Brohm, Jean-Marie ( 1976). Sport. A Prison of Measured
Time. Worcester: Pluto, 1989, S. 56 (Im folgenden PMT); Prokop, Ulrike. Soziologie der Olympischen m A,80.
Spiele. Sport und Kapitalismus. München, Hanser, 1971. U1 A, 18, 80, 82; PMT, 54, 79-87; Brohm, · logie politique du pon. In : Bcrthaud , Ginette u.a.
m Die Sportkritik der „Neuen Linken" umfasst mit der Theorie der Sporthegemonie das Spektrum des fr,,rt.culhireetripression Paris FM.19 6, 16-31. (lmfolgendeo PS)
11
linksorientierten kritischen Denkens im Sport. Morgan, William J. leftist Theorles of Sport. A critlque Brohm 11ar em Gegner der Polruk bzw der pon.politik der Kommuni!.tischen Partei Fr Jcreiehs.
and Reconstructlon. Urbana und Chicago: University oflllinoi , 1994. Vgl. PS 16-31 (Im folgenden PS)
62 63

01 mpi ehe Bewegung elb t eine aristokratisch restaurative Bewegung war und ist. Im Folgenden stelle ich resümierend einige Hauptthesen der Sportkritik der „Neuen
Obwohl die 01 mpi ehe Bewegung der bürgerlichen Ge ellschaft nicht ganz Linken dar, um zu erläuten inwiefern sie fruchtbar und auch heute noch aktuell
entsprach - und deswegen hat sich im Olympischen Regelwerk so viel verändert-, sind und inwieweit sie die Zivilisationskritik von Adorno und Horkheimer
kann man auch nicht sagen, da s sie aus dem Blick der portkritik der „Neuen übernommen haben. Mein Ziel ist nicht, die gesamte Diskussion über die
Linken , den proletari chen Intere en' entsprochen hätte. portkritik der Neuen Linken wiederzubeleben, sondern einige Spannungspunkte
und ihre Verknüpfung mit Adorno und Horkheimer ans Licht bringen, damit so
.. Die politi ch-ideologi ehe rziehung der portler verlangt or allem: möglich wird, wichtige Perspektiven dieser Denkweise zu entfalten.
1. die politi ch-ideologi ehe rziehung der Athleten im inne de Marxismus-
Lenini mu zu oz.iali ti eh denkenden und handelnden Persönlichkeiten, die Die zentrale These von Rigauer lautet, dass Sport und Arbeit ,strukturell konforme
überzeugt ind om ge etzmäßigen ieg des oziali mu in der ganzen Welt, die Handlungsschemata" 158 aufweisen.
das un erändert aggre i e We en de Imperialismus klar durch chauen und die
taatengemein chaft zur Durch etzung der friedlichen Koexi lenz zwischen „Der port ist kein unabhängige Handlungssystem, sondern vielfach mit sozialen
taaten unterschiedlicher Ge eil chaftsordnung unterstützen. Entwicklungen vermittelt, die ihren Ursprung in der frühkapitalistisch-
... Die sportpoliti ehe Bildung der Aktiven muß ein fe ter Bestandteil ihrer bürgerlichen Ge eil chafl haben. Obschon er einen spezifi chen Bereich sozialen
ge amten politisch-ideologi chen Erziehung ein. Trainer und Funktionäre haben Handelns konstituiert hat, verharrt der Sport in einer Interdependenz zu
die Verpflichtung ihnen tändig die portpolitik de Deutschen Turn- und gesamtge ellschafllichcn Prozes en, die ihm seine grundlegenden Merkmale
portbundes zu erläutern. In offen i er Auseinandersetzung i t die Integration des aufprägen: Disziplin Autorität, Wettbewerb, Lei tung, Zweckrationalität,
ports in der BRD in das monopolkapitalistische Herrschaft system und der Organisation, BUrokratisierung, um nur em1ge zu nennen. In der
Mißbrauch des ports und der Olympischen piele durch den deutschen Industriege eil chaft ind be timmte Arbeits- und Produktionsweisen zu
Imperialismus zu entlarven . .1 56 gesell chaftlichen o ehr dominierenden Verhaltenmu tem aufgestiegen, dass sie
nonnativ bis in die ogenannten Freizeittätigkeiten hineim irken; dem hat der
Die portkritiker der , euen Linken' werden sehr oft nicht zu Unrecht mit der port sich nicht entziehen können.' 159
Frankfurten Schule in Verbindung gebracht, weil die Werke von Horkheimer,
Adorno und Marcuse verwendet wurden, um ihre Sportkritik zu begründen. Bero Es wird hier die These von Jürgen Habermas übernommen, die dieser 1956 in einem
Rigauer Jean-Marie Brohm und andere haben unterschiedlich, selektiv und Essay über das Verhältnis von Arbeit und Freizeit dargelegt hat. 160 Rigauer folgt
teilweise in Verbindung mit anderen kritischen Autoren die Auffassungen der auch der Prämisse von Adorno, nach der die Freizeit, im Kontext der
Frankfurten Schule als theoretische Grundlage übernommen. Bei der Lektüre ihrer Kulturindustrie, nichts anderes als eine Wiederholung der Arbeitswelt ist. Die
Arbeiten ist die Kritische Theorie der Frankfurten Schule entweder durch Zitate Freizeit ist nicht nur eine Vorbereitung für die Arbeit, sondern auch eine Form von
oder durch bestimmte Thematiken und theoretische Argumentationen erkennbar. Bewusstseinkontrolle.
Die Kultur- und Ideologiekritik 157 von Adorno und natürlich der oben zitierte
Prozess der Mechanisierung des Körpers spielen dort eine wichtige Rolle. „Je fester die Po itionen der Kulturindu trie werden, um so ummari eher kann
sie mit dem Bedürfni der Kon umenten verfahren, es produzieren, steuern,
Die Schriften dieser Autoren vor allem die von Rigauer und Brohm, und deren di ziplinieren, selb t das Amü ement einziehen: dem kulturellen Fortschritt ind
Thesen wurden relativ viel verbreitet, nicht nur in Europa, sondern auch in Nord- da keine chranken ge etzt. ... Die ursprüngliche Affinität aber von Ge chäft
und Südamerika, wo sie mehr oder weniger Polemiken provozierten. In Brasilien und Amü ement zeigt sich in dessen eigenem inn: der Apologie der
z.B. wurden sie in der Sportwissenschaft relativ bekannt und zwar insbesondere
aufgrund ihrer Kritik an der traditionellen Erziehung und an der Sportpädagogik. 111
SA, ll;PMT, 71.
I!! A7
llO Habe~, Jurgen (1958). oziologi ehe otizen zum Verhälmi von Arbeit und Freizeit. In: Pie ner,
Hlmut; Bock, Hans-Erhard und GRUPPE, Ommo. Sport und Leibeserziehung. München: Piper & Co.,
156
chmolinsky, Gerhard! (Hg.). Leichtathletik. Berlin, Sportverlag, 1977, . 36-37. 1967, S. 28-46. Haberrnas hat pater ein a h\ ort ge chrieben, in dem er die Ideen seine Auf atz
m Vgl. Rotten, Alfred. Sport - Ideologie - Kritische Theorie. Etappen einer unglücklichen liebe. grunds tzlich aufrechterhält, obwohl er zehn Jahre danach im Methodologi chen Bedenken hatte. Vgl.
Frankfurt am Main u. a: Peter Lang, 1988; Morgan, William J. Adorno on Sport: The Case of the achwort von JOrgcn Haberrnas, a.a.O., . 121. Einen grossen Einflu hatten owohl Haberrnas als auch
Fractured Dialectic. In: Theory and Soclety. 17: 813-838, 1988. Adorno auf bestimmte Texten von Brohm. Vgl. z.B. PMT, 53-64.
64 65

G eil chaft. ergnügts in heißt Ein erstanden ein. ... ergnügen heißt allemal: kapitali tischen Gesellschaft als Ware gesetzt werden (können). Bei den
nicht daran denken mü en, d Leiden erg en. no h \ o e gez igt \ ird." 161 portveranstaltung stehen Publikum und Sportler einander gegenüber: Produzent
und Konsument und dazwischen der Promoter und Manager (Kapitalbesitzer). 166
Diese Strukturähnlichkeiten zwi chen Sport und Arbeit zeigen sich in verschiedenen „Die vom Sportler erbrachte Leistung verwandelt sich in eine Ware und wird als
Formen, eine d r wichtig ten al Beispiel für die Mechani ierung der Bewegung, solche auf einem Markt gegen einen äquivalenten Wert (Geld) ausgetauscht." 167 Als
i t der achwei der Affinität von Fliessbandarbeit und Intervalltraining. 162 Sogar Ware wird der Sportler quantitativ an seiner Leistung gemessen bzw. doppelgezählt:
die portsprache ei technologi eh und von der Mechanisierung beherrscht. 163 einerseits „verkörpert der Sportler ... einen bestimmten abstrakten Geldwert.'
168

Lei tungsorientierung Zweckmäßigkeit Bürokratisierung und Rationalisierung Anderseits wird seine Leistungsflihigkeit quantifiziert, hinter der , sich lebendige
bestimmen nach Rigauer die miteinander verbundenen phären. Dies beschränke Men chen mit besonderen Eigenschaften verbergen .'d 69 Wichtig ist nach Rigauer,
die pontaneität, weil von piel im port in Gegensatz zur propagierten das , die Reduzierung menschlicher Arbeitskraft auf abstrakt quantitative
portideologie kaum etwas spürbar ist. 164 Warenformen eine Verdinglichung konkreten menschlichen Handelns
impliziert. Die auf Warentausch basierenden zwischenmenschlichen Beziehung
ln diesem Ver tändnis ist port ideologisch geprägt, weil er einerseits die Leistung
ver achlichen zu me sbaren und formalisierten Objekten." 170 Der Verdinglichung
als den gesellschaftlichen Maßstab etabliert, anderseits weil von einer idealistischen
des Erbringens der sportlichen Leistung als Ware entspricht eine entfremdete
Einheit von Leib und Seele bei Menschen im Sport ausgegangen wird. Auch die
Arbeit, bei der der Arbeiter nur einen begrenzten Teil des Arbeitsprozesses
an chulen praktizierte Sporterziehung sei in ihrem Zu ammenhang mit staatlichen
beherrscht. 171
Interessen -wie das Beispiel des Nationalsozialismus lehre - ideologisch. 165
„Im Leistungsport können Merkmale solcher Entfremdung dann auftreten, wenn
Die ideologische Funktion von Sport wurde von Brohm so zusammengefasst: eine portart zu einer hoch pezialisierten Teilverrichtung regrediert oder wenn
..(i) port is an ideological tate apparatus which fulfils a triple rote: it rationalisierte Trainingsmethoden angewendet werden, z. B. beim
ideologicall reproduces bourgeois social relations uch as election and Intervalltraining, das den Trainierenden zur ständigen Wiederholung der gleichen,
hierarch sub ervience obedience et: econdl it preads an organiz.ational genau fixierten und isolierten Teilaufgaben zwingt.' 172
ideology specific to the in titution of sport, involving competition, records and
output; and thirdly, it tran mits on a huge scale the general themes of ruling Die Vermarktung des Sports bedeutet selbstverständlich, dass nicht nur die Leistung
bourgeoi ideology like the myth of superman individualism, social des portlers als Ware bewertet und verkauft wird, sondern dass eine Menge
ad ancement, success, efficiency etc. weiterer Sportprodukte im Rahmen der Freizeitindustrie in den Markt gebracht
(ii) port is an ideological crystalliz.ation of permanent competition, which is werden. 173 Wie Rigauer sagt, haben wir heute ein „warenästhetisches Verhalten im
presented as 'preparation for the struggle for life . Sport".1 74
(iii) Sport is an ideology based on the myth of indefinite linear progress, as
expre ed in the upward curve of sports record . Darüber hinaus, wie am Anfang die es Kapitel ausgeführt wurde betrifft die Kritik
der porttheoretiker der ,Neuen Linken nicht nur die Körperverdinglichung zur
(i ) Finally, sport is the ideology of the body/machine - the body tumed into a
robot, alienated by capitalist labor. Sport is based on the fantasy of the 'fit ', Ware sondern auch den Sachverhalt, dass der menschliche Körper als Maschine
productive body.

In Verbindung mit der Sportideologie steht der Warencharakter des Sports. Die
166
ideologische Struktur zeigt sich darin, dass alle sozialen Phänomene in der A, 58, 61; WB, 147 IT.; FI, 40 IT.
161
SA, 58.
161
A, 59.
169
SA, 62.
161
DA, 166-167. 110 A, 61.
162 171
A, 36, PM , 69. WB, 141.
163 mSA,63.
PMS 29
164 171
A, j9.i1, 30-38, 70-73. WB, 150-151;V ,194.
16 17
$ SA, 74-80. ' WB, 196 IT.
66 67
wissen chaftlich analysiert wird und analog - gleich am al mechanisierter Stoff - 177
aufzufassen." Sport und Arbeit hätten deutlich erkennbare Unterschiede, der
manipuliert wird. 175
Sport sei reines piel und gerade n icht zwangsmäßige Handlung. Darüber hinaus sei
die Vorbereitung auf e ine sportliche Leistung ein Beispiel für Selbstbetätigung, für
4.2. KRITIK AN DER SPORTKRITIK DER ,,NEUEN LINKEN" „libidinös" besetzte Tätigkeit. 178

Die Sportkritik der euen Linke wurde nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern , Die sportliche Leistung wird von Athleten nicht unter Zwang abgepresst, nicht
auch sehr stark und polemi eh kritisiert. Diese Kritik erfolgt unterschiedlich je nach als Zwang form erlebt, sondern sie entspricht in höchstem Maße sowohl seinen
dem Blick\vinkel der erschiedenen Autoren, ihren gesellschaftspolitischen lnteres en als auch seinen Fähigkeiten. Der portler steht nicht in ,entfremdeter'
Überzeugungen Wld ist auch om historischen Zeitpunkt abhängig. Sie wurde Beziehung zu seiner Leistung. Denn diese wird nicht als Last oder Zwang erlebt
fonnuliert auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Die Kritik erfolgt aus drei sondern als freiwillig gewählte und unter vollem personalen Einsatz erstrebte
unterscheidbaren Richtungen: l. von Norbert Elias und Eric DW10ing auf dem Leistung ehr po itiv gewertet sowie emotional und affektiv ,lustvoll' getönt." 179
Hintergrund ihrer Theorie der Zivilisationstheorie, welche im folgenden skizziert
wird. 2. Weitere Kritik kommt aus dem Hegemoniediskurs des Sports und 3. aus Lenk stellt insbesondere heraus, dass die sogenannte Manipulation und die
dem Sportmilieu in Deutschland dessen wichtiger Vertreter der Philosoph (und: unterstellte Anpassung an Arbeitsnormen im Kontext von sportlichen Leistungen
Ruder-Olympiasieger) Hans Lenk ist. nicht plausibel seien. Rigauers Konzept von Arbeit sei so allgemein, dass es ihm
möglich sei, die Ähnlichkeiten, aber nicht die Unterschiede von Sport und Arbeit zu
180
Richard Gruneau macht darauf aufmerksam, dass die Kritik von Rigauer, Vinnai begründen.
und Brohm in Grunde genommen politisch stark sei, aber theoretisch schwach.
Darüber hinaus hätten diese Theoretiker die Frankfurter Schule zwar als Paradigma 4.3. AU EINA DERSETZUNG MIT DER KRlTfK AM SPORT UND
genommen, jedoch wichtige Aspekte dieser Theorie zu wenig berücksichtigt, z.B. PERSPEKTIVEN FÜR MÖGLICHE WEITERENTWICKLUNGE
die Beziehung Adornos zu Ästhetischen Avantgarde.
Die Kritik von Gruneau muss insofern akzeptiert werden, als er darlegt, dass die
Darüber hinaus sei ihre Kritik nicht eigentlich gegen den Kapitalismus gerichtet - kritischen Sporttheoretiker mehrere wichtige Aspekte der Kritischen Theorie der
wie die Kritischen Theoretiker dächten - sondern, im Kontext der Contrakultur, Gesellschaft nicht beachtet haben. 181 Sie haben nicht nur die kunsttheoretischen
gegen die Modernität: 'The source of their [Contra-culture] anger was never really Bestandteile der Theorie der Frankfurter Schule übersehen, sondern darüber hinaus
capitalism, or even the authoritarian technocratic establishment - it was modemity die Tatsache, dass im Kontext der Handlungslehren des Sports die
itself. [„.] Modem sport, like modern societies themselves, was inherently naturwissenschaftlich-technologischen Konzepte wie sie als Sportmedizin
totalitarian.' 176 Trainingswissenschaft, Bewegungswissenschaft entwickelt wurden, die sportliche
Praxis nachhaltig bestimmen. Wie schon erläutet wurde sieht dieser
Hans Lenk widerspricht entschieden der These der Entfremdung im Sport. Nach fachwissenschaftliche Blick nicht den lebendigen Körper an, sondern den toten. Die
seiner Überzeugung ist „die sportliche Leistung weder als Zwangsarbeit, noch als gesamte Konstellation die zur wissenschaftlichen Erfassung der Körper gehört und
entmenschlichte Routinearbeit, noch als ,entfremdete' Arbeit im Sinne Marx' die Dialektik der Körperbeherrschung als Voraussetzung de.s Ichs wurden von den
„Neuen Linken" nicht aufgegriffen.

m Der Rückblick auf Adorno und Horkheimers Interesse am Körper wurde von Rigauer betont (WB,
157-158). Vgl. auch VS, 188-193; PMT, 179; SPS, 19-20. In Zusammenhang mit dieser Prllmisse steht
auch die Disziplinierung der SexualiUU, herausgestellt vor allem von Brohm und Vinnai. Vgl. PMT, 36 177
Lenk. Hans. "Mani pulalion" oder "Emanzipation" Im Lei tungssport? Die Entfremdungsthese und das
ff, 179-180; Fl, 23 f( 75 ff. "Tel est le fondement general, et le sport n'est que la perversion Selbst des Athleten. In: Lenk, Han ; Moser, imon und Be er, Erich (Hg.). Philosophie des Sports.
systemaflque de l 'instinct agonal ludique par la competition. II e t theorie et pratique eiqierimentales, chomdorf: Karl Hofmann, 1973, . 67- 108 besonders . 85. {Im folgenden P )
pourrais-je dire, de la compctition interindividuelle." (S PS, 20). 178
PS 86
176
Gruneau, Richard. The Critique of Sport in Modemity: Theorising Power, Culture, and the Politics of 179 Ps' 89.
Body. In: Dunning, Eric; Maguire, Jo eph A. und Pearton, Robert A. The Sports Process. A Comparative 180 p '93
and Deve/opmental Approach. Champaign, IL: Human Kinetics, 1993, S. 85- 109, besonders S. 95. 181
Vgl. Rotten, Alfred. Sport - Ideologie - Kritische Theorie, a.a.O.
68 69

Die Betonung des Warencharak'ters des Sports darf übrigens nicht als eine Art von von Rekorden als Maßstab für sportliche Leistung verweisen auf die Aktualität
Ökonomi mus missverstanden werden weil dies lnhalt ein Aspekt der Sportanalyse dessen, was Adorno vor mehr als fünfzig Jahre vorhergesagt hat: Athleten werden
war mit der sich fast keine andere Theorie beschäftigt hat. Darüber hinaus folgen durch ihre Images vermarktet, im Fernsehen und in Illustrierten erscheinen sie als
die Neuen Kritiker einer wichtigen Prämisse der Frankfurter Schule nämlich der Modelle für Erfolg, Schönheit und Glück.
des Warencharakters der Kulturgüter im Kontext der Kulturindustrie. Adorno selbst
hat geschrieben: , Geistige kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, Darüber hinaus wird Sport heutzutage viel stärker vermarktet als früher, vor allem
sondern sind es durch und durch.' 182 wegen der vielfältigen Kommunikations- bzw. Unternehmensmöglichkeiten. Dabei
ist es wichtig, sich klar zu machen, wie Unternehmung, Informationen und Kultur
Die weitere Kritik von Gruneau muss in Frage gestellt werden. Rigauer und andere sich zuweilen ununterscheidbar vermischt haben und damit mehr und mehr ihre
haben den Kapitalismus und den sogenannten „Real-existierenden- Sozialismus" jeweilige Eigenstruktur verlieren.
behandelt, beides Ausdrucksformen der Modernität. Sie haben aber nicht die
Modernität tout court kritisieren wollen. In Gegenteil, haben sie sich an modernen Zum Abschluss möchte ich drei Punkte herausstellen, die meines Erachtens wichtig
Theorien, von Marx bis zur Frankfurter Schule, orientiert. sind, um auch künftig die Entwicklung dieses kritischen Denkens in der
Sportsoziologie/Sportphilosophie zu unterstützen:
Die von Lenk geübte Kritik ist heutzutage in mehrfacher Hinsicht unvertretbar.
Rigauer hat vielleicht den Begriff Arbeit in seinem Buch Sport und Arbeit nicht 1. Die Bereitschaft zu kritischem Denken sowohl anhand von empirischen
zureichend bestimmt, was in dem, einige Jahre nach der Kritik von Lenk, Phänomenen als auch im Blick auf andere Theorien, mit denen die
publizierten Buch Warenstrukturelle Bedingungen /eistungssportlichen Handelns wissenschaftliche Auseinandersetzung produktiv erscheint. Dies gilt ausdrücklich
nachgeho lt wurde. In der Tat wird durch seine Ausführungen nicht allgemein Arbeit auch für die Theorien, mit denen man aufgrund der eigenen wissenschaftlichen
kritisiert, sondern ihre in der kapitalistischen Gesellschaft subsumierte Form. Biographie nicht vertraut ist.

Darüber hinaus sind die Aussagen von Lenk, dass die Sportleistung mit Zwang 2. Der Dialog mit anderen Sport- und Körpertheorien: einerseits, weil andere Blicke
nichts zu tun hätte, sehr schwer zu akzeptieren. Es scheint immer klarer in der auf diesen Gegenstand neue Problematiken zugänglich machen, andererseits weil
Entwicklung des Hochleistungssport, dass das Ergebnis wichtig ist und nicht Sport unter anderem gemäß den jeweils verwandten Körpertechniken verstanden
unbedingt der Handlungsträger. Wenn man sein eigenes Handels nicht kontrollieren werden muss.
kann, sondern es von außen als zwangsmäßige Belastung erscheint (von Trainer,
oder allgemein gesehen von Verwaltungstechnologien des Leistungstrainings 3. Eine Wiederbesinnung auf die Schriften der Frankfurter Schule, nicht nur auf
bestimmt), wird man doch von sich selbst entfremdet. diejenigen, in denen Sport thematisiert wird (trotz ihrer Wichtigkeit), sondern auf
alle in der dialektischen Theorie, um so die aktuelle Sportproblematik genauer und
Weiterhin lässt sieb die These nicht nachvollziehen, dass der Leistungsport in sich besser erforschen zu können. Schwerpunkte der Forschung könnte z.B. die
libidinös sei und mit Anpassung und Arbeitsnormen nichts zu tun hätte. Austauschbarkeit des Athleten und seine Leistungen sowohl als Ware als auch in
Leistungsport, wie oben diskutiert wurde, hat viele Ähnlichkeiten mit beschädigten Sinne der Aufopferung des Körpers sein Darüber hinaus die Fragestellung, welches
Formen von Sexualität bzw. Pornographie und mit der leistungsorientierten sind heute die neuen Bedingungen der Warenwelt unter der sogenannten
Sexualität. Kapitalflexibilisierung?

Die Aktualität der Sportkritik der „Neuen Linken" ist meines Erachtens nach wie
vor gegeben. Einige Tendenzen, die Rigauer und andere aufgezeigt haben, sind
noch stärker geworden, wie z.B. die Messbarkeit der Leistungen durch ihre
Quantifizierung. Die Vorliebe für Statistiken in Koll ektivsportarten - beispielsweise
als besonderenAttraktion für die Sportzuschauer im Fernsehen-, die Verbesserung

112
Adorno, Theodor W. Resume Ober Kulturindustrie. AGS 10-2, S. 337-345, Zitat S. 338.
71

Sportbereich zu übertragen . Wie im ersten Kapitel dieser Arbeit bereits erwähnt


TEIL II. KONKURRIERENDE SPORTTHEORIEN
wurde, haben Horkheimer und Adorno sich nicht systematisch mit dem Thema
Sport beschäftigt. Dieses Sozialphänomen hat - wie gezeigt - trotzdem eine nicht
A. NORBERT ELIAS SPORTTHEORIE: KÖRPERBEHERRSCHUNG IM unwichtige Stellung in ihrem gemeinsamen Werk gefunden . Im Gegensatz zu
ZIVILISATIONSPROZESS' ND SEINE BEZIEHUNG ZUR KRITISCHEN Horkheimer/Adomo hat Elias sich mit dem Thema Sport speziell beschäftigt, und
SPORTTHEORIE die gemeinsame Arbeit mit seinem Schüler Eric Dunning ist in zahlreichen
Beiträgen veröffentlicht und weltweit bekannt geworden. - Durch beide Theorien
„ Dämpfung der spontanen Wallungen, Zurückhalhmg der wurden sportsoziologische/philosophische Traditionen geschaffen , die
Affekte, Weitung des Gedankenraums iiber den Augenblick konkurrieren, aber auch Verbindungslinien aufweisen.
hinaus in die vergangenen Ursach-, die zukünftigen
Folgekellen, es sind verschiedene Aspekte der gleichen
Verhaltensändenmg, eben jene Verhaltensändenmg, die sich Mein Ziel in diesem Teil ist es, die auf den Körper abzielenden Bestandteile der
mit der Monopolisierung der körperlichen Gewalt, mit der Zivilisationstheorie von Elias in einen Vergleich mit der Kritik der Zivilisation von
Ausweitung der Handlungskellen und Interdependenzen im Adorno und Horkheimer zu stellen. In diesem Zusammenhang werde ich auch die
gesellschaftlichen Raume notwendigenveise zugleich
vollzieht. Es ist eine Verändenmg des Verhaltens im Sinne
Kritik der Figurationssoziologie an der Sporttheorie der ,,Neuen Linken '
der , Zivilisation ". Norbert Elias, Über den Prozeß der durchleuchten. Diese Kritik wurde von Norbert Elias geleistet, aber vor allen von
Zivilisation (Band //), 1939. Eric Dunning weiterentwickelt. Beide Theorierichtungen lassen sich meiner
Auffassung nach - in ihren Positionen zur Natur- und Körperbeherrschung -
voneinander abgrenzen.

1. ZlVILISATlONSPROZESS UND ZlVILISATlONSKRITIK Bei Eli.as spielt die Körperbeherrschung im Zivilisationsprozess eine wichtige und (
unverzichtbare Rolle. Anders als bei Adorno und Horkheimer hat diese Art von
Während Adorno, Horkheimer und andere Mitglieder des Instituts für Naturbeherrschung, d.h. die Beherrschung der inneren Natur, eine ganz andere
Sozialforschung ihre Exilzeit in den USA verbrachten, zuerst an der Columbia Bedeutung, wenn von ihren Wirkungen und Konsequenzen die Rede ist. Man kann
University und danach in Kalifornien, wo die prominentesten Arbeiten der sagen, dass nach E lias die Natur- und Körperbeherrschung nicht nur für den
Frankfurter Schule niedergeschrieben wurden, gab es weitere Flüchtlinge vor dem Zivilisationsprozess notwendig ist, sondern auch als wünschenswert betrachtet wird.
Nationalsozialismus, die sich mit ähnlichen wissenschaftlichen und philosophischen Elias zufolge gibt es keinen Widerspruch in der Beziehung des Menschen zu seiner
Fragen beschäftigten, u.a. Norbert Elias. inneren und äußeren Natur.
,,1
Norbert Elias hat sein berühmtes Buch Über den Prozess der Zivilisation in London Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist der einzige geschlossene Text, in dem
Elias sich einmal explizit auf Adorno bezogen hat. Hier stellt Elias die
in den späten 30er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben. In diesem
Ähnlichkeiten, aber in erster Linie die Differenzen zu seinem und zu Adornos
~ei~ändigen B~ch wird die Richtung der späteren Arbeiten von Elias festgelegt,
Denken heraus. Aspekte dieses Theorievergleichs von Elias werden dargestellt,
die sich ?ann mit v~rschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie u.a. Sport und
nachdem in zwei Abschnitten zuvor die Elemente der Zivilisationstheorie von Elias
K~s! w1ssenschaftl1ch beschäftigt haben . Von der Analyse der Beziehung der
erarbeitet werden, die vor allen in Hinblick auf seine Adorno-Kritik von Bedeutung
lnd1v1duen ~ Gesellschaft bis zum Konzipieren einer Wissenssoziologie
sind. Im drittem Abschnitt versuche ich schließlich nachzuweisen inwieweit die
(besonders erner Symboltheorie) hat das Werk Elias' nicht nur einen großen
Kritiken von Elias, obwohl unverzichtbar, doch ungenau sind.
Anspruch, ~ondern auch eine vielfältige Entfaltung. In verschiedenen Ländern
werden seme Thesen in so unterschiedlichen Bereichen wie denen der
Elemente einer Sporttheorie von Elias und Dunning werden anschließend unter
S?zia1?1edizin, Ernährungskultur, Stadtentwicklung oder Körpergeschichte
diskutiert. besonderer Berücksichtigung des Spannungsfeldes von Natur- und
Körperbeherrschung bei Elias behandelt. Am Ende dieses Kapitels diskutiere ich
ihre Kritik der Kritischen Sporttheorie. Wichtig ist mir, die
?ie Differenzen zwischen der Kritik der abendländischen Zivilisation und ihrer
instrumentellen Vernunft und dem Prozess der Zivilisation lassen sich auf den
72

Erkenntni rnöglichkeiten der Figuration theorie für den port zu erhellen, aber
auch ihre Grenzen aufzuzeigen und zu diskutieren. 2. NORBERT ELIAS UND DER PROZESS DER ZIVILISATIO

1977 wurde Norbert Elias der Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt
verliehen. Diese Verleihung muss umso höher bewertet werden, wenn man bedenkt,
dass diese Verleihung zum ersten Male stattfand. Es war vielleicht die späte
Anerkennung eines der wichtigsten Soziologen des zwanzigsten Jahrhunderts, die
gleichzeitig den Anfang einer breiten Rezeption seines Werks (zumindest im
deutschsprachigen Raum) markierte.

Meine Überlegungen greifen auf die Rede zurück, die Elias am Tag der Verleihuni:,
3
dem 2. Oktober 1977, gehalten hat. Diese Rede ist in einem kleinen Band'
zusammen mit der Laudatio vom Wolf Lepenies veröffentlicht worden. Ihr Titel
lautet: Adorno-Rede: Respekt und Kritik und beschäftigt sich nicht nur mit Theodor
W. Adorno, sondern auch mit dem eigenen Werk. ln seiner Rede konvergieren
persönliche und theoretische Anmerkungen, aber auch Erinnerungen und Hinweise
über beide Denktraditionen.

An mehreren Stellen kritisiert Elias Adorno und seinen theoretischen Apparat und
greift hierbei auf sein Zivilisationsbuch zurück. Bei persönlichen und theoretischen
Anmerkungen verlässt E lias seinen Stil nicht. Er will die Verflechtung von
persönlichen und theoretischen Erfahrungen beibehalten und gleichzeitig Aspekte
seiner Figurationssoziologie legitimieren .

Norbert Elias lernte Anfang der 30er Jahre Theodor W. Adorno kennen als beide
als junge Assistenten an der Universität Frankfurt tätig waren. Beide sind jüdischer
Herkunft und erlebten das Exil während der Naziverfolgung zeitweise in England
wo Elias lange wohnte und seine Exil-Karriere begonnen hat. Obwohl sie in
Frankfurt in demselben Gebäude arbeiteten und Elias zufolge mit Personen
zusammentrafen, deren theoretische Orientierung eine gewisse ähe aufwiesen, war
der Kontakt miteinander mehr als oberflächlich. Dies gilt sowohl für die
Frankfurter Jahre als auch für das Exil und auch Nachkriegszeit.

Norbert Elias arbeitete in Frankfurt als Assistent von Karl Mannheim in einem
Zimmer im zweiten Stock des Institutes für ozialforschung, das später als
Ursprungsort der Frankfurten Schule weltberühmt wurde. Das Institut stellte 1929
Max Horkheimer als Leiter ein, dessen Beziehungen mit Mannheim durch einige

183
Elias, Norbert & Lepenies Wolf. Zwei Reden anltisslich der Verleihung des Theodor W. Adomo-
Preises 1977. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977. In folgenden RK.
74 75
politi ehe und theoreti ehe chwierigkeiten negativ be timmt waren. 184 Die Diese Gesellschaftsapparatur, die durch die menschlichen Interdependenzen
intell ktuellen Gefechte Z\ ischen den beiden hatten zum Nebeneffekt dass die hergestellt wird, bewegte und verhielt sich blind „durch die Eigendynamik eines
beiden Jungassistenten unabhängig voneinander ihre theoretischen Bemühungen Beziehungsgeflechts, durch spezifische Veränderung der Art, in der die Menschen
entwickelten ob\ ohl di e in einigen Bereiche auch von gemeinsamen Interessen miteinander zu leben gehalten sind." 189
geleitet wurden.
Je mehr eine Gesellschaft sich differenziert, je stabiler gesellschaftliche
E lohnt sich eine ergleichende Lektüre der beiden Theoretiker vorzunehmen, um Zentralorgane und die Monopolisierung der körperlichen Gewalt sich herausbilden,
die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erfa sen denn neben punktuellen desto ausgeprägter wird die Apparatur der Selbstkontrolle. 190
Überein timrnungen teht das erkennbare Bemühen unabhängig voneinander den
Zi ilisationsprozess zu ersteh n. Die theoretischen Unternehmungen grenzten sich „Wa ich mit der Monopolisierung der Gewalttat in den befriedeten Räumen
hierbei in mehreren Bereichen inhaltlich, stilistisch und perspektivisch voneinander herstellt, ist ein anderer Typus von elbstbeherrschung oder Selbstzwang. Es ist
ab, auch dann noch wenn ie sich thematisch annäherten. Im Allgemeinen kann eine leiden chaftslosere elb tbeherrschung. Dem Kontroll- und
angenommen werden da s die mehr oder weniger explizit erkennbare Bezugsgröße Überwachungsapparatur in der Gesellschaft entspricht die Kontrollapparatur, die
zwei Klassiker waren die in diesen Jahren in der Regel alternativ gegeneinander sich im eelenhaushalt des Individuums herausbildet." 191
gestellt worden sind bei Horkheimer/Adorno: Karl Marx, bei Elias: Max Weber.
Der Zivilisationsprozess sei weder frei von Regressionen noch schmerzfrei. In eine
Elias versucht mit historischen Quellen den geschichtlichen Prozess der Zivilisation Freudsche Richtung deutet Elias den „Preis" der Zivilisierung:
al Kontinuität nachzuzeichnen dessen Richtung auf die Gesellschaftsform von
Staaten auf die Monopolisierung und Zentralisierung der Abgaben und der ,In günstigeren Fällen mögen - bildlich gesprochen - die Wunden langsam
körperlichen Gewalt abzielt. 185 Obwohl er sich vor allem mit dem Hochmittelalter vernarben die die Zivilisierungskonflikte der Psyche des Einzelnen schlagen; in
beschäftigte ersuchte er nachzuweisen dass der Zivilisationsprozess keine falls unglln tigeren Fällen schließen sie sich nie oder öffnen sich leicht \ ieder bei
neuen Konflikten. Hier dringen die im psychischen Apparat verfestigten
einen , Nullpunkt hatte. 186
zwischenmenschlichen Konflikte der Frühzeit immer wieder störend in die
weiteren zwischenmenschlichen Beziehungen ein, sei es in der Form von
Dieser nicht geplante Prozess provoziert nach Elias eine Veränderung des Widersprüchen zwi chen den einzelnen elbstzwanggewohnheiten, die von den
menschlichen Verhaltens und Empfindens in eine bestimmte Richtung, in die verschiedenen Beziehungen, den mannigfachen Abhängigkeiten und
Konvertierung des gesellschaftlichen Zwangs in Selb tzwang die teilweise bewus ~ Angewiesenheiten des Kindes ihren Au gang nehmen, sei es in der Form von
teilweise automatisch vollzogen wird. 187 Aus den verschiedenen historischen ständig wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwi chen die er
Quellen des Zivilisationsbuchs könne gezeigt werden, elbstzwangapparatur und dem Triebzentrum." 192

[... ] wie etwa on den verschiedensten eiten her Fremdzwänge sich in Theodor W. Adorno und Max Horkheimer üben ihrerseits durch eine
Selbstzwänge verwandeln wie in immer differenzierterer Form men chliche sozialphilosophische und metahistorische Analyse Zivilisationskritik. Die Dialektik
Verrichtungen hinter die Kulisse des gesell chaftlichen Lebens verdrängt und mit der Aufklärung ist im strengen Sinn wie oben dargestellt wurde, keine historische
chamgefühlen belegt werden, wie die Regelung des ge amten Trieb- und Analyse, die mit empirischen Daten und urkundlichen Quellen (,Beweisen')
Affektlebens durch eine beständige elbstkontrolle immer allseitiger, arbeitet, obwohl viele der Überlegungen auf empirische Forschungen basieren. Wie
gleichmäßiger und stabiler wird." 188 im ersten Kapitel dargestellt wurde, nehmen Horkheirner und Adorno einen anderen
Weg. Sie wählen besondere Beispiele und heterodoxe Quellen um das uralte
Projekt der Naturbeherrschung zu verstehen und zu kritisieren, um nachzuweisen
'" Ein Beispiel der Kritik der Mitglieder des Instituts für ozialforschung an Mannheim kann in einem dass die Naturbeherrschung und die Subjektbildung (d.h. die Ge chichtsbildung)
1937 geschriebenen aber erst 1953 veröffentlichten Artikel von Adorno gefunden werden. Vgl. Adorno.
Theodor W. Das Bewußtsein der Wissenssoziologie . AG 10-1.
m PZll 312 189
PZII, 313, 316.
1116
pz11'. 369: 378-379, 404-405. 190
PZll , 313, 319-320, 332.
117 191
PZll, 313, 331. PZII, 327-328.
192
'" PZll, 313. PZII , 333-334.
76

dem Weg vom Mythos zur Aufklärung entspricht, dessen dialektisches Resultat
erneut der Rückschlag in die Mythologie ist. Herrschaft und Barbarei sind dann als 3. NORBERT ELIAS SCHREIBT ÜBER THEODOR W. ADORNO
lnhalte dieses Prozesses verblieben und miteinander verbunden. Mit anderen
Worten, der Zivilisationsprozess muss aus diesem objektiven Verhängnis bzw. Elias fängt seine Rede mit einer Erinnerung darüber an, wie lange der Weg sein
Sachverhalt heraus verstanden werden. musste, um Anerkennung zu erreichen. Es ist kaum zu übersehen, dass es eine
Mischung von Ärger, Erleichterung und Freude über die Anerkennung in der Rede
In allgemeinen Linien werde ich nunmehr der Argumentation von Elias folgen und gibt. Neben der Erinnerung an das reiche kulturelle Klima, das er Anfang der 30er
hierbei Kernaspekte seiner Ausführungen diskutieren. In der Analyse von Jahre in Frankfurt erlebte - „[ ... ] jedenfalls gehören diese Frankfurter Jahre zu den
Sachverhalt und theoretischer Stringenz sollen einige Spannungs- und reichsten und anregendsten meines Lebens" 193 - markiert Elias seine persönliche
Ansatzpunkte identifiziert werden, mit deren Hilfe auch die Thematik von Beziehung mit Deutschland und dessen intellektuellem Universum. Nach
Körperbeherrschung und Sport klarer und bestimmter kritisiert werden könnte. Jahrzehnten in England begegnet er seinen intellektuellen Ursprüngen: "Der
Achtzigjährige kehrt heim und wird willkommen geheißen." 194 Darüber hinaus
besteht - wie bereits erwähnt - die Bedeutung dieser Ehrung in der Anerkennung
des Werkes von Elias durch die (späte) Frankfurter Schule.

Das intellektuelle Klima von Frankfurt nimmt Elfas zum Ausgangspunkt für eine
Betrachtung seines Verhältnisses zu Adorno. Bestimmt hatten beide voneinander
gehört. 195 Elias spricht über Gemeinsamkeiten: das Interesse für Kunstwerke und
für künstlerische Erfahrung, wenn sie als wesentliche Sphären des Wissens
verstanden werden, die Schwierigkeit, nicht anders als interdisziplinär über große
Themen nachdenken zu können, den „lebendigen" Charakter der Seminare, die
beide durchführten. Elias erwähnt die bekannte Sensibilität Adornos als Homme de
Lettre, seinen Sprachgebrauch und die Sorge um den ästhetischen Ausdruck des
Wortes. 196

Elias zufolge ist Adorno ein kritischer Humanist, 197 was sie miteinander verbindet.
Ein kritischer Humanist werde von zwei Verhaltensweisen getragen. Die erste sei
die emotionale und intellektuelle Solidarität mit dem Schwachen dem
Unterdrückten, Außenseiter und Ausgebeuteten; die zweite sei das Be~ühen,
ahumane System-Begriffe wie u.a. Politik, Kultur, Wirtschaft zu ,vermenschlichen'
(entdinglichen), d.h. mit den Problemen von Frauen und Männern, von Menschen,
zu verknüpfen.

Während Adorno und Elias im ersten Teil der Rede sich nicht unterscheiden dürfe
man das Gleiche vom zweiten nicht sagen. Elias begründet seine Aussage wie folgt:
Adorno hätte bei Marx und Engels seinen kritischen Humanismus gefunden. Er
hätte sich damit auf eine überholte Theorie verlassen, die lediglich in der

193 RK,40.
194 RK, 37.
19
'RK 39
196
RK'.
4043 .
197 RK. 44.
78 79
198
Vergangenheit ihre Aufgabe gehabt hätte. Adorno sei ein humanistischer Marxist Kritisiert wurde auch, dass mit Hilfe des Marxismus ein militanter und politischer
gleichzeitig orthodox und unorthodox . 199 ' Terror der siebziger Jahren (in Ost und West) legitimiert wurde. 204 Elias stellt aber
nie die Frage ob diese Verbindung von Marxismus und Terror überhaupt zwingend
Elias konzidiert, dass man die Wichtigkeit des Marxismus als theoretisches Modell und damit legitim war. Darüber hinaus bleibt unberücksichtigt, dass sowohl der
nicht bestreiten könne, wenn er aus der Perspektive der Unterdrückten die Staatsterror der „sozialistischen" Staaten als auch die westliche Verteufelung des
~esellschaft und_ihre ~ntwicklung in Frage stellt. Ohne diese In-Fragestellung sei Marxismus ein Produkt des Kalten Kriegs waren.
dte Machttmgle1chhe1t der abend ländlichen Zivilisation nicht zu verstehen.
~arxismus sei. aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie ein bestimmtes, geplantes Natürlich wurde die Rede nicht nur über Marx und Engels gehalten, in deren
Ziel verfehlt w.U"d, wenn das Unwägbare vernachlässigt wird, wie eine Entwicklung Schriften sich Elias wenig auskannte. In langen Gesprächen mit van Voss und van
dann letztendhch von der anfänglichen Perspektive weit weg fü.hrt.200 Für ein Stolk sagte Elias sogar, dass er bis zum Ende der 20er Jahre keine Ahnung vom
zukü~ftiges und utopisches Ziel sei der Marxismus für mächtige Staaten und Marxschen Werk hatte. 205 Auch tauchen beim Lesen seiner Arbeiten nur
Parteien modellhaft geworden: „Die Verwandlung des Marxschen gelegentlich direkte oder indirekte Kommentare zu Kritiken an Marx auf, die in der
Kampfprogramms unterdrückter und wenig organisierter Arbeiter in Regel ziemlich oberflächlich bleiben. Entweder wird Marx als Bestand
Regierungsprogramme für die geplante Entwicklung mächtiger Staaten ist ein soziologischer Ideengeschichte oder im Kontext des Kalten Krieges mit einer Kritik
Musterbeispiel für die Veränderung die Planungsresultate im Sog ungeplanter gegen die ehemalige Sowjetunion erwähnt.206 Seine Distanz zum Marxismus
Prozesse erleiden."201 erklärt auch, dass selbst so berühmten englischen Historikern wie Eric Hobsbawm
und Edward Thompson, die sich als Marxisten mit ähnlichen Themen der
Elias behauptet, dass der kritische Humanismus von Adorno mit einem überholten kulturellen und politischen Geschichte beschäftigten, kaum einmal ein Satz
theoretischen Modell verbunden sei. Dieses gehöre zum neunzehnten Jahrhundert gewidmet wurde.
sei dogmati~ch ~d autor!tär, weil es die Überzeugung verträte, dass di~
Kl_assen~wnflikte m der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die gleichen Für Elias wurden die sozialistischen Staaten (damals noch nicht als
seien wie am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. 202 Es sieht so aus dass für Elias „Realexistierender Sozialismus" bezeichnet) dann zum Beweis für das Scheitern
die Aktualität einer Theorie auch chronologisch begründet sein m'uss was nicht der Marxschen Theorie und zur Untermauerung der eigenen theoretischen
nachvollziehbar ist; denn Theorie geht nicht in Historismus auf. Die Akt:ialität einer Sichtweisen:
T~eorie wird durch ihre Ana lyse- und Erklärungsfähigkeit bewiesen. Am Ende „Er [Marx] erkannte, daß die Monopolisierung der Produktionsmittel im
semer Rede wird daran erinnern, dass die Wissenschaft wie ein Staffellauf sei. Verhältnis von Arbeitern und Unternehmern eine Machtquelle der letzteren
bildet.
„Mei~ ~liegen ist es, die Fackel weiterzugeben, also auch den Mut, den
[„.]
"\utontäten der vergangenen und der eigenen Zeit zu widerstehen. Ich möchte
mc~t sel?st. zur Autorität werden an die man sich klammert. Ich möchte, daß Schon Marx selbst scheint die Vorstellung gehabt zu haben, daß es genüge, die
mein. B~t~ptel k~mmenden Generationen den Mut macht, das Bewußtsein der ökonomischen Quellen von Machtungleichheiten, die außerstaatliche
Kontinuität des eigenen Lebens mit der Kraft und Kühnheit zu verbinden die zur Monopolisierung der Produktionsmittel, zu beseitigen, um die sozialen
l~ovation, die zur Zucht des Selbstdenkens, des Über-die-älteren-Gener~tionen­ Ungleichheiten zum Verschwinden zu bringen. Die Praxis zeigte mit
Hmausgehens nötig ist."203 erschreckender Präzision die Unzulänglichkeit dieser Theorie· sie zeigte, daß die
Beseitigung des Privatmonopols an Produktionsmitteln ganz und gar nicht
genügt, um die hierarchische Ungleichheit der Gesell chaftsstruktur zu beseitigen
oder auch nur auf ein geringes Maß herabzuschrauben. Der Versuch, die

191 RK, 44-45.


199 204
RK, 47. RK 62
200
RK, 45-47. 205
van' Vo~s, A. J. Heerma und van Stolle. A. Biografische lnterwiew mit Norbert Elias. ln: van Voss, A.
201 RK, 47. J. Heerma, van Stolk und Elias, Norbert. Norbert Elias über sich selbst Frankfurt am Main: Suhrkamp,
202
RK,48-S1 . 1990, S. 34. (Im folgenden ÜSS)
203 206
RK, 68. ÜSS, 34; Elias, Norbert. Hwnana condilio. Frankfurt an1 Main: uhrkamp, 1985.
80 81

Marx ehe e eil chaftsthe rie in die Praxis umzu etzen, brachte in relati kurzer Differenzierterer Betrachtung entgeht nicht, dass Angst vor und Widerstand gegen
Zeit und mit größerer Prägnanz al jede Buchargument die Ein eitigkeit ihrer jede Form von Gewalt die theoretische, praktische und intellektuelle Position von
ideologi hen Perspekti e und damit auch ihre theoreti chen Mängel zutagc." 207 Adorno beeinflusst haben. Auch deshalb wurde Adorno zu einem der wichtigsten
Wenn Elias hi tori ehe und gesellschaftliche Phänomene analysierend diese als Theoretiker in der Bundesrepublik Deutschland, denn einer seiner
Be tätigung einer eigenen theoretischen ichtweise verwendet, kann das als eine Forschungsschwerpunkte war nicht zuflillig die kritische Auseinandersetzung mit
der Nazi-Vergangenheit, obwohl seine kritische Aufarbeitung zunächst kaum
Bli~kverengunl!o oder als .. ei~ vorschneller Zugri~ be~ertet werden, da der
8
Ob1ektvorran~' vernachlass1gt und oft nur bestätigt wird wa vorher schon
beachtet noch angenommen wurde.
212

gedacht wurde.
Elias selbst verweist auf die Schwierigkeiten westdeutscher
Auch wenn da Marxsche Werk als Legitimationsfolie totalitärer Staaten verwendet Vergangenheitsbewältigung, indem er sich auf einen Beitrag von Adorno bezieht.
Hier wird aus einer sozialpsycho logischen Sicht die Geschichte Deutschlands und
~rde bedeutet das nicht, da s keine anderen Auslegungen möglich sind. Elias liest
deren Aufarbeitungsschwierigkeiten behandelt. In diesem Beitrag mit dem Titel
sie. h~ufig so als o.b die Legitimation eines kasernierten Sozialismus die einzig
mögliche Interpretation und Verwendung Marx.scher Kategorien sei. Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit heißt es: 'Daß der Faschismus
nachlebt, daß die vielzitierte Aufarbeitung der Vergangenheit bis heute nicht gelang
und zu ihrem Zerrbild dem leeren und kalten Vergessen ausartete, rührt daher, daß
Hart kritisiert Elias auch jeden vermeintlich ideologischen Einfluss auf die
die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbeSlehen, die den Faschismus
Sozial~issen~chaften wobei das eigene Interpretationsschema als ideologiefrei 213
kons~ati~rt wird. Insofern v~rw~dert es ni~~t dass Elias und Dunning, wie später
zeitigten."
ausfüh_rlicher dargestellt wrrd, die Sportkrittk der Neuen Link prinzipiell negativ
beurteilen. Elias Hauptvorwurf gegen Adorno besteht darin dass dessen Theorie im
Marxismus verankert sei hier habe das Werk seine Wurzel, aber auch seine
Defizite. Er glaubt, dieses Anhaften provoziere eine ,,Paralyse des selbständigen
Die Verflechtung von Marxismus und Gewalt ist auch bei anderen berühmten
Denkens": ,,Der Mut zum Weiterdenken ist gebrochen. Diese Krankheit der
~eoretikern thematisiert worden. Ein Beispiel hierfür ist Hanna Arendt nach der
Autoritätsgläubigkeit verurteilt Menschen mit anderen Worten für immer zu einer
~1e M~s~he !heorie ein Wendepunkt in der westlichen philosophische; Tradition 14
ist, weil hier mcht mehr die Contemplatio, sondern die Arbeit als zentrale Kategorie Existenz als Epigonen.'c2
der Philosophie angenommen und neben der Gewalt als Motor der Geschichte 21
angesehen wird. 209 Obwohl Adorno sicherlich ein Selbstständiger Denker gewesen sei, s hätte er große
Schwierigkeiten, sich aus den Widersprüchlichkeiten des Marxismus zu befreien
bzw. diese zu verarbeiten. Gerade diese machten aber aus einem Programm zur
l~ Bezu~ zu A_dorno ist .für Elias ein weiterer Kritikpunkt von Bedeutung. In
diesem teilt er - m erstaunlicher Weise - die Polemiken der Studentenführer Ende
der 60er Jahre g~gen Adorno. Auch Elias ist der Auffassung, dass der Theorie von
Adorno der Praxisbezug fehle und ihr resignative Züge anhaften würden. 2 10 Obwohl die Frauen erst einmal Frauen konnten . In: FrOchLl, Jo efund Calloni, Maria, aa.O. Zur Beziehung von
der Stre!t ~isc~en Adorno und den Studenten weltbekannt geworden ist, führt dies Theorie und Praxi auch in Hinblick auf die Prote Lbewegung, vgl. Adorno, Theodor W. Zu ubjekt und
auch bei Ehas mcht dazu, Klischees über Adorno zu verrneiden. 211 Objekt AG 6; Adorno, Theodor W. Kritische Theorie und Prote Lbewegung. AG 20-1 : Adorno,
Theodor W. Resignation. AGS 10-2.
212 In diesem Zu ammenhang liegen auch die Schwierigkeiten begründet, die bekannten Worte Adorno

in dem Essay Kulturkritik und Ge eil chaft zu verstehen{l949/ 1951): " nach Auschwitz ein Gedicht zu
: Elias, Norbert. Notizen zum Lebenslauf. ÜSS, 188-189. schreiben, ist barbarisch." Wie Detlev Claussen betont hat, vergisst man einfach die folgenden Worten:
D, 184 und IT. "und das frißt auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu
209
Arendt, Hannah. Between Past and Future. London , Penguin Books, 1993 , S. 17 IT. schreiben." (KG, 30). Der Kritiker der Vergessenheit wird als Poc ieverbieter betrachtet. Vgl. auch
210 RK 61
Claussen, Detlev. Nach Auschwitz kein Gedicht? In: chweppenhnuser, Gerhard und Wi chke Mirko.
211
Di~ kritische Beziehung ~on Adorno zu Frak1ionen der Studentenbewegung bedeutet keinesfalls, dass Impuls und Negativittit: Ethik und Ästhetik bei Adorno. Hamburg: Argum nt, 1995.
211
er keinen guten Kontak1 mit Studenten hatte. Dies beweisen seine veröffentlichten Vorlesungen und AGS, 10-2, 566; RK, 58-59.
214
Betrachtungen seini:r Mitarbeiter. Vgl. Z.B. Adorno, Theodor W. Philosophische Terminologie. (2 RK , 52.
21
Band.) (Hrsg. zur Lippe, Rudolf) Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1974; Becker-Schmidt, Regina. Wenn ' RK, 52-54.
-
82 83
Befreiung der Unterdrückten eine Ideologie zur Unterdrückung, sowohl der Staaten
216 in der Zeitschrift für Sozialforschung, der offiziellen Zeitschrift des von Horkheimer
als auch der Parteien.
geleiteten Instituts. In diesem Briefwechsel lässt sich die Kritik von Benjamin an
Elias Denkrichtung nachvollziehen. Die Rezension des Buches von Elias durch
~ie Antwort Adornos auf dieses nachhaltige Dilemma sei die Resignation, so wie Benjamin kam aber nie zustande 222
sie sich in seiner Minima Moralia zeige. Die Aphorismen der Minima Moralia sind
für Elias schöne literarische Arbeiten die Fragen stellen, aber die erwarteten
Die Soziologischen Exkurse selbst müssen als eine Art soziologisches Handbuch
Antworten nicht geben.217 „Ob nicht vielleicht der Preis, den er für seinen humanen
verstanden werden. Sie dienten in der Nachtkriegszeit dazu, kritisches Denken in
Marxismus zu zahlen hatte, eine letztliche Unschlüssigkeit, eine Paralyse, die über
den Sozialwissenschaften wieder aufzubauen.
die Marxsche hinausging, und die entsprechende Resignation, das Gefühl der
mangelnden Selbsterfüllung war?'a is
Obwohl der kleine Exkurs eine Fülle von Arbeiten zitiert, was ungewöhnlich beim
Werk von Horkheimer und Adorno ist, findet sich jedoch - wie bereits
Diese Verhaftung in einer autoritativen Gesellschaftstheorie und Denktradition hätte angesprochen - keine Erwähnung von Elias ' damals noch relativ unbekanntem
Adorno unüberschreitbare Grenzen gesetzt. 2 19 Ein Beispiel finde sich hierfür auch in
Haupt~erk . Sein Verleger der ersten Ausgabe vermutet sogar, dass mehr Exemplare
der Art seiner Lehrtätigkeit. 1956 veröffentlichten Horkheimer und Adorno einen von Uber den Prozess der Zivilisation zu Rezensionen verschickt als verkauft
kleinen Band des Instituts für Sozialforschung die Soziologischen Exkurse, dessen wurden.223 Die zweite Ausgabe des Zivilisationsbuchs erschien erst 1969.
drittes Kapitel Kultur und Zivilisation heißt und in dem Elias wieder einmal
unberücksichtigt blieb. Für Elias ist das ein weiterer Beleg für die Denkgrenze
Im dem Exkurs Kultur und Zivilisation werden wie in der Dialektik der Aufklärung
marxistischer Theorien.
die beiden Begriffe kritisch und dialektisch aufeinander bezogen, als zwei Seiten
des gleichen Prozesses zur menschlichen Gesellschaft verstanden und man geht
Daß in diesen wie in anderen Fällen, zum Nachteil des Erkenntnisbemühens
davon aus, dass weder die Kultur noch die Zivilisation bisher ihre Versprechen für
meine Forschungen ignoriert wurden geschah nicht aus bösem Willen . Es hatte:
so scheint mir, seine Gründe darin, daß sie nicht in das Denk- und Wertschema eine humane Gesellschaft einlösen konnten.
der Rezipienten paßten. ... Die Leiter des Instituts waren nicht mit der gleichen
Entschiedenheit wie ich um Weiterdenken und Weiterbeobachten bemüht.' 220 Für die Entwicklung einer humanen Gesellschaft sahen die Mitglieder des Instituts
für Sozialforschung es als unerlässlich an , die technische Zivilisation zu verstehen
Zu berücksichtigen ist sicherlich, dass Elias und sein Werk zu dieser Zeit wenig und zu kritisieren. Adorno interessierte hierbei besonders, wie der technologische
bekannt war. Dennoch fällt auf: dass von einer Ausnahme abgesehen, Elias von Schleier,224 Ausdruck der Mystifizierung bzw. des Fetischcharakters der Technik
Adorno niema ls zitiert wurde. Die Ausnahme findet sich in der Vorlesung zur zustande gekommen war, für dessen Legitimation die Kultur dient. Neben der
Einleitung in die Soziologie,221 die Adorno im Sommersemester 1962 in der kritischen Analyse findet sich in einem Exkurs, der oftmals an das Benjaminsche
Universität Frankfurt gehalten hat. Im Zusammenhang mit der Polemik der Denken erinnert, jedoch auch die Hoffuung auf eine Überwindung der
Zeitschrift Alternative über Adorno und die Herausgabe der Gesamtausgabe der Schwierigkeiten des E ntwicklungsprozesses. „Hat einmal die Zivilisation so sich
Schriften Benjamins wurde ein Brief Benjamins an einen unbekannten Adressaten ausgebreitet und befreit, daß es keinen Hunger auf der Erde mehr gibt, dann wird sie
zitiert, den die Zeitschrift publiziert hatte. Der von Benjamin geschriebene Brief das erfüllen, was alle Kultur bis heute vergebens nur versprach.'.m Auch um auf die
hatte Norbert Elias als Adressaten und gehörte zu einem Briefwechsel von Voraussetzung der Einlösung einer derartigen Hoffuung aufmerksam zu machen,
Benjamin und Elias über die Möglichkeit einer Rezension seines Zivilisationsbuchs

222
216 Schötlker, Detlev. Norbert Elias und Walter Benjamin. Ein Briefwechsel und sein Zusammenhang. In:
RK, 53. Re.hberg, Karl -~1egbe~. Norbert Elias und die Menschemvissenschaften. Studien zur Entstehung und
217
RK, 53-54. W1rkungsgesch1chte seines Werkes. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996.
21s RK, 54. 223
Lepenies, Wolf. Ein Außenseiter, voll unbefangener E insicht. In: Elias, Norbert und Lepenies, Wolf.
219 RK, 54-55.
220 Zwei Reden, a.a.0 ., 15 .
RK, 57. 224
EA, 686.
221
Vgl . Adorno, Theodor W. Vorlesung zur Einleitung in die Soziologie. Frankfurt am Main: Junius, 225
Institut für Sozialforschung. ( 1956) Soziologische Exkurse. Frankfurt am Main: Europ!lische
1973, S. 156. Verlagsanstalt, 1968, Zitat S. 88.
84

wird in der egativen Dialektik und in den Minima Mora/ia Benjamin geleg tl . h
··
zittert: ., o 1ange es noch emen
· B ett1er g1·bt, so 1ange gibt
· es noch Mythos.
en '226
tc
4. A SElNANDERSETZ NG MIT ELIAS KRJTIK A ADORNO

In gewisser Hinsicht ist es fast überraschend, dass Elias Adorno einen Marxisten
nennt, vor allem, weil oftmals versucht wurde, die Kritische Theorie vom
Marxismus zu trennen. So wird behauptet, dass das Projekt der Kritischen Theorie
der Gesellschaft sich nach den späteren 40er Jahren vom Marxismus entfernt habe.

Horkheirner und Adorno ignorierten anfangs einfach die vulgären Versionen des
Marxismus. Erst 1936, in Traditionelle und Kritische Theorie, m wendete sich
Horkheirner gegen den Marxismus als Legitimationswissenschaft (Negt). Von
beiden wurde aber immer wieder vor einem blinden politischen Pragmatismus
gewarnt, weil er schnell in die Nähe von Gewalt und Totalitarismus führt.

Gesellschaftspolitische Abgrenzungen dürfen nicht übersehen lassen, dass ein Buch


wie die Dialektik der Aufklärung auch auf marxistische Kategorien zurückgreift und
unter Berücksichtigung von Kategorien wie Arbeitsteilung, Warenfetischcharakter
und universelle Austauschbarkeit gelesen werden muss. 228

Obwohl Elias die Verbindung von Adorno zu Marx sicherlich ziemlich einseitig und
zu eng sieht, ist seine Einschätzung richtig, dass der kritische Humanismus von
Adorno seine Wurzeln bei Marx hat. Es muss aber ergärtzt werden, dass sein
Humanismus nicht nur in der Tradition von Marx, sondern auch anderer Klassiker
des westlichen Denkens wie Kant, Hegel, Nietzsche und Freud steht.

Man kann die Kritik von Elias an Adornos Marxismus auf drei Punkte
konzentrieren:

1. Adorno vernachlässigt, dass die Marxsche Theorie in der praktischen Anwendung


zum Gegenteil ihrer eigentlichen Zielsetzung wurde, indem sie von einer
Handlungsorientierung für die Ausgebeuteten zur Legitimationsideologie der
Ausbeuter in Gestalt des Staates wurde.

2. Adornos Schwierigkeiten, diesen Prozess zu verstehen, haben damit zu tun, dass


er sich in seiner Theorie an das Denken des 19. Jahrhunderts anlehnt. Diese in

227
Vgl. Horkheimer, Max Traditionelle und Kritische Theorie. HGS; vgl. auch Horkheimer, Max.
Vorwort zur Neupublikation ( 1968). HGS3, besonders S. 15.
228
Der Abdruck von Dialeklik der Aujkltirung in der Horkheimer-Ausgabe macht noch deutlicher, dass in
der Buchausgabe von 1947 im Unterschied zur Erstveroffentlichung von 1944 durchgängig Begriffe wie
Kapital, Monopol, Klasse, Proletariat usw. durch neutralere Begriffe ersetzt werden, obwohl in der
Substanz genuiner Marxismus selbstverstandlich auch in der Buchfassung erkennbar bleibt. iehe die
m ND, 203; MM, 227. durchgangigen Nachwei e im Text bei HGS5; besonders auch die achworte von chmid oerr und van
Reijen/Bransen (HG 5, 443ff. und 453-457).
86 87

seiner Zuwendung zum Marxismus begründete Anlehnung verhindert, sich neuen Deshalb betonte Adorno die Notwendigkeit einer Theorie, die sich von der Praxis
Problemen zu stellen bzw. neue Lösungen zu finden. nicht auflösen lassen darf und ihr gegenüber Unabhängigkeit zu bewahren hat.
Innerhalb der Antwort auf eine Frage über einige Aktionen von Gruppen der
3. Die Resistenz gegenüber neuen Fragestellungen und neuen Antworten führt Studentenbewegung lenkte Adorno die Aufmerksamkeit darauf, dass der
Adorno letztendlich zur Resignation und zur Immobilitität im Denken. Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis oftmals zu verkürzt gesehen wird.
lch glaube, daß eine Theorie viel eher fähig ist, kraft ihrer eigenen Objektivität
Adorno ist vorwiegend Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft geblieben, obwohl er praktisch zu wirken, als wenn sie sich von vornherein der Praxis unterwirft.''232
die Anpassungstendenzen der Arbeiterbewegung kritisierte und im offiziellen
Marxismus selbst ebenfalls die Sichtweise der Naturbeherrschung als Nicht zufällig heißt der erste Satz in der Negativen Dialektik: „Philosophie, die
instrumentalistisch ansah. Seine kritischen Beiträge zur Kulturindustrie einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer
konzentrierten sich stets auf den Fetischcharakter der Ware überschritten dabei aber Verwirklichung versäumt ward."233
den Rahmen, der von Marx gedacht wurde. 229 So gab es neben kritischen
Einwänden zun1 Marxismus und zur Arbeiterbewegung die Konzentration der Kritik In seiner dialektischen Denkweise war es für Adorno unabdingbar, dass Theorie und
auf die bürgerliche Gesellschaft aus der Perspektive eines Menschen, der sich selbst Praxis in einem komplexen Wechselverhältnis zueinander standen; dies implizierte
(kritisch) stets mit marxistischen Denkweisen verbunden fühlte. 230 für ihn zugleich, dass diese Interdependenz nicht in linearer Kausalität und nicht
ohne relative Eigenständigkeit gedacht werden kann.
Adorno hat die Tragödie des staatsideologischen Marxismus nicht nur bemerkt,
sondern auch deutlich ausgesprochen. Anders als in Elias' Kritiken war ihm die So kann man Elias nicht zustimmen, wenn er sagt, dass Adorno in eine Art von
Niederschlagung bzw. Niederlage der Theorie in der Praxis sowohl im Rahmen der Resignation234 gefallen sei und er dies mit Vorstellungen von Apathie und
sozialistischen Staaten als auch innerhalb der Studentenbewegung bewusst. Immobilität des Denkens verbindet oder sogar bei Adorno die Unfähigkeit
behauptet, neue Fragen zu stellen bzw. neue Lösungen zu finden. lm Gegenteil,
Adorno hielt den Versuch für undialektisch, , die Dialektik auf ein System zu Adorno hat stets darauf insistiert, weiter zu denken bei dem Versuch, den
reduzieren und sie als schematisches bzw. positivistisches Erklärungs- und Realitätskomplex zu begreifen . In diesem Sinne radikalisierte er sein Denken, als er
Legitimationsmodell zu behandeln: sowohl in der Negativen Dialektik als auch im Bereich der Kunst den Versuch
unternahm, eine neue und nicht beschädigte Dimension der Vernunft zu erreichen.
,Der dialektische Widerspruch drückt die realen Antagonismen aus, die innerhalb Adorno war und ist damit kein resignierter Theoretiker, sondern ein Geist gegen den
des logisch-szientistischen Denksystems nicht sichtbar werden. Den Positivisten Zeitgeist. 235
ist das System, nach dem Modell des logisch-deduktiven, ein Erstrebenswertes,
,Positives'; den Dialektikern, real nicht weniger als philosophisch, der Kern des Daher muss die Einschätzung von Elias zurückgewiesen werden Horkheimer und
zu Kritisierenden. Zu den Verfallsformen dialektischen Denkens im Diamat Adorno seien nicht fähig gewesen, weiter und unabhängig zu denken bzw. zu
rechnet es, dass er die Kritik des übergeordneten Systems reprimiert. Dialektische forschen. Unzählige theoretische Reflexionen und empirische Forschungen, die
Theorie muss von der Systemform zunehmend sich entfernen ... Hypostasierte kritische Auseinandersetzungen sowohl mit dem klassischen Denken als auch in
Dialektik wird undialektisch und bedarf der Korrektur durch jenes fact finding, mehreren Fachgebieten führten, beweisen das Gegenteil genauso wie die enormen
dessen Interesse die empirische Sozialforschung wallmimmt, die dann von der theoretischen Anstrengungen, die hierbei unternommen wurden.
positivistischen Wissenschaftslehre ihrerseits zu Unrecht hypostasiert wird."23 1

229
Da bemerkt man eine ähnliche Bemühung bei der Kulturtheorie des Italieners Antonio Gramsci . Auch 2ll Adorno, Theodor W. Kritische Theorie und Protestbewegung. AGS20-I , 403-404.
seine Sportkritik wurde stark durch die Kulturkritik Adornos thematisch und theoretisch inspiriert. m ND 15
230
ln diesem Sinne widerspreche ich Bogner ganz entschieden. Vgl. Bogner, Artur. Zivilisation und 231
Die' Antwort Adornos auf den Vorwurf der ,,Resignation" der Kritischen Theorie findet sich u. a. im
Rationalisierung. Die Zivilisationstheorien M Webers, N. Elias und der Frankfurter Schule im a.a.0. Essay Resignation.
Vergleich. Opladen: Westdeutscher Verlag 1989, besonders S. 67. m So ist der schöne Titel des Buchs von Früchtl und Calloni, Geist gegen den Zeitgeist, a.aO.
231
Adorno, Theodor W. Einleitung zum "Positivismusstreit in der deutschen Soziologie", aa.O „ 308.
88

Adorno hat jede Untemehmun . .


das Denken auf ein stern g, sei sie politisch, sei sie theoreti
ist diese auch der Fall Yb . .ehern~ ~eduzieren wollte. Wie sch scdh, verweigert, die
e1 semer kritischen Analyse d S on argestellt wurde S.NAT R- D KÖRPERBEHERRSCHUNG IM ZIVILJSA TIONSPROZEß
es port. ,
Ziel dieses Absatzes ist es, einige Elemente der Sporttheorie von Norbert Elias und
Eric Dunning darzustellen bzw. zu analysieren. Dies erfolgt im Kontext der
kritischen Sporttheorie der Frankfurter Schule und der Auseinandersetzung von
Elias und Dunning mit der kritischen Sporttheorie der „Neuen Linken" .

Zuerst werde ich die Stellen kurz referieren, die sich mit der Rolle des Körpers
beschäftigen, um danach zu klären, welche Rolle Sport im Prozess der Zivilisation
spielen soll.

Aus der Biografie von Elias geht hervor, dass dieser bis zu seinem Lebensende ein
sportlicher Mensch war. (ln seiner Bielefelder Zeit konnte man ihn jeden Tag im
Universitätsschwimmbad beim Drehen seiner Runden antreffen!) Elias hatte also
nicht nur eine theoretische Beziehung zum Sport. Besonders hoch bewertete er die
Körperertüchtigung.236 Hierzu zählte sogar die körperliche Vorbereitung auf seinen
Militärdienstes für den Ersten Weltkrieg. „ Ich glaube, daß ich diesem Training
meine Gesundheit verdanke, weil ich wirklich sehr kräftig werden mußte, um die
langen Märsche mit dem schweren Tornister durchzuhalten. Manchmal hatte man
noch zusätzlich eine Rolle Draht auf dem Rücken."237

Sein Interesse am menschlichen Körper dehnte er auf andere Fachgebiete aus.


Hierzu zählte neben dem philosophischen Studium an der Universität Breslau auch
das Fach Medizin. Obwohl er hier ohne Abschluss blieb maß er dem
Medizinstudium durchaus eine besondere Bedeutung für sich als Soziologen bei.

die Soziologen, die ke ine M edi zin studiert haben, reden oft Ober
Gesellschaft, ohne s ie mit de n biologi chen A spekten der Menschen zu
verknüpfen. Und das, g laube ich, ist fal sch. o ziologen haben gegenüber der
Biologie eine defen sive Haltung, weil s ie fürchten, daß sich sonst die oziologie
in Biologie auflöst. Meiner Ansicht nach kann man aber keine Theorie, sagen wir,
des menschlichen Handelns aufstellen, ohne zu wissen, wie der Organismus
gebaut ist und arbeitet...n 8

Der Zusammenhang von sozialen und biologischen Aspekten ist eines der/
Fundamente der Zivilisationstheorie von Elias geworden. Beispielhaft hierfür die

236
Elias, Norbert. Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen. Frankfurt am Main: uhrkamp,
1982, s. 81 ; oss, 8.
"' OS , 32.
231
ÜSS,41.
90

Erforschung d Lachen und Lächelns der Menschen das als „Abgestimmtheit der
Men chen aufeinander"239 verstanden wird.
Beim Lesen der Arbeiten von Elias wird die Wichtigkeit des Gesichts im Kontrast
mit der abnehmenden Zentralität des gesamten Körperbilds im Prozess der
91 '
Zivilisation erkennbar. Physische Kraft und Schönheit, Haltung und Ausdauer seien /
,Jch ' ollte mit die er Arbeit unter anderem darauf hinweisen, daß die
in der griechischen Gesellschaft so wichtig gewesen, dass ein Mann sehr selten eine
außerord nUich hohe lndi iduali ierung der men chlichen Ge ichter -
in be ondere wenn man ie mit der relati en tarre und der weit geringeren politische und soziale Machtposition erreichen konnte, ohne diese Eigenschaften zul
individuellen Differenzierbark it der Tierge ichter vergleicht - zum Teil auf der besitzen. In diesem Zusammenhang stufe man in der Gegenwart das:'
b onderen Bild amkeit und Vi lfältigk it der men chlichen Gesicht mu kein „Körperimage' im Vergleich mit anderen Eigenschaften wie „Intelligenz" oder
beruht:' 240 „Charakterfestigkeit" relativ gering ein. 244

Zu oft werde auch ergessen da der Kopf und vor allem das Gesicht ein wichtiger Das wichtigste bei den Körperbetrachtungen von Elias ist stets der Aspekt der
Körperteil sei. Das Menschengesicht, des en historische Entwicklung auch im aturbeherrschung bzw. der Kontrolle auch der inneren Natur. Körperbeherrschung „
Zi ili ation buch hervorgehoben wird, spiele nach Elias vielleicht die zentrale Rolle ist für ihn eine unverzichtbare Voraussetzung des Zivilisationsprozesses. Nicht im J
bei der Bildung des Ichs.241 Das Gesicht und besonders das Lächeln seien auch gute Zivilisationsbuch, sondern auch in Interview wird diese Auffassung stets betont:
Beispiele der biohistorischen Menschentwicklung: ,As human beings grow older , „. what you call nature is a cold, wild, deserted chaos. The impression on gets
the wholly innate fonn of smile is greatly weakened and becomes much more from what you say is that nature is good it's untamed. 245 An späterer Stelle wendet
malleable, that is modifiable in connection with antecedent as weil as immediate sich Elias gegen die Auffassung, dass die westliche Kultur alles zu beherrschen
e periences. '2 42 versuche: , Have you ever really lived in the wild? Where things much better? I
really think quite differently about this: I believe that we haven 't learned to control
Er überzeichnet sicherlich den notwendigen Bezug von Soziologie und Biologie; es nature and ourselves enough we have to learn to do it better. The future certainly
wird aber deutlich wie wichtig für ihn dieser Aspekt bei der theoretischen doesn't lead back to the wild, to primitive societies."246 Einen ähnlichen Hinweis
Erfassung und Erforschung des Körpers ist. So betont er dann auch in seinem kann man im Humana conditio lesen, wo Elias behauptet, dass die Menschen die
Zivilisationsbuch, dass eine Voraussetzung des Zivilisationsprozess die atur erst lieben, wenn sie diese beherrschten.247 Natur an sich, wenn der
\ Monopolkontrolle der körperlichen Gewalt sei, damit Affekte und Triebe besser Unterschied zwischen Natur und Kultur noch überbleibt, ist nicht das Wichtigste,
1selbstregulierbar werden.

Der Körper taucht aber auch als wichtige Kategorie in anderen Bereichen auf wie
2
z.B. bei der Definition des Individuums in seiner Beziehung zur Gesellschaft. Elias " Elias, orbert. Die Gen e des Sports als soziologisches Problem (Im folgenden G P). In: Elias und
Dunning, Eric. Sport im Zivilisationsprozess (Hg. Hopf, Wilhelm) (Im folgenden Z). Monster. Lit,
beobachtet zunächst, dass wegen der dualistischen Tradition einige sprachliche 1984, . 29.
Schwierigkeiten bei der Erfassung des Körpers zu klären seien. Obwohl der Mensch 20
Elias, Norbert und tennhuis, Aafke. · We have not leamt to control nature and ourselves eno11gh ': an
ein Körper sei, versperre die dualistische Tradition die Möglichkeit, diesen Begriff interview w1th orbert Elias. http://www.usyd.edu.au/su/ ocial/elias/intervi.html (24.09.1997).
weiterzuentwickeln: „Die Zweideutigkeit der Fonnulierung, daß ich selbst mein (Originalle Fassung: De Groene Amsterrdammer 16.05 .1984, . 10-11), 2. In folgenden CN.
2
'6 CN, 2.
Körper bin, beruht darauf, daß der Ausdruck ,Körper' sich sowohl auf Stücke 211
Elias, Norbert. Humana conditio, a. a 0 „ 15.
lebloser und relativ unorganisierter Materie wie auf hochorganisierte biologische
Einheiten, also auf die komplexesten Organismen beziehen kann."243

239
0 , 113, Vgl . auch bis zur . 119.
240
ÜSS, 114.
2 1
' GI, 253.
242
Elias, orbert. Human Beings and their Emotions. In: Featherstone, Mike; Hepworth, Mike und
Turner, Bryan S. The Body. Social Process and Cultural Theory. London u. a : Sage, 1991 , Zitat . 123.
243
Elias, Norbert. Die Gesellschaft der Individuen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996, 252. (Im
folgenden GI)

-
92

sondern. das was man m1·t


sometimes beautiful. .. <249 ihr macht. 248 An s1·ch sei Natur ·
,wtld, blind angry,
Weil der Mensch auch 6. SPORT IM ZIVJLISATIONSPROZEß
Kö b h an der Natur teilhat,2so .d .
rper e errschung evident. w1r die N
otwendigkeit der Sport und seine Beziehung zu Gesellschaft und Geschichte wird in Elias' Arbeiten
als eine Entfaltung seiner Forschungen und Reflexionen für den Zivilisationsprozess
betrachtet. Mitarbeiter in diesem Projekt war immer sein Schüler und Nachfolger
Eric Dunning.

Während Körperbeherrschung als eine Voraussetzung des Zivilisationsprozesses r


angesehen wird, sieht man im Sport die Möglichkeit, Affekte und Emotionen zu VJ
äußern, ohne die Gesellschaftsdynamik selbst in Gefahr zu bringen. Der J
menschliche Ausdruck der Emotionen sei aber im Sport geregelt, um die Gewalt '
unter den Teilnehmern zu reduzieren und Verletzungen zu verhindern. Von diesen
Grundüberlegungen geht Elias in allen Beiträgen immer wieder aus, in denen die
Prämissen seiner Zivilisationstheorie dargelegt werden. Die Grenzen, die sich aus
diesen Prämissen ergeben, verhindern es jedoch, wie aufzuzeigen sein wird, eine der
wichtigsten Fragen für den gegenwärtigen Sport zu stellen.

In den nächsten Absätzen stelle ich einige Aspekte der Zivilisationstheorie von Elias
im Zusammenhang mit der daraus resultierenden Einschätzung des Sports dar.
Anschließend bespreche ich Kritiken von Elias und Dunning an der Sportkritik der
„Neuen Linken". Zum Schluss versuche ich die Problemaspekte aufzuzeigen, die
sich bei Elias und Dunning ergeben. Kernaspekt meiner Analyse bleibt die
Bedeutung der Naturbeherrschung bzw. der Körperbeherrschung bei Elias und der
kritische Vergleich mit den entsprechenden Begriffen und Vorstellungen bei
Adorno.

Die Entwicklung der Spiele zu Sportspielen mit ihrer Verregelung zwecks


Vergleichbarkeit im sportlichen Wettkampf wird als Bestandteil eines
Zivilisationsprozesses verstanden, der zunächst vorwiegend in England stattfand.
Von hier wurde der Sport und das Sportspiel im achtzehnten Jahrhundert zuerst in
Europa und danach in der ganzen Welt verbreitet. 251 England als Wiege der
industriellen Entwicklung wurde damit nicht zufällig auch zum Ausgangspunkt des
Sports.

Für Elias ist es trotzdem ein Irrtum, einen linearen kausalen Zusarrunenhang
zwischen Industrialisierung und der Ver-sportung von Spielen zu sehen. Die im
Vergleich mit der Freizeit höher beweljtete Arbeit sei die Ursache für derart falsche
Sichtweisen. ''Ließe sich nicht auch de Möglichkeit in Betracht ziehen, daß beide
die Industrialisierung und die 'tntstehung des Sports, interdependente

"' GSP, 10.


jiP.

94 95

Teilentwicklungen einer umfa senden Veränderung der taatsgesellschaften der gesellschaftlichen Verbot, so wenig etwa, wie in einer noch früheren Phase die
euzeit sind? ur w nn man darauf verzichtet, Veränderungen in sozialen Entblößung des Mannes vor der sozial schwächeren und daher sozial niedriger
rangierenden Frau; sie lö t bei jenem, ganz im Einklang mit seiner geringeren
Bereichen, die in der Werteskala der eigenen Gesellschaft höherrangig sind als
funktionellen Abhängigkeit von den niedriger Rangierenden, noch kein Gefühl
Ursachen und Veränderungen in geringer bewerteten Bereichen als Wirkungen der Unterlegenheit oder Beschämung aus· sie kann sogar, wie della Casa es
zu bezeichnen lässt sich hoffen daß das aufgeworfene Problem gelöst werden ausdrückt, als ein Zeichens des Wohlwollens für den Niedrigstehenden gelten."258
kann."252 Eine ähnliche Einschätzung wird auch bei der Beziehung von Freizeit und
Muße gegeben. 253 Allgemein gesehen seien sowohl Schuld- und Schamgefühl als auch die
Gewaltregulierung geringer ausgeprägt gewesen. Die zivilisatorische Schwelle
Industrialisierung und Sport sind für Elias Ausdruck einer fortsc hreitenden gegen physische Gewalt war entscheidend niedriger, als es in den relativ
1
Entwicklung von Interdependenzketten, die sich nicht zuflillig entfalten. Eine entwickelten industriellen Nationalstaaten des 20. Jahrhunderts der Fall ist.
entscheidende Rolle misst er der Gewalt und ihrer zunehmenden gese llschaftlichen Möglicherweise fehlte all dies auch vollständ ig. 259
Regulierung bei. Um diesen Prozess zu erklären nimmt Elias als Beispiel die
griechische Antike mit ihren Spielen und Wettkämpfen und zeigt auf dass Spiele Sport sei daher zu einer Art Refugium geworden, wo in einer Art von Mimesis
und Wettkämpfe einen geringeren Grad von Gewalt aufwiesen als in der damaligen Emotionen sich noch äußern können. Im Sport kann ausgelebt werden, was in der
griechischen Gesellschaft üblich, verglichen mit den Standards gegenwärtigen Gesellschaft beschränkt oder gänzlich verboten ist. Im Sport können Aggressionen
Sports jedoch ein sehr hohes Gewaltpotential zuließen. Die Regeln waren befriedigt und in der Mimesis von Freizeithandlungen können Kompensationen für ,
veränderbar und informell. Der moderne Sport dagegen besitzt ein detailliertes und die Routinen industrieller Gesellschaft erzielt und ein Kontrast zur „ernsten" WeltJ
ausdifferenziertes Regelwerk Das wird als Merkmal einer festen und unpersönlichen erlebt werden. 260
Monopolisierung der physischen Gewalt in modernen Nationalstaaten angesehen.254
"Die unterschiedliche Zivilisierung der Weltkampfspiele muß unverständlich Diese Einschätzung der Funktion von Sport beschreibt Dunning wie eine Wirkung.
bleiben, wenn man sie nicht mit dem allgemeinen Standart der sozia l zuläss igen
Gewalt der Organisation der Gewaltkontrolle und mit der entsErechenden „We · lias und Dunning did not mean by it that mimetic events are imitations of
Gewissensbildung in den jeweiligen Gesellschaften in Beziehung setzt. ,i 5 or that they ,mirror' ,real' life. As we u ed it, the term refers to the fact that, in
mimetic contexts, emotions take on a different 'colour'. In these contexts people
Auch der einzelne Mensch entwickelt sich durch fortschreitende Selbstkontrolle can experience and in some cases act out strong feelings without running the risks
seiner Affekte 256 durch die Modellierung des Triebhaushaltes, die, wie oben usually connected in the societies of the 'developed' word. With emotional
dargestellt, dem äußeren Zwang zur Selbstregulierung entspricht. Dabei spielen arousal. In fact the arousal of a specific type of excitement appears to stand at the
Scham- und Peinlichkeitsernpfindungen, Gewaltabscheu und Schuldgefühl eine core of all mimetic leisure. Outside mimetic contexts, the public arousal of strong
excitement - and 'public is a key term in this context - is, in the relatively
wichtige Rolle. 257 Scham und Peinlichkeit im Bezug auf den Körper lassen sich civilized industrial societie of today, u ually hedged in by social controls as weil
beim Akt der Entblößung nachvollziehen. as by controls internalised at the level of individual conscience. In mimetic
contexts, by contrast, pleasurable excitement can be hown with social approval
In der höfischen Gesellschaft ist die cham bei bestimmten körperlichen and without offence to individual con cience as long as it does not overstep
Entblößungen entsprechend dem Aufbau dieser Gesellschaft noch weitgehend specific limits. One can vicariou ly e perience hatred and the de ire to kill,
ständisch oder hierarchisch begrenzt. Die Entblößung des Höherstehenden in defeating opponents and humiliating enemies. One can share making love to
Gegenwart von sozial Niedrigerstehenden also etwa die des Königs vor seinem
Minister, unterliegt hier begreiflicherweise noch keinem sehr strengen

m PZll, 402-403 .
m GSP, 13-14. 239
GSP, 34.
m El ias, orbert und Dunning, Eric. Freizeit und Muße. In: SZ, besonders S. 134 ff. 260
2
}4 GSP, 16.
Elias, Norbert und Dunning, Eric. The Quest for Excitcment in Leisure. In: Elias, Norbert und
Dunning, Eric. Quest for Excitement: Sport and Civilizing Process, a.a.0., S. 89-90; Dunning, Eric. Sport
mGSP,32.
216 Malters. Sociological Studies of port, Violence and Civilization . London und New York: Routledge,
GSP, 17.
1999, S. 26-27
m PZLI, 397 ff; SZ, 16,17.
96

d irable men and women, experiencc thc an ietie of threatened defcat an the
open triumph of ictory.'. 261 7. KRITIK AN DER SPORTKRITIK DER „NEUE LINKEN"
Zur Wirkung des Sports gehöre notwendigerweise das Regelwerk. In der Dynamik Obwohl wissenschaftliche Diskussionen zwischen sportkritischen Theorie(n) und
von Sportart n müsse immer ein Spannungsbalance erreicht werden, in dem die der Sportfigurationssoziologie nicht häufig vorkamen, gibt es Einlassungen von
Erregungen stattfinden können, ohne dass das Spiel für die Teilnehmer geführlich Elias und Dunning gegenüber Rigauer, Brohm und anderen. Ihre Kritikpunkte
wird. Dieses pannungsbalance ist unterschiedlich und zeitabhängig es hängt von lassen sich auf drei Aspekte konzentrieren:
den immanenten lnterdependenzketten der portarten ab.262
1. Es ist zu vereinfacht, port und industrielle Revolution nur in kausaler Beziehung
zu sehen. 263 Für Dunning wird hier der ökonomische Aspekt zu stark akzentuiert.
Die sozialen Veränderungen, aus denen der Sport hervorging, sind aus einer
Kombination unterschiedlicher Aspekte entstanden, bei denen politische sowie
normative Entwicklungen und Veränderungen eine entscheidende Rolle spielten
und den jeweiligen Habitus prägten. Es sei gleichfalls eine Vereinfachung, die
Wurzeln des Sports ausschließlich im Kapitalismus zu suchen. 264

2. Von Figurationssoziologen wurde meistens, trotz der wenigen empirischen


Forschungen, akzeptiert, dass der Sport vom Kapital als Ware beherrscht wird und
dass er eine Strukturähnlichkeit mit der Arbeit habe. Es sei aber unausgewiesen,
warum und wie Professionalisierung und Vermarktung den Sport beherrschen.
Diese Defizite sportkritischer Betrachtungen seien durch ihren Ökonomismus
bedingt.265

3. Schließlich basierten die Betrachtungen von Rigauer und Brohm über die
Strukturähnlichkeit von Sport und Arbeit auf einer Tautologie: Hochleistungsport
sei nicht der Arbeit ähnlich, sondern sei Arbeit infacto. 266

Dem ersten Kritikpunkt kann insofern zugestimmt werden, als Sport nicht einfach
als Produkt der kapitalistischen Gesellschaft betrachtet werden kann. Sport ist
vielmehr ein Merkmal der Modeme. Auch der „Realexistierende Sozialismus' hat
Sport sehr hoch bewertet, ein Aspekt, der mit der Kritik von Rigauer und Brohm
am offiziellen Kommunismus nur unzureichend erfasst wird. Übersehen wird dass
Sport hier - jenseits ideologischer Funktionalisierung im Kalten Krieg - als ein
Ausdruck der Naturbeherrschung aufgefasst wurde und in diesem Zusammenhang
der marxistischen Auffassung von der Aneignung der Natur durch den Menschen
entsprach. Sport stellt somit vermutlich weniger das Produkt des Kapitalismus als
261
Dunning, Eric. Sport Matters, aaO., 27. 163
262 G P; Dunning, Eric. Sport Mauers, a.a.O.; Dunning, Eric. Die Dynamik _d_cs portkonsums. In:
Elias, Norbert. An Essay on port and Violcncc. Elias, Norbert und Dunning, Eric. Quest for
Excitement, a.aO. Horak, Roman und Penz, Otto. Sport. Kult & Kammer.:. Wien: Gesellschaftskrillk, 1992 besonders .
209-214.
1
&1 Dunning, Eric. The Dynamic of Modem port. In: ELIA , orbcrt und Dunning, Eric. Quest for
Excitement, a.a.0 .; Dunning, Eric. Sport Mauers, a.a.0 ., S. 54, 114.
m Dunning, Eric. Sport Mauers, a.aO., . l l l-112, 251-252
266
Dunning, Eric. Sport Mauers, a.a.O., S. 111 .
98 99
die Verkörperung eindimensionaler Naturauffassungen einer verwalteten Kritik von Rigauer und Brohm ist in diesem Zusammenhang nicht tautologisch,
Ge ellschaft dar. sondern logisch.

Es i t aber ebenso zu verkürzt, die Analysen und Kommentare von Rigauer und
Brohm nur als Ökonomi mus zu bewerten. Obwohl bei ihnen sportiver
Warencharakter und Entfremdung im Sport im Vordergrund standen und
insbesondere Rigauer die Strukturähnlichkeit von Sport und Arbeit manchmal sehr
eng ansah erarbeiteten sie, auch mit Unterstützung von Erkenntnissen der
Frankfurter Schule, umfassendere Sportanalysen. Auf die em theoretischen
Hintergrund ist die Analyse des Warencharakters und der Entfremdung im Sport als
Produkt der Kulturindustrie erhellend. Problematisch ist, dass Elias und Dunning
marxistische Erkenntnisansätze oftmals pauschal ablehnen und Unterschiede und
Nuancen dabei ignorieren. Hierzu Rigauer:

„Here and now, it is worth summing up the problem from a fi gurational


ociological point of view: Marxist sociology involves socio-economic
determinism, a nomothetic model of social development and what on might call
'utopian determinism ... ' . uch epi temological fixation hinder and prevent the
de elopment of a sophisticated Marxisrn sociology of sport.'"267

Auch die Berechtigung der weiteren Kritik ist einzuschränken. Sicherlich fehlt es
an Forschungen, die umfassend und differenziert darstellen wie und mit welchen
Wirkungen Sport und andere „Freizeitprodukte" vennarktet werden. Das alltägliche
Leben bietet aber schon bei der bloßen Lektüre von Tagesnachrichten eine Fülle
von Belegen für viele der Thesen von Rigauer und Brohm. Die Sportindustrie ist zu
einer der größten Areale des Weltmarktes geworden und das vor allem auch wegen
der Entwicklung der Medien. Sport und Medien verbindet, dass beide vom Show-
Business, den Wiederholungen, den Routinen und dem Exzess leben. Weder Elias
noch Dunning waren bereit, die dem Sport immanenten Bestände - wie
beispielsweise auch die Ähnlichkeit von Leistungstraining und routinierter Arbeit -
unter Strukturgesichtspunkten kritisch aufarbeiteten, obwohl Dunning sie als
Rigauers Argumentationselemente kennengelernt hatte. 268 Die theoretische Struktur
der Sportanalyse von Elias und Dunning verhindert ihrerseits, wie im nächsten
Kapitel weiter ausgeführt wird, solche Kritik zu üben.

Die dritte Kritik ist vollständig zurückzuweisen. Rigauer und Brohrn kritisieren die
gesamte Arbeitsform der kapitalistischen Gesellschaft und deshalb auch die
Professionalisierung des Sport als eine Korrumpierung der leiblichen Übungen. Die

7
?6 Rigauer, Sero. Marxist Theories. In: Coaley, Jay und Dunning, Eric. Handbook of Sports Studies.
London u. a.: Sage, 2000, Zitat S. 44-45.
261
Dunning, Eric. The Dynarnic of Modem Sport. In: ELIAS, Norbert und Dunning, Eric. Quest for
Exc11emen1, aaO.;
101

Rru:ikone für di.e Y~rdinglichung, sie wiederholen in blinder Wut am lebendigen


8. ZIVILl ATIONSPROZESSD ZIVILISATIONSKRITIK IM VERGLEI H:
bJekt, was sie nicht mehr ungeschehen machen können: die Spaltung des
SPA G PU KTE DIVERGE ZE ND KONVERGENZE B 1 SPORT Lebens in den Gei t und einen Gegenstand. ie zieht der Mensch
UND KÖRPERBEHERRSCH G unwiderstehlich an, sie wollen ihn auf den Körper reduzieren, nichts soll leben
dUrfen."270
Während Elias den Zi ilisation prozess lediglich zu verstehen versuchte, haben
Adorno und Horkheimer auch beansprucht, den Prozess in seiner Dialektik zu Weiter wurde von Adorno in seinen Reflexionen über die Möglichkeit und die
ver t hen und zu kritisieren d.h. die Verflechtung von Fortschritt und Regression Notwendigkeit einer kritische Erziehung nach Auschwitz dargelegt: „Dabei möchte
als Facetten derselben Bewegung zu erfassen. Obwohl Elias betont hat dass der ich an das verquere und pathogene Verhältnis zum Körper erinnern, das Horkheimer
Zi ilisation prozess nicht schmerzfrei sein kann sieht er mögliche Regressionen, und ich in der ,Dialektik der Aufklärung' dargestellt haben. Überall dort, wo
antizi ilisatori ehe Proze se nicht als unverzichtbare Resultat der Zivilisation an Bewußtsein verstümmelt ist wird es in unfreier, zur Gewalttat neigender Gestalt auf
sich. den Körper und die Sphäre des Körperlichen zurückgeworfen."27 1

In diesem Kontext spielt die Natur- und Körperbeherrschung eine wichtige Rolle Diese differenzierte Analyse lässt sich auf Sportanalysen übertragen. Die
die eine unterschiedliche Bedeutung bei Elias und Adorno hat. Natur- und Betrachtungen von Elias und Dunning zum Sport sind nicht uninteressant vor allem
Körperbeherrschung sind wirklich unabdingbare Voraussetzungen unserer wenn sie die zunehmende Gewaltkontrolle durch die fixierenden Regeln
Zivilisation was sowohl die Fahrt von Odysseus als auch das interpretierende hervorheben. Sie übersehen aber mindesten zwei miteinander verbundene Aspekte
Zivilisationsbuch zeigen. Differenziert ist zu betrachten, welche Wirksamkeit diese des modernen Sports. Weil für sie die zunehmende Körperbeherrschung
jedenfalls gewaltförmige Beziehung zur Natur hat, sowohl für die innere als auch ausschlisslich positiv ist, können sie das Technische am Sport nicht
die äußere. Während bei Adorno und Horkheimer diese Beherrschung, die die problematisieren. Damit übersehen sie, dass der Fetisch der Technik aus dem
Subjektbildung ermöglicht, auch Leiden, Schmerz und den Verlust des Lebendigen Körper einen technologischen Artefakt erzeugt. Die Mechanisierung und
am Menschen bedeutet, sieht Elias dies anders. Bei ihm wird Körperbeherrschung Verdinglichung der Körper stellen für sie kein Problem dar.
positiv eingeschätzt, als Zeichen des Fortschritts in der Zivilisation angesehen.
Elias und Dunning behaupten, dass Sportarten ein in sich instabiles Gleichgewicht
Deshalb spielen bei Elias Schamgefühl und Peinlichkeit eine sehr positive Rolle, zwischen Spannungsgenuss und Katharsis, Körpersicherheit und Erregung
was von Adorno nicht akzeptiert worden wäre. 269 Die Verdrängung der Triebaffekte aufweisen, damit man bei den Wettbewerben und Spielen etwas erleben könnte, was
und die Körperverschränkung wurden von Adorno viel vorsichtiger betrachtet, weil im „nonnalen" Leben gefährlich und/oder verboten ist. eben dieser fragwürdigen
sie auch die Verdinglichung des Körpers bedeuteten, da er zur bloßen Materie These übersehen Elias und Dunning weiterhin, dass der Leistungsport (vor allem
emi~gt wurde. Der Rückkehr zur ,,reinen Natur' führt zum Mythoskreis, wo das das Leistungstraining) eine organisierte bzw. hoch technologisierte Fonn von
Subjekt geopfert wird: Körpennanipulation ist, die unverkennbar Gewalt gegen den Körper provoziert.
Diese Gewalt trifft nicht nur die Wettkampfgegner, sondern wendet sich auch gegen
den Sportler selbst. Leistungstraining, wie im ersten Teil gezeigt wurde, ist eine
... in ihnen dem Mörder, dem Totschläger der Klanmitglieder usw.;Yerf. ist
die Haßliebe gegen den Körper krass und unmittelbar sie schänden was sie Vennittlung der Gewalt des Ichs gegen sich selbst, eine kalte Lehre der
anrühren. sie vernichten, was ie im Licht sehen, und diese Vernichtung ist die Schmerztoleranz bzw. der masochistischen Schmerzliebe.

Elias und Dunning verwenden einen zu engen Naturbegriff, in oweit sie die Natur
Der U~t".~ch~ed der P~sitionen von Elias und Adorno liegt wahrscheinlich in ihren Auffassungen von
269
nur als bloßen und erniedrigen Stoffbetrachten. Sie sind von der aturbeherrschung
Fr~uds ~IVlh ~llo~theone. O~wohl die Psychoanalyse bei den theoreti chen Unternehmungen von
beiden ~me w1cht1~e Rolle spielt, hat Adorno die verbindliche Beziehung zwischen Fortschritt und ganz fasziniert, ohne darauf zu achten, dass der Doppelcharakter der atur selbst
Reg~e s1on/Barbare1 ernst angenommen (Vgl . König, Helmut. Norbert Elias und igmund Freud. c und ihre Beherrschung wirksam sind. Einerseits wird die Natur (sowohl die dem
Le.viat~an, .~en 2, 1993, S. 205-221.) Unverständlich bleibt noch, warum Elias keine Begründung für
seme emse111ge.Annahme von Freuds Kultur- und Zivilisationstheorie gibt Die Interpretation Elias von
Fr~~~ - und viele andere Punkte seiner Theorie - wurden übrigens von Susan Buck-Morss scharf 270
DA, 268.
kri1Js1ert Vgl. Buek-Morss, Susan. Review: orbert Elias. The Civilization Process Telos 37 Fall S 271
EA, 681.
181-198, 1978. . ' ' ' .

m
:n
102 103

Mensch al auch di ihm interne) durch die blinde Beherrschung und die Schließlich kann man sagen, dass einige Informationen und Kommentare von Eric
T chnologi ierung zum Schweigen gebracht. Dadurch wird der Mensch in seiner Dunning der Realität überhaupt nicht entsprechen. Nach Dunning habe Elias
atur erniedrigt und verstümmelt. Ander eits ist Natur selbst und ihre teilweise während seines Aufenthalts in Frankfurt einen engen Kontakt mit der „Frankfurter
nkontrollierbarkeit doppeldeutig: neben dem blinden Kreis der Mythologisiemng, Schule", vor allen mit Adorno, gehabt. 275 Elias selbst hat zutreffend in seiner
der die Menschen beherrscht ist auch die mögliche Ver öhnungsebene, jenseits der Adorno-Rede das Gegenteil behauptet, und aufgrund der heterogenen Werke beider
strengen Aufspaltung und Distanzierung von Subjekt zum Objekt.272 kann diese Information noch weniger geglaubt werden. Dunning meint auch, dass
Adorno die erste sportsoziologische Arbeit in Deutschland betreute, das von Heinz
Elia und Dunning haben auch einen zu engen B griff von Mimesis. Die Erklärung, Risse 1921 entstandene Buch Soziologie des Sports. 216 Adorno ist 1903 geboren.
dass Mimesis keine bloße Nachahmung sei und dass die Rolle des Mimetischen im Deshalb ist es unmöglich , dass er als Studienanfänger der Betreuer dieser
port und Muße eine kathartische sei also im freien Erleben von Phantasien in wissen chaftlichen Arbeit gewesen sein kann.
inoffiziellen, informellen Bereichen sich darstelle, is unzureichend. Es muss
gesehen werden, dass auch in der „Freizeit" die Kulturindustrie herrscht und dass
dies vermeintlich freie Erlebnis indirekt zweierlei denunziert: das ,normale Leben"
ist grundsätzlich unerträglich und deshalb benötigt es Kompensation. Diese
Kompensierung kann in der verwalteten Gesellschaft nichts anderes als Anpassung
sein muss als Immergleiches erscheinen um die gesamte (auch körperliche)
Ordnung nicht zu ri kieren. In diesem Sinne sind beide Begriffe beschädigt: Muße
existiert nicht mehr Freizeit kann nur als Massenbetrug überleben. , Daß tatsächlich
die Menschen mit ihrer freien Zeit so wenig anfangen können liegt daran, dass
ihnen vorweg schon abgeschnitten ist, was ihnen den Zustand der Freiheit lustvoll
machte. a 73

Aus Adornos Sicht verliert man das Mimetische im Sport, so dass nur Schein und
rtlusion übrigbleibt. Die scheinbaren mimetischen Momente am Sport betätigen
dessen Unwahrheit: sie bleiben nur entweder als Betrug oder als kompensierte
Empfindungen im Kontext der körpertechnologischen Orientierung. , Nicht umsonst
möchte der bürgerliche Sport von Spiel so strikt sich geschieden wissen. Sein
tierischer Ernst besteht darin, daß man, anstatt in der Distanziemng von den
Zwecken dem Traum der Freiheit die Treue zu halten, die Spielhandlung als Pflicht
unter die nützlichen Zwecke aufnimmt und damit die Spur von Freiheit an ihr
vertilgt.' 274

Darüber hinaus verhindern Elias und Dunning mit ihrem schwachen Mimesisbegriff
die Erforschung und Reflexion der achtseite der Mimesis (Mimesis qua Mimik)
beim Sport: die unmittelbare Identifikation mit Sportfiguren und die Anpassung an
Technik als Reduzierung der Vielfalt von Bewegungsformen.

275
Dunning, Eric. Sport Malters, aa.O„ 252.
276
Dunning, Eric. port Malters, aa.0 ., 256; Ris e, Heinz. Soziologie des Sports, aaO.
272
Vgl. Teil 1, 1.2.1.
273
F, 65L
m FC,46.
105
B. PORT ND GE ELL CHAFT BEI ROBERTO DAMATTA: Ausdifferenzierung und Trennung von Zentrum und Peripherie zu betrachten die
FUßBALLKU ST MYTHOLOGIE, DRAMA ND DAS BRA ILIANIS HE trotz - oder vielleicht wegen - des Prozesses der Globalisierung des Ka~itals
D ILEMMA gefordert wird.

"D~rii~r hinaus, Ist der Fußball vielleicht die einzige DaMatta schlägt eine Soziologie vor, die mit publizistischer Hilfe von Artikeln,
Inst1t11//on, welche das Nationale und das Populdre /n einem Essays und Büchern den Anspruch durchführt, Brasilien aus den eigenen
tieferen inn einigen klinnte. Deswegen reprtisentieren
Karneval und Fußball die besten Modelle und Lekfl"iren zum
Widersprüchen heraus zu verstehen. Themen und Strukturen, die bis gegen Ende der
Verständnis von Brasilien. " Roberta DaMa11a Entrev/sta 70er Jahre von der offiziellen Soziologie weitgehend vergessenen worden waren
2000. ' ' wie Karneval, Fußball, die Tierlotterie (Jogo do Bicho), militärische Paraden und
"The same sort of thing happens in a soccer game played by religiöse Feste, bieten sich für ihn als Grundlagen an, um über die Konstruktion
the Brazilian national team, where we can finally see, hear, der Identitäten in diesem Land nachzudenken, das seine Position in der Peripherie
feel, talk, „and cheer with Brazil m the Immense, reifying des Kapitalismus und der Modeme hat. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist die
spectacle Roberto DaMa11a. Carnival, Rogues and Heroes
~~ ' Einschätzung, dass derartige Veranstaltungen eine besondere und einzigartige
Brasilianittit beinhalten zu deren typischem Merkmal die Gleichzeitigkeit von
1. EINE BRASILIANI CHE THEORIE ÜBER BRA ILIEN? ,,rogue" und Caxias,m Individuum und Person, Haus und Straße gehört.

Währ~d in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts von den Nach DaMatta ist Fußball in Brasilien nicht "Opium für das Volks", sondern ein
Sportw1ssenscha~en in Brasili.en t~ilweise eine scharfe Kritik am Sport entwickelt Drama um gesellschaftliche Gerechtigkeit. 278 Fußball wird als ein fortschrittliches
wurde entstand m den Sozialwissenschaften überraschend eine konkurrierende und modernes Phänomen angesehen das seinem Wesen nach demokratisch ist. lm
Analyse. Ende der 70er Jahre begann der berühmte brasilianische Anthropologe Fußball konstituiere sich in Brasilien - im Gegensatz zu den nur für Experten
R~berto DaMatta mit seinen theoretischen Unternehmungen, das , brasilianische zugänglichen Bereichen von Politik und Wirtschaft -, eine der seltenen sozialen
Dilemma zu verstehen. DaMatta versucht am brasilianischen Sport das phären, in der man sich selbst erkennen und sich auskennen kann, in der die
herauszulesen ~as als typisch und spezifisch für Brasilien {Brasil) angesehen Regeln nicht nur scheinbar öffentlich und universell sind. Fußball biete damit eine
w~rden kann. Eme besondere Bedeutung wird hierbei dem brasilianjschen Fußball neue soziale Erfahrung: hier ist rucht wichtig, aus welcher Familie man stammt, wie
beigemessen. einflussreich die Freunde sind oder in welchen finanziellen Kreisen man sich
bewegt. Was zählt ist die Qualität von Spielfähigkeit und technischen Fertigkeiten.
l~ C?egen~tz zu. den Kritiken des Sport-Spektakels Fußball sieht DaMatta hier Fußball ist ein Raum, in dem sofort erkannt werden könne, wann und durch wen die
Mögh~hke~ten Spielraum für demokratische Erfahrung zu sein oder als Katalysator Regeln gebrochen werden. Darüber hinaus biete Fußball die Möglichkeit, ilirekt und
de~ ~mhe~t des Vol.kes und der nationalen Identität zu fungieren. Diese ohne Vermittlung zu handeln, so wie es auch die Fans im Stadion tun.
~ogltchke1ten bzw. Eigenschaften des Fußballs seien in anderen sozialen Felder
nicht so deutlich sichtbar. Nachfolgend soll diese Möglichkeit, Brasilien unter besonderer Berücksichtigung
des Fußballs verstehen zu wollen, näher untersucht werden. Hierbei interessiert
Dieser Versuch, mit einem eigenen Begriffsinstrumentatium über Brasilien auch, dass DaMattas Thesen den sportkritischen Analysen der neuen europäischen
n~c~de~en, ~e~ört zu einer modernen intellektuellen Tradition in Brasilien. Linken widersprechen, die in Brasilien oftmals nur in unseriöser Form Verbreitung
Pioniere wie Sergio Buarque de Hollanda, Gilberto Freyre, Caio Prado, Celso fanden. Weiterhin wird berücksichtigt, dass die Vorschläge von DaMatta einigen
Furtado und Florestan Femandes, zählen ebenso zu ihr wie die zeitgenössischen
fntelle~ellen Darcy. Ri~eiro, Roberto Schwartz und Marilena Chauf. Es gibt bei
allen . Differenzen m 1~ren p~rsönlichen und intellektuellen Projekten die
m Caxias ist ein Wort, das zu r brasilianischen Umgangsprache gehört. eine Bedeutung tammt von
g~II_lems_ame. Sorg~ um die Entwicklung einer Theorie über Brasilien. Diese soll einem berohmten mililllrischen „Held" der brasi liani chen Geschichte, dem "Herzog von Caxias". Caxias
fähig sein, s1~h mit den großen Klassikern der westlichen Tradition auseinander zu meint einen Mensch, ein Kind oder einen Erwachsenen, der seriös und fleißig isL
se~en ~d s1~h gleichzeitig klar und bewusst sein, den eigenen Ansatz aus dem 278
OaMatta, Roberto. Explorar;iies: ensaios de sociologia interpretativa. Rio de Janeiro: Rocco, 1986.
Blickwinkel emes Landes der globalen Peripherie herzustellen. Es bleibt deshalb die (Im folgenden EXP)
106

Voraussetzungen der Figurationssoziologie von Elias nahestehen, w1d zwar in erster


Linie bei den Analysen und Anmerkungen zum Fußball. 2. DAS GESELLSCHAFTLICHES DRAMA
Auf den nächsten Seiten geht es also um den Fußball und seine Position in der Um das „brasilianische Dilemma" zu erforschen und um die Widersprüche in den
brasilianischen Gesellschaft und ferner um die Paradoxien und Kontraste einer Konfigurationen aufzudecken, die das für Brasilien (Brasil) Typische ausmachen,
Theorie, die sich der Peripherie als Standort bewusst ist. beschäftigte sich DaMatta mit einigen Themen, die, wie bereits angesprochen
wurde, für die Sozialwissenschaften sehr ungewöhnlich waren. Statt die politischen
und wirtschaftlichen Strukturen in ihrem historischen Kontext, die Parteien, die
Machtbeziehungen in der „offiziellen" Welt, die militärische Macht oder die
Struktur der Wissenschaften zu erforschen, bevorzugt DaMatta die Ereignisse, die
„nicht sehr ernst" sind oder von den linksorientierten und intellektuellen Eliten in
Brasilien als „sekundär" betrachtet wurden.

Neben den angesprochenen Themen, mit deren Hilfe DaMatta eine Theorie der
brasilianischen Gesellschaft als Ganzes entwickeln möchte, interessiert die Kunst,
insbesondere die populäre Literatur. Auch hier sieht er die Möglichkeit, eine eigene
Anthropologie der brasilianischen Gesellschaft zu entwickeln.

Brasilien " aus seinen eigenen Widersprüchen" zu verstehen, bedeute nicht,


politische, ökonomische oder wissenschaftliche Faktoren zu ignorieren. Es gehe
vielmehr darum, das Brasilianische in den Paradoxien und in den Manifestationen,
die wie Antithesen aussehen, aufzuspüren.

Die brasilianische Modernität sei sui generis eine Kombination von Paradoxien und
Widersprüchen, die sich traditionellen historischen Entwicklungslinien entziehen.
Man könne daher nicht einfach eine Dimension der Realität bevorzugen, sondern
müsse jede in ihrer jeweiligen Besonderheit berücksichtigen und respektieren. Nach
seiner Überzeugung kombiniert die brasilianische Gesellschaft völlig moderne
Aspekte mit anderen, vormodernen der kolonialen Tradition. Hierzu gehören
Merkmale, die für das öffentliche Leben bedeutsam sind und für das Leben auf der
Straße und in der wivaten Sphäre (dem Leben im Haus) oftmals eine ganz andere
Bedeutung haben. 2 9 Strasse und Haus möchte DaMatta nicht allein der Literatur
überlassen . Für ihn zeigen sich hier Prototypen des Verhaltens der Menschen in
verschiedenen Sphären der Gesellschaft bzw. des alltäglichen Lebens. Hier wird der
Teil des brasilianischen Lebens geformt, in dem Freundschaft und familiäre
Beziehungen wichtige Rollen spielen. Hier können die öffentlichen Regeln
suspendiert werden und durch Freundschaft und Familienname ersetzt werden.

279
DaMatta, Roberto. Carnava/, ma/andros e her6is: para uma sociologia do dilerna brasileiro. Rio de
Janeiro: Zahar, 1979 (Im folgenden CMH); DaMatta, Roberto. Carniva/, Rogues and Heores. An
Interpretation of the Brazi/ian Dilemma. Notre Dame: University of Notre Dame, 1991 ; DaMatta,
Roberto. A Casa & a Rua. Esparyo, Cidadania, Mulher e Morte no Brasil. Rio de Janeiro: Rocco, 1997.
(Im folgenden CR.)
108 109
In diesem Sinn schreibt DaMatta: Drama wird damit zu einem Ausdruck der Gesellschaft, deren Züge sich - nach
strukturalistischer Sichtweise - in jeder ihrer Sphären wiederholt. 283 Das Drama im
'Die brasi liani ehe Gesellschaft i t tatsächlich wundersam fühig, Kombinationen Bereich des Fußballs besitzt, wie seine Analyse zeigt, eine Struktur, die gleichzeitig
und Verbindungen herzustellen, die auf den ersten Blick ganz missplaced oder enthüllt und verdeckt.
284
ogar unmöglich sind. So i t es leichter, gleichzeitig katholisch und umbandista,
Millionär und oziali t, Ari tokrat und Populi t zu sein, als nur eine der beiden
Merkmale zu besitzen. Es i t genauso wie in der Gesellschaft, in der wir den Grundsätzlich wendet sich DaMatta in seinen Analysen jedoch gegen einen
autoritären taat, die fami liären Beziehungen und einen modernen, teilweise gut „Utilitarismus" bei der Funktionsbestimmung gesellschaftlicher Phänomene und das
funktionierenden Kapitalismus komplex miteinander verbinden. ' 280 besonders im Falle des Fußballs. Es sei eine Vereinfachung, nur zu denken, welchen
gesellschaftlichen oder politischen Interesse der Fußball diene. Viel wichtiger sei es,
Während der Literaturkritiker Roberto Schwartz behauptet, dass die Schlüsselideen die Besonderheiten bzw. die Einseitigkeiten dieser gesellschaftlichen Manifestation
des europäischen Liberalismus im 19. Jahrhundert in Brasilien unglücklicherweise zu erfassen. 285
auf ei~e Sklave~h alteriesellsch~ft ~fen, sozusagen wie ein paradigmatischer Fall
von m1ssplaced-1deas,2 1 stellt sich für DaMatta das Problem anders dar. Für ihn ist DaMatta stimmt nicht mit Einschätzungen überein, nach denen der Sport
der Kapitalismus in Brasilien nicht im Überschuss vorhanden, sondern nicht genug notwendigerweise und unbedingt eine praktische Folgewirkung der Arbeit sei. Sport
entwickelt worden. sei vielmehr eine Aktivität, deren ästhetischer Ausdruck in erster Linie gewertet
werden müsse. „Die Welt fing nicht mit den Menschen an, die Essen suchten und
'[...] wir leben in einem Marktsystem, das mit einem gesetzlichen Apparat Kriege wollten. Der erste Impuls, wenn man so aussagen darf, wurde sowohl vom
verbunden wird, der aus universellen Gesetzen und individuellen Initiativen Körper als auch vom Geist gegeben. Wenn es mir erlaubt ist, Levi-Strauss zu
besteht. In dieser Gesellschaft gibt es intensive und zweckmäßige Beziehungen, paraphrasieren, würde ich sagen, dass der erste Anspruch nicht war, nur gut zu
unbed ingt notwendige etze von persönlichen Beziehungen, die hierarchisch töten, sondern auch, sich zu amüsieren, zu dekorieren und zu denken."286 DaMatta
operieren und die alten elitären Privilegien beibehalten. [... ] [Das ist] ein System, widerspricht damit Sichtweisen, die die Existenz einer linearen Kausalität zwischen
in dem der Markt und die universellen Gesetze nur bei den Machtlosen, die sich den beiden gesellschaftlichen Sphären Arbeit und Sport behaupten. Er wendet sich
nicht auf amen, Beziehungen oder Familiengüter berufen können, angewendet
gegen eine der Kernaussagen der Sporttheorie der europäischen ,,Neuen Linken" .
werden. Die Wurzel unserer Autorität gründet in dieser Gleichzeitigkeit oder in
dieser Fähigkeit, Familienbande, Freundschaft und Kameradschaft einzubringen
... , und in einem System, in dem universelle Gesetze ständig durch die Logik der Fußball ist für DaMatta zwar in letzter Instanz eine parallele Sphäre zum Leben,
persönlichen Beziehungen ihre Grenzen finden." 282 dies könne aber nicht bedeuten, dass er keine Unabhängigkeit von unmittelbaren
politischen und wirtschaftlichen Bezügen habe. Fußball konfiguriere sich als Raum
Um diese Widersprüche zu verstehen, die eine brasilianische Besonderheit für nationale Identität und nationalen Zusammenhalt, weil er an gute Erinnerungen
darstellen und sich auch im Fußball aufzeigen lassen, verwendet DaMatta in der anknüpft und das Selbstbewusstsein stärkt.
Tradition des Strukturalismus - in diesem Fall nach Max Gluckman Victor Turner
Clifford Geertz und Claude Levi-Strauss - die Kategorie des g;sellschaft/iche~
Dramas.
283
EXP 104-105
Das Drama ermöglicht DaMatta zufolge, die gesellschaftlichen Werte mit der
284 DaMatta, Ro~rto. Esporte na sociedade: um ensaio sobre o futebol brasileiro. In DaMatta, Roberto.
Universo do futebol. Rio de Janeiro: Pinakotek, 1982 besonders . 29. (Im folgenden ES)
Beobachtung des täglichen Lebens zu verbinden. Im Drama werden die Normen 285
Vgl. ES, EXP.
die Beziehungen und die Institutionen einer Gesellschaft problematisiert. D~ 286 OaMatta würde auch dem spanischer Philosoph Ortega y Gasset zustimmen. ach Ortega y Gasset hat

die Kreativität mit der Arbeit und mit dem Überleben nichts zu tun. Kreativität sei im Gegenteil ein
Ausdruck der Spontanität und der Zwecklosigkeit: „Asi podemos distribuir los fen6menos orgänicos -
m EXP,103. animales y humanos - em dos grandes formas de actividad: uma actividad originaria, creadora, vital ~or
281
Schwarz, Roberto. Misplaced ldeas. Essays on Brazilian Culture. London und New York, Verso, excclencia - que es espontänea y desinteresada -; outra actividad em que se aprovecha Y mecamza
1992, besonders S. 19-32. aquella y que es de caräcter utilitärio. La utilidade no crea, no inventa, simplesmente aprovecha Y
282
DaMatta, Roberto. Antropologia do 6bvio. Silo Paulo, Revista USP. n. 22 p. 10-17 jun/jul/ago 1994. estabiliza lo que sin ella fue creado." Ortega y Gasset, Jose. EI espectador. Madrid: Edaf, 1998, Zitat
(Im folgenden AO) ' ' 231.
110 111

Anläs lieh der Weltmei terschaft von 1998 in Frankreich und der damals Weltmeisterschaft Symbole einer „neuen Zeit." 289 Ähnliche Euphorien bzw.
bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Brasi lien (hier konkurrierte ein linker Vereinfachungen äußerten auch kritische Theoretiker wie u.a. Thomas Fatheuer. 290
und ein liberaler Kandidat) ist DaMatta gefragt worden, welcher von beiden
Kandidaten bei einem Sieg der brasilianischen Equipe mehr profitieren würde,
welcher von ihnen den Vorteil hätte. In seiner Antwort wendete er sich gegen
derartige utilitaristische Spekulationen.

, ur ein Magier könnte das agen. Ich nehme an, dass es eine Verbindung gibt
zwischen dem Gewinn de Pokals und dem tolz auf Bra ilien. Es kann sein, dass
gute Regierungen dann einen Vorteil haben. Ich möchte aber daran erinnern, dass
die politische Oppo ition gleichfalJs von einem ieg profitieren könnte: sie
könnte die Aufmerksamkeit auf das richten, was bi her nicht gesehen wurde oder
auf das, was [ on der Regierung] noch nicht geleistet wurde. Sie könnte auch
hervorheben, der ieg möge Mut machen, die Situation zu verändern. Bei einer
iederlage, die wie eine allgemeine Katastrophe wirkt, werden beide Seiten sich
die Finger verbrennen." 287

An späterer Stelle behauptet DaMatta sogar - leicht übertreibend - in Brasilien sei


die Verbindung von Politik und Sport nicht so relevant wie in Argentinien, Russland
oder Deutschland. In Brasilien wüssten die Politiker, dass Fußball hier ein zu
ernstes Thema sei, um als Mittel für eigene Vorteile ausgenutzt werden zu können .
„Weil sie [die Politiker] Brasilianer sind und vor den Leute mit ihren
Leidenschaften und ihren Traditionen Respekt haben, wissen sie vielleicht, dass
Trittbrettfahrer beim Fußball eine negative Reaktion hervorrufen, dass das Volk
zwischen denen, die den Fußball wirklich lieben und denen, die nie ein Stadion
betraten, unterscheidet. "288

Trotzdem verglich DaMatta die Eroberung des Weltmeistertitels von 1994 durch
die brasilianische Nationalmannschaft mit dem Wahlkampfsieg von Fernando
Henrique Cardoso. DaMatta sah in dem Wahlsieg Cardosos, insbesondere auf
Grund seines wirtschaftlichen Programms, und m dem Gewinn der

289
287 DaMatta, Roberto. Torre de Babel. Rio de Janeiro: Rocco, 1996, besonders S. 173 und 200. (I m
DaMatta, Roberto. Vit6ria na Copa nllo terä dono. Rio de Janeiro, Jornal do Brasil, S. 10, 14.06. 1998.
288 folgenden TB)
DaMatta, Roberto. Vit6ria na Copa nl!o tera dono, a.a.O. 290
Fatheuer, Thomas. Das Vaterland der Fußballschuhe. Eine kleine Sozialgeschichte des brasilianischen
Fußballs. Bad Honnef, Lateinamerika. n. 19, p. 21-37, 1995.

113

3. FUßBALL, IDENTITÄT, SCHICKSAL Die Verbreitung des Fußballs und das Entstehen seiner Popularität nehmen in
Brasilien einen widersprüchlichen Verlauf Die Entwicklung verläuft u.a. von der
exklusiven Vereinnahmung durch die soziale Elite zum ersten Spiel des Volkes und
3.1 ANMERKUNGEN ZUR KONTROVERSE ÜBER DIE FUßBALL-KUNST beinhaltet die - im Vergleich mit Deutschland - sehr frühe Professionalisierung
eines schon popularisierten Sportspiels in den dreißiger Jahren. Eine der
Fußball ist ein universeller Sport, der von der FIFA (Federation International of Dimensionen seiner Popularität ist in der erregenden und entlastenden Show der
Football Association) als zentralem Weltverband organisiert und verwaltet wird. Im Stadien zu finden, eine andere in seiner Bedeutung als Freizeitvergnügen des
Verband ist man stolz darauf mehr Mitgliederländer als die UNO (United Nations) Volkes: beide Dimensionen im Zugriff der Kulturindustrie. Gleichzeitig wohnen
zu haben. Zu den Verbandsaufgaben gehört es, alle vier Jahre eine von Milliarden dem Volksvergnilgen sogar stark elitäre Elemente inne, wenn hier die
Zuschauern in aller Welt mittels Fernsehen verfolgte Weltmeisterschaft zu Ungeschickten und Unfähigen ausgrenzt werden. Hier verhält es sich genauso wie
organisieren und Abermillionen an Geld über Medien-Anbieter zu bewegen. Der bei anderen Kulturgütern, die von der Marktdynamik abhängen.
Fußball zählt also zu den wichtigsten Merkmalen der kulturellen und ökonomischen
Globalisierung und dabei zu den wenigen, die nicht durch die Vereinigten Staaten Bemerkenswert an dieser Stelle ist aber die Charakterisierung des Fußballspiels als
von Amerika dominiert werden. ein typisch brasilianisches Kulturelement, als ein Element, das fähig ist, eine
nationale Identität zu erzeugen, wenn Fußball als brasilianische Fußball-Kunst
Der Historiker Eric Hobsbawrn bezog auch den Fußball in seine Ausführungen ein, ausgeübt wird. Diese Charakterisierung findet sich als Mythos von Brasilien in der
als er die Geschichte des Short Centurys geschrieben hat: ganzen Welt wieder, und es muss, mit DaMatta, über die Macht dieses positiven
Bildes von " Brasilianität" nachgedacht werden.
„In the field of popular culture the World was American or it was provincial. (... ]
The unique exception was sport. In the branch of popular culture - and who,
DaMatta betrachtet es als wichtig und bemerkenswert, den Weg einer Sportart zu
having seen the Brazilian tearn in its days of glory will deny it the claim to art? -
US influence remained confined to the area ofWashington ' s political domination.
verfolgen, die „aus dem Ausland kam (wo alles chic ist)" und die in Brasilien neue
As cricket is played as a mass sport only where once the Union Jack flew, so und vielfältige Bedeutungen hinzugewann. Dies sei, so DaMatta, als ein Prozess
baseball made little impact except where US marines had once landed. The sport von positiver Kulturalisierung geleistet worden. 293 Seine Schriften nehmen an dieser
the World made its own was association football, the child of Britain ' s global Imagination teil, wenn in ihnen über den in Brasilien gespielten Fußball reflektiert
economic presence, which had introduced tearns named after firms or composed wird und dieser zum Fundus brasilianischer Identität wird.
of expatriate Britons (like Silo Paulo Athletic Club) from the polar ice to
Ecuador. ' 291 In diesem Zusammenhang muss auch auf die ungemein verbreitete Debatte über die
Rettung der brasilianischen Fußball-Kunst eingegangen werden, die sowohl in der
In der Regel verweisen aktuelle sportgeschichtliche Darstellungen darauf, dass der Öffentlichkeit als auch auf der Ebene journalistischer und akademischer
gegenwärtige Fußball, wie ein großer Teil der klassischen Sportarten, im modernen Überlegungen wie eine Art nationaler Überlebensfrage geführt wurde bzw. wird.
England, ungefähr in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, entstanden DaMatta geht von einem Überleben der Fußball-Kunst aus, die zu früheren
ist und im zwanzigsten Jahrhundert eine ungeheure Verbreitung nahm. Schon Ende Weltmeisterzeiten in der Nationalauswahl präsent war. „Sie gibt es vielleicht nicht
des vorletzten Jahrhunderts fand er auch in Brasilien, als Bestandteil der modernen in der Nationalelf, aber sie lebt noch." Kurz erwägt er, dass „die Fußballkunst nicht
europäischen Gesellschaft adaptiert, seine erste Anerkennung. Zur gleichen Zeit mehr exklusiv für Brasilien gilt, schließlich sehen wir ihre Elemente auch in
setzte sich auch zunehmend der Glaube an die modernen Wissenschaften durch, der Europa, vor allen in Spanien. Dieser Ballhunger, das Moment jenseits der Technik
bereits zur Republik und zum Ende der Sklaverei geführt hatte. 292 ist nicht mehr exklusiv. Das Copyright besitzen aber die Brasilianer."294

293
291 DaMatta, Roberto . Vit6ria na Copa nilo terä dono, a.a.O. - Wie so häufig bestätigen genauere
Hobsbawm, Eric. The Age of Extremes: The Short Twentieth Century 1914 - 1991 . London: Michael
Analysen die großflächigen Entwurfe von DaMatta, auch wenn der Weg (von der brasilianischen Elite
Joseph, 1994,ZitatS. 198. bis runter zu den favelas) oft komplizierter und langwieriger ist, wie die Geschichte des brasilianischen
292
Brasilien war eins der letzten Länder des kolonialen Amerika, das die Sklaverei abschaffte. Darüber Fußballs seit 1901 belegt. (Vgl. Lopes 2000; S.241ff.a.a.O.)
hinaus, obwohl seine Unabhängigkeit von Portugal in Jahr 1822 proklamiert wurde, blieb die Nation bis 294
DaMatta, Roberto . Guga por Da Malta. http://www.no.eom.br/ (27.11.2001 ).
zum Jahre 1889 im portugiesischen „Empire".
114 115

Zum besseren Verständnis dessen, was in der Regel unter typisch brasilianischer für die Nationalmannschaft an und waren zum größten Teil für die Entwickl ung der
Fußball-Kunst verstanden wird, kann auf Aspekte verwiesen werden, die von Sport- und Trainingswissenschaften in Brasilien verantwortlich.
geringen Abweichungen abgesehen, immer wieder angeführt werden. Als
Originalmerkmale des brasilianischen Fußballs gelten in Abgrenzung zu Dies steht im Zusammenhang mit der Militärdiktatur, die zwischen 1964-1985 in
europäischem Fußball und seiner zunehmenden stilbildenden Wirkung vor allem Brasilien herrschte, während gleichzeitig ein Prozess konservativer Modernisierung
das Fehlen physischer Kraftanstrengungen und taktischer Disziplin. Dominanz und stattfand. Die Sportwissenschaften entwickelten zu dieser Zeit Konzepte für eine
Import dieser europäischen Spielmerkmale werden als eine Bedr~hung der massenhafte Teilnahme am Sport und für die Verbesserung des nationalen
brasilianischen Spielkunst angesehen. Als Höhepunkt einer kritiklosen Ubemahme Hochleistungssports. Diese Schwerpunktsetzungen entstanden im Zusammenhang
europäischer Spielweise wurde die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien mit der Intention des Militärs, eine „große Nation" zu schaffen, die, stark und
angesehen, einer Zeit, in der die Verwendung englische Worte beliebt wurde, um modern, sich auf die drei Säulen Militär, industrielles Bürgertum und traditionelle
taktische Funktionen zu bezeichnen. Entsprechend wurde die physische Kondition Oligarchien stützen sollte.
der Profifußballer besonders betont, was aber die technischen Fähigkeiten, die
Spielkreativität und das Improvisationsvermögen, hervorragende Merkmale Ungeachtet dieses politisch ambitionierten Eingriffs in die Entwick lung des
brasilianischer Fußballkunst und nationaler Eigenart, erkennbar behindert haben brasilianischen Sports besteht bis heute die idealisierte Vorstellung, dass selbst die
soll. Nationalmannschaft von 1982 noch als „letztes Beispiel der Fußballkunst''
angesehen werden muss. Dem entspricht, dass mit Sicherheit und spätestens von
Als Beginn dieser unglücklichen Entwicklung einer „Europäisierung' wird sogar 1994 an die Vorbereitung und Einstellung des Teams vorwiegend durch die
die Teilnahme von Sportfachleuten aus dem Militär in den technischen Faktoren Disziplin, Kondition und Taktik geprägt wurden. Die Entwicklung hierin
Kommissionen brasilianischer Nationalmannschaften während der 60er und 70er begann jedoch schon viel früher, und zwar bereits vor der Phase der Militärdiktatur
Jahre verantwortlich gemacht. Der Trainer von 1978 war Soldat im Range eines Ende der fünfziger Jahre.296
Kapitäns und verschiedene Armeeoffiziere waren für die technischen
Kommissionen der damaligen Zeit tätig. Darüber hinaus war der Vorsitzender des Ich meine dass es nicht immer ganz wahrhaftig ist, das Bild der Nationalelf von
damaligen CBD (Brasilianischer Sportverband, der damals auch für den Fußball 'i994 herv~rzuheben, nur weil im Gedächtnis verblieb, dass es ihr möglich war,
zuständig war) Admiral Heleno Nunes. gegen die Deutschen zu gewinnen. Trotzdem können wir zwei Siege feiern, den
der Mannschaft und den der Vorbereitung. Zusammengefasst: wir lernten mit den
Diese Thesen finden immer noch großen Anklang, vor allem in einem Land, in dem Bildern des viermaligen Weltmeisters im Kopf, dass Brasilien organisiert werden
die diktatorische Vergangenheit noch nicht verarbeitet worden ist (wenn eine solche kann, um„. zu gewinnen . Wir lernten, dass wir keine Helden, populistische
Politiker, Vaterlandsretter, große Vorbilder charismatische Führer, Diktatoren
Verarbeitung überhaupt je möglich ist). Man muss trotzdem sagen, dass sie kaum
oder Caudillos brauchten, die uns auf den Weg ins Paradies führen.' 297
der Wirklichkeit entsprechen. Tatsächlich war die brasilianische Mannschaft 1970,
als die Militärdiktatur herrschte, Sieger bei der Weltmeisterschaft in Mexiko. Nach
Rochas Optimismus erscheint doch etwas übertrieben, besonders offensichtlich bei
dem Ende der Militärdiktatur wiederum hat Brasilien den Titel nicht mehr
seiner Bewertung von Vorbi ldem und ihrem Identifikationsangebot. Dies belegt
gewonnen. Richtig ist aber, dass zu einem Schwerpunkt der Vorbereitung auf die
auch die Arbeit von Guedes. 298 Hier wird u.a. am Beispiel von Romärio (einem der
Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko erstmals die Konditionsvorbereitung wurde.295
besten Spieler bei der Weltmeistermannschaft von 1994) aufgezeigt, wie stark diese
Hieraus resultierte eine der ersten Studien über die Wirkungen des Höhentrainings
Vorstellung von einem Erretter des Vaterlands, die tief in die portugiesisch-
bei brasilianischen Athleten. Die Mannschaft begab sich auch schon lange Zeit vor
brasilianischen Tradition zurückreicht, noch immer im brasilianischen Volk
der Weltmeisterschaft nach Mexiko, um die Adaptation an die Höhenluft zu
verankert ist. Diese Identifikation ist um so größer, wenn das Vorbild mit dem
erreichen. Bis 1978 gehörten Militär-Sportfachleute der technischen Kommission

296
Rocha, Everardo. As invenyöes do cotidiano, a.a.0 .
297
295
Rocha, Everardo. As invem,:öes do cotidiano, aaO„ 28.
Rocba ist einer der wenigten, der diese Tatsache anerkennt. Vgl. ROCHA, Everardo. As invern;:öes do 298
Guedes, Simoni Lahud. 0 Salvador da Patria. Consideracocs em tomo da lmngem do Jogador
cotidiano: o descobrimento do Brasil e a conquista do tetra. Rio de Janeiro, Cadernos de Campo. n. 3 e 4, Romärio na Copa do Mundo de 1994. In: ders. 0 Brasil no Campo de Futebol. Eshulos antropologicos
S. 9-20, 1996. sobre os Significados do Futebol brasileiro. Rio de Janeiro: EDUFF, 1998. S. 61-78.
116 117

eigenen sozialen mei t armen Lebensbereich in Verbindung steht und die er eine an deutsche Leser. ln dieser Abhandlung ist aus seiner Sicht der Fußball, die Politik
soziale HerkW1ft zwecks teigerung der Popularität nicht verleugnet, sondern sogar und der Tanz Capoeira durch das typisch brasilianische Moment des mulatice
fortwährend betont. Der AuslegW1g der Verfa erin zufolge benützt da Volk so die (Vermischung von Schwarzen und Weißen) geprägt. Dieses Besondere,
Gelegenheit, on und über sich selbst zu sprechen, um die eigene Identität zu Brasilianische könne etwa als Tanz und „ginga" ausgedrückt werden.
erstärken W1d inen ozialen BewegW1g raum zu vergrößern.
, Die berUhmte Ge chmeidigkeit des Mulatten entspringt seiner Situation
Der über brasilianische Fußballkunst entstandene Mythos aber entwickelte mit zwi chen den Rassen und seinem Wunsch, einen Status zu markieren eine Rolle
enormer Macht die Bilder die sich auch im Ausland über Brasilien und seinen ,zu spielen', die ihm die herrschenden Schichten nicht ohne weiteres
Fußball gemacht werden.299 In Deutschland zum Beispiel kultivieren sowohl zuzusprechen gewillt sind. Daher der ,mulato pern6stico', der sich in Pomp und
akademische Kreise als auch insbesondere Sportjournalisten ein Bild vom Po e und de en prache sich in ausgesuchter Wendung und geschraubten
Floskeln gefällt'. Auf das Fußballspiel übertragen ergibt das eine physische
brasilianischen Fußball als Fußballkunst, das teilweise als Ausdruck eines Rhetorik brillantester Art, einen ornamentalen Tanz von schlauen Schlichen,
melancholischen Rückblicks auf Spielkünste gesehen werden muss, die selbst „nicht abgefeimten Manövern und verschlagenen, capoeira - artigen Tricks - die
mehr im Straßenfußball zu erleben sind.' 300 Gründlichere kulturelle Vergleiche, die hochgepriesene ,malicia' - die maliziöse, zuweilen geflihrliche eulenspiegelhafte
sowohl zeitaufwendige Feldfor chW1gen in beiden Ländern wie Beherrschung Fopperei des en, der andern einen treich ,spielt' und zuweilen arglistig versetzt.
beider prachen erforderlich machen sind selten und werden in den Massenmedien Denn auch die Argli t gehört zum Idol - jene Arglist der homeri chen Helden,
nicht zur Kenntnis genommen. 301 deren sich beim Wagenrennen Antiloches bedient, welcher ,durch List durch
Schnelligkeit nicht' dem Menelaos zuvorkommt, und von dem selbst der
In intellektuellen Kreisen gibt es besonders häufig diese Hinweise auf eine Schiedsrichter Achilles bei der Preisverteilung ganz und gar nicht frei ist." 303
brasilianische Fußballkunst, die oftmals auch als Kunst der Schwarzen und
Mestizen bezeichnet wird. Thomas Fatheuer3°2 spricht in diesem Zusammenhang icht W1interessant ist, dass diese ideale IdentitätsbestinunW1g des brasilianischen
sogar von einer „Originalität der Kopie' und meint hiermit - in AnlehnW1g an Fußballes, die auf andere gesellschaftliche Sphären übertragen wird, mit dem
DaMatta - die hohe Kreativität in der brasilianischen Spielart (Kopie), verglichen Mythos des benachbarten Erzrivalen Argentinien konkurriert. Auch dort wird
mit der schmucklos zweckorientierten europäischen Spielweise (dem Original). Fußball, die Sportart Nr.1, in einem Bild und Mythos verehrt, dem des potreros
Ausdruck für das freie und wilden Leben in der argentinischen Pampa. Eine
Vorstellung, die mit dem typisch argentinischen Charakter im Fußball verbunden
In Brasilien selbst \.vurde diese WertW1g u.a. auch von Anatol Rosenfeld verbreitet
wird W1d die in den letzten Jahren durch das Bild des „pibes" (des Knaben),
und vertreten. Rosenfeld ein deutscher Jude, der 1936 nach Brasilien emigrieren
verkörpert durch den Nationalhelden Diego Maradona, noch populärer wurde. 304
musste, lebte als Intellektueller zumeist außerhalb der akademischen Kreise und
veröffentlichte eine kleine - stark von Gilberto Freire beeinflusste Trilogie - mit
Debatten über die nationale Identität finden in Brasilien in allen sozialen Kreisen
Texten über das Theater, über Macumba (eine afrikanisch-brasilianische Religion)
W1d auch Fußball. Der sehr schöne Text über Fußball richtete sich wohl besonders und Schichten statt. Linke W1d Rechte, Liberale, Konservative und Sozialisten, alle
äußern sich irgendwie W1d irgendwann - besonders gerne in Verbindung mir dem
299
Vgl. Hobsbawm, Eric. The Age of Extremes, aaO.
JOO In Sportbild vom 26/0912001 liest man in einer Reportage, dass die Saison 2001/2002 die letzte von 303
Thomas Hllssler sein wird und eer sei, so die Sportzeitschrifl, "der deutschen Straßenfußballer" - Rosenfeld, Anatol. Fußball in Brasilien. In: Staden.Jahrbuch 4 (Beiträge zur Brasillnmde). Sao Paulo,
(Sportbild, 39, 26/0912001 , 20-21). Im selben Heft sagt Johan Cruyff im Interview: „Die Basis neben der In tituto Hans taden, 1956, Zitat . 165.
Technik ist ,dass man eins gegen eins oder zwei gegen zwei spielen kann wie am Strand von Rio de )()1Über den Ursprung und die Mythologie des argentinischen Fußballes, vgl. Archetti, Eduardo.
Janeiro." (Sportbild, 26/09/2001 :30-31 , Zitat S. 31, Interview von Raimund Hinko und Jaap de Argentinien. In: Eisenberg, Christiane. Fußball, soccer, calcio. Em englischer Sport auf seinem Weg um
Groot).Aber natarlich findet der Mythos einen realen Kern, wenn man die herausragende Rolle die Welt. München: DTF, 1997; Archetti, Eduardo. The moralities of Argcntinian football. In: Howell,
brasilianischer Einzelspieler in den deutschen Spitzenmannschaften der ersten Bundesliga gerade in den Signe. The Ethnography of Moralities. London und ew York: Routledge, 1997, . 99-123. Archetti,
Spielzeiten 2000 und 2001 betrachtet Eduardo. EI potremo. /a pisla y el ring. las patrias de/ deporte argenlino. Bueno Aires: Fondo de
301
Siehe aber: Peter Huppertz. Fußball in Deutschland und Brasilien, a.a.O. Cultura Economica, 2001. Archetti, Eduardo. EI potremo y el pibe. Territorio y pertenen ia en el
302
Vgl. Fatheuer, Thomas. Das Vaterland der Fußballschuhe, a.a.O.; Falheuer, Thomas. Sieg im imaginatio de! fUtbol argentino. Nueva Sociedad, Caracas, 03/04/1998, . 101-119. Vgl. Auch die
Volkssport. Fragment zu einer Soziologie des Lateinamerikanischen Fußballs. Lateinamerika Autobiografie von Maradona: Maradona, Diego. Yo soy el Diego de la gente. Bueno Aires: Planeta
Nachrichten, 288, Juni, 1998, S. 4-9. 2000.
118 119

Fußball - über angeblich typi eh bra ilianische Eigen chaften. Roberto Schwartz3°5 Ereignis e zu beeinflussen um Veränderungen im gesellschaftlichen und
bringt dies ironisch auf den Punkt indem er chreibt es ei ogar legitim geworden sportlichen Bereich herbeizuführen. All dies enthüllt wie eine gegebene
Institution, die Football Association, die von Engländern erfunden wurde,
eine Subtraktion durchzuführen um zu entdecken, wa , rein und echt brasilianisch'
differenziert betrachtet werden kann ."307
sei.
Eine bestimmte Figuration, die auf modernen und universellen kulturellen
Diese Debatte ist auch in DaMattas Arbeiten sehr präsent; er selbst scheint diesem
Elementen basiere, könne, wenn ihre Werte und Normen in einem bestimmten
Mythos zugeneigt und verwendet ihn nicht nur als Ausgangspunkt, Gegenstand oder
soziokulturellen Kontext erfasst werden, auch einzigartige Interpretationen
Illustration seiner Refle ion über brasilianische Identitäten in kulturellen ermöglichen und so sichtbar bzw. rekonstruierbar werden lassen, welche Ideen Volk
Äußerungen wie u.a. dem in Brasilien gespielten Fußball. und Nation konstituieren .
3.2. DIE , BESONDERHEIT ' DES BRASILIA 1 CHEN FUOBALLS UND DIE Im Fußball kann DaMatta zufolge der Mensch als Individuum agieren. Sobald er in
ATIO ALEIDENTITÄT einem Fußballteam spielt kann er sich und seine Eigenartigkeit zeigen, sich
individuell ausdrücken. DaMatta wendet sich entschieden gegen die These der
Für DaMatta ist es wichtig, dass Fußball nicht nur als port, sondern vor allem als Fungibilität bzw. Austauschbarkeit im Sport, nach der jeder Athlet im Prinzip
Spiel betrachtet wird. DaMatta denkt hierbei nicht so sehr an den Aspekt der beliebig ersetzbar ist. Die Athleten seien nur fungibel, wenn sie technische
Sportifzierung des Spiels, der Herausbildung von Konkurrenz Überbietung und Aufgaben leisten, die zwar eine zentrale Stelle im Sport besetzen, aber letztlich
Vergleichbarkeit Er möchte Fußball wie eine als Spiel gelebte Sportart verstanden nicht ihre Spielhandlung bestimmen. Hier sei das Subjekt, der Handelnde wichtifcer,
wissen um so die Verbindungslinien zu anderen Sphären der Gesellschaft besser zumindest solange nicht die Handlungsmittel zum Handlungsziel erklärt werden. 08
aufspüren zu können, die er als im Spiel versinnbildlichte Bilder versteht.
Diese Sichtweise e istiert bei DaMatta, weil sich auch für ihn der brasilianische
Gleichfalls von Bedeutung ist die Wortsemantik. Spiel hat in der portugiesischen vom europäischen Fußball unterscheidet, und zwar vor allen wegen der größeren
Sprache anders als play im Englischen mit Glück und Pech zu tun. Nicht zufällig Fähigkeiten in der Ballbeherrschung, wegen der ausgeprägteren
gehört zum Fußball ein traditionelles Wettspiel, die Lotterie bzw. das Fußballtoto. Improvisationskunst und dem Beibehalten von lndividualität. 309
Darüber hinaus versinnbildlicht sich für ihn im Spiel der Aspekt des Schicksals,
einem wichtigen Element brasilianischer Lebensauffassung, die oft von religiösen „Es wird dann möglich, einen schon zitierten Punkt wieder aufzunehmen: der
und abergläubischen Traditionen durchsetzt ist. 306 Fußball ist ein komplexer gesellschaftlicher Gegenstand und dieser kann
vielfliltig in anderen Gesellschaften aufgenommen werden. Damit wird
Ein interessantes Phänomen ist, dass Aberglaube und Wissenschaft in Brasilien eine ermöglicht dass Sport in Amerika ein Vergnügen ist, aber gleichzeitig auch ein
Instrument gesellschaftlicher Kommunikation und der Kon truktion nationaler
besonderes Art von friedlicher Koexistenz und sogar Verflechtung eingegangen
Identität für Brasilien. In einem Fall macht Fußball ' fun to ' atch. but not
sind. So besteht der kritiklose Glaube an Trainingswissenschaft, Physiotherapie und serious ... Im anderen Fall ist er eine bedeutung volle Vermittlungsebene für das
Medizin im gleichen Umfang wie das Festhalten am traditionellen Aberglauben. In was wirklich brasilianisch ist, für das Gefühl de Lebens, für die Bedeutung des
seriösen und bekannten Fußballmannschaften ist es nicht ungewöhnlich, dass der Schicksals und die Rolle der Technik im ge eil chaftlichen Universum." 310
Physiologe sein Büro neben dem Zimmer des „Pai de Santo" hat.
Dieser ureigene Fußballstil, in dem sich das brasilianische Dasein wiederfindet
„Es gibt ein Spiel im Feld, das von den Spielern als profes ionelle und sportliche kann bildlich mit dem Wort malandro (Schurke) charakterisiert werden. Der
Aktivität gespielt wird. Es gibt ein weiteres Spiel, das im wirklichen Leben malandro kennzeichnet als soziales und figürliches Symbol die Vermischung
stattfindet, das von der brasilianischen Bevölkerung gespielt wird, bei der Suche
nach der Veränderung ihres Schicksals. Und es gibt ein drittes Spiel, das in der
,anderen Welt' gespielt wird. von wo Wesen angerufen werden, um Fakten und
lQ1 EXP, 107.
JOS Vgl. 1. Teil dieser Arbeit.
.l09 ES, 27; EXP, 107.
:m chwarz, Roberto. Nacional por subtracao. In: ders: Cu/tura e Po/fllca. ao Paulo: Paz e Terra, 2001. 110
306
ES, 25-27 ; EXP 105-107. ES, 34.
120 121

Z\ i chen Ge etzlichkeit und rtlegalität, Hellem und Okkultem, Indirektem und ihren Gegnern auszulösen, aber auch um überzeugende und überraschende
E ·plizitem in der bra iliani eh n G ellschaft.311 Hannonien zu schaffen. c3l 6 In seinem ssays wird dieses Handlungsgeschick sogar
mit der speziellen Spielart der Soccer-Version des Fußball s in Verbindung gebracht.
„[... ] d r Bürger der dem G etz folgt, ' urde (und ' ird immer noch) in Bra ilien
al Idiot betrachtet. weil die Ideologie de malandragen ich al Weltsicht und Für DaMatta ist es kein Zufall, dass sich in Brasilien nicht - wie in
\ eltan chauung dur h tzt. [...] Der Malandro ' eiß, da e in Brasilien
angelsächsischen Ländern - die Rugby-Version des Fußballs durchsetzte. Er erklärt
nachteilig i t, durch ichtig und klar im politi chen Handeln zu ein. De halb frage
i h: ' ie kann man Tran parenz schaffen, in einer Gesellschaft mit solchen
das damit dass im Rugby auch die Hände benutzt werden, was im Gegensatz zum
Werten?"312 Spiel mit den Füßen, dem soccer, einen bedeutend geringeren Grad an
Unwägbarkeit besitzt. Rugby oder american football würden mit ihrem viel höheren
Anderer eit wird der brasilianische Fußball wieder - im Vergleich mit dem Grad an Plan- und Kontrollierbarkeit somit eher dem gesellschaftlichen
europäischen - positi ge ehen. Charakteristi eh für ihn sei sich zu biegen, ohne elbstverständnis von England oder Amerika und ihrer Art von repräsentativer
zu brechen sich zu verstecken zu improvisieren und ungünstige, schwierige parlamentarischer Demokratie entsprechen.317
Situationen mit Eleganz zu bestehen vor allem mit Körper- und
,Mit den Füßen gespielt ist der Fußball weniger vorhersagbar, de halb verstärken
Bewegungsgeschicklichkeit, durch die die ästhetischen Spielarten hervorgebracht
ich bei ihm die Ideen von Glück Vorherbestimmung und Sieg. Man kann im
werden. Als Metapher des täglichen Lebens drücke Fußball hier eine typische Form brasilianischen Fall Fußball ofort mit Religion und Transzendenz verbinden, was
au brasilianisch zu sein. Denn in Brasilien sei sehr wichtig bzw. notwendig nicht so einfach mit portarten wie Volleyball, chwimmen und Leichtathletik
malandro zu sein wenn man in dieser hektisch modernisierten Gesellschaft mit möglich ist. [...]Außerdem erzwingt das piel mit den Füßen, anders als das Spiel
feudalen Relikten überleben will. 313 Hier wird DaMattas Sicht, die gern Phänomene mit den Händen, die inbeziehung des ganzen Körpers und weist vor allem auf
stark interpretiert, von anderen, mehr theoretisch verfahrenden Soziologen bestätigt. die Beine, die Hüften und die Taille hin, auf jene Teile der menschlichen
Selbst ein fonnalisierter Ort wie die moderne Fabrik wäre nicht in seiner Anatomie, die im Fall der brasiliani chen Gesellschaft von symbolischer
brasilianischen Spezifik begreifbar wenn nicht diese besondere Beweglichkeit der Bedeutung ind."3 18
brasilianischen Menschen beachtet wird. 314
3.3. EIN PROBLEM: F ßBALLK ST UND MODERNl lER G. ABER
Der Platz des malandro ist zwischen Haus und Straße, zwischen Legalität und ICHT: "OPIUM F .. R DAS VOLKES"
Illegalität zwischen Konfonnismus und Widerstand. 315 Er ist ein stilisierter
Brasilianer, einer der Grenzen überschreitet und sich nicht einfach in eine och lange Zeit nach dem Ende der 60er Jahre haben brasilianische und besonders
bestimmte Fonn pressen lässt. Er besitzt Eigenschaften, die DaMatta mit Blick auf die linksorientierten Eliten Fußball als „Op ium für das Volke" bewertet. 319 Hiervon
das brasilianische Gesellschaftssystem in mehrfacher Hinsicht positiv bewertet: grenzt sich DaMatta entschieden ab.
notwendig als individuelle Überlebensstrategie, unverzichtbar als Gegenpol zur
ge ellschaftlichen Objektivität und erfolgversprechend bzw. geschickt bei der Fußball als Opium für das Volk zu bezeichnen, bedeute Klassenunterschiede und
Durchsetzung eigener Ziele. Auch deshalb müsse der Fußballspieler genau so wie Vorurteile zu bestätigen. Hier werde subtil geäußert, die Massen seien ignorant und
der Politiker die malandragem beherrschen. Beide müssen flihig sein „[ ... ] den müssten von den Eliten gesagt bekommen, was richtig oder falsch ist. Man
Körper in die richtige Richtung zu bewegen, um Verwirrung und Faszination bei übersähe, dass das Volk auch seine eigene Erkenntnis und Stimme hat: 320 , [ ..• ]wenn
wir mit der Meinung fortfahren , dass Fußball ein Instrument der Verzauberung der
m DaMana, Roberto. Entrevista com Roberto DaMatta. In: COUTO, Josc Geraldo. Quatro alllores em
ignoranten Massen ist, die anstatt zum Stadion zu gehen, besser ins Theater gehen
busca do Brasil. Rio de Janeiro: Rocco, 2000, besonders . 94.
312
DaMatta, Roberto. Entrevista com Roberto DaMatta, a.a.O .., 100.
313
ES, 28, 29; AO, 16. i 16E • 28.
m Vgl. Manfred Lauermann. Brasilianisierung der Arbeitswelt? In: ßaecker, Dirk (1 lg). Archtiologie der m A0, 42-44.
Arbeit. Berlin: Kadmos 2001 (i.E.) - Ich danke M. Lauermann fllr das Überlassen seiner Druckfahnen m AO, 16; TB, 43-44.
sowie fllr den Hinweis auf das Brasilien-Heft von Dadalus. m Vgl. hierzu die Kritik von Lever, Janet. Soccer: Opium of the Brazilian People. Transaction. n. 2, p.
m Chaui, Marilena Conformismo e resistencla: aspectos da cultura popular no Brasil. ilo Paulo: 34-43, 1969.
Brasiliensc, 1997. izo ES, 22; EXP, 90.
122 123
Rornanle n oder über Politik besprechen sollten dann werden wir gerade die „ ie [die Fans] empfinden Erfolg auch als ihre Leistung, als Erfolg der torcida
elitäre Fonnel v iederholen und di Möglichkeit verhindern, die Verwicklungen des (Publikums), die durch bedingungslose Identifikation mit ihrem Klub und ihren
Fußballes in die brasiliani ehe Gesellschaft zu studieren."321 Helden - für greifbare Ergebnisse und vollständige iege mitverantwortlich ist.
Bei die em ieg vergisst die Masse jedoch tatsächlich, dass sie von der
Fußball könne daher njcht einfach als Phänomen von Entfremdung abgetan werden unbescheidenen Gouvernante taat betrogen wird, wenn von Erziehung,
obwohl ihm ein übermäßiges Interesse zuteil wird, und es sei unmöglich, sich der Ge undheit und be onders Politik die Rede ist ' ns
Vereinnahmungen immer ganz bewus t zu ein. Fußball als eine mögliche Störung
des Bewu tseins sei zudem nicht schlimm wenn man berücksichtigt, dass hierbei Meiner Meinung nach hat das Wort torcer mit dem argentinischen Wort hincha zu
auch neue bzw. andere Facetten des gesellschaftlichen Lebens erfasst werden tun. Beide drücken aus, dass die Fans mehr als Unterstützung ausüben. Anatol
könnten. 322 Darüber hinaus bedeute Fußball einerseits die Anerkennung wichtiger Roselfeld gibt eine gute Erklärung dieser umfassenderen Bedeutung des Worts
brasilianischer Tugenden und untergrabe ander eits traditionelle brasilianische torcer:
Untugenden' .
,,Das Zeitwort ,torcer" heißt drehen, winden zwirbeln, krümmen usw. Das
Hauptwort ,torcedor' bezeichnet al o die Verfassung dessen, der, für eine
Als moderner Sport und gerade als Fußballsport untergrabe er eine Logik, die
Mannschaft den Daumen drückend, sich fast alle Glieder verrenkt, in der
immer noch im Alltag Brasiliens gegenwärtig sei und die sich mit einem Beispiel leidenschaftlichen Hoffnung ihres ieges. ehr plastisch wird damit die
erfassen lasse. Man stelle sich ein Gespräch zwischen zwei Teilnehmern Anteilnahme des Zuschauers wiedergegeben der motorisch intensiv mitarbeitet,
unter chiedlicher sozjaler Herkunft vor dann würde für eine erfolgreiche al könnte er durch ein hekti ehe Gebaren zum Erfolg seiner Mannschaft
Einschüchterung des sozial Schwächeren der Satz genügen: „Wissen Sie, mit wem beitragen, was er übrigens als torcida', als Mas e brüllender Fanatiker, wirklich
Sie sprechen? u2J tut.'J20

Fußball kehre diese Logik um, weil er die Leute um ein schlichtes Ritual vereinige Für DaMatta ist Fußball in-sich eine Darstellung der Demokratie, da er Beispiel für
und weil dieses im brasilianischen Kontext als eine Darstellung der demokratischen ein kulturelles Ereignis ist, in dem die Regeln - unabhängig von ethnischen
Modernität figuriert ist. Ursprüngen oder gesellschaftlichen Positionen - universell und jedem bekannt sind.
Dieses Ereignis, anders als in der Politik oder nationalen Wirtschaft, ermögliche
Fußball biete zudem eine der seltenen Gelegenheiten wo die brasilianische Spielern und Zuschauern, bewusst am Spiel teilzunehmen. Sport wird als eine
Gesellschaft sich um ein gewöhnliches Objekt gemeinsam zusammenfindet Demokratieerfahrung eingeschätzt, als ein kulturelles Element, das die
organisiert und auf eine koordinierte Weise handle, die im Kontrast zum Verhalten Modernisierung zum Ausdruck bringe. 327
in den politischen und wirtschaftlichen Sphären der traditionellen Organisationen
stehe. Es wird trotzdem anerkannt, dass dieser Prozess auch ein Verdunkeln der Diesen Gedanken verfolgt DaMatta auch, wenn er die Wahl des Bürgermeisters in
Klassenunterschiede bedeuten kann. Aber bisher hätten weder Kirche noch Staat, Sao Paulo mit dem Fußball in Verbindung bringt und dabei die Überzeugung
weder Wissenschaften noch Militär weder Bourgeoisie noch Proletariat es vertritt Fußball sei ein Verständigungsmodell für soziale und gesellschaftliche
geschafft, Vertrauen für eine gewollte positive Konstruktion der nationalen Dynamik. Es gäbe bei Fußball (und Karneval) statt Entfremdung einen
Identität zu erreichen. 324 Fußball hingegen sei immer noch ein Feld von Sieg und machtvollen Zug zur Hoffnung und Demokratie'. , Die hervorragende Tatsache
Erfolg, an dem alle unterschiedslos und gleichberechtigt teilnehmen können. Indem dieses Wahlprozesses ist, da s, wie in einem großartigen Fußballspiel, alle die
die Massen mitsiegen können, entzündet der Fußball die Faszination und bietet die Ergebnisse der elektronischen Urnen annahrnen.328 Säo Paulo erlebte den
Gelegenheit zur Identifikation. Die Massen hätten die Gelegenheit, mit ihren Clubs
zu siegen.

321 EXP, 90.


322 mA0 , 17.
TB 143-144 326
323
CMH; TB; DaMatta, Roberto. Carmval, Rogues and Heores, aaO. Rosenfeld, Anatol. Fußball in Brasilien, aaO., 51.
mEXP. m AO 17
in Es ~urde in alle Bundesländer Brasiliens zum erstenmal die elektroni ehe Wahl verwendet.
124 125

politisch n Parteienwech el der nur möglich wurde, weil alle die ,Weil er [der Trainer] derjenige ist, der für das Team vernünftigerweise
Wettkampfnorm n re pektierten. 29 verantwortlich i t, hat er vor allem anderen eine enorme Bedeutung. Wie der
Vater der Heiligen (Pai de anto) kann er alle fördern , was Erfolg ermöglicht:
Technik und gutes pielvermögen, physische Kondition und taktische
In diesem Sinn sei d r Fußball mit einen Wettkampfnormen ein Modell der Art,
Antizipation, Überlegenheit anstelle von Unterlegenheit. In unserem Fußball
wie auch gesell chaftlicher Wandel vollzogen werden kann. , So müs en sie von reicht aber ein gute Team nicht aus, denn es braucht auch Glück und ra9a, 334 um
allen geehrt werden von den Besiegten und besonders von den Siegern von denen, zu gewinnen. Rarta, zu der wir als Brasilianer ein positives Verhältnis haben,
die Mandate nur erobert hab n, weil es die e über den Parteien stehende Dimension verweist in die em Kontext über Aspekte wie Willenskraft, Ehrgeiz und tolz
gibt. 30 Diese Erfahrung sollte auf andere Sphären der Gesellschaft ausgeweitet hinaus. Ra9a umfasst hier alle Kompetenzen und Leistungen, die als
werden. 33 t grundlegende • lemente im politi chen piel noch keine Maßstäbe sind."335

.\! i gut \ är e wenn di Leute mit den Herrschern machten was ie mit den Wichtig ist, so DaMatta, die extrem moderne Rolle, die Wettkampf und die
ationalmannschaft trainern machen. Wäre nicht wunderbar, wenn der Gleichheit der Bedingungen spielen. Sie sind als ein Leitmodell für Leistung zu
Gou cm ur einen taatsbilrgerlichen Klap on einem icht nutz aus dem Volk sehen, das leider außerhalb des Sports immer noch durch das in Brasilien viel
erhält? Ich bin sicher, wenn dies mit Politikern möglich wäre, dann würden sie präsentere Modell der persönlichen Beziehungen in den Schatten gestellt wird.
' irklich verant\ ortliche Verwalter ihres Amte und Brasilien würde wieder im
Fußball gewinnen.'·332
, chließlich teilt der Fußbal l die Erfahrung der Gleichheit und der Gerechtigkeit
für die brasilianische Ge eil chaft bereit. Weil er als komplexe und geregelte
Der Vergleich zwischen Nationaltrainer und Präsident mag nur befremdlich how produziert wird, erfüllt sich symbolisch im Fußball, dass der Beste, der
erscheinen wenn man nicht berücksichtigt dass beide in Brasilien eine gigantische Fähigste und am höch ten Bewertete gewinnt, das das Bündnis zwischen Talent
Bedeutung besitzen, auch wenn die Präsidentschaft sicherlich ein Stück weit stabiler und Lei tung unbezweifelt zum ieg führen kann. [...] Während das tägliche
ist als die Position des Nationaltrainers. Der Präsident darf gegenwärtig formal nur Leben uns die Herrschenden so präsentiert, als ob sie ihre tellung nie verlieren
gesetzlich gewechselt werden, während die Ablösung des Trainers von vielfältigen könnten, präsentiert uns Fußball eine how, in der sich Gewinner und Verlierer
Faktoren (Erfolg, Presse usw.) abhängt. fortwährend abwechseln. Es wird so gelernt, dass Ruhm nur durch die
Abwechslung vom Ruhm mö~lich ist - Wechsel als Grundlage von Gleichheit
und moderner Gerechtigkeit.' 0 6
DaMatta assoziiert das Bild des Nationaltrainers mit dem eines Stammespriesters.
Beiden können Ehre und Macht erhalten, aber auch sehr schnell bei einer
Es wird zudem die Meinung vertreten, es sei nicht problematisch, den Kapitalismus
schmachvollen Niederlage getötet werden. Bei einer Niederlage und im Unglück
zu haben, schlimm sei die Vermischung von Modernität mit alten bzw. kolonialen
können sie vernichtet werden. 333
Werten. Dies überrascht umso mehr, als DaMatta an anderer Stelle traditionelle
brasilianische Werte und Gewohnheiten sehr hoch bewertet, insbesondere im
Vergleich mit den Werten der nordamerikanischen Gesellschaft. Es ist aber dieses
Mosaik, dessen Bausteine sehr frei gewählt und manchmal unterschiedlich
interpretiert werden, mit dem DaMatta das Risiko und den Versuch unternimmt,
129
DaMatta, Roberto. http:/fwww.jt.eom.br/colunistas/matta/2000/J l/matta001105.html (18/0112001).
110
DaMatta, Roberto. http:/fwww.jt.eom.br/colunistas/matta/2000/I l/mattaOOl l 05.html (18/01/2001).
m Die Auffassungen von DaMatta werden spater diskutiert. Man muss sich aber vor Augen halten, wie
fragwordiges ist, den Sport allgemein und besonders den Fußball als Modell fllr Demokratie zu nehmen. JJIRa~a bedeutet Rasse, wörtlich Ubersetzt. Das Wort wird aber anders verwendet. eine Bedeutung ist
Einerseits, weil die Beziehungen und Verhaltensmuster vom Fußball auf die Gesellschaft nicht hier eine Mischung von Lust Mut, Optimismus und Opfergeist.
übertragbar sind. Anderseits, weil Sport nicht betrachtet werden darf, ohne seine Verflechtung mit der mTB 44
borgerlichen Gesellschaft zu klären. Sport ist kein gesellschaftlicher Freiraum. DaMatta erkennt diesen JJ6 Ao, ri.
Punkt, aber seine Lösung ist noch tragwordiger: beim Sport könnte man verlieren, ohne seine Ehre zu
beschadigen. Wenn wir den Sport als Element der bürgerlichen Gesellschaft betrachten, dann stellt sich
nicht die Frage der Ehre, sondern der Ausbeutung und des Überlebens.
mTB 23
m EXr,
99-100.
126

eine eigene theoretische Form zu finden mit der Brasilien besser ver tanden
soll. Werden 4. THEORETI HE ORIENTIER G UNO VERLA F FORME

4.1.DRAMA D KO FIGURATION

„ Überraschenden veise gibt es in bezug aef die Beziehung


zwischen Sport und Gesellschaft eine Paralleliltit zwischen
meinen Ideen und denen von Norbert Elias. Aber Elias ist
Deutscher, und ich bin Brasilianer. Daher spricht man
immer von Elias. Wenn Sie j emand zitieren müssen,
en vtihnen Sie Eltas. " Roberto DaMal/a, Uma
Antropologia da Sociedade Brasileira, 1998.

Norbert Elias zeigte, dass port ein wichtiger Teil im Prozess der Zivilisation ist,
weil er die Emotionen und Affekte beschwichtigt, gewaltförmige Manifestationen
unter Kontrolle bringt und die Verinnerlichung von Disziplin verlangt, das heißt,
den gesellschaftlichen Zwang zum elbstzwang einübt als eine notwendige
Bedingung für eine Differenzierung der Gesellschaft. Dem entspricht die
Herausbildung fester und stabiler Zentralorgane des Staates, die ihrerseits das
Monopol über körperliche Gewalt und über die Steuereinnahmen besitzen.

Sport sei, so Elias, ein Au druck dieses Prozesses und hätte insofern seine
zivilisierende Rolle in der modernen Gesellschaft. Mit Eric Dunning und anderen
hat er in diesem Zusammenhang nachgewiesen, dass der Fußball und andere
portarten diese Rolle zunächst innerhalb der gesellschaftlichen und politischen
Struktur Englands spielen konnte.

Es ist möglich, eine theoretische Konzeption bei DaMatta zu erkennen, die zu


ähnlichen Ergebnisse führt, obwohl er auf den gleichen Generalisierungsanspruch
verzichtet, der für die Theorie des Prozesses der Zivilisation kennzeichnend ist.
DaMatta interessiert sich für die Besonderheiten von Brasilien, die Dilemmata und
Paradoxien, welche die brasilianische Identität bilden. Sport ist hierbei, das gleiche
gilt für die Theoriebildung von Elias, nur ein Thema unter anderen, eingebettet in
Arbeiten zu Themen wie Zeit und Tod. 337

Für DaMatta spielt Sport und besonders Fußball aber sicherlich eine überragende
Rolle im Prozess der Zivilisation der brasilianischen Gesellschaft. Hierauf
verweisen die eben referierten Funktionen und Wirkungen, die DaMatta dem
Fußball für die brasilianische Zivilisation zu pricht. Fußball symbolisiert hierbei für
ihn spiegelbildlich auch die komplexere Ordnungsform moderner Zivilisationen.
Anders als in den alten Gesellschaften wird Ungleichheit nicht zur Norm und

111
Vgl. CR; Elias, orbert. Die Einsamkeit des Sterbenden, a.a.O.; Elias, orbert. Ober die Zeil.
Frankfurt am Main: uhrkamp, 1984.
II
128 129

Konflikte, Entscheidungen über ieg und Niederlage werden - wie im Sport- rnit Elias hilft der Sport das Gleichgewicht der pannungen beizubehalten die durch die
Regeln und nicht mehr ungezügelt mit Blut und Mord ausgetragen. Im Sport werde wachsende Verinnerlichung on Regeln und durch äuß re Z\! änge zum Schutz
die e moderne Fonn der Konfliktaustragung dramatisiert und inszeniert. olche gegen körperliche Gewalt entstehen können: mit anderen Worten, erschiedene
Uneinigkeiten sind jetzt nicht nur institutionalisiert sondern auch geplant und Emotionen - die im täglichen Leben oft gefiihrlich und/oder erboten sind - und
programmiert um eine gute Show zu produzieren.338 deren Regulierung. Sport drücke hierbei mimeti eh au " as die G ellschaft
darstelle und was für sie unverzichtbar sei. Hierzu gehöre die imulation und
Anders als Elia bindet DaMatta Modernität an den Kapitalismus was ihn zwingt, Dramatisierung des Kampfes, dessen Machtbalance unter Kontrolle stehen muss
über Ideologie und Entfremdung nachzudenken; weil nicht zu über eben ist dass um die Katharsis zu erreichen. Wie bereits gezeigt ist dieses theoretische chema
die Vorspiegelung von Chancengleichheit zum Machtspiel gehört und damit die widersprüchlich und lässt wichtige Fragen offen.
soziale Gleichheit illusionär ist.
Bei DaMatta erscheint Sport ebenfalls als Mittel zur Herstellung eines
Als Problem könnte man ielleicht feststellen , dass das Drama, als bleibende und Gleichgewichtes und auch die zivilisatorische Bedeutung der Regeln wird von ihm
wiederholende Struktur eine Verständnisfonn der komplexen modernen besonders hervorgehoben. Aber anders als bei Elias sind für ihn nicht nur die
gesellschaftlichen Figurationen ist. unmittelbar für die Kontrolle der Triebbefriedigung erstellten Regeln und Strukturen
bei der portausübung wichtig. Ihn interessiert gleichfalls, wie der Sport organisiert
DaMatta und Elias nähern sich an, indem beide die Struktur für wichtig halten. und interpretiert wird, vor allen der Fußball in Brasilien, da er Raum für
DaMatta interessiert sich für das was verbleibt für die Ähnlichkeiten unter den Identitätsaussagen und gesellschaftliche Kohäsion lässt. DaMatta berücksichtigt
gesellschaftlichen Phänomenen wie zum Beispiel den Karneval, der als einziges jedoch hierbei nicht, wie vorher schon ausgeführt wurde, dass damit keinesfalls die
Fest untersucht wird, trotz der bedeutungsvollen Unterschiede in seinen regionalen gesamte gesellschaftliche Organisation erfasst werden kann.
Manifestationen. 339
Für DaMatta hat der universelle Fußballsport in Brasilien nicht nur eine „typische '
Bei Elias ist die Struktur auch wichtig, aber in einem etwas anderen Sinn als für Ausprägung, er ist gleichsam wie ein eigenes Universum dessen Fundament
DaMatta, für den das gesellschaftJiche Drama ein synthetisches Moment des insbesondere die spielerischen Formen darstellen. ln ihnen wird eine Form von
täglichen Lebens darstellt, das dieses gleichzeitig problematisiert, enthüllt und Modernisierung vereint, in der Technik und Taktik sich mit ma/andragem
verdeckt. Die Figurationen sind die Ausgangspunkte für die methodologischen verbindet in der Konkurrenzgeist und Rücksicht auf die Regeln symbolisch zum
Analysen von Elias. Sie sind verbleibende Strukturen in der sich steigernden Ausdruck gebracht werden und mit deren Hilfe nationale Identität und
Komplexität der Gesellschaft. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Menschen gesellschaftliche Kohäsion gefördert ' erden. Deshalb hat der Fußball - seiner
Außenzwänge verinnerlichen, damit die Gewalt und der psychologische Apparat Auffassung nach - eine entscheidend Bedeutun für die odemisierung der
zunehmend unter Kontrolle gelangen. Sowohl die gesellschaftliche Struktur als auch brasilianischen Gesellscbafl Im Fußball z.ei_e i h modellartig und wie eine
die entsprechende Triebmodellierung werden weder rational vorgeplant noch positive Metapher als Drama inszeniert. ·e ti.zipation einer schöneren und
irrational durchgesetzt. Nach Elias hat der Zivilisationsprozess dennoch eine harmonischeren Gesellschaft on ~ · bürgem. in deren Leben neben
vernünftige Richtung die aber von niemandem vorhergeplant wurde. Elias zufolge piel und Kunst au h Le' _ ' ompetenz Platz haben. Gegem ärtig
leitet dieser nicht vorgeplante aber beobachtbarer Prozess seit je die stelle sich im port aber eher nur orsc ein gesellschaftli her Möglichkeiten
gesellschaftliche Dynamik. und nicht - wie in England ·on Elias und Dwming dargestellt - bereits die
Übereinstimmung mit gesellschaftli er · lichkeit und Entwicklung zur Modeme
Der Hauptunterschied zwischen beiden Theoretikern lässt sich vielleicht am dar; zumindest auf den politischen Berei h bezogen bilde der port in Brasilien
Beispiel der Besonderheit der brasilianischer Gesellschaft verdeutlichen. Die hierzu eher einen Kontrastberei h .
Zivilisationsart und das Modernitätsprädikat haben bei DaMatta ein spezifisches
Gewicht. Es sind Aspekte, die der Machtbalance von Norbert Elias ähneln. Nach

338
AO 14
339
CMH, i99-200.
130
131
4.2 DER F ßBALL ND EINE WUNDER: ,ALS OB FUßBALL W,-t°RE, WAS WIR anderer Stelle spricht DaMatta auch von ,Wundern' im Fußball mit deren Hilfe
VO IHM WOLLTE " man chaffie der ieger ,[ ... ] zu sein und zu erreichen, was wir wollten, dass es
sosem. wurde. '3 44
''Jch verstehe die Qualifi=ienmg für die Welt111eis1erschafl
als ein Symbol dafiir, dass Brasilien aiif dem nchtigen Weg
ist. Die Qualifizierung wird uns, unsere An und Weise DaMatta wünscht eine moderne Ge ell chaft, in der die Regeln universell sind
stärken, denn sie ist aus unserem Selbstbewusstsein gleichzeitig verteidigt er aber my tische Inhalte von Wirklichkeitsbewältigungen.
entstanden. Dieser Erfolg ist nicht die Folge 11a111er und Dies ist sicherlich eine entscheidende chwachstelle in seinen Ausführungen und
kolonialer Anpassungen an das Ausland." Rober10 DaMatta,
Torrede Babel, 1995.
Interpretationen. Seine Versöhnung von moderner Rationali~t mit ~~sti~chem
Aberglauben und eine tilisierung dieser Versöhnung zu emer bras1han1schen
Es erscheint naiv und übertrieben, wenn DaMatta eine derart enge Verbindung von Identität ist genauso fragwürdig wie seine unkritische Position zum
nationaler Identität und brasiliani ehern Fußball herstellt. Es klingt auch übertrieben Hochleistungssport und zu den Wissenschaften. Wenn der Erfolg im Fußball, den er
und ist sogar unlogi eh, wenn behauptet wird, dass der Fußball ein. Baro.meter für als ein konstitutives Element der Entwicklung einer modernen brasilianischen
die brasilianische Gesellschaft sei dass wenn schlecht Fußball gespielt wird etwas Gesellschaft ansieht, sich als Folge on Pech, Glück, chicksa! und Wunder
mit der Gesellschaft als Ganzer nicht stimme.3-1° Augenscheinlich wird dieser herstellt und diese Elemente sich problemlos mit modernen
Funktionswissenschaften verbinden lassen dann wird eigentlich nur deutlich, dass
Fehlschluss wenn man die Umkehrung macht und überprüft, ob es der
Modeme ein geführliches unabwägbares und/oder technologisches Unterfangen ist.
brasilianischen Gesellschaft gut gehe, wenn hervorragend Fußball gespielt wird.
Aber das kann nicht der Höhepunkt wissenschaftlicher Erkenntnis sein und was soll
Zuminde t 1970 zur Zeit der Militärdiktatur, als die Weltmeisterschaft gewonnen
erst ein Brasilianer erkennen, wenn er sich vermittels Fußball selber sieht? Im
wurde war dies nicht der Fall.
brasilianischen Fußball einen piegel seiner selbst zu sehen, kann doch nicht
bedeuten, dass man bei reflektierender Spiegelung einer selbst wieder an die
Es hat den Eindruck als ob DaMatta in seiner Analyse des Fußballs stellenweise
alleinige und glücksbringende Macht von Naturwissenschaft und chicksal gla~bt.
Mythos und mythologische Elemente in den Rang einer Theorie. erhebt. ..Sein Einsichtiger erscheint da die Erkenntnis dass, wer an Glück und Pech glaubt, sich
essayistischer Stil und seine Arbeitsweise als Anthropologe und Chroms! verstar~en dem Mythos und damit einem mächtigen Schicksal unterordnet. 345
diesen Eindruck und manchmal scheint er dies selbst so zu sehen, wenn er seine
„schwierigen Beziehungen zu dieser Schweinerei,_ die Real~t~t. heißt''34 1 (DaMa~a,
Genauso problematisch, weil beliebig, ist seine Gleichsetzung . von
I998a), anspricht, oder wenn er den Postmodermsmus kntis1ert: „Das Gute im
Entwicklungstendenzen im Fußball mit politischen Ereignissen, die er gerne seme_m
Postmodernismus ist überhaupt nicht neu. Ich habe immer gewusst, dass
eigenen Favoriten zugute kommen lässt. So wurde an . f!überer ~teile bere1~
Anthropologie keine Wissenschaft ist. Man beobachtet, was m'.1'1 will: D~ber dargestellt, wie er die - seiner Meinung nach - pos1t1ve Entwtc~lun? (d1~
hinaus, stillistisch zu schreiben ein Leitmotiv des Postmodernismus, ist nnmer
. h. erfolgreiche Verschmelzung von Tradition und Modeme) im Fußba_U Jeweils ~1t
wie tig gewesen. '342 den von ihm geschätzten politischen Ereignissen, z.B. den Bürgermeisterwahlen m
ao Paulo oder der Wahl von Henrique Cardoso zum brasilianischen Präsidenten,
In den Beschreibungen gesellschaftlichen Lebens finden sich bei DaMatta h.äufiger verbindet. 346
allegorische Elemente. Diese werden insbesondere verwendet, we?-? vo~ nat1ona~en
und auch eigenen Wünschen bzw. Emotionen in Bezug au~ Bras1he~ . die Re~e ist Zu erinnern ist auch an seine Beurteilung der im Fußball bzw. Hochleistungssport
Hierbei treten fast religiöse Züge auf: , Und wenn vom Sieg Brasiliens benchtet verankerten gesellschaftlichen Werte Konkurrenz und Überbietung. Für DaMatta
· als Nachricht
wird, wird dieser nicht · verstanden, son dem a1s em . ben.'.3 43 An
. Vorze1c
sind dies Grundwerte und Entwicklungsbedingungen einer modernen Gesellschaft
die den Unterschied von moderner Demokratie zur feudaler Vergangenheit, von
wiTB,22.
m DaMatta, Roberto. Uma antropologia da sociedade brasileira: enttevista com Roberto OaMalta
Curitiba, Rev1s1a de Sociologia e Politica. n. 10 e 11 , 1998, . 195-211 . (Interview an Lanna, Marcos und lll EXP, 90; TB, 156.
de Moraes, Pedro Rodolfo Bode), Zitat S. 198. lls Vgl. DA, besonders S 61 ff.
342
OaMatta, Roberto. Uma antropologia da sociedade brasileira, a.aO., 199. lAI TB, 170, 173, 178, 202; Rocha, Everardo. As in enyöe do cotidiano, aaO.; Fatheuer, Thomas. Das
341
TB, 37. Vaterland der Fußballschuhe, o z., besonders S. 32.
132 133

demokratischem Wettbewerb unter gleichen Regeln zum konkurrenzlosen Zustand dass diese Betrachtung nur eine Medaillenseite in Form linearer Einfachheit zeigt,
fester sozialer Hierarchi n ausmachen und Entwicklung erst em1öglichen.347 aber keine dialektische Klarheit bedeutet.

Leistungsprinzip und Konkurrenz können - besonders historisch betrachtet - als So ist auch anzumahnen, dass DaMatta mit dieser seiner Betrachtungsweise allzu
Entwicklungsbedingungen und als Motor von Veränderung angesehen, geregelte häufig weit verbreitete Mythologien über Brasilien, mit denen beispielsweise die
Konkurrenz als Moment von Gleichheit bewertet werden aber die Gleichsetzung Vorstellung verbreitet wird das Land sei friedlich und nicht gewalttätig, eher
mit sozialer Gerechtigkeit und gleichen sozialen Chancen wirkt wie ein Wunschbild verstärkt, als dass er über sie und Brasilien - wie es sein Anspruch ist - aufklärt. Die
nach nordanlerikanischem Vorbild. Den Wunsch zur Wirklichkeit zu erklären, birgt blutige Landesgeschichte die lange Zeit der klaverei, die Militärdiktatur, die
aber die Gefahr Wirklichkeit zu verschleiern und damit wieder in ihrem Zustand staatliche Gewalt gegen die Landlosen sind nur einige Beispiele für die ideologische
zu belassen. Klarheit zu schaffen und hierdurch Veränderung zu bewirken sollte Dimension in den Ausführungen von DaMatta. Immer wieder gerät DaMatta in den
aber Aufgabe wissenschaftlichen Arbeitens und Reflektierens sein. Sog von „mythologischen lnterpretationsschemata",350 die definitorisch Gewalt,
Rassismus, kras e soziale Ungleichheit ausschließen, obwohl sein Reichtum an
Es ist einsichtig, dass Fußball und andere Sportarten als Mittel für nationale konkreten Beschreibungen (oft gegen seine Intentionen) andere Deutungen
Identifikation dienen können. Aber es ist eine einseitig und verkürzte Sicht, wenn geradezu herausfordern· nicht zuletzt Deutungen in der Tradition der Kritischen
dies nur als zivilisatorische Bewusstwerdung in Richtung auf eine demokratische Theorie!
moderne Gesellschaft gesehen wird. Auch das Gegenteil, eine Abkehr von
Bewusstheit und von Selbstbewusstsein, die Ideologisierung ist möglich, wenn Die bei DaMatta fehlende ideologiekritische chärfe führt auf Verdienste zurück,
beispielsweise nationale Identifikation zu fremdenfeindlichen oder rassistischen die den Arbeiten der Neuen Linken" zukommen. Hier wird scharfsichtig die
Manifestationen führen und das Ich, die individuelle, mit Bewusstsein verhaftete Kehrseite der Medaille, die Problematik von im Sport verankerten
Persönlichkeit sich letztlich in der Verantwortungslosigkeit einer emotionalisierten gesellschaftlichen Normen wie Konkurrenz und Überbietung aufgezeigt. Sie
Masse auflöst. Diese Kehrseiten mimetischer Handlungen zeigen die Abkehr von verweisen auf die bei DaMatta vernachlässigte Sichtweise, indem sie Entfremdung
Humanität und die Geführdung von Demokratie durch die Aufgabe von und Instrumentalisierung von Körper und Bewegung thematisieren und in den
Individualität. „Menschen, die blind in die Kollektive sich einordnen, machen sich Vordergrund ihrer Betrachtung stellen.
selber schon zu etwas wie Material, löschen sich als selbstbestirnmte Wesen aus.
Dazu paßt die Bereitschaft, andere als amorphe Masse zu behandeln."348 Wie schon gesagt, haben auch diese Kritiker die Diskussionen in Brasilien auf
unterschiedliche Art und in verschiedenen Ausprägungen beeinflusst. DaMattas
DaMatta möchte ein kritischer Betrachter der brasilianischen Entwicklung sein und Standpunkt in dieser Debatte ist, die Theorie der Entfremdung durch Sport müsse
verharmlost doch zu oft das, was einer kritischen Sichtweise bedarf. Für ihn ist es nicht aufgegeben werden aber sie sei eine elitäre ichtweise weil sie der populären
besser, in einem Land zu sein das durch den Fußball und den Karneval geprägt Kultur voreingenommen und abweisend gegenüberstehe. Eine völlige Ablehnung
wird, als in einem Land, das durch Revolutionen und Kriege geht, die Gewalt seinerseits findet aber die These der Kritiker Sport entpersonalisiere den Menschen·
ausüben und menschliches Leben vemichten. 349 für DaMatta ist die Umkehrung gerade das, was richtig ist: das Individuum verliere
sich durch Sport nicht in einer universellen Fungibilität, sondern, ganz im
Mutatis mutantis sei es besser, Sport auszuüben, damit Konflikte dramatisiert Gegenteil er erlaube ihm Person zu werden.351
werden können und damit es möglich sei, mit Ehre zu verlieren und zu gewinnen.
Eine Sichtweise, die auch von Elias vertreten wird und der man auf dem ersten Auch diese ldeali ierung von Individualisierung und Personalisierung durch Sport
Blick nicht widersprechen möchte. Sie hebt eine Seite von Sport hervor, die man - entsteht durch eine achlässigkeit, die den euen Linken nicht vorgeworfen
wenn es denn so einfach wäre, Kriege durch Sport zu ersetzen zu sympathisch werden kann: DaMatta übersieht bzw. ihn interessiert nicht die herrschende Macht
findet, als dass man sie hinterfragen oder weiterdenken möchte. Man übersähe aber,

m AO 12 1
'° Chaui, Marilena. Politische Kultur und Kulturp0l itik. a.a.O„ bes.
. 188-194.
m EA: 68j_ 111
Vgl. Lenk, l lans. „Manipulation" oder „Emanzipation" im Leistungssport? Die Entfremdungsthesc
49
) ES, 22; AO, 144-145. und das Selbst des Athleten, a.a.O.
135

134 . d die Geschichte Brasiliens kritisch


. . hilft so nicht, dte Kultur un
der Kulturindustrie die sich sowohl die ,populäre ' als auch die ,elitäre" Kultur als Wirklichkeit ausgibt,. u· 1 .chheiten aufzuheben.
zu verstehen und soziale ng et
Massenkultur zu eigen macht.

Insgesamt betrachtet ignoriert DaMatta fast alle Probleme die durch die
ideologiekritische Analyse der ,Neuen Linken deutlicher zum Vorschein kommen.
Sei es die Entpersonalisierung des Zuschauers in der Masse, der Warencharakter
von reproduzierbaren und fonnbaren Handlungen im Sport, die Priorität von
Effizienz und Erfolg gegenüber dem Erlebnis und der individuellen Bedeutung oder
die Funktionalisierung des Sports durch Wissenschaft. DaMatta unterschlägt
Aspekte wie Mechanisierung und Instrumentalisierung des Körpers und die
Austauschbarkeit der Athleten untereinander. Im Widerspruch hierzu steht, mit
welcher Genauigkeit DaMatta gelegentlich auch an Marx erinnernd, auf die
symbolische Macht des Geldes verweist und mit welcher Genauigkeit er sich der
Erforschung dieses Symbols in seiner Verbindung mit dem Fetischismus
352
widmet.

Was die Einschätzung des Fußballs anbetrifft, wirkt Da Matta wie ein Anhänger von
Schalke 04 oder Borussia Dortmund. Die Liebe zum Spiel (bei DaMatta zur
brasilianischen Fußballkunst) und die Hinwendung zu einem Verein (bei DaMatta
zur brasilianischen Nationalität) führt zu Idealisierungen und zur Übernahme, aber
nicht zum konsequenten und schonungslosen Hinterfragen von Mythen. So werden
Mythen beibehalten und nur so können Schalker und Dortmunder weiter an ihren
Arbeiterverein glauben und die Kulturindustrie diese Illusion profitträchtig
vermarkten. Wenn kümmert dann noch der kleine Widerspruch, dass in Dortmund
fast die Hälfte der Mannschaft aus Brasilianern besteht, die wiederum, - das dürfte
DaMatta freuen - zu den besten, künstlerischsten „Dortmunder" Spieler gehören.

Unwidersprochen bleibt damit, dass Mythologien selbstverständlich ernst


genommen werden müssen, weil sie Erklärungsmodell für gelebtes Leben und für
Versuche von WirkJ ichkeitsbewältigung sind und als solche erforscht werden
müssen. Mythologien ernst nehmen, heißt aber nicht, die ihnen innewohnenden
Klischees und Vereinfachungen bei der Realitätswahrnehmung zu übernehmen.
Dies führt nicht zur Aufklärung und Veränderung, sondern zur Verschleierung und
Fixierung von gesellschaftlicher Wirklichkeit. DaMatta möchte Veränderung für
Brasilien. Seine Zielvorstellungen sind national, demokratisch und humanistisch.
Seine Methode wird dem aber nur selten gerecht, manchmal erscheint sie geradezu
kontraproduktiv. Konkret auf den Punkt gebracht: wer Klischees über Brasilien wie
die, dass das Land ,,kreativ', „friedlich" und „rassendemokratisch" sei, für

m DaMatta, Roberta. Entrevista com Roberta DaMatta, a.a.0., 98.


137

doch keinen Gott. Vertretbarkeit schlägt um in universale Fungibilität. Ein Atom


B ILANZ UND P ERSPEKTIVE wird nicht in Stellvertretung sondern als Spezimen der Materie zertrümmert, und
das Kaninchen geht nicht in Stellvertretung sondern verkannt als bloßes Exemplar
1 durch die Passion des Laboratoriums. Weil in der funktionalen Wissenschaft die
Unterschiede so flüssig sind, daß alles in der einen Materie untergeht, versteinert
Wenn man eine kritische Sportanalyse aus der Perspektive von Horkheimer und der wissenschaftliche Gegenstand und das starre Ritual von ehedem erscheint als
Adorno unternehmen will, muss man sich zuerst mit dem Thema der schmiegsam, das es dem Einen noch das Andere unterschob. Die Welt der Magie
enthielt noch Unterschiede, deren Spuren selbst in der Sprachform verschwunden
Naturbeherrschung bzw. der Körperbeherrschung befassen. Die Idee eines
sind. Die mannigfaltigen Affinitäten zwischen Seiendem werden von der einen
beherrschbaren Körpers kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Spaltung Beziehung zwischen sinngebendem Subjekt und sinnlosem Gegenstand, zwischen
zwischen Subjekt und Objekt, Geist und Körper, Kultur und Natur, als reale rationaler Bedeutung und zufiilligem Bedeutungsträger verdrängt" 354
Möglichkeit unterstellt wird. Diese strenge Spaltung ist gleichzeitig Voraussetzung
und Ergebnis des Zivilisationsprozesses der Subjektbildung des aufgeklärten Zu den Paradoxien bzw. zu dieser Konstellation der Objektivierung gehört auch der
Menschen. Horkheimer und Adorno betrachten diesen Prozess weder unkritisch Sport. Beim Sport ist die Körperbeherrschung selbstverständlich eine absolute und
noch undialektisch: Die Spaltung von Subjekt und Natur ist schmerzhaft, weil der unverzichtbare Voraussetzung, die mit Hilfe naturwissenschaftlicher Verfahren
Mensch, als Naturwesen, sich aufopfern muss, um sich selbst zu beherrschen, um vollzogen wird. Man kann kaum über Leistungssport nachdenken, obne die
sich aus Natur und ihrer Blindheit zu befreien. Zugleich wird er sich durch diesen Körperbeherrschung und Objektivierung des menschlichen Körpers als
Prozess selbst fremd , er erlebt eine Entfremdung. Diese Entfremdung bedeutet im Leistungsorgan mitzudenken. Gute Beispiele hierfür sind, wie oben dargestellt
Kern eine Entfremdung von sich selbst: fremd wird ihm seine menschliche Natur, wurde, sowohl die Trainingsprinzipien und die darauf aufbauenden Methoden als
sein Lebendigsein als Mensch - ,,Der Mythos geht in die Aufklärung über und die auch die Dopingproblematik.
Natur in bloße Objektivität. Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht
mit der Entfremdung von dem, worüber sie die Macht ausüben. Die Aufklärung Problematisch ist aber, dass diese Trennung in ein und demselben Menschen
verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern zusammentrifft, d.h. man muss sich selber auf ein ,,reines" Naturding reduzieren,
er sie manipulieren kann." 353 Wissenschaft will die blinde Natur entzaubern. um sich einem Training unterwerfen zu können . Diese Reduzierung des Körpers ist
Deshalb ist der Körper nicht mehr durch Zauber bestimmt und die Behandlung des raffiniert. Sowohl die Medizin als auch die Trainingswissenschaften betrachten den
Körpers ist immer weniger die Aufgabe eines Magiers, sondern eines Arztes bzw. Körper als physiologisches Objekt, das durch bestimmte Techniken behandelt
eines Schönheitschirurgen, eines Biologen, eines Sporttrainers, eines Personal- werden muss. Der Körper wird durch den Sport technologisiert. Der Sportkörper
Trainers, eines Ernährungswissenschaftlers. In der wissenschaftlichen Zurichtung kann nicht nur gleichsam als Maschine betrachtet werden, sondern er vermischt
wird das Lebendige abstrakt, unspezifisch und austauschbar, sei es als Leiche, als sich mit ihr, insoweit er ihre Strukturen annimmt, und die Differenzen von beiden
Arbeiter oder als Athlet, denn in den Naturwissenschaften werden die Dinge verschwinden mehr und mehr. Schlagartig wird die Strukturübertragung sichtbar,
allgemein, abstrakt und fungibel. wenn physikalische Messverfahren, die an Maschinen erprobt sind, auf den Sportler
übertragen werden. Äußerst realitätsgerecht formuliert Trebels:
, fn der Magie gibt es spezifische Vertretbarkeit. Was dem Speer des Feindes,
seinem Haar, seinem Namen geschieht, werde zugleich der Person angetan, „Der sportliche Wettkampf weist somit Strukturen auf, die analog zu denen einer
anstelle des Gottes wird das Opfertier massakriert. Die Substitution beim Opfer Materialprilfung stehen, etwa einer Druckprobe für Beton oder einer Zugprobe für
bezeichnet einen Schritt zur diskursiven Logik hin. Wenn auch die Hirschkuh, die Stahlseile. Damit stellt sich die Forderung nach möglichst genauer Messung, um
für Tochter, das Lamm, das für den Erstgeborenen darzubringen war, noch eigene auch kleinste Unterschiede möglichst exakt zu erfassen. So gewinnen die
Qualitäten haben mußten, stellten sie doch bereits die Gattung vor. Sie trugen die gemessenen Werte Objektivität und erlauben den Vergleich untereinander. Im
Beliebigkeit des Exemplars in sich. Aber die Heiligkeit des hie et nunc, die
Einmaligkeit des Erwählten, in die das Stellvertretende eingeht, unterscheidet es
radikal, macht es im Austausch unaustauschbar. Dem bereitet die Wissenschaft
ein Ende. ln ihr gibt es keine spezifische Vertretbarkeit: wenn schon Opfertiere so

3
s.1 DA, 26-27.
m DA, 25. Vgl. auch DA, 268; Adorno, Theodor W. Zu Subjekt und Objekt. A. o. 0 ., 742
138 139
Rückgriff auf die erhobenen Me swerte wird die Frage nach dem Besten ,Oberhaupt wäre in der Schule dem Problem des Ausschließenden nachzugehen
beantwortbar.''m der Bildung besonderer Gruppen und Cliquen, die fast stets dadurch
zusammengehalten werden, daß sie gegen irgendwelche anderen sich richten, die
Die charfe Kritik on Horkheimer und Adorno betreffen noch zwei weitere Punkte. nicht mitmachen dürfen.[... ) Die truktur der Cliquen-Bildung in der chule
Der erste betrifft die unmittelbare und irrationale Anpassung, die bei insgesamt ist ein chlilssel-Phänomen. Wie in einem Mikrokosmos bildet sich
portzu cbauern auf der Tribune beobachtet werden kann. ie nähern sich in ihrem dann die Problematik der ganzen Gesell chaft ab. Offensichtlich entsprechen die
Verhalten der Gewalt primiti er Horden an und ritualisiert gleichen sie sich den Cliquen einer Art geheimer Hierarchie, die der offiziellen chul-Hierarchie, die
portidolen an. In der Kulturindustrie herrscht die Verdinglichung des Bewusstsein, an der Leistung gemes en wird, entgegengesetzt ist. In ihr werden ganz andere
Qualitäten - physi ehe Kraft, eine bestimmte Art von Geschicklichkeit und
die Beschädigung des Ichs und die Herstellung von falschen' Bedürfuissen, die
ähnliches - honoriert, die sonst zu kurz kommen."3s7
entweder in Sporthallen oder vor dem Fernseher scheinbar befriedigt werden
können.
Zu dem Verfahren dieser Entbarbarisierung gehört so Adorno, auch der Sport,
dessen dialektische Doppeldeutigkeit schon von ihm betont wurde. 3s8 Adornos
Der zweite Kritikpunkt von Horkheimer und Adorno wurde von der Sportkritik der
Gesprächspartner Helmut Becker hatte kritisiert dass viele Lehrer den
Neuen Linken der 60er und 70er Jahre mehr oder weniger übernommen. lhre
Wettbewerbsgedanken als entscheidenden Hebel für eine Erziehung zur
wichtigsten und anspruchsvollsten Repräsentanten haben vor allem den
Leistungssteigerung benutzt hätten. Als Antwort verweist er darauf,
Warencharakter des Sports systematisch erforscht und die Kritik weiterentwickelt.
„[ ...) daß man den Menschen abgewöhnt, die Ellenbogen zu gebrauchen. Und der
ich die Kritik von Horkheimer und Adorno zuspitzen Gebrauch von Ellenbogen ist ohne alle Frage ein Ausdruck von Barbarei. Im
der e eil chaft, d.h. die Tatsache, dass der Sport als englischen Erziehung ystem - so wenig einem jenes Moment des Konformismus
Mud •II 1111 v 1 h1 ·d ·11 • 'Cll chaflliche phären (Politik, Kunst, Erziehung, behagen mag, das darin liegt, daß man dort so brillant sein soll, was ja wirklich
11111111) Wll~ n '. nd r, wichtig i t die Reflexion dieser Überdehnung des keine schöne, sondern eine im Grunde geistfeindliche Maxime ist - steckt
. 1x 11~. \' nn untcr:.I •III wird, der port sei im Zusammenhang von Erziehung und jedenfalls in der Idee von fair play etwas davon drin, daß das losgelassene
nkampf eine wirk mne Vorbereitung auf das Leben. Wettbewerbsmotiv etwas Antihumane hat, und insofern müßte man aus dem
englischen Bildungsideal sinnvoller Weise die Skepsis gegen den gesunden
„Ich bin völlig der Ansicht, daß der Wettbewerb ein im Grunde einer humanen Erfolgswillen Ubernehmen."359
rziehung entgegengesetztes Prinzip ist. Ich glaube im übrigen auch, daß ein
Unterricht, der sich in humanen Formen abspielt, keineswegs darauf hinausläuft, Das Thema müsste weiter entfaltet werden. Trotzdem werde ich vorher einen
den Wettbewerbsinstinkt zu kräftigen. Damit kann man allenfalls Sportler kleinen Überblick über die Thesen zum Sport von Elias und Dunning sowie von
erziehen, aber keine entbarbarisierten Menschen."356 DaMatta geben, um weitere Affinitäten mit und weitere Distanzierungen von
Adorno deutlich zu machen.
Die Sorge der Barbarei zu widerstehen, war für Adorno eine zentrale Aufgabe der
Erziehung, und Z\ ar nicht nur die schulichen sondern der gesellschaft)jchen. Mit 2
Him i auf den Autoritären Charalaer identifizierte Adorno einen Zusammenhang
•h ·n p rt. walt und Männlichkeit, der on einer kritischen Erziehung Elias' Analyse über den Prozeß der Zivilisation gebt von einem ungeplanten, aber
1 l\\ ·nmu". nicht irrationalen Vergesellschaftungsgeschehen aus. Die Staatsbildung differenziert
sich mit der Monopolisierung und Zentralisierung von Abgaben und mit der
'11 II lkler. mit V rurteiJen war für Adorno ein Verwandlung von körperlicher Gewalt in Selbstkontrolle weiter aus. Hier bringen
rzi hun :

m Adorno, Theodor W. (196211964) Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute. AG 20-1, S. 361-383,
Zitat 375-376. In Moment leite ich in Brasilien ein Forschungsprojel.."1 in einer öffentlichen Schule,
und Fair Play. Ln: Franke u. a. Ethik im dessen erste Ergebnisse den Hinweisen ehr ähnlich von Adorno sind.
158
Vgl. EA, 681 ; vgl. auch den ersten Teil dieser Arbeit.
m EE, 133.
140 14 1

sich Änlichkeiten mit dem Gewaltmonopol des Staates bei Weber, beziehungsweise have many of the characteristics attributed by Adorno and his colleagues to ,the
was die Selbtskontrolle auftrifft mit der Beherrschung des Trieblebens im Sinne authoritarian personal ity '. " 360
von Freud gedacht sein. Dieser Prozess der keinen „Nullpw11ct" hat, strukturiert die
Konvertierung des gesellschaftlichen Zwangs in Selbstzwang und daraus Die Anmerkung von Dunning, Murphy und Willians geht in die Richtung weiter,
resultieren die Figurationen die Elias untersucht. den Autoritären Charakter zu relativieren, viel mehr wird unterstellt, dass die
Gewalt in bestimmten Kulturbereichen für die männliche Selbstdefinition wichtig
Zum Zivilisationsprozess gehört die zunehmende Beherrschung der Natur, der sei. Die Männer, die an diesen Stellen - z.B. Sportstadien - gewalttätig sind, seien
eigenen wie auch der äußeren. Diese Beherrschung, so Elias, ist zwar nicht so nicht in anderen Situationen.
schmerzfrei, j edoch nicht, wie man der Lektüre nachhaltig entnehmen kann,
widersprüchlich bzw. dialektisch. „lt is, of course, possib le for these males to develop forms of relatively high self-
esteem on the basis of local, and above all, peer group acknowledgment of their
heavily masculine street credentials. Possible for these males to develop forms of
Diese Auffassung von Zivilisation als eine prinzipiell zu leistende Beherrschung der
relatively high self-esteem on the basis of local, and above all, peer group
eigenen Natur ist in die Analysen über Sport, die Elias und Dunning unternommen acknowledgment of their heavily masculine street credentials. lt is also the case
haben eingegangen. Sport sei eine Art von Triebmechanik, terminologisch als that such males are more liable than others to respond with physical aggression in
Mimesis mißverstanden, wo die normalerweise gesellschaftlich beschränkten situations which they construe to be seriously threatening to their self-esteem.
Affekte und Emotionen erlebt werden können und der Aggressionstrieb befriedigt However, openly violent behavior, even on the part of mal es of this kind, tends to
werden könne. Sport kompensiere die „ernste' Welt, die tagtäglichen Routinen, so be confined to ,semi-institutionalizes' settings such as those provide by local
dass dadurch eine kathartische Atmosphäre entstehen könne. gangs fights, football and weekend evenings with male peers ,downtown ' . These
are prime and, in a locally specific sense, culturally approved sites for
establishing satisfying male identities. Males who fight more indiscriminately -
Aus der Sicht der Analysen von Horkheimer und Adorno übersehen Elias und
that is, almost regardless of the context, the odd, the likelihood of being arrested
Dunning viele Aspekte des modernen Sports, vor allem die Wirkungen der strikten or of the other complex requirements of ,street smartness' - are liable to be
Körperbeherrschung, der Verdinglichung des Körpers und seiner Erniedrigung und labelled as ,nutters' by their peers. Thus, while males of the type we are
Verstümmlung zur bloßen Materie. (Abgesehen von ihrem reduzierten Begriff der discussing do tend to rely on physical intimidations and to fight more frequently
Mimesis). Im Grunde genommen sehen sie nicht den illusorischen Charakter der than males from other groups, their fighting is generally limited for the most part
Mimesis unter der Herrschaft der Kulturindustrie in der „Freizeit": Betrug und to what are, again in a locally specific sense, culturally approved contexts and
technologisch orientiertes kompensiertes Erlebnis. situations."361

Elias und Dunning haben sich große Mühe gegeben, um das Gewaltphänomen im Problematisch ist aber, dass diese Anerkennung, die in sich selbst richtig sein kann,
Sport zu erklären und damit haben sie Erfolg und weitreichende Anerkennung keine Kritik der „männlichen Macht" enthält; m.a.W., im Zivilisationsprozess wird
gefunden. In einem seiner Beiträge haben Dunning und seine Partner eine den Männern das „Recht" zugestanden, gewalttätig zu sein. Nach Dunning, Murpby
interessante Anmerkung gemacht, welche die mögliche Beziehung der und Willians schließt das natürlich weder eine Fall-zu-Fall Eingrenzung der Gewalt
Zivilisationsprozesstheorie zur Kritik der Zivilisation zeigt. noch eine staatliche Regelung von Gewalt aus. Aber für Adorno stellt sich das
Problem grundsätzlicher. Nicht zuletzt theoretisch muss für ihn so stringent
,,Because it is difficult formales from the ,rougher' sections ofthe lower working strukturiert erfasst sein, was Gewalthandlungen nährt, welche Auschwitz bzw. die
class to achieve meaning, gratification and status and to form satisfying identities Barbarei ermöglicht haben.
in the formal sides of school and work, there is a greater tendency for them to rely
for these purposes on forms of behavior that include fighting, physical
intimidation, heavy drinking and exploitative sexual relations. In fac t, they tend to

360
Dunning, Eric; Murphy, Patrick und Williams, John. The Roots of Football Hooliganism . An
Historical and Sociological Study. London und New York: Routledge & Kegan Paul, 1988, S. 2 11.
361Dunning, Eric; Murphy, Patrick und Williams, John. The Roots of Football Hooliganism , aa.0 „ 211-
212.
142 143

3 DaMatta ist letztendlich ein Opfer der Mythologie über brasilianische Fußball-
Kunst und ein Opfer seiner eigenen Mythologisierungsabsichten. Wie jede
Roberto DaMatta verfolgt die Absicht, eine Theorie über die brasilianische Mythologie beinhaltet diese auch ihr Wahrheitsmoment, sie bleibt aber
myth?logi~ch und muss als solche betrachtet werden. Die Hoffnungen auf die
Gesellschaft zu entwickeln, in der Fußball und andere „populäre ' Kultursphären im
Vordergrund stehen müssen. Fußball sei daher, kein „Opium für das Volk', sondern ldent1fikationsrolle des Fußballs muss relativiert werden. Man darf aber nicht aus
ein „Drama der Sozialgerechtigkeit' . Fußball wäre dann ein praktisches, zugleich den. Augen verlieren, dass diese Mythologie primär (kultur)ideologische Seiten
schönes Modell für ein noch zu entwieckelnd Demokratie in Brasilien, einem Land besitzt, und der Macht der Kulturindustrie unterliegt.
wo die koloniale, familiäre und sogar sklavische Mentalität noch vorherrscht. Dies~
Sportart könne so im Land als Ausdruck der ,Modernität' wirksam werden, ist der Die Widersprüche des Fußballs als Sozialphänomen müssen, ohne Vorurteil, ohne
die individuelle Leistung und nicht die familiären Herkunft zählt. Darüber hinaus persönliche „pro" oder „contra" Festlegungen untersucht werden. Nicht zu
seien die Regeln von Fußball überall bekannt, jeder könne sie verstehen - so seien vergessen sind die Manifestationen gegen die Diktaturen, die in Fußballstadien oder
sie ein Modell für die Spielregeln (formale Verfahren) moderner rechtsstaatlicher in Verbindung mit Fußballveranstaltungen stattgefunden haben. Beispiele sind die
Demokratien. Teilnahme von Profispielern und Fans am Kampf für die Demokratie zu Beginn der
80er in Brasilien362 und die große Kampagne Argentina 78: Fußball ja - Foltern
n~in, 363 für die sich viel Prominenz und grössere Organisationen in Europa
Schließlich sei besonders Fußball eine gute Gelegenheit um „Sieg" zu erfahren.
e1~gesetzt haben. Und dennoch: Mit solchen Ereignissen verliert der Sport nicht
Das Volk könne mit der Nationalelf siegen, während es normalerweise im
sernen technologisch orientierten Charakter.
Attagsleben Niederlagen erfärht. Fußball sei auch ein Beispiel der nationalen
Einigkeit und des organisierten Handelns; auch in diesem Sinne sei der Einfluss der
Fans auf den Tribünen zu betrachten. Die Widersprüche in seinen historischen Bewegungen müssen erforscht werden,
weshalb der mythologische Charakter des Fußballs provoziert. DaMatta
argumentiert, dass der Fußball mit Schicksal zu tun hat, d.h. mit Glauben an
Obwohl Fußball eine universelle Sportart ist, wird er, nach DaMatta und
übermächtige Kräfte und hebt gleichzeitig hervor, dass beim Fußball das
entsprechend der öffentlichen Meinung, in Brasilien auf eine spezielle Weise
Individuum zur Person wird. Diese Art von Widersprüchlichkeit muss weiter
gespielt: die Brasilianer hätten das „Copyright" für eine Fußball-Kunst, die im
verfolgt werden. DaMatta behauptet ja ohne weiteres, dass dies zur Brasilianität
Vergleich mit den ,Europäern' in hohen Massen Spielkreativität und
gehöre, was, wie schon gesagt wurde, nur die Klischees über die dritte Welt" und
Improvisationsvermögen aufweist.
insbesondere über Brasiliens weiter verstärkt. "
DaMatta assoziiert einige Parallelitäten zwischen seinem Denken und dem von
Letztlich soll hier auch daran erinnert werden, dass die Organisation und Kohäsion
Elias. Tatsächlich ist sein Drama-Konzept dem Konzept der Figuration ähnlich,
vo~ Fans beim Fußball auch, wie oben gezeigt wurde, die „organisierte"
insofern beide die Struktur methodologisch hoch bewerten. Elias hat aber den
Wiederherstellung von Gewalt bedeuten kann, die Aufhebung der
Anspruch, eine universelle Theorie herzustellen, während DaMatta sich
Selbstzwangsapparatur.
phänomenologisch mit den brasilianischen Besonderheiten beschäftigt.

DaMattas Thesen über Fußball und Gesellschaft sind oftmals problematisch, sogar 4
fragwürdig. Die vermeintliche Demokratie im Fußball ist z.B. nicht einfach auf
Gesellschaft übertragbar. Als die Nationalmannschaft zum dritten Mal die Welche Fragestellungen und Perspektiven kann man stellen, wn das kritische
Weltmeisterschaft gewonnen hatte, also als die vermeintliche Fußball-Kunst Denken über und am Sport fortzusetzen?
großartig gespielt wurde, herrschte die Militärdiktatur! Die brasilianische hatte
Nationalelft große Schwierigkeiten sich für die WM in Japan/Korea zu
qualifizieren, aber in Brasilien ist die Diktatur überwunden - obwohl die
362
Demokratie noch längst nicht gefestigt ist. Pramann, Ulrich u. a. Fußball und Folter : Argentinien 78. Hamburg: Rowohlt, 1978.
. C~aui ,
363
Marilena, Conformismo e resistencia, o a. O.; Caldas, Waldenyr. Brasilien. In: Ei enberg
Cnstiane (Hrsg.). Fußball, soccer, calcio, o. a. 0 „ S. 171-184.
144 145

Ein erster wichtiger Punk muss da ozialphänomen Sport in seinen Beziehungen Ein gewichtiges Thema für die Körperlichkeit und für Sport ist der Schmerz bzw.
Affinität n und Wahlverwandtschaften zu anderen gesellschaftlichen die Schmerztoleranz. Für eine Kritische Sporttheorie ist das eine der Dimensionen,
Körpererfahrungen und Körpertechniken sein d.h. es gilt in verschiedenen die kaum zu unterschätzen ist. Beim Sporttraining ist Schmerz eine unausweichliche
Bereichen die Körperlichkeit zu erforschen. Erfahrung, ohne die über die Körperlichkeit nicht nachgedacht werden kann.
Schmerz ist die intimste menschliche Erfahrung.366 Beim Sporttraining muss man
Die Arbeiten von Rudolf zur Lippe können als eine nachvoll ziehbare Inspiration lernen, den Schmerz zu tolerieren, zu überwinden, sogar zu lieben. Die Athleten
dafür dienen da er historisch-philosophisch die Körperbeherrschung in selbst erkennen das, wenn sie sagen: „Man muss beim Training weinen, um im
ausdifferenzierten Formen an empirischen Fällen darstellt. Der Prozess der Wettkampfzu lachen." Nach Adorno gilt:
Geometri ierung des Leibes im Ballett den zur Lippe als Ausdruck der italienischen
Renai ance studiert hat,364 kann ein guter Ausgangspunkt für die ,Das gepriesene Hart- ein, zu dem da erzogen werden soll, bedeutet
Geschichteschreibung des Körpers werden. Die Geschichte des Sports hat Gleichgülti gke it gegen den chmerz sc hlechthin. Dabei wird zwischen dem
vernachlässigt, wie die Trainingswissenschaften sich historisch entwickelt haben eigenen und dem anderer gar nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart ist
im Sinne einer strengen und produktiven Beherrschung des Körpers. 365 Die gegen sich der erkauft ich das Recht, hart gegen andere zu sein, und rächt ich
für den chmerz, de sen Regungen er nicht zeigen durfte, die er verdrängen
wis enschaftliche Zerstörung des Körpers durch die Trainingswissenschaft muss
mußte. Die er Mechani mus ist ebenso bewußt zu machen wie eine Erziehung zu
noch anhand der zunehmenden Körperbeherrschung geschichtlich analysiert
fürdem , die nicht, wie früher, auch noch Prämien auf den chmerz setzt und auf
werden. In diesem Rahmen muss die Erarbeitung einer Geschichte der die Fähigkeit Schmerzen auszuhalten."
367

Sportverlierer" unterstützt werden, somit derjenigen, bei denen durch ihren


sozialen Ausschluss die Kosten des Unternehmens sinnfüllig wird. Die Geschichte Obwohl einige Arbeiten gezeigt haben, dass Schmerz und Verletzungen im Sport
des Sports ist derzeit noch nur die der Gewinner. nonnalisiert und rationalisiert werden,368 bleibt noch die Frage wie die
Schmerzpädagogik sich in der SportpädagogilC 69 entwickelt hat und wie beide,
unter Berücksichtung von Adornos Hinweisen auf Vorurteile, Hass-Liebe am
™ Vgl. zur Lippe, Rudolf. Naturbeherrschung am Menschen . Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1974 (2 Körper, Gewalt und bestimmten Formen von Männlichkeit, eine destruktive
Blinde); zur Lippe, Rudolf Vom Leib nun Körper. Naturbeherrschung am Menschen in der Renaissance. Konstellation bilden.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1988. Zur Lippe hat seine Analyse Ober das Ballett seit dem
Quattrocento als Habilitationsschrift bei Adorno vorgelegt. Die Arbeit sollte eine Philosophie des Neuen
Tan::es sein: „Bei einem gemeinsamen Sommeraufenthalt in der chweiz kreisten eine ganze Reihe von 5
Gesprächen darum. Adorno interessierte sich dafür, dass ich, nachdem ich die Philosophie der Neuen
Musik gelesen hatte, ihm berichten konnte, ich hatte, ohne diese zu dem Zeitpunkt zu kennen, eigentlich
sehr ahnliche Überlegungen angestellt zu den Choreographien von Balanchine, die den von Adorno
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Entwicklung eines Kritischen Denkens über
analysierten Musiksttlcken Strawinsk'")'s entsprachen. Diese Parallele amosierte ihn natorlich.[... ] Zwar Sport ist die theoretische und methodologische Auseinandersetzung mit anderen
habe ich diese Habilitation dann, nach 1969 [als Adorno starb (Verf.)], völlig ohne Adornos Mitwirkung
geschrieben, aber gleichzeitig ist er um so intensiver bei jeder Wendung des zwe ibändigen Werkes
366
gleichsam anwesend." Zur Lippe, Rudolf. Sozialgeschichte des Leibes. In: FrOchtl, Josef und Calloni, "In any event, pain and the concomitant experience of release from pain are the only sense
Maria (Hrsg.). Geist gegen den Zeitgeist, o. a. 0 „ S. 107-122, Zitat 108-110. Vgl. auch zur Lippe, experiences that are so independent form the world that they do not contain the experience of any
Rudolf. Die Geometrisierung des Menschen. Oldenburg: BIS, 1982. worldly object. The pain caused by a sword or the ticking cau ed by a feather indeed teils me nothing
J65 Ein Versuch die Sportgeschichte zu studieren und sie immanent im Bereich der Dopingproblematik zu whatsoever of the quality or even the worldly existence of a sword or a feather. ' Arendt, Hannah. The
kritisieren, ist das Buch von John Hobennan, Morral Engines. Die Arbeit von Hobennan zeigt, wie Sport Human Condition. A Study of the Cenrral Dilemmas Facing Modern Man. ew York: Anchor Books,
sich als großes Experiment entwickelt hat. Er beschaftigt sich aber nicht mit der Methodologie des 1959, Zitat S.98.
367
Trainings. Vgl. Hoberman, John. Mortal Engines. Tue Science of Performance and the Dehumanization EA, 682-683.
368
of Sport. ew York: The Free Press, 1992. (deutsche Übersetzung: Sterbliche Maschinen. Doping und Nixon, II , Howard L. Accepting the Risks of Pain and lnjlll)' in port: Mediated Cultural lnfluences
die Unmenschlichkeit des Hochleistungssports. Aachen: Meyer und Meyer, 1994.) Eine interessante on Playing Hurt. Sociology of Sport Journal, 10, 1993, . 183-196· Curry, Timothy and trauss, Richard
Arbeit Ober die methodologischen Aspekte der Trainingswissenschaft ist durch Luiz Portela zustande H. A Little Pain Never Hurt Anybody: A Photo-Essa on the ormalization of port lnjuries. Sociology
gekommen. Portelas Interesse ist aber nicht, die Körperbeherrschung zu studieren, sondern die ofSport Journal, 11 , 1994, S. 195-208. Man muss nur an die vielen Filme Ober port denken, insofern sie
Schwierigkeiten der sportphysiologischen sportmedizinischen Theorien in der Sportpraxis zu Opfergeist, Heroismus, Schmerztoleranz usw. als chönheit zeigen.
36
Oberwinden. Vgl. Portela, Luiz Os6rio Cruz. Aerobe und anaerobe Ausdauer bei Kindern und Der von Oliver tone gedrehten Film Any Given Sunday (U .. A. 1999), wo merican Football
Jugendl ichen. Sportphysiologische und sportmedizinische Befunde und ihre Bedeutung für die Praxis. thematisiert bzw. zelebriert wird, i t von der kulturindustriellen Kinematografie ein bedeutsan1es
Butzbach-Griedel: Afra, 1996. Exemplar. Kulturindustrie wird zur Padagogik.
1
146 147
Per pektiven. Ein Beispiel hierfür i t die theoretische Unternehmung von König, die Diese Entgegen etzung der beiden Körperbilder muss nach Tamboer nicht
eine Annäherung an das Körperproblem, zwar mit Anleihen an Yirilio aber doch verab olutiert werden ie ergänzen einander. ie ind Betrachtungen die die
inl Rahmen von Adorno und Horkheimer beinhaltet. 370 Bero Rigauer fordert diese primäre Einheit von Men eh (Körper/Leib) und Welt nicht er etzen. Beide sind filr
Erweiterung explizit wenn er die Perspekti en einer weiter entwickelten sich einseitig:
neomarxistischen portsoziologie in einem programmatischen Artikel diskutiert. 371
,.Beide Leitbilder die rcduktionistische und relationistischc Transformation einer
In diesem Kontext könnte es sich auch als sinnvoll erweisen, die Möglichkeit einer ontologi chen Relationalität, entfalten eine Erfahrungswirklichkeit in denen
kriti chen Auffa ung von Horkheimer und Adorno bezüglich des Körpers in wasserdichte Abgrenz ungen eindeutig nicht erkennbar sind. Logi eh gesehen
Verbindung mit den Begriffen on ub tantiel/en bzw. relationalen Körperbildern scheinen ie einander nichtsdestoweniger auszu chließen und sie bieten eine
bei Jan Tamboer3 72 zu überprüfen. Typologie, die als brauchbarer Rahmen fungieren kann.'.J 76

Diese Untemehumung sind nur möglich, wenn man beide Traditionen des Diese Charakterisierung von Körperbildern ist überaus interessant und nützlich, um
philo ophischen Denkens die der Dialektik und die der Phänomenologie einbezieht neu über Sport/Bewegung nachzudenken bzw. neue Interpretationsansätze zu
und sich mit ihnen auseinandersetzt. Diese theoretische Weiterführung könnte gewinnen. Allerdings: in einer verdinglichten Gesellschaft, wo der falsche Zustand
mehrere Richtungen nehmen, eine davon, sollte die auf Körper und Körperlichkeit und das beschädigte Leben (Adorno) erfahren werden und wo der pathologische
abzielen. 373 Körper normalisiert wurde, scheint es „utopisch' zu sein, über ein relationales
Körperbild zu reden.
Ein substantielles Körperbild lässt sich als einein sich geschlossene Entität
begreifen d.h. als Trennung von Mensch und Welt. Als solches verbleibt dann die Ein relationales Körperbild würde darstellen was vom Körper, widerstehe er dem
strenge Abspaltung von Subjekt und Objekt, und die entsprechende Metaphern für Reduktionismus (vgl. Horkheimer und Adorno) von ihm ausgesagt werden könnte.
dieses Körperbild sind das Uhrwerk, die Dampfinaschine und der Computer. Das Worin seine dann gewonnene Potentialität läge! Utopie ist einzig als ein
substantielle Körperbild entspricht als ganzes der Mechanisierung des Weltbildes" dialektischer Begriff brauchbar, wie Adorno ihn in Minima Moralia anwendet:„Wer
bzw. der Cartesianischen, Substantialisierung der Wirklichkeit''. 374 das Zerstörende haßt, muß das organische Leben mithassen: nur das Tote ist
Gleichnis des nicht entstellten Lebendigen. '3 77
Das relationale Körperbild hingegen wird von Tamboer so begriffen:
„Es gibt in der ganzen Utopie etwas tief Widerspruchsvolles, nämlich daß sie auf
,,Als Leib- ubjekt erfahren wir eine Beziehung mit unserer Welt, die im Tun der einen eite ohne die Abschaffung des Todes gar nicht konzipiert werden
Gestalt gewinnt Und während dieses Tuns haben wir kein Bewusstsein vom Leib kann, daß aber auf der anderen eile diesem Gedanken selber - ich möchte sagen
al Objekt, der unproblematisch überschritten wird. Daß wir unseren Leib auch - die chwere de Tode und alles was damit zusammenhängt, innewohnt. Wo
,haben' können und wie ein Ding erfahren können, ist ein zwar möglicher, aber dies nicht drin ist, wo die chwelle de Todes nicht zugleich mitgedacht ~ ird, da
nichtsdestoweniger sekundärer Erfahrungsmodus, der sich erst dann aufdrängt, gibt es eigentlich auch keine Utopie." 378
sobald das Handeln problematisch wird (was zum Beispiel bei Krankheit der Fall
sein kann)."375 Nach Horkheimer und Adorno könnte, wie in der Arbeit versucht zu zeigen wurde,
könnte der Sport einen emanzipatorischen Charakter zurückgewinnen, so die
310
Subjekte, die Sportler sich von der blinden Körperherrschaft emanzipieren. Beim
Vgl. Konig, Eugen, Sport und Tod. Philosophische Reflexionen zum anthropofugalen Sport, a. a 0.;
Konig, Eugen. Kritik des Dopings, a a 0 .
m Rigauer, Bero. Marxist Theories, a. a 0 ., 45. 376
Vgl. Tamboer, J. W. J. Menschenbilder hinter Beweg11ngsbildern. Hannover, Institut ftlr
m Tarnboer, Jan W. J. Philosophie der Bewegungswissenschaften. Butzbach-Griedel: Afra, 1994. (Im portwissenschaft, 1988 (unverOffentlichte Übersetzung von Andreas Trebels), . 64; vgl. auch Trebels,
folgenden PB) Andreas. ich - Bewegen: Lernen und Lehren. In: Heinz, Barb und Laging, Ralf (Hrsg.).
m Die Pariser Manuskripte von Marx ermöglichen eine Verbildung zwischen Dialektik und Bewegungslernen In Erzieh11ng und Bild11ng. Hamburg: Czwalina, 1999, . 39-52, besonders S. 49--0.
Phänomenologie in Sinne der Beziehung von KOrper/Natur/Welt. Vgl. Marx, Karl. Pariser Manuskripte. m MM, 87.
Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. Westberlin: Das Europ. Buch, 1987. m Bloch, Ernst; Adorno, Theodor W. und Krüger, Horst. Etwas fehlt..Über die Widersprüche der
374
PB, 31-33. utopischen Sehnsucht. In: Bloch, Ernst. Gesprtiche mit Ernst Bloch. Frankfurt am Main: Suhrkamp
m PB, 35.
1975, S. 58-77; hier S.68.
148

Sport verbleibt das pielmoment, 379 eine nicht regressive bzw. autoritäre Sports könnte bei der Erkennung des Körpers dann nicht als beherrschter Stoff oder
Annäherung an den eigenen Leib. Am Körper bleibt das Versöhnungsmoment, wie Vehikel des Fortschritts, sondern als mögliche Versöhnung erkannt werden.
beim Händedruck 380 aber auch dem Sport kann mimetisch ein · nicht nur in Bezug
auf den Todestrieb sondern auch in Bezug auf eine ästhetische bzw. versöhnende Auch die Schwächen müssen dann vollends anerkannt werden. Um diesen Zustand
Beziehung zwi eben Subjekt und Objekt auf eine Beziehung durch Anschmiegung zu erreichen, muss man den unablässigen Fortschritt im Sport in Frage stellen.
und Ähn lichkeit. Wenn beim port noch ein positives und nicht beschränktes Vielleicht hätten wir dann keinen Sport mehr stricto sensu, sondern ein Sich-
Moment erbleibt i t dies de wegen so weil der Körper als mimetisches Bewegen,386 und keine Sportwissenschaft, sondern eine Bewegungswissenschaft. 387
Organ"381 noch potenziell versöhnende Natur sein kann, eine Möfilichkeit, die Es gäbe dann die Möglichkeit, versöhnt zu handeln, in Richtung einer
Spontaneität zu wahren die Subjekt/Objekt Spaltung zu überschreiten. 82 (Sport/Bewegungs)- Erziehung zum Leib, zum Mitleid und zur Liebe.

In der Ästhetischen Theorie, wird die Mimesis, bezogen auf die Kunst, als
emanzipierter Begriff betrachtet: Mimesis als Erkenntnis. Das Ziel wäre dann, mit
der atur eine Beziehung herzustellen die sie nicht erniedrigen will. Es wäre dann
eine Erkenntnis möglich, die ihre Grenzen anerkennt3 83 und fähig wäre, eine
384
anschmiegende Beziehung zwischen Eros und Logos einzugehen. Es bleibt dann
als utopisches Moment die Überwindung der strengsten Spaltung von Körper und
Geist.

Während die Aufgabe der Philosophie darin besteht, eine nicht bloß scheinbare
Versöhnung mit der Natur wiederzustellen,385 und die Aufgabe der Erziehung, die
Barbarei zu verhindern könnte die von Sporterziehung sein, eine mimetische
Beziehung zwischen Objekt und Subjekt zu fördern . Diese könnte die , beiden
Seiten , das Subjekt- und Objekt-Sein, in Kontakt bringen, vor allem weil beim
Sich-Bewegen beide kaum voneinander zu trennen sind,falls die pure Faktizität zum
Sprechen - zur dialektischen Reflexion - gebracht wird. Anstatt der strengen
Körper- bzw. Naturbeherrschung gilt es, die Beherrschung dieser Beherrschung
anzustreben: eine Körpersehnsucht.

Dabei wäre es dann wichtig, sich den Wahrheitsgehalt des Sports bewusst zu
machen, ohne seinen unwahren Zustand zu vergessen. Der Wahrheitsgehalt des

379
Horkheimer, Max. Diskussionsprotokolle, a a 0 „ S. 512.
llO Vgl. 1.2.1 des ersten Teil dieser Arbeit.
311
ER, 214.
112
Ich verwende hier auch einigen Argumente von zur Lippe, Rudolf. Sinnenbewusstsein. Grundlegung
einer anthropologischen Ästhetik. Baltmannsweiler, chneider/Hohengehren, 2000 (2 Bände), besondm
Band 1, S. 73 ff. 316 Vgl. Tamboer, Jan. ich-Bewegen - ein Dialog zwischen Mensch und Weil. portpadagogik, 2, 1979,
l&l ÄT, S. 111. S. 60-65.
™ ÄT, S. 490. Ich folge hier einige Hinweisen von FrochtJ, Josef. Mimesis. Konstellation eines i11 Vgl. PB.
l.entralbegriffs bei Adorno. WOrzburg: Königshausen und Neumann, 1986; Gagnebin, Jeanne-Marie. Do
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