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Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

von
P. Edmund Beck OSB
Nach dem Typoskript aus dem Nachlass herausgegeben

mit

Anmerkungen und editorischen Ergänzungen

von

Jens Sauer

Berlin-Łąkowice, 26. März 2016


Copyright © 2016 Jens Sauer, Schneekoppenweg 13, 12249 Berlin

All rights reserved / Alle Rechte vorbehalten

Tag der Veröffentlichung: 26. März 2016

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Vorwort 3

Vorwort des Herausgebers

Folgend gebe ich den Aufsatz „Die Huris im Koran und Ephräm der Syrer“ heraus,
den ich im Nachlass von P. Edmund Beck OSB fand. An dieser Stelle danke ich
herzlich P. Dr. Michael Kaufmann OSB, Archivar der Benediktinerabtei Metten, die
den Nachlass von P. Edmund Beck OSB aufbewahrt. P. Dr. Michael Kaufmann
OSB, der mich mit Rat und Tat unterstützt hat, ermöglichte die Sichtung des Nach-
lasses im Katholischen Pfarramt St. Michael in Stephansposching und gestattete
die Herausgabe des Aufsatzes. Während der zweitägigen Sichtung, die von mir am
20./21. September 2013 durchgeführt wurde, stand mir ein eigenes Arbeitszimmer
zur Verfügung, in dem ich den Nachlass durchschaute.

Der folgende Aufsatz, der mit dem Titel „Die Huris im Koran und Ephräm der
1
Syrer“ überschrieben ist, erschien bereits in französischer Übersetzung. Der fran-
zösische Text, der irgendwann zwischen den Jahren 1959 und 1961 in der
Zeitschrift Mélanges de l’Institut Dominicain d’Etudes Orientales (MIDEO) publiziert
wurde, erschien aber damals in verkürzter Form: In der Übersetzung fehlen die
ersten Seiten, auf denen sich Edmund Beck mit dem Korantext befasst hatte, die
Übersetzung beginnt mit einem späteren Abschnitt, in dem Ephräms Hymnen
behandelt werden.

Da der Aufsatz, den ich ihn auf dem Typoskript vorfand, noch nicht veröffentlicht
wurde, soll dies nun geschehen. Am Text nahm ich einige editorische Ergänzungen
vor. Im Typoskript sind zu Koran- und Ephräm-Textstellen nur Referenzen ange-
geben. Um dem heutigen Leser die Lektüre zu erleichtern, habe ich die
vollständigen Ephräm- und Koranzitate hinzugefügt. Alle Ephräm-Zitate stammen
2
aus den „Hymnen“ über das Paradies (de Paradiso) Dabei entnahm ich die Eph-

1
„Les Houris du Coran et Ephrem le Syrien“, aus dem Deutschen von P. de Sà,
O.P., in: Mélanges de l’Institut Dominicain d’Etudes Orientales [MIDEO], tome 6,
(1959-1961) 405-408.
2
Mit „Hymnen“ übersetzt man das syrische madrāšē, dabei handelt es sich um
lehrhafte, auch polemische Lieder, die sich aus mehreren Strophen zusammenset-
zen. Wörtlich bedeutet das Wort „Erörterungen“, Singular ist madrāšā.

3
4 Vorwort

räm-Zitate Becks eigener Übersetzung, die in der Reihe Corpus Scriptorum Christi-
3
anorum Orientalium (CSCO) erschien. Beim Koran habe ich für das Arabische auf
4
die Ausgabe Kairo 1924 zurückgegriffen. Auf sie griff wahrscheinlich auch Beck
zurück: Seine Versangaben stimmen mit der Nummerierung der Koranverse in der
5
Kairoer Edition überein. Für das Deutsche zitiere ich hilfsweise Rudi Paret , dessen
Übersetzung damals natürlich noch nicht erschienen war. Die Fußnoten sowie das
Quellen- und Literaturverzeichnis stammen von mir. Meine Anmerkungen im
Text, auch die hinzugefügten Zitate, sind in eckige Klammern gesetzt.

Berlin-Lankwitz, den 26. März 2016,

Jens Sauer

3
Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. He-
rausgegeben v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 174 = SS 78.);
Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. Überset-
zung v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 175 = SS 79.)
4
al-Maṭbaʿah al-ʾAmīriyyah, Būlāq [Kairo] 1342 [hiǧrī = 1924 n. Chr.].
5
Rudi Paret: Der Koran, deutsche Übersetzung. Stuttgart 1979.

4
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 5

Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer


P. Edmund BECK, Rom

Schon in [der Zeitschrift] Orientalia [Christiana] Periodica XIV (1948) habe ich
kritisch zu der Behauptung Tor ANDRAEs Stellung genommen, daß man in Ephräm
„eine verstohlene Andeutung an die Paradiesjungfrauen“ des Korans entdecken
6
könne. Der Aufsatz ist von den Arabisten, die sich mit Muhammed befassten,
nicht beachtet worden, und die Vermutung Tor ANDRAEs scheint in diesen Kreisen
als erwiesene Tatsache hingenommen zu werden. Ich habe daher die Einladung der
7
Verlagsleitung der [Zeitschrift] Melanges angenommen, diese Frage noch einmal
zu behandeln.

Ausgangspunkt soll diesmal nicht Ephräm, sondern der Koran sein. Um hier die
Lage zu schildern, braucht man nur die einschlägigen Stellen geordnet vorzufüh-
ren. Die älteste ist dabei wohl Sure 78, 31-35, bes. 33:

[ʾinna li-l-muttaqīna mafāzan


ḥadāʾiqa wa-ʾaʿnāban
wa-kawāʿiba ʾatrāban
wa-kaʾsan dihāqan
lā yasmaʿūna fīhā laġwan wa-lā kiḏḏāban

Die Gottesfürchtigen dagegen [im Paradies] haben großes Glück zu er-


warten,
Wiesen und Trauben,
gleichaltrige (junge Mädchen) mit schwellenden Brüsten
und einen Weinbecher, randgefüllt.

6
P. Edmund Beck OSB: „Eine christliche Parallele zu den Paradiesjungfrauen des
Korans?“, in: Orientalia Christiana Periodica 14 (1948), S. 398-405; Tor Andrae:
Mohammed. Sein Leben und sein Glaube. Göttingen 1932, S. 71f.
7
Mélanges de l’Institut Dominicain d’Études Orientales (MIDEO).

5
6 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

Sie hören darin weder leeres Gerede noch die Behauptung, all das sei Lü-
ge.]

„Die (jungen Mädchen) mit schwellenden Brüsten“ finden sich hier in einer wenig
schmeichelhaften Umgebung: sie sind offenbar nur ein Mittel zur (Sinnen)freude
wie „Wiese“, „Traube“ und „Becher“. Denn der anschließende Vers von der friedli-
chen Unterhaltung ist kaum noch mit ihnen zu verbinden.

Ihre Stellung hebt sich auch noch nicht eindeutig in Sure 56, 10-26, bes. 22, wo zum
ersten Mal der Ausdruck ḥūr erscheint:

[wa-s-sābiqūna s-sābiqūna
ʾulāʾika l-muqarrabūna
fī ǧannati n-naʿīmi
ṯullatun mina l-ʾawwalīna
wa-qalīlun mina l-ʾāḫarīna
ʿalā sururin mauḍūnatin muttakiʾīna ʿalaihā mutaqābilīna
yaṭūfu ʿalaihim wildānun muḫalladūna
bi-ʾakwābin wa-ʾabārīqa wa-kaʾsin min maʿīnin
lā yuṣaddaʿūna ʿanhā wa-lā yunzifūna
wa-fākihatin mimmā yataḫayyarūna
wa-laḥmi ṭairin mimmā yaštahūna
wa-ḥūrun ʿīnun
ka-ʾamṯāli l-luʾluʾi l-maknūni
ǧazāʾan bi-mā kānū yaʿmalūna
lā yasmaʿūna fīhā laġwan wa-lā taʾṯīman
ʾillā qīlan salāman salāman

Und diejenigen, die (den anderen im Glauben) zuvorgekommen sind, (das)


sind (eben) die, die (ihnen) zuvorgekommen sind.
Sie sind es, die (Gott) nahestehen
in den Gärten der Wonne.
Eine ganze Schar (von ihnen) gehört den früheren (Generationen) an,
und (nur) eine kleine Anzahl den späteren.
Auf golddurchwirkten (?) Ruhebetten
liegen sie (behaglich) einander gegenüber,
während jungendliche Schenken unter ihnen die Runde machen
mit Humpen und Kannen (voll Wein?) und einem Becher (voll) von
Quellwasser (zum Beimischen?)
(mit einem Getränk) von dem sie weder Kopfweh bekommen noch be-
trunken machen (Variante: werden)
und (mit allerlei) Früchten, was (immer) sie wünschen (w. sich auswählen)

6
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 7

und Fleisch von Geflügel, wonach (immer) sie Lust haben.


Und großäugige Huris (haben sie zu ihrer Verfügung)
(in ihrer Schönheit) wohlverwahrten Perlen zu vergleichen.
(Dies) zum Lohn für das, was sie (in ihrem Erdenleben) getan haben.
Sie hören darin (d.h. in den Gärten der Wonne) kein (leeres) Gerede und
keine Versündigung,
sondern nur das Wort: Heil! Heil!]

Man kennt den grammatischen Streit um die Lesung des Kasus in ḥūr ʿīn, ob Geni-
tiv [ḥūrin] in Fortführung der vorangehenden wie fākihatin und laḥmi oder
Nominativ [ḥūrun] als Neueinsatz, also etwa: „Und da sind auch die großäugigen
Ḥūr“. Doch auch in diesem letzteren Fall gewinnen sie nicht die Stellung der ju-
gendlichen Schenken; sie bleiben Mittel eines paradiesischen Genusses.

Erst die späteren Suren 38 und 37 scheinen diese Jungfrauen auf die Stufe von
Gefährtinnen der Seligen zu erheben, wenn es in den beiden einschlägigen Versen
(38, 52 und 37, 48) heißt:

[wa-ʿindahum qāṣirātu ṭ-ṭar ʾatrābun


während sie gleichaltrige, züchtig Blickende (junge Mädchen) bei sich ha-
ben.

wa-ʿindahum qāṣirātu ṭ-ṭar ʿīnun


Und sie haben großäugige, züchtig Blickende (junge Mädchen) bei sich,]

Ihr Zusammensein erfährt eine Erläuterung und nähere Bestimmung durch die
noch übrigen Stellen, die chronologisch geordnet, eine merkwürdige Entwicklung
verraten. Zuerst ist hier der noch unbestimmte Zusatz von Sure 55, 56 anzuführen:

[fīhinna qāṣirātu ṭ-ṭar lam yaṭmiṯhunna ʾinsun qablahum wa-lā ǧānnun


Darin [in den Gärten] befinden sich auch die züchtig Blickenden, die vor
ihnen [den Paradiesbewohnern] weder Mensch noch Dschinn entjungfert
hat.]

Die Ergänzung, die man dabei erwartet, findet sich in Sure 55, 70-77, 72:

[fīhinna ḫairātun ḥisānun


fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibāni
ḥūrun maqṣūratun fi l-ḫīyāmi
fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibāni
lam yaṭmiṯhunna ʾinsun qablahum wa-lā ǧānnun

7
8 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibāni


muttakiʾīna ʿalā rafrafin ḫuḍrin wa-ʿabqariyyin ḥisānin
fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibāni]

Das bedeutet wohl den Übergang von den Paradiesjungfrauen zu den Paradiesgat-
tinnen, von denen zum ersten Mal, aber noch indirekt, Sure 52, 20[ die Rede ist]:

[muttakiʾīna ʿalā sururin maṣfūfatin wa-zawwaǧnāhum bi-ḥūrin ʿīnin]

Ebenso Sure 44, 54:

[wa-zawwaǧnāhum bi-ḥūrin ʿīnin]

In Sure 36, 56 heißt es dann ganz eindeutig:

[hum wa-ʾazwāǧuhum fī ẓilālin ʿala l-ʾarāʾiki muttakiʾūna]

Den Abschluß der Entwicklung bildet dann in Suren 2, 25; 3, 15 und 4, 57 der me-
dinische Satz:

[(wa-lahum) fīhā ʾazwāǧun muṭahharatun]

Eine wichtige Einzelheit muß noch nachgetragen werden. Sie wird zwar nur in
einer sehr frühen Stelle erwähnt, gilt aber wohl für alle: diese Paradiesjungfrauen
und Gattinnen sind nicht etwa Jungfrauen und Gattinnen dieser Welt nach ihrer
Auferstehung, sie sind vielmehr eigne Geschöpfe Allahs. Denn in Sure 56, 35-38:

[ʾinnā ʾanšaʾnāhunna ʾinšāʾan


fa-ǧaʿalnāhunna ʾabkāran
ʿuruban ʾatrāban
li-ʾaṣḥābi l-yamīni]

Das ist die merkwürdige Lehre des Korans von den Paradiesjungfrauen und Para-
diesgattinnen. Woher stammt sie? Man hat nach Quellen gesucht, persischen und
christlichen, bildlichen und literarischen. Es scheint aber zunächst näher zu liegen,
den Ursprung dieser Anschauung im Sensualismus des Propheten selber zu suche,
für den die Fülle des paradiesischen Glücks wohl auch eine Entsprechung des ge-
schlechtlichen Genusses enthalten mußte. Man kann dagegen einwenden, daß dem
Propheten der religiöse Wert sexueller Enthaltsamkeit nicht fremd war. Doch steht
er hier offensichtlich unter christlichem Einfluß; denn die Prophetengestalt, der er

8
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 9

das/den ehrende/n Beiwort/-namen ḥaṣūr gibt, ist Johannes der Täufer in Sure 3,
39:

[fa-nādathu l-malāʾikatu wa-huwa qāʾimun yuṣallī fi l-miḥrābi ʾanna llāha


yubašširuka bi-Yaḥyā muṣaddiqan bi-kalimatin mina llāhi wa-sayyidan
wa-ḥaṣūran wa-nabiyyan mina ṣ-ṣālihīna]

Für sich selber und seine Anhänger stellt er hier so niedrige Anforderungen, daß
sie fast lächerlich wirken, vgl. Sure 2, 187:

[ʾuḥilla lakum lailata ṣ-ṣiyāmi r-rafaṯu ʾilā nisāʾikum hunna libāsun lakum
wa-ʾantum libāsun lahunna ʿalima llāhu ʾannakum kuntum taḫtānūna
ʾanfusakum fa-tāba ʿalaikum wa-ʿafā ʿankum fa-l-ʾāna bāširūhunna wa-
btaġū mā kataba llāhu lakum wa-kulū wa-šrabū ḥattā yatabayyana laku-
mu l-ḫaiṭu l-ʾabyaḍu mina l-ḫaiṭi l-ʾaswadi mina l-faǧri ṯumma ʾatimmu ṣ-
ṣiyāma ʾila l-laili wa-lā tubāširūhunna wa-ʾantum ʿākifūna fi l-masāǧidi
tilka ḥudūdu llāhi fa-lā taqrabūhā ka-ḏālika yubayyinu llāhu ʾāyātihī li-n-
nāsi laʿallahum ya aqūna

Es ist euch erlaubt, zur Fastenzeit bei Nacht mit euren Frauen Umgang zu
pflegen. Sie sind für euch, und ihr für sie ein Kleid. Gott weiß, daß ihr
euch immer wieder selber betrogen habt. Und nun hat er sich euch wieder
zugewandt und euch verziehen. Von jetzt ab berührt sie und geht dem
nach, was Gott euch bestimmt hat, und eßt und trinkt, bis ihr in der Mor-
gendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden
könnt! Hierauf haltet das Fasten durch bis zur Nacht! Und berührt sie
nicht, während ihr an den Kultstätten verweilt! Das sind die Gebote Got-
tes. Nähert euch ihnen nicht! So macht Gott den Menschen seine Zeichen
klar. Vielleicht würden sie gottesfürchtig sein.]

Und 4, 28:

[yurīdu llāhu ʾan yuḫa fa ʿankum wa-ḫuliqa l-ʾinsānu ḍaʿīfan


Gott will es euch damit leicht machen, und der Mensch ist schwach er-
schaffen.]

Doch mag man nun geneigt sein, die koranischen Ḥūris als ein Produkt der Phan-
tasie des Propheten zu betrachten oder nicht, für alle Fälle müssen die Parallelen,
die man anderswo findet und die als Quelle für Muhammed in Frage kommen,

9
10 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

untersucht und auf ihre Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt auch für Eph-
8
räms Hymnen de Paradiso, die hier von Tor ANDRAE herangezogen worden sind.

9
Die Schilderung, die Ephräm vom Paradies gibt, ist sehr konkret. Der Grund dafür
liegt darin, daß für ihn das Paradies der Endzeit mit dem Paradies der Genesis
identisch ist. Die verklärten Auferstandenen befinden sich daher in einem Garten
mit Bäumen und Weinstöcken. Tor ANDRAE hat dabei von schüchternen Allegor-/
10
Spiritualisierungsversuchen gesprochen. Meinte er damit eine Verflüchtigung in
Allegorie, dann trifft nicht einmal das zu. Denn ein Satz wie Spiritus spiritualiter
11
lactant spirituales [„Die Winde sind auf Windes Art * die Ammen der Geistigen“ ]
in Hym. 9, 9 besagt nur, daß die viel (geistigeren) Winde des Paradieses auf solch
verfeinerte Weise die vergeistigten Körper der Auferstandenen nähren. Auch die
Bäume, Weinstöcke und Feigenbäume des Paradieses bestehen aus einem andern
Stoff als die irdischen, nicht aus dem grobkörperlichen unserer Erde sondern aus
12
Geistmaterie, aus Luft und Feuer (vgl. Hym. 9,5 u. 11, 8):

[Sie liegen zu Tisch auf Bäumen * aus klarer Luft.


Blumen unter ihnen, * über ihnen Früchte.
Die Decken aus Früchten, * der Boden aus Blüten.
Wer hätte jemals gehört * oder gesehen:
eine Wolke über den Häuptern, * schattenspendend, aus Früchten,
und ein Teppich unter den Füssen, * ausgebreitet, aus Blumen!

8
Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. a. Text.
Hrsg. v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 174 = SS 78.) Des
heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. b. Überset-
zung. v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 175 = SS 79.)
9
Hier beginnt der französische Text, der in MIDEO veröffentlicht wurde.
10
Tor Andrae: Mohammed, S. 72: „Zwar hebt Afrem angelegentlich hervor, daß das
Ganze nur ein Versuch sei, eine Vorstellung von der Freude zu geben, die kein
irdischer Sinn fassen kann. Aber an seinen schüchternen Versuchen, die sinnlichen
Bilder zu vergeistigen, werden die meisten seiner Zuhörer und Leser achtlos vorü-
bergegangen sein. Die volkstümliche Frömmigkeit hat sicher die gewagte
Bildersprache in grober und geradsinniger Weise verstanden, und man kann unter
solchen Umständen einem Bürger des heidnischen Mekka nicht verdenken, daß er
es ebenso gemacht hat.“
11
Siehe unten die komplette Strophe mit Kontext.
12
Übersetzung von Edmund Beck: Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de
Paradiso und contra Julianum. Übersetzung. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 175 =
SS 79.)

10
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 11

Die schwachen (menschlichen) Augen * wären nicht imstande,


in die Strahlen seiner himmlischen Schönheit zu blicken.
Er hüllte daher seine Bäume * in die Namen unserer Bäume
Und seine Feigenbäume wurden nach dem Namen der unsern * benannt.
Und seine Blätter, die geistigen, * wurden greifbar und körperlich;
Sie verwandelten sich, damit Uebereinstimmung geschaffen werde, * zwi-
schen den Kleidern und den Sichbekleidenden.]

Das schafft allerdings einen so großen Unterschied, daß unsere Namen und Be-
zeichnungen der Dinge im Paradies nurmehr analog gelten (Hym. 11, 4-7):

[4. Nicht soll seine Beschreibung gerichtet werden * vom Hörenden;


Denn nie und nimmer fallen * die Aussagen darüber unter (sein) Gericht.
Denn wenn es auch den Namen nach * irdisch zu sein scheint,
der Wirkkraft nach ist es geistig, * geläutert.
Die Namen * der Winde sind gleich;
(doch) ist von jenem unreinen * der heilige getrennt.

5. Dem Sprechenden ist es ja ganz * unmöglich,


ohne die Worte * für die sichtbaren Dinge
den Hörern vor Augen zu stellen * das Bild unsichtbarer Dinge.
Denn wenn schon der Schöpfer * des Gartens
in die Namen unseres Raumes * seine Maiestät gehüllt hat,
(um) wieviel (mehr) wird man dann mit unseren Gleichnissen von seinem
Garten sprechen (dürfen).

6. Wenn nun auf die von der (göttlichen) Maiestät entliehenen Namen (al-
lein)
Jemand irrend schaut, * dann lästert und verleumdet er sie mit jenen ent-
liehenen (Aussagen), * in die sie sich hüllte um ihm zu helfen;
und er ist undankbar gegen die Güte, * die herabsenkte
ihre Höhe zu seine Unmündigkeit; * denn obwohl er nicht mit ihr ver-
wandt ist,
hat sie sich in seine Bilder gehüllt, * um ihn zu ihrem Bild zu führen.

7. Dein Verstand möge daher durch die Bezeichnungen * nicht in Verwir-


rung geraten!
Denn das Paradies hat sich gehüllt * in die mit dir verwandten Namen.
Doch ist es (deswegen) nicht arm, * weil es in deine Bilder sich hüllte.
Deine Natur ist schwach, gar sehr, * unfähig,
seine Erhabenheit zu fassen; * und gar sehr verblassten seine Schönheiten,

11
12 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

weil sie dargestellt wurden mit den Farben, * den schwachen, die mit dir
verwandt sind.]

Darauf mag auch zurückgehen, daß hier Ephräm Bilder häuft und vermengt in
einer Weise, daß sie sich gegenseitig aufheben. So eilen in Hym. 7, 18 die Weinstö-
cke den Asketen entgegen und reichen ihnen ihre Trauben, um sie zu bewirten:

[Wer des Weines * in Klugheit sich enthielt,


dem eilen freudiger * die Weinstöcke des Paradieses entgegen
und jeder wird seine Trauben * ihm darreichen.
Lebte er auch noch jungfräulich, * dann führen sie ihn ein
in ihren reinen Schoss, * weil er als Asket
nicht gefallen ist in den Schoss * und in das Bett der Ehe.]

und in Hym. 9, 3-6 laden die Bäume die Seligen ein, in ihre Kronen hinaufzustei-
gen, in denen sie zu Tische liegen können, „eine Wolke von Früchten,
schattenspendend zu ihren Häupten[sic], und ein Teppich aus Blumen zu ihren
Füßen“:

[3. Wenn du nun wünschen wirst, * einen Baum zu besteigen,


wird er ganz mit (allen) seinen Zweigen * vor deinen Füssen Stufen bilden
und er wird einladen, dich bewirten zu dürfen * oben in seinem Schoss,
auf dem Lager seiner Zweige, * deren Rücken
bereitet, gebreitet, zusammengenommen sind * und voll von Blumen,
für den darauf ruhenden * (wie) ein Mutterschoss, das Bett der Leibes-
frucht.

4. Wer sah (je) ein Gastmahl * im Schoss eines Baumes!


Die Früchte vor den Händen, * gereiht, Früchte jeden Wohlgeschmacks;
Einzeln, in Ordnung * kommen sie heran, in kluger Unterscheidung.
Früchte für Speise * und Trank,
Tau, um (die Hände) zu waschen, * und Blätter, um (sie) zu trocknen.
Ein Schatz, der keinen Mangel kennt, * weil sein Herr über jeden Reich-
tum verfügt.

5. Sie liegen zu Tisch auf Bäumen * aus klarer Luft.


Blumen unter ihnen, * über ihnen Früchte.
Die Decke aus Früchten, * der Boden aus Blüten.
Wer hätte jemals gehört * oder gesehen:
eine Wolke über den Häuptern, * schattenspendend, aus Früchten,
und ein Teppich unter den Füssen, * ausgebreitet, aus Blumen!

12
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 13

6. Ein (ununterbrochner) Strom von Wonnen! * Denn noch bevor dieser


(Baum) dich entlassen hat,
lädt dich (schon) ein andrer ein. * Sie alle (bieten) von selber an,
dass du die Früchte des einen essen, * den Trank des andern trinken mö-
gest.
Im Tau des einen sollst du dich baden * und reinigen,
mit dem Harz eines andern sollst du dich salben, * den Duft dieses (Bau-
mes) sollst du einatmen,
den Gesang jenes andern sollst du hören. * Gepriesen sei, der (so) Adam
erfreut hat!]

Doch gleich in den folgenden Strophen (Hym. 9, 7-17) sind es die Winde und Düfte
des Paradieses, die die Verklärten ernährten:

[7. Nährende Winde * wehen in aller Vielfalt,


und wie Martha und Maria * eilen sie (ständig) mit Speisen;
denn niemals werden sich entfernen * die Gäste des Mahles.
Martha, die ermüdete, * wagte
zu murren gegenüber dem, * der zum Paradies einlud,
wo die Diener * (ständig) sich regen, ohne zu ermüden.

8. Winde sind es, die im Paradies * zu den Gerechten eilen;


Der eine haucht Sättigung, * der andre spendet Trank.
Der Hauch des einen ist üppig, * das Wehen des andern saftvoll.
Wer sah (je) Winde, * die mit sich führten
Lüfte zu essen * und andre zu trinken;
der eine weht Tau * ein andrer Salben.

9. Die Winde sind auf Windes Art * die Ammen der Geistigen.
Ein Hochzeits(mahl) ohne Mühe: * nicht ermattet die Hand,
nicht müht sich der Zahn, * nicht wird der Magen beschwert.
Wer lag (je) zu Tisch und erlabte sich * ohne Mühe,
sich sättigend ohne Speise * und sich erheiternd ohne Trank?
Ein Windhauch tränkt ihn, * ein andrer sättigt ihn.

10. In den Saaten erkenne Gleichnisse, * in sichtbare Dinge eingezeichnet!


Wenn (schon) der Wind Amme ist * für den Weizen(halm) und die Aehre,
sie ernährt durch sein Wehen * und gedeihen lässt durch seine Kraft,
(um) wieviel (mehr) werden dann die Winde Amme sein (können), * die
Winde des Segens,
für die Saaten des Paradieses, * für die wortbegabten, geistigen!

13
14 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

Denn was geistig ist, * dessen Nahrung ist Geist (Wind).

11. Klug unterscheidende Winde * ernähren die Klugen.


(Dieser) Hauch lässt dich gedeihen, * (jenes) Wehen erquicket dich;
Ein andrer (Hauch) gibt die Fülle, * sein Gefährte erfreut dich.
Wer hätte sich jemals auf diese Weise erlabt,
essend ohne Hände, * trinkend ohne Mund!
Das Wehen der (Paradieses)wonnen * ist sein Mundschenk und Bäcker.

12. Sogar schon jetzt, * (schon) auf dieser Erde der Dornen,
(betrachtete) die Aehre des Feldes, * die (Gott) gegeben hat trotz des Flu-
ches;
Durch den Wind entsteht * das Weizen(korn) in ihrem Schoss,
nach dem Willen des Allerhöchsten, * der alles vermag.
Der (Wind)hauch ist seine Amme * und wie eine Mutterbrust nährt er es,
damit in ihm ein Typus geformt werde * der Ernährung der Geistigen.

13. Wenn also (schon) das Weizen(brot), * die Speise der Körperlichen,
von dem der grösste Teil im Kot * bei der Reinigung ausgestossen wird,
die Luft ernährt * (und) durch (ihren) Wind(hauch) gedeihen lässt,
(um) wieviel (mehr) werden dann die reinen Lüfte imstande sein,
aus den Schatzkammern Edens * den Geistigen zu spenden
feine Säfte, * geistige Speisen!

14. Lerne vom Feuer, * dass der (Luft)hauch alles nährt!


Denn wenn es eingeschlossen ist * an einem Ort ohne Luft,
dann flackert seine Flamme * und sein Hauch wird schwach.
Wer sah (je) eine Mutter, * die stillen würde
mit dem ganzen (Körper) das All, * von der das All abhängt,
während sie selber (nur) von dem Einen abhängt, * der die Macht ist, die
alles ernährt.

15. Beschämt wurden die Chaldäer, * welche die Sterne priesen:


„Sie ernähren * das All in allem.“
Denn der Sterne und der Saaten, * der Sonne, des Gewürms und der Men-
schen
Amme ist die Luft, * ohne Neid,
wie das Feuer lehrt, * das durch den (Luft)hauch ernährt wird, (und das)
der Genosse und Vewandte * der Sterne (ist).

16. Wenn sogar die Seele * ohne Luft weichen (muss),

14
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 15

dann ist, während (die Seele) die Säule unseres Leibes ist,* auf die der
Körper sich stützt,
(die Luft) das Brot unseres Brotes, * durch die unser Acker gedeiht.
Wie sehr (muss) also jene gepriesene Luft
Die Geistigen erfreuen! * Sie werden sie essen und trinken,
sie werden in ihr schweben und schwimmen; * denn sie ist ein Meer von
Freuden.

17. Der Duft des Paradieses * ernährt statt des Brotes,


und jener leben(spendende) Hauch * dient statt des Trankes,
indem die Sinne sich laben * zu allen.
Durch ihre Kraft der Freuden * stehen sie ohne Schwere,
und geniessen zu jeder Stunde * staunend die (göttliche) Herrlichkeit.]

Und schließlich wird, immer noch im gleichen Hymnus 9, die visio beatifica zur
Nahrung auch für den Körper:

[18. Denn jetzt (sind es) die Körper, * (die) hungern und sich nähren;
Drüben aber (sind es) die Seelen, * (die) hungern statt der Körper.
Und es erhält die Seele * eine Speise, die ihr gleicht.
Und mehr als durch alle * Speisen
Wird durch den Allernährer * die Seele gedeihen,
in seinen Schönheiten weidend * und über seine Schätze staunend.

19. Die Körper mit ihrem * Blut und (Blut)fluss


werden dort gereinigt * nach dem Gleichnis der Seelen.
Der schweren Seele * Flügel werden geläutert,
dem Gedanken gleichgemacht, * dem preiswürdigen.
Der Gedanke hinwieder * mit seinen verworrenen Bewegungen
wird ohne Verwirrung sein, * nach dem Gleichnis der (göttlichen) Mai-
estät.

20. Die Seele nämlich ist rühmenswerter * als der Körper


und der Verstand ist rühmenswerter * als die Seele,
und die Gottheit ist verborgner * als der Verstand.
In die Schönheit der Seele wird sich also * in der End(zeit)
der Körper kleiden * und die Seele in die des Verstandes.
Auch der Verstand wird sich kleiden * in die Aehnlichkeit mit der (göttli-
chen) Maiestät.

21. Die Körper werden erhoben * auf die Stufe der Seelen;
Die Seele wird erhoben * auf die Stufe des Verstandes,

15
16 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

der Verstand aber * zur Höhe der (göttlichen) Maiestät,


indem er sich nähert in Furcht * und in Liebe.
Er schwingt sich nicht zu hoch empor * noch bleibt er zu sehr zurückt;
sein Zurückbleiben ist klug, * sein Emporfliegen nützlich.]

Damit ist eine höchste und letzte „Spiritualisierung“ erreicht.

Doch ist sicher zuzugeben, daß die Phantasie des Volkes und auch der Volkspredi-
ger wohl vielfach bei den Bäumen und Weinstöcken Halt machte, sodaß also beim
Wein im Paradies des Korans ein Hinweis auf die Traubenspendenden Weinstöcke
bei Ephräm nicht unangebracht sein kann. Wie steht es aber mit den ḥūris? Tor
ANDRAE findet auch sie schon bei in Ephräms Hymnen de Paradiso angedeutet, und
zwar in der gleichen Strophe, die auch vom Wein spricht und die hier oben schon
kurz erwähnt wurde, nämlich Hym. 7, 18. Tor ANDRAE übersetzt sie folgenderma-
13
ßen:

„Wer sich hinieden des Weines enthalten hat, nach ihm sehnen sich die
Weinreben des Paradieses. Jede von ihnen reicht ihm eine herabhängende
Traube. Und wenn jemand in Keuschheit gelebt hat, so empfangen sie
(fem.) ihn in ihren reinen Schoß, weil er als Mönch nicht in Schoß und
Bett der irdischen Liebe fiel.“

Tor ANDRAE baut seine Vermutung offenbar darauf auf, daß hier im zweiten Teil
der Strophe durch das eigens hervorgehobene femininische „sie“ ein neues, nicht
näher angegebenes Subjekt erscheine, welches nach dem Zusammenhang paradie-
sische weibliche Wesen zu sein scheinen. Er stand dabei wohl zweifellos auch
14
unter dem Einfluß eines Fehlers der Editio Romana, von deren Text er ausgeht.
Hier steht nämlich im ersten Teil der Strophe (III 584 B) in dem prädikativen -
15
Partizip, das T. ANDRAE ungenau mit sic „sie sehnen sich“ (BROCKELMANN : laete
obviam ire [„freudig entgegenkommen“]) übersetzt, der maskulinische Plural
sāwḥīn, ein Fehler der Ausgabe gegenüber dem korrekten femininischen Plural
sāwḥān aller Handschriften.

13
Tor Andrae: Mohammed, S. 72.
14
Editio Romana, „die römische Ausgabe“: Petrus Benedictus (†); Stephanus Evo-
dius Assemanus (Hrsgg.): Sancti Patris Nostri Ephraem Syri Opera Omnia. Quae
Exstant Graece, Syriace, Latine, in Sex Tomos Distributa... Romae 1732-1746, hier
Band VI (= Tomus Tertius. Syriace et Latine, 1743), S. 584.
15
Vgl. Carolus [Carl] Brockelmann: Lexicon Syriacum. Edinburg & Berlin 1895, S.
221.

16
P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer 17

Abb.: Text der Editio Romana, in Zeile 3 ܺ ܳ /sāwḥīn/]

16
Denn Subjekt ist gufnē , das T. ANDRAE mit „Weinreben“ übersetzt, das aber hier
wie die Fortsetzung zeigt, die Weinstöcke bezeichnet. Mit der Korrektur des
sāwḥān werden für die ganze Strophe die Weinstöcke zum einheitlichen Subjekt.
Damit fällt schon grammatisch die Vermutung T. ANDRAEs. Man könnte höchstens
noch einwenden, daß die Prädikate des zweiten Teils nicht mit Weinstöcken ver-
einbar seien.

Dagegen ist zunächst zu sagen, daß ihre poetische Personifizierungen schon im


ersten Teil der Strophe gegeben ist. Dem Asketen, „der in Klugheit sich des Weines
enthielt, dem eilen freudiger die Weinstöcke des Paradieses entgegen, und jeder
streckt seine Traube ihm entgegen, um sie ihm zu geben.“ Das nun folgende Verb
des zweiten Teiles, das sich wiederum auf „Weinstöcke“ bezieht, übersetzt T. AND-
RAE sehr ungenau und schon ganz unter dem Einfluß seiner falschen Auffassung
mit: „sie empfangen ihn in ihrem reinen Schoß“. Das syrische Verb ’aʿel (Afʿel von

16
Vgl. Brockelmann: Lexicon Syriacum, S. 60.

17
18 P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer

17
√ʿLL) hat aber seine gewöhnliche Bedeutung introducere [„einführen“] und es ist
zu übersetzen: „Und wenn nun (der Asket) auch noch jungfräulich (gelebt hat),
dann führen (die Weinstöcke) ihn in ihr Inneres ein“, wo er wie in einer Laube
18
ruhen kann. Daß der Schoß (ʿubbā ) der Weinstöcke diese Bedeutung hat, bewei-
sen zwei ähnliche Bilder. So heißt es in der 6. Strophe des gleichen 7. Hymnus, daß

der Feigenbaum des Paradieses freudig der Ḥeva [„Eva“, vgl. syrisch ‫ܐ‬ , Ḥawwā]
entgegeneilt (wieder swaḥ) und zu ihr spricht:

„Vergessen durfte deine unerfahrene Jugend den Tag, da du entblößt wur-


dest und in meinem Schoß dich verbargst.“

Noch deutlicher ist das andre Bild von Hym. 9, 3, wo es, wie schon kurz erwähnt,
heißt, daß die Seligen von den Bäumen eingeladen werden, oben in ihren Wipfeln
„im Schoß des Baumes auf dem Lager ihrer Zweige“ wie in einem Speiseraum zu
Tisch liegen. Danach ist auch das Bild von Hym. 7, 18 zu verstehen. Das beweist
zuletzt auch noch der Umstand des Vergleiches, der diese Strophe und ihre ganze
Umgebung beherrscht, nämlich der Gedanke, daß das Paradies für besondere
(freiwillige) [bzw.] gute Werke einen besonderen Lohn bietet, der in irgendeiner
Weise mit der Art des guten Werkes in Verbindung gebracht wird. Bei der Enthalt-
samkeit von der Ehe ist es nun die Vorstellung des Gebettet- und Geborgenseins,
über deren dichterischen und erbaulichen Wert man geteilter Meinung sein kann,
die aber klar im Schluß der Strophe mit den Worten zum Ausdruck kommt:

„(die Weinstöcke) führen ihn in ihren reinen Schoß ein, weil er (als) Asket
nicht in Schoß und Bett der Ehe fiel.“

Das „rein“, das vielleicht auch mit dazu beigetragen hat, an die „reinen Ehegattin-
nen“ des Korans zu denken, schafft keine letzte Schwierigkeit; denn „rein“ ]h
„heilig“ sind für Ephräm alle Gegenstände des Paradieses.

Damit ist wohl endgültig der wahre Sinn von Ephräms de Paradiso 7, 18 herausge-
stellt. Hinweise auf diese Stelle als auf eine christliche Parallele für die Ḥūris des
Koran sind falsch, und sie sollten endgültig aus der Literatur verschwinden.

17
Vgl. Theodor Nöldeke: Kurzgefasste Syrische Grammatik. Darmstadt 1977, S. 122.
(§ 178.)
18
Vgl. Brockelmann: Lexicon Syriacum, S. 241.

18
Quellen- und Literaturverzeichnis 19

Quellen- und Literaturverzeichnis

Andrae, Tor: Mohammed. Sein Leben und sein Glaube. Göttingen 1932, S. 71f.

Beck OSB, P. Edmund: „Eine christliche Parallele zu den Paradiesjungfrauen des


Korans?“, in: Orientalia Christiana Periodica 14 (1948), S. 398-405.

Benedictus (†), Petrus; Stephanus Evodius Assemanus (Hrsgg.): Sancti Patris Nostri
Ephraem Syri Opera Omnia. Quae Exstant Graece, Syriace, Latine, in Sex Tomos
Distributa... Romae 1732-1746, hier Band VI. (= Tomus Tertius. Syriace et Latine,
1743.)

Brockelmann, Carolus [Carl]: Lexicon Syriacum. Edinburg & Berlin 1895.

Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. Heraus-
gegeben v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 174 = SS 78.)

Des heiligen Ephraem des Syrers Hymnen de Paradiso und contra Julianum. Überset-
zung v. P. Edmund Beck OSB. Louvain [Löwen] 1957. (CSCO 175 = SS 79.)

[Koran.] al-Maṭbaʿah al-ʾAmīriyyah, Būlāq [Kairo] 1342 [hiǧrī = 1924 n. Chr.].

19
20 Indizes

Indizes (Ephräm und Koran)

Ephräm: Hymnen de Paradiso 3, 39...................................................... 9

7, 6......................................................18 4, 28...................................................... 9

7, 18.......................................12, 16, 18 4, 57...................................................... 8

9, 3......................................................18 36, 56.................................................... 8

9, 3-6 ..................................................12 37, 48.................................................... 7

9, 7-17 ................................................13 38, 52.................................................... 7

9, 9......................................................10 44, 54.................................................... 8

9, 18-21..............................................15 52, 20.................................................... 8

11, 4-7 ................................................11 55, 70-77.............................................. 7

Koran 56, 10-26.............................................. 6

2, 25...................................................... 8 56, 35-38.............................................. 8

2, 187.................................................... 9 78, 31-35.............................................. 5

3, 15...................................................... 8

20
Inhaltsverzeichnis 21

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Herausgebers........................................................................................................ 3

P. Edmund Beck OSB: Die Huris des Korans und Ephräm der Syrer............................ 5

Quellen- und Literaturverzeichnis........................................................................................ 19

Indizes (Ephräm und Koran) .................................................................................................. 20

21

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