Sie sind auf Seite 1von 16

Landesgymnasium Sankt Afra

Vielfalt in Kinderbüchern – Warum sie


wichtig ist und wie sie aussehen kann

Name: Johanna Szczesny

Fach: Gemeinschaftskunde

Betreuende Lehrkraft: Claudia Portogallo

Abgabedatum: 30.06.2021

Seite 1
1 Inhaltsverzeichnis
1 INHALTSVERZEICHNIS................................................................................................................2

2 EINLEITUNG....................................................................................................................................3

3 WARUM IST VIELFALT IN KINDERBÜCHERN WICHTIG?................................................4

3.1 WARUM IST VIELFÄLTIGE REPRÄSENTATION GENERELL WICHTIG – POLITISCHES FRAMING............................4


3.2 BESONDERE RELEVANZ IN KINDERBÜCHERN.........................................................................................6

4 WIE LÄSST SICH VIELFALT IN KINDERBÜCHERN UMSETZEN?....................................8

4.1 WIE SOLLTEN KINDERBÜCHER IN BEZUG AUF VIELFALT AUSSEHEN?........................................................8


4.2 POSITIVBEISPIELE – WIE WURDE DIES KONKRET UMGESETZT?..................................................................8
4.2.1 The day you begin................................................................................................................8
4.2.2 Ich bin anders als du – Ich bin wie du.................................................................................8
4.2.3 Julian ist eine Meerjungfrau................................................................................................9

5 FAZIT................................................................................................................................................10

6 BIBLIOGRAPHIE...........................................................................................................................10

6.1 BUCHQUELLEN................................................................................................................................10
6.2 INTERNETQUELLEN...........................................................................................................................10

7 ANHANG..........................................................................................................................................11

Seite 2
2 Einleitung
In Kinderbüchern wird die Welt häufig einseitig dargestellt, indem es beispielsweise
nur weiße Kinder gibt, alle Pärchen heterosexuell sind oder die dargestellten Kinder
viele geschlechtsspezifische Klischees erfüllen. Jedoch sollten Kinder die Welt in
ihrer ganzen Vielfalt kennenlernen. Vielfältige Repräsentation ist ein sehr wichtiges
Thema. Erst recht für Kinder ist es besonders wichtig, dass dieses Thema
angegangen wird, denn Kinder sind die Generation der Zukunft und haben noch eine
sehr gute Lernfähigkeit. Wenn also die Zukunft geformt werden soll, um
beispielsweise Diskriminierung zu minimieren, muss bei den Kindern begonnen
werden. Aus diesem Grund befasse ich mich in dieser Arbeit mit dem Thema der
Vielfalt in Kinderbüchern unter folgenden zwei Aspekten, warum sie relevant ist und
wie sie umgesetzt werden kann. Hier beleuchte ich das politische Framing und
erkläre die Theorie zu diesem Thema von George Lakoff und Elisabeth Wehling.
Außerdem erkläre ich, weshalb es gerade bei Kindern wichtig ist auf Vielfalt zu
achten. Im zweiten Teil befasse ich mich damit, wie Vielfalt in Kinderbüchern
gestaltet sein sollte und verwende hierfür Kriterien von KIMI, dem Siegel für
Vielfalt in Kinder- und Jugendbüchern, und zeige anschließend an drei
Positivbeispielen, wie sie gut umgesetzt worden ist. Hierfür habe ich die Bücher
„Julian ist eine Meerjungfrau“ von Jessica Love, „Ich bin anders als du – Ich bin wie
du“ von Constanze Kitzing und „The day you begin“ von Jaqueline Woodson
ausgewählt.

Seite 3
3 Warum ist Vielfalt in Kinderbüchern wichtig?

3.1 Warum ist vielfältige Repräsentation wichtig –


Politisches Framing
George Lakoff, war ein US-Amerikanischer Professor für kognitive Wissenschaft
und Linguistik an der University of California und Experte in dem Thema Framing.
Mittlerweile ist er Direktor des „Center for Neural Mind & Society“ in Berkeley.
Außerdem ist er Autor einiger Bücher zu dem Thema Framing, wie „Don´t think of
an Elephant! Know your values and frame the debate“ oder „Auf leisen Sohlen ins
Gehirn”, welches er gemeinsam mit Elisabeth Wehling schrieb, die Germanistik,
Journalistik und Soziologie in Hamburg, California und Rom studiert hat und
ebenfalls eine Expertin im Thema Framing ist.12
Frames sind mentale Strukturen, die als Deutungsrahmen dienen und indem sie
Wissen strukturieren und dem Gedachten einen Sinn zuordnen unsere Wahrnehmung
beeinflussen.3 Für alle Denkabläufe im Gehirn werden Frames angewendet, weshalb
es wichtig ist über sie informiert zu sein. Frames basieren auf der moralischen
Grundlage, die jeder Mensch in sich hat und als common sense verstanden werden,
da er sie von klein auf durch das soziale Umfeld lernt. Es gibt zwei verschiedene
Moralkonzepte. George Lakoff nennt diese das „strict father“ und das „nurturant
parent“ Modell.4 Das „strict father“ Modell ist das der Konservativen. In diesem wird
davon ausgegangen die Welt sei gefährlich. Außerdem seien Kinder bei der Geburt
zuerst einmal schlecht in dem Sinne, dass sie nur primitive Verlangen haben und
müssen noch „gut“ gemacht werden, indem sie Moral lernen. 5 Hierfür brauchen sie
einen strengen Vater, der einerseits als moralische Autorität dient und andererseits
vor der gefährlichen Welt schützen und Kinder in dieser unterstützen soll, damit
diese später auf sich selbst achten können.6 Des Weiteren hängt in dieser
Moralvorstellung der Erfolg von dem Grad der Gehorsamkeit ab. Wenn jemand also
1
Vgl. „Academic Biography – George Lakoff“. George Lakoff. Zugegriffen 28.06.2021.
https://georgelakoff.com/press/academic-biography/
2
Vgl. „About – Elisabeth Wehling“. Elisabeth Wehling. Zugegriffen 28.06.2021.
https://www.elisabethwehling.com/about
3
Vgl. Elisabeth Wehling und George Lakoff, Auf leisen Sohlen ins Gehirn (Heidelberg: Carl-Auer
Verlag, 2008), 73.
4
Vgl. George Lakoff, The all new don´t think of an Elephant! Know your values and frame the debate
(White River Junction: Chelsea Green Publishing, 2014), 10.
5
Vgl. Ebd., 4.
6
Vgl. Ebd., 5.

Seite 4
arm ist, sei es dessen eigene Schuld, weil dieser nicht gehorsam genug sei.
Außerdem sind staatliche soziale Hilfen in diesem Weltbild ungern gesehen, weil
diese Gelder dazu führen, dass eine arme Person nicht mehr lernt, dass sie für Erfolg
gehorsam sein muss und somit diesen Menschen, denen das Geld nützen soll, nach
dieser Logik langfristig sogar schadet.7 Ein weiterer Aspekt dieses Modells ist, dass
es sehr hierarchisch aufgebaut ist. So liegen hier beispielsweise Eltern über ihren
Kindern, Männer über Frauen, westliche Länder über dem Rest der Welt oder
Christen über nicht-Christen.8
Das Modell der Progressiven ist die „nurturant parent“ Moral. Dieses hat eine
geschlechtsneutrale Bezeichnung, weil beide Elternteile gleichermaßen für die
Erziehung des Kindes verantwortlich sind. In dem progressiven Modell wird davon
ausgegangen, dass Kinder von Anfang an gut sind, jedoch noch besser gemacht
werden können. Das Ziel ist es sich um die Kinder zu kümmern, damit sich diese
später um andere kümmern. Sich kümmern beinhaltet in diesem Fall Empathie,
Verantwortung und Engagement für sowohl sich selbst als auch andere. 9 Die meisten
Menschen haben jedoch nicht nur eines dieser beiden Konzepte, sondern beide in
sich. Jedoch widersprechen sich diese in großen Teilen, weshalb die Frage
aufkommen könnte, wie das funktioniert. Die Antwort ist nicht sehr kompliziert. Es
können nicht gleichzeitig sich widersprechende Konzepte im Gehirn angeschaltet
sein, was der Grund dafür ist, dass während eines angeschaltet ist, das andere immer
inaktiv ist. Eine Person mit beiden Konzepten wendet diese in verschiedenen
Lebensbereichen und Problemen an.10
Vor allem in verwendeten Formulierungen und Begriffen verstecken sich häufig
Frames, die beeinflussen, wie das Gesagte beim Gegenüber ankommt. Ein Beispiel
hierfür ist das Wort „Steuererleichterung“. Dieser Begriff impliziert es gäbe eine
unschuldige Person, die eine Last zu tragen habe, von der sie aber erlöst werden
könne. Die erlösende Person, also Konservative, die „Steuererleichterung“ anstreben,
verdient dann deren Dank. Im Gegenzug werden Progressive als schlecht dargestellt
dafür, dass sie die Bevölkerung nicht „erleichtern“ wollen.11 Dies ist ein
konservativer Frame, der auf das „strict father“ Moralkonzept anspricht, denn in
diesem achtet jeder, sobald er erwachsen ist, auf sich selbst, wodurch an alle gedacht
7
Vgl. Lakoff, The all new don´t think of an Elephant! Know your values and frame the debate, 6.
8
Vgl. Ebd., 10.
9
Vgl. Ebd., 10.
10
Vgl. Ebd., XIV
11
Vgl. Wehling und Lakoff, Auf leisen Sohlen ins Gehirn, 80.

Seite 5
wäre.12 Steuern gehen jedoch gegen dieses Konzept, weil diese Geld von
Einzelpersonen nehmen, um es für die ganze Bevölkerung zu verwenden.
Wenn jemand etwas wahrnimmt, wird immer der passende Frame aktiviert und je
öfter ein Frame aktiviert wird, desto stärker wird dieser. Ein relevanter Punkt ist
allerdings, dass selbst, wenn etwas negiert wird der Frame dessen aktiviert wird. Ein
anschauliches Beispiel ist, dass jemand, wenn ihm gesagt wird, er solle nicht an
einen Elefanten denken, an genau dieses Tier denkt.13 Bei Menschen mit beiden
Moralkonzepten führt wiederholtes wahrnehmen mit einem der beiden Frames dazu,
dass dieses Konzept in einer größeren Anzahl an Bereichen angewendet wird. Weil
die Konservativen das Framing ihrer Themen deutlich besser verstanden und
angewendet haben als die Progressiven, haben wir Frames gelernt, die zu einem
großen Teil konservativ waren.14 Viele Gruppen, die zu der Vielfalt der Welt
dazugehören, passen jedoch nicht in das konservative Weltbild. So passen
beispielsweise gleichgeschlechtliche Paare nicht in dieses, weil Kinder dieser nicht
einen strengen Vater haben, sondern keinen Vater oder zwei Väter, die jedoch im
konservativen Weltbild nicht als vollständig männlich gesehen werden.15 Vielfältige
Repräsentation muss also erreicht werden, denn je öfter die hierzu passenden
progressiven Frames aktiviert werden, desto stärker werden sie, was die Möglichkeit
eröffnet Diskriminierung effektiver bekämpfen zu können. Wenn es jedoch weiterhin
nicht genügend vielfältige Repräsentation gibt, bleiben in diesen Bereichen bei
Menschen mit beiden Moralkonzepten der konservative Anteil aktiv und
diskriminierte Gruppen bleiben weiterhin in deren Augen fremd. Wichtig hierbei zu
beachten ist auch, dass die Repräsentation nicht auf Klischees basieren oder diese
überhaupt erwähnen sollte, weil selbst, wenn die Klischees negiert werden dies
wiederum konservative Frames aktiviert und dadurch stärkt. Weil Frames sich über
das Denken letztendlich auch auf das Handeln auswirken, ist vielfältige
Repräsentation wichtig, um Neue Wege zu eröffnen, gegen Diskriminierung
entgegenzuwirken.

12
Vgl. Lakoff, The all new don´t think of an Elephant! Know your values and frame the debate, 6.
13
Vgl. Ebd., XII.
14
Vgl. Wehling und Lakoff, Auf leisen Sohlen ins Gehirn, 63-64.
15
Vgl. Lakoff, The all new don´t think of an Elephant! Know your values and frame the debate, 130.

Seite 6
3.2 Besondere Relevanz in Kinderbüchern
Kinder sind die nächsten Generationen, die stark beeinflussen, wie die Zukunft
aussehen wird. Deshalb sind genau diese für alle größeren Veränderungen für die
Zukunft, wie auch den Kampf gegen Diskriminierung und unzureichende Vielfalt
wichtig.
Bilderbücher sind die Frühesten Medien, aus denen Kinder lernen, die Welt besser zu
verstehen, weshalb die hieraus gewonnenen Botschaften mit großer
Wahrscheinlichkeit das ganze Leben lang in ihnen bleiben. 16 Sprache und Kultur
tragen in der sozialen Entwicklung so wie der Identitätsentwicklung von Kindern
bei.17 So hängt das Selbstwertgefühl eines Kindes unter anderem davon ab, wie die
eigene Kulturelle Gruppe in der Gesellschaft betrachtet und in Medien wie
Kinderbüchern dargestellt wird. Wenn ein Kind in Büchern in akkurater Art und
Weise dargestellt die kulturelle Gruppe wiederfinden kann, der es selbst zugehört,
kann es sich repräsentiert fühlen.18 Außerdem lehrt dies dem Kind, dass es die eigene
Kultur wertschätzen kann.19 Wenn jedoch die eigene Kultur schlecht dargestellt wird,
bringt dies ein schlechtes Selbstwertgefühl mit sich und wenn die eigene Gruppe gar
nicht in Literatur wiedergefunden werden kann, suggeriert dies, diese kulturelle
Gruppe und damit auch das Kind selbst sei nicht wichtig genug, um in Büchern
dargestellt zu werden.20 Auch das Fremdbild beeinflussen Kinderbücher. Sie helfen
beispielsweise dabei Menschen, die anders als das Kind selbst sind, besser verstehen
zu können.21 In dem aktuellen Maß an Repräsentation verschiedener
Menschengruppen beginnen Kinder bereits im Kindergartenalter mit Stereotypen zu
denken und negatives Verhalten gegenüber denen, die als anders wahrgenommen
werden, aufzuweisen,22 denn wenn nur eine Kultur porträtiert wird, kreiert und festigt
dies Stereotypen.23 Durch kulturell vielfältige Bücher kann jedoch eine
wertschätzende Haltung für anderen erreicht werden, die zu weniger Denken in
Stereotypen und weniger negativem Verhalten gegenüber als anders
16
Vgl. Jamie Campbell Naidoo, „ The Importance of Diversity in Library Programs and Material
Collections for Children“ Zugegriffen 29.06.2021.
https://www.scoe.org/files/Importance_of_Diversity_in_Library_Programs_and_Material_(1).pdf, 2-
3.
17
Vgl. Ebd., 2.
18
Vgl. Ebd., 2.
19
Vgl. Ebd., 3.
20
Vgl. Ebd., 3.
21
Vgl. Ebd., 3.
22
Vgl. Ebd., 5.
23
Vgl. Ebd., 6

Seite 7
wahrgenommenen führt.24 Durch Kinderbücher lernen Kinder die Fähigkeiten, die sie
in einer kulturell vielfältigen Welt wie unserer brauchen.25

24
Jamie Campbell Naidoo, „ The Importance of Diversity in Library Programs and Material
Collections for Children“ Zugegriffen 29.06.2021.
https://www.scoe.org/files/Importance_of_Diversity_in_Library_Programs_and_Material_(1).pdf, 5.
25
Vgl. Ebd., 5.

Seite 8
4 Wie lässt sich Vielfalt in Kinderbüchern umsetzen?

4.1 Wie sollten Kinderbücher in Bezug auf Vielfalt


aussehen?
In Kinderbüchern sollte die Welt so vielfältig dargestellt werden, wie sie auch in der
Realität ist. Besonders fokussiert werden sollten hierbei Minderheiten, diskriminierte
und gesellschaftlich niedriger gestellte Gruppen, denn dies sind genau die Gruppen,
die häufig keine, zu wenig oder nur auf Klischees basierende Repräsentation
erhalten. Eine gute Arbeit in diesem Thema leistet das KIMI-Siegel, ein Siegel für
Vielfalt in Kinder- und Jugendbüchern, das seit 2019 jährlich neu erschienene
besonders vielfältige Bücher prämiert.26 Auf deren Webseite lässt sich eine Liste mit
Themen finden, nach der entschieden wird, ob ein Buch vielfältig genug ist. Auf
dieser stehen Punkte wie beispielsweise People of Color, Menschen mit Behinderung
oder Geschlechterzuschreibungen.27 Diese Liste habe ich für diese Arbeit
übernommen.
Ein weiterer Anhaltspunkt, wie Kinderbücher in Bezug auf Vielfalt aussehen sollten,
ist, dass diese bewusst mit Frames umgehen sollten, die die eigene Position
bestätigen. Nur auf diese Weise kann bei dem:der Leser:in auch wirklich die
Botschaft ankommen, dass all die dargestellten Menschen normal und genau
gleichwertig mit allen anderen sind.

4.2 Positivbeispiele – Wie wurde dies konkret umgesetzt?

4.2.1 The day you begin


In dem englischsprachigen Buch „The day you begin“ von Jaqueline Woodson,
welches von Rafael López illustriert wurde, geht es um Kinder, die sich aus
verschiedenen Gründen nicht zu der restlichen Gruppe zugehörig fühlen, doch ab
dem Zeitpunkt, an dem sie Mut fassen ihre eigenen Geschichten zu erzählen und für
andere verständlich zu machen, beginnen sie sich zugehörig, verstanden und nicht
mehr allein zu fühlen, da sich einen Platz in der Gruppe für sie auftut.

26
Vgl. KIMI-Siegel, „Das KIMI-Siegel“ Zugegriffen am 25.06.2021 https://kimi-siegel.de/das-kimi-
siegel/.
27
Vgl. KIMI-Siegel, „Vielfaltskriterien“ Zugegriffen am 25.06.2021
https://kimi-siegel.de/vielfaltskriterien/.

Seite 9
Eines der Kriterien des KIMI-Siegels, das hier vorkommt ist Armutserfahrung im
kindlichen Alltag, denn Angelina hört von den anderen Kindern, was diese für
Reisen im Sommer unternommen haben, doch sie ist nicht verreist, sondern hat sich
stattdessen um ihre kleine Schwester gekümmert, was vermutlich daran liegt, dass
der Familie nicht ausreichend Geld für das Reisen zur Verfügung steht. 28 Des
Weiteren werden in dem Buch diverse Hautfarben gezeigt. 29 Zusätzlich stellt es eine
Figur mit Migrationserfahrung dar, denn Rigoberto stammt aus Venezuela und ist
gerade erst von dort umgezogen.30 Außerdem zeigt das Buch auch kulturelle Vielfalt
auf, indem eine Person von ihrer Mutter zubereitetes Fleisch und Kimchi mit Reis
mitgebracht hat und selbst die eigene Freundin dies seltsam anschaut.
Allgemein könnte man sagen, dass dieses Buch nicht gut sei, weil an vielen Stellen
die Vielfalt als andersartig dargestellt wird. Dadurch aktiviert und stärkt es hierfür
passende konservative Frames trotz dessen, dass am Ende der Platz in der Gruppe
doch noch gefunden wird. Allerdings ist die Hauptaussage das Buches, dass
Menschen auch trotz teils großer Unterschiede zusammenfinden und eine
gemeinschaftliche Gruppe bilden können. Außerdem sollen Menschen, die sich als
Außenseiter fühlen, den Mut fassen über sich zu erzählen, weil sich dies lohnt, indem
sie hierdurch in der Gruppe aufgenommen werden können. Zusätzlich lässt dieses
Buch Kinder, die nicht besonders stark in einer Gruppe integriert sind, weniger
alleine fühlen, da sie sehen, dass sich auch andere so fühlen wie sie.

4.2.2 Ich bin anders als du – Ich bin wie du


Das vom KIMI-Siegel ausgezeichnete31 Bilderbuch „Ich bin anders als du – Ich bin
wie du“ von Constanze von Kitzing ist ein zweiteiliges Buch, das sowohl von vorne
als auch von hinten gelesen werden kann. Einer der beiden Teile thematisiert die
Unterschiede verschiedener Menschen und der andere deren Gemeinsamkeiten.
Zwischen den beiden Teilen in der Mitte des Buches ist dann das Fazit zu finden:
„Ich bin ich“. Dieses Buch spielt bewusst mit Vorurteilen und regt an diese zu
hinterfragen, indem man zuerst die Personen mit dem Schriftzug „Ich bin anders als

28
Vgl. Jaqueline Woodson, The day you begin (New York: Nancy Paulsen Books, 2018), 12-15.
Da das Buch keine Seitennummerierung aufweist, habe ich diese selbst vorgenommen. Mit der
Nummer 1 habe ich hierbei die Seite Nummeriert, auf der innerhalb des Buches der Titel, die Autorin
und der Illustrator zu finden ist (Nicht das Cover). Die ungeraden Zahlen sind also immer auf der
rechten Seite des Buches und die geraden auf der linken.
29
Vgl. Ebd., 16.
30
Vgl. Ebd., 9
31
Vgl. https://kimi-siegel.de/2020/07/04/constanze-von-kitzing-ich-bin-anders-als-du-ich-bin-wie-du/

Seite 10
du, weil… „ beziehungsweise „Ich bin wie du, weil...“ sieht und die Auflösung
immer erst auf der nächsten Seite folgt. So entstehen in dem:der Leser:in schon
Erwartungen, die jedoch häufig nicht erfüllt werden. So könnten Leser:innen
vermuten, dass auf Seite 3a der Unterschied ist, dass die eine Figur ein Junge und die
andere Figur ein Mädchen sei oder, dass auf Seite 3b die relevante Gemeinsamkeit
sei, dass beide eine dunkle Hautfarbe haben oder auf den Oberteilen beider ein Stern
abgebildet ist, doch diese Erwartungshaltungen werden nicht erfüllt, sondern
stattdessen spielen die Figuren von Seite 3a verschiedene Instrumente und diejenigen
von Seite 3b kuscheln beide sehr gerne.32
Vielfältige Repräsentation ist in diesem Buch in vielen Bereichen zu erkennen.
Beispielsweise sind auch in diesem Buch Menschen mit vielen verschiedenen
Hautfarben abgebildet. Außerdem werden Geschlechterzuschreibungen aufgelockert.
So ist zum Beispiel ein Junge als Einhorn verkleidet 33 und bei einem Fußballspiel
sind mehr Jungen als Mädchen zu entdecken. 34 Außerdem ist eine Polizistin
dargestellt, obwohl dieser Beruf gesellschaftlich eher mit Männern in Verbindung
gebracht wird.35 Wichtig hierbei zu erwähnen ist jedoch, dass dies nur auf eigenen
Annahmen des Geschlechts der gezeigten Figuren beruht. Ein weiteres Merkmal von
Vielfalt ist, dass auch Menschen mit Behinderung gezeigt werden. So ist eine
gehörlose Person dargestellt, die durch Gebärdensprache mit den Händen redet und
Hörgeräte in den Ohren hat. 36 Außerdem zeigt das Buch eine Person im Rollstuhl, 37
so wie eine weitere Person mit einer Beinprothese, die zusätzlich sogar thematisch zu
dieser Seite passt, weil dort die Rede davon ist, dass diese beiden Kinder Piraten
seien.38
Im Gesamten ist dieses Buch sehr gut gelungen und bringt die Nachricht zum
Ausdruck, dass jeder individuell und einzigartig ist, alle jedoch auch

32
Constanze von Kitzing, Ich bin anders als du – Ich bin wie du (Hamburg: Carlsen Verlag, 2019), 3a-
4a, 3b-4b.
Da dieses Buch keine Seitennummerierung aufweist, habe ich diese Selbstständig vorgenommen.
Jeweils eine Doppelseite hat eine Zahl erhalten. Hierbei sind die Doppelseiten mit „a“ solche, die zu
dem Teil „Ich bin anders als du“ gehören und solche mit „b“ gehören zum Teil „Ich bin wie du“ . Die
Nummer 1 ist jeweils die, auf der Doppelseite, auf der „Ich bin wie du, weil...“ bzw. „Ich bin anders
als du, weil...“ zum ersten Mal steht. Die mittlere Doppelseite hat die doppelte Bezeichnung mit 19a
und 21b.
33
Vgl. Constanze von Kitzing, Ich bin anders als du – Ich bin wie du (Hamburg: Carlsen Verlag,
2019), 7b.
34
Vgl. Ebd., 14a.
35
Vgl. Ebd., 16b.
36
Vgl. Ebd., 8a.
37
Vgl. Ebd., 2b.
38
Vgl. Ebd., 20b.

Seite 11
Gemeinsamkeiten haben und somit nicht allein sind. Außerdem ist die Vielfalt in
dem Buch sehr gut und umfassend umgesetzt. Dies ist häufig eher im Hintergrund
umgesetzt statt das zu sein, worauf der:die Leser:in sich besonders fokussieren soll,
was jedoch positiv zu betrachten ist, da dies in Bezug aufs Framing impliziert es sein
nichts außergewöhnliches, auf dass besonders geachtet werden sollte, was dazu
beiträgt, dass beispielsweise Menschen mit Behinderung auch wie ganz normale
Menschen betrachtet werden und stärker wahrgenommen wird, dass die Behinderung
nur ein kleiner Teil von ihnen ist.

4.2.3 Julian ist eine Meerjungfrau


In dem Buch „Julian ist eine Meerjungfrau“, geschrieben von Jessica Love, geht es
um den Jungen Julian, der mit seiner Oma als Meerjungfrauen verkleidete Personen
sieht.39 Weil er Meerjungfrauen liebt möchte er auch eine sein und beschließt
kurzerhand, während seine Oma duschen geht, sich selbst auch zu verkleiden, um
ebenfalls eine Meerjungfrau zu sein. Er bastelt sich einen Kopfschmuck aus
Zimmerpflanzen, trägt Lippenstift auf und bindet sich einen Vorhang, in den er einen
Knoten macht, als Flosse um.40 Als seine Oma dies sieht, ist sie zuerst kurz verärgert,
doch sie nimmt ihn dann zu einer Art Meeresbewohnerparade mit, bei der er
zwischen all den anderen als Meerjungfrauen, Fische oder Korallen verkleideten
Menschen mitlaufen kann.41
Das wohl auffälligste Merkmal von Vielfalt in diesem Buch ist das aufbrechen von
Geschlechterrollen, denn das Wort „Meerjungfrau“ beinhaltet schon den Begriff
„Frau“, der es eindeutig weiblich macht, doch trotzdem wird Julian eine von ihnen.
Des Weiteren trägt er eine Kette und Lippenstift, 42 was in der Gesellschaft auch eher
mit weiblichen Personen assoziiert wird. Ein weiteres der Vielfaltskriterien des
KIMI-Siegels, das in diesem Buch vorhanden ist, sind People of Color, denn in
„Julian ist eine Meerjungfrau“ ist der Großteil aller Figuren dunkelhäutig. Zusätzlich
ist in dem Buch eventuell eine untypische Familienkonstellation in Form von einem
Kind ohne Eltern abgebildet, da Julian in dem Buch nur mit seiner Oma, nicht jedoch
mit seinen Eltern zu sehen ist, allerdings kann nicht eindeutig gesagt werden, ob er
39
Vgl. Jessica Love, Julian ist eine Meerjungfrau (München: Knesebeck Verlag, 2018), 3.
Da dieses Buch keine Seitennummerierung aufweist, habe ich diese Selbstständig vorgenommen. Die
Seite mit der Nummer eins ist hierbei die, auf der Titel und Autor zu finden sind und Julian mit seiner
Oma zu sehen ist.
40
Vgl. Ebd., 15-19.
41
Vgl. Ebd., 32-33.
42
Vgl. Ebd., 25.

Seite 12
bei ihr wohnt oder sie nur besucht, aber letztendlich ist dies auch egal, denn selbst,
wenn er seine Oma eigentlich nur besucht, kann man es anders interpretieren und
Kinder ohne Eltern können sich trotzdem repräsentiert fühlen.43
Insgesamt ist das Buch in Bezug auf Vielfalt gut gelungen und beinhaltet gleich
mehrere der Vielfaltskriterien des KIMI-Siegels: Geschlechterrollen, People of Color
und eventuell Kinder ohne Eltern.

43
Vgl. Love, Julian ist eine Meerjungfrau

Seite 13
5 Fazit
Vielfalt und vielfältige Repräsentation benachteiligter und unterrepräsentierter
Gruppen ist wichtig, um gegen Diskriminierung angehen zu können. Besonders in
Kinderbüchern sollte auf Vielfalt geachtet werden, weil Kinder bereits in jungem
Alter von Büchern beeinflusst werden und dies sowohl Einfluss auf das
Selbstwertgefühl als auch auf die Bewertung des als anders wahrgenommenen hat.
Eine beispielhafte Arbeit leistet hier das KIMI-Siegel, das durch das Auszeichnen
zur Verbreitung besonders vielfältiger Bücher, ähnlich wie die drei in dieser Arbeit
analysierten, beiträgt. Außerdem ist das Thema Framing wichtig, da die verwendeten
Frames das denken und darüber auch das Handeln beeinflussen. Mehr Vielfalt in
Kinderbüchern ist ein Schritt in die Richtung einer Zukunft mit weniger
Diskriminierung und im Gegenzug mehr Akzeptanz, der schon heute getan werden
kann.

Seite 14
6 Bibliographie

6.1 Buchquellen
Lakoff, George. The all new don´t think of an Elephant! Know your values and
frame the debate. White River Junction: Chelsea Green Publishing, 2014.
Love, Jessica. Julian ist eine Meerjungfrau. München: Knesebeck Verlag, 2020
Von Kitzing, Constanze. Ich bin anders als du – Ich bin wie du. Hamburg: Carlsen
Verlag, 2019.
Wehling Elisabeth, und George Lakoff. Auf leisen Sohlen ins Gehirn Politische
Sprache und ihre heimliche Macht. Heidelberg: Carl-Auer Verlag, 2008.
Woodson, Jaqueline. The day you begin. New York: Nancy Paulsen Books, 2018.

6.2 Internetquellen
Elisabeth Wehling. „About – Elisabeth Wehling“. Zugegriffen 28.06.2021.
https://www.elisabethwehling.com/about
George Lakoff. „Academic Biography – George Lakoff“. Zugegriffen 28.06.2021.
https://georgelakoff.com/press/academic-biography/
Jamie Campbell Naidoo. „The Importance of Diversity in Library Programs and
Material Collections for Children“. Zugegriffen 29.06.2021.
https://www.scoe.org/files/Importance_of_Diversity_in_Library_Programs_and_Mat
erial_(1).pdf
KIMI-Siegel. „Constanze von Kitzing: Ich bin anders als du – Ich bin wie du“.
Zugegriffen 27.06.2021. https://kimi-siegel.de/2020/07/04/constanze-von-kitzing-
ich-bin-anders-als-du-ich-bin-wie-du/
KIMI-Siegel. „Das KIMI-Siegel“. Zugegriffen am 25.06.2021. https://kimi-siegel.de/
das-kimi-siegel/
KIMI-Siegel. „Vielfaltskriterien“. Zugegriffen 29.06.2021.
https://kimi-siegel.de/vielfaltskriterien/

Seite 15
7 Anhang
Kriterien des KIMI-Siegels
• Menschen mit Behinderungen

• Menschen mit Fluchterfahrungen


• People of Color
• inter- bzw. transkulturelle /interreligiösen Lebenswirklichkeiten
• Armutserfahrungen im kindlichen/familiären Alltag
• Identifikationsmöglichkeiten für diverse Familienkonstellationen:
• Ein-Elter-Familien
• LGBTIQ-Eltern- und Kinder-Konstellationen und –Erfahrungen
• „Patchwork“-Familien
• bildungsferne Familien
• Familien mit alltäglichen Armutserfahrungen
• Familien mit Adoptiv- oder Pflegekindern
• Kinder ohne Eltern
• Wertevielfalt
• Sprachvielfalt und Sprachpraxen: Mehrsprachigkeit, Dialekte, sprachliche
Besonderheiten, Einschränkung
• Kulturen und Herkunft erfahrbar machen (Essen, Begrüßungen, Tanzen,
Gewohnheiten, Bräuche, Musik, Feste, Rituale, Kleidung)
• Geschlecht, Geschlechterrollen, vielfältige Gender-Identitäten (LGBTIQ), sexuelle
Orientierung, Geschlechterzuschreibungen
• Menschenrechte, Frauenrechte
• Erfahrungen mit Trauma, Krankheit, Tod
• Politische Einstellungen
• Berufe im Zusammenhang mit Genderrollen
• Gefühle aus verschiedenen Sichtweisen erfahrbar machen
• Konsumverhalten
• Umwelt, Umweltbewusstsein, Verhältnis zur Natur
Alter: 0-16 Jahre
Formate: u.a. Pappbilderbuch, erzählendes Bilderbuch, Roman, Sachbuch, Hörbuch
oder Hörspiel, Apps

Seite 16

Das könnte Ihnen auch gefallen