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Leitfaden

Anwendung von Organizing-Elementen


in der Studierendenarbeit auf dem Campus

Org an i zi ng
www.dgb-jugend.de/studium
Inhalt

Einige Worte vorab 4


Was ist Organizing? 5
Kurzübersicht 5
Ursprünge 5
Übertragung 6
Kernelemente 6
Organizing an der Hochschule 6
Wegweiser zum Organizing 8
Kopfarbeit 8
Bedienungsanleitung 8
Recherche 13
Grundfragen der Recherche 13
Zielgruppenanalyse 13
Umgang mit Daten / Datenschutz 15
Informationsquellen 16
Informationsaufbereitung 20
Kommunikation 21
Von der Ansprache zum Dialog 21
Kommunikationswege 21
Regeln für »Gleich-zu-Gleich-Gespräche« 22
Gesprächsvorbereitung 25
Gesprächsnachbereitung 27
Gesprächsregeln 28
Aktivierung und Beteiligung 29
Elemente einer erfolgreichen Aktivierung 29
Aktionsfindung 31
Ressourcenfrage 32
Ressourcen und Rahmenbedingungen 32
Men-/Womenpower 33
Kontakte und Netzwerke 34
Materialien, technische Infrastrukturen und Finanzen 35
Höherer Beistand 36
Hilfreiche Materialien und Links 36
Einige Worte zum Schluss 37
Wir sind’s 38
Die Arbeitsgruppe Organizing 38

Inhalt 3
Einige Worte vorab

Nach einer längeren Phase der Zurückhaltung haben Gewerkschaften Studierende als Zielgruppe
(wieder) entdeckt. Seit einigen Jahren gibt es nun verstärkte Bemühungen vom DGB und seinen
Mitgliedsgewerkschaften, die hochqualifizierten zukünftigen Beschäftigten anzusprechen. In
diesem Zusammenhang sind vielfältige Aktivitäten auf Bundesebene und vor Ort entstanden.
So haben aktive Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Projekts students-at-work in über 50
Hochschulen im gesamten Bundesgebiet DGB-Hochschulinformationsbüros (HiBs) und Campus
Offices (COs) als gewerkschaftliche Strukturpunkte aufgebaut. Darüber hinaus gibt es viele ge-
werkschaftliche Studierendengruppen.

Mit diesem bunten Mosaik aus engagierten Personen, Aktivitäten und Strukturen haben wir be-
reits wichtige Erfolge erzielt: In vielen HiBs und Campus Offices läuft die Arbeit gut. Studierende
werden vielerorts mit gewerkschaftlichen Themen erreicht, der Bekanntheitsgrad der Gewerk-
schaften unter den Studierenden steigt, und oftmals sind die HiBs und Campus Offices aus der
Hochschule nicht mehr wegzudenken.

Wir wollen aber mehr!


Auf der Suche nach neuen Ideen und Ansätzen sind wir auf Organizing gestoßen. Dieser Ansatz
stammt ursprünglich aus der betrieblichen Gewerkschaftsarbeit in den USA und Großbritannien.
Er will Menschen für ihre eigenen Interessen aktivieren und dadurch aktive, mündige und be-
geisterte Gewerkschaftsmitglieder gewinnen. Was wir an guten Beispielen über Organizing ge-
sehen und gehört haben, hat uns begeistert.

Wir denken, dass sich viele Ansätze, Vorgehensweisen und Haltungen des Organizing auch an
der Hochschule umsetzen lassen. Natürlich müssen die verschiedenen Elemente des Organizing-
Ansatzes an die Bedingungen in den Hochschulen und an die Voraussetzungen der HiBs und
Campus Offices angepasst werden.

Wir meinen: Auf kluge Weise modifiziert, kann Organizing – als Gesamtkonzept oder in Teilele-
menten – ein großer Gewinn für die gewerkschaftliche Studierendenarbeit sein und speziell den
Erfolg der Arbeit von HiBs und Campus Offices verbessern.

Überzeugt euch selbst! Viel Freude beim Lesen wünscht euch


Eure Arbeitsgruppe Organizing

4 Einige Worte vorab


Was ist Organizing?

Kurzübersicht
In den letzten Jahren fällt der Begriff Organizing in deutschen Gewerkschaftskreisen immer häu-
figer. Doch je häufiger der Begriff genannt wird, desto vielschichtiger sind auch die Inhalte, die
unter Organizing zusammengefasst werden. Im Rahmen der Studierendenarbeit in HiBs und
Campus Offices verstehen wir Organizing als eine systematische Aktivierungsstrategie von Mit-
gliedern und potentiellen Mitgliedern für ihre eigenen Interessen. Die Systematik ist durch eine
stufenweise, geplante und auf verschiedene Werkzeuge (Kernelemente) zurückgreifende Heran-
gehensweise gekennzeichnet. Die Aktivierung besteht darin, die Menschen – in unserem Fall
die Studierenden – anzuleiten, ihre Probleme selbstständig anzugehen und erfolgreich zu lösen.
Dieses eigenständige Handeln steht der heute in Gewerkschaftskreisen weit verbreiteten Stell-
vertreter- und Dienstleistungsmentalität gegenüber. Ein Organizer/eine Organizerin übernimmt
niemals eine Aufgabe für jemanden, wenn die betreffende Person sie selbst übernehmen kann.
Neben den Schlagwörtern »Systematik« und »Aktivierung« spielt beim Organizing auch der Spaß-
faktor eine große Rolle. Wir betonen ganz bewusst den Spaß an der Arbeit, ohne jedoch die
Ernsthaftigkeit in Bezug auf das Thema zu vergessen. Spaß heißt hier, dass wir ansprechende
Aktionsformen einsetzen, die zeigen, dass wir mit Freude dabei sind. Mitstreiter/innen lassen
sich leichter gewinnen, wenn wir ihnen vermitteln können, dass wir mit Freude und Vergnügen
aktiv sind. Gemeinsam werden in einem Kreis von Aktiven Aktionen geplant, die zur Erreichung
der vorher festgelegten Ziele führen. Hierbei greifen wir auf Aktionsformen zurück, die bisher
vor allem von Sozialen Bewegungen bekannt sind. Öffentlichkeits- und medienwirksame Aktio-
nen, mit der Videokamera begleitet, beinhalten einen hohen Spaßfaktor für alle Beteiligten und
führen uns weg von trockener Interessenvertretung. Gemeinsam erreichte Erfolge geben wir als
solche zu erkennen und würdigen sie beispielsweise mit einer Feier. Dies stärkt die Gruppe und
bringt die nötige Motivation für die nächste Aktion mit sich.

Ursprünge
Ursprünglich kommt das Konzept aus dem amerikanischen Community Organizing. Saul D.
Alinsky entwickelte Organizing in den 1940er Jahren des letzten Jahrhunderts und setzte in den
Slums von Chicago Selbstorganisationsprozesse in Gang. Ziel war es, Menschen dazu zu be-
wegen, sich zusammenzuschließen und ihre Probleme eigenständig und kollektiv anzugehen.
In den 1970er und 1980er Jahren entdeckten amerikanische Gewerkschaften das Modell für
ihre Arbeit. Hier ist als Beispiel vor allem die erfolgreiche Organizing-Kampagne »Justice for Ja-
nitors« der US-Dienstleistungsgewerkschaft SEIU (Service Employees International Union) zu nen-
nen.

Was ist Organizing? 5


Übertragung
Was haben Bewohner amerikanischer Slums der 1940er Jahre, Reinigungskräfte der 1990er
Jahre und Studierende in Deutschland im Jahr 2010 gemeinsam? Sie hatten bzw. haben meist
keine eigene Interessenvertretung – oder sie nutzen sie nicht. Auch wenn Studierende heutzutage
ihr (selbst finanziertes) Studium und beispielsweise ihr Engagement im Sportverein gut unter
einen Hut bekommen, organisieren sie sich kaum kollektiv für ihre gemeinsamen Interessen. Sie
kämpfen sich in der Regel allein durch den Uni-Alltag, nutzen selten die vorhandenen Strukturen
der Studierendenvertretung und nehmen häufig nicht einmal an den Uni-Wahlen teil. Das Gros
der Studierenden handelt wenig koordiniert bei der Abwehr studienbezogener Verschlechterun-
gen oder im Kampf für Verbesserungen.

Diese Unorganisiertheit und die fehlende Einflussnahme auf lebensbestimmende Rahmenbedin-


gungen (Wohn-, Arbeits- und Studienbedingungen) ist eine weitere Gemeinsamkeit der oben
genannten Gruppen. Hier setzt Organizing an.

Kernelemente
Wenn wir von den Kernelementen des Organizing in der Studierendenarbeit sprechen, dann mei-
nen wir damit: Recherche, Kommunikation und Aktivierung. Diese drei Komponenten sind nicht
isoliert zu betrachten – sie hängen in der praktischen Umsetzung eng miteinander zusammen.
Eine genaue Beschreibung der Kernelemente inklusive anschaulicher Praxisbeispiele findet ihr
in dieser Broschüre.

Organizing an der Hochschule


Bisher wurden an den Hochschulen noch keine flächendeckenden Erfahrungen mit Organizing
gesammelt. Belege dafür, dass es auch hier funktionieren kann, liefern jedoch die ver.di Campus
Gruppe der Universität Duisburg-Essen, die Basisgruppe Geschichte Göttingen, die DGB Studis
Hannover, die DGB Studierendengruppe Regensburg und die Beteiligten der Praktikums AG an
der Fachhochschule Ostfalia (Region Braunschweig). Sie wenden Organizing-Elemente in ihrer
Arbeit erfolgreich an. Im Vergleich zum betrieblichen Organizing gibt es im universitären Umfeld
einige Besonderheiten, die zu beachten sind. An Hochschulen stellt sich die Frage nach der Ziel-
gruppe, die mit Organizing-Aktivitäten erreicht werden soll. Hier sind die verschiedenen Milieus,
die auf dem Campus vorzufinden sind, genau zu untersuchen. Meist gibt es keine klar zu be-
nennende Gegenseite für alle Studierenden. Außerdem lässt sich aus den bisherigen – auch be-

6 Was ist Organizing?


trieblichen – Erfahrungen ableiten, dass eine groß angelegte Umsetzung des Organizing-Kon-
zepts einen enormen zeitlichen und finanziellen Ressourcenaufwand bedeutet, der oftmals von
einem HiB und Campus Office oder einer Studierendengruppe nicht geleistet werden kann.

Mit Organizing sollen diejenigen organisiert und aktiviert werden, die sich nicht eigenständig
organisieren, um gemeinsam Konflikte auszutragen. Auch wenn es an den Hochschulen viele
Personen gibt, die in verschiedenen Zusammenhängen aktiv sind, so werden die hochschulbe-
zogenen Konflikte doch nur selten gemeinsam organisiert und über einen längeren Zeitraum
ausgetragen.

Für die Studierendenarbeit wollen wir festhalten: Organizing bietet viele Chancen, unsere Arbeit
und das Bild von Gewerkschaften an der Hochschule zu verändern. Auch wenn sich Organizing
als Ganzes versteht, so können auch Teilelemente in unsere Arbeit an der Hochschule einfließen
und zu Erfolgen führen.

In diesem Sinne: Let’s organize!

Was ist Organizing? 7


Wegweiser zum Organizing

Kopfarbeit
Organizing ist kein fertiger Baukasten mit einer Spielanleitung. Es bietet verschiedene Ansätze,
anders an ein Thema oder eine Zielsetzung heranzugehen und alternative Methoden einzusetzen.
Doch all das ist nutzlos, wenn sich das Konzept / die Idee des Organizing nicht in den Köpfen
eingebrannt hat. Euch muss bewusst sein, dass es etwas Neues ist. Keiner sagt euch, was getan
werden muss, was wichtig ist, wie was gemacht werden soll. Ihr entscheidet selber darüber,
wofür ihr euch mit welchen Mitteln einsetzen wollt. Ihr wartet nicht auf Arbeitsaufträge, sondern
werdet selbst aktiv. Wer keine Lust auf Selbstbestimmung hat, sollte es lassen. Wer jedoch bereit
ist, die eigene HiB/CO-Arbeit kritisch zu überdenken, eigene Stärken auszubauen und Schwächen
zu erkennen, effektiver aber auch mehr zu arbeiten als bisher und vor allem Spaß haben will, ist
hier genau richtig. Wir liefern euch keine Lösungen und Antworten auf alle Fragen, aber wir
geben euch den nötigen Anstoß und mögliche Ansätze für eure zukünftige Arbeit. Es ist wichtig,
dass ihr euch auf etwas Neues einlasst und es umfassend versteht, denn: Organizing fängt im
Kopf an.

Bedienungsanleitung
Alles neu?
Bevor es richtig los geht, müsst ihr euch darüber im Klaren sein, was ihr wollt. Dafür betrachtet
ihr am besten den aktuellen Stand eurer Arbeit und reflektiert die letzten zwei Jahre. Wie viel
Energie habt ihr in das HiB/CO gesteckt und was ist am Ende dabei herausgekommen? Arbeitet
ihr effektiv und ergebnisorientiert oder hangelt ihr euch ohne bestimmten Antrieb, ohne Ziel
von einem Semester ins nächste? Gibt es einige Bereiche, die nicht so gut laufen, der Rest dafür
aber umso besser? Oder gibt es überall Probleme? Ihr müsst entscheiden, ob ihr die ganze Arbeit
neu gestalten oder nur einzelne Bereiche verbessern wollt. Denn: Organizing ist zwar ein Ge-
samtkonzept, das erst in der vollständigen Umsetzung voll wirksam wird, aber auch einzelne
Ansätze des Organizing können sehr wohl die normale HiB-Arbeit ergänzen. Dabei ist immer
abzuwägen, was auf welche Weise gerade passt.

Realistisch sein!
Der Organizing-Ansatz arbeitet mit realistischen, erreichbaren Zielsetzungen. Daher: Erwartet
bitte keine Wunder! Mit einer Organizing-Strategie alleine werdet ihr nicht die bestehenden so-
zialen Verhältnisse ändern. Organizing ist ein sinnvoller Arbeitsansatz, aber kein Allheilmittel.
Bestimmte Probleme lassen sich einfach nicht auf dieser Ebene lösen. Trotz toller Kampagnen
und Uni-Besetzung hat die Hochschule nicht plötzlich mehr Geld, um zehn fehlende Stellen zu
besetzen. Ihr bewegt euch in einem begrenzten Rahmen, in dem ihr aktiv werden könnt. Alles,

8 Wegweiser zum Organizing


was darüber hinausgeht, ist für ein HiB/CO oder eine Hochschulgruppe zu groß und liegt nicht
mehr auf eurer Handlungsebene. So könnt ihr euch innerhalb des Bildungsstreiks zwar mit der
aktuellen Bildungsmisere beschäftigen, ändern könnt ihr aber zunächst nur konkrete Probleme
vor Ort.

Ernüchterung? Auf zu neuen Ufern!


Nachdem wir also wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt sind, bietet sich ein für
euch möglicherweise ernüchterndes Bild: viel Arbeit, keine Erfolgsgarantie, kein Greifen nach
den Sternen. Soviel steht schon mal fest: Organizing ist eine anspruchsvolle Arbeit. Ihr braucht
mehr Zeit, mehr Mitstreiter/innen, mehr Ressourcen. Woher nehmen? Auch wenn es schwer fällt,
ihr müsst euch umstrukturieren und die Themenfelder sondieren, in die ihr eure Zeit und Energie
investieren wollt. Damit die Anwendung von Organizing-Methoden nicht zu einer lästigen Mehr-
arbeit wird, helfen euch folgende Überprüfungen:

a Welche Ziele haben wir?


a Was tun wir regelmäßig?
a Hilft uns das, unsere Ziele zu erreichen?
a Was können wir aufgeben, um Zeit für neue Ansätze zu haben?
a Können wir unsere Arbeit auf mehr Schultern verteilen, um mehr erreichen zu können?

Die Dinge, die ihr macht, solltet ihr immer deshalb tun, weil ihr davon überzeugt seid – und
nicht, weil es immer schon so gemacht wurde. Überprüft eure Handlungsmotivationen auch im
Hinblick auf die gerade gestellten Fragen.

Organizing soll eure bestehende inhaltliche Arbeit nicht infrage stellen. Es geht um andere
Methoden. Prüft, ob euch Elemente des Organizing dabei helfen können,

a Bestehendes erfolgreicher zu machen


a neue Themen und Aktionsformen in eure Arbeit zu integrieren und
a mehr Aktive für eure Arbeit zu gewinnen.

Wir beantworten diese Fragen eindeutig mit JA und wollen euch dazu ermutigen, Elemente des
Organizing innerhalb eurer Arbeit auszuprobieren.

Das kann z. B. heißen, eure Beratungspraxis und die dafür notwendige Werbung zu verändern;
es kann aber auch heißen, stattdessen etwas Anderes neu zu gestalten. Das könnt nur ihr vor
Ort beantworten.

Wegweiser zum Organizing 9


Macht vor allem das, was gut ankommt, was ihr könnt und was euch Spaß macht! Häufige und
lange Sprechzeiten können verkürzt werden, wenn ihr merkt, dass zu wenige Leute kommen.
Leerlauf in der Sprechzeit könnt ihr aber auch gewinnbringend zur Recherche für eine Organi-
zing-Aktion nutzen. Bei der Beratung könnt ihr auch terminliche Schwerpunkte setzen: Wenn
nur zu Semesterbeginn und am Ende, bevor es in die Praktika und Ferienjobs geht, die Beratun-
gen verstärkt genutzt werden, kann man z. B. das Beratungsangebot auf diese Zeiten konzen-
trieren. Vielleicht ist ja auch die Beratungsfrequenz nach Großveranstaltungen zu bestimmten
Themen höher?

Umgekehrt ist das Ganze auch möglich: Ihr stellt mit Riesenaufwand Großveranstaltungen auf
die Beine, und jedes Mal verirren sich nur ein paar »Hanseln« zu euch. Schluss damit! Ist bei
euch das HiB/CO weniger als Beratungsstelle, sondern eher als kompetenter Partner für die Hoch-
schularbeit gefragt? Dann passt euer HiB/CO-Profil doch an und werdet verstärkt hochschulpo-
litisch aktiv. Ihr werdet sehen, wie viel Zeit plötzlich da ist, wenn ihr Schwerpunkte setzt! Zeit,
die ihr auch für Organizing-Aktionen nutzen könnt.

Solo oder Orchester


Bevor ihr euch alleine in die unübersichtliche Masse an neuen Aufgaben stürzt und gnadenlos
scheitert: Dieses Stück ist nichts für heroische Solisten und Solistinnen, sondern für Orchester-
musiker/innen. Ihr braucht also Bündnispartner/innen. Zuerst müsst ihr überlegen, ob die be-
stehende Gruppe um das HiB/CO der geeignete Zusammenschluss zur Umsetzung von Organizing
an der Hochschule ist. Vielleicht ist es besser, zusätzlich eine Hochschulgruppe zu gründen. Könnt
ihr mit bestehenden Hochschulgruppen zusammenarbeiten oder euch vielleicht mit gleichge-
sinnten Gruppen zusammenschließen?

Organizing lebt von Vernetzung und gegenseitiger Unterstützung. Ohne Kooperationen könnt
ihr es nicht erfolgreich umsetzen. Durchforstet also die Umgebung der Uni und der Gewerkschaf-
ten vor Ort nach Bündnispartner/innen. In Frage kommen verschiedene Hochschulgruppen, even-
tuell der StuRa bzw. AStA, studentische Gruppen, Fachschaftsräte, Mitgliedsgewerkschaften, die
Stipendiatengruppe der Hans Böckler Stiftung, einzelne interessierte Studierende usw. Auch
wenn ihr eine eigenständige Gruppe bleibt und euch nicht mit anderen Gruppen fest zusammen-
schließt, ist es besonders wichtig, dass ihr den Kontakt zu den einzelnen Gruppen aufrechterhaltet
und euch mit ihnen über die Aktionen austauscht. Scheut euch auch nicht, sie direkt um Hilfe
und Zusammenarbeit zu bitten. Sie haben vielleicht den dringend benötigten Kontakt, die feh-
lende Info, ohne die ihr nicht weitermachen könnt, sie erreichen möglicherweise viel mehr Leute
und können auch höhere Stellen mobilisieren. Auch dies ist eine Möglichkeit, eure Arbeit be-
kannter zu machen. Die Leute müssen wissen, dass es euch gibt und was ihr macht, damit sie
dann auch wieder an eure Tür klopfen.

10 Wegweiser zum Organizing


Ab ins Rampenlicht!
Netzwerke und eine effektive Informationspolitik sind wichtig, aber leider nicht alles. Wenn ihr
eure Arbeit nicht ständig bewerbt und vor allem auffallt, geratet ihr schnell wieder in Verges-
senheit.

a Nehmt jede Einladung, euch vorzustellen und zu präsentieren, wahr. Seid in der ersten Reihe
und macht Krach.
a Dokumentiert eure Aktionen, Veranstaltungen, Erfolge als Film und in Fotos.
a Veröffentlicht Berichte in den Gewerkschaftszeitungen (der Schnittestelle), in der Uni-Zeitung,
im bukoinfo der Hans-Böckler-Stipendiaten und –Stipendiatinnen.
a Haltet eure (unerlässliche und gute) Internetseite auf dem letzten Stand der Dinge.
a Nehmt an den großen Uni-Veranstaltungen teil.
a Spannt alternative Radiostationen und die relevanten Blogs vor Ort mit ein.
a Beklebt den letzten Winkel der Uni mit euren Plakaten.
a Tragt T-Shirts mit eurem Logo im Alltag…

Und natürlich solltet ihr all das immer gegenüber Bündnispartner/innen und Geldgeber/innen
kommunizieren. Die Leute müssen sehen, dass es euch gibt; sie müssen sehen, was ihr macht
und vor allem, dass ihr etwas macht. Die Devise lautet: Auffallen – aber mit (eurem) Stil!

Zielgruppe
Ohne eine klare Zielgruppe ist Organizing ziemlich sinnlos. Ihr müsst euch genau überlegen,
wen ihr ansprechen wollt und ob Organizing dafür der geeignete Weg ist. Besteht überhaupt
der Bedarf nach Organizing, oder ist eine tolle Veranstaltung und die gelegentliche Unterstützung
anderer Gruppen sinnvoller? Auch ist eine gute Organizing-Kampagne nicht eins zu eins von
einer Zielgruppe auf eine andere übertragbar. Bei Naturwissenschaftler/innen müsst ihr anders
auftreten als bei Geisteswissenschaftler/innen. Ist ein Versuch bei den Wirtschaftswissenschaft-
ler/innen sinnvoll? Studentische Hilfskräfte und Studierende im Erstsemester lassen sich schlecht
als Zielgruppe miteinander verbinden. Oder wollt ihr die Zielgruppe erst durch ein bestimmtes
Thema finden? Miserable Praktikabedingungen sind nicht nur typisch für einen einzelnen Stu-
diengang. Hier bietet sich wahrscheinlich eine Großveranstaltung an, auf der ihr dann Interes-
sierte kontaktieren könnt. Dagegen habt ihr beim Problem eines zu kleinen Raumes gleich eine
Zielgruppe in Anzahl der an der Lehrveranstaltung teilnehmenden Studierenden. Zudem ändern
sich auch die vermeintlichen Probleme der Studierenden. Waren es letztes Semester noch die
überfüllten Räume, sind es diesmal vielleicht die Bibliotheksöffnungszeiten. Erst wenn ihr die
Zielgruppe gefunden habt, könnt ihr effektiv weiterarbeiten und die konkreten Probleme ange-
hen.

Wegweiser zum Organizing 11


Wie aber findet man die Probleme und Missstände, die eine Zielgruppe gerade besonders nerven,
sie auf die Palme bringen? Denn diese Probleme sind es, die das Potenzial bergen, Studierende
für ihre eigenen Interessen zu aktivieren. Auch darauf kann Organizing eine Antwort geben:
Sprecht die Leute einfach an und fragt sie, wo der Schuh drückt. Ihr werdet überrascht sein, was
ihr alles Interessantes erfahrt, wenn ihr mit ihnen »von Gleich zu Gleich« (Organizing-Ausdruck:
»peer to peer«) sprecht. Natürlich sollte man diese Gespräche gut vor- und nachbereiten, dann
sind die Erfolgschancen höher.

…na dann mal los…


Bis hierhin war alles Theorie. Jetzt seid ihr entweder total begeistert und voller Tatendrang oder
aber ihr fragt euch verunsichert, wie ihr das alles schaffen sollt. In beiden Fällen ist die Hilfe
nah: Die vorliegende Broschüre bietet euch erste Ansätze, kleine Ideen und Tipps – einfach mal
nachmachen und ausprobieren!

»Wer zu neuen Ufern will, darf das Meer nicht fürchten.« (Ovid)

12 Wegweiser zum Organizing


Recherche

Um mit unseren begrenzten Ressourcen erfolgreich zu sein, ist es wichtig, sich ein möglichst kla-
res Bild vom Ort und Umfeld der geplanten Aktivitäten zu machen. Dieser Rechercheprozess
kann selbst auch schon aktivierenden Charakter haben. Im klassischen Organizing-Modell ist
die Recherche jedoch als erster Schritt den eigentlichen Aktivitäten vorgelagert. Eine gute Re-
cherche ist ein wesentlicher Pfeiler für ein erfolgreiches Vorgehen. Sie kann von einer kleinen
Spontanbefragung von Studierenden zu ihren aktuellen Ärgernissen bis hin zu umfangreichen
Workshops zu Detailanalysen von Studiengängen und Personen reichen. Die Rechercheergebnisse
werden im weiteren Prozess immer wieder neu bewertet und ergänzt. Dafür ist eine systematische
grafische Darstellung zwingend erforderlich.

Zwei scheinbar harmlose Fragen stehen am Anfang jeder Recherche:

a Was will ich herausfinden?


a Wo finde ich meine Informationen?

Einige Hilfestellungen zur Bearbeitung dieser Fragen sind im Folgenden dargestellt.

Grundfragen der Recherche


Für eine zielgerichtete Recherche ist eine klare, eingrenzbare Fragestellung erforderlich.

Für einen ersten Überblick bietet sich das Internet an, weil mit geringem Aufwand Informationen
aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zur Verfügung stehen und auch Zufallstreffer gelandet
werden können.

Sich auf das Internet zu beschränken, kann allerdings auch in die Irre führen, weil ihr mit Infor-
mationen überhäuft oder auf die falsche Fährte gelockt werdet. Oder über eine Person oder
Sache ist tatsächlich nichts Verwertbares im Netz zu finden.

Zielgruppenanalyse
Welche Zielgruppen gibt es an der Hochschule?
Vor dem Start jeder HiB/CO-Arbeit muss geklärt werden: Welches Angebot möchten wir wem in
welcher Form anbieten? Welche Aktivitäten möchten wir mit wem zusammen anpacken?

Recherche 13
Jedes HiB/CO hat seine spezifische Gruppe, die es bewusst oder unbewusst anspricht/ansprechen
möchte. Jedoch sind der Ansprache Grenzen gesetzt. Daher ist es eine zwingende Aufgabe der
HiBs/COs, sich neue Zielgruppen zu erschließen. Dies ist vor allem bei der Erschließung neuer
Campusgebiete von Bedeutung. Am Anfang der Arbeit kann eine Zielgruppenanalyse stehen.
Das Problem für viele HiBs/COs ist allerdings die Identifizierung einer möglichen Zielgruppe und
die Art, sie anzusprechen und das HiB/CO bekannt zu machen. Formuliert am besten eine Ziel-
stellung, die Selbstreflexion mit einbezieht. Beantwortet euch die Fragen:

a Wie stellt sich das Spannungsverhältnis zwischen Serviceangebot und aktionsorientiertem


(gewerkschafts-)politischem Handeln für uns dar?
a Wie können wir Veranstaltungen so gestalten, dass sie über das Anbieten von Informationen
hinausgehen?

Als grobe Orientierung für die Zielgruppe können der Studienort und damit verbunden die
Studienrichtung, die Art des Studiums, die Anzahl der Semester (Erstsemester, Studierende, Prak-
tikum) und ansatzweise das Milieu der Studierenden gelten.

Erfahrungsgemäß fällt der Kontakt zu den Studierenden besonders schwer, wenn man nicht sel-
ber direkt vor Ort präsent ist. Um sich zu etablieren, muss man an dem neuen Standort Fuß fas-
sen. Die ersten Ansprechpartner/innen sollen immer Gewerkschaftsmitglieder vor Ort sein. Es ist
daher wichtig, mit den einzelnen Gewerkschaften zu vereinbaren, dass man an die gut gehüteten
Mitgliederdaten vor Ort herankommt. Unter den studierenden Gewerkschaftsmitgliedern befin-
den sich meistens auch schon Aktive. Über diesen Erstkontakt, die Befragung der gewerkschaft-
lichen Studierenden zu den örtlichen Gegebenheiten, könnt ihr herausfinden, mit welchen Mitteln
man die Studierendenschaft vor Ort ansprechen kann. Der Kontakt muss regelmäßig erneuert
und konstant gehalten werden. Dies kann durch weitere Veranstaltungen und Aktionen gesche-
hen, die direkt auf diese Kerngruppe zugeschnitten sind.

Eine weitere und vor allem größere Zielgruppe lässt sich auf Großveranstaltungen der Hoch-
schulen ansprechen. Hierzu gehören Aktionstage, wie z. B. der Hochschulinformationstag, eine
Praktikumsbörse, Erstsemesterinformationsveranstaltungen, Engagement-Tage usw.

Wissen über die Zielgruppen: Die Gleich-zu-Gleich-Kommunikation


Wichtig bei all dem ist das direkte Einzelgespräch von Gleich zu Gleich. Die Großveranstaltung
stellt nur den äußeren Rahmen dar. In anschließenden Gesprächen gilt es, weitere Probleme
und Interessen der Studierendenschaft herauszufinden und – wenn möglich – die Studierenden
zur Problemlösung zu aktivieren. Durch diese Informationen lässt sich auch die angebotene Be-
ratung besser auf die Zielgruppe ausrichten, und die diesbezügliche Werbung wird einfacher.

14 Recherche
Das Beispiel Bielefeld zeigt eine der verschiedenen Möglichkeiten auf. Ziele waren: die Etablie-
rung der Gewerkschaft an der Hochschule, als Studierendenvertretung aktiv zu werden und damit
den Erstkontakt der Studierenden zu Gewerkschaften herzustellen. Es wurden zuerst gewerk-
schaftliche Studierende aus verschiedenen Betrieben, die nach der Ausbildung ein Studium auf-
genommen haben, angesprochen. Erst im Anschluss ist man auf unbekannte Studierende zuge-
gangen. Mögliche Themen und Probleme wurden in Gesprächen und zusätzlich durch eine Um-
frage herausgefunden. Dies kann ein HiB/CO natürlich nicht allein bewältigen. Es braucht dafür
die Unterstützung der Mitgliedsgewerkschaften vor Ort.

Da das HiB/CO meist nur auf einen Fachbereich begrenzt ist, kann es sinnvoll sein, zur Erschlie-
ßung einer neuen Zielgruppe (eines neuen Fachbereichs) oder zur Lösung eines bestimmten Pro-
blems (BA/MA, Leistungsdruck, Prüfungsordnung, Praktikum, studentische Hilfskräfte etc.) eine
Extragruppe außerhalb des HiBs/COs – aber mit Verbindungen zu ihm – zu gründen. Über diese
Extragruppe kann eine neue Zielgruppe gefunden werden. Auch kann in Verbindung mit den
Mitgliedsgewerkschaften vor Ort die Ansprache über die Schulen erfolgen. Partnerschaften der
Verwaltungsstellen mit Schulen vor Ort und das Werben für ein Studium gerade bei so genannten
bildungsfernen Schichten (arbeiterkind.de) sind ein möglicher Ansatz.

Umgang mit Daten / Datenschutz


Die Informationen, die ihr sammelt, können DER Schlüssel für euren Arbeitserfolg sein. Sobald
ihr aber nicht sorgfältig mit den Daten umgeht und diese bekannt werden, kann das eure ganze
Aktion hinfällig machen. Und noch schlimmer: Es kann eurem Ruf und dem Ruf eures HIBs/COs
und der Gewerkschaften nachhaltig schaden. Die von euch recherchierten Personen könnten
ebenfalls (ungewollt) öffentlich geschädigt werden.

Deshalb gilt es:


a bei Veröffentlichungen immer darauf zu achten, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt
werden.
a vertrauliche Daten geschützt zu versenden.
a eine Ablage an einem geschützten Ort sicherzustellen.
a klare Verantwortlichkeiten und Regeln beim Umgang mit den Rechercheergebnissen sicher-
zustellen.

Bei jedem Schritt den ihr geht, muss geklärt werden:


a Ist die Verwendung der Information rechtlich und ethisch vertretbar?
a Dient es dem Ziel, die Information zu benutzen?

Recherche 15
a Wen gewinne ich durch die Veröffentlichung als meinen Verbündeten? Wen bringe ich gegen
mich auf?
a Welcher Anknüpfungspunkt ergibt sich aus der Recherche?

Informationsquellen
Im Folgenden sind Informationsquellen aufgeführt, die Tipps zur Recherche enthalten und über
die sich die wesentlichen Themenbereiche, die für die Hochschul- und Studierendenarbeit von
Bedeutung sind, erschließen lassen.

Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle

ver.di Hamburg / students-at-


Hintergrundinformationen
Film ver.di: Organizing toolbox work-Team / Hochschulinfor-
Recherche und Organizing
mationsbüro der IG Metall
Überblickswissen a Gespräche mit Schlüssel-
personen
a statistische Kern- und
Kenndaten
a Gremien, Personen, z. B. Telefonbuch
Fachschaften der Hochschule
a Interviews mit Zielgruppen, Website der Hochschule
um mögliche gemeinsame
Interesse herauszufinden

Schwachpunkte a Verwendung Studiengebühren


der Hochschulen / – Achtung: politische Sensibi-
Exzellenzinitiativen lität notwendig! Verwaltung / Fachbereiche /
a Evaluationen der Uni Fachschaften
a Akkreditierungsverfahren www.akkreditierungsrat.de
a Berichte der/zur Akkreditierung
a Exzellenzinitiativen
a Sponsoren
a Hochschulrat
a Welche Unternehmen? Welche
Drittmittel?
a Beziehungen Wirtschaft
a Hochschulranking
a Finanzlage der Hochschule
a Profil / Aushängeschild

16 Recherche
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
a Wettbewerbe, an denen
die Hochschule teilnimmt
a Öffentliche Ehrungen /
Jubiläen
a Hochschulmessen
a Hochschulinfotage
a Semesterbegrüßungen
Welche Medien stehen mir a Regionalzeitungen
zur Verfügung? a Studierendenmagazine
a Alternativmedien (Lokalradio,
Blogs)
a Schwarze Bretter
Anknüpfungspunkte a Wahlpersonen StuPa/StuRa
an der Hochschule bzw. AStA
a thematische AGs
Wo finde ich Informationen zur a Internetportal der Hochschule /
Hochschule, zu Studiengängen Uni-Überblicksseiten
und Veranstaltungen? a Internetseiten der
Fachbereiche
a Internetseiten zu den Gremien
an der Hochschule
a stud. Interessenvertretung Ministerien / Statistische Lan-
a Hochschulstatistik des- und Bundesämter
a Hochschulinformationssystem www.his.de
a Studieren / Hochschulstand- www.studis-online.de
orte allgemein www.studieren.de
a Berufsakademien / www.ausbildungplus.de
Duales Studium
a Pressestelle der Hochschule
a Selbstdarstellung der Hoch- in der jeweiligen Verwaltung,
schule, einzelner Institute usw. Bibliothek, Internet
a Zeitungsarchive
a Angestellte der Hochschule
a HS-Publikationen
Wo finde ich Informationen zu a Mitgliederdatenbank
gewerkschaftlich Aktiven an a Gewerkschaftssekretär/in
meiner Hochschule? a Ortsjugendausschuss
a StudiVZ

Recherche 17
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
Wo finde ich mögliche a politisch aktive Dekane /
Partner/innen? Professoren/Professorinnen
a Hochschulgruppen
a Stipendiaten und Stipendiatin-
nen anderer Stiftungen
a Kooperationsstelle
a Katholische Hochschulgruppe
(KHG), Evangelische Studen-
tengemeinde (ESG)
a Beratungseinrichtungen
a Personalrat
a Career-Offices

Wo sind Zielgruppen? a Hans Böckler Stiftung; Stips; Zugang über Stipendiaten /


Vertrauensdozenten und Stipendiatinnen der Stiftung
Vertrauensdozentinnen
a Gruppen in StudiVZ
a Cafés / Kneipen /
Veranstaltungsorte

Wo finde ich Informationen a Web 2.0-Netzwerke www.yasni.de


zu Personen? www.facebook.de
www.myspace.de
www.xing.de
a Gespräch im Sekretariat
a Recherchefragen: Internetrecherche (s.o.)
– Lebenslauf
– Öffentliche Ämter
– Zeitungsveröffentlichungen
– Vereinstätigkeit
– Soziales Engagement
– Hobbys

Wo finde ich Informationen a Cafés / Kneipen


zum sozialen Leben am a StudiVZ
Hochschulstandort? a Foren
a Blogs

18 Recherche
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
Wo finde ich Informationen zu a Schwarzbuch von AStA / FSR / um Gesprächstermin bitten
Problemen an der Hochschule? StuRa
a Foren
a Blogs
a Hochschulinformationssystem www.his.de
a Zeitungsarchive

Informationen zu aktiven a Schwarze Bretter


Gruppen an der Hochschule a StudiVZ
a Internetrecherche
Informationen zur sozialen a Lokalisierte Sozialerhebung Studierendenwerk vor Ort
Situation an der Hochschule / a Hochschulteams des Arbeits-
Arbeitsmarktsituation für amtes
Studierende und Absolventen a Gewerkschaftsvertreter/innen
und Absolventinnen in den Ausschüssen der Ar-
beitsagenturen
a Beratungseinrichtungen, Stu-
dienberatung / psych. Bera-
tung
a Career Offices

Recherche 19
Informationsaufbereitung
Die Datenerhebung ist eine Schlüsselaufgabe während des gesamten Organizing-Prozesses. Des-
halb ist es wichtig, Zusammenhänge, die sich aus den Rechercheergebnissen ergeben, grafisch
festzuhalten.

Eine Kartierung aller hochschulrelevanten Kontakte und Informationen liefert euch einen schnel-
len Überblick darüber, wo Partner/innen an der Hochschule sitzen.

Wenn ihr die Rechercheergebnisse visualisiert habt, sind einige Fragen zu beantworten:

a Wie und wo stehen wir in diesem Netzwerk der Hochschule?


a Welche »Angriffspunkte« bieten sich? Welche Schwachstellen sind erkennbar?
a Mit welchen Partner/innen können wir etwas erreichen?
a Wo können wir mit wem am besten aktiv werden?

Als Technik für die Aufbereitung eignet sich z. B. das »Mind Mapping« (Kartierungstechnik). Für
eine erste Visualisierung ist die Verwendung einer Metaplanwand mit Karten und Stiften zu emp-
fehlen.

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Computerprogramme, die die Arbeit der Visualisierung und
Strukturierung erleichtern, z. B. diverse Mind Mapping-Programme (auch als Freeware erhält-
lich).

20 Recherche
Kommunikation

Von der Ansprache zum Dialog


Dieser Teil der Broschüre thematisiert den Bereich, der im gewerkschaftlichen Handeln häufig
als Ansprache bezeichnet wird. Die Begriffsverschiebung von Ansprache zu Dialog kann dabei
im Kontext von Organizing nur bewusst vollzogen werden. So legt der Begriff »Ansprache« eine
Form des Kontakts zu potentiellen Mitgliedern nahe, welche den/die Gewerkschafter/in in die
Sender- und das Gegenüber in die Empfängerposition bringt. Der Inhalt der übermittelten Nach-
richt lässt sich im klassischen Modell häufig wie folgt zusammenfassen: »Wir sind die Gewerk-
schaft, wir haben viel für dich gemacht. Aber nur gemeinsam sind wir stark – also tritt bitte
ein!«

Der Begriff »Dialog« ist hier jedoch gewählt worden, um sich von dieser Einseitigkeit zu verab-
schieden. Dialog soll auf einen beidseitigen Prozess verweisen, der das Gegenüber nicht nur zu-
hören, sondern auch erzählen lässt. Dies entspricht mehr dem Typus des interessierten Studie-
renden, der sich relativ wahrscheinlich zu einem Gespräch bereit erklärt. Schließlich ist Organizing
als ein neuer Ansatz zu verstehen, bei dem die Angesprochenen ihre Probleme selbst darstellen
und dann herausfinden sollen, was sie gemeinsam mit der Gewerkschaft tun können. Um das
Angebot zur gemeinsamen Arbeit authentisch zu machen, ist ein selbstbewusstes und empathi-
sches Auftreten als Gewerkschafter/in unausweichliche Bedingung.

Kommunikationswege
Um das eigene Kommunikationskonzept zu überdenken, ist es wichtig, sich vorher darüber be-
wusst zu werden, auf welchen Wegen und Kanälen ein Campus Office mit den Studierenden
kommuniziert. Hier ist zwischen unmittelbarer und vermittelter Kommunikation zu unterscheiden
– allerdings kann nur erstere genau erfasst werden, da der andere Typus sich in der Streuwirkung
an den ersten anschließt und nicht kontrolliert werden kann. Eine (offene) Zusammenstellung
möglicher Medien und Kommunikationswege ist in der nachfolgenden Liste aufgeführt – bereits
bekannte ebenso wie eher ungewöhnliche, die Interesse wecken und als Anregung dienen kön-
nen:
a Persönlich
a Gespräch (Gleich zu Gleich)
a Optische Symbole, z. B. Kleidung (einheitliche T-Shirts – vgl. HiB Halle, Buttons etc.)
a Beratungssituation
a Infostände
a Aktionen und Flashmobs
a Ansagen in Seminaren / Vorlesungen

Kommunikation 21
a Über klassische Medien
a Infomaterialen
a Campus-Zeitung
a Campus-Radio
a Flyer
a Plakate
a Bodenzeitungen
a Anzeigen auf Infowänden oder Informationsmonitoren
a Beschriebene Tafeln
a Virtuell
a StudiVz / Facebook-Foren
a Blogs
a Videos auf youtube.de
a E-Mail-Verteiler, gezielte E-Mails

In den meisten hier aufgezählten Situationen erfolgt die Ansprache einseitig – das liegt in der
Natur des Mediums. So lässt sich eine Zeitung oder ein Plakat nur unter großem Aufwand inter-
aktiv gestalten, aber Foren im Internet oder das persönliche Gespräch bieten die Möglichkeit
für den direkten Kotakt mit dem Gegenüber.

Regeln für »Gleich-zu-Gleich-Gespräche«


Einfach gesagt, hat gewerkschaftliches Organizing das Ziel, Menschen nahe zu bringen, dass
Gewerkschaften Organisationen »zum Mitmachen« sind, die dabei helfen, persönliche Probleme
zu lösen. Die im Organizing favorisierte Ansprache dafür ist das direkte Gespräch zwischen zwei
Personen. Sie wird »peer-to-peer-Ansprache« genannt, was die Gleichrangigkeit der Gesprächs-
partner/innen betont. An der Hochschule ist der Begriff »Peer« bekannt durch das Peer-Review-
Verfahren, in dem »gleiche« Wissenschaftler/innen die Texte ihrer Kollegen und Kolleginnen be-
gutachten. Sinngemäß lässt sich »peer to peer« mit »von Gleich zu Gleich« übersetzen. Aus Grün-
den der Verständlichkeit wenden wir in unserem Konzept diese sinngemäße Übersetzung an.

Von Gleich zu Gleich bedeutet nicht zwangsläufig, bezüglich der Studiensituation möglichst viele
Übereinstimmungen zu haben. Es kann sich auch um eine günstige gemeinsame Situation in
einem sozialen Raum handeln: Der gemeinsame Rahmen ist dann nicht das gleiche Studienfach,
sondern z. B. der Aufenthalt in der gleichen Uni-Kneipe oder dem gleichen Uni-Café (quasi: »beer
to beer«).

22 Kommunikation
Um die beabsichtigte Botschaft in einem Gleich-zu-Gleich-Gespräch wirkungsvoll rüberzubringen,
sollten folgende Regeln beachtet werden:

70/30-Regel
Der redende Hauptanteil innerhalb des Gesprächs sollte nicht beim Gewerkschafter oder bei der
Gewerkschafterin liegen, sondern bei dem/der Angesprochenen. Es geht darum, seine/ihre Sicht
auf gewisse Umstände und Probleme zu erfahren. Man möchte von dieser Person Informationen
bekommen, nach denen dann die weitere Arbeit ausgerichtet werden kann. Deshalb sollte der
redende Anteil des Gewerkschafters bzw. der Gewerkschafterin im Gespräch 30% nicht über-
steigen. Selbstverständlich heißt das nicht, dass die Aktiven nicht auch Position beziehen sollten.
Um ein solches Verhältnis zu gewährleisten, müssen offene Fragen gestellt werden (Wie, Warum,
Inwiefern, Was, Womit etc.), die zum ausführlicheren Antworten animieren – Fragen, die mit Ja
oder Nein beantwortet werden können (so genannte geschlossene Fragen), provozieren kurze
Antworten.

Seriöses und vertrauenswürdiges Auftreten


Für ein erfolgreiches Gespräch ist ein sicheres, seriöses und vertrauenswürdiges Auftreten un-
abdingbar. So ist es hilfreich, zu Beginn eines Gespräches einfließen zu lassen, dass die Infor-
mationen nicht weitergegeben werden. Zu einem aktiven Zuhören gehört es, Interesse zu zeigen
und auf Gehörtes verbal und nonverbal zu reagieren – zum Beispiel durch Kopfnicken oder durch
unmittelbare Rückmeldungen: »Du hast doch gerade gesagt, dass…« oder »Meintest du damit,
dass…«

Zeitrahmen des Gesprächs mitteilen


Es kann helfen, um überhaupt eine Gesprächssituation herzustellen, den Zeitrahmen des Ge-
spräches im Voraus mitzuteilen. Die Frage »Hast du kurz fünf Minuten Zeit?« vermittelt eine klare
Zeitspanne und kann möglichen Fluchttendenzen der Angesprochenen vorbeugen. Der vorge-
schlagene Zeitrahmen sollte jedoch realistisch sein – und eingehalten werden.

Ziel und Botschaft


Zusätzlich sollte vor jedem Gespräch Klarheit über das Ziel und die Botschaft bestehen. Das
schließt »Herumeiern« aus und erhöht die Wahrscheinlichkeit, auch das gewünschte Ergebnis
zu erzielen bzw. die gewünschte Information zu bekommen. Die Hauptbotschaft kann dabei in
vielen Fällen sein: »Es gibt ein Problem – das hast du selber erkannt – aber dagegen kannst du
etwas tun. Am besten ist es, wir schließen uns zusammen, andere haben da auch schon ihren
Unmut geäußert. Zusammen finden wir eine Lösung!« Die meisten Gespräche haben die gleiche
Botschaft. Das vereinfacht ihre Vergleichbarkeit in der Auswertung. Das Ziel legt fest, was in
einem Gespräch erreicht werden soll, z. B. die Kontaktdaten der Angesprochenen, wie E-Mail-

Kommunikation 23
Adresse und Telefonnummer, zu bekommen. Häufig ist solch ein Gespräch die einzige Chance,
einen Kontakt herzustellen. Die Wahrscheinlichkeit für ein Zweitgespräch ist gerade bei großen
Hochschulen mit vielen oder unübersichtlichen Standorten gering, sofern man die Kontaktdaten
nicht erhält. Um den nötigen Respekt dem/der Anderen gegenüber zu wahren, muss auch ein
mögliches Scheitern am selbst gesetzten Gesprächsziel akzeptiert werden.

»Wut – Hoffnung – Aktion«


Organizing-Gespräche laufen oft nach dem gleichen Schema oder Leitfaden ab. Dieser lässt sich
unter dem Dreiklang »Wut – Hoffnung – Aktion« zusammenfassen. Zu Beginn des Gespräches
geht es darum, Themen zu finden, welchen den Angesprochenen »unter den Nägeln brennen«.
Dabei ist es wichtig, die Studierenden von ihren eigenen Themen selbst berichten zu lassen und
jedes Anliegen ernst zu nehmen. Im zweiten Schritt geht es darum, das Problembewusstsein zu
verschärfen, beispielsweise so: »Jetzt wird die Forschung im Exzellenzcluster gefördert und ihr
habt immer noch Unterricht in so kleinen Räumen…« Danach kommt es darauf an, (realistische)
Hoffnungen zu wecken, am Problem etwas ändern zu können. Hier ist es wichtig, den/die Ge-
sprächspartner/in selbst dazu zu animieren, etwas zu tun. Die Frage »Was würdest du machen?
Denkst du, es wäre besser, etwas mit anderen zusammen zu unternehmen?« ist dabei zielorien-
tierter als ein einfaches »Ich denke, wir können das ändern.« Das Gegenüber hat damit die
direkte Wahl, selbst aktiv zu werden oder nicht. Wenn er/sie selbstständig die Aussage trifft,
etwas verändern zu wollen, dann kann man zum Beispiel einen Termin/ein Arbeitstreffen zum
Thema anbieten.

»Crunchen«: eine Zusage bekommen


Beim Gesprächsabschluss kann es vorkommen, dass der/die Angesprochene versucht, sich aus
verbindlichen Absprachen herauszuwinden, weil er/sie keine konkreten Zusagen machen möchte.
Um auf diese Situation zu reagieren, hilft die Technik des so genannten Crunchens. Es soll einen
Entscheidung herbeigeführt werden. Im Basketball wird die Zeit am Ende von Spielen mit einem
knappen Punkteabstand auch als »Crunchtime« bezeichnet, die Entscheidungszeit. Ihr könnt in
der Crunchtime zurück zu Schlüsselstellen im Gespräch springen und dabei das Gespräch kurz
zusammen fassen: »Du hast vorhin gesagt, XY stellt ein Problem dar; du meintest, du würdest
dabei gerne etwas verändern, und jetzt hast du die Möglichkeit dazu…« Kommt keine klare Zu-
sage zur Beteiligung zustande, kann man sich hier immer noch auf einen Kompromiss einigen:
»Okay, du weißt noch nicht, ob du am Dienstag vorbei kommst, aber gib mir doch deine E-Mail-
Adresse, dann kann ich dich zu weiteren Treffen einladen…«

Das mögliche Scheitern eines Gesprächsziels muss immer einkalkuliert werden. Ist der zeitliche
Rahmen des Gesprächs ausgeschöpft und die betreffende Person noch immer zu keiner Zusage
bereit, dann ist es Zeit für einen eleganten Ausstieg. Man sollte zusehen, dass man in dieser

24 Kommunikation
Situation nicht unnötig weitere Informationen preisgibt, die später evtl. gegen einen verwendet
werden können, z. B. Vorhaben, Treffpunkte oder ähnliches. Das Gespräch sollte freundlich be-
endet werden, »Okay, dann bedanke ich mich erst einmal, vielleicht können wir uns ja in Zukunft
noch mal sprechen«. Die Erfolgsaussichten bei einem Gewerkschaftsgegner / einer Gewerk-
schaftsgegnerin oder bei einer Person, die hochschulpolitisch Aktive als Spinner und Faulenzer
betrachtet, sind sehr gering. Auch hier sollte das Gespräch freundlich abgebrochen werden.
Wichtig ist es, die Ablehnung, die ihr möglicherweise durch eine Person erfahrt, nicht irgendwann
durch eigene Ablehnung ihr gegenüber zu erwidern.

Auch außerhalb von groß angelegten und ressourcenintensiven Organizing-Kampagnen können


diese Gesprächsregeln für die Arbeit in HiBs/COs hilfreich sein. Sie möchten Anregungen dazu
geben, wie sich aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Gesprächen innerhalb der
Studierendenarbeit verhalten können.

Gesprächsvorbereitung
Damit ein Gespräch mit Studierenden erfolgreich wird, ist eine gute Vorbereitung notwendig.
Wie oben bereits erwähnt, müssen vor jedem Gespräch Ziel und Botschaft bereits feststehen.
Neben dem allgemeinen Ablauf ist es sinnvoll, folgende Dinge vorzubereiten:

Der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch


Es gibt gute und schlechte Zeitpunkte für ein Gespräch. Besonders günstige Situationen für Ge-
spräche bieten Freizeitaktivitäten von Studierenden – zum Beispiel eignet sich die Zeit vor bzw.
nach gemeinsamen Veranstaltungen oder während der Hin- oder Rückfahrt von Exkursionen.
Ungünstig sind Situationen, in denen sich Studierende in Eile befinden, zum Beispiel auf dem
Weg zu einer Vorlesung, in der Mensa etc. Es ist sinnvoll, sich der Situation anzupassen, vielleicht
ein Stück mitzulaufen oder selbst in der Mensaschlange zu stehen. Wenn vorhanden, eignen
sich studentische Cafés an den Hochschulstandorten hervorragend für erste Gespräche.

Gesprächseinstieg
Der Gesprächseinstieg sollte gut überlegt sein. Für die Schaffung einer Vertrauensbasis sind
Transparenz und Ehrlichkeit wichtig. Sagt eurem Gegenüber in jedem Falle:
a) wie ihr heißt und dass ihr Gewerkschafter/in seid.
b) warum ihr hier seid, zum Bespiel durch den Satz: »Wir beschäftigen uns gerade mit dem
Thema X.«
c) Um euer Gegenüber zum Mitmachen zu animieren, ist es wichtig zu erläutern, dass das
Thema etwas mit dem Gegenüber zu tun hat. Als »Eisbrecher« kann auch das Ansprechen

Kommunikation 25
von sichtbaren Interessen dienen, z. B. Fußballschals, bestimmte Aufnäher an der Kleidung,
eine Vorlesung, in der man die Person gesehen hat etc.

Der Gesprächseinstieg gestaltet sich leichter, wenn man sich der Zielgruppe anpasst, z. B. durch
entsprechende Kleidung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Wenn ihr eine Gruppe
von mehreren Aktiven seid, wählt aus, wer sich um welche Zielgruppe kümmert bzw. wer am
ehesten zu welcher Zielgruppe passt.

Strategien für den Gesprächsverlauf


Läuft ein Gespräch nicht gut, kann es sein, dass ihr euch vorher zu wenige Gedanken über Stra-
tegien im Gesprächsverlauf gemacht habt. In einem Idealgespräch öffnen sich beide Gesprächs-
partner/innen, und ihr bekommt eine Zusage für die Mitarbeit. Das ist jedoch nicht immer der
Fall. Um den Gesprächsverlauf gezielt zu steuern, sind folgende Vorgehensweisen empfehlens-
wert:
a) Kalkuliert mögliche Einwände eures Gegenübers im Voraus ein und überlegt euch eine ent-
sprechende Reaktion, z. B. »Ich habe gerade keine Zeit« – »Es dauert nur fünf Minuten, und
es geht um deinen Fachbereich.« Solche Antworten können auch im Rahmen der Nachbe-
reitung gesammelt werden.
b) Gebt etwas von euch selbst preis: Es ist wichtig, dass der/die Gewerkschafter/in als Mensch
wahrgenommen wird – und nicht vorrangig als Repräsentant/in einer großen Organisation.
Hier ist es sinnvoll, auf Fragen – z. B. zur eigenen Motivation – offen zu antworten und den
eigenen Problembezug darzustellen. Zum Beispiel: »Warum machst du das eigentlich?« –
»Vor zwei Jahren habe ich mich selbst oft über XY geärgert und nicht gewusst, was ich ma-
chen soll. Dann habe ich gehört, dass die Gewerkschaften auf diesem Gebiet sehr aktiv sind
und mich eingebracht. Seitdem haben wir vieles gemeinsam lösen können, und die Situation
ist für mich besser geworden.«
c) Es kann ebenso helfen, Erfolgsgeschichten parat zu haben, wenn Zweifel am Sinn eines En-
gagements deutlich werden. Leitfrage hierfür kann sein: »Was hat die Gewerkschaft an der
Uni erreicht?« Mögliche Antworten sind: Gebührenproteste in Hessen, Tarifvertrag in Berlin,
Praktikumsrichtlinie in Niedersachsen, weitere Angebote an der Uni (z. B. Veranstaltungs-
reihen) etc.

Üben
Generell ist es hilfreich, eine geplante Gesprächssituation vorher tatsächlich zu üben. Das trai-
niert, flexibel auf unerwartete Antworten zu reagieren, gibt euch Sicherheit im Thema und in
der Methode und hilft dadurch auch, die eigene Angst vor der Situation abzubauen. Besonders
hilfreich kann das Training mit einer zwar bekannten, aber an der Aktion unbeteiligten, Person
sein. Das wiederholte Üben hilft euch, in Gesprächen authentisch und überzeugend zu sein.

26 Kommunikation
Bestimmte, standardisierte Sätze, die ihr gebraucht sowie eine geplante Gesprächsstruktur helfen
euch, Pausen und Stagnationen während eines Gesprächs zu überbrücken und das Gespräch
aufrechtzuerhalten. Wichtig ist jedoch, dass es nicht standardisiert klingt!

Gesprächsnachbereitung
Aus jedem Gespräch wird man klug! Um den Erkenntnisgewinn festzuhalten und für spätere Di-
aloge zu nutzen, ist es wichtig, Gespräche sinnvoll nachzubereiten. Ein klassisches Protokoll
kann helfen, sich an Einzelgespräche zu erinnern – in Zeitnot reichen auch Notizen in der Adress-
kartei. Wie bei den Materialien zur Recherche ist es notwendig, die Protokolle und Gesprächs-
nachbereitungen sicher und für Fremde unzugänglich zu verwahren.

Rating
Um die Relevanz eines Themas und die Erfolgsaussichten einer geplanten Aktivität richtig be-
werten und diese zielsicher vorbereiten zu können, wird im Organizing die Technik des Rating,
der Einschätzung, eingesetzt. Beim Rating geht es darum, die Position/Haltung der Angespro-
chenen bezüglich eines bestimmten Themas oder der Gewerkschaftsarbeit im Allgemeinen ein-
zuschätzen. Mit dieser Information könnt ihr in der Zukunft bei einem speziellen Thema oder
Ziel schnell reagieren. Da ihr die Informationen schriftlich festhaltet, sind sie allen Aktiven zu-
gänglich. Wissenshierarchien können abgebaut werden. Euch bekannte Personen, zum Beispiel
Dekane und Dekaninnen, werden hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Gewerkschaften oder eines
relevanten Themas auf einer Skala von 1 bis 5 eingeschätzt (also »geratet«). Die Meinungsfüh-
rer/innen einer Gruppe kennzeichnet ihr mit einem Stern. Die einzelnen Stufen der Skala sind:

1 = aktiv zugewandte Person;


2 = zugewandte Person;
3 = neutrale Position;
4 = kritische Position;
5 = aktiv ablehnende bis feindliche Position.

Das Rating schafft Orientierung in der Hochschule. Wenn ihr von vielen Personen die Einstellung
erhoben habt, verschafft euch das einen guten Überblick, was ihr wo mit wem erreichen könnt.
Überlegt, ob ihr künftige Gespräche an Orten initiiert, an denen sich Personen mit 1er- und 2er-
Bewertungen häufen. Außerdem sind die Daten für die Adresskartei sehr hilfreich, wenn es
darum geht, im Voraus Engagement-Interesse abzurufen oder zu gewissen Veranstaltungen ein-
zuladen. Kleinere und überschaubare Organisationseinheiten der Hochschule können auch de-
tailliert geratet werden, z. B. Bibliotheken, in denen studentische Hilfskräfte arbeiten, Institute

Kommunikation 27
mit relativ geringer Studierendenzahl. Die Technik könnte außerdem auch nützlich sein, um po-
tenzielle Verbündete oder Gegner in Fachschaften, Studierendenausschüssen oder in Hochschul-
leitungen einzuschätzen.

Wenn sich dann bei Aktionen oder in deren Folge einzelne Personen anders verhalten, als ihr es
vermutet habt, dann nehmt das zur Kenntnis und ändert die Rating-Einschätzung dieser Person.
Das Rating ist nicht abschließend, es soll niemanden in eine bestimmte Ecke stellen, um ihn
oder sie dort zu lassen. Es soll euch eine Hilfestellung bieten auf dem Weg zum Erfolg.

Vorsicht: Beachtet bei dieser Methode aus dem klassischen Organizing unbedingt auch die Ri-
siken und Grenzen!

Gesprächsregeln
Kommunikation spielt im Organizing eine wichtige Rolle. Sie ist immer zielgerichtet. In einer Si-
tuation, in der es darum geht, eine erfolgreiche Organizing-Kampagne durchzuführen, ist es
sinnvoll, sich an den hier beschriebenen Techniken zu orientieren. Diese Strategien sollen zu
eurem selbst gewählten Ziel führen. Allerdings wollen wir euch mit den hier empfohlenen Ge-
sprächsregeln nicht von anderen Gesprächen und Gesprächsformen abhalten. Wenn andere For-
men und Wege eurer Erfahrung nach besser funktionieren, dann gestaltet die Gespräche so, wie
ihr es für richtig und sinnvoll haltet. Wir können es auch so formulieren: Mach mit, mach’s nach,
mach’s besser!

28 Kommunikation
Aktivierung und Beteiligung

Elemente einer erfolgreichen Aktivierung


Organizing ist eine Strategie, die Menschen dazu animieren soll, selbst aktiv zu werden und eine
bestimmte Sache kollektiv anzugehen. Für die Gewinnung von Mitstreitenden sind die geführten
Gespräche auf dem Campus die Grundlage. Habt ihr eine Person begeistert und sie möchte aktiv
werden, ist es wichtig, geplant vorzugehen und sie an möglichst vielen Prozessen teilhaben zu
lassen, damit sie sich von Anfang an mit einbezogen fühlt.

Beteiligungsaktivierung / Ideen der Beteiligten aufnehmen und für jede/n eine


Möglichkeit der Mitarbeit schaffen
Ort der Entscheidung über Prozesse ist beim Organizing das Aktiventreffen. Die Beteiligten müs-
sen spüren, dass sie Teil der Gewerkschaft sind. Auf keinen Fall sollte das Bild entstehen, dass
Konflikte fern von der Gruppe ausgetragen werden. Dabei ist es wichtig, niedrigschwellige Be-
teiligungsangebote zu machen. Die Motivation zur Teilhabe an gemeinsamen Aktionen steigt
mit der Anzahl der Möglichkeiten, eigene Ideen einbringen zu können. Gemeinsames kreatives
Brainstorming ist eine Möglichkeit, alle

Ideen zu sammeln und ein wahres Gefühl von Beteiligung zu erzeugen. Der Organizer/die Orga-
nizerin soll also nicht für, sondern mit den Studierenden arbeiten. Er/Sie muss fragen, wozu die
einzelnen Beteiligten bereit sind und wie weit sie gehen würden. Nicht alle wollen sich in glei-
chem Maße an einer Aktion beteiligen. Deshalb ist es wichtig, jede/n nach individuellem Interesse
eine Aufgabe finden zu lassen. Wer ein Problem damit hat, mit unbekannten Leuten zu sprechen,
kann vielleicht einen Artikel zur Nachbereitung einer Aktion schreiben. Will eine Person z. B.
einen Flyer nicht verteilen, ist er oder sie eventuell dazu bereit, diesen zu kopieren. Ziel ist es,
möglichst viele Aktive an einer Aktion zu beteiligen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu
schaffen. Ein Aktiventreffen kann wachsen, wenn die Devise gilt, dass alle zum nächsten Treffen
eine/n neue/n Interessierte/n mitbringen.

Der »plan to win« oder: Erreichbare Ziele setzen


So schön es für einige sein kann, über Gott und die Welt zu diskutieren und die derzeitige Welt-
ordnung in Frage zu stellen, so ist es doch für die Motivation aller Beteiligten wichtig, immer
wieder einen Erfolg durch das gemeinsame Handeln verbuchen zu können. Dafür ist die Erar-
beitung einer Gewinnstrategie oder auch eines Kampagnenplans (»plan to win«) eine zentrale
Aufgabe. Frei nach dem Motto »Aktionen führen zum Gewinn« soll ein Kampagnenziel gesetzt
werden, das möglichst realistisch ist, da Misserfolge demotivierend sind. Darum sollten ihr euch
erst kleinere Zwischenziele stecken. Dann kann jeder Etappensieg, und mag er noch so klein
sein, als selbst erkämpfter gefeiert werden. Solche Ziele könnten zum Beispiel die Raumbelegung
oder andere organisatorische Angelegenheiten sein. Der »plan to win« sieht vor, dass auf jede

Aktivierung und Beteiligung 29


erfolgreiche Aktion eine stärkere folgt. Durch diese Eskalationsstrategie soll auf der Gegenseite
Unsicherheit entstehen, die eine Kooperationsbereitschaft fördern soll. Im besten Fall führen er-
folgreich durchgeführte Aktionen zu Bündnissen mit anderen Gruppen/Individuen, die vorher
nicht ohne weiteres aktivierbar gewesen wären. Auch hier gehört die kritische Reflexion dazu.
Wenn ihr eure Ziele nicht erreicht, dann wägt ab, ob es besser ist, die Aktionen abzubrechen.

Die Gegenseite klar benennen und verunsichern


Damit eine Aktion gut läuft und das gewünschte Feedback bzw. den gewünschten Erfolg erreicht,
ist neben dem Ziel auch Klarheit über den Adressaten/die Adressatin bzw. den Gegner/die Geg-
nerin wichtig. Zum einen schafft dies wiederum einen erhöhten Gruppenzusammenhalt durch
die Abgrenzung von der Gegenseite und den Bezug auf ein gemeinsames Ziel, zum anderen er-
zielt eine Aktion eine andere Wirkung, wenn Verantwortliche auch etwas von der Aktion mitbe-
kommen. Die Gegenseite wird dann bei langsam eskalierenden Aktionen im Unklaren gelassen,
wie weit die Gruppe noch zu gehen bereit ist. Das baut ein enormes Drohpotential auf. Dabei
können auch bewusst Irritationen erzeugt und Gegner/innen in die Irre geführt werden. Die Ver-
wirrung der Gegenseite führt dazu, dass die Organizing-Kampagne immer einen Schritt voraus
sein kann – eine wichtige Voraussetzung für den nächsten Punkt.

Spaß haben und Erfolge feiern


Durch gemeinsame Aktionen, die Spaß machen und zu Erfolgen führen, lassen sich neue Mit-
glieder eher gewinnen als durch trockene Interessenvertretung fernab der Basis. Organizing darf
also auch ruhig Spaß machen! Erzielte Erfolge sollten mit allen Beteiligten einer Aktion gefeiert
werden, um:

a die eigene Handlungsfähigkeit nochmals ins Gedächtnis zu rufen.


a Erfolge als Gemeinschaftserfolge spürbar zu machen.
a den Gruppenzusammenhalt zu fördern.

Deshalb ist es nötig, möglichst viele an einer politischen Aktion/Kampagne zu beteiligen.


Themenbezogen kann diese Methode bei entsprechenden Ressourcen auch in der Studierenden-
arbeit angewendet werden. Ihr Vorteil ist ihr partizipativer Charakter und das Konzept der Aus-
weitung – inhaltlich wie auch in Bezug auf die Anzahl der Beteiligten.

30 Aktivierung und Beteiligung


Aktionsfindung
Zum Organizing gehören öffentlichkeitswirksame Aktionen. In der students-at-work-Aktionsbox
findet ihr einen Satz von Aktionskarten, auf denen je eine Aktion vorgestellt wird. Mit den dort
beschriebenen Aktionen sind die Möglichkeiten aber noch lange nicht ausgeschöpft. Eurer Phan-
tasie sind keine Grenzen gesetzt.

Damit als Ergebnis eurer unbegrenzten Phantasie auch tatsächlich Aktionen stattfinden, die
eurem Anliegen dienen, wollen wir euch hier einige Überlegungen mit auf den Weg geben. An
eine Aktion kann unterschiedlich herangegangen werden. Entweder gibt es einen bestimmten
Inhalt, der vermittelt werden soll oder eine bestimmte Form, die ihr ausprobieren wollt; oder an
einem speziellen Ort soll etwas stattfinden. Vielleicht fallen auch mehrere dieser Faktoren zu-
sammen, z. B. soll bei der Senatsversammlung gegen die Erhebung von Studiengebühren an
eurer Hochschule protestiert werden. Dann sind Ort und Inhalt klar, fraglich ist nur noch die
Form; oder es wird eine große Demonstration geben, bei der für euch Ort und Form vorgegeben
sind, ihr euch aber auf einen Inhalt festlegen müsst, den ihr vertreten wollt.

Jeder dieser Faktoren wirft Fragen auf, die geklärt werden müssen, damit insgesamt eine »runde
Sache« dabei herauskommt. Wichtig ist, dass an der Entscheidungsfindung und der Umsetzung
alle Mitstreiter/innen beteiligt sind – im Rahmen dessen, was sie sich zutrauen –, so dass jede/r
Einzelne sich mit der Aktion wohl fühlt und sich damit identifizieren kann.

Der Ort:
a Welche Personen kommen an diesem Ort vorbei? (Studierende, Arbeitende,
Bürgermeister/innen)
a Haben die Personen Zeit, um stehen zu bleiben, oder reicht die Zeit nur für eine kurze
Informationsaufnahme/Irritation?
a Wie viele Personen kommen vorbei? Ist dies zeitabhängig unterschiedlich?
a Wie viel Ablenkung gibt es drum herum? Wie müsst ihr darauf reagieren?
(Megaphone gegen Lärm; Absperrbänder zur Straße)
a Wer sollte (nicht) gestört werden?

Die Form:
a Welche Beteiligungsmöglichkeiten bietet die Aktion?
a Wie groß sind die Hürden, sich zu beteiligen?
a Transportiert die Aktion selbst, was sie aussagen soll, oder braucht es eine zusätzliche
Vermittlung der Aussage?
a Hat die Form einen Einfluss auf euren Gruppenstatus als Gesprächspartner/innen?

Aktivierung und Beteiligung 31


a Sollte die Form vielleicht nicht mit euch direkt in Verbindung gebracht werden, sondern
nur mit dem Thema?

Der Inhalt:
a Welche Aktionsform unterstützt am besten den Inhalt, den ihr thematisieren wollt?
a Mit welcher Form lässt sich die größte Aufmerksamkeit für euer Anliegen erreichen?
a Wie lässt sich euer Anliegen am besten visualisieren?

Wenn ihr euch auf Ort, Form und Inhalt der Aktion geeinigt habt, geht es darum, die verschie-
denen Aufgaben konkret zu verteilen. Gerade bei den ersten Aktionen oder wenn neue Aktive
dabei sind, sollte möglichst genau festgelegt werden, wer was macht – auch, um die Arbeits-
weise transparent zu halten. Denn wenn Neue zwar hören, was passieren soll, aber aus den
Überlegungen nicht klar wird, wie es dazu kommen soll, dann entsteht eine Wissenshierarchie,
die eine Gruppe schnell in Insider/innen und Outsider/innen teilen kann. Für die Outsider/innen
ist dies meist nicht angenehm. Achtet aufeinander.

Ressourcenfrage
Ressourcen und Rahmenbedingungen
Men-/Womenpower, Materialien, technische Infrastruktur, Kommunikationswege und –arten,
Finanzen und nicht zuletzt Kontakte – das sind die Ressourcen, aus denen die Aktiven von HiBs
und COs schöpfen.

Betrachtet man nun Organizing als zukünftige Arbeitsmethode von HiBs und COs, spielen diese
Ressourcen als generelle Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle. Zu beachten ist hier z. B., wie
gut ein HiB oder CO vor Ort personell ausgestattet ist, wie gut es mit den gewerkschaftlichen
Strukturen der Region und den studentischen Strukturen an der Hochschule vernetzt ist. Auch
ist es wichtig, ob und in welcher Höhe das HiB/CO zusätzliche aktionsgebundene Finanzmittel
bei den Gewerkschaftsgliederungen abrufen kann.

In der Planungsphase einer Organizing-Kampagne oder -Aktivität muss daher sorgfältig ausge-
lotet werden, welche Aktionen und Kampagnen vor dem Hintergrund der vorhandenen
Ressourcen durchführbar sind. Gegebenenfalls ist die Beschaffung zusätzlicher Ressourcen für
die Durchführung notwendig und möglich bzw. muss organisiert werden. Vielleicht müssen die
ursprünglichen Ideen und Planungen auch auf Grund fehlender Mittel verändert und an die Ge-
gebenheiten angepasst werden.

32 Aktivierung und Beteiligung


Men-/Womenpower
Die wichtigste Ressource für jede Aktion oder Kampagne ist mit Sicherheit die Men-/Womenpo-
wer. Dies sind einzelne Personen oder Gruppen von Menschen, die bereit sind, einen Teil ihrer
eigenen Ressourcen, Zeit und Arbeitskraft einzubringen. Sie führen die Aktionen durch, planen
und recherchieren im Vorfeld. Diese Aktiven fungieren gleichzeitig als Multiplikatoren/Multipli-
katorinnen und ziehen weitere Aktive an Land.

Grundsätzliches
Für einige HiBs und Campus Offices besteht das Problem, dass in ihrem Rahmen nur wenige
Personen aktiv sind und schon gar keine gewerkschaftliche Studierendengruppe besteht. So
manches HiB muss mit ein bis drei aktiven Personen auskommen. Dies stellt zunächst einmal
ein zentrales Ressourcenproblem auf dem Weg zu Organizing-Aktionen dar. Doch dieses Hin-
dernis kann überwunden werden! Denn Organizing ist als Methode auf den Zuwachs von Aktiven
angelegt. Grundsätzlich können Organizing-Aktivitäten, wie z. B. die Ansprache und Aktivierung
auch mit sehr wenigen Aktiven durchgeführt werden. Wie bereits dargestellt, sollen dann weitere
Personen gewonnen werden, die für ihre eigenen Interessen aktiv werden. Organizing schafft
also die Ressource Men-/Womenpower selbst, die für die Durchführung einer Organizing-Aktion
benötigt wird. Außerdem ist Organizing sehr minimalistisch, wenn es um Ressourcen geht. Es
gilt der Grundsatz: viele Aktive = große Aktion – wenige Aktive = kleine Aktion.

Natürlich braucht man auch für eine noch so kleine Organizing-Aktion wenigstens ein bis drei
Leute. Um an diese heranzukommen, empfehlen sich »klassische« Methoden: z. B. Freunde fra-
gen, Kontakt zu studierenden Gewerkschaftsmitgliedern über die Gewerkschaften vor Ort oder
die Hans-Böckler-Stiftung (Stipgruppe) aufnehmen, Veranstaltungen aufsuchen und dort per-
sönlich Leute ansprechen (z. B. im Rahmen eines Stammtisches) und Ähnliches.

Motivation, Einstellung
Bei der Ressource Men-/Womenpower kommt es aber nicht nur auf die Anzahl der Personen an,
die die Initiative ergreifen, sondern auch auf deren Einstellung. Sie sollten nicht nur von geplan-
ten Aktionen überzeugt sein, sondern auch eine grundsätzlich positive Einstellung (Neugier, Of-
fenheit, Begeisterung) für die Ideen und Haltungen des Organizing mitbringen. Denn in welcher
Qualität sich die einzelnen Aktiven beteiligen, hat durchaus einen erheblichen Einfluss auf den
Erfolg einer Aktion. Deutlich wird dies am ehesten in der Kommunikation, der Ansprache Außen-
stehender.

Bei der Qualität der Beteiligung kommt auch noch ein anderer, schwer messbarer, wenngleich
wichtiger Faktor ins Spiel: die Motivation der Aktiven. Mit welcher Lust und welchem Enthusi-

Aktivierung und Beteiligung 33


asmus sich diese in die Aktivitäten stürzen, ist von vielen, teilweise schwer planbaren Faktoren
abhängig. Der Umgang untereinander in der Gruppe, das »Gruppenklima« hat sicherlich einen
erheblichen Einfluss darauf, in welchem Umfang und in welcher Qualität die Aktiven bereit sind,
ihre Ressource Zeit bzw. Arbeitskraft einzubringen.

In den Organizing-Prinzipien selbst liegen wichtige Schlüssel, diesen Ressourcenaspekt aus ei-
gener Kraft zu verbessern. So kann z. B. die Motivation der Beteiligten erhöht und ein gutes
Gruppenklima erzeugt werden, wenn man gemeinsam vor allem auf die Erfolge schaut und diese
auch gemeinsam feiert! Bei der Nachbearbeitung einer Aktion zunächst das Positive herauszu-
stellen und Aktive zu loben, kann Wunder wirken. Danach ist immer noch Zeit für (sachbezogene,
konstruktive) Kritik. Die Beteiligung aller und die gegenseitige Wertschätzung – auch bei Fehlern
– sind weitere Elemente, die sich positiv auswirken. Im Erfolgsfall werden sich das Engagement
der Einzelnen und damit ihre Bereitschaft, Zeitressourcen einzubringen, eher noch steigern.

Fachliche Kompetenz
Weitere wichtige Ressourcen für die Durchführung von Organizing-Aktivitäten sind allgemeine
und spezielle Kenntnisse der Beteiligten. Vor allem drei Aspekte sind hier von Bedeutung:

a) die Grundkenntnisse über die Hochschule: Strukturen, Personen, Themen, Örtlichkeiten


b) das Sachwissen über das Thema: Worum geht es? Was wollen wir ändern?
c) Fachkenntnisse über Organizing als Methode

Dieser Bereich stellt sich als relativ leicht handhabbar dar. Grundkenntnisse über die eigene
Hochschule bringen die Studierenden in der Regel mit. Das Sachwissen über das Thema und die
Fachkenntnisse im Organizing könnt ihr euch gemeinsam aneignen. Für ersteres empfiehlt sich
die Recherche, und bei letzterem hilft vielleicht schon dieses Konzeptpapier. Ansonsten können
externer Sachverstand und Inputs eingeholt werden.

Kontakte und Netzwerke


Für ein HiB oder Campus Office ist es natürlich immer hilfreich, viele stabile Kontakte zu den
verschiedenen Strukturen der Hochschule und zu Gewerkschaften zu haben. Noch besser ist es
selbstverständlich, wenn aus diesen Kontakten gar stabile Netzwerke entstehen. Auch für Akti-
vitäten mit Organizing-Elementen bedeuten gute Kontakte eine erhebliche Arbeitserleichterung.
Allerdings gilt auch hier: Kontakte, die für eine Aktion oder Kampagne notwendig sind, können
auch in der Vorbereitungsphase geknüpft werden. Die Organizing-Aktion selbst ist somit ein
guter Anlass für ein HiB/CO, seine Kontakte auszubauen bzw. stabile Netzwerke aufzubauen.

34 Aktivierung und Beteiligung


Materialien, technische Infrastrukturen und Finanzen
Materialien, technische Infrastruktur und Finanzen sind in jedem Fall unverzichtbare Ressourcen,
wenn ein Organizing-Vorhaben gelingen soll. Auch hier kann bis zu einem gewissen Grad die
Aktion oder Kampagne an den Umfang der zur Verfügung stehenden Ressourcen angepasst wer-
den. Ein Mindestmaß an materiellen Ressourcen wird allerdings in jedem Fall benötigt. So sollte
z. B. ein Raum vorhanden sein, in den sich die Gruppe für Planungen und Besprechungen zu-
rückziehen und in dem sie auch ihr Material lagern kann. Im Idealfall hat das HiB/CO einen ei-
genen Raum an der Hochschule zur Verfügung, der mit Computer und Telefon ausgestattet ist.
Ist das nicht der Fall, bietet die Mitnutzung von Räumen und der Infrastruktur von AStA, Fach-
schaften oder den beteiligten Gewerkschaften eine praktikable Alternative.

Ähnliches gilt für den Ressourcenbedarf an Geld und Material: Hat das HiB/CO ein eigenes Bud-
get, so lassen sich Organizing-Aktivitäten in die Jahresplanungen integrieren bzw. von freien
Mitteln finanzieren. Hat das HiB/CO jedoch keinen eigenen Etat oder sind zusätzliche Ressourcen
notwendig, müssen – wie in der Raumnutzungsfrage – die Träger des HiB/CO um Unterstützung
gebeten werden, in der Regel sind das der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften. Hier kommt
es auf eine gute Vorbereitung und Planung an. Denn es ist wichtig, sehr konkret darzustellen,
für welche tollen und für die Gewerkschaften nutzbringenden Aktivitäten man das Geld, die Ma-
terialien etc. braucht.

Aktivierung und Beteiligung 35


Höherer Beistand

Hilfreiche Materialien und Links


Bücher
Alinsky, Saul D.: Anleitung zum Mächtigsein. Ausgewählte Schriften. Göttingen 1999
Bremme, Peter / Fürniß, Ulrike / Meinecke, Ulrich (Hrsg.): Never work alone. Organizing – ein
Zukunftsmodell für Gewerkschaften. Hamburg 2007
Hälker, Juri (Hrsg.): Organizing. Neue Wege gewerkschaftlicher Organisation. Supplement der
Zeitschrift Sozialismus 9/2008

Links
www.organizinggame.org
www.perspektiven.verdi.de/organizing

36 Höherer Beistand
Einige Worte zum Schluss

Einige erste tolle Praxiserfahrungen mit Organizing wurden bereits von der ver.di-Campus-Gruppe
Duisburg-Essen, der Praktikums-AG an der TU Braunschweig, den DGB-Studis Hannover, der
DGB-Hochschulgruppe Regensburg und der Basisgruppe Geschichte der Uni in Göttingen ge-
sammelt und haben zu nachhaltigen Erfolgen geführt.

Wir wünschen euch beim Ausprobieren viel Erfolg! Über Rückmeldungen, wie und ob euch diese
Broschüre bei der Arbeit geholfen hat, würden wir uns sehr freuen. Auf der Basis von Erfahrungen
aus praktischen Erprobungen und Rückmeldungen können wir das Konzept weiterentwickeln
und die neuen Erkenntnisse an euch weitergeben.

Eure Arbeitsgruppe Organizing

Einige Worte zum Schluss 37


Wir sind’s

Die Arbeitsgruppe Organizing


Folgende Kolleginnen und Kollegen aus dem bundesweiten students-at-work-Netzwerk der HiBs
und Campus Offices haben das der Broschüre zugrunde liegende Konzeptpapier erarbeitet:

Sören Becker, ehem. DGB Bundesvorstand / students-at-work-Team


Christian Busch, DGB Bundesvorstand / students-at-work-Team
Oliver Dörl, HiB Freiburg
Iris Giepen, ehem. HiB Mainz
Johannes Katzan, ehem. Hochschulinformationsbüro der IG Metall
Constanze Krätsch, HiB Halle
Sabrina Klaus-Schelletter, DGB Bundesvorstand
Ümit Kücük, ehem. Campus Office Frankfurt a. M.
Frank Lütticke, ver.di Campus-Gruppe Universität Duisburg-Essen
Maik Neumann, Hochschulinformationsbüro der IG Metall
Ole Petersen, HiB Hannover
Lorenzo Poli, DGB-Jugend Niedersachsen-Sachsen-Anhalt-Bremen
Frank Rzeppa, DGB Bundesvorstand
Denis Simeonidis, HiB Stuttgart
Bastian Wefes, ehem. Campus Office Wuppertal

38 Wir sind’s
Impressum

Herausgeber:
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand Abteilung
Jugend und Jugendpolitik
Henriette-Herz-Platz 2
10178 Berlin

Verantwortlich:
Ingrid Sehrbrock

Projekt:
Frank Rzeppa, Maik Neumann
und Sabrina Klaus-Schelletter

Redaktion:
Arbeitsgruppe Organizing

Gestaltung:
Heiko von Schrenk / schrenkwerk.de

Druck:
PrintNetwork pn GmbH

Gefördert aus Mitteln des BMFSFJ

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