Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Org an i zi ng
www.dgb-jugend.de/studium
Inhalt
Inhalt 3
Einige Worte vorab
Nach einer längeren Phase der Zurückhaltung haben Gewerkschaften Studierende als Zielgruppe
(wieder) entdeckt. Seit einigen Jahren gibt es nun verstärkte Bemühungen vom DGB und seinen
Mitgliedsgewerkschaften, die hochqualifizierten zukünftigen Beschäftigten anzusprechen. In
diesem Zusammenhang sind vielfältige Aktivitäten auf Bundesebene und vor Ort entstanden.
So haben aktive Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Projekts students-at-work in über 50
Hochschulen im gesamten Bundesgebiet DGB-Hochschulinformationsbüros (HiBs) und Campus
Offices (COs) als gewerkschaftliche Strukturpunkte aufgebaut. Darüber hinaus gibt es viele ge-
werkschaftliche Studierendengruppen.
Mit diesem bunten Mosaik aus engagierten Personen, Aktivitäten und Strukturen haben wir be-
reits wichtige Erfolge erzielt: In vielen HiBs und Campus Offices läuft die Arbeit gut. Studierende
werden vielerorts mit gewerkschaftlichen Themen erreicht, der Bekanntheitsgrad der Gewerk-
schaften unter den Studierenden steigt, und oftmals sind die HiBs und Campus Offices aus der
Hochschule nicht mehr wegzudenken.
Wir denken, dass sich viele Ansätze, Vorgehensweisen und Haltungen des Organizing auch an
der Hochschule umsetzen lassen. Natürlich müssen die verschiedenen Elemente des Organizing-
Ansatzes an die Bedingungen in den Hochschulen und an die Voraussetzungen der HiBs und
Campus Offices angepasst werden.
Wir meinen: Auf kluge Weise modifiziert, kann Organizing – als Gesamtkonzept oder in Teilele-
menten – ein großer Gewinn für die gewerkschaftliche Studierendenarbeit sein und speziell den
Erfolg der Arbeit von HiBs und Campus Offices verbessern.
Kurzübersicht
In den letzten Jahren fällt der Begriff Organizing in deutschen Gewerkschaftskreisen immer häu-
figer. Doch je häufiger der Begriff genannt wird, desto vielschichtiger sind auch die Inhalte, die
unter Organizing zusammengefasst werden. Im Rahmen der Studierendenarbeit in HiBs und
Campus Offices verstehen wir Organizing als eine systematische Aktivierungsstrategie von Mit-
gliedern und potentiellen Mitgliedern für ihre eigenen Interessen. Die Systematik ist durch eine
stufenweise, geplante und auf verschiedene Werkzeuge (Kernelemente) zurückgreifende Heran-
gehensweise gekennzeichnet. Die Aktivierung besteht darin, die Menschen – in unserem Fall
die Studierenden – anzuleiten, ihre Probleme selbstständig anzugehen und erfolgreich zu lösen.
Dieses eigenständige Handeln steht der heute in Gewerkschaftskreisen weit verbreiteten Stell-
vertreter- und Dienstleistungsmentalität gegenüber. Ein Organizer/eine Organizerin übernimmt
niemals eine Aufgabe für jemanden, wenn die betreffende Person sie selbst übernehmen kann.
Neben den Schlagwörtern »Systematik« und »Aktivierung« spielt beim Organizing auch der Spaß-
faktor eine große Rolle. Wir betonen ganz bewusst den Spaß an der Arbeit, ohne jedoch die
Ernsthaftigkeit in Bezug auf das Thema zu vergessen. Spaß heißt hier, dass wir ansprechende
Aktionsformen einsetzen, die zeigen, dass wir mit Freude dabei sind. Mitstreiter/innen lassen
sich leichter gewinnen, wenn wir ihnen vermitteln können, dass wir mit Freude und Vergnügen
aktiv sind. Gemeinsam werden in einem Kreis von Aktiven Aktionen geplant, die zur Erreichung
der vorher festgelegten Ziele führen. Hierbei greifen wir auf Aktionsformen zurück, die bisher
vor allem von Sozialen Bewegungen bekannt sind. Öffentlichkeits- und medienwirksame Aktio-
nen, mit der Videokamera begleitet, beinhalten einen hohen Spaßfaktor für alle Beteiligten und
führen uns weg von trockener Interessenvertretung. Gemeinsam erreichte Erfolge geben wir als
solche zu erkennen und würdigen sie beispielsweise mit einer Feier. Dies stärkt die Gruppe und
bringt die nötige Motivation für die nächste Aktion mit sich.
Ursprünge
Ursprünglich kommt das Konzept aus dem amerikanischen Community Organizing. Saul D.
Alinsky entwickelte Organizing in den 1940er Jahren des letzten Jahrhunderts und setzte in den
Slums von Chicago Selbstorganisationsprozesse in Gang. Ziel war es, Menschen dazu zu be-
wegen, sich zusammenzuschließen und ihre Probleme eigenständig und kollektiv anzugehen.
In den 1970er und 1980er Jahren entdeckten amerikanische Gewerkschaften das Modell für
ihre Arbeit. Hier ist als Beispiel vor allem die erfolgreiche Organizing-Kampagne »Justice for Ja-
nitors« der US-Dienstleistungsgewerkschaft SEIU (Service Employees International Union) zu nen-
nen.
Kernelemente
Wenn wir von den Kernelementen des Organizing in der Studierendenarbeit sprechen, dann mei-
nen wir damit: Recherche, Kommunikation und Aktivierung. Diese drei Komponenten sind nicht
isoliert zu betrachten – sie hängen in der praktischen Umsetzung eng miteinander zusammen.
Eine genaue Beschreibung der Kernelemente inklusive anschaulicher Praxisbeispiele findet ihr
in dieser Broschüre.
Mit Organizing sollen diejenigen organisiert und aktiviert werden, die sich nicht eigenständig
organisieren, um gemeinsam Konflikte auszutragen. Auch wenn es an den Hochschulen viele
Personen gibt, die in verschiedenen Zusammenhängen aktiv sind, so werden die hochschulbe-
zogenen Konflikte doch nur selten gemeinsam organisiert und über einen längeren Zeitraum
ausgetragen.
Für die Studierendenarbeit wollen wir festhalten: Organizing bietet viele Chancen, unsere Arbeit
und das Bild von Gewerkschaften an der Hochschule zu verändern. Auch wenn sich Organizing
als Ganzes versteht, so können auch Teilelemente in unsere Arbeit an der Hochschule einfließen
und zu Erfolgen führen.
Kopfarbeit
Organizing ist kein fertiger Baukasten mit einer Spielanleitung. Es bietet verschiedene Ansätze,
anders an ein Thema oder eine Zielsetzung heranzugehen und alternative Methoden einzusetzen.
Doch all das ist nutzlos, wenn sich das Konzept / die Idee des Organizing nicht in den Köpfen
eingebrannt hat. Euch muss bewusst sein, dass es etwas Neues ist. Keiner sagt euch, was getan
werden muss, was wichtig ist, wie was gemacht werden soll. Ihr entscheidet selber darüber,
wofür ihr euch mit welchen Mitteln einsetzen wollt. Ihr wartet nicht auf Arbeitsaufträge, sondern
werdet selbst aktiv. Wer keine Lust auf Selbstbestimmung hat, sollte es lassen. Wer jedoch bereit
ist, die eigene HiB/CO-Arbeit kritisch zu überdenken, eigene Stärken auszubauen und Schwächen
zu erkennen, effektiver aber auch mehr zu arbeiten als bisher und vor allem Spaß haben will, ist
hier genau richtig. Wir liefern euch keine Lösungen und Antworten auf alle Fragen, aber wir
geben euch den nötigen Anstoß und mögliche Ansätze für eure zukünftige Arbeit. Es ist wichtig,
dass ihr euch auf etwas Neues einlasst und es umfassend versteht, denn: Organizing fängt im
Kopf an.
Bedienungsanleitung
Alles neu?
Bevor es richtig los geht, müsst ihr euch darüber im Klaren sein, was ihr wollt. Dafür betrachtet
ihr am besten den aktuellen Stand eurer Arbeit und reflektiert die letzten zwei Jahre. Wie viel
Energie habt ihr in das HiB/CO gesteckt und was ist am Ende dabei herausgekommen? Arbeitet
ihr effektiv und ergebnisorientiert oder hangelt ihr euch ohne bestimmten Antrieb, ohne Ziel
von einem Semester ins nächste? Gibt es einige Bereiche, die nicht so gut laufen, der Rest dafür
aber umso besser? Oder gibt es überall Probleme? Ihr müsst entscheiden, ob ihr die ganze Arbeit
neu gestalten oder nur einzelne Bereiche verbessern wollt. Denn: Organizing ist zwar ein Ge-
samtkonzept, das erst in der vollständigen Umsetzung voll wirksam wird, aber auch einzelne
Ansätze des Organizing können sehr wohl die normale HiB-Arbeit ergänzen. Dabei ist immer
abzuwägen, was auf welche Weise gerade passt.
Realistisch sein!
Der Organizing-Ansatz arbeitet mit realistischen, erreichbaren Zielsetzungen. Daher: Erwartet
bitte keine Wunder! Mit einer Organizing-Strategie alleine werdet ihr nicht die bestehenden so-
zialen Verhältnisse ändern. Organizing ist ein sinnvoller Arbeitsansatz, aber kein Allheilmittel.
Bestimmte Probleme lassen sich einfach nicht auf dieser Ebene lösen. Trotz toller Kampagnen
und Uni-Besetzung hat die Hochschule nicht plötzlich mehr Geld, um zehn fehlende Stellen zu
besetzen. Ihr bewegt euch in einem begrenzten Rahmen, in dem ihr aktiv werden könnt. Alles,
Die Dinge, die ihr macht, solltet ihr immer deshalb tun, weil ihr davon überzeugt seid – und
nicht, weil es immer schon so gemacht wurde. Überprüft eure Handlungsmotivationen auch im
Hinblick auf die gerade gestellten Fragen.
Organizing soll eure bestehende inhaltliche Arbeit nicht infrage stellen. Es geht um andere
Methoden. Prüft, ob euch Elemente des Organizing dabei helfen können,
Wir beantworten diese Fragen eindeutig mit JA und wollen euch dazu ermutigen, Elemente des
Organizing innerhalb eurer Arbeit auszuprobieren.
Das kann z. B. heißen, eure Beratungspraxis und die dafür notwendige Werbung zu verändern;
es kann aber auch heißen, stattdessen etwas Anderes neu zu gestalten. Das könnt nur ihr vor
Ort beantworten.
Umgekehrt ist das Ganze auch möglich: Ihr stellt mit Riesenaufwand Großveranstaltungen auf
die Beine, und jedes Mal verirren sich nur ein paar »Hanseln« zu euch. Schluss damit! Ist bei
euch das HiB/CO weniger als Beratungsstelle, sondern eher als kompetenter Partner für die Hoch-
schularbeit gefragt? Dann passt euer HiB/CO-Profil doch an und werdet verstärkt hochschulpo-
litisch aktiv. Ihr werdet sehen, wie viel Zeit plötzlich da ist, wenn ihr Schwerpunkte setzt! Zeit,
die ihr auch für Organizing-Aktionen nutzen könnt.
Organizing lebt von Vernetzung und gegenseitiger Unterstützung. Ohne Kooperationen könnt
ihr es nicht erfolgreich umsetzen. Durchforstet also die Umgebung der Uni und der Gewerkschaf-
ten vor Ort nach Bündnispartner/innen. In Frage kommen verschiedene Hochschulgruppen, even-
tuell der StuRa bzw. AStA, studentische Gruppen, Fachschaftsräte, Mitgliedsgewerkschaften, die
Stipendiatengruppe der Hans Böckler Stiftung, einzelne interessierte Studierende usw. Auch
wenn ihr eine eigenständige Gruppe bleibt und euch nicht mit anderen Gruppen fest zusammen-
schließt, ist es besonders wichtig, dass ihr den Kontakt zu den einzelnen Gruppen aufrechterhaltet
und euch mit ihnen über die Aktionen austauscht. Scheut euch auch nicht, sie direkt um Hilfe
und Zusammenarbeit zu bitten. Sie haben vielleicht den dringend benötigten Kontakt, die feh-
lende Info, ohne die ihr nicht weitermachen könnt, sie erreichen möglicherweise viel mehr Leute
und können auch höhere Stellen mobilisieren. Auch dies ist eine Möglichkeit, eure Arbeit be-
kannter zu machen. Die Leute müssen wissen, dass es euch gibt und was ihr macht, damit sie
dann auch wieder an eure Tür klopfen.
a Nehmt jede Einladung, euch vorzustellen und zu präsentieren, wahr. Seid in der ersten Reihe
und macht Krach.
a Dokumentiert eure Aktionen, Veranstaltungen, Erfolge als Film und in Fotos.
a Veröffentlicht Berichte in den Gewerkschaftszeitungen (der Schnittestelle), in der Uni-Zeitung,
im bukoinfo der Hans-Böckler-Stipendiaten und –Stipendiatinnen.
a Haltet eure (unerlässliche und gute) Internetseite auf dem letzten Stand der Dinge.
a Nehmt an den großen Uni-Veranstaltungen teil.
a Spannt alternative Radiostationen und die relevanten Blogs vor Ort mit ein.
a Beklebt den letzten Winkel der Uni mit euren Plakaten.
a Tragt T-Shirts mit eurem Logo im Alltag…
Und natürlich solltet ihr all das immer gegenüber Bündnispartner/innen und Geldgeber/innen
kommunizieren. Die Leute müssen sehen, dass es euch gibt; sie müssen sehen, was ihr macht
und vor allem, dass ihr etwas macht. Die Devise lautet: Auffallen – aber mit (eurem) Stil!
Zielgruppe
Ohne eine klare Zielgruppe ist Organizing ziemlich sinnlos. Ihr müsst euch genau überlegen,
wen ihr ansprechen wollt und ob Organizing dafür der geeignete Weg ist. Besteht überhaupt
der Bedarf nach Organizing, oder ist eine tolle Veranstaltung und die gelegentliche Unterstützung
anderer Gruppen sinnvoller? Auch ist eine gute Organizing-Kampagne nicht eins zu eins von
einer Zielgruppe auf eine andere übertragbar. Bei Naturwissenschaftler/innen müsst ihr anders
auftreten als bei Geisteswissenschaftler/innen. Ist ein Versuch bei den Wirtschaftswissenschaft-
ler/innen sinnvoll? Studentische Hilfskräfte und Studierende im Erstsemester lassen sich schlecht
als Zielgruppe miteinander verbinden. Oder wollt ihr die Zielgruppe erst durch ein bestimmtes
Thema finden? Miserable Praktikabedingungen sind nicht nur typisch für einen einzelnen Stu-
diengang. Hier bietet sich wahrscheinlich eine Großveranstaltung an, auf der ihr dann Interes-
sierte kontaktieren könnt. Dagegen habt ihr beim Problem eines zu kleinen Raumes gleich eine
Zielgruppe in Anzahl der an der Lehrveranstaltung teilnehmenden Studierenden. Zudem ändern
sich auch die vermeintlichen Probleme der Studierenden. Waren es letztes Semester noch die
überfüllten Räume, sind es diesmal vielleicht die Bibliotheksöffnungszeiten. Erst wenn ihr die
Zielgruppe gefunden habt, könnt ihr effektiv weiterarbeiten und die konkreten Probleme ange-
hen.
»Wer zu neuen Ufern will, darf das Meer nicht fürchten.« (Ovid)
Um mit unseren begrenzten Ressourcen erfolgreich zu sein, ist es wichtig, sich ein möglichst kla-
res Bild vom Ort und Umfeld der geplanten Aktivitäten zu machen. Dieser Rechercheprozess
kann selbst auch schon aktivierenden Charakter haben. Im klassischen Organizing-Modell ist
die Recherche jedoch als erster Schritt den eigentlichen Aktivitäten vorgelagert. Eine gute Re-
cherche ist ein wesentlicher Pfeiler für ein erfolgreiches Vorgehen. Sie kann von einer kleinen
Spontanbefragung von Studierenden zu ihren aktuellen Ärgernissen bis hin zu umfangreichen
Workshops zu Detailanalysen von Studiengängen und Personen reichen. Die Rechercheergebnisse
werden im weiteren Prozess immer wieder neu bewertet und ergänzt. Dafür ist eine systematische
grafische Darstellung zwingend erforderlich.
Für einen ersten Überblick bietet sich das Internet an, weil mit geringem Aufwand Informationen
aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zur Verfügung stehen und auch Zufallstreffer gelandet
werden können.
Sich auf das Internet zu beschränken, kann allerdings auch in die Irre führen, weil ihr mit Infor-
mationen überhäuft oder auf die falsche Fährte gelockt werdet. Oder über eine Person oder
Sache ist tatsächlich nichts Verwertbares im Netz zu finden.
Zielgruppenanalyse
Welche Zielgruppen gibt es an der Hochschule?
Vor dem Start jeder HiB/CO-Arbeit muss geklärt werden: Welches Angebot möchten wir wem in
welcher Form anbieten? Welche Aktivitäten möchten wir mit wem zusammen anpacken?
Recherche 13
Jedes HiB/CO hat seine spezifische Gruppe, die es bewusst oder unbewusst anspricht/ansprechen
möchte. Jedoch sind der Ansprache Grenzen gesetzt. Daher ist es eine zwingende Aufgabe der
HiBs/COs, sich neue Zielgruppen zu erschließen. Dies ist vor allem bei der Erschließung neuer
Campusgebiete von Bedeutung. Am Anfang der Arbeit kann eine Zielgruppenanalyse stehen.
Das Problem für viele HiBs/COs ist allerdings die Identifizierung einer möglichen Zielgruppe und
die Art, sie anzusprechen und das HiB/CO bekannt zu machen. Formuliert am besten eine Ziel-
stellung, die Selbstreflexion mit einbezieht. Beantwortet euch die Fragen:
Als grobe Orientierung für die Zielgruppe können der Studienort und damit verbunden die
Studienrichtung, die Art des Studiums, die Anzahl der Semester (Erstsemester, Studierende, Prak-
tikum) und ansatzweise das Milieu der Studierenden gelten.
Erfahrungsgemäß fällt der Kontakt zu den Studierenden besonders schwer, wenn man nicht sel-
ber direkt vor Ort präsent ist. Um sich zu etablieren, muss man an dem neuen Standort Fuß fas-
sen. Die ersten Ansprechpartner/innen sollen immer Gewerkschaftsmitglieder vor Ort sein. Es ist
daher wichtig, mit den einzelnen Gewerkschaften zu vereinbaren, dass man an die gut gehüteten
Mitgliederdaten vor Ort herankommt. Unter den studierenden Gewerkschaftsmitgliedern befin-
den sich meistens auch schon Aktive. Über diesen Erstkontakt, die Befragung der gewerkschaft-
lichen Studierenden zu den örtlichen Gegebenheiten, könnt ihr herausfinden, mit welchen Mitteln
man die Studierendenschaft vor Ort ansprechen kann. Der Kontakt muss regelmäßig erneuert
und konstant gehalten werden. Dies kann durch weitere Veranstaltungen und Aktionen gesche-
hen, die direkt auf diese Kerngruppe zugeschnitten sind.
Eine weitere und vor allem größere Zielgruppe lässt sich auf Großveranstaltungen der Hoch-
schulen ansprechen. Hierzu gehören Aktionstage, wie z. B. der Hochschulinformationstag, eine
Praktikumsbörse, Erstsemesterinformationsveranstaltungen, Engagement-Tage usw.
14 Recherche
Das Beispiel Bielefeld zeigt eine der verschiedenen Möglichkeiten auf. Ziele waren: die Etablie-
rung der Gewerkschaft an der Hochschule, als Studierendenvertretung aktiv zu werden und damit
den Erstkontakt der Studierenden zu Gewerkschaften herzustellen. Es wurden zuerst gewerk-
schaftliche Studierende aus verschiedenen Betrieben, die nach der Ausbildung ein Studium auf-
genommen haben, angesprochen. Erst im Anschluss ist man auf unbekannte Studierende zuge-
gangen. Mögliche Themen und Probleme wurden in Gesprächen und zusätzlich durch eine Um-
frage herausgefunden. Dies kann ein HiB/CO natürlich nicht allein bewältigen. Es braucht dafür
die Unterstützung der Mitgliedsgewerkschaften vor Ort.
Da das HiB/CO meist nur auf einen Fachbereich begrenzt ist, kann es sinnvoll sein, zur Erschlie-
ßung einer neuen Zielgruppe (eines neuen Fachbereichs) oder zur Lösung eines bestimmten Pro-
blems (BA/MA, Leistungsdruck, Prüfungsordnung, Praktikum, studentische Hilfskräfte etc.) eine
Extragruppe außerhalb des HiBs/COs – aber mit Verbindungen zu ihm – zu gründen. Über diese
Extragruppe kann eine neue Zielgruppe gefunden werden. Auch kann in Verbindung mit den
Mitgliedsgewerkschaften vor Ort die Ansprache über die Schulen erfolgen. Partnerschaften der
Verwaltungsstellen mit Schulen vor Ort und das Werben für ein Studium gerade bei so genannten
bildungsfernen Schichten (arbeiterkind.de) sind ein möglicher Ansatz.
Recherche 15
a Wen gewinne ich durch die Veröffentlichung als meinen Verbündeten? Wen bringe ich gegen
mich auf?
a Welcher Anknüpfungspunkt ergibt sich aus der Recherche?
Informationsquellen
Im Folgenden sind Informationsquellen aufgeführt, die Tipps zur Recherche enthalten und über
die sich die wesentlichen Themenbereiche, die für die Hochschul- und Studierendenarbeit von
Bedeutung sind, erschließen lassen.
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
16 Recherche
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
a Wettbewerbe, an denen
die Hochschule teilnimmt
a Öffentliche Ehrungen /
Jubiläen
a Hochschulmessen
a Hochschulinfotage
a Semesterbegrüßungen
Welche Medien stehen mir a Regionalzeitungen
zur Verfügung? a Studierendenmagazine
a Alternativmedien (Lokalradio,
Blogs)
a Schwarze Bretter
Anknüpfungspunkte a Wahlpersonen StuPa/StuRa
an der Hochschule bzw. AStA
a thematische AGs
Wo finde ich Informationen zur a Internetportal der Hochschule /
Hochschule, zu Studiengängen Uni-Überblicksseiten
und Veranstaltungen? a Internetseiten der
Fachbereiche
a Internetseiten zu den Gremien
an der Hochschule
a stud. Interessenvertretung Ministerien / Statistische Lan-
a Hochschulstatistik des- und Bundesämter
a Hochschulinformationssystem www.his.de
a Studieren / Hochschulstand- www.studis-online.de
orte allgemein www.studieren.de
a Berufsakademien / www.ausbildungplus.de
Duales Studium
a Pressestelle der Hochschule
a Selbstdarstellung der Hoch- in der jeweiligen Verwaltung,
schule, einzelner Institute usw. Bibliothek, Internet
a Zeitungsarchive
a Angestellte der Hochschule
a HS-Publikationen
Wo finde ich Informationen zu a Mitgliederdatenbank
gewerkschaftlich Aktiven an a Gewerkschaftssekretär/in
meiner Hochschule? a Ortsjugendausschuss
a StudiVZ
Recherche 17
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
Wo finde ich mögliche a politisch aktive Dekane /
Partner/innen? Professoren/Professorinnen
a Hochschulgruppen
a Stipendiaten und Stipendiatin-
nen anderer Stiftungen
a Kooperationsstelle
a Katholische Hochschulgruppe
(KHG), Evangelische Studen-
tengemeinde (ESG)
a Beratungseinrichtungen
a Personalrat
a Career-Offices
18 Recherche
Nähere Beschreibung /
Recherchebereich Quelle / Material
Bezugsquelle
Wo finde ich Informationen zu a Schwarzbuch von AStA / FSR / um Gesprächstermin bitten
Problemen an der Hochschule? StuRa
a Foren
a Blogs
a Hochschulinformationssystem www.his.de
a Zeitungsarchive
Recherche 19
Informationsaufbereitung
Die Datenerhebung ist eine Schlüsselaufgabe während des gesamten Organizing-Prozesses. Des-
halb ist es wichtig, Zusammenhänge, die sich aus den Rechercheergebnissen ergeben, grafisch
festzuhalten.
Eine Kartierung aller hochschulrelevanten Kontakte und Informationen liefert euch einen schnel-
len Überblick darüber, wo Partner/innen an der Hochschule sitzen.
Wenn ihr die Rechercheergebnisse visualisiert habt, sind einige Fragen zu beantworten:
Als Technik für die Aufbereitung eignet sich z. B. das »Mind Mapping« (Kartierungstechnik). Für
eine erste Visualisierung ist die Verwendung einer Metaplanwand mit Karten und Stiften zu emp-
fehlen.
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Computerprogramme, die die Arbeit der Visualisierung und
Strukturierung erleichtern, z. B. diverse Mind Mapping-Programme (auch als Freeware erhält-
lich).
20 Recherche
Kommunikation
Der Begriff »Dialog« ist hier jedoch gewählt worden, um sich von dieser Einseitigkeit zu verab-
schieden. Dialog soll auf einen beidseitigen Prozess verweisen, der das Gegenüber nicht nur zu-
hören, sondern auch erzählen lässt. Dies entspricht mehr dem Typus des interessierten Studie-
renden, der sich relativ wahrscheinlich zu einem Gespräch bereit erklärt. Schließlich ist Organizing
als ein neuer Ansatz zu verstehen, bei dem die Angesprochenen ihre Probleme selbst darstellen
und dann herausfinden sollen, was sie gemeinsam mit der Gewerkschaft tun können. Um das
Angebot zur gemeinsamen Arbeit authentisch zu machen, ist ein selbstbewusstes und empathi-
sches Auftreten als Gewerkschafter/in unausweichliche Bedingung.
Kommunikationswege
Um das eigene Kommunikationskonzept zu überdenken, ist es wichtig, sich vorher darüber be-
wusst zu werden, auf welchen Wegen und Kanälen ein Campus Office mit den Studierenden
kommuniziert. Hier ist zwischen unmittelbarer und vermittelter Kommunikation zu unterscheiden
– allerdings kann nur erstere genau erfasst werden, da der andere Typus sich in der Streuwirkung
an den ersten anschließt und nicht kontrolliert werden kann. Eine (offene) Zusammenstellung
möglicher Medien und Kommunikationswege ist in der nachfolgenden Liste aufgeführt – bereits
bekannte ebenso wie eher ungewöhnliche, die Interesse wecken und als Anregung dienen kön-
nen:
a Persönlich
a Gespräch (Gleich zu Gleich)
a Optische Symbole, z. B. Kleidung (einheitliche T-Shirts – vgl. HiB Halle, Buttons etc.)
a Beratungssituation
a Infostände
a Aktionen und Flashmobs
a Ansagen in Seminaren / Vorlesungen
Kommunikation 21
a Über klassische Medien
a Infomaterialen
a Campus-Zeitung
a Campus-Radio
a Flyer
a Plakate
a Bodenzeitungen
a Anzeigen auf Infowänden oder Informationsmonitoren
a Beschriebene Tafeln
a Virtuell
a StudiVz / Facebook-Foren
a Blogs
a Videos auf youtube.de
a E-Mail-Verteiler, gezielte E-Mails
In den meisten hier aufgezählten Situationen erfolgt die Ansprache einseitig – das liegt in der
Natur des Mediums. So lässt sich eine Zeitung oder ein Plakat nur unter großem Aufwand inter-
aktiv gestalten, aber Foren im Internet oder das persönliche Gespräch bieten die Möglichkeit
für den direkten Kotakt mit dem Gegenüber.
Von Gleich zu Gleich bedeutet nicht zwangsläufig, bezüglich der Studiensituation möglichst viele
Übereinstimmungen zu haben. Es kann sich auch um eine günstige gemeinsame Situation in
einem sozialen Raum handeln: Der gemeinsame Rahmen ist dann nicht das gleiche Studienfach,
sondern z. B. der Aufenthalt in der gleichen Uni-Kneipe oder dem gleichen Uni-Café (quasi: »beer
to beer«).
22 Kommunikation
Um die beabsichtigte Botschaft in einem Gleich-zu-Gleich-Gespräch wirkungsvoll rüberzubringen,
sollten folgende Regeln beachtet werden:
70/30-Regel
Der redende Hauptanteil innerhalb des Gesprächs sollte nicht beim Gewerkschafter oder bei der
Gewerkschafterin liegen, sondern bei dem/der Angesprochenen. Es geht darum, seine/ihre Sicht
auf gewisse Umstände und Probleme zu erfahren. Man möchte von dieser Person Informationen
bekommen, nach denen dann die weitere Arbeit ausgerichtet werden kann. Deshalb sollte der
redende Anteil des Gewerkschafters bzw. der Gewerkschafterin im Gespräch 30% nicht über-
steigen. Selbstverständlich heißt das nicht, dass die Aktiven nicht auch Position beziehen sollten.
Um ein solches Verhältnis zu gewährleisten, müssen offene Fragen gestellt werden (Wie, Warum,
Inwiefern, Was, Womit etc.), die zum ausführlicheren Antworten animieren – Fragen, die mit Ja
oder Nein beantwortet werden können (so genannte geschlossene Fragen), provozieren kurze
Antworten.
Kommunikation 23
Adresse und Telefonnummer, zu bekommen. Häufig ist solch ein Gespräch die einzige Chance,
einen Kontakt herzustellen. Die Wahrscheinlichkeit für ein Zweitgespräch ist gerade bei großen
Hochschulen mit vielen oder unübersichtlichen Standorten gering, sofern man die Kontaktdaten
nicht erhält. Um den nötigen Respekt dem/der Anderen gegenüber zu wahren, muss auch ein
mögliches Scheitern am selbst gesetzten Gesprächsziel akzeptiert werden.
Das mögliche Scheitern eines Gesprächsziels muss immer einkalkuliert werden. Ist der zeitliche
Rahmen des Gesprächs ausgeschöpft und die betreffende Person noch immer zu keiner Zusage
bereit, dann ist es Zeit für einen eleganten Ausstieg. Man sollte zusehen, dass man in dieser
24 Kommunikation
Situation nicht unnötig weitere Informationen preisgibt, die später evtl. gegen einen verwendet
werden können, z. B. Vorhaben, Treffpunkte oder ähnliches. Das Gespräch sollte freundlich be-
endet werden, »Okay, dann bedanke ich mich erst einmal, vielleicht können wir uns ja in Zukunft
noch mal sprechen«. Die Erfolgsaussichten bei einem Gewerkschaftsgegner / einer Gewerk-
schaftsgegnerin oder bei einer Person, die hochschulpolitisch Aktive als Spinner und Faulenzer
betrachtet, sind sehr gering. Auch hier sollte das Gespräch freundlich abgebrochen werden.
Wichtig ist es, die Ablehnung, die ihr möglicherweise durch eine Person erfahrt, nicht irgendwann
durch eigene Ablehnung ihr gegenüber zu erwidern.
Gesprächsvorbereitung
Damit ein Gespräch mit Studierenden erfolgreich wird, ist eine gute Vorbereitung notwendig.
Wie oben bereits erwähnt, müssen vor jedem Gespräch Ziel und Botschaft bereits feststehen.
Neben dem allgemeinen Ablauf ist es sinnvoll, folgende Dinge vorzubereiten:
Gesprächseinstieg
Der Gesprächseinstieg sollte gut überlegt sein. Für die Schaffung einer Vertrauensbasis sind
Transparenz und Ehrlichkeit wichtig. Sagt eurem Gegenüber in jedem Falle:
a) wie ihr heißt und dass ihr Gewerkschafter/in seid.
b) warum ihr hier seid, zum Bespiel durch den Satz: »Wir beschäftigen uns gerade mit dem
Thema X.«
c) Um euer Gegenüber zum Mitmachen zu animieren, ist es wichtig zu erläutern, dass das
Thema etwas mit dem Gegenüber zu tun hat. Als »Eisbrecher« kann auch das Ansprechen
Kommunikation 25
von sichtbaren Interessen dienen, z. B. Fußballschals, bestimmte Aufnäher an der Kleidung,
eine Vorlesung, in der man die Person gesehen hat etc.
Der Gesprächseinstieg gestaltet sich leichter, wenn man sich der Zielgruppe anpasst, z. B. durch
entsprechende Kleidung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Wenn ihr eine Gruppe
von mehreren Aktiven seid, wählt aus, wer sich um welche Zielgruppe kümmert bzw. wer am
ehesten zu welcher Zielgruppe passt.
Üben
Generell ist es hilfreich, eine geplante Gesprächssituation vorher tatsächlich zu üben. Das trai-
niert, flexibel auf unerwartete Antworten zu reagieren, gibt euch Sicherheit im Thema und in
der Methode und hilft dadurch auch, die eigene Angst vor der Situation abzubauen. Besonders
hilfreich kann das Training mit einer zwar bekannten, aber an der Aktion unbeteiligten, Person
sein. Das wiederholte Üben hilft euch, in Gesprächen authentisch und überzeugend zu sein.
26 Kommunikation
Bestimmte, standardisierte Sätze, die ihr gebraucht sowie eine geplante Gesprächsstruktur helfen
euch, Pausen und Stagnationen während eines Gesprächs zu überbrücken und das Gespräch
aufrechtzuerhalten. Wichtig ist jedoch, dass es nicht standardisiert klingt!
Gesprächsnachbereitung
Aus jedem Gespräch wird man klug! Um den Erkenntnisgewinn festzuhalten und für spätere Di-
aloge zu nutzen, ist es wichtig, Gespräche sinnvoll nachzubereiten. Ein klassisches Protokoll
kann helfen, sich an Einzelgespräche zu erinnern – in Zeitnot reichen auch Notizen in der Adress-
kartei. Wie bei den Materialien zur Recherche ist es notwendig, die Protokolle und Gesprächs-
nachbereitungen sicher und für Fremde unzugänglich zu verwahren.
Rating
Um die Relevanz eines Themas und die Erfolgsaussichten einer geplanten Aktivität richtig be-
werten und diese zielsicher vorbereiten zu können, wird im Organizing die Technik des Rating,
der Einschätzung, eingesetzt. Beim Rating geht es darum, die Position/Haltung der Angespro-
chenen bezüglich eines bestimmten Themas oder der Gewerkschaftsarbeit im Allgemeinen ein-
zuschätzen. Mit dieser Information könnt ihr in der Zukunft bei einem speziellen Thema oder
Ziel schnell reagieren. Da ihr die Informationen schriftlich festhaltet, sind sie allen Aktiven zu-
gänglich. Wissenshierarchien können abgebaut werden. Euch bekannte Personen, zum Beispiel
Dekane und Dekaninnen, werden hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Gewerkschaften oder eines
relevanten Themas auf einer Skala von 1 bis 5 eingeschätzt (also »geratet«). Die Meinungsfüh-
rer/innen einer Gruppe kennzeichnet ihr mit einem Stern. Die einzelnen Stufen der Skala sind:
Das Rating schafft Orientierung in der Hochschule. Wenn ihr von vielen Personen die Einstellung
erhoben habt, verschafft euch das einen guten Überblick, was ihr wo mit wem erreichen könnt.
Überlegt, ob ihr künftige Gespräche an Orten initiiert, an denen sich Personen mit 1er- und 2er-
Bewertungen häufen. Außerdem sind die Daten für die Adresskartei sehr hilfreich, wenn es
darum geht, im Voraus Engagement-Interesse abzurufen oder zu gewissen Veranstaltungen ein-
zuladen. Kleinere und überschaubare Organisationseinheiten der Hochschule können auch de-
tailliert geratet werden, z. B. Bibliotheken, in denen studentische Hilfskräfte arbeiten, Institute
Kommunikation 27
mit relativ geringer Studierendenzahl. Die Technik könnte außerdem auch nützlich sein, um po-
tenzielle Verbündete oder Gegner in Fachschaften, Studierendenausschüssen oder in Hochschul-
leitungen einzuschätzen.
Wenn sich dann bei Aktionen oder in deren Folge einzelne Personen anders verhalten, als ihr es
vermutet habt, dann nehmt das zur Kenntnis und ändert die Rating-Einschätzung dieser Person.
Das Rating ist nicht abschließend, es soll niemanden in eine bestimmte Ecke stellen, um ihn
oder sie dort zu lassen. Es soll euch eine Hilfestellung bieten auf dem Weg zum Erfolg.
Vorsicht: Beachtet bei dieser Methode aus dem klassischen Organizing unbedingt auch die Ri-
siken und Grenzen!
Gesprächsregeln
Kommunikation spielt im Organizing eine wichtige Rolle. Sie ist immer zielgerichtet. In einer Si-
tuation, in der es darum geht, eine erfolgreiche Organizing-Kampagne durchzuführen, ist es
sinnvoll, sich an den hier beschriebenen Techniken zu orientieren. Diese Strategien sollen zu
eurem selbst gewählten Ziel führen. Allerdings wollen wir euch mit den hier empfohlenen Ge-
sprächsregeln nicht von anderen Gesprächen und Gesprächsformen abhalten. Wenn andere For-
men und Wege eurer Erfahrung nach besser funktionieren, dann gestaltet die Gespräche so, wie
ihr es für richtig und sinnvoll haltet. Wir können es auch so formulieren: Mach mit, mach’s nach,
mach’s besser!
28 Kommunikation
Aktivierung und Beteiligung
Ideen zu sammeln und ein wahres Gefühl von Beteiligung zu erzeugen. Der Organizer/die Orga-
nizerin soll also nicht für, sondern mit den Studierenden arbeiten. Er/Sie muss fragen, wozu die
einzelnen Beteiligten bereit sind und wie weit sie gehen würden. Nicht alle wollen sich in glei-
chem Maße an einer Aktion beteiligen. Deshalb ist es wichtig, jede/n nach individuellem Interesse
eine Aufgabe finden zu lassen. Wer ein Problem damit hat, mit unbekannten Leuten zu sprechen,
kann vielleicht einen Artikel zur Nachbereitung einer Aktion schreiben. Will eine Person z. B.
einen Flyer nicht verteilen, ist er oder sie eventuell dazu bereit, diesen zu kopieren. Ziel ist es,
möglichst viele Aktive an einer Aktion zu beteiligen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu
schaffen. Ein Aktiventreffen kann wachsen, wenn die Devise gilt, dass alle zum nächsten Treffen
eine/n neue/n Interessierte/n mitbringen.
Damit als Ergebnis eurer unbegrenzten Phantasie auch tatsächlich Aktionen stattfinden, die
eurem Anliegen dienen, wollen wir euch hier einige Überlegungen mit auf den Weg geben. An
eine Aktion kann unterschiedlich herangegangen werden. Entweder gibt es einen bestimmten
Inhalt, der vermittelt werden soll oder eine bestimmte Form, die ihr ausprobieren wollt; oder an
einem speziellen Ort soll etwas stattfinden. Vielleicht fallen auch mehrere dieser Faktoren zu-
sammen, z. B. soll bei der Senatsversammlung gegen die Erhebung von Studiengebühren an
eurer Hochschule protestiert werden. Dann sind Ort und Inhalt klar, fraglich ist nur noch die
Form; oder es wird eine große Demonstration geben, bei der für euch Ort und Form vorgegeben
sind, ihr euch aber auf einen Inhalt festlegen müsst, den ihr vertreten wollt.
Jeder dieser Faktoren wirft Fragen auf, die geklärt werden müssen, damit insgesamt eine »runde
Sache« dabei herauskommt. Wichtig ist, dass an der Entscheidungsfindung und der Umsetzung
alle Mitstreiter/innen beteiligt sind – im Rahmen dessen, was sie sich zutrauen –, so dass jede/r
Einzelne sich mit der Aktion wohl fühlt und sich damit identifizieren kann.
Der Ort:
a Welche Personen kommen an diesem Ort vorbei? (Studierende, Arbeitende,
Bürgermeister/innen)
a Haben die Personen Zeit, um stehen zu bleiben, oder reicht die Zeit nur für eine kurze
Informationsaufnahme/Irritation?
a Wie viele Personen kommen vorbei? Ist dies zeitabhängig unterschiedlich?
a Wie viel Ablenkung gibt es drum herum? Wie müsst ihr darauf reagieren?
(Megaphone gegen Lärm; Absperrbänder zur Straße)
a Wer sollte (nicht) gestört werden?
Die Form:
a Welche Beteiligungsmöglichkeiten bietet die Aktion?
a Wie groß sind die Hürden, sich zu beteiligen?
a Transportiert die Aktion selbst, was sie aussagen soll, oder braucht es eine zusätzliche
Vermittlung der Aussage?
a Hat die Form einen Einfluss auf euren Gruppenstatus als Gesprächspartner/innen?
Der Inhalt:
a Welche Aktionsform unterstützt am besten den Inhalt, den ihr thematisieren wollt?
a Mit welcher Form lässt sich die größte Aufmerksamkeit für euer Anliegen erreichen?
a Wie lässt sich euer Anliegen am besten visualisieren?
Wenn ihr euch auf Ort, Form und Inhalt der Aktion geeinigt habt, geht es darum, die verschie-
denen Aufgaben konkret zu verteilen. Gerade bei den ersten Aktionen oder wenn neue Aktive
dabei sind, sollte möglichst genau festgelegt werden, wer was macht – auch, um die Arbeits-
weise transparent zu halten. Denn wenn Neue zwar hören, was passieren soll, aber aus den
Überlegungen nicht klar wird, wie es dazu kommen soll, dann entsteht eine Wissenshierarchie,
die eine Gruppe schnell in Insider/innen und Outsider/innen teilen kann. Für die Outsider/innen
ist dies meist nicht angenehm. Achtet aufeinander.
Ressourcenfrage
Ressourcen und Rahmenbedingungen
Men-/Womenpower, Materialien, technische Infrastruktur, Kommunikationswege und –arten,
Finanzen und nicht zuletzt Kontakte – das sind die Ressourcen, aus denen die Aktiven von HiBs
und COs schöpfen.
Betrachtet man nun Organizing als zukünftige Arbeitsmethode von HiBs und COs, spielen diese
Ressourcen als generelle Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle. Zu beachten ist hier z. B., wie
gut ein HiB oder CO vor Ort personell ausgestattet ist, wie gut es mit den gewerkschaftlichen
Strukturen der Region und den studentischen Strukturen an der Hochschule vernetzt ist. Auch
ist es wichtig, ob und in welcher Höhe das HiB/CO zusätzliche aktionsgebundene Finanzmittel
bei den Gewerkschaftsgliederungen abrufen kann.
In der Planungsphase einer Organizing-Kampagne oder -Aktivität muss daher sorgfältig ausge-
lotet werden, welche Aktionen und Kampagnen vor dem Hintergrund der vorhandenen
Ressourcen durchführbar sind. Gegebenenfalls ist die Beschaffung zusätzlicher Ressourcen für
die Durchführung notwendig und möglich bzw. muss organisiert werden. Vielleicht müssen die
ursprünglichen Ideen und Planungen auch auf Grund fehlender Mittel verändert und an die Ge-
gebenheiten angepasst werden.
Grundsätzliches
Für einige HiBs und Campus Offices besteht das Problem, dass in ihrem Rahmen nur wenige
Personen aktiv sind und schon gar keine gewerkschaftliche Studierendengruppe besteht. So
manches HiB muss mit ein bis drei aktiven Personen auskommen. Dies stellt zunächst einmal
ein zentrales Ressourcenproblem auf dem Weg zu Organizing-Aktionen dar. Doch dieses Hin-
dernis kann überwunden werden! Denn Organizing ist als Methode auf den Zuwachs von Aktiven
angelegt. Grundsätzlich können Organizing-Aktivitäten, wie z. B. die Ansprache und Aktivierung
auch mit sehr wenigen Aktiven durchgeführt werden. Wie bereits dargestellt, sollen dann weitere
Personen gewonnen werden, die für ihre eigenen Interessen aktiv werden. Organizing schafft
also die Ressource Men-/Womenpower selbst, die für die Durchführung einer Organizing-Aktion
benötigt wird. Außerdem ist Organizing sehr minimalistisch, wenn es um Ressourcen geht. Es
gilt der Grundsatz: viele Aktive = große Aktion – wenige Aktive = kleine Aktion.
Natürlich braucht man auch für eine noch so kleine Organizing-Aktion wenigstens ein bis drei
Leute. Um an diese heranzukommen, empfehlen sich »klassische« Methoden: z. B. Freunde fra-
gen, Kontakt zu studierenden Gewerkschaftsmitgliedern über die Gewerkschaften vor Ort oder
die Hans-Böckler-Stiftung (Stipgruppe) aufnehmen, Veranstaltungen aufsuchen und dort per-
sönlich Leute ansprechen (z. B. im Rahmen eines Stammtisches) und Ähnliches.
Motivation, Einstellung
Bei der Ressource Men-/Womenpower kommt es aber nicht nur auf die Anzahl der Personen an,
die die Initiative ergreifen, sondern auch auf deren Einstellung. Sie sollten nicht nur von geplan-
ten Aktionen überzeugt sein, sondern auch eine grundsätzlich positive Einstellung (Neugier, Of-
fenheit, Begeisterung) für die Ideen und Haltungen des Organizing mitbringen. Denn in welcher
Qualität sich die einzelnen Aktiven beteiligen, hat durchaus einen erheblichen Einfluss auf den
Erfolg einer Aktion. Deutlich wird dies am ehesten in der Kommunikation, der Ansprache Außen-
stehender.
Bei der Qualität der Beteiligung kommt auch noch ein anderer, schwer messbarer, wenngleich
wichtiger Faktor ins Spiel: die Motivation der Aktiven. Mit welcher Lust und welchem Enthusi-
In den Organizing-Prinzipien selbst liegen wichtige Schlüssel, diesen Ressourcenaspekt aus ei-
gener Kraft zu verbessern. So kann z. B. die Motivation der Beteiligten erhöht und ein gutes
Gruppenklima erzeugt werden, wenn man gemeinsam vor allem auf die Erfolge schaut und diese
auch gemeinsam feiert! Bei der Nachbearbeitung einer Aktion zunächst das Positive herauszu-
stellen und Aktive zu loben, kann Wunder wirken. Danach ist immer noch Zeit für (sachbezogene,
konstruktive) Kritik. Die Beteiligung aller und die gegenseitige Wertschätzung – auch bei Fehlern
– sind weitere Elemente, die sich positiv auswirken. Im Erfolgsfall werden sich das Engagement
der Einzelnen und damit ihre Bereitschaft, Zeitressourcen einzubringen, eher noch steigern.
Fachliche Kompetenz
Weitere wichtige Ressourcen für die Durchführung von Organizing-Aktivitäten sind allgemeine
und spezielle Kenntnisse der Beteiligten. Vor allem drei Aspekte sind hier von Bedeutung:
Dieser Bereich stellt sich als relativ leicht handhabbar dar. Grundkenntnisse über die eigene
Hochschule bringen die Studierenden in der Regel mit. Das Sachwissen über das Thema und die
Fachkenntnisse im Organizing könnt ihr euch gemeinsam aneignen. Für ersteres empfiehlt sich
die Recherche, und bei letzterem hilft vielleicht schon dieses Konzeptpapier. Ansonsten können
externer Sachverstand und Inputs eingeholt werden.
Ähnliches gilt für den Ressourcenbedarf an Geld und Material: Hat das HiB/CO ein eigenes Bud-
get, so lassen sich Organizing-Aktivitäten in die Jahresplanungen integrieren bzw. von freien
Mitteln finanzieren. Hat das HiB/CO jedoch keinen eigenen Etat oder sind zusätzliche Ressourcen
notwendig, müssen – wie in der Raumnutzungsfrage – die Träger des HiB/CO um Unterstützung
gebeten werden, in der Regel sind das der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften. Hier kommt
es auf eine gute Vorbereitung und Planung an. Denn es ist wichtig, sehr konkret darzustellen,
für welche tollen und für die Gewerkschaften nutzbringenden Aktivitäten man das Geld, die Ma-
terialien etc. braucht.
Links
www.organizinggame.org
www.perspektiven.verdi.de/organizing
36 Höherer Beistand
Einige Worte zum Schluss
Einige erste tolle Praxiserfahrungen mit Organizing wurden bereits von der ver.di-Campus-Gruppe
Duisburg-Essen, der Praktikums-AG an der TU Braunschweig, den DGB-Studis Hannover, der
DGB-Hochschulgruppe Regensburg und der Basisgruppe Geschichte der Uni in Göttingen ge-
sammelt und haben zu nachhaltigen Erfolgen geführt.
Wir wünschen euch beim Ausprobieren viel Erfolg! Über Rückmeldungen, wie und ob euch diese
Broschüre bei der Arbeit geholfen hat, würden wir uns sehr freuen. Auf der Basis von Erfahrungen
aus praktischen Erprobungen und Rückmeldungen können wir das Konzept weiterentwickeln
und die neuen Erkenntnisse an euch weitergeben.
38 Wir sind’s
Impressum
Herausgeber:
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand Abteilung
Jugend und Jugendpolitik
Henriette-Herz-Platz 2
10178 Berlin
Verantwortlich:
Ingrid Sehrbrock
Projekt:
Frank Rzeppa, Maik Neumann
und Sabrina Klaus-Schelletter
Redaktion:
Arbeitsgruppe Organizing
Gestaltung:
Heiko von Schrenk / schrenkwerk.de
Druck:
PrintNetwork pn GmbH