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Wissen ist Macht. Nichtwissen aber kann genauso mächtig sein, denn es weckt
unsere Neugierde. Bei den meisten jedenfalls. Neugier – das ist der Hunger nach
Wissen, gepaart mit der Bereitschaft, sich überraschen zu lassen, zu staunen, sich
Menschen. Und die Unsicherheit und die daraus resultierende (soziale) Angst
Was ist Neugier überhaupt? In Neugier oder Neugierde (Synonym von Neugier)
steckt bereits die Gier, also heftiges, maßloses Verlangen. Psychologen sehen in
Neugier eine von sechs Grundemotionen: Neugier, Ekel, Freude, Angst, Ärger,
Trauer. Sie ist neben Freude das einige Gefühl, das auch positive Bedeutung hat.
Manche sehen in Neugier den Wunsch oder die Motivation, sich bewusst neuen und
ungewohnten Situationen und Denkweisen auszusetzen. Andere definieren Neugier
als Instinkt, als einen Urtrieb – bestehend aus einer Antriebskomponente, einer
Affektkomponente und einer Verhaltenskomponente. Man könnte auch sagen:
Neugier führt zum Flow-Zustand. Letztlich steckt darin auch die Bereitschaft zur
Veränderung, zum Dazulernen. Denn das Interesse und die Offenheit für Neues –
neue Erfahrungen und neue Erkenntnisse – wird uns zwangsläufig beeinflussen.
Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass die Neugier uns angeboren ist. Die
Eigenschaft besitzen sowohl Menschen wie auch Tiere. Schon Kleinkinder haben
diesen unstillbaren Wissensdurst. Sie saugen alles auf, was ihnen die Welt bietet,
sind neugierig, wissbegierig, wollen den Dingen auf den Grund gehen, Geheimnisse
lüften, stellen Fragen – auch manche, die Eltern nerven oder in echte Erklärungsnöte
bringen können. Kinder kennen weder Konventionen noch Tabus.
Mit zunehmendem Alter aber verlieren viele Menschen ihre Neugier. Sie wissen zwar
auch immer mehr, werden aber dadurch erst klug, dann altklug und schließlich
selbstgefällig. So verbauen sie sich zahlreiche Chancen und nicht zuletzt die
eigene Persönlichkeitsentwicklung. Herausforderungen, ein turbulentes Leben,
Abenteuer – das verheißt eben nicht nur Spaß, sondern auch Ungewissheiten,
Risiken, Gefahren, Fehler, Versagen. Neugier erzwingt Flexibilität und trainiert
Anpassungsfähigkeit. Nicht alle wollen das.
Wer Neugier als positiv oder negativ beschreibt, bewertet das Gefühl. Unweigerlich
sind mit Neugier verschiedene (Warn-)Sprüche verbunden.
Den neusten Klatsch und Tratsch aus der Promiwelt erfahren zu wollen, kann man
schwerlich gleichsetzen mit dem Wunsch, das Universum zu begreifen. Ersteres
steht für oberflächliche Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen. Letzteres ist
vom Wunsch nach Erkenntnis geleitet. Das ernsthafte Interesse daran, Dinge zu
ergründen, führt zu Expertise. Je nach Ausprägung kann Neugier also neue
Entdeckungen beflügeln, die in Innovationen münden. Oder sie führt dazu, dass
Menschen ihre Nase in Dinge stecken, die sie nichts angehen.
Letztlich können Sie bei Ihrem Gegenüber vielleicht kurzfristiges Interesse wecken.
Ob die Person aber wirklich neugierig ist oder wird, liegt letztlich an der Person
selbst. Tatsächlich findet Neugier weniger im Kopf statt, als viele denken. Sie lässt
sich auch nicht willentlich erzeugen. Es ist eine Eigenschaft, die man hat und
erlernen, aber auch wieder verlernen kann.
Sie können allerdings jenen Hindernissen im Kopf auf die Schliche kommen, die der
Neugier im Weg stehen. Beobachten und erkunden Sie dazu zunächst das
Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Empfindungen: Wie reagieren Sie
und Ihr Körper auf Neues, Ungewohntes, Ungelerntes: mit Lust – oder doch eher mit
Zurückhaltung und Argwohn? „Somatic Mindfulness“ heißt diese Selbsterforschung
in der Fachsprache. Dabei finden Sie nicht nur heraus, welche Erfahrungen und
welche Erwartungen da sind, sondern auch warum Sie womöglich gerade mental
dicht machen und eben so gar nicht neugierig sind.
Neugier findet ausschließlich im Hier und Jetzt statt. Vergangene Erfahrungen und
künftige Erwartungen, die ins Hier und Jetzt reinfunken, können Neugier blockieren.
Daher ist ein erster Schritt in Richtung zu mehr Neugier das Erkunden und Sortieren
dessen, was da so alles im Kopf herumschwirrt. Angenommen, Sie bekommen eine
Mail vom Chef – höchste Prioritätsstufe, er möchte Sie heute noch sprechen. Leider
sagt er nicht dazu, worum es geht. Könnte gut sein, könnte schlecht sein… Sie
wissen es nicht. Ob Sie sich nun neugierig und offen in Richtung Chefbüro
aufmachen, hängt aber von zwei wichtigen Parametern ab:
Erfahrung: In der Schule wurden Sie einmal zum Direktor ins Lehrerzimmer gerufen.
Ein Mitschüler hat Sie verpetzt und Sie bekamen damals mächtig Ärger.
Das sind natürlich alles bloß Annahmen. Aber Sie merken schon, was nun im Kopf
des Betroffenen passiert. Sobald diese Gedanken erst einmal kreisen, ist es mit der
Offenheit und Neugier vorbei. Stattdessen übernehmen Angst und Stress das
Regiment – und Sie rechnen mit dem Schlimmsten… Das ist zwar ein
Extrembeispiel, ähnlich funktioniert es aber auch im Kleinen.
Unser Gehirn ist auf Neugierde programmiert. Die Evolution hat es vorgemacht: Der
Mensch entwickelt sich ständig weiter, unser Gehirn dürstet nach neuen Reizen,
danach, Neues zu lernen. Wir sollen und wollen wachsen. Nicht zufällig entwickeln
wir daraus sogar Ehrgeiz und Ambitionen. Neugier ist ein wesentlicher Motor für
Wachstum und Wissen. Und eine unterschätzte Erfolgseigenschaft.
Als etwa britische und schweizer Forscher die Daten von rund 50.000 Studenten
auswerteten, stellten sie fest: Der Intelligenzquotient (IQ) hatte für den Studienerfolg
weniger Bedeutung als angenommen. Viel entscheidender war die Neugier.
Studenten, die nur über einen mittelmäßigen IQ verfügten, dafür aber gegenüber
Neuem aufgeschlossen waren, schnitten deutlich besser ab.
Vielleicht liegt das gar im Ursprung der Neugier: Wer nicht gerade in einer
Forschungsabteilung, in der Wissenschaft oder im Journalismus arbeitet, der
verbindet die Neugierde im beruflichen Kontext eher mit Begriffen, wie: naiv,
kindisch, unbedarft. Und das sind natürlich nicht gerade Eigenschaften, die heute im
Berufsleben gefragt sind. Stattdessen betonen Stellenanzeigen landauf, landab
immer wieder Attribute, wie durchsetzungsstark, erfahren, versiert. Im Job zählen
solides Fachwissen und strenge Ratio oft mehr als Experimentierfreude,
Spontaneität und Offenheit für Neues. Vielleicht liegt es aber auch an manchen
Erfahrungen (siehe oben), die wir mit unserer Neugier in der Kindheit gesammelt
haben.
Wer als Kind für allzu große Neugierde eher Rügen und Strafen kassiert hat, wird mit
dem Alter zwangsläufig vorsichtig. Die einst gesunde Neugier verkehrt sich nun in ihr
Gegenteil. Das wird erst einmal gefiltert, analysiert, geprüft und bewertet. Sicher ist
sicher. Schade. Denn Neugier ist eine Kardinaltugend, ein wesentlicher Erfolgsmotor.
Wer neugierig bleibt, der…
besitzt Authentizität und Präsenz.
wird selbstsicherer.
7. Wie Neugier und Erfolg zusammenhängen
Neugier und Wissen gehen Hand in Hand. Man kann nicht neugierig bleiben, ohne
etwas zu lernen. Und dieses Wissen irgendwann wieder weiterzugeben. Womöglich
– aber das ist nur eine These – gibt es keinen echten und erfolgreichen Experten,
der nicht zugleich neugierig geblieben wäre. Drei wesentliche Eigenschaften lassen
sich bei erfolgreichen Menschen erkennen:
Selbstreflexion
Ziele
Neugier
Und da ist sie wieder. Erfolgreiche lernen nicht einfach nur hinzu – sie wollen lernen.
Und zwar möglichst viel. Der Motor dazu ist ihre Neugier: Warum ist das so? Was
haben andere in der Situation gemacht? Was sind die Eigenschaften, die
erfolgreiche Menschen einen? Wobei das Interesse dieser Leute stets
fachübergreifend ist: Sie sind aufgeschlossen gegenüber Politik, Management, Sport
und Religion, interessieren sich ebenso für die Börse wie für Bildungsfragen, für das
Kochen oder die Psychologie. Sie haben vielleicht keinen Doktor-Titel, aber
promovieren praktisch in allen Lebensfragen.