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Departement für Gesellschaftswissenschaften

Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaft


Universität Freiburg

Europäische Öffentlichkeit im Internet

Katharina Cerny 2. Nebenfach, 11. Semester


Route du Jura 45 Seminar “Europäische Medienpolitik - Europäische Öffentlichkeit”
1700 Freiburg Abgegeben bei: Prof. Udo Göttlich
026 466 48 25 21. September 2004
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Charakteristika des Internets 4

3 Was ist europäische Öffentlichkeit? 6

4 Europäische Öffentlichkeit und Internet 9


4.1 Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
4.2 Erhöhung der Relevanz europäischer Themen . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4.3 Rolle der EU in der Öffentlichkeitsbildung im Internet . . . . . . . . . . . 11

5 Schlussbetrachtung 13

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1 Einleitung

Im Seminar “Europäische Medienpolitik - Europäische Öffentlichkeit” haben wir vor-


nehmlich über europäische Öffentlichkeit und Medienpolitik in Fernsehen und Radio
diskutiert. Diese Medien haben eine relativ lange Geschichte, sind auch immer wieder
Gegenstand staatlicher Unterstützung und Regulierung gewesen und sollen jetzt von
einem nationalen in einen europäischen Kontext eingebettet werden. An dieser Stelle
will ich mich aber einem Medium widmen, das wir aussen vor gelassen haben, das aber
immer mehr an Bedeutung gewinnt: das Internet. Statistiken zeigen, dass bereits 50%
der EU Bürger das Internet regelmässig Nutzen (Eurostat 2004). Das sind zwar immer
noch wenige im Vergleich zu den 96%, die Rundfunkmedien konsumieren, ihre Zahl ist
aber stetig am wachsen. Im Vergleich zu den eben erwähnten Medien ist das Internet
noch jung, dynamisch und relativ unreguliert. Nun interessiert mich die Frage, inwiefern
sich das Internet als Medium zur Konstitution einer europäischen Öffentlichkeit eignet.
Dazu gehören auch die Fragen, was europäische Öffentlichkeit überhaupt bedeutet und
ob - und in welcher Form - die Europäische Union dazu beitragen kann.

Im Folgenden will ich versuchen diese Fragen zu beantworten, was allerdings aufgrund
des Umfangs dieser Arbeit nur ansatzweise gelingen kann. Dazu werde ich zuerst die Cha-
rakteristika des Mediums Internet vorstellen, die meiner Meinung nach für das Thema
relevant sind und dann skizzieren, wie eine europäische Öffentlichkeit aussehen könnte.
Danach werde ich versuchen, diese zwei Bereiche zusammenführen und die eingangs ge-
stellte Frage zu beantworten. Zum Schluss werde ich noch kurz die offizielle Website der
EU darauf hin analysieren, ob sie dazu beitragen könnte, eine europäsche Öffentlichkeit
zu begünstigen.

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2 Charakteristika des Internets

Auf den ersten Blick scheint das Internet aufgrund seiner Eigenschaften prädestiniert zu
sein für die Bildung einer europäischen Öffentlichkeit.

• Das Internet ist nicht an staatliche Grenzen oder Netze gebunden.

• Es erleichtert den Prozess der Informationsfindung.

• Es ermöglicht Rückmeldungen und andere bidirektionale Kommunikationsformen.


Damit ist die Möglichkeit zu einem Diskurs gegeben.

• Das Internet ist relativ unstrukturiert und unterliegt kaum staatlicher Kontrolle
und Regulierung.

• Die Informationen zu einem Thema können vielfältiger sein, als in der Presse oder
dem Rundfunk. Sie stammen nicht aus einer zentralen Quelle, die eine Vorselektion
betreibt. Da es relativ einfach ist, auf dem Internet zu publizieren finden sich auch
Gegenstimmen, die in der Presse keinen Eingang finden. Was publiziert wird ist
grundsätzlich frei abrufbar.

• Das Internet besteht aus mehreren Arten von Diensten, die verschiedene Kommu-
nikationsstrukturen bieten: one-to-one, one-to-many, many-to-one, many-to-many.
Gewisse Dienste, wie zum Beispiel Chats, finden in Echtzeit statt, die Meisten sind
aber zeitunabhängig (E-Mail, Webseiten, News, Diskussionsforen, etc.)

• Das Internet vereinigt verschiedene Medienformate. Inhalte können in Ton, Bild


und Text frei kombiniert vermittelt werden. Durch Hyperlinks können Inhalte ver-
knüpft werden, die sonst isoliert dastehen würden.

Grundsätzlich scheinen also alle Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende multi-


direktionale Kommunikation gegeben zu sein, die zur Entstehung einer europäischen

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2 Charakteristika des Internets

Öffentlichkeit notwendig ist. Ob diese Merkmale aber dazu ausreichen, dass sich eine
Öffentlichkeit bildet, werde ich im folgenden Kapitel diskutieren.

Das Internet hat aber auch einige Charakteristika, die sich auf die Entstehung von
Öffentlichkeit negativ auswirken könnten.

• Die Informationsdichte ist im Internet enorm hoch. Um damit umzugehen ist die
Fähigkeit gefragt, selektionieren zu können, sowie ein gewisses Wissen im Umgang
mit Suchstrategien. Mitunter drohen relevante Informationen gar im digitalen In-
formationsmüll unter zu gehen.

• Das Internet ist noch weit weniger verbreitet als TV oder Radio. Auch haben weit
weniger Personen Zugang dazu. Laut Statistik (Eurostat 2004) benutzen etwa die
Hälfte aller Einzelpersonen in der EU das Internet. Diese sind aber ungleichmässig
über die Bevölkerung verteilt. Männer nutzen es mehr als Frauen, gut gebilde-
te mehr als schlecht gebildete und junge mehr als alte. Das heisst, das eine In-
ternetöffentlichkeit vornehmlich ein gewisses Bevölkerungssegment repräsentieren
würde.

• Die Hürden zur Nutzung des Internets sind ziemlich hoch. Es verlangt zunächst
eine finanzielle Investition in einen Computer und den Netzzugang. Damit werden
finanziell schwache Bevölkerungsschichten schon mal benachteiligt. Zudem ist ein
gewisses Grundwissen im Umgang mit Computertechnologie gefragt.

• Das Internet ist ein Pull-Medium und verlangt daher vom Nutzer eine höhere
Aktivität, indem er sich seine Informationen selbst suchen muss. Dies kann dann
ein Nachteil sein, wenn die Zeit knapp ist oder die Kompetenzen im Umgang mit
der Informationssuche nicht vorhanden oder ungenügend sind.

• Im Internet fehlt im Prinzip die Gatekeeperfunktion, welche von Presse und Rund-
funk ausgeübt werden. Allerdings geraten die Suchmaschinen in Gefahr, ungewollt
zu Gatekeepern zu werden. Sie bestimmen weitgehend, welche Informationen ge-
funden werden können und bewerten diese gewissermassen durch die Reihenfolge
der Suchresultate. Durch die hohe Wachstumsgeschwindigkeit des Internets sind
diese Resultate allerdings niemals komplett und oft schon veraltet.

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3 Was ist europäische Öffentlichkeit?

Bevor ich versuche das Internet in Bezug auf seine Eignung zur Herstellung einer eu-
ropäischen Öffentlichkeit zu untersuchen, will ich kurz auf die Frage eingehen, ob eine
europäische Öffentlichkeit überhaupt denkbar ist und wenn ja, in welcher Form. Dazu
werde ich kurz verschiedene Ansätze vorstellen und kommentieren. In einem sind sich
die Wissenschaftler einig: Eine funktionierende europäische Öffentlichkeit gibt es noch
nicht, sie ist aber langsam in der Entstehung begriffen. Darüber, wie dieser Prozess in
Gang kommen könnte, gibt es allerdings verschiedene Meinungen.

Zuerst mal zu einer Definition, was unter einer europäischen Öffentlichkeit überhaupt
zu verstehen ist. Neidhardt, Koopmanns und Pfetsch definieren dieses Konzept folgen-
dermassen:

Eine “europäische Öffentlichkeit” setzt eine transnationale Zusammenset-


zung sowohl der Öffentlichkeitsarenen, also der Sprecher- und Medienen-
sembles, als auch der Galerien, also des Publikums voraus. Akteure mehre-
rer europäischer Nationen sind Teil eines Kommunikationskontextes (Neid-
hardt/Koopmans/Pfetsch 2000, 264).

Sie bezeichnen diese Art einer umfassenden europäischen Öffentlichkeit als sehr vor-
aussetzungsvoll und daher wenig wahrscheinlich. Auch Beierwaltes hält eine einheitli-
che europäische Öffentlichkeit für kaum möglich. Sprachliche und strukturelle Gründe
sprächen dagegen (Beierwaltes 2000). Für wesentlich vielversprechender halten alle Au-
toren den Ansatz der Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten mit Netzwerkcharak-
ter. Wessler meint, dass es europäische Öffentlichkeit nur im plural gibt . Sie sei heute
ein “Netzwerk sich überlappender nationaler Öffentlichkeiten”. Zwischen diesen ent-
stehe ein “Netzwerk von Bezügen” durch ”gemeinsame supranationale Bezugspunkte
(...) (europäische Themen, Akteure und Ereignisse)” sowie ”die gegenseitige Beobach-
tung” (Wessler 2004, 23). Auch Beierwaltes schliesst sich dieser Meinung an und bemerkt,

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3 Was ist europäische Öffentlichkeit?

dass schon bestehende transnationale Teilöffentlichkeiten in den Bereichen der Politik,


Wissenschaft und Kultur als Basis für ein Netzwerk europäischer öffentlicher Kommuni-
kation dienen könnten (Beierwaltes 2000). Neidhardt, Koopmanns und Pfetsch verstehen
darunter die “Einführung einer wachsenden Menge europäischer Politikthemen und Poli-
tikakteure” (Neidhardt/Koopmans/Pfetsch 2000, 264) in die Meinungsbildungsprozesse
nationaler Kommunikationsforen .

Weiter stellt sich die Frage, welche Prozesse zur Europäisierung dieser nationalen Öffent-
lichkeiten führen können. Wessler sieht die Formierung europäischer Öffentlichkeit als
ein Prozess. Sie könne sich an bestimmten Ereignissen kristallisieren, am leichtesten
an Konflikten für die es noch keine Bearbeitungsroutinen gibt. Als Beispiel führt er
den Kommissionsskandal von 1999 an, der das Interesse der EU Bürger am Thema
EU wesentlich erhöht hatte (Wessler 2004). Für Beierwaltes wäre eine “Strategie der
Relevanz” europäischer Themen für die Bürger der EU vonnöten. Erst das Interesse
an Angelegenheiten der EU kann zur Konstitution einer europäischen Öffentlichkeit
führen (Beierwaltes 2000). Kleinsteuber sucht die Ursache im ”Desinteresse der domi-
nierenden privat-kommerziellen Medienlandschaft” (Kleinsteuber 2004, 42) sowie im in-
aktiven Verhalten der EU, die es bisher vorzog, die Europäer ”via Öffentlichkeitsarbeit
in top-down Manier” zu informieren. Bezüglich der Chancen, dass sich eine europäische
Öffentlichkeit herausbilden wird - sei es als umfassende Öffentlichkeit oder europäisierte
Nationalöffentlichkeiten - meinen Neidhardt, Koopmanns und Pfetsch folgendes:

Öffentlichkeit springt an und kommt in Fahrt, wenn und in dem Masse,


in dem Brüssel und Strassburg als ein politisches Zentrum wahrgenommen
werden, in welchem relevante politische Entscheidungen getroffen werden, die
für alle Bürger Europas Bedeutung haben (Neidhardt/Koopmans/Pfetsch
2000, 88).

Kleinsteuber verweist auf die Geschichte und den mühsamen Entstehungsprozess natio-
naler Öffentlichkeiten, die sich nur formieren konnten, ”weil sich genug politische Dyna-
mik aufgestaut hatte, die sich aus der Unzufriedenheit an den gegebenen Verhältnissen
speiste (Kleinsteuber 2004, 42)”.

Aus diesen Meinungen kristallisieren sich zwei Hauptpunkte heraus:

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3 Was ist europäische Öffentlichkeit?

1. Europäische Öffentlichkeit ist vor allem als Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten


denkbar. Das heisst, dass in nationalen Kommunikationskanälen vermehrt über eu-
ropäische Themen diskutiert wird.

2. Um den Prozess der Entstehung europäischer Öffentlichkeit in Gang zu setzen,


braucht es vor allem eine Erhöhung des Interesses der Bevölkerung an europäischen
Themen. Hier sind sowohl die Medien, wie auch die Politik gefragt.

Im folgenden Kapitel werde ich versuchen aufzuzeigen, ob und wie das Internet diese
beiden Prozesse unterstützen kann.

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4 Europäische Öffentlichkeit und Internet

An dieser Stelle will ich nun versuchen, die Eingangs gestellte Frage zu beantworten: Eig-
net sich das Medium Internet zur Konstitution einer europäischen Öffentlichkeit? Dazu
werde ich die zwei im vorherigen Kapitel erwähnten Punkte zur Charakterisierung einer
europäischen Öffentlichkeit in Zusammenhang mit den Charakteristiken des Internets
setzen.

4.1 Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten

Hier stellt sich die Frage, inwiefern das Internet den Prozess der Europäisierung natio-
naler Öffentlichkeiten unterstützen kann. Da das Internet nicht an staatliche Grenzen
oder Distributionsnetze gebunden ist, sind die online publizierten Informationen überall
abrufbar. Der Bürger, der sich über europäische Themen informieren will, findet also
relativ problemlos das Gewünschte, vorausgesetzt, dass es jemand publiziert hat. Das
bedingt allerdings, dass diese Themen überhaupt von Interesse sind und aktiv danach
gesucht wird.

Ein immer wieder erwähntes Hindernis zur Entstehung europäischer Öffentlichkeit ist
die Sprachenvielfalt. Radio- und Fernsehsender senden ihre Programme im Allgemei-
nen in nur einer, allenfalls zwei, Sprachen. Im Internet hingegen besteht das Potential,
die gleichen Inhalte gleichzeitig in vielen verschiedenen Sprachen zu vermitteln. Mit
der Verbesserung von Übersetzungssoftware ist es sogar denkbar, dass in Zukunft diese
Übersetzungen automatisch in guter Qualität gemacht werden können, was den Aufwand
wiederum reduziert.

Während supranationale Radio- und TV Programme noch an Sprachbarrieren und kultu-


rellen Rezeptionsgewohnheiten scheitern mögen, ist das im Internet weniger ein Problem.

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4 Europäische Öffentlichkeit und Internet

Die zeitliche und räumliche Dimension der Informationsübermittlung fällt weitgehend


weg (Ausnahme: Dienste, die in Echtzeit funktionieren, wie zum Beispiel Chat). Informa-
tion ist zu jeder Zeit von jedem mit dem Netz verbundenen Computer aus abrufbar. Da
die Möglichkeit besteht, Informationen in mehreren Sprachen zu präsentieren, kann auch
auf kulturelle Besonderheiten eingegangen werden, falls dies nötig ist. Im Allgemeinen
ist aber die Gestaltung von Webdiensten relativ kulturunabhänging.

Im Internet besteht das Potential zu einer Vernetzung europäischer Themen, die so in


anderen Medien nicht denkbar ist. Durch die Hyperlinks können neue Zusammenhänge
zwischen verschiedenen Themen gemacht werden. Dies ermöglicht dem Informations-
suchenden auf Inhalte zu stossen, die er sonst nicht gefunden hätte. Wenn man das
auf die schon früher erwähnte Bemerkung bezieht, dass die Europäisierung nationaler
Öffentlichkeiten durch “Einführung einer wachsenden Menge europäischer Politikthemen
und Politikakteure” (Neidhardt/Koopmans/Pfetsch 2000, 264) geschehe, sieht man, dass
es einfach sein kann, durch Verlinkung neue Themen in bestehende Kontexte und Kom-
munikationsforen einzuführen.

Das Internet hat also das Potential, viele der Hindernisse, die anderen Medien im supra-
nationalen Kontext im Wege stehen, zu umschiffen. Die Verbindung zwischen verschiede-
nen online schon vorhandenen nationalen Kommunikationsforen gestaltet sich technisch
einfach. Ob diese Möglichkeiten aber auch genutzt werden, hängt dann von der Initiative
der verschiedenen Akteure ab.

4.2 Erhöhung der Relevanz europäischer Themen

Die Relevanz europäischer Themen mit Hilfe des Internets zu erhöhen, ist nicht ganz
einfach aber nicht unmöglich. Das Internet zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass
sich jeder seine Informationen zusammensucht und sie nicht wie in anderen Medien
fixfertig serviert bekommt. Das heisst, dass im Internet neue Strategien notwendig sind,
um an die Leute zu gelangen. Auch im Internet ist eine aktive Beteiligung politischer
und medialer Akteure notwendig. Diese müssen ihre Inhalte so gestalten, dass sie an
Relevanz gewinnen und ein gewisses “Marketing” in eigener Sache betreiben. Politische
Akteure haben viel Freiheit, um sich im Internet vorzustellen. Zudem können sie dem

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4 Europäische Öffentlichkeit und Internet

Bürger eine bequeme Möglichkeit zu Feedback und Dialog geben, etwa per E-Mail, in
Diskussionsforen oder sogar durch Chats mit Politikern. Sie können auch versuchen,
durch verschiedene Massnahmen ihre Präsenz und diejenige ihrer Themen zu erhöhen.
Dazu eignen sich zum Beispiel Portalseiten. Es handelt sich dabei um Einsteigsseiten ins
Internet, die dem User im allgemeinen News, eine kurze Zusammenfassung über aktuelle
Themen sowie den Zugang zu weiteren Diensten liefern. Eine weitere Strategie wäre, von
so vielen Seiten wie möglich verlinkt zu werden.

Ob das Internet wirklich das ideale Medium dazu ist, das Interesse an europäischen The-
men flächendeckend zu erhöhen, wage ich zu bezweifeln. Sobald das Interesse aber mal
da ist, ist es für Interessierte sicher ein geeignetes Medium, um sich weiter zu informieren
und den Kontakt zu Institutionen, Parteien oder anderen Interessierten aufzunehmen.

4.3 Rolle der EU in der Öffentlichkeitsbildung im Internet

Am Anfang stellte ich die Frage, ob die EU auch im Internet regulierend eingreifen
sollte, um die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit zu fördern. Darauf und auf
die aktuelle Präsenz der EU im Internet will ich nun noch kurz eingehen.

Im Internet regulierend einzugreifen ist schon von der Architektur des Netzes her schwie-
rig. Die Dezentralität bedeutet, dass selbst von gewissen Ländern (oder Länderbünden)
in Kraft gesetzte Kontrollmechanismen durch einfaches Ausweichen in ein anderes Ge-
biet unbrauchbar gemacht werden können. Also müsste die EU anderswo eingreifen. Zum
Beispiel beim Netzzugang und der Infrastruktur. Das Programm eEurope hat gerade dies
zum Ziel. Es beinhaltet unter anderem die Steuerung des Telekommunikationsmarkts in
Richtung tiefere Kosten für den Internetzugang, flächendeckende Einführung von Breit-
band Zugängen, Interoperabilität, interaktive öffentliche Dienste und öffentliche Inter-
netzugänge. Die Regulierungen betreffen also die Infrastruktur und nicht das Medium
selbst, gehen aber meiner Meinung nach in die richtige Richtung. Eine weite Verbreitung
der Internet-Nutzung in allen Bevölkerungsschichten würde die Chancen dafür wieder
erhöhen, dass im Internet eine europäische politische Öffentlichkeit entstehen kann, in
der auch die Zivilgesellschaft repräsentiert ist. Im Prinzip kann die EU nur die Umge-
bung, den Kommunikationsraum und seine Infrastruktur, bereitstellen in der sich eine

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4 Europäische Öffentlichkeit und Internet

Öffentlichkeit konstituieren kann, sofern die Anreize dazu da sind. Natürlich kann die
EU auch versuchen, solche Anreize zu setzen.

Nun zur Frage, wie die EU das Medium Internet bisher nutzt, um ihre Präsenz und
die Relevanz ihrer Themen zu erhöhen. Dazu eine kurze Zusammenfassung der offiziel-
len Website der EU http://europa.eu.int. Zunächst mal fällt auf, dass die Site in allen
21 offiziellen Sprachen der EU verfügbar ist. Natürlich bietet die Site eine Fülle von
Informationen über die EU, ihre Institutionen und Tätigkeitsbereiche, EU Recht und
bietet eine vielzahl von Dokumenten und Statistiken zum Download an. Ganz besonders
interessiert mich aber hier der Punkt Dialog mit Europa, da hier die Möglichkeit zur
gegenseitigen Kommunikation gegeben wird. Geboten werden folgende Möglichkeiten:
Teilnahme an Debatten, Chats, Diskussionsforen und Konsultationen zu vorgegebenen
Themen. Dazu kommt unter dem etwas irreführenden Titel “Ihre direkte Verbindung”
ein Hilfedienst für das Internetangebot. Es existiert auch die Möglichkeit, Abgeordnete
des Parlaments zu kontaktieren, die Adresse eines EU-Informationszentrums zu suchen
oder über den Link zum EU-Bürgerbeauftragten eine Beschwerde gegen ein Organ oder
eine Institution der EU einzureichen. Die Website der EU ist eine wahre Fundgrube für
diejenigen, die nach bestimmten Informationen oder Dokumenten suchen. Leider kommt
sie in der Präsentation etwas gar dürftig daher. Die Möglichkeiten zu Mitsprache und
Feedback scheinen im ersten Moment ziemlich umfassend zu sein, werden aber leider
nicht sehr gut genutzt. So sind zum Beispiel die Diskussionen zur EU-Verfassung nach
Land geordnet und sollen vom jeweiligen Abgeordneten mit seinen Bürgern geführt wer-
den, was meiner Meinung nach wieder ein falsches Signal setzt, was die supranationale
Kommunikation in Europa angeht. Die Diskussionsforen bieten einen tristen Anblick -
sie sind leer. Es reicht also nicht, die Möglichkeit zur aktiven Mitsprache zu geben, man
muss auch Anstösse geben, diese zu nutzen.

Interessanter scheinen hier private Initiativen, zum Beispiel http://www.europa-digital.de.


Sie kommt in Inhalt und Präsentation wesentlich spritziger daher. Auch hier werden In-
formationen zur EU, Chats mit deutschen Politikern, Umfragen und Meinungen geboten.
Dazu kommen Kommentare zum aktuellen Geschehen in der EU sowie interessanterweise
Rezensionen von Websites zur EU. Diese Site hat sicher eher das Potential, deutschspra-
chige EU-Bürger mehr für die EU zu interessieren.

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5 Schlussbetrachtung

Die Frage, ob das Internet zur Bildung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen kann,
ist nicht abschliessend zu beantworten, so wenig wie die Frage, ob es eine europäische
Öffentlichkeit überhaupt gibt oder geben wird. Im Gegensatz zu anderen Medien erge-
ben sich durch das Internet aufgrund seiner Charakteristiken aber neue Chancen und
Möglichkeiten. Sprachliche, kulturelle und politische Unterschiede spielen eine weniger
Grosse Rolle in einem Medium, das keine nationalen Grenzen kennt. Durch seine De-
zentrale Architektur ist das Internet relativ unreguliert, das heisst, dass es nicht zuerst
von einem nationalen in einen supranationalen Kontext überführt werden muss.
Der Kommunikationsraum Internet bietet vielfältige Möglichkeiten zur Interaktion zwi-
schen verschiedenen Teilöffentlichkeiten, zwischen Bürgern und Institutionen, auch über
die Grenzen hinweg. Trotzdem wird sich durch die Nutzung des Internets nicht auto-
matisch eine europäische Öffentlichkeit bilden. Dazu sind gewisse Anreize notwendig,
welche das Interesse für europäische Themen und die Diskussion darüber wecken. Not-
wendig ist auch ein sinnvoller Umgang mit der Technologie. Gerade die Internetpräsenz
der EU zeigt, dass hier noch längst nicht das ganze Potential ausgenutzt wird. Sie ist
zwar sehr informativ, aber eher unattraktiv in der Präsentation und zum Teil undurch-
sichtig strukturiert, wodurch sie auch nicht die Aufmerksamkeit erhält, die sie eigentlich
haben sollte.

Das Internet ist sicher nicht die Lösung aller Probleme, welche die Entstehung eu-
ropäischer Öffentlichkeit erschweren. Es hat aber das Potential dazu, mit Unterstützung
anderer Medien und politischen sowie infrastrukturellen Massnahmen zu seiner flächen-
deckenden Verbreitung eine wichtige Rolle im Prozess der Öffentlichkeitsbildung zu spie-
len.

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Literaturverzeichnis

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und seine Bedeutung für die Demokratie in Europa, Baden-Baden

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Literaturverzeichnis

ropäische Union und mediale Öffentlichkeit. Theoretische Perspektiven und Befunde


zur Rolle der Medien im europäischen Einigungsprozess, Köln, S. 13-28

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